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Full text of "Die Woche, V. 4.1902, Hefte 27 39"

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DI&WOCHCS* 


nummer 27. 


Berlin, den 5. 3uII 1902. 




4. Jahrgang. 


Inhalt der Ilummer 27. 


Die Heben (tage bet IPodje ... 1227 

Umfcbcut... . 1227 

Die Kieler XDod?e. (228 

liniere Bilber. 1229 

Uns Sud) ber £Dod?e.(231 

grauen d?ronif. 1231 

Pie (toten ber IDod?e. 1231 

21uf bem (tobesaefer oon IHartinique II.. 1232 

Der ITlammurfunb in Sibirien.1254 

Bilber vom (tage. (Ptjotograptjifdje Kufnabmen).1235 

Die Beivobnbarfeit ber ßintmelsförper. Kftronomifcbe piauberei oon 

Dt. m.' Wilhelm meYcr II.1243 

Die ZDabonna mit ben roten Haaren. Bördle pon (tarl Bulcfe .... 1246 

3nt Sommer, ©ebidjt pon Karl Danfdon».. . 1249 

©eftrofultur. piauberei pon ^riß Bernbarb.1250 

Kmerican <$5irls (IHit 7 Kbbilbungen).-1251 

OTifroffopifdje Photographien. Don lU. Danfler. (Mlit 6 2lbbilbungen) . 1254 

3ungfer Ciebepoll. HopeÜctte pon <ß. pon Beaulieu.1256 

Sommerftfd?erei. piauberei pon Sfororomtef. (ITlit 7 Kbbilbungen) 1258 

Blifeqefabr ffir Cuftbaüons. (ITlit 2 2lbbilbungen).1262 

Dollsbelufligungen. I ITlit 10 Ubbilbungen).1264 

3nt Herrenhaus pon Cucfmüblen. Koman pon ITlaric Diers. (^ortfcljung) 1267 

Was bie 2lerjte fagen . ..1271 

Bilber aus aller Welt. (pt}otograpt?ifd?e 2lufnal?men).1272 


JdT 

flau abonniert auf die „(Boche": 

itt Berlin unb Dororten bei berfyiupterpebition 37/41, forme bei ben 

Filialen bes „Berliner fofaUIlnjeigers" unb in fämtl. Budhbanblungen, im 
Drntfd 7 enBeid?bei allen Budhbanblungen ober Poflanflalten (^eitungs-preislifle 
Br. 8221); unb ben ©efdjäftsflellen ber „Wod?e": Bonn a. Rh., Kölner. 29; 
Bremen, ©bemfrr. 29; Breslau, Sdjiretbnitjerfh:. €tfe Karlfir. 1; CalTcl, 
®bere Köniqflr. 27; Chemnitz, Innere 3obanntsftr. 6; Dresden, Secfhr. 1; 
Dürfeldorf, Sdjabotpftr. 69; 61berfeld, Htqogßrafie 38; 6 (Ten a. Rh., 
iinxbecferplag 8; ^ranhfurt a. fl., geil 63; 6örlltz, £uifrnfh;. (6; Balle 
a. 8 ., OTittelftr. 9, <£de Sdjulftr.; Baniburg, BruerwaU 60; Bannover, 
©eorgfirafce 39; Karlsruhe, Kaiferflr. 34; Kattowltz, pofiffr. 12; Kiel, 
Holftenftrafce 6; Köln a. Rh., Hobetfra&e 145; Königsberg I. pr., 
Kneiptjflffdie £anggaffe 55; Hclpzlg, petcrsftrafce 19; Magdeburg, 
Breiterocg 184; Lunchen, Kauftngerftrafce 25 (Domfreibeit); Bömberg, 
£oren 3 erftrafee 30; Stettin, Breihetfrafie 45; Stuttgart, KönigjTrajje U; 
Wiesbaden, Kirdjgaffe 26; Zürich, Bennmeg 48. 

7eder unbefugte B*cbdrudt aus die Ter Zeltfcbrlft 
wird ftrafrcchtlldi verfolgt. 



Die sieben Cage der Woche. 

26. 3uni. 

Kus Venezuela Pommt bie Uachricht, bap fief? ber V^e* 
präpbent Kyala mit ©feieren unb Solbaten ben Kuf« 

pänbifchen ergeben hat. 

Der Kaifer macht burefj flaggenpgnale ber Jlotte be* 
fannt, bap er ben König Cbuarb oon Cnglanb ä la suite 
ber beutfdjen IHarine geteilt hat. 

27. 3unl. 

IVte ans Krefelb gemeibet wirb, befcf^Iog bie bortige 
Stabtoerorbnetenoerfammlung in geheimer Siftung bie Kuf- 
nähme einer Anleihe oon oier IHtllioueu UTarP, um Cerrains 
3U einem Crerjierplatj unb Kaferneinents für bas fjufaren* 
regiment 311 erwerben, bas nach ber Knfünbigung bes Kai(ers 
oon Düffelöorf nach Krefelb oerlegt werben foU. 

28. üunl. 

Der Vertrag über bie Verlängerung bes Bünbnipes bes 
Deutfcfyen Beides mit ©efterrei<h*Ungarn unb 3 i a ^ ert mirb 
oom Beidjsfansler (Srafen Bülow unb ben Botfd^afteru 
pon S3Ögyeny unb (Sraf £an3a unter3eid)net. Der Dreibimb 
ip banad? in unueränberter ^orm erneuert morben. 


Die £eibär3te bes Königs oon (Englanb erflären, ba§ pe 
ben Patienten für außerhalb unmittelbarer (Sefat^r befinblidj 
galten. 

Prin3 Heinrich oon prengen reip aus ionbon nach Deutfeh* 
lanb ab. ^ 

Der Khebioe oon Kegypten trifft in Konpantinopel ein 
unb rnirb 00m Sultan empfangen. 

Der König oon Schweben beruft, nachbem bas IHinifteriuin 
©tfer feine (Entladung gegeben Ijat ben ehemaligen Premier* 
miniPer £epröm an bie Spitje ber Kegierutig. 

29. üunl. 

tDte aus Buenos Kires gemeibet wirb, h^I ^ er Senat 
bie mit Chile abgefchloffcnen Verträge genehmigt. 

Die Schiffe ber ha’itifchen Hegierung befdjiepen ohne oor* 
herige DTelbmig an bie fremben Konfuln Kap fjaitien, ohne 
bie Kufpänbifchen 3U oertreiben. Der amerifanifche KonfuI 
erfucht feine Regierung um fofortige (Entfenbung eines Kriegs* 
fchiffs 3um Sdinö ber ameriPantfchen 3 n ^ ere ff en * 

30. 3unl. 

Der neunte 3 T| i eriiat ' 0,,a l c Sd>iffahrtsfongre§ wirb in 
Düflelborf burch ben Kronpri^en eröffnet. 

präpbent Hoofeoelt unterjeichnet bie Bill, betreffenb ben 
Bau bes 3 flf? mus ? atia I s - 

£aut ITTelbung aus Petersburg hat ber bortige italienifche 
Botfchafter ben rufpfd?en ZHiniper bes Keupern benachrichtigt, 
bap König ViPtor Cmanuel beabpehtige, ben garen noch im 
£auf bes Sommers 3U befuchen. 

1. 3uli. 

Der ruffifche (Ehtonfoiger trifft in Ccfernförbe ein. 

Kus IHünchen wirb gemeibet, bap KePtor unb Senat ber 
Unioerptät IVürjburg bie Hegierung um (Enthebung 0011 
ihren Hemtern gebeten haben, weil ihnen ber bayrifdje 
Kultusminiper Pürjlid? im £anbtag DTangel an ©bjePtioität 
bei Crlebigung einer perfonalangelegenheit oorgeworfen hätte, 

2. üuIK 

Der bayrifche Kultusminiper Dr. oon Sanbmann, gegen 
ben bie IVür3burger Unioerptät bemonftriert hat, reicht bem 
pri^regenten feine Cntlapnng ein, bie jeboch nicht an¬ 
genommen wirb. 


Umldiau. 

Das bebeutenbfte (Ereignis ber politifchen IVodie ip bie Cr* 
naterung bes Dretbunbes. Dap pe erfolgen würbe, ftanb nad? 
ben früher gefallenen Keuperungen bes HeichsPati3lers <8rafen 
Bülow, ber Öfterreichifchen, ungarifchen unb italienifchen 
UTinifter auper gweifel; trotjbem ruft es neue (ßenugthuung 
heroor, bap pe nun 3ur (Ehatfache geworben ift. erfreulich 
ift auch bie Ulitteiluug, bap bie Bünbnipe in ber alten form 
weiterbepehen werben. Die poption bes Deutfchen Heiches 
ip günftig, Ponnte hoch (Sraf Bülow im Heichstag erflären, 
bap ber Dreibunb für uns eine H.otwenbigPeit nicht bebeute. 
3P er trofebem wieber erneuert worben, fo ift bamit womöglich 
noch ePlatanter als früher bargethan, bap fein gweef ber 
Sd?u§ bes Jfriebens ift, wie er es immer war. Cs erfcheint 
baher einigermapeu beplajiert, wenn fran3Öpfche Stimmen 
pd? bahiu äupern, bap ber Dreibunb feinen Priegerifchen 
CharaPter oerloren habe. Cr Ponnte ifjn nicht oerlieren, 
weil er ihn nie befepen hat. Diefe Dinge liegen für jeben, 
ber fehen will, Plar 3U Cage. Die politifdje ^nterepen* 


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Seite *228. 


stummer 27. 


gemeinfcfyjft, ober genauer bas gemeinfame 3ntereffe an ber 
Erhaltung bes friebens hot bas Deutfdje Hei<h, bie öfter- 
retd?tfdj«nngarifdje IHonar<hie unb bas Königreich 3 ta lien 
3ufammengeführt unb hält fte jufammen. Deshalb hot aud? 
in bem Verhältnis ber brei IITächte 3U einanber, fo menig. 
mie ber Abfdjluß bes rufßfch-fra^ößfchen Nünbnißes, bie 
Annäherung Italiens an f ranFreidj ober bie IQiebererßarPung 
ber freunblichett 3e3iehungen 3mifchen Deutfchlanb unb Huß- 
lanb eine Aeitberung bemirFt. (Eine gemiße Eefatjr, baß 
Heibereien 3mifchen ihnen entftehen möchten, Fönnte eher 
noch in bem IViberßreit ber mirtfchaftlichen 3 nterefjen er* 
blirft merben; inbeßeit hot noch bie (Theorie bes dürften 
NismarcP Geltung, baß biefe mit ben politifchen Bejahungen 
ber mächte untereinanber nicht perquicPt merben bürfen. 
Nadfbem auch ber fübafriPantfche Krieg fein (Enbe gefunben 
hat, lägt ftch bamit bie internationale £age fo frieblich an, 
tpie man es nur roünfdjen Pann. 

jdT 

3 n Schmeben ijl 3iemlich plöfclich eine IHinißerPrißs aus« 
gebrochen. IHinißerpräßbent Freiherr non ®tPer hat, mäljrenb 
feine Kollegen bis 3ur Neubilbung bes Kabinetts bie Ee- 
fdjäfte noch meiter führen, bas <felb bereits geräumt, unb 
König ®sFar hat 5U feinem Nachfolger ben alten £eftröm 
beßellt. Der Erunb für ben Hücftritt ©tPers iß mohl in bem 
ifaH ber Stimmrechtsporlage mährenb ber lebten Heichstags* 
feffton 3U fuchen. XVie erinnerlich, hatte bie Negierung einen 

G —— 7= . 


IVahlreformentmurf eingebracht, ber non SojialbemoFraten 
unb DemoPraten mit einem rabiPalen Eegenantrag beant* 
mortet mürbe. Die IHehrheit lehnte beibe ab, unb beibe 
Kammern nahmen eine Nefulotion an, baß innerhalb pier 
3 ahren eine neue Vorlage auf breiterer Erunblage, als bas 
IHinifteriuin porgefetjen, bem Parlament unterbreitet merben 
möchte. Doch biefe Nieberlage in ber Vergangenheit hätte ben 
König pielleicht noch nicht peranlaßt, bie Entlaßung bes Kabi¬ 
netts anjunehmen, menn ihm nicht mit HücPßdjt auf bie guPunft 
ein IVechfel in ben leitenben Stellen angebracht erfchienen märe. 
Es honbelt ftch babei allerbings nicht fomohl um innerpolitifche 
fchtoebtfehe Angelegenheiten, als nielmehr um bie Stellung 
Schmebens 3U Normegen. Die nüdjße §eit bringt bie Kon* 
fulatsfrage mieber auf bie Eagesorbnung. £eßrÖm hat mäh* 
renb feiner erften ITTinifterpräfibentfchaft in ber erften Ijälfte 
ber neunjiger 3 a h fe ben Normegern gegenüber eine fetjr 
nerföhnliehe Haltung beobachtet unb baburch ftcherlich nie! 
ba3u beigetragen, fie nachgiebig 3U ftimmen. Die Normeger 
begnügten ftch bamals mit ber Entfernung bes Unions- 
ab3etchens aus ber normegifchen flagge unb pe^ichteten einß- 
meilen auf bie Errichtung eigener Konfulate, aber nur einft- 
meilen. Vielleicht gelingt es £eftröm jetjt, ba bie frage 
mieber aPtueü mirb, noch einmal, ein Kompromiß 3U ßanbe 
3a bringen; mo nicht, bürfte er aber bie nötige Energie he¬ 
figen, um für bie (Trennung ber Konfulate in Schmeben eine 
hinlängliche IHetjrheit 3U gewinnen. 


Die Kieler CQoche 


„Ameri Pani fch" iß, mie heute auf fo pielen Eebieten, auch 
ber (Trumpf ber biesjährigen „Kieler IVoche". Von ber bas 
größte 3 ntereffe beanfpruchenben großen SdjonerPlaße ftnb 
fünf pon acht pachten in AmeriPa gebaut, ben pielummorbenen 
Ehrenpreis bes Kaifers in ber internationalen SonberPlaffe 
holte ftch „Uncle Sam", bie ameriPanißhe „Virginia II" hat 
bei jebem Start ihren preis gemonnen, enblich liegt im 
Kieler fjafen eine Heihe ber größten unb fünften ameri* 
fanifchen Dampfjachten, allen poran bie prächtige „Nama" 
ber IHrs. Eoelet. 

Die englifche flagge iß gegen früher fehr in ben hinter* 
grunb getreten, mas natürlich in erfter £inie auf bie Krönungs- 
bispoßtionen ber englifchen 3 a <htbeßger jnrücPjnführen iß. 

Sehr gut pertreten iß biesmal DänemarP, 3um erßenmal 
mieber feit längerer Seit, ba bie leibige politiP bie ftets 
gernjefehenen SportPameraben mehrere 3 a h re von Kiel fern* 
hielt: es mögen roohl 3man3ig bänifche 3 od?ten in Kiel feitt, 
betten ßch ebenfopiele Schmeben unb Normeger 3ugefellen. 
Die norbtfdjen 3 o<hten ßnb in feetnännifcher Bejahung bie 
beßen, ihre frönen, Präftigen formen, bie ejaPte SauberPeit, 
mit ber ße pehalten merben müßen jebes Seemannsauge 
ent3Ücfen. Sobalb es einigermaßen meht, merben baher bie 
Norblänber immer bte erßen Preife mit Befdjlag belegen. 

Nicht fo glücflich mie im Vorjahr fchnitten bie fran3ofen 
ab, beren 3od?ten im übrigen einen guten EinbrucF machten. 

Das pon Deutfdjlanb geßellte 3 a <htmaterial, bas natur¬ 
gemäß bas Eros ber gan3en flotte ausmacht, mußte an 
gahl mie an (Qualität bie meiteftgehenben Anfprüche be¬ 
friedigen. Von beit 3mölf 3 achten ber großen Klaßeir A unb I 
ßnb 3ehn in beutfehem Beßtj. Die Hennen biefer herrlichen 
Schiffe 3U beobachten, mar für ben fachmann mie für ben 
£aien ein munberooller Eenuß. Anmefenbe AmeriPaner unb 
Englänber fprachen es rücPhaltlos aus, baß ße ein folches 
in jeber Bejießung erßPIafßges IHaterial noch nicht beifantmen* 
gefehen hätten. 3 n <£nglanb ßnb berartige Hennen überhaupt 
nur 3U ermöglichen, menn bie beutfehen Schoner hinübergehen. 
§u biefem §mecP hot ber Kaiferliche 3 ac ^?tflub in biefem 3 a h r 
eine Hegatta Ijelgolanb—Doper arrangiert, bie am \ 5 . 3 uli 
uttfere großen 3 ac hten hinüberführen foü. 

Aber auch in ben mittleren unb Pleinen Klaffen iß 
Deutfchlanb por3Üglich pertreten. Es liegt in ber Natur ber 


Sache, baß jeber Klub überhaupt nur bas beße, in ben 
heimifcheit Hegatten erprobte IHaterial nach Kiel an ben 
Start fehieft, bas nun hier miteinanber um bie Palme ringt. 

Außer ben an ben Hegatten teilnehmenben falp^eugen, 
bereu galjl ßch auf etma hunbert belaufen mag, liegen mohl 
noch ebenfopiele Vergnügungsfaf^euge in Kiel, bie ßch an 
ben IVettfahrten nicht beteiligen, fonbern ßch bamit begnügen 
müffen, ihren Nefifcern als IVohnung unb Begleitfdjiff bei 
ben Hegatten 3a bienen. Der trafen bietet benn auch mit 
biefer fülle pon Schiffen einen gan3 herrlichen AnblicP. 3 n 
ber ITTitte bes f ahrmaffers bie Neihe ber großen £intenfchtffe, 
ba3mifchen bie fchonen, alten Schulfdjiffe unb moberne, ßhlanPe 
Kreu3er, 3mifchen ben Kriegsfüßen unb bem £anb bann, 
über bie gan3e £änge bes Ufers perteilt, bie 3 ac htßotte. 

Es iß nodj immer nicht genügenb bePannt unb Pann baher 
nicht oft genug mieberholt merben, baß mir bie rapibe, Paum 
glaubliche EutmicPlung bes beutfehen Segelfports in erfter 
£inie ber glühenben pafßon bes Kaifers für biefen Sport 
unb feiner energißhen fjnitiatipe 3U perbanPen hoben. Einige 
gahleu mögen biefe EntmicPIung -iUußriereH: por 3mölf 
3ahren befaßen mir in Deutfchlanb etma hunbert pachten", 
unter biefen maren aber pielleicht nur 3manjig bis breißig, 
bie biefen Namen mirPIich perbienten, ber Heß maren alte, 
3um größten (Teil offene Segelboote, ^eute ßnb beim 
Deutfchen Seglerperbanb regiftriert: 6 70 pachten, barunter 
bas beße IHaterial bas es auf beiben I^emifphären giebt. 

Uufer Kaifer hot es perftanben, meite Kreife bes Hinnen- 
Ianbes, bie ror 3ehn 3 a hron mohl Paum mußten, mas man 
unter einer „ 3 oct?t" perfteht, für feinen Sport ju interefßeren. 
Er hot in Englanb unb AmeriPa auf ben leißungsfähigften 
IVerften fahr3euge erbauen laßen, um ben beutfehen Seglern 
po^uführen, n?ie eine erßPlafßge 3ad?t befchaffcn fein muß. 
Nach einigen 3ahren mürben biefe pachten burch neue erfe^t 
unb ber IHariue übermiefen, mo fte ber Ausbilbung pon 
3a,htmatrofen bienen, bamit in abfehbarer §eit bie Heßfter 
großer 3ochten ber NotmeubigPeit enthoben merbett, englifche 
ober ameriPanifche IHannfchaft auf ihren fah^eugen 3U holten, 
mas heute noch bei bem IHangel an h e *ntifchem IHaterial 
unerläßlich iß. 

3 n biefem 3 ahr foüte nun ber im lebten IVinter für 
ben Kaifer in AmeriPa neuerbaute Schoner „IHeteor" (Abb. 


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ttummcr 27. 


Seite 1229. 


S.' 1236 ) feine erfien Regatten fegeln*). £eiber litten Me 
erpen Regatten fehr unter URnbmangel, fo baß bas fcbwere 
Schiff, bas piel IDinb traben muß, nid?t recht in Schwung 
fornmen trollte. Kudj wollte es (deinen; baß bie in (Englanb 
perfertigten Segel fehlest ftanben. 

Km günßigften mar bte (Selegeuheit noch am Jreitag, 
bem 27 . 3 uni, wo eine mächtige Rorbweftbrife wehte, bte 
es ben großen 3 a <hten ermöglichte, ben Kurs pon breißig 
Seemeilen in fünf bis fecbs Siunben ab3ufege(n. Die wunber» 
frönen jfafy^euge, mit allen nur anbringbaren Segeln be- 
3acft, boten einen ganj herrlichen Knblicf, als pe bidjt bei 
einanber pdf an ber Startlinie 3ufainmenbrängten. Kn Borb 
bes „UTeteor" befanben pdj ber Kaifer unb bie Kaiferin, 
auf ber „ 3 buna" Prin3 Rbalbert. Die 3 a <hten ftarteten in 
ber Reihenfolge: UTeteor, Cicely (Cecil Quentin, (Englanb), 
£asca (ID. pon Brüning, UUesbaben), Clara (Komme^ienrat 
(Suilleaume, Köln), Rorbweft (3. £?egel, Kopenhagen), 3 & una 
( 3 . DT. bieKaiferin). (Es folgten bann in ber 3weiten Kb- 
teilung: Rapafjoe (Konful IDätjen, Bremen), Komet (Rbmiral 
pon KÖfter), Kommobore (Krupp, (Effen), Sufanne (Halb- 
fdjtnsky, Berlin) unb UTohamf, eine englifche 3 a ^/ üon 

Simon, Berlin, für bie Kieler Regatten gechartert. Rach 
pafperen ber Heulboje mußte nach bem 5 toller-(Srunb- 
UTarfboot gekremt werben, roo pd? bie Reihenfolge, wie 
folgt, peränbert hatte: ITTeteor mar auf beit brüten 
platj hinter Rapafjoe unb Cicely 3urückgefallen, bann folgte 
bicht barauf Clara, weiter 3urücf Komet, 3 & u na, £asca unb 
Kommobore. Raumfehrots ging es bann bem giel 31t. ITteteor 
entwickelte jeßt große Schnelligkeit, fo baß er balb Cicely 
überholte unb eine halbe Sdjiffslänge hinter Rapahoe bas 
giel pafperte. Das „Finish“ 3wif<hen biefen beiben pachten, 
ber Kampf um bie £up»Seite, bas im leßten ITtoment bicht 
porm giel mit unglaublicher Schnelligkeit auf bem ITTeteor 
ausgeführte Scßen bes großen Ballonfegels gehört 3U bem 
pacfenbften, was man auf Segelregatten fehen kann. Durch 
Dergütung — ITteteor ip erheblich größer als Cicely — fiel 
ber erfte preis an leßtere, ber 3weite an ITTeteor, wdhrenb 
„Rapahoe" überlegen über Komet ftegte. 3 n öen anbern 
Klaffen waren bie (ßewinner ber erfteu preife: Kommobore 
bes Iferrn Krupp, bie Rormegerin „ITTignon", ber Schwebe 
„(ßarm", „(Eh ea " bes Konful Dieberichfen, Kiel, „pölly", bes 
Kommer3ienrats Büjenftein, Berlin, ber Rorweger „Dalkyrjen", 
bie amerikanifche „Dirginia 11 ", „giu" bes Direktors UUrich, 
Berlin, „Kttüa", 3 - Bielenberg, Kiel, „Sufanne II" bes 
Herrn Bulbfchinsfy, Berlin, unb in ben kleinen Klaffen bie 
Hamburger: „Blifc VI" bes £)errn IDeftenbarp, „Haralö" bes 
Herrn Duncker unb „Donner" ber fferren IDeftenbarp unb 
ibeitjmann. 

Km Sonntag fegelten bie großen Klaffen 3um ^weiten* 
mal. ITTan ftartete um V'i\2 Uhr bei einer leichten Brife, 
bie leiber, als bie 3 a<hten bie offene See erreichten, ganj 
einfchlief. Die fah^euge lagen oft ftunbenlattg auf einem 
Jleck, ohne ftctj 3U rühren. So bauerte es elf bis 3wölf 
Stunben, bis bie großen Schoner bie breißig Seemeilen ab* 
gefegelt hatten, fo baß fie erft in ber Rächt rnieber in Kiel 
eintrafen. Die mittleren 3achten, bie auch bie große Bahn 
3U abfoloteren hatten, Pnb fogar erft 3um Ceil 3wifcheu 6 
unb 7 Uhr morgens wieber au ihre £iegepläße gekommen. Daß 
unter biefen Umftäitbeu bie erreichten Refultate gan3 un¬ 
maßgeblich waren, pielmehr nur pon (Slück uitb gufall ge* 
fchaffen waren, bürfte einleuchten. 

Ruch bie lüettfahrten ber internationalen Souberklaffen 
hatten unter IDinbmangel 3U leiben, fonft wäre bas Refultat 
wohl ein anberes gewefen. Km Donnerstag war ber IDinb 
aan3 flau; peben Stunben brauchten bie bebauernswerten 
Rührer ber 3 a <hten, um bie fechsehrt Seemeilen ab3iifegeln. 
3 n ben kleinen Booten bei ber glühenben Sonnetihigc, ohne 
bie IHöglichkeit, fleh mit (Setränken 31t rerproriantieren, 
mag ihnen bas fauer genug geworben fein. Der Kmerikaner 
„Uncle Sam" gewann mit *5 IHinuten gegen ben Berliner 
„IDannfee", wäbrenb bie Hamburger „Ciüy", bie (Englänberin 


•) Pergl. ben Krtifcl „Kieler JPo4?e" in numnier 26, S. U80 


„Cis", bie £übecker „Banfa" unb bie Kaiferjacht „Samoa* 
bie übrigen preife erhielten. 

Km Sonnabenb fanb bas 3weite Rennen ber Klaffe patt. 
(Es wehte leicht aus Rorbop, fo baß bie Bahn in 2V2 bis 
3 Stunben abfoloiert werben konnte. IDieber gewann „Uncle 
Sam", ber, wie auch am Donnerstag, pon einem ad^ehn- 
jährigen jungen Kmerikaner gan3 porjüglich gefegelt würbe. 
§ weiter würbe biesmal mit \5 Sekunben Kbftanb bie Ifam« 
burgerin „UTimofa", bahinter enbeten „Hanfa", „IDannfee", 
„Cis" unb „(Eilly", bie ben 3weiten bis fechpen preis er¬ 
hielten. Kufregenb war bas „Finish“. K1W3 por bem §iel 
gelingt es „Iltimofa", an „Uncle Sam", ber bis batpn ge¬ 
führt hatte, Porbei3ulaufen. Schon h^Ü man bie Ijamburgerin 
für bie pchere Siegerin, als eine günpige Brife ben „Uncle 
Sam" wieber porbringt, fo baß er mit kleinem Dorfprung 
bie giellinie paffiert. 

„Uncle Sam" ip ein ausgefprochener f lautenläufer: wäre 
etwas mehr IDinb gewefen, fo wäre es ihm ferner gefallen, 
3weimal 3U pegen. Durch ben hoppelten Sieg gewann er 
ben Beftimmungen gemäß ben Kaiferpreis enbgiltig. 

Das britte Rennen ber Sonberkiaffe fanb am UTontag 
ftatt, natürlidj ohne „Uncle Sam". Die Brife war leiblich, 
bie Bahn konnte in 3wei Stunben abgefegelt werben. Den 
erften Preis gewann „IDannfee" unter 0 tto Profcens h erüor * 
rageuber Rührung. Den 3weiten bie pom Kapitänleutnänt 
Pafchen por3Üglich bebieitte Kaiferjacht „Samoa", bie übrigen 
preife „I^anfa", „Charly", bie Berlinerin „£unula" unb 
„(Eilly". 

Km UTontag aber fanb bas fepeffen bes Kaifcrlichen 
Klubs in ben prächtigen Räumen bes Klubhaufes patt. Der 
Kaifer nahm, wie alljährlich/ an bem (Effen teil unb faß 
3wifchett bem (Sroßher3og pon Sachfen • IDeimar unb bem 
dürften ponDlonako,ber auf bem £inienfchiff „Kaifer IDilhelmTT" 
IDobnung genommen hat. Rachbem bie (Eafel aufgehoben 
war, begab pd? bie (Eifchgefellfchaft in ben (Sorten, wo ber 
Kaifer in lebhafter Unterhaltung noch 3wei Stunben per¬ 
brachte. Dabei würben piele ber anwefenben Segler, nament¬ 
lich mehrere Kmerikaner, ins (Sefprädj ge3ogen. 

Km Dienstag unb UTittwoch wirb nun nach (Ecfernförbe 
unb 3urück gefegelt, Donnerstag pubet nochmals Regatta in 
Kiel ftatt, unb am freitag tritt bie gan3e 3 fl (htp(>tte bie 
Reife nach (Eraoeinünbe an. 

Kiel, 30 . 3 uni 1902. c • • • 



£onbouer UTomentbilber (Kbb. S. 1239 unb 127 ^). 
Kus h^H^m 3 ubel ip bas englifche Dolk burch bie Krankheit 
feines Königs plöftlich in bie tieffte (Erauer perfekt worben. 
3 nsbefonbere in £oubon machte pch ber Umfchlag beut lieh be¬ 
merkbar. fjier gab es ja am meiften 3U flauen, h ier konnte 
man bie (Säße bes Königs begrüßen, bie Dertreter ber euro» 
päifchen Ulächte, wie ben <£r3her3og (franj Jerbinanb pon 
0 eftcrreich, ben Kronprin3en pon Schweben unb ben Prisen 
pon Kfturien, ober ejrotifdje (Säpe, wie Ras UTakonnen, 
ben Kbgefanbten bes Regus, ober ben UTaharajah t>on 3 eypur. 
Km näd?fteii (Eag aber hatte bie Ulenge, bie pdj perfammelte, 
atibrre, traurige Befchäftiguttg, pe panb ba unb las bie Be¬ 
richte über bie Krankheit bes Königs. 

Bb4 

Bei ber Kutomobilfahrt paris -IDien (Kbb. S. 123 7 ) 
bat bie glorious incertainity, pon ber fonp immer auf bem 
(Eurf mit Dorliebe gefprochen wirb, eine große Rolle ge* 
fpielt. Die (Eeiluehmer an ber Rennfahrt, bie beim park 
in Champigny fojufagen als Japoriten pom Publikum mit 
Beifall begrüßt würben, haben, weit entfernt, bie preife 3U 
erringen, nicht einmal alle bas giel erreicht. Da es biesmal 
mehr barauf autarn, bie IDiberpanbsfähigkeit unb Haltbarkeit 
ber IDagen auf fchwierigetn (Eerrain 3U erproben, als bie 
Kusbauer unb (Sewanbtheit ber Wahrer, burftert befekt gewor- 


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Seite |230. 


stummer 27. 


bene ITTafdjinentetle auf ber Jahrt nid?t ausgewecbfelt, Re¬ 
paraturen auf ben Radjtftationen nicht porgenommen werben. 
3 m 3 n tereße ber Sicherheit bes PubliPums waren bie IDege 
burdf bie Stäbte 3um größten (Teil neutraliflert, ebenfo wegen 
ber aÜ3ugro§en SdjwierigPeiten bie Strecfe über ben Arlberg. 
Daraus ergab fidj bie RotwenbigPeit, nicht nur für bie Pier 
großen (Etappen, fonbern innerhalb biefer wieber für niedrere 
Stretfen bie 3ur fahrt gebrauste Seit 3U berechnen, um 
nach ber bei ber Abbition flet? ergebenbeit Summe bie Preis¬ 
träger 3U beßimtnen. Da überbies noch gegen bie Quali- 
flPatiott mehrerer (Teilnehmer proteß eingelegt würbe, mußte 
erß bie 3 ur Y 3ufammentreten, fo baß bie ’feßßellung ber 
Sieger fd^Iteßlid^ erß mehrere Sage nach bem (Ende ber 
IDettfatjrt erfolgen Poitnte. Als erfter Sieger würbe fd?tießtid? 
DTarcel Renault erPlärt, ber tt^atfäd^tidj aud? als erßer am 
giel angelangt iß. 

Sport unb Kunß in (Turin (Abb. 5 . 1238 ). Bei bem 
3 nternationalen preisreiten in (Turin haben bie Deutfd?en nicht 
befonbers glütflidj abgefchnitten. 3 n & e ff en darf man ^ re 
ßungsfät|igfeit nicht nadj ber §ahl her preife, bie ße errangen, 
beurteilen, ba fie nicht an allen Koufurrei^en teilgenommen 
haben. Tjerporragenbe Qualitäten befuubeten ße im Schulreiten, 
worin ihnen allerbings bie öfterreidjifdj» nngarifd^en ©ffl3iere 
noch überlegen waren. Den €tyrenpreis bes Königs pon 3talien 
erhielt ber beutfdje Rittmeißer von fjotyng, während ßdj 
ben bes Deutfd^en Kaifers ber italienifdje Kapitän (Taprili 
holte. (Sroße (Erfolge haben im allgemeinen bie ©efterreidjer 
er3ielt, bie nach it^rer Rücffehr vom Kaifer franj 3 ofef in 
Kubien3 empfangen würben. gwifchen ben ©fß3ieren ber 
perfdjiebenen Rationen b*rrfdjte h^liche KameraOfd^aft; bie 
3 taliener bewiefen eine ( 5 aßfreunbf<haft, bie bie Seit ber 
fremden faß pöllig in Anfprud? nahm, fo baß piele pon 
ihnen nicht einmal bie Ausßellung für beForatioe Kunß be* 
flcfjtigen Fonnten, bie 3U befudjen in biefein 3 a ^ r piele 
eigens nach (Turin reifen. 

SO 

Düffelborf (Abb. S. *240 unb * 273 ) iß als Stabt ber 
Ausßellung in biefem 3 a f? r and} fo recht bie Stabt ber Kon¬ 
greße. (Einer ber bebeutfamßen, bie in ber leßten S*it bort 
abgehalten würben, war ber für Krbeiteroerßdjerung, ein 
(Sebiet ß>3ialer ^tjatigfeit, auf bem bas Deutfche Reich allen 
andern Ländern poraus iß. Ungewöhnliches 3 n tereßi nahm 
auch ber bes Dereins beutfeher 3 tl 9euieure in Anfprud}, beßen 
gefeüige Deranßaltungen in einem IHahl mit einem f eßfpiel 
gipfelten, bas in (form eines Märchens 3eigt, wie ein junger 
Mann nach Sturm unb Drang 3U einem tüchtigen 3 n 9 cn * eu r 
heranreift. €r 3ieht h* naus ins ^eben mit leidstem Sinn, 
bie Bruft gefchwellt poii IDünfcheu, deren (Erfüllung ihm bas 
f)öchße erfcheint, aber mählich erteunt er, baß es Roheres 
giebt, erPenut por allem bie IDürbe unb Roheit ber Arbeit. 
So fehrt er nicht erß als (Sreis ßiH a if gerettetem Boot in 
ben trafen, fonbern als thatfräftiger Mann, ber fein (Slücf 
im Schaßen unb tu einer friedlichen tjäuslichPeit ßnbet. Das 
feßfpiel, bas pon (Eduard Darlen oerfaßt iß, würbe por3üglich 
bargeßcllt unb fanb mit feinen in großer gaßl eingefloebtenen 
anmutigen (Tän3en ben lebhafteßen Beifall ber animierten 
feßperfammlung. 

(friebridj Kaulbach (Abb. S. *24*)- ber Senior ber 
berühmten Malerfaintlie, gleich feinem ©heim TDilhelm von 
Kaulbach in Aroifen geboren, feierte in f^annoper feinen 
acht3igßen (Seburtstag. Das (Slücf war ihm holb, er hat 
Ruhm unb (Ehren geerntet, unb frau unb Kiuber perfd)önen 
ihm bie Ruhe bes Alters. Mit Stol3 Pann er auf feinen 
Sohn friebridj Auguft pou Kaulbach bliefen, ber fich gleich 
ihm im Reidj ber Kunß einen ber erften plätje erPämpft hat. 

Pyrmouter (TfchaiPowsPyfeier (Abb. S. *239). 3 n 
bem Bab Pyrmont, wo im porigen 3 af?r bas forgingfeft 
abgehalten würbe, fanb in biefem Sommer ein (TfchaiPowsPy- 
feft ßatt, bei bem bie bebeutenbften Kompofitionen bes ruffl- 
feben Meifters pon ausge3eichneten Künßlern 3ur Aufführung 


gebracht würben. Seiber war infolge fd>machen Befuchs ber 
€rtrag,ber in benSoröingbenfmalfonbs fließen follte, nur gering. 

Allerlei aus ber Sdjwei3 (Abb. S. *240). 3 n 
laufanne iß jüngft ein Deitfmal bes fchwe^erifchen Rational- 
helben IDilhelm Cell enthüllt worben. Das pon bem parifer 
Bildhauer Antoine UTercie angefertigte UTonument würbe 
ron bem fran3Öflf<hen Baitfier Daniel ©ßris ber Stabt ge- 
fchenPt 3Uin DartP für bie Aufnahme, bie * 87 * Bourbafi 
bafelbß gefunden hat. — (Ein €rinnerungs3eichen in Pleincrem 
ITTaßßab haben bie Schwerer bem beutfehen Dieter DiPtor 
pon Sdjeßel in IDalbPirchli errichtet, eine (Sebenftafel. — 
3 n bem herrlich gelegenen Kurort Dapos, wo fonß Seibenbe 
Crholung unb (Scitefung fuchen, war Ieftthin Stellbichein 
ber fehneu- unb musPelßarfen ATänner: auf bem oft- 
fchwe^erifchen (Turnfeft 3eigten bie (Eibgenoßen, baß ße 
ebenfo gute (Turner wie Schüßen ßnb. 

Das Berliner Seben (Abb. S. *272 u. * 274 ) bietet auch 
im Sommer mannigfache Abwechslung. Dereine peraußalten 
Sonnwenbfefte unb ihrem Beifpiel folgt bas neuße Kabarett, 
bas ßch ben perlocfenben Ramen „ 3 m ßebenten fjimmel" 
beigelegt hat. Die Kunft feiert in ber Bauptftabt überhaupt 
nicht mehr; Paum ein Cag pergeht, ohne baß Reues 3U be¬ 
richten wäre. Da halt fleh bas Königliche Schaufpielhaus in 
T)errn Seopolb Abler aus Seip3ig einen neuen Regißeur, ba 
feiert ber befannte (Seiger Jelij Uleyer fein fünfunb3wan3ig- 
jähriges 3 u biläuin als Ittitglieb ber Königlichen Kapelle, ba 
gebt frl. Ciny Seubers, ein neuer Bühnenßern, auf. 3 n 
hödjßer Blüte ßeht ber Rabfahrfport, bie DJeltmeißerfchafteit 
für Ruhm werben ausgefochten unb pon 3wei Deutfchen, bem 
Berufsfahrer Chabbäus Robl-HTüncheti unb bem Amateur Alfreb 
(SÖrnemann-Berlin, gewonnen. Aber auch, wer mehr für bas 
Cjrotifdje iß, ßnbet (Senüge, unter anberm hat Ejagenbecf für 
ihn eine inbifche Karawane ausgeftellt 

N 

Aus aller IDelt (Abb. S. *242). Die Befu^er bes 
fchleßfchen (Sebirges, benen mehr am Sehen als am Steigen 
gelegen iß, werben in guPunft ben garfenfall in aller Be- 
quemlichPeit befleißigen Pönnett, benn bie neue Bahn pon 
petersborf nach ^chreiberhau iß fertiggeßellt. — 3 n ®1«S 
würbe am 22. 3 un * ein DenPmal für ben (Srafen Jriebrich 
IDilhelm pon (Soeben enthüllt, ben fchleßfchen gelben, ber 3U 
Beginn bes porigen 3 ahrh un berts mit nie ermübenber Energie 
unb CapferPeit gegen bie ^frai^ofen fämpfte. „ 3 n feiner 
3weiten Heimat, ber (Sraffchaft <SIa^ — bemerPt *7. pon 
IDiefe unb Kaiferswalbau fehr treßenb in bem pon ihm pec- 
faßten Buch über ben (Srafen p. (Soeben — wirPte (Soeben 
in ber (fran3ofen3eit pon *806 bis * 8 Q 7 in blutigem Ringen 
gegen Hapoleon; um ihre Berge fod?t er in pielen Kämpfen, 
ße perteibigte er mit übermenfchlicher Anßrenguttg, ße rettete 
er por bem SdiicPfal, bem Daterlanb entrißen 311 werben. 3 n 
feinem (Eifer für bie heilige Sache bes Daterlanbs hat er feine 
Kräfte aufge3ehrt, fein fiecher Körper erlag infolge ber 
foloßalen Strapazen uttb Auftrengungen. (Er ftarb am 
29. Jebruar *8 20 im Alter pon 53 3 a fyren in (Eubowa, 
feinem Sieblingsaufenthalt; feine le^te Ruheßätte fanb er in 
bem Eänbchen, für bas er unermüdlich gePämpft hatte, beßen 
herrliche Ratur er fo liebte. Sein £ebensabenb war -noch per- 
golbet durch ben (Slan3 ber ^reiheitsPriege, aber er h fl tte 
ausgePämpft." — Die großen Bäber Pönneit ßch jetjt wieber 
rühmen, piele (Säfte aus fürßlichem (Seblüt ober gar ge- 
Prönte Häupter in ihren UTauern 311 beherbergen. So hat 
ber Sd?ah pou perfieu in Karlsbab Aufenthalt genommen, 
wahrenb (fürft RtPolaus pon Montenegro in Kifflngen 
StärPung feiner (Sefunbheit fucht. — Der Ritterfchlag 
in ber Balley Brandenburg bes 3 °t? ann *terorbens, ber 
regelmäßig alle 3wei 3 a ^re ßattßnbet, hat in biefem 
3 ahr ein befottbers feßlid;es (Sepräge, ba bamit 3ttgleich bie 
Jeier eines 3 u Mäums ©etbunben iß. Am * 5 . ©Ptober 
werben nämlich füuf3ig 3 abre perfloßen fein, feit König 
(friedrich IDilhrlnt IV. bem ©rben feine jefcige (Seßalt gab. 

Bb4 


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Hummer 27. 



Das 3afirljunbert bes Kinbes. 

Der vierte unb fünfte Stanb, Arbeiter unb ,frau, ftitb in 
bie Ittenfchheitsgefchichte eingetreten; bas gab bem Ausgang 
bes verfloffenen 3 a h r hnnberts Bebeutung unb 3 n halt. Hod? 
fteht bte Entwitflung in ben Anfängen, unb bas giel ift 
ferne — ba taudjt fdjon »ieber ein neuer Stanb aus bem 
Dunfel empor tinb forbert fein Eigenredjt. Es ift bas Kinb, 
ber »ichtigfte unb »ertvollfte Stanb vor allen anbern. »eil 
er in IDafyrtjeit bie gufunft fdjajft unb bebeutet. Die neu- 
ermatte Hnteilnahme am Kinb unb feiner E^iehung ift 
wohl bas ftcherfte geidjen, baß nach einer (Epoche bes gweifels 
unb ber gerfetjung eine fd^opferifdje, aufbauenbe Kultur uns 
nahe ift. Eine Ulenfchheit, bie ftdj erneuern will, muß immer 
beim Kinb anfangen. 

Das neue 3ah r h u nbert »irb ein 3ahrh u «bert bes Kittbes unb 
ber E^iehung fein. Diefe Prophe3eiuitg »agt (Ellen Key 
in ihrem lebten Effaybudj „Das3ahrh un bert bes Kitt bes 1 *, 
bas fdpott in beutfther Üebertragung von Jrancis Diaro er- 
fcbeint (Derlag von 5. f ifd?er, Berlin). Die tapfere fdj»ebifd?e 
Dorfampferin für neue IHenfd?fjeits»erte ift unfern £efern 
feine ^frembe mehr; eins ber bebeutungsvollften Kapitel ihres 
Buddes — „Die Schule ber gufunft" — ift an biefer Stelle 
3uerft veröffentlicht unb hat Anregung unb Hufflärung in 
weite Kreife getragen. „3ebes 3n&iniöuum allein feinem (Be- 
wiffen gegenüber3uftellen, bas ift bas fyöcbfie Hefultat ber Er- 
jiehung." fpradj Ellen Key in jenem Hnffatj aus. Das ift 
and? ber (Srunbgebanfe ihres Buchs, bas leuchtenbe giel ihres 
neuen Bilbungsibeals, bem bie E^iehung 3U b)aus unb in 
ber Schule bas Kinb entgegenführen foll. Der Schablonen- 
pübagogif gegenüber forbert fie eine inbivibuell-pfychologifche 
Leitung, bie im Kinb ben Uteufchen fteht unb achtet, feine 
werbenbe perfönlidjfeit erfennt unb in Freiheit »achfen läßt. 
Das größte (Seheimnis ber E^iehnng erfcheint ihr gerabe 
barin verborgen — nicht 3U e^iehen, fonbern bie Hatur 
ftiü unb ruhig gewähren 3U laffen. 

Eine Derfünbigung ber IJTenfchenrechte bes Kinbes ift bas 
Buch von Ellen Key. Sie 3ieht gegen bie alte Hnfchauung 
3U Jfelbe, baß bie Kinber bas recht- unb fchußlofe Eigentum 
ihrer Eltern finb. Kits jahrhunbertelanger Kbh&ngigfeit, 
Dergewaltigung, Knechtung fudjt fie bas Kinb 311 erlofen 
unb ihm bas vomehmfte febensrecht, bie Entroicflung ber 
eigenen perfonlichfeit, 3U wahren. 3h cc »armhc^ige Be- 
geifterung lügt fie fchone unb tiefe ZDorte finbeu: „Bevor 
nicht Dater unb IHutter ihre Stirn vor ber Roheit bes Kinbes 
in ben Staub beugen; bevor fie nicht einfehen, baß bas JDort 
Kinb nur ein anberer Kusbrncf für ben Begriff IHajeftät ift; 
bevor fte nicht fühlen, baß es bie gufunft ift, bie in (Beftalt 
bes Kinbes in ihren Krrnen fchlummert, bie IDeltgefchicbte, 
bie 3U ihren jmßen fpielt — »erben fte auch nicht begreifen, 
baß fie ebenfowenig bie macht ober bas Hecht haben, biefem 
neuen ITefen (Befeße vor3iif<hreiben, »ie fte bie macht ober 
bas Hedjt befttjen, fte ben Bahnen ber Sterne auf3uerlegen." 

0b bas Kinb auch auf allen Dieren franst, fein Sinn 
unb feine Seele ftitb aufrecht. Es ift unbeweglich in all 
feinen Empfinbungen. »eil es rein ift unb nur bas eine 
jucht, was ihm notthut. Es hat beit IDillen 3um £eben 
unb 3um (Blücf, b. h- 3 U feiner eigenen perfonlichfeit. IDir 
follen beshalb Hitbadjt haben vor ihm unb feinem IDefen, 
auf baß es ben ein3ig rechten IDeg gehe, 3U bem feine innerfie 
Hatur es hinbrängt. IDir follen ihm alle Steine aus beitt 
IDeg räumen unb alles Dunfel 3erteilen, bamit es flar unb 
fteber 3U ficb felbft ftitbe. Hub wenn es aitbers ift als »ir, 
fo follen »ir uns bavor beugen, unb wenn es mehr ift als 
»ir. fo foll es unferc Jreube unb unfer Stol3 fein. 

Ellen Key »ibmet ihr Buch „allenEltern, bie hoffen, im neuen 
3ahrhnttbert ben neuen menfdjen 3U bilben." paui aumer. 


Seite \ 25 \. 



Eine thatfräftige Hufftn, Jrau K. B. €esnie»sfa, hat 
auf eigene Koften für ihre IHitfch»eftern eine Stubienanftalt 
praftifdjer Hrt gegrürtbet, um ihnen fo ben Ejiften3fampf 
3U erleichtern. 3 n Hußlanb ift es ben grauen verboten, 
Hörerinnen einer Univerfttät 3U fein. Jrau lesniewsfa 
fchuf beshalb eine privathochfchule, vorerft fpe3iell für jphar« 
ma3eutinnen. Had? einer mehrwöchentlichen theoretifdjen 
Dorbereitung treten bie Schülerinnen in ben praftifdjen 
Diettft, bas heifc* in bie große, von frau Eesitiewsfa ge- 
grüitbete ttttb geleitete ^frauenapothefe am Hewsfiprofpeft 
itt Petersburg. Hud? ein titebi^inifcher Kurfus an einem ber 
ftäbtifchen Kranfenhäufer ift in ber Eehr^eit mit inbegriffen. 

¥ 

Um ben bentfcheit grauen bie Kusübuitg ihrer politifchen 
Hechte 3U verfchajfen, hat ftd? in Hamburg ein Herein für 
(frauenftiinmrecht gebübet. Es »irb be3»ecft, nach bem Dor* 
büb bes nor»egifd?en fraueuftimmrechtvereins auch für bie 
beutfehen Jrauen bie volle politifche (Bleichberechtigung an5u- 
ftreben, unb 3»ar über bie fchon erworbenen Hechte hinaus, 
fo alfo, baß grauen nicht nur 3ur IDahlurne 3ugelaffen »erben, 
joitbern auch in fotnitiunale Kemter gewählt »erben föttnen. 

Den erften weiblichen Krchiteften hat bie fimtläitbifche 
Hegiernng in Jräulein B. Elyberg angefteüt. Die Datne, 
bie ihren Stubteit in H el fingfors obgelegen hat, erhielt einen 
Poften in ber gentralverwaltuug ber Staatsgebäube. 

¥ 

Die tnebi3inifche Kfabemie in Paris erfannte ben Diftor 
Hugo-Preis einer Dame, Jräulein UTelanie Eipinsfa aus 
IDarfchau, 3U. 3i? re Arbeit behanbelte bie „(Befchichte ber 
Ker3tittneit feit bem Kltertum bis auf ben heutigen (£ag M 
unb hat ber Derfafferiit, namentlich in ihrer poluifchen Heimat, 
fchneü einen Hamen geschaffen. 

¥ 

Fräulein Dr. Hina ITTonti lieft, als erfter weiblicher 
privatbojent an ber Univerfttät Pavia, über vergleidjenbe 
Knatomie unb phyftologie bes Hervenfyftems. 3h rer Habili* 
tierung gingen fo lebhafte Erörterungen voraus, baß bie 
älteren profefforen ber Univerfttät ftd? genötigt fahen, mit 
ihrem Hang unb Huf für bie Dame ein3utreten. 



0berhofprebiger prälat K. v. Bilfinger, t am 25 . 3utti 
in Stuttgart im 56 . Eebensjahr. 

Dr. 3 °frph Durbif, Profejfor ber philofophie, t ain 
3 ali in Prag im Hlter von 6^ 3 a hren. 

Dr. IDilhelm Kien3l, Dater bes befannteit Komponiften, 
t am (. 3uli in (Bra3. 

Kleemann, (Seneralmajor a. D., t ain 30 . 3 un i in 
Ulünchen im Klter von 80 3ah ren - 

(Seorgine von Eauer, IDitwe bes (Seheimrats von £aucr, 
t in 0 evnhanfen im Klter von 77 3 ah r *n. 

(Seneralmajor von Hirn heim, fatn 2 7 . 3 »m* in U^eßlar. 
(ßeheimer Kommer3ienrat H ll 9° Prings heim, t am 
29. 3 u «i in Berlin im Hlter von 6^ 3 a h r en. 

Hans Heimarus, IHitinbaber ber Hicolaifdjen Buch- 
hanblung in Berlin, t in £«3em im Hlter von 59 3 ah ; en. 

0 s»alb Seehagen, Derlagsbudjhäublcr in Berlin, f in 
Cfrafp im Klter von 70 3 abreu. 

profeffor Dr. Siebaitigroßfy, (Seheimer IHeb^inalrat, 
t in IDiesbaben. 

<3S® 


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Seite {232. 


Jftummer 27 . 


Huf dem Codesacker von Martinique. 

Von unferm nad? KTartinique entfanbten Spe3ialberid?terßatter. 


IVährenb id? in biefer Kird?hofsftille im oberßen Stabtteil 
oon St. pierre faß, ertönte rote aus weiter ferne grollendes 
Donnerrollen. €ine tiefgtaue, t^of^e tVolfe. geringelt rote Kalbs» 
brägett, etroa oon (Seftalt eines mächtigen KTaisFolbens, 
roar aus betrt Krater emporgefd?oßen unb ftanb nun höh er 
als ber Berg felbjt über it?m. Unbeweglich fd?roebte fte 
in ber £uft, bann erweiterte fie fid? oben, eine neue, bunPlere 
TVolfe fd?oß oon unten in fte hinein, uub fd?ließlid? fiel bie 
fd?roär3lid?e Klaffe, als ob ber ^nl^alt eines 2 Vafcf?becfens 
überflute, oon oben beginnend naci? allen Seiten laitgfam 
3U CEt^al. Bald riefelte ein feiner Ufd?enregen auf uns nieber, 
fo baß ferneres Verbleiben nid?t ratfam fd?ien. — — — 

Der pelce roar ror ber (Eruption oon brei punften aus 
3U beßeigeru Don Baffe pointe int Horben, £e pred?eur im 
IVeften unb KTorne Houge im Süboften. 

Fort be Jrance liegt oon allen brei (Drtfcbafien fo roeit 
entfernt, baß es galt, für ben geplanten Uufftieg eine 3toei» 
tägige (Expedition oor3ubereiten, bie id? mit profeffor fjill. 
ber als namhafter (Seologe unb Beamter bes U. S. (Seological 
5 nroey oon ber atnerifanifdjen Kegierung nad? KTartinique 
entfanbt roorben roar, foroie 3roei anbern Herren plante. Um 
feftjttftellen, inroiefern bas auf betn £attbroeg 3a erreichende 
Dorf KTorne Houge als Bafis 3U benugen fei, ritt id? am 
22. KTai in ber Frühe auf einem ber fleinen, aber leiftungs* 
fähigen Pferbe bes (Eilandes dorthin ab. 

<Ts roar ein eigenartiger Kitt durd? lautlofen CEropenroalb, 
bergauf, bergab, aber immer über gute Straßen. Dtefe 
allein erinnern auf KTartinique an bas KTutterlanb mit feinen 
fauberen, roofylgepflegten (Öjaußeen. 

JValb ift faum bie richtige Be3eid?nung für biefes <£f?aos 
oon Bäumen, bie bodj, niebrig, frumnt unb gerabe ftd? burd?* 
einander brängen. Sie ringen unb fätnpfen miteinander tun 
£uft unb Sonnenlid^t. Biefenhod? haben ße ß(h reefen muffen, 
bie roirflid? einen Sonnenftraiß erljafdjen, unb gefallen, ent* 
ron^elt, befiegt liegen andere ihnen 3U Jüßen. Daneben hat 
fold? Kiefe ßd? frümmenb unb toinbenb als 3odj über einen 
anbern gelegt, ber feinerfeits roieber mit ber Krone aufftrebt 
unb oerfacht, ben Barbar nieber3U3roingen. (Enger aber 
roirb biefes an ßd? fd?on undurchdringliche IVirrroarr oon 
Stämmen unb Kronen burch bie roeit ausgreifenben Urne 
ber großen 5chlingpflan3ett, bie ßd? um KTango*, (Suinmi* 
ünb KTahagoutbaunt roie oon einem 3utn anbern raufen. 

(Sleid? üppiger Heid?tutn ßrogt unb wuchert am Boben. 
Kein §oü breit (Erbe ift feitüdj ber Straße ftd?tbar. Ulles 
ift üppiger pßan3enroud?s, oben faftig grün, barunter fußtiefe 
Hefte unb (Erümmer einer im Kampf um £id?t unb Sonne befiegteu 
Vegetation, bie tnählid? 3U frifchem, tnobrig ried?enbem i^umus 
roirb. Sechs KTonate ober oielleicht 5roölf, unb wenn nach neuer 
Hegezeit bie Keime fchneller fließen, roirb auch St. pierre 
unter biefer fiegbafren, alles oerfchlingenben Vegetation be* 
graben fein. (Es bringt fd?on jegt h* er nab &a eine 9 r ünc 
Spige burch bie Hfd?e, unb bie Ausbeute ber Hrd?äologeit 
ferner 3 a ^ r h un ^ ertc wirb fpärltd? unb mühfam, fein. — — 

Hut ab oor betn Pfarrer oon KTorne Houge! Von einer 
Stabt fommenb, in ber jebes am Ejimmel auffteigenbe bunfle 
TVölfd?en KTänner erbleichen läßt in ber felbft ber Hichter 
unb Beamte bem Fremden gegenüber ihren Unmut äußern, 
weil man ihn nicht heintrtifr, roie er erwartet, „car la vie 
humaine est sacr^s“, oon einer folcbcn Stabt fommenb, thut 
es roohh neben einem KTann 3U ftehen. 

3n Fort be France hatten fie mir er3ählt, baß ber Pfarrer 
oon KTorne Houge ßd? 3roerflos ber (Sefahr ausfege. (Er 
jd?üttelte ben Kopf mit ttachfichtigem £äci?eln unb meinte, 
guther3ig bie Hd?feln 3iicfenö, baß jebes Ding feine 3toci 
Seiten habe. <£r bleibe als Solbat feiner Kirche auf bem 
poften, ben bie Hegierung oerloren gegeben, um bie Habe 
feiner pfarrfinber oor bem Diebsgeftnbel 3U flögen, bas 


überall auf ber 3 n f e l plündert. Sobalb “bies burch (Senbarmen 
geschehe wolle er ihnen gern bas Jelb räumen. 

€r fdjtlberte als einer ber wenigen Httge^eugen bie große 
Kataftrophe —: Dem Krater brüben entftieg unter einem 
(Seräufd?, bas er mehr roie ein alles übertönenbes, 3ifchenbes 
Braufen als roie Donner befchrieben roiffen möchte, eine riefige 
fchroar3e TVolfe. Kein Blig, feine flamme, fein feuerfdjein 
begleitete fte. (Einen Uugenblitf nur fchroebte fte über bem 
(Sipfel unb fauße bann pfeilfd?nell, roie oon ber Qanb bes 
KU mächtigen gefchleubert — fo waren feine tVorte — rollenb, 
ftd? überfchlagenb auf bie Stabt h'nab. Dann erjt erfolgten 
Detonationen, bann erft 3üngelten unten aus Käufern bie Jeuer* 
fäulert auf, unb nun folgte Ufdjroolfe auf Ufdjroolfe, roie aus 
einem (Sefchüg gefeuert, unter roüenbem Donner aus bem Krater. 

(Eine IVinbhofe, halb naffen Schlamm, balb Kfche mit ftch 
tragenb, muß über bas h*imgefuchte Kreal bahingebrauft fein, 
unb beshalb fprechen bie anroefenben amerifanifchen KTänner 
ber IViffeufchaft oon einem eruptioen oulfanifchen (Eornabo. 
(gelegentlich läßt ßcb in ber £anbfchaft bie Spur bes Sturm* 
3enttums oerfolgen, oon bem fpiralförmig breite Streifen 
Schlamms ober Hfd)enftaubs ßch auf bie (Erbe gelegt haben, 
bajroifchen eine grüne fläche ober gar eine Plantage faß 
unoerfehrt laffenb. 

3 cne fchroarje IVolfe, bie fchroer unb moibenb ftd? als 
unhrilsooüe 5 d?icffalshanb auf St. pierre legte, oerfdjonte 
fein £eberoefen. Das große amerifattifche nad?richtenbureau, 
bas bie JVelt mit (Eartarennachrichten über KTartinique oer* 
forgte, wußte oon einem (Salgenoogel 3U er3ählen, ben man 
lebenb aus ben Hutnen bes (Sefängniffes 30g. (Ehatfächlid? 
ftoefte jeber b?er3fd?lag 3ur gleichen KTinute, roie bie große 
Uhr ber Hue Viftor E?ugo. So iß bie ^atjl ber Verlegten 
biefer größten mobernen Kataftrophe gering. Sie würben 
nach unb nach — man eilt nicht auf KTartinique — in bie 
beiben KranFenhäufer oon fort be fraitce übergeführt. 

Die (Sreuel bes (Eobes in St. pierre hatten ftd? lähmenb 
auf bie Heroen gelegt. Sd?netbettberes IVeh riefen bie 
£eiben ber unglücflid?en Ueberlebenben road?. (Es roar fein 
ftilles Kranfen3immer, bas wir im gioilhofpital betraten, 
wo \ 27 Verlegte beherbergt, aber nur ein 2lr3t unb fed?s 
Pflegerinnen befd?äftigt würben. Der erßere befannte frei* 
mütig, baß es an (Selb unb Hilfsmitteln fehle. Der Strom 
ber Hilfsmittel fd?eint alfo nicht in 5roecfentfpred?enbe Bahnen 
gelenft 31t werben. 

Der Hautn roar fd?led?t gelüftet unb mit etroa fünf3t’g 
grauen überfüllt. Verfiümmelte wimmerten in ^fieberqual, 
ba3roifd?en lärmten fpielenbe Kinber, bie bas Bett ber 
KTutter teilen. (Eine eitrige Pflegerin für biefe oielfad? ab* 
folut Hilfl°f en erneuerte gerade ben Verbanb eines 3toölf* 
jährigen KTäbd?ens, bem betbe H^ttbe abgefengt ßnb. Uud? 
bas ®eftd?t ift oerbrannt unb blieft aus Banbagen roie aus 
einem KTaulforb. Die Pflegerin ift freunbltd? unb forgfam, 
aber trogdem muß bie Kleine roeinenb Folterqualen leiben, 
während fte für eine halbe Stunde bem fd?mer3haften Ver¬ 
fahren unter3ogen wirb, bas 3roei gefd?icfte H^nbe mehr ab* 
Für3en fönnten. 

3n3toifd?en ßitb bie anbern £eibenben ßd? felbß über¬ 
laßen. (Einige betteln uns um F r üd?te an. KTan giebt ße 
ihnen nid?t, obwohl ße hoch fpottbillig 3U haben ßitb. F^ r 
(Selb nur föntten bie Kranfen ße erhalten. 

3 m KTilitärla3arett ift bie §al?l ber Verlegten nur halb 
fo groß roie im anbern, ße ftnb beffer aufgehoben, aber bie 
3nfaßen behaupten, baß bie IVärter, bas H a fenpanier ei> 
greifend, aus ben gitnmern ftür3en, fobald ber pelce .eine 
Haud?wolPe ausftößt. 

Die panifd?e Furdjt biefer BeoölFerung, ber weißen rote 
ber fd?roar3en, Faun aud? ber nad?ßd?tigfte Beobachter in jet?r 
milder KusbrucFsweife nur läd?eriid? nennen. 


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Huttimer 27. 


Seite {253. 


fort be france iß lebiglich Beamtenßabt unb follte'halber 
beit beftevt (Typus einer folonialett HeoölPerung 3eigen. 
Uber feine Bemohner feinen läfpg unb energielos. Diel* 
leidet f^at bie tropifdje Tjitje pe entnerpt. ITTan hält pe, 
menn fte mit abgefpannten (Sepdjtern burdj bie 5tra§en fehlen* 
bern, für 3U träge, um einem burchgehenben (Sefpann aus bem 
IDeg 3U gehen. Sie mürben pd? lieber überfahren laffen. — 
Die tjerrfdfenbe Haffe fd^eint Iße* auf bas Hioeau ber farbigen 
hinabjufinfen, ftatt biefe 3U pd? h*rauf3U3iehen; IDeiße folgen 
öen unbefdjretbitdjen (Sepßogenheiten ber Heger. 

* * 

* 

(Es goß in (Eimern potn Fimmel als mit profeffor tyü 
bie 3meitägige fahrt nadj bem nörblidjen Martinique im 
Fleinen Dampfer Hubis angetreten mürbe, hinter dap 
Martin mar es 3U ftürmifd? für eine £anbung bei Haffe 
Pointe, mo bie Branbung meterhoch gegen bie Klippen fdjlug. 
Huhigeres IDetter abmartenb, fuhren mir bie HorbPüße hinab, 
ihre £inie mit ber auf ber Karte ge3ogenen oer gl ei djenb. 
Die Melbung, baß pe auf meite Strecfen perfuitFen fei, er* 
mies fid? auch mieber als Märzen. UUe Dörfer, in benen 
mir auf jladjem Stranb lanben fonnten, maren bemotjnt; in 
ben anbern fatj man £eben pom Schiß aus, unb Peinerlei 
Spuren pon Dermüftung mürben mahrnehmbar. 

Die ein3ige topographifdje Deränberung pon Martinique 
3eigt pd? bei St. pierre, mo bas Meer über ben Quai ober 
bie place Bertin getreten iß, unb unmittelbar nörblich ber 
Stabt, mo ber burdj bas Bett ber einftigen Hioiere blanche 
pch ergießenbe Schlammßrom ber Küfte ein Schlammareal 
pon einigen hnnbert Quatratmeter angelagert hat. 

(Ebenfo fanben mir bas roirFlidj perroüftete (Sebiet Peines* 
roegs fo groß, mie man angenommen hatte. (Es liegt etma 
in ber form eines oben abgeftumpften Dreiecfs 3mifchen pier 
£inten, bie ben Krater bes pdee mit ben ©rtfebaften darbet, 
£e predjeur unb Morne Houge perbinben. Die tDut bes 
Uusbruis hat pd? tfout pele'e faß ausfchließlich in form 
eines Jägers mehr fübmeftlidjer Hid^tung ergoffen; ber 
mittlere fjauptftrahl biefes fächers pon Uusbruchmaßen ging 
über St. pierre, bie beiben äußerften rechts unb linPs trafen 
Predjeur itnb darbet. 3 en f e *ts, alfo tiorböftlich bes Herges, 
iß ber angerichtete Schaben- gering, unb beshalb ift eine 
MöglidjFeit porhanben. baß profeffor Tjill red?t hat, merin 
er annimmt, bas Unheil fei mehr bem Soufrifcre ober 
(Etang fec als bem Tjauptfraier entfprungen. Diefer Heben- 
Prater, pon menigen Menfchen bepdjtigt, mürbe feiner Seit an 
ber Quelle ber Hioiere blanche entbeeft unb liegt, pon ber 
Umgebung bes Herges aus unfkhtbar, in einer BobenfetiFung 
am Sübmefthang bes pele'e um eine englifd^e Meile näher 
St. pierre als ber TfauptPrater. 

Das gmecflofe eines £anbungsperfuchs bei Haffe pointe 
einfehenb, fuhren mir gegen Mittag nach £e Predjeur, mit 
UTorne Houge ber britte punPt, pon bem früher ber Krater 
erreichbar gemefen ift. 

Das Dorf lag mie, ber Hergriefe über ihm in bitten Hauch 
gehüllt, ber Hegen hätte nachgelaffen, aber fchmere, feuchte £uft 
perhinberte bas Ub3iehen ber DampfmolPen aus bem Krater, 
bie auf 3mei Kilometer längs biefes (Teils ber HorbroeftPüfte 
lagerten. Habe bem Stranb gemährte man im fcheinbaren 
Hebel ber leidet nach Hfche roch, Menfd?engeßalten. Sie fchroenF* 
tett f]üte unb (Tücher. Kaum mar bas Pleine, Pom Dampfer 
herabgelaffene Huberboot gelanbet, ba faßen aud? fchon fünf 
Männer unb 3mei stauen f<hmar3er Hautfarbe barin unb per* 
pd?erten uns, es fei hödjfte Seit, fie (uns meniger, benn fie 
füllten bas Hoot reichlich) in Sicherheit 3U bringen, benn 
,.la moatagne“ h a &e e ^ en e * n *}aus eiugeriffeu. (Einer ließ 
fid?, bem gmang gehorchenb, als führet burd? bie Qrtfchaft 
in unfern Dienft preffen, bie anbern burften ben Dampfer 
be3iehen, auf bem mir fie am folgeuben Hachmittag nach 
fort be ^rance brachten. 

din feiner Ufchenregen legte fich auf f^üte unb Kleiber, als 
mir bem eben eingeriffenen TJaus 3ufchritten. Der h*« mün* 


benbe Had? führte, mie alle Pom petcV Fommeuben ftarP ge* 
fchmollen» Klaffen pou Schlamm unb (Seröll mit. (Ein Du^enb 
Käufer im norblicheit (Teil' lagen in (Trümmern, alle anbern 
maren unuerfehrt, aber sollhoch mit Ufdje bebecPt. HUerlei 
Dieh lief herrenlos 3mifchen ihnen umher. 

Unmittelbar hinter bem Dorf fteigen fieil bie t?3hen auf, 
bie im pelce gipfeln. Die Straße ermies fidj am fchlüpfrigften 
unb unmegfamften unter ihrer Schlammbede, fo Plomm man 
hier unb bort einen gefallenen Haumftamm überfdjreitenb, 
bann burd? eine teilmeife 3erftörte S uc ^erplantage pch ben 
IDeg bahneub, immer minbeftens bis an bie Knöchel im 
Schlamm, bie erfte HnhÖhe hinauf. 3enfetts berfelben ging’s 
ben halben We g mieber hinunter unb eine h ö h^re hinauf. 
Smifd?^n beiben floß mieber bes (Seologen <Ent3ücfen — ein 
Schlammbach. UPährenb anbere (Sepchter lang unb mübe 
mürben, menn es galt, einen folgen 3U burchmaten ober 3U 
umgehen, perPlärte pch bas bes profeffors. 3n truuPener 
SeligPeit, bie Urtne nach Porn ausgeftrerft, ftür3te er pd? auf 
ben ITtorap, fanP am Ufer in bie Knie unb griff bis an bie 
dllbogen hinein. 

„Um (Sottes millen, f^err profeffor, mas machen Sie 
bloß?" 

(Er glucPfte nur ftillfelig por pch hin» freubig, ermar* 
tungspoll, mie ein Kiub am lüeihnachtsabeitb. Dann 30g 
er Du^enbe pon Klumpen unb Klümp^en aus ber (Tiefe, 
legte fie auf einen Stein, nahm fchmun3elnb ben (Seologen* 
hammer aus ber (Tafele unb 3erfchlug pe. Uber mährenb 
StücP auf StücP 3erbrach, mich bie (freube tiefer Hieber* 
gefchlagenheit, unb beim lebten l^ammerfchlag Farn es bumpf 
pon bes profeflors £ippen: „Keine £apa!" 

Sonft nahm ber Uufftieg nad? profefor fjill, ber ihn por 
einigen 3 a h rcn gemacht, 3roei Stunben in Hnfpruch- JDir 
hatten pier gebraucht, um auf halbe Tjöhe 311 gelangen. (Eine 
jelsPante perfperrte ben IDeg. UPir moliten pe umgehen 
unb trafen auf ber erßen Seite eine UfchmolPe, h e t6^ r unb 
bitter als jene, bie uns unb biefe £}öhe, feiten ben HlicP 
nach bem (Sipfel freigebenb, beftänbig umgaben. 

JDir gingen 3urücP unb nach ber anbern Seite bes Jelspor* 
fprungs, hunbert ITleter linPs. Die KfchmoIPe folgte. Huf 
ben Kleibern lag nun eine bicPe graue Schicht, bie Uugen 
bügelten, bas Htmen in bem h*i&en Kfchgeruch mar mirP* 
lid/ erfchmert. Die Hacht mürbe auf bem Dampfer rerbracht. 
Der DulPan marf fortgefetjt leichte HfchmolPen aus, jeboch 
maren Peinerlei £id)terfcheinnngen am Krater mahrnehmbar. 

(Ein am folgenben Sonntagmorgen unternommener Huf ftiegs* 
perfud? längs jenes befchriebenen Schlammftroms nörblich pou 
St. pierre fcheiterte an (TerrainfchmierigFeiten, aud? regnete es 
roteber ftarP. IDir faben auf einer f^öhe pon etma 500 UTeter 
3ifd>etib unb rauchetib eine frifche Husbruchsmelle 3U (Thal 
Pommett. (Es fchien, als ob auf ber T)öhe bes Herges, beffen 
(Sipfel beftänbig perhüllt bl eb. ein Hiefeneimer Pochenber 
KTape in ben Strom gegojfen mürbe. Hls pe an uns porbei* 
Putete, fühlte pe pdj nur noch laumarin an, unb nur ge* 
legentlich rauchte in ber HTitte ein fchroimmeuber Klumpen. 

£aca marb auch ^er nicht entbeeft, ein intereßanter 
Junb aber nörblich ber IHünbung nuferes Schlammftroms 
gemacht. IDir fuhren im Huberboot einer leichten Hauch* 
faule 3U, bie aus bem TDaffer nahe bem Ufer 3U Pommen 
fchien. Sie perhüllte eine anfeheinenb neu entftanbene 3nfel 
pou 20 Dieter Durchnteßer, bie einen Pleitten Krater bilbete. 
Kegelförpiig ragte aus ber HTitte eine gefchloßene Spifte 
etma fünf ^uß über ben TDajferfpiegel. Die gelbliche Qber* 
ßäd?e 3eigte ausgebrannten Schmefel. barunter lag Sanb, 
häufig gefärbt, als ob metallifche (Elemente ober anbere burch 
große fji£e ausgefd?ieben feien. Ueberfät mar pe mit um* 
geftülpten, brei goll h ol l e ^ (Trichtern aus Sanb. Diefem 
entßrömte fehr h^»B er * aber völlig geruchlofer Dampf. Heim 
£anbeit maren mir überrafcht, bas (Erbreich h^h 3« pitben. 
Das IDaßer, bas pd? beim Durchmaten bes IDaßers in ben 
Stiefeln gefammelt hatte, 3ifchte beim Kbfchreiten ber feften, 
aber fanhigen unb hoty f^cinfttl>en 3 n f e t auf. 


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Seite 125g. 


Jtuimner 27. 


Der JMammutfund in Sibirien. 

Sielje Slbbilbung Seite 1235. 


Dor 3mei3ahren benachrichtigte her (Bouoerneur oon3oPutsP 
bic Kaiferlidje HPabemie ber 2X>iffcnfdjaftert in 5t. Petersburg 
oon einem aufcergemöhnlichen (funb. (Ein KofaP hatte burd? 
einen £amuteu . erfahren, ba§ im (Eis ein Kabaoer eines 
Hiefentiers ftecPe mit mächtigen gähnen; einen baoon hatte 
ber £atiiute abgehacFt unb beabfidjtigte, ihn 3u # oerPaufen. 



Schädel mit linkem Stosszahn. 


Die HFabemte ber IDiffenfchaften entnahm bem Bericht bes 
(Boitoerneurs, ba§ es fidi mijiueifelbaft um einen IHammut- 
funb bannte' unb entfanötebestjalb ben IHufeumsFuftos 0tto 
t^er3 unb ben Präparator pjt^eumayer fofort an ben (funb- 
ort mit ber IDeifung, ben (funb fo gut als möglich nach 
Petersburg 3U fd^affen. Der Kubaner bes mutmaßlichen 
IHammuts lag an ber BerefomPa, einem redeten ZTebenflnfs ber 
Kolyma, 300 IDerjt oon Soebnt'KolymsF in ber (Eaiga. 

3m IHai 1901 reiften fjer3 unb Pfttjenmayer oon Peters¬ 
burg ab. 3unäcbjt bis 3oFutsP, bann begannen bie Strapajen. 
Don 3aFutsP bis 3um Junbort mußten 2000 IDerft auf Pferben 
bureb bie unmegfamften Pfabe ber (Eaiga surücfgelegt merben. 
Der KofaP, bem bfe £ntbecPung bes IHammutPabaoers 3U oer* 
banFen ift, begleitete bie (E^pebitiou. <Entfeftliii? mar bie IHücfen* 
plage in ben (Euubreit, fdjlimmer nodj als in ben (Tropen; 
babei galt es. bie gefährlidjften Sümpfe 311 burchqueren, mobei 
einige ber begleitenben KofaPen mitfamt ihren Pferben ror ben 
Hngen ber entfetten Heifenbcu oerfanfen ltnb bort bendob fanben. 

Hm io. September traf bie (Ejpebition am ^funbort ein, ber 
3ubcl beim Hitblicf bes oiclc taufenb 3 Q *jre hier ruhenbeu 
(Befchöpfes mar unbefdjreiblid?. Seine £age toar oertiPal. 
Das (Eier muß gefiftrjt fein, mätjrenb es feine ZTahrung fud?te, 
unb fo in bie €isfpalte, bie übermachfen mar, geraten fein. 
Die Dorberbeine maren gan3 gePrümmt, befoubers bas linFe, 
ein Bemeis bgfür, baß bas (Eier bemüht mar, ftdj 311 retten, 
bod? mar ber Körper 311 fchroer, bie Hinterfüße glitten aus 
unb blieben in hori5ontaler £age unter bem £eib liegen, ber 
alsbalb eingefroren ift, nur fo Ponnte ftch ber Kabaoer bie 
oicleit 3ahre (nach Hnnahme 0011 H er 3 müffen es mohl 
8000 fein) fo frifdj erhalten, mie ihn ber (Belehrte aiiffanb. 
bj>er3 behauptet, baß bas (Eier nnbebingt im Horben gelebt 
bat unb nidjt burd? bie Sintflut angefchmemmt. ift. Der 
junbort befinbet fich auf einem mächtigen Hbfturjgebiet oon 
|V2 IDerft £änge. Unter bem oberen 60 IHeter hohen Hanb 
bes Ubftur3gebiets traten unter einer finalen £]iimusfchicht 
unb einer über 2 IHeter biefen (Erbfchidjt mächtige oertiPale 
(Eismänbe pon 5 bis 8 IHeter 3U (Tage, bie frei nach 0ften 
lagen, oollPommen ber Somtenh’tje ausgefetjt. Ha<h Hnfuht 
001t 0tto H er 3 hat man es hier niit einem in Huflöfung 
begrijfenen fofjilen <SIetfd?er 3U thun unb Feinen fogenannten 


Scbneelehnen, bie fich bei ber fortroährenben Sonnenmärme 
nidjt fo lange hatten erholten Pönuen. Das (Eis enthielt 
eine IHenge oon £uftblüschen. Kn biefem 0rt alfo lag ber 
oorfintflutliche Hiefe oollPommen eingefroren. (Es galt nun, 
ihn noch im £auf bes IDintcrs oon hier fo^ufdjaffen, ba ber 
Sommer 3um (Transport unmöglich mar, ja bas oon ben 
bergen herabftür3enbe (frühjahrsmaffer Ponnte ihn birePt 
heruntermafchen. (Eine Konferoierung an 0rt unb Stelle mar 
trotj aller Batfdjläge unbenPbar oor3imehmen, benn fold?e 
Körper oermefen außerorbentlidj fd?nell r fobalb fie nur an bie 
£uft Pommen, felbft menn auch bie gan3e feudjtigPeit mit 
Hlaun unb Sal3 herausgejogen mürbe. £j er 3 befd^iog beshalb, 
bas (Eier 30 3erlegen unb in gefrorenem guftanb nad? Petersburg 
3U fchaffen. Sei 50 <Brab Heauinur burfte Peine geit oerloren 
merben. Dolle 3mei IHonate nahm bie Husgrabung in Hnfprudj. 
Der Kabaoer mürbe faft oollftänbig erhalten gefunben, bis auf 
einen (Teil ber Kopfhaut unb bes Hücfens, ben roahrfdjeinlich 
milbe Beftien abgefreffen hoben. Der Kopf lag etmas abfeits, 
hoch fehlten bie Sto^äbne, ebenfo ber Hüffel, bagegen mar 
bie Schman3fpiöe noch oorhanben, eine mistige (Entbecfung. 
Ueber ben gan3en Kabaoer mürbe 3unächft eine f)ütte erbaut 
mit einem Kamin, ber tagüber gehest mürbe. Sobalb ein 
(Teil abtaute, mürbe er fofort abgefchnitten unb in nötiger 
IDeife geborgen. Die Seine unb Jfüjje ähneln gan3 benen 
bes (Elefanten, nur mit bem Unterfchieb, bag ber €lefant 
brei, bas IHammnt bagegen fünf gehen hot. 3 n t*r*ffont ift 
bie Behaarung. Das Unterhaar ober IDollhaar ift 30 bis 
3 5 IHillimeter lang, oon gelbbrauner (färbe, bas lange fjaar, 
auch Steifhaar genannt, 3 5 bis ^5 gentimeter lang, oon 
rötlicher (färbe, die nach ber Spitj* 3« immer h e ^ er wirb. 
Das b)aar ift babei fo bidit, bajg ber oorfintflutliche Kbamit 
ftd?er Peine Kälte ocrfpürte. Das (feil ift 20 bis 23 IHilli¬ 
meter bicP f baruntcr eine 9 gentiiner biefe (fettfchicht. Sogar 
bas Blut mar noch oorhanben, unb bie gütige, oerhältnis- 



Unterkiefer mit Zunge. 


mägig nicht lang, ift augerorbentlich gut erhalten, gmifdjen 
ben gähnen mürben nod? (futterrefte gefunben, bie beutiieb 
bie £amellenabbrücfe 3eigten. Der Pur3e Schman3, mit fehr 
langem, oerftl3tem I^aar umgeben, ähnelt fehr bem Büffel- 
fd^mait3. (San3 Poloffal mar ber gefunbene IHageninhalt, ber 
fich noch oollPommen frifdj präfentierte. 

IHit feltcner tnachte fich Qer3 baran, 

alles fo forgfältig als möglich nach Petersburg 311 fchaffen, 
nichts ging babei oerloren, bie geringfte KleinigPeit mar 
michtig für bie Biographie unb Bcfchaffenheit bes fcltenen, 
ja einigen (funbes in ber ganzen IDelt, benn ein fo ooll¬ 
ftänbig erhaltenes (Eremplar, als bas in Petersburg ein¬ 
getroffene, giebt es nicht mehr. Die KPabemie ber IDijfen- 
febaftert ift nicht menig ftol3 auf biefen einigen (funb unb 
arbeitet äugenblicflid? eifrig an ber Präparation bes Hiefen¬ 
tiers, bas ohne gmeifel eine ber grofjartigjtcn Sehens- 
mürbigPeiten bilben mirb. 21. von :iuridj. 


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Hummer 27, 


Seite \235. 




I. Artftdbt bes ntummuts nad{ jreilegung bes Dorberteils. 2 . Seitenanfid?t bes OTammuts na di begonnener Ausgrabung. 3. 0tto f)erj, Zoologe ber Kaifert 
Afabemie ber IDtffenfdjaften in Petersburg. Ceiter ber flbirifci?en Znammuteypebition. 

Sine wichtige Entdeckung: Der pfommutfund in Sibirien (fiefje ben 2irtifet 5* \ 25 <k). 


























1 


Seite \256 


XTummer 27. 



Hebungen ber Ijodjfeetorpeboboote uor ben Heid? stag sa bge or bneten. 



f ttirt ber Hreujerjadjten (H*Klaffe) am 30. 3uni. Die Kaiferjad?t „Hlctcor". 

Die Kieler CCIoche. 

Pfjotogrcipbifcbe Hufnafpurn pon 2lribur Henarb unb Karl Specf, KieL 



Staatsfefretär non £trpi$ unb bie Heidjsta gsabgeorbneten an &orb ber Hiobe. 


X. §emnr III. 2 . Poöy 3. Sufanne II. ^ Crnta. 

Hunben bes ZTlerfboots am 27. 3üni, 


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4 Bj 



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4 


































Hummer 27, 


Seite ^237, 



Oor ber 2lbfn!)rt in CljampignY bei paris am 26. 3nni. 



2Jnfunft ber erfien Hennfabrcr in tDien am 29. 3uni. 

Oie HutomobUfernfabrt parts-CCUen. 

IHomentaufnafimen oon üalla, Paris, pb u. <£. Cinf, ^ürüb, ITIid?. Dietrid?, ITtuncben, (SratI, Jnnsbrucf, tmb ^eybenbaufj & Robert, lD : en 


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Pont 3«*cnuitiona!en ©ffatersreiten \xi Curin: 
Kapitän Caprili, 

gewann fern Ehrenpreis bes Deutfi?en Kaisers, 


Pom 3nternationaIen (Dffxjiersreiten in Eurtn: 

Kitter Freiherr »on Boeing, 
gewann Öen Ehrenpreis bes Königs uon 3tolien. 


Die Kuniliiusftillung in Curm: 

KusftcIIungspaIaji bet- 5 d?Önen Knnfte. 


%. 0bcrlt. Kitter r>ott ^riebrid) (4. preis 
3. 0berlt. Kbamouid? be Eicpin (2. preis 
Don ,$arfas*jali>a (3. preis in ber 


in.ber Keitfonfurre« 3 ). 2. 0berlt. picot be percabuc ^rbr. non ßc^ogcnbcrg (3 preis in ber Keitfonfurrenj'). 
is in ber UVitfpnipgfonFurrent). 4. Kittmeifier Klar io 5 r<,n 3 O- preis in ber Keitfoufurrcnj). 5. 0bcrlt. ^arfas 
lX>eitfprungfonfurrcn 3 ) 6. 0berfl Sachte von Kotbcnberg (Klitglieb bes 3 n itttiationaItn KichißrfoUcgtunts). 


Die öfterrcichifcben Sieger im Eurincr Heiterfefl. 


CSofpbot. 3of. 3abubfa, IDictu 


Hus dem ttaUemfcben Kunft- und Sportlcben* 



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Strafjenbilberans Conbon: 


Ras ffahonncn, Hbgefandter des ffegva fleneiih von Hbeffynien, 

in einem englifdjcn fjofrpagen. 


Kronprinj non fdjtpcb*«. 2 . prinj von Pfturicn. 
3. drjljrrjog ^ rnM 3 ^rrbinanb von ©eilerretd?. 

Huf der fahrt von Calais nach Dover. 



Strassenbilder aus Condon: Die Menge Heft die Bulletins vor dem Buckinghampalart. 

Aufnahmen pon df?uffeau» 5 Iaoiens. 



I PaprllJiiriihr ^eröinanb PlcifTer, Pyrmont (,$eftbirigent unb Ceiter). 2 . ,irau KapcIInieijler Pleiflcr. 3. Profeffor Pr. Inigo Biemann, €cip 3 tq. 4. pro*cffor 
£>ugo ßecmtann (Dioline), ^ranffurt a. PI 5 Profeffor $vc\ns Plnnilncbt. l^offapcllmeiftcr (Klapier), IPiesbabcn. 6. Kammcrfünger Ff. Buff'^ieftcn (denor), 
Bresben. ?. Brunnenbireftor 5 ^ p *berr pon ftanbelsboufen, dbrenpräftbent bcs Cortiingfomitecs. 8 . .irl. dpa Cefjmann (5opran). Berlin. 9 - 5 MU dlementine 
€nbn«Poft (Pit), dlberfelb. 10 . ,frl. dlfe T£od? (Pit). IPtesbaben. U. 5 r I- ©race ,^obes (£■ opran). TPicsbaben. (2. Boris £>ambnrg (Pioloncell), Conbon 13. Bobert 
Bariram (Bafp, Kaffel. H. frans ED 113 & (Bariton). Kaffei. 15. freinrid? frobbing (Bafj), Berlin. ( 6 . Kiebarb $ifd?er (denor), ^ranffurt a.PT. 17. dmil Ciept 
(Bariton), Berlin. (8. $, Baffermann (Piolinc), ^ranffurt a. PT. • 19. 3otjannes fregar (PiolonceU), a. PI. 20. ^f^inanb Kügler, ^rflnffurt <*• Öl» 

Ton der Crcbaikowskyfeier in pyrmont am 28 . und 29 . 3funi: Gruppenbild der Mftwirkcnden. 

pbot. Stecher, pyrmont. 


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Seile \2^0. 


Hummer 27, 



Dos neue IDUticIm (Eellbenfmal in Caafanne. Die €ntf?äliung b er S djeff elgebenf taf el am ZPaIbfir$H (Kanton 5t (Ballen). 

Bilder aus der Schweiz. 



I. ©berbärgernietfter OTarr. 2. Staatsfcfretär (Braf pofabo»s?Y. 3. präfibent Dr. Bdbider. fymbclsmtnifier IHölIer. 

Vom Internationalen Hrbeiterrerricberunghongress in DttfTeldorf: Die eröffn ungsrttzung. 

pljot. 3. trenne, Düffelborf. 


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ZTummer 27 . 


Seite 




$riefcrictj Koulbadjs S o 1} n, profeffor 5 *»Ü 2i u g u ft pon Knulbad), XTtü n dj e n, mit feinet Familie. 

X)ofpfyot. 23. Dittmar, XTläncfren. 

Zu m 8ojährigen Geburtstag des berühmten Malers prof. Kaulbach-Rannover am 8* Jul u 


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Seite \2Qf2. 


Hummer 27. 


Der Schah von perlten In Karlsbad. 

pljot. Tlbler, JKarlsbab. 


Die neue Zackenbahn petersdorf-Schrelberhau: 

Der erße 5 U 9 trifft ant 25. 3“»> *n Sdjreiberbau ein. 
p(?otograpf}lfd?e ilufnafyne. 


Das Denkmal für den 6 rafen ©octzen, 

bas am 27. 3“"* In (Blaß enthüllt mürbe, 
pbot. ^ran 3 Ijübner, (Blaß. 


f^rft filholaus von Montenegro |. prinj Jllbredtf oon preufjen. 2. Bür^ermeifler Buborn. 3. Stabtoerorbnetmoorftchcr Beuter. 

mit Begleitung auf ber Spajierfaljtt % Hittnieifler o. b Berge. 5. (Braf v. b. ^djulenburg. 6. Komntanbant BuaufHit. 7. ©beijt Scotti. 

in Bab Kiffingen, Tom Rlttcrrchlag In Sonnenburg am ia. und 24 . 7 u nl: Der Kirchgang. 

l)ofpf}ot. 5riß Schumann, Kifftngen. pt^ol. (Bcorg feboppmeyer, Küftrin. 


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Hummer 27 . 


Seite \2$5. 



(Einleitung. 

Unmiberjtehlich brängt ber Menfdiengeift aus feinen 
Sdjranfen. Die (Erbe ift feinem ©eiftesflug 3U fleht 
gemorben. €r fud?t bie (Einrichtung ber Weltfyfteme 
3u ergrüitbeit, in beneit ber planet, auf bem mir mahnen, 
ein ga?i3 unbebeutenbes 3 ubi©ibuum unter Millionen 
anbern ift. Dabei tritt bann immer unbe3minglicher 
bie 5 rage an uns heran, ob auf jenen anbern Welten 
auch benfeitbe unb fühlenbe Wefen mohnen, bereit ©e* 
banfenflug ftd} mit bem unfern in ben unenblid?en 
Häunten bes Uninerfums begegnet, aus fernen her, mo 
längft bie (Erbe unb bie Sonne in bem millionenfachen 
©emirr ber übrigen Welten ©erfchminben. 

Wie aber fallen mir über biefe 5 rage ber Hemohnt- 
h«t anberer Welten etmas erfahren? (Ein enblofer 
Haum trennt uns non ihnen. Sehen mir ©on unferm 
Monb ab, ben mir als einen (Eeil ber (Erbe 3U betrachten 
haben, auf bem bas Eeben bis • auf geringe Spuren 
erftorben fein mufe, fo bleiben 3mifchen unferm nächften 
Hadjbar im Sonnenreich, Mars, int günftigften 5all 
noch acht Millionen Meilen, ©on melcher (Entfernung aus 
gefehen größere ©ebiete, mie etma Deutfchlaub, in unfern 
beften Fernrohren als fleine bunfle Flecfe erfd?einen, 
beren Umriffe mit Mühe fefoujtellen ftnb. Wie follen 
mir mit Wefen in Derbittbung treten, bie ©iellekht auf 
btefen Kontinenten bes Mars fämpfeit unb ftreben mie 
mir? Da ift ja allerbings bie Funfentelegraphie er» 
fuuben, mit ber man ftch bereits über ben ©5ean hm- 
meg 3U ©erftänbigen beginnt. Weshalb follte es nicht 
auch einmal gelingen, über ben Aetherosean bes Welt¬ 
raums hht Stichen ©on planet 3U planet 5U taufchen? 
Diefer Weltraum ift ja in Wirflichfeit nkht leer. Wie 
über unfer irbifches Meer bie Wellen bahinjiehn ©oit 
©eflabe 3U ©ejtabe, fo burchbringen bie Wellen bes 
Cichts bas Unioerfunt unb branben, aus feinen lebten 
(Liefen 3ufatnmenftrömenb, gegen bie burch ih» bahin» 
eilenbeit Weltförper, unb jebe ihrer Wellen ift ein 
Huchftabe in ben Depefchen ber unioerfeHeit (Lelegraphie 
ohne Draht, bie bie Weltförper untereiitaitber ©erbinbet. 
Hur burch bie Eicht mellen fönneit mir überhaupt etmas 
über bas Heftehen unb bas Wefen ber Herrohner anberer 
Weltförper erfahren. 

Uber bisher haben uns bie Mitteilungen bes Eichts 
nur fehr allgemeine Ausfiinfte gegeben. Wir miffen, 
mie grofe bie uns nächften fjimmelsförper finb, nad? 
melden ©efefeen fie ftch um bas allgemeine Zentrum 
bes Syftents bemegen; ©01t einigen meuigen haben mir 
bann noch etmas über bie Hefchaffenheit ihrer ©ber» 
flädie erfahren, unb ob eine Eufthülle baritber lagert, 
unb enblich meife man ©on ben felbftleuchtenben Körpern, 
meldje d}emifd}cn ©runbftoffe uns ihr Eicht sufenben. 
Hei unferm Monb unb beim Mars allein gehen unfere 
Kenntniffe ©on ber ©berfläche meiter, unb mau fann 


©on erflerem fagen,* bafe intelligente Wefen auf ihm 
nicht ©orhanben ftnb unb auch feit geologifcheit Sfit* 
altern nicht ©orhanben maren, mährenb man auf bem 
Mars in jenen munberbarett Kanalfyjtemen Spuren 
©on Wefen entbeeft 3U hüben glaubt, bie bie Haturfraft 
auf ihrem Planeten 3ut Ausführung ungeheurer Hauten 
3mangen. Die Kraft unferer Sehmerfjeuge mirb in 
abfehbarer Seit fautn mefentlid? 3U fteigern fein, fo bafe 
©on biefer Seite tyx ein bebeutenb tieferer (Eiitblicf in 
bie Derhaltuiffe ber anbern £jimmelsFörper nicht 3U er- 
märten ijh 

Aber mie unenblid] erftuberifd? ift bie Hatur unb 
ber MenfcheugeiftI <£s merben anbere Werf3euge er* 
fuuben merben, bie ©on gait3 ungeahnter Seite her uns 
ber Eöfuug biefer Frage näherbriugeu merben, mie ftch 
©eift unb 3uteUigeu3 auf anbern Welten cntmicfelt 
haben. <£s märe ja gerabe3u abfurb 3U glauben, bafe im 
gan3eit meitett Unioerfunt ftd? nur allein in ber irbifcheit 
Menfchheit bie Materie mit bem über alle Welten 
hinmegfliegeuben ©eift ©erbunben hätte. Diefer homo* 
3entrifd}e Staubpunft fteeft ©on jener ©orfopernifanifcheu 
Sei t her allerbings noch tief in uns, mo bie (Erbe als 
ber fjauptförper bes Weltalls betradtfet mürbe, um 
ben bie anbern Rimmels lichter nur 3U Hufe unb frommen 
ber Menfchheit freiften. ©benfo mie bie (Erbe bantals 
im Mittelpuuft ber materiellen Welt ftanb, fo ber Menfd? 
in ber bes ©eiftes als bie Ejauptperfou ber Schöpfung. 
Wir föituen uns heute noch immer nicht in bie Holle 
hineinbenfeit, bie mir in Wirflichfeit als Saubforu am 
Meeres ftranb ber Uueublid?feit fpielen. 

Unerntefelich meit ©orgefchrittenere Wefen fönneit 
unb muffen fogar irgenbmo im Weltgebäube edieren, 
ba mir ja unjmeifelhaft feheu, bafe bort Welten in 
allen (Eutmicflungsftabien gleichseitig ©orhanben ftnb, 
unb mir bod? mahrlich gar feinen ©runb 31m Annahme 
haben, bafe bie (Entmicfluugsftufe unferer ©rbeitmelt 31t 
ben h$d:fien überhaupt ©orhaubeneu gehört. Wollen 
mir uns einen Hegriff ©01t biefen höhnen 3utetligen5eu 
ntad]en, fo fönneit mir nid]t attbers, als ©on unfern 
eigenen Derhä'tniffen ausgehen, menu mir uns nid]t 
gait3 unb gar in biofeen phautafien ©erlieren molleu. 
Wir braudieu aber unfere technifdjen Keitutitiffe gar 
nid?t fo bebeutenb ermeitert beufeu, um bie Fünfen* 
telegraphie fo $u ©eroollfontniuen, bafe ihre WirFungeit 
bis su anbern fjiittmelsförpern reidjen. ©in ganj neues 
Seitalter mirb einft erftehen, menn mir es enblid] ein¬ 
mal gelernt haben merben, bie ungeheuren Kraftntengen 
3U benufewit, bie uns bie Sonne bauernb 3uftrahlt, mährenb 
mir bts heute noch ©on bem gait3 fletnen Ueberbleibfel 
biefer Sonneitfraft 3ehren, bie uns unmünbigen Kinberit 
bie ©orforgeube Mutter ©rbc ©or ©ersoffenen 3 a h*> 
ntillionen in ben Steinfohlen aufgefpart hat. Alle unfere 
mädtfigften Mafchiuen merben nad?fotnmenöen ©efchlech- 


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Sette { 2 ^. 


nummer 27 . 


fern eiiift mie KinberfpieltrerPe erfcheiuett gegenüber 
bett KraftmirPungeu, bie in ^ufunft pon Sonnenmotoren 
ausgeheit merben. *IDie fyeute fdiott (Eesla ^ 3 iifee her* 
porbriugt, bie über einen galten Saal fyinn?eg3liefen, fo 
mirb man einft eleftrifche £abuugeu pon ber Kraft ber 
(Bemitterbliße bettußeu fönneit. Das bebeutet ja alles 
meiter nichts, als baß mir bie porhembenen Kräfte ber 
ZTatur burch bie fyöfyere Kraft nuferes ( 5 eiftes lenfen 
lernen merben. Die ZDelleu aber i>on fofchen elePtrifcheu 
ZOirPuugeit finb, namentlich mit noch meiter perfeiuerteit 
Empfangsinftruineuten, 3meifellos über XDeltPörpereut* 
fernung hmmeg 3U fpüren. 3ft alfo bie Oermutung 
begrünbet, baß beifpielsmeife auf bem ZlTars ZDefen 
leben, bie auf einer um fjunberttaufenbe pon 3^^en 
uns porausgehenben Eittmicflungsftufe ftehn, fo müffen 
fte gau3 utiporftellbar piel fräftigere uub fiebere ZITittel 
3ur freien Uebertraguug ber (Sebanfen über ben leeren 
ZTaunt hinaus beftßeit, uttb fte horchen mit biefen be« 
ftättbig herüber 3U uns, ob bemt eublich einmal außer 
ben ZDirPuttgen ber unbelebten ZTatur auch Seichen 3U 
ihnen hinüber gelangen, in beiten ftch ein ( 5 ebanfe 
ausbriieft. Denn ebeitfo, mie mir in ber ZZnorbnung 
ber Kanäle bes ZlTars eine Einrichtung 3U fehn glauben, 
bie bie ZTaturPräfte aus ftd] aflein heraus itnb, ohne 
pon einer 3ntelligen3 geleitet 3U fein, nicht ausführen 
fomtten, fo mirb man in ber Zlnorbuung fold?er Reichen 
einer interplanetaren 5 unPeute,legraphie ihren Urfpruitg 
aus permanbten (Beifterit erfeitnen, unb ihre Eut3ifferung 
mirb ebeitfo ntöglid} merben, mie mir heute Hieroglyphen* 
fchrift lefen. Dann merben jene höheren ZDefen auf 
bem ZHars uns in uuferer eigenen Sprad^e aut* 
morten, ba fte längft erfahren mußten, baß mir 
ihre Sprad?e fo menig uerftehit, mie etma ein 
Sufchmann bie uufere, menn er 3unt crfteitmal mit 
Europäern 3ufanimeutrifft. 

ZITau mirb biefen (ßebanfcit 3unt äußerfteit über* 
fchmenglich finben. <Saii3 ebeitfo überfchmenglich aber 
mürbe man noch t>or 3mait3ig 3 uhren bie Ueberjeugung 
gehalten hüben, es merbe einftmals möglich fein, pom 
£anb aus ftch mit einem Schiff 3U unterhalten, bas 
huubert unb mehr Kilometer frei auf offener See fährt. 
ZDas ift bennfofehrHYP°lhetifchesanunfereröehauptung? 
Einmal behaupten mir, baß bie moberne (EechniP auf bem 
ZDeg, ben fte augenblicflich innehat, fortfehreiten mirb 
bis 3ur Z 3 eherrfchung ber uns überall umgebenben 
Ztaturgemalten in huubert« itnb taufenbfach pergrößerter 
XDirPuitg, mobei aber in ZDirPlid]Peit immer noch nicht 
6er millioufte (Eeil ber uns umgebenben Krgftmengeu 
permet\bet 3U merben braucht. Unb bie 3meite Hypo* 
thefe ift, baß es aitbere ZDeltPörper giebt unter ben 
ZITitlionen, bie ben Himmel beoölPern, auf betten eine 
ähulidje Entmicflung por fid? gegangen ift, mie auf 
uuferer Erbe, baß biefe Entmicflung aber in beit 
Emigfeiten, bie 3U (Sebote ftehen, um ein paar 
3ahrtaufenbe meiter gefontuten ift, als bie uufrige. 
Ulan mofle mohl bemerfeit, baß ich nicht etma meine, 
alle gleichartigen ZDeltPörper, juin Z 3 eifpiel alle pla* 
iteteit, müßten auch in ihrem galten Eittmicflungsgaitg 
eiitauber ähnlich fein; ich behaupte nur, baß unter ben 
ZlTillionen pon Welten ftch mettigfleus einige befinben, 
bie — mie es unter pieleu ZlTeufchen einige giebt, bie 
eiitauber frappant ähnlich ftub — einen in ber Hauptfad^e 
gleichen EntmicFlungsgang genommen haben. Zlm mahr* 
fd:einlichfteit giebt es bann eine folche ZlehuIichPeit and? bei 
ben Himntelsförpent unter (ßefchmiftern, alfo etma unter 
ben pianeten uuferer Soitnenfantilie 


ZDenn uns nun 3mar poit bort h et leiber noch Peine 
fieberen £ebeitS3eid?eu 3ugegangeit finb, fo moOeit mir 
hoch in folgeubeu Z 3 etrad?tuugen eine (ßebaitPeureife 
burd] biefe Souneumelt magen uub, fo meit es bem Stanb 
unterer moberneu ZDiffenfdjaft entfpricht, ben ZITöglich* 
Feiten einer £ebeusentfaltung bort nachfpüreit. 

* * - * 

Ein Zlusflug nach bem ZlTars. 

ZDolIeu mir permaitbte ZDefen in ben Sternen fuchen, 
fo meuben mir uns am beften 3iterji uuferer ZTad]bar* 
melt UTars 3 U, mo mir bie £ebensbebingttngen ben 
uns bcPannten am ähnlichften annehntett müffen, 
cbenfo mie mir bie ZTatur ber ZTad]barftaaten uitferes 
Daterlanbes beffer perflehen mie bie gait3 attberer Sonett. 

ZZitfer Heife3iel umPreijl bie Sonne in größerer Ent¬ 
fernung als uitfer planet. ZDähreub mir etma 3man3ig 
ZITitlionen ZlTeileit pou ber Sonne entfernt bleiben, hat bie 
Z 3 ahnellipfe, in ber fid] ZlTars um bie^ Sonne bemegt, einen 
größten Durdimeffer pon etma breißig ZlTillionen ZITeilen. 
3m günjligfteit 5ad, menn er ftch uäntltch, pon uns aus ge* 
fehen, gerabe ber Sonne gegenüber in ber fogenaitnten 
©ppofttiott befiubet, trennen ihn, mie fchon porhiu gefagt, 
nur etma ad]t ZlTillionen ZITeilen pon uns. Oon ben uns 
ebenbürtigen Himmelsmelten Pommt uns allein nur Dentis 
noch näher, bis auf fünf ZITillioneu ZITeilen; in ber be* 
treffeuben Stellung aber menbet uns Denus ihre ZTad]t* 
feite 3 U, bie gau3 unb gar nicht intereffant ift, meil man 
auf ihr fafl nichts erPemtt. ZlTars bagegen ift in feiner 
größten ZTähe 3ur Erbe pod pon ber Sonne beleudtfet, 
unb es ijl bePamtt, mje piele munberbare Dinge er uns 
bei biefer ©elegenheit 3eigt. 

Uufere (SebanPeitreife bis bort hinauf ijl fdpted pod* 
eitbet. Es giebt ja Pein anberes DehiPel bafür, als bie 
Zlethermelleu, bie ftch mit ber (SefdimiubigPeit bes 
£id]ts fortpfIan3cu. Eilte Depefd?e ber 5 unPentelegraphie 
braudtf im giiuftigflen 5 aH Paum brei ZTTiuuten bis bort 
hinüber, uub in gleich Pur3er Seit ftub aud] uufere ®e* 
banPen bort. 

ZToch ehe mir auf bie ©berfläd^e gelangen, crPennen 
mir beutlich, baß bie £uft auf bem ZlTars beträchtlich 
büniter ift, als bei uns. Kber es ift fchon ein gutes 
Seichen, baß mir überhaupt £uft antreffen, benn ohne 
fte Pönueit mir uns Pein £eben benPeit. Zille organifche 
IChätigPeit ift auf ben Zlustaufd] luftförmiger Stoffe be« 
grünbet. Zluch bie pflan3en atmen burch alle ihre poren 
uub müffen fterbeit fo gut mie mir, menn man ihnen 
bie £uft eut3ieht. ZDährenb aber bie (Eiere beit Sauer« 
ftoff einatinen uub ihn in ihren perfd?iebeneit ©rganen 
perbreitueit, genau fo, mie mir es mit ben SteinPohlen 
in einer ZITafchine thun, um burd] bie Kraft ber ZDärme 
fte in (Ehätigfeit 311 erhalten, unb bann als perbrauchtes 
( 5 as ober gemiffermaßen als DerbreituungsprobuPt 
Kohleitfäure ausatmen, fo ift es bei ben pflanjen 
g.rabe untgePehrt; fte holen bie uns fd?äblid]e Kohlen* 
fäure mieber aus ber £uft unb geben uns ben Sauerftoff 
bafür frei 3uriicf, fo baß mir ihn neu perbreitueit 
föitnen. ZDo irgeitbmo auf einem HinmtelsPörper £eben 
ift, muß es aud? 3mei ähnlich ftch ergäii3enbe Zlrteit pon 
ZDefen geben, mie bei uns pflai^e uub (Eier, unter 
bereit phyfiologifd?er (EhätigPeit fid] ein Kreisprozeß 
pollzieht, meil fouft berjeuige chentifd?e Stoff, ber bie für 
jebe innere ober äußere Z 3 emeguitg nötige Energie burch 
feine Derbiubuitg mit anbern 311 liefern h a h halb Der¬ 
braucht fein mürbe. 5ad?inänuifd? ausgebrüeft fagt 
ntan. bie (Etere mtrPen orybiereitb. bie pflau3er rebu* 


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Summier 27. 


Sette 12^5. 


5ierenb, unb bicfe beiben ineiuanber arbeifenbeu (Sat¬ 
tungen von Cebemefen finb aud? überall auf anbern 
XDelten notmeubig. Kußerbem müffen aud? bie rcbu» 
jterenben IDefen bie unbemeglid?en, feftgemad?feneu fein, 
toeil 3U jeber Bemeguug eine ©jrybatiou, ein 5 reimad?en 
pon IDärnte, nötig ift. Kur3 unb gut, überall im 
ZDeltgebäube, mo überhaupt Ceben fein fann, muß es 
pflegen unb (Tiere 3ugleid? geben, mie grunbperfd?ieben 
ihre äußeren formen aud? fein mögen. <£s ift aber 
burd?aus nid?t notmenbig, baß jener d?emifd?e Kreis- 
pro3eß 3u>ifd?en Sauerftoff unb Kohleufäure t>or ftd? 
geht, mie bei uns. €s giebt nod? eine ganje ,Ueil?e 
von Stoffpaaren, bei benen unter beftimmten anbern 
phyftfalifchen S 3 ebingungen ein ähnlicher Kreispro3eß 
möglich ift. 

(ßenug, mir ftnben auf bem UTars Cuft. Sie ift 
3mar fet?r bünn, aber bod? nid?t bünner, als mir fie 
auf unfern l?oB?en bergen antreffen, auf benen mir 
immerhin nod? 311 leben permögen. Die genaue < 5 u- 
fainmenfefcung biefer UTarsluft fönneu mir 3mar nid?t 
ermitteln, aber es fd?eint bod?, baß aud? fie Sauerftoff 
enthält unb aud? nod? ein €tmas, bas unferm XDaffer* 
bampf jebenfalls in feinem phyftfchen Verhalten ähnlich 
ift. Das ift mieber eine fef?r mid?tige JDahruehmung. 
Kud? eine allgemein perbreitete 5lüfftgfeit gebrauchen 
alle ©rganismen, in ber ftd? bie il?nen nötigen erbigen 
Stoffe auflöfen fönuen, um in beu ©rganismus aufge* 
nonimen unb meitergetragen 3U merben, bamit biefe 
Stoffe in allen (Teilen ihres Körpert als S 3 aufteiue 3ur 
meiteren (Entmicflung bienen. Solche 5 li\fftgfeit, bie 
bie Ktmofphare in Dampfform erfüllt unb fid? aus ihr 
als Sd?nee nieberfd?lägt, menn es Fälter mirb, giebt es 
alfo aud? auf bem UTars, mie mir fd?ou pon ber (Erbe 
aus gan3 beutlid? fel?en fönnen. Die (Teile bes Planeten, 
bie ftd? in feiner S 3 emegung um bie Sonne ein halbes 
feiner 3af?re lang abmeuben, mie bei uns abmed?felnb 
bie pole, merben meiß. Dagegen taut meift aller 
biefer UTarsfd?nee pon ben polen im Sommer mieber 
meg, alfo anbers mie bei uns, mo gemaltige (Eismauern 
uns 3U afleti 3 a hres3eiten pon ber (Erftürtnuug jener 
„geographifdjen punfte" 3urücff?alten. 

Diefer Umftanb ift für uns fel?r intereffant. <Es 
giebt bafür nur 3mei (ErFlärungen. €ntmeber ift es 
auf bem UTars märrner mie bei uns, fo baß bas €is 
leichter mieber megfd?mel3en fann, ober es giebt bort 
meniger 5eud?tigfeit, morunter mir ja immer nod? nicht 
eigentlkhes IDaffer 3U perftehen brauchen. Bei meniger 
5 eud?Hgfeit in ber Cuft überhaupt mirb es meniger 
Bieberfd?läge geben, bte alfo bann aud? leichter meg- 
tauen fönnen. XDeld?e pon beiben (ErFlärungen ift bie 
annehmbarere? Bei oberflächlichem £?iublicf mirb man 
bie erfte Annahme fogleid? permerfett, ba mir ja miffen, 
baß ber UTars meiter pon ber Sonne entfernt ift mie 
mir unb folglid? aud? meniger IDärme pon ihr empfangen 
muß. Die XDärmeftrahlung nimmt mit bem Quabrat 
ber (Entfernung ab, unb ba jener planet eineinhalbmal 
meiter pom großen JDeltofen abfteht, fo läßt ftd? mit 
polier Sicherheit berechnen, baß er auf jeben Quabrat* 
3entimeter feiner ©berfläche nur etma 0,^ ber IDärme 
3ugeftrahlt erhält mie mir. Um ebenfo piel meniger 
mirb alfo bie große UTafd?ine ber Ktmofphärc bort ge- 
hei3t, unb in gleichem UTaß muß fie träger arbeiten. 
Uber bei etmas tieferer <£iuftd?t in bie porliegenben 
Derhältniffe fteflen fie fid? bod? nid?t fo einfad?. <Es 
läßt ftd? 3eigen, baß unfere Ktmofphäre reichlich bie 
E?älfte ber ihr 3ugeftrahlten Sonnenmärme perfd?lucft, 


ehe fie 51m £rboberf!äd?e gelangen fann. 3e bid?ter 
bie Cuft ift, befto mehr ZDärme nimmt fie auf, um fie 
311 ben perfd?iebenen meteorologifd?en Arbeiten 311 per» 
menbeit. Deshalb v ftid?t'' auch bie Sonne fo fehr auf 
hohen Berge)!, unb mir perbrennen uns an ihr bie £}aut, 
menn aud? bas (Thermometer im Schatten unter Bull 
fteht. Buu h^en n?ir aber fd?on gefehen, baß auf 
bem UTars bie Cuft aud? an ber ©berfläd?e nur fo 
bünn ift mie bei uns auf hohen Bergen. (Es gelangt 
alfo ftd?er mcfentlid? mehr pou ber an ber oberfteit 
(Srense feiner Ktntofphäre einbringenben Sonnenftrahlung 
3ur ©berfläche als bei uns, unb es ift mohl möglid?, 
baß fd?on biefer Umftanb allein hhtreid?t, um ben Der* 
luft megen ber größeren €ntfernung bes UTars pon ber 
Sonne mieber ausjugleidjen. Die ©berftächenmärme 
braucht alfo bort nid?t geringer 3U fein mie bei uns. Die 
IDärmeauffaugung in ber Ktmofphäre gefd?ieht namentlid? 
burd? ben in ihr aufgelöft enthaltenen XDafferbampf, unb 
bas <ßleid?e mürbe jeber anbere Stoff thuu, ber etma 
auf bem UTars bie Stelle bes IDaffers als 5eud?tigfeit 
pertritt, beim immer mirb burd? ben Uebergang ber 
Uggregat3uftänbe ineinanber entmeber IDärme freige¬ 
macht ober gebunbeit. (Trifft alfo aud? unfere 3meite 
Annahme 3U, bie 5eud?tigfeit fei bort geringer als bei 
uns, fo entfteht aud? baburd? ein plus pon IDärme für 
bie ©berfläd?e. Bun ift aber gar fein 5 n>eifel bariiber, 
baß bie bas IDaffer bort pertretenbe 5 liifftgfeit in meit 
geringeren UTengen briiben porhaitben ift, mie bei 
ilns bas IDaffer. Bid?t nur bie pollftänbige Sd?uee- 
fd?mel3e, pon ber mir fprad?en, fonbern nod? eine gaii3e 
Heihe anberer Beobad?tungsthatfad?en bemeifen bies. 
(Es giebt 311m Beifpiel nur fehr feiten IDolfeu unb nur 
gan3 porübergehenbe Derfd?leierungen ber Ktmofphäre 
auf bem UTars, unb bie bunflen Stellen auf feiner ©ber- 
ftäd?e, bie mir nad? ihrer Cage unb fonftigen (Eigen- 
fd?aften als UTeeresbecfen be3eid?nen müffen, ftnb offen¬ 
bar fehr feid?t, fo baß man 3U gemiffen 3 a h r es- 
3eiten an ben Uferränbern bie Bobengeftaltung burd?* 
fd?immern fteht. 

IDir beftnben uns alfo auf einer U)elt mit meniger 
Cuft unb meniger 5 eud?tigfeit bariu als bei uns, unb 
beibe Umftänbe bemirfen, baß bie Sonnenmärme auf 
ihrer ©berfläd?e nid?t mefentlid? pon ber auf ber (Erb¬ 
oberfläche ;perfd?ieben ift. IDir h a ^a ans etma ein 
Ulpenflima por3uftellen, bod? ohne feine größere 5eud?tig* 
Feit, bie eine 5 o(ge bes ben gan3en Sommer anbalten- 
ben Sd?mel3pro3effes in ben ^od?alpen ift, ber für 
ben UTars megfällt. Sinb alfo aud? fonft bie Cebens* 
bebingungen bort ben unfrigen permanbt, fo fönneu 
auf bem UTars im allgemeinen größere pftanjen nur nod? 
fd?mer fortfommen. Kber aud? bie Kimnatur fann ftd? 
nicht entmicfeln, bie einer großen 5eud?tigfeitsmenge 
bebarf. (Es mirb auf ben flöhen nur ein gait3 biirftiges 
Ceben fortfommen fönnen, namentlich ba bie aus bem 
immer heiteren f}immel auf bas (Seftein nieberbrennenbe 
Sonne pöllig austroefnenb mirfen muß. Der größte 
(Teil ber UTarsoberfIäd?e ift mit gelbroten (ßebieten über- 
beeft, bie etma bie 5<*rbe uuferer IDiiften h a ^” un ^ 
in ben perfd?iebenen 3ah r ^3^it^a ihr Kusfehen nur fehr 
meuig peräubern. £?ier giebt es alfo feine Degetation, 
bie ihren bliitenreid?en 5riihling, ihren grünumranften 
Sommer, ihren farbenreid?en £?erbft unb ihren leben- 
feinblid?en TDinter hat, obgleich o>ir genau bie (Ereilen 
bort auf unterer Bad?barmelt angebeu fönnen, mo bie 
gemäßigten <§ouen ftd? pon ben bei uns immergrünen 
(Tropen fcheiben, unb mo ebenfo mie bei uns ein Kreis- 


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Seite <246. 


Bummer 27 . 


lauf her Vegetation 3mifd]cn üppiger Entfaltung in bem 
Wärmeüberfluß bes Sommers unb ber farreit Buhe bes 
Winters fattfinben müßte, meint ^icr überhaupt Vege* 
tation porhottben marp, möge fie in ihrem Wefen auch 
noch fo perfchieben pon ber unfrigeit fein. 3n per* 
eiii3ertcn 5ä0en aber hat man mahrgeuommen, baß 
felbf bis gegen beit Kequator bes BTars hin, beffen 
läge mir genau feftfteüen fönneit, eiii3elne biefer gelben 
(ßebiete porüberget^eub meiß merben ober ftch mit 
meißelt 5lecFchen befpreufelit. ^ier fchneit es alfo felbft 
unter ben Cropen, namentlich auf ben bergen, bie 
übrigens nicht befoubers hoch fein fönnen, meil fte auch 
bei untergehenber Somte feine merflichen Schatten 
merfen. Selbfi unter bem BTarsäquator mirb es alfo 
3umeileit entpftnblich falt, mas mohl 3U begreifen if, 
menn man bebeitft, baß bie Mächte bei ber immer 
reinen luft piel Wärme in ben Weltraum ausftrahlen 
tnüffen. CEitter üppigen Vegetation fmb alfo biefe Ver- 
hältniffe felbft unter bem Kequator nid?t günftig. Da 
bie pflait3en aber bie (ßruitblage auch für bas tierifche 
leben bieten, müffen trir alfo bie gelben (ßebiete auf bem 
BTars, bie eigentlichen lanbgebiete für peröbet holten. 

Bber biefe Wüfteneien fehen mir pielfach pou buitf* 
leit Streifen burch3ogen, ben berühmten Kanälen, bie 


bie großen bunflen (ßebiete, bie fogenannten BTeere, mit« 
einanber perbinben. 3*ne gelben, uttperänberlichen 
Stellen bilbeit einen (ßürtel rings um ben BTarsäqnator 
herum, bie Öuitfleu bagegen liegen 3U beiben Seiten 
in beit gemäßigten unb polar3onen. Die Verteilung 
pon taub unb BTeer ift alfo pon ber auf ber Erbe 
mefeittlich perfchteben. Sei uns geht ber Bequator 
mcift über BTeere hintoeg, mie benn befanntlich auf ber 
«Erbe bie WafferbebecFung porherrfcht, mährenb auf bem 
BTars, auch meint man alle bunflen 5lecFe für BTeere 
erflärt, piel mehr lanb als Waffer porhanben if. Buch 
biefes Verhältnis 3mifchett laitb unb BTeer beftätigt 
uufere früheren Wahrnehmungen, baß bie 5eudtfigfeits* 
menge auf bem BTars geringer iji mie bei uns. 

3 eite bunflen Streifen fomohl mie bie fogenannten 
BTeere peränbern nun im (ßegeitfaß 3U ben gelben 
(ßebieten gelegentlich ihr Bitsfeheu im < 3 ufammenhang 
mit bem 3 ohresmechfel. Ei^eltte biefer Kanäle ent« 
ftehen unb pergehen mit ihnen, anbere färben fich 
buitfler ober heller, unb einige ber „BTeere" meifen 511* 
meilen einen Bnflug pon grünlid?er Färbung auf. fjier 
seigen ftd? betuliche Spuren einer lebenbigeit Batur, bie 
mir auf unfercr Seife meiter perfolgen ntüffcit. 

Sdjlnßartifel folgt 


6 ^ Ö 

Die IHadottna mit den roten Ijaaren. 

Booelle pou Earl Bulcfe. 


,,3d] habe immer ein faible für rote Haare gehabt. 
3d? bin fefi überseugt, baß über bie meißelt, runben 
Schultern ber Eoa im parabies rote Haarflechten rollteu. 
3 unge BTäbd^eu mit roten paaren hoben oft in mein 
leben hincingefpielt . . . 3d? meiß es mohl, baß fte 
für uttberedienbarer, unburchftd?tiger gelten, als bie 
blonben unb fd?mar3en uttb braunen. 3d? fd^möre auf 
bie roten. Botes Haar ift nicht Spielart, fonbern Spe3ics. 
©b ich eine rothaarige Venus malen mürbe ; meiß id? 
nidit. Bber bas ftiHe, meiße (ßefkht einer roten BTa* 
bonna fteht mir Italic. Sic müßte auch heü&Iaue Bugen 
haben, gait3 pergißnteimtichtblau, mit einem bunflen 2Taub 
um bie 3ns, uttb bies gütige, holbe lächeln, bas ntüb* 
chenhoft unb frauenhaft jugleich ift. Unb auch fokhe 
leichte, leiblöfeube Haube. Es ift ttidtf fo lange tyt, 
ba hotte id) einmal beinah biefe ZTTabomta gemalt." 

Wir maren junge 3nriften unb feierten an unferm 
Stammtifd} gerabe einen unferer 365 5 <?fltage im 3 ah* 
bei einer folennen 5 rühjohrsbomle. Wir faßen 3uriicf* 
gelehnt in breite leberfeffel uttb rauchten unfere Siga« 
retten. Der 2 TTaler fab ait bie Decfe. 

„ 3 ch mürbe neulich, in ber lebten Bpriluacht, als 
mir fangen ,Der 2 TTai ift gefommen 4 , mir flieh qan3 fern 
timeittal uttb mußte lauge nicht ben (ßriittb bafür. Wir 
merbeit alle fo leicht pergeßlid*. Bber neulich fiel mir hoch 
ber (ßruttb eilt. Es ift eine gan3 alltägliche (ßefchidtfe. 

„2Ufo, es mar por fechs, acht 3ah*en. 3d? fatn 
bantals mit (Haufen, peterfen unb (ßiißntaun bie BUee 
hinunter. Die leute ftnb jeßt febon alle in Kmt unb 
Würben. ZTur (ßlißmattit ift unt bie EcFe gegangen. 


Schabe. Profit. Da fehen mir pon bem neuen Bahnhof 
aus, ber bamals noch fnallrot fhrahlte, einen «gng pon 
TTTenfchen fomnten, ber irgenbmie auffällig ift. Wir 
hatten nichts Befferes 3U thuit — Kleinftäbter hoben ja 
befamttlich nie etmas Befferes 3U thun — mir liefen 
mie bie Schuljungen hinterher uitb ließen ben < 5 ng, an 
feiner Spiße fteheitb, an uns porbeibeftlieren. Es 
maren ein paar lafaien in bunter lipree, bie einem 
fürfilichen fjousholt ait3ugehören fd?ienen, ein paar 
Kammerfrauen, bie H u tfchad?teln uttb (ßepäcfftiicfe 
trugen, unb ihnen porait ein junge Dame, nichts 
meiter. Kber alles gaffte. 

„Die junge Dame trug ein fd)mar5es Kleib unb hotte 
rotes £}oar. Sie §iitg mit tiefgefenftent Kopf unb 
fditteHeu Schritten. ,Sie geht mie eine mirflidie Kö¬ 
nigin, 1 fagte (ßlißmantt. 

„Da gefchah etmas fehr ZHerfmürbiges. 

„ 3 ch ftanb pontan. Sie hob plößlid? ben Kopf 
unb fah mir ins (ßeftcht. 3d? merbe biefeu langen 
Wagnerblicf nicht pergeffen. Es ift ja Eigeutiimlichfeit 
ber Bothaarigen, baß fte im KugenblicF bie 5orbe 
mechfeltt fönneu. 3h^ h^üos (ßeftcht mar urplößlid? 
buufelrot gemorbeu. Sie ging auch lattgfamer. Das 
hatten alle bemerft. 

„3m Kugeublicf mar fte porüber. 3^ fianb mie per* 
feint. Du feitnft fte, bu mußt fte Fennen. Wir ratfchlagten 
lauge h^, mer fte fein föititte. Eine Kusläuberiu mar 
fte ftcher, bas ftanb feft. Wir gingen rafd] hinterher, aber 
ber <3ng fd?iett in eine ber nebeufraßeti abgebogett unb 
bereits in einem Pripathaus perfdimunben 3U fein. 


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Hummer 27 . 


Seite 12^7. 


„, 3 m TTTai ift bas Seheusmertefte tjicr bie 5lott* 
befer Chauffee/ fagte (ßlißmattn. ,menn mir fie toieber- 
fehen mollen, bann opfern mir unfern Spa3iergang unb 
feßen uns in ben ,HTonb 4 . Dom 5 euf?er aus Fönnen 
mir bie Dorübergehenben felgen. Du mirjt bief? freilich 
geirrt haben. 4 

„mir faßen alfo im ,H?onb 4 unb marteten $mei 
Stunben lang. Sie brei anbern bestellten Karten unb 
fpielten, id? fah burd? bas 5enfter. 

„,Da ijt fte/ fagte plößlid? (ßlißmattn in aller Seelen¬ 
ruhe. 3 d? h^tte fte faunt miebererfannt. Sie trug ein 
helles Kleib unb einen fd?mar3en, breitFrempigen f}ut mit 
einer Straußeufeber. Sie ging in Begleitung eines 
jüngeren f^errn. 

„ 3 m TlugenblicF jlaitb id? auf ber Straße. 3 d? 
überholte fie auch biesmal mieber unb (teilte mid? oben 
am Kriegerbcnfmal in pofrtur. Sie Farn, fte fah mich 
mieber an, fie mürbe mieber rot, rot bis in bie f}aar* 
murjeln. 

„Unb ich rebete fte an . . 

„Tiber mir molleu trinfen unb uns bes Gebens freuen, 
fo lange bas £ämpd?en glüht. fis mar in ber Fommeu- 
ben Hacht DoHmonb, gerabe fo mie h^te. HTir fällt 
ein, baß es bie trübfcligfte <Befd?id?te ijl, bie ich je erlebte. 
Profit/ 

Hub mir traufen . ♦ 


„Damals Itatte id? gerabe meine ^eilige Cäcilie 4 für 
ein großes StücF (Selb oerFauft. fis ift fonberbar, mie 
fehr ein folcher rein äußerer firfolg hochbringt. 3d? 
mar fehr hoch. ZHein Tltelier hing ooH oon f^unberten 
aHermöglichjter SFij-en, mein Schäbel faufte ooll hunbert 
neuer 3 &^ n * Tlls id? bamals in Fühler Konoerfation mit 
ber rothaarigen jungen Dame über bie 5 lottbefer 
Chauffee ging, fianb urplößlid? bas große, neue Bilb 
5um (ßreifen nahe oor mir: ,Die UTabonna mit ben 
roten £?aaren. 4 — 3 ch fagte fchon, baß id? bas Bilb 
nie gemalt hätte. 

„Die Begegnung mar fehr fonberbar: im Tlugeit- 
blicf, als fie fprad?, mußte id? ih^n Barnen, befann 
mid? auf unfer §ufammentreffen. 3ch hatte fte in 
<Dud?y fennen gelernt, in bem parabieftfd? fd?önen ©ud?y, 
in beau-rivage. fis mar in meiner jungen <§eit, als id? 
burd? JDelterfahrenheit bie 3nferiorität bes Calents 3U 
überbriicFen oerfud?te. Sie flammte aus Brüffel, mie 
es fd?ieit, aus erfter Äantilie, unb befanb ftd? mit filtern 
unb <ßefd?mijtern auf ber Keife. 3*ßt mar fte £?of* 
bante irgenbeiner belgifd?en pritt3eß, bie auf ber Keife 
nad? Karlsbab fte in Hamburg für 3mei Cage beurlaubt 
hatte; fte moKte ihren jüngeren Bruber, ber Doloutär 
auf einer uitferer tDerften mar, mieberfehen. 

„Der Bruber, ein lattgaufgefd?offener 3mait3igjähriger 
3 urfd?e, ging brao unb fd?meigeub an ihrer anbern 
Seite. mir Framten ttnfere alten firiitnerungen aus, 
fte bemies ein rühreitb gutes < 5 ebäd?tnis, fte hatte in 
ben ba3mifd?enliegenben 3 a h r *N meine Bilber in He- 
probuFtionen gefehen, fte nannte mid? einen berühmten 
HTaitn, unb bie h*Hbtauen Tlugen mit bem bunflen 
Kaub um bie 3 ns fahett mohlgefäüig 3U mir auf. Sie 


fprad? jeßt aud? fließenb beutfd?. Sie lachte barüber, 
mie linFifd? uitb unbeholfen id? ihr bamals ben £jof 
gemacht hätte, fte er3äl?lte oon ihrem ,Dieitjt 4 , oon 
bem gefirettgen ©berhofmeifter unb ber füßen prin3eß 
unb beutete manchmal mit einem rafd?en Blicf auf ben 
Bruber an, baß fte mir leid?t nod? oiel, oiel mehr er« 
5ät?Ien Fönnte. 

„tOir marett bis 3ur 3meiten filbausftdjt gegangen 
unb fuhren bann in einer Drofd?Fe 3ur Stabt 3urücf. 
Sie mohnte im £?otel be Tfiurope in Hamburg, fis 
mar gan3 felbjtoerftänblid?, baß id? mitfuhr. Sie ent* 
fd?ulbigte ftd? Ieife, baß id? fte hntfe nicht mehr fehen 
Fönnte, fte mären eingelaben 3U bem- Chef bes Brubers. 
Dor bem f^otel ftehenb, fd?icfte fie ben Bruber mit 
irgenöeinem Tluftrag hinauf. 3 ch bat fte fd?neH um 
ein mieberfehen auf morgen. Sie ging ihit einem 
iäd?elnben Tlugenauffdjlag bes Derftänbniffes ohne 
Ziererei barauf ein. Sie hätte ben gan5en Dor- 
mittag bis gegen oier Uhr <§eit. 3ch oerfprad?, fte 
gan3 früh oom £?otel ab3uholen. 3d? füßte ihr bie 
£?attb, unb mir trennten uns/ — 

Der ZlTaler (topfte nad?benflid? feine Fur3e Shag¬ 
pfeife. Dann fah er mieber läd?elnb 3ur Decfe. „Den 
Barnen — marum foH id? 3 hnen nid?t aud? ihren 
Bantert fagen? fis mirb mot?l fd?toerlid? auf ber melt 
einer oon uns fte 3U < 5 eftd?t befommen im Ceben. Unb 
ber Barne paßt 3U ihrem <Bejtd?t: Blirjam oan ber 
mees fyes fte. 

„Um neun Uhr morgens mar id? im ^otel. 3 d? 
fd?icfte ihr einen Strauß Hofen auf bas Sintmer. Sie 
Fant nad? einer halben Stunbe. 3 d? fehe fte nod? in 
bem meißen 5altenfleib, meine Hofen unb ben großen 
£?ut in ber £?aitb, mit bem morgenfrifd?en, 3ierlid?en 
<ßejtd?t unb bem munberoollen, reichen roten £?aar. 

„mir frühflitcften 3itfammen. Sie banfte mir für bie 
Blumen. ,Sie haben mir fold?e 5 reube gemacht/ fagte 
fte, ,id? hotte mir eine Flehte Ueberrafd?ung für Sie 
ausgebad?t, als id? h*ute aufjlattb; Sie foflten fte 3mar 
erjt hoben, memt mir uns trennten. Tiber id? toiH fte 
3hnen gleid? geben. 4 

„Unb fte fd?enfte mir ihre Photographie. 

,„TUbert mar gan3 außer ftd?, als id? ihm fagte, 
baß er ftd? nid?t meinetmegen im < 5 efd?äft Urlaub 
geben laffen bürfe. 3d? rebete aud? gejtern bem Chef 
3u, baß er nid?t barauf eingehen foflte, menn er ihn 
barum bäte, fis ijl ein fo guter 3ttnge, er hat es 
gar nicht mehr gemagt, ihn 3U bitten. 4 

„Dann ließ fte aud? mir Kaffee feroierett. 

,„mir ftnb ja nur bies einige HTal im Ceben 3U* 
fammen, es ift ja mohl faum an3ttnehmen, baß mir 
uns mieberfehen. 3« all fold?en 5äHen giebt es 3um 
Smeitenmal Feinen SufaH mehr. Da barf id? es magen, 
Sie ein menig 3U oermöhnen. HTir fd?eint fajt, als ob 
Sie aud? fonfl nid?t am Dermöhntmerben TTlangel leiben, 
Sie ^err ber Schöpfung. 4 

„Daun ftitßte fte bie leid?toerfd?luugenen E?änbe unter 
bas Kinn unb fah mid? an: ,Sie finben bod? aud? 
nichts babei, baß mir hier 3ufantmeuftßen?I 4 

//3d? flrecfte bie f?anb aus, unb fte legte für einen 
Tlugeublicf bie ihre barein. 


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Seite \2<kS. 


Nummer 27 . 


„Dann faßen mir im IDagen unb bann auf bem 
Dampfer. Die ,£üfye‘ blökte. Don 5inFenmärber 
ab lag bas qan$e Kirfd?enlanb mie ein meißes, riefeln* 
bes, fonnenbefd?ienenes Blütenmeer. €in Dampfer mit 
Dielen fyunbert Kinbern in gellen Kleibern, bie einen 
Sd?ulausflug machten, fuhr uns »oraus. ,© fanfter, 
füßer f}aud?/ fangen bie Kinber, unb über bas blanfe 
ZDaffer Flang langgesogen bie glaubensfelige prophe* 
3eiung bes feligen. £}errn £ubmig Urlaub: ,Balb, 
halb — blühen bie Deild?en aud?/ 

„Sie hatte Sinn für Schönheit unb 5rühlingsfreube. 

,„Das h<*öe ich nie gefet?en/ fagte fie leife, als mir 
mot?l 3ehn UTinuten lang regungslos »om Deich aus 
über bas Blütenlanb gejiarrt hatten. >®as ift 3 um 
5 rommmerben unb sum NieberFnien unb 3um Beten 
fd?ön/ 

„Unb mir fprachen baoon, baß man feiettage ein» 
führen feilte, mie es in 3apan ift, menn bie pfirfiche 
unb bie Kirfdjen blühn, unb mir fprachen »on bem 
Sonntagsfrieben ber Schönheit unb ber^eiligfeit berKunfi. 

„3ch aber fah nur fie. 

„ZDir gingen fiunbenlang fpasieren. £s mar alles 
mie uerjaubert, jebes Fleinfie Ueftchen freute fich feiner 
Blüten, bie ZHenfchen, bie uns begegneten, fahen froh 
unb fefUid? aus. Uebrigens: es ift hoch ein fehr feines, 
tiefes <£nipfinben unter uns ZTCenfd?en, baß niemanb 
es magen mirb, in folcher Seit eine Blüte 3U brechen. 
€ine reife Kirfd?e mill gepflücFt merben, einen Blüten* 
3meig 3U Brechen, erfcheint uns als eine empöreube 
Schänbung ber fjeiligfeit ber Natur. 

„Dann feßten mir uns 3um €ffen, aber mir rührten 
Faum einen Biffen an. Unfere Uugen fianben auf bu 
unb bu, unb bie Uugen hatten fid) uiel 3U ersähleii. 
Schließlich fah fie immer mieber auf bie Uhr, , 3 ^ 
muß mohl halb fort/ fagte fie traurig. 

„3ch antmortete nid?ts. 3^h fat? fie nur bittenb an. 

„Da lächelte fie träumend}: ,<£s ift eine (Lhorheit, 
aber ich miH t(iexble\benS Unb bie ZDorte burd?* 
riefelten mid?. 

„Nachmittags gingen mir nach Steinfirchen 3U. Um 
Weg fanben mir 3mei meiner Kollegen, bie jebes 5 riih* 
jahr bort 3U ftnbeu finb. Sie hanbmerFten miihfelig ihre 
Blütenbilber, bie in ber Stabt ben großen Ubfaß fttibert. 
(Sroß ift bie Diana ber €phefer. Wir gingen lachenb 
an ihnen oorüber, mitten hinein in bie meiße, blühenbe 
ZDilbnis. Uuf fernen ZDegen lärmten bie Kinber. Uber 
hier mar es lautlos ftiH. 

„,ZDir molleu uns feßen/ fagte fie. Unb fie nahm 
ben £}ut ab, marf ihn 3U Boben unb fefete fid? in bas 
hellgrüne (ßras unter eine junge Kirfd?e. 3 ni leifen 
XX>inb riefelten bie Blütenblätter auf ihre Sd?ultern. 
Die äußerften gmeige bes Fleinen Baumes berührten 
fajt ihr £}aar. 

„(ßan3 mortlos nahm ich mein SF^enbud? unb 3eid?* 
nete bie UTabonna mit ben roten paaren. 5 ie faß 
reglos. Uletue £?änbe fieberten. Uus ben heßblauen 
Uugen jtrahlte bie gan3e 3 nnigFeit ber Seele. <£ine 
halbe Stunbe »erging. 

„,<£s geht nicht. 3 <h Fann es nicht/ Unb id? 
mollte bie Blätter 3erreißen. , 3 ^h feh* Sie vor mir 


mie eine (Offenbarung. <£s follte ein großes IDerF 
merben. Solch ein ZDerF, um beffen Dollenbung man 
fieben 3 a hre merben muß, mie Ceonarbo um bie UTona 
£ifa. 3d? bring’s nicht fertig/ 

„Sie aber lächelte eigen unb fah mich mit einem 
bangenben, halb »erfd?ämten BlicF au. 3 ^h mußte, 
mas fie thun mollte. Unb fie that es. Sie griff mit 
beiben Ejänben in ihr rotes Staat unb öffnete es. 

„3ch bin jefet mittlermeile achtunbbreißig 3ah*e ult ge* 
morben, unb jebes 3^hr mar reich an <2rleben. 3^1 mar 
auch bamals Fein 3 üngling mehr. 3 ^ habe bas C^ben 
bamals in einer folchen heiligen Sd?önt?eit gefet?n, baß 
noch heute mein gan3es £}er3 3ittert, menn ich bar an 
benFe. 

„Unb ich Narr mollte bas 3eid?nen. 

„Schließlich reichte ich thr bie Blätter. 

„Kopf an Kopf fahn mir barauf hm. Sie fd?mieg 
lange. €nblid? fah fie 3U mir auf: ,<2s ftnb im (ßrunb 
hoch nur Striche unb Cinien. Das Ceben ift hoch »iel 
fd?öner als bie Kunjt/ 

„,Die linben Cüfte finb ermad?t/ fangen bie Kinber 
gan3 »on meitem, 

„,UTirjant/ 

„UTein Kopf lag auf ihrem Schoß, fie find? mit ber 
£?anb über mein £?aar unb neigte fich über mich. ®ie 
roten £?aare fielen über ihre Sd?ultern auf mein (ßeficht. 
Durch bie roten Staate fah id] in bie Sonne. Sie 
Füßte mich. 

„,<£s blüht bas fernjte, tieffie Chal/ fangen bie 
Kinber. 

„Unb mir Füßten unb Füßten. ,Sie finb ber €rfie, 
ben id? gePiißt hübe/ fagte fie, ,Sie bi’trfen nicht fchlecht 
oon mir benFen/ 

3 n golbroteu ZTTafdien unb Strähnen ringelte fid? 
ihr feibenes £)aar burch meine Ringer. 3h re tippen 
brannten. 3 ^h hörte ihr f}er3 unb fah ihre Seele. 

,„Nun muß fich alles, alles menben/ fangen bie 
Kinber. 

„.UTirjam/ 

„Unb ber Nachmittag oerrann. 

„,U)erben Sie meine 5 rau/ fagte id? plöfclid? gan3 laut. 

„Sie ftrid? mit ber fjanb über bas £?aar unb lächelte 
»erträumt. 

„,Sonberbar,ich bad?te aud? eben baran/ fagte fie leife. 

„,N>erben Sie meine 5 rau/ fagte id? nod? einmal. 

„Die Kinberfiimmen fd?miegen. 

„ZDir fianben engumfd?lungen an einen Baum ge¬ 
lehnt unb fahen in bas glühenbe Kbenbrot. 

„,Du follft morgen Kntmort hüben/- 

„<£s mar Dollmonb in jener Nad?t, gerabe fo mie 
heute. Kls id? fpät nad? Baufe ging, begegnete mir 
(ßlißmaun. ZDir Fehrten hi^r ein unb faßen in großer 
( 5 efelifd?aft an biefer Stelle. <£r fragte nichts, er 
lächelte nicht. ,® Uugen, blaue Uugen/ fang es in 
mir. Unb mir tranFen unb philofophierten itoer ben 
(Släfern. Sd?abe um (ßlißmann. profit . . . 

„<£s finb eigentlich nur bie jungen £eute, bie »on 
einer Sphin^natur bes U^etbes fpred?en. Wxt magen 
es nur nicht aus3ubenfen, baß bies Ubenteuerlid?e, mie 
fagt man bod?, Unberechenbare im CharaFter bes 


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Kummer 2t. 


Seite 


IDeibes doch nichts meiter ift als aHtäglichfte, gait3 
profaifche Serechnuug. ©lißntaitn erlebte die gleich* ©e* 
fchichte unter andern Dorausfefcungen. Da fagte die 
Angebetete ,ja 4 , und ©lißmanrt ging um die €cfe, ging 
3U ©runde. 

„UTeine ©efchichte ift fdjnell 3U €nde erjä^tt: der 
andere Sag mar dunjtig und trübe. IDir fehlenderen 
am UTorgeit ohne S^ecF und §iel einftlbig durch die 
Strafen. 3 ch führte fte in den Kunftoerein, mo ein 
Sild uon mir fying. ,Die tagende Salome 4 mar es. 
Sie fennen das Sild nicht, meine Herren. ©s ift nicht 
mein bejtes. 

„,U)as Friegen Sie denn für folch ein ©entälde? 4 
fragte UTirjam uan der IDees lächelnd. 

„ 3 ch 3ucfte die Ach'eln. ,Caut Katalog Foftet das Sild 
3 CXX) UTarF, uielleid?t finde ich einen Dummen, der die 
fjälfte be3at^It.‘ 

„Sie lächelte nachdenFlich. tDie uiel oder mie menig 
rnagjt du Armer dann in einem 3 <**t r verdienen, triefe 
dies £äd?efn. 

„€s regnete. ,UAr mollen heute mieder in das Slüten- 
Tand fahren/ bat fte. ,Ad?, das Wetter fchadet ja 
nichts. Aber um drei muß ich diesmal mirflich 3urücf 
fein. 3 d] hab es Albert fejt oerfprocheu. Um acht 
fahrt mein §ng. 1 

„Die Dienerfchaft mar bereits uorangefchieft, die 
Koffer ftanden fchon auf dem Sahnhof. Alfo, mir 
fuhren nach der Ciihe. Als mir auf dem Dampfer 
faßen, fah ich, mie blaß fte mar. Sie fröftelte, und 
ihre f]ände bebten. 3^7 moßte meinen Arm um fte 
legen, aber fte rüefte beifeite. 

„Der fjintntel hing Dotier fchiefergrauer lüolfen. Das 
gattje Slütenland lag in Dunji und Hebel. JDir maren 
fajt die einigen paffagiere, die an der Station aus* 
fliegen. Und als ich die arme, meiße Schönheit diefes 
Candes miederfah# ohne den blauen fjimmel, ohne die 
Sonne, ohne die ftngenden Kinder, da mußte ich erft, 
mie fehr ich diefes £and liebe. 

„Denn jedes £and fchafft fich feine UTenfdjen ähnlich. 
Und td? glaube, damals blühte auch in mir alles. 


„IDir gingen Schritt auf Schritt die IDege, die mir 
geftern gegangen. UTir fd?ien fajl, als fudjte fie diefe 
XDege mieder; mir fanden auch die alte Stelle, mo mir 
gemefen. Aber eine UTagd mar dort, die eine Kuh 
melfte. Sie fdjien das 3U oerdrießen. Die Fleine Kirfche, 
unter der ZTTirjam uan der Wees geftern faß, als ich 
fte 3eid?nete, recFte ihre dünnen, blütenüberftrömten Aefte 
dem Hegen entgegen, mie in ftarrer Seligfeit. 

„,£;eute Föntten Sie mohl nicht 3eid?nen?‘ fragte fie 
mit dem gleichen namentlichen £äd?eln. 

,„Uein. Aber ich fehe ja Sie. Und einmal male 
ich die HTadonna mit den roten paaren doch* HTau 
uergißt nicht leicf?t, mas man mit dem ^er3en fah-‘ 
„Und dann ftanden mir lange an der alten Stelle, 
mo mir geftern in die Abendröte gefehen batten. U)ir 
fpradjen Fein U)ort. Hur einmal griff fte in unmiH- 
Fürticher Semegung nad? meiner Etaw d und fie 
eine U>eile in der ihren. Und da uerfland ich fte. 

Albert darf nicht warten . UAr müffen fort. 4 Und 
fte brach einen Smeig und reichte ihn mir. 3^ füßte 
die Blätter uttd reichte ihn ihr 3urücf. Da barg fie 
ihn in ihrem Kleid. 

„,Ade, 33 lütenlaitd. 4 

„Am Abend ftanden mir drei am Sahnhof. 

Sitte, ein|leigen, 4 rief der Schaffner. 

„Da reichte fte fchneU dem Srudet* die fjaitd und 
legte dann die Arme um meinen fjals und Füßte mich- 
„,£eb mohl/ fagte fte. Und der IDagen rollte daoon. 
„3d? hab feitdem meitergelebt, 3 a h*e und 3ah^e. 
Die £ühe blüht noch jedes 3 a hV un d mein ^er3 fchlägt 
noch jeden Sag. Aber die Uladottna mit den roten 
paaren hab ich nie gemalt. 3^h hab es oft uerfucht, 
aber es murde nichts daraus. So malte ich «den 
anderes . . ." 

<£r hab fein ©las. 

„2£>ir aber moHen trinFen und uns freuen, fo lange 
das £ämpchen glüht. Und mir molien meiter rechnen 
an dem großen Hecheneyempel des Gebens, und menn 
es in die Srüche geht, ©roß ift die Diana der ©phefer/ 
Und mir tranFen. 






omnter. 


Don Karl Yanlelow. 


Wn allen Loggien 'Pelargonienblüten, 

3n allen 0ärten fommerbunte pradjt, 
tJn t>ellen Kleidern, ftofen auf den Ruten, 
Sie jungen ?Dädd)en, fonnengoldumladjt. 
Von Ueberflu(j, von Lebensmut und Luft 
Äin id) beraufdjt, von (Jugend bin id) toll, 
Reijj ift mein Rerz und zum Verfdjenken voll, 
3d)önfte von allen, komm an meine ßruftt 


8d)6nfte von allen, komm, o komm, wer könnte 
tJn aller Welt tyeut reicher fein als id)? 

Hod) ift die Zeit, die einmal nur gegönnte, 
8d)önfte von allen, komm und küfle mid)l 
ün (Jugendröte giebft du mir did) l)in, 

Dd) bin der König, der vom <3Iück verwöhnte! 
8d)önfte von allen, blühende, 0ekrönte, 
Kofenbekränzte, blonde Königin 1 


■u>r" 


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Seite J250. 


Kummer 27. 


£Iektrokultur. 


plauderet von Dr. 5riß Bernharb. 



choit lange oernuiteteu bie Katurforfcher einen 
<§ufammenfyang 3 toifdien bem Auftreten 5er 
Sonnenflecfe unb 5er X}äuftgFeit bes Polar¬ 
lichts, bis im 3ahr \852 oon Wolf un5 


Daß bie Derfud?e, 5ie im Sommer \885 begannen, 
mit aller erbftiFlichen Dorftcht angeftellt tourben, um 
je5e SehlerqueHe aus 3 ufchließen, ifl aus 5em emgehenben 
Bericht erftchtlid?, 5er audi 5ie ^efylfdjläge mit großer 


an5ern btefer Sufammenhang 5er Sonnettflecfen- (EhrlichFeit aitfsählt. Die erften Derfudje tourben in 5er 


perioben mit ben erbmagnetifdjen (Erfcheinuitgen nachge* 
liefen tourbe. Ijerfchel ging noch toeiter. <£r tooflte fogar 
einen Sufammenhang 3 toifd}en 5er ^äuftgfeit 5er Sonnen- 
flecfe un5 5er 5rud?tbarFeit 5er entfprecheuben 3 a hre er* 
Fennen.- Sun hat ftch feit 3 ah* 3 ehiüen profeffor Cemftröm 
oon 5er Unioerfität Ejelftngfors mit 5iefem Problem be* 
fchäftigt uu5 5en Betoeis erbracht, baß 5ie Kabelbäume, je 
näher 3 um pol, bejlo 5eutlicber, an 5er Dicfe 5er 3ahres- 
ringe eine periobität erFenneu laffen, 5ie in naher Ueber- 
einflimmung mit 5er pertobe ber SonnenflecFe fleht. 5erner 
toeiß man burch Derfud]e, 5aß ber eleFtrifd?e Strom in 
Kapillarröhren ein €mporfteigen ber ^lüfftgFeiten betoirft. 


IDeife aufgeführt, 5aß mittelgroße Blumentöpfe ooH 
gleichartiger (Erbe mit (SetreibePörnern oon gleichem 
(Setoicht unb Ausfehen befeßt tourben. ©berhalb ber 
burch papptoänbe getrennten (Töpfe tourbe in jeber 
Abteilung ein ifoliertes ZHetallneß mit Spißen gefpannt. 
Die (Erbe in ben (Töpfen toar burch Sinnblätter mit 
bem Koben oerbunbeu, fo baß ber Strom oom pofitioen 
pol einer I}ol 3 fchen 3 nffueu 3 mafd]ine in Abteilung I 
oom ZHetallueß 3 U ben pfla^en ging, in ber II. Ab¬ 
teilung tourbe er in umgeFehrter Sichtung burchgeleitet, 
toährenb bie III. Abteilung 3 ur Kontrolle Feinen Strom 
erhielt. Schon nach einer JDoche toar beutlich 3 U er- 


Sun lag ber Sd]luß nahe, baß ber eleFtrifche Strom 
in ben Kapillarröhren ber pfkut 3 eu bie gleiche IPirFung 
ausübt, mithin bie Simulation ber pflan 3 enfäfte be* 
fchleunigt. Damit toar ber IDiffenfchaft bie Aufgabe 
gejleHt, ben Einfluß ber (EleFtr^ität auf bas JDachstunt 
ber pflan 3 en 3 U erforfchen unb feft 3 ufteflen. 3« ÄranF* 
reich, Sußlanb unb 5 innlanb fmb nun thatfäd?lich Ver¬ 
fuge angeftellt toorbetv bie gan 3 überrafchenbe Hefultate 
ge 3 eitigt haben. profeffor temftröm hatte auf mehreren 
Seifen nadj ben polargegeubeit bie reidien (Ernten be* 
obadjtet, bie bei manchen (ßetreibearten, 3 . B. (Serfle 
unb Soggen, bas ^ 0 . Korn erreichen. Da jebe pflan 3 e 
3 U ihrem (Sebeihen JDärme, Cicbt unb 5eud?tigFeit be* 
barf, fo muß eine anbere Kraft im Spiel fein, wenn 
einer biefer Äaftoren, bie IDärme, faft oöüig fehlt. 
(Er fuchte unb fanb fte in ben eleftriichen Strömen ber 
€rbe. <£r felbft fagt barüber in einer Brofchüre, bie 
oor Fursem in beutfeher Ueberfeßung 001 t Dr. <D . prings- 
heim erfchienen ifl: 

„Die pfIan 3 enphvfiologie giebt eine 3 ufriebeufteHenbe 
(ErFläruug für bie Derridtfungen, bie bie weiften pflanjen- 


fehen, baß bie unter bem (Einfluß ber (EleFtrijität flehen- 
ben pflait 3 en ftch fchneller unb Fräftiger enttoicfelten als 
bie anberu, unb beim Abfdjluß bes Derfud^s betrug bas 
STehr an IDachstunt runb ^0 projentl 

3nt nächflen Sommer bereits tourben 3 toei größere 
Derfuche im freien 5elb ausgeführt. Beibe lieferten 
gait 3 erftaunliche €rfolge. Die unter ber (EintoirFung 
bes eleFtrifchen Stroms gesogenen (ßemiife toiefen einen 
Ueberfchuß über bas KontroHfelb von 36,9 projent bei 
Sellerie bis \07,2 pro 3 ent bei toeißen Süben auf. Die 
(Erbbeeren, bie oon pofttioer €leftri 3 ität beftrahlt tourben, 
reiften in 26 (Tagen, bie unter negatioer €leFtrisität 
in 33 (Tagen, toährenb bie freitoadrfenbeit 5^ (Tage 
brauchten. Auf bem 3 toeiten Derfuchsfelb lieferten bie 
eleFtrifch beftrahlten pflanseit unter anberu folgenbe 
Ueberfdniffe: IDe^en ^5,1 projent, fjafer 5^ prosent, 
(ßerfle 85 unb fjimbeeren ty5 t \ projent. 

Daß manche <ßetoäd?fe unter ber (EintoirFung ber 
(Eleftrijität einen erheblid?eit Sücfgang erlitten, toirb 
offen bargelegt. Die gleichen pflau 5 eu h a beu inbeffen 
fpäter toefentlidi beffere Sefultate ergeben, nad^bent mau 


organe 3 U leiften h^ben, unb geitügenbe (ßritnbe für 
ihre (£fiften 3 unb ihre oerfd?iebenartigen formen. Dies 
ift jeboch nid]t ber 5all bei ben Sabeln ber Koniferen 
unb bei ben (ßrannen an ben Aehren ber meiften (Se¬ 
treibearten. Da nichts in ber unenblidjen IDerPftatt 
ber Satur fleh ohne Sa>ecF oorfinbet, fo miiffen bie 
Sabeln unb (Sramten auch ih** beftimmte 5unFtion 
haben. 3h r ifl in ber (Th<tf toohlgeeignet, um 

bas Slittel 3 U toerben, tooburch bie (EleFtrijität oon ber 
£uft 3 ur €rbe unb umgeFehrt flrörnt, b. h- Fönneti 
toie ZHetallfpifeen in Derbinbung mit ber (Erbe toirfen. 
Durch einen Derfuch bet einer (E^pebition nach 5iitnifch- 
Capplanb mürbe burch Aualogiebetoeis feftgeftellt, baß 
fte toirflid? biefent &wed bienen, nämlid? ben lieber- 
gang ber (EleFtrisität oon ber Atmofphäre sur £rbe 311 
oermitteln.Damit ift jeboch noch nicht eutfehiebeu, 


in Be$ug auf bie ZTTenge ber eleFtrifchen Beftrahlung, 
ber 5euchtigFeit u. f. to. einige Crfahruugen gefammelt 
hat. profeffor Cemftröm betont beshalb fehr richtig, 
baß es ftch ttidtf um eine abgefchloffeue IMethobe huubelt, 
oermittelfl beren bie Slenfchheit nun bie Erträge ihrer 
^lecfer oerboppelu Faun, fouberit um tafteube Derfudie, 
bei benen jeber Schritt neue Probleme aufrollt unb 
neue Ausblicfe erfchließt. 

3 nttnerhin ift burd 7 bie bisherigen Derfttche fo oiel 
ertoiefett toorben, baß profeffor Cemftrötn mit Sed?t 
3 ur Amoenbung feiner ATethobe in größerem IHaßftab 
aufforbern Faun. Die Kofteu bes Derfahrens ftnb - oer- 
hältnismäßig fo gering, baß fd^ott ein IHehrertrag 001 t 
\0 pro 3 ent fld? als retrtabel ertoeifen toiirbe. JDas bie 
Vermehrung ber lanbmirtfd^aftlichen probuFtiou um 
biefeu Betrag oolFsmirtfchaftlid 7 3 U bebeuteu h^tte, bas 


baß ber Strom irgenbeinen heilfunten (Einfluß auf bas ift ein gufunftsbilb, bas lebhaft au bie ntärd^euhafte 
lüadjstunt ausübt. Dies mußte erft nod] burd] ein* Seit erinnert, in ber bie Boggeuhalme oon oben bis 
geheube Derfud^e betoiefett toerben/' unten mit Aehren bebecFt toareu. 



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Kummer 27 , 


Seite f25f. 



6tne ooirrpuimn, 


Hmerican Girls. 


f?ier 3 U 7 p^otograpbtfcijc Uufnrttjmen. 


Der „(glorreiche Dierte", ber an bem 

oor U9 3ahren €nglanb bie Unabhängigfeit 
feiner bre^e^n norbamerifanifchen Kolonien an- 
erfennen mußte, ber ha^f 4 * Hationalfefttag ber 
Dereinigten Staaten, hat &as „american girl“ 
in feiner gan3en (glorte gefefjen, wie es mit 
feinen Brübern wetteiferte, ben (Tag ber Un- 
abhängigfeit bei Spiel unb (Ean3, Sport unb 
fenerwerf feftltd} 3u begehen, hä&*« fowotfl 
wie brüben. Unb 3U biefer feftfreube hat &ie 
Hmerifanerin oolle Berechtigung. Denn ber 
(La g hat auch ben (Srunb 3U ihrer Unab* 
hängigfeit oon manchem Fonoentionellen §wang 
gelegt, hat ih* ' m tauf ber geit HFtionsfrei- 
heit, Selbjtänbigfeit unb Selbftbewußtfein ge¬ 
bracht, bie fie befähigen, mit ihren Brübern 
anf allen (gebieten in freien IDettbewerb 3U 
treten. So ift fie benn auch in bas Heid? 
bes Sports mit all ihrer Schneib unb (Energie 
eingebrungen unb ringt bort mit ben „Herren 
ber Schöpfung* fiegreich um bie Palme. 

Kuch in anbern Sänbern giebt es frauen 
nnb ITTäbchen. bie auf bem (gebiet bes Sports 
nicht unerfahren fmb, bie auf ber fuchshaft 
feine fjeefe unb fein (graben fehreeft, benen 
Fein Berggipfel 3U ho<h ift/ bie ben Tjirfch ober 
Bocf in ooUer flucht aufs Blatt 3U treffen, 
bas Huber im Boot ober ben Schläger beim 
(Tennis meifterhaft 3U fuhren oerßehen. Uber 
fo allgemein, wie in ben bereinigten Staaten. 



Xm Badeanzug. 


bethätigen fich felbft im Daterlanb bes Sports, 
in (Englanb, bie frauen nnb XHäbchen nicht auf 
allen (gebieten, bie CTusfel, phyflßh* Kraft unb 
Uusbauer oerlangen. Das ift auch brüben erft fo 
allgemein geworben feit ben (Tagen bes fahr« 
rabs, feit bie Hmerifanerin gefchmecft hat, 
was es heifet/ ßd? xn Gottes freier Hatur 3U 
tummeln. IHit wahrer Begeifternng oerlegte 
fie fich au f ben Habfport, unb »on biefem war 
es 3ur Beteiligung an ben übrigen Sportarten 
nur ein Schritt. Daß babei manche Ueber« 
treibungen unterlaufen, baß bieSportenthußaßin 
ab unb 3U aus bequ. Kreis heraustritt, ben 
Konoention unb Sitte ber IDeiblichfeit ge3ogen 
haben, ift 3U oerßehen unb 311 oe^eihen. f uß- 
ball 3. B. ift eigentlich fein Spiel für frauen. 
Das wirb jeber 3ugeben, ber einmal einem 
regulären IHatch beigewohnt unb gefehen hat, 
wie hier ein Spieler in oollem lauf oon einem 
(gegner gefaßt unb Fopfüber geworfen worben 
ift, wie fich bie Schar ber übrigen Spieler in 
wilbem Durcheinanber auf fie ßür3t, baß man 
glauben fotlte, Xfals unb Beine unb — Hippen 
müßten brechen, was ja auch oft genug babei 
oorfommt. Uttb hoch, wer Fönnte ber hübfcheit 
fußballfpieleriit böfe fein, beren Bilb wir 
auf Seite (253 bringen? IDie rei3enb fleht 
fie aus in ihren „Binbeu unb Banbagen", mit 
ben Seberfdjienen an ben Beinen, bem wattier* 
ten £eberpan3er, mit ben Schuftlebern für bie 


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Seite { 252 . 


Hummer 27 . 





©hren unb mit bem — Hafenfchouer, 
ber ihr hübfdjes Häschen vor 311 mtfanfter 
Berührung mit ber IHutter (Erbe fd^üfeen 
foll, wenn eine (Segnerin fte „tackled" 
ober ihr, währenb fie fluchtigen fufles 
mit bem Ball bem (Soal 3uflrebt, ein 
Bein (teilt. Hud? £acrojfe, bas fanabifche 
Hationalfpiel, bas, urfprüngli<h oon 
ben 3nbianern geübt, oon biefen ihren 
meinen Hachborn gelehrt mürbe, ifl 
eigentlich ein Spiel, bas nicht für f rauen 
gefdjajfen ifl, bas aber je&t oon ben 
Hmerifanerinnen (ehr beoo^ugt wirb, 
weil man fo hübfdj in bem Koflüm 
unb mit bem Schlagnet; ausfieht, mie 
untenfleheiibe Hbbilbttng 3eigt. £acroffe 
witb oon 3mei Parteien 311 je 3toölf per* 
fonen gefpielt. gmecf jeber Partei ifl, 
einen Ball mit ben an langen Stielen 
beteiligten Schlagnetjen, oon benen es ^ 
feinen Hamen h<*t, 3wifhen 3mei IHal* 
pfoflen hii^nrch3utragen ober 3U treiben. 

Hlit ber Ejanb barf ber Ball nicht be- 
rührt, auch barf mit ben Stegen nicht 
geichlagen werben, unb bie Spieler bürfen 
fleh nicht- gegenteilig feflhalten. (Es ifl 
ein Spiel, bei bem alles auf bie 21 us- 
bauer ber £nugen unb füjje an Po in mt. 

Huf ben (Solfliufs bagegen, ba ifl 
bie frau am piaß. ba fann fie auf 
bem grünen Hajen ihre gan;e <Sra3ie 
entfalten unb beim (Ereiben bes Balls 
ihre natürliche Hnmut entmicfeln. Uitb 
fo ein paar Stunben ben (Eag beim <Solf 
machen gut, was ber Ballfaal unb bie 
anbern nächtlichen Dergnügungen im 
IDinter oerfhulbet hüben. IDas fragt 
unfere fchöne Htnerifanerin mit ber ferfen (Solfmfiße banadj, 
ob ihre Hrme unb Ejätibe oon ber Sonne gebräunt werben? 

- fbürbe es ihr nicht 

v ebenfo gehn, wenn 
fte einige Hage 


ober lDod?en an 
Borb einer 3 <*d?t 
au ber pittoresFen 
Küfle oon IlTaine 
ober Connecticut 
freiste, ober wenn 
fie fleh am Stranb 
non Coney 3 5 * 
lanb ober Htlantic 
City im Sanb 
fonnte? 

Dafl es unter 
ben HmeriFanerin- 
nen riel Fühne 
Heiteriunen giebt, 
ifl felbfloerflänb« 
lieh- Vas ifl eine 
ber Crrungenfchaf- 
ten ber früheren 
geiten, als es noch 
Feine (Eifenbahnen 
gab unb man 3U 
pferbe (teigen 
mußte, roenn man 
fleh 3m Stabt, ja 


Hn Bord der ^acht, 


-Bjeixn flortttfffbtert. 


felbfl nur 3ur Ha<hbarin begeben wollte — 
eine Sitte, bie auf bem £anb, nament¬ 
lich im lUeflen, noch heute allgemein 
üblich ifl. UTeabow falls unb Hoanoaf, 
fowie bie prairien unb Efügel Kentucfys 
tuiffen oon mancher fühuen Heiterin 
3U er3ählen, bie beim Ejalali unter 
ben Crflen jttr Stelle mar. 3 ni IDinter 
mufl ber fedjtfaal bie Bewegung im 
freien erfefcett unb Körper unb UTusFeln 
in Hebung halten. 3 n ber (SefeUfdjaft 
gehört es 3um guten (Eon, auch mit bem 
florett Befcheib 3U miffen. 3 n 
lebten paar 3 a ^ rett ifl 3 U all btefen 
Sportfreuben noch bas Automobil ge¬ 
fönt men, unb man fann manche Dante 
flttben, bie mit eigener fd}öner Ejanb 
ihr Huto burch bie £anbe lenft, mie ber 
allerbefte Chauffeur. 

Das fymptfontingent ber ausübenben 
Sportliebhaberinnen flellt bie Schar ber 
jungen IHäbchen, bie eine ber 30hl* 
reichen Uniperfltäten unb 3 n f^l ute 
fuchen ober befucht haben. Diefe haben 
ihre Sportflubs, mie ihre männlichen 
Kommilitonen, unb nehmen ihre £iebe 
3U Förperlidjen Hebungen in ihr fpäteres 
£eben mit h*uüber. Kn Begeiflerung 
unb (Enthuflasmus für ben Sport in allen 
feinen formen ifl ihnen aber bas 
„Summer Girl“ über. H>a$ ifl ein 
„Summer Girl“? (Ein re^enbes, füfles, 
FoFettes, felbfl bewußtes unb fmartes 
weibliches IDefen, bas fleh befreit 
hat von ber bebrüefenben Beoormunbung 
ber fferren Cltertt, meiftens auf eigenen 
füflrn fleht, bas fleh putjt, fleh amüflert 
oermöge feiner guten IHanieren fchttell (Eingang in alle 
Kreife flitbet unb überall gern gefehn wirb. Seinen Hamen 
bat es erhalten, weil es nur im Som¬ 
mer blüht, weil es fleh ftets in bie 
friflheften, 3artefieit Sommertoiletten hüllt, 
unb ba es ein folc^cs (Sebilbe 
niemals öfters als einen (Eag 
trägt, bis biefes ron ber 
IDafchfrau — meiftens ein 
bejopfter Sohn bes Ifl mm- 
lifdjen Heidts — „auf Heu" ge- 
waflhen unb gebügelt ifl, fleht es 
auch ftets aus mie ein fonuiger, 
ladieuber Sommertag. ITlit 
Husbauer unb (Enthuflasmus 
wirft es fleh bem Sport in 
bie Hrme, manchmal ja aud? 
wohl einem fefchett Partner. 

Hub warum auch nicht! Ulan 
flitbet (ich fo leicht auf betn 
grünen Hafen, bei fröhlidient 
Spiel. Hnb ifl 
bann ber Som¬ 
mer oorüber, ifl 
es titeifl auch 
mit Kamerab- 
fd>aft uub £iebe 
aus. „Hnbere 
Stäbtchen, an* 
bere inäbdjen", 
heißt es h* cr 
mtb brüben: 

„Huberer Som¬ 
mer. anberes 

(ßirl !" 5. € ©.] JUerorrcfpietmn. 


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Ztummer 2 ? 


Seite \ 253 . 



fueabalU 


Im RcftkortQm. 


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Seite 1254fr. 


Hummer 27. 



\. fuss der 
Kreuztpinne. 


mikroskopische 
Photographien. 

fjier 3 U 6 ©rigittalaufnabmen 
Port <£. 21ndjen. 

Surch bas ETIiFroffop 
ift bem Kuge bes ZHenfchen 
eine neue, meitere XOelt er¬ 
öffnet morben. (Er fanb 
(Eaufenbe unb Zlbertaufenbe 
pon Cebemefen, pon beren 
Safein er bis batjin faum 
eine Ebnung t^atte, unb noch 
beute merben fortmährenb 
neue (EntbecPungen gemad 7 t. 

Kbcr nicht nur neue £iere 
lernte ber ZITenfd? Fennen, er lernte 
auch bie bereits befannten beffer 
Fennen. ZHit bent ZHiFroffop fonnte 
er felbft bie bem Kuge faum ficht- 

baren ©rganc unterfdviöen, unb 
auch hier entbeefte er mal]re Kunft* 
merfe ber Hatur, mo er früher nid?ts 
meiter als ein paar einfad^e I^äfd^en 
unb Horften permutet blatte. 

Kllein nur menigen ift es pergönnt, 
biefe EVunber felbft 3 U fetjen; bie Ejanb- 
babung bes ZTiifrofFops ift nicht jebermanns 
Sache, unb toirflich gute ZTTiFrofFope ftitb 
auch äußerft Foftfpielig. (Erft in leßter Seit 
madit fi d\ hier eine Kenberung 311 m Heffern 
bemerfbar, inbem Photographie unb ZTTiFro» 
ffop fich gegenfeitig unterftüßen. Sie Ver¬ 
größerungen merben auf ber Photogra¬ 
phien platte feftgehalten unb fo weiteren 
Kreifen 3 ugänglid? gemad?t. 

, (Einer folchen Verbinbung banfen ihre 
(Entftehung auch bie hier miebergegebenen 
Photographien, bie um fo intereffanter jtnb, 
ipeil fie allgemein bekannte stiere unb 
©egenftänbe barftellen. Sas erfte Hilb seigt 
ben CEeil eines (Eieres, ber in ber bar geteilten 
<5röße mie bie lEafee eines Cömeit erfcheint, 
unb bod? ift es nur ber iitß einer Kreu 3 * 
fpinne. Siefe Spinne gehört 3 U unfern 
beften XVebefpinnen, unb mohl jeber hot 
fchon jtaunenb por ihrem Funftpollen ( 6 e* 
tpebe geftanben unb barüber nad?gebad]t, 
tpie bas Cier ein fofches KunftmerF mohl 
3 U ftanbe bringt. 3 u ber Chot ift bie 
Kreu 3 fpinue pon ber Hatur mahrhaft be* 
2. stächet munberungsmitrbig ausgerüftet; fie beftßt 
ter Honigbiene. an jebom 5 uß einen pollftänbigeu IVobe* 
apparat, mit bem fie bie ben Spinnbrüfen 
entquetfenben 5äben perarbeitet. Siefer Apparat befteht 
aas 3 tpei Fammartig gesähnten CinfdilagsFlaueu, einer 
mittleren, nach unten gerichteten CrittFlane unb 3 ahlreichen 
IVebeborften. <£s ift ein mirFlidhes ZTÜeiftermerF ber 
Hatur, bas hier in mohl nod? Faum erregter Scut* 
lichfeit por klugen geführt mirb. Sie Spinne hotte Fur 3 
porher gehäutet; baher finb alle Spißen fd?arf unb 
nicht im geringften perlefet ober abgenufct. 

2lbb. 6 3 eigt ebenfalls einen Körperteil ber Kreu 5 - 
fpinne, unb 3 mar einen Ceil ber großen 5 reß- ober (ßift- 


3 angen, burd? bie beim 
Hiß bas Spinnengift in 
bie tVunbe ber Heute 
einfließt unb biefe lähmt 
unb mehrlos madtf. 

5 iir ben ZTCenfdjeit unb 

für alle größeren (Eiere hot aber biefes* 
©ift Feine fd?limmen 5olgen meiter. 

Kbb. 2 5 eigt ben Stad>el unferer Ejonig- 

biene (Apis meilitica), jebenfalls eine ber 
intereffanteften Aufnahmen. (Es ift allgemein beFannt, 
baß ber Hienenftadhel beim Stedden in ben allermeifteit 
5ällen abbricht unb in ber XVunbe fteden bleibt. (Ebenfo 
beFannt ift es, baß bies bie 5olge eines EDiberhoFens 
ift, ber meijt aber gait 3 falfdj erFlärt mirb. EVie 
unfere Aufnahme 3 eigt, gleicht ber Hienenftachel poü- 


5. Hinterteil des Btafcnfu99fcbädtings. 


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Hummer 27. 


Seite (255. 



V Schuppen eines Schmetterlings. 


5. haare einer fiedermaus. 


ftändig einer Säge, und jwar einer gewaltigen weit« 
^ejlellten £}ol 3 fäge. Sine ganje Beihe oon IDider« 
Isafen fchließt jtdj aneinander, fo baß ein £}eraus$ie^en 
nur m den feltenjien Fällen möglich fein wird. 

Abb. 3 giebt den fonderbar gefalteten fjinterteil 
eines böfen Schädlings wieder, der dem Blafenfuß 
(Thrips physapus), einem fleinen (Seradfügler gehört. 
<£r hält jich in den Kornähren 
auf. (Eine oerwandte Art if 
befonders fchädlich und oon 
den (Särtnem als „fchwarje 
Fliege* fehr gefürchtet und 
gehaßt. BTit dem Hinterteil 
fönnen die Ciere fpringende 
Bewegungen machen. Sen 
Hamen Blafenfuß fyaben fie 
oon ihren Füßen, die eben in 
Blafen endigen, die fich nach 
Bedarf oergrößem und oer* 

Keinem. £}iermit oermögen 
fie auf den glatteften Blüten« 
blättern, ja felbfi auf dem 
£jonig des Blüteitbodens um» 
herjulaufen. 

Abb. ^ oereinigt eine An« 

3 ahl oonFarbenfchuppen eines 
Schmetterlings, und 3 war 
fold?e oon einem unferer 31 er* 
iuhften Abenbfchmetterlinge, 
dem lDolfsmilchfchtt>ärmer 
(Sphinx euphorbiae). Siefe 
Farbfchuppen erfcheinen dem 
unbewaffneten Auge als gan 3 


feiner Staub, der bei einer unoorjtchtigen Berührung 
eines Schmetterlings an unfern Ringern fleben bleibt. 
3n XPirflichfeit find es gefielte Schuppen, die in den 
oerfchiedenften Anordnungen dacfföiegelartig übereinander 
liegen und fo die herrlichen Zeichnungen des Schmetter» 
lingsfügels heroor 3 aubern. Siefe Schuppen find je nach 
der Stelle, wo fie entnommen werden, bei ein und demfelben 

Schmetterling fehr oerfchieden 
in 5 orm und (ßröße, wie auf 
dem Bild leicht 3 U erfennen. 

Als merf würdige (Bebilbe 
erfcheinen die £>aare der Fieber« 
maus (Abb. 5). Sie seigen 
unter dem Biifroffop teilweife 
das (Sepräge der Sunenftrah« 
len, andere gleichen täufchend 
Bambusftöcfen, alle aber er« 
f ehernen wie aus fleinen 
Crid?terd?en 3 ufammengeftellt, 
deren an einem fjaar gegen 
(000 ge 3 ählt wurden. Unfer 
Bild 3 eigt fjaare der Biefen« 
fiedermaus, der größten ein« 
heimifchen Art, die eine Flug¬ 
weite oon 38 Zentimeter h<*t. 

Sie fjerjteüung derartiger 
Bilder ifl mit außerordentlichen 
Schwierigfeiten oerfnüpft, und 
felbft ein fehr gefehlter Photo 
graph muß eine gan 3 e An* 
3 ahl oon Aufnahmen machen, 
ehe er eine brauchbare platte 

eräielt. m. oanfiet. 



6. ©iftzangc der Kreuzrpinne. 


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Seite *256. 


Hummer 27 . 


7ungfrr HirbroolL 

Ro©eflette von ©. oon Beaulieu. 


<£r war unoermählt geblieben, obmohl er ein ftatt- 
licher, mohlhobenber RTann in augefeheuer Stellung mar. 

ZDarum? fjatte er feine 5 rau befommen? 

„Cächerlid?," fagten bie erfahrenen Ceute in 5 ranfen- 
häufen, „ein ZTTanit befommt immer eine 5rau unb nun 
gar ber Regierungsrat 5 elir ©on ffamaun mit feinem 
eleganten Auftreten, feiner fdjönen ©ejtalt unb feinem 
imponierenben Bart." 

ZDollte er feine? 

H>ahrfd?einlich. 5elir ©on fjamann galt für einen 
ZDeiberfeinb. Klte Ceute befanneit fich, bafe ber ZDeiber- 
feinbfchafteineKffaire3u©ruubeliege,bie unglücflich ©erlief. 

3d? mar noch nicht lange nach 5ranfenhaufeu über* 
gefiebelt unb intereffierte mich, nach Krt ber Neulinge, 
für alle Stabfangelegenheiten unb beren < 3 ufammenhong. 
Klan fchalt ben 2 ?egierungsrat fchrullig, er gab — 
unb bas ©erbachten ihm bie töchterreichen 5amilien ber 
©efellfchaft — feine Bälle, i©ie es hoch feine Pflicht 
gemefeit märe, fonbern nur fferrenbiners. 

3 ch glaubte auch, t©ie alle ZDelt, bafe ber Regierungs* 
rat ein 5rauenhaffer fei unb immer gemefen fei, bis 
mich eine alte Sreunbiit, bie ich in Äranfenhauien hotte, 
eines Beffem belehrte. Die Dame toar bie Zllutter 
bes Befifoers ber Kpothcfe „5uin «Einhorn" am tDilhclms- 
plafe; ein prächtiges, altes JDeiblein. Keine ©oit ber 
neumobifchen Krt, fonbern noch mit einem meinen 
Häubchen unb rofigetn ©eficht, gutmütig unb hilfsbereit. 

€s mar ein Kbenb im Knfang Rooetnber. Kegen 
unb Schnee praffelten in bie nach 5 ranfenhaufener ^rt 
nur bämmeritb erhellten Strafen, ein fchneibeuber ZDinb 
fegte über bie Käufer, Heg bie IDetterfahneu äch3en unb 
rüttelte an etma offenftehenben 5enfterflügeln. Kur3, 
man fehnte fleh nach einem mannen Zimmer, einer ge¬ 
mütlichen Campe unb einem lieben ©eficht. Dies alles 
fomtte ich bei 5rau Füller hoben. 

3 ch Fämpfte mich öurch ben Sturm 3ur<£inhornapothcfe 
am IBühelmsplaft. Kleine alte 5 reunbin mar gan3 ge¬ 
rührt, als ich eintrat, unb nahm mir gleich mit ©ielen ©’s 
unb Kch’s bes Bebauerns ben triefenben Regenmantel ab. 

5 rau 5 üHer mohnt in einer Stube neben bem Caben, 
3U bem einige Stufen hinabführen. ( 2 in 5 cnfier in ber 
IDanb ermöglicht ihr, alles 3U fehen, mas in ber Kpothefe 
©orgeht. Sie hot fo Unterhaltung unb fann ftch noch 
manchmal nüfclich machen. ZDährenb ber prooifor ober 
ihr Sohn im Caboratorium befchäftigt ftnb, irgenbein 
ZTTittel 3U brauen ober 3U fochen, giebt fte auf ben 
Caben acht; menn einer fommt, ruft fte bie fferren. 

Sie liefe ftch nicht nehmen, gleich Ojcc für mid? 3U 
bereiten, unb holte aus bem Schranf bie Kuchenbüchfe, 
bie jtets mit guten Dingen gefüllt mar. 

tDährenb bie bantpfenbe Caffe ©or mir ftanb, er¬ 
mähnte ich beiläufig: „ 3 d? höbe eben ben Regierungsrat 
©on £}amann gefehen; ein fd^öner, ftattlicher KTann, 
fchabe, bafe er folch ein IDeiberfeinb ift." 

5rau Füller läd^elte, mie jentanb, ber etmas meife, 
aber es nicht fagen möchte. 

3 ch mürbe neugierig. „Sie miffen eine ©efchichte 
©on ihm, ad?, bitte, er3ählen Sie." 

„Soll ich? Kun, ich glaube, ich barf es, es ift 
längft ©ras barüber gemachfen, unb ba Sie heute, trofe 


bes fjunbemetters, gefontmen ftnb, fchulbe ich 3hneir 
etmas Rettes. £}aben Sie fd?on ©on 3 ungfer Ciebe©ott 
©ernommen?" 

„niemals I Sonberbarcr Kante, er hot übrigens 
einen pifanten Beigefchmacf." 

„Das foll er ©ielleicht hoben, menn aud? nicht in 
bem lartbläufigeu Sinn. Klfo, mirflich, Sie hüben 
niemals etmas ©on ihr gehört? ZDie fchnell bod? alles 
©ergeben mirb! Da3untal gab es in ber gan3ett Stabt 
eine grofee Aufregung, bas mar freilid? ©or breifeig 
3 ahren, ©or faft einem KTenfdienalter. Die es bamals 
miterlebten, ftnb megge5ogen ober grau gemorben, nur 
ber Regierungsrat ift nterfmürbig jung geblieben, hot, 
glaube ich, noch gan3 fdn©ar3es ffaar." 

„Die XDeiberfeinbfdjaft fonfer©iert, mie es fcheint," 
marf ich ein. 

„( 2 in IDeiberfeinb mar er nun gerabe nicht, 3 mtgfer 
£iebe©oll ift ber Bemeis bafür." 

„ZTTachen Sie mich nid?t 3U neugierig, nun müffen 
Sie e^ählcn." 

,,©ern, Sie merben bod? in ber Stabt nicht ba©ort 
reben, es ift 3 mar fein ©eheimnis, aber idi ntödtfe bem 
Regierungsrat feine Ungelegenheiten bereiten, er ift fo nett. 

„Klfo ©or breifeig 3ohrcu ungefähr fein ber fferr 
5eli^ — feine (Eltern hoben auch fdjon lange in 5ranfen* 
häufen gelebt — als junger Stubent 3U ben Serien 
hierher. Die alten Hamanns mohnten bes IDinters in 
ihrem 2 }aus am IDilhelmsplafe unb bes Sommers in 
ber Dilla braufeeit ©or bem ZDeferthor. fjerru 5 c% 
hatten alle Ceute gern, er mar immer höflich unb freuitb* 
lieh 3U jeberntann; aber fo im ffe^en, glaube ich mar 
er hochmütig unb ftol3, auch fehr für bie Reinheit unö 
<2legan3. 2 Us eiit3iges Kinb reicher (Eltern hotte man 
ihn fehr ©ertröhnt. Sd?on als Stubent befafe er einen 
Kamnterbieuer, einen nafemeifett 2 Tienfd?en, 21 Tonfteur 
©eorges, ber übrigens ein guter Deutfd:er mar, trofr 
bes fran3Öftfchen Ramens. Der Kerl beftärFtc £jerrn 5 eli^ 
in allen feinen Schmäd^en; er mollte fid] ihm mohl öa- 
burch unentbehrlich machen. So jung fjerr ©on ^amann 
auch mar, fo er3ählte man ftd? bodi eine 21Taffe ©e- 
fchichten ©on ihm. €r höbe nur feibene ZDü;d?e, trage- 
ein Zlrmbanb, ja, einige behaupteten, an bem ©berarm 
unb an ben 5ufegelenfen fehmiiefe er fid? mit golbeneu 
Reifen, mie bie alten Römer. Die ©raphologie mar 
fein Stecfenpferb, er befafe eine jehöne Sammlung ©on 
ffanbfchriften unb beurteilte alle RTenfchen nadi ber 
Schrift. Km meiften aber rebeten bie Ceute, als bie 
©efchichte mit 3 ungfer Ciebe©oll anftng." 

„Run enblid^l" Der Ruf entfehlüpfte mir, ohne bafe: 
ich cs mollte. 

„(Enblid??" mieberholte fte ©ermunbert. Sie fafete 
meine Bemerfung nach ihrer R>eife auf. „(Er mar hoch- 
erft 3meiunb5mau3ig 3ofyre olt, alfo nod? reichlich jung. 
Sofort mufete alle IDelt bie gait3e ©efchichte, ber ©er* 
miinfehte ©eorges fteefte mohl bahinter. Sie mar Der* 
fäuferin in bem Banbfchuhlaben ©orn alten Reibern am 
ZDilhelmsplafc. fferr 5 eli^ hotte ja alle Kugenblicfe 
Kramatten unb Schlipfe unb f}anbfchuhe nötig. Die 
aus3ufuchen, überliefe er ©eorges nid^t. So fam er ht 
ben Caben. Sie h*efe eigeutlid] ۩a Sd?eel unb wat 


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Hummer 27 . 


ein Silbl^übfdics HTäbchen, groß unb fchlanf, ein fchönes 
(Beftchtchen mit prachtooQ fchtoar3em £)aar, ba3U feine 
Brauen unb jtrahleube blaue klugen. Die oerjtanb fte 
3U gebrauten. Der Caben hatte unter ben Herren oiel 
Sufprud?, aber niemanb fonnte jich ihrer (ßunft rühmen. 
Die fioa mar ju fd?lau, ftd? 3U oerfcheufen; fte mollte 
geheiratet fein, unb bas überlegten jtch bie vornehmen 
£eute bod]. (ßerabe aber ber Voruehmfte fiel auf 
5 räulem Sdjeels erfünflelte Kälte herein, ber junge 5 eli£. 

„3<h fet^c ihn nodj oor mir, mie er bamals mar — 
ein lieber OTenfd?, groß unb fchlanf, mit f(einem, 
fchmarjem Schnurrbärtchen. Seine Augen blicfteit einen 
fo treuher3ig an, aber, menn man ihn anführte ober 
nid?t bas mar, mas er jtch in feiner Phaiitafie oor- 
geteilt hatte, bann mar es einfach aus, unb es gab fein 
pfiajler brüber. So fchneU er in feiner £iebe fein fonnte, 
fo fchneU rnar’s auch aus, impulfto nennt man’s ja mohl. 

„5ajt jeben Cag fam ber junge fjerr oon fjantamt 
3U uns in ben £aben. Damals führten bie Apothefen 
m ben Meinen Stäbten noch bie gangbarjloit Konfitüren 
unb all bas 5 eug, mas bie Droguerie jeßt hat, nämlid) 
pomaben, parfüms unb bergteichen. 5räulein fioa mar 
ein Cecfermaul, unb er holte jeben (Eag Pralines für 
jte. Die unb Hofen mareit bas einige, mas fte non 
ihm annahm. Das hätte auch jebe oornehme Dame 
gefonnt, baburch oergab jte jtch nichts. 3ntmer trug 
jte eine munberfdjöne Hofe an ber Bruft, feine Hofe, 
unb menn bie Hofen auch noch fo feiten urib teuer 
mären, jte mußten für 3ungfer £iebeoo!l befdjafft merben." 

„IDarum heißt fte eigentlich fo? Bis jeßt hat jte 
jtch burchaus nicht liebeooll benommen." 

„Unarten Sie nur, es fontmt noch. Die pralinfe holte 
er immer in einem 3ierlichen Sdjäditeldien, oon ber befien 
Sorte. Auch fte fam manchmal nach Hagelcreme, Seife, 
Parfüm unb fosmetifdjen HZittelcheu. Sie hatte fomas 
eigentlid? nicht nötig, benn fte mürbe ohnehin immer 
rei3enber. Das Bemußtfein, fo oerehrt 3U merben, erhöhte 
ihre, Schönheit. Auch trug jte jtch jlets elegant, gait3 
mie eine Dame. Kein IDunber, baß $eli£ 5euer unb 
51amme mar. HIan er3ählte jtch, baß er feinen filtern 
bas £eben fauer mache. Der 5 euerfopf mollte jtch burch¬ 
aus mit fioa oerloben, benn anbers fonnte er fte nicht 
friegen. Daß bie filtern fich fträubten, oerfleht man; 
memt es noch eine 5rembe gemefen märe, aber gerabe eine 
aus ber Stabt unb ein Cabenntäbchen, bas jeber fannte. 

„Schließlich brauchte fjerr 5elip ein probates mittel, 
bas. heißt/ er brauchte es nicht, es fam oon fetbft — 
er mürbe franf. Hie hatte man ihm etmas oerfagt, 
unb bas f}in unb £}er regte ihn auf. Ha, mie ber 
junge HIann franf mürbe, friegten es bie filtern mit 
ber Angft. Der alte fjerr oon ffamann ging 30m 
Hefognos3ieren aus, mie ich gefehen habe, man fann 
nämlich oon ber fiinhornapothefe ben fjanbfdjuhlaöen 
oon 5 elbems beobachten. 3 <*? bemerfte eines (Eags, 
mie er fehr gerabe unb, fehr h oc hmütig eintrat. Als 
er mieber herausfam, mar er gans rot. 

„Die 3 ungfer oon Jfantanns holte in ber Seit öfters 
Schmeijerpiüen aus ber Apothefe; oon ber habe ich 
bas übrige erfahren, fis mar befchloffen morben, baß 
bie f}errfd?aften es 3ugeben mürben, falls er nach einem 
3 ahr nod? besfelben Sinnes fein follte. U)ar er es 
bann noch, bann mollten jte in bie Verlobung miüigen. 
Vielleicht badjte auch &er alte fjerr, fdjlau genug mar 


Seite { 257 . 

er baju: thue ich ihtn ben tVillen, unb ftttbet er feinen 
IViberftanb, fo flößt ihn am fiitbe irgeitbetmas an ihr 
3urücf. Denn unnatürlich mar es bod?. 

„^err 5eli£ mürbe fofort gefunb, unb es entfpann ftd? 
ein reger Verfeljr 3mif<hen ihnen. €r burfte ihr fdjreiben 
uitb 3umeilen einen Spajiergattg mit ihr machen. 3 n 
bas fjaus ber filtern fam fioa nicht, beantmortete aud? 
feine Briefe nicht, marunt, mußte jte mohl. Sie nannten 
jtd? noch ,Sie‘ unb rnaren nicht 3ärtlich 3U einanber, 
aber er blieb oerliebt mie 3U Anfang. 

„Da oertrat ftd] £}err 5 elij ben 5 uß auf bem ( 61 att« 
eis unb fonnte nicht 3U feiner Angebeteten gehn, fir 
fdjrieb ihr täglich bie 3ärtlicbften Briefe unb münfehte* 
natürlich, meil ihm bie Seit lang mürbe, auch ein tVort 
oon ihrer ^anb 3U haben, bas er füffen unb hütfd?eln 
fönne. fir gab ja auch, mie ich fchon er3ählt habe, 
fo oiel auf bie (Braphologie. fir flehte fioa um ein 
paar IVorte an, er märe 3U traurig, baß fte ihm nie 
antmorte. Da befommt er eines (Eags eine poftfarte. 
(ßeorges überbringt bie Karte auf einem ftlbernen 
Cablett unb macht babei eine höhwfche (Srimajfe. 

„IVas ift bas für eine Karte? IDohl «ine Bettelei, 
man fielet bas gleich an ben ungeübten Schrifoügen. 

„Aber mie erfchricft er, als er lieft: 

„,(Beehrter Ejerrl 

3 hr« liebefoüen Briefe h a &« ich erhalten unb er* 
greife bie 5ehber, um 3h”«n 3U fagen, baß ich m 
guhter (Befunbheit bin unb hoff«, Sie jtttb auch in 
guhter (6efunbh«it unb merben halb fpat3iehren fönnen. 

ffochagtenb 3 hre fioa Scheel. 4 

„ 3 hre liebefoflen Briefe — liebeooll mit einem fl — 
© < 5 ott, ift bas möglich, bas hat feine fioa jo ge* 
fchrieben! 2Dar jte mirflid? aus einer gan3 anbern 
EDeltl Sie fprach bod] richtig unb fd^rieb nun fo uu* 
orthographifd?. Unb gar auf eine poftfarte, menn es 
noch ein Brief gemefen märel Wie fam fte auf ben 
unglücflichen fiinfall, aus Sparfamfeit ober aus CEräg* 
h«it, um feinen Brief oerfaffen 3U müffen? Das 
Schreiben mürbe ihr fehr fauer, bas fagte ihm fern 
graphologifcher BlidP, Unb bies hatte fte mit ihrer 
fdiönen fjanb, mit ben gepflegten, rojtgen Hägeln ge« 
fchrieben, unglaublich! Sie ahnte mohl nicht, mie fd]l«cht 
fte fd^rieb, fonjt hätte fte es jicher nicht gethan. Wenn 
er es menigflens nur allein müßte, aber nun mußte es 
auch ber unausjlehliche (Beorges, unb bem fonnte ntan 
ben HTuttb nicht oerbinben, ber er3ählte es fchleunigft 
ber gan3en Stabil f]err 5 eli£ n>ax oer3meifelt. Diefem 
falten U)afferflur3 feine £iebe nid]t jtanb. 

„Der alte Berr oon fjantann hatte richtig falfuliert, 
menn er auch auf bie (ßraphologie unb ©rthographi«, 
als Buttbesgeitoffen, nicht gerechnet hatte. 

„Sie merben fich nicht munbern, baß aus ber Ver¬ 
lobung nichts mürbe, oielleicht mehr barüber, baß ßerr 
5«liy unoermählt geblieben ift, er hat mohl nicht bie 
Hechte gefunben. Das firlebnis mar jchlimmer als 
tragifch, es mar lächerlich. 

„natürlich fchmieg HTonfteur (Beorges nicht unb 
ließ bie gan3e Stabt bie rei3enbe (ßefchichte erfahren. 
Der frech« HTenfch hat auch ber fioa ben Hamen 3 nngfer 
£iebeooll gegeben. 

„Sie mürbe fpäter 5 rau Bäcfer HTüller in Saalfelb 
unb ifl bort gan3 an ihrem plaß. Sie hat feinen 
£iebesbrief mehr gefchrieben, glaube ich." 


"^0- 


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Seite 1258. 


Hummer 27. 




Somnurfifcberei 

plauberei oon 5 rifc Sfomronttef. 

^iet 3 ti 7 Spcjtalaufnafjmen für bie „tPod?e" Port (Seorg 8 affe. 


(San3 Deutfdßanb iß mit fchönen, ßfchreichen Seen 
gefegnet. Am 3ahlreichßen finden ftc ftef? in Borb- 
bcutfdßanb, ößlich 8er Elbe, im Derlauf bes uralifdj- 
baltifchen f}öhen3uges. Da erblicft man oon einer 
Bergesfuppe manchmal ein Dußenb Seenfpiegel, unb 
bas geübte Auge erfennt an ber Sarbe bes Waffers, 
ob fie tief ober flach ßnb. Die flachen fchimmerit grün¬ 
lich, bie tiefen leuchten in tounberbarem Blau. Bur 
toenige ßnb gan3 reglos. Die meißelt fmb oon be- 
toalbeten Uferh$hen umgeben, unb an roinbftillen Sagen 
fpiegelt fleh bas t^eüe £aub ber Birfen, bie büftere 
prad?t ber Kiefern in ber glatten ©berfläche. 

Dem Dolfstoirt iß bie Baturfdiönheit Bebenfache. 
Er rechnet mit bem Ertrag unferer Binnengetoäffer 
unb fommt bafeet 3U gan3 anfehnlidjen Ziffern. 3n 
manchen (Begenben h a * .freilich eine rücffichtslofe Aus¬ 
beutung ben (Ertrag unferer Binnenfeeu ßarf oerminbert, 
aber im großen (Batzen liefern unfere (Setoäffer bodj 
noch refpeftabte Sifchmeitgen. Unb banf ber regen 
Shötigfeit, bie feiteits ber 5 ifchereioereine enttoicfelt 
toirb, ift bie 5ifchtoirtfchaft jeßt unausgefeßt barauf 
bebadjt, ben ^ejlanb ber Seen, 5 lü[fe unb Bäche nicht 
nur 3U erhalten, jonbern auch 3U oermehren. 

Die Hauptabnehmer finb naturgemäß bie (Broßftäbte, 
in benen bas Pfunb 5 ifche teurer bejahlt toirb als 
5 leifch- Allen ooran geht Berlin, beffen Bcbarf troß 
ber ßetigen Steigerung ber Anfuhr noch lange nicht 
gebeeft toirb. Der Preis, ber für frifche 5 ifdje in ber 
fo oiel angefeinbeten Ueichshauptßabt ge3ahlt toirb, 
ermbglid?t es ben 5 ifd?toirten, ihre Waren oon toeither 
borthin 3U fenbeit. 

Der H<* u ptßfch öes Sommers iß bie Schiene. 3 h r 
toeiches, fettes Üeifd? fann in ber Zubereitung mit fäuer* 
lieber Dillfauce gerabe3U als Delifateffe be3eid?net 
toerben. 3 h? um nächfteu fommt ber Aal, ber tu ber 


Vorbereitung zur fifcheret: flaebfeben der fTetze* 


5 orm „grün mit (BurFenfalat" ein befanntes £ieblings- 
gericht ber Berliner getoorben iß. Daß er fauer ein* 
gefocht ober in Bier ober gebraten ober geräuchert auch 
nicht 3U oerachten iß, barf als ausgemacht gelten, Hinter 


Der VerfalTer. 

biefen Ebelflfchen tritt ber Blei mitfamt feinen näheren 
unb entfernteren Dertoanbten, ben (Sieben, plößen, 
Uotaugen u. f. to., im Sommer ßarf 3ttrücf. 

Blan hört oft bie Bleinung äußern, bas (Bewerbe 
ber Äifcher fei mühfelig unb befdjtoerlich. Das ßimmt. 
Befonbers im Sommer fennt ber 5 ifd?er feine Bacht¬ 
ruhe. Um 3ehn, manchmal aud? noch fpäter fommt 

ber 5 ifd?er vom Aus legen ber 
Bachtfchnüre nach ffuufe 3urücf, 
unb ehe ber erfte Blorgenßrahl 
bie Wolfen färbt, muß er fd?on 
roieber auf bem See fein. Aber 
toenn feine Blühe burch guten 
5ang belohnt toirb, bann über- 
roinbet feine frohe Caune nicht 
nur bie Anftrengungen ber 
Arbeit, fonbent auch bie Unbill 
bes Wetters. Unb oon nichts 
ift ber 5ifcher fo abhängig toie 
00m Wetter. Sein fchltmmfter 
5einb iß nicht ber Begen, 
benn ber bringt höd?ßens bis 
auf bie toafferbidtfe £iax\t, 
fonbern ber falte Borbtoinb 
Wemtbiefer rauhe (Sefelle toeht, 
bann iß jebe Blühe umfonft. 
Der 5 ifch 3ieht fid? in unnah¬ 
bare Siefen äurücf, 100 ihm 
fein Beß ettoas anhaben fann 
Der Betrieb ber 5 ifd?erei 
hat ßd? feit 3uh^hunberten nicht 
im geringßeit fortentcoicfelt. 


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Kummer 27 . 


Seite 1259 « 



fertigmachcn zum fang. 



Dfe Netze werden herausgezogen« 



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Seite \ 260 . 


Hummer 27 . 


Die gleichen (Berate, bie unfere Kltuorbem cm» 
toanbten, werben nod? I^eute gebraucht. 3<*/ tn 
ben Hünengräbern hat man Ijanbteüergrofee, aus 
£ehm gebrannte, runbe Steine gefunben, bie mit 
einem fiitgerbicfen £och in ber Hütte uerfehen fmb. 
Sie finb ohne ^tx>eifel nidtfs anberes als bie Steine, 
bie noch jefet in ber gleichen Sorm unb (Bröße 3um Be» 
fchwereit ber Sugneße gebraucht werben. Das Sugneß 
ijt überhaupt in jeber (ßeftalt bas wichtigfte (Berät ber 
5ifdjer, mit beiti fie bie Schuppenträger im feierten EVaffer 
ebenfogut erhafd?en wie in ber Ciefe. EDenn ber < 3 u>ecf 
bes Ranges es perlangt, werben willige Heße uerwanbt, 
bie faum 3ebn Bieter befpannen. Dann giebt es 3ahl» 
reiche ^toifeijenftufen bis 3U bem gewaltigen tVinter» 
garn, in bem hnuberte Coitnen Sifche erbeutet tuerben. 
3 n ber 5 orm finb fie ftch alle gleich. Sie befteben aus 


wirb. Ein britter Kahn, in bem ber Sifchtuirt feine 
(ßebilfen begleitet, bat in ber Hütte einen abgefchloffenen 
Haum, ber mit EVaffer gefüllt tuirb, um barin bie ge* 
fangenen 5ifche lebenb 3U bewahren. 

HlerFwitrbig, tuie fchtueigfam bie 5 ifcber bei ihrer 
febtueren Arbeit fmb. Hur ein außerorbentlich reicher 
5 ang löft ihnen bie jungen. Sonfi tuerben nur bie 
aöernotwenbigften EDorte gewechfelt. Hoch nie habe ich 
einen 5ifcber fingen hören, unb bas pfeifen tuirb als 
Cobfünbe betrachtet. Es laftet augenfcheinlicb auf ihnen 
ber Drucf einer uralten Ueberlieferung, bie ihnen größte 
Stille bei ber Arbeit gebietet. 

Hoch in einer anbern 8e3iehung gleichen ftch alle 
5ifcher: fte finb mit Höcfen uon ehrtuürbigem Dienft» 
alter befleibet, beren Kusjehen jeber 8efd?reibung fpottet. 
Die Bermel tuerben mit einem Binbfaben feji am Hanb* 



Grosser fang. 


$tuei Slügelit, 3tuifchen benen ber Sact befeftigt ifi, in 
ben ber aufgefcheuchte 5 tfd? flieht unb uon ber Bewegung 
bes Heßes fo lange aufgehalten tuirb, bis er am Ufer 
ausgehoben tuirb. 

Das Cagewerf bas 5 ifchers beginnt im morgen» 
grauen mit bem Kusbeffern bes Heßes. Croß aller 
Vorfidtf reißt im Betrieb hi** unb bort eine Hlafche. 
Ein Bautuaft, ber uoll EDaffer gefogen, uerfunfen ift, 
ein haftiges Sngreifen, ein KuhaFeu an ben Kahnborb 
fügt bem bünnen (ßetuebe Schaben 3U, ber ausgebeffert 
werben muß, baniit bas Hebel nid?t größer wirb. Priifenb 
geht ber 5 ifd?er au bem auf Stangen 3um Crocfneu 
aufgehängten Heß entlang, mit fünftlicben Knoten 
fchiir3t er bie 3erriffenen Hlafdjen ein. Sein (Behilfe 
läbt in3wifchen bas Heß auf ben Sd^ubfarren, auf bem 
es 3ttm See gefahren wirb, wo inswifchen bie anbern 
bie beibeu Kähne geriiftet haben. Hütten im Boot 
wirb bas (SefteH aitgebradtf, auf bent bie IVinbe ruht, 
mit beren X^ilfe bas fd?were Heß 3um Ufer gesogen 


gelenf 3ugefchniirt, um bas (Einbringen bes EDaffers 3U 
uerhinberu. Befonbere Sorgfalt uerwenbet jeber Äifcher 
auf feine Stiefeln. Das finb gewichtige (Exemplare aus 
biefem Kernleber, beren preis bie Sorgfalt erflärlich 
macht, mit ber fie behanbelt werben. Kn jebem morgen 
werben fie mit Hlarsöl unb ähnlid?en probuFteit ber 
mobernen 3 nöu(irie fo reidtfid} gefalbt, baß ber (Ein» 
fluß bes IVaffers bie 5 ettfd}icht nicht auflöfen unb aus* 
laugen Faun. 

Sur Kusrüjiung gehört ftets ein reid?licher Vorrat uon 
(Betränfen, benn bas IVaffer bes Sees ift im Sommer, 
wenn es „blüht", nid?t 311 genießen. Kn Falten Cagen 
wirb wohl eine 5 lafche Branntwein mitgenommen, im 
allgemeinen jebod? überwiegt ber (ßenuß bes fogenannten 
Braunbiers, bas in ben Fleinen £anbftäbtd?en in uor* 
3üglid?er Qualität h^geftellt wirb. 

Sinb bie Vorbereitungen beenbigt, bann „ftechen bie 
Boote in See". Eng uerbunben fahren fie auf bie 
Ciefe, beim bas Heß lagert auf beibeu 3U gleichen Ceilen. 


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Hummer 27 * 


3 fl ber richtige 2lbftanb pom Ufer ge« 
toonnen, bann toirb 3itnächfi ber Sacf, 
auch Keutel ober Kuttel genannt, aus* 
getoorfen. 3n bem 2lugenblicF, in bem 
bie 5lügel beginnen, trennen ftdj bie 
Kahne, um bie 5 lügel parallel bem Ufer 
ins IPaffer 3U fenfen. 3 efet fteh* öas 
Hefe. Hun fahren bie Hoote fchneH 
311m Ufer unb laffen pon ber EPinbe 
bie ein* bis 3toeihunbert Uleter langen 
Zugleinen ablaufen. Km Hanb toirb 
jeber Kahn peranfert. Caitgfam unb 
bebächtig beginnt bas (Einholen. <£s 
muß fehr gleid?mäßig gefchehen, toeil 
fonjt ber Sacf in eine feitlidje tage ge« 
rät, tooburdj feine ©effnung uon ber 
Hefetoanb bes poraufeileuben 5lügels 
perbeeft toirb. Hun ftnb bie feinen 
eingeholt, bas Hefe ift bicht am Ufer 
augelangt* 3 *fet tperben bie Kähne, 
tpährenb bie feine tpieber ausläuft, 
am 5 eeranb gleichmäßig 3U einanber 
gefchleppt unb bicht perbuttben. Ztun 3tpeitenmal 
toerben bie feinen aufgetpunben, bis bie 5ifcher bie 
5lügel mit ber £janb ergreifen unb langfant in bie 
Kähne flauen. Dabei fleht ber ^ifchtoirt, fo rneit es bie 
fänge feiner Stiefel erlaubt, im EPaffer unb fcheucht 
mit energifchen Schlägen bes Hubers ober bes Sturgels 
bie nach bent Ufer 3U flieheuben Ätfche 3itm Keutel 
3urücf. ffier unb bort fährt ein fjedtf gegen bie Hefe* 
toanb bes Flügels unb toirb früh3eitig in bem baufchigen 
(Sarn bem naffen dement entriffen. Die fjauptmaffe 
flieht 3urücf nach ber Ciefe unb gerät in ben Sacf* 
(Eilig toirb er emporgehoben unb auscefrempelt, bis 
am <£nbe ber 5ang fichtbar rpirb. 

Hun tperben 3uerft bie größten (Eremplare heraus* 
gefucht unb im 5 ifd]faften geborgen; ber Heft ber 5 ifche, 
bie bas gefefeliche HTinbejimaß nicht erreichen, toirb 
tpieber ins EPaffer getoorfen. Selten ift ber erfte Zug 
ergiebig, toeil es auch &en erfahrenden 5ifcheru fchtoer 
toirb, 3U beurteilen, ob bas Hefe genügeitb befdjioert 
getoefeu ift, um trofe bes hinberitben Krautes ben Hoben 


Die Halfcbnur wird aufgehoben. 


Sette ^ 26 ^ 


Der Hngter vom Boot aus. 

bes Sees 3U flreifen. 3 d os 3U fchtuer getoefen, bann 
toerben Strohbüubel an ber oberen Simme befeftigt. 
Hei moraftigent Untergrunb umtoiubet man fogar bie 
Hefejleine mit Stroh, um fte an bem 3U tiefen (Ein* 
fchneiben 3U oerhinbern. (Seht es 3U leicht, toas fehr 
feiten oorfomnit, bann helfen einige angefnüpfte Steine 
bem Uebel ab. 

21 uf allen Seen, bie burch ihren 2 lbfluß mit einem 
5lußgebiet unb baburch mit bem HIeer in Perbinbung 
ftehen, fpielt ber 2 lal eine große Holle, benn in jebem 
Sommer (leigen ungesählte ZHengen toin3iger 2 lale oon 
ber fänge unb Dicfe eines Strekhholjes aus ber See, 
too fte jung cetoorben ftnb, 3U ben Hinuengetoäffern 
empor. Unb in jebem Sommer perläßt bie gleiche 
2lnsahl oon 2lalen, bie in oier, fünf 3 a hren laid^reif 
toerben, ben See, um flußabtoärts 3U toanbern. Kann 
ber Sifd^er ben 2lbfluß burch einen StellfacP fperren, 
bann erbeutet er ohne befonbere EHühe große Hlengen 
biefes beliebten Speifeftfches. EPo bas nicht ber 
ift, muß er mit fjilfe eines Köberftfd?es beit 2 lal am 
rjafen fangen. ZHit einem fleinen Zug* 
nefe, ber EPate, toerben im (eichten 
EPaffer fleine EPeißftfche, (ßrünblinge 
unb Steinbeißer gefangen, beren febetts* 
3toecf mit bem Cob am Kitgelhafen 
reichlich erfüllt ift. 2ln einer bünneit 
Sdinur oon mehreren huubert HTeter 
fänge ftnb auf Klafterläuge Filtere 
Schnüre pon 20 bis 50 Zentimeter 
befeftigt, bie ben I}aFen unb baran ben 
K 5 ber tragen. 2 lnfang unb £nbe ber 
Schnur ftnb burch einen fchmimntenbert 
Korf geFenn3eid?net. €iuige Steine 3ieheu 
bas < 5 erät am Seeboben feft. Spät ant 
2lbenb, tuenn bas Ejaupttagetoerf potl* 
brad?t ifl, toerben noch bie Köberftfche 
gefangen unb an bie EfaFen gefteeft. 
Unb gan3 früh int HTorgengrauen muß 
bie Schnur gehoben toerben, toeil fonjt 
bie Harfche in Hlengen ben Köber an* 
nehmen, nach Fur3er Zeit am EjaFen 
oerenben unb baburch für jebe Per* 
toenbung unbrauchbar tperben. 


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Seite * 262 . 


Hummer 27 . 


2 )as €mport?ebeit fcer Schnur erforbert oiel (Sefd}tcE. 
^in (Berufe muß im Kahn fißen, ber perftäubntsinnig 
-bas 5afyr3eug oorwärtstreibt ober 3urücfhält, je nacfy 
■bem bie Situation es erforbert. Schon oiele Klafter 
porfjer fühlt ber Sifcher an einem gucFen unb (EucFen 
■ber Schnur, baß ein Kal am EjaFett ftßt. Sowie ber 
Fifdj im IDaffer fid?tbar wirb, muß ber Kahn oorwärts- 
fdjießen, bamit bie Schnur mit größter Schneüigfeit 
Ijerausgehoben toerbeti fann, toeil ber Kal im leßten 
Hloment nicht nur im XDaffer, fonbern auch noch in ber 
"£uft burd? 0ait3 eitergifche Krümmungen fich losreißt. 
<£s gehört ein großes (Sefchicf ba3U, ihn im entfcheibenben 
THoment burch fchnellen Schwung in ben Kahn 3U be* 
förbern, too er ben Köberfifch farnt bem E}aFen, an bem 
■er ftd? gefangen, pon fich siebt. 

XDenn ber 5ifcher pon feinem erften 5ang nach 
^aufe fährt, begegnet er bem Konfurrenten, ber fport- 
mäßig ben itfchfang mit ber Kugel betreibt. Die Kngler 
roerben gewöhnlich nicht redtf für poU angefehen. Klan 
Ijatxfte im Derbacht, baß fte Pier Seit pergeuben, ohne 
etwas 3U fangen, unb HeFamtten gegenüber ihre (Erfolge 
burch eine Sprache pergrößern, bie mit bem 3 ägerlatein 


piel KehnlichFeit bejtßt. J>ie (ßattin foll fogar manchmal 
burch fchöne 5ifd?e getäufcht werben, bie ntcht mit ber 
Kngel, fonbern mit einigen HlarFftücFen aus bem Ejütt- 
Faften bes 5 ifchers erbeutet jinb. Sem richtigen Sport¬ 
angler thut man bamit unrecht XDer feine Kunft per- 
fleht, wer es weiß, wie unb wo er ben Sifd? mit bem 
richtigen Kober berücfen Fann, wirb feiten ohne einen 
guten Fang nach £?aufe 3urücffehren. Unb jeßt gerabe 
ftnb bie Kngler mit (Eifer unb (Erfolg bemüht, ihrer 
Kunft bie äußere KiterFennung 3U erwerben. Sie höben 
einen 23 unb gegrünbet, ber fid? auf gait3 Seutfchlanb 
erftrecft. Kn feiner Spiße fteht Sr. 'Srehnt, ein Sohn 
bes berühmten (Der-Srehm. Ser beutfche Krtglerbunb 
ftrebt mit Hecht banach, bas Kngeln aus ber Hieberung 
ber Spielerei ober ber gewerbsmäßigen KonFurren3 mit 
ber Berufsftfcherei 3U ber E}öhe eines gefunben, anregen- 
ben Sports 311 erheben. (Er ijt auf bem beften IDeg 
ba3u, benn er höt bereits 3ahlreid?e Dereine unb <Etn3el* 
angier um feine 5ahne perfammelt. So fei ihm unb 
allen Fifchwirten, bie ihren Fifd?beftanb forgfam heben 
unb pflegen, ber porn Knglerbunb 3uerft erhobene 
(ßlücfsruf ausgebracht: „Hlit petri EjetU" 


< s~ ' ■ - === ^ 

BUtzgefabr für Luftballons. 

£?ier 3 u bie beiben 2Uomentaufnat>men Seite 1265. 


Dor einiger geit hat fich ber erjte (fall ereignet, baß ber 
33 liß in einen Ballon eingefchlagen hat. Bei einer Hebung 
ber bayrifdjen Euftfdjifferabteilung befanb fich oer Jeffelballon 
Syftem pon Sigsfelb unb pon parfepal, ein fogenannter 
Dradjenballon, in etwa 500 Dieter über bem Sechfelb mit 
bein Leutnant fjiller im Korb, um gelegentlich einer (Truppen¬ 
übung Beobachtungen aus3uführen. Beim fjerannahen einer 
3iemlich tief3iehenben buuflen IjaufeuwolFe bemerFten bie 
leute, benen bie Bebienung bes IDinbewagens, auf bem bas 
StahlFabel ber Feffelung aufgerollt ift, obliegt, baß fie ftärFere 
Schläge beim Berühren bes Drahtes erhielten. Ter leitenbe 
■(Dffaier ließ fofort auf biefe Ulelbung hin ben Derfuch machen, 
ben Ballon baburch fdjnell nieber3uhoien, baß eine auf bas 
Kabel gelegte Holle burch Dlannfchaften in ber IDinbrichtung 
nach porwärts bewegt unb babei ber Ballon allmählich 3ur 
(Erbe herunterge3ogen mürbe. Es gelang aber bies Dlanoper 
deshalb nicht, weil bie Eeute >eint Huf.legen ber Holle fehr 
ftarFe Schläge erhielten. (Ehe weitere Maßnahmen angeorbnet 
werben Fonnten, fdjlug ein Bliß aus ber in3wifchen näher* 
geFommenen IDolFe in ben Ballon, fuhr am ^feffelFabel 
herunter unb betäubte bort Me £eute, bie fich m unmittel¬ 
barer Hähe bes IDinbewagens befanben; ber 3U Pferb fißettbe 
©ffaier ftürjte ebenfalls mit feinem pferb 3U Boben. 
IDährenb bie £eute unb biefer (Dffaier wieber ßum Bewußtfein 
famett, t^atte ber Bliß ben Ballon ent3ünbet, unb biefer ftür3te 
■aus 500 Dieter fjöhe 3ur (Erbe. Sogar ber Korb brannte unb 
iöfte fich porher pou bem Hing, an bem er befeftigt war. Der 
•Offner hatte jebod? bie (Seijiesgegenwart unb Fletterte in 
biefen Hing. Unfehlbar würbe er aber 3erf<hmettert fein, 
wenn nicht ber fogenannte Dracbenfchwan^ ber ftd? etwa 
30 bis 50 Dieter hinten unterhalb bes Ballons befinbet, ben 
all gebremjt hätte. Diefer S<hwan3 beftetjt nämlich aus 
6 bis 8 IDinbtuten, bie an einer Seine in ber tDeife ange- 
Fnüpft ftnb, baß beim tjineinblafen bes IDinbes jebe wie ein 
umgeFehrter Hegenfchirm mit einem Soch an ber Spiße aus- 
fteht. Die IDinbtuten permochten beim bjeruuterfallen, bie 
Stellung pon (fallfchtrmen etnnehmenb, ben Ballon in feinem 
.Fall fo 3U bremfen, baß ber Seutnant filier mit einem 
Hippen- unb hoppelten Beinbruch baoonFam. Daß bas im 


Ballon befinbliche IDafferftoffgas nicht 3ur Ejplofton Farn 
fonbern langfam abbrannte, lag baran, baß ftch bas (Semifcb 
pon (Sas unb Suft, bas man mit Knallgas be3ei<hnet, nicht 
gebilbet hatte. BemerFenswert ift es, baß nur ein Bliß aus 
biefer IDolFe beobachtet würbe, unb baß Fein Hegen erfolgte. 

gu Beforgniffen barf biefer Dorfall Feine Deranlaffung 
geben, ba ein folcher Ausgleich 3wifchen ber mit pofitiper 
EleFtr^ität gelabenen IDolFe unb ber negatipen (EleFtr^ität 
ber (Erbe äußerft feiten fo plößlich ohne länger porhergeheube 
eleFtrifche Sabung bes Kabels erfolgt. Die perfd?iebenften 
meteorologifchen ©bferpatorien ber (Erbe benußen fchon lange 
3ur (Erforfchung ber höheren Schichten ber Ktmofphäre Drachen 
ober Drachenballons, bie, an StahlFabeln gefeffelt, bis in 
EJöhen pon über 5000 Dieter geftiegen fittb unb noch nicht 
bie plößliche (Entlabung erfahren haben. BeFannt ftnb ja bie 
Derfuche pon JranFlin, ber feine Drachen beim tjerannahen 
eines (Sewitters. ftetgen ließ unb babei allerlei eleFtrifche 
(Experimente anftelite. 

Beim Huffteigen mit einem Freiballon bürfte wohl jegliche 
(Scfahr fehlen, ba ja bie Derbinbung mit ber Erbe fehlt. 
Dun muß aüerbings pertneiben, mit einem Ballon bireFt in 
ein (Sewitler h' ne ' n 3ugeraten. Über weniger bie Bliß* 
gefahr ift 3U fürchten, als bie (Gewalt, mit ber ber Ballon in 
ber (SewitterwolFe h er umgeriffen wirb; bas (Sas wirb 3um 
größten (Teil h er °usgebrücFt, unb fpäter geht ber Ballon in 
rapibem Stur3 3ur Erbe. 

Hach ber Sanbung hat man noch einmal befonbere Dorjtchts- 
maßregeln 3ur Derhütuug einer Kataftrophe 3U treffen. Es 
ift porgeFommen, baß in bem KugenblicF, wo bas Dletall* 
pentil bie Erbe berühre, ein FttnFeu übergefprungen ift unb 
bas (Sas 3ur Erplojion ober 3um Kbbrenneu gebracht hat. Dian 
befeitigt biefe (Sefahr baburch, baß man ben Ballon innen 
mit Ehlorcalcium beftreicht unb ihn leitenb macht; es wirfr 
alfo eine plößliche Entlabung bamit ausgefchloffen. 

XDie ein JreffelbaUoit entleert wirb, 3eigen unfere Bilber; 
bie Seute holen ben Ballon erft fo weit h^unter, baß fte 
ben (Surt faffett Fönnen, unb brücFen bann ben Ballon, beffen 
Entleerungsöffnung aufgebunben ijt, fejt 3ur Erbe nieber unb 
preßen fo bas (Sas heraus. 


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stummer 27. 


Seite J263. 



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Der feffelbaUon wird eingebracht. 



Qdie ein fetfelballon entleert wird. 

lnomentmifruibmcn pon iVins 2IIbcrti, Canbsbtrg a. €edj. 


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Sette \264j. 


Hummer 27 . 



Berliner Dampferpartien* 


‘VoUtsbelufttgungen. 

^ierjn 10 lHoment<infnnbmett ron (Seorg Hüffe, Herltn, Pnlla, Paris, Heini}. tOjielc & <Eo., Conboru 


Die PolFsbelufligungen flnb poneinanber perfchieben, mie 
ibie PolFsfprachen unb Me PolFsbialeFte. IPollte matt einem 
fcfjlidjten UTecflenburger ober Pommern 3umuten, einem 
jEJafytenFampf be^umohnen unb bie Phafen eines folgen 
<Sefechts mit KufmerFfainFeit ober £eibenfd?aft 311 perfolgen, 
mie es in SübfranFretdj ober Spanien UTobe iß, fo mürbe 
man mahr.fcheinlich auf einen fetpr 
energifchen unb unperblüinten IPiber* 
ßanb flößen 3 n feiner Unterhaltung 

unb in feinem Pergnügen muß, um 
ein IPort bes großen jfrtebridj 3U ge* 
brauchen, „3 e & e * nad? feiner faflon 
felig merben*, unb ber große fjumorift 
unb Dichter ^ritj Heuter brüefte bas 
noch braftifdjer aus, inbem er fagte: 

„tPat ben* eenen fin Uhl is, is ben’ 
zinnern fin Hachtigall " 

Knbere £äuber, anbere Sitten! 

Ziehen ber Kremferpartie geht bem 
xpafchechten Berliner nichts über eine 
Dampferpartie. Kn ber 3 annon ”Ö* 
trücFe beßeigt er mit Jrau unb 
Kittbern ben Dampfer, mählt fich 
•ficher ben beften plafc aus unb bemegt 
fleh nur in ben KusbrücFen, bie er pon 
hinein entfernten Permaubten über« 
nommen h at hex in ber UTarine 
diente. (Er Fritifiert ben Utafchinißen 
unb ben Steuermann, ja fein Urteil 
magt fleh fogar an ben Kapitän — 

„aber alles in (Semüt lieh feit". 

Der Berliner ift in feinen Polfs« 

'beluftigungen allebem abholb, mas er 
felbft in feiner braßif6ert unb bilber« 
treidln Sprache „UTumpifc" nennt. 
zEr mürbe adjfe^ucFenb über beit 
Ste^enläufer auf unferm Bilb 3ur 
Cagesorbnung übergehen, in paris 
dagegen nimmt ein folcher Künftler bie 
-gefpanntefte KufmcrFfamFeit pon jung 
*tnb alt in Jlnfprudj. Das Stel3en* 


laufen ift aflerbings in manchen (Segenben ^'ranfreichs noch 
heute eine Krt pon Perfehrs* unb Beförberungsmittel, unb 
besmegen h a * hex jfrai^ofe für biefe Uebung, bie mir nur 
nod? als Spielerei betrachten, ein gemiffes 3 ntcr *ff c * 

Kiibere £äuber, anbere Sitten! 3 n englifchen See¬ 
babeorten flnben fleh häufig Hegertrnpps an, bie itjre (£an3- 
FunftftücFe probieren. 3 n €nglaitb 
liebt man bie Pertreter ejotifcher Ha* 
tiouen mehr als anbersmo, bie piel* 
feitigen Xjanbelsbe3iehungen bes 3nfek 
reichs h a &* n bas Perftänbnis für bie 
Sitten anberer, namentlich „milber" 
Pölferfchaften rege gehalten, unb man 
pergißt bei ben bnnFlen I?errfchaften 
gern, baß mau es hie* gar nicht mit 
Kannibalen 3U thun hat, fonberu mit 
Leuten, bereu Porfahren feit langer 
©eit mit europätfeher Kulter pertraut 
finb, unb mau erfreut fich h^ulos an 
ben grotesFen Sprüngen amerifani f cher 
Heger, bie KfriFa ineiftens niemals 
gefehen höben. 

Bootfahren unb IPafferfport Fönnen 
pielleicht uirgenbs einen fold?en ©u* 
fpruch flnben, mie in £onbon. Der 
£onboner, mie ber (Englänber ift IPafler* 
fportsman par excellence— bas ift er 
flhon feinem tneerbcherrfchenbeu Pater* 
lanb 3uliebe — unb nirgenbs flnbet man 
benn auch mafferfportliche Peranftal- 
tungen, bie mit ähnlichem (Enthuflas- 
mus in Scene gefegt finb, mie in 
(Englanb, fpejtell in £oubou. IDo 
burchgefchleuft merben muß, fainmeln 
fich naturgemäß förmliche Karamanen 
pon U?afferfahi*3eugen, bie pon einem 
fachfuubigen Publifum mit Fritifchem 
Blicf gemuflert merben. 

Die fatjrenben Künfller mit 
ihren IPagen, bie pon tttüben Klep¬ 
pern ge3ogen merben unb bie gan3e 



Der Stelzen läuf er. 


* 


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Goog i 

















Ncgertänze am ctigKfchen Sadcftrand. 


VergnOgungsboote iti der Öcbleufe. 


r-« 


r 


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Seite { 266 . 


Hummer 2? 



Künftler- ialer ober 

truppe befjer- oertiPaler 
bergen, ftitb Hi<htung r>or 

toicber inter- fid.7 gebt, ift 

national. bett £iebha« 

Ulan ftnbet bern, bie fit? 

fic in ber gegen fünft* 

galten titelt, lictpe See* 

u>o jablenbe Franfheit ge* 

HIenfcben feit toiffen, 


roobucit, 


engHtchc Drahtfeilhünftlcr. 


franzöfifchc Htbletcn am Rech. 


führen bett 
breffierten 
Pubel, ber 
KartenPnnft* 
ftücfe machen 
fann, ben 
Pony, ber 
bas 2Jlter 
einer jungen 


gan3 gleich- 
giltig; ftc 

fetjen ftrfj 

ebenfo gern 
auf bas höl- 
3erne Pferb, 
bas übrigens 
(Lroja nicht 
erobert b^t, 


Karurfctlfabrcn in Parts. 


ober älteren n>ie fte ftch 


Dame burd? Kopfnicfen anjeigt, unb ben Athleten, ber 3unt einer (Sonbelbes großen febmingenben ober rotierenben Habe* 


Schrecfeti ber Dorfherfuleffe mit gentnern fpielt, mit fid?. anoertrauen. So ftnb bieDolfsbelufiigungen rerfchieben, wie „bifr 


(Ebenfo international ift Karujfeüfahren. 0b es in b^ri3on- (Sefchmäcfer", unb über biefe foll man niemals ftreiten. <l 



6felwettfabren in 6ngland. 















Zlummer 27 . 


Seite 1267 . 


Im ßmrntjaua oon Ltubmfifylrn. 

Hotnan ©on 


U. Sortfefenng. JMa rte 

XVIII. 

m sipeiten Sommer feiner <£t;e ging <£rid>, 
wenn aud? nur wiberwiHig, in bas ZTTanö- 
©er, bas ihn weitab ins pofenfd?e führte. 
€r liefe biesmal fein junges IVeib ungern 
allein. Nad? anbertljalb 3aF?ren bes Barrens foflte 
eine fd?öne Hoffnung ihrer (Erfüllung entgegengehen. 

Ser Sienft rief, aber ntefyr als je blieb fein fjers 
3U E?aus 3urücf. €r war nad?benFiid?er unb fdjweig- 
famer als font, in ben Quartieren entfprad? er wenig 
jener Sorte ©011 liebenswürbigeit Sefpoten, bie bie 
Quartierwirte in ben 2Uauö©erofft3ieren 3U fehlt er¬ 
warten. Kls fein Regiment nad? anfirengenben ZTTärfd?eu 
eine breitägige. Nuhepaufe erhielt, benufcte er bie <§eif, 
um Urlaub 5U erbitten unb auf 3weitünbiger Bahnfahrt 
bie Stabt 3U erreichen, in ber I}ans tVUhelm teurer war. 

2U. lag in einer flachen, ©öllig re^lofen (ßegenb. 
IVeibepläfee, Kartoffel- unb Hoggeitfelber bis an ben 
f?orisont, ben höd?tens eine fd?male Kieferwalbung um- 
fäurvtte. Nid?t einmal bie meland?olifd? ftimmungsreicbe 
(Eiutöuigfeit ber norbbeutfd?en €bene bot fid? hier, ber 
Unb lief war einfach langweilig. 

Schon auf bem Bahnhof ujarb €rich Befd?eib gefagt. 
Ser ®Ymtiafiallehrer Sr. ©on £?acfe fd?ien eine befannte 
Perfönlid?Feit 3U fein. Kls er ©or bem E?aufe taub, 
einem gelblid?grauen, 3weiftdcfigen Bau mit glatten 
ienfterreihen, ohne ben geringften Zierat ©on BalFou 
ober ©rFer, mit bem breiten, ausgetretenen (Ehoreingang 
unb ber etwas winfligen, bunflen Creppe, wollte fid? 
bem fchönheitsoerwähnten ZTTann bas Ejerj jufammeu- 
siehn. 3htit war, als Föirnte er biefe kreppe nid?t 
wieber hinuntergehn, ohne ben hierher Verfd?lageneit 
mit fid? fort3unehmen. 

Keiner pafet fd?led?ter hierher als erl bachte er er¬ 
bittert. 

Kn ber gelben <£ntreetl?ür war eine SrucfFlingeL 
E?ans tVilhelms VifitenFarte hing baneben. Kuf <£rid?s 
Klingeln ©erfinden einige Sefunben, bann näherte fid? 
ein Ulännerfchritt, unb E?ans IVilhelm felbfi öffnete. 
„€rid?l" rief er, aufs t?öd?fie erfiaunt. 

€rid? griff nach feiner E?gnb. „EVilhelm, alter 3 nnge! 
So mufe man bid? fud?enl* 

„f}afi bu benn fo fd?recflid? nach mir gefucht?" gab 
E?aus IVilhelm juriief. £s war fein altes lächeln, aus 
Junior unb 3ronie gemifcht, bas feine <§üge überblifete. 
£r 30g <£rid? in ben Korribor. 

„Su Fommfi gerabe 3ured?t, meinen SeffertFaffee 
mit mir 3U trinFen," fagte er. „(Ein (ßetränF eigener 
Bereitung, bal?er nicht 3U ©erad?ten. Bis um ©ier 
habe ich Seit für bid?, alfo 3wei ©olle Stunben. Nad?t?er 
Fommen pri©atfd?üler 3um Nachhilfeunterricht/ 

Sein Krbeitssimmer lag gegen 0 ften. Surd? bie ge¬ 
öffneten 5 enfier Farn ©on einer Nad?barwiefe fjeugerud? 


Diera. 

herüber. <£rid? fühlte fid? burd? ben Knblicf, ber ftd? 
ihm bot, erleichtert. 

3 u biefem Sinter, trofe ber niebrigen Secfe unb 
ber fd?malen 5enfter, wohnte etwas ■ perfönlid?es in 
©oüfter Kuspräguitg. Sa>ar war ber ©efamteinbrudP 
ein jlrenger, fafi nüd?terner. Über bie Knorbnung guter 
Kupferjlid?e an ben IVänben unb. ber grofee Schreib- 
tifd? mit ein paar BronseFunfiwerFen 3eigteit bie ^anb 
bes Kefthetifers. Sie 5 arbeutönung ber Vorhänge, eines 
gepolterten lehnfeffels unb eines leberbiwans war in 
bunFelgrün gehalten. Sem entfpradjen aud? öie Capete 
unb ber Ceppid?. 

„£?ier lebjt &ul* fagte <£rid? unb fah ftd? auf- 
atmenb um. 

„3o l ^ier lebe id?/ entgegnete ber anbere mit 
fiarFer Stimme. €r machte eine Paufe unb überflog 
fein Neid? mit beit Kugen. IVie er fo ©or £rid? taub, 
entpfanb biefer plöfelid?: ber ty** wur3elte in fertigem 
Bobeit. Sem brachte man nid?ts mehr. Ser fah aus 
wie einer, ber mit Vergangenem abgerechnet hut. 

„So, nun bewunbere meinen Kaffee," fagte £?ans 
IDilhelm unb ging 3U einem Ser©iertifd?d?en in ber Nähe 
bes 0 fens. €ine braune Stur3mafd?ine r Caffeu, 
Kfd?bed?er füllten bie platte. „3d? werbe nod? etwas 
nad?fabri3iereu, ©orläupg nimmt bu bie erte Caffe. 
Kber — armer Kerl, h<*ft bu benn etwas 3U JTiittag 
beFommen?" 

£rid? bejahte. <£r hotte auf einer Station aus- 
reid?enb Seit 3um Cafeltt gehabt. 

Ser Suft bes Kaffees mifd?te td? mit bem guter 
Starren. €rid? fafe auf bem leberbiwan unb fah bem 
ruhigen, ge|d?icften £?antiereit feines 5 reunbes 3 U. 

„(Sefällt es bir hi^ IVilh^lm?" fragte er. . 

„3a," entgegnete ber lel?rer, ohne fid? um3ufehm 
„2ftan 3wingt unb breltert fid? fein leben eben fo lange, 
bis es einem gefällt. Vor bem habe id? ntd?t ©iel NefpeFt, 
ber bas nid?t Faun." 

„ 3 a, bu hat beine Schüler/ 

„Natürli.v! Sie 3 ungeus! 3 d? bin 0 rbinarius 
ber SeFur.ba. Sieht bu, Zllenfd?, ba hat man bie 
Schlingel ©or fid?, bie gerabe in ber ©ntwicflung t*hu. 
Unb je ©erbogeuer, ftörrifd?er, rabiater fold? ein 3 unge 
ift- beto ftürFer 3iob?t er mid? an, beto lebenbiger Friegt er 
mid? 3U fühlen. 3 d? habe 5 reunbe unter bem PacF, 
fage id? bir. Über mirflid?e Äreunbe, was id? barunter 
©ertehe. Sie einem nid?t im iVege herumtehen, nicht aller 
IVelt meine Cugenben in bie 0 hren blafeu. Solche, 
auf bie id? mid? ©erlaffen Faun in bief uitb bümt!" 

€r fagte es mit hellen Kugen. 

£rid? war ftunim basu. €r bad?te nur immerfort: 
fo fertig ift er. E)at all feine Ojüren 3ugefd?loffen ©or 
uns 5 riihereu. Unb bod? ift er fo treu wie tarf. iV> 
her — woher —? IVie Fommt es nur? 



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Stummer 2?. 


f}ans IDilhelm fam heran uni) warf pch in ben 
Cehnßuhl, (Erich gegenüber. 

„So. Da mar id?. Bun Fontrnß bu bran. Sage, 
wie es bei bir auspeht." 

(Erich gab pch einen inneren Sucf. um 3U fprechen. 
Kber über bem UTitteilen feiner (Erlebnifle fiel oor feinem 
<ße;ß eine SdjranFe nad? ber anbern, bie ihn oon £?ans 
IDilhelm trennte. (Er oergaß, was er nod? eben gebadet 
hatte: baß pd? in ben 3 ahren ber (Trennung eine Kluft 
ge3ogen hätte 3wifd?en hüben unb brüben. 

£5 war ber 5 reunb wie eiuft, ben all fein (Erleben 
anging wie bas eigene. 

2lud? uon 3ürgens freiwilligem Cob fprad? er unb 
Preifte ftüd?ttg bie Urfadje. Da Fam eine jät?e Der* 
äitberung in fjans IDilhelms <ßeßd?t. Kües Kbgefd?loflene, 
I}arte oerfd?wanb. 

„ 3 ürgeit —" murmelte er. „Der 3 li ngc!" 

Dann würbe er lange pumm unb blicfte cor pd? 
nieber. 3 n feinen Schläfen Flopfte bas Blut. 

„Der 3 unge! // mieberholte er. „Unb an fold?er 
Barrljeitl Kber freilich — eine Starrheit mußte fommen, 
ihn 3U weefen. Unb an biefem 2 lüfmad?en ip er geßorben, 
Der Fleine 3 ürgen oon pontow." 

€s blieb lange pifl. €rid? empfanb: in biefer 
gemeinfanten (Trauer fanb ber 5 reunb pd? wieber 
3U ihm. <£ublid? fragte er: „IDarnm Famp bu nicht 3U 
meiner l}od?3eit?" 

Efans IDilhelm blicfte auf unb lächelte. Dann legte 
$r bie Faum angebrannte Zigarre fort. 

„Sd?niirchen," fagte er unb gebrauchte ben alten Spiß* 
namen aus ber Kabettenjeit, ber (Erich berührte, wie 
ein wunberfanter Klang oerfchollener (Tage. „Das wollte 
id? einfach nicht. Du biP ein rechter DummFopf in 
biefer Sache gewefen, mit beinern ewigen Schreiben unb 
Drängen. 3 d? b^ätte bir eigentlich fo oiel Decftanb 3U* 
getraut, baß bu bas Bütteln an, alten <ßefchid?ten 
unterließeß. 3 eßt habe id?’s ja längP hinter mir, 
aber — Donner nod?mal! Ulan läuft hoch folchen 
unltebfamen (Erinnerungen nid?t gerabe abpchtlich in bie 
Krme!" 

(Erich Parrte ihn an. So greifbar war bie Sache 
gewefen, unb er hätte nicht bie gertngße Kunbe 
baooit? 

„ 3 dt n>eiß ja gar nichts, IDilhelm —" fagte er un* 
pd?er. 

Der anbere lachte Fur3 auf, nahm feine «gigarre 
wieber unb ging ans 5enßer. 

„DanFe," fagte er über bie Schulter, „bu bip bisFret, 
mein 3 nitge. Bun aber —" er wanbte pch plößlich um 
unb fah mit ernftem, ruhigem Kusbrucf 3U (Erich hin* 
über. „(Ersätze mir ein bißd?en mehr. IDie getfl's beim 
beiner Sd?wefter in ber (Ehe? " 

„IDent? Knna*Beate?" 

Ejans IDilhelm ntad?te eine ungebulbige Bewegung. 
„IDiUft bu mich eigentlich fchrauben, Schnürchen, baß 
ich ben Barnen nennen foll? deinetwegen, wenn bir 
bas Spaß macht: alfo, wie geht es Buth in ihrer 
«he?" 

(Erich riß bie Kugen auf. „IDas meinP bu eigeut* 
lieh? Butt? iß nicht oerheiratet, IDilhelm." 


„Bichl? 3 P es wieber 3urücfgegangen?" 

„IDas?" 

„Buths Derlobuitg." 

„Buth war nie oerlobt." 

„Bun, bann follte pe es werben. Das ip mir ja 
gan3 gleich, ob es pch nachher 3erfd?lug ober nicht." 

„Uber IDilhelm, was rebeP bu ba nur alles I" rief 
(Erich unb Panb auf. „Ulit wem follte benn Buth nur 
oerlobt werben?" 

„ 3 a, &as frage ich bid?,* gab £?ans IDilhelm 3U- 
riief. Dann Fam er heran unb brüefte (Erich, auf ben 
Siß' 3urücf. „Kd?, lieber 3 u nge, laß hoch bie ollen 
Kamellen. Dir haben pe, wie es fcheint, biefen ge* 
heimnisoollen Bräutigam, auch unterfchlagen. f?errgott> 
es geht mich ja auch 9ar nichts an, was aus biefer 
Sache geworben iß. (Es war bantals bie große (Er¬ 
nüchterung nach bem großen Bauch, unb als folche hat 
pe ihre Dienße getf?an." 

(Er feßte pch wieber in ben Cehnftulp. 

„Uebrigens, (Erich, wenn bu wirFlid? fo total um 
wiflenb biß, muß ich bit meine Dorwürfe abbitten. Daun 
Fonnteß bu ja natürlich nicht wißen, wie Iäßig mir 
beine (Einlabungen waren." 

„3eßt, IDilhelm," rief (Erich ßarf unb energifd?, 
„bitte ich um Klarheit. IDer hat bir oon Buth* Der* 
lobung erzählt?" 

„ 3 rgeubein Fräulein bei eud?. (Eine fjausfreunbin. 
Buths uub beines Daters 3 »time, benFe id?." 

„Sräulein Beer? Unb wann?" 

„Bach meinem 3weiten (Examen." 

„Da warß bu in Cucfmühlen?" 

E?ans IDilhelms <ßepd?t ocrßnßerte pd?. „(Erich, 
bu biß, weiß (Sott, 3um 5 olterFned?t geboren. (Es ip 
nur gut, baß meine E?aut bief unb meine Beroen ßumpf 
geworben pnb. «gum 3wan5igßenmal bitte ich bid? jeßt: 
laß bie Sache ruhn!" 

(Erich blicfte oor pch nieber, er hörte Faum. was 
ber Sreunb fprad?. Dann murmelte er burd? bie ^ähne, 
ohne ihn ai^ufehn: „ffans IDilholnt — es Fönnte alles 
ein BTißoerftänbitis fein, ein —" 

Das IDort: Betrug flog an ihm oorbei wie ein 
Sd^atten, aber er fprad? es nidfl aus. 

„ 3 a, es Fönnte," gab fjans tDilh^lm 3urücf. 

(Erich fuhr auf. „Das benFß bu?" 

„ 3 di benFe es h^ute nach beinern Debatten, unb 
ich habe es fchon in ben leßten 3 a h?en hin unb wieber 
gebacht. Bidit in bem erften Sturm. Da iß mau ja 
nicht Flug ober gar gerecht." 

,,^aft bu Buth bamals gefehen?" 

„Biematib außer bem Fräulein. Buth faß irgenbmo 
unb oerlobte pch gerabe, würbe mir er3ählt. 3 d? Farne 
fehr 3 ur Unseit. Da fuhr mich 3 ürgen wieber 3ur 
Station." 

„IDilhelm, bie Sache muß ihre KufFlärung pnbenl" 
(Erich glühte oor (Erregung. „Unb wenn bu es badtfeß, 
warum thateß bu nichts, bem Zweifel nach3ugeheti? 
IDahrlich, IDilhelm, idi oerftehe bid? nicht!" 

Darauf Fam nicht gleich eine Antwort, ffans U^ilhclm 
ftanb wieber auf unb ging nach bem 5enfter. 

„IDie ftarF bas £}eu buftet," fagte er. 


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Kummer 2?. 


j?eite \ 26 ty. 


„IDiüft btt mir nicht antworten?" rief it]n Erich mt- 
gebulbig an. 

„Quäler, ber bu biß!" ijans IDilhelm breite ftd^ 
lächelnb herum. „IDenn bu etwas maßooöer unb ge* 
bulbiger u>ärß unb mir nid]t fo brüsf an bie Kef]le 
führß, fönnteß bu bir bie Kntmort melleicht felbß geben. 
2Us ber Sturm uorbei mar, mar aud] meine £iebe oor- 
bei. 3ch habe fo mel bamit 3U tl]un gehabt, über 
bies graufame fjerjeleib £}err 3U merben, baß id] meine 
gan3e — aber aud] meine ganse perfönlidjfeit baju 
brauchte. 3 ch tr>iH an bie Seit nicht mehr benfen, Erich. 
Die mar fehr fd?u?ar3. Unb als ich bamit fertig toar 

— ba toar ich eben mit allem fertig/ 

Erid] trat 3U ihm, er mar blaß, unb bas Sprechen 
fiel ihm fd]toer. 

„IDenn es fleh aber herausßellt, äaß pe ohne Schulb 
gegen bich iß?" — fragte er ßoefenb. 

„Dann mögen es bie oerantmorten, bie fold]e Ceufelei 
anrichteten!" rief Stans IDilhelm in jäher Erregung. 
„Sie hat mir eine» (Teil meines £ebens gefoßet! 3 e ßt 

— oerßehe es bod] enblid], Erich: es fann mir nichts 
mehr nüßen. 3d] bin ein gan3 anberer gemorben. 
Das fommt fo, man meiß es nicht mie. UTan fleht es 
erft, menn’s fo meit iß. Unb biefer anbere hat feine 
5 ühlung unb faum noch ein 3 ntereße für beine Schmeßer 

**h/ 

lieber Erichs Seele ging’s mie ein 5roßfd]auber. 
So falt unb leer fah ihn biefe Cebenserfenntnis an. 
Ein altes Dolfslieb fuhr ihm burch ben Sinn: 

„Soll ftdj bie £iebe fdjeiben, 

Unb ob ein £^3 3erbrid]t: 

Kein IDunber hält bie beiben, 

2 lud? Erb unb t?tmmel nicht. 4 

©h^e Schulb oieHeidjt — burd] ein UTißDerftänbnis, 
burch Derfd]ulben anberer auseinanbergeciffen — in 
einer einigen, bunflen Stunbe . . . 

Unb bann in £eib unb heißem £jer3ensfampf einanber 
fdjließlid] — oergeßen . . . 

„Kein IDunber hält bie beiben —" 

Spielt fo bas £eben mit bem lob? 

„Denfft bu baran, bich 3U oerheiraten?" fragte er 
ploßlid], unb ohne baß er es moHte, burdjfiang Bitterfeit 
feine Stimme. 

„ 3 a," fagte fjans IDilhelm. „Da bu hoch einmal 
heute alle meine Kommobenfächer umfd]ütteß, fannft 
bu auch bas mißen. 3 ^h gehe f«t einem Dierteljahr 
bamit um, bie Codjter meines Direftors um ihre Ejanb 
3U bitten." 

„So. fjaft bu ße lieb?" fragte Erich ßnßer. 

„Sehr." 

„Unb ße bich?" 

„3d] meiß es nid]t. 3^h glaube." 

„Du haß ihr noch nichts gefagt?" 

„Hein." Dann flog mieber ein £äd]eln über fein 
< 5 eßd]t. „Ein Dioifeftor fann feinem Kaninchen nid]t 
härter 3U £eibe gehen, als bu mir. Was miHß bu 
nun nod? hären? XDie groß? Ungefähre Ca£e hunbeit» 
fünfunbfech3tg Sentimeter. Wie fd?ön? 3 n lanb- 
läupg^m Sinn menig, in meinem nicht Diel unter flafßfd]. 
Wie gut? So gut ober fo menig gut mie ich felbfl. 


Denn bie < 5 üte bes Utenfchen erhält nur burch bie 
Ueibung an anbern ober ben Derhältnipen 5 orm unb 
(ßeftalt. Was nun noch?" 

Erich manbte pd] 3Ürnenb ab. „So marß bu fonP 
nicht," fagte er. „Unb ich fann mir nicht benfen, baß 
£iebe, bie fo fchnell oergißt —" 

„Das laß," unterbrach ihn Stans IDilhelm plößlkh 
mit broheitbem Ernß. „Sie hat nicht oergeßen, pe iP 
totgefdßagen. Unb fäme ein (Engel oom fjimmel, ich 
fönnte ihn nicht lieben, wie ich einß Huth non pontom 
geliebt habe. So milb, fo fräftetoH! Das fann ich 
nie oergeßen. Unb ich traure noch heute, baß biefe 
Kraft Derbluten mußte. SiehP bu, Erich, id? hätte pe 
entführen fönnen unb mollen. (Euch allen 3um Croß, 
mas hätte mir bas oerfchlagenl ®b ein £?ausglücf 
baraus gemorben märe für uns beibe — mer meiß 
bas? Uber baran bachte ich bod? nicht. Zlixr pe er¬ 
ringen! Hur pe erringen! — Uber pe hatte ja Seele 
unb Sinne bei einem anbern UTann. Das toar bie 
Untroort auf meine toilben, h^li^n pläne, eine grin- 
fenbe 5rafee: pe hat ja nie an bich gebacht." 

Er roanbte pch ab unb feßte pch uor feinen Schreib- 
tifch, bie ^anb in bas Staat oergraben. 

„UTan fann mit £ad?en Cob unb £eben überroinben. 
Die gan3e IDelt bebeutet nichts. Uber an biefer einen 
Karriere 3erbred?en Kraft unb Croß unb Seelenmut. 
Es iß eine fo, fürchterliche Erfahrung." 

Draußen ertönte bie Klingel. Stans IDilhelm fuhr 
empor. „3d? muß öffnen, meine Uufroärterin iß aus¬ 
gegangen." Unb bann mit einem I 3 licf auf bie Uhr: 
„Das fönnen hoch noch nicht meine 3 un 9ens fein." 

Erich blieb 3urücf. Die Störung fam fehr 3ur Un3eit. 
Da rief E)ans IDilhelm im Korribor feinen XTamen, 
oerrounbert fam er bem Huf nach. Draußen ßanb ein 
poftbote. „£}ier iß eine Depefche für bid?," fagte ^ans 
IDilhelm, „oon Seinem Regiment nachgefchidt. Der 
53 ote muß bid] fehn. So, iß gut." 

Erich fam ins <§immer surücf, bas oerhängnisooHe 
Blatt in £)änben. Ein plößlidjer Sd^roinbel roottte ihn 
ergreifen. Nachricht aus ber fjeimal! 

ZTTif jähem Hucf riß er bas Blatt auseinanber. 
3 m erßen UToment tan3ten ihm bie Buchßaben oor ben 
Uugen. 

„Ein fräftiger 3 unge, echte pontotofcheSaße. 5 d\wet, 
aber glücfüd? überftanben. Ulles in oortrefflidjer Der- 
faßung. Eberharb." 

Das toar ber Ur3t. 

Zlodi eine Sefunbe ßanb Erid] mie gelähmt. Dann 
brad] bie übermächtige Erfchütterung ßd] Bahn. 3 « 
ben Sd]reibtifd]ftuhl fanf er mit einem jähen Uuf- 
fd]lud]3en nieber unb oerbarg fein (ßepcht in beiben 
fjänben. 

„Ein 3 nnge — mein 3 mtge —" murmelte er, als 
müße er bie IDorte fpred]en, um pe 3U glauben. 

fjans IDilhelm hatte bie Depefd^e aufgenommen. 
Er fah hinein, bis es ihm heiß in bie Uugen ßieg. 

Da ßanb Erid] auf, er fd?ien ein anberer UTenfd] 
geworben. „£aß mid] nod] einmal lefen," fagte er. 

Unb bann mit einer Stimme, in ber fein £}er$ lag: 
„Eoa! Unb pe lebt! Sie leben beibel" 


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Seite {270. 


Hummer 27. 


„Beibel" Er griff pd] mit ben fjonben an ben 
Kopf- * 3^1 merbe ja perrücFt, IDil^elml 3 dj muß 
ja tfinl Unb follte id] Erbe unb £pmmel in Bemegung 
feßen. 3d] muß ja bod] meinen 3*mgen fehn. fjerrgott, 
mas ftub bagegen alle HTanöper. Das iDidpigpe auf 
ber Welt ift bod] mein tDeib unb mein 3 migel" 

Er mar im (SlücFspeber, ber glücFlid]e UTenfd?. 

Da faßte ihn £jans tDilhelm plößlid] an beibe Ejänbe. 

„So lauf, bu junger Pater, bu fjißfopf. Bift ja 
bod? pon biefer Ulinute an un3ured?nungsfähig für mid?. 
Hur eins möchte id] bir nod? fagett. Du. hoft mid? 
felbß neugierig auf beine beiben (ßößeit gemacht. IDenn 
bu mich l(i\b\di einlabefi, piellekht 3U ben ^erbftferien, 
bann Fomme id] gern!" 

Erich riß feine Ejönbe los unb legte fie bem 5reunb 
auf bie Sd?ultem. Er rüttelte ihn por EntjücFen. 

„IDilhelml XPilb^lm! £}ör id] beim recht? Unb 
3ur (Laufe fommft bu, bijt pate! pate biji bu!" 

„HTeinetmegen auch bas!" brummte fjans IPilhclm. 

„3a unb —" 

(Erich 30g plößlid? bie fjänbe herunter unb fah 3ur 
Seite. „IDirb es bid? ßören, IDilhelm, menn — aud] 
Hutf? — auch pate —" 

„Hein," fagte fjans IDilhelm lädjelttb. „ 3 eßt gar 
nicht mehr. Den erßen Schritt hoP bu ja bod] burd? 
bein pormißiges Einbrängen gemacht, nun fann id] 
fo piel Hutl?s begegnen, als bu münfd?epj" 

„Tllfo abgemacht! <?>u ben ^erbpferien. IDas nur 
<£pa fagett mirb! fjurra, bes Königs jüngPer Ceutnant!" 

Er mar mie pon Sinnen unb fuhr im «gimmer 
herum, feinen Degen 3U fud?e«. 

„Hithe bod], Hube! Dein näd?ßer <§ u 9 geht erp 
in einer halben Stunbe. Unb bann, lieber 3 U] tge, eins 
möchte id] bir bod] nod] fagen: baue etma Feine Er* 
martungen unb plane auf meine Begegnung mit beiner 
Sd?u>ePer." 

Eine rafche IDoIFe flog über (£rid]s <Bepd]t. 

„Hein, IDilhelm, id] thue es nicht. 3 ^h bin Fein 
phantap. 3 n liefen Dingen giebt es Feine HTärchen 
unb IDunber." 

„Was braud]P bu aud] bie! Du h<*P ja bebt 
ZTTärchen 3U £jaus," fagte £]ons IDilhelm. 

XIX. 

Es Farn ein langer Brief in £ucFmühlen an. 

Der 3 un 9 * mar ba! Der 3 un <je mar ba! (Broß* 
Paters erPer EnFel. Unb IDolfgang follte er heifeen* 
Unb pebeneinhalb pfunb mog er. Unb hotte ein 
(Srübchen im Kinn unb gait3 \\e\le, locFige Horchen auf 
bem Sd]äbel. Unb einen famofen BruPFaßen unb eine 
Stimme mie ein Kommanbeur. Des (Lags fd]lief er, 
bes Hachts brüllte er. Unb bas ganse Hous ftanb auf 
bem Kopf. 

Das mar bas <£rpe. Dann Farn <Eoa, bie piel ge¬ 
litten hotte, aber nun in feligem HTuttergliicF pd? 311* 
feheitbs erholte. Sie nährte ihn felbft, ben hefigen 
Huben. Uber pe mar fehr energifd], piel energi(d]er 
als ber papa. Sie litt es nicht, baß IDolfgang außer 
ber <§eit aus feinem tDägeld?en genommen mürbe, unb 
menn ber arm« Kerl pd] holbtot brüllte. 


< 3 um allerleßten Schluß Famen bie (Laufpläne unb, 
Fur3 ermähnt, bie Begegnung mit Hons IDilhelm. 

Uls Huth, bie ben Brief las, 3U biefer Stelle Farn, 
mürbe Herr pon pontom por Sd]recF plößlid] brennenbrot. 

IDas mar benn bas mieber? (Lauchte ber HTenfd] 
aus ber Dergepenheit mieber auf? 

3hm mürbe fo pebenbheiß, baß er entporfprang unb 
ben HocF aufriß. Kann man benn nie etmas thun, bas 
einem nid]t in alle (EmigFeit nad]läuft? Das, menn 
man es glücflid? begraben unb oergeflen t?ot, plößlid] 
mieber feine Äangarme aus ber (Liefe ftreeft? 

„< 3 u ber (Laufe fährP bu nicht!" fuhr er feine 
(Lod]ter an. 

Huth mar blaß gemorben. Sie 3Ürnte (Erich heftig. 
IDas that er ihr an? IDas moüte er bamit? , 

„Hein, id] fahre nicht," entgegnete pe. 

(Söß pon pontom fah pe an. 

Da ßieg plößlid] bie Sd]am über pd] felbp ihm 
mie eine heifce Welle 3U Kopf. Was für eine lumpige 
Holle fpielte er benn mit feinen emigen Hinterhalten 
unb Uengften — unb nun mieber mit biefem Der bot? 

Wie hätte er bas bei einem anbern genannt? 

Die plößliche Seeienaugß trieb ihm ben Schmeiß 
aus ben poren. pfui! IDas, hatte er gethan! Unb 
mas mollte er nun mieber thun! 

„£aß mid] ein Flein bißchen allein, Huth," fagte er 
mit belegter, faP uuperftäublid?er Stimme. 3 ß I €r 
mußte mal ein UDeilchen allein bleiben unb bie ganje 
Sache Flar por pd? hmPeHen mie auf einem Sd]ad]brett. 

So! Hun mar er allein, nun tonnte bas DenFen los¬ 
gehn. Kber bie (ßebanFen ließen pd] nicht fo ohne meiteres 
Fommanbieren. Die liefen ihm mohl nod] 3*hu Hlinuten 
lang burcheinanber, gefchüttelt unb permirrt burd] bie 
aufgeregten (Emppnbungen. 

Enblid] hatte er ben Sad?perhalt fo einigermaßen Flar. 

Er hatte Huth nicht hergeben moüen, burchaus 
nicht. Unb barum hatte er einen freier nad] bem 
anbern fortgejagt. Über XDilhelm p. Eiade hatte 

er eigentlid] nid]t fortgejagt — ben hotte 0 lga Beer 
fortgefchminbelt. 

0 lga Beer. ... Er ftöhnte. IDer ließ ihn biefes 
IDefen pergepen, bas ihm fein Kinb geFoftet hotte! 

HTit beiben 5 äuften ftüßte er ben Kopf, als mürbe 
er ihm 3U fchmer pon all bem DenFen. 

Hun ftanb bie Sache aus bem < 5 rab mieber auf unb 
fah ihn an . . . 

Einen pollen (Lag unb eine enblos lange Had?t ließ 
pd] < 5 öß pon pontom pon feinen Höten martern. Dann 
mar er fertig. 

Kües Fonnte er thun, fein eigenes Dafein unb fein 
£iebftes barin Fonnte er aufs Spiel feßen — ja, er 
mußte es! — aber biefe £aft meiterfdpeppen, bas ging 
nicht mehr, fo mahr er Ehre *im £eib hotte unb ein 
pontom mar! 

Da ließ er pd] Huth auf fein «gimmer rufen, bliefte 
il?r tapfer in bie Kugen, mie er als junger £eutnant in 
bie fraii3Öpfd]en5^uerfd]lünbe hiucingefehit hatte, unb fagte 
ihr feft uitb flarP: „Huth, *d? habe bid] einmal betrogen!" 

Dann aber marb (ein < 5 epd]t b^ißf unb er fah pe 
nid]t mehr an, mähreitb er il?r IDort für iDort mit 


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Hummer 27 . 


Seite \ 27 \. 


felbgquätmfdjer (Senauigfeit Öen öorgaitg jenes reg- 
nertfdjen Ubenbs er3ählte. 

Huttjs klugen mürben immer meiter unb garrer. 
VOas fie ba vernahm — bas änberte ja ihr gaii3es 
vergangenes leben. 

€r mar hier gemefen — unb man fyatte fte unb 
ihn umeinanber betrogen- 

€r mar fein leicht Pergeffenber, fein „£ebensfünffler". 
Umfonft hatte fie geh erbittert — umffonff mar er ge¬ 
gangen» Umfong — alles umfoitg. 

Der Cebensintjalt vieler 3 afc* umfonft . . . 

Da fdjlugen ihr bie flammen ins (Begeht. 

„papa! Wie bu ge^anbelt hag/ ig fd?ted?t — ig 
fdgecht!" fdjrie fte ihn an. Dann manbte fte geh um 
unb ftürmte hinaus, bie Ctjür flog hinter ihr ins Sdgog. 

Unb <ßög von pontom jlanb unb fah feinem Kinb 
nach, bas ihn verfluchte, bas er geh felbg 3um garten 
unb gerechten Hinter ge3ogen fyatte. 

* * 

Cinen gan3en (Eag blieben fte einanber fern. Unb 
bief«r Cag fam bem gleich, an bem 3^rgen geh er- 
feboffett f^atte» Das 3meite Kinb verloren I 

Unb bie beiben anbem? Uch benen — benen galt 
er fcoch nicht viel, X}atte er benn je verfugt, ihnen 
etmas 3U gelten? 

VOas tijut man nur mit einem leben, bas fo gan3 
leer gemorben ig? 

Uber am anbem HTorgen fam Huth 3U ihm, ungerufen. 
Uls fte ihn anfah, ftoefte il?r $\\%. Sein (Begeht fdgen 
länger gemorben 3U fein, bie fjaare grauer. Die Uugen 
maren mie eingefunfen unb mit bunflen Hänbern umgeben. 
€r fall *knb aus, mie nach einer ferneren Kranfheit. 

Sei biefem Unb lief fyielt Huth itjr £}er3 nicht mehr, 
bas fdjon bie gan3e Hacht bem Dater entgegenge- 


fdgagen hatte. Uuftveinenb marf fie bie Urme um 
feinen £}als unb fdguchjte an feiner Schulter, als motte 
fte vergeben. 

€in HucE ging burch feine (Bliebet. Dann fagte er 
fte mit beiben Urmen, brüefte fte an geh unb Ijiett fte 
feg unb ffunttn an fein £}er$ gepregt. Ueber fein ver- 
mittertes (Begeht liefen ihm bie Ctjränen unaufhaltfam 
in ben Bart. 

Huth lieg ihn gar nicht los. 3 ^ n>ar, als habe fte 
ein taufenbjähriges Unrecht gut3umadjen. „ 3 <h meinte 
es ja nicht fol" fdgud^te fie enblich an feinem fjals. 
„Unb ich höbe es bie gan3e Hacht über fdjon getvugt, 
bag bu alles nur gethan hag, metl bu mich fo lieb 
hag. Unb nun gräme bich auch nicht, bu gehft ja 
furchtbar elenb aus. IDer meig, ob ich fjans EDühelm 
auch genommen hätte. Dietteidg mar alles am 
begen fol" 

„Hein, nein," gotterte ber alte fjert. iDie ein 
täppifcher Bär tätfdjelte er ihr ben Kopf, ben Hacfen 
unb brüefte ge bann mieber an geh. „Uitb bie £}aare 
habe ich bir auch abgefdinitten — bamit ftng’s at —" 
brachte er mühfam heraus. Diefer fchrecfliche -Drucf 
in ber Kehle lieg ihn ja faum fpredjen. 

Huth lachte unter Chränen. „Hein, papa. €s 
fing viel früher an. HTit Diftor £}agenreuter, ber bie 
Creppe runterflog,nveigt bu nodj?" 

„3ö« Kber Hutfy, bas mar bodj nidit etmas fo 
Schlimmes?" 

„Hein, bas mar nichts Sdjlimmes, papa. Unb bas 
anbete audi alles nidit fo febr. Uber meigt bu, mas 
id] mir gebadit t|abe? EDir fahren jegt beibe 3ur laufe." 

„ 3 a," fagte fjerr von pontom. „Das mirb fdjon 
bas Sefie.fein." 

(fortfegung folgt.) 


o - ■ ■■■ — =0 


Was die Herzte iagen. 


5 ee* unb (Sebirgsflima. 

Die Jrage, ob man bei ber XDaljl einer Sommerfrifdje 
ben Stranb bes ZHeeres ober bas (Sebirge bevot3ngen fofle, 
toirb gegemvärtig, ivo bie Heifefation bereits in Slüte 
gebt, mit befonberem (Eifer erwogen. 3 n Besag auf bie 
XDirfungen bes See- nnb < 5 ebirgs!Iimas wirb gewöhnlich ein 
Oegenfag fongruiert, ber nach ben Uusführungen Dr. Siebelts 
in ber Salneologifchen gentral3eitung gar nicht einmal begeht. 
3 n vielen Stöden, Ueinheit, Bewegung unb Jeuchtigfeits* 
gehalt ber £uft, gnb beibe Klimate gleich» tDas ben kuftbruef 
anlangt, fo ig 3war ein erheblicher Unterfchieb vorhanben; hoch 
weig man noch immer nicht viel barüber. 3 eö ^ n fölls ig bas 
Unpagungsoermögen bes Körpers fo grog, bag etwaige bnreh 
ben £uftbrud h erv °r 9 ^ rn f^^ Schwanfungen, 3um Beifpiel 
ber Utmnng, fehr halb wieber ausgeglichen fein bfirften. 

Um eine wigenf^ftliche (Srunblage für bie IPertfchägung 
ber verfchiebenen flitnatifchen (faftoren 3U erhalten, hat ber 
Uttgemeine Deutfche Bäbertag eine Kommiffton eingefegt, bie 
auf bie Befchaffung eines nach einheitlichen <Seft<htspunften 
gefammelten Ittatertals hinwirfen fall. Bis bahin wirb man 
feine 2Dahl mehr ober weniger nach ben €rfahrungen treffen 
müffen, bie in Be3ug auf ben €ingug bes See« unb (Sebirgs* 

Cr 


flimas vor liegen. IDie in anbem Dingen, fpredjen allerbings 
anch hlar IHobe unb perfönlicher (Sefchmad ein gewichtiges 
IDort mit. (Serabe bei nervöfen Patienten fpielen bie inbi- 
vibueüen Derhältniffe eine bebeutenbe Bolle, unb tjier ig es 
oftmals fchwer 3U entfeheiben, ob ge ins (Sebirge ober an bie 
See gehören. 3 m allgemeinen befommt ben 3ahllofen nervös 
überangrengten Kranfen, bie man gemeinhin als Heuraghettifer 
be3eichnet, ber Uufenthalt in hochgelegenen (Sebirgsplägen 
vor3Üglichr währenb bie See ihr Hervenfygem itioch mehr 
alteriert. £J äu f h ^ann man mit günftiggem €rfolg (Sebirgs* 
unb Seeflima fombinieren. €rg follen fchwer .nervöfe per- 
fonen bem milberen (Sebirgsflima 3ugeführ| werben, unb 
nachbem ge h* e * — wenn nötig, unter grilglfenahme ber 
IDafferbehanblung — genügenb gefräftigt gnb, mögen ge bas 
Seeflima auffuchen. 

(für gewiffe Kranfheiten ig allerbings mehr bas eine ober 
bas anbere Klima geeignet» Die reine (Euberfulofe ber 
£ungen wirb gewöhnlich bem (Sebirge 3ugeteilt, währenb bie 
Sfrofulofe unb bie nicht tuberfulofen €rfranfungen ber £ungen 
ihre Bechnung beffer an ber See ffnben bürften. 3 n & e ff en 
gnb auch h*rr, wie bei bem $ee r ber nervöfen £eiben. oftmals 
rein inbivibuelle Derhältniffe von ausfchlaggebenber Bebeutung. 

i> 




WLi- 


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Seite [ 272 . 


Rümmer 27 . 



Fnigenbecfs 3nbi|d?e Karawane Photographie Kufnabme. 

Mus dem Berliner Leben. 


Klfreb ©örnemann, 
gewann bielPeltmeijleridjaft i. ßerrenfutjien. 


\. ^elif Dömtann. 2. Kbele Sireiber. 3. Bocjumil Kepler. (Seorg Cafi. 5. ©eorg Baoib Siulj 6. Knut. 
Raufen. 7. Diftor ^oHAnber. 8. Carla Ctngen. 3«”«® Hotbfiein. 10. £>ans ©Iben. 

©ruppe 00 m Sonnenwenbf eft bes Kabaretts „3™ Siebenten Fimmel*. 

Pbot. ©orban & Delius, Berlin. 


Born ©ermantfefjen Sonnenwenbf eji im ©runewalb: ©ermanifics Kriegsoolf. 
pb°t. ©orban & Pelms, Berlin, 


©in? Senbers, 

alsKöiin Heil inPörmattns „CebigeCeut". 


©babbAus Kobl, 

gewann bie ZDeltnieifteridpift i. Berufsfahrer 


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Hummer 27. 


Seite *275 


l 


Die deutTchen Ingenieure In DülTeldorf: Huffübrung des feftrplels* 

pbot. 3of. ftenne, Düffelborf. 



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Seite \27^. 


ZTummer 27 



Ob«rr«girreiir Leopold HdUr, Leipzig, Knfnnft bcs IHabarajal} pon 3cypur. 

in gleicher Sigenfdjaft an bas Kgl. 5d?aufpielbaus in Berlin berufen. Cxotlfcbe 0äfte ln London. 



Kammervlrtuofe f>ell% ^feytr, Berlin, Transport bes heiligen IPaffers Dom ©anges an Canb. 

am X. 3uli 25 3‘ 1 ht* fln &rr Königlichen ©per. j * ■ Sxotlfche ©äfte ln London* \j> 

Schluss des redaktionellen Ccils. 



der Wissenschaft ist 


^^^achweislHj 
" beste Mittel zur Pfj^- 
'Zähneund desMuH®* 



r^ / 

Odo 1 und Rose. 

p 4 

Was hat „Odol”mit der Rose gemein?- 



Die Schönheit.-die es den Zähnen Dein,- 

f 


Die Reinheit,- diees dem Munde verleiht- 
Den Duft,-mit dem es den Atem weiht,- 

r, 

i 1 

W 1 

Die Milde,-mit der es den Gaumen labt,- 

.. jMHB 

^Die Frische-mitderes Dich herrlich braabt! - )f 


■" ? 

< ^ 5 ^*" ^ \ m 




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Ilummer 28 


4. Jahrgang 


DiewocHe. 


Berlin, den 12.3uli 1902. 


Inhalt der nummer 28 . 

Pie fiebert Cage ber ZPodyt.. 

Ümfcbaa. 

Cne bit^tige (Srfinbung: ber eleftriidje $rrnt>nufer. 

^erienfHntmnng. Ton $rifc ^allberg. 

Pos Sndj ber IDoche . .. 

ttm*. 

Pie Bfefrmvod}*.. 

Pie Coten ber ZDod?r..., . 

Sport unb 3agb. 

IPie wirb bcrs XDetter noerben?. 

Silber pom Inge. (Cbotogrnptjifdje 2lufiuibm;n). 

Palila. €tne Keifrrrinnerung uon Piftor pon Mobleitegg. 

3b fb’s pon ferne, ©ebidjr pon Paula Pebmel •. 

Pie Secpobnbarfeit b. r fymmefeförper. Kltronomifdje piaubrrei uon 

Pr. IH. IPübelm ITterrr. (SdtfuR). 

Per Hofftaat bes franjdfifdjen Präfibenten. Pon Karl €ugen Sdmtibt. 

(OTit U Kbbilbunjen). 

Sdpvimmm unb tauchen. (ITIit 6 Kbbilbungen). 

Xlinpana. Sfijje aus bem Parifer (eben von Karl Cabm. 

Prinjeifln Pifioria Cutfe pon Preußen. (Pbotoqrapt}ifche Kufnabme) . . 
(Drcfribee^ucH im IPiener ßofgarten. Had? ben IHirtetlungen b. faiferl. £Sof* 
gartenbireftion ZDien*Sd?dnbnmn. Pon Bettina IPirtb. (ITIit 3 2lbb.) 

Knnbenfpracbe. OTIit 7 Kbbilbungen)... 

Pie. ZHobe auf Keifen. (ITIit 6 Kbbilbungen). 

3m Herrenhaus pon Cucfmüblrn. Konian uon lllarie Piers, (jortfegung) 

IDas bie llrrjte fagen.. . . 

ZPas foüen unfere Kinbrr ruerben. 

Silber aus aller ZPeli. (Pbotograpbifdbe Kufnahmen) ....... 


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1319 

1320 


J* 


Man abonniert auf die „Woche“: 

in Berlin nnb Pororien bei ber Pauptrrprbition <3»nimerflrafce 37/41. fotp-e bei ben 
• Filialen bes „Berliner CofaUKnseigers* unb in fdmtl. Bud?baublungeu, im 
P e u i f dj en K e i df bei allrn Sud?banblungen obrr Poflanftalten (3rttungs>Preisiifte 
Pr. 8221); unb ben <5efd?äftsflrUen ber „IDod?e": Bonn a. Rh., Kölnflr. 29 ; 
Bremen, (Dbernftr. 29; Breslau, Sd?n>eibniijerftr. €<fe Karlftr. 1 ; Ca (Tel, 
Obere Kdnigflr. 27 ; Chemnitz, Innere 3obannisfhr. 6 ; Dresden, Seeftr. 1 ; 
DOfTcldorf, Sd?abon?fhr. 59; Blberfcld, Hetjogflragf 38; 6ITm a. Rh., 
Cimberferplag 8 ; Frankfurt a. f*., 3 eil W; ©orlftz, Cuifenftr. 16; Balle 
a. 8., Ülittelftr. 9 . €tfe Sdiulftr.; Hamburg, rteuermafl 60; Hannover, 
Oeorgftra^e 39; Karlsruhe, Kaiferflr. 34; Kattowftz, poftfh. 12 ; Kiel, 
Holflenflrake 6 ; Köln a. Rh.» ßohf|ka|f. 145, Königsberg (. pr., 
Kneipttdffdp Canggaffe 55; Leipzig, petersflrafce 19; Magdeburg, 
Bretteipeg 184 ; plunchcn, Kaufingerflrafce 25 (Pomfreibeit); Nürnberg, 
Corenjerftrafte 30; Stettin, Breiteiirafee 45; Stuttgart, Königjlrafje U; 
Wiesbaden, Ktrdjgaffe 26; Zürich, Krnntpeg 48 . 

“Jeder unbefugte Nachdruck aus dlefer ZeltTchrlft 
wird rtrafrcchtlfch verfolgt. 



Die siebenTage der Woche. 


3. üuli. 

Das Ittanbfdjurciabfommen 3mifd?en Rußlaub unb (Efjina 
xft. roie aus Petersburg gemelbet mirb, bafelbß ratifaiert 
iporben. 

Der Kaifer fteflt ben in Kiel roeilenben Kronprinjen 
^friebrid? Ruguft uon Sacbfeu ä la suite ber tflarineinfanterie. 

3 n Königsberg i. Pr. wirb ber 30 . Deutfd/e Kerstetag 
eröffnet 

Bei (Satfcbina flögt ber 3mifdjeu Petersburg unb (Eybt- 
fntjnen oerPetprenbe Sdjuel^ug mit einem perfonen3ug 31t- 
fannuen. niedrere perfonen merben getötet unb über fcdijig 
ferner oerlegt. 

4. 3uli. 

3it Pene3uela erobern bie Kufjtänbifdjen ti adj oiertägigem 
Kampf bie Stabt Barquifiuteto. 

3 n Bayreuth mirb bei ber €rfaßmafyl für ben bei bem 
gfd;od?aner €ifenbaltnunfaü getöteten natioualliberalen 21b- 


georbueten friebel eine Stidjroafjl jioif^en nationalliberalen 
unb So3iaIbemofraten nottoenbig. 

Die bulgarifd/e Regierung Protzt ber Pforte toegen Be- 
leibigiutg bes bulgarifcfyen IDappens in Serres (Ittacebonien) 
mit bem llbbrud? ber biplomatifdjeit Be3iebungeu. 

Die 3n?eite babifd^e Kammer nimmt einen Kntrag auf 
€infütjrung bes birefteu IDaltloerfattrens für ben lanbtag an. 

5. 3uli. 

König (Ebuarb oon €tiglanb mirb oon feinen Ceibäriteit 
als auger (Sefafyr befinblic^ be3eid?net. 

3 n 5 d?meben ooÜ3ie^t ftd? bie Bilbung bes neuen IHini- 
jterimns mit Boftröm als praftbeuten. 

6. 3uli. 

3 « Petersburg mirb eine oon ber rnfjifdfen Hegternng 
an bie fremben Regierungen oerfanbte Bote oeröffentlid/t, in 
ber Ruglanb gegen bie Befd^lüffe ber Brüjfeler guderfonferenj 
proteft ergebt. 

€s mirb ber IDortlaut eines Sdreihens befannt, bas bie 
poluifd^en HTitglieber bes Pofeiter prooin3iallanbtags an ben 
0 berpräfibeiiten o. Bitter gerichtet traben, um ihr fern* 
bleiben oon ber Begrüßung bes Kaifers im Stänbetfaus an- 
3uPüubigeu unb 3U begrünben. 

7. 3uli. 

Der Kaifer tritt oon (Eraremüube aus feine Borblanb* 
reife au. 

IHinifter Cfyamberlain erleibet bei einer Knsfaftrt in einer 
DrofrfjPe einen fermeren Unfall. < 2 r mirb mit einer tiefen 
tPunbe au ber Stirn in bas (Otaring'droß-Kraufenl^aus 
übe rgefübrt. 

8. 3ul*. 

Die 3meite fö^fif^e Kammer nimmt bie Dorlage betrejfenb 
bie (Erhöhung ber ^ioillifte unb ber Kpanagen etnftimniig an. 

Das Hamburger Secwintt entfd?eibet, baß ber Jüfyrer bes 
euglifdjen KobUnbampfers »firsby*, ber bas (Eorpeboboot 
S 42 in ben (Srutib bohrte, fd^ulbig an bem Unfall fei. 

Die fratt 3 Öfifd?e DeputiertenPqmmer nimmt mit 475 gegen 
q Stimmen bas (ßefeg betrejfenb bie Ummaubluug ber 
3 Vzpro3entigen in eine 3 pro 5 entige Rente an. 

9 . 3ulJ. 

Der progcß megeu (Eottesläfierung gegen ben fferausgeber 
unb ben Uebcrfeßer ber Derteibigungsfdjrift bes (ßrafen 
Coljtoi, Dteberic^s • £eip3ig unb Dr. £ömenfelb-Berlin, oor 
ber Straffammer bes lanbgeridjts £eip3ig enbet mit ber 
f reifpred?ung ber RngePlagten. 

(Ebamberlain mirb aus bem KrauPent^aus <Dtaring-<£ro§ 
in feine prioatmol^nung übergefüt^rt. 


Umfchau. 

3 « Bayern f^errfd^t 31m geit eine ftarPe Spannung 3roifd/en 
ben Unioerfitätsprofcfforen unb bem Kultusminifter oon £anb- 
mann (Kbb. S. 1283 ). Scheinbar banbeit es fi<b nur um 
einen KonfliPt mit bem Senat ber UnioerfitSt lDür3burg, 
aber es ift ftd/er, baß bie aPabemifcben £cl]rcr in Ulüncbeu 
unb (Erlangen jum großen (Teil ebenfo benPen mie iljre O^ürj- 
burger Kollegen. Den KusgangspunPt bes gmiftes bilbet bie 
Befeßung einer außerorbeutlidjeu (ßefd?irbtsprofeffur, für bie 
aud? ber orbetitliit;e profeffor Cbrouft in jrage fam. Die 
profefforen miberrieten bejfcn Berufung in einer Eingabe' 
au bas Staatsmiuifteiium mit ber BemerPuitg, fie mürbe 3U 


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Seite ^ 276 . 


Hummer 28 . 


unhaltbaren guftänben führen. Farn barüber 3U einer 
heftigen polemiF, ja fogar 3U einem Beleibigungsprogeß. llber 
qU bas befchäftigte bie 0 effentlichPeit nicht, bis bie Sache im 
bayerifchen Bbgeorbneteubaus 3m* Sprache gebracht mürbe. 
Ejier äußerte fich ber Kultusminifter in 3iemii<h fdjrojfer 

form über bie fjaltuug ber 
Profejforen, beiten er Ittangel 
an 0 bjeFtioität unb Befangen* 
heit pormarf. Dielleicht mehr 
noch & ,e form als ber 3 n halt 
ber minifteriellen Buslajfuugen 
perfekte bie profefforen in (Er* 
regung, unb bie folge mar, 
büß ber BeFtor unb ber Senat 
ber JDürgburger Uniperfität in 
einer neuen (Eingabe an bas 
IHinifterium um ihre(£ntlaffung 
aus ben Ehrenftellungen baten. 
ß 

Beinahe gleichseitig Fam 
auch in ber Schmei3 ein Unioer* 
fitätsFonfliFt gum Ausbruch. 
Der (Sermanifl profeffor Detter 
aus Bern hatte bei bem 3 ubiläum bes (Sermaitifchen HTufeums 
in Nürnberg eine Bebe über ben gufammenhang beutfd?en 
unb fdjmeigerifchen (Seißeslebens gehalten unb babei fi<h ber 
IDenbung bebient, bie Schmeig merbe eine beutfche proping, 
allerbings mit ausgeprägten Beferpatrechten, bleiben. 3 n 
Bem mürben biefe IDorte mißperftanben; man überfahr baß 
fie nur auf bas geifiige £eben gemün3t mären, unb begog fte 
auf bie politif. Die Stubenten brachten bem profeffor eine 
KatjenmufiF, unb auch pon ofp3teIIer Seite mürben feine Bus* 
führnngen gemißbilligt, moburd? fich Detter peranlaßt fahr 
um bie (Enthebung pon ber profeffur 3U bitten. 3 n 3 u, *fd?en 
aber haben fld? bie (Semüter mieber einigermaßen beruhigt, 
unb burd? neue ErFlärungen ift bem angefehenen £eljrer bie 
Brücfe gebaut morben, nun fein Entlaffungsgefuch gurücf* 
3U3iehu. Schmieriger als h^r fcheint ein perföhnlidjer Bb» 
fdjluß bes KonfliFts in Bayern, meil es ft<h bort äugen*, 
fcheinlich nicht um IHißperftänbniffe, fonbern um tiefer gehenbe 
(Begenfätje unb fchmere Derftimmungen hanbelt. 

ß 


3 n Schmeben ip bem DTiniflerpräiibehten Boflröm bie 
Bilbung bes neuen ITTinifteriums perhältnisinäßig fchnell ge* 
lungen. Die. neue Begierung mirb natürlich ben XDünfchen 
ber Parlamentsmehrheit in betreff ber Ermeiterung bes 
JDahtredjts meiter entgegenPommen als bie früheren, im 
übrigen aber ift ein Syftemmechfel in ber inneren politiF 
Schroebens Faum 3U ermarten; bagegen fpricht fdjon bie Chat* 
fache, baß mehrere ber alten ITTinifter ihre Portefeuilles behalten. 

* 

Kaum hat ftd? bie Sorge bes rnglifchen DolFes um bas 
Beftnben König (Ebuarbs einigermaßen gelegt, ba'mürbe es 
burd? einen Unfall bes Kolonialminifters (Ehamberlain in 
neue Bufregung perfeßt. Das Pferb einer DrofchFe, bie er 
3U einer Busfahrt benutzte, ftürgte, unb infolge bes plötglicben 
Bucfes, mit bem berlDagen hielt* mürbe ber IHinifter gegen 
bie porbere IDanb gefchlenbert. (Er erlitt eine bis auf ben 
SchäbelFnochen gehenbe Stirn* 
muttbe, bie mit brei Babeln 
genäht merben mußte. Durch 
ftarFeit Blut per lu ft mar er fo 
gefchmächt, baß bie Berste bbs 
(Eharing* (Eroß*KranFenhaufes, 
in bas man ihn gebracht hatte, 
es für nötig halten, ihn bort 
3u behalten. 3nbeffen {teilte 
fid? balb h cr aus, baß fein 
guftanb 3U ernften BebenFen 
Feinen Bnlaß bot. 

ß 

(Eine Ueberrafchung hat 
Bußlanb ber IDelt bereitet. Es 
hat an bie ausmärtigen Be* 
gierungen eine Bote penanbt. Softröm, 

in ber es junädrft bie (grünbe b " nfuc minifierprapben*. 

barlegt, marum es an ber 

Brüffeler §ucferFonferen3 nicht teilgenommen hat, fobqnn 
aber gegen bie bort abgefchlojfene Konoention proteft erhebt, 
meil biefe gegen bie Ejanbelsperträge rerftoße. für bas 
Deutfche Heid? hat bie frage, bie übrigens fchou im Beides» 
tag erörtert mürbe,-beshalb Feine befonbere Bebeutung. meil 
ber beutfch»ruffifche EJanbelspertrag bereits pier ITTonate nach 
bem Jnfrafttreten ber' Brüffeler Konpention abläuft. 



profeffor Petter, Bern. 



Eine wichtige Erfindung: Der elektrische Temdrueker. 


Die geit ift noch nicht lange porüber, in ber Berlin 
hinter manchen Propingftäbten in ber Busnutguitg ber EleF- 
trigität 3itrücfblieb. Diefe Scharte ift nicht nur ausgemeßt, 
fonbern in einen Dorfprung permanbelt, ben bie Heid>shaupt» 
ftabt bei Busnutjung eleFtrifcher (Erfinbungen ftegreid? be» 
hauptet. Den größten Schritt pormärts mirb Berlin febon in 
ber allernächften §eit mit Einführung bes eleFtrifchen fern* 
bruefers thun, ber ungmeifeltjaft bagu beftimmt ift, auf bem 
(Sebiet ber Bachrichtenübermittlung eine röllige Ummälgung 
herbeiguführen. Der Bpparat ber biefe IDirFung h er Porbringen 
mirb, ftebt fehr unfeheinbar aus. Er befieht aus einem Fleinen 
Kaften pon ctma 20 Zentimeter Ejöhe. 20 Zentimeter Breite 
unb ^0 Zentimeter £änge. Bn ber Dorberfeite trägt er, mie 
bie Schreibmafchine, eine Bngaljl pon Knöpfen, bie mit Buch* 
ftaben, Zahlen unb 3 n terpunFtionsgeichen perfehen firtb. 

3 n bex Chat ift ber Bpparat auch nichts anberes als* 
eine Schreib* ober beffer gefagt DrucFmafchiue, bie nur bas 
Eigentümliche an fich bat, baß fie mit tylfe ber EleFtr^itüt 
bie gebrueften Buchftabeti auf eine bebeutenbe Entfernung hin 
perfenbet. unb nicht nur an einen Empfänger, fonbern an alle, 
bte burd? Drahtleitung mit ber Zmtrale perbunben finb. Dor* 
äuffg bemältigt ber fernbruefer etma 700 IDorte in ber 


Stunbe; bie Steigerung ber £eiftungsfähigPeit ift jebodj nur 
eine frage ber Z e it* 3 ” bem Fjauptteil bes Bpparats be* 
ftnbet fich ein Heiner BTotor, ber buwh DrucF auf eine ber 
Caften in Bemegung gefeßt mirb unb nun bas DorrücFen bes 
Papierftreifeus, auf bem ber Drucf in Flarer, heutiger Schrift 
erfcheint, bemirFt. 

Daß ber 2 lpparat noch nicht bie SchnelligFeit einer Schreib* 
mafchine erreicht, liegt baran, baß bie Drucfgeichen auf einem 
Bab pon etma 8 Zentimeter Durchmeffer nebeneinanber ftehen. 
Hub biefes Bab muß jebesmal (ich erft ein StücF um feine 
Bchfe brehen, ehe es ben gemünfehten Buchftaben abbruefen 
Fann. ferner muß bie porhergeheitbe Cafte fo lange feft*' 
gehalten merben, bis bie folgenbe herabgebrücFt ift. 

Diefen mingigen BTängeln flehen gang außerorbentliche 
Dorgüge gegenüber. Dor allem ber, baß ber Bpparat gang 
ohne Z n lf? un &es Befißers jebe anFomnietibe Depefche felbft* 
thätig empfängt. Bod? in einer anbern Bietung übertrifft 
er bas (Telephon, benn er erfpart im DerFehr mit bem Bmt 
bie Znfpr?d?gebühren. 

Es mirb intcreffieren 3U erfahren, baß in Berlin, Ijannoper 
unb Dortmnnb bereits Stationen für ben Betrieb bes eleP* 
trifchen fernbruefers begehen; in Berlin allein piergehn. 


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Hummer 28. 


Seite {277. 


3et$t wirb bie Anlage einer großen gentrale oorbereitet, 
bie oon f?öd?ßer wirtfd?aftlieber Bebeutung fein muß. Denn 
jeber (Teilnehmer wirb nid?t nur gleid?3eitig oon ber gentrale 
eine Bad?rid?t erhalten, fonbern Pann aud? feinerfeits an alle 
Hngefd?loßenen eine Depefcf?e ergeben laßen. tDeld?eit IDert 
biefe Einrichtung erlangen muß, liegt auf ber Tjattb. Dian 
braucht nur 3. B. an eine Derbinbung ber großen (Telegraphen- 
gefellfd?aften mit ihren ßänbigen Abnehmern, ben Leitungen, 
Rotels, großen (Sefdjäftshäufern, Bauten unb (fabrifen 3U 
benPett, bie äße ein großes 3 n * ere ß e baran h fl beu, bie polt* 
iifchen unb mirtfd?aftlid?en Bad?rid?ten fo fd^nell unb beutlich 
wie möglich 3U erhalten. 

Das Beid?spoßamt h a * augenfcheinlich bie Bebeutung ber 
neuen Erßnbung unb ihre pePuniären Dorteile für bie Beides* 
Paße erPannt, benn bereits am H. 3 u ni 19 ° l *ß ber eleP- 
trifche (fernbruefer auf allen Bebentelegraphettliitien 311m 
.Depefd?enaustaufd? mit ben (Telegraphenämtern 3ugelaßen 
worben. Den 3 ntereßenten iß baburch bie Dlöglichfeit ge« 
boten tuorben, in birefte telegrapl?ifd?e Derbinbung mit betn 
(Telegraphenamt 3U treten, was für (firmen mit ßarPem 
Depefd?enoerPel?r oon großem Dorteil ift, ba ber Botenbienß 
3uin unb 00m Hmt in IDegfall fommt. Hußerbem Pann mau 
ben (fernbruefer mit bem (Telephon berartig in Derbinbung 
bringen, baß man auf berfelben Linie ohne jebe Umfd?altung 
glei^eitig telephonieren unb telegraphieren Pann. 

Die neue Einrichtung legt ben (Teilnehmern Peine großen 
Höften auf. Die Apparate werben oon ber <Sefellfd?aft miets¬ 
weife überlaßen; bie miete beträgt 320 DIarf pro für 
fold?e firmen, bie eine elePtrifche Lichtanlage im Traufe haben, 
muß bie (Sefellfd?aft HfPuinulatoren liefern unb regelmäßig 
ausxoedjfeln, bann erhobt ßd? ber preis um 30 marP pro 
3 ah*- für bie Bnlage in Berlin hat bas Beichspoßamt ber 
(Sefellfchaft ihre Leitungen mietsweife 3ur Derfüguug geftellt. 
Hun iß noch bie (Senehmigung ber Stabt erforberlich, bie 
gegen eine geringe Hiterfennungsgebühr 00m magiftrat 
bereits erteilt iß. Die guftimmung ber Stabtoerorbneten* 
oerfammlung wirb ^öffentlich nicht ausbleiben. 

Br. $ri$ Berntjarb. 

< 35 » 

Ferien|timmung. 

Das (Sefühl brr Erwartung iß für ben mcnf<hen non 
heute unerträglicher als je. Den ßeten Kampf 3wifden 
(furdjt unb Ijoßnung oertragen moberne Herren nid?t Ieid?t, 
fie fühlen ßd? jelbß gerei3t unb irritiert burd? bie Erwartung 
auf (Slücf nnb auf frohe Stunbetu Denn gan3 bas, was bie 
Sehnfucht unb phantafte ihnen oorgauPelt, bringt bie Er¬ 
füllung bes IDunfd?es hoch nicht, unb barum trägt fchou bie 
leuchtenbe Blüte berßoßnung ben bittern IDurm bes gweifels 
in ßd?. ' So iß jebe IDacte3eit bem nid?t mehr Pinblid? 
benfenben unb nicht mehr Pinblich fühlenben menfehen eine 
geit innerer (Dual. Eine fold?e beinahe bösartige 
mifd?ung oon IDünfd?en unb fjoßnungen jeber Brt unb bem 
Unbehagen banger gweifel bieten befonbers bie je^tgen 
fenenwod?en. Es liegt unenblid? oiel (Slücf, f reifjeitsbrang 
unb IDanblungsfehnfud?t in bem fd?önen IDort „ferien". 
(für ben Lateiner waren bie „Feriae“ feiertage, uttb es ift 
ein glücflid?er Sprachgebrauch, ber mit biefem lateinifdjen 
IDort bie für uns lebigen (Tage von Umt, Beruf unb — 
Sd?ule be3eid?net hat. Das leibige IDort „Urlaub" Plingt 
baneben nüchtern unb bureauPraüfd?. DieUeidjt giebt auch 
gerabe bie Erinnerung an bie eigentlichen, wirflid?eu f erien, 
an bie Freiheit oon Sd?ulforgen unb gräßlichen, brohenöen 
Eyer3itien unb genfuren ben guten Klang unb ben fröhlichen 
(Ton bem liebgeworbenen feiertagswort. Darum follte bie 
f erienftimmung, bie in biefer geit ringsum in ber Luft unb 
uns allen in ben (Sliebern liegt, eine leidste, glücffelige fein. 


Befonbers bie Erwartung ber Pommenben freif?eit, bes Los- 
löfens oon aller HUtäglid?feit unb bes ewigen (Sleid?mdßes 
ber Dinge follte uns frohßnn unb Behagen fd?aßett. Der in 
ben ferien ftecPt, foll fte genießen, ber ße oor (ich hat, foll 
ße oertrauenb erwarten, ber ße überwunben, foü ihrer banPbar 
gebenPeit. Das wäie bie richtige Stimmung, ße gäbe am 
ßd?erften eine wahre Erholung für ben ftabtmüben Leib 
unb bie benPmübe Seele. Leiber giebt es für ben 
Beuraßhentfer oon heute — unb wer PÖnnte ßd? rühmen, nid?t 
fühlbare Beroen 3U haben? — 3U oiel 3 m P on ^ cra ^Ü e ^ 
bie ben (Settuß, ben gewefenen, beit oorhanbenen unb Pommen¬ 
ben bitter oergällen! 

Um fd?önßen unb freubereifßen iß noch bie Erinnerung 
an bas, was war. fjier iß ineiß bas Unangenehme oergeßen, 
bas freunblid?e unterftrid?en; bie (ferienftimmung beßen, ber 
tjeimPehrt, ift nad? biefer Seite hin roßg. Uber um fo 
fd?mer3lid?er fühlt ber Unglücfüd?e wieber bie Schwere bes 
UUtags, um fo neibifd?er blieft er bem fort3iehenben nach 
nnb feuf3t unter ber Laß oerboppelter Hrbeit unb trüber 
Dergleid?e mit bem glücflid?eren Kollegen. IDahrfd?einlich 
freilid? ift bas (Slücf biefes Kollegen, ber mitten im ferien* 
genuß fteht, aud? problematifd?. Es ift ja eine alte Streit¬ 
frage, ob nid?t bie Erwartung auf ben (Senttß glücflid?er 
mad?t als biefer felbß. Ulan hat es ßd? meift fd?öner ge- 
bad?t, meiß gefunbheitsförbernber, meiß billiger! IDer wäre 
im Hugenblicf 3ufrieben mit bem, was er augenblicflid? genießt? 
Die (ferienftimmung in ihrer unmittelbaren Dafetnsfreube 
ift aud? nid?t bie i?öd?ße unb reinfte. Unb bie erwartenbe 
Stimmung auf fommenbe freuben? Sie Pönnte hoch unge¬ 
trübt unb h*rrlid? fein! Uber aud? ße ift es nid?t gan3. 
£?ier fpted?en eben jenes neroöfe T?aßgefül?l unb jene Sehn* 
fud?tsuuruhe mit, bie uns 3ur täglichen regelmäßigen Urbeit 
faft untauglich mad?t. IlTau lebt fd?on nid?t mehr im 3 e 6 t 
man eilt ber geit fd?on ooraus, man rechnet, man mad?t 
piäne, man 3ählt bie (Tage, man iß im Baufd?, man iß im 
gweifel. Unb bod? muß mau nod? immer fein tägliches 
Brot in gewohnter Urbeit oerbieneit, man iß im Hmt 3er- 
ßreut unb ßnbet 3U £?aus im nid?t mehr behaglichen TJetm 
Peilte Sammlung mehr unb Peine Buhe. 

Das ßnb fo bie echten Jerienftimmuitgen, bie gewöhn¬ 
lichen, alltäglichen, immer wieberPehreitben. Sie ßnb nid?t 
an geit unb 0rt gebunben, bu ßnbeß ße überall, bu ßehß 
ße bei jebem nTeufd?en, bu füljlß ße in bir felbß! 

Uber ein Drittel giebt es, fte 3U bePümpfen unb 3U be- 
ßegen. Bimm beine Energie unb hab in bir ben IDillen 
5um (Slücf, 3m anfprud?sIofen Erholung, 3um be- 
fd?eibenen (Senuß! Baturgemäß fotnmen in ben (ferien 
mehr als im BÜtagsleben jene feltetten feierßunben, ba 
bu über bem (Dbjeft unb jeufeits bes Kampfes mit ihm 
ftehft. Bimm biefe Stuitbm wahr, bau ße aus unb laß 
fte itt bir wirfen, bann werben ße IDunber tl?un! 

5rifc I^aUbetg. 



Das Buch der Glochc 


^7^—S 



Die (Sefd?ichte eines Sd?neibers. 


Kein IDaßertropfen iß fo flein, baß er nid?t bie Sonne 
wiberfpiegelt. Keine Seele ift fo eng unb befd?ränft, baß an 
ihrem £?ori3ont nid?t Erbe unb ^itninel 3ufatnmenßießen. 
Sei nur gebulbig unb oon ed?ter (Sute. unb bu ßnbeß aud? 
in bem niebrigften Dlenfd?en einen IDittPel, ba (Sott wohnt 
unb plöfclid? bie gaii3e Eiefe unb IDeite bes tymmels ftch 
oor bir aufthut. 

Die <Sefd?id?te eines guten unb gebulbigen DTenfd?ett er* 
3ählt IDilheltn f?ol3atner in feinem Sd?neiberroman „Peter 
Bo cf ier* (Derlag oon ^ermann Seemann Bad?foIger, Leip3ig). 
Bur ein fd?mad?es, mageres Sd?iteiberlein ift ber peter Bocfler, 
aber er ift in feiner (Süte ftärfer unb tapferer als alle 
<Soliatt?s ber IDelt. Er hut jene große (Sebulb mit ben 


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Seite |278. 


Hummer 28. 


UTettfdjen, ©or ber ftd; auch bie mtoicfdjlacfjtcfte Körperhaft 
nub bie 3ügellofefte leibenfdjaft in ben Staub beugen müffetu 
(Er ift mehr als ein £}elb nub Ueberwinber, er ift ein fül^rer 
3um Beßeren t^in, nicht inbent er bas (Sute prebigt, fonbern 
inbem er aus ber iiturrften Boiwenbigfeit feines IDcfeits gut 
tjanbelt. Das (Sutfein ift ihm bas Ulltagsgewanb feiner 
Seele, wäljrenb es anbent ein Sonutagsftaat ift, mit bem 
fie bei befonberer Gelegenheit ©or ben lenten prunfen. Sem 
f)er3 ift roll ber uneublid?en liebe, bie alles ITTenfffolid^e um* 
fängt uitb 3U fidj emporhebt. „Hier fein halt alle IHeufdje,* 
ift fein lefctes gutes IDort, in bas bie ftille einfache <ße« 
fchidjte feines lebeits ausmfinbet. 

Ünb es ift betn Peter Hocfler nicht leidet gemacht worben, 
immer gut 31t fein. Das Sdjitffal hat ihn an feiner ©er» 
njunbbarftcn Stelle 3U treffen gemußt: in ber liebe 311 feinem 
D!äbd?en. Kurj bevor er feine Clife als Ctjeweib l^eimfu^ren 
gewollt, bjat fie fidj in einem jäh aufflammeuben (Erotj gegen 
bas ftille braue Sc^uciberlein einem aubern Burfcben hinge* 
geben. Da ift ber Peter Bocfler ins Dunfel gefehlten, wie 
ein geprügelter £}unb, unb im erften Sd?iner3 tjat auch er 
über blutige Badjegebanfen gebrütet — ,111er fein halt alle 
HTenfche." Uber bann tjat bie un©erwüftlid;e Güte feines 
XDefens bod? gefiegt, unb als bie (Elife ©or ihm geftauben ift, 
mit bem Kinb bes „anbern" unterm H cr 3 e n/ unb in it^rer 
Der3wciflung iljtt angeflel]t hat, fie wieber ehrlich ©or bett 
DIenfd?en 3U machen — ba hat er nicht nein gefagt. Seltfam 
groß ift ihm bas IHäbd^eu burd? bas ehrliche offene Geftänbuis 
geworben, unb iljre Sdjöitljeit, bie früher leidet unb flatterig 
gewefen, tiat ihm ernfter unb tiefer gebünPt, itadjbent fte 
burd; ben Sd;iner5 l;inburd?gegangen. „üerberben follft bu bod? 
nit, (Elife," t^at er 3U ihr gefprodjen. „Unb fein (feiger ift fo 
groß, er muß bod; wieber gut gemacht werben fönneu. Unb 
man muß auch büßen fönnen, unb man fann alles büßen. 11 

So bat ber Peter Bocfler bod; bie (Elife als fein (Eheweib 
beiingefübrt. Unb er ift immer gut 3U iljr gewefen unb auch 
3U bem fremden Kinb, bas fie 3m IDelt gebraut hat. Die 
leute haben roobl mancherlei gemunfelt über bie voreilige 
Geburt, aber ben Peter hat es wenig gefümmert. „tDeun 
man auf bie leute h© ren wollte — mau muß ©or ftd? be« 
ftetjen fönnen!" Doch bie <£life bat gelitten unter feiner 
Güte,- unb in manchen Stunben hat fte gemünfd;t, baß er fie 
lieber fdjlagen möchte. Sie ift nicht Herrin ihrer Schuld ge* 
worben, unb als ein 3weites Kinb, bas fte bem Peter geboren, 
früh geftorben ift ba hat ße’s als eine Strafe bes Rimmels 
genommen unb ift ihm laugfam ins Grab nachgeweift. Uber 
alles Gute unb Schotte in ihr hat bie Che mit petcr ITocfler 
geweeft, unb ein reines entfühutes leben hat ße bem (Eob 
bingeben fönnen. 

Schlidjt unb tief, wie bas IDefen Peter ZTocflers, ift and; 
bas Bud;, bas von ihm e^ählt. Cs hat nicht nur fünft leri« 
fd;en, fonbern auch meuichlicheu IDert unb gehört 31t ben 
wenigen IDerfen, bie eine läuternbe Kraft in fi<h tragen« 

Paul Hemer. 



Unter bem (Eitel „Kloberner Cicerone* beginnt bie 
Union, Deuifd;e Derlagsgefcllfchaft, eine Sammlung ©on 
Ulouograpbien h* ra us3ugeben, bie ber Beachtung aller Kunft« 
freunbe würbig ift. Dem Unternehmen liegt bie 3 & ee 3 U 
Grunbe, feine afabemifcheit, in »form unb 3 n halt wuchtigen 
Hanbbücber. wie fie ber Kunftbiftorifer braucht 311 fchafjen, 
fonbern angenehm gcfchriebene, topograpbifd? angelegte Führer, 
bie bem gebilbeten laien an (Drt unb Stelle 3ur Seite flehen 
unb ©or betn leibhaftigen Cicerone ben großen Dorteil voraus« 
haben, baß fie nur fpiedjeu. wenn fie gefragt werben, baß 
man fie aber gern fragt, weil fie 5U plaubern ©erftehen. 
ITem alfo bie troefnen Daten bes Heifchaublmchs nicht ge¬ 
nügen, bie Kusjühruttgen bes flajfijd;eu Burcfbarbtjchen 


„Cicerone" aber 3U©iel ßitb, bem fudjt ber „UToberite Cicerone" 
einen bequemen IDeg burd; bie ©erwirrenbe Beichhaltigfcit 
ber großen Galerien 31t weifen. 

Der erfte Banb ber neuen Serie ftammt ©on p. Schubring 
unb behaubeit bie Florentiner Uffaien unb beit pittipalaft. 
Cs ift ein äftbetifcher Genuß, bas rei3enb ausgeftattete. mit 
3ablreicheit (dürfen unb gut gewählten Bilberu gegierte IDerf« 
d;en 3U burchblättern. Der Derfaßer hat bie ihm geftellte 
Uufgabe mit auerfeitnenswertem Gcfchitf gelöft. befonbers 
wohlthuenb berührt bas Fehlen jener berühmten apobiftifchcn 
Sicherheit im Urteil, auf bie mau in Kunfthanbbüchern fo häufig 
unb nicht immer mit luftgefühlen floßt. S<hubriitgs Füh m 
empfiehlt ßd; nicht nur 3ur Dorbereitung unb 3ttin XlTitnehnten 
auf bie Beije, fonbern aud; 3ur (eltürc für alle, beueit es 
©ergöttnt war, am luugarno 3U waubelu, unb bie noch einmal 
bie uuocrgleichltchen Kunftfchätj» o.'r ihrem geiftigen Uuge 
©orüber3ichen laßen wollen. p. ©. 



Ubeitu nur irgenb Knlaß 311 einer etwas roßgrreu Kuf* 
faffung ber Börfenoerhältniße ©orhauben wäre, fo fönnte 
man bie herrfcheitbe, fdjier beifpiellofe (ßefchäftsoerobung 
weuigfteus teilweife mit betn Cintritt ber großen F er < en in 
gufammenhang bringen, ber alljährlich bie Bäume ber Börfe 
3U entoölfern pßegt. Ullcin biesmal liegen befanntlid; 3U* 
nächft tiefer murjtlube Knläße ©or. bie ritte allgemeine Cr* 
fdjlaffung, ja eine nahe3U ©ollftäubige Crtötung ber Unter* 
nehniungsluft f^erbeigefüt^rt haben, fo baß man nur im Dor* 
beigeh» ©on bem §ug ber Sommerfrifchler in bie Bäber unb 
ins (ßebirge an biefer Stelle 31t reben berechtigt ift. Unfer 
IHarft hat in ber lebten IDoche beit Beforb ber ( 9 efd;äfts* 
loßgfeit erreicht, nub bas will nad; ben ©orattgegangenen 
trofilofen Börfentageu fchou etwas h e *6 e n- ^ er loiiboner 
Ularft unb an feiner Seite Beuyorf fahren fort, für bie 
biesfeitige Cenbeu3geßaltuug inaßgebenb 3U fein. Da aber 
bie leiteube amerifanifche Börfe auch biesmal feinen befonbers 
hohen (Srab ©on lebhaftigfeit erreichte t:n> lonbon nach wie 
©or unter ben Schwierigfeiten 3a leiben hatte, bie bie Ueber* 
labung bes (ßolbiuiueitmarftes im (ßefolgc hat, fo blieb 
Berlin mehr ober weniger auf ßd; felbft angewiefen, was 
gegenwärtig fooiel heißt als: es war ba3u verurteilt, weiter 
auf bem Hullpuuft 5U ©erharren. 

♦ 

Das Cmifftoitsgefchäft ein3elncr (Sroßbanfen hat inbeßen 
auch in ber gegenwärtigen gefdjäftsarmen §eit, banf ber 
anhalteitben großen (Selbflüfßgfeit, eine befriebigeube Cut* 
wicfluug genommen. Der Kette ber ©oraiigegaugeueit ©er« 
fchicbcnen Beuten« unb fouftigen Cmifßonen feftper^inslicher 
XDerte fügte ßd; in biefen (lagen bie ©on ber Dcutfchen Banf 
geleitete Ausgabe ber bosuifchcit Anleihe an. Cs ift ja nicht 
3U bejweifeln, baß uufere leitettbett Banfen burd; bie (Se« 
fd?äftsftille uitb bie uiebrigen ginsiätje einen mcrflichen Bus« 
fall bei ihren biesjährigen Crtragnißen 3U ©crjeichiieu haben 
werben. Blletn biefeit 3 n ß*l utcn ßehcit an ftilleu Befcrven 
unb anberen fowohl im Kommifftons« wie im Cmifßons« 
gefd;äft mu^eliibett 0bjeften fo 3ahlreid;e Hilfsquellen 3m: 
Dcrfügung, baß man fehlgehn würbe, wenn man bie jefct 
mehr unb mehr in bie 0 effentlichfeit briugeitben Daten über 
bie Scmeftralabfchlüße eiitjcluer oft erreicht jeher Banfiuftitute 
als auf bie Crgcbniße ber großen heutigen Banfen über¬ 
tragbar betrachten wollte« Die fotnme^ielle, wirtfchaftlidje 
unb inuerpolitifche läge in 0 eftcrreich-Uugarn ift nad; mehr 
als einer Seite hin weit uugünftiger als bei uns, wenn 
auch ber Drucf ber Ungewißheit wegen ber (Seftaltung bes 
Zolltarifs unb ber Haubelsverträge, wie auch bie üblen 
IDirFungcn bes fcharfen Börfengeieöes in Deutfchlaitb fort- 
gefeit beeinträchtigeub unb reftringierenb wirfen. 

*• 


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Hummer 28 


Seite \279> 


3 n beit Krcifett unterer <Sroßßnan3 erblicft man aber 
oorerfi aud? weiterhin in ber Lage bes (SelbmarPtcs ein 
nungsoolles Moment für bie (ßejtaltuitg unfcrer ITtarPtoer* 
bältniße. Ulan oerweis’t unter anbenn auch, urtfr 3mar mit 
Bed?t, auf bie jeßt in Jluß fommenbe große Kotioerftons* 
Operation in Jranfreid}, burd? bie bem bortigen SparPapital 
ber ginsbrotPorb wieberum höher gehängt wirb. €s wirb 
bort ein Betrag oon nicht weniger als 6 789 Millionen JranP 
3 l /i projentige Beute auf ben 3 prosentigen §insfuß t|erab» 
gefegt, unb man nimmt an, baß biefe ^iitsrerPürjung oiele 
franjöfifdje Kapitaliften utnfomchr ocranlaßen werbe/ uitfere 
höher oe^ins liehen guten Staatspapiere ju Paufeu, als ja 
bePanntlieh in ber leßten Seit namentlich uufere 3 pro3eutige 
Heicbsanleibe bereits in größeren Summen nad? JranPreidj 
gewanbert ift. (Es hat fid? auch in ben leßten (Tagen bas 
<£e,'cbäft in unfern erftflaifigen Bn läge werten 3temlid? lebhaft 
gehalten fönuen, wenngleich bie Kursbewegung oorerft noch 
eine fchwerfällige geblieben ift. (Eine aU3u umfangreiche 
pia3ierung unferer Staatsanleihen im Buslanb hat allerbings 
ihre wirtschaftlichen Schattenfeiten, bie 3U leicht erfennbar ßnb, 
als baß es nötig wäre, jte l^ier febärfer 3U beleuchten. r>crus. 



Die Coten der Woche. 




jretbetr p. BuoI*Berenberg f 


Heinrich Bauer, bePaunter 3 °nrnalift, t am 8. 3 u li in 
Berlin im Blter oon 64 3 al ? rcn * 

Jreiherr oon Buol«Bereuberg, ehemaliger Beidjstags* 
präjibent t am 4. 3 uli in BabeuBaben im Blter oon 

60 3 al ren (f. Porträt). 

Bobert Byr, befanuter 
BomaufchriftfteUer, t am 30 . 
3 uni in Baben bei JPien im 
68. Lebensjahr. 

Profeffor Jaye, Bftronom, 
ehemaliger fran^öfifcher Mi* 
nijter, t am 4. 3 ul i in Paris, 
88 3atjre alt (f. porträt). 

(Scheimrat profeffor Dr. 
Bicbarb Jo er ft er, berühmter 
Bugeua^t, t am 8. 3 uI i in 
Breslau, 76 3 a h re alt. 

KonfuüPilhelmP?eui ffen, 
t am 4. 3 U Ü in Puerto plata 
(DominiPanifche BepubliP). 
profeffor Br. Keuffer, 
Leiter ber StabtbibliotheP in (Trier, t am 7 . 3 ul i- 

prof. Br. Kieffel, (Dhreua^t, t am 7 . 3 uli 11t Erlangen 
im 63 . Lebensjahr. 

< 5 eh- (Dberjuft^rat Karl 
Lüge ler, Laubgerichtspräsi* 
bent in Köln, t iin 74. Le* 
bensjahr. 

Br. Bbalbert SafariP, 

U nie erfttäts profeffor, t am 
2 . 3nü in präg 7 2 3 a h re alt. 

Bubolf Jreiherr oon 
Schmibburg, Österreich ifd?cr 
Kämmerer, f am (. 3 u ü in 
dxay 9( 3 a h re alt. 

3 oachim Siguen3a, <Se* 
fchicbtsmaler, t am 7 . 3 U ^ 
in Mabrib, 79 3 a h re alt. 

Mr. Jreb Smart, IPiener 
Sportsman, t am 2. 3 uJ i in profeffor t 

Mjrienbab im 73. Lebensjahr. 

<£eorg Bitter oon JPiniwarter, öfterrcichifcher (Sroß* 
inbuftricüer, f am 2. 3 nü in <Sra3 im Klier oon 80 3 a h rc| i- 





Bie uralte beutfehe Sitte bes preisfehießeus feierte in ber 
oergangenen IBoche in Schönhol3 bei Berlin wahre (Triumphe. 
(Es würbe hier im Beifein bes ProtePtors, bes Prisen 
Jriebrich IPilbelm oon Preußen, bes britten Sohnes bes 
Prisen Blbrecht, Begenten oon Brannfcbweig, bas XX. Mittel* 
beutfehe Bunbesfchießen abgehalteu. Bei biefer bemerPens- 
werten Peranjtaltung (Bbb. S ( 279 , (280 n. (290) waren 
ferner ber ÜTiniper bes 3 n nern Jreiherr oon ffammers*tein, 
^ausminifter oon tPebel, ber Kommanbant oon Berlin (Seneral* 
major oon fföpfner, ber 0ber* 
präfibent ber prooin3 Branbenburg 
oon Bethmaniuffollweg, berpolijet« 
präfibent oon IDinbheim, Pertretec 
ber Stabt Berlin unb ber Stabtoer* 
orbnetenoors'ieher Br. Laugerhans 
anwefenb. prin3 Jriebrich BOill^elm 
würbe oon bem faiferlidjen BanP* 
rat IPolf begrüßt. Beim Schießen 
felbft gab ber prin3 3wei Sdjüffe 
ab. Ber Perlauf ber Schießübungen 
jeigte, baß bie Schießfertigfeit bei 
uns in; ftetem IPacbfen begriffen 
unb bas 3ntereffe an ben Schüßen* 
Bereinigungen in allen Stänben 
überaus rege ift. 

Ber ffochfoinmer gehört natur¬ 
gemäß in erfter Linie bem IPaffer* 
fport, unb bei uns in Beutfchlanb 
werben bie iPafferübungen trabi* 
tionell gePrönt burd? bie Kieler 
IBoche, wenn ber Kaifer, ber bem 
IPafferfport felbft bas hödffte 3«ter* 
eße entgegenbringt Sportsmeu aus 
allen (Teilen ber IPelt um ßdj oer* 
einigt. Selbfioerftänblid? will bei 
biefer (Selcgentjeit auch unfere Bla* 
riue 3eigett, baß fte mit ben 
(Teerjacfeu aller Läuber erfolg* 
treten Patin. Unter ben Bugen 
wirb bann eine interne IPettfaljrt 
auf bem Kieler £}afen oerauftaltet, an ber ftd? faft alle Jahr* 
3euge, bie augenblicflich in bem größten beutscheu Kriegs¬ 
hafen liegen beteiligen. Unfere blauen 3 ul, 9 en legen fid? 
bann mit gaii3 befonberer Beroe in bie Biemen, gilt es bodj, 
bem Kaifer unb feinen (Säs'ten 3U 3eigen, baß fie Kraft in 
ihren Jäuftcn h a ben unb mit <ße;chicf bie Buber 311 führen 
wißen. Bie Buberregatta auf bem Kieler P^afen (Kbb. S. ( 288 ) 
ift ein wahrhafter Jejitag für bie Ularine, es wirb oon 
Kabetten unb (Dffr^iereii mit einer Leibenfchaftlichfeit gcPampft, 
bie erPennen läßt, baß es ihnen €rnft ift nin ihren fd?weren 
Beruf, uub bie Sieger in biejem IDcttfireit fühlen ßd? natürlich 
90113 bejonbers geehrt. 



Dom XX. mittelbeutfdjen Bunbes* 
fd?iefeen in Berlin: 
p a u I <D p i ft (Berl. Sdjätjfnöiilbc) 
Sieger auf ber Stanbfcf^eibe 
U5 m €ntfemung. 


rcid? in bie SchranPen 
bes oberften Kriegsherrn 


Buch in tfeapel hat man wohlgelungene Segelregatten 
abgehalten. IPir feheit bie fchlanPeit 3 fl d?ten (Bbb. S. ( 288 ) 
im jehönfteu (Sewaßer bes (Erbenrunbs, bem (Solf oon Beapel. 
Buch in 3talien ift ber IPaßcrfport in erfreulichem Buf* 
fchwung begrißen. 


Uetcr bem B)aßerfport wirb natürlich ber Sport auf bem 
Laube auch nicht oergeßcu. (Troß ber E)iße, bie 3eitweife in 
ben oergangenen (Tagen t^errfchte, übt man überall bas eble 
Luwutemtisfpiel, in allen großem Stäbten Beutfchlanbs ftnb 
heute fchou überall prächtige Spietpläße angelegt, unb unfere 
männliche uub weibliche 3ugenb tummelt ftch in bem grajtöfen 


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Sette J280. 


Hummer 28 



©eneralfeutmmt Pofyeipräfibent Priti3 $rict>ri<fj 2 Viß}eIm. 
pon ööpfner. non UOinbfjeim. 

Dom XX. mtttelbeutfdjen Sunbesfdjt efjen in Brrlin: 

Prin3 $rtebrid> tüilbclm bei ben Sd?eibenflänben. 

Spiel. 3 n München mar ein internationales £amntennistnrnier 
(Hbb. S. 1288 ) arrangiert tvorben, auf bem bie Müncf?ener 
ihre vortrefflichen £eiftuitgen äeigten. 

j 9 

Halbem in Berlin bie leibige fjunbefperre aufgehoben 
mar, regte ßd? auch mieber bie £uft am £?unbefport. Der 


herein „Rector" hat im SportparF Jriebenau eine fjimbe- 
ausftellung vrranftaltet (Hbb. 5 . 1290), beren Katalog 
700 Hummern aufmies, ein unftreitig fdjöner (Erfolg. 3 U 
ber großen Sporthalle mar bie Sonberausßellung bes (Tetfel- 
Flubs untergebracht, mährenb (ich bie Sonberausftellungen 
bes beutfehen unb bes nationalen DoggenFlubs, fomie bes 
BarfoiFlubs in ben breiten IVanbelgängen 3mifchen ben £amn- 
tennisplätjen befunben. Man fah Prachtexemplare unter ben 
3 agbhutiben unb ben größeren £ujushunben, mie Bernhar- 
hinein, £eonbergern unb Heufuttblänbern. (Ebenfo maren glatt- 
unb rauhaarige (Terriers gut vertreten. 

J* 

Vielleicht bas eigentümlichße pferberennen, bas jemals vor- 
geFommeit iß, mürbe vor einigen (Tagen in ber fjöh* von Kuj- 
tjaven bei bem Küftenborf Duhnen (Hbb. 5 . * 320 ) abgehalten. 
Die Hennbahit ift mährenb ber Jlut von fchämnenbem Meeres- 
maffer bebeeft, erft bei eingetretener Ebbe mirb bie Bahn frei 
unb troefen unb Fann für Hen^mecFe benuftt merben. dhatfäd?* 
lieh Fann man alfo fagert, baß bas Hennen auf bem Meeres* 
grunb vorgenommen mürbe. Der Verlauf bes Hennens, bas 
von mehr als *o ooo perfonen befudjt mar, hat ge3eigt, eine 
mie vor3ügliche Hennbahn bie IVatten abgeben, bie leicht, 
elaftifch unb frei von allem Staub unb ähnlichen Belüftigungen 
für bie Heiter fttib. Die 3 & c * ift jebenfalls als eine h 0< h* 
originelle 3U be3eid?nen. a. C. 

*9 


CQKe wird das (öetter werden? 


.Mehr als fonft bemegt 3ur Sommer3eit ben £anbmann 
nicht minber mie ben erholungsbebürftigen Stabtflüchtling 
eine frage, bie täglich in 3ahllofen Varianten von hunbert- 
taufenb £ippen Flingt: mie mirb bas IVetter merben? Da 
ift es roohl nicht unangebracht, einmal ein paar IVorte über 
bie Kunß unferer „IVettermacher" 3U fagen unb über bie 
Husßdjten, bie ftch ihnen auf £öfung ihrer nicht eben banF* 
baren Hufgabe bieten. (Seftehen mir im voraus, ba es ja 
hoch ein öffentliches (Seheimnis ift: mir Knlturmenfdjen, bie 
mir’s fo höflich »eit gebracht haben, mijfen trotj unferer 
tiefgrünbigen Kenntnis ber verfchiebenen Haturgefe^e 
menig von ber Fünftigen (Seftaltung bes IVetters! 

IVie Fommt bas? Die Bahn ber (Seftirne Fönuen mir 
vorausbeftimmen für bie 3 a h rtau f enöc » auf Bruchteile von 
SeFunben genau, unb IVolFen unb IVinbe, bie uns fo viel 
näher finb, bleiben uns unberechenbar? Unb bennod? hat 
biefe (Thatfache bei näherem gufehen nichts Ueberrafchenbes an 
(ich: bie (Sefetje, bie ben TjimmelsFörpern ihre Bahnen meifen, 
finb einfach unb unmanbelbar, ße laßen ftch mathematifch 
formulieren unb gelten für §eit unb (EmigFeit. Die 
IVitterungsvorgänge aber ßnb vielgeftaltig unb unberechenbar 
mie bie (SebanFen unb (Triebe ber Menfd?en. ljunbertfach 
greifen bie JaFtoren ineinanber, bie bas IVetter bebingett, 
unb jeber JaFtor ift babei Urfache unb IVirFung äitglcich: bie 
Strahlung ber Sonne beeinflußt 3. B. ben IVinb, ber IVinb 
feinerfeits bie BemölFung unb bie BemölFung mieber bie 
Sonnenftrahlung. Unb bie ei^elnen Beeinfluffungen in biefem 
Kreislauf finb babei mieber unenblich mannigfaltig unb 
mobulationsfähig unb merben außerbem noch bur<h 3ahlIofe 
anbere JaFtoren möbliert, bie fte 3. (T. auch ihrerfeits 
mieber beeinflußen: (Temperatur, £uftbru<f, Hiveauverfchiebem 
heiten, Bobenbefdjaffenheit, (Tages* unb 3 a h res 3 e *i/ geogra* 
phifdje ^ a 9 c u. f. m. 

Huf rein theoretifchem IVege, burch mathematifche Jormeln 
ben (Sang ber IVitterung vorherjubeftimmen, bürfte für 
immer unmöglich bleiben. HUes, mas bie praFtifdie IVetter* 
vorherfage 3U erhoßen h at / Fann f ie lebiglid? von ber empiri* 
fchen jorfdjung ermarten. Hur auf ber (Erfahrung, auf ber 
StatiftiF, auf feften Hnalogiefchlüßen Fann eine vernünftige 
IVetterprognofe bafieren — baher ift bie IVißenfchaft vom 
IVetter, bie Meteorologie, ein fo ungemein mistiger <§meig 


am Baum ber Haturforfchung, benn fie vermittelt uns bie 
Kenntnis von ben Vorgängen, bie 3ur Schaffung eines be* 
ftimmten IVitterungstypus 3ufainmenmirFen unb unter ähn¬ 
lichen Vorbebingungen auch ftets ähnliche Hefultate 3eitigen. 

3 n befchränFtem Umfang hat bie ITTöglichFeit einer IVetter¬ 
prognofe feit ben älteften feiten beftanben unb ift auch ftets 
unb überall nach Kräften ausgenütjt morben. (Semifle „Vor- 
3eid?en" ber IVitterung mußten bie Menfd?en fchon in grauefter 
Vo^eit 3U beuten: mie ftd? ein Sturm, ein (Semitter, ein 
Hegen, ein John an3uFünbigen pßegen, mie man an ber 
abeitblichen Järbung bes Rimmels, an ber Klarheit ber 
£uft bie Fünftige (Seftaltung ber unmittelbar bevorftehenben 
Witterung mit großer Sicherheit erFenneu Fann — bas ge¬ 
hört 3U ben erften geiftigen (Errungenfchaften, über bie bas 
Menfchengefdjlecht überhaupt verfügte. (Erft als bie mächtig 
aufftrebenöe naturmißenfchaftliche Jorfdpung 3ur Beobachtung 
bie (Theorie gefeilte, Fonnten neue IVege für bie IVetterprognofe 
gefunben merben. <£rft mußte (Torricellis michtige (Entbecfung 
bes Barometers (* 6 <* 3 ) uns bas IVefen bes £uftbrucfs enthüllen, 
mußten bie (Sefege erFannt merben, nach benen ßch bie (Se* 
biete mit relativ höherem unb relativ tieferem £uftbrurf fort- 
3ubemegen pßegen, ehe man imftanbe mar, bie prognofe 
ber IVitterung auf eine breitere Baßs 3U ftellen unb mit 
größeren Mitteln 3U ermöglichen. IJin3uFommen mußte bie 
fiaunensmerte (Entmicflung aller §meige ber (TechniF im 
großen 19 * 3 a hrhunbert, um bas, mas man theoretifd? neu 
gelernt, praFtifd? in bie (Et^at umsufe^en. (Erft mußte uns 
bas IVunber ber (Telegraphie befeuert merben, erft mußte 
bas moberne ^eitungsmefen 3U feiner heutigen Blüte gelangen, 
bamit bie meteorologifche IVißenfchaft uns in greifbarer (Se* 
ftalt (Tag für (Tag vor Hugen führen Fonnte, rnelche früher 
unbeFannten Mittel ße gefchieft an3umenben meiß, um aus 
bem heutigen IVetter Schlüße auf bas morgige 3U 3iehn. 3 n 
ber IVetterFarte, mie ße bie großen Leitungen dag für (Tag 
3U bringen pßegen, Fonbenßert fid? alles Können unb IVißen 
ber meteorologischen IVißenfchaft, fomeit ße rein praFtifdjen 
gmeefen bient. IVas ftecFt in fold?er oft fo menig beachteten 
IVetterFarte alles brin! IVas gehört ba3u, um am nach¬ 
mittag jebes (Tages burch IVort unb 3 ^ufiration für jeber* 
mann 3U veranfchaulichen, meid? IVetter um ad?t Uhr morgens 
am gleichen (Tag über bem gan3en Kontinent geherrjdjt h«tl 


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stummer 28. 


Seite \28\. 


XPie riel Kopfe unb XJänbe mußten ba pünPtlid? 5iir Stelle 
fein, um ein foldjes Hefultat 3U erzielen! XPetterbeobad?ter, 
(Eelegraphenbeamte, (gelehrte, Schreiber Kartenzeichner, 
dlidjefertiger, HebaPteure. Setzer, Drucfer — fte alle fiub (Teile 
ber großen Kulturinafcbine, bereu einzelne Häber fo PorrePt 
unb fidler ineinanbergreifen unb uns im £auf meniger Stunben 


tagtäglich ein XPerP liefern, bas n>iffenfd?aftlid? unb praPtifcf? 
pon gleid? hohem XPcrt ift, unb an bem fcod? bie große ITTenge 
meift achtlos unb oerftänbnislos uorübergeht wie an allen 
IPunbern bes HOtags. 

Die XPetterParte ift bas A nnb Z jeglicher XPetterprognofe 
auf wiffenfchaftlich*ejaPter (grunblage; mag fte aud? auf ben 
erften Blicf ben faien etwas frembartig unb rätfelhaft an« 
muten — bas Derftänbnis für bas Diele, bas fie 3U fagen 
hat, ift für einen halbwegs intelligenten XTfenfd?en leicht 3U 
erwerben. Die XPetterParte uermag uns erheblich mehr 3U 
fagen, als bie ihnen beigegebene textliche „prognofe 44 , über 
bereu leiber unoermeibliche Unbeftimmtbeit unb Dielbeutigfeit 
ftd? bas publifum mit Stecht fo oft bePIagt unb luftig ma;t?t. 
Unoermeiblich ift aüerbings biefe Hehnlid?Peit ber textlichen 
XPetterprognofe mit ben berühmten belphifd?en guPuufts« 
weiffagungen, weil bie Prophezeiungen ftets für ein größeres 
£änbergebiet gleichzeitig ausgegeben werben muffen. Unb 
ba nur recht feiten ber tägliche Derlauf ber XPitterung über 
einer größeren £anbßäd?e ber gleid?e ift, ba es feiten überall 
rollig trocfen bleibt ober überall regnet, feiten überall ber 
gleiche XPinb, bie gleiche BewölPuitg u. f. w. henrfd?t, fo ftnb 
bie einfd?ränfenben Kusbrücfe wie „Deränberlici?", „Peine 
ober unerhebliche Hieberfd?Iäge 44 , „Steigung 3U Hieberfd?lägen 
ober (gewittern 44 , .umlaufenbe XPinbe" u. f. w. thatfäd?Iid? 
nnoermeiblid?. XPer aber bie XPetterParte 3U lefen rerfteht, 
ber bebarf nid?t erft folcher fürs £aienpubliPum berechneten, 
in fo überaus rorßchtiger XPeife abgefaßteu Prognofen, 
fonbern lieft aus ben £inien unb feltfamen geid?en ber Karte 
mit wenigen Blitfen weit mehr h ef aus, als ihm ber be* 
gleitenbe, Pur3e (Eeft je fagen Pann. 

<£s Pann an biefer Stelle nicht weiter eingegangen werben 
auf alle bie d?araPtertftifd^en Kennzeichen typifd?er XPetter« 
lagen. Hur einige wenige Hnbeutungen mögen noch gegeben 
werben. Daß im (gebiet h°h*N £uftbrucfs ftets ruhiges 
unb meift h^teres XPetter h*Kf<ht' bürfte befannt fein. Der« 
artige (gebiete, barometrifche XHarima genannt, weifen gern 
ejtreme (Temperaturen auf, wie fte im (gefolge Plaren XPetters 


oft auftreten: im Sommer X^e, im XPinter frofi, wäfjrenb 
bie barometrifchen (Eiefbrucfgebiete (Deprefftonen, XTtinima) 
in ber Hegel Pultes Sommer« bezw. mtlbes IPinterwetter, 
Hieberfd?läge unb ftärPere XPinbe mit fid? bringen. Diefe 
XTtinima wanbern im (gegenfafc zu ben X}od?brucfgebieten. bie 
meift tagelang, zuweilen wochenlang auf faft bem gleichen 
<flecf uerharren, uerhältnisinäßig rafd? uorwärts, 
im wefentlichen oon XPeft nach ©ft ober bod? mit 
einer ftarP 5 ft liehen Komponente, unb haben 
außerbem bie Heigung, bie X)od?brucfgebiete im 
Sinn bes Uhrzeigers 31t umPreifen. Sie uer* 
folgen babei, was für bie prognofe befonbers 
wichtig ift, mit Porliebe gewiffe gugftraßen, wie 
oan Bebber gezeigt hat. 

Die am hänftgften benutzten gugftraßen finb 
in ber beifolgenben geichnung wiebergegeben, 
Jür Deutfehlanb am wid?tigften unb gefährlid?ften 
ftnb barunler bie Deprefftonen, bie auf ben als 
lila unb Vb bezeichnten, glücflicherweife nicht 
allzu häufig benutzten gugftraßen einherziehen. 
(Erftere bringen uns faft alle unfere größeren 
XPeftftürme, letztere 3umeijt bie großen Bieber« 
fdjläge unb Ueberfd?wemmungen, uon benen 
©efterreich unb bas füboftli<he Deutfchlanb nicht 
feiten 3U leiben hoben. 

Die Uusfichten einer einigermaßen fidleren 
Prognofe auf längere geit (mehr als 2* ober 
höchftens ^8 Stunben) ftnb leiber fehr ungünftig. 
Hur in ganz oereinzelten fällen ift fte möglich, 
im übrigen aber ift ein betaiüiertes prophezeien 
auf längere geit h* naus aus ben anfangs bar¬ 
gelegten (grünben fo gut wie uöUig unmöglich 
unb bürfte oielleicht auch immer unmöglich 
bleiben. (Es muß bies ausgefprochen werben — 
mag biefer wenig tröftliche Husblicf aud? recht 
nnbefriebigenb fein! Die meteoroIogifd?e XPiffen« 
fd?aft giebt offen 311. baß fte nicht imftanbe ift unb wohl 
nie fein wirb, für längere geit im uoraus bas TDetter 
mit genügenber Sicherheit 3U beftimmen. 3 n f°i9 e beffen finben 
bie 3ahlIofen meteorologifchen ©uacffalber fo utel gufpruch, 
uon benen angeblich jeber bas einzig fidlere Bezept beft^t, 
bie XPitterung auf UTonate unb 3 a h re uorljer 3U beftimmen. 
€s geht leiber in ber Xtteteorologie wie in ber Uleb^in: 
Peine Behauptung ift fo bumm, baß fie nicht ihre Anhänger 
finbet. X?ier fei nur ausbrücflicb Ponftatiert, baß Pein 
einziger uon ben nnenblich zahlreichen XPetterpropheten, 
bie allerorten ungebeten ihre XPeisheit uerzapfen unb 
manchmal 3U unoerbienter Popularität gelangen, wiffen« 
fd?aftlid?e Beachtung oerbient. 

Begnügen wir uns 3imächft mit bem Xnöglid?en unb 
jagen wir nicht locfenben (Trugbildern nach! Huch mit bem 
heutigen wiffenfchaftlichen prognofenwefen auf Purze geit 
läßt ftd? < 5 roßes erreichen unb unenblich uiel Segen ftiften, 
befonbers für bie £anbwirtfchaft nnb noch oiel mehr für bie 
Schiffahrt, bie ftd? fehr wohl bewußt ift, wie uiel DanP fte 
ber XTTeteoroIogie 3U 3ollen hat. 



Die Krönungsparabe in £onbon (Kbb. 5 . 1285 ) hat, 
obwohl bie Krönung felbft wegen ber dErPranPmtg bes Königs 
ausfallen mußte, bod? ftattaefunben, entfprechenb bem XPunfche 
bes in ber (genefung befinblichen patienten, baß bie einmal 
in 2lusftd?t genommenen (feft!id?Peiten, foweit es angeht, 
aud? abgebalten werben möchten. Kn ber (Truppenfd?au 
nahm aud? bie Königin Hleyanbra teil, bie bis bahin bas 
Burfinghompalats nid?t rerlaffen hatte, ba fte ftd? gan3 ber 
Pflege ihres (getnahls wibmete. 



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Seite \2 82. 


Kummer 28. 


Das Deitfmal Kaifer IVilhelms I. auf ber Ejohen* 
fyburg (Kbb. S. 1286 ) ift am 30 . 3 u,t * unter außerorbent* 
lieh reger Beteiligung feierlich enthüllt werben in Gegenwart 
bes Kronpritijen, ben ber Kaifer mit feiner. Vertretung bc* 
auftragt hatte. Die Prooin3 IVeftfalen barf auf bas IVerP 
O0I3 fein, öie monumentale Einlage, aus ber bas Heiterftanb« 
bitb bes alten Kaijers ungemein wirPfain l^eraustritt, macht 
einen bebeutenben Einbrucf, würbig bes Begrünbers bes 
neuen Deutfchen Hetcbes. 

Kaifer friebrichbenfmal in £efjnin (Hbb. S. 1284). 
3 tn Klofter £ehnin ift bem Kaifer ^riebridj ein DenFmal 
errichtet worben, beffen feftlid^e Enthüllung am 29. 3 un * 
ftattfanb. Hus ber gan3en Umgegenb mar bie BeoölFerung 
3ufammengefirÖmt, um ber vfeier betytmohnen, bei ber fid? 
ber Kaifer burch ben Prisen Jriebrid? fjeinridj oertreteu 
lieg. Die Kriegeroereine aus etwa Dreißig 0 (ten bes Kreifes 
gaucfj-Be^ig erfdjienen mit ihren Jahnen unb brachten fo 
reiche Hbwechslung in bas äußere Btlb. Die Statue, bie ber 
Berliner Bildhauer t?ans Hruolbt gefd;ajfen hat, hat ihren 
piaß nahe ber 3ur Erinnerung an bie ^reiheitsfriege ge« 
pflan3ten (fricbenseidje gefunben; »e fteüt ben Kaifer in ber 
Uniform feiner pafetoalFer Kürafftere mit t^elm unb Küraß bar. 

3 ubiläumsausftellung in Baben*Baben (Hbb. S. 
( 285 ). Eine originelle 3 & ee ift in Baben-Baben 3ur Bus* 
führung gefommen; in beut einft ron ber Großherjogin 
Stephanie, ber Hboptiotochttr Bapoleons, bewohnten Palais 
fjamilton hat man eine Husftellung oon wertoollen Kunft« 
werFen unb anbern SehensatürbigPeiten aller Hrt ocranftaltet, 
bie fich im prioatbefiß btftnbeu, im allgemeinen aljo ber 
Befidjtigung nicht jugängtid} ftnb. Der Großhe^og unb bie 
Großhe^ogtn toohnten ber Eröffnung ber Husftellung bei, bie 
mit Hüctficht auf bas Hegierungsjubiläum im Hpril biefes 
3ahres als 3 u i > iiäumsausftellung be3eichnet wirb. 

Soen Ijebtns fjeimPehr (Hbb. 5 . ( 287 ). Bach brei- 
jähriger Ubrucfenheit ift Dr. Soen fjebin oon feiner $ orfrhungs« 
reife burch bas tibetanifd?e tjochlaub toohlbehalten rnieber in 
feiner fd)webifchen Heimat eingetrojfen. IHehr oon Glücf 
begünftigt als bie Borbpolfaljrer hat er, toie er mit Genug* 
thuuug nach feinet/ HnPunft in Stotfholm e^ählte, fein Heife« 
Programm in allen öffentlichen punften erfolgreich Durch« 
führen Fönnen. Ueber bie Ergebniffe feiner jforfchungen ge¬ 
ben Pt er noch im Lauf bes Sommers ein populäres IVerP 311 
fchreiben, bann toill er barüber in ben größeren Stäbten 
Europas toiffenfehaftliehe Vorträge halten unb nachher rnieber 
nach (Eibet gehen, um weiter 31t forfcheit. 

Eine GebenPtafel tn ber Kieler Garnifon Fird?e 
(Ubb. S. ( 285 ) für bie bei ber Ebinaejpebitiou gebliebenen 
0fft3iere unb XHannfchaften ber 0 ftfeeftation unferer ITTarine 
ift am 30 . 3 uni glei^eitig mit einer folgen für bie 0 pfer 
ber „Gneifenau M «Kataftrophe enthüllt worben. Der Kaifer 
unb bie Kaiferin nahmen mit ben übrigen in Kiel anmefenben 
<fürftii<hfeiten uitb ber HDmiraiität an ber Jeier teil. 

Die leßte porträtaufnähme bes Königs Ulbert 
oon Sach feit, bie ber Ejofphotograph U?. f^öffert in Dresben 
gemacht hat, haben wir in unferer Br. 26 oeröffentlicht. Von 
E^errn fjofphotographen 0 tto ITTayer in Dresben wirb uns nun 
mitgeteilt, baß bies nicht überhaupt bie leßte Aufnahme bes 
oerewigten 2 Ttonard;eu gewefen ift, fonbern baß er noch fpäter 
eine foldje aufertigen Durfte. 

profeffor Karl HeinecFe (Ubb. S. (289) h a * fein Umt 
als Stubienbireftor am Königlichen Konferoatorium ber ITTufiP 
in Leipzig niebergelegt, nachbem er fchon oor einer Heihe 
oon 3 ah ren *>ou ber Direftion ber berühmten Gewaubhaus* 
fon5erte 3urücfgetreten war. IVenn Beiuccfe fich jeßt, nach 


VoHenbung bes ad? tun bfieb3igjien Lebensjahrs, entfchloffen 
hat. ben Heft feiner (Eage in Huhe 3U genießen, fo barf er 
es mit bem Bewußtfeiu thun, baß er feiner Kunft nicht nur 
treu unb ehrlich gebient, fonbern fie auch mannigfach geförbert 
hat. Ein oorsfiglidjer Klaoierfpieler, namentlich ein aus« 
ge3eicbneter 3nterpret Unarts, hat er 3 a h r 3 c h*tte hfnburch 
eine erfolgreiche päbagogifche (EhätigFeit ausgeübt, nebenher 
aber auch große Erfolge als Schriftfteller unb Komponifi e^iclt. 

Ct* 

Verfammlungen unb j^efte (Ubb. 5 . (289, ( 32 ( unb 
(324). Große Vereinigungen unb Verbänbe finben wie in 
jebem Sommer, fo auch jeßt in allen (Eeilen Deutfchlanbs 
ftatt. So würbe in Pofcn ber Samaritertag übgehalten 
währenb in Dresben bie freiwilligen SanitätsFolonnen 00m 
Boten Kreu3 im Königreich Saufen ihren britten Verbanbstag 
ocranftalteten unb Etfenach ben fiebenten Vertretertag bes 
Verbanbes Deutler (Eechutfcher Dochfchulen in feinen 
ntanern fah- 

CbS 

Uns aller (Veit (Ubb. 5 . ( 32 ( bis 1324 ). Prin3 
Hupprecht ron Bayern ftattete Pür5lich ber Stabt Brürfenan 
eilten Befuch ab, um an ber Einweihung eines feinen Barnen 
trageuben, oom bayerifchen VerFehrsoereitt erbauten Erholungs* 
unb (Seuefungsheims bei3uwohnen. — Das 3 u ^ l ^um ihres 
hunbertjährigen Befteheus feierte Für3lich bie ametiFanifche 
inilitäraFabemie in XVeftpoint in (ßegenu art bes Präfibenten 
Hoofeoelt unb 3ahlreicher anberer Ehreitgäfte. Uls Vertreter 
Deutfchlanbs war außer bem IVafbingtouer <Sefanbten oon 
fjolleben uoeb eine Sonbergefanbtfchaft anwefeub, nämlich ber 
Kommaubeur bes £ichterfelber KabettenPorps IHajor oon 
IVißleben, unb fjauptmann ITTülmann, ein £ehrer ber Uuftalt. 

— 3 n Deutfihfübwcftafrifa ift am (. 3 U ^ Strecfe 

ber Eifeubahu SwaFopmuub« 2 VinbhoeF eröffnet werben. 

— Der beutfehe (Sefaubte in Hio be 3 a neiro, £)err oon 
(Ereutler, ftattete Pür3lich ber Stabt porte UUegre einen Be« 
Befuch ab unb nahm au ber Enthüllung bes oon ben bortigen 
Deutfdjen bem f ürften Bismarcf errichteten DeuPmals teil. — 
Die 3 ufel ^elgolanb hat Pür3lich, ba ber alte ben Knforbe« 
riiugen bes SecoerPehrs nicht mehr genügte, einen neuen, bei 
weitem höheren £euchtturm erhalten, ber fich nachts burch 
helles BlinPlicht auf große Entfernungen beineiPbar macht. 

*3 

Perfonalien (Porträts S. (286 u. 1324). Sein ffiuf3ig* 
jähriges Dieuftjubiläum feierte am (. 3 u l* öer (Seneral« 
leutnant3- D. oouBoguslamsfi, Der als militärifcher Schriftfteller 
(ich bes größten Hnfehens erfreut. — Hls Bachfolger bes 
füglich oerftorbenen Dr. Kügler ift ber IHiuifterialöireftor 
im IHinifterium bes 3 Ttn eru peters 3um präfibenten bes 
preußifcheti 0beroerwaltungsgerichts ernannt worben, peters, 
ber im 6(. Lebensjahr fleht, h a * öem 0beroerwal!ungsgericht 
bereits oon 1^92 bis (899 3uerft als Bichter, bann als 
Senatspräfibent angehört. — Kn Stelle bes I?errn Douiner, 
ber aus bem Kmt gefchieben ift, um in Paris feiueii parla« 
mentarifcheu pflichten als ITlitglieb ber DcputierteuPammer 
genügen 3U Fönnen, ift 3Uin (ßeneralgouoerneur oon 3nöo« 
chiita 2 Hon(ieur Beau ernannt worben, ber feit bem oorigen 
3ahr ben poften eines frait3Öfifcheu Eefaubten in pefiug 
oerfehen hat. — 3 n DTünchen ift, so 3ahr* alt, ber frühere 
Direftor ber bayrifchen KriegsaPabemie Generalmajor 3. D. 
0 tto Kleemann geftorbeu. Kleemann, ber auch oielfach 
fchriftftellerifch thätig gewefen ift, galt als Hutorität in bent 
Gebiet bes JeftungsPrieges unb ber Befeftigutigslehre. — 3 n 
Jranffurt a. ITT. ift ber frühere 0 berregiffeur Der oereinigten 
Stabttheater ^riebridj Schwemer geftorbeu. — ifrau Dina 
ITTahleitborff, eine bisher unbePaunte Sopraniftin, würbe nach 
erfolgreichem Gaftfpiel als ITTargarethe unb ITTicaela an bie 
Königliche 0 per in Berlin engagiert. — Beben ben per« 
fonlichPeiten, bie aus Kitlaß ber Krönungsfeierli-hPeiten in 
Englanb Kus3eichnuugeu erhielten, befiubet fivi? auch ber be* 
rühmte Schaufpieler unb SchaufpielbirePtor Charles IVynDhan. 
3 hnt hat König Ebnarb ben Kbel oerliehen. 


'<U>- 


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Prof. in. ßofmeter. Prof» Philipp Siöfcjr. Prof. oon Öiircftyarb. Prof. Srcttnet. 

Prof. (Beorg Scf?oit 3 .; 23aYrifd?er Kultusminifler oon Canbmann. prof. KHIcfen. 

Prof, oon 5rey. prof. CI?» IHcurer. Prof. Üofj. 


Zum TOtirsburger dniverfttätdkonfUfet. •> 


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Seite * 28 $. 


Hummer 28. 


I. poti Sodjom (piejjon?). 2. ^rl. pon Kodjon?. 3. pon Hod>otP (Hetfabn). <k <5rof ^flrflenflem. 5. Conbrat pon (Efd?irsft. 6. prinj jeiebrid} £jetnrid}. 

7. ^rau pon Hodjorp. 8. IHojor pon Hodjorp. 9. ©eneralleutnant pon Cicbert. 

Sefud? in ( 30 I 301 P bei Cebnin. 
pi]Ot 5 r * Sdjröber, Sranbenburg a. Jj. 


Prin3 ^riebrid? £)ctnrid?. 

Oie Sntbiillung des Raiter friedricbdenhmals in Lebnin durch prinz friedncb Heinrich von preussen» 

pi'ot. £}. ^ernsborf, 53cl3ig u. Cetjnin. 


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E>on bcr «Enthüllung ber ©ebcnftafei für bie in £t?ina gefallenen I1lannfd?aften: 

Das Kaiferpaar mit dem flarineoberpfarrer Rogge nach der feierlichkeit vor der Kieler Oarnifonkirche. 

pijot 21. Scnarb, Kiel. 



v&roflijerjog von Baben. 2. ©tofcbcrjogin von Baben. 3. Ptinjeffin ^ürjlcnberg. Bürgeinuifta ^icf r. 5. ©cfyeimrat fraape. 6. Direftor 5d?aü. 7. von Jasberg. 

Die lubiUumsauerteUung von Kunftwerken im BamUtonpalais zu Baden-Baden: Brosoherzog u. Brossherzogin v. Baden verlarren die Kapelle. 

ßofpliot. XD. Kunfcenmnller. BabervBaben. 



hi 

: ttÄb' 


mÜ» mVjZtm 


Du erftc Ausfahrt der Königtn von Gngland wahrend der Krankheit des Königs: paradc der Kolonialtruppen in Hldcrsbot. 


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Seite 1286, 


Hummer 28. 



Das durch den Deutfehen Kronprinzen enthüllte Kaffer ÜEIilheltndentrtnal auf Koben fy bürg in BJeftfalen. 

Pfjot. IHunM, Sd?o>crte. 



Generalmajor 3 . D. Kleemann, IHöncfjcn f 
Direftor ber Kriegsafabemte, 
bebcutenbcr XTlilitdrfchriftflcUer. 


Kronprinz friedrich Wilhelm 

mätjrenb ber Gnttjfillung bes Denfmals auf f?ot}enfxburg. 
pljot. tltunfcl, Sd?n?erte. 


tflmifterialbircftor Peters, 
mürbe 3 um präfibenten 
bes ©berucrroaltungsgeridfts ernannt. 


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Hummer 28, 


Seite {287, 



Sven 


2 luf &er f?eimfai}rt 


5oen §eMn. 

2lnfunft in Stocfijolm. 



Dr. Sven §eMn 511 ^anjc. 

Die Heimkehr des berühmten forfchers Sven Hedin aus piittelafien* 

Jlufnafjmfu oon i?ofpbot. 2t JMomberg, Stocfijolm. 



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Seite *288 


Ztummcr 28. 





1* pumntcrer. 2. Knorr. 3. Pichl. 4. Heicbel. 5. PilpF. 6. Cottidj. 7. Cinbpnintner. I. $rl Kaufmann. 2. 5 r I. tnclliug‘’r 3 Baronefc llngeltir. 4 ^rl. Sinnet. 
Pas 3»itcmationalc Cauniteunisturnier in IHünd^cit: ©ruppeubilb Der Sieger unb Siegerinnen. 


üon ber iiegatta in Heapel: Pie 3ad}tcn ber italieni j djen marine. 

Bilder aus dem öportleben. 

Aufnahmen non K. Kcnarb, Kiel, Pr. rtcuflätter, ITlüncbcn, unb Cb. Kb6niarar, Kom. 


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Hummer 28. 


Seite {289. 




prof. Karl Kein ecke, der bisherige Studiendirektor des leipziger Kon fervatoriums, Inmitten feiner Schäler. 

pfyot. <5. Brofefd?, Ceip 3 tg. 


I. prof. Zimmer, Setjlenborf. 2 . Pr. Höbiger, ^ranffurt a. Ut. 3. 3 u Ü«3 ra t Pr. Ceromsfi, Stabtoerorbnetenporfteber, pojen. Stabtrat Ungrr. Pufen. 
S. Sanitätsrat Pr. vaoibfobn, Sdpieibrm&bl. 6 . <S5eb. JTlfb^inalrat Pr. Pietrid? Pom tfultusminifterium, Berlin. 7. f^auptmann Säubert, Pofen. 8 . Heg.* 
Hffeffor Sd?mäle. 9 . Pr. Kormann, £eipjig. 10. Prof. Pr. partfd?, Breslau. U. ©berturnleijrer Klofj, pofen. 12. Pajlor Coytfe, pofen. 13. Canbgertdjts* 
präftbent ©ifeoius, pofen. 14. (Seneralarjt BiÖaret, pofrn. 15. ©berflabsar 3 t Pr. Püms, Cetp 3 ig. 16. <&rceHemt>on Bergmann, Berlin. 17. ©berpräfibialrat 
tflfon. pofen. 18. ©berb&rgermeijler IDitting, pofen. 19. ©bera^t Pr. 3affe, Pofen. 20 . Prof. Pr. (Seorge Pleyer, Berlin. 21. ©eb. Sanitätsrat Pr. Paul?, pofrn. 

Gruppenbild vom Samaritertag in pofen. 

Cjofpfjot. 3 . €ngelmnnn, pofen. 




* V 


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Seite 1290. 


ZZummer 28, 



Kaiferl. Banfrat IPolf, Borfigenber bes Kusfcbuffcs. 2. Cangc. 3. Hcticfyag. <$. iloatf. 5. H. tPünfdmgel. 

Das XX. jvütteldcutrcbc Bundesrchiessen in Bchönholx bei Berlin vom 6 . bis 12 . “Juli: Der fertausrehuss. 

ptjot f?ans jninfe & € 0 ., Berlin. 



Prämiierung ber offenen Klaffe ber langhaarigen St. Bernbarbräben. 

Die Bundeausrtellung des Vereins „Bector" in Berlin am 5 . und 6 . ^uli. 

Spejialaufnahmen für bie ..IPodie*. 


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Hummer 28. 


Seite {2<H. 


jOallla. 

©ine Heifeerirtneruug von Diftor von Kohtenegg. 


d? fab bie beibeit 311 m erftenmal auf bem Dampfer 
nadi ©jebfer. Sie fielen mir gleid? auf. Kls id? 
in bie DecfFajüte eintrat, einen Fleinen, mit 
Ceber gepolfterten Salon, faßen fie fd?on vor einigen 
ftrohgelben Koteletts; bas Ijeißt, bie 5rau führte Faunt 
einen Bijfen 3 unt UTuttb, unb nad? einer IDeile ntifcbte 
ber ©atte aus einem Kryftaflfläfchd?en ein paar (Tropfen 
in ihr f eltermaffer. Die 5 rau lächelte unb nahm mit 

trocfenen tippen einen fleineit Sd?lucf. 5ürd?tete fte 
feefranf 3 U merben? Kd?, bas UTeer lag fo ruhig ba, 
türFisblau, mit einem gleißettben Silberglaii 3 , ben bie 
3ulifonne barüber gebreitet; ein ruitbes, faum merF» 
lid?es IDalleu träufelte bie fläche, als mürbe leud?tenbe 
Seibe bemegt. Die fd?lanFe Dame mit bem ftarFeu, 
bunfleit £?aar mar rnohl etmas anfällig unb ängftlid?, 
aber (Tropfen — (Tropfen —l? 3^? maiibte mid?, um 
ein ۊd?eln 3 U verbergen, jur Seite an ben Stemarb, 
um mir aud? fo ein ftrohgelbes Kotelett in blaffer, 
rumfarbener Butterfauce 311 befielleit. 

3« ein ©efpräd? Famen mir nid?t, aud? nicht, als 
mir bann auf Fleinen KlappfHihien vorn am Bug bes 
Dampfers faßen unb mit unfern ©läfern bie fjorijont- 
linie abfud?ten, mo ein paar Sd?oner mit blinFenben 
Fleinen Segeln quer über bie See Frod?en. Der ZTTann 
mar mieber voll KufnterFfantFeit, bemüht, fte 3 U 3 er* 
freuen, ihren BlicF in bie glimtnernbe IDeite 311 lenFen. 

3d? erl?ob mid? unb bot meinen Sift an. „Bier 
haben Sie bie Brife aus erfter £?anb, frifd? unb ftarF, 
gnäbige 5rau —." Sie nahm mit einem Zeigen bes 
Kopfes meinen plaft ein, völlig große Dame. Der T?err 
grüßte. IPeiter nid?ts. 

T?od? 3 eitsreifeube? — Kber nein! 3^ tarierte bie 
beiben auf miubejtens 3 el?n ©hejahre. Kllein bie 3 arte 
5 orglid?Feit bes ©atten, bas freu?tblid?e fjinitchmen ber 
5rau gaben einen <3uiammenFlaitg, ber mid? befd?äftigte. 
Denn mir 3unggefelleit ftnb immer geneigt, ber ©he 
im Durchfcbnitt nur für bie erften vier, fünf 3ahre 
Hei 3 uttb <§auberfraft 3 U 3 ufpred?en unb auf bas, mas 
bann nod? Fommen muß, mie auf eine enblofe, graue, 
ftaubige ©hauffee 3 U blicfen. 

3 n bem füllen, von b^iftorifd?er UToberluft ein menig 
©erlaubten Kopenhagen fab id? bas paar h^r unb ba 
mieber. JDir ßreiften int Uofenborgfd?loß vor ben 
munbervollen rieftgen ©obelins bes (Thronfaals attein» 
anber vorüber, trafen uns braunen auf ber (Terraffe 
von SFobsborg, bie glän 3 eub meiß hod? über bem 
blauen ©erefunb liegt, auf bem in fd?räger Cinie, 
alle auf eine Seite geneigt, bie Fleinen blinFenben 3ad?ten 
ber Kopenhagener manövrierten; es mar eittsücfenb, 
ber fjimmel mar bod?, bie See meit, baß man mit bloßem 
Kuge bie fd?mebifd?e Küfte in einem Silberbuft auf» 
hämmern fab- Kber mir begrüßten uns nid?t, nur bas 
flüchtige Stuften im erften ZHoment — ab, bas ift ber 
vom Sd?iff! — ein ©rFennen, bas mie ein £äd?eln aus 
ben Kugen fleht, eine untvillFürlid?e, h^be Bewegung, 


als müßte mau grüßen. Die Dame fd?ien etmas veränbert 
— ihre £?aut mar burd?fid?tig, rofig, bie grauen Kugen 
leud?teten, unb fte mar in (Toilette, trug eine meiße, 
geflicfte Seibenblufe mit ftlbergrauen Spifteit unb einen 
breiten Blumenfloreittiuer, beffeu fd?males, fd?mar 5 es 
Sammetbaitb ibr Kinn untfcbmiegte. Dornebnt alles, 
von ben 3 itternbeit Ca 5raitcerofeu bes Tjutes bis auf 
beit fd?maleu, 3 arteu 5uß im gelben £acffd?uh. Der 
©atte, ein junget Diesiger, bod?. ftattlid?, trug ftd? 
einfacher, meber Bügelfalte, nod? Scarf, nod? quer ge» 
Fitöpfte ZTTanfd?etten, aber alles mar gebiegeu. Sie faßen, 
mie id?, bei einem leid?teu Sontmermofel, beit fte mit 
Bilittermaffer verbünnteit, unb fabelt minutenlang mit 
großen, triiiFenben Kugen auf bas beüe UTeer. Dastvtfcheu 
plauberteu fie. Seine Stimme hatte einen ftarFeit, 
ruhigen Klang, bie 5rau fprad? mit fd?5nem Kit, ber 
meid? über bie Berven find?, baß eine feltfame Sehn» 
fud?t aufmad?te. 

3 d? verftanb fafl jebes IDört in ber flrahleitben 
lOafferluft, bie alles untmallte, jo 3 ufammeuhielt, baß 
Fein (Ton, Feine $arbe in Unruhe unterging; fie moüteit 
morgen früh mit betit Sd?iff ttad? UTalntö hinüber. 
Klfo nad? Stocfbolm. IDie id?. Unb ber Tjerr ftanb 
auf unb flrecfte ben Krnt aus: „Dort, T?ebby — boct 
briiben liegt UTalntö!" 

©rft in bem Suge non UTalntö nad? Stocfbolm 
lernten mir uns Fennen. 

3 d? meiß nicht, ob ber StifaH fpielte, ber g>\\$ 
mar nicht febr befeftt: mein ©hepaar rollte plöftlid? 
braußeit in bem ©ang bie breite ©lastbür meines 
Kbteils, in bem id? allein faß, 3 urücf unb trat ein; fte 
grüßten beibe. 3 d? ßaub auf, um ben Dorberfift am 
5 enjier 3 ur Verfügung 3 U jielleit. 

Diefe fübfd?mebifd?en ©ifertbabnen ftnb reijeub, b 
luftig, luftig, mie ber fd?mebifd?e Tjimntel; bob^ Spiegel» 
fd?eiben, gelbes Ceber, ambulante Kiffen, bie man aus 
bem 5 onb b^raus 3 iebt, um ftd? ben Bücfen, bie £?üfteit 
3 U ftüften, ein breiter ©ang 3 um promenieren unb 
Uaud?en, bi^^i^ttb b^fü^o Schaffner, bie einem bet 
jeber Begegnung falutieren, unb ein IDiegen, faft laut» 
lofes ©leiten, als führe man in einer DiFtoria auf 
Kfphalt. 

3d? blätterte in einem englifchen BeFlamebeft, bas 
bie Schönheiten Stocfholms in Bilbem 3 eigte, unb ba 
ber f?err ein paarmal horüberblicFte mit jenem leichten 
©lan 3 in ben 2 lugen, ber b a ^ Bleugierbe, bolb einen 
XDunfd? ausbrücft, legte id? ben £}errfd?aften bas läng¬ 
liche f?eft auf ben Klapptifd?, ber ftd? 3 mifd?en mir unb 
ber Dame Bebby am 5 enßer befaitb. 

„ 3 d? banFe 3b^” —* Der T?ertf lad?te bann: „So 
meinte ich’s nid?t, id? lefe Fein ©nglifd? — aber menn 
bu bir bie Bilber attfehn miflft, £?ebby, es ftärFt bie 
3üufton —!" Sie nicFte unb nahm bas l^eft. „U)ir 
Fontnteit 3 um erftenmal nad? Stocfbolm. 3^b bin über 
bie Botels nicht orientiert — ein h^Fler punft. Kopen» 



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Seite {292. 


Hummer 28. 


fragen hat uns troß bes Sterns im Heifebud? bereits 
im Stieb gelaffen. Sie Fennen Stocfholm?" 

„3a. It>ic Touriften es Fennen / 1 

„<£s iji reijenb —" 

„EVunbervoö. ETTan benFt an paris, an Vencbig. 
Diefes leichte, faltete, elegante £eben bei einer Sonne, 
bie Faum untergebt, unb baju bie eitrige tage, Reifen 
mitten in ber Stabt, unb überall EVaffer, EVaffer —" 

„Unb bie Ejotels? Der eine empfiehlt Hybberg, 
ber anbere nicht." 

EVir Famen ins plaubern. Sie gejianben, baß es 
halbe 2Ibficht gemefen, als fie hier eingetreten maren. Sie 
mollten nicht lange in Stocfholm bleiben, unb in einer 
milbfrentben großen Stabt ohne Direftion herumlaufen 

— nein, bas ifl nichts! — Vielleicht müßte ich E3cfd?eib 

— man tonnte fid? orientieren... „Die Elnjid?t meiner 
Srau," erläuterte ber E?err. 

3ch bebanFte mich bei ihr. 

Hun — mit jeber neuen Station, bie mir anliefen, 
mürben mir vertrauter. Da fiitb fjanbreichungen nötig, 
man beforgt Kirfd?en, Sobamaffer, holt ein (Sepäcfftücf 
aus bem Heß, jeber Saß, beit mau im (Etfeubahufupee 
fpricht, bebeutet gleichfam einen ganseu Cag Beifammen- 
feiits; meint man mieber ins Kupee tritt, begrüßt mau 
fid? h^ter, man fpricht burchs 5eufter, jebes Sid?tvieber* 
einrid?ten, Sid?bequemfeßen bringt eins bem anbent 
näher, bas mad?t ber enge Hauni, bie gemeiufatne, von 
Staub unb feinem Huß burch 3 ogene £uft, bie all bie 
Fleiuen Derangements natürlich erfd?eineit läßt, ber be- 
freienbe f?aud? ber 5 rembe unb bas Hemußtfein, fid? 311 
nichts 3 U verpflichten. 

Kurj vor Stocfholm über ber 2lrftabud?t mechfelteit 
mir unfere Karten. 

„Elber nein, E?err profeffor —!" rief ich erftaunt. 

„Das ift aber nett," Flang es 3 urücf. 

Ellfo mir Fannten uns bem Hamen nach! Das 
€h*paar ttttd? burd? einen Kollegen bes EtTaunes. Unb 
ich ben fiattlidjen fjerrn. €s mar Krola. Se% Krola, 
ber EHaler! EVie fo oft auf Heifeu hatten audi mir 
uufer SerufsiuFoguito ängftlid? gemährt. Das mar 
eine Ueberrafchung. 

EVir foupierteit nod? am felben Elbenb gemeinfam 
in BaffelbacFen, braußeu im StocFholmer (Eiergarten, 
auf offener Veranba bei fd?tvebifd?er ZTlilitärmuftF unb 
fühlten uns fofort heimifch 3 mifchen biefeit fd?öngemad}* 
fenen, leichtlebigen Offneren uub eleganten Sraueit, bie 
hinter leuchtenben (Eafelrofeit unb roten Ker 3 enfchleiern, 
lebhaft in EVort uub Hemegung, ben SeFt ihrer galli- 
fchen EVefensvettern fchlürften. EVeit nach elf fchlenberten 
mir am Quai entlang, an einem EValb von Hlaften 
vorüber, burch ben f?übfd?en HerjeliusparF heim, immer 
in bem 3 arten £id?t ber norbifchen Dämmerung, in ber 
bie EVafferluft mie feibiges (Sefpiuft hängt. EVir maren 
fd?oit Sreunbe. 

Das maren herrlid?e (Tage. Sd?on morgens im 
Srühftücfsfalou bes Ejotels — mie mau ftch begrüßte, 
bie E}äube fchiittelte, immer lad?enb, fid? ueefeub: „(But 
gefd?lafen?* „Hrillant!", allerlei Vertraulid:es flüfternb, 
bas bie anberu Tifd?e nicht 3 U hören brandeten. „Uub 
mas ntad?eu mir heute, Sir ETTanager?" 


3d? mar verliebt in bie Srau. HefpeFtvotl natiirlid?, 
fehr artig. 3ch verftanb nun ben profeffor, ich mürbe 
biefe E?ebby ebenfo vermöhuen. 3 mmexr ffcrriit, in eine 
bemegliche E3uf?e gehüllt uub in biefer ret 3 voll ver¬ 
borgen, mie bie Srud?t in ber E3lüte, ein gefuitbes, feit- 
fibles (Eemperameut. 3ch fpähte förmlich nach einem 
Sehl, einem Tabel, man hat 3&oleu gegenüber immer 
fold?e häßlidieti Hegungeit. Untfouft . . . 

Sal 3 fee, EITälareit, Saltsjöbabeu, Drottningholm — 
leuchtenbe punFte in bem <5u>ielid?t meiner (Erinnerung; 
ich fpüre bann nod? ben Duft ihres Ejaares um mich far, 
höre ihr £ad?en. 

(Eines Elbenbs faßen mir allein oben in HTofebacfe, 
profeffor Krola unb ich. Stau Ejebby mar miibe. 
ETTorgen mollteu fie nach Upfala meiter, nad? $re unb 
(Eronbhiem. 3^h n>ar traurig. 3ch fprad? bas auch 
aus . . . mie man ftch fchäßen lerne, mie einen bie 
Srentbe nahebriitge, unb baß bann eine tvirflid?e £eere 
in einem fei, meitu man ftch bie E}aub 3 um Elbfd?ieb 
gefd?üttelt. Krola tröftete: „Ulan vergißt ebenfo rafd?, 
Iteber Sreuitb. (Erifft anbere." Der (Egoift hatte gut 
tröffen, er hatte feine Srau . . . 

EVir faßen hoch über Stocfholm auf einem getual- 
tigen Selfenplateau mitten in ber Elltfiabt, ein Dampflift 
hatte uns heraufgebrad?t, eine Elrt Straßenbahn. Unten 
lag bie Stabt in leichter Dämmerung. Kein £id?t, Feine 
£aterne. Türme, Dächer, bas riefige, rötliche Schloß, 
hochragenb, vom Sal 5 fee uub ETTälarfee filberu 
umfehimmert, bie ruubeit HaumFuppen bes Djur* 
garbens unb überall EVafferarme, HrücFen unb meit 
braußen auf allen Seiten bis in bie buftige Serite 
buuFles EVaffer, EVaffer uub Seifen, unb EVälber mie 
Sammetftrcifeu. Das £id?t mürbe immer blaffer, unb 
bod? hätte mau lefen Fönnen. EVir micFelten uns mie 
bie aubern in rote EVollbecFen ein, bie bie Kellner 
brachten, mie Elraber in ihre Hurituffe, mir tranFen 
ben Föftlichen, tücFifcheu fd?mebifd?eu puufd?, ba 3 mifchen 
immer einen SchlucF Seltermaffer itehmeub, uub raud?ten. 

Von mas follteu mir reben . . . von ber Sraul 
3d? mar beinah feutimeutal geftimmt in bem riefeluben, 
FräuFlichen £icht, in bem greifen Silberhaud?, ber auf 
unfern roten füllen lag. 3ch fagte’s gan 3 offen: „So 
eine Srau . . . Die finbet man eben nicht." 

(Er uicFte. 

„EVo nahmen Sie fie hör?" 

„Sufatl. Der Ejimmel, miffen Sie . . 

»3a, ja." 

£r fd^ien h^ute nidit fehr gefpräd^ig. Kber bann 
fagte er mir, baß er feine Srau einmal gehaßt hätte. 
(Sehaßt . . . Seine Starre glomm feurig auf, als 
mollte jie’s betätigen. 

„EVeun Sie mich früher geFanut hätten . . . 3ch 
verabfd^eute jebes ausgeglid?ene Temperament mie 
eine Sd^mächo. Sie Fennen bie Kimfiler. Der UTufiFer 
berührt ftch mehr mit ber EVelt, ber SchriftfieHer me- 
nigftens theoretifd?, burch Siicher, burd? feine EVelt* 
aufchauung ... ber Künftler aber fieht am Einfang 
immer nur fid?, fühlt nur fein eigenes Temperament, er 
ift bariit etmas borniert." 

„El ber haffcit, biefe Srau haffen . . 


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Hummer 28 . 


Seite { 293 . 


„Kennen Sie meine früheren Hilber, meine Kn» 
fange? Huit fefyen Sie. fjonor^ Daumier rechts, 
fjans ©on ZTfartfe linFs. 2 ftau fie^t fleh ja felbfl nicht 
©or (Temperament. Unb biefe Ungfl, fein (Temperament 
3U verlieren, feine Samfonflärfe . . . aüe (ßlätte mar 
mir pefl, ein gut ange3ogener UTenfch, eilt JTtamt, ber 
mehr als fünf ZHinuten auf feine (Toifette ©ermaubte, 
3umiber, als märe er auch innen glatt, hohl/ leer, 
ptjrafe. 3 d\ ließ midi gehen, bas fjaar pel mir in bie 
Stirn, ber Hart mudjs mir auf ben £eib herab, bie 
Stiefel maren berb, geflicEt, ber Un3ug ©ertragen . . . 
Keine Seit, um 3um 
Sdineiber, 3um Schu- 
per 3U getjenl Sd?on 
ber (Bebaute fdiieu 
mir Haub an mir 
felbp, lädierlidi! Uls 
follte idi glatt ge¬ 
hobelt, um all bie 
geliebten milben ficfeu 
unb Kanten gebracht 
merben. Unb idi hatte 
auch mirflidj feine 
^eit . . . bas mar 
immer ein Sueben, 
ein IHollen, ein mil* 
bes, frampfhaftes Ur- 
beiten; (ßelaffenheit, 
bas ruhige, föplkbe 
Schauen, bei bem bie 
klugen ©or innerer 
Hemegung unb Ceiben- 
fchaft glühen, mar 
mir unbenfbar, fchien 
mir (Brimafle ber 
Scbmädie, pofe. Uudi 
bie immer mieber- 
Fehrenben Stunben ber 
Dumpfheit, in beiten 
ich ausgebörrt mar 
©on ber Sieberhiße 
bes ungebänbigten 
IDollens, marnten midi 
nicht. 3d? bin über¬ 
arbeitet, fagte ich mir; 
biephantape ip flügel¬ 
lahm. €in emiges 
Uuf unb Hieber/ 

„ 3 <h «>eiß. Unb 3 hre Srau . . .?" 

„Da lernte ich fle Fennen, fjebby. Heim alten £eit3e, 
beflen UTeiflerfchüler ich mar. Sie faß einmal im Utelier. 
3 di fah fle Faum an. €ine Dame. 3 ch haßte natürlich 
auch bie ,Damen 4 , obmohl’s mir oft mie ein £eib über 
bie Sinne flrich, menn mir in ber Sommerluft (0 eine 
blühenbe, unnahbare Schönheit ©orüberglitt. 3 <h be¬ 
grüßte pe Faum. Diefe Damen — pe ©erlangen ja 
auch, baß man blaitf gerieben mie ein Danby umher- 
fchleidit, flach, flach mollen pe einen haben! Uch, ich 
fannte pe ja gar nicht, bie fchülernben Dogelgefdiöpf* 
dien, mie ich fle nannte, ich ©erfehrte nirgenbs, nur in 


ber Kneipe. Unb ba regte fldi nun auch, mährenb id? 
mit Cenje fprad] unb hinter mir bas hubfdie Seibeit- 
gepeber rafchelte unb Fuiperte, in mir bas Unbehagen, 
bas ber Hauer auf bem parfett emppnbet ... in bem 
ZTComent mirb fogar fo ,eine Dame* 3um fatalen 
Kritifer!" 

„Unb fjebby — parbon, bie gnäbige 5 rau • • •* 

„3* foüte pe malen. £en3e moüte’s. 3hre (ßroß- 
eltern münfehten ein Hilb ©on ihr. Unb £en3e hatte anberes 
©or. U>ir hatten mohl beibe menig £ufl 3U einanber: 
fleh non biefem Här ba malen laffen? Konnte ber 

überhaupt fo mas 
feines, Duftiges, De- 
lifates auf bie £ein- 
manb bringen ? Unb 
ich . . .? Huu, idi 
fürchtete mich bireft, 
mit biefer großartig 
überlegenen £aby, 
oberen Höcfe fo herrifch 
raufchten, allein 3U 
fein. Uber ich Fonnte 
nicht nein fagen. Diel- 
leidit mollte ich audi 
nidit, mer meiß bas? 

„Hun, bieSißungen 
fanben im Utelier bes 
Ulten flatt, mir hatten 
ba einen U)infel mit 
(Sobelin unb einem 
hübfehen, fammetnen 
©hrenftuhl für uns. 
3 di Farn fo, mie ich 
immer mar, mit 
fdflechtem Seng, einer 
fchlediten Kramatte, 
ungefchoren, unge- 
ßußt, mas mar benn 
los ? Das maren 
(Tage, mie anbere 
audi.. I UTöglidj, baß 
ich ih^ babei ein 
menig meine (Bleich - 
giltigfeit unb (Be- 
ringfehäßung 3eigen 
mollte ... Du glän- 
3enbes, glimmernbes. 
(Bäuschen, barauf fommt’s nidit an . . . auf bie Kraft, 
auf bie £ömenfiaue! 3ch fühlte midi mohl auch ein 
bißdieu ©on ihr überfein, ablehnenb Fritipert. 

„ 3 ch hatte fou©eräit ihre Stellung angeorbnet: ben 
Kopf etmas 3ur Seite, mehr rechts, Fräulein l Danfe. 
Sie mollte miöerfprechen, aber ich Ich 11 ** bas Fühl ab, 
ihr überlegen ein paar äphetifche HrocFett hinmerfenb. 

„£Dir fdimiegen. 3ch gab mir nicht bie geringfle 
2 Tlühe, pe 3U unterhalten, mein Hlicf ging nur fcharf, 
beleibigeub fachlich ©on ber £einmanb 3itm UTobeH hin: 
bu intereiperp nur ben ZHaler! Uber bas mar am 
<£nbe nichts. 3 d? mollte bodi Feine puppe malen. 
Schließlich hat bodi auch fo eine Dame ihre (Eigenart, 




6 » liebt mein junger königlicher Vetter 
Berbflbunte Sträuße in gefchliffnen Vafen, 
Chryfonthemum und rot und gelbe Blätter, 
Verträumtes Lächeln und gefchomen Kafen. 

3 d) fchelt ihn nicht; doch feh ich mit Verlangen 
Die roten Kofen feiner Gärten glühn, 

8 eh neidifch drin die vollen Kirfchen hangen 
Und dunkelblau den Fiimmel um ihn blühn. 


entzücken pocht im 
heimlichen Getriebe 
Und lockt und lacht . . . 

mich h<Kt das toll gemacht! 
€r fchreitet achtlos durch 
die öommerliebe. 

€r fucht den fierbß mit 
feiner 6ternenprad)t. 


pauta Dchmcl. 



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Seite 1294. 


Zlummer 28. 


bie id) h*raus,locFen mußte. Die £einmaub 3 itterte unter 
meinen pittfclhieben, es mürbe mir nicht leidet. 

„Uub am britteu (Tag fprad)en mir. Das mar bod) 
auch natürlich- IDir fannten uns, fehen Sie . . . man 
braud)t ja gar nicht 311 rebeu. ba fpinnett ftd) fd)on un« 
miüfürlid) 5 äben, man gemöhnt ftd) aneiitauber uub 
man hat ein genteinfames <§i ei ZUan ift etmas neu* 
gierig, befdiäftigt ftch fdjon auf bem IDeg mit ber Stßung, 
fomntt erfrifcht oom Souuenfd)eiu, ©011 ber £uft, r>on 
ber (Eile; ob fte fd)ou ba ift? ,IDirFlid)? 3d) badete ... 
traben Sie gemartet ? 4 0 hne, baß ntait’s meiß, macht 
man einen Sd\er$, man läd)elt, uub bann: ,tt)ie meit 
fitib mir beim? Darf idfs nicht felgen? IDarum 
nicht ?‘ ,Zieht, Sie föitnten meine Zluffaffung übertreiben, 
Fönnten pojiereit . . .‘ <£s mar fd)ließlid) eine Brücfe 
ba 3 mifd:en uns, uitb id) munberte mid) eigentlich gar 
nicht barüber. Zluit brad)te id) fjebby — nur bes 
Bilbes megeit ttafürlid)! — 311 m Heben. 

„fjebby e^ählte mit ihrer ruhigen Stimme. 3d? 
meiß uid?t mehr mas. Zlatiirlid) fprad) fte aud) oon 
Kuitft, aber bas mar eigentlich gar nicht bümm, burd)- 
aus nicht, nur ein menig im Zllltag gemad)felt . . . ein 
5 iitger 3 eig t>on mir, ein aubeutenbes tDort, unb bie 
grauen Zlugen, in beiten fo t>iel Cebeu flaub,' mijfeit 
Sie . . . jenes innere £ebeu, bas auf bie fiinbrücfe 
märtet, ihnen nicht entgegeuftiirmt, fo baß bie Dinge 
ftch mitteileu Föituen, ihre Ztugen leuchteten ... ah ja 
. . . bas ift es . . . uub ihre Zlltftimme, bie alles 3 U* 
fammeuhielt, lüorte unb £ebhuftigfeit ..." Krola 
fchmieg uub fah in ben Silberbuft ber Stabt hinunter. 

„3d) Fönrtte immer auf fo eine Stimme hören," 
fagte id). „Uub fte hat ZHacht. Sie meiftert ben anberit." 

Krola lächelte unb 30 g ben roten Burnus fefier um 
bie Schultern. „3tem: id) mollte hören. ZDir fpradieu 
©iel. Unb bie Stimme riicFte alles fad)t, unnterflid) 
in ein anberes £id)t. fjebby mußte r>ont £ebeu ja oiel 
mehr als ich, beurteilte es oiel reifer, uiel natürlicher. 
Zlber ich mehrte mid), namentlich meun fte nach iraueu* 
art für bie äußere ZIettigFeit Partei nahm, ich mürbe 
bann fehr bitter, farFaftifch, aber fie läd)elte nur —: 
,DeuFeu Sie au (ßoethe, an ZTTojart... an Hembranbt, 
ZDagiter . . .‘ Unb bie Stimme fprad) uub umfpann 
einen, mie einen ZTTuftF utufpiunt, baß mau milber fleht, 
meiter, mit ber Zlbjtd)t, mit bem guten UMeit, 3 U 
erFemten . . . <£iitntal fagte fte mir auch, öaß fte ftch 
oor mir gefürchtet hübe, etmas eutfeßt gemefen fei, fo 
ein Soitberliitg, fo ein . . . »Zlun?* Zlber fie fagte’s 
mir nicht. 

„Ejörett Sie: ich mürbe nach fnapp 3 mei ZDod)en 
ftiller. 3 d? mochte baheim nicht recht arbeiten . . . 
ZTleine Bilber fd)ieiten mir ein menig laut, ba mar 
etmas (Semaltfantes in Stimmung uub 5arbe unb 
£ed?niF; fte fd)ieuen nicht eigentlich gemachfen, ruhig, 
in 5 üüe; 3 mifchett bas (Drgattifche, <£d)te brängte ftch 
ein 5 rentbes, bie gemaltthätige, nüchterne Z)aub bes 
IDillens . . . 3 d) fah bas ruhig, als gingen mich bie 
Bilber eigentlich gar uid)ts an; ich ftaub baoor, rauchte 
eine Sigarre unb lehnte eins nad) bem auberit gegen 
bie ZDaitb, nee . . . nicht fehen heute. Zlur hier uub 
ba, 001 t beit ruhigeren Gölten ging ein (Solöglaits aus, 


ber midi ermannte, erqnicfte . . . ZHerFmiirbig. 3dl 
ntadtfe mir aud) nicht red)t Flar, moran bas liegen 
Fouitte, moher bie gatt 3 e Stimmung Fant, mohiu jte 
mollte. Sie Fetmen biefes <§umarten. Sie mar ba. 
Unb id) ließ mich t>on ihr tragen, miegeit. Es mar 
ein leifes, heimliches Zlufatmen feit 3ahr unb Cag. ein 
mohliges Sid)behnen in milber, heller £uft, als hätte 
ftd) bie Seele, bis ins 3uuerfte erntübet, erfchöpft, als 
hätte fie ftd? feit 3 ahreit gefehut, immer gemartet, im 
tiefften gehofft... auf bas golbeite £idit, bas ZHittagsIicht. 

„rjöreit Sie, 5reuitb: au einem (Eag Fant id\ mit 
geftußtem £}aar uub gefchnittenem Bart ins Zitelter. 
3 ch glaube, EJebby lächelte . . . uub am Cag barauf 
mit .eiuent neuen Soiitmerait 3 ug, bie neuen Stiefel hatte 
ich mieöer ausge 3 ogen, meil ich mich fchäntte. Unb 
babei hatte id) ben Kopf in bie Ejäube geftiißt uttb auf 
ben Boben geftarrt: mas ift mit bir? . . . Uitb bann 
habe id? gelacht , unb gepfiffen, jene Stimmung miegte 
mich, biefe Fäftliche, heimlich fruchtbare 5aulheit. 2>ie 
Bilber flaubeit noch mit bem <Seftd?t gegen bie ZDanb, 
mie oerfd)üd)tert." 

,;Unb l^ebby?" v 

„bjebby? 3ä? fagte oben: fte läd^elte mohl. Uitb 
babei "fah id) ihre Zlugeit leuchten — aber laffen mir 
bas; bas gehört h^r nicht h^r. 

„Zitlein fehen Sie —: id) Fonnte baheim nid)t 
arbeiten. I)ebbys Bilb malte id) mie im Craum, ohne 
XDolIeit, ohne fud)ettbes, ftchtenbes Bemußtfeiit, gan 3 
naio, gait 3 ftd)er uub leicht. Unb 3 U Z)aufe iit meinem 
Stubio mar mir, als ftäitbe ein frentber ZTebel 3 mifd)en 
bem Bilb unb mir unb meiner Pergangeuheit. Zlur 
jene ftillereu (Eöue leuchteten geheintitisDolI hiuöurd). 
3 d) fchien mir ein bißd)en blutleer im ^iru. 3 d) lag 
ftunbeitlang auf meinem Dirnau, ohne Bemegung. (ßiug’s 
nicht mehr mit ber Kuttfi? €s mar beinah fo, mir 
mürbe ftebeubh^iß, uub id) läd)elte fchmad). Zlber fjebbys 
Bilb . . .? Daun ftaub ich feuf 3 enb auf, ging 311 
5reuubeit, überallhin. Unb; biefe £aitgmeile, biefes 
Sd)mebeit im ZIid)ts 3 ermarterte ntid) suleßt. 3d) 
mürbe geregt, bie Selbftquälerei fpielte mit mir mie 
bie Kaße mit ber ZHaus. ZDar id) überhaupt ein 
0riginal? 0ber ttur ein ZIad)beter, ber intnter nur auf 
frifche Hei 3 e lauert? Zimt, Sie miffen mohl um bie 
toten Stunbeit, memt bie (SebanFen über bie unbefd)iißte 
Seele h^rfallen mie ZIaubtiere über ihre Beute . . . 
meine 5inger 3 ucften itad) Zlrbeit, uub irgeubein oager 
Dormurf, ein liitienlofes Bilb, mie es bie ZHübigFeit 
erfinnt, fehlen blaß mie ein (ßefpeitft oor mir h^ r 3 U- 
fliehen, immer meiter, tueiter, unerreichbar.- £s mar 
ein <§rc>iefpalt,' toie eine £ähntung. 

„Da haßte id) E)ebby. Dalila . .. 3d) fühlte, baß fie’s 
mar. Unb bod) malte id) il)r Bilb mit einer Buhe, als 
hielte ntid) h^r bie £uft in Bann. ZDas mar bas? . . 
3d) Hefe mid) äußerlich mieber gehen. 3d) fchmieg. Unb 
fie faß mit ©erfchränFteii Zjänben. Unb ba, als mir 
einmal eine paufe mad)teit, 3 eigte id) ihr in meiner 
Stimmung bas faft fertige Bilb, mas id) fonft nie thue. 
Sie mar fehr ruhig, baß mir bas f;er 3 fd)mäd?er ging. 
Sie follte urteilen. Uub nun flimmerte es ntid) golbeit 
an, fie h^te mid) mit bem BlicF geftreift, mie blaß fte 


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Kummer 28 . 


mar — es mar mieber jenes £eud?ten. ,Das ift fd?ön. 
Bur ber BlicF . . .* ,Dod?I Bod) piel innerlid?err 3 d? 
moflte ,fd?öuer‘ jagen, aber id? befam bas EDort nid?t 
über bie tippen; aber mit ber marmen IDelle, bie aus 
meinem 2?er3en fd?lug, Fatn eine f?elligfeit in mid? unb 
ein £eben in meine Seele, eine Klarheit unb munber- 
fame Buhe, Kraft . . . Blein Bilb leuchtete, locfte. 
€s mar mie ein £ad?en in ber £uft. Unb E?ebby 
manbte pd? befangen 3um 5 enPer. Unb als pe 
fo über ben Teppich t^inglitt, pd? entfernte, 
faßte es mid? mie Bangen ... als braucht id? pe, als 
märe bie fruchtbare IDärme unb Buhe eben von ihr 
herübergefd?lagen. <£s raufd?te in mir, aber ich jagte 
nichts. 3 ch Panb blaß unb {ah bie feine, fd?öne ©e* 
ftalt pom £id?t umfloffen, bort am 5 enfter. Dalila. 

*Unb ich fann bie ganje Bad?t. Unb meiter. Unb 
lag am BTorgen in tiefer Buf?e, miibe unb hoch mach, 
pou mebenber f?elligfeit burchPutet. Aber ich hotte 
Feinen EDillen. Taufenb Föftlid?e Bilber 3ogen mir burch 
ben Sinn, es mar eine unerhörte 5 rud?tbarfeit. Bilber, 
bie pon innen leud?teten, bereit Strid?e pibrierten por 
Temperament, unb bie hoch eine Stille, eine nie ge* 
fannte Buhe bel?errfd?te, pe maren gaitj pont inneren 
Auge gefchaut, empfangen. Das mehte mich mit 
Ejeimatmärnte an, bie mid? mie EDonne überrieselte, 
meinen Atem leife*mad?te, bie 3um Schapen locfte; es 
mar eine £uft, unb bas erft ip KuitP, bas aus ber £uft 
Fornmt, bei aller Blühe. 3 <ä? mußte nun: fo mußt bu 
malen; bas erP bift bu. Du brauchP bie Buhe, bie 
BTilbe, bie Stille in aller Kraft. Dalila, Dalila . . .! 

„Unb id? mar banfbar. EDem? Sie fragen mem . . .? 
Diefer h^Heit Ausgeglichenheit, biefem lebenbigeu, blut- 


Seite {295. 

marmen unb bod? fo t^armonifdien 5raueitmefen £?ebby, 
beffen meid?er £cbenshoud? pd? mit bem meinen ge* 
mifd?t, baß ber ftürmijd?e, hoftige, pielleicht rohe pd? 
beruhigte. 3 d? bin reif gemorben an Ejebby, innen 
ünb außen, als hött ich auf pe gemartet. Sie hot 
mid? gemeißert . . 

<£r fchmieg. BTitternad?t mar ba. Das £icht per¬ 
blaßte 3U tiefer Dämmerung, faß pd7tbar, mie man 
einen feiger porrücFen pet?t. Die roten Burnuffe 
fd?immerte{i bunfel; es maren nur menige noch um uns. 
(Es mar ftitl. Stocfholm lag in feinem Bebelbuft, aus 
bem bie Kuppen unb Türme ragten. EDir traufen aus. 
Als es piertel fchlug, färbte pd? fchon mieber ber 
E?ori3ont, bas EDafter bes BTälarfees glühte in einem 
fernen Streifen golbig auf. (Ein frohes (£rfd7auern 
mebte burd7 bie £uft, ein €rmachen. UAr gingen hi”ob 
burch fd7male ©aflen, immer auf Stufen, bie in ben 
5elsftein gehauen, burd7 einen alten, miitfligen, fd?la- 
fenben Stabtteil. Unb bas £icht nahm 3U, mar mie 
heimlid7er 3ubet in ber £uft. 

Eüir perabfd7iebeten uns. 3 trug noch einmal 
©rüße auf. Das paar mollte in aller 5 rül?e fort, 
unb ich liebe es nicht, einem <§ug nach3ufehen, eine 
minfenbe EJaub mit bem Auge 51t perfolgen unb 
bann einfam, mie innerlich ausgeleert, ba3ußehen in 
einer großen Stille. 

„ 3 n Berlin alfol" 

„Auf EDieberfehen." 

Aber id7 freute mid7, baß ich nod7 gegen Abenb für 
5 rau Ejebby bie fd?önften Bofen Stocfholms beftellt hatte, 
für ihren Kaffeetifd7. BTar£d?al Biel unb £a 5 rance 
unb brum herum einen Kran3 glühenber Belfeu. 


Die Bewohnbarkeit der Himmelskörper. 

Apronomifche plauberei pon Dr. BI. lüilhelm Bleyer. 


II. 

(Ein Ausflug auf ben Blars. (Sd?luß.) 

Unfere 5 orfd?ungsreife 3ur EDelt bes Blars empor 
enthüllt uns immer munberbarere Tf?otf ad?en. Der 
amerifanifche prioataPronom £omeü, ber pch auf einem 
2500 Bieter hohen Berg in Ari3ona eine große Stern- 
märte houptfächlid? nur 3U bem &wed erbaut hat, jenen 
Planeten auf bas fchärfße in allen Begungen feiner 
Batur 3U perfolgen, ersählt uns Dinge pon ihm, bie gar 
nicht anbers als burch bas Dorhanbenfeiit einer Dege* 
tation gebeutet merben Fönnen, bie ber unfrigen in allen 
mefentlichen punften gleid? ip. EDenn bie Sd7neeflecfe 
in ber polarregion unb ber gemäßigten gone Fleiner 3U 
merben beginnen, umgeben pe fich 3unächp mit einem 
bunflen Banb, gan3 fo mie bei uns nach ber Schnee- 
fchmel3e bas bunFle (Erbreid? h^rportritt. Balb barauf 
nimmt bann biefe bunFle Umranbung einen beutlichen 
grünen 5 arbenton an. EDährenb im Sommer bes Blars 
ein Teil ber bunflen ©ebiete pch immer hdler färbt 
unb fo ben gelben EDüften ähnlich mirb, bas heißt 
austrocfnet, merben biefe Stellen nun im 5 rühjaf>r nach 
ber Sdjneefchme^e mieber bunFel, bie Beferpoire füllen 


pd? aufs neue mit 5 eud?tigFeit; aud7 pe übe^iehen pd? 
mit einer grünlichen Färbung. Bun merben aud7 bie 
Kanäle bunfler unb breiter, ja an pielen Stellen über¬ 
haupt erft pd?tbar, mährenb pe im EDinterhalbjahr per- 
fchmanben. Diefe Kanäle pitb 3meifellos eben fo menig 
EDaflerläufe, mie bie bunFlen Stellen eigentliche BTeere 
pnb. ©roße fpiegelnbe EDafleroberflächen pnb überhaupt 
auf bem Blars feiten; mir müßten pon ber (Erbe aus 
bas pon ihnen rücfßrahlenbe Sonnenbilb als hdlleud?- 
tenben punft fehen, mas niemals mahrgenommen ift. 
Die bunflen 5 lecFe hoben mir uns alfo als Bieberungen 
por3uftelIen, bie pielleicht früher einmal Bleere maren, 
bei bem 3unehmenben XDaflermangel aber pd? in feuchte, 
BToorgriüiben ähnliche ©ebiete permanbelten. Die 
fchnurgeraben, 3mifd?en ben bunflen ©ebieten burd? bie 
gelben EDüftenbiftriFte htH3id?enben fogenannten Kanäle 
müffen mir für ungeheure Bauten erfären, bie bie 
Blarsbemohner 3ur EDafferperforgung ihres Planeten 
errichtet hoben. Sie bepßen oft eine Breite pon hunbert 
unb mehr Kilometer; piel fd?mälere 0 bjefte mürbe 
man pon uns aus überhaupt bort nicht mehr fehen 
Fönnen. <£s märe miberpnnig, bei bem fonp h^rfchenben 


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Seite {296. 


Hummer 28. 


IPaßermangel amtehnten 3U moflen, baß biefe Kanäle 
mit IPaßer gefüllt mären. Es mag oielleidjt in ihrer 
ZTTitte ein fdjmaler IPaßerlauf oorhanben fein, bie gan3e 
Breite 5 er Kanäle aber mirb oon einem Pegetations- 
gebiet ausgefüllt, bas ebenfo mie bie bunflen (Sebiete, 
bie bie Kanäle oerbinben, 3ur <§eit ber frühjahrs- 
fd?neefd7me(3e geniigenb mit IPaßer gefüllt mirb, um bie 
pflan3emoelt neu 3U beleben. IPenn bann bie Bäume 
in ber Umgebung ber eigentlichen IPaßerläufe ßch neu 
belauben, er3eugeit fte baburd? bie bunflen Schattierungen, 
burch bie jene fogenannten Kanäle uns erß ftd^tbar 
merben. 

IPir haben nun aber bei einer früheren Betrachtung 
gefeheu, baß überall, tro pflögen fmb, auch (Tiere fein 
müffen, meil 3mifchen beiben Urten von IPefen ein be- 
ftänbiger Uustaufch ber Stoffmechfelprobufte ftattfinben 
muß, ohne ben balb bie für ben Cebensproseß nötigen 
(ßrunbftoffe chemifch gebunben träten. Die pflai^en allein 
oerbrauchen allen Koblenftoff, bie (Tiere ben Sauerßoff, 
beibe aber taufchen bie ihnen nötigen Cebenselemeute 
untereinanber aus. fjaben uns alfo bie oorher an¬ 
geführten Beobachtungen oon bem Porhanbenfein eines 
pfIan3emoud?fes über3eugt, fo bleibt 3ugleich feilt gmeifel, 
baß es audi (Tiere auf bem UTars giebt. Die Ent- 
micflungsgefchichte einer pfla^en- unb (Tiermelt muß 
aber, auf meldjem IPeltförper es auch fei, miteinanber 
nahe3U parallel laufen. 3 ^h meine, baß in einer IPelt, 
bie bereits hod?enttoicfelte pflai^en beßfct, bie Entmicf- 
lung ber (Tiermelt nicht u>eit bahinter 3urücfßehen fann. 
Hun haben mir aber gefehen, baß auf bem ITTars eine 
laubabroerfenbe Pegetation oorhattben fein muß, bie 
auch bort nur eine h°h* Entmicflungsßufe entnehmen 
fann. Daraus folgt toieber, baß audi bie (Tiermelt auf 
bem ZTCars eine oorgefchritteite Stufe entnehmen muß. 
Hiebt lauge nachbem in ber Ur5eit bie Caubgemächfe 
auf ber Erbe auftraten, 3eigte ftch auch 21 Tenfd?. So 
fomnten toir Schluß auf Schluß oon ben oerfchiebenften 
Seiten h^ r immer toieber 3U ber Ueber3eugung, baß 
unfer Had?barplanet intelligente IPefen beherbergen muß. 

Diefe IPefen haben bie oben Canbgebiete mit einem 
auf bas 3toecfmäßigfte ausgebadtfen Syrern oon IPaßer* 
Iäufen burchfurcht, bem bie Haturentfaltung folgte, um 
ben nötigen Hährßoft heroor3ubringeu. 

Bis hierher hat uns unfere toiffeufd?aftIid7e 5 ührerin 
geleitet. IPir toolleit uns nun etroas näher tragen, 
toobei allerbings hier unb ba auch &ie phantafie mit- 
toanbern muß. (Eins bemerfeit toir übrigens, auf ber Ober¬ 
fläche bes ZTCars nun enblid? anfommenb, gans beutlid?: 
toir fühlen uns toefentlid? leichter als auf unferm platteten. 
Es läßt ftch mit mathematifcher Sicherheit berechnen, 
baß ein Kilogramm, auf bie Oberfläche bes BTars über¬ 
tragen, nur 0.58 Kilogramm toiegen mürbe. Das 
(ßemicht aller Körper ift alfo faß auf ben britteu (Teil 
herabgefefct. IPir föitnen hieraus bie Permutung fchließen, 
baß bie Cebemefen bort um ebenfo oiel größer ent* 
micfelt ßnb, meil bie (Sröße ber Organismen offenbar 
oon bem Perhältnis 3toifchen ben molefularen Kn* 
3iehungeit, bie bie Organe aufbaueu unb ihnen bie 
nötige innere 5eftigfeit geben, unb ber allgemeinen 
Sd^mere abhängen muß, bie bei einem 3U üppigen 
(Empormachfeit biefer ^eßigfeit eine (Sren3e fefct, 5um 
Beifpiel bie < 3 toeige jum Brechen bringt. 

Üufere phantaße 3eigt uns alfo in ben (Seßlben bes 
2 Tiars ungeheure Caubbäume, bie ihre Krotten mehr als 
noch einmal fo hoch mie unfere mächtigfteit Eid7eu unb 
Buchen in einen emig flaren fßntmel erheben, bie 


Hieberungen unb fogenannten Kanalfurchen mit einem 
bidjtcn 5 led?tmerf ihrer großen Blätter überfd7attenb, 
um ihnen bas immer farger merbeitbe Cebensblut bes 
Planeten, bas IPaßer, möglichß lange 3U erhalten. 
Unter biefett bunfelgrünenben Blätterbomen tummeln ßch 
lebenbige IPefen oon riefeithafter (Sröße, ßellen mir uns 
UTeitjchen oor noch einmal fo groß mie mir. Dagegen 
mirb bie 3nbioibuen3ahl auf bem UTars auch relatio 
oiel geringer fein als bei uns, einmal meil bie 
(Sebiete, mo bas £eben ßch noch entfalten fann, bort 
oben fchon fehr eingefchränft ßnb, unb anbrerfeits bie 
geringere IPaßermenge unb Sonnenmärme biefe Cebens- 
entfaltung gleichfalls beeinträchtigen. Kußerbem haben 
mir 3U bebenfen, baß bie gan3e Oberfläche bes UTars 
etma oiermal fleiner iß als bie ber (Erbe. Unfere mißen* 
fchaftlich geleitete phantaße 3eigt uns alfo auf unferer 
Hachbarmelt eine flehte (Semeinfchaft oon förperlich großen 
unb geißig hochenlmicfelten IPefen, bie nicht mehr mie mir 
ihren IPeltförper mit Hationalitätsgre^en 3erßücfeln. 
Das bemeiß bas über ihren gan3en Planeten hm ein¬ 
heitlich burchgeführte Syßem ber „Kanäle*. Diefe IPefen 
bürfen, angeßd7ts ber immer farger merbenben (Sahen 
ber Hatur, ihre Seit unb ihre Kraft nicht mehr burch 
(Eiferfüchteleien oerlieren; ße ßnb enblich einig gemorbeit 
unb haben nur baburch bie ungeheure Kraft auch über 
bie Hatur gemonneit, bie oielleid7t in gan3 ungeahnt 
großartiger IPeife 3U ihrer mächtigen (Sehüfln mürbe. 
3n einem h^chß intereßanten Homan bes geißrekhen 
Haturphilofophen Caßmife: „Kuf 3toei Planeten", in bem 
jene oorgefd7rittenen IPefen bes BTars in Haumfchißen 
3ur (Erbe gelangen, ße erobern unb 3U einer prooin3 
bes UTarsreichs erflären, mirb ausgeführt, mie biefe 
UTarsbetoohner bie hod?liegenbeit (Sebiete ihres IPelt« 
förpers 3ur Errichtung oon Sonnenfraftßationen oer« 
merten. IPas Ißer romanhaft gefchilbert mürbe, iß eine 
notmenbige 5 olge ber Kulturentmicflung auf einem 
platteten mie unfere Erbe ober 2 Uars. IPenn bie 
aus früheren Spaltern aufgeßapelte Sonnenenergie in 
ben Steinfohlen oerbraucht fein mirb, merben mir ba3U 
ge3toungen fein, bie uns bireft 3ußrömertbe Äülle oon 
Sonneitfraft in ihren oerfd7iebetteit formen uns nufcbar 
3U machen. Sd7on fenneit mir IPittb- unb IPaßermotore, 
unb in beit fottueiireichen (Sebieten ber (Tropen, befonbers 
am Uanb ber Sahara, fängt man bie Sonnenmärme 
in großen fjohßpiegeln auf, um bantit bie Keßel oon 
Dampfmafd7inen 3U h^^en. Kuch auf uttferer Erbe 
mirb bas IPaßer immer mehr oerbraucht, fo baß in 
fommenben geologifchen Spaltern in *3e3ug auf bie 
IPaßeroerteilung auch in unferer Ktmofphäre ähnliche 
Perhältniße eintreten müßen, mie mir ße heute auf bem 
ZlTars oor uns feheit. 

Kber mir bürfen unferer phantaße bie Sügel nicht 
meiter fchießen laßen unb mollen uns lieber, ehe 
mir biefe intereßante Hachbarmelt mieber verlaßen, 
noch ein menig über ihre aftronomifchen Perhältniße 
orientieren, bie ßch mit oollfommener Sicherheit feß- 
ßellen laßen. (Tagsüber fehen mir bort einen faß beftäitbig 
flaren ^intmel über uns, ber mahrfcheinlid7 fo tief blau 
fein mirb, mie mir ihn bei uns im l}od?gebirge fehen. 
Die Sonne, ein menig fleiner mie bei uns, geht bort 
auch im 0ßen auf unb 3ieht ihre Cagesfreife gait3 
ebenfo mie bei uns. Kud? bie Cänge bes (Tages iß 
nahe3u bie gleiche. IPenn bann bas (Tagesgeßirit ßch 3ur 
Heige menbet, fehen mir mohl einen befonbers hell 
ßrahlenben Stern suerft bie Dämmerung burchbredjen; 
es iß unfere liebe Erbe, ber Kbenb* unb ZTTorgenßern am 


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Bummer 28. 


Seite 1297. 


Fimmel des ZtTars. Alle die uns mohlbefannten Stern¬ 
bilder 3ietjen über den Ejimmel in gemohnter EDei[e hin, 
nur ruhiger mögen im allgemeinen die Sterne erfd?einen, 
meil die Atmofphäre dort troefener und meniger be- 
megt ifl. Auch einen Blond fehen mir am fjimmel des 
BTars erglänjen, Fleiner mie der unfrige, aber fo mie 
er phafen 3eigend. <£r mechfelt unter den feflen Sternen 
feinen ©rt, jedoch fo, daß er, vom Ejorijont aus ge- 
meffen, fafl füll 3U fielen fcheint. Die Sterne 3tehen 
hinter ihm von Aufgang 3U Untergang; er macht da¬ 
gegen diefe tägliche Bemegung nur in geringem Blaß 
mit, aber er mechfelt nach dem veränderten Stand der 
Sonne befländig feine phafe. befand er ftch 3um Bei- 
fpiel bei Sonnenuntergang na^u im «genit, alfo gerade 
über unferm fjaupt, fo 3eigt er fich als sunefjmender 
fjalbmond. Bis Blitternacht ift er dreiviertel voll ge- 
tvorden und ift i^mifchen halbtvegs gegen den IDeft- 
hori3ont niedergeftiegen. IDemt daun am andern Blorgen 
die Sonne im ©jten mieder aufgeht, ifl er im EDeflen 
im Untergang als DoDmond. <£r bleibt nun einen (Tag 
unfichtbar, um beim nächflen Aufgang der Sonne mit 
ihr 3ugleid? als Beumond empor3ufteigen. 

IDir haben längft in3mifchen noch einen andern Blond 
bemerft, der im (ßegenfaß 3U allen andern (ßeftirueu es 
beliebt, im EDeflen auf und im ©flen untergeben. <£r 
ift ein gar munderlich fchuellfiißiger (ßefelle; dreimal 
mährend eines gan3en (Tags erfd?eint er an derfelbeu 
fjimmelsflelle und mechfelt ettva ebenfo fchnell feine 
phafen. Bei diefer fchnellen BemeglichFeit und dem 
befiändigen phafeitmechfel ift diefer UTond der denfbar 
befte «ge^eiger für die Blarsbemohner; fie gebrauchen 
vielleicht feine andere Uhr als diefe himmlifche. 
Beide Blonde führen ein tvühderbar mechfelndes Spiel 
mit einander, das die Blicfe jener glücflieberen IDefen 
immer mieder 3um Fimmel empor3iehen mag. 


€in Ausflug nach der Denus und dem BlerFur. 

Bei uitfernt Ausflug auf den Blars haben mir ge- 
fehen, eine mie michtige Bolle die Cemperaturverhältniffe 
für die (Entmicflung des £ebens auf andern EDeltFörpern 
fpielen. Das miffen mir ja auch fchon von der (Erde 
her. Das £eben ift bei uns nur innerhalb gemiffer 
(temperaturgren3en möglich, die fich immer enger sieben, 
mit je höher organifierten IDefen mir es 3U thun haben. 
Bei den marmbliitigen (Eieren bedeutet beFanntlich die 
Erhöhung der Blutmärme um nur menige (Srade über 
den normalen Stand den fieberen Cod. (Eine mefentliche 
AbFühlung des Bluts ift 3mar nicht unmittelbar lebens¬ 
gefährlich, hindert aber die Beguugen des Cebens; die 
Kälte macht uns erftarren. Beide (Erfcheiuungeu, die 
tödliche EDirfung der ^ieberhiße mie das (Erftarren durch 
die Kälte, erFIären fid? aus den (Eigenfchaften des (Eimeiß, 
das in der fjauptfache unfern Körper 3ufammenfeßt. 
jedermann meiß, baß das (Eimeiß in der Ejiße gerinnt 
und daß es dann auf Feine IDeife mehr in feinen 
früheren guftand 3urücfgebrad?t merden fann. niemand 
Faun aus einem gefochten €i mieder ein rohes machen. 
Dagegen Fann man €imeiß bis gegen null (ßrad ab- 
Fühlen, ohne daß es feine fiigeufchaften verliert. (Es 
erftarrt nur allmählich, mie IDaffer gefriert, und taut 
mie diefes mieder auf bei erhöhter (Temperatur. Aus 
diefem (ßrunde erftarren unfere Ringer in der Kälte, 
merden aber beim (Ermärmen mieder gefchmeidig. Bur 
darf die in den «geügemeben enthaltene 5 euchtigFeit nicht 
mirflidj gefrieren, meil £is mehr Baum einnimmt als 


IDaffer und deshalb in den gelten beim 5 efltverben nicht 
mehr plaß genug hat. <£s 3erfprengt fie und 3er» 
trümmert dadurch den ©rganismus. 

IDefen, die mie mir in der bjauptfadje aus €imeiß 
aufgebaut find, bedürfen deshalb auch auf andern IDelten 
ähnlicher Cemperaturverhältniffe mie bei uns. Aller¬ 
dings hot ja die Batur auch bei uns eine BTenge von 
Schuß Vorrichtungen erfunden, durch die die äußere 
(Temperatur in meit ausgedehnteren (Bremen fdjmanFen 
Faun, ohne einen verderblichen (Einfluß auf die innere 
Körpermärme aus3uüben. IDir Fönnen lange <geit hin¬ 
durch in den tiefen Kältegraden der polarregion leben, 
mo die (Temperatur der uns umgebenden £uft gelegent¬ 
lich bis 3U hnndert (ßrad gegen die unferes Körpers 
verfchieden ift, ohne daß die Blutmärme fich dabei auch 
nur um einen (ßrad erniedrigt. Anbrerfeits haben 
Blenfchen Furje Seit hindurch Cufttemperaturen vertragen, 
die über der des Fochenden EDaffers lagen. Die £uft 
mußte dabet nur fehr troefen fein, damit eine Fräftige 
Derbunftung der KörperfeuchtigFeit eintreten Fonnte, die 
eine genügende Kälte entmicfelte, um die Blutmärme 
normal. 3U erhalten. Bach diefen (Erfahrungen Fönnen 
mir alfo mohl vorausfeßen, daß uns gan3 ähnlich 
organifterte IDefen noch auf EDeltFörpern begegnen 
mürden, deren Durchfd?nittstemperatur felbft bis 3U 
hundert (ßrad auf oder ab von der unfrigen ver¬ 
fchieden ifl. 

3 nnerhalb diefer (Bremen aber liegen höchfltvahr- 
fcheinlich die Cemperaturverhältuiffe im ga^en Sonnen- 
fyflem vom BTerFur bis gegen den Saturn h*n. 

Damit ifl jedoch Feinesmegs gefagt, daß die übrigen 
aftronomifchen Bedingungen der £ebensentfaltung giinftig 
find. EDie mir gefunden hatten, daß die geringere 
Sonnenftrahlung, die dem BTars als planet im gan3en 
megen feiner größeren (Entfernung von der Sonne 3U- 
Fommt, durch feine dünnere Atmofphäre, die meniger 
EDärme verfdilueft als die unfere, für die ©berfläche 
jenes Planeten mieder ausgeglichen mird, fo Fönnen auf 
andern Planeten ja mieder andere Bedingungen ein¬ 
treten, die im umgeFehrten Sinn mirFen. 

Bei Venns 311m Bei piel, deren (Entfernung von der 
Sonne nur etma drei Dien eile von der unfern beträgt 
und die deshalb im galten noch einmal fo viel Sonnen* 
märme empfängt mie unfere (Erde, mird diefer Ueber* 
fchuß tvahrfcheiulich da3u benußt, durch Derdunftung 
großer IDaffcrmeitgen eine dichte, fafl immer molFen* 
behangene Atmofphäre 3U bilden, die einen großen (Teil 
diefer IDärme verfchlucft. <£s ifl deshalb fehr mahr- 
fcheinlid?, daß an der ©berfläche der Denus Feine 
größere IDärme h^rrfcht mie bei uns. 3 n diefer Ejinjtcht 
mürde alfo der (Entfaltung des Cebens, fo mie mir es 
Fennen, dort Fein Hindernis entgegentreten. Die direFte 
Beobachtung beflätigt unfere Schlüffe in Be5ug auf die 
Atmofphäre der Denus. 3 ” befonderen fällen ift diefe 
£ufthüüe direFt oder durch ihr* Strahlenbrechung mahr¬ 
genommen und ihre E^öhe mindejlens der der unfrigen 
gleich befunden morden. S^ar fehen mir, da Denus 
der Sonne näherfleht, meiji nur die derselben abge- 
mendete Seite, mo alfo Bacht h^^fcht, aber auch auf 
ihrer hellbeleuchteten Sichelgeflalt erFennen mir nur in 
felteuen fällen in gatt3 unficheren Umriffeit (ßebiete, die 
auf fefle Kontinente (fließen laffen. Die Atmofphäre 
der Denus gemährt uns offenbar nur fehr feiten einen 
Blicf auf ihre ©berfläche. EDir haben uns alfo mit 
3iemlicher Sicherheit eine diefe, dunftige, feuchtmarme 
£uft vorsufteden, die die Sonnenftrahlen noch nietet auf 


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Seite {298* 


Hummer 28 . 


Me ©berfläche gelangen läßt, Deshalb muß and? ber 
Hoben beftänbig feucht, moraßig bleiben. IPir haben 
Creibhausperhältuifle por uns, in beiten pflanjett üppig 
aufwuchern Fönnen, bie futnpßgen Hoben lieben unb 
bie birefte Sonnenftrahlung entbehren fönnen. 

Daraus folgt alfo mit 3ientlicher IPahrfcheinlichfeit, 
baß auf bem platteten Penus gegenwärtig bie Per- 
hältniffe ber für bie (Erbe um Hlillioneit pon 3 a h re » 
äurücfiiegenben Steinfohlenjeit herrfd?en. 

Hierfür iß eigentlich gar nicht als ein planet ansu* 
fehen. 3 « pielen aßronomifchett Hejiehungen gehört 
er in bie Klaffe ber Satelliten. Dies gilt im befonbern 
pon ber (Eigeitfchaft ber Hlonbe, ihren Planeten ftets 
bie gleiche Seite 3U3uFehren. Hierfür thut bies in He3ug 
auf bie Sonne. Deshalb giebt es für Hierfür feinen 
IPechfel pon Cag unb Had?t. (Eine Hälfte (einer ©ber* 
fläche iß ben Sonnenftrahlen beftänbig ausgefeßt, bie 
anbere fjälfte liegt in ewiger Had?t. Himmt man hm3»# 
baß bie Sonnenwärme wegen feiner großen Höhe 3um 
^eittralherb etwa fechseinhalbtnal iittenfwer iß als bei 
uns, fo begreifen wir, baß bort gan3 grunbperfchiebene 
meteorologifd?e Perhältuifle porliegen müffeit. Dasu 
Fommt noch» baß Hierfür feine ausgebehnte Atmofphäre 
haben fann, was aus ber geringen (Bröße bes platteten 
folgt. Sein Durchmeffer beträgt nur etwa ein Drittel 
pon bem ber €rbe, etwa ^800 Kilometer. Hierfür ift 
alfo nicht wefentlich größer als unfer Hlottb. Diefe 
notwenbig wenig bichte Cufthüüe, bie ber fleine planet 
nur feßhalteit fann, permag fidler aud? nur wefentlich 
weniger IPärme 3U abforbieren, unb es gelaugt besbalb 
ßcher noch Mel über fechseiuhalbmal mehr Sonnenwärme 
auf bie ©berfläche ber ber Sonne 3ugefehrten fjälfte 
biefes platteten. <£s fönnen h^r unmöglich £ebens* 
bebiitgungen herrfcheit, bie ben uitferigen ähnlid? finb. 
£uft unb (Erbbobett müffen pon ben Sonnenftrahlen pöllig 
ausgetroefnet fein, unb bie ©berfläche ntag wegen ber 
fortwährenben (Eiitßrahlung ben Kacheln eines glühen* 
ben ©fens gleichen, oon bem bie heiße £uft auffteigt, 
um irgenbmo einen Ausgleich 3U fud?en. 

(5an3 anbers ßnb bagegeu bie Perhältuifle auf ber 
Seite ber ewigen Had?t. Dem eisfalten IPeltraum be¬ 
ftänbig 3ugemenbet unb pon einer nur wenig fd?üßenbeit 
£ufthülle umgeben, fönnen bie Cemperaturperhältniffe 
bort troß ber größeren Sonnennähe ähnlich fein wie 
bei uns. Pon ber „Sonnenfeite" muß beftänbig ein 
heißer £uftftrom bie Had?tfeite temperieren, pon ber 
umgefehrt ein Falter £uftftrom 3iirücffließt. Diefe eigen* 
tümliche IPelt beßßt alfo einen IPärme* unb einen Kälte¬ 
pol. Heber beiben müffen beftänbig gewaltige luft¬ 
wirbel herrfchen. Heber bem IDärmepol, wo bte Sonne 
ohne (Cages* utib ohne 3ahreswechfel fortwährettb im 
<§enit ßeht, wirbelt bie heiße Cuft unaufhörlich empor unb 
ftrömt in ben oberen £uftfchid?ten bis sum Kältepol 
hin, wo fte aus allen Ceilen ber IPinbrofe sufammen* 
trifft, um hi<*, ber »Men abfließenben falten £uft nach* 
ftrömenb, 3ur ©berfläche l^inabgeriffen 3U werben. 

Swifdten ber Sonnen* unb ber Had?tfeite behüt ßch 
rings um ben Planeten ein (Sitrtel, ben man bie ge¬ 
mäßigte Sötte nennen Föitnte. 3 h n treffen bie Sonnen¬ 
ftrahlen nur fchräg, unb es ift fehr wahrfcheittlich, baß 
hier noch Me Sonne, ohne weber tief unter itod? höher 
über beit f^orisont 3U treten, bod? nod? auf- unb unter¬ 
geht. Hitfer HIonb führt auch nod? eine entfprechenbe 
Hewegung aus, inbent er um eine HTtttellage hi»' unb 

G- — 


herfchwanft. 3 » biefer gemäßigten ober Dämmerungs* 
5one bes Hierfür fann ßch pielleidjt genügenbe 5 eud?* 
tigfeit aufhalten, bie ftch Öen hier am fchwächften wehen¬ 
beit IPiitbeu mitteilt. Diefe 5 eud?tigfeit, bie auf biefe 
IPeife 3ur Hachtfeite hinübergetragen wirb, muß beim 
Kälterwerben ber £uft hier wieber ausgefchieben werben. 
IPir fönnen uns alfo bie Hachtfeite mit beßänbigen 
H>olfeit3Ügen überbeeft bettfen, bie einen fchüßeitbeit 
HIantel gegen bie aus bem IPeltraum einßrahlenbe 
Kälte bilben. Diefe IPolfen werben pon ber fechsein* 
halbmal größeren £id?tfülle, bie bem foititennahen Planeten 
3ußrömt, piel auffattgert fönnen unb beshalb aud? bie 
nachtfeite mit einem Däntmerfd;ein über3iehen, ber piel* 
leicht bei einer größeren £ichtempßublichfeit bort lebenber 
(Sefchöpfe pon IPolfenfd?leiern gebämpftes Sonnenlicht 
burchaus erfeßeit fann. Kur3, es Ißnbert uns nichts, an- 
3unehmen, baß pott jener gemäßigten «gone an bis in 
eine gewiffe (Entfernung pom Kältepol hi» eine £ebeits* 
entfaltung wohl porhanben ift. 

Aber wie feltfam perfchieben muß biefe IPelt pon 
ber unfrigen fein! Keine Abwechslung poit Cag unb 
Had?t, pon Sommer unb IPinter giebt es hier. Ciite 
grofee Heftänbigfeit aller aftronomifchen unb meteoro¬ 
logischen Perhältniffe iß eingetreten. (Ein weites (Sebiet 
bes platteten, etwas weniger als bie fjälfte feiner 
galten ©berfläche, iß h^iß c IPüßenei, alles £ebens bar; 
auf ber entgegengefeßten Seite aber herrfcht lebenbige 
Dämmerung, pon fallen IPolfen ausgehenb, bie immer 
nur in ein unb berfetben Hidßung, nach bem Kältepol 
hin3iehen unb in ihren £ücfen immer bie gleich«, nur 
im £auf poit 88 Cagen einmal auf- unb untergehenben 
Sterne 3eigeit, an einem ^immel, ber niemals eine 
Sonne ober einen HIonb fah- Str>ifd?cn biefen extremen 
(bebieten beßnbet ßch jene „gemäßigte" «gone, bte noch 
einen Souneuauf* unb Hntergang fenitt. Aber bas 
(Eagesgeßirn, faß breimal größer als bei uns, -fteigt 
immer nahesu an ber gleid?en Stelle bes X^orisonts 
langfam unb nur wenig empor, um an ber gleichen 
Stelle auch wieber h^rabsupenbeln. Alle .Haturpec- 
hältniffe bieten mefentlid? weniger Abwechslung, als 
wir es bei uns gewohnt ßnb; bas gan3e Haturbilb iß 
beshalb wohl auch in ben (Einselheiten eintöniger, aus* 
geglid?ener. ©b es bie £ebewefen bort perßanben 
haben, aus ihrer eigenen 3»teliigen3 heraus ftch bas 
£eben oielfeitiger 3U geßalten? IPir wißen es nicht. 
IPir haben überhaupt feinerlei Anbeutung bapon, baß 
auf Hierfür £eben herrfcht, wir finb jebod? bapon über* 
3eugt, baß überall ba im weiten Hniperfum aud? £eben 
ift, wo ihm bie Hebingungen 3U feiner €^iften3 ge¬ 
boten ßnb. 

Aber wir müffen nun pon unferm (Sebaitfenausflug 
3urücffehren, obgleich n?ir faum bie allemächften Hach- 
barftaaten unferes Sonnenreichs befucht haben. IDie 
piele anbere gait3 perfchiebenartige IPelten bepölfern 
ben £?intmel! Hnerfchöpflid? iß bie Pielfeitigfeit ber 
Hatur, bie ße aus ben einfachen prin3ipten ihrer 
(Sefeße eittwicfelt, unb bie wir beshalb auch, geleitet 
pon biefer uns befannten <ßefeßlid?feit, por beit 
Augen unferes (Seiftes entfalten fönnen, ohne all3ufaljch 
31t gehen. Denn was wir HIenfchen itt unferm fchwadjen 
(Seift 3U fombinieren permögeit, bas hat bie unenblich 
fchöpferifche Hatur, bie feine Hlöglichfeit uitbenußt läßt, 
ßd?er irgeubwo auch permirflicht, unb noch unenblich 
pieles mehr, bas feine phantaße ßd? träumen läßt. 

.- --=D 


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Hummer 28. 


Seite \ 299 * 



5tüu tLoubeu Coubet. 

6mpf«ng im ©arten des ©lyttepaUrtcs. 


Coubet. 

Houbet dekoriert einen Offizier. 


Der fiofstaat des französischen Präsidenten. 

fjierju U 2Iufnahmen oon ££on Bouet unb Chuffeau^Iaoiens, paris. 


2 lm 3uli mirb 5ranfreid? mieber unter raufchen« 
bem fein Hationalfejt begehen. Hei biefem 2ln* 


lafc mirb man fid? in erfter £inie ber Uiünner erinnern 2 lusnahmefäHen bie Hebe. 


gefchäfte, aber bas publifum befam iBjit nicht 3U (ßeftcht# 
unb t>on öffentlichem Auftreten mar nur in gan$ feltenen 


ntfiffen, bie berufen maren, mährenb bes nun 3meiunb 
dreißigjährigen Heftehens ber britten Hepublif bie <ße> 
fehiefe bes £anbes als Staatsoberhaupt 3U leiten. 

bjerr iLtyievs, ber erfte präfibent ber britten 
fran3Öfifd?eu Hepublif, ben man heute noch 
nicht anbers als HTonfteur Chters nennt, 
blieb aud? als Präfibent nod? ber Premier* 
minijier. <£in ungemein fleißiger unb ttjätiger 
Hlann, that er alles felbft — alles unb ben 
Heft, mie bie 5 ransofen fagen. 5 um Heprä* 
fentieren t^cittc er Feine 5 eit. €r arbeitete 
in feinem Kabinett unb leitete alle Staats* 


Unter feinem Hachfolger HTacUTahon änberte ftd? 
bas etmas, aber nicht fehr. §mar fiel es bem ZUarfchaH 



















































Seite {300. 


Hummer 2ä. 





lUkafen und Diener im 6lyf£e. 


(Erfcheineri beb ing- 
ten, flößten ihm ben 
größten IVibermißen 
ein. Die Ejauptfchulb 
an biefem Seneh* 
men, bas ihm unter 
Öen Deputierten unö 
Senatoren oieleSein* 
öe machte, mar im 
(ßrunb öer unüber- 
minblichen Schüch¬ 
ternheit öes ZTCar- 
fdjaßs 3U3umeffen, 
öie t£^n nur bann 
oerließ, wenn er 
unter feinen Solöaten mar, (Truppen infpi3ierte ober 
fx ch fonß mit militärifchen Dingen befdjäftigte. 

Der öritte präßöent, Ejerr (8r&>y, l^agte jeöes öffent¬ 
liche Auftreten, meniger aus Schüchternheit, fonöem 
meil er ftch eben nur in feinen oier IVänben mohl fühlte. 
Sn ihm fonnte öas publifum alfo ebenfomenig Fühlung 
geminnen mie 3U feinen beiöen Vorgän¬ 
gern. (Carnot 3eigte fleh 3n>ar öem publi¬ 
fum häufiger, huüte fich aber |tets in eine 
falte IVürbe unö Korrektheit, für öie ftch 
öie 5ran3ofen nicht ermärmen Fonnten. 
(Caßmir-pAricr eilte fo fdjneß oorüber, öaß 
er feine Seit hatte, ftch oröentlich 3U 3eigen. 

Sür 5 elif Saure beßanö fein 2lmt haupt- 
fächlich in öer äußerlichen Hepräfentation, 
unö er fchmelgte förmlich in offoieflen 
(Empfängen, Seßen, Sanfetten, Seifen u.f. m. 

Sei öem großen Raufen mar er öeshalb 
öer populärße präßöent. 

(Emil Coubet iß mohl öer erfte präßöent 
öer öritten Sepublicf, öer feinen Sepräfen- 
tationspflichten mit ruhiger (Semißenhaftig* 
feit nachgeht, öer ihnen meöer ausmeicht 
noch nachläuft, öer ße mit (Taft unö (Be* 
fehief ausfüBt, ohne ihnen eine übermiegenöe 
Stelle ein3uräumett. <£r hat nach unö nach 
öie Sympathien aller Kreife gemonnen unö 
iß jefet nicht mehr meit baoon entfernt, öem 
Siethen öes fran3Ößfchen VolFes näher3u* 
ßehen als jemals ein präßöent oor ihm. 

Seine ruhige unö bod? freunöliche % lVürbe, öie er bei 
feierlichen (ßelegenheiten 3eigt, h a * &en Ceuten impo* 
niert, öie einft für X}errn 5 eli£ Saure fchmärmten. 

3 d? erinnere mich einer VorfteBung im ©be'on 
menige UTonate oor öem (Coö Saures, 3U öer öer prä¬ 
ßöent feine (Begenmart angefünöigt hatte. Die Vor- 
ßellung mürbe megen öiefer Knfünöigung eine halbe 


JHonftevr Croude, erfter Spitzenreiter. 


Der Berr Bausmelfter im 61 yXit, 


Stunöe aufgehalten 
unö nahm erft ihren 
Knfang, als öer oon 
öen Klängen öer 
UTarfeiBaife unö oon 
einer Schar Spalter 
bilöenöer ftäötifcher 
(ßaröißen empfan¬ 
gene präßöent ge* 

Fommen mar. €in 
halbes 3ahr fpäter 
fah ich Coubet mit 
feiner (ßattin unö 
feinem Sohn ruhig 
unö einfach im 
Sran3Ößfchen Charter erfcheinen, ohne UTarfeiHaife, ohne 
(ßaröißen, ohne vorherige KnFünöigung unö ohne 
öaöurch oerurfadße Ver3Ögerung öes Schaufpiels. Coubet 
Fann man aBe (Tage in Öen Knlagen öer (Champs (Elyf&s 
ober im (Euileriengarten begegnen, mo er mit feinem 
Sohn ober mit einem feiner SeFretäre ober fonßigen 
palaßbeamten fpa3ieren geht unö öie (Srüße 
öer Vorübergehenben freunölich ermiöert. 
Unö fo iß unter feiner Kegibe auch öas 
(Elyfrfe meit 3ugänglicher unö gemütlicher 
gemoröen als 3U Saures Seiten. 

Der palaß öer fran3Ößfchen präßben- 
ten iß faum größer unö glän3enöer als 
öie IVohnungen oon h^nöert ober gar 
taufenö reichen Ceuten in paris. 2Tlit 
feinem (Barten nimmt öer (Elyf&palaß ein 
großes (ßeoiert ein, öas oon Öen Straßen 
St. Ejonor^, (Elyf ie, UTarigny unö (Sab riel 
eingefdßoßen iß unö öurdj öie letztgenannte 
Straße in öirefter Verbinöung mit öer 
Koenue öes (Champs (Elyf&s, öer präch- 
tigß^n Straße öer IVelt, fteht. Die Saßaöe 
öes palaßes liegt an öer engen unö burch- 
aus nicht majeftätifchen Hue St. J}onor£, 
mährenb öer (Barten an öie Koenue (Babriel 
grenzt. Seit menigen 3 a hren erß iß ein 
hübfehes (Chor burdj öie (ßartenmauer 
gebrochen, öas öem präßöenten geßattet, 
oon öiefer Seite feinen palaß 3U betreten 
ober 3U oerlaßen. 3 nöeßen mirö öiefe (Ein¬ 
fahrt bei öen ofßjieBen (Empfängen nicht benufet, fonöem 
öie tVagen öer (ßelaöenen fahren öurch einen (Chormeg 
in öer Koenue Utarigny in öen (Ehrenhof, oon mo 
eine breite unö ßattliche (Creppe in öie (Empfangsräume 
öes erßen Stocks führt. (Ein befonöers an3iehenöes 
Silö bietet öiefer 3 ^nenhof an öen (Tagen großer 
(Empfänge ober auch, menn öie UTinißer 3um Konfeil 



Die (Hagen der ^Knitter Im Bof des Slyttepalaftes. 


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Hummer 28 . 


Sette { 50 ^. 



im <Elyf& meilen unb 
nun ihre eleganten 
(Equipagen im £}of 
auf fle märten. Sie 
Säle im palaft finb 
reidj unb vornehm, 
aber nicht befonbers 
prächtig eingerichtet, 
unb auch an Umfang 
flehen fle vielen an* 
bern parifer paläften 
nach- £ine £}aupt« 
annehmlichfeit bes 
<£lyf& ifi ber I^err- 
lidje, mit hunbert- 
jährigen Uiefenbäu- 
men bepflanjte ©ar¬ 
ten, in bem fomohl ber präftbent als auch feine ©attin 
ihre intimeren Sommerempfänge unb ihre beliebten 
©artenfefte 3U geben pflegen (vergl. 21 bb. Seite \ 2 %). 

U?er nicht 3U biefen 5 efUichfeiten 3ugelaffen mirb, 


Präsident Houbet mit Gefolgt im CuUertengartcn. 


3enbfte Uniform an, 
fehmüeft ftch mit feinen 
3ehntaufenb ©rben, 
bie poftidone ber 
(Equipage, bie Cafaien 
unbSiener, einführen« 
ben X^uiffiers unb 
nicht 3ulefet bie esfor- 
tierenben republifa* 
nifchen ©arbiften glän- 
3en unb gleiten, bafj 
ben Sufchauern bie 
Uugen mehthun, unb 
£}err £oubet felbft 
fleht in all ber prun- 
fenben pracht fo ein¬ 
fach unb ruhig aus, 
ba§ man ben £jer3ensmunfch feines Vorgängers, ber 
abfolut eine fchöne Uniform hüben unb ben fchmarjen 
$vad aufgeben mollte, begreifen lernt. 3nbeffen geht 
es bermeilen auch im fdjmarjen 5racf, unb bie natür- 



Der eiytfepalaft, vom park aus gefehen. 



fann fid? bamit begnügen, bie ©äfte anfommen ober 
ben Präflbenten unb feinen fjofjlaat ausfahren 3U fehn. 
Sas festere gefehlt bei ben offenen ©elegenheiten, 
n>o fjerr <£ro3ier, ber feit bem ©obe fjerrn 5aures 
melancholifd? 3U rnerben brohte, mieber einmal ein 
frohes ©eflcht machen 
fann, unb mo £}err 
Croube, ber bem 
einjt fo berühmten 
UTontjarret als erfter 
Spifeenreiter bes prä¬ 
flbenten im 2lmt 
gefolgt ijt, ftch in 
feinem vollen ©lanje 
3eigen fann. Sann 
legt ber ©eneral- 
fefretär ber präjlbent* 
fchaft, ©eneral Su* 
bois, unb ber ©berft 
£amy vom militä* 
rifchen Stab feine glän- 


liehe Sonhomie, mornit ^err £oubet feine 5eflreben 
hält, ©ffoiere beforiert unb frembe Siplomaten unb 
Potentaten empfängt, fleibet ben Präflbenten einer 
Uepublif vielleicht beffer, als es ber von fjerrn 5eli£ 
5aure erfonnene, über unb über mit ©olbflicfereien 

bebeefte 5racf gethan 
hätte, fjerrn 5aure, 
ber ein großer unb 
ftattlicher UTann mar, 
hätte bie fchillernbe 
Uniform ja mohl 
gan3 gut gejlanben, 
aber Chiers, ©r^oy 
unb £oubet hatten 
höchflmahrfcheiniich in 
einem folchen Uuf3ug 
mehr fomifch als er¬ 
haben ausgefehen. 

Karl (Eugen Sd?mibt 

< 35 - 


Der präftdent fährt aus. 


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Seite 1302. 


Hammer 28 . 





Schwimmen und Caucben. 

J)tcr3U 6 ptfotograpbifdjc tnomentaufnaljmert. 



5 afi alle Cebetnefen außer bem ZTTenfchen Fommen 
mit ber Sähigfeit auf bie ZDelt, fd^mtmmen 3U föunen. 
€in Fleiner fjunb, eine junge Kafte, fetbß bas furcht* 
fame ffäslein Fönnen- in bem Zlugenblicf, roo fie jtch 
auf bem £anb bemegen Fönnen, fich auch im tSaffer 
über ber ©berfläche galten; 
felbß Sögel, bie nicht 3U 
bem ZSajfergeflügel gehören, 
oerftehen burch Schtoimnt* 
bemegungen im Ztotfatt ihr 
£eben 3U retten; ftd? menig* 
fiens oerhältnismäßig lange 
Seit burd? Schmimmbeme* 
gungen aller 2 trt oor bem (Eob 
bes (ErtrinFens 3U fchüßen. 

51 tegen unb 3 nfeFten aller 
Zlrt fchmimmen ßunbenlang; 
nur ber ZHenfch frnFt, toenn 
er bie Kunfi, ftd? im ZSaffer 
3U bemegen, nicht erlernt hat, 
rettungslos in bie (Eiefe. 

Sagegen giebt es aber unter 
ben £ebemefen, benen bie 
ZTatur bas Safeiit auf bem 
£aitb uorgefchrieben bat, audj 
feine Künfller bes Schtoim* 
mens im eigentlichen Sinn 
bes ZSortes; £anbtiere neh¬ 
men bas ZSaffer nur frei- 
toiüig an, meun fie fich er* 
frifeben ober bas ZDajfer als 
fjinbernis überminben motten. 

Sem ZTTenfchen bietet bas Senkrecht auf 


Sdjmimmbab in glübenben Sommertagen bie fchönfie 
(Erholung, bas Schmimmen gehört mit 3U ben erfolg* 
reichften förperlid^cn Hebungen, toeil es alle ©rgane 
in Semegung fefet unb befchäftigt. ZßmungsthätigFeß, 
E}er3 unb ZTTusFulatur finb gleichmäßig in Zlnfpruch ge* 

nommen, im gewöhnlichen 
£eben fagt man, baß man 
fich nach einem Schwimm- 
bab „wie neugeboren" fühlt 
Sas ifi feine bloße Hebens¬ 
art; jeber, bem fein (Sefunb- 
beits3ufianb ober eine unüber¬ 
winbliche Scheu ein Fühles r 
wohliges Sab nicht oerfagen, 
bat bie ZDahrheit biefes Zlus- 
fpruchs ficber febon am 
eigenen Körper gefühlt. 

Ser Sabenorfdjriften 
giebt es natürlich niete, hie* 
wie überall giß ber 5ri* 
bericianifcbe (Brunbfaß, baß; 
jeber nach feiner 5affon felig 
werben muß. (Einer liebt es, 
langfam in bas ZSaffer 3U 
geben, ein anberer mieber 
ftürjt ftcb fopfiiber in bie 
51 uten. (Es iß gan3 natürlid?, 
baß fich unter ber festeren 
Kategorie wahrhaft aFroba* 
tifebe Künftler herausgebilbet 
haben, bie, was perfönlkhen 
ZTTut, Ueberminbung bes na* 
dm enmd. türlichen (Befahrgefühls, Kraft: 


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1 















Hummer 28, 


Seite \303, 



Sd?mimm-, Caud?er* unb Spring- 
fports eine füf?renbe Holle gefpielt. 
Hid?t nur 311m Vorteil ber englifd?en 
BeoölFerung, benn ber Sport artete 
in SelbfamecF aus, unb bie jungen 
£eute in (Englanb tourten mit ihren 
atl?letifd?en HTusFeln nichts meiter 
anjufangen, als fportntäßige Hebun¬ 
gen aussufüfyren. ^Erofebem ift es 
fet?r intereffant, 511 erfahren, mie fid? 
bie (Englänber für ihren Sport trai¬ 
nieren. 3 » einer englifdjen Babe- 
anftalt maren t>ier Sprungbretter 
in r>erfd?iebener E?öl?e angebrad?t. 
Das erfte befanb fid? 20 5 uß über 
betn IDafferfpicgel, bas 3a>eite 30 , 
bas britte unb bas eierte 50 5uß. 
Huf bcu unteren „(Etagen" ging es 
gan3 gut, aber bei einer E?öhe oou 
^2 5 uß brauchte ein geübter Sprin¬ 
ger fd?on eine halbe Stunbe 5 eit, 
beoor er ben Blut fanb, fid? von 


Sprung auf Kommando. 


unb (ßerranbtheit anbetrifft, mit 
jebem, ber auf anbern (Scbieteu, 
fei es aus K>agentut, fei es aus 
<£rmerbsriicffid?ten fein Ceben 
aufs Spiel fefet, fiegreid? in bie 
Sd?ranfen treten Fönnen. (Es 
fefct fd?on eine gemiffe Hebung 
Doraus, ftd? felbft aus mäßiger 
f? 5 he in bas bunfle, gähnenbe 
IDaffer h^abjuftürsen. Die 
meiften, bie es in ber Sd?mimm- 
unb (Eaud?Funft meit gebrad?t 
l?aben, merben fid? genug nur 
ungern ihrer erften £ehr* 
fhinben erinnern, meint fie als 
Knaben auf einer nur meter¬ 
hohen Barriere geftanben haben 
unb bie erften perunglücftcu 
E>erfud?e eines mißlungenen 
Kopffprungs machen mußten; fie 
müffen 3ugeben, baß r>ielleid?t 
bas £?öhuen ber Kameraben 
mehr als eigenes HTutgefühl fie 
3U mieberf?olten Perfud?eit bes 
IBagniffes eeranlaßt haben. 
Hbcr mie hi^r, fo überall: 
„Hebung macht ben HTcifter". 

Huf unfern Bilbern fehen 
mir, mie meit ein fiihner 
Schwimmer es beim Springen 
burd? 2 Tiut unb < 5 efd?icFlid?Feit 
bringen fann. Hllerbings ge* 
hört h^r3ii aud? eine beftimmte 
IDijfenfdjaft, menn man nid?t 
gan3 gehörig 3U Sd?aben Font* 
men ober gar nod? bas £eben 
einbüßen mill. 

£Die bei ben meiften Forper 
ßd?en Hebungen, fo hat aud? 

€nglcmb auf bem (ßebiet bes 



flacher Kopffprung aue der Bdhe» 


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Sette \30^. 


Hummer 28 . 



oben Ijerab5uftür3en. Chat» 
fäd?lid? oerfiet?t benn aud? ein 
£aie f aurrt , tote bie £eute 
oon ben fd?toinbelnben 
£?öhen, bie unfere Silber 3ei- 
gen, fopfüber herabfpringen 
Fönnen, ohne irgeubtoelcben 
Schaben 3U nehmen. €s ge¬ 
hört eben eine gan3 außer* 
orbentlid?e Ced?niF ba3U. Die 
meinen phänomenalen(Eaud?er 
fpringen aus entfpred?cnber 
£?öhe 3umeift oonoärts nad? 
oben, fte biegen fid? in ber 
£uft fo 3ufammen, baß bie 
fjänbe bie 5üße berühren, 
unb reden ftd? erft toieber 
fur3 oor ber Serührung ber 
IDafferfläche auseinanber. 

Knbere oor3üglid?e Sd?toint* 
mer unb Caudier jhreden nie 
bie l^änbe soran, fie fpringen 
3unäd?ft mit bem Kopf oor* 
aus unb b^ten &te £?änbe 
erft im testen Kugenblid oor 
<Beftd?t unb Kopf. Sie be¬ 
haupten, baß bas bie bejte 
Krt fei, bas < 5 eftd?t unb ben 
Kopf 3U fd?üfeen. Sei einem 
Sprung aus bebeutenber 
I?öhe liegt bie (Sefahr oor, 
baß ber £uftbrucf bas (Trom¬ 
melfell 3erftört. Um ftd? baoor 3U betoahren, thut man 
gut, ftd? in ®el getränFte Saumtootte in bie ©hren 3U 
fteefen, toeil bann IDaffer nid?t plöfelid? in ben (Sehör- 
gang eiitbringen fann. 

Dor allen Z)htgen barf man beim Sprung bie Seine 
nid?t nad? hinten frümmen, toeil man fonft einen fehr 


empfmblichen Schlag auf bie 
IDaben erhält. <£s liegt 
hierin nod? bie große <ßefal?r, 
baß man ftd? überid?lägt, mit 
bem Süden auf bas IDaffer 
prallt, töoburd? man aus 
e»itfprcd?enber £?öhe, toie 
jeber Sd?toimmer toeiß, ftd? 
ben allergrößten £eibesjd?aben 
5U3iehn Fann. IDettn man 
aus beträchtlicher £?öfje in 
bas IDaffer fpringen toill 
ober muß, hanbelt man am 
beften, toeitn man 3unäd?ft 
hod? in bie £uft fpringt, ben 
Körper in h<>ri3ontale £age 
bringt, bie Krme nad? unten. 
Unmittelbar oor bem IDaffer 
fd?nellt man bie Seine, bie feft- 
gefd?loffen bleiben, 5ußfpifeen 
nad? hinten unb außen, in 
bie £?öhe, legt bie £?änbe 
über ben Kopf, bie Zeige¬ 
finger feft 3ufantmen unb bie 
£?anbfläd?en nad? unten. So 
hat man bie beften Chancen, 
baß man im rid?tigen IDinfel 
in bas IDaffer gelangt. 

£s liegt toohl ein eige¬ 
ner Sei3 bar in, getoagte 
Sd?u>imm- unb SpringFunjt* 
jtüde aus3uführen, aber toer 
nicht bie rechte Uebung hat, foflte ftd? nid?t 3U hals* 
bred?erifd?en Sprüngen oerleiten laffen, unb toer nur 
ein Kbfühlungs- unb <£rfrifd?ungsbab nehmen toill, 
ber thut am bejlen, toenn er es in ber IDeife aus¬ 
führt, bie ihm bie gefahrlofejte unb genußreichfie 3U 
fein fcheint. ntje. 


Sprung mit fcblecbt gefebütztem Kopf. 



6in salto mortale. 


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JTurmtter 28 . 


Seite { 305 . 


fMrtvana. 

SFfoe aus bem parifer Ceben von Karl Cahttt. 


amt, ein billet-doux! , # 3« ber emflen 

KrbeitsForrefponben3 nimmt pch folch ein 
rotgeränbertes ClfenbeinFoupertchen non 
unbefannter I}anb gar 3U neefifeh aus, unb 
man muß fdjon einhartgefottener Sünber fein, 
um nicht 3U erröten, flüchtig natürlich, mie 3tpifd?en 3mei 
Seilen. Über bie (Enttäuschung! €in parfümiertes billet- 
doux mit 5rauendjarafteren bemalt unb (ßafton unter- 
3eid)net. (ßajton, bahinter fteeft Feine Ftau . .. (Safton 
Cerrignac ip’s, ber Machbar, ber brüben im (Barten eine 
Dilleggiatur hat unb ber hinter ben U3aleenbäumchen 
feiner Deranba 3ugleid? bie ret3enb|te aller (Battimten 
perbirgt (Eine (Einlabung 3um Souperl Sieht ihm 
ähnlich. Kaum, baß mir uns 3mei-, breimal formell 
unb aalglatt bie fjanb gereicht, unb nun eine €inlabüitg 
fo 3tuangtos, fo unmotioiert unb blafiert 3ugleid?, bie 
fich in ihrer un3eremoniellen <£legan3 mit ber perfon 
bes Kbfenbers aüerbings 3ufammenreimen läßt. 

Mitunter taucht feine €rfd?einung auf ber Deranba 
auf, ßets tabellos ange3ogen, £}aar unb Bart ibeal 
gepflegt, ber echte Fleine parifer, ber ohne bie fcharfen 
Bügelfalten im pantalon feine Seele aushauchen müßte 
.. . nnb mit unenbüdjer Sorgfalt behanbelt er piertel- 
fhmbenlang feine Fingernägel, glättet unb feilt fie, bis 
nichts mehr bie Miniaturgeometrie bes 3ehnfad?en ©pals 
Pört Der KryPallfneifer mirb 3ärtlich mit bem blüten- 
meißen Cinnen eines eben bem Schrein entnommenen 
(fafthentuchs gerieben, immer mieber unb immer mieber. 
Dabei WicFt ber fo Befchäftigte mit leifer Melancholie 
jnm Fimmel auf, ober auf bie Flehten Beete im Dor- 
g&rtchen, ohne jebod? bie Blüten 3U 3ählen. ffinter ihm 
£eh* eine fchlanFe, hohe (Sefialt im hellen BouboirFleib, 
halb Kau, halb meiß, halb rofa, halb creme, bas reiche, 
btrnFle Staat um ben SüblänberFopf nur leife georbnet, 
«nb ihre Hechte fiüßt pch leicht auf feine linFe Schulter. 
Sie plaubern nicht, fie fehen nichts .. . hinter ihnen 
obt heüer Salon mit einem meißen Steinmayflügel; bie 
fchmalen, hochlehnigen Stühle, bie (Etageren, bie (Tifch- 
chen mobernen Stils, an ben IDänben allerhanb 3m- 
prefjtonijHfches. Das entbeeft ber er fie inbisFrete BlicF. 

^in unb mieber nimmt bas Drehen enter Siqarette 
bie Seit in Hnfpruch, bie anbere nötig hoben, um 3ehn 
3u rauchen ... Darnt fchaüen porn Flügel leichte 
StFforbe herüber, bie eine marme unb nicht 3U umfang¬ 
reiche Frauenstimme begleiten, fpanifdje IDeifen .. . Unb 
manchmal fleht mit einem (Bartenfchippchen in ber 
Hechten, flets in päubchenfreiem (ßehroef, ber felbji- 
pergeffene Kapalier am (Bitter feines (Bartens, um 
einige herübergefallene BobenFrumen pom Kiesmeg 
3urücf auf bie Beete 3U legen; unb itt3mifchen fegt 
fachte mit einem funFelneuen Stubenbefen bie fchlanFe 
Schöne in rhythmifchen Strichen bie pon ber Sofe eine 
Stnnbe 3uoor gereinigte Deranba pon etmaigem Staub. 
Hlit (Einbruch ber DunFelheit erhellen 3ehn in ade <£cPen 
perteilte tampen ben Salon unb bas anftoßenbe <£ß» 
Shnmer. £}err unb Mabame pnb beim Dinieren leicht 
31t fehen, bie Sofe ferpiert fchmeigenb, langfam, metho- 
bifd?. Um Mitternacht pnb bie Dorläben hermetifd? per- 


fchloffen. Der S\ett manbelt eine halbe Stunbe lang 
por feiner Deranba auf unb ab, raucht eine Stgarette 
unb fd?nal3t mit ben Fingern ben beiben Schäferhunben 
3U, bie mie Schlinge rechts unb iinFs pon ihm einen 
Schritt meit ftol3ieren . . . falbem Uhr nachts. Doll- 
Fommene Huhe, PoHFornmene DunFelheit im Räuschen 
'pis«a*pis . . . 

(ßütiger fjinimel — folches Familienleben xft fo 
feiten in ber gallifchen ffauptflabtl 

Unbba mittenhinein in biefenperfchloffenen (Barteneine 
(Einlabungl Heugierbe ifl nicht allein bieUntugenb ber 
Frauen. S«>ei IDefen fo aus nächjler Höhe täglich in ihrem 
dolce far niente 3U fhibieren, bas perurfacht bie pemt- 
genbe Frage: mie pertragen Menfchen pon Floifd? unb 
Blut fold?e freimütige (Befangenfchaft? Sterben fte 
nicht por Cangmeile? — 


Die Begrüßung gan3 einfach in un3eremonieHer 
£legan3. Cerrignac pellt in flüfiernber IDeife mit einer 
^anbbemegung por. Keine anbern (ßäpe. Sie hat pch 
in ihrem meißen Kleib am Flügel niebergelaffen, er 
lehnt fich am Fenjter nieber. (Carmen Cerrignac I Sie 
blieft mit ihren bunFIen, ach fo bunften Uugen nach 
mir hin, ohne mich 3U fehen, träumerifch, in ber Hich- 
tung, nach ber fte burch Faum merFliches Hicfen für 
meinen (Bruß gebanFt. €m ätherifdjes U)efen, bas 
nicht auf biefer (Erbe 311 manbetn fdjeint. 

„Sie mohnen fchön hkr/ beginne ich, um etmas 
3U fagen. 

„(Es ip piü. Man mirb nicht gefehlt," ermibert 
Cerrignac leife, als fürchte er ein lautes €cho pon 
ben XDänben. 

„Sie leben 3 hren Blumen im (Barten?" 

„tt)ir lieben unfere Blumen hn (Barten. Wie 
leben uns felbp." 

(Carmen Cerrignac nieft mie- im (Traum 

„IDir leben uns felbp," mieberholt (Sagten püpemb, 
eine piliperte Sphinj. 

„€iner für ben anbern," behne ich inquiptorifch bas 
(Thema aus. 

„Hein. 3 *ber für pch felbp," prä3iPert mit bem 
blütenmeißen Cafchentuch am pincene3 ber parifer. 
Unb mit langfamem Uugenauffdjlag fefet er hinsu: „Die 
Menfchen, bie für anbere leben, eyipieren nicht. Cgois* 
mus regiert bie XDelt. Bemußt ober unbemußt mirb 
er gefätfeht. (Ein Hebeneinanberleben, bas ip bas 
ein3ige 3U erreichenbe 3öeal, mein ^err." 

(Carmen Cerrignac nicFt mie aus ber Ferne Be- 
pstigung. 

€in mht3iges eleFtrifches (Blöcfchen fchlägt irgenbmo 
potorg en hn Sintmer an. Cangfam löp pd? bie meib- 
Bche Tichtgepalt pon ihrem Siß am Flügel los. Man 
fchreitet auf bem meichen heDen (Teppich bem Speife- 
3hnmer 3U, mo bie Sofe bas hors d’oeuvre ferpiert. 

„Sie mohnen fchon lange ht biefem (Barten?" per- 
fuchte ich oon neuem ein (ßefpräch ein3uleiten. 

„Fünf 3 ahre, brei Monate." 



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Sexte { 506 . 


Bummer 28 . 


„Befud?en Sie oft bas tEf?eoter?" 

Ser fjausfyerr lächelt milb. „(Theater? — V 0 \e 
meit liegt bas 3urü<f. (Benoffen traten mir es, bis 
hierher." Seine meid?e 5rauenf?anb beutet leidit m bie 
l^öhe feines fd?mar3en I?enry IV. 

„Al^upiel Theater? IPohl in ben erßen 3 ohren 
3tirer <£he?" 

Beibe lädieln. „Hein, neinl Siefe unfere Ch* marb 
unfere Rettung por bem Theater unb allem, mas brum 
unb bran bängt, por (Befeflfd?aften, Bällen, pferberennen, 
Babereifen unb bem gan3en tötenben lärm." (Baßon 
feßt fo langfam unb methobifd? feine ZDorte, tote bas 
golbene UTefferd?en bie 5oreHe 3ertei(t 

„Sie befuchen feine (Befeflfchaften?" 

„Bid?ts, rein nid?ts, mein J}err. Das mar unfer 
(Belübbe por unferer Perbinbung." 

„Unb Sie ftnb glücflid??" 

(Ein milbes lächeln, überlegen unb gleidigiltig, er* 
fdjeint auf beiber Sügen. 

„Um uns 3U perßehen, müffen Sie unfere <Sefd?id?te 
fennen. Sie iß banal, ße ifl nicht einmal originell 
IPir finb geborene parifer pon ben beneibeten upper ten. 
3 d], bis 3ur Schule in ben £?änben ber Sienerfd?aft, 
pon \2 bis \5 3 a I?ren bei ben üblichen böfen Streichen, 
pon \5 bis 20 lohnen lebemenfd?, Kenner bes fd?öneren 
(Sefd?led?ts, Perfd?menber mit allen Details, ab 20 3 <*hren 
beginnenber XPibermillen por ber entnerpenben <E|fißen3, 
por 5 rau, (ßelb unb pferb, mit 25 3 ohren einlaufenb 
in ben £?afen felbßgemählter Bube. Carmens ( 5 efd?id?te 
ber rpeibüche parallelgang ber meinen, penßons- 
fimpelei, bann bie Salonbeuchelei, bie 3 ogb über bas 
parfett, burch bie Theater unb bie UTobeorte. JUit 
23 3ohren fo meit mie ich, dägout compiet por ber 
tPelt." 

„Sie fahren nicht aus, ZTTabame? 3 ns Bois?" 
merfe id? nach einigem Schweigen ein, um auch fte 
3um Sprechen 3U bringen. 

„IP03U?" ermibert fte im Tonfall bes (Satten, „bie 
luft bi^r in ben (Bärten ijt gut." 

„Um bie 2 Tienfd?en 3U fel?en?" 

„0, ich h<*be einen Sd?re<fen por ben UTenfchen! 
Ser lärm, ber Staub! Unb bas fabe (Seplapperl 3 ^h 
gebe nicht aus." 

„Sie lieben bie XTCußf?" 

„Poch einen Ueborreß bapon. Spanifdie UTelobien 
poK füßer UTelancholie. Sie erinnern mich an bie Ab* 
fiammung meiner Familie." 

„Sie lefen beibe mobl piel unb gern?" 

„Behüte!" mehrt lerrignac mit pblegmatifcher (Beße 
ab. „Sie Bücher! Schweigen Sie mir pon ber 2 Peisf?eit 
biefer auch fo überlebten, bis 3um Ueberbruß genoffenen 
Unterhaltung." 

„Sodi bie Leitungen . . ♦?" 

„Seitungen! 2 T?ein fjerr, permögen Sie noch fo etmas 
3U lefen? <£tma bie politif? IPenn fich bie 2 T!enfd?en 
um berentmiHen bie Köpfe einrennen I Aud? mich hoben 
fte mit meinem (Selb einß in irgenbeiner guten propin3 
3um Deputierten madien rnoüen . . . Sann bie Beuig* 
fetten pom Tag! 2 Ule fchon bagemefen, lohnt nicht 
bec Blühe, fte anjitfebn ..." 3mnter langfamer fommen 
^ie IPorte; lerrignac fcheint bas ungemohnte Sprechen 
3U ermüben. 

„Sie lieben feinerlei Aufregung?" 

„Aufregungen?! (Siebt es folche für uns, bie uns 
httereffieren fönnten, bie mir nicht alle früher burd?* 


gemacht im Taumel bes fogenannten Gebens ? Bein, 
nein, es giebt feine Aufregungen." 

„Unb Sie arbeiten nidit, Sie fhtbieren nicht?" 

„Arbeiten? Stubieren? IP05U bas! <£s giebt feine 
Arbeit, bie pon Bebeutung für bie IPelt märe, gefchmeige 
benn für bie perfon, bie fte perrichtet. <£s fei, baß 
fojiales UTißgefd?icE 3um Arbeiten nötigt 3 ch hin nicht 
in ber läge." 

Perlegen fudie ich nach einer Drehung bes (Sefprächs, 
mährenb er forgfältig bas Seffert 3erlegt. 

„Sehen Sie nicht oft 5 reunbe bei ßd??" 

„Biemals! Keine Permanbte, feine fogenannten 
Äreunbe. IPir leben für uns unb merben bis an bas 
<£nbe unferer Tage fo leben. Bur feine frembe Seele 
in unfern UTauernl" 

IPie man bas (Erröten mitunter fühlt! 3 d? lehne 
mich mit einem Bucf 3urücf unb perhehle mein (Er- 
ßaunen nicht . ♦ . 

„ 3 o, mas perfd?afft mir bann bie &qce einer (Ein- 
labuttg?" 

langfam erhebt ßd? ber Hausherr; Carmen unb ich 
thun besgleichen. Cr hängt ftd? fachte in meinen Arm 
unb geleitet mich in ben Salon 3urücf. 

„Das miH ich 3 hnen braußen bei einer Si^orette 
por ber Peranba fagen." 

Carmen hot ftd? mit einem leichten Bicfen bes Kopfes 
perabfchiebet unb surücfgejogen. 

Draußen in ber Abenbfühle, immer auf meinen 
Arm geftüßt, beginnt lerrignac: 

„Sie fragen, mesholb mir Sie miber unfere prin* 
3ipicn 3U uns baten. Das iß nicht fo leicht 3U beant- 
morten. Unb bod? muß id? freimütig fein, ba ich nicht 
annehme, baß Sie beleibigt fein merben. Senfen Sie 
ftd?, Carmen unb id? leiben feit pier3ehn Tagen an 
einer feen 3&*e. iß ein mirfliches pfyd?ifd?es 

leiben für uns gemorben. Wxt fürchten fo jel?r bie 
Beobaditung in unferer Snrü<fge3ogenheit. Unb Sie 
bürfen miffen, baß mir beibe mie UTönd? unb Bonne 
für bie Außenmelt tot fein maßen —" 

„Sie hoben über 3 nbisfretion meinerfeits 3U 
flagen?" 

„Bein, nein, taufenbmal nein! Aber als unfer ( 5 e- 
genüber müffen Sie ge3mungenermaßen auf uns auf- 
merffam gemorben fein, für uns 3ntereffe gefaßt hoben. 
Pom portier hörte id? bann, baß Sie gar 3 °omaliß 
ftnb. Sie perßehn —!" 

„Bein, id? perftehe mirflid? nicht — V* 

„Sann muß id? mid? beutlicher erflären. 3 ^! — 
mir famen auf ben (Sebanfen, baß Sie ein großes 
3ntereffe für unfer — es ifi mahr! — etmas unge- 
möhnliches leben faffen müffen, menn Sie es jahrelang 
fo aus nächster Bähe perfolgen. Unfere ft£e 3 &ee iß 
nun, baß bies 3 ^ rc ffo 5 ie 3U einer Stubie in einer 
3hrer &e\tux\Q en über unfer leben peranlaffen fönnte, 
fo ein Chema mie ,bas €nbe 3meier ^ypermobernen 4 
unb bergleichen —" 

„ 3 hr Safein bas (Enbe 3meier ^ypermobernen! 
lieber (Sott, id? fd?mur bis heute auf bas Safein 3meier 
Curteltäubchen! Kein (Sebanfe an ein Cffay, bas Sie be¬ 
fürchten." 

„Sann iß es gut! Ser (Sebanfe an ein fold?es 
Se3ieren unferer <E^iften3 mar mir unausßehlid?, unb 
fo faßten mir ben fchmeren (Entfd?luß, Sie ein3ulaben, 
um Sie 3U bitten, ßd? nie 3U einer Seile über uns per* 
fud?en 3U laßen. Sie holten uns für Turteltauben* 


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Z&ttnmer 28 . 


Seite { 307 . 



prinzeffin Viktoria Luife von preussen. 

ZTeuftc porträtaufnaljmc pon £jofpl[ot. (L B. Doigt, fjomburg p. b. £j. 

J 




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Seite 1308 . 


Bummer 28 ; 


ibioten. Schabet nichts. 3 ch bin beruhigt unb banfe Sämmerungspromenabe por ber Deranba, felje feine 
3 h«en. Sie werben uns nicht 3Ümert/ Sigarette glimmen unb ii&ve hin unb wieber ein paar 

* * * leichte, warme, fanfte, einluüenbe Kfforbe burch bie 

3 ch bin nie wieber bei bem intereffanten (Ehepaar laue Kbenbluft wehen . . ♦ 
gewefen. 3 ch fehe nur bisweilen terrignac auf feiner Derlöfchen — Birwana . . . 

o — ■■■ 

Orcbideenzucbt im Cdicncr Rofgarten. 

Zladi i>ert 2 ttitteitungen bet Kotfcrlidjcn fjofgarten&ireftion £Dten*Sd) 3 n£>runn. Don Bettina tDirtlj. 

fjterju 3 pfjotograptyfcije Knfnafymett Dort 2L Karl Sdjufhr, Wien. 


3n ber öfterreichifchen SeichsgartenbauausfteHung, 
bie im ©ftober porigen 3 a h*es in 0?ien abgehalten 
würbe, war trog h^rrlichfler unb feltenjter Blumen- 
fammlungen ber „<£lou*, eine ©rchibeenfämlings3ucht 
größeren Umfangs, bie alle Kusbilbungsjtufen von 
ben erften Keimlingen bis 3ur entwicfelten pflanje um¬ 
faßte, bie $um Ceil nur burd? bie barüber gelegten 
Cupen für bas Kuge erfennbar waren. KusfteHer 
biefer hod?intereffanten unb gan3 neuen ©ruppe war 
bie Kaiferliche ^ofgartenbireftion in Schönbrunn. 5 ad?* 
männer unb Ciebhober proteftierten einftimmig bagegen, 
baß eine fo wertpotle Sammlung ber ©efat?r bes Der- 
berbens ausgefegt werbe, aber ber Kaiferliche f?ofgarten- 
bireftor Knton Umlauft perftdjerte, bas höbe nid?ts 3U 
bebeuten, beim bie Sol?t ber in ben ©rd?ibeenan3ud?t- 
t?äufem in Schönbrunn porhonbenen Sämlinge fei of?ne- 
bies fo grog, bag bei weitem nicht alle fertig fultwiert 
werben fönnen. ©benfo bereitwillig, wie fie bie Kus- 
jteflung befd?icfte, hot fich bie Kaiferliche £?ofgarten- 
bireftion bamit einperftanben erflärt, baß bas Schön¬ 
brunner Un3uchtDerfahren in einer Beif?e von Silbern 
für bie „IDodje" aufgenommen werbe, unb fte t?ot 
überbies noch bie UTitteilungen 3ur Verfügung gegellt, 
burch bie bas fonft fo forgfam gehütete ©eheimnis for 
©rd?ibeenan3ucht aus Samen offen bargelegt wirb. 
Um ben IDert biefer Silber unb ZlTitteilungen richtig 
fd?ägen 3U fönnen, mug man fich folgenbe befannte 
(Ehatfachen ins ©ebäd?tnis 3urücfrufen. Befanntlid? 
müjfen bis jegt alle ©rchibeen immer wieber neu aus 
ben Cropen, houptfäd?lid? ous Sübamerifa, geholt 
werben. Sie großen englifchen Jirmen fehiefen ihre 
Beifenben alljährlich aus unb richten beren Knfunft an 
©rt unb Stelle fo ein, bag fte bie ©rd?ibeen in ber 
Uuhe3eit einfammein fönnen. Sie perpacfeit bie ge- 
fammelten Pflai^en forgfältig mit £?ol3fpänen in 
Ääffern unb fchiden fte nach ©uropa, wo fie in per- 
bunfelten ©lashäufern aufgelegt unb porfichtig wieber 
an 5eudjtigfeit unb £id?t gewöhnt werben, bis fie nach 
tDod?en bie ergen Triebe 3eigen, benen halb bie Ü)ur3eln 
folgen. Sun erg werben fte in Cöpfe ober ZTToosförbe 
perpf(an3t, in beiten fte gewöhnlid? fchon im ergen 3^hr 
reichlich blühen. Solche 3ntportationen, bie aus pielen 
Caufenben pon pflat^en begehen, werben forgfam über¬ 
wacht, ob fich nid?t Spielarten barunter beftnben, bie 
im fjanbel unbefannt finb. 5 inben fich folche Spe3iali- 
täten barunter, 3. B. bie gan3 weiten Kbarten aller 
befannten Sorten, fo werben fte abgebilbet unb in 5 ad?- 
fdjriften befchrieben, worauf als halb bie Angebote ein- 
treffen. 23 000 ZTTarf ig ein pon Sammlern nicht feiten 
gebotener preis für eine gan3 feltene pflan3e. (Be* 
wöhnlich gelingt es nicht, eine pfla^e 3U teilen, fte 


bleibt ein Unifum, auf bas ber glücfliche Sepger unge¬ 
heuer P0I3 ig. Sie gan3 weige ©attleya ig 3. S. bet 
ihrem jebesmaligen Kuftauchen pon amerifanifchen 
Uliliiarbären fofort aufgefauft worben. 

(Es ift wohl begreiflich, bag biefes gan3e umftänb- 
liehe Verfahren bie ©rchibeen 3U einem beinah uner- 
fdringlichen Cujrusprobuft macht, unb bennoch finb fte 
fo allgemein beliebt, bag es wohl ein Derbieitg ift, wenn 
fte auch minber bemittelten Kaufluftigen 3ugänglid? ge¬ 
macht werben. Kber nicht nur bie Derbilligung unb 
allgemeine Derbreitung ber ©rchibee wirb burch beren 
2lii3ucht aus Samen erreicht, auch ihre ©ntwidlung unb 
Derpollfommnung gewinnt baburch. 

Sie Befruchtung ber ©rchibeen in ber Batur ge- 
fchieht burd? Ciere unb ift gan3 bem Zufall überlaffen. 
(Es fommen beshalb natürliche Kreu3ungen nur fehr 
feiten por. Sei ber Kn3ud?t aus Samen werben burch 
fünftliche Kreu3ungen eine ZTCenge gan3 neuer Kbarten 
er3ielt werben; es werben auch burch fünftliche Sucht¬ 
wahl wichtige Serbefferungen 3U erreichen fein. So 
giebt es ©rchibeen, bie prachtpoüe Blüten, aber gan3 
furse Stengel h a &en, fo bag fte 3ur Slumenbinberet 
nicht 3U perwenben ftnb. fjier wirb ber ©ärtiter eine 
Kreu3ung mit einer langgeftielten pftan3e pornehmen 
unb bem Uebelftanb baburch abhelfen. Kud? bie 
Kreu3ung 3wifchen blafcgefärbten, aber fchöitgeformten 
unb fchöngefärbten Blüten lägt ftd? ausführen. 

(ßroge Dorteile perfpricht man ftd? pon Kreu3ungen 
3wifchen fchönen ©rd^ibeen, bie ein fehr heiges Klima 
per langen, unb folchen, bie mägigere Cemperatiu: per¬ 
tragen,'weil bann bie Kultur ber erfteren weniger foft* 
fpielig fein wirb. 3 n Schönbrunn hot mau fdjon er¬ 
reicht, bag bie €r3eugniffe folcher Kreu3ungen in 
niebrigerer (Temperatur fich fröhlich entwicfeln. 

ZtTan hot fich longe nicht mit ber Keucht pon 
©rchibeen aus Samen abgegeben, weil fie aüerbings 
in ben Anfängen fehr fdjwierig ift, unb weil allgemein 
am (Blauben feftgehalten wirb, bie ©rchibee fomme erjt 
im 3ehnten 3 a hr 3ur Blüte. Siefer ©iaube würbe in 
Schön Brunn im grogen ZTCagjtab wiberlegt, benn man 
hat bort fchon im pierten 3 a hr pflogen mit Blumen¬ 
feheiben er3ielt. IDenn bie ©rchibee nicht pon Knfang 
an ben richtigen Bährboben erhält, bürfte fie aüerbings 
3ehn 3 ohre 3ur Pollen ©ntwicflung brauchen. 

3n ber ^eimat wachfen bie meiften ©rchibeen — 
mit Ausnahme ber (Erbordjibeen — auf ber borfigen 
Sinbe pon Stämmen unb Kejten, an Stellen, wo in 
ben Siffen Staub unb taub, flechten unb ZTToofe ange* 
fammelt unb permobert ftnb. Siefe Bahrungsporräte 
finb fehr gering, wesholb bie pflogen fo lange Seit 
3ur<£ntwidlung brauchen; befchleunigtwirbbaslDachstum 


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tTummer 28 . 


Seite {309. 




Die jviutterorchideen mit Samenkapreln. 


burd? Verabreichung beriet geeigneter Stoffe in reichlichem 
ZTZa§. €s hat (Ich in Schönbrunn gejeigt, baß man mit 
reinem, piljfreiemfiichenmober, Fleinen StücFchenf^oIsFohle 
tmb quarjigem Sanb gan3 überrafchenbe Befultate erjielen 
Fann. 3n neufter Seit hat man auch perfudjt, ©rchibeen 
in Cauberbe 3U Fultipieren, unb an manchen ©rten fchöne 
Befultate erjielt, aber es hnt ftch in Schönbrunn er* 
triefen, bafc biefe Krt Kultur piel größere KufmerFfamFeit 
erforbert unb bafc man, menn bie Cauberbe nicht im rich¬ 
tigen Dertoefungsftabium 
ift, leidet entmutigenbe 
ZTTißerfolge herbeiführen 
Fann. Die obengenannte 
ZJTifchung bagegen mit 
Beimengung pon 5arn* 
n>ur3elerbe giebt einen 
locFeren Boben, ber bem 
natürlichen Stanbort 
biefer pflogen fehr ähn* 
lieh ijt unb ein rafches 
Jüachstum beurirft. 

Bet ber Keucht aus Sa¬ 
men muß man por altem 
barauf bebacht fein, 
bafj bie ZTCutterpfIan3e 
nur eine SamenFapfel 
trägt; hat pe mehrere, 
fo urirb fte gefchmächt, 
unb bie Kusbilbung 
ber Samen leibet barun* 
ter. €irie SamenFapfel 
enthalt in ben meiften 
5äHen ^unberttaufenbe 
pon Samen, bie urie 
Staub ausfehen unbberen 


freiem 2Iuge nicht tpahr* 
3unehmen jtnb. ZTur bie 
in ber ZlTitte ber Kapfel 
liegenben Samen jtnb 
Feimfähig. Ser (Bärt* 
ner unterfucht mit £}ilfe 
bes BTifrofFops, rnelche 
Samen Feimfähig jtnb, 
benn bie Kapfel Fann auch 
gait3 mit taubem Samen 
gefüllt fein. (Ergiebt 
bie Knterfuchung ein 
befriebigenbes Befultat, 
fo Fanit fogleich 3um Kn* 
bau gefd^ritten merben. 
(£ichenmober, gehabtes, 
feines ZIToos ober ausge¬ 
gorene Sägefpäne merben 
in Santenfchüffeln auf* 
gefiellt unb mit Samen 
angeftaubt, bann in eine 
IPafferfchüffel gepellt, 
bamit bie 5 euchtigFeit 
pon unten ange3ogen 
tpirb. 2Tlan hot pielfach 
bie Samenfchüffetit por 
ber Sonne be tpahrt, fte 
in ben tiefften Schatten 
gesellt, unb bas Be* 
fultat mar, baß BToofe, flechten unb pil3e unbe* 
hinbert tpuchfen unb bie pflän3chen im Keim erjHcften. 
Blan muß bie Samenfchüffetn an lichte ©rte, an bie 
Sonnenfeite bes fjaufes fleüen, bicht unters (Blas, unb 
fte fo tpie bie Blutterpfla^en behanbeln. Blan hat 
eine (Srunbbebingung beim Knbau ber ©rchibeen bisher 
überfehen: bie Beachtung ber CrocFenperioben, bie 
man fte fo burchmachen laffen mu§ u>ie bie Blutter 
pflan3en. BTan hat ftch gefürchtet, fte troefen tperben 


ein3elne Körnchen mit Sieben Stadien im tKtachsUim der Sämlinge. 


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Seite \ 5 \ 0 . 


Hummer 28. 


3U taffen; es fchabet timten aber nicht einmal eine 
tpodjenlange Crocfettperiobe. Sotpie bie Degetations5eit 
in ber fjeimat anbricht, tpadjfen auch bie Keinen 
pflanäen tpieber. Die ©rchibeen feinten gan3 eigen¬ 
tümlich unb abmeichenb pon anbern pfla^en. 

Der Samen toirb 3uerft grün unb treibt auf einer 
Seite einen facfförmigeit Uusrouchs, aus bem bie erfien 
Blättchen h^ruorfommen. Das erfte tPürselchen ifi mit 
feinen Saughaaren bebecft. Das gan3e 3 nbipibuum 
liegt nur Iofe auf ber €rbe auf unb tpirb in ber Hatur 
pom tPinb pertragen. Wenn biefes Stabiunt eintritt, 
mug ber < 5 ärtner barauf bebacht fein, bem pflän3chen 
neuen Hährboben 3U geben, benn ber alte hat rtid?t 
mehr Kraft genug, um fte im rafchen IDadistum 3U er¬ 
nähren. Hun fommt eine furchtbare ©ebulbprobe. 
Die pf(an3en finb fo Kein, bag ber ©ärtner fte mit bem 
biogen Uuge faum tpahrnehmen faitn, beshalb nimmt 
er mit ber im Uuge eingeflemmteit £upe bas Umfegen 
por. <£r h a * * ln haarfein 3ugefpigtes Stäbchen, mit 
bem er bie pflän3chen aus bem Hährboben tuegholt 
unb fte auf ben neuen Hährboben legt. Diefe ©peration 
mug bis 3um (Erfcheinen ber eigentlichen U)ur3eln mehrere* 
mal tpieberholt tuerben, befonbers tpenn ftd? auf bem 
Hährboben Sdjimmelpi^e 3eigen. Hach bem erfien 
halben 3 <*hr, n?enn ftdE? bie jungen Keimlinge betpurseln, 
müffen fte etit3eln in Keine Cöpfe gefegt tuerben. 3 « 
biefen Cöpfen bleiben fte längere Seit, bis ftd? ihre 
XDurjeln ftarf entrpicfeln. Sie Cöpfe müffen mögliche 


nahe ans Cicfjt gerüeft unb nur gegen bie heigefte 
ZHittagsfonne gefchügt tuerben; auch müffen fte mit 
guter Drainage perfehen fein. (Erft tpenn bie U)ur3eln 
ben Copf ausfüllen, tpirb tpieber perfegt. 3 m neuen 
Copf barf bann fräftigere Kofi fein, faferiges (Erbreich 
mit englifchem „pit" (5armpur3elerbe) permifdjt. So 
toachfen bie pfla^en tpeiter, bis fte im pierten 3ahr 
Blütenanfäge 3eigen* U)enn fte fchon gröger ftnb, 
fönnen fte je nach ber ©attung in Körbchen ober (Töpfen 
meiterfultipiert tuerben. Cattleyen, Deutrobien, IDanben, 
©ncibien entrpicfeln fleh beffer in hängenben Körben; 
UTasbepaHien, Cypripebien unb alle (Erbodjtbeen fommen 
in Cöpfe. Die Crfahrung hat ge3eigt, bag bie aus 
Samen ge3ogetten pflan3en piel fchönere Blumen er* 
3eugen als bie alten Kulturpf(an3en. % 1 

3 n Schönbrunn ftehen jegt JO 000 <£in3etpflan3en in 
Cöpfen, bie in ben Samenfchüffeltt ge3ogenenpf(an3en aller 
©attungen unb Urten ftnb unsählig. ©egentpärtig tpirb 
ein neues fjaus nur für Sämlinge gebaut, bas 30 UTeter 
lang unb 8 UTeter breit fein tpirb. 5 ür bie Kreu3ungen 
tpirb eine reiche Uustoahl pon UTutterorchibeen bereit¬ 
gehalten, bie bireft aus ben Cropen importiert tpurben. 
Un alten blühenben pfla^en hat Schönbrunn J 5 000 
fchöne (Exemplare, bie in acht ©lashäufern untergebracht 
ftnb. 3m Horjahr hat bie faiferlidje fjofgartenbireftion 
3tpei Sammlungen angefauft, bie tpeit über bie ©ren3en 
©efterreichs hinaus befannt tparen, bie Sammlung bes 
Barons fjruby unb bie bes nürnberger pripatiers Sorfler. 



Im Baus der Sämlinge: Der Särtner verpflanzt mit der Hupe die hieinen pflanzen aus den Bamenfcbürreln. 


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Hummer 28. 


Seite 15U 



„fiter gtebt cs 6ITcii“. 

3U (Ettbe gellt beoor er 
ihm jufagenbe Arbeit ge- 
funben t^at, fo barf er 
getrojt bet einem Uteifter 
bas bjanbwerF grüßen unb 
um einen §ehrpfemtig für 
bie IDeiterreife bitten. Pas 
nannte ber fjaubwcrFsgefell 
echten", unb nod? in 
fpaten 3 a ^ rcn er3äl^lte ber 
5Ünftige IjanbmerFsmeifter, 
ber längft in gutem Srot 
unb tu IDürben faß, oon 
feinen ,fechtFunfiftückdicn; 
in ber 3 nan fP ruc *?nahme 
feiner Serufsgenoffen lag 
burdjaus nichts (Entwürbi* 
genbes. 

Pas ift gan3 anbers 
getuorben. Pie unerbittliche 
StatiftiF lehrt uns, ba§ bie 
^eerftraßen aller 3it>ilifter* 
ten £änber heute oon einem „Rier muss man 
Xjeer oon Dagabunben be- arbeiten“. 

oolFert ftnb, bie, nach 
£?unberttaufenben 3äl]lenb, ruhelos uon einem 
0 rt 3um anbern wattbern, benen bas Dagieren 
Selbfaroeck geworben ift unb mit ber Saga- 
bonbage 3ugleich ber fyftematifdte unb orgatti« 
fierte Settel. Per ftaatlichen Kuffi<ht ift biefer 
Krebsfdjaben fo wenig verborgen geblieben 
wie ber privaten Kbwehr; es haben ficf> 
Dereinigungett aller Krt gebilbet, um einer* 
feits ber Ueberhanbnahmc ber Pagabonbage 
3u fteuern, unb anbrerfeits jenen (Elementen, 
benen noch 3U h e lf cri ift» Kettung, Unter» 
ftütjung unb t>or allem Krbcit 5U t>erfd?affen. 
hierher gehören bie chriftlichcn Verbergen 3iir 
^rimat, bie Derpflegungsftationeu unb bie 
Urbeitsnachroeife, bie in fo3ialpolitifcher (Er* 
Fcnutnis biefes XTotftanbes gegrünbet würben. 
Pemt au bem Dagabunbenwefen trägt ber 
<Ein3elne feine Sdjulb, es ift eine folge ber 
Derauberuttg unferer probuFtion; ber (Sroß* 
betrieb unb bie allgemeine (Einführung ber 
ITtafchtne, bie bte h an ^ roer ^ntäßige Arbeit 


„plach, dass du forthommfti“ 


„Xm 6artcn ift ein Rund". 

oolle Reichen, bie fte bort, 
wo fic einmal gewefen ftnb, 
hinterlaffen, ihren „Scrufs- 
genoffen" Nachrichten, bie 
für biefe wertooll unb 
unerläßlich ftnb. Natürlidj 
ftnb fol<he Reichen nur bem 
(Eingeweihten oerftättblich; 
jeber anbere nienfdi geht 
achtlos an ihnen rorüber 
unb ahnt nicht, bag irgettb* 
ein Kreis, ein Quabrat 
ober einige Striche, bte an 
einer Plauer, einem §aun 
ober einem Ejaus ange* 
brad)t ftnb, eine gatt3e 
(Schichte er3ählen Fönnen. 

Pas gan3e Sieben bes 
„Kunbett" breht ftch um 
bett Settel; fein fühlen, 
PcnFen mtb Clradtten geht 
nur bahin, wie er ftch 
„Drei fraucn im möglichft mühelos bie 
fiaufc! “ wenigen Pfennige rerfd^aff t, 

mit beren b?ilfe er feine 
Jlafdte füllen unb in irgenbeiitent IDinFel einer 
Verberge nächtigen Faun, wie er ftch bie 
Nahrungsmittel erringt, bie er 311 feiner 
notbürftigen Sättigung bebarf. Ejat er ftch 
in ben Sefit3 biefer bringlidjften Pittge gefeßt, 
fo blickt er wohlgemut bem Fomttiettbeti (Tag 
entgegen, um ben Kampf ums Pafeitt rou 
nettem 311 beginnen. (Es ftrtb ber Sebürfttiffe 
nicht uiele, bie er h a *' aber f ie nehmen bod> 
feine gatt3ett Kräfte in Kttfprndi, unb biefes 
Sinnen unb (Erachten fornmt auch in ben 
geheimnisvollen Seichen unb 3 n fd? r tf* en f 
mir auf unfern Silbern wiebergebett, aus* 
fddieglid? 311m Kusbrutf. Per „Kuttbe" ift 

babei von einem gewiffen Solibaritätsgefühl 
befeelt; er will bem Sdjickfalsgenoffeit, ber 
nadj ihm biefelbe Straße 3ieht, feine (Erlcbniffe 
unb (Erfahrungen mitteilen, um biefett cor 
unnötiger „Krbeit" ober Schaben 31t bewahren. 
So beutet ber ÜTenfcheufreunb, ber bett §irfel 
mit bem Kreu3 auf ttttferm erften Silö auf 


Kundenfpracfje. 

f)ier$u 7 pbotoijrapbifdje Uufnabmen. 


Pie poefte bes IDattber- 
Iebens ift bahin. Per E}anb* 
merFsburfche, ber, wie es im 
Sieb hß^B^ nac *? f?anbroerFs* 
gebrauch wanbertt mußte, um 
fid? enblich als 3ünftiger 
I^anbrnerFsmeifter nieberlaffeit 
31t Fönnen, ift oon ber £anb- 
ftrage oerfchwunbett, fein fröh* 
Iid?cr Sang ift oerftummt, nur 
noch feiten unb vereitelt 
fieht man bett braven (Sc* 
feilen mit Härtel unb IPan* 
berftab feinen IDeg 3iehett. 
(Er ift im Beftß eines regel¬ 
rechten XDanber buches, ein 
väterlicher ober mütterlicher 
Spargrofchcn befdjwert feine 
dafd?e, unb wenn bas (Selb 


ablöften, machen namentlich 
bei Stockungen bes Setriebes 
unb bei ^anbelsFrifett viele 
Arbeiter überflüffig, bie auf 
bie £anbftraßen getrieben 
werben unb fdjlieglich in bas 
Dagabunbentnm verftnfen. 

(Es ift gatt3 natürlidt, bag, 
ba bas Dagabuttbetttum ftd? 
bei uns unb auch anberswo 
gewiffermagen 3U einer Fott* 
ftanten (Erfcheittung entwickelt 
hat, ftch bei biefen Unglück¬ 
lichen gan3 beftimmte Sitten 
uttb (Sebräuche gebilbet haben. 
Sie befißen ihre eigene Sprache, 
bie fid? nicht nur in IDorten 
ausbrüeft, fonbertt fte über¬ 
mitteln auch bur<h geheintttis* 


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Seite \ 5 \ 2 . 


Rümmer 28. 


■ Me Ittauer gemalt tyat, an, baß Me £ente, bie hinter 

btefer Blauer wohnen, ben müben IPanberer mit einem 
Jrnbiß unterftütjeiu Pas Dierecf auf ben gaunp laufen 
bes jmeiten Bilbes warnt baoor, ben gaun 3U über« 

(teigen, benn — es ijt ein fjunb im (Saiten. 0 b bas 
geidjen auf bem britten Bilb ebenfalls eine IDarnung 
ober eine (Ermutigung beöeuteu foll, fann nur ein 
mafdjedjter „Kunbe" wißen, es bebeutet: „fjier giebt 
es Arbeit" Pie„lPinfel3Üge" auf unferm Merten Bilb 
geben bem Kunbigen eine fetjr wertvolle JPeifung. 

3 n unfere Sprache überfeßt, lautet fte: „(E^ähle eine 
rütjrfelige (Sefdjiihte, es finb brei grauen im f?aus!" 

Pa heißt es alfo lügen — „Kohl machen", wie ber 
Kunbe fagt — e^ählen oon ber großen Krbeits- 
lojtgfeit, oon gräßlichen Unglücfsfällen in ber familie 
tu f. w. Pie pfeilftridje auf bem fünften Bilb geben 
eine beher3igens werte Bräunung: „Btad? fc^ueü, baß 
bu fortfommft," unb biegeichen auf ben beiben anbem 
Bilbern l^abeii ebenfalls troftlofen Inhalt: „(Es hat 
feinen gweef ", unb „ber Beftfeer läßt bie pol^ei holen". 

So geht man, baß Bieroglyphen unb Keilfd^rift 
in nnferer geit nod? nid?t ausgeftorben ßnb, mit 

__ ihrer <Ent3i(ferung befchäftigen m aber weniger 

„Bier bat'« keinen Zweck". (Seieste als pol^ei unb (Senbarmen. a <L „Der Befitzer Utost die poUzei holen". 


Die JMod« auf Reifen. 

Qiequ 6 llufnobmett non Becfer & IHaas, Berlin, unb üatla, Paris. 

Das IDetterl VOat lugt jefet nicht ängftlich jeben ZHünchen, Sylt auf Zteaumur, auf „molfig, bebeeft, 
ZlTorgen aus, wie fich’s anläßt; wer jhibiert nicht plan- Segen" u. f. to.I ^öffentlich bleibt bas IDetter günftia 
mäßig bie IDitterungsberichte unb prüft XDien, gürich, unb hc&t &en Blut aller 5 erientx>anberer, bie ins <ße- 




l. plantet aus leichtem Cuch. 2 . Reifemantel aus dunklem Coverteoat. 3. Bakkomantel aus hellem Cuch. 


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Summer 28 . 


Seite ^5^5 


birge, ans ZHeer unb nach walbum- 
fianbenen Seen pilgern wollen. X£)er 
einen öabeort auffudjt, thut gut, 
mit ber (Toilette auch für fchlechtes 
2X>etter oo^uforgen, ebenfo wer fid? 
auf bie lüanberfchaft begiebt. 3n 
erfier £inie mug bie (Eouriftin praf- 
tifch gef leibet fein, einem ergiebigen 
<Sug alfo mit Seelenruhe entgegen« 
fe^en fönnen, erfi bann fall fie an 
bie äugere ©egan3 benfen. Das 
£obenfojiüm wirb beshalb ftets bas 
3beal aller Seifefleiber fein. ZTTit 
ein paar Blufen, einer feibenen für 
bie (Eable b’hdte unb 3wei anbern 
aus mittelfarbenem IDafchfioff, bie 
innerhalb weniger Stunben gereinigt 
finb, fommt eine 5erienfolonijiin, bie 
nur mit einem fjanbföfferdjen reift, 
noüfommen aus. 2lnbers natürlich, 
wer fich ein ober mehrere (Tage in 
einem (Drt aufhalt, in Rotels erjien 
Sanges wohnt unb einen patent« 
foffer mit fid? führt, ber mehrere 
Kleiber, minbejiens 3wei fjüte unb 
einen Seferoemantel enthält. Auger 
bem Seifefleib müffen bann min« 
befiens noch 3wei Kojiüme mitge¬ 
nommen werben, ein bunfles, mög« 
lichfi feibenes unb ein gelles, luftiges, 
5. S. für Kbenbfoii3erte im treten. 
Daneben natürlich ber elegante 
ZHantel, ber als britte (Toilette rechnet, 
ba feine £änge unb fchöne Aus« 
fiattung bas eigentliche Kleib gan3 
»erbunfein. dagegen genügt — 
auger bem 5il3hütchen — ein £}ut, 
ber am beften gan3 fchwar3 unb mit 
viel Straugenfebern garniert wirb. 
Das pagt überall unb 3U jeber Seit. 
Hnfere Abbilbungen geben manchen 
guten 2Dinf 3ur Sefdjaffung einer 
mobernen, aber nicht ejrtraoagant 
umfangreichen Heifeausjiattung. 

Der lange Saffomantel Abb. 3 
aus gelbweigem (Euch, hächft elegant 
mit (ßolbfilet3wifchenfägen, weig« 
golb*rofa paffementerien, bereu 2 T?e« 
baiflons oon rofa Chiffpnrofetten 
umrahmt finb, unb breiten Doppel¬ 
bia ifen ausgeftattet, bebeutet eine 
tEoilettenhilfe nicht 3U unterfchäfcenber 
Art. ZTTangelt 3. S. bie Seit 3um 
Hmfleiben, fo lägt fich eben mandjes 
auf biefe tüeife wirflich „bemänteln". 
Aud? mit einem anbern als bem h^ 
gewählten grogen 5lorentiner mit 
weiger Seber unb Schleifenarran¬ 
gement am Stirnbügel wirft ber 
Saffo, ber fich auch für ben Aufent¬ 
halt an ber See eignet, oornehm 
unb ruhig. ZTTobern in ber 5orm, 
aber einfach in ber Ausführung — 
bas befte ATittel, allgemein 3U ge¬ 
fallen — finb bie ZTCäntel Abb. \ u. 2. 



Saffontoilctte aus fehwarzem Caffet. 

pbotogrnpbifcbe Jlufnabme. 


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Seite J3J4. 


Hummer 28 . 


tüährenb ber 3u>eite 
aus bunFelgraume- 
liertem (Cooertcoat 
mit hellgrauen, offen- 
Fantigen Cuchaufla- 
gen, biefe wieberum 
mit Spadtfelgaton 
©ediert, fo recht ein 
praFtifcher Begleiter 
ift, bürfte berUlantel 
in 2 U>b. weil 3ar- 
ter in Farbe unbZHa* 
terial, jebem Wette r- 
ftur3 nicht ohne nach' 
teilige Folgen troßen. 

Ubb. 4 bringt ein 
fd?leppiges Koßüm 
non fcf]tr>ar3em Caf- 
fetas. Die 3wöif 
Sahnen bes HocFs, 
am (Sürtel natur¬ 
gemäß nur fdjmal, 
laben nach unten 
fehr feilig aus. (Ein 
etwa hanbbreiter, 
mehrreihig burch* 
fteppter Schrägftrei- 
fen giebt ber beinah 
fünf UTeter weiten 
Hocfrunbung erfi bie 
redete Form. ©rigineU ift bie fefte FracftaiHe, unb als 
wahres UniFum Fann ber Kermel gelten, ber oberhalb 
bes (Ellbogens mit einer aufftehenben Stulpe eng 
abfdjließt, an bie bann brei tellerrunbe Formoolants in 
abgejiuften Sreiten anfeßen. 3 nnen füllen fchwarse 
Cfyiffonpliffees bie IDeite aus. HTit.ber Stulpe harmoniert 
ber Kragen aus weißer Seibe. Dev große fchwa^e 
Strohhut ä la Fontainebleau trägt am inneren empor- 
gefdjlagenen Hanb eine langwatlenbe fchroarse Straußen¬ 
feder, oben eine gleiche, aber flache (ßarnitur. 

(Eine helle Coilette aus ecrufarbenem Satiftleinen 3eigt 
2 lbb. 5 . Klles tofe, faltig, auf- unb nieberflatternb. Der 


HocF in tiefen, oben abgenähten Falten, bie Um- ober 
Verhüllung ber bequemen Stufe unb ber ptuberärmeL 
Was oon ber Stufe oben fichtbar wirb, ift mit irifdjer 
(Suipüre bebeeft. Der oon ben Schultern abfaflenbe 
Kragen, mit feibenen HTaFram^flechteu gebunben, ift mit 
Faffeebraunen, b*h* ca ^ au lait-Seibenßreifen bogenförmig 
bejeßt, ein Kuspuß, 
ber ftch auf ben 
oberen Kermeln, 
ben UTanfchetten unb 
ber „(Sarbine" wie- 
berholt. Der runbe 
Ejut ift mit Spißen- 
infrujtationen, Sam- 
metfchleifen unb eini¬ 
gen Hofen hübfd? 
aufgefteeft. 

Dem atlerneujten 
prin3ip ber §wang- 
loftgfeit hulbigtKbb. 

6 . Die beinah form* 
lofe 3 acFe aus opal- 
weißem Cuch mit ben 
glodenförmig fich er- 
weiternben Kermelu 
trägt äußerlich ein* 

3elneCafchen, bie, wie 
beifpielsweife an ben 
Kermeln, feft inein* 
anbergreifen. Die 
eigentliche Elegan3 
beruht auf bem licht¬ 
grünen Seibenfutter, 
bas, mit fchwarsen 
Sammetbänbern ab¬ 
genäht, oor3Ügtid? 

3U ber orientalifchen 
Sticfereiborte fteht, bie ben Sdjulter fragen umgiebt. Den 
Schäferhut umranFen rofa Spalierrösd?en. 

21 Hen benen, bie jeßt ben Stäbtemauern entfliehen, 
wünfehen wir „leidstes Cßepäcfl" (Dtyne Coilettenfd?mer3en 
ift bie Hatur hoppelt fchön! c. d. 



5. Kette Coilette aus Batiftlefnen. 





Int Btmnljöua tmn Liufemüfrtfn. 

Homan oon 


12 jortfegung. 


JMarte Diera. 



fo\ Öen jungen pontoros fyatte man Öen fo* 
genannten Fleinen Salon 3ur CaufFapeHe 
umgeftaltet. 2 tus einer IVanbnifche war 
bie Statue einer bort poftierten Kma$one 
entfernt unb mit Slattpf!an3en unb Slumen 
ein ftimmungsooller £}intergrunb gefchaffen. Daoor ftanb 
ein Fleiner Kltar, weißbebecFt, mit Cauffchate unb 3wei 
Sron3eleuchtern. 

21 n biefem (Ehrentag bes jüngften pontow war bie 
Familie wieber oerfammelt. Philipp HTarius im Calar 
oollsog felbft bie Caufhanblung. 21 nna-Seate hatte ftd) 
in ben <ßefichts3Ügen Faum ueränbert, feit fte ihr Vater¬ 


haus oerlaffen h<*tte. Hur ihre Kugen fchienen aus* 
brucfsooHer, ftrahlenber. 21 us ihnen fprad? ber verborgene 
<Slan3 eines beglücften unb ausgefüllten Dafeins. 

Um ben 3 ungen, ben tVolfgang, war fte von erfter 
Stunbe an herum, als fei er in ber Chat bie aus- 
fchließliche Jjauptperfon. „So mütterliche fjänbe, wie 
Knna-Seate, h a * Feine fonft," fagte <£oa in erfter Stunbe 
3U ihrem UTann. „tVas wirb fte ihren eigenen Kinbern 
einjt für eine HTutter fein." 

„ 3 a, jal" lachte (Erich, über tüotfgangs U?agen 
gebeugt, in beffen bicFe Fäuftchen hinein. „Strenge bid? 
an, 3 unge, bu Friegft halb ein Couftnchen. Denn ein 


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Hummer 28. 


Sette 1515. 


HTäbel iß es, bamit bie Sache paßt. Daß bu bief? oon 
ber nicht unterfriegen läßt, oerßauben?" 

I}ans IDilhelm fam erft im lebten Kugenblicf. Kaum 
öaß er geit hatte, in feinem £ogier3tmmer Toilette 3U 
machen. Kl s er eintrat, mar bie Caufgefellfd?aft fd?on 
ocrfammelt unb ßanb fd?meigenb auf bem teppichbelegten 
Hoben, ber jeben Schall ber Schritte aufßng. Hlumen 
unb JDadjsfe^en gaben ber Ktmofphäre eine feltfam 
feierliche Stimmung. 

3m fjalbfreis follten fid? bie paten [teilen: Hutf?, 
eine Sd?u?eßer oon ©oa unb er. 3 n *>ev ZTTitte faß 
©oa in einem Seffel unb fydt ihr Hiibchen in bem 
langen Spißeufleib auf bem Sd?oß. ©rid? trat rafch 
auf £?ans IDilhelm 3U unb 30g ihn h^an. Da fah er 
Hutt? mieber. 

IDar bas mir flieh Huth? 

©r begrüßte ße ßumm. Hein, bas mar hoch Hutl? 
oon pontom nicht, bas junge ©efd?öpf, bem einß Croß 
unb IDübheit burch bie feine X}aut glühten? 

Diefe hier fchien größer gemorben, fchlanfer, ernfter 
— ober mos mar es fonft? ©emißlid? eins: frember. 

©r hörte nicht oiel oon Philipps ebel gehaltener, 
marmer Hebe. ©r fah in bie dichter hinein unb trauerte 
leife. ©r trauerte noch einmal um bie felige, herrliche 
Seit, um bie läge finnbethörenber £eiben(d?aft, um bie 
3ugenb, um bie man ße unb ihn betrogen hotte. — 

Kls er bas Hünbeld?en auf ben Krm befam, ßng 
es laut an 3U fchreien unb mit ben £?änbd?eit um fich 
5U fuchteln. ©r machte feine große Knßrengung, es 3U 
beruhigen, aber es meefte ihn aus feinen Cräumett, 
unb er fah fich 3um erßenmal feines 5reunbes Huben an. 

Hrao fo! 3n bem Kerlchen ßeefte ja Cemperament! 
IDie er ßd? beim Schreien mit bem fleinen Körper 
orbentliche fleine Schubfe gab oor lauter IDut, mie 
ftd? fein ©eßd?t oe^errte unb blaurot färbte unb er fo 
aus gau3em I^e^en heraus brüllte l 

Don irgenbmoher langte ein meiblicher Krm unb 
nahm ber ungefchieften Kinbermuhme bas Hünbel fort, 
(gleich barauf hörte f}ans IDilhelm ein beruhigenbes 
Summen hinter ßd?, bas ©efd?rei nahm allmählich ab, 
nur ein paar ärgerliche Cönchen oerrieten, baß ber 
junge IHenfd? ftd? mit feiner £ebensanfd?auung nod? nicht 
ganj in Harmonie gefeßt habe, ftch aber bod? fd?on barauf 
einlaffe, ben HiHigfeitsrücfßchten Hed?nung 3U tragen. 

fjans IDilhelm fühlte ftd? menig baburd? blamiert, 
©r fah bas Hünbeld?en, als es mieber in feinen ©e» 
fid?tsfreis rücfte, ein bißchen fpöttifd? an. HTein Sohn, 
öu mirß beinern achtbaren Dater oiel 5reube machen! 
öad?te er. JDirß bie pflichten eines Staatsbürgers balb 
begreifen. 

©r ßanb ßocfßeif ba, als ihm bas Hünbeld?en 
roieber 3ugefd?oben mürbe, fo baß bie meiblid?en Krme 
es ber näd?ßen patin, Hutt?, 3ureid?en mußten. 

Kuf Hutt?s Krm eine fleine 5riebenspaufe, bann 
ging bas temperamentoolle (ßefd?rei oon neuem los. 
Huth hatte nod? nie ein fleines Kinb im Krm gehalten, 
in ihren Hauernhäufern lief ße oor IDicfelfinbern baoon. 
3eßt mollte ße ben milbeit, fleinen Kerl, ehrenhalber, 
gern beruhigen, aber ihr Kuf* unb Hieberfd?aufeln unb 
fleines Cän3eln fd?ien ihn nod? immer mütenber 3U machen. 


Unb über alles hm tönte ungeßört bes jungen t}of- 
prebigers meid?er, flarer Hariton. €r hatte fd?on mehr 
Kinber getauft unb nahm ihr JDutgefd?rei nicht fo 
mid?tig, mie bies anbern £euten pafßerte. 

b?ans IDilhelm fah Huths Hentühungen 3U unb 
lächelte. „(Beben Sie ihn mir," fagte er leife. 

Huth marf ihm als Kntmort einen fur3en, beteibigten 
Hücf 3U. Dann fd?aufelte ße um fo heftiger, unb um fo 
heftiger fd?rie ber erbofte Knirps. 

Da ßanb ©oa leife auf, unb mit einem begütigenben 
Drucf auf Hutl?s Krm nahm ße bas ungebärbige 
Hürfd?d?en felbß au ßd?. Kuf ihrem Schoß beruhigte 
er ßd? 3U Hutl?s Kerger beinah in berfelben HTiuute 
unb bliefte nun ftitt, nur nod? mit 3ornnaffen Keuglein 
in bie £icf?ter hinein. 

Had? ber Cauffeierlid?feit mußte £?ans IDilhelm 
nod? bie ihm Hefannten unter ben Knmefenben auf- 
fud?eu. ©öß 001t pontom, bie ßarfe ©eßalt in 5racf 
unb meiße IDeße ge3mängt, reichte ihm beflommen 
bie Hed?te. 

Der alte f}err hatte (greuliches burd?gemad?t mährenb 
biefer Caufhaublung. Philipps Hebe mar aud? an ihm 
total oerloren, unb bas ©ebrüll feines erßen ©nfels 
hörte er nur mie burd? einen biefen Hebel 

©s mar ein infames ©efühl fo bem ©pfer feines 
böfen Stretchs gegenüber3uftef?n l 

Unb oergebens fragte er ßd?: mas nun? IDie 
mirb ßd? bie Sad?e jeßt geßalten? ©in Stachel faß 
ihm im 5leifd?, ber trieb unb fporute ihn oormärts: 
au bir iß es! Du haß ben armen 3ungen ba hinein* 
geftoßen, nun hole ihn aud? mieber heraus! 

3a — aber mie macht ßd? bas? £?ier, im Hann 
ber Konoention, in $rad unb meißer IDeße, in gefell- 
fd?aftlid?e 5ormen gefd?nürt, ba gehört fold?e muuberliche 
Heid?te nicht 3U ben Dingen, bie man f?anbf?abt, mie 
(Eoaße unb Komplimente. 

Unb bann — er mußte ja nid?t einmal, mas £?ans 
IDilhelm bamals gejagt morben mar. — Unb bas Ding 
mar alt, oerjährt, oielleid?t oergeßen oon ihm. 3ebeit- 
falls: läitgß übermuuben. 

Keine bequeme ©rfenntnis, mahdid?! IDährenb 
rings alles in Knbad?t unb Hührung oerfd?mot3en, plagte 
ßd? ©öß oon pontom, ber bod? alle Urfad?e hatte, 
nebft ©rid? unb ©oa ber Heglücfteße 3U fein, mit biefem 
unerträglichen ^ußanb. 

Kls ihn ber junge Dr. £?acfe jeßt begrüßte, lag 
ihm ein bitterer ©efd?macf auf ber <§unge, unb er 
machte ein grimmbeißiges ©eßd?t. 

f?ans IDilhelm bad?te: ber Klte fleht mid? nod? ge- 
rabe fo an, mie oor fed?s 3ah^cn. ©laubt er mirflid?, 
baß fold?e Hlumen unter ber Sd?neebecfe meiterblüf?en? 
€r fönnte ßd? beruhigen! 

Hei Cifd? erhielt £?aus IDilhelm feinen piaß 3mifd?en 
3mei jungen Damen, 5reunbinnen oon ©oa. Die eine 
mar ©fß3iersbraut, bie anbere bie ©attin bes Stabs- 
ar3tes ©berf?arb. Die Hraut ftid unb oerträumt, bie 
junge Doftorsfrau fehr munter unb plauberhaft. Huth 
oon Pontom faß an berfelben Cifd?feite, bod? fo 
entfernt oon £?ans, baß er ße meber fehen, nod? 
ein einiges IDort 001t ihr hören fonnte. 


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Sexte {3 <6. 


Hummer 28 . 


Darüber mußte er innerlich lächeln. ®r burd?- 
flaute fo einigermaßen (Ericas (Sebanfen, bie it?n bei 
ber Cifdjorbnung geleitet Ratten: ein prinjipiefles 5 eft* 
galten am Kontraft — alfo Uuth in unerreid?bare 
5erne gefd?oben. 

UTehr als er mollte, mußte l?ans ZVilhelm über 
biefe Caftif <£rid?s grübeln, uitb allmählich ging bas 
(Befühl ber Belüftigung in Verßimmung über. 

tVar er beim oerbammt, an biefer alten Kette, bie 
er oon (einem (Empftnben längjt abgeftreift hatte, oor 
anberen Leuten metter3ufchleppen bis in alle 
Cmigfeit? 

3 a einer IVelt, mo man fonfl nid?t mehr oiel an 
Creue unb romantifd?es Kusfyarren glaubt, l^ing ihm 
allein ber Schein bes Coggenburgertums an? Ulan 
glaubte allenfalls an (einen ^orn, an bie Kraft feiner 
€ntfagung, aber nie an feine innere (ßleid?giltigfeit. 

ZVas mochte (Erich ba mit feiner 5 rau getufd?elt 
unb pfyifofopfyiert haben, als fie bie lEifchfartett legtenl 

f?ätte er ihnen nur fagen föttnen, mie er füllte l 
So gän3lid? ernüchtert, fo im tiefjten fertig. IVäre 
es nod? bie Huth oon früher gemefen, oielIcid?t hätte 
ftd? ba bod? noch etmas oon alter tVilbf?eit in ihm 
aufgebäumt. 

Diefe — Dame mar ihm nichts als fremb. Sremb, 
fremb — fremb 1 

(Er mar fein Cifchherr nach bem X?ersen Knigges. 
Knfangs mohl, aber feine launenhafte Verbiifterung lag 
nid?t innerhalb ber (Bremen bes guten Coits. Sogar 
bie lebhafte, gutmütige 5 rau Dr. (Eberharb oe^meifelte 
allmählich an ihm unb manbte ftd? geärgert ihrem anberu 
Had?bar 3U. 

(Böß oon pontoms fpe3ieües UTalheur mar es, 
I?ans IDilhelm 3temlid? bireft gegenüber3ufißen. Hun 
hatte er es beftänbig oor Bugen, mas biefer UTeufd? 
that unb trieb. 

(Er felbß gab ftd? ehrliche Blühe, mit <£oa, bie 
feine Cifd?bame mar, liebensmürbig 311 fein. (Er Fonnte 
bas, menn er es mollte. UTod?te er auch grauföpftg 
fein, innerlid? unb äußerlid? oermittert — ber flotte 
Ceutiiaut unb Dameitfaoalicr alter oerfchollener feiten 
mar bod? noch nicht gan3 aus feinem Blut. 

Bber heute ging's nur mangelhaft — ftreifenmeife, 
mie er felbft empfanb. 3mmer mieber unb mieber 
faßen feine Blicfe an feinem (ßegeniiber fefi. ZVenn bu 
müßtejU bachte er. Unb bann mieber: mie mürbe 
alles fein, ohne biefe eine Chat? — 

€r fah 3U Butt? hinüber. 3 hr Cifchh^rr plauberte 
auf fte ein, ein h^bfeher Urtillerijl, einer oon (Erichs 
Begimentsfamcraben. Sie fd?ien nur einftlbig 3U ant- 
morten, unb überbies fah fte blaß aus. 0ber täufchte 
ihn bas ungemiffe graumeiße UTittagslid?t? 0ber aud? 
feine eigene Voreingenommenheit? (Es mar alles möglich. 

(Böß oon pontom marb es immer heißer in feiner 
engen IVejie. 3 n feiner Aufregung ftür3te er ein (Blas 
tVein nach bem anbern hinunter. (Er fonnte oiel oer* 
tragen, aber fein Kopf begann fchon 3U glühen, unb 
fein (Empfinbeit mürbe auch nicht beruhigter. 

Da fprach ihn feine linfe Hachbarin an. (Es mar 
ein älteres 5 räuleiu, über bie 5iiuf3ig hinaus, eine 


0fft3ierstochter, jeßt aber gan$ afleinftehenb in recht 
bürftigen Verhältniffen. <£oa hatte ihm oor Cifch eilig 
etmas oon ihr mitgeteilt. Sie mar einfl eine gläit3enbe, 
gefeierte (Erfcheinung gemefen. Der Cob bes Vaters, 
fchlechte Vermögensoerhältniffe hatten in beinah ffanba- 
löfer IVeife ihrer bamaligen Verlobung, bie bicht oor 
ber X?od?3eit ftanb, ein (£nbe gemacht. Seitbem mar 
ihr Ceben eine Kette oon Demütigungen. Vielleicht 
barum, meil bie 5reunbe, bie fte ftd? in ihren guten 
Cagen ermählte, nicht folche maren, bie in böfen ftanb- 
halten. 3 eßt mar fte oerbittert unb einfam. Bus ZTTit* 
leib nahm man ftd? ihrer an, fuchte ihr trauriges Btter, 
ihr Bltjungfernbafein im fchrecflichfien Sinn, 3U erhellen 
unb 3U bereichern. 

tVährenb fte eine oberflächliche Salonplauberei mit (Böß 
oon pontom eröffnete, fah er ihr ins (ßeftd?t. Von 
einziger Schönheit fanb er nicht mehr oiel baritt. Sie 
mar hager mit fcharfen tinien. Um HTunb unb Hafe 
fpielte bei ber geringßen (ßelegenheit ein höhnifd? 
bitterer <§ug. 

€r antmortete ihr mechanifd?, mas es eben auf 
folches Phrafengeflapper 3U antmorten gab. Dabei 
brannte ftd? allmählich eine ft^e 3bee mit fürchterlicher 
(Bemalt in fein (Behint. 

3n breißig 3ahren — ba mar Buth fo alt mie fte. 
Da fonnte fie aud? eine alte 3 u ngfer fein. — Unb 
aus UTitleib eingelaben rnerben. — Unb fold?e Ciitien 
im <Beftd?t haben — 

3 « breißig 3 a hrenl Unb fold?e <§eit if \ h*rum, ehe 
man es benft. IVas ftnb benn breißig 3 ahre? Unb 
bann mar er tot unb fonnte fte nicht mehr fd?üßen. 
Unb fte fpielte eine 5 igur, mie biefe Ulte hier. *Par 
grau mit lauter Schrumpeln unb fold?em harten, an» 
geftrengten £äd?eln . . . 

3h m mürbe plößlid? fo feelenangfi, baß er hätte 
auffd?reien mögen. Dem bebienenben Z 3 urfd?*n befahl 
er, ihm U>affer 3U bringen. (Er goß es hinunter. Von 
ber Stirn mifchte er ftd? beit biefen Schmeiß. 

(£oa fah es. w Papa, ijt bir nicht mohl? Ä fragte 
fte äitgftlid?. 

„Dod?. UTad? feinen £ärm, Kiitb. Die ^?iße, ber 
IVein — unb bann regt ntid? alten Knochen fo etmas 
aud? fd?on mehr auf. Caß mid? gan3 ruhig, bann 
mirb’s fd?on beffer." 

Diefe alte Perfon hat Sd?icffalsfd?läge gehabt! bad?te 
er meiter. Das hat fie fo h^nntergebrad?t, baß fte nie 
mieber geehrt unb mürbig rnerben fann, mie anbere, 
bie aud? alt rnerben. Vielleicht aud? eigene Sd?ulb, 
baß fte (eid?tftnnig unb unpraftifd? mar. Uber mas 
hat Huth? 

U>eber Sd?icffalsfd?läge, nod? Sd?ulb. Bloß einen 
alten, oerrüeften, gemiffenlofen Papa! Unb menn fte 
nach breißig 3ahren fo ftßt mie jeßt biefe tixex, fo fann 
fie ftd? bei mir bafür bebanfen! 

2 XtIes Blut mollte ihm mieber 3U Kopf mallen, aber 
er legte ftd? mit (Bemalt Buhe auf. 

(Einmal an ben Ringern nad?red?nen, mas id? ihr 
cethan habe: er ft ben Croubabour bie Creppe hinunter! 
Das mar feine Sünbe, ber hatte es bod? nur auf Dumm¬ 
heiten abgefehn. Dann: ber Hed?tsanmalt mit ber 


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Hummer 28 . 


Seite 1517 . 


Platte — wie hieß er gleich? 3 d? meiß nicht mehr. 
Das mar and? nur, meil id? ße bemalten mollte. <£s 
ftefyt bod? nirgends gefd?riebeu, baß ein Plann mit einer 
platte als 5 reier eine Unmöglid?Feit iß. 3 ch blatte mid? 
menigßens fäuberlid? erFunbigen Fönnen. Uber nichts 
ba! Dann bie Ejaare! — Herrgott, mar id? ein Un¬ 
geheuer. Unb bann — ad] bann fperrte ich fte jamof?l 
noch ab, liefe fte nicht fet?n — ja, ja, ich meiß fd?on! 
brauche mir gar nicht alles einjeln an3ufagen. 3^? meiß 
fd?on — ich meiß fd?on! 3^h höbe Buth 3ur alten 
3ungfer gemacht. 

€r (chaute mit bohrenben Blicfen 3U ihr hinüber. 
Sah fte nicht mirFlid? fd?on alt unb ©erbittert aus? 3 a, 
gemiß! Der Sd?mel3 ber erßen Blüte mar ©orüber. 
Sie mar auf bem IDeg 3ur alten 3 mtgfer! 

So macht man es, menn man fein Kinb liebhat! 
(Senau fo macht man es! höhnte er ftch in oer3meifelter 
BitterPeit felbß aus. 

Dann fah er Ejans IPilhelm mieber an, ber jeßt 
tief in feiner Derbüßerung ßecfte. Kiitber, ich Bin euer 
ilnglücf gemefen! bad?te er. 3d? hätte lieber ßerbeu 
foflen ftatt £eonore. Dann märe alles, alles anbers 
gefommen! 

Der Cäußing erfchien in ber Chür, auf bem Urm 
feiner IPärterin. (Er foflte ftch Öen (Säften noch einmal 
präfentieren, ehe er in feinen langen Had?mittagsfd?laf 
jd?lüpfte. Das golbbraune Köpfchen lag auf bem Kiffen, 
er fah jefet bicf, gefättigt unb in tieffter Seele be* 
friebigt aus. 

€in lautes X}urra begrüßte ihn. 

<£©a minfte ber IPärterin, heranjufommen, unb nahm 
noch einmal ihren 3 mtgeu auf ben Schoß, unb er brehte 
feine leuchtenben Uugen bem (Sroßpapa 311. 

Da marb ber plößlid? ©on Bemegung erfaßt. <£r 
legte feine große I}anb auf bie beiben mutigen däußd?en 
unb fagte mit einer faß feierlichen Stimme, unbefümmert 
um bie Cifd?gefeHfd?aft: „Der liebe (Sott fchenFe bir 
einen recht gefcheiten Pater, mein 3 nngl €inen Pater, 
ber bid? nid?t nur liebhat, fonbern auch bein £eben 
ein bißchen ©erßänbig einsurichten meiß —" 

Ciefe Stille trat plößlid? ein. Kein £ad?en ober 
Scher3mort magte ßd? h*r©or. Denn alle empfattben 
iit biefem UugenblicF, baß biefe IDorte ein Pater fprach, 
beffen Sohn ben bunFelften IDeg gegangen mar — 
unb baß aus feinen IPorten ©ielleidß eine traurige 
SelbftanFlage Flang. 

<£oa aber, übermannt ©on ihrer (Empßnbung, beugte 
ftch nieber, mo noch bes Ulten ^anb auf ben 5 äußd?en 
lag. unb Füßte beibe, bie große unb Fleine, mit Chränen 
in ben Uugen. 

f}ans IPilhelm fah ßarr herüber. Uud? ihn mahnte 
^errn ©on pontoms Perhalten an ben toten Sohn, ber 
fo gan3 aitbere tPege hätte gehen Fönnen, menn ihm 
©on früh an Derßänbnis 3ur Seite geßanben hätte. 
Uber er ©on allen 5 remben mar ber einige, ber auch 
einen anbern Sinn heraushörte — bas ScbulbbeFenntnis 
einer alten, unberührten, einer längß ©erjährten Schulb. 

Cangfam begann fein I}er3 su Flopfen. Schon lange 
mar ber (Täufling hinaus, bie Schmere bes UugenblicFs 
©on ber Cifd?ge{ellfchaft iibermunben, fd?on tönte mieber 


£ad?en unb Stimmgefchmirr um ihn h*r, unb er faß 
immer noch unb haftete feine Blicfe auf bas Kngeftcht 
bes Ulten, bas fleh jeßt in brütenbem Sinnen gefenFt hatte. 

IPas in ihm emporßieg unb fein (Empßnben 3U be- 
herrfchen begann, mar ein feltfam neues (Sefühl. €in 
PTitleib — aber nicht jenes Heroenmitleib bes Schmachen 
mit bem Schmachen. 

fitmas ©iel Stärferes. (Ein PTitleiben um frembe, 
begriffene Sd?ulb. (Eine (Sabe bes StarFen an ben StarFen. 


Hach Cifd? 3ogen ftch öie unter ben Ejerren, bie 
Perlangen nach einer gigarre trugen, in (Erichs <§immer 
unb bas banebengelegene £efe3immerd?en 3urücf. Dort 
fanb fjans IPilhelm ben alten Pontom. 

Diefer hatte ftch eine Starre angebrannt unb ftch 
in bie breite 5 enßernifd?e bes £efeFabinetts gefeßt. €in 
japanifcher Schirm ©erbecFte ihn halb, aud? hatte man 
ihn ungeßört gelaffen. Plan fah ihm (Ermübung unb 
neroöfe Ubfpannuug an. 

Uber Ejans IPilhelm ließ ßd? jeßt ©on foldier Hücf- 
ficht nid?t leiten, unb auch jebe Spur ©on <£mpßnblid?Feit 
unb 5 urd?t oor falfcher Auslegung mar in feiner Seele 
ausgelöfcht. 

„fjerr ©on pontom," fagte er ernß, mit ruhiger 
Stimme, „ich mußte 3 hnen noch fagen, baß mir 3 ärgens 
Cob fdimeres fjer3eleib bereitet hat/ 

„ 3 a," fagte ( 5 öß ©on pontom aufblicfenb. Unb 
bann plößlich, mährenb ftdj bie Färbung feines <ßeßd?ts 
©erbunFelte. „Seßen Sie ftch 3U mir. IPir — mir 
haben ©ieüeicht noch einiges 3U fagen." 

l?ans IPilhelm gehorchte. 3 m Ejintergrunb bes 
fdjmalen, länglichen Kabinetts faßen 3t©ei ältere Herren 
über bem Schachbrett. Pon nebenan tönten laute 
Stimmen unb (ßelächter. Der Duft feiner &\Qar ren 
mifchte ftch mit bem bes Kaffees, ben ber Burfche unb 
ein Cohnbiener in PToFFatäßd?en herumreichten. 

„ 3 ürgen iß tot," fagte £}err ©on pontom. „Unb 
er Fönnte fo gut noch leben — fo gut noch." 

„ 3 a," fagte fjans IPilhelm. „Uber aus folchen 
bunFlen (Sefchehniffen mächß uns bie (ErFenntnis bes 
Gebens." 

€s mar Fein Croß, ben er bem Pater gab. ^ans 
IPilhelm mollte auch nicht trößen. (Er hatte bie harte 
IPahrheit längß erFannt: es gäbe ©ieHeidß mehr Kraft 
auf (Erben, menn es meniger Croß gäbe! 

fjerr ©on Pontom fah ihn plößlich groß an. Das 
fchmere, felbßquälerifche IPort, bas ßd? ihm eben ©011 
ben tippen löfen mollte, blieb ungefprodjen. Dielleicht 
begriff er bie IDorte bes anbern nicht einmal gan3, 
aber er fühlte, baß ©on bem PTann ©or ihm eine 
Klarheit ausging, bie bie bunFlen Höte feiner Cage, 
ftatt ße beifeite 3U fdßeben, mit intenß©em £id?t burch- 
leuchtete. 

fjans IPilhelm hatte ßd? auf einen lehnelofen, hoch¬ 
beinigen Schemel ihm gegenübergefeßt. <Er fah öent 
Ulten ins ( 5 eßd?t, nicht überlegen, nicht feinblich- ®od? 
mie ein 5reunb, ber ctmas 3U forbern hat. 

3 n feiner eigenen Seele aber hatte ßd? in biefer 
Stunbe etmas ©eränbert. (Er hatte jene £el?re begriffen, 


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Seite 13ia 


Hummer 28. 


Me große, fömglid?e HTenfchheitsIehre: nicht oerseihe 
Me Sdjulfc, Me an Mr gefdiah, aber oerpehe fte! Schaue 
mit ungetrübtem Blicf ihre Enttoicfluug an. Dann 
toirP bu gar feine Seit unb feine Stimmung mehr haben 
für bas Dechen. Dann ijt ja jebe Kluft gefdjloffenl 

Darum fam in feine garten güge ein toarmer, 
leudjtenber Schein. Den fah £}err oon pontoro. Da 
beugte er ftd? oor, unb ohne Einleitung fprad? er toie 
3u einem langjährigen 5reunb. 

„HTein 3unge, ich habe 3h n *n oor 3ahren einen böfen 
Streich gefpielt. 3 ^h habe Sie aus bem fjaus gejagt — 
jagen laffen. — 3 <h n>eiß nicht, ob Butt? etwas für Sie 
empfanb, aber i d\ habe 3hnen feine geit gelaffen, bas 
3U ergrünben. IDeil ich Buth nicht hergeben toollte." 

„Unb fte tr>ar nie oerlobt, nicht roahr?" fragte 
fjans IDilhelm. 

„Derlobt?" 

„So fagte mir bas Fräulein.* 

X}err oon pontoto fah ihn betroffen an. Hur lang» 
fam fchieit ber (ßebanfe in feinem Kopf plafo 3U ftnben. 
£}ans IDilhelm fah ihn erb laffen. 

„Das that pe?" — fragte er in fcheuem 5 liißcrton. 
„Das toar ihr Saubermittel?" 

Er lachte bitter auf. 

£}ans IDilhelm ertoiberte nichts. (Er bliefte auf bie 
bunten (Blasfcheiben, bie bie Auspdjt nach ber Straße 
oerbeeften. 3 n biefem Augenblicf hatte er nicht oiel 
Sinn für ben alten HTann. Er badjte nur: fo bid]t 


oorbei ip mir bas (Slücf gegangen! Ein Schritt roeiter 
— unb alles märe anbers gefommen. 

£)erru oon pontotos Starre mar längP ausge* 
gangen. 3 efe* legte er P e *>on pd? unb faßte nach ber 
Ejanb bes jungen BTannes. 

„Es ip nicht mieber gut 3U machen —" fagte er. 
Kaum als 5 rage, nur als eine fchmere 5 eppellung. 

„(ßut 3U machen? Das? Hein," entgegnete ^ans 
IDilhelm mit harter Klarheit. „Aber bas ip ja nun 
ooriiber. 3^ bin ein anberer HTenfch, ber gaii3 anbere 
IDünfche ans leben hat, als bie bamaligen. Erfüllbare, 
in ber eigenen Kraft beruhenbe. Das giebt einen pcheren 
Schritt. Es ip mir aber lieb, baß ich über bas Der» 
gangene jeßt oöHig AufPlärung habe. Es fopete mich 
hoch manchmal noch Hachbenfen. Hun fann ich es 
enbgiltig begraben." 

Sie blieben noch ein Stünbchen 3ufammen, ber 2 IIte 
unb ber 3 unge. £}ans IDilhelm fpradj oon feinem 
leben, unb ber Alte härte 3U. Ein paarmal bachte 
biefer: IDenn bu jeßt gingep unb bir meine Buth 
holteP, froher fönnte ich ja garnicht merben! 

Es mar mohl ein Stücfchen alter pontomfeher lebens* 
naioität, bie immer nod\ glaubt, mas pe münfeht — 
baß er ben galten nachmittag unb Abenb biefen <ße» 
banfen hegte. Er fah aud? ein paarmal, baß £}aus 
IDilhelm unb Buth 3ufantmen fpradjen. IDas, bas 
hätte er fürs leben gern gemußt. 

(Sd?luß folgt.) 


G = Z2£5 

Odas die Herzte Tagen. 


Die l^iße. 

(Tagtäglich liep man oon fpßfdjlägen, Sonnenßid? unb 
anbern unangenehmen HebenmirPungen ber Sonne, burd? 
beren Strahlen mir bis Enbe 3 u «i öcrabe nid?t fetjr uermöbut 
morben pnb. Die Stäbte, bas fdjattenlofe *felb, bie fonnigen 
Ehauffeen pnb bie Stätten, mo Apolls pfeil bie arbeitenben 
ITTenfdjen unb (Eiere erreicht unb pe blißartig ba^inftreeft. 
IDorin bepelzt ber Kranft?eitS3uftanb, ben mir als f?ißfd?lag 
ober Sonnenftid? 3« be3eidjnen pfegen? gunädjp fei l|eroor* 
gehoben, baß beibe Be3eichnungen pd? nid?t oöllig bedeit, 
mit bpßfchlag bejeidjnet man bie Sdjäbigung, bie burd? innere 
Ueberfyßung ^es Körpers erfolgt, mit Sonnenßid? bagegen 
bie KranPheitserfcheinungen, bie burcf? birePte Beftratpung 
oon außen eintreten. IDir merben felgen, baß beibes faft 
auf bas (Sleidje tpnausfommt, unb bod? mußte biefe Unter» 
fd?eibung ermähnt merben. Der menfdpidje Körper probu* 
3iert pünblidj IDärme, unb 3mar burd? d?emifdje Derbrennungs* 
Vorgänge, bie in feinem 3 nnern oorgel^n unb beren inani« 
feßes Hefultat mir beifpielsmeife in ber XTTusfeltfjätigfeit er* 
blicfen muffen. Dicfe probu3ierte EDärme ip teilroeife als 
eine ermünfdyte l^e^ung bes Organismus auf3ufaflen, teil* 
meife pellt pe aber aud? überfc^üfpge EDärme bar unb muß auf 
irgenbeine IDeife nad? außen abgegeben merben. Diefe Kb* 
gäbe non IDärme gefd?iel?t normalermeife entmeber burd? ein* 
fad?e Uusprablung non ber £}aut aus ober burd? Sd?meiß« 
probuftion. Die letztere ent3iel?t bem Körper XDafler unb 
bamit XDärme unb uerbraud?t anbrerfeits 31m Derbunftung 
biefes EDaffers außerbem nod? IDärme. Die Sdjmeißabfonbe« 
rung ift bal?er, gan3 abgelegen uoit anberer Bebeutung, ein 
mächtiges Entmärmungsmittel für ben Organismus. Diefe 
normalen IDärmeregulierungsmittel bes Körpers reichen für 


gemöl?nlid? aus, pe pnb bagegen nn3ureid?enb, menn bie 
Außentemperatur fteigt, unb uor allem, menn ber (feudjtig* 
Peitsgel?alt ber utngebenben £uft eine Derbunftung bes fecer« 
nierten Sd?meißes erfd?mert ober unmoglid? mad?t, in fold?en 
fällen tritt Ueberhi^ung ein, unb es entmicfelt pc^ ein aus¬ 
geprägtes, mef?r ober meniger ferneres Kranftjdtsbilb. Der 
patient fühlt einleitenbe Beflemmungen, Atemnot, h^ftiöm, 
plöt3lid?en Kopffd?mer3 unb bridjt fd?Heßlic^ ol?nmäd?tig unb 
faft pulslos 3ufammen. 

3ebod?, es braudjt nid?t gleid? 3U biefen fjeftigßen Er* 
fd?einungen 3U Pommen, oft bleibt es aud? bei Kopf|d?mer3en, 
UebelPeit, gittern unb einem eigentümlichen, mit ber Um¬ 
gebung parP Pontraftierenben Kältegefühl. Es ift eine oft 
beobachtete uub pd?er ermiefene (Ehatfad?e, ^aß nid?t alle 
UTertfchen gleich unter ber f?*Ö e leiben, es giebt „harte" Ha- 
turen, bie pd? in ben hÖd?f* en (Temperaturen mohl fühlm, 
mährenb anbrerfeits neroös oeranlagte 3 n ^l°^ uen 0an3 be» 
fonbers 3U leiben pPegen. Bei biefen gefeilt pd? 3U einem 
allgemeinen Pörperlid?en Unbehagen ein neroöfes gittern ber 
f?änbe unb Beine, bas oöllige ArbeitsunfähigPeit bebingen 
Pann. Am fd?merften mad?en pd? bie Erfdjeinungen ber 
ßißcmirPung bei ben UTenfchen geltenb, bie burd? unoernünf* 
tige febensmeife, AlPoholgeuuß, fonftige E^eße, unnötiges 
Sichbemegen, laufen, Spielen u. f. m. ben (Sefamtorganismus 
fdjmächen. 

Unter UmPatiben Pann burd? bie Sonnenfirahlung auch 
eine birefte Ueberhißung bes (Sehirus erfolgen, bie (folge* 
erfd?einungen pnb bann gan3 ähnliche, mie oben befd?rieben. 

Es ift natürlich ermunjd?t, gegen bie immerhin nicht 
gleichgiltigen, oft mirflid? ernften folgen fomtnerlicher E?*6 e 
ITTaßnahmen 3U fennen unb 3U trepen. Als erfte Hegel muß 
eine möglichft gleichmäßige, oon E^eßen freie Ernährung be* 


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Hummer 28 . 


Seite \ 5 \$. 


3eid?net werben. UeberlabPner Klagen gerabe fo wie bas 
Ueberfjnngem ßnb fehr ungünfiige ITTomente. Der 
genuß muß als gan3 befonbers fd?äblid? bejeidjnet werben 
unb giebt fehr hä“fl9 bie Urfadje für töblid?e (fälle ©on 
Sonnenßid? ab. Tin großes (gewid?t iß auf bie Kleibuttg 3a 
legen, ße foll leid?t, Inftig nnb ©or allen Dingen weit fein. 
Klle ben Körper einengenben Kleibungsßücfe ßnb 3U ©er* 
werfen. b?ieri?er gehören Korfetts, enganliegenbe Taillen, 
hohe, ««9® Kragen, gefdjloßene Uniformßücfe nnb fo fort, 
(falfdj iß es bagegen, bie BePleibung 3U rebu3ieren, man 
erinnere ßch in biefer f?inßd?t ßets an bie Beniner ber 
Reißen IVüßen, bie Bebuinen, ße Zöllen ßd? in ihren weiten, 
faltenreichen Bnrnns ©ollPommen ein nnb fd?ütjen ft cf? fo am 
beßen ©or ben fengenben Strahlen ber tropifd?en Sonne. 
3ebe naefte Stelle am Körper erleibet unter ben birePten 
Sonnenftrahlen eine Verbrennung, bie unter Umßänben feljr 
heftig fein Pann. Der Kopf muß burd? einen leidsten, oor 
allem luftigen f?ut gefdjüfct fein. Km beften eignen Ad? 
Strohhöte, wenn ße weiß ßnb, allerbings iß barauf 3U achten, 
baß ße im Kopfteil einige nid?t 3a Pleine £öd?er haben* 
um eine mirPtid?e Ventilation ber £uft im Ijut 3U ermöglichen. 
3ß bas nicht ber (fall, fo entwicfelt ßch unter bem 
©on ber Sonne beßrahlten Strohbach eine fehr f^ot^e Tempe¬ 
ratur, bie gelegentlich ferner fd?äbigenb wirPen Pann. IVot?!* 
thuenb unb nüglid} iß ber Gebrauch ©on Sonnenfernen, 
merPwürbigerweife ©erbietet bas, wenigftens in Deutfdjlanb, 
bie launifche (göttin Ktobe ben männern; man fdjeint es 
mohl für unmännlich 3U halten, ßd? ©or b?it5fd?lag 3U fdjütjen. 

Be3üglich ber (Setränp3ufuhr 3nm Körper beßehen 
eigentümliche Kuffaßungen. (Eine Heif?e ©on ITCenfd?en 
hält alles IVaßertrinPen bei I$it$e für falfchr bas iß 
natürlich eine grunboerPeljrte Knßd?t wie uns eine Pur3e, 
logifd?e Ueberlegung leicht fagen muß. XVenn ber Körper 
bauernb IVaßer in (form ©on reichlichem Schmeiß abgiebt nnb 
©erliert, bann muß biefes IVaßer and? erfeijt tuerben, ba 
fonß eine aÜ3ugroße, nn3uträgliche Tinbid?tung, Kon3entration 
bes Bluts eintritt. Dian fagt oft: „nur nid?t trinPen, 
bas muß man alles mieber ausfd?wifcen" — gan3 gewiß, bas 
iß aber auch bas mittel, ZVärme los 3U werben. man foll 
alfo reichlich IVaßer bem Körper 3uführen, jebod? nur gan3 
Pleine Sdjlncfe unb nicht 3U Paltes IVaßer. (früher h a *te 
man allgemein eine große Scheu, bei ßarPer b?itje bas 
TrinPen 3U geßatten, feilte iß man glücflid?erweife 
anberer Knßd?t geworben, man giebt 3Utn Beifpiel 
Truppen auf bem ntarfd?, fo oft es nur irgenb angängig, 
3U trinPen. ®ft iß bas Durßgefühl aber ein fo mächtiges, 
baß es trofcbein bie menfd?en ungeheuer quält, ba empßehlt 
es ßd?, bes Öftern Kusfpülungen bes munbes mit angefäuertem 
IVaßer (gitronenfäure) ©or3unehmen. (Es liegt natürlich fehr 
nahe, bei red?t h*iß c * IVitterung ben Körper burd? Palte 
Bäber ab3iiPühlen. ber TffePt iß jebod? nid?t immer ber ge* 
roünfd?te. Sehr oft fühlt man ßd? nad? einem Palten Voll« 
bab ©iel Reißer als ©ortjer. Ts erPlärt ßd? bas baraus, baß 
bei bem fdjroffen Temperaturwedjfel bie £?autgefäße ßd? 
fdjnell ©erengen, um nach bem Bab beßo weiter uub blut¬ 
gefüllter 3U werben. Viel empfehlenswerter fdjeint es 
bagegen, lauwarme, ja h*iß e Säber 3U nehmen, wie 
es bePanntlich in (Dßaßen Sitte iß. 3 e ^ en f a ^ s h<*t mQn 
nad? einem heißen Bab bas angenehme (Sefühl ber Hb* 
Pühlung. man muß jebod? mit fold?en Bäbern ©orßd?tig 
fein, weil baburch bas E?er3 in bebenPlidjer IVeife angegriffen 
merbeit Pann. Km beften bewährt ßch ber (gebrauch einer 
Palten Kbreibung. einer Dufd?e ober eines Vollbabes in ber 
früheren Püljlen morgenßunbe, am Tag ober abenbs bagegen 
ein £uftbab an einem fdjattigen, gut ©entilierten ®rt. (gerabe 
bie fchranPenlofe Kusbünßung ©on ber b?autoberfläd?e iß ein 
für bas KUgemeinbeßnben ungemein wichtiges IHoment. 

XVas nun bie Behanblung, bie erße 4^f e ' bei ©om f?it3« 
fd?lag getroffenen menfd?en anlangt, fo beßeht ße ©or allem 
in Qnterbringung an fchattigem, moglichß Pühlem ®rt, gu« 
fuhr ©on IVaßer burch ben munb ober, follte bies infolge eines 
nicht aÜ3u feltenen KinnbacPenPrampfs nid?t möglich fein, burd? 


Klyßiere ober burd? fubPutane (Einfpriftungen. (ferner burd? 
Befeitigung aller beengenben Kleibungsßücfe, Uebergießen bes 
Körpers nnb ©or allem bes Kopfes mit Paltem IVaßer, menn 
nötig Pünßlid?e Ktmung, EJebung ber I?er3thätigPeit burd? 
Kether, f?offmannstropfen unb bergleid?en. Ebenfalls empßehlt 
es ßd?, einen Kr3t 3U3U3iehen, ba bie (folgen einer folgen 
(ErPranPung ernß fein Pönnen. 

Glas tollen untere Kinder werden? 

Der DTarineingenieur. Tin fehr empfehlenswerter 
Beruf ©erfprid?t nad? ber „Heuorganifation bes mafchinen- 
perfonals ber marine* bie marineingenieurlaufbahn 3U 
werben. Das DTarineingenieurPorps ßeht an ber Spille bes 
aPtioen ted?nifd?en marineperfonals, bem bie Verforgung unb 
Bebienung ber mächtigen mafd?inen» nnb Keßelanlagen unferer 
in Dienß geßellten Kriegsfd?iffe obliegt. <£s gliebert ßch in 
fünf HangPlaßen: 

marined?efingenieure mit bem Bang ber ®berßleutnants, 

„ (Vberftabsingenieure mit bem Hang ber ITTajore, 

„ Stabsingenieure „ „ „ „ l?auptlente, 

„ ©beringenieure „ „ „ „ ®berleutnants, 

** 3 n 9 en teure * * „ „ £eutnants. 

iVäf?renb bisher bie marineittgenieurParriere bem ge* 
famten mafd?inenunterperfonal offenßanb, unterfd?eibet jetjt 
bie eingangs erwähnte „Heuorganifation* eine obere, bie 
marineingenieur*, unb eine untere, bie mafd?inißenParriere 
unb ©erlangt für erftere bie Trfüllung nad?ßehenber, befonberer 
Knnahmebebingungen: \) Berechtigung 3um einjährig* frei¬ 
willigen Dienß, 2) 3omonatige, praPtifd?e ThätigPeit in 
Dampfmafd?inenfabriPen (fold?e in Schiffsmafd?inenfabriPen 
wirb be©or3ugt), 3) Beßehen einer theoretifd?en unb praP* 
tifd?en (Eintrittsprüfung (bie näheren Kngaben herüber ßnb 
beim Kotnmanbo 1. be3w.. Q. IVerftbiüißon in Kiel bejw. 
IVilhelmshauen 3U erfragen); <*) (Ein (Eintrittsalter nid?t 
über 2 { 3ahre; 5) Verpßid?tung bes Vaters ober Vormunbes 
3ur (Semührung einer gulage ©on qo IHarP monatlich bis 3ur 
Beförberung 3um etatsmäßigen ITTarineingenieurappliPanten 
(etwa \ 2 - \ 8 monate lang), fowie 3ur Beftreitung ber Koßen 
ber erßen TinPleibung als Knwärter unb als Kfpirant. 

Die <£inßellungsgefud?e ßnb bis 3 un * i* 3 S - 0« bas 
Kommanbo ber I. be3W. II. IVerftbiüißon ein3ureid?en. Bei« 
3ufügen iß: 0 Schuljeugnis, 2) (führungs3eugnis, 3) £ehr3eug* 
niße, q) etwaige Seefahrtsbüd?er, 5) bie Verpflichtung bes 
Vaters, 6) Sd?wimm3eugnis, 7) Gebens lauf, 8) militär- 
ärjtlid?es Ktteß. Die Tinßellung als mafchineningenieur« 
anwärter erfolgt am ®Ptober. hierauf breimonatige mili» 
tärifd?e Kusbilbuug, neunmonatige ted?nifd?e Kusbilbung an 
Borb, Kblegung einer praPtifd?en Prüfung unb Beförberung 
3um 3”9 e «teurappliPanten (mit Unterofß3iersrang); bann 
weitere, 24 monate wäl?renbe Kusbilbung an Borb in mafd?i* 
niftenmaatenftellen. 3^ Knfd?luß hteran 3wölfmonatiger 
Sd?nlbefud?, barauf Kblegung ber Kfpirantenprüfung unb Be* 
f örberung 3um marineingenieurafpiranten (mit De<# ofß3ierrang); 
als fold?er 4 3 a h^ Vienß3eit nnb mafd?inißcnßellen. EJterauf 
einjähriger Befud? ber 3 n 9*nieurPIafle unb nad? Kblegung ber 
3ngenieurprüfung Beförberung 3um marineingenieur. 

Die (EinPommensuerhältniße ber neuen £aufbahn laßen ßch 
annähernb folgenbermaßen berechnen: 

6 IHon. 3ngenieuranwärter((5emeiner)monatL etwa 1 9,00 mp. 

6 *r w sr ((gefreiter) „ „ 24,00 „ 

18 „ 3ngenieurappliPant „ „ 103,00 „ 

18 „ 3 n 9 en ' en roberappliPant „ „ 12 {,00 „ 

30 „ 3ngenieurafpirant „ „ \ 82,00 „ 

30 „ 3«9^* e u^berafpirant „ „ 2 \ 9,00 „ 

Heben biefen (gebühmißen an Borb freie Verpflegung. 

Das penßonsfähige jährliche DienßetnPommen ber 3 n 9 e * 
nieure beginnt mit 4538 ITTarP unb ßeigt bis etwa 9000 
marP; nebenbei erhalten ße freie Verpflegung »ührenb ber 
Kommanbos an Borb ber Sd?iffe. 


<U> 


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Seite \520. 


Hummer 28. 


fia 



Pie Kennbahn eine Stunbe por Beginn bes Kennen». 


/ 



IPäbrenb bes Kennen». 



Kftcffeijr pom Kennen. 



Pie pr etspertcilung. 

Bin Pferderennen auf dem Meeresgrund (auf den Dunenwatten bei Kuxbaven)* 

Spcjialaufnabmcn für bie „IPodie" pon l?ofpljot. Klb. Kngelbecf, Kurtjapen. 


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ZZummer 28. 


Seite <521. 



Prinz Rupprecht von Bayern In Brüdtenau. 

pbot. Heintonlb. 



Kranfentransport: I. (Praf Difctbum oou (Erftfäbt, PoHitjrnbcr &*s fäd?ftfd?cn Conbesnereins. 2. Ko'onnenföfyrer Irobler. 

DerlabungoonPerapunbeten 3. ftabsarjt t>r. jifd>rr. ©cnrral.rumant uon ^eid>uu, Canbesbelegierter uom Koten Kreu 3 , 

in einen €ifenbubnn?agen. Kritif nad? ber Hebung. 



Per laben pon Df rt»unbeien auf einen €lbfatjn. 


Tom III. Terbandstag der freiwilligen Sanitätskolonnen vom Roten Kreuz Im Kdnlgrelch Sachten zu Dresden. 


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Seite 1322. 


Hummer 28. 



I. ©eneral 3 oun 9* 2. fjauptmann pon ntülmann. 5. Der fr<tn33ft|‘cbe tTlilitärattacbk 4 (Dberfl pon ZPigleben. 5. Kriegsfefretär €Iit}U Boot. 6. General 
£orbin. ?. IPu (Eing Jang, d?ineftid?er Botfd?after in IPaftyngton. 8. Der englifdje OTilttärattad?£. 

Die ^e^gdfie in beu ©artenanlagen ber militära fab ernte 



Die beutfdje aufcerorbentHdje <5efanbtfd?aft: präfibent Hoofeuelt beforiert einen Xabetten, 

©berfl pon tPifcleben u. £)auptmann p. Jftälmann. brr fid? in <Ct?ina au$ge 3 eidjnet fyat 

Ton der lubiUumsfeier der ffUitärakadcmie in KUrtpoint. 



J. Baron pon (Ereutler, beutfd?er ©efanbter 2 fj p. Sd>mitt. 3. Dr ftorft^offntann, Bertpefer bes beutfdpn Konsulats. 

Betuch des deutfehen Gefandten Baron von Creutler in porto Hllegrc (Hrgcntfefcn), 

5pe3talaufnabme für bie „IDodjc". 


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Hummer 28, 


Seite 1323. 





Die €ifenbat}nfiötion Honiöas. 

Zur Vollendung der fudweftafrlbamfcben BtfcnbabnUme öwabopmund-TOndboeb am i. 3ulu 


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Seit* J524. 


Stummer 28. 



^riebjridj Sdjmemer f 
früher ©berregiflfeur her pereinigten 
itabttljeater Jranffurt a. Ul. 



Dina Itlablenborff, 
nnirbc an bie Königliche ©per 
in Berlin perpflichtet. 




I. O).©perhoff (Braunfdjtpeig). 2. U>. ßcrbricht (Karlsruhe). 3. CL^Ieper (manchen). 

€. Brinfmann (Dresben»t>orort). 5. ß. £)erfd?cl (DarmflaOt). 6. <C- (öcrltn>. 
7 . K. Brehme (£)annoper). 8. ©. Sanber (Stuttgart). 9 . 21. Damenberg (£)annoper). 

Vom VII. Vertretertag des Verbandes deutfeher Cedmifcber 
Rochfchulen in 6irenach. 

f)ofpbot. 3agemann / €tj enadj. 


Der alte und der neue Heuchtturm auf Helgoland. 

£)ofpl}ot. <B. $ricbcrid?s, £)e(go!anb. 


Schluss des redaktionellen Cetls« 


3n eigene v Sac^e« 

(Es giebt praftifdpe unb unpra'ftifche £cute. Sd?on üerfdjiebene 
Htale ift uns aus £eferfretfeit gefdjrieben inorben: „^tjr 0bol ift 
ausge3ettf?net, unb icf? mochte faum nod? ebne 
0öol leben, aber flauen* Derfdjlufc taugt 
nichts". Der jdafchen-Derfchlufj ift fdjon gut, 

Jadjleute b^^en beu 0bol*Derfchluf5 überhaupt 
für Den uoüPommenften f lafchemDerfdjlufj, aber 
bas JTtalbeur ift: Kein Utenjch lieft h*ut3utage 
eine (Sebrauchsanweifuug. 

Um enbltd? einmal Klarbeit 3 U fdjaffen, 
geben mir b* erni *t folgenbe (Erklärung: 

ITTau b at nur zweierlei 3U beachten: 

(. ZTimmt man eine neue 0bolfTafd?e in (Sebraud?, fo muß 

bteDerfchlufjfcheibe 3 a* 
näcbft nad? linfs ge* 
brebt werben (uergl. 
fig. O- Dabet öffnet 
fid? bas irtittellod? (a). 
Hun nimmt man bas 
m jeber ^flafcbe beilie* 

dtJ ^rpame^UAädädem genbe Stäbchen (d) in 

5»g. 2 . bie ffanb unb führt 

es burch bie entftanbene 0 effnung (a) ein (rergl. Jig. 2 ), wobei 

bas hinter ber Derfchlugfdjeibe befinblidje Pergamenthäutchen*) 




519 . 1 . 


p 

a , 

älg. 3. 


burchftogen wirb. Diefes Pergamenthäutchen ift baburd? ein für 
allemal geöffnet. 

2 . Das 0effnen unb Derfchlteßen wäfjrenb bes weiteren 
(Sebrauches ift nun fehr einfach. Hach rechts 
wirb gebreht, um bie Uusgufjöffnung (a) ber 
iflafche 3 U Derfdjliefsen (^fig. 3), nad? linfs, um 
bie flafdje 3 U öffnen (Jfig. 0 . 

IDill man eine Heife mad?en, fo ift natürlich 
nöthig, ba§ bie 0bolflafd?e oor bem (Einpacfen 
in ben Koffer §mt Derfd?lojfen werbe unb 
nicht halb, wie bas ITTattche in ber (Eile thun. 

£ägt man bie <flafd?e h<*l& offen (Jig. ^), fo 
fiefert bas 0 bol ganj felbjtoerftänblich burch ben offen gelaffenen 
Derfchlujj burd?. 

(Es ift genau basfelbe wie bei einer Stubenthür. Schiebt 
man ben Hiegel blos halb oor, bann bleibt bie (Ehür bod? offen. 

Der Hiegel mufj eben fo weit gefdjoben wer¬ 
ben, bis er nicht weiter geht, bann erft ift 
bie (Ehüre wirtlich 3 U. (Ebenfo bei ber 0bol* 
flafdje: man mu§ foweit brehett, bis es nicht 
weiter geht, bann ift auch bie 0bolflafche 3 U. 
<£s ift ja nur eine fur 3 e Drehung nöth*g. 
Ulan braucht nur barauf 3 U achten, ba§ bic 
fleine Harbe (b) senkrecht unter ber Husgufj* 
äig. Öffnung (a) fleht. (Dergl. <fig. 3.) 

Hun richte man fid? aber aud? banachl 



*) Das pergamentl)äuld?en bat ben £wcf, bas ©bol, folange es auf bem Cager in ben <5efd?äftcn u. f. tp. liegt, gegen äußere ©nflaffe ju fchütjen. 2ltl$erbeni 
tpirb bem faufenben publifum baburdj eine hoppelte Stdjerljeit für (Echtheit bes ©bols geboten. 


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flummer 29 


4. Jahrgang. 


DiewocHe. 


Berlin, den 19. 3uli 1902. 


Inhalt der Ilummer 29. 


Die ftcben Tage ber lPod?e.1325 

Umfd>au.1J25 

Das Canb ber unbegrenzten lllöglic^feiten. Don Cubwig ITTar ©olbfeerger, 

Berlin. I.’.1326 

Berliner Sommerbttt?nen.1329 

Die Toten ber tDod^e.1330 

Tin £sftnbd?en bei paul JTleTerbeim.1330 

Bilber oom Tage, (pbotograpbifd^e Kufnafcmen).1333 

€s war ein alter König . . . Don Hubolptj Stratj.1341 

Kus ben fSeyenfüc^en moberner KldnTnitfen. Ted?nifdje piauberei non 

Siegmunb Saubermann . 1346 

ärembe in Berlin. Don fjans ©ftwalb. (ITlit 10 Kbbilbungen) .... 1348 

Dachgärten ber ©rofcrtabt. (OTtt 4 Ilbbiibunaen).1352 

Kmenfaniidje $ifd? 3 udit. (OTil 5 Kbbilbunge'n).1554 

Tin gaftronomtfebes Dofument. plauberci oon lobanncs Trojan. (ITlit 

1 Kbbilbung). 1352 

3m Canb ber weißen Darbte. Don ß. Haft. (ITlit 4 Kbbilbungen) . . . 1359 

Dacht am ITleer. ©rbiebt pon 3ot)n fjenry marfay.1362 

©Ymnaftif mit ben« ßanbtud?. Don £}. ColjniäUer. (IHit 20 Kbbilbungen) 1362 

Heues Tifcbgeräl. (ITlit 3 Kbbilbungen).1364 

3m Herrenhaus pon Cucfmfiblen. Homan pon ITlarie Diers. (idjlufi) . . 1365 

Krta. ©ebicht pon Karl Danfelotp.1367 

XDas bie Hicfcter faaen.1368 

Knaüfiqnale für Tifenbabnen. (ITlit 2 Kbbilbungcn).1369 

Der llferfdjuß an ber Horbfeefäfte. (ITlit 3 Kbbilbungen).1370 

Bilber aus aller IDelt. (pi}otog*apl}ifd?e Kufnabmen).1371 


Man abonniert auf die „QQoche“: 

in Berlin unb Dororten bei ber Faupterpebition ^intnterflrafje 37/41, fow:e bei ben 
Filialen bes „Berliner CofabKmeigers" unb in fämtl. Budjbanblungen, im 
DeutfchenKeicbbei allen Burbbanblungen ober pofTanftalten ($eituugs*preislifle 
Hr. 8221); unb ben ©efrbäftsfteüen ber „IDodje": Bonn a. Rh., Kölnflr. 29 ; 
Bremen, ©bemftr. 29 ; Breslau, SchweibnißerfTr. Trfe Karlftr. 1 ; CafTel, 
Tbere Königfir. 27; Chemnitz, 3n«"* 3<>b<»nnisftr. 6 ; Dresden, Seefir. 1 ; 
DüfTcldorf, Scbabowfh. 59 ; Slbcrfeld, Her 3 ogffrafce 38; 61Ten a. Rh., 
Ctmbederplaß 8 ; Frankfurt a. fl., 63; 6orlitz, CuifenfTr. 16; Balle 
a. 8 ., DlitteliTr. 9 . Trfe ScbuHTr.; Baniburg, Heuenpall 60; Bannover, 
©forgjlrafte 39; Karlsruhe, Kaiferftr. 34; Kattowitz, pojTftr. 12 ; Kiel, 
ßolfienftrafce 6; Köln a. Rh., ßobcjhafie 145; Königsberg i. pr., 
Kneiptjöffwe Canggaffe 65; Leipzig, peterstfrafce 19; Magdeburg, 
Breiteweg 184 ; ^lunchen, Kauftnqrrftrafje 25 (Domfreibeit); ffQrnberg, 
Coren 3 enira^e 30; Stettin, Brettetfrafie 45; Stuttgart, Königßrafte U; 
Wiesbaden, Kirdjgaffe 26; Zürich, Kenn weg 48 . 

7eder unbefugte fiaebdrud aus diefer Zeit lehrt ft 
wird ftrafrechtlich verfolgt. 



Die sieben üage der Woche. 

10. 3ulf. 

3n Klejisbab ftirbt im 9(. £ebensjahr fjerjogin frieterife 
pon Knhalt-Bernburg. 

König Piftor (Emanuel tritt pon Bacconigi ans feine 
Seife nach Sujjlanb an. 

Per babifdje £anbtag mirb Pom (grofjhrnog mit einer 
(Ebronrebe gefdjloffen, bie mit ber Bitte fehltest, bie Kb- 
georbneten mosten ben Danf bes <grofjher3ogs für bie ihm 
anläßlich feines Hegierungsjubiläums entgegengebrachten 
Bemeife ber £icbe unb (Treue ben ein3elnen Be3trfen über- 
mittein. 

3 m englifdjen Unterhaus teilt £orb (Eranborne auf eine 
Knfrage mit, bie englifd?e Hegierung h a be ber beittfdyen ihr 
tiefes Bebauern über ben (Eob bes Kapitänleutnants Kofettfiocf 
pon Hhoenetf unb ihre marme Knerfennung für bas gro^ 
mütige unb tapfere Verhalten bes perftorbenen (Dffaiers beim 
Untergang bes (Eorpeboboots „S ^2" ausgefprochen. 

11. Pull. 

Bei ber Stichmahl 3um Heichstag in Bayreuth mürbe ber 
nationalliberale Kanbibat fragen gemäht. 


Petn bayrifdjen Kultusminifter P. £anbmaitn rnirb aus 
(Sefunbheitsrütf|ichten bis auf tueiteres Urlaub beipiüigt. 

Katfer EDilhelnt empfängt in (Dbbe an Borb ber „flohen- 
jollern" ben früheren fran3Öfifd)en UTinifterpräfibenten IDalberf- 
Houffeau; er labet ihn 3ur Ubenbtafel unb h a ^ exne 

pierftünbtge Uuterrebung. 

HeidjsPa^ler (graf Büloro begiebt jich 3ur (Erholung narf? 
Horberney. 

12. 3uli. 

£orb Kitchener trifft mit ben (generalen frenefy unb 
fjamilton in £onbon ein, ipo er Pur3 nach feiner KnPunft 
pon bem fraitfeit König empfangen mirb. 

3 n (Eetinje ftnbet bie Permählung bes dürften IHirPo pon 
IHontenegro mit ber (Eod?ter bes ferbifcf>en 0berften (Eonftanti- 
nomitfeh ftatt. 

13. Pull. 

König Piftor €mauuel pon 3 talien trifft in Peterhof ein. 
Km Bahnhof jtnben fid? 3U111 (Empfang ber §ar, ber <&xo%- 
fürft-(Thronfolger unb fämtliche IHinifler fornie ja^Iretc^c 
(generale unb QoftPürbenträger ein. 

14. 3uli. 

3 « (Englanb n>itb amtlich befannt gemalt, baß ber 
premierminifter £orb Salisbury am Jreitag feine €ntlajfuug 
eingereicht unb erhalten höbe. Sein Hadjfolger mirb ber 
erfte £orb bes Schafes Sir Krtljur 3 a ^ e * Balfour. 

3»i Denebig ftür3t ber berühmte (glocfenturm ber IHarcus- 
firAe 3ufammeit. 

15. 3uü. 

König (Ebuarb reift pon £onbon nach Portsmouth^ voo 
er ftch an Borb ber 3 ac ^?^ w Pictoria anb KIbert" einfetpifft. 

311 ber babifchen Kbgeorbnetenfammer ertlärt ber UTinifter- 
präpbent (graf (Erailsheim, ba§ ber Kultusminifter p. £anb* 
mann thatfächlich aus (gefunbheitsrücffichten pon feinem Kmt 
3urücftrete. 

3 n paris tritt eine internationale Konferen3 3ur Be* 
fämpfung bes Uläbchenhanbels 3ufammen. 

16. Pull. 

Kus Petersburg mirb gemelbet, ba§ ber gar ben pri^en 
£ouis Hapoleon 3um Koinmanbeur ber Faufajtfchen Kapallerie* 
bipifion ernannt hot. 

<39* 

Umfchau. 

König Piftor (Emanuer pon 3 ta ^ en am 

garen; er traf an bem (Tag, an bem ber Pertrag über bie 
(Erneuerung bes Dreibunbs in Kraft trat, in peterhof ein. 
Bimmt man h' n 3 u » & a § ^ ur 3 Porher Kaifer IPilhelm in (Dbbe 
mehrfach mit IPalbecf-Bouffeau 3ufammengefommen ift unb 
mit ihm eine mehrftünbige Unterrebung hatte, fo ergiebt ftch, 
ba§ augenbltcflich bie beften Beziehungen 3mifchen bem Drei- 
bunb unb bem gmeibunbe h^rfchen. falfch märe es inbejfen, 
baraus auf eine Perfchle<hterung bes Perhältniffes ber per- 
bünbeten Ulächte untereinanber 3U fchliefeen. 3 n 3 talien 
mar man einen Kugenblicf etmas unangenehm berührt, als 
befannt mürbe, ba§ ber öficrreid^ifd?*nngartfdje Botfchafter 
Baron Kehrentbal unmittelbar por ber Knfunft bes italienifcfyen 
Königs auf ruffifchem Boben Petersburg perlaffen h®^^ 
Die an biefe (Ehatfache gefnüpften Beforgniffe ermiefen fidj 
jeboch fehr fchneü als hinfällig, ba ftd? hrrausfteüte, bag bie 
Heife bes Botfchafters mit ber Politif gar nichts 3U thun 
habe unb längft beabftdptigt mar, ehe noch jemanb an bie 


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Seite J326. 


Bummer 29 . 


ATonarchen3ufammcnkunft dachte. Auch ber Preibunb h a * 
feine (Segiter, bie gar 311 gern irgenb etwas gefunben 
hätten, mit fidj auf einen beginnenben Verfall ober 
wenigßens auf Perftiinmungen innerhalb 
bes Dreibunbes berufen 311 fönneu. 3 n * 
beffen if^r Perfnch, einen fall Aehrenthal 
3u fonftruicren unb daraus Kapital 3U 
fdjlagen, ift uergeblich geblieben. Per 
Preibunb begeht unverändert fort unb 
ebenfo ber gweibunb, unb immer deutlicher 
ftellt ßdj heraus, ba§ beibe groge Staaten* 
gruppen friedliche (Eenbenjen verfolgen. 

(Es biege bie Augen gegen bie (Ehntfadjen 
verfliegen, wollte man leugnen, dag 
ber friebensgebaute and? in frankreidj an 
Boden gewinnt, wenngleich es vorerft noch 
eine Fleine ITTinorität iß, bie fid? offen 
3um Per3idjt auf bie Bevauche befenut. 

3 n biefer Hidjtung tft bie Begegnung 
unferes Kaifers mit IPalbecf-Houjfeau 
ßdierlidj minbeftens von fymptomatiicber 
Bedeutung. Penn biefer Staatsmann be- 
fi^t obwohl er 3tir ©eit nidjt ber Hcgie- 
rnng augehört, 311 f?aufe doch f*h r 9rogen 
(Eiiißug, ja er dürfte wohl noch einmal 
in eine höhere Stelle berufen werben, als in bie bes ATinifter- 
präßdeuten, bie er während ber letzten 3 a h re als Hetter 
ber Hepublik befleibete. 

3 n (England ift ber laug erwartete Atinißerwechfel ein» 
getreten. Hadjbetn £ord Salisbury ( 21 bb. S. *353) vor jwei 


3 abren bas ATiuifteriutn bes Acußern an £orb fausbowne 
abgegeben t^atte. war es nur noch eine frage ber ©eit warnt 
er fid} gan3 ins Privatleben surucfjieben würbe; vermutlich 
wäre es ohne beit f übaf ri kan ifchen Krieg, 
beffen <Enbe er abwarteit wollte, febon be- 
beuteub früher gefächen. £orb Salisbury, 
ber nab^u ein h al & es 3abrbunbert im 
öffentlichen £eben gewirft unb bereits im 
3 ahr 1866 3um erftenmal einen ATinifter* 
pofteit bekleidet hat, ift mübe geworben; 
ber gweiunbftebsigjäbrige h a t bas Bedürf¬ 
nis nach Hube unb macht beshalb einer 
jüngeren Kraft piatj. (Eine anbere Be¬ 
deutung bat ber Atinißerwechfel 3unä<hft 
nicht, wenigftens nicht, foweit bas Ausland in 
Betragt fomntt. Sir Arthur 3 antes Balfonr 
(vergl. bie nebeuftehenbe Abbildung), ber 
3U feinem Hachfolger ernannt wurde, bat 
feine £aufbahn als privatfekretär £orb 
Salisburys begonnen, und niemals ift 
eine politifdje Ateinungsverfchiebenbeit 
3wifdjen beit beiden Staatsmännern 3U 
(Eage getreten. 

Pag Balfonr, der erfte £orb des Schafes, 
Salisbury erfc^eit würbe, war voraus- 
3ufebn; er batte als Rührer bes Unterbaufes nach englifchen 
(Sepflogeuheiteu gewiffermagen Anfpruch darauf. (Er eignet 
fid> auch perfonlid? feb r sunt Premierminifter, da er ftd? 
nicht nur in den Heibeit feiner pefrtei, ionbern ebenfo bei 
beit politifiheu (Segncrit allgemeiner Ad?tuug erfreut. 



Sir Hrttjur 3dmrs Halfour. 


<U> 


Da$ Cand der unbegrenzten Möglichkeiten. 

Beobachtungen über bas EDirtfcbaftslebeu ber bereinigten Staaten o 011 Amerika. 

Von Etidwig mäx 6oldbcrgcr, Berlin.*) 


I. 

Boden unb ATenfchen. 

Per ©aubergarten der bereinigten Staaten bat auf einem 
wunderbar reichen Boden TPunberwerte bes Atenfchengciftes 
entgehen feben, und nidjt bas Fleiufte IPunber liegt darin, dag 
bie hachft* Anfpannung, bie darauf faittt, durch ATafchineit- 
fräfte den Arbeiter abjulöfen, in ber Annäherung an bas 
erftrebte §iel immer mehr fänden nährende unb fruchtbare 
Arbeit gab. Blicht ausfdjlieglich fegensvolle Kräfte wirken in 
jenem ©aubergarten; nicht alles ift eitel £icht unb Sonne. 
Aber im grogen unb gan3en ftrablt aus ber Heuen IPelt 
auf bie ATutter ihrer Kultur, die Alte IPelt, bette* <ßlait3 
3iirürf, weit mehr baju angetban, unferer Spannkraft neuen 
Antrieb 51t geben, als uns mit neigender ATiggunft 3U 
erfüllen. 

IPir dürfen mit Anerkennung auf bie jüngere IPelt jen- 
feits bes 03eaus blicfeit, ber wir den (Sebrauch und felbft 
einen, naturgeinäg vorübergehenden, kleinen Alehrgebraudj der 
„(Ellenbogenfreiheit" gern nachfehen. Sogar für öie oft feit* 
fatnen Uebertreibungen, bie man ^uweilen au 0 rt und Stelle 
wahrnimmt unb bie über bas IPeltmeer h* r überklingen, 9 e* 
5iemt nacbßchtsvolles Urteil. Penn in biefein ^titanifd?eu" 
Uebernehmen liegt ein tüchtiger, guter Kern; es ift im (Srunb 
immer nur ber Ausdruck eines unerfchutterlich gefeßigten 


*) ©ebeimer Kommerjicnrat ©olbberger, ITtitglicb bes „U?irtfd?aftlid?cn 
Husfcf?uffes 3 ur Dorbereiluiig unb Hrgutad?tung banöel>politifd?er ma|nabmen", 
ift vor fur 3 er 5 e ü uon e,Mer ’^lubienreile jurütfg^ft’brt. öle er im l>erbft uer* 
gangenen 3abrs tuid? ben Dereitiiatcn Staaten uon ^(merifa unternommen unb 
über bie er brn amtlid?en Stellen int Heid? unb in Preußen ausführlich Herid?t 
ermattet bat. Huf untere ©inlabung t|at berr ©ebeimrat ©olbberaer über bas 
©r^ebnis ferner Stubieureife für bie „Woche" eine Heibe non Huffaßen gc* 
fd’rieben, mit bereit l>eröffent!id'unkj mir Ijeute beginnen. 

Die Hcbaftion. 


und an ftch rühmlichen nationalen Selbftbewngtfeins. Pie 
Jfreube an ber (Sröge des eigenen £aubes befeelt den ein- 
3elnen, macht ihn mitteilfam und entgegenkommend dem 
fremden gegenüber, der Auskunft erbittet. (Es ift, als ob 
ein jeder uon dem (Sedanken erfüllt wäre: der fremde foll 
feben, wie grog dein £anb ift und wie ftark! IPährend 
meiner achtmonatigen Stubienreife durch bie Union b a ^ e '<h 
überall offene (Ehürcn gefunden, 3um (Eintritt einladend, und 
nirgends bin ich einer (ßebeimnistbuerei ober ähnlichem be¬ 
gegnet. Auf Stritt und CEritt fab ich eine gan3 ungemeine, 
aber nicht unftete Hegfamkeit arbeitsfroher unb 3ielbewugter 
lAäntter. „It is a bi^ country 44 — bas iß bie Be5eicbniing 
ebrfürcijtiger Bewunderung, bie ber Bürger ber Pereinigten 
Staaten für fein Paterlaub gefunden h a t; bas (Sroge nach 
ATag, (Sewicht unb ©abl ift es, was ihm oor allem imponiert. 
Aber audi unfer eigenes Fünftes Urteil mug den Pereitiigten 
Staaten in ihren £eißungen in oielfachem Betracht erftaun- 
liehe < 5 röge 3nerkeunen. 

Unb neben beit £eijtungen fiol3C (Erfolge! Unb biefe (Er¬ 
folge, fo beranfebenb fie auf bie (ErfolggeFrönten wirken 
müffen, b^^ en Bewohner ber Pereinigten Staaten nicht 
allem befoubers güuftigcu Porkoinmitiffen 3U banken — 
fie b a ^ e n ftch in erftaunlicher 2 lrbeitsfreube unb Arbeits¬ 
kraft, in unermüdlichem Porwärtsßrebeu und in einer fdjier 
übermenfchlid^eit Anfpanuung ron (Seift unb Körper 3U ber 
je^igen Eiöbc allmählich/ fo3ufageu organifd? bur<hgerungen. 
(Es ift üöllig uerfehrt, bei ber Beurteilung bes augerorbeut- 
liehen Auffchmuugs, den bie ökonomifdjen Perbältnijfe in den 
Pereinigten Staaten genommen h^ben, ju glauben, dag bi^r 
nur Zufälligkeiten ausfdilaggebenb gewefeu feien. XPie 
töricht folche Auffaßuitg wäre, ergiebt ein 5ufatnmenfajfenber 
Hücfblick auf bie Porkoinmuif|e bes 3 a h l 'S 190^ und bie ber 


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stummer 29. 


Seite {327. 


erßeit Hälfte biefes 3 a hrs* 3 m Porjahr Me (Ermordung des 
Prüfibenten IttacKiitley, eine fdjlecfyu IHaisernte, eine ernfte 
€rfdjfitterung am KnpfertnarPt, ber berüchtigte „Northern 
Pacific <£orner" mit feinen uerluftbringenben folgen in ben 
Kreifen ber Börfe unb bes PrioatpubliFums, bann anbauernb 
UrbeiterftreiFs innerhalb wesentlicher probnPtions- unb 
PeiFehrsgebiete — wahrlich IHomenle, bie geeignet gewefen 
wären, im (Einzelnen unb im (Sanzen 3erjiörenb 3U wirFeit 
unb nadjzuwirfen, wäre bie (Srunblage bes IPirtfchafts- 
Förpers nicht an ft<h gefunb unb gefertigt. Uudj ijt es grunb* 
falfch, wie es bei uns vielfach gefdjieht, ron beoorjtehenben 
ferneren Krifen unb dergleichen mehr mit befonberer Be¬ 
tonung 3U [preßen. 3<h ft*Ü* nid?* i n Hbrebe, baß in beit 
Pereinigten Staaten wie in jebem anbern 3U hoh*r Blüte 
gelangten Staatswefen einmal Hücffchläge Pommen müffen. 
Solche IPinterfiürme ftnb brübeit gerabe fo unausbleiblich, 
wie fie es anberwärts gewefen ftnb, unb manche Speichen 
hierfür ftnb auch in bem gautergarten ber Union rorhanben. 
Uber bas £anb ift mit einem fo ftaunensmerten Ueberfdjuß 
an Bodenfräsen gefegnet, es ift mit fo unermeßlichen Hilfs¬ 
quellen ausgeftattet feine 3 n ^ u f lr * en find mit einer fo be* 
rounberungswürbigeit PerooUFomntnung ber mafchinelleit 
(EedjniP ausgerüftet, baß h*er jebem IPiuterjTnrm — man 
benPe nur an bie IPanbluitg nach ber BeaPtion mitte ber 
( 890er 3 ahre — rafdjer, als man es fich rerfieht, ber per- 
jüngenbe früffling unb mit ihm neues unb befruchtenbes 
£eben auch in guFunft folgen bürfie. 

Das £aitb ber unbegren3ten IHöglichFeiten! Pie (Ein* 
wohnerfchaft ber Bereinigten Staaten zählt nach ber Befitz* 
nähme Portorifos, ber H anj aifchett unb ber Philippineninfelu 
etwa 88 UTiüionen Seelen, bas ift Pautn über 5 p^ent ber 
(Erbberölferung nach ber hofften Schälung. Piefe 5 Prozent 
ber (ErbbepölFerung aber h a ^ en 3 ur 5*it 25 Prozent alles 
bebauten Ureals ber (Erbe in Kultur genommen, (60 pon 
6$o IHiüionen ^eftar Ucferlanbs. (Eine überaus banPbare 
flache h a * ßd? ^ er Bearbeitung bargeboten unb h at dem 
Hcfersmanu bie frucht förmlich entgegengebracht. Pie 3ung- 
fräulichPeit bes Bobens h<*t bas IPerP erleichtert, unb feine 
Uusbehnung hat bie Unwenbung fünfrticher Hilfsmittel 3ur 
geit wenigßens entbehrlich gemacht, obwohl — was h* er 
nebenbei bemerPt werben foll — bie Ucferbaubehörben bes 
fandes unausgefefct bemüht finb, ben Bewohnern burch Hat* 
fchläge unb fachoerftänbige Unordnungen IHittel unb IPege 3ur 
intenitperen Bewirtfcbaftung an bie H at1 b 3 U $eben. 

IPährenb in ben fechs 3ah r *n 1895—1900 bielHahernte 
ber IPelt pon 2.6 bis 3 IHiüiarben Bufhels gefchwanPt, 3U- 
fammen (6 6 IHiüiarben, im 3abresburchfchnitt 2,7 7 IHil- 
Iiarben Bufhels betragen bat, entfielen auf bie Bereinigten 
Staaten allein 1,9 bis 2,3 IHiüiarben Bufhels, 3ufammen 
12,$. im 3ahresburchfchnitt 2,07 ITTiüiarben Bufhels ober 
75 pro3ent. 

gu ber IPeizenernte ber IPelt in ben fünf 3 a h rerl *>oit 
(896—1900 haten bie Bereinigten Staaten mit 20,7 Prozent 
beigetragen, währenb im 3 <>h r 19 ° ( &*r Anteil ber Ber* 
einigten Staaten an bem IPeltwe^enertrag fich fogar auf 
25 pro3eut gefieüt hat. 

Bon ben (*,7 IHiüiarben Bufhels H a f er ' b' e * n 
geitraum pon (896—(900 auf ber (Erbe er3eugt würben, 
muebfen in ben Bereinigten Staaten aüeiu 3 , 7 $ IHiüiarben 
Bufhels ober 25,5 Prozent. 

3n ber förberung ron (Eifener^en waren bie in ben 
Bereinigten Staaten fich barbietenben „unbegrenzten Kläglich- 
Feiten" gerabe3U erftaunlieber Urt. Pas £anb ift au ber 
IPeltprobuPtion mit nahe3u 36 pro3ent beteiligt, unb bas 
mit bem Por3üglichften IHaterial. Un ber IBelter3eugung 
pon Hoheifen waren im abgelaufenen 3 a h r bie Bereinigten 
Staaten mit 39,3 pro3ent beteiligt, an Stahl probu3ierten 
fie im 3 a h* 1900 runb (o. (IHÜlionen (Tonnen ober 42 pro3ent 
ber IPelter3eugung, im 3 a h r 1901 fogar (3,5 IHiüionen. 

Un ber KupferprobuPtion ber (Erbe finb bie Bereinigten 
Staaten mit nahe3U 55 pro3ent beteiligt. Pie (Entwicflung 
ber ameriPanifchen Kupferinbuftrie war pielleicht noch Piel 
rapibec unb typifdjer für bie ameriPanifchen Berhältniffe; 


unaufhalifam unb uugeftüm hat fie ftch in inerPwürbig Furzer 
geit aus ben betreibenden Umfängen emporgehoben unb ftch 
3um weitaus bedeutenden JaPtor ber IPeltprobuPtion empor* 
gefchwungeu. (870 betrug bie KupferprobuPtion ber Ber¬ 
einigten Staaten (2000 (Tonnen, im 3 ah r 1880 hatte fie ftch 
fchon auf 27000 bei (53 000 IPeltprobuPtion gefteigert. 3 m 
3 ahr (890 produzierten bie Bereinigten Staaten ((6 3(5 (Tonnen 
Kupfer pon 269 ^5 5 IPeltprobuPtiou. 3 m 3 a hr (895 per¬ 
mochten fte bereits mehr als bie Hälft* ber IPeltprobuPtion 
3U Pontrollieren, unb an ber IPenbe bes 3 a hrh un berts probu- 
3ierten bie Bereinigten Staaten mit 2 70 000 (Tonnen mehr, 
als 3 ehn 3 ahre 3UPor bie gefamte IPeltprobuPtion betragen hätte. 

Pie BleiprobuPtion ber Bereinigten Staaten Ponnte ftch 
feit (895 fo heben, baß fie an Steüe ber fpanifchen bie Rührung 
•im IPeltoerPehr übernommen hat* 3 m 3 a h r 19 °° hat bie 
probuPtion ber Bereinigten Staaten 29,6 pro3ent erreicht, 
währenb bie fpanifche auf ( 8,7 Prozent 3urücPgegangen ift. 
3 m 3 a h r I 9 °l hat bie Bleie^euguug ber Bereinigten Staaten 
fegar noch eine weitere Steigerung auf 250 000 (Tonnen erfahren. 

Huch in ber (QuecfftlberprobuPtion ber IPelt ripalifierte 
Spanien mit ben Bereinigten Staaten, unb auch h*er mit 
nachlaffcnben Kräften. Penn fchon (900 ift Spanien um 
eine KleinigPeit überholt, unb (90( ift es gefchlagen, ba es 
auf eineti Unteil pon 28 pro3cnt rebi»3iert ift, während bie 
Bereinigten Staaten 33 pro3ent lieferten. 

3 n ber (SefamtprobuFtiou ber (Erbe an ginP ift ber Unteil 
ber Bereinigten Staaten erheblich geftiegeu, unb bie Ueber- 
Icgenheit bes Bhcinlanbes, Belgiens unb H°^anbs betrug 
nicht mehr wie ehebem (00 pro3ent, fonbern Pautn noch 
60 Pro 3 ent. 

Pie wirtfehaftliche €ntbecfnng pott UmeriPa macht pon 
(Tag 3U (Tag neue uttb ungeahnte ^ortfd?ritte. Pie Staaten- 
gebilbe, bie pon ben HocPy IHountains. ihren Husläufern unb 
ben Sierras burch3ogen werben, gelangen burch (Energie unb 
Kühnheit ber Bewohner 3U immer weiterer (Erfchließung mit 
uuperfieglidem Heichtum an Silber uub (Solb. 

Pie <Solber3eugung ber (Erbe wirb für bas 3 a h r 19 °° 
auf 2 55,6 IHiüionen Poüar, bie Silberer3eugung auf einen 
IHün3wert pon 223,5 HliUionen angegeben, (für bas 3 a h* 
(90 ( gehen bie Schätzungen in beiden IHetaüen auf je 
26 5 IHiüionen Poüar. 3 n beiden 3 a h^on h fl bcn bie Ber¬ 
einigten Staaten ben größten Unteil an ber ProbuPtion 
beider HTetaüe gehabt, 31 Pro3ent für bas (Sold, 33 pro5eut 
für bas Silber. Bon beit 3 ( prosent ber ameriPanifchen 
(Erzeugung entfaüen allein auf ben Staat Kolorado be¬ 

ziehungsweife auf ben Be3irP (Tripple CreeP mehr als ein 
Prittel. (Es mutet geradezu wie ein Klärchen an, wenn 
man ben wunberbatett (Eutwicfluugsgang biefes BejirPs 
überblicPt, ber in ber (Befeuchte ber IHineninbuftrie wohl 
einzig bafteht. 3 n «nein Pe3enniuin hot bie Uusbeute der 
(Solberje 5U ttachftehenben €rgebniffen geführt: ( 89 ( 200000 
Pollar, (895 7200000 Pollar, (898 (5000000 Pollar, 
(900 22 538 200 Pollar, (90( 255(^090 Pollar. Port 

oben auf den oon kipple (TreeP, 9800 fuß über 

bem HTeeresfpiegel, ift in biefen lebten 3chn 3 a h retl e * ne 
neue IPelt entftanben. Bis (889 Pein Baus, nur einzelne 

Hütten für bas Pieh; (890 Pamett bie erften (Eyperten, bie 

Hoffnungen erweeften. Pas genügte, unb bas (Solbfteber 
begann. Einwohner pott Kolorado Springs 3ogen h^rtauf in 
bie Berge, und mit 3ät|er (Energie, nachdem mau fchon (892 
600000 Poüar fördern Ponnte, arbeiteten fte weiter, durch 
Feinen IHißerfolg abge chrecft, bis fte immer wieber an bie 
richtigen, (Solber3 fpertbenben Steüen Famen. 

Pas £anb ber unbegrenzten IHöglichPeitenl 

Pas Kohlenareal (Europas ha* eine Uusbehuung von etwa 
(( 000 eugli.chen (Quabratmeilen, bas ber Bereinigten Staaten 
hat 50 000 (puabratmeilen. Un ber Kohlenförderung der 
(Erbe waren in beit lebten beiden 3 a h r *n Bereinigten 
Staaten mit nahezu 33 Prozent beteiligt, (Sroßbritaunien 
mit 30 pro3ent, Peutfchlanb mit (9,6 Prozent. 

3 n die petroleumprobnftioit teilen fid^ bie Bereinigten 
Staaten unb Hußlanb, wobei Hußlanb uorait fleht. Bon beit 
( 5 ( IHillionen Barrels, bie tin 3 a ^T r ( 9 °° produziert wurden, 


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Seite {328. 


Sftummer 2g. 


fommen ? 7,2 IHillionen ( 51,2 Prozent) auf Buglanb, 63,3 
IHillionen (42 pro3eut) auf bie Pereinigten Staaten. 3 m 
3 ah* 190 1 h at Huglanb mit 7 1,6 IHillionen Barrels nur 
noch einen ganj fleinen Porfprung vor ben 69,IHillionen 
Barrels ber Pereinigten Staaten. 

3m vergangenen 3 a br *ft ein nener, gewaltige (Dellager 
enthaltenber petroleumbiftrift nah* ber Stabt Beaumont, 
(Eejas, entbecft worben. Pon (Erfchliegung ber erften Quelle 
3 U Einfang 3 a,luar 1901 bis (Enbe IHäs 1902 finb von 
Beaumont mehr als i<* IHtllionen Bartels 0el 3 ur Per* 
fenbung gelangt. 

Pie probnftivität ber Kalifowifchen petroleumquellen 
betrug im 3 a ^ 1876 1<5 000 Barrels, fte hat im Porjahr 
nalje3u 9 IHillionen Barrels betragen, bie Setzungen für 
bas laufenbe 3 atH gelten auf i ^ 000 000 Barrels. 3 « Point 
Bidjmonb, nahe San Jrancisfo, h at feit fn^er geit bie 
„Pacific (Eoaft 0 il Company", eine Schöpfung ber „Stanbarb 
0 il Company", groge Bauten angelegt. Pie bort ttal^u 
vollenbeten Petroleuntrafftiterien werben bas Holzöl auf- 
nennen, bas 270 IHeilen weit burd? Boljrenleitungen von 
bem I)aupt3entralpunFt ber Kalifornifd^en petroleumgeroin* 
nung burch eigens erroorbenen (Sruttb unb Bobett nach bem 
eben ermähnten point Bichmonb geführt roirb. 

3 n welchem IHag bie Pereinigten Staaten bie Baum- 
roollprobuftion beherrfdjen, erfennt man baraus, bag fte von 
1895 bis 1900 3U ber IPelteseugung von 68,7 IHillionen 
Ballen 58 , 1 IHillionen ober 84,5 pro3ent beifteuerten, roäh- 
rettb Eiegyptens Einteil in feinem 3 <*h* über 13 p^ent 
hinausging, ber Einteil von 0 ftinbien unb China auf 5 pro3ent 
fanf. 3 n ber IPollprobuftivn ber (Erbe fielen bie Pereinigten 
Staaten nach ben lebten vergleidjenben (Ermittelungen mit 
10,7 pro3ent, ebenfo in ber Ejanfprobuftion (feit ber (Erwer¬ 
bung ber Philippinen) mit 12,8 pro3ent in vierter, in ber 
<flad?sprobuftion mit 20 ,7 IHillionen Bufhels in 3roeiter Heihe. 

Unb immer neue (ßebiete roerben burd? Einbau roirtfehaft* 
lief? erfdjlojfen! 

Bisher haben bie Pereinigten Staaten gar nicht ober nur 
wenig Heis pröbu 3 iert. Por fur 3 er geit h at man in 0g* 
teras ein Stücf £anb burch Beroäfferung mit arteftfehen 
Brunnen für ben Heisbau herange 3 ogen; etwa 250000 Elcres 
£aub rourbett binnen 3^h r ^^frift mit Heis bebaut, unb bie 
(Ernte (teilte ftdj auf 20 Pollar per Here! 

Hoch einige galten mug ich auführen. So troefen 
fte fcheinen, fo rebeit ge hoch eine laute unb einbriuglidje 
Spraye, unb ihre pofttive roie ihre vergleichsroeife (Sröge 
ig es, bie ihnen ben Charter ber Hüchternheit nimmt. 
3 m 3 ahr 1870 prohibierten bie Pereinigten Staaten 
, 236 IHillionen Bufhels IPei^en, im 3 a h r 19 ° l prohibierten 
ge 7^8 IHillionen. gunahme: 217 pro3ent. Pie IHaiscrnte 
von 18 70 betrug 1094 IHillionen Bufhels, bie von 1900 
belief geh auf 2(05 IHillioneiu gunahme: 92,4 pro3ent. 
Pie IHigernte bes vorigen 3 a h res ' bie einen Crtrag von nur 
1500 IHillionen bradjte, ertnägt bie gunahme auf 38 pro3ent. 
Pie IPollprobuPtioit von 1870 roar 162 , bie von 1901 
302 IHillionen pjuub. gunahme: 86 pro3ent. Pie Baum- 
roolleiternte von 1870 roar 3 U^ IHillionen Ballen, bie von 
1901 betrug io ^86 IHillionen. guuahme: 236 Pro3ent. 
3 m 3 ahr 1870 h fl Ue ber Piehbeftanb einen IPert von 
1822 IHillionen Pollar, 1900 betrug er 2981 IHillionen. 
gunahme: 64 pro3ent. Per IPert ber lanbrotrtfchaftlichen 
(E^eugnijfe gellte fid? 1870 auf 2W IHillionen Pollar, 

1900 auf 4739 IHillionen. gunahme: 94 p^eut. 3 m 3 a h r 
1870 rourben 32 IHillionen (Tonnen Kohle geförbert, 1901 
290 IHillionen. gunahme: 806 pro3ent. Pie probuftion 
von Hoheifen betrug 1870 1,6 IHillionen (Tonnen, 1901 be¬ 
trug fie 15,8 IHillionen. gunahme: 887,5 Pro3ent. 3 m 
3 ahr 1870 roar bie Stahlprobnftion 68 000 (Tonnen, im 3 a hr 

1901 roar ge 13,5 IHillionen. gunahnte: 19753 pro 3 ent. 
3m 3 a h r l 870 mürben an Baumwolle in amerifanifchen 
Spinnereien verarbeitet: 857 000 Ballen, im 3 a b* 190 1 
waren es 55^7000 Ballen, gurtahme: 302 pro 3 ent. Pie 
Husfuhr von Jabrifateseugniffen bewertete fich 1870 auf 
6 8 IHillionen, 1901 auf <112 IHillionen. gunahme: 506 pro- 


3 ent. Pas in ben Jabrifen angelegte Kapital betrug 1870 
2 U 8 IHillionen, 1900 betrug es 987^ IHillionen. gn* 
nähme: 366pro3ent. Per IPert ber (fabrifate betrug 18 70 
4232 IHillionen, 1900 betrüg er 13 040 IHillionen. gu¬ 
nahme: 208 J)ro 3 cnt. 3m 3 a b* l 87 o roar ber IPert ber 
(Sefamteinfuhr ber Pereinigten Staaten 332 IHillionen, im 
3atjr 1901 roar er 880 IHillionen. gunahme: 165 Patent. 
3m 3 a fa l 870 mar ber IPert ber (Sefamtausfuhr 25^ IHil* 
liouen, im 3 a h r 19° 1 betrug er H87 IHtUionen. gunahme: 
485 pro 3 ent. 

Per aufmerffamc £efer roirb burch bie oben mitgetoiften 
giffern, bie ich ohne weiteren Kommentar gebe, leicht er¬ 
faßen, roie grogartig bie (EntroicFIuitg ber amerifanifchen €r- 
3 eugung in verhältnismägig fur 3 er geit geroefen ift. Pas 
fann man geh atierbings f<hon baheim am grünen (Tifch flar 
machen. Poch bas (Erreichbare ift noch nicht abgefdjioffen, 
unb bas wirb einem erft flar, unheimlich flar, roenn man 
bas £anb von ber ailantifchen bis 3 ur pa 3 igfchen Küge burch* 
reift, roenn man in bie IPerfftätien amerifanifchen (Bewerbe* 
geiges ein tritt, roenn man geh ben Fomme^iellen Betrieben 
prüfenb nähert unb mit ben IHännern Jüfgung nimmt, bie 
bie roirtfchaftliche (Sröge ber Pereinigten Staaten 3 U förbern 
raftlos — 3 uroeilen wohl auch rücffichtslos — mitgeholfen 
haben. Unb in nüchterner Elbroäguitg bes alfo Beobachteten 
halte ich mich aüerbings 3 U bem Befenutnis verpgidjtet bag, 
je mehr ich gefehen unb fennen gelernt habe, unb je weiter 
ich nach bem IPeften ber Pereinigten Staaten vorgerüeft bin, 
bas friebliche IPirtfchaftsarfenal, bas bis 3 U roeitragenben 
flöhen gd? ftreeft, bie unbegrert 3 ten Schäfte unb bas Be* 
ftreben, ge 3 U eutroicfeln unb bienftbar 3 U machen, bie grogen 
Pimeugonen im perfonen* unb (Sütertransport ber (Eifert* 
bahnen mich überwältigt unb mir ge 3 eigt haben, bag man 
bem Staatsfefretär ber Pereinigten Staaten 3 uftimmen barf, 
ber erft jüngft von ,.the ginnt strength of the nation“ — 
von einer „Hiefeuftärfe ber amerifanifchen Hation" — ge* 
fprod?en hat. 

Pon feinem einengenben Bureaufratisntus gehinbert unb 
immer von frifc^em einfeftenb, finb bie IHätuter in 0g unb 
IPeft bemüht, ben Perfehr aus 3 ugeftalten unb ihm gefieberte 
Jormen 311 geben. Pie (Eifenbahnen hatten alle 3 eit, freilich 
in härteftem Konfurren 3 fampf, burch anhaltenbe (Ermägigung 
ber jrachtfoften ber 3nbuftrie roeiteftgehenbe Porteile geboten. 
Kugegdjts ber beseitigen glän 3 enben (Befamtroirtfchaftslage 
betrachten es bie Bahnverroaltungen als eine ihrer vor* 
nehmften unb auch gnan 3 iell erreichbaren Hufgaben, bie Ein¬ 
lagen unb bas rollenbe IHaterial 3 U verbejfern unb 3 U er- 
gän 3 en. IPeitn matt bie fjerftellungs* unb Husrüftungsfoften 
ber amerifanifchen Bahnen mit ben entfprechenben Kofteit 
ber europäifchen Bahnen im Perhältnis ber IHeileisahl in 
Pergleich 3 ieht, fo hatten — freilich ohne Berücfgchtigung 
bes Unterfchiebs ber (Bruuberroerbsfoften — viele IHiüiarben 
Pollar in Elmerifa mehr aufgeroenbet werben tttüffen, roenn 
man bafelbft mit ber gleich peinlichen Behanblung unb forg* 
fälligen, oft reichen Uusführung, wie in (Europa, bie Bahnen 
von vornherein angelegt unb ausgeftattet hätte. Pies roar 
eben nicht gefächen. Perbinbungsglieber follten gefchaffen 
roerben. Pas roar in ber Qauptfadie alles. So fam es, bag 
bas Sdpienenneft, bas geb allmählich über bie Pereinigten 
Staaten fpann, geh bis auf 19 ^ 000 englifche IHeilen, abge- 
fehen von 60 000 IHeilen Hebengleifen, behnte, roährenb in 
(Europa nur 173 000 englifche IHeilen, in Peutfchlanb unge¬ 
fähr 33000 englifche IHeilen 3 ählen. hielten bie Perbinbungs¬ 
glieber nicht biebt, fo fonnteu fte in 3 ufünftigen guten geilen 
gefeftigt roerben. 3 n ^ cm ^ au ber Heben- unb auch oft ber 
I)auptftationsgebäube waltete bie größte (Einfachheit vor. 
(Seroöhnltch nur Bretterfdjuppen, bie nid?t einmal IPetter unb 
IPittb 3 U trofteti imftanbe finb, ohne jeben Komfort. Ellies 
fo billig roie möglich — bei verhältnismägig hohen Kapitali» 
jationen, in benen Unternehmer unb Promotoren fpäterhin 
ihren Hüften guben wollten. 

IHit Stol 3 blicft ber Elmerifatter auf bas von ihm (Er¬ 
worbene unb auf bie eigene Kraft, auf bie er geh gegellt hat. 
„IPir finb geigig", fagte mir ein amerifanifcher Staatsmann, 


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Hummer 29. 


Seite {329* 


„leben unferer Arbeit unb benPen an unfern großen Benjamin 
franPlin, ben fein Pater in bem Xezenlaben in Boßon mit 
ben IPorten ber Bibel 3U ermahnen pflegte: Siefyft bu einen 
Mann, ber in feinem (Sefdjäft fleißig ijt — oor Königen 
Pann er ftefyen!" 

(Eines mochte ich fdjon an biefer Stelle l^eroor^eben, was 
mir bei ber Beobachtung ber öPonomifdjen Pertjältniffe ber 
Pereinigten Staaten oon KmeriPa befonbers bemerPenswevt 
erfdjienen ift: Irtetjr als in trgenb einem anbern Wand ber 
JPelt tritt auf bem (Sebiet oon PerPefjr, Handel unb 3 n * 
bnftrie hier gerabe jeftt bie (Sewalt ein3elner perfonen in 
ben Porbergrunb. (Seroiß ift ber mächtige roirtfdjaftlidje Huf» 
fdjwung bes Wanbes bem Unternehmungsgeiß oon Männern 
mit 3U banPen, beren Hamen bie <Sefrf?id?te ber Union für alle 
feiten oe^eidjnen roirb. Pie (Soulbs, Panberbilts, Macfays, 
Hocfefellers, Carnegies, Tjarrimans t)iüs, Morgans, Still- 
mans unb anbere haben ber PerPetprs- unb JnbnftrieentroicP* 
Iung ber Union ungeahnte IPege geroiefen, fte waren, roie 
mit (Thomas Earlyle ber Präßdent ße nannte, roirflich „the 
captains of industry“, bie bas Eifenbatjnneft über bas Wand 
gebreitet, ben fytnbel aufgebaut unb bie 3 1f bnßrien entfaltet 
haben. Unb roeil ße damit fraglos bem PolP (Sutes unb 
(Sroßes gefchaffen haben, ßnb ße leitenb unb herrßhenb;<bie 
Hation bringt ihnen um fo mehr Pertrauen entgegen, als 
ße in richtigem Erfaßen ber IPirPung auf bie 00IPstümliehe 
(Eigenart große Summen aus ihren imtnenfen Schäden für 
bie öffentliche IPohlfahrtspßege — oft nicht ohne einige Pe* 
monftration — h cr 9^ben. Pas bebenPlicbe aber liegt barin, 
baß bie roeitoezroeigten unb befonbers bie neueren Unter¬ 
nehmungen augenblicklich fo eng mit ben ein3elnen ITTännern, 
mit ihrer Kraft unb mit ihren Pispoßtionen oerwachfen ßnb r 
baß ein Perfagen ober Hnsfcheiben bes großen unb allgewal¬ 
tigen <£in3elnen, roenigftens für eine geraume IPeile, 3U oer- 
berblichen f olgeerfdjeinungen führen Pann. 3eber Menfch ßnbet 
einen Erfäft, unb felbß bie größten Heidje ber Ulten IPelt 
haben ßch ohne Erfdjütterung weiter gebeihlich fortentroicPeln 
fönnen, auch wenn ihre Ulitbegrünber aus ben Heihen ber 
Mitthätigen ober Webenden haben 3urücftreten müffen. IPenn 
aber 3. B. Tjerr pierpont Morgan h eute abberufen werben 
follte, würben 3unächft bie TDerte all ber UTilliarbenfchöpfungen, 
beren intellePtuelles ©behaupt, beren ßnan3ielle Stufte er 
gewefen war, in Perroirrung geraten. Penn vielfach noch 
3U jung, 3U frifch, 3U wenig erprobt, 3U nnPonfolibiert ift 
manches, was biefes unb ber anbern UTänner weit ooraus» 
eilenber Blicf erfaßt unb ihr raftlos fchaffenber (Seift auf¬ 
getürmt hat. Pann erft wirb ßd> 3U erweifen haben, ob 
genügenb Pommezieller Hadjmuchs 3ur IPeiterführung oor» 
hanben iß, unb oor allem, ob bie ßnan3ielle (Srunblage ber 
3nbuftrien in ihrer gegenwärtig groß angelegten Hnsdehnung 
ejifte^bereditigt ift. 

(Erßaunlich aber unb unoergleichlich ßnb einerfeits bie all¬ 
gemeinen £eißungen ber ameriPanifchen Urbeit, anbererfeits 
bie probuPtionsmöglichPeiten bes Wanbes. Pie Schafte, bie 
ber Boben auf feiner ©berßäche bem Pflug entgegenführt, 
unb mehr noch bie Schäfte, bie ber Boben in feinem Schoß 
an allem birgt, was Hetchtuin. StärPe unb UTacht oerleiht, 
ßnb fo riefenhaft, baß fie imftanbe ßnb, oon einem 3 a h* 
3um anbern, beinahe non einem (Tag 3um anbern, bie Per* 
hältniffe in bem IPettberoerb ber Hationen 3U (Sunften ber 
Pereinigten Staaten 3U oerfdjieben. (Tritt an einer Stelle 
ber Union eine Stocfung ein, 3eigt ßch ein UTißerfolg, ein 
oorübergehenbes ober felbß bauernbes Perßegen ber Quellen, 
fo haben Boben unb fleiß auch fdjon an einem anbern ©rt 
für ausgiebigften Erfaft geforgt. IPas bie Hatur bort ge¬ 
geben, iß unenblich oiel, unb ber unermübliche fleiß gewinnt 
ber (Sabe ber Hatur ben rollen TDert ab. 

hierin liegt ein beachtenswertes (Segengewicht gegenüber 
ben BebenPen, benen ich des IPirPens ein3elner 

überragenben PerfönlichPeiten Husbrucf gegeben habe. Pie 
innere (Tüchtigkeit ber (SefamtbeoölPernng ift marPig. Ulan 
mag bas unausgefeftte Streben nach „make money“ als 
ITTammonsbienft betrachten — man hat 3U einer Perur- 
teilung um fo weniger Hecht, wenn man ßelß, baß im großen 


unb gan3en, im guten Purchßhnitt, bas Streben nach Erwerb 
ßdj ßreng an bie Bebingung binbet, baß ber Erroerb auf 
anftänbige IPeife gewonnen fei. Pie (Sefefte ber Pereinigten 
Staaten ßnb etwas behnbar, unb ber Bürger bort geht auf 
bem IPeg, ben bas (Sefeft erlaubt. Uber bas gegebene TPort 
ift heilig 3eber oerlangt oon bem anbern unb feftt ooraus, 
er folle genau überfchaueit, roo3U bas gegebene TPort ben 
einen wie ben anbern oerpßichtet. Per (Sefchäftsmann ber 
Pereinigten Staaten Pennt Peineit anbern <£hrgei3, als bie 
anftänbige IPahrnehmung feines (Sefdjäfts unb bie (Erreichung 
gefchäftlichen Erfolgs burch ausbauernbe unb Pluge Hrbeit. 
Er oezeiht nicht unb oergißt nicht eine Perfelßung gegen 
ben gefchäftlichen Hnßanb, auch bem Erfolg nicht, unb bas 
oerleiht ihm eine felbßbemußte EharaPterßärPe ohnegleichen. 
Per ameriPanifche (Sefchäftsmann überlegt ßch reißieh unb 
lange, ehe er auf ein Ungebot eingeht; hat er es aber ge» 
than, fo ift er mit ga^em fjezen bei ber Sache, unb man 
hat an ihm einen thatPräftigen Mitarbeiter oon unbebingter 
guoerläfßgPeit gewonnen. Selbßoerftänblich trifft biefe 
Schilderung nicht auf jeben ein3elnen 3U; ße 3eichnet aber 
bas gefchäftliche Weben im gan3en, wie es ßch mir in ben 
maßgebenben Kreifen ber mirtfchaftlichen IPelt ber Pereinigten 
Staaten bargeftellt hat. 

UTan fpricht mit Unrecht oon einer Herooßtät bes er* 
werblichen Tjaftens auf ber anbern Seite bes ©3eans. Pas 
(Segenteil ift ber (fall. Hur unendliche BegfamPeit nimmt 
man bort wahr, angeßrengten fleiß unb immer wieber 
fleiß; aber bie Heroen ber (fleißigen ßnb wie oon Stahl 
unb un3errüttbar. (€in 3 treiter Urttfel folgt) 

berliner 8otmnerbüf)nen. 

3 ?ftt iß Berlin bePanntlich „leer". IPer geit unb (Selb 
übrig hat, ift ber (Sroßßabt entßohen, ruht am fetjr Pöhlen 
UTeeresßranb ober Prajelt im (Sebirge herum, anbere wieder 
fudjen bie Schöben, bie ber oorige IPinter ber (Sefunbheit 
gefchlagen hat, in heilbringenden Bädern aus3ugleiden, um 
ßch auf biefe IPeife wieber für bie Pommenbe Saifon gebrauchs¬ 
fähig 3U machen. Pie Eifenbahnen haben bas wirPlich be* 
wunbernswerte UTeifterftüc! fertig gebraut, alle bie ungezählten 
(Taufenbe, bie beim Beginn ber Schulferien ber Heicbsbaupt- 
ßabt in wenigen (Tagen unb Stunden ben Hücfen Petzen 
wollten, ohne irgenb einen Unfall 3U beförbern; bie Beamten, 
bie bie SchrecPen einer förmlichen Mobilmachung bes publi* 
Pums überftanben haben, feigen erleichtert auf roie jeinanb, 
ber ein ungeheures IPagnis glücPlich erlebigt hat. 

Berlin wäre alfo leer? Wieber tfimmel, in einer Millionen* 
ßabt merPt man es wirPlich nicht, wenn einige gehn* 
taufenbe fehlen, denn bas Weben felbß fpielt ßch genau in 
ben gleichen formen ab, als wenn wir alle h*er ool^ählig 
oerfammelt wären. Sonntags ift, obgleich wir angeblich 
etwas mehr Ellbogenfreiheit haben wie gewöhnlich, Pein 
plaft auf ber Stadtbahn 3U erhalten, bie elePtrifdjen Bahnen 
ßnb genau fo überfüllt wie immer, unb oon ben fonftigen, 
uns liebgeroorbenen Kalamitäten oermiffen wir auch nicht 
eine einige. SPeptiPer betrachten es allerdings als eine un¬ 
oerbiente (Sabe bes Sdjicffals, baß mit bem Perfchwinbeit 
oon „tout Berlin“ auch alle Kunfttempel, auch bie, bie es 
nur fein wollen, ihre Pforten gefchioffen haben, unb baß für 
bas publiPum in biefer Be3iehung nunmehr auch eine Sdjon- 
3eit angebrochen ift. 

Pennoch ruht bie Kunß auch jeftt Peineswegs in Berlin. 
3m Tjochfommer, un & wenn er fo Pühl unb unfreundlich iß 
wie der diesjährige, haben wir immer eine gewaltige 3 n ' 
oaßon oon allen möglichen Mimen unb Miminncn aus ber 
prooin3 3U überßehen, bie bie Hbwefenheit ihrer berühmten 
Kollegen unb Kolleginnen oon ber Metropole da3u benufteit, um 
einem geroiffen (Teil bes Punftliebenben Berliner publiPums 
3U 3eigen, baß man auch in Köftfchenbroba oder in perleberg 
eine anftänbige unb oernünftige Komödie 3U fpielen oerßeht. 
Pem aufnierPfatnen Beobachter bes Berliner Straßenlebens 
entgehen biefe typifdjen figuren nicht. (Sleich bei Beginn 


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Seite {330, 


Hummer 29 » 


ber (Eheaterferien erfcheinen fie, unb fie promenieren juitädjfl 
nur in ber £eipjiger- unb friebridjftrage unb Unter beit 
£inben, uitb fte Ijeben ftd? angenehm burdj ihre majeftätifdje 
Ejaltnng non ben übrigen, gemöhnlichen philifterpaffanlen 
ab. Hiemaitb fanit einen ähnlichen ^faltenmurf bes ettuas 
oerfeboffenen Ejaoelocfs prob^ieren, niemanb trägt ben breit- 
fräinpigen Künftlerljut mit ähnlicher (Senialität, niemanb hat 
eine meheitbere Kramatte non abfonberlidjerer färben- 
3ufammenflellnng, niemanb bie £ocfeit fo buftig pomabiftert 
mie biefe Künftler, bie in ihrem äugent Auftreten ihre 
fo3taIe Ulachtftellung in mürbiger form 3um Ausbrucf bringen. 
JTlit beit Uatnen oerhält es fid} in ähnlicher JDeife, ihre 
(Eoiletie eutfpriebt 3toar nicht ben legten Anforberungen ber 
UTobe, bafür aber brilliert fte bur<h bas feltfame unb farbeu- 
freubige Arrangement. 

Allmählich nerfchmiitben biefe auffallettben figuren 3uin 
Schaben bes Sirageitbilbes. Der EDanberer, ber in bcnt 
„leeren" Berlin auf feinen gügen Stubien macht, fieht fte 
bann in gan3 anbern Stabtgegenbeit toieber. Drangen in 
UToabit, in ber Brmtnenftrage, in ber perlebergerftrage, in 
ber Kaftanienallee, in ben oielbefuchten Dororten ftnbet er 
fte in beit Sommertheatern rnieber, mo ber fleiite Utann mit 
feiner familie nach bes (Eages £ajt uttb Ulühe (Erholung 
fudjt, bie er burch einen Kunjtgenug oerftärft. gmar üben 
hier auch Berliner Küitftler ihren h°h e n Betuf aus, aber 
bie fremblinge merbeit gern anfgeitomnien. meil ihre Alt- 
fprüche gemeinhin befcheiben ftnb unb ber Unternehmer in 
feinen Dritteln meift befdjränft iji 

Denn bas (Entree, bas für ben Kunjtgenug auf ben 
Sommerbühnen erhoben mirb, ift ber ETatnr ber Sache nadj 
ein minimales. Dielfach mirb ein (Eintrittsgelb überhaupt 
nid?t erhoben, ber f amilienoater, ber mit f rau unb Kinbern 
erfcheint, lägt fleh lieber „inbireft" befteuern unb 5ahlt einen 
fleinett Auffdjlag für bas Bier, bas ja ohnehin fonfumiert 
merben mug. (Er geniegt als Kunftleijtungen am liebfteit 
poffett unb fleine £tiftfpiele, es merben ihm aber auch — 
o (Srauen! — bismeilen Hitterfomobien oorgefegt. bie burdj 
Blutoergiegen unb Pathos belebenb auf bie Heroen toirfen. 
EDemt es regnet, finbet bie Dorftellung im Saal ftatt, mas 
ber Elaturaloerpflegung ber gufdjauer natürlich feinen Ab¬ 
bruch thut. 

rrtit Anbacht laufcht man unb fommentiert bie fjanblung 
unb bas SpieL gmifchenrufe toie „fauler gauber!" „fefte. 
EDi 11 ein!" bei befonbers aufregenben Vorgängen auf ber 
Bühne ftoren toeber bie Darftelier noch bie auftoartenben 
Kellner, unb felbft ber Umftanb, bag ein fleiner, noch nicht 
ftubenreiner Urbetiitter brüllenb nach feiner f lafche oerlangt, 
ruft höchftens bas Ulitleib unb bie Teilnahme ber nmjigenben 


Ulütter mach. Die Ejauptfache ift, bag ftch ber Berliner 
amüfiert, unb bas gefchieht faft immer. Sonntags mirb na¬ 
türlich in ben (Sarten ber Sommerbühnen auch „Kaffee ge- 
focht", beim ohne biefcs (Setränf ift ein toirfliches Dergnügen 
thatfäcblidj unbenfbar. Hach ber Dorftellung lägt fich ber 
Ejelb unb £iebhaber h era &/ mit aiigefehenen (Säften einen 
Schoppen 311 trinfen, unb bei biefer (Selegenheit er3ählt er 
bann (Sefchichten, bie bie (Ehrfurcht unb Beiounberung feiner 
guhörer h^roorrufen. Augeibem giebt es natürlich auch 
Danbys, bie ber Soubrette eine £imonabe fpenbieren. 

So enttoiefeit fich reges Kunftleben in Berlin, auch toettu 
bie offtjiellen Kunfttempel gefd>loffen fmb, wenn bie berufenen 
Dertreter ber bramatifchen Kunft fich in Bäbertt ober auf 
(Saftfpielreifen beroünbern laffen. Der fleine ITTaitn mill tu 
Berlin genau fo gut feine (Erholung unb gerftreuung hoben 
roie ber Betoohner bes feinen IDeftens, unb er ftnbet fie in 
ben heißen (Lagen bes Jahres faft ausfchlieglich auf ben — 
Soinmerbühnen. c. 



Die toten der &locl)e. 


Klare Antofolsfy, rufftfeher Bilbhauer, t am 14. Juli 
in Hamburg im Alter oon 60 Jahren. 

Anna oon Bennigfeti, geb. oon Heben, t 14 - Juli int 
Alter oon 69 Jahren. 

Benjamin Bilfe, befannter 0r<hefterbirigent, f am 
1 3 . Juli in £tegnig im 86. Jahre. 

fjofrat Julius fiefer, Hechtshiftorifer, f jo. Juli in 
Jnnsbrucf, 76 ^Jahre alt. 

E?ofrat (Emanuel Ej er mann, €rftitber ber Poftfarte, 
t 14 . Juli in EDien. 

Hicharb Krägfdjmar, profeffor ber Rheologie, t 10. Juli 
in Utarburg int 35 . £ebensjahr. 

Senator Antonio Ulorbini, alter (Saribalbianer, t am 
(4. Juli in Ulonte^atini. 

(Eheobor Ulüller, (Seneralmajor 3. D., t am jo. Juli 
in Bun3lau, 84 Jahre alt. 

(Dberbaurat Karl preuniitger, f ain Juli in 
Heidjenhall, 73 Jahre alt. 

(Seheimer 0berjufti5rat Hicharb, £anbgeri<htspräfibent, 
t am 12 . Juli in 0 snabrücf. 

Karbiital Schlauch, Btfd?of oon (Srogtoarbeiit, t (0. Juli, 
7 8 Jahre alt. 


<u> 


Cin Stündchen bei Paal meyerbeim. 

Su feinem feefoigften (Seburtstag. 


Als ich mich banfeitb oon betn grogen ITTaler unb liebens- 
mürbigen Ulenfchen oerabfehiebete, gab er mir lächelnb bie 
f7anb unb fagte: „Bitte fehr, bitte fehr! — Unb machen 
Sie’s gnäbig!" Das ift ein be3eichnenbes IDort für ben 
fuorrigen Ulann mit bein gut gefchnitteneit (Sefidit, für feines 
IDefens ^reunblichfeit mit bem h ll, noroollen <£iitfdjlag unb 
bie befcheibene Abmehr aller aufbiinglicheu ^eier. (Er hatte 
mir er3ählt ooit ber fröhlichen feftlichfeit, bie bie jfreunöe 
feiner gefdjä^teii Kunft unb feines gaftlichen Kaufes 3U feinem 
jech3igfteu (Sebnrtstag eben oeranftaltet hatten. Die iin (SefeU- 
fdjaftslebeu Berlins befannteften perjönlichfeiten, mie ber 
greife Dlei^el, £eyben, EJilbebranbt, Knaus, Koberftein, pietfdj, 
hatten fid? ba in feinem frönen E^eiin in ber Ejilbebranbt- 
ftrage 3ufammengefunben, um ben IHeifter 3U ehren. Unb 
in freubigfter (Erinnerung fprad? ber (Sejeierte oon feinem 
(Ehrentag, uub fein l)et$ mar noch ooll oon ben finitoollen 


(Sahen unb Darbietungen, bie man oon allen Seiten trog 
feiner ftillen gurücfhaltung in fein Ejaus h'tteinjutragen 
gemugt hatte. 

Der ITCeifter er3ählte oon feinem (Seburtstag in behag¬ 
lichem piaubern. l?icr 3U fcheitfeit unb in feinen (Sefcheit- 
fen unb freuttblicheit (Sabeit fo oerftattben 311 merbeit, 
inug bas (Sefchenf für ben (Sehet mie für ben Begabten 
mertooll unb fie beibe froh machen. Ulan tnerfte es ben 
gügen feines lebendigen (Sefld?ts mirflich an, mie er fich in 
feinem gansen füitftlerifchen Schaffen oerftaitben fühlte butd? 
jene Art unb IDeife, mit ber man ihn ans bem Kretfe ber 
Jfreunbe bes goologifchen (Sartens erfreut hatte. Don all 
ben €ittmohnerti bes Berliner (Eierparfs, bem er fo oiel 
Anregung 3U feinen Bilöern oerbanFt. unb in bem er fo 
hittgebeitbe Stubien gemacht hat, hatte es ber nach Darmin 
am meifteit ba3U Berechtigte übernommen, bie (Slücf- 


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Hummer 29» 


Sette {55{. 



Begrüssungsdiplotn 

jum 60. (Geburtstag 
uoti paul UkytEi-ciü;. 


wünfd?e ber (Eiern?eit 
3U überbringen. €in 
freunMid? breinfdjau» 
enbcs Kffenejemplar 
bot ein Begrüfiungs» 
biplorn bem Weifter 
bar, bas bie üor^üg* 
lidjften Pierfüfcler in 
uit3weibeutigcr Klau» 
enfdjrift unterzeichnet 
hatten (f.nebenftehenbe 
Kbbilbuttg). 

Unb n?ieber nad? 
attberer Hidjtung hin 
erinnerte ber grofce 

Waler fid? in gleicher 
Danfbarfeit ber fünft* 
lerifdjen Peranjial* 
tung, biewohlbefannte 
freunbe bes all3eit 
gaftfrcien Weyerheimfdjen Kau¬ 
fes, wie Waj: Jiieblänber, 
Dr. Sewanbowsfi, griene Jor» 
ban, prof. Krüger-Weibel, burd? 
ein ron Hobert Kahn fompo* 
uiertes unb birigiertes Quartett 
ihm bargebradjt hatten. Penn 
fein mufifalifches Pcrftärtbnis 
bleibt hinter bein für feine 

eigene Kunft nid?t 3iirfnf, n?ie 
er auch 311 ben regelmäßigen 
Befacfrern ber Joadjimfchen ©uartettabenbe gehört. Unb 

befonbers freubig bewegt fpradj er üon bem gebanfen- 
unb phantafiereichen Singfpiel feines alten Jrenn» 
bes, f)rofejfors Posner, ber < 5 oethes „Jahr* 
marftsfeft uoit piuitbersweilern" 311m Porwurf 

einer ftnnnollen IPürbiguitg ber Weyerheimfchen 
Spejialfunft nahm. Poll t^uinor fdjilberte ber 
Sechsigjahrige, wie bas Perbot bes allgemeinen 
Spielbuben» unb Wenagerietreibens auf bem 
3 ährmarft einer (Eierbänbigerin Knlafj giebt, in 
einem Jefaug uon Weyerheimfchen Bilbgeftalten 
bie poetifche Schönheit unb £ebensfraft all ber 
Figuren unb Kreaturen anf5U3eigen, ohne bie ein 
echtes Jahrmarftsfeft ebeuforoenig benfbar ift wie 
bie Kunft eines Paul Weyerheim. Unb wie ber 
ITTeifter in (Sebanfen an ben wohlgeluugeneu 
Sd?er3 noch jefct fröhlich lachte, fam mir ber ganje 
€rnjt feines £ebeuswerfes 5« ooUftem Bewußtsein. 

Pie (fülle feiner Arbeiten 30g au meinem 2 luge 
rorüber, wie jte ror einigen Jahren bie benf» 
würbige KoUeftiuausitelluug im Uhrfaal bes alten 
Kfabeniiegebäubes Bereinigt hatte. XPein follte 
auch ber €inbrucf, beu man bamals uon Weyer« 
heims (Sefamtfchaffen befain, fo fchnell wieber 
entfd>minben! IPie freuten fich bamals bie 
alten Perehrer unb (freunbe feiner Kunft über 
bies abgerunbete (Sefamtbilb, unb wieuiel Hefpeft 
mußten auch bie (Segner ihm 3otlen! Spricht hoch 
aus jebem einzelnen IPerf nicht nur bie fouueräne 
Beherrf.hung bes (Segenftanbes, foitbertt auch bie 
glübeube farbenfreube bes Walers. Penn er 
malt nicht bas (Eier, um bas (Eier 31t fonterfeien, 
fotibern er ftellt es in eine Komposition, ber bie 
tarbige Harmonie Sinn unb §wecf ift. Bad? 
biefer Kid?tung hin hat er etwas r>oit ber Krt ber 
Wobernen unb Jüngeren wie SIcrogt unb bie 
aus bem Kreife ber Se3efjton. 

Solche KunjtgebanFen begleiteten mich auf 
bem Hunbgang burd? bas Weiter an ber Seite 
bes Weifters. Piel ha* man bem fyxxn bes Baumes 
hier nrd?t gelaffen. Bur wenige eben entftehenbe 
Bilber haben fich gerabenodj ben £iebhaberbegierben 


ent3ogen. (Ein prächtiger £öwenfopf blieft mich non ber Staffelei 
herunter lebenbig an. Efeibeerinnerungen erweeft bas Bilb ber 
arafeitben Siegen auf ber 211 m, unb ber 3eitgemäße Porwurf 
einer reifeitben jungen Pame im (Eifenbahnfupee wollte aud? 
meine Beifeluft anregeit. Sonft fah i<h an Kunftwerfen bie t?on 
bem Hausherrn felbft hochgefchätjten Baryefdjen (Eierfftilpturen 
unb wunberbare (Sipsabgüffe oon Pferben pott bem be¬ 
rühmten rufftfehen Bilbhauer Barott pon dlob. IPas aber an 
ben mit alten fran3Öftfchen (Sobelins gefdjmücften Werlier» 
wänben meine Kufmerffamfeit befonbers fejfelte, war eine 
pradjtpoll ge3eichnete Hücfenaftftubie ponber Weifterhanb<£buarb 
Weyerheims, bes berühmten Paters bes berühmten Sohnes. 

ZPohl hätte ich aud? uott bem £ebenben uor mir über ftd? 
felbft, über feine eigene Kunft unb fein Perhältnis 3U ben 
Jüngeren gern einiges gehört, aber feine liebenswürbige 
Befcheibenheit lie§ es nid}t ba3U foinmen. Jm Scher3 er¬ 
innerte er mid? an feine gelegentlichen Peröffentlichungen 
unb feine erften Jlluftrationen uoti Büdnern wie „lieber bie 
Regung ber Höhlenbrüter' 1 unb über „Kusftopferei pon 

Pögeln unb Säuge¬ 
tieren". Pas war 
alles, was er Dort 
fid? unb feiner £e» 
bettsarbeit fagte. 
Kber was braucht 
aud? ber Wunb bes 
Weifters 311 rebeu, 
wo feine XPerfe fo 
beutlich fpredjen! 

S. *?• 



paul jvicpertmni. « 

Ztadj bem Ceben tjejeiebnet pon Jlrtbur HaJjfa. 


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Seite 1532. 


Uunimer 29 - 


önf«r« 

Kus bem mtlitärifd?en £eben. Unabläfßg arbeiten 
bie europäifd?en ITtäd?te an ihrer Krtegsrüßung, jebe maßen* 
ted?nifd?e Erßnbung mirb ßubiert unb probiert, mie bei unferer 
Jußartillerie gerabe Derfud?e mit einem 2 * cm-IHörfer (Kbb. 
S. 1373 ) angeßellt merben. Kber bie lTtÖglid?Feit, baß in 
ferner guFunft einmal bie fjeere einanber gegenübertreten 
Pönnten, ftört nid?t bie guten Bejahungen in ber (Segen¬ 
mart. feiern bie Regimenter ber einjelnen Armeen Jefte, 
wie fürjlid? bas rufßfd?e £eibgarbePürafßerregiment fein jrnet* 
hunbert jähriges Jnbtläum (Kbb. S. (33 7 ), fo gebenPt man 
ihrer aud? im Kuslanb mit fympatt^tfdjer KufmerPfamfeit. 
Pielfach ßnbet fogar, namentlich an ben (Sren* 

3 en, ein birePter DerPehr ber 0 fß 3 iere oer* 
jcbiebener l^eere forpot^I augerbienftlid? mie 
and? bienftlid? ftatt. So haben crft Pü^lid? 
mieber einige l?öh erc ©ff^iere ber öfter* 
reicbifchen £anbesgenbarmerie ber Beßditi* 
gung einer preußifd;en (Senbarmerieabtei* 
lung in £aubait (Hbb. 

5. *336) beigemohnt. 

Daterlänbifd?e J e ß* 
fpiele. 3 n berfd?meijerifd?cn 
Eibgenoßenfd?aft ift es 5 ur 
löblichen Kegel geroorben. 
patriotifdje (SebenPtage burd? 

DoIFsfchaufpiele 3 U feiern. 

So ßnb an ben lebten Sonn* 
tagen in T)od?borf im Kan¬ 
ton fcujern 3 ur (Erinnerung 
au bie Sd?lad?t bei Seinpad? 

IDinfelriebfpiele. (Hbbilbung 
S. 1340) oeranftal* 
tet morben, bie in 
gemißen perioben 
mieberholt merben 
follen. — 2 lnberer 
Krt maren bie 
raterlänbifchen 
Spiele, bie im 
Knfd?Iuß an bie 
Derfammlung bes 
Dereins für DolPs* 
unb 3 ugcnbfpiele 
in Köln am K^ein 
(Hbb. S. *372) 
fiattfanbeu. Dort 
hanbelte es fid? 
nid?tfomohlbarum, 

Bilber aus Deutfd?» 

Ianbs Dergangen* 
heit oor3iiführen, 
als 3 U seigen, mie 
in Deutfchlanb 
burd? turnerifche unb fportlid?e Hebungen Kraft unb <Se* 
lenPigfeit bes Körpers gepflegt merben. 

CvS 

£onboner Kugenblicfsbilber (Kbb. S. *334 unb *33 5 ). 
Die englifche £?auptftabt ift in ber lebten geit aus ben Kuf* 
reguugeu gar nicht mehr h* ra us9*foutmen, bie glücflid?er* 
meife nic^t alle eine fo traurige Urfache h at t*u, wie bie 
Derfd?iebung ber KönigsPrönung. 3 a * hat fogar febon 
mieber ein Jreubenfeft feiern Pöunen; 3U einem folcben ge- 
ftaltete ßd? nämlich bie QeimFehr £orb Kitd?eners, ber ben 
• Krieg in SübafriPa 3um fiegreichen Enbe geführt hat. 

Dem Sport (Kbbilbungen 5 . *3 7 * unb *374) unb ben 
Spielen aller Krt mirb allenthalben eifrig meiter gehulbigt. 
IDtr bringen heute Bilber uom IDaßerfport, ber jefct im 
Dorbergrunb bes 3 n terejfes fielet, aus Hamburg unb Englanb. 


Bilder. 

ferner ßnben unfere £efer bie (Sefd?enPe, bie unfer Kaifer 
für bas XX. mittelbentfcbe Bunbesfd?ießen unb für bas inter¬ 
nationale £amntennis* (Turnier in goppot gegiftet hat. 

Der hunbertfte (Seburtstag Klejanber Dumas* 
bes Keltern (Kbb. S. * 336 ) iß oon ben Jranjofen aufs 
feftlid?ße begangen morben. 3 n ber Daterftabt bes großen 
Romanfd?riftßeUers, in Dillers-Cotterets, fanb bie Enthül¬ 
lung bes ihm errichteten DenPinals ftatt, unb an ber Jeier, 
bei ber aud? ber Unterricbtsminifier Chaumiö eine Knfpradje 
hielt, nahmen mohl 25000 perfonenteil, barunter 3ahlreid?e 

(Srößen berKnnß 
unb £itteratur. 

UnglücPs* 
fälle. 3 n ber 
gan3en Welt hat 
bie Had?rid?t leb¬ 
haftes Bebauern 
heroorgerufen, 
baß ber (Slocfen- 
türm ber Klärens- 
firebe in Denebig 
(uergL neben* 
ftehenbe Kbbil- 
bungen) einge- 
ftürjt ift. lieber 
bie (Srett3en Ju¬ 
liens hiuaus fin* 
bet ber (SebanPe 
KnPIang, bas 
herrliche Bau- 
merf neu erftehen 
3U laßen. — Eine 
nerheerenbe Jeu* 
ersbruuft hat in (Trier gemutet (Kbb. S. * 339 ). 
Die Petersmeße hatte gerabe ißr Enbe er¬ 
reicht, als in einer ber 3 ahrntarPtsbuben ein 
Braub ausfam, ber in Furjer geit etroa ein 
Diertel aller DerPaufsftätten einäfeberte. 

Hus aller IDelt Die (Teilnehmer am 
ScbißahrtsFongreß in Düßelborf haben nad? 
Bcenbigung ihrer bortigen Derljanblungen 
noch einen HusfTug nach Hamburg (Kbb. 
S. *538) unternommen. — Der altberühmte 
Dom in IDorms erhält einen neuen IDeft* 
d}ov f 311 bem ber (Srunbftein (Kbb. S. * 339 ) 
bereits gelegt ift. — (Sroße EJoßnungen fe^en 
auf ben Bau ber (£ueisthalfperre in IHarP* 
!ißa bie Bemohner ber gan3en, non lieber- 
fdpmemmungen jo oft heimgefudjten (ßegenb. 
— Unter großem 3ubel ßnb aud? in biefem 
3ahr mieber 3 ahlreid?e Kinber ans Berlin 
mit ber Bahn in bie JerienPolonien (Kbb. S. *3 74 ) nad? 
ben 0 ftfeebabern befördert morben. 

Cb 4 

Perfonalien (Porträts S. * 338 ). Die uerßorbene 
f^erjogin JrieberiPe oon Knßalt* Bernburg mar mit ihren 
91 3 a h ren bie ältefte europäifebe Jürftin. — Der in fiegni^ 
uerftorbene Kapellineifter Benjamin Bilfe hat ßd? in früherer 
geit burd? bie Populariftrung guter ITTuftP bie größten Der- 
bienfte erroorben. — Der in Breslau uerftorbene berühmte 
Kugenar3t (Seheimrat Jörfter mar, feit bem 3 ah* *8 73 , ber 
erfte orbent!id?e profeßor ber Kugenheilfunbe an ber bortigen 
Uniuerfttät. — Der präßbent pon 0 berbayern, £?err u. Kuer, 
ift in ben Huheftanb getreten. Sein Had?folger mürbe nid?t, 
mie man angenommen hatte, Kultusmtnifter u. fanbmann, fon- 
bem ber erfte Beamte in beßen IHinifterium, Staatsrat u.Scbraut. 



Der etiemallgeSIocfentutminDcnebig unbfcincllmgebnng. 


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Hummer 29 


Seite J333. 



* •% 


Zum Rücktritt des engUfcheu premierminifters Marquis of 6alisbury« 


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Seite \55^< 


Hummer 29« 



l . Ute IHenge tpnrtet por ber 2Imlsirot)nung bes Corb ITlctyors nuf n<id?rid?teu über bas Ucftnben bes Königs. Don ber Speifung ber Jlrnten auf K offen 
bes Königs: 2. prinj uttb prinjeffin pon'lDales auf bnn £rftplaft «« ^ulbant. 3. Das l>ari£te 3 ur Unterhaltung ber 2lrmeit. 4 . Ute Königsgiffe in XDtfhninfter. 

Bilder aus London* 


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J 


























Hummer 29« 


Seite \335< 



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Von der Reimkebr Lord Kitcheners aus Südafrika: Die Hnhunft des „friedenbringers“ in London* 














Seite *336. 


Hummer 29 . 





Dfe entbQUung de» Denkmals für Hlexander Dumas <L Heit, ln Villers-Cotterets. 


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3n ber unteren Heibe (oon linfs nadj rechts): l. ßptm. Ziemers. 2 . ßptm. Htrolal. 3. ©berftltn. v. ben Brincfen. <$. IHajor r>. IDalbott*. 5. Ctn. Hotter. 
6 . ©berft v. puttfamrr. 7 . ©enrral ^rbr. i>. BammerjieimCortrn, Cbef ber preuft. Caubgenbarmerte. 8 . ©berft u. tTeitenrrrbcr, H. K. €anbgrnbarmeric»Kommanbo 
Prag. 9 . ©bern fiaacf. 10. ©berlt. Srcbre, I. 2lbj. Prag. U. JTlajor o. £iebcr. 12. frptm. o. IDerner. 13. Bpmi. t>. (Ecicfyuann. H. ßptnu i>. (Erbniannsborff. 

Ton der CeÜnabme der öfterreicblfcben Gendarmerleoffixiere an der Berichtigung durch frhr. v. Dämmerftein-Hoxten in Hauban. 

Pbot. ITlar OTitllcr, Cauban. 


































Zlmnmer 29 . 


Seite {337. 



I* ©bupeifpmg ber nennt ^atpie in ©egentpart bes garen. 2. ©tneralmajor prefdjenjoff, Komnianbeur bes Regiments. 3. Die ©rftyere perabfdjieben ßrf} 

pon ber alten £al;ne. gar, garin unb garintpirtpe im Kreife ber <l>ffi$iere. 

Tom 200 jährigen Regimen tsjutriläum der ruffifcbeti keibgardekOraffiere in Zarskoje Sfelo. 

2lnfnaijmen pon C. ©. BuHa, 5t Petersburg. 



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Seite {538. 


Rümmer 29 




Herzogin fricderike von Hnhalt-Bernburg 

bie d11efle curopdifcbe ^ürfHn. 
ptjot Bemljarb, BaUenjiebt 


Benjamin Bilfc, Ctegnig +, 
aübcfanrler ttonjertbirigent 


prof. Dr. H. Breslau f, 

tjeiDorxr.r.euber Jiugenarjt. 


tniniflerialbireftor Sdjufft. 2. tPaffcrbauinfpeftor IDenbemutlj. 

Die CeUnehmer des Bdrfffahrtskongrcsses in Hamburg am 8. 7ult 

pljot Sdjaul. Hamburg. 



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Hummer 2g. 


Sette |539. 



Do nt bäum et fl er Pcof. Karl £)ofmann. Der ©runbflein, ber ein ge mauert mürbe. 

Die feierliche 6rundrteintegung des Udeftchor® am Olormrer Dom. 

f)ofpljot. <£b. fjerbjl, ITorms. 



Vom grossen Brand auf dem Jahrmarkt der petersmelTe in Crier: Die OnglQdisrtdtte. 

pl?ot. C. fyövel. Irier. 


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Seite *3^0. 


Stimmet 2 % 


* 



1 . Xnficfy oon £)od?borf. 2. jamilie IDinfelrieb. 3. 2lmoIb IDinfelrieb. 2Ius bem £eßfpiel: Das ^oflager £)erjog Ceopolbs auf SdjIo§ Stein bei Baben. 

(I. 21ft, 2 Scene ) 

Schweizer Volksfchaufplele: Die TOnkelrled-Hufföhrungen In Rochdorf (Kanton Luzern)« 


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Hummer 29» 


Seite {3^. 


Ga mar rin alter König. *. 

Von 

Rudolph 8trat z. 


eit gefpißten Sleißift in ber I}anb, bas 
Hot^bud? auf bem Knie, hotte ftd? ber 
3nterpiemer auf feinem Stuhl etmas por* 
gebeugt unb martete, was it?m ©£cetlen3 
pon Sraunfdjeibt meiter für fein beutfd?« 
atnerifanifches Slatt offenbaren mürbe. 

Kber an bem Krbeitstifd? bes berliner EDürben« 
trägers — einer richtigen politifdjen IDerFßätte ber 
lüilhelmßraße mit hochgetürmteu Stößen pon Kften unb 
papier« unb DrucFmerF aller Krt — blieb es 3unäd?ß 
ftumm. Die bläulichen EDolfen ber E?apana fliegen 
empor, ein tiefes Käufpern grollte, bann mürbe es 
bunfel por bem 5enßer. Die ©eßalt E?errn ooit Sraun« 
fcheibts hob ßd?, breitfdjultrig, alles mit ihrem liefen« 
toud?s überfchattenb, in bie E?öl?e. 

€r gähnte fdjmer, mit einem 3erßreuten SlicF auf 
ben fleinen, fchmächtigen KTann ber 5eber, ber ihm 
Faum bis 3ur Sruß reichte, unb fagte bann, ein lißig« 
jooiales lächeln in ben ftahlgrauen Kugen: „©enug 
bes graufamen Spiels, Derehrteßerl Die Zitrone ift 
ausgequetfchtl KU meine Weisheit iß 3U Cnbel 3d? 
fd?meige. Unb glauben Sie mir, es ip eine große 
Kunp im potitifchen leben, all bas 3U perfd?meigen, 
was man nicht meißl" 

Der 3°urnalip lachte. 3hnt tpar befannt: bem 
hünenhaften alten 5ud?s ba briiben burfte man nicht 
über ben Weg trauen. Der fpielte, wenn bie laune 
über ihn Farn, Fangball mit ber gan3en Welt unb per« 
riet babei Faum burch ein uieberträchtiges, pergnügtes 
&w\ntevn in ben Kugenminfeln, tues ©eißes Kinb er mar. 

„3d? bin eigentlich ein ftiller, alter lanbmirt," fuhr 
ber Hausherr unbefangen fort unb fchaute auf feinen 
Sefucher nieber, ber gleid?faHs aufgeßanben mar. „I^ier, 
in biefem KToraß pon (Einte unb Drucferfd]toär3e, Friegett 
Sie Fein richtiges Silb pon mir. Sie hatten mid? im 
<Dßen auffud?en müßen — auf meinen (Sütern — noch 
por einem 3 a hr* 3nt 3ogbmams, mit hohen Waßer- 
ftiefeln, bie lange ©ntenflinte über ben Schultern — 
ba iß mir mot?l. Kber hier in Serlin ... bie ©roß» 
ßabtluft legt pd? mir auf bie Sruß! KTir mirb gan3 
angß unb bang por all ber 3nteHigen3 um einen herum. 
Das befchämt mich- früher Farn ich in aud? nur feiten 
her . . . nur 3um Keid?stag. Dahinein mählen mich 
bie Säuern nun einmal beharrlid?. 3d? hob ihnen 
oft gefagt: } Kinber, laßt mich in Trieben! ©laubt 
mir, bie politif perbirbt nicht ben (Ehorafter, fonbern 
ben Derßanb! Diel Heben macht bumrn, piel 5 u ^reit 
macht bümmerl Seßer, in ©ftelbien fein eigenes Stroh' 
bach flicFen, als in Serlin frembes Stroh brefchen, unb 
lieber baheim eigenen Kohl bauen, als hier frembeit 
anhören . . . 4 ja . . ftenographieren Sie nur fleißig. 

Schreiben Sie bas ruhig 3^ren Kmerifanern. Das pnb 
golbene Weisheiten!" 


„Danfe, ©£celleii3l Unb por 3nhresfriß hoben pd? 
©£cellen3 nun alfo bod? entfdjloßen, nach 3ehnjähriger 
paufe mieber in ben Staatsbienß unb bamit nach 
Serlin 3urücf3ufehren?" 

„leiber!" fagte ber Würbenträger Faltblütig. „3d? 
mar fchon 3U allgemeiner Sefriebigung pon ber Silb* 
fläd?e perfchrounben, meil es mir hier in ber Wilhelm» 
ftraße 3U Iangmeilig tourbe — unb nun plößlid? bin 
id? mieber ba unter bengalifcher Seleuchtung — toie 
Samiel in ber Wolfsfd]lud?t . . . allgemeiner SchrecFen 
. . . hörtl h^rtl Hnfs . . . aber mas miH man machen? 
J’y suis, jy restel" 

„Unb rparum, menu man fragen barf, ©£cellen3?" 

„Kus eitel CücFe unb Sosheitl" E?err pon Sraun» 
fcheibt 3Ünbete ftch Pirnrun3elnb eine neue &\Qavxe an. 
„3d? bin ein fd?auberl?ofter Heaftionär! nicht 3um 
Sagen, ©egen bie Segnungen bes liberatismus blinb 
mie eine neugeborene Klaus. ©in heillofer Ur», Stocf« 
unb Kitpreuße I Wenn ich in peFing Klanbarin märe, 
ßatt an ber Spree — ich fdjlöße mich fofort bem 
äußerßen rechten 5lügel ber altdßneßfchen HücFfchritts» 
partei an. lefen Sie nur nachher int Kaffeehaus bie 
nächße Leitung — je linFfer, beßo beßer! Da pnben 
Sie fchmar3 auf meiß, mas ich für ein ilud? unferer 
fonß fo aufgeFlärten (Eage bin . . . Unb nun: münfehen 
Sie noch etmas 3U mißen?" 

Dabei manöprierte er mie abßdtfslos mit feinem 
Hiefenförper berart, baß er, alle 5lanfenbemegungen 
unb Kusmeichuerfuche bes 3 ,l leroiemers gefdjicFt ab« 
fattgenb, biefen in fcheinbarer gerßreutheit unerbittlid? 
3ur Chüre hinbrängte: „3d? benfe, Sie entlaßen mich 
jeßt?" plauberte er babei gan3 gemütlich, mit einem 
treuher3igen Slicf nach feinem Quälgeiß hinab: ,3dl 
fehe: 3h* Wißeitsburß iß nod? groß — aber mein 
Ejunger iß noch größer i Sie hoben noch oiel auf bem 
Ejer3en, aber id? hohe nod? nichts im Klagen, unb es 
iß in fold?en 5äHen eine Fleine Sd?mäd?e f>on mir, baß 
id? 3uerß an mid? benfe, bann an nichts unb bann 
nod? einmal an mid?i ©efunbe Heihenfolge — nicht 
mahr?" 

Kn ber (Ehür machte ber Sefudjer nod? einmal ent« 
fd?loßen ^alt. „Hur nod? ein paar Had?rid?ten über 
3h** 5amilie, ©^cellen 3 l" bat er, ben Sleißift in ber 
^aitb. 

€s metterleuchtete unangenehm in ben Kugen bes 
alten E?errn, bie gebieterifd? fein gebräuntes, grimmig 
gefchuittenes ©eßd?t mit bem eisgrauen Schnurrbart 
beherrfd?ten. Dann 30g er bie bufd?igen Srauen hod?. 
„Kieme Familie? ED 03 U bas alles? 3d? hott’ eine 
5rau! Die iß totl 3d? hob einen Sohn — ber iß 
in Kfrifa ober pielmet?r — er Fommt in 3mei Stunben 
aus Kfrifa nad? Serlin 3urücf, unb id? muß gleich auf 
bie Sahn, ihn holen I Unb wenn Sie jeßt 3^tn Slatt 



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Seite 


Hummer 29. 


barüber berichten, was Sie hier in ber E}öhle bes £öwen 
erlebten, bann pergeffen Sie, bitte, bie eitrige £icht* 
feite in bem büfeeren Bilb nicht — ben einigen erfreu¬ 
lichen §ug meines (EharaFters — bafe idt nämlich ber 
Dater bes berühmten 5 orfchungsreifenben Krpib 
pon Braunfdjeibt bin, bes HTannes, ber jefet eben auf 
unbetretenen pfaben KfriFa burchquert hat. Stol3e 
Sache — nicht? 3 ^? wollt' f ich märe babeigewefen!" 

„Unb ^ter leben (E^ceHenj in3wifchen gan3 allein?" 

Der alte BecFe horchte, ohne ft d\ um bie EDorte bes 
anbern 3U Fümmern, auf. €r hatte leidste Sdtritte im 
5Iur peruommen. „3uttal" fchrie er in feinem tiefen, 
bröfynenben Safe. „3uttaaaa!" — unb gleich barauf 
antwortete eine h^e Stimme: „ 3 a — ich Fomm fchon I" 

Der 3 aterpiewer ©^beugte pch por ber hochqe* 
wachfenen, fdpanFen Blonbine, bie rafdj in bas gimmer 
trat, nod? Ejut unb ZTTuff in ber E}anb unb bie IDangen 
Pom Spa3iergang gerötet. Sei feinem KnblicF feufete 
fie nur gan3 wenig, als fei pe längfe an bas Kommen 
unb (Sehen unbeFannter (Befealten in biefen Säumen ge* 
wöhnt, erwiberte mit einer flüchtigen Kopfbewegung 
feinen (Srufe unb trat 3U bem alten ^errn, ber zärtlich 
ben Krm um fie legte. 

Don ber Seite her fchien bie winterliche HTorgen* 
fonne heH auf bie beiben aüsbrucFsooHen unb pon* 
einanber fo Perfdpebenen HTenfchenFöpfe — bas ge* 
furchte, herrifdje, pon farFafeifchem EJumor burchwetterte 
Kntlife bes grauen EDürbenträgers unb baneben, ihm 
bis über bie Schulter reichenb, ein Fluges, junges, fd?önes 
(Seftcht mit glän3enbem SlicF unb lebhaften Sippen — 
aber alles pon läd^elnber Selbfebeherrfd^ung geglättet 
unb nach aufeen perfchloffen in liebenswürbigfter EDelt- 
gewanbtheit. Unb ebenfo waren ihre Sewegungen. 
£eidfe unb elafeifch, aber pon einer ZurücFhaltung, bie 
gar nicht 3U ihren 3wait3ig unb etlichen 3ah r en ftimmte. 

tlTan mufete ftch in biefe Süge hineinfehauen, bis 
man fte fchön fanb. Dann hielten fie einen fefe. €s 
war eines ber (Sefichter, bie man nicht wieber pergafe. 

Der 3 n ierpiewer fühlte, bafe er nun 3U piel war. 
Sein IDiffensbrang war gefeint. (Er Flappte fein H0H3* 
buch 3ufammen, feecFte es ein unb perbeugte pch in ber 
Chür 3um (Sehen. „ 3 ch banFe fehr, €£ceüen3l (Buten 
Slorgen, gnäbiges Fräulein!" 

Sie neigte ein wenig bas blonbe Ejaupt unb ladfee bann 
leife unb belufeigt. Der Ulte neben ihr aber brummte: 
„E}örfe bu, 3 utta? (Er fagt Fräulein l Klle EDelt fagt 
5 räuleinl Kein HTenfch tr>iU glauben, bafe bu meine 
5rau bife unb nicht meine (Eodfeer! — UTeine 3weite 
5rau!" wanbte er ftch 3U bem Zeitungsmann. „<£nt- 
fchulbigen Sie pd? uidfe erfel 3 ch fuge 3 ^nen ja: bas 
Fommt alle KugenbücFe por. Das HTifeperfeänbnis ife 
chronifd]. 3 ^? trage es mit ber Huhe bes EDeltweifen. 
2 llfo notieren Sie pch noch als lefeten Schluß: auch eine 
3weite 5 rau hat ber Derbrecher. Seit beinah einem 
3 cthr. HTit Dornamen 3 utta genannt unb ber HTajorats* 
liitie bes alten Kaufes ber pon Dalchow auf UTefeow 
eittfeammt. Sie ife geimpft, nicht porbeferaft, im Bepfe 
ber bürgerlichen Ehrenrechte, hat blonbes Ejaar unb 
bläulich-grünliche Kugen. Unb wenn Sie pe fdfelbern, 
geben Sie ihr Feinen (Bebidfebanb in (Solbfchnitt in bie 


EJanb — lieber im Efentcrgrunb Hangüfee unb (Bothaer 
Klmanad?, Blau-, (Brün* unb (Selbbücher, Ba3arpro* 
gramme, (Ea^Farten, £ebenbe Bilber — bas ife unfer 
5 aH. Hun — ich fehe: Sie wollen gehen l 3 ch wage 
nicht, Sie 3U halten 1 Sitte — Feinen DanFI (ßan3 meiner* 
feitsl Sie glauben nicht, wie mich bas freut, wenn 
einmal jemanb 3U mir Fommt l Klfo (Bott befohleni 
(ßrüfeen Sie 3 hre freien £anbsleute pon einem armen, 
alten, rücffeänbigen (Europäer l Kbieu!" 

(Er lachte beglich, würbe bann plöfelich ernfe unb 
fchlofe forgfältig, als gelte es, einen gefährlichen 5einb 
fern3uhalten, bie Chür. „(Es ife fchrecFlich, 3 uttal" 
fchrie er in bas Heben3immer. „Das ife Feine EDohnung 
mehr, fonbem ein Kfyl für ©bbadjlofe. 3” einer 
Straßenlaterne pfet man gemütlicher. EDer will, bleibt 
feehen unb fchaut, was bei uns 3U HTittag geFodfe 
wirb, unb bringt es ins Blättchen. EDas ife benn los?" 
(Er trat in ben anfeofeenben Speiferaum, wo feine junge 
Ärau auf einem Sdjemel por ber Kaffeemafdfene 
Fauerte. „EDas brobelfe bu benn ba 3ufammen?" 
„©ttfrieb, bu hafe noch nicht gefrühfeücFtl Um 
Uhr morgensI" 

(Er nahm behaglich an bem Cifch plafe. „Dann 
werbe ich eben jefet. 3^ hab bis um 3ehn gefchlafen. 
3a, mein Cieb — bu tan3efe bie Hächte burch, unb ich 
arbeite. 3<h gualme unb büffele bis 3um UTorgeit» 
grauen über ben KFten, unb bu bife h^de wieber un¬ 
gefähr um bie von beinern EDohlthätigFeitsball 

heimFutfchiert geFommen, recht wie ein Hruber Cieberlid?! 
Sei feiH! 3 ch hab bid] wohl gehört, 's ife bie per* 
Fehrte EDelt. Der UTann pfet 3U Ejaus, unb bie 5 rau 
fdpeicht pch auf ben 5 ufefpifeen heim, um Feine (Barbinen* 
prebigt 3U befommen. Kriegfe auch Feinei Ca^e, mein 
Ejer3, tan3el Schlage bir beine 3 ugenb um bie ©h r ^* 
(Beniefee bein £eben, wie bu’s perfeehfe. EDas macht 
benn unfere große Kbfütterung morgen?" 

Sie niefte. „€s ife alles in ©rbnung. Selbfe ein 
5 einfchmecfer wie Heunteifeer foH Feinen Stoff 3um UTe* 
biperen pnben. Unb bas ife hoch ein KunfefeücF in Herlinl" 
Hei bem EDort „Berlin" per pufferten pch feine §i\ge. 
„© 3utta," fagte er, „warum haben pe mich ausge¬ 
graben? 3 d? hatte mich fchon fo fchön Pom Staats* 
bienfe auf meine (ßüter 3urücFge3ogenl 3 ^h wat fchon 
fo fchön im EDinterfchlaf, wie ber Bär im Baul Da 
Fomrnen pe mit Spießen unb Stangen über mich unb 
fchleppen mich im (Triumph in bie EDilhelmferafee 3urücF. 

„Unb in bem Reichstag pfee ich auch, bamit mir 
nur ja auf jebe EDeife Flar wirb, mit wie wenig 
XDeisheit bie EDelt regiert wirbl 3 fe &as ein £eben? 
DenFe nur, wenn wir featt beffen jefet im Splitten 
über unfere eigenen gelber fahren unb unfern eigenen 
I}afeu bas Cebenslicht ausblafen FönntenI" 

„Dann würbe ich aus HefpeFt por bir gewiß mein 
(ßähnen unterbrüefen." 

£r war etwas betroffen unb fchaute pe lange an. 
„EDunberlich — wunberlid? feib ihr UTenfchen," fprad? 
er bann langfam. „3d? glaube, bu nimmfe bas alles 
hier, Hang unb Kmt unb IDürben, gan3 ernfe?" 

„Unb obl Unb bu wirfe bid? auch fchon noch 
hineingewöhnen, ©ttfrieb." 


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Hummer 29. 


Seite 13 ^ 5 . 


„Du meinfl, id? perpmple fd?ließlid? aud? unter ben 
anbern? Sehr glaublich, meine Cod?ter, fel?r glaublich! 
Kber bann bitte feine Dormürfe! Du hofl’s gemolltl 
Unb hofl’s erreicht, mie alles, mas bu miHfl. Da pßen 
mir mit ©ottes E?ilfe als frifdjgebacfene ©£cellen3en 
unb machen beim Kaffeetrinfen biplomatifd?e ©epd?ter. 

Kber pel? mal, mein Kinb —." ©r nahm eine 
23 utterfemmel aus ihren fjänbett. „ 3 ch bin eigentlich 
ein naioer HTenfd?. Das ip meine Siinbe. Die Sönbe 
miber ben ©eifl ber IDilhelmflraße. 3 d? bin fo naip, 
baß idj bie meipen £eute in meiner Unfd?ulb für ©fei 
halte, unb wenn pe bas einmal merfen, gel?t*s mir 
fd?limm." 

©r lachte, unb babei peränberte pch plößlid? fein 
©epcht. ©s perjüngte pd?. ©s rpurbe lipig unb per« 
fchlagen. ©s paßte gar nicht mehr 3U ber ferneren 
HTaffe biefes Körpers. Unb feine fchöne, junge 5 rau 
bad?te für pch: es ip bod? ein großes ©lücf, baß 
©ttfrieb fed?s 5uß lang ip unb über 3mei Rentner miegt: 
bas beruhigt bie anbern. Heber folche Kolofle grübeln 
pe nicht rpeiter nach unb ahnen nicht, mie flug er ipi 
Unb glauben ihm, wenn er pch auf ben treuher3igen, 
fdpichten Detter pom £anbe auffpielt. €r, ber ieinfle 
unb Ejinterlifligfle pon allen. 

Unb laut fagte pe: „Kd?, ©ttfrieb! Wenn bu 

nur nicht fo fd?recflid? faul märfl ..." 

fjerr pon öraunfd?eibt faute phlegmatifd? mit beiben 
Sacfen. „Die 5autt?eit, meine Cod?ter, mar bisher 

mein ©lücf im Heben . UTein E?emmfd?uh, wenn ich ben 
Deubel in mir rumoren fühlte — unb 3mar oft grünb¬ 
lich — bas fanitP bu mir glauben. Unb fd?ließlid? hob 
ich meinen Deubel in ©ßelbien gan3 an bie Kette gelegt 
unb bas ©ut meiner Däter übernommen unb hob ge« 
lebt, mie man leben foH . . . braußen in ©ottes freier 

IDelt — gefunb unb Parf unb 3ufrieben — unter pch 

ben ©aul unb feine eigene Scholle, über pch ben meiten 
Ejimmel unb bort, hmterm tDalb, fein £?aus unb feine 
Sieben. SiehP bu mot?l, mein Kinb — ba mar ber 
Deubel um feinen Knteil geprellt." ©r leerte in großen 
gügen feine Cheetaffe unb fchaute über ben Hanb hinüber 
nach feiner 5 rau. „Du hop ben Kerl mieber losgelaflen 
auf feine alten Cage, mein blonbes f?er3. Hll mein 
fchöner ©leichmut ip bahin — burd? bich- Unb nichts 
bagegen 3U machen. Du thup, mos bu mittfl. Unb 
ich gehorche. Hie mar ein ZTCann fo unter bem Pantoffel. 
Hie mar ein UTann fo perliebt." 

Sie lachte leife unb bot ihm, pch pom tEifch er« 
hebenb, mit einer beinah finbUchen Kopfneigung bie 
meiße Stirne 3um Kuß. Dann trat pe 3urücf unb be¬ 
gann eine Hn3ahl frifcher Blumen, bie pe pon ihrem 
Spa3tergang mitgebracht, in ben Hafen unb ©läfern 
ber 5'mmer 3U perteilen. 

€r fah ih* tiefpnnig^u. „© bu Derfchmenberin! 
Slumen im 3onuar. IDas foH benn bies junge ©emüfe?" 

Sie orbnete mit leichter £?anb unb prüfenbem Hlicf 
bie Cilienpengel unb 5lieberbüfd?e meiter. „3o — bu 
benfp natürlich nicht an berlei. Kber meinp bu, id? 
lape es gefd?et?en, baß Hrpib bleute heimfommt unb fein 
Unterhaus gau3 ohne Schmucf porpnbet — gerabe, als 
ob man ihn gar nicht ermartet hätte?" 


„Kd?, Kinb. Du fennp Krpib nod? nicht. Der 
unb Hofen unb Deild?eit." 

„U)enn er es nicht pel?t, ip es feine Sache. Dann 
hab id? meine pffid?t gethon." 

„ 3 o, Pflicht." Der fjüne flanb fdjmerfällig auf unb 
trat 3U ihr hm* „Kn bas IDort möd?t id? gerabe mal 
anfnüpfen, 3 u tto, eh id? jeßt geh unb Kroib pom Bahn¬ 
hof abhole. Sd?au ... ’s ifl für ihn aud? nid?t leid?t. 
€r betritt ba meine Sd?melle unb pnbet ba alles . . . 
alles fo anbers — als er gemahnt mar, fann id? nicht 
fagen, benn er mar ja nie baheim. ©r perflanb es, 
pd? feiten 3U machen bei benen, bie ihm bas £eben ge« 
geben hoben. Ueberhaupt ... in ©mpflnbfamfeit 
planfd?en — bas ifl feine Sache nid?t. Das mirfl bu 
halb merfen. Über immerhin: er ifl mein Sohn unb 
hat als erflen ©ruß nad? feinem tDieberauftaud?en aus 
bem bunfelflen Kfrifa an ber Küfle einen 33 rief pon 
mir befommen: mein lieber Krpib — anburd? teile 
id? bir mit, baß id? mid? in3mifd?en auf meine alten 
Cage 3um 3meitenmal perheiratet hob. Eta unb fo 
meiter. 3 ^h mußte ja: Krpib faßt fo etmas pernünftig 
auf. €r fümmert pd? nicht piel barum, mas anbere 
ZTCenfd?en thun, aud? nid?t, wenn biefer HTenfd? fein 
Dater ifl. €s ifl ja nur bie erfle Begegnung. ©r 
taut fo fd?mer auf. ©r geht fo fd?mer aus pd? h**ous. 
Du mußt ihm 3U I}ilfe fommeit. Sei lieb mit ihm. 
(Es ifl nicht leid?t, bas fag id? bir. Kber laß bir bie 
2 Kühe nicht perbrießen. Setrad?te es als beine Pflicht. 
Um meinetmiüen." 

„3ch perfpred?e es bir. 3^? mill alles thun, mas 
id? nur permag." Dabei flang ihre Stimme märmer 
als fonfl, unb ein aufrichtiger (Ernfl fd?immerte burd? 
bie glatte ©berfläd?lid?feit ihres IDefens h'nburd?, über 
bie fonfl bie (Einbrücfe pon außen leichthin mie Sd?aum« 
fprißer über bem IDafterfpiegel medjfelnb unb pergehenb 
hinliefen. 

„(Er trifft ja ohnebies ein fd?önes tDiHfommen," 
fuhr ©£cellen3 pon Hraunfdjeibt groHenb fort. „Da 
placft er pd? nun im Sd?meiß feines Kngepd?ts in Kfrifa, 
macht bem beutfd?en Hamen ©fc?re, tl?ut, mas er fann 
— unb hie* bemerfen ihn ein paar Kerle, ehe er aus 
bem Kupce fleigt, fd?on mit Drucferfd?n?är3e. 3 nfam 
ifl bas §eug." <£* bliefte büfler in einen IDinfel feines 
Krbeits3immers, mo einige pon mud?tiger 5aufl 3U 
Knäueln 3ufammengeballte Seitungsbogen lagen. „ 3 n» 
fam. Kber id? friege ben Sfribifaj. 3 ^? foß ihn am 
©enief unb beutele ihn mie eine Hatte." 

Das Hlut mar ihm 3U Kopf gefliegen. 3 ntta legte 
ihm bie £?anb auf ben Krm. „©ttfrieb — bu foüft 
bid? nicht aufregen! Der Kr^t hot es fo ftreng perboten." 

(Er fchaute 3ärtlid? 3U ihr B?e*ob unb tötfd?elte ihr 
bie IDange. „3ch hin ja aud? fd?on mieber frieblid?. 
©in UTenfd? mie ein Kinb. © — bu Sd?üngel — bas 
mad?fl bu aus mir." ©r blin3elte liflig unb tippte ihr 
mit bem S^epnger auf bie fd?male Stirn. „ 3 ch möchte 
nur miflen, mas eigentlich bahinter peeft. 2Tlir ahnt 
immer: id? fenne bid? nod? lange nicht, mein blonbes 
Cieb." 

„U>as ifl benn ©roßes an mir 3U fennen?" fagte 
pe unbefangen. 


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Seite { 34 K. 


Hummer 29 


„€in Hätfel iß nicht groß unb nicht flein — es iß 
eben ein Hätfel. Unb trenn es lange fjaare bot, bot 
ßch febon mand^er bie Söhne baran ausgebißen. Sag 
mal — h$rß bu nichts? natürlich — bas iß eine 
Stimme ©on offtjiöfer fjeiferfeit im 5 lur. Stöffel-Stier, 
mein melattcholifcher Housfnedjt. Der bringt mir Hach- 
rieht über bie Krtifel gegen Kr©ib. (Ein gräßlicher 
Kerl — bies hinfenbe (Setriffen aus ber ZDilhelmßraße." 

„HIuß man folcbe Seute eigentlich hoben?" fragte 
bie fdjöne ©£cellen3. 

Der lißige Hecfe niefte unb raubte. „Ulan muß. 
3 ebes Hous bot feine Hintertreppen unb Hinterntenfchen. 
Herein! . . . HTorgen, lieber 5reunb. (Eben fprachen 
trir ron 3 hnen • • • <§igarre? . . . Sefeen Sie ßch. 
HTeine 5rau hört 3U — mie gemöhnlich. Hlfo — 
quid novi ex Africa?" 

Der ©ffijiofus räufperte ficb unb bügelte nach ben 
papierfnäueln in ber €cfe. „©£cellen3, bie Sachen 
bort bot alfo ein Dr. Belling gefchrieben." 

„Belling? Belling? ZDer ift bas?" 

„€in troblbobenber ZTTenfch, ber früher mal brüben 
in Hfrifa an ber Küße herumgebummelt iß unb ron 
3 hrem Herrn Sohn nicht ernß genommen unb 3iemlich 
fdßecht bebonbelt mürbe. Hun rächt er ßch unb fchimpft." 

„Unb trer fänbe ba bei uns fein publifum." Der 
alte Hiefe fchlug ein Bein über bas anbere unb 
lachte. „tDir ßnb nun einmal eine Hation ron miß- 
rergnügten (Eblen. ZDas meinß bu, 3 utta? Krrib 
foll ihn rerflagen? ZUein Kinb — bu biß jung unb 
hifeig — ich hin alt unb treife unb fage barum: ab* 
märten! 3n3mifchen holten Sie unfere Dunfelmänner 
noch on ber Seine, lieber Stöffel-Stier. Hiebt 3uriel 
entrüßete Drucferfchn>är3e unb ßttlich empörtes H0I3* 
popier als Kntmort. €s iß noch 3U früh." 

„Sehr trobl, <EfcelIen3." Stöffel-Stier rerfchtranb 
ßitl, trie er gefommen. 

Huch fein Brotherr rüßete ßch 3um Hufbruch. „Ha 

— abieu, Schafe. Hun bol ich ntir meinen Sohn. Unb 
bu biß tapfer unb lieb. Unb flug trie immer, bu fluges 
Buch mit ßeben Siegeln — unb empfängß ihn red?t 
beglich, bamit ber arme, trilbe ZTTanit recht halb auf¬ 
taut. Huf ZD'ieberfehen!" 

(Er füßte ße unb eilte bie (Ereppe Ißnob. Das 
Stiegenbaus frachte unter ber ZDucht feiner tEritte. 
Dann ßel unten bie (Ebüre bröbnenb ins Schloß. 

Sie fab ihm nach. Seine mächtige Crfcheinung, 
noch gehoben burch ben fehleren pel3 unb ben hohen 
Sylinber, beberrfchte treitbin bie Straße. €r ging rafch, 
in ßraffer Holtung trie ein junger UTann. 

Unb hoch mar ihr (Seßcht ernß unb beforgt. (Serabe 
biefe (Eile, biefe nerröfe Sebhaftigfeit, biefe fprubelnbe, 
in ihrem Ueberfchtrall einanber überfdßeßenber ©e* 
banfen unb (Einfälle, leife, ron ferne an bas ©reifen- 
alter mabnenbe Sprache — bas alles fdßen ihr bie 
Unraft eines UTenjd?en, ber felbß fühlt, baß er nid}t 
mehr ©iel Seit im Seben 3U rerlieren bot. 

Hber ße trußte: er blieb aufredtf. Danf ihr. Durch 
ße. (Es trat neue 3ugettb in ihm trie ßarfer ZDein 

— bie große Siebe feines Sehens. Die hotte ihn trach- 
gerüttelt aus bem grimmen Phlegma, mit bem er ßch, 


im Beßfe feines trofeigen, überßarfen „ 3 ^?^^ hie langen 
3 ahre auf ber ererbten Scholle ror ber ZDelt abge- 
fchloßen hotte unb allgemach ein3ufchlafen brobte. 

Unb läfßg, bie gemahnte fühle Hube auf ben 
fchönen gügen, trat ße in bas Sinimer 3urücf, um bie 
lefeten Dorfehrungen 3um ©mpfang ihres Stieffohns 3U 
treffen. 

Huf ber Straße fab ©£cellen3 ron Braunfcheibt einen 
fleinen alten Herrn auf ßch 3ufommen, gleich ihm im 
pel3 unb Sylinber, unb barunter ein rerrun3eltes 5uchs* 
geßcht, bas fdßäfrig 3ur Begrüßung niefte. 

€r unb fein Hmtsgenoße Herr ron Heumeißer maren 
5 reunbe. Sie fannten ßch ron ihrer 3 u 9enbjeit an 
unb trauten einer bem anbern nicht über ben ZDeg. 
Der erße bachte: menn ich einmal in bie unterirbifchen 
ZUinen meiner ©egner hineinleudßen fönnte, mürbe ich 
ßcher im bunfelßen ZDinfel auch ben guten Heumeißer 
ßfeen ßnben — unb ber jmeite mieber fagte bei 
ßch: hoffentlich iß ber alte Braunfcheibt beute nicht 3U 
nieberträchtig beglich 3U mir. Das iß immer ein böfes 
Uor3eid?en. Unb fo febritten ße beibe, ber ©roße unb 
ber Kleine, frieblich int ©efpräch babin unb maren ein 
Her3 unb eine Seele. 

„Heute laufe ich enblid? mal nicht 3trifchen ZDilhelm- 
ßraße unb Heichstag hm unb her!" fagte bie alte €$• 
ceüen3 behoglich. „3<h hob mich für beute freigemacht. 

% ZHorgen freilich beißt es mieber: mit ben ©eheimräten 
muß man beulen. Hber jefet geh ich unb bol mir meinen 
Sohn." 

„©," fagte ber Kleine erfreut, „meinen ©lücfmunfdjl" 

„Danfe. ZUein Sohn — ßehß bu — bas iß ein 
gan3er Kerl. Der thut, mas ich hotte tbun fallen, er 
macht unfern ehrlidien alten Hamen berühmt in aller 
ZDelt." 

„<£i — unb ob." 

„Unb trofebem — fd?au — ich mar ja feß über- 
jeugt, ich feb ihn nidß mieber. Ha — bas märe ber 
Sauf ber ZDelt! (Ein ZTTann muß auf feine 5 «ßon 
felig merben. Unb fchließlich iß bas gan3e Seben un« 
gef unb 1 Km €itbe ftirbt jeber baran. Hun iß Kroib 
bod] b«il roieber ba, unb ich freue mich, mie man ßd? 
als redßfchaffener Dater freuen fott. Über: ich bringe 
ihm nicht mehr mein gan3es H* r 3 »uit auf ben Bahn¬ 
hof mie bantals beim Kbfchieb — ich hob noch einen 
(Teil 3U Hous gelaßen — bie größere Hölfte. Unb bas 
brüeft mich ein bißchen nieber. €s giebt mir ein fdßechtes 
©emiffen. (Es ftimmt nicht 3U meinem Klter. 2 Uir iß, 
als hotte ich fein Hecht mehr bar auf." 

„Kd? mas!" fagte Herr oon Heumeißer. „Denfe 
bir einmal, bein Sohn märe jefet eben ©erheiratet unb 
©er liebt, ßatt bir ..." 

„Kr©ib? Das pafßert bem nicht." 

„Kber menn — glaubß bu, baß er bann Kugen 
unb ©hren für bich hoben mürbe?" 

Diefe (Ermägung beruhigte bie graue ©£ce(leu3. 
,/s tß mabr," meinte er leichthin, in einem ©eränberten 
Con. „Schönen Danf unb abieu! 3 ^h utuß jefet hier 
linfs hinein. Unb hör mal —" (Er blieb ftehen, faßte 
feinen 5 reunö am Hocffnopf unb bämpfte ©ertraulich 
feine Stimme. „Sieber alter Heumeißer . . . intriguiere 


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Hummer 29 » 


Seite 15^5. 


boef] nicht immer in ber tPilhelmfirafee fo gräfelid] 
gegen mid]." 

,,3d]?" fagte ber Heine Ejerr permunbert. 

„Ha — lafe mal gut fein. IPir Raiten ja beibe in 
bie gleiche Kerbe. C’est le mutier! Über eine IDeile 
fonnten mir uns fdjonen — n>as? Wenn mir uns 
mieber mie 3mei fd]mar3e Maulmürfe in unfern unter* 
irbifchen (Sängen begegnen, bann blii^eln mir uns per- 
ftänbitisinnig an unb bubbeln uns rücfftchtspoll feit*, 
märts aneinaitber porbei. E]anb brauf? Schön! Ha 
— 'Morgen.' 4 

(Er eilte in laugen Schritten bie Strafe 3um Sat?n* 
t^of hinab unb fam gerabe nod] surecht. Kuf ber (Treppe 
begegneten ihm fd?on bie erjten Heifenbeit. (Er brängte 
ftd? hinburd]. Oben, im (Setümmel por bem eben ein¬ 
gefallenen 5 >u< 5 , blieb er, mit feiner Hiefengeftalt bie 
27 Tenge ringsum überragenb, flehen, furchte bie Sraueit 
unb blicfte fud?enb umher. 

Da trat jemanb por ihn hin unb mujterte ihn, bie 
£iber unter bem &vo\dev sufammenfneifenb, mit ber 
Unftcherheit bes Kur3fid]tigen. Dann fagte er gait3 ge¬ 
laufen, als Ratten fte ftd] geftern abenb 3um lefetenmal 
gefeiten: „(Buten (Tag, papa." 

„Krpib, mein 3 un 9 * . . ." ber alte Hecfe fdjlofe 
feinen Sot?n in bie Krme. So blieb er fhtmm eine 
IDeile, unbefömmert um bie Porübergehenben. Dann 
rdufperte er jtd] mit einem tiefen Kufatmen: „Ha 
alfo . . ." unb trat einen Schritt 3urücf, um bem anbern 
ins (Beftcht 3U fchaueit. 

Krpib mar etmas Heiner als er, piel fchntäler in 
beit Schultern unb lagere r pon (Beftalt. Seine Ejaltung 
liefe ben früheren ©ffoier nicht erfennen. €r ging etmas 
rornübergebeugt, unb fein herrifd?es, bleiches (8eftd]t 
erinnerte mehr an ben Sd?reibtifd] als an Kfrifa. €s 
lag barin bas Hed]thaberifd]e, bas fjerausforbernbe 
eines geiftigen Kämpfers unb Seffermiffers. Man mufete 
fchon genau b^tnblicfen, um unter bem fur3en Schnurr¬ 
bart im Spiel ber Munbminfel bie un3ähmbare IDiflens* 
fraft, h^ter ben Kugengläfern bie leibenfchaftslofe, 
ftählerne Ejärte eines Mannes ber Chat 3U erfennen. 

„Ha — nu fomm," fagte ber Klte unb fchob feinen 
Krm in ben feines Sohnes. (Er that jefet auch, als fei 
gar nichts Sefonberes porgefallen. „IPie geht’s bir benn?" 

„Danfe. X}ör mal: mer ftnb beim eigentlich biefe 
Kerle h^r, bie gegen mich ein Krt Keffeltreiben por* 
bereiten — megeu angoblid?er (Sreuel in Kfrifa?" 

„Ha — lafe mal gut fein. Darüber reben mir noch. 
Das h at bod] noch Seit." 

„Seit?" Krptb (lieg, ftd] leicht auf einen Stocf fliifeenb, 
neben feinem Pater bie Creppe hinab unb fd]Iug unten 
ben Mantelfragen hoch, um fid] gegen bie ungemohnte 
IDinterluft 3U fdjüfeen. „Ejabt ihr hier immer nod] 
fortmährenb ^eit? 3d? nicht." 

€r fprad] ftofemeife, abgebrochen. Die Säfee famen 
mie fortgefefetefintlabungen einer aufgefpeid]erten€nergie 
heraus, bie in feinem 3 nn ern ruhte. Dabei glitt fein 
Slicf 3erjireut über bas (Betümmel am Sahnhof hin 
in bie Äerne uitb blieb ba au irgenbeinem gleichgiltigen 
Punft haften. Man fah ib]tn an, bafe er, mo er ging 
unb ftanb, fein eigenes Heid] an (Sebanfeit unb pläiten 


mit ftd] herumtrug, ohne auf bie Menfchen unb Dinge 
aufeen piel 3U achten. Unb aud] in biefer träum* 
manbeluben Krt, 3U fd]auen unb 3U reben, offenbarte ftd] 
etmas pon bem Stubenforfd?er, ber ftd] in ferne, ben 
anbern perfd]loffene JDiffensmelten perloren hat, mie 
jener in mirfliche IDelten über bem HTeer. 

Unb bod] mar er bem Pater ähnlich. €s mar Ejod]* 
ntut in feiner Krt, ben Kopf 3urücf3ulegett, bie ^aitb 
3U reichen, felbft in feinem itadjläffigen (Saug. Hur 
mar biefer Ejochmut bei ihm ernft unb falt, mährenb 
er ftd] bei €£cellen3 pon Sraunfdjeibt iit farfajtifd?e 
Saune fleibete. 

„IPenn es bir redtt ijt, Krpib," meinte biefer, als 
bie Koffer famen, „bann fährt ber Diener mit bem (Se* 
päcf poraus, unb mir gehen bas (Eitbe 3 U 5 ufe. 3 d] 
ftnbe es greulich, menn bie Kerle auf bem Socf jebes 
IPort hören, bas man fprid?t." 

Sein Sohn iticfte, unb fte traten auf ben plafe por 
bem Sahnhof. Der £ärm ber Strafee, bas Häbergeraffel, 
bas Kontmanbieren ber Sd?ufeleute unb bas h^if^re 
Schimpfen ber Drofd]fenfutfd]er untereiitanber Hang 
ihnen entgegen. 

„Klfo mal mieber in ber Kultur," fagte Krpib, 
mähreitb er einem (Ecfenfteher ausmid], ber, im Schnaps* 
bufel etmas Unperftänbliches por ftd] hi nm arntelnb, mit 
ben Ejänben in ben ^ofentafcheu burd] bie 2 Ueitge trollte. 
„Zla — man mufe ftd] mieber an bie allgemeine (Bleichheit 
gemöhnen. Uitb an bas (Sefd?reibfel gegen einen aud]. .. 
U)eifet bu benn mirflid] nicht, mer biefe Eingriffe 
gegen mid] losläfet?" 

M €in Dr. Selling." 

„Kch ... ber Kerl." 

Der Klte lächelte. „ 3 amohl. ©n Kerl, mit bem 
bu fo 3iemlid] bas Unflugfte gethan haft, mas man 
überhaupt mit einem HTenfchen anfangen fann . . . bu 
haft ihn töblid? in feiner Citelfeit gefränft." 

„Das h^fet, ich hab ihn als einen hohlen Sd?mäfeer 
entlarpt — als einen unnüfeen Küfteitbummler, ber fein 
(Selb unb feine tangmeile bei uns pon einem fjafen 
3um anbern fpa5ieren führte. Solche Henommiften fann 
ich nicht ausftehett. Die 3ertret ich, mo ich fie ftnbe." 

3 n feinem Slicf, ber fonjt, menn er ftd] gehen liefe, 
bie Plattheit bes Kur3fid?tigen perriet, glätte es babei 
unerbittlich — graufam. Das mar er felbft, hart gegen ftd? 
unb anbere. Unb nach aufeen fd?einbar immer gleichgiltig. 

„Chörid]te Kmmenmärchen," hab er mieber an. 
„Cief im 3«aern mürben einmal bie Kriegsgefangenen, 
bie mir bei einem Kngriff auf uns gemacht hatten, 
nachts pon unfern fannibalifcheit Sunbesgenoffen mit 
IPeibern unb Kinbern ermorbet. U?ir fonnten es nid]t 
hinbern, obmohl mir uns mit ben Hepolpern in ber 
f}anb baporftellten — Pier (Europäer gegen taufenb 
pon E]irfebier betrunfene tPilbe. Da liefe id] por Morgen¬ 
grauen aufpaefen unb 30 g mit ber (Ejrpebition in (Eil- 
tnärfchen meiter, um nicht felbft um 3 ufommen. Das ijt 
bie gan 3 e <Sefd]id]te." 

„Unb bafür haji bu &e\XQen? u 

„Meine Heifegefährten. Sie ftnb porf]in mit mir 
ausgeftiegen. Sie moüten blofe jefet unfer Mieber) ehen 
nicht ftören." 


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Seite \ 5 <k 6 . 


Bummer 29. 


„Unb ron Hichtbeteiligten ifi fein Seugnis ba?" 

„Die eibesfiattliche Derfidjerung ber nächfien 5 ran 3 is* 
fanermiffion. Unb bie Berichte non 3wei englifchen 
©feieren unb einem belgifchen Kautfdjufhänbler unb 
auch fonfi noch eine HTenge." 

*Ha — bas genügt," Jagte bie alte €£cetlen3. „Da 


wollen mir bem 3üugling mal kräftig auf ben Kopf 
fommen. £r fyat Ceute gefunben, bie bie Sache im 
Heidjstag 3ur Sprache bringen trollen. Ha — ba 
werb ich, benf ich, felbfi anhnorten. Unb 3trar 
grünblich." 

(fortfeßung folgt.) 


/ 

Aus den Hexenküchen moderner fllchymüten. 

Cechnifdje plauberei von Siegm. Saubermann. 


Sie Seifen, ba gelehrte magistri unb doctores in 
bunflen ©ewölben, umgeben ron allerlei furios ge* 
formtem ©erät unb feltfam fdfiflemben unb fdfimmernben 
Znigturen unb Kriftallen, ber geheimen fchwar3en Kunfi 
hulbigten, burd] IHifchen, ©lühen unb Schme^en rer* 
fdfiebenartigfier Materialien neue, nod? nie auf (Erben 
gefehene liquoresunbsubstantias her3ufiellen, finb nur fchein* 
bar roritber. freilich, nid]t mehr wie efyebent fchleidjt bas 
Dolf fd?eu in treitem Bogen um bas rerrufene ©e* 
bäube herum, in bem ein folcher langbärtiger, feiten bas 
helle £id]t ber Sonne unb nod] feltener ben Beidjtfiuhl 
auffuchenber Sauberer tjaufie, unb nicht mehr trie 
ehebem befreu3igt es fid], in frommer ©ottesfurdjt bes 
Sunbes gebenfenb, ben ber Derfehmte un3treifelfyaft mit 
bem Böfen gefdiloflen fyabe; im ©egenteil, jebe ^ö^ere 
Bilbungsanfiatt rechnet es fid] 3ur befonberen (Ehre au, 
ein fdjönes unb reich ausgefiattetes Caboratorium für 
bie ron ben ägyptifdjen ©eiehrten ber römifchen IDelt* 
herrfd]aftsepod>e nad] bem altägyptifchen IDort chemi 
(bas Dunfle, ©eheimnisrolle) ars chimiae benannte 
IDiffenfd]aft 3U befißen, unb mit lebhaftem 3 ntereffe 
rerfolgt bie 3 utelligeu 3 ber gan3en IDelt bie Erfolge 
ber artiger prirater unb öffentlicher 3 uftitute. Unb 
nicht mehr geht bes emftgen 5orfd]ers ©euius auf bie 
Suche nach bem UTagifterium, bem Stein ber IDeifen, 
ber mit ber ©igenfdjaft begabt fein follte, uneble UTe- 
talle in lauteres ©olb unb Silber, oröinäre Kiefel in 
firatfienbes (Ebelgefiein 3U rerwanbeln, unb fogar bem 
glücflichen Befißer etrige 3 ugenb 3U rerleihen. (Eroßbem 
erflärt bie ejafte moberne IDiffenfchaft bie Bemühungen 
ber armen, ron launifchen Saf allen fiets genas* 
führten Ubepten nicht unbebingt für eitle fjirnge* 
fpinfie rerfchrobener phantafien, fonbern ifi fchon lange 
3U ber burch riele Chatfachen gefeftigten Ueber3eugung 
gelangt, baß alle Körper ohne Unterfchieb aus einem 
einigen Urfioff horrorgegangen fein müffen, bem3ufolge 
nur als Kompofitionen biefes leßteren 3U betrachten 
finb, beren Derfchiebenartigfeit bloß in ber jebtreber 
befonberen Subftan3 3ugehörigen Knsahl ber Urfioff* 
teilchen unb ihrer rerfchiebenartigen Cagerung neben* 
einanber liegt, unb baß baher bie einßige ITlöglicheit 
ber Umrranblung eines ©runbfioffes in einen anbern 
burchaus nicht in bas Heid] ber 5abcl gehört. Uber 
es fällt jeßt feinem rernüuftigen UTcnfchen mehr ein, 


fid], außer rieüeid]t im 3utereffe ber Haturforfchung, 
irie 3. B. profeffor 5 ittica in Marburg, bie £}erbei* 
führung einer berartigen Umtranblung 3ur Cebens« 
aufgabe 3U machen, benn heut3utage föunte fein furcht¬ 
bareres unb rerheereitberes Unglücf bie menfd]ltd?e ©e* 
feüfchaft treffen, als trenn es gelänge, bie ©runblage 
bes IDelthanbels unb ber wirtfd]aftlid]en Derhältniffe, 
bas ©olb, burd] feine füufiliche Darfiellung mit einem 
Schlag 3U entwerten. (Ebenfo bürfte bie fabrifmäßige 
probuftion ron echten diamanten unb anbern <£bel- 
fieinen, beren IDert hauptfächlid] in ihrer Seltenheit 
liegt, nur fur3e Seit Quelle großer Heidjtümer bilben, 
benn ihr preis fiele mit bem Cag bes Befaitnttrerbens 
ber (Erfinbung. Uus biefem ©runbe befißen bie übri¬ 
gens feht fofifpieligen ©xperimente ron 5r^my 3ur 
©etoinnung ron Hubinen unb Saphiren, ebenfo trie bie 
berühmten Arbeiten Moiffans unb fjoyermanns, beren 
Hefultat mifroffopifd]e Diamanten bilben, lebiglid] wiffen* 
fchaftlidjes, aber feinestregs gewerbliches 3ntereffe. 

Die mobernen ©olbmacher fchlagen gan3 anbere 
IDege ein, bie IDelt mit Sd]äßen 3U bereichern, felbft 
einen gan3 anfehnlichen ©etrinn nach fjaufe 3U tragen 
unb ewig jung, b. h- unfterblichen Hamens su werben, benn 
wem heute bas ©lücf lacht, ber wirb Millionär, berühmter 
(Erftttber unb mit IDürben unb Citeln reid]belohnter ©e* 
lehrter. Solcher Uuserwählter finb nicht wenige, unb bie 
©efd?id]te ber technologifd]en Chemie fennt fo manchen, 
ber einmal ein fo armer Ceufel war, baß er bas ©elb 
für feine (Experimente ron fremben, bem Ubepten rer* 
trauenben Ceuten entlehnen mußte, unb heute ©eheimrat 
ober Direftor großer Uftiengefeüfd]aften, Freiherr ober 
profeffor an einer £}od]fd]ule unb nebenbei mit weit 
mehr Berrus rerum rerfehn ifi als all bie thörichten 
Ulchymifien, bie Blei in ©olb um3uwanbeln h°fflen, 
ober als jene Ijerren Spifebuben, bie rerfchiebenen hohen 
5ürfilid]Feiten weißmad]ten, es 3U fönnen, unb eine Seit¬ 
lang, bis ber Schwinbel auffam, ein feines, wenn auch 
nid]t gan3 forglofes Ceben führten. Denn es giebt 
nicht einen einigen Stein ber IDeifen, ber reich unb 
glücfüd] unb unftcrblid] macht, es finb beren riele, 
fd]ier un3ähli9e auf ber IDelt, nur ift ein jeber anbers 
befchaffen uttb führt ben Hamen irgenb einer chemifchen 
Subfiait3, bie an unb für fich neu ift ober irgenb ein 
mühfelig gewonnenes unb teures Haturprobuft roll* 


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stummer 29. 


Seite \ 3 <k?. 


fommen erfeßt, fo baß er in ber CediniF ober Biebern 
Perwenbung ßnben Faun. IPollte man Beifpiele an* 
führen, fo müßte man faß ben ganzen Katalog großer 
PerFaufsftellen djemifcher probufte abfdjreiben, unb habet 
biirften ßdjerlich nod? 3ahllos mehr für uns BTenfdjen 
wertvoller unb nüßlicher Präparate, als fett bem erßen 
chemifchen Kunßftücf bis auf ben heutigen Cag bereitet 
würben, aufßnbbar fein. Boch immer harrt bie Synthefe 
(b.i.Sufammenfeßung auf chemifchem IPege) bes Chinins, 
KautfdjuFs, Petroleums, Büben3ucFers, (Eiweißes u. f. f. 
bis ins Unenblidje feiner gliicFlichen (EntbecFer, unb baß 
biefe nicht unbebingt uralte, weißbärtige, mit Satanas 
in feuflifdjem Buitb ßehenbe unb ihm ihr Seelenheil 
verfchreibenbe Sauberer fein müßen, erhellt 3ur (ßenüge 
aus (Beheimrat prof. VOxtts — auch fo eines ZTTagißri 
ber fchn>ar3en Künße — feffelnbem Porwort 3U bem 
Katalog ber parifer Kusftellung beutfeher chemifdjer 
5 abriFen, in bem er nachweiß, baß mehr als neun3ig 
pro3ent ber biefe 3 nbußrie 3ur blühenbßen ber IPelt 
machenben firßnbungen unb (EntbecFungen Verhältnis* 
mäßig jungen Caboranteit 3U3ufchreiben ßitb. 

Doch nicht nur eine mächtig fprubelnbe Quelle bes 
Bationalwohlßanbes in jeglicher I^inßcht bilben bie 
fjejenfüchen ber mobernen Klchymißen mit ihren für 
(Eechnif unb f}eiltvißenfchaft fegensreichett <Er3eugnißen, 
ße halfen auch bie Baufteine formen, aus benen bie 
Baturwißenfdjaft einß ben prächtigen palaß ber voll- 
fommenen BaturerFenntnis, einem fünftigen maFellos 
eblen unb erhabenen BTenfchengefchlecht 3um IPohnßß 
beßimmt, erbauen tvirb. Denn genau fo, tvie bie 
Arbeiten ber noch in tiefbunfler Unwißenheit tappenben 
Kbepten teils 3ufällig, teils methobifch 3ur Kufßnbung 
vieler bis bahin unbeFannter (ßrunbßoffe, Sal3e, Säuren 
unb Bafen führten unb mit ber IPahrnehmung ber 
variierenben (Eigenfchaften ber BTaterie bie heutige, 
hochenttvicfelte GLtymie vorbereiteten, fo bilbet biefe 
gletchfam auch nur eine Porßufe 3U einer fünftigen 
XDiffenfchaft, beren IPert, Bebeutung unb (Erhabenheit 
vorläußg noch gar nicht aus3ubenfen, gefchtveige benn 
3U überfehn iß. Kls ßichhaltigßer (ßrunb für biefe 
phantaßifche Behauptung möge, gatt3 abgefehn von 
taufenb attbern Erfolgen ber analytifchen, fynthetifchen, 
phyßfalifchen, technifd^en (Chemie unb ihrer Kb3tveigungen, 
bie fchon 3U 3ahllofen, in ber Batur gar nicht vorFom* 
menben Derbinbungen geführt unb bie unenbliche 
Pariationsfähigfeit ber Dlaterie bewiefen haben, bie er* 
ftaunliche Chatfache gelten, baß es immer aufs neue 
gelingt, in technifd? fogar vielbenußten Subßan3en gan3 
unbefannte unb feltfame BaturFräfte 3U entbecFen. Damit 
ßnb natürlich nicht foldje 5 ähigFeiten gemeint, bie ftch 
auf bie Cigenfchaft ber (ßrunbßoffe, Derbinbungen ein* 
3ugehen, be3iehen. Derlei imponiert niemanbem mehr, 
nicht einmal bem pennäler, ber mit Seuf3en chemifdje 
5ormeln auswenbig lernen muß. €s foll alfo burchaus 
feine Bewunberung für bie boch auch gan3 merFwürbigen 
(Erfcheinungen eriveeft tver ben, baß beifpielsweife 
5wei gefühlte (Safe, Sauerßoff unb IDaßerßoff, ßch unter 
enormer fßßeentwicflung 3U einer 5lüfßgfeit, IDaßer, 
vereinigen, baß bas tveiche BTetaü (Calcium mit bem (Bafe 
5luor ben ßeinharten, burchßchtigen, fd^önfarbigen 5laß* 


fpat bilbet unb bas mit bem BTeßer 3U fdjneibenbe' 
Kluminium mit gan3 gewöhnlichem Sauerßoff Korunb, 
Saphire unb Bubine ergiebt, bie ben fefteßen Stahl 
rißen, baß 3wei feße Körper, Kohle unb Schwefel, 
miteinanber verbunben als 5 lüfßgFeit, SchwefelFohlenßoff, 
erfcheinen, ober gar baß, wie Kußens 5unbamen* 
talverfud? lehrt, ßarres Blei gan3 erhebliche BTengen 
ebenfolchen (ßolbes auf3ulöfen unb in ßch auf3unehmen 
fähig iß. Bein! 2 lde biefe Zaubereien verfchwinben 
gegenüber ber fchon lange befannten, aber nicht genügenb 
gewürbigten Cigenfdjaft verfchiebener Subßan3en, ohne 
irgenbwie an einer chemifchen BeaFtion teil3unehmen 
unb bemnach ohne felbß in bie refultierenben probufte 
ber ßch miteinanber vereinigenben Stoffe ein3utreten^ 
bie betreffenben BeaFtionen 3U ermöglichen ober ein3u* 
leiten ober 3U befchleunigen. JTlan ßetle ßch gefäüigß 
vor: Da liegt ober hängt eine Subßan3, unb um ße 
herum beßnben ßdj 3wei ober mehrere Körper, beren 
Kffinität fehr gering iß, b. h* bie unter normalen Per* 
hältnißen nichts miteinanber 3U thun haben unb nidjts 
voneinanber wißen woüen. Unb nun müßen biefe ein* 
anber feinbfeligen Stoffe entgegen ihren fonßigen (Bewohn* 
heiten ßch innerhalb einer gemeßenen 5riß 3U einer be* 
ßimmten Perbinbung vereinigen, bloß weil bie baneben* 
ßehenbe, gleidßam nur 3ufchauenbe unb Fommanbierenbe 
Subßan3 es will unb, mit geheimnisvoll fchöpferifchen 
Kräften auf ße einwirfenb, es er3wiitgt, ohne aber ßch 
auch nur im geringßen mit ihnen in nähere Be3iehung 
3U bringen, hierauf entferne man bie neugebilbete 
Perbinbung unb bringe abermals eine gewiße UTenge 
bes früheren (ßemifches in bie Bähe bes befpotifchen 
Körpers: — ßehe, er 3wingt ße abermals unb gan3 
mit ber gleichen €nergie 3ur Pereinigung. BTan ver¬ 
mag bas Spiel un3ähligemal 3U wieberholen, ber (EffeFt 
bleibt ber nämliche. €s iß bemnach Har, baß ber 
BTirafel thuenbe Körper nie ermübet unb nie bie ihm 
innewohnenbe Kraft verliert, ebenfowenig wie er auch 
nur ein Quentchen von feinem Ceib hergiebt, was mit 
unfern felbß ein Staubförnchen wägenben 3 nßrumenten 
nachgewiefeit werben Fann. Billigere unb ibealer arbeitenbe 
Helfershelfer bürfte wohl faum fonß noch eine Kunß ober 
Cechnif aufweifen Fönnen. 3ubes bie 2Dißenfd?aft, ber 
fchon eine erFlecfliehe Un3ahl berartigerStoffe feit Ber3elius 
unb UTitfd?erlich — bie ße mit bem Barnen Katalyfatoren 
be3W. Kontaftfubßan3en bebadß unb ihren CinßußKatalyfe 
be3w. Kontaftwirfung benannt haben — gute Befannte 
ßnb, noch intenßv bemüht iß, eine CrFlärung für bie 
chemifchen phänomeita, bie in gewißer fßnßcht bem felbß* 
thätig ßrahlenfenbenben Babium unb feinen Brübern 
gleichgeßedt werben bürfen, 3U ßnbeu unb mit ihr Aber¬ 
mals ein Biegel an bem noch verfdßoßenen Chor ber 
BaturerFenntnis 3U fprengen, hat ßch bie CechniF ihrer 
teils unbewußt fchon längß bebient, teils bewußt in 
neueßer Seit auf ihre CeißungsfähigFeit mehrere 
5 abriFationsverfahren aufgebaut, bie fchon jeßt reichen 
(ßerninn ergeben unb halb im übertragenen Sinn bes 
XPorts aus wertlofem BTaterial (ßolb mad?en werben. 
Schon BTitfcherlich, ein beutfeher 5 orfd?er unb Sdiüler 
bes genialen Schweben Ber3elius, unterfuchte bie be* 
frembenbe (Eigenfdjaft ber fonß energifch au BeaFtiouen 


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Seite 13 ^ 8 . 


Bummer 29. 


teilnehmenden Schwefelfäure, StärFe in <§ucFer und 
ZllFotjol in Zlether und IVaffer um3uwauöeln und den* 
noch fo gäitslich unverändert 3U bleiben, als ob fie die 
ganje ©efchictjte gar nichts anginge, und das ferntente 
jeglicher Zlrt verwendende ©ärmtgsgewerbe bediente 
fid? feit undenflicher &e\t ihrer un3weifelhuft Fatalytifchen 
fähigfeit, Starfe in Dextrin und Sucfer 3U verwandeln. 
(San3 befonders tüchtige und wertvolle KontaFtfubj!an3en 
ftnd nebft dem Fermente ZTTaltin das ©ifenchlorür, ge- 
wiffe Vanadinverbindungen, Quecfjtlber und fein ver¬ 
teiltes platin, fogenanntes platinmohr; daneben ejiftiert 
noch sine ZTTenge minder leifhutgsfähiger. £s ift jedoch 
nicht unbedingt ausgefchloffen, daß jeder ©rundjToff und 
jede feiner Verbindungen unter beftimmten Verhältniffen, 
deren ©rforfchung eben Aufgabe der ZViffenfdjaft fein 
foH, den gleichen ©injluß wie jene aus3uübeu vermögen, 
und baß vielleicht fchon jeßt, ohne daß mir es tviffen, 
bei vielen djemifchen Beaftionen foldje uneigeitnüßige 
Helfershelfer ihre H an & mit im Spiel hüben. 

Vorläufig iverden von der technifchen Chemie, ab* 
gefehen von den bereits genannten. ZTTethoben, drei 
fogenannte Katalyfatoren abfichtlidj und mit außer¬ 
ordentlichem ©rfolg verwendet, und 3 war: das <£ifen- 
chlorür bei der BebuFtion des ZTitroben3ols in Zlnilin* 
öl, das befanntlid? das Zlusgangsmaterial der jährlich 
für |30 ZTTillionen ZTTarF XVare er3eugenden 3 nduftrie 
FünfHicher organifcher Farben bildet; das Quecfftlber 
als Befchleunigungsmittel der Umwandlung des ZTaphtho- 
lins vermittelft der Schwefelfäure in phtholfäure, die 
nach der weniger mühevollen Ueberführung in die 
Zlnthranilfäure das BohproduFt für den von Baeyer 
entdeeften fünfUichen 3 ndigo liefert; das platinmohr 
bei der von Clemens ZVittfler ausgebildeten C^eugung 
reiner und hochpro3entiger Schwefelfäure durch Ueber¬ 
führung der fchmefeligeit Säure (S 0 2 ) in Schwefel* 
fäureanhybrib (S 0 8 ), das mit ZVaffer oder verdünnter 
Schwefelfäure fofort eine beliebig 3U fon3entrierende 


Cöfuitg ergiebt. Sei allen drei, mehr oder minder Fompli* 
3ierten Verfahren, deren (Theorie feftfteht, aber deren 
Details 3umeift von der betreffenden fabriF als ©e* 
heimuis gehütet werden, ift — theoretifch — ein- für 
allemal nur die 3Ur erften Beaftion erforderliche ZTTenge 
der Koiitaftfubftan3 für eine endlofe Seihe von He* 
aftionen notwendig. So würde unter idealen Verhält* 
niffen im erften faß die vom Unbeginn vorhandene 
Quantität Cifenchlorür bei ausreichender Anfuhr von 
ZTitroben3ol und Cifenfeilfpänen ewig Zlnilinöl, im 
3weiten das angeblich durch einen Sufall — Serfpringen 
eines (Thermometers im Keffel während des^ chemifchen 
pro3effes — als KontaFtfubjTau3 entlarvte Quecffilber 
ununterbrochen ZTaphthalin durch Schwefelfäure in 
phthalfäure umwandeln helfen, im leßten fall das fein 
verteilte platin die Höjlgafe von Schwefelfiefen unab- 
läffig in Schwefelfäure überführen; doch da die Cechnif 
mit den vorhandenen Schwierigfeiten, Verunreinigungen 
und nicht idealen Zlpparaten rechnen muß, werden die 
Kontaftfubftan3eu teils doch ein wenig abgenußt, teils 
einer jeweiligen Heinigung bedürftig. ZTichtsdefto- 
weniger find ihre Crfolge unerreicht und bewunderns¬ 
wert. H at die erfte KontaFtfubftan3 eine mächtige 3 ndujtrie 
erft ermöglicht, fo hat die 3weite, das Quecfftlber, 3ur 
fchnellen, alfo billigen phthalfäurefabrifation und mit 
ihr 3ur lufrativen Darjtellung des fünftüdien 3 ndigos 
geführt, der den natürlichen allmählich vom ZVeltmarft 
verdrängt und bald jährlich den dreißig bis fed?3ig 
ZHiUionen ZlTarF betragenden XVeltbedarf von der deutfehen 
3nduftrie deefen laffen wird, 3umal die birefte, foge¬ 
nannte Kontaftfchtvefelfäureproduftion außer unsähligen 
andern Setrieben der ©ewinnung des 3 ndigos ungemein 
zugute fomnit. 

So hilft der Crfolg der einen 3 udufirie der andern 
auf eine höhere Stufe, und fo wird in den H*£enFüchen 
moderner Zllchymiften aus minderwertigem ZTTaterial 
mit Hilf* wunder wir fender ZTTagifteria ©old gemacht. 


<U> 


Frnnttt in Berlin. 

Von H au5 ©ßwalb. 

£)ierju io f^otograpfjiföe 2Iufnat)men. 


Zille möglichen Völfertypen, alle möglichen €rd- 
bewohner treten jeßt das pflajTer vom (Tiergarten bis 
3um Schloß und vom Sahnhof friedrichftraße bis 5um 
potsdamerplaß. Die halbe ZVelt ifl „Unter den Cinden" 
und in ihrer Umgebung 3U finden — nur die Berliner 
nicht. 3 n den Straßenbahnen und in den ©mnibuffen 
find 3U gleicher §e\t die öftlichen und die weftlicheit 
3diome 3U hören; faum, daß drei fahrgäjte die gleiche 
Sprache fprecheit. Vor den Cheaterfaffen drängen fie 
fid?, die ZTTufeen und die XVarenhäufer überfchwemmen 
fie — viele ©efchäfte, viele Unternehmungen e^iftieren 
im Sommer nur von ihnen. XVelcher Berliner ginge 
jeßt, in der Hunbstagshiße, in die (Theater? 3 nt Kunft- 
ausftellungsparF, im Soologifchen ©arten und im ©rune- 
wald ift doch eine andere £uft als im parfett und im 
foyer. 3 eßt gehört Berlin den fremden. 


©iuige Bilder aus ihren Berliner (Tagen: Drofchfen- 
hulteplaß an einem großen Bahnhof. Von vorn bis 
hinten, von rechts bis linfs ftnd die Drofdjfen in dichten 
Beihen aneinandergerüeft. Die Pferde laffen die Köpfe 
hängen und dufeln in der fommerlichen ®ie 

Kutfcher ftehn in ©ruppen beifantmen — wenn's geht, 
im Schatten. Zlnbere fißen auf dem (Tritt ihrer Drofchfe 
— und die wilden (Tauben fönneit ungeftört 3wifcheu 
den Bädern und den Pferdehufen futter aufpicFeit und 
verliebt herumftotyereit. piößiich Fontmt aus der Bahn¬ 
hofshalle ein dumpfer Schaß: „Zlufjieigen!" 

ZVie die Kutfcher alle laufen Fönneit! Den Pferden 
die futtereimer abgenommeit, die DecFeit 3ufammen* 
gelegt. Zille ftarreit nach dem Chor des Bahnhofs¬ 
gebäudes, durch das „fie Fommen". H^r und da fleht 
fich auch ein pferd um. 


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ft ~ V . J 





Drofchkenhatteplatz am Stettiner Bahnhof: „Die fremden kommen ! 44 


guerfi fommen ein paar (BepäcFträger mit gewaltigen 3 u beit Sttatyn, wo fonji nur bie Dienftmäbchen 
Koffern unb Pacfen. Dann ein3elne beraubte Heifenbe. einhermanbeln, in biefett Strafen, wo fpajierenbe 

IMnter ihnen jlrömt erjl ein ganjer Schwarm h^aus.: (Bärten nichts Seltenes ftnb, begegnen ihm grauen in 

in Staubmänteln, Beifemüfeen, mit Ofchchen unb Kleibern aus ben teuersten Stoffen. (Brofce brillanten 
Schachteln behängen unb bepaeft. Sie rufen bie Bummer in ben (Dtixen, am fjalfe, an ben 5 ingern, am ffanb* 

ihrer Drofcbfe. Schleunigft oerjlaut ber Kutfcher bie gelenf — aber ohne fjutl Bur ein fd?war3es Seiben* 


Kiefenfoffer unb Körbe — bie ZHenfd?en baju — unb fpifeentud? um bas runbe, oolle (Befiehl. Das ficht 

nun raffelt er hinein in bie Stabt, in bie IDettjiabt Berlin* eigentlich nicht fdjlecht aus. ZTCanchem jungen BTäbchen 

IPas, Berlin ift Feine tDeltftabt? _ mürbe bas beffer fiehen als irgeub 



lüer bas nicht glaubt, ber muß 
jefct in ben Strafen 3tx>ifchen bem Bat* 
hau: unb bem Beichstagsgcbäube hin 
unb her penbeht. Da finbet er bie 
hall clDelt— ja, fogar bie gan3e!Delt. 


fo ein aufgetafeltes Strohgeflecht mit 
Blumen, Blättern, Bänbern, Gebern, 
Spifccn, Seibe unb wer weiß was noch. 

Tibet natürlich: bie Dame mit 
bem fchmat3en Spifcentuch fomntt ja 


„Berliner Hlbum gefällig ?** 
„Sämtliche Hnficbten von Berlin ! 44 


Tor dem Königlichen Schloss. 


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Seite *350. 


Hummer 29. 





Xtn pergamonmufeunw 


pon jenfeits 6er 
IDeichfel, pießeidjt 
fogar von jenfeits 
6er IDolga. Unb 
was pon 6a 
Fommt, ift ja nicht 
nadjahmensreif. 

3a, wenn’spon 
jenfeits öes Ka¬ 
nals ober pon jen* 
feits 6es großen 
Ceidjes Fämel 
©6er auch pon 
jenfeits 6es 
Steins . . . 

Ueberbies, ge- 
ra6e aus <£nglan6 un6 aus KmeriFa fdjeint Berlin 6ie 
nteiften fontmerlichen Befucher 3U beFommen. IDahrfch£in* 
lid? fommen piele, 6ie 6er Kusfaß 6er Krönungsfeierlich* 
Feiten aus Conbon getrieben hat. Kber eigentlich ift 6as 

je6en Sommer 
3U beobachten, 
baß 6ie eng* 
lifdje Sprache 
por aßen 
an6em frem* 
6en Sprad^en 
in Berlin 3U 
hören ift. 

Die Kngel* 
fachfen fin6en 
es ja hi^ 
auch am be* 
quemjteit. (Eine 
Beihe pon 
Rotels iftbireFt 
auf ihren < 5 e* 
fchmad 3uge- 
fchnitten. Da 
fahren fte in 

einem fort por. 3 « <£quipagen un6 DrofchFen. Die 
UTäitner mit 6en charaFterijtifchen glatten (ßeftchtern, nur 
einen Fleinen Sd^nurrbart über 6em energifchen UTunb. 
Die grauen in einem eleganten pornehmen BeifediiF, wie 
er eben nur 6en KnteriFanern 
eigen ift, bie ja 6ie fjälfte 
ihres £ebens in Rotels, Wag¬ 
gons un6 Schiffen perbringeu. 

€in fjotel h a t es ihnen be* 
fonbers bequem gemadtf. Da¬ 
mit fte ftd? nicht afl3ufehr nach 
6en heimatlid^en köpfen fehlten, 
hat es ihnen eine Bar im f)aufe 
eingerichtet. IDer 6ie CrittF- 
fittcn 6er <£?tglanber un6 2Inte* 
rifauer Fennen • lernen miß, 
braucht nur in einem fold^eit 
I}otel eiit3uFehren. 2 luf hohen 
Seffeln hocFeit fte 6a, ihren 
„DrinF" in 6er £}anb. Kßerlei 
intereffante (Seftalten. 

(Etwas gan3 Cypifdies im 
Berliner 5 rem 6 enleben fm6 6ie 
Crupps 6er jungen KttteriFa* 
nerinnen, 6ie ohne männlidie 


Huf der Rochzeftsretfe. 


Begleitung, ohne älteren weiblichen Schüfe 6en euro- 
päifchen Kontinent burchqueren. 5ünf, fechs, fteben, 
manchmal auch mehr, wanbem fte pon einem UTufeum 
ins anbere, pon einer (ßalerie 3ur anbern. Kße gehen 
fußfrei, ein Beifetäfdjchen am < 5 ürtel, einen rotgebun- 
benen 5 ührer in 6er fjanb. Sie ftnben ftch 3an3 gut 
3ured?t, ohne ältere Beaufftchtigung. 

2 tuch aus BTejriFo, SübameriFa unb ben umliegenben 
3 nfeln Fommen fo manche nach ben SehenswürbigFeiten 
Berlins. IDer fte afle fehen miß, ber muß ftch mittags 
por bem Schloß auffteflen, wenn fte auf bie ein3iehenbe 
Kblöfmtg ber Schloßwache ober auf bie Kusfahrt bes 
beutfdien Kaifers warten. Das ftiße BTütterdien aus 
ber Kleinftabt fteht ba neben ber lebhaft fprechenben 
freolifchen Familie, • ber Curnperein aus Soffen neben 
bem BTißiarbär aus BrooFlyn, ber blonbe Schwebe 
neben bem bunFlen fjochfehüler aus ©beffa. Um btefe 
Seit ber auf3iehenben 
IDache tritt bie Blaffen- 
haftigFeit ber 5 remben in 
Berlin fo recht 3U Ca ge. 

Die gan3en Bürgerfteige 
in ber Bähe ber palais 
unb BTufeett, ber Uniper- 
fttät unb ihrer Uad}bar* 
fchaft ftnb bid]t befefet 
pon Blenfchen, bie bod? 
auch mal in Berlin ge* 
wefen fein woflen. 

Cine ftärtbige (Erfchei* 
nung ift auch ber rufftfehe 
fjochfdiüler. Blit (einer 
Uniform, feinem geftidten 
Kragen unb ber mit einem 
€mblem per3ierten Blüfec ein Kunftenthururt. 

ift er ftets in Begleitung 

feines Daters am Dormittag Unter ben £inben In 
einigen (Exemplaren 3U ftnben. 

2 luch bas paar auf ber fjod^eitsreife ift Feine Selten¬ 
heit. €s ift natürlich nur ber SehenswürbigFeiten wegen 
in Berlin. Bber — es geht wohl an aßen DeuFntälern 
unb Bauten porbei — jeboch nur porbei. IDer wirb es 
ihm übelnehmen, baß es fo pertieft baherFommt unb 
einanber für bie widjtigfte SehenswürbigFeit hält? 


Xn der Öiegesattee. 


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s s. « e> 



b mitten in 
Das ZTTofaifftiieF 


Die beutfdie proDiii3 


Xn einer ,.Hmcncan ßar‘ 

pbot. Dicfrnbiici? u. «Haffrl 














































Seite ^ 352 . 


Hummer 29. 




Dachgärten der Gross ftadt. 


II I enn ber Huf oon be r HücFFehr 3ur Hatur auch 
nicht immer berechtigt erfcheint, auf bem (Bebiet 
bes (ßefühlslebens, bas in ber (ßroßftabt fo oft oernach* 
läfjtgt mirb, Fann nur bie Hatur helfen. Denn ihr gegen* 
über jdjmeigt jebes DenFeit unb alles rein intedeFtuede 
Ceben; es herrfcht nur bas (Befühl, beffen Xüichtigfeit 
befonbers im Ceben unb in ber (EntmicFlmtg bes Kinbes 
noch immer 3U oiel überfein mirb. Das (BroßftabtFinb 
vor adern leibet an 3U oiel Kultur unb 3U menig 
Hatur. HTan 3eige einer Meinen <ßroßjiabtpfIan3e 
einen leudjtenben Sonnenuntergang, eine prächtige Slüte, 
man laffe bas Kinb einer Hadjtigad laufchen unb frage 
es bann, u>as es fühlt. Das Hefultat. folcher 5 rugen 
unb Seobad?tungen mirb gemiß oft negatio unb befdjä* 
menb fein. €s ift barum bie oornehmfte Hufgabe aller 
berer, bie es angeht, bas (Sefühlsleben ber (BroßjtabtFinber 
burch freien Derfehr mit ber Hatur planmäßig 3U bilben 
unb 3U heben. ®ie Schule Fann bafiir nicht alles thun, 
bie <£rholungs3eit nach ber Schule, bie freien Stunben 
nach ber Hrbeit müffen unmittelbare Haturfreuben 
geben. Das Hüßlichjte, Schönfte unb Hngenehmfte 3U 
folchent bireFten Haturwngang ift felbjtoerftänblich ein 
(Barten. VOo aber ftnbet bas Kinb unferer mobernen 
Hiefenftäbte, bas eingemauert ift in bie trojtlofe, naefte 
Steinöbe ber turmhohen HTietshäufer, bies adernot* 
menbigjte StücFchen freier Haturentfaltung? 3 n ben 
engen £}öfen ficherlid? nidp unb auch nicht in ben meift 
prunFoodeit Dorgärtdjen, bie Fein HTenfch betreten barf, 
bie nur ba ftnb 3unt Fümmerlichen SchmucF meift un* 
fdidner StucFfaffaben. €s fchien für bas arme Kinb 
Feine £}ilfe 3U geben. Unb hoch fanb man in ein3elnen 
Stabten, 3unächjt befonbers in UnteriFa, ein einfaches 
uitb praFtifches HTittel, ben Kinbern ber FTeltjtabt 
HücFFehr 3ttr Hatur unb Hnfchluß an bie Hflmutter 
5U ermöglichen. HTan fchuf auf ben flachen Dächern 


f}ier3U 4 pfyotograptjifcbe Uufnafptten. 


ber hohen Käufer (Bärten. €s mürben nicht nur Flehte, 
befcheibene(Särtd?en mit traurigenCopfpfIan3en unb einem 
ftaubigen ©leanberbaum im Kübel angelegt. Hein, bas 
gan3e DadjoierecF eines großen fjäuferblocFs mürbe 


Huf dem Dach: dfc Kinder im Sande. 


Sommerabend auf dem Dach. 

oereinigt, €rbe mürbe hinauf gef chafft, Fleine Säume 
mürben gepfla^t, Hafen gefät, fchöne Kiesmege unb f 
mo es möglich mar, große Kiespläfee hergeftedt — fur3, 
es mürbe in mögliche oollFomntener Ürt hoch broben 
in luftiger l}öhe ein natiirlidies Kirtberparabies gefchaffen, 
bas von aden Fleineit Semohnern bes fjaufes mit 3 ubel 
erliegen unb benußt mirb. Sunächit mid ein Spielen 

unb Coben fo hoch auf biefen 
oielftöcFigen Käufern gefähr* 
lieh unb metiig oertrauener* 
mecFenb erfcheinen. Die Ejöhe 
erfchrecFt manchen. Über ein 
honbfeftes, engjpaltiges, fehr 
hohes f}ol3gitter fd?Ueßt bie 
(Bärten ringsum ab, bieÄurdjt 
oor ber (Befahr felbft tötet 
ben IDagemut auch bes mifr 
beften Knaben, ein Stur3 in 
bie (Eiefe ift nach menfehlichen 
SicherheitsoorFehrungen aus* 
gefchloffen. Unb bemgegen* 
über ift ber IDert folcher 
Spielpläße in freier £uft ge* 
rabe für bie Hrmen unb 
Hermften ber Stabt auch tn 
gefunbheitlidjer Se3iehung 
unermeßlich. Die Heichen eilen 
nach Schluß ber (Befchäfte 
hinaus in ihre freien Diden 
unb IDohnungen, ber HTittel' 
ftanb macht menigftens feine 
Spa3iergänge unb Sonntags 
feine Huspüge ins 5reie. Uber 



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Säen und pflanzen fm Dachgarten. 

^icix>irtfd?aftItd?5d2iDöcf?enunbKIeinen jtnb in bie buntpfen beim eine £ujl, alle armen Kinber ^inauf3ufd?icfen in 

Kellerlöcher, in bie flehten Säume ber engjten (Baffen luftige f}öhett, eine Crholungs* unb Silbungsftätte 3U 

3ufammengepreBt, fie feheu ben fjimmel faum, atmen fdjaffen unb benen, bie bie Sufunft unferes Dolfes 

bie fernere Ksphaltluft nnb merben gleichgütig unb tragen, Seele unb £eib 3U ftärfeu für Öen fehleren 

fhtmpf gegen Satur unb gegen Hygiene. Da iji es £ebensfampf. 2 luf unfern Silbern, bie folche Dach* 


Dfe Kinder beim Spiel. 


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Seite J 354 . 


Hummer 29. 


gärten in Derfd]iebeuer Krt unb Derrocnbuug 3eigett, 
läßt fid] bereu Bebeutung für 5 ie < 5 roßftabtFiuberrc>elt 
leidet erfemien. f^ier ift ein Spielplaft, groß, meit, für 
ade Ä £auf- unb Betoegungsfpiele trefflid] geeignet; bort 
ift ein Fleiites (Bärtchen, bas fid? bie Kinber felbft mit 
KTatrafce 3unt Sd]lafen unb einigen Bäumen unb 
pftanjeit „roohnlich" gemad]t traben; unb in beut britten 
(Barten ftnb bie Kleinen mit ihrer licbfteit Krbeit be» 


fd]äftigt, mit Säen unb pflanjen, bas fo oiel fülle Hoff* 
nungen unb lebhafte phantajie entioicFelt. fjier oben 
fieht mirFüd] bas Kuge ben ^immel offen. 

Unb bie £uft ift gut unb frifd], unb ber BUcF roeit. 
Das muß unb mirb für oieles entfdjäbigen, bas natur¬ 
gemäß bem Dad]garten gegenüber ben glücFlicheren 
Brübern bruuten in ber (Liefe fehlt. Kuf jeben 5 all ift 
bie 3 bec gliicFlid] unb, roie mir fetten, mohl ausführbar 


^— — 

Hmertkamfcbe ftfebzuebt. 

fjicrju 6 pfyotograpbifdje Uufnnbmen. 


Die Bereinigten Staaten fttib bas parabies bes Kolumbiafluß, im 5 rafer Hioer unb bis hinauf nach 

5 ifchers. 3 hre Seen unb (Leiche, ihre Ströme unb Bäche, KlasFa fo maffenhaft gefangen toirb, baß man in ben 

bie ZHeere, bie ihre Küften befpülen, bergen einen un- bortigen Stäbten, mie einfi in ber guten alten «Seit in 

geheuren 5 ifd]reid]tum. 5 oreUen beleben bie Flaren Jameln, in bie ZTTietsoerträge ber Dienftboten fefcen 

(ßebirgsbäche. ber Bocfy HTountains, ber KbironbacFs follte: mehr als 3toeimal barf in ber XPod]e Cachs nicht 



fang von pfaififchen. 


unb ber tBeißen Berge Permonts, bie 5 lüßchen unb 
Bad]e, bie (ich auf ber Fanabifd]eu Seite in bie großen 
Seen ergießen. Diefe beherbergen Föftlid]e CachsforeUen, 
EJed^te, Sd]lete, tBeißfifdje unb Ztlaififche. 3 «' ZTTifftffippi 
unb in feinen Hebeujlüffen trifft man ben Stör, ber einen 
gan3 guten Kaoiar liefert, ben Biiffelfifd], ber ad?t3ig, 
ja hunbert pfuub fd^rner mirb, ben Kaftenfifd] unb bie 
übrige Sd]ar ber Süßtoafferfifche. Kn ben Küften ber 
Heueuglanbftaaten toirb in großen Blaffen ber fjering, 
ber Sd]ellfifd7, ber Kabeljau unb bie BlaFrele gefangen. 
Der (ßolf oon BTejüfo liefert neben anbern 5 ifcben ben 
pompano, einen ber fd?macFhaftcfteu 5 ifd?e, einen teefer* 
biffen für jeben (Sourmet, unb bort tummelt fid] aud] 
ber (Lrapon, ber SUberfönig, beffen aufregenbe 3 mit 
Sd?leppangel unb Harpune Föniglicher Sport ift. Die 
pacificFüfte hat ihren £ad]s, ber im SaFramento, im 


auf ben (Lifd] Fommen. 3ebenfaüs giebt es in San 
5rau3isFo eine BTenge Hausfrauen, bie fid> genieren, 
£ad]*, bies Krmeleutegericht, auf ben (Lifch 3u bringen. 

Bei biefem Beichtum hat bie 5 ifd]erei in ben 
Bereinigten Staaten neben ber fportlid?en auch eine 
mid]tige oolFsrmrtfchaftlid]e Seite. <£s ftnb fehr anfehn- 
liehe Beträge, bie bie 5 ifd?erei alljährlich abmirft, 3. B. 
im 3 a h r \890 laut Bericht bes «Seufusbureaus — £ er 
Bericht für liegt nod] nicht oor — mehr als 

eiuhunbertneun3ig ZTliüionen BTarF. natürlich entfällt 
auf bie H oc hfeefifd7erei ber größte (Leil biefer Summe. 
Kber and] ber (Ertrag ber Binnengemäffer ergiebt eine 
gan3 bebeutenbe «Siffer. Kns biefem (ßrunbe ift es 3U 
oerftehn, baß ber Bunb unb bie (Einjelftaaten fid] ber 
5 ijd?erei uad] Kräften anuehmen unb fie auf jebe IBeife 
3U förberu fuchen, iubem fie für bie BeftocFung ber 


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Hummer 29 - 


Seite { 355 . 



Dfe fifcbe werden aus den Bruttefcben genommen. 



Sortieren von forellcn. 


! * -t * 


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Seite { 556 . 


Hummer 29. 




Brutanjialt bebarf. ©amt 
toerben bte laichreifen 
5ifdje 3um Stuecf ber 
Befruchtung ber uon ben 
IPeibdjen abgelegten 
(Eier aus bem Behälter 
genommen, ©as BUb 
S. J 355 jeigt bie 5 o- 
redenbrutan jtalt 3uHorth - 
Dille, in ben tEannenrpal* 
bungen BTichigans ge¬ 
legen. Sorgfältig per* 
paeft u>irb ber fo por* 
bereitete £ai<h nach ben 
geeigneten 5lüffen unb 
Bächen gefanbt unb bort 
ausgefefet. ©er ©erfanb 
gefchieht in Spe3ial* 
eifenbahntpagen, beren 


Verpacken von •fifcbefcm. 

(ßetuäffer mit 5if<hbrut forgen unb ber Baubftfcherei 
burd? (Befefee entgegentreten, ©ies iji bei ber BTiß* 
achtung, bie ber ©urdifdinittsamerifaner gegen alles 
hegt, mas ihn in feiner perfönlkhen Freiheit befchränft, 
eine fchmere Aufgabe, ©aber ift es erfolgreicher, bie 
£ücfen, bie Hefe unb Angel in ben Scharen ber 5 ifd?e ge* 
fd^affen, burch neuen Hachmuchs 3U erfefeen, unb bie 
hierauf abjielenben Bemühungen ber bem ZHinifierium 
bes 3nnern unterteilten Bunbesftfchereifommifjion ftnb 
pon außerorbentlichem (Erfolg begleitet. 

©en Befud?ern ber Ctyfagoer ZDeltausfieHung tpirb 
ber geräumige pauitlon noch in (Erinnerung fein, in 
bem biefe Uommiffioit eine gan3 h^porragenbe Sonber» 
ausfiellung untergebradtf h^tte, ein Biefenaquarium, 
bas fo 3iemlich alles • enthielt, tuas in amerifanifchen 
(Setuäffern fchtpimmt unb friecht. ©ie Kommiffton 
rnirb pom Bunb mit reichen Bütteln ausgejiattet unb 
pon h«ro°? r a0«nbe!t 5 ad?leuten gebilbet. An ihrer 
Spifee fteht ein (Belehrter, ber bas (Betier, fo ba in 
ber Ciefe hnujt, 3U feinem befonbem Stubium gemacht 
hat. ©er Kommiffion 
fteht ein eigener ©ampfer 
3ur Verfügung, mit bem 
Stubienreifen im 3 »*«** 
effe ber fjochfeefifd^erei 
unternommen tperben. 

An geeigneten pläfeeit, 
an ber BTeeresfüfte fo» 
tpohl roie an ben Binnen- 
tpäffern, liegen bie gro߬ 
artigen Anftalten, in 
benen bie junge 5ifch* 
brut ge3üd?tet ipirb. 

Unfere Bilber per- 
anfd^aulidien ben Betrieb. 

Abb. S. J 354 führt 
uns an bas Ufer bes 
potomaf, bes prächtigen 
Stroms, an bem bie Bun- 
beshauptftabt Xüafhing* 
ton liegt, unb 3eigt uns 
bas (Einholen eines Hefees 
polier BTaififdie, beren 
man 3ur Befefeung ber Inneres eines 6tfenbahnwagens zum Verfand von flfebbrut. 


3nneres untenfiehenbe 
Abbtlbung peranfehau* 
licht. An ben £ängsfeiten 3iehen fich niebere Behälter 
hin, tu benen ftch ber £aid? unb junge 5ifchchen, bie auch 
3um Beftocfen ber (Bernäffer penpenbet tperben, be* 
ftnbeit. ©ie IDagen finb mit allem ausgerüftet, beffen 
man bebarf, um bie 5ifd?e am £eben unb bie (Eentpe* 
ratur bes IDaffers auf ber geeigneten £}öhe 3U er¬ 
halten. ^ebex ZDagen enthält ein fleines £abora* 
torium unb einen Baum 3um Aufenthalt für bie Be¬ 
gleiter ber Senbung, beren Betten ftch oberhalb ber 
5ifd?Fäjien befinben. BliQionen pöu 5ifchen unb BTilliar* 
ben pon (Eiern tperben auf biefe IDeife all jährlich per* 
fenbet unb ausgefefet. BTag auch «in großer (teil bapon 
3u (ßrunbe gehen ober bie Beute ber Baubftfdje tperben: 
es bleibt noch genug übrig, um bie (ßetpäffer 3um Hufeen 
ber 5 ifd?erei unb 3ur 5 reube bes Sportliebhabers neu 
3U beleben. 

(Einige Staaten finb bem Beifptel ber Bunbes* 
regierung gefolgt unb forgen burch eigene Behärben 
unb Anftalten für bie in ihrem BTachtbereich liegenben 
(Bernäffer, tuenn auch in fleinerem BTaßjiab. 3 h*« 


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Hummer 29 . 


Seite 1357, 


tjauptfädjlid?jie Aufgabe ift es, bet Haubfifdierei 31a 
jleuern, foroie füt ftrifte 2lusfü{jrung bet Derorbnungen 
übet bie Sdjonjeit 3U forgen. 

San! btefer 5ürforge »erben bie ilüffe unb Seen 
ber bereinigten Staaten ht <§ufunft »oljl it)ren #fdj* 

c — - 


reich tum bewahren. Unb »ie jefet, »irb man aud} in 
fpäteren feiten an ihren Ufern ganje Scharen oon 
Ünglem erblicfen, bie in flider Sefdjaulidjfeit ihrer 
Liebhaberei frönen. 3 bnen allen ben (Srufj bes beutfdjen 
Ungterbunbes „St. petri £jeill" $. «. ©. 

=--D 


Bin gaftronormfebes Dokument. 

plauberet von 3 ot?annes Crojatt. 



jSPBSSiB 

vom Königlichen H of* Traiteur 
unter den L inden No. 2. 


Rhein-Stein- undi 
Mosel-VY cWc. 

Joh»nne»befger Ä. * J 


( Suppen, 
l^ippui U Jardiuier mJ^ocktoj 
(ßouülon tu. Reif» — 1 


A pfeUineocompoti 
BintMicompI>t . 
Aepialcompft . 




£ Hors d’oeuvres. 

2 Meine Pu«telrn — I 

|2 Sardellen-Saliad — 

2 Ce vier — —- I 

> 12 Ämtern - — > 

[•> Gesuche; teu Rheinisch» 
p Lactu Mute a lltalieone j 
V Rühreier mit Locbi — t 
[SGt-baeken* Sardelleo. . > , 

Kj witzeier I 

iOmclet au Jul — — I 

^Blanquet de rolaille mit 2 
fli Ämtern ea Coquille | 
db Auiuiu cq Coqmüe 
[♦Rinderbrust an naturell 
[»Harn melke®. tnSauceRobert 
Kfieeisteakl — —- 


Rofh© Rübe □ 
Hadieicheu 1 iit ] 
Limburger »a*< 
Schweiurt < ito 
Cheiter d to 


Rüdeshcnmer lSiOf 


6c hl oll Johannesberger - 
Auibiuch r. Mumm I 
Markebrnnner 22«’ | 

Stein-Wein . ll r 

Gefrorner Steintrein 
eine halbe dito . 

' WoMlwa^AWehMr. 
. tloM^otenwein i/SJ. 
, „dito llr. 

h®be dito llr. 
Wiuuburger IVandej- 
ackcT IHrjä * 
Dito eine halb* 

- As!>rtunn*bn jr* . 

Rothenberger IS. 
Crea<en-\% ein 11 r * 
Lieb frtPggjpte V Ä 

#>.n^ Tiilbe 


Ent reim 6 t s 

Reift a la M&lthe 
Alacaronj |. . • 

Schlagesahn* . . 

Sallad de rabi!!* 
Omelett inif Conßtux 
Beägceu v.jAcpielv [ 


Geld voo F heiowein 
Rosinen un I MandeL 
1 Abricose In firantn) 
Reine Cbm e dito 
Wirsich dito 

Früchte ii ZncJß 
Melone in i lucker ui 
£«lg . . 


F.iitrdes. 

Henmiel-Coteiet — je 

1 ja nt. Iiuho tn. 3 Austern l 
O elbiaopi a la Turin« 1 ' 
IIVagoiR v, A'ebh&hoei 11 gorolj 
jGcäptckte l'ilet» r. hapauol 
1 xu. Marelolt v. l’iudetnl 


dito eine naibe 
Markrtxonner br- 

Dito ?io* halb* 
Niarec steinei 22r. 
Dito eine halbe 


1 Orangen 
Ingwer 
A prirosen 


Reine Clan Ae. 
huschen 1 ► 


2>.fidrf-/JV/7/d. 


la»? 


^cim ' Enf g .Wnm 1 


> Bordeaux , .* 
St. Julien 
r Chktean AI jge 
Ch.itean Li fite 
i Grave« 
Haut-S.nlet ucs 


Spinath mit leiern 

Fisch e. 
Zatuler mit Butter 


nom-danu. 
- 1 iant-SautH 

Dito lJj 
Dito Hm 
X Chambertm 
U V--Ina 7 
// Nrnu . 
y dito ein« 
(O Chot&u g> 
2L Champagne 
A' dito viue ‘ 
| Va Ifeimitjgel 
f Dito !OI 
Ot. Terraf 


(fnpT.Vtdn IÄ» 1 ® 

Extra alt.Tr.kayerruen* 5 
Dito ' J 4 

Prien ToV*)'*t l2» 

Cardinal 9 (fl 

Strohwem eine halbe ! Ji 
Üngar-Wein y.'jtthth. 3 


Braten. 


rrammaUvogel 


• i’utbe — —- 

te !; .«n halb Rabhuhn 
LSI kleine Bnm»id< 
rS jr jung Ituhn 
ijl Waldichtirpfe 


Dor mtr liegt bie Photographie einer Speife* unb 
IDeinfarte bes fjoftraiteurs 3. 3 ^ 9 or, Unter ben Ctnben 
^tr. 23 tn Berlin, ©om 3 a ^ r \825. Das Original 
befinbet Pch tm 
Beftfe ber U?ein* r 1 
hanblung peter 3 ^ - 
feph Dalcfenberg in 
IDorms, €igen* 
tilmerin bes £\eb* 
frauenmilchtoein- 
guts, unb ift ©on 
bem Urgr ogoater bes 
jefeigen Befifeers 
biefes IDeinguts, ber 
alljährlich 3 um Per- 
fauf feiner £ieb- 
frauenmilch nadj 
Berlin reifte, ©on 
bort mitgenommen 
toorbem 

3 a $o* toar im 
©ormär 3 lichen Ber¬ 
lin, t©ie man bas 
Berlin ber Seit ©or 
18^8 nennt, etn>a 
bas, t©as nachh^ 

Borcharbt, filier 
unb Preffel mürben. 

Berlin hatte 1825 
ctroa 250000 £in- 
t©ohner, roar alfo 
immerhin fchon eine 
grofee Stabt unb 
ba 3 U Sejiben 3 ftabt, 
ber es nicht an 
(ßourmets gefehlt 
traben u>irb, bie 3 U 
3 « 9 or gingen, um 
fein 3 U effen, 3 >iefe 
Speije- unb IDein¬ 
farte aber ijl inter- 
effant in mehr als 
einer £}infid?t. 3\x* 
nächjt ift ih* bas 
Z)atum bes Cages 
bereits aufgebrueft, 
unb 3 u>ar bas bes 
* 9 .2lpril 1825. Sie 
preife aber ftnb 
berechnet in Ult 
(Courant, bas h^ifet 
btChalent unb guten 
(ßrofehen. „Pier 


(ßute" t©aren gleich fünf Silbergrofchen, alfo toar ein (Suter 
(Srofchen fo ©iel mie 12 x /2 Pfennig nach heutigem (Selb. 
2>ie 3 ö 0 orfche Speifefarte t©eift feine fehr lange 

Seihe von ©eli» 
fatejfen auf. Suerft 
3 U nennen ftnb 
2 luftern, ohne Zwei¬ 
fel h^ljieinfche, bas 
©ufeenb 3 U 18 (Sr. 
= 2 IW. 25 pf. 
©as erfcheint, t©enn 
man bebenft, bafe 
bamals ber XPert 
bes (Selbes min» 
beftens noch einmal 
fo groß t©ie jefet 
t©ar, als etn recht 
hoher preis, freilich 
aber famen um jene 
geit bie Uuftern 
noch nicht auf ber 
Bahn ©on Hamburg 
nach Berlin, fonbern 
mußten mit ber poft 
©erfanbt tuerben, 
unb bas ©erurfachte 
natürlich, t©enn bie 
Beförberung, rote es 
bei Uuftern t©ün- 
fchensmert tjl, recht 
rafch t>or fid? gehen 
foÜte, bebeutenb meh* 
Koften. Pon Uujter- 
gerichten ftnb bann 
noch auf ber Karte 
©ermerft: »Blanquet 
de volaille mit 2 
Kujiern en Coquille« 
3 U 6 (Sr. » 6 Uuftern 
en Coquille« 3 U 9®r. 
unb „ \ junges ^uhn 
mit 3 Kuftern" 3 U 
9 (Br. „2 Kituife- 
eier A fojlen 6 (Br., 
t©os auch ols ein 
3 temlich hoher preis 
an 3 ufchen ift. 2 lud> 
XPüb ift nicht billig. 
Pon foldjem ftnb 
auf ber Karte außer 
Heh ©er 3 eichnet: 9 \ 
Krammets©ogel Ä ä 


Bertfner Öpeifc- und KUfnhartc aus dem 3 fahr 1825 . 


^ <5r. unb „V 2 Heb» 


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Seite ( 358 . 


Hummer 29. 


huhu" ä 9 ® r - ferner finbet ftd? „Bagout pon Beb» 
hühnerit game" (fo gefd?rieben) ä 8 <ßr. 5ür einen 
Kramntetspogel unb für ein fyalbes Bebhuhn ift bas 
fel?r piel (ßelb. Uebrigens muß man mof?! annehnten, 
baß es fid? um fonferpierte Bebhühner unb Krammets* 
pögel hunbelt, bie im fjerbft febon gebraten unb bann 
in 5ett eingelegt jtnb. 

Don anberm Hogelmilb finben ftd? nod? auf ber 
Speifefarte „( fleine Becafjhte" unb „( XDalbfd?nepfe". 
(Erftere foftet 7 <ßr., leßtere ( Cblr. ^ (ßr. Die XHalb* 
febnepfe ijt bas teuerfte (ßerid?t auf ber gan3en Karte. 

Unter ben (ßemüfeit fmb als Heues porn 3 ^ außer 
„Spinatb mit (Eiern" <ßr.), „HTorcheln mit Sauciffes" 

(ßr.), „Blohrrüben mit £ad?s" (7 (ßr.) unb „(ßrüne 
Bohnen mit ©melett" (8 (ßr.) an3ufiihren. <£s mürben 
alfo aud? bamals febon grüne Bohnen unb Blohrrüben 
im Bliftbeet für ben Schlemmer ge3ogen. Spargel 
fehlen auf 3 <* 9 ors Karte, obmohl bie Spargeltreiberei 
febon por n>eit mehr als hunbert 3<*hren befannt mar. 

Unter ben übrigen Speifen unb Sufpeifen bes 
3 agorfcben Beftaurants, bie am 19 * Kpril 1825 3U 
haben maren, ift mir niehts Befonberes aufgefallen. 

Sehr intereffant ift bie 3 agorfcbe XHeinfarte, auf 
ber fid? in auffallenber IHeife ber XHechfel ber Blobe 
auf bem (ßebiet bes IHeintrinfens funbgiebt. Sie um* 
faßt „ 5 eine 5ran3*IHeine", „Bhein*, Stein* unb Biofel* 
XHeitte" unb „DefferMHeine". Unter ben fran3Öftfd}en 
^Deinen beftnben ftd? brei rote Borbeau^meine, pier 
XHeißmeine, pier Burgunbermeiite, eine Sorte Chant* 
pagner, bann meißer unb roter »Hermitage«, eine pon 
alter Seit her berühmte IHeinmarfe 3U 2 Cblr. bie 
5 lafd?e, unb »Perrey«, ber ebenfopiel foftet. Hon ben 
Hot* unb XHeißmeinen ftnb „Borbeaug" unb „(ßrapes" 
Cifd?meine 3U A /2 Cblr. bie 5 lafd?e. Der teuerfte Bor* 
beau£ ift »CMteau Lafite« (fo geschrieben) 3U 2 Cblr.; 
unter ben XHeißmeinen fojten Ejaut Sauternes pon (807 
unb biefelbe Blarfe pon \ 81(9 \ 1 ^ 2 aud? bie 

Burgunber geben nicht über (V2 Cblr., unb ber preis 
bes Champagners betrügt 2 Cblr. für bie 5 lafd?e. 
Deutfd?e Champagner ober Sefte gab es bamals noch 
nicht. Hon ben fran3Öjtfd?en XHeinen mürben bie XHeiß* 
meine pielfad? ben roten porge3ogen, unb biefe Horliebe 
für meiße fran3Öftfd?e XHeine erftreefte ficb noch bis in 
meine Seit hinein. 3d> b^rte noch in ZHecflenburg 
fagen: „Der richtige CrinFer (ober ,Siiper‘ pielntehr, 
mie man bort fagte) fängt erjt mit XHeißmein an." £ängjt 
ftnb bie fransöftfehen IHetß meine altmobifcb gemorben, 
unb ebetifo ift es ben Burgunbermeinen ergangen, bie 
einft fo fehr bei uns beliebt maren. 2 Tüit bem Auf* 
hören ihrer Beliebtheit ftnb bann mohl aud? bie präch* 
tigeit Burguitbernafen feltener gemorben. 

3 d? Fontnte 3U ben Bhein*, Büofel* unb Steinmeinen. 
XHeit mehr hier nod? als bei ben fran3Öfifchen mad?t 
es ftcb geltenb, baß ein anbersbenfenbes (ßefcblecbt pon 
Sed?ern aufgefontmen. 3 eßt fann man ftcb feine 
XHeinfarte beitfeit ohne eine lange Beil?e pon Blofel* 
unb Saarmeinen, auf biefer alten 3 agorfcheit Karte 
aber fommt unter 3man3ig beutfeben IHeinen nur ein 
ein3iger Blofelmeiit por, unb 3mar ohne befonberen 
Hamen als „22er Blofel *Abftid?" 3u V2 Cblr. bie 
5 lafd?e. Der Blofelmein mar fo3ufagen nod? nicht ent* 
beeft morben. XHenn man übrigens auf biefer IHein* 
farte nod? Pier (Elfern begegnet, 3mei Bheinmeinen 
barunter, einem Steinmein unb einem £eijtenmein, bann 


mirb einem gan3 mehmütig 3U Blut, unb bas XHaffei 
läuft einem tnt UTunb 3ufammen. © bag ntan ntd?l 
bamals fd?on gelebt bat! Das fleht jebod? felfenfeft, 
ba§ etmas fo (ßutes mie in bem großen Kontetenjabi 
(8U nad?ber nicht mieber gemaebfen ift. (Es giebt noch 
(Elfer. Hör fur3er S^it fanb ht Berlin eine Herfteige* 
rung XHilbelmjfcber 5 lafd?enmeine flatt, 3U benen auch 
60 5lafd?en Bübesbeimer pon (8(( aus ben Kellereien 
Hapoleons I. gehörten. Hon biefem ZHein habe id? poi 
ein paar 3abreit nod? getrunfen, fanb ihn aber bod? fd?oii 
3U fehr gealtert. Dagegen muß er (825 nod? pon portreff* 
lid?em (ßefd?macF gemefen fein. (Es ift auf ber 3agorfd?en 
XHeinfarte ein nod? älterer IHein als ber (Elfer, nämlid? 
ein E?of*£ei(lenmein pon ( 783 ,3U finben, ber mohl bamals 
mehr feiner Seltenheit als feines guten <ßefd?macfs 
megen gefdjäfet morben ift. Die preife ber beutfd?en IHeine 
fteigen bei 3 a 9ar bis 311 5 Cblr. für bie 5 lafd?e unb 
ftnb im allgemeinen mäßig. 5 ür 93 er Bheingauer IHeine 
aus guten £agen mirb jeßt mehr als nod? einmal fo 
piel, als bamals ber teuerfte IHein foftete, be3ablt. 

Cs finben fid? bei ben beutfeben XHeinen ber Karte 
3met unter eigentümlichen Benennungen por: ein „Creffen* 
mein" pon (8(( 3U 2 Cblr. unb ein „gefrorener Stein¬ 
mein" 3U bemfelben preis. IHas „Creffenmein" ift, 
habe id? nid?t erfahren fönnen, obmobl id? bet ben 
IHeinfennern Berlins unb bes Bheinlanbes auf unb ab 
gefragt höbe. Darin nur ftimmten a'Oe überein, baß 
an eine Beimifd?ung pon Kreffe 311 bem IHein nicht 
gebad?t merben fönne. IHas bagegen unter gefrorenem 
IHein 3U perftehen ift, mürbe pon mir ermittelt. <ße- 
frorener ^Hein ift IHein, aus bem man einen Ceil bes 
IHaffers h a * ausfrieren laffen, eine früher beliebte 
BTetbobe, ben Klfoholgehalt unb (E^traftgebalt bes 
IHeines 3U perftärfen. Seßt man IHein in flachen 
Schalen bem 5 roft aus, fo friert 3uerjt bas IHaffer, 
bas man bann als bünne Cisfd?id?t abbebt. <£iit 
mefenllid? perftärfter IHein bleibt übrig, ohne baß er 
an fonftigen (£igenfd?aften perloren b<^t. So fommt 
es aud? por, baß bei jtrengerem 5 roft bas IHaffer in 
überreifen IHeintrauben gefriert, trenn man fte mie 
es am Bbein früher hte unb ba in befonbers günftigen 
3 abrett gejd?ab, bis in ben IHinter hinein büngen läßt. 
IHenn bann beim Keltern bas €is porfichtig entfernt 
mirb, fo giebt bas Uebrigbletbenbe einen „gefrorenen 
IHein" ober „(Eismein", mie ein fold?er nod? int 3 uh* 
(890 in Hattenheim b^geftellt morben ift. 

Unter ben 3 a 9 or f c h^n Deffettmeinen fpielen bie 
BTusfatmeine, bie aud? mit ber <3^* altmobifd? gemorben 
ftnb, nod? eine bebeutenbe Bolle. Hon anbern ftarfen 
IHeinen ift fd?on Kap Konftantia 5U finben. Der teuerfte 
IHein biefer Bubrif unb überhaupt unter allen IHeinen 
ber Karte ijt neben bem Schloß 3 °fyuunesberger Kus- 
brud? pon BTumtn ein alter Cofayer 3U 5 Cblr. 

Das ift bie 3 a 9<> r fd?c Speife* unb XHeinfarte pon 
( 825 , bie Per3iert ift mit einem Bilbd?en, bas Bacchus 
auf einem 5 aß tbronenb 3mifd?en Ceres unb Diana mit 
ihren Attributen barfteüt. So bilbet eine fold?e Karte, 
Me einer 3ufäüig einfteeft, unb bie burd? günftigen Zu¬ 
fall aufbemahrt geblieben ift, einen fleinen Beitrag 3ur 
Knlturgefd?icbte pergangener Seiten. Blanche Bemerfung 
läßt fid? barüber machen, manches ftd? habet benfen. 
Ueber mas für Dinge fid? bie mohl unterhalten buben, 
bie am (9. April (825 bei 3 a gor in Berlin beifammen 
faßen, fd?mauften unb 3ed?ten? 


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Kummer 29. 


Seite {359. 



Der Marktplatz in altborg. 


Im Land der weissen JVacbte. 

^ierju 4 pfjotograptyfäc ^fafnafjmen. 


Wenn man jeßt, ha oon bem Meinen eifernen nor« 
bifchen Pölfchen ber Sinnen allgemein fo oiel bie Ziehe tft, 
burdh Sinnlanbs ernft-fchöne (Bauen toanbert unb ha 
unb bort in ben hübfdjen Dörfern ober auf einfamem, 
hoch über ben Saimafee fdjauenbem (ßehöft bie wette r* 
gebräunten ZTlänner 3U ftittem Hat oerfammelt fteht im 
Schimmer ber meinen Sacht, bie niemanbem ben Schlaf 
uergönnt; toenn man ihre ernjteu (ßefichter betrachtet, 
entfchloffene leibenfdjaft im Slicf, toenn man im Sanfter 
bin unb toieber eine fchtuarjgefleibete Srauengeftalt fieht, 
traurigen Angefichts, wenn man hört, es bitten fich, troß 
einmaliger Auffcßtebung ber Aushebungen, hoch toieber 
faum 30 projent ber (ßeftetlungspflichtigen 3um Pienjt ge« 
ftellt — bann toirb einem fchtoül unb fehler 3U Sinn . . . 
Per Sinnlänber faßt bie Seiten, bie er eben burch* 
lebt, als fehr fchtoere auf unb nimmt nicht leichthin 
Stellung ba3u, fonbern mit tiefem (Ernft. 2 Pas habe i 
befonbers auffallt, ift bie große Paterlanbsliebe unb bie 
Seiounberung für feine b e iniifche Kultur* Wie fo Ute 
er auch anbers fein? tPie ift alles in Sinnlanb unter 
Öen benfbar fchtoierigjten hiftorifchen Umftänben ge« 
toorben, toie mühfam ift jeber Erfolg, jebe Srucht ben 


ungünjtigjten Perhältniffen abgerungen! Pie Selber 
finb 3um großen Ceil auf bem Hücfen tm Sacf 3um 
Selbplateau, bas Acfer toerben faßte, hmaufgetragen. 
XPieoiel 3 (*hrhunberte bauerte es, bis bie fuchenben 
Xt>ur3eln ber Söhre im Stein ben fürglichen Sährboben 
fanben, bis bie fnorrigen, fturmgebeugten Säume 
herantouchfen unb IPälber ftch über bas Seifen« unb 
Seenfanb oerbreiteten, bis bann fjäufer unb .Soote 
gebaut tourben unb ber Sifd?er 3um Acferbauer tourbe. 
Sun aber ift Sinnlanb einer ber erften Kulturjlaaten, 
Canbtoirtfchaft unb 3nbuftrie blühen, toie anberstoo 
faum, Architeftur, Kunft unb oor allem bas Schultoefen 
ftehen fehr h^ch f Sinnlanbs (Befeßgebung ift berühmt, 
befonbers bei ben Kriminaliften, feine politifchen unb 
anbertoeitigen 3njlitutionen finb einheitlich unb oor5Üg« • 
lieh organiftert. Staunenb fleht man ba. 3 ft es nicht 
toie ein tPunber in ber Steimoüjte getoachfen, biefes 
Meine Kulturlaub? 3 <*f man oerfteht bie liebe unb 
Perehrung bes Sinntänbers für fein £anb. <£s ift feinen 
fehleren, großen (EnttoicElungsgang ruhig gegangen, auch 
unter ber fjerrfchaft bes ruffifchen Seiches. HTan fpürt 
toahrlich eine echte unb große Panfbarfeit loyaler 



ffanffchcs Kadettenkorps Cn predriksbanut. 


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Sette 1 ( 360 . 


Hummer 29. 


2 Xrt noch rings im £anb, 3ugleich über tjaHt es 
roie ein fdjmerjlicfar Seufjer über bie lachenben Seen 
bin burch bie fiitfter raufchenben JDälber bis in bie 
nerfchatteten (Liefen, mo bie Sagen unb XDunber wohnen, 
unb ber Schaß moosbumpf perhattt . . . . 

Uber ift 5innlanb nicht mirflich bas*£anb ber norbi* 
fchen tDunber? Da liegt hoch oben im Horben, am 
Corneafluß, iin (ßouoernement Uleaborg, ein 5 els — 
„Upafa^a" pou ben Ulten benannt. <£r ijt nicht einmal 
fo hoch, bloß 200 unb einige UTeter über bem UTeeres* 
jpiegel, aber menn UTittfommernacht ijt, bann per« 
jammelt ftch oicl Dolfs oben auf feiner Kuppe, um bas 
große IDunber 3U fchauen, unb fpielt fonberbare Spiele, 
bie non Urpäter3eiten her bort oben gefpielt rnorben, 
■unb (6e fange er Hingen, morin manch alter ®ott noch 


michtig mie ber (Sranit, por adern ausbauernb mie 
feines Ucfers magere Krume, aber auch reich in 5 rucht 
mie ades Schmergemorbeite ift ber 5 innlänber. Unb 
bas ftnnifche Volt ift eine Hation, geprüft, gereift, eine 
ftarfe, leiftungs* unb miberftanbsfähige Kulturnation. 
Unb mie liebt ber 5 inne fein £anb, fern „suomi!" Die 
£iebe ift einjig in ihrer Urt — (Sermanentreue mit ber 
leibenfchaftlichen <§ämgfeit ber Ugrotataren gemifcht, 
toie mir fte an ihren Srammesbrübern, ben Ungarn, be* 
tounbern. Unb manbem jeßt auch 3ahlreiche 5 innen 
aus, befonbers junge ZHänner, bie nicht rufftfehe Sol* 
baten merben moden, ba fie nicht mehr finni|che fein 
fömten — aus bem Kuslanb fließen (Selber über (Selber 
in bie ftnnifchen Sparfaffen für bie 3urücfgebliebenen 
(Eltern unb (Befchmifter, ber «gufammenhattg 3erreißt nie, 



Der Xmatra: Die grössten BtromfcbneUen von Guropa. 


lebenbig ift. Die Sonne aber fcheint mahrhaftig ftiß 3U 
flehen. Sie geht nicht unter. Wenn fte herabgefunfen ift 
in bie blutroten, bunftigen Chäler bes fjor^onts, bann 
fcheint fte jaubernb 3U ruhen, als märe fte bes IDanberns 
mübe, am Hanb ber fleinen Erbe, mährenb Spiel unb 
(Befang laut merben — ein fchaubernb Erbeben geht 
leis burch bie meiße Hacht — unb mit perjüngtem 
feuchten hebt bie marme Sonne ftch empor 3U 
neuer Udmacht. Unb mahrlich ein (Sott ber fleinen 
<£rbel Unb bie lüunber ber meißen Hacht merben ade 
3 ahre lebenbigl Der Äinulänber glaubte eher, bie 
Sonne fei einmal in biefer Hacht hoch unter* 
gegangen, unb unfer Utt märe geftorben, unb bie 
XDelt märe Äinfternis gemorben, als baß er an feiner 
XDc It, an 5 innlanbs «§ufunft 3meifeln Fönnte. Croßig 
unb unbeugfam mie bie metterfefte 5id?te unb 3äh 
auie bereit felfenfprengenbe U>ur3eln, hart unb ge« 


unb fei er auch noch fo lange fern gemefen, es fomntt 
ein Cag, mo ber 5 innlänber bas in bie 5 rembe mit* 
genommene Stücf X}eimat unuerfauft unb treu geborgen 
in feinem fje^en nach fiaufe 3urücfträgt. Unb fehrt er 
3urücf in fein heißgeliebtes »suomi«, fo finbet er bieeinft 
uerlaffene fjeimat als mirfliehe f^eimat mieber por. Wie 
fodte ftch oiel änbern, mo 5 elfen ftehen? Unb — bas 
ftnnifche Dolf ift eine Hation unb feines £anbes Kinb, irt 
ihm gemachfen, feiner Urt entfprechenb gemorben unb 
ftarf gemorben, mit ihm (Eins. Der 3matra, jene ur* 
gemaltige Siromfchneüe, bereit U?affer in emiger Uner- 
fchöpfbarfeit burch bas enge felftge Bett bahittftürmen, 
brauft unoeränbert in bie Ciefe, mit einer milben Kraft, 
als gäbe es ferne Hüacht ber (Erbe, bie er nicht in 
Splitter trümmern fönnte, fo baß man uor ihm in bie 
Knie ftnfen muß. Das nationale ZHoment, mo es un¬ 
gebrochen unb ftarf ijt, ijt auchHatur, auch eine folctje. 


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3 .- 












ZTiimmer 29. 


Seite *56^ 



Der Qafmafee bet punkabarju. 

ptjotograptyfefre 2Iufnal}me. 


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Seite { 562 . 


ZTuminer 29. 


feft in ftd? beruhen&e, unerfd?ütterliche Urfraft. Die 
alten grauen, tDoljlgepflegten 5eftungs» unb ©lafs* 
bürgen aus bem Zttittelaltet flehen feft am blauen, 
lachenben Saimafee, 3»ifd?en feinen garten, grani¬ 
tenen Ufern, unb hinauf in ben ZTorben. 5 innlanb 
hat nicht nur feine ©efd?tch*e, es hat auch pietät unb 
Crabition. 3f* UTauermerf auch uralt, es ift- nicht 
oercoittert, es liegt nicht in Huinen. Sage unb ©e* 
fdjichte oererbten manch unjerftörbares BoH»erf oon 
©eneration 3U ©eneration. Unb bie ftnnifche 3 ugenb 
»eiß, »as ftarf ift, unb »as ftnnifch unb bem 5inn* 
länber heilig* 

Siegt über bem fchroffen ©eftein ber Sfären 
unb ber Seeufer, über ben »eiten 5 ichtenn>älbern, ben 
KTooren unb auch über ben lieblichen, pappelbeftanbenen 
unb birfenumgrünten 3nleln, »ie punfaharju eine ift, 
ben füllen) frieblichen lPalb»iefen, bureb bie bas Elch 
feinen fchmalen pfab getreten, ein Schimmer t>on poeti- 


fcher 5 ch»ermut, oon Heftgnation; ift es, als hörte man 
in bem bumpfeit tPalbesraufchen einen büfteren UTänner* 
fang oon Enttäufchung unb (Entbehrung — an Kraft 
fehlt es. nie unb nirgenbs! Unb ficht man bie feft» 
gefügten fauberen Bauernhäufer neben ben reid?»ogenben 
Kornfelbern, fieht man bie fd?u>erbelabenen finnläubi* 
fchen Kauffahrteijchiffe ins Kuslanb bampfen unb bas 
bewußte Seben ber Stäbte — bann »eiß man, baß bie 
(Enttäufchungen 3U Siegen geworben unb baß Ent* 
behrung unb Kampf — reiche 5 rucht getragen haben. 
Klan lernt es auf einer IDanberung burd? ben mitter¬ 
nächtigen Kulturftaat begreifen, baß biefes Pottes 
fchweigfante, felbftänbige unb oielgeprüfte Kraft nicht 
ohne weiteres 3U ©runbe gehen fann, »eil et»as 
Urgefunbes, für alle Seiten Bobenftänbiges in ihr liegt. 

Ulan befehle hoch bem IDilbftrom 3 matra, fein 
taufenbjähriges Bett 3U oerlaffen unb fanft »ie ein 
IDiefenbächleiit bahinsuplätfchernl Saft. 


{jj 


gso Nacht am ]Meer. gss 


Wie Purpur das IDeer und wie Silber der Strand - 
Auf wogender Bruft eine {ebimmemde Rand. 

Dod) du trö(te(t, du kummergebietende naebt, 

Uiie tonft nid)t dein Kind, das zu 5üßen dir warbt. 


Denn wer wagte es, febwermutumtebattetes Raupt, 
Und bat deine Stirn {einer Krone beraubt? 

(Das verbttllft du, o mutter, (age: vor wem? — 
Dein Stemengefcbmeide? — Dein Cicbtdiadem? 


Du febweigft. Und es fcblafen die Cande ringsum. 

Die Rimmel find leer und die (Deere find ftumm. 

Weift gleisst hur der Strand wie ein {ilbemes Band: 

Durd) das Dunkel des Schweigens die grüßende Rand! 

7obti Henry Jttadtay. 

— ( U ) 


ßymnaftik mit dem Randtucb. 

^iei 3 u bie pbotograptjifdjen 2tufnafjmen Seite 1363. 


Pie Hbbilbungen 3Ctgen eine Perwenbung bes f}anbtud?s 
3ur Pornahme förperlidjer Hebungen, bie man bem 33 aben 
ober ber Hbwafd?ung folgen laßen fann Pie IPirfmtg wirb 
baburd? befonbers burdjgreifenb, baß bie Hebungen mit polier 
HMensäußerung ausgeführt roerben müffen, inbem bie £?änbe 
bas Cud?, bas fie etwas über Hrmlänge poneiitanber entfernt 
gefaßt galten, burd? feften gug fpanneu, als wenn fte es 
3erteißen wollten. 3 n ^ cr Kusgangsftellung unb beim 
§urücfgef?en wirb bas Eud? leidet gefpannt. Bei ber Ein« 
Übung ftellt man ftd? fd?räg 3um Bilb auf, bie rechte 
Körperfeite 3U if?in hm. 

Kbb. {. Stellung i: Hrme porgefjoben. 

Hbb. 2. Pon ber Stellung \ aus Beugen ber Hrme unb $eben 
ber f erfen. Porftrecfen ber Hrrne unb Senken ber Werfen. Piefe 
beiben Bewegungen werben etwa 3ehnmal ausgefüfjrt 3 n ‘ 
folge ber e^ielten Pefjnung bes Bruftforbs eignet ftd? bie 
Stellung 2 3unt Eiefatmeit (bei gefff?laffcnent HTunb). 

Hbb. 3. Pon ber Stellung t aus Porfpre^en bes mäßig 
gebeugten linfen Beins bis 311m Berühren bes Eud?s. Senfen 
bes linfen unb Porfprei3en bes red?ten Beins. 


2 ibb. Pon ber Stellung ^ aus Seitfprei3en bes linfen 
Beins unb Seitfd?wingen ber Hrme nach linfs, Senfen bes 
Beins unb Porfd?mingen ber Hrme (Stellung 0 * Parauf 
entfpred?enb bie Hebung red?tsf?in unb IPieberholung wie bei 
Hbb. 3. 

2 lbb. 5. Stellung 5 : Hrme f?ocbgchoben. 

2 Ibb. 6 unb ?: Pon ber Stellung 5 aus wirb ber Kumpf 
burd? Beugung im £?üftgelenf möglid?ft geftreeft porwärts 
geneigt. Hrme unb Kumpf magered?t, ber Kopf etwas 3urücf« 
gebrüeft, bie Körperlaft ruf?t auf ben Werfen. 

Hbb. 8 . Pon ber Stellung 5 aus Beugen unb StrecFen 
ber Knie bei hod?geh°tett*n Hrmen unb aufrecht gehaltenem 
©berförper. 

Kbb. 9 unb to. Pon ber Stellung 5 aus Beugen bes 
linfen 2 lrms unb SeitwärtsfenFert bes geftreeften rechten. 
Pas Euch fontmt fd?räg auf ben Kücfen. Pie linfe l^anb 
3ief?t bas obere Eud?enbe hinter ben ©berarm. Pann werben 
bie Hrnte ho^gefchwungen, worauf ber rechte Hrm gebeugt 
unb ber littfe gefenft wirb. 

2 lbb. u* Stellung \\i Krme gefenft 



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Hummer 29 . 


Seite {565. 


W~ 


6yirmafttfdu Hebungen mit dem Randtutb. 

Kufnabnten ron Karl Sd>ul$, .Köln-£inbentbal. 



2 Ibb. 12 . Don ber Stellung [ \ aus Sinfsbrebett bes 
Humpfes mit Doripärtsbochfchunngen ber Hrnte; bie ^füße 
bleiben feft* Huf bem gleiten IDeg Segnungen ber Hrme 
mit Dorroärtsbreben bes Humpfes. 

Hbb. 13 . Don ber Stellung 5 aus Bumpfbeugen por» 
inärts mit (Eieffdjtoingen ber Hrme. 

2 Xbb. H. Stellung i^: (Euch magerest por ber Stirn, 
Kopf unb €llenbogen 3urücf. 

Hbb. 15 unb 16 . Don ber Stellung^ 1^ aus weites 
Hücfßelleu bes linfen ,fufjcs mit gebenjtanb (^ferfe gehoben) 
»nb Kniebeugen rechts. 

Hbb. 17 . Don ber Stellung 5 aus Sdjmingen ber Hrme 
mit Dorbeugen bes Bumpfes unb tiefem Beugen ber Knie 
üormarts tief. Die füge bleiben mit polier Sohle auf bem 


Boben, bie Hrme legen ftdj gegen bie Kniee, unb bas (Eudf 
iß möglidjß tpeit por ben f üß cn bem Boben nahe. 

Hbb. 18 , 19 unb 20. Don ber Stellung U aus tPtrb 
ber linfe Hrm gebeugt über ben Kopf gehoben (Hbb. 18) 
3um Heber beben bes lEudjes rücfmärts in bie tiefe Haltung 
tpageredjt hinter bem Bücfeit (Bilb 19 unb 20). Der redete 
Kr nt bleibt geftreeft. Das Ueber beben portoärts gefdjieht mit 
Beugen bes rechten Hrtnes, ber linfe bleibt geftreeft. Had? 
ettpa fünfmaliger Husfübrung biefer Hebung beginnt ber 
rechte Hrm mit bem Heberbeben rücfioärts, unb ber linfe fjebt 
portoärts über. Schließlich bleibt bas (Euch hinter bem Bücfeu 
3uin (Eiefatmen, bas bureb Huf* unb Hbgehen unterbroden 
merben Fann. §uletjt läßt eine bjanb bas (Euch los. 

£?. Coljmällcr. 




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Seite J36^. 


ZXummer 29 



p f e f f c* r * u 11 b S n 15 g c f ä %. B I u m e tt f dj ci I rf? c n. 


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Silbernes Beftcch. 


<£.ierbedjer unb £la f djentcller. 5‘9 arrcnljcd ? ei: - 

Druca Tifdjgerät. 

£)icr 3 u 3 Uufnofynen oon ED. van Oelben, Berlin. 

tDie alljährlich, fo f)at aud? in biefem 3 ahr bie (große Berliner 
Kunßausßellung ber angemanbten Kunß, ben »erfdjönernben unb 
»erfeinernben Iftitteln. unferes £ebeits nnb Krbeitens einen nid?t 
unbebeutenben plafc ein geräumt. Unfere einheitliche Stim¬ 
mung »erlangt nicht nur Kunßmerfe im (großen unb fünft* 
lerifdje £eißungen, bie ber Kugenblicf genießt, mir mollen 
unfere gefamte (Ehätigfett, unfer tDirfen unb Sud?en ringsum 
anfüllen unb umgeben mit gleichwertigen Schöpfungen, bie in 
£inie, (form, (färbe unb (Eon ßd? harmonifd? unferer iitbioi* 
buellen perfönltd?Feit anpaffen. So werben Qaus unb gimmer, 
Ulöbel unb (gerät Kunßleiftungen, bie Fünßlerifdjes Zeugnis ob¬ 
legen »on bem (Sefdjmacf feines Beßfcers. Diefe erfreuliche 
Knmenbung ber Kunft geht immer mehr ins Kleine, ins (Ei^elne. 
tt)ir bringen h*e* neues (Eifchgerät, bas ftd? in feiner (Eigenart 
gewiß bie £iebe bes aufmerffamen Befdjauers erwerben wirb. 
Uber man muß fleh hineinfehen in biefe Kiebifunßarbetten, bie 
uon h crntanu friling gefdjaßen worben ftnb, h* nc W e *l en etwa 
wie in ein neues Bilb, in ein Porträt, um bie hatnionifche Der- 
binbung »on praftifdjer Derwertung unb fünßlerifcher Derarbeitung 
erfennen unb anerFennen 3U fdnnen. Die Blumenfchaie, bie 
(Eierbecher unb (flafd?enteller, ber gigarrenbedjer unb bas Pfeßer* 
unb Sa^gefäß, bie färntlid? in (Ebehinn gearbeitet finb, fallen 
burch ihre ßdjere Stabilität unb bie einfachen praftifd?en £inien 
wohithuenb auf. Über auch bas in Silber angefertigte Kaffee- 
unb (Eheegefchirr unb bas fchwere ßlberne (Eßbeßecf laßen nirgenbs 
praFtifdje Derwenbung unb Fünftlerifche Beherrfd?ung bes HTaterials 
uermißen; bie h<* u Ptf(Khe in angewanbten Kunft iß fß er 
achtet: es iß alles motiüiert, es fehlt jebes Ueberßüfßge. IDer an 
biefem HTerfmal feßhält unb fo mobeme KleinFunßwerfe betrachtet, 
wirb balb ein jreunb biefer eblen Bereicherung unferes Fünßle* 
rifchen Kußenlebens unb ber Dertiefung aud? unferes inneren Seins. 



Kaffee- und Cbeegcfdrfrr aus Silber. 



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Stummer 29 - 


Seite { 363 . 


Im Bmrnljaus oon Luthmüljlnt. 

2tomau pon 

s<«iu6. JVtarie Durs. 


uth mar mirflich blafj uitb 3eigte einen ab- 
gefpannteu Kusbrucf. £}err pon pontom 
hatte pch alfo bei Eifdj bod? nicht über fte 
getäufdit. Ein paarmal ergriff ihn bie 
Kug.'t. IDenn es £}ans IDilhelm nun mirflich Entft 
bamit märe, baß er äße ©efühle für Uuth über 23 orb 
gemorfen hätte? Km liebpeu märe er 3U ihm ge¬ 
laufen: 2timm pe hoch, 3unge, id? gebe pe bir ja. 
UTupt tiid?t gleich fo rabiat fein unb bas Kinb mit bem 
Sab ausfchütten. Sie ip bod? noch gan3 biefelbe, nur 
ein bifechen reifer unb ruhiger. Du follft fd?on nterfeit, 
mas bu an ihr befomtnP. Solche UTäbels mie meine 
Kuth pnb nid^t im Dufoenb 3U habeul 

(ßaii3 biefelbe? 2 Xd? nein, bas mußte ^ans IDilhelm 
bcper. Sie mar burdiaus nicht mehr biefelbe. 

Damals mar pe ein unbänbiges < 5 efd}öpf gemefen, 
mit Äeuer im Slut, in jeber Semegung milb unb ebel 
mie ein rafpges, junges Cier. 

^eute —? Konnte pe beim überhaupt noch lachen? 
Damals lachte pe funfenfprühenb, fo felbftpergeffeit, fo 
poß anftecfeuber Kraft. 

Es marb ihr piel ber £}of gentadtf, befonbers ihr 
(Cifd^herr, ber Krttßerip, fdpen förmlid? eiferfüdpig be¬ 
müht. Sie mar ja ein hübfches Uläbdjeit. liaits 
IDilhelm härte pe aud? einmal ladien, aber es mar 
nichts bahinter — feine Seele, bie mitladjte. 

3 hre Kugeit fahen nach burchlittenen ZIäd7ten aus. 
Kuf ihrem gan3en IDefeit lag bie Ueife bes Sd7iner3es. 

Sie fprachen miteinanber unb fahen pd? an. Sie 
mußten beibe, baß pe nicht mehr bie alten maren. 

Huth bachte: er hat es pöflig übermunben. Eine 
mübe, unfäglid] bange Craurigfeit fchlidi pd? in ihr £^5. 

Es mar in feiner Unterhaltung fein Dermeibett alter 
Erinnerungen. Kein 5 ußeu auf neuen Erlebuiffeit. Er 
fnüpfte ruhig an ( 5 efd?ehenes an, als enthielte bas 
läitgP feine Stadieln mehr. 

Huth mußte, baß er jefet über alles im Klaren mar. 
Der fünf UTinuten hatte es ihr ber Dater im Dorbei- 
gehen gefagt. Da hatte pe mit gittern feiner Kuiiähe* 
rung entgegengefehen. 

3efet oerftanb pe ihn pläfelidj fo flar: er hatte ge¬ 
raten unb übermunben. So mar er — fo mußte er fein! 

Dem Krtiflerieleutuant gepel ihre Unterhaltung mit 
Dr. ijaefe nicht. Uber er empfanb es hoch als im* 
paffenb, pch ba hinein3ubrängeu. Die beibeit faimten 
pch pou früher her, hatten gemiß alte Sesiehungen — 
bagegen mar nichts einsumenben! 

„bjaben Sie fchon meine Sdjmefter gefprod^en?" 
fragte Uuth- 

„(ßemiß. Sie ip eine leud7teitbe 3 ^apration 3U bem 
alten Cieb: 

,Unb roann ift £ieb am tiefften ? 

IDarm fie am ftillften ift * 


Dod] es ip eine alte Erfahrung, baß ber (Slücfs- 
begriff bes einen nicht in bes anbent Cafche paßt. 3^7 
freue mid7 aber, baß bem brauen Philipp ein fo fchönes 
Cos in ben Schoß pel. Er fchäfet es auch genügeub, 
mie id7 fehe." 

v 3 a, er fdjäßt es, 11 fagte Uuth. Dabei mußte pe 
faum, mas pe fprad7. 3 h f e Kugeit gingen mit einem 
bunflen, fd7mermütigeu Kusbrucf an Bans IDilhelm porbei.- 

3 » bem Kugeitblicf trat Kuna- 23 eate h er 3U, unb er 
30g fid7 3urücf. 

XX. 

2Tun mar bie laufe porüber, jeber an feinen ©rt 
3urikfgcfehrt, unb alles mar äußerlkh mieber, mie es 
gemefen mar. 

Ein unfreunblicher £}erbp ging in einen frühen 
IDiitter über. 

^err pou pontom brad7te feine Cage in innerlichem 
germürfnis tim. Es mar alfo bod7 gefdjeheu: biefe 
ppan3e mar mit ber IDu^el ausgeriffen! 

Das alte, pergrämte 5 räulein pon IDolfgaitgs Cauf- 
biner fpufte burd7 feine Eräume. UTit 3äher Selbß- 
peinigung forfchte er beftänbig in Huths (Sepd7t. 

IDurbe es nicht fd?oit alt unb fchrumplig? geigten 
pch um Kugeu unb UTunb nicht fchon bie bäfen ^ältchen? 

Er mürbe tteroös in biefer imntermährenben Quälerei. 
3 cber Cag, ber ins Canb ging, perurfachte ihm Kip- 
briiefen, benn jeber Cag brad7te Uuth ja bem entfefc- 
liehen Stabiunt jenes alten 5 räuleins näher. 

UIand7mal brachte er es fertig, iitnerlid7 fo recht 
pon I}er3eu heraus auf Baus IDilhelm 3U fchelteu. 
Das erlekhterte ihn mie ein frifd7es 23 ab. Kber es 
hielt nicht por. 3 a näd7Per Stunbe fchon png bas 
(ßemipeit mieber au 311 3micfeu unb 3U bohren. Unb 
er hatte itiemattb, ber ihn mit Karen, fepen 23 licfen an- 
fah, bie Siiitbeit feiner Dergangeitheit mit reifer Er- 
feuutnis burchleud7tete, bap pe pch fchmar3 abhobeu pon 
ber Beeile bahinter, aber bodi angreifbar, mie ein ehr¬ 
licher 5*iub. 

2 Tein, fo einen hatte (Söfe pou pontom nicht 3ur 
fjaitb. Er Pecfte fd7ier hoffnungslos itt ben fürchter- 
lid7eu Schliugppaii5eu, unb menit er einen Krm frei, 
hatte, fap er mit bem 5ufj mieber barin. 

gu Huth fagte er nid7ts pon allem. Um ©ottes 
mißen# bie auch nod7 aufmerffam mad7en! Kber er 
3erbrach pd7 beit alten Kopf, mas pe mohl bächte unb 
mie pe ittuerlid7 3U fjans IDilhelm ftänbe. 

Den Kopf fonnte er pd7 fre‘tlid7 lauge 3erbrechett. 
Ehe ein junges 5rauenher3 bas ausplaubert, mas es in 
fold7ett Dingen beuft, unb nod7 ba3u bem alten papa, 
ba lügt es lieber bas 23 laue pom Bimmel h^ranter. 

Küerbings, pe ging blaß einher uitb mar pou einer 
perräterifd] fttßen, etmas fchmermütigen ireimblichfeit. 



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Seife J366. 


Hummer 29 


2 lber fie juefte nid?t 3ufantmen, menn fein Harne ge« 
nannt mürbe, fte errötete nicht unb I^ielt fogar etmaigen 
(ßefpräd?en über itjn jtanb, bie (ßöß pon pontom por* 
ftd?tig ansufdilagen magte. 

Hein, auf fold?es Httpod?en burd? bie üblichen 
£}ämmerd?en unb Klopferd?en antmortet bie junge 
Ärauenfeele nicht. Da fann fie fo fyerb unb fühl fein 
unb aße Hiegel Porfd?iebeit, meitig geftört burd? bas 
jammern ba braunen. 

Das müßte fd?on ein anberer Sturmminb fein, ber 
biefe Hiegel pon ber Pforte reißt I 

Hber ber Sturmminb braußen fd?lief, unb brinnen 
f?errfd?te bas große, munberbaire Sd?meigen. 

Hur ein leifes Hegen in bem Sd?meigen, mie ein 
tDeflenf räufeln im HTorgenminb: bie erjte, tiefe Sehnfud?t! 


Dev erjte Schnee fiel. Schon im Hopember mar 
man eingefd?neit auf bem flißen f}erreithof. 

„Hufd?el,* fagte ber Pater. „lüoflen mir uns nicht 
ein bißchen Cuftigfeit ins f}aus fd?affen? Hlte Hefaimte 
einlaben? 3 ns Cl|eater fahren?" 

Da lächelte il \n Huth an. „Das laß nur tjübfd? 
bleiben, papa! Da3U fabelt mir ja gar fein (8elb. Ä 

Hber nicht im (Eon ber Entfagung fprad? fie bas. 

Heber ihren Husbrucf babei mußte f}err pon pontom 
lange nachfinnen. Es mar überhaupt permunberlid?, 
mie gut er ftd? jefet auf bas Sinnen perftanb. 5rüfyer 
— ad? bu lieber (Sott! 

21ber menn man alt mirb unb bas Hheuma in ben 
Knochen ftßt unb mau bie pferbe nicht mehr hot, bann 
perfäßt mau eben auf fold?e Hefd?äftigungen. Sie finb 
menigfieits geräufd?los unb Fönnett in ber marmeu Stube 
abgemacht merben. Hnb aßmählid? munbert mau fid?, 
baß mau früher gan3 ohne fo etmas ausfommen fonute! 

Es märe aud? piefleid?t beffer gemefen, man fyätte 
es nicht jo gut gefonntl 

I}err pon pontom grübelte über Hutt?s Husbrucf, 
als fte läd?elnb bie (5efeßfd?aften ablet?nte. Hein — 
ein HTärtYrertum bliefte nicht baraus fyerpor, aber aud? 
feine offenfunbige (5eringfd?äßung. 

Wenn einmal Hefud? fam, 3eigte Hutt? basfelbe (Be« 
fid?t. Sie fprad? unb that, mas fie tl?un unb fpred?en 
mußte, es mar nid?ts Huffaßenbes in il?rem IPefeit. 
Kber l}err pou pontom fpionierte bod? 311 genau: im 
fjintergrunb it?rer Hugen mar eine Derträumtfjeit, eine 
Hbmefenheit ber Seele, bie ihn ergriff. 

Dabet perftanb er feine (Eod?ter gar nid?t, jtanb 
I?eute mie gejtern unb aße (Tage por 3ugejd?loffener 
(Ef?ür — ja, por Hätfeln. 

lOenn bie IDelt um fie l?er it?r innerftes 3utoreffe 
nid?t mel?r meefte, bann mußte es irgenbmo feftliegen. 
Das mar bie erjte flare Schlußfolgerung. Die 3meite: 
menn es irgenbmo feftlag, muß es bei I}ans H?tß?elm 
fein. Das mar fd?on ein etmas gemagterer Sprung, 
aber er glaubte, il?n fid? geftatten 3U bilrfen. 

Hun aber fingen bie fjafen unb IHirrniffe an. IPenn 
fie I}ans IDilhelm liebl?at, muß fie bod? miinfd?en, mit 
il?m pereint 3U merben. Dafür lag aber nid?t bie ge« 
ringfte Knbeutung por. Etmaige Hriefe l?ättc er be« 


merft, ba er ftets felbft bie pojitafd?e öffnete. Uitb ba 
feine berartige 2lusftd?t porlag, märe es bod? bie einige 
Konfequen3 gemefen, baß fte Hetrübnis ge3eigt hätte* 
Sie 3eigte aber feine Hetrübnis. 

Das moßte f}errn pon pontom gar nid?t in ben 
Kopf. Er fing nod? einmal pou porn an, fteßte aße 
feine Hetrad?tungen mieber an unb fam immer mieber 
auf feinen alten Schluß 3uriicf: fte müßte fid? grämen. 
Hber fie grämte ftd? itid?t. 

Hein — Huth grämte ftd? nicht! 

Hnb bod? marb bie Set?nfud?t in il?r jtärfer als 
bas Häufchen bes jungen HTorgeitminbs über bem tDaffer. 
Sie marb fo jtarf, baß fte oft in ihrer Einfamfeit bie 

f?änbe hob — jtammelnb: fomm-— 

Hber es mar fein Per3ehren unb (Srämen, fein 
Kranfen an unbefriebigten (Befühlen. 

Es mar bas Strömen ber Kraft, bas fie 3um erjien« 
mal empfanb. Das perhaltene 3oud?3en bunfler, um 
eingejtanbener (Bemalten: er Fontntt ja! Er fommt ja bod?l 


(ßlißentber Sd?nee in ber 3 onuarfonne. Beßer, 
flingenber 5rojt. Huth mar im parf, an ber 5luß« 
mauer, mo hinaus ber alte (ßärtiter ihr einen fchmalen 
pfab gefd?aufelt hotte. Hon hier ous fah matt meit 
über bie 5elber, über beit gefrorenen 5luß, bis briiben 
an beit Kiefernmalb, beffen «Jmeige ftd? pon ber Schnee« 
laft bogett. 

Solchen Husblicf mußte Huth hoben. tPeit herum 
unb meit hinaus! 

Sie hotte ein meid?es (Eud? um ihre Schultern ge* 
fd?lutigen. 3hr blaffes (Beftd?t rötete ftd? in ber flaren 
H>interluft. 

Ein (Eraum aus biefer TXadit moßte ihr nicht aus 
bem Sinn. Hod? mar bas (Erauntläd?eln in ihren 
Kugen, bie in bas IPeite fd?auten. — 

Kls fte Schritte hörte, maitbte fte fid? um. Da jianb 
ihr Craum lebenbig por ihr. 

Ein paar Schritte entfernt, unten por ben Stein* 
ftufen, bie auf bie fleine 21usftd?tsperaitba heraufführten. 
Vians IPilhelm mar in HTantel unb meid?em 5il3hut. 

Sein plößlid?es €rfd?einen feßte fte nicht in €rftaunen. 
3 hre Sehnfud?t hotte ihn ja gerufen. Sie hotte ja 
iüngft — längjt gemußt, baß er fommett mürbe. 

HTit einem ttad?tmanblerifd?en £äd?eln trat fte auf 
ihn 3U. Sie jianb oben an ben Stufen, unb er unten. 

€r aber mar nid?t ruht9, toie fte es mar. Hub 
jeßt, bei ihrem Hnfd?aun, als fte mirflid? — mirflid? por 
ihm ftartb, nicht nur im (Beiji, nicht nur in ber Er¬ 
innerung — ba 3erfIogen, 3erflatterteu aße bie grauen 
Hebelmänbe, bie ftd? 3mifd?en ihn unb fte gefd?oben hotten. 

3ähüngs breitete er bie Hrme aus — er mußte 
gar nicht, mas er tl?at. 

Hnb fte — bie Stufen hinunter — aße auf einmal 
— mit einem Sprung — mit einem einigen, mortlofen 
3ubelruf- 

Es mar fein (Eraum, er befaß fte. Er beugte ftd? 
über fte — „Huth —?" 

Eine 5 rage. Die Qual pon HTohaten lebte barin 
nod? einmal auf. gum leßtenmal. 


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UmraufcM von Gärten, wo der UJind 
verloren 

Die Blüten [freut auf unbetretne Pfade, 
fjocf) hinter IHauern und verfcbloffnen 
Choren 

Ragt einPalaft vonlüannorwie einCraum. 
Cief unten brüllt am fteinernen Geftade 
Das dunkle TDeer mit bergehohem Schaum. 


Doch raubt der Raufch von unvergeffnen 
Cagen, 

Die Du mir gönnteft, meiner Jugend Dächte, 
Und meiner CUünfche lüogenftürme fchlagen 
CUiId auf, wild auf mit meergewalt'get 
macht. 

Du fDarmorweib von fürftlichemGefcblecbte, 
Dach Deiner Schönheit königlicher Pracht, 


Ich ging mit Dir jasminumblühte Steige, 
Gin Abenteurer, den das Glück verwöhnte. 
Du warft fo fchön, — durch fommergrüne 
Zweige 

Brach von der Sonne ein verftreutcr 
Strahl, 

Der Deine Stirn mit rotem Golde krönte, — 
Und ich war Dein, — Dein König und 
Gemahl. 


Börft Du mein Rufen? Duftend fteht der 
Jlieder. 

Kommft Du noch einmal die umblühten 
Pfade? 

UJann winkt vom Söller des Palaftes wieder 
Dein weites Cuch? — Ich [eh Dich noch im 
Craum, — 

Und [föhnend brüllt am fteinernen Geftade 
Das dunkle IDeer mit bergehohem Schaum. 

fcai-l TanKlc*» 


Die (Qual unb bie ^raae: bift bu’s? Kann ich 
mir oertrauen? Kann id? fofchem Schicfjalsfpiel Der* 
trauen — ? 

€r fdjob feine £?anb unter ihr Kinn unb ^ob it^r 
<ßepd?t empor. Uid?t mehr Craummanbleraugen maren 
es, bie ihn grüßten. 

<D (Bott im £)immel, nein! lVad?e, lebendige, ftrah' 
lenbe HTenfchenaugeu! 

„Was fagft bu baju, baß id? fam?" fragte er leife. 

„IVas — id? meiß nicht." <£in meid?es Hot brängte 
fid? in ihre IVangen. „Du mußteft ja." 

„3ch mußte —* 

€r oerftummte in Hemegung. <D tVeistjeit, mie bip 
bu fo groß — unb reid?ep bod? nicht h^an an bie 
(ßröße biefes Vertrauens in geliebteftem £?er5en. 

„ 3d? habe bir hunbert Hriefe gefd?rieben unb feinen 
abgefd?icft," fagte er. „3m (ßrunbe habe ich P* mir 
felbft alle gefchrieben. 3<^? mar fo ein perrotteter 
Cheoretifer, fiehft bu. (ßlaubte gar nicht mehr an meine 
eigenen (Befühle. IVar fo munberfd?ön fertig mit allem. 
€s mußte mir erft bitter mehthun, ehe ich es begriff: 
bas lebenbige £eben läßt pd? nicht foppen. €s ift ba. 
Huth, es ift ba!" 

Huth hatte ihm mit halbem fächeln 3ugehört. Ver- 
ftanb pe ihn überhaupt? 3 n ihren Kugen las er bie 
lofe Kntmort: „IVas ift bas alles für bummes 5 eil g!" 

„Dummes geugl" jubelte er ihr nach. <£r 50g fie 


an pd? unb füßte pe, im Schnee, ben blauen IVinter* 
himmel über pd?. 

„Unb bip bu nicht mehr bie, bie bu marP, fo bip 
bu eben eine anbere Huth. Unb auch ich bin ein anberer! 
Unb es ip eine £äd?erlid?feit — eine £äd?erlid??eit, baß 
mir ohne einauber leben mollten!" 

„ 3 a — bas geht ja gar nicht!" rief Huth aus pollem 
fersen. 

<£r hatte pe nie füffen bürfen, als er am h^ife^n 
um pe gelitten hatte, IVar bie braufenbe IVilbheit 
biefer 3 a h r * mieber in fein Hlut 3urücfgefehrt? 

„Komm, fomm! IVir fpringen über bie HTauer, ich 
mit bir. Keiner foH uns fehn. 5 ^lbein bis brüben an 
bie £anbpraße. Ciuft habe ich öid? entführen moHen, 
nun thue ich es heute." 

IVie 5 lammen fchlugen feine tVorte über Huths f?er3. 
Sie hörte nichts, pe fah nichts, als nur ihn allein. Hlit 
ihr im Krm fprang er bie Stufen empor, bort — mit 
einem Saß, fchneU mie ein (Bebanfe fd?mangen pe pd? 
auf bie Steinmauer unb aufs freie 5 elb. 

HTitten im tiefen Schnee blieben pe ftehen. Sie fahen 
einanber an, unb plößlid? lachten pe beibe. <£in feliges, 
glücFsheHes £ad?en in Schnee unb Sonne. 

„IVas pnb mir 3mei für Kinber!" rief Huth. 

Da faßte £?ans IVilhelm ihre beiben £?änbe unb 
brüefte fein <ßepd?t hinein. „ 3 d? muß ja erP 3ur Vernunft 
fommen," murmelte er. „ 3 ch bin ja mie ein Sinnlofer —'" 


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Seite {o 6 d. 


Hummer 29 - 


Sd?tpieriger als bas Verabfpriugen toar bas Wieber* 
hinaufgelangen an ber glatten Blauer. ^ans Wilhelm 
müßte poraus unb feine Braut an ben Ejänben empor* 
3iehen. <£s ging Bei bem erfteu Derfud]. 

*3dj habe ja Flügel!" rief fte. 

Der fd]tnale, gefdjaufelte pfab, ber 311m f}aus führte, 
bot nid]t Haunt für fie beibe. I 3 ans Wilhelm mußte 
ft d] 3U Reifen. <£r hob Huth empor unb trug fte, bie 
mit beiben fjättben feinen HacFen umfd]lang. 

„ 3 ch Fann mein (Slücf nod] tragen!" rief er polier 
Hebermut. „Dann fanit es nod] nicht aüsu fchtoer fein." 


f)err pon pontom gefaltete Feinem, an5Unehmen, 
baß er ein nad]mittagsfd]läfd]en hielt. 

Aber heute pormittag mar er lange braußeit ge* 
mefen. Der Sd]itee F|atte ihn geblenbet unb erntübet, 
ba geriet Freute fein perjtofylenes £ehnftuhlfd]Iäfd]en um 
ein paar S°H tiefer. <£r fd]recFte erft auf, als feine 
beiben fjänbe erfaßt mürben. 

Ad] freilid?! <£s lohnt ftd] fd]on eitt3ufd]lafen, tpettn 
man beim <£rmad]en fold] liebliches Bilb por ftd] fielet. 

„Sd]Ocffchmerenot!" €in her3ensFväftiger 5 lud] aus 
ber Jchöneit Solbatenjeit mar bas erfte, mos ihm 3mi;d]cit 
bie Söhne fuhr. Aber mahrlid], bie beiben leuchtenben 
H 7 eujd]en por ihm fühlten ftch fetjr menig perflucht. 

HTan fiitbet fid? meit behenber in bas (ßute, als in 
bas Böfe. Diefe alte (Erfahrung ntad]te auch (ßöfe poit 
pontom. £s mar noch feine Stunbe perftrichen, ba fchien 
ihm ber £auf ber Dinge fchon bas Hatürlichfte pon ber 
Welt, unb er begriff es faum, baß er heute früh keim 
Aufftehen noch eine gan3 anbere Welt por ftch gehabt hätte. 

ZTTit ber Cittgemöhnung in bas (Sute aber fontmen 
gleich allerlei Cort unb Derbruß. 

„So, ihr lauft nun bauott, unb ich Faun allein hier 
fleben!" murrte er. 


„papa, bu 3ieh(l mit uns, natürlich!" rief Butt]. 

Unftitn! 3 n bas polnifche Heftl <£c rniffe etmas 
p’tel Befferes: fjatts Wilhelm folle bie unbanfbare Sd]ul« 
meifterei an beit Hagel hängen unb £aitbmirt merben. 
Dann fönne er £ucfmühlett Friegen. 

Da fah fjatts Wilhelm ben eilten fonberlich att. 

„Dater — ich bin pon £jer3eit Schulmeifier," fagte er. 
„Wenn ich ntit meinen Dreißig noch nicht fo eiugerpur3elt 
unb bobenftänbig in meinem Beruf märe, baß ich mich, 
mie_matt fjanbfchuhe mechfelt, bapon trennen Fann — fo 
Fönnte Fein ehrlicher Kerl uitb ich felbjt nicht BefpeFt 
por mir haben. 3ch bleibe auch fürs erfte in meinem 
fogeuannten ,polnifchen Heft‘. €s ift nicht fchön bort 
für Butt], unb ich mad]te es ihr gern häbfcher. 
21 ber —" 

€r fagte nichts meiter, er fah Bnth nur an. Unb 
fte biß bie Sahne 3ufammen unb ermiberte feinen Blicf. 

fjerr pon pontom gucfte mit fdjiefem (Seftcht in fein 
Weinglas. 

„Ad], fchmaßt bod] nicht erft lauge. ZTTit Ciebesleuten 
ift ja Fein Heben. ZTTacht man, baß ihr mir balb aus 
bem fjaus fommt." 

Da hn»<5 ihm Huth Iacheitb unb meineitb am £>als. 

„papa, bu mußt mit! 3ch miß Dich habet haben, 
immer unb immer!" 

Ha, bas geht fold]em alten Knafterbart fchließlidj 
bod] uod] gatt3 fad]te ein. 

„Ha, na, nun laßt mich matt. 3 <*? befud? euch fchon 
mal uitb bie Anita-Beate auch uitb ben Fleiitett pußigen 
Kerl, ben Wolfgang. HTuß mich als alter (ßroßpapa 
bod] noch auf bie Socfeit machen. So bas 3 ah* reihum 
unb 3mifd]euein in CucFmühlen. Unb bie 5 erien bringt 
ihr hier 3U, bas moHte id] mir ausgebeten haben. Dann 
mirb ja mohl bas bißd]eit £eben uod] immer anjtäitbig 
aussuhalteu feiitl" 

€nbe. 


Q-— " "H ) 

Was die Richter Tagen. 


Haftung für <£rbfd]aftsfd]ulben. 

Wenn and] im h* u ü$ en Hedjt nod] ber (Srunbfafc gilt, 
baß mit einer <£rbfd?aft aud] bie Sdjulben bes Derftorbenen 
auf ben < 2 rben übergeben, jo ift bod] ber (Erbe nid]t rer- 
pflichtet, perfönlid] für bie Sd]ulben eiii3utreten; er Fattn 
rtelmehr regelmäßig, aud] menn er nad] Kblauf pon 3 a ^ ren 
erft 3m Be3al]lung pon (Erbfd]aftsfd]ulben aufgeforbert mirb, 
ftch burd] Verausgabe bes Had]laßes pon meiterer V a f tu ng 
befreien. 

Der €rbe, ber mit ber Hegulieruug bes Had]Iaßes über¬ 
haupt nichts 3U tt]un h J ben mill, Faun am grünblid]ften 
immer nod] baburd] pon allen Weiterungen ftd] befreien, baß 
er bie <Erbfd]aft ausfd]lägt. Die 2lusfd?lagung erfolgt gegen¬ 
über bem Had]laßgerid?t in öffentlich beglaubigter ^’orm. 
ZIad;laßgerid]t ift bas Amtsgericht, in beffen Be3irf ber (Erb* 
laffer feinen lebten Wohttfi^ hatte. Die Ausfdjlagung ift 
aber nur mirtiam, trenn fie erflärt mirb por Ablauf pon 
fed]S Wochen, feitbem ber (Erbe pon bem (Eobesfall unb pon 
feiner Berufung — alfo 3. H. burd] (Eeftament-Keuntuis er¬ 
langt hat. 

Wer aus irgenbmeld]en (Srünben nid]t ausfd]lagen miU, 
ober mer nicht mehr ausjd]lagen fann, führt bie Bejd]ränFung 


feiner Raffung auf ben Had]laß baburd] baß er heim 

<Serid]t bie Had]laßpermaltung ober ben Had]laßFoufitrs be¬ 
antragt. 3 n beiben fällen mirb bie Hegulierung bes Had]* 
taffes burd] eine Pom <Serid]t beftellte perfoit unter gericht¬ 
licher Auffid]t bemirFt, unb ber (Erbe erhält, mas nad] Be- 
3al]lung ber 5d]ulben übrig bleibt. Die Had]laßpermaltung 
empfehlt ftd] naturgemäß por3ugsmeife für <fäüe, in beiten 
es 3meifelhaft ift, ob ber Had]laß überfchulbet ift ober nid]t. 

Sinb mehrere (Erben beteiligt, fo Föitnen fte nur ge- 
meittfam bie Had]!aßpermaltung beantragen. Sobalb ße bie 
€rbfd]aft unter fleh Perteilt haben, iß ber Antrag nicht mehr 
3uläfßg. Die Dermaltung Fann aud] auf Antrag eines Had]- 
laßgläubigers angeorbnet merben unb ^mar bann, meitn er 
mit (Sruttb beforgt, baß feine Befriebigtitig gefährbet fei. 
3 ß bie Had]laßpermaltuitg nid]t 3U erreichen, fo Fann jeber 
(Eibe allein immer nod] ben Had]laßFonFurs beantragen unb 
fo feine Haftung für bie ZTachlaßfd]ulben auf ben Had]laß 
befchränFen. 

Der (Erbe, ber bie ZTacblaßfd]iiIben nicht be3ahten miü, 
muß alfo häußg ben Umfang ber auf ihn übergegatigenen 
<Erbfd]aft barthuit. Diefen Had]meis Fann er fid? am ein- 
fachften ein für allemal fid>errt burd] 3 nDCn larerrid]tung, 
b. h- burd] Einreichung eines Ziadüaßoe^eidjuiffes bei bem 


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ttummer 29 . 


Seite 1369* 


tTadjlaßgericht. gu ber Aufnahme bes 3no*ntars muß aber 
ein 3uftänbiger Beamter ober XTotar hi n 3 u 9 c 3 ° 9 en werben, 
ober ber (Erbe muß bie Kufnatjme bei bem ZTadjlaggeridjt 
felbji beantragen. 2 Xuf Antrag eines Bachlaßgläubigers muß 
bas Hadjlaggeridjt bem (Erben eine friß 3ur (Errichtung bes 
3«oentars fetjeti. IDenn bies gefdjieht, fo ffeigt es auf* 
paffen. Denn wenn ber (Erbe bie gefegte friß nicht einhält, 


bann haftet er für alle Badjlaßfchuiben unbefd;ränft. Kbge» 
fefjen oon biefem fall tritt bie unbefdjrättfie Haftung fonß 
nur bann noch ein, wenn ber (Erbe abft^tlich eine erhebliche 
Unricbtigfeit bes 3 m?et rt ars f?erbcifüh r ^ ober toenn er bie 
(Errichtung bei bem nadjlaßgeiicht beantragt ty** unb bann 
bie Kusfunft perweigert ober abfidjtlidj in erheblichem, 
ftorenbem Ittaß oe^ögert. 


<r 




x> 


Knall ftgnale für Gtfenbabnen. 


gur Decfung eines auf of¬ 
fener Strecfe ober por ber (Ein¬ 
fahrt haltenben guges gegen 
gufammenßöße mit bem auf 
bem gleiten (Steife begnblidjen 
rollenbeu ITTaterial perwenbet 
man fogenannte „Knallfignale". 
Dlit Knatlpräparaten gefüllte 
Kapfeln werben im geeigneten 
momeut auf ber Schiene be* 
fefiigt unb beim Ueberfahren 
ber (ofomotioe 00m Habfran3 
3ermalmt unb baburch 3ur €nt- 
labuug gebracht. 

Die (Entlabung erfolgt unter 
einem mehr ober weniger ßarfen 
Knall unb entfprechenber Blitz* 
licht* unb Haudjentwicflung. 

3 e ftärfer bie Detonation, 
je intenfioer bie Blitzlicht- unb 
Kauchentwicf lung biefes Strecfen- 
fignals, um fo 3uoerläfßger feine 
XDtrfung auf bie Ejor- unb (Se- 
fichtsorgane bes Sofoinotipen* 
perfonals. 

IDer jemals Gelegenheit 
hatte, eine fahrt auf ber £ofo- 
motipe eines SchneÜ3ugs mit3u- 
macheit, bem wirb bas neroen- 
erfchütterube Dibrieren, ber be* 
täubenbe £ärm auf bem f ührer« 
ftanb unvergeßlich bleiben, uub 


£jier 3 « 2 pfyotogrcipbifdje Jlufnaljnien. 



Befcftigung der Patrone auf den Bchienen. 


ieber f achmann wirb ben großen 
JDert eines niemals perfageti* 
ben Knall fignals 3U f<hä$en 
wiffen. Die bisherigen Knall« 
ftgnaie 3eigen aber noch oiele 
f ehler,unb bie (Eifenbahntechnifer 
bemühen fich beshalb, bem Debet 
burch ein „patent" ab3uhelfen. 
(Einem jungen frai^ofen ift es 
benn auch gelungen, eine Knall« 
fapfel 3U ergaben, bie ungefähr 
bas Bereinigt, was ber fach¬ 
mann oerlangt. 

Beim Dorführen biefer 
praftifchen Klarmfapfetn auf 
bem Uebnngsterrain ber Be¬ 
triebsabteilung ber €ifenbahn« 
brigabe würbe ein bebeutenb 
fchärferer Knall, ein größerer 
fenerfchein unb eine intengoere 
BauchentwicFlung foußatiert 
als bei ben fonß gebrämhlichen 
Knallggnalen; ba3u fymbltchfeit 
beim Befeßigen auf ben Schienen 
unb fein Derfager. 

IHan follte nicht glauben, 
baß ein folches Ding von <Ei- 
größe fo oiei Speftafel macht 
unb trotz ber intenfioeit <£$plo« 
gen nicht . fchäbigenb ober 3er- 
ftörenb auf bie Schienen wirft. 



Rauchentwicklung bei der 6ntladung der Patrone. 

l?ofpbot. (Dttomar Unjdjttß, Berlin. 


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Seite 1370 . 


Hummer 29. 



Steinlager zum Hufrichten des Deiches. 


Der Qferfchutz an der JVordfeeküfte. 

Qterju 3 pbotograpbifd?e Jluftuibmen. 


Wie überall in ber Hatur ein (Schert utib Werben beobachtet 
werben Fann, fo auch an ben UTeeresFüßen ber Horbfee. Pie 
(ßefchichte lehrt, baß an ber WeftFüße von Sdjleswig-Fjolßein 
3. B. bie jetjt vorliegenben 3 n f e ^ wi* Pellworm, Horbßranb, 
Kmrum, Sylt u. a. früher mit bem (feftlanbe oerbunben 
waren, burch mächtige Sturmßuten aber abgeriffen ßnb unb 


3erf lüften unb 3U 3erreißen; auf unferm erjten Bilbe fehen 
mir bie nTaterialien lagern nebft (frühftücFs* unb Defperhütte 
ber Arbeiter, hierbei ift es intereffant, bajj bie bort lagern« 
beit Steine in ber Oftfee geßfdjt, mit Heineren Schiffen 
burch ben Katfer WilhelniFanal nach ber Horbfee gefchafft 
unb hiff entlaben werben, um, an (Dtt unb Stelle gebracht, 



Die Steine werden dem Ufer vorgelegt. 


je^t ifoliert in ber Horbfee liegen, bem IKutterlanbe ge* 
miffermafjen als Wellenbrecher bienenb. Per Küßenbewofjner, 
ber fich in ßetein Kampf mit bem UTeer beßnbet, hat beshalb 
fein KugenmerF barauf gerichtet, wenn auch nicht in allen 
fällen bem UTeer tuieber Sänberßtecfen abjuringen, fo hoch 
bas, was ba iß, bem PTutterlanb 3U erhalten. §u biefem 
§wecf werben Fünßlich Pämme aufgeworfen, beren Seefeite 
burch vorgelagerte SteinbecFen vor bem Übbröcfeln gefetü^t 
wirb. Welle auf Welle nagt ja an bem Ufer, um es 311 


ber branbenben unb unterfpülenben Horbfee ein gebieterifchcs 
l?alt entgegeu3urufen. Wie bie Steine bem Ufer vorgelagert 
werben, 3eigt bas 3weitc BUb, wo mit Jammer unb fjebe« 
ßange ihnen bie richtige (form unb Sage gegeben wirb. Pas 
britte Bilb enblidj 3eigt einen vollenbeten Seebeich mit 
vorgelegter fertiger Steinbecfe unb bringt fo recht Flor 3ur 
Parßellung, wie bie über bas bjinbernis fcheiubar wü« 
tenben Wellen ohnmächtig an ber Steinbecfe abprallen unb 
3erßieben. _ n . 



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S3ilder aus aller Welt 



«urrerrport in Sngland; Ruderübungen vom feiten Sitz aus. 
pl}otogrüpt}i|d?e Ittomcntmifnafyme. 



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niTfl 

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tfif) 





Hue dem Hamburger dportleben: Die Htfterregatta des „fforddeutfcben Ruderbimdes“. 

ptjot. Sd?aul, Hamburg. 


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jvioacrnc fussartülcrugcfcbützc: i\ cm-Dörfer in Cbätigkeit. 
ptjot tDalter 3aeobi, lllrfc. 





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I 


Die Quetötbalfperre bei jtforklüTa im Bau. 

pbot. €uacn 5cibt, Caubmi. 


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Hummer 29. 



Der Käferpreis 

311111 XX. fllittelbeutfdjen Bunbesfdjiefjcn 
in 5d?önt)ol3 bei Berlin. 


Baronin pan ^uylen. <S 5 raf paul S3apürY, präfibent bes 2 Iutomobilflubs. 

Die franzöfirchen Hutomobüiften in Budapeft. 

pbot- €. Brob, Bubapeji. 


Serien in Berlin: 

Hbretfe der ferienholoniften nach den Oftfeebädem 

pijot. < 5 . Buffe, Berlin. 


Der Bbrenpreis de® Käfers 

für bas Camntennistnrnier in Qoppot. 
pbot. ID. Coren3, ^PP 0 *- 


Scbluöö des redaktionellen Ceils. 


>V 


























DiewocHe. 


Hummer 30. 


Berlin, den 26. 3uII 1002. 


4. Jahrgang. 


Inhalf der Hummer 30 « 


Pie ftrben (Tage bet £Pod?e.1375 

Um(d>cu.H375 

Pas Sdiiffsmtalfitf bei Pamburq. . ,..1376 

^emiprecben otme Prahl. Pon'Pr $rift Brmbarb.1377 

Berliner ©äfte ;... . 1378 

Pas lefjte ZTIcxI nuf beni OT<irfu$turm. Bon Peter Hofenget.1379 

Pie (Toten ber IDodje.'.1380 

Bilber vom (Tage. (Photograpbifdje 21ufnnbnirr0.1383 

€s war ein alter König . . . Don Hubolpt? Straft, (^oiticftrr.a't . . . 1^91 

Pas Canb ber unbegren 5 ten mögHd?feiten. Pon fubwig Blär ©oibberget, 

ß Berlin. II..'.J395 

(Eine föniglidie 5orjd?ungsreiftnör. Pon €ugen IPolf (Hotimannsböb). 

(Pitt 7 TIbbilbnngen) . ..1399 

Canbunasmandoer. JTlilitärifdbe Sfi$$e poii (Sraf <2. Heoentlow, Kapitän* 

leumam a. P (ITTit 5 Kbbilbungen).1402 

Ktnberfrft» im freien. Pon P. ©oebeler. (IHit 7 Kbbilbungen) .... 1405 

Pie Kapu 3 inerd?en. Sfijje von Käthe Sd?irmad?er, paris.1407 

(Bartenrub. ©ebidjt oon QChaffilo oon Sdjeffer ..1409 

Patentmobelle. Bus ber HuntFelfammer ber €rfinbungen uon 21. (Dsfar 

Klaufttnann. (mit 6 Kbbilbnngen).1410 

Pie größte Caubenfarm ber IPelt. (mit 2 Kbbilbungcn).14-12 

ITlobcme ©urtelicbnaUen. Pon Pr. £?. pubor. (IH« 5 2lbbilbungen) . . 1414 

Pon Berlin nadj Sorrent im Kutomobil. Pon ©tto 3 u bus Bierbaunt. . 1415 

Bilber aus aller IPelt. (Pbotograpfyjdje 2lufnabmenj*.. . 1419 


J* 

Man abonniert auf die „CUocbe“s 

in B erltn unb Pororten bei ber f^aupterpebition 5'Hinierftrafte 37/41, fowie bei ben 
Filialen bes „Berliner Cofal» 21 n 3 eigers" unb in fämtl. BijdfbanNnnaetr im 
PenifcbenHetd^bei allen BndjbanMungrn ober poftanftalten (5«tungs*preis[ifte 
Pr. 8221); unb ben (SefdjäftsfleUen ber „IPocbe": Bonn a. Rh., Kölnftr. 29; 
Bremen» (Pbemthr. 29 ; Breslau» Sdjweibniftrrfhr. €tfe Karlfhr. 1 ; Calfet, 
(Pbere Köntgftr. 27; Chemnitz, 3nnere lobannistlr. 6 ; Dresden, Seefir. 1 . 
DCrrcldorl, Sd?abowfh. 69 ; Biberfeld, fierjoqtfraße 38; BITen a. Rh.» 
Cimbetferplaft 8 ; (Frankfurt a. Mv 5 eil 63; ©örlitz, tuifenftr. 16, Balle 
a. 8., IHiitrlftr. 9 . €<te Sd?ulftr.; Bamburg, Peuermall 60; Bannover, 
©eorgflrafce 39; Karlsruhe, Kaiferftr. 34; Kattowitz, potfftr. 12 ; Kiel, 
£?ol$rnftraße 6 ; Köln a. Rh., ftobntrafje 145, Königsberg f. pr., 
Kneiptjöffcbe Cangaaffe 65; Leipzig, petetsflrafce 19; Magdeburg, 
Breiteweg 184; J^unthen, Knuftngerörafce 25 (Pomfreibeit), fftiniberg, 
Corenjerftrafte 30; Stettin, Breitettrafte 45; Stuttgart, Hönigjtraße 11 , 
Wiesbaden, Kircbgaffe 26; Zürich, Kenn weg 48 . 

3eder unbefugte Nachdruck aus diefer Zeitfchrift 
wird ftrafrecbtlich verfolgt. 



Die sieben üage der Woche. 


17. 3ull. 

Cbamberlain nimmt 511m erftenmal feit feiner (ErFranFung 
©ieber am Kabinettsrat teil 

Jn ben Kohlengruben in DorFfhirc bricht ein Kusftanb ber 
jungen Hilfsarbeiter aus. 

König DiFtor €manuel reift nad) fünftägigem Befudj beim 
aren non peterbof mieber ab. 

Jn Brüßel wirb ein panarmenifcher Kongreß eröffnet 

18. 3uli. 

Jn bem Projeß wegen bes Sufammenbruchs ber Spieltagen» 
banfen wirb ber H au P^ an 9 c ^ a 9 l e €buarb Sanben 3U fedjs 
Jahren (Sefängnis unb 15 000 ITtarf (Selbftrafe perurteilt. Die 
übrigen KngeFlagten erhalten Heinere (Selb* unb Für3ere (Se* 
fängnisßrafen, bie burd? bie Unterfudjungshaft oerbüßt ßnb. 

Kus Sanßbar mirb ber Cob bes fnltans fj amu & gern eibet. 

Kmtlich mirb'mitgeteilt baß bie abgeFiirjte Krönuugsfeier 
m £onbon auf Befehl bes Königs am 9. Kuguft ftattßnben foü. 

10. 3uli. 

Di« H am burger §immerleute befdiließen nad> ad)tmöd)igem Kus s 
ßanb.bie Krbeit unter ben alten Sebingungen mieber aufsunebmen. 


König £eopolb non Belgien ftattet in ber Bud^t uon Solent 
bem König €buarb. an Borb ber Jad^t „DiFtoria cmb Klbert" 
einen halbftünbigen. Befud? ab. 

20. 3uli. 

2luf bet Unterelbe in bet Ztähe »on Blanfenefe getjt bet 
non einer Dergnügungsfabrt h c * m f e ^ ren ^ c Dampfet „primus #/ 
infolge einer Kollifton mit bem Schleppbampfer ber KmeriFa- 
linie ^Hanfa'" 3U (Srunbe. Bei ber Kataftropfye jtnben über 
hunbert perfonen ben Q[ob. 

21. 3uli. 

Jit mirb ein Begcntfd?aftsgefe^ publiziert, burd? bas 

bie eoentuelle (Thronfolge bes £anbgrafen Kleranber ^riebrid} 
im (Sroßher3ogtum feftgeftellt mirb. 

Jm „Keichsan3e!ger // mirb ein (Sefeftentmurf betreffenb bas 
Urheberrecht an IDerFen ber Photographie 3um KbbrucF gebracht, 
ber ben Bunbesregierungen 3m Prüfung unterbreitet rnorben ift 

22. 3uli. 

Der aus ber Seit bes KulturFampfes beFannte ehemalige 
(£r3bifchof pon pofen (Snefen, Karbinal £ebochomsFi, ftirbt in 
Hom infolge eines Schlaganfaüs. 

Jn ber ^olltarifFommiffton bes Reichstags treten IHeinungs* 
rerfchiebenheiten unter ben Dedretern ber Regierung 3U (Tage. 
(Sraf PofabomsFy marnt einbringlicb uor Ueberfpannung ber 
Solle unb oor (Sefährbung bes (Tarifs burd? (Seitenbmachung 
pon <£in3elipünfchen unb £oFalintereßen. 

Die Behörben in Kap teilen ben Konfuln mit, baß 

ße angeßefats ber Repolution für bie Sicherheit ber ^remben nicht 
mehr einftehen Fönnen. 

23. 3uII. 

Jn ©efterreich ruft ein (Erlaß bes ITIinifterpräßbenten 3ur 
BeFämpfung ber (TuberFulofe, ber feht ftrenge UTaßnahmen 
forbert, große Aufregung h^rpor. 

Kus Dresben mirb gemelbet, baß König (Seorg pon Sachfen 
an £ungenent3Ünbung ferner erFranft ijt 

<3* 

Umlchau. 

Die (Erinnerung an bie Seiten bes Kulturfampfs in 
Deutfchlanb mirb madygerufen burd? bie OTelbung pom (Tob 
bes Karbinals £ebod?ott>sFi (f. Porträt auf nächfter Seite), 
in Rom. IDar er bodj einer ber entfd)tebenften Kämpfer 
gegen bie UTat.iefeöe, ber lieber ins (Sefängnis ging, als baß 
er pon bem IDiberßatib, ben er für red?t hielt, abgelaffen 
hätte. Jürft Bismarrf felbft h^tt* ih« 3 a hr 1866 als 
<Er3bifd?of für pofen* (Sitefen in Porfdjlag gebracht als bie 
geeignetfie perfönlid^Feit. um bie burd) ben ruffifch-polnifchen 
Kufiianb unter ben polen herporgerufene (Erregung 3U be* 
fänftigen. £ebochon>sfi h a F hie ihm jugeöadjle Kufgabe 
glän3enb gelöß, trat aber in fd^arfe ©ppofition gegen bie Re¬ 
gierung, als biefe es ablehnte. Schritte 311t 2 luf rechter ha Itung 
ber weltlichen & es papftes 3U thun. UTan muß es 

£ebochorosfi laßen, baß er, fo leibenfchaftlich er aud) Fämpfte, bies 
nid?t um bes Kampfes, fonbern um ber Sache roiüen ttjat, unb baß 
er fich treu geblieben tft. ITTit ber gleichen Energie, mit ber er 
einft gegen bie Ulaigefefte opponierte, nahm er neuerbings 
gegen ben „KulturFampf" Stellung, ber 3ur S*it i n Jranfreidy 
bie (Semüter erhit^* £ebochon?sfi, ber am 22. ©Ftober (822 
in Klimontoro bei Sanbomir geboren mürbe, erhielt 1845 
bie prieftenpeilje nnb ftieg, getragen pon ber (Sutiß bes 
papftes pius IX., fchneü 3U h(?h en Stellungen empor. IDäh* 
renb ber 3weijährigeit H a fh bie er im (Sefängnis 5U ©ftrowo 


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Seite \576. 


Rümmer 50. 


rcrbüßte, würbe er 187 5 
311m Karbinal ernannt, uttb 
iiad^ feiner freilaffuitg ging 
er ttadj Hont. wo er suleßt 
als fetter ber Propaganda 
fidei wirFte. lllit ben beut- 
fdjen guftänbeu t^atte er 
fid? läugft ausgefötjut. 

3n ber §otltariffom- 
miffion ift es, nadjbem eine 
Seitlaug Hulje geherrfd?t 
bat, neuerbings wteber 31t 
. erregten §n>tfdjenfallen ge* 
fomtnen, bie für bas (Er¬ 
gebnis ber Arbeiten bebeitF- 
licher erfcheinen als alle 
früheren. Denn wätjrenb 
bisher 3U leibenfd?aftlid?en 
Kuseinanberfeßungett nur 
Hleinungsrerfcbiebenheiten 
Kardinal Hcdodyowski f 3n>ifd^en ben perfdjiebeiten 

Parteien untereiuanber, 
ober 3ti>if<heit biefen unb ber Hegierting, gelegentlich auch 
(Segeitfäße 3tpifchen ITlitgliebern ber Kommiffiott unb ihrem 
präftbeittett ben Kulaß boten, fittb jet$t Dioergei^cn 3iuif<hen 
beit Dertreteru ber ein3elnen Hegicrutuen 3U (Tage getreten. 
Das Hecht jebes Huitbesfiaates, feilte pon ber ber Ulehrhcit 
bes Hunbesrats abweidjenbe llleinung 3Utn Knsbrucf 3U 
bringen, ift burd? bie Derfaffuttg gewährleist; aber es ift 
immerhin auffallenb, wenn pon biefem Hecht bei einer fo 
hart umftrittenen, in alle Derhältniffe tief eiiifchiteibeitbett 
Dorlage (Sebraudj gemadjt wirb, bie ftdj als bas tnühfain 
311 ftaube gebrachte Ergebnis eines Kompromiffes unter beit 
Runbesftaaten barfteüt. (Es ift begreiflich» baß ber fonft fo 
ruhig unb fachlich perhanbelnbe Staatsfcfretär besamtem, (Sraf 
PofabowsFy, tterpös mürbe, als fid^ hrrausftellte, baß gewiffe 
Hbänberungsanträge 311m (Tarif unter bem (Einfluß eiiijelner 
Hegierungett eiitgebradjt waren, unb als gar pon ihm be- 
Fampfte Hmeiibements pon aitberit Hepollniächtigten befür- 
rnortet mürben. Unrichtig ift 3war eine in bie preffc gelangte 
Darftellnug, nach ber er gefagt h d & en foü, er glaube, baß 
ber (Tarif niemals 3U ftanbe fontmen werbe, aber er hot oon 
ber (Sefährbuitg bes Kompromiffes bttreh (Selteubmachung von 
(£iu5eln?ünfd?en unb fofalintereffeit gefprocheit unb babei 
Wenbuugeit gebraucht, bie hier unb ba bie Uujfaffung erweefett 
founten, baß er att einem erfprießltchen Hefultat ber He- 
ratungeit 3U 3tt*eifelit aufaitge. 

j* 

3 n Bayern 1 -aben fich bie innerpolitifchen (Scgenfäße itt 
folgenfdjmerer Weife 3iigefpißt. Der Kultusminifter pon 
fanbmanu wirb oon feinem Urlaub nid?t mefcr in fein 21 int 
3urücffehren, bas ift nad? ben pom Ulinifterpräfibeuten tu ber 
Kammer abgegebenen (ErFlärtingen als (Ttjatfadje 311 betrachten. 
Swar h a * (ßraf (Trailsheitn perfidiert, baß für ben Hürftritt 
lebiglid? < 5 cfuubhcitsrücffid>te»t tttaßgebenb feien, baß bie 
Kollegen ben Kultusminifter nicht hätten fallen laffen, baß 
er Feineswegs bem ihm poit ber liberalen Ittinberheit ans 
Uitlaß feines KonfliFts mit ben Würzburger profefforen er¬ 
teilten IHißtraueusootum weidje, aber bas bie ITTcl^rtjcit 
bilbenbe Zentrum h a * fi<h nicht überzeugen laffen. (Es 
perharrt bei ber Uuffaffuttg, baß l^err pon fanbmamt 
bem fiberalismus geopfert tporbeit fei unb 3ieht baraus bie 
politifcheu Konfequenjen, inbetn es gerabe im (Etat bes 
Kttltusminifteriums bebeuteube Ubftriche ntadjt. mehrere 
Jorberungen, bie im 3 ntcre ff e & er HunftentwicFlung iit 
müitchen geftellt waren unb bie unter anbern Derhältuifjen 
tpohl Knnahnte gefnuben hätten, futb abgclehnt tuorben. 
Die läge erhält eilte bebeuteube Der(d)ärfmtg noch ba- 
burd?, baß in ipeitereu Kreifen bie llleinung h* r *f<ht, 
bie 0 ppofition ber Kammermehrheit ridde ihre Spiße 
ojfenbar gegen ben priitzregeitien perföulicb. 

w 


Das Scbiffsunglück bei Hamburg. 

Das banale unb Ijilflofe Sprichwort, baß ein Unglücf 
feiten allein Fommt, hat wieber einmal red>t behalten. Kaum 
ift bie feidje bes Komntaubattten pou S ^2 3ur einigen Huhe 
beftattet, ba perftuFt ber Dampfer „Primus" in ben fluten 
ber (Elbe unb mit ihm über hunbert Ulenfdjettleben. 



Dt« önglüdisftell«. 

Per Punft f bedeutet bie Stelle, mo ber Pampfer „Primus 4 ' (P) mit 
Pampfer „f?anfa" (H) jufantmenjtiefc. 


Was ift bie Urfache biefer großen gahl fehlerer Unglücfs* 
fälle auf bem Wajfer? Wir ftnb fo ftolz auf unfere geit mit 
ihren techitifd^eit <Errungenfhaft<m, bie uns gegen frühere 
Seiten eine ungeahnte UuabhängigFeit pou ben elementaren 
(Einflüffeit h a l> e « erreichen laffen (Es tnag ja ridjtig fein, 
baß tpeniger Schiffe als früher, 3ttr Seit ber Segel, burd) 
Stürme untergeben, ohne Smeifel aber ftnb Sdiiffsperlufte 
infolge pou Kollifiotteit piel 3ahlreicher gemorbett. Die ftets 
tpachfcnbe (SefchtpiitbigFeit ber -d^iffe, bie Unraft überhaupt 
uitferer (Tage mit ihrem ,.Tiiue is money“ h at (SebaitFeu 
an bie Sicherheit ber Uleitfcheuleben erheblich h* n ler 
ben materiellen Hürffiditen 3urürftreten laffen; bas Flingt hart, 
läßt fid? aber leiber nicht aubers attsbrüefen. Halten n>ir 
uns ait bie beiben leßteit FonFreteu Jfälle, beren beiber Schau- 
plaß bas pielbefahrene (Semäffer ber €lbe tuar. 3 n beiben 
dfälfeit mären bie äußeren Utuftäube PÖUig normal, fo baß in 
ihnen nicht ber Schimmer einer (Sefahr gefud^t werben Fottnte. 
(Es hat and? Fein Öerfagett bes Steuerrubers im leßteit Kugelt* 
blief ober Kehitliches ftattgefuuben, fo baß alfo als unmittel¬ 
bare Urfache perföitliche Jfehler unb unrichtige fymMttngen 
ber Sdpiffsführer übrigbietben. (Ein UToineut ber Unentfchloffen* 
heit, ein falfcher <Eittfd)lnß, eilt augeiiblicfliches Kußeracht- 
laffen ber 3ahireicheit Dorfchriiten bie bett gewaltigen Der- 
fehr auf einer fo belebten unb engen j^ahrftraße regeln — ein 
Kugeublitf uerpöfer Kbfpanttung — unb bas Uitglücf ift ba. 



Der {ft Grund gebohrt« Dampfer „primus“. 


Der Sduilbige, ober ptelmehr ber, ben man fchttlbig 
glaubt, wirb beftraft unb geht tneiftens feines Schifferpatents unb 
bamit feines Hroterwerbs perluftig — —; bamit ift bie 
Sache 31t <£nbe, bis 311m nächften llrtglücf. 

Selbftperftänblid) ift eine Heftrafung ber Schulbigen unb 
eoentl. th^c UnfchüMidmiachuiig für fpäter uotwenbig. 
Ulan wirb zwar nie erreichen, baß alle S.htjfsführer fee- 
mäiiiiifche 3 öeaIc niemals fehler begehen; was 



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Goc gle 






Kummer 30. 


Seite \377. 


aber erreicht merben müßte, bas ift, foldjc per (Öii liehe ^'etjter 
mtnber folgeufchmer 311 n adjen, unb 3t»ar 3111t 5 d}ß burdj 
genauere unb einfachere Dorfchriften üoit internationaler 
(Siltigfeit, ftrengere Durd?]Tt^rmig bes Sotfenjmaitges 3. B. 
auf ber Elbe unb ror allem ein befferer Sdjuß ber Skiffe 
felbft. Rettungsboote unb Rettungsringe u. f. m. fiitb auch 
feine anuäfjernb »ollfominene Kushilfe, ba fie meift nicht im 
Verhältnis 3ur Rnjaljl ber paffagierc fielen, anbrerfeits im 


gegebenen, plöglidj ctutreicubcn llTomcut burdnurg nicf^k fd;iicll 
genug beit paffagieren 511 gute fommen föuuen. 

0bne gmeifel aber märe cs möglidj, bie Sdjijfe tu unb 
unter ber IVafjeilinie btirch biefe VaiFcitlagcit unb Korf- 
fülluitgeu 0011 entfprrdietiber Stärfe fo meit 311 fcbüßcit. baß* 
ber Sio\3 fic nicht 311 m SiitFeu bringt, ober aber mau fönnte 
bur.b Diele »erteilte SuftFäftcn crreid>cit, baß ber Rumpf 
immer |d?mimmfät]ig unb über IVaffer bleibt. 


» —- Q j) - - ■■ - 

fern fpre eben ohne Draht. 

Von Pr. friß Bern ha rb. 


Pie Erftubtingen auf bem (ßebiet ber geheimnisrolleit 
Kraft, bie mir Elcftr^ität nennen, traben fidj in ben leßteit 
3aljren fo überflürjt, baß es ihnen fefjon fdjmer fällt, bas 
Erftaunen bes gebilbeteu Publifums 3U erregen. 2Uas ptjan- 
taficDolIe cErjäbjIcr »orgeahnt, ift 3unt (Teil fdjoit erfüllt, 311m 
(Eeil fogar übertroff eit. IVer cermag jeßt noch 3U fagen, meldje 
<Sreit3en ber IHenfd?l|eit ceftecft ftnb, feitbem bie IPtjfeufc^aft 
in bas (Seljeimnis bes JVefeits eleftrifd^er Energie ein3u- 
bringen beginnt! 

Pas mid?tigfte unb folgen ferner fie Problem auf biefem 
(ßebiet ift bas ber elcftrifdjen Kraft* 

Übertragung ot^ite Prallt. (Es tyitft 
3i»ar jeber Vergleich, aber l]icr fönnte 
mau mirflid? fagen, baß ber Prallt 
bie Krücfe ift, an ber bie Kusnußintg 
ber Eleftr^ität bisher mübfam einher- 
Ijinfte. Pesfjalb mar auch bas 
(Erftaunen berechtigt, mit bem bie IVclt 
bie Kunbe »ernahm, baß es möglich 
mire. ohne bie bisher als unumgäng¬ 
lich notmenbig angefeheitelTTetallleitung 
3U telegraphieren. Unb mit atemlofer 
Spannung »erfolgen bie 3 ntelleftuellcu 
aller Sanber ber IVelt bie Verfuge, 
bie theoretifch erfannte UTöglichfeit in 
bie Praxis 3U überführen. 

Pas gleidpe 3 ,l ^ ere ff c Tonnen bie 
Verfudje, ohne Praht 3U telephonieren, 
beanfprucheit. Pie Uebertragung ber 
meitfchlichen Stimme burch ben Praht 
bes (Telephons ift uns bereits ein un¬ 
entbehrliches Hilfsmittel bes Verfehrs 
gemerbett; es »erblüfft uns nicht 
mehr, menn jemanb »on Berlin aus 
mit einem guten freunb fpricht, ber 
ftrfj 3ur gleichen geit in Paris beftnbet, 
aber mie es möglich fein follte, auf 
meite Entfernungen bie menfchlichc Stimme ohne »ermittelnben 
Praht 3ur Empfaugsjiatiou 3U fenbett, bas l\abe\\ bis »or 
roenigen 3 a fy ren nicht einmal bie IHänner ber IViffenfdjaft 
geahnt. Unb nun ift es 3ur (Thatfadje gemorben . . . 

Pie UTöglichfeit, ohne Praht 3U telephonieren, mar in 
bem Kugettblitf gegeben, als Pr. Simon in frauffurt a. UT. 
bie Schallmetlen erregeuben Schmiugitugeit eines eleftrifchen 
Sidjtbogens beobachtete. Es bauerte beim auch nur gaii3 
fur3e geit, ba mar bie „fingeube unb fprechenbe Bogenlampe“ 
erfuubeu. Unb fofort banach tauchte ber (Sebanfe auf, baß 
biefe mufifalifche Santpe 31t IVidjtigerem berufen fei, als 3ur 
Vorführung intereffanter afuftifcher Kunftftücfe. Kus bem <Se- 
banfen ift fehlt eil IVirflichfeit gemorben. Heute bereits bient 


bie fpredjenbe Sampe als (Seberftation einer (Telephonanlage 
ohne Praht . . . 

Pas IVefen ber neuen Erfinbitiig beruht auf ber Empjtitb- 
lichfeit bes eleFhifdjeu Sid?tbogens, ber fchon unter bem Einfluß 
fauin erfeiuibarer Störungen feine Stärfe mechfelt. Solche Stö¬ 
rungen ftnb 5. B. geringfügige Veränberungen bes Seitungs- 
miberftnitbcs. Piefe Veränderungen merben baburch h er ^ c *9^ - 
führt, baß mau im Stromfreis lofe Kontaftftellen aubringt, 
3t»ifd?en beiten fid? unter ber Einmirfung geringfter Erfchütte- 
ruitgcit, alfo auch unter foldjen, bie bie angefprochene UTembrane 
bes UTifrophoits auf bie bahinter- 
liegeitbe Kohlenanorbnung ausübt, bie 
IViberftäuöe änbertt unb eleftrifche 
Sdjmingungett er3eugt merbeit, bie 
fleh in ber UTetallleitung fortpflait3ert 
unb im eingefchalteteu fernhör er bie 
gefprochenen Saute miebergebeu. Pie 
Entbecfung ber fingenben Bogenlampe 
erfolgte baburch, bajj fid} nahe an einem 
ihrer Stromjufühmngsbrähte bas Kabel 
eines ftarf bijfereii3terten aitbern, »on 
einem funfetiinbuftor fommenben 
Stroms befaitb. Paburch mürben in 
ben Schminguitgen bes Sichtbogens 
Veränberungen uitb Schallmetlen h ej > 
»orgerufeit, bie bem Kuifiern uttb 
Praffelii bes f uiifeuftroms cntfpracheu. 

Eine gute (Seberftation für braht- 
lofes (Telephonieren mar alfo »orhan- 
beit, es fehlte nur noch eine Kleinig- 
Feit: bie EmpfaiigsjTatioit, bie imjtanbe 
märe, bie ausgefaubten Sichtfchmin- 
gütigen auf3ufangert unb mieber in 
Uiembraufchmiugungeu 3urücf3u»ermau- 
belu. Pas mar, mie bie (Technifer 
»erfichern, nicht gar ferner, als man 
beobachtete, ba§ ber Sichtbogen nicht 
nur Sdjallmelleu erregt, fonbern auch Sichtmelleit »on ittter- 
mittierenben unb »erfchiebeu langen Schmingnngen entfeubet. 
Pentt bie IPiffenfchaft fyatte fd^on ein PTittel, biefe Sicht- 
fchmingungen auf3ufangeit unb fie in bie nTembranfchmin- 
gungeit eines fernhörers umsumanbelu. 

Pies PTittel h^ß* Selen. Es ift, mie bie JPiffeufchaft 
fagt, ein djemifch einfacher Körper, ber fich in ber ZTatur 
fehr »erbreitet ftubet, aber ftets in fehr geringen Klengen 
uitb niemals im freien guftanb. Eittbedt mürbe es bereits 
( 8(7 »oit Ber3elius. Es begleitet faft allgemein ben Schmefel, 
felteiier Blei, Kupfer uitb Silber uitb fammclt fich bei ber 
Verarbeitung ber Kiefe auf Sd^mefelfäure in bem Schlamm 
ber Bletfammerit, aus beut es bann gemomten mirb. TPie 



6mpfangsrtatton 

bes telepbonifd]en ©efprdd^s ohne Draht. 


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Seite {378. 


•TTutnrner 30. 



Geberftatfon der CeUphonft ohne Draht. 


alle anbern UTetalloibe hat es bie (Eigenfd?aft, TlePtrijität 
nid?t 31t leiten. Bringt man es 311m Schniefen unb erniebrigt 
feine Temperatur auf 200 bis 2jo (Srab Telfius, bie man 
einige §eit auf biefem punPt erhalten muß, bann fteigt bie 
Temperatur plöglicf? ohne jebe äußere TinwirPung auf 2(7 
(Srab. tPenn biefer äußerft merPwürbige Porgang fid? ab« 
gefpielt hat, bann läßt man bas Selen erPalten, wobei, es 
fid? 3U einem bleigrauen, Pryftallinifd?en unb metallifd?e (Eigen- 
fd?aften aufweifenben Stoff perbidjtet, ber im DunPefn <EleP* 
trijität nod? immer fcf?led?t, unter ber TinwirPung bes £id?ts 
aber 3iemlict? gut leitet. 

Ulan fd?altet nämlid? ein bünnes pjättd?en bes Selens 
in ben gefd?loffenen Strompreis einer nur mit bem fernerer 
ausgeftatteten Telephoitaulage ein unb fegt cs ber Belichtung 
feitens ber non ber fpredienben Bogenlampe ausget?enben 
tid?tfd?wingungen aus. Unter ber TinwirPung bes bifferen- 
3ietten £id?ts leitet bas Selen beu im Apparat fließenben 
<Sleid?ftrom halb beffer, balb fdjledjter, fo baß er Sd?wanPungen 
unterliegt, bie mit ben in ber (Seberftation auftretenben ge* 
nau übereinjtimmen. Diefer bifferen3ierte Strom inbujiert 
im fpiralförmig umfloffenen (EifenPern ber X?örrohrfpule eine 
an StärPe wed?felnbe magnetifd?e Kraft, bie bie UTembrane 
balb mehr, balb weniger ai^ietjt uub fie ebenfo wie beim 
(fernfpred?en mittels birePter Eeitung in Schwingungen perfegt. 

Bicht wahr, bie Sache ift rerbluffenb einfach — feitbem 
fie erfunben ift? Unb bas Befte ift, baß fie fich aud? in 
ber Prajris bewährt. 3 n ^ cn legten £agen haben auf bem 
IPannfee Perfud?e mit Apparaten ftattgefunben, bie pon 
(Ernft Buhmer-Berlin fehr forgfältig fonftruiert unb.in Tilget- 
heiten wefeutlich perbeffert wotben finb. Die (Seberftation be- 
fanb fid? fff 1 60 , bann 150, bann 500 Uleter, 3ulegt 2, 3 unb 
4 Kilometer pon ber. (Empfangsftaiion entfernt, unb ftets, 
auch bei fehr ftarPem Begen, war bas pon ber Bogenlampe 
(Sefprod?ene beutlich 3U perfteljen. (Es war ein unpergeßlid?er 
UToment, als im E?Örrol?r ber (Empfangsftation bie Eaute ber 
menfchlicheu Sprache pernehmbar würben, bie uns eine Bogen¬ 
lampe burch bie Schwingungen ihres £id?ts 3ufaubte. 

Der praftifd?e JPcrt biefer (Erfiubung ift nicht leid?t 311 
ermeffeit. Ulan h at bereits Scheinwerfer Ponftruiert unb 
gebaut, bie ihr Eicht 150 Kilometer weit eutfenben, wie ber 
Scheinwerfer auf bem Ulount TPafhington, ber eine Eid?tftärPe 
pon looooo l^efnerPerjen befigt. (Es ift aber nicht erforberlid?, 
baß man gleich mit jold?en (Entfernungen rechnet, für bie 
Ulariue wäre es 3. B. fd?ott pon allerhÖd?ftem IDert, wenn 
3wei Sdpiffe fid? auf eine (Entfernung pon 5 Kilometer 
telephonifch perftänbigen Pönnten. Unb bie Kriegsfd?ijfe fmb 
ja bereits alle mit Scheinwerfern ausgerüftet. Die (Ein¬ 


richtung ber Tmpfangsfiation mürbe alfo wohl 3U erfchmingen 
fein. Buch für bie großen Dampfer ber ffanbelsmarine wäre 
es pon großem Porteil, wenn fie pon Eeudjttürmen ober anbern 
(Seberftationen ausführliche Nachrichten erhalten fönnten,miejie 
bie brahtlofe Telegraphie ihnen nie wirb übermitteln Fönnen. 

Jür ben prioatperFehr wirb fid? bie Trßnbmtg 3unäd?ft 
Faum permerten (affen, beim bie Scheinwerferanlagen mit 
ben ba3U erforberlicheit Dynamomafd?inen finb nid?t gan3 
billig. Uber wenn man auf bem Prin3ip weiter baut . . . 
(Ernft Huhmer wirb es mir nicht übelnehmen, wenn ich 
ausplaubere, baß er bereits einen neuen Apparat 3um patent 
angemelbet hat, ber nid?t nur perblüffenb einfach ift, fonbern 
aud? fo billig l?ergcf^eÜt werben fann, baß ihn jebermann 
fid? befd?affen wirb. Tr. fiellt oor eine Eidjtquelle ein X?in- 
bernis, bas einen fd?malen Spalt enthält. Die eine fjülfte 
bes f?inberniffes ift beweglid? unb mit ber UTembrane per- 
bunben, perurfad?t alfo burd? ihre ben Schwingungen ber 
UTembrane im Telephon folgenben Sd?wanPungen bie £id?t* 
fd?wanPungen wieber, bie »on ber Selen3eüe ber Tmpfangs- 
ftation aufgenommen uub in IPorte überfegt werben Fönnen.. 


Berliner Gälte. 

3 n Berlin weilen augeublicFlid? 3wei f?od?tniereffante 
perjönlid?Peiten. Der eine ift £?err Dr. meb. B. 0 . Kellner, 
ber Bürgermeifter pon Bloemfontein, ber aud? nad? Dem' 

tfriebensfd?luß bas 0ber-- 
haupt btefer Stabt geblieben, 
ift unb . feiner §eit bie 
Sd?lüffel -ber. X?auptftabt bes 
0ranjefreiftaates an Eorb 
Boberts übergeben m.ußte. 
Bürgermeifter Kellner ift ein 
Tharlottenburger Kinb, et 
befnd?te in biefer Stabt bas 
(Bymnafium, ftubierte in 
Berlin* unb .biente bei ben 
,2_ (Sarbeulatten fein 3 ®h r 
ob. 3m 3ahr 1863 man- 
b?rte er nad? bem 0ranje- 
freiftaat aus. . Das allge¬ 
meine Pertrauen mad?te ihn 
3uni UTitglieb bes PolFsraab, 
es fanbte ih» in bie Stabt- 
pertretung . unb mad?te ihn 
Sörgrrmcifirr pon sioemfontein. fct?-ließlid? 3 u m Bürgermeifter. 

(Er hot jegt ein halbes 3 al?r 
Urlaub genommen, um • enMid? emmdl bie X?eimat wieber-. 
3ufehen. Der anbere (Saft, ber in ber Bcid?shouptftabt, 
weilt, ift ber japanifd?e ^clbmgrfd?all Prin3 Komatfu, 
ein Perwanbter bes ja- 
pauifchen Kaifers. , Der 
hohe militär war bereits 
im 3ahr 1886 mit feiner 
(Semahlin in Berlin, er 
war jegt 3ur euglifd?en 
Krönung poin UliPabo mit 
großem (Sefolge nad? Tng« 
lanb entfanbt werben. 

Nad? längerem Aufenthalt 
in Paris h a t er fid? jegt 
wieber ber Beid?sl?aupt- 
ftabt 3ugewanbt. Der Jelb- 
itiarfd?all wirb pon Berlin 
auf bem Eanbmeg nad? 
feiner I?eimat 3urücfPehreu, 
um auf biefe IPeife 3ugleid? 
bie fibirifd?e Tifeubahn ftu- 
bieren 3U Pönuen. 



Prinj komatfu. 



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rtummet 30. 


Seite ^379- 


Das letzte JMal auf dem JMarkueturm. 

Don Peter Hofegger. 


3t*? bin ein Jreunb oon rafd?em Heifen. Wenige Stunben 
genügen mir an jedem herrlichen 0rt, um ben fünften, 
bleibenbften (Einbrucf auf3unehnten. Die Welt überfliegen! 
Das mögen fte oberßävbtich nennen, ift aber bas befte ITTittel, 
um frot^ 311 bleiben. Kn ber; 0berßäche liegt bie Schönheit. 
IHag es in ber „(Tiefe" gar oiele Wahrheit geben, nodj 
mehr giebt es bort (Scineintjeit unb fjaßlichFeit. Jür mich 
ift bie Weit feine Hur, bei ber man bie Schale wegwirft 
unb ben Kern ißt. ^ür mid? ift fte ein Pftrjtd?, bei bein 
man bas Ueußere genießt unb ben Kern oerfchmäht. 

UTit fold^er Heigung begrüße id? bie ßinFen (Eilfahrten 
auf bas Sebljaftefte, bie jegt ber ©efierreidjifdje £loyd oon 
£rieß aus nadj Denebig eingerichtet hat- 
Kn jebem ITTittwoch um \2 Ut?r mittags 
fäljrt 00m UTolo St. Carlo ber Schnell- 
bampfer „(Sraf Wurmbranb" aus nach 
Denebig, um noch oor IHitternacht bes* 
felben (Tags mieber 3urücf3ufein. 3 n Denebig 
ein Kufenthalt oon brei Stunben. 

Sange haß bu, auf bem Decf ftef?enb, 
nid?t geit, bas gurikFmeidjen (Triefts unb 
ber Berge oon 3f*rien 31t befd?auen, bie 
(ßlocfe ruft 3ur (Table d’hote. 3 m traulichen 
Speifefaal, burd? beßeu farbige 0berlichte 
bie Sonne auf bie (Tafel fallt, läßt man 
fidj’s fchmetfen, unb bie See ift fo glatt, baß 
gum fdftlichen Dalmatiner feingefcbliffene 
Stengelgläfer gereicht werben Fönuen. See* 
franFheitsfchilberuitgen finb alfo nicht 311 
befürchten. (Endlich fteigft bu wieber auf 
bas Decf, unb macht es bir Dergnügen, gu 
benfen, bas Sd?iß treibe mitten auf bem 
fiillen 03ean, fo hat niemanb etwas ba¬ 
gegen. Hmgsum grenjenlofes ITTeer. ITTit 
Kusnahme ber jehäumenben, quirlenden 
Straße hinterher, bie ber fcharfe Dampfer 
ge3ogen hat, regt ßdj nichts. (Segen bie 
Sonnenfeite h* n ift bie fläche blenbenb 
licht wie eine Silberplatte, bein Kuge fann’s 
nid?t ertragen, hingegen ruht es gut auf bem tiefgefättigten 
Blau nach Horben hin» bas nur feiten oom Sternchen eines 
^fifdjerfegels unterbrochen ift. €me Schönheit unb eine 
Buhe — unfagbar. Du bift froh- Doch wehe, wenn bein 
DenFen unb Wißen aus biefer feligen 0berßädje nicbertaucht 
in bie (Tiefen, wohin nach wenigen Ittetern Fein Eichtftrahl 
mehr bringt, wo ewig in ber Seetierwelt ber Kampf ums 
£eben geführt wirb, noch rafenber, als bei uns im Sicht! 
— Tjaft bu fcharfe Kugen? Dann bewahre fte, um bie (Tiefe 
ber 0berfiäche 3U burchbringen. Siehe bort bie nörblichfte 
Kimme, wo bie Sd?nur ITTeer unb fjimmel fd?eibet. Siehft 
bn im Dunß bes Rimmels nicht etwas Weißes ftehen? 
Klarer tauchen fte auf, unb fchneeweiß ra.jen bie gaefen ber 
Berge h' n und ^trt r eine nach ber aitbern. Das finb bie 
3ulifchen Ulpen. Die- fläche bes ITTcers unb bie weiten 
Cbenen ^friauls unb bas ausgebehnte Dorgebirge trennen 
uns oon biefen felsriefen, unb dod? leuchten uns ihre beutlichen 
(Scftalten unmittelbar ins Kuge. 3 e weiter wir ber Sonne 
na<hgleiten in ben Sübweften hinein. je näher tritt 3ur 
iinFen ber Klpenjug, aber immer nur in ei^elnen befdjneiten 
Spigen aufragenb aus bem Dunft, ber über bem ITTeer fern* 
hin liegt. Die Schnur wirb weißlichgelb unb beFommt perlen. 


Hiebt allein bie f ifd?erboote finb es, auch weiße punFte oon 
Porffirchtürinen unb eiit3elnen Bauten tauchen auf, unb lichte 
Sanbftriche werben fichtbar. Wir nähern uns ber Küfte 
Dene3iens. Die paßagiere oerfatnmeln ßdj auf bem Decf 
unb bliefen aus mit Spannung. „3**? f*h e ru ft jemand. 
Kn ber Kimmung ein bunfler punFt. „Der (Tqptpanile!" 
KUmählich tauben ße aus bem ITTeer auf, bie (Türme, bie 
Kuppeln, bie ginnen — oon Denebig! Wir ßnb oon (Trieft 
her Faum über 3V2 Stunben gefahren, gur Sinfen ragt aus 
bem Waßer ein SteiitwaH, ber ß<h h* n 3t*ht bis an bte 
Sagunen unb uns bereits trennt oom oßenen ITTeer. gur 
Hechten 3 u felß re if en and Jeßungswälle; halb an beiben 
Seiten 0rtfchaften, fo baß wir auf einem 
Hiefenftrom hinein3ufahren fd?einen tn bie 
oor uns ßch ausbreitenbe Stabt. Hachbem 
burch eine italienifche BarFe, bie eilig 
herangeFommen war, auf bem Dampfer 
bie gollahgelegenheit geordnet iß, beginnt 
uns fchon bie gubringlichfeit oon Fleinen 
Dampffchißen unb (Sonbeln 3U beläftigen, 
bie um bie Wette uns nachjagen unb um- 
Freifen. Kls wir enblich ein paar h^nbert 
ITTeter weit oor ber piajetta halten, ßnb 
wir oon hundert fdjwa^en j r ahr3eugen um* 
3ingelt, deren Rührer lärmenb ßdj um nns 
paßagiere raufen. Das ungewohnte Schau* 
fpiel macht auf ben fremben KnFömmling 
Faum einen (Einbrucf, fo fefjr ift er gefeßelt 
oon ben (Sebäuben, bie er längft oom Bild 
her Fennt unb bie jegt wirFlid? oor feinem 
Kuge fteßen. Der Dogenpalaft, bas Fönig* 
liehe Schloß, bie ITTarFusFirche, alles h<><h‘ 
überragt oon bem Hiefenturm. 

Dom Hugeiiblicf, als wir bie Stabt in 
Sid?t beFanten, bis 3U jenem, ba wir aus 
ber (Sondel auf bas glatte Pßafter ber 
pia3etta fteigen, iß eine Stunbe oer¬ 
gangen, fo nmftänblich ift bie (Einfahrt 
mit bem Kniegen, ber gollreoißon unb 
bem Kusfchißen. Dafür iß man nun wirFlich bal Da, 
mitten auf bem fabelhaften plag, umßattert oon ben (Tauben 
bes heiligen ITTarFus, betreut oon feinem ßiegenben Söroen. 
Diefer plag, ber an Schönheit feinesg leiden nicht hat, *ft 
bas Stelldichein oon Helfenden ber gan3en Welt, gur Stunbe 
unferer KnFunft tummelten ßd? wenigftens fünftaufenb Per¬ 
sonen auf bem plag unb in ben ihn umgebenben (Salerien 
herum, in allen (Tracf?ten unb mit allen Sprayen, wooon 
inan freilich bas Flingenbe 3talienifd} am lauteßen hörte. 
ITTein erfter (Sang war auf ben (Tampanile. ITTan ßeigt 
nid?t auf Stufen, man geht im 3 nne m bes (Turms wie auf 
einem fanft ßdj anwärtshebenben parFweg. Hapoleon foll 
ja hinaufgeritten fein, wahrfcf?eiitlich auf feinem Schlacht* 
pferb. €iner ITTenge oon (Touriften begegnet man auf 
biefem Bergftieg im 3 nn ern des (Semäuers. Kein £uft3ug 
ftrich burd? bie ^fenfter, bie nieberßnfenbe Sonne mit ihren 
langen fcharfen Schatten 3eid?nete wunberbar! Unb fo habe 
ich nun Denebig gefeiten oon oben herab. Unglaublich enge 
ineiiunbergebaut, weit hin^edehnt unb bann febarf abgegren3t 
auf bem (Sewäßer liegt bie Stabt, oorherrfchenb bas bräun¬ 
liche Hot ber (Semäuer ber unfagbar iueinanbergefchobenen 
Dächer unb (Siebei, oft unterbrochen oon grünen Kupfer* 



Die 6ngct8figur, 
bie ben geflttrjteu Campanile frönte. 


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Seite 1580. 


XTuimiier 30. 


Fuppelit, tief unter uns bte Kuppelgruppe ber Kirche bes 
heiligen KTarFus. Pon ben 3ahllofen Kanälen ber Stabt 
geht man nur ben ffd? breit hiafchlängeltibcn Kanal (Sranbe. 
Don ber 3 nfeljtabt fdjnurgerabe bie €i;eubahu hinein 3tun 
feften £anb. Die tagunen naef? biefer Seite f^itt gub fd?ou 
nid?t mehr feeähnlid?, fie fe^en fid? 3ur <Sbbe3eit an, wie 
überfchwemmte IPiefen, »on benen überall (Erbffreifeit Terror* 
ragen. Die Alpenffüffe tt^nu itjr moglidjftes, um biefe Sümpfe 
mit Bergfanb aus3itfüüen unb alfo Penebig allmählich mit 
beni ^feftlanb 31t »erbinbeit. Bad? 0 fteu unb Süben fliegt 
unfer Blicf über bie Saguncn unb bie Pororte hinaus aufs 
offene IHeer. 3 m Sübwejicn ragen über Stabt unb IDaffer 
in ber ferne ein paar blaue Berge als Dorpoften ber 
Apenninen. — 

Um bas »on Sirfjt überlaffete Ange ein menig ausruheit 
3U lagen, Feierte, id? bann in bas ^eilige Dun Fel ber KiarFus* 
Firdje ein. 3 n öem märchenhaft »on (Solbglan3 burcfoogeiten 
Kaum biefes alten (Tempels lieg ich mich ein menig ron 
beit Seelen »ergangener 3 a hrhunberte umfächeln, bis eine 
bes gegenwärtigen Farn unb mich hinauswies. Diefe hinaus* 
roeifenbe Seele gehörte einem Kirchcnbieuer an. (Es beginne 
ber (Bottesbienff, fagte er. Da tnügten bie f rembeit hinaus, 
bie alten frauen Famen l^erettt, bie UTarfusFirche gehörte 
nun wohl nicht mehr ber IPelt, fonbertt ber frommen 
(Semeinbe. 

Dann ein Spa3iergang burd? bie bunFleit (Saffm ber Stabt, 
bie fo eng ftnb, bag 3mei paar fid? begegnenbe Fjochjeits* 
reifenbe einanber nicht aus3uweichen »ermögen, ohne bag 001t 
bem einen eins mefentlid? nadgiebt, was um biefe geit 
immer bebenFlich ift. Um meine Stunbe mar bas überhaupt 
Fein (Sehen in folgen (Eugpäffen, »ielmehr ein (Sefchoben* 
merben in bem frembenftrom, ber auf allen pläfcen mtb in 
allen (Sagen furrte. (Sin fo feltfames, glehhntägig furreitbes 
(Seräufd? hat Feine Stabt, als biefes Penebig; Fein IPageii* 
geraffel, Fein fabriFsgepolter, nur bas ewige (Setrappel ber 
fuggängcr auf bem glatten pflafter, bas Kufen ber Krämer 
unb ber (Sottbelführer. Me (Saffengefdjäfte haben bie (Ehürett 
weit offen, unb in ihrem re^ettbeu Duitfel rühren ffd? malerifche 
(Seftalten. (Sucfe nid?t 31t lang unb nid?t 3U tief, fonft wirb 
bas Ke^enbe 3um (Eleub unb bas KTalerifche 311m Scbwutj. 
(Sleite rafch auf ber 0 berffäd?e bahin, befonbers in 3 *aÜen. 
— Bis 3um Ponte Kialto brang id? burdj, bort fprang ich 
in eine (Sonbel, um mich 3mifchen beit paläfteit bes Kanal 
(Sranbe hindurch 3U meinem Dampfer rubern 3U lagen. So 
unpraFtifd? wirb man in biefer wunberbareu Stabt, bag id? 
rergag, mit bem (Sonbelführer ben fahrpreis aus3umad;en. 
für bie fahrt »on einer Diertelfiuube »erlangte er bann 
brei Sire. 3 ^? bot ihm fünfzig (Tenteffmi, unb wenn es ihm 
nid?t recht fei, fo möge er mich blog mieber 3111 ücfbringen 
nad? bem ponte Kialto, bort herum mürben mir ein Schiebs» 
geriet gnben. €r begnügte geh mit beit fünfzig (Tenteffmi 
unb bebanFte geh obenbrein mit einem hÖgidjen Sprudj: bie 
IHabonna möge mich befchüfcen! — Denn ich hatte ihm um 
bie Hälfte 5U »iel be3ahlt 

Butt mar i<h mieber auf Öfterreichifdiem Boben, fo3ufagen 
in ber prooin3 „IDurmbranb 11 . (Es mar Abfahrtsseit, aber 
bas Schiff wartete noch auf paffagiere. 3 ch fag auf bem 
0 berbecf unb flaute hin auf bie Paläfte, bie in ber Abenb* 
bämmerung noch munberbarer mürben. Ueber ber weiten 
Stabt tönten meid? bie AbeubglocFeit. Dann Farn bie (Sonbel 
mit einer DolPsfängergefellfchaft unb fang aus ed?t itatieiiifdjen 
UTetallFehlen »or bem „IPurmbraub": „UTarghcritta! (Ein* 
fame Königin, Siebling ber Seligen, UUitter bes DolFes!" 
Hub ge fangen ben Abfdjieb »on Penebig: „Pcue5ia, bu greife 
Königin ber Stäbte! Dein Begleiter fei Sanft IHarPo in 
allen (Tagen! Abio!" 


Kleine Stimmung mar fo geworben, bag ge mit allem 
(Semöhnlichen nichts mehr gemein hatte. Das PolF fprid?t 
»01t einem gebeuten Fjimmel. Der mar es ungefähr. 3 n 
früheren 3 a hren bin id? mehrmals in Penebig gemefen unb 
ftets auf mehrere (Tage. 3 $ hatte Stabt unb Bewohner mir 
genauer befehen, hatte bie Kirchen, (SlasmerFftätten, (Semälbe* 
galerien unb anbere Sammlungen bcfudjt, hatte fogar einmal 
eine ber berühmten Pollmonbnä.hte auf ber pia3etta burd?* 
fchmärmt — aber fo innig tief ift Penebig mir nie gegangen, 
als bei biefem breiftüubigen Aufenthalt. 0 ja, aud? bie 
0 berffäd?IichFeit hat ihre (Tiefe. IPenn alles »ergeffen wirb, 
was ich auf Keifen je erlebt, gefühlt — biefe brei Stunben 
werbe ich Faunt »ergeffen. Sonnenhell uub bämmer»oll 311* 
gleid? wie ein Klärchen — fo fleht bas Bilb in mir, id? will 
es beFräi^en unb »erehreit, aber befdjreiben Fann id? es nicht. 
— (Enblid? begannen bie bunFlen fjäuferinaffen, ihre (Türme 
unb ihre £id?ter ffd? 5U bewegen unb 5urü(f3ugleiten. Pene5ia, 
bu greife KTärcheuPönigin, lebe wohl! 

Auf ber Kücffabrt waren lauter Deutfche an Borb. 
3eben hätte id? umarmen uub ihm mein F?cr3 ausfcbütien 
mögen, aber ich ftanb abfeits auf bem DecF unb febaute in 
bie buitFle Bad?t hinaus. 

Drei Stunben lang rollte ber Dampfer über bie See 
burd? Bad?t, Fjinunel unb KTeer — eine einjige Jinfierttis. 
3 n ber Kichtung, ber uufer Sd?iff 3ufteuerte, lag ein matter 
roter Schimmer, wie ein Borblidjt. Der £ichtfd?ein »01t (Tricff. 
IPo mar id? gemefen in biefer Furien geit, was habe id? ge* 
fehen? (Bleidjfain im (Taubenffug über Alpen unb KTeer 
hatte id? mid? einen AugenblicF niebergelaffen auf bem platj 
bes heiligen KTarFus. flüchtig — »ergeffeitb ber T^ärte aller 
Körper — montte»oll fchauettb im £id?t. 3 U ^ er diefe 3mar 
liegt bie IPabrheit, aber auf ber 0berffäd?e bie Schönheit. 



Die toten der ülocl)e.^| 

profeffor Dr. Karl (Berharbt, (Seheimer !TTebi3inalrat, 
t am 2 t. 3 uli in Sd?log (Samburg (Baben) im Alter »on 
69 3 a h r en (f. untenftehenbes Porträt). 

Sultan f^amiib bin 
Kluhammeb »on San* 
3ibar, f am t8. 3uli 
im so. Cebeusjahr (Por¬ 
trät S. 1588 ). 

Profeffor T?einrid? 
F> of mann, beFannter 
Komponift, f am 16 . 3 uli 
in (Tabar3 ((Thüringen) 
im Alter »on 6 o 3 ah*en. 

Karbiital £ebo* 
cbomsFi, f am 22 . 3 nli 
in Korn im Aller von 
80 3 ahreit (f. Porträt 
S. 1 376 ). 

3 oh« IPilliam 
IHarfay, ameriPaitifcher 
SilberFönig, t am 20. 
3uli in £onbon. 

TKonob, fianbels* 

attad?c ber frait3ögfd?en Botfdjaft in Berlin, f am *8. 3uli 
in F^ögenäs (Schweben). 

IHarfchall ITTarquis Saigo, t am ( 7 . 3 ȟ in IJoFohama. 
Profeffor Dr. Jricbrid? Sd?lie, (Sei?. FJofrat, t am 
2 t. 3 uli in Bab Kiffingeu im Alter »on 63 3 a h ren * 

< 5 * 



Profeffor Dr. Ktirl (Serfcarto f 


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Hummer 30.' 


Seite 1381. 



Onfere Bilder. 


Pott fremben ftöfen ( 2 lbb- 5 . 1387 uttb t<U9). X)ie 
unbegrenjte Siebe, bie Kaifer Jfranj 3 °f e f in allen Säubern 
ber öfterreicbifch*ungarifchen UTonarchie geniest, überträgt bas 
Polf auf fein ganjes T?aus. Selbft für bas (Ergeben ber 
entfernteren Derwanbteu bes' Kaifers befuubet es bas leb- 
baftefte 3utereffe. tPer fid? baoon überjeugen wollte, brauchte 
mir 3U beobad>tcn, wie ber (Er3ber5og (Eugen in Karlsbab, 
als er bort jur Kur weilte, pou 3 un g unb 2 Ut begrüßt 
würbe. Hub bie Siebe macht an ben fd?war3-gelbeu (Srenj- 
pfählen nicht X?alt. ^füt?len ftd? bie 0 efterreid;er fdion burd? 
bie (Erinnerung an bie Dergaugeuheit 3U Bayern ljiuge3ogen, 
fo wirb biefe ^remtbfd?a)t friid? erhalten burdj bie 3al|lreid?eu 
ehelichen Perbiubungen 3wifcheit ben IPittelsbadjent unb ben 
ßabsburgern, beren neufte bie bes X?er3ogs Siegfrieb mit 
ber (Er^herjogin UTaria Anuunciata ift. — Pie Stabt UTons 
in Belgien würbe jüngft burd? ben Befucfj bes (Thronfolgers 
priii3en Albert erfreut; er Pani mit feiner (Semahlin, ber 
bayrijdjen Prin3efftn (Elifabetfy, borthin, um an einer Peuf* 
malsentljüüung in ber Ecole des Mines teiljnuebmeu. 

CbS 

Pie Porblanbreife itnferes Kaifers (Abb. 5 . ( 386 ) 
nätjert fidj ihrem Tube. Picht geftört burdj irgcnbweld>e 
groifcbenfälle, Fann ber Kaifer biesmal bie für bie (Erholung 
feftgefeßte geit ausfofteu, währenb ihn im porigen 3 a h r bie 
bange Sorge um bie UTutter Beseitig in bie Tjeimat 3iiriicfrief. 

Cnü 

Pie Bußlanbreife bes Königs pon 3 io^en (Abb. 
S. 1583 unb t 38 < 0 . Per König Piftor Tmanuel ift nach 
fünftägigem Aufenthalt in Petersburg ober eigentlich in 
peterbof nach 3tal* e n 3urücfgefehrt, ficherlich fehr befriebigt 
pon bem Befud?, ben er bem garen abgeftattet h<U. XPas 
bie beiben X^errfcher unter Pier Augen niiteinanber gefprochen 
haben, fann natürlich niemanb wiffen; aber ans beu offi* 
3ieUen Knubgebungen geht 3iir (Seuüge h*rpor, baß bie gu* 
fatnmenfunft eine Betätigung bes Jriebens unb ber j^reuub» 
fchaft gewefen ift. 3 m großen unb gatten unterfebieb fie 


ftch gar nicht pon ben anbern UTonarchenentrepuen, bie in 
ben leßteu 3<*hren ftattgefunben ha&rn. Pie Häupter ber 
beiben (Sroßmächte erwiefen einanber felbft unb ber beiber- 
feitigeu Umgebung bie üblichen AufmerffamFeiten nnb€hrungerf. 
Pie Auwefeuheit bes italienifchen Kriegsfchiffs „(Tarlo Alberto" 
im Trafen pon Kronftabt benußte ber gar fogar, um feinem 
(Saft an Borb eine Art (Segenbefuch ab3uftatten. Unter ben 
,fe[t lieferten, bie 311 (Ehren bes Königs ftattfanben, fehlte 
natürlich nicht bie übliche große (Truppenfchau im Säger pon 
Krafnoje Sjelo, unb ebenfowenig unterließ es ber gar, Piftor 
(Emanuel 311m <£h e f eines ruffifd^en Begimeitts 3U ernennen. 
Auserfehen würben ba3U bie Sitauifchen Pragoner. 

Pie Pationalfeier in Paris (Abb. 5 . (38 ( u. 1389 ). 
Pie (Erinnerung an bie (Erftürmung ber Baftille ift am \<k. 3 ulif 
wie üblich, in Paris unb in gan3 Jranfreid? gefeiert worben, 
pielleicbt 3U111 leßteiunal. Picht etwa, baß ber republiFanifdje 
(SebanPe im Piebcrgang begriffen wäre, im (Segenteil, feine 
ßerrfchaft fd^eint gerabe jeßt befottbers flarf 3U fein. An 
ein Aufgeben bes Pationalfeiertags benft niemanb, aber es 
wirb bie (frage erörtert, ob er nicht beffer in ben X?erbft per* 
fdjobett würbe, man fönnte bann au bie proFlamation ber 
erften BepubliF anFnüpfen. Ulaßgebenb für berartige piäne 
ift nid?t bie politiF, foubern bie Temperatur. Pie Jeier 
gipfelt in ber großen Truppenfchau in Songchamps, für bie 
bie heiße 3 a h res 3 e tl nicht gerabe bie angeuehmfte ift. (Serabe 
biesmal h at hi* parabe, au ber übrigens auch & er heutfebe 
Ulilitärattachc Uiajor p. X?ugo teilnahm, 3ahlreiche 0 pfer ge* 
forbert. UTehrere hunbert perfonen, barunter piele UTilitärs, 
erlitten Sonuenftich ober X?ißfdjlag, unb baburch würbe natür¬ 
lich bie Stimmung arg getrübt. 

Pie Tjod^eit bes pri^en Ulirfo pon UTontenegro 
(Abb. S. ( 386 ). (Einen Tag, bepor ber König pon 3 * a li*n 
am ruffifchen Ejof anlaugte, feierte itt UTontenegro prin3 
UTirPo, ber Brttber ber Königin Rclena, feine Dermähluug 


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•Seite *382. 


Bummer 30. 


mit ber (Eochter des ferbifchen . 0 berfteit Konftantinomitfch. 
Es fönnte fcheinen, als fei bie gufammenftellung ber beiden 
Ereignifie trog ber permanbtfchaftlichen Bejie^ungen 3wifct?en 
Bom unb (Eettinje durchaus miilfüriicb. 2 tUein in Klonte* 
itegro felbft denft man barüber anders, bort legt man beiden 
Ereigniffen politifdje Bedeutung bei, die aud? das Jürfier.tum 
berühren. Panadj mürbe in der Beife Piftor Emanuels 
eine Anerfennung des Panflamismus auf beni Baifan unter 
ruffifdjer Jfihrung liegen, mährend bie EJod^eit des Prisen 
IHirfo bas Jürftentum IHontenegro 0 eßerrei<h näherbringen 
Fönnte, da 0berft Konftantinomitfch als ausgefprodjener Jreuud 
0 efterreid?s gilt IPie dem immer fei, prin3 IHirfo folgte 
bei feiner Perlobung jedenfalls dem gug des fje^ens. Seine 
Ejochjeit aber mürbe gleid)fam 3U einem PolFsfeft, bie gan3e 
Beoölfernng braute in Eettinje dem Ejof und iusbefondere 
dem jungen paar tyer3lidje 0pationen bar. 

Der<Einftnr3 des (GlocFentnrms PonSanlHarco in 
Penebig (Abb. S. x 3 79 u. 1385 ) befdjäftigt bie 3 taliener 3ur 
geit mehr, als bie midjtigften politifd?en fragen. Per Unter* 
gang des mehr als ein ^atjrtaufend alten Baumerfs, bas 
als IPa^etd^en ber £agunenftabt allenthalben gefannt mar, 
mirb beinah mie ein nationales Unglücf empfunden, Jür 
bie IHeh^atjl des Polfes ift es eine ausgemachte Sache, 
dag ber Campanile mieder aufgebaut mirb, unb emjig mird 
in dem großen Schutthaufen, der pon dem (Eurm und der 
£oggietta des Sanfopino übriggeblieben ift, nach Befianbteileu 
gefucht, die bei der Erneuerung mieber oermandt merden 
fönnen. Natürlich mirb piel raifonniert, und mährend man 
früher marnenbe Stimmen mißachtete, macht man jegt bie 
Uuffichtsbeamten perantmortlich, baß fie bas Unausbleibliche 
nicht perhütet haben. Allein . man begnügt fich nicht mit 
bloßen Klagen, fondern es regt fich auf ber andern Seite 
in bemunbernsroerter IPeife bie 0 pfermilligFeit, um den 
Schaden mieber gut 3U machen. Um (Eage nach dem <Einftur3 
des Campanile maren fchon beinah eine IHtllion £ire für 
den IPiederaufbau ge3eichnet, und aus allen Kultu^entren 
ber gan3en IPelt gehen Beiträge 3um Baufonds ein. 

IHilitärifche Jefie (Abb. S. (387 unb H2i). Pas 
Jubiläum feines 3meihundertjährigen Beftehens feierte jüngfi 
bas ößerreichifche Infanterieregiment Edler pon Probf3t Br. 5 (, 
bas bei diefer (Gelegenheit eine neue Jahne erhielt. — An 
dem legten Begimentsfeft des rufftfehen 3nfanterieregiments 
IPiborg nahm auch der beutfehe Botßhafter (Graf Alpensleben 
mit den andern Herren ber Botfchaft teil. Pabei mürbe er 
als Pertreter unferes Kaifers, der £h e f des Begiments ift, 
3um (Gegenftand lebhafter 0 pationen gemacht. 

Schiffsunfall (Ubb. S. 1388 ). Per dem Borbbeutfchen 
£Ioyd gehörige Pampfer „(Erier", ber auf der Keife oon 
Bremen nach Kuba in £a Corufta anlaufen follte, um bort 
Auswanderer an Bord 3U nehmen, ift, beoor er den 0 rt er¬ 
reichte, an einer Flippenreidjen Stelle geftrandet. Per Pampfer, 
ber eitj ftarfes £ed befommen hat, dHt trog angeftrengter 
Bergungsarbeiten als oerloren. Auch pon der £adung ift 
piel, ttaupttäd^lid^ durch Piebftahl ober, menn man mill, 
Piraterie perloren gegangen, hingegen mürben bie an Bord 
befindlichen perfoneu erfreulichetmeiiegerettet, fo baßlHenfchen- 
leben nicht 3U beflageu find. 

«3 

(Eh*ater nnb HTuftf (Abb. S. H2^). IPährenb in 
Peutfchlanb die Klagen über den Perfall der (Gefangsfunft 
nicht auf hören mollen, feiern in Amerifa beutfehe Sänger 
und Sängerinnen Criumphe. So gehört Jrau 3 °h anna 
(Eaufcher*(Gadsfi fchon feit 3 a h rcn 3 U ^ en beliebteften IHit* 
gliedern ber (Graufcben 0 per in Beuyorf, für die fie auch 
jegt mieder perpflichtet morden ift. — Pret Künftlerinnen 
find in Iegter geit dem Königlichen Schaufpielhaus in Berlin 


untreu geroorben. Jrl. Elfriebe IHahn ifi an bas Ejoftbeater 
in Karlsruhe unb Jrl. Jelicitas Cerigioli an bas Berliner 
Charter übergefiedelt. Schließlich ift auch Jrau paula Konrad* 
Schlenther, bie in den legten 3 a h ren noch vertragsmäßig 
gaftierte, gan3 aus' dem Perbanb ausgefchieden. — 3 n J*anf* 
furt a. IH.v 4 ft Jrl. Elia Berny als Koit3ertfängerin erfolgreich 
aufgetreten. — Pireftor IHormig giebt auch in diefem Sommer 
mieber mit einer ad hoc engagierten (truppe 0pernoorftel* 
lungen in Berlin. tPir bringen im porltegenben Ifeft eine 
pon (Eieg hergefiellte Aufnahme ber Soliften des Enfembles 
und ihres Pireftors. 

IPafferfport (Abb. S. 1390 und 1420). Bei ber 
Begatta I^elgoland-Poper hot des Kaifers neue 3 ac h* »IHeteor*, 
mie ftets mähtenb ber Kieler IPod?e, wieter 3uerfi bas giel 
erreicht, 3mei unb eine holbe Stunde por ber 3meiten 3 ac ht' 
Aber mieder blieb ihr ber erfte preis nach ber berechneten 
geit perfagt. Es ift daher bapon gefprochen morden, baß in 
ber Konftruftion des „IHeteor“ Peränbernugen porgenommen 
merben follen; indeffen fann es fich thatfächlicb höd?ftens um 
Aenberungeu ber (Eafelage hondeln. Per „IHeteör" ift gar 
nicht eigentlich als Bertnjacht gebaut, fondern als £uftja<ht, 
unb als foläje genügt er foroohl in Be3ug auf Segelfähigf?tt, 
mie in Bejüg auf die innere Ausftattung felbft den größten 
Anforderungen. — IPährenb die Segel* unb Buderregatten 
fich in fchiteller Jolge aneinander reihen, findet auf dem 
IPannfee eine internationale IHotorbootausfieUung ftatt, bie 
pon den bedeutenden Jortfchritten des Automobilismus auch 
auf dem IPafier geugnis ablegt unb intereflante (Eypen 
pon IHotorboten im Betrieb porführt. 

‘ . ,' x 

Aus aller IPelt (Abb. S. bis H 23 ). Per breißigfte 
Peutfche Aer3tetag fand in Königsberg i. pr. fiatt. Pie (Eetl* 
trehmer machten nach Schluß ber gefdjäftlichen Sigungen einen 
Ausfiug nach dem nahegelegenen maldigen Bauichett. — 3 n 
Briefen in IPeftpreußen mürbe für3lich ein £u$uspferbemarft 
abgehalten, den auch der 0berpräfident pon (Goßler befuchti. — 
Unter den 3ahlreichen Schügenfefien, bie in Iegter geit ge* 
feiert mürben, hotten befonbere Bedeutung bas fechshundert* 
jährige 3 u Mäum ber (Gilde 3U Puderftadt in t^annooer und 
bas IHannfchießen in £iegnig. 

Perfonalien (Porträts S. ( 388 ). Per perftorbene 
Sultan pon Sanfibar £)amtib bin IHuhammeb bin Said bin 
Sultan, ber im 3 a h r ^ 853 ols Sproß der alten arabifchen 
Eultansfatnilie pon IHasfat geboren mar, regierte das 3 n f e l* 
reich, fo meit bei bett\ eitglifchen protefterjt pon einer Be* 
gierung bie Bede fein Fann, feit 1896 als Hachfolger feines 
Petters f^amud bin (Ehmain. — ginn Buntius in HTünchen 
ift jegt der bisherige Buntius in Brafilien IHonfignore 
(Giufeppe IHacchi ernannt morden, der am (0. 3 “lt 
geboren murde. —. Am 19. 3 U K pollenbete der ehemalige 
preußifche Kriegsminifier, (General der 3 n ionterie 3 u ^ n$ 
pon Perdy du Pernois, fein fiebjigftes £ebensjatr. Per 
3ubilar, einer utiferer tüchtigfien IHilitärs, ber den Krieg 
pon (870 bereits als Abteilurgschef im (Großen (Generalftab 
mitmachte, ift 3tigleich eine ungewöhnlich geiftoolJe, pielfeitige, 
auch Fünftlerifch begabte PerfönlichFeit. Er meiß mit dem 
geichenftift ebenfo gut um3ugehen mie mit der Jeder. Be¬ 
funden feine 3ahlreichen militärifchen Schriften, unter denen 
bie „Studien über die CEruppenführung" den erften Plag 
einnehmen, tiefes IPiffen, fo 3eugen feine Jeuilletons pon 
großer ßiliftifiher (Gemandtbeit und fein Prama „Alarich* 
pon bichterifcher Peranlagung. — 3n Jreiburg i. B. feierte 
der berühmte (GynäFologe profeffor Pr. I}egar fein fünf3ig* 
jähriges Poftorjubiläutn. — profeffor Pr. Aloys Schulte in 
Breslau hot bie £eitung des preußischen hifiorifeben 3 nftituts 
in Beapel übernommen. 



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Hummer 30. 


Seite 1383, 







Bilder vom Cagc 


^ ... 




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Tom Befucb des Königs von Italien in Petersburgs 

Die 0ffi$iere bes £itaulfcf?en Dragonerregiments fiellen fid? in tSegenroart bes ^aren bem König, ifjrem neuernannten Cifef, vor. 

pljot. <L 0. £uDa, Petersburg. 


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Seite 138<fr, 


Hummer 30. 


©roßftirfiKCbronfoIgcr inid?acl. König oon 3talien. Per^ar* ©roßfürftin Zniliftct. £?er$ogin uon teucbtenberg. 

K b f <1 b r t nad) b e r P a r a b e in Xrafnoje Sjclo. 




X. König uon Jtalicn. 2. Per ^ ar - 3- Pie Kaiferiniuitroc. 4. Pie £jarin. 
IPdbrenb bes © e b e t s beim 5 rt Pf cn ^ re td?» 



Per § a r mit feinem ©oft bei ber großen Cruppenbeftdjtigung in Krafnoje Sjelo. 

Tom Befucb des Königs von Italien In Petersburg* 

pbot. C ©. Sulla, Petersburg. 


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Hummer 30. 


Seite 138S* 



Die Crömmer des 6lodtenturms in Venedig. 


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Seite *386. 


Rümmer 30. 



J. Pie Öraut am 2lrm iljrcs Sd?n>agcrs, bes prinjen Danilo oon Montenegro. 2. Der t?odj 3 eits 5 ug auf bent IDege uon ber Hirdje nadj bem Sd?lo§. 

Die Vermählung des Prinzen ptirfco von ^Montenegro mit ffatalie Konftantinowitfcb in Cettinje. 


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Hummer 30. 


Sette *387, 



lierzog Siegfried von Bayern und Brzherzogin ffaria Hnnunciata 

auf Sdjlofc poffenljofen am H- 3uli. 

5pejtalaufnat)me fär bie „tPodje" pon ITCidj. Pietrid?, manchen. 


6 rzherzog Bugen von Oefterreicb mit Oberft ftenniger, 

feinem Kbjutanten, unb feinem Ceibarst in Karlsbab. 
Ktelier „^reunbfdjaftsfaal*, Karlsbab. 



Ton dar zoo Jährigen Jubelfeier dee öfterreiebifeben Infanterieregiments edler von probfzt fir, 51 : Die neue fahne vor dem Kapellenzelt«. 

l)ofpbot. ©ebvnber Punfy, Kolc^soar. 


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Seit« 1388, 


Hummer 30. 



OTonf. tnacd}i, 

ber neue ttuntius in manchen. 



Geheimrat Prof, Ijegar, ^reiburg i. 8., 
bebeutenber (Syndfologe, 
feierte fein 50 jähriges Poftorjubiläuni. 



General oon £>erbf bu Dernois, 
feierte feinen 70. Geburtstag. 


Ifamud bin ptuhammed f 

Sultan oon Sanfibac. 


Profeffor 2Hofs Schulte, 
übernahm bie Ceitung 

bes preu§ifd?en hifloiifchen 3nftituts in Hont. 





Ton der Strandung des deutfeben Dampfers „Crier" bei U Corufia in Spanien: Das fe ft ritzen de Schiff, 

5* 8arral. 



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Ztummer 30. 


Seite *389. 



X. Her beutfe^e ZTHIitdrattad^ IHajor oon £>ugo auf ber druppenfdjau in Congrf^mtfs am 3uli. 2. Per 2Jnbrang bes publifums 3 a ber ^reiporfleUung 
im ©pemfyaus. 3. Bas JTlafonnen im Automobil. % präfibent Coubct grä§t bie franjöjtfdje Brmee auf ber (Cruppenfdjau in Congdjamps. 

Bilder vom JSationalfeft In Paris* 

pijotograpljif<f?e Aufnahmen pon Ct}uf[eau«,$Iapiens, ©ribaYeboff unb £6on Bou£t, Paris. 
























©cfamtanfid?t ber 2iusfte!Inng. 

Die flotorbootausrteUung in VUnnree bei Potsdam. 

pbot <Borboit & Delius, Berlin. 


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Ztummer 30. 


Seit« 139{. 


Ga mar rin altrr König... 

Pon 


Rudolph 8tratz, 


X. $ortfetjun<j. 

rpib blieb erßaunt ftefyen. „Siß bu beim 
im Heidjstag, Dater?" 

^3rgenbmo bei eu4 ba unten im Ur- 
malb," ermiberte fyxv pon Sraunfcheibt 
melancholifd? — „ba liegen alle bie 
Sriefe, bie idi bir nad? Ufrifa nad?gef 4 icft hab • • • 
pier lange öriefe im lebten 3 afyr t^intereinanber — ße 
haben bid? nie erreicht, unb jeßt treiben mol?l bie (BoriHas 
ober bie Uegerfönige bamit ihr Spiel. VLun muß ich 
alles noch einmal e^ählett. 5 unäd?ß, mein Sohn — 
ja: ich hin im Heid?stag. 34 gehöre 3 U ben 3^7, 
bie nie ba ßnb. Unfere Säuern mollten mich burd?aus 
barin hoben/ (Er ßreifte bie Uf4e pon feiner Efaoana 
unb ßoefte, ßd? tief räufpernb, eine IDeile. Dann fuhr 
er mit einem rafd?en Entfdßuß fort: „Sieh mal, mas 
foHt ich fonft auf bem £anb machen? 3 n hen langen 
3af?ren, feit ich mid? megen ber Kranfheit beiner ZHutter 
ba braufeen in ber Einf amfeit per graben hab? • • • 
Denn einfam mar’s — bas fannft bu mir glauben. 
Du felbß marß ja nie ba. Das große, leere fjaus unb 
in ihm 3 <*hr um 3 a hr «in ZHenfd? 3 U>ifchen £eben unb 
Sterben — faum mehr bei uns — eigentlich fd?on 
hinüber. Unb ich baneben — ich, «in Kerl tpie id]I 
34 faß allein in meinem IDinfel, mährenb bu beine 
großen Seifen machteft, unb mürbe alt unb badete mir 
bes Ubenbs fo bei ber sehnten «gigarre unb ber 3 meiten 
5 Iafd]e Hotfpon, menn braußen ber IDinb um unfern 
morfchen Haften pftff: ,Schabe, baß bas bißdien £eben 
fo rafdj um iß . 4 (ßeh«ult hob ich nicht, ba 3 U bin ich 
3 U biefblütig unb 3 U bieffeilig, ich habe mein £os ge¬ 
tragen n>ie ein HTann. Unb fchließlid? gemöhnt mau 
fleh au pieles, auch an bas d?ronifd?e Elenb. Das merft 
ich erß, «>i« «s 3 U Enbe mar. Da mar auf einmal 
alles fo leer in mir. So öbe. So gottsjäinmerlid? 
fahl. 34 fam mir gaii 3 nußlos por auf ber Welt. 
Unb fagte mir: ,3«ßt lebe bu eben noch bie paar 3ah^« 
bebten Stiefel meiter mie bish«r, unb bann fcharren 
ße bid? auch «inmal ein, unb bie arme Seele hat Hut?.* 
„Sa — unb nun hatte alfo ber alte Dalchom auf 
bem <But neben mir — bu fennft ihn nicht, er hat bas 
UTajorat erß übernommen, mie bu fchon aus bem 
Elternhaus meg marft — alfo ber hatte eine Codßer. 
Erß lief fte einem mal fo als Sacfßfd? übern IDeg — 
flinf unb fd?eu mie ein IDiefel. Daun muchs fte ran 
unb fam ber ZTad?barfd?aft aus ben Hugen unb per* 
fdpoanb auf einige 3 a h^ in fo ’nem fran 3 Ößfd?en 
Plapperinßitut am 2?hetn. Eines fchöiten Cags taucht 
ße rnieber auf, lang, sappelig, mager, bilbhüb(ch — 
achtsehn 3 a h*«> unb ber Hlte fagte 3 U mir beim U>hiß: 
,lOenn ich ße bloß fchon perforgt unb aufgehoben unb 
unter ber Efaube hätte . 4 

„Uber bas gäb’s nid?t. Sie mollte nicht. So gingen 
rnieber ein paar 3 a h*« ins Canb, unb mie's £}erbß 
muibe, ba machten ber alte Dald?om unb feine 5*au 


Ernß unb 3 ogett mit ihr für ben IDinter ua4 Berlin. 
Da machte ße nun ihren Kni$ bei fjof unb tankte ’rurn 

— unb bas bauerte beim auch nicht lauge, ba mar es 
glücflich um ße gefd?ehen. 

„Es mar ein Sübbeutfdjer. Ein Diplomat, ber in 
Berlin mithalf, ben meiß*blauen (ßlobus bei uns 5d\watfr 
meißen 3 U pertreten. Unb biefer Sayer hatte bloß einen 
5et?ler: «r mar fchon perheiratet. Uber fef?r. Unb 
fonnte ßd? als guter Katholif nicht f4«i^«n laßen. Unb 
mollte es moht auch gar nicht. Kursum: es hatte ni4t 
follen fein. 

„Das alles hat mir ber Dater, ber alte Dalchom, 
bes Hbeubs tiefbefümmert beim U>htß ersählt, mie «r 
rnieber heim auf feiner Sd?otle mar. Unb bie 3utta 
mit. Die mar gan 3 ruhig unb gelaffen unb fagte nur: 
,<Sut, menn ich ben nicht hab haben follen, bann über* 
haupt nid?t — 4 

„Dabei blieb ße unb richtete ßd] bei ihrem Uater 
häuslich auf bie alte 3ungfer ein. §u Unfang ber 
Sman 3 ig I 

„(Bern hab id] bas fd?öne HTenfd?enbilb immer an* 
gefeh«n. Unb nun plößli4 fHrbt ber alte DaWjom — 
fur 3 e &e\t t nachbem aud] mein E?aus leer gemorben 
mar — por einem 3 ah*. Hub mie id? ih* ba am 
(Brab bie ^anb brüefte unb ße baßanb mit bem blaßen 
fchöiten <ßeßd?t unb bem fd]mar 3 en Kleib unb mir beibe 
an unfere £iebeit bad?ten — ße an ben Dater, id? an 
bie Stau. — ba — ja, bas läßt ßd? nicht bef4r«ibcn 

— nUf?t, menn man ein junger UTann iß mie bu, unb 
ni4h menn man ein alter Ulann iß mie id?. Huf ein¬ 
mal iß*s ba. Erinnerß bu bid? als Kinb, mie es ein¬ 
mal in uitferm SdjafßaU gebrannt hat? Die gan 3 e 
Sa4t burd? hat es fo langfant por ßd? h^9«f4u>«lt, 
ohne baß bie perßudßen Kned?te recht barauf geachtet 
haben, unb bann, bes UTorgens, f 4 lug gan 3 plößlid? 
bie flamme lichterloh aus einer £ufe, unb faß 3 ugleid? 
ßanb aud? f 4 on bas gatt 3 e Strohbad] rettungslos in 
flammen. TXa alfo: bas iß ber 5aH biefes meines 
grauen ffauptes ... 

„ 3 uttas UTutter 30 g nun 3 U einem perh«irateten 
Sohn nad] UTeß. Sie mit. 34 fat] ß« 9 ut ein halbes 
3ahc nicht unb fonnte mir bie Sache überlegen. 

„U:un mag id? ja fonß ein 3 iemlid? unangenehmer 
<£t?riß unb Ulitmenfd? fein, mein lieber Hrpib, aber ge* 
rabe Dummh«it haben mir meber 5 reunb nod? 5 «inb 
bisher 3 um Dormurf gemacht. 34 fenne bie UTenfdjen 
unb fenne mid? unb ließ mir bas £ieb: ,Es mar ein 
alter König . . . 4 pom f?einri4 £]eine burd? ben Kopf 
gehen. Unb bann fragte id? mid?: iß bein E?er 3 mirflich 
fd^on fo ßed? unb bein £?aupt fo grau? — unb mußte 
immer rnieber benfen: ,Der arme alte König — ber 
nahm eine junge 5 rau . 4 

„^Iber babei fiel mir immer ein, mie bie Damen 
Ct?ee machen. Der erße Hufguß iß bitter, ben gießen 



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Sette 


ttnmmer 30. 


fte weg. Daß mid] feine mehr aus Ciebe nimmt — 
— na natürlich! Hber wenn einHTenfd], wie3utta, bie 
erfte Bitternis ber Ciebe hinter fict? hot unb nur noch 
eine Sarbe im fyr^en, bie noch 3uweilen weh thut unb 
fdjließlid] gatt3 perfdiwinbet, unb wenn fte nun abge- 
flärt unb ruhig geworben ift unb porn Ceben gar nichts 
Sefottberes mehr erwartet unb hoben will — warum 
follte fte bann bies Ceben nicht an meiner Seite ebeitfo- 
gut wie anberswo 3ubringen? 

„Sie hotte ja eigentlid] fein rechtes £}eim mehr. 
Huf bem <But wirtfdjaftete ber ältefte Sruber. HTit 
bereit 5rau fam fte gar nicht aus. 3?t ZHefe langweilte 
fte ftd] unb merfte benn hoch allmählich, wie es ihr 
im Ceben gehen würbe, wenn fte mal uid]t mehr jung 
unb fchön wäre — erft alteritbes Stäbchen — bann 
alte 3ungfer — HUerweltstante, ein uitnüßes 5amilieit- 
möbel, bas man ba- unb borthin riicft, wie gerabe 
plaß ift. 

„So hob ich mir bas alles überbad]t unb hm* uub 
her ge wä 13 t, einen langen IDinter hmburch, ittbent ich 
wie ber Sär im Sau midi in meinem einfamen Haften 
auf bem Canb eingefpomten hob uitb holbe Säi]te 
burch im Zimmer auf- unb abgegangeu bin unb midi 
gefragt hob: Soüft bu wirf lieh frech fein unb auf 
beitte alten (Eage beinern lieben Herrgott ein Schnippchen 
fchlagen? Unb wie’s nun 5rühlmg würbe, ba regte 
es ftd] mir immer mehr im (ßemüt unb (ßeblüt: — ,ja, 
bu follft ! 4 Dabei hott ich immer noch beit SebeugebanFen: 
<£s ift ja nur, bantit bie <ßefd]id]te rafdi eilt (Enbe hett. 
Sie nimmt bich ja bodi nicht! 

„So einen bireften Horb wollt ich mir ja nicht holen. 
3ch ging 3ur UTutter uub ftellte ber bie Sache por wie 
eben bir: €iufad] eine Deruunftehe! Satürlid] . . . 
weil ich ben Derftanb oerloreu hob, nennt es alle IDelt 
eine Deritunftehe. 

„Drei Cage barauf bie Antwort! (Einfach: 3 ol 
Sa — lieber Hroib — unb fo ift es nun gefontnteit, 
uub fte ift nteine 5rau, unb alles geht gut. Hu bas 
pon früher — ba benft fte gar nicht mehr! Der Sayer 
ift ab unb tot. Döüig pergeffen. Sie fpridit gait3 un¬ 
befangen barüber, wie 001t einer Kranfheit, bie mau 
glücflid] überftauben hot. 3h* fy *3 — bas hot fte 
eben fd?on feit 3 oh**u fYftematifd] 3um Schweigen ge* 
bradit. Das hot einfach bie Hrbeit eingeftellt — in 
höherem Sinn. Huch, was midi anbetrifft! — Denn 
id? bin natürlich nicht blinb unb taub genug, um mir 
ba Dinge ein3urebeu, bie nicht ftitb unb gar nicht 
fein föunen — unb bas ift unb bleibt bod] nun einmal 
beftehen: 3ch bin alt unb fte ift jung! 3ch liebe fte 
uub fte läßt ftch’s gefallen. Sie lebt an meiner Seite 
flott in ben (Eag hinein — unb was fo ein (SefeHfchofts- 
winter ift, bas weißt bu ja: — ein IDettrenneu, ein 
Seforb, wer am längften tanjen, am meuigften fchlafett 
unb am töblichfteu bie Seit totfchlagen fautt. 3^1 hob 
nie einen fieberhafteren HTüjftggaitg gefehen. 3ntta 
unb ihre gait3e Clique arbeiten wie bie De^weifelteu, 
um nichts 3U tf]uu, bis fte täglich bie r>ierunb3wau3ig 
Stunbeit bis auf bie leßte 3ttr Strecfe gebracht hoben 
uub um ZlTitternacht triumphiereub ^alali blafett uub 
,morgen wieber luftig 4 . 3ch höbe fein Ijaus, fouberu 


halte einen Caubeitfd]lag — einen IDartefaal erfter 
Klaffe, ben gan 3 en Cag brummt bas (Bong im 
€ntree, bas Celephon bimmelt, im HTuftf 3 immer üben 
fte bas ,Menuet k la Reine 1 , unten holt eine Seihe €qui* 
pagen — unb id] mache fd]ließlid], baß id] baoon« 
Fomnte: in bie EDilhelmftraße." 

€r lad]te in feinem tiefen, bröhnenbeit Saß. „ 3 o — 
bie IDilhelmftraße! 3 utta 3 uliebe mußt id] wieber 

in ben Staatsbienft treten als Son 3 e 3 weiter Klaffe 
mit pfauenfeber unb Knopf. Die Sebiitguug 
fnüpfte fte an ihr 3ou>ort: Sie wollte nach 

Serlin. Sepräfentiereit. 3m großen Stil leben. Hls 
ceüen 31 ^o — unb ba 3 u ift fte ja fd]ließlid? aud] ge- 
fd]affeit. £eid]t ift’s mir ja freilich nid]t geworben, auf 
meine alten Cage wieber meine UnabhängigPeit aufju- 
geben, wieber einen ,Dorgefeßten‘ 3 U hoben unb mit 
ben anberu HTaubarinen in ber großen Cretmühlc mit« 
3 uftampfert. Hber jeßt mad]t mir aud] bas Spaß! 
HUes! 3i? lebe wieber! €s ift, als hött mir jemanb 
3 unt (Seburtstag fünf 3 ehn 3 a h*e riiefwärts gefdjeuft." 

€r blieb ftehen uub bämpfte feine Stimme: „Hrpib!" 
fprad] er leife, faft angftpoll. „ 3 d] bin mit ihr fo un« 
menfdilid] glücflid] I Derarg es mir nid]t! (Blaub mir, 
id] höbe Sdiwetes im Ceben ttad] 3 uholen. Set nach- 
ftchtig gegen mid? alten <£fei — perbirb mir itid?t mein 
<5lücf!" 

* 3 papa?" 

„Das thuft bu, wenn bu mein (BlücF nicht mit mir 
fühlftl 3d] fann mich jo in beitte Cage benfen! Da 
fommft bu aus fernen Cättbent 3 urücf unb finbejt alles 
nun fo gait 3 aubers — ein frembes fjaus — eine 
frembe junge 5 rau barin — na, feutintental bift bu ja 
freilii] nicht." 

„Sein," fagte ber junge 5orfd]er trocPen. 

„Hber immerhin ... bie Ccinnerung! . . . €h^Uch: 
id] hob ben gatten Cag Hngft unb hob mir immer 
gebacht: fjättet ihr beibe euch nur fd?on ge.'ehen uttb 
eud] bie ^attb gegeben unb bie erften IDorte mit- 
einanber gewed]felt ..." 

„Das wirb ja gleich gefd]ef]en!" 

„ 3 a — aber oorher wollt id] bir eben mein 
£}er 3 ausfd]üttert! Sun fteht alles bei bir! 3utta wirb 
fo fein, wie bu bid] 3 U ihr ftellft." 

„IDir werben 5 reuube werben, natürlich!" 

Der Hlte feufjte tief auf, währettb fte weitergiitgen. 
„Sa — fd]öul Dann bift bu mein guter Sohn! Daun 
ift alles in ©rbnuttg! 3 ^ hob’s mir ja gebad?t!" 

Hroib lächelte flüchtig, wie aus einem gutmütigen 
STitempfinben h^ous. Dies £äd]elit war auf feinen 
gügen frembartig. €s paßte nicht su ihnen. Unb 
gleich barauf war auch ber gewohnte €rnft, bie Palte 
(Energie wieber ba. (Er erwiöerte nichts. Sie fdiritteu 
eine lange Strecfe fdiweigenb ttebeueinanber h^. 

£]err uott Srauufcheibt glaubte, baß fein Sohn ftd] 
bas eben (ßehörte noch einmal flill burd] ben Hopf 
gehen laffe. Hber ftatt beffett begann biefer nad] einer 
U)eile: „Perjeihe! fjaft bu bie Hbreffe biefes Doftor 
Selling?" 

„Sein. XPie fanufi bu bettit immer nur an beit 
2 Tieit{d]eu benfen ?* 


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Hummer 30* 


Seit# 1593. 


, 211 t meine 5einbe benF icf? bei Cag unb bei Had?t." 

, 2 )as iß bie ffälfte 3 u oiel. Had? Cifd? tf?u id? 
bas nie mehr. Unb id? bin bod? aud? ein ehrlicher 
Raffer/ 

„Eben. Wer nid?t Raffen Fann, Fanit aud? nid?t 
lieben." 

„£]aß bu beim je geliebt?" fagte ber alte fjerr 
mitleibig. 

<r 3 d? bin bocf? u>eit genug in ber 2 Delt tjerum* 
gefommen, um oiel grauen Fennen 3 u lernen." 

„Ad? ja — bas! Aber id? meine — entsaft? 
3<h glaube, bas Fannß bu gar nicht." 

Aroib fd?aute leer oor ßd? hin, bann fagte er gleid?« 
giltig: „Da 3 U t?ab idj nie Seit gehabt." 

*Sei frohl" fprad? bereite, unb fie traten in basfjaus. 

®ben in ber 5 lurtl?ür ßanb 3 utta, bie fie oom 
5enßer aus batte Fommen feben. Sie mar etwas blaß, 
aber gan 3 einfad] unb natürlich, als fie rafd] ben beibeit 
ein paar Stufen entgegenging unb bem ©aß bie f]anb 
bot, mit einem halblauten, beglichen: „ZDiHfommen 
baheim, Aroib." 

Unb er antwortete ebenfo ruhig, ih*e Hechte er« 
greifenb: „3 d] banFc bir." 

HL 

Eine halbe Stunbe barauf faßen ße alle brei beim 
Cund?, in bem großen Speiferaum, auf beffen Suffets 

— bas einige, was Aroib an bas Elternhaus er« 
innern Fonnte — bas oergilbte Sraunfd?eibtfche Familien* 
filber prangte. Sonji war alles oerfd?ieben oon ber 
fd?merfälligen HehaglidjFeit eines oon ©enerationen 
eingewohnten, altfränFifchen Qerrenßßes auf bem Canb 

— alles neu, ge{d?madooH — oornet?mßer, unauf¬ 
fälliger Cujus einer fdjönen, jungen 5 *au. 

Aroib rebete bei Cifd? faß allein, oon feiner großen 
Durchquerung Afrifas, bie feit HTonaten — feit oom 
Kongo bie Had?rid?t oon feinem glüdlidjen IDieber« 
auftauchen an ber IDeßFüße angelangt war — bie 
Kolonialpolitifer unb bie ©elet?rtenmelt in Atem erhielt. 
Seine Sprache Flang eintönig, ohne Hebungen unb 
SenFungen, leibenfchaftlos unb leife, fo leife 3 wifchen 
ben S^nen, baß bie anbern manchmal Hlühe hatten, 
ihn 3 U oerßehen, befonbers am Schluß ber Säße, wp 
er bie Stimme gleid?giltig fallen ließ, als lohne es ihm 
nicht mehr ber Hlühe, weiter 3 ureben. Unb bod] u>ar, 
was er berid]tete, fcffelnb genug — eine lange 5 olge 
oon Abenteuern unb ©efahren, oon Hlühen, KranF« 
heiten unb Entbehrungen, bie ßd? wie eine bmtFle 
Perlenfchnur an ber Kette eines sähen, un 3 erreißbareit 
HTanneswiHens, eine hinter ber anbern, bis 3 um ßeg« 
reichen Schluß aufreihten. 

Die beiben anbern, bie graue unb bie bfonbe Ej« 
ceHen 3 , harten fchweigenb 3 U, unb 3 umeilen befonnte ein 
grimmiges, befriebigtes Cächeln Qerrn oon Hraun« 
fcheibts gebräunte güge. Sein Auge hing an bem 
blaffen Antliß bes Sohnes. Er laufdjte mit tiefer Auf- 
merffamFeit bem troefenen, ßoefenben Sericht oon Hot 
unb Cob in taufenberlei ©eftalt. 

Sei biefem afriFanifcheit Cotentan 3 , ber ftch ba oor 
ihm entrollte, Flang etwas Herwanbtes in feinem 3 nneru 


mit, ein tt>ieberermad?en lange oergeffener unb be« 
grabener 3 ugenbwünfd]e. Dor einem HTenfchenalter 
war er aud] einmal 3 U Anfang ber Dreißig gewefcit, 
ein baumlanger, wilber, hagerer ©efeHe, 3 ehnmal wilber 
als biefer bleid]e, äußerlid] fo unfeheinbare ©eiehrte 
ba neben ihm. Damals hatte er nicht gewußt, wohin 
mit bem 3 ornigen Ctjatenbrang, ber Abenteuerluß, bie 
in feinen Abern Föchte unb hämmerte. Er hatte baoou 
geträumt, frembe Kriegsbienße 3 U nehmen, bie tüelt 
3 u umfegelit, irgenbwie ben Ueberfd]uß an unruhiger 
Kraft los 3 uwcrben. Aber in feiner 3ugenb war man 
in Deutfchlanb nod? feßhafter als jeßt in feinen alten 
Cagen. Die Scholle hielt einen feft unb mehr nod] 
nad] bem Cobe bes Daters bas ftol 3 e Selbßgenügeu bes 
©roßgrunbbefißers an feinem eigenen, ihm allein unter« 
thanen StücF Erbe. So war er, nad? ben Fur 3 en Sr auf e* 
jat?ren ber Unioerfitätsseit, faß unmerFlid? in ben alt¬ 
gewohnten Cauf ber Dinge hineingeglitten, weiter unb 
weiter im Staatsbienß, unb als er ßd? baraus aufs 
Canb unb in bie 5reif?eit gerettet, waren feine beßen 
®age fd?on oorbei — er hatte eine ßerbensFraitFe 
Ärau — fein Cebensfdjiff lag für immer feß oeranFert 
im trafen unb fein angeborenes Phlegma ließ ihn biefe 
H>elt 3 urücfge 3 ogenheit als bie würbigße unb oornehmße 
5 orm bes Dafeins erfcheinen. 

Aber ein grimmes Set?agen war ihm bod? geblieben, 
wenn er oon HTenfd?en unb Ehaten härte, bie ber All- 
täglid?Feit ber Dinge fpotteten. U?er über bie Sd?ranFen 
bes philißeriums hinausfprang, war fein Hlann. Dem 
fühlte er ßd? feelifd? nah« in feiner tiefen, gelaffenen 
Uerad?tung ber HTaßen unb ihrer ©efeße. 

Sein Sohn ba hatte bie £aub« unb palmenwölbungeit 
bes unbetretenen Urwalbs über ßd? raufd?en gehört 
unb bas IDeltmeer im Sturm gefd?aut, er hatte bas 
ffeulen ber Kugeln unb bas Surren ber ©iftpfeile hart 
am ®t?r oernommen — er hatte ßd? aus dieberFröüen, 
aus Stromfd?nellen unb bem Hachen reißenber Seßien 
gerettet — er hatte mehr erlebt unb erlitten, als fonß 
HTillioneit oon HTenfd]eu befd?iebeit, unb wußte wohl 
gar nicht mehr recht, wie farblos, wie nüchtern ßd? im 
norbbeutfd?en Hebel bie U?od?en unb bie 3uhre 
bahinfpinneit Fönnen. Dem heintifd?en mittag war er 
fremb geworben. HTan brauchte nur fein ©eßd?t an 3 U- 
fehenl Da hatten jahrelange 3**fährten in ben ge« 
heimnisoollßen Cänbern ber Erbe beutlid? mit ihren 
Hünen unb Hui^eln gefd?rieben: ,ber ba iß anbers wie 
bie anbern/ 

Der war ein HTann unb hatte gelebt wie ein HTann. 
U?ie ein HTann oon früher, als bie U?elt nod? nid?t 
3 ahm war. Als man nod? burd? bief unb bünn über 
Canb unb HTeer feinem Sterne nad?ritt unb Hot unb 
(Eob um ihrer felbß willen, aus Cuß am Abenteuer, 
herausforberte unb beßanb. Unb ber fo bad?te unb 
hanbelte, ber war fein 51eifd? unb Slut. Diefer Stol 3 
wärmte ihm bas E?er 3 wie alter IDein. 

„3a — ßeh mal, 3utta," fagte er, als Aroib oer« 
ßummte unb wieber nad? feiner Art leer auf irgenb* 
einen unßchtbaren ©egenßanb in ber 5 erne ßarrte, 
„bas iß ein Sohn, an bem man IDohlqefaüen haben 
Fann. 3^h hab es gut getroffen als Haler. 3<h hab 


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Sette 159$. 


Bummer 30. 


nur einen eitrigen, aber ber ift aud? banad?. Er f?ätte 
aud? was anberes werben Fönnen — ein Sd?ulbeiv 
mad?er im Kttila ober Küraß, ein oerlieberter Bennfriße 
unbKartenfünßler im 3*uflub ober fo ein <§ioilftreber, ober 
gar bas <Sräßlid?ße auf (Erben: einfad] ein bummer Kerl. 
Seelengut, aber 3U nifd?t 5U gebraud?en — aber nein: 
er mad]t mir Efyre. Er ijt flüger als fein Pater. 
Unb bas will bod] immerhin fd]on was .Reißen." 

Er lächelte unb 3eigte babei wie ein gutgelauntes 
großes Baubtier feine gäfyne unter bem eisgrauen Schnurr* 
bart. „ 3 <* — id] fann banfbar fein. Dir aud], 3 utta. UTir 
5uliebe, Kinber: 3 d? bittend], oertragt eud]! Es giebt 
ja braußen in ber IPelt fo eine UTenge Ceute, mit benen 
il?r eud] raufen Föuut — aber fyier, in meinen oier 
tPänben, foll Triebe fein. 3d? t]<*b iB?n oerbient. Denn 
id] bin alt. Unb will nid]ts met]r oon bem Ceben, als 
3wifdjen 3wei UTenfdjen pßen, bie id] lieb i?abe unb pe 
mid] — unb t]offentlid] halb aud] einanber." 

Der Diener fjatte eine <£t]ampagnerflafd]e in ben 
Kiibler neben it]m geßeHt. Er goß ein. Seine £]änbe 
3itterten etwas. Uber er lai]te: „tPas, 3 u tt a — wenn 
bein Pater unb id] nun nid]t Bad]bant geworben 
wären? Dann wirtfdjaftetef! bu jeßt oieHeid]t irgenb- 
wo in ©ftelbien als notleibenbe Kgrarierfrau auf bem 
J}ül?nert]of f]erum, ßatt Iper an bem wirflid]en £}of, unb 
ftopfteft bie (ßänfe, ftatt fyier wol?'.tf]ätigen Damen* 
fomitees oor3upßen — alfo bas alles l]at unfer lieber 
Herrgott in feiner (ßnabe wol]lgefügt, unb wir wollen 
U]m banfbar fein.* 

Er (ließ mit feiner 5 rau unb feinem Sol]n an. 
EPäf?renb bie (ßläfer 3ufammenflangen, fing 3 utta einen 
BlicF oon il]m auf, ben pe oerpanb. Kls ifyr Seftfeld] 
ben Kroibs ftreifte, neigte pe it]m im Stegen, mit einem 
leifen £äd?eln in ben Kugen, bas fjaupt entgegen, unb er 
berührte flüchtig mit feinem Sdjnurrbart if?re tippen. 

Dann festen pe pd] wieber, unb Kcoib fagte nur: 
„Das ip bas erPe Blal feit brei 3 ^f]ren, baß id] jentanben 
gefüßt l?ab." 

„ 3 d? glaube, bas lernp bu nie orbentlid?, mein Sol?n,* 
lad]te fferr oon Braunfd?eibt. „FPas, 3 ut ta — baitad? 
pet]t er nid]t aus. 5 ür eud] t?at er Feine Seit. <£r 
Ijat’s felbp oortpn gefagt." 

Er war in ropgfter Caune. „ 5 riebrid]," wenbete er pd] 
an ben wieber eingetreteuen Diener. „X^errit StöffebStier 
empfange id?. Sonft niemanb. Sagen Sie ben Ceuten, 
f?ier im £]aus feien bie fd]war3en Blattern, ober id] 
fäße im Bab, ober id] läge im Sarg unb wollte meine 
Bul?e t?aben. Perftanbeu?" 

Dabei nidte er feiner 5 ruu liftig 3U, ein riepger, 
etwas greifenfjafter lHept]ifto, um beffen Kugen es in 
fdpaueit Sd]langenfältd?en 3winferte unb beffen grauer 
Sd?nurrbart nur I]alb eine bösartige, um bie UTunb* 
winfel fpielenbe £]eiterfeit oerbarg. „Kd? ja — Bul?c! 
Einmal fd]meißen pe mid] bod] aus ber tPilljelmftraße 
heraus, 3 u ll a ^ 3 < 3 ] I?ab eine beftimmte <§uoerpd]t, 
baß id] mid? auf bie Dauer bort unmöglid] mad?e! 
Den (Eag werb id] preifen. (ßlaub mir, Kroib, es ift 
fein äftf?etifd?er (ßenuß, ben ^eiligen Bureaufratius 
täglid] nacft 3U fel]en, unb es gefd]el?en oiele Dinge 
3wifd?en tinben unb £eip5igerftraße, oon benen bie 


IPeisljeitbesSteuersafyfers nid?tsat]nt. Kd] — malfyeraus! 
— weg aus Berlin — weld? eine IPoune. freies 5 elb. 
(Eine Beif?e pappein — ein StücF Ci^erne, in ber 5 erne 
eine Kompagnie IPinbmüf]len — Sonne — IPalb — 
weiter fjimmel — o, id] l?ab eine Finbifd?e Set?ufud]t, 
einmal wieber 3ur Entenjagb l?ol]e (Efyranpiefel an3iet]en 
3U biirfen. Kinb meines f]er3ens — begreifP 

bu bas mirflid? nid]t?" 

„ 3 d? b^be nod] nie f?ol?e (Etjranpiefel angetjabt," 
erwiberte bie fd]öne (Efcelleus etwas fropig. 

3f?r (ßatte lernte beluftigt feine mächtige (ßepalt in 
ben KrmPuf)! 3urücf. „<D — il?r ptjilijier! Sie nimmt 
es fd?on wieber ernp. Sie F?at fd?on wieber KngP, baß 
id? pe nad] Sibirien l?eimf d]leppe. 3 mnter füllt 
pe auf mid] rein — immer. Unb babei f?ab id] iB?r 
bod] heilig oerfprod?en, l?ier am grünen Stranb ber 
Spree 3U bleiben — im DienP unb als abgetjalfterte 
Staatspüße erP red]t. 5 reilid] nid]t gern. 3 < 1 ] bin 3U 
naio für Berlin, gerabe wie unfere unortl]ograpf]ifd]en 
Porfafyren. Die plünberten and] grunbfäßlid] nur 
außerhalb unb Famen erP 3uguterle(3t in bie Stabt herein, 
um pd] auf allgemeines Perlangen föpfen 3U laffen. 
Die Quißows waren eben Feine (Sefyeimräte, fonbern 
notleibenbe Baubritter — eine tüd]tige (6efellfd]aft troß 
allebem — was, Kroib?" 

Der blape junge 5 orfd]er läd?elte nur. 3 ^ biefcnt 
KugeitblicF war er feinem Pater äf?nlid]. 3 ” beiben 
regte pd] bas alte troßige 3 wnFerblut ber Biarf. 

„Du fparP beine IPorte," fagte ber alte b]err be¬ 
trübt. „bjaft red]t. Du 3at]lft in 0 ?aten. Unb id] 
pß ba unb rebe. Unb getimt fyab id] nid]ts. Kls 
pfyiliper F?ab id] gelebt, als ptjilifter werb id? perben 
unb war bod] Feiner. Über 3U fd]wer an Blut, 3U 
fd?wer an Knod?en, oiclleid]t aud? 5U fd?mer an (6el]irn. 
Ulit fold?em (Sepäcf Fann man nid]t wie ein E]anbwerFs* 
burfd?e burd?s Ceben bummeln. Da bleibt man ftill 
im Sd?loß feiner Päter unb enbet in ber piUen iPil- 
l?clmpraße. Unb oon bort führen pe bei ber leßten 
BTasFerabe, bei meinem Begräbnis, einen UTanbarinen 
auf ben Kird]F?of, ber eigentlid? gar feiner war, fonbern 
im (ßrunb feines £]er3ens ein gan3 gottlofer Strold]. 
Unb alle EPelt t?at ipn um feine bleierne firbenlaP — 
um Bang, Kbel unb Beidjtum — aud? nod] beneibet. 
Kd? nein, il?r junges PolF — leid?t unb tF?örid?t follt 
man fein wie ein 5 lol?. £in Springinsfelb 00H fonniger 
Dummheit. Dann lernt man bas DümmPe auf ber 
U)elt nid?t Fennen — bie Beue. 3 ^ feib aud? 

fd?on oiel 3U eruft für eure 3 a ^ rc * /# 

Seine Stimme war bei ben leßten Säßen tief unb 
murmelnb geworben. <£r faf? oiel älter aus, wie er fo 
bas mächtige ffaupt auf bie Bruft pnfen ließ, pnßer 
oor pd] Ipnbrütete unb bann wieber begann: „Klles 
umfonft. Da l?at man nun feinen Sd?weiß bei ber Per* 
waltung feiner (Siiter, feine (Einte im Staatsbienß oer* 
goffen unb pßt nun ba ol?ne Cebensquittung in ber 
^anb, ot?ne eine red]te (Erinnerung. Das war alles ewig 
|o nüd?tern unb farblos — altpreußifd? — eine fd]nur* 
gerabe pappelallee ooit ber IPiege bis 3um Ceid?en* 
pein. Unb an bem dämmert oielleid]t fd?on irgenb ein 
Steinmeß oor bem £jallefd]en (El]or, ol?ne baß id? es weiß.* 


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Hummer 30. 


Sette {595« 


Die Beiben aubent mußten nid?ts Hechtes bet biefetn 
plöfelidjen Umfdjlacj feiner Stimmung 3 U erroibern. 
<£5 entflanb ein Fu^es Sd?t©etgen. Dann richtete ftd) 
ber alte HecFe plöfelid? auf, Beiter unb elaftifd? t©ie 3 U©or. 

„Ha — ba mir’s ja," fprad? er rafd], t©äB* 

renb bet Diener eintrat unb ibm halblaut einen Hamen 
mclbete. „Stöffel*Stier, ber meland?olifd 7 e Ejausfnecbtl 
Unb in bringenbfter Angelegenheit? Schön. 3d? fomme. 
Der 3 eib / Ar©ib, aber es betrifft bidj. 'Die Seüingfd?en 
fjänbel. Hee — bleib nur pfeen, mein Sohn. 3d? bänbige 
meine Heptile nid^t gern ©or beugen. 3 ^? ba nebenan 
hinein. Unterhalte bu bidj nur tn 3 t©if d>en mit 3”tta." 

<£ 1 * marf bie lefeten Säfee leicht hi”/ aber bod? ©oll 
innerer Unruhe. IDemt er bie beiben jefet allein liefe 
— mürben jte ftd? etmas 3 U tagen haben? €r Hopfte 
feinem Sohn, B”tter beffen Stuhl tretenb, auf bie Schulter. 

„Du mufet eben benFen, Ar©ib, bu h^ttefl bei beiner 
HücfFehr eine Schmefier uorgefunben — bie meinet- 
megett irgenbmo bet Dermanbten in ber 5 erite aufge- 
machfen ift, fo bafe bu fie nie h a ft (ernten lernen. Unb 
nun tfi fie eben mieber ba unb ihr feib bod? eben mit- 
einattber ©ermanbt unb nun fcfcaut, bafe ihr gut mit- 
einanber ausfommt, Kinber! Auf IDieberfehen!" 

£r iticFte ben beiben freunblidj 3 U unb burchntafe 
mit langen, muchtigen Schritten ben Baum bis 3 ur 
Chfire, bie fidj geräufdjooll hinter ihtn fd?lofe. (Bleich 
barauf fragte 3 ”tta, rafd?, um ja feine peinliche paufe 
eintreten 3 U laffen: „Hun — mie ftnbeft bu papa?" 
,<£r hat ftch ©eränbert." 


„Hid?t mahr? €r felbft behauptet aud} immer, er 
fei minbeßens um fünfjehn 3 <*B rc ©erjüngt." 

„ 3 a. €r ift noch ©iel lebhafter als früher . M 

So fprad} Ar©ibs Ulunb. Aber in feinem Kopf Hangen 
bie gleichen Säfee anbers. Der Vater flöfete ihm Sorgen 
ein. dr mar 3 U betriebfam gemorben. 5 u eilig. 5 U 
laut unb leutfelig mit Bi'xni unb Kun). Die Stimmung 
fchlug jäh hm unb fax. Das Sd?mergemicht fehlte. 
Statt beffen IDorte — ©iel, aÜ 5 U©iel IDorte — unb 
manche melfe barunter, fjerbfoeichen. €r mürbe alt 
ober ©ielmehr — er mar es fchon in feiner Unraft. 
Denn bie Angft ©or bem Alter — bas mar ja eben 
bas Alter felbft. 

Unb laut fagte er: „Ejoffentlid] bürben fte ihm im 
UTinifterium nicht 3 U ©iel auf." 

„Ad? — bas Fann er ftch einrichten. Der Ar 3 t 
meint, es fei gerabe in feinen 3 ah**n ein (ßlücf, mettn 
man eine beftimmte (EhätigFeit hat." 

Sie rebete gan 3 unbefangen ©on feiner Betagtheit. 
Unb ebenfo fuhr fte fort: „papa hat ja eine fo ftarfe 
KonfUtution. ZDenn man fonphier feine abgearbeiteten unb 
Derbrauchten Kollegen pefyt ... er ift ein Hiefe bagegen." 

<£r niefte ftumm. <£s berührte ihn feltfam, bafe fte 
fo einfach aon ,papa‘ fprach, als märe er mirFlich ihrer 
beiber Vater. Unb fte Bruber unb Schmefter, mie 
jener ©orhin halb im Sd?er 3 meinte. Dem Alter nach 
ftimmte es mohl. Sie mar fünf, fedjs 3ahrc jünger 
als er. Unb fchöu — bas fagte ihm fein Auge, bas 
ernft auf ihr ruhte. (fortfefeung folgt.) 


c - ^ -> 

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. 

Beobachtungen über bas XVtrtfdjaf tsleben ber Bereinigten Staaten ©on Amerifa. 


Don Eudwig iftax 

II. 

Arbeit unb IDerFftätten. 

Der freien mirtfchaftlidjen Betätigung ift in ben ber¬ 
einigten Staaten nirgenbs hemmenber §mang angettjan. Die 
Hegterung ber dt^elftaaten mie bie Bunbesregiernng iji 
mit ben Bürgern eins in bem Beftreben, bie roirtfdjaftlidje 
(Brofee bes £anbes 3U lieben. VerFehrs* ober BaubefdjränFungen 
beftehen nur in ©erhältnismäfeig geringem Umfang, übrigens 
nicht gleichmäßig in ben ©erfebiebenen din3elftaaten. 

Iber ein (BrunbftücF bepfet, barf barauf ein (Befdjäfts* 
gebäube fo hod? errieten, mie er mag, unb Feine anbere (Brenje 
als bie ber tedjnifdjen UTöglichFeit ife ihm babei geftellt. Iber 
ein JVarenhaus entrichtet, ber tffut es nach ben ihm beFannten 
ober ©on ihm ©orausgefefeten JDünfchen bes publiFums, unb 
Feine Befjorbe mifcht ftch aus (Brünben ber Sicherheit ein. Der 
Unternehmer mirb nicht beoormnnbet unb bas pubtifum auch 
nidjt, bas felbft bie Augen offen 3u halten gemöhnt ift unb 
in biefer (Semöhnuttg erhalten merben foll. Die Ziehung 
ftellt bett IHenfchen auf fleh felbft unb giebt ihm für Denfen 
unb fjanbeln bie £ebensregel: „£}tlf bir felbft!" Ungemein 
charaFteriftifch iß, mas ich mährenb meines Aufenthalts in 
SübFalifornicn fah- Bei bem h* rr lich gelegenen doronabo 
Beacb führen langgeftrecfte (fufegängerbämme einlabenb in 
ben Stillen ©3ean hi nfl us. An ber Dämme Anfang aber er¬ 
zähl* ein behörbliches Schilb mit mächtigen £ettern: „IDer 
^iefe BrücFe betritt, thut es auf eigene Gefahr." 


Goldberger, Berlin. 

t 

Die öffentlichen Anlagen finb überall nur Uufeanlagen 
im engften Sinn. Auf nichts roirb geartet, als mas bem 
DerFetjr felbfe bient. (Brofee Dorpchtsmaferegeln im difertbahn» 
betrieb merben nicht für erforberiieh angefehen, mohl aber 
bie bejten £oFomotioen, 3ugleich in ben fern3ügen mit aUen 
BequemlichFeiten bes Beifens ausgerüftete Speife-, Schlaf- 
unb BibliotheFsmagen. Bahnbarrieren finb nicht ©orhanben. 
Schilber mit ber Auffchrift: „Artung! U^agettl" gelten als 
ausreicbenber Schüfe. Auf ber enblofen Atcbifon (EopeFa anb 
Santa ^fe*difenhahn bemerFt man nur ©ereinjelte Bahnmärter- 
häufer. bjier unb ba liegen 3ur Seite bes (Bleifes einige 
drfafefchienen für ben (fall raf<h benötigter Ausbejferungen. 

dine Art Arbeitsfanatismus bcherrfcht bie (Bemüter. 
Die Arbeit ift in ben 3 n & u f ,r ie3entren fo inteupo, bafe pe 
faum eine anbere drholmtg als ben Schlaf 3uläfet, unb bes- 
balb pttb, menn man ©on ben grofeen Stäbten abpeht, bie 
(Einrichtungen für meltliche Vergnügungen überaus fparfam. 
IVo es bem (Befchäft gilt, mo man ber ermerbliehen, Fauf- 
mäitnifchen (EhätigPeit nachgeht, felbp an Fleiueren unb ent¬ 
legenen piäfeen, pnbet man Rotels, bie mit allem Komfort 
unb mit überraphenbem (Blanj eingerichtet pttb. Die dr* 
holungspläfee bagegen bieten nur mäßige Unterfunft, fchlechte 
tVege, mangelhafte VerFehrsmittel. Die BaftlopgFeit fdjliefet 
bie drholung aus, bie ber ameriPanifche (Bemerbetreibenöe 
aud? gar nicht baheim fud?t. f^at er (Selb übrig, mtll er 
für Furje §eit raften unb pd? ©ergnügen, fo geht er nach 
duropa. 3 m eigenen £anb Pennt er faum etmas anberes 


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Seite 1396. 


stummer 30. 


als bas (Sefdjäft, hat er nur für biefes Sinn, fo 3war, baß 
fogar non ben IBohUjabenben nur wenige bie lanbfdjaftlichen 
Schönheiten ber fjeimat Fennen. • Don ben Bewohnern bes 
0 ßens fjat nur ein Fleiner Ceil bas fonnige Stücf (Erbe bes 
fernen JDeßens mit feinen Blüten unb Blumen, mit feinen 
früdjten unb IDeinbergen, mit feinem milben uitb reinen 
Fjitnmel, mit feinen palmen unb 0 rangen gefeheit. Das er* 
flärt ßd? Feineswegs aus Abneigung gegen bie Itatur ober 
aus befonberer Iteigung 3ur SeßhaftigFeit. Bad? bem IDeßeit 
geht man eben nur, wenn man im 0 ften nid?t (Erfolg gehabt 
bat, ober wenn man fein Arbeitsgebiet ausbefynen will. Daun 
freilich iß manfd?nell 3um Aufbruch entfdjloffen. Das^b^tigPeits* 
felb ift weit, unb w unbegren3te IHöglid?Feiten" hatman oor ftd?. 

Der Arbeitsfanatismus, oon bem ich eben gefprodjen 
habe, beginnt bereits in jungen 3ah**n. 3nng n>ie 3n* 
bußrie bes £anbes ßnb auch bie Seiler großer Betriebe, bei* 
nabe noch 3 ö n 9 ^ n 9 e * Anbrerfeits giebt es brüben Faum 
Männer, bie fich als Beniner jur Bube fegen, aud? wenn fie 
Millionen erworben haben. Sie wagen ben (gewinn ober 
hoch einen großen (Teil baoon immer aufs neue, unb fo 
häufen fid? im fall bes (Erfolgs bie großen Dermögen, bie 
übrigens nicht feiten — im (Segenfag 3U ben oft bemonßra* 
tioen Aufioenbungen, bie id? früher ermähnt h a & e — ücn 
ben Beßgern mit föniglicher fjanb wieber gemeinnügigen 
gwecfen 3ugefübrt werben. Als ein erfreuliches Symptom 
iß es ai^ufeben, baß biefe BiefenfcheuFungen nicht minber 
wie Fleinere (Sahen, abgefeben oon ben IDerfen reiner Häuften* 
liebe, in beträchtlichem Umfang ber förberung bes Unter¬ 
richts unb ber IDiflenfchaft gewidmet werben. 

IDie ber Entfaltung bes iDirtfdjaftslebens nirgenbs f efleln 
angethan ßnb, fo befteht aud? im Derfehr ber ITTenfcheu unter* 
einanber bie größte Bewegungsfreiheit, allerbings oft in uns 
befremblicben formen, groifdjeu ben jeweiligen Machthabern 
unb bem Dolf hat ß<h naturgemäß ein gan3 anberer gu* 
fammenbang ergeben als in ben Monarchien; unb ba brüben 
nod? alles neuer ift, fo möchte ich behaupten, fogar nod? 
weit freier unb unbis3iplinierter als in ben BepubliPen ber 
Alten IDelt 

Daß ber „BefpeFt oor ber Autorität" in ben Bereinigten 
Staaten nicht übermäßig ausgebilbet iß, Fann nach bem eben 
(Sefagten Faum wunber nehmen. Das läßt aud? ein freutib* 
lidjes Behältnis 3wifchen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer nicht 
red?t aufFommen. Es machte einen eigentümlichen EinbrucP 
auf mich, als id? in ben „Union 3 ™n IDorPs" in San f rancisFo 
mit bem Schöpfer biefer Werte, 3 *wng' Scott, burd? bie Um* 
gebung ber Anlagen ging unb wahrnahm, baß oon allen ben 
Arbeitern, bie wir auf bem IDeg 3um Mittagejfen trafen, 
Faum einer feine Müge oor bem in Ehren ergrauten Mann 
30g, ber eine gierbe bes ameriFanifcheu (Sewerbeßeißes iß. 
Unb ße Fannten alle 3 ™ing Scott l Auch werben pettßonen 
unb Buhegehälter in gefdjäftlidjen Betrieben nur in ben 
feltenßen fällen gewährt. IDer nicht mehr im oollen Um* 
fang 3U arbeiten oermag — felbß wenn er in bem gleichen 
Betrieb alt geworben iß — muß gehen; rücfßd?tsIos erhält 
er feinen Saufpaß, er hat jüngeren Kräften 5U weichen, bie 
arbeitsfähiger ßnb. So erforbert es bas 3 ntere ff* &es <Se* 
fchäfts, unb etwas anberes barf nicht in frage Fommen. 
„Ejilf bir felbß", fo h ei ß* es aud? fß er * H?i* fyaben gute 
Söhne unb Honorare gejault — baoon hätte genügenb 3urücf* 
gelegt unb für Alters* unb Sebensoerßdjerungsprämien oer* 
weubet werben Fönnen. 3 « benBanF* ober 3 nbußriegefellfchafts* 
bilan3en höbe ich, foweit ich mich entßnne, penßonsfonbs für 
Beamte gleichfalls nicht gefunben. Einige größere Eifenbahn* 
gefellfchaften beginnen allerbings mit ber Einrichtung oon 
penßonsanßalten. Das ßnb aber 3unächß Ausnahmen. (Se* 
meinfame f eßlichFeiten ber Arbeitgeber mit ben Arbeitnehmern 
aus Anlaß eines befonberen (Sebenftags gehört 3U ben größten 
Seltenheiten, gwei (gruppen ßehen ßch in bem Arbeitgeber- 
tum unb in ber Arbeiterfdjaft gegenüber — ohne innere 
gufammengehörigFeit unb ohne „BefpeFt oor ber Autorität" 
— jebe partei beßrebt, fo oiel 3U gewinnen, wie nur möglich iß. 

Man muß aber bas DolP ber Bereinigten Staaten bei ber 
Arbeit felbft gefeiten haben, um begreißid? 3U ßnben, baß es 


leißen Fonnte, was es gelcißet h a * ün & 3 U fctß en fortfährt. 
Mafchinen überall, um im (großen 3U fdjaffen, unb bie Arbeits* 
teilung fo fehr burchgeführt, baß fdjließlich ber Menfd? felbß 
entweder 3ur Mafchitie ober 3um Auffetjer einer Maldjine 
geworben iß. 3 m (ßegenfag 311 Europa, wo in langem ge* 
fchid?tlichen IDerbegang bie felbßänbige 3nbioibualität eine 
ber ßhönßen unb ebclfien Blüten ber Ausbilbung war, hatte 
in ben Bereinigten Staaten urfprünglid? bie feltfante Paarung 
oon freiheit unb harter wirtfdjaftlicher HotmenbigFeit, bie 
wunberlidje Berbinbung einer menfchlidje Sagungen nur iit 
befchränFteßem Umfang Fennenben unb anerFennenben 
SelbßwiüigFeit mit rücFßcbtstofem gielbewußtfein bahin ge* 
führt, baß ein BolF oon felbßherrlidjen 3 nbioibuen bei ber 
ßhaffenbeu (EhätigFeit auf alles Eigenfein oe^idjtete unb ßd? 
gan3 unb gar in ben Dienft bes ArbeitS3wecfs (teilte. IBo 
es möglid? iß. bie Arbeit in einielne bjanbgriffe 3U 3erlegen, 
ba wirb ber ein3elne bjanbgriff 3um Beruf gemacht, weil ba* 
mit eine Uebung gewonnen wirb, bie eine größere Sicherheit 
in biefern Ejanbgriff giebt unb feine h^ußgere IBieberholung 
in einem beßimmten geitmaß 3uläßt. Der £eiter ber IBeßing* 
houfe Electric Mfg. Eo. in pittsburg, ein DeutfchameriFaner, 
fagte mir: 

„Der große Erfolg bes amcriFanifchen tDettbewerbs 
beruht, abgefehn oon ben unermeßlichen Schägen bes 
Bobens, 3um (Eeil auf bem mafchiuellen Erfag ber Menfd?en* 
hänbe, auf Sd?nellbetrieb, auf Kon3entration bes Betriebs* 
— 3um (Eeil aber aud?, unb 3U einem wefentlichen (Teil, 
in ber Spe3ialißerung ber Arbeitsgebiete, unb oor allem 
in ber notroenbigen Spe3ialißerung ber Arbeiter, benert 
wir bod? gaii3 anbere Söhne 3ai?len, als Sie brüben! Unfere 
Arbeiter bleiben in ber gleichen IBerPßätte, an berfelben 
DrehbanF, an bemfelben Krahn, an berfelben Mafdjine; ße 
werben nie oon einer Abteilung in bie anbere gefd/icFt, ße 
werben immer 3U ber gleichen Arbeit oerroeubet. So ge¬ 
winnen ße an ber Stelle, an ber ße ßehn, eine außer¬ 
gewöhnliche fertigfeit — ße werben Spe3ialißett in ihrem 
fach, in bem Bereich ih«* Arbeit, unb leißen burd? bie 
jahrelang getätigte Uebung quantitatio unb qualitatio in 
acht Stunben oielleicht mehr als ein Arbeiter brüben in 
ber hoppelten geit l So fallen bie hohlen Söhne für uns 
gar nid?t in bie IBagfchalel" 

gwecfentfprechenb oerfahren — bas iß ber (Srunbfag ber 
3 nbußrie in ben Bereinigten Staaten. Man ift auf bas 
äußerße fparfam bei ber probuFtion, aber nicht, inbein 
man Fargt, fonberit inbem man Feine Ausgabe fd?eut, bie 
irgenb einen Ertrag oerfprid?t. Der Amerifaner wirft eine eben 
geFaufte Mafd?ine 3um alten Eifen, wenn ße nicht 3wecFent* 
fpred?enb iß, um alsbalb ein beßeres Mobeil 3U erßehn; er 
hat bas bjer3, überall bie teuerßen unb beßen Spe3ialmafchinen 
an3ufchaftcn. 

gwecfentfprechenb oerfahren — bas iß ber (Srunbfag ber 
3 nbußrie in ben Bereinigten Staaten, unb bas giel iß ein 
boppeltes: felbß für ben heimifchen MarFt 3U forgen unb ben 
Sanbesreichtum unb bie Sanbesfraft burd? (Sewinnung frember 
MärFte für ßch fruchtbar 3U mad?en, wobei burd? intenßoe 
BeroollFommnung ber (Eechnif einerfeits bie äußerße Ausnügung 
ber Bohmaterialien, anbrerfeits ber allmähliche Uebergang 3ur 
Erseugung oon qualitatio hochßehenben JBaren fd?arf in ben 
Borbergrunb tritt. Es iß begreiflich, baß bem unermeßlichen 
fortfehritt ber Bereinigten Staaten in ber probuFtion unb Ber* 
Wertung oon Bohftoffen bei 3unehmenber BeoölFerung ber wirt* 
fchaftliche Umfd?wung folgen mußte. Es war gar nid?t anbers 
möglich, als baß ein £anb, bem unaujhörlich Arbeiter ber 
oerfchiebenßen (Sewerbs3weige aus ber Alten IBelt 3ußrömten, 
ßch auf bie Dauer nicht bamit begnügen mochte, ben Qanb* 
langer ber fremblänbi(chen 3 n & u ß*i e ab3ugeben, ihr bie 
Materialien 3U liefern unb bie oerarbeiteten ab3unehmen. 
Die natürliche Entwicflung oerlangte bas Eutßehn oon eignen 
3 nbußrien 30t DecFung bes hcimißhtn ^ebarfs. Der nächfte 
Scbritt war, baß bie unter bem goHfd?ug erßarFenbe 3 «^»ßriö 
ßd? erportierenb 3U bethätigen begann. Hicht langer geit hat 
es beöurft, um bas Beginnen 3a mächtiger Entfaltung aus* 
3uweiten unb ben f abriFatsejport immer erheblicher 3U ßeigern* 


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Bummer 3Ö. 


£eite ^597. 


Ulan null pd? burdjaus Dom Huslanb emanjtpterert, Be« 
fonbers ba, wo man in biefer Befreiung einen Porteil er¬ 
blickt. 2 Iuf oielen Sdjaufenjtern prangen P0I3 bie felbft- 
Bewußten IPorte: „Made in America.“ Beweiskräftiger als 
ßatifitfche galten ift ber faji überall beutiidj erkennbare 
(Entwicklungsgang in ben betreffenben (Befdjäftsbetrieben. So 
ift 3. B. ber amerikanifche Bebarf an Spielwaren ein enor¬ 
mer; bie beutfd?e Husfuhr h a * pd? barauftjin um über 
400000 Dollar im legten 3atjr erhöhen können; pe wäre 
noch erheblicher gewefen, wenn pd? nicht jugleich in ben 
Pereinigten Staaten fehr Beachtenswerte Anfänge einer eigenen 
Spielwareninbußrie 3eigen würben. 3 ^? erwähne ferner 
bie probuftion ber amerikanifchen Seibeninbuftrie unb ihrer 
I?ilfs3meige, wobei in ber Seibeitftoff- unb Seibenbanbfabrifatioit 
ber mechanifche IPebpuhl ben in ber Ulten IPelt Dielfach 
noch oerwenbeten f^anbwebpuhl gä^lich Derbrängt hot. Der 
IPert ber 3 ahresprobuftion beträgt jegt Bereits naheju 
joo millionen Dollar. ^ebt weiter bie Saminetinbuftrie 
heroor. Die Einfuhr ip burdj bas Aufblühen ber amerikani- 
fchen Fabrikation erheblich 3urücfgebrängt worben. 3 n billiger, 
für ben maßenoertrieb geeigneter IPare ift bas amerikanifche 
Fabrikat an bie Stelle bes früher bominierenben auslänbtfdjen 
probukts in ber Ijauptfache getreten. 3 n Befagartikeln unb 
fjanbfdjuhen kommt gleichfalls bas Huslanb nicht mehr wie 
ehebem in Betracht. 3^ nenne außerbem bie Korbwaren« 
inbuftrie, bie fich in anfehnlichem Umfang in Hmerika auf« 
3ubauen beginnt 3 <h «innere fobann an ben ftarfen Huf- 
fchwung ber amerikanifchen gementinbußrie, bie 3ur geit 
nicht einmal ben 3 n ^ an bsbebarf 3U becken Dermag unb mit 
ifilfe moberner unb höchf* erfolgreicher Hrbeitsmethoben einen 
portreßlidjen Hrtikel probu3iert; an ber pa3ipfchen Küpe be- 
peht allerbings eine nennenswerte gementinbußrie nodj nicht. 
3 n Buntbrncke^eugnißen, bie noch Dor etwa 10 3 oh ren bei¬ 
nahe Dolipänbig importiert würben, entwickelt pch in Hmerika 
ein paunenswertes (Bewerbe mit Derhältnismäßig billigen 
preifen, 3ugleich in 3unehmenb guter Qualität, bank täglich 
neuen drpnbungen in ben chroinolithographifchen unb Der« 
wanbten DruckDerfahren. IPährenb duropa bem amerikanifchen 
Klavtt, wenn auch in befcheibenen Quantitäten gegen früher, 
immer noch F en f* er- mtb Tafelglas liefert, beherrßht bie 
amerikanifche (Slasiitbußrie in allen anbern ihrer Hrtikel 
ben heimifdjen IHarkt beinahe Dollkommen. 3 n gefdjlijfenem 
(Sias leipen bie amerikanifchen IPerkßätten Ijeroorragenbes 
unb führen felbp bei Derhältnismäßig teuren preifen bereits 
jegt nid?t unerhebliche mengen nad? duropa aus. 

Huf ber anbern Seite ift ber augenblickliche 3 nlanbsbebarf auf 
manchen probuktionsgebieten ein fo überragenber, baß man 
an ben (Export überhaupt nicht benken kann. Da3U kommt, 
baß man Dielfach in ben mittleren Betrieben bie richtigen 
<E£portbe3iehungen erp 3U organiperen unb auf3ubauen 
anfängt. 

Huf bie F ra 9 e ' Deutfchlanb wohl ohne amerikanifche 
Hohbaumwolle auskommen wolle, ip biesfeits mit ber (Segen¬ 
frage geantwortet worben, an wen bie Hmerikauer ihre Baum¬ 
wolle uerkaufen wollten, wenn Deutfchlanb tn abfehbarer geit 
in ber Sage wäre, pch in erhöhtem maß aus alten probuktions« 
länbern ober aus neuen probuktionsgebieten, nach F cr ^9* 
pellung ber Bagbabbahn, 3U Derforgen. »Kn niemanben,* 
erwiberte mir ein Beuyorker Kaufmann, »wir Derarbeiten 
bie Bohbaumwolle einfach felbp unb werfen bie Fobrikate 
auf ben IPeltmarkt.* — Das ift eine jener „titanifdjen" 
Uebertreibungen, bie pdjer nicht gaii3 ertip genommen fein 
wollen. din in feinem Urteil abgeklärter, h erüorra 9enber 
Sachoerpänbtger auf bem (Sebiet bes Baumwollwaren* 
gewerbes fagte mir aber: 

„IPir könnten fdjon jegt oiele Hrtikel nad? duropa 
bringen, mit Bugen felbft in bie burch götle gefügten 
Sänber. IPir thun es aber nicht, ba ber europäifche Kauf¬ 
mann Diel eigner ip, felbp bei billiger IPare, als feine 
Kollegen anbermärts. dr hot wohl mehr geit, bie IParen 
3u prüfen unb fo etwaige IHängel h«ous3ußnbeu. Kleinig¬ 
keiten, gegen bie er dinfprudj erhebt, überfeinen wir ge¬ 
wöhnlich, Dielleicht weil bie 3um (Srübeln uub F e ^^ er f* n ^ en 


aufgewanbte geit für uns größeren IPert hot, als eine 
Heklamation einbringett kann." 

I?Tein kunbiger F rcun b betonte ferner, was er nur auf 
fein Spejialgebiet bejog. was aber bodj, mit finngemäßer 
Hnmenbung. als typifch für alle Probuktionsgebiete bes 
amerikanifchen (Bewerbeßeißes gelten kann unb beshalb h* er 
erwähnt werben foll: 

»Die Seiftung einer Druckmafchtne ip größer, wenn 
pe ben gan3en dag über in ber gleiten geichnung unb in 
ber gleichen gufammenßellung Don Forben arbeitet, als 
wenn man pe ein bugenbmal anhält, um IParen unb 
Farben 3U änbern. IPir laßen unfere Ulafchinen nicht 
ftilipehen unb arbeiten lieber mit Perluft, ber allerbings 
*o pro3ent nicht überfteigen barf. Die 3nlanbsprobuttion, 
bie wir Iß« nicht uerkaufen können, geben wir an bas 
Huslanb 3U niebrigen preifen ab. 3 n fdßedjten geilen 
pnb wir aggrefftuer als in guten.* 

Seine Kusfüljrungen fchloß er mit ben bemerkenswerten 
IPorten: 

»UTit einer Beuölkerung uon über 80 millionen, bie 
alle in Sprache, drabition, denbenj gleich Pnb ober wenig- 
fteus es fein wollen, können wir alles in weit größerem 
ITCaßßab fabr^ieren als duropa, unb bie Hrbeitserfparnis, 
bie folch größerer ITtaßPab in ber Fobrikation geftattet, ip 
meiner UTeinung nach bieljauptquelle unferer Ueberlegenheit." 
Huf Dielen bebeutenben (Sebieten hot 3ubem ber ameri¬ 
kanifche Fobrikant oor bem auslänbjfchen Konkurrenten ben 
erheblichen Porteil uoraus, baß bie räumlich naheliegenben 
Betriebe eine promptere Hblieferung ber IPare unb eine 
fchnellere Berückpchtigung fpe3teUer IPünfdje gewährleißen. 
Huch Dermag pd? ber amerikanifche Fobrikant rafcher einer 
Henbermtg bes im £anbe h«rfd?enben (Sefchmacks an3upaßen. 
gubem beginnt er Dielfach, felbpänbige 3 bren, mufter unb 
Bonitäten an ben markt ju bringen, wobei ich allerbings 
ausbrücklich feftpellen möchte, baß bies 3umeip mit E^ilfe 
europäifdjer geidmer unb oielfadj auch mit Ijilfe europäifcher 
Krbeiter gefchieht. 

(Sroße Perhältniße 3eigen pdj, wie bekannt unb bereits 
oon allen Seiten befprochen, in ber (Eifen- unb Stahlinbußrie. 
Sie hot inlänbifche Uufträge in erbrückenber Fö^ e » nn b 
es fcheint gar nicht übertrieben, wenn uon einer „förm¬ 
lichen Panik ber Käufer* gefpro<hen wirb. F^ r bie haupt« 
fächlichften amerikanifchen (Eifenbahnen, beren dinnahmeu 
im Dergangenen 3 a h* rwnb 1400 millionen Dollar betrugen, 
136 millionen mehr als im 3°hr 3uoor, honbelt es pch nicht 
nur barum, neue Linien 3U bauen — es müßen, wie fdjon in 
bem uorigen Hbfchnitt angebeutet würbe, auch bie Diclfach 
üeralteten Schienenftränge erneuert ober umgeftaltet werbeiu 
(Eine große gahl wichtig geworbener Bebenlinien unb £okal- 
bahnen foll normalfpurig ausgebaut werben; auf einer £änge 
uon daufenben Don meilen werben bie leichten Schienen, ent« 
fprechenb ben Knforberungen ber ferneren inobernen £oko« 
motiren unb (Süterwaggons, burch fchwere Stanbarbfchienen 
erfegt. Huch fü* Brückenbau unb (Eifenbahnmaterialien, 
namentlich aber für £okomotiDen uub <£ars ip ber 
Bebarf außerorbeutlich, unb baher fd^eint es glaubhaft, 
wenn oerßehert wirb, baß bie einfehlägigen IPerke auf 
lauge geit hi n ous im I^eimatlanb mit gewinnbringenber 
Hrbeit Derforgt pnb. Bid?t weniger ßürmifch unb großartig 
äußert pd? bie Bachfrage für bie IHaterialien ber Derfdjiebenen 
Baugewerbe. KonPruktions* unb Foßoneifen aller Hrt werben 
bringenb begehrt, unb alte £ieferungen pnb feit IHonaten im 
Hückftanb. 3 m IPefien flocken thatfächlich bie ^Sauten feit 
Dlonaten, weil bie difenlieferungen ausbleiben. Huf biefe IPeife 
wirb bie probuktion Don difen- unb Stahlfabrikateu innerhalb 
ber Pereinigten Staaten felbp einen willigen unblohnenbenHbfag 
behalten unb, foweit bis jegt überfeinen werben kann, 3unächft 
Don fdparf unterbtetenbem IPettbewerb auf ben IPeltmärkten 
abfehen. Unb ba3u nergegenwärtige man pd?, baß, währenb 
ber Hoheifenbebarf ber IPelt in ber geit oon 1866—1870 
auf ben Kopf ber Berölkerung (7 pfuttb, im oorigen 3 ahr 
57 pfunb betrug, er ftd? in ben Bereinigten Staaten allein 
in 1901 auf 455 pfurtb gefteigert hotl 


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Seite 1393. 


Hummer 50. 


Unb nodj eine andere X^er^Ietd^sjaljI mag f}ter eingefügt 
fein: mähreitb oon ber amerifanifchen ©efamteinfuhr die 
Ejälfte europäifchen Urfprungs ift, geben bie Pereinigten 
Staaten Preioiertel ihrer Kusfuhr nach (Europa ab. Kbfolut 
ift bie Ausfuhr ber Pereinigten Staaten nach (Europa er^eblid? 
mehr als hoppelt fo groß mie bie (Einfuhr aus Cnropa. 
Piefes Perhältnis ifi feit 3 a h re a ungefähr fonftant. 

Kuf allen (Eebieten ber amerifanifchen <Süterer3eugung, 
in allen IPerfftätten amerifanifchen ©emerbeflcißes begegnen 
mir Biefenbimenftonen unb Hiefenjal^len. Ku<h bie im (Ent- 
fielen begriffenen jaljlreid^en Heuanlagen finb in ihrer jefet 
bereits erfennbaren Kusbehnung nicht minber impofant. Pa3u 
gehören in erfter Heilte bie IPerfe ber £acfamaitna Steel 
Company in Buffalo. Diefe merben bereinft baju berufen 
fein, ber Uniteb States Steel Corporation beträchtliche Kon* 
furrenj 3U machen. TPenn bie IPerfe in geraumer geit 
fertiggeftellt fein merben, merben fte ungefähr [ 300 000 Connen 
fdjmere unb leichte Stahlfdjtenen, Stahlfnüppel Unioerfal* 
platten, Konftruftionsftahl, fehlere unb leichte Stahlplatten 
probu3ieren fönnen — ungefähr *o pro3ent ber probuftion 
ber Pereinigten Staaten. 

Cin charafteriftifches UTerfmal, bas fich bei bem Knblicf 
ber amerifanifchen IPerfe in ben Porbergrunb brängt, ift, baß 
im allgemeinen auf bas Keußere ber Knlagen nicht ber TPert 
gelegt mirb mie anbermärts. Pie (Sebäube finb einfach unb 
prunflos; häufig finb es nur mächtige Bretter* ober tPellbIe<h- 
fdjüppen, in benen bie mertoollften PTafchinen untergebracht 
finb. Selbjt bie Carnegiemerfe ber U. St. Steel Corporation 
in pittsburg*£jomefteabt, bie toohl bas ©roßartigfte unb Poll* 
fommenfte auf bem (Sebiet ber (ßefamtanlagen non tjodjofen, 
Stahl* unb IPa^merfen barjiellen, entbehren jebes äußeren 
Sdjtnucfes. freilich, tritt man in bie IPerfe ein, fo fühlt 
man ftd? in eine IPunber* unb gaubermelt perfekt. Per £aie 
mochte an bas fPalten unfichtbarer (Seiffcer glauben, menn er 
fteht, mie durch mechanifche Porrichtungen in einem ununter¬ 
brochenen gug bas Hohmaterial bis 3Uin fertigen probuft ge¬ 
führt unb bas fertige probuft 3m Perlabung gebracht mirb. 

Kus ber fülle bes Beobachteten oermag ich immer nur 
einige Beifpiele h cc aus3ugreifen, am an ihnen, menn aud? 
nur in gebrängtem Kbriß, bas toeite ITTaß unb bas eigen¬ 
artige ber amerifanifchen probuftion 3U beleuchten. 3 n ber 
IPeftinghoufe Clectric UTfg. Co. in pittsbürg, beren Kn lagen 
aud? äußerlich einen überaus ftattlidjen (Etnbrucf machen, 
mürben, als ich im 3anuar boirt mar, oier sooo-Kiloroatt* 
mafchinen fertiggeftellt, bie für ben eleftrifdjen Betrieb ber ur* 
fprünglich mitPampfbetrieb eingerichteten „(EleoatebBailroabs" 
in Hem IJorf in Kuftrag gegeben maren. 

3n bie mir eben ge3ogenen ©regelt fallen nicht minber 
bie Knhäufer Bufch*Brauerei in St. £ouis unb bie pabft 
Bremery Company in JTlilmaufee. Pie Ungenannte Brauerei 
er3eugt jährlich faft \ ütillion Barrels Bier (i Barrel ift 
gleich \,\8 ffeftoliter). Pie Knhäufer Bufch*Brauerei hat es 
auf naf)e3u 1,2 Millionen Barrels gebracht. UTit biefer 
Brauerei ift für ben f lafchenbebarf eine (ßlasfabrif oerbunben. 
Bei pabft fah ich eine antomatifebe PTafchine, bie ftünblich 
neuntaufenb flauen meidet, ausfpült unb oollfommen 
reinigt. 

3n ben „Karitan Copper tPorfs" in perth Krnboy, H. 3- 
oeranfdjaulidjte fich mir ber ProbuFtionspro3eß, ber bie 
Krbeitsinethoben ber „alten unb ber neuen geit" — fo nannte 
ber £eiter ber IPerfe bie 3 a h re und 19°° — in 3n>ei 
nebeneinanberltegenben, meitgebehnten ©ebäulidjfeiten Fenn* 
3eichnet. tjier mie bort erfolgt bie Parftellung bes IPerbe* 
ganges bes Kupfers burch Höftung ber Kupferer3e, Perfchmel* 
3ung mit Kohle unb gufdjlägen, <Sarma<hung in flammen* 
Öfen bis 3um fertigprobuft in Kupferingots — mit bem 
Unterfchieb, baß in ben jetjt neu eingerichteten tPerfftätten 
technifd? oeroollfommitete unb oon nur menigen Krbeitern 
gemartete Plafchinen in Chätigfeit finb, bie bas hoppelte 
Quantum oon bem e^eugen, mas in ber noch in Betrieb 
befinblichen älteren Abteilung minber ausgetüftete Plafchinen, 
btbient oon einer oiermal fo großen gatjl oon PTenfchenhänben, 
3U leiften oermögen. 


3n ber oben ermähnten Ktthäufer Bufch*Brauerei finb 3ur 
fertigftellung oon 2000 Bufhels PTal3 im flurma^haus 
(b. h- beim ffanbbetrieb) ^2 Krbeitsfräfte benötigt, mogegen 
basfelbe Quantum im automatifchen Crommelmal3haus 
(PTafchinenbetrieb) mit nur 8 Krbeiterfräften er3eugt mirb, 
bas (5an3e, mie man mir fagte, mit einer folgen Koften* 
erfparnis, baß bas 3ur (Einrichtung bes Cromtnelmal3haufes 
angelegte, allerbings 3iemlich h°h e Kapital in fur3er geit 
abgefchrieben merben fann. 

3n Be3ug auf ben automatifchen Betrieb ift auch ber 
mafchinelle Porgang, ber ftd? in beit Kn lagen ber Hatural 
f00b Company, Hiagara falls, H. t}., oolljieht, in hoh*nt 
<5rab lehrreich. Port mirb in einem einigen pro3e§ ber 
lPet3en 3ermahlen unb bis 3unt reinen JPei3enbrob (shredded 
whole wheat Biscuit) fertiggeftellt, ohne ba§ ber Arbeiter, 
ber bie Plafchinen märtet, etmas anderes ift als ihr Kuf- 
feher, unb ohne ba§ bas fertige <5ebäcf bis 3um bftnein* 
fd?ieben in bie ©efen oon einer PTenfchenhanb berührt mirb. 
Pie fpäter oon PTenfchenhänben in bie Koftöfenhineingefdjobenen 
platten, auf benen ftch bas <5ebäcf befindet, merbeit in ben 
BadPöfen felbft bann mieber burch äutontatifche Porrichtungen 
fo lange auf* unb niebergef<hoben, bis bas <5ebäcf als fertig* 
probuft für ben Perfanb bereit ift. KUes ift eteftrifch be¬ 
trieben. Pie Kraft mirb oon ber Hiagara falls poroer 
Company geliefert, in beren Knlggen 3ur §eit oon nur 
15 Krbeitern 50000 HP bedient merben, mährenb eine 
gleiche Kn3ahl oon Kräften in einer neuen Knlage bemnädjft 
in Betrieb gejtellt merben foll. 

Pie IPerfe ber Peering ^ aroe P er £0. in Chifago fe^en 
in (Erftaunen. Sie nehmen in Be5ug auf (Sröfje, probuftion 
unb Kusftattung mohl mit ben erften piaft in ber EJer- 
ftellung oon Crntemafchinen ein. ^err Charles Peering machte 
mich auf bie Schöpfungen aufmerffam, bie aus feinen f abrifeu 
heroorgegangen finb, unb be3ei<hnete mir bie für bie ©efdjichte 
ber (Entmicflung ber (Eedjnif befonbers bebeutfamen Konftruf* 
tionen, bie bei ihm h er 9ejiellt morden ftnb. Pie f irma be¬ 
festigt 9000 Arbeiter unb unterhält 70 faufmännifebe 
f tlialen in ben Pereinigten Staaten. — Kus dem ungeheuren 
Slbfatj ber bjaroefter Company im £anbe felbft erhellt bie 
Blüte ber £anbmirtfchaft in ben Pereinigten Staaten. Pie 
Kauffraft ber farmer, fo fagte Ejerr Peering fei ber PTagftab 
für bas (Sebeihen ber Pereinigten Staaten und ihrer 3nbuftrie. 
(Er betätigte ^ugleidj, bafj bie IPohlhabenheit ber f armer, 
mie es fur3e geit oorher ber präfibent in feiner Botfchaft 
geäußert hatte, bereit eine augergemöh«liehe fei. 

3n ©ränge, H. 3-' M ^ TPcrfe oon (Ehomas Kloa 
(Ebifon, nämlich bas „£aboratory M unb bie „(Ebifon Phonograph 
IPorfs". fjerr Cbtfon seigte mir hierbei Piufter ber in ber 
„Cbtfon Storage Battery Company" h cr 9 e f tc W^n Kffuntu* 
latorenbatterien für Kutomobilfahr3euge. 3n biefer feiner 
neueften (Erfindung fleht er eine oollftänbige Ptmoä^ung bes 
Perfehrsmefens; hofft er doch, bag feine Batterien, ohne dafj 
fie felbft Schaben nehmen, es ermöglichen merben, bei ein¬ 
maliger £abung 85— joo engl. Kleilen = ungefähr *<*0 bis 
l«o Kilometer tPegfirecfe 3urücf3iilcgen. 3n einer ein3igen 
ber 3toölf Stationen der »Hem IJorf Cbifon Company" in 
Hem tjorf, in ber „IPater Sibe*Station", merben bis 3ur 
enbgütigen fertigftellung ber Knlggen \oo 000 HP bereit 
fein. 3n den (Sefamtanlagen ber Berliner Cleftr^itätsmerfe 
find für £icht* unb Kraft3mecfe 150 000 HP in Ch^tigfeit. 
KUcrbings hat Hem IJorf mit (Einfd?Iu§ ber Boroughs 3V2 JTTil- 
lionen (Einroohner. 3 n & cr »PTetropolitan Craction Company", 
Hem t}orf, finb für einen Ceti des eleftrifchen Straßenbahn- 
oerfehrs 3ur geit 60 000 HP in Kraft. 

Kuf den großen Schiffsbaumerften oon IPilliam Cramp 
and Sons in Philadelphia, bie ftd? aus fleinen Knfäitgeu 
allmählich 3U ihrem jefcigen Umfang ausgemeitet haben, 
maren mährenb meiner Knmefenheit 3mÖlf Schiffe im Bau 
begriffen, oon denen bie »Finnland" und „Cronlaitb" je 
*7 000 Connen Haumgehalt umfaffen. 

3 n &en -djiffsbaumerften ber „Union 3^° n iPorfs" auf 
ber andern Seite bes £anbes, an ber pa3iftfchen Küfte, in Sari 
^rancisfo, maren elf Sdpiffe, gleichfalls Kriegs- unb ifanbels- 


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Summer 50. 


fdptffe, im Ban. Dort ftnö 31»ei ITCafdjtnen in (DjätigPeit, 
eine „boring mill" 3ur ijerfteüung oon panjertürmeu unb 
panjerrtngen unb eine „hydraulic bending press", bie Sta^l* 
platten oon 2^ (fuß £ange ohne €rbiftitng in jebe erforöer* 
lidje, nodj fo fompl^ierte (form biegt. Serbe toerben als 
ein3igartig in ber amerif an ifcbeit Skiffs bantedjniF bejeic^net. 

Den AbermSltigenbften (Einbruch traben aüf midj bie 
„Buntham, IDilliams 6 c (£0. Balbmtn £ocomotioe IDorfs" in 
pbtlabelpbia gemalt Der (Srünöer ber <f abriF, fjerr ITCatttyas 
ID. Salbroin, hot feine erfie £oFomotioe „ 01 b 3 r ° n ftbes" 
für bie ptjilabelpfiia, (Secmantonm 6 c Horristomn Bailroab 
Company im 3 a h* \ 83 */ 3 2 fonftruiert 3 m (februar biefes 
3 aipes nmrbe bie 70 * 3 ahrfeter ber IDerFe nnb bie Qerßel* 


Seite {399. 

lung ber 3tvan5igtaufenbfien £ofomotioe fefiltdj begangen. 
IDie mir l?err Ulb. B. 3 0 h n foN/ einer ber (Eigentümer ber 
(firma, fagtc, tjat man (eitler allen oerlocfenben Anträgen, 
bie (ftrma in eine öffentliche 2lFtiengefeUfd?aft umjumanbeln 
ober fie mit anbern ÜoFomotiofabriFen 3a verfeineren, auf 
bas beftimmtefie mtberftanben. Die Jfirma befd? 3 ftigt 
t2 000 Urbeiter, im 3 a h r 190t hat fie *360 £oFomotioen 
hergeftellt unb wirb es in biefem 3<*h* onf bi® (fertigftellnng 
oon 1500 £oFomotiven bringen. 

gman3igtaufenb £oFomottven in einer (fabrtF her* 
gefteütl — fünf3ehnhunbert £oFomotiven bie Arbeitsteilung 
einer (fabrif in einem 3 a h f i — Drahtlich, bas £anb ber 
„unbegren3ten Alögl id? feiten " l («n brttter Urtifei 


CT ■ = ^” -—- ■■ =0 



6tm königliche forfcbungsreifende. 

öoit (Eugen lüolf, Kottmannstjöt) (Starnbergerfee). 

Jjierju 7 pl)otograpt}tfd?c Uirfnafynen oon ,$• ©rainer, tttfindjen. 


3n ber langen Seihe unferer * rotffcnfd^aftlicftcn 
Heifenben nimmt bie prin 3 efjtn k Ch®*efe t>on Bayern 
einen ehrenvollen piafe ein. Die prht 3 effin iji am 
12. Sovember 1850 geboren, als ein 3 ige Cochter bes 
prin 3 en Cuitpolb, beffen ©emahlin, priit 3 effin Augufta 
von CosFana, ftarb, als Prin 3 efftn tEtjcrefc 13 3 a h*e 
3 ählte. Die KönigiifBTutter BTaria nahm ftd? ber be¬ 
gabten prinjefftn an, bie 
für Sahir roi|jen fchaft unb 
Blathematif fchon früh* 

3 eitig Dorliebe 3 ei^te. 

Die gewonnenen wiffen* 
fchgftlichen Kenntniffe be* 
reicherte bie Prin 3 efftn 
burch Selbjijhtbium unter 
befonberer BerücFjtchti* 
gung ber Cänber* unb 
DölFerFunbe, Zoologie, 

Paläontologie unb Bota* 
nif. Außergewöhnliches 
Calent bejtfct fte für 
frembe Sprachen, bereit 
fie 3 toölf beherrfdjt. Dom 
3olp: \8?l ab unter* 
nahm bie prin 3 efftn aus* 
gebehnte Seifen, bie fte 
burch ganä Europa, Sorb* 
afrifa, Kleinaften, Sorb* 
amerifa, IDefiinbien, De* 
nejuela, Kolumbien, 

(Efuabor, peru, Bolivien, 

<£fyik t Argentinien unb 
Brafilten führten. 

Änter meifiens glücf* 

Geh burchgeführtem 3n* 
fognito hot prin 3 efftit 
Slherefe von Bayern 
it?re 5orfchungsreifeit 
unternommen, bie, unter 
ben befchtverlichften Um* 
flänben ausgeführt, reiche 
(Ergebniffe für bie IDiffen» 
fdjaft gebracht hoben. 


Sicht nur unfere BTufeen fönnen ftd? einer An3at?l h^chft 
feltener unb wertvoller ©egenjtünbe als <Sefd?enFe ber 
prin 3 efftn Ojerefe rühmen; fie hot auch m ber föniglidjen 
Seftben 3 in Blünchen eine eigene naturtoiffenfchaftliche 
unb ethitographifche Sammlung angelegt, bie manchem 
Blufeunt $ur 5'®rbe gereichen tvürbe. Den gewöhnlichen 
Seugierigen finb btefe Schofee nicht 3 ugänglid?, aber 

benen, bie tvirfliches 
3ntereffe an ben €rgeb* 
niffen einer 5orfchungs* 
reife hoben, werben fie 
von ber hohen 5rau ht 
liebenswürbigfter IDeife 
geöffnet, unb höufig über¬ 
nimmt pe felbfi bie 5üh* 
rung in ihrem Blufeum. 
Sie ift €hrenmitglieb ber 
©eographifchen <ße feil* 
fchoften in IHünchen, 
Ciffabon unb IDien, 
Chrenmitgtieb ber Afa- 
bemie ber IDiffenfchoften 
unb €h r ®nboftor ber 
phtlofophifd?en 5afultat 
ber EubwigBIayimilians* 
Univerfität in BTüncben, 
Chrenmitgüeb bes Der* 
eins für Saturfunbe 
ebenbafelbfi, ber Satur* 
wiffenfchoftlichen ©efeil* 
fchaft in Sürnberg, ber 
Anthropologifchen ©efell* 
fchaft in IDien, Forrefpon* 
bierenbes Blitglieb bes 
(gntomologifchen Dereins 
in Berlin u. f. w. 

3hr erfles umfang* 
reiches IDerF, teilweife 
mit eigenen 3^uftra* 
tionen, erfd]ien im 3ohr 
\885 unter bem Eitel 
„SeifeeinbrücFe unb 
SFt 33 en aus Bußlanb" 


pHnzerrtn Cberefc von Bayern. 


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Seite \^ 00 . 


Hummer 30. 


pon (Eh- p. Bayer, ©nt aitberes tVetf über ihre erfte 
Seife nad? Braftlien, an bem fie acht 3ahre gearbeitet bot, 
nimmt einen herporragenben plafe iit ber »iffeujchaft- 
lieben Citteratur ein. ©in brittes, auch 30 m (teil pon 
ihrer ^anb mit Zeichnungen perfehenes Bud?, bas fte 
im 3ahr J889 peröjfentlidtfe, führt ben (Eitel „Ueber 
Öen polarfreis /J pon (Eh t>. Bayer. 2 ln ffeineren 
Kuffäfcen aus ihrer 5 eber ftitb 
unter anberen befannt: „Kusflug 
nach (Eunts", „Kngufta 5erbi- 
nanbe, prin 3 effut Cultpolb oon 
Bayern, geb. prinjejfin pon (Eos- 
fana", „Cattleya Scbiüeriana 
£inb, Beuberts beutfdies ©arten- 
magajin \89l", „Ueber einige 
5ifd?arten 2Tte£ifos unb bie Seen, 
in »eichen fie oorfommen* (Senf- 
fchriften ber mathematifch-natur* 
u>iffenfchaftlid?en Klaffe ber 2lfa- 
bemie ber IViffeitfchaften 3 U IVien, 
Banb LXIL); ferner „Zmecf unb 
©rgebniffe meiner im 3 ohr J 898 
nach Sübamerifa unternommenen 
Heife" u. f u>. Hufterbetit ftnb in 
Zimmermanns „5ürftlid?e Schrift- 
fteller bes 19- 3 ohrh*mberts" *>er- 
fehiebene ©ebtehte ber prin 3 efjtn 
peröffentlicbt. 

jm 3 ohr \888 unternahm 
prht 3 effin (Eherefe mit einem gait 3 
fleinen ©efolge eine fünfmonatige 
Seife nach Braftlien, \893 eine 
3 »eite 5orfchungsreife nach Horb- 
amerifa, auf ber fte oon Kanaba 
bisSübmejifo fteb 3 ehn oerfdjiebene 
3 nbianerftämme fennen lernte. 
Hach Verarbeitung ber roiffen- 
fchaftüchen Befultate biefer Heile 
folgte \8ty8 eine britte fechsmonatige Heife nach 
Zentralamerifa, nach ber IVeftfüfte oon Sübamerifa 
unb pon ba lanbeimoärts über bie Kuben nach ber 
©jlfüfte pon Sübamerifa, in Begleitung ber Baronin 
£aro<he unb bes Kammerherrn Baron Ulbert SpeibeL 
3 n ethnographifcher Be 3 iehung am intereffantejten bürfte 
bie Heife 3 U ben Botofuben getoefen fein, am Hio So^e 



KopfTchmudt 
einet ^ererofran. 
(Dentf djf ftbmeftafrifa.) 



VUldhauthemd des Indianerhäuptlings 
©ne Bull, 

oon Kugeln burd?löd?etL 




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JUbcnsgerchtchte eines Indianers, von ihm in färben aufgemalt. 


in Brafilien \ 888 . 

Canbjdjaftlkhe Hei^e 
boten am meiften bie 
5 ahrteit auf bem 
Uma 3 onenftrom unb 
bie Heifen im ©ebiet 
bes Hio Hlagbaletta 
in Kolumbien. Sie 
Un 3 ahl ber in ben 
Vereinigten Staaten 
pon Umerifa, in 
Kanaba, HTefifo, 

IVeftinbien, Zentral- 
unb Sübamerifa, 
peru, Vene 3 uela, 

Kolumbien, ©fua- 
bor, Bolipien, Chile, 

Urgentinien, Bra¬ 
ftlien gefammelten 
©egenjtänbe unb le- 
benbeu (Eiere ift 
fehr bebeutenb. Srei 
grofte, im föuiglichen 
Schloß beftnbltchen Bäume ftnb angefüllt mit Vö¬ 
geln, 3 unt Beifpiel papageien, mit 5ifd?en, Käfern, 
Schmetterlingen, fonftigen 3 n feften, Kffen, ©ürteltieren, 
©ibechfen, Sd^latigen, Schtlbfröten, Spinnen, ©idtftörn- 
djen, präriehunben, Hiiffclbären, bann mit pflaii 3 en, 
Verfeinerungen, Vafen unb allerlei Kusgrabungen, 
ferner mit mumifaierten Hlenicbeit unb (Eieren. 

IVie getpiffenhaft bie prii^eifm bei ben ©rgebntffen 
ihrer 5 orjchungsreijen in ben ©Übelheiten porgegangen 
ift, hot man ©elegenheit 3 U beobachten, toenn man bie 
naturipiffenfchaftlichen Sammlungen eingehenb befid?tigt, 
Sa ift 3 um Beifpiel ber Stimnifacf eines Brüllaffen aus¬ 
genommen unb porfichtig präpariert, unb feltene (Eier¬ 
arten, »ie 3 um Beifpiel ber f^orneb (Eoab (Phrynosoma) 
aus Kalifornien, ber Lagothrix huraboldtii vulgo Chuluco, 
ein graubrauner Kffe, ein Iguana tuberculata pom mitt¬ 
leren Hio HTagbalena, feltene Ifirfchfäfer (Megasoma 
Typhon) aus Hio be 3 onetro, fletne Kolibris u. f. ». 
Sie alle ftnb mit Sorgfalt bearbeitet. Bemerfenstpert ftnb 
alte inbianifd?e ungebrannte(Ehonpafen aus bemUma 50 * 
nengebiet, aus Bajt gefertigte Befee aus ber propitb 
©spirito Santo, bie ben Botofuben 3 um (Etagen ihrer 

Kinber bienen, Sehnig- 
fachen, toahre Kunjttperfe 
aus bem HIarf einer 
pflan 3 e hergejiellt, nterf* 
tpürbige 0 pfertöpfchen 
pon 3 nbiaiiern, 5 oultier* 
föpfe als Zierat präpa¬ 
riert, Körperfchmucf ber 
©ftefuabor- 3 nbianer aus 
ben Köpfen bes inter* 
ejfanteit pfefferfrefferoo- 
gels hergeftellt, altinbi- 
anifche ©etpanbfchliefjeii 
in 5 orm europäifcher 
£öffel, 5 eberfopffd?mucf, 
X^unberte pon pfeilarten, 
Stoffe, altperuanifchen 
©räbern entnommen, 
altperuanifche Kinber- 
mumien, norbamerifa- 


' 


r-.tr :um^i 


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Stummer 30. 


SeiteJ40J. 




nifche 3 nbianerhäuptlingsh*mben ans JVilbhaut, bie 
mit oerfchiebenartig gefärbten, gefpaltenen Stachel- 
fchmeinfebern m originellen STuftern befticft finb, oiel 
intortffante 5 ad?en aus 3n&ianerlagern, fo 3. S. bie 
garten €rlebniffe eines 3ubianers, oon ihm in farbigen 
Silbern auf einem großen 5 ell auf gemalt ( 2 lbb. S. J^OO), 
altme£ifanifd?e ©ößenbilber aus Silber, 3n&ianerpnppeit 
aus 2lri3ona u. f. w. Kuf bem (Eotenfelb oon Kncon 
hat prin3effin (Eherefe 3 ^ altperuanifche Sdjäbel aus* 
gegraben. Sie hat oon einer ihrer Seifen nicht weniger 
als 2\3 Wirten oon lepibopteren unb \5 2lrten Saupen, 
außerbem 70 Wirten Koleoptercn mitgebracht, oon benen 
manche als neu bejlimmt worben finb. Die prin3efftn 

hat im weftlfcben 
Sübamerifa 91 Spe* 
cies unb Varietäten 
unb int öftlkhen Süb¬ 
amerifa noch eine 
weitere Kn3ahl oon 
SToüusfen gefam- 
melt unb in gutem 
Sujtanb in bie £}ei* 
mat gebracht. Kber 
auch in ©riechen- 
lanb, Sußlanb unb 
in oielen anbern 
(Eeilen (Europas, bie 

Zahme« 0 Ort,.«er J“ 

im IBniglidjen Sd?ioft ju münden. W WUrOe ftetS 

eifrig gefammelt 
unb bas ©ewonnene an bie STufeen abgeführt. Der 
Katalog biefer ethnographifdjen unb naturwiffenfd?aft* 
lichen Sammlungen umfaßt eine Stenge ber feltenften 
unb intereffanteften ©egenjtäube aus aller fjerren länbern. 

5ür ihre Seifen hat fte bie Vorbereitungen felbfi 
getroffen, 5elbbetten, 

Seite, Kochgefchirr, Kon* 
feroen ausgefucht, bie 
notigen Karten befdjafft; 
bief}unbcrte oon©läfern, 
bie 3um Kufbetoahren ber 
(Eiere in Spiritus nötig 
toaren, bie Seße 3um 
5ijchfang. bie 3nftr umente 
3um Schlangenfang, ©e- 
wehre 3um (Erlegen ber 
Vögel unb größerer (Eiere, 

Sotanifterbüd}fen, pflan- 
3enpreffen, Kngeln, ©ift 
3um Präferoieren, (Ehe* 
mifalien, IVatte, ©las* 
fäften, Seftecfe für bas 
Slusnehmen ber (Eiere, 
fur3 unb gut, alt bie 
£?unberte oon Kleinigfei- 
ton, bie notwenbig für 
eine erfolgreiche 5 or* 
fdjungsreife ftnb unb oon 
fcenen nichts oergeffen 
»erben barf, hat fie per* 
fönlich angefchafft unb 
oerpaeft Die Wahrten 
auf bem Kmajonenftrom 
unb> feinen Sebenflüffen, 
öas tagelange Seifen 


über lanb auf ftörrifchen 
STaultieren über Stocf unb 
Stein unter KTitnahme bes 
©efammelten, einfchließlich 
eines Krofobils 001t brei 
Sieter länge, ftnb feine 
Kleinigfeit; nantentlid? an 
ben Sebenflüffen bes großen 
STagbalenenftroms in Ko¬ 
lumbien mußte meift in3n* 
bianerhütten ber fchlintm- 
flen Sorte, bie oonUngesie* 
fer wimmelten, ein prooi- 
forifches lager aufgefdjla- 
gen werben. Sach einem 
furjen ^rühffücf, bas bie 
prin3efftn bereitete, würbe 
abgejpült, getroefnet, 5elb- 
betten, Seite unb ©epäcf 
3ufammengepacft, bie oon 
ihr bis tief in bie Sacht 
hinein bearbeiteten Präpa¬ 
rate mußten oerpaeft unb 
an ben Sätteln befefligt 
werben, bann ging es häufig ben Vormittag über auf 
STaultieren weiter bis 3ur SIittags3eit, um nach fur3em 
5rühftücf unb ohne ab3ufochen, ein fchlechtes lager, 
häufig nad? Dunfelwerben, 3U erreichen. Stsbann 
würbe bei fchlcchter Kerjenbeleuchtung noch flunbenlang 
gearbeitet, bie tagsüber gefammelten (Eiere würben aus¬ 
genommen, präpariert, ausgeflopft, bie ba3u gehörenben 
©tiquetten gefchrieben unb befefligt, bas (Tagebuch nach* 
getragen. (Eeile ber Seifen würben auch auf 5 lößen unb 
in Kanoes ansgeführt. Ejäuftg mußte man mit bem oor- 
lieb nehmen, was bie (Eingeborenen an Sahrungsmitteln 


Srafllfonirchc Heffchen 

im mfind^encr Uefit>enjfdjlofc. 


Hus den Sammlungen der prinzefftn Cbcrefc von Daycm. 


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Seite 1 ^ 02 . 


Hummer 30 , 


3U Bieten Ratten, aber bie prin3ejftn ift äußerft anfprud?slos 
in Be3ug auf Unterfunft unb Perpflegung. Kuf ben Ueifen 
Bat fte jtets felbji alles angeorbuet unb beftellt, bie Per- 
Banblungen mit ben «Eingeborenen über Beihilfe 3um 
iangen von (Eieren geführt, perfönlid? erlebigte fie bie 
Einfäufe unb Beforgungen auf ben HTärften, unb it?re 
großen Sprachfenntniffe tarnen ihr babei fetjr 3U E?ilfe. 
2 in Enttäufd?ungen finb fold?e Seifen mitunter uid?t 
arm; menn man ben (Tag über feltene Schmetterlinge 
unb Käfer ^efammelt hat unb finbet morgens, nacBbem 
fte mät?renb ber Bad?t 3um (Erocfiten auslagen, nur 
noch Hefte beffen, tvas bie alles veruid?tenben Kmeifen 
3urücfgelaffen, fo ift bas für ben (Belehrten fein geringer 


Sd7tner3 unb Kerger. Ebenfo läßt es ftd? leicht vergehen, 
baß ber (Transport t>on Sd?ntetterlmgen unb Käfern in 
Satteltafd?en, an benen noch (ßlasflafchen baumeln, barm 
ftd? itt Spiritus aufbemahrte (Eiere befinben, 3U mand?em 
Slißgefchicf Peranlaffung giebt. 

iPohl menige 5ürftentöd?ter föitnen ftd? rühmen, ihre 
Seit fo erfolgreich in ben Pienft ber EPiffenfchaft geftetlt 
unb ftd? fold?en Strapasen unb Entbehrungen ausgefeßt 
3u haben, um bie h«imifd?eu ZHufeen 3U bereitem unb 
bei3utrageu 3unt Huhm U nb 3ur Ehre ber beutfd?en 
XPiffenfd?aft. £Dir 2 >eutfd?e, infonbeirt?eit mir Bayern 
fäniten ftoij fgi n au f 5orfd?uttgsreifenbe prin3ejftn 
(Eherefe, bie geiftroHe Cochter bes prin3en £uitpolb. 



Landungemanöver. 


ZTCUifärifdje Sffoe oon (ßraf <£. Keventlom, Kapitänleutnant 

^ier3M 5 pbotograpfyifdjc Jlufnatjmen üon tVolffram Sc Co., Borfum. 

Eanbungsmanövcr mer- 
ben im tt>irflid?en Krieg 
ba unb bann nötig fein, 
menn man feften 5uß auf 
einer feinblid?en Küfte 
faffeit min, entmeber, um 
bie Stellung bes (Segners 
an ber Küfte 3U vernichten, 
ober aber, um in bas 
3nnere bes feiublicheit 
Eanbesein3ubringen. Unter 
fold?en Unijiänben ift ein 
Eanben von (Truppen an 
frember Küfte t?eut3utage 
ein fchmieriges unb ge* 
fährliches Hlanöver, bas 
mit großer Sorgfalt vor¬ 
bereitet unb burchgefithrt 
merben muß, menn es 
nicht mißglüefen unb ftarfe 
2Tlenfd?enoerlufte im <5e* 
folge haben foll. 

Bequem 3itm Eanben 

fann ein plaß an unb für ftd? genannt merben, menn 
bie großen Schiffe recht bid?t an bie Küfte heranfahren 
Knnen, bas tPaffer alfo möglid?ft tief ift, menn ferner 
bie Boote bis unmittelbar an bas Eanb herangebrad?t 
merben fönnen, fo baß bie aus3ufd?iffenben Hlann- 
fd?aften nicht nötig haben, burd? bas IPaffer 31t maten. 


täte pferde ausgeladen werden. 


a. 2 ). 

IPeiter fomntt 3U ben Kn- 
forberungen, bie man an 
einen guten Eanbmtgsplaß 
ftellen muß, ttod? hwsu, 
baß er einigermaßen gegen 
IPinb unb Seegang ge- 
fd?üfet ift, bantit nicht ein 
plößltd? ftd? erhebenbes 
Unmetter nid?t nur bie 
Cattbung felbjt unmöglich 
machen, fonbern aud? bie 
Sd?iffe 5mingeit fann, bie 
Knfer 3U lid?ten unb bie 
gelanbeten (Truppen im 
Stid? 3U taffen. Diefer 
leßte Umftanb bringt uns 
auf bie EDid?tigfeit, bie 
bie Schiffe mährenb ber 
galten Kftion nod? für 
bas Canbungsforps be- 
ftßen. Sanächft müffen fte 
bie Caubung „vor ber eiten", 
bas h^ifet, ben IPiber* 
ftanb, ben ber 5 einb ihrer Kusführuitg entgegenfeßt, 

brechen ober bis 3U einem (Srab fd?mäd?en, baß bas 
Eanbungsforps bes Heftes ber Sd?mierigfeiten allein 
£?err merben fann. Erläutern mir ben (Sang einer 
fold?en Canbung an einem praftifd?en Beifpiel, mie es 
unfere Bilber, bie gelegeutlid? einer had?intereffanten 


Landung von ffannfehaften und Pferden. 



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Hummer 30. 


Seite \403< 



Hebung auf unb t>or ber 3 nfel Borfutn aufgenommen 
würben, ©eranfd?aulid?en. 

Dte 3 nfei, bie nicht befeßigt iji, war 3um &xx>ed 
biefes 2 Ttanö©ers burd? 3wei Batterien ber (ßarbefuß* 
artillerie befefet worben, beren eine ben Sübweftftranb, 
bie anbere ben ©flftranb befefet t^ielt. Außerbent jtonben 
im Dorf felbji nod? 3wei Batterien, unb ein friegsftarfes 
3nfanteriebataillon, betn nod? Dragoner ujtb pioniere 
sngetetlt waren, lagerte ©erteilt unb gebecft 3wifd?en 
ben ^otjen, mit Sanbt?afer bewachfenen Dünen, bie 
einen natürlichen Schüfe bes Stranbes unb eine ©or* 
3üglid?e Decfung ber 3erftreut Uegenben Schüfeen bilbeten. 
HIorgens erfchienen bie Pan3erfd?iffe „Baben" unb 
„IDürttemberg", fou>ie ber Heine Kreu3er „Sichen", 
bie fid? 3unüchjt über bie £age ber feinblid?en Stranb* 
batterieen orientierten, fie bann im Derlauf bes 
(Tages nacheinanber befchoffen unb jebe ©on ihnen nad?' 
fur3em (ßefecht 3um Schr©eigeit brachten. <£s leuchtet 
ohne weiteres ein, baß bie beiben £tnienfd?iffe mit 
ihren mächtigen < 5 efd?üfeen unb bent btchten £?agel 
aus ihren 2Ttafd?inenfaitonen unb *gewehren ben 


fd?wad?en unb nur burd? ihre geringe Sid?tbarfeit ge« 
fdjüfeteit Batterien i©eit überlegen waren. €s fommt 
hin3U, baß ber ftarfe panjerfchufe bie Sd?iffe gan3 uu©er* 
lefelich unb ihre beftänbige Bewegung burd? £?in* unb 
^erfahren fte 3U fehr fd?wer treffbaren Sielen machte, 
um fo fd?werer, als ja bie 5ußartiüerie fonft niemals 
(Belegenheit hat, ftd? im Schießen auf fd?nellfahrenbe, 
weitentfernte Schiffe 3U üben. Der Eingriff fon3entrierte 
fid? fchließlid? auf ben Sübweftftranb, unb aud? bas 
T?erbeil?olen ber ©ftbatterie nad? biefem am meiften ge* 
fährbeten punft fonnte nicht hinbern, baß am Bad? - 
mittag gegen ©ier Uhr bie Sd?iebsrid?ter unb Unpar* 
teiifchen bie gan3e Artillerie ber 3 n fel als niebergefämpft 
ober ©ernichtet erUärten. <£s fann feinem gweifel 
unterliegen, baß bie Arbeit ber Schiffe ©iel 
fd?wieriger unb langwieriger gewefen wäre, wenn 
anftatt biefer leichten unb ungefd?üfeten £anbgefd?üfee 
fcbwere Küftengefchüfee, burd? jtarfe U>äHe ober pan3er* 
türme gebecft, ©orhcmben gewefen wären, wie fte bie 
wichtigen £?afen* unb 5luß3ugänge auf weifen, 3. B. an 
ber HTünbmtg ber (Elbe unb IDefer, ber Kieler unb 



liegende Schützen in Deckung am Strand. 


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Seite HCH-. 


ZTummer 30, 


ZDilhelmshaoener Bucht. Stnb fold?c Befeftigungen unb 
(ßefchüße ©orhanben, fo müffen bie Schiffe natürlich 
weit mehr auf bie Erhaltung ihrer eigenen (Sefechts» 
fähigPeit bebaut fein, ba bie mobemen Küftengefchüße fo 
jehweren Kalibers unb fo weittragenb ftnb, baß fte 
felbft bie ftarPen Schiffspanjer noch auf ©erhältnismäßig 
große (Entfernungen burdffdftagen unb bie Bebieitungs* 
mannfehafteu auch im 5rieben beftättbig in ber Be* 
fdfteßung fd?wimmenber unb in Bewegung beftnblicher 
Siele geübt werben. 

Dor BorPunt bitten es alfo bie beiben alten Schiffe 
unferer SachfenPlaffe bebeutenb leidster, unb als bie 
£anbbatterien fd)wiegen, war ber Augenblicf bes Aus* 
febiffens bes Canbungsforps gePommen. Das Korps hatte 
nunmehr nur noch bas (Sewehrfeuer ber in ben Dünen 


bieKiifte anlangt. DampfbarPaffen fcbleppen bieSootS 3 Üge 
mit Aufbietung aller ZHafchinenPraft heran, unb fowie 
bie Rötungen, bie SidjtbarPeit bes ZTIeeresgrunbes ober 
aber bas Aufgruitblaufen ber Boote 3 eigen, baß nun 
gewatet werben Pann, bann heißt es: heraus aus ben 
Booten unb fo fcbnell wie möglich aufs CrocPenel Die 
erwähnten DampfbarPaffen ober «pinaffen führen ZHa» 
febinengewebre mit an Borb unb beftreichen mit ihnen 
fortwährenb bie Stranblinien, wo bie feuernben Schüßen 
©ermutet werben, unb auch bie großen Schiffe 
feuern mit allen (ßefchüßeit über bie Boote ober bie 
Köpfe bes £anbungsPorps hinweg, um es ©or Derluften 
311 bewahren unb bie Derteibiger am Stranb 3 U fdjwächen 
unb ein 3 ufchüchtern. Da 3 u ftnb gerabe bie 3 ahireich auf 
unfern Schiffen ©orhembenen ZTiafchinenPanonen unb ZTla* 



Zur Kritik nach dem pianöver. 


©erteilt liegenben Schüßen 3 U fürchten, bas, wenn es auch 
bie £anbung nicht ©erhinbern Pann, fo hoch Peineswegs 
gering 3 U achten ift. ZHan muß bebenPen, baß bas 
£anbungsPorps, in ben Booten ber Kriegsschiffe ©er» 
teilt, {ich ©erhältnismäßig langfam ber Kttfte fo weit 
nähert, bis bie tüaffertiefe geftattet, bie Boote 3 U ©er*’ 
laffen unb bie leßte Stredfe bis an ben Stranb 3 U burch* 
waten. 3« ben Booten nun fißt eine ©erhältnismäßig 
große Anjalft ©on ZHenfchen, bicht 3 ufammengebrängt, 
fo baß fte ©on ihren (Bewehren Paum (Sebrauch machen 
Pönnen, 3 umal fie bie ©erftreut unb gebecPt liegenben 
Schüßen gar nicht fehen. Diefen bieten bagegen bie 
Boote ausge 3 ekhnete «Siele, unb es ift wohl anjunehmen, 
baß biefer Seil ber £anbung noch manches (Dv**v an 
ZHenfchen unb Booten forbern wirb. Deswegen ift 
hier and? bie größte SchnelligPeit geboten, fowohl was 
bas Bemannen ber Boote, wie aud? bie Annäherung an 




fchinengewehre gait 3 ausge 3 eichnete ZDaffen, ba ihre 
ungeheure 5euergefchwinbigPeit geftattet, aud? ohne bie 
ein 3 elnen Sd?üßen 3 U fehen, hoch ein ganjes Cerrain 
berart unter 5 euer 3 U nehmen, gleichfam 3 U rafteren, baß 
es Pein ZHenfch bort aushalten Pann. 

ZDenn bann bie ausgefchifften Cruppen erft einmal ge» 
lanbet ftnb, h<*hen fte meift gewonnenes Spiel, benn ber 
5einb, ber bie £anbung nidff h<*t ©erhinbern Pönnen, 
ift noch weit weniger imftanbe, mit feinen gefchwädften 
Kräften ben Angriff bes noch ©öflig frifchen £anbungs» 
Porps abjufchlagen. Diefes bilbet fofort am Stranb 
Schüßenlinien, auch bie ZHafdftnengewehre werben aus 
ben Dampfbooten an £anb gebracht, um eine wirP» 
fame Unterftüßung 3 U bilben, nun geht es fYftematifdj 
unter Benußung aller natürlichen DecPungen bes <ße« 
länbes gegen ben 5 einb ©or, unb es entfpinnt ftch ein 
reiner £anbPanipf. 


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s 



Kettezfehen. 


Kmderfefte im freien. 

610311 7 photographische' 2Tuf nahmen. 


Kinberfeji — gaubermortl Die Kugen ber Kleinen 
jkatjlen, bie £?er3en fdjlagen Ijölier, menn man bapon 
fprid?t. ZDas giebt es in ladjenben Sommertagen aud? n>ot|I 
Schöneres für ein Kinbertjerj als foldje t feße im freien? 

Kinberfefie mären 3U allen geiten beliebt JDenn bie 
-familien pergattgener 
(Tage im Kremfer 
f?inaiiS5ogen in ben 
IDalb, menit bie Klei¬ 
nen auf grüner tjaibe 
ftd? 3ufammenfanben 
3u aflerhanb frohen 
Spielen— marbasnidjt 
and? ein Kinberfeji? 

<Es iß mit ben 
mobernen Kinberfejien 
nicht anbers mie mit 
jenen alten; aud? fie 
rnoüen nidjts meiter, 
als bie Kinber für ein 
paar Stunben im (Srünen 3U l|armlofer (frohlid?feit 
oereinen. Hur ein anberer gug ift itt bas <5an3e gefommen. 
Es finb nid?t bloß bie Kinber aus ein paar befrennbeten 
Familien; es finb Kinber von nah nnb fern, bie fld? auf bem 
richtigen Kinberfeß perfammeln. Das giebt biefen ben Hei3 
alter Polfsfefte, befonbers, menn es in einem (Sarten per* 
anftaltet mirb, mo bie 3 u 9 CTt b aller Stänbe nebeneinanber 


fpielt. Kinberfefte feiert man heute überall unb 3U jeber geit 7 
pom erßen (frühliitg bis in ben fjerbß hinein, in ber Stabt 
unb auf bem £aub. 3 c & cr Perein giebt feinem jungen Had?- 
mudjs menigßens einmal im Sommer ein Kinberfeß; 3n 
ben Habeorten metben bie (feße ber Kleinen ebenfo peran* 

ftaltet mie bie (feße 
ber (Sroßen. Der Dil» 
lenbeßtjer mie ber 

£aubenFoloniß per* 
fammeln bie Kinber 
ihrer Hefanntfdjaft 
3U einem (Tag, ber 

nur ihnen gilt, ihnen 
allein, (für bie Som* 
merlofale ber (groß- 
ßäbte bebeuten bie 
Kinberfefie fogar einen 

roid?tigen Jfaftor in 

ben Einnahmen, unb 
fo überbietet beun 
nid?t feiten ein XDirt ben anbern in lorfenben Heran* 
ßaltungen. Da giebt es Stranbfeße, Ernte- unb IDi^er- 
fefie mit Spiel unb IHuftf, bis es Kbenb mirb. 

Unfere Silber führen uns mitten in ben 3ubel unb (Trubel 
moberner Kinberfefte hinein. Die (großen treten babei faft 
gan3 3urücf. Das Kinberfeft gehört ben Kleinen. KUes, mas 
an biefem (Tag gefdjieht, gefdjieht nur für fie. Da giebt 



Wettrennen der 7&ngrteu. 



ÜÜIHt 





























5eite W6. 


Hummer 30. 


es alles, mas nur ein Kinberhcr3 entjücfeu Faun. IPürfel- 
buben unb Kat'perletfjeatcr, Schaufeln uub (Turngeräte, melleicht 
aud? gar ein Karuffell unb bann t?or allem bie Spiele — unb 
bie Spiele finb unb bleiben bod? bas Hefte r>ou allem. 

Die „Habies" intereffiert befonbers bie IDürfelbube, unb 
menn ber XDurf „für’tt (Srofcben über 3mölf" gewonnen 
bat, mirb natürlich eine Schippe unb ein Sanbeimer gemäht, 
unb ba fi^en fie beim 3ii>tfd?eit (Tifd? unb Stühlen auf bein 
Hoben unb „mollen" mit einem (Eifer, mic er nur Kiitbcru eigen. 

Die (Srögeren ftnb febott etmas mählerifcber, meint fie 
ge min neu. Die IHäbchen nehmen in ber Hegel Puppen, bie 
Knaben peitfd?e unb (Semehr ober ein Schiff. Das Sdjijf 
ift befonbers begehrt, bas fanrt man auf bem JoutäuebecFeit 
fdjonntmeit laffeit unb am nädjßen (Tage auf bem lug ober 
gar auf ber See. Der 3 un 9 e ail f unferm Hilbcbett bat gleid? 
eine ftol^e Fregatte genommen, unb mit einem langen 
Stöcfcben lenft er fte bebäd?ttg über bie „mogeube flut*. 

Der I7auptan3iebungspunft bleibt aber bod? ber Spielpla^. 
Da ftrömt bie gan3e Kittbcrfchar 3ufammen. XDas fpielt 
man ba für Spiele! Das Zeitalter bcs Sports, mo alle Kräfte 
fi<h nteffen, fegt aud? auf beut 
Spielplag jene Unterhaltim- MM 
gen, mo cs Förperlichetßemaitbt- 



Sandbachen. 



beit 3U jeigen gilt, obenan. 
XDettlauf, Kette3ieben, Klettcr» 
unb (Turnübungen flehen hod? 
in (Suitft. Unfer Hilb S. 1^05 
3eigt ben XPettlauf ber 3uug* 
ftett. Hlit £eib unb Seele 
jtnb fte bei ber Sache. Strah* 
ienb über bas gatt3e (ßeficht 
rennen fte über beit meiden 
Hafen. IPer 3uerft am §iel ift, 
erhält eine Düte; ba h e *6 t es 
freilich: laufe, mas bu Fattnft! 

Unb and? bie fleinen Xlläb- 
d?en ftnb emfig bei ber Sad?e; 
tapfer unb feft ftehen fte ba, 
bamit bie Kette nicht reigt, 
lägt eine „Schmale" aber 
enblid? bod? los, iß ber 
freilich um fo gröger. 

Unb bann bas (Topffchlagett, 
bas gute alte beutfd?e Spiel! 


fange oergejfett, ermaebt es 
auf bem Kiuberfcft 3U neuem 
febett. 3 ß ^ as eitt Spaß, 
menn ber Stocf ttad? ben aller* 
uttmöglid? ftett Hid?l uiigcn trifft! 
2 Per beit (Topf 3erfd?lägt, er¬ 
hält mieber eine Belohnung. 

Jür bte größeren Knaben 
merben baneben Kletterbäume 
aufgerichtet, oben in ben 
«gmeigen hängen bie fd;önfteit 
Sachen, große pfefferFucheu 
uitb (feberfäfteu, (Scmehre unb 
Peitfcben unb (Trompeten. Da 
lohnt es fid? fd?on, ben Stamm 
hiitauf3uftcigeit unb 3U h^lett, 
mas man erreichen Faun. Huct? 
bas SacFhüpfm unb bas XPurft- 
febnappen gehören 3U beit be¬ 
liebteren Spielen ber Kirtber» 
fefte. Uub finb bie allgemei¬ 
nen Spiele 3U (Enbe, giebt cs 
Schwimme, Schiffchen, fchwimme ! noch immer Hbmechslmtg ge¬ 
nug. Da minFt mohl gar ber 
Curnpfag mit Harren unb ScbauFel, mit feinem „Hunblauf". 
Ja. biefer munberrolle Hunblauf! ITTatt Fautt att ihm febmebett 
mte ber Dogel in ber fuft, mau Faun ftd? fcbmingeit unb 
fd?auFelit. Der Hunblauf mirb beinahe niemals leer. Die 
fleiiteit XTTäbdpen finb feine gatt3 befoitberett Perehrerinnen. 

Da3mifd?en miuFt benn and? nod? bie (Tombola, bei ber 
man alles mögliche geminneit Faun. Huf Herliner Kinber- 
fc|tett murbett fchott gatt3e SiegeubodPgefpamtc rerloft. Diele 
amüfiereit ftd> auch auf eigene Jauft. 

Huf bem Kiuberfeft fbließt man fchnell Jreunbfchaft. Die 
Jrembefteit ftubett ftd? plögiid? 3ufammctt 3U fröhlichem Spiel. 

unb Derftecf — alles muß h^h^ten. Daneben merben 
aud? eigne Spiele erfunben, bie alleruärrifchften Spiele mit¬ 
unter, unb gerabe bie atnüfieren. Da Fommanbiert bas Fleine 
Uläbcben: „(Seht 3U Hett !“ — unb augenblicflicb finFt bie übrige 
Sd?ar in ben Sanb unb thut, als menn ge fd?liefe. 

llitb fo mirb beim gefpielt, gejubelt, gelabt unb gefungen, 
bis ber Ubettb Fommt unb ber Jacfe^ug mit ben bunten 
Storflaternen, oorau bie HTufiF, ben „Hnfang oom <Enbe" bringt. 

3 ft &as dfeuermerf bann aud? verpufft, ftnb bie lebten 
beugalifcbeu flammen nerglüht, gebt es mübe unb felig nad? 
^?aus, unb tiod? im (Traum ftammelti Fleine rote Sippen: 
„Hd?, UTutteribcn, es mar 3U fd?öit!" 

D. iSoebcIrr. 


Copffcb lagen. 


<35* 


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Ztummer 30. 


Seite ^ 07 . 


Cie Kapuzmerd)eru 

Sffoe von Käthe Schirmacher, paris. 


ß ie tarnen eines Zages bei mir 3ugereiß, 3wei bilb* 
tjiibfd?c Vögeld?en mit braunen Röcfd?en, wie 
es Kapu3inern nach ber ©rbensregel 3iemt, mit 
fchmar3en Köpfen, Augen unb Kragen unb — höchß 
eleganter Abfd?luß biefer etwas bunflen Crad?t — 
mit hellgrauen, fegeiförmigen Schnäbeln. Sie waren 
munbetnieblid?. 

3n ihrem Seifefäjidjen freilich fonnten biefe Rei3e 
nicht oöUig 3ur (ßeltung fomnten, hocften fie hoch öid?t 
aufeinanber, mußten nicht, was ihnen gefd?al?, unb 
mären noch gait3 ergriffen non ben Abenteuern unb 
5 ähmiffeu ber leßten Stunbe: hatten jle nicht fogar im 
(Tramway fahren ntüffeu? 

3 h**er Rot ein <£nbe 3U machen, 50g ich bas (Bitter 
des höhnten Reifefäftchens auf unb ließ fie in bas 
geräumige fjaus ihres Vorgängers, bes fo heiß geliebten 
unb ad] fo bitter beweinten Bibigi hüpfen. Sibigi war 
nur ein gan3 gemeiner Seifig gewefen, jebod? mit fo 
ausge3eid]neten Qualitäten begabt, fo gemütvoll . . ♦ 
hoch i^h will lieber abbred?en, ben Sd?nier3 unb bie 
Klage nicht erneuern. Um einen Seifte lächerlich 1 
So ließ id? bie neuen Anfömmltnge in Bibigis oer* 
laffenen palaß bttnetn. Voran fchoß ein Fleiner 5 eber* 
floß, ein bewegliches Kitgeld?en auf 3wei feinen, fleinen 
Seinen, bas fofort beit Käftg nach allen Seiten unter* 
fuchte. Diefes war „(Bigine", bie Kapnjinerfrau. 

Bebäd?tig folgte ihr bas ZHäitnchen. <£s war ein 
großes, ausgewachfenes Rlännchen, mit fingen, etwas 
fuT3ftd]tigen Augen unb Kletterfängen, bie lauge Rägel 
unb einen für ein fo Fleutes IVefen gewaltigen Sporn 
trugen. tVährenb (Bigine ßd? auf bas Butter ftür3te unb 
auf ber Kante bes (Erögleins fein unb 3ierlid? wie ein 
Dämchen im Seibenfleib faß, hatte bas Rlännchen bas 
Sd?aufelchen erfpäht unb fid? hinaufgefchwungen. 

Dort blieb es gan3 gemütlich ßßen, bie großen 
Klettersehen um bas Sd?aufelhöl3d?eu gefd?lagen, teils 
ruhig, teils in Bewegung, gaii5 für ßd?, ohne ber 
nieblid?en (Bigine, bie auf ber Stange unterhalb all ihre 
Bet3e entfaltete, bie geringße Aufmerffamfeit 5U fchenfen. 
Seim Abenbbrot trafen fte ftd? 3war beibe an bem 
(Eröglein, bod? fanb feine Annäherung ftatt. IVie ein 
rid?tiger, grober RTönd? fchiett ber £?err Kapu3iner 
feine 5ierlicf?e (ßefährtin 3U oerachten unb ftieg 31W 
stacht wieber auf fein ©bferoatorium hinauf, (Bigine 
etnfam auf bem Stängchen unterhalb 3urü<flaffenb. 

So faß fte trauernb, bas feine Köpfchen gefenft; 
jich^r gebadete fte bes heimifd?e»t VogelFäftgs mit all 
ben flatternben, piepfenben (ßeitoffen, gebachte ber 
Kämpfe, Ciebeleien, ber Allotria, bie mau öort ge* 
trieben, unb ber (Triumphe, bie fte bort gefeiert, unb 
bann ßeefte fte enblich fd^merscrfüllt bas Köpfchen 
unter ben weichen 5 lügel. IVeshalb in aller IVelt 
toar fte jufi mit biefem groben Kloß ba 3ufammengefperrt? 


Das Kapu3inerchen auf ber Schaufel jeboch empfattb 
bas £eib bes armen, alten Königs, bem man eine 
junge 5rau gegeben. — €s war eilt altes, weifes 
Kapu3inerchen, bas fdjon gan3e fünf 3 at?re gelebt, oiel 
gefehen, oiel gebacht unb in feinem langen Cebenslauf 
auch fo fchöue Kletterfänge unb einen fo gewaltigen 
• Sporn befommen hatte. Das Kapu3inerchen wußte 
bereits, was Rheumatismus iß, es hatte fchon bas 
gipperlein in feinen alten Pfötchen oerfpürt, es war 
ein phüofoph, ber lange ben 5 reuben biefer IVelt ent- 
fagt 3U haben glaubte, ben bie Kapu3inerjugeitb bes 
heimifchen Käfigs in Ciebesbingen unb £he3n>iftigfeiten, 
in 5 ragett ber Kiitberer3iehung unb ber IVeltweisheit 
3U Rate 50g. ... 

Unb nun hatte bes Vogelhänblers täppifdje £?anb 
juft ihn ergriffen unb juß ihn mit biefem lieblichen 
Kinb (Bigine in bemfelben Käfig 3ufammengeftecft. RTit 
einem tiefen Seuf3er fchaufelte bas weife Kapu3inerd?en 
fich hi« unb h<*: a>as follte ihm folch eine junge 5rau? 


Das fonnte fo nicht weitergehen, ich fah es beutlich. 
RIeine beiben (Befangenen waren freu3imglücFlich. ®b* 
gleich ich öas Rlännchen läitgß unb gatt3 ausbriicflich 
oon jeber ©rbensregel entbuubett, 30g es bod? jeben 
Abenb 3U einfanter Rachtruhe wieber auf feine Schaufel 
hinauf. — Am Zag freilid? oertrugen beibe fid? gan3 
gut, fte begannen fogar bie gleichen 5utter3eiten ent¬ 
halten, unb man fonnte fte 3ufammen, glekhfant im 
(Taft, ihre £?irfe fnufpern hören. Rad?ts aber blieb bie 
arme (Bigine immer wieber frierenb allein auf bem 
Stängchen. 

3d? befchloß, bem ein €nbe 3U machen, unb ging 
5um Vogelhänbler: „ 3 d? möchte ein Reftd?en für ein 
Kapu3iiterpärchen haben." €r gab mir ein ttieblid?es, 
aus aromatifchen Binfen geflochtenes Körbchen, wie ein 
Kegel an3ufehen. Vorn befaitb ftd? ein breiftitgerbreiter 
Schliß uitb baoor ein (Trittbrett 3um <£htßeigen. 

„Aber bie Kapu3iner tjeefen in ber (ßefangenfehäft 
nicht," meinte ber oogelfunbige Alaun. 

„Das thut nkhts," erwiberte ich, „ße ßßen bann 
wenigftens warm." 

„Ra, außerbem," fchloß ber Ejänbler phüofophißh# 
„cela leur donnera toujours des idees.“ 

Run, anfänglich erweefte bas Reßchen ihnen weit mehr 
5urd?t als ,des idees 4 , von benen ber ßänbler gefprochen. 
Sie tobten einen galten Zag wie befeffen um bös 
fehreefhafte, unbefannte €twas, bas id? in bem Käftg 
angebracht, um ftd? 3nleßt — bie richtige Vogelßrauß* 
politif — auf ben (ßegeitßanb ihrer Angß obenauf 
3U feßen. 

(Bigine war es bann, bie mit ihrem feinen, weiblich- 
mütterlichen 3»ßinFt 3uerfi erriet, welchem 3n?ecf fold? 


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4 


Seite 1 ( 408 . 


Hummer 30 . 


ein Heftchen bienen Föitue. Hod? fehe id? fte oor mir, 
mie fte oorftd?tig, taftenb, ein Krafld?en auf bas (tritt* 
brett legt, bas Fluge Köpfchen in ben Hejtfpalt fd?iebt, 
bas Körper eben nad?3ieht, im SunFel oerf d?minbet unb 
bann, o bu intelligente <£oa, es fertig bringt, ftd? um* 
3ubreben unb bas fd?mar3e (ßejtchtel 3um Hefteben 
beraus3ufiecfen. 

Braoo, (ßigine I Su b a ft* 5 entbedt; menn bu (ßrie* 
ebifeb Fönnteft, mürbejt bu jeßt fjeureFa rufen. Su 
feines Ärauen3intmerd?en bul Sein Kapusiner, tute 
pbilofopbifcb er ftd? aud? auffpielt, b^tte ben ^voad 
bes Heftchens ftd?er nie berausgefunben, mag er noch 
fo febr über Sein unb Hid?tfein unb über bie tüelt 
als IDifle unb Borfteüung grübeln. 

H)ie merben mir ibn jefet nur bejtimmen, an biefer 
dEntbedung teil3unebnten? 

Ser Kbenb Farn; (ßigine fchlüpfte in ihr (CusFulum, 
bas HTännd?en h^Pfa au f b\e ScbauFel. Sa — mas 
ertönt aus bem Hejtd?en? <£in niebliches Coden unb 
Snritfchern, gatt3 neue (Töne aus bem Bogelregifter. 

Sas Kapu3inercben hord?t auf, fein ftoifd?es b?er3 
füblt ftd? erfd?üttert; bod? er ijt Fur3ftd?tig, er ha* feine 
großen, ungefchtdten Krallen unb Sporen, mie mirb er 
in bas Hefteben 3U (ßigine Flettern Fönnen? €in Fleiiter, 
girreitber Seufzer Fontmt über feine — fagen mir Cippen. 

Kls gute Bogelmutter Fomme id? ibm 3U fjilfe. 
„Qier, Kapu3inercben," icb falte ihm ben Ringer bin, 
artig fliegt er barauf, bie Fur3ftcbtigen Keuglein Fnei* 
fenb, läßt er ftd? oor bas Hejtcben tragen unb fanft 
bineinfebieben. natürlich oerjteht er ftd? noch nid?t um* 
3ubreben, fo baß ftatt 3toeier Köpfe ein Köpfd?en unb 
ein Schmäuchen 3U bem Spalt herausfd?auen. Ser 
entfebeibenbe Sd?ritt jebod? ift getban, (ßigine unb ihr 
Kapu3inerd?en haben ein b?eim gegrünbet. 


Seitbem begannen im BogelFäfig bie roftgften Flitter- 
mod?en. 2 tH bie 3ärtlid?en (ßefüble, bie mir fonjt nur 
menfd?lid?en tt>efen 3ufd?reiben, entmidelten fid? bort 
aufs lieblicbfte. 

3 n bes alten, meifen Kapu3inerd?ens fersen mar ein 
Hadjfommer, l’ötö de la Saint Martin, aufgeblüht. Hon 
Falter ©rbensregel Feine Spur mehr. Sen gait3en (Lag 
faßen fte unb glätteten ftd? gegenteilig bie 5ebern, marfen 
bie Köpfd?en hinten über, boten bie glän3enben Brüftdjen 
bem Sd?nabel bes Fleinen (Befählen, gingen 3ufammen 
3U Cifd? unb hüpften 3ufammen ins Sab. 

Um biefe Seit begann ich bie Bögelchen mitunter 
frei3ulaffen. 2 Tiit lautem Schrei fd?oß (ßigine aus bem 
Sitter unb flog auf ihren fröhlichen Älügeht burd? bie 
Bäume. Sas alte, meifeUTännchen jebod? faß gatt3 oerblißt 
ba. Sann aber fab es aus ber (Liefe feiner oerliebten 
Fleinen Seele an 00H Kngjt unb <£iferfud?t, 00H Sehn* 
fud?t unb Som 3U fd?reien, bis feine Sigine, leicht mie 
ein 5eberd?en, jierlid? mie eine Same, bie in raufd?eitber 
Seibe auf Sefud? gebt, mieber angefchmirrt Farn. Unb 
bes £?er3ens uttb Scbnäbelns mar bann Fein <£nbe. 

Had? unb nad? ließ id? bas HTänndieu gleid?fads 
Älicgoerfudje machen, es lernte oon meinem Ringer, ben 


es jeöer3eit 3utraulid? beftieg, auf einen halben, bann 
auf einen Bieter Sntfernung itad? feinem Käfig fliegen. 
€s lernte ben Fleinen palnten bannt auf bem Blumen* 
tifd?d?en erFletteru, fud?te Steineben uitb bat bod? nie 
etmas befd?äbigt, aud? nur in gatt3 feltenen fallen eine 
BijttenFarte am Unrechten (Drt 3urüdgelaffen. 

U>ie manches Zllal bat bas alte, meife HTännd?en 
mir aud?, auf meiner Sriefmage ftßenb, beim Arbeiten 
3ugefd?aut, ft iß, uitbemeglid?, mäbrenb bie quedftlbrige 
Sigine burd? bie Simmer flog. Sas UIännd?en, megen 
feiner Kur3<td?ligFeit unb ber oerfchnittenen Älügel, mar 
gerabe fo leid?t 3U halten unb 3U fangen, mie Sigine 
fd?mer. <£s ließ aud? alles mit ftd? rt?un, legte ftd? auf 
ben Süden in meine flache fanb, machte »le mort« unb 
lernte fogar auf bem Äeberhalter balausieren. Hiemals 
bat es ftd? gefträubt ober gar gebtffen. 

Sas hingegen mar Sigtnes Äall. U)ar ihr HTämt* 
d?en fanftmütig unb gcbulbig, fo fte 3ornntiitig unb febr 
unabhängig. Sigine 3U fangen, fei es im freien, fei 
es im Käfig, mar Feine leid?te Sad?e, unb menn fte 
nicht folgen mollte, teilte fte mit bem eleganten grauen 
Schnabel mohlge3ielte unb mohltreffenbe ^iebe aus. 

U>ir fanbeit alle, Sigine fei burd?aus »feministe«, 
auf beutfd?: eine Knhängerin ber 5rauenentan3ipation. 

Sod? aud? auf ihr unbättbiges d?en oerfehlte 
bie Ciebe ihre U>irFung nicht, tüareit bie beiben Sögel 
im Äreieit ftd? felbft überlaffen, fo bauerte es uid?t lange, 
unb enge aneinanbergefd?miegt fanb id? fte auf ber Siele 
ftßen, mo fte oorher mie Fleine braoe Bürgersleute 
entlang fpasiert, oerlorene Körner aus ben Äugen bes 
parfetts fud?enb. — 

Ses Slüds im t>ogelneficf?en mar 3U oiet; mie 
min3ig aud? bie Bemohner bes Bogelhaufes, fte fatten 
bie KufmerFfamFeit bes Unerbittlichen erregt. 

ISappne bid?, Fleiner philofopfy l'dtd de la Saint 
Martin neigt feinem <£nbe 3 U, es mill f?erbjt merben. 

Sigine ift feit einiger Seit fo feltfam, fte frißt nid?t 
orbentlid?, fte fprei3t bie 5lügeld?en; fte, bie ftets als 
bie Srfte auffteht unb bas UTämtcheit aus ben Ä^^^rn 
ruft, bleibt jeßt morgens im Heftchen ftßen; Faum 
fd?lcppt ftd? bas fonjt fo muntere (Tierchen nod? 3utn 
tüafferfäßd?en . . . 

IDas man aud? anfängt, nid?ts miH b^lf^n. Krmes 
Sigind?en, mirft aud? bu ben lüeg bes ©ielgeliebteu 
Btbigi geben? 

2ld? ja, id? Fenne bas, fd?on Faitnjt bu bid? nid?t 
mehr auf bem Stängd?en halten; Fomm ins Heftchen 
3urüd. 3 bu bijl mirFlid? FrauF, bu läßt bid? ruhig 
faffen, bu beißt nicht mehr . . . 

Sein meifes 2 Uännd?en ftßt babei unb begreift nid?t, 
mas bu h<*ft- lodt unb pfeift. Sigind?en rafft ftd? 
auf, ein leifes Ciebesmort Fommt oon ihr 3urüd. 

Umfonft, immer ängftlid?er ruft er ih* 5U. Sein 
Ceib überminbet feine pbilofopbie. 

Sa nehme id? Sigind?en leife aus bem Heftchen, 
lege fte in bas HeifeFäftdjen, in bem fte einjt geFomnten, 
unb trage fte hinaus, bamit bas Seeld?en, bas in 
fd?mer3lid?em Scheiben begriffen ift, nicht hoppelt leibe, 
meil bas anbere Seelchen es nod? rufenb halten miH. 


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Hummer 30 . 


Seite M 09 > 


(ßigine ift tot, bas feine Köpfdien fyihtgt 
3ur Seite, bas ieberfleib ift Falt, bte Krall« 
dien jiarr. 

Du Ijübfcfees, leichtes, einft fo frohes (Be- 
fd?öpf biß nun oiel roeifer als id?, oiel toeifer 
als bein toeifes HTännchen. 

Cs ift gar nid?t met?r toeife, feit bu tot 
Sold? rafenben Sd?mer3 in fotd? einem Weinen 
©efdjöpf ber Cierroelt habe id? nod? nie er» 
lebt, nie für möglich gehalten. Seit bie CEb?ür 
fid? hinter (ßigine gefd?loffen, fifet bas Kapu* 

3inerd?en unb fd?reit, fd?reit laut unb 3ornig, 
laut unb liebenb, fd?reit unb fdjreit. 3d? 
möchte mir bie (Dlptn 3ut?alten, bod? hilft bas 
ja bem Weinen IDitioer nicht. So nehme ich 
ihn benn aus bem Vogelhaus unb fefee ihn 
ror mid? auf ben Sdjreibtifd?, mit ihm fpielenb, 
mie mit einem Kinbe. 

* * * 

(ßigine liegt unter bem patmenbaum, unb 
bem oerlaffenen 2Uännd?en habe ich eine 
anbere 5rau getauft. 

TLls fie in ben Käfig hüpfte, erfd?oH fein 
3 ubelruf: Kam nid?t (ßigine 3urüd? Dann 
toarb es (Hü, unb roemt er nun auch mieber 
(ßefeüfchaft hat, für ihn ijt’s fjerbft, ja tDinter 
geioorben. 

Cr lebt jefet in Demunftehe mit einer 
Durd?fd?nittsfrau; bas liebliche 3 &YÜ mit feiner 
feinen, jierlidjen (ßigine ift auf emig oorbei 
3 mmer mehr mohnit er auf bem SchauFeld?en, 
bas er gelernt hat in fchneüe Betoegung 3U 
fefeen, inbem er ein Seinchen gegen ben Draht- 
reif ftemmt. 

3mmer häufiger plagt ihn bas Sipperlein, 
bann fifct er auf einem Kräüchen unb ftedt 
bas anbere fchmer3gepeinigte in bie Gebern. 

3mmer mehr ebbt bie Cebensfraft in bem alten 
Körperd?en. Heber mittag nicft er jefct auf bem 
Stängchen ein, unb ich muß ihn auf meinem Ringer in 
bas Settchen tragen. 

Dertoeilen hüpft feine neue (ßefährtin forglos im 
Sauer umher, fie ift eine berb organifierte Dame, bie 
nichts oon (ßigiues Charme unb Clegaii3 hat. 

Die Seit ber £iebe geht oorbei, unb es bleibt jtitl 
in bem Heftchen, bas Cros unb bie (ßrajien fliehen. 

Da, eines Had?ts, medt mich ein Süden unb Hühren. 
3d? fpriuge auf: bas toeife, alte HIännd?en hadt auf 
bem (Trittbrett, es fieht mid? traurig an, es fdjtoanft. 

Hnn hat’s aud? bid?, mein fleiner Kerl. 3 ch nehme 
ihn in bie f?anb. 

(Er läßt fid? ruhig faffen, brau unb lieb, fanftmiUig 
toie immer; mir fifeen toohl eine Stunbe 3ufammen, er 
Wagt gan3 leite, unb id? fpreche ihm ebenfo leife 3U, 
trage ihm (ßritfie auf an (ßigine, toäf?renb bie „zweite 
5rau" mit runben, unoerftehenben Kugen auf bie 
Scene blidt. — 

3rt ber linben Sommernacht ift bann bas alte, toeife 



Kapusinerchen toie ein fleiner ^eiliger bi meiner £$anb 
geftorben. * * 

2Iud? ihn habe id? unter bem patmenbaum begraben, 
too fein meines SFelettd^en nun neben (ßigine ruht. 

(ßeblieben ift mir oon ihnen eine liebliche Crinne* 
rung, eine große Sympathie für unfere Dettem aus 
ben nieberen Sd?öpfungsfreifen, bie ja aud? fo menfd?* 
lid? unb uns ähnlich finb. (ßeblieben ift mir ein 5eber- 
d?en aus bes Kapuziners Schtoan3, bas er mir einft galant 
3um Heujahr oerehrt, unb mit bem id? 3um Sd?er3 auf 
einem Setteld?en papier »J’aime ma capucine« gefd?rieben. 

* * * 

Die Hachfolger bes fleinen £iebespaares aber finb 
oon gröberem Stoff gemacht, fie freffen unb lärmen, 
fie hüpfen unb gadern, Feines oon ihnen hat bie 
liebenbe Unmut (ßigines, bie philofopB?ifd?e Sanftmut, bas 
leibenfchaftlidie £?er3lein bes alten Kapujinermännchens. 

Unb roell id? fie nicht liebe unb fie toeniger liebens* 
toert finb, beshalb toerben fie rüflig toeiterleben unb 
meinem Dogelbauer erhalten bleiben. 




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Hummer 30 . 


Patentmodelle. 

2 lus ber Bumpelfammer her Erpnbungen von 21 . ©sfar Klaußmaitn. 

^ier3U 6 pbotograpl)ifd?e Aufnahmen. 


VOe r bei bem Patentamt eines ber mobernen Kultur- 
(iaaten ein pateutgefud? einreicht, fügt miubeßens eine 
Seichnung, in oielen fällen aber auch ein HTobell bei. 
2>ie 2lemter pnb bei gereiffeit perreicfelten, 3ur 
Patentierung eingereidpeit Heuheiteit fogar berechtigt, 
bie Einfenbung eines praftifablen HTobells su oerlangen, 
©b nun bas patent bereinigt ober abgelehnt reirb, bas 
HTobell bleibt, 3um §ree<f fpäterer Pergleidmng unb 
Kontrolle, im Patentamt, unb in befonberen Sammel- 
räumen taufen pch h^* im £auf *>ev 3ah*e niete 
(Caufenbe oou HTobellen an. Heber ben (Chüren ju 
biefen Sammelräumen müßten als 3 «fd?rift bie IPorte 
bes alten Spötters Cucian flehen: „Das menfchliche 
(Sehirn treibt oft fonberbare Blafen.* 

Deutfche patente reerben erft feit bem 3ah* HB 77 
erteilt, unb bodi pnb bereits bie Biefenräume auf bem 
Boben bes Patentamts 3U Berlin in ber Cuifenpraße mit 
HTobellen oollgepopft, bie taufenbfache proben bes menfeh- 
tichen IPißes unb — 2 lberreißes geben. 3 n Eitglaitb 
reerben fdjou feit bem peb3ehnten 3 a h*hunbert patente 
erteilt, in Äranfreich unb in bem erpnbungsreichfien 
Canb ber Bereit, in ben Pereinigten Staaten non 
Kmerifa, feit \ 790 . HTan faitn pd? benfen, reie 
niele HTobetle ftch öort im Cauf ber Seiten angefammelt 
haben. Conbon unb IPafhington höben in ihren Patent¬ 
ämtern befonbere HTobellmufeen, unb troßbem 3. 8. bas 
HTufeum in IPafhington 
in ben 3ah**n 1836 unb 
J 877 uoflfiänbig ab¬ 
brannte, hat es jefet nod? 
mehr als adp3igtauienb 
intereffante HTobelle. Por 
ein3elnen biefer TITobeüe 
muß man ben fjut 3iehen, 
ehrfurchtsnoü muß man 
ihnen nahen, beim fie finb 
gereiffermaßen HTarfßeine 
auf bem EntreicFlungsreeg 
bes menfchlid^en (Seißes; 
ße be 3 eich- 
nen ben 8e- 
ginn gro߬ 
artiger 
(Epochen auf 
bem (ßebiet 
ber (Cechnif 
unb ber 3 n * 
buprie. IPir 
bringen heut 
aus ber 
Humpelfam¬ 
mer ber pa- 
tentmobelle 


einige fehr inter- 
eflante 2lbbilbun- 
gen. Da ift 3um 
Beifpiel bas erPe 
HTobell bes (Cele* 
graphenapparats 
( 2 lbb. S. 
ben ber 2lmeri» 
faner HTorfe 
J 837 nach 3reei- 
jährigem bemü¬ 
hen erfanb.HTorfe 
rear HTaler unb 
lernte auf ber 
Äahrt oon Eu« 
ropa einen Dr. 

3acffon an Borb 
bes pafetboots 
oon ben Bemühungen europäifdjer (Selehrter um bie 
fjerßellung eines telegraphifchen Seidjengebers für 
große Entfernungen unb regte baburch ben HTaler an, 
ber ftch bisher gar nicht mit (Eechnif unb Eleftrisität 
befchäftigt hatte, einen folchett 2lpparat 3U fon- 
ßruieren. Hlit bem HTorfeapparat trat bie (Telegraphie 
aus bem Stabium ber Derfud?e in bas ber praftifchen 
2 lnreenbung, unb bie Perreenbbarfeit bes HTorfeapparats, 
ber noch heut, in oerbefterter 5orm, in ber gan3en 
IPelt angereenbet reirb, trug mit ba3U bei, ben 
Siegeslauf ber (Telegraphie 3U ßdjent. 

2ldßung oor bem unfd?eiubaren HTobell ber 
Hähtnafdpne, bie Elias £joree im 3 «hr J8^6 
fonftruierte! fjat hoch bie Bähmafchine befannt- 
lid? eine gai^e 2lii3ahl t>on großen unb blüheitben 
3 nbnprien erzeugt, bie für bie menfchliche Be« 
flcibung thätig pnb. 

Set \790 befdjäftigte man pch in Europa unb 
HorbameriFa mit ber Erpitbung ber Bäh* 
mafchine, bie gereiffermaßen fällig rear unb 
fornmen mußte, aber fjoree hat bas Perbienß, 
bie erPe brauchbare Perreenbungs* 
form gefchaffen 3U haben, fo oer- 
beperungsbebürftig biefes erPe HTo¬ 
bell auch gereefen ip. Die £}oreefd?e 
Erpnbuttg fanb 3uerp reeitig Be¬ 
achtung, unb als man ihren IPert 
erfannte, follte fjoree bas £os ber 
meipen Erpnber teilen, beneu Hot, 
Sorge unb junger 5U teil reerben, 
reährenb frembe Ceute ben großen 
Bußen aus ber Erpitbung 3iehen. 
2 lber bas Sdßcffal reollte £}oree 
reohl, befchieb ihm nur eine fur3e 
Seit fd^reerer Hot unb Sorgen, um 




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stummer 30. 


Seite 





ihm bann bie Der- 
bienten (Erfolge 3 m 
3 umenbeit. I}ome 
flarb im 3al?r J867, 
erfl adjtunbDte^ig 
3ohre alt, als Diel¬ 
facher SHißionär. 

Züie plump ifl 
bas erfle SHobeß 
ber Schreibmafchine 
bes Slmerifaners 
Sillen, wem mir 
es mit ben blutigen 
SDunbermerfen ber 
„tEypemriter" Der¬ 
gleichen, unb hoch 
fteeft auch fchon in 
Das Modell eines „tUfadmOhlenrdriffe“. biefem StTobeß bas 

<S5runbprin3ip, bas 

beim Sau aller mobernen Scbreibmafcbinen, 
bie fid?, auch in Deutfchlanb mie überall fo 
rafcb eingefübft beiben, angemenbet mirb. 

5afl ebenfouiele (Erftnber befebäftigen ficb 
mit bem Derfehr bureb bie £uft mie mit bem 
Derfebr bureb bas XDaffer. Das lenfbare 
Cixftfcbiff in SHobefl unb 5eid?nung mirb noch 
lange ber SchrecFen ber Seamten in ben flaat» 
lieben Patentämtern bleiben. Slber auch bie 
Schiffohrt unb ihre DerDoflfommnung übt 
noch immer flarfe Sln3iehungsfraft auf bie 
(Erfinber aus, genau fo, u>ie es febon ror 
3abr3ebnten ber 5aß mar. Sehr bejeiebnenb 
für bie „Sichtung* ber (Erftnber ift bas SHobeß 
bes JPinbmüblenfcbiffs, bas mir im oben* 
(iehenben Silb aus ber Stumpelfammer ber 
patentmobeße h*n>orholen. Die tt/inbmühlen- 
flügel follen an Stelle ber Segel bas Schiff 
Dorroarts treiben. Der (Erfinber hot fogar 
baran gebaebt, baß auch einmal tDiubfliße 
eintreten fömte, unb beshalb ein Cretrab 
auf bem Decf bes Schiffs angebracht, bas 
burch ein pferb, einen (Efel ober ein ZHaul- 

tier in <5ang gehalten merben 
foll unb bie Umbrehung ber 
IDtnbmiiblenflügel Deranlaßt. 

Dor menigen 
SHonaten hot 
ein (Erfinber 
mieber ein¬ 
mal bie gleiche 
3bee bem 
Conboner Pa¬ 
tentamt ein¬ 
gereicht. Sin 
3mei hohen 
Zttafleit ftnb 
IPinbmühlen* 
flügel ange* 

0 fne Schwimmvorrtchnmg für pferde. bracht, öetett 


Drehung bureb 3 a ^nrabüberfefeung unb (Eriebmeßen auf 
eine Sdjraubenmeße übertragen mirb. Diefer uerfpätete 
(Erftnber hot nicht einmal mie fein Dorjänger an einen 
(Erfafemotor für bie feiten abfoluter IDinbfliße 
gebaebt. Die Patentämter unb bie 3ngenieure ber 
großen ScbiffahrtsgefeÜfcbaften miffen ein £ieb 3U 
fingen Don ben Steuerungen unb Derbefferungen, bie 
ihnen aus Caienfreijen bejiänbig für bie Hettung aus 
Scbiffbrucb Dorgefcblagen merben unb unter benen ftch 
fo überaus feiten etmas mirflich Dermenbbares ftntfet. 
Slber fo mar es fchon früher. SHan betradtfe bas alte 
STTobell eines Scbmimmfiuhls (Slbbilbung S. HIO). Die 
hohle Cehne unb bie hoffen 5üße bes Stuhls follen, 
im 5aß einer Sd?iffsfataftrophe, eine perfon febmim- 
menb über SOaffer erhalten. Sür bie £efer, bie 
noch nid?t große Seereifeu gemacht hoben, fei ermähnt, 
baß bie paffagiere auch heute noch, unter ihrem 
<Sepäcf, Stühle an SJorb 3Ü bringen pflegen. (Es 
ftnb 3mar auf bem Schiff Sitzgelegenheiten in Ejüße 


pater» tmodcll 
der erften Scbrcibtnarcbinc. 


unb 5üüe Dorhaitben, aber für ben Slufenthalt auf Decc 
ift eine eigene Sitzgelegenheit fehr angenehm, bie mau 
momöglich DerjieHen fann, um auf ihr aud? 3U liegen 
ober menigfleits in holbliegenber Stellung 3U ruhen. 
So ift benn bie Jbee bes Settungsfluhls, bie aus bem 
3ohr 1881 flammt, nicht fo uneben. Dießeicht märe 
fte fogar heute noch, in oerbefferter 5orm unb bei 
eleganterer Slusführung, Dermenbbar. 3<h »iß ober 
bureb &iefe Semerfung beileibe niemanben 3um £r- 
finben anftiften. 

5ür ben IDafferuerfehr bureb tiefe, reißenbe, breite 
5lüffe foßte eine ScbmimmDorricbtung bienen, bie in 
bem nebenflehenben Steitermobeß Derförpert mar. (Es 
hanbelt fldj um lebernc Beutel, bie am Sattel unb am 
Sattelgurt bes pferbes befefligt merben, nachbcm man 
fte bureb Slufblafen mit £uft gefüßt hot, fo baß fte 
tragfähig merben. (Es erinnert biefe Jbee an bie heute 


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Sexte \ 4 t\ 2 . 


Hummer 30. 



fo pielfach permenbcte „pneumatic", bie in 
bicfem ZTIobell aus bem 3 a hr 1857 gemiffer* 
maßen porgeahnt ijl. Kbcr merfen mir auch noch 
rafch einen BlicF auf bie Furiofen firfinbungen. 

Da fleht 3um Beifpiel ein pflüg, ber als Kanone 
uermenbet merben Fann. tDenn man auf ein* 
famem 5*lb pflügt unb r>om 5einb angegriffen 
mirb, macht man bie £janbhaben bes Pfluges los, 
fdjießt bamit, unb 
meun ber 5einb 
geflohen ijl, acfert 
mau meirer, als 
fei nichts por* 
gefallen. Das 
„britte Bein" ijl 
für £eute be* 
flimmt, bie tagsüber piel flehen müffen. Sie fchnallen 
jtch bas dritte Bein an unb Fönneu bann immer eines 
ber mirFlicben Beine ausruhen laffen, ba bas fünftliche 
3ufammen mit einem natürlichen bie £ajt bes Körpers 
trägt. Die Znifroffopbrille ift für Dortragenbe, für prebi« 
ger unb Kapellmeijler beftimmt. 2lm oberen Haube jebes 


Das erfte jodelt des Celegraphenapparats von ftorte. 


BriDenglafes,bas 
hunbertfach per* 
größert, bejtnben 
fidj je fünf Fleine 
Scheiben, biemau 
herunterFlappen 
fann, fo baß jie 
por ber ZHitte 
bes (Slafes flehen 
bleiben. 2luf bie* 
fen Scheiben fielet 
ber Ceft bes Dor* 
trags, ber pre* 
bigt ober ber 
©pernpartitur. 
„3ebes Seit* 

alter mirb gefennjeichnet burch feine €rpnbungen/ J be* 
hauptet ein berühmter Cechnifer früherer Seiten. Daß mir 
im eleFtrifd?en Seitalter leben, bas betätigen uns auch bie 
Patentämter ber Kulturftaaten, bie unter ben eingereichten 
ZHobellen jefct mehr eleFtrifche Apparate, Ztlafchinen unb 
3nflrumente 3U per3eichnen höben als je 3UPor. 




Die grösste Caubenfarm der Sielt. 

^ierju 2 pfyotograpfyifdje Aufnahmen. 


SübFalifornien ijl bie Hioiera 2tmerifas, unb £os 
Kitgeles ift ihr Hlentone. (Eingebettet 3mijchen ©rangen* 
unb Sitroneuhöinen, 3mifchen IPeinbergen unb gemaltigen 
©bftplantagen, liegt £os Angeles mitten im (Sarten 
Kaliforniens. Kfles gebeiht bort mit tropifcher Ueppig- 
Feit, befruchtet pou ben feuchten IDinben, bie pon ber 
Santa HTonicabai heraufmehen, unb ber heißen Sonne. 
Die IDohnhäufer ftnb über unb über mit Kletterrofen, 


bie faft bas gan3e 3ahr hm&urch blühen, über3ogen, 
unb fchlanfe palmen grüßen herüber. Hähert man ftch 
an einem fchönen, flareu Sommermorgen pon Horben 
her bem freunblichen ©rt mit ber Bahn, fo erblicft man 
fchon pon meitem, über bem (Lhal fchmebenb, fonberbare 
meiße IPolFen, bie jich balb trennen, halb tpieber per* 
einigen, hierhin unb borthm fchießen ober meite Kreife 
über bem (Chctl 3iehcn. Das ftnb bie Glauben ber be* 



Huf dem futterplatz der Caubenfarm. 


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Plummer 30. 


Sexte 


rühmten Caubcitfarm 
von Cos Angeles, bie 
ihren UTorgenflug 
machen. Die 5arm 
liegt etwas außerhalb 
ber Stabt 3tuifchen 
malbbePanbenen bü¬ 
geln unb ijt oon mehr 
als 8000 Caubeit 
beoölfert. 2luf ihr 
verteilt ergeben pdj 
mehrere große £jot3» 
fchuppeti, an beren 
Uußenfeiten pdj Cau» 
fenbe unb 2lbertau» 
ienbe oon Srutfäpen 
bepnbeti. Vor ihnen 
liegen bie 5utterplaße 
unb bie XDafferbehäb 
ter. £s ip ein pnn- 
oerrairrenber 2lnblidF, 
roenn man pd? auf 
einem bet 5utterpläfee 
3eigt unb bann bie 
(Tauben n>ie IDolfen 
hemieberfchießen, 
einen umflattern unb 
umfreifen. Wenn bie 
geilte Schar fleh uon 
einem ber Dächer in 
bie Cüfte erhebt, fo 
oerurfadtf bas 5lügel* 
fcftlagen ein<ßefiiatter, 
als ob ein lebhaf¬ 
tes 3nfanteriegefecht 
in nächfler ITähe flott* 
fätibe. Unb babei bies 
unaufhörliche (girren 
unb (gurren, baß man 
fein eigenes U>ort 
faum hören fann. 
Da man in Cos 2ln» 
geles ben IDiuter nur 
bem Ztamen nad? 
Fennt, fo brüten bie 
(Tauben fap bas 
gan3e 3ahr htnburch, 
unb ber Seflßer ber 
(Taubenfarm macht 
glän3enbe (gefchäfte. 
3 n <£is uerpaeft 
irerben bie. jungen 
tauben bis nach 
Iteuvorf perfchicft, 
unb eine fokbe 
fette junge (Taube, 
brüben „squab“ ge¬ 
nannt, ip ein fehr 
gefudjter Cederbiffen, 



— 


Das grösste Taubenhaus der CUelt. 
























Seite W4. 


Zlumnter 30. 


moderne Gürtelschnallen. 

fjierju 5 pfjotograpfyifdje Uufnafjttten. 

2Kit 3umelen unb (Ebelmetatl fich 311 fchmüden, 
cntfpricht nicht nur ben älteften Haffeninftinften bes 
ZTlenfchengefchlechts, fonbern auch Begehren bes 
mobernen Klenfdien. Unb menn heute für einige <6e* 
biete ber 3umelierFunft gait3 neue 5orberungen fich er* 
geben, fo fntb mtbere Faum ncd> berüdjichtigt morben: 
tnoberne Fünftlerifche ©Erringe 3unt Beifpiel ober 5inger* 
ringe, bie bie gejtaltenbe ^anb einer Künftlerinbioibualität 



6 ürtcirdmaUe von Hrtbur Berger. 


oerraten laffen, roirb man beute fchmerlich ftnben. M?enn 
man ferner bebeuft, mie ber öffentliche Schmud, 3um 
Beifpiel 3nfignien oon Batsperfonen unb Bürgermeifter* 
Fetten heute meift noch in trabitioiteüer IDeife gearbeitet 
roerben, fo Fann man ber (SolöfchmiebeFunfi für bie Su* 
Funft ein reiches Bebarfs* unb Ubfafegebiet oerfprechen. 
Befonbers banFbare Aufgaben bietet bem Funftgemerb* 
Iicben Künftler bie (Sürtelfdjnalle, bie an fich 3U ben 



einfache Schnalle von Margarete “Junge. 


üttejien toeiblicben Schmudgegenftättben gehört, bis oor 
furjem aber auf eine rein hanbrnerFsmäßige unb febe* 
matifebe 2trt hergeftellt tourbe. 

3n früherer Seit mar bie einige 5orberung, bie 
man an einen 3umelenfchniud jiellte, baft er Foftbar fei 
unb möglichft mertooHe (Ebeljieine enthalte. Die 5affung 
ber Steine unb bie Arbeit bes 3umeliers roaren neben* 



Silberne Schnalle von 6rich KteinhempeL 


fäcblid?. Da§ ber <ßefd?mad fo unb nicht anbers ge* 
mefen ift, hat man in allen fönbern erFannt, unb aus 
biefer (ErFenntuis heraus erft rejultierte ber 5ortfd:ritt. 

Beben ber <£infid:t, bafe alfo ber (Entmurf bes 
Künftlcrs unb bie Krbcit bes EjanbmerFers, nid?t aber 
bie Sabl öer Foftbareu Steine, ben Fünft lerifd?en tüert 
eines 3umels beftimmen, mar eine meitere (Errungen* 
fd:aft ber mobernen 3umelierFunft bie €infid?t in bie 
BotmenbigFeit, bie natürliche Sd?önheit bes betreffenben 
Materials, fei es nun (ßolb, Silber ober Broi^e, 311 
möglid?ft grofer IDirFung 3U bringen. Diefe 5orberung 
ber Knpaffung an bas 
ZTlaterial mirb ja heute 
auf allen (ßebieten bes 
Kmtfigemerbes erhoben 
unb ift im allgemeinen 
eine ber hauptfächlicben 
5orberuugert Fünftleri* 

(eher lüirFfamFeit. 3« 
ber 3umelier Funft ift 
biefe 5orbcruiig um fo 
michtiger, als ber Tri¬ 
umph bes Uletalls gera* 
bc3U ihr Chema bilbet. 

2lucb in biefer Be3iehung 
flehen bie 3apaner ein3ig ba, unb fd?on bie alten 
<£hutefen haben bies (ßefefe gemürbigt: alles, mos fle 
3um Beifpiel in Bron3e arbeiteten, Fonnte man ftd? gar 
nicht anbers als eben in Bron3e oorflellen. 

2 Lnd] bie moberne 3umelierFunft hat febon fehr (Erfreu¬ 
liches -geleitet. Von beutfeben Arbeiten auf biefem <Se* 
biet geben mir einige in Kbbilbungen mieber, bie oon 
©tto 5ifd?er, (Erich unb (Bertrub Kleinhempel, ZHargarete 
3unge unb 2llfreb Berger berühren, willen biefen 
Kleinarbeiten barf mehr ober minber naebgefagt 
toerben, baß fie eine oerftänbnisfinnige €rfaf[ung ber 
€igenheit bes UTaterials erFemten laffen. 3ui atl= 
gemeinen möchte man ben beutfd^en Funftgemerblicben 
Künftlern gerabe auf biefem (ßebiet ben Bat geben, 
noch meniger 3U ftilifieren unb noch mehr bie Batur* 
formen 3U oermerten. o r . 9. pubor. 




©ürtelfcbtoee von Otto ^ffcher. 


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Hummer 30. 


Seite 




Abfahrt des 
Uerfallers und 
(einer Gattin 
im Adler* 
motorwagen. 


' ennimba\erifdien(ßebtrge 3wei Bauern 
einander begegnen, her eine poii unten 
hinauf, her anbere r>on oben herun* 
ter Fomtnenb, fogebrauchtber hinauf* 
ßeigenbe ben gewöhnlichen ©ruß: 
grüß ©ott! ber lierabfteigenbe aber |agt 
als ©egengruß: laß bir Seit! Das ift fürs Bergeßeigeti 
ein Hat aus alter (Erfahrung, unb nur bie jüngßen 
Ebelweißrupfer perfud?en’s anbers unb wollen bie Serge 
hinaufrennen, bis auch ße, unb halb, ber alten Er¬ 
fahrung pd? bequemen unb langfant ßeigen. Das iß 
aber aud? bas ein3ige (Sebiet, auf . bem bie Depife: 
Jr 3mmer langfam porau!" nod? ©iltigfeit hat — auf 
ben anbern herrfd?t bas Kommanbotempo: marfd?, 
marfd?! 

3m Erwerbsleben, in allem, was unter IDettbewerb 
gefd?ieht, wirb pd? bas heut3utage wohl faum mehr 
änbem. Hid?t einmal bie Dichter laßen pd? unb ihren 
XDerfen mehr Seit, wenigftens foweit pe nad? ben £or- 
bem unb (Tantiemen ber Bühne lüPern pnb — es ip 
ein allgemeines Hennen nach bem Erfolg, unb bie antife 
Statue bes IDettläufers ip für unfere Seit ein Symbol 
pon fap abfoluter (ßiltigfeit. 

Es fragt pd?, ob biefes (Tempo ber ZlTeufchheit auf 
bie Dauer gefunb ip. £?erporragenbe Her5te geben ber 
allgemeinen fjaft bie f?auptfd?ulb an ber wad?fenöeu 
„Herpoßtät", unb gewiß ip, baß alle bie ftürmifd?en 
Hertner nad? bem Erfolg, auf welchem (ßebiet bes Se¬ 
hens ihre Hemtbahn aud? liegen mag, pon Seit 3U 
Seit bas bringenbe Bebürfnis haben, „aus3uf pannen". 
IDenn pe es f;d? nicht felbp fagen, fo fagt es ihnen ber 
Hrst: „Verreifen Sie!" Unb pe feßeti pd? in ben Sd?nell3ug 
unb fahren möglichß fd?neü unb möglid?p weit weg pon 
bem Hereid? ihrer Henubahn. fjeute peigen pe in 
Berlin in ben Eifenbahnwagen, unb morgen pnb pe be¬ 
reits in Hom ober Heapel. Das ip eine erPaunlid?e 
Sache unb in ber (That eine „Errungenfd?aft", auf bie 
pd? unfere Seit etwas einbilbeit barf. Was hätte 
©oeth* barum gegeben, wenn er fo fd?nell aus bem 
Horben weggefonnt hätte, als es ihn pürmifd? nad? 
bem Süben trieb! Er, ber pd? in feinem übermächtigen 
Drang nad? füblid?en Breiten fo wenig Seit ließ, baß 
er fpäter fd?rieb, er fei über bas tiroler (ßebirge „gleich* 
fam weggeflogen", brauchte bod? pon Harlsbab bis nad? 
Venebig faß einen HTonat unb pon Venebig nad? Hont 
einen halben, ohne baß er pd? irgenbwo. längere Seit 
aufgehalten hätte. 

Das ip alfo nun grünblid? anbers geworben. (Per 
Eile hat, bem faun geholfen werben. Unb es fd?eiut: jeber 


Von Berlin Dad>5 orre ot 
> ^üforoobil. 


JSS 55S 

Pon 

Otto Iulius Bierbaum. 


i.gSÖ 


hat Eile, felbp ber 311 feiner Erholung, 311 feinent 
Vergnügen Heifenbe. Die allgemeine £?aß hat 
pd? aud? auf bas Vergnügen übertragen. 2 lber 

bas ip woi?l ein IViberßnn. Das . Eenipo bes Ver- 
gnügens ip ein gehaltenes Ubagio. IVer preftifpmo 
„genießt", gewinnt pd? nicht Erholung, fonbern 
Hbfpannung. Dies gilt befonbers pom Heifen. IVer 
3U <ßefd?äften reip, mag eilen, wer 3U feinem Ver¬ 
gnügen auf Heifen geht, behersige ben oberbayerifd?en 
(ßebirgsgruß: laß bir Seit! 

Die beße 5 orm bes Heifens iß nod? immer bas 
IVanbern, unb bie eigentlichen Heifefünftler pnb nod? 
immer bie wanbernben £janbwerfsburfd?en, infoweit pe 
wirflid? „waljen". Ein halbwegs guter Erfaß für bie 
5 ußreife iß bie Habelreife, wenn pe pernünftig betrieben 
wirb. Über nicht beibe Urten bes Heifens erforbern 
mehr förperlid?e CeißungsfähigFeit, als pe jebem 3U 
©ebote ßeht, unb pe eignen pd? im allgemeinen nur 3U 
Heifen im näheren Umfreis, benu nicht jeber Fann 
es machen wie ein IVanbergefeH ober 3 <>hanu ©ottfrieb 
Seume, ber pon £eip3ig nad? Syrafus fpa3ieren ging. 
IVen es in bie 5 erne treibt, ber muß pd? alfo nad? 
einem 5ul?rwerF umfet?n. Die alten poßwagen giebt’s 
nur nod? in einigen (ßegenben, unb ihr (Tempo iß felbß 
für ben Äreunb behaglichen Heifens 3U fel?r abagio; 
mit eigenem (ßefpann 3U reifen, iß, ba es feine Helais- 
ßationen mehr giebt, felbp für ben unmöglich, ber es 
pd? leißen fonnte; mit ber Eifenbahn Fann man aber 
eine Heife im eigentlichen Sinn überhaupt nid?t unter¬ 
nehmen. 

ZHit ber Eifenbahn Fann man pd? wohl beförbern 
laßen, aber nicht reifen. Denn 3um Heifen gehört, baß 
man frei iß, baß man nid?t bloß einen Enbpunft ber 
5 ahrt beftimmen, fonbern aud?, je nad? £uß unb IVilleu, 
bie Sd?nelligFeit änbem, nad? freiem Ermeßen bie Urt 
unb Dauer eines Sa>ifd?enaufenthalts feßßellen, feine 
Heifegefellfd?aft wählen, F1W3, alles bas Fann, was auf 
ber Eifenbahn nicht möglich iß. IVer mit ber Eifen- 
bahn reiß, begiebt pd? in ein HbljängigFeitsoerhältnis. 
Sein ©efeß iß ber 5 ahrplan, feine ©efellfd?aft beßimmt 
ber SufaH, mit eiferneu Schienen iß unabänberlid? feß- 
gelegt, wie er feinen IVeg 3U nehmen hat. Sum eigent¬ 
lichen XVefen bes Heifens gehört bie freie Bewegung in ber 
Hatur; bas iß fein eigentlicher Hei3,baßer bieSeßhaftigfeit 
für eine IVeile anftrebt, aus bem Stubenmenfd?en einen 
HTenfcheu ber £anbßraße macht, ihn non manchen sweifel- 
haften Segnungen ber ßäbtifd?en Ueberfultur befreit unb 


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Seite 


Hummer 30. 


fo ber Hatur näher bringt. IHenn ich aber mit ber 
Cifenbahn reife, fo ift es eigentlich nichts anberes, als 
baß ich mir ein gimmer miete, bas auf Säbern läuft 
unb % fich int übrigen von meiner gewöhnlichen 2Doh* 
nung 3U feinem Ünguufteu baburch unterfdicibet, baß es 
fehr Flein ift unb baß ich es mit jebem teilen muß, ber 
es auf eine gewiffe Strecfe mitgemietet hat. 3 ” biefem 
Simmerchen werbe ich fehr fchnell non ©rt 3U ®rt fpe* 
biert, unb wenn 3wifchen ben ©rten eine fdiöne £aitb» 
fdjaft liegt, fo ijt es mir erlaubt, falls nidtf gerabe ber 
Cifenbahubantm bie Suspcht hinbert, einen fchnelleu 
Slicf barauf 3U werfen. Uber fo fdjneüen Slicfen 
fchenft feine £anbfchaft ihren Sei3; bie Gucffäfteit bes 
Saiferpanoramas verraten mehr bavott. Hon ben 
£euten, bie bie £anbfd?aft bewohnen, unb 001t beiten mir 
bas Seifehaitbbud? t>iel 3ntereffautes 3U erjählen weiß, 
lerne ich nur bie Sahuhofsfellner Fennen, bie, je nach 
ber Gegeub, warme IHürftdien ober frifche 5 eigen au- 
bieten, im übrigen aber pd? überall fo ähnlich feheu, 
wie ein fdjwarser 5racf bem anbern. Sußerbem habe 
•ich nur noch Gelegenheit, meine STenfchenfeuntnis 3U er¬ 
weitern, iitbem ich, u?enn idi es nicht fchon we.ß, es 
erfahren lerne, baß es höfliche unb grobe HTeufcheit 
giebt. 5 erner lerne ich Fennen, mit welcher Sidierheit 
ber Suß felbft tit gefdftoffette Cifenbahuwagen einbringt, 
welcher Disharmonie fchledft fdiließenbe Kupeefenfter 
fähig pnb, uttb was für eine 2 lrt Duft entfteht, wenn 
infolge ber Cmppnblichfeit eines STitreifenbeu ber 5 ahr* 
fäpg fhmbenlang verfdftoffen gehalten werben muß. 

IHenn ich dber eine Seife thue, fo will id?, wie 
fjerr Urian, mir felbft unb anbern nachher etwas bavou 
er3ählen fönnen, unb 3war etwas anberes als bies. 
Darum befchloß id?, es einmal mit einem anbern 
Hehifel 3U verfudieit, mit bem tnobernften von allen, 
bem Automobil. Der Herlag ber „lHod?e Ä hat bie 
Ciebeuswiirbigfeit gehabt, midi tu beit Staub 3U feßen, 
bie probe auf bas G^entpel 3U machen, ob es pd? int 
Automobil wir flieh reifen läßt, fo reifen, wie es uitfere 
Großväter verftaitbeu haben, nur noch vollfomntener, 
uäntlich noch freier, b. h* unabhängig t>on ben aller* 
hanb Uitsuläuglichfeiten, unter beneit fte 31t leiben hatten, 
weil ihnen als 5ortbewegungsfraft nur bas pferb 31W 
Herfügung ftaub. 

Suerft ein paar tHorte über ben IHageit felbft, bem 
ich mich mit meiner 5 rau uitb meinem ga^eu Seifegut 
feit bem \0. Spril aiwertraut habe uitb ber uns nun 
unter ber ausge3eichneten 5ühruitg bes vortrefflichen 
HTonteurs £ouis Siegel von ben Sblerfahrrabwerfeu 
iit 5ranffurt am HTaiit über Dresben, präg, XHien, 
Sal3burg, STündieu, HTitieiiwalb, 3nnsbrucf, So3eu, 
drtent, Saftano, HTeftre-Heitebig, pabua, 5 errara, 
Haveitna, Simini, San STarino, 5aeit3a, Äloreit3, Siena, 
dortona, perugia, 5 oliguo, derni-HTarntore, Sont, 
5rascati, derraciita, Heapel nach Sorrent gebradft hat, 
wo ich nun im ehemaligen 3^fuiteitflofter documella 
auf einer Cerraffe inmitten ber üppigften ©raugen¬ 
gärten pße, ben Slicf aufs Cyrrhenifdie Uleer, ein bißchen 
ntübe 3war von ber Ueberfülle bes Genuffes unb mir 
gern eine fleine paufe göitneub, aber bodi aufs h^fte 
befriebigt von biefer Caufwageitreife, bie mir alles bas 
erfüllt hat, was id] mir von ihr verfprocheit habe. 
Cs ift ein Sblermotorwagen, bem ich fcies verbaute, 
hergejtellt in ben Sblerfahrrabwerfeu vorntals fjeinridi 
Sleyer, ^ranffurt ant Hiain, unb ausgeftattet mit einem 
eiit3ylinbrigeu STotor von adit pferbefräfteu. Senner 
bes Sutomobilwefens werben pd? wuitbern, baß eine 


fo große Seife mit einem verhältnismäßig fo fchwachen 
ZlTotor unb ttur einem SYlm& cr unternommen würbe, 
unb ihr Crftauiteit wirb noch 3uitehmen, wenn fte er¬ 
fahren, was alles biefe fleine Slafchiite über fo große 
Strecfeit (bei ftaubigeit unb fdjwierigeit Gebirgsüber* 
fdireituitgeu) fort3ubewegeit hatte. ®er JHageit allein, 
in phaetoufornt unb fehr itiebrig, aber lang (faft vier 
STeter) gehenb, wiegt mit bem STotor elf Sentner; ba3u 
fontmen brei perfouen mit ihrem gefamteit Seifegepäcf, 
worunter ftch ein hinten aufgefchnaüter großer unb fehr 
fchtoerer Soffer beftitbet. IHir pnb mit allem verfehen, 
was £eute von einigen Snfprüchen innerhalb einer Seife 
von brei STonateit Dauer brauchen, unb haben noch 
niemals bie Cifenbahn 31W Gepäcfbeförberung bennßt. 
Um bies 3U ermöglichen, war es nötig, ben Siß neben 
bem Rührer 3ur Gepäcfaufnahme mit heriurichten. Gin 
Saften 3ur Aufnahme bes 5 ührergepäcfs würbe bort 
vor bem Siß eingebaut, woburch gleichseitig eine gerabe 
unb fefte Unterlage für biejeitigeu uuferer Gepäcfftiicfe ge- 
fdiaffen würbe, bie nicht hinten untergebracht werben 
tonnten: ein großer ffaitbfoffer, ein ffutfoffer, fowie 
bas mit 3wei Glasfdieibeu verfehene Schußleber, bas 
beftimmt ift, bei ßarfent Segen vor ber IHagenplaue 
angebracht 3U werben. (IHir haben es nur einmal ge¬ 
braucht, aber babei hat es ftch voüfommeit bewährt.) 
Die Seferveteile unb bas I}anbwerFs3eug, foweit es pdj 
nicht unter bem Siß bes 5 ührers bepnbet, fowie bie 
Heidin- unb ©elfaituen unb uitfer Dorrat an photo- 
graphicplatten pitb in bem Saften unter nitferm Siß 
verftaut. 2 ltt ber IHageitwaub vor uns haben wir eine 
große, bie IDaitb völlig eiunehmenbe Cebertafche ange* 
brad?t, in ber ftd? ttodi eine Grtratafdie für Süd?er 
bepitbet uitb bie einen Coiletteitfoffer, einen Speifeforb, 
fowie unfere Uläntel aufnimmt. 2 luf bem großen Soffer 
hinten pnb nodi ber tDäfdjefacf, bas Stocf* unb Sdprnt- 
futteral unb brei biefe Seifebccfen aufgefd?naüt. 3 d? 
erwähne bies alles fo ausftihrlid?, weil meines IHiffens 
nod] niemals eine größere 2?eife im Automobil mit 
Gepäcf unternommen worben ift. Sud] uns würbe es 
lebhaft miberraten, inbent man mir vorftellte, baß id] 
bitrdi biefeit 23 allap an Soffern barait gehinbert werben 
würbe, bem ZlTotor feilte volle Sdinelligfeit ab3ugewimteit. 
Cs fei alfo beffer, bas Gepäcf mit ber Sahn 3U fenbeit. 
Da mir nicht barait lag, mit ber Cifenbahn, bie tutfere 
Soffer beförberte, um bie tDette 3U fahren, ba mir 
überhaupt weniger an Sd?ueHigfeit, als an Unabhängig¬ 
feit gelegen war, bin ich biefem Satfdpag uid?t ge* 
folgt, unb iii habe heute Urfadie, mich bereit 3U freuen. 
Der Uniftaitb, baß wir alle unfere Seifehabfeligfeiten 
ftets mit uns führten, h a t es uns ermöglicht, audi au 
joldien ©rten Station 5U ntadien, bie nid}t an ber 
Cifenbahn liegen (ich habe vorhin nur bie hauptfäch* 
lichfteit uitferer fjaltepunfte genannt), unb ihm verbanfen 
wir es auch, baß wir, außer in UTeftre, auf uttferer 
gansen Ueife feinen Sahnhof betreten haben. Cs ift 
wahr, baß wir mit unfern Sdinelligfeiteit nicht renom¬ 
mieren Fönnen, aber bas war ja auch nidtf ber 
ber Uebuttg. Daß mau mit bem Sutontobil rafen Fann, 
beweijeit bie großen IHettfahrten; ich mollte beweifen, 
baß mau bamit reifen fann, uitb für Seife3wecfe genügt 
eine Schuelligfeit von 25 Stlometer in ber Stunbe 
burdiaus. U)ir haben felbft biefe nur feiten benußt, 
fei es, baß uns eine Canbfchaft weniger reifte, fei es, 
baß wir aus irgeub einem Grunb ein beftinuntes ferneres 
Siel erreichen wollten. 3m allgemeinen haben wie 
überhaupt nur fur^e dagesftreefeu geinad^t, ein paarmal 


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Hummer 30 . 


Seite \ 4 \ 7 . 



nur 30—^0 Kilometer, unb mehr als \60 Kilometer 
haben mir überhaupt nicht an einem Hag suriicfgelegt. 
IP05U auch? IBir mollten bie Canbfchaften, bie mir 
burd?fuhren, ja fehen, nnb bies ift nur möglich, meint 
man in einem titäftigeit (Tempo bahinfährt. Zluch mar 
uns baran gelegen, bas Zlutomobtlfahren uid?t in ZHift* 
frebit 311 bringen, mie bas leiber bie thun, bie auf ber 
Canbßrafte bahiufaufen, als gehörte fte ihnen allein 
unb nicht auch Öen Leuten, bie fouft noch barauf mit 
heiler £?aut unb ganjen Knod?en gehen ober fahren 
mollen. Die £Dettfährten, bie ihren guten Smecf hoben 
unb unter ber ©elhutg von befonberen ZTTaftregeln vor 
fich gehen, mitl id? nicht an greifen, aber ber einzelne 
Wahrer, ber bie Canbftrafteu burch ein ©emalttentpo 
tmficher macht. honbelt rücffichtslos unb verbient, aud? 
um ber 2 lutomobilfad?e miüen, fchärffteit Habel, beim 
er ift es, ber bie BevölFeruug gegen bas Automobil* 
fahren aufbriugt, felbft meint er bloft unnötigen Sd?recfen 
erregt unb nicht bireft Sd?äbiguitgeu ober ZtnglücFsfäHe 
hervorruft. Diefe, bie ftd? bei einem vernünftigen 5 ahr- 
tempo burchaus vernteiben laffen, ntüffen ftd?er eintreten, 
meun auf belebten Straften rafenb bahinfilometert mirb. 
Daft mir nid?ts auf bent ©emiffeit hoben, gereid?t mir 
3iir befonberen ©enugthuuitg, unb ich muft auch in 
biefer funftd?t unfern trefflichen 2 Ttonteur loben, ber, mie 
auf feinen IDageu, fo aud? auf alles Cebenbige bie 
äufterfte Hücfftcht nimmt unb felbft beit nid?tsuufcigfteit 
fleinen I?unben gegenüber, bie manchmal mie befeffen 
vor bem ZDagen hertan3en unb es barauf ansulegeit 
fcheineit, überfahren 3U merbeit, nicht bie ©ebulb verliert. 

€s mirb ftd? vielleicht fpäter bie ©elegenheit bieten, 
etrnas eingehenber von ben allerhanb Begegnungen mit 
ZTTenfchen unb Hieren 3U fprecheu, bie 3U111 täglichen 
Programm einer Kutontobilfahrt auf ber Canbftrafte 
gehören. 5ür biesmal fei nur gefagt, baß ftd? bisher 
feine ber fchlinimen prophejeiungen an uns bemahrheitet 
l?at, mit beiten man uns, nid?t fehr tröftlid?, auf bie 
Heife fd?icfte. IDie mir niemaubem etrnas Böfes an« 
gethan höben, fo hot auch uns uiemanb etrnas Sdjlintntes 
sugefügt. 3 ” ©beröfterreid? h a öeu bie Bauern fürchte*« 
lieh geflucht, meitn unfer fjerannahen ihre feiften ©äule 
in einige Aufregung verfeftte, aber bas mar für ben 
5reunb bäuerlicher Umgangsfprache nur intereffant, unb 
id? höbe genaueZlufseichuuitgenbarüber gemacht, inmeld?eit 
<ßegenbeit babei mehr ber Heufel unb in melchen mehr bas 
3aframent angerufen mürbe. 2 lud> eine fchöne lauge Kollef* 
ttrvermünfchuug, bei ber fomohl ber Derlag ber „IDoche", 
u>ie bie Kblerfahrrabmerfe ihren Heil mitabfriegten, 
traten mir $u vcr3eid?ncn. €s mar unfern Kre530, mo uns 


eine alte Bauernfrau, bie genau mie ihre Dermüitfchung 
ausfah, alfo apoftrophierte, mährenb mir gan3 gemäd?« 
lid? ölt ihr vorüberroUten: „Derfludjt follt ihr fein mit 
famt eurem ZDageit, verflud?t, mer ihn eud? gegeben, 
verflud?t, mer ihit/ mit tjilfe bes Heufels, gentad?t hot!" 
Dabei utad?te bie Klte eine £?aubbemegung, bie man 
fonft nur 3ur Kbmenbung bes böfen Blicfes ansumenben 
pflegt. 3 d? hotte bie Dame gern in biefer pofe photo¬ 
graphiert, aber es ftaitb gerabe, gan3 paffenb, ein 
öiefes, fd^marjes ©emitter am fjimmel, bas ftd? auch 
prompt eutlub, ohne uns iitbeffen irgenbmeld?en Sd?abeu 
3U5ufügeit. 

Dielleid?t interefftert es h^ r ben Cefer, etrnas 
über bie »pannes« 311 erfahren, von beiten nach ber 
allgemeinen ZTTeinung jebe gröftere Zlutontobilfahrt be¬ 
gleitet 3U fein pflegt. IHait verfteht baruitter, beutfeh 
gefprochen, alle größeren ZTiucfeu, bie ber ZHotor mäh 4 
renb ber 5 al?rt friegeit Faun, uttb von beiten bie 
fatalfte ftd?er bie ift, meint er einfach nid?t mehr mit- 
fpieleit miß. ©epriefen unfer XDagen, gepriefen ber, 
ber ihn uns gegeben, gepriefen ber, ber ihn, mit £?ilfe 
aller guten ©eifter, gebaut höt —: mir höben feine 
jolche böfen ZHucFen erlebt. Daft alle irbifchen Dinge 
unvoüfommeit ftnb, lernten aud? mir am Automobil 
femteit, aber es mareit immer nur UnvollFontmenheiten, 
bie ftd? leid?t unb fd?iteli beheben lieften, unb es ift uns 
nie miberfahreu, baft mir, höd?fte Blamage für ben 
Dautpfmagenreifeitben, ©chfenvorfpaiin brauchten, meil 
mir aus eigenen Kräften nicht von ber Stelle gefonut 
hätten. Km höufigjlen lieft uns bie Sünbung int Stich, 
bas ift bie äErjeugung ber bie Bemeguug h*rvorrufenben 
Beii3iiie£ploftonen, bie bei uns auf eleftrifd?em JDege 
gefd?ieht. ZTTeift mar Derruftung ber Sünbfer3e baran 
fd?ulb, unb immer mar ber <3tvtfchenfall in ein paar 
ZTiinuten behoben. Derlei Faun nur unangenehm merbeit, 
meint es burch bie befaunte Hücfe bes ©bjeFts an einem 
befonbers uttpaffenbeu ©rt gefchieht. 3d? möd?te es 
3unt Beifpiel itid?t gern erleben, baft bie Süitbung in 
einer Dorftabt von Heapel verfagte inmitten einer mehr 
temperamentvollen als fvmpathifd?en Straftenbevölfe* 
ruitg. 

IPir höben es immer gut getroffen, unb bie Flei* 
neu Dolfsverfantmlungeit, bie mir habet h^roorriefen, 
haben uns nur ermi’mfchte ©elegenheit geboten, bas 
herbeigeeilte publifum genauer 3U betrad?teu. 3mnter* 
hin märe es angenehm, eine Sünbuitgsvorrichtung j U 
haben, bie ftcherer funftionierte, unb id? höbe mir von 
Kennern fagett taffen, baft es bereits eine folche giebt, 
nämlich öie magitetifchc. 3^h für meinen Heil mürbe 


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Seite ^{ 8 . 


Kummer 30 , 


es jedenfalls einmal mit ihr verfuchen, obrnohl ich die 
Knßände, die mir infolge der eleftrifchen Sendung ge¬ 
habt traben, nicht meiter fchlimm anfehe. (Eine paufe 
non ein, 3tvei UTinuteit lägt fich mofyl mit 
hinnehmen, menn der HTotor im übrigen 
ftundenlang feinen fchönen glatten Pier* 
taft ftcher einbält. (Etrnas langmieriger 
find fd?on die gmifchenfälle, die durch 
Hefchädigungeit des Sadntaniels oder des 
Suftfchlaudjes eintreten, aber auch fte er¬ 
tragen ftch, menn fxe nicht gerade 311 be* 
fonders ungelegener geit, an befonders 
fatalem ©rt eintreten, in IPirHichfeit viel 
leichter, als man mohl glaubt. IPir ver* 
danfen dem erften diefer Zufälle unfere 
erße Hefanntfdjaft mit dem 2ldriatif chen 
HTeer. <£s mar 3tvifchen Savenna und 
Simini, in dem fleinen ©rt <£efena, als 
mir bemerften, daß das redete ßinterrad 
hart aufftieß, meil der Suftfdilguch ver* 
leßt mar. (Betreu dem fehr vernünftigen 
prin3ip, beim (Eintreten eines foldjeu 
gufaHs die fjauptftraße 3U verlaffen und 
3ur „Ubmantehutg" in den nächften Heben* 
meg ein3ubiegen, lenfte unfer Wahrer den 
XPagen nach linfs und fuhr einen 5 eld* 
meg entlang, bis er außer (ßejtchtsmeite 
der Hürger von <£efena mar, und fiehe: 
mir Ratten das 2 ldriatifd?e HTeer vor uns. 

Hie ift in großartigerer Umgebung „ab- 
gemantelt" morden, und mir benußten 
gern die (Belegenden 3U einem Meinen 
Strandfpa3iergang, mährend unfer ebenfo 
gefehlter mie unermüdlicher Hegleiter 
den Hlantel ausbefferte und unfer 5ahr* 

3eug mieder flott machte. 

Das find unfere ^roifcßcnfäHc. 3m 
übrigen ging es immer glatt und fd?ön 
voran, felbft auf nicht tadellofen XPegen 
und bei gemaltigen Steigungen. Die 
Serge hinauf freilich langfam, aber immer* 
hin fchneüer als mit Prei* und Pier* 
fpänner. Das 5 ahren felbft ift ein (ßenuß, 
der mit feiner andern 5ortbemegungsart 
verglichen merden fann. €s ift auf 
guten Straßen, mie in ©ber* und ZHittel* 
italien, ein matjres Pahinfchmeben, und man 
darf ja nicht deuten, daß der Saufmageu* 
reifende „gebeutelt" mird. 

Das Rütteln, das man am flehenden 
Uutomobilmagen bemerft, menn der HTotor 
arbeitet, fällt, je fchneller der XPagen 
läuft, um fo mehr meg, und mas übrig¬ 
bleibt, ift eine ftch dem gan3en Körper 
mitteilende, fehr angenehme Semegung 
von gan3 fur3en 3 ntervaHen, bei den man ungefähr 
das gleiche (Befühl hat mie bei den von dem 
Schmeden Sander 3U £jeil3mecfen erfundenen (Erfchütte* 
rungsmafchin'en. 3ch erblicfe darin geradeju einen 
Por3ug des Kutomobils und möchte diefe mohlthuende 
und hbchfl gefunde Staffage feinesmegs miffen. 

Ueberdenfe ich bie 5 ahrteit, bie mir bis jeßt 
hinter uns haben, fo muß ich fagen, es mar ein 


ideales Seifen, und ich münfche mir, daß ich immer 
nur im Automobil fahren fönnte. Piefes Seifen ift 
an ftch ein förperliches Pergnügen, gan3 abgefehn 
von all dem Schönen, bas man dabei 
unmittelbar und intim fennen lernt. 
Piefes ftchere Pahingetragenmerden, bei 
dem einem das (Befühl erfpart bleibt, 
daß es nur durch die fernere Stüh* an* 
derer lebender IPefen ermöglicht mird, 
diefer fchöne Shylhmus einer Semegung, 
die fein Stoßen, Herren, Sncfen fennt, 
diefer leichte £auf auf Suftpolftern hat 
etmas Unvergleichliches. Pas Seifen mit 
der Cifenbahn ift eine (Tortur dagegen. 
2TTan fönnte vielleicht meinen (und auch 
ich habe fo gedacht), daß der Stängel an 
aftiver Semegung auf die Pauer un* 
angenehm fühlbar merden müßte, aber 
es fcheint, daß die aftive Semegung durch 
jene leife Crfchütterung erfeßt mird. Ihat- 
fächlich [teilt ftch nach einer Äuhrt von 
drei, vier Stunden eine angenehme (Er¬ 
müdung ein, pnd man hat faum mehr 
das Bedürfnis, ftch noch andermeit Se* 
megung 3U verfdjaffen. 3d? glaube, daß 
auch ber beflättbige Suftsug eine gefunbe 
XPirfung ausübL 2 luf alle Äälle hat er 
ben großen Por3ug, daß es ein Seiden 
unter der großen fjiße nicht giebt. XPir 
find Hütte 3uni durch bie pontinifchen 
Sümpfe gefahren und haben feinen Kugen- 
blicf über fjiße 3U Magen gehabt. <Es 
ifl eine Krt Had in frifchbemegter Suft, 
auch menn fonfl voHfomntene XPinbftiHe 
bei fehr tiefem IPärmegrad herrfcht. Selbjt 
um die HTittagsjhinden, mährend deren 
ftch hier fogar die Sandleute nicht ins 
5rete trauen, find mir, ohne im geringjlen 
unter der £jiße 3U leiden, gefahren, do d\ 
haben mir dann die fehr gefehlt ge¬ 
machte Porrichtung benußt, die es uns 
erlaubt, aus unferm aufflappbareit Segen¬ 
dach ein Sonnendach 3u machen. 

Uber auch gelegentliches 5afjren im 
Segen ift durchaus nicht unangenehm, 
menn der Saufmagen, mie der unfere, 
(Einrichtungen hat, die das Purchnäßt- 
merden verhüten. 3d? erinnere mich mit 
befonderem Pergnügen an die abendliche 
5ahrt nach Kre330 im (Semitterjiurm, 
mährend der die IPaffer des ßimmels 
nur fo herunterfluteten, indes mir hinter 
unferm Seder mit den (ßueffenfiern faßen 
und voller Hemunderuttg das Schaufpiel 
der 3ucfenden Hliße genoffen. Unfer XPagen* 
führer mußte allerdings ein Pollbad über ftch ergehen laffen. 

3 ch fcßließe mit dem Kusdrucf der Ueber3eugung, 
daß die Seife im Saufmagen — mie ich bas Automobil 
gern nenne — fehr halb fchon in allgemeinere Aufnahme 
fommen mird. Unfer Kdlermagen hat es mir bemiefen, 
daß die Uutomobilmagentechnif auf einer fjöhe ift, bie 
dies geftattet, und daß er feinen 3nfaffen neue, gan$ 
überrafchende Uusblicte und €mpftndungen gemährt. 



. Sorrent. 



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Hummer 50. 


Seite 


Bilder aus aller Welt. 



Tom ßefuch des belgifcben Kronprinzenpaares in ^lons: Einzug in die Stadt* 

Phot, ftotfpis. Htons. 


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Seite 


Hummer 50. 



Der grofje Salon. 



2Xrbeits* unb Sefjlafjimmer brs Kaifers. 

Sin Blich in die Innenräume der Kaiferjacht „Meteor“* 

f'bot. LV.t;s treuer, Hamburg. 


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Kummer 50. 


Seite ^2 { 



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Pom Cuyuspfcrbemcirft in Prieien: 

Konkurrenzfahren der Zwetfpänner in Gegenwart des Oberpräfidenten von «Uftpreueeen Dr. von Goseler. 

ptjot. £jeinr. ©orfcom, tEhorn. 



Vom altgcrdrichtlichen JMannfdwööfcft in Mcgnitz: Hub dem feftzuge. 

pbot. Julius IPirtb, Ciegniß. 


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Hummer 50. 


Seite 1423. 




I. Hrgimmgspräßbent r>on pbilipsbom (Ijilbesbeim). 2. ©raf 311 Stolberg*IDfrnigerobe, ©berpräftbent t>on fymnopfr. 3. öürgemteifler ZDanb (Duberftabt). 

Senator Küble. 5. Sdjüfcenbauptniann Senator Klrinfdjmibt 
©ruppc ber ©brengäfte. 


b u l b i g u n g s n? a g r n König $ r i c Ö r i cb ll> 11 b c I in » III. u n b brr Königin i. u i f e. 

Oie 6oojährige Jubelfeier der Schützengilde in Duderftadt (Hannover). 

bofpbot. 3obn (tbiele, Hamburg. 




\ 


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Seite 


Hummer 30. 



5rnu 3ot}cmna ©ctbsfi, ©Ifriebe OTaljn, jelijitas £erlgioli, 

grift an Me ©rauidje ©per inurbe für bie Stuttgarter £>ofböij?ie neues Illitglieb 

in rteuyorf. perpflidjtet. bes Berliner ©Ijeaters. 




I. 3 n ber unteren Heitre (uon linfs nad? rechts): fjtlbebranbt. Hapellmftr. Ceberer. 5*1- *?nngctr. ©berreg. <£nrIf}off. Dir. tTConnitj. 5 r * König. 

,^rl. BatPiicjCtf. KaptUntßr. IPoIf. 2. 3u ber mittleren 2\eibe: (Lreumatm. ^rL fmrbegen. £Uu>en. Stubemunbt. jnmY. $v\. iAÖber. Caupprrt. 
^rl. f d?erefd)eir>sfY. Kammerfänger ©berlänber. KapeUmftr. preiubn. KapeUmftr. Dr. pmili. 3. 3 n ^ er oberen Beiljc: $rl. (tareni. ^anta. ^r. Hauen. 

5rl. Kraelfy Pr. 5d?äicr. Uuusfy. 

Direktor und Sollten der piorwitzopcr in Berlin. 


Schluss des redaktionellen Ccils. 



Auf der Reise. 

Oeffn ich meine Reisetasche 
Giii mein erster Blick und Griff 
der geliebten blauen Flasche, 
Die den Zähnen weissen Schliff, 
Reinheit, Frische, Feinheit, Kühle 
Leiht dem Mund. Jch gurgle, spüle 
-Und der staubig-matte Wanderer 
Wird ein Neugeborener, Anderer- 
Durch.Odol"!!! 





















DiewocHe. 


[lummer 31. 


Berlin, den 2. flugult 1902. 


4. Jahrgang. 


Inhalt der [lummer 31. 


Pi* fiebert (Tage ber tDodje.[425 

llmfd?ütt. [425 

£>err von Pobbtelsfi in tflafurrn.1426 

Sommrrfejte.1422 

Die ^aljrt bes Itlttcleuropäifdjcn 211otoriraqeni>ereins.1428 

Theater unb XMuflf.’.1429 

Ilnfere Bi Iber. 1429 

Die (Toten ber 2Dodp .1431 

Die Sportaodje. . 1431 

Die Börfenrood?* .. [432 

Bilber wrnt (Tage. (Pbotograpbifdje 2iufnnbmen).[433 

€s n?ar ein alter König . . . Don Hubolpb Straft (,5orricftima) . . . 1441 

Das Canb ber unbegrenzten ITlöglid^feitrn. Don Cubaug lttar (Solbberger, 

Berlin. III.‘.14*46 

®n 3 eriiÖrtes Kunftjumel. (ITIit 5 Kbbilbungcn). .144<> 

€in Hrgerftaat in Kufrubr. (ITlit [3 21bbilbungcn).[451 

Kmber ünb Kffen. (ITlit 4 21bbilbanaen). 145*4 

Do i unient (Tafdienußren. (mit 7 Kbbilbungcn).[456 

IDober flamme icf?? piauberei über ,5amil!cnforfd?ung non 2Irno Böttidjer 145 
Der ..tretfie (Tob". Don Dr. €. Beinter. (UTit 5 übbilbungcn) . . . 145') 

(fne ftocbfd?nIe ber Dlat)I* unb Batfrunfl. (ITlit 3 2lbbilbtitiarn) .... 1463 

(Orthographie unb Ciebe. HoueUe non üaonl Kuernljeimer, Wien . . . [465 

©n 3 iger IDunldr. ©ebicfjt von £Sugo Salus.1468 

Silber aus aller IBclt. (Pbotograpbifd?c 2lufnabmen). 1469 

J 9 


Man abonniert auf die „(Boche“: 

m B erlin unb Dororten bei ber fSauptefpebition ^.mnierftrafte 37/4[, fon? e bei ben 
,4tl ; alen bes „Berl ner CofaNKnjeigers" unb in fämtl. Budjbanblunaen, im 
De u 1 1 * en Keid? bei allen Bud?hanblungen ober poftanflalten (^eitungs*preislifte 
Br. 8221); unb ben ©efdjäftsfiellen ber „Woche": Bonn a. Rh., Kölnflr. 29: 
Bremen, ©bernftr. 29 ; Breslau, Sd?n>eibnitjer1Tr. €<fe Karlfir. [; CafTel, 
(Obere Köniafir. 27; Chemnitz, 3nnere Tobannisftr. 6; Dresden, Seejh. [; 
Dürfeldorf, fdinbooftr. 59; Biberfeld, Ejerjoqilrafce 38, 6(Ten a. Rh., 
€miberfeiplaft 8; frankfurt a. 63; Sörlitz, €uifenftr. [6; Balle 

a. 8., mittelflr. 9 £rfe SdjulftT.; Bamburg, BeuermaU 60. Bannover, 
©eorgftrafr* 39; Karlsruhe, Kaiferfir. 34; Kattowttz, pofifir. [2; Kiel, 
frolfimiirafje 6; Köln a. Rh., fiobefha^e [45; Königsberg l. pr., 
Kneipßöffcbe Canggaffe 55; Hefpzfg, petersftrafce [9; Magdeburg, 
Breitetoeg [84; piOndien, Kaufingerftrafje 25 (Domfreibeit); Bömberg, 
Corenjerfhrafce 30; Stettin, Breiteflrafce 45; Stuttgart, Königjtrafte U. 
Wiesbaden, Kircßgaffe 26; ZQrlch, Kenncoeg 48. 

Jeder unbefugte fTachdrudt aus dlcfcr Zcltfchrlft 
wird ftrafrechtllch verfolgt. 



Die sieben tage der Woche. 


24. 3uli. 

Das ferbifdje IHtnifterium IDnitfch reicht feine Cntlajfung 
rin. weil bie SPupfdjtina ein oppofittoueUes UTitglieb 311m 
Präfibenten getuätjlt hat. 

3 m Seliger BanPpn>5eß laufet bas Urteil gegen ben 
DirePtor Cjner auf fünf 3 a h re Sndjthaus, gegni Dr. (ßenßfch 
auf brei 3 a ^ rc (ßefängnis unb gegen bie übrigen AngcPlagteit 
auf (ßelbfirafen. 

Der Kaifer brid)t wegen anbaucrub frf^lecfjteu IPetters 
feine Norblanbreife ab. 

3 m Beftnben bes Königs oon fachfeit tritt eine wesent¬ 
liche Kefferuiig ein. 

2 lu$ £onbon fommt bie ITachiicht, baß ft dt ein japanifd^er 
Hegierungsbeamter non (LoPio nach ber lliarfusinfel begeben 
hat nnb gleid^eitig ein amerifanifdjer Schoner oon Honolulu 
borthin abgegangen ift. 

25. Süll. 

Der Kaifer fenbet bem Berliner NnberFlub, befjen ITlit- 
glieber bei ber internationalen Ncgatta in Corf ehrenvoll abge- 
fd?tiitten haben, ein (ßlücfwunfchtelegramm. 

Die babifd^eu l^ochfchnlpröfefforen richten ait ben (groß- 
her^og eine Abrefje gegen bie ^iilafjung oon Uläunerf öftcrti. 


Die internationale Konferen3 3ur BePainpfung bes IHÖbchen* 
hanbels in Paris mirb gefchloffen. 

26. 3uli. 

König (Ebuarb oon (Englanb mohnt an Borb feiner 3 ac *?* 
„DiPtoria anb Ulbert" einer Sitjnng bes (geheimen Bats bei. 

Das 3 our| ml be (Seucoe teilt mit, baß ber italienifdp- 
fchmeijerifche §n>ifchenfall burch bie Dermittlung Deuifchlanbs 
enbgiltig beigelegt morben ift. 

27. 3uli. 

3 n (Sra3 mirb bas Dentfche Bunbesföngerfeft mit einem 
großen Kommers eröffnet. Der Bürgenneifter begrüßt bie 
Jfeftteilnehmer. 

28. 3uli. 

Kus £onbon mirb ber Kbfchhiß eines förmlichen TJanbels* 
oertrags jmifeben (Englanb unb China gemelbet. 

Bei ber Heühstagserfatjtoahl für ben oerftorbenen Kb- 
georbneten £ieber im britten UPiesbabener TDahlPieis rnirb 
ber ^entrumsPanbibat Dahlem gemöhlt. 

Ueber bie portugiefifche Stabt Koeiro mirb wegen Un¬ 
ruhen, bie 001t attsftänbigen Arbeitern h erDor 9 eru f e|t f 111 ^ 
ber Belagerungs3iiftanb oerh^itgt. 

29. Süll. 

Die ferbifd?e UTinifterfrifis ftnbet ihre (Erlebigung burch ben 
freiwilligen Hücftritt be? oFpofitioneüen SPupfchtinapräfibcnten 
Stanojewitfch. 

Der Kaifer trifft an Borb ber w ^ohen3ollern" in (Emben ein. 

Der papft ernennt ben Karbinal (Sotti als Hachfolger 
£ebochowsPis 3um (SetteralpräfePten ber Propaganda tidei. 

30. 3uli. 

Der Kaifer läßt fid? nad? Befichtigung ber Stabt (Entben 
eingehenb bie Cinrichtuitgen ber Kabeltelegraphie erPlären 
unb begiebt fid? bann an Borb ber „TToh^njööcr* 1 * 3ur IDeiter- 
fahrt nach Kiel. 

< 35 ® 

Umfdiau. 

„Kultnrfainpf" in ^raitPreichl Die Jfran3ofen felbft h^ben 
bas U?ort, bas auf ben Kampf um bie IHaigefetje inDeuIfch- 
lanb gemün3t würbe, feiner 5 *it in ihre Sprache übernommen. 
3 eßt höben fie auch bie Sache. Unter bem UTinifterium 
IDalbecf-Bouffeau ift ein (Sefeß 3U ftanbe gePommen, bas bie 
Unterhaltung oon Spulen burch bie 0 rbensPongregationen 
oott ber (Senehmiguitg ber Hegierung abhängig macht. Stiefs 
fchon bas (Sefeß felbft auf ftarPe 0 ppofition, fo ift ber 
JPiberftanb gegen feine Ausführung, bie IDalbecf-Kouffean 
feinem Hachfolger Com bes überlaffen hnt, nod? weit heftiger. 
Cs ift bie Schließung aller Pougreganiftifchen Spulen an- 
georbnet worben, für bie bie (Senehmiguttg nicht nach- 
gefud)t würbe. Dagegen proteftieren bie (Drben nnb 
behaupten, es läge barin eine unberechtigte Cinmifchung 
brs Staates in firchliche Angelegenheiten. (Eheoretifch 
werben fidj Staat uitb (Patholifdjej Kirdje wohl fchwerlich 
jemals über bie (Srer^en ihrer gegeitfeitigcn UTacht einigen, 
in ber praris gefd^ieht es allenthalben. Cs ift noch ftets 
fchließltch ein modus vivendi hergeftellt, ein Kompromiß 3U 
ftanbe gebracht worben, manchmal burch größere Nachgiebig- 
feit ber Kuiie, manchmal burch weiteres CntgegenPommen 
ber Negierung. Cine Cigeutümlichfeit bes gegenwärtig in 
JranPieidj Kampfes ift es, baß ber IDiberjtanb 

gegen bie ftaatlid^eu Ulaßnahmeit wenigfteus äußerlid? nicht 
fowohl oott ber Kirche felbft, als oon ben Nationaliften unb 


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Seite ^26. 


Hummer 3J. 


gefinnungsperroanbten politifchen 
parteieit organiftert wirb. Jn 
ber prorin3 traben ftdj piele Sd?ulen 
bereits gefügt, in paris (Nbb. 

S. H 33 ) allerbiugs fträuben fid? 
bie Schweftern, bie ben Unterricht 
leiten unb erteilen, gegen bas 
Derlaffen ihrer Nnftalten, aber 
pielfadj ift iljr Sträuben nicht 30113 
freiwillig, fonbern pott ben er¬ 
wähnten politifchen Parteien ftarf 
beeinflußt, wo nicht gar erjwungen. 

(Es gilt bies bejonbers pon ber 
Schule in ber Nue Saint Ulaure, 
wo eine Nachahmung bes <Jorts 
Etjabrol aus ber Dreyfusfampagne in Scene gefegt worben 
tft. Die politifche (Dppofttion arbeitet gan3 offen auf blutige 
gufammenftöße §\n, in ber richtigen Erfenntnis, baß bie 
(eibenfdjaften in pjel hÖh ercm lUaß erregt werben würben, 
wenn (ßewaltthätigfeiten porfämen. Die Negierung aber 
weiß bas ebenfogut unb ift beshalb por allem beffrebt, fo 
energifch fle auch im übrigen porgeht, größere Straßen* 
fämpfe, wie fte bie (Segner wünfehen, 3U permeiben. So ift 
benn auch trog ber unleugbaren Erregung in firdjlich gejinitten 
Kreifen bie Kuh* bisher nicht in erheblicher IDeife geftört 
worben. Nuf ber anbern Seite fcheint aber auch bie Kirche 
nicht geneigt 311 fein, bie Sache auf bie Spige 3U treiben. 
(Es ift bemerfeuswert, baß papjt £eo XIII. bapon Nbftanb 
genommen hat, bie erwartete Encyflifa 3U erlaffen, bie 
ftcherlich in franfreidj großen moralifchen Einbrucf gemacht 
hätte, wenn fte auch auf bie Haltung ber Negierung feinen 
(Einfluß ausgeübt hätte. Ulan fegt im Datifan pielleicht auf 
bie h*™orragenben fähigfeiten feiner ausge3ei<hneten Diplo- 
maten Hoffnungen für bie gufuitft. 

(Es ift ja pon einer Neife bes präfibenten (oubet nach 
Nom bie Nebe. Unter biefen Derhältniffen ift ber (Eob bes 
Karbinals (ebodjowsfi pon befonberer Bebeutung, ber gegen 
bas Dorgeheu ber fran3Öfifchen Negierung eine entfehiebene 
KampffteÜung einnahm. Es wirb piel auf bie Haltung 
feines Nachfolgers in ber (eitung ber Propaganda fidei an- 
fommeit. §n allgemeiner Ueberrafchung hat ber papft auf 
biefeit wichtigen poften ben noch perhältnismäßig jungen 
Karbinal (Sotti (pgl. bas obenftehenbe Bilb) berufen unb 
ihn fo gewiffermaßen 3U feinem eigenen Nachfolger 
beftguiert. 

Die fleine, unweit ber Ularianengruppe in ber Sübfee 
gelegene Ularfusiniel ift äugen bli cf lieh (Segenftanb bes 
Streites 3wifchen Japan unb einem Nmerifaner. (Einige 
Japaner treiben auf bem 1898 bem Neich bes HTifabo 
offaiell einperleibten (Eilanb (Suanoabbau. Nun hat fich ber 
amerifanifche Schiffsfapitän Nofchif mit einem Schoner dort- 
hin begeben, um bie Japaner 3U pertreiben; er behauptet, 
bie Jnfel bereits 1889 in Befig genommen 3U haben* Sa 
er feine permeintlichen Ned?te erft im porigen Jahr hat be¬ 
tätigen laffen, ift bie amerifanifche Negierung nicht geneigt, 
Japan ben Beftg jtreitig 3U machen. Jm (Segenteil, fle hat 
auf bem japanifchen Kriegsfchiff „Kafagi", bas 5Um Sd?ug 
ber Japaner entjanbt würbe, einen Beamten eingefchifft, ber 
einem etwaigen gufammenftoß 3wifchen biefem unb Nofdjif 
porbeugen foü. 

Bert von Podbidski in Illasuren. 

Ulinifterreifen ftehn fdjon lange nicht fehr h Jt h xn ber 
allgemeinen IDertfchägung. Ulan meint, baß bie hohen 
Beamten bei folgen Neifen in ben paufen 3wifcheit ben ein* 
3e(nen Jefteffen mehr potemfinfehe Dörfer als bie iX>trflichfeit 
3U jehn befominen. Sollte bas wirflid? 3utreffen, bann tragen 
nur bie Ulinifter baran Scffulb, bie es fidj gefallen laffen, 
baß man ihnen alles in bengalifcher Beleudjtutig porfütjrt. 
Don bem jegigen (anbwirtjehaftsminifter, Herrn pou pobbielsfi, 


weiß man, baß er gleich 3U Beginn feiner UTinifferfchaft burd? 
ein braftifches tDort ben Uebereifer bet propin3behörben bei 
feinen Dienftreifen auf bas richtige Ulaß 3urücfgeführt hat. 
<£r foü fogar gan3 gewöhnliche Ulenfchenfinber unter pier 
Uugen nach Dingen befragen, bie ihn intereffteren, unb babei 
manchmal mehr erfahren, als wenn (anbrat Unb Negierungs- 
präflbent ihm mit Erläuterungen 3ur H a ub 9 e hn. 

IDenn er nad? biefer Ulethobe auf feiner jegigen Neife 
burch Ulafuren perfährt, bann fann fein Befud? für bie Ent* 
wicflung biefes (anbftrkhs pon großer Bebeutung werben. 
Es giebt bort wirflich manches 3U fehlt unb auch 3U hören, 
früher that man ben weltfernen Erbwinfel mit dem Spottpers ab: 

„IDo fleh aufhört ber Kultur, 

Da fich anfängt bas Utafur." 

Seitbem bie Brüber frig unb Nidjarb Sfowronnef ihre 
Heimat in Er3ählungen unb Schilberungen ber beutfcheit £efe* 
weit porgejteüt hoben hoben piele Ulenfchen hoch eine anbere 
Unfchauung pon bem £änbd?en gewonnen. Ulan weiß, baß 
es lanbfchaftlich pon ibyllifcher Schönheit ift unb jeben Befudjer 
burch bie enge Derbiitbung pon Berg, IDalb unb See ent3ücft. 
Ulan weiß auch, baß ber eigenartige Dolfsjtamm in ben 
legten Jah^ehnten, feitbem er durch einige Schienenwege 
mit ber übrigen IDelt in Derfehr getreten ift, ftd? in einer 
gerabe3U beifpiellofen IDeife aus einer tiefen wirtfchaftlichen 
unb ethifchen Deprefjton emporgearbeitet hot. 

Über noch immer fann man Ulafuren als bas Stieffiitb 
bes preußifcheit Staats be3eichtten, unb H crr °on pobbielsfi 
wirb reichlich Gelegenheit ftnbett, eine wohlwollende Berücf* 
ftchtigung berechtigter Forderungen 3U perfpred?en. Unb er 
pflegt ja ber UTann 3U fein, ber bas theoretifche XDohlwoüen 
in bie praftifche Bethätigung umfegt. Solche Forderungen 
ftnb 3. B. bie Befeitigung ber chineftfchen UTauer, bie gan3 
(Dftpreußen pon feinem natürlichen Hinterland, Nußlanb, 
fcheibet. Es wirb bem H errn UTiniffer nicht fchwer fallen, 
an ®rt unb Stelle 3U erfuuben, wie bie gollplacfereien 
jeben Derfehr lähmen, wie ganj Ulafuren nad? bem Kanal 
fdjreit, ber es wirtfchaftlich erfchließen unb mit ber See in 
Derbinbuitg bringen foü. 

Dielleicht ift es ber gweef ber Neife, pielleicht will H er ^ 
pon pobbielsfi fleh oon ber Notwenbigfeit bes mafurifd^en 
Seenfanals perfönlich über3eugeit. Dann hätte man es mit 
einem politifch hod?bebeutfamen Dorgang 311 thuii, beffen 
folgen fd?on in ber nächften £anbtagsfeffion 3U (Eage treten 
fönnen. Daß jebermann bort in Ulafuren 3U bem Ulinifter 
pon bem Kanal fprechen wirb, fann als ausgemacht gelten. 
Die ^forftmeifter ber gewaltigen Johannisburger H e iöe werben 
ihm pon ben Hol3maffen e^ählen, bie bei billigem IDaffer* 
transport in Königsberg ben hoppelten tmb breifachen preis 
er3ielen fönnten, bie „ftein"reichen (Sutsbfftfcer werben darauf 
hinweifen, baß fle ihren Ueberfluß ngd? bem fteinarmen 
Litauen abfegen wollen unb ben Kanal auch noch 3um billigen 
Be3ug pon futter* unb Düngemitteln gebrauchen fönnten, 
fu^utn, ber Ulinifter wirb bort eine neue Spe3ies wafched?ter 
Agrarier fennen lernen, b. h* bie ftürmifch einen Kanal 

perlangeit. 

Dielleicht erfährt H*rt pon Pobbielsfi auch, weshalb bie 
mafttrifchen (anbarbeiter in Sparen bie H e i ma t perlaffeit 
unb burd? ed?te polacfen erfegt werben müffen. Es fei ihm 
im poraus h' er oerraten: bas macht- bie Nbfperruug ber 
unterften Beoölferung pon ben natürlichen f^tlfsquellett bes 
(anbes: pon ber Jorft, bie ihnen tDeibe, (ßras unb Streu' 
für ihre Kuh liefern fönnte unb müßte, unb Pom See, oer 
ihnen Nahrung unb Unterhalt in ben Ulonaten geben fönnte, 
in denen bie (anbwirtfehaft ihnen feine Nrbeit unb feinen 
Derbienft geben fann. 

Die Ulafuren nennen in ihter Sprache jeben HÖh er 3 e ßcflten 
„fyxt N)ohlthäter M . H err üon Pobbielsfi fönnte fich ol ? nc 
aÜ3ugroße Ulühe ben Ehrennamen: w lDohlthäter Ulafurens" 
erwerben, wenn er mit feinem frifd?en Temperament energif<H 
in biefe perbefferungsbebürftigen guftänbe hii^iofahren wollte. 
Das wünfeht pon H er 3 en CIU Ulafur. 



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Hummer 3{. 


Seite \\27. 


Sommerfeße. 


Sänger werben Me Ubenbe. Seit bem Johannistag 
nimmt, um weniges 3war nur, aber nadjgerabe bodj fdjon 
mer flieh früher, bas leud?tenbe, Iebenfpenbenbe Geftirrt 2lb* 
fchieb oon uns. Des Sommers ßroßenbes Sehen iß im 
Hnguß auf bem f?öhepunft angelangt, überreich giebt, 
raßlos fpenbet er, unb hoch neigt er ßdj Iangfam, gan3 
langfam feinem Enbe 3U. Um fo mehr will man ihn 
noch genießen, ihn ausfoften, ihn feßhalten. Sänger 
werben bie Ubenbe. Uber ße finb fo lau, fo ßernenflar, fo 
roll Blumenbuft! 

Es ift bie gett ber abenblichen Jeße im freien. man 
feiert, man oergnügt fich jetzt fo riel ungebnnbener als im 
Jracf unb im langfdjleppigen DefoÜetietten, fo riel freier als 
unter ben Kr yßaU armen bes Ballfaalfronleuchters, wo rings 
an ben IDänben nicht nur bie piüfchfeffel gähnen. Diefelbe 
Gefelljchaft, bie fich im JDinter jum flirten unb UTebifteren 
3nfammenfinbet, ift fich in ber Unge3wungenheit bes Babe« 
lebens nähergetreten. Sie flirtet unb mebifiert auch h^r, 
aber auf ben TDalb- unb Boot*, (Tennis* unb Bergpartien 
hat man manche menfchliche Siebenswürbigfeit aneinanber 
entbeeft, bie trotz jahrelanger IDinterbefanntfchaft oerborgen 
geblieben wäre. UTan hot fich am Stranb bei ßunbenlaitgem, 
fanft einbnfelnbem Hichtsthun unb Hidjtsbenfen aneinanber 
gewohnt. Unb nun läßt man ßdj oon ben fjormlofen Ge* 
nüjfen bes Hbenbfeßes im freien, bas bie Babeoerwaltung 
auf großen getteln an Bäumen unb gännen an fünbigt, gern 
locfen unb betet mit ber gefamten Kurgefellfchaft oon 
Strubelsbach ober Jlunbershogen um gutes TDetter für biefes 
<SIan3feft ber Saifon. 

Der oielgewanbte, weltmännifche bjerr Babefommiffar, ber 
aus feiner leiber 3U früh abgebrochenen militärfarriere oiel 
Strammheit, pflichtbewußtfein unb Derantwortlichfeitsgefühl 
beibehalten hot, übernimmt natürlich bie Hrrangements. Er 
weiß, baß man oiel oon ihm erwaitet. Unb in jebem Jahr 
hat er bie reblichfte nbßdjt, feinen (Säften, bie er famt unb 
fonbers als feine Schutzbefohlenen betrachtet, gerabe biesmal 
etwas Heues unb gan3 Bejonberes 3U bieten. Unter bem 
Kurpublifum befinben fich weitgereifte, oerwohnte Seute. 
Sange unb ernflhaft benft er nach, bis fchließlich, wie in 
jebem Jahr — ba er gleich anbern UTächtigen ber (Erbe mit 
ben ihm gejogenen Greben rechnen muß — eine feenhafte 
Beleuchtung bes berühmten Kurparfs, UTilitärfonjert unb 
italienifche Hach* oeranftaltet werben. (Er ift fd?on lange geit 
im Umt. Diele folget Jeße hot er fchon geleitet. Unb 
hoch iß es in jebem Jahr noch fdjöner, noch glanj- 
ooller, noch wohlgelungener gewefen. TDoran mag bas liegen? 
XDogte in früheren Jahren ein minber füßer Duft oon ben 
blütenbelabenen HofenßÖcfen her burch bie Saubgänge? TDaren 
nicht auch bamals bie 3ierlichen ober impofanten (Seftalten 
ber Schönen beim Klang ber ITCnßf auf- unb abgemanbelt, 
jur Seite bie hellgefleibeten, ßrohhutgefchmücften Kaoaliere? 
XDar nicht auch bamals alles ringsumher in jenes be3aubernbe 
<Semifch oon Sebensluß, Sorgloßgfeit unb geßeigerter Genuß« 
frenbigfeit ber Sommernachtsßimmung getaucht gewefen? 

(Es iß ein eigener Het3, ben biefe Sommerabenbfeße felbß 
bem Blaßerten, Hbgeßumpften noch bieten. Dielleicht liegt 
er in ber feltfam myftifchen (Sebämpftheit bes bunten Sietes, 
bas aus roten unb orangefarbenen Sampions, bie im fchmülen 
ZTachtwinb, hm unb h*rfchaufeln, auf bie fiesbeftreuten parf- 
rvege fällt. Unb erß jene, benen noch in finberfrohem 
jEebensburß bie jungen EJerjen fragen, bie beueibenswerte 
3«genb, ber noch jeber (Tag ein Jeß, jeber Hbeub ein Husblicf 
auf neue Jreuben iß, wie fchwitnmt unb plätfehert ße in 
feltgem (Senießen an einem folcheu Hbenb! Unb wenn bei 
ben jüngßen Damen etwas ein wenig bie Jreube trübt, 
fo tft es ber Umßanb, baß „Sie", bie Dielbefprochene, bie 
3eneibete, bie junge Jrau, oon beren (Satten man nie etwas 
hbrt, auch h eute mieber, wie bei allen gefeüigen Deranßaltungen 
bes 23 abes, ben Dogel abfehießt. Hud? heut trägt ße bie ejtra- 


oaganteße (Toilette nttb einen unglaublich gewagten f}uh 
auch h*ut* fnallen an ihrem (Tifch unter ber bichtbelaubten 
Kaßanie bfe Seftpfropfen am lauteßen, fchallt bas fröhlich* 
(Selächter am lußigßen. Sie iß bie (Slücfliehe, bie gefeierte 
Saifonfchönheit — — — auch ße ßeht auf ber EJötje bes 
Sehens, wie ber reife Sommer in feiner prad}t. 

Einen intimeren (Tharafter tragen bie Ubenbfeße im 
freien, bie oon ben glüeflidjen Gartenbeßtzern in ben Dor* 
orten ihrem Jreunbes* unb Derwanbtenfreis bargeboten 
werben. 

Hot- unb grünfehimmernbe Sämpchen giebt es auch 
hier, unb weiche, warme IDinbe, bte linb bie ertöten IDangen 
fächeln. Hus bem (Sarten3immer tönen fdjmeichelnbe IDa^er- 
flänge, h*U* (Seftalten ßtjen eng aneinanbergefchmiegt auf 
einfameu Bänfen unb beobachten fehnfüchtig bie Sternfchnuppen, 
bie in feurigem Sauf ihre Bahn hinnntergleiten. Denn 
trotz aller Beleuchtungsfünße, trotz ^es oon bem eifrigen 
(Saftgeber mit mehr gutem JDillen als pyrotechnif<hem (Sefchief 
in Scene gefegten Jeuerwerfs giebt es merfwürbigerweife 
auf folgen Ubenbfeßen ftets Seute, bie es im Dunfein am 
ßimmuttgsoollßen ßnben. Unb noch merfwürbigerweife treten 
foldje fomifche Seutchen meiß paarweife auf. 

Kn bem großen (Tifch in ber Saube aber wirb oiel Bowle 
oertilgt, fetpr oiel Bowle. Sie würbe 3war auch im giinmer 
nicht übel fdjmecfen,- wenn ße wie tß*r mit Eingebung unb 
Sadjfenntnis gebraut unb in fröhlicher Saune getruufen wirb, 
aber ihrer würbiger ift es, wenn man ße im (Sarten genießt, 
wenn bie grünlichen Homer, oon ben 3udenben JDinblichtern 
umfpielt, golbig außeuchteu. IDie fühl unb würjig gleitet 
bas fößliche (Setränf bie burftigeu Kehlen hinunter! Hoch ein 
(Sias unb noch ein (Sias! JDann fann man genug hoben an 
ber (Sottesgabe, bie fo angenehm erregt unb leicht beraufcht, 
aber bomben Kopf frei unb flar läßt! Unb bie letzte Eleftrißhe 
unb ber legte Stabtbahnjug, bie 3urücfführcn in bie buuftige 
Stabt, ßnb hoch fchon längft oerfäumt. 

Jeber giebt es fo gut, wie er fann. Der Saubenfoloniß 
braußen an ber Peripherie würbe mahrfcheinlich auch bas 
aromatifche (Semifch aus (Traubenblut, in bem buftenbes 
pßrßchßeifch fchwimmt, feiner IDeiße mit Strippe oorziehen. 
Über ba er ßch fo etwas hoch nicht leiften fann, oerbittert er 
ßch bas Behagen an feinem Stücfchen (Sartcnlanb burch folche 
Betrachtungen nicht erß. manche müheoolle Stunbe hot ** 
ihm 3war gefoftet, burd? feinen reichen Ertrag an Habieschen 
unb peterßlie entfd?äbigt es ihn aber ooüfommen bafür. 
Had? Schluß ber Jabrif läbt er feine Jamilie unb feine 
Harham 3U einem befcheibenen Jeß im Jreien ein. Jür 
oiele ift auf bem engen Baum nicht platz, ober UTutters Ge¬ 
burtstag wirb hoch feßlich begangen mit Stocflaternen unb 
giehhormonifa, mit „Knoblänber Ä unb einem Sfat. IDenn ber 
IDinb bie Petroleumlampe auspußet, fo wirb ße eben wieber 
„anjeßoehen". Dann wirb ßott weitergebrofehen, unb bie 
mutter erjählt ihren Jreunbiunen ßol3, aber leife, um bie 
heilige Tjanblung nicht 3U ftören, wie ße ben gan3en Sommer 
über banf bes rationellen Sanbwirtfchaftsbetriebs nicht nötig 
gehabt höbe, Suppengrünes 311 laufen. Das (Sartenfeß bes 
„fleinen TITannes!" — 

Hbeubliche Jefte im Jreien, bie bas ßeißige Doll nach 
harten Arbeitswochen ergötzen, ed?te, rechte, urwüchßge JrÖhlid?- 
feit ohne Programm, ßubet man noch am fangesfrohen Hhein 
unb im Hedarthal, wo man ben IDein erntet, ber allerorten 
bei ben Jeßen ber Begüterten Genuß unb Unregung fchofft» 
f}ier hot man ihn eingebracht, hier auf ben fonneitburch* 
glühten fjügeln iß er gereift, unb hier oerfteht man auch, 
etwas fpäter im Jahr, ihm 311 Ehren, luftig 311 fein, über- 
fchäumenb luftig, manche herrliche ^erbftitacht wirb burch- 
jauch3t unb burchjecht, gefchmücfte Boote gleiten ben bnnfeln 
Jlnß hinunter, unb am Ufer ßtjen in ben feßlich beleuchteten 
Gärten bte Erntefrohen, bie mit benen auf bem IDaffer wett¬ 
eifern in Gefang unb jubelnber Dafeinsfreube. 


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Seit* \^2S. 


Sftummer 5\. 


Somnierluft in grüner £ommerprad?t, tjei§ atmendes, bod?, bu bift fo fd?ön . . ." Hber wir wollen uns ben fd?äu* 
fcbiiell pulfterenbes £ebett roüer Blut uub Kraft — ad?, wie menben Bed?er ber Dafeiitsfreube nid?t burd? meland?olifche 
balb jietjen fte baoon, biefe Föftlid?en Stunben, bereu Hugen- Hejlerionen perbittern, uub wir ttjun redjt baran, bas, was 
blicfe man 3U (EwigFeiten perwanbelit mö.t?te! „Perweile ift, fo 3U genießen, als ob es niemals wieberfefyrt. <£. m. 


Die fahrt des mitteleuropäischen motorwagenoereins. 


Pie fd?öne fahrt, bie ber 2 Tiittelextropaifd?e KTotorwagen* 
perein in ber porleßtcn TPod?e peranftaltete unb bie mit Hb- 
fted?ern faft taufenb Kilometer betrug, ergab beit erfreulichen 
Beweis, baft bie beutfebe KTotoriubuftrie in ihrer aufftreben* 
ben GntwicFlung pbr Feiner anbern 3nbuftrie HMt 3urücf- 
3uftel?en braucht. (80113 im (Segenteil, allen (Einflüffen ber 
Straße, bes (ßeläubes unb ber Klitterung gewad?fen 3eigteu 
fid? nur beutfd?e f abriFate. allen poran bie IPagen ber Hbler- 
fahrrabwerFe pormals F?cinrid? Kleyer in franFfurt a. KT. 

Km freitag, beut \\. 3 »li, nahm bie fahrt bei ftrömert* 
bem Hegen pou Berlin aus ihren Hnfang. Per erfte Gag 
ber f atjrt ermunterte ben Heuling gcrabe nicht 3U ben freuben 
bes Hutomobilfports, ber fjitnmel inad?te ein bitterböses <Se- 
frdpt, unb Hegeitböe folgte auf Hegenböe, fo baß Ghauffeen 
unb IPege balb mit einer faft unpafüerbaren Kotfd?id?t 
bebeeft waren. Gs blieb benn and? nid?t aus, baft maud?e 
ber Füllten fahrer ftecfeit blieben, ein Geil aber erreichte 
boef? nod? £ubwigsluft, unb obwohl mancher, fel?r gegen 
feinen IPillen unb unter freubigeit Kunbgebuugen ber Porf« 
bepölFeruttgeu, bas fdjwere (geführt ftellenwcife hatte fd?iebeit 
müjfeu, waren in £ubwigsluft alle fiberftanbenen fährniffe 
balb pergeffeit. Pie Heife felbft war pou bem Porftanb bes 
KTitteleuropäifd?en HTotorwagenpereins, bem (Srafeit H. pon 
Galleyranb-perigorb unb bem (SeneralfeFretär Gonftröm, auf 
bas trefflidjfte organiftert, in allen (Drtfd?aften unb Stäbten, 
wo geraftet ober Hufenthalt genommen werben follte, waren 
entfpredjenbe PorFeljruugen getroffen. IPenu ber erfte Gag 
ber fahrt aud? wenig ermutigenb war, fo traten bed? in ben 
folgenben, fd?Önen Gagen bie Por3üge bes 2 lutomobilfal?rens 
um fo beutiieber l?eroor. 

Pas IPetter befferte fid? 3ufet?eitbs, unb fo war benn bie 
fat?rt pon £ubwigsluft nad? Hamburg eine Ijerporragenb 
fdpöue. Per Hegen bes pergangenen Gags hatte bie Straften 
Pom Staub befreit, man Fonnte ben Hnblicf ber wunber- 
poUen (Segenb in pollem Umfang genießen, unb and? bie 
Parnen — F}err tjans Hiecfen, ber Berliner Pertreter 
ber HMer-fahrrabwerfe, mad?te mit feiner (Sattin unb 


Schwägerin bie fah rt mit — Famen auf ihre Hed?itung. 
Hud? bie Hrmeeperwaltung I^attc ber fahrt befonbere Huf« 
merFfamFeit gewibmet, £cutnant 3 uf ifd? oon ber PerFeljrs* 
abteilung ber Gifenbahntruppen war ba3U Fommanbiert worben, 
Beobachtungen über bie perfd?iebcueit Syfteme 3U machen. 

fröhlich ging bie fahrt nad? Hamburg. Pie bortige 
Sportpereinigung bes poloFlnbs hatte einen gläi^eubert 
Gmpfang rorbereitet, mau füllte ben (Säften ein äufterft 
fdineibiges polofpiel Por, unb am Sonntagmorgen würbe eine 
Korfofatjrt 11m fas Hlfterbaffin perauftaliet, bie pon ber 
Hamburger BepölFerung freunblid? aufgenommen würbe. 


Hm nadjften Gag ging es nad? Kiel auf glatter, wunber« 
barer Ghauffee. KHl&e b?eibelanbfd?aft wedjfelte ab mit frucht¬ 
baren (Seftlöeit, ftarrenbe, troßige Bauernhäufer, in ftd? felbft 
abgefchloffen, jebes felb mit einem Kuicf eingefänmt. Klan 
fuhr burd? herrliche BudjenmalDer, bie ber £anbfd?aft einen 
belebeitben Hei* gaben. Pie Geilnehmer ber fahrt berichtigten 
unfern groftten Kriegshafen, unb am nächften HTorgen rüftete 
man fid? 3iir fahrt nad? Bremen, ber alten fjanfaftabt. 
Piefer Geil ber oftholfteiuifchcn Sd?wei3 gehört 3U ben 
fd?i>nften (Segeuben Horbbeutfdjlanbs. 3 U Pl<> rt ®wrbe ge* 
raftet. KTait genoft ben Hitblicf bes wunberoollen plöuer 
See» unb bes alten hH'torif<hen parFs mit feinen berühmten 
Hllecn, bie ans Fnorrigen, urwüdjftgeu €id?en unb Buchen 
beftehen. 3 n öi^f^r wunberpollett Hatur werben bie Söhne 
unieres Kaifers er3ogen — es ift ein Platj. würbig ber 
KönigsFinber. Pon Gntin, bem fauberen olbeuburgfehen 
Stäbtd?en, würbe ein Husflug nad? Heuftabt uub pon h< e r 
nad? bem Fleinen 0ftfeebab KTarieubab gemacht. Ulan genoß 
ben HnblicF ber ewigen See, bann ging es auf Hblerflügelu 
itad? lübecF. Hod? in fpäter Hbeitbftunbe würben bie Sehens« 
würbigFeiteit ber uralten F^anfaftabt in Hugenfcheiu ge¬ 
nommen, bie IHarieuFirche unb bas alte Hathaus, unb bann 
im Sd?ifferhaus Haft gemacht. Pie fchonfte unb h cr rlicfafte 
(Segenb war burchfahrcn, man Farn jegt über Hageburg tn 
bie mecFlenburgifchen £aube. Hm Hagcnburger See würbe 
eine Fur^e paufe gemacht, fpiegelblaitF lag bie ungeheure 
fläche im gligernben Sonuenfcheiu, bunFle Buhenwälber 
nahmen bann bie (Sefellfchaft mieber auf. 

3 n KTecfleitburg ftanb bie (Ernte l^errlld^. (Serabe oom 
Hutomobü aus ift man in ber £age, aud? nad? biefer Hid?« 
tuitg h< n intereffante Stubien 3U mad?en. KTan eilte bahitt 
burd? wogenbe Kornfelber pon unabfehbarer Husbehnung, 
man erhielt Ginblicfe in bas mecflenburgifche £anbleben 
unb bas Greibeu in ben Fleinen mecFlenburgifchen £aub« 
ftäbten. Per K>eg führte über (Sabebnfd? nad? Schwerin. 
Per jugenbliche (Srofther3og pon KTecFlenburg*Schwerin ift 
felbft leibenfdjaftlidjer Hutomobilift unb fteuert feinen JPagen 
eigenhänbig. Peshalb würbe bie 
Heifegefellfchaft in Schwerin mit gan3 
befonberer freube aufgenommen. Per 
imponierenbe plag um bas Schloß, 
bie wunberoollen Hnlagen, ber fd?onc 
See würben beftchtigt. bann aber ging 
es mit polier fahrt ber f?eimat 311. 

KTan übernadjtete in prigwalf, 
einer größeren Hcferftabt ber priegnitj* 
TPenn bas IPetter am porhergehenben 
Gag heiß unb ftaubig gewefen war. fo 
fd?ien es 3uerft, als ob ber IPettergott 
beimSd?Iuft ber fahrt wieber ein böfes 
(Seficht machen wollte. StärFereit 
Hegengüffen entging man glücflicher« 
weife, aber über bie (Segenb hatte ftd? 
leichter Hebel gelegt, fo baft pon ben Schönheiten ber KlarF nur 
wenig 311 fehen war. (SlücFlicherweife Fonnte wenigftens 
ber parF pou Hheinsberg in Hngenfchein genommen werben, 
jene hiftorifdje Stätte, an ber preuftens grofter König feine 
glücFlid?ften 3 l, 9enbjahre perlebt hatte. Pon Hheinsberg 
ging es burd? bas £?arellud? nad? potsbam 311 wo bie fat?rt 
il?r offizielles (Enbe erreid?en follte. (Es war bereits Hbettb, 
als mau auf ber HTotorausftellung anlaugte, wo man auf 
bas h er 5i*(hfte empfangen würbe. Pon allen IPagen waren 
nur bie brei Hbler übriggeblieben, bie währenb ber ganjen 
fahrt and? nicht einen HTomeut perfagt hatten. K. c. 



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Hummer 3{. 


Seite 


Cbeatcr und tiiulik. 


3 n <5ra3 waren biefer (Tage (Taufenbe nttb 2 lbertaufenbe 
beutfd?er Sangesbrüber 3U fro^ltd^em (feftef eiern oerfammelt. 
Ulan ift es gewohnt, ben Ulännergefaug als etwas fd? 
Peutfdjes auf5ufajfen; unb bas ift er wohl aud}. gwar haben 
in €nglanb, fcfjon ehe gelter, ber mufifalifdje Jreunb (goetljes, 
1809 Sie erftebeutfcfje £iebertafel grünbete, Klubs beftanben, 
bie bie ITCufif für ITTännerftimmen pflegten; 3war gewinnen 
bie ITiännerd?Öre ,franfreid}s feit einigen 3^l?r3el^nten immer 
mehr an Bebeutung: bem beutfcfyen Ulännerfang fommt 
gleid}wof}l eine Sonberftellung 311, aus ber er fid} aud} 
itid}t fo leidet rerbrängen (affen wirb. Jaft in nod} höherem 
ITTaß, als bie beutfd}eu (Tumoerbänbe, fiub bie beutfdjen 
Ulännergefangoereiue 3U pflegeftätten beutfd}*oaterlänbifd}er 
(geiinnung geworben. Ueberall in ber ganzen IPelt, 
wo fidj nur eine Kn^atjt 
beutfdjer UTäuner 3um ( 5 e* fflj 

fangsquartett 3ufammenftn* JB 

ben, ba ift bie £iebe m 

3iir beutfdjen Heimat bas 
immer aufs neue oariierte 

(grnnbtbema ber gefeüigen ! <yQy' 

Kunftübnng. Unb fo fommt f| 

es baß alle IHännerdjöre J 

beutfd}er gunge, ob groß, | 

ob Flein / fid? als ein r f, f 

gnfammengehöriges füllen. InWufl 

£ängft fcfjon ift biefem (Ein* ^/U jl IIW fl jg 

pfiiiben aud} äußerlich baburd} 

Hedjnung getragen worben, 
baß bie oerfchiebenen £ieber* 
tafeln unb Sättgerbünbe fid) 

3n einem großen „Peutfd}en f IfWlnljlni l Ül lfl 
Sängerbunb" 3ufammenge* 
fd}I offen traben, 3U bem im 

gan3en weit über tooooo fl Q^fl-M 

Sänger gehören. 3 m 3 a f? r —g . iMgJJ I 

{865 feierte ber „Peutfcfje 

Sängerbunb", ber fowofjl bie §auptportai brr s 

in Peutfchlanb, wie bie im 

Kuslanb beftefjcnben Sängerbüube unb Ulännergefangoereiue 
umfaßt, in Presben fein erfies großes Sängerfeft; weitere foldjer 
Jefte folgten ( 87 <t 3U IHünd?en, *882 511 Hamburg, 1890 5U 
IPien unb 1896 3n Stuttgart, gum fcdjfteumal oerfammelte ftd} 
ber Peutfdje Sängerbunb nun tn ber fdjönen fjauptftabt Steier* 
marfs. Pon überallher waren bie beutfefjen Sangesbrüber 
3ufammengeftromt. Selbft ber norbamerifanifd}e Sängerbunb 
Ijatte einen Pertreter entfanbt, beffen Hebe beim Banfett mit 
3 ubel aufgenommen würbe. (Ein bebeuteubes Kontingent {teilten 
natürlich bie Peutfdjen (Defterreidjs, unter benen wieber bie 


Qauptportal brr Sängcrtjalle in ©raj. 


ber 3 nbuftriehalle unb ähnelt in (form unb Konftruftion ber 
IPtener Jefthalle oom 3 a b r 1890. Pon ihrer ungeheuren 2 lus* 
behnung macht man fid} eine ungefähre Porftellung, wenn man 
hört, baß bie fjalle 7 500 Sänger unb 8000 gut}örer auf3u* 
nehmen imfianbe ift. Pie beiben Sd}malfronten fmb oon ele¬ 
ganten portalbauten überragt, als Tjauptaufbau erhebt fid? an 
ber Sangfeite bas gewaltige portal (fiehe nebenftehenbe 2 lbb.), 
beffen Pylonen mit prächtigen Ulebaillons gefchmücft ftnb, bie 
oon ben <Sra3er Künftlerit <£. Konrab unb (f. ITTiffd}owsfy 
ftammen; and} bas ben Hunbbogeu 3ierenbe (Triptychon „Pas 
beutfd?e Polfslieb* würbe oon benfelbeit Künftlern nach ben 
(Entwürfen von 21 . UTaruffig aufgeführt, profeffor ^r. Sieg* 
munbt, ber 2 lrd}iteft ber Säugerhalle, hut bamit ein JTleifterwerf 
gefd}affen, bas ber Stabt <Sra3 hoffentlich erhalten bleiben wirb. 

J9 

Pie Bayreuther Jeftfpiele h a ^ n begonnen. Sie 
bringen bas gleiche Programm, wie im oorigen 3 a ^ r * 
Per oon Ulottl birigierte, ohne gwifd}enpaujen gefpielte 
„^liegenbe t?oUäuber w mit (Eheobor Bertram in ber (Eitel* 
rolle unb (Emmy Peftinn als Senta machte ben 2 htfang unb 

übte micberum eine ftarfe 
IPirfung aus. 3™ «Parfifal," 
ben Pr. UTucf leitete, fang 
Y bi« (Eitelpartie mit gutem 

Jr (Erfolg ber IPiener (Eettorift 

JÜÜU Sd}mebes. 3 m IHittelpunft 

ber unter Pireftion Bans 
Hid}ters o.or ftd} gehenbeit 
L S H Hingaufführungen ftanb oait 

Hooy als IPotan. (Einen 
^ h«rrlid}en Siegfrieb gab (Ernft 

^ fllr Kraus, bie geniale Ittarie 

IPittid} (teilte bie Siegliube 
il bar, als Ulitne unb 2llberid} 

begegnete man ben heroor* 
ll ragenben Künftlern Breuer 

jl i ' I 1 M % >l_ (friebrid}s. — Per 

3 3 f wll'lP ber Jeftfpiele ift 

wieberuin augerorbentlid} 

-~ ftarf; erfreulich berührt babei 

K — bieQIh a lf ac ^e, baß bas beutfetje 

l publifunt biesmal weit 50hl- 

reider erfdpienen ift, alsfonft. 
ngcrtjaiie in ©raj. Uebrigens feiert mau in 

biefem Sommer ein „parft* 
fal 4, * 3 u biläurn. Por 3wan3ig 3 <*h r en brachte ber IHeifter feinen 
Sd}waneugefang 3um erftenmal 5ur 2 luffül}rung. Pas 3ubiläum 
gab aufs neue 2 lnlag, eine 2 lgitation ins IPerf 3U feßen, 
um bas Bühuenweihfeftfpiel über bie gefeßlid}e Schußfrift 
hinaus für Bayreuth 5U erhalten. (Es würbe hierfür 5iir 
(Srünbung eines großen „parfifalbunbes" gefchritten. 0 b bie 
parftfalbünbler es gerabe fct?r flug augefaugen hoben, ihre 
gweefe 31t erreichen, ift eine Jfrage für fid}. w. K. 




XPtetier Sänger mit 1300 Köpfen am ftärffteit oertreten 
waren. Pon reid}sbeutfd}en Percinen waren erfd?ieuen: bie 
Bayern, bie Babenfer, bie 2 lnl}alter, bie £eip3iger, bie 
Presbiier unb bie Sänger aus bem (Elbgau, bie Berliner unb 
bie Sänger oon ber (Elbe unb £)aoel, bie (franffurter unb 
ber (fränfifd}e Sängerbunb, bie (Sörlißer, bie pofeuer, bie 
X?effen. bie (Thüringer, pfä^er, Bheinläiner unb IPeftialcn, 
bann bie Kleef len burger, bie Hamburger, bie Bremer unb 
bie Sangesbrüber oon ber unteren (Elbe unb IPefer — fur3, 
es bürfte feine £anbfd}aft im bcutfd}eu Paterlaub geben, bie 
nicht oertreten war. (Es gab einen Jpeffyig oon fold} impo* 
fanter (ßroßartigfeit, wie ihn (Sraj wohl noch nid?t gefehen. 
C Db es ben Sangesbrübern in (Sra3 gefallen hat? gweifel* 
los! Sie würben fonft fd}werlid} au einem eitrigen Por* 
mittag — wie bie Statiftif melbet — an bie ^0 000 2Jußchts* 
t arten hittausgejebieft haben! 

je 

Pie (Srajer Sängerhalle erh«&t uuf (gebiet 
ber (gra3er Kenubahn unmittelbar neben ben parfanlagen 


Unsere Bilder. 

gum Untergang bes Pampfers „Primus" ( 2 lbb. 
S. H 50 , unb H 3 . r )). (groß wie bas Unglücf, bas ber 

gufammenftoß bes „Primus" mit bem Pampfer ,,(?anfa" 3ur 
folge gehabt l?at, ift bie (Teilnahme ber Beoölferung unb 
ihre Ulilbthätigfeit. 2 lud} unfer Kaifer, ber wegen bes an* 
bauernb fd?lecf?ten U 2 etters feine Horblanbreife früher, als es 
urfprünglid} in feiner 2lbficht lag, beenbigt unb nach feiner 
Hücffchr foeben ber Stabt (Emben einen Befud} abgeftattet 
hat, ließ es fid} nid}t nehmen, in einem an ben Bürgermeister 
oon Hamburg gerichteten (Telegramm fein herjK^hes Beileib 
für bas fd}were Unglücf aus3ufpred}en. Befonbers bead}tens* 
wert in ber faiferlid}en Kunbgebung ift ber IPunjch, baß alles 
gethan werbe, um einer ähulid}eu Kataftrophe auf ber (Elbe in 
gufunft oor3ubeugen. Pen 0 pfern ber Kataftrophe erwiefen 
in Hamburg f}unberttanfenbe bie leßte (Eh f e, inbem fie bie 
fieicbeiijüge jurn Jfriebhof begleiteten, ober fie wenigftens in 


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Seite ^50, 


Hummer 3J. 


ben Straßen ber Stabt mit fch»eigenbem (Ernß grüßten, 
(für bie Hinterbliebenen aber bilbete ßcb fofort ein Hilf** 
Pomitee, bas ßdj nicht nur bie £titberung ber erften Hot, 
fonbern bie bauernbe Jürforge für bie ihrer (Ernährer Be* 
ranbten jur Aufgabe gemalt Hat. Durch pripate Drittel 
fofl bas (Erforberlidje 3ufamtnengebracht »erben, bantit bte 
jo hart Betroffenen nicht auf 
öffentliche Armen unterßütjung 
ange»iejen ftnb. Gebührt biefer 
(fürforge AnerPennnng, fo muß 
aber bas Debatten eines ber 
DerunglücPten noch höh cr 9 * 
priefen »erben; es ift ber 
Kellner (Emil (Eberharb (ogl. 
untenßeljenbe Abbilbung), ber 
felbß bas £eben oerlor, nach¬ 
dem er es fünf perfoiten 
opfermutig gerettet hatte. 3 W * 

3»ifchen ift auch an ber 
Hebung bes gefunfenen Dam* 
pfers eifrig gearbeitet »orben, 
jein gufianb »irb riefleicht finge^eige geben, bei »em 
bie'Sdjnlb für bas UnglücP 3U fuchen ift. 

N 

Heimfehr ron BurenPämpfern (Abb. S. 1435 unb 
H 36 ). Der (friebe hat ben fübafrifanifchen Bepublifen bie 
Freiheit geraubt, aber 3ahlreichen (Befangenen hat er bie in 

helbenmütigem Kampf rerlorene Freiheit »iebergegebert. 

Aud? bie 3ahlreichen Krieger, bie 
nach ber erften großen Hieberlage 
ber Buren unter (Tronje nach ber 
(felfeninfel St. Helena gebracht »or¬ 
ben »aren, haben bie (Erlaubnis 3ur 
Hücffehr ins Daterlanb erhalten. 
Diefen Dorteil bes ^friebensßhluffes 
genießen aber nicht nur bie Buren 
felbß, fonbern auch bie Angehörigen 
anberer Dölfer, bie auf ihrer Seite 
gefochten haben. 3 n Bremerhauen 
ift bereits eine größere Anjahl beut* 
(eher BurenPämpfer angePomtnen. 



Der Dampfer fjanfa. 



€mtl €btrf}arb f 
rettete beim Untergang bes 
„primus" 6 perfonen. 




Bilber aus Kiel (Abb. S. *437). 
Die Kriegshafenftabt Kiel fleht 
pöflig im Reichen ber HTariue, perfonen unb Dinge er¬ 
innern auf Schritt unb (Tritt baran, baß fte h* er ih reH SiÖ 
hat, perfonen unb Dinge 5eigen auch unfere Bilber. Die 
im (Barten ber Illarinefchule aufgeftellte Büße bes (Seneral* 
marinebirePtors Benjamin Haule »eift auf bie Dergangenheit, 
Abmiral Köfter mit feinem Stab repräfentiert bie (Segen* 
»art, ber bei ber Dergrößerung ber Kaiferlichen IDerft per* 
»enbete Bagger beutet mit feiner (Ofätigfeit auf bie §ufunft 
unb bie in ihr fortfehreitenbe (£nt»icflung ber IHarineftabt. 

6b4 

Petersburg (Abb. S. 1458 ) hat, »äljrenb noch ber König 
pon Italien am rufßfchen H°f weilte, auch beutfehe (Säße in 
feinen IHauern beherbergt. Das Schulfchiff „<£harlotte\ an 
beffen Borb ßch H er 3°9 2löolf ^riebrich pou UTerflenburg be* 
fanb, ging in Kronftabt oor AnPer, unb bie ®fß3iere nahmen 
u. a. an bem Stapellauf bes »^rel* teil. — IDie man in 
ber rufßfchen I^auptftaM bie Kunß 3U ehren »eiß, bafür 
lieferte Pü^lich »ieber bie ungeheure (Teilnahme einen Beweis, 
unter ber ßch bie Beerbigung bes berühmten Bilbhauers 
AntoPolsPy PoU3og. 

Aachener fyetltgtumsfaHr’ten (Abb. S. ( 440 ). 2 TTa<H 
bem ^lecPen (Tornelimünfter im £anbPreis Aachen »erben all¬ 
jährlich mehrere XDaflfahrten peranftaltet, 3U beneu ßch ßets 
3ahlreiche Pilger aus ben Htjeinlanben einßuben. (Es »erben 
bann bie Reliquien ge3eigt, bie in ber alten gotißhen Kirche 
bes Pleinen (Drtes aufbe»ahrt »erben. Unfer Bilb ßellt bie 
Schlußpro3effion ber Ietjten, im 3 U ^ peranßalteten H c *^9' 
tumsfahrt bar. 


Ausftellungen (Abb. S. 1470). Heben ber großen 
3 nbußrie» unb (Se»erbeausfteüung in Düßelborf, bie inter¬ 
nationale Bcbeutung gewonnen hat, ßnben auch in anbern 
®rten folche für engere Kreife ftatt, fo eine für bie ®ber 
laußtj in gittau unb eine für Währen in ®lmüt5* — (Eine* 
Ausfteflung gan3 eigener Art iß bas pom Herein für beutfehe 

Schäferhunbe in Augsburg 
oeranftaltete preishüten. H ier 
»erben bie H un & c au f 
(Behorfams* unb DenPleißungen 
geprüft auf ihre fähigPeiten 
beim Aus* unb Cinpferdjen, 
beim (Treiben auf einer ab* 
geßecften, mit H' n ^ ern 'ff en 
oerfehenen Bahn unb beim 
IDeibegang. 

N 

Deutfche im Anslanb 
(Abb. S. 1473 ). (für bas 
Pamerabfchaftliche gufammen* 
halten ber Detitjchen in Argen¬ 
tinien legen gefeflige unb fportliche Deranftaltungen erfreu* 
liches geugnis ab. 3 n Hofario haben ßch unlängft beutfehe 
Kaufleute 3U einem Schnifcelrennen mit (fuchsjagen 3ufammen* 
gefunben. — 3 n Kaumi in Kiautfchau ftnb bie neuen Unter* 
Punftsräume für ttnfere (Truppen jertiggeßeflt, es hat bereits 
bie Beßchtigung burch beit (Souperneur Kapitän 31» See 
(Truppei ßattgefunben. — 3 ** WejiPo h a * füglich bas erfte 
®fß3iersreitnen ßattgefunben; es »ar ein fportliches unb 
gejellfchaftliches (Ereignis, bem unter anbern auch ber beutfehe 
£egationsfePretär pon (flöcfhrr beiwohnte. 

Jeße unb Kongreffe. Die H^ertjahrfeier bes €ul* 
bacher UTarPtes in (Erbach iß bort feierlich burch ein DolPs* 
tradjtenfeft begangen »orben. Auch an einem (feß3ng (Abb. 
S. (440) fehlte es nicht. — Die Sdjütjengilbe in (Sera feierte 
tht fünfunb3»an3igjähriges 3 u öiläum (Abb. S. 1440) unter 
(Teilnahme bes (£rbprin3en pon Heuß j.£. — Das 3ehnte beutfehe 
BunbesPegelfeß »urbe in Altona (Abb. S. (47 1) abgehalten. 
— Dem ®Ibenburgifchen BunbesPriegerfeß in Bant (Abb. 
S. 147 2) »ohnte auch ber (Sroßher3og Auguß mit feiner 
(Semahün bei. — Die beutfehen Dogelhänbler janben ßch 3U 
ihrem britteu Kongreß in Hamburg 3ufammen (Abb. S. (47 4). 

€in DenPtnal für ben (Seneral (Sorbon (oergl. bte 
nebenft. Abb), bas 
in Karthum feinen 
piatj ßnben foü, 
ift biefer (Tage 
in £onbon burch 
ben H cr 3°9 DOtl 
(Eambribge einge* 

»eiht »orben. (Es 
ruft fofort bie 
€rinnerung an bie 
afriPanifche (Thä* 
tigPeit bes per* 
ftorbenenfelbherrn 
»ach, er »irb nicht 
pon einem Hoß, 
fonbern pon einem 
Kamel getragen. 

Das DenPmal iß 
ein WeißerwerP 
bes por einem 
halben 3 a hr rer* 
ftorbenen Bilb¬ 
hauers (Dnslo» 
jorb, bem £onbou 
eilte Heihe por* 
ßüglicher Stanbbil* 
ber oerbanPt, »ie 
3. B. bie Statue 

(Slabßones. Pas fAr Karthum be^immte ©orbonbenfmal. 



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Hummer 5J. 


Seite 


Aus «Iler eit. Per fiameftfche prtt!3 paribatra hat 
Türslid? an bett Hebungen ber (garbe im Säger oon Pöberitj bei 
Spanbau (Abb. S. 1437 ) teilgenommen. — Pas oorn pri^eit 
t?einrid? an Borb bes Jlaggfdjiffs „Kaifer friebrid? III." 
(Abb. S. 1469) befehligte Uebiutgsgefd?n>aber ift aus ber 
Porbfee burd? ben Kaifer IPilhelmFanal nad? Kiel 3urücf- 
gefehrt. — 3 n bie PTauern ber Stabt Lahr iß letzthin bas 
borttjin in (garuifon oerlegte Artiüerieregiment Rr. 66 ein- 
gejogen, (Abb. S. 1471 ), für bas bort ein muftergiltiges 
Kafernetnent erbaut worben iß. — (Einen prächtigen monu¬ 
mentalen Schmurf hat bie Stabt Heubsburg burd? ben oon 
bem Berliner Bilbhauer, profeffor oon Uedjtritj« gefdjaffenen 
neuen Brunnen (Abb. S. 147 1) erhalten, ber im legten Plonat 
enthüllt morben ift. — Per (gefangnerem ber (Sebrüber Stoll- 
»ercf in Köln am-Rhein ( 2 Ibb. S. 1474 ) hat fü^lid? in Lonbon 
mit großem (Erfolg ein IPohlthätigfeitsfoit3ert 3um Befteit ber 
bortigen beutfdjen Kolonie oeranftaltet. 

6<3 

perfonalien (porträts S. 1436 unb 1474 ). Als Rad?- 
folger bes bayrif<hen Kultusminifters oon Sanbmann n>irb 
oielfach ber bayrifdje (gefanbte am IPiener fjof, Klemens 
Freiherr oon pobemüs, genannt. IDentt aud? hier uttb ba 
Jmeifel laut werben, ob er gerabe bas Reffort Laitbmanns 
übernehmen werbe, fo gilt bod? fein (Eintritt ins Pliitißerium 
für ficher. — Per Kontreabmiral 3. P. Böters*, ber fid? nad? 
{einem Ausfd?eibett aus bem aftioen Pieuft n>iffen{d?aftlid?eit 
unb tedjnifdjen Stubien mibmete, hat jetjt 3uin Dr. ing. pro- 
mooiert. — Anfteüe bes oerftorbenen Lorb pauncefote iß 
Sir IHichael tjenry Ejerbert, bisher Sefretär bei ber britifdjeit 
Botfchaft in Paris, 311m Botfdjafter in IDafhington ernannt 
worben. Herbert hat bort fd?on früher als (Sefdjäftsträger 
mit großem Crfolg getoirft. — (geftorben ift ber (geheime 
ijofrat profeffor Sc^lie, ber Pireftor bes (größtmöglichen 
Plufeums in Schwerin in PtecFlenburg. — 3 ” (Sroß-(Eabarg, 
loo er in ber Sommerfrifche weilte, ßarb, fed^ig 3 ahre alt 
ber befannte Berliner Komponiß profeffor ^einrid? Efofmann, 
PTitglieb bes Senats ber AFabentie ber Künfte. ^ofntann, 
ber ftch auf ben oerfdjiebenßen (gebieten befd?äftigte, ift 
befonbers als Schöpfer großer (Ehortoerfe erfolgreich getoefen. 
— Allgemeiner Beliebtheit erfreut ftch Soubrette am 
(Theater bes IPeßens in Berlin. Jräulein Lina Pöttinger, bie 
eben imeber in bem ITCeffagerfchett Paubeoiüe „Pie Braut¬ 
lotterie* große (Erfolge e^ielte. 



Die toten der üloche. 


(graf Karl Altneiba, t am 2 t. 3 uli in Plündern 
Konful Bielefelb, befannter Perlagsbud?hänbler, f am 
28 . 3 uli in Karlsruhe. 

Ejerm. 0.Br emembeutfeher Konful, t am 2 8 . 3 uli inAnfona. 
Leopolb (Eber, fjofpfarrfapellmeißer, t üm 24. 3 U H In 
Wien im Alter oon 80 3 a h* en - 

DireFtor J. Jran3en oon ber Ejamburg-Sübatnerifanifchen 
Pampffd?iffahrtsgefeüfchaft, f am 23 . 3 U Ü * n Hamburg. 

(generalleutnant 3. P. IPÜhelm PTüller, t am 26 . 3 u U 
in Berlin im Alter oon 68 3 a h rcn * 

^frl. Pr. Clife Reumann, erfter toeiblicher Poftor ber 
phtlofopljißhen f afultät in Berlin, f am 23 . 3 U H In Berlin. 

Bil&hauer £h*o&° r Reinecfe, f am 24. 3 u ü xn Berlin 
tm 80 . Lebensjahr. 

hermann Sprecher, fehtoe^erifeber Rationalrat, in ben 
ßeb3iger unb adliger 3ah^cn Jührer ber föbcral'bemofratifd?eu 
Partei < 5 raubünbens, t ^ 28 . 3 “Ii xn <^h ur - 

Jrau oon Stofd?, IPitioe bes Plarineminifters, f am 
26 . 3uli in 0eftrid? a. Hh* I ,n Don 80 3 a hr cn - 

^friebrid? (Eempsfy, befannter Perlagsbuchhäitbler, t aut 
23 . 3uli in präg im 81 . Eebensjabr. 

(Seorges Dibert, fran3öf. PTaler, t am 27 . 3 u ü in paris. 


< 35 ® 



Pas größte fportlicbe (Ereignis in Berlin, nämlich ber 
„(große preis", ging, ba auf rennfportlichein (gebiet bie tote 
Saifon bereits längft angebrochen ift, 3 iemlid? unbemerft 
oorüber. An anberit 0 rteit feiert man bas größte fportlidje 
Jfeft, menn bie gefellfchaftliche Saifon ben ^öhepunft erreicht 
hat; in Berlin wirb ber große preis gelaufen, menn bie 
oornehme IPelt in ben Bergen ober am PTeer toeilt. 3 !l 
anbern Eänbern hat man ferner bie PTöglichfeit, für ben 
großen pieis bes hauptftäbtifd?eu (Eurfs eilte fehr, {ehr ftatt- 
lid?e Summe aus3ufegen; in Berlin müffen 50000 PTarf 
genügen. Pennod? mar ber (große preis ein gelungenes 
Hennen, bas jeöen fportlid? gejtnnteit PTann erfreuen mußte. 
Per Hid?terfpruch im (großen preis lautete — nach ber 
Placierung 3 rm I ns als britter — Slattberer, V2 Länge 
Saperlotcr, 3 /4 3 rm * n ' Rorblanbfahrer, puld?er. Rorblanb- 
fahrer oor puld?er. biefes Hefultat Farn red?t unermartet, 
ebetifo mie Saperloters guter 3meiter pia^. 

¥ 

3 n bie glän3enbett Erfolge, bie bie Berliner Huberer in 
<£orf hatten, fpielte aud? etmas politif hinein. Pie Berliner 
famen in einer oollenbeteu Jorm an, bie in €nglanb allge¬ 
meine Bemunberung h^nacrief. Pas publifunt begrüßte bie 
Peutfcheit roährenb ber Hennen überall mit begeiftertem 
Beifall, unb in (Englanb h^ß ** allgemein, baß bie Beteili¬ 
gung ber Peutfdjen an bem IPettrubern ein An3eid?en für 
beffere Be3iehungen 3mifd?en Peutfchlanb unb €nglanb fei, 
bas oon allen überlegettben (Englättbern mit h<>h c * Sefriebi- 
gung aufgenommen mürbe. PTit l7inftd?t barauf, baß bie 
heroorragenbften Bootsmannfchaften (großbritanniens, mie 
ber Lcanöerflub, bas Emmanuel College Cambribge unb bas 
Unioerftty-CoUege 0 fforb, für bas Hennen geinelbet haften, 
erwartete man allgemein beftimmt, baß (Englanb 3iemlich 
mühelos ben Sieg erringen mürbe. (Erfahrene englifd?e 
Sportslente haben bie Hebungen ber Peutfcheit genau beob¬ 
achtet unb maren 3U ber Uebe^eugung gePommen, baß bie 
Peutfd?en bei ber h<>h en Sd?nelligfeit, bie ße mit heroor- 
ragenbem Stil oerbinben, nid?t 3U unterfchäftettbe (gegner 
maren. Paß unfere Lanbslcute fo gläit5enb abfd?nitten, ehrt 
fte ebenfo, mte bie englifche 0bjeftioität an3uerfennen ift, 
mit ber fie bie (Erfolge ihrer (gegner betrachteten. 

Auch in 0ftenbe hatte Peutfd?lanb einen Sieg 3U oer- 
3ethuen. Bei ber Segelregatta hat PTr. Cecil Quentins 3 fl d?t 
„Cicely" (Abb. S. 1439 ) ihre Be3mingeritt in ber Bremer 
3 ad?t „Raoahoe" bes Konfuls ITaetgen aus Bremen ge* 
funben. „Raoahoe" brauchte 3ur Pnrihfegelung ihres Kurfes 
2 Stunben 19 PTinuten 7 Sefunben, „Cieely" 2 Stuuben 
22 PTinuten 50 Sefunben. 

♦ 

3 n ben Kreifen fürftlid?er perfonen nimmt bie Liebe 
311m Sport in erfreulicher IPeife 3U. Kronprin3 IPilhclnt ift 
ein begeifterter Anhänger bes Lamntennisfpiels, er nahm am 
24. 3 uli an bem 0fß3ier* Lamntennistnrnier in EJomburg 
teil (Abb. S. 1439 ). Aud? ber jugenblid?e (großher3og oott 
PTecflenburg-Schmerin roibtnet bem Sport auf allen (gebieten 
feine ernften Begebungen. Jfriebrid? ^frai^ IV. iß leiben- 
fdjaftlicher Automobilift unb 3 ägf^ außerbem förbert er auch 
ben Segelfport auf ben großen Seen feines febonen Lanbes. 

$ 

(Ein Braoourßücf erßen Hanges hat ber rumänifche Hitt- 
meifter oon Koftiit geleiftet (Abb. S. 1436 ), er hat bie Strecfe 
oon Bufareft bis PTeg auf einem Pferb ohne ben gcringften 
Unfall 3urücfgelegt. 3 n P^etj mürbe er 001t ben bortigen 
0fft3ieren mit großem 3 u & e I empfangen. 


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Seite H32. 


Hummer 3J. 



VU 

’V* 

/> / Awnji Juin^p 


Die Börscnwocbc. 

Bei Beginn bes ^frühjahrs mar mau mäuniglid? 
barüber im flarcn r baß ber Umfd?mung 511m Bcjfern 
tu unfern maßgebenben 3 T1 ^ u f tr i en $ur <Ibatfad?e ge* 
morbett fei, 1111b heute entfpinnt fid? eine lebhafte 
Koutrorerfe barüber, ob bie Befonralcs3ens über¬ 
haupt bereits begonnen f?abc. Diefe Heiguug nach ber 
peffimiftifd?cn Seite ftcllt fid? ebcitfo mie bie oorait* 
gegangene gegenteilige Uuffajfuug uid?t etma als 
eine auf ganj beftimmte (Ehatfacheit fußeube IPahr* 
nehmung bar, fonbern man hat es bei biefer 
Beurteilung lebiglid? mit mehr ober weniger uube* 
ftimmten „(Sefühien" ju th»u, mie fte fid? ans ben 
bipergiereubeu Stimmungsberid?ten aus Jachfreifeit 


jemeils 


gebilbet hatten. Uugenblicflid? ftehen Börfe unb 
Publifum noch unter bem pollen €inbrucf ber meift recht 
ungünftigen 3 a ^ rcsa ^^^ff c t>ielcr unferer 3 n & ,l ß r i*9eieli* 
fd?aften. Ulan ift freute fd?oit einigermaßen befriebigt, menn 
bie Bilanjen mit Feinem Perluftfalöo abfd?ließen, unb per* 
jichtet, menn auch betrübten ^er.ens, aisbann auch auf bie 
2 lnsfd?üttuitg einer Diribeube. Die überaus fd?mere (Ent* 
täufchung aber, bie ber Ubfd?luß ber <£leftr^itätsgefellfchaft 
rorm. Schucfert in Nürnberg mit feinem Betriebsperluft rou 
t5V2 IHillioueu ItTarf gebracht hat, ber fid? inbeffen unter 
Berücffichtigung bes (Seminnportrags pott etma 6 IHillioueu 
HTarf unb eines biesjährigen Betriebsüberfchuffes pou an* 
geblid? etma 2 IHilliouen HTarf auf rolle 23 Millionen IHarP 
erhöht, ift feinesmegs fo perhältuismäßig leicht ju perbauen 
mie anbere bisher befanntgemorbene ungünftige 3 a fy res * 
abfd?lüffe. Diefem außergewöhnlich trüben (Ergebnis gegen¬ 
über erfcheinen bie <Sefd?äftsrefultate bes Bochnmer < 5 uß* 
ftahlaereins unb ber f^arpeiter Bergbaugefellfd?aft, bie 
gleichfalls in biefen (Tagen ber ®effcntlid?feit übergeben 
mnrben, mie (Dafen in ber lüüfte. Allein biefe beiben 
leßteren Peröffentlid?ungen maren baruin bod? nicht imftanbe, 
ben Dlarft aus feinem trübfeligen Marasmus 311 befreien. 

¥ 

IDeun fid? ber Beurteiler biefer dhatfad/en auf ben Stanb* 
punft ftfllt, bag es fid? babei um eine hinter uns Iiegenbe 
fterile <£efd?äftsperiobe haubelt, ber nad? mancherlei 2lii3eid?en 
bod? in abfehbarer geit eine beffere Konjuuftur folgen bürfte, 
fo mirb er ja rerhältnismäßig leidet über bie unerfreulichen 
<Er|d?einuugeit h* nil,c 9 f ommert * 2 lUein es ift heute nod? 
red?t febmierig, fid? ein Urteil barüber 3U bilbeu, ob bie 
Uebcrgaitgsperiobe bereits nahegerüeft ift, ober ob mir uns 
nod? auf bem toten punft ober gar auf ber abfteigeubeu 
(Ebene bejtnben. Die < 5 raulereien allerbings, bie bie Baiffe* 
fpefulanten in biefen (Tagen megen eines angeblid? beoor* 
ftehenben Umfd?mungs in ben Dereinigten Staaten perfud?t 


haben, fd?einen nad? porüegenbcu objeftipen Berichten rollig 
gegenftaubslos, ba bie gefd?äftlid?e unb gemerblid?e BIüte3eit 
jenfeits bes großen IDaffers burd? bie beuorfiehenbe günftige 
(Ernte neue Ztabrung erhalten mirb. (Es ift namentlich 3U 
bead?ten, baß ber mutmaßliche Ausfall ber ameriFanifd?en 
Maisernte außerorbentlid? befriebigen foU. Die £onboner BÖrfc 
mit ihren (Solbminenbefchmerben ift allerbtugs nod? immer 
ber < 5 cgenftanb unfreunblid?er Beeinfluffuitg bes biesfeitigett 
Marftcs, unb ber bei uns anbanernb unerhört flüffige (Selb* 
ftanb permoebte bisher feinesmegs bie erhoffte 2lufftifd?ung 
3U bringen, menu er aud? ber Kursentmicflung unferee 
Staatsanleihen red?t föiberlid? gemefen ift. 

* 

Der in biefen (Tagen peröjfentlid?te bentfd?e fyxnbels« 
ausmeis für bas erfte Halbjahr 1902 fönnte auf ben erßett 
Unfd?ein 3U einem freunblid?en llusblicf in bie gufunft er¬ 
mutigen, ba fomohl bie (Einfuhr als aud? hauptfädilid? bie 
Ausfuhr meferttlid? höhere gifferu ergeben. (Erftere fteüte 
fid? nätulid? auf 2780 Millionen Marf gegen 268 t Millionen 
Marf im erften Semefter 1901, unb ber (Eyport be3iffert fid? 
auf 22^8 Millionen UTarf gegen nur 2097 Millionen Marf 
in ber gleichen Dorjatjrsperiobe. Diefe giffern müffen aber 
irreführeitb mirfeit, menn man itid?t berücffid?tigt, baß für 
bie meißelt Urtifel bie gleichen (Einheitswerte feftgefeßt finb, 
bie im Dorjal?r in (Scltung ftanben; lebiglid? betreibe, IRetjl 
unb IDolle merben 3U ben in ber betrejfenben Berid?tsperiobe 
in (Seltung gemefeneit Preifen eiitgeftellt. Die entgiltige 
IDertfeftfeßung nuferer f?anbclsbemegung mirb baher, ba bie 
preife im laufeitben 3 a h r befanntlid? einen mefentlid?en 
Bücfgang erfahren haben, nicht nnerheblid? unter bie einge* 
festen gifferu biefes jeßt rorliegenbeit ßanbelsausmeifes 
3urücfgehn. Die angeführten <Semid?tsmeugen bemegeit fid? 
aud? heute nod? auf einer red?t befriebigenben (ßruublage. 
Ulleiit bie Slbfaßpreife laffen, mie bies aud? in allen <Eiri3el. 
berichten beftätigt mirb, red?t piel 3U münfd?ett übrig. 

£>erus. 


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Hummer 5{. 


feite \ 453, 



ildcr vom 


<U Pcü$ci unfc Ulauifcjianien. 2. tDejfentiidjer proieft einer iDröensidjmeüer. 3. Ucrijaftung einer IHanifejlantin. *}. Das fogenannie neue „^ort <£l}abroI‘ 

Ton den Strassenunruhen in paris. 

pbotograpbifcbe OTonifntaufnafjmen ron ©ribaYebofjf unb <£l)uffeau‘5IaDiens, Paris. 


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Seit« H54 


Hummer 3|, 



l. Pie £)ebung bes „primus". 2. ^ufcf?<met am Stran&. 3. „Primus" n>irb, in Ketten fySngenb, gefd?leppt. 

Das grosse Sdnffsutiglödt bei Hamburg. 

Momentaufnahmen non f^ans Breuer, Hamburg. 


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mter 3 \ 


Seite ^55< 



Tom Hamburger Schiffsunglück: Das Begräbnis am 25. Ju\i. 

Pbot. Scbaul, Hamburg. 



Von der Heimhehr der Buren: Hbrchied vom fclfeneiland öt. Helena« 


ptjot. II. £. 3nnes / 5t. Helena. 


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Sette J456. 


Hummer 3J. 




^reifjerr oon poberoils, (Set?. fiofrat Prof. Scf?lie t Hontreabmiral 3 . D. ööters. JTT. £). fSerbert, 

als neun:-brtYtildjer Direftor bes ©rofjbrrjoglidjen UTufcums beftonb bas (JEjamen 3U111 Dr. ing. bet neni' englifdje öotfdjafter 

Kultusminister genannt. in idjrprrin i. 1TI. mit „gut*. in IDafbmgton. 


p. KojHn. Ct. fj»nncbcrg ©berlt. fietf. 

Vom fernritt Buharert-JMetz: Die Hnhunft des rumänifchen Rittmeifters fl. von Kortin in JMetz. 

pbot. €ugen ^acobi, 


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Hummer oj. 


Seite ^37, 



Dort Oft Dcrgröfierung b e r ttaijerlicbcn XUrcft in 2i t c l; Der Bo*} « e r in £ l? ü t i g f e i t. 



Böfte b. (Benerarmnrtnebir. 

Benjamin Kaule 
im (Partei b. tnarineidjule. 

Pon linfs nach rechts: KonvKapt. Spinner, Hapt. 3. 5 . (Fraf IUoItfe, (Err. von Köjlrr, Kapt. 3. S. 

Kapi.«€t. 2 lbirrt. pon Kübltprtter. b'ptnt fcbccring. 

21 b nt i r a l pon K öfter mit feinem 5 tab. 

Bilder aus Kiel. 

pbotograpbifche 21ufmibntcn pon 2lrtbur Hrttarb. K cl. 

Breufing, Knpt.«Ct. 5 lfd»er, 





Der Kronprinz von btatn im Lager von Döberitz bei Spandau am 24. jjuU. 


pbot. 2Uar piepcnbcnjrn. Berlin. 


^•7 , 


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Seite H38, 


Hummer 5 \ 



l. Kap.»£t, £ans. 2. ©bl. Serrnbes. 3. ©bl. IDolfram. 

© e u t f d? c © <1 jl c u o m f d> u I f d? i f f „C 1} a r I o 11 e". 



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Das Begräbnis Jlntofolsfys, b e s größten r u f f i f d? e n BilMjauers, in ft. Petersburg. 


Bilder aus Petersburg* 


pi'otogrnpbifd>c 2lufnaf}nten non <£. ©. Sulla ft. Petersburg. 



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Hummer 51. 


Seite \439« 



Hauaboe (Eigentümer Konful £. IDätgen), I. preis. 


CicelY (Eigentümer Eecii (Quentin), II. preis. 


Don b c r Segelregatta Doper*(Dftcnbe. 



Der Kronprin 3 beim Offner •Carontcnnisturnier in nt bürg am 2$. 3uli. 



Dom Hennen tn ^oppegarten am 22. 3uli: X. ©rofjljer 3 og $riebridj 5ran3 IV. 2. Bartb (IDismar). 3. Otto Dofc (Stettin), 

f?. 2TI a n s F e s „SI a n b e r e r", Jjerm. ^riebensberg (Hamburg). 5. JlmtspeTipalter pon Qarlem. 6. ID. tDiegels. 

ber Sieger im ©roften preis pon Berlin. Don ber Hcgatta in Sc^tperin i. Ht 

Bilder aus dem Sportleben* 

2Infnafjmen pon Barca, (Dflenbe, t^ofpljoi <L ©. Doigt, £)omburg p. b. 1q., ©orban & Delhis, Berlin, nnb Qofpbot. £?enfdjfel, Schwerin i. nt 


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Seite 


Hummer 3\ 



Ton der Bundertjahrfeier des 6ulbacber Marktes in 6rbach: Der ernte wagen im feftzug. 

pbot. peter tDeber, tHninj. 



► (£rbprin 3 fteiurid? XXVII. 2. 5cbaftenmajor Ejerm. ©ertjarDt. 

Tom 25 Jährigen Jubiläum der SchOtzengerellfchaft in 6era: Berichtigung des SchOtzenhorps durch den Brbprinzen von Reusa J. 

pbot ©ufiau ©era. 



Die Schlussprozefrion der Aachener Beiligtumsfahrt. 

ptjot. £). Rnifer. Uneben. 


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I 
















Hummer 3{. 


Seite WV 


€s roar rin alftr König... 

Don 

Rudolph 8tratz* 


2 . $or 


us bem Hebei^immer Flang eine tiefe, 
3 ornige Stimme. 3utta lächelte oerßof?len. 
»Hu n fd?impft papa mieber. Das thut 
er meißens, wenn Stöffel«Stier ba iß. 3d? 
beneibe ben Aermßen nid?t." 

ireilid? — ße mußte mol?l „papa" fagcn. tDeld?en 
anbem AusbrucF hätte ße beim ihrem Stieffot?n gegen¬ 
über mählen follen? Unb bod? toirfte bies tDort auf 
Kroib beflemmenb. Cs erinnerte if?n plößlid?, im Derein 
mit bem grodenben Saß hinter ber (Ehür, an bie trüben 
(tage feiner Kinbheit. Damals bjatte bie Cifenfauß 
bes Daters fd?mer auf itjm gelaßet, ber felbßherrifd? 
ben Sof?n nad? feinem Dorbilb 3 U formen fud?te. Aroib 
batte ßch troßig unb oerfd?loffen gemehrt in einem 
jahrelangen, ßiüen, 3 ät?en Kampf. Auf ber flucht oor 
bem Pater l?atte er ßd? felbß gefunben. Aber mand?es 
an ihm, mas Ererbe, abmehrenb-fd?roff unb teilnahmlos 
in ßd? gefet?rt mar, bas ßammte aus ben unoerlöfd?' 
lieben Cinbrücfen feiner 3 u 9 *nb 3 eit. 

3eßt mar bas ja nur nod? mie ein ferner Schatten. 
Er f?utte längß oergeben unb ber Pater längß oergeff cn. 
Seitbem fein Sobn fo glänsenb bie 2Pal?l bes eigenen 
IPeges unb IDefens gerechtfertigt hatte, bemunberte er 
ihn aufrichtig. Aber gerabe, menn er befonbers gütig, 
ftol 3 auf ihn unb in feiner Art befcheiben oor Aroib 
mar, ßieg in bem plößlid? mieber gegen feinen IDtllen 
bie (Erinnerung auf. So aud} jeßt. Er mußte 3 u ^ a 
anfehauen unb benfen: bu fennft ihn noch nicht. IDo 
er nicht liebt, ba fann er furchtbar fein. Unb mo er 
liebt, erß red?t . . . 

0ber mußte ße es? Begriff ße ihr Sdßcffal? Es 
mar nicht 3 U erraten, mas hinter biefer fchmalen, meißen 
Stirn, biefem fd?önen, ßets liebensmürbig*flugen Autliß 
ßch barg. 

Sie fprach in 3 toifd?en bie ganje Seit. 3mmer nur 
oon „papa", feinem neuen Ceben, feinem Berliner IDir- 
fungsfreis, feinen 5reunben, 5einben unb (Sönnern. 

Er hörte 3 U unb fagte enblid?: ¥ Cs iß bod? merf« 
mürbig, baß mir uns früher nie gefehen haben!* 

„ 3 d? mar ja immer ba — aber bu nicht." 

»JPenigßens fehr feiten. Da haben mir uns jebes« 
mal oerfehlt." 

Sie niefte, bann erhob ße ßch unb bebiente ihn mit 
fchmar 3 em Kaffee. Er mußerte ße ßumm, mie ße ba 
oor ihm ftanb, groß unb fd?lanf, bie Augen nieberge« 
fcblagen unb fd?einbar nur mit ber Caffe befd?äftigt, 
bie leife 3 mifd?en ihren fjänben flirrte. Eine feine 
Höte mechfelte Faum merflid? auf ihren IDangen unb 
oerblaßte mieber. Sie mar aufgeregt — natürlich — 
unb mollte bas nicht oerraten. Das merfte er mohl. 
Aud? fein £?er 3 flopfte, troß feines unbemeglichen <Se« 
ßchts. Es mar folch ein feltfames Beifammenfein — 
hier er unb brüben bies frembe, fd?öne junge IDeib, 


bas er heut 3 um erßenmal mit Augen gefchaut unb bas 
ihm bod? nad? feinem Pater ber näd?ße ZTlenfd? auf 
Erben fein foHte. 

Es fanb bas thörid?t unb fagte fur 3 „banfe*, als 
ße ihm eine «gigarre bot. Sie reichte ihm 5euer. 
Dann feßte ße ßd? mieber unb 3 Ünbete ßd? felbß eine 
<gigarette an. Hun mar bas gefürchtete StiHfd?meigen 
3 mijd?en ihnen bod? eingetreten. Unterbeffen fd?toebten 
nur bie tDolfen ber £?aoanna unb bes papyros einanber 
entgegen unb einten ßd? 3 U einem Spiel bläulichen 
Spinnmebs um ben blaffen (Selehrtenfopf unb bas 
Blonbhaupt ber jungen 5rau. 

„Beleih," fagte er enblid? B?ulblad?enb. ,3(3? bin 
ein armer ZlTann aus bem Urmalb. Die IPorte ßnb 
mir förmlich in ber Kehle eingeroßet. 3d? muß mid? 
erß gemöhnen. 3 « ein paar (Lagen reb id? fd?on*mieber 
mie anbere 2 ftenfd?en." 

Sie fd?aute ihn groß an. „EDarum foHteß bu bas? 
Du haß bod? ein Bed?t auf Eigenart." 

Dabei flang 3 um erßenmal eine ßumme Bemunbe« 
rung feiner Ceißungen burd?. erßaunte ihn nid?t. 
Er mar bas gemohut, bei UTännern unb bei 5raueu. 
Aber biesmal freute es ihn. 

»3a, Eigenart," fagte er troefen. „Aber hier bei 
eud? foH jeber £?in 3 fo fein mie ber Kun 3 — unb jeber 
Ecfenßeher iß meinesgleid?en unb ein Heid?stagsmählerl 
£ange halte id? es jeßt nid?t mehr in eurer Kultur aus. 
3d? muß mal nad? Conbon, mal nad? Brüffel 3 um König 
ber Belgier — unb bann . ." Er machte eine £?anb* 
bemegung nad? ber Bid?tung 3 U, mo bie tDinterfonne 
mübe burd? bas 5enßer lugte. Da unten lag Kfrifa. 

f/ 3 a — unb beine (ßefunbheit?" 

^ZHeine (Sefunbheit iß gut." 

Sie oerßummten mieber. 3utta hatte Kngß, etmas 
Alltägliches 3 U fagen, unb er fanb feinen <5efpräd?sßoff 
gegenüber biefem ihm fremben, faß geheimuisoollen 
2 Kenfd?enbilb. Alle 5rauen hatten für ihn etmas Bätfeb 
haftes, fo oiel er ßd? aud? mit ihnen auf feinen iPan« 
berungen über bie Erbe abgegeben. Sein tief in ßd? 
oerfd?loffeuer, hurt «männlicher Churafter mar außer 
ftanbe, etmas oon ihrem innerften tDejen 3 U begreifen 
— aber troßbem fühlte er: — aud? bei ber 5 rau feines 
Paters ba brübeit mar nicht alles fo einfad? unb felbß« 
oerftänblid?, mie ße ßd? gab. 

Die Uhr tiefte. Der Diener trat geräufd?los ein, 
räumte ab unb oerfd?manb mieber. 3 *fet bemerfte 3 utta, 
baß Aroibs «gigarre erlofd?en mar. 2Uit einer rafd?en 
Bemegung bot ße ihm oon neuem 5euer. 3h r * ^anb 
3 itterte ein menig, als ße ßd? berührten unb er burd? 
Ungefd?icf ein Afd?enreßd?en abßäuben ließ. 

Er lad?te. „Entfdjulbige, bitte. 3 c h hin mirflid? 
ber reine IPilbe." Uub ße lad?te leife mit unb blies 
ßd? bie meißen iloefen 00 m ^anbrüefen. 



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Seite H^2. 


Hummer 3{. 


3u liefern KugenblicF erfd?ien £?errn. pon Sraun- 
fd?eibts mächtige (ßeßalt in ber 0?nre. „Ha, 'per- 
gniigt," fagte er befriebigt. „^abt il?r fd?ou ireunb- 
fd?aft gefd?loffen, Kinber? Das iß red?t." 

(Er feßte ßd? fd?mer unb feuf 3 te. „0 (Sott — iß 
bas ein Ceben. HTeine Kmtsgeitoßen — bie ßnb baran 
gemöhntl Sie hoben ficb allmählich in ihren KFten- 
höhlen mnmiß 3 iert mie ein alter ägyptifd?er (ßeheim- 
rat in feiner pyramibe. — Uber icb — mas tauge 
icb 3 U einer papiernen Uogelfd?eud?e — 3 U fold? einem 
bureaufratifeben Sfelett mit einem ©rbensbanb auf 
ber ßebenteu Hippe? 0 — man treibt Unfug mit mir 
♦— HTißbraud?!" 

€r gähnte tief auf. 3n biefer Stuube nach bem 
€ffen, mähreitb ber er ßd? auf ältlichen Hat bes ge- 
•lohnten ZHittagsfchlafs enthalten mußte, fiel er täglich 
ju 3nttas Sdjrecfen gan 3 in ßd? 3 ufammen. (Er fab 
überaltert aus, mübe, mit gefurchten <§ügeit. Unb feine 
(Sebanfen manberten unßet . . . meit. . . meit meg . .. 

„0 Krt5ib, mein Sohn/' fprad? er fd?läfrig, mit 
balbgefcbloffenen Cibent. „Sei froh/ baß bu nicht mit 
Stöffel-Stier 3 U tt?un haß. U3er Stöffel-Stier iß? (Ein 
Hlaitir, ber eine große SoFunft hinter ftcb hat. 
giebt noch eine anbere Sorte Sd?mocfs — junge Ceute, 
bie ihren Heruf nicht per fehlt haben — pollfaftige, 
bobenroücbfige (ßiftpilse. Uber biefe Heptile ßnb mir 
$u naio in ihrer Hiebertrad?t. lieber ein (ßentleman 
mit einer fd?mußigen VOe fte, in bem noch ein Hobenfaß 
pon Knßaitb übrig iß. Solche angefnajrte Charaftere 
Fann man $u allem brauchen — auch einmal 3 um 

(Buten. . . . Ulan Fann fie rechts unb liufs meubeit . . . 
roie einen alten £?aitbfd?ul? . . . fehr bequem . . / 

€r gab ftcb einen HucF, fuhr auf unb tpurbe mieber 

febenbig. „Hlfo hör mal/ fagte er fd?neU. „Stöffel- 

Stier h<*t mir Had?rid?t gebrad?t: fte tpollett alfo 

mirFlid? bie HeHingfd?en Uerleumbuitgen gegen bicb im 
Heid?stag 3 ur Sprache bringen/ 

„HTeinetmegeit/ 

„ . . . unb febon in ben näd?ßen (Lagen tpirb bie 
Hombe plaßen. 3 <h n>erbe bann alfo felbft reben unb 
bicb tpeißtpafcbeit unb 3 tpar nicht mit 5 lötentönen reben 
ba perlaß bicb brauf. Über id? muß UTaterial 
haben. 3^ muß beine 5reunbe fprechen. Hotten 
brauch ich — Saturn, Hreitegrabe, unausfprecblicbe 
Hegernamen — bas <§eug imponiert heut 3 utage bent 
23ilbungsfd?ußerl €in einfaches HTannesmort — pah 
*— bas Fönnt jeber fagettl ,Hee — HTännefen —‘ © 
golbeites Zeitalter ber £?ausFned?te unb (ßaftenfegerl" 
„ 3 d? merbe meine 5 reunbe herbringen." 

„IDann?" 

„Sobalb bu miHß. Vielleicht t?ente abenb 3 U (Eifcb?" 
„3ämohl." Ser alte f?err nicFte unb rieb ftcb bie 
f?äitbe. „Sehr gut. 3 u tta — forge für bie Fütterung 
ber Haubtierel H>ie piel ßnb’s?- Srei? Sd?öit. Ha 
— unb nun miüß bu febon gehen?" 

„ 3 a — jeßt treffe ich fte noch jtcher im t}otel." 
„Hiß bu benn nicht 3 U mübe?" fragte 3 utta . 
Sarauf 3 ucFte er nur leichthin bie Kchfeln unb reifte 
feinem Vater unb ihr bie f?anb. (Er brüefte ihre Hechte 
feß unb fagte babei „2luf 2Vieberfel?enI" Uber bas 


tVort „3ntta" Farn auch jeßt nicht über feine tippen, 
unb fte hatte ihn bod? bei ber Hegrüßung gefliffentlich 
gleich „Krpib" genannt. 

Kls er gegangen, tpurbe ^err pon Hraunfd?eibt 
tpieber fchläfrig. „3d? freu midi auf bie KfriFaner/ 
tfturmelte er langfam aus feinem SchauFelßuhl heraus. 
„Ceute roie bie tpilben HTänner aus bem preußifdien 
IVappen — bie lieb id?. Unfere moberhe Kultur I^ier 
— bas iß bod? nur ein Herpentfeibhaus. . . . Unb 
bie paar HTusFel« unb Chatenmenfd?en, bie mir nod? 
haben — mit beneit treiben roir Haubbau . . . bie 
opfern mir bem SFat- unb Hräuphiüfter. . . . Kus 
benen machen mir aud? heute ttod? beutfd?en Kraft- 
bünger für PanFees unb Kngelfad?fen . .. h^r mal. . / 
£r fammelte feine fd?meifenben (SebanFen, ba er mbrFte, 
baß ihm 3 ntta nicht 3 ut?örte, unb feine Kugen mürben 
hell „U)ie gefällt bir benn ber Kroib?" 

„U>ir merben ßd?erlid? gut miteinanber ausFommen. 
2 Hehr meiß id? nod? nicht. £r giebt ßd? fo fd?mer. 
HTatt Fommt ihm nicht recht nahe/ 

„Sas haben anbere aud? fd?on gemerFt, meine 
(Lochter/ fprad? ber alte f?err trocFen. „(Slaubß bu, 
id? hätt ihm je gan 3 ins £?er 3 gefehen?" 

„ 3 ch glaube, bas hat überhaupt nod? niemanb/ 

<£r niefte: „Hiemanbl Sein Küerleßtes, bas giebt er 
nid?t her unb 3 eigt es nicht einmal. (Benau mie bu . . / 

IV. 

„Sie meinen, es fei ungemöhnlid?, (£pceüen 3 , baß 
oin Sater feinen Sohn pon ber Heid?stagstribüne herab 
perteibige?" fagte ber £?auptmahn tSercfenthien, als 
er unb bie * beibeit aitbern Heifegefährten Krpibs bes 
Kbeitbs im Hraunfd?eibtfd?en £?aus 3 U (Saß maren unb 
T ber Siener beit Had?tifd? ferpterte. „HIag feinl Kber 
er perbient es! €r iß ber geborene 5 elbl?errl €r hat 
uns burd? KfriFa geführt, baß es eine 5reube‘ mar." 

IDercfenthien fprad? leichthin, mit ber meltmänuifd?en 
Sicherheit bes beutfdjen 0 fp 3 iers, ben aud? fein Keußeres 
nid?t perleugnete, bas nicht fonneitgebräunter, nrd?t ab- 
gejehrter, nicht permilberter mar, als menn er bas 
Icßte 3ahr in ber Kaferne ftatt im bunFlen (Erbteil 3 m 
gebracht hätte. Knbers ber ßille Hlaitn neben ihm, 
ber mit feiner HriUe, feinem graugefprenFelten Sollbart 
unb ein paar grämlichen, tiefen galten um ben einge* 
funFenen HTuitb am eheßen einem perbraud?ten, FränFelit* 
ben Sd?ulmann glich. (Ein IDeltreifenber unb bod? 
meltfremb, ein (Eremit, ber fein Ceben tief in ßd? hinein¬ 
gelebt , faß er ba. £in pertroefneter alter 3 nng* 
gef eile bes Urmalbs, im Cärm unb <ßeläd?ter bes Heger- 
borfs fo etnfam unb felbß 3 ufrieben mie anbere £?age- 
ßolse am qualmigen Stammtijd?. €r fprad? menig. 
21 ud? jeßt murmelte er nur Fur 3 : „HTir ftitb piel 2 Henfd?en 
über beit U>eg gelaufen in ben breißig 3 af?ren, feitbem 
id? brübeit 3 U b?aus bin, aber Fein tüchtigerer als 3fc?r 
Sobit." 

Ser Sritte im Hunb, ber Fleine, bartlofe (ßeorg 
pon Sd?alcfe, ber mit feinem abge 3 ehrten, leid?tßunigeit 
(ßalgenpogelgeßcht beinah Fitabenhaft ausfah, mar 3 U- 
fällig tm fd?mar 3 en (Erbteil, mährettb er als (Elfenbein- 
hänbler im Sienft einer Hamburger Äiritta mie ein 


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Bummer 3{. 


Seite {^ 3 . 


FanbmerFsburfche oon einem Begerhäuptling 311m anbent 
ftrolchte, 3ur Ejrpebition geftoßen unb furj entfd]loffen 
mitmarfchiert. Ejier füllte er fid] geborgen unb fo mohl 
mie nod? nie feit bem (Tag, mo er, 3toei 3 ohre 3uoor, 
roegen bummer Streid]e aus ber Armee mit bem Sang 
eines 5 ahnrid]s o. D. entlaßen, als ein ftbeler, Fleiner 
Abenteurer, bie Stummelpfeife fd]ief im UTunb, auf ben 
Sdjultern eines Schtuarsen burd] bie rodeitbe Braubuttg 
nad] AfriFa hineingeritten mar. 

Bisher hotte er fid] befcheiben 3urücfgehalten unb 
oerftohleit 3utta angehimntelt, bie er nnmberfdjön fanb. 
Aber jeßt, ba ihm ber IDein in ben Kopf flieg, mürbe 
ber Fleine (Taugenid]ts gefpräd?ig. 

„Ueberhoupt . . . fo einer mie 3 h r Sohn, (Er* 
ceden3, Ä fagte er lebhaft. „Der oerfteht mas oon Afrifa! 
Der bat eine Art, mit ben IDtlben umsugeben — un» 
erfd?ütterlid], ruhig, mit einer mabreu Engelsgebulb, 
immer gelaffen unb hnman — unb bann, menn afle 
Stride reißen unb fie mollen Fämpfen — oon einer 
fo fürchterlichen Energie — Fur3um — unter bem 3U 
marfchieren unb 3U fechten, bas ift ein Vergnügen. Unb 
menn Sie mir auch nur mit UTild] Befdjeib tbun, £]err 
oon Braunfcheibt — ich muß noch einmal 00H £?od?* 
achtung unb Verehrung einen Schlucf auf 3 b r tPohl 
trinFen." 

Aroibs (ßejtd]t mar ftnjler. Er ärgerte fid], baß 
man fo oiel oon ibm fprad]. <Er batte fid? bemüht, 
nichts 3U hören. Aber unbeutlich fd]lugen bod] Schalcfes 
IDorte an fein ®br unb riefen in ihm bie Erinnerung 
an AfriFa mach. Er fühlte fid? mieber ba brüben, in 
feiner XDelt, als ber XDeiße, bas gefpenflige IDefen in¬ 
mitten ber fchmar3en ^albmenfchen, aus beffen Sohr 
ber (Tob fprübte, oor beffen Blicf bie baumlangen, mit 
Pantherfellen unb Kupferringen gefchmücften, nacht* 
farbenen Krieger oerlegen grinjlen unb oon einem Bein 
aufs anbere traten, bei beffen Ein3ug in bas Dorf bie 
(Trommeln raffelten, bie Körner halten unb bie UTenge 
fd?rie, als fei ein (Sott oon ben flöhen herabgeftiegen. 

Es mar bas Feine Fleinliche Eitelfeit, bie ihm biefe 
Silber oormalte. Es mar bas gan3 natürliche f?errfd]er- 
bemußtfein in ihm, eine felbfloerflänblidje Empfinbung 
oon 3agenb auf, baß er 3U befehlen habe unb bie 
anbern 3U gebord^en. Dies (Befühl batte ihn eigentlich 
hauptfächlich hinaus in bas Ceben ber Freiheit getrieben, 
mo er Feinen Ejerrn über ftd? mußte als ftd? felbft. Unb 
biefer (Bebieter, ben er ftd? frei gemählt, mar ber 
jlrengfle unb unnad]fid]tigfte oon aHeu. 

Es gab ba eine Stimmung quälenbcr 5 reube, bie 
jebesmal über ihn Fant, menn er in AfriFa im Begriff 
jlanb, mieber einen Schritt ins Ungemiffe hinei?i3uthuit. 
ISar ba ber Kompaß gerichtet, unb feßte er, an ber 
Sptfee bes langen (ßänfemarfches ber (Träger, ben Diener 
mit ber Büchfe harter ftd], mieberum ben 5 uß oormärts 
in ben feuchten Schatten bes Urmalbs, bie foitnenüber- 
glühte, meitgebehnte Bufd]lanbfd]aft, bann burchbebte 
ihn eine unbänbige, beraufchenbe Ermartung, mas ihm 
heut mieber bas Beulanb bes Cebens unb bes IDan- 
berns an (Beheimniffen offenbaren mürbe. 

- Das mar fein innerfies Dafein. Die Freiheit mit 
adern, mas fie an £uft unb £eib barg. Somie er 


bie Kulturjone mieber betrat, fomie bie erjien ftumpf* 
finnigen <§odmäd]ter mieber fein (Bepäd burchmühlten, 
bie 5 inger fdjmußiger Subalternbeamter in feinen 
päffen unb papieren blätterten, oerjleinerte ftch fein 
IDefen 3U einer abfloßenben (BleichgiltigFeit. Er hoßte 
bie europäifche «gioilifation, bie mit Schnaps, Schieß* 
puloer unb £raftätd?en, mit Kopffteuerit, oerheerenben 
KranFbcitett unb UTaffenmorb unter ben milben (Tieren 
bie einfachen Cebensbebingungen ber Baturoölfer auf- 
hob, unb oerfchloß bie Augen gefliffentlich gegen bie 
aügenteinen 5ortfd?ritte ber ZTTenfd?bcit, bie ihr folgten. 
Er fab, ohne ftch beffen felbft recht bemußt 3U merben, 
AfriFa mit ben Augen bes Künftlers an. 2 X)enn erft 
einmal bort ftatt ber Urtoälber (Taufenbe oon 5 abrif- 
fchloteu bie (Erbe oerftnjterten, menn bie Eingeborenen, 
ftatt in ben meiten parFebenen 3U meiben, 5U jagen 
unb 3U Fämpfen, als 3erluntpte Proletarier in ben Berg- 
merFen heruntfriechen unb Kohlen in bie UTafd]inenfeffel 
fchütten mußten, bann erfchien ihm bas als eine Ent* 
meihuitg oon (Bottes meiter IDelt unb ihrer (Befchöpfe, 
unb bie fchmar3cn Söhne ber Batur bünFten ihtn äugen- 
blicf lieh in ihrem Analphabetenbafein meit glücflid?er 
als irgenbein holbgebilbeter, hoßerfüdter, oerbitterter 
5abrifarbeiter in irgenbeinem finfteren Hinterhof eines 
europäifchen Kultur3entrunts. 

Unb im (Seift fab er fold? einen Krieger ber 
IDilbuis oor ftd], gläit3enb, ebenhol3fchmar3, fechs 
5uß lang, mit bunten 5ebern unb 8aubtier3ähnen 
gefdjmücft — in Fraftftroßenber, jtählerner Badthcit, 
bem Europäer feinb, ftatt minfelnb in 3erriffenem Kattun« 
bentb oor bem UTifftonar 3U Fitiett. Er hotte fid] oft 
mit biefen fchönen Haubtieren im Kampf gemeffen unb, 
menn es „flar 3um (ßefed]t* hi*fc heim erfteit Auffräufeln 
ber puloermölfehen ftch in einer rätfelhaften Stimmung 
gan3 ber Weit entrücPt gefühlt, ooüFommen Förperlos, 
oon ber Erbe gehoben, ba unb bort, im 5 reunb tp** 
unb im (ßeguer brüben 3U E]au'e — ein Ding, baS 
überad lebt unb jtirbt unb mit bem gausen IDeltad 
eins ift . . . 

Die|e holbe (ßeiftesabmefenbeit mar jeßt über ihm, 
feit er bas Ejaus feines Daters betreten hotte unb bei 
ihm unb 3utta 3U (Saft mar. 

UnmidFürlich fchaute er auf 3 u *to. Sie faß ruhig 
ba unb hörte bem fleinen Schalcfe 3U, ber immer noch 
meiter fein £ob fang. 

Das oerbroß ihn, unb er fagte 3iemlich fd?arf: 
„Efören Sie hoch enbltd] einmal auf. Das ift ja töblich 
laitgtoeilig.* 

Sein Dater miberfpradj. „£angmeilig? So mas 
freut mid}. Da rneht ’ne anbere £uft als in meinem 
Aftenlochl Unb 3 «tta — fchau bie nur an l Die meiß 
fchon ben gan3en Abenb nicht, fod fie mehr auf bid? 
fehon ober bie, bie oon bir reben! £affen Sie ftch nicht 
jtören, EJerr oon Sd^alcfe." 

„Dann toerb ich mich in bein ArbeitS3immer 3uriicf- 
5iehen," fagte Aroib, „unb bir in3toifchen bie Botten 
für beine Bebe auffchreiben." 

Er ging. Kaum hotte ftd] bie portiere hinter ihm 
gefchloffen, ba fing ber bartlofe, Fleine Defperabo mieber 
eifrig 3U berichten an. 




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Seite HW 


Hummer 5 {. 


„Hämlid? anfangs —* fagte er mit feinem per» 
gnügten £äd?eln auf bem mageren, leid?tßnnigen (Befielt, 
„anfangs tjielt id? 3 ^ren £?errn SoB?n nur für einen 
großen (Belehrten — wenn er fo im £agcr 3wifd?en 
feinem KrimsFrams ron Käfern unb Kiefelfteinen faß 
ober gar fo ’ne Sreitegrabbered?tiung anßeHte — aber 
was er für ein HTantt war, bas merFte id? eben erft 
bei bem 5ufammentreßen mit ben tDafifuius. Die 
IDaFiFuius Ratten h*inttücFifch ein paar pon unfern 
Ceuten niebergemeßelt unb tagten 3U £?unberten 
por unferm £ager unb forberten uns 3um Kampf heraus 
— allen poran it^r Häuptling — ein baumlanger, 
fcfctparser Satan, eine €an3e in ber £?anb, pon oben 
bis unten mit bem Slut unferer (Träger bebeeft . . . 
Unb ba auf einmal fagt jemanb neben mir 3tpifeben 
ben Sännen: , 3 d\ will bas Seeß lehren, meine Soys 
tot3umad?en‘ — unb ba rücft ftd? 3 hr £?err SoB?n 
aud? fd?on ben gwiefer feßer, nimmt bie Süd?fe in bie 
£?anb unb geB?t gatt3 aflein ber Sd?wefelbanbe entgegen. 
Unb bie liefen por iB?m wie bie Sd?afe por bem B}unb. 
Sfoß iBjr Häuptling blieb. Der buefte ftd? hinter feinem 
HasBjomfdiilb, fo baß man nur feinen Speer unb feine 
Kopffebern fah- So fd?lid?en fte umeinanber rum unb 
einer war nun fd?on 3U piel auf ber IDelt. Kuf einmal 
büßt es, unb ba liegt bas lange £aßer unb jappelt 
Faum meB?r mit ben Seinen. Das wirfte auf bie übrige 
(BefeH|d?aft! Äamos war bas." 

<£r brach gans begeißert ab, unb <££ceflen3 pon Sraun» 
fd?eibt niefte. „Ha — 3 «tta — B?eut befommt man 
was anberes 3U hören als auf unfern <ßefeüfd?aften mit 
bem fd?labberigen (TB?ee unb ben bünnen Srötd?en unb 
ber allgemeinen Sübung. Was mcinft bu, meine 
(Tochter?" 

Sie erwiberte nichts unb febaute unwiflfürlich in bas 
Hebe^immer. Durch einen Spalt im DorB?ang Fonnte 
fie Krpib erblicFen. <£r faß ba, Frißelte ein paar H>orte, 
fann bann eine IDeile nach, ßnßeren (ßeßd?ts, mit feinem 
ßrengen, burd? bie Kugengläfer bie 5erne fuchenben 
Slicf, unb febrieb bann wieber. Daswifcben nahm er 
einen Sd?lucf HTild? aus bem (Blas, bas er ftd? Pom 
(Tifd? mitgenommen unb neben ftd? geßeHt hotte. Unb 
es Farn ihr 3u wunberlid? por, baß biefer blaffe, ein- 
ftlbige (Belehrte unb ber HTann, ber, ohne mit ber 
IDimper 3U 3UcFen, bluttriefenbe Kannibalen in ben 
Staub ßreefte, eine unb biefelbe perfott fein fönten. 

„Unb baraufhin waren bie IDilben bann einge- 
fd?üd?tert?" fragte in3wifd?en ber Hausherr. 

„Das glaubten wir aud?, €£ceflen5. Unb bei (Tag 
war aud? alles ruhig. Uber bes Had?ts barauf — id? 
Fonnte nicht fd?lofen unb Fried?e aus bem «gelt unb feB? 
in ber DuuFelheit 3 hrett £?errn Sohn fißen mit bem 
(Bewehr neben ftd?. Unb er raucht, tutb wie id? heran* 
Fontnte, fagt er tabelub: , 3 ^mer bie Unruhe, £?err 
pon Sd?ctlcfel 3ntmer bie Herpofttät! 2Die im UTäbd?en» 
penjionatl Die Kerle ftttb bod? nod? fünfhunbert 
UTeter entfernt. 4 Dabei weiß er mit feiner pfeife por 
uns in bie Steppe. Sichtig — ba Frabbelt unb lebt 
bod? alles am Sobctt pon ben {d?mar3en (Teufeln. 
<ßatt3 lautlos rutfd?en fte hcran." 

„Unb bann?" . • . 


(ßcorg pon Sd?alcFe lad?te. „(ßnäbige 5 rau braud?en 
nid?t fo bleid? 3u werben. tüir leben ja nod?. Dann 
gab ber CB?*f eben bas Klarmßgnal — einen Hepolper» 
fd?uß — unb bann hoben ßd? oor uns lauter fd?war3e 
SeiB?en aus ber (Erbe unb fprangen mit ihrem Kriegs¬ 
geheul B?oran — es iß bas langfam anfdjweHenbe (Be¬ 
lachter ber geßecften I^yäne — fo ungefähr: uh — 
hu — hu — hu — h^ — ä — ä — ä — ääää — 
äh — tta, unb auf unferer Seite FnaHte es benn gan3 
prompt aus ben UTagasiitgewehren entgegen, unb es 
würbe fo fd?ön gerauft wie nur auf irgenbeiner bay* 
rifd?eu Kirchweih. €in paar oon ben tüaPifuius Famen 
bis ins Cager, unb einer pon ihnen — fd?on ein ältlicher, 
rabiater (ßentlentan, hotte gerabe bie freunbüd?e 21bßd?t, 
mir feine £an3e burd? ben £eib 3U rennen — ba giebt 
iB?m 3 hr £?err Sohn, um ihn auf anbere (BebanFett 
3U bringen, einen fürchterlichen 5ußtritt por ben 
Saud? unb, wie er ba ßraud?elt, eine Kugel hinter» 
l?er. Daburd? hot er mir bas £eben gerettet, eigent¬ 
lich uns allen. ©B?ne ihn hätte in ber Had?t ber (Teufel 
bie gan3e fi^pebition geholt. Die IDaFiFuius fd?lugen 
ftd? 3U wütenb. £?alf ihnen aber fd?ließlid? alles nichts. 
Sic pur3eltcn in UTaßen unter unfernt 5 euer, unb was 
pon ihnen nod? lebte, fd?lug ßd? bei (Tagesanbruch ßill 
in bie Süfd?e. Sun wollte id? ausrüefen unb ihnen 3ur 
Strafe bie Dörfer att3Ünben. 3 d? öad?te mir fd?on: 
,Das wirb fein. I}eute nad?t muß ber gan3e £?immel 
rot pom 5 euer(d?cin werben. 4 — Da fagt mir 3 *tr Berr 
Sohn, wie er ba auf feinem 5 elbßuB?l ßßt unb ßd? 
raßert, gan3 Fühl — er Fann nämlich fo unangenehm 
bienßlid? werben, als wäre man auf bem potsbamer 
(E^ersierplaß —: ,£aßett Sie bas gefälligß, £?err pon 
Sd?alcfe. (Erßens hot es Feinen «gwecF, es iß «geit- 
perluß. Unb 3weitens wißen es bie IDilben nid?t beßer. 
Sie holten, wen ße nicht Fennen, für ihren 5 einb, unb 
baburd?, baß Sie ihre Jütten einäfd?ern, werben Sie 
ße nicht Pom (ßegenteil überzeugen. 4 Unb nun wirft 
man einem fold?en UTattn (ßreuel in KfriFa por, weil er 
ftd? feiner £?aut wehrte. £äd?erlkh." 

„Die wirFlid?en UTenfd?enfreßer leben eben tyer t * 
fprad? ber alte Hecfe grimmig. „Serlin hot gute 
Kiefer — glauben Sie mir, E?err pon Sd?alcfe. Das 
3ermalmt jeben UTorgen, wenn bie Slätter ausgetragen 
werben, ein B?olbes Dußenb geitgenoßen 3um 5 rüB?ftücF 
unb bes Kbenbs, 3wifd?en fünf unb ßeben, wieber. €in 
Krad? — ba iß er fd?on weg — mit I?aut unb £?aar. 
Sitte — ber näd?ße." 

IDährenb er rebete, blicfte 3 otta wieber in bas an» 
ßoßenbe (ßemad?. Krpib hotte in3wifd?cn feine Stellung 
nicht geänbert. €r hotte aufgehört 3U fd?reiben unb 
fann por ßd? hin» Unb plößlid? traf fein Kuge burch 
ben fd?ntalen Spalt im DorB?ang bas ihrige. Hur eine 
SeFuube. Dann weitbeten wieber beibe gleid?giltig f 
laitgfam, als hotten ße ßd? gar nid?t bemerFt, ben Kopf 
3ur Seite. 

Unb wieber perfanF er in feine (BebanFen, €itt paar 
IDorte pon ben IDaPiFuius waren pon nebenan an fein 
0B?r gefd?lagett, unb mit ihnen wud?s abermals bie £r- 
iititcruitg an ben fd?war3eu (Erbtetl in ihm — an bie 
lauwarme, buufle Had?t bes Urwalbs brüben, pon 


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Hummer 5 {. 


Seite {^ 5 . 


(Sift unö 5 teBer öampfenöe Sumpffpiegel unter feinem 
Caubgewölbe, eintönigen plätfcherfaH unö Hegentriefen 
in Öen HlätterFronen unö Bern unöurd^öringlich Derfil3ten 
HanFengewirr, in öer 5erne, bei (Tag unö Hacht, 3um 
Kampf mahnenö, öer öumpfe Klang öer Hegertrommeln 
unö überall, hinter jeöem Saum, in jeöem gurgelnöen 
Stromwirbel unö tücfifdjen PicFicht, im Kuge jeöes tPilöen 
lauernd, öer (Toö — öer afriFanifche (Toö in jeöer 5 orm. 

Cr fürchtete Öen (Toö nicht. Cr hatte it^n bei <ße* 
legenheit geraöeju f^rausgeforöert — nicht in fyeifc* 
blütiger Kbenteuerluft, fonöern mit öer leiöenfdjaft* 
lofen, beinah philiftröfen Hu^e öes (Belehrten — unö 
fictj oft mit innerlichem Staunen gefragt, warum geraöe 
ihm fo wenig am Ceben liege? 

Unö heute 311m erftenmal — nachöem er bas £}aus 
feines Paters wieber betreten unö ftatt öer fonftigen 
trüben, fdjattenhaft flüftentben KranFenftimmung Cachen, 
Cicht, Ceben unö Cujrus, ftatt öer fchwar3gefleibeten 
Pflegerinnen unö alten Ker$te ein fchönes junges tPeib 
öarin getroffen — ein IPeib, öas ihm fchöner erfchien, 
je öfter er es anfah — heute hämmerte ihm öie 
Hntwort: öir liegt am Ceben nichts, weil öu fo einfam 
bift auf Crben, öa§ öu öie €infamfeit bisher nicht 
einmal empfunöen h a ft. 

Cr erhob ftch langfam unö ging ju Öen anöern 
3urücf. Kls er Öen PorBjang 3ur Seite fdftug, hörte er, 
wie öer Fleine SchalcFe fprach: „KfriFa ift öoeh öas 
einige oerftänbige Canö. Pa friegt man feine 5 einbe 
öoeh noch 3U faffen. £}ier ift ja öer HTut bei fünf HTarF 
Strafe poli3eilich oerboten. £}ier roeröen Ceute, wie 
3 hr X}err Sohn, einfach oerleumöet unö follen ftch bas 
auch noch gefallen kiffen." 

Kroib legte ihm öie ^anö auf öie Schulter. „Seien 
Sie mal füll, SchalcFe — Sie reöen tfnftmt. 3 d? will 
3 huen bas erFlären." Cr fchaute, oor öem (Tifch 
ftehenö, öie anöern an. Cs Farn eine jener plöfelichen 
Knwanöluitgen, ftch mitjuteilen, über ihn, öie 3uweilen 
feine gewohnte Schweigfamfeit unterbrachen. Cr reöete 
auch bann fehlest, balö ftocfenb, balö wieöer in oer* 
haltetter Cnergie öie IPorte herausftofcenb, bafc fte ftch 
überfpruöelten, unö öabei mit einem geifiesabwefenöen 
Hlicf unö < 5 eftd?t, als fpräche er nicht 3U feiner Umge* 1 
bung, fonöern 3U ftch fclbfl oöer unftchtbaren Ejörern 
irgenöwo in öer tPeite. 

„ 2 Pas beflagen Sie ftch öenn?" fagte er halblaut. 
„tPenn alles hiw anöers wäre, als es ift — öann 
wäre es h*ut3utage Feine Kunft mehr, öas Peutfdjtum 
örüben öurch öie IDilönis 3U tragen. Uber es trofebem 
thun — auch wenn man bei öer ^eimFehr oon oieleit 
mifcoerftanben wirö — meinetwegen auch oerleumöet 
unö oerurteilt — unö es unoerbittert thun — im (Se* 
öanfen, bafj man ein befferer ZHann ift als öie anöern 
— öas, meine ich, ift geraöe echt öeutfeh. Penn öas 
heifjt, eine Sache um ihrer felbft willen thun. — 3 ch 
bin nicht öeutfeh, um 0 röen 3U Friegen uitö in Öen 
Leitungen gelobt 3U weröen. 3^h bin öeutfeh, weil ich 


mu§. HismarcF hat auch gefagt: wenn er fd?on einem 
(Teufel oerfchrieben ift, öann ift es ein teutonifcher. 
Pas — öas oerfteh ich- Pas ift mir aus öer Seele 
gefprodjen." 

Cr lehnte ftch über SchalcFes Stuhl, mit beiöen 
Qänöen ftch auf öeffen Cehne ftüfeenö, unö fprach leife, 
einöringlich: „Cins thut not — öas mu§ man öie 
Ceute h^r lehren — öas — öas mufj jeöer fte lehren, 
öer fo öenFt wie ich: Peutfchtum — öas h*ifc* Herren¬ 
tum. Herrentum h^iftl hart fein. 3<*? bin hart. Kud? 
gegen mich. 3^h fchone mich nicht. 3^ weijj, öafj ich 
einmal in Kfrifa 3U (ßrunöe gehn weröe — oielleicht 
balö — oielleicht fpäter. <ßan5 einerlei. 3^ habe 
gelebt, wie idfs oerftanöen habe. 5ür Peutfdftanö. 
Pem habe ich eben alles gegeben, was ich Fonnte unö 
hatte, unö bin ftols öarauf. — Unö meinen öeutfdjcn 
Stol3 — Öen laffe ich mir oon Öen Kerlen nicht oer* 
gäHert, öie. mich iiiev anfläffen ... So — öas 
wollte ich fügen . . ♦ weiter nichts." 

Kls er plöfclich, ftoftweife, mit feiner Heöe einhielt, 
fchwiegen alle. Cr hatte gan3 anöers gefprodjen als 
fonft, in einem Kusbrud? oon Ceiöenfchaft, öer felbft 
öie (geführten feiner Kämpfe unö HTitheit überrafchte. 
Pon öiefer Seite hatten fte ihn Faunt einmal örüben 
oor oöer nach irgenöeiner großen (ßefahr Fennen 
gelernt, öie ihn nach feiner IPeife, heiter unö mitteilfam 
5U machen pflegte. 

E)err oon Hraunfd?eiöt fprach enölidj öas erlöfenöe 
IPort. „Per Peubel foll alle öeine 5 einöe holen, mein 
Sohn," fagte er mit feinem groüenöen Härenbafc. 
„Pas wünfehe ich bir als frommer Chrift,* uitö öabei 
gab er feiner (ßattin einen KugcnwinF, öie (Tafel auf* 
3uheben. 

3 m Hebengemad? fefete ftch, währenö öie anöern 
herumftaitöen unö rauchten, 3U 3uttas Crftaunen Kroiö 
an ihre Seite. Kber er blieb ftumm. Ceilnahmlos wie 
nur fonft immer. 

Pas Schweigen 3wifchen ihnen beörücFte fte, unö fte 
fragte halblaut: „Cins begreife ich nicht, Kroiö. KU 
öeine 5reunöe ftnö öod] jeöer 00m anöern fo oer* 
fdfteöeit. 2 Pie Friegft öu öie nur alle in KfriFa unter 
einen £}ut?" 

„Sie wollen eben alle öas (ßlefche.* 

„IPas Öenn?" 

„Pas, was ich will." 

„HTüffen fte öenn öas?" 

„ 3 a — fte müffen." Seine Sprechweife war langfam, 
fchleppenö. Cr rücfte mechanifdj Öen 5 wicFer 3urecht. 
„Pas haifet: ich swinge niemanö. Pas ift nur fo ein 
Cinflufc — mehr innerlich ..." 

„Über wie machft öu öenn Öas?" 

Cr 3ucfte öie Kdtfeln. „Ulan muß eben öenFen Founen: 
idi willl Kber wirFlich! Kus gan3er Kraft! Pas 
fpringt öann auf öie anöern über. Sie folgen einem. 
3d? glaube, ’s ift angeboren." 

S ortfeftung folgt. 


6 Ö 


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Hummer 3 \ 


Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten- 

Seo&adituitgen über bas EDirtfd^aftsleben ber Bereinigten Staaten Don Ainerifa. 

Von CtldWig max 0OUlDcrgCr # Berlin. 


in. 

Arbeitervereinigungen unb 3 n ^ u f tr ' eocr ^^ n ^ c - 

Hi^t alles iß eitel £id?t unb Sonne tu bem gaubergarten 
ber Bereinigten Staaten! 

Der EDiberßreit uitb bie (Segenfätjlichfeit 3wifchen Arbeit¬ 
geber unb Arbeitnehmer ßnb, wie bereits in bem voran* 
gegangenen Abfdpttitt geßreift, in ber Union nod? fdjärfer 
als anberwärts, vielleicht metl Arbeitgeber unb Arbeit* 
nehmet einanber in ben (Siunbanßhauungen unb (Srunb* 
beßrebungen fo außerorbentlicfj ähneln. Die beiben (Sruppeu 
bewegen ftd? bort buretjaus auf bem gleichen Boben bes 
(Selberwerbs. Don Sentimentalität ift nicht bie Hebe. 
Ueberall ftarrfte 3 n ^ ere ff enüer ^ retun 9 * ^ a 3 u fommt, baß von 
einer Arbeiterfürforge im Sinn unb (Seift unferer fo^ial* 
politifchen Einrichtungen nirgenbs ein Ejauch 3U rerfpüren ift. 
Die Arbeitergefefcgebung ift in ber Union überaus bürftig 
unb nicht einmal einheitlich; fie befchräuft ßß auf (Sefetje 
gegen „Boyfott", gegen „fd?war3e Stiften" unb über „Ad?t* 
ftimbenarbeit", bie aber lebiglich in einseinen Staaten in 
(Seltung ßnb. Hur für alle von ber Bunbesregierung felbß 
angeßeüten ober bekräftigten perfouen bilben einheitlich 
acht ftunben bie (Eagesarbeit. 

Die Kinberarbeit in ben (fabrifen harrt m ben meißen 
Staaten ber Union noch ber gefetjlichen Hegclung. 3 n ^ eu 
Sübßaaten arbeiten nach 3uverläfßgen Schälungen in ben 
(Eejtilfabrifen ungefähr 20000 Kinber unter H 3 ahren. 
Aus Horbfarolina wirb amtlich berichtet, baß bort 760 5 Kinber 
unter 3 a ^ ren in 26 ( (fabrifen befchäftigt ftnb; Aehnliches 
ift ber fall in Sübfarolina, (Seorgia unb Alabama, mit bem 
Unterfchieb, baß ein großer (Eeil ber bort befchäftigten Ainber 
noch nicht einmal bas 3tvölfte £ebensjahr erreicht hat. Unb 
biefe Ainber arbeiten oft u —\2 Stunben beit (Lag. 

Jür bie in ben (fabrifen vorfommenben Unfälle ber 
Arbeiter ftnb bie Arbeitgeber nur infoweit verantwortlich, ab 
ihnen eine Schulb burch mangelhafte Einrichtungen nach* 
gewiefen werben Fann. 3 m übrigen gelten für berartige 
Unfälle nur bie Beßimmmtgen bes gemeinen Hechts; bie 
Partei, bie ben beßen Anwalt hat, wirb entweber bie geringße 
Entfchäbignng 3ahlen ober bie h 5 <hß e erhalten. 

An ber Spitze ber Arbeiterorganifation bes £anbes ßeht, 
gleichfam bie Arbeiterbunbesregierung bilbenb, bie „American 
Jeberation of £abor", beren präßbent, Sefretär unb Scfjatj* 
meifter in EDafhington ihren Sitj h fl l ,en » Präftbent ift feit 
ber BegrÜnbung ber frühere gigarrenarbeiter f^err (Sompers, 
ein UTann von ungewöhnlichen ©rganifationsgaben, bem ich 
über Aufbau unb Ausgeßaltung ber (feberation manchen 
Auffdjluß verbau fe. 

3 n ber „American (feberation of £abor", 3U ber bie 
„Hational attb 3 n t*mational Crabe Untons" als Berufs* 
verbänbe, bie „State (feberations of £abor" als Staatsver* 
bänbe, bie „City Eentral £abor Unions" ober „Central bobies" 
als gentralßabtverbänbe, mit 3wei weiteren Unterabteilungen, 
ben „£ocal (Erabe Unions" ((Sewerffchaften) unb ben „(feberal 
£abor Unions" (gemifchte Arbeiterjdjaften), gehören, ftnb bie 
Arbeiter feft organißert. Die gaf^l ber alfo organißerten 
Arbeiter wächß außerorbentlich; ße betrug im 3 a h r 19 °° 
900000, Enbe 1901 fchon \ 500 000; Enbe biefes 3 ahrs 
wirb ße vorausßchtlich 2 000 000 überfteigen. 

Der Aampf 3wifchen organißertem Aapital unb organt* 
ßerter Arbeit trat im Dorjahr burch ben Streif ber Eifeit* unb 
Stahlarbeiter befonbers ernßhaft in bie Erfcheinung. EDegeit 
ber £ohnfrage h atte es früher fchon öfter partielle Streifs 
gegeben, bei benen bie Arbeiter Erfolge erhielten. Die 
„Elmalgamateb Affodation of 3 ron anb Steel anb (Ein IDor* 
Fers" verlangte biesmal von ben Arbeitgebern bie ofßjielle 
AtterFennung ber völligen (Slcicfjberechtigung bes Arbeiter* 
verbanbs mit ben Aapitalsvereinigungen. Die (fotberung 


brang nicht burch. Die (Srüuber ber „Uniteb States Steel 
Corporation" hatten über alle (Sebiete ber vereinigten fabrifen 
itt einer ganjen Heitre von Etabliffeinents aus fch ließ lieh folche 
Arbeiter angefteüt, bie ber „Amalgamateb Affociation" nicht 
angehörten. Damit waren für ben Streiffall immune (Sebiete 
unb 5uglei<h Anjiehungssentren für bie 3um Abfall bereiten 
Elemente gefdjaffen, fo baß bie Aufrechtcrhaltung bes Betriebs 
in gemijjen (Sre^en ermöglicht würbe. Da3u Farn, baß unter 
ben Arbeiterführern felbft UTeinungsverfchiebenheiten herrfchten. 
Der eine befretierte einfach ben Streif unter Dertragsbruch, 
ber anbere erflärte bie Hicbteinhaltung eines gefchäftlicben 
Abfommens für ein ferneres Dergeßen. 

Ungleich beßeren Erfolg h a l* e „American (feberation 
of £abor" in ihrem Ejauptrefrutierungsgebiet Kalifornien. 
3 m EJochfommer vorigen 3 aßrcs hatten bie Spebiteure unb 
(Sroßfaufieute von San Francisco ihre 3ur Union gehörigen 
Arbeiter, (fuhrleute, Derpacfer ausgefperrt, weil biefe ßch 
geweigert hatten, aus ihren ©rganifationen aus3utreten. Die 
Seeleute unb Docfarbeiter erFlärten hinauf aus „Sympathie" 
mit ben Ausgefperrten ben Streif, ber über 25 000 Arbeiter 
umfaßte. Es gab fernere Stocfungen, h arte Derluße, auch 
(Eumulte; fchließlich Farn burch Dcrmittlung bes Staatsgou¬ 
verneurs ein Aompromiß 3U ftanbe. Die Eittmifchung ber 
republifanifchen Staatsregierung war in Hücfßcht auf bie nahe 
bevorftehenben ftäbtifchen Wahlen in San Francisco erfolgt. 
ETCan befürchtete einen Abfall ber Arbeiterßimmen von ber 
republifanifchen Partei. Die Befürchtung war gerechtfertigt. 
Es bilbete ßch, ba auch bie bemofratifche Partei ßch ben 
Arbeitern unliebfam gemacht hatte, in aller Stille eine lofale 
Arbeiterpartei, bereu Programm mit einigen foialißifchen 
Jorberungen aufgeputjt war. Das Ergebnis war, baß bie 
Arbeiter fünf ber 3 hren in ben Stabtrat brachten unb bie 
U?ahl bes präfibenten bes IHußferverbanbes 3um Bürger* 
meißer burchfefetcn. Das Beifpiel von San (francisco ift in 
E^artforb im Staat Connecticut unb in brei anberit Fleineren 
3 nbußrießäbten biefes unb bes Staates UTaßachufetts nach* 
geahmt worben. EDährenb bes jüngfen Streifs ber Straßen* 
bahnangeßeüten in San Francisco, Enbe April b. 3 ** mar 
ich Augen3euge ber Dorgänge, bie alle aufs tiefße erregten. 
Der Streif enbete unter bem ermunternben gufpruch bes 
Publifuins unb ber preße mit bem vollßänbigen Sieg ber 
Streifenben, bie fogar von ber Kanjet herab gefeiert würben. 

Die große Bebeutung biefes Streifs liegt nach meiner 
UTeinuttg barin, baß er über bie. (greifen San (franciscos unb 
Kaliforniens hinaus weithin unter ben organißerten Arbeitern 
ein lautes Echo gefunben hat unb 3ur Bilbung einer großen 
Arbeiterpartei über bas ganje £anb führen bürfte. Hoch vor 
3wei 3 a hr* n hat ßch präßbent (Sompers 3U einem mir be- 
freunbeteit, fehr angefeh'enen UTann bahin geäußert, baß bie 
amerifautfehen Arbeiter ßch jeber felbftänbigen politifchcn 
Bethätigung enthalteh, unb baß ein bemerfeuswerter Unter¬ 
fchieb 3wifchen ber beutfehen unb amerifanifchen Arbeiterfchaft 
barin heftete, baß bie ©rganifation ber Arbeiter in Deutfdjlanb 
eine politifch*wirtfd?aftlicf?e fei, währenb bie amerifanifcheit 
Arbeiter weiter nichts im Auge hätten, als bie IDahrung 
ihrer wirtfchaftlichen 3 ntereffen. Es iß eine CE^atfacipe, ba§ 
bis in bie jüngße geit bie Disfufßon politifcher (fragen in 
ben amerifanifchen (Sewerffchaften ßreng verpönt war. 

Als ich mit £?errn (Sompers unter bem Einbrucf bes eben 
bamals ausgebrodheueit Kohlenarbeiterßreifs bie altgemeinc 
Situation befprach unb feine Uieinung herüber- wie über bie 
großen Kapitals* unb 3 nbuftrievcrbänbe, wie fie u. a. in erßer 
Heihe bie (Erufts barftellen, erbat, antwortete er mir: „UTit 
Abraham £incoln fpreche unb meine ich: ,Das Kapital ift 
bie (frucht ber Arbeit unb Fönnte ni(ht beßehen, hätte bie 
Arbeit nicht vorher beftanben. Deswegen verbient bie Arbeit 
bie viel häh ere Berücfßdjtigung.* EDir wollen bas probuft 


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stummer Z{. 


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ber Arbeit fiebern. 2 Xnbrerfcits ift ber Jelb3itg gegen bie 
(Erufts ebenfo roirtfd>aftlich ttnmobern, rote her gegen bie Kr» 
beiteroereinigutigen. 3 eJ)e Partei muß fehen, 3U ihrem Hecht 
3U Fomnten. KUes muß auf ben prafttfcfyen Boben geftellt 
roerben; babei ift es nur bie Kon3entration, bie StärFe per* 
lei^t.* Unb als tdj ihm bann fagte: „ 3 <h frnne bie 2 Xuf* 
faffung, bie Sie por einigen 3 ah r * n ausgefprocfyen haben, unb 
möchte jefct non 3h n * n baren, ob, roie man mir berichtet bat 
bie ,Kmertcan Jeberatton of £abor‘ bie Kbficht bat eine 
eigene politifche Partei 3U bilben", entgegnete er: „ 3 a unb 
nein. IPir finb 3ur geit Feine politifche partei. natürlich 
roollen roir (Sefefce haben, bie uns förbern; baher muffen roir 
burch bie PolitiF unb burch bie pon uns 3U erftrebenbe politifche 
HTacht uns Hinflug für unfere gute Sache perfdjaffen." 

Ko^entration ftebt gegen Ko^entration, unb ber gu- 
fammenprall ift feijr häufig unb febr fcharf geroefen. Pie 
XPafhingtoner Eingaben 3eigen, baß in ben 3 a b r ^ 1881 bis 
1901 bte gahl ber StreiFs, Me Kusfperrungen nicht mit- 
gerechnet, tn ben Pereinigten Staaten 22 793 betragen bat 
unb baß bie hierbei in Betracht Fommenbe gatjl ber JabriFen 
ftch auf u? 509 beläuft. Pie Arbeiter haben babei an £Öhnen 
258 Millionen Pollars eingebüßt, bie beteiligten JabriFen 
baten ihren Perluft auf (23 millionen Pollars eingefchä^t. 

(Es ift nur natürlich, baß folche StreiFs mit ihren £aften 
ben (BebanFen auf beiben Seiten haben heranreifen taffen, bie 
rorhanbenen 0 rganifationen 3U benutzen, nicht um ben Jrieben 
herjnftellen, nachbem ein langer StreiF bie fchroerften 0 pfer 
«gefordert hat, fonbern um porher bie Störung bes Jrtebens 
3U oerhtnbern. Pie cor etroa 3roet 3 a h ren aus ber „(Eioic 
Jeberation" in Chicago herporgegangene „national Cipic 
Jeberatton", mit bem Xjauptfitj in Hero tJorF, hat ftch biefer 
Aufgabe geroibmet Unter bem Patronat ber „national Cioic 
Jeberation" bejiehungsroetfe ihrer „inbuftriellen Abteilung" — 
bereit giel es ift, ftch allmählich 3 U einem (Einigungsamt aus* 
guroeiten — Farn im Pe3etnber bes porigen 3 ahres tn nero IJorF 
eine Konfercnj 3U ftattbe, bie befdjlog, einen permanenten 
Kusfchuß aus Pertretern bes „(SroßFapitalismus", ber 
„Krbeiterorganifationen" unb ber „roeiteren 0 eff ent lieh Feit" 
eit^ufegen. Pem Uusfdjujj rourbe aufgegeben, eine Krt 
ftänbi^en (Berichtshofs 3U bilben, por beffen Jorunt 
Pifferengen sroifdjen Krbeitgebern unb Krbcituehmeru auf 
gütlichem IPege mit ber (Eenben3 ausgeglichen roerben 
follen, eine möglich^ bauernbe Perftänbignng 3roifd?en 
Kapital unb Krbeit, 3roifchen Unternehmern unb Kngeftellten 
an3ubahnen unb anfred^uhalten. „Kapital unb Krbeit 
feien 3 n f a ffen bes gleichen Kaufes, in bem bie IPohlfahrt 
eines jeben pon ben gegenfeitigen Ko^efftonen an bte Hechte 
unb pripilegien bes anbern abhättge." Pem obenerroähnten 
Kusfdjuß gehören bte herporragenbften £eiter pon inbuftriellen 
^Befellfdjaften, großen Bahnen unb (Sefchäftsbetrieben an; 
ferner bie Jührer ber Krbeiterorganifationen auf ben roirt* 
fchaftlidjen t^atiptgebieten. Unter Öen männern ber „roeiteren 
0 effentlichfeit" beftnbet ftch ein C^bifcfjof, ein Bifcbof unb 
ber präfibent ber i^arparb-Untperfität. 

Bis 3ur Hieberfdjrift biefer geilen haben bas (Einiguitgsamt 
nnb fein permanenter Kusfdjuß thatfächliehe (Erfolge nicht 
e^telt gahlreidje StreiFs fanben ßatt, ohne baß beren Kits» 
brach perhinbert roerben Fonnte. Paß bie Jührer hüben 
unb brüben ab unb 3U einen QänbebrucF austaufchten, hat 
fre etnanber innerlich nicht nähergebracht. Pie großen 
Kapitalsaffo3iationen fehen eine anöere Kffo3iatton mit äieL- 
beroußter fjartnäcfigFeit ftch ausgeftalten, unb fte roiffen, baß 
bie Kbftchten, bie hierbei leitenb unb beftimmenb jtnb, mit 
benen ber Kapitalsoligarchie 3ufammenftoßen unb bas KTa<hr- 
oerhältnis perfchieben Fönnten. Pie „neue Partei", bie in bett 
bereinigten Staaten porerft nur loFal bebütiert hat, roirb, fo 
glaubt man, halb in einer für manchen überrafchettben Stärfe 
auf bem plan erfcheinen, ohne baß man bie roirtf<haftli<he 
(Eragroeite ab3umeffen in ber £age roäre. 

Pas ift ber äußere (Segner, ber bie (Erufts aus ihrer 
umfltchen ober fcheinbaren Sicherheit auffchrecfen Fönnte. 
Unb ber innere (Segner, ber pielleicht noch früher ge¬ 
fährlich roerben Fann, ift ber 0 rganismus ber (Erufts felbft, 
in bem manuigfache (Eeile allgemein roirtfchaftlicher uttb be- 


fottbers ftnan3teller Hatur eingegliebert unb eingebaut rouchern, 
bie als gefunb ober roiberjianbsfähig nicht be3eichnet roerben 
bürfen, ober hoch ihre Teilung ober Erprobung im £anf ber 
Seit erft erroeifen muffen. 

Hicht bas XPefen, aber bie Jorm ber (Erufts hat im £auf 
ber geit mannigfachen XPanbel erfahren. Urfprünglich be* 
3cichnete man mit bem Hamen (Eruft eine Pereinigung pon 
inbuftriellen (ßefellfchaften, bei ber bie Beteiligten ihren Befifc 
an KFtien ber Cinjelgefellfchaften in bie E^anb pon Per- 
trauensmännern („(Eruftees") legten unb fleh baffir eine ent- 
fprechenbe Summe pon (Eru^ertiftFaten an bem (Sefamt* 
unternehmen ausftcllen ließen. Per groeef ber Pereintgung 
roar immer bie thunlichfte Perrtngerung ber probuFtions-, 
Perroaltungs* unb PertriebsFoften, bie Schaffung einer Krt 
monopol, bie möglichfte Kusfdjließung ber inläubifchen Kon- 
Furren3 unb bie felbftänbige Beftimmung ber Preife. Per 
„Stanbarb 0 il (Ernft" unb ber „gucFer (Eruft" roaren öerart 
aufgebaut. Seitbem bie Bilbung fold^er Krt pon Crujts all¬ 
gemein als ungefefclich erFlärt roorben roar, organifterten 
ftch bie Crufts unter bem „Korporationsgefeö". Unb bas 
führte innerhalb bes abgelaufenen Pe3enniutns unb h* er 
roieber hauptfächlich innerhalb ber letjten Pier 3 a h r o 3U einem 
fabelhaften, faft alle probtiftionsgebiete umfaffenben Kn- 
roachfen ber neuartigen (Eruftgebilöe. Pie 3 abifatur ift ihnen 
gegenüber beinah in allen Staaten ber Union bie gleiche 
geblieben: auch biefe (Erufts feien ber „öffentlichen IPohlfahrt 
entgegen unb ungefetjlich". 

3 n ben Pereinigten Staaten flreiten 3roei Hechtsanfchau* 
ungett miteinanber, bie beibe eigentlich in ber (Eheorie auf 
ber nämlichen (Srunblage beruhen, in ber Praxis aber ein- 
anber faft ausfchließen. 3 e ^^ m KmeriFaner gilt es als ein 
unantaftbares (Srunbrecht, baß bie Kusübung pon fymbel 
uttb (Seroerbe frei fein müffe. Kus biefem (Srunbrecht er- 
giebt ftch mit gleicher Schlußftcherheit, baß bte (Sefeggebung 
in bie Jreiheit ber geroerblichen Perabrebung nicht h*mmenb 
eingreifen barf, roie baß bie geroerbliche Perabrebung unter 
Feinen Umftänben befugt ift, ben freien IPettberoerb, beffen 
Jortbauer im öffentlichen 3 ntcr effe liegt, 3U beeinträchtigen 
ober gar auf3uheben. (Einerfeits haben (Sefeggebung unb 
3 ubiFatur ftch bisher bemüht, ben (Erufts in ihren alten unb 
neuen Jormen burch befonbere Perbotsgefetje ober burch 
(Sefegesauslegung ben Hedhtsboben 3U ettt3iehen; unb anbrer- 
feits hat bie „(Senialität" ber atneriFanifchen Knroälte es 
noch alle3eit perftanben, bie (Erufts burd? immer roechfelnbe 
formale Kusgeftaltitng unb (EinFleibung ben Jangarmen pon 
(Sefeft unb (Bericht 3U entrüefen. EJüben unb brüben betont 
.man ben (Brunbfatj ber „roirtfchaftlichen Jreiheit"; hoch bie 
beiben Parteien haben (Entgegengefetjtes im Kuge, wenn fte 
pon ber „Jreiheit, bie ich meine" fprechen! 

3m übrigen ftitbet ftch eine fiare unb einroanösfreie 
Peftuition beffen, roas unter, einem '(Eruft ber3eit'3U perftehen 
ift, ttirgenbs, 3umal eine KobiftFation^ in ben Peremigten 
Staaten nicht befteht Paher Fommt es, baß mpn vielerlei 
bunt burcheinanberroirft unb unterfcheibungslos SpnbiFate 
unb Kartelle mit (Erufts perroechfelt, roährenb als (Erufts 
roohl nur folche 0rganifationen an3ufehen finb, bie fich inner¬ 
halb beftimmter (Seroerbs3roeige ober für beftimmte (Seroerbs- 
gebiete Fapitals- unb betriebsmäßig pereinigt ober gemein- 
famer £eituug unterteilt haben — oft unter gleid^eitiger 
Kontrolle bes Hohmaterials. IPenn ich pon biefer Begriffs- 
begren3ung ausgehe, fo Fotnme ich, nach genauen per {. 3 uni 
biefes 3 ahres abgefchloffenen Jeftfieüungen, 3U ber (Ehatfache, 
baß bie in ben Pereinigten Staaten 3Ur geit arbeitenben (Ertifts 
ben überroältigenben Hominalbetrag pon 6,2 JTtiUiarben 
Pollars aufroeifen, roopon allein 2227,8 HTillionen auf bie 
(Eifen* unb Stahlinbuftrie, 567 JTtiIlionen auf bie XTIetaUinbufirie, 
5 ( 5,6 Millionen auf bie Hahrungsmitteiinbuftrie entfallen. 
3 ?ner Betrag pon 6,2 ITTitliarben Pollars macht 63 projent 
bes gefamten in ber ameriFanifchen 3 n & u ftrie inoeftierten 
Kapitals aus, bas pon mir im erjien Kbfchnitt auf 987 $ 
IHilltonen angegeben roorben tft. 

Per neuerlich aufgenommeite Jelb3ug gegen Kartelle unb 
(Erufts, hier hauptfächlich auf (Srttnb bes föberatipen „groifchen- 
ftaatlichen Qanbelsgefe^es" gegen bie 3« reinen preis- 


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Seite \W 8 . 


Hummer o\. 


pereinbarnng peretnigten Schlachthausfrmen in Chicago, bort 
wcfentlid? gefügt auf bas föberatipe „Shermanfdje Hiiti- 
(Erufgefefc" gegen bie neufte form ber (Erufts, ben „ITTerger", 
wie er ftdj in ber in ber .Bortherit Securities Company" 
gebilbeten (Eifenbahnerwerbsgefellfchaft barftellt, bdrfte 
wieberum mit einer Bieberlage ber Angreifer enben. Kleine 
amerifanifchen freunbe glauben, ber präiibent felbf wolle 
nur befunben, baß, fo lange einmal <Sefetje hefteten, fte auch 
beobachtet unb burdjgeführt werben muffen. (Erweifen f dj 
bie ©efefce ber beseitigen (Entwicflung gegenüber als un* 
3ulänglich ober fdjäbigenb, fo muß Befferes an ihre Stelle 
gefetjt werben: es müffeit neue inhaltsreiche formen ge* 
funben werben; por allem bürfe bas (ßefellfchaftsfapital nur 
bem greifbaren Befttjtum entfpredjen, unb größtmöglich)^ 
©effentlichfeit fei erforberlich. Dem präfbenten, ber ein 
begeiferter Bewunberer unferer bentfehen Uechtspfege if, 
fchwebt feierlich unfer hetmifdjes AFtienrecht por. Aber er 
ift in erfter Heihe Patriot. (Er empfnbet, baß bie Schwäche 
bes amerifanifchen weltwirtfchaftlichen ZDettbewerbs in ber 
ftnanjtellen Konfruftion ber großen Kapitalsajf^iationen liegt. 
Selbft auf bie (Sefahr h^ baß ihm Auffaflfung bie 
IDieberwahl in 3wei Jahren gerabe in ben Kreifen feiner 
eigenen Partei ungemein erfchweren wirb, fiellt er es fd? als 
eine Art £ebensaufgabe, ben öfoitomifchen Organismus bes 
Dolfs überall burd? fefe fügungen 3U ftärfen; weiß er bodj 
3ugleich, baß in breiten Kreifen ber politifchen unb wer!* 
thätigen Bepölferung ein ftarfer Antagonismus gegen bie 
Kapitalsaffo3tationen ber (Erufts porhanben if. 

Die Situation if bie: bie Amerifaner 3ahlen bie fabrt* 
fate nicht bloß nach ben inneren Bebingniffen ber ^eimtfd^en 
Probuftion, fonbem mit bem Pollen gufdjlag bes Schut^olls. 
Der allgemeine wirtfchaftliche Auffchwung if aber 3ur §eit 
fo mächtig, baß ber (Ei^elne an ben erhöhten iubireften 
£afen feinen Anfoß nimmt, tpeil bie glänseube (Sefamtlage 
auch auf ihn felbf — fei es in (Sef alt befferer £öhne, fei es burch 
guten (Sefdjäftsgang — einwirft unb ihm ermöglicht, £eifungen 
3U erfchwingen, bie pon ihm unter anbern Derhältniflen, bei 
rüefgängiger Konjunftnr, als fehr brücfenb empfunben würben 
ober pielleicht überhaupt nicht getragen werben fönnten. 

hierin, im Aufbau ber großen Kapitals« unb Jnbufrie» 
fombinationen unb Affo3iationen bes £anbes, liegt einer jener 
wirtfchaftlich nicht gefunben (Eeile, non benen ich 3uoor ge* 
fprodjen habe. Ungefunb um fo mehr, als tn ber ftnan3iellen 
(Srunblage biefes Aufbaus bereit weite £ücfen flajfen. 

Die Kapitalifation ift oft unecht unb f ftip; 3umeif feilen bie 
gewöhnlichen Aftien, fehr oft auch bie Dosugsaftien nicht im 
entferntefen ben wahren IDert ber eingebauten ©bjefte bar. 

Daraus unb aus bem Umftanb, baß bie Drehzahl biefer 
XDerte nur auf bie (Ertragsfähicjfeit be3w. auf ben (Ertrag 
gefeilt fnb, ergiebt fch bie große (Sefahr für bas publifum, 
bas biefe IDerte 3ur Anlage gefauft hat ober fauft. Die Aftien, an 
unb für fch nur 3um (Eeil funbiert, fönnen für bie Kapitalien 3U 
wertlofem Papier werben, wenn bie Hente für lange Seit aus» 
bleibt ober wenn eine £iquibalion bes Unternehmens eintritt. 

Bis jetjt haben bie Jnbufriegefellfchaften be3W. bie (Erufts 
3umeif Dioibenben auch auf bie Aftien ge3ahlt ©b unb 
wie weit bie Dioibenben wirflid? perbient unb aus ben that* 
fächlichen (Erträgniffen besatft worben fnb unb be3ahlt werben, 
läßt fch — gari3 abgefefjen pon ben als Ausnahme überall 
porfommenben beabfehtigten fraubulofen Derfd?leierungen — 
pon einem Außenfehenben nicht beurteilen ober genau er¬ 
mitteln. Die Bilan3en werben in ben bereinigten Staaten 
nicht fo aufgefeüt wie bei uns. Alles geht ins (Sroße, unb 
man begnügt fch mit allgemeinen Angaben ohne Details. 

Die (Srünber ober promotoren h a ^ e n ihren Aftienbeftj 
wohl 3umeif abgefoßen unb in bie breiten Kanäle bes 
publifums geleitet, ©ber fte warten, bis bie (Ertragsfähig¬ 
feit eines Jahres ben Abftoß ermöglicht. Auf ber anbern 
Seite bleiben fe in finan3fynbiFaten für bie pon ihnen ge* 
fchajfenen EDerte weiterhin thätig, faufen unb perfaufen in 
Kenntnis ber jeweilig ihnen 3uerf befanntwerbenbeit Dorgänae 
unb beteiligen wohl auch bie (Sefellfchaften felbf an ben betref« 
fenben Spefulationen. ©b fch hier immer (ßeminn für bie Jn* 
bufrie ober auch manchmal Derluf ergiebt, if unburchftdjtig. 


Durch bie nüchterne Darlegung biefer Der höltnijfe, bie fch auf 
in ei^elnen fällen pon mir noch befonbers f ef gefeite (Ehatfachen 
füi$t, beren Aufzählung aber 3U weit führen würbe, will ich 
nur 3eigen, baß bas XDort pon ben Bäumen, bie nicht in ben 
Ejimmel warfen, auch hier (Seltung hat* 3 n bem f nan3iellen 
Jfunbament ber Jnbuftrie unb ber (Erufs liegt bie Stärfe bes 
amerifanifchen (Sewerbefeißes wahrlich nicht! Unb ba bies 
ein fehr wefentlid?es ÜToment ift, fo hat man benen entgegen* 
3titreten, bie, fei es in ber Bähe ober in ber ferne, bie redete 
ITCaßabfchäfcung oerlieren. Soldes Fehlurteil fnbet fich hönfg 
brüben in „titanifchem" Uebernehmen; bei uns fnb es bie 
gelehrtefen UTänner Pom grünen (Eifch, bie bereits ben (Er* 
oberungs3ug bes Amerifanismus burch bie gan3e EDelt als 
eine (Ebatfadje hinnehmen unb fe mit fuggerierenber EDirfung 
weithin perfünbigen. 

Jn ber Hoffnung auf Deripirflichung eines glüeflichen 
gufuitftsbilbes liefern bie Bürger ber Union, pielleicht 3um 
(Eeil unbewußt, in ben h°h en Preifen für ihre (Sebrauchs* 
gegenftänbe 3ugleich bie Ulittel 3ur Unterbietung ber fremben 
Jnbufrien auf fremben Ulärften. Doch fo empfnblich bas 
(Semüt bes Amerifaners auf patriotifche Hebungen reagiert — 
auf bie Dauer reagiert fein (Selbbeutel noch empfnblicher auf 
eine 3umal fachlich nicht gerechtfertigte bauernöe Jnaufpruch* 
nähme. €iner ber herporragenbfen Bem tjorfer finan3iers 
fagte mir wörtlich: w Das amerifanifche Dolf if feiner Batur 
nach ein fyntbelsoolf unb läßt feine Angelegenheiten nicht pon 
(Sefühl unb (Eheorien beftimmen. Der Durchfchnittsamerifaner 
fragt fch immer: was wirb es fofen? IDirb es fd? be3ahlen? 
IDas für einen Dorteil werbe ich baraus jiehen?" 

Daher if ber plan einer wirtfchaftlichen EDeltUnterjochung 
burch bie bereinigten Staaten, wie er 3um Schaben bes 
heimifchen Derbrauchers u. a. mit einem bauernben unb 
wohlfeilen Abwerfen obbachlofer Jnlanbsprobuftion auf bie 
EDeitmärfte in unmittelbarem gufammenhang fehen würbe 

— fo groß unb mächtig ber beseitige (Entwicflungsfanb bes 
U^irtfchaftslebens ber Union if — mehr fühn als ausführbar, 
unb er bliebe bas, felbf wenn bie Kraft brüben noch weit 
größer wäre, als fe wirflid? if. (Es liegt, oon allem fonfigen 
abgefehen, bie bare Unmöglichfeit por. IDohl Faun ein 
Staat bie anbern burch (Sewaltmittel unb fonfige UTaßnah* 
men öfonomifch fchäbigen. Doch auf bie £änge ber geit hot 
auch bie Bation, pon ber bie Schäbiguttg ausgeht, hi erüon 
feinen Butjen, fonbem Bachteil. Dauernb läßt fich ein (ßüter* 
austaufch nur bann erhalten, wenn alle (teile baraus Butten 
3iehen, was eine relatipe unb 3eitweilige Ueberfügelung bes 
einen burch ben anbern nicht ausfchließt. IDenn irgenbwo 
ein £anb bem anbern IDare unter bem UTarftwert ober gar 
unter bem (Sefehuitgswert überläßt — aus welchem (ßrunb 
immer es gefcheheit mag — macht es ihm ein (Sefcheuf ober 
3atft ihm einen (Eribut. Daß aber anbauerube (Sefd^eufe ober 
(Eribut3ahlungen ben bamit Bebachten wirtfchaftlich jurücf* 
brächten, faitn fnuigerweife nicht behauptet werben. 

(Es wirb eine §eit Fommen, in ber man fch in ben Der* 
einigten Staaten fagen wirb, baß es hoch eine befonbers nn* 
willfommene Kehrfeite barfelle, wenn ber Amerifaner feinen 
Bebarf überteuer bejahen müffe, bamit ihn bas wirtfchaftlich 3U 
unterjochenbe Auslanb billiger, fogar unter bem ©efehuitgs* 
preis, erhalte. Daher glaube ich, baß ber amerifanifdje 
Konfument allmählich immer mehr 3U folchen Betrachtungen 
gelangen muß. Unb weil bies ber fall fein wirb, fo meine 
id? auch, baß bie probi^enten felbf, in fiihlerer Abwägung, 
3umal wenn fe erft Derlufjahre burchgemacht haben werben 

— bie bod? unausbleiblich fnb, unbefchabet ber «unbegrenzten 
UlÖglichfeiten" im eigenen £anb — fch ber €rfenntnis 
nähern werben: baß fich ein ftetiger unb gefunber Außen* 
hanbel ( beffen bie immer mehr anwachfenbe Jnbufrieer3eugung 
bringenb bebarf, nur auf bem Boben langfrifiger (Earif* be* 
3iehungsweife f^anbelsperträge erhalten unb fortentwicfeln 
läßt, unter Befeitigung eines ungeheuerlichen prohibitipen 
^ochfchu^joüfvfems, bas nicht ber (Sefamtheit bes Dolfs, 
fonbem auf bie Dauer nur einem (Eeil unb hier wieber nur 
übermächtigen Jntereffengruppen Bu^en bringt. 

(€in Sdjlu§urtifei folgt.) 


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Kummer o\ 


Seite 1^9» 



Di« Hoggetta Sanfovinos in Venedig, die durch den einfturx des ©lochenturms xerftdrt wurde. 


6fn zerftörtes Kunftjuwel. 

£7**1311 5 pfjotograptyfcfje 2 Iufnafjmen pon Sommer n. Sofjn urtb ©bätiacar. 



3n [einem 5aü hat der -HTarfus türm die £oggetta 
begraben. Sie ftand uertrauensooH äu den Süßen des 
geradlinigen Siefen und ©ermittelte wie ein freundliches 
Kind 3toifchen dem alten £}errn und 
den beweglicheren und fröhlicheren 
architeftonifchen ©efchöpfen, die 
den HTarfusplafe umfchließen. Dafür 
hat fte jefct der Klte mit in einen 
früttfeitigen (Lod geriffelt. 3h*er 
Vorgängerin erging es nicht beffer; 
damals aber, im 3ahr H89, fuhr 
nur der (ßipfel des tEurms, ©om 
Blife getroffen, herab und 3erfchmet* 
terte die Coggia, an deren Stelle 
50 3 a h*e fpäter 3acopo Sanfooino 
feinen Sau errichtete. Diefer hat 
jefet, wie es fcheint; felbft indireft 
3u feinem (Ende mit beigetragen, 
da HTaßnahmen in feinem 3nteref[e 
3ur Kbhaltung des Begenwaffers 
die fjaltbarfeit des (Eurms gefchä- 
digt 3U iiaben fcheinett. Den Curm 
wird man wieder aufbauen fönnen, 
in alter Sorm mit neuem STateriaL 
©b dies aber bei der £oggia der 
5aö ijt, wird daoon abtjängen, ob 
man unter dem Schutt die alten 
Sfulpturen und die architeftonifchen 
^ierfiücfe in genügender (Erhaltung 
aufftnden wird, denn diefe laffen 
ftch nicht 3um 3weitenmal, auch nach 
Photographien nicht, ins £eben 
rufen, wem ftch auch die bloßen 
XPerhältniffe des Bauwerfs re- 
fonfiruieren laffen. (ßerade die 
X7erhältniffe dtefes Keinen Bauwerfs 
find aber wohl nicht das befte daran. 

*5tnar finden ftch auch hierfür Diele Bronzeftatue der paUas von Sanfovtno. 


Bewunderer, aber den meiften wirb doch immer der 
obere (teil, die Kttifa mit der Baluftrade, 3U hoch er- 
fcheinen im Verhältnis 3U den Krfaden darunter. Das 
wirflich 3mponierende war die 
reiche und doch nicht überladene 
Kusgejtoltung als Deforationsfiüct 
Die frei ©ortretenden Säulen mit 
ihren Durchliefen r der beftändige 
tVechfel 3tr>ifCen reinen Krchiteftur* 
gliedern und Sfulpturen in Stfchen 
und Swicfeln, Socfeln und Kttifa, 
die Verfchiedenheit von Sarbe und 
Hlaterial, weißem und rötlichem 
Hlarmor, Stein und grünlich pati* 
nierter Broi^e — alles das waren 
Dinge, die den malerifchen (Eharafter 
des XVerfs ftarf betonten. 

lind hatte man dem Seichtum 
diefes (Batzen feine Bewunderung 
ge3oflt, fo begann man, die (Edel¬ 
heiten in der Sfulptur 3U betrach¬ 
ten. 3» &em oberen Sries wechfelten 
größere und Heinere Seliefs, in 
der BTitte thronte eine Vene3ia mit 
der IVage der <5ered?tigfeit, die 
IVaffergottheiten 3U ihren Süßen, 
linfs lagerte 3 u piter mit feinem 
Kdler als £}errfd?er ©on Kandia 
und rechts ihm entfprechend Venus, 
die <5öttin ©on (Eypern, und m den 
^wifchenfeldern faßen fleine put- 
ten mit den Symbolen ©enetianifcher 
Hlacht 3U £ande und 311 IVaffer. 
Darunter ftanden in ©ier Sifchen 
die bronzenen fjauptfignren ©on 
der Ejand Sanfooinos mit Seliefs 
an ihren Socfeln. (Es waren pallas 
Kthene, Kpoll, Hierfür und die 


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Seite 1150 . 


Rümmer 3\. 





Statue der friedeusgöttin. 


$riebensgöttin. Was 
bebeuteten fte für 
Denebig? £s ift 
uns bas <£gpoft bes 
Künftters felbft über¬ 
liefert worben, bas 
er über feine 5iguren 
©orlegte, unb es ift 
baher am beften, ihn 
felbft 3U R>ort Font- 
nten 3U laffen. £r 
fagte folgenbes: 
„Die Stabt Denebig 
übertrifft an Seit* 
bauer alle Republi- 
Feit infolge ihrer 
wuitberbaren Regie¬ 
rung unb ihrer Fon- 
fer©ati©en (Beftn- 
nung. Diefe £rhal- 
tung Fann aus Feiner 
anbern Urfadje her- 
©orgegangen fein, 
als aus einer fefyr 
hohen UJeisheit it^rer 
Senatoren. — Da 
nun bie eilten bie 
paßas für bie tüeis* 
beit barfteßten, fyabe 
ich gewoßt, baß hier bie 5igur einer bewaffneten paßas 
angebracht werbe, unb 3war in thatbereiter unb leben- 
biger Stellung. Unb weil äße Flug ausgebadtten unb 
bisponierten Dinge auch mit BerebfamFeit ©orgebracht 
werben müffen ..., h<*be ich ben RTerFur barftellen woßen 
als be3eicbnenb für bie pflege ber BerebfamFeit... 
Die lefcte Statue aber ift ber Triebe, jener Triebe, ben 
biefe RepubliF fo fehr liebt, burd? ben fte 3U folcber 
(Bröße h^rangewachfen ift unb ber fte 3ur RTetropole ©on 
gan3 3talicn macht, 3U £anbe unb 3U XDaffer, jener 
5 riebe, ben unfer Sjevv bem Befdjüfeer 
Denebigs, bem ^eiligen RTarFus, gab, 
als er 3U ihm fagte: „Triebe fei mit bir, 

RTarFus, mein <£©angelift." 

(EingebenF biefes Pro¬ 
gramms ©erfolgen wir 
nun bie Reihe ber 
Statuen, paßas in 
faji männlicher Klei» 
bung mitpanjer unb 
fjelm, £an3e unb bem 
mebufengefchmücPten 
Scbtlb 'ftebt einfach 
herausforbernb ba, 
bann folgt Kpoßo, 
bann RTerFur, ber ben 
erhobenen Blicf 3ur 
Seite wenbet unb bie 
Redete wie iit beleb* 
reitber Rebe empor- 
hält. <£tn nach ©orn 
3ugefpifeter 5lügelhut 
bebecFt feinen Kopf, 
ber Fur3e, gegürtete 
RocF laßt bie Knie 


BronzeCtatue des JMerbur. 


Bronzene ©tttertbür vor der Loggetta. 


frei, imb fo tritt bas 
RToti© bes erhobe¬ 
nen, auf bas Krgus- 
baupt geftüfcten 
Beins beutlich her* 

©or. Die 5 riebens» 
göttin enblich 3eigt 
nicht bie 5reubigfeit, 
bie man ©on ihr 
nach ber (ErFlärung 
bes Künftlers er¬ 
wartet, ber Kopf ift 
trübfelig geneigt, bie 
Bewegungen ber 
Krme fchlaff, unb 
wir glauben eher 
einen Cobesgenius 
3U fehen, ber bie 
£ebensfacFel aus» 
löfcht, als bie pa£ 
mit ber Kriegsfacfel. 

Damit aber treffen 
wir bie Schwache 
biefer (ßejtalten. tüie 
hier bie Reigung bes 
Kopfes, bas fiarFe 
CinFnicFen bes Knies, 
bas Rusbiegen ber 
£}üfte unb ber 

^attbgelenFe nur RToti©e ftnb, bie in ber Bewegung 
ber 5igur möglichst ©iele (Begenfäße her©orrufen foflen, 
fo bienen auch bie hochgejogenen Schultern beim RTerFur 
unb noch mehr beim Rpoß, bie fiarFen Drehungen, ber 
übertriebene Unterfchieb 3wifd?en Stanb- unb Spielbein 
biefem felben Su>ecF, ohne baß fte in fjanblung unb 
CburaFter ber 5 igur wirFlich begrünbet ftnb. Sie be- 
Fommen baburch etwas Künftiges, pofterenbes. 

(San3 auf beForati©es (Bebiet geraten wir, wenn wir 
bie h^rlichen Bronjentterthüren betradjten, bie bie 
Baluftrabe ©or ber £oggia fchloffen. 
Ejerrlid? ftnb fte wegen ber SierlichFeii 
unb Reinheit ber Krbeit unb wegen ber 
freubig*reidien, eleganten 5ormenfülIe f 
nicht wegen ber hinein- 
gefaßten aflegorifdjen 
5rauengeftatten m 
Proportionen ©on 
bis \\ Kopflängen* 
RTit Sanfooino hüben 
biefe (Bitter nichts 3U 
tbun, fte ftnb erft 200 
3uhre fpäter entjkm- 
ben. Ruch ©on biefem 
(Bitter aber tönt uns 
aus ben Büchern, bie 
bie geflügelten £ötx>eit 
hatten, 3weimal ber 
gleiche (Bruß entgegen, 
mit bem Sanfooino 
bie €rFlärung feiner 
Statuenreihe fchlofc: 
„5riebe fei mit bir, 
RTarFus, mein £oan- 
gelift." 2 L ( 3 . 


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Kummer 3f. 


Seite 1^5$, 



präftdent dam an der Spitze baitianifcher Soldaten. 


6in JVegerftaat in Hufmbr. 

Sierju 13 pfjotograpt}lfd?e Jlöfnafymen. 



©er Ztegerffaat ffaiti tvirb augenblicffich mieber ein* 
mal non inneren Unruhen 3erriffen* <£s ftnb bort bie 
ZDahlen 3um Parlament im (Bange, unb ba es bie 
Aufgabe bes Unteren ift, einen neuen präfibenten ber 
Hepubltf 3U mähten, fo fdjlagen unb id?ießen ftd? bie 
Patrioten allerorten unb <£nben. 3 n fielen ©rtfehaften 
fonnte toegen ber Huheftörungen unb bes Blutvergießens 
überhaupt feine Züahl norgenommen trerben, unb in 
Port au prince mad^ten bie (Segner bes gemailten 
©eputierten einen Angriff auf bas Zlrfenal, ber aber 
blutig abgefd?lagen mürbe, ©er bisherige Präfibent 
aber tEir^jtas Zlugufliu Simon Sam, befinbet ftch auf 
ber Seife nad? paris. Seinem Z3ei|piel ift bie Zliehr* 
3ahl feiner bisherigen 
Zliiniffer gefolgt unb 
hat fid? außer Canbes 
begeben. öoisronb 
<£anal. präftbent 
ber Sepublif von 
1870/79, fungiertvor* 
läufig als prooifori* 
fd?es ©berhaupt. bes 
Canbes unb führt bie 
Segierung mit l}tlfe 
eines aus elf perfonen 
bejtehenben Sicher* 
heitsausfetjuffes. ©er 
Hücftritt unbbie5iucht 
Sams aber ftnb unter 
Vorgängen erfolgt bie 
für haittanifd?e ©er* 
hältniffe be3eichnenb 
ftnb. Sam, ber vor 
feiner präfi&entfdiaft H 

Kriegsminifter mar, früher miniftrr u. (Bcfanbtcr in paris. 


mürbe am Zlpril J896 von ben Kammern in frieb- 
lieber Züeife 3um präfibenten von JEjaiti ermählt, ver* 
fehentlich bis 3um \ 5 . Zliai J903, mährenb von Hechts 
megen fein Zlmtstermin am 15. Züai biefes 3ahres 
abgelaufen märe. 2lber aus Hücfftcht auf feine große 
__ unb einflußreiche Fa¬ 
milie, auf feine^reunbe 
unb Berater, bie ftd? 
alle an ber öffentlichen 
Krippe nähren moll* 
ten, ließ er fich be* 
megen, ftch über bie 
©erfaffung hinmeg3U* 
feßen. Seine Hegte* 
rung brachte bem 
£anbe feinen ZTußen 
unb Segen unb mar 
teuer, bas ©efait 
ftieg mährenbbem auf 
über ^0 Zliillionen 
5ranf — feine Klein ig* 
feit für eine Sevölfe* 
rung t>on nur 3mei 
Zliillionen. ©abei be* 
30g Sam ein (Behalt 
von 2^ 000 ©ollars 

C. H. S. Sam, * n ®° lJ> Unb “»U&t« 

i 1 ist'er präfi&ent uon außerbem feinen Por* 

teil fo mahrjunehmen, 
baß er fid? jofet mit einem ©ermögen von vier Zliillionen 
- nach einer anöern Lesart gar smölf Zliillionen — ins 
Privatleben suriid^ieben fann. Seine (Bünftlinge, in 
erfter £inie bie (ßenerale ohne Solbaten, hatten freie 
Z?anb. Wcv (ich nicht fügte, mer fid? unbequem machte, 
mürbe verfolgt, mußte flüchten, mürbe verbannt ober 


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Seite H52. 


Hummer 5^, 







C. Hu gurte, 

ITCtnifler bes 3nnerit unter Söm. 


eingeferfert, unb 
manchmal „ftarb" 
man auch im <Se- 
fängnis. 

Sam felbft ift ein 
großer, fchmerfäHi- 
ger Heger, über 
fed? 3 t 9 3 a hre alt, 
bem nichts heilig ift. 
politifch mar er be¬ 
deutungslos, gan$ 
non feinen Hliniftem 
abhängig. <£r be- 
ftfct aber ein gutes 
(ßebädftnis, etmas 
f}umor unb H>ift, 
einen guten kppetit unb ift ein Por 3 Üglid?er Heiter, 
kls es befannt mürbe, baft er befchloffen höbe, bem 
£anb noch ein 3ahr ben Segen feiner Hegierung 3 U 
fd^enfen, brach &er 
Sturm los. klient- 
halben regten unb 
rührten ftch bie 
Un 3 ufriebenen, unb 
einer ber kfpiran- 
ten auf bie prüft- 
bentfchaft, knt&tor 
5irmin (portr. S. 

Uerfech- 
ter ber fchmar 3 ert 
Haffe unb ihrer 
«gufunft, erhob bie 
5 ahne bes kuf- 
ruhrs. 5 irmiu ift 
ein ehrlicher, geift- 
reicher unb ge* 
bilbeter HTann, 
früher HTinifter 
unb (Sefanbter in 
paris, felbftbemuftt 
unb eigenftnnig unb 
pon unpermifdftein 
Hegerblut, kber 
5’trmins Hebellion 
mürbe Sam nicht 

3 um Hücftritt permocht haben, menn nicht bie unange¬ 
nehme (ßefchichte mit bem 5 ran 3 ofen (Sabriel porge* 
fallen märe. Diefer mar burd? £eute ber Hegierung 
in brutalfter XHeife ermorbet morben. Hiemanb mollte 

ber knftifter, ber 
Sd?ulbige fein, unb 
man hoffte, ber 
Horfall merbe per- 
geffen merben, mie 
fo piele anbere. 
kber biesmal hatte 
bie Hegierung Sams 
bie Holfsmeinung 
unb bas Holfsge» 
fühl unterfchäftt; 
überall gärte es be* 
brohltd?, unb ben 
hohen Ejerren marb 
P fafllc , angft unb bange. 

^tnan 3 miniile^ unter Sant. Unb plöfolich, ohne 


V. OufllAumc, 

tfriegsmtnifier unter Sam. 








.. V » • 






Baitiamfcbes JWlftär. 


feine üermanbten 
unb feine HTinifter 
porher bapon in 
Kenntnis 3 U feften, 
faftte Sam ben <£nt- 
fdftuft, bie Hegie¬ 
rung nieber 3 ulegen. 

(Eines fd^önen HTor* 
gens — es mar 
ber JO. HTai — 

30 g eitte kbteilung 
Solbaten mit £rom- 
melmirbel burch bie 
Straften, unb ein 
©fft 3 ier las bem 
erftaunten Hol! bie 
Sotfchaft por: ber präftbent mtrb am \5. HTai gebenI 
3efet galt es, fjals über Kopf einen neuen präft- 
benten 3 U mählett. km HTorgen bes \2 . HTai trat 

bie kffembl^e na¬ 
tionale tm parla* 
mentsgebäube 3U- 
fammen, um bie 
IHahl Por3Uiteh* 
men. Ejoch 311 Hoft 
erfchien präftbent 
Sam an ber Spifte 
feiner Kr.eger (kb- 
bilbung 5. ^50, 
umgeben pon fei¬ 
nen HTtuiftem unb 
anbern (ßroftmür- 
benträgern. kuf 
bem fjof bes Kam« 
ntergebäubes mim« 
melte es pon Sol¬ 
baten, bie einige 
ehrmürbige Kano¬ 
nen unb HTitrail- 
teufen pon \870 
mitgefchleppt hat¬ 
ten. Sam hatte 
feiner <geit mit 
5ranf reich einen 
fehr günft igeit Ejatt« 

bdsDertrag — günftig für 5 ranfreich nämlich — ab* 
gefchloffen unb bafür bas fd]öne Kreu 3 ber Kommanbeure 
ber (Ehrenlegion unb jene pfefferbüchfen als Crinfgelfc 
erhalten. 3” &er Kammer fah man michtige HTienen, 
lange (ßehröcfe unb 
hohe Sylmberhüte. 

Sam hatte ben Se¬ 
natoren unb Depu¬ 
tierten erft ben bis¬ 
herigen „Administra- 
teur des Finances" 

HTa^inte HTontplaiftr 
unb bann feinen 
Kriegsntinifter Hil- 
brun (ßuiflaume 
(Porträt oben) por- 
gefd?lagen. kber 
beibe Körperhaften 

lernten fceren lüabl B 9t- V{etor> 

einftimmig ab, ba lUinificr bes itusmärtigen. 


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Hummer 3 \. 


Seite ^ 53 . 







C. Liconte, 

ininifler ber öffentlichen Arbeiten. 


man Feine Kreatur 
Sams sum prüft* 
benten traben mollte. 
Außerbent aber hotte 
ein früherer AcFer- 
bauminifter Cincin« 
natus ieconte (portr. 
nebenft.), ein unter- 
itehmenber, fort» 
fchrittlicher unb frem- 
benfreunblicher gu¬ 
ter < 5 efd}äftsmann, 
non feinem Heichtum, 
tote allgemein be¬ 
hauptet mürbe, Flü¬ 
gen (Sebrauch ge¬ 
macht unb bieHTehrheit ber Kammern geFauft. Seine IVahl 
fehlen gejtchert. Schon mar er non einigen Hebnern in 
Vorfdjlog gebracht morben: ba lauter (Tumult braußen, 
Sd?üffe Frachten, 
einige Kugeln 
fchlugen in ben 
Sifeungsfaal, unb 
in milber Aufre¬ 
gung ftob bie Ver« 
fammluug ausein- 
anber. Die He- 
nolutionüre, bie 
feinen non ben 
jefeigen, unter bent 
Drucf ber bisheri¬ 
gen Hegierung ge» 
mahlten Kammern 
eingefefeten prüft- 
benteu hohen moll* 
ten, hotten ftch er¬ 
hoben unb bie 
Sifeung ber Kam¬ 
mern gefprengt. 

33 is 3unt Spätnach* 
mittag mährte bie 
Knallerei in ben 
Straßen 3mifd?en 
ben Solbaten Unb Die 6 röffmmg 

ben Heoolutionä- 

ren. Diel Sd^aben mürbe nicht angerichtet. Auf beiben 
Setten gab es etma 3man3ig Cote unb Vermunbete. 
Aber bie Heoolutionäre hotten ihren <§mecf erreicht. 
Die IDahl bes neuen präfibenten mar nereitelt. 

präfibent Sam hotte 
ftch itt ben Hegte« 
rungspalaft 3urücf- 
ge3ogett, unter bem 
Schüfe feiner 3uper- 
läfftgen, ihm treu- 
ergebenen£eibgaröe, 
unb bie Hlinifter unb 
anbere perfönliche 
Hacheafte fiird?ten* 
ben perfonen hotten 
ftch nt bie Konfulate 
geflüchtet. Am nach« 
ften Ulorgen Farn ber 
e. 6£dion, präfibent sum Doyen 

3 ußijminißer unter Sam. beS biploiltatifd^eit 


6. J*. Pierre, 
früherer Rriegsmtnifter. 


Korps, bem Ver¬ 
treter ber Vereinig¬ 
ten Staaten, unb 
bat um <5eieit pom 
palaft burch bie 
Stabt nach bem 
X}afen, mo gerabe 
ein fransöftfeher 
poftbampfer por 
AnFer lag, um ftch 
nach 5 ronFreich ein- 
3ufchiffen. Hachbent 
ber frühere präftbent 
Hoisronb Canal, 
ber bie prooiforifche 
Hegierung übernom¬ 
men, Sam freies (Seleit perfprochen unb für beffen 
Sicherheit (ßarantie geleijiet hotte, fuhren ber anteri- 
Fanifche, beutfehe unb fran3Öftfche Vertreter nach hem 

palaft, holten Sam 
unb beffen 5rau ab 
unb brachten fie 
unter bem (ßeleif 
ber palaßgarbc 
an Horb bes 
Dampfers. Unter 
amerifanifchemunb 
fran3Öftjd?emSchufe 
haben ftd? bann 
auch her frühere 
ZHinijler bes Aeu- 
ßem Srutus St. 
ViFtor, pol^eimt- 
ttifter Cancrfcbe 
Augufte, Kriegs* 
minijter (Buillaume 
unb 5inan3minifter 
p. 5atne geflüchtet, 
teconte hot bas 
£anb perlaffen, unb 
nur ber 3ufti3- 
minifter < 5 &lus 
(S&tfon hot pon 
der Kammern. ott ben Hliniftern 

Sams ben ZTiut ge¬ 
habt, in port au prince auf fjaiti 3U bleiben. 

<£in paar Sage nad} ber 5 lud?t Sants grünbete 
man, um hoch eine perantmortliche Sehörbe 3U hoben, 
„le Comitö de Salut Public", mit Ablegern nt allen 
größeren (Drtfchof- 
ten, unbbiefefanbten 
Delegierte nach ber 
fjauptftabt 3ur IVahl 
einer propiforifchen 
Hegierung. fjier 
ttnb bort Farn es 
bei * ber ZOafyl ber 
Delegierten 3U etmas 
Hlutoergießen, aber 
im allgemeinen per* 
liefen bie IVahlen 
ruhig, bie Delegier¬ 
ten Famen 3ufammett 
unb fefeten bie propi- c . foucbar<lf 

jorifche Hegierung früherer ^inrtnjminifier. 


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Seite 1 ^ 5 ^. 


Hummer 5{. 


ein. 2)iefe foH jeßt öctfür forgen, baß bie IDatjlen für 
bie Kammern, Sie bann ben neuen präßbenten 3U er- 
tpätffert l^aben, frei pon aller Beeinffuffimg por fid? 
gefyt. Das aber iß eine unmögliche Aufgabe, benn 
bie Bewerber um Sie präßbentfdjaft tjaben nicht um* 
fonß im (E^il gefchmachtet unb große Summen für ihre 
Anhänger ausgegeben, um jefet ohne Kampf auf bas 
Siel ihres €hrgei3es 3U per3ichten. Kanbibaten ftnb 
außer bem bereits ermähnten KntAtor 5trmm ber 
frühere 5inan3minißer Kalißfyenes ^oucharb unb ber 
frühere Kriegsminißer .unb Senator SAtöque pierre. 
5 oucharb, ein fehr geller ZTTuIatte, iß ein pielerfahreuer 
CTlaun, ein Kosmopolit, ber manche trübe (Erfahrungen 
im (ßefängnis unb in ber Derbannung gemacht hat. £r 
mirb befonbers porn Sübeit bes £anbes unterßüßt unb 
gilt für frembenfreunblich- 2 Tian * erwartet pon ihm, 
baß er ben IDotßßanb bes Canbes burch Jjeran3ieh«n 
frember Kapitalien 3U lieben fuchcn mirb. pierre iß 
Ser Kanbibat bes Hlittelßanbes. €r ijt < 5 runbbeßßer 


unb 3n&uftrieller unb beßßt große gucferplantagen unb 
Bumbrennereien. Sein Programm iß: JEjebung bes 
Canbes burch 5örberung ber 3nbuftrie unb bes Kcferbaus. 

2 >er Kbfchiebsgruß, ben Sam pon Borb bes 
Kämpfers aus feinem Paterlanb 3urief, maren bie 
IDorte: „ 3 ch bin ber leßte präfibent pon fjaitil* ZTTit 
anbern iborten: nach mir ber BürgerFrieg unb Anarchie, 
(Einfehreiten frember Brächte, benen Knne^ionen u. f. m. 
folgen merben, Knnejrion burch bie großmächtige norb- 
amerifanifche BepubüF, ber bie 3mifchen Kuba unb 
portorico gelegene 3nfel 3ur Kbrunbung ihres weß- 
inbifd?en Beßßes fehr gut paffen mürbe. (Db Sam 
recht h^ben mirb? IDer fann es miffen? Was bem 
fo fchönen, fo fruchtbaren, fo reichen £anb not thut, 
iß ein präßbent poit flarem Kopf, meitem BlicF, €hr- 
lichfeit unb — einer eifernen l}anb. BTit einem folchen 
BTann an ber Spiße fann bas gefegnete £anb in gu- 
funft noch 3u hoh** Blüte gelangen, troß feiner 
fchmar3en BepölFerung. ©. 


6 ■ - = F2£ y ~ ■ D 

Kinder und Hffen 


5ier3n $ p!jotograpJjifd?e Jtufnaljmen pon pfj. unb <2. £inf, gflridf. 


Die fchlimmen gelten, ba mqn jeben Schimpanfen unb 
©rang bereitwillig als feinen Urgroßvater anerkannte, ßnb 
glücFltcherroetfe l^eute vorüber. Uber rote bie Kunbigen ber 
©egenroart über bie Sache benFen, bas iß bodj außer¬ 
halb ber tfadjFreife anfeheinenb noch recht roenig beFannt, 
trenn man nach ben Keußerungen urteilen barf, bie man oft 
in goologifdjen (Bürten 3U hörnt befommt. 

Die gufammenßellung von UlenfchenFinb unb KffenFinb 
ruft ins ßebächtnis 3urücf, roas in jeber Haturgefchichte 
längß mit anbern IDorten 311 lefen ßeiß: baß nämlich ber 
junge Kffe am menfchenähnliehften iß, mit 3unehmenbem 
Klter aber immer „tierifcher" roirb. namentlich Schübel unb 
©eßehtsausbruef »eranbern ftch bebeutenb; ber fjimteü tritt 
immer mehr 3urücf, ber Kieferteil immer mehr vor. 

Wie iß bas 3U »erßehen? <£s roirb vielleicht »erftänb» 
lieber, roenn man an bas Dunenfleib junger j’afanen unb 
(Enten erinnert, in bem nur geübte Kenner bie oerßhiebenen 
Urten unterfd?eiben fönnen, an bie getneinfame flecfung ber 
meiften E^irfdhfälber, bie übereinftimmenben £ar»enformen 
vieler 3 n ßften unb Krebstiere unb anbere ähnliche (Ehat* 
fachen, auch aus bem pßan3enreich. Haturgeßhichtlich Per* 
roanbtes fommt eben mehr ober roeniger ähnlich 3ur IDelt 
unb entfernt ftch bann im Derlauf feiner €ntroid?lung mehr 
ober roeniger roeit »oneinanber. 

Das bebeutet aber noch gar nichts für bie Ubftammung 
ber einen Jorm »on ber anbern. 3 m (Segenteil l Ubgefetjen 
non ber rafch »or ftd? gehenben fünftlichen Haustier« unb 
pßan3en3üchtung iß es »on vornherein unroahrfcheinlich, baß 
eine jegt noch lebenbe Jorm bie Stammform einer anbern 
jeßt fchon lebeuben fein roirb. Dielmehr roerben bie (Eiere 
unb pßan3en ber geologifchen ©egenroart, ber jeßigen (Ent* 
roicflungsperiobe unferer (Erboberßäche im allgemeinen non 
folchen abftammen, bie früheren, »ergangenen (Erbperioben 
aiigehÖrten unb jeßt nicht mehr ejiftieren. Die heutigen Kffen* 
gefriedeter ßnb aber geologißh nicht älter als roir. IDie iß 
bann unfer Derroanbtfchafts»erh 5 ltnis 3U ihnen auf3ufaffen? 

€s mag hier eiugefchaltet roerben, baß es ftd? für bie tlatur* 
forfchung 3unä<hß nur um ben menfchlichen Körper hobelt 
unb nicht um bie unßerbliche Seele. IDenn man in bie 
burch bie perfchlebenen <ßeßeinf<hichten mit ihren tierifchen 
unb pßanjHchcn Derßeinerungen »or uns aufgefchlagene (Se* 
fchidjte ber (Erbrinbe bineinßeht, fo brängt alles auf bie 
Kunahme einer allmählichen (Entftehung, Deräiiöerung unb 


Deroollfommnung h^/ in bie Kette biefer (SebanFen 
unb Unterfujungen muß unbebingt als leßtes ( 5 lieb auch 
bie Fdrperliche, bie geologifche unb paläontologifche Seite 
bes JTTenfchen einbe3ogen roerben. 

Der KTenfch iß, naturgefchichtlich betrachtet, ber nächße 
unb ein fehr naher Derroanbter bes Kffen, namentlich ber bes- 
halb fo genannten DTenfchenaffen: Schimpanfe, (Eorilla, ©rang- 
Ütan unb (Sibbon. Kber nicht fo, baß biefe bie niebere, er 
bie höh« e Stufe ß>3ufagen besfelben Bilbungsprin3ips bar* 
[teilten! (Sa«3 im (Segenteil! Der Kffe iß in »ielen Be» 
3iehungen roeiter gebilbet, »iel einfeitiger an ein beftimmtes 
Baumleben angepaßt als ber DTenßh. Die geFrümmte Dorber* 
hanb bes Kffen iß mit ihren »ier Ringern 3roar ein aus» 
ge3eid?neter KletterhaFen, als <San3es aber »ermdge bes 
fchroachen, 3urücFgerücFteu, nur noch mangelhaft entgegen» 
[teilbaren Daumens nicht entfernt bas [eine, »ielfeitige ©reif» 
roerf3eug, roie unfere fjanb. Tins ber Kffenhanb Famt 
niemals mehr eine XHenfchenhanb roerben, unb biefe leßterc 
»erbanFt ihren unfaßbaren Dor3ug ber DielfeitigFeit eben 
bem Umftanb, baß ße auf einer primitioeren, urfprünglichereit 
EntroicFlungsftufe bes €nbftücFs ber Dorbergliebmaßen »er¬ 
harrt hat, roie roir es fchon bei ben Fletternben Beuteltieren 
ßnben. Diefe (Ehatfache betonte neuerbings nach (Sebühr ber 
^eibelberger Knatom Klaatfch» ber auf ben jüngften Knthro» 
pologenrerfammlungen »iel »on ßch reben gemacht hat. 

Hur ein ©rgan hat ber DTenfch roeiter unb immer roeiter 
gebilbet bis 3U faß übermäßiger DeroollFommnung unb Der» 
feinerung, b. n bas (Sehirn* unb Herrenfpßem. Der XHenfch 
iß fo recht eigentlich bas (ßehirntier: »ermoge biefes über¬ 
mächtigen ©rgans, bem als ausführenbe Kraft noch ber in 
mancher Be3ieh»ng primitive, gerabe besbalb aber nach Bau 
unb £eiftung fo »ielfeitige ITCenfchenFörper 3ur Derfügung 
ßehh beherrfcht er jeßt alle übrigen £eberoefen, möbelt er 
immer mehr bie ga»3e (Erbrinbe nach feinem Belieben. 

ITCenfchenFinb unb KffenFinb: ße ßehn unb ßßett auf 
unfern ergößlichen Bilbern fo artig unb einträchtig bei* 
fammen, unb ße ßnb einanber in »ieler Be3ieh«ng fo ähnlidj. 
DenFe jeber nur an bie nach innen geroenbeten ^ußföhlcbeit 
unb an bie bewegliche (Sroß3ehe feines (Erßgeborenen, roertu 
er aus ben XDinbeln geroicFelt rourbe! Unb bochr roie »er* 
fchiebeit iß beiber StammesherFunft ober Stammes3uFunft! 
Der Kjfe roirb nichts anberes mehr. H?as ber IHenfch ttodj 
roirb — roer roiU es fageu? g. 


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Seite 1 ^ 56 . 


Hummer 3 \* 







Von unfern Cafcbcnubren. 


ßierju 7 UbbübuMgen. 


IDelch ein EDunberwerP iß bo<h bas Pleine 3 n ßrument, 
bas ben UTenfdjeu jahraus, jahrein begleitet imb 31t jeber 
Stunbe bes (Eags unb ber Hadjt, in Jroft unb fjitje, in Hegen 

unb 2X>inb bie 
geitangiebt. IHit 
ber (Erßnbung ber 
(Eafcbenubr tjat 
ber EHenfch ohne 
gweifel einen 

ber größten (Eri* 
umphe feiner 

SchöpferPraft ge» 
feiert, (genügen 
ihm bod? ein 
wenig HTeffing 
unb Stahl, um 
einen Me¬ 
chanismus 
bestel¬ 
len, ber 
faft tute 
etwas £e« 

Sine der frühe ften tragbaren Uhren. 

fcenbtges anmutet, ber mit ßaunenerregenber 
(Senauigfeit bie Unterabfdjnitte bes (Eages, 
bie Stunben, Minuten unb SePunben mißt. 

3ntereßant ift es, ben €ntmicflungsgang 
ber geitmeßPunß 3U uerfolgen. 3 n ^ en 
früheßen geiten waren es Sonnenuhren, 
bie man 3ur Meßnng ber geit uerwenbete. 

Sie baßerten barauf, baß man ben Statten 
freißehenber Körper nadj beffen £änge ober 
Htcbtung jum Beßtmtnen ber (Eagesftunbe 
oerwertete. 3hnen folgten IDaßer* unb 
Sanbuhren. (gefäße, bie burd? eine Fleine 
(Deßnung ihren 3 n bült 3temli<h gleichmäßig 
ablaufen ließen unb mit einer (grabein- 
teilung oerfehen waren. Die IDaffer- unb 
Sanbuhren, bie lange als geitmeßer bienten, 
würben ums 3 a hr looo burch bie mecha- 
ntfehen Häberuhreit abgelöß, bei beneit 
mehr ober minber fchwere (gewichte als 
(EriebPraft bienten unb ein fogenanntes ^emmwerP 

(Hemmung) bas gleich¬ 
mäßige Hblaufen bes 
UhrwerPs unb baburd? 
bie Kngabe ber geit 
ermöglichte. 

(Etwa fünfhunbert 
3afpre lang Pannte 
man oon mechanifchen 
Häbernhren nur biefe 
eine Hrt. Da Pam 
um bas 3ahr 1500 ein 
nürnberger Sdjloßer, 
mit Hamen peter 
f^enlein (ßele), au f 
ben (gebanPen, bie 
eiferne fpiralförmige 
,feber, bie er wohloiel- 
hunbertmal in (Ehür- 
fchlöffer eingefeftt t^atte, 
als (EriebPraft für 
Uhren 3U uerwenben 
unb auf biefe IDeife 
eine Uhr be^uftellen, 
4. Cafcbenubr aus der Zeit um 1600. bie m jeber £age ging 


2. Siubr aus der Zeit um 1600, 


3 . Cafcbenubr in form eines Kreuzes. 


unb bie man tm 
(gegeufatj 31t (gewicht- 
uhren jeber^eit bei ßdj 
führen Ponnte. 

Die (Eafchenuhren 
aus jener früheften 
periobe waren nod> 
fehr primitio. Das 
UljrwerP felbft war 
gan3 aus (Eifen ge¬ 
arbeitet, bie Häber 
unb EJemmungsteile 
fowoht wie auch bie 
platten (Platinen). 

Sie fonnten natürlich 
in Se3ug auf (ge* 
nauiaPeit Pei* 
neu Vergleich 
mit ben heuti¬ 
gen ülafchen* 
uhren aushal- 
ten. (Erft In fahr- 

hunbertelanger DeroollPommnung ßnb unfere 
Uhren 3U bem herangereift, was ße h eu *e 
ßnb, 3U einem UTußer an technifdjer (ge- 
nauigPeit unb Prä3ißon. 

IDenn man ein richtiges Bilb gewinnen 
will oon ben IDanblungen, benen bie 
(Eafcheuuhr im £auf ber 3 a hrh un &*rte 
unterworfen war, muß man eine ber großen 
Uhrenfammlungen beßchtigen, bie wir in 
Mufeen unb bei manchen Kunftliebhabern 
antreßen. (Eine ber erften, fowohl in Be3ug 
auf ihre chronologifdje gufammenfeftung 
wie auch in Be3ug auf ben Kunßwert ber 
ein3elnen Stücfe, bürfte bie in ben wei- 
teften Kreifen bePannte Sammlung Marfels 
(Berlin) fein. Sie giebt ein anfdjöulichcs 
Bilb oon ben oerfd?iebenen phafen, bie bte 
Uhrmacherei burchlaufen h at - oor allen 
Dingen ron bem unerreichten Stanb ber 
bePoratioen Kunft oergangener 3ahrhunberte. 
Hbbilbung i oeranfchanlicht eine ber frühe» 
ften befannten tragbaren Uhren. Sie iß 3ylinbrifch gebaut 
unb mit h*rrlid?en (graoieruugen oerfehen. XDte alle 
Uhren aus bem. (6. 3°h r hi | n&ert beßtjt ße nur einen 
geiger, benn ße 3eigt nur bie Stunben. Huf bem gtßer» 
blatt gewahrt man 3wölf (greifPnöpfchen, ron beneit 
basjenige über ber gahl 12 eine fleine Spitje beß^t. 
Sie bienten baju, um bes nachts bie geit ab3ufühlen, beim 
bas £ichtan3ünben war 3U jener geit, ba noch Peine güitb» 
17013er erißierten, eine recht umftänbliche Krbeit. Kbbilbungen 
2 unb 4 3ei* 
gen einige 
€iuhren aus 
ber geit um 
(600,wahre 
KunßwerPe 
in Heilig 
auf bie De- 
Poration 

ihrer (ge- 5. Kleine goldene Uhr Kaifer Karls V. 

häufe. 3m 

16. unb 17» 3 a hrh un & e rt würben oon h°l? en geißlid?ctt 
IDürbenträgern häußg (Eafchenuhren in Jorm eines Kreises 
benutjt; in Ubb. 3 erblicfeit wir ein heroorragenbes (Ejremplar 
biefer Hrt in burchbrochenem ßlberuem (gehäufe. Don Peinem 
(geringeren als Kaifer Karl V. ift bie rci^enbe golbene Utjr 


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Hummer 3 \. 


Seite {$ 57 * 



erhalten geblieben, bie mir in ber Hbb. 5 mtebergebeit. Sie 
beßtjt bie form eines Prismas unb ift mit ermüdenden 
(Emailmalereien, (Srcwierungen unb gtfelierungen perfeben. 
(Segen bas 3 a h r 16 50 erfdjemt. in ber Deforation ber Ubr- 
gebäufe bas eigentliche IHaleremail auf bem plan. Die 
golbemaillierte U^r in Hbb. 6 gieot ein t>or3üglid?es Betfpiel 
t>on jener Kunftmeife. 3 rt bem IHag, wie bie Uljrroerfe ftd? 
rerpoUfoinmneten, wird auch bas material ber (Sehäufe 
immer foftbarer. XDaren bie erften 
dafd?enul?rtuerfe noch in einfache 
Broii3egd?äufe gefleibet, fo find bie 
fpäteren UtjriDerfe in Silber unb 
(Sold gebettet unb halb auch Jumelter 
unb Edelfteinidjnetber mit 
ber Deforation ber Uhr* 
get?aufe befchäftigt. Bei 
ein3elnen Uhren bilben 
bie oermeubeten Diaman¬ 
ten, Hubinen unb Sma¬ 
ragde fleine Blumen- 
grätige, mit Bändern 
mmrmnben. Eine f oft bare 
Hrbeit (teilt eine Bofo- 
fouljr ror, bie ein (Se¬ 
häufe aus gelbem 3 as Pi$ 
begtjt, in ber (Ebelfteine 
eingefe^t finb (Hbb. 7 ). 
Wie 3U allen geiten 
6. ©oidrmaUHcrte Ohr (1650). IHeifter lebten, bie ihren 

Stol3 barin fugten, groge 
Sd?n>ierigf eiten, bie ihr fach ihnen bot fpielenb 3U über¬ 
winden, 3eigen bie uns in ber ermähnten Sammlung 
erhaltenen Kuriofitäten mie (Tafdjenuhren, bie in allen 



ihren (Teilen aus T?öl3 gefertigt finb, anbere, gütlich 

aus (Elfenbein h^rgefteüt, noch anbere, bie oollftäu&ig in 
Perlmutter ausgetührt ftnb. Huch bie 3ahlreichen (Tafdjen* 
uhren mit IHuftf wer fett unb be* 
meglichen Spielereien, fomie bic 

Uhren in allen möglichen b^arren 
formen gehören hi* r h*t' fo 3 « 33 - 
eine golbene emaillierte Uhr, auf 
beren Zifferblatt ein ent3ücfenbes 
Dögeldjen erfcfyeint, 
mit ben Flügeln 
fchlägt, ftch hm unb 
her breht, ben Schna¬ 
bel bemegt unb ein 
luftiges £iebd?en 3mit- 
fchert. So bie oielen 
Poftbaren golbenen 
Uhren in (Seftalt non 
Fingerringen, (Tulpen, 

ZHufchelu, IHanboIt- 
nen, Pyramiden, Bir¬ 
nen. Feberhaltern Hle- 
Ionen, Hepfeht u. f. m. 

HUe biefe Uhren 
fprechen eine berebte 
Spraye; fie jeigeu, 7 . Rokokoubrm.6ehSure aus gelbem Jaspis. 

mie fehr gdj bie 

dafchenuhr von jeher ber (Sunft bes Ittenfdjen 3U erfreuen 
hatte, mie bas eine 3 a h r h im bert eifrig beftrebt mar, 
bas anbere in ber Husftattung feiner iieblittge noch 3U 
übertreffen, unb mie bie Uhr 3a allen Seiten als etmas 
3 nbioibuelles unb (Seheimnisoolles, ja als etmas £eben- 
bergenbes betrachtet mürbe. C. 



Woj>er flamme ich? 

plauberei über Familienforfd?ung oon Hrno Bötticher. 


Hls id? oor etma 3matt3ig 3^ren, angeregt burd? 
hanbfd?riftlid?e, bis in bie HTitte bes achtjehnten 3ai?r- 
bunberts jurüefge^enbe Hachrichten, bie ftd? tm Bad?- 
lag bes (Brogoaters meiner Frau oorfattben unb beffen 
Familie betrafen, felbft anfing, Had?forfd?ungen über 
meine eigene Familie unb meine eigene weitere Hb* 
gammung an3uftellen, waren üerftänbnis unb 3^t^ r offo 
für Familiengefd?td?tsforfchung äugerg gering unb feiten; 
man hielt im allgemeinen Familienforfd?ungen für 3mecf- 
lofe Ciebhabereien ober gar für Spielereien. 3 m Cauf 
ber 3<*hre ift eine erfreulid?e tüanbluug eingetreten: 
man begegnet oielfad? in dagesblättern unb geitid?riften 
nid?t nur Hufrufen nach Uusfunft über gemiffe Familien 
unb perfonen, fonbern auch Hn3eigen über Srucflegung 
oon Familiengefchichten. Hud? in ber gefelligen Unter¬ 
haltung fpielen Famtlienforfd?ungen eine Holle, wobei 
ftch wieber meifteits ergiebt, bag oiele bafür wohl 
3 ntereffe haben, aber entmeber für biefe Befchäftigung 
feine Seit erübrigen föuuen ober nid?t wiffett, wo unb 
toic fie ihre Forfchungen beginnen unb führen follen. 
(Es ift bähet wohl nicht unangebrad?t, einmal an biefer 
Stelle ein paar IBinFe 3U geben, mie ber Familien- 
forfcher 311m Siel gelangt, unb es fei mir gegattet, mid? 
babei au meine eigenen o eijährigen Erfahrungen 3U halten. 

Quellen ber Fantilienforfd?ung fliegen nid?t nur 
innerhalb, fonbern auch augerhalb ber Familie; unter 


heutigen Berhältmffen innerhalb ber Familie nod? 
recht fpärltd], ba Famtltenarchioe, b. h* Seit unb 
ben perfonen nach georbnete Sammlungen oon I?aus* 
unb SrucFfdriften aller Hrt (Stammbäume, £eid?eit- 
prebigten, Kirchen3eugmffe, Briefe, deflameitte, Erboer* 
gleiche, Häuf- unb pachtoerträge uttb bergleichen) feiten 
oorhanben finb. 3n biefer Be3tehung bilbet namentlich 
ber breifeigjährige Krieg einen 5 eitemfd?nitt, ber für bie 
Familienforfd?er meiftens unüberbriiefbar ift. 2 )urch ih» 
ftnb nicht nur Fantilicnpapiere, fonbern aud? gaatliche unb 
überhaupt öffentlid?e papiere urtb Urfunben, ittsbefonbere 
bie für perfoueuoerhältuiffe fo mid^tigen Kirchenbücher 
ber Sorftörung anheimgefallen. 2 )er Braud?, fchriftliche 
Hachrichten über Familienereigniffe ber Bibel ober bem 
(Sefattgbuch an3uoertrauen, hat fid? 3toar erhalten; biefe 
Hachrid?ten finb meig auch’ feh^ toertooQ, bieten aber 
megen ihrer Kür3e unb Knappheit bem Familienforfcher 
feiten Hnfttüpfungspunfte für meitere Hadiforfchungen. 
Ebcnfo geht es mit Hngaben, bie fid? manchmal auf 
Familieubilbern guben. Hud? bie Hrchioe oerfd?mägerter 
Familien fönnen bem Familienforfcher niigen. 

Unerwartet reichlich fliegen bagegen bie Quellen auger¬ 
halb ber Familie, b. h- aus ben bei ben Behörben, 
insbefonbere in ben Staatsard?ioen aufgeftapelten Bor¬ 
räten an alten Hften, perfonalregiftern unb bergleichen. 
Huf biefe Quellen mar id? bei meinen eigenen Familien* 


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Seite 1^58. 


Hummer 5{. 


forfchungen ausfchließlid? angeioiefen, ba meine Familie 
troß ihres tpeitperbreiteten Hamens tuegen frühen tVeg- 
fierbens ber Seitenuertpanbten eine fleine unb abge* 
jd?loffene ift unb mein Vater nicht einmal mußte, mo 
fein Vater geboren mar unb tper, tpas unb mo feine 
(Sroßeltem getpefen rnaren. Daß id? trofcbem mit bem 
Had?u>eis meiner Abftammung bis in ben breißigjährigen 
Krieg 3 urücfreid?e, perbanfe id? lebiglid? ber großen 
SereitmUIigfeit, mit ber bei Sehörben aller Arten unb 
(Stabe, pom einfachen, unfeheinbaren Pfarramt bis 
hinauf 3 U ben höchften unb „geheimen" Sehörben, meine 
Anfragen behanbelt rnorben fmb, unb ber hierin liegetibeit 
Unterftüßung unb (Ermutigung meiner 5orfd?ungsarbeiten. 
53ei alten Aften eines ehemaligen Domänenamts fanb 
id? einen älteren pachtfontraft, aus bem heroorging, tr>o 
ber Urgroßoater portjer getpefen mar, unb in alten 
(Srunbaften bes Amtsgerichts, in beffen Hejirf bas Erb' 
3 insgut lag, fanb fid? nicht nur ein Erbpergleich, aus 
bem fleh 3ntereffantes über bie Vermögensperhältniffe 
unb bamaligen £?auseinrid?tungen ergab, fonbent aud? 
ein gerichtliches protofofl, nad? bem ein Sruber ber 
Urgroßmutter bem Sohn für ben „Sefud? ber Afabemie" 
(Selb auf bas ZTluttererbe porftreefte. Eine Anfrage bet 
ber Uniperfität ffalle ergab, baß biefer Sohn, mein 
(Sroßoater, bort J782 Cheologie ftubiert t?ot. \7ty5 
taucht er plößltd? als Hegimentsquartiermeifter bei einem 
aus 5ranfreid? 3 urücffehrenben Hegimeut auf. IVo unb 
mas mar ber (Sroßpater in ber <5a>ifchen3eit getpefen? 
Unb mo hatte bas Hegiment por bem Krieg geftanben? 
5ragen, beren Heantmortung ich 3 um (Teil auf Anfrage 
pom Kriegsminijterium erhielt, 3 um anbern (Teil mir 
felbft burd? Hachforfchungen im (Seheimen Ard?io bes 
Kriegsminijteriums 3 U perfchaffen fuchte; insbefonbere 
ftubierte ich &ort eine bis auf ben breißigjährigen Krieg 
3 urücfgehenbe Denffd?rift über Stellung, Hang unb 
Ojätigfeit ber Hegimentsquartiermeifler, aus ber id? 
atlerbings nur negatip entnahm, baß für biefe UTilitär- 
beamten bamals eine befonbere Vorbilbung nicht per* 
langt mürbe. Weiteres erfuhr id? burd? eine Anfrage bei 
ber epangelifd?en 5*l&propftet in Serlin, mo bie Kirchen¬ 
bücher über jenes Hegiment aufbemahrt mürben. Auf 
eine Anfrage bei bem £?anbelsminifterium über einen 
Verroanbten, ber um 1780 Hrunneninfpeftor eines 
Königlichen Babes gemefen mar, erhielt id? Antmort, 
nad?bem bas ZHinifterium felbft erjt bei bem 3 ujtänbigeit, 
ihm untergebenen ©berbergamt angefragt hatte. (Se¬ 
heimes UTilitärfabinett unb (Seneralorbensfommiffion 
gaben bereitmilügft Ausfunft über Vertpanbte meiner 
UTutter, bie Enbe bes acht 3 ehnten 3ohrt?unberts gelebt 
hatten. An eine (Beneralfuperinteubantur menbete id? 
mid? mit ber Anfrage über einen um J730 lebenben 
Sruber meiner Urgroßmutter/ um burd? bie bei beffen 
©rbination gemachten Hotten ben fjerfunftsort beiber 
3 U erfahren; fpäter fanb id? biefen 23ruber in einer ber 
gebrueft erfdjienenen Stubentenmatrifeln als Beyers- 
dorfensis Marchicus be 3 eid?net. Das propin 3 ialflaats- 
ard?ip in pofen fonnte meiner Sitte um nähere Had?- 
rid?ten über bas (Brunbftücf, bas bort mein (Sroßpater 
nad? einem noch porhanbenen Srief gehabt haben mußte, 
nicht entfpred?en; nad? einigen HTonaten erhielt id? je- 
bod? ohne meitere Anfrage bie Had?rid?t, baß im Staats- 
ard?ip UTagiftratsaFten, betreffenb bie Heunummerierung 
bes abgebrannten Stabtteils, ftd? porgefunben hätten 
unb in biefen aud? bas £}aus bes (Sroßpaters perseidmet 
märe; baburd? erfuhr id? Straße unb Hummer bes fjaufes, 


auch fonnte ich ben gegenmärtigen Eigentümer unb bie 
amtsgerid?tlid?e (Srunbbud?nummer ermitteln unb aus 
ben amtsgertchtlid?en (Srunbaften, beren älterer Sanb 
bereits an bas Staatsarchip abgegeben mar, intereffante 
Edelheiten über Anfauf, Vergrößerung unb VerFauf 
bes (Brunbftücfs, aus einem (Eajrbud? aud? über Hous 
unb (Sarten entnehmen. Sei bemfelben Staatsarchip 
lagerten aud? Anfteüungsaften ber früheren fübpreußifd?en 
Kriegs» unb Domänenfammer, bie bie Verhanblungen 
mit bem (Sroßpater enthielten, als er J802 feine UTilitär- 
ftellung perließ unb als Canbrentmeifter in ben Sioil- 
bienft übertrat. Alte Aften bes Konftjioriums leifteten 
mir porjügliche Dienfte, inbem\ in einem Kirchen- 
pifttationsprotofoll pon 17(0 ^erfunftsort unb Vater 
eines Vorfahren, eines märfifchen £anbgeijHid?en, ge¬ 
nannt; als Stubienort maren allein 3ena an ge¬ 
geben, mährenb id? fd?on aus ber Stubentenmatrifel 
ber Uniperfität ^ranffurt ermittelt h a tte, baß biefei 
Vorfahre aud? bort fhibiert hotte; aus ber bei 
ben Konjiftorialaften befinblichen Vofationsurfunb« 
ging herpor, baß er por feiner Anftetlung 3nformator, 
b. h* Hauslehrer bei einem Hittmeifter pon 3 ärgaß mar. 

Am michttgfien für bie 5amilienforfd?uitg ftnb bie 
Pfarrämter mit ihren Kird?enbüd?ern. Die Kirchen¬ 
bücher fmb, fo piel id? höbe feftftellen Fönnen, burd? bas 
Kon 3 il 3 U Köftniß eingeführt, gehen aber feht 

feiten bis über ben breißigjährigen Krieg (in einem mir 
beFanntgemorbenen 5ali 3 . S. bis J57^) surücf. Sie 
hatten früher nicht mie jefet genau porgefd?riebene 
Hubrifen, meshalb bie alten Eintragungen nach 3ut?olt 
unb Umfang Feinem Strang unterlagen unb bähet 
^manchmal piel, manchmal fehr menig bringen unb ganj 
perfd?iebenmertig ftnb. Viele Pfarrer hoben ihr Kirchen* 
bud? aud? 3 U d?ronifartigen Hieberlegungen benußt; 
berühmt in biefer Se 3 iel?ung ift, menn id? nid?t irre, 
insbefonbere bas Kirchenbuch bes märfifchen Pfarrers 
(Cofleftus (latinifiert aus Kohlhofe). Anfragen nad? 
5amiiiennad?richten ftehen bie pfarrer mit geteilten (Be¬ 
fühlen gegenüber, ba es Fein Vergnügen ift, in alten, 
perftaubten, auf fchlechtem papier, mit fd?led?ter (Einte unb 
5eber unb mit unbeholfener Hanb gefd?riebenen Siid?ern 
nid?t nur 3 U lefen, fonbent aud? nad? beftimmten Hamen 
3 U fud?en. HTeiftens begegnet man aber bei ben Pfarrern 
einem ausgeprägten jamitienfinn, fo baß fie aud? für 
bie 5orfd?ungsarbeiten unb Höte anberer Verftänbnis 
hoben unb man bei ihnen feiten eine 5 *hlbitte um 
5amilieunachrichten tt?ut. So höbe id? 3 . pon einem 
Pfarrer, ber felbft eine (Sefd?ichte feiner 5amilie ge- 
fchrieben hotte, einen Kird?enbud?aus 3 ug erholten, ber 
ftd? auf eine lange Seihe pon 3 a hron erftreefte unb 
etma fed? 3 ig THitglieber meiner mütterlichen 5 omilie 
umfaßte. Aud? Superintenbenten hoben bereitmilügft 
meine (Sefuche um Hachforfchungen in Kird:enbüd?ern 
innerhalb eines beftimmten Se 3 irfs in ihrer DiÖ 3 efe 
3 irfulieren laffen. Sterberegifter unb (Eotenfd?eine ftnb 
für ben 5 omilienforfd?er faft ausnahmslos unbrauchbar, 
ba fte namentlich bei alten Ceuten feiten beren Eltern 
ober Sufunftsort au geben; unb bod? ift es mir felbfl 
lebiglid? burd? ben 3”holt bes (Eotenfd?eins meines 
(Sroßpaters möglich getrorben, Harne, Staub unb 
IVohnort ber Urgroßeltern 3 U erfahren unb baburd? 
meine 5 orfd?uugen fortfeßen ober eigentlid? erft beginnen 
311 Fönnen. Sehr u>id?tig ftnb bie (Erauregifter unb 
(Eraufd?eine, toeil in ihnen, es müßte ftd? benn um eine 
ältere perfon ober einen IVittper ober eine IVittpe 


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Hummer 3J. 


baubeln, bie (Eltern ber Chefcbliefonben unb namentlich 
Staub unb IPohnort bes Chentauus genau angegeben 
ßnb. Befonberett IPert haben bie Caufregifter unb 
Cauffcheine, unb 3 tvar burd? bie Angabe ber paten. 
Home, Stanb unb IPohnort ber paten ftnb nicht nur 
Ausgangs* unb UnFitüpfungspunfte für meitere unb 
neue Hachforfchungen, fonbern auch Ulerfmale für 
Stellung unb PerFehr, auch, mie mir fcbon oben ge* 
fetten haben, für Schmägerfcbaften ober Porfahren. 

21 ud? ben Hußen von (Brabfteinen habe id? erfahren. 
3 ch hatte bas (BlücF, meine 5 orfchungsarbeiten mefeut- 
lieb baburd] uitterßüßt 3 U fehen, baß gelegentlich eines 
Kirchenumbaus in bem ©rt, in bem ber Urgroßvater 
gelebt hatte unb beffen (Eltern geworben maren, 3 tvei 
etmas verfunfene, J : 2 Bieter große (ßrabfteine mit 
umfangreichen/tneißens noch ent 3 ifferbaren Kuffd^riften 
aufgefunben mürben, bie jeßt in bie füblidje lüanb ber 
neuen Kirche eingefügt ßnb. Surch Üe erfuhr ich ben 
OerFunftsort biefer (Eltern, ben bes Paters jebod? erß 
auf einem Ummeg, ba gerabe bie Stelle auf bem (ßrab- 
(lein, an ber fein (ßeburtsort angegeben mar, burch 
IPeiter- unb Uloosnarben befdjäbigt mar; es ließen fleh 
nur bie brei erßen Buchßaben als erfte Silbe bes Orts¬ 
namens unb außerbem uad? bem Baum bis 3 um nächften 
IPort erfennen, baß ber Ortsname 3 mei, haften* brei 
Silben hatte. Hach bem alphnbetifcheit Pfarrorts- 
ve^eichnis bes Konftßoriums Fonnte es fich hernach nur 
um acht pfarrorte hobeln; an biefe rnanbte ich mich 
mit ber Bitte um einen Cauf« unb Craufd^ein; beibe 
erhielt ich auch von einem unb bemfelben biefer acht 
Pfarrämter. Pon Bußen mar mir auch eine hanb|d?rift- 
liehe pfarrchronif, tvie fold^e öfters von Pfarrern für 
ihren ©rt geführt ßnb. 3 n ber ChroniF mar beim 
3ahr J730 gefagt, baß es bas erße 3afa bes Umt* 
manns Bötticher gemefen fei unb baß biefer in bemfelben 
3«hr eine gute (Ernte gemacht unb am Scheunengiebel 
eine Uliete von „J 9 IPifpel Hlanbeln BogFen" gefeßt, 
aber auch burch einen tollen fjuub JO StücF Binbvieh 
Verloren habe. Kud? auf bie bamals noch für euch 
offene Stage, wo ber Ümtmann Bötticher vorher gemefen 


Seite H59- 

mar, gab bie ChroniF Kntmort, menu aud? nur mittel¬ 
bar. Sie er 3 ähit uns nämlich, baß er J750 bei 
ber (E^plofion bes pulverturnts am Spaubaner Chor 
in Berlin eine 3 ehn 3^hre alte Cocbter verloren höbe, 
bie fld? beim (BarnifonFantor befanb. Uuf Anfrage beim 
Ularfifchen provin 3 ialmufeum in Berlin erhalt ich eine 
hanbfchriftliche (Sefchichte ber (Barnifonfirdie, in ber jene 
(E^plofton genau beschrieben unb unter ben umgeFommenen 
perfouen auch bas „Cödflerchen eines Umtntanns in Bies- 
borf* genannt mar. Bus ben Kirchenbüchern von Biesborf 
ergab iftch bann, baß ber Kmtntann Bötticher bort bis J730 
etma JO 3ah?e lang gemefen mar, unb erfuhr ich Ge¬ 
burtsort unb Seit unb paten meines Urgroßvaters. 

Schließlich foH nicht unermähnt bleiben, baß bem 
5amilieuforfcher nicht nur hanbfchriftliche ChtoniFen, 
fonbern auch gebrucFte, ein 3 eln unb in SammelmerFen 
erfchienene Chronifen von Orten ber (Begenb, aus 
benen bie Familie ßammt unb in benen fle gelebt hat, 
nüßlid? unb mertvoH fein Fönnen. So fanb ich 3 B. 
in BecFmanns „fflßorifcher Befchreibuttg ber HlarF 
Branbenburg" (J75J) eine ChroniF von perleberg, in 
melcher märFifchen Stabt felbß niemals ein Ulitglieb 
meiner Familie gelebt hatte, unb in biefer folgeitbe 3 tvei 
Säße: ,,perleberg hat feinen Hamen von bem 5lüßd?en 
perl, ber mieberum feinen Hamen baher hat, baß er 
in feinem Sanb perlen mitgeführt haben foK. XPohin 
auch Ulelandflhon in einem gemiffen Schreiben sielt, ba 
er einen 3°hann Bötticher gern 311 m BeFtor ber Schule 
3 U perleberg beförbert fehen mollte." 3 « einem bänbe* 
reichen, glücFlichermeife mit einem Begifterbanb ver- 
fehenen IPerF ber Königlichen BibliotheF in Berlin, bas 
jämtliche Briefe Hlelanchthons enthielt, fanb ich bann 
nicht nur biefen perleberg unb 3 °hann Böttkher be- 
treffenben Brief (J55<J), fonbern auch noch fieben anbere 
Briefe, bie an 3<>hann Bötticher felbft unb beffen Pater 
gerichtet maren, ober 3 tvar an anbere geruhtet maren, 
aber biefe beiben Bötticher betrafen, unb aus benen ftd? 
3 tveifeflos ergab, baß fte 3 U jenen Heuruppiner Bötticher 
gehören, in benen ich nicht mit Unrecht, aflerbings ohne 
urFunbltchen Hachmeis meine älteßen Porfahren (ehe. 


- - N ^===- 

Der „wefsse Cod". 

5 ptjotograptyfcfje Kufnafymert »on Unton Karg, Kuffiein, unb €&. (Suibentif, (Senf. 


Hicht jeber UnglücFsfaü, ber in ben Bergen pafflert, 
iß ein alpiner UnglücfsfatL IPenn ein (Semsjäger ober 
ein Qirt bei ber Ausübung feiner beruflichen ChätigFeit 
im Schneeßurm umFommt ober ein bjo^Fnecht in ber 
Hadtt ben IPeg verliert unb abßür 3 t, fo ftnb bas Berufs¬ 
unfälle, bie mit bem alpinen Sport nichts 3 U thun haben. 

freilich bieten bie Klpen (Sefahrett, unb thöricht märe 
es, ben alpinen Sport als einen voüfommen ungefähr¬ 
lichen Spasiergang htn 3 ußeHen. 3 n ^ c ff crr bie 

(Befahren, bie bem Funbigen Bergßeiger brohen, ber 
bie Perhältnifle Feunt, ber mit genügettber Kusrüfluttg, 
genügeitbem Kartenmaterial unb gettügenber (Erfahrung 
feine Couren macht ober ßch ber EJilfe suverläjßger 
5 üh^r verßehert, recht geringfügig, unb lehr feiten ßnb 
bie Unfälle, bei betten es mirfltd? ber „XPeiße Cob" ift, 
bie mirFlkhett (Befahren ber Klpeit unb bes I}od?gebirges 
überhaupt bie 3 U Kataßroph<?n geführt haben. 


(Ein feht großer prosentfaß von UnglücFsfäHen be¬ 
trifft £eute, bie ohne genügettbe Porbereitung in ben 
Klpen herumßreifen wnb an ben harmlofeßen Bergen 
3 U Cobe fommett. namentlich bei ungünftigen XPitterungs- 
verhältniffen unb Kbirren vom IPege treten folche 
Unfälle häufig ein, aber auch fte ftnb, ba fte nicht 
eigentlich bem Hochgebirge 3 ur £aß fallen, nid 4 als 
alpine UnglücfsfäHe im eigentlid^en Sinn 3 U be 3 eichnen. 
3 nsbefonbere ßnb in ben Ulpen auch bei ben letch- 
teßen Couren bie KHeingeher immer in großer (Befahr. 
Sie geringfügigfte Perießung, bie fte am IPeitergehen 
verhinbert, Famt bei ihnen eine löbliche Katafirophe 3 ur 
5 olge haben. Das Meingehen follte baher von nid?t burch* 
aus geübten, fehr norftchtigen Bergfteigern vollfiänbig ver- 
mieben merben. Eß cr l lc 9 l 3 ®eifeUos bie größte (Befahl 
bie bie Klpen barbieten. (Es flingt parabo^, i i aber richtig, 
baß es viel meniger gefährd} iß, eine fehlere Selstour 


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Seite H^ 60 . 


Summer 3\. 


allein 3U machen, als irgendeinen leidsten Vorgebirgs* 
bummel, denn bei fchmeren Couren achtet mau genau 
auf jeden Critt, fo baß liier derartige Heine Unfälle ftd? 
mohl fchmerlid? ereignen merden. 

Cs ift unmöglich, alle die Dielen hundertfachen Chor* 
heiten, die ungeübte Sergfteiger im Vorgebirge oder 
aud? im Hochgebirge felbfl oerüben, aud? nur in Um* 
rijfen 3U fd?ildern. Keine phautafte eines Soman- 
fdjreibers fönnte fo lebendig jein, um alle die Unge¬ 
heuerlichfeiten 3U etfinneu, die derartige Sonntagsberg* 
jteiger fid? leiften. Ueberall die gleichen Singe: abfolut 
ungenügende Uusrüjtung, DÖllige Uhnungslojigfeit den 
(ßrunbregeln des Sergfteigens gegenüber u. f. m. IVohl 
95 prosent 3um mindeften aller Unfälle in den Sergen 
treffen diefe leichtftnnigen Sergfteiger in den Voralpen. 
Sagegen treten die Unfälle meit 3urücf, die bei tr>irf- 

lichen H 0C W° ur e n vot ‘ 
fommen. f}*e r mfiffen 
mir unterjeheiden smi* 
fd?en den (Befahren, die 
die Ulpen an ftch dar¬ 
bieten, (Befahren, denen 
der befte und der fchled?* 
tejteCourift gleid?mäßig 
ausgefeßt ftnd: (Be¬ 
fahren, die objeftio 
und unoermeidlid? find. 
Siefe ftnd: Stein* und 
£aminenfatl einerfeits, 
plößliche IVetterftüne 
andrerfeits. Sie lefe- 
tere (Befahr ift bei 
meitem die größte, denn 
Steinfälle und £amineit 
fommen nur an be« 
ftimmteit 0rten 3iir be* 
ftimmten &eit oor und 
laffen ftch infolgedeffeit 
mit siemltcher Sicherheit 
oermeiden. 3 n ^ er ^bat 
find die* Unfälle aus 
diefen (Briinden fehr 
Hbrticg mit einem Verunglückten. feiten, (ßegeil die plöft* 

liehen IVetterumfchläge 
im Hochgebirge ifl man dagegen fo gut mie mchrlos, 
und im Sd?neejturm und unter dem SucPen der Blifce 
rnird felbft der leichtejle Berg mitunter ein furchtbarer 
(ßegner und ein dräuendes (ßrab. 

Sie meiften andern Unfälle find im (Begenfaß da3U 
fubjeftio und unoermeidlid], das h^fet, es find Unfälle, 
die aus einem Ulißoerhältnis des Könnens des Berg* 
(teigers und der Sd?mierigfeit der Cour entfpriitgcn. 3 n 
diefe Kategorie t>on Unfällen gehören die, die für den 
£aien eigentlich das Signum der alpinen Un¬ 
fälle überhaupt darftelleit, nämlich die „Ubftü^e!" 
tVenn jemand an einer 5 elstoand beim Klettern 
abflürjt, fo ift das eben nur ein Sachen dafür, 
daß ihm die Kletterei 3U fd?mierig mar und er 
die Cour nicht hätte unternehmen dürfen. 

Kletterei in troefenen 5 elfen ift eben nur für 
den gefährlich, der das Ulaß der Klettertüchtig* 
feit, das die fd?merfte Stelle der Cour unbe* 
dingt erfordert, nicht befifet, und fo ift das 
„Kbftür3en" im 5elsterrain eine unbedingt fub* 
jeftioe und daher mohl oermeidbare (Befahr. 


Viel gefährlicher find im allgemeinen große (ßletfcher- 
touren, injofem die (Befahren der (ßletfcher Diel toeniger 
den Chorafter des Subjeftioen tragen als die Ubftür3e 



Bandagierung eines Verunglückten zum Cransport. 


Partien feine Spalten unter einer trügerifchen Sd?needecTe, 
fo bietet er in feinen oberen jleileren Partien tücFifd?e 
Cishänge, auf denen mitunter eine lofe, leichtabrutfd?ende 
und den IVanderer mit fid? reißende Schneefchicht auf- 
fxftt. So drohen auch dem guten Bergsteiger immerhin 
einige (Befahren auf (ßletfchertouren, indeffeit find fie 
auch im meiteften Ulaß abhängig oon der perfönlid?feit 
des Bergfteigers, und 3tr>ar befonders in Be3ug auf ihre 
Vermeidung. Ser erprobte Bergfteiger mirb die (Be* 
fahren oiel beffer erfennen als der ungeübte und, die 
(Befahr rid?tig erfannt hoben, heißt fie fd?on beinah 
oermieden hoben. 

3m großen und gan3en ift alfo für den mirflichen 
Bergfteiger, der feine Kunft erlernt hot und feine Serge 
fennt, die (Befahr des alpinen Sports red?t gering, 
und memi mir die alpinen Unfälle frinfd? betrachten, 
fo merden mir leid?t einjehen, mie thörid?t das (Befchrei 
einer fritiflofen Ulenge gegen den Ulpinismus ift. Statt 
iln durd? fold:e Bannmaßregeln befämpfen 3U mollen r 
follte man im (Begenteil ihn nach ollen Sid?tungen hi« 
3U fördern fud?en, gerade im 3 ]!l e*effe bev größeren 
Sicherheit bei Bergtouren. Sur durch weitere Ver¬ 
breitung alpiniftifd?er Erfahrung läßt ftch eine <2in- 
fchränfung der Ungliicfsfälle erhoffen, und gerade der 

Ulpenoercin felbft trägt am 
meiften da^u bei, durd? geiftige 
Sd?ulung feiner Ulitglieder 
diefe fo notmendige alpt- 
niftifd'e Kenntnis 3U Der jtärfen. 

Cs fragt fid? nun, mas 
außerdem 3ur Verminderung 
der alpinen Unglücfsfälle ge- 
thau merden fann. 3n erfter 
£inie muß man 
feftftellen, daft 
dem Ulleingehcr 
in den meiften 
5äHen überhaupt 
nicht 3U helfen 
ift, da man ge* 
möhnlid? gar nicht 
meiß, mo er fteeft, 
und ihn meiftens 
erft nad? einigen 
Cagen Dermifjt. 




mie man einen Verunglückten transportieren foll. 


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Kummer 3 \. 


Seite \H 6 \, 



Cranspo.t ^Verunglückter über die ©letfcberfelder des Montblanc nach Cbamomx. 

p^otograpfjifcf?« Uufttaljme. 


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Sette H 6 Z 


Hummer 3 J. 



HbrturzgeMet fm ©Utfcherfclct 

Die punftierte C..!: Ir.:vd:l>radj imrdj i>ic Sdjneebrficfe ttnb bie Kidjtung bes Kbflurjcs. 


IDeun dagegen ein ©enojfe 
auf ber CEour ijt, fo fann 
er ins (Ehal hinuntergehen 
unb fjilfe requirieren. Ser 
große JUpenuerein hat in 
fe*.r banfenswerter IDeife 
2?ertungs3entralen organijiert, 
bie planmäßig unb in um* 
faffenber IDeife fo/ort nach 
ber Benachrfchtigung bie 
Bettungsaftion in bte fjanb 
nehmen. Solche Stationen 
begehen in ZHündjen, 3 nns* 
bruef unb IDien. 

©benfo widrig ifi bie 
erfte £}ilfe an ©rt unb Stelle, 
^anbelt es ftd? um leid^tere 
Derleßungen, fo genügt oft 
eine leidste Schienung bes 
oerleßten ©liebes mit fjilfe 
bes öergftocfs ober einigen 
Steigen, um bem Deruit* 
glüeften bas felbftänbige 
5ortfommen bis 3ur nächfien 
Station 3U ermöglichen. Sonjt 
muß man fich bamit begnü¬ 
gen, ihn auf ungefährlichem 
(Eerrain ruhig 3U betten, 
etwaige Blutungen burch <§u* 
fammenfehnüren ber ©£tremi* 
tät 3U pißen, ihm prooiant 
unb (Erinfwaffer hinjulegen, 
ihn mit mögllaiji allen Klei* 
bungsftücfen, bie entbehrlich 
finb, 3U3ubecfen unb bann 
uom (Ehal aus JEjllfe 3U 
holen. Siefe Ijilfsmannfchaft 
hat bann bie fehr fdjwierige 
Aufgabe, ben (Eransport bes 
Derunglücften ins (Ehal oor* 
3unehmen, eine Aufgabe, bie 
mitunter gerabe3u ungeheuer¬ 
liche Knforberungen an bie 
Kraft unb ben HTut ber ^ilfs* 
mannfehaft ßeßt. Unfer Silb 
5 . 1^611 3eigt ben außeror- 
bentlich fchwierigen (Erans* 
port uon Derunglücften über 
bie riefenhaften ©isfelber bes 
ZTTontblanc. Sie Aufnahmen 
S. ^60 lehren, wie man 
Derunglüdte banbagiereit 
unb hanbhaben foß. 

Surch bie gläii3enbe ©r- 
ganifation bes ^ilfsbienjtes 
finb in ben wenigen 3ahren 
ihres Beßeheits fdjon oiele 
DTenfchenleben gerettet wor¬ 
ben; 3U wünfehen wäre frei¬ 
lich, baß burd? größere Dor- 
fid?t bie ^ahl ber Unfälle ein- 
gefchränft unb ber Settuugs- 
gefellfchaft weniger ©eiegen- 
heit 3U ihrer (Ehätigfeit gege¬ 
ben Würbe Dr. C. Keimet; 


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P P|PiJ u - l'i- r~*- • 


Hummer o\. 


Seite \^ 65 « 



Badtvcrfticbe im elektrifchen Backofen und Beftimmimg der ©Srkraft der Befe. 


Eine Bocb$cftule der mahl* und Backktnt$t 

^Ier3u 3 Spetfalaufnaljmen für Me „VOodie". 


IBohl faum jemanb, ber ein Stücf Brot 3um ZTCunb 
führt, macht fleh eine Borfietluug baoon, baft für bie 
I}erjieHung bes fcheinbar einfachen probuftes ber 
BlüOerei unb Bacferei eine ganje BeiBje non technifchen 
nnb chemifdjen projeffen notroenbig ijl 3n unferer 
Seit ber chemifchen unb ptiypotogifd?en 5orfcbung fonnte 
es nicht ausbleiben, baß man biefem toichtigften aller 
unferer Bahrungsmittel eine erhöhte Kufmerffamfeit 
roibmete. denn bas Brot ijt 
bie Speife ber Speifen, berer 
manniemals über brüfjtg toirb; 
es ijl ein Bacftoerf aus 
fal3getoür3tem, ausgegore¬ 

nem HTehlteig, ber in ben 
oerfdjiebenen Cänbern unb 
Canbesteilen aus 3iemlich oer- 
fdjiebenen (ßrunbßoffen tyv 
gefteilt toirb. 

Scheinbar iji bie Brot* 
bearbeitungsfunjt fehr einfach. 

Ejeute geht man aber auch 
hierin ben Gingen auf ben 
(ßrunb; bie IBiffenfchaft hat 
(tch ber Borgänge bemächtigt, 
bie bei ber Brotfabrifation 
in Betracht fontmen. Kn ber 
Königlichen £anbtoirtfchaft- 
liehen fjochfchule in Berlin 
befiehl eine Berfuchsanfialt 
bes Berbanbes beutfeher 
BTüller, bie im Kpril bes 
3ahresJ899 gegrünbet tourbe 


unb ben S^ecE h a t# HTüHerer3eugniffe aller 2lrt 3U 
unterfuchen unb 3U begutachten. die BerfuchsanjiaÜ 
tourbe oon bem Berbanb beutfeher HTütler ins £ebeit 
gerufen; fte toirb auch oon biefem Berbanb unter¬ 
halten, aufjerbem aber oon bem Beichsfcfjafeamt, bem 
preufeifchen 5inan3minifierium unb bem preufcifchen 
DTinifterium für £anbtoirtfchaft, domünen unb 5orflen. 
Kn ber Spifee ber Knftalt jieht ein Kuratorium, be- 

fiehenb aus delegierten ber 
genannten Behörben, bes Ber- 
banbes beutfeher HTütler unb 
ber lanbtoirtfchaftlichen l}och* 
fchule. <ßeleitet toirb bie Kn- 
fialt oon bem (ßeheimen 
Begierungsrat profeffor dr. 
£. IBittmacf, bem 3toei 
Kffifienten 3ur Seite fiehm 
€ht toefentliehet (teil ber 
Aufgaben ber Knftalt iji rein 
praftifcher Hatur. <£s han- 
beit ftch um bie Beurteilung 
ber ein3uführenben Kleien auf 
Sollfreiheif, ferner um bie 
Begutachtung ber aus3ufüh- 
renben HTehle auf ihre Ber» 
gütungsfähigfeit, die Siele 
ber Knftalt bejiehn aber nicht 
nur barin, ben praftifern mit 
Bat unb fjilfe 3ur Seite 3U 
jiehn, fonbern auch in ber 
föfungtoeitergehenber, toiffen* 
fchaftlicher Aufgaben, in ber 



l, ©efjeimrat prof. Pr. JOittmacf. 2. <Sef}eimr<it prof. Or. Ortij. 

Brbeiten im üOägezimmer der Verfuchsanrtalt. 


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Seite ^6^. 

wiffenfchaftlichen 5 orfcbung. Seit ber erften &e\t bes Auf¬ 
blühens bet organifchen (Chemie unb bet phyftologie 
Ratten jtch bie größten 5orfdjer barum bemüht, bas 
Sätfel bet BacFfähigFeit, bes AltbacFenwerbens, bet 
Solle bes Klebers tm H 7 ehl 3U löferu Sie Perfuchs* 
anftalt ift bie Stätte, an ber fyjiematifch auf biefem 
(ßebiet weiter gearbeitet wirb. €ine große Hi^abl pon 
5aftoren flnb bei ber BacFfähigFeit im Spiel: €influß 
bes ZHetyguts, Qualität bes ZHehls, Klebergehalt unb 
Sufammenfeßung bes Klebers fowie beffen phyfiFaltfche 
(Eigenfcbaften. 

(Serabe I?ier eröffnet ftd? ber Anftalt ein fcfjmieriges 
(ßebiet, unb bie babei auftretenben fragen (teilen fo 


Summer 3 J. 

ben perfchiebenen Apparaten, um bie BacFfähigFeit 
ber ZHeble 3U beftimmen. Außer ben 3ahlreichen wiffen* 
fchaftlkhen Porlefungen, bie nur pon Spesialgelehrten 
gehalten werben, unb wiffenfchaftlichen Ausflügen fütben 
befonbers piele praftid^e Hebungen ftatt. Sie Por* 
lefungen betreffen bie oerid?iebenften naturwiffenfehaft* 
lieben eßebiete, bie für bie BäcFer unb HTüHer pon 
3 ntereffe finb. Sie Ausflüge werben gewöbnlicb 3um 
<§wecF bes Befuchs ber großen berliner IPe^en* unb 
Soggenmühlen, einiger großer Cagerhäufer für (Betreibe 
unb einiger größerer BacFereien gemacht. 

Hnfere Btlber 3eigen bie Kurfusteilnehmer unb ihre 
Cehrer bei ben praftifchen Hebungen. IPir febn bas 



Backvertuche an kleinen Hpparaten. 


bobe Anforberungen an bie Perfud?san(teHung, baß eine 
befriebigenbe €rlebigung erft nach unb nach eintreten 
Fann. Befonbers fei hier einer Peranftaltung bes 3 njtituts 
gebacht, bie auf bie HTüflerei unb BäcFerei einen 
fegensreicben Cinfluß ausüben wirb: bie (Einrichtung 
pon oie^ehntägigen praFtifch-wiffenfchaftlicben CehrFurfen 
für mittler unb BäcFer, bie in jebem 3 <*hr einmal 
ftattfinben Jollen. €rfreulicberweife ift bie Beteiligung an 
biefen Kurfen fletig im IPachfen begriffen, unb felbft 
bas Auslanb fdiicFt Schüler, fo baß auch in biefer 
Se3iehung bie beutfd?e 5orfchung ftol3 fein fann. 

Sie im Kursus ausgeführten praftifchen Hebungen 
beftehu einerfeits in botanifeben, mifroffopilchen Hüter* 
fuchungen unb anbrerfeits in chemifd?en Prüfungen ber 
2Tlüblener3eugniffe unb befonbers in Bacfuerfuchen mit 


Caboratorium ber 2 TUiHereiperfud?sanßalt. (Es werben 
gerabe Brote in ben ©fen gefeboben. 3 n einigen 
Apparaten wirb bie (Särfraft ber £}efe bejtimmt. 

H^äbrenb bisher nur fleine SacFapparate ber per* 
fd^iebenartigpen KonfkuFtion 3ur Prüfung bes ZTCehls 
auf ihre BacFfäbigFeit perwenbet würben, ift bie Anftalt 
im Befiß eines neuen, eleftrifcben BacFofens, ber es 
ermöglidtf, bie Perfuche in größerem Slaßftab an3ufteHen 
unb baburch genauere, ber praris mehr entipredjenbe 
Sefultate 3U er3ielen. Auch biefen Bacfofen febn wir 
auf unferm erften Bilb. Sie anbem Bilber ftetlen bie 
Säume bes agronomifcb'gebologifcben 3nftituts bar, 
wo Hnterfudmngen über bie Beftimmungcn bes Afd?en* 
gebalts, bes. 5 ?ttgehalts, bes Säuregehalts unb bes 
protelngebalts ber mehle unb Kleien porgenommen werben. 


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Hummer 3{. 


Seite \^65. 


••• • »v 

. r- . ^ 

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llIjlP'L. 


«Sf^l 


% 3 Ljegi " 


er Pieter Philipp Heintann begab fiel? ©ott feiner 
«freuttbin nach bjaufe. <Er hatte bei UTabeleine 

3ur Hacht gefpeift, bann Ratten fie ein paar 

gigaretten geraubt, unb fte hatte ihm eine Ho©elle aus 
ihrer feber ©orgelefen, wobei i^n laitgfatn fdjläferte. Por 
(Ehorfperre mußte er fie ©erlaßen. benn UTabeleine war 
ZPitwe. Uebrigens ging er gaii3 gern. 

Seit ungefähr einem 3 a hr fa^ man if^n allenthalben in 
ihrer (ßefellfdjaft, aber in ber legten geit begann fie ihn 311 
langweilen, (gewiß, fie war fd^ou unb fultioiert unb fein 
exogen unb iatereffierte ftch für eine UTettge frf?oner Pittge, 
bie auch ihm am fjerjen lagen. Pennoch ©erjtimmte es ihn 
manchmal, wenn fie mit ihm ©on Kunß fprach, ©on biefer 
ewigen Kunjt, ber er fein Leben geopfert hatte, unb bie er 
eben barum manchmal haßte — befonbers an frühlings« 
abenben unb nach bem Hachtmahl. Uber fte fprach immer 
©on ber Kunft, auch an frühlingsabenbett. 

gutnal heute hatte fte fleh nicht genug tfjnn Pointen in 
biefer fjinficht, unb gerabe heute war er fo gar nicht aufgelegt 
gewefen 3U wefeitlofem äjthetifchein (gefchwäg. Pie fenfter 
bes gimtners, in bem er unb UTabeleine fpeijien, waren 
weit offen geftanbeit, uitb braußen breitete ber Polltnonb 
feinen filbernen UTantel über bie bunflen (gürten, Päcfjer unb 
Cürme ber Stabt, bie in einer müßigen (Entfernung 311 einer 
ferneren, fchweigenbett unb geheimnisreichen Piaffe ©er« 
fchmo^ett, aus ber es nur ba unb bort flüchtig filberig auf* 
bligte, wenn bas UTottblicht ein fpiegelnbes f enfter traf ober 
auf einem glä^ettben Schieferbach einen Kugenblid oerweilte. 
XDährenb UTabeleine allerhattb erjählte, trat ber Pieter aus 
offene fenfter unb tranf mit gefchloffenen Kugen bie magifch 
leuchtenbe UTonbluft, b!e in einem breiten Strom burch bas 
hohe (fenjler hereinquoll. Hach einer IPeile trat UTabeleine 
3U ihm, legte ihre feine, gepflegte fytnb auf feine Schulter 
unb fagte leife: 

„IPas macht bein neues Stücf, Philipp?" 

„€s geht nicht," fagte er unwirfch, mit leicht getrudelten 
Brauen, peinlich berührt ©on biefer banalen unb beplajierteit 
Stage. Unb fchweigenb folgte er mit ben Kugen einem 
Liebespaar, einem Solbaten mit einer Kochin, bie brunten 
©or ber Pilla in ber nächtigen Mee auf* unb niebergingeit. 

Später beim tlac^teffeu hätte UTabeleirte feine Perftimint* 
heit betnerft unb fte 3um wiHFoinmenen Kniaß genommen, 
um fiel? in pfychologifchen Knalyfeit feiner unb ihrer ZTatur 
3U ergehen, bie fie liebte. 

gum hunbertftenmal, feit fie fti? fauuten, erflürte fte ihm 
feinen (EharaPter, ©ertiefte ftch fobann in ihre eigene Zlrt, 
bie fie gern unb oft beleuchtete, ©erglich fte fchließlich beibe 
mit (gehalten aus gewiffen tnobernen Homanen unb (Eheater« 
ftücfen unb ergab ftch einer UTenge ©on Betrachtungen unb 
3Utn (Teil recht geiftreichen Hefleyionen, bie ihm bie «freube 
an bem guten €ffen ©erbarben. 

(Dfyxe 3U antworten, ftanb er auf, trat neuerbings ans 
«fenfter unb fdjaute in bie weiße UTonbfchcibe, bie in ber 


^rffograplm un6 iSieBe. 

Hoselle 

von Haoul Kuernfyeimer (ZPten). 

fchroarjblauen HiteuMidiPeit bes Rimmels fchwatnitf, unb 
grübelte über ein IPort. ein Bilb, mit beffen Ejilfe man 
biefen gauber fefihalieu FÖnnte. 

Pa er fo wortFarg war, hätte fte feuf3enb ihr UTanufFript 
geholt unb ©or3ulefen begonnen. 

Seiner geit, 3U Beginn ihrer Be3tehuttgen, hätten ihm 
biefe ihre litterarifijen (gehoerfuche Spaß gemacht, feit einiger 
geit ermübeten fte ihn. Mein, baratt gewöhnt, baß man 
ihm ©orlas, hörte er gebulbig 3U. Hur als fte nach beenbeter 
LeFtüre auf einem Urteil beftanb, hätte er ihr, mißlaunig, 
wie er war, (grobheiten gefagt über ihre Zlrbeit, bie fte 
betnütig, gebeugt ©or feiner Zlutorität in litterarifchen 
Pingen, entgegennahm. 

Schließlich hätte fte ihm bas IPort abgenointnett, morgen 
wieber3uPommen unb ben Homan bes begabten ZP. mitjit« 
bringen, ber feit einiger geit ©on ftch reben machte, unb 
hatte. ihn mit einem fühlen Kuß entlaffen, ben er faum 
erwiberte. 

Pas war ein Zlbeitb bei feiner (geliebten, um beren Be« 
ftg ihn hnnbert Bewunberer ihres (geijtes, ihrer Schönheit 
beneibeten! (Er gähnte. 

Hun ftanb er unten auf ber Straße, bie 3wifchen ben 
bunflett Meett, bie fte fäumten, unwahrfcheinlich weiß im 
UTottblicht h' n P°Bf gleich einem leuchtenben Strom 3wifchcn 
buttflen Ufern. 

(Er 3ünbete eine gigarre an unb trat nachbenflich in bie 
Mee ein. Sofort betnerfte er wieber bie Liebenbett, bie 
fchweigenb ©or ihm h er 9<ngen, tf<h a n ben f?änben führenb 
wie 3wei Kinber. Hun festen fte 3tim 3watt3igflenmal um. 
Per Pieter trat feitmärts in ben Schatten ber Bäume, uttb 
es gelang ihm, unbemerft 311 bleiben. Pie betben, bie ftch 
unbeobachtet wähnten, machten gerabe ©or ihm Zjalt unb 
füßten ftch lange nnb innig. Kichernb fagte bas UTäbchen: 

„Heitt, wie einen bein Schnurrbart Figelt . . ." 

Per Pieter ftrich ftch ben Schnurrbart unb bachte im 
IPeiterfdfreiten: warum fagt UTabeleine niemals fo etwas 
(Einfaches, Haioes? Jminer ijt fte fompli3iert, intellePtueü, 
nie ijt fte ZPeib ... 

Zluf bem ^eimweg, ben er jogernb antrat, bachte er fort« 
währenb grollenb au IHabeleine. Schlecht gelaunt, wie er 
nun einmal war, legte er ihr eine IHenge häßlicher (Eigen* 
fchaften bei, bie fie gar nicht hätte, unb ©erfchwieg ftch gc* 
flijfentlich bie Por3Üge, bie ihr eigen waren. (Es bereitete 
ihm ein graufames Pergnügen, ftch über bie Kleinheit, Per* 
bogeuheit unb Perlogenheit ihres (Ehärafters flar 311 werben, 
im (Seift gleichfam fetter auf fie 3U fdjütten. €r 3aitfte mit 
ihr, er befhimpfte, ©erleuntbete fte. plöglich fiel ihm ein, 
baß es hoch feine (geliebte fei, bie er folcherart ©or fid? 
felbft herabfegte, „(geliebtel" lachte es in ihm; „(gehaßte!" 
wäre beffer. 

Penn er h a ßte fte, heute h a ßte er fte. Über hätte er 
nicht noch alle feine (geliebten nach einiger geit gehaßt? IPenn 
er aufrichtig genug war, mußte er biefe «frage bejahen. Huit 


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Seite 1^66. 


Hummer 5\. 


erfdjraf er ©or ben Ubgrüuben ber eigenen Seele unb ging 
traurig weiter. 

Sei ber Stabtbahnßation, als er eben eintreten wollte, 
Farambolierte er mit einem fdjlanfen, jungen IHäbctjen, bas 

in <£tle auf bie 





^ 7 A 

IPiisrt 

•Ir' ■ 




Straße trat. 

„Parbonl* 
fagte ex, ben 
£}ut berührenb. 
„ »r?i«b idj 3t?nen 
-••• j .Ci wcljgettjan?“ 
„© nein,“ 
lädjelte fte, ,id) 
bin nodj gan}!* 
Die prompte 
Antwort gefiel 
ihm. and? tt^r fdjelmifdjes 
Sachen gefiel ihm, bas ihr 
fd/öiies mtb gutes (Seftd?td?en 
glcidjfam öffnete. Da fte 
weiter wollte, trat er an 
ihre Seite. 

„IDarutn Ijaben Sie’s 
beuit aud} gar fo eilig, 
fdjönes (fräulein?* 

„IDeil’s fdjon fpät iß!" 
fagte fte bebenflidj, ihren Stritt ©e^ägernb. „3$ befomm’s 
©on ber HTutter. fjaben Sie ©iefleieht eine Uhr?" fefcte 
fte l^in3n. 

€r batte eine. €r fagte ihr, wie fpät es fei, unb fte ge¬ 
gattete ihm, fte ein Stücf 3U begleiten. 

„IDenn es 3b nen Vergnügen mad}t" — fagte fie. 

Unterwegs erFunbigte er ßdj nad? ihren Derhältnißen. 
Diefe waren einfad} genug. Sie ftammte aus einer Fleinen 
Beamtenfamilie, lebte bei itjrer ©erwitweten Htutter in 
^ie^ing unb war probiermamfell in einem HTobemaga3in 
ber Stabt. ITTanchmal beFam fte ron ihrem <£h*f ober non 
einer Kollegin eine Karte für bie 0per, wie bies auch b™** 
ber Jall gewefen war. Das war bann ihr einiges Vergnügen. 

Der Dieter fd^rieb geh ihre Ubreße auf unb ©erfpradj, 
ibr gelegentlich einen Sifc für bie 0per 3U fenben. 

,3ch bin ein bißchen mit ber 3 n * ett ^ an 3 beFannt," 
profcte er. 

„(Sehn SM" fagte fte mit einer freuen Hochachtung, bie 
ihn amüfterte. 

Seim Häusth° r gellte er gdf ®or, 3»©ar 9 e 3*n feine 
(ßewobnbeit unter feinem wirFlichen Hamen. »ph*i*PP 
Heimannl" fagte er. Der Harne war ibr ©öllig unbefanttt, 
machte nicht ben geringßen €inbrucf auf fte. Uber als ber 
Hausbeforger Igntar niebrigen runben Hättsthor hörbar 


würbe, reifte fte bem Dichter in €tle eine ron ben roten 
HelFen, bie fte lofe in ber ffanb trug. 

„für bie Segleitung!" fagte fte fchelmifdj. 

<£r wollte ibr bie fjanb Fügen, fte ent3og fte ibm ladjenb 
unb fdjlüpfte ins (Ebor. Der Dieter flaute ibr nad}. 

Jrieba b* e 6 f te * 2faf bem Hachhäufeweg, ben er nun 
wirFlid} unb in beßerer £aune antrat, wieberbolte er gef} 
mehrmals biefen einfachen Hamen. Unb er fteüte ihn im 
(Seiß neben UTabeleine. (frieba unb UTabeleine, bas waren 
jwei IDelten. 3 e & c hätte bas, was ber anbern fehlte. 
Uber ba er UTabeleine befag, entfdjieb er ftd? für (frieba. 

Um nädjßen UTorgen erhielt er ein Siüet ron UTabe¬ 
leine, in bem ge ihn bat, am Ubenb nid}t 3U Fommeit, ba 
eine befreunbete pianißin ftd} bei ihr aitgefagt hätte, beren 
Sosbeit ge fürchte. Sie erinnerte ihn noch an ben Homan 
unb bat ihn, ihr bas Sud? burdj einen Diener 3U fenben. 


Diefe wenigen geilen waren in einer forgfältig gewählten, 
Iitterarifchen (form gefcfjrieben, tabellos gilifiert, ebenfo wie 
bie anbern Sillette unb Sriefe, bie in feinem Schreibtifdj 
aufgeftapelt lagen unb einen feinen, rornehmen Duft aus« 
ßromten. <£r nahm mehrere btefer* Sriefe ©or unb las ge 
ßüdjtig burd}. Sie glichen einanber wie bie Blätter eines 
Saumes, alle aFabemifch in (form unb 3nhält, alle poc ' 
nebm, gebämpft unb Fühl. Hiemals, auch nicht an ben be« 
wegtegeit Steilen, hatte ge einen Seiftrich ©ergegen, niemals 
gegen bie 0rtbograpbie gefehlt. lächelnb legte er 

bie Sriefe beifeite, flieg bie £abe 3U. 

Dann ging er nad} ber Stabt unb beforgte 3wei (ßalerie- 
Farten für bie 0per, beren eine er (frieba ins (Sefdjäft 
fcfjtcfte. 

* * 

♦ 

€r war fdjon lange nid}t auf ber (Salerie gewefen, unb 
als er ein bigeben fchwerfällig bie kreppen bmanftieg, hatte 
er im Steigen bas (Sefübb als würbe er wieber jung. H* er 
batte er als (Symnaßaft geganben, als Stubent gefeßen, lger 
batte er als junger UTann gebaug, hatte €(e©innen unb 
UTobiftinnen angefprochen, SeFanntfcbaften gemacht unb un* 
3dblige (EinbrücFe gefammelt, bie er fpäter ©erwertete. Dann 
war er langfam, tm UTag, wie er berühmt würbe, htaab* 
geglitten, unb mit UTabeleine Hatte er nur nodj im parFett 
gefeffen. Uber nun, mit Jrieba, ging er wieber auf bie 
(Salerie; bas war luftig. 

Sie hatte ihren plafc bereits inne, als er Farn, unb 
begrüßte ihn ©erlegen. IPährenb bie 0u©erture fpielte, 
betrachtete er feine Had}barin. Sie war ärmlich geFleibet, 
trug eine weige Satigblufe, ber man es attfab' bag ge be* 
reits oft gewafdjen war. Sie hätte Feiiterlei Schmucf angelegt, 
aud} ttid}t einen einigen Hing an ben Fleinen, fegen Hau¬ 
ben, bie fte ber nicht mehr gatt3 einwanbfreien braunen 
Hanbfchuhe eittPleibet hätte. Uber bie bürftige (Toilette war 
nicht imftanbe, ben £iebrei3 ihrer halben (Seftalt 3U unter- 
brüefen, unb unter bem Funglos aufgeßeeften, lowenfarbenen 
Haar bli^te ein paar hcHlify? Kugen wie 3wei in perl« 
mutter gefagte (Ebelgeine. 

Uud} war er weit ba©on entfernt, geh ihres geringen 
Un3uges 3U fchämen. 3 m (Gegenteil, es machte ihm gemißer« 
magen Spag, bag er, ber berühmte Dichter, ba im feßlidf 
erleuchteten (Eh ea terfaal neben einem flüchten UTäbel aus 
bem DolF fag, 
unb als geh 
bie (Släfer aus 
einer £oge im 
erften Hang bie 
SeFannte inne« 
batten, neugie« 
rig auf ihn 
unb feine Had?« 
barin h e fteten, 
entpfanb er jene 
gemiße bäb^t' 
fd}e (Senugtbu« 
ung, bie jeber 
Künftler ein« 
pgnbet, wenn 
es ihm gelungen 
ift, ben Philifter 3U ärgern. 

UTan gab „(fauft", biefe ©erliebtefte aller 0pern, unb 
bei ben rühreitben Seenen weinte (frieba. Der Dieter faH 
es unb betrachtete gerührt, wie in ber IDahnßnnsfceue gei^ 
3wei biefe Cbränen langfam ©on ihren langen IDimpern 
loften unb, h ur Kg an ben runben IDangen h*rablaufenb, eine 
feine, roftge Spur auf ber H a ut jnrücfliegen. UTabeleine 



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stummer 5 {. 


Seite ^ 67 , 


hatte er nie im (Theater meinen feigen, fie mar $u raffi¬ 
niert unb ju molfle^ogen ba3u. 

Dier TDodfen nadf jenem erßen (Theaterabenb gab fie 
ihm mtberßrebenb ben erften Kuß. Unbere folgten, fdfließlidf 
präubte ße pdf nicht mehr* gleich mie ein Stiper, ber es 
mühe iß. gegen ben Strom 3U fämpfen, bie Huber einjielft 
unb pdf treiben lägt. Denn fdjon liebte pe ben bleichen 
Dieter mit ber ^o^en Stirn, ben leibenben Uugen unb bem 
ßol3en Htunb. 

Der Bruch mit HTabeleine ging offne große Sdfrecfen, 
ja offne bauernbe (Entfrembung vor pdf. Die Siebe mar 
eben reif 3um Brechen gemefen — auf beiben Seiten; ein 
ffufarenleutnant mar fein Hadjfolger. 

HTabeleine nahm bie Untreue bes berühmten HTannes 3ur 
Kenntnis, backte barüber nadf, bemühte pdf eine geitlang 
vergebens, in IDunben 3U fdfmelgen, bie gar nicht Vorlauben 
maren, nnb machte fdfließlidf aus ihren 
gemixten (Sefüfflen eine ttovelle, bie 
Heimann liebensmürbig genug mar 3U 
Forrigieren nnb feinem Derleger 3U 
empfehlen. 

HTabeleine unb er blieben freunbe. 

ZTur menn er ihr von feinem jungen 
(SlücF e^äfflte, Farn ein bofer gug in 
ifjr feines (ßeßdjt, als müßte pe alles 
voraus. Hitein er ließ pdf bas nicht 
anfedjten. 

Had? adft IDodjen, als frieba einmal 
verffinbert mar, 3um Henbe3Vous 3U 
Fommen, fdjrieb Pe ihm ben erften Brief. 

Sdjon fdfrieb Pe feinen eigenen Stil, ben 
Stil nämlidf, beflen er pdf im (Sefprädf 
bebiente, menn er pdf ein menig geben 
ließ, aber pe fdfrieb iffn voll ortifogra* 
ptftfdfer fehler. Heimann lädfelte glücf- 
lieb nnb nadjßdftig unb Füßte bas un- 
gefebiefte Fleine Briefdfen, in bem eine 
treue unb einfältige Seele laut mürbe, bie nur biefes einzige 
giel Fannte: ilfn, ben (Beliebten, an3ubeten. Die ortifogra- 
pf|ifdfen (fehler ftorten 3mar, aber abenbs, menn er pe in 
feinen Urmen l^ielt unb Füßte, maren pe mieber vergeben. 

(Segen ben fferbß 3U mar frieba ge3mnngen, vie^efjn 
(Tage mit ihrer HTutter fern von IDien 3U verbringen. Hun 
fdfrieb pe ihm täglidf, adft Seiten lange Briefe, manchmal 
fo buntes unb tfföridftes geng, baß er HTüffe t^atte, ftd^ h* 
bem (SeFrißel 3uredft3upnben. Die Briefe ßroßten tfdn 
fefflern. 

Sie fdjrieb itjre eigene Orthographie, bie mit ber in ben 
Sdjulen gelehrten oft nidft ben geringßen gufammentfang be¬ 
faß. Dennodf h^vrfc^te eine gemijfe (Sefeßmäßigfeit, bie bem 
aufmerFfamen Beobadfter nidft entgehen Fonnte. HTit einer 
fdfonen Konfequen3 vermedffelte pe 3. B. ben UrtiFel „bas" 
mit ber KonjunFtion „baß". Sie fdfrieb „baß Kleib" aber 
„idf u>t0, bas bu mir täglich fdjreibft*. (Ein Dehnungs3eidfen 
feßte pe nur bort, mo es nidft l^tnge^orte, unb mit ben 
Doppelfonfonanten lebte pe auf fehr gefpanntem fuß. (Eine 
geitlang amüßerte ihn bas alles. 

Hber fomie er pdf anfdficFte, einen biefer Briefe 3U be- 
antmorten, verbroß es ihn, baß pe fo viel fehler madfte. (Er 
nahm pdf vor, ihr bavon 3U fagen unb ihren Sinn für 
Orthographie heran3ubilben. 

Uls pe vom £anb 3urücFFefftte, legte er ihr alle bie roten 
unb blauen Briefchen unb Kärtchen im Forrigierten gußattb 
vor. Sie nahm bie Sadfe leidft, lachte nnb pel ihm um ben 
fyils. (Er lachte gleichfalls unb begann ihr bie ei^elnen 
fehler 3U erFlären. Sie faß babei auf feinen Knien, bie 


£}anb auf feiner Sdfulter, unb fagte nur immer: „natürlich, 
bas ip falfdf, natürlich, bas mirb fo gefdfrieben . . ." als 
müßte pe all bas fo gut mie er . . . Unb 3tvifdfenburch 
füßte pe ihn, bis er jdfließlidf 3U erFlären aufhorte. 

Hdft (Tage fpäter fdfrieb ße ihm mieber unb machte genau 
biefelben fehler. 

(Er Forrigierte immer unb immer mieber, unermüblidf, feß 
entfdfloflen, ihr bie Orthographie um jeben preis be^ubringen. 
HTandfmal mürbe er ungebulbig, feßte eine ßrenge teffrer- 
miene auf unb 3anFte ße tüchtig aus. Das amüßerte ße nur. 
Über menn er ironifdf mürbe, fo ver3og pe bas (Seßdft mie 
ein Kinb unb begann bitterlich 3U meinen. Ortffograplfißh 
fdfreiben lernte pe barum hoch nicht. 

Ullmäfflidf irritierte ihn bas, befonbers als er einfah* 
baß alle feine HTüffe vergeblich fei. Daß pe fo ungebilbet 
mar, nahm er als etmas Gegebenes hm, aber baß pe nidft 
bilbungsfähig mar, bas verübelte 
er ihr. 

Hudf blieb es nidft bei ber 
Orthographie; mit ber geit e.nt- 
becFte fein Fritifdf gemorbener Blicf, 
baß ihr auch auf anbern (Bebieten 
jene feine (E^ielfung mangele, bie 
nur bas Ergebnis einer fyßema- 
tifdfen, jahrelangen (Beißesbilbung 
fein Faun. Dies 3eigte pdf vor 
allem in fragen bes (BefdftnacFs. 
Daß pe, bie nidft ortffograpffifdj 
fdfreiben fonnte, auch Fein litterarifdfes Urteil befaß, hätte 
er verhältnismäßig leicht ertragen, um fo mehr, als er ja 
auch & er f° gebilbeten HTabeleine Feins 3ugeftanb. Jmmerfftn 
fdfmer3te es ihn auf bie Dauer, menn pe Keller h*rabfeßte 
unb für bie (Efdfßrutb fchmärmte. Unb als pe fdfließlidf ben 
„(Brünen ffeinridf" ihm 3uliebe las unb pdftlich ge3mungen 
lobte, mar ihm bas natürlich audf nidft recht. 

Sdflimmer aber machte pdf ber gä^lidfe HTangel an 
Spradffenntniffen fühlbar. (Er liebte es, im (Befprädj fp c 
unb ba eine fran3Ößfdje Phrafe, ein englifches Spridfmort 311 
gebrauchen. Das mußte er ihr bann immer erß meitläupg 
überfeßen, mas ihn nervös machte. 

Hudf in ber Sprache verriet ßdf bie mangelnbe Bilbung. 
Sie fpradf einen leichten DialeFt — bas märe nodf hingegangen. 
Über ße vernadfläfßgte (Enbungen, vermedffelte ben Dativ 
mit bem Hffufativ, bilbete falfdfe Jmperfefta, unb jebe ge- 
mätfltere IDenbung mar ihr völlig fremb. Diefe IHängel 
empfanb er um fo peinlicher, als er felbft ein Stilift erpen 
Hanges mar unb einen großen (Teil feiner (Erfolge feiner 
rafpnierten IDortfunß verbanFte. 

Schließlich Farn er bahinter, baß ße pdf auch unortffogra- 
phifd? benahm, unorthographifdf Fleibete, unorthographifdf 
ging, ftanb unb ladfte. Ueberall fah er fehler. Wie pe ein 
5 beim Schreiben vergaß, fo gefdjaff es auch, baß pe eine 
Sdfließe an ihrer Blufe offen ließ, baß irgenbmo ein Knopf 
fehlte, baß pe vertretene Schuhe trug, eine gefdfmacflofe 
Blume am Tjut, ein fdfreienbes Banb um ben Tfals, eine 
unmögliche Kramatte unter bem Kinn. Unb all biefe taufenb 
Hidftigfeiten tn ber (Toilette, bie man nur bemerFt, menn 
pe nidft vortfanben ßnb, thaten feinen vermöhnten Hugen 
meh» beleibigten feinen Sdfönheitsßnn unb Fonnten ihn in 
einer JDeife verßimmen, baß er barüber immer mehr friebas 
rei3enbe unb edfte €igenfchaften vergaß, ihre (Treue, Hatür- 
lidffeit unb (Einfachheit, (Eigenfchaften, bie ihn vom erpen 
Uugenblicf an be3aubert hatten unb immer bie gleidfen blieben. 

Unb fdfon Farn es manchmal fo meit, baß er ßdf ihrer 
fdfämte. 

Die Orthographie marf einen fdfmeren Schatten über bas 



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Seite H68. 


Hummer 5{. 


fc^oite unb innige Verhältnis, unb ber Dieter fah bas Tube graphte nadj, bie Schrift, ber Stil oerbefferte ftd?, fte 

mit Bangen coraus. Tr t|atte nod? iebe feiner (Beliebten machte weniger fehler. Salb lernte fte, ftd? über ein 

nad? einer gemiffen geit aus irgenb einem (Srunbe 3U Raffen Sud?, bas fte gelefen, Hedjenfdjaft geben, mußte über ein 

begonnen, follte bas aud? friebas Sdjicffal fein? Tr wollte Silb, ein Stöcf 311 fpredjen, befam ein eigenes Urteil, bas 

nidjt, er wollte fie ftd? erhalten um jebeit preis. Da galt fte oftmals fogar ber entgegengefeßten Unfidjt bes (Beliebten 

es, um fein (Slücf 3U ringen. gegenüber 31t feiner ^freube aufred?terhielt. IHit einem IVort, 

Tr begann bas Unorttjograptjifdje ihres IVefens auf jebem fte würbe eine perfon. 

(Bebiet ce^weifelt 3U befämpfen. tVie er 3uerft ihre Briete Kud? äußerlich oeränberte fte fidj. Qfjne gemachten 311 
forrigiert I^atte, fo befferte er halb an ihrem gan3en IVefett fein, fd?ien fte bod? großer geworben, fdjoner, freier — unb in 

Return, ftridj alles, was ihm mißfiel, fofort unb ettergifd? rot ihre güge war ein Kusbrucf con (Beiftigfeit gefommen, ber 

an. Salb war it?r gufammenfeiit ein ewiges Sdjulefjalten, früher gefehlt Ijatte. Beimann, ber bie Uic^tergäbe befaß, 

ein ewiges Horgeln, Sticheln unb Quälen feinerfeits. manchmal im (Begenwärtigen bas Vergangene nicht 3U oergeffen, be* 

würbe ihr bas 3U bumm, unb fie madjte ihm eine Scenc. trachtete fte oft mit frettbigem Staunen. tVo war es, bas 

manchmal weinte fte bitterlich unb fah ihn ftumm unb cor* Vorftabtmäbel, bas er cor brei 3<*hren bei ber Stabtbahnjiatiou 

wurfsooll an, mit einem Blicf, ber itjm ins £}er3 fd?nitt attgefprodjen unb nad? bjaufe begleitet Ijatte? Das Jrduleiii 

Dann fluchte er feinem unglücPlid?en Temperament, fniete cor bort am Klarier war eine pollenbete Dame. Das fräuleiit 

il?r Ijtn, hißte ihre Ejänbe, bdt fte um Verseilung unb cer* bort war ein feines, be3aubernbes (Befdjäpf, eine l?olbe 

fprad? it?r, jtd? 3U beffern. Sowie fte gut war, ftttg es wieber Jrauenblüte, bie Batnr unb Kultur wunberbar cereinte, bie 

an, ärger als corfyer. Uber fte würbe immer wieber gut. jebermann auf ben erften Slicf gefangen nahm, ber jeber* 

tVenn fte aud? mand?nrill in gorn geriet, fo ertrug fte bod? mann eine gläit3enbe gufunft propt^eite. 

alles in allem feine lauiten unb Quälereien mit einer wahren 2Ver aber batte fte 3U betn gemacht, was fte ^car? Tr! 
Tngelsgebulb, orbnete ftd? wiberfprud?slos feinen Befehlen Tr i^atte fte gefdjaffen. Dtefes Bemußtfein oetlieh feiner 

unb feigem <Sefd?macf unter unb arbeitete mit h e i6*m Be* liebe ben legten geiftigen Beij. Denn nun liebte er itt 

mühen att ihrer Verfeinerung — freilich ohne Trfolg. Denn Jrieba nicht nur bie (Beliebte, fonbern fein eigenes XVerf, 

ebeufomenig wie er ftd? änbern fonnte, permochte fte es. Über bas probuft feiner geiftigen Kraft unb perfottlid?feit, bas 

biefe Trfenntnis machte ihn nur nod? 3orntger. eine gar liebliche (Seftalt angenommen h a tte unb lädjelnb 

Unter anbertn paßte ihm auch ihre Stelle als probier* unb cielbewunbert in ber IVelt herumging. 
mamfell auf bie Dauer ntd?t. <Slücflid?erweife befaß ^frieba Darum liebte er fie mehr als jebe ihrer Vorgängerinnen, 
eine fehr fd?öite Stimme, unb eine renommierte (Befangs* liebte fte abgöttifdj, mit ber gan3en eiferfüdjtigen gürtlidjfeit 

lehrerin mad?te ftd? anheifdjtg, bas fd?ötte unb energifd?e unb Kraft, beren fein großes unb närrifdjes Did?terher3 

Uläbchen für bie Bühne aus3ubilben. Jrieba war, wenn fähig war. 

aitd? wiberßrebenb, eincerftanbett. Sowie fte aber einmal Unb barutn traf es ihn wie ein ^fauftfdjlag mitten ins 
in ber neuen Karriere brinnen war, befam fte luft unb (Seftcht, als jftieba, bie auf ein paar IVodjen oerretji gewefeit, 

machte rafdje Jortfdjritte im (Sefang. Kußerbem h^* *hf thnt eines Tags mitteilte, baß fte ihn nicht mehr liebe, ftd? 

Beimann einen letjrer, ber Supplent an einem (Symnaftnm etttfchlojfen h^be, ber Sühuenfarriere 3U etttfagen unb ben 

war unb bie Tlecin in (Brammatif unb (Orthographie fowie lehrer 3U heiraten, ber fte tm Deutfd?en unb (fransäfifdjen 

in ben Knfangsgrünben bes Jran3öftfchen unterrichtete. unterrichtet unb 3U bem gemadjt höbe, was fte geworben 

Hun begann fte ftd? allmählich 3U . fei. . . Sie bat ihren Dichter, ftd? 3U 

ceränbertt. 3m Knfang ging es lang* x troften, unb fchloß mit ben U^orteit: 

fam, faum merfltd?, bann aber, fowie „Ca c’est la vie . . .“ 

fte ftd?erer würbe, immer fd?neller. - Ts war ein cier Seiten langer, 

guerft lernte fte ftd? mit (Bcfchmarf eng gefchriebener, tabellos ftilißerter 

fleiben, bantt fpred?en, ftd? benehmen, Brief. Unb nid?t ein ein3tger 

unb fchließlid? gab auch bie (Drtho* - orthographifcher fehler war barin ... 



einziger CUunfch. 

Don Rugo $alu$. 

Gott, mag mir der Rimmel nur immer vergönnen, Ein hold vergebliches Ziel zu wiffen! 
nach wem mich zu lehnen, wen lieben zu können, Dann will ich gern Jlill fein und ohne Klagen 
Die Eider recht innerlich einzudrücken, Entjagen und Jelig die tage tragen, 

Um hell meiner Sehnjucht ßefäfr zu erblicken, Dann will ich das feltfame Eeben verjtebn 

Und mag mir gönnen, den Seufzern und Hüffen Und lächelnd dem übend entgegengehn . . . 



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Hummer 5 ^^ 


©Uder aus aller 


Welt. 


Seite H69. 



Pon b e r tjrinifetjr b e s Uebungsgefd?n?abcrs aus ber 11 orbfee: 

Oats fUggfdriff Kaifcr friedricb III. mit dem Prinzen Heinrich an Bord palTiert den Raiter QJilhelmkanaL 

IHomentau nähme non Karl 5pecf, Kiel. 


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Seite H70. 


Hummer 3J. 



Von der Oberlaufitzer Bewerbe- und XnduftrieausrteUung in Zittau: Die ftaupthalle. 

Ptyotograpfyfdie 2Iufnat}me. 



Das preishüten des Vereins für deutfcbe Schäferhunde in Hugsburg. 

Pbot. Spalfe Sc Kluge, Kugsburg. 



Blick auf die Xnduftrie- und BewerbeaustteUung in Olmütz. 

fjofpbot. Karl pictjner. 


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Kummer 3j 


Seife 



Tom X. Deutrehen Bundeshegelf eft in Hltona: Der vicrfpSnnige (Hagen mit dem Bundesbanner. 

pbot. OT. h'rufe, 2IItoiun©ttrnfrn. 


Der Sinzug des HrtiUerieregiments fio. 66 in Lahr. 

pbot. 21. perfon, Cabr. 


Der neue Brunnen in Rendsburg von prof. v. liech tri tz. 

£Sofpbot. 3obn tliiele, Hamburg. 





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Seite 1^72, 


Hummer 3 \ 



Das Oldenburgtfcbe Bundeslmegerfert in Bant. 

2t u f b c r (Tribüne r c d? t s ©rofcberjog unb (Srofcberjogin v o n ©Ibenburg. 

pbot. f^ans (temlrr. 


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Sffanmter 3\ 


Seite J^ 73 , 



Von linfs nudj redjts. jri(j Springer (Nürnberg), ©corg Kod? (Bremen). Htdjurb ©lafer (Bremen). Bcrtbolb HicmeYcr (£ff cn )< ©corg l)ul?n (Stuttgart), 
5 r<in 3 Kotoey (Bremen), ^einridj ©öbefen (Bremen), lünlter Sdjmibt (Hamburg). 

21 us Hofario in Argentinien: SteIIbid?ein beutfd?er Knufleute «uni Scfcititjelrennru mit 5ud?sjagcn. 



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Att» Kaumi in Hiautjdjau: Berichtigung ber fertigen Unter lunftsräume für bie (Truppen bureb 2\pt. 3 . S. (Truppe!. 



prüfibent porftrio Uid 3 . 2 . Hriegsminifter Heyes. 3. Crgationsfefretär i?on ^Idrfljer. 
Aus IHcjifo: Bie erjien ©ff i 3 i ersrennen. 

Bilder aus dem Leben der Deutreben im Husland« 


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Seite 


Ztummer 3 \. 



Cina Doningcr, OT. Sd?iff«?r (Köln). 2. Becfer (Bremen). 3 . £. 5 nntmen (Kad?en). 4. V). jocfrlnuttm prof. tjeinr. fjofmann f 

(Dpernfoubretie (Hamburg). 5 . 3 - ^d?ul3 e (Königsberg i. pr.). 6 . $. ßoljberg (€ffen). 7 . Hotlj befannter Kontponift, Senafsmtrglieb 

ont (Efjeater bes EDeflens in Berlin. (Barmen). 8. H. Schreiber (Ceipjig). ber KdnigL Kfabemie ber KäuQe. 

Tom ä. Kongress der Deutrehen Vogelhändler in Hamburg: Der Vorftand. 

pijot. f)ans EDettem, Hamburg. 


p. 6arnifd?, Borfitjcnber. 

Der ©cfangvercin der ©ebr. Btollwerch in Köln, der in Hondon ein aiohlthätigkeitshonzert für die deutrehe Kolonie veranftaltete. 

Schluss des redaktionellen Ceils. 



T^l\ 




pjm 



Odolici. 

Denkt verwandelt euch „Odol“ 

In ein menschliches Idol, 

So dass draus getreu zu lesen 
Seine Wirkung und sein Wesen, 
Würd’ es sein wie dieses Bild, 
Hold mit Lippen rot und rund, 
Weissen Zähnen, frischem Mund, 
Jugendschön und rein und mild: 
Odolia! 


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DiewocHe. 


nummer 32. 


Berlin, den 9. flugult 1902. 


4. Jahrgang. 


Inhalt der nummer 32. 


Pie fiebert (tage ber tDocf?e.1475 

Umfdvra.(475 

Pas Canb ber unbegrenzten mögltdjfeiten. Don Cubtoig ITlar (ßolbberger, 

Berlin. IV. .. 1476 

Per f'afnt von Hepa!. 1479 

Pas llmpetter in ber Ht^empropim Pont 26. 3uli 1902. Pon Pr. pofis . 1480 

Unfere Silber.. . . ... 1480 

Pie (toten ber lPodf?e.1482 

Bilber pom (tage, (pbotographifcbe Jlufnatjmen).1483 

€s n?ar ein alter König . . . Pon Hubolpt} Straft, (^ortfeftung) . . . (49 t 

©was pom ITlonbfdjein. Pon 21. ITl. JPitte. 1.496 

Sonberbare HrcbtsföUe. piauberet pon Pr. jur. H. IPeiMid?, Stuttgart 1497 
ITlünd>ner KeUrrlrben. Pon Pirtor CDttrrterm. (IHit 6 2lbbiibuugen) . . 1499 
Kus bem „(Solbcntn IPefifn''. Pon Pr. Kar! IPifganb. (JTI.t 5 2«bbilb.) 1502 

ltnfer Sd>utjn?erf. Pon ßans 3örgen. (lTI**t 9 Hbbilbungrn).1505 

Pas leftte Hopeüette pon 21 . pon XKntfotußroent.1507 

Pie ßetntat ber pefi. Pon Kurt (töpprn. (IHit 3 2lbbilbungen) . . . 1509 
Pie Kunft 311 effen. Pon ,frift ßaüberg. (ITlit 7 2lbbilbungen) . . . . 15(2 
Sdpiftfärbungen bei 3nfcften. Pon Pr. © Babe. (ITlit 2 2 lbbilbungen) 15(4 

Per Caboclo. Brafilianifd>e Heifeffisse pon Karl (tanera.(515 

^erienbriefe eines flehten jungen. Wortgetreu nad> ben Originalen . . (5(7 

IPas bie 21er$te fagen..".15(8 

lieber Crrffenipem. Pon 3- ©ojan.15(9 

©n (träum. <Bebicf?t pon (Puflap ,^a!fe.(519 

Bilber aus aller IPelt. (ptjotograptjifdje 2lufnabmen).1520 

Jtß 

Mäh abonniert auf die „Woche“* 


in B er Tin unb Pororten bei ber ^auptefpebition ^intmerfhafie 37/4t, fonve bei ben 
5 'halen bes „Berliner CofaMl^etgers" unb in fftmtl. Budjbanblunaen, hn 
P e u t f db e ii H t i d? bei allen Budjbanbfungen ober poftanftalten (3ehungs»preislifle 
Br. 822(); unb ben ©efdjöftsfteUen ber „IDodje*: Botin A.Rh., Kölnfir. 29; 
Bremen, ©bemftr. 29; Breslau, Sdjmeibnifterftr. ©fe Karljlr. (; CalTcl, 
Obere Köniaftr. 27; Chemnitz, Innere 3obannisftr. 6; Dresden, Seeftr. (; 
DÜTTcldorf, 5d}abotp$r. 59; Biberfeld, ^erjogfirn&e 38; 6 (Ten a. Rh., 
Cimbederplaft 8 ; frankfurt a. ff»» *3; Berlitz, Cuifenftr. (6; Balle 
a. 8 ., mittelflr. 9 . ©ft £d;ulftr.; Bamburg, Heuerxpall 60; Bannorer, 
©eorgflrafte 39; Karlsruhe, Kaiferfir. 34; Kattewitz, poftfhr. 12 ; Kiel, 
fjolflmfirafie 6; Köln a. Rh., ^obefhrafte (45; Königsberg U pr., 
Kneipbdffdi? Cangaaffe 55; Leipzig, petersftrafee ( 9 ; (Magdeburg, 
Breitetpeg (84; hiÜnchen, Kaufingerftrafte 25 (Ponifreibeit); J4öraberg, 
Corrmtrtfraftf 30; Stettin, Breiteitrafte 46 ; Stuttgart, Königfirafte U; 
ÜQieseaden, Kirdjgaffe 26; ZUridt, Henntpeg 48. 

3eder unbefugte Buchdruck aus dicrer Zeitschrift 
wird Strafrechtlich verfolgt. 



Die sieben tage der Woche. 

31. 3ulf. 

Der Kaifer trifft pou Embett in Kiel ein. 

Der italienifd?e Botfdjafter am berliner fjof, (Sraf Caitja, 
trifft in Korn ein, um mit bem ITtinifier bes Keupern 
Piinetti über bie Berliner Keife bes Königs DiPtor Emauuel 
3« fouferieren. 

Das Hamburger Seeamt fäHt bie €ntfdjeibung, bag an 
bem Schiffs nnglücf bei Zlienfiebten ber Jü^rer bes Dampfers 
„primus" bie fjauptfehulb trägt. Kber au df bas Verhalten 
bes fütjrers ber „fyinfa" mirb getabelt. 

1. flugult. 

Der Kaifer trifft mittags 311m Befucfj bes ßrogherjogs 
von Klerflenburg in Schmerin ein unb Fefjrt abeitbs nad? 
Kiel 3urücf, ipo er an Borb ber »^ohenjollern*' mit ber 
Katferin 3ufainmentrifft. 

2lus bem rufftfd?en (Souperneireitt Saratoro fommen ITCel* 
hungert von bebenflicbeit Bauernunruhen, bie burrf? Itttlitär 
unterbrüeft merben. 

2. flugult. 

Die bayrifefte Kammer ber Keichsräte fetjt bie pon ber 
ITTefjrtieit bes Kbgcorbneteuhaufes geftrid^euen forberungen 
in ben (Etat bes Kultusmiuifteriums mieser ein. 


Präfibent Steijn trifft fc^merfrau! in Soutliampton ein. 

3n paris laufen <$erüd?te über ein Kttentat auf ben 
präftbeuten £oubet um, bie fidf jeboc^ als unbegrünbet 
herausfteüen. 

3n (Salijien ftnben gufammenftÖBe 3roifit?en jtreiPenben 
(felbarbeiterti unb bem IHilitär ftatt. 

3. flugult. 

piSfibeut Steijit trifft tu ffoUaub ein nnb begiebt fi<^ 
nad? Bab Sdjeoetüngeu. 

Der König pon Buinäitien trifft in 3 fd?I ein, mo er pon 
Kaifer fratt3 Jofef fyerjlidj begrüßt rnirb. 

4. fluguit. 

Der Kaifer tritt pon Kiel aus in Begleitung bes 
KeidjsFan3lers (Srafen Bülotu an Borb ber w f]o^en3oUern M 
bie Keife na(^ Kepal an. 

3n HTüucben tritt bie 4 t. 3 a ^? res,:>er f amm ^ un 9 beutfi^eu 
§ahnär3te 3ufammen. 

5. fluguit. 

gar HiPoIaus trijft an Borb bes w Stanbarb* auf ber 
Klebe rou Kepal ein. 

3 n ber Kommunalpertpaltung ber ungarif^en Stabt 
(El^ereftopel merbeit llnterfd^laguugen im Betrage pon mehreren 
Klillioneit Kronen entbeeft, bie feit einer Keitje pon 3 at l rcn 
pon Kommunalbeamten begangen mürben. 

6. fluguit. 

Kus Hlündjen mirb gentelbet, bag ffer^og Siegfrieb in 
Bayern unb (£r3her3ogin HTaria Kttmtuciata ihr DerlÖbnis 
in beiberfeitigem (Eiuperftänbuis ge 1 oft haben. 

Kaifer IDilhelm langt an Borb ber ,^ohcii3oUern < ' in 
Kepal au. 

Kits Raiti mirb gemelbet, bag Jirrnin eine porläufige 
Kegierung gebildet hat. 

Umlchau. 

Kaifer IDilhelm ijt iit Kepal mit bem garen Hifolaus 
3ii(ammeugetroffett, er hat ben Befud? ermiöert, ben ihm biefer 
im porigen 3 a h r »» Daitjig abftattete. XDie bamals befanben 
ftd? in ber Begleitung ber IHouarcheu ber rufftfdje KTinifter 
bes Keugern (Sraf Sambsborff unb ber beutfehe Keichsfa^ler 
(Sraf Büloru. (Sleidj ber Kuglanbreife bes Königs Diftor 
(Emaunel hat auch bie uitferes Kaifers eine eminent friebliche 
Bebeutuitg. Eilte halbamtliche Kuitbgebung unserer Kegie* 
ruug (teilt bies noch befoubers feft. Danach haben jich bie 
Bejahungen Deutfchlaubs 311 Kuglanb, bie fchon feit langer 
geit fehr güuftig finb, feit bem lebten Beifammenfeitt ber 
beibeu HTouarchen meiter güuftig fortentmicfelt. 

jß 

Der guftanb König Ebuarbs pou Ettglattb hat {ich mit 
einer SchneüigPeit gebeffert, roie es nach ber fchmeren Er* 
franfuiig bes lllonarcheu niemaub geglaubt hätte. Der König 
tft thatfächlich bereits rnieber imftaube, Kegieruugsgefchäfte 
311 erlebigen. 3 a »uehr, er faun es mirflich rnieber rnagen, 
ftd? ben Knftrettgungeu 311 uuter3iehn, bie pon grogeit Jeft* 
»ichPeiten unjertrenulich ftnb. Die Jeftfetjung ber Krönung 
auf ben heutigen, neunten Kuguft mar nicht nur ein Kauft* 
griff ber Kerjte, um ben h°heu Patienten por unnötigen 
Befürchtungen 3U bemahren, jonbern fie foü in JDahrheit 
heute pou ftatten gehn. 

jdr 

IDäbrenb im allgemeinen {ich bte hauptftäbtifche BepÖI* 
Perung in JrauPreich am bemeglichften unb am meifteit ju 
KusfcbreituHgeii geneigt 3eigt, ruft ber gegeumäriige Kultur* 



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Seite J^76. 


Hummer 32. 



mw.m > n m ii -r^ w -— * , 

Ulme. Sanier KctUe. Ulme. 3acqurs piou. Womtefc Ulbert be ITlun. Hirne. Hlfreb «£ibiel. Hirne. Hen6 HeiUe. 

Di« -führertnnen der klerikalen frauenbewegung in frankreicb. 


fattipf anfd?einenb in ben proot^en nod? fd?ärferen IBiber- 
ftanb tjeroor als in Paris. Bainentlid? in Saooyen haben 
ftd? bei ber Schließung ber Kongregatiousfd?uleit Diele groifd?en* 
fälle ereignet. Das geutruin bec 0 ppofition ift aber aud? 
in biefem fall bie fjauptftabt, wo 3umal bie grauen, bie 
Damen ber <Sefeüfd?aft, ftd? aufs lebhaftere au ber Agitation 
beteiligen. 3 n erfter Heifje ftub es bie beiben Baroninnen 
Heille, Klabame Alfreb (Eibicl, IHabame 3 -^ques piou unb 
Komteß Albert be Atun, bie eine fütjreiibe Holle fpie'rit. 


3n ^oüaub, wo fd?on Präfibent Krüger feinen Aufenthalt 
genommen t?at, iji jeßt aud? ber präßbent bes 0ranjefreiftaats, 
Steijn, eingetroffen. Das Sd?ickfal biefes IHannes iji geeignet, 
nod? größere (Teilnahme 311 erwecken, er hat uid?t nur bie frei* 
heit feines Daterlanbes $u (Sruube gehen fehen, fonbern in 
bem aufreibenben Kampf, in bein er bis 3um lebten Augen* 
blief auf bem poften geblieben ift. feine (Sefunbljeit ein* 
gebüßt. Sied? unb franf ift er in Bab Sd?eoeningen angelangt, 
wo es ihm au Beweifen innigfter Sympathie nicht fehlt. 


t p 


Da$ Land der unbegrenzten möglicbkeiten. 

Beobachtungen über bas IDirtfcfjaftsleben ber Bereinigten Staaten pon 2tmerifa< 

Von Didwig max aoidberger, Berlin. 


IV. 

Die wirtfd?aftlid?en (Seneraljiabskarten im Ameri* 
fanifuj-Deutfdjen IBettbewerb. 

Den natürlichen Heidjtnm bes £anbes jenfeits bes 03cans 
mit feinen „unbegrenzten Ifiöglid?Feiten* habe »<h ftaunenb 
gefefjen; mit Bewuuberuug beu fleiß, ber biefen Heid?tum 
befruchtet unb mehrt; mit h 3 d?fter IBarbiguitg bie Kunft ber 
0 rganifation. bie unter ben Derfd?wenberi|d?ten Aufwenbungen 
für bfaubarbeit erfeßenbe OTafd?incn bie fparfamfte ITTaffeu« 
probuftion 3U jtanbe bringt un) bab.ird? ein immer noch 
erheblichen Bußen aewährenbes Angebot augenblicklich 3U 
preifeu ermöglicht, bie £änber mit weniger oollfommeu 
ausgeftatteten 3 n & l M*nien im internationalen iBettbeweib 
3urürfbräugen. 3 ^? fah 3ngleich ben oft oerwegencu Aufbau 
ron Hiefentrufts, bie mit märchenhaften gifferu — 3itn>eileu 
fingierten, oft aber auch wirPlid?en unb ect^teit — operieren 
unb bie gefamte gewerbliche 3 n telligcti5 bes £anbes gleichfam 
3U einer eir. festlichen Armee machen. Der blenbenbe <Slait3 
aufjerorbentlidjcr <Errungcnfd?aften unb Ausfid?.eit h at aber 
meinem Auge nid?t bie fät?igFeit entzogen, aud? bie fd?wad?eit 
unb unbid?ten Stellen in ber wirtfd?aftlid?eu Hüftung ber 
Bereinigten Staaten wahrgunchmen. <£* konnte mir nicht 
entgehen, n>ie bie oligard?ifd?e unb faft autoFratifd?e gufant* 
tnenfaffung ber iubuftriellen probuPtiou mit bereu Der* 
biUigung 3ugleid? unb 3iimeift auf wefentlid?en (Sewerbs- 
gebieten eine Art (Eintönigkeit fcha,ft, bie 311 ber natürlichen 
unb auf bie Dauer niht 3U uuterbrücfeubeu ilTaunigf altigFeit 
bes <Sefd?inacks unb ber <Sefd?macfsanforbernngen in uuüber* 
brücflid?em (Segenfaß fleht. Denn bie ^ufammeufaffung aller 
Kräfte in ber form ber (Einregimeutteruug erfd?lägt bas 
inbioibuelle Eebett, bas nad? einem unausgefeßten IDettbewerb 
aud? int eigenen £anb verlangt. IBahrcnb bei rielgeglieberter 
unb in ihren (Teilen felbftänbiger ivirtfd^aftlid?er Betätigung 
eine gefunbe Selbftfucht wenigfteits einem (Teil ber gewerb- 
lid?en £eiter frifdje Hegfamfeit erhält ober oerleiht, Faun bie 
gaii3e 3 n ^ l, f tr l e ’ eines £atibes crfchlaffen, tuenn ein unglück¬ 
licher Zufall es fügt, baß bie jeweilig mit ber iutelieFtuellen 


Rührung betrauten wenigen perfonen ausfeheiben. miuberroertig 
finb ober im Bachlaffett ihrer Kräfte minberwertig werben, ober 
burd? eine fehlgehenbe Beurteilung ber Berhältuiffe, bie aud? 
bem Klügften einmal begegnen mag, bie 3 n ^ u f tr i eu felbft auf 
einen falfd?en IBeg iuftrabieren. hieran reiht fid?, baß bei ber 
in beu Bereinigten Staaten allgemein üblid?en unb inbeinrorigen 
Kbfd?uitt befprod?etien Jinaugterung bie gefd?ajfenen IBerte, fo* 
3ufagen, oielfad? nur Papitalifierte promeffen barftellen; 
baburd? n>irb bei ber gigantifd?en Kusbehnung. bie in frage 
kommt, im fall einer längeren Stagnation unb bes hirrburd? be* 
biiigteit IBertrückgaugsbieferpromeffen, ber IBohlftaubbes £anbes 
gefährbet. 1 IBohl ift bie 3nbuftrie ber Bereinigten Staaten 
bürd? bie jeßige unb üorausftd?tlid? auch nod? geranme §eit 
anhalteube anßeroibeutlid? gefteigerte Bachfrage bes h^imifihrn 
IHarFtes in h°h c,n angefpornt.* Allmählich aber 

wirb ber Heißhunger bes h^wif^ 11 UTarftes geftillt werben, 
uitb es kommt eine Periobe ruhigerer Bad?frage früher 
ober fpäter; bie ITTaffenprobuFtiou, auf bie in ber H au P t# 
fad?e bas (San,e gefteilt ift unb ber fid? nur burd? ben Still* 
(taub ber DTafd?itteu €i»thalt thun ließe, führt 311 einer fa- 
briPatüberfd?wemm!iug. Selbft bie größten Heferoen werben 
fd?uel! aufgegehrt fein, wenn eine IHajfeuprobuPtion atihaltenb 
gu Berluftpreifen abgefeßt wirb, unb Berluftpreife allein werben 
ben <£rport ermöglichen, 3utnal bod? für bie anbern länber 
ber Sd?uß3oll aud? Fein (Seheimmittel ift. Damit beginnt ein 
aufs t?Öd?fte augefpannter wirtfd?aftlid?er Kampf, bei bem 
nad? alter (Erfahrung bie Berfuhuug für ben ejportiereuben 
(Teil unwiberftehliih Ift- alles unb alles an bas Unerrcid?bare 
3U wagen, nämlid? an ben unmöglichen Berfud?, burd? fort* 
gefeßte unb gefteigerte Selbftfd?äbigung 3U (Sunften eines an¬ 
bern £aubes biefes aubere £attb wirtfd?aftlid? 3U beftegen. 
3 n bem leßten Kampfftabium aber würben bie 3 n ^ u f ,r * en 
ber Bereinigten Staaten bie Art an bie eigene JDrn^el legen, 
iubem iie für bie aus bem ergwungenen (Export refultierenbe 
(Einbuße fith burd? h^ m *fd?e Preisftcigernng wenigftens teil« 
weife fd?ablos 311 halten fud?teu — unb bamit käme bie Kraft 
in5 IBauFen. Die überwiegenbe ITTehrhcit ber BeoöIPerung 
würbe es bann gewiß ablchucn, einen fo!d?en Kampf mit* 


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Hummer 32 . 


Seite {^ 77 . 


3umachen uub no$ weiter erhöhte Saften auf jtd? 3a nehmen, 
lediglich damit dem Buslanb bie amerifanifche Arbeit unter dem 
Wert bargeboten »erbe. Schon jefct ßnb in ben Pereinigten 
Staaten bie preife notwendiger Bebarfsmittel etwa doppelt fo 
hoch als bei uns. Das wirb nicht befonbers fermer empfunden, 
»eil glcid^eitig bie £öhne im Durdjfdjnitt ungefähr breimal 
fo h°<h ßnb, alfo eine beträchtliche Marge für beffere 
febensführung bleibt. Schwindet aber biefe Marge durch 
»eitere preisßeigerung ber notwendigen ober gewohnheits- 
mäßigen Bebarfsmittel, fo wirft bas genau n>ie eine 
£ohnFür3ung, unb darauf geht bie felbßbewtißte amerifanifche 
Brbeiterfchaft um fo weniger ein, als itjre 0 rganifation, 
»ie id? früher ausgeführt habe, ihr einen »affenden (Eiitßuß 
auf bie (Sefefcgebung, alfo auch auf bie gollgefe^gebung 
rerfpricht. 

3 <h bin t>on ber Beforgnis entfernt, baß es 3U ben ertre- 
men €pentualitäten, pon beiten ich gefprodjeu habe, fommen 
»irb. (gerade baß biefe (Epentualitäten unuernteiblich finb, 
wenn bie Porausfefcungen eintreten, giebt rolle Sicherheit 
bafür, baß bie intelleftuellen Rührer ber Pereiuigten Staaten- 
inbußrie ßarf unb rorurteilsfrei in ber (Erfenntuis ber Dinge 
fein »erben — einmal, um bie (Sewalt ber porübergehenben 
Winterßürme 3U mildern, bie brüben »ie überall unaus¬ 
bleiblich ftnb, bie aber, »enn fte ron jenfeits bes 03eaits 
fommen, in ihrer Bücfwirfung auf beit Welthanbelsperfehr 
ron befonberer Bebenflichfeit finb — fobann, um ben Beginn 
ron Sollfampfen 3U rernteiben, bereu Busgang in feinem 
Jall (ßeroinn perfprädje. 

Doch roie immer bie Perljältniße fich geftalten »erben — 
bas eine fleht unbebingt feft: ber fdjärfße »irtfchaftliche Wett- 
be»erb ber Bereinigten Staaten auf ben Weltmärften bleibt 
außer frage. Uub ba auch »ir für biefen in rotier Kraft 
bleiben »ollen unb ntüjfen, fo haben »ir bebingunglos 3U3U- 
gejtehen: in ber Kauft ber inbuftriellen 0 rganifation, in 
bem disziplinierten gufammenwirfeu, in ber ^erabfegung 
ber probuftionsfoften, in ber ron feiner Bücfßcht auf Kofteit 
eingefchränften Busnufcung eines jeben burch bie €ut»icf(iing 
ber (Eechnif erlangbaren Porteils iß auf ber anbern Seite 
bes 03eatts Porbilbliches in brülle uub fülle rorhanben. 
Buch ron bem rorfchauenben Unteritehmungsgeift ber 
Bürger ber Pereinigten Staaten fonneu »ir manches 
lernen. Wir haben fdjon riel, recht riel rerfäumt, »ir 
haben foftbare (Gelegenheiten rorübergehen Iaffen, unb manch¬ 
mal, »ähreüb »ir »ie hvpnotiftert auf bie erftaunliche 
»irtfchaftliche €nt»itfluug ber Pereinigten Staaten ftarrteit, 
haben »ir erft nachträglich unb 311 fpät gemerft, baß bie 
Männer brüben früh, fehr früh geräufdjlos aufgeftanben 
»aren uub uns im eigenen Säger ge»iffermaßen erpropriiert 
hatten. Daun rebete man »ohl — was nicht eben ein geicheit 
ron Selbftrertrauen »ar — übermäßig laut unb ängftlich ron 
ber ^amerifanifchen (Sefahr*; es blieb aber alles beim alten, 
unb es gefchah beglich »enig, um biefer »irflichen ober per- 
meintlichen (Sefahr 3U begegnen. 

(Eine Ueberrafchuttg »ar es für uns, als »ir hörten, baß 
eine ber größten amerifanifchen (Sefellfchaften 3ur f?erftelluug 
djemifeber probufte beutfdje Kaliwerfe aitgefauft habe. Die 
Bmerifaner brauchen unfer Kali, unb fte haben es ftch ge¬ 
fiebert, inbetn fte einen (teil unferer Kali»crfe in aller Stille 
erßanben. Wir ftnben bas tüchtig, unb es ift auch tüchtig. 
Zlicht minber tüchtig wäre es ron uns ge»efen, »enn »ir, 
bie »ir bas anterifanifche Petroleum brauchen, fchon längji 
einen erheblichen Bnteil an ben petroleumquellen ber alten 
Diftrifte in pennfylranieit, 0 hto, 3 n biana, Weftpirginia, ober 
an benen ber neuen Diftrifte in (Eejas unb Kalifornien uns 
in aller Stille gefiebert unb erftanben hälfen. <80113 ge»iß 
hatten auch bie Bmerifaner bas ron uns tüchtig gefunden. 
Den amerifanifchen (Sefchüftsrealpolitifern »ürbe es außer* 
ordentlich imponieren, »enn »ir rerfuchteu, fte mit 3U 
.fontroüieren", anftatt uns dauernd „fontiolliercn" 3U laßen. 
Solch red^eitiger, jefct in ein3elnen Be3irfen beinah uner* 
fch»ingli<her (Erwerb »Sre »ertroUer geroefen, als bie an (ich 
löbliche Anlegung ron petroleumrafflnericn, bie 3ur geit bei 
uns in größerem Maßftab geplant ift. £}andelsgefchäftlich freilich 


haben »ir uns in nicht unbeträchtlichem Umfang, nicht 3U 
uufirm Schaben, in ben Pereinigten Staaten betätigt, 
inbuftriell aber jebeufalls nicht in ausreichendem Maß. Unb 
doch »ar gerade in ben Pereinigten Staaten, ber Boden rot- 
hanben, auf bem unb unter bem man hätte bauen und aus- 
bauen fönuen — (clbftrerftänblich mit Ilmficht uub Bcfonncn- 
heit. Die (Engländer, fatnriert »ie fte find, traben doch noch 
fo riel Bewegungstüchtigfeit aus ber großen alten §eit, in 
ber fte bie Weltmärfte beherrfchten. baß fte fich, nach Por» 
ftubien durch 3urerläfftge 3 n 9 e uieure unb Sachrerftänbige, in 
den Pereinigten Staaten rielfach inbuftriell beteiligt unb 
u. a. in Sonbon (Sefellfchaften 31» €fploiticrung amerifaui* 
fcher Bergwerfsdiftriftc begründet f^abeit. 

0 b bas in ber Batißfation begriffene Sußanbefotnmen ber 
Schijfahrtsfombination, deren übergroße Kapitalifierung neben 
anbern (Erwägungen bie iSebcihli<hfeit in gweifel ßellt, eine 
Ueberrafchung für bie beuifcheit 3ntereßenten »ar, unb ob biefe 
ron den (Einzelheiten bes pians erft rernahmen, als Morgan 
ihn fo »eit gefiebert uub burchgeführt batte, baß eine. Durch* 
Frei^ung nicht mehr möglich fchieit — bas ent3ieht fich ber 
Beurteilung ber Bußcnftehenben. Daß bie beutfehen (Sefell¬ 
fchaften ohne Schädigung der 3 ntereffert ber Bftionäre, »ir 
felbß ohne Beeinträchtigung unferer nationalen IPürbe barou- 
fommen »erben, bafür fchulben bie Bftionäre unb »ir ben 
Männern, bie bas bewirft haben, rücfhaltlofe Knerfennung. 

0 b unb »eiche Ueberrafchnngen daraus drohen, baß 
fich ber (Ejporteifer ber Pereinigten Staaten gegenwärtig 
mit befonberem Badjbrucf auf den oftafiatifchen UTarft 
richtet, ift fch»er roraus3ufagen. Der amerifanifch- 
chiuefifche b^nbelsrerfehr »ar bisher abfolut unb relatir nid?t 
bedeutend unb h^t unter ben jüngften chinefifchen IPirren ftärfer 
als ber anderer Staaten gelitten, »eil bie t]auptmärfte bes 
amerifanifcben Kbfatjes in <£h*na, CEientfin unb Hiutfdjroang, 
im gentrum ber oon bem Bojeraufftanb h cr ^ e '9 e föl? r l crt 
Unruhen lagen. (Einer Kusbehttuug jtnes Perfehrs ftanb 
auch bie Kbneigung ber amerifanif^en Jabrifanten im 
rPcg, bem chinefifchen Käufer durch Ünpaffung an feinen 
(Sefchmacf entgegen3ufommen. Über fd^on ift überall in 
ben Pereinigten Staaten, namentlich im Süden unb IPeften, 
ein erhebliches Knroachfen bes (Exports nach <£h*na, befonbers 
in Baum»oll»aren, bemerfbar, ift eine große Begfamfeit 
roahr3unehmcn, bie iutenfio auf (Eroberung bes chinefifchen 
UTarftes ab3ielt. Uub ba die Philippineninfeln ficher 
nicht ein3ig aus Philanthropie in Befift genommen 
»orben find, fo »irb unfer chinefifcher f^anbelsoerfehr, ber 
im oorigen 3 a *l r Don amerifanifchen bereits übertroffen 
»ar, darauf Bebaut 311 nehmen h a ^ en ' f lc h nicht »eiteren 
Porfprung abgewinnen 3U laßen. 

Die Ümerifaner ßnb, fo möchte ich behaupten, mit ber 
»irtfdjaftlichen (Seueralftabsfarte ihrer Wettbewerber 
auf den JPeltmärften unb insbefonbere Europas in »unberooller 
Weife ausgerüßet. Sie haben pon ber atlautifchen bis 3ur pa3i* 
ßfchen Küfte eine erftaunliche, oft unheimliche Kenntnis unb 
Wißenfchaft aller praftifchenPorfommnißeinnerhalb ber inter- 
nationalen(Sebiete pou Handel unb (Sewerbe. Wir inDeutfchlanb 
perfügen gewiß über eine »eitausgebehnte Kmerifa- 
litteratur mit allen möglichen fach»ißenfchaftlichen Kb- 
hanblungen unb mit oft lehrreichen ftatiftifchen gahlen. 
Uber Beobachtungen unb Jeftftellungen praftifcher Kauflente 
unb 3 n ^ u f tr i e ^rr, fowie gediegener moderner 3 n 9 en ' eur e unb 
(Eechnifer — den Behörden unb bann »eiten Kreifen ber 
»erfthätigen Beoölferung regelmäßig unb fchitell 3ugängig 
gemacht — fehlen 3umeift. Buch bie beutfehe Eanbwirtfchaft 
hat, fo »eit i<h es perftehe, bie bringende Bufgabe, an 0rt 
und Stelle ben €nt»icflungsgang im Jarmbetrieb durch 
praftifche UTänner 5U perfolgeu. Das Lagerhaus- unb (Se- 
treibegrabierungs»efen in ben Pereinigten Staaten fönnte 
mit Bukett für uns ftubiert »erben. 

Das feitherige Syftetn, bei bem bie Wahrung unferer 
»irtfchafilicheu 3 n ^ cre fT en — hierin liegt ein oßen- 

Funbiger Mangel — ausfdjließlidj ben biploinatifchen unb 
Konfularpertretern gleichfam im Bebenamt obliegt, iß 
burdjaus ui^ulänglich. 3 e me *l r f lfl ? Deutfchlanb 3U einem 


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Seite \$? 8 . 


Hummer 32 


großen €jportßaat gedehnt, je mehr es ben frieblicheu IDett« 
fampf mit ben DolPeru ber €rbe aufjuite^mctt bat, befto 
unabweisbarer wirb es, namentlich in ben £äiidertt unferer 
fommer3ieÜen Be3ieljungen, bie wirtfchaftliche Jnterejfen» 
oertretung bes Beides oon ben fonftigen Auslaubsbehörben 
3u trennen ober, wenn bies unmöglich fein foüte, fie im 
Hafjmeu bes Bcßehettben fo felbftänbig als thuultdj 3U machen 
unb fie auf eine breite (Srunblage 311 (teilen. Die Beigabe 
oon Hattbels« unb (Sewerbeattadjcs — es fyanbelt ßh 3* §• 
immer nur um einen Attache bei ben Konfulateit, unb es 
firtb feljr wenige Koitfulate, bie einen folgen Attache haben 
— ift urfprünglid? fympathifdj begrüßt worben. <£s ift aber 
an unb für ßcfj uttbenPbar, baß ein ein3elner nTenfdj, er 
mag nodj fo begabt unb arbeitsfreubig fein, 3ur £eißung 
ber Aufgaben, bie ihm tjier obliegen, phyßßh imftanbe 
wäre. Die tägigen (Sefdjäfte (teilen fo meitgefyenbe Der« 
waltungsaufgaben, baß weber ber (SeneralPonfnl, itodj ber 
Konful, noch bie DijePonfuln, bie 3umeift mit juriftif.i?en 
Arbeiten befdjäftigt werben, Seit traben, itjre Diftrifte 
perfänlich 3U bereifen unb mit eigenen klugen 3U feheu unb 
bann 3U beeideten, was fte gefefyen unb beobachtet haben. 
Unfere Konfulate ftttb oorneijme bureauPratifche Organifationen, 
nicht IDerPftätten wirtfe^aftlid^er 3 ntere ff euDertretun 3 en * 
Diefer gufdjnitt fteljt auch wefentlid? ber (Erfüllung einer anbern 
(forbernug im IDege, bie unerläßlich ift, wenn unfern Hanbels« 
unbcSewerbefreifen wirflich Hüften erwachfeit foll, ber Jorberung 
nämlich, baß unfere Bepräfentantcu 3U ben führettben männern 
bes fjanbels unb ber ^nbuftrie Caiibes tu (tänbige Be« 
3iehungen treten unb biefe Besoldungen gefeXIfd?aftlid? unb 
freunbfchaftlich pflegen. Die Anbahnung unb Kultioierung 
eines folgen DerPeljrs nimmt aüerbings, oon manchem 
anbern abgefehn, oiel Seit in Anfprud?. Aber biefe Seit 
muß gefunbeit werben, man muß biefeit männern nahefein 
unb ihnen ben puls fühlen foitnen, wenn mau über bie <£r* 
fcheinungeit bes fremben IDirtfchaftsorganismus ohne Der« 
fpätung unb mit Hüften für bie (Sefamtheit unterrichtet 
fein will. 

IDir müffen auf betn (Sebiet ber wirtfchaftlichen 3 nter« 
eßenoertretung bes Heidjes im Auslanb neue formen ftnben 
unb fte mit einem 3»h a ^ füllen, bent f r ifches £ebeit befruchtend 
entfprießt. Am beften, unabhängig oon ber (Ehätigfeit bes 
Konfularbienftes, müßten „wirtidjaftliche Abteilungen" — 
ohne Anfeljung ber Koßeit, bie ßdj reichlich besahlt machen 
würben — organiftert unb mit männern ber Pommer3teüen 
unb inbuftriellen - praris, erforberlichen (falls auch mit er« 
probten Dolfsmirtfchaftlern, ausgerüftet werben. Diefe „wirt- 
(djaftlidjeit Abteilungen" müßten, wie eben erwähnt, in 
ge3iemettber (fühlung mit ben maßgebeitben männern bes 
fremblänbifchen (Sewerbeßeißes — in ben Dereiitigten Staaten 
würbe man überall freuubliches (EntgegeitPommen ftnben — 
bemüht fein, alle öfortomifche Dorgäuge unb alle tcchitifcheu 
Heueinrichtungen mit (Erfindlich Peit 3U prüfen. Sie 
hätten in ftänbigem KontaPt mit ben jeweiligen Bebin« 
gungen unb Bebürfnijfett unferer h c ' m *fd?en probuftion unb 
unferes heitnifchen Handels 3U arbeiten unb 311 berichten. Dies 
alles in engem S u fammenhang mit einem 3uoerläfßgen 
Hachridjtenbienft unb an eine S en tralftelle geleitet, behufs 
rafcher Sichtung bes IHaterials, Ausfcheibung bes etwa Un¬ 
geeigneten unb fchnellftmöglicher IDeitergabe bes (Seeigneten 
an bie (Sefamtheit ber oon jfall 3U fall in Jrage Pommeitbeu 
(Erwerbsgruppen. 

Selbftuerftänblich liegt es bei ber beutfehen 3 nbuftrie, bie 
(fittge^eige unb Belehrungen ßdj praftifd? uuftbar 3U machen, 
bie von einer folgen S e utralßelle unb ihren Organen be« 
fonbers für bas weite (Sebiet ber Dereiitigten Staaten gegeben 
würben. Su ber 3 n teÜtgeii3 ber beutfehen (Sewerbetreibenben 
barf man jebes Sutrauen hüben. Hur gewiffe i^ilfeit foll 
man ihnen bieten, gewiffe (Erleichterungen ihnen rerfchaffen. 
Diefe ^ilfeit würben um fo wirfuugsooüer fein, wenn bie in 
Handel unb IDaitdel (nötigen, foweit als irgenb thnnlid?. bie 
2 Ttenfd}en im £attd ber „uubegreujteu IHöglichfeiten" fclbft 
bei ber Arbeit jähen. Sich fennen lernen, tjeigt ooneinauber 
lernen. 


3<h hübe bereits früher angebeutet, in wie beifpiellofer 
IPeife bie (Eifenbahnen in ben Dereiitigten Staaten, aüerbings 
in prioatein Beßft, burd? fonfequente €rmäßigung ber jradjt« 
foften bem (Sewerbefleiß in bie H^nbe gearbeitet hüben. Die 
einmal gegebenen Derhältniße laßen bei uns ein analoges 
Verfahren nicht 3U. €twas aber fonnte auch auf biefem 
(Sebiet gefaben, um Sonne unb IDind für unfere 3 ll ^ u ftrie 
günftiger 3U oerteilen, unb ber (fisPus würbe am leftten €nbe 
babei nicht fchlecht fahren. Die 3uftäitbigen Behörden foüten 
ftch auch bei uns eutfdjließen, bie (Eifenbahnen, bem bei ber 
Derftaatlichuitg gegebenen Dcrfpredjen gemäß, nicht als 
Anftalten 3U betrachten, bie möglidjft h°h c Ueberfhüße 3U 
bringen hüben, fonbern in erfter Heihe als wirPlidje DerPeh r *' 
oerrtiittlungsinßitute, bereu Hauptaufgabe es ift, betn DerPeljr 
für H a| rtel und £anbwirtfchaft gu bienen. (Ebeitfo müßte ber 
weitere Ausbau ber Schienenftraßeit felbß unb je eher je 
lieber bie Ausgeftaltung bes Heftes ber IDaßerwege in Angriff 
genommen werben. Beibes würbe Boben- unb (Süterer3eugttiße 
beit h'imifchen Derbrauchsftätten oorteilhaft itäherrücfeu. 
Unb alles bies wirb feinen ooüen IDert erff bann erhalten, 
wenn im Sinn ber wirtfchaftlichen IPeltpoIitiP nuferes Kaifers 
ber freien (Entfaltung öfonomifch gefunber Kräfte 
nirgenbs h em,n ^ ,l ^ er beoormunbenber gwang angelegt 
wirb, wenn, wie in ben Dereittigten Staaten, bas Heue nicht 
mit mißtrauen betrachtet wirb, bloß weil es neu unb 
barum ohne „Porgang" iß, wenn man bei ber Behattblung 
auch wirtfchaftlicher Angelegenheiten — um in ber Sprache 
ber Beamtenbnreaufratie 3U reben — nicht immer nach 
„Similia" fu<ht. 

Hierauf bürfte grunbfäftlich mehr (Sewicht 3U legen feilt, als 
auf eine etwaige, felbftuerftäublich wefentlich möblierte Ueber* 
nähme bes anterifauifchen inbuftrieüeit (Eruftwefens. 3 tninerhin 
foüte man in (Erwägung 3iet]en, ob unb inwieweit es thunlich 
wäre, auch hier bas <Sute 311 übertragen unb3ugleichbas Uttgefunbe 
ober DisPrebitierenbe aus3ufcheiben. (Scrabe bie (fortfehritte, 
bie wir gemacht hüben, legen uns bie Derpffichtuug auf 3ur 
Sicherung biefer jortfdjritte unb 3U bereu bauernber IDeiter« 
führuug im EDettbewerb auf ben IDeltmärPten, allen (Einrich¬ 
tungen unb Organifationen, bie anberwärts in IDirPfamfeit 
ßnb, ftrenge AufmerPfamPeit 3U fd^enPen. Dabei foü oon 
phantaftifdjen §uPunftsplänen gar nicht bie Hebe fein! £iegeit 
bod? bei uns bie urfprüngli-hcn aügemeiuen Dorausfeftungeit 
günftiger: langfam, ftetig unb 3ielbewußt niemals fpruug« 
haft, 3uweileu iutermittierenb — wenn auch wir uns einmal 
übernommen hatten — haben wir uns aus Kleinem h**aus 
fortentwicfelt, ohne baß ein fraßer H 0 ^fä l, Ö3 oUtar if & as 
plöftliche IDachstum ber Kombinationen unb ber 3nbuftrien 
geförbert h a t aüerbings ohne ben gleichen Hcichtum an 
Bobenfchäftett, ben bas £anb ber w uitbegrcu3ten lltoglichPeiten" 
in ßdj fchüeßt. Auch hat gerabe infolge ber StetigPeit biefer 
€ntwicfluug ftd? bei uns ein breiter uttb Präftiger IHittelftaitb 
gebildet, ber uttferm IDirtfchaftslebeu eine feftere Stüfte bietet, 
als übergroße Kapitalsmacht in wenigen H^^m Das 
(fehlen einer gefcbäftlichen Ueberlieferung gewährt bem ameri« 
Panifchett (Sewerbefleiß wohl 3uweileit bie ATöglichPeit ooü« 
Pommeit freier IDahE was unter Umftänden ein Por3ttg fein 
Pattn; anbrerfeits ftchert bie (Erabitiou einen feßen Halt, ber 
brüben oielfadj noch entbehrt wirb, ber aber einen (Teil 
nuferer StärPe ausmacht. Die Reichen ber §eit brängen 3ur 
HTehrung biefer StärPe, nicht burd? Abwehrfoalitionen oon 
£änbcrn, bie 3ubem oft bie oerfchiebenften 3 ntere ff en haben, 
fonbetn burdj Praftoolle Ausgeftaltung unferer (Süterer3cugung 
auf im Kerit gefunber uitb machtgebietender ftnan3ieüer (Sruub- 
läge. So fönnten bei uns eoentueü bie 3 ubuftrieoereini« 
gungen andere werben, in oorßehtigem unb Plugem (ErPeniieit 
mit 3unächß engeren aber deshalb nicht weniger wirPungs« 
ooüen fielen: überftchtliehe (fühtung gleichartiger ober oerwanb« 
ter Betriebe für gemeiitfame Hechuung, Atiwettbuug uub ooüfte 
Ausuüftung ber beften Spe3ialmafihiuen fparfamfteprobuPtions« 
uub JfabriPalionsmethoben, Ausfd?altung ber minder geeigneten 
probuPtions« uub .fabriPationsfteÜeu, bei richtiger uitb 3wecf« 
cittfprechender Befebäftigung unb Spe3ialifteruug der arbetten« 
den ZDerFe, uub 3ugletch thuulichftcr Sicherung ber HoljprobuPte. 


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Hummer 32 


3eite 


Unb bas alles folibe mtb burchfichtig fitianjtert, mit meit aus- 
reicbenben Betriebsmitteln — unter gleid^eitiger forgfamfter 
(Ermägung inmiemeit eine oermehrte gufriebenheit ber 
Arbeiterfragen ^erbeigefübrt rnerben Fömtte. Dag es möglich 
fein mürbe, burd? berart ausgemeitete unb oerbi<htete Organi- 
jationen bie Kraft unferes IDettbemerbs $u erbosen, unter« 
liegt mohl faum einem §meifeL 


IDir b^en 3U oe^agenber tlTiggunji Feine Deranlaffung. 
Das miffen aud? bie Flügen AtneriFaner felbft, unb präftbent 
Boofeoelt hat bem unummunbenften Ausbrutf gegeben, als er am 
18 . ^Januar b. 3 tm Zeigen ijaus 3U IDafhington mir fagte: 
„Die cutrtfd^aftüd^e SuFunft gehört beit Dereinigten Staaten 
ron Amerifa unb Deutfdjlanb. 3 tt oerftänbnisooller gegen« 
feitiger H>ertf<hägung liegt bas fjeil für beibe £änber." 


<u> 


Der Rafen von Reval. 

Qierju bie Jlnfutjirn oon Hendl auf S. I486 forme bie nacfcftefjenbe Karte. 


Der Tfafen non Beral ift in biefen (Tagen ber Scbauplag 
ber freunbfd?aftlid?en Begegnung ber beiben mäd?tigften 
fjerrfdjer bes Kontinents. 3 m ©origen 3 ah* h a l* e bie beutfd?e 
flotte bie €bre, bem rufftfehen fferrfd?er rorführen 3U bürten, 
mas fle in emftger jriebensarbeit ait £eiftungsfäh»gFeit ftd? 
3U eigen gemalt batte, biesntal mirb Kaifer iuilbelin ben 
bod?intereffanten Hebungen bes rufttfdjen Artillerielehr- 
gefchmabers oor Beoal beimohuen, einem f?afcn, ber unter 
mehr als einem (DeftchtspunFt Anfprudj auf ein 
bijtorifd?es mie aFttielles 3 lltere ff c befitjt. 

Auf urfprünglid? germaitifcbem unb ron 
Deutfd?en faft aus fd? lieg lieh bcoölFertem Bobett 
grünbete ber groge ^DänenFönig IDalbemar II., 

„ber Sieger*, oor faft 700 3 a h re n bie Stabt. 

Als nad? feinem (Tobe bie tnadjt bes bänifdjen 
Heikes serfteL gelaugte Beral im 3 <*br IM* 
unter bie fjerrfchaft bes Deutfd?orbens mtb 
gehörte bereits batnals bem fjanfabunb an. 

Ba^bem aud? bie fysnfa rom (Dipfel ihrer 
IfTad?t burd? innere gmiftigFeiten und Kämpfe 
berabgefunFen mar, trurbe Beral fchmebifd? unb 
gelangte im 3 <*hr 1 7, ° an Huglanb. Bereits 
peter ber (Droge erFannte Flar bie groge Be- 
beutuitg für fein an Träfen armes Buglanb, 
beftimmte es als flottenftation unb begann ben 
für groge Sd?iffe unjugänglidjen trafen 3U 
ermeitern. 

Der eigentliche Kriegshafen trurbe im An¬ 
fang bes rorigen 3 a h r h un berts angelegt unb 
merFirürbigertreife 3U gleicher §eit bie frühere, 
ron jeher beftehenbe Befeftigung ron Stabt unb 
Trafen aufgegeben, trohl in ber Anftcht, bag An¬ 
griffe ron ber Seejeite nid?t 3U befürchten feien. 

(Erft in beit ad^ig^r fahren nahm mau 
ftch bes Hafens, ber infolge ber trachfenben 
(Droge ber moberneu Schiffe u^ulänglidj ge- 
trorben mar, mieber energifd? an. Das „neue 
ßafenbetfen* mürbe angelegt unb (889 ber 
DiFtoriaquai bem DetFehr übergeben. Anfang 
ber neun3iger 3 ah™ n>urben bas „neue £jafeit- 
berfen* unb ber alte Kriegshafeu mit grogem 
Koftenaufmanb fo meit rertieft, bag er jegt 
ber tieffte ber rollenbeten Kriegshäfen an ber 
rufftfdjen ©ftfeeFüfte ift, allerdings S<hladjt- 
fdjiffe (. Klaffe nid?t aufnehmen Fann. 

IDas ben für bie rufftfehen t?äjen fo mich- 
tigeit punft ber (Eisfreiheit betrifft, fo fleht 
Beral an ber rufftfehen (Dftiee au 3meiter Stelle, 
inbem bur<hfchnittli<h erft im De3einber für brel bis rier 
HTonate ber Schiffahrt ein gebieterifhes £?alt geboten mirb. 

Betrachten mir ben f^afeu felbft, fo ift ein äugeres unb 
ein inneres Berfen rorhaitben; bas erftere bient rormiegenb 
als Kriegshafen, mähreub bas innere bie Kanffahrteifchiffe auf* 
nimmt, beren Derfehr in bem lebhaften (Empotium fehr grog 
ift. 3 m ^anbelshafen finb, burch 0 uais roneinanber getrennt, 
rerfchiebene Abteilungen enthalten: ber Kanftnannshafen, ber 
Küjtenfah^eugshafen unb bas ermähnte neue EJafeittecfen. 


Der Kriegshafen ift burch feitliche unb quqjö corgelagerte 
Ittolen gegen IDinb unb Seegang oor3ügltch gejehügt, auger- 
bem ftnb bie Diolen mit ftarFen (Defchügbatterieit rerfehen, um 
einem feittblicheti Angriff erfolgreich bie Spige 3U bieten. Der 
DerFehr mirb mefentlich erleichtert unb geregelt burch bie rer* 
fchiebenen ooneittanber getrennten €in- be3m. Ausgänge. Auch 
au ber Seefeite bes ßanbelshafens befiuben ftd? ftarFe Befefti* 
gungen, bie bie bort liegenbeu Arfeuale ausreichenb rerteibigeu. 


Der *?aubel biefes michtigen planes unb JlottenftügpunFtes 
3eigt, befonbers in ben legten 3 ahr 3 ehnten, eine ftarF auf- 
ftrebenbe (Tenbeit3, fo ift innerhalb ber legten ad?t 3 (*hre bie 
Einfuhr um ein Drittel, bie Ausfuhr bis beinah um öas 
Doppelte geftiegen, uitb bilbet (Detreibe ben ffauptartiFel ber 
legieren. 

Hicht uitermähnt barf bleiben, bag bie augerhalb bes 
^afens üegenbe Beebe aud? für bie grögteu Schiffe einen 
t>or5üglicheu AuFerplag bilbet. 



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Sexte 1 ^ 80 . 


Hummer 32. 


Das Unwetter in der Rbeinprovinz vom 26. Juli 1902 

Dort 2 >r. p. polis, 

Direftor bes DTeteorologifchen 0 bferpatoriums in lladjen. 


Der 26 . 3 U ^ biefes 3 a fa e ^ brachte für bie Hegieruttgs* 
bejirfe Hatten nnb Köln ein Unmetter pon feltener fjeftigfeit, 
inbetn ein (ßemitter, begleitet von orfanartigeu IDinbfiögen 
uttb fjagelfall, pon Belgien h*rPominenb 
in Öftlid^er Bietung nad? bem Hhein 
bin tittb über 0plaben ins bergifdje 
£anb 30a. 

Die gerfiörungen unb Derfjeerungen 
bureb ben 0rfan maren berartig, mie 
fle feit 3ah r J*l? n ten nicht mehr porge* 

Pommen ftn&pfbie ftarfen Hieberfdjläge 
nnb bie *l£ftr?fäjen (Entlabungen per* 
mehrten noch bas Unheil. Hllenthalben 
mutben Baume entnnir3elt ober abge* 
fititft, ^abriffdjornftetne unb dauern 
nmgeßürjt, Dächer abgebeeft, DTenfd?en 
nmgemebt, Saaten pernidjtet u. f. m. 3 n 
Jorft bei 2 la<hen fd^lug ber Bliß in 
einen Jabriffamin unb marf bejfen 
oberfte 20 Dieter 3U Boben. Befonbers 
nerbeerenb gejialtete ftd? bie IDirfuitg 
bes Sturms 311 3 n & cu unb 3 «**^ mo 
fogar 3roei Dtenfcheit bureb ^eti €inftur3 
pott (ßebäuben getötet unb ein 25 Dieter 
hoher TDafferturm niebergelegt mürbe. 

3n Köln unb Umgebung fielen fytgel* 
fdjloffen in ber Dicfe con (Taubeneiern, 
jo bajj 3ablreid?e Dlenfd?en unb Pferbe, 
bie fid? auf freiem ^felb befattben, er* 
beblid^e Derleßungen erlitten. Der 
fernjpred}* unb Kleittbahuperfehr mürbe 
allerorts burdj gerreißen ber Leitungen 
unterbrochen. 

Had? ben Hngaben bes Kffiftenten 
unjeres meteorologifcheu 0bferpatorinms, 

5 errn 21 . Sieberg, gefialtete ftd} ber 
Derlauf bes Unmetters 5U 2 ladjen mie 
folgt: gegen 4 Uhr nachmittags 30g ein 
(Semitter im IDeften h erau f* < 2 tn laug* 
geftreefter, mäßig h°t? er ' PompaPter 
IDolfenftreifen mar ber (SemitterbanP 
porgelagert, ber am meiteren Porrücfcn burdj bie bas 2lachener 
dhalbetfeit umfchließenben5öheu3Üge gehemmt muröe. Der linPe 
Jlügel h* e tt am £ousberg an, mähreitb ber redete unter fort* 
mährenbem 2lnroa<hfen feiner bjoh* um ben fübmeftlicheu (Teil 
bes Keffels h** u, nfchmeuPte, »obei er aus ber (SemitterbanP 
ununterbrochenen Ha<hfchub erhielt. ploßlich brach ber 
IDolPenftreifen in > bas Becfen ein, es pon Sübmeften h« 
in norboftlicher Hichtung burchquerenb; aus ihm gingen and? 


bie orPanartigen £Diiibftö§e unb ber piaßregen h*r*>or. Das 
eigentliche (Semitter 30g im Horben ber Stabt porbei. 

Uttfere figur giebt bie 2luf3eichnungen ber felbji* 
regiftrierenben 3nftrumente am befagten 
Hachmittag mieber, unb 3mar für bie 
burdj bie punPtierten £inien marPierte 
Dauer bes (Semitters pon fünf 3U 
fünf DTinuten; fie läßt bas 3 tteinanber* 
greifen ber ein3elneit IDitterungsfaP* 
toren, mie £nftbrucf, (Temperatur, Jeud}* 
tigPeit, IDinbrichtung unb (Sefchmiitbig*. 
feit, fomie Hieberfchlag beutlicb erfennetu 
Kur} por bem Kttsbruch bes Unmetters hatte 
bie demperatnr ben IDert pon 28 3 ° C. 
bei einer relatipen ^feudjtigfeit pon 
42% unb frifchen fübfüboftlid^en IDin- 
ben erreicht. DTit bem (Eiufeßen ber 
Böe um 4 12 Uhr ftel bie (Temperatur 
um etma (0° bis auf ( 8 . 7 °, mährenb 
31t gleidjer geit bie £uftbrutffurpe um 
polle 2 DTiflimeter ftieg unb babei eine 
fogenannte ^(Semitternafe“ pon feltener 
Schärfe 3eichnete. Der Sturm, ber mäh* 
renb feiner größten StärPe etma Pier 
DTinuten anbauerte, erreichte babei ben 
hohen IDert pon 25 Dieter in ber 
SePunbc, mas eine (SefchminbigPeit pon 
90 Kilometer pro Stunbe ansmacht; ein* 
3elne Stöße hatten fogar eine noch grö¬ 
ßere StärPe. Die Hichtung bes ZDinöes 
brehte pon Sübmeften mährenb ber Böe 
auf TDeftnorbmefl unb Horbnorbmcft, 
fprang bann unter ftarPem 21bffauen nach 
0ften um, um bann mieber fübmeftlich 
3U merben. BeinerPcnsmert ift noch, 
bafj ber meitaus größte (Teil ber um* 
gemehten Bäume, namentlich auf 
ber Kachener ^eibe, in ber Hichtung 
0ftfüboft lie¬ 
gen. Die f^auptregenftärfe fiel mit 
ber ftärfften iDinbböe 3ufatnmen. Die 
gefamte iDaffermeuge, seitmeife mit X^agel untennifcht, mar 
gering, ba fie nur 3.3 mm betrug, njopon aber in q DTinuten 
2.6 mm niebergingen. 

Das 3eitliche §ufammenfallen ber (Semittemafe, bes 
(Temperaturfiurjes unb bes 2 Inmachfens ber U 2 iitbgefchminbig* 
feit laffen mit Sicherheit barauf fließen, bafj ber 0 rPan 
burd? bas F>erabftür3en poit Fälteren unb bainit fchmerereu 
£uftmaffen aus großen Fi'o\\e\\ entftanben ift* 



2luf3eid?nungen ber Hegifirierinfirumente 
am IHeteoroIogifd?en ©bferaatorium 311 2Iad?en am Hadj* polt JDeftnorbmeft nach 
mittag bes 26. 3 U N 1902. 


C 

önfere 

Der Kaifer in Sd?merin ( 2 lbb. S. IW), gmtfehen 
bem Befud? ber Stabt (Emben unb ber Heife nach Hepal 311m 
garen hat ber Kaifer nod? bem jungen (Sroßher^og ^riebrid? 
^fran3 IV. pon DIerflenburg* Scbmeriu einen Befuch in feiner 
Heftbeit3 abgeftattet. <Er permeilte am u 2 luguft pon DTittag 
bis 2lbenb in Schmerin unb reifte bann nach Kiel 3urücf, 
mo er an Borb ber „t^ohei^ollern" mit ber Kaiferin 3U* 
fammentraf. 

Die Königinmutter DTarie (Thripin^pon Spanien 
( 2 lbb. S. U 88 unb 1489) hat nad? mehr als 3mei 3 ah^ 
3ehnte langer 2 lbmefenheit eine Heife in ihre fjeimat äuge* 


b 

ßüd«r. 

treten. Sie hat 3uerft in dompiegne bie dfföuigin 3 fabcHa, 
ihre Schmiegermntter, befudit unb bann in DTünchen 2 lufenthalt 
genommen, um ihre bortigen Dcrmanbten 3U begrüßen. 2lm 
4. 2 luguft traf fie fchlie^lich in Baben bei IDien ein, mo fie 
ihre 3 u 9 ert ^ perlebt hat. 

Die €rbpriu3effinponDTeiningen beim (Tintenfaß* 
fchie^en ( 2 lbb. S. ( 483 ). 2 lus ber geit, ba ber nach¬ 
malige Kaifer jriebrid) als Prin3 Jricbrich IDilheltn pon 
preu§en bie elften (Srenabiere in Breslau Pommanbierte, 
ftarnmt ein IDettfchießeu, bas alljährlich 3roifcbett beit 0 fft* 
3ierett bes Jüfilierbataillons genannten Hegiments ftattftubet. 


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Hummer 52 . 

Beim Auftrag einer Itfrtte traf bamals ber prin3 auf 
180 Betritt aus einem lliilitärgemehr eine (Ehampagiterflafcbe. 
§ur (Erinnerung hieran mürbe ber umgekehrte ^lafdpenbobcn 
in Silber gefaxt unb mit einem filberiten Deckel uerfe^it, 5U 
beffen Knopf bie Spißfugel benn^t mürbe, mit ber ber prin3 
ben Schuß getbait l^atte. Huf biefe IDetfe mar ein fd?önes 
(Tintenfaß h cr 9fft*Ht, bas feitbein alljährlich ausgefd?offen 
mirb unb für ein 3 a h r in & en Beftß bes beften Schüßen 
übergebt. 3 n ben lebten Jabreit bat fid? an bem lüett- 
fdjteßcn auch bie <£rbpriit3effiu pon Uleiningen, bie (Semahlin 
bes Kommaubeurs bes VI. Hrmeeforps in Breslau, beteiligt, 
bie 3ur §eit <Th*f bes (Srenabierregiments ift. So aud? 
biesmal. Die prinjeffin, ber 3U (Ehren bas Schießen an 
ihrem (Seburtstag abgebaltcn mürbe, holte (ich als ausgejcid?* 
nete Schüßtu babei felbft Öen ämeiten preis. 

N 

Der Uugefche Ballon „Sd?mebe" (Hbb. S. i<*87). 
Don Stockholm aus ift jüngft eine Baüouöanertabrt mit einem 
nad? bem Syftem bes tjauptmanns (Erif Unge erbauten Suft- 
fd?ijf unternommen morbett. Der Ballon, ber bie Jortn eines 
aufrechtfiebenbeit §ylinöers h a t ift mit einer Umhüllung 
aus einem con Unge erfunbetten Stoff perfel?en, bie ben 
§med bat, bie (Temperaturunterfd?ieöe unb (Sasoerlufte nach 
IHöglichfeit 3U recringerit. UTan fab bem erfteit Uufi'tieg bes 
Ballons 3ur Dauerfahrt mit um fo größerem 3 ntcrc fl e e,lt * 
gegen, ba bie Umhüllung bei ben Proben ihren gmeck in 
gerabe3u perblüffenber IDeife erfüllte. Der Unterfchieb ber 
(Temperatur 3mifchen ber Suft uitb bem (ßas im Ballon be- 
trug noch nicht einmal einen halben <Srab, unb bement* 
fprechenb mar ber (Sasperluft nur fetjr gering. ITTan gab 
ftch baber ber Eröffnung bim baß Unge, ber übrigens früher 
nod? niemals eine Suftfahrt gemacht bat, mit Seichtigkeit 
ben frau3Öjtfd?en £nftfd?ijfer fjenry be la .DanIr fd?lagen 
roerbe, ber im 3 a h r 19°° 3n>tfetten paris unb Hnßlaub 
beinah 36 Stunben in ber E?öt?e blieb. Der Uufftteg 
bes Ungefchen Ballons, ber auf Koften ber 3ur (förberung 
ber roiffenfchaftlichen £uftfd?iffahrt begrünbeten fchmeöifchett 
aeronautifd?eu <5efeUfd?aft in l^anuoper erbaut morben 
ift, mar für Stockholm ein (Ereignis, bejfen Het3 noch 
burch bie Unmefenljeit mehrerer ITTitglieber bes König* 
liehen Kaufes oermebrt mürbe. Die allgemein beliebte 
prii^efiin 3 n ö e &°rg, &i* (Semabltn bes prin3en Karl, taufte 
ben Ballon auf ben Hamen „Schmebe" unb münfd?te ihm 
eine glückliche Heife. Der IDunfd? ging inbeffen nur infoiueit 
in Erfüllung, als bie 3 n faffcn bes Ballons bie fahrt ohne 
ieben Unfall pollbrachten, aber bie auf beit Ballon gefegten 
Hoffnungen erfüllten fid? nicht. (Er lanbete bereits nach etroa 
H Stunben bei Homgorob IDelifi, mäbrenb bie Ubficht mar, 
bie fahrt auf brei (Tage aus3uöehneru 

Bayreuth (Ubb. S. 1*85) bilbet mit feinen feftfpielen 
mieber ben gielpunft Pteler (Taufenbe pon Derehrern ber 
Hid?arb JDagnerfdjen Kunft aus aller Herren Säubern. 3 m 
publifmn uub nitter ben Küuftlern {lebt man mohl manches 
neue <Sefid?t, aber aud? bie alte <8aröe ift mieber ba, bie 
3um (Teil fchott feit pielen 3 a h ren b\e bemunbernsmerten 
Dorfteilungen 3U ftaube bringen ober bemuubern hilft. Uufere 
IHomentanfnabiuen 3eigen mehrere (Sruppen pon Künftlern, 
mie fie fid? gerabe bem Upparat bes Photographen barboten. 
— €s geht eigen 311 in ber kleinen fränfifd?en ITTainftabt 
mährenb ber fe.ifpiele. 3 m (Srunbe genommen ift es immer 
basjelbe Sehen uub (Treiben, unb bod? mutet es immer mieber 
neu an, meil es fo gaii3 anbers ift, als bas gemohnte. Hicht 
nur bie Qualität ber Uuffütjningen allein, aud? bie Hbge* 
fdjiebenheit bes 0rts ift mit ein (Srunb, marum bie IDerfe 
bes ITleiftcrs geraöe hi** f° befonbers tiefen (Einbrucf h erDor * 
rufen. Hirgenbs fouft geht ber Hlenfd? fo gans in ber Kunft 
auf. IHan fann ja kleine Uusflüge machen, man kann bie 
(Eremitage befugen ober bie (Siäber 3*au Pauls unb Sifjts, 
aber berartiges fpielt keine Holle, im mefentliehen be¬ 
schäftigt man ftch boch nur mit ben feftfpielen. UTan 
debattiert mohl gelegentlich mit einem freunb, ob bie 
ZPorftclluugen nicht nod? beffer fein könnten, ob fie noch 


3eite 

auf bcrfelbcn ftärtben mie früher, unb ob bie (Trabition 

auch in richtiger tDeife gemacht mürbe Das (Ergebnis 
ift jtets: mag es bamit ftehn, mie es molle, großartig ift es 
bod?. Unb man beginnt 3U fchmärmen, uub ift gar jemanb 
in ber (Sefeüfchaft, ber ben ITTeifter noch fo gekannt hat, baß 
er pon ihm eqähleu kann, bann fteigt bie Begeiferung immer 
höher. Da regt ftd? erneut bie Dankbarkeit im I?er3en ffr 
bas, mas Hid?arb IDagner uns gefcheukt. So mirb es immer 
bleiben, fo lange bie feftfpiele fortgeführt merben, bie Kunft 
nimmt ben UTenfchen in Bayreuth PÖllig gefangen. Daher 
roäd?fl aud? bas 3ntereffe für bie ausübenben Künftler, auf 
bie ein (Teil bes (Blaues fällt, ben bas (Seitie bes UTeifters 
ausftrahlt. Denen aber mirb bie mohlmolleitbe (Teilnahme bes 
perehrlichen Publikums nicht unbequem; beitn ba man ite in bem 
kleinen 0rt alle (Tage fehen kann, äußert ftch bie Heugierbe 
nicht anfbringlich. 3 e &* r freut ftd?* wenn er Ejans Hid?ter 
bei gemütlicher (Tafelrunbe fielet, ber nod? immer mit unüber¬ 
troffener UTeifterfchaft ben Hing birigiert, aber niemaitb be* 
heUigt ihn. <£r‘ fei per allen anbern genannt. Denn er 
ift, mag immerhin jeöer unter ber großen Künftlerfdjar 
feinen befonbereit Siebling haben, namentlich aud? für bie 
3ahlreid?en (Ettgläuber unb fran3ofeit, bie alljährlich nad? 
Bayreuth pilgern bie populärfte ftgur. 

Uus Skarbinas Utelier (Hbb. S. H86). profeffor 
Skarbina h<U biefen (Tagen fein tteufles (ßetnälbe pollenbet, 
bas bie (Enthüllung bes Denkmals ber Uskanier auf bem 
kleinen UTarkt in Deffau am 9. Huguft t867 barftellt unb 
für ben Sißungsiagl bes neuen Deffauer Hathaufes beftimmt 
ift. U?ir bringen t?* u te eine Spe3ialaufitahme bes Bilbes 
aus bem Utelier bes XHeifters. • 

Sport. (Eine eigenartige Hutomobilbauerfahrt mürbe 
am 3 t. 3uli in Belgien (Ubb. S. t^84) peranftaltet. <Es 
galt bie Urbentten rott Baftogne aus über Songtier, £}abey 
unb. IHartelauge 5tirück nad? Baftogne fed?sinal 3U ttmkreifen. 
Das Hennen nnterfd?ieb fid? pon ben großen Fernfahrten 
baburd?, baß, abgefetjen pon menigen 0rtfd?aften, feine (Se- 
biete neutraliftert maren. (Es gemann für bas Publikum 
befoitberes 3 nt ereffe baburd?, baß Start unb §rel 3ufantmen- 
fielen unb mehrmals berührt roerbeit mußten, fo baß es 
möglid? mürbe, ben Derlanf ber Fahrt in eingelneu phafen 
311 perfolgen. Sieger mürbe unter 56 (Teilnehmern 3 ar rot, 
als fünfter traf auf einem beutfcheit Hlercebesmagen <ßraf 
ghoromsfi ein. — Den großen preis pon F r * e ^ enau (Kbb. 
S. H87) t^olte fid? am 3. Huguft mieber ber .XDeltmeifter 
ber Steher, (thaböäus Hohl ans ITiüiid?en. £r legte auf 
feinem Hab in fed?s Stunben mehr als 358 Kilometer 3urücf 
unb ging mit etmg \ 1 Kilometer Dorfprung als erfter bnrd?s 
§iel. — Der Sd?mimmer Htontague ^olbein (porträt S. t^88) 
unternahm kür3ltd? 3ttm 3meitenmal ben Derfud?, ben Kanal 
3U bitrd?queren. Der Derfuch mißglückte 3roar, ba ber 
Schrotmmer bie ftarke F^kftrömung bes HTeeres uid?t über* 
minben konnte, aber er rollbrad?te bod? eine ftaunensmerte 
Seiftuitg, beun er h* c ^ mehr als smölf Stunben im IDajfer 
aus, ohne 5U ermüben. (Er hat mie berechnet morben ift 
mährenb biefer §eit etma 16 000 Sd?mimmftöße gemad?t. IDie 
menig ihn biefe Knftrengung mitgenommen hat, konnte man 
fomo'ql mährenb bes Sd?mimmens, als nachher beobachten. 
Hls er aus bem IDaffer kam, ging fein puls kaum fd?neüer, 
als 3U Beginn, unb fo lange er fd?mamm, unterhielt er 
fid? oergnügt mit ben perfonen auf bem ihn begleiteuben 
Dampfer, menn er nid?t gerabe Hahtung 3U fid? nal?m. 
Sein Hppetit mar ausgezeichnet; er per3ehrte im gan3en 
brei Siter irtild?, einen Sitec Kakao, einen Eiter Booril unb 
einen halben Siter (Th*e. E?albein beabfid?tigt in für^efter Frift 
feinen Derfurf? 3U mieberholen, er miU unbebmgt bas Kuuftflütf 
bes Kapitäns IDebb nad?machen, ber im 3 a hr thatfäd?« 
Iid? ben Kanal in 26 ;3 /4 Stunben fd?mimmenb burd?querte. 

Cb9 

. Hus aller ID eit. E?erjog Karl (Ebuarb pon Sad?fen- 
Koburg.(Sotha (21bb. S. 1^88), ber. riad?bcm er bas ad?t- 
jehnte Sebensjahr ooUeribet t^at, bemnäd?ft perfönlid? bie He- 


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Seite 


Stummer 32. 


gierung antreten mtrb, hat jüngft bie Jefie Koburg beftchtigt. 
—. Jn IDefterlanb-Sylt ift am 26 . Juli öas Iangerfetjitte 
familienbab (Ubb. S. *489) eröffnet rnorben. (Es bleiben 
aber baneben bie getrennten Babepläge für Herren nnb 
Damen befielen. — Dor Berg*Diepenom ift jüngft ber alters* 
fdjmache fdjmebifche Sdjoner „Ifiartha" 3U (Srnnbe gegangen. 
Da bie Hettungsftation perfagte, märe bie IHannfdjaft per- 
Ioren gemefen, rnenn nicht Berg-Diepcnomer Sc^ifferslente 
fd>netl bie (Sefährbeten unter eigener (Sefahr gerettet hätten. 

— 2 Xuf bem Kahlenberg bet IDien hat jüngft, mie alljährlich, 
bas Unnenfeft ftattgefunben, bei bem bie pom publifum 
als bie fdjönften be3eidjneten IHäbcben (Ubb. S. *490) in 
gemotzter tDeife einen Preis erhielten. — Jn Donauefchingen, 
mo er breißig Jahre als Kapellmeifter bes dürften dürften* 
berg gemirft hat ift bem Komponiften Kallimoba ein Denf* 
mal gefegt rnorben. — tDährenb feines Karlsbaber Uufent* 
halts plauberte eines (Eags ber Schah mit bem jungen Cr3- 
herjog Karl fran3. ber babei Bauernfleibung trug. Uls nun 
ein Bilb ber (Sruppe aufgenommen merben follte, erPlärte ber 
fleine prin3: „Hein, mit bem Schah mitt ich nicht als Bauer, 
fonbern als 0fff3ier photographiert merben." Spradj’s, rer* 
fdjroanb im f^otel unb Pehrte balb in Hufarenuniform 3urücf, 
mie er auf unferm Bilb ( 5 . 1490) 3U fehett ift. — Den 3ahlrei<hen 
Aufnahmen con Uusjtellungen, bie mir in früheren Hummern 
pet off entlieht haben, fügen mir heute noch einige aus detf<hen 
a. <E. unb gittan h*n3tt (Ubb. S. * 522 ). — Don (Sra3 aus 
haben bie (Teilnehmer am Sängerbnnbesfeft, mie ftd? benPen 
läßt, Ptelfach lohnenbe Uusffüge in bie . Umgebung gemacht. 
Über nicht alle hatten es fo gut mie bie j^eunbe bes Kompo* 
niften Dr. tDÜhelin Kie^I, bie in beffen Sommerfrifche in 
Unbrig (Ubb. 5 . *490) gemütliche, gaftliche Aufnahme fattben. 

— (Eine neue Schughütte tft auf bem Stripfenjoch (Ubb. 
5 * 524 ) bei Kuffiein errichtet unb bereits pon 3ahlrei<hen 
Ulpentouriften befucht rnorben. 

CbS 

Derfammlungen (Ubb. S. *522 unb *524). Der allge¬ 
meine beutfehe Buchhanblungsgehilfenperbanb hielt feine (Se- 
neralperfammlnng in Leip3ig ab. — Jn jranPfurt a. ITl. 
fanb eine Sufammenfunft poit etma 60 Ungehörigen bes 
ehemaligen <franffurter Ltnienregimcnis ftatt, bas im Jahr 
*866 aufgeloft mürbe. Die jüitgften (Teilnehmer an bem 
Stellbichein ftanbeit bem (Sreifenalter bereits nahe, ber ältefte 
ftanb fdjon tief in bem neunten Jah^ehni feines Lebens. 

(Sefährbete (Türme in Jtalicn (Ubb. S. * 52 *). Der 
<Eivtfttir3 bes Campanile in Deneoig hat bie Uugeit ber Jtaliener 
für bie Baufälligfeit anberer BaulichPeiten gefd?ärft, bie (Er¬ 
regung über bas Unglüd, bas bie alte Dogenftabt betroffen, 
hat fogar h* c unb ba vielleicht übertriebene Befürchtungen 
machgerufen. tDas pon ben (gerügten, bie jegt allenthalben 
laut merben, begrünbet ift, läßt ffd? aus ber Jerne ferner 
beurteilen. Jebenfalls gelten mehrere berühmte (Türme in 
Hopara, Bologna unb IHobena als gefährbet. 

N 

Hegertän3e in Dar*es-Salaam (Ubb. 5 . *520). Der 
(Souperneur pon DeutfchoftafriPa, (Sraf pott (Sögen, übt bei 
gegebener (Selegenheit gern ben Hegern gegenüber (Saftfreunb- 
fd?aft. Jüngft empfing er 200 Jumben, Dorfhäuptlinge, bie 
in Dar-es-Salaam perfainmelt maren. Sie mürben mit Kuchen 
nnb Qimbeerlimonabe bemirtet. unb bann fanb ihnen 3U Chren 
eine große Hegang, ein feftball unter freiem TJiinmel ftatt, 
mobei interejfante Hegertä^e aufgeführt mürben. 

rc 

(gelehrige (Tiere (Ubb. S. *523 nnb *524). JDas 
(Tiere alles lernen fönnen, bafür legen unfere Cisbärenbilber 
fprechenbes geugnis ab, fieht man fie bod? Kunftftücfe poll- 
bringen, bie ihrer Hatur gerabe^u 3U miderlaufen febeinen. 
Ullein nod? wunderbarer als biefe tPuuber ber (Tierbreffur ift 
eigentlich bie natürliche Begabung ber (Tauben, über b^unberte 
pon Weilen ihren IDeg in bie Heimat 3U finben. (Ein 
IHaffenperfuch ift jüngft in Hont gemacht rnorben mo nah?3U 
3000 Brieftauben nach Belgien aufgelaffen mürben. 


Perfonalien (porträts S. *488). Der berühmte 
(SynäPologe (geheimrat profeffor Dr. Regar in ^reiburg i. B. 
feierte, mie mir bereits in Hummer 30 mitgeteilt hoben, fein 
fünf5igjähriges DoPtorjubilanm. Leiber ift in ber betreffenben 
Hummer ein falfches Bilb peröffentlicht rnorben, ein 3 rrtmn, ben 
mir heute berichtigen. — Der (geheime Bergrat Dr. Clemens 
JDiuPler, profeffor an ber Bergafabemte 311 Jreiberg in Sachfen, 
fcheibet am *. September aus (gefuubhettsrürfffchten nach 
langer, hö<hft perbienftpoller IDirffamfeit ans bem Umt. — Das 
fünf3igjährige DoPtorjubiläum feierte ber berühmte T^iftoriPer 
profeffor Dr. Crnft Dümmler, ber Herausgeber ber Monumenta 
Germaniae historica; fein fünfzigjähriges PriefterJubiläum 
ber Stiftsprobft pon St. Cajetan, Jafob Kitter poit Cürf in 
ITTünchen, ber erfte geiftlidje Hatgeber bes prin3regenten 
Suitpolb. — Das fieb3igfte Lebensjahr pollenbete am 3 . Uugujt 
ber berühmte Kunffhiftorifer Dr. Karl Jufti ber feit bem 
Jahr *8 72 als profeffor für neuere Kunfigefchichte bem 
Lehrförper ber Bonner Uniperfität augehört. — Uuf einer 
Hei’e in (Tirol ftarb plöglich H°f rat 3 °f e P*l Kürfchner, einer 
ber h^roorragenbften bertreter ber beutfehett Schriftftellerroelt, 
ber H erai, sgeber Pteler allgemein perbreiteter H an ^^ü^? cr - 

— Jn Deffau fchieb H°f^ a P e ^ me *f ,er Uuguft Klugharbt, ber 
fich als Dirigent nnb Komponift gleich großen Unfehens er¬ 
freute, aus bem Leben. — Jn Berlin ift am 5 . Uuguft ber 
preußifche H au $beftgertag unb am 6. Uuguft ber Derbaubstag 
ber ftäbtifchen H au s- unb (Srunbbeftßeroereine Deutfchlanbs 
3ufammengetreten. (gletchfam als (Saftgeber fungierte babei 
ber por *5 Jahren begrünbete Bunb ber Berliner (Srunb- 
befigerpereine, ber por 3mei Jahren 311m Dorftgenben feinen 
bamaligen Schagmeifter H erru Hub^*tns Barfomsfi mählte. 

— Der neue ^ioilgouperueur ber Philippinen, HTifter (Taft, 

ben bie ameriPanifche Hegiermtg nach bem PatiPan entfanbte, 
um über bie Ubberufung ber fpanifchen IHöttche pon ben 
Jnfeln 3U perhanbeln, h a * Heapel aus bie Heife nach 
feinem jegigen HTanila, angetreten. 



Ciermaler Lnbmig Becfmann (Düffelborf), f am *. Uugujt 
im Ulter pon 80 Jahren. 

K. P. H°ffapellmeifter Bibi, f 3U IDien. 

(Scneral b. Juf. 3. D. friebrid} o. BU3, t oin 30 . Juli 
3U Ulüttchen. 

DiPlor Chrifff IHitglieb bes IDieuer 0 pertiorcheftcrs, 
t atn 30 . Juli bnr<h Ubfiur3 pon ber Hothmanb. 

Balbomero (Salofre, fpauifcher HTaler, t um 26 . Juli 
311 Barcelona im Ulter pon 53 Jahren. 

HofPapellmeifier Uuguft Klugharbt, t um 3 . Uuguft 3a 
Hoßlau (Unhalt) im 55. Lebensjahr (Portr. S. *488). 

(Seh- ß°f rat P ro f* 3 °f e f Kürfchner, f am 29. Juli 
(Portr. S. *488). 

Jtalienifd?er Senator (Saetano H.egri, f 3 *. Juli bnrdj 
Ubftur3 bei Dara53e (ligurifche Küfte). 

Derlagsbuchbäubler friebrid? puftet, f 3 * Uuguft 311 
Hegeusburg im 7 2. Lebensjahr. 

0 efterr. Heicbsratsabgeorbneter Johann Hebl, f in 
Steyr im 70 . Lebensjahr. 

Jriebrich Heineboth, Profeffor ber lHebi3in 3U H a Hr, 
t 4 - Uuguft 3U Cabar3 im Ulter pon 35 Jahren. 

(felbmarfchallleutnant ja. D. Johann Hosfiemicj. h^roor- 
rajenber öfterreicbifcher IHilitärPartograph, t in <Sra3. 

JaPob Hubirtftein, ber ein3ige Sohn Unton Hitbittftcius, 
t in einer Herpenhei'anftalt bei paris. 

(Seneralabjutant 0 berft ^oreftier IDalfer, t am 3*. Juli 
infolge eines Unfalls 3U Heluan (Uegypten). 

<35® 


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Hummer 32. 


Seite H83. 



Bilder vom Cage 


t. Dtajor ^rtjr. p. Kober. 2. £t. p. prittroiß unb ©affron. 3. 0bcrlt. d. IPebel. *$. Illojor u. ikttaillottsfommcmbeur p. t^ergberg. 

5. Crbprinjeffin pon Sad?fcivinetningen. 6. ITlaj. $rbr. p. 2ttarfd?aU. 7. $rl. p. (tbnppuis. 8. £t. ,^rt]r. p. Sd?leintfc. 

Das Cintenfassfchiessen der Offiziere vom fü filierbataillon des ©renadierregiments König friedrich III* (». Öcblefifcbes) fir. n* 


Die €rbprin 3 cfftn pon 5ad?fen»lHeintngen beteiligt fieJ? ani ID ettfdjiefjen. 


p. 5ifdjer*Dreslau pfjot 


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Seite 


Hummer 32« 



Vom Kafrerbefuch am Schweriner Hof: Der Kairer und der ©rossherzog im Schlosspark zu Schwerin. 

ijofpbot. $rifc f}eufd?fel. 



Per beutfdje ZTUrceöcs tuagcu t>cs ©rafen wdbrcnb ber 5abrt. 


Per Sieger ^arrott 


Die amkreifung der Hrdennen (Belgifche Hutomobilwettfahrt). 

ptjot. 23arca, ©|lenbe. 


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XTummer 32. 


Seite 1485, 



5ri$j ^riebridjs (Bremen). Br. Briefemeifhx (Stocftjolni). 
üor bem Apparat. 


Kammerfänger €rif Sd?ntebes unb £amilie. 
$amilienbiner. 



I. Pani Knäpfer (Berlin). 2. 5ran Zfiaria Knüpfcr(Berlin). 3. (Emil Borgmann l. KIols Burgftaller (^ranffurt a. ZTl). 2. £?ans Breiter (ZPien). 3. Kap. Knton 
(Hamburg). $rl. 3ofepne o. Krtner (Hamburg). 5. ^oljann ITlergelPamp Sdjloffer (IHundjen). 

(Breslau). 6. Carl ZDilbbrunn (Bayreut^). 

<2ine luftige ©efellfdjaft Dorbem^rübftücf. 



I. Br. £jans Bieter. 2. ,fr. Br. Bicfjter. 3. 5 r - P*of. ©ianicelli <*. 5^- €• Hicbtcr. 5. Konjertmeiftcr I. KapclImeiftcrProbasfi. 2. Br. Kraus (IPien). 
ZPenbling. 6. KapeUmeifter protjasfi. 7. Cljorbireftor ^ranjen (IPien). 8. $rl. 2Tt. Bieter. 9. profeffor 3. KapeUmeifter lTlid?arl Balling (Breslau). <k- Knion 
©ianicelli. ( 0 . CatteraU. U. Br. 5^1’? Kraus. pan Boy (Botlcrbam). 

(Eafelrunbe um fians Kid)ter. ÜorberKuffüljtiing. 


Momentbüder aus Bayreuth* 

Kunftperlag <Eomafd?cf, Bayreut^. 


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Seite ^86. 


Hummer 32. 



2Infid>! pon H e i> a l. 


Z>ie Heebe uon Ueval uom 0laif irebturm aus» 

Zur Kaiferreife nach Reval« 




/lue dem Atelier öbarbinas in Berlin: Oer Kiinftler vor reinem für den Bitzungsfoal des neuen Rathaurea in Detfau beftimmten Gemälde« 

fpejialaufuafjntc für bie „tPodje". 


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■ lüifj 
























1 J 


1 





XTuntmer 52. 


SeiteJ^ST. 


Contcnct. 3°f* Kohl (Sicher). £jurct. 

Das SechsCtundenwettrennen mit jviotorfcbmtmacbcrn zu friedenau am a. üuguTt« 

21. Kcidjiueiu mit ©oerft' Poppclanafiigmnt ptjot. 


1. &upoci 2. Des BaUon in feiner djarafteriftijd?cn ©eftalt. 3. Die (Laufe bes Ballons burdj prin 5 u. prinjeifm Karl uon Schweben unb Norwegen. <*. C>ptm. €tic Unge. 

Der Hufftfeg des angefchcn Ballons „Der Schwede“ zu Stockholm. 

photographische nTomcnta«fnaf?men. 


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©eljetmrat Prof, §egar, ^reiburg i. B. 
feierte fein 60jäbr. Doftorjubiläum. 


(Seij. Bergrat Klemens tDinfler, 
trat pon feinem Cebramt 3 urücf. 


prof. Karl 8 onn, 
feierte feinen 70. ©eburtstag. 


£)ifiorifer Prof, ©rnfl Dämmirr, 
feierte fein golbenes Doftorjubiläum. 


£?ofrat 3ofef Kärfdjner f 
auf ber Keife in (fciroL 


5tiftspropfl ^afob Kitter uon (Eärf, 
feierte fein 50 jähriges priefterjubiläum. 


I. fjerjog Karl <£buarb. 2 . pon ©iUbaufen. 3. fjofjägermcifter pon minftpiö. 

4. Dircftor ITlajor Cofjnitjer. 6 . ftabsarjt Dr. ^ifeber. 

Berichtigung der ferte Koburg durch Herzog Karl 6duard von Sachfcn- 
Koburg-Gotha. 

t^ofp^ot. < 2 . Ut}lcnl?utij. 


£>. Barfoiosfi, Bunbesporfitjenber 
pom Bunb b. Bcrl. ©runbbefltjcroereine. 


ftoffapeümeifler Komponifi 
Kumift Klugbarbt, Dcffau, t 





kss .wtwm 

r*w- % fs*Spi 





1 : J 



1 


Per amerik. Gouverneur der Philippinen Caft jviontague Boibein (X) Königin J^aria Chrifttne von 9panien, 

begiebt fid? in Keapel auf bas Schiff jur £?eimreife. perfudjte pon Calais nad? Doper 3 U fdjtpimmen. begräbt bie ©rFönigin 3l^bella 31 t <£ompi£gne. 

pF>ot. Kbeniacar. ptjot. Coe & ^oUanbs. pt?ot. <£. (Djuffeau^Iapiens. 


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Das am »6. ^uli eröffnet« neue familienbad in KUfterland-Sylt. 

pijotograpbifdje tnomentaufnafjme. 



Die Hettfr (von linfs nadf redjts): HMHy (Dbm, £jans Kröger, (Sufiao Krafoiv, $erb. piepfom, Die <S5eretlelcn (von Itnfs nad? red?ts)': Steuermann ttorbfhöm, 
fyiufdjilb, Cälljife, Curf, Kapitän Perfon, Kod? ^riebrtdjfen. 

ßod) klingt das Wed vom braven ffann: Die Brrettung der Befatzung des fchwedifchen Schoners „Jflartha“ durch Berg-Dievenower Schiffer. 

pbot. Dr. <£. 8. 33hm. 





l. Königin von Spanien. 2. prinjeffin Cubtvig. 3. pri^effin £ubn?ig ^erbinanb. 3 n f<*ntin OTiria Cfjerefia. 5. Prinj Cubtvig ^erbinanb. 6. Prinjefj 
Kbelgunbe. ?. prinjefj KIfons. 8. Prinj Couis von Bourbon. 9. prinj ^ranj. 10. ^erjogin von (Calabrien. U. r}erjog von (Calabrien. [2. prinj lllfons. 

Königin flaria Chriftine von Spanien in München: Die Königin im Kreife ihrer Verwandten. 

Spejialaufnaljme ffir bie JDodje" von 2H. Dietrid;, tttöndjen. 


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Sexte \490‘ 


Hummer 32, 



preis: Ceopolbine SjafoIcjaydDien. 2. preis: ^rieba Unna tErappeMDien. 


3. preis: Betty €eins»infind?en. 


4 preis: <5iifH <£rIer*£Dien. 


Vom Hnnenfcft auf dem Kahlenberg bei «Uen: DU preisgekrönten Schönheiten. 

Hobert (Etjicle, pfyot. 



X. 3ullxis Sdjudj. 2. £)einricb ^öllner'Ceipjig. 3. .irau Cifli Kienji. Pr. ID. KienjL 6. ITTufifDtreftor ©öQeridj. 6. tnufiffdjriftftefler Dr. Dccsey. 7. ^rau tifly 5tärf. 
Vom öängerbundeafeft in 6raz: Betuch bei Oiilhelm Kienzl in feinem Sommerhaus zu Hndritz bei 6raz. 

pfjotoillujhation f?ans $ranfe & <£o. 



Das in Donauefchingen enthüllte Denkmal für den Komponiften Kalliwoda. Der Schah von perfien und Brzherzog Karl franz in Karlsbad. 

11. lTlartb*Donaucfd?ingen pijot. pbotograpbifci>c XHomcntaufnabmc. 


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Hummer 32 . 


5c»e H91- 


üon 


€0 mar rin alter König... 


Rudolph 8tratz. 


3. $or tfefcurt 

o Icifc Arpib gefprochen, hotte <E£ceüen3 
von Braunfdjeibt bod) bie lebten IPorte 
gehört unb trat, bic Ejapanna in ber 
Efanb, fopfniefenb näher. „3o — tper 
folgt bem nicht, 3utta," fagte er befriebigt. 
*Du fannft mir glauben, ber hot mir unb aller IPelt 5U 
fchaffen gemacht, mein f)err Sohn. Sd?on als Fleiner 
Bengel — ja — ber fjofmeifter tB)at, was er wünfehte. 
3 n ber Sd)ule — fämtlid?e 3ungeits erfanuten ihn 
als ihren £}errn unb ATeifter an — beim Blilitär — 
bie gröbjteu Porgefefeten hielten ihm gegenüber mit 
ihren ©ffenBje^igFeitcn 3urücf, jebermann Blatte por 
iBjm eine ^eilige Scheu — unb ohne baß er irgenb- 
etwas feinerfeits ba3U that. Du jiehjt ja, wie wenig 
er ftd) mit Ciebenswürbigfeiten befaßt. Bauh wie ein 
Ejinterwälbler fifet er ba. Aber was ift benn?" <£r 
wanbte ftch um. „ 5 ie wollen bod) nidit fchon gehn, 
meine Herren?" 

Der alte fchweigfante Urwalbläufcr entfdjulbigte fid^. 
€r fei mübe pon ber Beife. Unb bas ©leiche fagten and] 
bie anbern. 

3 m Porflur liefe and? Arpib fid? pom Diener Efut 
unb BTantel reichen. 5 ein Pater war erftaunt. „Hann 
— bu gehfi auch noch mit aus? 3^? &enFe, wir 
rauchen jefet nod] gemütlid) eine Sicjorre 3ufammen 
unb fchwafeen — am erften Abenb, wo wir bid) B^ier 
haben." 

„Ejeute Famt id? nicht. 3d? höbe mit beit Herren 
noch etwas 3U befprechen." 

„IPie bu willjt," erwiberte ber Ejiine phlegmatifd). 
21 ber innerlid) war er hoch etwas geFränFt. 

(Es foftete Arpib Ueberwinbung, mit feinen Beife- 
genoffen, bie noch ein (Sias Bier trinFen wollten, bas 
nächfte Berliner Bräu 3U betreten. Diefe Cuft, bief, 
trübe unb perbraucht, wie Binnjletnwaffer, bies ©emifch 
i>on Bierbunjt, B 7 enfchenbrobem, Sigarrenqualm, Speifen- 
gerud? unb bem Dampf naffer Kleiber — biefe eng bei* 
fammenjtfeenben Blaffen pon Blännern unb 5 rauen, bie 
dreimal, fo laut fprachen, als es in anbern Kultur* 
länbertt Europas Brauch — bas alles war ihm ein 
<ßrauen, unb er beeilte fich, mit feiner Angelegenheit ins 
reine 5U fommeu. 

„Ejier haben Sie bie Abreffe bes Dr. Belling," 
fagte er 3U bem Ejauptmann IPercfenthien. „Alfo thun 
Sie mir ben perfprochenen ©efaßen unb ftellen Sie beu 
£jerrn morgen por bie IPahl: entweber öffentlicher 
IX>iberruf ober Auseinanberfefeung mit ber piftole. 
Hri£> 3war im Cujremburgifcheit. AufeerBjalb ber Beides- 
gren3e. Smei 3oh r * 5eftung ift er mir nicht wert." 

^Sdjön," fagte ber Ejauptmann. €r wufete, bafe 
2 Lrx>ib trofe feiner Ku^fiditigFeit ein töblid? ftcherer 
Sd?üfee war. „IPas hoben Sie &enn eigentlich h^^te, 
lieber Braunfcheibt?" 


„tPiefo?" fragte Arpib. 

„Sie Fommen mir fo ein bifechen wunberlich por. 
Serftreut . . . ober mit irgenbetwas befdjäftigt." 

„PieHeicht plane ich fchon wieber eine neue (Er- 
pebition," erwiberte Arpib troefen. „BTöglichr bafe id) 
halb wieber nach Afrifa geh — fahr halb fogar. Aber 
3unächft geh ich aus biefem fcheufelkhen Bräu fort. 
Diefe beutfehe Bierbarbarei flimmt mich 3U traurig." 

Por bem Bräu trennten fie fid?. Der alte (Eremit 
begab fich in fein £jotel, ber £^auptmann 3U Kameraben 
in ein Kajtno, ber Fleine ©Ifenbeinhänbler in ein Ball* 
loFal, aus bem er gegen ZTTorgen nach reichlichem SeFt- 
uerbraud? unb einem wilben Bo^erFampf mit bem als 
lEhürhüter bebienfteten Beger an bie Cuft gefefet würbe, 
unb Aroib machte eine jhmbenlange, einfame unb plan* 
lofe IPanberung in ben bunFlen, uerfchneiten (Eier¬ 
garten hmems, ohne recht 3U wiffen, wohin er mit feinen 
(SebanFett ging . . . 

3 n ber IPohnung feines Paters war in3wifchen nodi 
Cicht, unb bie^enfter waren weit geöffnet. Die falte Bad^t- 
(uft wehte herem unb Fühlte bie Stirn bes Ejausherrn, 
ber in langen fchweren Schritten burch bie Zimmer 
ging. (Es war ihm in lefeter Seit immer $u h^ife u n& 
befonbers nach fold] einem Abenb mit Cärm unb IPein 
unb ber IPüften- unb tPilbnisjtimmung, bie bie AfriFaner 
mitgebracht. Die hatte ihn angeregt unb 3ugleid? 
melancholifd] gemacht. Das war ein f^auch aus ber 
freien, ihm ewig uerfagt gebliebenen IPelt, wie ber 
IPinbftofe, ber eben im Porbeipilgern rafch nod) ein¬ 
mal burd) &as Arbeitsgemach fuhr, bie Campen er* 
fchrocfeit aufflacferu liefe, bas blöbe Sd)reibwerf auf 
bem (Eifch aufblätterte unb im E)ufd) wieber perfchmanb. 

€r büefte fid) feuf3enb unb hob bas AFtenftücF wieber 
auf. Ceben — Freiheit — 3 imgfein in Arbeit ober 
©enufe — ach — 5U allem war bie Seit porbei. Der 
Seiger ber IPanbuhr wies auf fpäte Stunbe, ihr Cicf* 
Cacf mahnte eintönig: thu beine PflichtI CBju beiue 
pflichtl Por ihm gähnten, feiner Unterfchrift ha rr enb, 
engbefchriebene Bogen, unb im Bebenjimmer fafe Stoffel- 
Stier, ber 0fft3iofus, ben er für äße 5 äüe nach &em 
Befuch ber brei (Eibeshelfer feines Sohnes nod) einmal 
hierher befteßt. 

Bichls war ihm jefet unangenehmer, als biefes 
hinFenbe ©ewiffen feines bienftlichen „ 3 ^h w - ^t>er er be- 
3wang fleh. €r brauchte fold? einen Pertrauten 3U not* 
wenbig, gerabe er, ber trofc feiner fd)werfälligen Efüucn- 
geftalt weit mehr ber ZITann bes fpifeigen Stiletts als 
ber beutfd^en 5auft war. 

„ . . . ’n Abenb, Ciebfter," rief er jooial. „Ba — 
Sie madjen ja fo ein pergnügtes ©eftd)t. IPas bringen 
Sie benn Böfes? Bichts Befouberes? Bur neue An¬ 
griffe in ber preffe? Kenn id). Kenn id) . . . Sturm 
im Blätterwalb — gebruefter Canbregen — geht por- 



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Seite \^2. 


Hummer 32. 


über. £eiber. Kd? — menn es meinen 5 e’möen bod? 
bloß gelänge, mid? einmal oon I^ier meg3ugraulen, mie 
einen mißliebigen Hachtmäditer. Kber umfonfH — 3^ 
muß bleiben unb meiter als Samiel in ber tDolfsfd?lucht 
fungieren, diesmal grünblid?! 3 m 5 aß Heßingl 3 ^h 
merbe felbß oon meinem fd?önen äußerften ©cfplaß rechts 
aus fpred?en unb bie Hliß- unb Donnermafd?ine ein 
bißdien berber hanbBjaben als fonß bie tDabenftrümpfler 
oben. tDir moflen mal ber tPafyrtieit bie <£tjre geben, 
alter 5 reunb. HTerfmürbig — mas ? Unb 3 h r * Meinen 
£eute fd?meigenl Ueber allen Heptilen iß Hut*. <£s 
giebt biesmal feine bejatjlte DrucFerfd?n?är3el 3 ^? 
jaubere felbß." 

„Seilr mof?l, ©£ceßen3," fagte Stöffel-Stier mit un* 
erfd?ütterlid?er Hube unb ging. 

Der alte Hlephißo fd?aute if?m befriebigt nadi, in 
jener belußigten 3*onie, in ber er ßch 3umeilen als ber 
fjerr ber Hatten unb ber HTäufe in ber tDilhelmßraße 
füllte. 5reilid? nidit als einer ber gan3 ©roßen, aber 
bod? groß genug, um oiel menfd?enoerachtenbe £?eiterfeit 
über feine 5 einbe im Hufen 3U bergen. 

5 riebe überall. Der (Sebanfe machte ihm Spaß. 
Der Hefud? aus Hfrifa blatte bie Sdiiäfrigfeit, bie il?n 
fonß nadi (Cifd? beßel, gebannt. <£r mar in einer 
fonnigen, nieberträdjtigen £aune, unb fein ©eßd?t er* 
bellte ßd? nod? mehr, als er bas Ieife 5egen eines 
Kleiberfaums über bem Hoben unb bie leidsten, elaßifd?en 
Schritte 3 ultas hörte, bie aus ihrem «gimmer 3U ihm 
3urücffam. 

„€in netter Kbenb, meine Cod?ter. Hiebt?" fagte 
er, ohne ftd? unt3ufd?auen , . . „IDas haben biefe Kerls 
hoch erlebt. © — id? ©feil Das alles hätt id? auch 
haben fönnen — menn id?*s gemoßt unb gemußt hätte. 
3 eßt h*lfl bie Heue über fo Diel unntiße 3 u 9 c nb unb 
unnüße (Eugenb nichts mehr. 3*fet ßßt man h^r feß 
unb iß aßgemein mißliebig, mie ber Scbuhu auf ber 
Stange, unb um einen lärmt unb fräcb3t bas 5 eberoolf. 
Unb menn man ßch auch bie Kette oom Hein ßreifte 
— umfonß . . . man iß alt ... alt .. . alt . . ." 

Seine Stimme mar bei ben leßten tDorten gefunfen, 
ber greifenhafte gug in feinem ©eßd?t trat jeßt, mo er 
angemach hoch mübe mürbe unb gähnte, mieber beut* 
lieber h*n>or unb oerßärfte ßch noch burch eine un¬ 
ruhige Heforgnis, als er ßch umbrehte unb in 3 uttas 
©eßd?t blicFte. 

„VOas haß bu benn?" fragteer, bie Hrauen furd?enb. 
„Du ßehß ja gan3 entgeißert aus." 

„© — mir iß nichts," fagte ße unbefangen. „Diel* 
leicht hat mich bie (Sefeßfdjaft ein menig angegriffen." 

„Ha — fonß ßnb beine Heroen hoch nicht fo fd?mad?." 
<£r brummte etmas in feinen Hart, fchüttelte ben Kopf 
unb mürbe bann ärgerlich. „Unb ber Kroibl Statt 
mit uns noch ein Stünbchen beifammen3ußßen, muß 
er mit biefen £euten, bie er hoch feit 3 ah^ unb tEag 
in* unb ausmenbig fennt, aus bem fjaufe rennen I 
Sonberbar oon ihm — uid?t?" 

„3ch u>eiß nidit. 3ch fenn ihn hoch noch oiel 3U 
menig." 

„Das iß mahr." £?err von Hraunfcheibt feßte ßch 
fd?mer auffeuf3enb an ben Krbeitstifd?. „3h r ßeht mir 


jebes fo nahe, baß ich immer oergeß, baß ihr euch 
heute 3 um erßenmal im £eben gefehen habt. Ha — 
gute Hacht, mein Kinb. Da liegen bie Kftenßöße. 
Schlaf mohl." 

„©ute Hacht," ermiberte ße leife unb ging aus bem 
«gimmer. 

V. 

„Ejilft nid?ts — man mirb alt," fagte ©£ceßen 3 
oon Hraunfcheibt am nächften Spätnachmittag, als er 
mit £?errn oon Heumeißer, ben er 3 ufäßig untermegs ge¬ 
troffen, h^itnmärtsging. „tDir beibe reben einanber 
nichts mehr oor. U)ir haben 3 uoieI miteinanber burch- 
gemacht als Kften* unb (Eintenmenfdien im Staats* 
bienß unb außer Dienß, mit tDein, tDeib unb — na, 
am ©efang hat uns ja nun ioeniger gelegen, unb in 
ben Heß müffen mir uns jeßt auf unfere alten (Tage 
teilen, bu ben tPein, unb ich — hör mal, bu fommß 
hoch heute abenb?" ' 

„ 3^1 hab beiiter 5 rau ©emahlin eigentlich abge- 
fagt. 3 d? lieb große £?errengefeßfd?aften nicht . . ." 

„Kleine 5 rau iß bod? ba. Unb mas eine fd?öne 
5 rau mie bie meinige miß . .. Kber — bu h a ß recht: 
es mirb grimmig. 3 utta hat ßebenunbbreißig perfonen 
3ufammengetrommelt. — Die reine Krd?e Hoof?. Hur 
ofß3ieße H>elt. Der Hlenfd? fängt beim HTanbarinen an." 

©r blieb ßehen unb faßte feinen Meinen Hegleiter 
am HocFfnopf. „£?ör mal," murmelte er unruhig. „Du 
biß ja ein nieberträd?tiger Kerl unb ßeßß mir ein Hein, 
mo bu fannß — aber mir ßnb bod? nun mal fo lange 
befreunbet. 3^1 muß bid? mas fragen: id? fomnt mir 
nämlid? mirflid? bumrn oor." 

Ueber bas oertroefnete 5ud?sgeßd?t bes alten £jerrn 
3 ucfte ein £äd?eln: „Du? Sei unbeforgt. Du h a ß 
ben 3ußinft ber Schlauheit in aßen £ebenslagen." 

„ 3 a — aber mie id? geftern fo 3 mifd?en biefen 
£euten aus Kfrifa faß — id? er 3 ählte bir ja — bie 
5reunbe meines Sohnes — ba erfdjien id? mir rein 
mie ber gute ©nfel aus bem Hilberbud? . . . fd?on *n 
bißd?en taperig — ’n bißd?en angefna^t — 3 iemüd? 
uitnüßes Hlöbel — aber fonß ein lieber, alter HTenfd?. 
Ha — unb mal fraßt er ja auch ab. ©ott mit ihm. 
Kein Derluß." 

„tDie fommß bu benn auf ben Unßnu?" 

„3a — hauptfäd?lid? — ba mar fo ein Meiner 
©algenßricf — mager — ausgehungert — fo ’ne Krt 
tDinbhunb ber ©^pebition meines Sohnes — ein ©Ifen- 
beinhänbler unb 5ähurid? a. D. — na — id? miß 
nichts meiter gegen ben jungen ©entleman fagen. 
Uber id? mürb ihn ungern mit einem Caufenbmarffchein 
über bie Straße 3 um I0ed?feln fdjicfen. Unb 
ber Hengel fah oerßohlen immer mid? an unb bann 
meine 5 rau unb bann mieber mid?. Das machte mid? 
neroös. £Das fann ber ßd? nur gebad?t haben?" 

„Das iß bod? gan 3 egal." 

„3a — aber, fjanb aufs Sie gingen lang- 

fam meiter. „£ieber Heumeißer, hab id? mirflid? nichts 
Komifdies an mir?" 

Der Meine, alte £?err marf einen Hlid 3 U bem Koloß 
an feiner Seite empor unb 3 minferte fd?mer 3 haft mit 


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Hummer 32 . 


Seite H 93 . 


ben klugen, als batte jener einen fchlecfflen Scberj ge* 
macftt. „Du unb fomifch. — 5 einbe hofl bu genug, 
natürlich. Schon beswegen, weil bu ja piel 3U faul 
bifl, irgendeine bösartige Bemerfung unausgefprochen 
3U laffen. 5 ür einen foliben Staatsbiener hofl bu wirf* 
lieh ein bißchen 3U piel ZDiß nach (Tifch. Darüber lacht 
bein nachher .unb nimmt es bir nächst frumm. Uber 
als eine (Quelle unfreiwilliger Ejeiterfeit hob ich &tch 
noch nie erfunben." 

„Hicht wahr," meinte ber alte E}üne erfreut, „«gu 
was fxch (ßebanfen machen? (ßebanfen ftnb unnüße 
Blutflauungen im (Sehim. ZDir brauchen in preußen 
feine Stauungen. Uber bas fommt alles pon bem 
elenben Stubenhocfen. Dann überleg ich immer wieber 
feit geflern: ich bin hoch ein alter ZTTann unb babei fo 
perliebt unb — gan3 flimmfs ja nicht — aber beinah 
fönnte meine 5 rau meine Enfelin fein." 

„Das geht hoch niemanb an außer euch beiben." 

„ 3 o — ja," fugte Ejerr pon Braunfcheibt trübe. 
„XDenn ich jeßt über meine Scholle braußen in ©fl* 
elbien fchreiten fönnt, mit bem Knotenflocf in ber Ejanb 
unb ben ZPettermantel um, bann plagten mich auch bie 
(Brillen nicht, £}ier leb ich 3U fchwinblig. 3 n einem 
XPirbel. 3 mmcr 3 u im Kreis, bis ich jeßt glücflich bie 
moralifche Seefranfh^it gefriegt hob. (Tagsüber im 
Uftenlocb, abenbs bas Efaus uoH (Säfte — große 
Unbefannte, bie mich in fjummermayonnaife fchäbigen 
unb blinblings meinen alten Borbeauj hmunterfpülen, 
unb bann oft noch bie nächte burch wieber über ben 
Elften — bas reibt einen auf." 

„Dann fchone bich hoch mehr." * 

„ZPie benn? 3 *ß* bin ich fchon mitten brin. 3 utta 
hat fich nun einmal fopfüber in ben Strubel geftür3t. 

— Hur ZTTenfchen her: ZTTenfchen fo piel wie möglich 

— fo lange wie möglich — fo oft wie möglich — ein 
(ßetümmel wie auf bem <§entralbahnhof — bas ift ihr 
fl Utes 3 beal." 

„Wenn es bir nur nicht 3U piel wirb." 

„pah — mir." Der ZTecfe lachte. „Uber für 
3 utta — ba fannjt bu eher recht hüben. Sie treibt 
es 3U wilb. 3ch hob Kngfl, baß fte mir fchließlich 3U 
oberflächlich wirb — 3U fahrig unb fchuffelig, wie bie 
anbern 5rouen3immer. Die flnb hoch mehr Kanarieit* 
t>ögel, als benfenbe ZPefen. Unb barum ift mir’s lieb, 
baß Urpib jeßt in meinem ff aus ift! Er hot einen 
merfwürbigen (Einfluß auf bie ZTTenfchen, ohne es 5U 
wollen. fjoffentUch auch auf 3 utta! So jemanö braucht 
fie. Da fann fte fehen, wie man ernft unb in fleh hinein 
unb aus fleh heraus lebt, flatt biefer Steeplechafe porn 
five o’clock 3um Rout unb non ber ZTTatinee 3um Ba3ar." 

„ZPohnt benn bein Sohn bei bir?" 

„3o natürlich. ZDiefo?" 

„ZITein (Bott — ich fragte nur." 

„Unb was meinfl bu benn bamit?" 

„Uber gar nichts." 

„natürlich meinfl bu was, bu alter 3efuiter." 

fjerr pon Heumeifter 3ucfte bie Uchfeln unb lächelte. 
Sein fuchsfchlaues Untliß fah aufrichtig 3U bem anbern 
empor. „Du wirft wirtlich ein bißchen nerpös in leßter 
Seit. Es ifl hoch felbfloerflänblich, baß bein Sohn bei 


bir wohnt. ZDo foKte er benn fonfl? Xla — ba ifl 
bein Baus. Uuf ZDieberfehcn. DieHeicht fchaue ich 
hoch mal heute abenb bei euch herein." 

Die Ejänbe in ben Cafchen feines pel3es pergrabenb, 
lief er fröflelnb mehr, als er ging, mit feinen gewohnten 
fur3en Schritten bie Straße hmob, ewig im (Erab, 
ewig bie Uugen im Kreis, ewig ben Kopf ooH ZTTiß* 
trauen, £ifl unb Derbacht, Ejerrn pon Braunfcheibts 
(Seflcht perbüflerte fleh, als er ihm nachfehaute. Dann 
fchüttelte er ärgerlich ben Kopf, wie um einen läfligen 
(ßebanfen 3U perfdjeuchen, unb flieg bie (Treppen hmouf 
in feine ZDohnung. (Es perbroß ihn, baß er fleh bem 
alten Schleicher anpertraut unb ber ihm feinen Danf 
in (Seftalt feines üblichen fleinen pergifteten nabelfltchs 
abgeflattet hotte. Uber es 30g ihn eben immer wiber 
ZDiHen 3U neumeifter hm. Das war vielleicht ber 
einige ZTTenfch auf ber ZDelt, por bem er feine (Be* 
heintniffe hoben fonnte. Sie hotten fleh in ihren 3 üng* 
lingsjahren 3U tief ins E}er3 gefchout unb waren 3U 
flug, um bas ju pergeffen, unb geiflig 3U nah« per* 
wanbt, wenn auch äußerlich eine ein gut aufgelegter 
Biefe, ber anbere ein mißmutiger, leberleibenber 
Sroerg war. 

©ben in feinem Urbeits3immer traf er Urpib allein. 
Er faß am Schreibtifch feines Paters, über Briefe unb 
Kartenpläne gebeugt. „Beleih, baß ich mir’s ohne 
weiteres bequem gemacht höbe," fagte er nach ber Be¬ 
grüßung. „Uber ich höbe piel 3U thun. natürlich 
wieber einen Ejaufen Unannehmlichfeiten aus Ufrifa. 
Eigentlich müßte ich gleich wieber hinüber." 

„Uber bas wirft bu hoch nicht?" 

„ 3 ch will nachher mal beim Uuswärtigen Umt por* 
fprechen. Es ifl ein Schreiben aus Brüffel pon ber 
ZTegierung bes Kongoflaats unterwegs. Dorher fann 
ich nichts entfeheiben." 

Uroib perflummte, unb fein Pater fragte nach einer 
ZPeile: „ZDo ifl benn 3 otta?" 

„3ch hob fle noch nicht gefehen." 

„Ejeute ben ganzen (Tag noch nicht?" 

„Hein. 3 ch ließ mich por mittags bei ihr melben, 
ba war fle eben ausgefahren unb hotte hmterlaffen, 
fle fäme erfl gegen Ubenb 3U (Tifch 3urücf." 

E£cellen3 pon Braunfcheibt 30g bie bufchigen Uugen* 
brauen h oc h- „Hanu," brummte er. „Sehr freunbüch 
ifl bas nun nicht. Das macht bie große (ßefellfchoft 
heute abenb. Da hot fle ben Kopf poll. ZPie immer. 
Du mußt ihr bas nicht übelnehmen." 

„Uber ich bitte bich," fagte Urpib läfflg über feinen 
papieren. 

Der Ulte feßte fleh neben ihn. Eine ZPeile fah er 
ungebulbig feinen Urbeiten 3 U. Dann begann er: „(Thu 
mal bie (Sefdflchte ba für einen Uugenblicf weg. 3 ^h 
muß mal mit bir reben. ©ber pielmehr etwas thun, 
was ich mir fchon lange porgenommen hob." 

Der junge (Belehrte fah erflaunt auf unb fdjob ben 
<§wicfer 3uredfl. Sein blaffes (Seflcht war unbeweglich 
wie immer. 

„(Sieb mir mal beine Ejanb," fuhr ber greife ZPürben* 
träger fort. „So. Hun laffe fle in ber meinen unb 
höre: fleh mal — ber ZTTenfch ifl nun mal, wie er ifl. 


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Seite 


Kummer 32 . 


unb faitn nicht anders. 3 d? aud?. ,So bin id? c — bas 
311 fagen, iß mein Hed?t. Uber früher mar id? im 
Unred?t unb fagte meiter: unb fo follft aud? bu fein. 
3d? fönnte ja jegt nachträglich behaupten: bas mar 
nur väterliche £iebe. Uber mo iß ba bie (Breite 3tviid?eu 
iht unb bem väterlichen (Egoismus? 3 ebenfalls liegeß 
bu bir bas nicht gefallen. Du mehrteß bid?. Du 
mugteß fchlieglich aus bem E?aus. (Einen grogen (Eeil 
unferes £ebetts finb mir fremb uebeneinanber h* r 9 e * 
gangen, burd? meine Sd?ulb. Unb bie (Erinnerung 
baran thut mir jegt, mo ich auf meine alten (Tage 
noch einmal burd? 3u*ta fo unverbient glücflich 
morben bin, von £?er3en leib. Du ßehß — ich bin 
meicher gemorben, feit mir uns 3ulegt gefehen hoben, 
unb fage jegt gan3 ohne Bitter feit: bu hoß m Kampf 
3tvifd?en uns gefiegt. Du tjaft burch bie Chat bemiefen, 
bag bu nicht nur anbers, fonbern auch beffer biß als 
ich. Hun moßen mir Trieben machen für bie paar 
3ot?re, bie ich noch leb. Triebe 3tvifd?en UTännern, mie 
mir — bas muß 5 reunbfd?aft fein. Urvib, mein Sohn: 
miliß bu vergeffett, mas mar? IVillft bu mein 5 reunb 
fiinftig fein im £eben?" 

(Er fchaute ihn ermartungsvoll an, immer noch feine 
Bed?te feßholtenb. Urvib ßanb auf unb fagte einfach 
unb oh»e €rreguitg: „3 a — popa." 

Sie fchüttelten fich bie E?änbe, unb bann beugte fich 
E?err von Braunfd?eibt über feinen Sohn unb fügte ihn# 
3unt erßenmal feit langer §e\t. Seine Uugeit maren 
feucht vor Hührung. Uber im 3 nnern hatte er babei Ungft: 
meint ich ih*™ nur nicht altersfchmach unb finbifch in 
meiner verfpäteten £iebe unb (ßüte erfcheine . . . . 

Urvibs <ßeftd?t verriet mie gemöhnüd? nichts, mas 
in ihm vorging. (Er pacfte feine papiere 3ufantmen 
unb begann bann im gemöhnlid?en (Befprächston: „Uber 
nun mug ich fort, papa." 

„3»5 Uusmärtige Umt?" 

„3o — unb bann . . <£r 3Ögerte. „Himm es 

nicht übel, (ßerabe jegt — nach biefer — ich n>eig 
nid?t, moHen mir’s Uusföhnung nennen ober . . . aber 
— ich möchte mir nämlich gern im Vorbeigehen in 
irgenbeinem fjotel ein gimnter mieten unb borthin 
jiehen ..." 

„(Es ift fo furchtbar unruhig hier,* fuhr er lachenb 
fort. „ 3 utta lebt nun mal in einer lärmenben IVelt. 
Den gan3en (Eag geht bas fo burd?. Befud?e, (Eelephon* 
geflingel, £ieferanten, mas meig id?. Unb id? bin von 
Hatur ein ftiller HTeitfd?. Da räume id? lieber bas 
5 elb unb fomme, maitn es ftd? macht, 3um Befud?." 

IVas er ba fagte, mar gaitj richtig. Uber fein 
Pater antmortete md?t gleich. €r fah mieber E?errn 
von Beunteißers fd?läfriges 5ud?sgefid?t vor ftd? unb 
hörte feine nieberträd?tige, leife Ärage: „So? Dein 
Sohn mof?nt bei bir im E?aus?" 

Unb nun mollte ber meg, freimiHig, am (Eag nad? 
feiner Unfunftl (Ein unbeftimintes Bangen frod? ihm 
langfam vom f?er3en 3um Ejals. €r fchaute Urvib 
fd?arf von ber Seite an. Der orbnete ruf?i9 mit feinem 
fteten, in ftd? verfuitfenen (Ernft feine Sd?riftßücfe 3U 
€nbe unb fd?ob fte in bie Cafd?e. „Ulfo eiitverßauben, 
papa?" fragte er. 


Der alte Uecfe 3ucfte bie Ud?feln. „IVie bu millft." 

„Sd?öit. Ulfo abieu." 

„Uöieu." 

Uls ftd? bie Chür hinter Urvib gefd?loffen, lieg 
(E^cellens von Braunfcfyeibt bas mäd?tifle Ejaupt > auf 
bie Bruß ftnfen, ftrecfte bie Beine meit aus unb brütete, 
bie Ejäitbe in ben ^ofentafd?en, beit Blicf horhtäcfig in 
einen EV infei bes allmählich bämmernben Simmers ge¬ 
richtet, vor ftd? hin. <£r rührte ftd? nid?t. Bur bie 
<§igarre unter feinem gefträubten, grauen Schnurrbart 
glimmte unb bampfte ftogmeife unb umhüllte fchlieglid? 
feinen gansen ©berförper mit einem 5Ior von bläulid?en 
Uaud?fd?id?ten. 

plögltd? serriffen biefe Hinge, unb er fd?recfte, mit 
ber f?aitb über bie Uugeit fahrenb, empor. 3 ntta ftanb 
vor ihm. Sie mar eben nad? Ijaufe gefommen. Die 
<§ofe trug E?ut, UTuff unb Plante! nad? hinten. 

„EVo helft bu beim h^nte nur ben gan3eit (Eag 
gefteeft?" fragte er mit einem (auernben Blicf von unten 
herauf, aber ohne im Ejalbbunfel ihre «§»9* genau er- 
fennen 3U föniten. „Kaum tß Urvib ba — ba läufß 
bu aus bem Baufe." 

„EVir maren ja geßern fd?on ben gait5en (Eag bei* 
fammen," fagte fie leichthin. „E?eute ging’s mirflid? 
nicht anbers." 

3hr (Batte ermiberte nichts. <£r fag ba unb fpielte 
mit (einen (ßebanfen Kage unb PTaus, mährenb feine 
Uugeit bie Bemegungen ihrer hohen, biegfamen (Beftalt 
im <§mielid?t verfolgten. €s mar ja nur ein Spiel! 
(Er mugte ja genau: bas alles mar nichts als eine 
feiner mephiftopheli|d?en Untvanblungen, mie er fte an 
ftd? von 3 ugenb auf faiiute, bas merftvürbige Behagen 
an ber «gerftörung unb Verlegung ber Dinge. Bur bag 
er biesmal ben (Eeufel hinter ber eigenen (Ehür fud?te, 
ftatt mie fonft hinter fremben . . . Unb er überlegte 
ftd? immer mieber, mie 3utta geftern 3mifd?en ihnen im 
Kreife ber Zllänner gefeffen, bie feines Sohnes (Ehaten 
rühmten. Sie hotte gefd?tviegen unb 5ugehört unb 3m 
meilen ihr Uuge auf Urvib ruhen laffen, mit einem 
fd?euert, ernftert Uusbrud, mie man eben einen HTamt 
betrachtet, ber von ber Sd?melle bes (Eobes, aus un* 
befannten Heicheit, mie ein (Baß von einem anbern 
Planeten in bas (attgmeilige <ßteid?mag unferer Cage 
tritt unb eine afrifani)d?e iieberluft mit ftd? bringt, bie 
ben Sinn vermirrt, fo bag 3 utta itad?her, als jene ftd? 
empfahlen, mie eine Bad?tmanblerin, gait3 geiftes* 
abmefenb burd? bie «gintmer gegangen mar . . . 

plöglid? ärgerte er ftd? unb fd?üttelte bie fd?mar3en 
Schatten von fid? ab. Das mar ja EPahnftnit. (Ein 
Ulpbrucf. (Eine bumme Berveitfpiegelung. Da ftanb fte 
bod? vor ihm am (Eifd?, gelaffen unb heiter mie immer, 
orbnete mit ihren fd?IanPen Ringern bie (Euberofen unb 
(0?rYfantb?cmen f bie fte mitgebrad?t, 3U fleinen, neben 
jebeit (Eeller bes heutigen Diners 3U legenben Kitopflod?* 
fträugd?en unb erjählte babei von ber (Beneralprobe 3U 
ber morgigen 2 Kati»tee, mo fte auf einem lebenben Bilb 
bie Ejauptperfon barfteüten follte, bie Katharina Cornaro, 
mit einer golbigroten perüefe in Penesiaiter (Erad?t. 
<£s mar bas einige Bilb, bei bem h^te alles geflatfd?t 
hatte, fotvie ber Vorhang aufging. Unb bis fte fid? 


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stummer 32 . 


Seite H 95 . 


bann mieber umgejogen unb tjier^er begeben, mar eben 
ber (Eag herum. 

3 hr (Seplaubcr beruhigte iB?n. Es metterleud?tete 
mieber über fein (ßepd?t, B?alb farfaftifd? Reiter, halb 
voll befriebigten Stores rote fonft, trenn er von ben 
(EriumpB?en feiner fd?önen 5 rau hörte. Der Diener 
brachte bie Campe. Unb mie es fyeü im <§immer mürbe, 
marb es auch in iB?m mieber Ctd?t unb grollte, tväB?renb 
er fd?merfälHg aufflanb, tiur nod? in ber 5*rne mie ein 
abjiefyenbes (Bemitter. 

„Diefer Krvib/ brummte er 3tvifd?en beit Sännen. 
„EDeipt bu, mas ber Bengel mir antfyut? Sucht pd? 
ein 5ironter int l?otel. < 5 ieB?t einfach aus bem Vater¬ 
haus fort, nad?bem er faum ben Kopf hweingefledt/ 

Sie blieb gait3 rul?tg unb fragte nur: „© — tvarum 
benu ?* 

, 3 a — marum, meine (Eod?terI IDarum pnb bie 
ZITenfdien fo unb nietet anbers? 5 rag iB?n bod? felbft. 
Vielleicht mirb er es bir fagen. 2 Tiir ersät^It er nur, 
es fei iB?m tjier 3U viel Ceben. Du mad?tefl 3U viel Cärm." 

, 3 a — bas mad? id? bod? aud?." Sie lachte, fur3 
unb ein menig ge3tvuugen, mie iB?m fd?ien. v 3efct — 
mitten in ber Saifon. Unb er liebt, fo meit id? iB?n jefet 
fennen gelernt B?ab, bie Einfamfeit. 3 ^? uerflel? bas 
fd?on/ 

„So — bu verflehfl bas/ Er ging langfam um 
ben Cifd? herum, fo baß er iB?r (ßepd?t im rollen Campen* 
febein felgen fonnte, unb bemerfte mit (Brauen: fie mar 
plöfelid? blap gemorben. <ßan3 blap. 

Sie raffte in3tvifd?en bie Sträupd?en 3ufammen. 
„ 3 d? mu 6 jefet machen, bap id? 3ur (8efeHfd?aft nod? 
fertig merbe," fagte pe rafd?, ben Blid B?artnädig auf 
ben Blumen. „EVer foH mid? benn 3U (Eifd? führen?" 

„Der tB?örid?te prin3 natürlich." 

Sie unterbräche einen Seuf3er, nidte nur: „Es ip 
gut" unb verliep bas «gimmer. Unb er glaubte felbft 
ihrem fd?nellen (Bang, bem heftigen fjanbgriff, mit bem 
pe bie portiere 3urüdfd?lug, bie Ungfl an3ufeB?en, nod? 
länger in biefer Stunbe mit iB?m allein 3U bleiben. 

Unb bod? mar nichts gefd?eB?en — gar nichts. Er 
mieberB?olte es pd? im Kopf: eine boshafte, rerPedte, 
in ihrer glatten Schlangenart unfaßbare Knbeutung 
eines guten 5reunbes. Das mar ber Knfang, bas 
glimmenbe Streid?B?°B3/ bas ein VorubergeB?enber B?alb 
achtlos, halb aus Sd?abenfreube in bie offene Korn* 
teure mirft, unb menn er pd? bann umbreht, ip ber 
rtad?thimmel hinter ihm fd?on bunfelrot, unb alle (Blöden 
läuten Sturm, mie jefet bie £?ammerfd?läge feines Ejerjens. 
Unb bod? fonnte bas alles reiner Unfall fein. Das 
mar fogar bas EVahrfd?einlid?e. Das einjig (ßlaub* 
lid?e. Das fagte er pd? immer mieber ror. Uber bann 
mufcte er plöfelid? gan3 genau: es ip bod? alles fo, 
mie bu bir es einbilbeft. 3 u tta mirb totenblaß bei 
bem EVort „Krvib". Krvib geht aus bem fjaufe. Die 
beiben fliehen einanber unb miffeu moB?l, marum . . . 

(Er trat in ben 5lur unb nahm (Sel?pel3 unb gylinber. 
Das Blut mar ihm 3U Kopf geftiegen. Er bjielt es 
nid?t aus in feinen vier EDänben. Er trieb ihn hinaus 
ins 5 reie, in bie EVinterluft — bie füllte unb mad?te 
bie Stirn mieber Flar. 


Berlin lag im Sd?nee. Ulles mar meip unb meid? 
unb flill. Kein E?uffd?lag, fein EVagenrollen. Bur ein 
gan3 gebämpftes, unbeflimmtes £?ufd?en vermummter 
(ßeftalten im ^lodengemirbel unb Cid?terglan3. Es mar 
alles fd?attenhaft. EVie in einem Kranfenjimmer, in 
bem munberlid?e (Eräume, halb Sinnestäufd?ung, halb 
EVirflid?Feit, burd? bie Dämmerung fpufen unb iB?re 
irafcen fd?neiben. Vielleicht mar er mirflid? franf unb 
lief im ^iebentebel burd? bie Strapen! Unb hinter ihm 
immer etmas mie ein fd?marser Kerl mit B?od?geflapptem 
Bodfragen, ber ihm Reifer ins ©B?r raunte: „pap auf. 
Sie nehmen bir beine 5 rau." Unb menn er pd? bann 
grimmig umbreB?te, erblidte er nur feinen fd?mar3en 
Schatten unter ber Caterne, unb bie Ceute auf ber 
Strape fd?auten neugierig auf ben alten E?errn im pel3, 
beffen Hiefengeflalt pe alle meit überragte. 

Er befd?leunigte feine Schritte. Hafd? med?felte um 
ihn bas Bilb ber abenblid?en EOeltflabt — jefet vor¬ 
nehme, majeftätifd?*Aumme PillenPrapen, jept, um bie 
näd?pe Ede h^nm, ein menfd?enmimmelnber, tagheller 
plafe — ba bie froftige tDeite ber Cinben, minbburd?* 
ppffeit, im bläulid?en Cid?t, unb mieberum tiefes Sd?meigen, 
paläpe 3U beiben Seiten — 3umeilen ber jd?mere Critt 
einer Sd?ilbmad?e, ^uffd?lag unb bas lautlofe Hollen 
von (Bummiräbern — er mar in ber H>ilB?elmPrape, 
bem IDetterminfel Berlins, mo er tagsüber aud? Sonnen* 
fd?ein unb Bebel brauen half. 

Uber heute mar ihm bas gleich. ®as bipd?en IDelt* 
gefd?id?te ... Er hatte nur einen (Bebanfen: id? bin 
alt, unb bie pnb jung . . . 

Unb bod? beruhigte er pd? aHntäB?lid?. Der verlebte 
Stol3 in ihm — ber fefcte pd? 3ur U>eB?r unb erfüllte 
ihn gan3, bis er pd? enblid? fagte: nein. Einen HZann, 
mie mid?, entthront man nicht fo leicht. 3^? halte, mas 
id? habe. Unb mill nichts anberes glauben, bis id? es 
mit £?änben greifen mup . . . Unb bas mirb nie ge- 
fd?eB?en . . . 

Kls er mieber vor feinem E?aufe Panb, rollte burd? 
ben Schnee ein Wagen B? eran, ben er, ber fd?arfäugige 
Canbmirt, an bem verfd?ämten E?aB?nentritt bes alten 
Schimmels fofort als feinem 5 reunb, bem Hleb^inalrat 
IDinfler, 3ugehörig erfaunte. Da famen alfo fd?on bie 
erPen (Säfte. Er eilte, bie tEreppe 3U gewinnen unb 
pd? in fliegenber £?aft um3U3ieh«n. 

i?eute mar er in anberer Stimmung als fonP, menn 
er UTenfd?en um pd? faB?. Sonp machte e£ ihm Spap, 
inmitten ber fteifleinenen (Beheimräte unb ihres Jähr¬ 
lichen Damenflors ben alten ehrlichen ©flelbier 3U fpielen 
unb mit feinem bröB?nenben Cad?en eine Br'efd?e in bie 
herfömmlid?e, nüchterne Cebernheit einer Berliner (Be* 
feüfd?aft 3U legen — aber an biefem Kbenb maren ihm 
feine (Säfte nur eine Cafl. Diefe faltigen unb bärtigen 
(ßepd?ter bünften ihm nod? bienfllid?er als gemöB?nlid? — 
bienftlid? nod? auf bem tEotenbett — ihre Stimmen 
nod? halserner unb trodener, ihre (ßefpräd?e über politif 
unb perfonalien nod? mumienhafter. Unb mieber fragte 
er pd?, mährenb er pd? vom Diener ein (Blas ZDein 
nad? bem anbern einfd?enfen liep, voll bumpfen Un¬ 
behagens: mie fommt Saul unter bie Propheten? U)ie 
fomme id? unter biefe gopfträger unb <§ud?tmeifter 


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Seite \ty 6 . 


Hummer 32 . 


fceutfcfyer Hation? IDarum tränfe id? biefe blutleere Der- 
fammlung, in ber es 31001, brei efyrlid? gut mit mir 
meinen, ber größte Ceti gfeicbgiltig unb ber Boß 
mir ^eimlidj feinb ift r mit meinem roten Hebenfaft? 
Offenbar, toeil id} felbß fdjon öurd?ßd?tig toerbe, bünn, 
jerjcftliffen unb oerbraudtf, toie jenel 

Hings um ihn faß bie Dielfach flattierte Kusßeflung 
oon bunten ©rben auf fd? mauern frachtuch. <£s toar 
feierlichheit in allem — im Suppenfeh lürfen unb oerßecht 
bem Hadjbar im (Sefpräch eine falle [teilen, im Koßen bes 
IDeins auf ber ^urt^enfpifee unb bem IDägen frember (Se- 
banfen im ©hr ... Haltung . . . Haltung bis 3um < 5 rab. 

tDeit uom (Srab mären bie meiften nid?t. (ßrauföpfe 
überall unb fpärliche, toeiße, tonfurähn liehe EJaarFräi^e 
um fdjimmernbe (Slawen. €rnße, leibenfchaftslofe (8e- 
ßdßer mit Dielen Hubeln, froftige Ejerbßßimmung über 
bem ferneren füßeit Duft ber Cuberofen unb bem in 
mutmißigen Bläschen flimmernben Seht. 

Unb mitten in biefem Kreis ber filberfarbenen unb 
elfenbeinernen fjäupter glän3te ein mattes Slonb im 


eleftrifchen £idjt, in flüfßgen Seibenmetten aufgeßecht, 
oon einem fchrägen pfeil burd^bohrt, unb barunter bas 
Kntliß einer fdjönen jungen frau. Kus bem fchmalen 
Kusfcbnitt am E}als hob ßch bas tueiße blühenbe £eben 
ihres jungen Körpers marm uon ber nachtfchmar3en 
Cafelrunbe ber befrachten greifen XDürbenträger ab. 
Unb ihren (Satten, ber ihr gegenüber faß, burdjfuhr 
plößlid? fd?mer3haft tote ein Stich ins Ejer3 bie Crfenntnis: 
mie fommt fte hierher? Sie gehört hoch nicht 3U 
uns Ulten. 

Sie plauberte ruhig unb unbefangen, in ber Schu¬ 
lung ber tabellofen (Saftgeberin, bie ihre Herooßtät 3U 
unterbrächen meiß unb aufdjeinenb hein Uuge für bie 
Dienerfdjaft beßfct. £infs uon ihr faß ein Diplomat, 
ber flug, aber menig, rechts bie Durchlaucht, bie Diel, 
aber thöricht fprach, unb fte hörte beibes an, ohne mit 
ber IDimper 3U 3uchen. Unb in einem tiefen (Brauen 
badete ftch ber brüben: „Das iß Komöbie. Das muß 
Komöbie fein. Ußes, aßes um mich iß Komöbie/ 
(fortfefcung folgt) 


G - . — <?= ■ - -ü 

etwas vom JMondfcbdn. 

Don 21. 2TI. IDittc. 


„JTlonbbe^Iätijte gaubemadjt. 

Die ben Sinn gefangen I}dlt . . " 

£ängß iß in unferm aufgeFlärten geitalter bie blaue 
XDunberblume ber BomantiF oermelFt unb mit ihr bie UTonb* 
fd^einlyrih oerFlungen. XDtr fdjütteln oermunbert ben Kopf 
über bie ptjantaße eines IDolfram uon (Efdjenbach, ber im 
UTonbenlidjt bie ginnen bes UTontfaloatßh 3U fe^en oer¬ 
meinte. IDir haben uns baran gemöhnt, mit nüchternen 
Blichen über bie (Erbe 3U toanbeln, unb besljalb toirb ber 
UTonb oon ben mobernen £yrifern mit £iebesflagen unb 
£iebesfeuf3ern oerfd^ont. IDem gilt aud? h eu * nod? bi* 
„ßlberne £eud?te ber £Ta<ht* als „einige Dertraute fehnenber 
£iebel* — — 

XDir Kiitber einer realiftif<hen geitßrömung mißen nur 
3U gut, baß »ber gute UTonb/ ber fo ßifle burd? bie Kbenb* 
molFen geht, 11 uns ja bod? nicht Reifen Fann, nnb baß es 
Feine Untmort auf bie frage giebt: 

XDarutn ßnb ber dhränen 
Unterm UTonb fo oiel? 

Unb fo manches Sehnen, 

Das nid?t laut fein miß? 

Die jeßige (Beneration iß im großen unb gatten 3U 
praFtifch angelegt, um fragen 3U [teilen, bie unbeantmortet 
bleiben. — 

Dejfenungeadjtet befchäftigt ßdj noch h eu te ber DoIFs* 
glaube oiel unb gern mit bem UTonb. Hoch heute toirb ihm 
eine überßnitliche (EinmirFung auf irbifche Derhdltniffe, auf 
UTenfchen, diere unb pßai^en 3ugefchrieben. VO\t man in 
altersgrauer Dor3eit nach bem lüechfel bes Ulonbes Krieg 
unb frieben regelte, fo rietet ßd? noch oielfad? bas DoIF 
nach bem Stabium bes UTonbes, toenn es ßch bas FJaar 
fchneiben miß. Der DoIFsglaube läßt bas F^aar ergrauen, 
auf bas ber UTonb ben oollen Schein fallen ließ. (Eine für» 
forgliche UTutter läßt ihr ungetauftes Kinb nicht in ben 
UTonbfchein blichen, ba es fonft monbfüchtig toirb. 

Sorgfältig fdjütjt man felbft (Eßtoaren oor bem ßlbernen 
Schein bes „ßillen (Sefährten ber Ha<ht", mie ber Dichter 


ihn nennt, ba ße fonß bem Derberben anheimfaßen. Kuch 
ber ged?er betoafjrt feinen Fühlen dranF oor UTonbenlicht, 
toie es im drompeter oon SäFFingen h^'§t: 

€s Fommt mit neibifdj gelbem (Beßcht 
Der Doflmonb aufgeßiegen. 

€r fdjeint fo greß, er fcheint fo fahl, 

(Er fcheint mir mitten im IDeinpoFal — 

Das Fann nichts (Butes bebeuten. 

(Seht ein Schiff unter, fo toarb nad? Unßdjt ber Schiffer 
eine bei Doflmonb gefäüte daitne als ^auptmaß oertoaitbt. 
dbenfo feßt ßd? ber Efo^tourtn ßets in £7013 feft, bas bei ab* 
nehmenbein UTonb bem forft entnommen mürbe. 

Daß, mie jeber DolFsaberglaube, auch aßes, mos mit bem 
UTonb 3ufammenhängt, auf bem alten IJeibentum beruht, geht 
ßhon baraus h e roor, baß man bem UTonb and? (Butes nach» 
3ufagen meiß. Die alten (Bötter erfchienen in ber Dor3eit 
ßets in ber Doppeleigenfchaft oon gut unb böfe. 

So richten ßch ber (Särtner unb ber Sanbmann gern nach 
bem UTonb, auf feinen Segen h°ff*nb. Sie glauben feß 
baran, baß aßes, mas gebeten unb 3unehmen foß, nur bei 
3unehmenbem UTonb gepßan3t merben muß, um t^errlid^ 
empor3ufprießen. Sie ßnb ßd?er, baß ber Diehßanb beßen gut 
behütet uub oor Haubtieren gut gefdjüßt mirb, ber ben UTonb 
höflich begrüßt. Sie behaupten, baß ber ßets gut bei Kaffe 
iß, ber bei Heumonb (Selb bei ßch trug, unb man reifes 
(SIücF 3u erroarteii habe, n>eitn man ben Doflmonb 3uerfi im 
freien, nicht 00m giminer aus, erfchaut. 

(Ein geheimer gug urbeutfehen IDefens Flingt bei biefem 
DoIFsglauben burd?. IDenn auch t^e^en unb gauberfpuF oer* 
gejfen ßnb, mir feine drättfe mehr Fennen, 3U benen, mie in 
UTacbeth, u. a. gebraucht mürbe: 

dibenreis, ootn Stamm geriffen 
Bei bes UTonbes finßernißen, 

fo Fönnen mir bod? täglich in oerfchiebenen KleinigFeiten 
ben ITachhafl früheren Kultus unb (Blaubens fpüren — faß 
unbemußt lebt noch im DolF bie (Erinnerung an manche 
(Bebräuche unb Sitten in heibnifdjer Dorjeit. 


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Hummer 32 . 


Seite 


Sonbfrijarf Rrdjtaffllk 

plauberei Don Sr. jur. H. ID ei Mid] (Stuttgart). 


Sas Hedftsgefühl äußert ftch außerorbentlid] Der- 
fchieben. IDas ber eine als größtes Unrecht anfieht, 
bas erfdjeint bem anbern oft gan$ natürlich unb erlaubt. 
<£s ift alfo für jebermann unbebingtes (Erforbernis, 
einen feftftoheitben KnhaltspunFt bafür 3U haben, mie 
meit er gehn Fann, ohne mit bem Strafrecht in Konflift 
3U Fommen. Könnten auch Dom (6efeß nicht ermähnte 
Derfehlungen 3ur Beftrafung ge3ogen merben, fo mürbe 
bas in uielen 5 äUen eine bebenflkhe (Sefährbung ber 
perfönlidjen Freiheit bebeulen. Sie Kehrfeite ber 
H 7 ebaille aber ift, baß eben ber Hichter ftd? burch ben 
feften Sahnten bes (Sefeßes außerorbentlidj gebunben 
fteht unb manchmal in 5 ällen Derurteilen ober frei- 
fpredjen muß, mo er ftch genau bemußt ift, mie fehr er 
ftd] burch eine folche (Entfdjeibung in tDiberfprud] mit 
ber allgemeinen Hechtsanfchauung feßt. 

€in meiterer (ßrunbfaß ift ber, baß Knalogiefdftüffe 
bei Knmenbung ber Strafgefeße .im allgemeinen aus* 
gefchlojfen finb, baß alfo 5älle nid?t beshalb beftraft 
merben bürfen, meil fte mit irgenbeinem anbern oom 
(Sefeßgeber unter Strafe gesellten 5 all befonbere Kehn- 
lichfeit h a &*n. Hiit anbern IDorten: ein Strafgefeß 
barf nur auf folche 5 äüe Knmenbung finben, für bie es 
beftimmt ift. 

3 nt folgenben führe ich einige 3um (Teil Dom Seichs- 
gericht entfehiebene 5älle an, über bie ber Caie melleicht 
oermunbert ben Kopf fd]ütteln mirb. <§u bebenfeit ift 
übrigens immer, baß, menn auch ftrafrechtlid] frei* 
gefprodjen merben muß, 3u>ilrechtlich häufig noch »eit* 
gehenbe Knfprüdje geltenb gemacht merben fönnen. 

* 

K mirft in eine automatifche ZDage ober in ein 
automatifdjes HluftFmerF anflatt bes erforberlichen 
^ehnpfennigftücFs ein gleich ferneres Bleiftücf unb 
feßt baburd] ben Hlechaitismus bes XDerFes in (Sang. 

Um Siebftahl unb Unterfdftagung Fann es ftd] 
natürlich hierbei nicht handeln, beim meggenommen 
ober behalten mirb nichts. Kud] ZTCü^fälfchung Fann 
nicht in Betracht Fommen, benn bas Bleiftücf h at Feine 
KehnlichFeit mit einer KTün3e, ift auch nicht beftimmt, 
als folche in DerFehr 3U Fommen. Sas emsige Diel* 
mehr, an bas man benFen Fönnte, märe Betrug. Kllein, 
ber Betrugsthatbeftanb erforbert u. a. bie Erregung 
ober Unterhaltung eines jjrrtums burdj Dorfpiegelung 
falfcher ober €ntftellung ober UnterbrücFung mahrer 
Chatfachen. 3 n mem aber foüte im Dorliegenben 5 aH 
ein 3rrtum erregt ober unterhalten morben fein? 
fföchftcns im Kutomaten! Über biefem fehlt leiber bie 
iähigFeit, ftch in 3 rrtum oerfeßen 5U laffen; bies ift 
nur einem ZHenfd^en gegenüber benFbar. Klfo ift auch 
mit Betrug nichts 3U machen, unb K ift freijufprechen. 
Snbers oerhält es ftch, meun K ein Bleiftücf in einen 
EDarenautomateu mirft unb ihm auf biefe EDeife etmas 
entnimmt. f}ier trifft ber (Ehatbeftanb bes Siebftahls 311. 

* 

3 E feßt ftch ins IDirtshaus, ißt unb trinFt unb läßt 
jWs mohl fein-unb geht meg, ohne 3U be3ahlen. 

Sa haben mir einen 5 ali ber <ged?prellerei. 3 n 
trad]t Fommt hier nur mieber ber (Ehatbeftanb bes Betrugs, 
unb 3mar ift tft*r eine fonberbare Unterfcheibung 3U 
machen: mar 3 E ein armer (Eeufel, ber Fein (Selb hatte 


unb alfo dou oornherein ftch fagen mußte, ich fann 
nicht be3ahlen, fo hat er ben tDirt burch fein Benehmen 
in ben 3rrtum oerfeßt, er fei 3ahlungsfähig; er hat 
biefen gefchäbigt, hat ftd? burch bas ohne Be3aB]lung 
(Senoffene bereichert unb ift alfo megen Betrugs 3U 
ftrafen. Knbers bagegen, menn 3 E (Selb genug hatte 
unb troßbem nicht besagte: bann hat er ja ben XDirt 
nicht über feine «gahlungsfähigFeit getäufdft; er hat 
ihn oielleicht über feine <§ahlungsabftcht getäufcht, 
allein, Kbftchten an ftch ftnb Feine (Ehatfad?en, unb Chat* 
fachen ftnb es, beren Dorfpiegelung, Unterbrücfung ober 
(Entftellung bas (Sefeßbuch erforbert. (Es ftnb alfo bie 
gefeßlichen (Ehatbeftanbsmomente bes Betrugs nicht er¬ 
füllt, unb 36 ift in biefem 5 aH frei3ufprechen. 

* 

Sie Kammersofe K hat ein neues, ihrer Ejerrin 
gehöriges BallFleib ange3ogen unb bamit eine Cat^erei 
befucht, mobei bann bas Kleib baburch Derborben 
mürbe, baß einer ber (Eän3er ber K aus Ungefdjicf- 
lichFeit ein (Sias ZDein barüber goß. 

3 n 5 rage Fönnten hrcr Fommen: Siebftahl unb Sad}* 
befchäbigung. Siebftahl Hegt nicht Dor, benn eine un¬ 
erläßliche Dorausfeßuitg bes Siebftahls im Sinne bes 
Strafgefeßbuchs ift bie „Kbftcht redftsmibriger g>\xe\& 
nung ber meggenommenen Sache", b. h-f ber Sieb muß 
bie Kbftcht h a ^^a, bie Sache in bas eigene Dermögen 
3U bringen. Siefe Kbftdft fehlt aber, benn bie K mill 
bas Kleib nur benußen, nicht behalten, fte miH es nach 
ber Benußung mieber 3urücfgeben; eine berartige Be* 
nußung aber ift nach geltenbem Hecht nicht 3U ftrafen. 

Kud] megen Sachbefchäbigung Fann gegen bie K 
nicht Dorgegangen merben; benn burd] bas Kn3iehn unb 
Cragen allein mirb bas Kleib au fid? nicht befchäbigt, 
auch ift fte es ja nicht, bie bas Kleib befchäbigt hat. 
Kußerbem Derlangt ber (Ehatbeftanb ber ftrafbaren Sad]- 
befdiäbigung eine Dorfäßliche Befchäbigung, unb baß 
bas ZTCäbchen ben Dorfaß gefaßt hätte, ober auch nur 
baran gebacht hätte, bas Kleib 3U befd?äbigen, ift 
natürlid} ansgefchloffen. Strafrechtlich Fann bemnach 
bie unternehmungsluftige Same nicht gefaßt merben; fte 
ift nur nach 3iDilred]tlichen (Srunbfäßen 3um (Erfaß bes 
entftanbenen Sdiabens Derpflichtet. 

* 

3 läßt, um ber 5 einen Streich 3U fpielen, beren 
Papagei aus bem Käfig entfliegen. 

Siebftahl liegt hier nicht Dor, beim es fehlt auch hier 
mieber bie Kbftcht ber Zueignung. 3 »iü ^en Dogel frei* 
laffen, ihn ber 5 ent3iehen, nicht aber mill er ihn in fein 
Dermögen bringen. Kuch Dorfäßüche Sachbefchäbigung 
mirb nid7t Dorliegen, ba bem Dogel feine Freiheit Diel¬ 
leicht gar nicht fchabet unb es auch bem 3 Faum nach- 
gemiefen merben Fann, baß er es auf eine Befchäbigung 
bes Dogels, 3. B. burch bas Klima, abgefehen hätte. 

* 

Dielleicht noch merFmürbiger erfcheint bie <£nt- 
fd]eibung im folgenben, gan3 ähnlich liegenben 5aß: 

S nimmt bem <£, mährenb fte miteinanber am 
Straub ftßen, aus Hache einen Foftbaren golbenen 
Hing meg unb mirft ihn ins Hleer. 

ZDieberum fehlt es 3um (Ehatbeftanb bes Siebftahls 
an ber Kbftcht ber Zueignung. §\xv Sachbefd^äbigung 


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Seite H98. 


Kummer 32 . 


anbrerfeits genügt nicht bie einfache Ent3iehung ber 
Sache; oielntehr »irb eine Ein»irfuttg auf bereit "Be* 
fdjoffenheit erforbert: fte muß befchäbigt ober 3erftört 
»orben fein. Keins ift tjier ber 5aö. Der golbene 
Bing, ber ben (Einflüffeit bes IPaffers nicht untenoorfen 
ift, liegt unoerfehrt auf bem HTeeresboben, unb wenn 
nach langer Seit iljn jemaitb finbet, fo »irb er noch 
ber gleiche fein. Ein anberer ftrafredftlicher (Ehotbeftartb, 
als biefe beiben, famt jeböd] nicht in 5rage fontmen, 
unb es hot 5rei|prechung 5U erfolgen. 

* 

Der tPilberer XD fommt mit einem oon ihm er¬ 
legten Heh ins IDirtsBjaus unb legt feine Beute 
im fjauseingang nieber. Als er »ieber baitach fteht, 
ift bas Hefy oerfch»unben, 5 hot es geftofyen. 3 ft 
$ 3U beftrafen? 

Auf ben erften Anblicf »irb »ohl jeber fagen: ba£ 
ift bod? flar; $ hot geftohlen unb ift »egen Diebftahls 
3u beftrafen. Hun beftraft aber bas (Sefeß nur ben 
»egen Diebftahls, ber „eine frembe be»egliche 5 ad]e 
in ber Abficht, fleh biefe reebtstuibrig 3U5ueigiten, 
»eggeno.mmen hot." 5 rembe Sache heißt fo oiel, als 
im «Eigentum eines anbern fteljenbe Sache, Hiebt fällt 
alfo herunter bie XPegnahme ber oon bem Dieb felbft 
geftofftenen Sachen, ober auch oon folchen Sachen, bie, 
»ie 3. B. bas EPaffer im 5 luß, in niemanbes Eigentum 
flehn. IPir »erben alfo 00m Strafrecht auf bie (Srunb- 
fäße bes prioatrechts oer»iefert unb hoben banach 3U 
entfeheiben: in »effen «Eigentum ftanb überhaupt bas 
oon XD erlegte Heb? Hach ben (Srunbfäßen bes 
bürgerlichen Hechts fteht bas EPilb, folange es fid? in 
Freiheit befinbet, in niemanbes «Eigentum; nur beftetft 
baran in ber Hegel ein ausfdftießliches ©ffupations- 
recht bes 3 ogbbered]tigten. Erlegt nun ein anberer als 
biefer bas EPilb, fo roirb biefes in rechtlicher Be3iehung 
noch gerabe fo befjanbelt, als ob gar feine Peränberung 
in ben Hechtsbe3iebungen oor fid] gegangen toäre. 
EPeber ber EPilberer noch ber 3 ogbbered?tigte hoben 
in biefem 5 all Eigentumsrecht an bem EPilb ertoorben, 
unb erft baburch, baß ein gutgläubiger Dritter, b. h» 
einer, ber oon bem unrechtmäßigen «Ertoerb bes 
EPilberers nichts »eiß, ober ber 3 ocjbbered]tigte felbft 
bas ©er enoirbt, tritt bas bis bahin b^renlofe (Eier 
ins Eigentum eines HTenfchen. XD batte alfo gar fein 
Eigentumsrecht an bem Heb, biefes toar oielmehr noch 
herrenlos. 5 bot feine frembe Sache roeggenommen 
unb fann alfo toegen Diebftahls nicht beftraft »erben. 
Der (Ehotbeftanb bes EPilberns trifft auf bie fjanblung 
bes S nicht 3U, benn oon „Ausüben ber 3 ogb" fann 
man bei feiner Ejanblung natürlich nicht fprechen. 

# 

Ärau p »irft einem £eiermann £ aus Perfetjen 
ftatt eines Stteipfennigftücfs ein in papier einge« 
fchlogenes <§»au3igmarfftücf herunter. £ bemerft 
3»ar fpäter ben 3 rr tum, behält jeboch bas <g»an3ig* 
marfftiief troß Aufforberung 3ur Verausgabe für ftd?. 

Eine Unterfchlagung ift »ie ein Diebftahl nur an 
einer fremben Sache möglich. 5 »ar befanb fid? bie 
p im 3 rr tum über bie (ßröße ihres (Sefdjenfs. Eine 
Eigentumsübertragung ift jeboch nad] ben Dorf ehr iften 
bes Bürgerlichen (Sefeßbuchs troßbem oor fid] gegangen; 
nur im EPege ber Anfechtung fann bie p »ieber 3U 
ihrem (Selb gelangen. V a * nun £ bas (Selbftücf be¬ 


halten, fo hat er eine in fein Eigentum übergegangene, 
alfo feine frembe Sache behoben unb bemnach feine 
ftrafbare Unterfchlagung begangen. HTan fönnte noch 
baran benfen, »egen Betrugs oor3ugehn. Allein, »enn 
man auch annimmt, £ höbe burch Unterbrücfung ber 
(Ehatfache, baß er 3»an3ig HTarf anftatt — »ie er fid? 
fagen mußte — eines fleinen (Selbftücfs befam, in ber 
p einen 3ndum unterhalten, fo »ar bod] biefer 3rctum 
nicht, »ie bas (Sefeß oerlangt, faufal für bie Per- 
mögensbefchäbigung. Diefe ift oielmehr eingetreten 
burch bas Perfehn ber p felbft unb ift mit ber Eigen« 
tumsübertragung 3um Abfdftuß gefommen. 

* 

Piele Erörterungen hot f. 3 - der 5 oß ber Ent¬ 
nahme oon Eleftri3ität burch Anfdftießen einer £eitung 
oerurfad?t. Die präzis »ar in biefer 5rage fehr 
fd?»anfenb, bis eine oielangefod?tene Entfcheibung bes 
Heichsgerkhts 3U bem Ergebnis fam, baß nach ben oor- 
hanbenen Strafgefeßen eine Beftrafung nicht möglich fei. 
Betrug fonnte »egen Fehlens einer 3rrtumserregung 
nid?t angenommen »erben; Sachbefchäbigung traf in- 
fofern nicht 3U, als burch bas bloße Befeftigen ber 
Ableitungsbrähte feine Be(d]äbigung ber Vouptleitung 
gegeben »ar. Die Vonptfrage »ar jeboch, ob nidft 
Diebftahl angenommen »erben fonnte. Diebftahl ift 
nur möglich an einer Sache. Die Entfcheibung »ar 
alfo baoon abhängig, ob man bie Eleftr^ität als 
„Sache" im Sinn bes (Sefeßes anfehn fonnte. natur¬ 
gemäß hoben bie EDorte bes (Sefeßgebers einen genauen 
3 nholt, b. hv er gebraucht basfelbe IPort nicht einmal 
in biefer, bas anbere HTal in jener Bebeutung. So ift 
auch der begriff „Sache" genau umgren3t unb im (Sefeß 
nur in ber ein für allemal feftftehenben Bebeutung ge¬ 
braucht. <§um Sachbegriff gehört, »enn auch nicht bie 
ZTCöglichfeit förperlicheu Anfaffens, fo hoch die „räum¬ 
liche Beherrfchbarfeit unb Selbftänbigfeit ber Sache". 
Daß ein bloßer „Suftanb", eine „Be»egungserfcheinung", 
eine „Energie" feine Sachen finb, fonbern bloße «Er- 
fcheinungen, liegt auf ber Efonb. tPas aber ift Elef- 
triäitätP Darüber ift ftch bie EPiffenfdiaft bis heute 
noch nicht gan3 flar. HTan fpricht 3»ar oon „eleftrifchem 
Strom" unb „Eleftrisüätsmenge", ohne baß man jebod] 
bamit bie Hatur ber Eleftrijität etwa als eines 5 luibums 
chorafterifiereu »ill. Die herrfchenbe (Eheorie fleht in 
ber Eleftri3ität nur eine auf Sch»ingungen beruhenbe 
Be»egungsform. Eine Sad\e im Sinn bes (Sefeßes ift 
bemnach bie Eleftr^ität, oon biefem Stanbpunft ber 
tPiffenfchaft aus betrachtet, feinesfalls. 

<§ur Ausfüllung biefer flaffenben £ücfe ift fobann 
bas „(Sefeß, betreffenb bie Entsiehung ber elcftrifd^en 
Arbeit", 00m 9 - 19 00 erlaffen »orben. 

Es ließen ftch leicht noch manche überrafchenbe 
Urteile aufführen, bie auf £ücfeit im Strafgefeßbud] 
bafleren, aber bie mitgeteilten proben mögen genügen. 
Hie »erben ftch berartige Sd]»ierigfeiten gan3 oer- 
meibeit laffen, unb nur baburch, baß man bem Hidfter 
eine freiere Stellung einräumen, baß man ihn ge»iffer- 
maßen über bas (Sefeß ftellen »iirbe, »äre es möglich, 
ftch baritber »eg3uhelfen. Allein oiel gefährlicher ift 
eine bann 3U befürdftenbe IPillfür, als eine mehr an 
ben (6efeßes»ortlaut gebunbene Besprechung, beren 
Vörten 3ubem in ben tneiften Fällen fleh burch gefdftdte 
An»eitbung ber gegebenen Hormen oenneiben laffen. 



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Hummer 52 . 


Seite H 99 * 



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Der Sferwftgra (ft angckommen. 


fßündjnn‘ IfrifrrlrimL 

Qier^u 6 tTlomentoufna^men non £). tränt, ZHändjeru 


3fl es noch nötig 3U fagen, tuas ber HTünchner unter 
einem „Keller" perßeht? 3 enen tiefen Keller, ben bie 
Baffißen in ihrer Eieblingsfoloitummer preifen, gan3 
gen? iß nid#, benn bie Bräutpirtfdjaften, fur3tpeg Keller 
genannt, liegen nid# tief, fonbem meißens hoch. €s 
giebt ihrer bie perjdflebenßen Krten: Heine, bie ein be- 
grenjtes Stammpublifum hohen unb roo eine innige 
Fühlung 3tnifchen ben erbeingefeffenen (Büßen unb ben 
ehrtpürbigen Kellnerinnen befielt, unb anbere tnieber, 
fo gigantifch groß, baß man alt unb fchmach mirb, 
ehe man pon einem 
<£nbe 3um anbern 
gelangt. IDas bem 
flüchtigen Beobachter 
$uerß auffällt, iß ber 
bemofratifdje §\xg, 
ber hier, wie überall 
inHTünchen, öiephyß - 
ognomie bes publi- 
fums beherrfd#, aber 
a>er bas Kellerleben 
grünblicher flubiert, 
ßnbet hoch getpiffe 
Unterfcheibungsmerf- 
male. Z)a giebt es 
EDirtfdjaften, inbenen 
ber Beamte, ber 
typifche „Ejerr Hat" 
bominiert, anbere, wo 
ber „Heine HTann", 
ber f}anbn?erfer unb 
Arbeiter nerfehrt, 


anbere tpieberum, bie mit befonberer Vorliebe von 
ber fiubierenben 3ugenb unb ben 5remben aufgefud# 
roerben — nennt hoch ber HTünchner Polfsioiß einen 
ber größten Biergärten ben „Berliner Keller", toeil er 
pon ben Courißen, unter benen bie norbbeutfdjen Canbs« 
leute portoiegen, gern befud# roirb — unb fogar folche, 
jpo mit merftrürbiger (Effluflpitüt «Elemente perfehren, 
für bie bie poÜ3ei ein ßarfes 3 n Eercffc befunbet unb 
me jebe Ha33ia meiftens einen guten 5ang ergiebt. 

„ 21 n fchönen Sommertagen, menn lau bie Cüfte 

wefyn“ unb bie 5iafer» 
gäule unter ben feu- 
genbenSonnenftralflen 
noch melancholifcher 
als fonß ben Kopf 
hangen laffen, mäty 
fleh um bie Seit bes 
5eierabenbs eine Meine 
Döifertpanberung 
pom Zentrum ber 
Stabt nach ber Peri¬ 
pherie, rpo unter 
fchattigen Bäumen 
fühlenbes Haß fpru- 
belt. ZHit ber Cauheit 
ber Cüfte hat es nun 
freilich an ber 3far 
feine eigene Berpanbt- 
nis, benn bie IDinbe, 
bie über bie bayrifche 
Ejochebene ftreichen, 
flnb feine fäufelnben 



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Seite 1500 . 


Hummer 32 . 





Sepliyve, tote pe ber tüalb- unbtDiefen- 
biester liebt, fonbent eigenpnitige 
Hurfchen unb aller^anb Schabemacf 
holb. Aber bas pdtf beit HTünchner nicht 
an, ber tji roetterhart unter feinem 
Cobenrod unb lägt pch pon Abenb*. 
falte unb Hegenfchauem nicht fo leicht 
in bie flucht jagen, menn ber „Stoff" 
nur gut unb ber ganje Keller künftig" 
ift — ber mobemjte Sprachgebrauch 
mürbe bafür „tabellos* fegen. 
i AnfpruchspoHe £eute, bie bem Kom¬ 
fort nicht gern entfagen, bleiben bem 
ij Keller beffer fern, beim ber mit grobem 
iKies befhreute Hoben, bie aus rohem 
f}ol3 gefügten, ungebedten, reichlich mit 
©erpenfaft getauften (Eifche unb alle 
fonftigen Utenplien unb Attribute finb 
in ihrer natürlichen Derbheit nicht 
geeignet, perfeinerte ©efchmadsneroen 
angenehm 3U figeltt. K?er aber bas 
Z?olfsleben gern bort belaufcht, mo 
es pch am 3tPanglofejten giebt, unb 
£jumor genug hat, um fchlichten Sitten unb urmüchpger 
Ärifche bie beften Seiten ab3ugeminnen, ber pnbet Iper 
feine Rechnung unb fann intereffante Stubien machen. 


Hei ber K?aht bes Kellers ijt für beit echten Hlünch- 
ner, ber bas Problem pon Kraft unb Stoff auf feine 
Art unb 3U feiner PoHPen Sufriebenheit gelöfi hat, 
weniger bie 5 rage bes Komforts, als 
pietmehr bie Hier frage ausfdpaggebenb, 
unb ba plagen beun bie meinungen 
oft heftig genug aufeinanber. Ameier 
fchmärmt fürs 36 -Hräu, Hemeier nennt 
bas ein „©föff" unb pnbet fürs £)*Hräu 
3Ünbenbe XHorte ebler Hegeijterung, 
mährenb Cemeier beibes permirft unb 
mit bem fchöneu Hrujiton ber Heber* 

3eugung 3ur 5 ahne bes 5 *Hräus 
fchtPÖrt. (ErP in 3toeiter £inie fommt 
bie (Effenfrage in Hetracht, für fehr 
piele fpielt pe überhaupt beshalb feine 
Holle, meil pe ftch bie Agung mitnehmen 
unb Pom XDirt hSchPens bas — Sal3- 
fag requirieren. ZDenn bie Keüerfüche 
auch nicht imftanbe ift, jenen (Saumen 
31t fchmeicheltt, bie mit Ortolan de la 
Duchesse fo3ufagen grog gemorben pnb, 
fo hnt pe boch ihre unleugbaren Hei3e. 

Da pnbet man alle bie befannten 


JTÜünchner Hationalgerichte, por allem bie — leiber fafl 
regelmägig fchon „gegrübene" — Kalbshajre, bei beren 
fnufprigem, übermältigenbem Anblid bie ältegen Hier- 

her3en por freubiger Auf¬ 
regung 3ittern, bann ben 
unpermeiblichen Hieren- 
braten (ohne Hierei), 
Schmeinsbraten unb ©rat¬ 
braten, auch Hipperl, ©e- 
felchtes, Cüngerl unb ©an- 
ferl, pon falten Sachen bie 
traditionelle (Erias: Käfe, 
Habi unb hurte ©er. 

Die Hebienung liegt, 
a>ie überall in Hävern, in 
ben f}änben bes 3arten 
©efchlechts. lieber bie Kell¬ 
nerinnen liege ftch manches 
fagen — hoch bas ip ein u>eites£elb. (Es giebt junge, unb es 
giebt alte. JDem an prompterHebienung liegt, ber halte pch 
an möglichP alte unb möglichft „trüge" (b. h*minberfchöne), 


Hm Büffett. Xtn ßfatcrgnmd dC« Küche. 


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Summer 52 . Seite \ 50 {. 

aber man muß fie gut behanbeln, bemt es pnb entppnbfame Heben Verbalinjurien ©on rrahrhaft gargantuanifcher 
EDefen, unb trenn man pe fränft, rnerben pe $u EjYänen, Dragif. E}in unb trieber trirb auch mal ein Scbenf- 
morüber in 5 riebrich Schiüers Cieb ©on ber ©lode näheres feüner tregen Betrugs begraft, unb nachher — bleibt es 
nachsulefen ig. Km aüerbegen t©irb bebient, trer pcb felbg beim alten. 

bebient. KTan gebt 3ur Scbenfe, nimmt aus bem Spül- 3 eber Bierehrliche t©eig, bag bas KTünchner Bier, 
botticb einen trudtfigen KTagfrug, fpült ihn aus unb an ber Quelle getrunfen, non ©or3Üglicher unb leicht 
fchliegt pcb bem langen <§ug an, ber ©or bem Heiligtum befömmlicher Qualität ip; man fann ein gehöriges 
bes SchentfeHners Queu bilbet. KTan märtet gebulbig, Quantum baron ©ertragen, 3umal trenn man ihm ein 
bis man an bie Seihe fommt, lägt pcb ben Krug ©oü- fongeniales <£ffen mit auf ben &>eg giebt. Das fdpägt 
fchenfen, 3ahlt unb hat nun unbefebränfte ©enugfreiheit. ins Heffort ber EDirtin. Kuf ben einfacheren Keüern, 
XVemt icb fage: Krug ©oüfehenfen fo möchte ich t©o noch bie gute alte Sitte gilt, geht bie EDirtm — 



Nachmittage im ©arten. 


bamit nur ben EDunfch be3eicbnen, ber ben Z)urgenben getröhnlicb ein gutgepolgertes ^rauchen mit einem brei- 
befeelf, nicht aber bie (Ehatfache. 2 )enn bas EDort göcfigen Kinn — felbg am Speifenfdjranf unb leitet ben 

„Voüfchenfen" fommt im Cejifon eines KTünchner Sehenf- Betrieb, faltblütig unb umpdpig, rrie ein 5 elbherr in 

feüners nidp ror; „brei Quarteln" in einen titerfrug, ber Schlacht. ZTTit ruhiger ©emeflenheit, h^r anfeuernb, 
bas ig fo bas Ejöchge. 3 a, bie Herren ScbenffeünerI bort befänftigenb, tönt burch bie Branbung bes Stimmen- 

Sie löfen bas fd?trierige Problem, t©ie man aus einem getrirrs ihr einfcbmeid^elitber Kit: ,Hep, was is mit 

Ejeftoliter \25 Citer herausfdpägt, mit fpielenber Ceidpig- bem Ejerrn 2 >ireftor feine Scbtreinsha^en? 3 n örei 

feit. Das publtfum fügt pcb, trenn auch murrenb, in KTinuten ift 3 h r Ef*nt fertig, E)err ©on KTeierl KTögen S* 

biefen geheiligten Brauch, unb feiten nur pnbet pcb ein an Salat 3U 3 h r * Ejammelnieren, Ejerr Sadjbar? 

Behüter, ber bem ftiernaefigen Ejerrn mit ben funftroll 3 *lT a5 / ba hinten, bruden S* boeb net fol" 
in bie Stirn geflehten Sedperloden ben Bierfehbe* KTupf erfreut bes KTenfchen Ejer3, beshulb fann es 
hanbjebuh tpnfdtfeubert. 3 >ann giebt es, 3um ©aubium nidp trunbemehmen, bag überaü in KTünchen, r©o bie 
bes geu^en Keüers, ein homerifebes ©efebimpfe mit reich* ©ambrinusqueüe lebhaft fprubelt, luftige EVeifen loden« 


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Seite {502. 


Ztunrmer 32. 


3 n beit feineren KeHerroirtfcfiaften f}ört ntan gute ITCilitär* 
mufiP, in ben einfachen waltet bie ewig „»erflärfte 
EjausfapeHe* itjres 2 Jmtes unb leijiet befonbers mit ben 
bynamifcijen «Effeftcn ber großen paufe ein < 2 rfled* 
liebes. ZPcnn bann bie allbetannten 23ocflieber unb 
Cänbler erflingen, $. 23. „(Buten Zltorgen, fjerr iifeber - , 
ober „lüas braucht bemt ber Sauer an fjuat", werben 
bie Sefrains aus taufenb frifeben Keblen mitgefungen. 

6 ..^ 


fjarmlofe 5r5t^Hdifcit — fo ift es recht, benn »er wollte 
ft ch bem fchalfhaften Ciefftnn jenes oberbayrifchen 
<S(|lan 3 erI perfdjließen, bas ba fagt: 

„Der Zttenfä? muß a £reub fabelt, 

Unb a freub muß ber tttenfd?en haben, 

Denn wenn ber OTenfd? Ja* ^freub l{at f 
' Was hat nadja ber Ulenfdf?" 

Pictor ©ttmann. 

'S 




Hud dem „Goldenen CUeften“. 


ffietyx 5 ptjotograpfyfd?« Uufnahmen. 


3 n aller HTunb n>ar tn ben fünfäiger unb fed? 3 iger 
3ahren bas £anb Kalifornien. Heiche (Solbfunbe waren 
gemacht worben, in fü^ejier Seit gelangten Vermögens* 
lofe 3 U märchenhaftem Heichtum; man brauche nur bas 
(Bolb pon ber €rbe aufjunehmen, h^fe es, 
unb baran war etwas IDahres. ©aufenbe 
unb Hbertaufenbe jhrömten nach bem Sauber- 
lanb, pielen glüefte ihr Vorhaben, anbere 
pertoren ihr Crworbenes »ieber unb nicht 
feiten auch bas Ceben, benn es rparen »ilbe 
(ßefeilen, bie ins £anb famen, unb ein 
ZHenfchenleben ftanb nicht hoch int U?ert. 

Hach unb nach traten georbnetere Suftänbe 
ein, ben einjelnen (ßolbgräber perbrängten 
bie (ßefeüfchaften, bie Ulafchine trat in ihr 
Hecht, unb heute ftnb wohl alle leicht er¬ 
reichbaren 5unborte bes eblen ZHetaHs fo 
erfdjöpft, baß ein (Ei^elner mit „(Bolbfudjen" 
nicht mehr feinen notbürftigften Unterhalt 
gewinnen bürfte. 2Tlit ausge 3 eichnetem 
ZTlafchinenmaterial unb möglicher (Erfparnis 
ber fehr teuren Ejanbarbeit »erben heut 3 utage 
aud? noch arme <ßolber3e mit <5e»inn Per¬ 
arbeitet, unb Kalifornien probu 3 iert immer noch jähr¬ 
lich ®olb im IDert pon über fedtfig HTiHionen ZHarf. 

Hber ein anberes IDunber ift gefchehen. Das ehe¬ 
mals »üfte, unfruchtbare £anb ift auf »eite Strecfen in 
ein »ogenbes Kehrenfelb unb üppige ©bfigärten um- 
ge»anbelt worben. UTenfchlicher 51 eiß h at bem troefenen 


Hoben burch großartigfie Sewäfferungsanlagen bas not» 
»enbige IDaffer 3 ugeführt, unb nun blüht unb gebest 
es, »ie faum in einem anbern £anb. (Eine »unberbare 
gleichmäßige (Temperatur ohne übermäßige l^iße, »ie 


€in Ritfenhotel in San francteco. 


Die berühmte JUckftemwarte auf dem piount BamUton bei San Joti. 

fte fo oft im ©(len Kmerifos auftritt, monatelanges 
fehlen jeben Hegens unb babei IDaffer im Ueberfluß, 
fruchtbarer Hoben — bas alles ftnb ibeale 5aftoren 
für eine nußbringenbe Canbwirtjchaft. 2 >as Refultat 
»aren beifpiels»eife im 3 <*h* eine Kusfuhr pon 
20 Millionen Rentnern 2 X>ei 3 en (neben großen ZlTengen 
anbern (Setreibes) unb JO ,6 HTillionen 
Scntner gleich 53000U>aggons5rüchte aller 
2 lrt, frifche, getroduete unb eingemachte. 
Hieftge Canbjirecfen ftnb 3 u 5 rud?tgärten 
umgewanbelt, fo bas ©hal bes San 3oaquin 
H»er, »o ber Fimmel im 3 a h* an 2^0 
bis 250 Cagen »olfenlos ift. 2luch X>ich* 
3 ucht »irb piel betrieben, Por 3 ügliche pferbe, 
Hinber unb Schafe »erben in großen 
UTaffen ge 3 ogen. 

HTit bem allgemeinen 2 tuffch»ung bes 
Canbes gelangten naturgemäß auch bie 
Stübte 3 ur Hlüte. Die Efauptjlabt hn 
hanbelspolitifchen Sinn, San Francisco, »ar 
im 3<*hr 1850 ein Dorf poit 500 (Ein¬ 
wohnern, heute iji es eine präd?tige Stabt 
pon über 350000; Cos Hngeles, bie Stabt 
ber ©rangen unb Zitronen, befißt über 
200 000 (Einwohner. San Ärancisco liegt 
an ber Sacramentobucht unweit bes 


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Xtummer 32. 


Seite 1503. 



WHOLESALE &R0 

^Salesraom Market Street ~uttr> 


Blick aut die Market Street tu San francteco. 


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Seite {50%. 


Rümmer 32. 



Panorama von San francieeo. 


„(Bolbenen Chores", bas ben Uusgang bet Bucht 
nach bem Stillen © 3 ean 311 bilbet. 53ei bet Anlage bet 
Stabt mar mit großen SchmierigFeiten 3 U Fäntpfen, 
fjügel mechfelten mit (Eifern ab, ebene, leicht bebaubare 
Stteden waten faum porhanben. <£s mürbe riet 
planiert, bebeutenbe Sprengungen porgenommen, aber 
troßbem ift bas Uusfehen ber Stabt noch fehr eigen¬ 
tümlich. Cange Strafen führen 3 . B. über brei bis 
pier £}ügel unb burch ebenfooiele Chäler, mobei es ohne 
oft recht bebeutenbe Steigungen nicht abgeht. Sie Stabt 
beftßt 3 ur Seit rieftge Bauten. Namentlich bie Seitungs* 
gebäube unb Rotels 3 eid?nen ftd? £>urch ihre UTäijtigFeit 
aus* Das StraßenbahnfYftem pon San Srancisco ift 
berühmt. Ulit Neib fann ber Berliner auf bas außer* 
orbentlich fchnelle 5 ahren, bie fchuelle Uufeinanberfolge 
ber lOagen unb ihre gute Uusftattung fdjauen. Ser 
Betrieb ift teils eleftrifch mit ©berleitung, teils mit 
anterirbifcher Stron^uführung, teils nach bem Kabel* 
lyfiem eingerid?tet. Sie Ijauptftraße, U7arFet*Street (2lbb. 
5. J503), beftßt oier, an eit^elnen Stellen auch fünfcßeleife, 
auf benen bie „Cars" in größter Cile bahinfaufen. 

Sonberbare Verhältniffe h a &en ftd? burch ben Um- 
jtanb herausgebilbet, baß alle UohprobuFte, Nahrungs¬ 
mittel außerorbentlich billig, menfdjlkhe Urbeit bagegen 


fehr teuer ift. €in gewöhnlicher Arbeiter perbient 
2,50 SoHars (\0 50 UTarF) auf ben (Tag, ein Vorarbeiter 
bis 3 U ^0 Sollars (^2 UlarF). €m rentables Unter* 
nehmen Fann nur entftehen, wenn nach UlöglichFeit mit 
fjanbarbeit fparfam umgegangen wirb, bagegen überall 
ZHafchinen permenbet werben. 3n bet Stabt h at bie 
Straßenbahn gan 3 bie Stelle ber SrofdjFen anberer 
(Broßfiabte eingenommen. Kutfcher Fönnen nur (ehr 
reiche Ceute be 3 ahlen; oft ift es aber angenehm unb 
notmenbig, einen ZVägen 311 benußen. IDagen unb 
recht gute pferbe ftnb billig 3 U h oben, unb fo Futfchiert 
man eben felbft unb binbet, währenb man feine <ße* 
fchäfte beforgt, bas pferb an einen ber ba 3 u beftimmten 
Ninge in ber Borbfdimetle ober an befonberett eifernen 
Unbinbepfählen. Ulan fleht fortwährend ein 3 elne Samen, 
Kinber in ihrem flmFen „Buggy 4 * burd? bie Stabt fahren 
unb in allen Straßen unbeauffidtfigte 5uhrmerFe. 

Ser große Neidtfum bes Canbes 3 eigt ftd? in bem 
lu£uriö|en £eben eines großen (Teils ber Bemohner unb 
porübergehenbeu (ßäjte pon San 5rancisco, in ben 
präd?tigen öffentlichen Unlagen, toie parFs pon riefiger 
Uusbehnung, Bäbern u. f. w . Cinjelne Kalifornier finb 
beFannt gemorben burch ihre riefigen Stiftungen, bie fie 
3 utn Beften ber Ullgemeinheit für miffenfd?aftliche §wede 



Dtc Bohrtürme zur Oclgewinnung in Hos Hngeles (Kalifornien). 


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ZTummer 32. 


Seite \505» 



gemacht IjaBen. Dem Cegat eines fjochpnnigen BTannes 
oerbanft 3 um Beifpiel bie berühmte £icf» Stern »arte 
(2XI>b. S. J502) auf bem Bit. fjamiiton nahe San 2o\4 
ihr Dafem. 2TIit bem bortigen 36 3 öHtgen Äernrot^r — 
einem ber größten ber JDelt — pnb eine Seihe fehr 
»ichtiger apronomifcher Cntbecfungen gemacht »orben. 

Reiche €r 3 e, bie €r 3 eugmffe bes Kcferbaus unb ber 
Dielföucht traben Kalifornien grop gemacht, trofcbem 
eins fehlte: billiges Brennmaterial. Die Köpfen muffen 
tueit ber t>ont Ort ihrer (Seroinnung gebracht »erben 


unb hohen baher einen hohen P r *is. 3 n ben lefeten 
3ahren iji nun im £anb felbjt Brennmaterial auf» 
gefunben »orben, bas ber Kohle in uieler Be 3 iehung 
überlegen ijh bas Petroleum. Seiche £ager finben pd| 
in ber (Sraffchaft Kern bei Baferspelb, ferner nah« 
£os Kngeles u. f. f. unb gepatten einen fo niebrigen 
preis für bas Rohpetroteum 3 U pellen, baß eine große 
K^aht namentlich fleinerer Betriebe bie 5euerung mit 
Kohlen oerlaffen hat unb habet bis 3 U 50 pro 3 ent 

€rfpamis er3ielt Sr. Karl »ieganb. 


Canöauf enthalt. 

Berrenfdraürftfefel. 


<8efellfd?aft. 


Qnfer Scbubwerk. 

f^ierju 9 pbotegrapl?ifd?e Kufnafpnen. 


IDiflenbe behaupten, bie Befdjäftigttng mit Schuh* 
wert führe 3 um Spintiperen. <Es mag fein. Die (fuß* 


ftiernaefige, grobe Kerle, aber noch fiel öfter gutmütige, 
äußerß biebere Dicfhduter. Da 3 »tfchen p«h«n wieber bie 


befleibnngsfünpier Qans Sachs unb 3 a *°& Böhme ftnb plattfüßler, bie auf ihren langen <5onbeln einherwatfdjeln, gleich 
ja ob ihres Dichtens unb Spinttperens berühmt geworben. (fröfchen, bie aufrechtgehen foßen, unb 3 ulefct fommen noch 
Diefen Dorbilbern nacheifernb, wimmeln feitbem unter ben bie Knorrfüßigett, bereu gehenbaßen in bieten Bucfeln heraus* 


Dichtern unb IDeltweifen bie Schuper. 
ffansfnechte gehören ebenfaßs nicht 3 U ben 
Seltenheiten; man rühmt ihnen nach# baß 
pe ihre gim* 


Philofophterenbe treten unb babnreh bem Sdjuhmert ein fo nnfehönes, oerfrfip» 

peltes Knfehen geben. 2 lu<h bem entfprichl 
meip ein hart gejeidjnetes, gleichfam 3 U* 
^ fammengefd^obenes (5epcht 3* nun, es ip 


mergäße nad? 

bem Schubmcrf I 
3 u beurteilen 
nidjt 

nur hinpeht* 

lieh bes dri nt* Cennlsfchub« 

gelbes, fottbern* 

and? bem gan 3 en JDefen nad?. bas 


001t 3 u genb 
auf geübt unb 
rdnih. ein oernünfti- 

ges SchuhmerF, 

bas über bem Spann unb in ber 


feinem gegeben, pch feine Untergepeße nach 
Belieben 3 U wählen. Doch «ine forgfäb 
tige Jttßpßege, 


2luch baran mag etwas XDahres Ejacfe feßßfct, ben gehen aber rolle 

fein. (Es giebt DTenf<hen, bie haben Freiheit beläßt — pe beibe Fönnen 

einen fo herrlichen, fdjlanFen, h oc h* unfern (füßen fehr »ohl eine gute 

getrölbteu jatß, baß ihr Sdjuhtperf (Seßalt geben unban häßlichen nod? 

geral^u mupergiltige (form ge» viel rerbepern. 3 m allgemeinen 

minut. IHerFtoürbig, bas pnb meip pnb mir mit unferm heutigen 

fcböite ober bo<h geißreiche, Fluge Schuhtrerf nicht fo fehlest baran. 

£eute. 3he tfegenfpiel pnb bie un» Die ron ber Zttobe oorgefchrie* 

geflachten Burfd?en, bie auf reinen bene fchmale, fptfce (form 3 trängt 

SpreeFähnen einher* aßerbings bie gehen 


wanbeln. 3h** ^Bot¬ 
ten" pnb rorpnt* 


nnb gehenbaßen 
etwas 3 U fehr ein, fo 


Putlich; wo pe hm» bap, namentlich bei 
jiampfen, wäd?p Fein unfern lieben Damen, 
(Sras mehr. Solche bie eingefrümmten, 
Seute pnb immer fdjiefgew ad? Jenen 




dcbaftrtfcfd für ßüttenleute. 


Iangfame, bebäd?- 
tige, bajn manchmal 


gehen recht bäußg 
rorFominen. Allein 


Staffel für Jäger. 


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Sexte J506. 


stummer 32. 






mir tragen hoch ntebrlge 
l?acFen, laßen alfo unfern 
(fuß ßiemlid? 
naturgemäß 
bem Boben 
ftch auffeßen; 
wir fdjttüren 
vielfach unfere 
Schuhe unb 
geben babnrd? 


Schuhe fQr Sifengieseer. 


unferm fuß 
bei voller Be¬ 
wegungsfreiheit an ber richtigen Stelle ben rechten f?alt; mir 
tragen infolge bes fyetlfainen (Einflußes, ben ber Sport auf 
mtfere £ebensführung unb £eibeshaltung gewonnen l?at, bie 
fleibfamen unb fehr gefmtbeit niebrigen, meidjfofyligen Smutje 
aus Segeltuch ober nachgiebigem Haturleber; wir beft^en 
recht gute 3agb* unb Hettftiefel, bie Faum bis 
über bie XDaben reichen, alfo bas KitiegelenF 
unb bie TjanptmusFeln bes HnterfdjenFels in ihrer 
(ThätigFeit nicht hindern; ja wir vermögen felbft 
unter ben BaHftiefeldjen unb Tjansfdjuhen unferer 
befferen Ejälften unb berer, bie es gern werben 
möchten, 3uweilen gan3 vernünftige Dinger 3a ent* 
becFen. Vor allem aber ftehen uns im Schaf* 
unb Siegen* unb Safjtan* unb ffunbe* unb 
Hoß* unb Hinb* unb Kalb* unb Schweins* unb 
(Eibedjfen* unb Krofobil* unb Keh* unb tyrfd}* unb 
Hntilopen* unb Seehunbsleber für alle unfere 
gweefe bie pajfenben £eber 3ur Verfügung, unb „anatomifch 
gebilbete (fnßbefleibungsFünftler* forgen bafür, baß unfer Schuh* 
werF genau nach bem (Stpsabguß unferes lieben (füßchens 
gefertigt wirb — ober nach bem Kopf bes Hnatomiefchufters. 

Das Fommt auch vor, 
Jür einen großen 
(Teil unferer Schuhe 
ift bie IHafchtnenarbeit 
3ur Hegel geworben, 
unb bie vielerlei Krten 
S<huhwerF, bie h* u ** 
für bie ein3elnen Be* 
rufe fowohl wie für bie 
verfchiebenen (ThätigFeiten 
bes (Sefellfchaftsmenfchen 
gefertigt werben, ftnb 
eigentlich erft burch bie 
(Einführung bes (fabriFbe* 
triebes möglich geworben, 
(faft jeber Beruf hat feinen 
eigenen Schuh ober Stie* 
fei, vom (Etfengießer unb 
Steinhauer, vom £anb* 
wirt unb Solbaten bis 
3uin Barbier unb Kellner. 

Unb baß manche (Thätig* 
Feit ohne bie richtige JußbeFleibung überhaupt nicht ausgeübt 
werben Fönnte, lehrt uns gerabe ber Knblicf jebes vielbefdjäftigten 
Kellners. Hber noch mannigfaltiger ift bas S<hnh3eug bes 
(Sefellfchaftsmenfchen. ITTan braucht 3war heute nicht mehr 300 
Paar Stiefel 3U befißen, wie ber nur barob berühmte <£inq* 
DTars, ber <Sünftling£ubwigs XIII. vonJranFreich, unb man 3ieht 
auch nicht mehr wie bamals bie Stiefel naß an, bamit fie recht 
Fnapp ben Juß 
umfließen, 
jeboch ber 
fogenannte 
„anftänbige 
HTenfch" von 
heute, bem bie 
Krbeit nichts, 
bas Urteil 
über feinen 


Retterfrtefel. 
(€nglifd?e Kapallerie.) 


pusshalirchuh. 


Krr^ug alles bebeutet, Fann ohne eine 
größere Hn3ahl verfchiebener Schuhe unb 
Stiefel nicht „ftanbesgemäß" ausFom* 
men. (Seht er 3ur Stabt in feinen 
Beruf ober um einen folgen herum, fo 
muß er Stiefel tragen, bie h 3 d?ftens 
vorn eine £ac!leberFappe aufweifen; 
fpielt er (Tennis, woburch man ftch 
auch fein um Berufsarbeit {drängeln 
Faun, fo muß er in weißen Schuhen 
ftetfen; erfcheinter in (SefeHfdjaft, was 
auch Me BerufsthätigFeit vermeiben 
hilft, fo muß er unfehlbar in £acF* 
ftiefeln wanbeln; unternimmt er einen 
Kusßug, ober befucht er gute (freunbe, 
(Safthaufer unb Seebäber, um jt<h 
Von feinen Hnftrengungen im 
Beruf 3U erholen, fo muß er rote 
ober gelbe Schuhe 3U geringelten 
Strümpfen unb umgefchlagenen 
BeinFleibern tragen — Fur3, Mr 
liebe (Sefeüfchaftsmenfch hot unenblidj 
viele, weltbewegenbe Verpflichtungen 
in feinem SchuhwerF 3U erfüllen. Das 
ift alle3eit fo gewefen. 3m fed^ehnten 
3 ahi*h un Mrt ftnb Damen unb Herren, 
bie etwas hoben gelten wollen, nur 
in Schuhen gegangen, beren Spitzen, 
mit Draht gefteift unb mit ZVerg aus* 
geftopft, um bas Doppelte ber (fußlange vorgeftanben hoben. 
3a man hot unter biefen eigentlichen Schuhen noch hol3erne 
SohlenFIappen, bie (Trippen, beweglich befeftigt. (Eine Stiege 
hat man mit folgern SchuhwerF 
nur von ber Seite gebenb betreten 
Fönnen. Später ließen bie Herren, 
als bie Heiterftiefel mit h cra ^' 
fallenbetn Stulp falonfähig würben 
unb man beu Spitjeubefa^ ber 
UnterbeinFIeiber Öffentlid) 3eigen 
mußte, biefe Canons, biefe Spieen 
vielmeter¬ 
weife in ben 
Stulp nähen 
(heute nennt 
ber Stubent 
feinen hohen 
Stiefel 
„Kanonen* 

unb nicht bie Schube för Handarbeiter. 

Spitje, bte 

er überhaupt nur nod? in Verbinbung mit bem getrunfenen 
Stiefel Fennt). gnr felben geit [testen bie Damen auf hohem 
^öcFelfchuh einher. Dann wieber würbe ber hohe Stiefel burchaus 
shocking; in burdjbrochenen Strümpfen unb in Schuhen, beren 
golbeneunb ftlberne Schnallen weitabftehenbe Banbfchleifen hiel¬ 
ten, florierten DTännlein unb XDeiblein baher. 3 n ^ er V^erther* 
3eit enblich würbe ber Stiefel „tiptop", ben heute unfere Heit* 
fnechte tragen, unb bie Damen erfreuen in Schuhen mit fo wenig 
(Dberleber, baß fie mit Kreu3bänbern über bem Spann gehalten 
werben mußten, weil fte fonft wie Pantoffeln geflappert hoben 
würben, freute ftnb bie Bänber weg, bas (Dberleber ift wieber ba 
unb bas Kreu3 unb ber pantoffei — Schluß l fyms 3firgen. 


Damenfcbube för Promenade, Radfahren und SefeUrchaft. 


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Seite 1507. 


*SP-«PJ?'JLL • 


Hummer 32. 


£)as le^te Zimmer» 

Bopellette pon 21 von KlincFomflroem. 


„EDir glauben oft ju fdfleben unb merben gefchoben!" 
bemerfte Konrobi, ber längere &e\t gefchmiegen hatte, 
als eine paufe im (Befpräch entflanb. „Es flnb nicht 
immer bie (Brünbe, beren mir uns bemüht flnb, bie 3 um 
fjanbeln treiben, Sumeilen (pielt ba noch eine 21 rt 
^eöfehen ber Seele mit, pon bem mir freilich in unfern 
machen BTomenten nichts miffen, bas aber troßbem unfer 
Chun beherrfcht." 

„Da märe Konrobi ja glücFIidj mieber bei feinem 
fieblingsthema!" rief eine lachenbe Stimme. 

w SemeifenSie 3 h^^bnuptungI / ' perlangte übermütig 
einanberer. „Blit IDorten allein ifl es bei uns nicht gethan." 

Die £}erren faßen nach bem Diner noch bei Chor- 
treufe unb Kaffee beifammen; bläulicher «gicjarrenbampf 
erfüllte ben Speifefaal bes Kaflnos. Die Stimmung 
neigte 3 ur 21usgelajfenh«it; nur ber Bittmeifler Konrobi 
faß emflhaft, mie es feine (Bemohnheit mar, inmitten 
bes luftigen Kreifes. 

,21ha! Wenn es an bie Begrünbung gehen foD, 
bann fdjmeigt er fleh aus." 

„Bein! — nur mürbe bas Fleine (Erlebnis nicht in 
bie augenblicflich h^rfchenbe £Jeiterfeit hineinpaffen." 

„Hur los! EDir fchmören, baß mir ben gebührenben 
Emfl bemahren merben." 

„Damals, als bas gefchah, mas ich er 3 ählen miß, 
flanb ich bei ber betadflerten Schmabron in ZHenbel- 
flabt, traf aber häufig mit ben Kameraben ber größeren 
(Bamifon im nahegelegenen Babeort 3 ufammen. Be- 
fonbers mährenb ber Bennfaifon maren mir bort oft 
3 U finben, benn bas Bab befaß einen ber beflen Benn- 
pläße Deutfchlanbs. 

„2ln einem Sonntag, BTitte 21pril, fanb biesmal bas 
erfle 5 rühjahrsmeeting flatt. Zufällig fuhr ich als 
einiger pon ber Schmabron ba 3 U hinüber, eigentlich 
aus Cangmeüe, benn ich hin, mie Sie miffen, Fein 
Sportsman. 2lber obgleich mein 3ntereffe hier gar 
nicht im Spiel mar, Farn hoch beim 2 tnblicF bes hübfchen, 
farbenfreudigen Bilbes frohe £aune über mich- 

„Sonnenglan 3 unb blauer £}immel über bem frühlings¬ 
grünen 5elb, flatternbe, bunte Sähnlein, auf bem Satte I* 
plaß neroöfe, fchlanFgliebrige (ßäule, 3ocFeys in Dreß, 
©fftyere in Uniform unb eine taufenbFöpfige ZTTenge. 

„EDie ich bie eleganten Damen unb blafierten Herren 
ber £ebemelt fah, bie ben Vorgängen an ber IVage mit 
fachFunbiger ÜufmerFfamFeit folgten, mußte ich lachen. 
fSie gaben ftch «in fo ungeheuer michtiges 21 nfeheru 

,3ch mar ein menig fpät hmausgeFommen, blicfte 
nach ber aufgegangenen Bummer unb bann pergleichenb 
in mein Programm. Bummer 3: ©ffoiershürbenrennen. 
Bun, fo hatte ich alfo noch nicht piel perfäumt. 

„Zufällig gehörten bie Beflßer ber genannten pferbe 
$u meinem näheren BeFanntenfreis, unb unter ben 
Beitem mar mir einer, ber Fleine f}eßberg, fogar bireFt 
befreunbet. Eben perließ er im leichten Dragonermaffen» 
rocF bie EVage unb ftanb im Begriff, ftch in ben Sattel 3 U 
fchmingen. (£ht hochbeiniger Bleßfuchs mar’s, ben er 
reiten follte, etmas überbaut, aber febnig unb aus- 
bauernb, ein (Saul, ber als befonbers fchmierig beFannt 
mar, aus bem Stall bes BTajors uon Düringshofen. 


v fjeßberg gehörte 3 U ben populärjten Herrenreitern. 
2luf allen Bennpläßen, auf benen er ftch blicfen ließ, 
mürbe er regelmäßig mit braufenbem §uruf porn 
publiFum begrüßt. (Er ritt famos unb hotte fchon fo 
manches pferb, auf bas niemanb 3 U metten gemagt, 
als Sieger 3 um pfoften gebracht. Beben biefer 
SdineibigFeit jeboch gewann ihm fein hübfches, junges 
(Befiehl unb eine h a ^ntlofe, Fnabenhafte CuftigFeit nicht 
minber bie Sympathien aller. 

„S^ifch«” ihm unb mir mar in leßter &e\t eine 
Fleine (Entfrembung eingetreten. 3ch als mohlerjogener 
Europäer, ber alles Humbug nennt, mas rein menfch* 
lichem unb gutem (Befühl ähnlich fleht, hatte es ihm 
perargt, baß er mie eine alte 3 ungfer umherging unb 
feine Äreunbe unb 8 eFanntet\ an 3 apfte, um im Sana¬ 
torium bes Babes ein pripatsimmer, ober beffer gefagt, 
einen 5reiplaß für fchmerFranFe unbemittelte ©ffl 3 iere 
3 U fliften, moran es bis jeßt gefehlt hatte. 3 ch fanb 
berartige Bestrebungen bei einem Kameraben unb 
21 Uersgeuoffen lächerlich, unb mir maren barüber ein 
menig aneinanbergeraten. ©bgleich felbfl ohne Ver¬ 
mögen unb faft nur pon feinen Benneinnahmeit lebenb, 
hatte er ben für feine Verhältniffe namhaften Beitrag 
pon 500 BTarF ba 3 U gegeben. Die Sammlung mar 
fein Spielzeug, fein StecFenpferb, unb roh, mie tch bamals 
mar, machte ich mich über bie billige 2 lrt luftig, mit ber er 
nach bem Bimbus ber IVohlthätigFeit flrebte, bis ich bann 
hörte, baß eine £iebesangelegenh«it bahinter ftecFe. 

„5räulein pon (Eichrott, bie Cochter bes (ßenerals 
a. D., mar bie 21 ngebetete feines fyriens gemorben, 
ein ZHäbet, fchön genug, um auch Pemünftigere Köpfe 3 U 
perbrehen, aber ebenfo Fühl unb unnahbar. Seitbem 
fle einen Kurfus unter bem roten Kreu 3 burchgemacht 
hatte, flrömte fle über pon VortrefflichFeit, unb menn- 
fchon fle in bie XVelt surücFFehrte unb mieber in (Be* 
fellfchaft ging, pflegte fle bie Leutnants mährenb bes 
Can 3 es mit (Bemiffensfrageu unb ernflen Ermahnungen 
mehr 3 U erfchüttern als 3 U unterhalten. 

„Die fchöne Eidtrott alfo hatte meinen 5reunb H«ß' 
berg in bie fjänbe genommen unb ihm feinen leicht¬ 
fertigen £ebensmanbel fo bringlich porgehalten, baß ber 
liebe Kerl in pöfliger gerFitirfchung fleh entfdtloß, fein 
fünbhaftes Chun burdj eine gute unb große Chat aus- 
3 ulöf dien, bie 3 ugleidt gan 3 im Sinn feiner Angebeteten 
fein follte. Es Farn ihm nicht in ben Sinn, baß er, 
ohne jemals 3 U überlegen, fd?on piele gute Chaten ge- 
than, baß er fleh bie BettungsmebaiHe mit (Befahr bes 
eigenen Cebens perbient unb Kameraben, bie por bem 
leßten per 3 meifeiten Schritt flanben, mit ^ufpruch unb 
merFthätiger Si'xlfe ins richtige (Beieis 3 urücFgeführt hatte. 
Er hanbelte gan 3 einfach unb treuher 3 ig, mie es feiner 
21 ngebeteten mohlgefällig fdtien, unb mirFlid? mar es 
ihm burdt uncrmübliches £iebesmerben gelungen, eine 
21 tt 3 aht reicher £eute für jene 3 &«* 3 U gewinnen, fo 
baß bei Beginn bes 5rühjahrs, nod? Por ber eigent¬ 
lichen Kurfaifon, bas KranFen 3 immer für unbemittelte 
©ff^iere ft£ unb fertig bes erften Bemohners harrte. 

„BTit freubigem Eifer Fümmerte er fleh felbfl um bie 
Details ber Einrichtung unb teilte bann flrahienb bas 


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Seite \508. 


Hummer 32. 


Hefultat feinerSemühungeu bem5räulein pou Eichrott mit, 
worauf bie junge Same, gerührt pon fo piel Eingebung, 
ihm ihr 3 uu>ort gab, ab er gleid^eitig um ße anhielt 

,Sies fanb ungefähr eine ZOodie por bem erßen 
Hennen ßatt 3ch blatte bie Perlobungsan 3 eige wohl 
erhalten, aber noch feine (Belegenbeit gefunben, ihm 
perfönlich 3 U gratulieren, ba wir, wie gefagt, nicht in 
ber gleichen (Barnifon ßanben. Es reute mich, bies 
unterlaßen 3 U buben, unb als ich ihn nun jeßt im 23e* 
griff fab, ht ben Sattel 3 U (teigen, unb er 3 ufäHig bas 
(ßeßcht nach ber Hichtung voaribte, in ber icb ftanb, 
winfte icb herjlich mit Kopf unb Ejanb 3 U ibm hinüber. 
3m nämlichen ZHoment erfebraf icb. Sein hhbfdjes 
3ungengepcbt war blaß unb perftdrt. Es batte etwas tief 
Unglüdlidjes, Ceibenbes, unb Ejeßberg febieu fo geißes* 
abwefenb, baß er meinen (ßruß nicht einmal bemerfte, 
ihn jebenfalls nicht erwiberte. 

fab ihm beftür 3 t nach. XOas fonnte gefebeben 
fein? IDar er franf unb wollte er in biefer Perfaßung 
reiten? Sas wäre beHer IPahnßnn gewefen. 

„Es war mein erfier (Bebanfe, bie Hraut aufsufueben, 
bie jebenfalls mit ihrem Pater bem Hennen beiwohnte, 
um ihr meine Seobachtung mit 3 uteilen. IPährenb bie 
Heiter 3 um Start eilten, lief ich nach ben (Tribünen 
unb burdjforfcbte mit ben Süden bie porberen Cogen. 
Hirgenbs eine Spur oon ber blonben Schönheit, bie fonjt 
bie HTänner an 3 uloden pffegte, wie ber J}onig bie Sienen. 

„3cb hielt einen ©berleutnant oon meinem Hegiment, 
ber läfftg an mir porüberßreichen wollte, amHocffnopf feß. 

„jSiaben Sie nicht bie Eidjrotts gefehn ? 4 

„Sie werben hoch ftcher nicht bie Hoheit haben, 
ßcb hi** «ach bilden 3 U laßen , 4 gab ber 3 urüd. 

„IPiefo? 3^? bächte hoch, baß bie Sr aut — 4 

„Samit ifi es boeb porbei . 4 

„IPas? — Sie Perlobung ? 4 

„ 3 ß uuseinanber . 4 

„Seit wann? Sie Hnseigeit gingen ja erft por ein 
paar (Tagen herum . 4 

„Seit heute pormittag. Ser arme 3unge iß wie 
pernichtet. 3 ch tooßte ihn Überreben, beute nicht 3 U 
reiten, aber er batte es Süringsbofen perfprochen unb 
fonnte nicht gut 3 urüdtreten, ba ßcb jeßt im leßten 
HToment fein Erfaß ftnben ließ, ber biefen fd?wierigen 
(Saul 3 U managen perßebt . 4 

„3u, in aller ZDelt! — Sie Eichrott iß wohl toßl 
JPelchen Hnlaß bat er ihr benn gegeben? Sie batte 
Seit genug, ßcb bie Sache 3 U überlegen, benn bie (Cour* 
macherei bauerte ja faß ein 3 uhr, unb einen fo famofen 
lieben 3 ungen wirft man boeb nicht mir nichts bir nichts 
über Sorb, nachbem man eben noch ben Entfdßuß funb* 
gegeben bat, ihn 3 U feinem Cebensgefäbrten 3 U machen . 4 

„(Eine Cächerlichteit, eine Cappalie gab ben Knlaß. 
Porgeftern nämlich batte Süringsbofen ein Meines Ejerren* 
biner bei ßcb. Ejeßberg würbe als neugebadener Sräuti- 
gam gefeiert. Er war wie im ßebenten Ejtmmel. 3 *&* r 
tranf ihm 3U, er tbat allen Sefcheib. Ha Sie wißen 
ja, wie fo was fommt. Eh* man ßch’s perßebt, werben 
einem bie 5üße febwerer unb ber Kopf leichter, als ße 
fein foBten. Kuf bem Ejeimweg fchmanfte Ejeßberg ein 
bißchen unb rebete mit etwas febwerer Sunge allerlei 
harmlos luftiges <§*ug, über bas wir lachen mußten. 
Sa führt uns ber Unßern bie Eichrotts in ben IPeg. 
Ejeßberg alfo auf ße 3U. Kuch wir attbem bleiben 
ßebn unb fehn, wie bie Sraut ßcb plößlich mit eißgem 
(ßeßebt pon ihm menbet, bann ben Krm ihres Paters 


nimmt unb ohne Kbfchieb bapongeht. Ejeßberg 
war mit einem Schlag ernüchtert unb in polier Per* 
3 weißung. 2 tm nächften UTorgen, gleich nach bem Sienß, 
lief er 3 um Eichrottfcheu Ejaus, würbe gar nicht 
empfangen, unb heute erhielt er ben Hbfagebrief . 4 

„Ser arme Kerl ! 4 

„Sas 3utereße am beginnenben Hennen überwog 
bei bem ©berleutnant in biefem HToment bas HTitleib 
mit bem 5reunb. Er machte ßcb eilig pon mir los 
unbhaßete nach feinem (Cribünenplaß. 3 ch tbat bas gleiche. 

„Sie ßeben Heiter, bie geßartet waren, bilbeten 3 U« 
nächß noch für bas 2 luge eine fompafte HTaße pon 
pferben unb Uniformen, bod? bei einer leichten IPen« 
bung ber Hahn fchien ßd? bie Kette aufjulöfen, unb ber 
Sleßfudjs mit bem Meinen Sragoner übernahm bie 
Rührung. IPeitausgreifenb feboß ber (Baut poran. 

„Sas war gan 3 gegen Ejeßbergs (Bewohnheit, ber 
3 U Knfang immer 3 urüd 3 ubalten pffegte, um erß im 
leßten entfeheibenben Uloment fcharf Por 3 ugehen unb 
bann aße bisher weife gefchonten Kräfte feines pferbes 
ein 3 ufeßen. ©ffenbor ließ er bas temperamentpofle, 
bißige (Tier geben, wie es woßte. Es nahm bie erße 
Ejürbe fpielenb, mit mächtigem Saß, brach aber bei ber 
3 weiten feitwärts aus. 3 *fet fchien Efeßberg aus feiner 
Kpatbie 3 U erwachen. Surch bi^ 5 erngläfer fonnte man 
(eben, wie er ßcb plößlid? ßraff im Sattel aufriebtete 
unb, eine Polte reitenb, ben Äuchs feß an bie gügel 
nahm. Er war inbeßen bterbureb etwas ins Efinter» 
treffen geraten. Ser grüne Ejufar nahm bie (E$te unb 
gewann pon Sefunbe 3 U Sefunbe mehr an (Cerrain. 
Sichtauf folgte ein Ulan auf einer pradßpoßen Happ* 
ßute. Ejeüberg brauchte jeßt bie peitfdje, unb ber (Baut 
tbat feine Schulbigfeit, überholte bie pier etwas 3 urüd* 
bleibenben anbern, btelt ßdj eine IPeile tteben ber Happ« 
ßute unb flog bann an ihr porbei. (Burt an (ßurt mit 
bem Scbwarjbraunen bes grünen ^ufaren nahm er ben 
IPaßergrabett. 

„,Hraoo Ejeüberg! Srapo! ^urra ^eßbergl 4 
riefen £}unberte pon Stimmen aus bem publifum. U?ir 
jeboeb fonnten nicht in ben 3 ubel mit emßimmen, beim 
wir fahen, baß unfer Kamerab nerpös ritt, bas febtoierige 
Cier nicht recht in ber Ejanb butte unb feine Herpoßtät 
auf biefes übertrug. Er butte ben IPaßergraben ent* 
fd?ieben fchlecht genommen; ber (Baul war fogar beinah 
ht bie Knie gefaßen. 

„3n meiner unmittelbaren Häbe hörte ich Sürings¬ 
bofen ärgerlich fagen: ,U)eiß ber (Teufel, was heute in 
Ejeüberg gefahren iß. Hoch uie bube id? ihu fo planlos 
reiten fehn. Er pumpt ja ben 5uchs fchon jeßt poB* 
ßänbig aus ! 4 

„Unb bas war richtig. Er lag gan 3 pomüber, faß 
auf bem Ejals bes pferbes, unb brauchte Sporn unb 
peitfehe, um feinen plaß neben bem Ejufaren 3 U be* 
baupten. XPir fahen mit Sorge auf ben großen IPaB, 
bem bie brei 5 übrenben jeßt entgegenßürmteru — Hoch 
fünf atemlofe SefunbenI Sie pferbe feßten rafch nad?« 
einanber 3 um Sprung an unb flogen hinüber; bann fab 
man ben Schwar 3 braunen mit bem grünen Heiter weitet* 
ßürmen, bidß auf bie Happßute, unb jenfeits bes UDaQs 
wäl 5 te ßcb ein Knäuel am Hoben, über bas bie nach« 
folgeube Schar blinblings hinroegraße. 

„Ein taufenbßimmiger Kuffcbrei begleitete ben Por* 
gang. Sie (Chutfache, baß ber Ejufar als Sieger ben 
pfoßen pafßerte, ging faß fpurlos an bem publifum 
porüber. Sas aßgemeine 3ntereße fon 3 entrierte ßcb 


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Bummer 32. 


Seite 1509. 


allein auf die Unglücfsfteüe, ju der die Sanitätsfolonne 
fleh mit Aer 3 ten und (Trägern m fliegendem Cempo hin- 
begab. Düringshofen und ich fchloffen uns ihr an. 

„Der Blegfuchs mar maufetot, und fierbend hotte er 
fleh auf den Heiter gemäht. IDir 3 ogen diefen unter 
der Caft des (Tiers Terror. <£r gab fein Cebensseidjen. 
Die Hlüge mar ihm oom Kopf gefallen. Hütten im 
Sonnenglan 3 lag er auf dem grünen 5eld, das ^übfd?e 
junge Gefleht afchforben, mit gefdfloffenen Augen 3 um 
Fimmel emporgemandt. Das blonde Hoor flebte an 
den Schläfen. 3n bangem Schweigen umflanden mir 
den 2 tr 3 t, der ^eüberg IDafjfenrocf und Üjemd oom £eib 
fchnitt und die Unterfuchung oorna^m. Und als der 
Kr 3 t fleh aufrichtete und die Crägerfolonne t^eranminfte, 
lafen mir in feinem tiefernften Gefleht, dag jede Hoff¬ 
nung oorüber fei. 

„,<£r mird die Bacht nicht überleben/ fagte er leife. 

„IDir brachten EieUbevQ im Cragforb, oorflchtig und 
langfam gebend, 3 um nahegelegenen Sanatorium; ein 
weiterer (Transport märe unmöglich gemefen. <£s fügte 
fid?, dag dort die Säumlichfeiten der erflen Klaffe befefct 
waren, dann fiel es der leitenden ©berin jedoch ein, dag das 
neugefd>affenePrioat 3 immer für (Offizierenod? unbelegt fei 

„Düringshofen, der mie ein Kind meinte, mugte in 
dienfllichen Angelegenheiten 3 ur Gamifon jurücf. 3d? 
telegraphierte um Urlaub und richtete mich ein, die 


Bacht über bei dem Sterbenden 3 U b eiben. 3 n Gr* 
intterung an die leichte (Entfremdung, die fur 3 e geit 
hindurch smifchett uns geberrfcht, hotte es etwas Der- 
föhnendes für mich# mährend feiner legten Stunden um 
ihn fein 3 U dürfen. 

„Als ich fo fttli neben dem Seit fag, auf dem der 
fleine Kamerad noch immer bemugtlos lag, übermältigte 
mich plöglid] der Gedanfe, mie fonderbar es fei, dag er 
mit heifeetn Bemühn die Baufleine für diefes Gemach 3U* 
fammengetragen hotte, das fein Sterbe^immer merden follte. 

„mitten in der Bacht mecfte mich eine leife Bewe- 
gung fyübetgs aus meinen Sinnen. €r öffnete meit 
die Augen und lieg fte umhermandern. (Es ging mie 
ein Schimmer oon Derfländnis über fein (ßeficht, und 
ein Cächeln legte fich «nt feine £ippen. Auf jeden 5afl 
begriff er, mo er mar, und es freute ihn. Auch mich 
fah er an, doch ols ich tnich über ihn beugte und eine 
leife 5 roge jlellte, murde der groge, beinah flaunende 
Blick langfam flarr und leer, und die röchelnden 
Atem 3 Üge oerflummten. Hur die tippen lächelten noch 
immer, als fei er mit einem freundlichen Gedanken ge- 
porben.-—- 

i/3*gt fagen Sie, bitte: mar es gufall, oder hondelte 
er unter dem (Einflug feiner heßfahenden Seele, als er 
jene Sammlung für das gimmer begann, in dem es 
ihm beftimmt mar ju fterben?" 

•> 



Die Reitrat der Peft. 

^ier3u 3 pljotograpbifdje Jlufnafjmen. 


Die pefl hot fleh in diefen (Tagen wieder in »er- 
fchiedenen Ländern ge 3 eigt, die für uns in siemlich un¬ 
heimlicher nähe liegen: Konflantinopel, Aegypten u. f. m. 
Als eigentliche Hei¬ 
mat der Pefl ifl 
(Thhio oder HTefo- 
potamien 3 U be¬ 
trachten, aber feit 
etma fünf 3 ahren 
hot fleh die fatale 
Kranfheit der- 
magen in 3 ndien 
und namentlich in 
Bombay feflgeiegt, 
dag man bei dem 
XDort „Peft /# juerfl 
an Bombay denft. 

Hun mird mancher 
denfen, dag mäh* 
rend der fritifchen 
Seit in Bombay 
alles drunter und 
drüber geht und 
man nur dem 
Augenblick lebt — 
im Gegenteil. Als 
fremder merftman 
t aum, dag man in 
einer oerfeuchten 
5tadt lebt. Als 
im 3 ohr 1896 die 
Kranfheit ausbrach 


und die Codesfälle oon der normalen gal \l 70 auf etma 
^00 täglich fliegen, da allerdings ergriff fo mancher 
das Hofenpanier, die Cäden maren bis 3 U 80 Pro 3 ent 

gefchloffen, die 
Gerichtshöfe alle; 
jafogar derpferde- 
bahnoerfehr mar 
auf einige (Tage 
gan 3 eingefleHt. 

Gin Segen ifl 
es, dag über 3 mei 
Drittel der Ceichen 
in Bombay oer- 
brannt merden. 
Dies find die der 
sahireichen Kaflen 
der Hio ^ 1 * 5 oder 
Brahmagläubigen, 
deren Seligion die 
Verbrennung oor- 
fchreibt. (Europäer, 
3 uden, Zlluhom- 
medaner, eingebo¬ 
rene Chriflen ufm. 
begraben ihre (To¬ 
ten. Die Parfls, 
deren es etma 
50 000 in Bombay 
giebt, nehmen eine 
Ausnahmeftellung 
ein. 3 h*e £eich*n- 
beftattung hot auf 


frucbtladen in Bombay. 


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Seite \5\0. 


Hummer 32. 


ben erften Blicf etwas ©räßlidjes; fte taffen bie leichen 
ihrer Verstorbenen oon Vögeln freffen. Huf HZalabar 
Ejifl, einem felfigen Jjägel im JVeften ber Stabt Bombay, 
ber jeßt mit re^enben Villen bebecft ift unb ben t>or- 
ne^mjlen Stabtteil bilbet, liegen bie „(Eürme bes Scb»ei- 
gens" inmitteu eines fchöngepftegten ©artens (Hbb; 
S. J5JT). Viefe Ciirnte haben oben einen mächtigen Hoft 
aus eifemen Stäben, in ber Hütte befinbet ftch eine 
©rube. Sie Coten »erben auf ben Hoft gelegt; bie 
m ber Habe »eilenben Hauboögel ftü^en ftch barüber 
Ijer, unb innerhalb einer Stunbe ftnb nur noch bie 
Knochen übrig, bie in bie ©rube ge»orfen »erben, 
©eier unb Haben ftnb bie ©otengräber ber parfts. Vas 
fYmbolifche biefer Beftattung beruht barin, baß bie Ver¬ 
storbenen burch bie Vögel ber Sonne, ber Spenberin 
alles lichts unb lebens, 3 ugetragen »erben. 


Höhe ber HTarfthalle, bie fogenannte Hachoba HThola, 
hier »ohnen bie ©röbler, hauptfächlid? ^änbler mit 
alten HZvbeln, bie fämtlich HTuhammebaner ftnb. Heber- 
haupt finbet man, baß bie beiben großen Heligionen, 
Hinbus unb HTuhammebaner, ftd?feitenoermifchen, fonbem 
bie ©emeinben für ftch gait^e Stabtteile unb Straßen 
be»ohnen. Vie ©e»ohnheiten ftnb auch fo uerfchiebett, 
baß bie beiben Heligionen gar nicht fo nahe bei ein- 
anber ejiftieren fönnen; bie HTuhammebaner ftnb rein¬ 
licher als bie fjiitbus, »as hauptfächlid? religiöfen ©e* 
boten 3 U banfen ift. Vie ^ittbits, »enigftens bie niebe- 
ren Haften, ftnb fd.mußig am Körper, in ben Käufern 
unb in allen ihren ©e»ohnheiten. Ver HTuhammebaner 
ißt außer Sd?»einefteifch alles, »as auch ©uropäer 
effen, nur müffen bie Ciere nach bem Hitus gefchlachtet 
»erben. Vie £;inbus effen aber fern Hinbfleifch, bie 



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Die J^acbocU JMhola, Strasse in Bombay. 


längs bes Stranbes im IVeften ber Stabt führt 
eine fafi 3 ehn Kilometer lange Straße oon ©olaba bis 
nach HTalabar X}ill, ge»iffermaßen ber Korfo Bombays. 
Hach Schluß ber ©e(chäfte, alfo etwa oon fünf Uhr an, 
ift auf biefer Straße ein berartiger IVagenoerfehr, baß, 
gan 3 fo »ie in Berlin, an ben Kreu 3 ungspunften 
Schußleute ftehen unb ben Verfehr beaufftdjtigen. 

Vas leben unb (treiben auf ben Straßen Bombays 
ift berartig lebhaft, bunt unb »echfelooH, bie Beoölfe- 
rung oom tiefften Sd?tx>ar 3 bis 3 um h*ßft*n IVeiß fo 
mannigfaltig, ber Stil ber £jäufer, ber Bau ber IVagen 
fo eigenartig — fur 3 , bas gan 3 e Straßenbilb fo, »ie man 
es faum noch in irgenbeiner Stabt bes Orients finbet. 
3ch fah Bombay früher als 3 . B. bas ©ielgerühmte 
Kairo unb Konftantinopel unb muß gejtehen, baß bie 
beibeit leßtgenannten Stäbte gegen Bombay fehr ab- 
fielen. ©bcnjtehenbe Hbbilbung 3 eigt eine Straße in ber 


Kuh ift ihnen heilig, ©inige Haften ber £}inbus effen 
Siegen unb Schöpfenfteifd?. Schon aus bem ©efaghn 
ergiebt ftch, baß HTuhammebaner unb ^inbus nicht in 
einem unb bemfelben Haufe »ohnen fönnen. 

Ver ^anbel oon Bombay ift von ber Peft natürlich 
nicht unberührt geblieben, namentlich in ben erften 
3ahren, als bie Sache fo überrafchenb gefommen »ar 
unb man in ©uropa gar nichts von Bombay »iffen 
»ollte. Vie nörblicher gelegene Hafenftabt Kurad?ee hat 
oon ber Situation oiel gewonnen unb ht ben leßten 
3 ahren einen gan 3 bebeutenben 2 luffch»ung genommen. 
Vie Vampfer ber Bremer ^anfalinie legen bei Kurachee 
regelmäßig an, ebenfo bie bes ©efterreichifd?en tloyb. 
Vie Sahl ber Vampferlinien, bie Bombay anlaufen, 
ift groß, außerbem oerfetjren bort eine HTenge 5rad?t- 
bampfer, fogenannte ©utftbers. 3 ™ 3 ahr \ 896 , als 
peft unb Hungersnot auf ben Hanbel brücften, ift es 


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Hummer 32, 


Seite \5\\ 



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Der „Curtn des Schweigens“ auf Malabar Dill bei Bombay. 
















Sette 1512. 


Ztummer 32, 


oorgefommen, tag ^racfcten 3 U *k Sdjilling per Cons 
nach Zjamburg, 2lnttr>erpen u. f. w., ja fogar ju 2‘/ a 
SiiiHing nadj Ctoerpool gebracht tcurben. Sie Kon* 
furrenj auf bem ZDaffer trar überhaupt fiets fefyr gro§, 
taoon tnirb ein Kurt of um er3äbtt: 3tPtjd?en Sombay 
unb <6oa oerfebrte eine Cinie, bie Paffagiere für 
10 Kupieit (etma ZlTarf) beförderte, eine anbere 


Cinie mürbe eröffnet »mb nahm nur 5 Ztupien, ba 
beförberte ZTo. f für 2 Hupten, es folgte Zto. 2 mit 
einer Hupie, bann beförberte Zlo. f umjonft, bann fam 
Zlo. 2 unb gab jedem paffagier noch einen Kalenber 
gratis; Zlo. J gab nodf jtr>ei fjanbe ooH Satteln als 
ÄJegfojh Sann — machte Zlo. 2 banfrott, unb Zlo. \ 
lieg jtcb fofort »teder 10 Hupten bejablen. «nrt ca PP m. 


6 ö 


Die Kun ft zu effen. 

Qinsn bie Uafnafynen S. 1515. 


VOtnn ber Seifencerbraudj eines Polfes — nicht als 
hygienifcher, fonbern als äpfjetifc^er IPertmeßer — bie 
Kulturhöhe bet Kßgemeinheit ungefähr ergiebt, iß bie Hrt 
nnb (form itt bet Unwenbung unb Beherrfdjnng bet menfeh» 
liehen funftionen, fo befonbers bei Speife unb (Eranf, ber 
3ucerläjßge UTaßftab non bet Kulturhöhe unb £ebensfunß 
bet Ei^elnen unb 0 beten biefes Polfes. Pag bas Eßen unb 
(Lrinren an ßch fqon eine Kunß fei, bie mühfam erlernt 
werben müße, iß ßdjerlich com naicen Kulturjtißanb nicht 
oi?ne weiteres ein3ufeljen. Penn con Beginn an iß jebet 
IHenfdj geneigt — unb wirb natürlich cor 3 al ? r ^ un ^ er ^ ett 
unb Jafjttaufenben noch ciel mehr geneigt fein — ßdj in 
in bet Ausübung feinet Förperlichen funftionen burd^aus 
bet Bequem lidjfeit, bet Hnnehmlichfeit unb bem angenblicf» 
lid?en Belagen ljin3ugeben. 

Pas inftinftice (Sefühl bes ungefeffelten (Senießens 
ßnbet cielleic^t fein flafßfches Beifpiel in ber Antwort eines 
Porffd?ul3en auf bie frage nach bem i$d?ßen (genug, ben 
et im £eben Fenne, bet ba als bracer, echter 3 n ß' n ^ tmen fd? 
meinte: „fünf Hebhühner, 3wei flauen Hotwein, bie (Efyür 
3ugeriegelt, pantoßeln an, Hocf aus, in EJembsärmeln ge» 
gegen unb getrunfen, bis man plufct,* bas fei bas erßrebens» 
wertefte §iel aßet menfdjliihen cbenüße. 

So iß 3n?eifeIlos bie Kunß 3U egen aud? l^eute nodj 

— trotj taufenbjähriger Kultur — etwas gan3 Ein3elnes f 

JnbicibueOes, barum fet^r Seltenes. Penn überall ba, wo 
gegen ben &er fftaße ßch etwas burchrtngen unb 

emporatbeiten mugte, gefdjah. es faß immer nur in hartem, 
Iangfamem Ein3elfampf. 

Unb getabe auf bem (Sebiet bet Schönheit, unb nicht 
jum wenigßen auf bem nodj überaß brach liegenben felb 
ber lebensfunß, h a * es feit langet §eit aßenthalben 
unb immer wiebet foidje Ein3elFämpfe gegeben, in benen 
bas Sdjöne nicht immer Sieger blieb. natürlich l^at ßdf 
auch bei ber Derfdjiebenartigfeit bes äßhetifdjen Sinns über» 
Ijaupt bet fünftlerifd?e (Sefdjmacf in bet Beherrfcfjung ber 

£ebensform bei ben ei^elnen Pölfetn cerfchiebenartig ent* 
wicfelt. 0hne gweifel ßnb uns Peutfdjen bie Keßfjetifer im 
Pölferfon3ert, bie fran3ofen, hierin weit übet. €s 3eigt ßdj 
fjier meljr als irgenbwo anbers bie Ueberlegenbeit lateini* 
fd?er Kultur nnb ftets juneljmenbet äßbetifeber Derfeinerung 
übet uns Polf bet Penfer unb Pid^ter. Uber wir ßnb, 
hier wie überaß, auf bem XPeg 3um fortfebritt unb werben 
3um 3 um <ßuten and? in unfern breiteren Polfs* 

fdjicbten halb „ben <Slan3 nnb ben Schimmer* b* n 3 u fß9 en * 

Ulan foü nid?t lächeln über bies Porbringen ber form 
unb nicht fühl bas bisher Ungewohnte abweifen. tPir haben 
3U ciel auf bas „Was“ gefetjen unb 3U wenig auf bas „IPie" 
geachtet. €s h a ^ aber beibes fein Hecht auf bet XPelt, 


im £eben bes €in3elnen wie im C&efeßfchaftsleben, unb 
beibes wiß 3U gleichen (Teilen berücfßchtigt werben. 

Parum iß es bnrehaus nicht lächerlich, fonbern nur er¬ 
freulich, wenn ein rechter Kenner unb (ßenießer con Speife unb 
(Eranf aufrichtig fagt: lieber ein (Sang weniger unb form* 
coUenbet feroiert unb gegeßen, als eine ga«3e Heihe erlefener 
Pelifategen auf nnfauberem (Eifchtuch achtlos gegeben unb 
genoßenl 

IPas nun bie €in3elhetten in ber Ausübung biefer inter» 
eßanten unb wichtigen £ebensfunß bes (Egens unb (Erinfens 
betrigt, fo geben unfere Bilber ein fjöchß anfchauliches 
unb babei liebliches, feßelnbes HTaterial. Pie anmntige Pame, 
bie gef? h' er vot unfern Kugen 3U Cifch feftt unb ein Fleines 
Piner 3a ßch nimmt, entwicfelt in aßen ihren Bewegungen 
unb Steßungen eine feltene <Sra3ie nnb coßenbete form, bie 
jeben feinfühligen gewiß ent3ücfen unb 3ur Hacheiferung 
anfpornen muß. 

Schon bei ber nachläfßgen unb babei hoch leichten 
Entfaltung ber Serciette 3eigt ße jene faum beßnierbare 
2 irt äußerer Pornehmheit unb inneren feinen Sinns, bie 
nur angeborenes (Sefühl unb langjährige Hebung geben 
fann. Beim Egen felbß iß bas michtigße eine aufrechte, 
gerabe Haltung unb eine freie Beweglichfeit bes Unter» 
arms, ber in feiner IPetfe auf ben (Eifdj aufgelegt werben 
barf. Pie Speife wirb 3um HTunb geführt, unb ber H 7 unb 
Fommt bem £oßel ober ber (Sabel nur wenig burch leichte 
Kopfneigung entgegen. Purchaus häßlich wirft bie Bewegung 
bes gan3en 0 berförpers auf Eifd? unb Speife unb heftiges 
gnfahren bes Kopfes unb Hlunbes auf bie entgegenfommenbe 
Gabe L Pie 0 berarme müßen bis 3um EUbogen 3iemlich 
eng am Körper anliegen, um jebe unfanfte Berührung mit 
ecentueßen Ba^barn 3U cermeiben. Purch biefe ßol3e unb 
freie EJaltung iß gan3 con felbß jebe 3U ßarfe Heigung bes 
Körpers 3um (Eifd? ausgefchloßen. XPie wir fehen, ißt bie 
Pame ihren f ifdj aßein mit ber (Sabel unb benutzt als Hilfs¬ 
mittel für wiberfpenßige Stücfe eine fleine Brotfchuitte. 
Pielfad? nimmt man l^eut3utage 3um fifcheßen aud? ein 
ßlbernes Beßecf con UTeßer unb (Sabel. (San3 ausgefchloßen 
iß natürlich bei jebem (Sericht bie guführung ber Speife 
3um Ulunb burch bas UTeßer. 

Kße Ein3elhciten fonß wirfen mehr burch Knfchauung 
als burch Betreibung. Erß burd? Sehen unb Sdjauen läßt ßch 
biefe coßenbete Beherrfdjung ber form wirFUch aufnehmen 
unb lernen. 

Unb biefe fchöne form müßen wir uns aneignen, bamit 
unfer großes Polf ber Penfer unb Pidjter bermaleinft 
auch ein Polf fchönheitsgebilbeter UTenfchen t^etge, benen neben 
bem tüchtigen, fernhaften Sein aud? ber wahlberechtigte, 
fchönheitsbewußte Schein nid?t fehlt. ^ fjauberg. 


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Seite i5^. 


Hummer 32. 


Schutzfärbungen bet Infekten. 

§ier3U 2 0riginaIpt}otograpf}ien bes üerfaffers. 


Der Kampf um bas Dafeitt Ijerrf^t auf bem ga^en, 
großen (Sebiet bec Xtatur. 3 **>es (Eier t^at feine <fetnbe, benen 
es auf alte mögliche Hrt 3U entgegen fucht, fei es burdf eine 
Sdfuftfürbung, fr* es &arch Hnpajfung an (Segenftänbe, benen 
es in (Seftalt, jfärbmtg, geidjnung unb Bemegungsmeife bis 
3um Dermedjfeln ähnlich mirb. manche 3 n feften Fopteren 
anbere Hrten, bie ihres üblen (SefdjmacFs, (Serums ober 
if)rer barten f lügelbecFen megen oon infeFtenfreffenben (Eieren 
unbehelligt bleiben, alfo Doppelgänger biefer (Sefdjopfe ßnb. 
Hber aud? tote (Segenftänbc toerben ron bem 3 T1 frFt nadv 
gebilbet. <£s giebt Schmetterlinge unb Ejeufdjrecfen, bie 
Baumblätter fo natürlich nachäffen, baß fie, im £aub ßftenb, 
oon biefem nicht 3U unterfcheiben ftnb. Diefe (Eiere oer* 
fäurnen es auch nie, bei Elachftellungen mit größter Hegel* 
mäßigFeit ßdj im £aub 3U oerbergen, unb h* er ßnb f lc 
oollftänbig geftchert. Unter ben Schmetterlingen haben cs 
am rafßnierteften in ber Hupaßung an £aub einige inbifd)e 
Blattfd)metterlinge (Kallima) gebracht, bie in fiftenber Stellung 
mit 3ufammengefd)lagenen klügeln überhaupt nicht oon einem 
melFen, burchfreßenen Baumblatt 3U unterfcheiben ftnb. Sie 
täufchen ein folcbes oerborrtes Blatt fo peinlich genau oor, 
baß fogar bie nachahmenbe Blattrippett3eichnung ber Schmet* 
terlingsflüget Schatten 311 merfen fdjeint. Die Dortäuf<hung 


eines Blattes mtrb beim ruhenben Schmetterling noch baburch 
oermehrt, baß bie Ejinterßügel in eine längere Spifte aus* 
gejogen ftnb, bie 00m (Eier gegen ben gmeig geßemmt 
merben unb fo ben Blattftiel oorftcllen, mahrenb bie fühler 
3tuifchen ben klügeln oerborgen ruhen. So taufet bas (Eier 
ein bürres, toelFes Blatt oor, bas burch Haupenfraß unb 
Schimmelpi^e gelitten hat, mährenb ber farbenfchmel3 auf 
ber in ruhenber Stellung nicht ßdjtbaren ©berfeite bes 
Schmetterlings mahrhaft prachtooll ift. 


€ine ähnliche Hnpaflung 3eigt bie bei uns hctmifdfr 
^flechtenmotte (Moma orion), beren Dorberßügel grell fchmar3, 
meiß unb hetMaugrün ge3eichnet ftnb. ©roft biefer fo auf* 
fälligen gei<hnung ift bas an einer flechte ruhenbe ©ier 
Faum 3U fehen. Heffen einige ©iere in biefer EDeife Blätter 
unb £aub nach, fo merben mieber anbere 3U gmeigen, 
um fleh 3U fd?üften. Diele Spannerraupen mißen ben Be* 
obachter in gan3 feltfamer EDeife 3U täufchen. Sie ßüften, 
ftch 3umeilen auf ihre h* n t er ß e n Beine, ßretfen fleh in 

geraber Hichtung 
unter einem 
gemiffen EDinFel 
3um grneig, auf 
bem ße ßften, 
oerbleiben län* 
geregelt in biefer 
Stellung unb 
ahmen fo ein 
gmeigßücf nach. 

<San3 bi3arr 
bagegen ßnb bie 
Stab* ober <Se* 
fpenßheufchrecfen 
geformt. 3h r 
langge3ogener, 
wie Hohr geglie* 
berter Körper, ber 
ooüßänbig ßügel* 
los iß, bie un* 
fpmmetrtfch ab* 
ßehenben bünnen 
Beine unb bie 
gan3 eigentüm¬ 
liche (Semohnheit 
biefer Finnen (Eiere in ber Buhe, bas 
erfte Beinpaar bem Kopf eng unb 
feft an3ulegen unb in geraber Hich¬ 
tung aus^ußreefen, täufchen gan3 genau 
Hefte unb grneige oor. EDährenb ber 
(Eagesftunben ruhen biefe EjeufdjrecFen, 
unb 5mar bort mit befonberer Dorliebe, 
mo fte in ber ETacht oorher bas £aub 
bis auf bie Blattrippen oer3ehrt haben. 
Das hierburd? oerurfachte oollftänbige 
fehlen größerer Blattgruppen geßaltet 
bas Huffmben biefer ©iere gan3 be* 
foubers fchmierig. 

Das ETadjäjfen oon Blättern unb 
gmeigen ift ber betiFbar günßigße Schuft 
für alle 3«frFtenarten. Daß foiche (Eigen* 
tfimlichFeiten erß im Kampf um bas Dafein 
ermorben unb bann oererbt morben ßnb, iß 3toeifellos; es 
ßnb bie Hefultate ber natürlichen güchtung. Das Derßänbnis 
ber (faFtoren, burefj bie biefe oft bis auf bie geringßen 
(Edelheiten eingehenbe unb bis 3ur oollenbetßen ©äufdjung 
führenbe ETachahinungen 3umege Fommen, mürbe erß burdj 
bie beFannte ©h cor * e Darmins oon ber natürlichen Huslefe 
möglich. Dorljer hatte man Über bie Urfachen biefer Hacb* 
ahmungen unb Hnpaßungen bie feltfamften unb abenteuer* 
ließen Dermutungen aufgeftellt. Or. <e. Babe. 



Si$enb. ^Iiegenb. 

Xndffchcr BUttfchmcttcrUng. 


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Hummer 52. 


Seite 15\5. 


Der Caboclo. 

Hrafilianifd?e Heifeff^e von Karl Cauera. 


Don Curityba, ber f?auptf)abt bes brafilianifchen 
Staates paraua, fuhr id? mit ber (Sebirgsbahu l^htab 
nad? ber Küjte, »tad? paranagua. 3<h Fenne menige 
fo rei3enbe Strecfen, unb außer ber Hergbahu von 
Sütguri nad? Darjeeling im E?imalaja feine fo inter- 
effante Durd?fd?neibung eines Urmalbes. 5reilid? habe 
ich biefe herrliche Strecfe auf bie benfbar günfiigfte 
2lrt befahren, auf einer Draifine. Der beutfd?e Hahn- 
ingenieur Cange nahm mich. mit, mir jagten bie ^0 Kilo¬ 
meter uon ponte roffo nad? Hiorretes miteinanber hinab 
unb legten babei einen f}öheuunterfd?ieb oon 955 UTeter 
3urücf. Das mar munberbar. Da habe id? bie gro߬ 
artige Schönheit ber Serra ba (ßraciofa, einer milb- 
romantifd?en <ßebirgslanbfd?aft, fomie bie unoergleid?- 
Iid?e €igeuart bes brafilianifd?en Urmalbes erft red?t 
erfannt. Manchmal ließen mir ben fürs oor uns 
abgefahrenen <§ug, in bem fid? aud? mein (Sepäcf be* 
fanb, meit oorauseilen, bann jagten mir mit ber 
Schneüigfeit eines Hlifouges mieber nad?. Hismeileit 
hielten mir an befonbers günftigen punften unb ge¬ 
noffen bie feffelnbe Kusfid?t. Kn ben 5elsabbängen 
bes romantifd?en ZlTarumpy oorbei unb über feine 
milben Sd?lud?ten hinmeg faufteit mir bann mieber 
nad?, um ben <§ug nod? einsuholen, ehe er bie Cbene 
erreichte. <£s gelang. IDährenb ber rollen 5ahrt 
fchlojfen mir bid?t auf, ergriffen bie puffer bes lefeten 
EDagens, hielten uns fejt, ließen uns nod? ^ Kilometer 
in ber (Ebene fchleppen unb Famen auf biefe XDeife 3m 
gleid? mit bem 3ug in ZlTorretes an. 

3d? begab mid? in bas erjte £?otel, um hier 3U 
märten, bis id? mit bem Kiijtenbampfer nad? Santos 
meiterfabren Föunte. 

E?otelI Du lieber Fimmel! Das Ding fann man 
eigeutlid? nur einen Stall nennen. Kber es giebt nichts 
anberes in Paranagua. Klfo: „Hinn in bie Kartoffeln!" 
Der Hefifcer empfing mich, inbem er mir freunblid? 
feine breite Cafce bot. (Er ift ein freigelaffener Heger- 
fflaoe mit bem fchönen Hamen Criftao, b. b- Crijtan. 
Sein Knjug beftanb aus einer Boje uon unerflär- 
barer 5arbe unb bem offen getragenen E?emb, bas oor 
einigen UTonaten oiellcicht meiß mar. Denientfprecheub 
3eigten fid? aud? bie übrigen Ejotelangehörigen, fänitlid? 
Heger, unb ba3ii paffenb maren ebeitfo bie Häunte. 
Ulan 3eigte mir mein «gimmer. 

„3» biefes Stinflod? foH id? hinein! Ho, Crijtäo. 
Daraus mirb nichts." 3^h fprad? italienifd?, bas er 
gut uerftanb. 

Hun führte man mid? in ein gan3 leeres Hebeu- 
baus. Da fianb in einem <§immer eine HettfteHe unb 
ein Stuhl. Das genügte mir. 3<d? machte es mir mit 
meinen Decfen gemütlich. 

Kbenbs rafd?elte es im (Barten. 3^h forfd?te, was 
fcas mar. Hei meinem <£rfd?einen flogen oier große 
Hrubü auf. UTan nennt fte in HrafUien „fd?tpar5e 
Poli3ei". (Es finb Kasgeier, bie nie gefd?offen merben 
dürfen, meil fie bie Stabte unb Dörfer uon Unrat 
fäubern. 3^ butte fie beim Derselben eines toten Ejunbes 
geftört. Kls id? in mein <§immer 3uriicfgefebrt mor, 
Ejörle id?, baß fie mieberfamen unb in aller (ßemüts- 
ruh« ihre HTahlseit fortfeßten. 


3d? trat in ben „Speifefaal" bes „E?oteIs". Hrrrl 
3d? mußte mid? aber an bie oerfd?iebenen <Serüd?e uon 
<5miebeln, rasigem 5ett, faulem 5leifd? u. f. m. ge* 
möbnen, benn id? butte junger, unb anöersmo gab es 
nichts. Ulan mies mir meinen plafc an. 3m E?otel 
Criftäo merben bie Cifd?tüd?er an jebem <£rften bes 
ETCouats gemechfelt. Ulan fd?rieb aber beute ben 
26. ZTTai \<) 02 . EDeun man meiß, mie bie Hrafilianer 
effen, bann oermag man fid? einen Hegriff 00m «Suftanb 
meines Cifd?tud?s 3U mad?en. 3ch beftanb ben Kampf 
mit E?unberten oon fliegen fiegreid? unb ftod?erte 
an ben mir gereichten Speifen hemm. 5ifd?e unb 
Camerons, b. b- $roße Krabben, maren gut. Klles 
anbere — id? meiß nid?t, mie es fd?mecfte. (Es miber- 
ftanb mir, unb id? magte feinen Derfud? bamit. §um 
(Sind butte id? nod? Sd?ofolabe bei mir. Das genügte. 

Had? bem (Effen begab id? mid? auf bie Kgeii3ia ber 
Küftenbampfer. „IHann fommt morgen ber Dampfer?" 

„ZTCorgen? (5ar nid?t. €r trifft oor bem 29. nicht, 
ein; er but brei Cage Derfpätung." 

E?immel, Donnermetterl Da foH id? brei (Tage bei 
(Erijiäo mobnen! Das gebt nid?t! 

3d? fuhr am näd?fien Cag nad? HIorretes 3urücf, 
um eine XHafferfabrt auf bem Cubatao in ben Urmalb 
3U machen. 

Km Ufer fanten fofort einige Schiffer, 3eigten auf 
ihre aus einem einzigen Stamm gefertigten Kannots 
unb boten mir in portugiefifd?er ober italienifd?er Sprache 
ihre Dienjte an. IHeiter riiefmarts ftanb in einem 
Kannot ein etwa 30—35 jähriger ZlTann. €r fab gan3 
anbers mie bie übrigen aus, oiel ernfter, fajt möchte 
id? fagen mürbiger. €in brauner Doflbart umrahmte 
ein männlid? fd?öues <5efid?t oon founeimerbrannter, 
aber bod? meißer 5arbe, feine Ejaltung mar ftol3, unb 
feine mie bei ben anbern Sd?iffern nur aus X}ofe unb 
I^emb beftebenbe Kleibung erfd?ien reinlid?er unb orbent* 
lid^er. Kud? ber breite Strobbut fianb ihm gut 3U 
<Sefid?t. Der UTann gefiel mir. 3^b rief ihm über bie 
übrigen himreg auf italienifd? 3U: „tüollen Sie mid? 
um 6 ZHiüe Heis etma brei Stunben lang jtromaufmärts 
in ben Urmalb fahren unb fo rechtseitig 3urücfbringen, 
baß id? ben 3iig erreiche?" 

UTit büflid?er ^anbbemeguug seigte er auf ben Siß 
in feinem Kannot unb fprad? nur: „Hitte, Signori" 

3d? flieg ein, feßte tnid?, unb mir fuhren los. 

XPas id? bei ber Hahnfahrt gefeben bette, mar 
berrlid? gemefen. IHas ich eher jefct erblicfte, bas 
maren Hlärd?enbilber, bas mar 3auberbaft. Draußen 
im ©3ean herrfd?te 5lut. Die mad?te fich burd? bie 
gan3e Hud?i oon 2Uorretes fühlbar. Sie ftaute ben 
Kbfiuß bes Hio Cubatäo, er ftanb ftill, fein £üftd?en 
träufelte fein IDaffer, auf einem ooflftänbig flaren 
Spiegel fuhr id? mie in einem (Seifterfabn babin. Uteiu 
Schiffer fprad? fein U)ort unb ruberte fo ftill, baß man 
faum einen Schlag oernabm. Da 3ogeu rechts unb 
linfs Hilber an mir oorüber, bereu munberbare, feen¬ 
hafte Schönheit id? nid?t annäb^rub erfd?öpfenb be* 
fd?reiben fann. (Eine fold?e Ueppigfeit bes IDacbstuins 
ahnt mau bei uns ja gar nid?t. 3ft bies IHalb? Hein. 
€s ift ein bid?tes (Semebe, ein bunter, gemirfter Stoff 


OWiJ'. 


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stummer 32. 


Seite \5j6. 

von \5 unb 20 Bieter Dicfe, es ift ein Kuuftmerf einer 
überreichen, ftroftenben Statur. Anfangs herrfchte nod7 
ber 2Tiangebufd7 por. Dann famen Königspalmen, 
Bambus unb Bäume, bie 3U uuterfd?eibeu halb nidtf 
mehr möglich erfd]ien. Sie mareit über unb über be« 
beeft mit 0 rchibeen unb Bronteliaceeu. darüber unb 
baruitter lagen bid^te Hefte t>oit £ianen ober hingen 
mie Schleier herab, ^ix)crapalmcii / 5 arubäunte, milbe 
Bananen* unb (Taquararohrbüfche ftrebJeu empor, Sd^ilf 
unb Höhricht aller Art brängten ftd7 ba3toifd7eu, gause 
(Teppkhe pon herrlichen Tretblättern hingen herab, 
unb Blangebäume fä tupften fich burch. Ccid^jt glitt 
bas Kannot bahin. <£iit fehmatmeißer Abler freifte 
über mir. Tjie unb ba ftricheit IDafferpögel mit fyody 
roter Bruft über beit 5 luß, Papageien flohen freifd7enb 
bapoit, anbere präd7ttg farbige Dögel 3ogeit über 
mich, fchtUembe Kolibris unb Sd7metterlinge fchtpirrten 
über leud7tenbeit Blumen, bas (Sanje erfchien mir 
mie dite 5 ahrt burch eine parabiejtfche, PorfintfIutlid7e 
£aubfchaft. 

Da taud7te eine fleine Cichtung auf. Dort mud7fett 
Bananen unb BTais. 3 ch fah ein mit palmenblättern 
gebeeftes Räuschen, fo mie fte bie Tjalbinbiauer ober 
Heger auf ben Aufiebluugen betpohnen. 

plöftlid] fprad7 mein Sd?iffer f unb 3tpar mieber 
italienifch, 3U mir: „Tjerr, hier ift mein ^aus. IDoUen 
Sie einige ^rüdfte nehmen? 3 ^h mürbe gern etmas 
ausruhen, ehe mir 3itrücffehren." 

3 ch jagte 311, er fteuerte aus Canb. Da erfd?ieu 
eine auffalleub hübfd7e Hegeriit mit 3mei Kinberu au 
ber ^aitb unb rief bem Schiffer etmas 311. <£s mar 

portugiefifd7. 3 ^h perftaub fte uid7t. Der ZTTauu aut« 
mortete, moraitf fie im Tjaus perfdimaub. Die Kinber 
blieben flehen, unb brei anbere, uotbiirftigft befleibet, 
famen hitt3U. Das Kaunot hielt, ich ftieg aus Canb. 

3 ubelub begrüßte bie Kiuberfchar, bas ältefte mod7te 
ad7t 3 a h r e ult fein, ben Pater. (Er entfchulbigte fid7, 
fd7icfte fte meg unb führte mich in fein Tjaus. 

IDie reittlid7 cs ba ausfah! (Ein (Tifch ftanb in ber 
Hütte, barutn fed7S Stühle, pon einer <£cfe 3ur aitberu 
hing eine fjäugentatte, unb ber Blicf in bie Hebeuftube 
unb in bie auf ber aubern Seite liegeitbe Küche lehrte 
mich fofort, baß auch bort eine in folgen Jütten foitft 
frembe Beiulichfeit unb ©rbnung herrfd?te. 3d? fah 
tttid7 meiter um uub entbeefte 3U meiner größten lieber* 
rafchuttg in einer <£cfe quergehäugt eine gait3 gute 
Babieruttg, bie unfern Kaifer IDilhelm II. barfteüte. 

(Erftaunt rief ich iu beutfd7er Sprache: „IDie fontmen 
Sie 311 biefem Bilb?" 

©hne eine Sefimbe 3113Ögern, antmortete ber Schiffer 
in tabellofem ^ochbeutfch: „<Es ift ein Ueberbleibfel aus 
befferer ^eit. 3 ä? bin ein Deutfcher." 

„(Ein Deutfcherl IDie fontmen Sie benn hierher in 
ben braftlianifchen Urmalb?" 

„(Teils burch Derhängitis, teils burch eigene Sd^ulb. — 
BTeine 5 rau bringt 3 hneu hier Bananen unb ©rangen, 
mein fjerr. IDollen Sie fich bebieuen?* 

3d7 merfte, baß er nid^t meiter fpred^eu mollte, 
unb nahm einige ber pon ber Hegeriit mir mit ausge« 
fprocheiter (ßra3ie bargeboteiteu 5 rüdjte. IDährenb ich 
aß, ftanb ber Schiffer auf, ging ins 5 reie, unb ich per« 
nahm, baß er in freuitblicher IDeife portugiefifch mit 
feinen Kiubern fprach. Hach etma einer Diertelftunbe 
fehrte er 3uriicf uub fagte beutfeh: „5alls es 3hnett 
recht märe, mollert mir meiterfahreit. IDenn bie (Ebbe 
fomntt, ift es nicht mehr fo hübfeh** 


3d7 mollte ber Hegerin etmas (Selb geben. Sie 
lehnte es aber ebettfo entfd7ieben ab mie ihr HTautt. 

3 ch flieg in bas Kannot, mir fuhren ab, bie He« 
geriu unb bie Kinber miufteu uns nad7 Auf ber 5 ahrt 
befd?äftigte id7 mich piel mit meinem Schiffer. IDer 
mar er? <£r fprad7 aber feilt IDort, unb id7 hatte 
eine gemiffe Scheu, ihn 3U fragen. S^ei unb eine 
halbe Stunöe pergittgeit. IDir maren mieber nahe an 
BTorretes. Da begann er: „IDenn es 3 hneit recht ift, 
laitben mir au jenem fjügel. 3^7 führe Sie auf ben 
(Sipfel. Don bort haben Sie eine fd7Öne Ausftcht unb 
erreid7en bie Station noch fd7tteller als pom Caitbuugs* 
fteg int ©rt." 

3d7 mar einoerftanben. Balb fanteit mir oben an, 
ein prächtiges Panorama ber Bai pott paranaguä unb 
Autonina lag por mir. 3 ^h feftte mich auf einen Stein 
unb breitete meine Canbfarte por mir aus, auf ber 
ftd? mein Stempel mit Harne unb Abreffe befaitb. 
plöftlich 3eigte ber Sd?iffer auf ben Stempel unb fragte: 
„ 3 ft bies 3 hr Haute?" 

„3d? feinte ihn gut. 3^7 habe maitd7es 3hrer 
Biid7er über ben Krieg pon \ 870 , gelefeit, als ich 
uod7 beutfd7er ©fftiier mar." 

„IDie, Sie maren beutfeher ©ffaier?" 

„3a, Ejerr fjauptnianit." 

.Hub jeftt?" 

„ 3 eftt ein armer Cabodo, b. h- du Canbarbeiter, 
ein (Tagelöhner, eine Art pon ^albinbianer." 

(Er mod7te iu meinem erftaunten Blicf bie 5 rage 
lefeu: „IDas haben Sie nur begangen, um fo 3U ftnfeit?" 

Da fah er mich feft an unb fuhr fort: „fjerr 
liauptmamt, ich n?eiß aus 3 h r ^n Büchern, mie Sie 
benfen. 3 tpill 3 h ,lc ” meine (Sefchid7te er3ähleit. €s 
thut mir mohl, mich einmal aitS3ufpred7en." 

(Sr feftte ftd7 neben mich unb begann: „ 3 ch u>ar ber 
einige Sohn. HTeine ZTiutter ftarb frühr mein Dater mar 
(Seheintrat mit altabeligemHamen. 3^7 murbeKapallerie* 
offner. £eid7tfiuniges Cebeit, Spielen, Sd?ulben, €hrett« 
fd7ulben, uid?t eiugelöfte H)ed7fel uub fd^lichter Kbfchieb. 
Das mar mein iPeg. ZTTeiit Pater 3ahlte mir noch bie 
Heife nach Hmerifa. Daun perftieß er mich. Allmäh¬ 
lich hat er alle meine Schulbeit abbe3ahlt. Uttfer Der* 
mögen ging babei brauf. Dor fed7S 3 a hr«u ift er aus 
(Sram geftorben 3 d 7 fuhr bantals — es mar \892 — 
uad? Brafilieu. Da begannen hi^r bie unruhigen < 5 dten 
ber 2iepolution gegen ben präfibenten iloriatto. 3^7 
melbete mich bei ber Kapallerie in Bio, mürbe fofort 
angenommen unb märe ftcher gleich Uitterofft3ier ge« 
morbeu, meitu ich portugiftfeh perftanben hätte. 3^h 
bemühte mich, bie Sprache fchnell 3U lernen. IDährettb 
biefer §e'xt erfaitnte id? aber, in mas für eine (Sefell* 
fchaft ich geraten mar. <£ine fcheußlid?e Banbe. €s 
gab babei Derbrecher, piele frühere Hegerfflapen, nur 
uugebilbete, rohe Burfcheu, einen mähren Ausmurf ber 
Bleufd7heit. €ines (Tags fam ich burd? §ufaH in bie 
tage, ein Hegermäbd7eit por Hoheiten eines Kameraben 
5U bemahreit. Die fleine Schmar3e ermies mir pon ba 
an piele 5 reuublichfeiteu. Sie mohute in ber Bähe ber 
Kaferue bei ihren (Eitern, armen Cagelöhnertt. 5 aft 
täglich brad7te fte mir ©bft uub Blumen. 3 ch gemann 
Suueiguug 3U ihr. (Einige fpäter fühlte id? mich 
uid7t mohl uub mollte eiuntaf fpa3ieren gehn. 3d? u?eiß 
nur noch, baß ich nahe por bem fjaus BTarias, fo h^fe 
bie Hegeriit, ohnmäd7tig untfiel. Später hat man mir 
er3ählt, mas folgte. 3^7 ^atte bas gelbe lieber be« 


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Bummer 32 . 


Seite {5{7. 


fotitttteu. BTaria fah meinen Saß, ftür3te auf bie Strafe, 
fd?Ieppte mid? trofc bes £>iberftanbes ber £eute auf ihr 
£ager, mies äße Derfud?e, mid? meg3utragen, mit Cömeit* 
mut ab unb pflegte mid? Sag unb Bad?t. Beuit Cage 
lag id? bemußtlos in ihrem Bett, fünf 2 Dod?en bauerte 
bie gan3e Kranfheit, bas treue IDefen fauerte ftets Por 
meinem Cager auf bem garten Boben, fte lieg uiemanb 
3u mir, ohne Scheu por Kitftecfung forgte fie für mid?, 
fte hat mid? errettet. 3 m Sieberfpital märe id? bamals 
fid?er geworben, mie bie meifteu armen 0pfer, bie man 
borthiu brachte. IDährenb meiner Befonpales3ens lernte 
id? fie lieben. Sie haben fte gefei?eit, fie ift jefot bie 
BTiuter meiner Kinber, meine Srau, menn aud? uod? 
fein priefter unfern Bunb gefegnet hat." 

£r mad?te eine paufe. Da id? fd?mieg, fuf?r er 
fort: „Kls id? genefen mar, f ehrte id? 3um Regiment 
3urücf. 3 mei 3 af?re biente id? als Leiter unb Unter* 
offner. Kls id? bie portugiefifd?e Sprache per* 
ftanb, moßte man mid? 311m 0fftjier machen. 3d? 
lehnte ab. UTeine brei 3 a hre, 311 benen id? mid? per* 
pflichtet hatte, mußte id? aushalteu. Uber länger bei 
einer fold?eit Baitbe 3U bienen, mar mir unmöglich- 
Unb ©ffoier merben fonnte id? nid?t. 3 d? hätte bann 
BTaria, bie mir bamals fd?on meinen erften Knaben ge« 
fd?enft hatte, perlaffeit tuüffen, unb bas perboten mir 
mein f?er3 unb meine Knfd?anuttg über <£.fyve unb 
Bed?t." 

„Das mar brap pon 3 hnen. Ä 

Sein Buge leud?tete bei biefer meiner Unterbred?ung. 
Sann er3äi?tte er meiter: „TDir 3ogen in ben Krieg 
gegen bie (Empörer hier in paranä. BTaria mit ihrem 
Kinb machte, mie äße Solbateumeiber unb Solbateit* 
genofftnnen, fämtlid?e BTärfd?e mit. Sie hat Sabelhaftes 
aeleiftet. <£iu Krieg mar es aber nicht, nur eine Sarce. 
<£ublid?, \896, mar er beenbet, id? mürbe frei. BTit 
bem menigeu (Selb, bas id? mir erfpart hatte, ermarb 
id? bas Bed?t, mid? hier im Urmalb au3uftebelit. Da 
leben mir nun im fed?fteu 3 a h r * Unfangs aßen mir 
lüalbbeeren unb einige Bananen. 3 ä? arbeitete als 
Caftträger in UTorretes. Seit mehreren 3 a hreit geht 
es uns beffer. UUr bauen Bananen, BTais unb < 5 e* 
müfe, perfaufen biefe in BTorretes, unb id? perbiene 
als Schiffer ober fonftmie hier unb ba (Selb. 3 ^? bin 
ein echter Caboclo gemorbeu." <£r fd?mieg. 

„Denfeu Sie nie baran, nad? Deutfd?laub 3uri\cf* 
3ufehren?" fragte id? nad? einer paufe. 


„Bad? Deutfd?lanb! Bein. lüas foßte id? bort, 
ein mit fd?üd?tem Ubfd?ieb entlaffener ©fföier! Unb 
mein U)eib, meine Cebensretterin, bie id? liebe! Unb 
meine herzigen fleiueit BTulatteufinber, bie fo fef?r an 
mir hängen? Sollte id? bie mitnehmen? Sie fehen, 
es geht uid?t. Ulein IDeg ift flar Porge3eid?net. Bod? 
3mei 3 a hre Urbeit, bann habe id? mir fo piel perbient, 
baß id? mir in einer ber neuen Kolonien im 3 n tteru 
Braftlieits ein geuiigenb großes Stücf €anb faufen 
fann. Dann merbe id? Kolouijt, geht es mir gut, 
fpäter pießeid?t Sa3enbeiro, unb mer meiß, ob id? mir 
babei nid?t fo piel perbieue, baß id? nad? pielen 3ah r eu 
bod? einmal nad? Deutfd?laitb reifen fann, unerfannt, 
3um Befud? mit meiner fd?mar3en Srau unb meinen 
BTulattenfiubern. Das ift mein häd?fter IDunfd?, benn 
bie beutfd?e Ejeimat merbe id? nie pergeffeu!" 

Die (Stählung hatte mid? bemegt. 3 ä? ftaub auf; 
unb gab bem Cabocld meine f?anb. <£r brüefte fte 
innig. Dann bemerfte id?: „ 3 d? baitfe 3 hnen für 3 h r 
Dertrauen. Kann id? 3 huen helfen? 3 ^ permag 
3 hnen eine fleine Summe leihmeife 5U geben." 

0hne <§ögern entgegnete er: „3ch baitfe 3h*ten, 
E?err fjauptmanu, muß aber ablehnen. 3^7 habe mir 
felbft ben Sd?mur geleiftet, nie mehr unb unter feiner 
Bebingung Sd?ulbeu 3U machen. 3 ^ taerbe aud? ohne 
frembe f}ilfe mein <3iel erreid?en." 

3 d? gab bem BTaitne nod?ntals bie £>anb, ohne ein 
Wort 3U fagen. 3 ^ erfamtte, mie ihm ber Bemeis 
meiner Uchtung mohlthat. 

„Ulfo fann id? gar nichts für Sie thuit?" 

Bad? einer fleineu paufe fagte er fd?üd?tern: „ 3 a, 
T 5 err fjauphnann. Sd?icFett Sie mir hierher poftlagernb 
BTorretes einige alte Biid?er, bie fie nid?t mehr brauchen. 
(Seiftige BaB?rung fehlt mir fo fehr. — Bun aber miiffen 
Sie gehn. Diefer U)eg führt fte in jehit UTinuten 3ur 
Bahn." 

3d? moßte ihm für bie Sahrt einen 20 UTiße Beis* 
fd?ein geben. (Er mies ihn für3 ab: „3<d? fann nid?t 
mechfelit. Sie haben hier ja fleine Scheine." 

3 d? gab ihm bie ausgemad?ten 6 Uiiße Beis unb 
notierte feinen angenommenen Barnen: Seberico Siloeira. 

„Sie foßen Bücher erhalten, leben Sie mohl." 

Bod? einen E?äitbebrucf, bann ging id? 3ur Bahn, 
er fehrte burd? beit EDalb 3U feinem Kaunot 3urücf. 

Das mar meine Begegnung mit einem (Eaboclo in 
parand im braftliatttfcheu Urmalb. 


ferienbriefe eines kleinen ^fangen 

IDortgetreu nad? ben 0rigiitaleit. 


I. 

Un 

meinen orbi narjusferar h^r braut, 
über h cr braut. 

bu moltest bod? foh gerne bas mier hier mal ein 
brif fd?reiben über her braut, nu biuid? (ßlüflid? an* 
gefönten unb es mar furchba foß 3 m ^ Ll P e un b meiles 
Io furd?ba fol im fupe mar ba feilten mier uit3 garitid? 
bifd?eit f?in legen 3un fd?lafen unb ba hat fater mid? 
auf Sein fnih genottten uub ba habid? bod? nod? bifd?eit 
^efd?lafen uub fater fad?t id? hap orulid? gefd?itard?t, 
fad?t fater. unb bi Krme lifemaus mufte in tter effe 


ftb3ett bi ganfe nad?t. foh enf marbas meil ein biffer 
her foh furd?ba bif mar. unb taute bi hat gleich 
bihf|d?bef gemacht unb beim nod? for her buljong uub 
bennod? fd?oteu uub beitnod? puttinf. is bas nid? ne 
111 affe? über her braut, unb bie fd?oteu bie heiffen hir 
aaften unb bi morübett bi heißen h*r mubbeln unb men 
bie läute gaits richtig hod?bäubfd? fd?pred?en ben fagen 
fte ärbfen unb murb3eln ba3U id? h a P fo fihl gegessen 
biß id? garnid?nter foitte uitb über morgen Sad?t tante 
gieptes fd?ou miber puttinf. uub nu griis id? bid? fihl» 
tuals unb bas aßes hat gefd?riben 
beiit über jiirgen. 


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Seite \ 5 \S . 


Hummer 52 . 


n. 

lieber Ijer Brant. 

id? mus Bier was feines <£v 3elen. xd\ hop ein farnincfan 
unb bas tyist mufi unb bas is gans Flein aber bas 
mefst halt gros unb bas frifi tante alle Blumen Hb 
aber 3un (ßlüf getes nid? oitbi fym baren, bas toer 
man fd?abe. unb neulich ftnb mier mit fater unb life* 
maus unb ich in malt gegang unb ba hobid? fefs frofd?e 
gefang. unb bie hobid? äße in meine pu Canifihrtromel 
gefchbeft unb ba hat lifemaus gefd?rihn. foi jürgen foi. 
ba is ja noch bein butter Brot brin. es mar aber ein 
honich Brot unb bas ejftch hoch noch meues auch bei 
fefs Meine frofche gefchbeft hot. toern es ja nid? 
gans auf effen. unb ben mus ich hier noch mas feines 
er 3elen. fater is mit un3 meit gereist* erft nach bremen. 
Da marich fchon öfter, bas is nämich ba mo es immer 
foh h^ife Buljong giept unb ben nach hom Burd?. unb 
ben nach £übef. ba mares fein, ba marn mier in einen 
garten an einen fanal unb bas h'hs lafsmer unb ba 
mar ein fleiner feiner unb ben nante fater immer pif 
föloh aber er Fante in noch Gontid? unb ba facht fater 
3U ben Meinen pif Foloh- hoben ft eis unb ba fachter 
ja. unb ba facht fater fpeife eis unb ba fadster ja. unb 
ba facht fater 3um essen? unb ba fadster i bemare 
bas brauchen mir 3um falt fchbeüen oon bas bir. unb 
ba hat fater med?tid? gelad?t unb id? auch unb lifemaus 
auch unb ber Meine pif foloh auch unb mier musten 
hoch garnich marum. unb in liibef hobn mier 
gefchlafen. in ein h° unb ben ftnb mir anbern 

morgen nach fit?l cjefarn. liber h^ brant fennsbu 
fihl? Das is nämich bi fiatt mo männi mont. männi 
mar mein bejier freunt unb ber folte auch mit aufs 
genaftont unb bei bir fleiftd? lärnen unb ba fonter nich 
meil fein fater auf ein fchif muste mas 3U ben 
fchmarb3en menfcheit fert. unb ba is männi feine 
muter unb männi unb alle nach fihl gesogen biß fein 
fater miberfomt. ftesbu bas is fihl. nu musich auf 
hörn meil mufi foi bletter fressen mus un men mufi 
3ufihl frijh ben frichtes auch Baud? fneipeit. 

fthle fthle griiffe fchigt hier bein jürgen. 


III* 

liber her brant 

nu milich hier noch mas er 3elen. muter bi hotmier 
ein brif gefd?riben unb ba fchbet brin bas bi Meine 
fdimester fchon lad?en fan. unb bas fte mas er 3elt 
aber bas ferfchbet blos muter. unb alle läute fagen 
ft ftet aus mi jürgen gait3 geitauh unb fchreien tutft 
auch toi ein junge, unb meisbu liber her brant ben 
glaubid? auch Gons gemis bas es hoch nod? ein fleiner 
bruber mirt ben hotid? mier foh gemünfeht. unb bi 
fleine f?ot hoch noch gar feine fd?bintme. mi molit bie 
läute ben bas triffen, bas es ne fd?mester is men bie 
fleine es noch garttich fagen fan. bas meinsbu hoch 
and? rtidima? muter bi hot auch gefracht op ich abents 
immer bete, aber ich h a P 1r Gefchribett bas id? bod? 
meine ärften grosen pferjen hop unb in ben pferjett 
braucht man bod? nid?3u beten, geftern hot meine 
tante gefcheltet. aber es mar nid? fer fd?lim. Den ich 
hap heirolich G^f^n mi fi gans bifchen gelacht hot* 
id? hot uämid? beit farnal genfogel fein fchbüf 3uffer 
gefd?bi Hist unb ich miles auch nid? miber tun unb 
meine tante bt h^ift tante gretchen aber eigttlich h*ift ft 
mager rete. unb in fihl marn mier auf ein frichsfdjif 
ba mar ales foh blattf unb fein unb ba muftid? mich 
fo fihl munbern unb babei binich bie fd?ifs tErebbe 
runtergefaln unb ba hotmier ein freuntlicher onfel farl 
bol aufs beiit gemacht. Das mach id? foh gern riechen 
aber lifemaus bt fad?t foi mi fd?äuslid? bas fchbinft. 
unb Hu Kont id? balt miber 3ur fd?ule unb muter 
hatmier ferfd?brod?en id? jol mal murft Brot mithobn 
unb beim seid?id? es hier, unb ben er 3elsbu fott bas 
große regenmaffer unb oon ben guten man ber foh 
eenlid? hi*£ mi meine ard?enoa. unb ben milid? aud? 
miber fd?ön auf paffen ba mit id? miber eine feine 
3enfur frid?. itäntid? für eine gute 3enfur frid?id? 
5untb 3id? fettid? unb für eilten ausge3ognen 3an blps 
\0 fenid?. unb Hu bebanf id? mid? aud? fthlmals für 
ben fd?öneit brif unb bi bunte farte bi bu mier 
gefd?igt host. unb nu fornt entlid? balt miber 
bein liber jürgen. 


—=±=cp - - 

Was die Herzte fagen. 


(Ernährung auf ber Heife. 

Die große IDohlttjat, bie oiele, leiber uid?t alle DTenfchen, 
ftd? burd? Heifen oerfdjaffen Fönnen, mitb nid?t feiten illuforifd? 
burd? bie fd?led?ten ober unjuretchenben (Ernährungsoerhältniffe, 
auf bie man angemiefen ift. 3 m Sommer pflegt man mot?l 
meiftens bas (Sebirge ober bie See, jebeitfaüs am menigften bie 
großen Stäbte auf3ufud?en. Hun mag bas (Effen in irgenb- 
einem <Sebirgsbörfd?en an (ich gan3 gut fein, unb bod? betjagt 
unb oor allen Dingen befommt es bem Heifenbeu nid?t. Der 
menfd?lid?e 0 rganismus oerlangt nad? einer geioiffen Hegel* 
mäßigFeit unb 0rbnung unb nad? einer beftimmten, il?m 
gerabe 3ufagenben (Ernährungsmeife. Damit foll nid?t gefagt 
fein, baß man nun immer basfelbe effen foll, im (Segenteil, 
es muß Hbmed?slung fein, aber bie „Küche“ muß ber fteimats* 
füd?e einigermaßen 'entfpred?en. natürlich fpielt aud? bei 
btefer ^frage bas Hlter eine nid?t unerhebliche Holle. Kinber 
unb alte £eute oertragen am allerioenigften berartige (Ernäh* 
rungsmed?fel. (Sefunbe <£rmad?fene bagegen mögen fid? oiel 
eher baran gemöl?nen. Sehr bebenPlid? finb biefe Hat?rungs» 
bifferensen für KranFe. IDie oft ijt es fd?on oorgefommen, 
baß £eibenbe 3U ihrer Erholung oerreifen unb eleuber 3iirücf- 


fehren, meil bie (Ernährung nicht für fte geeignet mar. 
fold?e Jälle unb um bie ermähnten llebelftänbe 311 oermeiben, 
foll man fid? auf einer Heife mit befannten, gemohnten, halt¬ 
baren Hahrungsmitteln oerfehert, um jeber unangenehmen 
€oentualität aus bem IPege gehen 3U Fönnen. §u biefem 
gmecF eignen fid? in gans heroorragenber IDeife bie aus ber 
beFannten (fabrif oon Knorr in fjeilbronn ftamtnenben 
Präparate. Diefe fabriF ift mohl bie größte unb leiftmtgs- 
fähigfie ihrer Hrt. 3 h re ProbuFte ftnb meltbePannt unb im 
(Sebraud? ebeufo bequem, tote mohlfchmecFenb. Had? einem 
gan3 befonberen Verfahren merben bie (Semüfe aller 2 lrt fo 
grünblid? entmäffert unb Fomprimiert, baß in einem Pleineit, 
menige gentiineter großen IDürfel ansreichenbe DTengen für 
mehrere perfotten oorhanben finb. Die Knotrfdje (Erbsmurft 
eignet ftch in oorsüglidjer IDeife 3ur fd?nellen Bereitung einer 
mohlfchmecfenben Suppe. Das beFannte Knorrfd?e £?afermehl, 
(Eopiocafuppe, (SrünFerneytraFt, unb mie bie oielen oerfdjiebeneit 
Präparate alle heißen, fmb unerfe^liche Hilfsmittel, um fomohl 
3u H^ufe als gan3 befonbers auf Heifen bie H*rfieHung einer 
gefunbheitssuträglichen Koft 3U ermöglichen. €he man fich 
bat?er ben (Eoentualitäten einer ungemohnten unb ungeeigneten 


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Kummer 32 . 


Seite { 519 - 


(Ernährung ausfeftt, tfyut man.. gut, ffd? mit einem Dorrat 
Knorrfdjer Präparate 3U rerfet^en. 

3 ebod? nicht auf ben gewöhnlichen Babereifen allein, 
fonbern cor allen Dingen in ber (EourtfftF fpielt bie <Er* 
näfyrungsfrage eine fetjr bebeutenbe Holle. Der IDanberer, 
ber Habfahrer, ber ijochtouriff l^aben nicht ffets ein IDirts* 
haus, ein i?otel 3ur Verfügung, um ffd? bie nötigen UTatjI' 
3eiten 3U ©erfchaffen. Da Reifet es Proliant mitnehmen unb 
felbff Focken. Das alte Sprichwort ber (fuhrleute: „IDer gut 
ffhmeert, ber gut fährt" be3te^t ffd? ©or allem auf eine gute 
(Ernährung, benn für bie geleitete XTTusfelarbeit mug bem 
Körper burd? Nahrungs3ufuhr €rfa§ geboten werben. Huch 
hier Ijaben ffd? bie Knorrfdjen Präparate in heroorragenber 
JDeife bewährt. Sie geffatten auf bem engffen Kaum l}öd?ß 
abwechslungsreiche Nahrungsmittel mit3unet|men, bie, bas iff 
©on gan3 befonberer UKchtigFeit, nicht ©erberben, ficf? unbe* 
fchränft galten unb fo leicht 3U5ubereiten ffitb, bag nietet bie 
Kunff einer erfahrenen Köchin, fonbern lebiglich bie (fertig* 
feit, IDaffer 3um Kochen 3U bringen, ba3U gehört. tDohl 
jeber. (Eouriff trägt heute feinen Kochapparat bei ffd}. IDaffer 
ffnbet ftch faff überall. 3 ff man nun beifpielsweife im Befffc 
einer (Eafel Knorrfcher ^ausmac^erfuppe, fo Fann man in 
wenigen Htinuten auf XDalb unb (felb ffd? eine HTah^eit 
©erfdjaffen, wie ffe gar nicht beffer 3U wünfchen ift. <Es Fann 
eine reichliche ITCahljeit an ieguminofen, fjülfenfrüchten 
(€rbfen, £infen, Bohnen) ©ollwertig ein (fleifchgeridjt erfetjen, 
fo baff man mit Hecht auch beim IHUitar bie (Erbswurff 
als wichtigjtes (felbnahrungsmittel anffeht, bas ffch im Krieg 
X 870/7 \ befanntlich in augerorbentlicher IDeife bewährt hat* 


lieber £re$$enwein. 

3 n meinem Fleinen Huffafc „(Ein gaftronomifches Dofu* 
ment" (Nr. 29 ber „XDoche") h a & c «<h gefd?rieben, bag ich 
nicht habe erfahren Fönnen, was „(treffen wein" iff. Darauf 
hat £?err paul (Ehriffel aus Neu*Huppin an bie HebaFtiou 
ber „IDoche" ein Schreiben gerichtet, in bem er feine ITCeinung 
bahin äugert bie (Orthographie ber 3 a 9 0r f c hen Speife* unb 
XDeinFarte wäre wohl in biefem HusbrucF wie in manchem 
anbern mangelhaft, unb es wäre offenbar „(Sreffenwein" 
gemeint. „(Sreffenwein" aber wäre ber Name eines fränfi* 
fchen tDeins. (Er ©ermute, bag „(Sreffen" 3ufammenhängt 
mit bem frait3Öfffchen gresserie (Steingut), unb bag biefer 
(Sreffenwein in (Sefäge aus Steingut gefüllt würbe. 

Nun, mit bem <£ für <5 hat *?err <£hr*ffel recht, mit 
bem Steingut aber nicht. 3 <h habe unterbeffen felbff weiter* 
geforfcht unb KufFlärung gefurtben in bem „Bayrifcfjen XDÖrter* 
buch" Schmellers, ber für ben grögten Kenner ber bayrifdjen 
IHunbart gilt. Bei Schmetler heigi es (I# io 10): (Sreffer* 
wein (nicht alfo (Sreffenwein), fetpr ©o^ügKdjer IDein (oon ber 
£?arfe am Steinberg), ben bie Stiftsgeifflidjen in IDü^burg 
für ihre gressus, nämlich bas Hlitgehen bet pro3efffone» be¬ 
kommen; Heinwalb." Heinwalb, ben Schmeller als Quelle 
angiebt, iff ber Derfaffer ber „Ijennebergifchen unb fränfi* 
fchen 3&i°tismen." „Gressus“ heißt bas Schreiten, unb biefer 
Knsbrucf be3teht ffch, wie SchmeOer vermutet, auf ben Um* 
gang, ber alljährlich im £?erbff 3U IDü^burg von ben ob ber 
XDeinoe^ehntung wachenben jungen £euten mit Strohfacfeln 
abgehalten würbe. 3. crojan. 



KplP 

Ü&8 


Zwang mir’s den Blick magifch dabin, 
doch konnte 

leb nicht vom PlaMcn ]ugend überfonnte 

Und laute tuft umklang. Auf einmal 
(cbwand 

Das alles, und es langte eine Rand, 

Alt, rührend welk und kühl, wie aus 
der Erde 

An meinem Bettrand auf mit Bittgebärde: 

ÜJill(t du mir deine Rand nicht geben? 


Cs war im Garten. Gröbliche Gelellen 
Umgaben mich. UJir tranken. Und in 
bellen 

Plätlcbernden Bächen (prudelten die UJorte 
Uon jungen tippen. Aber nab der 
Pforte, 

In einer einjamen, erhöhten taube, 

Saff meine Ulutter. €ine reife Craube 
tag vor ihr auf dem Geller, und fie aff 
Und hörte nicht auf uns. UJie fie (0 (aff, 
UJegbreit nur von uns und doch abge- 
fchieden, 

Einfatn in ihres Alters blaffen Frieden, 


Kaum dab ich gab, und weinend wurd 
ich wach. * 

6uftav fällte. 



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fett« 1520 . 


Bilder aus aller Welt 


Hummer 52 , 



Der Innj l>er rtegrrintien. 



Die ^aupttärt3crinnen in iljrem rollen Sdjmuct. 

Bilder aus Dar-es-Balaam: Der grosse fcftball der Dorfhäuptlfnge. 

£outinbo Srof., Dar-es-f alaam. 


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Hummer 52. 


Sette {52J 



Der (Turnt t>er Satt ©auöcnjiofircfyc 
in Itopara. 


Die fefriefen (Türme 2IfineI(i unt> ©arifenba 
in öoIoana. 

Gefährdete Curtne in Italien. 

pbot. 2IIfieri & Cacroir. 


Der ©lo-cfenturni (Ca ©ijirlanoina) 
itt Ulobena. 


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Seite 1522. 


ttunimer 32. 



I. <5« n f p ilcn. 2. Cicbfrtwalö (München). 3: <Srofd?c. 4. bohlielb. 5. tjelimunb. 6. fjempel. 7. iturlfobn. 8. Ijcutfdjler. <*. ßintjicbe. io. Sd?mitj. 

U. Hiefeberg (Karlsruhe). \ 2 . Stur{jel. 13. Öcrtbolb. 14. 3“rf Qena). 15. ^inmirmuinn (Hamburg). (6. HeebtsantDait Bartt}. i?. Ralfen (Breslau;. 

18. ^offntann. pafd?fe (Berlin;. 20. €ngrlmann (Stuttgart). 2 \. Meter. 22. Kirf. 

Ton der Generalverrammlung des HUgetneinen Deuträten Buebhandlungsgehüfenverbandes in Leipzig: Vorftand und Vertrauensmänner. 

pbot. Karl Bellad), Cctpjig. — pbotoillujlration ftans d* <£o,, Berlin. 



€ingang3urITTafdjinenf}aIIf. Jlusfidjtsturm unb ^ejHialle. 

Die Deutrehe Gewerbe-, Xnduftrie- und Landwirtfchaftliche Husftellung in Cctfcben a. €. 



Ton der Oberlauritzer Gewerbe- und Xndurtneausrtellung in Zutau: Der Rcicbsdampfer. 

pbot. licinr. Scbmorrbe, Bernftnbt i. S. 


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rtenfte (Eiergruppe pon iecbs brcffierten «Eisbären. 2. Der befiegte (Eicrbänbiger im Kingfampf mit bem Eisbären. 3. Eine Hnbfalprt. 

Kunftrtücke der CterdrelTur. 

pl]Ot. (Dj. Keimcrs, Hamburg. 


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Seite \ 52 ^. 


Hummer 52. 



Ton der Zufammenkunft der HngehSrigen des ehemaligen frankfurter Limenbataülons in Frankfurt a. J*J.: Gruppenbild der Kameraden. 

5pCjiaIaufnaf)mc für bie „IDodjc" uon bem Kgl. bn^* ijofpfiot Kt). 23numcmn (prof. l?anfftängls Uad?f.), ^ranffurt <*• m. 



Die neue Schutzhütte auf dem Stripfenjoch bei Kufftein. 

pfjot. K. Karg. 


Schluss des redaktionellen Zelle 

































(lummer 33. 


4. Jahrgang, 


DiewocHe. 


Berlin, den 16. Hugult 1902. 


Inhalt der Ilummer 33. 


Pie peben löge ber XPodjr..(525 

Bubclf von Beftnigfen t Don <£«jus ItloeUer.1525 

Petersburger Sommertage. Port 21. von 21urid?.1527 

Umfcbau. (528 

IHufif.(528 

5piel mit) Sport. (529 

Unfere Silber.(529 

Pas Such brr ZPodjr.(53 ( 

Pie SÖn'ena»od)e. (532 

Pie tCaten ber XPodfr.(532 

Silber pom tTage. (pbotograpbifdjr 2luf nahmen).(533 

€s wax ein alter König . . . Pon Hubolplj Strafe. (joitjcfeuug) . . . (541 

3folbe. ©efcidjt oon 2lnna Hittrr.(545 

Pie Schulung bes 2Iuges. Pon prof. Pr. meb. et pt}il. Permann Cohn 

in Breslau.. . . (547 

ZTlalfcbuIen auf Seifen. (OTit 6 2lbbilt>ungen) .... .... (549 

€in Sefud? bei 3ules Perne. Pon $. p. .freybcrg. (lllit 3 2lbbilt>ungcn) (553 
fyiusfcbipamni unb grodenfäule. Pon Pr. Hubolpt? (Poy (Sreslau). 

.(ITIil 6 2JbbiIbungen).. (535 

2Xuf bent Ceudjtturm. Sfiye oon ©titfao Senner.(557 

grauen unb Ciebe. Spbonsmen dou ZTlaria Stona . .(560 

2im btl$ifd>m Stranb. Pon Sifreb Kubentann. (OTit 9 21bbilbungen) . (66( 

Pie größte IHuftfmfJrumentenfammlung. Pon lUaj Stempel. ((Sit 7 21b» 

bilbungen).(565 

Sylter Sommertage. Don $rife l)aUberg. (IHit 2 Sbhifbuntjen; .... (567 
Silber aus aller (Pelt . . ..... (569 


abonniert auf die „GBocbe“: 

in 2r erfln unb Pororten bei ber Pauptcrpebition ^imnierftrafee 37/41, fot» e bei ben 
Filialen bes „Berliner Cofal*21n3etgers" unb in fdmrl. Sucfjbanblungen, im 
PtutfcbenSeicbbei allen Sud?banblungen ober poftanftalten (^eitungs*preislii2e 
Kr. 822(); unb ben ©efdjöftsflellm ber „lDod?e" Bonn a. Rh., Kölner. 29. 
Bremen, ©bemflr. 29; Breslau, SchtDeibmfeerflr €cfe Karlrtt. (; CafTel, 
<£brre Köniaftr. 27. Chemnitz, 3nnere ^ohannisilr. 6; Dresden, Seeflfe. (: 
Dü (Oldorf, Sdiaboroflr. 59; 6 Iberfeld, fierjogfirafie 38; 6 (Ten a. Rh., 
Cinibcderplnfe 8, franhfurt a. M». ^eil 63. 6orlltz, Cuifmftr. (6; Balle 
a. B., OT'ttelilr. 9 €de Sd?ulftr.; Bamburg, Seuerroall 60; Bannover, 
©eorgflrafee 39; Karlsruhe, Kaiferfir. 34; Kattowltz, pofliVr. (2; Kiel, 
fcoliirnnrafee 6; Köln a. Rh., Bobeflrafee (45; Königsberg l. pr., 
Sneipböffcbe Cangaaffe 55; Leipzig, petersfirafce (9; Magdeburg, 
Sreitemeg (84; München, Knufinaerfirafee 25 (Pomfreibeit); Nürnberg, 
iorrajerftrafe 30; Stettin, Breiteilrafee 45; Stuttgart, Königflrafce ((; 
iUiesbaden, Kird?gaffe 26; Zürich, Hennmeg 48. 

jeder unbefugte Nachdruck aus dleOr ZeitObrlft 
wird ftrafrechtllch verfolgt. 



Die sieben Uage der Woche. 


7. Hugult. 

Der berühmte politifer Rubolf t>oit Bennigfen ftirbt auf 
feinem <8ut Bennigfen. 

Das britifdje Unterhaus pertagt gef? bis 311m Tjerbg. 

8. Hugult. 

König €buarb pon dfoglanb erlägt am Dorabenb feiner 
Krönung eine Botfdjaft mit ber Ueberfd?rift „Kn mein DolP". 

Die goütariffommijjion bes Reichstags hält ihre hunbertfte 
Siguug ab. 

Der Kaifer perlägt an Borb ber „bjohen3ollern" Reoal 
unb begiebt geh nach ber 3 n f e l XX^isby. 

Der bayrifche £anbtag mirb nach 3ehmnonatiger (Tagung 
^efchlogeu. 

König (Seorg pon Sad/fen feiert in aller Stifle feinen 
fiebjiggen (Seburtstag. (Er erlägt eine Kmneftie für perfouen, 
bie 3U l?aft- ober (Selbftrafen perurteilt gnb. 

Der. Kaifer fenbet an ben rohn bes rerftorbenen 0 ber» 
prägbenten a. D. Rubolf pon Bennigfen aus Reoal ein Bei» 
leibstelegramm. 

Kai^ler ber englifchen ScfrafcPammer rnirb Ritchie an» 
ft eile bes jurütftretenbeu Tjicfs Beadjs. 


9. Hugult. 

Die Krönung König (Ebuarbs pon (Fnglanb geht in £onbon 
unter lebhafter Teilnahme ber Bepolferung pon ftatteu. 

(Ein ITtitglieb ber bayrifchen Kammer ber Reichsräte gellt 
ber Staatsregierung (00 000 UTarf 3um KnPauf ausge3eichneter 
Kungmerfe 3ur Derfügung. 

10. Hugult. 

Kus Hamburg mirb gemelbet, bag nach Prüfung bes 
KPtenmaterials gegen beibe an betn Untergang bes Dampfers 
„Primus" beteiligten Sd?ijfsführer bie KnPIage erhoben ift, 
bie por bem Kltonaer £anbgericht 3ur Derhanblung fommt. 

3 n ber Bretagne rnirb ein fran3Öfifiher 0 bergleutnant 
megen c^ehorfamsperroeigerung perhaftet, meil er erflärte, 
feine religiöfen (Sefühle perböten ihm. bei ber Schliegung 
ber Kongregationsfchule in pioermel, mie ihm befohlen mar, 
m t3umirfen. 

11. Hugult. 

Die golltarifPommiffion bes Reichstags beenbet bie erfte 
£efung bes (Tarifs. 

IDie aus ITIünchen gemelbet mirb, h^t ber Prin3regent 
nunmehr bas Kbfdjiebsgefuch bes Kultusininifters pon £anb» 
mann genehmigt unb 3U feinem ZTachfolger ben ^reiherrn 
pon pobemiis ernannt. 

< 5 egen beit (Soiiperneur pon ChorPom mirb im bortigen 
(Tipoligarten ein Reoolperattentat perübt. €s merben pier 
Schüffe abgegeben, von benen eiher ben (Souperneur am I^als 
leicht permunbet Der (Thäter ift perhaftet. 

12. Hugult. 

Die goOtarifPommifiion bes Reichstags lehnt bie Der* 
menbungsanträge ab unb pertagt geh nach €infetjung einet 
gebengliebrigen SubPommifgon bis 3um 2 2. September. 

3 n (Segenmart bes Kaifers gilbet auf ber IDerft bes 
DulPans bei Stettin ber Stapellauf bes £loybbampfers „Kaifer 
tDilhelm II." gatt. 

13. Hugult. 

Heber Heuyorf roirb gemelbet, bag bie 2lufjtänbifd>en in 
Denejuela bie t^afengabt Barcelona erobert unb geplünbert 
haben. Sie bemächtigten gd? bes fran3Ögfcben Kabelamts 
unb ber Konfulate pon RmeriPa, 3 ta l ,en IJoüanb. 

Rudolf 0 . Bcnnigkn f 

\0. 3uli \Q2<{ — 7. Kugug ^02. 

Don €aju$ moeller. 

„f^err Dr. p. Bennigfen hat bas U?ort." Die eleftrifd^ert 
Apparate bes Reichstags h a ^ en öas <£nbe einer Dauerrebe 
augePünbigt. unb ermartungspoll grömt alles in ben eben faft 
90113 gelichteten SaaU UTan fammelt fleh um ben Rebner, 
mie man fid? um ben Jürgen BismarcP, um ben JelbmarfchaU 
IHoltPe, um bie Plcine <£ycellen3 IDinbthorg gefainmelt hatte. 
Der pormalige präfibent bes XTationalpereius hatte nicht 
mehr bie gärPfte JraPtion bes Reichstags hinter gd?, aber 
man lauf^te feinen IDorten, als trage er noch bie Befähige 
ber annähernben parlameutarifchen UTehrheit in ber TJanb. 
Die Rebe mar Pur3, einbringlid?, roirPfam, auf (Seift 3ielte 
ge nicht ab unb ebenfomertig auf politifche £eibenfchaft, aber 
fie mar unrergleichlich logifd? unb Plar unb übe^eugenb, eine 
gleichmäßige £eud?tPrafr ging pon ihr aus, unb ge enbete 
fiets unter lebhaftem Beifall uid?t nur ber Parteigenogen. 
IDiß unb 3 r °nie roanbte ge nur gelegentlich an, bann aber 


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Seite \526. 


Hummer 35. 



Das JUfchenbegängnis Rudolf v. Bcnnigrens im Schlosspark zu Bennfgren. 

Uadj einer ptjoiograptjifd?en Tlufnatjme uon fjofptjot. l?öffert*f)annoper geseidjnet pon p. BrocfnmUer. 


um fo treffenber. Hls auf bctn ^auuoüerfdjen Parteitag pon 
1885 tferr p. Bennigfen einmal pon ben h om erifd?en Hebe* 
Fämpfen ber Berliner Parlamente fprad?, beren Selben fid? 
bod? nid?t eben burd? ionifd?e ‘(Sra3ie aus3eid?neten, h°t bas 
©rgan bes bainit gemeinten Parteiführers wochenlang pro* 
teftiert. 

politifd? hat Bennigfen bie haften §iele erreicht, per* 
fönlid? nicht. Der Begrünber bes Hationalpereins burfte 
bas 3 fl t? r t 870 feh'n unb bie DerwirFlid?ung feiner politi* 
fchen 3 beale erleben. Hber er fonnte HTinifter werben unb 
fd?lug es aus, weil er ber Partei (Treue halten wollte unb 
biefe unter bem (Einfluß rebnerifcher unb formaliftifcher (Ta* 
feilte bie Bebeutung bes HugenblicFs perFannte. Seine 
HlinifterFanbibatur uin bie TDenbe ber 3 a h« 1877/78 fd?ei* 
terte baran, baß er bie Herren p. (forcfenbecF unb Freiherr 
p. Stauffenberg mit in bie Kombination hineinjiehen wollte. 
Hber Kaifer fDilhelm I. hätte fchon ungern in bie Berufung 
Bennigfens gewilligt unb wollte nid?t mehr liberale Partei* 
politifer in ber Hegierung fehen; 3wifcf?en bem dürften 
BismarcF unb F?crrn p. ^forcFenbecF ßanben überbies bie €r* 
innerungen bes preußifchen DerfaffungsFampfs. Benuigfen 
bewies batnals auf beibe IHänner größere Hücffid?t, als biefe 
wenigftens fpäter gerechtfertigt haben. Der Flein *fd?laue, 
aber nach höheren Hnfprüdjen unpolitijd? angelegte IDeftfale 
unb ber geiftpolle, liebcnswürbige, aber bestimmbare JranFe — 
beibe haben bann *880 bie Se3effion bes linFen flügels 
ron ber nationalliberalen Partei eingeleitet, gwifd?en Ben* 
nigfen unb Stauffenberg foü es fpäter eine Huseiuanberfegung 
gegeben haben, wobei ber fte h*rbeiführenbe Stauffenberg nicht 
im Dorteil war; 3U JorcFenbecF hatte ber h<*nnooerfd?e führet 
wohl niemals in näherem Derhältnis geftanben. Bennigfen 
muß jenes Huftreten tief empfunben haben, baß er fleh über* 
haupt 3U einer folchen Huseinanberfegung h er ^ c *benn 
biefer wahrhaft pornehme (EharaFter Fannte unb bethätigte 
lange por ben 99 (Tagen bes Kaifers (friebrid? ben Sag, 
baß man leiben fonuen muß, ohne 311 Flageu. (Er war Un« 
banF gewöhnt unb hatte im (Srunbe an ber politiF niemals 
befonbere Jreitbe empfunben, aber er übte fte, weil er wußte, 
baß jebermaun bem Daterlanb fid? felbft unb fid? gait3 fd?nl 5 ig 
ift. <£ntfpred?enb war fein Derhältnis 5U bem dürften Bis* 
marcF. ber ihn häufig entläufst hat unb euttäufchen mußte; 
man weiß jegt beffer, baß ber erfte Deutfche Kaifer für 
feinen genialen HTinifter Feineswegs ber bequeme bferrfcher 
war, für ben ihn bie IHitmclt aitfah* Hls im Sommer 1883 
Bennigfen feine beibeu Berliner XHanbate nieberlegte, war 
ein perfÖnlid?er Bruch mit bem HeidjsFanjler porangegangen. 
Hber als 1887 bie große (frage bes Diilitürfeptennats bie 
beutfeben (Semüter in Bewegung fegte, perfagte fid? ber 
63 jährige ITIann ber nationalen Sad?e nicht; er trat ron 
neuem in ben Heid?stag unb hat ihm bann uod? brei £egis* 
laturperiobeit angehört; etft I898 fd^ieb er enbgiltig aus. 
<Sleich3eitig legte er bas ©berpraftbium ber propin3 ffan* 
noper nieber, bas er 1888 übertragen erhalten hatte, nach* 
bem er Dorther lange EanbesbireFtor jener feiner ffeimats* 
prooiu3 gewefen war. 

Die parteioerblenbung hat Hubolf p. Bennigfen einen 
(Totengräber feiner engeren tfeimat genannt. Das war er 
nid>t. (Er hatte fiets gewünfeht, fein tfeimatlanb als felb* 


ftänbigen Staat in einem unter preußifcher Rührung fteheu* 
ben Deut fchen Heid? 3u fehen. (Er hat in ben 3 un itagen ron 
1866 König (ßeorg V. befdjworeit, bie preußifchen Been¬ 
gungen an3unehmen, aber biefer wollte nid?t hären; nod? 
nad? KÖttiggräg unb HiFolsburg hätte Preußen ein felbftän* 
biges T?annooer unter bem Sohn (ßeorgs V. beftehen laffen, 
aber ber perblenbete HTonard? wollte feinem £anb unb feiner 
Dynaftie nid?t einmal bas ©pfer bes perfönlidjen HücFtritts 
bringen. Damals hat Bennigfen bie ihm angebotene Der* 
waltung pon f^annoper abgelehut; er wollte auch nicht ben 
Sd?ein ber gufriebenheit mit bem Sd?icFfal T?annopers auf 
fleh laben. Hber über biefem ftaub ihm allerbiitgs Deutfeh* 
lanb, unb foinit t^ielt er bas SdjicFfal feines Tfeimatlanbes 
für unwibcrruflid? unb wünfd?te es nicht nod? einmal ge* 
änbert 311 fehen. 3 m übrigen war Tjannooer nad? politifcher 
unb geographifdjer gufammenfegnng unter ben ftaatlid?en 
(Sebilben bes IDiener Kongreffes bei weitem bas unnatür* 
lichfte, was bod? wirFlid? etwas fagett wollte; es war fd?on 
auf ber £anbFarte eine wahrhafte Spottgeburt. Der ©sna* 
brüefer Bürgermeifter unb fpätere hattnooerfche IHinifter 
3 - <£• 33 . Stüpe war entfd?iebener partiFularift unb (ßroß* 
beutfd?er, ben felbft bas 3 a h c t 870 m tt ber IDenbung pon 
1866 nid?t perföhneu Fonnte. Hber er hat über bie beutfeben 
mittelftaaten bas ungemein treffenbe 2 Dort geäußert, fie feien 
gar Feine Staaten, fonbern ein unorganifdjes (Semifd? pon 
Heid? unb Hittergut. Huf Feiits biefer £äuber traf bas fo 
311, wie auf E]auuoper, bas übrigens mit mehr als ber t^älfte 
feines Bobens gar nid?t bem urjprüuglichen IDelfengebiet an* 
gehört hat. 

Das obenerwähnte Fühle pfHd?tperhältnis 3U ber PolitiF 
dis £ebensberuf mad?te 3ugleid? bie politifd?e StärFe unb bie 
Sd?wäd?e Bennigfens ans. (Er übte biefe Befd?äftigung als 
pßid?t unb nicht als £iebhaberei, wie nod? immer fo piele 
Deutjd?e thun; fd?on iin 16 . 3 ahrhanbert maebt ein Berid?t* 
erflatter bes pene3ianifd?en Senats bie Bemerkung, baß bie 
Dcutfd?en abgeneigt feien, ernfthafte Dinge aud? mit (Er 11 fl 
31t betreiben. (Ein wenig pon biefem politifd?en Dilettantismus 
hat 3. B. trog großen Pflichtgefühls unb lebhaften (Et?rgei3es 
aud? ber begabtere unter ben porgenannten 3wei früheren 
parteigenoffen Bennigfens 3eitlebens bewiefen. Hber eben 
aus biefer Fühlen (Empftnbung heraus war Hubolf p. Bennigfen 
Fein IHann ber politifd?en 3 n*tiatipe; ebenfowenig nad? ben 
(Tagen ber 3 u 9 *k& Hgitator; aud? bie politifd?e Detail* 
unb Kleinarbeit überließ er gern anbern £euten. Das geht 
in (Englanb, wo bie ZTation politifd? gefd?ult ift; es geht 
aud? in JranFreid? unb in fonftigen romanifchen £änbern, 
wo bie DölFer pon ZTatur mehr 3ur Dis3iplin neigen, aber 
in bem eigenwilligen Deutfd?lanb geht es nicht; bei uns 
muß ein politifd?er Jührer ftd? ftets pon neuem wieber feine 
Stellung perbienen, will er nid?t bie HTad?t feinen fjänben 
entgleiten fehen. ^für ben täglichen FDettbewerb bes Fleinen 
<Ehrgei3es war Bennigfen überbies piel 5U pornehnt; mit 
ben Bamberger unb JorcFenbecf Farn er ba nid?t mit. Sein 
altes ^familienwappen 3cigt eine Streitaxt, aber er war 
Feine Kämpfernatur, bei tiefgrünbigein Sd?arfblicf fehlte 
ihm aud? ber bligä^nlid?e €iufall unb befonbers jener geniale 
£eid?tmut, ben bie fel?r großen (Seftalten ber <Sefd?id?te 
im entfd?eibeuben lHoment bewiefen h a & c n* ihnen ge* 


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Kummer 53 


Seit« \ 527 . 


3ählt 3U »erben, t^ätte Benntgfen für eine per (online heraus* 
forberung gehalten. für fjanuover f^atte er ßd? ausge3ci<hnet 
mit bem ettvas jüngeren, aber cor ihm abberufenen Johannes 
UTiquel ergäbt, beßen 3ugleich feurige un& lifteureiche Hatur 
beiitlid? bie fübeuropäißhe EjerPunft verriet; in ben größeren 
beutßh-preußiphen Derhältnißen ift ihm eine foldje (Ergäitjuitg 
verfagt geblieben. 

Bennigfen mar eine burdjaus anfpruchslofe Hatur. (Segen 
ben Schluß ruhiger Beichstagsßtjungen nahm er tvofp neben 
bem hannoverphen £anbsmann unb politißheit (Segner Dr. 
IDinbthorß platj, unb bie beiben Herren tauphten Heimat* 
Iidpe €rinnerungen aus, bie ftd? tvahrpheinlicb auf bie alten 
Seiten in bem gemütlichen Beamtenflub Eemförbe ber Stabt 
Hannover bejogen. 0t?ne ein großer gedjfreunb 3U fein, 
liebte Bennigien bas hannlofe Ubenbgefpräd? mit vertrauten 
(Seuoßen in öffentlicher Eofalität. Unbrerfeits mar er ein 
IHantt von feiufter Bilbung unb ungemöhnlicheii allgemeinen 


Kenntnißen. !Die be3eid?nete es ihn, baß er als 74 jähriger 
UTann (898 nach bem Uusßteibeu aus bein öffentlichen 
feben eiligß nach ber alten Stubieiiftätte £?eibelberg re ße, 
nicht um bort Unioerfitätserinnerungen 3U pflegen, fonbern 
um nach fo viel Jahren politißhcr Wüt?* ungeftört auf ber 
Bibliottjef arbeiten 3U föunen. Don perfon mar ber Der* 
croigte groß unb ftattlich; bie früh verlängerte, aber erß fehr 
fpät völlig fahle Stirn 3eigte in ber Ulitte eine tiefe ZTarbe, 
über beren Urfprung von einer SäbelFlinge ober einer piftolen* 
Pugel bie Ueberlieferungen geteilt tvareit. Die braunen 
Hugen blieften etma3 ßhtvermütig mie bei einem Hlann, 
ber früh vom £*ben menig 3U ermarten gemöhnt mar. 

Kein Staatsmann erßen Hanges ober genialen IDißens, 
aber ein ausge3eichneter Patriot von feltenen (Saben, großer 
Selbßlopgfeit unb flecfenlofem (Eparafter ift in Hubolf v. Ben* 
nigfen bahingegaugeit. HTit ber IDieberaufrichtung bes Deutfchen 
Heikes rnirb fein Haine für immer untilgbar verbunben bleiben. 




Sommcrlcbcn in Petersburg. 


€ine €igentümlichPeit, bie Peinem (Sroßßäbter ber iDelt 
fo fehr eigen ift, beßtjt ber Petersburger, ich meine ben gug 
ins freie. Sobalb pd? Pautn ber erfte grüne Schimmer an 
Baum unb Strauch 3eigt, befchäftigt ihn auch fchon bie frage 
bes Datfchenanfenthalts (Datfche = Eanbpaus). DenSommer 
in ber Stabt 3U verleben, bünPt bem Petersburger eine Strafe 
bes Rimmels. (Er muß hinaus, fet’s auch nur fünf3ehn 
ffiinuten meit entfeint. Die Sehnfucht nach ber Datfche be* 
feelt nicht etma nur ben bemittelten IHann, nein, felbß ber 
jtch mühfam Durchftümpernbe glaubt fich ba3u berechtigt 
finben jtch in ber Kaffe nicht genügenbe mittel vor, fo 
manbert alles für ben Sommer (Entbehrliche borthttt, „tvo fie 
(Selb vorphießen", um bie erfehnte Datfche 311 mieten, fei fie 
auch noch jo primitiv. Ja, primitiv finb jte faft alle mit 
gan3 geringen Ausnahmen, hoch h err W en froppnn unb (Se* 
mütlichPeit barin, bie ben fehlenben Komfort erfetjen h*lf*u. 
Die Plimatiphen Derpältniße ber ruffifchen Ejauptßabt ftitb 
freilich nicht derart, baß fie einen Sommeraufenthalt auch nur 
halbmegs angenehm gestalten, baper ift bie faft ausgeftorbene 
Stabt erPlärtich. Uußer (Sephäftsleuten unb Beamten, bie 
fchnell aneinander vorüberrafen, unb einig« (EinPäufe befor* 
genben frauen erblicft man menig publifum in ben Straßen, 
mo auch Kinbermagen eine Harität hüben. Der echte Peters« 
bürget fdjämt pd? mirPlich, einen Sommer in ber Stabt 31t 
verbringen. Die fremben erhalten mithin von Petersburg 
im Sommer ein recht unvollfontmenes Btlb. Der norbifchen 
Schönen fleht bas grüne (Setvanb nicht, fie imponiert unb 
beftrieft nur in giit$ernber, meißer (Toilette. Schneeflocfen 
unb Schlittengeläute pnb ihr (EparaPterißifum. Sogar bie 
berühmten BaubenPmäler, bie JfaaP* unb Kafanfche Katpebrale, 
pnb nur ent3ücfenb im IDinter, menn bie (Sranitfäulen unb 
•Pfeiler eisbefponnen mie filigranarbeit bemunberungsroürbig 
ben Ichmeren bunPlen (EifenPapitälen ftanbhalten. 

Jn bem entfetjlicpen Sommer biefes Jahres pnb auch 
hier Hegenfchirm unb (Suinmifchnhe favorit. Das Peters¬ 
burger DatphenpubliPuin feuf3t unter ben losgelaffenen 
Schleufen bes Rimmels, ift aber immerhin noch beneibensmert 
gegenüber ben „gurficfgebliebenen". Die menigften Käufer 
ber Hepben3 Pennen ben Segen ber BalPons, nur vereitelt 
unb bann fiebernd? vermaift pnbet man pe an ben Pafernen* 
ähnlichen Bauten, bie mit geringen Ausnahmen eine mufter* 
hafte IHonotonie fortpPait3en. 

Der gug nach ben „Datßhen" beginnt geroöhnlich in ber 
3n>eiten Ejälfte bes DTai, menn Univerßtät, Sd?ulen, b?od?» 
nnb IHufiPfchulen ihre Pforten fließen, um fie erft (Enbe 
2luguft mieber 311 öffnen. Don Sommerferien Pann man 
alfo in Petersburg nicht gut fprechen, bg eigentlich ber gan3e 
Sommer ans einer ferienperiobe befteht, bequem fotvopl für 
(Eltern mie Eeprer. IDaprpaft bebauernsmert pnb mährenb 


bes Sommers nur bie armen ^pemänner, bie Datfchenväter, 
bie trotj ihres täglichen Dienftes noch all bie Hufträge ber 
3ärtliiten (Sattin aus3uführen haben, mit paefen unb 
pätfdjen beloben, fieht man pe Peuchenb ber (Eifenbahtt ober 
bem Dampfer 3uftürmen. Ucf?, pe mollen es alle 3um lebten« 
mal gethan paben — bis 3um nächfteumal halten pe ja auch 
getreulich IDort, hoch — na, ich fchroeige fchon. 

gu ben vornehmften Datppenorten in ber Utngegenb 
Petersburgs 3ählt immer noch peterhof, mo ber f?of im 
Sommer repbiert (Ein ent3ücfenbes ^lecfchen (Erbe, hart am 
pnnifchen UTeerbufen gelegen, mit feinen perrlid?en IDaßer» 
fünften, bie benen von Derfailles in feiner IDeife nachftehn. 
^früher, 31t geiten Ulejanbers III., 3ählte noch (Satfchina als 
beliebter Sommeranfenthalt ber Petersburger, trog jeiner be* 
Panuten feuchtigPeit. Die Kaiferinmutter hält ü?n nod? 
immer in pietätvoller €rinnernng als ihre Sommerrepben3 
feft. Sehr lebhaft gept’s in garjPoje Sjelo, bem Eieblittgs* 
auf enthalt bes jungen garenpaares, 311. Hls einer ber 
teuerften 0rte befannt, pnbet er trogbem großen HnPlang im 
Sommer, erftens liegt bas ibyllifche Stäbtchen bebeutenb t^öt^er 
als bie Heftben3, 3meitens ift pamlomsf, bie fafhinablepe 
muftPftation, ber näcbfte Hachbar. Seht beliebt pnb auch bie 
Sommerfrifctjen an ber pnnlänbifchen Bahn itt nächfter Hähe 
ber Hefiben3, fomie bie Hema jtromabmärts. E^ier pnbet 
man noch rerfchiebene beutfehe Kolonien aus Katharinas II. 
§eit, bie fid? banf bes mufter haften fleißes ber bort anfäfpgen 
IDürttemberger bebeutenben IDohlftanbes erfreuen. Seit ber 
rücffichtslofen Hufftp3ierung ^innlanbsmeiben bie Bußen felbp, 
(fiitnlanb als Sommerfriphe auf3ufuchen, mohl begreifenb, baß 
pe in biefer bemegten Seit Peine millPommenen (Säfte fein 
föunen, ihnen auch viel Uugelegenheit baraus ermachfeu Pönnte. 

Die Höhe bes IDaffers um Petersburg h erl »m legt ben 
(Sebanfen nahe, baß ber Huber* unb Segelfport l\itt poriereti 
müße. Da3u iß ber Huße nun 3U bequem, er fieht pd? Segel¬ 
regatten unb IDettfahrten lieber vom Ufer aus an, als baß 
er pe mitmachte unb barin ein fpe3ielles Dergnügen fänbe. 
Der JDaßerfport liegt faß gan5 in ben l^äitben ber Deutfchen, 
finnlänber unb einiger (Englänber. meift pnb es junge Kauf» 
leute, bie nach bes (Tages Uiühen im JachtPlub Hbroechslung 
unb (Erholung fuchett. Der echte Huße fud?t fein Sommer» 
plaiper in einem gemütlichen Spielchen. Der grüne (Eißh 
tvirb vors ^aus ober auf bie Deranba gerüeft, ber Hadjbar 
hinübergemiuft, nnb bann geht ber „IDint" (Schraube) los. 
Diefem Sport auch bas etvig IDeiblicbe, oft noch 

pafßonierter als bie UTänner. Selbft junge HTäbchen, bie 
junächß noch bem Jüngling (Selegenheit geben follten, er* 
rötenb ihren Spuren 3U folgen, beteiligen fich mit h e *^9 em 
(Eifer am Kartenfpiel. IDährenb „HTatufchPa" (UTütterd?en) 
gemütlich ihr* gigarette paßt, ärgert fid? bas (Eöchterchen 


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Sexte \ 52 S. 


stummer 33 


über Me unglaublich bumme Kombination if^res^ Partners. 
Das Petersburger Klubleben, bas im IDinter (o typifdj iß, 
benn jeber Stanb h a * feinen Klub, lß>*t auch im Sommer 
nicht auf. Da bie £uft in ben bumpfen SoFalen 3U beengt 
ift, 3teht audp bcr Klub auf bie Datfche unb floriert hi?t 
weiter. Sämtliche Klubs ohne Kusnatjme ejißieren faft 
nur 00m Kartenfpiel, etwas anberes wirb bort Faum ge* 
trieben, bis auf einige „Jantilienabenbe* im Hinter, wobei 
bie „familie* oft ferner 3U entbecfen ift. Der 3^h re sbeitrag 
ift nicht fehr h oc h* bagegen Fann man oiel los werben, bie 
(Erfahrung machten auch Me Damen, als fie noch (Eintritt 3U 
ben Spielfälen hatten. Die niebliche „ItTufchFa" (fliege) 
Foßete ihnen manches UKrtfchaftsgelb unb manches Foftbare 
KnbenFen bes (Satten. Bis auf bie BuberPlubs, bie im 
Sommer wirFlich eine fdjöne gerftreuung auch ben Hiermit- 
gliebern bieten, ftehn bie übrigen Unterhaltungstempel alias 
Klubs 3teinlich oecwaift ba. 

IHit Beginn bes Sommers oerlaßen auch fämtliche in 
Petersburg ßationierten Begimenter, mit Kusuahme Flciner 
(Eruppeitabteilungen, ber XDachFommanbos, bie (ßarnifon, um 
„bas Säger* in ber Umgegenb ber Stabt 3U be3iehn. Das 
ift ein charaFteriftifches ItterFmal, bas auch allen übrigen 
(ßarnifonen bes Beides eigen ift. Die (Eruppen follen ftch 
an Kbhärtung gewöhnen, was ihnen burch Kampieren auf 
freiem felb in leichten gelten ooliauf gelingt. macht man 
einen Sommerausflug mit ber baltifd?en Bahn, fo erfcheint 
Krafuoje Sjelo (rotes Dorf) unb Duberhof wie ein gewaltiges 
Ejeerlager. 

Der Sefer wirb aus meiner piauberei erfehn, baß bie 
Phrafe: „Petersburg ift im Sommer faft ausgeftorben* ihre 
rolle Begrünbung hat, unb im (ßrunbe bes Bierdens ein 
leichtes Dlitleib mit ben gurücfgebliebenen haben, fpejiell 
wenn er erfährt, in welcher Umgebung fie häufen muffen, 
portier unb Ejausfnecht fitib pflichtgetreu auf ihrem poften. 
Beibe flnb meift mit einer reichen Kinberfchar gefegnet, 
bie teils auf ber Straße, teils im Ejof ihre Sommererholung 
finben,ohne BücFficht auf bie paar „lumpigen" Einwohner, 
bie nicht, wie jeber „anftänbige illcnfch", auf ber Datfche futb. 

21. Don Uuridj. 

< 55 * 

Umfdiau. 

Die golltarifFommiffion bes beutfchen Beichstags hat ftch 
bis 3um 22. September oertagt, nacbbem ße in nicht weniger 
als 102 Sitzungen bie erfte Sefung ber ihr 3ur Dorberatung 
überwiefenen Dorlage 3U (Enbe geführt I^atte. (Eine Krbeit 
ift ooübracfjt worben, an beren (Belingen anfangs gar oiele 
Perfonen nicht recht glauben wollten. Die Derhanblungen 
haben einen anbern Derlauf genommen, als man urfprünglich 
oorausfetjte. Die Vertreter ber SojialbemoFratie haben, 
gerabe, wie fie es im Plenum l^äuftg thun, Beben gehalten, 
bie ben (Begnern 3U lang erfcheinen wollten, aber oon einem 
Derfudj, ©bftruftion 3U treiben, war nichts 3U fpüreit. Ueber* 
haupt erfchienen in ben erften Sigungett, als es fich um bie 
ianbwirtfchaftlichen gölle hanbelte, nicht fie unb nicht bie Jret* 
finnigen, fonbern bie Agrarier als bieEjauptgegnerber Begierung. 
Die entfchiebene £inFe wanbte ihre Kampfesluft in oiel höherem 
maß, als gegen bie Begierung, gegen bie Dorßtjenben ber Korn* 
mifßon, beren (Beßhäftsführnng th r nicht behagte. (Es Farn, auch 
nacbbem Ejerr oon Karborff ben Dorftg niebergelewjt unb in 
Ejerrn Bettich einen Bacfjfolger erhalten hatte, mehrfach 3U 
bewegten gmifchenfällen nnb 3eitraubenben (Befchäftsorbnungs- 
bebatten, bie bie Krbeit oer3Ögerten. ^nbeffen, fd^lieglid? 
Fommt es ja auf ein paar (Tage bei einem folgen (Befetjes* 
Föloß nicht an, unb bie nahe3u tanfenb pofitionen, bie ber 
(Earif enthält, finb — bas ift bie Ejauptfadje — burchberaten 
worben. IDas allerbings von ber Krbeit ber Kommiffton 
übrigbleiben wirb, ob unb in welchem Umfang ihre Befchlüffe 
überhaupt einmal (SefetjesPraft erlangen werben, Fann noch 
niemanb fagen. (Es wirb noch oiele Kämpfe um ben goü* 
tarif geben, unb fte werben am hießen wieber bei ber 
feßfetjung ber Kgrar3ÖUe entbrennen, über bie einftweilen 


eine Einigung 3wifchen ber Begierung unb ber UTehrh^t 
nicht h^rbeigefühtt ift. 3 m Gegenteil, es finb gerabe in 
biefer wichtigen frage Befdjlüße gefaßt worben, bie Me Vertreter 
bes Bunbesrats innerhalb unb außerhalb ber Kommiffton 
als unannehmbar be3eichnet haben. 0b bie Begierung eine 
UTehrheit finbett wirb, bie ßch mit ihr barüber oerftänMgt, 
ift. ungewiß, aber Me Kusßdjten haben ftch hoch einigermaßen 
gebeffert Die Konferoatioen ßnb ein wenig vom Bunb ber 
lanbmirte abgerücft, fte betonen ßärFer als 3uoor, baß ber 
golltarif als (Brunblage für ben Kbfchlitß neuer E?anbe(s* 
oerträge betrachtet werben müße, unb (Braf pofabowsFy hat 
in einer ber legten Kommiffionsftgmtgen eine Keußerung 
fallen laßen, bie es nicht ausgefchloßen erfcheinen läßt, baß 
bie Begierung am‘legten €ttbe hoch noch oon ihrer als un* 
oerrücfbar betrachteten Poßtion wenigftens einen Fleiitett 
Stritt ^urücfweicht. Der StaatsfeFretär bes 3 nnern fagte ba, 
bie oerbünbeten Begierungen hatten ihre gan3 beftimmten 
Knßdjten, über bie ße 3U gegebener geit fich auslaßen 
würben. Danach fcheint es, als feien bie EJoßnungen ber 
Besten hoch nicht gan3 unbegrünbet, baß ber Bunbesrat in 
ber Kommifßon bas legte IDort noch nicht gefprochen habe. 
So ungewiß alfo bas Schicffal ber Begierungsoorlage noch 
iß, bas eine fteht feft, baß bie ba3u geftellten Knträge über 
bie Derwenbung ber UTehreinnahme aus ben lanbwirtfchaft* 
liehen göllen Feine Knnahme ßnben; ße ßnb bereits in ber 
erften £efung, bie mit ihrer Beratung fcfjloß, oon ber Korn« 
mifßon abgelehnt worben. 

* 

IDahrenb in (Europa felbft bie Bationen in ungetrübtem 
frieben miteinanber leben, brohen ben europäifchen Staaten 
Derwicflungen burch bie guftänbe in überfeeifchen £änbern. 
Die Spannung, bie fd^on feit längerer geit 3wißhen JranPreidj 
unb Siam eriftiert unb bie ßch neuerbings 3iemlich ßarF 3 U* 
gefpigt hat, bürfte allerbings frieblich gelöft werben. Uber 
bie Beoolutionen in ben unterfchieblidjen ameriFanifchen 
BepubliFen Pöunten leicht ein (Eingreifen ein3elner europäisier 
möchte notwenbig machen, benen ßch bann oermutlich bie 
norbameriFanifche Union anfchließen würbe. (Eine folche 
Situation fcheint namentlich in t)ene3uela nahegerücFt, wo Me 
Kufftänbißhen große €rfolge er3ielt haben, bei beren Kusnugung 
ße nicht bie gebührenbe Kdjtung oor Eigentum unb £eben oon 
Kuslänbern 3eigen. Sie haben beifpielsweife bei berplünberung 
ber oon ihnen eroberten Ejafenßabt Barcelona ßch auch an 
bem fran3ößfchen Kabelamt unb an ben Konfulaten oon 
KineriFa, 3talien unb Ejollanb oergrißen. 3 n Beite3uela hat 
auch gerabe bas Deutfche Betcb gan3 bebeutenbe 3 n tereßen 3U 
ßhügen, bie freilich fchon gefährbet fd^enen, als präßbent 
(Eaftro bas E?eft noch in E^änben hatte. (Es iß baher nicht 
3U oerwunbern, wenn mit einer £anbung beutfeher Gruppen 
bort gerechnet wirb. KmeriFa aber würbe in einem folgen 
JaU uns nicht nur Feine SchwierigFeiten machen, fonbern unferm 
Beifpiel folgen unb wahrfcheinlich mit uns gemeinfam oor« 
gehen. Die 3weite BepubliF, in ber bie ^ortfehritte unbis3i* 
plinierter Beoolutionäre im 3 nner!l eine auswSrtige 3nter* 
oention erforberlid? 3U machen brohen, iß ^aiti. Kllein, man 
barf nach früheren €rfahrungett annehmen, baß h* er öas 
bloße (Erfcheinen eines Kriegsfchißs gegebenenfalls genügen 
würbe, um ben gerabe am Buber beßttblichen EJerrfchaften ben 
nötigen BefpePt be^ubringen. 



Das priii3regententheater 3U UTünchcn hat biefer Cage 
feine Pforten 3um 3weitenmal geoßnet 3U einem fommer« 
liehen gyPlus befonbers glan3ooüer tt)agn er auf führ ungen. 
mancherlei, was im oorigett 3ah r äußerlich unb innerlich 
noch 3U wüufchen übrigließ unb ben Erfolg bes großgebachten 
Unternehmens h^abminberte, hat feither bie oerbeßernbe 
E)anb gefpürt; fo ift bie Kusßattung bes amphitheatralifch 
ßch aufbauenben gufchauerraums oon einigen (Sefchmacfloßg* 


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Hummer 33. 


Seite *529- 


fetten befreit worben, unb gegen bie IHängel ber Ufußtf, bte 
ftdj unter aUen ilebelftänben oiefleicht am unangenehmsten 
bemerfbar malten, bat man mirffame Dorfebrungen 31t 
treffen gemußt. 3 II 3 n ’tf 4 en hat aud? &ie Umgebung bes 
impofanten Kuitßtempels auf ber Bogenhaufener Ijöhe ein 
freunbltcberes (Seßdjt befommen, unb in erfter Heihe ift es 
bie nunmehr feriiggeßeüte prin3regentenbrü(fe, bie bas äußere 
Bilb bes gan3en oornehmen Stabtteils roefentlidj b e ^t. 

Ulet beu „Itteift er fingern oon Hürnberg" mürbe ber im 
ganjen 3man3ig Uuffühnmgeit umfaffeube gyflus eingeleitet 
Des meiteren merben „(Triftan unb 3 folbe", „(Tarnt tpufer“ 
unb „£ohengrin“ in regelmäßiger Ubmedjslung 3U (SetjÖr 
gebracht. (Ernft oon Poßart, beßen ungemöbnliche Energie 
unb gielßdjerheit oor 3 a fy ren fdjon bie lHün<hner IDagner* 
feßfpiele, tote nun auch bie Begrünbung bes eigenen IDagner* 
fuitfttempels 30 ftanbe gebraut, b at einen Stab auserlefener 
Künftler nach IHün d?en berufen, bie mitfamt ben ITTüncbner 
Kapellmeiftern — an ihrer Spige (Seiteralmußföireftor gumpe 
— betn nicht weniger als 135 IHann ßarfen ©rdjefter unb 
einem treßlicb gefaulten Chor oon 112 Köpfen nicht alltäg- 
liebe Darbietungen gemäbrleißen. (Th*obor Heitmann, £eo 
Sle3af unb frau tförßer*£auterer famen aus IDien, aus 
Berlin ber ausgezeichnete Becfmeßer Hebe, aus Dresben bie 
(Tenoriften Untljes unb forchhammer fomie ber ftimmgewal- 
tige Bafftft IDadjter unb bte Ultiftin (Sifela Staubigl. Selbß 
ans £ottbon ßnb einige Kräfte b^rbeigerufen morben, frau 
Horbica, bie (89^ in Bayreuth bie (Eifa fang, ber (Tenorift 
Ulbert Heiß unb bie früher in IHüncben fehr beliebten 
Künftlerinnen IHilfa Cernina unb Jrigi Sd^cff. (Eine 
ftattlicbe Schar in HTünchen Ijcimtfc^er Künftler fchließt 
ftd? ihnen an. — Bei ben freunben IDagnerfdjer Kunft be¬ 
gegnen bie IHüttchner Jeftfpiele bem -lebbafteften 3 n t ere ff** 
©bmobl in biefein Sommer auch in Bayreuth gefpielt mirb 
unb für bie bortigen Uufführungeit faum noch Pläge ju 
haben ftnb, iß auch ber Unörang 3U ben IHündjner Dor* 
Teilungen außerorbentlich ßarf. IHerfwürbigerweife 3ieben 
bie Uuslänber, namentlich bie Umerifaner, biesmal in größerer 
gatß nach bem feßfpielhaus an Ter 3 far, toäbrenb auf bem 
lieblich-grünen fjügel im franfenlanb oon ben feierlichen 
fanfaren oprnebmltch beutfehe Kurtftpilger 3um ernften, er* 
hebenben Kunftgenuß 3ufatnmengerufen werben. c . 

_ .... —. j»_ 

Spiel und Sport m 

Das Schachturnier in l?annooer. 

Der beutfehe Scbachbuub f^atte in ben legten IDoehen mit 
bem IHeißerturnier, bas er in Tjaitnooer oeranftaltet hatte, 
bie Uufmerffamfeit aller jener auf ßd? gelenft, bte 
£iebhaber unb U11 bänger bes „fönig* 
liehen Spieles“ ftnb. Das Schach* 
fpiel ift tbatfächlich bas oerbreitetfte 
unb geiftreichfte aller Spiele, in 
bem nicht bie gufälle bes (Slücfs, 
fonbern nur Urnßcht unb Sdjatffinn 
3um Sieg führen. 

Das Scha<hfpiel hat befanntlicb 
eine uralte (Sefchidjte. (Es ift in* 
bifchen Urfprungs unb fam 3uerft 
burd? bie Uraber nad? (Europa; 
(Sriedjen unb Homer haben ßdjerlich 
nie etwas oon bem Spiel gemußt. 
Das Derbienft, große Schadjturniere 
ins £eben gerufen 3U haben, ge¬ 
bührt ben (Engläubern, bie 1851 
3Uin erftenmal bie beften Spieler 
aller £änber nad? £onbon eiulubert. 
Der erfte Preis ßel bei biefer (Selegenheit einem Deuifcben, 
21 . Unberßen, 3U, ber jeitbem auch in 3mei folgeuben inter* 


nationalen (Turnieren (1862 in £onbon unb 1870 in 
Baben-Baben) bie Palme fefthielt. 

3n Qannooer waren nun in biefem 3 a b r bic erßen 
Koryphäen aus ben oerfchiebenften £änbcrn erfchienen. €s 
mürbe eine Unfumme oon Scbarfftnn, oon Schlagfertigfeit unb 
Kombinationen aufgeboten, unb täglich würben bie mech* 
felttben (Ehancen mit größter Spannung oerfolgt Selbft* 
uerftänblich foit3entrierte ßdj bas allgemeine 3 n t*r* 
eße auf ben fchließlichen Sieger Ejerrn D. 3 anon>s ^' 
ber mit bem glan3üollen Hefultat oon 13V2 (Seminnpartien 
ben erßen preis oon 1200 IHarf errang. 3 a nowsfi ift im 
3 ahr 1868 3U IDalfowiaf in Hußlanb geboren. Da er fchon 
früb3eitig großes Schach in tereße 3eigte, würbe er anfangs ber 
neun3iger 3 a b re Berufsfpieler, ohne aber in ben erften 3 ah** u 
große (Erfolge 3U er3ielen. Hodh in IHüncben 1900 fam er 
nicht über ben achten preis hinaus. (Erft bas Schachturnier 
in IHonte-£arlo im frühjatp: 1901 brachte ihm einen großen 
(Erfolg, benn er mürbe erßer Sieger. Don ba ab oerbeßerte 
er ßd? ftets unb ßänbig unb fanit freute als einer ber beften 
Spieler gelten, beßen Stärfe hauptfäcblicb im Ungriß liegt. 
Die 15 . Hunbe bes (Turniers brachte als Ejaupiereignis ben 
Kampf 3toifchen ben beiben preisfanbibaten pillsbury unb 
3anomsfi. €rfterer erößnete fpanifch. 3m JHittelfpiel machte 
ber Umerifaner einen fehler, ber, oon 3 anon,s ^ gefchieft 
ausgebeutet, 30m Derluft bes Spiels führte. Don ba 
ab war ber Sieg nicht mehr 3weifelhaft. Den 3weiten 
preis oon 900 IHarf erhielt pillsbury • Umerifa mit 
12 (Seminnpartien, ben britten Preis, 600 IHarf, Utfins* 
(Englanb mit UV2 (Seminnpartien, ben oierten, 400 IHarf, 
IHiefes*Deutf<hlanb mit u (Seminnpartien, ben fünften, 300 
IHarf, IDolf«©efterreich mit io (Seminnpartien, ben fechften, 
250 IHarf, Hapier-Umerifa ebenfalls mit io (Seminnpartien, 
ben ßebenten, 200 IHarf, (Tfchigoriu-Hußlanb mit 9 (Sewinn* 
Partien unb ben achten, 150 IHarf, ©Uanb-f^ollanb mit 
8V2 (Seminnpartien. Uus ben €in3eiberichten geht übrigens 
heroor, baß bie meiften IHeißerfpieler im Ungriß ßärfer 
waren, als in ber Derteibigung. 



Die gufammenfunft Kaifcr IDilheltns mit bem 
garen Hifolaus in Heoal (Ubb. S. 1537 u. 1538 ) iß 
nun auch oorüber; ße trug, wie übereinßitninenb befunbet 
mirb, einen ungewöhnlich h er 3 i^ en Chnrafter. Hiemals 
hat bas alte IDort: Si vis pacem, para bellum mehr (Seltung 
gehabt, als in ber (Segenmart. Die IDelt ftarrt in IDaßen, 
aber gerabe bie gufammenfünfte ber IHonarchen oerfchiebener 
Staaten bienen als Beweis, baß bie Hüftung nur angelegt 
mirb, um ben ^rieben 3U fehügen. €in ßo^es (Sefchmaber, 
bas (Tob unb Derberben mirfen fann, lag in ber Bucht oon 
Heoal, aber bie beiben Kaifer, bie miteinaitber bie pinaße 
bes garen befliegen, bieten bie (Semähr, baß bie Kriegsfüße 
ihre feuerfdjlünbe für beit €rnftfall in unfern (Semäffern 
nicht ößnen merben. 

(Eine (Sebächtnisfeier für bie Kaiferin Jriebrid} 
(Ubb. S. 1 53 ^) fanb am (Tobestag ber hoh^n *frau in ber 
Stabtfirche 3U Krouberg ftatt, mo bie Deremigte bie 3 a ^ re 
ihrer IDitmenfchaft oerlebt hat. Der Stuhl* ben in früherer 
geit bie Kaijerin benugt hatte, unb ber Ultar waren mit 
Blumen gefchmücft. €in 3ahlreiches Publifum hatte ßd? ein* 
gefunben, um an ber feier tu bem fleinen (Sotteshaus teil* 
3unehmen, au ber Spige bie Södjter ber Kaiferin Jriebrich 
mit ihrem (Sefolge. Uuf unferm Bilb fehen mir ben Krön* 
prirt3en unb bie Kronprii^efßn oon (Sriechenlanb, fomie ben 
priii^cn uub bie prin3efßn ^friebrich Karl oon ließen. 

iN9 

Die Krönung König (Ebuarbs VII. oon (Englanb 
(Ubb. 5 . 1539 unb 15^0) ift ohne jeben ftörenben gmifchen* 
fall 0011 ftatten gegangen. Die (Elaftijität, womit ber 




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Seite 1530. 


Hummer 33 . 


König bie bebeutenben Htifirengungen ber Zeremonie über* 
manb, beroeifen, baß er pon feiner (cbmeren KranFtjeit mieber 
PollFotnmen genefen iß. Pie Lottboner HeoölFerung bereitete 
bem Königspaar fomohl, als es fidj 3ur IPeßminfterabtei 
begab, wie bei ber Hücffahrt nadj bem HucFinghantpalaß 
jubelnbe 0pationen. Pie f)er3lid)Feit, mit ber ber Ptonarch be- 
grüßt mürbe, mar bie altgewohnte, bas äußere Hilb aber hatte fid? 
einigermaßen geänbert, bie Uniform fpielte eine piel größere 
Holle als bei früheren ähnlichen (Selegenheiten in Englatb. 

Per König pon Humänien in Jfd?! (Hbb. S. 1536 ). 
König Karol pon Humänien hat legten bem Kaifer frati3 
Jofef in Jfdjl einen Hefudj abgeftattet, bei bem bie freunb- 
fchaftlichen He3tehungen ber beiben Ptonarchen mit befonbercr 
PeutlichFeit 3U Eage traten. Unter anberm haben fte ge- 
meinfchaftlich mit ber prin3efjin (Sifela unb ber Er3her3ogin 
PTarie Palerie einen Husßug nach bein Htterfee gemacht. 
Tjier, mie überall, mo ftcb bie beiben dürften seigten, mürben 
ihnen pon ber HeoölFerung lebhafte 0 pationen bargebracht. 
Unfer HUb ftellt ihre Laubuitg in Unterach nach ber fahrt 
über ben See bar. 

«3 

Kaifer fran3 Jofef in ber Kabmer (Hbb. S. 1535 ). 
Pte alte Kirche im „(Sraben" in ber Kabmer ijl in biefem 
Jahr Pon (Srunb aus erneuert unb in ihrer neuen (Seftalt 
por Fudern eingemeiht morben. für bie Habmerer, bie ßol3 
barauf ftnb, jetjt eins ber fchönften (Sotteshäufer pon gaii3 
SteiermarF 3U befifeen, gewann bas Jubiläum an IPert burch 
bie (Teilnahme bes Kaifers f ran3 Jofef, ber ber (Seineiube 
eben fein befonberes Jntereffe beFuubet hatte. (Er fpenbete 
nämlich eine (Sebenftafel für ben jüngp perftorbeuen, in ber 
Kabmer allgemein beliebten Pfarrer Laufenfiein, bie auf 
feinen IPunfch bie Kirdje bei ber Jubiläumsfeier bereits 3iertc. 

EinKeiterfeßber fiebentenUIaneit (Hbb. S. (53 5) 
fanb unlängft in SaarbrücFen fiatt. (Es feurbe bie (Erinne¬ 
rung an beu (Tag feierlich begangen, an bem por fünfzig 
Jahren ber (Sroßhe^og friebrich poii Haben, beffen Hamen 
bas Kegiment feit (89 t trägt, als Ch*f an feine Spifce ge¬ 
peilt mürbe. Kn bem feft, bas burd? bie Hnwefenheit bes 
€rbgroßher3ogs pon Haben unb feiner (Sentaljlin ausge3eichnet 
mürbe, nahm bie (Einwohnerfchaft ber StäbteSt. Johann unb Saar- 
jbrücfctt, tu benen bas Kegiment garuifoniert, ben regßen Hnteil. 

(Ein (SrabbcnFmal für bie (Sräfin pon Hloens- 
leben (Hbb. 'S. ( 540 ). Jm Huftrag bes Kaifers hat ber 
Herliner Hilbhauer (Tauer für bie im Jahr (897 perftorbene 
(Semahlin bes Kammerherru (Srafett pon Hloensleben« 
Heugattersleben ein (SrabbenFmal gefebaffen. Es ip ein 
SarFophag, auf bem in Lebensgröße bie (Seftalt ber Per- 
emigten ruht. Parüber erhebt pch als Haibachin ein archi- 
teFtonifdjer Hufbau in gotifchem Stil mit reidjetn Schmucf. 

(Ein KeliefbenFmal ber Königin Luife (Hbb. S. 
1 5^0) ip in fjeiligenftabt enthüllt morben. Es trägt unter 
bem porträt ber Perewigten bie Jnfchrift: „§ur Erinnerung 
an ben Hufenthalt ber Königin Luife in f^eiligenftabt am 
(<*. unb ( 5 . 0 Ftober ( 806 . — ^uubert Jahre unter preußi« 
fchem §epter, mibmete biefes §eidjen ehrfnrchtspoller Liebe 
am 3 . Huguft (902 bie allzeit getreue Stabt i^eiligenftabt." 
Es waren mit bie fchrccFlicbßen Eage im Leben ber unrer- 
geßlichen Königin, bie pe bort 3ubra<hte; benn h* e r traf pe 
bie Had>richt pon ber uuglücFlichen Schlacht bei Jena, bie 
ben fall preußens bepegelte. Hlutenben ^er^etts folgte bie 
treuepe Lanbesmutter ron bort ihrem (Semahl, bem König 
friebrich XPilhrlm III., nach 0 ftprenßen, mo fte ben regften 
Huteil an beffen Schritten nahm, bie fpäter 3itr 2 Picber« 
erhebung bes Königreidjs führten. 

Pom Luremburgifchen I70f (Hbb. S. ( 570 ). Hls ber 
je^ige (Sroßher3og pon Luxemburg Hbolf infolge ber Er- 


etgnijfe pon (866 bes I^cfftfdj-naffautfdjen Ehrons perlupig 
ging, (teilte er pcb halb mit ben ßegreichen preußen auf einen 
guten fuß. Er fcbloß einen Pertrag, ber ihm eine Hbßn- 
bungsfumnte 3iificherte, unb Fonnte, wenn auch nicht mehr als 
regierettber fürp, hoch unbehelligt in feiner beutßhen fjeimat 
leben, wenn es ihm behagte. Pes öftern perbrachte er 
ben Sommer auf Schloß Königpein im Eaunus, unb 
auch jetjt, naebbem er als (Sroßhe^og Pon Luxemburg 
Iängp mieber in bie Keihe ber Kegierenben eingetreten 
ift, nimmt er mit feiner (Semahlin bort gern Hufenthalt. 
Tann Fommen wohl auch bie EnFelFinber, um (Sroßmutter 
31t befuchen, unb in ben alten Plauern geht es luftig h**- 
Pas ftnb feptage nicht nur für bie Hcmohner bes Sdjloffes, 
fonbern für alle Hewohner bes 0 rts. Ein re^eubes Hilb 
entmicfelte pd? bort mieber por Fudern, als bie weibliche 
Sd?uljugenb in fommerlich feftli<her Kleibung mit Hlumen 
erfd]ien, um bie beiben älteften EÖchter bes luremburgifchen 
Erbher3ogs, bie priu3efrtnnen PTarie Hbclhcib unb Charlotte, 
3U begrüßen, bie 3ur (Sroßmutter in bie Sommerfrifche 
geFotnmen waren. 

§wei Hurenführer (Hbb. S. ( 538 ). IPie wenig ber 
äußere Hnfchein (Semähr für bie Lebenskraft bes PTenfdjen 
bietet, bemeift bas Enbe bes Hurengenerals LuFas PTeyer. 
Jn beßer (Sefuubheit, mie man annehmen mußte, h at ** cc 
bie Keife über Englanb nach bem enropäifchen feftlanb ge¬ 
macht, als ihn in Hrüjfel, pon mo er ßdj nach Presbeit be¬ 
geben wollte, plöglid? ber Eob ereilte, hingegen fcheint ftch 
ber (Sefunbheits3uftanb bes ehemaligen präpbenten bes 
0 ranjefreipaats Steiju, ben man bei feiner HnFnnft in Europa 
febon als EobesFanbibaten glaubte betrachten 3U inüffen, er- 
freulichermeife in Scheoeningeit bereits gebejfert 3U h a ^ en - 

Pie Kaoensburger Jahrtaufenbfeier (Hbb. S. ( 536 ). 
Pie mürttembergifche 0 beramtspabt bes PonauFreifes Kapens- 
bürg hat unlängft bas Jubiläum ihres taufenbjährigen He- 
ftehens gefeiert. §mar laffeit pd? Hemeife, baß pe fdjon fo 
lange befteht, nicht beibringen, aber bie Einwohnerfchaft 
glaubt es, unb bas genügte 3U ber feier, bie übrigens jebes 
offiziellen Charafters entbehrte, aber tro^bem einen ausge* 
3eichueten Perlauf nahm. Pie feßlichen Peranftaltungen, bie etwa 
(oooo frembe nach ber Stabt gelocFt hatten, gipfelten, mie bei 
folgen (Selegenheiten üblich, in einem hißarifcheu fep3ug. 

Csn 

Lenaus (Seburtshaus (Hbb. S. ( 535 ). Hm ( 3 . Htiguß 
waren h un &ert Jahre rerpoffeu, feit ber Pid^ter HiFolaus 
Lenau bas Licht ber IPelt erbliefte. Jn C3atab in Ungarn 
ftanb feine TTiege. Hidyts natürlicher, als baß man bort 
ein Erinneruitgs3eichen an ihn errichtet hätte. HUein 
HiFolaus Lenau mar ja ein heutiger Pidjter, unb beshalb 
mürben bem Komitee, bas ftch gebilbet hatte, um ihm ein 
PenFmal 3U fetjen, bie größten SchmierigFeiten bereitet. 
Plan befürchtete im Lanb ber PTagyaren, baß eine Lenau¬ 
feier 3U einer politifchen allbentfchen feier ausgenugt tperben 
möchte. IPir nehmen ben hmibertften (Scburtstag bes unglücf- 
lid?en poeten 3um Hnlaß, unfern Lcfern menigpens fein (Se¬ 
burtshaus im Hilb por3ttführen. 

Ein Penfftein 3ur Erinnerung an bie Sdjladjt 
pon Jbftebt (Hbb. S. ( 570 ) ift auf bem friebtjof ber Fleinen 
Stabt PTarne in Süberbithmarßhen am Jahrestag ber Schlad^t 
enthüllt morben. Pie Peteranen aus bem fchlesmig-holßeinifchen 
Krieg gegen bie Pänett, PTänner, bie haute faß ad^ig Jahre 
alt pnb, haben bas fcblichte PenFmal ihren im Eob por- 
attfgegangeuen Kameraben geweiht unb wollen an ihm, fo 
lange fte nod? leben, alljährlich eine (Sebenffeier perauftalten. 

Kameruner (Säße in Herlirt (Hbb S. ( 570 ). Per 
Keichshauptftabt hat für3lich ber 0 berhäuptling pon Kamerun, 
PTattga Hell, mit feinem älteften Sohn einen Hefuch ab- 
gepattet. IPenn man bies Ereignis in Pergleich ßellt 3U ben 
Kämpfen, bie por wenigen Jahi^ehnten mit feinem Pater 
King Hell burchgeFämpft werben mußten, wirb man nicht 


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Hummer 33. 


Seite *53*. 


feugnen formen, baß unfere Kolomaloerwaltung trog mancher 
unliebfamer Vorfälle tm IPeften AfriFas moralifche (Eroberungen 
3U machen rerftanben l?at. Unb bas Perftänbnis für bie 
beutfdjen Kultu^iele wirb ßcherlich weiter fortfehreiten. Tjat 
bodj ATanga BeU nid?t nur ben (Thronfolger, jonbern aud? 
bejfen jüngeren Bruber unb feinen pierjährigen Sohn mit 3U 
nns gebradjt. Der 3ufünftige 0 berhäuptling, ber fid? übrigens 
Bnboff Alauga Bell nennt, fleht uns fdjon näher, er be- 
herrjeht nämlich bereits bie beutfdje Sprache, bie bem Pater 
noch ein perfchloffeues Buch ift. 

Die preußifdje Kriegsafabemie in Berlin, bie be« 
reits im 3 a h r 1756 *>on friebrich bem (Sroßen als Academie 
des nobles gegrünbet würbe, fpäter Allgemeine Kriegsfchule 
hieß unb ihren jegigen Hamen feit 18 58 trägt, darf als 
militärifche ijodjfchule für bas gan3e beutfehe fjeer be3eichnet 
werben. Denn nur Bayern h a * «ine ähnliche Anftalt, bie 
©fffyiere aller anbern Kontingente befugen bie Berliner AFa- 
bemie, berenfrequen3 baher fehr ftarf geworbenift. IDir bringen 
heute (S. 1 569 ) ein (Sruppenbild ber (Teilnehmer an einer Schieß- 
übungsreife ber Abteilung III b, bie erß in neuerer geit ent- 
jtanben ift. Die große galjl ber bie Afabemie befuchenben 
0TU5iere ho* ihre (Einrichtung nötig gemacht, währeub man 
früher mit brei (Töten 3U je too Schülern ausfam. 

Das italienifche Kriegsfdjiff „(Tarlo Alberto“ 
(Abb. S. I 569 ) war feiner geit nach ber Beebe non Krön- 
fiabt beorbert, um bie italienifche flotte beim Befudj König 
DiPtor (Emanuels am garenhof 3U repräfentieren. Alan wirb 
fid? erinnern, baß bie beiben ATonarchen aud? 3ufammen an 
Borb bes Schiffes gewefen fxtib. Der „(Tarlo Alberto" ift 
aber nicht an ber beutfehen Küfte rorbeigefahren, ohne aud? 
bei uns freundfchaftlidj att3upochen; er h a * vielmehr im 
Kieler tfafen Station gemacht. 

(Eine Konfurren3fahrt non Atotorlaßwagen (Abb. 
S. 1569 ) ift letjthin 3wifdjen leip5ig unb (Eifenadj nerauftaltet 
worben, beren praFtifdjer IPert vielleicht höher 3U ceranfchlagen 
ift, als bie großen Bennfernfahrten, bie bie legten 3<*hre ge¬ 
bracht hoben. Denn währeub es fid) bort nur barurn bonbelte, 
3U 3eigen. was ein3elne faljver ober fah^enge in Ausnahme* 
fällen 3U Ieiften nermögen, Farn es bei ber leip3ig-(£ifeuacher 
fahrt mehr barauf an, bie PerwendbarPcit bes Automobils 
unter normalen Perhältniffen 3U erproben. 

Perfonalien (Porträts S. 1535 ). Den ßeb3igßen (Se* 
burtstag feiert heute, am 16 . Auguft. ber Seliger Philofoph 
(Seheimrat profeffor Dr. IDilhelm iPunbt. einer ber unioer- 
felljten beutfehen (Selehrten. Had)bem er in Tjeibelberg, 
(Tübingen unb Berlin Ateb^in ftubiert hatte, habilitierte er 
fid? 1857 als prioatbo3ent für phyfiologie an ber Uni* 
perßtät tjeibelberg, an ber er ein paar 3 a *? re fpäter außer* 
orbentlicher profeffor würbe. Pon bort ging er nach güridj, 
nnb 187 5 folgte er einem Huf als profeffor ber philofophie 
nach £eip3ig, wo er feitbem lebt. IPunbt ift ber Begrünber 
ber inobernen pfychologie auf phyfiologifcher (Srunblage, er 
hat burch feine forfchnugen auch auf bem (Sebiet ber Philo¬ 
fophie, fo namentlich auf bie Aefthetif, befrudjtenb eingewirft. 
— Sein fech3igjähriges Dienftjubiläum feiert in Atünchen ber 
(SeneralFapitän ber tjatfehiere (Sraf Perra bella Bofta. — 
Der XPiener profeffor Dr. (Ernß Sellin entbeefte auf einer 
Stubienreife in Paläßina eine alte fananitifche Stabt. — 
nachdem ber italienißh-fchwe^erifche gwifchenfall burd? Per- 
mittlung ber beutfehen Regierung beigelegt worben ift, finb 
bie beiberfeitigen (Sefanbteu abberufen worben. Als neuen 
(Sefanbten hoi bie (Eibgenoffenfchaft ben Dr. jnr. pioba nad? 
Born gefchieft. — 3 n U^ien ftarb im Alter ron aef^ig 
3 ohren ber fjofpfarrfapellmeifter (Eder, ein bebeutenber 0 rgel- 
fpieler unb Komponift, ber außerhalb feines IPohnorts 
weniger beFannt geworben ift, weil er ron feinen 3ahlrei<hen 
geglichen unb weltlichen Kompoßtionen niemals etwas 
bruefen ließ. 

< 35 ® 



Aus ber (Triumphgaffe. 


„(Ein KunftwerF mag wohl bitrch Hacht unb (Srauen hin - 
durchgehn, foü uns aber doch fchließlich 3um licht führen; 
benn ba3u ift ber Künftler ba, baß er ben burch gweifel und 
Batloßgfeit gemarterten Alenfchen bie rerworrenen (Er- 
fcheinungen beutenb löfe." * 

Alfo fprid?t ßd? Biccarba l?uch, eine ber tiefßen unb 
eigenartigßen Dichterinnen nuferer geit, in ihrem fronen 
Buch „Die Blüte3eit ber BomantiP" über bas giel bet 
Kuuft aus. 

Daß es ihr heilig-ernft um ihre hoh e Jorberung iß, 
3eigt ße mit ihrem legten Boman „Aus ber (Triumph* 
gaffe" (Perlag ron (Eugen Dieberichs, leip3tg). (Es iß ihre 
unb wohl überhaupt ber neuen Jrauenlitteratur reiffte 
Schöpfung, groß uub Flar als KunftwerF, tief unb wahr als 
IPirFlidjFeitsfchilberung. Durch Had?t unb (Srauen führt bas 
Buch hindurch; aber überall fühlt man bie orbnenbe Schöpfer¬ 
gewalt bes Küitftlers, bie in bie rerworrenen (Erfthetnungert 
Klarheit unb Harmonie bringt unb bas Chaos 3U einer licht¬ 
rollen tPelt 3U gliebern weiß. Biccarba tjuch fdjilbert riel 
(Trauriges unb Schrecfliches in ihrem iPerP; bodj auch bas 
Hiebrigfte Fleibet ße in Schönheit, unb and? bas Pergänglichfte 
taucht ße in bas licht ber (EwigPeit. So crßeht eine IPelt 
ror uns, bie bei aller iPirFlichfeitstreue bod? über 

bie (Erbe emporgehoben iß atub Jreube unb Jrieben über uns 
nieberßrömen läßt. 

Die „(Triumphgaffe" iß eine elenbc Straje in bem Armen* 
riertel einer italieuifdjen Stabt. An ihrem (Eingang erhebt 
ßd? ein altes, röinifches Siegesthor, burch bas einft bie im 
(Triumph hriniFehrenbeu Cäfarcn ihren feierlichen (£1113119 
hielten. Daher ihr ßo^er Harne, 31t bem ihr heutiges IPefeu 
unb Ausfehn einen grellen, hoh»n>oIlen (Scgenfag bildet, 
fyier wohnt bie troftlofefie Armut, h^r häufen Schaube unb 
lafter unb Per^weiflung, bas gan3e traurige (Sefolge bes 
Jüngers. 

3 n biefe büftere IPelt bringen bie lefer bangen fyx$ens 
mit der Dichterin ein, unb ßetje ba, unter ber fegitenbcn Be¬ 
rührung ihrer Schöpferhanb blühen aud? in biefem DunFel 
Jreube unb Schönheit auf. Selbft in bem oerworfenfteu 
Alenfchen 3eigt fie uns bie göttliche Seele mit ihrer Sehnfucht 
nach bem lid^t, unb n?d> itt bem tiefßen (Elenb, in bem 
hojfuungslofeften 3 amnter enthüllt ße uns ben (Slauben an 
bie Sonne, ben IPillen 3uin (Slücf, bie niemals oöllig im 
Alenfchen fterben. (Ein feiner Schimmer non <Sra3ie unb 
Sdjönheit fliegt um bie jerlumpten (Seftalten, bie armfeligen 
bfättfer unb IPohnuuaen nnb übergießt biefe gan3e büftere 
IPelt mit licht 

Biccarba ^ud? läßt bie ChrottiF ber (Triumphgaffe ron 
einem Beidien e^ählcn, ber auf ber Sonnenfeite lebt unb 
ben mehr ein gufali als ein innerer Drang 31t ben Armen 
unb (Enterbten führt. Aber nad?bem er einmal in biefe Welt 
hitieingefchaut hat, läßt ße ihn nicht wieber los. 3 mmer 
wieber treibt es ihn in bie (Triumphgaffe, unb immer tiefer 
nimmt er teil an ben Fleinen freubeit unb ben großen leiben 
der Bewohner bes Armenoicrtels. (Eine heimlkhe Umwanb- 
luug nnb länteruug geht in ihm oor: er lernt auch in ben 
Armen uub Aermften ben (Sott erFennen, ber burd? Schutt 
nnb (Trümmer aus lid?t bräugt. (Ein ßarFes (Sefühl bes 
ATitleids, ber Brüberlichfeit wäd?ß übermächtig in ihm, unb 
am Sdjluß ergreift ihn faß wie ein Schwinbel bie Sehnfucht, 
fid? hinab3uftür3en 3U ben (Sefcheiterten. 

Der große unb in ber Jrauenlitteratur überaus feltene 
Por3ug bes Bomaus non Biccarba fjuch iß feine rollige 
(Tcnben3loßgFeit. Das IPerF fucht feine U?ur3eln nicht in 
einer flüchtigen geitibee, fotibern allein im (Ewigmenfchlidien. 

_ Paul iumer. 


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Seite {532* 


Hummer 33. 



Es hot in &tefen (Tagen recht uuliebfames Huffehen erregt 
baß ßärfere Hachwehen ber großen fommer3teIIen nub gewerb¬ 
lichen Krips pd? noch immer geltenb machen nnb ganj un¬ 
erwartet Schöben 3U (Tage treten, bie unbegreiflicherweife 
bisher oerberft blieben. HTan wirb fo recht 3«r Un3eit baran 
erinnert baß wir uns noch feineswegs, wie bies ©ptiinißen 
in ber legten §>eit oft genug behaupteten, in bem Stabium 
ber (Sefuubung bepnben. Die gegenwärtige Sage wirb wohl 
am richtigpen bamit charafteripert, baß man pe als ben Be¬ 
ginn einer Hefonoales3ens mit Unterbrechungen be3eichiiet. 
Die Enthüllungen, bie bie beutfche (Senoßenfdfaftsbanf uon 
Soergel, parripus unb Eotnp. fo red?t post festum 3U rer* 
Ößentlidjen genötigt war, fönuen freilich nicht beanfpruchen, 
als typifdj für ben gegenwärtigen Stanb ber Dertfältniße 
betrachtet 3U werben. Durch Seidjtßnn auf ber einen unb 
eine unbegreifliche -3nbolen3 auf ber anbern Seite blieben 
biefe Dinge ber ©eßentlichfeit bisher rcrhüllt, währenb pe 
fchon gan3 gut beim legten 3 a hresabjchltiß biefes Jnftituts 
hätten an bas Sich* ge3ogen werben fönuen unb müflen. 
(Es wäre auch burchaus rerfehlt, bie 3 r*ungen unb IDirrungen 
bei biefer, nrfprünglich in befcheibenen (Srei^en unb ror- 
wiegenb ihrem eigentlichen IDefen entfpredjenb, auf bem 
(Sebiet bes genoßenfdjaftlichen Krebits arbeitenben Banf 
etwa gar als charafteriftifch gelten 311 laßen für bie §uftänbe 
bei einer ober ber anbern unferer übrigen Krebit- uub 
Emiffionsinßitnte. UTan barf heute ruhig behaupten, baß 
berartige ober ähnliche peinliche Ueberrafchungen bei biefen 
legteren als rollig ansgefchloßen gelten fönnen. Unfere 
großen Banfen werben ja auch rorausßdjtlich im (Sefchäfts- 
jahr (902 feine golbene Ernte machen, unb ber Hftionär 
wirb gut ttjun, feine Diribenbenerwartungen nicht 3U h°<h 
3n fpannen. Ullein man wirb erwarten fönnen, baß in ben 
meiften (fällen ben Derljältnißen angemeflene Erträge erjielt 
werbem 3umal wenn, wie Funbige (Seßhäftsfreife erljoßeu, 
im fjerbß, alfo im legten Drittel bes (Sefdjäftsjahrs, eine 
Belebung ber Unternehmungsluß 3U erwarten fteht. 

Die Haltung ber Börfe war in biefen (Tagen, nachbem 
3U Unfang ber IDodje eine wirflich emppubliche Derftiinmung 
unb UTutlopgfeit eittgerißen war, wefentlich Fräftiger. Diel¬ 
leicht war bie Erholung rorwiegenb nur auf börfentechnifche 
UTomente 3urücf3uführen; benn bas außenßehenbe publifum 
hält pch noch immer fetpr 3itrü<f, unb bie gewerbsmäßige 
Spefulation h atte Pd? legthin wieber mit Seerrerfäufert 
einigermaßen rorgewagt. Bei bem fo billigen (Selbftanb 
unb angefidjts ber (Thotfad>e, baß bas Papiere beßgenbe 
potente publifum 3U ben h eu *igen Kurfen pch nicht 3um 
Derfauf entfchließt, ift es recht leicht, Decfungsfäufe 3U er* 
3wingen, 3umal wenn Käufer erpen Hanges am UTarft er* 
fcheinen. Dies gilt befonbers für bas (Sebiet ber 3 n & u ßri** 
papiere. auf bem burch bie (Sefeggebung ber (Sefdjäftsapparat 
ja ohnehin nur fchwerfällig funftioniert. Die ZTichterneuerung 
ber Koblenfontrafte ber Hamburg • Umerifalinie mit bem 
Hheinifch-lDeftfälifchen Eynbifat bildete fogar ben Uusgangs« 
punFt einer Preiserhöhung für Kohlenaftien, bie freilich 
bnrch jenen Dorgang. ber ja oerßauenb l^ätte wirfen fönnen, 
nicht reranlaßt worben iß. 

9 

Die auswärtigen UTärfte hoben währenb bes legten 
Berichtsabfchnittes faum nennenswerten Unlaß 3U Bemerfutigen 
geboten. Die Sonboner Königsfrönung bildete bis nach ihrem 
DoÜ3ug ein gefchäftshinbentbes UToment an ber (Th*mle. unb 
feitbem hoben pch fowohl bie arg hwabgebrücften afrifanifchen 
(Solbminen wie auch bie auslänbifchen Hentenpapiere horten 
im preis erholen Fönnen. Ein UToment ber Unßcherheit 
trug aber bie Unbeßäubigfeit ber ZTeuyorfer Börfe auch in 
bas biesfeitige (ßefdjäft. Ungeachtet einer berorftehenben 


glän3enben Ernte ber Dereinigten Staaten gewann bie bortige 
Unternehmung noch Feinen feßen bjalt, wohl infolge ber 
unßeten unb nicht unbebenFlichen Erfdjeinungen, bie bas über 
(Sebühr emporgewucherte (Trußwefen ge3eitigt hot unb noch 
(Tag für (Tag an bie ©berßädje treibt. IDenn pch aber ab 
unb 3U in unferer einheimifchen fadjpreße fehr apobiftifch 
lautenbe Urteile hcroorwagen, bie ben §ufammenbruch bes 
ameriFanifchen „Schwinbelgebäubes" rorausfagen, fo iß folchen 
felbftbewußten Ejpeftorationen hoch einiges UTißtrauen ent- 
gegen3ubringen. 3 n e * ner unläugft ron ©eßerreidj aus an- 
gepellten Enquete, 3U ber bie erften wißenfchaftlichen unb 
gefchäftlichen Uutoritäten ber Union bas IDort ergrißen hotten, 
würben mit einer feltenen EinmütigFeit gan3 aubers lautenbe 
Beurteilungen ausgefprochen. Dielleicht barf man jene amerifa- 
nifchen Stimmen 3Utn (Teil als befangen unb bis 3U einem 
gewißen (Srab als optimißifch bc3eirf?nen. Keineswegs aber 
geftatten pe uns, 3U bireft ungünßigen Schlüßen über bie 
amerifanifche (Sefdjäjts- unb UTarftlage 3U gelangen, 3umal 
jegt brüben, wie fchon oben gefagt, eine überaus günßige 
Ernte unter Dach gebracht wirb. Perus. 



Die Toten der ülocpe. 



Hubolf o.Bennigfen, hcroorragenber politifer, 17 -Uuguß 
5U Bennigfeit (portr. S 1533 ). 

(Seneralleutnant 3. D. frau3 r. Berg, t om 9. Uuguß 
3U UTünchen. 

(Tonbichter Karl be Brois ron Bruycf, f 3 “ IDaib- 
hofen im 7 ^. Sebensjahr. 

Dan3el, D^epräfibent ber Hamburger Bürgerfchoft. 
t (2. Uuguß. 

Souis Deschamps r fran3Ößfdjer UTaler, t om 8. Uuguß 
3U UTontelimar. 

Ebuarb Elben, Hebafteur unb (Teilhaber bes Schwäbifchen 
UTerfurs, t om 9. Uuguß 3U Stuttgart 

(Siorattni Emanuel, italienifcher Schaufpieler, f om 

8. Uuguß 311 (Turin. 

Senator (Seneral (f er rer 0, früherer italienifcher (Sefanbter 
in Soubon, f am 7 . Uuguft 3a Horn. 

Ehrißion (förfter, befanuter geidjner fjamburgifcher 
Dolfstypen, + am 6. Uuguß 311 Hamburg im 77 . Sebensjahr. 

Sctjriftftellerin Ubine (Semberg, t int ^2. Sebensjahr 
311 lüitteuberg. 

(ßeorg (SoIbberger, belgifcher (Seneralfonful 5U Berlin, 
f am (2. Unguß. 

Dolfsfchriftpelier fran3 (Söge, f 3 a Eh cm nig im 
60. Sebensjahr. 

3ufti3rat T?orn, Stabtrerorbnetcnrorfteher 3u Elbing,, 
t im 71 . Sebensjahr. 

UTar Kegel, Hebafteur bes „IDahren 3 ofoh", t om 
(0. Uuguß 3U XHünchen. 

UTaler unb Habierer ©tto Keitel, t 3« UTün-hen im 
qo. Sebensjahr. 

Baronin Utnclie Sangenau (U?ien). IDitwe bes ößerreichi- 
fchen Botfchafters (Senerals v. Sangenau, f tnt 69. Sebens¬ 
jahr 3U Bangor (Englaub). 

Bnreitgeneral Sufas UTeyer, t om 8. Uuguß 3U Brüßel 
(portr. S. ( 538 ). 

UIori3 S3eps, IDiener geitungsherausgeber unb 3 our * 
naliß, f 9 - 2 luguft 3U UPien. 

j‘elb3eugineißer Baron (Sußao Choemmel, t 3 U peuma 
bei <Sör3- 

3 otnes Eiffot, befannnter fran5ößfcher UTaler, t om 

9. Huguß 3U Buillon im 66. Sebensjahr. 




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Hummer 53. 


Seite *533. 



33i'lder vom üage 


r. t/) fa'u ifyrt-* 

^ierju ber Jlrtifel „Hubolf pon Sennicjfen f" auf 5. J525. 


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Seite J554. 


Hummer 33 



Zum Heimgang Rudolf von Bennigfens: Die Aufbahrung der Leiche im Schloss Bennigfen. 

£)ofpbot. Tjoffert, ^amtoper, pbot. 



Von der Gedächtnisfeier für die KaUerin friedrtch in der 8tadtkirche zu Kronbcrg: 

ptiii 3 unb pritijeffin ^riebridj Karl dou fjeffen unb bas qriedjiftbc Kronprinjenpaar oetlaffen bie Kirdjc. 

f?ofp!)ot. 5»aN3 Shilling, Könnjrtctn, pbot. 


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Zum Berucb des örterreicbirchen Raffers in der Radmcr: Zum bundertften Geburtstag Henaus: 

Pie Kirdje im „©raben". 5ein ©eburtstjaus in Cfatab. 



Prof. Pr. ©rnfl Sellin, IPien, 
entbetfte auf ferner Stubienreife in 
paläjHna eine alte fananitifd?e Stabt. 


©raf Perri bella Sofia, 
<5eneralfapitän ber l?atfd?iere, feiert in 
ITTündien fein 60j&tpriges Pienftjubiläuni. 


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Pr. jur. Pioba, 
ber neue Sdjujeuer ©efanbte in Hont. 


Gehefmrat prof. Dr. KIflhelm Olundt, Hefprfg, 

feiert am 16. Hugufl feinen fiebjigfien ©eburtstag. 


PofpfarrfapeUmeifter 
€ber, 2Pieit f 


©rbgrofctjerjog uon Selben. 2. ©berfHeutnant ^ties. 3. ©rbgrofjbersogin oon Baben. 4. $rau 5ries. Poppclte 5abtfd?ule. 

Vom Refterfeft des Ulanenregfments Grossherzog frfedrfch von Baden (Rheinffches) Jfr. 7 fn Saarbrücken. 

fiofrbot. Ccibrocf unb Pamann. Saarbrütfen, pbot. 










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y 






























Seite J536. 


ZTummer 33. 



König Knrol. Knifcr 5 rnn 3 3ofef. 

Der König von Rumänien in Xrchl: JUndung des Sfterreicbifcben Kaifers und feines 6aftes in Unter ach nach der Rundfahrt auf dem Htterfee. 

Hrttjur 5Iorcf, llntcracfj, ptjot. 



Die Ravensburger 7*brtaufendfeier: Der Klagen der Klörttembergia im <feftzug. 

IPömbcI, ptjot. 


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ZTummer 33, 


Seite ^537, 



CT T3 
* 2 

u -e 
c* _ 


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-- 












General Lukas J'Jcyer f und feine Gemahlin. 

£eo IDcmttjal pbot. 


Hnkunft des ehemaligen präfidenten des Oranjefreiftaats Steijn in Scheveningen. 

Hijgfy 6c t?an Dilmar pbot 


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•W-- 


Hummer 55. Seite ^ 539 . 



Die Krönung König Eduards: 


König (Ebuarb unb Königin Klejanbra begeben fidj in bie tDefiminßerabtei. 

2lrt Hcprotmction Co., Conbon, pt \ot 


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Seite 15$0. 


Hummer 33. 



MSB 


Das am \2. 2Iuguß jur €ntt}ällung gelangte ©rabbenfmal für bie ©ematjlin bes 
Kammettjerrn ©rafen t>. JUi>enslcben*neugg tter sl eben. 

Cinfborf! pbot. 


Keliefbenfmal ber Königin fuife 
jar ©rinnernng an ifjren Kufenttjait in $eUigrn#abL 
Peft, Duberftabt, pfyot. 


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Hummer 33. 


Seit» {5^. 


Ga mar rin aitrr König. 

Don 

Rudolph 8tratz. 


T* ownupmig. 


ie SdjweigfamFeit bes alten ^äncn fiel 
allmählich auf. 2 TIait tr>ar gewohnt, bafe 
€fceßcn 3 oon Braunfcheibt fonfi als auf* 
merFfamer £?aush*rr gewijfermafeen fld? 
fclbfl als I?auptjtücF feines U7eniis 
feroierte unb mit feinen gefabenen unb oft aud? ge¬ 
pfefferten IDifeen bie Speifen wiirste, frot?, Suhorer 
genug unb ©eläd?ter am €nbe jeber pointe 3 U haben, 
fjeute enttäufd?te er. Unb niemanb oertrat it?n. Der 
einige, ber als Berühmtheit bes lages bie gan 3 e ©e- 
feüfd?aft fyätte intereffieren Fönnen, fehlte nod?. Aroib 
batte aus bem Auswärtigen Amt telephonieren laffen, 
bafe er erfl fpätec fommen Fönne. Sein Stuhl ftanb leer. 
Das Auge feines Paters ruhte 3 uweilen barauf, unb bann 
oerfanF er wieber in Brüten, unb ber Diener neigte ftd? über 
feine Schulter, um ihm bas ©las wieber poll 3 U giefeen. 

Darüber machte nach aufgehobener Cafel ber Ule* 
bi 3 ’tnalrat feinem IDirt Dor würfe: „<££cellen 3 ..." 
fagte er, in bem EjaoanuaFiftd?en wählenb, „££ceflcn 3 ... 
3d? hab Sie bei Cifd? wohl beobachtet. BismarcF 
meint, wir brauchten eine halbe 5lafd?e Seft ins Blut 
— fd?ön — über wenn man, wie Sie, gleich mit 3 wei 
5Iafch*n Borbeau£ anfängt ..." 

„pah —" fagte £?err oon Braunfcheibt 3 erjtreut unb 
hob fid? in ben mächtigen Schultern. 

» 3 a — pah- giebt mehr eingebilbete ©efunbe 
als eingebilbete Kranfe. Das weife jeber alte Ar 3 t. 
Sie haben jefet fchon wieber einen gau 3 roten Kopf. 
IDie fofl beim bas enben?" 

„IDie alles in ber IPelt mal enbet." 

„Aber möglich^ fpät. Das ijt meine Pflicht. Unb 
barum nochmals: wenig IDein, wenig Aerger, wenig 
Arbeit, Feine Aufregung ..." 

„. . ,*Kur 3 , gan 3 fo, wie ich nun mal lebe." 

„So follten Sie eben nicht leben. Ueberhaupt nicht 
hier. U)er 3 wingt Sie benn ba 3 u? €in UTann wie 
Sie gehört aufs £anb." 

Der anbere nicFte ihm 3U. „©wählen Sie bas mal 
meiner 5rau. Auf bie Antwort bin ich gefpannt." 

„©laubeit Sie, 3hrer 5rau ©emahlin würbe etwas 
Buh«, fchaben? 3 m ©egenteil. Porhin, wie ich ihr 
jZUahlseit 4 fagte, Friegte ich unoerfehens ihren puls ju 
faffen. Das reine Sturmläuten! ©t?ne jeben ©runb!" 

£jerr oon Braunfcheibt fchaute büjier läd?elnb auf 
ein (Eeppid?mujier am Bobcn. <£rft als fein Berater 
nochmals wieberholte: „Alfo gehen Sie in fid?, ©r- 
cellen 3 . ©s giebt wirFlid? fonjt einmal ein UnglücF," 
t?ob er ben Kopf unb fagte gelaffen, aber mit einer 
Stimme, burd? bie bie Ungebulb burd?brang: „©in 
UnglücF wär es, wenn man nicht jierben Fönnte, mein 
lieber UTebisinalrat. Aber wir finb tobbegliicFt, wie ber 
33 id?teo fagt. Darin liegt ber Croji. Das ift bas grofee 
(Ereignis. VOas liegt baran, ob bie ©uoerture oorh^r 


— bas bifed?en £eben — nun 3 ehn ober fünfsehn 
UTinuten gebauert hat? Die meinen UTenfd?en Fommen 
befanntlid? 3 ur ©uoerture 3 U fpät. 3 ch bin auch 311 
fpät geFommen. Bun will ich wenigftens ben Beft 
grünblid? geniefeen." 

IDährenb er fprad?, horchte er unruhig auf. ©r 
hatte Aroibs Stimme im Dorflur gehört ©leid? barauf 
trat fein Sohn ein. 

„nochmals Per 3 eihung," fagte Aroib. „ Sie haben mid? 
nicht losgelaffett, in eurer IDilhelrnftrafee. Der Brief 
oon ber Kongoregierung ift ba. Da war nun bes 
^erumfifeens um ben grünen Cifd? unb bes Bebens Fein 
©nbe. Die £eute wollen auch, id? fofl gleid? wieber 
nad? AfriFa suriicF." 

„Unb rt?ufi bu’s?" 

„3d? hab mir BebenFseit ausgebeten." ©r warf 
einen BlicF burd? bie halboffene Chür. „©ntfefelid? — 
ba jtnb fd:on wieber bie gleichen UTenfchen, bie id? eben 
oerlaffen hab . . . £Do ift benn 3 u tta?" 

„Bad? einem £?erreneffen? Sie hat fid? in ihre ©e* 
mäd?er 3 urücFgc 3 ogen." 

„Dann entfchulbige mid?, bitte, bei ihr, wenn id? il?r 
nid?t erft guten Abenb fage. 3^? ntufe gleid? wieber weg." 

„IParum benn?" 

„IPercFenthieu wartet unten." 

„Deswegen Fannft bu bod? einen AugenblicF 3 U 
3 ut ta." 

„Bein — es eilt. ©s betrifft ben f?anbel mit Belling. 
Der srneite Kartellträger, ein 5reunb IPercFenthiens, 
will mid? fpred?en. UTorgen mufe ftd? bie ©efd?id?te 
entfeheibeu." 

„IDie bu willjt. 3^? werbe alfo 3utta einen ©rufe 
ausriebten, unb bu Fämjt morgen." 

„3a — hoffentlich," fagte Aroib ruhig. 

Sein Pater warf ihm einen fd?arfen BlicF 3U. „^aft 
bu bir beim wirFlid? ein Siatmer im £}otel genommen?" 

„3a. Am Bahnhof 5riebrid?firafee." 

„So weit o$n hier?" 

„€s liegt mir bequemer. BTeine Sadien werben 
nachher geholt. A f fo gute Bad?t, papa." 

„©ute Bad?t," fprad? i?err oon Braunfcheibt ftnfter 
unb Fehrte ooll erneuten, büfleren Argwohns unb 5a?eifels 
3 U feiner ©efeflfd?aft surücF. Unterwegs orbnete er 
feine <§üge 3 U jener ZHi|d?ung oon 3oaiaIität unb (EücFe, 
burd? bte er fid? oon jeher überall im £eben 3 u ^örer 
unb 5einbe erwarb. Unb babei graute es ihm, feine 
eigene Schwelle 311 iiberfd?reiten. Sein Cieblingsfprud? 
fiel ihm ein, bafe man fid? oor 3 weierlei auf ber IPelt 
hüten müffe — oor engen Stiefeln unb oor engen 
Seelen. Por £euten, wie bie ba brinnen. 

„IDo id? bleibe?" fagte er. „UTeine fjerren, ii? 
forge als gewiffenhafter Hausherr für bas Amüfement 
meiner ©äjie. 3 ^h oerfd?winbe unb gebe baburd? bie 



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Seite 15^2. 


Hummer 33. 


fdjönße (Belegenheit, ausgiebig über mid] 3 U fdjimpfen. 
Das iß bod? bas größte Pergnügen an fo ’nem Abenb. 
Ha — feien Sie nid?t fo entrüßet. 3d? meine es nicht 
fo böfe. 3 ^h tin mir nur meiner UTinbermertigfeit be* 
mußt. 3d? felbß bin ja eine Hutt. Hur groß als 
(ßatte unb Pater. 3$ h a & rin« fd]öne 5rau unb einen 
berühmten Sohn. 3^h tranble smifchen Sonne unb 
HTonb. Was meinen Sie, Durd?laud?t? 3ch taugte 
felbß nod] mas? 3 d? tankte noch mit leiblid]er (ßra 3 ie 
auf bent gefpanitten Drahtfeil ber Wilhelmßraße? 
Ad?: nid]ts Schlimmeres, als ein alter Kunßreiter, bent 
fd?on alle Knochen met? tl?un! X}ilft nichts: bas publifum 
hat gejahlt. ’rauf auf ben lahmen parteiflepper, 'rin 
in bie HTanege, los mit ben unübertrefflichen Salto* 
mortales! Ha — bie meiften ron 3hnen föitnen es 
ja noch fchöner als ich. Sri mir bauert’s nid?t mehr 
lange. HTau möchte hoch mal feinen Hlitmenfdien ’ne 
5 reube machen. Su bem <§tt>ecf muß mau abfraßen. 
Der €rfolg iß garantiert. Allgemeine Sußimmung — 
ehrenbe Hachrufe — gebruefte Krofobilstl?ränen. Ad], 
*s iß feine Kunß, ein HTenfd? 3 U fein, aber eine Strapa 3 e. 
Befonbers trenn man alt iß mie ich. 2>ie Haturrölfer 
haben bagegen ein gutes Hausmittel. Dort fd]lagen 
bie Kinber ben Pater bereiten tot, rein aus pietät, 
um ihm ben attmählid?en Per fall $u erfparen. ^ier 
thut einem feiner ben (Befallen. HTein Sohn am 
menigßen. Aber, meine fjerren — Sie motten bod] 
nicht fd?on gehen?" 

Dod? — es trieb bie (Beheimräte heim. Sie ner* 
abfehiebeten ßd] banfenb, gaben bem Diener im 5 lur 
ihre Abfchlags 3 ahlung auf Speife unb Cranf unb taßeten 
ftch bie (Treppen h'mab. Sur ber fleine £}err ron Heu* 
meißer, ber fdßießlid] hoch gefommen, blieb noch ei neu 
Augenblicf, um ßd? «ine gigarre an 3 U 3 Ünben. 

„Sdßmpfß bu fd]on mieber?" fagte er mit feinem 
rerfdßafenen, liftigeu £äd?eln. „Wenn bir bas £eben 
hier unb ber Dienft unb bie geölten Aale, mie bu uns 
Kollegen nennß, fo greulich ßnb — fo pfeife bod] auf 
ben gan 3 en Krempel. Sieh auf beine (ßüter. Du 
fannß es ja. Du biß ein freier HTann." 

„Srei? Alfo fprad] ein alter 3unggcf eile! 3chfyabeine 
junge 5rau. Der hab id? gelobt, in biefer Wüße von 
BacFßeinen unb Schußleuten 3 U leben." 

„Unb baron fommß bu nid]t los?" 

„Hein," fagte Ijerr t>on Bramtfdjeibt faltblütig uitb 
geleitete feinen 5reunb 3 ur Creppe. „3d? bin ein alt* 
fränfifd?er ZTTenfd? t>on anno ba 3 umal unb ßitbe es troß 
aller <£rrungenfd]aften ber Bereit gan 3 nett, wenn 
man fein (Ehrenmort hält. HTeine 5rau meiß, mas ße 
min. 3ch thu, mas ße tritt. Unb bamit iß meine 
Weisheit 3 U <£nbe — trenn nid]t einmal ein Wunber 
gefdßcht. Unb ich bin fein 5reuttb ron Wunberit. 
Ha — gute Had?t, lieber Heumcißer ..." 

„(Bute Hachtl Unb überlege es bir noch einmal 
mit bem Caitbl 3 n mancher ^inßd]t trär es gan 3 
gut . . ." 

VL 

Am näd]ften HTorgen erfchieiten alle S^rifel, btes 
giftige UTißtrauen, biefe quälenbe Angß bes rergangeneit 


Cags £^ccllen 3 rott Braunfd?eibt nur nod? wie im 
Craum. Das mar ein Alpbrucf gemefett, unfaßbar, 
fd]attent?aft unb bod] atemraubeub mit feinem bie 
Bruß 3 ufammenbrücfenbeu Bleigemid]t, unb rerfd]manb 
jeßt ror ber langfam über ben fehneebebeeften Däd?ern 
auffteigenben HZorgenfonne unb ror ber langfam 3 u 
Hed?te fomntenben Pernunft. Was lag benn eigentlich 
ror? nichts — aber auch gar nid?ts: Eßrngefpinfte 
— (ßrittenfangerei — eine 5 urd?t ror bem fd?mar 3 en 
Wann mie im Ammenmärdjen — mit foldjem Altmeiber* 
frant — nein, mit folchent Altmännerfram hatte er ßd] 
unnüß herumgefd]lageit unb ßch ror ßd? felbß läd]erlid] 
gentad]t. <£r mußte ßd? beffer im Saum halten. Sd?on 
um 3uttas mitten. Was gab es Abgefd]macfteres als 
€iferfud]t in feinem Alter? 

3a — bas mar traurig. Alt fein. Am <£nbe. 
So meit, baß man tagelang rerjmeifelt mit Winbmühlen 
ßd?t unb nod] froh fein muß, menn man babei fein 
fchabenfrohes publifum hattet Unb banfbar bafür, 
baß es eben fd]ließlid] bod? nur Winbmühlen gemefen! 
<£r mar in einem mehntütigeu (Balgenhumor, mährenb 
er am 5rühßücfstifd? faß — fo ungefähr mie in feiner 
3ugenb nach einer rerlußreid? burd]fpielten Had?t, mo 
er ßd? rott Aerger, Befd?ämung unb Heue oft innerlich 
gefragt: mie fonnteß bu nur fo bumm fein? Wie 
fonnteß bu bid] nur 3 U fo etmas hinreißen laßen? Unb 
bann mar bamals, fobalb bie leßten Hebel ror ben 
5 enßern braußen unb im Kopf brinnen ßd? lößen, all* 
mählich ber Croß gefommen: es iß ja nicht fo fd?Umm. 
<£s läßt ßd? rerfd?mer 3 en. £s geht nod? nid?t ans 
£eben. Unb 3 unt Sd?Iuß ber feierliche Porfaß: aber 
nun nie mieberl 

f]atte er ßd? fo in jenen Cagen mit feinem inneren 
HTenfchen abgefunben, einem fonß in feiner Art fel?r 
nad]ßd?tigen Cyrannen, ber nur gegen Dummheit uner¬ 
bittlich trar unb alles, mas lächerlich machte unb rer* 
fleinerte, nie rersieh — bann fehrte rafd? feine gute 
£aune mieber unb ein ärgerliches Behagen, bod? nod? 
red?t 3 eitig ben Kopf aus einer felbßgefnüpften Sd?linge 
ge 3 ogen 3 U haben. Unb biefes rergnüglid]e Buß* unb 
Betgefühh ^ies erquiefenbe Bemußtfein, einen neuen 
HTen;d]en ange 3 ogen 3 U haben, mie ein frifd?es Arme* 
fiinberhemb, ermärmte ihn aud] jeßt immer mehr mit 
Wohlbehagen, je meiter fein 5 rühßücf fortfehritt. €r 
nahm es heute einfain ein, 3 eitiger als fonß, meil ihn 
mittags bie pßid?t in ben Beid?stag unb rorher 3 ur 
Crlebigung ber bringenbßeu Aften in bas UTinifterium 
rief. So fehlte 3atta unb mit ihr bie fonßige Sa* 
hörerin biefer HTorgenßunbe, in ber er ßd? ßets am 
frifcheßen fühlte, alte unb neue Bosheiten gegen feine 
5 reunbe, vergiftete £iebensmürbigfeiten gegen feine 
5 einbe auf ben £ippen führte unb 3 mifd?en Cheetaßen 
unb Sd?infentettern plaubernb mit ber Welt ba braußen 
5angbatt fpielte, mie bie Kaße mit ber HTaus. Dies¬ 
mal mußte er ßd? felbß (Befettfchaft leißen, ßumm — 
nur 3 Utreilen mit einem belußigten Wetterleuchten über 
bas (Beßd]t, bas ben blißfd?netten Si<* 3 acf feiner (ße* 
banfen rerriet. Unb mehr nod? ron biefem mephißo* 
phelifchen (Beiß lebte tu ihm auf, als er, ohne 3utta 
erß geftört 3 U haben, fein £}aus rerließ. 3 « tiefen 


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Hummer 33. 


Seite {5^3. 


Sögen fog er bie falte tüinterluft in bie mädpigen 
£ungen. Seine JDangen röteten pdt, feine Kugeit 
tx>urben fdjarf, unb ba fam and? bas jtdjerfie geidten 
ber ©euefuug: ber oollblütige Berger unb fjoB^n über 
fein (Eagemerf. 

Eine fdjöne Sefdtäftigung für einen freien, alten 
€belmann oom Canbel Don ber tüiltjelmflrafje an bas 
Heidtstagsufer, oom Heidtstagsufer in bie IDilhclm- 
flrafee — hin unb her, mie ber Eisbär im Käpg — 
unb ebenfo unermöblidt unb 3toedreidt mie biefes peiy 
tier. Don ben Sdjreibern im HTiniperium 5U ben 
Sdtreiern im Parlament Don ben Dorge;egteu 5U ben 
5 einben. 5 cinbe, fo oiel man mollte. 3 eben {Eag mehr. 
Sie entpanben gait3 oon felbp, mie bie flehten 5 röfdie 
nad? bem ©emitierregeu, über bie er pdt oft beim 
Spa3ierrht über fein <ßut migbilligenb erpaunt Blatte. 
IDar bas eine IDelt — grüne lEifdte — grauer Staub 
— gelbe Kmtsgepdtter — 0 — er hotte toteber her3lidt 
Efel am HTetier. 

Siefer TDibermille gegen ben papierucu Kerfer mürbe 
nodt gärfer, als er pdt nun flöltnenb unb bruntmeitb au 
feinem Krbeitstifch nieberlieg unb einen grimmen Hlicf 
auf bie if{m fampfbereit entgegenleuchtenbeu Herid.te, 
Scnffdtiiftcn unb Eingaben rnarf. fjeute füllte er pdt 
biefent 5rofd?mäufefrieg mit oerbiffeueit Hittgelleru, 
leöer3äBteu Sehörbeu unb rebeüifdteu Stabtoätern nidtt 
gemachten. Er fam pdt oor mie ©ullioer unter ben 
Stoergeit. 2llle Kugenblicfe sertrat man unoerfeheus 
irgenbmo irgenbetmas in ber fleineu IDimmelmelt unter 
pd? f unb bann fam gleich barauf bas Echo, bas taufenb- 
ftimmige Summen uub Singen aus bem Sieuenforb ber 
öffentltdtcn HTeinung. 

Su mas pdt Cag um (Eag 3erPedten Baffen, 3um 
©aubium ber Steuer3attler, bie foldte HTärtyrer aus 
ihrer Cafdje unterhielten? HTodjten bie Kollegen heut 
toie alle Cage pdt hinter ben Alflen bie Ceber anfdjoppen 
uttb für Karlsbab reifen laffeu — er ging heute hinter 
bas HTiniperium. Eigentlidt hotte er ooit bort bireft in 
ben Heidtstag fahren molleu. Hber nun pel ihm ein, 
bag er 3 utta bann ben gan3en (Tag nidtt 3U ©epdjt befont* 
men mürbe. Senn ehe er 0011 ber Sigung nach fjaufe ge* 
langte, mar pe fchon längft in ihrer HTatinee. Sorttgn, 
3U bem (Eheegelabber unb ben Schreioerfudtcn am 
Klarier, moHte er ihr nidtt folgen. Kber wenn er 
heute einmal gan3 ausnahmsmeife, trog feines gemiffeu* 
haften Kltpreugentums, etmas von feinen Stenggunben 
abbrad?, bann fanb er pe noch baheim. Unb er hotte 
Sehufudjt, pe 3U feh». So 3U fehu, mie all bie Seit 
bUher, bas gan«e 3 a ^ r friner Ehe — es n>or nodt 
nicht einmal ein gait3es 3ohr! £r mollte ihr Htlb oor 
feinen Kugelt mieber flären. Sas trieb ihn, in einem 
munberlidten meicheu Heuebangen eines alten HTaunes, 
nadt einigen fursen IDorten au feine Herren, bag er 5U 
feiner heutigen Hebe im Heidtstag noch &er Dorbereituug 
bebürfe, aus bem Ciutenteidt fort unb nach feiner 
IDohuung. 

3 u IDirllidtfeit bachte er auf bem £}eimmeg gar 
nicht an bas, mas er 3U Kroibs ©unften heute im hohen 
fiaufe fagen mollte. Sie nötigen Hotten hotte er pdt 
gemadtt, unb im übrigen oerlieg er pdt toie immer auf 


bie augenblicfliche «Eingebung feines {Temperaments. 
Sann ging’s am bepen. Sann fagen bie bligfdjnellen 
SoldtP»dte redtts uub linfs, Cärm uub ©elädger hinter¬ 
her. Sas mugte er. Er mar ber rechte Stegreiffäntpe 
unb P0I3 barauf als ein Erbteil uralten Haubritterabels, 
aus bem er ftammte. 

3 hn brängte es nur 3U 3 ntta. Ungepüm fdtlug er 
baheim bie portiere surücf unb blieb betroffen pehu. 
3utta lag holb ouf einer (Cl^atfelouguc, bas ©epd?t oou 
ihm abgemanbt unb ohne ihn 3U bemerfett. Sie be- 
megte pdt nicht. Hur 3umeilen burdt3itterte es pe mie 
ein unterörikftes Sdtludt3eu. Er legte ihr leife bie fjaub 
auf bie Sdtulter. „ 3 utta," fpradt er gebämpft. 

Sie fuhr herum uub fdtaute 3U ihm empor, mit 
einem erfdtroefeneu Hufatmen, einer Semegung umoill- 
tätlicher Hngft. Unb nun fonitte pe bie Chrauen nicht 
oerbergen, bie über ihr blaffes ©epcht gegoffeu maren 
uub jegt noch 01t ihren IDimpern hingen. 

Sie hotte gemeint. Hur einmal, feit er pe fannte, 
hatte er pe bisher in (Ehräuen gefehlt — batnals, als 
pe nach bem Begräbnis ihres Daters fchmar3gefleibet 
unb ftumm neben ihm im falten Sprühregen burdt ben 
©ottesaefer ben Hücfmeg in bas Ceben hinaus gefudjt 
unb uumittfürlidt, fdtugbebürftig pch auf ben Hrm ge¬ 
lehnt hntte, ben er ihr bot. Santals mar ihm 311m 
erPcnmal feP unb unerfchütterlid? ber ©ebanfe gefommeu, 
pe nidtt aus biefem Krm 3U la^en fein Ceben lang. 
So mar pe .feine 5 rau gemorben, unb ihre Uugen maren 
heiter, falt uub troefeu geblieben, mie ber IDiutermorgeu 
braugen, bis 3U biefer Stuube . . . 

„IDarum meinp bu beim eigentlich, um ©oltes 
millen?" fragte er puper. 

Sie Panb langfant auf unb prich bas Ejaar glatt. 
3hr fdtöues ©epdtt oerfärbte pdt nod] mehr. 

v Es pnb nur bie Heroen," fagte pe halblaut. 
„UeugPige bidt nicht." 

„Seine Heroen maren bodt bisher gut genug." 

„Es fdteint bodt, bag idt ihnen 311 oiel 3ugemutet hnb. 
Huu fommt einmal ein foldter Knfall. Es ip nichts." 

„HTit fo etmas foll man nicht fpagen," fagte er 
gaii3 medtanifch, mit einem leeren Hlicf burd? bas 
5eufter. 

Ste niefte: „U^eigt bu, mas bas SePe märe? — 
ID05U idt Cup hätte?" . . . 

„Huu?" 

„Einmal gait3 ausfpamten. Dier IDodten aufs Canb. 

uns." 

Er glaubte feinen (Dfyven nid?t 31t trauen. „Su 
aufs Canb?" 

„Huu ja." 

„ 3 egt mitten im IDiuter? Kus ber oollen Saifon 
heraus?" 

„IDeun mir bie Saifon mitten im IDiuter über ge- 
morbcu ip . . . Su benfp bir bas aud] bod? fonp 
immer fo fdtöu — Huhe uub Sdjuee unb Eis uub 
JDalb um einen." — 

„2lber nicht, 100 Kroib eben aitgefommeu ip." 

„Kdt fo — Kroib," fagte pe fdjnell, als pole ihr 
ber jegt erp ein. „ireilidt . . . obmofp ich glaube, 
oiel toerben mir B?ier audt nidtt oon ihm h a &*n ..." 


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Seite { 5 ^. 


Hummer 33 . 


Dabei mar fie mieber bleich gemorben — gerabe 
mie am Cag porher. (Er bemerfte es mohl unb unter« 
brücFte ein Stöhnen. 

Jüieber mätye es fich ihm bumpf burch ben Kopf: 
fte fließt por ihm — er fließt por ihr — unb beibe 
miffen, marum fie fich poreiitanber fürchten. Dann 
hörte er mieber ihre leife, halb fragenbe Stimme: 
„Sdjliefclidi — ich meinte nur fo — es ift nur fo ein 
(BebanFe . . / 

„HTehr mirb es auch nicht/' fagte er. „<Es ift Feilte 
Hebe bapon, baß ich jeßt mitten im 3 anuar pier 
IVochen Urlaub Frieg. Klfo bas fchlag bir nur aus 
bem Kopf/ 

„Schabe. * 

Sie oerjuchte $u lächeln, aber bas perflärFte nur 
ben flarren, leibenben KusbrucF ihres (ßeftchts. €r ging 
langfam im (Bemach auf unb ab. <Er hielt an fich, 
mit all feinen Kräften — tx>ie bie ba brüben es ja 
jebenfalls auch tbat. Hur baß ihr bas leben, ob mohl 
fie IVeib mar, noch nicht fo piel VerflellungsFuufl ge* 
lehrt, mie ihm, bem alten Kämpen. Kber troß feiner 
Selbjibeherrfdjung fühlte er mit SchrecFen: es mar alles 
mieber ba — bas töbliche Bangen, bas nagenbe mi߬ 
trauen, bie gait3e (JJual bes porigen Cages. 

Hein, es mar mehr mie mißtrauen. (Eine innere 
Stimme fagte ihm unerbittlich: bu irrfl bid? nicht 

„(ßehts beffer?" fragte er enblidj. 

.3a/ 

„Daun mirb es aber geit 3U beiner matinee/ 

„3dj hab abgefagt/ 

(Er blieb flehen unb marf einen fcharfeit BlicF auf 
fte. „Kbgefagt?" 

„Sd7on heute morgen/ 

„Unb bie Katharina (Eornaro?" 

„Sie follen fich ohne mich behelfen. 3 ^h mag bas 
nicht mehr alles mitmachen. 3 ^h bin ntübe. 3 ch Fanit 
nicht/ 

<£r feßte feine IDanberung burch bas gimmer fort. 
Das fjer3 that ihm meh- (Enblidj forfchte er mit per« 
änbertem (Eon, leichthin, aber ohne fte anjufehn: „Sag 
mal, mar Kroib eigentlich heute fd?on hier?* 

„Hein, meines EDiffens noch nicht/ 1 

IVieber mar es 3mifdjen ihnen flifl. Dann ridflete 
ftd? 3 ut ta auf unb ging langfam 3ur (Ehür. (Er bretfle 
fich nach ihr um. 

„UMfl bu bich hinlegen?* 

„3a. €in bißchen. Beleih — es ifl ja mirFlid? 
Fiubifdj pon mir . . / 

„© — bitte/ fagte er trocfeit unb hörte, am 5enfler 
flehettb, mie bas leichte 5 egen ihres Kleiberfaums meiter 
unb meiter burch bie Bäume fld> perlor. Da ftöhute 
er auf unb ließ fich fdimer auf einen Seffel flnFen. 

Die tjänbe auf bie lehne geflüßt, ben BlicF flarr, 
faß er ba. €r bemühte fich, feiner ( 5 ebanFen f}err 3U 
merben. Kber er beFam nichts 3U faffett. Das brehte 
unb mälste ftd] ba briutten unb überflügle fich in fchaben« 
froher £}afl, mie bie milbe 3 agb, allerhanb SpuF unb 
Äraßeit, grinfenbe gerrbilber feiner felbfl unb ber men« 
fchen um ihn, im IDirrmarr ntcfeitb unb raunenb: bu 
bifl perraten. Du bifl perraten. Unb mieber Fieberte 


es fchrill in feinen ©hren unb tan3te rot por feinen 
Kugen: bu bifl, in (ßebanFen, perraten — pon beiner 
5 rau unb beinern Sohn. 

<£r fdiaute oerflört um ftd?, als flünbe ba irgenb- 
jemaitb, bet ihm bas erFlären Fönne — bies Unge¬ 
heuerliche. Das (Brauen in ihm mud?s. €s fiel ihm 
ein, mas er Krpib bei feiner KnFunft gefagt: 3 ^ bin 
alt, unb fte ifl jung! unb höhmfeh haßten ihm jeßt feine 
eigenen IVorte 3urücf. 

<£s fchmanFte unb mogte alles in ihm auf unb 
nieber. Steilen fiel mieber ein lidflflrahl Pott Ueber- 
legung in bas Chaos unb 3eigte ihm ben nidtfigen 
(Srunb für einen fo fehleren Sturm — ein paar 
Chränen, bie eine junge $rau ohne rechte Urfache ge¬ 
meint, ein paar tVorte pon begreifen, bie fie achtlos 
gef prodien. Was bemies bas? Kn ben (Erofl Flam* 
merte er fich. <Er fuchte ihn Frampfhaft fefl3uhctlten. 
Über umfonfl. Der SchrecFen hatte ihn erfdjlotfft. (Er 
trieb millenlos auf ben EDeßen. 

Unb allmählich flieg ein bitterer £|aß gegen ben 
mann in ihm auf, ber ihm fein (Einiges auf ber U>elt 
megnahm. So lohnte fein Sohn bie liebe bes Vaters, 
fo bie fjanb ber 5reunbfchaft, bie er ihm geflern ge¬ 
boten. Da3U mar er über länber unb Hleere herbei« 
gereift, um einem alten mann fein leßtes im leben 3U 
3ertreten. Bei biefer Vorftellung mürbe ihm bitter meh* 
€r fühlte in EfilfloflgFeit bas EVajfer in bie Kngeit 
fleigen, unb in Sd?am unb (Bram barüber ballte er 
mieber bie 5äufle unb bemegte lautlos bie lippen. 

(Einmal badfle er: mas Fann bettn Krpib bafür? 
(Er geht nicht barauf aus, fje^eit 3U gemimten, grauen- 
herjen am menigflen. Wenn es gefchah, gefdiah es 
ohne feine Schulb. Über mas hilft bas? gum Beitier 
macht er mich hoch. 

gum Bettler in ber (Einbilbung? Der X}aß in ihm 
fagte: nein. Der fchlug immer mieber in bem gleichen 
5lantmenfpiel empor: märe Krpib nicht in bas Ejaus 
geFommenl EVäre er brüben, im bunFlen Crbteil ge¬ 
blieben l IVäre er bort — ihm graute. Cr magte 
nicht meiter 3U benFett . . . 

Da Flopfte es. Krpib trat ein, haflig, 3erflreut unb 
ohne piel auf ben (BeflditsausbrucF bes Daters 3U achten. 
„Wiv haben ben Kerl, ben Belliitg, alfo glücflich fefl- 
gemacht/ fagte er. „<£r fleeft in ber Sacfgaffe. Die 
gähne 3eigen ober 3U Kreu3 Fried?en — eine attbere 
XDahl hat er nicht. 3n 5xx>e\ (Cagcn ifl er tot ober ich/ 

Die IDorte Flangen feltfam pon ben lippen eines 
mannes, ber mie ein blaffer, fliller (Belehrter ausfah* 
Über ber Falte, graufam«harte gug um bie lippen be¬ 
mies, mie ernft er es meinte. 

£jerr pon Braunfcheibt manbte fich ab. Seine (ße¬ 
banFen mareit gebannt burd? ein unheimlidies Bilb: 
eine U)albmiefe. UTorgengrauen. €in pulpermolFchen 
in ber luft. Sdinee am Boben. 3 »a Schnee ausge- 
flrecFt eine (ßeftalt, anbere (lumm baneben. Unb bann 
ein gebämpftes HTurmelit — ein Kuseinanbertreten — 
porbei . . . 

U>er mar ber, ber ba lag unb bas lid?t ber Sonne 
nie mehr fah? 3hn fchauberte. Vielleicht perließ ber 
ba brüben feine unb 3uttas U>elt fo rafch, «>i« er in 


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Kummer 33 . 


Seite \5^5. 



Id) weif) ein Cied vom Ceide, 
Das fing id) manchesmal, 

Wenn über jene Uleide 
Rinfliegt der flbendftrabl. 


€r zieht fo fterbensbange, 

-Bis wüfct er nicht, wohin, 

Sein gülden Kleid fchleppt lange 
Hoch an den Rügeln hin. 

Da hebt der Bad) voll Sehnen 
Sich hoch zum Uferrand 
Und tränkt mit feinen Chränen 
Das bläh gewordne Cand. 


Die Uögel in den Zweigen 
Schaun fo verloren drein, 

Sie ducken fid) und febweigen, 
Jällt ihnen nichts mehr ein. 


Id) aber fing die Weile, 

Ulie keine füfo und Ichwer: 

Sie trank und bot ihm leife 
Den Held) — da trank aud) er. 

Hnna Ritter. 


fic eingebrungen, 
unb alles mar 3U 
€nbe. Kües mie 
3UPor. Die Hinge 
persitterten über 
bem IDafferfpiegel. 

<£s gab ein ©e* 
l?eimnis mel?r in 
einem (Stab. 

Unb ber, an 
beffen Cob er 
badite — bas mar 
fein Sofyn. Sein 
5leifd? unb Hlut. 

Der (Erbe feiner 
(Tage, ber il?m unb 
feinem £?aus <£l?re 
mad?te por ©ott 
unb ben UTenfd?en, 
auf ben er P0I3 
n?ar in feiner 
l?errif d?en, jteif» 
naefigen 2 lvt, um 
5 effcn Äreunbfdjaft 
er gejieru nod? 
bittenb, mit aus- 
gefkecFter £?anb 
geworben. Unb 
pon bem er nichts 
Hdfes mußte! — 

Hur ein 2 U?nen 
unb Smeifeln, eine 
2lrt quälenben 
X^eflfefyens über- 
reijter Heroen . . . 

€r bejrpang 
fid?, 9*ng auf Kroib 
3U unb legte iRm, 
einen inneren 
IDiberßanb über» 
tpinbenb, bie 
fd?mere Hed?te auf 
bie Schulter. Dann 
räufperte er fid?. 

„Ha — bie Sad?e 
mirb fd?on gelten. Du biß fd?on mit anbern Ceuten 
fertig gemorben. So’n ©rofd?eultd?t, mie ben Helling, 
bläff man einfad? aus. £?aft bu anftänbige piflolen? 
Sonjt nimm meine. — Kannjt es rul?ig. Du B?aft 
ja nie baraus gefd?offen." €r öffnete bie 5lur» 
lfc?ür unb fd?rie mit feiner alten, bröt?nenben Stimme: 
„Sriebrid? . . . < 5 um Deubel — liegt ber Kerl mieber 
auf feinen Cangofyren? — 5 riebrid?, bringen Sie mal 
£as fd?n>ar3e Käjtdjen oben pon bem Uuiformfd?ranf!" 

„Kltes SamilienftüdP," fagte er bann, bie Kaffette 
auffiappenb. „Damit I?at fdjon bein ©roßpater bie 
Sd?lad?3i3en brübeu in ber HDafferpolacfei im Saum ge* 
galten, menn bie feiner fd?önen 5rau 3U nal?e famen — 
fl« n?ar fd?ön, meine UTutter — bu fyafi fie ja nie ge- 
fannt —unb mit ben Dingern im Kutfd?fajfen bin id? 


aud? ein paarmal breift unb gottesfürd?tig ins UTorgen» 
rot l?inausgefal?ren unb l?ab unfern guten Canbrat an 
ber Wabe geftreift —[ben Ulten pon Unno ba3Utnal 
©ott f?ab il?n felig. (Er mar nod? pott ber rid?tigen 
Sorte. Ha, unb nu nimm bu biepijtolen unb triff ben 
Kerf unb triff il?n gut. Das ift mein Kugelfegen." 

(Er meinte es el?rlid?. Uber faum mar ber Klang 
feiner eigenen IDorte il?m im ©t?r perl?allt, fo befd?lid? 
it?n por Urpibs unbemeglid? rul?igem ©ejld?t mieber ber 
Drang: fönnt id? bod? jefet in beiner Seele lefenl <£r 
l?ätte it?n paefen mögen, ib?n an ben Sd?ulteru rütteln, 
iljm ins Untlife l?inein, Uug in Uug t?eifd?en: nun 
rebe mal?r, mas ijt mit bir? Was ift mit 3 utia? 
Uber er mußte ja: auf fold?e IDeife fd?eud?te man ein 
©el?eimnis nid?t auf ben ZTtarft t?inaus, Hur nod? 


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Seite 1 S 46 . 


Bummer SS. 


tiefer hinab in feine (Srünbe. Sa fd?lief es-mohloer- 
maf?rt hinter unburd?bringlid?en UTeufcheumasfen, tote 
überall im teben, unb harrte ber &\t unb bes gufalls, 
um ftd? 3U entfd?leiern. 

£in Säbel flirrte braunen. Ser Sieuer melbcte ben 
Ejauptmann IDercfenthien. 

Ser Kartellträger trat in Uniform ein, ben ^elm 
in ber fjanb. Uber fein <ß$|d?t mar nid?t fo ernfi mie 
fein Umt. <Ein peräd?tlid?bs €äd?eln ruhte barauf. 
„(Buten UTorgen, Reelle ns," fagte er. „UTorgen, 
Braunfd?*ibtl paefen Sie nur rufyig 3 ^re Sd?ießfolben 
mieber ein. Helling, ber gute UTamt, hält ftd? an ben 
Paragraph elf: es mirb meiter gefniffen. ptffolen 
feine IDiberlegung — mittelalterlicher Unfug — Kampf 
mit geiftigen IVaffen — 3ioän3igftes 3 ahrhnnbert — 
na — mir feunen ja bie £h^fen. Unb mos fte auf 
beutfd? miffen mir aud?. Ulfo, bas Suell ftnbet 

nicht ftatt. Sa höben Sie bas protofoll unb ba ben 
€ittmurf ber gmeifampfbebingungeit suriief." 

<£r marf bie papiere auf ben (Eifd?, neben bie 
piflolen, fefete fich unb 3Ünbete fid? eine Spurre an, bie 
€^cellen3 pou Braunfdjeibt if?m bot. Sas Uutlife bes 
alten ^ünen mar finfter. Sie Uufmalluug, in ber er 
fich noch einmal feinem Sohn genähert, ber firuft ber 
(Eobesmeihe, ber Schauer por bem Unberechenbaren 
mar micber einmal ein Schabernacf bes Uütags 
gemefen. 

Bun fam bei ihm ber gemahnte Umfchlag in bie 
UTepf?ifiolaune. „Ulfo merbe id? für bich allein in bie 
Sd?ranfett reiten mfiffen," fagte er troefen. „Uuf unge« 
fatteltem prin3ipienreniter. 3 n einer Stunbe beginnt 
bie Sorjiellung am Ueid?stagsufer. Kinber unb Solbatett 
bie fjälfte. fjeut3utage rebet man unb thut nichts. Ser 
UTunb fchlägt bie 5 auft, ftatt umgefchrt. Sie Sd?neiber* 
gefeHen behalten red?t. Ueberall ber rote Schlips, 
überall bas heilige ,’ 3 cE l unb ,Set‘. IDo ift bie Seit, wo 
ber fjutteu poii ftd? fageit fonnte: ,3^? biitber Biemanb 4 , 
bas heifet eben: id? bin jemanb? 3<h ‘ bin ich — 
ohne bel?örblid?eu (ßebrauchsftempel auf ber HüdPfeite! 
Sa3ii haben mir nun ben eiferneu Kahler gehabt: 
(Eifen thut uns not. Uud? (Eifeit por ber Stirne, nicht 
bloß ein einfaches Brett, momit ftd? jefet unfere «geit* 
genoffen bis in bie f?äd?fteu Stäube hinauf begnügen." 

<£r unterbrach fid? unb fd?üttelte 3ornig ben Kopf. 
„Beleihen Sie, meine (Einfälle laufen mieber fpajiereu. 
Uber ich famt fie 3urücfpfeifen, mie bie 3 agbhunbe. 3 ^? 
brauche ein paar bapon nachher im Ueid?stag. Sas giebt 
tärtn. Sa hören fte 3U. UTeine UTohreumäfd?e mirft. 
3 d? haue bid? heraus, Urpib, fo fchmer bas ift, menn 
mau in eigener Uugelegeuheit bas EVort ergreift. 
(Einem anbern mürben fte folche Souquid.otterie pielleicht 
gar nicht erlauben. Uber ich gelte nun einmal als bie 
böte noire ber partei, unb meine Chorheit ift immer 
nod? amüfanter, als bie UDeisheit ber anbern." 

„ 3 ch battfe bir," fagte Urpib. Seine Uugen hatten 
mieber ben unbeflimmteu, leeren Uusblicf in bie 5 ente. 
„ 3 d? gehe in3mifchen in bas Uusmärtige Umt. Unb 
nachh^ möchte ich bich gern in einer michtigeu Unge* 
legenheit fpred?ett." 

„§0 le mich im Reichstag ab." 


Sein Sohn niefte, in (ßebaufen perloren. „Ulfo auf 
UUeberfehn," fprach er unb ging, sufamnten mit 
U)ercfenthielt, ben ber fjausherr bis sur 5lurtl?ür be¬ 
gleitete. 

Bad?bem bie ftd? hinter ben beibeit gefd?loffen, 
atmete er fd?mer auf, mieber pon bem alten UIp ge* 
brüdPt, unb in ihm mud?s bas leibenfd?aftlid?e Sehnen: 
nur eine <£ntfd?eibung — irgenbmie. €ine (ßemißheit 
— gleichuiel um meld?en preis. 

Uls er in bas «gimmer 3urücftrat, fah er ba 3 u tta. 

Sie fiaitb über ben Cifd? gebeugt, auf bem bie 
piftoleu unb < 3 meifampfprotofoHe lagen. 3 ^ re Uugen 
maren flarr por fhtmntem Sd?recfen. Bei feinem Bat?*n 
fuhr fie 3ufammen. „Bereit?," fagte fte halblaut, „id? 
glaubte, bu feijt aud? mit ben Herren fort." 

„Ba — unb meil id? meg bin, fpioitierjt bu ba 
rum — mas?" Sein tiefer, behaglicher Baß 3itterte 
faum, mährenb fein Uuge unruhig oon 3 nttas per* 
ftörten gügen 3m ben IDaffeit unb mieber suriidPglitt. 

Sie ftodPte. „ 3 d? fah EDercfenthien in Uniform über 
bie Straße fommen — unb bann riefft bu im 5 lur nad? 
bem piftolenfajteu ..." 

„Vielleicht mill id? nad? ber Scheibe fd?ießen." <£r 
ließ fte nicht aus ben Uugen. Sein/< 5 eftd?t lädielte im 
5 ieber bes Spiels 3mifd?en Kaße u^b* UTaus. 

„0ber fonft mer," feßte er* h^5a. ^5rage bod? 
Urpib." 

„(Er fd?lägt jtd? ..." 

Kaum maren biefe XVorte aus ihrem UTuub, ba 
trat fte, meiß mie bie IVaub merbeitb, einen Sd?ntt 
3uriicf. Sie beibe mußten: jefct mar es offenbar. 
Ser Schweden hatte ihre tippen entfiegelt. Sas mar 
ein felbftpergeffener Baturlaut gemefen — ein Uuf« 
fd?rei bes f?er5ens, bas (eine Caft nicht mehr trug . ; . 

(Einen Uugenblicf mar es ftiü. 

„(Er fd?lägt ftd? nid?t," fagte fjerr pou Braunfd?eibt 
bumpf in ber erßen Beguttg bes UTannes pon (Ehre, 
feine tilge auffommeit 3U laffött. <£r muitberte ftd? 
(elbft, mie unheimlkh ruhig er mar. Sann trat er por 
fte.' „Sich mid] au." 

Sie mid? oor ihm 3urücf. 

„Sieh mid? an," mieberholte er. 

Sie begann ig 3U 3«teru, bie Uugen am Bobeit. 
Kein tVort fam aus ihrem UTunb. 

Unb 3um brittenmal murmelte er, biesntal meid?er, 
mit einer lefeten, erfterbenben Hoffnung: „Sieh mid? an." 

Sa fanf fte plöfelid? an ber Chilr, mo fte jlattb, 
auf ben Bobeu. Beben einem Stuhl ^tu^efuiet, preßte 
fie bas (ßefid?t in bie Kiffen unb ihre £?änbe barüber, 
mie um ftd? por ber IVelt 3U perbergen. €in per- 
jmeifeltes Sd?lud?3eit erfd?iitterte ihren teib. 

Bun mar es entfd?ieben. Ulles porbei. 

(Er ging ftili ins Beben3intmer. Kein Uufbraufett 
jäher U)ut nad? feiner fonftigen Urt mar über ihn ge- 
fomnten, nur eine tiefe Betäubung. 3 *t öer lel?nte er 
ant 5 enfter, Chräite um Chcäite lief über feine UDangeit. 
£r meinte bitterlich unb mer fte es faum. 

Sann, nad? langer geit, raffte er ftd? auf. teife 
auf ben 5 ußfpißen näherte er ftd? mieber ber (El?ür 3um 
Seitengemad? unb fd?aute hinein. 3 atta mar meg. 


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Hummer 53. 


Sette 15^7. 


Unb jefet erß Fam ihnt eigentlid? $ur Bcßnnung, mas 
gefd?e$en mar. 

Cr fefete ftd? fd?mer in einen Cehnfeffel, oofl einer 
matten ©enugthuuug, ßd? nicht mehr aufred?thalten 
unb beherrfd?en 3U müffen. Die tDof?nung Fam if?nt 
mie ausgeßorben oor in ihrer Stille. (Einmal, als 
3 utta ein paar Cage oerreiß mar, ba mar aud? auf 
Schritt unb Cfitt hinter ihm ein fd?toar3er ©ebanFen 
gegangen: ße Fommt nicht mieber. Du biß gan3 allein. So 
mar es aud? jcfct. Cr füllte fid? einfam unb fd?mad? 
unb mflbe t Unb alt. . . fo alt. Don allen oerlaften — 
ben jernßen unb ben Hächßen. Don allen oerraten. 

Dabei legte es ßd? 3umeilen mie ein bunfler Schleier 
über feine Kugen, mie eine Selbßoergeflenheit, ein be* 
rutjigenbes, lautlofcs IDaubem unb (Träumen in fernen 
£anben. Die Dinge oermifd?ten ßd?. Die plöfeliche 
Erfd?öpfung fpiegelte it?m allerhanb oor — (Erinne¬ 
rungen — Klänge *— Btlber oon einß. <£r backte 
baran, mie auf feinem £?errenßfe im ©ßen jefet ber 
Schnee ba braufeen auf ben 5 elbern lag, richtiger meifeer 
2 Deihuad?tsfd?nee, nicht grau unb fd?mufeig mie in bem 
oerljafeten Berlin — mie bie Sd?littenfd?ellen ferne 
Flingelten unb nachmittags, beim SinFen ber blutroten 
Sonnenfeheibe, ber BehbocF fcheu ßd?emb aus bem 
Stangenhol3 trat unb ber 5 ud?s auf ber IDilbfpur bie 
Schneifen entlang fchnürte. Unb meit über ben Schnee, 
oom bunFlen U^alb tyt tönten KbenbglocFen. Kfle 
DorfFirdjen in ber Bunbe läuteten. Ulan trug einen 
einfamen UTann 3U (Srabe. Diele Krän3e, oiele Krieger¬ 
oereine, oicle fi£cellen3en unb ©rofee bes £anbes hinter 
bem mächtigen fchtoarsen Sarg. Kber alles falte ©e- 
fidtfer. KHes froßig, fchattenhaft, im IDinternebel. 
Unb am froßigßen eine fchöne junge $rau im fd?mar3en 
IDitmenFleib ... 


Er fuhr mit einem irren BlicF empor. IDas träumte 
er ba fein eigenes Begräbnis? Cr lebte hoch noch. 
Sie foHteit ihn nicht fo leicht haben. So Fampflos gab 
er ftd? nicht. <Er reefte ßd? empor, feine 5 äuße ballten 
fich. Uber bod? fühlte er ßd? gebrochen im BlarF. 

Es mar gar Fein ©rimm mehr in ihm. Sonß mar er 
ein guter Raffer, aus ooller Seele unb gan3em ©emi’it. 
Das mar aud? eine Kunß — fd?merer unb feltener als 
bie Ciebe, bas ©änfeblümchen, bas jeher unb jebe 
am JDegrain pßücFt unb ßd? an ben fjut ßecFt. f}aflen 
tonnte nur, mer ßarF unb einfam mar. Cr hatte es 
Seit feines £ebens bitterehrüd? mit feinen 5einben 
gemeint. 

3 efet nicht mehr. Cr mar hilflos. Unb plöfeltd? 
ßng 4 r mieber Frampfhaft an 3U meinen. Huit hatte 
ßd? erfüllt, mas er oorgeßem auf bem VOe g oom Bahn¬ 
hof im ©eplauber mit Kroib gefprod?en: 

Es mar ein alter König — 

Sein f?er3 mar ferner, fein Ijaupt mar grau; 

Der arme, alte König, 

Er nat?m eine junge j*au . . . 

Der Diener trat ein. £}err oon Bratmfd?eibt brehte 
ßd? h^rum, fo bafe jener fein Kntlife nid?t fef?en Fonnte. 
Kein Uleufdi follte ihn meinen fet?n. Cr hörte nur bie 
Blelbung: „C£ceHen3, ber IDagen iß oorgefahren." 

„Der U)agen?" fragte er geißesabmefenb. „IDohin?" 

„£fceHen3 haben ben IDagett 3um Beid?stag befohlen." 

„Kd? fo — ja — 5riebrid? — mo iß meine 5rau?" 

„C£ceßen3 ßnb in ihren ©emäd?ern." 

„Es iß gut." 

Er moHte h^ufefeen: „Der Klagen foü märten." 
Kber er brad?te bas tDort nid?t über bie tippen, bis 
ber Diener mieser bas §immer oerlaffeu. 

(5d?lufe folgt.) 


a- T 2s> s — - - o 


Die Schulung des Auges. 

Don prof. Dr. med. et phil. ^ermann Cohn in Breslau. 


Schon im oorigen 3 ah*h u nbert erzählten oiete 
Beifenbe, bafe ße oon ben Sef?leiftungen ber milbeit 
DölFerfd?aften überrafd?t gemefen feien. £?untbolbt teilte 
im Kosmos mit, bafe bie 3 nöianer in Chiüo feinen 
5reunb Bonplaub, ber ben faß oier geographifd?e 
ZTIeilen entfernten BafaltFegel bes pid?ind?a erflommen, 
mit biofeem Kuge früher fahen, als f^umbolbt ihn mit 
fcent 5 ernrohr fanb. Bergmann berichtete oon einem 
KalmücFen, ber auf 5mait3ig Kilometer Entfernung an¬ 
gab, bafe jentanb auf einem Sd?ecEen einen T?ügel hni* 
aufreite, mas ßd? in ber Chat bemahrheitete. Stanley 
erzählte, bafe bie IDaganba mit ihren Kugen bie 
Ceißungen eines guten 5ernrohres übertrafen, unb 
,5ifd?er berichtete, bafe bie Elefantenjäger in ©ßafrifa 
2Intilopen öfters mit biofeen Kugen mahrnahmen, bie 
er mit feinem ©pernglas nicht 3U erFennen oermod?te. 

©rofeartige Ceißungen beobad?tete neuerbings Banfe 
bei ben braßlianifchen 3 ”öianern, ben BaFairi. Diefe 
fcf?offen auf ben Stromfd?neHen bes paranatinga mit 
Pfeilen eine Knsabl 5 ifch^, ^i«o aufeerorbcntlid?e Ceiftung 
foraohl megen ber Sd?nefligFeit ber Bemegung unb ber 


Unbeutlid?feit, mit ber man ben 5ifd? nur mie einen 
Schatten am Kanoe oorbeihufchen ßeht, als aud? megen 
ber richtigen Sd?äfeung ber Strahlenbrechung Int IDaffer, 
bie uns ben 5 ifd? an anberer Stelle erfd?einen lagt, als 
er ßd? beßnbet. Die BaFairi fahen einen in ben Keften 
eines nahen Baumes oerfteefteu Kffen ober Kuerhaf?n, 
ben Banfe oergebens fud?te; ße fd?offen in einem Bufd?, 
an bent ße oorüberful?ren, mit ihren 3toei Bieter langen 
Pfeilen einen Ceguan herunter, ber nur fd?mer oon ber 
gleichfarbigen Umgebung 3U unterfd?eiben mar. Kud? 
Fonnten ße auf mehrere hunbert Bieter angeben, ob 
ein ,Beh ein BocF ober eine ©eife fei; ebenfo Fonnten 
ße ßd?er einer Spur folgen, ioät?rcnb BanFe auf bem 
ßcinigeu Boben oergeblid? nad? Spuren fud?te. 

Blan glaubte früher, bafe bie grofeen Sehleißungen 
ber IDilben auf einem feineren Bau ber Befehaut ihrer 
Kugen beruhten. Dem tß aber Feiitesmegs fo. Klier- 
bings Fonnte id? fd?on oor laugen 3 a hron nad?meifen, 
bafe bie Hubier, bie KalmücFen, bie ^elgolättber, bie 
Dahomeyneger, namentlid? aber bie Bebuinen unb 
Bifd?arin, bie id? oor oier 3 ahren in KfriFa unterfud?te, 


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5«tte 15^8. 


Hummer 33. 


burd?fcf?nittlicf2 hoppelt unb breimal fo meit bie Sehproben 
erFannten, als bie beutfchen SchulFinber. 3<h Blatte frittier 
aber bie festeren ßets in ben Schuljimntern geprüft. 

Als ich jeboch in Breslau 50 000 Schüler unter 
freiem Epmmel unterfudtfe, fanb ich 3ur größten Heber- 
rafdjung, baß Bßer, mie bei ben Halben, ^5 projeitt 
ein- bis 3meifad?e unb 37 pro3ent 3mei- bis breifadie 
Sehfchärfe befaßen. 

An ber HTöglichFeit, baß bie Heber3aBß ber Deutfchen 
eben fo meit feiert Fönne, als bie IBilben, iß alfo 
gar nicht mehr su 3toeifeIn. IBenn ße bennoch in ihren 
SeBßeißungen meit hinter ben Hn3ioilißerten 3urücFbleibeu, 
fo Fann bie Hrfache nur baran Biegen, baß fte ihr Auge 
nicht fo fchulen mie bie IBilben. 

Unb in ber (EBjat erflärten bie BaFairi, bei beiten 
Hanfe nur eine ein- bis 3meifache Sehßhärfe gefunben, 
iB^re IBunberleißunaen in fetpr einfacher IBeife. Hid?t 
burch anatomifche HTerFmale, etma burch bie «Entfernung 
ber Spiße bes ©emeihs oom ©hr, fonnten bie 3nbianer 
auf mehrere bunbert Bieter einen BocF ober eine HicFe 
mtterfcheiben, fonbern an einem eigentümlid?eu ©alopp- 
fprung erfannten fte bie BöcFe. Ein förßer aiis unferm 
fchleßfdjen ©ebirge erflärte mir auch, baß er aus bent 
©ang, nid?t aus bem ©emeih auf fehr große «Entfer¬ 
nungen bas ©efdßecht ber Hebe erfenne. 

Die BaFairi 3eigteit auch Dr. Hanfe ben Kniff, baß 
man nicht nabe oor ßd? auf ben Boben ßarren, fonbern 
in einer Entfernung oon 25 bis 30 Bieter fchräg auf 
ben Boben bBicfen müffe, fo baß auch er bann bie Spur 
mie ein StücE einer Schlangenlinie fab. Es Fommt 
eben alles auf bie AufmerFfamFeit beim Seben an. Bon 
ber Reinheit ber Schulung biefer AufmerFfamFeit rühren 
auch Me ßaunensmerte ©rientierungsgabe bes 3*ibianers 
im megelofen Cerrain unb bas fchiteHe TBieberßnben 
eines oor 3 a ^en begangenen IBeges h*r. HauFe fagt 
febr treffenb: „Uns immer in ©ebanfen oerfunFenen 
«Europäern, bie mir ßunbenlang babinfdilenbern Föunen, 
ohne uns ber Umgebung ooll bemußt 3U merben, erfcheint 
ber 3 ll Mcmer mie bureb einen eigenen 3nßinft geleitet. 
HTan fiebt hieraus, baß bie ununterbrochene AufmerFfam- 
feit unb bas Bemußtfeiit ber IBichtigFeit, bie bie äußeren 
©egenßänbe hoben, oud} bas ©ebächtnis fchulen." 

Aus ben Uuterfuchungen ber Augen ber Breslauer 
Kinber folgt aber, baß gar fein ©runb oorliegt, marunt 
nicht auch bie «Europäer burch Schulung ihrer Auf- 
merffamfeit 3U fo feinen Sebleiftuitgen gelangen föuneit 
mie bie IBilben; bie gemeffenen Sebfchärfeu ßnb ja 
gar nicht oerfdßeben; marunt foIBeit mir uufere Kinber 
nicht auch in biefer E}inßd?t fchulen? 3ch höbe biefe 
5rage fchon oor oier 3 a hren in meinem Buch „Bie 
Sebleiftungeu ooit 50 000 SchulFinbern" aufgemorfeit. 

Erfreulichermeife hot ßch nun enblich ein HTamt ber 
Ausbilbung unb Schulung bes Auges angenommen, ber 
als früherer Kompagniechef ber HTilitärfchießfchule biefe 
HTaterie oöüig beberrfcht. unb jeßt in ben Sommer¬ 
ferien auf bem Cempelhoferfelb bei Berlin ben erfteu 
praftifchen Kurfus für Schulung bes Auges abhielt; es 
ift ber Ejauptmann a. D. oon Sieglet aus Hummelsburg. 

Er empfiehlt in feiner Fleineit, bei Abel in Berlin 
erfchieueneu Schrift, bie Schulung bes Auges auf bem 
Curnplaß, in nächßer Bähe ber Sd?ule unb auf Spasier- 
gäitgen oo^unehmen. Er läßt 3. B. auf bem Schulhof 
«Entfernungen oon 50 ober 25 Bieter abßecFeit, bie bie 
Schüler abfdjreiten müffen, bamit fte ßd} merfen, mie- 


oiel Schritte fte 3ur SurücFlegung biefer Bißchen nötig 
babett. Um genauer fehen 3U lernen, muß man Reinere 
©egenßänbe, 3. B. Buchßaben ober Abbilbungen, recht 
fchneü in größerer ober geringerer Entfernung ben 
Augen 3eigen unb rafch mieber oerfchminbett laffen. Bei 
Spa3iergängen mirb eine Ceine, mehrere unten fptße, 
böl3erne Stäbe unb ein rechtminfliges Blaß aus ^013 
mitgenommen unb sunächft Entfernungen oon 300 HTeter 
abgemeffen unb burd)fchritten, 3. B. Cänge oon Saunen. 
Hechte JPinfel, Quabrate, HechtecFe nüiffen nach bem 
Kugeumaß abgefteeft unb bann nachgemeffen merben. 

Sehr nüßlich iß es, 3mei Abteilungen oon Schülern 
in \00 bis 500 HTeter Entfernung einanber gegen- 
über3ußellen; ein jeber muß ftch fchneü einprägen, 
melche Körperteile bes ©egenüberßebenben er in biefen 
Entfernungen noch genau fehen fann. IDetterfahuen 
unb Kirchturmfpißcn in ber 5erne merben befchrieben. 
Später läßt 0. Siegler größere «Entfernungen abfehäßeu 
unb lehrt bie Unterfchiebe ber Schäßung bei Flarem ober 
trübem IBetter, fomie bie Cäufchungen bei beüem ober 
bunflent Untergrunb. 

Auch ^er ©rieutieruitgsßnn mirb ohne Kompaß geübt 
an Baumftümpfen, an alten Bäumen, an Steinen, bie 
nach Horben immer mehr oermittert ßnb. 3ntmer 
mieber müffen bie Schäßungen auf 600 HTeter mieber- 
holt merben, meil bas bie ©ren3e bes 3nfanterieein3el- 
feuers iß, unb meil bie militärifd?e Er3iebung oiel 
leichter fein mürbe, menn bei ber Einßcüung fchoit bie 
HeFruten biefe Hebungen gemacht hotten. 

Es leuchtet ein, baß Schüler, bie ihr Auge fo fchulen, 
auch fpäter gan3 anbers ihre AufmerFfamfeit ben ©egen- 
ßänben im freien 3umenben merben. 

Was mir aber bie £]auptfad?e 3U fein fcheint, iß, 
baß nun enblich einmal bie Kinber burch methobifd?e 
femblicFsübungen ber Entßehung unb Snnahme ber 
Kur3ftd]tigFeit oorbeugen Fönnen, bie ße burch aÜ3Uoiel 
anhaltenbe Haharbeit 5meifellos in Caufenben 001t fäüen 
ermerben. EJaben hoch meine nepften Uitterfuchnngen 
ge3eigt, baß noch immer, mie oor 36 3<*hren, bie Bres¬ 
lauer Stubenten 60 prosent Kur3ßchtige aufmeifen. 

HTit Hecht fagte unfer Kaifer, ber auf bem ©ym- 
naßum in Kajfel unter feinet 2 \ HTitfd?ülern in prima 
18 Kur3ßchtige gefehen, in feiner beruorragenben Er¬ 
öffnungsrebe ber SchulreformFommiffion im 3 a ^r J890: 
„i>\e ßatißifchen’ Angaben über bie Berbreitung ber 
Kur3ßchtigfeit ßnb mahrhaft erfchrecFenb. BebenFeit Sie, 
mas uns für ein Hachmuchs für bie Canbesoerteibigung 
ermädift. 3^7 fuche nad? Solbaten; mir moüen eine 
Fräftige ©eiteratioit h a ^ 1 '» ^i^ oud? als geiftige führer 
unb Beamte bem Baterlanb bienen. Biefe HTaße 001t 
Kur3ßd)tigeu iß meift nicht 3U braud^en; benn ein HTann, 
ber feine Augen nicht brauchen Fann, mie miü ber 
nachher oiel leißen? Es geht fo nicht meiter. HTeine 
ßerren, bie TTTäitner foüen nicht burd? Briüeit bie IBelt 
fehen, fonbern mit eigenen Augen unb ©efaüen ßnben 
an bem, mas ße oor ßch hohen, an ihrem Baterlanb 
unb feinen Einrichtungen. Z)a3u, meine fjerren, foüen 
Sie jeßt helfen." 

Aber Abhilfe gegen bie bereits entßanbcne Kurs» 
ßchtigFeit iß unmöglid?. Hur Berhütungsmaßregeln 
Fönnen mir angeben burch eine oerßänbige Schul- unb 
Arbeitshygiene, unb 3U biefer gehört ßcher auch häußge 
Hebung bes fentblids. Daher iß ber plan bes f}aupt- 
mauns o. Siegler fo banFeus- unb nachahmensmert. 


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Hummei 53 


Seite { 5 ^ 9 * 


mal$cbulen auf Reisen. 

Qietju 6 Uufnaljm*« »on §. (Traut, tHfindjen. 

„HTalmeiber" werben ber H an & von Damen, 

fle in ben Kreifen ihrer mährenb be r profeffor ge* 

männlichen Berufsge« möhnlich ein« ober 3mei« 

noffen oft fpottenb genannt. mal in ber IDoche sur 

Unb an Spott, gutmütigem KorreFtur fommt. Denn 

unb bitterem, tote an etmas bie parifer filtern flitb 

perädtflichem Hlitfeib hat porflJ>tig unb mürben es 

man es ihnen gegenüber für burchaus unangebracht 

nie fehlen laffen. fiin erachten, ihren (Töchtern 

Scher3 fällt mir ein, ben ben Befuch bes Ateliers 

ich *>or einigen 3at|ren in bei einem — man ftelle 

einem HTünchner ifluflrier» fleh por 1 — rnrnerheirateten Künfller 3U geffc.tten. 

ten Blatt fah: fo ein Den porurteilsloferen Auslänberinnen, bie in paris 

armes HTalmeibtein flßt fchon 3eitig morgens bei Sonnen* flubieren, nötigte auch ein oftmals an ber IPanb bes 

aufgang por ihrer Staffelei im 5 reien, um eine „HTorgen* Stubios angehefteter Anfchlag ein unmiHfürliches Cädjeln 

jtintmung* auf bie Ceinmanb 3U bannen, fte malt unb ab, benn er befagt, baß ben Begleiterinnen ber jungen 

malt, trenn bie Sonne im HTittag fteht, unb fle malt HTäbchen (nämlich gemiffenhaften HTüttern ober auch 

unentxpegt au bem gleiten Btlb meiter, menn ber tDefl (Soupemanten unb Dienftboten) ber Aufenthalt im 

jtch rötet nach Sonnenuntergang. Der tüiß mar nicht Atelier mährenb bes Unterrichts erlaubt ifl. 

einmal fchlecht. fir foüte ben Uebereifer, ben manchmal 3 n ben beiben größten beutfchen Kunjfyentren, in 

fafl unperuünftigen 5 feiß ber Htalerin iüuftrieren. Berlin,bas hauptfächltchbieZtTalbefliffenen ausbemHorben 

Aber im (ßruub ift ba gar nichts 3U mifceln. Sie Deutfdflanbs pereinigt, unb in HTünchen, mo bie Kunfl* 

jtitb ehrlich fleißig, meinen es bitter ernft mit ihrer jüngerinnen aus ben fübbeutfchen Staaten ihre Aus* 

Kunft unb bringen es nicht feiten 3U 3iemlich gleich* bilbung erhalten, hat fleh längff bie Sitte eingebürgert, 

fertigen Ceiftungen mie bie tüchtigen HTänner pom 5 adj. baß mährenb ber guten 3ahrcs3eit bie Cehrer, befonbers 

3 n ben Damenateliers mirb raftlos gearbeitet. Das bie Canbfchafter, mit ber Schülerinnenfchar in bie nähere 

5 tubium ift lang unb foftfpielig, burd? ben fihrgei3, ober meitere Umgebung ber Stabt überflebeln. Wem 

>ie fünftlerifchen unb rein technifchen SchtrierigFeiten flnb nicht fchou bet fommerlid?en Streifereien in ber Um* 

meiftern 3U Fönnen, merben bie geifligen unb Förper* gegenb Berlins au ben (ßrunemalöfeen, befonbers in 

liehen Kräfte angeftaehelt. Unb fchmer genug mirb es Schlachtenfee, in Klein-HTachnom, in ber (ßegenb bes 

ben HTalerinnen mahrlid? gemacht. Wo finbet man UTiiggelfees ober im mücFengefegneten Spreemalb emflge 

ftaatliche ober pripate Stipenbien, bie einer ZHalerin Damen begegnet, bie mittels iDaffer* ober ©elfarben 

eine Stubien reife er leichter n ober überhaupt ermöglid^en? bie Bei3e ber Canbjchaft auf papier ober Ceinmanb 3U 

UMdje AFabemie läßt grauen in ihre Cehrfäle ein? bannen perfuchten? Unfere Bilber flellen eine UTünchner 

Hun giebt es ja 3um (Slücf Fompetente Beurteiler ber HTalerinuenfchule unter Ceitung bes beFannten Canb* 




Sad?lage, bie ben 
letzteren Umftaub, 
anftatt ihn für eine 
firfchmerung bes 
Stubiums 3U er* 
Flären, eher für 
gerabe3U nüfelich 
unbheilfam halten, 
(teils megen bes 
brohenben Ueber* 
hanbnehmens eines 
Fünftlerifchen pro* 
letariats, teils bes* 
halb, meil bie un* 
befchränFt freie 
IDahl bes Cehrers 
jebenfalls ein er* 
fprießliches Stubium 


fchaftsmalers peter 
£>aul ZTlülIer bar. 

Schon früh am 
HIorgen — auch 
fonff unperbeffer* 
liehe Spätaufftehe* 
rinnen entfagen 
ihrer füßeu <0e* 
mohnheit unb 
fchließen fleh tapfer 
an—geht es 3U ber 
oft in beträchtlicher 
(Entfernung pom 
Hauptquartier ge¬ 
legenen Arbeits* 
flätte. Am (Trans¬ 
port ber felbbienfl« 

perheißt. 3 *ber UTafer pon Huf, mäßigen Ausrüflmtg, bie meift 3temlich Fompli3iert ifl, 



Der Huszug. 


ber als tüchtiger Cehrer gilt unb ein Schülerinnenatelier benn fle befteht aus UTalFaflen, Selbflaffelei, 5 elbfluhl, 


eröffnet, hat naturgemäß großen Zulauf unb muß oft piufeltafche, HTalfchirm u. f. m., beteiligt fleh mit großer 
genug Cerneifrige, bie fleh melben, auf fpäter oertröften, Dorliebe bie trinfgelblüfleme Dorfjugenb, bie überhaupt 
meil es augenblicFlid? an plaß fehlt. einen nicht unermünfdffen Sufdjuß für bie Sparbüchfe 


So ifl es überall. 3 n Öen parifer Ateliers, mo besieht, menn fid) eine UTalerinnenFolonie in ihrem 


Schülerinnen aus aller Harren Cä< bem sufantmenflrömen, H e ' mat50r t nieberläßt. 

liegt bas eigentlid^e gejchäftliche Unternehmen meifl in Sobalb jebe ber Arbeitenben ihren StaubpunFt ge* 


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Seite | 550 . 


Kummer 33 . 



,flebr Kremferwetas, frXulefn! flUhr Kremferwetea!“ 


funben h<*f, fängt bas fleißige Schaffen an, bas um fo 
intenfiuer wirb, je näher bie Stuube ^eranrüdPt, in ber 
ber Cehrer 3ur Korreftur erfcheint. Schon oorher toirb 
bas aufrichtige Urteil irgendeiner maßgebenben Kollegin 
angerufen, bie ihre Uleinung barüber abgeben muß, 
ob biefe Stelle nicht „herausfällt*, ob jene Saumgruppe 
nicht u>ie „aufgeflebt" wirft, ob bas IDaffer auf ber 
Stubie auch „naß" genug ausfieht. Sei ber Korreftur 
felbft achtet man mit n id?t ininberem 3ntereffe auf bie 
Uleinung bes Cehrers über, bie Ceiftung ber Üachbarin, 
als auf bie Kritif ber eigenen Krbeit. Ulit einem ein3igen 
fräftigen pinfelftrich von ber fjanb bes profeffors wirb 
oft einer etwas frauenhaft fchüdtfernen Stubie ein Kccent 
aufgebrücft, ber einfach fchlagenb wirft. Ulit ein wenig 
Ueib — beim wir finb alle nur Ulenfchen — wirb bie 
rücfhalttofe Knerfennung ber einen, mit ein wenig 
Schabenfreube ber fchroffe Cabel an einer anbern Krbeit 
regiflriert. Ulan er3ähit uon einem berühmten ZtTal- 
päbagogen, ber flatt jeber Kritif uor einer gänjlich un- 
3ureichenben Krbeit nur bas eine XOort „ 2 >jaü" gans 
fur3 h^aus3ujto§en pflegt. Uber in biefe 3nterjeftion 


legte er fo uiet Pe^agtheit, Uatloftgfeit unb 3*onie, 
baß jebe feiner Schülerinnen eine lange, fchonungslofe 
Uuf3ählung ber begangenen 5*h^ biefem ein3igen 
XPörtchen t>or3iehen würbe. 

Kn bie Kritif fchließt fich bann bie Kritif ber Kritif, 
unb wieber folgt fleißige Krbeit. So geht es alle (Tage, 
uorausgefeßt, baß bas XPetter beftänbig bleibt, was in 
biefem traurigen Sommer uon \<)02 auch nicht brei 
(Tage hintereinanber ber 5 aü 3U fein pflegt Um bie 
Seit bes aufreibenben XPartens auf eine wenigflens an• 
nähernb ähnliche Stimmung unb Seleuchtung, wie fie 
bas angefangene Silb 3eigt, aus3unüßen, greift mau 
3u neuen UTotioen. fntweber eine ber UTalerinnen 
opfert fich in foüegialer Uneigcnnüßigfeit unb fteht ben 
(ßenoffmnen 3U einer fchneU I^tn^etioo r fcnen Figuren- 
flubie, ober ein alter gebulbiger Kcfergaul muß h*r- 
halten, ber fich gutmütig oon allen Seiten abfonterfeieit 
läßt unb bafür t>on 3arten fjänben fanft geftreichelt unb 
mit <§ucfer gefüttert wirb. 

UTittags wirb im 2 )orffrug bie uerbiente Uafl ge¬ 
halten. 2 )as UTahl ifl länblich einfach, ebenfo länblich 



6fnt fdinefdlge pofe. 


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Hummer 53 , 


Seite {55 { 



Sin geduldiges fdodclL 

lim Ktalobjefte ijt bie fleißige Klalerin nie verlegen. es feine 23 lume, bann ift es ein Baum, ift es fein Baum, bann 
ift es eine Kollegin, ift cs feine Kollegin, bann ift es irgettb ein (Eier, n?ic 311m Beifpiel biefer Kcfergaul, ber ben Klüngel 
an (Temperament aufs rorteil^aftejte burdj braue (Seftnnung erfefct. 


£ > 


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Seite 1552 . 


Hummer 35 . 




einfad? ber 
Sd?auplafe 
ber fjanb« 
lung, hie 

manchmal 
im ©arten 
bes ZDirts- 
haufes bort 
vor ftd? geht 
mo bie ZtTän* 
ner bes 
Dorfs fonn- 
tags ihre 

Kräfte im 
Kegelfpiel 
meffen. 2lber 
mas thut 
bas? ZHan 
ifl hungrig 
unb burftig, 
bie XDirtin 
Iod?t 3umei- 
len über- 
rafd?enb gut, 

einen frifd?en Crunf giebt’s überall, es rnerben luftige 
2 ftalerfd?nurren er3äl?lt, unb bas Volt ber E?üf?ner freut 
ftd? ber Krumen, bie von beit (Eifd?en fallen. 

Das ijt bie erfte ßälfte bes (Eags ber fal?renben 
HTalerinnen. Die 3tr>eite £?älfte gleicht, abgefel?en von 
bem nicht 3u 3i\gelnben Eifer einiger befonbers Ehr- 
ge^igen, bie fid? an ber Krbeit bes Dormittags nod? 
nicht genug Ü?aten, bem Had?mittag in irgeitbeiner 
Sommerfrifche, mo ©roßftäbter meilen, bie Erholung 
braud?en unb fud?en. 3n £?ängematten, im ©ras roirb 
Siefta gehalten, es toirb forrefponbiert unb gelefeit, 
gerabelt, gerubert unb fonjtiger Sport getrieben. Uor 
allen Dingen aber merbeit enblofe Kunftgefpräd?e ge¬ 
führt, ber Streit ber Meinungen mögt t?ifeig herüber 


Die Kritik des JMeUters. 

unb hinüber. Keine ber ©egnerintten tvirb aber na¬ 
türlich baburd? veranlaßt aud? nur um ein 3ota von 
ber einmal gefaßten ZTTcinung abjugeben, unb aud?, 
leiber muß es gefagt fein, bie Kunft mirb nicht mefentlid? 
baburd? geförbert. (Erofc aller flugen IDorte. Unb 
man fprid?t aud? uon bem allen Kunftjüngern n>ol?l‘ 
befannten, bei allen gefürchteten (Eier, bem tücFifd?en 
ZHalfater, ber bie vom Haufd? ber Begeiferung (Erunfenen 
plöfclid? 3U graufamfter Ernüchterung in feine fd?arfen 
Krallen pacft unb ben, ber einmal ergriffen iji, nicht 
fo halb mieber freigiebt. Es ift ber Zweifel an ber 
eigenen Begabung, bas Belagen, bie lähmenbe Er- 
fenntnis uon ber Uu3ulänglid?feit bes Könnens, bie 
plöfelid?e, unüberminblid?e Unluft 3ur Krbeit. Ein böfes, 

böfes (Eier. Kber 


„6ut 6ffen und Crtnken hält lUtb und 8eele zurammen. 4 * 


bennod?: es lebe 
bie Kunft I 

©btuohl bie 
ZlTeijter ber Palette 
im allgemeinen ge- 
fellfchaftsfreubige 
unb gute Kamera« 
ben ftnb, gähnt 
bod?, rnie oben 
fd?on angebeutet 
mürbe, jmifchen 
ben„2nalmeiblein" 
unb ihren ftärferen 
Kollegen eine ge- 
miffe, nicht leicht 
3U überbrücfenbe 
Kluft. Es giebt 
ja äußcrjt tüchtige 
unb befähigte IHa- 
lerinnen, aber lei¬ 
ber ©ottes aud? 
fo viele, bei benen 
alles h*iß* 8e- 
mühen unnüfe ver¬ 
pufft, meil ihre 
unjulängliche Be« 


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Summer 33. 


Seite 1553, 


gabuttg niemals intjlanbe ift, ihnen mitten in ber 5Iut 
jo oieler (Ealente einen feften f}alt 3U oeif<haffen. Die 
Dlater fehen beshalb in nicht aflju rofenroter Stimmung 
auf bas befliffene Häuflein ihrer Schwerem in 2lpoü 
uub ftnb ihnen, toenn fte aud] Ausnahmen gelten, laffeit 
unb refpeftieren, im allgemeinen bod] nid?t holb. Solche 
Stimmungen übertragen ftd? untoiüfürltd^ aud} auf ben 
gefelligen Derfehr, beshalb Famt es nid# munber* 


nehmen, baß beibe Ceile am liebften „unter ftd?" finb. 
Kber bas ftd?t bie tapferen Stelerinnen nicht an, unb 
roer einmal erfahren toill, toie bie Damen aud] ohne 
Herren fid} ausge3eid?net 3U atftüfteren oerftehen, ber 
laffe (ich von ihren rouuberooflen Koftüm* unb Karrteoals- 
fejien er3ählen, too fein profanes JHännerauge „Forri- 
gierenbe" Slicfe foielen, Fein profaner STännermunb 
herbe IDorte ber Krittf ©erlaufen lagt 1 &jn. 



Gin ßefueb bei 'Juice Verne. 


fiicrju 3 Uufnahmen x>on <Tf}. ISerbcrt, Jtmiens. 



Der toeliberühmte Derfaffer ber (E^ähluitgen „ 5 ütif 
IDochen im Sallon*, „Die Seife nach bem ZTIoitb" unb 
3ahlreid>er ähnlicher IDerfe lebt in bem frieblid?en 
unb malerifchen Kmiens, ber fjauptftebt ber ehemaligen 
picarbie im nörbüchen 5ranfreich. 

Dort mar es auch, *do ich vor Furjem 
bas Dergnügeu hotte, 3 ules Derne 
311 begrüßen, ben ich in ftiller SurücF* 
gesogenheit im £efe3immer ber „So* 
cie'te 3 nbuftrielle" biefer Stabt fanb. 

Don mittlerer (ßröße, meinem t}aar, 
geröteter (Sefichtsfarbe unb ©01t einer 
noch jeltenenCebensfraft — fogleidtf 
ber ungefähr 75 3 ohre 3ähleitbe 
SdjriftfteHer einem Schiffsfapitäu, 
ber ben Kbenb feines Gebens auf 
bem fefien €anb 3U ©erbringen ge* 
benFt. ©bgleich er noch immer 
an einer IDunbe am 5uß leibet, 
bie ihm ©or einigen 3 a hren bie 
Kugel eines IDahnftnitigen riß unb 
ihm bas (Sehen 3iemüch erfchroert, 

©ertoeilt 3 nles Derne hoch nod] 
einen großen (teil feiner Seit 
in freier Cuft unb toibmet fid? 
fogar noch überaus lebhaft ben 
fiäbtifd^en 3ntereffen feiner abop¬ 
tierten Heimat. 

3 ules Derne er3ählte mir, baß 
er in Santes geboren fei, fügte 
aber gleich3eitig nicht ohne Stol3 
hm3U, parifer Kbfunft 3U fein. 

Sur burch bie (ßefchäfte bes 
Daters hätten fleh feine (Eltern 
feiner Seit ©on ber heimatlichen 
Scholle trennen müffen. 

„Kleine 3 ngenb oerbrachte ich 
in meinem (ßeburtsort unb beenbigte 
bort bie Unioerfitätsftubien, um 
bann nach (Erlangung bes juri* 
bifchen Doftorgrabes nach Paris 
über3ufiebelu. 3nfoIge meiner itatür* 
liehen Seigung 3ur Citteratur oer¬ 
ließ id? ober halb ben mir oonj 
Dater oorge3eid?neten IDeg. Kls 
ich Faunt mein einunbstoansigftes 
Cebensiahr erreicht hotte, glüdte 


es mir fchon, meine erfte Bühnenbichtung ,Les Pailles 
rompues 4 im (Theater Daubeoiüe (\ 85 Ö) auf geführt 
3U jehen. (Es folgten bann noch einige anbere 
StücFe, bis ich mich enblid? int 3 oh* 1863 bem 


3u!*s Demc. $rnu Derne. 

Das tHohnhaus lutes Vernes in Hmietis. 


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Seite JJ 55 q> 


Hummer 33 . 


miffenfd?aftlid?* belehrenben Boman 
3umanbte, einer Citteraturgattung, 
bie man bis bal?in . noch nicht 
Fannte. 3*&* 2lrt von HAffenfd?aft 
hatte ftets bie gröfttc An3iel?ungs* 

Fraft auf mich ausgeübt, unb 
beshalb mar es natürlich, baft 
meine erjten (Effays aus biefer nie 
uer ftegenben Quelle gefd?öpft tvaren. 

, 5 ünf IVocheu im Ballon 4 mar 
mein erjter Verfud? in biefer Bid?* 
tung, unb ber lebhafte Beifall, ben 
meine, (EntbecFungsrei je 4 überall fanb, 
lieft in mir ben <£ntfd?luft reifen, 
auf bem pfab meitenugehen, ben 
ich mir felbjt vorgeseichnet hatte." 

„Unb feit biefer Seit ijt 3 hre 
5eber mohl ftets thätig gemefen?" 

„3a, bis heute höbe ich unge¬ 
fähr hunbert Bücher gefchrieben, 
bie in faft äße europäifchen 
Sprachen überfefet mürben." 

„Unb 3 hr näd?ftes Buch?" 

„Hlein nächftes Buch mirb ein (Trauer* 
fpiel im Stillen 03ean behanbeln. Die (Er* 

3ähtung, bie auf (Ehatfadjen beruht, trägt ben 
(Eitel ,Die Brüber Keepe 4 unb befchreibt 
hauptfächlich bie tragifcheit Abenteuer 3meier Brüber. 
3 ch tviß gleich3citig bemerFen, baft es mein (Srunbfafc 
ift, jährlich 3mei Bücher 3U fchreiben, bie ftets halb* 
jährlich erfcheinen." 

„Unb mie ift es 3 h n en möglich, fo t>iel Arbeit im 
€auf eines 3ahres 3U bemältigen?" fragte ich meiter. 
„Vermutlich gebrauchen Sie bie £?ilfe eines SeFretärs?" 

„Keinesmegsl* antmortete ber liebeusivürbige Schrift* 
fieller. „ 3 ebe Seile meiner IVerFe ijt von meiner 
eigenen ^anb gefchrieben. 3 ^ benufte meber Sd?reib* 
mafchine, noch irgenb anbere frembe £?üfe. Augenblicf* 
lieh miß jebod? bie Arbeit nur Iangfam vormärtsfd?reiten, 
ba ich um rechten Auge leibe. 3 d? hoffe aber, baft mir 
ein operativer (Eingriff bemnäd?ft bas Augenlicht voß* 
Fommen mieöergeben mirb. (Erofebem lefe id? täglid? bod?, 
fo viel es eben geht; benn es ift von jeher mein Priii3ip 
getvefen, mich über 
aße Vorgänge, fei 
es in ber£itteratur, 
fei es auf bem 
(Bebiet ber €rftn« 
buitgen unb €nt* 
beefungen, inög* 
lid?ft auf bem 
laufenben3uhulten. 

Sie möchten auch 
gern miffen, meld?e 
UTethobe id? bei 
meiner Arbeit ver* 
folge? 3ch beginne 
bamit, bie Befultate 
meiner fortgefeft* 
ten CeFtüre, fomie 
erfchöpfenber 5or* 
fchungen in (Seftalt 
von Hotten auf* 

3uhäufeit, bie ich 
bann mit Bücfftd?t 


auf ben (Segenftanb, ben id? 3U 
behanbeln geben Fe, forgfältig prüfe, 
hierauf entmerfe id? bie Sentral* 
ibee meiner (E^ählung, bie mir 
bann gleichfam als (Berüft für 
meine gefammelten Aufseichnuugen 
bient. (Erft meitn ber pfycholo- 
gtfd?e UToment 3ur Arbeit ge* 
Fommen ijt, mache ich mid? ans 
IVerF, fd?reibe jeben (Eag mehrere 
Stunbcn unb rajte nicht eher, als 
bis bie lefete Seite voßenbet ift." 

3 ules Verne teilte mir bann meiter 
mit, baft in früheren 3<*hren, als 
er noch nicht jene 5 uftverlefeung 
erlitten, fein bevorsugtefter 1 Sport 
bie Schiffahrt gemefen fei. fr hat in 
feiner eigenen 3 ad?t „St. 2 Tiid?el" 
bie hauptfächlichften Küften €uro* 
pas, AmeriFas fomie AfriFas be¬ 
sucht, unb gerabe biefe rei3voüen 
Wahrten bilbeten bie £}auptqueße 
für feine „phantaftifchen (EntbecFungsreifen"* 
Von aßen tViffenfd?aften mar (ßeographie 
fein Cieblingsftubium, unb vor aßem finb 
es mohl feine bebeutenben naturmiffen* 
fchaftlichen Kenntniffe, fomie ungemöhnlid?« 
Befchreibungsgabe gemefen, meld?elVerFe entftehen lieften, 
bie gemift noch lauge einen erften plafc in ben 3ugenb* 
bibliotheFen behaupten merben. 

„Unb nun," fragte ich 3um Schluft, inbem id? mich 
3um (Sehen anfd?icfte, „geftatten Sie mir nod? bie eine 
5 rage: meld?e feltfamen CEnbecFungeu hat bie VDiffen* 
fchaft ber SuFunft bem Fontmeitben ZHaim mohl nod? 
311 offenbaren? IVerben mir ben (flobus in lenFbaren 
£uftfd?iffen umfahren? IVirb es uns möglich fein, eine 
Verbinbuug mit ben Bervoi?nern bes Ulars 3U eröffnen?" 

Der alte Sd?rififteßer fd?iittelte fein £?aupt unb 
Iäd?elte: „Das ift mirFlid? mehr, als id? 3 h»en fagen 
fann. Aber, baft uns bie IViffenfchaft nod? einige ftaunens* 
merte IVunber bringt, bie bie Cebensbebingungen auf 
biefer (Erbe voßftänbig ättbern, bas glaube id? 
ficber unb nod? mehr: viele biefer IVunber merben 

gemift nod? in unfe* 
rer Sei* erfd?einen. 
Die 2 Viffenfd?aft, 
hauptfädlid? bie 
ber (EleFtrijität, 
jteeft ja bis jeftt 
nod? in ihren Kin* 
berfd?ut?en. Unb 
menn ihre BTyfte* 
rien ftd? uns nod? 
meiter unb voßer 
entfalten, bann 
mirb bie Seit ; ge* 
Fommen fein, mo 
bie ,IVunber 4 bes 
Schriftfleßers be» 
beutungslos vor 
ben tieferen unb 
felteneren ber (Sc* 
genmartverfd?min* 
ben mfijfen.* 

5. p. ^rPYbcrg. 




Blich in 7uUs Vernes Hrbcitszimincr. 



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Bummer 33. 


Seite { 555 » 






Rausfcbwamm und Crockcnfäulc. 


n ben leßten 3ah*3efytfen pnb 
bie preife für (Srmtb unb Bo« 
ben in unfern (ßroß- unb 
Zlftttelftäbten fafl fprungartig 
in bie Ejöhe gegangen. Auch 
bie Baumaterialien unb Ar¬ 
beitslöhne haben fidr> erheblid? 
perteuert, toährenb gleid^eitig 
bie Anfprüdje an bie innere 
Ausflattung bes Kaufes, an 
(Defen, Decfen u. f. tx>. ge¬ 
machten ftnb r fo baß msgefamt 
bie für einen Beubau auf3utpenbenbe (Selbfumme pch 
jeßt fehr piel h^her Pellt, als etma noch in ben pebjiger 
3 ahren. IDährenb bes Baus felbfl ifl bas (Selb für 
ben Bauherrn 3inslos. €s ifl baher leicht erflärlich, 
baß mit allen Bütteln bahin geftrebt roirb, fo fchnell 
roie möglich 3U bauen unb bie IDohnmtgen fobalb als 
irgenb angängig mietsfähi<J unb baburch 3insbringenb 
ju machen. 

Durch biefe übertrete Baumeife tperben nun für 
gemiffe pi^e. bie unter ^m Sammelnamen „bauhol3* 
3erpörenbe pilje" 3ufammengefaßt tperben, bie günPigften 
IDachstumsbebingungen gefd?affen. 3 >ie Schmamm* 
falamität hat infolgebeffen eine früher nicht entfernt 
beobachtete i^öhe erreicht. (Es giebt Straßensüge, in 
benen ein innerhalb ber erpen brei 3ah^e gef unb ge« 
bliebenes Ejaus gerabe3u 3ur Ausnahme gehört. VOäty 
renb aber früher ber echte ^ausfehruamm (Chränen« 
fchmarnm, Blauer fchmarnm) faft ausfdfließlich als E}ot3* 
3erftörer auftrat, macht pch feit Bütte ber neun5iger 
3ahre ein 3tpeiter pil3 fehr unliebfam bemerfbar unb 
hat an Ejäupgfeit bes Dorfommens ben echten f}aus» 
fchmarnm fchon überflügelt. (Es ip bies ber pilj ber 

Crocfenfäute, ben ich, 
um ein Beifpiel feiner 
Ejäupgfeit 3U geben, 
feit Bütte ber neun3iger 
3ahre bereits in über 
300 Raufern ber pro* 
pin3 Schiepen 3U beob- 
ad:ten(Selegenheit hatte. 
Das hierorts fap epibe- 
mifd? 3U nennenbe Auf¬ 
treten biefes pi^es ip 
uicht 3ufäßig, fonbern 
bem Umftanb 3U3U« 
fchreiben, baß tm ©flen 
Deutfdflanbs als Bai- 
fenmaterial mehr unb 
mehr gali3ifches Ccm- 
nenhol3 Dermenbung 
pnbet unb ber Cr oefen« 
fäulepih gerabe3U ein 
fpe3ipfcher Schübling ber 
Canne genannt tperben 
fann, toährenb fld? ber 
edpe Ejaus{d?tr>amm 
uor3Üglich am Kiefern* 
hol3 ftnbet. Die Um« 
Ubb. 2. EDoufäbfnnrtige mvcciien. pänbe, unter benen pch 


6 pboto^rapfjifdje Aufnahmen. 

bie Cbätigfeit bes Crocfenfäulepil3es bem unglücflichen 
Ejansbeflßer offenbart, pflegen ein boppeltes Bilb 3U 
3eigen. 3 n fchtoereren 5 äHen flür^t ettoa <Enbe bes 
3treiten ober Anfang bes britten nad? 5 ertig- 

fteHung bes Baus bie herrlich in ©el gemalte unb reichlich 
mit Stucf perjierte Decfe ber Ejauseinfahrt herunter. 

Die 3u>ifchen Dielung unb ber (Einfchneibebecfe einge« 
brachte Füllung famt (Einfchneibebecfe unb ber Schal« 
beefe pnb herabgefallen, bie Balten felbft unb bie Dielen 
bagegeu bleiben liegen. Die Bepchtigung 3eigt, baß bie 
erfteren in eine roeiche, gelbbraune Blaffe penoanbelt 
pnb, in bie man ein BTeffer ohne foitberlichen Kraft« 
auftoanb bis ans Ejeft hwtmflofcn fann unb bie baher 
ben Bügeln, mit benen bie Schalbecfe befeftigt mar, 
feinen Ejalt mehr bieten fonnte. (Ebenfo morfch ip bie 
(ginfehneibebeefe, pe trug bie Füllung nicht mehr, bie 


2lbb. X. miedien. 

aus Anlaß irgenbetner befonberen (Srfchütterung auf bie 
Schalbecfe h^runterpel unb biefe mit herabriß. Balfen, 
(Eimchneibebecfe unb öfters auch bie Dielenunterfeite 
3eigen fchneetreiße, watteartige Ueber3Üge, pom Bota- 
nifer „BTycetien" genannt. Diefe haben, wenn es bem 
pil3 befonbers gut gegangen ip, bie in Abb. \ erfleht« 
lid^e, fächerartige ober eisblumenühnliche Der3toeigung. 
Die Smifchenpartien oerfchminben jeboch tneifl rafch 
burch fiintroefnen, fo baß häuflg nur bie 
bieferen Stämme als tPollfabenarlige 
Stränge 3urü<fbleiben, bie unter befon¬ 
beren Umftänben fap garnartig ein- 
troefnen fönnen (Abb. 2 ). 

Bei ber leichteren 5 orm falten fleh 
bie Dielen 3uerP ben Bagelungsflellen 
entlang über ben Balfen in eigenartiger 
IDeife unb rperben h^r fo weich, baß 
pe mit Ceichtigfeit burchpoßen roerben 
fönnen. ZtTeift pflegt ein Stuhlbein 
burch3ubrechen unb auf ben Sd?aben 
aufmerffam 3U machen. £egt man nun 
ben Balfen burch Aufheben ber Dielen 
bloß, fo ifl biefer trieberum gelbbraun 
perfärbt unb gan3 morfch* ®as E}ol3 
hat einen eigenen, feibeartigen <Slan3, 
läßt pch 3toifchen ben Äingern gan3 
leicht 3U einem feinen XlTehl 3erreiben 
unb hat einen ausgefprodjen fauren, 
etroas an £id?enhol3 erinnernben (Seruch* 

Don ZtTycelien pnbet pch aber fehr 
häuflg fo gut tpie gar nidfls. Bur bei ^ 

r r v si c .. r tu. 2lbb. 3. ^rud tförper 

befonberer Aufmerf|antfeit bemerft man Des Crotfenfduiepüjes. 


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Sexte J 556 . 


Hummer 35 . 





2lbb. 4 . tjausfdjwammfultur. 


an bet Stelle, wo bie 
Dielen ben Halfen feft 
auf liegen, gans feine He- 
3fige, bie bie gleichen 
5ormen, toie oben be- 
fd?rieben, auftoeifen. 

Himmt man jebod? ein 
fold?es Halfenftüd ohne 
ZlTycelien in Kultur, fo 
entroidelt fid? aus ihm in 
mehr ober tninber langer 
Seit ber pil3 in einer 
ZDeife, bie an feiner 3 &eN- 
tität mit bem, ber ben 
Decfeneinftut3 ©erurfad?t, 
feinen <§roeifel läßt. €ine 
foldje Kultur lägt nament* 
lid? im unteren Seil, bem 
Hoben, bie eisblumenartige 
Der3tx>eigung beut lid? er* 
feinten. Der ©rodenfäule* 
pil3 hat in frifd?em <5u* 
ftaitb einen eigenartig 
bitter-aromatifchen (Ser ud?, 
ber etwa an ben Steinpig 
erinnert, toähreub ber echte 
tjausfehroamm intenpo nad? Champignon riecht. 

Sefet man bie Kultur biefes piljes genügenb lange 
fort, fo geht er 3ur 5rud?tförperbtlbung über, bie in 
t©ed?felnber IDeife erfolgt unb Deranlaffung gegeben hat, 
baß ein unb berfelbe pil3 unter ©erfd?iebeneu Hamen 
aufgeführt toirb, als Polyporus medulla panis, trenn ber 
5rudtfförper befonbers fein unb gleichmäßig geport if t, 

3. B. toie in Kbb. 2 unten, ober als Polyporus destructor, 
trenn er rnäffrig^fleifchig ift unb aus ©erhältnismäßig 
langen Höhren befteht. 3 n pro3effen hat bie ©erfd?ie- 
bene Benennung ein unb besfelben pilses feitens ber 
Sad?©erftänbigen fchon ©ielfad? Dermirruug geftiftet. 

Hod? in einem in ben adliger 3^h^n fpieleitben 
5chtrammpro3eß in ZHünd?en, wo es fich 3t»eifellos um 
Polyporus vaporarius gehanbelt hat, tourbe beftritten, baß 
ein pil3 bie Urfache biefer als ©rodenfäule befannten 
I}ol33erftörung fei. Da biefe Zlrt ber Serfefeung für 
ben Polyporus vaporarius bie häufigfte unb gan3 d?araf« 
teriftifdj ift, habe ich biefen pig ftatt bes bisher üblichen 
beutfd?en Hamen „£ohporenfd?roamm" bireft ben 
©rocfenfäulepig genannt, eine Be3eid?nung, bie fid? bei 
ben fchlefifchen (Berichten bereits ©ölhg eingebürgert hat. 

Zlbb. 6 3eigt uns einen trodenfaulen Halfen im 
(Querfchnitt unb 3ugleid? eine weitere (Eigentümlichfeit 
unferes piges. Der 
©rodenfäuleptls ©er3et?rt 
Dornehmlid? bie £jol3par* 
tien in ber Sichtung ber 

3cthresringe, f° &aß peft 

bie ein3elnen tagen blät* 
terartig abheben laffen. 

Der photographierte, 
etwa V2 ZHeter lange 
Halfen hat fid?, toie bas 
Hilb3eigt,in feiner gansen 
Sänge glatt abheben 
laffen. 

<£s fann fein <3t©eifel 
beftehn, baß ber ©roden- Ubb. 6. CrocFenfauIer 


2lbb. 5. Crocfiiifdulcpiljfullur. 


fäulepil3 fd?on im leben ben 
Haum ftedt. <£r fonnte 
aus gan3 frtfeh angefom* 
menen galisifchen ©annen 
herausgejüchtet werben. 

©efters ©errieten ftd? er- 
franfte Stämme burch 
äl?nlid?e Btffe unb gelbliche 
$leden, toie fie in Zlbb. 6 
fid?tbar ftitb. Das Sd?idfal 
eines fchon walbfranf ein¬ 
gelegten Halfens ift glcid?* 
toohl fehr ©erjehieben. 

Siegt ber Halfen luftig, 
fann er alfo weiter aus- 
trodnen, fo bleibt er 
unoeränbert. ZDirb jebod? 
burd? 3U frifchen Zlnftrid? 
ber Dielen, Derlegen ge* 
fpunbeter Dielen, Stab¬ 
ober parfettfußboben, ©el« 
ftrich ber Dede u. f. to. 
bie Sufoirfulation gehin- 
bert, fo „erflidt" ber 
Halfen, er ©erroanbelt fid? 
ohne (Entmidlung ©on 
ZlTycelien in jene gelbbraune, 3erreiblid?e ZlTaffe. IDirb 
bem Halfen aber außerbem noch 5 eud?tigfeit 3©* 
geführt, etroa burd? Derlegen neben einer naffen ZHauer, 
ffineinlegen bes Halfenfopfs in naffe ZTIaueru, (Ein- 
bringung feuchter Füllung, befonbers eines £ehmftrid?s, 
ber nidtf genügenb lange 3um ©todnen offen liegen 
bleibt, ober gar burd? birefte Henäffung in ber Sähe 
von Zlusgüffen, Habeftuben u. f. t©., fo entwideln fid? 
ZTtycelien in oft ftaunenerregenber Heppigfeit. So fanb 
id? einmal in einer Küd?e beu Haum 3t©ifd:eit Schalbede 
unb Cinfchneibebede gerabe3U mit ZTtycelien ausg^ füllt, 
ein anberes ZHal Stränge bis 5 mgerbide. 

Solche 5 älle geben fehr häufig ober beffer getagt fafi 
regelmäßig Deratilaffung 3ur Dermechslung bes Croden* 
fäulepibes mit bem ed?ten £}ausichn>amm. 5ür bie ge* 
richtliche Heurteilung eines pigfehabens in ben fo ge¬ 
fürchteten Schtrammpro3effen befteht aber 3t©ifcben beiben 
pi ! 3en ein gan3 funbamentaler Unterfchieb. Der ©roden* 
fäulepig ift ©on beiben Pilsen ber fchled»ter ausgerüjtete. 
Cr hat ein großes 5euchtigfeitsbebürfuis, aber nidit bie 
5 äbigfeit, burd? Zlusfd?idung ©on Strängen ftch bas 
ZDaffer aus tueiter (Entfernung holen 5U fönnen. Sc 
fehn mir, baß er fid? häupg nur gan3 eng begren3t, 
ber ©on außen gebotenen 5eud?tigfeit entfpred?enb, ent* 

mideln fann, etma nux 
berfeud?t©erlegteHalfen- 
fopf ©ermorfd?t, ober bet 
©or bem Küd?enausguß 
liegenbe ©eiL ZHeift mirb 
aud? nur ber bireft ©on 
feuchter 5üüung um¬ 
gebene ©eil bes Halfens 
3t©ifd?en Cinfd?neibebede 
unb Diele fd?led?t, ber 
freiliegenbe ©eil 3t©ifd?en 
€infd?neibebede unb 
Schalbede bleibt gefunb. 
(Eine roeitere 5 olge ift, 
©älfen im (Ouerfc^nitt. baß ber ©rodenfäulepih 


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Summer 33 . 


Seite 155 ?. 


nur geringe 5 äl?igFeit t?ot, auf frembes EJ0I3 über3umad?fen, 
fo nur an j neu Stellen auf bie Sielen, wo bieie burd? bie 
Sagelung innig mit bem Franfen Salten in Serüf?ruitg 
fommen, unb aud? bann nur in unmittelbarer Umgebung 
biefer SagelungsfteÜen meitermad^fenb. Serliert fid? 
bie 5eud?tigFeit fo (teilt ber CrocFenfäulepil3 fein EDad?s* 
tum alsbalb ein unb nimmt es nur fd?mer mieber auf. 
2 )ie E?auptentmicFlungs3eit biefes pi^es ift halber bas 
erfte bis britte 3ohr nad? 5ertigflefluug bes Saus, unb 
mau ijt berechtigt 311 fageu, bag, rno er ftd? in biefer 
<3eit nid?t entmicfelt t?ot, er überhaupt nicht mehr 3U 
fürd?ten ift. 3n bie STauern unb .Füllungen treibt er nur 
gan3 fur3e, bürftige Stränge. (Entfernt man bas er- 
FranFte l?ol3, fo ift auch ber P1I3 befiniti© beieitigt. 
ZHauer unb Füllung Föunen oon ber Separator unbe* 
rührt bleiben. Sd?lägt man oon einem am oberen Seil 
erfranften Salten biefeu ©eil fort, bis bas JE70I3 ftch 
unoerfärbt 3eigt, fo mäd?ft er unter normalen $eud?tig* 
Fettsoerhältntffen, mie fte ftch aud? in einem fd?ncll unb 
nag gebauten £?aufe nad? etwa 3 3 ohren eingeftellt 
haben, im SeftbalFen nicht rneiter. Sohlen, bie 5ur 
Stüfce einem trocfenfaulen Salfen bireft angelegt merben, 
bleiben in gleicher tSeife ohne 3”f*Ftton feitens bes 
franfen Salfens. Kurs, bie Reparatur ijt fehr einfach, 
bie Sefeitigung ber (ErocFenfäule leicht unb ftd?er, für 
bereu bauernben (Erfolg man ftch oerbürgen Fann. 
<ßan$ anbers ber echte Ejausfchmamml Siefer hot 


oor allem bie 5 ähigteit, meterlange Stränge enttoicfeln 
3U Föunen, bie toie eine richtige IDafferleituitg fungieren, 
fo bag er uuabhäng g ift oon ber 5eud?tig eit an ber 
beseitigen tüacbstumsftefle. 5erner burchtoächft er 
STauern unb (Seroölbe mit einer oerbliiffenben £eid?tig* 
Feit. (Erft Füglich fanb id? eine 60 Zentimeter biefe 
STauer burd? unb burd? mit feinen S^celien in ben 
feinen Siffeit burd?mad?fen. Ser PU3 roar burd? fte 
hinburd? auf eine ^lurtreppe übergegangen. Ser ed?te 
Ejausfchtoamm ift oon einer £ebens* unb ElnftecFungs- 
fähigteit fonbergleid?en. Sal?er mug bei einer Reparatur 
alles entfernt roerben, toohin er irgenbtoie gefommen 
fein Fann. EDeber STauer, nod? Füllung, nod? fcheiubar 
gan3 gefunbes £7015 barf liegen bleiben. Sie Separa¬ 
toren ftnb baher mefentlid? umfangreicher unb Foft* 
fpieliger. < 5 leid?mohl faitn eine (ßarantie, bag ber 
^ausfehtoamnt nun grünbiid? befeitigt ift, nicht geboten 
merben. (Erft toenn nad? einer angenteffeiten Seit, ettoa 
3 3 ohren, fid? ein abermaliges EDad?stum nicht 3eigt, 
barf bie Sefeitigung als gelungen gelten. 

Elbb. ^ ift eine ettoa ein 3 a hr ölte Kultur oon 
ed?tem £?ausfd?mamm, Elbb. 5 eine ebenfolche 00m 
lErocfenfäulepi^, Elbb. 3 ein 5 rud?tFörper bes (ErocFen* 
fäulepil : es in fleifd?iger 5 orm. Sämtlid?e Photographin 
ftnb in meinem Caboratorium nad? ber Satur burdf 
cand. chem. ÄranFe ausgeführt morben. 

Or. Hut>oIpf? tOof (Ortslau). 


<U> 


Jfuf dem Ceucbtturm. 

SF^e oon (Suflao Senner. 


Sie Sömmerung Farn unb legte, faft umoahrnehmbar 
noch, einen gan3 leichten, ftlbernen Schleier über alles. 
Sie Farben tourben matt., gebrochen, oerfd?toontmen. 
Ser Ejimntel nahm ben milchigen, h a lbburd?fichtigeu 
CCon eines ©pals an, unb toie oerloren ftanb barin bie 
ZHonbftchel, bleid? unb ohne Ceud?tFraft. Smgsum alles 
ftiH, finnenb, mie nad?benFenb über ben Cag ber ©er¬ 
gangen toar unb nie toieberFam. Sud? bas STeer toar 
ruhiger gemorben unb fd?ob nur leife, leife bie breit- 
flächigen, müben Stellen ben Straub hinauf unb fog fte 
ebenfo toieber ein. 

IDeiterhin am Ufer lag bas Stranbbörfd?en, aber 
es regte ftd? nichts barin, benn es mar Sonntag, unb 
bie Setoohner fagen in ber Kird?e, bie mit ihrem 
biefen, runben tEurm unb ben Fleiueu 5 enftern in ben 
alten, feften Steinmauern faft toie ein Fleines Kaftell 
ausfah* 

Ejier hittous aber, 3U bem Ceuchtturm, ber nur burd? 
einen gan3 fd?malen pfab mit bem Canb oerbunben toar, 
ferang toeber ber oolle, bröhnenbe EDohUaut ber ©rgel, 
nod? ber (ßefang ber (ßemeinbe. — 

Ser alte £eud?tturmtoäd?ter flieg mühfom bie enge 
«EDenbeltreppe hinauf. Sach faum 3toan3ig Stufen 
mugte er immer einhalten unb mit Feud?enber Srufl 
2 ltem fchöpfen. Sas toar befchmerlid?, ober toenn 
man nur oben toar, fo mar es gut 


3 o, broben toar es gut. Sort mar es fliß. 

Ser rings oon biefen (Slasmänben umgebene Saum, 
in beffen STitte ber £eud?tapparat angebracht mar, bei 
alleröings nicht oiel mehr plafe, als für einen Fleinen 
Cijd?, eitten Stuhl unb eine (Etagere, auf ber einige 
Süd?er lagen, erforberlid? ijt. 

Ejier fag ber Elite jeben Sad?mittag unb wartete, 
bis es bunFel mürbe. E>on unten herauf fprad? bas 
STeer, fd?meid?elnb, 3ärtlid?, Flagenb ober brohenb. €s 
oereiuigte alle (Empftnbuugen ber menfd?lid?en Seele in 
ftd?, nur ins Ungeheure rergrögert. EDeuu bas Wettet 
ruhig unb ber Ejimmel Flar mar, bann lag bie See 
unb fd?lief, unb bie Sonne beefte einen uuenblid? feinen, 
flimmernben £id?tfchleier über fte, unb wem eine ber 
lautlos bahtnfehmebeuben meigen STömen bie Sptfeen 
ihrer langen 5 lüget in ben glätt3ettben Spiegel tauchte, 
fo e^itterte biefer leife in traumhaftem Schauer. 

Sann mar bie See fd?ön unb ©erlocFenb unb rnedte 
eine tiefe Sehnfud?t nad? Cänbern oofler £id?t unb <S(an3 
unb 5rieben unb (Sliicf. 

Elber ©erlocFenb ift fte auch, menn fte 3Ümt unb es. 
heraufflingt in taufenb Stimmen, milö, fd?riH, bumpf 
unb gemaltig, als hotte ftd? eine 3al?llofe Stenge feit* 
famer Ungeheuer aus ber Ciefe erhoben, bie mit* 
einanber Fämpfen unb nur einig ftnb in bem einen 
EDunfd?, 3U oernid?ten. Unb basmijehen brüllt unb 


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Seite ^58. 


Hummer 33< 


pfeift her Sturm, unerbittlich anfpornenb, und IDetle 
auf IDelle Ijebt fich mit einem tiefen, gurgelnden Con 
und fiiir3t fid7 über die näctjße, um dann, oerftärft, 
nach dem £and h^urollen. Dort angelangt, uoll 
milden Unmillens über den IDiderftanb, 3ieht fte ftd? 
erß 3urücf, als motle fie Ktem fd}öpfen, rid?tet fid? 
dann, mit dem Brüllen eines Haubtiers, doppelt hoch 
auf und jtürät fich tote in ftunlofer IDut über die 
Klippen. 

IDenn aber der Sturm gefüllt iß und das ZTleer 
ruhiger mird und der IHond, durch eilig bahinjiehende 
IDolfen abmechfelnb oerdeeft und enthüllt, irrende £id?!er 
auf das IDaffer mirft, dann flingt aus der durch die 
Dünung e^eugten Brandung ein Singen herauf, mächtig 
anfchmellend bis 3um höd7ßen Disfant, begleitet und 
abgelöß uon einer tieferen, volleren Stimme — die 
Sirenen, die Sirenen! 

IDie uiele 3 oh r * hotte er es gehört, diefes milde, 
fehnfüchtige, uerlocfende £ieb, das aud? ihn einft hinaus* 
getrieben, bis er, müde des Suchens nach einem unbe* 
fannten, traumhaften (ßlücf, higher 3urücfgefehrt, von 
mo er einft ausgegangen. 3 a, er liebte die See und 
haßte fie doch 3ugleid?, fte erfchien ihnt mie ein mild* 
fchönes IDeib, unbändig, unerfättlid?, das ihn mit allen 
feinen Hoffnungen uerraten hatte und deffen Sauber er 
troß allen (ßrauens ßch nicht entstehen fonnte. 

Hein, das mar uorbei. (Er haßte fie nur noch, und 
menn er auf der fchmalen ©alerte, die oor der ,La¬ 
terne" angebracht mar, ftand, fo fühlte er fid? als den 
Herrn des UTeeres. 

Und mar er nicht hter öer H* rr fcher über £eben 
und Cod? (Eine UnDorßdtfigfeit, eine Hadßäfßgfeit 
fonnte unberechenbares Uitglücf herbeiführen. Kber das 
mird nie gefchehen, fo lange er hier oben fleht; mas 
an ihm ift, fo mird er dem launenhaft tücfijchen (Ele¬ 
ment jedes Opfer entreißen. IDie das ZHeer ihn be¬ 
trogen hatte, fo follte es auch betrogen merden, und 
menn es tief da unten grollte und flürmte und mit un- 
arüfuüerten, milden Cauten itadi Beute fchrie, dann be¬ 
reitete es dem Ulten eine freudige (ßenugthuung, den 
blendenden £id?tftrahl hinausfenben 311 fönnen, daß er 
denen, die da draußen der IDiüfür des IDaffers preis¬ 
gegeben maren, den IDeg meife, fie tröße, marne, er¬ 
mutige und leite. 

3 a, nun haßte er die See. Sie hatte ja nicht allem 
alle die jugendlichen ©rmartungen und Hoffnungen ge- 
täufcht, fondern hatte ihn — und das mar das 
Schmerße — an feiner tiefßen, uermundbarßen Stelle 
getroffen, eine IDunde hinterlaffend, die immer mieder 
aufbrach und aus der jene fehreefhaften (Träume auf* 
(Hegen, die ihn nicht fchlafen ließen. IDie oft mar es 
ihm, menn er ftd? 3ur Had7t auf dem Bett hin und her 
mäl3te, als riefe ihn eine Stimme, eine fo mohlbefannte 
Stimme, angftuoH und flehend, mie die eines €rtrinfenden, 
fo daß er auffprang und an den Strand hinunterfief. 

Dort faß er dann oft lange und fah auf das UTeer 
hinaus, das ftd? in der Hacht mie eine fchmar3e IDand 
gegen den Himmel eihob, undurchdringlich und rätfel- 
haft ftnfter, unjugänglich jeder 5 rage und Bitte. 


IDarum hatte es ihm das (Einige noch genommen, 
das ihm nach einem langen, enttäufchungsreichen £eben 
noch geblieben mar? IDarum auch ihn, den einigen 
Sohn, an ftd? gelocft? Und mer mußte, ob es ihn 
nicht fchon längß oerfchtungen hatte, ihn, mie fo uiele 
taufend andere, die da unten lagen und deren flageude 
Stimmen 3toifchen dem Dröhnen und Braufen der 
IDogen heroordrangen, ein Wagender (ßefang der Der* 
funfenen all der 3ohrhunberte, der mit jedem 3ah*V 
mit jedem neuen Opfer muchs und anfchmoll 3U einem 
gemaltigen, her33erreißenben Chor. 

Hatte er denn nicht alles gethan, um feinen Sohn 
uor diefem Schicffal 3U bemahren? Kch ja — und 
doch mar es uergeblict? gemefen. 

IDas hatte es geholfen, daß er den halbermachfenen 
3 ungen nadi dem Binnenland 3U einem Kaufmann in 
die £ehre brachte? Daß er all die bemeglichen Bitten 
in den Briefen des Sohnes, der es in diefem Beruf 
nicht aushalten fonnte, unbeachtet ließ? (Eines Cags 
hatte der 3unge, beßaubt und abgeriffen, mieder an 
feine tEhür geflopft. (Er mar einfach dauongelaufen 
und hatte den meiten IDeg 3U 5 uß gemacht, ohne ein 
Stücf ©eld, im freien oder in Bauernhäufern nächtigend. 
Kuf die 5rage, mas er hier fuche, erflärte er, daß er 
auf die See gehen moHe, denn ein folches £eben ertrage 
er nicht länger. 

Der Ulte antmortete darauf nichts, fondern hieß ihn nur 
ßch mafchen und umfleiden. Dann fehiefte er ihn ins Bett. 

Km andern ITiorgen nahm er den Sohn, ohne ftd? 
an deffen fragen und Bitten 3U fehren, bei der Honb 
und fuhr mit ihm nach der Stadt 3urücf. 

Hach fechs IDod7en mar der Knabe mieder da, 
diesmal ftörrifd?, eigenfinnig und uerbittert. (Er fagte 
fein IDort, felbß als ihn der Dater fchlug, fondern 
miederholte nur, daß er doch 3ur See gehen merde. 

„Das moüen mir fehen!" fagte der Ulte darauf, 
und brachte ihn mit (ßetualt abermals 3urücf, diesmal 
in ein anderes ©efchäft, da man ihn auf der erßen 
Stelle nicht mehr hoben mollte. Dort uerließ er ihn 
mit ferneren Drohungen für den 5 aH, daß er aud? 
da nicht aushalte. 

<£s ging eine IDeile, aber der Dater hörte nichts 
©utes non ihm. Der 3 nnge murde liederlich und 
nadßäffig, auf briefliche (Ermahnungen antmortete er 
gar nicht oder nur das eine: v £aß mich doch gehen! 
3 d? miH 3ur See, und menn du das nicht 3ugiebß, fo 
merde ich eben leben, mie ich muß und milll* 

(Eines Cags aber mar der 3 unge oerfchmunben 
und mit ihm eine Summe (Beides. Seitdem holte man 
nichts mehr oon ihm gehört, außer daß er in Homburg 
3ixr See gegangen fein folle. — — 

IDo mar er jeßt? Und lebte er überhaupt noch? 
Dielleicht lag er längß da unten in der Ciefe und 
fchlief, traumlos und fehnfuchtlos. Über mas holf das 
ihm, dem Dater, in deffen Seele er noch lebte und 
immer leben mürbe als quälende ©rimterung, mit 
ßummen Dormürfen und Kurtagen auf den £ippen. 

IDar er nidtf oieüeicht 3U hört gemefen gegen den 
Knaben? Hotte er nicht vielleicht mit £iebe erreicht, 


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Hummer 55 . 

mas bie (Bemalt nicht oermod?t hatte? Dod? er hatte 
ja bas Bepe feines Kmbes gemollt! 3 a, ober befap 
er überhaupt bas Hcd?t, felbft menn er ber Pater mar, 
ihm bas, mas er für b.as Bepe l^ieit, auf3U3mingen? 
X?ietteid?t märe alles anbers gefommen, menn er nicht 
fo get?anbelt hätte, ober es mürben menigpens nicht 
biefe nagenben Hormürfe, biefe immer quälenbe Heue 
an ihm 3ei?ren. 

2td? ja, bas £eben ip hart unb unbarmher3ig, Cag 
um Cag fommt unb Had?t um Had?t unb 3erbräcfelt 
unb 3ermürbt an einem, bis nichts übrigbleibt, als 
eine bumpfe, Pumpfe Bul?e unb 3ulept bas Schweigen, 
m bas man hineinpnft, mie in bas UTeer, unb mo man 
für immer oergeffen mirb. 

Ser 21 lte hatte bie 2lugen gefd?loffen, aber er atmete 
tief unb fd?mer. Uttmählid? mürbe es ruhiger unb 
ruhiger in ihm, eine munberlid?e, ertoartungsooüe Stille 
umgab ilpt, bap er Faum noch 3U atmen magte, um 
pe nid?t 3U ftören. Unb biefe Stille mar 3ugleich £id?t, 
ein milbes, fdiattenlofes £id?t, bas bas gan3e flehte 
(ßemad? erfüllte unb alle (ßegenffänbe barin burchtränfte 
unb burchleuchtete, fo bap er fogar burd? bie IPänbe 
hinburchfehen fonnte, auf bas UTeer, bas in ftillem 
(Slan3 meit ausgebreitet balag. 

„Was ip bas?" bachte ber Ulte. „Die Sonne iP 
hoch fd?on untergegangen. Was ip bas für ein£id?t?" 

€r rührte pd? aber nicht oon feinem Stp, beim er 
fürchtete, bap bas friebootte <£nt3Ücfen, bas ihn burch - 
promte, bann aufhören mürbe. 

Der £?immel mar flar unb fhrahlenb, unb bem 
Ulten fchien es, als meite er pch oor feinem Blicf mehr 
unb mehr, als müffe aus biefem rätfelhaften, tiefen 
Blau etmas höroorbrechen mie eine unfapbare 5 reube, 
ein (Blücf, bas nicht mit Hamen 3U nennen mar, eine 
fiberfchmengliche Untmort auf alle feine 5ragen, auf 
alles, mas er gemünfeht unb gehofft unb gelitten. 

21m äuperpen ^orijont fchmamm ein einiges meipes 
IPölfchen, es blähte pch unb näherte pd? mehr unb 
mehr, unb nun fah er, bap es bas Segel eines Schiffes 
mar, bas gan3 Pitt unb leicht über bas EDaffer bat?er- 
fam, gerabe auf ihn 3U. 

„Das ip feltfam," oermunberte pch ber Ulte. „€s 
geht bod? nicht ein £üftd?en, unb hoch fegelt bas Schiff 
fo fchnett, unb alle Segel pnb beigefept." Unb eine fap 
ängPltch 3itternbe, ermartungsbange 5reube erfapte ihn. 

Das Schiff fam immer näher, unb nun fah er, bap 
j?manb am Bugfpriet ftanb, bie £}anb über bie Uugen 
hielt unb nach ihm ausfdjaute, ja, gerabe nach ihm. 

„ 3 p bas nicht 3 ens," bachte ber EPärter. „<£r 
hat ja einen Bart, unb bamals mar er noch ein glatter 
Surfche, aber es ip 3öns." 

3a, unb mas mar benn bas? 3P ** nicht, als 
oh bas UTeer 3U pngen anpnge, lauter, fchmettenber, 
mächtiger? ©ber ift es eine ©rgel, eine ungeheure 
CDrcjel? EDie benn? Unb biefe hohen Cöne ba3toi|cheu 
— ift bas nicht E?arfenflang? 5reilid?, ja. <£s pnb ja 
3 aiten ausgefpannt 3mifchen Ejimtnel unb UTeer, golbette 
Saiten, unb ber lüinb fährt burch pe hinburd? unb 
toedPt biefe feltfamen tEöne. Das ip bod? munberlich. 


Seite J 559 * 

Unb mas für ein <Befd?rei ip ba unten? Uls ob 
hunberte oon UTenfd?eit ba ftänben unb riefen. EDenn 
man pe nur oerPel?en fönntel 3 a, unb auch Sd?üffe 
ba3mifchen. 

3 efet ift bas Schiff gleich am Ufer. Der £ärm mirb 
gröper, unb bie Schüffe mehren pd?. Unb 3 *ns — mie 
er fo ruhig bapet?t unb nach bem Dater hinfdjautl 
Sein (Bepcht ip Meid? unb bemegt pd? nicht — fennt 
er ihn benn nicht mehr? Hein, pet? bod?, jept läd?elt 
er, aber es ip bod? ein munberlid?es £äd?eln. Hun, 
bas thut nichts. 

ID03U aber biefer £ärm? <£r mirb immer braufenbet 
unb betäubenber. 2ld? ja, jept meip er’s. Die £eute 
empfangen 3 ons, unb pe rufen ihm 3U, alle, alle, unb 
bie Sd?üpe pnb ja 5 reubenfd?iiffe. Hun, bas ip gul 
oon ben £euten, bas ift gut, bas ip gut. Das hätte et 
gar nidp er märtet, pe maren alfo bod? nicht fo- 

Uber, nun mupte er bod) 3 *ns entgegengehen, et 
oor allen änbern. 

<£r mottte pd? erheben, oermod?te es aber nid?t. 
Die (ßlieber oerfagten ihm ben Dienp. Doch, toie 
munberlid?: er fap ja unten am Stranb, unb nun pieg 
3 ens aus, gerabeju ins EDaffer. Hun, bas mar md?t 
fchlimm, benn h^r mar es feid?t. EDarum aber maren 
bie UTenfd?en auf einmal fttfl? £ine tiefe Stille ringsum. 
Seltfam, bap man aud? feinen fahr man fühlte es nur, 
bap pe alle oerfammelt maren unb ftumm auf ihn unb 
3*ns blieften. 3a, unb ber fam nun baher burch bas 
EDaffer unb ftreefte bie 21 rme nad? ihm aus unb lad?te, 
lad?te fo h^rjlid?, mie er es als Kinb getl?an hatte. 

EDarum famt er nur nicht aufftehen? €s geht nid?t, 
nein. Unb 3 *ns fommt — aber marum biegt er nid?t 
nad? red?ts ab? <£r mup bod? miffen, bap oor ihm eine 
Untiefe ip, bas mupte er bod? als Kinb fd?on. Dod? 
er geht gerabe barauf 3U, immer mit feinem glücflid?en 
£ad?en. 

Sine furchtbare 2lngP ergreift ben 21 Iten. £r oer- 
fucht 3U fd?reien unb oermag es nid?t. EDie fott er ihn 
marnen? 

3a — unb mas ift bas? fjinter 3*ns taucht etmas 
heroor aus bem fpiegelnben, burdipditigen IPaffer, 
etmas U)eipes, Sd?immernbes. 3 P ^os ein lücib? 
<£in naefter, feuchter £eib, ein frembartig«fd?önes (Be* 
pd?t. Um ben UTunb liegt ein £äd?eln, graufam, hört 
unb bod? oerführerifd? unb locfenb. Unb bie 2 lugenl 
(Brop, meit offen, it'los, oon unbeftimmter 5 arbe, ftetig 
mechfelnb 3mtfd?en tiefffem Blau bis 311m hoflften (Brün. 
Das <ßepd?t oon £?aaren umgeben, bie, golbig*grün, 
lang nad?fd?leppen im U?affer, in bas pe gan3 über¬ 
gehen. Unb hat pe nicht Schwimmhäute 3mifd?en ben 
5ingem? 

Unb 3 «ns ahnt nichts. IDas mitt pe oon ihm? 
Sie h^bt pd?, tücfifd? lächelnb, über ihn hinaus, bann 
beugt pe pd? oon hinten über ihn, reipt ihm leiben* 
fd?aftlid? ben Kopf 3urücf unb fiipt ihn auf ben UTunb. 
€r mehrt pd? nid?t, er fann pd? nicht mehren, unb fo 
pnfen beibe, UTunb auf UTunb, tiefer unb tiefer. 

„3öns! 30ns!" flingtesflagenbunbftöhnenbobeninber 
Stube bes alten £eud?tturmmärters, bann mirb es ftxtt... 


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Sexte { 560 . 


Rümmer 33, 


Unten am Stranb wimmelt es pon RTenfchen. Sie 
fchreien, laufen, ßiir3en, raffen fleh wieber auf unb laufen 
weiter. Pereinjelte Ciditer pon £aternen unb Focfeln 
fpringen unb 3ucfen über bleiche (Eefidtfer, erhobene 
Ijänbe, über bie Klippen unb ben feuchten Sanb. XDelle 
auf IDelle, potn Sturm emporgehoben unb wieber nieber- 
gebrücft, rollt t?eran. 3erfcheflt am Fels unb fprißt ben 
Schaum weithin über bie fjarrenbe RTenge. 

Jüeiter oben auf beu Klippen fleht ein gan3er fjaufen 
2 Uenfd?en 3ufgmmengebräugt, nur als bunfle RTaffe in 
ber Äinftemis erfennbar. plößltch ein fdjarfer Knall — 
unb 3ifd?enb 3iclqt eine Rafete in leudtfenbem Sogen 
über ben fd^toarsen Ejimmel. 

Sie bringt bie Rettungsleine. 

(Eine 3weite folgt. (Eine britte / noch mehr. Sie 
3iefyen hinaus, perheißungspolle, lichte Roten in ber 
ßarrenben, ungewiffen Fmßernis, gefolgt pon ben attgß- 
Pollen Rlicfett ber perfammelten RTenjchen unb begleitet 
pon beren ZDimfchen. 

IDerben jte Rettung bringen? — 

Was mar gefächen? RTan faß in ber Kirche mit 
bem beruhigenben (Sefüfyl ber Sicherheit, unb bas un¬ 
aufhörliche Summen bes RTeeres begleitete ben (Sefang 
ber (Bemeinbe unb permifchte fxd? mit ihm 3U einer potl- 
fommenen fjarmonie 3wifd?en RTench unb Ratur. 

RTit einem RTal mürbe es bunfler. Der fjimmel, 
burd? bie teilweife farbigen 5enfler fyev unb ba nur 
fldflbar, 3eigte ein fahles, bunfles (Selb. Eine brütenbe 
Stiüe f gleich einer (Sewittermolfe, lagerte fich über ber 
üerfammlung. Um biefes bange Schtpeigen 3U unter¬ 
brechen, ftimmte ber Cehrer bie ©rgel an, aber n emanb 
flel mit (Sefang ein. Der eine ober anbere erhob fich 
fchon, pon einer ftiüeu Rngß getrieben oon ber er bem 
Rad^bar (ich nichts 5U fagen getraut Die Frauen 
beugten fich tiefer auf bie (Bejangbiid?er unb murmelten 
leife (Sebete. 

Ein IDinbßoß. Die Fenfter flirrten unb ihre bunten 
Farben leuchteten plößlid? geißerhaft auf unter einem 
Slift. Ein paarSi^el fchollerten über bas Dad? braunen 
unb fielen frachenb 3ur (Erbe. Ulan fprang auf unb 
brängte rafch ber Chür 3U, ohne auf ben prebiger 5U hören* 

IDas tpar bas? (Ein Sdmß! 

Die (Chür tpurbe Port außen aufgeriffen. Ein paar 
(Sreife unb Kinber, bie 3U fjaufe geblieben rparen, 
ßanben braunen unb fdirien. Riemanb perftanb es. 
Durd? bie offene ©für braitg bas Rraufen bes empörten 
RTeeres h^ r ^ n * Der f?immel irar gans jd?tpar3 ge¬ 
worben. Der Sturm fegte hculenb bicht am Erbboben 
hin, baß man fid? feß aneinanber holten mußte. IDieber 
richtete fleh bie Ratur gegen ben RTenfchen auf, roieber 
begann fle ben enblofen Kampf mit ihm. 

IDieber ein Schuß. Roch einer. Das fommf pom 
RIeer her. 

„Ein Sdflff! Ein Sdnff in (Sefahr!" 

RTan brängt sum Srranb. Einige holen Facfeln, 
anbere laufen nach bem Schuppen, um bie Rettungs« 
gerätfehaften herbe^ufchaffen. Der Stranbpogt fchreit. 
RTan hört ihn nicht, ber Sturm perichlingt feine IDorte. 
Rber man weiß auch fo* was 3U thun ift. 


IDarum brennt bas Ccudflfeuer nicht? Erft jeßt be- 
merft man es. £}unbert Rügen richten fich hinauf nach 
bem (Eurm, ber, faum erfennbar in ber Dunfelheit, 
fd^weigeub unb emjt in all bem £ärm ba braußen auf 
ber Eanbfpiße fleht. 

IDas ift bas mit bem Riten ba oben? IDemt man 
nur ba hmausfönnte. Rber bas ift unmöglich. Der 
fchmale Derbinbungsweg ift längß pon ben XDogen 
überfdjäumt. Unb jebes Soot wäre unrettbar per* 
loren. 

Rafete auf Rafete fliegt hinaus. Die Kanonen* 
fchüffe fchweigen. 3 ß alles umfonft? Sinb alle auf 
bem Schiff perloren? Dermag bas rettenbe Cau feinen 
3U erreichen? — 

Es wirb fiiller. Der Sturm legt fich mehr unb 
mehr. Rur bie IDogen beruhigen fleh noch nicht. Sie 
bringen einige planfen. Ein Kompaßhäuschen treibt 
an. fjalt! 3 ß öas ein RTenfch, bas Duitfle bort? 
Rootshafen her! RTan 3ieht es heran. <£me IDaffer- 
tonne. 

Rber bort, bort! Das Seil flrafft fleh. So ho* es 
hoch einen erreicht? ffilfe her! Sieht, 3ieht! 

Rod? immer fchweigt bas Cidfl bort oben auf bem 
Curm. RTan wirb morgen mit bem Riten abrechnen» 
fjat er nicht alle ba braußen auf bem (Sewiffen? 

Sieht, 3ieht! 

Ein RTenfch, jol Mm (Sott — feftl Eine B?oge 
fommt, fte wirft ihn an bie Klippen, ©b er bapon* 
gefommen ifl? 

Cangfam fommt es baher, eine bunfle RTaffe, auf- 
unb niebertauchenb. 3eßt ift es am Straub. Es iß 
ein RTaim. Das bärtige (Befld?t iß ruhig, füll, bleich» 
3 n ber fjanb holt er ein Süfch^l grünen Seetangs, es 
fleht faß aus wie Frauenhaar. 

Rod? eine Focfel her. Der Mögt beugt fleh über ihn. 

„Da ift nichts mehr 3U helfen. Rber — höbe ich 
ben nicht fchon einmal gefehen?" — 

Der Ceuditturm fleht noch immer ba, fd?war3 unb 
fchweigenb. RTorgen wirb ein anberer bas £idjt an- 
äünben müffen. 

%s> 

Frauen und Liebe. 

Kphortstnen von ßlftrta 6 tono» 

Sage mir, wie du liebft — und id> tage dir, wer 
du bi(t. # 

Die €be i(t das 5ideikommib der Ciebe. 

* 

Ciebesbriefe find Rüfle, die man durd) die 5eme 
tau|d)t. fi 

Ceidentdjaft i|t die flackernde Jlamme, die verzehrt; 
Ciebe das gefangene Jeuer, das verklärt. 

ln der Ciebe ift es fo teltfam: wenn man aufgehört 
hat, das 01ück des Geliebten zu (ein, dann ift man 
(cbon längft feine Caft. 


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Bummer 33 


Seite \ 56 |. 



Der Kurfoal in Ortende. 


Hm belgifchen Strand. 

£)irrju 9 ptjotograpt}ifcl^e Uufnaljmen. 


Der belgifche Babeßranb iß berühmt, darüber iß 
roeiter fein IVort 3U ©edieren. <£r iß eigenartig, in¬ 
fofern 3unädfß, als er nur Düne, fanbige Düne mit 
aüerfpärlichßer Vegetation 3eigt. IVas ben ^elinifdicri 
©ßfeeßranb unb bie ©ßfeeinfeln aus3eid?net, Düne mit 
IValb, bemalbete Klippen, bas fehlt ihm leiber. Klle 
Vorjüge ßnbet mau eben feiten oereint. Diefe Ver- 
fd?tebenheit ber natürlichen Vorbebingungen erjeugte 
benn auch balb eine ©öllige Kbtoeichung in ber Krt 
bes TSabeUbens, in ber Krt ber Knlage ber Babeorte. 
2ln ber ©ßfee jehmiegen ßch leßterc mit ihren Käufern 
fofett ben IVellenlinien ber Knhöhen unb IValbpartieu 
an, am belgifchen Straub ßeht bie oorberße, bie fiirß- 
liche Beihe ber StranboiHen ßramm in Beih unb (Slieb; 
crß rücftoärts ßreben Straßen unb < 5 äßd?eu toiüfürlich 
in bie (tiefe, aber immer mit bem Charafter ber Stabt, 
mit einem §uq bes Etoigen, 5 eßgefügten. Dann auch 
mattete ein (ßefeß bes Schönen, Keßhetifcheu über ben 
Babeorten felbß, roie über ber 
(Erbauung biefer eleganten Villen 
unb paläße. 3 ebe (Einförmigfeit, 
jeher bis3iplinierte t>til iß oer¬ 
bannt. Der Krchiteft ließ angeßchts 
ber £aunen bes erhabenen Borbtneeres feinen 
eigenen fchöpferifchen (Einfällen ben meiteßen Spiel¬ 
raum. Unter bem (Eiubrucf ber geroaltigcu 
03eanifchen Batur ßelen bie 5 eßeln ber afabemi- 
fdjen Konoenien3 oon ihm ab, unb er fdienfte ben 
Beptuustöditem ben Kusblicf auf ßeinerne paläfte 
mit (türmen, Balfonen, Erfern, XVölbuugen unb Briefen, 
bereu Urgebanfen unb Urbilber ßd^ rneber im £anb ber 
Söhne UTuhammebs, noch bei ben Belgiern felbft, bei 
ben (Enfelu Van Eycfs, oorßnbeit. ©fteube unb Blaufen- 
berghe machten mit biefer fürftlichen Krdüteftur, toiirbig, 
in ben Ejauptftöbten ber Nationen 3U prangen, ben Ein¬ 
fang. Unb nun ahmen ihnen bie Heineren ©rte bes 


perlenfran3es ber belgifchen Stranborte aus Kräften 
nach. Badßeingebilbe, mäd^tig unb gebrungen allerorten, 
fobalb man über bie bürren Dünen sur Küße hernieber- 
fteigt. 3ch glaube, bie ein3ige Ausnahme macht nod? 
bas fchnell auffommenbe £e <£oq, bas, mahrfcheiulid? 
infolge feiner £age in ben Dünen feloft, ben Eottage- 
unb Eh^letftil gliicFikh ertoifdtf h a t unb tochl bei¬ 
behalten toirb. £a panne, biefes eiuftige Elborabo ber 
Küußler an ber frait3Ößfchen <ßren3e, toirb mehr unb 
mehr Stabt. Knocfe, ber lefcte Babeßecfeu an ber 
hoDäubifd en <5ren3e, mit ber Kusßdtf auf tVald^eren, 
roirb halb bie 3öyüe abgeftreift haben; er faun bem 
ßeiuernen 3mang, eine Babeftabt 3U toerbeit, nicht ent¬ 
gehen. Boch mehrt bie Kntoefenheit ber großen bel¬ 
gifchen Künftler, bas Kubenfen an ben unßerblichen 
(Dermaler Vertone, ber Knocfe in bie Ulobe brachte, 
bem Untoefen ber Spefulanten. Ein, 3toei gute Saifons 
jeboch, unb Knocfe fapituliert ebenfo, roie es bie jünge 
ren Brüber f?eyß, EVenbuyne, IVeßenbe, 
(torybe, bie UTaria-, 21Tibbel-, ©oß» 
buinferfos, £a Panne unb Bieu- 
port gethan haben. Unb merf- 
tonrbigertoeife nicht^u ihrem 
Sdiabett, bertn auch biefe 
Eigenart bes belgifchen 
Straubes, baß man 
oon einem £anb- unb 
Babeleben, toie es 
uns Binnenlänbern 
oon ber ©ßfee unb 
unterer Borbfee 
her befannt iß, 
bort gar nicht 
reben famt, 
ßnbet ihre 
£iebhctber. 



Dtc „ertakadc“ tn ortende. 


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Sexte \ 562 > 


Hummer 33 « 




Die „Rue de l'BgUre“ in Blanhcnbcrghc. 


Diele lieben biefe fläbtifchc Dillegiatur aud? 
beshalb, weil fein Swang 311 Kusflügen, wenigftens 
Fein bringenber S^ang oorliegt. ZTTau lebt nur feinem 
Behagen, feiner Buhe, man wirb 311m Sd?ema. Kein 
nod? fo fyolber, frifd?er ZTTorgcn oermag bie (Säfte ber 
belgifchcn Babeorte aus ihren Betten, feine nod? fo 
3auberhaft gläuseube Zllonbnacht fpäter als fonft in 
biefe 311 treiben. Don elf bis 3wölf wirb gebabet, 
wobei man fich auch auf ber Digue begrüßen unb 
etwas plaubern barf; es ift bas bas »petit lever«. 
Had?mittags oon fünf bis fieben ift bie promeuabe auf 
ber Digue — bei uns h^fes bas „am Straube 7 ' — 
»de rigueur«. £oi[etten3wang. Dann bas Diner baheim 
ober h^ücr ben (Blaswäuben ber Rotels »ä la mode«. 
Koi^ert im Kurfaal, unb mau raufet ober wanbeit 
nad? £(aufe. Sd?wärmen, Bummeln, biefe ent3ücfeube, 
lebensluftige poefie unferer Babeorte, wer fennt fie 
hier? Blau fd?ont unb erholt, man langweilt fich oieb 
leidet nod? ba3u; aber bas ift es eben, was fo gut 
befommt. Kusfliige? Die 5 rentben muffen notgebrungen 
auf ber l^eimreife burd? bie Stabte, bie bie perlen ber 
flaubrifchen Schüße enthalten. Brügge, (Scnt, Antwerpen, 

Brüffel, Ppern — 
wer würbe fie nicht 
befud?en? Kud?wagt 
man wohl einen Kb- 
fted^er nach Sollanb 
unb 5i*aufreid? hin* 
über, weil bas „3en- 
feüs ber (Srei^e* 
ftets einen gewiffeu 
Bei3 behält. Zlber 
man reift feiten. 
Cuftig geht es bage* 
gen auf ben Ufer* 
bahnen unb clef= 


•ftreberbarke von Blanhenbcrghe. 

tr ifd?en (Trams 511, bie 5 wifd^en ben ein3elucn 0r ten oerfehren. 
Das ift bequem unb unterl?altfam, gar nid?t anftreugenb* 
ZTTan mad?t ftd? auf biefe IDeife Kaffeeoifiten, beffer ge« 
fagt Kperitipoifiten, beim Belgier unb 5rait3ofen nehmen 
ben Kaffee unmittelbar nach bent Cffen. Die Deutfdjen 
namentlid? finb baher bas (Sliicf ber Konbitoren in 
Blanfenberghe unb Deyft um bie oierte unb fünfte 
Hachmittagftunbe. 5rau ZTad?barin, noch ein STäßd?en? 


Villen an der Digue von Slankenbergbe. 


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. 2 • .* ** 









































Ztuntmer 33, 


Seite {563, 





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Oer Ortender Strand, vom Kurfaal aus Reichen, 















Seite {56^. 


Stimmer 33. 





Burgcnbauen im Sand. 

3 d? Fomme aber nochmals auf bie (Eigenarten bes beb 
giften Sabeftraubes 3urücF. 3 d] habe fie im geogra- 
phifd?en unb ardnteFtonifchen Sinn unb aud? im gefefligett 
erFlärt. (Es fehlt nur noch bie Auslegung ber gefeüfd?aft- 
lid^en (Eigenart biefer ©rte. 3 ch glaube faft, bafj He es in 
erfter Seihe ijt, bie bie leute aus bem beutfd]en J^interlanb 
fo gern unb immer mehr an ben belgifchen Stranb 3ieht, 
felbft bann noch, unb bann melleicht noch mehr mie je, 
menn in ©ftenbe bie Kugel bes Houlette nid)t mehr rollen 
rnirb. 3 n ben belgifchen Näbern meht bie Freiheit. 
Sitte, Srexfyeit unb nicht HuanftänbigFeit, fagte ich. 
^ier lebt jeber nach feinen launen unb giebt aus, tras unb 
roie er null. EHan lebt unb lägt leben, man bemunbert, aber 
man beneibet nicht. Unb bahinein raufcht unb braufi bas 
ZHeer, bas ja roohl ober übel mit oon ber Partie fein 
mufj. (ßliicfliche Kinber traben auf gebulbigen (Eieln 
uorüber ober patfdjen mit aufgerollten £jösd?en, Suben 
unb EHäbel, burch bie lachen, bie bie (Ebbe auf bem 
ZHeeresboben gelaffen hat, um Krabben unb fonftige 
Sd]altiere 3u fangen. Sie Sigue, bie Stranbpromenabe, 
monumental mit ihren glän3enben 5 Hefen, biefer unbe* 
fchreibliche Salon Fosmopolitifd?er (£legan3 unb bes 
turus, biefe Sigue. bie über bem eigentlichen Stranb in 
ber Sonne flimmert unb gleißt, fie, mehr ober meniger 
prädjtig, ift ber Stern ber Schönheit, ber traumhafte 
Sauber, ber bie belgifd]en Sabeorte umFreiji unb in 
ihrer Krt ein3ig baftehen läßt. 


Strand und Düne von CUcnduyne. 


EDen Fönnte bie Elngebuubenheit bes Sabelebens 
hier ruohl ocrleften, tr>er nur baran benFen, bas 
fliid]tige CBliicf biefer Stnnbc burd? (Sefefcc unb Se* 
benFen befchränFen 311 trollen? Ser 5reiheit Feine 
Sabefd]rdnfeu. Verraufd]t bie Sttuibe, tr>o jebe Etifette 
fällt, t>erraufd]t fo fd?nell, mie ber (ßifcht ber EDogen, 
fo Febrt bie 5orm unb höftfd]e tebensart juriief unter 
bie (Sefedfchaft, bie bes Vormittags noch gemeinfam 
fd]äFerte unb tobte, bie aber bes Sad?mittags Falt unb 
förmlid? im ftarren patter ber Komwntefil unb ber 
gegenfeitigeu Sulbung aneiitaiiber rorii ber raufcht, als 
hätte nie bie böfe IDelle ein Faprijiöfes Spiel mit ihr 
getrieben. 21ns bem IVaffer, aus bem Sinn, Fönnte 
man I>icr fagen. Unb fo muß man bem belgifd]en 
Sabeleben bas lob bes (Eigenartigen, He^uollen, pi- 
Fanten fingen. £s öffnet ftd? allen Sörien. Selbfi 
unter ben ©rten bes belgifchen Straubes maltet ja eine 
gemiffe Hierarchie. Seugen ftd? aud? bie übrigen ©rte 
oor ©ftenbe mie oor einer Königin, unb oor SlanFen- 
berghe mie oor bereu ©berhofniarfchaH — in ihrem 
organifchen EDefen, in ihrem leben unb Streben gleichen 
fie fid] alle. Serfelbe EDinb ber Freiheit, ber gefunbeu 
Elnge3tmmgenhcit meht über fie bahin, unb über ihnen 
allen funFeln bie alten Sterne ungeschmälerter Safeiits* 
freube. JVer uon ben belgifchen Sabepläfcen heimFehrt 
3u ben eigenen penaten, nimmt ein Ceild’en jenes Slutes 
munberbarer, lebensFräftiger ElrmüchfigFeit mit, bie im 

Soben ^lanberns treht 
unb fid? regen rnirb, fo 
lange bas Elleer an feinen 
Sünen fchäumt. 

Ulfreb Kubemann. 


■i 


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2 lbb. {. Sechsfältiges Spinett aus dem 16. Jahrhundert. Ubb. 2. Kleinem und grösseres italicnifches Cpmpanon. 


Die grösste itlusikinstrumentensattimlung. 


£Sier3u 7 pfyotogrflptjifdje Uufnatjnien. 


Kuriofa unb Unifa aufs (Serdtewohl einige wenige illufiratio 
unb befcfjreibenb porjuführen, um ihn baburdj 3um fpäteren 
Befud? ber Föniglidjen Sammlung an3uregen, bie freilich erft 
im Fommenben fjerbfi in ben eigens für fie beftimmteu 
Hiefenfälen bes neuen Charlottenburger fjeims unferer König* 
liefen Jjodjfchule für IHujtF bem publifum 3ugänglich fein wirb. 

Kuf Kbb. 3 erfennt man 
unfehwer in betn aufrecht- 
fiehenben (flügel bes ehemalt* 
gen Wiener 3 n ßtunienten* 
bauers 3* JPachtl einen Dor» 
gänger itnferes heutigen 
ptaninos. Der Befonan3- 
hoben bes aus bem Knfang 
bes neun3ehnten3ahrhunberts 
fiamtnenben 3uf*ruments ift 
aufwärtsgerichtet; burd? bi tfe 
fenfrechte £age ber Saiten 
3ur (Eafie wirb ber Jammer* 
tnechanismus natörltd? gleich¬ 
falls peränbert: ber Qam* 
mer fdjlägt bie Saite nicht 
pon unten, fonbern feitlid? an. 

0ffenbar hat ber Crbauer 
bei einer berartigen tedj* 
nifchen Spe3ialität in erfier 
£inie auf bie bamals in 
Bürgerhäufern üblichen Fiel* 
nen Stuben Bebaut genom¬ 
men; benn ber Dorteil ben 

ber S lügel gewährt, begeht fafi Iebiglich in ber jiarFen Baum» 
erfparnis beim Kufjteüen, währenb ber Nachteil barin 3U 
fuchen iji, baß bie aufwärtsftrebenbe redjtwinFlige Dreiecfs- 
form fich nicht jebem Simmerinterieur wohlgefällig einorbnet. 
Diefen äjihetifd? fühlbaren IHtßfianb hat ber Künßfer burch 
eine gefdjmacfpoll angebrachte Draperie unb burch allerlei 
(figurenwerF, befonbers burch eine wunberpoll aus £7013 ge* 
fchnifcte Kpolloftgur mit pergolbeter £yra, erfolgreich wett- 
3ttma<hen perfucht. Buch in allen übrigen €in3elteilen perrät 
ber (flügel bie Sorgfalt eines IHeiJters, ber mit feiner 
Schöpfung inbtpibuell perfchmi^t* 

(Ein aufgeFlapptes, 3um Spielen fertiges Bibefregal bietet 
uns Bbb. 5 . Das Bibelregal ift eine (Erfinbung bes nürn¬ 
berger 3 n ß r umentenbauers BoH, ber im fech3ehnten 3 al l r# 



Ubb. Dr. Clfar Snoedt, 
bisher Öeftfcer ber ©enter OTuflf* 
inffrumentenfammlung. 



Die Berliner Königliche Sammlung alter XHuftFinftrumente, 
bie unter ber thatfräftigen £eitung ihres Begrünbers unb 
langjährigen Dorftehers, bes Uniperfttätsprofeffors Dr. 0 sfar 
^leifcher, eine immer ftch fteigernbe Beachtung gewann, hat 
unlängft burch ben BnFauf bet Snoecffchen inufiFinfkumenten* 
fammlung in <Sent einen imponierenden Zuwachs erhalten, 
ber infofern entfeheibenb für ihre Bebeutung ift, als er fie 
mit einem Schlag an bie Spitje felbfi ber h erD °rragenbfien 
aller ähnlichen ftaatlichen unb prioaten Sammlungen ftellt. 
IDir perbanfen biefen in wiffenfchaftlicher, Fünftlerifcher, wie 

Funjigewerblicher Ejitt- 
ficht gleich wichtigen 
(Erwerb ausfdjließlich 
ber weitjtchtigen £ibe- 
ralität unferes Kaifers, 
ber bie ZTCütei ba3u im 
Betrag pon 3weimal* 
hunberttaufenb ZTTarF, 
nachbem bas preußifdje 
(finan3minijterium 
jahrelang gesäubert 
unb ftch 3weimal 
gerabesu ablehnenb 
perhalten hatte, gro߬ 
mütig aus bem Fatfer- 
liehen Dispofttions* 
fottbs* bewilligte. 

(Es Fann hier 
felbftperjtänbltch ber 
hohe JDert biefer an* 
erFannt berühmteren 
prioatinftrumenten* 
fammlung ber Welt, 
bie fich aus mehr als 
3wölfhunbert Hum¬ 
mern 3ufammenfefct, 
nicht einmal anbeu- 
tungsweife erfchöpfenb 
gewürbigt werben. 
JDtr müffen uns piel* 
mehr barauf befdjrän» 
Fen, bem tiefer aus 
^ ber fülle ber por- 

^lOgcl aus dem Hnfang des 19. Jahrhunderts, hanbenen Baritäten, 




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Seite { 566 . 

fjunbert auf bie 3 & e * Jam, als (Erfak für bie Orgel eitt 
fleineres Juftenment 3« erbauen, bas nicht tute biefe einen 
umfangreichen Kpparat an Pfeifen unb Bretterwerf brauste 
unb hoch einen fynreicbenb ftarfen Klang von fid? gab, um 
beim (Sottesbienjt ben (ßefang ber (Semeinbe 3U unterfiü^cn. 
(Er er3ielte biefen Klang burch bie Knwenbung fogenanuter 
Schnarrpfeifen, beftehenb aus Meinen Uletallfapfeln mit ab* 
geftimmten gungeit, bie burch ben tPinb eines Blafebalgs in 
Pibration gebraut mürben unb beim Spiel ber finget auf 
ben (Taften erflangen. (Sewiffer- 
maßen ift fo bas Bibelregal ber 
Khn unferes heutigen fjarmoniums, 
bas freilich im £auf einer bret« 
hunbertjährigen (Eutwicflung, unb 
namentlich im letjten 3 a h r 3 e h n h 
an Klangfdjönheit unenblid? ge« 
wonnen t^at, bafür aber auch immer 
größer unb Fompl^ierter geworben 
ift. Bon bem lächerlich primitiven 
Porfahr Fonnte man naturgemäß 
Feine ^Immebharmonien erwarten. 

Per (Ion ift fdjnarrenb, Fnarrenb, 
quietfdjenb, fo baß feine oft unfrei¬ 
willig Fomifche tPirfung noch heut 
in bem Kusbrucf „Schnurrpfeiferei" 
fpridjwörtlich weiterlebt. 3 n ber 
Damaligen religiöferen geit burfte 
3war biefer a03u irbifdje Klang bes Bibelregals, bas 
in feine ei^elnen (Teile 3erlegt unb vom ©rganifteit bequem 
unterm Krrn getragen werben Fonnte, wie vom paftor bie 
Bibel, bie frommen Kirchgänger Faum in ihrer Knbarfjt ge« 
ftört haben. Pon ben fehr wenigen auf uns geFommenen 
(Exemplaren bes Jnfteuments gilt bas in ber Snoecffchen 
Sammlung als bas fdjönfte; es ijt aus Buchsbaum gefertigt, 
Funftvoll in (Einlegearbeit ausgeführt unb trägt auf bem 
Sammetbe3ug bas feibengejticFte iPappeu bes Karbinals 
be (Sranvelle. 

Kuch bas fechsfaitige Spinett aus bem fed^ehnten Jahr- 
huubert, bas Kbb. \ 3eigt, würbe mit feinem näfelnben (Ton 
einem paberemsFi ober b’Klbert fchwerlich genügen. Be« 
merFenswert an biefem Jnftrument ift bas allerliebfte, mit 
«Emblemen aus ber tPelt ber (Tiere unb Harren gefchmücfte 

(Seinälbe auf ber 
Jnnenfeite bes 
hodjgeFlappten 
PecFels, bas in ber 
Tjauptfadje bie fo« 
genannte Katjen« 
orgel König Phi¬ 
lipps bes gweiten 
von Spanien bilb* 
lieh vot Kugen 
führt. Pie Kaken¬ 
orgel war bie grau* 
fame €rfinbung 
eines in Ungnabe 
gefallenen Höf¬ 
lings, ber Ka^cn 
verfchiebener<ßröße 
unb verfchiebenen 
Klters bergeftalt 
in eine leere Orgel 
fperrte, baß bie 
Pfoten ber gequäl¬ 
ten (Tierchen bie 
(Taften unb ihre 
Schwäne bie Blafe* 
balg3Üge bilbeten; 
burch Prücfen ber 
Pfoten unb giehen 
ber Schwänje Farn 
eine Kakenmuftf 
21 bb. 6. Tier veiTdriedene pormen der Haute, im watjrften Sinn 


Hummer 33 . 


bes IPortes 3U jianbe, beren Flägliche (Töne bie Ohren bes 
bigotten Königs wie feiner höftfd?en Schmeichler mit 
höchftem <Ent3Ücfen erfüllten unb bem fchlaueu (Erfinber bie 
(Sunft bes XHonarchen im f lug 3urücfgewanneit. l7eut3utage 
würbe man gegen eine fo raffinierte Brutalität vermutlich 
fchleunigft bie pol^ei unb ben (Tierfchuk^erein mobil machen. 

Kuf Kbb. 2 erbltcfen wir oben ein Fleineres, unten ein 
größeres italienifches (Tympanon, gebräuchlicher gimbel ge¬ 
nannt, beibe Porfahren bes fpäteren Spinetts, beffen Harne 
KIavt3imbel an ben noch heute 
üblichen Hamen btefes Jtiftruments 
erinnert. IPer jemals, etwa in 
einem ber vornehmen, ariftofra« 
tifchen Beftaurants im IPiener 
Prater, echte gigeuner mit unver* 
fälfdjiter orientalifcher Perve unb 
Pirtuoftiät bas gimbel fpielen hörte, 
ber wirb es beit Pamen bes adft- 
3ehnten Jahrhunberts gewiß nicht 
verbenFett, baß fte bas bamaltge 
(Tympanon 3U ihrem Lieblings« 
inftrument erForen. gu ben eifrigften 
Liebhabern bes h eu ^9 € n gigeuner- 
3imbels gehörte ber verftorbene 
Johannes Brahms, ber gern unb 
häufig feinen perlenben Klängen 
3U laufdjen pflegte. 

Kudj bie Laute, von ber Kbb. 6 vier verfdjiebene formen 
aufweift, war einmal, vornehmlich im fed^ehnten unb fieb- 
3ehnten Jahrhunbert, bas bevor3ugte Jnftrument ber feinen 
(Sefellfchaft, unb fte fpielt noch heute in ben l?er3ensergüjfen 
fchmachtenber poeten eine Bolle, obwohl nicht viele von ihnen 
ein leibhaftiges (Eyemplar biefer iSattung je gefehen hüben 
bürften. Unter ben vier auf bem Bilb vereinten größeren 
unb Fleineren Lautenvarietäten ift bie linFsfeitige, größte 
eine fran3Öftfche Baßlaute, ber man ben wunberlichen, noch 
nicht erFlärten Hamen (Theorbe gegeben hu** 3 h r * untere 
franjöftfche Kollegin 3eid?net ftd? burch befonbers re^volle 
Fünftlerifche gier aus: auf bem hellgolbenen LacF finb farbig 
fchön abgeßimmte (Suirlanben fidjtbar, unb bas XPirbelbrett 
wirb von bem prächtig gefeiltsten Kopf einer gepokerten 
unb behelmten frau, einer Krt IPalfüre, gefrönt. Pie obere 
Laute ift englifche, bie redjtsfeitige italienifche Krbeit. 

gwei Lauten fleinfter form aus bem ad^ehnten Jahr¬ 
hunbert, wie fte noch heute in ben italienifchen Ulanboiinen 
ftch lebenbtg erhalten hüben, fhtben wir linFs uttb rechts unten 
auf Kbb. 7 . Pas IHittelftücf uumittelbar barüber fiellt eine 
fiügelharfe aus bem fteb3ehnten Jahrhunbert bar, beren 
burebgehenber Befonan3boben beiberfeitig, vorn unb hinten, 
mit bünneit 
HTetallfaiteu be* 

3ogen ift unb 
bie man, vor 
fid? auf ben 
(Tif<h geteilt, 
mit beibenb)än« 
ben fpielt. gu 
ben perlen ber 
Sammlung 3äh« 
len bie IinFs 
unb rechts ber 
fiügelharfe ab* 
gebilbeten 5wei 
UTinnefänger« 
harfen aus bem 
fünf3eh»iten 
Jahrhunbert, 
beren wehmü¬ 
tige Betrach¬ 
tung eine gan3e 
Beihe Iyrifcher 

(EmpßtlDungen 7 Zwei Minnefängerbarfen, «<ti« -ftQgetharfe 
auS3Ulofen ver< und zwei Meine JMandolinen. 





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Humtner 33 . 


mag, n>enn auch bie Saiten biefer Warfen jerriffen finb unb 
% ftlberner Klang längjt für immer perhallt ift. 

Pen finbigen (Entbecfer unb unermüblichen Käufer all ber 
feltenen Koftbarfetten, bie bie Sammlung enthält, lernen mir 
auf Kbb. fennen: fie 3eigt uns ben *898 perftorbenen 
(Senter Kbpofaten unb (Sroßfaufmann (Eharles de'far Snoecf 


Seite ^ 567 . 

(fprief? Snncf) als jungen IHann, umgeben pon feinen £teb* 
lingsinjirumenten, beren eins, bie Baglaute, mir fd?on oben 
ermähnt haben. Unter ben übrigen 3 wftrumenten fallt neben 
(Seigen, Klarinetten, IHanbolinen unb Schalmeien ein Serpente 
genanntes Sei?langeninfirument befonbers auf; auch an einem 
fdjottifchen Pubelfacf fehlt es nicht. mar Stempel. 


Byltcr Sommertage. 

^terjM 2 pbotograpbifd^e Uufnabmen. 


Die größte ber norbfriefifchen ^ufeln im fchlesmigfcheit 
IPattenmeer, bas altfriefifche Silenbi, Seelanb, jegt Sylt, fiet?t 
pon 3 ahr 3U 3 a hr «iw feftes, ftets mieberfehrenbes Stamm* 
publifum auf feinem Boben. ZIid?t ber £ujus moberner 
IHobebäber, nicht übermäßige €lega«3 unb jeglicher mühfam 
ber fjauptftabt entnommene Komfort 3teh«n biefe (ßetreuen pon 
Sylt in jebem neuen Sommer an ben fturm* unb mogenreicheu 
Stranb. Bein, im (Segenteil, man hat fid? tnit fleiß unb 
(Erfolg bemüht, jenes bem mirflid? (Erholungsbebürftigen un* 
erträgliche Uebermaß pon Kulturmohlthaten unb Kafftnements* 
fortfihritten biefem ungefeffelteu, echtejien Ztorbfeebab fünftlidj 
oor3uenthalten. Pas milbe HTeer bort oben mill nicht übertrie* 
benett (Senuß, fonbern freies (Senießen, nicht milbe jortfegung 
bes (Sroßftabtlebeus, fonbern frifd?en, fröhlich« 11 Kampf mit 
XDinb unblPetter, nicht parfümierte, roohlanftänbig frifierte See, 
fonbern Sturm unb tPellen feinem Jreunb unb (Sönner geben. 


Parum fommen nach Sylt nicht bie UTobeluftigen unb bie 
3 nternationalen. €in treuer, naturfreubiger Stamm pon 
Babegäften, ein paar (Eaufenb metterfefter ITCenfdjen fehren 
jeben Sommer mieber unb fuchen unb finben bort neue Kraft. 
Kudj in biefem böfen Sommer unferes IHißoergnügens bauen 
in IDefterlanb unb IPennigftebt bie Unermüblichen ihre fühnen 
Stranbburgen unb trogen allem XDafferüberffuß unb Segen 
non obert. Penn auch im Hebel, in ben mafferferneren 
Pünften unb Schmähen, bei grauem, bumpfrollenbem IHeer 
mit ben meißen, fid? überfchlagenben Schaumfronen ift Sylt 
fchort unb genußreich. 

Per gemeinfame ^amilienbabefiranb, ben bie Babeoer* 
maltung als eine ber erften in Peutfchlanb ber 3ufammen* 
gehörigen familie eingeräumt hat, giebt (Eltern unb Kinbern 
neue ^freuben unb ungeahntes Behagen. Per ftetig, unauf* 
haltfam falienbe Kegen hält bie Jamilienmttglieber fo mie fo 






II 

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w * 



Scene aus dem Sptter Luftrptel: „Der freier von ^orfum“ von J. ^ohannfen. 


Pie beiden Ciebesleutc erhalten hie €iiii»illitjung bes Paters 3 u r £j e i r a t. 














Hummer 33 . 


Sette {568. 

fdjott eng 3ufam- 
men, man brängt 
ftd? in bie fletnen 
Stuben unb bet 
nur einigermaßen 
erträgtidjemlDet- 
ter in bie Straub- 
färbe, man braut 
fidj (grogs, trinft 
gemeinfam eine 
mächtige „Selter 
VOe Ile", einfteifes 
(gemifdj von 
punfdj, Hotmein, 
gitrone unb 
gucfer, ober fpielt 
einen foltbenSFat, 
mieihnunferBilb 
aus bem Sylter 

Atelier bes 
IDefterlänber 
IHalers Korman 
lebenbigporführt. 

Da fttjeu be¬ 
rühmte (großen 
ber Berliner Htu- 
ftfwelt, ber fjof« 
ceUijt (grünfelö, 
ber Kammeroir- 
tuofe profeffor 
gajic, ber Kam¬ 
merfänger ber 
IDiener ßofoper 
Demutf), mit bem 
3nhaber ber ge¬ 
mütlichen Stube 
fröhlich bekom¬ 
men — bei Kar¬ 
ten, (Eobaf unb einem guten (Eruitf. 

Unb wenn man nicht berart genießt ober nicht babet ober 
nicht fchläft, bann Fann man auf biefer frönen 3 n W eine 
ber intereffanteften ethnographifcheu Stubien machen, bie uns 
Deutfdjlanb überhaupt noch bietet. (Es geht auf bem Sylt ber 
heutigen (Eage ein ftarfer gug bes 3 nter effes pon IDeften, 
pon iPennigftabt unb EDefterlanb, nach ©fielt, nadj ben 
uralten Dörfern Keitum unb XTCorfum. 

Die Kultur hat 3war auch hier, wie allerorten, bic fchone 
Sylter (Eracht, bie eigenartige Sylter Bauart ber Käufer, ben 
fiättbigen (gebrauch ber Sylter Sprache fiarf in beit Ejtutergrunb 
gebrängt, aber hoch fann man in biefeit Dörfern all bies in 
feinen Urbefianbteilen noch ftnben, ber Sylter hat hin* feine alten 
(Erachten noch, er fpricht noch feine alte, friefifcbe Sprache. 
Unb es ift ein 3weifellos großes Derbienji pon Sprach« unb 
Dolfsroiffenfchaft, wenn biefe alten, echten Beftanbteile burch 
Stubien unb Hieberfchrift, burch Fünftlerifche Bearbeitung unb 
Darftellung ber Dergeffenfjett unb Derfümmerung entriffen 
unb erhalten werben. Die Sylter Sprache (jü Sölring fprof), 
bie fi<h natürlich am reinften in ben pom Jrembenoerfehr 
abgelegenften (Drten, in Keitum, Krdjfum unb IHorfunt, be¬ 
wahrt hat unb bie noch heute pon ungefähr 3000 (Ein¬ 
wohnern ber 3 «fel gefprochen wirb, giebt ein typifcbes Bilb 
ber ^riefen, einem harten, energifchen (gefchledjt, poll (Eigenart 
unb IDiberfpruch, aber feji in ftdj felbfi unb — tute ber 
Sylter IDahrfpruch lautet — lieber tot als Sflao! 

(Ein Sylter gimmermann aus Keitum, ein armer, ferner 
arbeitenber IHenfch, 3arf 3°hannfen, hat burch feine luft, 3U 
fabulieren, burch prächtige Sylter Schaufpiele bie allgemeine 
Kufmerffamfeit ber Kenner auf Urfprache unb Sitte btefer 
alten Briefen gelenft. €r bichtet in feiner freien geit nach 
bes (Eages Krbeit, er tji Hegijfenr feiner Stücfe unb Ejaupt- 
barfteller, er führt bie langen, ftillen XDinterabenbe über feine 
Sdjwänfe unb luftfptele im Derein mit jungen Syltern auf 
unb ftnbet bei ben gufchauern lebhaften Beifall unb ftets fich 
fielgernbe Knerfennung feines Schaffens. 


Bis oorfur3em 
waren biefe 
Schaufpiele nicht 
gebrurft, aberbodj 
allenthalben be* 
fannt, fte gingen 

beinah homerifch 

pott IHunb 3U 
ITIunb, unb 3a # 
hannfens lieber 
würben überall 
gefungen. Der 
(greifswalber 
Unioerfttätspro- 
fefforDr.(Eheobor 
Siebs hat 3wei 
Stücfe 3 <>hann- 
fens nieberge- 
fchrieben, mit 
Ueberfetjnng, (Er¬ 
läuterungen unb 
IDörterbuch per- 
fehn uttb unter 
bem Citel: „Syl¬ 
ter luftfpiele 11 , 
ben „freier pon 
Worfum* unb bie 
„liebes Werbung 
auf Sylt" h*rans¬ 
gegeben. Dielie* 
beswerbung ift 
ein gereimtes 
Sylter tieberfpiel 
in einem Kuf3ug; 
fchon bas per* 
fonenperjeichnis 
fchafft eine gute 
laune: 

Kn ne llTarie, ein junges Blut — 

Sylter Sdjlag, poll Uebernuit. 

Jriebrich (Seemann), eiferfüchtig, 
liebt fte fehr, ift brau unb tüchtig. 

Soren (Btirftiecht), ift ein IHann, # 

Der nur halbwegs Sylterfd? fann. 

ITC et t, Sörens Sdjwefter, wohnt gan3 ttahr 
^ührt ihre Fleine IDirtfchaft ba. 

Das ift eine urfprüngliche, föftiidje Haiuität, bie an E?ans 
Sachs erinnert. Der 3 «halt bes Stücfes ift bem perfonen* 
pe^etchttis entfprechenb. 

„Der Jreier pon ITCorfum" (Di Frier fan Moasum, En 
klöchtich karakterskelt me sjungen On gen aptoch), ein 
luftiges dharafterbilb mit (Sefang in einem 2Juf3ug, 3eigt ben 
Kampf eines luftigen, übermütigen Liebespaares mit einem 
unerwüitfchten freier, ber nach ber perfonalcharafteriftiF „ein 
einfältiges; butnmes, gutes ITCenfchenfittb aus ITCorfum" ift. 
Das StücF beginnt mit einem einfachen Duett, bas bie 
liebenben nach einer alten Sylter (Ean3weife fingen: 

(Er: Sehnenb pom Hachbarhaus 
BlicF ich nach btr ftets aus; 

VOt iß hoch gan3 Sylt genau, 

IDonach ich fchau. 

. Sie: IPir werben IHamt unb <frau, 

Pater ift hoch nicht fo fchlau; 

ITCag er auch brobtt unb fchrein, 

IPir fagen nein! 

Beibe: ’s ift ja bod? nicht meine Schulb, 

(glaub mtr’s unb hab (gebulb! 

I7er3innig lieb idj btd) 

So wie bu mid?. 

Die 3wei proben geben ein einbrucfspolles Beifpiel pon 
ber fchlid?ten, wahrhaften Polfspoefte, bie hier in &er 
gefd?loffenheit ber 3 nfel, auf bem Boben eines reinen Dotfs* 
dharafters unb eines unpermifdjten Sprachftamms blüht 

5ri$ f'oüberg. 



I. Kaninicrfdngcr Demütig (Wien). 2 . Kammeruirtuofe (Berlin). 3. l>ofcellijl ©rünfelb (Berlin). 

4 . lllaler Korivan (Weilcrlnnt)). 

ein gemütlicher Skat im Künrtleratetier. 

SdjaubQamburg, pbot 


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Rümmer 33. 


Seite \569. 


Bilder aus aller Welt 



|. ZHajor i\ b. €fd?. 2. ITlajor 3odjmus. 3. ZHajor i>. Steubrn. 4. ITlajor Kubl. 5. ITlajor ISabnborf. 

Ton der Schiessflbungsrcire der Hbtcilung III b der Kriegsakademie: Gruppenbild der Ceitnehmer. 

ftofpfjot. Karl Kentbe, €ifenacf?. 





Per Caflroagen ber üerfcljr stru ppen. ITlotoromnibus (I. preis). Cajliuagrn (II. preis). 

Von der Konkurrenzfahrt der J>flotorlartwagen Hcipzig-Strenach. 

Sofpbot. K. 3flgcmajut, €ifencidj. 



Das itatienirche Kriegsfchiff „Carlo Hlberto“ (m Kieler Daten. 

pbot. Kribur Kenarb, Kid. 


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Seite * 570 . 


Hummer 55 . 



i^nnnr^ & 





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S’ÜL'üS. Wk>> 


'Wm 1* i 

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- 1 .• 


Tom Betuch der CSehter des Srbgrossberzogs von Luxemburg, prfnzeffin JVIaria Hdetbeid und Charlotte, 

bei ihrer ©rofj mutter, ©roftberjogin von Cure in bürg, in Hönigflein im ITainius: Begrünung burd? hie 5cbuljugcnb. 

5- Schilling ptjot. 



Hubolf Manga 23eU. Manga 23eü. Enthüllung bes Penfjleins jur Erinnerung an hie Sd?lad?t 

M a n g a Bell, Kameruns 0 bertjäuptling, unb fein Sotjn Hubolf »ott 3bflebt (1850) 

Manga 23e11 in Berlin. auf bern 5riebl>of uon Marne in Süberbittjmarfdjcn. 

Spejialaufnabmc für bie „tToche". _ Eh. Sacfens, Marne pl?ot. 


Schluss des redaktionellen Celle. 



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flummer 34. 


4. Jahrgang 


DiewocHe. 


Berlin, den 23. fluguit 1902. 


Inhalt der nummer 34. 

Pie ftehen (Tage bet lBod?e. 

llntfdidu.. . . . . 

Pie Hibdungcnfpiele ju pöd?Inm. Ton ^gnaj pauer. 

Cable b’hote. 

Uitfere ©arhrfdjüften in Kt^einsbrrg. Bon pciul Blifc. 

llnferr Bilber. 

Pas Budj ber VOod>t . 

£rauend?romf. 

Pie (Toten ber IBodje.. 

Pie Borfentrocbe. 

Bilber vom (Tage. (Pljotograpbifd?e Kufnofymm).. 

©wenbolin. Konum von Kuguft lltemnnn . 

Pie Brieftaube im Kriegs* unb Serbienfl. Bon €. ITlillcr. 

2Ius ber JPeit ber Blaujatfen. Bon ©r<tf €. Keoentlow. (ITlit (0 Kbbilbg.) 
©emurjnelff unb Kofospalme. Bon Kurt (Toeppen. (ITlit 4 Kbbilbungcn) 
2Iuf ben ^äröer. Bon Karl €ugen Sdnuibt. (ITlit 8 Kbbilbungen) . . . 
Per pariier Kobinion. Bon Käthe Sthirmacher, Paris. (ITlit 3 Kbbilbg.) 

€s war ein alter KSnig . . . Bon Hubolpf) Straft. (Seeluft). 

€ine polnifcbe (Tragdbin in ihrem Beim. Bon 3. Corm. (Hit Kbbilbung) 
ZTeues von ben 3mfern. Bon Pr. €. Babe. (ITlit 3 Kbbilbung eti) . . . 
Pie Iirben nädjften. piauberci oon lTlaf Krefter 

Pie Ueberjarte. ©ebidjt uon €Ifa Caura uon IBoIjogcn. 

Pas erjle ©ffijiersbamenbcim. Bon Cblobwig ©raf tu Satn*U?ijlgenftcin. 

(ITlit 4 Kbbiibungen). 

IPas bie Kidfter fagen.. 

Bilber aus aller IPelt ...• , 


Seite 

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(610 
16U 
1612 

1613 

1614 
16(5 


J 9 

Man abonniert auf die „CHocbe“: 

in Ber Mn unb Bororten bei her fyiuptefpcbition ^immerftrafce 57/4(, fow e bei ben 
Filialen bes „Berliner CofaNKnjeiger^' unb in fämtl. Budjbanblunqen, im 
P e n t f dj e n H e i d? bei allen Bud?l?anblungen ober Poflanftalten (3cnung»*prei*lifte 
Bi. 822(); unb ben ©efd>äftsjlellra ber „tBodje": Bonn a. Rh., Kdlnflr. 29: 
Bremen» (Dbemftr. 29; Breslau, Sd?weibnifterffr. €rfe Knrlfk. (; Caffel, 
d’bere K&niqflr. 27; Chemnitz, 3««ere 3ol}<*«nt*ftr. 6; Dresden, Seetft. (; 
DöfTcldorf, Sdjobowfh. 69; Clbcrfeld, ^erjoafh-afte 38; 6(Tcn a. Rh., 
timbecferplaft 8; frankfurt a. Jd., geil 63; Görlitz, Cuifenfhr. 16; Balle 
a. 8., OTinelftr. 9. €cfe Sdjulftr.; Hamburg, Heuerwall 60; Bannover, 
©eorgßrafte 39; Karlsruhe, Kaiferfhr. 34; Kattowitz, poftfk. (2; Kiel, 
ftolfienfirafjr 6; Köln a. Rh., fjot?ftfr<ifce (45; Kdnigsbcrg i. pr., 
Kneipljftffcte Canggaffe 55; Leipzig, petersftrafce (9; Jdagdcburg, 
Breueweg (84; Uneben, Kaufingerürafte 25 (Pomfreibeit); Nürnberg, 
(orenienlrafte 30; Stettin, Breiteflrafce 45; Stuttgart, Königflrafte U. 
CUiesbaden, Kirrfjgaffe 26; Zürich, Kenn weg 48. 


3eder unbefugte Jtachdrudt aus diefer Zeitfchrift - 
wird ftrafrechtlid» verfolgt. 



Die sieben üage der Woche. 


14. flugult. 

IX>te aus £yott gemelbet mirb, t^at bas bortige Appellgericht 
bie Anlegung oon Siegeln an ber ®rbensfd?ule pon Saint 
(Charles für ungefefelid? erklärt. 

Beibe Kammern oon Eleufübroales nehmen ein (ßefefe be« 
treffenb bas XDahlredjt ber frauen an. 

15. fluguit. 

Der Kalter trifft jum Befud? ber Ausstellung tu Düffel« 
borf ein unb tritt pon bort aus eine Bheiureife an. 

Aus £übenfd?eib fommt bie tladjricfjt pom Ausbruch 
einer heftigen (Eyphusepibemie. 

3n Hamburg bridjt megen einer neuen oon ber polijei 
erlaffenen DrofdjFenorbnuiig ein gemeinfamer Streif ber 
Jn^rlierren unb Kutfdjer aus. Sämtliche nummerierten 
DrofdjFen unb (Earameter bleiben aufcer Betrieb. 

3 n China mirb bie Uebergabc (Eientfins an bie djineftfehen 
Beworben pol^ogen. 

Bad? ber amtlichen §SljIung ber bei ber Keidjstags* 
erfafemahl im Kreis Kulmbad? • ford^cim abgegebenen 


Stimmen ift eine Stichmaß 3roifd?en b^m Kanbibaten ber 
gentrumspartei unb ber ITationattiberaleii notmenbig. 

16. fluguit. 

Die Buretigencrale Botl?a, De lüet unb Delarey Fommen 
in fonbon an, mo fie uon Hoberts, Kitd?ener unb Chamber* 
hin empfangen unb pott ber BepöIFerung begeiftert begrüßt 
merben. 

Das beutfd?e Kriegsfdjtjf „< 3 a$e\le" gel?t pon Cura^ao 
nad? £a (Suaira, ber X^afenfiabt pon Caracas, in See. 

König Cbuarb pon Citglanb l?ält auf ber Beebe pon 
Spitl?eab eine Jlottenparabe über (08 Kriegsfc^iffe ab. 

17. fluguit. 

3 m Xfafeu pou Kapßabt finbet ein gufammenftog 3U)if(^en 
ber britifdjen BarF ^ffigfJelbs" unb bem Hamburger Dampfer 
„Kaifer' 4 ftatt. Diefer mirb nur leid?t befd?Übigt, tpätjrenb 
bie BarF 3U (Srunbe get?t. Don ber Befaftung merben nur 
pier Perfonen gerettet, müfjreub breiunbjmanjig ben Cob finben. 

Kus Caracas mirb geinehet, bag bie Kommanbanten ber 
frembeit Kriegsfd?iffe por Punto Cabello mit bem Befehls¬ 
haber ber Stabt für ben JaU eines Angriffs ber KufftSnbifcheu 
auf bie Stabt Dereiubarungen 3um Schüfe ^ ct ^XusISnber 
getroffen haben. 

18. fluguit. 

3 « ber Bretagne merben bie lefeten brei ®rbensfd?ulen 
gefd?Ioffen. 

3n ^franFretch merben bie Stfeungen ber (Seneralräte 
eröffnet. 

19. fluguit. 

Bei ber CnthüIIung bes Katferin «friebrtchbenFmals in 
Xfomburg d. b. X). hält ber Kaifer felbft bie (Sebächtnisrebe 
auf bie pereroigte DTutter. 

Cine Derfammlung ber Kusjtänbigen In Xfamburg be« 
fdjliejjt, ben Drofd?FenftreiF einftmeilen ausjufefeen, unter ber 
Dorausfefeung, baß bie neue Drofd?Fenorbnung geänbert mirö. 

Der Sdjmeijer Bunbesrat perbietet 3roölf fran3Öfifchen 
®rben unb Kongregationen ben meiteren Aufenthalt in ier 
Ciögenoffenfd?aft unb forbert fie auf, bie Sd?mei3 innerhalb 
brei IHoiiaten 3U perlaffen. 

Die Burengenerale Bothg, De XDet unb Delarey treffen 
im X]aag ein. 

20. fluguit. 

3 n Julba tritt bie Konferen3 ber pren§ifchen Bifd? 5 fe 
3ufammen. 

3 n Kronbcrg finbet unter Teilnahme bes Kaifers bie 
CnthüIIung bes Kaifer JriebridjbenFmals ftatt. 

SS» 

Umldiau. 

Die Ablehnung ber IHittel für Kun^mecfc bur<h bie 
DTehrheit bes bayrifd?en Abgeorbnetenhaufes hat ben Kaifer 
3U einer bemerFensroerten Kunbgebung peranlafjt. 3 n feiner 
temperamentpoüen Art hat er an ben prin3regenten £uitpolb 
ein Celegramm abgefanbt, morin er feiner Cmpörung un« 
gefd?minFten AusbrucF perleiht über bie fd?nöbe XXnbanFbarFeit, 
benen fid? nad? feiner Anffaffung bie Kammermehrheit burd? 
ihren Befchluß gegen bas Xfaus XDittelsbach unb insbefonbere 
gegen ben prit^regenten fdjulbig gemacht hat. gugleid? 
bittet ber Kaifer, bie abgelehnte Summe sur Verfügung ftellen 
3u bürfen. 3 n feiner Antmortsbepefd?e fagt ber prin3regent bem 
Kaifer für fein hoäjh*^** Anerbieten märmften Danf unb 
fügt h» n 3^ burd? ben Cbelfmn eines feiner Beid?srSte bie 


/ 


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Seite J 572 . 


• Hummer 3 ^. 


bayrißhe Negierung bereits in bie Sage perfekt fei, bie Kunft 
meiterförbern 3u f dunen. Auf die parlamentarifd?eit Vor¬ 
gänge gebt ber prin3regent nicht ein. Die Veröffentlichung 
bes Depefd?euroed?fels. bie poiT Berlin aus Peranlaßt mürbe, 
ober, mie in Bayerrt behauptet mirb, fogar auf Befehl bes 
Kaifers gefächen ift, hat bort große (Erregung h^ rDOt * 
gerufen. Die Bayern, 3iunal bie bayrifchen Paitifulariften, 
mollen bas (Telegramm bes Kaifers nicht als eine prioate. 
Meinungsäußerung gelten laffen, fonbern erblicfeit barin einen 
(Eingriff bes Neidjsoberhaupts in bie innere politif bes 
Bunbesftaats. 

* 

Die tapferen Bureugenerate Botha, De JVet unb Detarey 
jinb in (England pon ben offt*,iellen Kreifen in einer ehren. 
Pollen IVeife empfangen morden, bie bie Sieger ebenfo jiert, 
tpie bie Begegten. Auch h* er 3cigte fidj tpieber bas 
Beftreben, bie Buren nach IHÖglichPeit bie Vergangen* 
heit pergeffen 3U machen. (Ehomberlain, ber mährend 
bes (SueriUafriegs bie IVorte 3ur Verurteilung ber füb* 
afrifaitifchen „Banden" nicht hört genug wählen fonnte, 
fand ftdj mit Nöberts unb Kitcheiter 3ur Begrüßung ber 
Führer ein, unb König (Eduard felbft ließ bei ber Aubien3, 
die er ihnen gemährte, feinen gmeifel, mie fehr er die 
tapferen Vaterlanbsfätupfer in ihnen achte. 

* 

Der fran3Öfifche Kuttnrfampf hot in feinem meiteren Der* 
lauf doch noch 311 allerhand recht ltnliebfamen gwtjchenfällen 
geführt; namentlich bie lanbbepölfernng in der Bretagne 
hat fleh mit großer Ejartnücfigfeit ber Schließung ber (Drdens* 
fchnlen miberfegt. Allein, menn es auch für (Senbarmerie 
unb Militär fehr unangenehm ift, bei Erfüllung ihrer Pflichten 
mit Unrat unb brennenden Strohbündeln bemorfen 3U werden, 
fo find doch andere €rfcheinnngen bebenfli<her. Das fchlimmfie 
ift, dag 0fft3iere fich ber (Sehorfamspermeigerung unter 
Berufung auf ihr religiofes (Sefühl fchulbig gemacht l^abeit. 
Die frart3Öftfche Negierung ift ber Meinung, dag ber JViber* 
ftanb gegen ihre Maßnahmen nicht auf religiöfen, fonbern 
auf politifchen (Srünben beruhe, ge fielet barm royaliftifd^e 
Umtriebe. Eeiber aber hoben die bedauerlichen Vor* 
fommnijfe ge felbft nerpös gemacht. Der Kriegsminifter 
Anbr^ hat es geh nicht perfagen fönnen, um bie Hot. 
menbigfeit unbebingter Subordination 3U erroeifen, in 
einer Hebe mit dem (Sebanfen eines Heoanchefriegs 3U 
fptelen. Durch eine Minifterrebe mirb 3mar ber Jriebe nicht in 
Frage gegellt, aber bie Anfpracbe bes E?errn Andre 3eigt doch, 
baß in Jraufrcich immer noch bie Neigung begeht, innere 
Schmierigfeiten durch Ablenfung ber Aufmerffamfeit nach 
dem Ausland 3U befämpfen. 

$ 

3 n Hamburg ift ein Drofdjfenftreif bereits nach fünf, 
tägiger Dauer beigelegt morden, aber bie fur5e geit hat ge* 
nügt, um bie perhängnispollen folgen eines folgen Aus* 
ftanbs allen flar por Augen 3U führen. Ejeroorgerufen mar 
er durch eine neue Profchfenorbnung. bie am (. September 
in Kraft treten follte. (Eit^elne Beftimmungen bes 
neuen Heglements gießen fomohl bei ben ^fuhrherreit, als aud? 
bei ben Kutfchern auf ben lebhaftegen EViberfpruch, unb 
da bie Pol^eibehÖrbe 3unächft nicht die minbefte Neigung 
5ur Hachgiebigfeit befunbete, machten in biefeut Fall einmal 
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gemeinfame Sache und gellten 
ben Betrieb ein. Den Drofcfjfenfutfchern fdilojfen geh bald 
andere an, unb bereits drohte ber Anfchluß ber Straßenbahn* 
angegellten. Der Verfeljr litt in folcher IVeife, baß nunmehr 
bie pol^ei bod? Por3og, (Entgegenfommen 3U 3eigen. Sie 
erflärte geh bereit, menn ber Fährbetrieb fofort mieber auf* 
genommen mürbe, ben (Termin für bas 3 n frafttreten der 
Drofd?fenorbnung bis 511m {. 3 a nuar h' n <^ us 3ufchieben unb 
injmifchen bas^ neue Heglement unter Berücfftchtigung ber 
tVünfctje ber 3 nter c ffenten noch einmal nad^uprüfen. Auf 
biefer (Srunblage fam eine Vereinbarung 3U ftande, bie dem 
Streif. porläußg ein giel fegte. 


Die Dibelungenepiele zu Pöcblarn. 

IVer bas h err ^ 4 ^? e Stücf Nieberofterreich, fo da JVachau 
benamfet lg, fennt, burd? bas die Ponau in oielfachen IVin* 
düngen und Krümmungen fd>i 2 ernb bahingutet, dem drängt 
gd? mohl ber (Sebanfe an bas faxende Dornröschen auf; 
mit dem tVilhelm Schriefer biefen prächtigen (Erbenminfel 
fo treffend perglichen hat- Dornröschen an der Donau fcbläff 
im ftiüen (Sottesfrieben fchon manch Jahrhundert, unb bie 
Donau*Dampffchiffahrts*(ßefellfchaft forgt dafür, baß feine Buhe 
auch in moderner geit nicht mutmillig gefrört werbe, unb 
läßt ihre Schifflein daher nur feiten perfehren, obwohl bie 
lanbfchaftlicheit He^e tyet geh mit benen bes Bheins mohl 
meffen dürfen. 

Nun aber ift ber Moment ber €rlofung erfchienen, ber 
prin3 „(Sedanfe" ig gefommen, im gimmernden Kleid, hat 
Dornröschen mach gefügt, unb fchon beginnt es geh 3U regen, 
unb mit ihm ermaßen auch bie gelben unb Hecfen mieber, 
bie in grauer Vorjeit gefämpft unb gelitten, bie miuniglichen 
Frauen unb Mägdelein, pon benen uns beutfehe Eieber und 
Sagen Kunde geben, ge ergehen mieber, um aufs neue 3U 
haffen unb 3U lieben mie einft . . . 

IVilhelm Schriefer, ber Sänger ber ößerreichifchen Nomaden, 
hat es angeregt, dem edlen (Srafen Hüdiger 3U pöchlarn ^ 
dem Bechelaren bes Nibelungenliedes — ein Denfmal 3U er¬ 
richten. (Sleid? jenem DenfmaU?ertnanns im (Teutoburger JValb 
follte es ein JVah^eichen beutfeher (Treue, beutfeher Sitte und 
(Segnnung merben und, weiß (Sott, bie durch Parteihaber aller 
Art poneinanber getrennten Deutfd?en 0egerreichs hoben, mie 
fonft mohl nirgends, ein foldjes Denfmal nötig, 3U dem ge 
pilgern fönnten in ben geiten fchmerer Ejeimfuchung unb an 
beffen Stufen ge geh gnben % mürben, um gemeinfam an3U- 
fätnpfen gegen bie gemeinfame (Sefatjr jlamifcher unb ma- 
gyarifcher Ueberhebuug. 

Diefe 3 &ee ergänzend, fchlug Schreiber biefer geilen por, bort 
auf higorifchem Boden polfstümliche Hibelungeitfpiele 3U 
peranftalten, deren €rträgnis 3m Decfung ber Denfmalsfoften 
beftimmt fein follte. Der (Sebanfe mürbe mit Begeifterung 
aufaenoinmen, und bie gefainte preße fpenbete ihm einmütigen 
Beifall. 

€s bildete geh fchitell ber Verein „Bechelaren", beffen Mit¬ 
glieder geh aus den eingußreichften perfönlichfeiten Pöchlarns 
unb HieberÖfterreichs 3ufammenfegen. OTan trat an den Landtag 
h.eran, unb biefer bemilligte eine namhafte Summe als por* 
läuggeit Beitrag für bie erften Vorauslagert. Hun foll eitt 
großes Fegfpi*lh(* us errichtet merben, poii dem aus bie gu- 
fd;aner einen Ausblicf auf bie Donau unb bie Hege ber Burg 
Bübigers genießen. Dort landet bas 3U erbauende Hibeliihgen* 
fdpiff mit mehr als fünfhundert perfonen. Piefe ungeheure 
(Eomparferie mirb aus ben (Einmohnern gegellt, mährend bie 
führenden Bollen pon tüd^tigenBerufsfchaufpielern übernommen 
merben follen. 

Für die befte polfstümlich«bramatifche Bearbeitung bes 
Nibelungenliedes follen preife ausgefegt merben. 

Und nun noch eins! 

3 ttfolge ber politifchen Vethältniffe 0 egerreichs mirb 
alles, mas immer auj taucht und bie 0egeitt lieh feit bemegt, 
fofort durch bie Parteibrille betrachtet. Das follte aber in biefem 
Fall nicht gefchehm. Das Ntbeiungenlieb ift ein National* 
epos der Deutghen, ein Sang, mie fein Volf ber We It, au \er 
ben (Srtechen, einen ähnlichen auf3umeifen h at / j c ^w 

Dentfche, mag fein politifches (Slaubcnsbefeitntnis mie immer 
lauten, h J * Anrecht auf feine Eitteratur, Anrecht auf feine 
Dieter, deren Begen fiiter uns in Begeifterung einft die 
mahnenden iVorte 3ugerufen hot: 

„tVir molleu fetn ein einig Volf pon Brüdern, 

3 « feiner Not uns trennen unb (Sefahr!* 

Dann merben bie Nibelungenfpiele 3U Pöchlarn pielleicbt 
baju berufen fein, ben Deutfchen 0 efterreichs ben IVeg 3ur 
(Einigung auf dem Boden nationaler Kunft unb Dichtunj 3U 
meifen, um ge fo, nach langen 3 rr f* 1 h rte o, endlich mieber 
hcimßndcn 3U laffen. 39ndj p flUCC . 

< 5 * 


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Hummer 3^. 


Seite JJ573. 


Cable d’bote. 

34 weiß nid^t, mer die Cable b’hote erfunben f^at, aber 
es muß mohl berfelbe ÜTenfdjenfreunb gemefen fein, dem mir 
bie unregelmäßigen gried?tfcben Perba perbanPen. 

Stellen Sie ß4 gefälligft por: ba Pommen Ste auf ber 
Beife ins Tjotel, Sie mö4ten gern nadj eigenem (Sußo, jur 
gewohnten Stunbe unb im beliebigen (Tempo fpeifen. Sie 
mödjten, nac^^em Sie einen falben (Tag im bicfßen PolPs« 
gemüt?! auf ben Beineu maren, ihren fulinarijd^eit cE^rgeij 
in ftilier Bef 4 auli 4 Peit befriedigen, piellei 4 t eine geitung 
babei lefen — ja, mas möchten Sie nid?t alles 1 Beiß man 
bod? t^auptfäd^lic^, um ein freier IlTanu unter Jremben ju fein. 

Po4 mas ftnb Hoffnungen, mas finb (Entwürfe! 
3*?re (Selüße Pollibieren mit ben Bbß4ten einer hohlen 
3 »ftan 3 - Per ^otelroirt bePretiert bett Cable b*hote«gmang, 
unb biefer groatig iß, mie Sie mißen, beinahe ein phyß'4*r. 
Suchen Sie ß4 4™ 3 U ent 3 tehn, fo merben Sie pom gatten 
Betriebsperfonal mit Blicfen bebaut, bie bas (Segenteil 
fdjmeid^elttafter TPürbigung ausbrüefen — unb als alter 
IPeltbummler mißen Sie, melcbes Blaß pon <Eeringf4äfcung bie 
feierlich Befracfteu in it^re Blicfe 3 U legen rerßeljn, gan 3 
gleid?^ ob Sie ß4 im Bereif der PTitternadjtslonne ober im 
Spotten bes Betna beßuben. Ueberbies l^aben Sie eine be- 
beutenbe Crßöttung bes gtmnterpreifes 3 U gemärtigen. IPollen 
Sie apart fpeifen, fo 3 aljlen Sie für ein ein 3 elnes (Bericht faß 
fopiel mie für bie gait 5 e Cable d’hote. jllfo, es hilft 3huen 
nichts, unb miberftrebenb fügen Sie ftd? aufs neue in ben 
gmang ber 3 ^«^ uufympatbißhen IHaßenabfütterung. 

(Eine lange, langmeilige Cafel mit 5mei Heiden ITTenfd^en, 
bie ft4 gebärden, als ob fte eben an einer müften 3 n f*l 
ftranbet mären uttb ni4ts als TPaßer unb £uft um ß4 
hätten. Stimmung referpiert, mie im lParte3tminer eines 
2lr3tes; nur gan3 rerftotylen ßuf4cn neugierige Blicfe über 
bie Cafel. Ulan iß fetjr pornehm, beim man tt^ut auf 
Beifen immer gern fo, als ob man mit bem (Sroßfye^og 
pon (Serolftein auf bu unb bu ßänbe, unb man brau4t es ja 
ni4t aller IPelt auf bie Hafe 31t binben, baß man ein 
Krapattenma4er aus Pingsba iß. Peshalb beßeißigt man 
ß4 gern jener Palten, ßo4mütigen (Se^mungenßeit, bie bei 
unfern Steifleinenen als unübertreffli4 „PorrePt" unb 

„tadellos" gilt, aber jeben natürli4en ITTenf4en ungefähr 
fo anmutet, als mentt mau ißm unoerfeßens einen Coctail 
3mtf4*n b^als unb £)embPragen gießt. 

Piefern großartigen 3 n P° 9 n ^o, in bas ß4 ber reifenbe 
Kulturinenfd? gern hüllt. entfpricht fo recht bie pomphaft 
aufgebonnerte Brmfeligfeit ber Purchf 4 nitts-Cable b’hote 
in manchen Sommerfiit4m unb Babeorten. 3 n Hentfcfj- 
lanb iß es löbli 4 rrmeife felbß in fet^r motjlbabenben 
Kteifen ' ni 4 t üblich, mittags mehr als brei bis pier gute 
(Sänge 3 U ferpieren, ba 3 u mirb ein (Sias Bier ober ein 
S4oppeit lei4**n IPeins getruitPen. Pie Pornebmtbuerei 
ber Cable b’hote nötigt uns 3 mar fe4s bis a4t (Sänge auf, 
aber man brau 4 t trogbem feine Hlagenüberfüllung 31 t be- 
für4ten, beim aus jeber f41e4hjefüllten Schüßel grinft uns 
ein Panters „Lasciate“ an. Pa 3 u müßen mir einen 
teuren IPein trinfen, beßeu Ctifette einen pompöfen Hamen 
trägt, mährend bie (Qualität off genug na4 S 4 leßms 
liebli4«n Bebenhügeln 3 ußänbig iß. Befrnnt ß4 der (Saft 
3 um BntialPofjolismus unb forbert Seltermaßer, fo iß bas, 
aus ber (Dberfellnerperfpeftipe betra 4 tet, ni4t bloß ein Un- 
glücf, fonbern gerabe 3 U ein nTalßeur. 

ITTan foll mir ni4t Uebertreibung pormerfen. 34 räume 
gern ein, baß es ausge3ei4«ct geleitete Rotels giebt, in 
benen man au ber Cable b’hote gut unb preismert fpeift, 
uub faße Ijier nur bie minbermertigen ins Buge. 
34 ferner 3U, baß man an btefen IPirtstafeln ßäußg 
angenehme unb intereßante (Sefellfcbaft frißt. Kleine (Sloßen 
ri4ten ß4 nur 9*gen die 3 n ßitution im allgemeinen, meil 
ße mir h°4ß reformbebürftig erf4?int. 34 oerPenne ja 
Peinesmegs, baß ifyr fetjr praftif4e, bas ßeißt für ben bjotel* 
mirt praftif4c (Ermägungeit 3U (Srunbe liegen, benn erftens 


iß ber ßotelbetrieb — 3 umal in fo!4^n (Segenbeit, bie eine 
3 eitliii? eng begreii 3 te Saifon ßaben — fo Poßfpielig, baß ber 
IPirt aus beugiinmereinnalimen allein ni4t auf feine Be4nuitg 
Pommt, fonbern rei4li4 am €ßen perbienen muß, unb 
3 tucitens mirb bur4 bie gemeinf4aftli4« Speifung bie Begie 
außeroibentli 4 r>ereinfa 4 t unb perbilligt. Bber menn bie 
b^otelmirte fo energif4 iljre 3utereßen maßrneßmen, fo Pann 
man es ben Courißen ni4t peröenfen, baß ße ß4 ^on 
ähnlichen Criebcn leiten laßen. Hun giebt es allerbings 
piele Beifenbe, befonbers (Sefd^äftsreifenbe, bie feßr gern an 
ber Cable b’fjote fpeifen, aber na4 meinen Crfa^rungen 
beßuben ße ß4 Ö 04 in ber IHinberljeit; bie übermregenb 
meiften Courißen mö4t*u gern it^re nia^Iseiten einnel^men, 
mo, mie unb mann es ißuen besagt. Ueberbies beeinträch¬ 
tigt bie Cable b’hote, y te bentf4*n Rotels um \ Utjr 3 U 
beginnen pßegt, in ftörenber XPeife bie Cagesbispoßtionen. 

Sopiel i4 meiß, haben mir es bei ber Cable b’ßote mit 
einer fpe3ißf4 beutf4*n <Einri4t«ng 311 tljim, menigftens mirb 
ße itt anberii Säubern bei meitem ni4t fo rigoros geßanb« 
habt, mie bei uns. Blle B 4 tung por ber ßramtnen beutf 4 en 
Pis 3 iplin unb gutgeßiinten PorßbttffsmäßigPeit, aber baß es 
gerade nötig iß, biefe <Eigenf4aften au4 beim (Eßen in ben- 
galißhß Beleuchtung 3 U rücPett. mill mir ni4t re4t in ben 
Kopf, menigftens ni4tr mo (Erma4fene in jfrage Pommen. 
Pa iß mir ber frau 3 ößf 4 c Stil, ber pon faß allen außer* 

bentfeh^n Rotels aboptiert morden iß, in feiner legeren 

gmangloßgPeit bo4 lieber. 3 n Jranfrei4 mirb bas Pejeuner 
3 mifchen {\ uub ( Uljr ferpiert, man Pann innerhalb biefer 
geit fotnmen, mann man mill. benn bie f 4 nell 3 U bereitenden 
(Seri4te. mie Cierfpeifen. Kotelett und fif4* ßnb immer 

fertig. Bbends 3 mißheit 1 und 8 Uhr ßnbet bas Piner ßatt. 
Ulan fpeift gemöhnlich an Pleinen Cif4eu, allein ober in ge- 
f4loßener (Sefeüßhaft, getrunPen mirb faß durchgängig nur 
ber beßheibene Sanbmein, pon bem bei jedem Coupert eine 
Jlaf 4 e k discretion ßeht und ber im preife ber UTahl* 

3 eit eingef 41 offen iß. H 04 peruünftiger ßnb die größeren 
ößerrei 4 if 4 * n Rotels, bie 3 mar höhere gimnterpreife als bie 
utiferigen nehmen, aber fonft Peinerlei <Eßens 3 mang ausüben. 
Pie Speifemirtf4aften ßnb dort, au4 menn ße ß4 im X^otel 
beßnden, pom b^otelbetrieb faß immer getrennt unb unter 
felbftäiidiger Begie. 

Kein peruünftiger 2Ttenf4 mirb perlangen, baß die ßotel* 
mirte mit Unterbilan 3 arbeiten follen. Über fo piel ift ß 4 *r: 
bie allermeiften Beifenben 3 ahlen lieber einen höheren gimmer- 
preis unb ßnb dafür aller fouftigen Perpßi4tungen ledig, als 
baß ße bei billigerer Unterfuuft ein uitperhältnismäßiges 
plus für bie anfgeuötigte Koft 3 ahlen unb obendrein no4 
ben läßigen gmang ber Cable b’hote auf ß4 nehmen. 
Pas t^otel mirb bem anfprn4slofen Courißen am meiften 
behagen, bas ißm Pomfortable gimmer uub Betten liefert, 
ihn fonß aber fo roenig mie mögli 4 in Bnfpru 4 nimmt unb 
bas glücPli4e (Sefühl der Ungebuudenheit pöllig ausPößen läßt. 

<Slokr>Crotter. 

39 » 

Die äarde$cbOtzeii in Rbeinsberg. 

^terju bie Abbildung 5. t585. 

Bis i4 oor sehn Cageit h*er in Bremsberg anPam, 
regnete es, Iaitgfam, aber ß4er; ber ^immel mar bleigrau, 
und leicbte Hebel hingen in ben Bäumen, fo baß ton bem 
3 dyU, bas i4 erhoffte, ni 4 ts 3 U fehen mar, als eine Bnjahl 
fletiter Räuschen, pon Begen triefend, unb trübfelig drein- 
blicPenbe IHenf4en, bie ihren perfchiedenen Bef4öftigungen 
na4gingen. Pas mar mein erßer (EinbrucP — fchön mar 
er gemiß ni4t. Bber benuo4 blieb 14 h* er und martete, 
baß es beßer merben mürbe. So martete i4 3 rhn Cage. 
Bber jeden UTorgen 3 eigte ber unbarmher 3 tge ßimmel bas- 
felbe troßlos graue <Sefi4t, und jeben Cag beglüeften uns 
immer pon neuem die Iiebli4m Begenf4auer, bie f4üeßli4 
au 4 den bieffeliigften ITlenf 4 rn bur 4 näßen. Cnbli 4 mar 
au4 t4 des IPartens müde utibr rüftete 3 ur Bbreife. Pa 


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Seite 1574. 


Hummer 5^. 


aber famcu einige hoffuungsfrohe Bürger unb Tagten: 
„Heifen Sie nicht, benn jetjt mirb es beftimmt beffer; jetjt 
fommen bie Schüßen, unb menn bie ba ftn&, ift es nod? 
immer gutes IDetter geworben." 

tt)as glaubt man in ber Sommerfrifdje nicht alles! 

Unb menn man einen folgen parF hat, mie Hhetusberg 
ihn fein nennt, mirb einem bas tParten — felbft bei folibem 
Dauerregen — nicht alljufchmer. 

Diefer parF! 3*& er alte Baum, jebes alte (Semäuer 
merft Erinnerungen, unb jhriebrich ber (Sroge, bas ift ber 
Harne, ber uns tjier nicht mehr loslägt. f)ier hat er oier 
3 atjre als Kronprin 3 refibiert, unb tjier fdjuf er ein 3 &VÜ' 
bas 3 Utn großen (Teil für bas fpätere Sansfouci oorbilölich 
mürbe. gmar ift liier alles Heiner unb fdjlirf?ter, bafür aber 
mirFt es um fo ant^etntelnber mtb labet 3 um behaglichen (Se* 
niegen ein. 

XDie gefagt, felbjt Falte Hegentage laffen fidi liier er* 
tragen — wenn man marin a»tge 3 ogeit ift. 

Uber fehlieglid? nimmt ja alles mal ein Enbe, unb fo 
Famen benn am Sonnabenb ben * 6 . b. IH. bie fo fetinlidjft 
ermarteten (Sarbefdjüßen an. bjei, bas gab ein Leben, 
als bie fdimucfen (Srünrörfe einmarfchierten! An allen Erfen 
unb Eitben regte es fid?, unb manches junge ITläbchenhen fchlttg 
höher. Unb ftetje, Faum mar bas UTilitär eingerürft, ba festen 
bie Sonne, bie mirFlicfje, marnte Sonne, auf bie ich feit 3 etin 
(Tagen uergeblidj gemartet hatte — nun mar auch ich 
militärfromm. 

Seit bem 3 a ^ r l 885 Fomtnett bie (Sarbefdjüßen aus 
(SrogLichterfelbe alljährlich um biefe geit liierter, um eine 
adjt» bis 3 elintägige Sdjiegübung hier ab 5 ulialten, unb jebes* 
mal ftnb fte gerngefeliene (Säfte, bie oon beit Bürgern aufs 
befte bemirtet meröen. gum Danf für bie bargeb^teite 
(Saftfreuitbfdiaft oeranftaltet bas Bataillon bann eine Dor* 
ftellung in bem eigenartigen Haturttieater bes parFs, beren 
Erträgnis ber ArmenFaffe Heinsbergs 3 iifltegt. 

Q 


Das Hatnrtheafer, 1758 oont prin 3 en Heinrich, bes 
grogen Königs Bruber. gefdiaffen, liegt oerfterft in einem 
laufdiigen UAnFel bes fdjönen parFs. Die Bühne# oom 
gufdjauerraum burdj eine Eannenherfe getrennt, iji etma 
breioiertel UTeter erhöht unb mirb nadf fluten 3 U ganj fchmal, 
bie Kuliffen merben abmedjfelitb oon Eaitnen* unb Buchen¬ 
herfen gebilbet. Der' ainphitheatralifche gufcbauerraitm 
fagt na^u 2000 perfonen. Kopf an Kopf gebrängt fag 
unb ftanb bas publiFum in biefem Eheaterfaal, beffenplafonb 
ber tierrlid?fte blaue fymtnel mar, beffen IDanbfchmurf bas 
buftige iDalbgrüu bilbete. Um tjalb Jünf begann bie 
Dorftellung. „Kyri^-pYrit*" mürbe gegeben. Darfteller 
maren UTannfchaften bes (Sarbefdfüßenbataiüons. natürlich 
mürben audi bie Damenrollen oon männern gefpielt. 

3di liätte gemünfdit, bie Derfaffer IDilFen unb 3 u f t ' nus 
llätten biefe Dorfteüung noch erlebt. Sie tjätten ilire lielle 
ifreube gehabt, mit foldjer Eingabe unb fo flott mürbe gefpielt. 
Don gerabe 3 u oerblüffenber IDirFung maren bie Darfteller 
ber Damenrollen, bie fid? ehrlich müliteit, ihre raulicn Krieger¬ 
ftimmen 3 art ab 3 utönen; unb menn bann unb mann mal bie 
Kopfftimme oerfagte unb ein rauher männerton mittenljinein 
ftdi oerirrte, fo mirFte bas um fo erlieiternber. 

Der Erfolg mar raufdienb uttb motiloerbient, unb fjerr 
fjauptmann oon KroftgF, ber bas 5 x türf mit grogetn (Sefdjirf 
infeeniert hatte, Fonnte mit feiner ftrammen Eruppe aud? 
liier 3 ufrieben fein. 

Den Befdjlug bes feftlidjen Eages bilbete ein JeuermerF, 
bas bie mannfdiaften auf bem Sdjlogplaß abbrannten. 

Dann aber ging’s 3 um Ean 3 , benn Hheinsbergs mähten 
molleit aud? etmas oon bem Vergnügen für fid? haben. 

Um mitternadit mar bie UrlaubsFarte abgelaufen. Schlug 
bes 3ubels, benn UTontag früh um fyalb fünf es < f r M^? 
fein: ber Dienft beginnt! 

Als ich aber UTontag um ? Uhr ermadjte, mar bie Sonne 
fort, unb mieber regnete es in Strömen . . . paui SÜß. 

D 


DCs 


Qnfcrc Bilder. 


Der Kaifer auf ber Düffelborfer Ausheilung 
(Abb. S. (579)- Hin 15. Auguft hat nnfer Kaifer ber Stabt. 
Düffelborf ben Befudj abgeftattet, ben er ihr bereits oor 
einigen IDot^en jugebadit hatte, ber bainals aber megen bes 
Eobes bes Königs Ulbert oon Sadjfen unterbleiben mugte. 
£eiber Fonnte bie Kaiferin, bie fid? mährenb ber leßteu Eage 
ihres Aufenthalts in Kabinen ein leidstes Jugleiben 3 uge* 
3 ogen hat, ihn nicht begleiten. 3 ,n übrigen mar es für 
bie Stabt ein fefttag ben nicht ber leifefte migFlang ftörte. 
Dom Bahnhof, mo ihn 0berburgermeifter ITIarf begrügte, 
begab ftd? ber Kaifer alsbalb burd? bie Fünftlerifch gefchmücFte 
Jeftftrage nad? ber UusfteÜung, bie er unter jührung ber 
beiben Komiteeoorfi^rnben, (Seh- Kommer 3 ienrat £ueg unb 
Profejfor Hoeber, einjehenb beftditigte. Den Etnbnuf, ben bas 
(Sait 3 e auf ihn madjte, fagte er beim Ubfchieb in bie IPorte 
3 ufammen: „Eelegraphicren Sie meinem Sohn (ber Krön* 
prin 3 ift beFanntlich proteFtor ber UnsfteHung. D. Heb.), 
bag id? mit ber Aus ftellung hödjft 3 nfrieben bin." Eine bc* 
fonbere Jreube mürbe bem Kaifer burdj ben Empfang 3 U 
teil ben ihm ber bergbauliche Herein bereitete. Dor beffen 
Ausftellnitg maren nämlich 3 mei Kompagnien Bergleute in 
(Salafleibung anfgeftellt. mit Kriegsinebaillen gefchmüeft. 
Der Kaifer gab feiner (Seuugthuung über biefe 5ulbigung 
Ausbrticf, inbent er einige ber älteren Eeilnehmer bur<h Furse 
Anfpradjen aus 3 eichnete. 

DenFmäler für Kaifer unb Kaiferin friebridj 
(Abb. S. 1 580). 3 m KurparF 3 U t^omburg ift bas erfte 
DenFmal für bie Kaiferin friebridj errid^tet unb am 
t 9 . Auguft in (Segenmart bes Kaifers unb ber Faiferlid)en 
Jamilie feierlich enthüllt morben. Der Kaifer felbft lieg es 


fich nicht nehmen, auf bie IHuttcr bie (SebenFrebe 3 U halten, 
in ber er Fur 3 ben Lebenslauf ber Deremigten mtb ihre h^- 
oorragenben Eigenfchaften fchilberte. profeffor 3°f e F Uphues 
hat in bem Kaiferin JriebrichbenFmal ein genaues (SegenftücF 
3 u feinem gleichfalls im b}omburger KurparF fiehenbeu DenFmal 
bes eblen Kaifers gefchaffen. Die Büjte aus Laafer UTarntor 
erhebt fich in boppelter Lebensgröge auf einem einfachen 
poftament aus fchmebifchem (Sranit. Sehr Funftooll hat 
Uphues bie Derbinbung 3 mifchen Büfie unb poftament burd? 
bas Spißentnch gebilbet, bas ben Harfen unb bie Bruft 
umhüllt. Das Antliß hat ber Künftler fo baraeftellt, mie er 
es aus jener geit in ber Erinnerung trug, ba bie Kaiferin 
ber tieffte Schmeq ihres Lebens getroffen hatte, ber Eob 
ihres oerehrten (Semahls. Am folgenbeit Eag fanb mieberum 
in (Segenirart ber Faiferlichen Jamihe bie Enthüllung bes gleich* 
falls oon Uphues gefchaffenen DenFmals für Kaifer Jriebrich in 
Kronberg ftatt. 3 n Uniform ber pafemalFer Kürafjtere, 
ohne t^elm, mit bem h cr abmalleuben UTantel bes Schmarsen 
Ablerorbens, erhebt fich <Se(talt bes Kaifers auf einem 
Poftament inmitten einer halbrunben Baluftrabenanlage aus 
hellem, poliertem (Sranit. Uphues, ber ein gleichartiges 
Stanöbilb bereits für IDiesbaben gefchaffen hat, folgte babei 
ben 3uteutiouen ber Kaiferin Jriebrich. 

Die Enthüllung bes KriegerbenFmals in ber 
SadjfenFlemme (Abb. S. (58 0 mar eins ber benFbar 
eigenartigften fefte. SachfenFlemme h«igt ber 0rt bei Sterling, 
mo am 7. Auguft (809 ber t^eige Kampf begann, in 
bem bie Eiroler Sd?ügeu auf bie unter Houge h*raurürfenben 
franjofen Steinlaminen unb Baumftämme losliegen. Das 
DenFmal ift ber Erinnerung an ben h*ft*uhaften freiheits* 


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TO***- 


Kummer 5^. 


Seite J575. 



Karte der Grdbcben und vulkantfchen HusbrQcbe im 'Jahre 1902. 


Pampf ber (Eiroler gemeiht. Pas (Eigenartige iß aber, baß 
baburd) nid>t mir bie ftegreidicn (Eiroler geehrt merben follen. 
fonbern auch bie Bayern unb Sachfcn, bie bamals au ber Seite 
ber unterliegenben Fran 3 ofen gegen bie (Eiroler fochten. So 
erflärt es fid^, baß an ben (EuthülluugsfeierlichFeiten außer 
breitanfenb alten (Eirolern and? rneit über tanfenb bayrifdie 
Deteranen unter fütjrutig bes (Senerals oon IDaagen teil- 
nahmen. Pie ehemaligen Jeinbe bes (Eiroler Dolfs, bas mit 
Stol 3 auf bie ruhmreichen (Eaae oon 1809 3 urücfb liefen barf, 
haben fidy eben, toie bei bem Feftmahl ber Statthalter Frei¬ 
herr D 011 Sdjmarzenau fagte, längft in F r eunbe oermanbelt. 

nsn 

Pie Rücfgabe (Eientfins au bie (Eh'^efen (Rbb. 
S. 1582), bie am 15. Ruguft ftattgefuuben hat, bebeutet 
einen meitcren Stritt 3 ur IDieberherftellung normaler §u- 
ftänbe im Reich ber UTitte, ber Dielfach einer falfdjen Beur¬ 
teilung begegnet ift. (Es t^anbelt ftd? babei Feinesmegs um 
ein über bie Bebitigungen bes Friebensoertrags h* naus :J c h ei1 ' 
bes (EntgegenPommen ber llläd?te, fonbern lebiglidj um bie 
(Erfüllung eingegangener Perpßichtungen. Penn nietet eine 
miiitärifche Uebergabe ift ooll 3 ogeu toorben, fonbern es hat 
nur bie prooiforifd?e Regierung nad? Beenbigung ihrer Auf¬ 
gabe bie bürgerliche Dermaltnng an bie chinefifchen Behörben 
5 urücfgegebeit. (Sleichjeitig hat aUerbings ein großer (Eetl 
ber fremblänbifchen (Eruppeit bie Stabt geräumt, aber es ftub 
oon ihnen fo oiel 3 urütfgeblieben, toie oertrags mäßig oorge- 
fehen mar. Pie angebliche Räumung (Eientftns hat alfo nur 
infolge eines iriißoerftäubnijjes an manchen Stellen Beun¬ 
ruhigung heroorgerufen. 

Pie IPirren in Venezuela (Rbb. S. 1582), bie mir 
mieberholt befprocheit haben, madieu ben Rufenthalt frember 
Kriegsfdjiffe in ben (Semäffern bes faraibtfd?eri ITCeercs 311 einer 
unabmeislichen Rotmenbigfeit. Peutfchlanb hat bereits 
mehrere bort, bie aUerbings oorläuftg noch an oerfchiebeneu 
Stellen liegen, aber es Fonnte mohi fominen, baß, mie es 
früher fchon einmal ber Fall gemefen ift, „Pineta", „FalFe" 
unb *<Sa 3 elle" gemeiufam oor £a (Suaira SteUung 
nehmen, eine Situation, toie fte anläßlich jenes früfeien 
Vorganges auf unferm Bilb bargefteUt ift. Penn fchlicßlich 
ntüffeu fid? ja bie Rufftänbifchen aud? nach biefem fiafeit 
ber fiauptftabt Caracas menben, meun fie ihre bisherigen 
(Erfolge burd) einen enbgiltigen Sieg frönen mollen. 
Penn fo lange fie bie Ejauptjtabt unb ihren trafen nicht 
in Befi§ haben, mirb präfibent Caftro jebmerlih einem 


auberit ben piatj an ber Spitze ber RepubliF räumen. (Db 
es gefdjieht. Fann uns gleicbgiltig fein. Pie bentfch.en Kriegs- 
fd^iffe haben nur bie eine Rufgabe, (Eigentum unb £eben ber 
beutfehen Reicbsangehörigen in Deneguela 3 U fd)ü§en. 3n 
bie fjänbel 3 mifchen bem präfibenten Caßro unb feinen 
IPiberfachern merbeu fie im übrigen felbftoerftänblich nicht 
eingreifeu. 

Pie Umbilbung bes englifchen Kabinetts (Portrats 
5. 1584), bie burd? ben Rüdttitt £orb Salisbury’s notmenbig 
mürbe, ift jetzt ooüenbet. Pie meinen ber Herren, bie neue 
Remter erhalten haben, mareu bereits ITTitglieber bes porigen 
Kabinetts. So befleibete Ritchie, ber anfieUe oon Sir l?icfs- 
Bead? 3 um Schabpapier ernannt mürbe, bisher beit poften 
bes ÄTtnifters bes 3 ,lnc ™. Sein Rachfolger mirb ber bis¬ 
herige IHinifter ber öffentlichen Rrbeiten RFers-Pouglas. 
Ein neuer Wann aber ift Rnfteit Chamberlain, ber Sohn bes 
Kolonialminifters, ber, bislang UiiterftaatsfePretar bes Schatz¬ 
amts, als (Seneralpoftmeifter Sitz unb Stimme im CTinißertum 
erhielt. §um SeFrctär bes Reichsfchatzamts mürbe l?ayes 
F'ijher ernannt. 

Stapellauf bes £loybbainpfers „KaiferlDilhe Im II.* 
(Rbb. S. 1584). Unmittelbar nach feiner RücfPunft oon Reoal 
hat ber Kaifer bem Stapellauf bes ueuften Schnellbampfers 
bes Rorbbeutfdjen £loyb auf ber IPerft bes ,PulPan" bei 
Stettin beigemohut. Pas Schiff/ bas oon F r l* XPieganb, ber 
(Eochter bes (SeneralbirePtors, auf beit Rauten bes Kaifers 
getauft mürbe, ift ber größte Pajfagierbampfer ber IPelt. 
Bei einer Pecflänge oon 215,54 unb einer Spantenbrette 
oon 21,94 Weter mirb er 1868 Reifenben Raum gemähren. 
Pie (SefchminbigPeit bes neuen Pampfers, bejfeit Wafchinen 
40000 pferbefräfte repräfentieren, ift auf 23V 2 Knoten 
garantiert. 

NS 

Per „(Eriumph t> 0 it Saint-Cyr* (Rbb. S. 1585) mirb 
ein großes F e )t genannt, bas alljährlich ben Rbfchluß ber 
Prüfungen an ber berühmten fraii 3 öilfchen Öffaiersfchuie bilbet. 
3 m oorigen 3 a ht »ar es freilich auf höheren Befehl aus¬ 
gefallen, meil man befürchtete, baß bie göglinge in ber Der- 
fpottung beftehenber Staatseinrichtungeu, bie bei bem Feft ftets 
eine große Rolle fpielt, man Pönitte fagen, fein IPefeit bilbet, 
3 U meit gehen mürben. 3 n biefem 3 a h r war bie Feier 
bes (Eriumphs auf Bitten ber gögltttge mieber geftattet 
roorben, unter ber Bebingung, baß bas gait 3 e Programm in 


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Seite \ 576 . 


Stummer 3^. 


allen feinen €in 3 elheilen einer grengen gen für burd? eine 
3ury pon Offneren unterworfen würbe, Nun, bie sortier* 
gehenbe Kontrolle hat ber Stimmung nicht (Eintrag getrau, 
es fyerrfdjte eine ausgclagenere iuftigfeit, wie nur je jupor. 

3 ntereffante amerifauifdje perfo n li djPeiten 
(Porträts S. ( 585 ), Pon ben amcriPantfchen Klilliarbärert 
befd?äftigt im Kugenblicf bie Öffentliche IHeinung am metften 
IKr. Clarence ^ungerforb KTacfay, ber, erft 2 8 3 a h r * alt, 
burch ben (Tob feines Paters plötzlich in ben Begg eines un¬ 
geheuren Permögeus gefommen ig. KTan fragt fid? r wie er 
es perwalteit wirb. Piele wollten bisher in ihm nur ben 
Sohn feines Paters fehen, weil er ftdj an ber €eitnng ber 
umfangreichen KTacfayfchen <Sefd?äfte aftio nicht beteiligt hat. 
Pie ihn näher Pennen, halten aber <jroge Stücfe auf ihn. es 
wirb ihm por allem nachgerühmt, bag er ftd? auf bie fchwere 
Kunfl pergeht, Klag 3U halten. 3 n ber (Sefellfchaft fdjägt 
man ihn als einen Jreunb jeglichen Sports unb als einen 
KTann, ben ungewöhnliche (Baufreiheit ausjeichnet. 3 n *h rcr 
Ausübung wirb er aufs befte unterftügt pon feiner (Sattin 
Katharina, bie in ber ameriPanifchen (Sefellfchaft fd?on feit 
3 ah ren eine heroonragenbe Holle fpielt. — Kn ben bies- 
jährigen Kaifermanöoern unb ben Jefttagen in pofen werben 
auch einige Pertreter ber ameriPanifcben Krmee teilnehmen. 
(Seneral Corbtn Pommt mit feiner (Semahlin übers 1 groge 
XPajfer, ferner bie (Senerale IPoob unb 3° un 9 mit ihren 
Kbjutanten JranP Hog unb 3 ° mcs <£• KTc Kinley. 

CN» 

(Erbbeben unb oulPantfche Kusbrüdje, bie 3war 
nicht nach wigenfdjaftlicher Knfchauuttg, wohl aber nach ber 
Kugagung bes PubliPuttis wegen ihrer oerheerettben folgen 
als befonbers fermer betrachtet werben, h a ^ cn xm laufenden 
3 ah r bie öffentliche Kleimutg wieberholt in (Erregung per¬ 
fegt. (Es bürfte baljer unfere Karte (S. 1575 ), auf ber 
alle biefe (Ereignige wie überhaupt alle noch nicht erlofchenen 
PulPane Bezeichnet finb, in h<>h*m K?ag intereffieren. 

Per Keife bes bjerrn p. pobbielsPi nad? KTafuren 
(Kbb. S. 16 ( 5 ) haben wir bereits in unferer Nr. 3 ( einen 
befonberen KrtiPel gewibmet. IPir bringen heute ba3u einige 
KTomentaufnahmen, bie ben temperamentoollen Sanbwirt« 
fchaftsminiger auf feiner Stubienreife 3eigen. 

Pie (Torpeboboote (Kbb. S. (6t6) ftnb mit ber fort« 
fchreitenben (TedjniP ein immer wichtigerer JaPtor im See- 
Priegswefen geworben. Pie IHarinererwaltungen ber per« 
fchiebenen £änber lagen es fid? baher angelegen fein, jebe 
Perbegerung pon (Torpebos unb (Torpebobooten für ihre 
Jtotten 3U perwerten; bie beutfehe fleht in biefer Bejiehung 
hinter Peiner anbern 3urücf. Unfer Bilb seigt bie (Torpebo« 
boote bes neugen (Typs auf einer Uebifngsfahrt 

ixa 

Pas internationale Schachturnier in fjannooer 
(Kbb. 5 . 16(5). Piele (Taufenbe PotT perfonen ggen täglich 
por bem Schachbrett unb fliehen bie Figuren nach öen Hegeln 
ber Kung pon einem Jelb aufs anbere. Kber nur ein ge« 
tinger Bruchteil pon ihnen hat mit ben Hegeln auch bie 
Kunft felbg erfagt, unb auch pon biefen Pönnen wieber nur 
wenige auf ben KTeiftertitel Hnfprudj erheben. Pon ben 

(Eeilnehmern am I?annoperfchen Schachturnier beifpiels« 
weife, bereu (Sruppenbilb wir heute bringen, nur 20. 3 n * 
begen ge werben weiter üben, unb mancher wirb in §uPunft 
noch bas giel feines (Etjrge^es erreichen, wenn vielleicht 
auch Peiner Kusgdjt hat, einem 3anowsPi ober pitlsbury 
gleich3uPommen. bjat 3 auaw?Pi in bem (Turnier felbft am 
beften gefpielt, fo hat pillsbury nebenher eine gaunen« 
erregenbe Seiftung pollbracht, inbem er an einem Sonntag 
nicht weniger als einunbjmai^ig Partien gegen ftarPe Spieler 
blinblings fpielte. (Er uerlor baoon nur geben, machte elf 
Hemis unb gewann brei. Sehr ho<h ig auch bie Steigung 
bes (Englänbers KtPins ein3ufdjägen, ber 3um erfteit ITlal 
an einem (Turnier teilnahm unb trogbem mit uV2 <Se« 
winnpartien ben britten preis errang. Pierter würbe ber 


Peutfche KTiefes, ber währenb bes gatzen (Turniers 
pozüglich fpielte, währenb er bei frühem Kämpfen 
tneift gegen ben Schlug abgel. Ktiefes, ber grogen Huf 
als (TheoretiPcr bes Schachs genügt, legt auf (Elegans in ber 
Praris mehr IPert als auf Sicherheit, er hat fd?on wieber¬ 
holt bie Spe3talpreife für bie fünfte Partie auf (Turnieren 
erworben. Pon ben Ütataboren bes Schachfpiels fehlten in 
£?annoper (Tarrafch, £asPer, 2Tlaroc3y unb Schlechter, h* n ' 
gegen war wieber ber Huge (Tfchigorin auf bem plag, unter 
allen pielleicht ber eifrigfte (Turn ier Pampe. (Tfchigorin fpielt 
fehr perfchieben, manchmal ig er auf ber preislifte unter 
beit erften 3U gnben. manchmal Pommt er gar nicht barauf. 
3 n bjamtoper brachte er es 3um Schlug burch glan3enbes 
Spiel noeb 3um gebenten Preis, währenb er in ber ergen 
Hälfte pöllig ins T^intertregen geraten war. 3 m öaujen 
würben an bie SpannPraft ber (Teilnehmer in T}aunoper 
nicht fo groge Knforbernngen gegellt, wie bet ben legten 
Kämpfen in paris unb Klonte Carlo, bei benen alle Hemis- 
Partien mit wcchfelnbem Kn3ttg wieberholt werben mugten. 

rsS 

Kus bem KTufiPleben (Porträts S. (6(6). ZToch h*rrfd)t 
im mugPalifchen £eben Peutfchlanbs fommerliche Stille, bie 
nur an perein3elten Stellen burch Perangaltungen grögerett 
Stils unterbrochen wirb. Hber allenthalben rüget mau fich 
bereits für bie (Ereigniffe bes Pommeuben IPinters, unb aller« 
hanb Nachrichten über (Engagements unb piäne ein3elncr 
Künftler gnben ihren IPeg in bie 0 egent!i<hPeit. Pie Trägerin 
eines in berlTheaterwelt berühmten Namens, Jräulein(£rneftine 
pogart, würbe für bas Stabttheater in Köln am Hhein per« 
pflichtet. Jräulein KTarie ZPille beabfichtigt, einigen grogen 
Künftleriuuen ein interegantes (Experiment nach3umachen. 
Bisher h<*t ge geh als ausgezeichnete Soubrette bewährt, bie 
3ulegt unter bem Namen TPiIPens im lieberfpielhans bes 
Neuen Königlichen 0 perntheaters 3U Berlin bie grögten (Er¬ 
folge e^ielte. Sie geht mit Beginn ber neuen Spie^eit ins 
bramatifche Jach über, Jräulein f^elene Stagemann, bie im 
porigen IPiitter ihre £aufbahn als Kon3ertfängerin erfolgreich 
begann, wirb ge im nächften fortfegen, ebenfo wirb Jrau 
(Seiler*tPolter gd? burd? ihre BühnenthätigPeit nicht abhalten 
lagen, auf bem Pobium 3U ihren alten lorberen neue 3a ge¬ 
winnen. Jräulein 3 u l‘ e fjartung fd?lieglich wirb, wenn ge 
wieber ben Kon3ertfaal betritt, es als Kammerlängerin thun. 
Per (Sroghezog pon Sachfen-TDeimar h at *h r & ei1 ehteuben 
(Titel perliehen. 

Perfonalien (poiträts 5 . (580 unb ( 586 ). Pen neun- 
3igfteti (Seburtstag feiert in IPieit am 28 . Hugug bet 
KquareUift Hubolf Kit. Pie ergen Pünglerifdeit Knreguitgen 
erhielt ber 3 lI &»lar ton feinem Pater, bem £anbfchafts« unb 
Krd)itePturmaIer 3 a fol J Hit, feine eigentlichen Stubien machte 
er auf ber KPabemie ber bilbenben Künfte in feiner Pater* 
gabt IPien. KIs §wan3igjähriger unternahm er groge Jug* 
wanberungen burd? bie öfterreichifchen unb norbitalienifchen 
Klpen unb fchuf nach ben (Einbrücfen, bie er babei gewann, 
eine groge galg ausge3eichneter SanbfehaftsaquareDe. Pa- 
neben fchuf er unter ber NachwirPung bes Befuchs ber lom- 
barbifchen Stäbte prächtige KrchitePturfiücfe. Später hat er 
piele anbere fänber bereift, unb überall fanb er neue KTotior 
311 £anbfd?aften unb Krd>itePturftücfen bie feiner 3 ”^*^ualiät 
am meigen 3ufagtcn. — Pie natürliche Jolge ber Beilegung 
bes italienifch*fchwei3erifchen gwifdjenfalls war bie enbgiltige 
Kbbetufuttg ber beiberfeitigen (Sefanbten in Hont unb Bern, 
bie thatfächlich ihre poften ja fchon por Ktonaten perlagen 
hatten. 3 n öer €ibgeuogenfchaft wirb b^err Silpegrefli, ber 
burch fein ghroges Porgeheu ben KongiPt h^uf^Wmoren 
hat burch ben bisherigen italtenifeigen (Sefanbten in Kthen, 
f^ezog pon Kparna, erfegt. — 3 n Schwanberg in SteiermarP 
ift ber bePannte (Embryologe profeffor £eopolö SdjenP, 3wei- 
unbfech3ig 3 a h^e alt, geftorben, ber, wie man wohl fagen 
barf, feinen Huhm überlebt h^- Ungeheures Kuffehen er¬ 
regte por einigen 3 a l? rcit f e t ne Behauptung, bag er einen 
IPeg gefunbeit habe, um bas 3uPüitftige (Sefchlecht ungeborener 
Kittber 3U beftimmen. Kllein feine (Theorie erwies geh in 


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Bumnw 3^. 


Seite *577. 


ber Erfahrung nicht als richtig. Cr hat bas Mittel fticbb 
gefunben, bie Batur fo weit 5U meiftern, baß Eltern nad? 
t^rem EVunfii? mit Mäbd?en ober Knaben befd?enft werben. Kn 
ber Ucbe^etigung, baß er red?t habe, ift er 3U.Crunbe ge» 
gangen. Pie Hrt, wie er feine feljr fd?arf angegriffene 
Methobe perteibigte, peranlaßte beu Senat ber IViener Uui» 
perfität, Sehen F, ber bis batjin bas größte roiffenfdjaftlicfye 
Hitfehcn genoffen hatte, 3ur Bieberlegnng feiner profeffnr 
311 bewegen. — Per fächfifchc Kriegsminifter Ebler pon ber 
phniß ift nad? längerer Kranfheit in l?ofierwiß bei Presben 
geftorben. Hls König (Seorg oor einigen XVochen bie 
Regierung übernahm, war bereits bie Hebe bapon, baß £?err 
ron ber pianiß fid? ins Pripatleben 5urürf3ieheit mürbe. 
Pod? bejferte ftd? fein guftanb berartig. baß man bereits 
wieber auf pöllige (Seneiung bes Miniftcrs hoffte. Bim bat 
ein unerwarteter (Lob tiefer Hoffnung ein Enbe, gemacht. 
Ejerr pon ber planiß ift als Bepollmädjtigter 3um Bunbes- 
rat aud? oft in Berlin getuefen unb hat ftd? an beu Heidts* 
tagsfißungen beteiligt. — Huguft Biemann, ber Verfafjer 
uitcres neuen Hornaus „(Swenbolin*, gehört fd?on feit langer 
geit 3U ben gefchäßteften heutigen Er-ählern. 3 n fjanuopet 
am 2?. 3 UM * 1839 geboren, mibmete er ftd? 3itnächfi ber 
militärifd^en laufbahn. Er gehörte ber Hrmee feines engeren 
Vaterlanbes pon 18 56 bis 1866 an. Halbem er ben Hb* 
fdjieb genommen, betätigte er fid? 3unä<hft als militärifd^er 
Sd?riftfteUer uitb mürbe MitrebaPteur bes <Sotbaifd?en Ejof- 
Falenbers. Enbe ber fieb3iger 3 ah** trat er 3uerft mit einem 
Homan in bie ©effentlicbfeit, bem feitbem anbere gefolgt 
fmb. (Eine H^atjl miffenfd^aftlid?er Hrbeiten seigt, baß 
Btemamt ftd? and? eifrig mit Pbitofoptye befd^äftigt t^at. 
Patjer erflärt ftd? leidet bie Vertiefung feiner Eebensaitfdjau* 
uitg, mie fic in feinen Homauen 3uni Husbrurf Pommt. 



Pie (Sefcbidjte eines Knaben. 

3 *bes Kittb, bas 3um leben ermaßt, ift ein fleiner 
Künftler. (Es fdjaut bie IVirFlichPeit mit reinen Hugen an 
unb fragt nod? nidjt nad? gwetf unb Bußen. Per Baum 
ift ihm wirPlid? ein Baum, ein lebenbiges EVefen, nid?t ein 
lieferant pon Balfeu, IVtegen unb Särgen. 3 a > & as tfinb 
fielet ben Pingen nod? fo nahe, baß es mit ihnen fpielt unb 
je nad? luft unb lauue ihnen biefes ober jenes Märcheitfletb 
umfängt. 3 n bemfelben Baum fielet es heute einen waffeit- 
ftarreuben Hitter, morgen einen büfterpermummten Mond? 
unb übermorgen pielleid?t eine (Vrgel, auf ber ber Kantor 
EVinb einen <£i)oral fpielt. 

Piefe 3 at?re, in benen ber Kinbmenfd? mit bemunberungs- 
roürbiger VorftellungsPraft ftd? aus ber lVirFlid?Peit fein 
lTTärd?enreid? erbittet, ftnb bie glürflid?ftc geit bes leberts, 
mtfer perlorenes parabics nad? bem eine mehr ober minber 
buitPle Sehnfudjt immer in uns rege bleibt. Pie fogenaunte 
„C^tehung* hat uns baraus pertrieben — Sd?ule unb 
Elternhaus mühen ftd? meift im engen Verein, bie Chore 5a 
jener Unfc'siilbswelt feft por uns 3U perfd?ließen, baß and? 
nid?t burd? bie Fleinfte Spalte mehr ein lid?tftrahl fällt. 
Unb es gelingt in ber Hegel fo gut baß bie geit fommt 
&a mir als hochmütige Erwad?fene bie XVorte „Kinb* unb 
„Künftler* nur mit einem halb mitlcibigen, h al & perächt* 
liehen lächeln ausfprecfcen. 2lber es gelingt hoch auch nicht 
immer ohne Kampf unb ©ual für bie Kinbesfeele, bie nur 
tuibermillig bas ihrige aufgiebt. Heid? an fleinett unb 
großen (Eragöbion ift ber Ucbergang, mann ber Verftaitb bie 
Unichulb morbet unb bas iVijfeit bie finbliche IVeisheit 
übermuchert. 

Eine fold?e (Eragöbie mit büfterem Husgang entwirrt unb 
entroitfelt Emil Strauß, ein fübbeutfd?er E^hler, in 
feinem Homan „^freunb £?ein* (Verlag pon S. Jifd?er, 
TSerlin). Es ift bie Eefd?ichte eines Knaben, eines reichen, 


rerheifjungspoflen febens, bas ber Schablonenerjiehtmg ber 
Schule jurn 0 pfer fällt. Schon früh erroad?t in bem jungen 
feiner bie pom Vater ererbte Knlage 3ur HTuftf: bas Brauten 
ber Stürme, bas Haufd?en ber Bäume, bas fatte Summen 
ber PlittagftiUe — alles werft oermanbte ITTelobien in feiner 
bange aufhordjenben Seele. Seine Kinbesmelt ift poll Klang 
unb (Sefang. unb fo lange er ungeftört in ihr leben barf, 
genießt er bie reine Jreube eines nach feinem eigenen Eefeß 
wachfeitben ITTenfchen. Kber bann Fommt bie Sd?ule urtb 
fud?t feine reid?e (Entfaltung in bie enge Jorm ihrer Schablone 
3U 3wängen. 3 m Anfang geht es nod? leiblich 9 ut > 
feiner ift ein williger unb fleißiger 5 d?üler, ber feine Sd?nl* 
bigfeit tt?ut unb bas tote LVtffen ohne großen Schaben für 
feine lebenbige Klangfeele in ftd? aufuimmt. Bis bie böfe 
IHathematiF, bie fd?on fo mand?e Fünftlerifd?e ITatur furcht» 
bare unb frud?tlofe Kämpfe geFoftet hat, unter ben Knfor» 
berungen ber Sd?ule anftaucht. Sie bleibt aud? für ^ e ' nec 
troß allen mühfeligen liebesmerbens ein ewig unenthülltes 
Eeheimnis, fo baß er auf bem (Symnaftum mehr unb mehr 
3urürfbleibt unb bas Kbiturienteneyamen, ber (Lag ber Freiheit 
unb Erlöfung, in immer weitere Jemen rütft. Per Vater, 
ber felbft in jungen 3 a h ren ^ er JHujiF feine fd?önften unb 
reid?ften lebensftuubeit perbanFt hat, perfteht n>ohl bas Mar¬ 
tyrium feines 3 un gen. Hber er hat einft in herber Selbft- 
Überwindung feine geliebte -Eeige einem praftifdjen Beruf 
geopfert; er ocrlangt auch Pon feinem Sohn fo oiel IViUcns- 
Frajt, baß er wenigstens bie Sd?ule burd?mache, unb bleibt 
unerbittlich bei feiner Jorberung. Pa flüchtet ber per- 
3weifelnbe feiner ftd? fd?ließlich 3U „Jremtb Qein", ber ihn 
barmhcr3ig pon allen Hlißflängen bes lebens erlöft. 

Per (Srunbgebanfe, bie ßttlid?e Jorberung bes Buches, 
wirb mit gut»fd?wäbifcher (Srobheit in ben IVorten aus- 
gefprochcn: „IVenn nun einmal ein Kinb Fommt, bem fein 
Beruf aus allen Poren bringt weil ihm (Sott felbft ihn gan3 
unmittelbar mit feinem Blut gab, bann laßt in Pretteufels- 
narnen bie Jntger bapon unb bebenPt, baß biefes Kinb ber 
LTatur uitb ben ewigen (Sefeßen, Fur3, bem L^rrgott näher* 
fteht als ihr — baß ihr es aus ber Jlugbahtt, in bie (Sott 
es warf, nid?t herausbrängen föitnt ja nicht einmal aufhaltert 
PÖnnt, ohne baß es 3U (Srunbe gehtl" paui Koner. 



Pen (Sewerbeinfpeftionen ift nunmehr, anFuüpfenb an bie 
Etatslefung im Heidjstag pom 3 a nuar b. 3 *^ oom Heid?s- 
Pai^ler (Srafen Bülow bte Hufgabe geftellt worben, genauen 
Bericht über bie HrbeitS5eit ber JabriFarbeiterinnett 
ein3uliefern. Pie Eewerbeorbnung feßt eine täglich elfftünbige 
Hrbeits3eit feft. Es foll nun ermittelt werben, ob eine Ver- 
minbernng auf 3ehn Stunben (Eagesarbeit burd?führbar unb 
3werfmäßig erfcheint, unb ob ber Jünfuhrld?luß am Sonnabcnb 
— ber eine halbe Stunbe unb mehr an Jreiheit bebeutet — 
ohne Hachteile für bie mirtfdjaftlidie läge ber JabriFarbeite- 
rinnen 511 befürworten wäre. Bei biefer angeftrebten Ver- 
Pür3ung ber Hrbeitsjeit hanbelt es fid? auch um bie Jrage 
ber perlangerten IHittagspaufe, bie für perheiratete Hrbeite» 
rinnen pon ber größten iVidjtigPeit ift. Eine OTehrgewährung 
pon 30 Minuten erfcheint auf ben erften Blirf 3war als eine 
Eabe, ber bas Bcfte: bie Möglid?feit nußbringenber Ver¬ 
wertung, fehlt näher betrachtet, fd?ließt biefe halbe Stunbe 
jebod? eine jälle pon Vorteilen, hauptfächlid? für bie Jrauen, 
ein. 3 n Flein eit Stäbtcn ober auf bem lanbe, wo bie EVoh- 
uungen in ber Bähe ber Hrbeitsftätte liegen, wirb bie Jrau 
in ben meiften Jäüen banad? ftreben, bie (am Hbeub porher 
porbereitete) Mah^eit felbft 3U Pod?en. Sie wirb fid? ihrem 
f?auswefen, ja felbft ihren Kinbern, bie ber JabriPsPinber» 
garten ober eine gefällige, meift arbeitsuntangliche unb beshalb 
faurn 3uperläffige Bachbarin beauffichtigt, wibinen Fönnen. 
Sie wirb ben inneren gufammenhang mit ihrem fjctnt feftigen 


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I 


1 


Seit* 1578. 


Hummer 3^ 


3uin £egeit ber 3h l i9* I, f ßatt nur Koßgängerin 30 fein, bie 
im Sommer auf bem fabriffjof, im TDinter in ben sugigeit 
Dorhallen ihr Farges dßen — am morgen mitgebracht oder 
gegen (Entgelt 3ubereitet itnb gebraut — oe^ehrt. Die frage 
ber oerlängerten ZTTittagspaufe follte alfo auch ooin Staub* 
punPt ber ßttlidjen Forderungen an erfter Steile ftetjen unb 
eingehendere Beachtung ßnden. 

Anf (Srmtb ber obenermähnten £efung fmb übrigens 
fdjon an Dielen 0 rten oon ber Kommifßon für ArbeiterßatifttF 
Hachfot(jungen über bie ArbeitS3eit ber meiblichen im Der» 
hältnis 3U jener ber männlichen Arbeiter aller fäcfyet angeftellt 
morden unb hüben gan3 ungeahnte Refultate ergeben. Danach 
arbeitet burchfchnittlich bie f rau länger als ber mann, mobei 
ftch bei ber gleichen Arbeit ber Derbienft ber frauen geringer 
fteüt, als- ber ber IHänner. Diefe fdjlechter be5ahlte unb 
trotjbem beßer aus3uuuöeitbe ArbeitsPraft ber f rauen hat nun 
eine auffällig große A»t3ahl non Arbeitgebern bahin geführt, 
bem Angebot oon frauenarbeit entgegen3uPommen 3U Un» 
gunften bes männlichen Arbeiters, ber ftch aus eiu5elnen 
(Bemerben infolgebeffen faß Derbrängt fieht. Auf bem 
IV. bentfehen (BemerfsPongreß in Stuttgart mürbe biefes miß», 
Derhältnis oor menigen IDodjen im Dollften Umfang betätigt. 
Beifpielsmeife fommen im Buchbinbergemerbe auf ioo IHänner 
26 5 frauen. Der (Tarif feßt für IHänner 45 Pfennig, für 
frauen 25 Pfennig für bie Stunbe feft, mohloerftanben für 
bie gleichartige £eiftung. ITTan Fattn es ben frauen nicht 
Derbettfen, meittt fie gegen biefes ^erabbiücfen bes Lohnes 
energifch dinfprudj erheben, benn ber dinmanb, bie frau 
fdjäße nur im „Rebenermerb", bemeift nur bie mangelnbe 
Kenntnis ber einfchlägigen Derhältniße. Dem Staat liegt 
bie Pflicht ob, jeben Arbeiter feines £ohnes mert 3U machen 
unb ihn oor ber IDillFür 3U fchütjen. Hur fo Fommen 
mir aus ber groicFinühle ber längeren be3m. Pür3eren Arbeits» 
3eit unb ber mirtfchaftlichen Selbftänbigfeit ber meiblicheu 
Arbeiter enblich h* ra us. £. Dörfern. 



frl. IDanba be Bouc3a, XTTitglieb bes „(Theätrefrancais" 

3U Paris, t in (Turin im Alter Don 30 3 a h rcn * 

Der Sdjmager Danberbilts, fair ttebft (Sattin, t am 
1 5. Anguß burch Unfall auf einer Automobilfahrt. 

drnß IDilly friftfeh, Herausgeber bes „mußfalifchqn 
IDochenblatts", f in £eip3ig. 

0 berregißeur a. D. £eopolb (Sünther» Schmerin t am 
( 6 * Auguft im Alter oon 7 7 3 a h ren « 

0eßerretchifdjer £anbtagsabgeorbneter (Sottfrieb (Bar, f am 
* 7 . Auguft 3U TDaibhofen an ber 3 &&s» 

Hationafrat 3 °f e f Keel, St. (Sailen, f in St. fiben bei 
St. (Sailen im 6 5 . £ebensjahr. 

Dr. £argin, (Serichtspräfibent bes Amtsbe3trfs Bern, 
f 16 . Auguft burch Abflug oom Habelhorn. 

Scheifh UTohammeb-es-Senuffi, 0 berhaupt ber rcli* 
giäfen SeFte ber Senuffi, t int Kanemgebiet. 

früherer (Tenorijt ITTosbrugger, t in San francisco. 
paul (Ebfer oon ber piaititj, fächfifcher Kriegsminißer, 
t am 17 . Auguft (portr. S. 1580 ). 

Unioerfitätsprofeffor Dr. 0 . pioß, t in Bubapeß. 
profeffor £eopolb Sehe nF, früherer profeffor ber phyff* 
ologie an ber IDiener Uniperßtät, f am 18 . Auguft (portr. 
5 . 1580 ). 

Heinrich Schmaiger, beFannter Alpiniß, t 15. Auguft 
auf bem IKofcrboben. 

(Seneralmajor a. D. Heentamt o. iDicfebe, t 3^ ZDarne» 
münbe im Alter oon 74 fahren. 

qa? 



(Es mar ooit alters her eine Art Ruhmestitel ber BÖrfe, 
baß fie bie Pommeubett (Ereigniße mit feinen 3 n ftinPten oor» 
ausahne unb ebenfo mar es eine überlieferte beglaubigte 
(Thatfache, baß fie bie berechtigte (EigentümlichFeit beßtje, 
herannahenbe (Ereigniße fchon frühäeitig in ber Kursbemegung 
3U quittieren, fo baß es ftch h^nftg genug ereignete, baß 
folche (Sefchehniße, menn fie erft thatfädjlich eingetroßen maren, 
eine ihrer Ratur entgegengefetjte Kursbemegung im (Befolge 
batten. (Es ift fchmerjlich, eingejtehen 3U müßen, baß unfern 
UlärPteit neben fo oielem anbern, bas ße eingebüßt höben, 
auch jene H e Hf e *} cr 9 a & e abhanben geFommeu 311 fein fcheint; 
benn man Ponnte in ber gan3en lebten geit rergebens nach 
feinfühligen „(EsFomtieFungsoerfuchen* ber SpeFulation forfchcit 
ans Anlaß ber oon oerfchiebeneit Seiten angeFüabigteit 
Beßerung in ein3elnen mistigen h^imtfehen (Semerben. Die 
ITtutloßgPeit unb bas mißtrauen finb eben in unfere (Sefdjäfts* 
Preife fo tief eingebrungen, baß man ßdj oon ben (Ereignißen 
überragen ober gar überrennen läßt, anftatt mit weit* 
fchaneubein, gefchäftlichem BlicF bas Präoenire 3U fpieleit. 
Die im £auf biefer JDocfje in bie (Erfcheinung getretene preis» 
bemegung auf ereilten ATarftgebieten fpricht in biefer Be» 
3iehung eine bentliche Sprache. 

$ 

21 ? an hat fchon oor IDodjen angcFünbigt, baß fomohl oom 
Ausland, als auch feiteus uuferer difenbahnoermaltungen 
größere Schienenmaterial» unb fonftige Beftellüngen einlaufen 
ober in naher Ausficht ftehen. man hat auch in ben gißerit 
ber IDagengeftellungeit in ben KohIenbe3irFen erPauut, baß 
fich eine Beßerung 3um H c rbfttermin oorbereitet. Außerbem 
mußte es jenen flar merbett, denen nicht eine erbliche 
Peffiinismusbelaftuug ben BlicF oollftänbig getrübt hatte, 
baß bie fogenannte atneriFanifche (Sefahr, bie man aus bem 
bortigen (Truftunmefen gefolgert hatte, für abfehbare geit 
infolge ber außerordentlich günftigen (Ernte ad acta 3U legen 
fei. Auch ber fübafriPanifche (friebensfchlttß oerhieß, menn 
auch nicht für bie allernächße <Epodje, einen großen Auf* 
fchmung bes internationalen Ausfuhrhandels nach jener golb» 
gefegneten £anbfpitje unterhalb bes Aequators. Allein, mie 
gefagt, bie Börfe hat ihre traditionelle JähigFeit ber H^U* 
feherei oöüig eingebüßt, unb menn es auch h. ei| t* ben An» 
febein hat, als molle ße enblich aus ihrer hartnacFigeu Uti» 
empßnblichFeit htraustreten, fo Fann hoch oorläußg oon einem 
über3eugten frifeßen TDagemut nid?t bie Rebe fein, fonbern 
nur oon einem langfamen, unentfchloßenen (Taften ber ber 
Borfe 3unächftftehenben (BefdiäftsPreife, mähreitb bas außen» 
ftehenbe publiPum unb bie KuitbenFreife in ber prooiit3 fleh 
noch immer ängftüch 3urücFhalten. 

Die IDiener BSrfe fd?ien btesmal bie anfeheinenb h^an* 
ttahenben beßeren geiten früher erFannt 3U haben, als ber 
Berliner plafc; benn oon bort Famen feit einer Reihe oon 
(Tagen günßige Hotierungen. 3 n Bonbon hat auch in biefer 
XDoche bisher bie Beßerung am (SoIbminenmarPt angehalten, 
unb ba an ber Petersburger Bdrfe infolge ber reifen rufßfchen 
(Ernte eine ftarPe preisfteigerung eiugetreten iß. fo ermannt 
fich nunmehr auch bas mit rufßfchen 3 n ^ w ftriemerten be» 
Fanntlich fehr ftarP behaftete Paris unb fdjließt fich t>en inter» 
nationalen Hanßeintereßen an; es fteht 3U hoffen, baß ße 
Feine neue (Enttäufdjung bei bem biesntaligen (Tan5 um bas 
golbene Kalb erleben merben. €in gutes geilen iß jeben» 
falls bie am in» unb auslänbifchen ^rachtenmarFt fich be» 
merfbar ntadyenbe Belebung, bie bie gute (Ernte fämtlicher 
drportlänber 31* 3Uoerläfßgen (ßrunblage hat. (Sute politit 
unb reidjer (Erntefegen foliten ßd? als ßd?ere (ßrünbpfeiler ber 
3U erhoßenben Regeneration ber märFte ermeifen. Oerus. 

< 5 * 




Hummer 3 ^. 


Seite {579» 




Die ßuldigung der Bergleute vor der Husftellung des bergbaulichen Vereins. 



Der Kmfer mit ©cfjeimrat £ueg unb profeffor Hoeber. 


Kaffer mubelm In der Husftellung zu OCITeldorf« 

^enningbopen pbot. 


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Hummer 5 ^ < 


malet Hubolf Ult, IDien, 
wirb am 28. Kugufl 90 3al?re alt 


^er3og uon iloama, 
bet nette itaL (Befanbte in Bern. 


Das Katferin ‘friedrichdenkmal im Kurpark von Bomburg v. d. R.: Marmorbüfte der Kaiferln. 

<D. Kemnib pfyot 


prof. Ceopolb Scfcenf, 


Paul €bler d. b. pianift, 
fÄd^fdjet Kriegsminifier, 
t am 19 . UngefL 


Das am 19. Huguft enthüllte Kalter <friedrld>denkmal in Kroobtrg, 

ßofpijoi. 5 r<rn 3 Schilling, Königfiein i. C„ pijot. 


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Hummer 5^ 


Seite 158j 



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Die Snthüllung des Denkmals in der „Bacbrenklemme“ bei Bterzing (Tirol), 

H. £argajoHi»Örifen ptjot 

















Seite J582. stummer 5^. 



Von den Wirren in Venezuela: Das deutfehe 6erdtwader, „Vineta“, „Gazelle“, „falkc“, vor U 6uaira. 

©ben Iinfs bie Sdjiffsfommanbanten: Stiege, 2. ©raf d. ©riola, 3. ITluscuius. 



3n ber unteren Ileilie, non Iinfs naef? rechts, bie Kommanbeure: ©berftlt. Kffama Oapan). ©cncralmajor non Kobrfcheibt (Xteutfcblunb). ©encralmaj. 
©'111. Creagb (©nalanb). ©cncralmajor be ITogatf (Kußlanb), ©eneralmajor CuciUon ( ( jranfreid?). Kontmanbant Kirdbrnafr (©efterr.«llng.). ©berftlt. Salta 
Otnlirn). 3 n bei oberen Heibc, pon Iinfs nad? redjts, bie Ctjffs ber Stäbe: Sdnfflt. fSasIingcr (©rflerr.). Kapitän £>araba Oapan). Col. ©’ Suflipan 
(<£ng!anb). lllajor u. ^alfenbayn (Deutfdjlanb). Kapitän Dcsmaret (^ranfreidj). Kapitän Kabofsfr (Kußlanb). Kapitän öongtooanni Qtalten). 

Zur (Übergabe Cientfins an China: Die kommandierenden Offiziere der bisherigen Sefatzungstruppen. 


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Hummer 3^. 







OTrs. ©uilral Sorbin, 
begleitet ihren (Satten ju ben 
beutfeben Wandoern. 


Mir. £Iarence lUatfaT, 
ber tfliUionrnerbe, auf bem Hennplatj. 


Mrs. <£. UlatfaT, 
in (Sefcüfdjaftstoilette. 


(S.neral IDoob. 


(Seneralmajor 3°n n 9- 


£t. 5 r «uf Hofc, 

2lbjutant bes (Srnerals IDoob. 


(Scncral Corbitt. 

Die amerifanifd^en ©ff^iere, bie ben 
beutfeben Manöuern beiwohnen werben. 

Intereffente ßerlbneft aus der neuen TOelt. 


£t. 3ames Mc Kinley, 
2Ibjutant bes (Seneralmajors 3oung. 


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Kurten Ctjnmbcrla in, Corb JPinbfor, Hitebie, 2Ifers*DougIas, t^ayes $ifber, 

©encralpojlmeifler* Kommiffar f. öfpentl. Arbeiten. Sd?a$Fan$Ier. tHinifiec bes 3««««- Sefretär bes fdjafcamtes. 

Zur OmWldutig des engUfchcn flinirterfums. 














Hummer 3^. 


Seite {585. 




I. Clotrns. 2. 2lus bet Hitier 3 ett. 3. S I»rt mätjrenb ber pewfe. <k. ^eftoagen. 

Der „CHumpb“, fertfpiel zur SxAttienafeier ah der frATizöfifcben Kriegsfcbule 8Afnt-Cyr. 

Chaffeau^Iamene pbot 


Von der CbeAtcrAuffObrung der 6Ardercbützeti <ro J^AturtbeAter zu Rbeinsberg: Scene aus „Kyrftz-pprftz". 

(f?iet 3 u ber 2IrtifcI: „liniere ©arbef djäfcen in iUjeinsberg".) ganber & Cabifcf?, Pbot. 


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Der Verf alter unteres neuen Romans n 0wendoUn 4< in feinem Reim« 

^ofptjoL 23rännli<fj & CefdjO*™ 1 P*) ot - 


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Hummer 5^. 


Sette {587. 


©tvendolin. 

Roman ©on 

ftuguft Diemann. 


in fd?öner Statt! ©in Berühmter Statt, menn 
Rerüfrntheit barin liegt, baß man in hunbert 
Ka©atteriegarnifonen baoon fprid?t, mie 
©ortrefflid? ©etteral Rrogibos pferbe ge¬ 
wartet unb gepflegt merben, unb meid? ein ausge 3 eid?* 
neter ©rahter ©raf Rrogibo felbfl gemorben fein mürbe, 
wenn er nid?t einem ©oritehmen Stanb angehörte unb 
berufen märe, eine Kauatteriebrigabe 3 U Fommanbieren. 

Die 5rühlingsfomte fd?eint mit golbenem £id?t 
frrnieber unb giebt bem großen HierecF niebriger ©e* 
bäube, morin bie eblen (Eiere moBjnen, einen lebenbigen, 
heiteren Knflrid?. ©ie ©ebäube fd?ließen einen £?of ein, 
unb ein ©ußeitb ©hüren füt?ren ©om ^of aus in bie 
Stätte. E?ier flehen bie (Eiere auf frifd?em Strot?, unb 
bamit fle fld? nid?t Iangmeilen in ber ©infamFeit, t?at 
ein jebes in feiner So je einen Rattenfänger ober einen 
^ojrterrier ober eine Kaße bei fld?. Hur ein ©aul be¬ 
gnügt fld? nid?t mit fold?er <ßefettfd?aft, bas ifl £ucifer, 
bas befle ©hargenpferb bes ©etterals, ein mächtiger 
Rappe. £ucifer ©erlangt menfd?lid?e ©efettfd?aft, bes- 
halb flßt bei ihm ein ©ragoner, ber mieber unb mieber 
einen Kolportageromait liefl, morin bie ©rlebniffe bes 
Sd?arfrid?ters Sd?recfenflein erjä^lt merben. 

©od? iiod? in einer anbern Roy ifl ^eute morgen 
menfd?lid?e ©efettfchaft. ^ier fleht bie braune Stute 
RnFaret, bas Ceibpferb ber Komteß ©menbolin. ©ie 
(Ei?ür ifl offen, unb einanber gegenüber lehnen an ben 
üjfirpfoflen Komteß ©menbolin felbfl unb it?r eifrigfler 
Herefrer, ber Raron E?ugo ÄirFs ©oit 5irFingen. 

Raron 5irFs ifl ein RTann ©on breißig 3afren unb 
hat ben flarfen Hacfen eines ©labiators ober Ring* 
fämpfers. ©ie 3 ntettigen 3 , bie aus feinen blauen 
Rügen leud?tet, fprid?t ©on praftifd?en5ät?igfeiten eines ©e* 
fd-äftsmanns. ©er Raron ifl ©roßgrunbbeflßer unb ©er¬ 
fleht fld? auf bie preife ber Ianbmirtfd?aftlid?en probufte, 
I?at ein gutes Urteil über pferbe, Rinb©ieh unb 
Haustiere. ©r trägt eine gelbbraune 3 oppe, hat ben 
ReitflocF in ber red?ten ©afdje flecfen, rfl in Reitfliefeln 
unb hat feinen 5 iljt?ut mit 3 a<jbfluß auf öas rechte ©hr 
gerüdt, fo baß ihn bie Sonne nid?t bienbet unb er 
bie junge ©ame, mit ber er rebet, unget?inbert be¬ 
trachten Fann. 

Sie ifl es mert, betrachtet 3 U merben, bie Komteß 
©roenbolin. ©ine fd?lanFe ©eflalt, ber bas eng* 
anfd?tießenbe ©ailor*mabe*Koflüm ©on bunFelblauem (Eud? 
rortrefflid? fleht. 3 fr ©efld?t ifl ©on länglichem ®©al, 
«ine feine, gerabe Hafe, ein Fleiner ZHunb, beffeit Cinieu 
fein, bod? ein meitig fefl ge 3 eid?net fmb, als fei nicht 
gerabe £Hittensfd?mäche ein Äetfler ihres ©haraFters. 
3hre braunen Rügen flnb tief uitb gebanFen©ott, ber Rus- 
fcrucF ber beutlid? ausgeprägten ^üge ifl ber bes Stores. 
Sie hat bie Ejautfatbe ber freien £uft, foimeuburd?« 


leuchtet, unb ihre Haltung, ihre Remegungeit fpred?en 
©on Förperlidjer Hebung. Sie ifl Fein ©retd?en, fle ifl 
eine ©ante ber großen EHelt. 3h r e RTutter mar bie (Eod?ter 
einer £aby ©menbolin, bie ©on ihrer Familie flreng ©er* 
urteilt morben mar, meil ihr abenteuerlufliger Sinn fle 
3 ur E?eirat mit einem ©beimann bes Kontinents ©erleitete. 
©ie Unterhaltung 3 mifd?en ben beiben ifl fd?leppenb. 
©s fd?eint, als hätte ber Raron eine fd?mierige 
Sad?e im Sinn, bie ber ©iplomatie bebarf, um richtig 
©orgebradjt 5 U merben. ©r räufpert fld?, er fenFt ben 
Kopf, er fleht bie junge ©ame mit mtßtrauifd?em RlicF 
©on ber Seite an, er 3 iet?t ben ReitflocF frr©or unb 
arbeitet bamit an einem Sporn, er giebt fld? nad? 
längerer paufe einen RucF unb fagt: „3ch meiß, baß 
mid? bie ©efd?id?te nichts angeht, Komteß. 3fr Hafer 
Fann in feinem E?aus empfangen, men er mitt. Rber 
fchlicßlid? ifl es bie ©ame, bie in ben gefettigen Re* 
3 iehungen maßgebenb ifl, unb nicht ber E?err, unb Sie 
haben eine atterliebfle RTanier, ©erehrtefle ©räfln, ben 
alten E?erm um ben Ringer 3 u micfeln." 

„5inben Sie? Sie motten mohl ^roictracht fäen? 
Uebrigens mürbe mein Hafer fld? fd?ön bebanFen für beit 
,alten f?errn‘. ©s ifl merFmürbig, mas junge Ceute für 
Rnfld?ten ©om Rlter haben/ 

„Sie miffen fd?on, mie id? es meine / 1 
„So fprechen Sie gemöhnlid?, menn id? Sie nicht ©er* 
flehe unb menn Sie fld? nid?t beutlid? ausbrücFen Fömten 
Raron. ©amt fagen Sie immer, id? müßte fd:on, mas Sie 
meinten. Rber id? meiß es gar nicht, ©enn Sie merben 
bod? mohl nid?t bie prätenflon haben, meinem Hater ©or* 
fd?reiben 3 U motten, meit er in fein entlaus empfangen fott/ 
„Sd?merer Stanb im ©isputieren mit 3fren, Komteß. 
Rber feheit Sie, mas id? meine, ifl, baß 3fr* gute, felige 
RTama fehr früh geflorben ifl, unb baß Sie eine große 
SelbflänbigFeit haben. Sie flnb ein unb alles im E?aus. 
©er ©etteral Fommaitbiert bie Rrigabe, unb Sie Font* 
maubieren bett©eneral. 3 d? habe ja aud? nichts gegen bas 
Koinmanbieren, aber id? meine nur als 5reunb bes Kaufes, 
baß ©amen manches anbers anfetjen als mir unb ©iel* 
leicht einige Herhältniffe nicht fo praFtifd? beurteilen, 
fonbent mehr ©om poetifchen StanbpunFt aus, menn id? fo 
fagen barf. ©er E?err ©ugen ©ietmar, ber bei 3 fr**n ©er* 
Fehrt, mag ja red?t fd?öne Herfe machen Fömten, aber er 
gehört bod? eigentlich nicht 3 U uns/' 

„tHarum gehört er nicht 3 U uns?" fragte ©menbolin, 
einen flammenbeuRlicF auf ben Sprecher rid?tenb. „IHotten 
Sie bamit fagen, baß er gefd?eiter ifl als mir?" 

„Hun, merben Sie nur nicht böfe, ©räfln. Sie meinen, 
er märe gefcheiter als mir, aber es giebt eine Sorte © 01 t 
©efd?eitheit, bie für bie gute ©efellfdjaft nicht paßt." 

„ZlTeiit lieber Raron 5irFs," entgegnete ©menbolin 
mit hochmütigem ©on, „beFümmern Sie fld? um 3fr* 



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Seite 1588. 


Hummer 3^. 


pferbe unb 3 h r e UTeliorationeit, über ni d\t um Dinge, 
bie Sie nichts aitgehen unb bie Sie nicht ocrflehen." 

Die braune Stute Fam in biefem KugeitblicF mieber 
heran, lugte aus ber Chür in ben fjof unb fchnupperte 
bann an ber Cafche im Kleib ber jungen Dame. Der 
Baron fdjob fie mit ungebulbiger Belegung 3 urücf unb 
fagte: „Vielleicht uerftehe ich bas nicht gut! Über 
nach wös Sie oon meinen Kbjtchten unb tVünfcheit 
roiffen, (ßräftn, glauben Sie hoch felbft nicht, baß es. mich 
nichts anginge." 

„(Entfdjulbigen Sie mich jefet, Baron," entgegnete jte, 
auf ihre Uhr bliefenb, „es ijl Seit, baß ich mich umFleibe. 
3ch hobe mit meinem Vat^r einen Spajierritt oerabrebet." 

„3ch bitte Sie, Komteß, hören Sie noch eilte UTinute 
3 U. 3<h benfe, Sie müffen es lange gef eben höben, baß 
Sie mir nicht glekhgiltig ftnb," fagte er. „2Mes, mas Sie 
angeht unb mas3hr £jaus angeht, 3hren ffcrrn Vater unb 
fo toeiter, bas berührt mich fo,a!s wenn es mich felbft beträfe. 
Vom erjlen HTal an, mo ich Sie fah, höbe ich mir gejagt, 
wenn jemals eineÄrau geeignet ijl, in Schloß ^irFingeit 
3 u repräfentieren, fo ijl es bie (ßräftn (ßmenbolin. 3 ^re 
£janb, teuerfte Komteß," er griff bei biefen IVorteit nach 
ihrer herabhängenben 1 Ejanb, aber jte entjog jte ihm, 
„3hre J£janb ijl bas, monach mein gait 3 es Streben ge« 
richtet ijt. 3<h märe ber glücFlkhjle Kerl unter ber Sonne, 
trenn Sie ,3 ö‘ fagen unb mein merben trollten." 

Baron 5irFs fchöpfte tief Ktern nach bieferHebe. (Er 
trar etwas blaß gemorben ror (Erregung. (Er fah 
bie junge Dame ertrartungsroH an, er Fonnte ftch eigent¬ 
lich nicht benFen, baß fie „Hein" fagen foHte. 

(ßtrenbolin aber ertriberte mit leifer, hoch fejler 
Stimme: „3h r Kntrag ift mir eine €hre, Baron 5irfs, 
aber ich bitte Sie, niemals trieber auf biefes Chema 3 U 
Fommen, treil ich trünfehe, baß mir noch recht lange gute 
Äreunbe bleiben." 

„(ßute 5 reunbe — (Ehr* —," ftic§ er h*rror, „aber 
3 um fjeitFer, Komteß, fo etwas trollen Sie mir hoch nicht 
anthun! Kommen Sie, (ßtrenbolin, geben Sie mir eine 
anbere Kntmortl Das Fann hoch nicht 3h r <Ernjl fein!" 

„ 3 ch mürbe niemals Scher 3 treiben mit einer fo ernjlen 
Sache," entgegnete fte, ^3^? erfläre # baß es mir trirFlich 
eine (Ehre ijt, Baron. Uber meiner Ueber 3 eugung 
nach gehört noch etmas anberes 3 U einer glücFlichen (Eh*/ 
als was Sie für bas IVichtigjle 3 U hölten fcheinen." 

„IVas gehört benn 3 um fjeiraten? 3<$ liebe Sie, 
(ßräfin, ich liebe Sie gemiß unb mahrhaftig. 3<h höbe 
nie jemanb geliebt, mie ich Sie liebe. So überlegen Sie 
hoch nur! Sie brauchen ja im Kugenblicf noch Feinen 
befinitiren Befcheib 3 U geben." 

„ 3 d? brauche nicht 3 U überlegen. 3 ^h merbe ron 
meiner jefeigen (Entfcheibung nicht 3 uriicFFommen. 3d?fchöfee 
Sie als 5reunb, aber £iebe empftnbe ich nicht für Sie." 

„Sie lieben jemanb anbers!" fließ er herror. „(Es 
ijl biefer junge fjerr ron Habenichts unb Bittnichts!" 

Komteß (ßmenbolin h°b beit Kopf empor unb fah 
ben Baron mit hölb 3 ugebrücFten Kugen an. „IVas be¬ 
liebten Sie 3 U benterFeit?" fragte fte mit Faum geöff¬ 
neten Sippen. 

„3ch fage, Komteß, baß Sie unter allen KoFetten, bie 
td? bis jefet Fennen gelernt höbe, bie SchUntmfle ftnb. 3 a , 


bas ftnb Sie, Sie fiitb eine gefährliche KoFette, ber es 
Spaß macht, ehrliche £eute 3 um heften 3 U höben. Sie 
haben längfl gemerFt, mie ich für Sie fühle. Unb Sie 
haben es ftch ruhig gefallen laffen, baß ich immer mie 
3hr Schatten unb mie ein richtiger Harr hinter 3i?nen 
her mar." 

„3ch rerbitte mir biefen (Eon unb biefe Sprache," 
fagte fie Falt unb ftol 3 . „Ueberlegen Sie 3hre IVorte, unb 
behelligen Sie mich nicht mieber mit folchen Unrerfchämt* 
heiten!" 

Sie fchien ftch auf bie Behönblung berber SanbjunFer 
3 U rerfiehen. 

„Ver 3 eihen Sie, Komteß," fagte er. „3d| höbe Sie 
nicht beleibigen trollen, aber £iebe Fann einen HTaitn toll 
mad^en." 

„(ßrob unb gemein barf er niemals merbeit." 

„Schon gut," fagte Baron 5irFs mit mürrifchem 
(Eon. „Uber ich rriH 3hnen etmas fagen, Komteß. Sehen 
Sie bie Sache noch einmal ron einer anbern Seite an. 
Ulan muß hoch ouch ein menig ben Verftanb hören. IVas 
haben Sie benn nur gegen mich? Sie ftnb bie (Tochter bes 
(ßenerals unb natürlich Hummer eins in allen (ßefdjäften.. 
3d? rriü bem Herrn (ßeneral auch von Serien münfehen, 
baß er noch einmal Kommanbierenber mirb. Uber miffen 
Fann man bas bod? nicht, unb heut 3 utage ijl ein jlarFer 
IVechfel in ben höheren Kommanbojletlen. IVas höben 
Sie bann, menn 3hr fyrr Vater eines fchönen (Tags in 
penfton geht? Dann ifl ber gait 3 e (ßlan 3 bahin. Ver¬ 
mögen — unter uns gefagt — ifl nicht riel ba. Der 
(ßeneral höt, mie Sie hoch auch miffen, fajl fein gan 3 es 
(ßelb in bie pferbe geftecFt. (Er höt beit fchönften Stall, 
gan 3 gut, aber meitn er iit penftoit geht, Fann er bie 
pferbe nicht behalten, unb fein (ßelb Friegt er nie mieber. 
IVenn Sie Flug ftnb, Komteß, benufeen Sie bie <§eit 
3 hres (ßlan 3 es. <£s fragt ftch, ob fpäter noch einmal 
ein freier Fommt, mie ich einer bin. HTein (ßott ja, 
ich trill mich nicht felbjl loben, ich ntag ein brutaler 
Kerl fein. Über id] höbe hoch meinen fchönen Beftfe, 
unb mit mir mürben Sie bie größte Dame auf 3 man 3 ig 
Uleilen in ber Huitbe merben. Kommen Sie, (ßmenbolin, 
benFen Sie barüber nach. ifl nicht fo bumm, was 
ich 3 hnen fage, wenn es 3 hnen auch nicht fo fchön 
oorFommen mirb, mie bie tiebesfeene in Borneo unb 
3 ulia unb biefe Krt Sauber." 

„Dumm ift bas gar nicht, mas Sie fagen," entgegnete 
(ßmenbolin gan 3 ruhig. „3™ (ßegenteil, Sie fchilbern 
bie tage gan 3 richtig. Unb 3hre Bejtfeungen, mein lieber 
Baron, ftnb mirFüch fo fchön, baß ich wich nicht lange 
bejtnnen mürbe, ben Beftfeer 3 U heiraten, menn er nur 
intereffanter unb mettiger plump märe. Uber fo, mie 
er nun einmal ijl, battFe ich für feine Beidjtümer. 3d? 
habe mir fefi oorgenontmen, wenn id? einmal heiraten 
feilte, nur auf bie perfon unb nicht auf bie Sache 3 U 
fehen, beshalb — Sie fehen, mie es ijl, Baron, unb nun 
Kbieul" 

Sie maitbte ftch ab, minFte einem pferbeburfdien auf 
ber aitbern Seite bes Hofes, trug ihm auf, nach KnFaret 
3 U fehen, unb ging langfam bem herrfchaftlichen Höufe 
3 U, mährenb Baron 5irFs, bie Söh^e 3 ufammengebiffen, 
oerliebt unb mütenb hwter ihr herfal]. — — 


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Stummer 34 - 


Seite \ 599 - 


(Smenbolin hatte Pd) in (Segenmart ihres Dreiers fo 
falt unb fefl geseigt, mie pe su fein münfd)te, aber fo* 
halb er pe nicht mehr feheit fonnte, tx>id? ber energifdje 
Uusbrucf aus Uliene unb (Sang. (Smenbolin badete nad] 
unb mar neroös. Sie hatte bod) eine für pe michtige 
Dierteipunbe burdpebt unb mar burchaus nicht uu- 
erfchüttert geblieben. Cin unangenehmes Hochgefühl 
brüefte pe. Die Berührung mit bem orbinären Ceben 
hatte ihre feine Cmppnbung beleibigt. Unb bei allebem 
fragte pe pd? hoch, ob pe flug gehanbelt hatte, ben 
reifen Bewerber ab3umeifeit. Uud? in (Smenbolins BruP 
Fämpften 3mei Seelen miteinanber. Die eine mar ebel 
unb hochPrebenb, bie anbere aber meltflug unb hatte 
reichliche Bohrung an ber ©agesmeinung unb aüerhanb 
Büchern gefunben. 

„Cr ip für einen Seitfnecht gerabe gebilbet unb fein- 
fühlenb genug/ fprad) eine Stimme in ihrem 3 nnern 
in Besug auf Baron 5 irfs. 

„Du h^ttep ja aus ihm machen fönnen, mas bu 
molltep, unb fein (Selb ip fd?äßensmert," PüPerte eine 
anbere Stimme. 

So fchritt (Smenbolin langfam bie Creppe hinauf 
unb ging burd? ben Salon, um pch in ihr eigenes 
Stmmer 3U begeben, als pe eine (BePalt bemerfte, bie 
pch Pon einem ber 5 enper bes Salons mie ein Schatten 
loslöpe unb auf pe 3ufam. (Es mar ber jugenblidje 
Dichter Cugen Dietmar, über ben Baron 5irfs fo 
er5ürnt gefprochen hatte. 

„Sie pnb h^r? Ä fragte (Smenbolin, inbem pe 
Pehen blieb. Cr mar für pe gerabe jeßt eine fehr an¬ 
genehme Ubmed?slung. Cr brachte eine Utmofphäre 
mit pd), bie fofort bie peinliche Bachmirfung bes (Se- 
fprächs im E)of permifdpe, eine Utmofphäre pon IDot?!* 
behagen unb (Seipigfeit. „Tibet bas ip fd)ön von 
3 hnen. Ejaben Sie lange gemartet?" feßte (Smenbolin 
hi»3U. 

Der junge UTann antmortete nicht. Sein feines, be- 
megtes (ßepd)t mar leibeuspoü uerserrt, unb feine bunflen, 
tiefen Uugen Pammten 3ornig. 

„Cs ip bas leßte UTal, baß ich hierher fomme/ 
fagte er fchmer atmenb unb mit bebenber Stimme. „Cs 
ip genug, ich Faun es nid?t mehr ertragen. Ceben Sie 
mot)l, (ßräpn. Ceben Sie mobil Ä 

(Smenbolin mar erpaunt unb gan3 permirrt. 

„Was ip benn, E?err Dietmar?" fragte pe beforgt. 

„©, Sie pnb fehr gütig/ fagte er. „Sie mollen 
mich fchonen. Uber ich miß feine Schonung. Be- 
mitleibet 3U merben, ip mir ein entfeßlidjer (Sebanfe. 
3 d? mei§ jeßt alles I 3 d? habe alles gefehettl Ceben 
Sie mobil Uuf emig Cebemohl/ 

„Was ift es benn, Ejerr Dietmar?" brängte Sie. 
„Was haben Sie benn? Spredjeit Sie pch hoch per* 
päitblich aus." 

„©/ fagte er heftig, „id? 3ürne mir, nicht 3hnen. 
Uleiner Blinbheit sürne ich. 3 dl habe Sie für ein 
ZHäbchen gehalten, beffen Seele hach über bas <ße- 
möhnliche hinaus trachtete. So erfchienen Sie mir 
in unfern (ßefprächeu mie ein (Sefchöpf, bas pch 
aus bem f}immel oerirrt hätte in biefe trioiale EDelt. 
Uber Sie haben nur ein Spiel mit mir getrieben. 


Denn Iper 00m 5 enPer aus habe ich gefehen, mie Sie 
im 3ärtlichen (Sefpräd) eine Stunbe lang pd] oon einem 
UTattn haben ben Ejof machen lapen, ber alles 
bas ip, mas ihn einer fein empffubeuben Seele unangenehm 
machen müßte." 

(Smenbolin härte ihn gebulbig an. Sie fanb 
ihn ent3Ücfenb in feiner Cinfalt Cr mar nod) fo 
jung, einunb3man3ig 3 a hre, 3mei 3at?re älter als 
pe felbp, unb pe fam pch ihm gegenüber alt unb per- 
pänbig por. Cr mar fo fdjrecflid) perliebt unb fo 
fchredlich bumm. Cr mar fchlanf unb 3ierlid), fein 
(Sepd?t eher bas eines Uläbdjens als eines UTannes, 
noch bartlos, pon feiner 5 arbe. Sein UTunb hatte ein 
Spiel, als märe er ein geübter Schaufpieler. Sie hatte 
biefen UTunb oft mit Dermunberung betrachtet. Caufeub 
Schere unb mißige Cinfälle, ein be3aubernbes Cächeln 
umfpielten gemöhnlid? biefe gefchmungenen, roten tippen, 
unb jeßt bilbeten pe ein 3ucfenbes Durcheinanber oon 
Sd?mer3, EJohu unb 3 orn. Die Uugen maren bie eines 
Kiitbes, fonp fo meltfremb, fo gebanfenooll, jeßt fprühenb 
oon Ciferfucht. Don bem bunflen E>aar hatte pch eine 
Code auf bie breite, meiße Stirn gefenft, unb (ßmen- 
bolin fanb, baß ihm bas rei3enb Panb. 

„Sie pnb ein Kinb unb ein rechter Chor," fagte 
pe fanft unb fchüttelte babei tabelnb ben Kopf. 

„Sagen Sie mir nur bie EDahrheit/ bat er. 
„Cieben Sie ben Baron 5 irfs?" 

„Cs märe oiefleidp gut, wenn id) ihn lieben fönnte," 
entgegnete (Smenbolin mit einem Seuf3er „aber 3um 
Unglücf ip er mir fehr langmeilig." 

„Sie lieben ihn nicht? So haben Sie pch nicht mit 
ihm perlobt?" 

„Uber Ejerr Dietmar, mas pnb bas für unpaPenbe, 
3ubriiigliche 5ragenl IDerben Sie pch benn niemals 
an gute UTanieren gemöhnen?" 

„© (Sräpit, (Sräpnl" fagte er pöhnenb. „Sie 
haben ja feinen Begriff oon meinen Ceibenl Sie fönnen 
ja alles mit mir machen, mas Sie mollen. 3 d) benfe 
nur an Sie. IDorte fönnen nicht befchreibeit, mie id? 
Sie liebe/ 

„Still!" fagte pe. „So etmas miH ich nicht hären. 
Sprechen Sie hübfeh oernünftig, unb menn Sie nur 
Dertrauen 3U pch felbp haben, unb menit Sie tüchtig 
arbeiten, fo Fönnen Sie ein berühmter Dichter merben 
unb alles erregen, monad? Ste pd) fehnen." 

„Ulles, Komteß? Uud) Sie?" fragte er leife, mie 
hingehaud)t. 

(Smenbolin tl)at, als hätte pe nicht gehört. 

„3d? habe bas größte Dertrauen 3U 3 h^^m Calent. 
Unb benfen Sie pd), a>ie fd)ön es fein mirb, menn 
3 h*e Stücfe auf ber Bühne bemunbert merben unb 
mir gemöhnlid)en Sterblichen anbäd)tig in ber €oge 
pßen unb fagen: , 3 a, bas ip ein Dichter, fo fprid)t 
ein Dichter. Cr beherrfd)t unfere I)er3eu.‘ Stol3 merbe 
id) bann fagen: ,3d) feinte ihn perfönlid), ben be¬ 
rühmten Cugeit Dietmar. 4 " 

Cr ergriff ihre Ejanb, Füßte pe, blicfte (Smenbolin 
Pumm au, fein (ßepdjt mürbe immer begeiperter, gleich 
als fei ein inneres 5euer in ihm ent3Ünbet morben, bas 
nun mit jeber Sefunbe h^ßer brenne, unb plößlid) um« 


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Sette J 590 . 


Hummer 3 ^. 


fd?lang er ©menbolin unb brüefte feinen UTunb auf 
ihre Rippen. Sie mollte pd? losmad?eit, aber er fyelt 
pe feger unb fügte fte mieber unb mieber in einer 
mahreit CrunFeitheit. 

Dod? fte flieg it?n jegt Fräftig 3urücF, uitb er3Ürnt, 
atemlos unb begürst fagte fte: „Das ig 3U garF! Das 
ig unerhört! Sinb Sie beim gait3 ton gemorben? 3 <h 
werte nie mieber mit 3fyien allein bleiben bürfen." 

Cr fd?ien gar nid?t auf ben Sinn ihrer EDorte 3U 
achten. Cr ftarrte fte bemuitbernb unb gan3 im ©lüd 
oerloreit an. Sie aber fagte ftd? balb mieber bei bem 
©ebanFen, bag biefer junge ZHenfd? anbers beurteilt 
merben müffe als ein gans 3ured?nungsfähiger UTann. 

„EPas ^aben Sie ftd? beim nur gebad?t ?" fragte 
fte. <r Stel?en Sie nid?t fo ba, unb gaffen Sie mid? nid?t 
jo anl (Betten Sie fort, id? rnill Sie h^r nid?t mel?r 
fetten!" * 

„EPie id? Sie Hebel" fagte er fanft unb traumerifd?. 
„Unb wenn id? mirFlid? berühmt merbe, fo mirb es 
mein l?öd?fter Criumph fein, Sie 3U gewinnen, Komteg. 
Sie müffen bie meine merben. Perfpred?en Sie es mir!" 

„Sie bilben ftd? tuof?l ein, id? mürbe einem 3 üngling, 
rote Sie pnb, bie £?eirat i>erfpred?eii?" 

„© nein, id? möchte Sie nid?t heiraten." 

„EPie? EPas?" rief fte lad?enb. 

„heiraten ig etmas Sd?recFlid?es. Cs ig gar fo 
fpiegbürgerlid?. Sie bürfen niemals f?eiraten, Komteg, 
benn Sie ftnb 3U gut ba3U, uiel 3U fein, oiel 3U ätherifd?, 
oiel 3U genugfreubig. EParten Sie nur ’einige 3 a hre. 
EPeitn id? berühmt fein merbe unb ber elenbe UTammon 
mir 3U 5 ügen liegt, bann hole id? Sie, Komteg, unb 
mir 3*iet?en uns auf eine glücffelige 3>ifel surücf/ 

„®, Sie ftnb fet?r freunblid?. 3^1 bcutfe 3 ^ ne « 
fd?ön, E?err Dietmar. EPir reben barüber nod? einmal, 
menn Sie erg mirflid? berühmt ftnb. 3 egt gleid? reifen 
mir nod? nid?t nad? ber 3 nfel, £?err Dietmar. Kuf EPieber* 
fel?en!" 

Sie minfte it?nt mit ber E}aub, unb er blieb fielen 
unb fal? it?r traumerifd? nad?. 

* * * 

„Der £?err ©eneral ftnb int Speife3immer/ melbete 
bie 3 un 9f cr * 

©menbolin hotte it?re Coilette beenbet. Sie trug 
ein fd?mar3es Heitfleib mit langer Sd?leppe unb einen 
fd?mar3en mit klooem Sd?leier. Hun nahm 

fte il?re gelben Stulpt?anbfd?ut?e unb bie Heitpeit(d?e mit 
golbenem ©riff, ein ©eburtstagsgefd?enF ihres Paters, 
unb begab ftd? 3um 5rithgücf. 

Der ©eneral ftanb am Cifd?. Cr ging feiner (Eod?ter 
entgegen, unb fte ert?ob ftd? auf ben gehen, ihm einen Kug 
3U geben. 

Cr mar ein göttlicher HTanit mit offenem, 
freuublid?em ©epd?t unb bem geminnenben, oertraueit- 
ermecfenbenKusbrucf, beit man oft bei hohen EHilitärspnbet. 

©eneral ©raf Brogibo mar beliebt bei feinen Unter* 
gebenen, unb feine Porgefegten faheit in ihm einen UTartn, 
ber bie l?öd?fien poften erringen mürbe. Cr mar fünfzig 
3al?re alt, bod? l?ätte man il?m nad? ber Clagijität feiner 
Bemeguttgen unb bem bunflen £?aar unb Sd?nurrbart höd?« 


gens fünfunboie^ig gegeben. Hur menige graue Staate 
3eigten ftd? au ben Sd?läfen. 

„3d? I?abe bid? märten laffen," fagte er. „Cs gab 
aflerfyanb 3U tt?un, unb id? l?abe eine Had?rid?t erhalten, 
bie bid? fel?r iitterefperen mirb. UTeiite Beförberuitg 
geht nahe beoor, unb es ift mal?rfd?eiitlid?, wenn nid?t 
gemig, bag id? bie 3meite ©arbebimpon beFomme. Klfo 
groger Umgur3, mein £iebd?en. Die 3 &Yße nimmt ein 
Citbe, unb bie EPettgabt mirb bid? umraufd?en/ 

„© papa, bas ift fd?önl 3 ^* o&er EPeltftabt, id? 
fel?e nid?ts als bein Koaitcement/ 

„Du big eine ed?te Solbatentod?ter. Kber es giebt 
bod? mand?erlei 3U bebenFen/ 

„EPas ig ba 3U bebenfeit? Der König befiehlt, unb 
mir gehorchen." 

„©emig gel?ord?eit mir. 3 »nmerl?in — Berlin ig teuer, 
unb einen fold?eit StaH föitnen mir uns bort nid?t bauen/ 
„IPir merben uns fd?on einrid?ten, unb für Knfaret 
mirb ftd? fd?on ein plag neben beinen ©äulen finben. 
ZITir ig es, gan3 abgefehen uoit aßen mid?tigen Dingen, 
Iteb, bag mir l?ier megfommeit/ 

„EDarum, mein f?er3? Ä 

„UTan roget ein. Sed?s ^attte ftnb mir t?ier, oier als 
©berg, 3mei als ©eneral. Porl?er maren mir in einem 
nod? Fleincren Heg. 3 ^ f**ne mid? auf Berlin." 

„Kber es ig immer fd?mer, pd? aus einer angenehmen 
©efelligfeit los3ureigen. So bet?aglid? puben mir es 
nid?t mieber." 

„ZITan mirb 3U intim. 3^ toiH es bir nur lieber 
gleid? fageit, papa. Baron Äirfs mirb gar 3U intim. 
£?eute morgen h^t er mir einen Kntrag gemad?t." 

„Unb bu? EDas t?^P geantmortet?" 

„U)as foüte id? antmorten? 3^1 bin für bid? ba, 
papa, unb miß Feinen anbern UTamt heiraten." 

„Das h^P ihnt gefagt?" 

„Hein, papa! EPie Faitn id? il?m beim fo etmas 
fagen? Das mürbe if?n ja gar nid?t abfd?recfen." 

„Unb abfd?recfeit millft bu il?u?" 

„Hatürlid?, papa. 3 <h ntag it?n bod? nid?t leiben/ 
„Das ig fd?abe," Farn es unmiUFürlid? über bcs 
©enerals tippen. 

„EParum fd?abe?" 

„3d? meine nur fo/ 

„3d? bin 3U fef?r burd? bid? oermöhnt, papa. 3d? 
Fann mid? nur nod? für Pollblut interefperen/ 

„Unb bas ig Baron 5 irFs nid?t?" 

„Die Seele eines pferbel?änblers/ 

„f?m! Der UTann t?ot mir nid?t übel gefallen/ 

„Du millg mir mol?l 3urebeit?" 

„EPeun bu il?n nid?t leiben magg, fo ig bie Sad?e 
abgemad?t, aber id? hoffe ernglid?, bag bu nicht etma 
mir 3ultebe Körbe austcilg. Solche ©pfer Föititte id? nid?t 
aitnehmeit/ 

„©ieb bir Feine UTithe, papa. 2 Uid? fd?üttelg bunid?t 
ab. 3 <h höbe Feinen anbern EPunfd? unb Feinen anbern 
Chrgei3, als bir bas E?aus 3U führen." 

„3d?meig es3ufd?ägen. Kbermeineliebge©menbolin, 
um einmal gan3 nüchtern unb bered?neub 3U reben — 
benn jeberntaitn mug red?uen — mettn einmal mieber ein 
fo begüterter Ejerr mie Baron SirFs um beine E?anb an* 


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Hummer 5 ^. 


hält, fo märe es porteilhaft, ihn leiben 3U mögen. Denn 
erftlidj ijl heiraten hoch nun einmal bes IPeibes 33 e- 
ftimmung, unb menn id? einmal bie klugen 3Uthue, ftnbefi 
bu (ßolb meber in 33 arren nod? gemüht." 

(ßmenbolin fprang auf unb legte ihren Hrm um 
bes Paters £?als. 

„Du foü(t nicht fo fdjrecfliche, häßliche Dinge fagen, 
papa!" rief fte. „£?örji bu? Hie mieber fprid?ß bu fo 
etmas!" 

Der (ßeneral richtete auf fie einen Slicf unenblid?er 
Siebe, ber ihr 3eigte, bafe er trofe allem, mas er über 
ifyre Perheiratung unb bie ^uFunft gefagt hatte, bod? in 
itjr fein Cebensglüd fah- 

Kuf (ßmenbolins Krm gejlüfet, fd^ritt ber (ßeneral in 
ben £jof, mo bie pferbeburfd?en ben mächtigen fchmarsen 
Cucifer unb bie elegante KnFaret faileiten. 

„Befehlen, l^err (ßeneral/' fagte ber Dragoner, ber 
bie (Ehre hatte, Cucifers (ßefeHfd?after 3U fein, „ich glaube, 
Cucifer mirb Fr auf/ 

„IPeshalb?" 

„(Er frifet nicht orbentlidj, unb wem man ihm unter 
ben 33 aud? Fommt, fdjlägt er. <£r mill ftd? nid?t fatteln 
laffen. 3^1 glaube, er hat es in ben Hieren." 

„So?" fagte ber (ßeneral, bas pferb betrad?tenb. 
„Hun, bu fluger DoFtor, id? meife nid?t, mas er in ben 
Hieren Unrechtes haben follte. Der (ßaul macht fo feine 
5a^en, meil er nicht genug 3U thun hat. Hber ich »erbe 
ihm bas fchon austreiben. Sattelt nur, Ceute!" 

„befehlen, £?err (ßeneral" 

Der Sattel mürbe aufgelegt. Cucifer legte bie ©hren 
an, als bie (ßurteu angelegen mürben, unb'blicFte mit 
3ornigen klugen 3ur Seite, 3ucfte auch ein menig mit bem 
rechten £?interfufe, als ob er fd?lagen moHte, aber liefe es 
fich bod? gefallen. 

Der (ßeneral half (ßmenbolin in ben Sattel unb flieg 
felbft auf. Die Ejofthür mürbe geöffnet, unb Pater 
unb Cochter ritten hinaus. 

Die £?oftf?ür führte 3U ausgebehnten TDiefen, ber 
(ßeneral hatte ein grofees StücF bapon gepachtet unb mit 
einem Catten3aun umgeben laffen. So hatte er einen 
fehr fchönen plaft 3um trainieren feiner pferbe gemonnen. 

Der (ßeneral unb feine Cochter ritten im Schritt über 
ben eingefriebigten plafe, unb neben ihnen ging ein pferbe» 
burfche, ber bas ^auuthor am anbem €ube öffnen 
moHte. Hber ber (ßeneral h^6 ih n 3urüdbleiben. (Er 
roollte Cucifer über bas Chor fpriitgen laffen, um ihm 
pon oornherein bie 5a^en ab3ugemöhnen. 

„<Er Faun bir bas Chor öffnen, meuu ich hinüber 
bin/ fagte er 3U (ßmenbolin. 

„Das ifl nicht notmenbig!" rief fte mit Fühn blifeenben 
klugen. „KnFaret Fann bas fpriitgen." 

„Du foüteft hoch nid?tl" fagte er bebenFlich. „5ür 
eine Dame ift bas Chor reichlich hoch." 

„Hid?t im geringften 3U hoch," fagte fie unb fefete 
ihr Pferb in(ßalopp. 3 *fet mar fie por bem Chor, ein heller 
Huf, unb mit herrlichem Sprung flog bie braune Stute 
hinüber, (ßmenbolin hielt, fah ftd? um unb minfte grüfeenb 
mit ber ffanb. 

Hun feftte ber (ßeneral fein pferb in (Salopp , unb 
t>er Happe jiürmte mad?tpoll heran. -Hber bicht oor bem 


Seite { 59 t 

Chor fcheute er unb bog 3ur Seite aus, bie ©hren 

bösartig 3urücflegenb. (Ein peitfd?enhieb traf ihn hinter 
ben (ßurten, ber (ßeneral führte ihn in ber Polte herum 
unb trieb ihn pon neuem mit Fräftigem Spornjlofe gegen 
bas Chor. 

Diesmal fprang ber Happe. €r hob ftd? hoch empor, aber 
ber Sprung lief fd?lecht ab. Das pferb jtiefe mit ben Porber- 
hufen gegen ben Hattb bes Chores, unb mit einem 

Krad? lagen Hofe unb Heiter jenfeits auf bem grünen 

Hafen. 

(Ein Sd?rei bes (Entfefeens ertönte pon (ßmen- 

bolins HTunb. 3 m Hu mar fte potn pferb herunter 
unb lief auf ben Pater 3«, ber uttbemeglich am Hoben 
lag; nur feine Kugenliber hoben unb fenFten ftd?. Sie 
rid?tete feinen Kopf auf — 33 lut lief ihm aus bem HTunb. 

HTehrere Ceute rannten h**&ei, öffneten bas Chor, 
hoben ben (ßeneral auf unb trugen ihn 3urücf. (ßmen¬ 
bolin half- Sie trug ben Kopf bes Paters auf ihren 
Krmen unb ftarrte mit mcit geöffneten Hugen auf bas 
bleiche, entfieüte Kntlife. 

Cnblich Farn ber Hegimentsar3t, nad? bem man 
gefd?icFt hatte, unb ftellte feine Unterfudjuitg au. 

„Komtefe/ fagte er tief bemegt, „ 3 hrcm Pater ift 
nicht mehr 3U h^feit." 

„(Er ift tot?" fd?rie fte laut auf. 

Der Hrjt fd?»ieg. 

/ * * 

Die erfien fd?recFlid?en Cage unfafebaren 3 ammers 
maren porüber. Das £?aus mar noch erfüllt Pom(ßerud? 
ber CotenFra?i3e unb ber Ker3ett, es fd?ien nad? bem 
(ßebränge picler HTettfd?en, nad? fo pielett Schritten unb 
leifem Spred?en eine mahre ©ebe ausjuatmen, eine 
troftlofe (Einöbe 3U fein, ba ber f?err, ber angefehene, 
perehrte unb geliebte £?err fehlte. 

Der feierliche pomp bes Hegräbniffes eines por* 
nehmen HTannes hatte nichts 3urücfgelaffen als einige 
melFe Hlümcheu unb perborrte Hlätter auf ber Creppe, 
in ben iPinFeln bes Älurs unb auf bem £?of por ber 
ßausthür. 

Die Dienerfchaft mar mie perfiört, eine permirrte 
(ßefd?üftigFeit, porn Sd?lud?3en unterbrochen, herrfd?te im 
PierecF um ben Srunnen ebenfo mie im £?aus. 

(ßmenbolin ftanb, eine £;anb auf ben Cifch gejtüfet, 
finnenb in ihrem <§immer. 3hr (ßeftd?t mar bleid?, 
bie Kugen pon pielem IPeinen gerötet. 

^eute follte 5 amiüenberatung fein. (Eine Cante aus 
einem meltlid?en Klofter in HTecflenburg unb ein ©nFel 
mit feiner 5 rau, fomie ein entfernterer Permanbter maren 
gcFommen, unb man mollte über (ßmenbolins SuFunft 
entfd?eiben. 

Die Cante mar eine ältere Sd?mefter ihres Paters, 
ber ©nFel ein penftonierter HTajor, fein älterer Hruber. 
Der Canbgerid^tsbireFtor pon ©erjen, ber als 3 urijT bie 
©rbnuug ber £}interlaffenfd?aft übernehmen follte, mar 
ein Petter bes Perftorbenen. 

(ßmenbolin 3auberte, ihr gimmer 3U perlaffen unb 
in ben Salon 3U gehen, fjier ihr eigenes gimmer mar 
eine pertraute X?ehnftätte ihres Sd?mer3es, aber im 
Salon bei ben Permanbten mürbe bie Falte Cuft ber 


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Seite 1692 . 


Stummer S4- 


IPelt ße anwehen. Sie waren ja freunblich unb teil* 
nehmenb, bie lieben Perwanbten, aber ©wenbolin wußte 
wolfl, baß ihr oieles nicht oerjiefyen würbe. Sie befam 
bie Perwanbten, ba ße in anbern Stabten wohnten, 
?mr (eiten 3U (eben, aber wenn fie einmal mit ihnen 
3ufammentraf, fonnte fie bemerfen, baß bie Art ber 
Crjiefyung , bie fte bei ihrem Pater genoß, nicht 
bie Billigung ber älteren Damen fanb. 

„©menbolin!" rief es an ber Ctjür. „ 3 ch bin es, 
Cante Bertha. 3 ^h möchte bich fprechen." 

©wenbolin öffnete, unb bie 5rau BTajorin trat mit 
(ehr wichtiger ZHiene ein. 

„©wenbolin," fagte fie, „ich höbe bir etwas mitsu* 
teilen, was mit einem Schlag alles änbern fann. 3 ch 
bin fpesiell beauftragt, mit bir 3U fprechen," 

„Alles änbern?" fragte bas junge ZTTäbchen. „ 3 <i? 
oerftehe bich wir fl ich nicht." 

J «, 3 ch meine bie faftifchen Perhältniffe," fagte bie 
Cante uttgebulbig. „tPir fehen hoch, baß bie Perhalt* 
niffe nicht fo gut ßnb, wie wir buchten, bas heißt, 
bein ©nfel iß niemals barüber im gweifel gewefen, 
baß bein lieber, feliger Pater, 3um minbeßen gefagt, 
nichts 3uräcflegte, aber wir haben hoch nicht erwartet, 
baß fo wenig ba fein würbe. Doch will ich hier* 
00n jeßt nicht reben. (Es iß bas eine Chatfache, bie 
wenig ins (ßewicht fällt, wenn ich erwäge, welche 
Ausßcht ftch bir jeßt bietet: Baron 5irfs iß eben bei 
mir gewefen unb hat in ber ebelßnnigßen unb groß* 
mütigßen IPeife um beine fjattb angehalten." 

©wenbolin 3ucfte 3ufammen. „(Ebelßnnig? ©roß* 
mütig?" fragte fte mit fchneibenbem Con, ihren flogen 
Blid auf bie flehten, grauen Augen ber Cante richtenb. 
„Bin ich «in Bettelmäbchen, bas man aus Barmhersig* 
feit oon ber Straße halt? Das IPort Barmher3tgfeit 
fehlte noch." 

„Aber ©wenbolin!" rief bie Cante erfchrocfen. „tPie 
entfeßlich neroös biß bul" 

©wenbolin lachte h^huifch auf. „3ch toill bir bie 
Antwort fogleich geben, Canta Bertha. Diefer Baron 
5irfs tft nicht fo fchüchtern, wie bu glaubß. ®h«er fach 
an bich wanbte, hat er mir fchon bireft einen Kauf* 
antrag gemacht Aber ich bin auf bas ©efchäft nicht 
eingegangen." 

„©wenbolin, bu oerfünbigß bichl" rief bie Cante. 
„Um ©ott es willen, UTäbchen, wie fprichß bul 
IPenn bu ben Antrag bes Barons fo ohne weiteres 
ablehnft, biß bu reif fürs 3rrenhaus! Du biß gan3 
ohne Permögen. Du mußt heiraten ober bei 
beinen Perwanbten leben. Unb ba iß es hoch eine ©nabe 
bes Rimmels, für bie bu auf ben Knien banfen follteft, 
baß ein fotcher UTann bich heiraten will." 

„©eben wir hinüberl" fagte ©wenbolin. „3d? toill 
bie Abrechnung bes ©nfels ©er3en fehen, ich roill gait3 
flar fehen, ich will alles wiffen." 

Sie fchritt 3um Simmer hinaus, unb bie Cante folgte 
trippelnb in hoher Aufregung ber prachtooüen ©eßalt, bie 
mit bem ihr eigenen anmutig gleitenben ©ang oorauseilte. 

Die Perwanbten faßen im Salon um beit Cifch, unb 
fjerr oon ©ersen hatte einen Stoß Papiere oor ftch. Sie 
unterbrachen ihr ©efpräch beim (Eintreten ber beiben 


Damen unb begrüßten ftch ntit ©wenbolin. Der IHajor 
gab ihr einen Kuß. €r hatte einige Aehnlichfeit mit bem 
©eneral, hoch war er Fleiiter unb hatte nicht bie offenen, 
männlichen <§ücje feines Brubers. €r hatte feit langen 
3ahren, feitbem er penßoniert worben war, nicht auf 
bem beßen 5uß mit bem ©eneral geßattben, beim es 
nagte an ihm ber Beib, unb er war über3eugt, baß er 
felbß ein oiel befferer ©ffaier wäre. 

„Da wären wir alfo alle 3ufammeit," fagte ber 
Canbgerichtsbireftor. „ 3 ch habe hier eine Aufßeüung 
beffen gemacht, was mein feliger Petter hinterlaßen hat, 
unb beßen, was oon ber fjinterlaßenfchaft abgerechnet 
werben muß. (Es wäre wohl 3wecfmäßig, mit biefer 
Aufßellung an3ufangeit, bamit flar 3U erfemten iß, worauf 
©wenbolin für ihren Cebensunterhalt 3U rechnen hat." 

„3a, bas möchte ich tuiffen," fagte ©wenbolin. 

Die Stiftsbame räufperte ftch unb warf einen Blicf 
3ur Decfe empor, als wollte fte für alle Äälle bei bem 
Auftreten ihrer Bidfle bie göttliche ©nabe anrufen. £}err 
oon ©er3en aber ßng nun an, mit ber gefchäftsmäßigen 
unb grünblichen Art eines tüchtigen Beamten, alle Aftioa 
unb pafßoa, wie er fagte, auf3U3ählen. (Er nannte faß 
eine Stunbe lang alle möglichen fahlen, fo baß es 
©wenbolin in ben Ringern 3U Fribbeln anßitg, unb fam 
bann 3U einem Schlüße, ber gerabe3u nieberfchmetternber 
Art war. Die Hechnung lief nämlich barauf hinaus, 
baß nach Ab3ug alles beßen, was 3U be3ahten war, 
etwa breitaufenb BTarf als ©wenbolins Permögen unb 
einiger Beßß übrigbleiben würben. 

©wenbolin faß in ßarrer Ejaltung ba, unb ihre 
Augen blicften in bie Äerne. Sie war nicht unwißenb 
in ©elbgefchäften, benn ße hatte ben fjaushalt ge¬ 
führt. Aber bie Einßcht m bie Anforberungen bes 
Cebens fehlte ihr hoch, infofern als ße niemals barüber 
nachgebacht hatte, wieoiel ein ein3elner BTenfch oon be- 
ßimmter Cebensßellung an ©elb nötig hätte. 

Bach längerem Schweigen ergriff bie Stiftsbame 
bas XPort. „Die gräfliche 5 amilie Brogibo," fagte ße, 
„hat bie Anmartfchaft auf Berücfßdffigung im Stift 
PTalchin. Allerbings iß gegenwärtig Fein Kloßerplaß frei, 
aber ich benfe, baß ßch für ©wenbolin mit ber Seit burch 
iürfprache ein 5reiplaß erlangen ließe, unb ich bin bereit, 
ße bis bahin bei mir aufsunehmen. ZPie benfß bu bar¬ 
über, ©wenbolin?" 

„ 3 d? habe nid]t bie Abßcht, ins Kloßer 3U gehen," 
antwortete bas junge Bläbchen. „Du biß fehr gütig, 
liebe Cante, aber ich fönnte bas Ceben in beinern 
Kloßer mit ben beßänbigen Sänfereien über Kleinig* 
feiten nicht aushalten." 

Die Cante oersog bas ©eftcht. „^alte ich es hoch 
aus!" fagte ße fcharf. 

„Du weißt oielleicht nicht," fagte jeßt bie Stiftsbame, 
„wie fchwer es in unferer Seit für ein BTäbchen aus 
guter Familie iß, ohne Permögen burchjufommen. 5 ür 
ein BTäbchen 00m Canb, bas fräftige Arme hat unb 
Fochen Famt, iß es ja fehr leicht, benn an 5rauen3immern, 
bie etwas Büßlidjes oerrichten fönnen, iß bitterer 
ZTTangel, unb jebe fjausfrau Flagt. Aber für bie Cödfler 
oon Beamtin unb ©fß3ieren iß es ungeheuer fchwer, 
ßch burd^ubringen, weil ße ßch an nüßliche Arbeit 


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Hummer 3 ^. 


Sette t 593 . 


nicht heranmadjeit wollen. Sie ftnb 3U gebildet. 2 UIc 
fönnen frembe Sprachen, 3eidjnen, malert, Klaoier fpielen 
unb Homane lefen. ©anach ift aber nicht genug Hach* 
frage. Hun möchte ich wohl wiffen, was bu mit beitten 
breitaufertb HTarf Permögen eigentlich werben witljt." 
„©as weiß ich auch nicht/ entgegnete (Swenbolin. 
„Ha alfo, liebes Kinb!" 

„DTeiner HTeinung nach/ fagte ber UTajor, inbem er 
aufjprang nnb im Simmer auf unb nieberging, um 
feine Derlegenheit 3U verbergen, „meiner IHeinung nach 
Fann eine (Sräftn Hrogtbo weber Cehrerin, noch Huch* 
halterin, noch (Eelegraphiftin werben. His auf weiteres 
fannß bu 3U uns 3iehen, (Swenbolin, wenn es ber (Eante 
recht ijt. ©as Spätere wirb ftd? ftnben." 

„(Erlaube, Karl!" fagte (Eante Hertha fehr energifch. 
„(Sewiß bin ich oöKig bamit einoerjlanben, baß (Swen- 
bolin 3U uns Fommt, obwohl ich nicht glaube, baß fte 
unfere befcheibene Einfachheit goutieren wirb. Uber 3uerft 
muß ich &od? noch etwas 3ur Sprache bringen, was ber Fa¬ 
milienrat wijfen muß. ©n fehr reicher unb angefehener 


Ejerr, ber Haron Firfs auf FitFingen, bewirbt ftch um 
(Swenbolins fjauö. 3 ^ habe es (Swenbolin gejagt, aber 
fte ifi noch unentfchloffen." 

„IDie?" rief bie Stiftsbame, inbem fte ben Kopf 
erhob unb in hoher Spannung auf (Swenbolin fah- 

„IDie ich fagte. ©er Haron hat bei mir um meiner 
HichteEjanb angehalten. (Swenbolin mag fleh entfeheiben!" 

„Sich entfeheiben?" rief bie Stiftsbame, ftch 3ur 
gan3en J}öhe ihrer hageren Figur aufrichteitb. „IDas 
ift ba 3U entfeheiben? natürlich fagt fte ,ja'I ©as ijt 
ja bas große Cos! EDas? ©a fott noch auf eine 
©ttfcheibmtg gewartet werben?" 

(Swenbolin war totenbleich. (Sebanfen unb Ent* 
fchlüffe ber oerfchiebenften 2lrt Fämpften miteinanber in 
ihrer Hrujh Sie blicFte umher — hier Fonnte fte 3U 
Feinem Entfchluß Fommen. ©iefe Derwanbteu regten fte 
3ur ©ppofition auf, erbitterten fte. Sie ftaub plößlich auf. 

„3ch will es überlegen/ fagte fie unb entfloh, bie 
betroffenen unb beleibigten©nfel unb Canten allein laffenb. 
(förtfeftung folgt.) 


G" ‘ - 1 — ü 


Die Brieftaube im Kriegs’ und Seedienst. 

Don E. ZHiller. 


Schon im JTiittelalter wußte man ben gefieberten 
Friebensboteit, bie oon Sage unb Sichtung oerherrlichte 
(Eaube, ben &weden bes Kriegsbienftes nußbar 3U 
machen. So wiffen wir 3um Heifpiel, baß 3U3eiten 
Kaijer Hotbarts iombarbifche Emiffäre burd? (Eauben- 
botfehaften bas Haben Faiferlich hoh^afiauftfeher Ejeere 
in HTailanb unb ©beritalien oerfünbeten. 

Sie HTöglichFeit ber Henußung biefer fanften (Eiere 
als Kriegs- unb Friebensboten beruht auf ihrer Eigen- 
fchaft, felbfi aus ben größten ©ttfernungen bie heimat» 
liehen Schläge wieber3uftnben. ©ie (Eaube bejtßt ein 
ungemein fcharfes Kuge, äußerft h°he ©rientierungs« 
fähigfeit, Kusbauer im Flug, ftarfe Hruftmusfeln unb 
unüberwinbliche Sehnfucht nach ber Hrutftätte. 3™ 
Flug legt fte burchfchnirtlidj binnen einer ZHinute einen 
Kilometer 3urücF. Dor Erftnbung ber eleftrifchen 
(Eelegraphie benußten hauptfädjlich große Hanfiers bie 
(Eaube 3ur Heförberung oon Kursbepefchen. Kls aber 
ber (Eetegraphenbraht bie Erbe 3U umfpannen begann, 
warb ihr allerorten ber ©ienft gefünbigt, unb nur noch 
reiche prioatliebhaber trieben Züchtung unb ©reffur 
von Hrieftauben als Foßfpieligen Sport. 3 m ©rient 
allein, wo fte 3wifchen (Eeheran unb (Eabris niemals 3U 
Furjteren auf hörte, biente fte noch als offajeller Kunb- 
fd?after. Sonjt war fte göttlich oerfchwunben. ©a 
Farn ber beutfch-fran3öfifche Krieg unb brachte fte mit 
einem Schlag wieber 3U hohen militärifchen (Ehren. 
Hachbem bie franjöftfchen £}eere gefchlagen, HTeß unb 
paris ooKfiänbig ehtgefchloffen waren, Fonnten biefe 
beiben fejten pläße, oon jeber Derbtnbung mit ber 
Kußenweli abgefchnitten, auf Feinem anbern EDege mehr, 
als burdj bie Cuft, mit ber Außenwelt oerfehren. 

(Sleich bie erflen Derfuche würben oon (Erfolg ge¬ 
frönt. ETTan (teilte einige proben an. parifer (Eauben 
würben in Haiions nach (Eours unb poitiers gefchafft; 
fcort ließ man fte wieber fliegen, unb alle fanben rajeh 


unb ficher bie heimatlichen Schläge wieber. Hachbem 
ber ©iftator (Sambetta felbft paris mittels Cuftballons 
oerlaffen unb ben Siß ber prooiforifdjen Hegieruitg nach 
(Eours oerlegt hotte, würbe ein regelrechter Hrieftauben- 
poftbienjt 3wifd?en bei ben Stäbten organifiert, ber aber 
ben günjtigen Fortgang, ben man nach ben erften Der- 
fuchen erhoffte, nicht 3U oer3eid?nen hotte. Don 370 
aus paris abgelaffenen (Eauben Fehrten Faum 60 in 
ihre Hrutfiätten 3urücF. ©ie flrenge Kälte fchwächte 
ben ©rientierungsftnn ber (Eierchen, auch fielen (Eauben 
in erbeuteten Haflons in bie Ejänbe ber ©eutfehen. ©as 
meifie aber mag wohl bie in paris herrfchenbe Konfujton 
unb Ueberjtürjung, wie auf allen, fo auch ouf biefem 
(Sebiet, 3U bem geringen Erfolg beigetragen hoben. 

HTit ben Ceijlungen ber angefommenen (Eauben 
aber fann man recht 3ufrieben fein. Sehr Farn bem 
neuen Unternehmen bie photomifroffopie 3U ßatten. 
<£h* ntan öiefes moberne Hilfsmittel Fannte, fchrieb man 
bie Hlitteilungen auf Seibenpapier, bas man in einem 
StücF Feberfiel oerbarg^ währeitb man biefes wieberum an 
einer Schweiffeber ber (Eaube befefügte. 

©agron, bem Erfhtber ber Photomifroffopie, gelang 
es, \ 8?0 eine oolle Seite bes 3 oumal offteiel auf ben 
fechften Zeit eines Quabrat3oHs 3U übertragen. 

©aber beauftragte man ©agron, ber ftch oon Knbeginn 
an 3U ber prooiforifchen Hegierung in (Eours begeben 
hatte, amtlich mit ber photomifroffopifchen Uebertragung 
aller für bas belagerte paris bejiimmten offt3iellen unb 
prioaten ©epefdien. ©er bebeutenbe Erftnber brachte 
auf einem StücFchen Seibenpapier oon \ 2,?6 Quabrat« 
3entimeter im Umfang 35 000 Hachrichten mit 3u- 
fammen 700 000 XDorten unter. 

©er erjte gefieberte pofibote beförberte am Ho- 
oember 1870 bie gefamte Hegierungsforrefponben3 oon 
(Eours nach paris, babei befanben ftch auch 230 prioat- 
nachrichten. Kuf bem parifer (ßouoernentent würbe bie 


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Seite 159^ 


Hummer 3 $. 


nterFmürbige poßfenbung fofort photographifd? ©er* 
größert, unb bie pri©atnachrichtcn mürben benCmpfängem 
regelrecht ^ugefteüt. 

©as „Bulletin de la Reunion des officiers" erjählt 
uns in feiner Hummer ©om 3 uni J 885 , baß mäh' 
renb ber Selagerung gegen J 50 000 offoietle ©epefchen 
unb über eine HTillion prioate Hachrichten, fomie für 
\90000 5 ranf poßanmetfungen burdj Cauben nad? paris 
beförbert morben ftnb. 1 

3 « ©nglanb gab mau ben Cauben fchmerere 
©epefd?en mit, fonft erßrebt man überall ein leichteres 
©emidjt. Seit einiger Seit toenbet man ©ielfach ftatt 
bes immer noch 3U fdjmeren Seibeupapiers bie leichteren 
Kollobiumblättchen an. ©n folches Blättchen ©01t 
J 5 (ßuabrat3eutinieter Umfang umfaßt 300 UTitteilungen; 
J8 folcher Blättdjen mit runb 5000 HTitteilungen miegett 
noch fein falbes ©ramm. 

Die neuße Seit fennt aud} eine Seebrieftaubenpoß. 
Had? einem Bericht bes ©ireFtors ber (Compagnie 
Cransatlantique mürben auf ben nach Heuyorf fahrenbeit 
Dampfern biefer Sdjiffsgefetlfchaft Perfudje mit Brief¬ 
tauben gemacht. Das Unternehmen begann am 2Xprtl 
^899, unb fchon im £auf ©on 19^0 wavcn t©irfliche 
©folge erjielt. Pom J 5 . HTär3 bis 3 ^ ©e3ember \<)00 
mürben in £e Flame jebe EPoche eine 2 ht 3 ahl Brief¬ 
tauben eingefchifft. Pon 36 Uufflügen erreichte nur 
3t©eimal feine Caube ben Schlag, fo baß bie ©epefchen 
©erloren mären. ©er ©on ben (tauben bamals 3urücf* 
gelegte We g fchmanFt 3mifd?en \20 unb 350 Seemeilen, 
©er bemerfensroertefte 5lug mar ber am 29. 3uli 19^0 
auf ber „Courgine" ©eranßaltete. ©ie (Eauben ©erließen 
ben ©ampfer um 5 Uhr morgens, unb bie erfte langte 
2 Uhr nachmittags im Schlag an. Sie hatte in neun 
Stunben 32 ^ Seemeilen 3urücfgelegt. Um 9 - September 
hatte ein anberer auf ber „£orraine" ©eranftalteter 5lug 
ein her©orragenbes Hefultat 3U ©er5eichnen. Um 5 Uhr früh 
aufgelaffene (Eauben erreichten ihren Schlag am Ubenb 
besfelben (Eages mieber, nachbem ße einen EPeg ©on 
360 Seemeilen ober 650 Kilometer 3uriicfgelegt hatten. 

©em gegenüber ift bie Behauptung intereffant, bie 
J 877 in St. Ha©aire nach einer einjährigen periobe 
©on Brieftauben©erfuchen aufgeßellt mürbe. UTan fam 
bamals 3U bem Schluß, bie Brieftauben ©erlören bei 
einer ©ttfernung ©on 50 Seemeilen ©om £anb ihr ©rien- 
tierungs©ermögen. Pon 26 \ (Eauben ber Kompagnie 
fehrten im 3 a hr 19^0 nur U$, alfo 56 projent 3urücf. 


5 affen mir an ber Ejattb ber ©orßehenben Chatfachen 
bas Urteil über bie militärifche Bebeutung ber Brief¬ 
tauben fur3 mie folgt 3ufammen: eineKrmee, ein Kriegs¬ 
hafen, beren Perbinbungen burch einen ße ringsum ein- 
fchließenben 5einb unterbrochen ftnb, beßßen in ihnen ein 
immer ©erfügbares, meitn auch nicht ßets 3U©erläfßges 
UTittel, ftch mit ben feßen piäßen, Urmeen, ja unter Um* 
ßänben felbß mit ©efchmabern, ©on benen fie getrennt 
ftnb, mieber in Perbinbung 3U feßen. 

©er Brieftaubenbepefdjenbienß ©erlangt aber ©or 
allem eine ©ernunftgentäße, auf bas phypologifcheStubium 
ber • ein5elnen (Eauben bafierte ©reffur als ©runb- 
bebingung bes ©rfolges, methobifdje Uusmahl unb Sucht 
unb fyßematifd?e pflege bes häuslichen Sinnes, ber £iebe 
3um Heß. Uuf ©runb ber michtigen ©ienßteißungen 
ber (Eauben im Krieg J 870 / 7 \ haben bie em3elnen 
Begierungen bie Brieftaube als Kriegsmittel ermählt unb 
einen methobifchen Betrieb ber Brieftaubenabriditung 
für KriegssmecFe organißert. 

©ie erße 5orberung im beutfdjen Ulilitaretat fällt 
in bas 3 a hr J 875 mit 3600 UTarF. Seitbem ftnb an 
©ielen ©rten Kafernen mit Spiel* unb Uebungspläßen, 
ja felbß Kranfeufälen für bie geflügelten Hefruten er- 
ridßet morben. 5 ranFreich hat im pariferKFFlimatifations* 
garten eine ©eneralftation erbaut, ©01t ber aus bie ge¬ 
fieberten Boten über alle 5 eßungen unb Kriegshäfen bes 
£anbes ©erbreitet merben folleu. 

©er Ejauptmangel liegt barin, baß bie Beförberuttg 
©01t Caubenbepefdjen metß nur in einer Btchtung möglich 
iß. EPill man 3. B. ©on Berlin nach Köln Cauben* 
bepefchen ©erfenben, fo muß man bie (Eierchen ©orerß 
©on Köln nach Berlin gebracht haben, ©01t mo fte bann 
mit ber an einer Schmeife befeßigten ©epefche nach Köln 
3uriidfliegen, in entgegengefeßter Bichtung ©erfehren fte 
nur feiten. Um bas Foftfpielige fjin* unb £}ertrans* 
portieren ber (Eauben, fomie ihr ©efangenhalten an 
eittent fremben ©rt 5U ©ermeiben unb eineu regelmäßigen 
PerFehr 3U er3ielen, Fam man fchon längft auf ben ftnn* 
reichen Cinfall, bie (Eierchen fo 3U brefßeren, baß 
fie ftch an ber einen Station ihr 5 utter, an ber anbern 
ihr EPaßer holen, mo fte 3ugleich aud} ihre Hefter 3unt 
Brüten haben. Ulan giebt ihnen 3. B. in Ulm tPaffer, 
bann transportiert man ße nach Straßburg, mo fte 
reichliches 5 utter ßnbeit, aber Feinen Cropfen U^affer. 
Hun läßt man fte nach th**nt Heß in Ulm 3urüdßiegen r 
mo fte ihren ©urß löfdien Fönnen. 


<y> 


Huq der Hielt der Blaujacken. 

§ierju to ptjotograpljifcf^c ilufncitjmrn oon 21. Uenarb m Kiel. 


Stuar iß bas £eben an Borb ber Kriegsfchiffe nicht 
mehr ©öllig eine terra incognita für ben Kußenßehenben, 
mie itodi ©or menigen 3ah^«n, mo man, befonbers in 
Babeorten, bie 5 rage hären Fomtte: „IPas madien 
Sie eigentlich ben ga^en Cag auf bem Sdi iff, mie 
bringen Sie bie Seit nur hnt? Ä ober „Können bie 
Schiffe auch bes nachts fahren, Fann man aud} 
orbentltd} Fodien an Borb?" u. f. m. ©as maren 
bann auf ber anbern Seite fo ßarFe £ocFungen für 
unfere Seeleute, ©on bem pfab ber EPahrheit ab* 
3umeid?en, baß fte meift ber Perfuchung erlagen unb 
bie ungeheuerlichen ©inge berichteten. Ejatte aber 


einer ben UTut ber EPahrtjeit, fo begegnete er un¬ 
gläubigem £ächeln ber Snhär^, äie ftch gerabe auf 
einen angenehmen Schauber ©or ben Ejärten bes See¬ 
mannslebens gefaßt gemacht hatten. 

©er beutfehe Kriegsfchiffsmatrofe hat es in ber 
Chat recht gut, beffer metß als je 3uoor, ober nach äer 
©ienß3eit in feinem <§i©ilberuf. Selbßoerftänblich giebt 
es manches, über bas er ftch ärgert, aber Kerger er* 
xoedt bie £uß 3unt Schimpfen, Schimpfen macht hung¬ 
rig, unb bie Koß iß gut uitb reichlich — ergo 3eigt bie 
ßrenge £ogiF, baß ber Kerger nahrhaft iß; mas mollen bie 
ßeuer3ahlcnben €ltern ber feefahrenben 3ünglinge mehr! 


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Hummer 3^. 


Seite J 59 ö. 



8 chornft(tnanrtrc{<hcn. 


Husaenbordarbcften. 



Da mir gerabe beim (Effert finb, fo mag auch ermähnt 
roerben, baß jeben Ztlittag ber Kommanbant, ber Haviga* 
tionsofföier unb ber machthabenbe ©ffaier bie (Berichte 
probieren, unb, mie unfer Silb auf Seite \ 5 ty 7 3eigt, 
auf bem 5laggfchiff fogar ber 2tbmiraL Dies i(t ein 
aufcerorbentlid? 3tvecfmä§iger unb nüfeUcher Srauch, für 
ben bie ©ffeiere bieiijllich verpflichtet jtnb unb ber 


feinesmegs beredt, bloß einen *rei3enben (Charafter* 
3ug" auf bie photographische platte 3U feieren. 

Das (Bebot ber Diät, nach bem (Effen ein menig 3U 
ruhen, hält ber Seemann gemiffenhaft itme, getreu 
feinem Spruch: 

„Hach &em (Effen folljt bu rauchen 
©ber in bie Koje frauchen", 



SootAuafctzcn. Porten bei fcblecbtem tletter. 


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Seit* *596. 


Hummer 3^ 



Vor der KambOfe: Siefta. 


allerbings itod} bas Sd?rapen, unb es 
ift eine unbeftrittene (Ehatfache, bafe 
ber Seemann felbft bie 5ret3eit »ergifet, 
menn er mit einem fd?arfen HTeffer 
alte Äarbe oom garten I}ol3 abfchrapen 
Fann. IPer bas nur einmal in 
feinem £eben »erfucht, ben nimmt 
ber Sauber gefangen. 

3n ber Ausübung bes Heinigungs« 
bienfies nehmen bieKufeenborbsreiniger 
bie geachtetfte Stellung ein, benn ber 
„Schauerprahm" fleht 3U ihrer aus- 
fchliefelichert Perfügung, unb bie häufig 
eintretenbe Hotmenbigfeit, bas Schiff 
aufeenborbs 311 reinigen ober bie 5arbe 
aus3ubeffern, macht fte h^* nötig, auch 
menn bie übrige HTannfchaft <E£er3ier- 
bienft h^t. ©esmegen rühmt ftch ber 
Kufeenborbsreiniger auch mit Hecht, 
bas befonbere Pertrauen bes erften 
©ffaiers 3U geniefeen unb in einem 


was allerbings nur ber glücFIiche 
Kammerbeftfeer »oH betätigen fann, 
mührenb bie übrigen bas ©ecF fo 
lange 3um Surrogat ber Koje be« 
förbern müffeit. 

Hach biefer anberthalbftünbigen Siefta 
beginnt ber ©ienjt, ber heute, wie toir 
aus ben Hilbern ber »origen Seite er« 
fehen, 3unächft barin befteht, bem Schiff 
mit bem pinfet — ober fchiffstedjnifch 
gefprochen: bem (Quajl — ein hod^eit* 
lieh Kleib um feine (Eifenhaut 3U legen. 
HTaten ift eine aufeerft beliebte Hefdjäfti« 
gung, benn man Faun, menn auch mit 
Porfidjt, eine Unterhaltung mit feinem 
Hebenmaler risfieren, unb bann macht 
es auch »iel Spafe, mit einem bicfeit, 
farbenaffen Quaft über glatte flächen 
3u ftreicheit; marunt? — bas ftnb 
eben bie 3 mponberabitien im See¬ 
mannsleben. Ueber bas HTalen geht 



Biervertettwig an die Sieger im Bootsrudem 



PeuerldrdiQbung. 


unmittelbaren Perhältnis 3um ©ber« 
bootsmamt 311 flehen. Sefleibet ftnb 
biefe £eute bei ihrer Krbeit meift mit 
bem fogenanuten Cafefoeug, bas über 
ben eigentlichen 2ln3ug gesogen toirb; 
bie CaFelhofe mürbe, in bas Kgra« 
rifche überfefet, ForreFt als „£}ht- unb 
^erbüf" be3eid?net merben Fönnen. 

Die fchornjteinmalenben I^e^er ftnb 
meniger 3U beneiben; ringsum Por- 
gefefete, fo bafe ©isfufftonen mit 
grofeer (ßefahr »erbunben ftnb, unb 
ferner ber befonbers bem HTafchinen« 
perfonal abholbe Sootsmann, ber nur 
märtet, bafe 5arbentropfen auf „fein" 
©ecF fallen, um einen fürchterlichen 
€ntrüftungsfturm losbred^en 3U laffeit. 

Schrille ( 5 tocFenfd]läge unterbrechen 
plöfelid? bie friebliche Stille unb rufen 
jeben auf bie Station, bie er bet 


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Hebungen am CorpcdofcbneUUdcgerchQtz. 



Ausbruch von 5 euer im Schiff ein3unehmen hat. Sie pum¬ 
pen toerben in Bemegung gefegt, bie Schläuche nach bem 
bur d\ pfeifenftgnal befannt gegebenen ©rt bes 5 euers hin- 
geleitet, unb alle £ufen roie Seitenfenfler merben gefchloffen, 

um nicht burd? 
Sugminö bas 
5euer anju- 
fachen; in 
ben HIu« 
nitions* 
Pammern 
I ift alles 
' fertig, um 
fxe burd? 
©effnen 
eines Ventils 
unter IVaffer 

__ 5 u fcfcen, falls 

Der Admiral probiert die J^annfcbaftskort. iÖefa^r DOr» 

liegt, baß fie 

Dom 5 euer ergriffen roerben. Sie pumpen beginnen 
f ogieich 3U arbeiten, wenn bie Schläuche an bie richtige 
Stelle geleitet roorben ftnb, bamit ber Kommanbant 
feflflellen fann, roie lange es im (Ernfifall bauern mürbe, 
bis bie £öfcharbeit beginnt, jebodj toirb bei berartigen 
Hebungen natürlich fein IVaffer in bie Schiffsräume 
gefprifet, fonbern nach außenborbs. 

©ft mirb ber Hachmittagsbienft auch burch cm 
improoifiertes tVettrubern fämtlicher Sd?iffsboote be- 
fchloffen. 

€s ift befannt, ein mie großer IVert heut3utage 
allgemein auf biefe Hebungen gelegt wirb, unb mit 
Hecht, benn jte mecfen frifchen €hrgei3, ftöt^Ien ben 
Körper unb ftnb auch für bie täglichen Knforberungen 
bes Sienftes unerläßlich, ba ja ein großer Ceil unferes 
Znarhteerjaßes aus Hidjtfeeleuten befteht, unb biefe bie 
bem Seemann geläufigen Vorrichtungen erft unter erheb¬ 
lichem 2!ufmanb oon Seit unb ZTlühe ftch aneignen 
müffen. 

(ßan3 anbers ift bas £eben auf bem Corpeboboot. 
Sa ift bie Befaßung fo gering, unb flellt ber Sienjt fo 



hohe Knforberungen an jeben <£in3elnen, fei er ©ffoier 
ober Unteroffi3ier, ZTIatrofe ober f}ei3er, baß 00m (E^er- 
3ieren feiten bie Hebe fein fann. IVährenb ber 5 affrt 
fann ber Kommanbant faum feinen plafe hinter bem 
Kommanboturm uerlaffen, menn ihn auch trofe ©elrocfs 
bie überfchlagenben Seen bis auf bie I}aut burdjnäffen, 
unb bie Unteroffoiere ober bie als foldje fungierenben 
©bermatrofen richten felbftänbig bie Corpeboausjioß* 
rohre auf bas Siel unb feuern ben Corpebo ab. ©fft- 
3iere unb HTannfchaft finb bann natürlich oorher bereits 
forgfältig ausgebilbet unb t>on ausgefuchter Brauch¬ 
barfeit. IVie jeber junge ©ffaier bas Kommanbo eines 
lEorpeboboots erftrebt, fo ftnb auch bie HTannfchaften 
bort troß ber großen Knftrengungen mit Vorliebe an 
Borb, unb mit fttHem Heib fleht ber 2 lusgucfpojien auf 
bem großen Schiff bie fchneilen fleinen 5ahr3euge uor- 

beifahren. ©raf €. Hepentlom. 


Hn Bord des Torpedoboots. 


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Seite \598. 


stummer 3^. 




Gewürznelke und Kokospalme. 

Qier3u $ ptjotograptjtftfje Unfttohnten. 


ie roidjtigffen Kulturpga^en 0ff* 
afrtfas gnb un3roeifelhaft KoFos« 
paline unb (Seroü^nelfe, €rffere ig 
überall in ben (Tropen 3a gnben 
unb für bie (Eingeborenen gerabe3u 
unentbehrlich. (Es ift unglaublich, 
roas alles pon ber Kofospalme ge* 
roonnen roirb. nehmen roir erff 
bie nug: aus ihrem Saft roerben 
StricFe gefertigt, UTatten geflochten, 
Jüllung für HTatraften gewonnen 
u. f. ro. Dann Fommt bie harte 
Schale ber nug, bie 3U ben 
mannigfaltigen (TrinF« unb Schöpf* 
gefaben perarbeitet roirb unb auch 
als Srennhol3 bient. Der Kern 
felbff roirb hauptfächlichjumBeisFochen perroanbt, unb man Fann 
roohl annehmen, bag breipiertel aller in 0 ffafriFa geernteten 
KoFosnüffe 3u biefetn groeef im £anb felbff perbraucht roerben. 
(Etroa einDiertel nur Fommt in (Seftalt pon Kopra 3um (Ejport. 
Die (Seroinnung ber Kopra ift fehr einfach- Die Hüffe roerben 
3uerft pom Baff befreit, roas ber Heger mittels eines in ben 
Hoben gefchlagenen fpifoen, fefien StocFes in unglaublich 
Fuqer geit pollbringt. Die Hu§ mit beiben Tfänben fjaltenb, 
flögt er fte auf ben StocF, ber fi<h in ben Haft einbohrt; 
bann reigt er einfach feitroärts, rooburch ber Haft gelöft roirb; 
mit brei, Pier Schlägen ift eine Hug enthüljt. Die harte 
Schale roirb 3erbrochen, inbem man bie Hug in ber mitte 
auf einer fcharfen Kante ober auf einen Stein auffd? lagen 
lägt. UTanche gebrauchen auch ein ITTeffer, mit bem ge burch 
einen ober 3roei Schläge bie Hug in 3roei (Teile teilen. Wenn 
ber Kern fchon gan3 reif ift, fo ift faft gar Fein IDaffer mehr 
in ber Hug enthalten, unb er log geh leicht pon ber Schale; 
weniger weit fortgefchrittene Kerne fftjen gan3 feg. Halbem 


bie Hüge gefpalten gnb, legt man ge mit ber 
nach oben an bie Sonne 3um (TrocFnen, unb in wenigen (Tagen 
ig bie Kopra bann fertig 3um Derfanb. Der Kopraejport 
pon §an3ibar betrug (899: 3 , 727,*50 Kilogramm gleich 

879,077 ÜTarF; *900: 5 , 961,763 Kilogramm gleich 

*,<*22,6*4 marF. 

Die Blätter ber KoFospalme roerben 3U fogenannten 
maFuti gegolten unb 3um DachbecFen perroanbt. (Ein folches 
maFutibach hält mehrere 3 Q ^ re brennt aber natürlich 
bei trocFenem XDetter wie gunber, beshalb Fommen auch xn 
ben Hegeroierteln ber Stabt ga^ibar fo leicht Jener aus, 
bie aber häugg auf Branbgiftung 3urücf3uführen gnb. UTerF* 
roürbigerroeife brennt es nämlich fag immer, wenn fehr 
piel Stangenhol3 3«m Kufbau ber Dächer am UTarFt ig. 

Das EJ0I3 ber Palme ig nicht fehr roiberganbsfählg unb 
gnbet nur wenig Derroenbnng 3U (Thürfchroeüen in £ehm* 
häufern. Die Blattrippen roerben bei Fleinen, mit maFuti 
gebeeften Käufern bisweilen als Sparren perroanbt unb liefern 
auch Brennhol3 für ben armen mann, beffen beger Jreunb 
bie Palme ig. 

Um eine pffa^ung an3ulegeit, gräbt man Fleine, lange 
Jnrchen, in bie bie Hüffe in Fleinen Kbffänben gach h^rtn* 
gelegt roerben, wobei man ge nur gan3 leiebt mit (Erbe bebeeft; 


pflücken der Gewürznelken. 


Bin rammeln der gepflückten KokosnüfTe. 

in 3roei bis brei monaten 3eigt geh ber junge (Trieb. Die Um* 
pganjung gefchieht aber am beffen erg im fünften ober feigen 
monat nach bem Kusfetjen ber Hüffe unb bann möglichff 
roährenb ber feuchten 3 a hres3eit, alfo etroa im Kpril. Der 
grögte Jeinb neuer Knpganjungen gnb bie fchroar3en Hach* 
barn, bie bie Hüffe, nodj ehe ge geFeimt haben, nachts aus« 
graben unb ihren Beis bamit Fochen. €s ig PorgeFommen, 
bag Feine ein3ige Hug aufging, unb als man nachfah, fanb 
man ben fehr einfachen (Srunb: es roar Feine übriggeblieben. 
Der Baum perlangt wenig pffege. 3 m feigen 3ahr trägt 
er bie erffen Jrüchte. man erntet brei* bis piermal im 
3 a hr; manche Bäume geben, wenn ge in polier Kraft 
gnb, h u ntert unb mehr Hüffe. 

Un fere 3 Haff rattonen jeigen einige (Epifoben ber KoFosnug* 
ernte.meig roerben 3um pgücfen ber Hüffe Fleine 3 u agen per* 
roanbt, bie für jeben Baum einen pefa (2 Pfennig) beFommen. 
natürlich ift es nicht leicht, bie h' mm rthohen Palmen 3U 
erFlettern, unb faft unmöglich, ben bicFen Stamm mit ben 
Beinen 3u umFlammern, beshalb binbet geh ber Schwade 
bie Jüge mit einem StricF 3ufammen, rooburch es ihm er¬ 
leichtert roirb, am Stamm lgnauf3uFriechen. 

Die <Seroür3nelFe ig geroiffermagen IMonopol pon gan3?bar 
unb ber benachbarten 3 n frt Pemba; etroa geben Kchtel aller 
HelFen Fommt pon bort, bas anbere Kchtel aus penang, pon 
ben moluFFen, aus (Suayana u. f. ro. ilus ber Heimat ber 
ga^ibarnelFe, pon ben IHasfarenen, Fommt fo gut roie nichts 


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Hummer 3 ^. 


Seite \ 599 . 


mehr. Pie (Ernten 
finb fefyr verfcfjieben; 
ber Pnrchfchnitt ber 
lebten jeljn 3 aijre 
betrug <too?8iV2 
frasla, was faß 
fed?s unb eine fjalbe 
miüion Kilo ans* 
macht. 

Ulan foflte ben* 
t eit, baß jefct, u>o 
es fo gut wie feine 

Sflavenarbeit mehr 
im Sultanat §an3t* 
bar giebt unb fomit 
bie 2lrbeitsFräfte 

(Selb fofien, baß jetjt 
and? bie Helfen teurer 
geworben finb. Pas 
(Segenteil i ft ber fall, 
bie Preife finb immer 
mehr jnrücfgegan- 

gen. Jnbeffen wäre es voreilig, baraus 3U (fließen, baß bte 
Helfentultur eine ungefunbe Anlage iß. Pas (Segenteil be- 
weift bte Sultansplantage Iftatfchni, bie unter europäifcher 
2 Iufftd?t gute Erträge abwirft, unb nod? mehr bie plantage 
K^imbani auf Pemba, bie bei bejahter (nicht Sflaven-) 
Arbeit in einem 3 a h r — allerbings bei vor3ügli<her (Ernte 
— mehr Heingewinn abwarf, als ihr Kaufpreis betrug. 


Crodmen der Gewürznelken auf der plantage jviatfcbut. 


Helfen nicht ausgebreitet liegen laßen, 
in Raufen. Pie Helfen fangen fofort 
was ber Qualität flets Kbbrud? thut. 

Pie Helfenplantage h at etwas fehr 
Bäume in langen, regelmäßigen Beiden 
ber muttberrolle Puft unb bas frifdje, 
Doüfommen (Entfd^äbigung bafür. 


Pie Helfen reifen 
00m IHonat Huguß 
ab bis in ben Pe* 
3ember hinein, man 
bat alfo reichlich 
Seit 3ur (Ernte. (Ein 
fchänes tyües Hot 
ift bas ^etc^en ber 
Heife. Pas (Erocf- 
nett beforgt man 
auf Platten einfach 
in ber Sonne. 
XPenn feine Hegen- 
flauer fallen, ge¬ 
nügen brei bis vier 
(Eage, ber Helfe 
fchöne braune färbe, 
3U geben. Bei 
ben primitiven Ein¬ 
richtungen auf beim 
£anb famt man; 
nadpts meifi bie 
fonbern fchüttet fte 
an, fleh 3u erhißett, 

Eintöniges, ba bie 
gepflan3t ftnb, aber 
faftige (Srün leiften 

Kurl Cocppen. 


Huf den färöer. 

^ier3» 8 pl}otograpf}ifd?e Kufnatjmen. 



Die färöer, jene norbifdjen 3nfeln, bte mit ben 
©rtabeit, ben Shetlanbinfeln unb jjslanb bie allein 
noch fühlbaren Saugen eines oerfunfenen Kontinents 
ftnb, ber ftch einft von Schottlanb bis nach (ßrönlanb 
hinßrectte, bieten ben Heifenben bie eigentümlichßen unb 
granbiofejlen Silber. Ungeheure felstvänbe lieben ftdj 
3U fdjtoinbelnber fjöhe fdjrojf aus bem HTeer auf, bas 
feine EDellen rvütenb 
in tueißen Sprüh* 
tuolfen emporroirft. 
fjier unb ba ift es 
bem 3omigen Element 
gelungen, bie beutelt 
Bafaltmajfen 3U 3er- 
fägen ober 3U burdj* 
löchern: Pfeiler unb 
Säulen oon feltfamer 
(Sejialt,3uu>eiien einem 
oon HTenfcb«nbaitb 
errichteten Denfmal, 
einer Bilbfäule ober 
einem Poßametit mit 
aufgetürmten ©belis- 
fen gleicbcnb, ftnb oon 
bem felfengefiabe ab¬ 
getrennt, unb bon* 
ne mb fiürjt ftcb ber 
toeiße (Sifcbt an biefen 
unbetveglkhen, 3aht- 
taufenbe alten <ße- 
bilben hinauf; anber- 


roarts ftnb bie felfen 3U tiefen (Srotten ausgehöhlt, 
unb an mehreren Stellen geben biefe (Srotten gan3 burdj 
ben Bafalt, fo baß man ein Stücfcben ffimmel unb HTeer 
burch ben fchtr>ar3en felfen glä^en fteht. 2tn ben 
fchroffeften biefer felfen nifien 3U £)unberttaufenben unb 
3U HTillionen bie Seeoögel, beren (Suano an ben (ent¬ 
rechten IHänben große iveiße flächen unb Streifen bilbet. 

Einige ber (ßeßabe 
fieigen 00m HTeer bis 
3um höchßen (Sipfel 
(entrecht auf, fo baß, 
bie HTenfchen nur an» 
eii^elnen günfiigett 
punften (anbeit unb! 
ben Hufßieg tvagen 
tönneu. Die meiften 
aber ruhen gleichfam 
auf einer (entrechten 
Blauer, bie oon fünf 
bis hunbert unb mehr 
HTeter hoch ifl. 21 uf 
bie Blauer folgt eine 
fdiräge X}albe, mit 
glän3enbgriinem unb 
frifchem (Sras be- 
machfen, bis eine neue 
bunfelbraune Bafalt* 
ntauer 3U einer höhe¬ 
ren Cerraffe hinauf- 
führt. Unbfotuechfeln 
braune Bafaltinauern 


6rlegte 6rindwale im ftafen von CQestmanshavn. 


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Seite J 600 . 


Xtummer 3 ^. 



Hltc Strandhäufer in Chorshavn. 



8trassenbüd aus Chorsbavn. 



Kap J'lögcnacs auf den färöer. 


mit grünen ZViefenhatden in fietiger 
Verjüngung oier bis 3ehnnial ab bis 
3U Sem oon fd?roffen, phantaftifd? ge* s 
formten 5els3adPen gebildeten (SipfeL 
Nirgends findet fid? ein lang hin* 
geftreefter SergrücFen, fondern die 
3nfelit find gan3 aus einzelnen 
pyramidenförmigen (ßipfeln 3ufammen* 
gefegt, und mitunter bilden diefe 
Pyramiden rnie mit dem Sirfel ge* 
meffene, gleid?fd?enfltge VreiecFe. 

Cinige der 3nfeln find gütlich 
unbemohnt, da fie nirgends Haum 
3U einer Knfiedlung bieten, andere 
haben fo menig nugbares (ßebiet, dag 
ft d? nur ein einiger £?of anlegen lieg. 
Kber n>o immer die Sefchaffenheit 
des (ßeländes eine Knftedlung ge¬ 
gattet, Ijaben ftd? die 5äringer feg¬ 
gefegt. Von meitem erfennt man 

einen fold?en f?of an der frifd?eren 

und gelleren 5 arbe des (ßrafes. Selten 
habe id? eine (Segend gefeiten, die 
ftd? fo fefyr 3ur farbigen ZViedergabe 
in tilbograpfyie oder £>ol3fd?nttt eignet, 
mie diefe entlegenen 3nfcto- Kfles 
baut fid? in breiten farbigen 5läd?en 
auf: das bei Sonnenfehein blaugrün 
glasende, bei trübem IVetter fd?mar3- 
grüne ZTleer, die braunen Safalt* 

mauern, die l^cll^rüneii Salden, die 
Don grauen Ztebelmolfen eingehüllten 
(Sipfel, fyxev und da ein leud?tend 
roeiger 5lecf, tro hod? oben ein Heg 
Schnee in einer Kluft oder Sdtfud# 
liegengeblieben ift. Und diefer €in* 
druef des farbigen Zuschnittes ruird 
beim ZTäherfommen der Kiifte nod? 
oergärft: mitten in dem b^H9 r ötien 
ZViefenland des £?ofes, das oon 
den unbebauten Sergestjalden 
durd? eine Steinmauer getrennt tg, 
liegen die £?äusd?en der Knmohner, 
fleiit, 3ierlid? f fauber und nett mie 
Nürnberger Spielmaren, ©bgleid? es 
hier fo uiele Steine und gar fein 
f)ol3 giebt, denn nirgends ift ein 
Sannt oder aud? nur ein öuicb su 
fet?en, find die f?äufer faft ausfd?lieg* 
lid? aus Z30I3 gebaut. Sie b^den nur 
ein einiges Stocfmerf, das auf (6rund* 
mauern auf braunem Safalt rubt. 
Sie f?ol3mänbe find dunfelbraun, 
braunrot oder braungelb geftrid?eit, 
und aus diefen dunfeln flächen beben 
ftd? die leuchtend »eigen Hahnten der 
5 enger und der £?austhiir ab. Der 
farbige und freundliche <£indrucf eines 
fold^eit Rauschens rnird nod? erhöbt 
durd? das Vad?, das nur in den 
grögeren f^afenorten und aud? da nur 
fehr feiten aus ZVeübled?, in dett 
allermeiften Fällen aber aus einer 
garten Hafenfcbidtf begebt, die in 
Dierecfigeit Stücfen aus den IViefeit 


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Summer 3 ^. 


Sexte JöOf. 


firfngcrfo beim Sortieren der Schafwolle« 

ausgejtochen unb auf bas oorhcr mit SirFenrinbe ge< 
becFte Sad? gelegt toirb, too bas (Bras luftig weitet 
grünt unb in folchen 5äHen, toenn bas Sach an eine 
Efalbe flößt unb fomit leicht 3U erreichen ift, oon 
Schafen befugt unb als tVeibe benußt toirb. 

Ein foldjes Räuschen beftefyt aus 3toei Häumen unb 
einem Fleinen Einbau« Ser erfte Saum, ben man betritt, 
ift bie Küche, 
too auf einem 
großen Eferb ein 
fchtoad^es Corf* 
feuer glimmt, 
beffen Qualm 
IDänbe unb 
Sachgefchtoär3t 
hat unb beffen 
(ßerud? jtd? mit 
ber Cuft in ber 
feiten oentilier* 
ten Schlafftube 
unb bem par* 
fum ber 3um 
CrocFnen auf* 
gehängten5ifd?e 
ju einem nicht 
gerabe ange* 
nehmen Safen* 
fchmaus oer* 
einigt. Xus ber 
Küche, beren 
Jußboben bie 


fejlgetretene Erbe bilbet, füt^rt eine fchmale Ojür in bie 
Sd}lafFammer, bie überall mit ^0(3 ausge3inimert ift 
unb in ihrer netten SauberFeit an eine puppenftube er* 
innert, Xuf ber anbern Seite ber Xüd?e ift ber als 
Vorratshaus bieuenbe Xnbau, unb außerbent tx>irb bie 
Xußenfeite bes Ejäusdjens 3um Xufbetoahren oon 5 ijd? 
unb 5 leifch beuußt. Kn langen Schnüren hängen unter* 
halb bes ntebrigen Sadjes, fo baß man fie bequem mit 
ber Efanb ergreifen unb h^uuternehmen Fönnte, 5 ifche 
unb ileifchftücFe, bie h^r oon ber frifchen £uft getrocFnet 
unb Fonferoiert toerben. 

Sur ber Fleinfte Seit ber runb J 5000 SetooBjner 
ber 5 äröer lebt in ben brei Stabten (Ehorshaon, 
XlaFsoig unb Crangisoaag unb oerbieut feinen Unter* 
halt am Ejafen. Sie brei huuptfächlichjteu Ertoerbs« 
mittel fmb Sd?af3ucht, 5 ifd?fang unb Vogelfteüen. 
tVenn bie beiben lefeten Künfte toirFlfch fo fchlimm 
mären, toie es bas beutfehe Sprichwort toiü: „^ifche* 
fangen unb VogelfieHen oerbarb fchon manchen 3 ung* 
gefellen,* fo müßte es mit ben Färingern fchlecht beftellt 
fein. Ettoas EDahres mag fchon an bem Sprichwort fein: 
erftens Fommen außerorbentlid? oiel 5 äringer bei biefen 
gefährlichen Sefchäftigungen 3U einem oor3eitigen Enbe, 
unb 3meitens fcheint mir, baß eine folche regellofe 
IhätigFeit ben Efang 3ur Summelei fehr förbert. IDenig* 
ftens hübe ich 3U meinem eigenen Erjlaunen bie Seob« 
achtung gemacht, baß biefe rotblonben unb blauäugigen 
Söhne ber EDiFinger mit Feinem anbern VolF fo richtig 
oerglichen toerben Fönnen, toie mit ben Siefta Iiebenbeit 
Xnbaluftern unb bem Dolce-far-niente oerehrenben 
Seapolitanern. Sie 2lrt, toie bie Kerle „arbeiten", ift 
tounberbar, ftunbenlang liegen fie am Soben ihres 
Soots in ber Sonne unb buffein fo oor jid? hin* 3 tt 
Crangisoaag hatte unfer Sampfer einen Cag Ver* 
fpätung, toeil es regnete unb bie toacFeren Färinger jich 
roeigerten, bei Hegemoetter 3U arbeiten unb bie Cabung 
in «Empfang 3U nehmen. 3 « Ojorshuun unb KlaFsoig, 
too bie Sonne fd^ien, luben fie 3ioar aus unb brauten 
bie für ihre Efanbelshäufer beftimmten Kiften unb Ääffer 
an £anb, aber fie thaten bas mit fo h^erquiefenber 
CangfamFeit, toie man fie fonft nur bei ben Setoohnern 


Cborsbavti, die BauptTtadt der färöer. 


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Hummer 3 ^. 


Seite * 602 . 



Hm Hafen in Chorehavn. 


füblid? tDarmer £änber gemohnt ifl. 3 ^rem Keußem 
nach finb bie Färinger freilich norbifd? genug: alle haben 
rotblonbe Staate, rote frifche Hadeit unb Ware blaue 
klugen, unb bie meiflen HTämter erfreuen fleh bitter 
flruppiger Härte. 3 hre gan3e Kleibung entflammt ber 
leiblichen fjausinbuflrie: auf bem Kopf eine rot- unb 
blaugeflreifte Klüfte, ber fübüalienifchen 5 tfd?ermüfee 
ähnlid?; an ben Füßen fehr einfache bünne Sanbalen, 
befletjenb aus einem Stüd £eber, bas porn über ben 
dfch* n unb hinten an ber Ferfe 3ufammengenäht ifl unb 
burd? Hänber am Fuß feflgehalten mirb; bei fdflechtem 
Wettet toirb ber fo befchuhte Fuß in einen mit biden 
höfeernen Sollen unb Kbfäften perfehenen, hinten offenen 
Ueberfchuh gefledt, ber ben arabifdjen Habudjas auch 
infofern gleicht, als er beim betreten ber Zimmer ab- 
geftreift unb por ber (Ehür flehen gelaffen trirb. lieber 
ber biefen mollenen Unterfleibung tragen bie Färinger 
eine troHene 3 ade ohne Kragen, bie bis gan3 oben 
jugefnöpft mirb unb mit großen HTefflngFnöpfen befeftt 
ifl, mollene Kniehofen, bie unter bem Knie mit HTefflng- 
fnöpfen 3ugefnöpft toerben, unb pon einem bunten 
Strumpfbanb hochgehaltene mollene Strümpfe. KHe 
biefe Kleibungsflüde flnb bunfelbraun ober grau. Km 
(ßürtel trägt ein jeber Färinger, porn ad?t jährigen 
3ungen bis 3um neunjährigen ©reis, ein in ber 
Scheibe fleefenbes Hleffer mit £)ol3griff, bas an Feier¬ 
tagen burch ein 
fchöm>er3iertes 
Hleffer erfeftt 
roirb. <2in fol- 
d?es Sonntags- 
meffer ifl an 
< 5 riff unb an 
Scheibe mit ein* 
gelegtenHletatl- 
plättchen aus- 
geflattet, bie 
bas barflellen, 

ID03U bieZTIeffer 
oor3Üglich bie¬ 
nen: Delphine, 

Harpunen, Hu* 
ber unb ‘Boote, 
fomit anbeutenb, 
baß bas Hleffer 
beim Fang ber 
Delphine eine 
roichtige Holle 


fpielt. Kn ben Frauen habe ich feine be- 
fonbere (Eracht bemerft: jie tragen rootlene 
Höde unb mollene Ocher um Schultern 
unb Kopf* 3 ubeffen fcheinen auch fle an 
Feiertagen mit fchöngeflidten unb pejerten 
(Eüd?em, Schüßen unb Höden 3u prunfen. 

Don Canbmirtfchaft ifl auf ben Färöer 
faum bie Hebe. Hei ben Käufern flnbet 
man fleine ©emüfegärten mit Kartoffeln, 
Kohl unb roeißen Hüben, unb befonbers in 
ber fjauptflabt (Ehorshapn haben fleh uiele 
£eute einen richtigen ©arten mit Sträuchcrn 
unb Keinen Häumen angelegt. Die ffauptfache 
ifl bas pon niebrigen Hlauern eingefchloffene 
JDiefenlanb, beffen faftiges ©rün anseigt, baß 
es jum Unterfdfleb pon bem jenfeits ber 
Hlauent gelegenen ©elänbe gepflegt unb ge* 
büngt toirb. Diefes mit bichtem grünem ©ras bemachfene 
£anb fleht mit feinen 3ahtrekhen Hutterblumen unb ©änfe* 
blümcheit fehr hübfeh aus, unb bie Keinen Hinnfale, bie pon 
ben Hauern gegraben tuerben, um bas überfchüfflgelDaffer 
ab3uleite?i, geben ebenfalls pielen bunten Hlumen ©e* 
legenheit 3um Fortfommen. Die IDiefenfultur h a t 
größte Hebeutung für bie Färinger, toeil pon ihr bie 
Schaf3ucht abhängt. 3 ut Sommer toerben bie Schafe 
auf bie Herge getrieben, too fle leicht ihre Hahrung 
flnben; im JDinter aber, menn alles mit Schnee bebedt 
ifl, müffen fle im Stall gehalten unb mit Xneu gefüttert 
tperben. f}at bann ber Hauer nid?t porgeforgt unb 
genügenb ^eu gemacht, fo fann ihm barüber feine 
Schafherbe, b. h- fein foflbarfler Heflft, 311 ©rmtbe gehen. 
Kußer Schafen giebt es aud? Hinber unb Keine pferbe, 
meid? lefttere als £afl* unb Heittiere n>id?tig flnb. Die 
Schafe tuerben im Frühjahr, ehe man fle auf bie Herge 
treibt unb frei treiben läßt, mit einem pichen am <£% 
perfehen, tooran fle ber Heflfter im Ijerbfl triebererfennt. 
(Sefchoreu toerben fle nicht, fonbern in ber natürlid?en 
Kbfatls3eit, too bie (Eiere ohnehin bie EDofle perlieren 



6in CUintertag auf den färöer. 


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Hummer 5 ^. 


Seite \ 603 . 


würben, 3upft man bie äußere tofe Schicht ab, laßt aber 
ben unteren Hachwuchs ftßen. 

Bächft ber Scbafjudjt verbanfen bie 5 äringer ihren 
Unterhalt bem 5 ifchfang. 3 hre Spesialität aber ift ber 
©rinbwal, eine Delphinart, bie vornehmlich im Septem» 
ber ht großen Sd?wärmett bie 3 nfel auffucht unb h^r 
von ben (Einwohnern 311 Caufenben erlegt wirb. Die 
5 ifcher treiben mit ihren booten bie Schwärme in eine 
Bucht unb harpunieren unb töten bie hilflofen Ciere 
in fo großen HTengett, baß bas Blut bas Bleer rot färbt. 


©üblich muß noch bes britten ©rwerbs3weiges ber 
Färinger gebacht werben. An ben fenfrechten 5 elswänben 
ber Küften nijien BTillionett von Seepapageien, Summen, 
BTöwen, Sturmvögeln, Caud?crn u. f. w. Um hinaufsu- 
gelangen, fchlägt ber gefchicftefte Dogeljäger fpiße ©ifen 
in bie 5 elswattb unb Flintmt fo 3ur fjöhe, inbem er 
immer bas unterfie biefer Steigeren h^ r aus3ieht unb 
höher oben wieber einfehlägt, bann läßt er ein Seil hinab 
unb sieht feine Kamerabett h^auf, worauf bie Aus« 
beiitung ber Hefter beginnt Karl «ugen s^mibt 



Der Pari fer Robtnfon. 

£jier5U 3 pbotqgraptjifcfje Kufnafjmen rott 3 * VaUa, paris. 


Hid?t von Bobinfon Crufoe, aud? nid?t von bem 
„Schwerer Bobinfon" fotl hier bie Bebe fein, fonbern 
von einem fran3Öftfchen Bobinfon, bei bem bie beiben 
anbern freilich ©eoatter geftanbeit hüben. 

„Bobittfon" — locfenber Harne, <£nt3ikFen bes 
Quartier latin, <§iel ber Sonntagsreiter, Ambition ber 
Bäh' unb ZDäfchermäbel, bu öffneft beine grünen 
Pforten bicht bei ber großen Sta^>t paris. Deine fchönen, 
runben Stämme ftanben lang in unberührter Buh, fie 
breiteten ihre ftarPen Aefte 3um £}imntel, lichtfroh unb 
fonnenfreubig. Das befdjeibene, aber 
fo Fleibfame UToos bebeefte runb umher 
eine jener leichten, welligen Anhöhen, 
bie rings um paris ben alten BTeeres« 
hoben verraten unb ber ©egenb ein fo 
abwechslungsreid^es ©epräge geben. 

Der liebliche ®rt war jebod? nicht be» 
fonbers befucht, bis er aus feiner ibyl- 
lifchen Befchaulichfeit aufge weef t würbe. 

3n bem ftürmifchen 3<*hr {8^8 war’s. 

©in wohlhabeuber 3nbufirieller warf 
bamals fein Auge auf einen ber 
fchönften unter ben alten Bäumen, 

Faufte ihn, nahm geheimnisvolle Ar¬ 
beiten baran vor, unb halb ver« 
breitete ftd? bann in bem frieblichen 
Sanbfreis bas ©erücht, ein neuer 
Bobinfon habe ftch eingefunben, er 
wohne in bem großen Kaftanienbaum 
unb hübe bort feine £}ütte aufgefchlagen. 

Chatfächlich tjattc ber Baumliebhaber 
auf 3wei ber ßärfjten Aefte ein Bretter« 
häuschen errichten unb um ben Stamm 
eine tDenbeltreppe ba3u htnaufführen 
laffen. Da faß er nun wie ein ©ich* 

Fater in feinem Heft, bie ge3acften 
Blätterbüfchel ließen bie golbenen 
Sonnenßrahlen in bas Bobinfon« 
häuschen bringen, unb ba ber gaft« 
freunbliche Baum nicht etwa 3U 
ben gemeinen BoßFaftanien, fonbern 
3U ber eblen, eßbare 5rüd?te tra« 
genben Familie gehörte, burfte bem 
neuen ©inftebler, im Eterbjt wenig» 
ftens, auch um feine Bahrung nicht 
bange fein. 

Die originelle 3 &ee fanb halb 
Hadjahmer. Was ber reiche ZTTann 3U 
feinem Vergnügen erfanb, benufcten 


anbere 3unt ©riverb. Balb wenbeltreppte es an allen 
großen Bäumen, balb hingen fünf, fed?s Bobinfons in 
ber Suft, balb ftebelten ftch ©ajlwirte unb Bejtaurateure 
aus paris auf bem fünften Abhang an, ein Fleitter 
0rt entftanb, aus Scheuten, Karuffells, Sd?ießbubett, 
Bingelfpielen beftehettb, ein Sommerort, ein Stubenten« 
parabies, ein DolFshimmel, wie 3. B. bie engltfchen 
Aüftenorte es ftnb, 3U betten am Sonnabenbnachmittag 
bereits alles in bichten Scharen hinausftröntt. 

Da war es um bie ©iitfamFeit unb Stille benn gethan. 


Saumreftaurant „Robinron“: Die öpeifehörbe werden aufgewunden« 


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Seite \ 60 ^. 


Hummer 3 ^. 



parifcr Sonntagerefter zu pferde — 


Robinfon rnarb unter bem 3toeiten Kaiferreid? 
ber IBallfahrtsort aß berer, bie fld? bas leben 
ber Boheme 3um Borbilb nahmen. 3 n 
öauben 30g unb 3ieht man nad? „Robinfon". 
Sd?n>eigenbe Sittfamfeit iß bie Sad?e biefet 
„Robinfonjugenb" nicht. Sie buken afle bas 
©efühl, etrnas 00m StridP los 3U fein, an 
benBufen oonRTutterHatur 3urücf3uf ehren unb 
fid? ein menig primitio benehmen 3U bürfen. 

5 liegt ber luftige Sd?toarm bann in bas 
Kaßanientoälbchen, fo fd?immert es ringsum 
Don betten Kleibern. Ulie HToben feit 
haben unter biefen alten Räumen beflliert, 
hoch iß allem IBechfel bes Koftüms 3um (Troß 
ber fjer3fcblag biefer 3ugeub ftets ber gleiche geblieben, 
unb bas ©d?o oon Robinfon mieberholt nur einen (Eon: 
Je t’aime. 

3 « bem betten Sommerfonneufcbein böpfen unb 
fliegen bie betten ©eftalten, aus ben Schießbuben fnaüt 


es, langohrige ©fei galoppieren mit fd?reienbeit 3ung- 
fräulein oorbei, ßeife Sonntagsreiter parabieren auf 
noch fteiferen Hoffen, halb fliegt ein 3 ttngling in ben 
Sanb, halb fchreit ein ftörrifcher ©fei, babinein tönt 
bie freifchenbe RTuflf ber Karuffells, auf benen jung 
unb alt fleh in bie Runbe fd?mingt. 

Die „haute votee“ aber biniert ober foupiert in einem 
Baumreftaurant, bie fleinen 5 üßd?en in 3ierlid?en Schüben 
flettern bie (Treppen hinauf, unb oben in bem Bretter¬ 
bäuschen, bas, rings oon ©rön umgeben, ungehinberten 
Uusblid in bie §meige bietet, läßt man fld? nieber, 3U 
3toeit, 3U britt, 3U niert, ja in bem „Urrobinfon" flnben 


- und zu ercl. 

fogar fünf3ehn perfonen plaß. Unb bann beginnt bas 
Schmaufen, parifer Küd?e unb ein guter (Tropfen; fein 
Kellner ftört bas trauliche Beiiammenfein, benn alles, 
mas 3U teibes Habrung unb Hotburft gehört, mirb m 
einem Korb beraufgebifet. Kdttie s^inna^er, pari*. 



-- CU) .— 

€0 mar rin alfrr König... 

Bon 

Rudolph Ötratz. 


£cellen3 oon Braunfcheibt oerfuchte fld? 3U 
erb eben. Seine 5 üße meigerten ben Dienß. 
Sein Wille aud?. 3 eßt unter frembe 
©efld?ter 3U treten, 3U reben — bei bem 
bloßen ©ebanfen baran flräubte fld? alles 
in ihm. Das mar miber bie Hatur. Das ging über 
IHenfchenfraft. IBohl hatte er fein RTanuesmort oer- 
pfänbet, für Uroib ein3ufleben. Uber galt bas aud? 
jeßt nod?? ©egenüber bem Setflörer feines eigenen 
lebens? 

©r foHte jenem alles miebergeben: bie mafellofe 
©hre, bas Bertrauen ber anbern für fünftige HEiiaten. 
Unb oorher fd?on butte jener ihm alles geraubt, moran 
fein £}er3 auf ©rben hing. Das mar fein Danf unb 
feine liebe! 

€r rang nad? luft. Der alte Recfen3om bud?3ucfte 
ihn. 2 luge um Uuge. Sühn um gähn. Bifl bu mein 
5 cinb, laß id? &id? beinen 5einben! Dann finb mir 
quitt. Hiögen fle bid? 311m Bettler machen, mie bu 


mid?. 3 d? fd?aue mit oerfd?ränften Urmen 3m Hufe 
nicht: „3dl bin bein ewiger Sohn." 3^1 bub feinen 
Sohn mehr. 

Das mar ber ZtTenfd? in ihm r ber fo bai\te unb 
fühlte, ber oerbitterte, gebrochene, mitten ins f?er3 ge¬ 
troffene Hlenfd?. Uber etwas anberes regte fld? ba¬ 
gegen, bas Dermäd?tnis bes Bluts — ber Uhnen. 
IBas feit fed?sbunbert 3 abren eine lange Heihe oon 
Bögten unb Kriegsleuten, oon lanbjunfem unb Staats* 
bienern im alten nüchternen preußeu fo heilig gehalten 
mie bas „ Urnen * in ber Kird?e — ber ©laube an eines 
©belmanns IBort unb Urt, bas rief ihm 3U: beine 
Pflicht bleibt. 3 « bem alten Stubentenlieb fleht es ge- 
fd?rieben: mer bie IBabrbeit fennet unb faget fle nid?t 
— ber ifl fürmahr ein erbärmlicher IDid?t. ©effne bie 
tippen unb gieb ber IBabrbeit bie ©hre! 5 ür beinen 
Sohn. 

©r erhob fld?. ©r fühlte: in ihm mobnte in biefem 
UugenblicF ein frember Hlenfd?. Uud? ein Braunfcheibt 



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Hummer 5 ^. 


Seite 1605 , 


Kber nicht er. Hielleid}t einer, ber bet Sornborf für 
ben großen König gefallen, ober ein anberer mit fchmar- 
3em Kreuj auf meinem ©rbensmantel, ben im pregel* 
fumpf ein £itauerpfeil gefüllt — einer berer, benen er 
alles ©erbanfte — Hamen, Heichtum, Wappen, Wixd\s 
unb Kraft — uttb bie nun ihren £ohn heimforberten, 
baß er fein fotle mie fie. 

(Er ging in ben 5 lur unb nahm ^ylmber unb pel3. 
Sie Stimmen ber Hoheit maren flärfer als er. Er 
hatte früher oft, in feinen friüolen Haditifchgefprädien, 
memt feine Caune 3toifdjen Seftperlen unb £}a©anna- 
mölfchen in allen Hegenbogenfarben über bie Cafel« 
runbe hm fpielenb blißte — er butte ba troefen be* 
hauptet: heut3utage in ber allgemeinen Herbrüberung 
unb Herpöbelung ift es für uns HTänner ©om alten 
Schlag bod) ein großes (ßlücf, baß unfere Horfabren 
noch am £eben ftnb, meit lebenbiger als mir! IHer 
gute Kugen hot, fann fte am gellen mittag Unter ben 
Cinben in £}elm unb Sd?uppenpan3er ober im §op\ unb 
Sreifpiß herumgeiftern febn. KQ bie £eute, bie je ©om 
Kremmer Samm bis <ßra©elotte ins (ßras gebiffen 
haben, ftnb unfer moralifd?es Hücfgrat. Hon benen 
haben mir ben fieifen Hacfen unb feßeit uns burchl 

So rebete fottfi feine IHeinlaune. Uber jeßt merfte 
er: bie (Seijler, bie er rief, maren tEyrannen. Sie 
bulbeten feine Halbheit. Bif \ bu unfer, fei es ganj. 

Er flieg bie (Ereppe hmo&* Es mar, als gäbe ber 
altpreußifche, fategorifdje 3mperati© feinen 3Ögernben 
Schritten ben (Eaft: bu mußt — bu mußt — bu mußt.. . 
mie ber tErommelfchlag im (ßefeebt ben ©ormärtsmar* 
fchierenben Heiben. (Eine frentbe Ejanb 30g ibn meiter 
unb öffnete ibm bas f}austhor. Unb fchon ftanb er 
auf ber Straße unb befahl bem Kutfcber mit fa\\etev 
Stimme: „ 3 ^ ben Heichstag." 

(Es mar Ejcelleuj ©on Braunfd^eibt, als ob er 
träume, mährenb er jeßt ba brinnen in bem hohen 
Xjalbfreis ber £eberbänfe fich ©on feinem Siß auf ber 
äußerjteu Hechten bes Heicbstags erhob unb 3um Heben 
räufperte. Um ihn tiefe ftilie. Sas £jaus mar faft 
jleer, mie immer. UeberaH gähnten unten bie unbelebten 
’Heiben, hinter ben Balufiraben ©erloren ficb bie ein* 
3elnen IHürbenträger bes Heichs, 3U benen er hier nicht 
als preußifdjer Kollege, fonbent als HTcmn bes Holfcs 
fpracb, unb oben auf ben (Eribüneu faßen fpärliche 
fleine (ßruppen ©on 5 remben unb Heugierigen unb 
mujierten ihn mit ihren ©perngläfern, mie einen auf 
Engagement gafiierenben Ejelbentenor. 

' Sas alles fannte er ©on früher. Unb mie früher 
ging er auch biesmal nicht 3um Hebnerpult, fonbern 
jliißte ficb läffig auf feinem plaß mit ben Ejänben auf 
bie Cifchplatte. (Er plauberte eigentlidj immer mehr, als 
baß er Sachliches ©ortrug. Sas entfprach feinem XHefert. 
3 n nachläfjiger 5orm einen löblichen Streich führen — 
einen (ßiftpfeil mit einem troefenen Bonmot beflügeln 
— alles, nur feine 5örmlid?feit, nichts, mos an ben 
hinter hohen Hatermörbern biplomatifch bie IHorte 
fäuenben ©ormärslidjen (ßeheimrat erinnerte. 

Safür mar man ihm banfbar. IHie immer hotten 
ficb bie paar Sußenb anmefenber Ubgeorbneten eng 


um ihn gebrängt. Eine Hunbe von ©rauföpfen unb 
fahlen Schäbeln behexte im Schatten feiner fjünengeftalt 
bie nächfien Bänfe. Er mar einer ber menigen Hebner, 
auf bie man um ihrer felbft mitten hörte. Er amüfterte 
bie HTänner ber Hechten mie bie Hoten mit feinen 
faltblütigen Bosheiten, bie giftig, mie aus einem 
mimmelnben Schlangenneft t>oll Einfällen, nach allen 
Seiten 3ucften unb bie XHiberfadjer linfs unb oben am 
Hegierungstifdj mit löblicher Sicherheit in ihre Uchittes* 
ferfen flachen. 

Serlei ermartete man oon ihm, bem mohlbefannten, 
mürbeootten HTephiflo ber Heaftion. Hicht nur bie 
Ejanboott Zuhörer — mas fam es auf bie au? Sas 
mar fchließlich eine Komöbie. Uber oben in ber ein* 
3igen, gebrängt ©ollen £oge ber Cribünen faßen bie 
Stenographen mit gefpißtem Bleifhft bereit. Sort mar 
ber eigentliche Sdjattboben feiner Hebe — bort ©er* 
manbelte fie fich in fraufe 5eber3Üge unb bann in 
Srucferfchmär3e unb fprach in gan3 Seutfdjlanb 3U 
ben Uugen ber HTittioueit ©011 IHählern, ftatt 3U ben 
©hren ber breihunbertjiebenunbneun3ig ©emählten, bie 
mieber einmal nicht ba maren. 

Uber heute fehlte ihm bie ©ergnügliche Pech* unb 
Schmefelfiimmung, bie ihm fonft mit taufenb 5lämmd?en 
um ben HTunb 3ucfte. Sie XHorte hoften fich ihm in 
ber Kehle fefi — fie famen troefen, höl3ern heraus. 
Er mußte fie fich ein3eln abriugen, flatt baß er, mie in 
feinen guten (Eagen, HTühe hotte, bas (Sebränge biefer 
fleinen 5acfelträger auf feinen Cippen 3U bänbigen unb 
3U orbnen Unb 3ubent mangelte auch noch öer rechte 
Knlaß 3U beißenbem §0 hu. Sie ^ulerpettation megen 
ber angeblichen (ßreuel in Kfrifa mar außerorbentlid? 
maßooll gemefeu, mehr eine Anfrage, mie (ich bas 
mohl ©erhielte, als ein Kngriff — ©om Hegierungstifch 
mar fchon fur3 unb bünbig im Sinne Kroibs geant* 
mortet morbeit — wenn er, ber Haler, jeßt noch öas 
IHort ergriff, fo madtfe man fid? nur noch auf etmas 
perfönliches gefaßt, etmas ©oll h^terer Hosheit unb 
äßenben Spottes. 

Sas fottte er — ber HTanu, in bem innen alles 
ausgebrannt unb ©ermiiftet mar, meun aud? bas grimmige 
Kntliß unueräubert blieb, fo mie bie noch ftehenben 
Quabermauern eines eingeäfcherten (Sebäubes — ben 
Schutt im 3 nneru ©erbergen? Sas fonnte er nicht. 
Seine Stimme flang leifer mie fonfi — fchleppenb — 
langfam — mühfam gab er bie Hotten, bie er ftdj 
gemad^t, als Ergäu3ung unb Ermiberung ber ©orher« 
gegangenen Sebatten — unb bann mar er bamit 3U 
Enbe — er ftoefte — es fd?ien, als ob er fid? nieber* 
feßen moflte — 3um erfienmal ein Hebner ohne Erfolg 
unb Heifatt . . . 

Sa auf einmal lebten feine Kugen auf, fein Baß 
ftählte fich, öie Säße quollen mächtig, in gefchloffener 
phalan^, h^roor, unb bie ^örer ©ernahmen mit Er* 
ftaunen aus feinem HTunb einen bisher nie ©ernommenen 
(Eon: E£cetten3 oon Braunfcbeibt, ber greife Spötter, 
ber lifiige Hiefe, ber für alle Singe ber Welt ein tiefes, 
bröhnenbes £ad?en übrighatte — fprach ernfi. Er¬ 
griffen bis ins 3 unerfte. Holl iHud>t unb IHärme. 


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Seite 1606 . 


Hummer 3 ^. 


IPeit über Krpibs Cinjelfatt unb bie 5 rage bes 
Cages hinaus, über bie Köpfe ber Umfißenben ^inmeg 
fd?icfte er feine tPorte ins £anb, in bie «gufunft, mie 
bie leßte HTahnung eines alten Hecfen: mißachtet nicht 
bie Stärfel Sucht nicht hinter jebem IPerf bie Schulö 
— hinter jebem (Belingen bas Perbrechen! Kränfelt 
nicht jebes troßige „€s merbe" fchon im (Entftehen mit 
eures (ßebanfens Bläffe an! £hrt unfer bejles (Erbteil, 
bie beutfehe Kraftl Die gesta Dei per Germanos. Sucht 
es 3U perfiehen, baß es auch int 3man3igjlen 
hunbert noch ZTCänner giebt, in beren £?irn ber (Sebanfe 
lebt: tpas fchtoad? ift fchtoeige. Unb Ct?nt fei mehr 
als IPort. Sie fchreite gepokert über bie <£rbe, unb 
bie §eit möge fommen, roo feine auf (Erben mehr 
ohne ein. Körnlein germanifchen Sa^es gebeiht. 

(Er pries bie Kraft unb mußte babei: ich prebige 
meinen eigenen Untergang. (Ein Stärferer hat mid? 
perbrängt unb flößt mich ins (Srab, ohne es 3U mollen, 
fafl ohne es 3U toiffen. Krpibs fur3es £eben mar bis¬ 
her Chat auf Chat, eine in bie anbere gehämmert unb 
unpertilgbar. ZTTein langes £ebeit mar Hebe unb mieber 
Hebe. Sie fchminbet hin mie ber Schatten am Kbenb. 
Unb aus biefer leßtcn (Erfenntnis heraus fämpfte 
<Efcel!en3 pon Braunfd?eibt feinen leßten Kampf. (Segen 
ftch. Unb nicht für beit Sohn, nein: für beit HTann, 
bem er ftch feelenpermanbt fühlte .. . troß allebem . .. 

Kls er geenbet hatte unb hinausging, hörte er hinter 
ftch eine Stimme erflaunt fagen: fo hat ber noch nie 
gefprochen — unb bachte ftch: fo merbe ich auch nicht 
mehr fpredjen. 3d? merbe überhaupt nicht mehr fpredjen 
unb nicht mehr hier erfcheineti, meine «geit ijl um. 

3 n ber großen, faji leeren tPanbelhalle fah er fchon 
pon meitem Krpib. (Er fchritt ihm nicht entgegen. 
€r blieb jlarr flehen, mo er mar, unb hatte, als fein 
Sohn enblich auf ihn 3ufam, nur bas Bangen: h°ffent¬ 
lieh giebt er mir nicht bie £?anb. 3d? fann fte nicht 
nehmen. 

Krpib that es nicht. Sein (Befiehl mar ftnjier unb 
bleich, mie bas feines Paters, unb er fragte nur: „Bun, 
mie mar es?" 

„(Es ijl alles in 0 rbnung." 

£?errn pon Braunfcheibts tiefer Baß flang fo hod? 
unb leife, baß Krpib für einen Kugenblicf beunruhigt 
3U ihm auffah. <£s mar, als fchmebe eine 5rage auf 
feinen tippen. Uber er hielt an ftch unb fagte gleich* 
giltig, in feiner 3erjlreuten IPeife: .... „papa .... 
mos ich öir porhin nicht beftnitip mitteilen mollte, ehe 
nicht bie (Befchichte mit bem Selling unb hier im Heichs- 
tag erlebigt mar — alfo jeßt ifl’s entfehieben. 3^ toar 
in3mifchen mieber im Kusmärtigen Kmt. Sie Perhanb* 
lung mit ber Kongoregierung eilt. (Es ifl fchließlich bas 
Sejie, menn ich umgehenb mieber.nad? Kfrifa 3urücf- 
reife — unb bann fchon lieber heute als morgen." 

Unb nach fu^er paufe feßte er hi» 3 a: „ 3 ch möchte 
jeßt gleich Öen fi^preß^ug nach (Benua benußen." 

Ser Meine f?err pon Heumeifier ging bei biefen 
tPorten porbei, minfte mit ber £?anb unb rief <E£ceflen3 
pon Brauufcheibt herüber: „3d? fomme nachher mal 3U 
bir in beine IPohnung. 3 d? hab bir mos 3U fagen." 


Unb mährenb jener niefte unb Kroib medjanifd? grüßte, 
mußten Pater unb Sohn: nun ijl es 3mifchen uns Mar. 
Unb noch einmal manbelte ben alten Hecfen ein milber 
Srang an, ben ba por ihm an ben Schultern 5U paefen 
unb ihm ins (Beftd?t hineiit$uflöhnen: „Su — bu — bu 
mein Äleifch unb Blut — mos haft öu mir gethan?" 

Uber mas that benn jener? Soch nur, mas er 
mußte! Sas ein3igmögliche, bas ein3ige eines (Ehren¬ 
mannes IPürbige. £r ging. <£r legte £änber unb 
HTeere 3mifchen ftch unb bie fleine EDelt h^r, bie er 
3erflört. Sie halbe €rbe legte er ba3mifchen unb piel» 
leicht ein gan3es Hlenfdjenleben. Senn jeßt fam er 
nicht fobalb aus Kfrifa 3urücf. Pielleicht nie mehr. 
Unb eins mar jtcher. 3 u l ,a fah ** nie »ieber unb fte 
nicht ihn. HTan brauchte nur bie eiferne, falte Energie 
feines (Seftchts 3U fchauen. 

„ 3 d? merbe mit auf ben Bahnhof fommen," fagte 
l^err pon Braunfcheibt enblich bumpf. Uber Krpifc 
lehnte, gleichgiltig, mie er bie gan3e §e\t über blieb, 
fein Knerbieten ab. „IP 03 U? 3 ^ fomme bod? erjl im 
leßten HToment. Unb meine 5 reunbe märten unten. 
IPir fönnen ebenfogut h^r poneinanber 2 lbfd?ieb 
nehmen." 

„Klfo leb mohh Krpib." 

„£eb mohh papa." 

3 eßt reichten fte ftch noch einmal bie Ejänbe, mtJ 
einem müben Srucf, unb blieften ftch fiumm ins Kntliß. 
Sann manbte jtch Krpib ab unb ging. 

Unb ber Ulte, ber ihm, einfant in feiner ragenben 
^ünengeflalt inmitten ber breiten f}alle fiehenb, nach- 
fdjaute — ber mußte: jeßt hab id? meinen ewigen 
Sohn perloren. Perloren fürs £eben, fo gut mie menn 
ihn brüben in Kfrifa ber (Eob ereilt hätte. (Er mirb 
3utta unb mir nicht mehr por Kugen treten. £r barj 
ja nicht . . . 

£angfam, mit fdjmeren (Eritten flieg er über bie 
HTarmortreppen bes Heidjshaufes hi na & in Öen per* 
fdjneiten, fahlen Ciergarten unb manbelte, ben Slid 
am Boben, auf einfamen tPalbpfaben feiner IPohnung 
3 U. Unb in ber tiefen, fchläfrigen IPinterruhe um ihn 
her bachte er immer mieber: „Hun t?ab id? feinen Sohn 
mehr!" Ser (Sebanfe fd?mer3te ihn nid?t einmal. £s 
lag gleichgilttge (Ergebung gegen bas Sd?icffal barin. 
(Er hatte Perloren, mas er eigentlich nie befaß. HTod?te 
bas alles bahinfaB?ren, menn ihm nur ber leßte Heji 
feines Heid?tums, feines (Blücfes blieb. 

3 utta — per3meifelnb flüjlerte er ben Hamen por 
ftd? hin. 3 ntta — bies IPort, bas mar ber Stoß mitten 
ins f?er3. Sas raubte ihm, mas ihn bisher, ben 3 ah*en 
3um Spott, aufrechtgehalten — bas unbänbige, troßige 
Selbjlpertrauen. Sas fraß am HTarf ber alten <Eid?e. 
<£r empfanb, mie langfam etmas in ihm 3ufammen* 
brad?. Seine Kugen maren glaii3los. 2 luf feinem (Be- 
fid?t trat ein greifenhafter gug horpor, unb er befd?leunigte 
feine Schritte in ber Hidjtung, mo er feine IPohnung 
mußte unb jte barin, als müffe er eilen, um fte nicht 
gan3 3U perlieren. 

Unb eine innere Stimme fprad? bumpf bagegen: 
nimm nur beine £aterne unb geh unb fud?e 2JIenjd?eu 


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stummer 3 ^. 


Sei te \607. 


auf 6cm UTarft bes £ebens. UmfonfB. Sie oerfagen 
ftd? bir, 6em UTann, 6cr taufenb ieinbe un6 feinen 
5reunb f?öt. 211le wenben ftd? oon 6ir un6 beinern 
jBeinernen Elfter. 2lud? fte. 

Unermüblid? ging bas burd? (einen Kopf: id? höbe 
feinen Sohn. 3ch höbe feinen 5teunb. 3d? höbe feine 
Svan. 3 d? höbe mid? felbjB nicht Kttes geht an mir 
ju (Brunbe. Unb ich mit. Durch meine eigene 5 aufB. 
Sie ijB 3U fd?wer. Sie 3erbrücft, mos (te liebt. 

Unb über mich brängt bie 3 u 9 cn &* mach plöß. 
ZlTad? plaß. Deine Uhr ifl abgelaufen* Unb um (o 
rafd?er, je bittenber bu bich 3U uns gefetlfB. 

(Er erfd?raf. VOav bas noch er, ber (o bachte? <£r 
fühlte ftch um oiele 3öl?re gealtert — ein UTenfch, ber 
fertig u>ar für ftch unb alle IDelt. (Eine tiefe, 3omige 
Befdjämung erfaßte ihn. Uber halb gewann bie (Bleich* 
giltigfeit wieber bie ©berB?anb: es mar ja alles eitet 
<£s führte ja alles 3um feiben $iel. Der tEob löf d?te 
alle (EBjaten aus. UTochte ber HejB (eines lebens nun 
(Bill im Sanb oerlaufen, braußen in ber €infamfeit — 
fern oon biefer Stabt — fern oon allen HTenfdjen. 

UTit 3utta in ber Cinfamfeit . . . piößlid? begann 
fein J}er3 3U Hopfen. 3 « feine 5 üge, in (einen (Bang 
fehrte bie alte Spannfraft wieber. Hoch B?ötte er (te 
ja. Hoch war (te ihm nahe unb mußte ihm nahe¬ 
bleiben, wohin er ftfr führte. 

€ine (Bürmifche, herrifdje Sehnfud?t fam über ihn: 
bu bifB mein. Unb gan3 mein fottfB bu werben — ab« 
gefchieben oon ber U>elt — draußen auf bem lanb, 
auf meinem eigenen (Brunb unb Boben. 3 *ß* hielt er 
jtd? an fein Wort, in ber oerhaßten Stabt 3U bleiben, 
nicht mehr gebunben — jeßt erfchien es ihm auf ein¬ 
mal gan3 felbjBoerfBänblid?, baß er feinen Ubfdjieb nahm 
unb ftch auf feine (ßüter im ©jlen 3urücf3og. £r fagte 
(ich mit troßiger <8enugtl?uung über (eine eigene Schwäche: 
Kerle, wie mich, fann ber König nicht mehr brauchen. 
Die fchnüren am beften ihr Bünbel unb gehen (HU wie 
ein entladener Knecht h^m in ihr Dorf. Dabei lächelte 
er büfBer. Seine BrufB weitete ftd? bei bem (Bebanfen. 
Unb in ihm erwachte wieber bas fleifnacfige fjerren- 
bewußtfein: mögen (te thun, was fte wollen. Sie fönnen 
mir bort bas HTeine nicht nehmen — bie oäterlid?e 
Scholle — ben uralten Stammbaum, bas eigene B$hnifch* 
(Barte „ 3 d?\ 

Unb oor allem: bort tonnten fte ihm 3 utta nicht 
nehmen! Dort in bem großen, etnfamen E?aus, wo 
feine erfBe Stau gelitten unb gefBorben, bort hi eit er fte 
fefB. Keiner fam hin, bem er mißtraute. Ueberhaupt 
niemanb. (Er brauchte niemanb, wenn er fte hatte, fein 
einiges (Blücf, unb mit Demut unb 3 nnigfeit um ihr 
erfBes, fch waches lächeln warb. . . 

(Er fpielte weiter unb weiter mit biefem (Eraum, 
3utta gan3 allein für ftch in ber oerfchneiten IDinter« 
weit ba braußen 3U höben, in ber KngjB bes (Sei3halfes, 
ber feinen Heidjtum gar nicht ftd?er genug oor fremben 
Blicfen bergen fann. Dann brang fein 5tembling mehr 
in fein oerfchloffenes Heid?. Dann fonnte er fagen, wie 
ber Drad?e im J?elbenlieb: id? liege unb bejtße. Unb 
niemanb raube mir meinen B}ort. 


Über bann erwachte wieber ber Sdjrecfen: ba braußen 
war fte feine (Befangene — troß aller fd?euen liebe, 
bie er ihr bot. Sie oerblaßte unb oerfümmerte. Unb 
fd?ließlid? würbe fte (Bitt unb faß ben ga^en (Eag oom 
UTorgen bis 3um Kbenb unb wartete. 2 luf bas leßte, 
bas fte wieber frei machen fonnte! Der einige HTenfd? 
auf £rben, ben er liebte, wartete bann auf feinen (Eob. 

Unb biefe CobeserWartung unb (Eobesbereitfdjaft 
erfchien <Ejceffen3 non Braunfd?eibt plößlid? als bie 
Quinteffen3, als bie leßte Hätfellöfung bes lebens. Das 
fjaupt gebeugt, in Hefen (Bebanfen, aber äußerlich ruhig, 
betrat er fein I}aus unb fragte, als iB?m ber Diener ben 
Pel3 abnahm, mechanifd?, fo wie fd?on früher: „ 5 riebrid? 
. .. wo ifB meine 5 rau?" 

w €ycetten3 ftnb }d?on oor 3wei Stunben weggefahren." 

(Einen Kugenblicf 3ucfte er 3ufammen. Uber fein (Be« 
ficht blieb unbewegt. „Daoon wußt id? ja gar nichts," 
fagte er trocfen. 

„Das meinten Cjcetten3 aud? unb höben einen Brief 
hinterlaffen. £r liegt auf bem Schreibtifd?." 

„Ha — fd?ön." (Er nicfte unb ging in fein Krbeits- 
3immer. Da fd?immerte 3wijd?en ben büfBeren Uften- 
(Bößen, gerabe oor feinem Seffel, ein blaßblaues (Eouoert. 
Unb ehe er es in bie I}anb nahm, wußte er wie im 
^eflfehen ben 3 nB?ölt. Unb um ihn herum, im bämmerigen 
(Bemad?, war alles gan3 lid?t unb weiß oor Sd?recfen. 

(Er öffnete mit fefBem 5 aujBgriff unb las. 

„3d? bin fort. 3d? muß. 3d? fann nicht anbers. 
3 d? fann nicht mehr bei bir bleiben. Kroib B?öt mir 
gefd?rieben. <£r geht nad? Kfrifa 3urücf. Wiv werben 
uns nie im leben fehen. Wie werben tot füreinanber 
fein. IDir müffen. Das ifl unfere Pflicht. Uber oer« 
geffen fann id? nicht. Das geht über UTenfd?enfraft. 
<£s ifB über mid? gefommen. 3 <h muß es tragen. Uber 
mit bir 3ufammen fann id? es nicht. 

„Ulein leben neben bir ifB immer eine große lüge 
gewefen. 3 ^? höb mid? umfonfB unter ben UTenfd?en 3U 
betäuben gefud?t. 3 ch höb ben UTenfd?en immer ein 
lad?enbes (Befiehl ge3eigt. 3 *^ h^tt es nie erraten laffen, 
wie unglücflid? id? war. Hiemanb bnrfte es merfen. 
Du am wenigfBen. 

„Uber nun fann id? nicht weiter. UTit bem (Bebanfen 
an ihn an beiner Seite weiterleben — es ifB wiber bie 
Hatur — es ifB mir ein (Brauen wiber mid? felbfB — beine 
Staub barf mid? nicht mehr berühren. 3^ muß fort. 

„Uergieb mir meine Sd?ulb. €s ifB nur eine Sd?ulb 
in (Bebanfen — ein Sd?icffalsfd?lag unb alles ohne 
mein IBotten — unb fo rafd? — faft ohne Bewußtfein. 
3d? bin oor bir fd?ulbig — nid?t oon heute ab — 
fonbem oon ber Stunbe ab, wo id? , 3 ö‘ gefagt höbe 
unb nid?t gewußt, was id? tl?öt. Das war ber Herrat 
an bir unb mir. Unb baß id? es nid?t allein büßen 
fann, fonbem bu mit mir, bas ifl bas Bitterfle für mid?. 
Darum fei nicht böfe, wenn id? jeßt nod?, in biefer 
Stunbe, fage: id? banfe bir oon £?erjen für all bie 
liebe, beren id? nicht wert war. 

„3<h miß mid? allem fügen. 3d? will alles auf 
mid? nehmen. 3 <^ will alles thun, was bu anorbnejB. 
Hur 3urüd famt id? nicht. 


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Seite 1603. 


Hummer 3^. 


„3ch fein 3U meiner Sd?mägerin nad? Hieß. Sort 
ermarte id? beine weiteren Perfügungen unb ..." 

€^ceüen3 oon Sraunfdjeibt ließ bas Slatt ftnFen 
unb 3erbrücfte es lattgfant in ber Hechten. Über es 
mar fein &oxn babei. £s mar ein tiefer, feierlicher 
^rieben um ihn, mie er ihn nie in feinem Ceben um¬ 
fangen. Hun mar es ©orbei. Sie (Erbenlaft ber Ciebe 
unb bes £}affes fiel oon ihm. (Er atmete gan3 leicht. 
€r burd?fd?aute bas HTenfd?enbafein in feinem emigen 
Kreislauf. UTan fommt unb geht, mochten bie Kinber 
braufeen im Sonnenfehein fpielen unb ftd? Hroib unb 
3utta nennen — einmal mar auch ihre um, unb 
alles ift gemefen . . . 

(Es flimmerte ©or feinen Hugen. <£r machte eine 
Kopfbemegung, um bie tan3enben 5unFen 3U ©erfdjeuchen. 
(Er holte nur noch bas Perlangen, 3U ruhen. 

' Huhen unb ©ergeffeu. Por bem unfüglid?en Sangen 
Schuß fuchen, bas plößlid? fein E?er3 umfpannte. 3hm 
fchtoinbelte immer mehr. Sich auf bie UTöbel jtüßenb 
ging er in bas Hebengemach 3um Siman. Seltfam — 
ber Siener hotte oergeffen, bie Hollläben auf3U3iehen. 
(Es mar gati3 bunfel barin. Unb im Schreib3immer, 
aus bem er fam, hämmerte es auch — rafcher, immer 


rafcher — unoerfehens brach bie Hacht h er *tn — mit 
raufchenben, jchmar3en Schmingen ... ©r griff um fich 
— er murmelte etmas . . . Unb plößlid? flürjte er 
fhtmm mie eine gefällte ©che in fich sujammen ... 

* * * 

„Su fpät," fagte 3ehn UTinuten barauf ber UTebi« 
3inalrat 3U £?emt oon Heumeijier, ben er auf ber Creppe 
getroffen. „fjerr oon Sraunfcheibt ifi tot." 

Ser fleine F}err fianb fhtmm neben feinem alten 
3ugenbfreunb, ber jeßt fHtt, feierlich ernfi auf bem £ager 
ruhte. Sehutfam 30g er aus feiner Hechten ein 3m 
fammengeballtes Slatt papier — marf einen Slicf 
hinein unb 3ucfte 3ufammen. 

„Wo ifi benn eigentlich feine 5rau?" fragte ber anbere 
gebämpft. 

„Perreifi!" 

„(Es mirb fte hart treffen. Sie ©?* u>or fo glücflid?." 

„T >as mar jie," murmelte J^err oon Heumeifter. <£r 
liefe ben Srief unauffällig, mährenb ber 21r3t fich ab* 
manbte, in bas Kaminfeuer gleiten unb niefte bem 
frieblich fchlafenben ^ünen 3U: . . (Slauben Sie mir, 

lieber Softor: bem mirb ba broben auch oiel oergeben, 
benn in feiner Hrt — ba hat auch er oiel geliebt. • / 


G - -= D 

Sine polmfcbe Cragödtn tu ihrem Reim. 

§um nebenftehenben Stlb ber UTabame UTobjesfa. 


Unter ben oielen parabiejifchen Canbfißen, bie bas 
fübliche Kalifornien aufjumeifen hat, ift Faum ein 
anberer mit fo intereffanten Erinnerungen oerfnüpft, 
mie bas £?eim ber berühmten polnifchen Cragöbin 
UTabame HTobjesFa am Santiago (Canon. UTabame 
HTobjesFa hatte hier in (Semeinfchaft mit ihrem (Satten, 
bem (Srafen So3enta, unb bem Sichter Heinrich Sienfiemic3 
in ben fieb3iger 3 a h r ^ rt eine polnifd?e Kolonie begrün¬ 
bet, um ein ibyllifchdünbliches Ceben 3U führen unb 
litterarifchen unb fünftlerifchen Stubien 3U leben. IPie biefe 
Kolonie 3U ftanbe Fam unb mie fte ftch mieber auflöfie, 
bas er3ählt uns UTabame HTobjesFa folgenbermafeen: 
als im 3ahr 1875 bie IPogen ber nationalen Erregung 
in polen bejonbers heftig branbeten, gelangte eine Knjahl 
SirFulare in einen oon Citteraten unb Künfilern gegrün- 
beten Klub 3U KraFau, morin bie Por3Üge bes Cebens in 
SübFalifornien befchrieben maren. UTan befprach ben 
plan, bort eine Kolonie 3U grünben, fo lange, bis man 
ftch eitblich 1876 entfchlofe, ihn in bie IPirFlichFeit 
um3ufeßen. HTtt einem Kapital oon 28 000 pfunb 
Sterling brachen bie Kolonifteu nach HeuyorF auf. 3m 
5ebruar 1877 erreichten fie San Francisco, oon ba 
fuhren fte im Sampfer bie Küfle entlang unb Fauften 
fd?liefelid? 150 Kar in Santa Knathal, in ber Hübe ber 
alten beutfehen Hieberlaffung Knaheim. 3m Sommer 
1877 mürbe ber Sau bes £?aufes beenbet, bie 5elber 
follten beftellt, bie Semäfferungsgruben ge3ogen unb 
ber Soben für ben ©bflbau oorbereitet merben. 
Sie thatFräftige Hrbeit mar jeboch beit Kolonien 
ein unangenehmer (SebanFe, fie Fümmerten fich um 


nichts, fonbern mutierten, fchrieben, oeranftalteten 
5efte u. f. m. 

IPie es bei biefer genialen tPirtfd?aftsfüt?rung nicht 
anbers gehen Fonnte, mar im HTai 1878 bas gan3e (Selb 
ausgegeben, unb im 3uni löfie ftch bie Kolonie auf. 
(Einer nach bem anbern oerliefe Hnaheim unb ging nach 
(Europa 3urücf. Sienfiemic3 ging nach Cos Hngeles unb 
lebte bort oier ober fünf HTonate, bis er nach horter 
Krbeit burch ben PerFauf feiner ameriFanifd?en SFi53en 
in KraFau unb Petersburg genug oerbient hotte, um 
mieber nach £?aufe 3urücF3uFel?ren. IPas UTabame 

HTobjesFa betrifft, fo ftebelte fte nach bem Sufammenbrud? 
mit ihrem (Satten nach einer Heineren 5orm in ber Hübe 
oon Hnaheim über. Um (Selb 3U oerbienen, moHte fte 
mieber 3ur Sühne 3urücffehreit unb es in englifcher 
Sprache in HmeriFa mit ihrer Kunji oerfuchen. „IPir 
lebten," fo fchrieb fie bamals, „oon geborgtem 

(Selb, unb es mar Feine Seit 3U oerlieren. HTanchen 

Cag fiubierte id? mit fur3er Unterbrechung btt 

HTah^eiten bis U ober 12 Uhr nachts." 3m Septembft 
1879 ging enblid? 5rau HTobjesFa mit einer Sd?aufpieler* 
truppe nach San 5rancisco, bort trat fie in ihrem Cieb- 
lingsbrama „Kbrienne Cecouoreur" auf unb mar über 
Hacht in KmeriFa ebenfo berühmt, mie fte es längft 
in ihrer polnifchen £?eimat gemefen. KDe finan3iefle 
Hot mar nunmehr gehoben. Por etrna 3ehn 3ohren 
Faufte fie einen anbern „Hand?" in ben Sergen an, 
unb bort gebenFt fte unb il?r (Satte, (Braf So3enta, ©er¬ 
gangener unb Fünftiger (Triumphe in ihrem h c relid?*n f 
oon Slumen umgebenen £?eim. 3. coem. 


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Ztummer 3^ 


Seite J609- 



Madame M°djeska auf ihrem kaliformfcbeti Landfit z. 


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Seite 1610 . 


Hummer 3^. 




Bicticnwohnungcn vcrfchicdcncr Spftcme. 


JNfeues von den Imkern 

f^ierju 3 pfyotoqrapf}ifcf?e 2Iufnafymctt non ©. Boffmcmn, tVcimcir. 


Unfere 3 mFer ftnb ein rühriges DölFchen unb immer 
barauf bebacht, bie (Einrichtungen für Bienen3ucht be* 
ftanbig 5U verbeffern, foroie burd} engen Follegialen 
i(nfd?lu§ ihre 3ntereffen 3U förbern. ^ier3u bot ftd? 
erft Fü^lid? Anlaß, als in Derbinbung mit einer Aus- 
ftellung bes £anbesbienen3uchtvereius 311 IDeiniar am 
25 .—29. 3 uli bort ber erfte allgemeine beutfd?e 3 mFer- 
tag, ein Kongreß f amtlicher Bienensüchtcc beutjeher 
Sprache, ftattfanb. Unter ben rx>id?tigficn (Ergebniffen 


©crftung-pavUloti für zehn Bienenvölker. 


biefes Kongreffes ift befonbers 
bie Begriinbung eines beutfd^en 
Ueichsoereins für Bienensucht 
3U ermähnen. (Es mürben fo- 
fort ein Porfifeenber unb ein 
vorläufiger (ßefd^äftsfübrer bes 
neuen Derbanbes gemählt unb 
ihnen breißig ZlTitarbeiter, aus 
jeber provin3 3tvei ober brei, Htte Kiotxbeute. 

3ur Seite geftetlt, beren vor¬ 
läufige Hauptaufgabe es ift, bie emjelnen Pereine 3 um 
Anfdjluß an ben Beichsverein 3« bemegen. 

Die oben ermähnte Ausheilung enthielt fehr vieles, 
mas auch meitere Kreife lebhaft intereffieren Fonnte unb 
movon mir einiges hier im Silbe fefthalten. Da fehen mir 
bie alte gefchnißte „Klofebeute", jte ftetlt bie einfache unb 
ältejie 5 orm einer Bienenmohnung bar, ift jeboch überall, 
mo mit (Erfolg unb Bußen Bienen3ud?t getrieben mirb, 
nicht meljr im (ßebrauch, fonbern burch ben befannten 
SienenForb verbrängt. Die Kloßbeute bietet nur 
noch hiftorifthes 3 ntereffe. Die photographifche Auf¬ 
nahme von Sienenmohnungen verfchiebener Syfieme 
3eigt in reicher Ausmahl mannigfache Bienenbehaufungen, 
mie fie, mit Ausfdjluß ber Kloßbeuten, heute auf bem 
3 mferflanb angetroffen merben, unb giebt eine lebenbige 
PorfteÜung, in mie verfchiebener ZDeife bie Bienen- 
3ucht betrieben merben fann. Das britte Bilb 3eigt bie 
3eitgemäßefie unb befteingerichtete Bienenmohnung, einen 
Pavillon für 3ehn BienenvölFer nach bem Syrern bes 
Pfarrers (ßerflung. Diefes finnreiche Syrern bürgert 
fich jeßt mehr unb mehr auf ben Bienenjlänben ein unb 
mirb bie beFannten StrohFörbe vielleicht gan3 verbrängen, 
ba fich in ihm bie Arbeiten bes 3 m Fers mit großer 
CeichtigFeit unb (Einfachheit vot^iehen laffen. Dr. <£. Babe. 


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Hummer 3^. 


Seite 16 U. 


Vie Heben ndcbften. 

plauberei oon ZIIa£ Kreßer. 


dj begreife nicht, baß es £eute geben fann, bie ftd? 
über bie lieben Ztäd?ften argem, fei es nun imf^aufe, 
auf 6er Heife, im Ojeater 06er irgenbfonftwo. 
gwar fagt Schiller fdion: „£s famt 6er Ärömmfie nicht 
m ^rieben leben, wenn es Sem bdfen Ztadibar nidit ge¬ 
fönt/ 6od? fetje idi für 6iefen 5 römmften nidit 6ie ZTot- 
wenbigfeit ein, bem böfen Hadibar ftanb3uhalten. 
ZVie es auf ber Strafe ein Zlusweidjen oor ben Zht- 
remplern giebt, fo aud? im ganjen £ebert. Kein ZTÜenfd? 
muß befanntlid? müffen. Deshalb braucht audi niemanb 
oon feinen lieben Ztächften ZZoti3 3U nehmen, fobalb er 
ftd? genug ©goift fülilt, otine fte ein 3ufriebenes Dafein 
3U führen. ZlÜerbings tiat mir ein philofophifdjer Kopf 
gelegentlich ein prioatiffimum gehalten, bas in ber 
etymologifdien Zluseinanberfeßung u>ur3elte, fdion bas 
©ebot ber Häd?ftenliebe enthalte bie Verpflichtung, alle 
Zlbfonberlichfeiten ber lieben Hädjften oer3eihungsooH 
mit in ben Kauf 3U nehmen unb lieber £eib 3U er¬ 
tragen, als £eib 3U tt?un. gwar gehört er gerabe 3U 
benen, bie im gewöhnlichen £eben oon ihrem Heben- 
menfchen alles bas oerlangen, was fie felbft nicht thun 
— bod? will bas weiter nichts iieifaen. ©roße Denfer 
haben bas Hed?t, eine eigene ZHoral 3U befolgen. 

ZVas mich betrifft, fo liebe ich bie lieben Ztächften 
unb fühle mich immer am wohnen, wenn id? ihre 
fleinen unb großen (Ehorheiten in unmittelbarer Höhe 
genießen fann. Schon aus ©efunbt?eitsrücfftditen, weil 
ich einen ausgeprägten Sinn 'für fjumor bejiße unb 
ber E?umor bie Seele erheitert unb eine heitere Seele 
nur in einem gefunben Körper wohnen fann. 3 ch fache 
überbies gern unb fehe noch lieber anbere ZtTenfd?en 
lachen, oorausgefeßt, baß fte gefunbe gähne hoben. 
Unb wo ich nicht ladien fann, ba lächle idi wenigftens, 
fei es auch nur ftifloergnügt über Dinge, bie anbern 
oieHeidjt gar nicht auffallen, bie aber einen luftigen 
IDieberhall auf bem Hefonan3boben meines ©emüts 
ftnben. Unb id? brauche für biefe humoriftifd?e Er¬ 
holung fein f?oh*s ©intrittsgelb 3U sahlen, id? fann fte 
mir gegen ein billiges leiften. So 3um Beifpiel für 
3ehn Pfennig auf einer 5 al?rt in ber ©leftrifdjen. Die 
lieben Ztächften ht ber Straßenbahn hoben ftets gan3 
befonbers mein ZVot?lgefallen erregt, oorausgefeßt, baß 
man nicht ihre Hücfenanftd?t oor ftd? hot. (Siebt es 
wohl etwas Schöneres, als 3wei Seihen ZHenfchen, bie 
fld? ftumm gegenüberftßen unb ftd? mit ZTTienen be- 
trachten, als hätten ft* foeben einen, frifd?en U)ad?s- 
aufguß oon (taftan erhalten? ©ine ©alerte oon 
Schönheiten, unb eine ©alerie oon Z}äßlid?feiten. Das 
Bilb wedifelt, je nad?bem id? ©lücf ober ped? höbe. 
Was für Ztafenparaben fann id? abhalten, in was für 
intergrünblid?e unb nid?tsfagenbe Zlugen fann id? bliefen, 
was für „gewichtige ZHenfdien* fann id? nad? ihrem 
ungefähren Kilo wert tarieren! Dod? id? will meine 
lieben Ztächften nicht en masse behanbeln, fonbern fte 
ht ihren typifchen ©ewohnheiten ein3eln oorführen, 
inbem id? babei auf bie Verfchwiegenheit meiner £efer 
rechne. 3d? beginne alfo bie 5af?rt. 

Kaum höbe id? plaß genommen unb will ben üb¬ 
lichen Bidet h*w>orf?olen, als id? fofort bemerfe, wie 
meine Hachborn 3ur Hechten unb £infen bas Bebürfnis 


fühlen, mir in biefem Beftreben behilflich 3U fein, unb 
3war mit einem langen Blid in mein Portemonnaie. 
3d? fud?e etwas umftänblid? unb flappere babei mit 
einigen (Ehalern. Den mir total fremben Ztad?bar 3ur 
£infen fdieint bas befriebigt 3U hoben, was id? baraus 
fdiließe, baß er bas- Seitwärtsfd?ielen einftellt unb bie 
Safe wieber erhebt. Das gleiche tl?ut bie biefe Had?- 
barin 3ur Hechten. Beibe wiffen nun, baß id? nod? 
©elb im Beutet höbe, unb fömten beruhigt an ber 
näd?ften fjaltefteüe ausfteigen, was fte aud? thun. 
Hatürlid? führe id? biefes 3ntereffe oiel mehr auf bie 
Sorge um mein ftnan3ielles tVohlerget?n 3urücf, als auf 
bie unausftehtiche Heugierbe bes lieben Hädiften. 3ch 
werbe mid? hüten, es mit meinem ZHitmenfchen burd? 
eine anbere Ztuffaffung 3U oerberben. 

3 d? höbe nun Bewegungsfreiheit befommen unb 
hole bie neuften 5li*9*nben Blätter h*n>or, bie id? an 
biefem 5 reitag frifd? gefauft höbe. Kaum höbe id? be¬ 
gonnen, bie Bilber 3U betrachten, als mein neuer 
Zladibav 3ur £infen feinem Drange nad? unentgeltlicher 
£eftfire nicht wiberftehen famt. €r oerfolgt nicht nur 
bie Bilber — id? habe ihn fogar in Verbucht, baß er eifrig 
mitlieft. ZVie fommt biefer ZTCenfd? ba3u, meine wohl* 
erworbene Citteratur 3U naffauernl 3ch rücfe fort oon 
ihm, er aber rücft unwiflfürlid? mit. 3d? lod?e über 
ben neuften ©berlänber, unb er lad?t mit. Daburd? 
aufmerffam geworben, beginnt aud? mein neuer Had?bar 
3ur Hechten, ein £?err mit einem glän3enben gylinberhut, 
bem id? nun beinah auf ben £eib gerüeft bin, mit ben 
Zlugen etwas oon bem 3«halt 3U nafd?en, 3eigt ftd? 
bann aber burd?äus forreft, nad?bem er einen oorwurfs- 
ooHen Blicf empfangen hot. ZJTir gegenüber ftßt ein 
Schuljunge, ber mit tiefgefrümmtem ©berförper bie 
Hücffeite meiner 51iegenben 3U muftern beginnt, gum 
Ceufel, höbe id? benn meine breißig Pfennig für anbere 
ausgegebenl 3 d? && bod? kier auf meine Koften fein 
£ad?fabinett fd?affen. Denn fd?on fehe id?, wie eine 
wohlige f?eiterfeit ftd? aud? auf ben gügen anberer Hächft- 
ftßenben breit macht. Schließlich fomme id? bahinter, 
baß biefe E?eiterfeit nur ein 2lbg(att3 &** meines Had?- 
bars 3iur Cinfen ift, ber plößlid? gan3 laut lad?t. Schon 
will id? wirtlich ärgerlich werben unb ihm bte ZTiit- 
leftüre burd? einen füt?nen Ettfd?luß ent3ieB?n, als id? 
ihn mir genauer betrachte. Er ift ein bürres, arm- 
feliges Kerlchen, mit einem intelligenten Vogelgepdit. 
Ene lebente ZHappe weift barauf hnt, baß er einer 
ber oielgeplagten Z 1 Tenfd?en ift, bie treppauf, treppab 
müffen, um Hed?nungen 3U präfentieren, wofür fte 
manchmal mehr ©robheiten als ©elb einfteefen müffen. 
Seine anbauembe £?umorbegeifterung rührt mid?, fo baß 
id? nun meine Blätter abftd?tlid? offener halte, als 3Uoor. 
£eiber fomme id? bamit 3U fpät. E muß ausfteigen, 
nieft mir aber 3um Zlbfd?ieb mit einer ZTTiene 3U, als 
wollte er fagen: „Danfe, id? habe fd?on alles gelefen." 

Balb barauf hat mid? ein behäbiges paar in feine 
ZHitte ge3wängt, oon bem id? erft burd? bas Kreu3feuer 
ber Unterhaltung, bas in familiärer Unge3wungenheit 
an meinem Ejaupt oorüberpraffelt, erfahre, baß es 
©heleute ftnb. Sie ftnb gan3 in Sd?war3 unb wollen 
3um Begräbnis. Die Dame hat einen mächtigen Kran3 



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Seite \ 6 \ 2 . 



ouf bem Schoß, bet pch 3um Ceil auch mein Knie als 
Stüßpunft ausgefucht hat. Der betrauerte fcheint ein 
Derwanbter gewefen 3U fein, beim bie Unterhaltung 
breht pch um Crbfchaftsbinge, unb 3war fo laut, baß 
färntlidje 5ahrgäße unwillfürlich Knteil baran nehmen. 
Die 5rau iß nicht ber ZHeinung ihres UTannes, was pe 
wiebertjolt fehr energifdj beßätigt. Cine Spaltung 
broht aus3ubredjen. 3d? will bas Pärchen wieber in 
verföhnenbe bähe bringen unb erhebe mich, um höflich 
ben plaß mit ber Dame 3U wechfeln. Klein bemühen 
wirb aber banfenb abgelehnt. Sie fcheint pch in biefem 
Kugenblicf für bie unmittelbare. bähe ihres (Satten 
nicht 3U erwärmen, was vielleicht burch eine lange 
Erfahrung begreiflich fein mag, was ich über fehr 
wenig rücfpchtsvoll pnbe, benn pe bläfl mir beim Dor* 
besprechen ben Ktem ins (Bepcht. beim KTamt pnbe 
ich größere (Segenliebe, unb fo fann ich nun weiter¬ 
fahren, in bent Bewußtfein, biefe lieben bächßen wenig- 
flens äußerlich wieber 3ufammengebrad?t 3U hüben. 
Doch fommt ber Cote erß 3ur buhe, als bie Crb- 
fchaftsßreiter eine anbere ©eWrifdje beitußen müffen. 

Die buhe ifl nun wieber hergeßellt unb ber ZDagen 
notl befeßt. 3<h fehe aufs neue mir gegenüber bie 
(Balerie unbeweglicher (Bepchter, bie alle fehr fauer- 
töppfd? breinfehauen, was mit ber plößlichen Derflnße- 
rung bes Rimmels 3ufammenhängen mag. Die meiften 
benfen über bie SH>ecflopgfeit eines vergebenen begen- 
fchirms nach. 3ch verfudje ben Charafier ber KTenfdjen 
aus ber 5orm ber ZIafen 3U ergrünben, fomme aber 
3u feinem beflimmten Schluß, wenigflens was bie nor¬ 
male (Sröße anbetrifft, bei ben auffaüenb großen unb 
Meinen bin ich Phon pdjerer. 

Suleßt ifl eine einfache 5rau eingeftiegen, bie ein 
aflerliebftes Weines ZHäbchen mit pch führt. Cs fängt 
an brottig 3U werben. Cine wohlmeinenbe Dame er- 
funbigt pch nach bem ZUter, eine anbere fragt nach 
ben gähnen, unb ein Hageßol3, fchon hoch in ben 
3«hren, emppnbet mit Bebauern feine Ctjelopgfeit unb 
tippt mit bem Ringer auf' bas bloße Zlermchen bes 
Sdjoßfinbes. Cs hüpft oor Vergnügen unb lallt etwas 
Unoerftänbliches. Der ^err unb bie Damen lachen, 
niemanb will 3urücfbleiben, unb fo geraten fdfließlich 
auch bie in ^eiterfeit, bie gar nicht ben (Srunb 
ba3U fehen. Zluf allen (Sepchtern lefe ich bas gleiche: 
„ZDie nett. Ztei3enb f nicht wahr?" Das (Bepcht ber 
ZlTutter ftrahlt vor Stol3 unb Vergnügen. 


3d? werbe aus allen Ejimmelu geriffen. Cine fehr 
forpulente Dame hot mich fchon verfdjiebene ZtTale mit 
einem wütenben Seitenblicf genteffen. Sie pßt halb 
auf meinem Schoß, aber ich fann nicht weiterrüefen, 
fo Wein ich mich auch mache. Cnbltch winft pe ben 
Konbufteur herbei unb fagt gebieterifch: w 2Xd? wollen 
Sie beit Ejerm erfuchen, etwas 3ufammen3urücfen, bort 
ifl noch Kaum." 3h* aufbringlicher ZKofchusgeruch hat 
mich fd?on nicht angenehm berührt, unb fo nehme ich 
bie (Belegenheit gern wahr, höflich 3u bemerfen: „3ch 
wäre 3hnen fehr banfbar, meine (Snäbtge, wenn Sie 
mir fagen wollten, wie ich bas anflellen fönnte." 3ch 
pße nämlich bireft am tErennungsbügel, ber bie Banf 
in 3wei Hälften teilt. Sie wirb über unb über rot, 
bittet Weinlaut um Cntfchulbigung unb verläßt gleich 
barauf ben IDagen, noch »or ihrem Siel, wie ich be- 
flimmt glaube. Cine geborene fjerrfchematur, hat pe 
bie fleine ZXieberlage unb bie pch baranfnüpfenben 
fpöttifchen Blicfe nicht ertragen fönnen. 

Cin plößlicherHegenfchauer beginnt bieStraßen 3U über* 
fchtvemmen. Zln ber nächflen EjaltefleBe wirb ber ZDagen 
geflürmt. ©n langer Herr ßolpert an mir vorüber unb tritt 
mir gerabe auf mein empflnblichfles Hühnerauge, ohne 
ein IDort an mich 3« richten. „Cntfdjulbigen 5ie nur, baß 
Sie mich getreten haben," bemerfe ich entgegenfommenb. 
„Sitte, es war gan3 gern gefchehen," giebt er mit einer 
(Srimaffe ber Höflichfeit 3urücf. Dann fchreit er ben 
Konbufteur an: „Hier fofl hoch noch ein plaß fein!" 
© 3ählt beibe Seihen ab, entbeeft enblich einen fleinen 
Sioifchenraum unb feßt pch 3wei jungen ZHäbchen bei¬ 
nah auf ben Schoß, fo baß pe entrüßete Cinwenbungen 
bagegen machen. Sn feinem großen Zlerger muß er 
wieber an bie frifdje £uft gehen, benn mittlerweile hat 
ein anberer ben richtigen plaß eingenommen, unb auch 
ber Hinterperron ifl befeßt. Seine lauten piroteße ver- 
fchulben es, baß ber ZDagen noch einmal halten muß. 
3ch fehe fofort: es iß ein Kervöfer, ber mit pch felbß 
burchgeht. Seine (Brobheit muß ihm alfo verjiehen werben. 

Cnblich bin auch ich an meinem Siel unb fteige bei 
lachenbem Sonnenfehein aus, wobei mir platens ZDort 
einfällt: „Cin jeber glaubt ein 21H 3U fein, ein jeber iß 
im (ßrunbe nichts." Kleine ZITemung über bie lieben 
ZTächßen bleibt troßbem unwanbelbar. 3ch liebe pe 
nach n?ie vor, mit allen ihren Dorjügen unb Schwächen, 
fchon aus bem (ßrunbe, weil pe mir ben Stoff ju 
biefer plauberei gegeben haben. 





Sexzavk. 


Sin ganz meines Sdj}l6fed§en auf 8er grünen ^iefe, 3 m ülarquijengarfen fagerf näd§fge Sd^müle, 
SelBffperffänBIidß 8rinnen — eine Srau fftarquife. fön Ben ^fofcnranßen fdßmanßen »iel Scfüfffe — 

Sipsgeforrafe "Muffen an 5 en meinen Heeßen Äuf 6er feudalen ~©ief e Bei Ben Hediengiffern 

€tn& :§>apcn8el8üffe rings in allen Sdßen. Seufzerelegien Ber ^Slarquife Ziffern. 


3 n Bem $ad§Barparße reifer ®anb BaneBen ~Wena Bie anBern fdßerzcnB fid$ im Sro^finn fonnen, 

~^i(f man $eufe aBenB fBte champetre geBen. "^flegf fie Senfiraenfs unB fü$ß fic Sc^mcrzensroonnen. 

Älfe S<§äfern>eifen, Bie IjerüBerBringen, ffeBer meinen ^uBer S^ränenperfen gleifen, 

~Wetb«n Srau ^arquife fanff in Schlummer fingen. — 3 $re zarfe Seele §af zu feine Saifen. — 

CIfa Laura von Woljogen. ■ 



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Goc 









Bummer 53> 


Seite J6\5. 


Von linfs nadj redyts: $rl. o. Hocfjotp. ©räftn p. t>. He<fe«Öo[marftein*:Klemburg. £rl. p. Klifcing (©berin). ©raf 311 Safn«lDtttgenj!etn. ©rbprinjeffttt 
v. 5 acfjfen«tnemingen. €rbptin3 u. SadrfenOTlfimngen. ntajor ^reitjerr ü. Höher. ©raf p. b. Hetfe‘Dolnuirfiein«Wemburg. 5 * 1 - *>• IDangentjetm. $rl. p. Htbenftaebt. 

Berucb des erbprinzeu und der 6rbprinz«fftn von Sadireu-JIeiniiigen in Charlotten heim. 

JDas erfle Offiztersdamenl)eim. 

ßicr3u 4 pfyotograptyfdje Aufnahmen pon p. 5 ifd?er (Öreslau). 



EDeitn ber IDanberer feine Stritte nach Krummhübel an 
ben fuß bes Hiefengebirges lenft, winft itjm fdpon uon fern 
ein ebler, fdplidpter Bau entgegen. Bidpt prunfooll unb 
prächtig iß bas ipaus, bas er erblicft, nein, einfach, faft 
fapmucflos unb bodp fo harmonifefp in feinem gan3en (Gefüge 
bietet es fidp bar. Von einer Fleinen Knböfpe blieft es 
freunblidp nieber, unb bie liebe Sonne fpiegelt fidp in feinen 
blanfen fenfterfefpeiben. Das iß <£fjarlottenfpeim, bie t^eim- 
ßätte, bie bie Sdptuefier unferes Kaifers für bie früh oer« 
witweten, früh uerwaißen Kugelungen berer errietet tpat, 
bie einft ihrem Daterlanb in bem Kleib bes Kriegers treu 
gebient Ipatten unb nun balpingefdpieben finb. 

Kudp mir mar es vergönnt, bas Stift fennen 3U lernen, 
unb 3U?ar mar es bie fpolpe frau felbft, bie midp in bie näheren 
<2in3eüpeiten feines (Entßehens einweifpte unb mir alles 
perfönlidp 3eigte unb erflärte. Km 2^. 3 U K 1900 mar es, 
als bie <£rbprin3effin ben Befdpluß faßte, eine berartige 
Sdpöpfung ins £eben 3U rufen, gatpllofe Bittgefudpe aus ben 
Kreifen uermitweter unb uermaißer 0fß3iersangehöriger 
flößten ihr ben (Gebauten ba3u ein. 3 n f^laflofen Bädpten 
— n>ie mir bie Ipofpe frau felbft fagte — reifte ber (Ge¬ 
baute 3ur CLtpat. Kein leichtes Unternehmen mar es, uiele 
Sdpwierigfeiten waren 3U überutlnben, uiele Dorurteile 3U 
befiegen. Über bas 
gütige frauentper3 mit 
bem ITTanuesmut rang 
burdp. (Es bilbete ßdp 
ber (UfftiersbamenlpUfS' 
uerein für bas VI. Kr« 
meeforps, unb man 
mürbe aufmertfam auf 
bas Unternehmen. Der 
Kaifer ftellte fich bem 
Plan fympathifdp gegen¬ 
über unb 3eidpnete einen 
namhaften Beitrag, her« 
uorragenbe bentjdpe 
dürften folgten feinem 
Beijpiel, uiele fdpleßfdpe 
UTagnaten fdploßen ßdp 
an, (Großgrunbbeßtjer 
unb (Großinbußrielle ber 
pror»in3 beteiligten fidp 


au ber Befdpaffung ber nötigen Mittel. (Eüdptige unb 
hilfreiche Mitarbeiter ftanben ber prin3effin 3ur Seite, 
ihr h°^ er (Gemahl, ber <Erbprin3, unterßütjte ße mit 
feiner militärifdpen Erfahrung unb feinem Hat, ber 
©berfileutnant non (Gomlicfi uom (Generaltommanbo über¬ 
nahm freubig bas arbeitsuolle Kmt bes Schriftführers, unb 
ber BanfbireFtor Hittmeißer a. D. fromberg uermaltete bie 
Kaffe als Sdpafcmeißer. (Eine Heifpe bewährter Kräfte bradpte 
bie (Gebauten ber prin3efßn 3ur Kusführung. Der KrdpiteFt 
(Große leitete bie eigentlichen Bauarbetten, unb ber (Garten- 
ingenieur lHe^e!, beibe aus Breslau, ßellte bie (Gartenanlage 
her. Baßlos in ßiHer Krbeit fchritt bas fchöne IDerf fort, 
Bauftein auf Baußein baute fidp auf, unb freute ßetpt bas 
Stift uollenbet ba, 3U Bu£ unb frommen jener, für bie 
es beftimmt, 3ur (Ehre unb Badpeifermtg berer, bie es erbacht. 
Denn bie Seele bes (Sanken war bodp bie (Erbprin3effin felbft; 
Sommer unb lüinter fuhr ft* uon Breslan nadp Krummhübel, 
um ben Bau 3U überwachen. Km U- Bouember ^00 würbe 
bas (Grunbßücf in ber (Größe von 55 Morgen uon einem 
Bauern gefauft, fünf Morgen würben 3U ^aus unb (Garten 
uerwenbet, bie weiteren 50 foüett nut$bringenb als Bauteilen 
uetfauft werben, gu Pßngften \<)o\ erfolgte ber erfte 
Spatenftidp unb am 2^. 3 U Ü baranf bie (Srunbfteinlegung 

mit Hidptefeß. Der 
fpammerfprudp, ben bie 
hohe (frau bei biefer 
(Gelegenheit fpradp, lau¬ 
tete: „harter Stein — 
fdpließe ein — ber Krbeit 
Müh — ßhütj unb 
fröne ße. Ä Der Sprudp 
ßeht eingemeißelt auf 
ber (Grunbfteinmauer au 
ber Stirnfeite bes Kau¬ 
fes. Bach ber prin3efßn 
führten nodp ber (Erb« 
prinj, ber (Eh^f 
(Generalftabs bes VI. 
Krmeeforps ©berftHöhh' 
ber fpofdpef Major frei- 
herr uon Höher unb uiele 
anbere fperren bes Ko¬ 
mitees bie üblichenIpam- 



Das Charlottmheim in KrummhübeU 



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Seite 


Hummer 5^. 



Jluffh- und dntcrhaltungszimmcr. 


merfdjläge aus. Am {. 3 U H 1902 Ejaus un & harten fo »eit 
fertig, baß bas 3 n fiiüü feiner Beftimmung übergeben »erben 
Ponnte, unb keute »irb-es bereits non nierjig Damen unter bem 
Dorfitj ber 0 berin fräulein non Klißing be»oknt. 

XDenn man bie (Eitelkeiten in Ejaus unb (Sarten be* 
trachtet, fo merFt man beutlick, baß ty** ein einiger leitenber 
(SrunbgebanFe porgekerrfekt k a t*e, ber bis ins fleinfie jäk 
tmb bekarrlidj bur(kgefükrt »orben iß. Don ben im 
mobernßen Stil kergefteUten größeren Cinricktungen in IDokn* 
räumen, Küdje unb Babejimmern, non ben elcftrifcken Be« 
leucktungsanlagen unb ber Dampfke^ung bis auf bie fleinen 
fdjmucFen BriefPäßcken, bie mit ben (Eküren ber IDok^immer 
in einem nerbunben ßnb — einer befonberen (Erfinbung ber 
€rbprin3efjtn — mar alles non ber k^k^ frau fclbft an* 
georbnet unb erbaut »orben. Durdjßkreitet man & cn mit 
(ßefekmaef unb Kunßßnn angelegten (Sarten, ber fid? k' na ^ 
bis an bas »Übe, mit (felstrümmern überfäte Bett ber 
£omnig erftrecFt, fo fällt einem 3uerft ber fcköne, non Korn* 
mer3ienrat Bieter aus Arnsborf gegiftete unb non Bilbkauer 
Böfe aus Berlin mobellierte Utonumenialbrunnen ins Auge. 
Den Brunnen 3iert bas Heliefbilb ber (Erbpri^effin, fein 
SocFel iß errichtet aus Steinen unb (felsßücFen, bie bas 
furdjtbare fjodjmaßer ber£onmitj im 3 a k r 1897 angefck»emmt 
katte. (Es »ar ein gnnrei<ker (SebanFe, biefe Steine 3U per* 
»enben, ge bilben für bie Sck»eger bes Kaifers nock ein 
anberes ekrenbes DenFmal; benn unnergegen »irb es bleiben, 
mit »elcker Aufopferung unb Eingebung prin3efgn Ck^rlotte 


in ben Fritif<ken (Tagen bes 3 a fa es 1897 ben fdj»er keint* 
gefugten Be»oknern biefes £anbßricks (Trog unb Ejüfe 
brad?te, unnergeffen »irb es in ben en ber einfad?en 
Hiefengebirgler bleiben, baß fick bie kok* tfrau nic^t freute, 
über (SerÖU unb Sd?utt 3U Flettern, burck tDaßer unb Scklamm 
3U »aten, um in bie einfackften Jütten ber Armen bie TDerFe 
ber £iebe unb Barmke^igFeit 3U tragen. 

Dock betreten »ir »ieber bie 3 1tn * n räume bes E?eims. 
Alles ift köckg praFtifck, einfack unb bodj mobern eingericktet. 
Die gimmer finb geräumig, luftig unb frennblidj. 

Den großen Speifefaal 3iert bie t>on Bilbkauer Böfe aus* 
geführte Büge ber prin3efgn, bie < 5 emälbe non Kaifer unb 
Aaiferin (friebrid? ßkmücfen bie XDänbe. Sekt käbgk 
Kücke unb SpeifeFammern im eckten fdpleftfd^en Bauerngil 
ausgefükrt unb bock mit allen (Errnngenfcbaften mobernerCTedjniP 
»erfeken. Die (Erbprin3effin, beren ga^es E?er3 an ikrer fronen 
fSdjöpfung k^ngt unb bie bei ikreit käufi^n Beßidjen niemals 
perfäumt, irgenbmelcke nüglidje (Segenftänbe für ben ^aus- 
kalt tnit3ubrtngen, mackte in ber liebeitsȟrbigften ZDeife 



Wohnzimmer. 


bte (fükterin burck bas Stift; auck ber (Erbprit lieg es fick 
fekr angelegen fein, als freunblicker Cicerone 3U »alten. 
IHoge bie Scköpfung ber (Erbpritefßn »ackfen unb gebeten, 
unb möge biefer eble (Sebanfe, ber ftd? bort am (fuß bes 
Biefengebirges perFörperte, auck in anbernCTeilen bes Deutfckeii 
Heicks ZTackakmung ßnben. Ctjlobroig ©raf 3U SaTn«Zr>lttgenjt*in. 


G" 


-- 


7 > 


Cttas die Richter Tagen. 


5ürforge3tr>angser3iet?ung unb Strafe. 

gu ben biskerigen Utitteln für 5<kutj unb Begerung ber 
©er»akrloften 3 u 9 en &* ber g»angser3iekung unb Strafe, ig 
feit bem \. April 1901 nodj bie (fürforgeer3»kung getreten. 
Had? bem alten defeg Fonnten Kinber unter \2 3 <*k**n 
3»angs»eife er3ogen »erben, »eitn ge eine grafbare £?anb* 
lung begangen k a üen unb bie (Sefakr »eiterer gttlicker Der* 
»akrlofung beftanb. Diefe Dorausfe^ung ber alten g»angs* 
erjiekung ig jetjt aud? Dorausfetjung ber moberuen (fürforge* 
e^iekung geblieben, unb infofern vertritt bie (fürforgeer3iekung 
bie Begrafung bes 3 u 9 ertö ^^ en ; baneben aber ift ge auck 
lebiglick Drittel 3m Derkütung ber Der»akrlofung unb 3ur 
Derkütnng völligen fittlidpen Derberbens ron Kinbern jeben 
Alters, beren IDokl burck DTigbrauck ber elterlicken (Erjiekungs* 
ge»alt gefäkrbet »irb ober bei benen bie <£in»irfung ber 
Jamilie ober Sckule unjulänglidj ig. 

Das Derfakren »irb auf Antrag bes Eanbrats, (Semetnbe* 
ober poli3eioorganbs burck ben Dormunbfckaftsrickter ein¬ 
geleitet. Die göglinge »erben fobann in einer Begerungs* 
anftalt ober Jamilie untergebrackt, »obei im. letzteren all 
00m Kommunaloerbanb ein tfürforger (ein Amt, bas aud? 
ron Jrauen befleibet »erben Fann) 3U beftellen ift. Die Jür* 


forgeer3iekung Fann burck Befcklug bes Kommunaloerbanbs 
»ieber aufgekoben »erben, »enn ikr g»ecF erreid?t ig, enbigt 
aber in jebem (fall mit ber (SroßjäkrigPeit bes gäglings. 

Anger ber fürforgee^iekung giebt es nod? eine g»angs- 
er3iegung bie gegen jugeitblicke Angefckulbigte im Alter von 
12 bis 17 3 akreit angeorbnet »irb, »enn biefe bie 3ur (Er* 
Fenntnis ber StrafbarFeit bes begangenen DeliPts erforberlicke 
(Einfickt nickt befeffen k<*b*n. 

Bei bem Dorkanbenfein biefer (Einfickt bagegen »irb ein 
fold?er 3ugenblicker begraft, unb 3»ar Fommen gegen ikn 
milbere Strafbegimmungen 3ur An»enbung als gegen (Er* 
»ackfene, insbefonbere Faun in leickten (fällen auf einen Der* 
»eis erfannt »erben, ber inbeßen als orbentlicke Strafe gilt. 
JDirb ein bisker unbefckoltener 3ugenblid?er aber 3U einer 
freikeitsßrafe perurteilt, fo permittelt in ber Hegel bie Straf- 
PollftrecFungsbekörbe bann, »enn bie ba3U erforberlicken Aus* 
Fünfte bei ber0rtspoli5ei it. f.». gut ausfallen, eine minigerielle 
Strafausfetjung, nad? beren Ablauf bei »eiterer guter (fükrung 
ber Straferlaß er»irft »irb. E^ierburd? »irb bie gttlicke Bege* 
rung ber 3 l, 9 en ^ be3»ecft unb in 3aklreicben (fällen auck 
glücflick uerkütet, bag ber einmal Begrafte 3um 3»eitenmal 
mit bem Strafgefetj tu KongiFt gerät. 


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Hummer 34 


Seite 16^5, 


Bilder aus aller Welt. 



Hbfatjrt pon Jo^onnisburg. (IL pipgorra, Sensburg, pbot.) 


21 Is (Saff in Ublicf. 

I. u. pobbielsfi. 2. Canbtagsabgeorbneter HulIaMlblüf. 3. $rau 
Kullaf. 4. Fräulein Hullaf. 5. Keaierungsprafibent £)egel. 6. (Se* 
beimrat Cngeltjarb. 

Der prcussifchc I^andwirtTcbaftsmimfter v. podbiclshi 
in Mafuren. 

(®. (Suyeit, Cötjen, pbot.) 



I. Heitmann. 2. £?aufe. 3. EDenbt. 4. Cange. 5. Seilmann. 6. Hemalb. 7. Bemflcln. 8. IDoIf. 9 (Sunsberg. 10. Hapier. U. ,5rau piUsbury. 
12. piüsburf, 3 ®eitcr Sieger int OTeiffertumicr. 13. ITliefes. 14. tTTarftafl. 15. ITlafon. 16. 3anorosfi, erfler Sieger im ITleifter furnier. 17. Dr. 
d. (SottfdjaU. 18. Sdjottlänber. 19. CCfd?igorin. 20. Bier. 21. Comanit. 22. oan Dam. 23. Scbapiro. 24 . €ffer. 25. OTdUer. 26. Smith. 27. Ceuffen. 
28. Htfins. 29- Dr. (DUanb. 30. Bleyfmans. 31. r»on Barbclcben. 3€. €inbilb. 35. piotromsfi. 34. D?cfboff. 35. 3obtt. Sieger im Qaupttumier A. 
36. Kagan. 37. Ciebenßein. 38. Dr. Hufnagel, Sieger im Hebentuntier A. 39. <£jner. 40. Cobn. 41 . IHaltban. 42 . Seligmann. 43 (Earls. 44* HermeL 
45. mayer. 46. pofl. 47. (Sregori. 48. Hofentbal. 49. OTibbleton. 50. Dfltfdtfe. 51. Dr. Hauffmann. 52. $ufc. 53. profeffor Dr. (Sebbatbt. Dorfißenber 
bes Deutfd^en Sd?ad?bunbes. 64 jleifcbntann, Sieger im ftauptfumier B. 55. €Ijafcboff. 56. Happei. 57. poUacf. 58. £abuntfd}ifon>. 59 o. parifd?. 

60. (Dttemann. 61. Dr. Broby. 62. €nglunb. 63. Ccantt. 64. pritjel. 

Die Teilnehmer am flfcifterturnier des Deutrehen Schachbundes zu Bannover. 


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Seit« J6J6. 


Hummer 54 



Cmeftiue poffart, OTarie IDille, £)elene ftägemann, 

tourbe an bas Stabttijeater 3a erfte Sängerin im berliner befanme 

Köln engagiert. Ctcberipielbaus. Kon3ertfängerin. 

Hus dem bfurtblcben. 



3ulte 2Tlüller*£jartung, Cuife ©cUcr-tDolter, 

tuurbe 5ur <S>rofjber3- fäcbfifdjen brrvorragenbe 

Kamnterfängerin ernannt (Diatotifiifüngrrm. 



Don ber (taufe bes Sd? »teil» 
bampfers Kaifer IDilbelm II. 
am 12 . 21 uauf}. 

Künftlerifdj negierte (Eaufflafd?e mit 
bem Cloybfeft aus ber Kellerei uon 
Cbr. 2lbt. Kupferberg & Co., ITTninj. 


6ine Uebungsfahrt der neuen Corpedoboote. 

TL Keuarb, Kiel, pfjot. 


Schluss des redaktionellen Ceils. 



Brauches brav, ßutve/ss/s mir ßanA - 
A/Ie Zähne werfen bknh, 
h/iema/s mrfMr an» AnanA-.. 
Wa/v/n /äche/s/ZAa, mein SoAnZ 
„Unser leA/vr say/e scAaa, 
(/ArAaA/ZircAAeSjP/vcA&ntvA/Z- 
fonz äasse/Ae nun „Oe/o/ * 


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(lummer 35 


4. Jahrgang, 


DiewocHe. 

Berlin, den 30. Hugult 1002« 


Inhalt der flummer 35* 


Pie fiebert Zaqt bet XPodje.. (6(7 

Umfdsdu.. . , (6(7 

€in (Theater fürs Polf. Don Hnna 3ules Cafe.1618 

fpiel unb Sport.116(9 

Hnfere Silber.(620 

Pas Sucfj brr tOodjc.(623 

Kaifermanöoer.....(624 

Pie Coten ber XOodje ..(624 

Silber vom (Tage. (Pbotograpbifdje Hufhatjmrn).(625 

©»enbolin. Soman von Huguff niemann. ($ortfe(jung).(633 

(Sdniemäbels Kettenblumenlieb. (Srbidjt oon ©. tDentorf.(637 

Pie £arbe in ber £ranenf(eibung. ZHobepIauberei von Paula IPinfler . . (638 
Pie Ktnber bes präftbenten Hoofevelt. Don ITlary ©berberg. (IHit 7 2lb» 

bilbungen).(640 

Sirfdtgdnge im hoben Horben. Don Heinbolb Crontjeim. (ITUt 4 Kbbilbungen) (644 
Siefen- ber Pflanjemvelt. Don Pr. Ubo Pammer. (ZTIit 6 Kbbilbungen) . 1646 

IPas ber Po^el fpridjt piauberei von Hermann Serbroiv.(649 

Pienftlidjer Sport in ber iialienifdjen Krmee. (mit (0 Hbbiftungen) . . (65( 
Silberberg unb Seuter. Pon Paul Hemer. (OTit 4 Hbbilbungen). . (654 

Znutirrffarfe. Crjablung pon €. Delj.. .' (656 

Per £rauenlefeverrin in Kopenhagen . . ‘.. 1659 

Silber aus aller IPelt . . ..(660 

JP 

M*« abonniert auf dfe „<Oeche“: 


ln S er Mn nnb Pororten bei ber ^aupteypebition gimmerftrafee 37 / 4 (, fotv e bei ben 
Filialen bes „Berliner CofaI»iln3eigers* imb in fdmtl. Sudjbanblmtqen, im 
PemfcbenSeid^bei allen Sucbb<mblimgen ober poflanftalten ( 3 eittmgs*preisltfte 
Hr. 822 (); unb ben <£efd?dftsßellen ber „XDodje": Botin a.Rh., Kölner. 29. 
Bremen, ©bernfir. 29 ; Breelau, 5 d?tveibntfcerffr. €<fe Karlftr. (; CafTel, 
©bere Köniqftr. 27 ; Chemnitz, Innere 3 obannisih, 6; Dresden, Seeftr. (: 
DOfreldorr, Sc^aboipftr. 59 ; Biberfeld, ^erjo|pra|f 38 ; BfTm a. Rh., 
Cimbecferplag 8; franhfurt a. M«# 63 ; Börlltz, Cuifenftr. (6; Balle 

a. 8., mittelftr. 9. €cfc Sd?ulftr.; Hamburg, Heuenpall 60 ; Hannover, 
(Srorgffrafje 39 ; Karlsruhe, Kaiferfir. 34 ; Kattowitz, poftfh. (2; Kiel, 
fjolfleniirafte 6; Köln a. Rh„ fjobeffrafce ( 45 , Königsberg t pr., 
Kneipbdffcbe tangaaffe 55 ; Leipzig, petersflrafee (9; Magdeburg, 
Sreitemeg .(84; München, Kaufingertirafte 25 (Domfreibeit); Momberg, 
Corenjerffralt 30 ; Stettin, Sreiteibra^e 45 ; Stuttgart, Königffrafje (( 
CQiesbaden, Kircfcgaffe 26 ; Zürich, Hennipeg 48. 

3 eder unbefugte ffachdrudt aus dfcter Zeitfchrift 
wird ftrafrechtlich verfolgt. 



Die sieben Uage der Woche. 


21. Bugult. 

3 « Kapftabt mirb bas Kapparlament nad? jahrelanger 
paufe mit einer Hebe bes (ßouoerneurs mieber eröffnet. 

Das beutfdje Sdpulfrf?iff „Stein" trifft in ber Bai non 
Z>ooer ein. groifdjen ben beutfehen unb englifdjen Offaieren 
werben fehr u>arme SympathiePunbgebungen ausgetaufd?t. 

22. flugult. 

Bet ber Stichwahl im Heiehstagsmahlfreis forchheim* 
Kulmbach mirb ber Hationa'liberale faber gewählt. 

3n iO^ttfitania mirb unter ber cEt^renprafibeutfef^aft bes 
prin3en (Dsfar Bernabotte bie lDeltPoufereii3 ber eoangelifchen 
Pereine eröffnet, 3U ber etn>a 2000 Teilnehmer erfreuen fmb. 

23. flugult. 

Di3eabmiral Buddel, bisher leiter bes ITTarinebeparte* 
ments im Hei<hsmariiieamt, ift 311m <£h e f bes Hbmiralftabs 
ernannt morben. 

Die nach 3 °f ? annes & ur 9 «»«berufene Derfaittmlung, in 
ber Aber bie Schaffung einer repräfentatioen politifd^eit Körper- 
fd?aft Befdjlug gefaxt merben follte, n>irb auf unbeftimnite 
geit pertagt 

Der Deutfche Kronprin3 hot eine (Einlabung bes Kaifers 
^ra«3 3 °fef 3U ben (Srogen ITTaiiöoern in Ungarn für 
September angenommen. 


24. flugult. 

Das Katferpaar trifft, aus Fjomburg fommenb, in 
Potsbam ein. 

Die in Sagnitj unb Kolberg angelegten Stationen für 
brahtlofe Telegraphie, bie 170 Kilometer ooneinanber ent¬ 
fernt jinb, taufchen bie erften gebrueften unb gefprochenen 
Depefchen aus. 

25. flugult. 

Der Berliner Holaubbrimnen, ben ber Kaifer ber EJaupt- 
ftabt 311m (SefdienP gemacht h at / mirb in (Segenroart bes 
IHonarchen enthüllt. 

3 n IHannheiin tritt bie neununbrier3igfle (Seueral- 
rerfammlung ber beutfd^en KatholiPen 3ufammen. €s merben 
Begrüfjuftgstelegramine an ben Papft, ben Kaifer nnb ben 
(Sroßber3og non Baben gefanbt. 

Bei einer Jefitafel im Heuen Palais bringt ber Kaifer 
einen (Eoafl auf bie HTarP aus. 

Der Sanbmirtfchaftsminifter oon pobbielsfi erPlürt es 
ben Dertretern ber pofener Stabtbehörben gegenüber aus 
oeteriiiarpolt3eilichen < 5 rütiben für unthunlichr bie (Sre^en 
für auslänbifches Schlachtoieh 311 öffnen. 

20. flugult. 

König DiPtor (Emanuel tritt oon Hacconigi aus bie Heife 
nach Deutfchlaub an. 3 n ©öfchenen rnirb er oon einer Kb- 
orbnung bes fchme^eriIdjen Buubesratr empfangen. Beim 
eftmahl merben oon brm Bunbespräfibenten §emp unb bem 
König Toafte ausgebracht. 

Der Kaifer bringt bei einer Jefitafel im Heuen Palais 
einen TrinPfpruch auf bas britte KrmeePorps aus. Der 
Kaifer lagt ber beutfehen KatholiPenoerfammlung tn UTann* 
heim burch ben £hef bes gioilPabinetts oon £ucanus für ihr 
Begrügungstelegrainin feinen DanP ausfprechen. 

27. flugult. 

König DiPtor CEmanuel trifft als ( 5 aft bes Kaifers in 
Potsbam ein. 



Umlchau. 

IDahrenb biefe geilen in ben Drucf gehen, bauern bie 
fefte 3U €hren bes Königs DiPtor (Emanuel (Porträt 5 . 16 25 ) 
uod? fort ber am niittmoch ben beutfehen Boben betrat um 
unferm Kaifer feinen Befuch ab3uftatten. Knbers tuirb |t<h 
naturgemäß biesmal fein (Empfang gefta!ten r als oor 3toet 
3 ahren, ba er, felbft nod? Kronprinz als Dertreter feines 
Daters, bes Königs ^umbert, 3ur (SrofjjährigFeitserPlarung 
unferes Kronprin3en nad? Berlin Pam. Die fjauptftabt h a t 
es nicht an fid? fehlen laffen, fie h^t umfaffenbe Dorberei- 
tauigen oetroffen, um ben Jreunb bes Kaifers, ben fjerrfdjer 
bes bcfreunbeien Sanbes mürbig unb feftlich 311 begrügeit. IHit 
ihm Pommt ber IHinijter bes Keugern prinetti, ben ber Heidts* 
fan3ler (Sraf Bülorn im Heichstag feinen alten Jreunb ge¬ 
nannt hat. Die beiben Staatsmänner merben alfo bie perfön- 
liehen Beratungen fortfefcen Pönnen, bie oor einigen KTonaten 
bei ber Kntoefenheit bes (ßrafen Büloro in 3 tolien ftatt- 
fanben. Hein politische fragen merben allerbings 3U langen 
(Erörterungen Peilten Kn lag geben. Der Dreibunb ift in 
feiner alten Jform erneut morbeu, unfer Kaifer t^egt feit 
feiner Hücfrehr ans Heoal noch grögere guoerftcht für bie 
€rhaltung bes ^riebeus, als 3uoor. 3 n ben IHonarchen* 
3ufammettfünften ift oon oornherein nichts anberes 3U 


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Sexte J6J8. 


Bummer 35. 


erblicfen. als Kuubgebuiigen für ben Beftditb bcs ,friebens. 
Sie fönnen aber, ohne baß irgenbmelche leftimmten Verein¬ 
barungen getroffen werben bod? 311 einer Vertiefung ber 
3iiMfdien ben Staaten' ltnb Jürften beftehenben Jreunbjd?aft 
führen. Bei Dem Bcfucb in Reoal ift es bem Kaifer rermöge 
feiner SiebenswürbigFeit gelungen, in ein tätlicheres Ver- 
t^attuis 311m garen 3U fommen Sid?crlich 3:itigt fein gn- 
faminenfein mit bem König Viftor (Emanuel ähnliche folgen, 
^ebenfalls ruft bas beutfdje VolF bem oerbüttbcien jungen 
llTonardyen ein freuublidjes XVillfommen 31t. 

* 

Die Stid?wahl im fränfifdjen ReidjstagswahlFreis fördj- 
beim-Kuluibach hat wiber (Erwarten mit bem Sieg bes 
liberalen Kattbibaten jfaber geenbet, bas getttrum, bas feit bem 
3 atjr \ 88^ ununterbrochen im Beftß beslVahlFreifes gewefen ift, 
hat feinen Kanbibateu oerloren. Vas Ergebnis Farn um io über* 
rafdjenber, ba bie oereiuigten Siberaleu bei ber Ejauptwahl gegen 
früher einen Stimmeuoerluft oon mehreren taufen) Stimmen 
3U oerjeiebneu hatten. U?o währenb ber lebten rietet]« 


(Tage ber enorme giiwadis oon Stimmen, oon 4900 auf 
9700, bergefommen ift, läßt fidj genau nicht feftftelleu, aber 
ficher ift baß er 3U einem fehr großen (Teil aus Referoen bes 
libcralismus felbft beftanb. Vie IValjl oerbient Beachtung, weil 
hier nach langer geit rnieber einmal politische (Erwägungen 
ftävfer ins (Sewiht fielen als mirtfdjaftiiche. Sie hat ferner 
bie r>ielfach gehegte Befürchtung als irrig erwiefeit, baß ber 
Kunftftreit mit feinen neuften Begleiterfcheinmtgen 3U einer 
Stärfuttg bes partifularismns in Bayern führen FÖnnte. 

Kuf bas gentrum hat übrigens bie Bieber läge Feines- 
wegs einen befonbers tiefen (Einbrucf gemacht, es Fann ja 
auch in ber Chat noch am leid?teften ben Verluft eines 
IVablfreifes oerfchmer3en, feine IHacht unb feine numerifche 
StärFe ftnb bebeutenb genug. Seine große Ejeerfdjau, bie nenn- 
nubDier3igfte (Seneraloerfammlnng ber beutfehen KatholiFen 
in HTanuheim, lieferte bafür wieber einen fprccheuben Be¬ 
weis. StärFer nod? als in ben leßteu 3 a hren tDar &*r 
Knbrang, unb an bem Jefaug nahmen in ber überwiegenb 
proteftantifchen Stabt nicht weniger als 20000 perfonen teil 


<U> 


Gin Cbeater fürs Volk. 

IHacbeth unter freiem EjimmeL 


Kein VolFstheater, wenn man mit biefer Be3eichuung 3U 
oerftehn geben will, baß ber Begrünber nur an bie be- 

febeibenen Klaffen ber (Sefellfchaft gebadet hat. fonberit ein 
CEt^eater fürs VolF, l)od> unb Biebrig. 3 un 9 unb Kit, Arbeiter 
unb Krbeitgeber, allen 3ttr geiftigen Knregung unb 3Utn Knnft- 
geiutß — bas war es, was bem f^errn XTtaurice pottecher 
torfchwebte, als er aus eigenen ITlittel» in Buffang, int 
öfthehften franFreich unweit ber elfäfüfchen (Sre^e, mitten 
im grünen IHo elthal, fein (Et^eater erbaute. 

Km t. September *896 würbe cs begrünbet, unb feitbem 
ffnben alljährlich in ber 3weiten tfälfte bes Kuguft unb 

Kttfang September mehrere SonntagsDorftellnngen bott ftatt. 
Vie erfte Kufführung ift immer ein neu einftubiertes EtücF 

unb uor 3ahlenbem publiFum, bie 3weite bagegen eine 

IVieberholung bcs oorjährigen StücFs unb gratis. 

Kber itidjt nur bie meitfdjeufreuublidjc 3 & ee unb Fünft* 
liebenbe Kbficbt geben bem Unternehmen einen eigentümlichen 
Reij. Cs ift bie gerabe3U patriarchalifd)e 0 rganifation, bie 
bas Th&itre du peuple Don ähnlichen, abfeits oon ber großen 
I^eerftraße gelegenen Kuiiftftätten ftarf unterfcheibet. 3 n 
0 range unb Be5iers im Süden JranFreidjs ftuben in ben 
röniifd?eu Krenen ^feftfpiele mit ben Künftlerit bes parifer 
„Th&xtre fran^ais* ftatt. Bayreuth ftiebt befanntlich banadj, 
muftergiltige Kufführungen XVagnerjcher IVerfe 311 liefern. 
Die pafftonsfpiele im Kinutergau Fommen ben Varftelluugen 
ron Buffang noch am näcbfteu, uuterfdjeibeit fid? aber bennod? 
erheblich dou ihnen: in 0berammergau h Q t fid? Sauf 
ber 3 al ? r 3 e ^ n t e eine 9 au 3 e Schaufpielergeneratioit gebilbet. 
bie nach (Traditionen mimt. 3 11 buffang wirb ber Bcbarf 
für bas Ejaus in ber 
engeren Ejausgemeiube 
felbft beftritten. 3 n & er 
liauptfache tritt bie Fa¬ 
milie pottecher für alles 
ein. l)ezv pottedjer, 
feine Familie bie Krbei- 
ter ber JfabriF feines 
Vaters, ber eine ber 
größten gitiFlöffelfabri» 

Fen für Xltilitärlieferun- 
gen befißt, unb wer 
etwa noch am 0it ben 
göttlidien Vraug in fidj 
fpürt, bilbett bie aus- 
übenbe (Truppe, unb bas 


Repertoire feßt ftd? aus eigenen fd?riftftellerifchen £eiftungen 
bes 3 erru pottecher sufammen, ober es werben, wie in bem 
Dorliegeubeit fall, Flaffifche Stoffe frei bearbeitet. Viesmal 
ftanb Ulacbeth auf bem Programm. 

(Ein enblos langer €rtra3ug führte am Sonntag bem 
17 . Kuguft, bie theaterlnftigen Bewohner ber Umgegenb unb 
bie Knrgäfte aus all ben umliegeubcn Babeorten: plombieres, 
Vittel. Sufeuil, dou bem lieblichen unb fehmuefen Stäbtcben 
(Spinal aus, bas in franFreich bnrd? feine Bilberbogen- unb 
BuntbrucffabriFen beFaunt ift, nad? Bufjang 3ur (feitDorfiellung. 
Kud? idp benußte ben mit Uleitfcheu Dollgepfropfteu gug. 
(Es war eine bunte (Sefcllfdjaft: SanbberölFerung im Sonntags- 
ftaat unb elegante parifer mit panamahüten unb mit 
Photographien Kpparaten bewaffnet. Sie foüten leiber 
ihren Befißern Feine (Senugthming Derfdjaffen: brobenbe 
XVolFen hi tl 9 r |1 über ben 3 öhen ber Vogefen, ben runblichen 
Kegelbergeit, bie bas VolF ihrer Jorin wegen „Ballons“ 
getauft hat. 

Die Vorftclluug war für 3wei Uhr angefeßt. U)ir batten 
natürlich, wie bei fobbe 1 (Selegenbeiten üblich, eine ftarFe 
Verfpätuug. Kber bas beunruhigte ttiemanb: man wußte, 
bie Vorftellung würbe nicht ohne uns €rtra3ügler beginnen. 

gehn nrinuten Dom Bahnhof auf einer leichten (Erhöhung 
am Kbhang eines mit h e rrli<hen IViefen bebeeften Berges 
fleht bas Sdiaufpielhaus. Der IVeg Dahin ift fchattenlos. 
Die Sd?ar ber Kunftptlger auf ihm wollte fein (Enbe nehmen, 
ein (Sewimmel ber Derf.biebenartigften UienfchenFIaßen, jebes 
Staubes nub jebes Klters; bunte Blufen unb belle Strohhüte, 
betreßte Jclbjäger, Rabfahrer, fonneiigebräunte Bauern- 

familien doiu Säugling 
bis 3ur ( 5 roßmutter, 
alles 30g tynan 3U111 
„Th^atre du peuple*. 
ZToih ftad? bie Sonne 
blenbenb 3wiid>en 3wei 
fd?n>ar3en XVolFen auf 
Den langen gug fchau* 
luftiger XlTenfchen. 

Vas aus Baumftäm- 
men unb Brettern, bie 
mit Jichtenrinben be¬ 
legt ftnb, ge3immerte 
(Theater macht einen 
recht primitiDen (Ein¬ 
brucf. Bur Die Bühne 



Das Tolhßtbeater zu Buffang in den Vogefen. 


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Hummer 55. 


Seite {6\9- 


bereit v frout bas lothringiiche Poppelfreu3 fchmütft, ij \ aus 
giegelffeijten. Hechts unb linfs an >en Seiienroänbeit ffeht in 
großen Buchffaben: pur l'art — pour l‘humanit£. — Pie parfett* 
bänFe 3U ebener (Erbe finb mit roten Kiffen belegt. (Scrabe 
gegenüber ber Bühne unb an ben beiben Seiten finb bebeefte 
fjo^galeiien angebracht, 3U betten man auf (Treppen oon 
äugen gelaugt, für gewöhnlich finb bie Parfettpläße burch 
ein groffes geltbadj, wie auf einem SchiffsbecF, gegen Sonnen* 
ftrahlen unb Hegen gefchfißt. IPir aber fasert nur noch bie 
Stricfe, über bie fich bas Segeltuch fonff ausfpanut. (Ein 
IVinbfioff hatte es eine Stunöe oor Beginn ber Vorftelluitg 
gaii3lich jerftort, unb anftatt ber fchirmenbeu Eeinrcaiib 
hingen brohenbe iVolfen über ben Köpfen ber gitfcbaiicr. 

Kur3 oor Beginn ber Vorffellung trat einer ber Unge- 
ftellten oor bie grüne UToosrainpe unb las oon einem Reitel 
eine fleine, fehr hÖflici;e (Entfcbnlbiguugsrebe ab. £?err 
pottecher bäte bie fjerrfdjaften, bie bie llnbiibcn bes IVetters 
fürchteten unb beshalb wicber Weggehen wollten, fid? an ber 
Kaffe bas ocrausgabte (Selb 3urüdgeben 3U laffen; bie 
freunbliche Unfpradje fd;loff mit bem frommen IVuufch, baff 
ber Fimmel ein (Einfeljen haben unb feine Schleufcn nicht 
mährenb ber Aufführung öffnen möge. 

Unb nun begann bas unfichtbare (Prdjeffer, bas fich nach 
berühmten Halftern in einer Vertiefung 3wifchert bem gu* 
fehauerraum unb ber Bühne beftnbet, ein fur3es Vorfpiel 311 
UTacbeth. Pie UTufiPer fpielteit unter ber grün bemalten 
SeinwanbbecFe, bie bann nnb wann wie UTeereswelleu wogte, 
recht gut. €in frcuiib poitcdjers. fjerr UTichelot aus Patis, 
hatte bie UTuffP 3U UTacbeth fehr gefd^teft unb ftilrol! Pom* 
poniert. Aubächtige Stille herrfchte, bie nur burch bas Knipfen 
ber KobaPe unterbrochen würbe. €rwartungsooll blidten 
(Erwachfette unb Kinber nad> ber weiff unb rot gemufteiteu 
(Sarbine. 3 n ähnlich primitioem Hahmen mochten wohl oor 
breihunbert 3 a h retl bie gufdjauer ben erften Aufführungen 
ihres größten Pieters gelaufcht haben, lVir wohnten tu 
geroiffem Sinn einer ShaPefpearefetcr bei, ber feier bes 
gröffteu VolFsbidjters. 

Pa teilte ffdj bie (Sarbine. Huf wirPlichen felsfiettten 
hocPteu bie brei £]eyen unb wühlten mit ihren Stöcfeu in 
ber wirPlichen (Erbe. gwei Prittel ber Anwefenben hatten 
wohl Paum je etwas ton bem großen Briten gehört. Viele 
waren gePommeit, um eitblich einmal Kotnöbie fpielen 311 
feheu. T?err pottecher hatte in ben oergangenen 3 a h reu 
groffe fadjerfolge mit heiteren, rolPsbibenbeu (Teube^ftücPen 
er3ielt. „Per (Teufel als TVeinhänbler" hatte fich befonbereit 
Beifalls 311 erfreuen gehabt. Pie itaioen gnfehauer, bie 
auf ben in allen ®rtf<haften ©erteilten Programmen fjeyeti* 
unb (£eiftererfcheinunaen angePüubigt faheit, erwarteten 
nicht bie blutige (Tragöbie bes (Ehrge^es, fonbern oermntlich 
eine Art gauberpoffe. (Sleictj bie leeren hatten einen fyin- 
pathifch^a ^eiterfeitserfolg. €s war fein böfes Ausladen, 
fonbern ein freubiges Verfenneu ber Situation. Ter magere 
ParfteUer bes UTacbeth mit einer blutigroten peiütfe, einem 
roten, fchleppenben SchlafrocP als Königsmantel unb einem 
Pegen ben er wie eine Sichel hanbhabte. hatte auch nichts 
Schauerliches. Seine lothringiffhe ITTunbart heimelte bie 
Eanbleute entfd^ieben au, unb König UTacbeth rücPte ihrem 
€mpftnben baburdj oiel 31t nah- Selbff bie wirflich taleut* 
rolle £aby UTacbeth (int feben bic (Sattiii bes Berrn pot* 
iechcr, übrigens eine frühere Schauspielerin) hatte HTüh?/ bie 
gute £aune ber EanbberölPeruug in eilte erufte Stimmung 
nin3uwattbeln. Pie XTTcnfchen auf bem £anb wie in ber 
großen Stabt wollen nun einmal lieber lachen, unb es bebarf 
eines groffen Picbtergenies, um ffe 3U erfchüttern. Pie Utt* 
rollPommenheit ber Parftcllung hatte bisher ber Pichtung 
gefchabet. Über als £aby UTacbeth tu ber berühmten Scene 
nachtwanbelnb, bleidj, mit weit aufgeriffenen Augen. von 
(Sewiffensqualeit gepeinigt, oersweifelt bas Blut, bas fie auf 
ihren l^anben rerntutet, wegwifebt unb in ben Schwedens» 
jehrei ausbricht: „Alle IVotjlgerüche Arabiens waffhen biefe 
Heine Qanb nicht rein!" . . . ba hatte ber Pieter gefiegt. 
Pa wehte ron ber Bühne h*rab ber göttliche ^aud?, nnb bie 
Ulenfchen fühlten ben ganber, ben wahre Kunff felbft auf 


bas eiufältigftc (Seniüt ansübt. Seiber würbe iubeffen bie 
feierliche Stimmung burch eine anbere göttliche (Sabe fchnell 
unterbrochen. <Ein wolPeubruchartiger Hegen raufchte plößlidj 
hernieber. Pie Bühne rerfdjwaub faff unter bem naffen 
Schleier, b^unberte ron fchwar3ett (Slocfen ftülpten fich über 
bie Köpfe bes publifums. Poch auch biefe unfreiwillige 
Pufche fomtte bie gute Saune nicht rerberben. Unter beit 
Schirmen würbe gefiebert, unb auf ber Bühne würbe tapfer 
weitergefpielt. (Einmal noch fpürte bie HTenge bie (Sewalt 
bes Kunftn erPs, unb 3war ba, wo ber liebe Qerrgott ftdp mit 
in bie Hegie gemifcht hatte unb ber Pichterphantafie 511 Ejilfe 
fam. Als fich bie (Sarbine 311m letjtenmal teilte, war bie 
Ijinterwanb ber Bühne geöffnet, unb ber grüne Berg bilbete 
ben natürlichen I7 ntergruitb. Pen Abhang h erfl b Pam ber 
„wanbernbe iValb", bie Solbatett mit ben grünen gweigeu. 
Pas wirfte! (Sroff uttb Klein, (Sebilbcte unb Uugebilbete 
empfanbeit bie übei wältigenbe poefte ber Pichtung. 

Als wir bas (Theater rerlieffeit, hatte es 3U regnen auf¬ 
gehört. 3^ niifdpte midj unter bie (Sruppen ber oon nah 
unb fern gePomntenen gnfehauer. UTit ihren gefchloffenen, 
wie Pachrinuen tropfenben Hegenfchirmen geftifulierettb, 
fällten fie ihr Urteil über ben engliffhen Autor mit bem fo 
jdjwer aus^nfprecheitbeit Hamen, Seiber erinnerten ffe ffch 
hauptfächlid? ber Stellen, wo ffe gelacht hatten. 

3 <h hatte baher bas (Sefühl, baff ein (Theatet fürs Volf, 
wenn feine Peotfe ^Purd? bie Knnft für bie UTenfchheit* 
fich fd?öu erfüllen foll, bod? nur burch oollettbete fünftlerifche 
Eeiftungcn bem Volf etwas bieten Panti, unb baff es nicht 
möglich iff, mit all3u befcheibenen UTitteln oolfsbilbenb 5U 
wirfen. 2Inna 3 U ’*5 Cafe. 



Pie Bebeutuug ber groffen IVoche oon Baben*Baben liegt 
in ihrer 3 nternationalität, bie Bebeutung unb bie (Sefabr 
für bie heimifchen Ställe. IVirb es ber heutigen glicht fchou 
jehwer, fich ber öfterreiebifeh* ungatifdjen gegenüber 3U be¬ 
haupten, fo warfen bie Schwierigfeiten im Kampf mit 
englifchen unb fran3Öfffdjen pferben. Pie (Trainiugbebingungen 
finb bet uns gar fo ungünftige, UTonate gehn uns oerlorcn, 
bie jenfeits ber Vogefen unb jenfeits bes Kanals für bie 
Urbeit oerweubet werben föitnen. (Erfcheint am Start aus 
jenen Säutern ein Pferb, bas 3U f^aus einer guten Klaffe 
angehört, fo iff für bie beutfebe glicht oon oortiherein Uusficht 
auf Sieg nur rorhauben, wenn fie einen e^eptionell guten (Salop- 
pianer ins (Treffen fehiefeti Pann. 3 n öiefem 3 a h^ 9laubte mau 



Sturz von „Crabe“ im alten Badener 7a04rennen. 


einen folcßen in ^freiherrn oon Oppenheims 3weijährigem 
Beugff ^Si.gnor" 311 haben, bem nach feinem erften Huf* 
treten auf bem grünen Hafen fchou eine Hennfarriere 
gleich ber feines Vaters „Saphir" 3iigctraut würbe. So feff 
war bie Uebe^eugmtg oon feinen ungewöhnlichen (fähig- 
feiten, baff er im guFiiuftsreitnen als Jaoorit au ben 
Start ging, obwohl ff<h fdb UTonfienr Caillaults 


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Seite *620. 


2Tiimm*r 35. 


„ITCireille* befand, bie ßdj in ^ranfcetd? bereits oor3Üglid} 
bewährt tjatte. £eiber gab es eine herbe (Euttäußhung, 
Signor unterlag. (Er mar ber beße Deutfdje, aber biefer 
befte Deutfdje mußte fid? nicht nur oor HTireille, fonbern aud? 
oor IHonßeur (Ephrufßs (Eßling beugen. Ulireiüe gewann 
unter dem ^orfey 3* Hei ff fpielenb leicht, mit fünfoiertel 
längen oermies ße (Eßling äüf ben 3weiteit piafe, währenb 
Signor hinter biefem nodj 3wet längen 3iirücfblieb. gwei 
fran3öfifd^c Pferbe im Hennen unb beibe an ber Spi^el Dies 
bas Hefuttat bes guFunftsrennens, bas bte beutfetje güchter* 
weit wieber lehrt, wie oiel ihnen nodj 3U thun übrigbleibt. 

Den „preis ber Stabt Haben" fyolte ßdj banadj unter bem 
gleichen Heiter ber bewährte „ 0 oer Horton" in beutfdjem 
Heßfc (Hinbung unb Strube), aber nicht aus beutfdjer §ud?t. 
gweites pferb würbe Dr. lemfes „Draga". Den größten 
preis ber beiben erften (tage, bas (fürßenberg-llTemortal, ge* 
wann, gefteuert oon bem beutfdjen (Ehampionjocfey Warne, 
fjerrn U. 0. 0ert$ens „Horblanbfahrer". Dem beharrlichen 
güchter, ber ßch am beutßhen Hennbetrieb fdjon fett mehr als 
breißig 3ah*en beteiligt, war damit 3um erftenmal im 
ber 0 os ein großer (Erfolg befrieden, ba bisher ajidj feine 
beßen pferbe gerabe auf ber Hahn oon 3ff e 3^ e ' m mi * ^enig 
(SlücFFä tupften unb felbß, wenn ihnen ber Sieg ßdjer fdjien, 
ftch mit bem 3meiten piatj begnügen mußten. 

3 m alten Habener 3 a gdrennen, in bem fjerrn £7. Hn- 
berfens „Sportman" unb Jreiherrn H. 0. Hebwitj „tjonß" 
gleich3eitig als erße bas giel pafßerten, ereignete ftd^ leider 
ein fchmerer Unfall. Der faoorit (Erabe, ber 3uerfl ben 
Hiefenjprung refüßert hatte, warf beim 3toeiten Verfud} feinen 
Heiter ab unb fprang fo unglücflich 3ur Seite, baß er ßdj auf 
dein eifernen gaun, ber bie Hahn gegen bas publifum ab* 
fperrt, förmlich auffpießte (oergl. Hbb. S. 1619) unb erfchojfen 
werben mußte, gmei anbere Pferbe, löme unb €iger, 
ftür3ten weiterhin, ohne Schaben 3U nehmen, fo baß nur noch 
außer ben bereits genannten Siegern ein Pferb, HoH, übrig¬ 
blieb, beffen Kräfte aber nicht ausreichten, um ben erß 
ihm ßdjer erfcheinenben Sieg baooit3utragen. 

Das äußere Hilb, bas ber Hennplafe bot, war fo glä^enb 
wie früher. Vermißte man auch, wie fchon im oorigen 3 a h r / 


König (Ebuarb, ber ßch als prin3 oon Wales regelmäßig 
eingeftellt h a *te, fehlte auch prin3 fjermann oon .itfeimar, 
ben ber (Tob hinweggeraßt hat» fo war hoch bie (ßefeitfehaft 
tmb ber (Turf burd? 3ahlreiche (Träger unb (Trägerinnen ihrer 
beßen Hamen oertreten. 

* 

Das Ejomburger internationale lawniennts- 
turnier iß in biefer Wodje auf ben prachtooll gelegenen 
unb prächtig gepflegten (Tennisplätzen bes Hamburger Ktubs 
ausgefämpft unb 3utn Hbfdfluß gebracht worben. Die deuten 
Spieler finb, wie ßets bisher, auch in biefem 3 ah* in feinem 
einigen ber bebeutenberen Spiele Sieger geblieben. Über ße 
haben in ihren ei^elnen unb (Sefamtleißungen fo erhebliche 
(fortfehritte gegen bas Vorjahr gejeigt, baß bie Hoffnung nicht 
unbegrünbet ift, nach einigen Sommern bie Deutfdjen ber 
immer noch überlegenen €nglänber £}err werben 3U fehen. 
€s waren wirflid? bie erften internationalen Kräfte, Me fich 
auf bem fjomburger Hafen 3um eleganten, Hage, l^anb und 
Kopf Fräftigenben Hallfpiel 3ufammenfanben. Die (Engiänbcr 
hatten ihre beßen leute gefdjicFt, bie immer noch bie Ver¬ 
treter anberer Hationen im Kampf ber Hewegungsfpiele weit 
überragen. Das beweiß befonbers bte ePlatante Hieberlage 
bes (fran3ofen Decugis, ber noch Pur3 oorher im internatio¬ 
nalen lawntennisturnier ber £jomburger lawntennisgilbe 
faß fämtliche preife, fo befonbers bie HTeifterfchaft oon 
Deutfchlanb im <Ein3elfpiel, ßch erPämpft hatte unb ber in 
fjomburg oort bem (Engländer Hitdjie fchnell unb ßcher nieder- 
gefpielt würbe. Der heißeße Kampf entbrannte um ben 
KrönurigspoFal, ben bie Stabt Ejomburg im Wert oon 
500 IHarP 3um <Ein3elfpiei für £}e rren als €igentum bes 
erßen (ßewinners, geftiftet hat unb ben ßch Hitdjie (fonbon) 
ebenfo wie benEJomburgerpoPal erßritt. Unfer Kronprinz beffen 
warme (Teilnahme an bem eblen Sport bePannt iß, 3eigte leb¬ 
haftes 3 ’ilerefle an ben ein3elnen (Turnieren, fpieite hie und ba 
felbft einmal mit unb machte mit feiner Kamera oerfchiebene 
Hufnahmen fejfelnber (Sruppen. Die preisoerteilung würbe 
am legten Sonntag abenbs V2 ? Uhr nach tüchtigen (Hub- 
Fämpfen oorgenomnten, prin3efßn Henriette oon Sdjleswig- 
E^olßein überreichte ben Siegern bie €hrenpreife perfönlidj. 




önf«rc 

Efer3ogin tftargarete Sophie oon Württemberg 
(Porträt S. 1626 ), in ber bas württeinbergifche VolF feine 3U* 
Pünftige lanbesmutter erblicFte, iß in (Smunben im Hlter oon 
3 2 3 ahren geßorben. Sie war eine ößerreichißhe (E^h^ogin, 
bie am 2 <*. 3 anu< * r W 3 dem %r3og Hlbrecht oon Württem¬ 
berg bie ffanb 3um lebensbunb reichte. 3 n ölücPlicher <Ehe 
hat ße ihm fünf Kinber gefchenft, brei Söhne unb 3wei 
(Töchter. 3 h* (Seinaht als 3ufünftiger (Thronfolger, ba 
bem König oon Württemberg bisher männliche HachPommen- 
fd?aft oerfagt geblieben iß. XTTit ihm betrauert bas württem* 
bergifche VplP ben (Tob ber fferjogin, bie ßdj burch ihre 
große t]er3ensgüte allgemeine Heliebtheit erworben hatte. 

Das babifdje (ßroßhenogspaar in Konßan3 (Hbb. 
S. 16 28 ). Der (Sroßhrrjog oon Haben ßattet jegt mit feiner 
(ßemahliitf glcichfam als DaitP für bie ihm bei feinem He- 
gierungsjubiläum allgemein bewiefene liebe, ben größeren 
Stäbten feines lanbes Hefuche ab. So war er auch jüngß 
in Konßan3, wo ihn gleich nad? ber HnPunft am Dampfer- 
lanbungsplag ber (Dberbürgermeißer Weber mit einer Hu* 
fprache begrüßte. Der <Sroßhcr3og banfte bem 0 berhaupt 
ber Stabt unb überreichte ihm für biefe bie große bron3ene 
3ubiläumsbeuPmün3e. 

N 

Kaifer fran3 3 0f e f Kuffee (Hbb. S. 1660 - 

3 n Huffee würbe oor Pur3em 3um Heften bes 00m Statthalter 
(ßrafen (Elary gefchaßeuen Hotßanbsfonbs ein großes Jeft 
oeranftaltet, an bem ßch bie Damen ber in Steicrmarf 


Bilder. 

weilenben HrißoFraiie, teils als einfache Hehlerinnen, 30m 
großen (Teil aber auch als Patroneßen ber 3ahlreichen Der* 
PaufS3elte beteiligten. €ine befonbere Weih^ aber erhielt 
bas WohlthätigPeitsfeß burd? bie Hnwefenhrit bes Kaifers 
(fran3 3 °f e f» in Hegleitung ber €r3her3ogin (Sifela unb 
mehrerer <Er3her3Öge oon 3 fd?l hrrübergePomnien war. Unfer 
Hilb hält bie Scene feß, ba ber Hltanjfeer Hürgermeißer 
E}öl3lfauer ben Kaifer mit einer Hnfpradje begrüßt 

Das 3 u &iläum Stabt (Erfurt (Hbb. S. 163 (). 
Hm 2 1. Huguß waren hmt^rrt 3 a hre oerßoßen, feit (Erfurt 
bem Königreich preußen einoerleibt würbe. Den (Tag hat 
bie Stabt, bie ßdj unter ber fferrfdjaft ber Efohengollem nach 
ben cerfchiebenfteu Hichtungen hi n ausge3eichnet entwicfelt 
hat, feßlid? begangen. Hach außen i^tn gipfelte bie Jeier in 
einem hH tor *fd?en (feß3ug, ber in oie^eljn (ßruppen bie 
Vergangenheit in bie (Segenwart 3auberte. Wir bringen oon 
ihnen heute im Hilb bie (Sruppe König Qeinridjs I, bes Stabt- 
begrünbers unb Ungarnbeßegcrs, unb bie bes (Gartenbaus, ber 
bePanntlich in (Erfurt 3ur hächßen Hlüte gebichn iß. 

Die Hurengenerale in ffollanb (Hbb. S. ( 627 ). 
Die brei großen Hurenführer Hotha, De Wet unb Delacey 
ßnb in Efollanb überall, wo ße ßd? 3eigten, mit ber größten 
Hegeißerung aufgenommen worben. Den erften Hefud? haben 
ße, wie wir bereits melbeten, bem Pranfen frühereu präß- 
benten bes 0 ranjefreißaats Steijn in Scheoeuingen abge- 


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Kummer 35. 


Seite { 62 {. 



Zum Betuch des Königs von Italien in Berlin* 

j. Das Brandenburger (Efyor in Berlin. 2. (Empfang des Königs an der IDildparffiation. 

(Driginaljeidjnurtg Dort Paul SrocfniAller. 


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Seite \ 622 , 


Hummer 35 


paltet. Uitfere Hufitahme. 3etgt fie beim Derlaffeit ber Dilla 
Horma, in ber Steijn IDohnung genommen tjat. 

Jt ^ 

Der Sd?ah oon perften (Hbb. S. * 628 ) iß in £oubon 
ein gerugefehener (Saft. Klag ihn bie große Menge ber 
Beoolferung aud? mehr aus Zleugierbe als mit bemühter 
Sympathie betrauten, bie offaiellen Kreife l^aben feine 
Hnfunft mit Genugtuung begrüßt. Denn ber Scbah tjat 

Englanb mancherlei 3U bieten. 
Dement fpredjen&ttfurbe er benn 
auch 001t ber englifchen Königs¬ 
familie mit ber größten gu» 
oorfommenheit behaubeit. 

Die (Enthüllung bes 
Holänbbruunens 3U Berlin 
(Hbb' S. * 626 ), ber ben Hb' 
fd?lu§ ber Siegesallee 
auf beut Kemper* 
plat5 bUbet, hat am 
25 . Huguft in Gegen* 
mart bes Kaifers 
ftattgefuubeu. Die 
jeier 001130g ftd? 
unter (Teilnahme ber 
Spigen ber.' ftaat* 
liehen unb ber 
fiäötifd?en Behorbcn. 

(Eine Hbbilbuitg ber 
(figur bes Holaitb 
haben mir, mie fich 
uitfere £efer erinnern 
rnerben, fdjott oor 
längerer geit ge¬ 
braut als bas IDcrF 
noch im Gntftehcn mar. Der Kaifer hat es ber 
Stabt Berlin 3U111 (SefchenP gemacht, er h a * ü? r 
fomit ein IDah^eicheu miebergegeben, bas einer 
jeiner Dorfahren oor langer geit 3ertrümntert hü. 

Kurfürft Jfriebrich II. (Eifen3ahn fah in bem Holaub 
eben bas Symbol ber ftäbtifcheu Freiheit, bie trogig 


Das Biitger Bochusfeft (Hbb. S. * 632 ). I70.4 über 

ber Stabt Bingen liegt bie Burg Klopp, bie einen munber- 
oollen Husblirf auf ben Hheiu unb beit Hheingau geftattet. 
Heber ihr aber noch thront ber Hochusberg mit ber Hochus* 
Papelle, bie, oor einer Beihe oon fahren burdh einen Bl g* 
prahl serfiört, größer unb fchouer mieber aufgebaut mürbe, 
als fie oorher gemefen. Fjier ftrömeu alljährlieh Eaufen'e 
5iifammen, um bas Jeft bes heil*9 en Hochus 3U feiern, ein 
echtes Dolfsfeft, bei bem, menn ben 
religiöfen pflichten (Senüge gefchehen 
ift, bie rheiniphe (Semütlichfeit 3U 
ihrem Hecht fommt. 

ä* 

Hits aller ID eit. (Ein Staubbilb 
bes heiligen Bernharb (Hbb. S. *629) 
ift auf bem fleinen 5 t. Bernharb in 
beit HIpen, 2*53 ITTeter über bem 
UTeeresfpiegel, oon ^ranjofert 
unb 3 ta lienern errichtet 
rnorben. Die bron3ene Statue 
erhebt fich auf einem Enffteiit* 
unterbau ber 3m Ijälfte auf 
italienifchem unb 3ur Ijälfte 
auf fran3öftfct;em Boben fielet. 

— 211s ein neues geichen bes 
pietätoollen (Sebenfeits ber 
Deutfcheu in ben Bereinigten 
Staaten oon Htnerifa an ihr 
altes Daterlaitb barf man 
bie Errichtung bes beutfehen 
Kr iegerbeiifmals (Hbb. S. * 6 29) 
in philabelphia betrachten, 
bas am 2. September enthüllt 

ireröeii fo«. — Sitte $?ojje D* r Roland iu «Udtl 
Holle fpielen im militärifchen (ßoifiein). 

feben ‘ in Hnßlanb bie Hegt* 
meutsfefte, lei benen ftets große Danfgottesbicuße 
abgehalten merbeit. Dem jüugft bei ber 3 a ^ res f e * er 
bes ältefteti preobrafcbmsfyreginients unb ber Garbe* 
artiüerie in Petersburg (Hbb. 5 . * 630 ) oerauftalteteu 
(Sottesbienft mahnte mit bent .garen auch ber 
auch ihm gegenüber gemährt rnerben follte. Das ^ <Eroßh**3<>g ^riedrid) Jraii3 IV. oon HTecf len bürg- 

finb ftcherlich bie Holanbe auch im £auf ber geit Der Roland zu Bremen. Schmerin bei, ben mir auf einem anbereit Bilb (Hbb. 
gemorben, obmohl fie nrfprünglich oermutlich mehr 5 . * 662 ) im Kreis feiner Dermanbten tu l^eUigeii- 

Symbole bes Hechts, unb 3ioar bes Hechts, bas ber König bamm meilenb erblicfen. — 3 n öcm uugarifchen Bab piflyan ift 



Der Roland zu ftfordbaufen. 




hütete, gemefen ftnb. Dafür tpredjen bas fcharteulofe Schmert, 
bas fie tragen, unb ber Schilb mit bem IDappen bes Heicbs, 
beit oiele atifmeifett. IDir bringen obeufieheub bie Bilber 
einiger <harafterijtifcher Holaiibftalueit. 

SM 

Die IDafferfataftrophe in (Tirol (Hbb. S. * 630 ). 
< 0 roßes Unheil h®I (Tiroler Hlpeit, iiisbefonbere in 

ber CBegenb oon Hieran unb 0 bcrmais, ein iDolfenbruch au* 
gerietet Der IDilbbacf) Hatf fchmoü binnen fur^er geit fo 
ftarf an, baß feinen reißeubeu IDajfermaffen nichts IDiberftanb 
3U leiften oermochte. Unter anberm brachten bie jMuteit bie 
erft oor 3mei 3 a ^ ren neuerbaute penfton Haifniühle, obmohl 
fie aus maffioem HTauermerf aufgeführt mar, mie ein 
Kartenhaus 3um gufammenbruch. feiber finb unter ben 
(Trümmern auch einige UTenfchen begraben roorbeit. 

Die £euaufeter in (E3abat, bem Geburtsort bes Dieters, 
hat einen fchöiteren Derlauf genommen, als mau nrfprünglich 
augefichts gemiffer politifcher Hgitationeu ermartet 3 m 

littttelpnuFt ber j^eier ftaitb bie Grunbfteiitleguitg 3U bem 
DenPinal, bas man im nächfteu 3 al ? r bereits enthüllen 311 
föititen glaubt, itachbem bie Sammlungen, bie noch nicht 
abgefchloffeu finb, neuerbiitgs einen guten Fortgang ge¬ 
nommen h a ben. So mtrb alfo ber oeremigte Dichter feine 
Statue erhalten, ber frei? bisher mit (Sebeiiftafclit (Ubb. 5 . 
*63 2) au feinem Geburtshaus in c^abat unb feinem IDohu* 
haus in Tjeibelberg begnügen mußte. 

E <3 


brr Kaiferiit <£lifabettj ein Denfmal gefegt morben. eine 
Büfte, bie ber Bubapefter Bilbhauer 3 an ^ n> l C! 5 in n eißent 
UTarmor ausgefübrt hat (Hbb. S. * 632 ). — Die beutfehe Hu* 
thropologiicbe Gefellfchaft, bie in Dortmunb oerfammelt mar, 
hat oon boct aus eine Effurftou nach fy>lianb unternommen 
(Hbb. S. *660) unb babei auch bem etljnographifcheu 
Hetchsmufeuin iit £eiben einen Befuch abgeftattet. Huf 
unferm Gruppenbild felgen mir unter anbern profejfbr 
HanPe ans Ulünd^eit unb beit Birliuer Hnatomeit Geheiinrnt 
UPalbeyer. — Unter ben Gäfteu bes Babes £attgenfchmalbach 
befanben ficb in biefem Sommer aud? Damen aus fürftlicheu 
Familien. liäuftg formte man bie Jürftiu Ularie Hnna 001t 
Schanmbiirg*£ippe nitb bie Großfürftiu Konftantiu oon Hn߬ 
lanb (Hbb. S. 1662 ) in fchmefierlicher Eiiitiadjt auf ber 
promenabe beifammeit fehcit. Es finb bie betben älteften 
(Töchter bes prüfen UTori^ ooit Sachfeu-Hlteuburg. — Hus 
bem gläii3eitbeit Babeit-Babetter Gefellfchaftsleben führen mir 
eine Hufiiahme bes priu3en Guftao Biron oon Kurlaitb mit 
feiner 3meiten Gemahlin, ber geborenen Ularqittfe Jran^otfe 
be 3 ancourt, oor (Hbbilbuitg Seite * 662 ). 

perfoitalien. (porträts S. * 626 , *629 unb * 630 ). 
gur Krönung bes Königs oon Englaub halte aud? örr Kaifer 
001t Ehina ben priitjen Eche-Echeu in Begleitung fiaitgs 
entfanbt. IDähreitb ber prin3 in bie fjeimat 3urucffehrte, 
ift £iang als djiueiifd^er Gefaubter anftelle bes abberufenoit 
IDu-Eing-^aitg uad? IDafhtngton gegangen. — gum oierten* 
mal innerhalb 3ahresfrift hat bas belgifche ntimfterium für 


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Hummer 35'$ 


Seite \623. 


Arbeit ttub 3 n ^ ll ßF{c feinen Seiler gemechfelt. 3 e Ö* iß & er 
fleriPale Ubgeorbuete Bechtsanmalt (Suftaoe Jraucotte ans 
£üitid? auf ben poften berufen morbeu. — (Sraf fiauja bi 
23 ujca, ber por Furjet geit nach Jtalicn reifte, um mit bem 
Uliuifterium über bie Beife König Dtftor (£ mann eis nach 
Deutfdjlanb 31t beraten, ift ie^t gerabe 3ehn 3 a h re Sotfd?after 
in Berlin. (Er fielet im Klter pon 6 5 Jahren. — 3 ri 
fra^öjifdjen Diplomatie fielet eilt umfangreicher Perfonen- 
mechfel beoor. Unter anberm foÜ ber Botidiafter in Berlin, 
UTarquis be HoatUes, burd? ben bisherigen (Sefaubten in ber 
Sdimeij Biljourb erfefct merben. Biljourb hat fid^ feiner geit 
als präfeft in Haitcy um bie Hegelung ber Schuäbele-Kffaire 
perbient gemacht. — gutn Dompropft in Bamberg mürbe 
Dr. Keller, bisher Dompropft in Kitgsburg, ernannt. Dr. Keller, 
ber am 20. 0ftober 183 ; in fjerjogenaurach geboren mürbe, 
hat früher fchoit als DomPapitular unb Dompfarrer oiele 
3 <th*e in Bamberg gemirft. — Kufteüe bes aus bem 
aftioen Dienft gefd?iebeneit K^mirals pon Dieberichs ift ber 
Dgeabmiral Büchfel, bisher Leiter bes UTarinebepartements 
im Heichsmarineamt. 3um <£h e f ilbmiralftabs ernannt 
morben. Bü<hfel, ber am \ 2 . Kpril 18 48 in Stralfunb ge¬ 
boren mürbe, ift in meiteren Kreifen burd? bie poii ihm aus¬ 
geführte Belegung pon Kiautfdjau befannt gemorben. — 
Den acht3igften (Seburtstag feierte in Bab Siebettburg ber 
Senior ber £eip3iger Unirerfität (Seheimrat profeßor Dr. Briefe 
ben breiunbachtjigfteit in Baben bei XDien ber Dichter unb 
Jorjdjer X^ermann HoUet. 

W 

Berühmte (Tote (Poiträts S. 1624 , 1629 u. ; 630 ). 3 n 
bem Xjotel am UToferbobeit ftarb, 45 3 a ^ re alt, ^rr befanitte 
Ulpinift Heinrich Schmaiger, ber fiefj um bie (EouriftiP burdj X?er- 
ftellnng po^üglidjer Knsrüßnngsgegenßäube bie größten Der« 
bieitft eermorbeu hat. (Ein fühner Bergfteiger, ber manchen (Sipfel 
5uerft erflommen, mar er auch litterarifch tljätig; er perfaßte 
mehrere Spejialführer burch bie ihm befonbers pcrtraitteu 
Klpengegenben. — 2luf feinem < 5 ut Str3alfomo in Hnfßfcb- 
polen ift im Klier pon faft 60 3 a h reu Heinrich SiemirabjFi 
geftorben,beffeneffeftPolle< 5 emäl&e auf 3al]Ireicheu Kusftcllungen 
Kuffebcn erregt haben. — (Einem Schlaganfall erlag in präg ber 
(Seneralgroßmeißer bes ritterlichen Kreu3herruorbcus Dr. 
XDeii5elX}orat. Der Deremigte marlllitglicb bes ößerreidjifcheu 
Herren ha ufes unb bes böhmifden Sanfctags. — Kn Klters- 
fd^mäche *ftarb in Heuyorf J raii3 Sigel, einer ber Jührer bes 
babiid)en Kufßaubs im 3 a h r (849 unb fpäter (Seitcral im 
amertfaiiifchen BürgerPrieg. (Er hat ein Klter pon 7 8 3 a h rei1 
erreicht. — 0 berß pon giegler, ber Kou tnanbenr ber Kriegs- 
fd?ule 31t potsbam, ift, nachdem er fich Famn pon ben folgen 
eines tm porigen 3 a h r bei einem Xllanöpcr in Xjollaub er¬ 
littenen Kulotnobilunfalls rollig erholt hatte, nach Fudern 
KranFenlager an einer Blinbbarment3ünbung geftorben. — 
3 » Bremen ftarb im hohen Klter oon beinah adjt3tg ^a\\vtn 
0tto (Stlbemeifter, ber breimal ein Sußrmti hindurch 
als Bürgernteifter an ber Spige ber XJanfeftabt geftanben 
hat. 3 n ihm ift ein pielfeitig begabter IHenfch bahingegangeti, 
ber ben (fragen bes Klltagslebens bas gleiche Derftänbnis 
cutgegenbrachte, mie ben 3& ea len &er Kunft. <£r mar ein 
glanjenber 3 ourna lift unb feiner Kenner ber Sitteratnr. 
Seine abfolutc Beherrfchung rerfdjiebeuer Spradau bei 
ungemöhnlidjem formalem (SefcbicF ermöglichte es ihm, 
mufterhafte Ueberfetjuugcn freinber Dichter 311 fdjaffen. 



Das Buch der üloclje 


_ 


(Ein Königsroman. 


Die romantifebe perfonlichfeit bes Bayeruföiiigs Submig II. 
übt noch immer einen feitfam smingenben gaubcr aus. Sein 
geheimnisummobeuer (Eob in ben fluten bes Starnberger 
Sees hat ihn ei ft n ahrhaft Iebenbig im DolF gemacht. Der 
Staub unb Klatid?, den einft bie langhin malleube purpur* 
fd?leppe feines Königsutantels aufmirbelte, ift rerflogcn, noch 


reiner unb "1013er erfcheint nun fein Fönigliches Dafein ber 
Bammelt. ^ ben tieferen Schichten ber bayrifchen Be* 
pöiferung, in ‘ meltabgelegenen Senn- unb Köhlrrhütten be¬ 
gegnet mau felbft bem (Slauben, baß er überhaupt nicht ge¬ 
ftorben fei, fofnberu irgettbmo in (frembe unb Dcrbannung 
gefangen gehalten merbe. Unb h e * m1 ^ X^offnung 

um, baß er eines (Eags in (5laii3 unb (SrÖße mieberFehreit 
merbe. Der X^eiligenfchein ber £egenbe umftrahlt bie blaffe 
Cräumerftiru bes unglücflichen BayernFönigs. 

Über auch freiere unb aufgePlärtere (Seißer 3mingt bie 
eigenartige <£rfcheiuuug König £ubmigs immer mieber in 
ihren Bann. XHan Fommt nicht pon ihm los — man hat 
bas (Sefühfr baß in ihm einer fto^en unb einfamen Seele 
pon einer Fteiiten, niebrigen KUtagsmelt bitteres Unrecht ge- 
fchebeu fei. Die 3 rre ”^ r 3 te h a ^« feinen (Seift für FranP 
erflärt unb glauben bamit eine enbgiltige Deutung all feiner 
KbfonberlichFeiten gegeben 311 haben. Uber mas Reifet FranF 
in geiftigen Dingen — offenbart nicht oielleicht gerabe ein 
fogenauitt „FrauFer 11 (Seift, ber pon Feiner menfchlid^platten 
Dernuuft mehr eingeengt ift, bie letzten unb tiefften (Se« 
heimuiffe ber göttlichen Seele? Die legte £öfung bes Seelen* 
rätfels, bas ßd? hinter bem tragifd?en (SefchicF bes Bayern* 
FÖuigs perbirgt, ift für piele nod? nicht gefnuben, unb 
locft es DettFer unb Dieter, ben einfamen (Eraummegen biejes 
£ebeus nad^ugeheit. 

UTichael (Seorg (Eonrab, ber Ulünchner Dieter, ber einft 
feine temperameutroUe Kantpfuatur für bie repolutiouäre 
naturaliftifche £itteratur einfeftte, mibmet feinen neuen Homan 
„Ulajeftät 1 * bem SchicFfal bes HomantiFers auf Bayerns 
Königsthron (Berlin, Der lag pon 0 tto 3 anFe). „(Ein IHartyrer 
ber ITlajeftät in Sonnenhöhen, eine gequälte Seele im Haufch 
bes 3 ^eals, ein Stern, perfchlungen pon ber geilen Unraß 
unb < 3 emeiugemöhnlid>Feit" — mit biefenpruuPmorten fchmücFt 
er feinen gelben in ber (Einleitung. Unb in bem gleichen 
pomphaften Stil, ber bas gaii3e Buch einFleibet unb an 
glücflichen Stellen mie ber fernere Jaltenmurf eines purpnr« 
mantels mirFt, fährt er fort: „Uupeitariflicher Buhm um¬ 
blüht feinen Hamen. Denn es ift ber Haine eines Siegers. 
Xllit feinem leiblichen (Eob iß er eingetreten tu ben Strahlen- 
reigen ber XDeltüberminber. 3 mmer &ar mirb fein (Seiß 
mieberfehren, Derheißung unb Siegel ber triumphicrenben 
Schönheit. (Seabelt unb felig gefprochen burd? ihn ßnb alle 
höheren XHenfchen, bie auf (Erben leiben. 3 c ‘ )em 3 um 
UngemÖhnlichen giebt er bie XDeihe. Seht, fd?on beginnt 
ber Doruenfran3, ber feine Krone timßicht, ßch mit Hofen 
3U fchntücFenl" 

3 n UTichael (Seorg (Eonrabs Kuffaffung ift König £ubmig 
ein £eii3FÖnig Poll Schönheit unb Kraft, eine große, lobernbe 
Soitueufeele, bie aus ihrem unerfchöpflichen Beichtum £id?t 
unb Jrenbe über bie UTenfchen ansgießen mill. Ungeheure 
(Eräume ber XDelterlöfung uub IDcltbeglücfung burch bie Kunft 
träumt er, ein mahrhaft Föniglicher XTIeufch, beßen XlTajeßät 
mie eine reine JeuermolFe über bem £anb fchmebert foll, 
eine 0ffenbarung unb eine Botfchaft bes X^eils. Uber er 
hat babei nicht ben rücFßchtsIofeu IDillen bes XDelteroberers, 
ber UTenfchen unb ITTaßen 3U 3ähmen meiß; als ber beutfeh- 
franjöjtfche Krieg fein Xjcer 3U ben XDaffeu ruft, bleibt er 
baheim in feinen UTärcheufchlÖffern figett. Seine (Eraumfeele 
ift fein unb übe^art uub 3ucFt aufs jchmcr3lichße 3ufammen 
bei jebem IDiberftanb ber Kußenmelt, ßatt fidp in (Ero^ uub 
ühatfiaft auf3uricbteu. So müpen feine himmelftürmenben 
Köuigsphdutaßeu fchließlivh au ber IDirflichFcit 3erfd^elleu, 
uub bie iljres'irbifchen purpurs gemaltfam entFleibete Uiajeüät 
— ber „FrattFe" (Seift — wirft in einer legten höcbfteu 
Befreiuugsthat eigettherrlich bas £eben poii fidj. KIs ein 
Sieger geht ber entthronte König iit beit (Eob uub 3crbrid>t 
alle Je (fein uub gemiunt im Sterben Jreiheit unb Schönheit 
mieber . . . 

UTidmel (Seorg (Eonrabs Boman 3eid)uet ßd? molß burch 
(Sröße ber Kuffaffung unb Kufchauung ans, aber im eigen!* 
ltd;eti IDefen iß er wirflichFeitsfremb, unb läßt marines über- 
3eiigenbes £ebeti permiffeit. Die romantifebe perjöulichFeit 
bes »gelben h Jt and? ben Didjter 311m BomautiFer gemacht. 

pau! Denier. 


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Seite \62% 


ytummer 35. 



Kaisermaniwr. 

XDie im porigen Jahr, werben fiefj bie beporfiehenben 
Kai ferm anöoer aud? biesmal im 0 ften bes Heidjs unb in 
< 5 ebieten abfpielen, bte im (Ernftfall in allererfter Sinie für 
ben Kriegsfdjanplafc in Jrage fommen mürben. Dabnrch ge¬ 
winnen bie ^riebensübungen mieberum gan3 befonberes 
Jntereffe, uub es ift wohl mehr als eine t?öfHd?feitsbe3eugnng 
barin 30 erblitfen bafc ber Kaifer eine Heihe ruffifeber 0fff3iere 
3U ben ITtaiiöoern eingelaben hat, bie am Dienstag, ben 2. Sep¬ 
tember, mit ber Kaiferparabe über bas V. Hrmeeforps bei pofen 
beginnen werben. 21 m (Tag baranf fe^en ftd? bas V. Korps 
unb bie mit ihm pereinigten (Teile bes VI. 21rmeeForps in 
Kr egsmärfchen nad? IDeften in 23 ewegung. währenb bas 
geguerifdje III. Korps unb bie auf feiner Seite fed?tcnbeit 
(Sarbetruppen ftd? erft am Jreitag bei j^ranffurt a. 0. 3ur 
Kaiferparabe perfammeln werben. Da bie eigentlichen 
Hebungen aber bereits mit 21nfaitg ber 3weiteu September¬ 
woche beginnen follen, ift ait3uuehmen, ba§ bas erfte §u» 
fain men treffen nicht weit poit ber <Sren3e ber prooin3 Branben- 
burg unb pofeit fiattfiuben wirb. IDie aus ber obigen 
Kartenffi33e erfichtlich ift, liegt bas in Jrage fommenbe < 5 e- 
länbe im (Sebiet ber iDartlje unb ihrer füblidjen ^uflüffe, 
non benen namentlich bie 0 bra in ben beiberjeitigen Be¬ 
wegungen eine wichtige Holle fpieleu bürfte. Bemerfeusroert 
ift noch, ba§ im Derlauf ber biesjährigeu Kaifennauöoer 3um 
erftenmal ber fogenannte Burenangriff in nnferer 21 rmee er¬ 
probt werben foÜ. DTan barf gefpaittit barauf fein, wie bie 
aus bem Bureitfrieg ge3ogeneu Sehren ftdj auf utifere Der- 
hültniffe anwenben laffen unb bewähren wetben. 



(Tl^rles (£h' nc ^ 0 ^ e ' bekannter ITTitarbeiter bes „ Jigaro", 
f in paris. 

Benjamin <£rombe3, Philanthrop, f in Brüffel. 
Jraii3Öfifvher(SeueralDemaf fieur, t3»^artigny‘leS‘Bains. 
Dunau t, Konferoator bes aich’iologifcheu inufeums in 
<Senf, f am 21. Kuguft burdj 21bftur3 Pom IHont-pleureur. 


(Egger# württemtergifdjet Sanbtagsabgeorbneter, f tw 
Hlter oon 72 Jahren. 

0 tto (Silbemeifter, früherer Bürgermeifter oon Bremen 
unb berühmter Ueberfefcer, t am 26 . 21uguft in Bremen im 
21 lter pon 78 Jahren (Porträt untenftehenb). 

(Seneralmajor 3. D. (Solbfchmibt, t 3» Sdjreiberhau 
tm 21 lter pon 66 Jahren. 

paftor Hubolf fjaacf, ber erfte prcujjifche OTarineprebiger, 
t 3U (Sreifswalb im' 21 Iter pon 78 Jahren. 

(Sraf Subwig Berber ft ein, IHitglieb bes mährifchen 
Saitbtags, t in Berlin. 

Dr. IDen3el TjoraF, (Eeneral unb (Srojjmeifter bes 
Kreu3herrnorbe)is, t am 20. Huguft 31t Prag im 21 lter pon 
57 Jahren (porträt S. 16 29;. 

Sanbtagsabgeorbneter oon 
DIenbel-Steinfels, t auf 
einer Heife in Bayern. 

0 berjHeutnant 3. D. Krug 
p. Hibba, einer ber Jührer 
ber „Berliner Bewegung 1 * in 
ben adliger Jahren, f am 
23 Ktigufu 

2llbert 5 d; i r m e r, früherer 
Direftor bes UTaii^er Stabt- 
thca*ers, t 3“ IDiesbaben. 

Waler profejfor 21lbert 
Schwenby, f am 17. Hugitjt 
3U Deffau, 8 t Jahre alt. 

Fjeiurid? Siemirab3pi, 
bePannter polnifdjcr IHaler, f 
Otto (Stlbcmcifler f Olli 23 . 21 uguft 3U St^ülfowo 

in Polen (Porträt S. (629;.' 

fran3 Sigel, einer ber fül;rer im babifchen Hitfftuitb 
oom Jahr 1849 uub (Seiteral im ameiiFauifchen BürgerFrieg, 
t im 78 . Sebeusjahr (porträt 5 . 16 29 ). 

(Terefa S10 1 3, Derbis Jreunbin unb Pflegerin, eiuftige 
Pritnaboniia, t in Wailaub, 72 Jahre alt. 

Waler (Sufiao IDertheimer, ein geborener IPiener, 
t am 2^. 2luguft in Paris. 

0 berft p. giegler, Kommanbeur ber Kriegsfchule 3U 
Potsbain, t am 22. Huguft 3U potsbam (porträt S. 1630 ). 

<35® 



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Stummer 55. Seite 1625. 




Zum Betuch des Königs von Italien in Berlin. 

ZTeufte pfyotograpljifdje Kufnafyme Königs Diftor GEmanuel III. 


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Seite \ 626 , 


ZTumtrter 35- 



Ctang, 

bet neue cfeinefifdje (Befanbte in tt>a ftington. 



Qer$ogin tTtargareie Sophie 
oon IPärttemberg f 



< 5 uflabe ^rancotte, 
ber neue belgifdje Jlibeitsminifler. 



<Srnf Cnnja bi Bufca, 
italienifdjer Botfdjafter in Berlin. 




f nx- 


J U 


Prin3 £d?e»<Ed?en, 

©efonbier Chinas 3ur englifcf?en Königsfrönung. 
CI]uffeau> 5 IciDiens pljot. 


m. »ibourb, 

fran3Öfifd?er Boifcfcofter in Bern, für ben 
Berliner BoifdfoftspojUn in Jlusfidjt genommen 




Die Sntbiillung des Rolandbrunnens zu Berlin in Gegenwart Kaifer Wilhelms. 

Räuber & Cabifdj pljot 


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Hummer 35. 


Seite J627. 



Delarey. Dottja. De tt>et 

Die Burengenerale fn Rolland. 

Pie Generale De tDe^ 39oif?a unb Delaref perlaffcn bie Dilla Hornta in Sd?epeningen na d? ifjrem Befnd? bei gjrpräübeni Steijn. 

Strand? pbot. 


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Seite \ 628. 


Hummer 35. 



Das badifche Grossherzogpaar in Konftanz: Hnrprache cUe Oberbürgermeiftcrs «lieber« 

fjofpfjot- Hlfreb Ztfolf pbot. 



Z)tr Sdjalf. 2. Röntg <£i>uari>. 3. Königin Klefattbra. *$. prin$ von lUale>. 6. prinjejftn pon U)ait$. 

Der Schah im Kreffe der engUfchen Königsfamüie« 

RuftrQ fons, Soutfjfea, pt^ot. 


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Hummer 55. 



Qetnrid? Sd?u?aiger, ijeinriib Siemirabjfi, Dompropfl^ranjS.HeüepSlagsbnrg, ©rofjmeifter b. Kreajljermorbens $ran 3 Sigel, ©eneral 

befannter illpinijl f berporragenber iTlaler t jum Dompropfl in Samberg ernannt Dr. CO. £?oraf*prag f im amerifanifd^en S Arger frieg f 





Seite \629« 




Das 8t. Bernhards rtandbitd 

aaf bem tleinen St Bernbarb sberg. 
Stengel Sc Co. pbot. 


Das am i. 8ept. zur BnthOUung gelangende deutfche Kriegerdenkmal 

in pbilabelpbia. 

ITTobefliert pon 2Jlbert ITlorifc COoIff. 


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Seife {630, 


Hummer 35. 



mp sfr 

A. > ■:* *■ ~ 



Vj« 

. . 



• Vir? 

'{ i v ^M*vvr| Lgs^ 




$ar. 2. ©rofjtjerjog t>on OTedFIenburg * 3cf?tr>erin. 3. ©rofjfürfl ITlidjael Zlifolajemitfcfi. 4 . ©rofifürft Hifolat nifolajemitfd?. 6. ©roffftrj! tDlabimir 
Hlejanbrotuitfdj. 6. ©rofjfärfi Hleyei Hlrranbrotüitfrf). ?. ©rofefürft Scrgei OTidbailotmtfd?. 8. prin 3 peter pon ©Ibenburg. 

Hus dem rufTifchen JWlitärleben: Der DankgottesdienTt zur Jahresfeier des älterten preobrafchenskyregiments und der 6ardeartiUerfe* 

<£. ©. Bulla pfjot. 





©berfi v. ^iegler. 
Komnianbeur ber Jlrtegsfd?u[e 3 U 
potsbam t 


Dfceabmtral Büffel, 
würbe 3 um Ct?ef bes Hbmiraljlabs 
ernannt. 


©et}. Hat prof. ^tirfc'Ceipjig, 
feierte feinen 80. ©eburtstag. 


Br. ftemianu Hollet, 
Bifbter unb ^orfdjer, 
feierte feinen 83. ©eburtstag. 




Die OlafTerkatartrophe in Cirol: Crömmer der durch den Husbruch der JNaif bei hieran ztr rtörten Villa „fiaifmObU 4 *, 

v. pereffjammer pbot 


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Kummer 35, 


Seite {63( 



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Seite \652< 


Hummer 35, 




Pie Statue Des ^t. 2\odjns m Der projcfftcm. 2. Pie ZTicffe mt 2lufcencbor. 3. XPurjtelDerfauf. 

Vom St. Kocbusfeft zu Singen. 


rjtlsborf ptjot 


i^oit ocr * enaureter: 

Die ©ebcnftafel am Geburtshaus 3 U C$abai. 


Pas ttaifertn ©lifabettjbenfmal 
in 23aD pifZyan. 


Don Der Cenauf eler: 

Pie neue ©ebenftafel am ZTobnbaus Cenaus ju Zjetbelbrrg. 


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m* 





























Hummer 35. 


Seite {633. 


©tvendolin. 


Somart oon 



ftuauft 

l. $ortfe$ung. 

©arten hinter bem Ejaufe, neben bem 
oieredigen Z}of mit ben frönen pferbett 
mar eine Laube, bie in fchmierigett Le¬ 
benslagen ©menbolins «guflucbt bilbete. 
hierhin flot? pe, fanf auf bie Ejo^banf 
nieber unb ftiißte bas ©epcht in bie E}ättbe. Lange faß 
pe fo unb laujehte ber Stimme bes 5rühlings, bie ihren 
Seelenfhtrm befchmichtigen foüte. 

Sie fudjte fich mit ©emalt in ruhiges ZTachbenfen 
ju vertiefen, fie rief äße ZTeroenfräfte auf, ihr 5ieber 
3 U befänftigen, aber es half nichts: immer mieber 
Parrte pe, inbem fte bie E}änbe pnfen ließ, in bas 
mirfliche, traumlofe Leben hinein unb fagte pch: bu 
mußt bid? entfeheibeu. 

gweiXOeqe: ber eine mar ber bes Stores unb ber 
Urmut. Sie fonnte auf ben Z3aron oer 3 id}ten. Uber 
mie mürben bie fpäteren tEage nad) biefem erpen (Eag 
bes Stores? Ubhängig oon ber ©nabe ber Canten uttb 
®nfel? ©ntfeßlid]! 

Der 3 meite Weg mar ber bet Demut, ber 5alfd>heit 
unb bes Heichtums. Sie fonnte mit befcheibett gefenften 
Uugett 3 uriidfebren unb ber Cante Bertha fagett: bu 
meiup es gut, bu biß fo flug. Spridj mit Z3arott ^irfs, 
id? nehme feinen Antrag an, richte bu alles nach 
beinern bePen ©rmeffen ein. 

Dann mgr Äreube unb 3ubel, bann famett Diamanten 
unb ©olb, bann fonnten fogar bie pferbe bleiben unb 
nach Sdßoß 5irfingeit überpebeln. Uber — aber — 
noch entfefelicher als bie Ubhängigfeit oon ben Permattbten 
irar bie Ubhängigfeit oon biefem ZHann unb eine be* 
pänbige lädjelnbe Lüge, um ihn unb pch felbp 3 U täufefjen. 

Hoch einen plafe gab es, mo pe ^rieben faub: ben 
5riebfjof, bas ©rab ihres Paters. Sie brach einen 
&xx>e\g oon bem 3asmin, ber bie Laube umraufte, 
fchritt burch ben ©arten, bracb noch einen <§meig oon 
einem blühenben Kirfchbaum unb ging über bie ZPiefe, 
Ido pe oor menigen Cagen noch im ©lüd bahin- 
galoppiert mar, bem 5riebhof 3 U. ©in Ejedengang führte 
Don bem 5clbmeg aus 3 U ber Stätte ber (Eoten, uttb 
iDäbrenb pe babinfebritt, hörte pe oon ber Porßabt 
Censbad? b*r &ie ©loden läuten, bie ein Begräbnis 
an 3 eigten. Der (Eon flang ibr fo att 3 iebenb, baß pe 
XDÜnfcbte, er erflättge für pe felbp. 

Sie erreichte bas ©rab ihres Paters. €s mar mit 
Hafen belegt morben, unb auf bem frifebeu £}ügel lagen 
bie oermelften Kränke, ©menbolin legte ihre «grneige 
hinsu, unb erleicbternbe (Ebenen entßrömten ihr. Sie 
letyite pch an ben Stamm- einer nahen ©fdje unb oer* 
büßte bie Uugen mit bem (Eafchentuch. 

Da hörte pe bie Schritte oieler ZTCenfchen auf bem 
Kies bes ZPeges fnirfdjen, unb als pe pch ummanbte, er 
iblicfte pe einen Leichen 3 ug. 


Hiemann. 

Poratt ging ein munberlicher fleiner ZTTann in einem 
altmobifchen, hodtfchultrigen, fd?mar 3 en ZZod mit einem 
altmobifcben, fdimarsett ^Y^nberbut, ber febott einen grau- 
rötlichen Sdjein angenommen batte, ©r trug in ber 
einen £}anb einen langen, fchmar 3 en Stod mit 5lor* 
bänbern, in ber attbern eine Simone, ©r ging fchneüer 
als bie attbern, uttb wenn er bem 5 U 9 ungefähr 
3 toan 3 ig Sd^ritte meit oorausftol 3 iert mar, bann fchtoenfte 
er mit einer feierlidien Z3emegung fein 5lorfäbnd?en hoch, 
fenfte es mieber, pPatt 3 te pch, feierlid? bie Zitrone an 
bie ZTafe fübrenb, auf bem ZPeg auf, bis ber gug 
naebgefommen mar, unb ging bamt mit gefebmuttgenem 
Fähnchen meiter. 

Dem Sarg ooratt fchritt ber Pfarrer, ein junger 
ZTTann mit ernPen, gebulbigen ZTTienen. Der Sarg 
mürbe oon feebs Znättttern auf ber Schulter getragen, 
unb bie Znätttter hießen S^onen in ben Efänben. Unter 
ben Leibtragenben, bie pngenb bem Sarg folgten, bemerfte 
©menbolin in ber erßett ZTeihe ein befanntes ©epcht: eitt 
junges ZTTäbchen, mit bem pe oor ihrer Konprmation in 
berjelbett Schulflaffe gemefen uttb mit bem 3 ufammen 
pe bann fouprmiert morbett mar: ©rete ZTTormatm. 

Der Leicbettjug hielt, unb bie öeerbigung ging oor pd?. 
©menbolin ßanb nabe genug, um oon ber prebigt bes 
Pfarrers bie lauter gefprodjenen ZPorte oerfteben 3 U 
fötmen. Sie oerglich bie ©infachheit biefer 5eier mit 
bem friegerifchen ©epränge, bas bei ber Beerbiguttg 
ihres Paters entfaltet .morben mar. Ejier bas alte 
ZHänncbett mit ber 5lorfahne, bort ber Donner ber 
5euermaffen unb bas 5 unfeln ber Ejelme unb Säbel. 
Zlber nachher mar alles eins .... 

Der fleitte ZTTattn hatte feine 5ahne in bas auf- 
gemorfette ©rbreicb gePedt. Scharf haben pd? aße Um¬ 
riffe ber Scette in ber flaren, blauen Luft ab. Zßs ber 
Pfarrer geenbet batte, mürben bie erpen Schoßen hinab- 
gemorfen unb polterten als eitt lefeter ©ruf; auf ben 
Sargbedel. 3efet 3 erpreute pch bas ©efolge> unb ©rete 
fchritt langfant mit einer alten 5 rau 00 m ©rab 3 urüd, 
als ©mettbolm, oon inniger Ceiluahme erfaßt, unter ber 
©febe b^aortrat. Sie gab ©rete bie Ejattb, fprad? 
tbränenben ^lides einige ZPorte, umarmte bie Schul» 
freunbitt unb fügte pe. 

©rete mar pdtflidi iiberrafebt. Sie fab ©toettbolm 
oermuttbert an, trat bann einen Schritt 3 urüd uttb 
machte einen tiefen Kni£. 

„Um men tranerP bu? Ä fragte ©menbolin. 

„Um meinen Pater," antmortete ©rete. „Uber Sie 
pttb auch in Trauer, gttäbigPe Komteß. Um men . * 

„ 3 d? nenne bicb boeb bu," unterbrach ©menbolin. 
„Z3ift bu nicht mehr meine 5reuttbin?" 

„0, menn bie gttäbigPe Komteß erlauben — um 
men trauerp bu benn?" 


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Seite ^63^. 


Hummer 35 


„Uuch um meinen Vater. IVußteß bu bas nid}t?" 

„3 d> Bin geßern erß pon Berlin geFommeit unb höbe 
nichts bapon erfahren." 

Vie Begleiterin mar meitergegangen, unb bie 
beiben jungen UTäbcheu mären allein geblieben. 

„Vu tjafl feinen fjut auf ?' 4 fragte ®rete, bie in 
ihrer Verlegenheit nicht mußte, mos pe fagen foHte. 

„Uchr es iß mahr. 3 d> ging aus bem ®arteit unb 
habe nicht baran gebacht. Ud? ®rete, mie unglücflich 
finb mir hoch ohne Vater, lebt benn beine Ulutter 
noch? Ä 

„Bein, pe iß fchon feit brei 3 a hren tot." 

„Unb marum biß bu nicht bei beinern Vater ge* 
blieben?" 

„IVir ftitb arm. 3^? wollte perbienen. 3" Berlin 
perbiene ich <ßelb." 

„EVomit benn? IVie machß bu es, um ®elb 3 U 
perbienen?" fragte ®menbolin eifrig. 

„3d? bin VerFäuferin in einem KonfeFtionsgefdjäft, 
unb meil ich eine gute 5 igur höbe, biene ich auch als 
Probiermamfell. 3d? 3 iehe *>\e fertigen Koßiime unb 
Hläntel an, unb bie Käufer benfen bann, meil fie mir 
gut paffen, fie müßten ihnen auch gut flehen." 

„So, fo? Unb bamit perbienft bu genug ®elb, um 
angenehm leben 3 U Fönnen?" 

„Ungenehm? Hun, fehr angenehm Fann man pou 
bem ®elb, bös man perbient, gerabe nicht leben. Uber 
ich wohne billig bei einer 5rau, bie mir auch Kofi giebt, 
unb ich fomme aus." 

®menboiin fragte fich, ob ihre eigene 5 igur aud} 
mohl gut genug 3 ur probiermamfell märe, aber biefe 
Vorßeüung perfchwanb halb mieber. Vas mar nur 
ein Spiel ber erregten <£inbilbungsFraft gemefen. Da* 
gegen badjte jie ernßlich barüber nach, ob fid? nicht ein 
aitberer IVeg fänbe, in Berlin felbßänbig 5 U leben, 
menn fie mit ®rete 3 ufammen borthin ginge. 

„®rete," fragte fie, pd? an biefen ®ebanFeit, mie 
an ein Bettungsfeil anFlammernb, „®rete, Fann ich 
bidj nicht heute abenb ober morgen früh allein 
fprechen?" 

„Uber gern," fagte biefe. „Du müßte)! inbeffen 3 U 
Küßer Hlormaitn Fommen, bei bem ich mohne. Vu 
FennP bod} bas Fleine Baus gegenüber ber großen 
Kirchthür? 3™ 0 berßocF mohnte mein Vater 3 uleßt, 
unb nun, ba er tot ift, hat mich (Eante UTormann h* r * 
untergeholt. IVenn es bir jeboch lieber ip, fo Fomme 
ich auch su bir." 

„Hein, ich werbe bich auffud?en." 

IVährenb bie beiben Sdiulfreunbinnen etmas ab* 
feits auf einem Seitenmeg panben, gingen bie £eute, 
bie ®retens Vater bas leßte ®eleit gegeben hatten, 
erpaunt an ber Fleinen ®ruppe porbei. 

„ 3 effes, bes ®enerals Fräulein mit Ulormanns 
®rete — ja — ja, ber tob führt Urm unb Betch 3 u* 
fammenl" 

Uud? KüPer Ulormann perlangfamte feine Schritte, 
als er feine Hichte mit ®menbolin 3 ufammen fah- €r 
mar, ehe er ben 5 riebhof per ließ, noch ein meitig 
smifeben ben ®räberreihen einhergegangen. Vas mar 
fo feine ®emohnheit. Vann hielt er in ®ebanfen <3wie* 


fprad^e mit benen ba unten in ber €rbe Schoß unb 
freute fich, baß er allemeil noch im Cidjt unb in ber 
Sonne manbelte, baß er noch nicht tpnuntergeßiegen 
mar unter bie blilhenbe €rbe. 

®rete brehte pch nach bem Ulten um unb fagte er* 
Flärenb: „0nFel Ulormann, bas gnäbige 5räulein 
hat mir ersäht, mie pe gleiches £eib mit mir erlebt 
hat. Sie miH mich morgen auffuchen, pe mill mich 
Verfdpebenes fragen." 

ßerr Ulormann trat näher unb 30 g feinen alt* 
mobifd^eit Sylinberhut. 

„®ehorfamer Vielter. Komteß merben ein gern ge- 
fehener ®ap fein. Vas Ungliicf bringt bie €eut 3 U* 
fammen — mer hätte bas gebacht! Uber ba Fommt 
bein Vetter, ®rete — Komteß, bas iß mein Sohn 

Cucian Ulormann, ber neue Pfarrer pon Ce^bad?." 

®menboliit fah in bie ernßen Ulienen bes Pfarrers. Sin 
merFmürbig forfchenber, frageitber BlicF begegnete ihr. 
Sie mar fo gemattbt, fo fertig in allen 5ormen, unb 
bod?, biefent Ulann gegenüber fanb pe nicht gleidj 
bas rechte IVort. Ver ®ruß, mit bem pe bes 
Pfarrers Verbeugung ermiberte, pel barum etmas 
fcheu unb per legen aus. Unb £ucian Ulormann, 
ber bie Komteß nur 3 U pferbe unb mit einer 

glän 3 enben Suite Fannie ober mohl auch bann unb 

mann ihr pornehmes Untliß pon meitem in ber 
Kirche gefehlt hotte, menn er ben alten Pfarrer pon 
Censbach pertrat, mußte nicht redjt, mas bies alles 

3 u bebeuten höbe. Seine ernßen, fragenben Uugen 
3 mangeu ®meubolin unmiüFürlich jum Beben. Sie er. 
Flärte ihm, baß pe Bat nötig höbe unb barum 3 U ®rete 
Fommen molle. 

Cucian Ulormann mar Fein BTaitn Pon piclentVorten. 
®an 3 im ®egen)aß 3 U feinem bemeglichen Vater, ber 
mit altmobifdier EjöflichFeit alle feine Beben unb Kom* 
plimente fehr mortreich geßaltete, 3 eigte er ein ruhiges, 
gehaltenes Uuftreten. €r mar nicht ein perfdichterter 
Vorfpaftor, linFtfd] unb unbeholfen, nein, er befaß bie 
feinen Ulanieren eines mohlerjogenen tVeltmannes. 
Vater Ulormann hotte es pd? etmas Foßeu laffeit. 
Sein Sohn hotte banF feiner 5ürforge eine freie, glücF* 
liehe 3 u 9 ^nb 3 eit perleben bürfeit unb pd? nicht 
ängftlich burch bie Semeßer hinburd? 3 ubrücfen braud?en. 
£r hotte an ber fjanb geiftig hochßehenber £el?rer einen 
iVerbegang burd?gemad?t, ber alle feinen fd?öncn Un¬ 
lagen horntonifd? entmicfelte unb ihm ein Blaß pon 
Freiheit geßattete, bas ihm 311 m großen Vorteil ge¬ 
reichte. ®menbolin empfanb biefen Souber feiner 
perföulidiFeit, ohne 3 U mißen, moher er Farn. 

Uls pe am Stabtthor angelangt maren, perabfdpebete 
pch ®wenbolin pon ihrer miebergefunbenen 5 reunbin 
mit einem beglichen ^änbebruef unb bem Verfprecheit, 
morgen in bas Küfterhaus $u Fommen. 

Sie bog in einen Seitenmeg ein, um nicht bie 
Uitglücfsßene überfchreiten 3 U müßen, bie 3 um IVenbe- 
punFt ihres Vafeins gemorben mar. 

Vor bem Ejaus begegnete pe Cante Bertha. UTit 
ßiegenben £?aubenbänbern unb 3 um Fimmel gemanbten 
Uugen, poü gelaben mit Vormürfen unb aufgeregt, 
Farn bie (Laute auf ®menbolin 3U. 


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Hummer 55. 


Seite {655. 


„3ch mar auf bem 5 riebhof," antmortete (Streu* 
bolin gelaffen, ,,id] habe mir überlegt, mas ihr mir 
porgefdßagen unb mitgeteilt über meine Perhältniße." 

„Hun, unb nicht mahr, bu biß 3111 Vernunft ge* 
fommen — bu mirß beu Antrag —* 

■ „Siebe (Eante, id? möchte meine Hbftchten bem ®nfel, 
als meinem Pormunb unb bem Helteßen ber 5amilie, 
mitteilen, allein, heute abeub noch; benn ich mödtfe bas, 
mos ich tfyun miß, halb thun." 

IPenige HTinuten fpäter ßanb fie bem ©nfel in ihres 
Paters <5immer gegenüber. 

(Smenboliit begann ru^ig unb beftimmt: „3d? 
möchte bidj bitten, mir mein Heines (Erbteil fo 
aujulegeu, baß ich es jeberjeit ratenmeife abheben 
farm. 3^? habe bie feße Hbßcht, mir mit biefem (Selb eine 
€riften 3 su grünben. 3d? merbe feinem pon euch jur Saß 
fallen— barauf fannß bu bidj perlaffen. Keinem! Hber id} 
rnerbe meber ben Baron heiraten, nod] trerbe ich 
in ein Stift geben, icb miß meines Uitglücfs HTeißer 
gan 3 allein fein — pießeidtf merbe icb meines (Slücfes 
Scbmieb—Ein ßol 3 es Sächeln flog bei biefeu IPorten 
über ibr bleiches Hntlifc. 

Per HTajor hatte mortreiche (Entgegnungen genug 
3 ur £}anb, aber ’ße glitten alle an (Strenboliu mir* 
fungslos ab. Sie unterbrach ih» $ur nicht einmal, 
miberlegte ibn auch nicht, fonbern blieb gan 3 ruhig bei 
ihrem gefaxten Entfdßuß. Schließlid} unterbrad] ber 
HTajor felbß feine einbriuglicheu Heben unb ging. 

Per Sanbgeridtfsrat mar noch ber einzige, ber 
(Smenbolins Entfdßuß eine annehmbare Seite abju* 
gcminneit fudße. Pas führte pou allen Seiten einen Sturm 
ber Entrüßung herbei. 

„Selbßänbige 5rauenJ* rief bie 5rau bes HTajors. 
„Blein (Sott, bas fennt mau ja, mas babei heraus* 
fommtl Ha, ich baute, ich tuafche meine Sänbe in 
Unchulbl* 

„Hber 3 mingen tönnen mir fie hoch nid]t, ben Baron 
311 nehmen," marf ber Sanbgeridßsrat ein; „fie liebt 
ihn nicht, unb mie bas ZHäbel nun mal peraulagt iß —" 

„Siebt ihn nicht! Siebt ihn nicht!" rief bie Stit’tsbame. 
„Sarifari — Siebe — bas fomint bei ber moberneu £r 3 ie* 
hung heraus. 5 rüher in ber guten, alten Seit —“ 
aber nun brach fie mit einem HTal ab, benn fie mar bem 
fpöttifchen Blict ihrer Schmägerin begegnet. 

„Es ift an ber Sach« nkhts su änbern," fagte ber 
HTajor. 

„Bitten mir (Sott, baß er fie por bem Straud?elu 
bemahrt," rief (Eante Bertha. 

Su biefem Hefultat maren (Smenbolins Permanbte 
rpährenb eines guten Hbenbbrotes gefommen, bes leßten, 
bas ße unter bem Pache bes perunglüeften (Srafen ein* 
nahmen. Sie trauten basu mit Perftäitbnis bie guten 
lüeine unb beflagteit bie HTißgriße unb bie Perfd^meu* 
Puitgsfudtf bes (Eoten. 

(Bmenbolin faß inbeffen aßein in ihrem Zimmer 
unb fchaute auf bie monbbeglän 3 ten IPiefen hinaus, 
3 d?atten jener alten Sinben, bie bie Kird^e umgaben, 
ftanb bas alte Küfterhaus, mit feinem altmobifchen 
ißarten bauor. Per Sattensaun mar grün Pom Hlter, 
un^ 3 U jeöer 3ahresseit nieften anbere Blumen herüber. 


IDinben unb buftenbe iPicfen im Sommer, unb im Ejerbß 
buntfarbige HTalpen unb (Seorginen. Hu beu Fleineu 
5enßcrn bes alten (Siebelhaufes maren ßets bleubenb* 
meiße HTußgarbinen angebrad}t. unb bie alte 5rau 
HTormann, bie fouutags in einem fd?marsen Seibeufleib 
auf ber Banf por ber (Ehür faß, hatte ihr manchmal, 
menu fie, bie Blumen bemunberub, porüberging, einen 
Strauß gefdjeuft, ihr unb bem Pater, ber eine fo hin* 
reißenbe Hrt hatte, mit (Seringeren 3 U perfehren. 

Unb morgen mürbe fie mieber an bem Stafeten« 
3 auu bes Küßergartens pon Censbach ftehen, aber als 
eine Bittenbe, e.ne Bettlerin. Sie fdßoß bie Hugeu unb 
lehnte ben Kopf surücf in bie polfter bes bequemen Seffels 
unb flöhnte leife. Sie rang persmeiflungspoü bie 
fchlanfcu i}änbe, aber bann fpraitg fie auf, ftridj bas 
mirre £}aar 3 urücf unb trat por bas Bilb ihres Paters, 
bas über ihrem Schreibtifdj hing. Sie fchaute lange 
unb ernß auf bas ftrahlenbe HTännergeßdtf. Sie fprach 
fein IPort, aber fie gelobte fich im ßißeu Blut unb Un* 
persagtheit: ,, 3 d] nehme bas £jinbernis, unb meitu es 
bas Sebeu foftet," bachte fie. 

Hm anbern HTorgen reißen bie 3 ärtlichen Per* 
manbten ab, bis auf bie Stiftsbame, bie als Ehren* 
bame surücfblieb, bis fleh &*r gräfliche £jatisßanb poU* 
fommen aufgelöft haben mürbe. 

IPie menig <S men bol in. auf biefe Ehrenmad^e (ßemicht 
legte, mürbe ihr bemiefen, als ihr pou (ßmeubolins 
Kamnterntäbcheu am Spätnadjmittag mitgeteilt mürbe, 
bie Komteß fei ausgegangen, um eine 3ngenbfreunbin 
3 U befuchen. 

(Bmenbolin manberte nach £*n 3 bad?. n>ar ein 
munberpoller HTaitag. Pie grünen Saatfelber glän 5 ten 
mie Sammet, bie Cerehen ftiegen jubelnb empor, unb 
flinfe Sd^malben umfreiften bie rüßig Kusfchreitenbe in 
meitent Bogen. 2lües atmete frohes Ceben unb (Bebeihen, 
Perheißung auf fommenbe Erntetage. Unb mie ber 
5rühlingsminb (Smenbolins h^ife^ XPangen fühlte, 
bie Sonne fo freunblich am Fimmel ßrahlte, frohe 
Pogelftimmen um ße erflangen, 30 g gan 3 liub unb leife 
bie Hoffnung in ihr armes, mißhanbeltes f}er 3 ein. Sie 
fdiritt rüßiger aus uub erfchaute aßes in einem 
freunblid^eren £icht. 

Pann faß ße im Küfterhaus in ber fleinen, niebrigen 
Stube am ruubeu Cifch, auf bem bie beften (Solbtaßen 
ftaitbeu, unb erß tiachbem 5rau HTormann unb (Srete ße 
mit felbßgebacfenem Kuchen unb buftenbem Kaffee gelabt 
hatten, burfte ße pon ihren Sorgen unb pläuen reben. 
Es fam ihr fo gar nicht munberbar por, baß bie alte 
5rau neben ihr auf bem Sofa faß unb ihre feine, 
fchlanfe £}anb $mifchcn ihren harten Krbeitshänben 
hielt, benn eine 5 üße pou £iebe unb taftpoß geäußertem 
HTitleib ftrömte auf ße ein Pie aße 5rau hatte (Bmeit* 
bolin, oh>ie ße 3 U unterbred^en, ausreben laßen; aße 
ihre «gufunftspläne unb ihre troftlofen Perhältniße hatte 
ße ber Klten mitgeteilt. Kudj als (Smenbolin 3 U Enbe 
mar, fchmieg 5rau HTormann, (Srete aber ergriß um fo 
lebhafter bas IPort: 

„3ch gebe bir in aßem recht, mas bu por haß I Pu 
foßß bich nicht an einen ungeliebten HTann binben, foßft 
aud] feine TPohlthaten pou beinen Permanbten ober 


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Seite { 636 . 


Bummer 35 . 


fonß jemaitb annehmen, bas würbe bid? auf bie Dauer 
3ur Bezweiflung treiben ! Uber bu follft aud? nid?t unb 
bu brauchß auch nicht, wie id?, bcin Brot mit einer 
untergeorbneten Arbeit 3U oerbienen. laß mid? aus* 
reben! 3et? weiß, was bu jagen willft. Du benfft, 
Arbeit iß Arbeit! 3 o, öos tneinß bu wot?l fo, aber 
ba iß ein gewaltiger Unterfd?ieb, mein liebes I}er3. Du 
t?oß ein fleiites Kapital, mit bem bu btr eine Uusbilbung 
perfd?affen fannß. Du i?oß fd?öne Sprad?Penntnifle, 
bie bu perwerten mußt. Komm mit nad? Berlin 
unb befud?e bort eine f?anbels(d?ule. Drei UTonate ge¬ 
nügen pollfommen, um bid? als Korrefpoubeutin aus» 
3ubilben. €ine Stelle ßubeß bu bann fd?nell, bie bid?, 
wenn aud? nid?t gl&nsenb, fo bod? einigermaßen ernährt. 
Unb bann por allen Dingen: wir 3iet?en 3ufammen. 
3n bem penßonat, in bem id? wollte, ßnbeß bu ein 
nettes Sirnmer." 

(ßweubolin war 5euer unb flamme. Uber bie alte 
5 rau UTormann fd?üttelte ben Kopf: „tBollen Sie 
nicht ben Hat meines Sohnes hören, pielleid?t aud? ein 
perftänbiges IBort meines Ulaitnes ? Sehen Sie, liebe 
Komteß, ber Sprung, ben Sie ba in eine {0 gan3 
neue IBelt tt?un, iß 3U groß, 3U unpermittelt." 

„Uber was (ßrete fann, warum foü id? bas uid?t 
aud? fönneit?" 

„(Bretel (ßrete I Das iß etwas gan3 anberes! Die 
iß pon flein auf in bem (ßebanfen aufge3ogen, einmal 
für ihren lebensunterhalt arbeiten 3U müffenl Unb 
leidet iß es aud? ib^r nid?t geworben I Bis bie ßd?. ein» 
gelebt t?ot — gelt, (ßrete, es floß manche tEI^räne l" 

(ßrete nicfte etwas fleinlaut: „3o, bas iß wohl 

wahr. Unb wenn mir lucian nicht fo treulich an» 
fangs 3ur Seite geßanben hätte, was hätte ich wohl 
angefangen I (Ein (ßliicf, baß er gerabe bamals in 
Berlin wart" 

Das feine (£>hr ber Ulten hotte Schritte auf 
bem (ßarteuweg braußen gehört, unb ße hätte ßch 
nicht geirrt, als ße erfreut ben Barnen ihres Sohnes 
rief. Da ßanb er im (Ehürrahmen, faß reid?te er bis 
oben an, ber ftattliche UTann. f?eute trug er nid?t ben 
priefterrocf. <£r erfchien (ßwenboliu barum frember als 
geßern, unb es fam ein eigentümliches (ßemifch Pon 
Berlegenhcit unb Betagtheit über ße, währeitb (ßrete 
in gut gemeinter IBeife, mand?mal etwas fd?onungslos, 
(ßwenbolins tage fd?ilberte. Unb als ob er ihre (Be¬ 
fühle unb (ßebanfen ahne unb empßnbe, jagte er plöfc» 
lieh, (ßrete unterbrechend 

„f?aben Sie wirflid? fchon alle UTöglid?Peiten er¬ 
wogen? (Biebt es benn gar feinen anbern Uusweg 
als biefen?" 

(ßwenbolin war es, als ob ße gewürgt würbe. 
Sie fchüttelte ben Kopf unb fagte gepreßt: „<£s giebt, 

fopiel id? aud? ßnne unb benfe, feinen anbern, £?err 
Pfarrer I" 

„ 3 d\ fenne Sie 3U wenig, Komteß, um beurteilen 
3U fönnen, ob Sie imßanbe fein werben, alle bie 
UTißhefligPeiten, benen tynte nod? bie arbeiteitbe 5 rau 
ausgefeßt iß, 3U ertragen. 3ch meine, ßegreich 3U über» 
winben, ohne 311 (Brunbe 311 gehen an ben taufenb 
BcReiflichen, benen bie[e pioniere ausgefeßt ßnb." 


„ 3 <h muß unb will — ich werbe IBege ßnben, 
bie 3um <§iel führen." 

„Dornenwege," fagte ernß lucian UTormann, „ßeile, 
fonnenlofe Pfabe." 

„Kd?," fagte bie alte 5rau, „mir fd?eint es hoch fo 
furd?tbar einfach. 3^h mag ja im (ßrunbe gar nid?ts 
pon ber Sache perftehen. 3 ^h fdjöpfe meine ZBeisheit. 
nur aus einem einigen Buch unb höbe bas Kapitel 
fogar pergeffen, aber es war unfer (trautest, unb er 
lautete: ,Der £?err entfenbet feine 3 ünger je swei unb 
5wei‘; unb bann glaube ich, es war wirflich fehr weife 
pon (Bott, baß er bem Ubam im parabies fd?on eine 
(ßehilßn gab. Das iß aber bas emsige, worin ich mit 
meinem Küßer nicht gait3 übereinftimme, inbem er mir 
immer entgegenhält, baß burch bas IBeib bie Sünbe in 
bie IBelt gePommen fei. 3 a , ** mag wohl fo gewefen 
fein in jenen alten feiten, unb bagegen fann id? 
nichts einwenben, aber bie Urbeit einer UTutter iß bie 
fd?önße unb feligße, unb barum holte id? nichts pon 
ben lebigen grauen unb nichts pon ben 3 un ggefellen. 
Uber id? bitte um Beleihung, wenn id? fo rebe, wie 
id?’s per flehe." 

lucian UTormann ßreid?elte bie ^anb feiner UTutter 
unb fagte: „Hed?t fo, UTutterd?en, pertritt tapfer beinen 
StanbpunPt! Uber höre mal — biß bu nicht felbß in 
Stellung gewefen, ehe bu 5 rau UTormann warß?" 

„3a wohl, ja wohl, ober id? war mit beinern 
Bater perfprod?en pon bem erßen Ball auf ber lieber» 
tafel an, unb id? wußte bod?, es nahm mal ein <£nbe, 
unb id? hotte bann ein Beß, wo id? hineinßattern würbe. 
Uber fo arbeiten unb arbeiten ohne eine tröftlid?e Uusßd?t, 
pieüeid?t einmal bas Spittel —" 

„IBarum benn," lachte (ßrete, „warum benn ge* 
rabe bas Spittel? BieÜeid?t erarbeiten wir beibe, (ßwen* 
bolin unb id?, nod?mal Seid?tum unb (ßlücf — aud? 
perad?te id? für mein (Teil bas 5 reien gar nicht! Uber 
man muß leben, barum arbeiten wir." 

„Da ßehß bu’s, UTutterd?en, naalfo!" niefte lucian 
UTormann freunblid? ber alten 5 rau su. „Da hoß bu’s, 
(ßrete iß gar nicht abgeneigt, beine IBünfche 311 erfüllen, 
ja ße perbürgt ßd? fogar mit für bie Komteß!" 

(ßwenboliu war es fo wohl ums b?ers geworben 
bei ben fd?lid?ten IBorten ber Ulten, unb bie refpeftpoüe 
Urt bes Sohnes ßößte ihr Sympathie unb Ud?tung ein. 

<£s war fd?on bämmerig geworben, als bie Kom¬ 
teß ßd? 3um (ßel?en erhob. Sie perfprad?, in ben 
näd?ßen (Tagen wieber3ufommen, um (ßrete ben lag 
ihrer Ubreife nad? Berlin mit3uteilen; benn (ßrete mußte 
fd?on nad? Pier Cagen wieber abreifen, (ßwenbolin 
war nod? burd? gefd?äftlid?e Ubmad?ungen unb Uege* 
lungen ihrer Derhältniffe ge3wungen, 3wei ZBod?en in 
£en3bad? 3U bleiben, lucian UTormann begleitete (ßwen¬ 
bolin nicht nur bis 3ur (ßartenthiir, er ging mit ihr burd? 
bie engen Straßen pon Censbad?, unb ße wunberte ßd? 
über ben mohlthuenben €inßuß, ben biefe fd?lid?te, siel- 
bewußte perfönlid?Peit auf ße gewonnen. Sie war eine 
aubere an feiner Seite. <£s wanbeite ßd? fo ßd?er neben 
ihm. €r nahm ihren Schritt an unb führte ße auf be¬ 
quemen IBegen h*int. Ulles, was er 3U ihr fprad?, 
ftärPte ihren UTut unb weefte bas (ßute in ihr, ja, als 


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Summer 35 . 


Seite { 637 . 



er ihr 3umKbfchieb bie I^anb reichte, bie fdpanfe, fd$n* 
geformte, mekhe ^anb, ber mau anfah, baß pe linbe 
über ein Franfes l}aupt jkeidjen fonnte mib Segen aus* 
teilte, mohin pe reichte, meinte pe mohlberaten uub mobb 
geführt 3U fein, menn pe biefe 5reunbeshanb galten fönne. 

Die Stiftsbame Farn aus ber Dermunberung unb 
ber Cntrüftung nidtf mehr oiel heraus in ben fornmen* 
ben (Tagen unb IDochen. (ßmenbolin mar fefyr farg in 
ihren ZHitteilungen, unb baburd? erhielt ber alten Ddme 
phantape Spielraum unb Sahrung genug. Sie reipe 
nach pier3etjn (Tagen ab, nicht ohne in langen Sriefen 
an bie gefamte Dermanbtfd?aft ihre Sefürdtfungen aus* 
gefprodjen 3U traben, baß (Smenbolin ber Familie noch 
mandies 3U raten aufgeben mürbe. 

* * * 

<£s fyatte bie gan3e Sacht gemittert, gegen UTorgen 
mar ein heftiger Segen gefallen. (Smenbolin trat im 
erften STorgengrauen über bie SdimeHe bes Daterhaufes, 
in bem pe 3ugenbjabre poll (SlücF unb <Slan3 perlebt 
hatte. Unb pe meinte, es fei gut, menn pe pet? ntd?t um* 
fd?aue. ©ft mar in biefen lebten (Tagen eine Cähmung 
aller IDillensFraft über pe gefommen. Sanges Der* 
3agen an ber eigenen Kraft, h^S* Sehnfucht nach bem 
rafchen Pulsfdpag ber £up unb ber 5 reube, ber bis jefet 
ihr Sein unb £eben begleitet b^tte. KHes mar ba* 
hin, perfebmunben, mußte ausgelöfcbt fein, gumeilen 
famen bittere Kugeriblicfe, unb einer bauen mar, als 


man bie eblen Chiere bi nau sfübrte unb a ^ s H?ogen ber 
Dersmeiflung über pe 3ufammenfcblugen. Dann meinte 
pe mobl beifc* (Thräneit, unb hoch raffte pe pd? immer 
mieber auf, unb bei bem (ßebanfen, frei unb allein auf 
pcb felbff geffellt 3U fein, meitete pcb ibre Srup. Sie 
Precfte bie Krme empor unb empfanb mohlicj bie ge* 
päblte Kraft ihres jungen £eibes, ber pdi gegen 
gmang unb fjerrfd^aft jeber Krt aufbäumte. „3ch merbe 
mein Schicffal meipern. 3 <* i<h mill unb merbe bas.* 
Unb biefer (Sebanfe erfüllte pe auch, als pe sum Sahn* 
bof febritt. 

(San3 mie es einem armen Stäbchen 3ufommt, nur 
mit einer Keinen ^anbtafebe — ibr (Sepäcf mar als 
5radpgut porausgefebieft — manberte pe babin. <£s gab 
ibr feiner bas (ßeleit, pe hatte es fo gemollt. 21uf bem 
Sahnhof ftanb £ucian STormann. €r brachte (Brüße 
unb Slumen unb ein päcfchen mit STürbefuchen, bie fein$ 
forgfame STutter für bie junge (Sräpn gebaefen hatte* 
€r löpe ihr bas Sillet britter Klaffe, forgte für einen 
möglichP bequemen plaß unb reichte ihr mit einem 
bemegten: „2luf IDieberfeben unb glücfliebe Seife I" bie 
f}anb 3um Kbfchieb. Sie mar 3U febr mit ihrem eigenen 
fje^eleib befd]äftigt, um 5U bemerfen, mie perfchleiert 
unb meh feine Stimme Flang. 

„Sahnhof 5 riebrichPraßeI" €in Klappen, Saffeln 
unb Schnaufen, ein Drängen unb Stoßen, eine be* 
flemmenbe, übelriechenbe, oerbrauchte £uft emppng 


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Seite J 638 . 


Hummer 35 . 


(ßmenbolin nach fünfftünbiger 5a^rt in bem unbequemen 
IDagenabteil. <£s mar feine Seele am Hahnhof, fie ab* 
3uholeit. Hub bas mar ihr faft lieb/ benn aüju 
munb unb meh fab es in ihrem 3mtern aus, um 
f} 5 flicbfeitspb ra fen mechfeln 3U fömten. €iite Drofchfe 
brachte fie 3U 5 rau Herger tu ber 3 eruialemer Strafe, 
biebt an ber Kirche. Sie lohnte ben Kutfcher ab unb ftanb 
einen Hugenblicf ftiH, ehe fte bie SchmeHe ihres neuen 
Heims überfchritt. Das teben ber (ßrofcjtabt mogte unb 
flutete an ihr porbei. iDürbe fte bar in untergeben, 
ober mürben bie IDogen fte tragen, an jenes Siel, 
bas ihr, ach fo unflar, noch porfchmebte? 

„penftonat für 3”* unb Huslänber" ftanb auf bem 
fleinen po^ellanfchilb oben an ber Chär. Die 3ulänber 
beftanben aus brei jungen Damen, bie in beit nahe* 
gelegenen Konfeftionsgefchäften arbeiteten, unb einer 


peuftonierten Cehrerin. Die Kusläitber festen fich aus einer 
armen Hute rif an er in, bie englifchen Unterricht erteilte, 
unb einer polin 3ufamnten. 

5 rau Herger mar eine Dame in mittleren 3<*hren. 
Sie mar eine gute Hausmutter, unb feiner brauchte 
Klage 5U führen, ber fich ihrem ftrengen Regiment fügte. 
Sic hielt aufHnftanb unb Sitte, bas mar ihr höchfterHuhm. 

(ßmenbolin fanb ein einfaches, aber peinlich fauberes 
«gimnter. Derftänbnispoll nötigte 5 rau Herger (ßmeit- 
boliit nicht, an ber allgemeinen Ulittagstafel teil3uuehmen, 
fonbern brachte ein einfaches Ulahl auf ihr <§immer. 
Sie hatte eine nterfmürbig bisfrete Hrt, biefe fchlichte 
5 rau. Sie beläftigte bie Hlübe meber mit 5 ragen, noch 
mit gleichgiltigen (Ersählungen, unb bas nahm (ßmenbolin 
pon pornherein aufterovbentlich für fte eilt. 

Jfortfe^ung folgt. 


Die färbe in der ?rauenkleiduna. 

Hlobeplauberei pou paula IH in Fl er. 


Hirgenbs ift bie 2 UImacht ber Suggcftion pollfom* 
mener, als auf bem (ßebiet ber Ulobe. Hod} por menigen 
HTonaten mar bie Sufammenjtellung eines gemiffen 
(ßrüit mit einem gemiffen Hlau ein Unbing, eine <ße* 
fchmacflofigfeit. Da hat ein fpefulatiper Sdmeibergeiji 
ein Ding in eben bem (ßriin unb eben bem Hlau als 
Kugel ausgemorfeu — unb ber 5 ifd?e, bie anbeijjen, 
gab es eine UTenge. ©ber es mar pielleicht eine ber 
HTobefürftinnen unter beit Hiihuenfünftlerinuen, bie einen 
HFt lang bas Blau unb <ßrün überjeugenb 5U tragen 
perftanb. 

Unb nun ift es ntöglidi — nidit nur ntÖJilid?, nein, 
fchÖn, be3aubernb, es geht nichts barüber unb, mie bie 
betreffenben Cabeitbeftfcer perftcberit: „3ebe elegante 
Dame muß ein Koftiim in biefer Sujanimenftelluug 
haben." 

U)ie ift es nur möglich, ba§ biefe felbe Sufammen» 
ftellung, bie uns por Fursem fdjauberhaft, gemöhnlich, 
unäfthetifch erfchien, uns nun mit einem Hlal über alles 
rei3Poll porfomntt? 

TDas mir nächftes 3 a ^ r tragen unb fchön ftitbeit 
merbeit, l\aben bie H* rr eu Schneiber unb 5 abriFantett 
längft beraten unb 511m (Ceil hergejtellt. Wh fmb bie 
Marionetten, bie fld? gehorfamft am Dräschen be* 
megen. €s ift nicht fehr angenehm, ftch barüber Flar 
3U merben — bas geb ich 3a — aber notmenbig ift es 
pielleicht. Denn piele unter uns machen bod} Knfpruch 
auf eigenen (ßefd^ntaef unb eigenen IDillen. ZTTait fönnte 
barauf antworten, es gäbe ja genügenb Husmahl, 
31111tal in großen Stabten. Dennoch ift bies ein 3rrtum. 
Die Kusmahl in Farben, (ßemeben uitb Kufpuft ift un* 
gemein befchränft. Sie umfaßt nichts meiter, als mas 
bie 5 abrifanteit für je eine Saifoit auf ben Ularft 3U 
geben belieben, unb etma bie Hefte ber porigen 3 a hre. 
Das ift alles. (Etliche perfchiebeite (ßemebe unb einige 
5aiben in mehreren Hitancen, bie gerabe porrätig ge* 
halten unb ber Dame, bie 311 mahlen glaubt, mit un* 
bemerfter, fanfter (ßemalt aufge3muugcu merben. 

Hur jene, bie für Unfuntmen (Ecilettegegen* 
ftänbe pon ben IDeltfirmen be3iehn, entrinnen biejem 


SchicFfal, fomie jene felteiten, bie mit Fiin{tlerifd:cm 
Derftänbnis unb felbftänbigent <ßefd7inacf 5U fuchen per* 
ftehn. <£s giebt mirFltch ebles, unpcrborbenes Material 
in mirFlid? reinen unb guten Farben. 3 <h habe es 3m 
meilen bei Hauern gefunben, 3umeilen bei fleinen 
U)ebern unb 5ärberit, bie nach alten Dorfd?riften per¬ 
fahren, jumeilen freilich aud? auf ben Cagerit pou aus* 
länbifchen 5abrifen, bie für ben raffinierteren Curus 
forgeit. (Chatfad^e ift nur, baß bergleicben niemals in bie 
breiten Schichten feinen IDeg finbet uitb faft niemals in 
ben Ulobebasareu porrätig aufliegt. 

Hidtf, baß ber (ßefchmacf überhaupt ftch manbelt, ift 
bas (CabeInsmerte, ja Crfd^recfenbe au ben Mobe* 
ftröntungen. <£s ift natürlich unb gut, bafc eine (ßene- 
ration ihr 3^eal pon (ßemaitbung langfant perpoll* 
fomntnet uitb ausreift, baß eine junge ftch ein neues 
mählt unb bies perebelt. Über baß bas, mas heute 
bie höchfte <£legan3 barftellt, in 3mei 3<*hreit als abfolut 
abgethan, unfein, häßlid? unb entftellenb gilt, ift Unnatur 
unb tDiberfinn. 


€in Kleib mirb erft auf bem Körper ber 5 rau, für 
bie es beftimmt ift, feilte leßte Heurteilung ftuben. €s 
fann an unb für ftch uollenbit fchön fein in 5arbe, 
5 ornt unb Schnitt unb hoch au feiner (Trägerin abfolut 
unäfthetifch mirfen. Das ift eine (Ehatfadje, bie pou 
pielen unb oft perfannt mirb. Man glaubt ziemlich 
allgemein, ein an ftch fchönes Kleibungsftiicf müffe jebes 
hübfebe, meibliche IDefen porteilhaft Fleiben. 

3 n ber IDahl ber 5 <*rbe merben un3ählige Süuben 
begangen. <£s giebt eine feftftehenbe Hnjatjl pou (ßroß* 
ober Urgrormutterfpriichen — pielleicht ftnb fie aber 
nod? piel älter — bie ba mit abfoluter Sid^erheit per* 
Füitben, mas Hlonben, Hraunen unb Schmar3en am 
beften anfteht, mas für Schlaufe unb Starfe taugt, 
mas für Kleine ober (ßrofte. 

IDie rei3Poll bas ärjperiment ift, fcheiitbar fpröbe, 
ungemöhuliche Cöne eiitanber 3U permähleit, unb mtepiel 
reijooller oft nod] bas Hefultat, bas miffeit bie meuigften. 


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Nummer 35 . 


Seite \ 659 . 


2t^ncn überhaupt »iele, wie bas felbfHhätige Sd?affen 
ber 5rau an ber Kusgeftaltung ihrer (Semanbung bem 
(ßenuß bes Künftlers, ber am Werfe fchafft, gleicf?- 
fommt? Dod? t»of?l nicht, fonjt überließe man bies 
nicty meift gleichgütigen SpeFulanten. 

Ein (Brunbfaß fann als <8egenteil 511 jenen trabitio* 
neflen Sprichwörtern obenanftehen: nichts ift abfolut 
fd?ön, nichts abfolut »ermer flieh. 3” ber IPahl öer 
5arbe, in ber tPal?l ihrer Perbiubungen giebt es feine 
Segel. Sie (Erfahrung entfd?eibet unb bas Erperiment. 
Ein Beifpiel! (Eine Nothaarige »out Kopf bis 3um 
5 uß in leuchtenbes (Selb 3U Fleiben, ift ein Einfall, bem 
gegenüber bie meijten fid? fFeptifch »erhalten merben. 
Selb Fommt ja nach einem jener Sprüd?e nur ben 
tief Brünetten 3U. Sun h<*be id? einmal eine rothaarige 
5rau in einem gelben (ßefellfchaftsFleib gefehn. freilich 
muß id? fagen — es mar ein ausgefprochen fd?önes, 
reittrafftges, temperamentvolles (ßefd?öpf »on einer ge* 
miffen, beinah überraffinierten <ßra3te — unb bes- 
gleichen mar es ein auserlefen fchönes (ßemanb. 

Das Bilb biefer 5 rau in biefem gelben Kleib ifl 
mir burch 3 <*hre gegenmärtig geblieben. So oft es 
mir »ors geiftige Kuge tritt, fchafft es mir bas tiefe 
unb ftarFe (Befühl jener äfthetifchen Befriebigitng, bas 
ein meifterhaft gelöftes, Fünftlerifches Problem ermeeft. 

Diefe 5 reube mifcht fich manchmal mit ber eigen¬ 
tümlichen Porfteüung, es fei bas Bilb einer ber großen 
alten PTeijter, bas in meiner Porfteüung fo ftrahlenb haftet. 

Manchmal ift bas (ßemagte ober »ielmehr bas, mas 
bem allgemeinen Sinn fo erfd?eint, bas Befte, unb 3U 
ber thatfäd?lid?en Schönheit gefeilt ftd? bann ber Nei3 bes 
Seitfamen. Kber mie feiten ijt ber PZut 3U fold?en IPag* 
niffen. XPie menig Erfolg hatten bis jeßt alle Beobach¬ 
tungen ber Künftler auf bem (ßebiet ber (Toilette! tPie 
menig grauen mürben ftd] mit einem jener Koftünte, bie 
mir nur auf Kusfteüuugen ober in Funftgemerblichen 
<3eitfd?riften 3U fehn befommen, unter bie £eute magen, 
felbft wenn fte es für »oüenbet in jeber Be3tehung hielten 
ober wenn es fie munberooü Fleibete. 

Plan »erfud?e hingegen, bie ntaßgebenben PTobe- 
jourttale barnit 5U füllen — Perfuche in biefer Sichtung 
merben t>on ben »orgefchrittenfteu Seitfchriften ja fd?on 
gemacht — ober man fteefe eine erflärte PTobelömin in 
ein folches Koftüm, uub*ber Erfolg mirb balb ber benFbar 
größte fein, freilich aber aud? nur infofern, als biefe 
unb ähnliche Kleiber allgemein, aber in geiftlofer Nach¬ 
ahmung getragen mürben. Unb bas ijt* ja uid?t ber 
Enb3med ber Bemegung. 


3n ber IPahl unb Kumettbung ber 5arbe haben mir 
eine große, »ornehme PTeifterin, bie ftd? nie »erjagt — 
bie Natur. PTattd?e mirb barüber lächeln — ungläubig 
lächeln. 3 d? Farn »or einigen 3 a h^en nad? (Tirol, in 
ein 3iemlid? entlegenes (Thcü, mo unter anbern ^reunben 
einer lebt, ber ein PTeifter in unferm neuen Kunftgemerbe 
ift. Unmittelbar aus einer uitferer (ßroßftäbte Farn id? 
hin. Nun bin id? mein Cebtag grellen Farben an 
meiner Kleibung nicht biolb gemefeu unb habe fte »on 
je gentieben. Unb gar bamals, als id? in jener 
<S 3 roßftabt lebte, mar id? gerabe3U farbenfd?eu ge¬ 
worben, meil ber PTißbraud?, ber bort von ber minber 
cjcbilöeten 5rauenmelt mit fd?reienö bun’en Farben ge¬ 
trieben mirb, mein Kuge beleibigte. 

So alfo Farn id? nad? (Tirol unb mar recht fehr 
erftaunt, als mein 5reunb, ber Kunftgemerbemauu, mir 


nicht gerabe höflich, aber in treuher3tger unb freunb* 
fd?aftlicher PTeinung anpertraute, baß meine Kleibung 
in ihren (Tönen ihn an einen fd?led?ten 5 arbenFafteu 
gemahne. Nun maren mir meine Farben in meiner 
früheren Umgebung fo ungemein ruhig unb 3umeilen 
faft traurig erfchienett. 3d? fah aber balb, mie fehr 
gerecht ber Fameraöfd?aftltd?e Spott mar. 

XPas gegen bie anilingetränFten Stoffmeitgen ber 
(ßroßftabt »erblichen, matt unb bunFel gefd?tenen hatte, 
ftad? hier 3t»ifd?en ben grau»ioletten Schroffen, 3t»ifd?en 
ben braunen unb grünlichen (Tönen bes IPalbes ber« 
maßen un»erfd?ämt unb falfd? gegen bie reinen unb 
mahrhaften 5 arben ber Natur ab, baß id? mid? in 
meinen f?üüeu befd?ämt unb unglücFlid? fühlte. 

Unb id? lernte fet?en. 

Der rote, glüheitbe Plohn im grünen 5 elb ftanb fo 
marrn ba unb fd?miegte ftd? fo meid? ins (Brün ber 
Kehren, unb ber »iolette (Tuff meines Ejutes, ber mir 
»orher faft 3U tantenhaft matt für meine 3ngenb er* 
fd?ietten, fprang perftb unb aufrei-enb aus ben 5arben 
ber Umgebung heraus. 

2Pie mar bas (Brau meines Plantels hart unb 
fted?enb gegen bie 3arten, fünften unb bod? fo leud?tenben 
(Töne ber Bauntrinben! 


Kusnahmslos gut unb braud?bar in Be3itg auf bie 
5 arbe in Fünftlerifcber unb praFtifd?er Beziehung ftnb 
jene nad? altem Pe3ept mit pflaii3lid?cn ober tierifd?en 
Stoffen gefärbten (Bemebe. freilich ftiütben einer IPieber* 
aufnahme biefer 5 ärbemett?obe unenblid?e Sd?mierigFeiten 
entgegen. 5ürs erfte ift bas färben mit jenen Farben 
eine mirFlid?e unb fehr Fompli3ierte Kunjt, 3meitens 
mürben bie (Bemebe bnrd? bie KoftfpieligFeit eiit3elner 
5arbftoffe teilmeife beträchtlich »erteuert merben, unb 
enblid? ift bie Kusmaht ber her»or3ubringenbeu Nuancen 
»ie( Fleitter als bie meift aus PTiiteralieit gemonitenen 
5 ärbemitte( ber mobernen (Ted?niF. 

hingegen ftnb bie 5ärbemittel ber Klten nid?t nur 
»om äfthetifchen StanbpunFt aus viel fd?öner, reiner 
unb befriebigenber unb laffen in entfpred?enber 3u- 
fammenfteHung einmanbfreie IPirFuitgen er3ieleit — man 
benFe an alte ^anbarbeiten unb (Teppiche — fte ftnb aud? 
»iel mehr geeignet, ben 3erjtörenben Einflüffeu bes £id?ts 
3u miberfteheit, unb greifen außerbem bie (ßemebefafern 
nid?t an. Paß bie mineralifd?en 5 arben ben gefärbten 
Stoff 3umeilen burd? ihre 3erfeßeitbeit Elemente menig 
miberftanbsfähig 3um (ßebraud? machen, ift ja aübeFannt. 
3 m Perbleid?en unter bem Einfluß ber Sonne, ja felbft 
bes eleFtrifd?en €id?ts entjtehen bei bem mit minera(ifd?en 
Stoffen gefärbten (Bemebe 3unt Ceil fehr unangenehme, 
ja bireFt mibermärtige (Töne. PTan benFe an ben fal¬ 
schen, bas Kuge beleibigenben Stid? ins Note ober (Brüne, 
ben (Brau häufig annimmt. Natürlich ftnb aud? bie 
pflansenfarbeit einer gemiffen Peränberung unter bem 
Einfluß bes £id?ts ausgefeßt — jebod? »oÜ3ieht pch, 
mie gejagt, biefer pro3eß »iel langfamer, unb, mas fehr 
bemerFensmert ift, felbft bie »erblaßten unb »eränberten 
(Töne behalten unbeftritten ftarFe, ntalerifd?e, beForati»e 
unb Stimmungsmerte für ben äfthetifchen Betrachter. 
So erinnere id? mid? einer alten, »erblid?enett Borbüre 
in blaßern Not unb gebecFtem (ßolb, bie auf einer 
mobernen bräunlid?*hellert Seibeitblufe gan3 eigentümlich 
fd?ön 3ur (ßeltimg Farn. 

Es giebt nod? eine Schule bes guten <8efd?macFs in ber 
Behanbluug ber 5 ^rben bei ber 5 raueutoilette — bas 


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Seite 16 ^ 0 . 


Kummer 35 . 


ftrib bie großen alten unb mobernen HTeijler in ihren 
Bilbniffeit unb DarfteGungen von beFleibeten grauen 
aller «Seiten. Auch hier mürbe jebe moberne Durch* 
fchnittsbame lächeln unb ermibent, ftc perlaffe ftch 
fchon lieber auf ihren Sdpieiber ober auf ein gutes 
3 ournaI. 

Unb bennod? bin ich ftdjer, baß bie HTeifter ber 
HTaterei bie befle QueGe bieten, aus ber bie großen 
Schöpferinnen ber HTobe ihre Anregungen nehmen. 
HTan benfe an bie Dufe, bie über unb außer aller 
UTobe fieht, auch in ihren ©emänbem. HTan fehe fte, 
felbji in mobernen Hollen, in ihren Kleibern. Ulan er¬ 
nennt an- btefen tmmberbaren E}üGen, an bem Schnitt 
unb an ber 5 arbenbehanblung ihrer Koftüme, bie ftd?er 
fein Sdjneijber erfonnen hot, fo über alles beutlich, baß 
biefer ©efchmacf unb biefe Phontafte an ben größten 
Vorbilbern, an ben italienischen HTeiftern ber großen 


Seit fleh genährt hoben unb über Jie hmous 3U einer 
eigenherrlid^en, bilbnerifchenunb Foloriftifchen ©ejTaltungs- 
fähigfeit in ber ©emanbung gelangt ftnb. 

3ch habe an pielen grauen beobachtet, baß gute, 
fünjHerifche DarfteGungen pon befleibeten meibltchen 
IVefen eine bebeutenbe Anregung für ihren ©efchmacF 
bilben, unb ich möchte beinah tagen, baß ich nach bem 
foloriftifchen Straßenbilb ihrer grauen auf bie fünjUerifd^e 
tErabition einer Stabt fchließe. 

(Eaufenb Dinge mären ba noch 3« fagen: über bas 
Verhältnis ber färben 3U einanber, über bas Verhältnis 
ber Farben 3U ben perfchiebenen Arten ber Beleuchtung, 
bas fte je nach ben Umftänben perlieren ober geminnen 
läßt. £ins noch 3um Schluß: es giebt eine Ausmahl »an 
Huancen, meifi ftnb es heGe, ftarFe Cöne, bie nie als 
große flächen auftreten foGten, in geringem UTaß per* 
menbet, jebod? pon Por3Üglicher IVirfung ftnb. 


G = z 2 Q - o 

Die Kinder de$ Präsidenten Roosenelt. 

mit 7 pf]otograpt|ifd?en Uufnatjmen. 


Als 3U Beginn biefes 3 ot?res bie offoieGe ©rauer- 
periobe um ben ermorbeten präftbenteit UTc Kinley 
abgelaufen mar, galt bie erjte feftliche Veranfialtung 
im „IVeißen Ejaufe" 3U IVafhington ber ältefien ©ochter 
bes neuen Staatsoberhaupts. UTiß Alice Hoofepelt, bie 
feit ihrer patenfehaft bei ber ©aufe ber beutfdjen 
Kaiferjacbt „HTeteor" bie intereffantefte junge Dame in 
ben Vereinigten Staaten gemorben ifl, mürbe fur3 por 
ihrem neun3ehnten (ßeburtstage in bie ©efeGfd^aft ein¬ 
geführt. Seit ben Texten ber re^enben DoGy UTabifon hat 
mohl faum eine holbere HTäbchenblüte im IVeißen ^aufe 
bie ihr bargebrachten Ejulbigmtgen entgegengenommen. 
IVenigftens beherbergt bie Beftbetz bes ©berhauptes 
ber Union 3um erftenmal feit einem halben 3 ohrh u *tbert 
mieber eine ©ochter, bie foeben bie (Stenge bes Bacf* 
ftfdialters überfchritten hat unb als lebensfrohe Debütantin 
häufig ber HTittelpunFt einer Schar heiterer junger 
HTenfchen fein mirb. Auch ftlberheGes Sachen unb 
frohes ©eplauber aus Kinbermuitb hoben bie UTauerrt 
bes Kaufes am Safayette-Square lange nicht pernommen. 
Drei Buben pon fünf, fieben unb elf unb ein butt fei* 
locfiges HTäbel pon neun 3 a hren — ber pier3ehnjährige 
ältefte Knabe befucht bie Schule 3U ©roton, HTaffachu- 
fetts — helfen ber ermachfenen Schmefter bie lefeten 
Schatten jener etmas (chmermutspoGen Stiüe perfcheuchen, 
bie in ben Häumen bes „tVhite ^oufe" herrfchte, als 
HTc Kinley mit feiner leibenben ©emahlin bort meilte. 

Unb über all ber 5 röhlichfeit, pon ber jefct bie 
IVänbe bes präftbentenftßes mieberhaGen, fchmingt mit 
gra3iöfer Ejanb eine 5 rau bas g>e\>te r, bie mie faum 
eine anbere gefchaffen ijt, eine folche SteGung aus3u- 
füGen. Die 3meite ©attin ©heobor Hoofepelts, geborene 
©bith Kermit ©arom, eine fchlanfe, mittelgroße ©eftalt 
mit fchn>ar3en Augen, bunflem Ejaar unb elfenbeinmeißem 
©eint, befißt in hohem UTaß bas ©alent, fleh in jeber 
Sebenslage fofort 3urecht3uftnben. 3af?re hm&urch hat 
fle in ber HeuyorFer ©efeüfchaft eine herporragenbe 
BoGe gefpielt. HTit bejtern Hefultat leitete fte gleich¬ 
zeitig perfchiebene Ejausmefen, unb mas bie ©rjkhung 
ihrer Kiuber — ber Stieftochter unb fünf eigener 


Sprößlinge — anbetrifft, fo fanit man ihr nur feine 
Bemunberung ausfprechen. 5 rau Hoofepelt pereinigt 
in ihrer liebensmürbigen, äußerft fympathifchen perfon 
in ber tEhat aGe ©igenfehoften, bie pon ber f}errin bes 
IVeißen Ejaufes nur perlangt merben Fönnen. Daitf 
ihres feinen Caftgefiihls, ihres Kunftoerjtänbuiffes unb 
ihrer Belefeuheit perfügt fle über fo piel Anmut unb 
©emanbtheit in ber Unterhaltung, baß bie gelehrteren 
HTäuner ein Vergnügen baran haben, ftunbenlang mit 
ihr 3U plaubern. ©bmohl Befcheibenheit unb SurücF* 
haltung bie ©ruub3Üge ihres IVefens bilben, perjteht 
fte es hoch, fobalb bie Situation es erforbert, bie mirf* 
liehe „große Dante" heraus3uFehren. Sie befifct bie 
(Babe ber mahrhaft oornehmeit 5 rau, auf ber Straße 
nicht bie minbefte AufmerffamFeit auf ftd? 3U lenFen unb 
hoch, fomie es notmenbig mirb, ber großen HTenge 
gegenüber3utreten, bies mit Sicherheit unb ©legans 3U 
thun. Hiemanb mürbe geahnt haben, baß bie fchmar3* 
geFleibete, bicht perfdileierte Dame, bie mit einem 
Fleinen Knaben an ber Ejanb am ©age nach bem ^in* 
fcheiben HTc Kinleys ben ©jtra3ug beflieg, ber fte pon 
3 erfey City nach IVafhington bringen foGte, bie gleiche 
mar, bie in e^qiiiftter parifer ©efeüfchaftstoilette in 
hoheitspoGer Haltung an ber Seite ihres ©atten bie 
©äfte empfing, bie an bem erflen formeGen Diner teil* 
nahmen, bas ber neue präftbent im Kapitol 3U Albany 
peranftaltete. 

Als ©bith Hoofepelt noch HTäbchen mar, pflegte 
man pon ihr im Sd?er3 311 fagen, baß fte mahrfcheinlid? 
nie heiraten bürfte, ba fte unter ihren 3ahlreid?en Äreun* 
binnen bie einige fei, bie eine mirFlid? ibeale ©attin 
unb TTTutter merben mürbe. Unb fte heiratete auch nicht 
eher, bis fte bei faft aGen 3 agenbgefährtinnen Braut¬ 
jungfer gemefen mar. Dann erjl lernte fte ben jungen 
IVitmer Fennen, ber halb bie Ueber3eugung gemann, in 
ihr fein perlorenes ©lücf mieber3uftnben. ©r hot fleh 
nicht getäufcht. Hach beenbeter ^och3eitsreife inftaGierte 
Cheobor HoofepeG feine ©attin 3uerjt als Ejerrüt feines 
ibvGtjch gelegenen Canbftßes in ©yfter Bay unmeit Heu- 
yorF. Unb hier ermartete bie Heupermählten ein blottb- 


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Chcodore Roofevett. 

Zuneigung an ber Stieffchtpejier toie an ihrem Weben, 
Meinen ZTCütterchen — „dear little mother“ totrb Frau 
Hoofeoelt fafi jiets pon ben 3t^rtöen genannt. 

We r fich pon bem rei3enben Familienleben ber Hoofe* 
velts einen Segriff machen tx>iQ r ber muß fie in ©yfter 
23 ay, n>o fte, rote alljährlich, auch jefct ben Sommer 
perbringen, beobachtet hoben. Da fieht man oft eine 
Heinere ober größere (ßruppe auf bem Hafen im 
Schatten einer mächtigen Huche gemütlich gelagert. 
Den ZTiittelpunft bilbet Frau Hoofepelt, unb auf ihrer 
£>anb ober ihrem Schoß erblicft man irgenbein rounber- 


HUce Roofeveit. 

rinbe entbeeft, auch eine Blume, pon ber man noch 
nichts treiß, bie bunte Feber eines feltenen Dogels unb 
bergfeichen an unb für (ich tpenig trunberbare Dinge 
mehr. Für bie Präfibentenfinber aber befißen biefe 
Fuubobjefte, bie fie in freubiger Erregung ber ZlTutter 
bringen, bas tieffte 3nteref[e. Denn ZTCrs. Boofeoelt 
ift eine poetifche, phontafiepolle ZTatur unb tpeiß ihren 
atemlos laufchenben Kleinen in Be3ug auf jebe neue 
„<£ntbecfung" ein tpuuberhübfches ©efchichtchen 3U er- 
3ählen. Dann muffen bie Kinber felbft ein Keines 
ZTCärchen, in bem ber Funb bie rpichtigfte Holle fpielt, 


Hummer 35 . 


locfiges, 3ierliches JTläbchen, bie breijährige Klice 
Hoofeoett. Dies Kinb nahm bie neue ZHrs. Hoofepelt 
im ipahrfien Sinn bes IDorts an ihr I}er3. 3 hre eigenen 
Kleinen iiaben feinesmegs mehr Ciebe unb Sorgfalt 
empfangen als bies Kinb, bas es nie 3U fühlen brauchte, 
bie rechte HTutter perloren 3U hoben. 

Die Kinber aus 3tPeiter €he: Chlore, Kermit, 
2 trchibalb, €thel unb Quentin höngen mit ebenfo inniger 


Seite 1631 . 

bares <£ttpas, über bas fich bie blonben unb braunen 
Kinberföpfe in ertpartungspoüer Spannung beugen* 
Manchmal ift es ein ihnen noch unbekannter Käfer, ber 
halb feine farbenfchiüernben Flügelbecfen hebt, bie fein 
barunter gefalteten transparenten Flügel ausbreitet unb 
unuerfehrt fummeiw baoonfliegt. häufig ift es nur ein 
Stein, ein bißchen HIoos, etrnas £}ar3 ober eine 3art* 
grüne Flechte, bie man 3um erfienmal an einer Baum« 


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Sexta \6<k2. 


Hummer 35 . 




Hrdtfbald Roorerelt. 

erftnöen unö 3um beften geben. 2 Iuf biefe IPeife tveeft 
unö ftimuliert öie Hlutter in ihren Sprößlingen öie 
€inbilbungsfraft, Öen Sinn für alles Schöne unö poe- 
tifche in öer Hatur unö impft ihnen fomit 
öie ihr fetbft in fo hohem ZRafj verliehene 
unfdjäfebare 5ähigfeit ein, öas gan3e Ceben, 
öie ganje tPelt öurch rofenfarbene, golb- 
umränberte (ßläfer 3u fehen. Hur fo fann 
nach 5 rau Hoofevelts Knjtd# ein HTenfch 
tvafjrhaft glücflid? fein. 

Pater unö IHutter thun alles, um m 
Öen Kinöern öie Ciebe 3ur Hatur, 3U Öen 
(Eieren unö vor allen Singen 3U ihren 2 Tlit- 
menfehen recht feft 2Pur3el faffen 3U laffen. 

Had? X}er3ensluft öürfen öie Knaben tvie 
öie Hläöchen fich im freien tummeln unö 
jeöe Krt Sport betreiben, 3U öer fie £uft 
bejeigen. 2 TTit erstaunlicher (ßetvanbtheit 
flettern öie 3 wngen in öem üppigen Slätter- 
öaeh öer Säume umher. Krchibalbs 
£ieblingsaufenthalt ijt in öer Krone einer 
Syfontore, auf bereu einem 2 lfi er oft 
viele Stunöen, mit £eftüre befchäftigt, 3U- 
bringt. Hebenbei (ei bemerft, bafj Srau 
Hoofevelt (ehr tvählerifch ifi betreffs öer 
Siidier, öie fte ihren heramvad?fenben Kin* 
öern 3U lefen erlaubt. Pon öen üblichen 
3ugenöfd7riften hält fte nid# viel. 2lm 
liebfteit ficht fte es, tvenn öie beiöen 


älteren Knaben unö €ihel ftch in naturgefchichtliche 
IPerfe, von öenen eine reichhaltige Sammlung im 
Jjaufe ift, vertiefen. HTife Klices Cieblingsautoren ftnb 
Hlereöith, Scott unö (Ehacferey, unö ihr tvie ihrer 
Hlutter Cieblingsöichter ift Srotvning. „(Eeööy' 4 inter- 
efjtert (ich am meinen für (Eh°reau unö Jjnpley. 

3 n ®yfter Say öürfen öie Kinöer fich eine Unmenge 
von vierbeinigen unö gefieberten „pets" halten. Sa 
giebt es eine gatt3e HTenagerie von Kaninchen, Hleer- 
fchmeittchen, ^uitöen, Kafcen unö adern möglichen <ße- 
flüigel. 3 e*>es öer (ßefdjöpfe hat feinen fpe3ielien Hamen, 
unö fobalö eine Hachfommenfchaft eintrifft, tvirö ge- 
tviffenhaft (Eaufe gehalten. 5 rau Hoofevelt unö ihre 
Stieftochter reiten viel 3ufammen aus. Sie tvirfen 
betöe (ehr öijiinguiert im Sattel. 

Ser ehemalige fühne Anführer öer berühmten 
„Rough Riders", öes aus Sportsmännern öer bejieu 
Kreife unö (Eotvboys von Öen prairien Heume^ifos 
unö Kr^onas gebilöeten ireitvtlligenforps, läfet feinen 
älteßen Sohn, öer fchon jefct ein perfefter Heiter unö 
troft feiner vom Pater geerbten Kur3fichtigFeit ein 
ftcherer Sd^üfte iß, an aüen Sportfpielen teilnehmen 
unö fogar im — regelrechten 5auftfampf unterrichten. 
(Er hegt öie HTeinung, baß ein HTann nicht nur mit 
fämtitchen IPaffen um3ugehn tviffen müffe, fonöern auch, 
tvenn er unbetvaffnet iß, fähig fein (oll, einen Angreifer 
ab3ufd7i\tteln. Seine jüngern Knaben lehrt er felbß, 
tvie man von feinen 5 äuften Öen beften (Sebraudj macht. 
(Er hat es als Ktnö an feinem eignen, nur fditvädßidj 
getvefenen Körper erfahren müjfen, baß es recht 
fchmei*3haft unö öeprimierenö tvirft, tvenn man von 
feinen Schulfumpanen tvinöeltveich geprügelt tvirö unö 
ftd? nid# revand#eren fann. 2lls liebevoll bejorgter 
Pater tvill er feinen Sprößlingen erfparen, ähnlich trübe 
(Erfahrungen 3U machen. Sie foüen in öer tage fein, 
jeöe tvährenö öer Schuljahre an fte ergehenöe 2 tuf« 
foröeruttg 311m 5 außfampf mit Pergitügen ait3unehmen 
unö 3U 3eigen, baß fte echte Söhne öes unerfchrocfenen 
(ßenerals öer „Hauhen Heiter" finö. mary ©berberg. 


Kennt t Roofevett. 


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Hummer 35 , 


Seite \ 6 $3 




Quentin Roofevelt. 


präfidcnt Roofevelt im Sattel« 




etbel Roofeveit. 


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Seite J 644 , 


Hummer 35 . 



Seltene Jagdbeute: Bin auf Sfearrd erlegter Seeadler. 


Btrfcbgänge im hohen Norden. 

IHit 4 ilbbilbungen. 


Hiemanb, öer öie gefpenftige (Einfamfeit öer <£is- 
geftlbe, ihre wunberbare, einförmige unö hoch fo fdjil- 
lemöe 5arbenpracht, Öen <5lan3 öer immerwährenöen 
Sonne nicht genoffen h<*h fann fid? ein Hilb oon öer 
Hlajeftüt in öer allgewaltigen (ßröße öer arftifd^en 
Hatur machen. VOe r im Horben oon Spitzbergen Per- 
jieinerungen gefunden hat, öie baoon Kunbe geben, 
baß Ijier oor 3 a h r milIionen palmenwülöer raufd>ten, 
Öen wirb ein (Befühl öer Hid}tigfeit oon allem JHenfch* 
liehen iiberfommen, öer menfdjlidje Perftanö oerfagt in 
öer 2lbfchüßung foldjer Seitrüume, unö wir empftnöen 
etwas oon öer granöios erhabenen poefte öes pfalmiften: 
„Caufenb 3^^re finö oor bir, wie öer (Eag, öer 
geftern oergangen ift, unö weniger öenn eine nachtmache." 

2lber öamals, als 
wir öort waren, jag¬ 
ten wir Öen (Eisbären, 
wir birfdjteu auf öas 
Henntier unö erbeu¬ 
teten 3<*9&trophäen, 
öie für alle Seiten 
Öen Stol3 öes 3^gers 
ausmachen werben. 

Sreüigrath fingt: 

„tPüftenfönig ift öer 
£öme" — in öas 
Krftifdje überfeßt, 

Reifet es: „König ift 
öer (Eisbär." Sorglos 
unö unbef ümmert 3ieht 


er über öie (Eisfante öafjin, er fennt feine (Befahr, niemals 
ift ihm in feinem £eben IHiöerftanö entgegengetreten, 
höchftens wenn er im £iebesbrang einen unbequemen 
Hioalen nieöerfämpfen mußte. Ha3u aber hat ihn öie 
Hatur mit einer ZlTusfulatur ausgerüstet, öie ihn befähigt, 
fein Hecht in jeöer 23 e 3 iehung geltenö 3U machen. (Es 
giebt in unferer galten 5auna faum ein fiärferes (Eier, wie 
Öen Cisbären, unö es ift für Öen (Eisbärenjäger immer¬ 
hin ein (ßlücf, baß ftch öer Här feiner Stärfe unö (Be- 
fährlidjfeit nicht bewußt ift, fonft würbe jeöer Äehlfchuß 
oerhüngnisooll werben. Hie moöerne 3aqb mit Öen 
prä3ifionswaffen hat öer 3ägerei oieles — oielleid>t 
öas befte oon ihrer Hitterlichfeit genommen. IPer eine 
ruhige £}anb unö ein ftdjeres 2luge hat unö einen Sieben- 

ober Kchtmiflimeter 
führt, öer braucht fich 
oor einem (Eisbären 
im allgemeinen nid?t 
3U fürchten, unö ich 
muß offen gejiehen, 
öaß felbft öer umge¬ 
legte, fapitale 23 ocf 
in unfern IHälöern 
mehr rein weiömän- 
nifche 5reuöe madjt, 
wie öer mehr ober 
weniger harm Iofe Sär, 
öer Öen gefährlid?en 
Schüßen gar nicht 
3U wiiröigen weiß. 



Kreuz in der Klijde Buy, JNordfpitzbergen, 

errichtet i. 3. 182? $um Jlnbenfen an 30 oerunglucfte Huffcn. 


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Hummer 55. 


Seite \6% 5. 


€ins aber ift rührenb 
unb erhebenb in bem 
Ceben biefer Foloffalen 
Beftien, unb bas ift 
bie Efiutterliebe ber 
Bärin, bie biefes (Eier 
bis 3 um Iefeten Atem- 
3 ug liegt unb bie erft 
mit bem rinnenben 
E>er 3 blut fdjwinbet. 
nichts ift poffterlicher 
3 U beobachten, als eine 
fpielenbe Bärenfami¬ 
lie, nichts aber er- 
greifenber, als eine 
tobfranfe Bärin, bereit 
legte Belegung noch 
infUnftio ihren jungen 
gilt. 3m halb auf¬ 
getauten Sonnenfchnee 
macht bie Bärin mit 
ihren 3 u ngen uoflftänbige Butfchpartien non (teilen Ab¬ 
hängen hinab, fte laffen ftd? auf bem (Sefäg hinabgleiten 
unb fpieleit bann im Schnee, wie bie Kagen. Doch niemals 
dürfte man einem 3äger anraten, einer Bärin ein 
3unges weg 3 ufchiegen. Die XDut eines folchen (Eieres 
Fennt bann feine <ßreit 3 en. Anbrerfeits oerlaffen bie 
3ungen auch bie tote ZTIutter nicht, unb ich habe felbfi 
gef eben, bag 3 wei junge Bären, oon benen einer noch 
fehr fdjwer FranF gefchoffen mar, bei ber toten ZTCutter, 
bie im Hebel nicht gefunben werben fonnte, eine gan 3 e 
Had?t lang aushielten, bis fte fdjlieglich non ihren 
£eiben erlöjt werben fonnten. 

Derhältnismägig wenig aufregenb ift bie 3 a gb auf 
tuilbe Benntiere, bie ftch oielfach in ben Schluchten oon 
©ftfpifebergen fhtben. ZHan Fann fte mirFlid? nieber» 
fdjiegen, wie bie Kühe, weil biefe harmlofeit (Eiere auch 
ttur wenig Kenntnis oon ber (Befahr haben, bie ihnen 


oom3agerbroht. Hur 
eine einige aufregenbe 
3agb blühte uns auf 
ber HTartens infei im 
Horben t>on Spig- 
bergen. EHeilenmeil 
ift biefes Fleiite fiilanb 
oon jeber anbernKüfte 
entfernt, einige Steine 
mit fpärlichem HToos, 
ein Fleiner Siigmaffer« 
teid?# einiges (Ereib- 
hol 3 , bas ift alles, 
was auf biefer 3nfel 
gebeiht. Elnb hoch 
lebte ein einjelnes 
Henntier an biefem 
(ßeftabe. Bei ber 
Annäherungen EHen* 
fchen nahm es bas 
EDaffer — bas un- 
enbliche polarmeer — an, es fchwamm gewanbt, 
aber fo hach# bag fein Spiegel aus bem EDaffer tyv 
oorragte. £s würbe im EDaffer photographiert, bann 
gefchoffen unb fchlieglich gegeffen — BenntierfchicFfall 
€ine ber fchänften Ausbeuten jagblicher Hatur hatte 
ber Blutige wohlbeftaüte mecFlenburgifche ©berförfter 
Ejernt t>on Stralenborff. EDir hatten bie rein ar!tifd?en 
(Segenben fchoit hinter uns unb lagerten auf ber nor- 
wegifchen IDalfifchftation SFarrö. 3n ber fleinen DiHa bes 
Beftgers befanb ftch ein ausgejtopfter Seeabler t>on mäch¬ 
tiger Spannweite. Hebe gab <5egeitrebe: biefe Abler 
Famen hier oor, wie man uns er 3 ählte. Draugen aber ent- 
becFte l^err t>on Stralenborffs geübtes 3ägerauge einen 
win 3 igen punFt über ben blauen Bergen, er hatte ftch nicht 
getäufd?t: es war ein Seeabler. Ehtb wacFer ging er mit 
bem brauen l^unb, ber unfere gan 3 e fi^pebition be¬ 
gleitet hatte, auf ben fernen punFt 3 U, unb als ber 



Schwimmendes Renntier bei der J'IartcnwnfeL 



6iabärenjagd auf der 'JenaüifeL 


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Seite {6^6. 


Kummer 35. 


Ubier auf ben ©runb ftieg, gelang es bem treffficheren 
Schügen,-bas Prachtexemplar, bas jtpei Uleter breiig 
5 lügelbreite hatte, h*rab 3 uholen. J^eute fdjmücFt ber 
Ubier nun fdjon lange fein trautes 3ägerfyeint — eine 
föjiliche (Trophäe, bie bem unermübUaien IDeibmann 
wohl oon fferjen 3 U gönnen ift. 

Simmermehr aber oergigt man ben Sauber unb 


bie machtvolle poefte ber arFtifdien ©egenben. 3<i? 
habe bie SDropen aud? gefehen, bort, wo fie am 
wunberbarften finb, in ihrer 5ülle unb UeppigFeit, 
aber auch in ihrem ©ift unb ihrer fd?leid?enben ©efahr: 
Ueinheit, Köftlidjfeit unb (ßefunbt^eit finb aber nur 
bort oben, wo ber eisige Schnee in unbeflecfter 

Heilll^eit glanzt. Heinfjolb £ron!}eim. 


<u> 


Riefen der Pflanzenwelt. 

fjierju 6 pl}oto<jrapt}ifd?e Uufnafymen. 


hne «Zweifel übt 
ber UnbücF eines 
alten Saumes auf 
bas ©emüt jebes 
Saturfreunbes, 
einen mächtigen 
(Einflug aus: er 
wecft tjiftorifdje 
Erinnerungen, 
man oer gegen» 
wärtigt ftch, wer 
alles wohl unter 
feinem Schatten 
geruht traben, 
welcher Ereigniffe 
« 5 cuge er gemefen 
fein mag. £}at ber 
Saum eine unge» 
möhnliche StärFe, 
fo gebt bie phantajie bem Sefdjauer leicht burch, unb er 
lügt 3 a b^bunberte an feinem Uuge oorbeigleiten, er 
fchaut 3 uriicf in bie graue Soweit bes Canbes, wähuenb, 
bag fchon bamals ber Saum geftanben, gelebt unb ge¬ 
grünt habe. Der ridtfige Ulagftab fehlt meijt, unb man 
fd]ägt fehr oft bas 2tlter bes Saumes 3 U hod?. Eins 
ber auffälligfteu Seifpiele hierfür bieten bie beiben alten 
Eibenbäume im ©arten bes preugifdjen X}errenhaufes, 
oon benen man lange «Seit an* 
nahm, bag ihr ©eburtstag in 
jene &e\t fiele, als bie Beides* 
hauptftabt noch ein 5ifch*rborf 
mar, bie bann aber, als fie 
Fürjlid? wegen bes Seubaus per¬ 
fekt werben tnugteu, ftd? noch 
geioiffermageu als 3 ünglinge 
entpuppten. Die fjöhe eines 
Saumes ift nicht immer be 3 eid?» 
neub für fein Filter, oiel eher 
fchon fein Stammburchmeffer, 
ber aber bei ben oerfchiebenen 
Saumarteu fehr oerfd^ieben ift. 

Eine fichere Sdjägung bes 
Alters eines Saumes gewähren 
allein bie 3 ^hresringe, bie aber 
bei alten Säumen häufig infolge 
fjohlmerbens bes Stammes nicht 
fämtlid? abge 3 ählt werben Fön* 
nen. ISie abweichenb ftd? fjöhe 
ur.b Durchmeffer bei ben per* 


fchiebenen pflan 3 en oerhalten, mögen einige wenige 
fahlen 3 eigen. Die bis jegt befannten häd?ften Saume 
wachfen in Uufiralien. Es finb 5icberheilbäume 
(Eucalyptus amygdalina), bie bis \52 Sieter hoch 
werben, babei aber nur einen Stammburd^meffer oon 
acht Uleter erreichen. Uud? ber nächfthohe Saum, ber 
falifornifd?e Slammutbaum (Sequoia gigantea), ber bis 
\<k2 Uleter Ejöhe errefcht, wirb nur elf Sieter bicF. 
Dagegen erlangt bie platane bei nur breigig Sieter 
fjöho bis \5 % Uleter Umfang, bie me^iFanifche 
Sumpf 3 Ypreffe bei 58,7 Uleter fjöho \6 f 5 Uleter Um« 
fang unb bie EbelFaftanie gar bei 35 Uleter X}öhe 
20 Uleter Stammumfang. Das Ulter ber Säume 
wirb meift, wie gefagt, überfd^ägt. Sowohl ber be* 
rühmte Saobab (Adausonia digitata), ber nach Ubaufons 
Serechnung auf ©runb ber DicFe bes jährlid?en <§u* 
wachfes 5000 3ahre alt fein follte, wie aud? ber oon 
U. oon £}umbolbt gefd?ilberte, jegt leiber nid?t mehr 
oorhanbene Drad?enbaum (Dracaena Draco) oon ©rotaoa, 
ber gar 6000 3ahre alt fein follte, finb ficher oiel 
jünger gewefen. Uuch bie groge platane oon Sujufbere 
bei Konftantinopel hat wohl Faunt bie ihr nachgefagten 
^000 3ahre. Dagegen würben mit siemlicher Sid?erheit 
als äugerfte Ultersgren 3 e bered?net für bie <§YPreffe 
3000, bie Eibe 3000, bie Kaftanie 2000, bie Stieleiche 
2000, bie £ibanon 3 eber 2000, bie 5ichte ober Uottanne 
\200, bie Sonimerlmbe HOOO, bie Strbelfiefer 500 bis 



amgertiirzte lebende eiche (Kalifornien) 




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XTummcr 35 


Seite { 6 ^ 7 . 



Der JVIammutbaum „Grizzly Giant“ (Kalifornien). 


700, Me Cärcbe 600, Me Kiefer 570, Me Silberpappel oon $2 amerifanifchen 5ug unb einen 2>urd?meffer 
500 Me 23ud?e 500 Me €jd?e 200 — 500 unb bie oon 53 5ufc B^at. 3m berliner 23otanifd?en ZHufeum 
Efainbuche \50 3ahr? befinbet ftd? ein elftes Segment eines Stammes biefer 

2)anf ber ameritamdien 23eflame fabelt befonbers Krt, ber \376 3 a hresringe 3 eigtl 2Juffaüenb ijt Me 

bie falifornifcheu Ulammutbäume eine getoiffe 23e» gute (Erhaltung bes ^oljes bis 311 m Kern, 
rüfcpntbeit erlangt. 0bige 2Jbbilbung jeigt uns einen (Eropifche Vegetation macht fid? oft burd? ihre ge* 
ber größten biefer Hiefen, bie eigene Vamen erhalten roaltigen Dimenftonen bemerfbar. ZIid?t fotoohl bie 

haben, ben (Br^ly (Siant, ber einen Stammumfang £]öhe uub ®icfe bes Stammes, als oielmehr bie mäch* 














Seite * 648 . 


Bummer 35. 


tiae €ntmicfluna ber Ungeheuer bod? nur ein 

Smerg gegen feie alten 
Biefen in ber ffeimat ijt 
2 tud? bem pampasgras 
(2tbb. S. * 646 ) muß man 
rieftge (Sröße 3 ufpred?en, 
menn man es mit unfern 
lüiefengräfern ober (Se¬ 
treibearten oer gleicht 
2luf uns Borblänber, 
bie mir nur an ben 
BnblicF mäßig großer 
Blätter gemöt?nt finb, 
machen tropifche Blätter 
leicht einen riefenhaften 
fiinbruef. Sie befannte 
Victoria regia mit ihren 
jmei Bieter im Surd?- 
meffer großen Sd?mimm* 
blättern Fommt uns bes* 
halb immer noch als 
etmas Biefiges t>or, mäh» 
renb merfmürbigermeife 
bie jefet fo oielfad? an* 
gepflanjten Blufaarten 
meniger ftarf mirfen. 
Sagegen mirb ber mit 
leßterer pflanje oer* 

megen fo oielfad? fulti- Der „Baum der Reifenden 0 (Madagaskar). manbte mabagaffifd?e 

oiert merben. Bejtßt je* Baum ber Beifenben 

manb baoon einmal ein (Exemplar oon Sauffgröße, fo (Ravenala madagascariensis, Bbb. nebenfiehenb) burd? bie 
glaubt er fd?on eine fehr ftarfe pflanse ju l?abeit. Unfer eigentümlich fächerförmige Stellung feiner gemaltigen 
Bilb (S. * 649 ) 3 eigt aber, baß (0 ein fauftgroßes ftad?diges Blätter ftets einen riejigen CinbrucP machen. Seinen 


Deftiger Cuaringibaum mit ftammartigen JUiftwurxeln (lavai 


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Stummer 35. 


Seite ^6^9* 



Hamen h a * er von bem in feinen Slattadrfeln ßch 
anfammelnben XPaffer, bas bie Heifenben vor bem 
Perburften retten foll. Xtebrigens fmb weber biefe 
noch bieHTufablätter 
bie größten im 
pflan 3 enreich.Diefen 
Hang beanfprucheit 
manche palmenar* 
ten, fo namentlich 
bie XPeiupalme Ra- 
phia, bie bis \5 
HTeter lange lieber* 
blätter trägt. Unter 
ben palmen biirften 
auch bie längften 
pflaizen anjutreffen 
fein, Per wanbte um 
feres Hohrßocfliefe- 
ranten, bie bei nur 
geringer Stammbicfe 
non wenigen Senti- 
metern fich als £i- 
anen bis über 300 
HTeter weit burdj 
bas (ßeäß bes tro- 
pifchen Urwalbs 
hm3iehen. 


Rtcftger Kugelkahtus (Olertliidfm). 


Ehtfmrdß ergreift uns f wenn wir einem Hiefen ber 
Pflanzenwelt gegenüberßelpt, beffen Hlter uns unbefannt 
iß. Staunenb bewunbent wir bie außerorbentliche £e- 

bens 3 ähigfeit, bie 
allen Unbilben ber 
XPitterung troßt. 
XPehmut befehlest 
uns, wenn wir einen 
folchen Hiefen ßür- 
3 en fehen, naefabem 
ihn bas 2 Uter ver¬ 
nichtet. doppelt trau¬ 
rig aber werben wir 
geßimmt, wenn ber 
Hiefe in voller £e- 
bensfraft von einem 
verheerenben XPir- 
belßurm entwmzelt 
unb umgeriffeit w tr b; 
feiten nur fommt es 
vor, baß er, wie ber 
auf unferm Silb S. 
^ 6^6 wiebergege* 
benealte faliforitifche 
Eichbaum, auch bann 
noch weiterlebt. 

Dr. Ubo 2><tmm?r. 


Was der Vogel fprid)t 

plauberei von fjermann Serbrow. 


Ciefimterße XPefensgleichheih verbunben mit einer bas 
menfchliche XPiffen überragenben XPeisheit, fah int Cier* 
jene ^it, aus ber HTärchen unb Sage einen fchwachen 
Slbglaiz bis auf unfere Cage gerettet höben. Da pflegen 
bie Pögel nicht nur miteinanber ber XPedtfelrebe, beren 
Hätfel ber moberne Cierpfychologe wohl auch heute 
noch 3 U ergrünben fucht: ber HTenfd? hörte ße vielmehr 
3 U ihm felbß reben, unb wer biefer (Beheimfprache funbig 
war, bem fpenbete ße Hat, XParnung, Schicffalsfprud?. 
Da hält ber 3äger ^miefprad? mit XPolf unb Haben, 
feinen rauhen XPeibgefeHen; bie Königstochter befragt 
bes weifen Höffes Ejaupt; ber fjelb, ber ben Drachen 
erfchlagen, laufcht bem Hat ber fleinen tPalbvöget, urjb 
bem treuen 3 oh<mnes offenbart ßch fein herbes (Sefchicf 
aus bem <ßefräd ?3 ber alten Haben. 

Den friegerifchen Steigungen ber Qelben 3 eit gemäß 
raten bie geflügelten Seher vor allem 3 U Kampf unb 
Seute 3 ug. Dem jüngßen Sohn bes Hig 3 a rl, wie er 
iiad? Knabenweife vogelfangenb burd? Höhricht unb 
tPalb ftreicht, ruft bie Krähe vom Saum 3 U: „Knabe, bu 
junger, was firrß bu Pögel? nichtiger wär’s, auf bie 
Hoße 3 U ßeigen, Sch werter 3 u fchwingen, ben 5 einb 3 U 
vernichten." Der 5inf fang ba fein: „Heit he* 3 ul" wie 
es in einem alten h^olbifchen Spruchgebidß heißt, unb 
fogar ber für unfer ©hr nur £iebesluß unb Sehnen 
atmenbe Sang ber HaditigaH wedte vor feiten beu 
Xjelbeugeiß unb rief fchlagfertigen Entfdfluß h*n>or. 

Hun war freilich bas Perßehn ber Pogelfprache 
itid?t jebem ohne weiteres gegeben. Es beburfte feit- 
famer XTTittel, biefe XPunbergabe 3 U erlangen, unb bis¬ 


weilen enthüllte ber gufall bem (Slücfsfinb bas <ße- 
heimnis. Sigurb 5afnisbani verßeht plößlich bas 
3 ufunftfünbenbe <ße 3 witfd?er ber Spechtmeifen, als 
feine gunge 3 ufäHig bas Slut bes erfdtfagenen XPurms 
Foftet. Had? isläubifchem (ßlauben mußte, wer ber 
Pogelrebe funbig trerben wollte, einem Haben bas E;er 3 
ausreißen unb unter bie <§unge nehmen. Sei ben weß- 
lid?en Slawen galt ber (ßenuß von Schlangenfleifd? für 
ein HTittel, in ben Seßß biefer (Sabe 3 U fommen, ein 
HTotiv, bas Saumbach in einem feiner fdjelmijchen 
Spielmannslieber folgenbermaßen verwanbt hat: 

21m ^feuerljerb ber ^rieber fdjürt 
Die ©lut mit einer gange. 
tPas 3 tfdjenb ßdj im Keffel rü^rt, 

' 3ß eine meiße Solange. 

Er faflutft unb fdjlingt mit xrieler DTüh 
Die graufe Sriilf. 

Da roiro’s im Kopf i^m munberlidjt; 

3eßt weiß er, was ber Pogel fpridß. 

Dem naturentfrembeten Stäbter, ber längß ber 
HTärchenaugen, ber HTärdjenohren verlußtg gegangen 
iß, erfcheint biefe Huffaffung ber Pogellaute nur noch 
als eine primitive, wenngleich höchß poetifche Hatur- 
anfehauung. 5ür gewiffe Kreife hot ße jeboch auch 
heute ihre alte Sebeutung noch nicht eingebüßt. Schon 
unfere Kleinßen beantworten in einer gewiffen periobe 
ihres geißigen (Erwachens ben ßummen Slid ober ben 
einbringlichen Huf eines unferer fjaustiere nicht feiten 
mit ber 5rage: „XPas will es? XPas fagt es?" 
XPährenb biefer finbliche Perfuch, ben Cierbrübern 
menfchlich näher 3 ufommen, infolge bes geringen (Ent- 


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Seite *650 


Hummer 35. 


gegenfommens her Srmachfeneit 3 umeiji ohne meitere 
5 olge bleibt, hot beim £anboolf bie unaufhörliche unb 
innige Berührung mit ber (Eiermelt menigflens Hefte 
jener Kufchaung erhalten, unb t^ier müffen mir nach* 
fragen, menn mir miffen moüen, mas heute nod? ber 
Dogel in feiner eigenen HTunbart fpricht. 

den früheften unb unermüblichfteu Sängern ge* 
hören bie 5iufen, bie ihre Sonbernamen bem oor 3 ugs* 
meife ausgeftoßeuen Huf* unb 5utterlaut oerbanfen, ber 
Sbelfinf feinem „5mf, 5iuf, 5inf, 5rühjahr!", ber 
(ßrünfinf bem langge 3 ogenen „Schmunfch", ber Stiegliß 
feinem £ocfruf „Diblit". Die friegerijehen Heigungen 
fcheint ber Sinf ooüftänbig eingebüßt 3 u höben unb ftatt 
beffen, bem Seitgeijt huldigend, für bie 5 teuben ber 
£afel 3 U fd?märmeit. So ruft er bei ben ßolläubern: 
„Weet-je, weet-je mij van geenen dikken vetten prrreekheerrr u 
(tDißt ihr mir feinen diefen fetten HTaifäfer) ? ober: 
„Weet-je, weet-je mij geenen biskwie-iet? ’kzing, ’kzing, 
’kzing van buskewiet“ (Bisfuit)! 3 n 5 ranfreid? ift er 
3 um falten Bourgeois gemorben, rühmt ftd?: „Je suis le 
fils d’un riche prieur!“ unb fchmettert ben parifern uner* 

, müblich fein: „Oui, oui, oui, oui, oui, je suis un bon 
citoyen l u in bie ©l?ren. 

HTit ben Äinfen metteifert im (ßefang bie Sd?ar ber 
luftigen HTeifen, überall ben Bauer begrüßend unb 
foppend: „Sißiba, fißida, fißida!" ober „Spiß ben 
Schar, fpiß ben Schar l" (b. h« ben pflugfehar) ruft ihm 
bie Kohl- ober pinfmeife 3 U. 3m IDaldecffd?en pfeift 
fie ihr „Sd?infendieb, Sd?infendieb!", im £jar 3 „Sief 
bid? fer, ficf dich fer" (b. h- ft*h bid? oor!), in Horb* 
meftbeutfdjlanb „Spinn diefe, fpinn diefe!" eine HTah* 
mmg an bie HTäbchen, gegen Snbe bes IDinters bie 
5 lachsoorräte aufjuarbeiten. 

Kus bem traulichen <Se 3 mitfd?er ber Hauchfchmalben 
flingt uns iiberaü, nicht nur im f?od? - unb Hieberbeutfcheu, 
foubern auch int Dänifd?en, Schmebifchen unb Hieber* 
länbifchen ber oon Hiicfert in fein berühmtes Sd?malben* 
lieb aufgenommene Hers entgegen: 

Ks icf meg tog, as icf roeg tog, 

Was Schütte un <facf tmll; 

Ks icf tuier fam, as icf roier fam, 

IDas alles rerfnicfelt, rerfnacfelt, oertiiiiert — 

ober, mit ähnlichem Schlug: oerf liefert, perflacfert, per* 
fliert — perquicfelt, perquacfelt, oerhert un oerteert. 
Kubermärts ruft Schmälbchen: „Kittelchen fliefn, Kittel¬ 
chen fliefn, h a b ober feinen «Smiiim!" unb noch beffer 
foll bas Schmalbeulieb in bem Dergilfd?en ^e^ameter: 
„Tityre, tu recubans patulae sub tegraine fagi u mieder* 
gegeben fein. Hlan fieht, bie Dogelfprad?e ift inter» 
national. 

Hächlt bem Schmalbeulieb hot ber Cerchenfang Knlaß 
5 U 3 ahlreichen Deutungen gegeben. Die im £eii 3 empor* 
fteigende 5 elblerd?e fcheint fich gerabesmegs in ben fjimniel 
hineinfingeu 3 U moüen: „HTeiu Dater ift im Fimmel, ba 
mollt ich oud? gerne fein!" Srmattet giebt fie’s aber 
am £nbe auf: „Doch ift’s fo meit, meit, meit!" Die 
hoüändifd?en £erd?en, nicht gari 3 fo tugenbhaft oeranlagt, 
fingen im Smporfteigen 3 mar auch: „Zeezeken, zeezeken 
( 3 *)udjen), open den hemel en laat mij in I ’k zal van 
mijn leven niet meer vlocken en zweren (merb in meinem 
£eben nicht mehr flud]en unb fd?mören) !“ Da ihnen aber 
nicht aufgethan mirb, fo seteni fie beim Hieberfteigen 
d?oit micbcr luftig ihr „Sakkerdit, sakkerdit, sakkerdit!“ 


ober „Zielegods, zielegods, zielegods!“ (großes IDohb 
gefaüen ermeefen ihnen bie fehmuefen jungen Dirnen. 
„Dat IDimertüd?, bat IDimertüd?, bat is fon nieblich 
Süüüd?!" ober „Kd? mie hübfd?, ad? mie fein finb 
aüe junfen ZHäfen!" fingen fie im 8 raunfchn>eigifd?en 
unb merben fid? faum über 3 eugen laffeit, wenn bie 
erfahrene Sd\waibe ihnen entgegenhält: „IDemt bu fe 
feihft, mie icf fe feil?, bu moftejt bif bräfu!" 

Das 5el& birgt nod?' einen anbent Ciebling bes 
Dolfes, bie unfd?einbare IDachtel. 3 ttren Sinjug ins 
Korn feiert fie mit folgenbeni HTarfd?: „Kmibmibit, 
fmibmibit, Kmaffel bie int Koren 31 t! (IDachtel, bie 
ins Korn 3 iehO." XDie mannigfache Hlahnungen ruft 
ihr in DaftYlenrhYihmus oorgetragenes „piefmermief" 
bem £aufd?er 3 UI Dem fomfehneibenben £anbmann 
lautet es „Bücf ben Hücfl" — Böj din ryggl im Schme¬ 
bifchen — ber Sd?neiber befommt ein „Älicf be Bi’iy!", 
ber XDattberburfd?e ein „B’hüt bi (ßottl", ber Bruber 
Stubio fogar ein „Die cur hic u auf ben XDeg. 

Der gute Junior, ben bas gefieberte Dölfd?en ja 
aud? in ber 2Dirflid?feit fiets unb überaü an ben (tag 
legt, fomie nur bie ärgfie Bebrängnis oorüber ift, 
fommt in ber Dogelfprache oielfad? 3 unt Kusbrucf. Sin 
ganj frecher Burfdje ift ber (ßolbammer, ber, feine 
eigene Schönheit mit bem Huf: mie bin ich, bin 
id? fo febön! bemunbernb an ben Dogel im HTärd?en 
00 m 2 Tlad?anbelboom erinnert: KYmitt, fYmitt, mal oör’tt 
fchön Dagel bün icfI IDintcr 3 eit fleht er bemütig: 

Bauer miet mich! Bauer nüet mid?! ober: Bur, Bur, 
loat mi in bien Schütt! 3nt Sommer jetert er über¬ 
mütig: Bauer, behalt beiiten Dieuft! 

Sin guter CEruttf fpielt in ber Unterhaltung ber 
Dögel feine minbere Hoüe als bei uns. Der ptrol, 
ber Dogel Bülom, Schule Hlilom ober „Bierhahn", 
mie er anbermärts h^felf mahnt beutlid? oeruehmbar: 
pfingfteu Bier hol’n, ausfaufen, mehr hol’nl £?inter* 
ibrein forbert er: X}aft bu gefopen, betahl och! £ho- 
rafteriftifd? ift bas IDechfelgefpräd? 3 toeier Krähen, in 
bem bas <ßefräd ?3 ber beiben hungrigen Sd\wavien 
mnnberooü 3 tim Kusbrucf fommt. 3^ ®««t ne Bra, 
meet ne Bra (einen Braten) l beginnt bie erfte. — IDar 
benn, mar benn (mo beim) ? — f}inberit Barge, hindern 
Barge! — 3s fe fett, is fe fett? — Kitafenbrö, fnafen* 
brö (fnochentrocfen)! 

HTit ben fd?mel 3 euben Strophen ber großen Sanges* 
fönigin, ber Had?tigaü, rneiß ber Dolfsmunb nicht oiel 
au 3 ufangeit. „Ceibe lei — 3 ifüth, 3 ifött?, 3 ifüth!" fingt 
fie in bent 2Tlärd?en von 3orinbe unb 3oringel. Hieber* 
läitber unb 5 ran 3 ofett oerfnüpfen bie eiitselnen Strophen 
burd? IDorte 3 U fd?alfhaften Büberu häuslichen Cebetts, 
bie freilid? unferer poetifd?en Kuffaffung bes Hachtigaüen» 
fd?lages nicht entfprechen. Da fingt 3 . 8 . ber liebeooüe 
(Satte: Mi wijf is altiid ziek ziek ziek, heel de weke en’t 
sundags niet niet niet (mein IDeib ift immer fied?, fied?, 
frech, bie gan 3 e IDod?, nur fonntags nicht), ©ber, echt 
frait 3 Öfifch: Le bon Dieu m’a donnd une femme que j*ai 
tant tant tant battue, que s ? il m’en donne une autre, je 
ne la batterais plus plus plus — qu’un petit, qu’un petit, 
qu’un petit l 

So möge benn biefe Kuslefe aus bem reichen Sprach* 
fd?aß unferer Sänger ben £efer reisen, ihnen au frönen 
Somtnertageu aufinercfam su laufd?en. Dieüeicht, baß 
fie aud? ihm ein <ßei?eimnis offenbaren! 

=Cg3 ‘ — - 


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Hummer 35. 


Seite \G 5 I. 



BchwimmQbtmg beim Regiment des 6rafen von Curin. 


Dienstlicher Sport in der italienischen Armee. 

Qirrju IO |>botograpt}tfcbe Aufnahmen. 


€ine fportliche Peranflaßung, an ber Kapafferie* 
offnere fafl aller Hationen teilnahmen, faitb füi^lidj 
in Curin flatt. <£in Lallenifcher ©ffl 3 ier, Kapitän 5. 
Caprißi pom Hegiment (ßenua, getoann ben C^reupreis 
Kaifer IPilhelms II. für Me £}ochfprungfonfurren 3 , audj 
im IDeitfpringen errang berfelbe ©ffoier bie palme. 
3n ber £}ochfprungfonFurren 3 fdjuf ber fdjneibige Heiter 
einen neuen IPeßreforb; eine ebenfo getpaliige Ceiflung 
rpar ber Sprung über eine fefte Karriere pon 2 Bieter 
8 Zentimeter f}öhe, tpie im IPeitfpringen bas Heimen 
einer £)ürbe mit anfdflieflenbem <ßraben in einer Cänge 
pon 6 Bieter 50 Zentimeter. 

Blaitd?es <Sejid?t mürbe bamals in Curin lang unb 


über frembe Krmeen? ©er Fachmann allein perfolgt 
bas Heinfle ©etail 

VOeid} frifdjer (Beif \ ifl nicht in bie ttalienifche 
Kapaüerie gefahren, mie mirb nicht jeber Sport ge¬ 
pflegt/ ber irgenbmie baju beitragen fönute, frifd?en 
IPagemut ©ffl 3 ieren unb Blannfd^aften eh^uflöflen! 
5rifd? unb fröhlich reitet ber (Braf pon Curin, ©berft 
unb Kommaubeur bes 5. Kapaüerieregiments Hopara, 
querfelb, mirft fleh in ben Strom, unb toie eine Sd?ar 
losgelaflener Ceufel folgt ihm bas Hegiment. 

€in fdniglid?er prin 3 , fd?arf uitb fchneibig, roirft 
immer XDunber — unb ber ©egenfloß, ben ber 
prin 3 bem 



länger, mand^es (Semüt bang unb bänger. IPer hätte 
eine folche granbiofe Ceiflung gerabe pon einem italie* 
nifchen ©ffl3ier ausführen 511 fehen geglaubt, toährenb ber 
3taliener mie ber 5ransofe nun einmal gerabe md?t als 
Heiter unb pferbepfleger erften Hanges gelten — 
ipenigftens bisher in ben Bugen ber fogenannten pferbe* 
perftänbigen Hationen. 3 a > bie Seiten haben fld? eben 
geänbert, unb es tl^ut not, bas piele „Crabitionelle" 
in ber Beurteilung frember Armeen über Borb 311 
merfen unb unoefangen bas Heue 511 prüfen. Bber 
toeld^e Leitung bringt beim aud? bei uns etrnas (Sroßes 


taftpoüen^or* 
fehnngsreifen* 
ben fjetnrkh 
pon ©rleans 
im ©ueü für 
bie €^re ber 
italienifdjen 
Brntee per* 
fefcte, trugpiel 
511 feiner gro* 
neu Beliebt* 


Der 6raf von Curin 

bei e i n e r S d? t» t m m ü b u 


heit bei. ©er (Braf 
pon Curin ift in ber 
beutfd?en Brmee nidd 
unbefannt, er floht 
a la suite bes (Barbe* 
Kürafft er * 2}egimenfs. 
€rfl Fiir5lich mar er 
ber Cinlabung bes 
Kaifers gefolgt unb 
hatte ben KaoaHorte« 


J'Tadi Beendigung der BcbwImmQbung. 


Übungen auf bem 


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Seite J652. 


Hummer 35* 


Cruppeuübungsplafe ^Uten * (Srabom beigeruohnt. 3n 
ber 5ed?tfuup — ad?, mie taeit pnb uns heute bie 
3talietter überlegen, rate ratrfen aber auch ZtTeiper 
t>on ber $orm eines Caoaliere pini, 

eines Cuigi bella Santa als Kpoftel 
ihrer r>ornef?meu Kunft im Kuslanb, 


Iid?er Kusbilbung 3 U erreichen. ©b bas Ijeroortreten 
bes Sportlidjen, ich tritt nidjt von Hebenriegeti reben, 
gcrabe 3 um Porteil für bie Kusbilbuug bes ein 3 elnen 




Gefechtsübung der BerfagKert. 

ptjotograpfyfdje 2Iufnatynen oon Charles 2tb6niaear. 


Stgnaldtcnft fm Schützengraben.' 


täte 3 eigen pe bie Uebertegenhcit ber italienifchen Sd?ulel 
€s h crr fcht überhaupt ein Parfer ^ug 3 um Sport in 
ber italienifchen Hation, in ber italiemfd?en Krmee. 
3er König befudp im felbftgeleuften fileftromotonrageu 
bas £anb, bie Königin fdjießt trie ein „3unaf", rate 
ein „(ßrauer 5alfe ber Crnagora", bie Königinmutter 
nimmt Sergriefen, unb ber fyv$OQ ber Kbru 33 en rerliert 
fap £eib unb £ebett im h^d?ften Horben auf langen 
€£pebitionen. 

Daß fo ettras abfarbt, Stimmuttg unb Schule 
macht, ift erflärltd?, unb in ei^elnen (Truppengattungen 
ber Krmee, bei ben 23erfaglieri unb bei beit Kiptut, 
bemüht man pd? red?tfd?affen, bas £}öd?fte in fport- 



Hlpenjäger im Gebirge. 


HTannes ip, laffe ich bah’mgeßettt fein. (Ttjatfache ift 
baß ein frifd?er in bie Kolonne gekommen ip, 

unb füblänbifche Hationen vertragen eine tüchtige 
Portion 5euer. 

Diefe Berfaglieri, biefe Clitetruppe in ben Kugen 
ber 3täli*ner ron ben in eipgem Schnee Parrenben 
KIpenfpißen bis 3 ur fonnenrerbrannten p 3 ilifd?en KüPel 
23egeiftert jaud?st bas Polf feinen £ieblittgeit su, trenn 
pe bei ber parabe in bem ihnen eigenen (Sefchtainb* 
fd?ritt rorüberftürmen, ben ©berförper leidet rorgebeugt, 
nerrig unb Pott, als hätten pe „ben (Teufel im £eib"; 
gleid?fant bie Perförperung ber militärifchett Kraft bes 
£anbes in höchfter poten 3 - Dunfel, büfter ip bas <Se« 



Schncerchuhtaufcn der HlpenjSgcr. 


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Hummer 55. 


Sette J653. 



Hebcrfcblag mit dem Degen. 


famtbilb ber Bataillone; ber 
bunfelblaue tDaffenrocf, bie 
meiten, in (Samafchen fteefenben 
Beinfleiber r>on ber gleichen 
5arbe — fdimars ftnb fogar 
bie Banbfchuhe ber BTannfd^af- 
fen bei ber parabe — merben 
nur menig belebt burd? bie 
roten Kermelauffchlägc unb bie 
breiten, roten (Salons. Kber bie 
Sonne fpielt in bem bidtfen Bufch 
fd]tx>ar5glän3enber fja^ttenfebern, 
ber an ber redeten Seite bes 
fd?mar3lacfiertcn Buubhutes 5U 
ben rafd^ett Sd^ritten nieft, unb 
bie grünen Sd^nüre, bie grüne 
Säbeltrobbel — grün ift bie 
international anerFaimte 3ager s 
färbe — meifeit auf bie urfprüttg* 
liebe Beftimmung ber Cruppe, 
auf bas am meiften gepflegte 
Sdiarffchießett bin. 

Danf bem Cifer ber CDfft* 

3iere unb battf bem ausge¬ 
fuchten Crfaß roirb in fäntt* 
lid?en 3tx>ölf Segimentern eine 
gute Sd]ie§fertigFeit er3ielt. Kiibn unb magemutig 
foll ber Berfaglieri fein, mill er ftcb feine Clite* 
fteHung in ber Krtttee unb im Dolf bemahren; 
hierauf 3ielt aber aud} bie gan3e Kusbilbung hin. 
Dem Curnen rnirb befonbere Kufmerffamfeit ge* 
fchenft, nur legt man tueniger IBert auf eine 
ftreng geregelte, t>orgefd}riebene Kusbilbung bes 
ein3elnert BTannes, man läßt Spielraum — felbft 
311 Kunftftücfen, rnie es bod? ber Ueberfchlag ift. 
21ber ein gauj Hein rnenig ^l^catralifdies lieben bie 
3 taliener an ihren Lieblingen, lieben bie Berfaglieri 
felbft, ob fte nun unter bem belebenben 5attfaren* 
gefebmetter ihres 56 Blaute ftarfen Boruiftettforps 
auf oen C^erjierplaft eilen, im BTanöuer trie eine 
Schar losgelaffener Ceufeld?en in ntalerifdier 
pofe oom oerfarfteten Klippenranb ben abjiebenben 


(Segner mit Sd?nellfeuer überfebütten, ober bie leßten 5 Kilometer 
ihres Cagctuarfd^es — 40 Kilometer in 8 Stunben einfchließlid] 
ber Bubepauiett — im gleichen (Tempo burchhalten. 

Beiter, fonnig, lebhaft pulfierenb ift bas (Temperament ber 
Berfaglieri, ber fraffefle (Segeitfafc 3U ihren ernften Britbern in 
St. Buberto, ben KIpini, bie meltfern, abgefcbloffen in ihren Bergen, 
3tr>ifchen Schnee unb Cis fifeen. Biemanb fennt fte, biefe metter- 
fefteu, ernften Burfd?en, bie unbeachtet ihren fehleren Dienft an ber 
oberitalienifchen <Sren3e thun. Cs ift mohl nid?t allein bas Pflicht¬ 
gefühl, bas fte 311 ben tollften Couren, 3ur Ueberminbung aller 
Sd^mierigfeiten antreibt. 2 luf ber anbern Seite besKlpentralls nämlich, 
auf gut frait3Öftfcher Crbe, fifct ein Konfurreut, ein ftiller, ruhiger Kon* 
furrent, ber fratt3Öftfehe (Sebirgsjäger. Beibett ift bie Sicherung bes Klpen* 

malls übertragen, bei* 
be liegen roie ber£ud?s 
auf ber Lauer, jeber 
meißoont anbern, tr>as 
er leiftet, mas er bis* 
her geleiftet hat. Kber 
mas ich leiften fantt, 
bas treiß mein Cont* 
parente nicht, benft 
jeber — unb er ruht 
nicht, er legt bem 
5reunb etmas noch nie 
Dageroefenes uor, unb 
bas itod} nie Dage* 
mefene rnirb überholt 
bis —! <£in cbler 
XPettftreit. 

3n ben fjochalpen 
mirb bas alles ohne 
groß (Sefchrei, als 
etmas Selbftoerftänb* 
lidies, abgethan, bas 
Chcatralifd?e fehlt 
gänslid?. 

Bielleicht, baß ba* 
rum bie Klpiui fo 
rnenig befanut finb 
in ihrem eigenen 
Lattb? $. ©. 


Saltomortatc übers Sctl. 


Sprungübungen der BerfagHeH: Durch den Reifen. 


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Sette 1654. 


Hummer 35* 



Donjon, vom Bobenftefn aus gefeben. 


SUberberg und flitz Reuter. 

Qier3u <k pfyotograpbifdje Uufnatjmen von S. ©tte. 


Die alte 5eftung Silberberg in Sdjlejtert ift bem 
Perfall nahe. Ein Ausfdjuß hat fid? gebilbet, um burch 
eine Cotterie bie nötigen ©elbmittel für bie (Erhaltung 
bes biftorifdjen Bauwerfs 3 ufammen 3 ubringen. 5riebrich 
ber <5roßo hat bie 5efte mit einem Aufwanb von acht 
Hliüionen Chalern erbaut (\765—77) unb fo feinen 
Kriegen mit ©efterreich ein fto^es Denfmal auf ben 
fd?lefifd?en Sergen gefeßt. ©eneral von Schwerin hat 
fte in bem fchwerett Hotjahr 1807 wiber bie 5 ran 3 ofen 
verteibigt unb ftegreich bis 3 um 5 riebensfd?luß behauptet. 

Doch auch eine weniger erhebenbe (Erinnerung wirb 
bei ber Heunnng ber Heftung Silberberg in uns wach. 
3n ihren Kafematten, bem „Donjon", hat einft einer 
unterer größten Dichter bie trübfte Seit feines Sehens 
verbracht. Sr iß Heuter hat in ben fahren 1834—37 
als Unterfuchungsgefangener bort „gefeffen" unb auf 
bas Enburteil in feinem I}ochverratspro 3 eß gewartet. 
Die Seile, in ber er gefchmachtet hat, ift erjt vor Fur 3 em 
nach ben Eingaben eines Seibensgefährten aus jener 
Seit, bes ©eheimen 3 ufti 3 rats tPachsmut in Kroffen, 
neu wieber hergerichtet worben. Der Saum hat bas 
gleiche Ausfehen erhalten, wie er es währenb ber 
J^aftjahre Beuters hatte. Die 
eine IPanb fehmüeft ein lebens* 
großes Sruftbilb bes Dichters, 
unb charafteriftifche Stellen aus 
feinen IPerfen finb angebracht, 
foweit fte ftch mit bem Aufent* 
halt in Silberberg befchäftigen. 

Sriß Heuter hat wieber feinen 
<Ein 3 ug in bie alte, bumpfe Seife 
gehalten, bod? nicht als fchwerer 
Staatsverbrecher, ber burch 
feine Umtriebe „ben preußifchen 
Staat un ben leiwen Sunbesbag 
bet bicht an ben Afgrunb bröd>t", 
fonbern als Dichter unb fachen* 
ber Sieger, ber eine Ehre unb 
ein Stol 3 für feine beutfehe £}ei» 
mat geworben ift. Unb bieBeuter- 
3 eüe bürfte ein (Srunb mehr 
fein für bie Erhaltung ber 
alten Sefte Silberberg. 


Am \2. Hovember J834 würbe ber Stubiofus Heuter 
als Unterfuchungsgefangener nach Silberberg über¬ 
geführt. (Er war bereits hn ©ftober 1833 verhaftet 
worben, währenb eines unvorftdtfigen Aufenthalts in 
Berlin, unb hatte 3 unäd?ft in ber Stabtvogtei unb fpäter 
in ber fjausvogtei preußifche (ßefärtgnißfreuben fennen 
gelernt. Eine ungemein rücfftdtfslofe Behanblung hatte 
er bort erfahren, befottbers auf Peranlaffung bes Kri* 
mhtalbireftors „Unfel Dambach", wie er ihn in ber 
„Seftungstib" nennt. Diefen büfteren Erinnerungen 
gegenüber verfagt felbft ber ftets ftegreid?e fjumor bes 
Dichters, ber fonft auch bie fchwerjte Hot mit einem 
fröhltd?en Sachen 3 U überwinbett weiß. IPenn er auf 
„Unfel Dambach" unb bie Berliner fjausvogtei 3 U 
fprechen fommt, lobert noch in fpäten 3 ahren ein heller 
Sorn in ihm auf. Die Ueberführuttg nad? Silberberg 
war beshalb auch für ben (Befangenen gleich einer 
Erlöfung, obwohl er es ftch gefallen laffeit mußte, wie 
ein gewöhnlid?er Perbrecher von ©rt 3 U ©rt burch ben 
harten XPinter gefchleppt 5 U werben. 

Die Behanblung in Silberberg war beffer unb 
menfehenwürbiger, unb außer bem fanb Heuter bort 
Ceibensgef ährten, befonbers 
IPuthenow unb ben fchon er¬ 
wähnten IPachsmut. Er halte 
fein Seichentalent hervor, bas 
ihm über bie fchlimmfte Einfam- 
feit hin weghalf, unb begann auch 
einiges 3 U lefen unb 3 U fhtbierett. 
Aber mit feiner ©efunbheit ging 
es hter bergab; bie feuchten, 
büfteren Kafematten fd?wäd?ten 
fein Augenlicht unb griffen feinen 
guten mecflenburgifchen Plagen 
an. An ben Pater berichtete 
er aus Silberberg: „IPas meine 
übrigen Angelegenheiten betrifft, 
fo fantt ich &ir nichts {Eröftlidjes 
melben; meine (Sefunbheit ift 
fehr fchlecht, an Arbeiten ift 
wenig 3 U benfen, beim meine 
Augen halten es nicht aus; bas 
Zeichnen, bas einjigeDcrgnügen, 



Donjonthor nach der JNTtederbaftfon. 


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Hummer 55. 


Seite {655. 




Die Reuterzelle im Donjon von Silberberg. 

bas i dt noch tjatte, tjabe ich feit $wei UTonaten gütlich 
unterlaffen müffen. Ulein UTagen ift fo fchmach, bafe 
ich menig Speifen pertragen fann, unb pon <3eit 3 U 
Seit leibe ich an fo heftigem Erbrechen, bafe es 3 umeilen 
3 mei Eage unb Bädjte anhält, bis enblid] Blut fornmt." 

2 >a 3 u tarn bie fürchterliche Ungemifeheit, m ber 
Beuter ftdj über fein Sdjicffal befaub. Die Hoffnung, 
an UTecflenburg ausgeliefert 3 U merben unb 3 U Ejaufe 
mit einer gelinben E}aftjtrafe bapou 3 ufommen, mufete er 
allmählich aufgeben. 3 a ^re pergingen bem XDartenben 
mie Emigfeiten, unb feine Entfcheibung trat ein. 
Enblid?, am Kugujt \836, faft brei 3 afyre nach feiner 
Derhaftung, gab bas Kammergericht in Berlin bie 
Urteile befannt: über neununbbreifeig Stubenten hatte es 
bie Eobesftrafe perhängt, unb 3 U ihnen gehörte — 
5 rife Beuter! Doch auch jefet noch gingen Ulonate ins 
£anb, bepor Beuter unb 

feine 5 efhmgsgenoffen itjr —-—=- 

Schicffal erfuhren. <Se« 
rüdjte pon braufeen bran* 
gen ja felbji burd? bie 
biefen Kafemattenmauern, 
gemunFelt mürbe fo 
mancherlei — aber feine 
(Semifeheit faml (Erft am 
28.3anuar J837,nachbem 
mieberunt fajt ein falbes 
3aljr unter Ejangen unb 
Bangen perfloffen mar, 
mürbe ben (Befangenen 
pon Silberberg ihr Urteil 
perlefen. (Segen Beuter 
lautete es auf bie „ein* 
fache Eobesjtrafe, bie 
Strafe bes Beils", bie 
aber 3 ugleid? burch fönig* 
lieben (Snabenaft in breifeig 
3 affte 5 eftungsbaft um* 
gemaubelt mürbe. Ulit 
melchen (Befühlen er biefe 
(Snabe entgegenttahm, hat 
er fpater in ber „ 5 efhtngs* 
tib" gefebilbert: „Kerner 


brei 3 °hr habb icf all feten: 
if mas taum Dob perurtelt; 
bat babben fei mi fchenft, ämer 
borför b^bbeit fei mi bärtig 
3<>hr 5ejtung fd?enft. So’n 
prefent fann feiner richtig tajrie* 
ren, as einer, bei all brei 3 <>hr 
un ihrjt brei 3 °hr feten hett. 
De Utftcbt mas flimm, bie 3» l Pd?t 
flimmer." 

Beuters Bleiben in Silberberg 
mar nun nicht mehr lange. 
Bereits im 5 ebruar \837 marb 
er nad? ber Äejiung (Slogau 
„perfefet", unb mit ber lieber* 
fieblung babin, unter bem Ehren* 
geleit eines preufeifdjeu (Sen* 
barmen, beginnen bie befamiten 
Sd?ilberungen ber „ 5 efhmgstib". 
Don feinem Kufenthalt in Silber* 
berg fpriebt er nur menig unb 
feiten; es hat faft ben Kn* 
fd?ein, als fdjeue er ftd?, biefe Erinnerungen mieber 
3 um £eben 311 ermeefen. Er mufe piel bort gelitten 
haben, feelifdj noch mehr als förperlich. 3« ben Kafe* 
matten pon Silberberg hat er 3 ugenb unb Sufunft be* 
graben — hat er alle Eröffnung babiuten gelaffen. 
Scbmere Kampfe hat mobl bie junge Seele gefämpft, 
ehe fie ficb sur Bube gab unb ihr Schicffal gebulbig 
auf fid? nahm. Uber als ein rechter UTann hat 5 nfe 
Beuter bann aus feinem £eiben ficb bie £eiter ge 3 immert, 
auf ber er 3 ur l}öhe emporgeftiegen ift. 

Einer feiner Silberberger (Senoffeu, ber mehrfach 
genannte IDachsmut, fonnte ihm in fpäteren 3 a hren 
fd?reiben: „Du bift eigentlich bas lebenbigfte Krgument 
gegen bie Eobesfirafe; benn mas hätte unfer Dolf an 
bir perloreit, menn man uns bamals bem Urteil gemafe 
3 um Eob perurteilt hätte!" paui Hemer. 


Blick auf Sllbrrberg. 


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Seite *656. 


Hummer 35. 


fftutterftdrke. 

©Zahlung pon © Hely. 


iefe Strohlagen ftnb m bem inneren Schlo߬ 
hof aufgejehichtet; jeben Stritt foüeii fte 
dämpfen. €in gan 3 feiner Kprilregen 
riefelt barauf Bjernieber. 5 ür Hiertelflun- 
ben, für Hlinuten t#rt er auf, bann jagt 
eine IHolfe rafch tpeiter, unb bie Sonne lugt tjeroor. Sie 
übergießt alles mit tjedem Schein, bie Henaiffancemauern, 
in beren Hifchen fteinerne Bitter Speere fchultern, ben 
piereefigen Curm unb ben fpiferagenben, ber einer ftillofen 
Seit angehört unb beffen Befrönung ein St.<Seorg mit bem 
Drachen bilbet. Das feuchte Stroh jteht bann aus u>ie (Salb. 

Kein (Seräufch, als bas Cropfen aus ben tpunber* 
liehen IHafferfpeiern. <£s ifl, als hielten fie ben Ktem 
an, bie fcbtparsgeFleibeten HTänner unb grauen, bie ftef? 
unter ber (Efyorfyaile fammein, roo ber Burgfriebe 
3 U fe^en ifl, bas funftlos bemalte Brett mit bem 
Beil unb ber blutenben, abgehauenen fjanb: „tper 
bifer purg friben briggt, roirb alfo gerecht." Sie haben 
3 U fprechen aufgehört, als fie jtd? in (Sruppen bem 
tLtyor nähern. Beamte mit ihren (Sattinnen, Honora¬ 
tioren aus bem Stäbtdjen, bie 3 U £}°f Pommen. Sie 
(eben fich an, alle perftänbnispoH; befümmerte Blicfe 
unb traurige Hlienen begegnen ftdj. IHeiter ab (leben 
auf bem freien plafe Dienftmäbchen, Kinber, fleine 
Bürgersleute, bes Begengeriefels nicht achtenb, piele 
mit bloßen Köpfen. Wenn bie Kinber fragen tpolien, 
toerben fie mit halben tauten 3 ur Hube getoiefen, noch 
eb bie frifeben Stimmen erflingen fönnen. 

(Serabeaus 3 um (Lborbogen münbet ber breite IHeg 
in ben parf, ipo uralte Bäume (leben. Sträucber be¬ 
ginnen bort febon 3 U fnofpen, unb bas (Srün bes Hafens 
fommt berpor. Hlächtiger, uralter fipbeu uniflammert 
ba, mo in ber 5 erne ber pfab fteil 3 ur Höh* Gebt, ein 
graues (5emäuer mit gotifeben Äenflern, bie aud? 
bunt leud;teu, wenn ber Sonnenflrabl fie trifft. <£s ifl, 
febarfer (Erbgeruch in ber £nft, unb ein Ieifer Duft gebt 
aus pon ben fd?n?eHenben Baumrinben. €in paar 
Spafeen hufchen flügelfchlagenb, ben Hegen abfcbüttelnb 
umber. £inFs beginnt bie H au Ptfl*aße mit bem 2 TlarFt- 
p(ag. Da fmb in allen H^ u f crn Senfler befefet, 
jleben £eute auf ben Creppenfhtfen. Heben ber Holanb« 
fdule, bie eine Berühmtheit bes Stäbtcbens bilbet, hoeft 
„bas Bübdje", ein blöber (Semeinbearmer pon fieb 3 ig 
3 abren, unb roicfelt ein Bhtbfabenfnäuei auf unb ab, 
immer bas gleiche, unb fümmert ftch nicht um bie £eute 
unb forfcht nicht, toarum fie fleh anfammeln. Kn bem 
pranger, bem Pfahl mit bem alten, perrofleten Eiais* 
eifen, lehnt ein tounberhübfehes, blonbes HTäbcben mit 
einem Burfdjeit in ber Bergmannstracht bes naben 
Hüttemperfs. <£r hält ihre Ejanb. «Jutpeileu 3 iebt fie fie 
aus ber feinen unb tpifcht über bas regennaffe (Seficbt. 

HTancbe bliefen nach bem Stabttunn brüben; man 
fteht bie großen unb' Pleinen (Slocfen bureb bie ©eff- 
nungen ber Schatllöcher. Kber fie bleiben ftumm. 


©eräufcblos, totenftill ifl es in ben (Sängen bes 
Scbloffes. Eixe unb ba taucht ein Diener auf; mit ben 
5 il 3 fohlen an ben Schuhen gleitet er lautlos über bie 
(Teppiche. Wenn bie Sonne burch bie bunten 5enfler 
blieft, giebt es ein 3 itternbes 5 arbenfpiel an ben 
IHänben, auf bem Boben, über bie Khnenbilber unb 
Caternen, bie bunten 5resPen unb bie ernften <5obelins hin. 

Die Äürflin, fcbmar 3 baarig, fcblanf unb gan 3 blaß, 
mit tiefen blauen Hingen unter ben großen Kugeu, 
fteht mit bem £eibar 3 t unb 3 u>ei profefforen pon ber 
nächften Uuiperfität in bem 5 elbhernt 3 immer, bas fo 
nad? einem ber 5 amilie h^fet, ber flreng unb 

ernft aus einem breiten (ßolbrabmen pon ber IHanb 
berabfiebt. <£r hat ruhmreiche ©jäten im breißig* 
jährigen Krieg poflbracht, fein Harne glän 3 t in ber 
(ßefebiebte. <2r hat ein Stauobilb in ber Stabtfirche, 
unb in ber 5amtlie helfet er: „Unfer großer E\vlq* 
bietrid?." 

Unb in ben Stäbten unb Dörfern bes 5ürftentums 
ifl er ber E\e\b mancher Stählung, unb ein £oFalbichter 
bat ein Buch in Herfen über ihn gefebrieben. 

Blutrot flnb bie XHänbe geflricben, unb aKerbanb 
Cropbäeu unb Jahnen büngen unb flehen umher. Sein 
pan 3 erhemb, fein H c lnt, feine ©fentjanbfehuhe tperben 
pon Befudjern angeflaunt, unb in einem (SlasFaflen 
liegt fein (5ebetbuch. 

Die 5ürflin trägt ein fnapp ben Boben berührenbes 
toeißes IHoHPleib, bas am Hals, auf ber Brujl unb an 
ben Kermeln mit Spifeen per 3 iert ifl. Keinerlei Scbmucf; 
ber fd^tpere H aar f |,0 ^ n Ifl am Hlüterfopf mit einem 
filfenbeinfamm gebulten. Der tpellige Scheitel um¬ 
rahmt eine freie Stint unb legt fleh tief an ben 
Schläfen hinunter. 

3h*e Hltftimme fragt bulblaut: „Sie finb 3 ufrieben? 
Sie fagen bie tDahrheit, meine — Sie miiffen 

fie mir fagen, bie poUe XHabrbeit!" HTit euiem < 5 U- 
fammenbrüefen ber fcblunfen Hünbe: „IHie porgejlern! 
Hon brüben l" Unb über bie beiben (ßrauföpfe unb 
ben blonbett jüngeren HTann gleitet ihr ängftlidier, for- 
fd?enber Blicf. 

©ne Herbeugung. 

„IHenn feinerlei Kufregung —" 

„Dafür fleh ich!" 

„Keine Komplifation —* 

„So hoffen mir!* fcbließt ber Dritte. 

©n langer, febmerer Ktem 3 ug. 

„Kber Durchlaucht felbft follten —" Sie macht 
eine leichte Belegung. 

„(Serabe jefet —* 

„(5erabe jefet," rpieberholt fte, unb ihre Kugen richten 
fleh nach bem 5 enfler — „bin id? — ftärfer u>ie je. 
Hertrauen Sie mir, meine Caffen Sie mtd? 

roieber 3 U ihm —" Unb fleh aufrichtenb: „Denn ich 
tpiH es, muß es! Hlfo laffen Sie mtchl" 



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stummer 35. 


Seite {657. 


Sie 5rentben fehen ben f}eimifd?en an. (Er hat ein 
faum merFlickes gucfen ber Bugenliber, unb fie jagen 
nichts met?r. 

„(Serabe jeßt! gehn BTinuten — et? —" Die 
fd?laitFe 5rau brid?t toieber ab, ein (Eud?, bas fte in 
ber Ejanb hielt, fd?iebt fie in ben (Sürtel. 3b r e 23etpe- 
gungen bleiben gemeffen, pornehm. „Unfer guter Super¬ 
intendent, meine trüber unb Sd?tpäger mollten mid? 
Dörfer nod? fpred?en. 3 ch habe es abgefchlagen. 3 <^ 
mill jte nicht in (Befahr bringen. 3ch Fönnte aud? 
nid?t einmal it^rc CeilnaBjme —" Da bricht jte ab 
unb neigt grüßenb, eutlaffenb ben Kopf — „€r barf 
nichts argtpöhnen." Unb plößlid? ift ber Funtmerpolle 
BusbrucF aus ihren BTienen fort, tpie ein £äd?eln legt 
es ftd? um ihren BTunb. 

Sie geht burch öas gimmer, gan 3 aufgerid?tet, bann 
burch nod? eins, hebt Öen Dorhang, ber bie (El?ür be- 
Ffeibet, unb tritt ins KranFengemach. Bis fte bem Bett 
nahe ijt, Fommt ber Sonnenfehein unb übergießt jte 
mit potlen Strahlen. 

„Blanba!" 

Sie lächelt nun tpirFltd? unb legt ben Ringer auf 
ben BTunb. (/ Du, nicht — ich uriH bir e^ählen —" 
unb in ben Seffel ftnFenb, ber jenfeits bes 5ußenbes bes 
Bettes jteht, unb ber Schmefter, bie ftd? briiben erhoben, 
tmb bem Kammerbiener ein Reichen machenb, baß jte 
ihre pläße tpieber einnehmen follen, fährt jte in leichtem 
(Eon fort: „<ßan 3 3 ufrieben, bie geftrengen £}erm! 
Beußerjt 3 ufriebett, mein I}err (Bemal?!. 3<h höbe 
einen Kampf mit ihnen bejtanben — ba brüben, meißt 
bu, in bem 5 elbherrn 3 immer. Sie tpollten mid? fd?on 
biefe Bad?t t>on ber hübfehen (Ehaifelongue perbannen — 
aus beitter Bät?e. f?abe opponiert —" 

Der Franfe, blaffe BTaitn perfud?t aud? ein £äd?eln. 
„Blanba — gute!" 

Bid?t bas gemöhnltd?« Sd?laf 3 immer, ber roeißgolbige 
5rühPücffalon ijt’s, in bem bas (Ehepaar ben BTorgen- 
tl?ee 3 U nehnten pflegt, ipo bas KranFenbett jteht. Diel 
Baum, £uft, £id?t, 5 reunblid?Feit, Feine fd?meren 
Vorhänge, StucF in IDeiß unb (ßolb, 5 rud?tftü<fe 
barjtellenb. 

(Suibo Senis Burora in pafteü ijt bas eitrige Bilb, 
in ber tDanbfüüung über bem Kamin angebracht. 
BHerlei toeißlacFiertes KranFengerät jteht jeßt bort, ipo 
ftd? fonjt ber geitungstifd? befmbet. 

„Befonoalescen 3 — aber (Bebulb hoben!" mahnt 
bie Sürjtin. 

„Unb unfer £iebling?" 

Sie nieft. „3a, jo —* 

„Unfer fjugbietrid??* 

„f?at’s gut, ©tto — gut!" Sie lächelt toieber. 

„Bber — er trirb bid? entbehren " 

„(£r — entbehrt mid? nicht!" fpricht jte 3 tpifd?en 
ben gähnen hin# tpätjrenb ihre Bedjte ben pergolbeten 
Knauf bes Bettes umfaßt. 

„Der arme 3uuge — bod?, bod?! Du jahft ihn 
nun fd?ou — mie lange nicht?" 

St |Ä 

„Ulan bringt bir immer Bad?richt?" 

„3a, ©tto! Uber, bu fprichft 3« 


£in eigenfmniger gug Fommt in bas (Befiehl bes 
Ciegenben. BTit ben abgemagerten langen jingern 
milhlt er ungebulbig in bem rötlichen Bart. 

„IDenn id? bod? bejfer bin?" unb nach Fudern £uft- 
ringen: „IDemt Feine Bnftecfungsgefahr mehr ijt —" 

(Bebulbig unb fanft fprid?t jte 3 U ihm herüber: 
„Blau muß porftd?tig fein!" 

(Eine pauje. Der BlicF ber blaffen 5rau meitbet 
ftd? ab, gleitet nad? ber (ßeftalt ber Pflegerin in bem 
fd?toar 3 ett, faltigen Kleib unb bem (Befiehl bes treuen 
£orett 3 en mit feinen Kummerfalten. 

„Blanba, menigfiens oon tpeitem Fönntejt bu ihn 
bod? fehen — Pott einem BalFon aus —" 

Sie uieft. 

„Unb ihm 3 urufen!" 

IDieber nieft jte. £oren 3 en hujtet brüben unb tpenbet 
ftd? ab, ben Kopf fenfenb. 

„Unb mir bann pon ihm er 3 ähleit! 3a?“ 

„3o!" 

BTit nerpöfer fjajt: „(Bleid?! — (Bet? gleich, bitte!" 

„(Bleid?!" 

„Unb ruf ihm einen (Bruß pom Dater hinüber!" 

Sie fteht auf, gatt 3 gehorfant. Dann blicft fie nad? 
ber Uhr mit bem £apis!a 3 uligejteH — unb roie eine 
(Erjtarrung überfällt es fte. Die 5üße fcheiiteit fie 
nicht pom 5lecF tragen 3 U tpollen. 

„So — perlier bod? Feine geit, Blanba!" bittet ber 
£iegenbe, tpie ein ungebulbiges Kinb. 

„Bein, (Beliebter, nein!" fagt fte, unb bod? ijt es 
nod? immer, als Fönne ober tpolle fte ftd? nicht rühren. 
IDie eine Steingejtalt jteht jte ba am 5 ußenbe. 

„3d? ntöd?te aud? in bie fd?öne Sonne hinaus!" fagt 
ber .Kr an Fe. 

BTit abgetpanbtem (Befiehl geht fte nun endlich. 3m 
Bebeti 3 immer ijt aud? eine Uhr, nad? ber jte hinfieht. 
„Bod? brei BTinuten — bann! BTan ijt pünftlid? hier!" 

BTit bem Cud? mifd?t jte ben Falten Sd?tpeiß pon 
ber Stirn. 3h* Btem Fommt ftoßmeife. Kber jte fann 
Pont plaß, fte hot jd?on bas 5 elömarfd?atl 3 immer, bas 
jeßt leer ijt, erreicht. Bad? Qugbietrid? hinüber fagt 
jte: „© bu! U)as ftnb eure Kriegsnöte unb £?elben- 
thoten!" Unb bie Stimme erftieft ihr. 

Dann hinaus in bie berühmte BTarntorporholIe mit 
ber rieftgen (Ereppe, bie ber fd?önjten ber XDelt, ber 
bes Kapitols mit ihren brei £inien, nachg^ohmt ift. Die 
polIe f?öhe bes Sd?loffes toeift ber Saum auf, unb ber 
(Ereppeuabjaß, pon bem bie UTarmorjtufen red?ts unb 
liufs niebergehn, bietet plaß für Kbfpielung gan 3 er 
5 eftlid?feiten. ^ier hot fte als ein 3 iet?enbe (£rbprin 3 eß 
beit IDillFommengruß bes alten 5ürften erhalten — 
unb überall tparen Bofeitgetpiube, unb Bojenbuft burd? 3 og 
bie J^alle, unb 5rauend?öre fangen — 3ngenb, Schön¬ 
heit, 5 reube jpiegelte bas alte, große Denetiauerglas 
toieber, bas bie gan 3 e Bücftoanb beFleibet. Buch eine 
SehensrpürbigFeit, bie man früher angejtaunt, als ein 
perfd?tpenberijd?er Dorfahr bas Schloß gebaut hotte. Der 
Spiegel tpirft alles ba unten 3 ttrücf, tpenn bie Doppel¬ 
thür geöffnet ijt, roie jte heute befohlen hot: ben 
5d?loßhof, ben Durd?blicf burd? bte (Ehorhafle, ben 
parFtpeg, bie Käufer linfs, bas BTaujoleum auf ber f}öt?e. 


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Seite \658. 


Hummer 35. 


(Eine Sefiuibe laug fieht fie fiel? wie bamals in 
rofeurotem Kleib, beit geliebten Ulann neben fid?, beibe 
ber Ulittelpunft fefllid?er 5reube. Sief in bie tippen 
beißt fie bie <§ähne, bann finft fie in bie Knie, faßt 
mit beu Rauben je eine non beu Stüßen ber golbeneu 
2 Dappenfd?ilber, bie bie Äaffung bes Spiegels galten, 
unb blieft, ben Hücfen ber nieberen Haluftrabe suge- 
wenbet, hinein. Unb nod? ein paar Sefunbeit — ba 
bewegt es fid? über ben Sd?loßl?of, r>om priujenfliigel 
her, lautlos über bie gelbe, feuchte Strohfd?id?t. 

! 3eßt!" ftöt?nt fie Ieife. 

<£s blißt hell auf in ber Sonne, bas Kreu3, bas ber 
Sd?loßfantor uoranträgt, bann bie fed?s Sd?loßfolbaten 
mit altertümlichen fjeüebarben unb eifernen Kappen. 
Hirn ber Superinteubent, ben weißen Kopf tief gebeugt, 
bie fjänbe über einem Hud? gefaltet. 3eöem Schritt 
fieht man an, wie ferner ihm ber < 5 ang wirb. (Er 
geht ja auch eines Kaufes erlofd?ener 5reube, erwor¬ 
bener Hoffnung ooran. 

Klar fanit fie es benfen. gau3 flar. 

llnb fie fieht weiteres, beutlich, gauj beutlich: Jahnen, 
alte Schilbe, Krän3e — unb ba3wifd?en, barüber, hoch 
auf beu Schultern oon (Trägern auf ber Hal?re, mit 
roter Sammetbecfe umhüllt, ben Sarg. 3hres Kinbes 
Sargl Des einigen, bas fie befeffen hot, bas fie je 
bejißen wirb. Der (Erbe bes taubes, bas (Slücf ihres 
(hatten, ber Stol3 ihres fjer3ens! 3 hr liebes, liebes 
Kinb, ihr fjugbietrid?. fjingerafft non ber tücfifd?en 
Kranfheit, ber ihr ZlTann wiberftanben hot, oou ber 
er geuefen foll, ber nicht weiß, baß fie oon einem 
tager 3um anbern geeilt i(i. 

fjod? fchwebt ber Sarg über Jahnen unb fjäuptern. 
Uniformen heiter ihm, Hriiber, Derwanbte. Kud? ber, 
bem nun bie 5ürjienfroue 3ur Knwartid?aft wirb, fein 
IDürbiger, (ßuter. <§u einem ber heften aber hätte 
fie ihren fjugbietrid? er3ogeu, als fold?er gab er fid?. 

Unb nun liegt er in bem Schrein, ben fie jeßt burd? 
bie (D?orholle tragen, lautlos, ohne (ßlocfeuflang. Dem 
fie nid?t folgen barf, bamit ber üater nichts ahnt. Sie 
muß fich ftarf mad?en. <£s ift ihre Pflicht. 

Sich ftarf machen! Äefter bie Ringer um bie Stäbe, 
härter bie Knie auf ben Hoben gebriieft! Schwarje 
UTänner unb grauen unter bem Chorbogen, weiße 
(Tafd?entüd?er; Schulfiuber 3wei unb 3wei. 3 ugenb unb 
5 rifd?e! Unb ihr teurer Knabe — t>or brei (Tagen 
nod? frifch — nun ftumm! ftumnt! 

tinfs herüber blißt bem Sarg bas 2 Dirtshausfd?ilb 
„< 3 um priii3en fjugbietrid?" 311. Der elfjährige las 
es ftets, wenn er oorüberfam. 3 hm 311 (Ehren hotte 
ber neue IDivt es aus bem T?irfd?en umgetauft. 

Sie weinen um ihren 3 uugen im Stäbtd?en, wo fie 
ben traurigen <$ug fehen. Sie hotten ihn lieb unb 
freuten fid? feines artigen (ßrußes. Unb alle nannten 
ihn: „Unfern jungen 'l?ugbietrid?" 

Sie biirfen weinen! 

3 hr Kuge muß troefeu bleiben! © (Qual! Qual! 

Hun fteigt ber 3 ug ben IDeg t?man — bie purpur- 
beefe mit ben golbeneu ©rnameuten leud?tet in ber Sonne. 

(Tief, gan3 tief neigt fie ben Kopf. Kn ber Ularnior- 
fd?welle ihn 3erfd?eHen 3U biirfen — Hein! Hein! Der 


ba brinnenI Unb UTinuten um Ulinuten, immer bas 
gleidje Hilb, ber höherfteigenbe <§ug. Unb gaii3 3uleßt 
eine nachtrottelnbe (Seftalt, bie fie auch fennt: bas 
fchwachfiunige Hiibd?e. 

Die große (Thüren bes grauen Klofierbaus fteheu offen. 
„ 3 eßt! 3 eßt!" 

Hun ift bas Hot foit, ift nur nod? fd?mar3es UTen- 
fchengewiihl! Sie läßt los, taftet mit ben fjänben in 
ber £uft, faßt bann nach bem Spißengewirr, bas über 
fie fällt, unb 3erreißt es. tüie bie weißen 5eßen am 
Hoben liegen, ftarrt fie barauf nieber, wifcht über bie 
tippen, ein blutiger (Tropfen bleibt an ben ^ingerfpißen 
3urücf. £?aftig tilgt fie ihn mit bem (Tuch, fd?ließt, fich 
erhebeitb, bie Kugen eine Sefunbe unb meibet, als fie 
fie wieber öffnet, bie glän3eube Spiegelfdjeibe. 

Hichts, als bas leife Kniflern bes Hegens auf bem 
Stroh im Schloßhof. Hiemanb hot fie hier gefehlt — 
allein hot jie’s burchgefämpft. 

Kufrecht, nur aufrecht! 

3 hre Schleppe fd?leubert bas Spißengefräufel rechts 
unb linfs über ben feurigroten Ceppid? hi»« Sie tupft 
nod? einmal auf ihre tippen. 3eßt wirb er fchon un* 
gebulbig auf fie warten, ber ärinfie aller Däter. 

Kufrecht, nur aufred?t! 

Unb fo geht fie ben Weg 3urücf burch Korribore 
unb Häume unb tritt in bas Kranfenjimmer. Sie fühlt, 
baß £oren3en unb bie Sd?wefter fie priifenb anfehen. 
Sie will aber Pein Ulitleib; bas, was fie eben ertragen 
— nein, bas verträgt fo etwas gar nid?t. 

Der 5 ürft hot gefchlummert; bie tiber finb noch 
gefd?loffen. Sie feßt fid? auf ihren plaß. Da mad?t 
er eine Hewegung. „Du bift ba? 3 ^h fühl« esl Sahfi 
unfern 3 uugen?" Unb ehe fie antworten fann, eh« 
bie gräßliche Starrheit fie uerläßt: „ 3 ft er gebulbig? 
fjat er 5reunbe bei fid?? Du hoji bod? bafür geforgt. 
baß er nicht allein ift? fjaft ihm gefagt, wie wir uns 
nad? ihm fehnen?" Unb bann nod?, wäf?renb ber alte 
toren3en wieber hujlete unb bie Sd?wefter (Theobora 
b e gefalteten fjänbe löft unb über bie Kugen wifd?t: 
„Kflein mag er ja nicht gern fein! IDemt id? ihn erft 
wieber hoben barf, laß id? tl?ii gar nid?t oon mir!" 

Sie fann nicht 3urücfbletben, fie ftnrst heran, bie 
fjänbe nad? ihm ausftreefenb. Unb wie fie feine beibeit 
hält unb er in ihr <Befid?t bliefen will: „(Es geht ihm 
gut? Sag’s bod?!" beugt fie fid? herab unb thut, was 
ftreng verboten ift, fie füßt it?n, mehrmals, unb bann 
flüftert fie: „<Sut! £r grüßt — er fd?icft bas — bas!" 
Unb legt ben Kopf auf bie Kiffen, ihren wilbeu 
Sd?mer3ensfd?rei 3U erftiefen. Die Ringer bes Kranfen 
taften nad? ihrem fjaar. „Halb hoben wir uns alle 
wieber, balb!" 

Ulahnenb tritt bie Sd?wefter heran. „Durdjlaud?!!" 

Sie läßt fid? willenlos nad? bem Seffel hinführen. 
unb 5ürft ©tto läd?elt 3ufrieben unb fd?läft wieber ein. 


Das Stroh bleibt liegen, bie Sonne hot es getroefnet. 
3 m Hett anfred?tfißenb, fragt ber 5 ürft ben £eib- 
ar3t: „Kommt benn bie 5 ürftin heute wieber nid?t? 
3 d? meine, es ift fd?on ber britte (Tag?" 


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Bummer 35 


Seite 1659* 


„Durd?laud?t, bie 5 rau 5 iirftin bebarf ber Hufye — 
eriißlid?. Die anftrengenbe pflege!" 

„HM mid? ja aud? befd?eiben. <Es ifi nun halb 
alles beffer. Darf fte benn jefet 3um prüfen?" 

„Sie ift bereits bei it?m, Durd?laud?t." 

„<ßut! — Der fleitie Kerl! Den B?at fie genug 
entbehren miiffen! (Sut! gut!" 

Der Kammerbiener f<±?Lüpft hinter bem Krjt I?er 
burd? bie lautlos ftd? bre^enbe Sl?ür. „£?err 2T!ebi3inaI* 
rat! I}err UTeb^inalrat!" bittet er. 

Der flüfteriib (Berufene ftel?t ftill. „ 3 a — £oren3ettl 
Sie finb mal?rl?aftig alt gemorben in ben Sagen! Kein 
IDunber! U)ir füllen es alle!" 

Die (Et?ränen rollen über bas faltige <ßejid?t. „Unfer 
prin3l Unfere 5 ürftin! Unb menn’s Durd?laud?t nun 
enblid? bod? erfahren muß?" 

Keine Kntmort. Hur bas Siefen ber Ul?r. Der 
Krst 3iebt langfam an feinen Efanbfd?ul?en. „(Erft nad? 
ber Beifefcung. Das mirb ber fd?merfte (Sang! Sold? 
einen l?abe id? nod? nid?t gemad?t. E?m! ja!" unb mit 
gont: „Daß fie aud? nod? gepaeft merben mußte oon 
ber IDürgerin. So tapfer, fo tapfer! £oren3en, bas 
mar eine 5rau!" 

Unb ber fd?lägt gegen feine Bruft „K>eit unb 
breit feine, mie bie! Hid? in ber Familie — unb mo 
aubers aud? nid?!" Dann ein tiefer Seuf3er. „ 3 ^ 


fenn bod? äße, fo oiele 3 (*fyre. länger mie Sie, fjerr 
UTeb^inalrat, menn Sie aud? ’n ©rtsfinb finb!" 

„3a, ja!" 

„Unfereins fiet?t oiel! Sein guter (Engel mar fiel" 

Der eine blieft burd? bie 5 enfter in ben Sd?loßf?of 
nad? ben fleinernen Bittern unb ber anbere auf bas 
JTlujier bes Seppid?s. 

,,Un’ menn fein 3äl?3orn, mas ’n (Erbteil uom Efod?- 
feligen mar, fommen moHte, brauchte fte ’n nur ansu- 
fel?en! priit3 IDalbemar, an ben bie f?errfd?aft fäme, 
ber fürd?tete fid? orbentlid? oor it?r. Dem fab? fie fo 
mit it?rem Blicf auf ben (ßrunb ber fd?mar3en Seele, 
fjerr UTeb^inalrat, an priit3 IDalbemar barf’s bod? 
nid?’ fommen. ’He Süttbe mär’s." 

Der Ur3t fiel?t ben alten, treuen Diener an. Dann 
legt er it?m bie £?aitb auf bie Sd?ulter. „Das t?at fie 
felbft nod? bebad?t, £oreit3en, mit lefeter Kraft t?at fie’s 
auf einen Sattel für iB?n gefd?rieben, fo ’ne 2 lrt Scßa* 
ment 3 f?abe il?n. ,H)ieber ©erheiraten! Kinber! 
— E?ugbietrid? unb id? — 4 3U (Enbe iji fie nid?t bamit 
gefomnten." 

£oren3en B?ord?t, nieft, fagt bann: „tDieber t?eiraten 
müffen mir — müffen mir — ja!" 

Unb bann fnieft er 3ufantmen unb fd?lud?3t unb 
erfd?ricft felbft über ben lauten Son in ben füllen 
(Bangen bes alten 5ürfienfd?loffes. 


Der frauenlefeverein in Kopenhagen. 

J?ier3u $ ptjotograpMidje ilufnafymen oon et>. Hiifc, Kopcnfjogeit. 




Unter ber Jrauenmelt Sfanbi* 
namens t? e &* man ol?ne gmeifel 
mit Hed?t bie bänifdjen grauen 
als biejenigen i?er©or, bie am 
regjlen an ben geit* unb litte* 
raturftrömungen bes 3 n * un & 
Kuslanbes teilnet?men nnb fte eif¬ 
rig ©erfolgen. 

Den fpredjenb* 
ften Bemeis 
bafür fel?en 
mir in bem 
auf ber gan3en 
$tl Soptjic 2tiherti. JVeltmohlein* 

31g baftet?en* 

ben <frauenlefe©erein („Küinbelig laefe* 
forening") in Kopenl?agen, aus bejfen be* 
haglid? fd?dnem £?eim mir i?eute einige 
intereffante 3 n l*rieurs ©orführen. Das* 
felbe umfd?Iießt eine Bibliot(?ef von betn 
ftattüdjeit Umfang ©on 200 000 Bänben, 
bie ©on 2 000 Damen fomie bereu Kn* 
gehörigen fo eifrig benut$t mirb, baß im 
3 (*h r 190 \ 86000 <Entleil?ungen ©er* 

3eid?net mnrben! Ueber bie ©öllig mobern 
eingerichtete Sammlung ©erfd?ajft ein nad? 
bem Demeyfd?ett De3imalfyftem georbneter 
Katalog, ber gebrueft in ben fpnben aller 
Iftitglieber tft, einen ©or3üglid)en Ueber* 
blief. Die bänifd?e Kegierung befunbet it?r 
3 nteref[e an bem Unternehmen burd? einen 
jät?rlid?en Staats3nfd?uß ©on 2 000 Kronen. 


Uefapitulieren mir fur3 bie (Befd?id?te bes Dereins. Seine 
Begrünberin mar im 3 a hr 18 ?2 Jräuleitt Sophie peterfen 
(geftorben 187 ^), bie unter Kfftften3 ihrer Ulitarbeiterinnen 
d;’rau <£harlotte Klein unb ^rauHooftng eine bemunberungs- 
mürbige (D?atfraf 4 in ber Ueberminbung fo ©ieler Vorurteile 
unb Sd?mierigfeiten entfaltete. (Es galt, bie thorid?te furcht 
ber UIenge, bie <frau fonue aÜ3U gebilbet merben, 3um 


Vorfaal des Kopmbagmer frauenlereverefns. 


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Seite { 660 « 


Hummer 35 < 



Sdjwinben 311 bringen unb auf bas h* n 3uarbeiten, 
was bie Begrüuberin in bie IDorte fagte: „Den 
grauen ben Zugang 3U ben Schäden ber £itteratur 
3U erleichtern, bamit ftc burd? ftille, ungeftörte Be¬ 
kräftigung mit biefen ihrDenPeit unb Jütjleu, ibjre gari3e 
£ebeusauffaffung bereichern unb fo bie dntwicflung ihres 
dfjaraPters 311 wahrer perfönlichPeit förbern Pönnten." 

(Einen gan3 befonberen Buffdjwung hat ber £efe- 
oerein genommen, feitbem er r»or Pur3em feinen 
diii3ug in neue BäumlichPeiten halten Ponnte. Die 
BibliothePsräume, bie £efe3immer unb bas gan3 
rei3enb eingerichtete dafe ftnb in praPtifdjer unb 


Bücherausgabe. 

flol3 ITTutter all ber ^errlichPeit rühmen Ponnte, 
wiefe fte nicht unfer begeiftertes £ob befcheiben 3 U- 
rütf, gewährte mir nod? ein plauberftünbchen bei 
einer daffc dbee in ber Konbitorei. Sie ift bie letjte 
in ber ftattlicbenBeihe bebeutenber bänifcher frauen, 
bie als £eiter biefes 3nftituts unermübltch an 
feiner dntmicflung arbeiteten, Fräulein Sophie 

Blberti, bie bem Derein ihre reiche Begabung unb 
gati3e Sorgfalt unb geit wibmet. Fräulein Blberti, 
bie Scbmefter bcs bänifdpen 3 u ftt3 m inifters, ift 
wie gefchaffen, 311 repräfentieren. £Der einmal 

J^efczimmcr. bas (SlücP gehabt hat, an einem Dortragsabenb, 

wie ihn ber Derein pon geit 311 geit feinen mit» 
äßhetifcher £}inßcht mufiergiltig* Dor allem gilt bies Pom gliebern bietet, iei^unehmen, wirb nicht fo balb bie 3wang- 

3ournal3immer, in bem 55 geitfdjriften ausliegen. Iofe nnb bod? echt pornehme Stimmung pergefien, bie ba 

Die liebenswürbige EJerrfdjerin in biefem Beidf, bie {!$ über bem < 5 an$tn h*«fd?t ß. K ^«gafon. 


3 * 


Bilder aus aller Welt 



l profefjor Hanfe» Ul iind?m. 2. Pr. Sdjmcltj, Pireftor bes tttufeums 5U teiben, 3. Pr. Baron Unbrian Warburg • Wien. 4 ©et} Hat prof. tPaiOffer»Berlin. 
6xkurffon der Deutrehen Hnthropologffchen eefellfchaft nach Rolland: Befudt (m Bthnographifchen Reichemufeum zu Melden. 

r. b. Storf, Cetben, pbot. 


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itummer 35 , 


Seite J66J 



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Scdjts pom Kaifer Statthalter <3raf Clary. . 81. ZTIofer ptjot. 

Kaller franz JoUf in Huffee: Hnfprache des ßtirgeromfters ßälzlfauer. 








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Ztummer 35. 


JU ^ürflin 2 Inna ITIaria v. Sd>numhurg*€ippe. -• ©rofjfürjlin Konfhmtin non Sujjlanh. 

•förftlicbe Badegäfte in Bad Hangenfchwalbach. 


Prinz und prinzefTin B(ron von Kurland 
in Baden-Baden. 

ID. Km.tjpmöllrr pbot. 


Schluss des redaktionellen Cetls. 


Zlact) ben übereinstimmenden Eingaben berrorragenber ^orfeber*) entfpridjt 0bol 
5nr geit ben 2 lnforberungen ber Hygiene am oollFommcnften unb wirb bafjer als bas 
befte Don allen gegenwärtig beFannten IHunbwäffern anerfannt. 


IDcr 0bol confeqncnt täglid? rorfebriftsmäßig anwenbet, übt bie nadj bein heutigen 
Staube ber IDiffenfdjaft benfbar befte gafjm unb IHunbpflegc aus. 


Der (SefcbmacF bcs 0 bols ift Föftlicb erfrifd?cnb. 


Das Drcsbcner dbcmifdie Laboratorium Lingner ift bas größte (Etabliffement ber 
(Erbe, welches ITtnnbwaffcr bcrftcllt. 


Der 0 bol patcntflacon ift eine gierbe für jeben IPafdj* unb (Toilettetifdj. 


Ilm Obermann auf wohlfeile unb bequeme 2 lrt (Sclegenbeit 311 geben, ftd? non 
ben wobltbätigen IPirFungen bes 0 bols auf gähne unb JTlunbfd}lcimbaiit fclbft 311 über 
Sengen, wollen wir 3 c & cm / ber eine ITCarF in Brieftnarfen einfdjicft, eine Fleine jlafd?c 
( 0 riginal Spritjflacon) 0 bol birect fraufo zur Probe 3uftellen laffen. 


DRESDENER CHEMISCHES LABORATORIUM 
LINGNER 

DRESDEN. 


•) Auszüge aus diesen wissenschaftlichen Veröffentlichungen senden .wir Jedem, der sich dafür 
intercssirf, auf Wunsch gern kostenfrei zu. 


Don Iinfs und? red?ts: prinj Heufj Sohn, prin3 Kruft Doter, fterjog Botivin. prtujeffm Kruft, ©roftber3og non OTecflenburg, prin3 Heuft Sofjn. 
Der ©rossberzog von piedtlenburg und feine Verwandten in ßeiligcndatnm. 

21. Krcfnumn pbot. 





























nummer 36. 


4. Jahrgang. 


DiewocHe. 


Berlin, den 6. September 1903. 


Inhalt der Hummer 36 « 

Die fleben (tage ber JDod?e. 

Hmfd?an . . . . .. ’ . 

(Theater. *’*]]*** ‘ , '*‘ 5 * “ 

Das neue Sfibaftifa. \ \ * !.]]***] * 

Xtamenred?t unb n-arnenänberima . . * 

Unfere Silber.. 

Spiel unb Sport .! ! ! ] ' ' ’ ' * * ’ 

Das Sud) ber !Dod?e. \ i * ’ 

Die (Toten ber lDod?e. 

Bdrfemvod’e. 

Silber vom (Tage, (photograptjifdje iüfnaijnien) 

Das ßerrfd?aftsgebiei ber Sprayen. Stubie uon Dr. ^rattj ©ppenbeimer. 
©roenbolm. Homan uon 21ugufl Hiemann. (^ortfeftung) ...... 

24m tHorgen. <5rbid?t oon IDilhelm uon Sdjolj.. 

^d?tuad?fmmge Kinber. Don Dorothee ©oebeler. [ 

Das ©attje fjalt! rrian3uerbetrad?hmgen oon Hic^arb Sd?ott. (mit 5 Ubbitb.) 
Die mobammebanifd?en Cänber bes Agaren. ITTontmtbilber aus 3nneraften 

uom ©rientnialer ©sfar 3abnfe. (mit 7 Ubbübungen). 

Die amerifanifdjen 3otfets unb itjre Heitmetbobe. Don ß. Sriebldnber. 

(ÜTit 7 Ubbilbunqen). ........ 

Fräulein €lfe. Sommeibrief eines Iadrenben Peffimißen. Don ©. 3*. Wett 

^etmfebr. ©ebid>t uon €lfe <55aIen»(Sube. # 

parifer Coüetten im Seebab. (mit 4 Ubbilbungcn) !.!!!!*! 
Die Kunfl bes pflanjrnfammelns. Don Dr. Ubo Dämmer, (mit 4 Hbbiib.j 

Silber aus aller tDeft. (ptjotograpljifdje Uufnafjmen).. 

Jf 


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1694 

1696 

U 99 

*700 

1703 

*704 


Man abonniert auf die „mo<he“i 

in S erlln nnb Dororten bei ber Pauptejpebition ^immerftrafte37/4*, fotu e bei Den 
vitalen b*s „Berliner CofabUnjeigers* unb in fdmtl. Sud?banblunqen, im 
D e n i f d> en S e t d? bei aUen Budrbanblungen ober poßanflalten (3eitimgs«Preisli|le 
Ux. 8221); unb ben ©e^dftsfleDen ber „tt>od?e": Bonn a. Rh., Kälnfir. 29 ; 
Bremen, ©bernflr. 29; Breslau, Scbtreibn fccrOr. €tfe Korlflr. |; Gaffel, 
©bere Königfhr. 27; Chemnitz, Innere 3obannisftr. 6 ; Dresden, Sceftt. I* 
Düffeldorf, Sd?abon?flr. 59; Elberfeld, ßer 3 ogßrafce 38; 6ffen a. Rh., 
Cmibederplatj 8 ; frankfurt a. M„ §eil 63; ©örlitz, Cuifenßr. | 6 ; Balle 
a. 8 ., m;ttelßr. 9 . <£tfe Scbulfrr.; Hamburg, Deuertuair 60; Bannover, 
©eorgflrafje 39; Karlsruhe, Waiferflr. 34 . Kattowitz, poßflr. 12; Kiel, 
^olftemirnfce 6 ; Köln a. Rh., ßobeßrafce 145; Königsberg i pr., 
Bneipböffdje Canggaffe 55; Hcipzig, petersftrafce 19 ; Magdeburg, 
Srenemeg 184; fiOnchen, tfaufingerftrafee 25 (Domfre.beit); Nürnberg, 
CorenjerßTflfce 30; Stettin, Breitefit afie 45; Stuttgart, Königftrane U; 
Hliesbaden, Kirdjgaffe 26; Zürich, Hennmeg 48. 

3eder unbefugte Nachdruck aus dierer Zcitfchrift 
wird ftrafrechtlich verfolgt. 



Die sieben Uage der Woche. 

28. Huguff. 

Der Kaifer brücFt bem Senat ber Stabt Bremen anläßlich 
bes (Eobes bes ehemaligen Bürgermeifters (Silbemeifter fein 
Beileib ans. 

Der König oon 3 i a li*n h^It an Seite nuferes Kaifers 
feinen (Eii^ug in Berlin unb mirb im ZTamen ber Stabt oom 
(Dberbürgermeiner Kirfdjtier begrüßt. Bei ber (Salatafel im 
Königlichen Sdjloß taufdjen ber Kaifer unb fein (Saß in 
herjlidjem (Ton gehaltene (ErinPfprüche aus. 

Knftelle bes 3um Kriegsminifter ernannten (Senerals 
Freiherr oon Raufen erhält Kronprinj Jriebrich Kuguft bas 
Kommaubo bes (2. (fädjftfc^en) KrmeePorps. 

29. Huguff. 

Der Katholifentag in ITTannheim mirb gefchioffen. 

3 « 5 orffoje Sjelo ftnbet bie (Erauung ber (Sroßfürftin 
T^elene mit bem prin3eu Bifolaus ron (Sriecheulanb ftatt. 

30. Huguff. 

Der König ron 3 taN ei1 fpenbet je *oooo Eire für bie 
Berliner unb Potsbanier Krmen. 

piofejfor Hubolf Dirchom trifft nach mehrmonatiger Kb* 
irefenheit roieber in Berlin ein* 


§uin franjöfifchen Botfchafter in Petersburg mürbe an* 
ftelie bes IHarquis HTontebeilo ber bisherige Eeiter ber t^anbels- 
angelegenheiten im IHinifterium bes Keußern Bomparb ernannt. 

Das Kapparlament h a ^ in 3©eiter 

Eefung angenommen. 

3 n <Eh*na ijt bie Kufhebnng ber Binnen3Ö(Ie (Eifin) 
amtlich angefünbigt morben. 

31. Huguff. 

Der Kaifer fenbet bern Statthalter ron <Elfaß*Eothringen, 
Prin3en ^ermann 3U ^ohenlohe-Eangenbnrg. 3U feinem fieb* 
3igften (ßeburtstag ein < 5 lürfrounfchtelegramm. 

Der König ron 3 * a l* en «ip oon Potsbant nach Jranf* 
furt a. ITT. ab. 

Die Burengenerale Botha/ De TDet unb Delarey treffen 
mieber in Eonbon ein. 

3 n Kgram fommt es aus Knlaß eines (EifchlergefeUen* 
fircifs 3U heftigen Straßcntnmulteu. 

1. September. 

Kaifer ,fraii3 3 c> f e f trifft 3U ben flotten- nnb tanbungs-, 
mauöoern in Pola ein. 

Die Unter3eichuung bes englifch*chinepfchen ^anbeteoertrags 
ip oerfdjoben morben. 

Durch Derorbuuug bes (Beneralgoupernenrs UTilner mirb 
ben männlichen (Eingeborenen in (Eransoaal eine Kopffteuer 
oon 3ioei pfunb Sterling auferlegt. 

Die (Euinulte in Kgram aeroiniieu eine folche Kusbehnung, 
baß bas €infchreiten oon TTlilitär notmenbig mirb. 

2. September. 

Das Kajferpaar trifft in pofeu ein. 3 n feiner Kntmort 
auf bie Begrüßungsanfprache bes ©berbürgermeifters TDitting 
teilt ber Kaifer mit, baß er bas Hayougefrfc aufgehoben höbe. 

Der König oon 3 t<*licn laugt mieber in feinem Sommeißt; 
Hacconigt an. 

Durch einen neuen Kusbruch bes Ittont pel^e foüen auf 
ber 3 nfel ITTartinique mehr als taufeub perfonen ums Eeben 
gefommen fein. 

3. September. 

Der Kaifer hält in pofen bie parabe über bas V. Krmee« 
Porps ab. 


Umldiau. 

Kaum pnb bie bem König DiPtor (Emanuel 3U (Eh^^n oer* 
anftalteten <fefte in Berlin unb potsbam oerranfcht, ba h^t 
fich ber Kaifer mit ber Kaiferin fchou aufgenicicht, um in 
Pofen neuen ^fefHichPeiten be^umohnen. Eeiber gilt auch 
hierfür ihn bas IDort, baß eiujürft niemalsgaii3 prioatmaun 
iß, unb mehr noch als anbere Sterbliche meiß er bas Dieter« 
mort 3U mürbigeu: „Elichts ijt fernerer 3U ertragen, als eine 
Heihe oon guten Cagen> Denn fo h* r 3l«ä?e (Sefühle er 
feinen Derbünbeten eutgegenbringeu mag, fo fehr es ihn mit 
(Senugthuung erfüllen mag, meun er allerorten mit 3 ubel 
eutpfaugeu mirb, für ihn bebeutet hoch jebe Jeier, jebes 
feft 3ugleich Krbeit. (Er empfängt (Säfte unb ftattet Be* 
fuche ab nicht 3U feinem Derguügen, foubern in (Erfüllung ber 
ppichten, bie ihm feine Stellung aufcrlegt. Die ^feßtage, 
bie er jeftt in pofen oerlebt. bilden nur bie (Einleitung 3U 
ben großen nTanöoeni bei JranPfurt a. 0., an denen bas 
fünfte (pofeuer) unb bas dritte (Brandenburger) KrmeePorps 
beteiligt fmb. Der Kaifer iß in bie ©ftmarf gegangen unb 


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legt fo gettgnis ab, baß if?nt aüe (Eeile bes £anbes gleich 
naheßehen, mögen and? Wiberftänbe gegen bie ©on feiner 
Regierung befolgte politif fdjarf 3U (Tage treten. Cr fpridjt 
feine (Sebanfen offen aus, mitunter mit einer Hücfhaltloßg* 
feit, ©or ber anbere HTonardjen 3urücffd?euen, aber wenn er 
in einer politifd^en jfrage nodj fo fdyroff feine 2lnfcbauung 
3Uin 2 lusbrucf gebraut t^at r fo iß er bodj nicht unoerföhnlich, 
weil es ihm eben um bte Sache, nicht um bie perfonen 3U 
tt|un iß. So b«t er in lUarienburg ben polen beutlidf bie 
Wahrheit gefagt, aber bas bat ihn nid?t abgebalten. einen pol* 
nifdjen Kammerberrn mit bem Dienß bei ber Kaiferin währenb 
ihres 2Iufentbalts in pofen 3U betrauen, mo ©iele polen 3U 
Ejaufe finb. Sie fönnen baran erfennen baß es bem 2Honard?en 
fern liegt ße 3urücf3u fegen, baß ©ielmehr nur ihre unbe* 
reebtigten Perßöße gegen bas Deutfdjtum abgemehrt werben 
follen. Sie foüen erfennen unb anerfennen lernen, u>as ße 
ber beutfd?en, ber preußifdjen Kulturarbeit 3U banfen haben. 
Diefe Kulturarbeit fort3ufegen, barauf iß bie politif unferer 
Regierung gerietet Die prooin3 unb mit ihr bie prooi^ial* 
bauptftabt foüen ßdj, fo u>iü es ber Kaifer, weiter gebeihlidf 
entmicfeln, wie unter feinen Porfahren. Der Cntmicffnng 
ber Stabt aber ßanb bisher, wenn ap<b einige mauern 
bereits gefaüen ßnb, ihr Charafter als jfeßung entgegen. 
Deshalb bat ber Kaifer ihr als (Sefcbettf bie Aufhebung bes 
Hayongefeges mitgebraebt, ßdjerlicb bie erwünfebtefte <Sabe, 
bie bie pofener ©on ben Kaifertagen erhoffen fonnten. 

£i*fjung*(Tfcbang ift feit 3 ah* nnb (Eag tot, aber bie biplo* 
matifeben (Saufier ßnb mit ihm in China nicht ausgeßorben. 
Sie haben neuerbings wieber ein recht nieblicbes Spiel mit 
allerhanb fynterhaltigfeit getrieben. Cines fronen (Eags 
fain bie Hachricht, bie ebineßfebe Regierung habe bureb 
ein (Ebift bie £ifin«(Binnen*)göüe aufgehoben, an beren 
Befeitigung einige europäifebe inächte großes 3 n tereffe 
haben, am näcbften (Eag aber hieß es, bas (Ebift fei nidjt richtig 
gelefen worben, es fünbige nur bie Aufhebung ber £ifin 
für ben faü ber (Erhöhung ber <Einfuhr3Ölle an, unb 
am britten (Eag würbe wieber behauptet, bie erfte Hacbridjt 
entfpreebe bodj ber Wahrheit. Die £h»nefen fönnen ßcb 
foldje Sdje^e geßatten, weil bie (Europäer ihre Sprache 
nicht genau genug feniten, um fofort hinter ihre Schliche 
3U fommen. Sie müffen beshalb, wie eben (Englanb 
noch befonbers erfahren hat, fehr ©orßdjtig fein. Por einigen 
Wochen iß befanntlicb 3wifcben Großbritannien unb China 
ein Ejanbels©ertrag abgefcbloffen worben, ber jegt unte^eicb* 
net werben foüte. 3 ,n ^^ten Kugeitblicf aber mußte bie 
Dnte^eichnung ©erfdjoben werben, weil ber ebineßfebe (Eejt 
3U mißoerßänbniffen 21 n laß gab unb 3war, wie man es wohl 
annehmen barf, 3U beabßcbtigten. Unb ber (ßrunb? China wiü 
offenbar 3ur geit ßcb ©or aüem Hußlanb gefäüig 3eigen, 
naebbem es ©orher Cnglanb (SefäÜigfeiteu — 3ugefagt hat. 

? 

Der Präßbent ber Pereinigten Staaten, fjerr Hoofeoelt, 
hat auf einer Heife ©erfebiebene Heben gehalten, bie in 
(Europa ©erfdjiebenen Politikern Kopffcbmer3en bereitet haben. 
Ejerr Hoofeoelt betonte energifdj bie Hotmenbigfeit, an ber 
IHonroeboftrin feft3uhalten, nadj ber Kmerifa gan3 ben 
2 lmerifanern gehören foü. 3 ^ re Durchführung aber, fo führte 
ber präßbent weiter aus, fönne 3U Koußiften mit anbern 
ITTäcbten führen, baher müffe bie Union eine ßarfe flotte 
haben. Sofort erhoben ßcb in Cnglanb Stimmen, bie ba 
meinten, Ejerr Hoofeoelt habe mit feiner 2 leußerung auf 
Deutfchlanb abge3ielt unb ben faü einer beutfeben Cinmifcbung 
in Dene3uela im 2luge gehabt. Den Cngläubcrtt hingegen 
würbe ©orgehalten, nur ße fömtten gemeint fein, unb bie 
Hebe bes Präßbenten foüte anbeuten, baß audj Kanaba 
atnertfanifcb werben müffe. Darauf aber hat E?err Hoofeoelt 
nod? einmal bas Wort ergriffen unb ©erficbert, baß feine 
Kusführungen überhaupt feine aggrefßoe (Eenben3 gehabt 
haben. UTan barf ihm glauben, er hat offenbar fdjon jegt 
im Ejinblicf auf bie näcbßjährigen Wahlen ben imperialifti* 
fd?en Gebanfen ©orforglidj ausbeuten woUen. 


Hummer 36 . 



Hiebt fo geräufebooü, wie bas ©ergangene (Eheaterjahr 
mit bem fcbaufpielerifcben ITTaffenaufgebot ber „Uleißer* 
aufführungen* enbete, hat bas neue (Etjeaterjahr eingefegt. 
211s bie erßen piänfeleien febon 3U 2lnfang 21uguß begannen, 
fchlug 3war bie Ztacbrid^t ein, paul £inban übernehme ©on 
£’ 21 rronge bas Deutfcbe (Eheater. . 3 nbes hat biefe (Ehatfacbe 
für bie 3unäcbftfommenben (Eheaterereigniffe feine Be* 
beatung. ba Brahms noch bis 190^ bie Direftion behält unb 
£inbau wohl auch ©erfuchen wirb, ben befonberen Por3ug 
bes Detttfcben (Theaters, bie Kraft bes Cnfembles im mo* 
bernen Sdjaufpiel, nicht preis3ugeben. Wie weit ihm bas 
gelingen wirb, fei ber gufunft überlaffen. 

IHit bem Porausfagen, wie ßcb nach ben ausgegebenen 
Programmen bas fommenbe 3 a h* geßalten fönnte, iß es 
biesmal eine febwierige Sache. So ©iel ßeht feß: ©orerft iß 
man entfcbloffen, einen lebhafteren unb energifdjeren Schritt 
ein3ufcblagen, als im läfßgen Kunterbunt bes Porjahrs. 
Die befannten h e i m if<h en Dramatifer rücfen ©oÜ3ählig auf 
ben plan; gleich in ber erßen regeren <Eh?aterwoche fommt 
ein neuer ITTann 3U Wort; unb zugleich iß man auf ber 
Suche nach bebeutungsfebwereren Dramen ©on 21 uslänbern. 
So wiü bas Deutfcbe (Eheater ein Scbaufpiel bes Belgiers 
Hobenbach 3Uin erßenmal anf beutfeber Bühne barfteüen. 

So weit man bie (Eheatercbronif ©erfolgen fann, wiü 
man auch bas fdjaufpielerifche internationale Starwefen nicht 
überwuchern laßen, wenngleich Sarah Bernharbs Gaftfpiel im 
Scbaufpielbaus für ben 0 ftober angefünbigt ift. frau 
Bernharb ßeht wohl am 21 usgang ihrer Heife; aber immerhin 
hatte ße als fünßlerifche Perföulichfeit einen Weltruf, unb 
felbß bie gealterte Künftleriu hat für ben Parifer Bühnen* 
gefebmaef eine befonbers perfönlicbe Geltung. 

Was bisher an theatralifeben Gefechten gefcblagen würbe, 
erfebeint ber gahl nad? aüerbings beträchtlich; aber es iß 
nicht aÜ3ufcbwer gewefen. Das Scbaufpielbaus hat mit einer 
Heuaufführung bes 2. (Eeils ©on f^einrid? IV. begonnen 
nnb bamit eine Sdjulb ©om Porjahr etitgelöß. £eiber haben 
wir in Berlin feine überqueüenbe Poüuatnr für ben falftaff, 
wie ße etwa Baumeifter in Wien noch ©or wenigen 3 a h ren 
war. EJerr Pohl iß ein gefreiter unb in feiner 2 lrt auch 
ein behaglich ©erfchmigter jalftaff, aber bei aüer wigigen 
Kunß, aüer forgfamen 21 rbeit: bie ßrogenbe füüe unb Breite 
bes Humors fehlt. 

mit feiner Scbaufpielnooität hatte bas Schaufpielhaus 
fein (Slücf; unb bie Kufführung wäre beffer unterblieben, 
ba bas neue thüringißhe Polfsftücf »Die Ejeiterethei" 
nad? 0 tto £ubwigs meißernooefle gleichen Hamens, ©on 
Welcfer bearbeitet, febon in Hamburg unb £etp3ig gefpielt 
würbe, man fönnte leicht erfehn, wie aus einer prächtigen 
Heimat* unb Seelenfcbilberung bes gewiffenhaften poeten 
£ubwig ein gröbliches unb gleicbgiltiges (Eheaterftücf ©om 
„wilben Buabin* unb ©om „trugigen Diarnbl" würbe. Die 
3jnfen unb raufen, bis ße ßdj glücflich friegen. 21uch ber 
äußere Crfolg blieb leer. 

Das Deutfcbe CE^eater brachte nur Heueinßubierungen ber 
W 3w9 e «^ << ber „Hora*, um einige neuengagierte mit* 
glieber ©or3ufteüen, bie aber 3unäcbft fautn in bie erße Heihe 
rücfen werben. 

mit freuublicher Wärme würbe int £efßngtheater Calberons 
galante Scher3fomÖbie „Dame Kobolb* in ber Bearbeitung 
©on 2 lbolf Wilbranbt aufgenommen. Hoch immer fnnfelt 
unb blinft ber cheoaleresfe Stil bes altfpanifcben Klafßfers; 
freilich hatte man fchaufpielerifch ben Stil mehr ins Derbe 
©erfeboben, nach bem fran3ößfd?en Hänfefpiel lßn- 

Cins biefer fran3ößfchen Spiele hat nun bas Heßbenj. 
theater bereits h^ausgebracht, ben „faü mathieu* ©on 
Bernarb. Der übermütige Ulf geßel red?t gut. 3 n einem 
englifchen Hiefenfoffer ©erborgen reiß ein £iebhaber (natürlich 


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m it tparmem 3 n * ere ff e h a * bas beutfdje Polf bas tapfere 
Singen ber Suren ©erfolgt als ftc im jahrelangen Kampf 
für bie (Erhaltung ihrer Freiheit ftritten. 2lber auch jeßt, ba ber 
Krieg ein €nbe genommen hat, befunbet ber Deutfehe an bent 
Schicffal ber 3ur englifchen Kolonie gemorbenen beiben KcpubliFcn 
ben gleich regen Knteil. TPas mirb bie §uFunft ber Suren fein? 
Wie merbcti fich Sieger nnb Sefiegte 3nfammcntinbcn, um bie 
großen Kulturabgaben 311 einem beibe (Teile 3ufricbcnftcllcnben 
(Enbe 511 führen? IDir haben uns cntfchloffcn, biefe tPeltfrage, 
an beren Seantmortung bas bentfehe SolF ein fomohl rein menfeb 
liebes als auch nurtfcbaftlidjes 3 n * crc ff c h a ^ in ^ cr „FSochc" 3U 
behaitbcln. (Es gilt bas 


„JVeue 


-Afrika“ 


mic es fich nach Sccnbignng bes Krieges 311 formen beginnt, 
in feffelnben Kuffäßen 311 fchilbent. ^u biefem 3>t©ecfe !}flt fief? 
unfer Chef KebaFteur Berr Buge vott Ktiyffcr, beffen Keifc^ 
briefe für ben „Serlincr £oFal * Steiger" aus SorbameriFa, 
bem 0 ricrtt, Italien, ^ranFreiefy, (Ettglanb, I^ollanb zc. fo 
freunblidjen Seif all gefuttben haben, nach bent ehemaligen 
Kriegsfehauplaß begeben, nm objeFti© gehaltene Scrichtc, ins* 
befortbere auch über bie £agc bes Deutfdjtums in jenen (5c= 
genben, über bie ITlinenentroicflung, bas £cbcn nnb (Treiben, 
bie politifchen Perhältniffe im neuen SübafriFa hierher gelangen 
311 laffen. 

Durch biefe eigenartige unb umfaffertbe Sonber * Sericht« 
erftattung 3eigt „Die IDochc“ micbcrum, baß fie treu fefthält 
in ihrem Seftreben, ben ©on ihr er3icltcn (Erfolg burd? ftets 
neue mcrt©ollc Kn3ichungsmittcl für bie fefer tneiter aus* 
3ubaitcn. 

Hugust Scherl e.m.b.r>. 

Berlin SW. 12. 

„berliner Lokal • Anzeiger“, „Cie Woche". „Cer Cag 44 . 

„Cie Weite Welt", „Vom Felo rum rfteer“ u. ». iv. 










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Seife 1666 . 


Hummer 36 . 


fjerr Kleranber) ber peret?rten Dame nad?. Darauf bauen 
ftd? bie tollen Derwed?slungen auf. 

Die beiden Sd?illertheater, bas nTutterfyaus im ©ftett 
unb feine erfte (Eod?tcrgrüttbung im Horben, ftnb nun and? 
eröffnet. IPie fidj bie Erweiterung geftaltet, darüber wirb 
nod? 3U fpred?en fein. 

3 « ben (Eheateru, bie bie Berliner Kusfiattungspofje 
pflegen, im IHetropol* uub im (Ebaliatbeatcr. peränbert ftd? 
innerlich blutwenig. Es wed?feln faft nur bie Koftünte unb 
bie Eoupletrefrains beliebter Komifer, wie fie (Diomas ober 
<El?ielfd?er find. 

Die Kleintheater, bie geugen aus ber geit bes lieber« 
brettls, wollen es 3umeift mit Kufführuttgen pon (Einaftern 
perfud?en. Hur in IDo^ogens «Buntem (Theater", beffen 
neue (Eheaterbireftoren gicfel unb 5al3er feigen, hoben be¬ 
währte Kräfte bes lleberbrettls, wie fräulein Brabsfy, 
ftandgeljalten, unb eine neue ZDtener £ieberfoubrette, (Einy 
Senbers, eroberte bas publifum burd? urfprunglidje Komif. 

Don ber erften unb eigentlichen beittfd?en Sd?aufpielnopität, 
bem Drama „Der geuge" non IHaj pegolb, ift leiber wenig 
Erfreuliches 3U fagen. Das Eeffingtljeater t?ot mit ber Jor« 
berung biefes Dramatifers bem beutjchen (Eheoter fautn 
einen Bugen 3ugeführt. Ein pöütg romanhafter Stoff u>irb 
ohne jegliche Dertiefung behanbelt. Ein Unterbeamter in 
einer Banf fönnte einen perbäd?tigten Kaffterec burd? feine 
Be3eugung entlaften. Kber er fdjweigt, aus Perbitterung unb 
E?aß tpiber ben glücklichen ® ber beamten, bis bie alloer« 
mögende Siebe ben Sünber 3um Heuigen wandelt. coli 

ßämenrecbt und ßamenäRderung. 

3 n ber Sd?wet3 ift foeben ein interejfanter Hechtsfall per- 
hanbelt morben. Eine Schaufpielerin hotte fid? ben eiu3ig 
bafiehenben Hamen einer fehr befannten, alten fd?wei3erifd?en 
Kdelsfamilie als Bühnennatnen beigelegt, allerbings mit ber 
geringfügigen Kbwetdjung eines i ftatt eines y unb ohne 
Kbelspräbifat, unb hotte bas Perlangen eines ITiitgliebs jener 
Fomilte, fid? ber Rührung bes angenommenen Hamens ferner* 
hin 3U enthalten, abgelehnt. 3n bem barauf angeftrengten 
Pro3eg ift nun bie beflagte Schaufpielerin unterlegen; es 
mürbe ihr unter Kufbürbung ber Koften unterfagt, ben 
Bühnennamen weite^u führen. Sie h a * Berufung angemelbet. 

3m Knfdjluß an biefen fall, in bem bas legte IPort 
noch nidjt gefprodjen wurde unb ber jebenfalls noch lebhafte 
Erörterungen oeranlaffen wirb, ift es wof?l Pon 3 »»tfref[e, bie 
im Deutfdjen Heid? in biefer E?inftd?t gcltcnben Hed?ts- 
grunbfäge 3U betrachten. 

Das Hecht auf ben ihr 3iifommenben Hamen gehört 3U 
ben unperäußerlidjen, unoererblichen, höd?ftpcrfÖnlid?en Ked?ten 
ber perfon. Dies f?ot insbefonbere bas beutfd?e Bürgerliche 
(gefegbud? ausbrüeflid? anerfannt. IPer jemaub ben Hamen 
abftreitet, fann auf Knerfennung bes Hamens perflagt werben; 
wer einen Hamen ftd? unbefugt anmaßt unb dadurch bie 
materiellen ober ibealen 3ntereffen eines anbern beeinträchtigt, 
hat Klage auf Befeitigung dief.*r Beeinträchtigung, be3iet?ungs- 
weife auf Unterlajfung fernerer Beeinträchtigung 3U gemärtigen. 
Ein HomanfcbriftfleHer IHüUer 3. B., ber bie Kühnheit hätte, 
feine litterarifd?en Er3eugttiffe unter bem pfeubonym 
„Jriebridj Spieltagen" in ben Bud?t?onbel • 3U bringen, fann 
pon bem Perfaffer ber „Problematiken Haturen" auf Be* 
feitigung bes fraglichen Budjtitelblattes gelungen werben, 
(gleiches Sd?icffal hätte aud? IDiltjclm Ijäring treffen fönnen, 
ber befamttlid? .feinen erften Homan füt?n genug unter bein 
Hamen „IPalter Scott" h e ™usgegeben f?ot. 

Die Rührung bes bem Hamensträger gefeglid? 3ufommen* 
ben Hamens ift aber für biefen nid?t bloß ein Hed?t, fonbern 
in gewijfem Sinn aud? eine Pflicht, Und mit gutem (Srunb. 
Denn ber Harne bilbet bie ficherfte (gen>ät>r für bie 3 &entität 
ber perfon unb bamit für ein wefertilid?es Erforbernis ber 
öffentlichen (Drbnung. IPer einer 3uftänbigen Behöbe gegen¬ 
über fid? einen falfd?en Hamen beilegt, n>enn aud? nur aus 
£auue ober Uebermut, wirb mit (geldftrafe ober E>aft beftraft. 


Huch 3ur Kenberung ihres Hamens auf bie Dauer ift 
bie Einjelperfon nicht befugt; niemaub barf ftd? felbft um¬ 
taufen. IPer eine Kenberung feines Hamens h«bei3uführen 
wünfd?t, muß pielmehr eine Perfügung ber Behörbe ober bes 
Eanbesherrn erroirfen. gwet fcheinbare, aber and? nur 
fcheiubare Kusuahmen pon ben bargelegten (grundfägen 
bi Iben bas 3 n ?ognito unb bas Pfeubonym. 

Das 3 n ?ognito, unter bem insbefonbere regierende 

Herren 3uweileu 3U reifen pflegen, gehört teils dem Sonber« 
red?t bes hohen Hbels, teils bem Staatsred?t an unb foll 
hier nid?t weiter in Betracht ge3ogen werben. 

Das 3 nfognito gewijfer prioatperfonen, insbefonbere 
oieler Sd?riftfteller unb Künftler, ift bas pfeubonym, W03U 
juriftifch aud? ber Künftlername gehört. Kn ber Kitnahme 
eines Pfeubonyms ift im allgemeinen niemanb gehindert 
Dem preußifdjen Kammergerichtsreferenbar a. D. IPilhelm 
^äring war es unbenommen, feine Homane unter bem Hamen 
IPiüibalb Kleyis 3U peröjfentlichen; 3 * an ponl ^riebrid? 
Hid?ter war nid?t gehindert feine 3ahlreicheit Schriften unb 
Feuilletons unter bem abgefür3ten SchriftfteÜerua'ineu 3 ea!l 
Paul h?raus3ugeben; niemanb fann perbirten, baß fd?rift« 
ftellernbe Damen ihre Kutorfd?aft unter einem männlichen 
Pfeubonym perfteefen. 

Kber wer fold?er pfeubonyme ftch wenn aud? ftänbig, 
bedient, fann baburd? feines bürgerlichen Hamens ftd? nicht 
eutfd?Iagen, unb 3utnal ben Behörden gegenüber bleibt ber 
bürgerliche Harne ber allein ihm 3ufommeude. IPenn ber 
Freiherr pon lTTüuch«BeUinghaufen, ber ftd? als Dichter be* 
fanntlid? F r * e ^ r *ä? f?alm nannte, eine amtliche Urfunbe mit 
„Friedrich Ifalm" nnter3eid?net hätte, fo wäre dies Dofument 
null unb nichtig gewefen; wenn ein aud? nod? fo befannter 
Dichter, ber ftch eines Pfeubonyms bedient, eine Quittung 
ober einen IPohnungsmelbe3ettel allein mit feinem angenom¬ 
menen Hamen poll3iehen wollte, fo wäre bas 00m juriftifd?en 
Stanbpunft aus ais objeftip falfhe Beurfunbung auf3ufaffen. 

Ebenfowenig begründet ferner bas Pfeubonym für beit 
3 nbaber ein Hed?t, biefe Hamensbe3eid?ttung für ftch allein 
31t beanfprud?en unb andere pon ihrer Benugung aus3u- 
f<hließen. Ein Patent, ein HTonopol auf Pfeubonym giebt 
es nicht. Die Künjtlerin, bie ihren bürgerlichen Hamen 
Erna IPallborf mit bem romantifd?er flingenben Hamen 
Hita Hipera pertaufd?t, fann ftd? nid?t darüber befd?weren, 
wenn aud? andere Kunftgenoffinitett fich ben gleichen Hamen 
beilegen. 3 a > au ä? öer Philofopt? Kafpar Sd?mibt, der fein 
berühmtes IPerf über ben „Ein3igeit unb fein Eigentum" 
unter bem Pfeubonym „ITTay Stirner" h eraus 9 a ^ hätte 
oerinutlid? fein IHitiel in ber £?attb gehabt, um 3U perhinbem, 
baß irgendein mäßiger Sfribent feine probuftioneu unter 
gleichem pfeubonym brucfeit ließ. 

Hur bann wirb ber (Eräger des Pfeubonyms ben Doppel¬ 
gänger belangen fönnen, wenn ftd? beffen (gebaren 
als betrügerifebe. miubeftens unanftänbige IHanipulation bar- 
fteüt — gleid?oiel, ob er dabei bie Erlangung eines eigenen 
Porteils im Kuge gehabt h a t ober nid?t. IPer 3. B. bie 
Königin ron Humättien dadurch porfäglid? frättft, baß er unter 
ihrem weltbefannten pfeubonym Earmen Sylpa einen Band 
gefd?macftofer (gebid?te l^erausgiebt, haftet ihr 3weifellos für 
ben entstandenen Schaden, mad?t ftd? unter llmftänbett aud? 
wegen Perleumbung ftrafbar. IPer ein fremdes Pfeubonym 
3um gweef ber CEäufd?uug anwenbet unb herbei öie Kbftd?t 
perfolgt, ftd? ober einem andern einen rechtswidrigen Per- 
mögensoorteil 3U perfd?affen, alfo bas Permögen eines Dritten 
befebäbigt oder dad? 3U fd?äbtgen petfud?t, h fl t Strafe wegen 
Betrugs ober Bctrugsperfud?s 3U gewärtigen. D r . h. 

s>» 

Unsere Bilder. 

Der Befud? bes Königs pon 3 talien (Kbb. S. 
bis t 673 ) in Potsdam unb Berlin liegt hinter uns, er bot 
einen für alle (Eetle mehr als befriedigenden Perlauf genommen. 
Piftor Emanuel h fl t es perftanben, bie Sympathien, bie man 
ihm als bem Sohn bes Königs Ejumbert pon vornherein ent- 


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Hummer 36. 


Seite \ 667 . 


gegenbrad?te, für feine Perfon . nen 30 erwerben unb 3n 
feftigen. (Ein liebeitswürbiger, befonnener unb in ber politiF 
wohl bemanberter fjerr, fo lautet bas allgemeine Urteil über 
ben jungen IHonardjen, ber mit ben anbern f^errfcfyern auf 
(Europas * (Ehroneu jeine oornehmfte Kufgabe barin erblitft, 
feinem DolF unb ber IDelt ben ,frieben 3U erhalten. Um 
ITTttt wod?, bem 27 . Uuguft, traf König DiPtor (Emanuel gegen 
Ubenb mit einem Sonberjug auf ber Station IDilbparP ein 
unb mürbe vom Kaifer unb (einem (Sefolge überaus h cr 3 lid? 
begrüßt. Ulsbalb ging es nach bem Heuen Palais in potsbam, 
Ido bie Katferin ihres (Semaljls unb (eines (Saftes fyarrte. 



Das Zielfdrfff während der Befchiessutig. 


Ejier fanben bie beiben IHonard^en 3mifchen ben Dielen 
offiziellen Peranftaltungen (Selegentjeit, ftd? in Hutje mit* 
einanber ausjufpreef^en unb einauber perfonltd? nät} er 3Utreten» 
Hod? am erften Ubeub fanb eine Jfamilientafel ftatt, bet ber 
ber König, wie man im bürgerlichen leben (agen mürbe, ber 
(Etfd?herr unferer Katferin mar. Uebertjaupt erhielt ber 
23 efud? Diftor (Emartuels baburdj etn gewijfes intimes (Seprüge, 
baß neben ben (Salafefteit aud? eine größere Unjafyl. familiärer 
^>iifammenfünfte, teils beim Kaiferpaar, teils beim Prisen 
Friedrich leopolb unb feiner (Setnaljlin, rorgefeljen mären. 
ZTad? Berlin Famen bie Ulajeftäten am Donncrstagoormittag. 
3 *?r EDeg führte fte 00m Potsbamer Bahnhof nad? bem König* 
liefen Sd^log über feftlid? gefchmütfte Strafen burd? eine nad? 
Dielen (Eaufenben jähleube, begeifterte DolPsmenge, gebüßt 
burd? ein glänjeitbes Spalier Don HTilitär, 3 nnun 9 c,t un & 
Krtegernereinen. Dor bein Branbenbnrger (Thor, bein IDahr* 
3eid;en preußifcher Siegesfreuben, begrüßte 0 berbürgermeifter 
Ktrfdjuer ben Ualientfchett König mit einer beutfehen Kn* 
fprad?e, bie biefer, ba er fid? bes Ueutfctjen nicht ooUPommen 
i^err fühlte, in. freunblidjfter IDeife fraitjöfifd? ermiberte. 
Bann ging es meiter nad? bem geugljaus 3U feierlichem, 
mtlitärifchem UPt. 3« HuhmcshaUe fanb bie Hagelung 
Don einunboiei^ig neuen Jahnen für bas III. unb V. Krmee* 
forps ftatt; intern König DiPtor €mannel nach bem Kaifer 
and} je eilten Hagel einidjlug, Farn bie beutidfitalienifche 
rPaffengeineinfchaft fymbolifdj 3um Kusbrutf. Unmittelbar 
daran fdjloß (id? IDeihe ber neuen Jelbjeidjen im licht* 
tjof des geughaufes. Bei ber folgenben (Salatafel im 
Königlichen Schloß bradjte ber Kaifer einen he^lid? 

fdjtmittöoollen (ErinPfprud? auf feinen (Saft aus, ben biefer 
mit gleicher tüärme in italienifcher Sprache ermiberte. Hach* 
bem der König im lauf bes (Eages allein mehrere Befuge ge* 
mad?t jtrtb €mpfänge abgehalten hatte, führte ihn bie feft* 
Dorfteünng im 0 pernhaus mieber mit (einem Paiferlichen 
<3aftgeber 3ufammen. Den Freitag uerbrachten bie beiben 
IHonard?en gaii3 in potsbam unb Umgebung. Um Sonuabenb 
Farnen fie mteber nad> Berlin, mo jte (ich ootn Bahnhof (Sroß- 
görid?enftraße aus unmittelbar 31t pferb nach te.n (Ecmpel* 
ffoferfelö 3ur großen EjerbftparaDc begaben. Um Sonntag 


trat DiPtor €maitttel bie Hücfreife über ^ranPfurt a. ITT. nach 
3 talien an. Sein Befuch mirb fruchte tragen. UPußte mau 
aud?, baß bie guten beutfdj-italienifcheu Be3iehungen burd? bie 
(Erneuerung bes Dretbunbes bereits gefertigt maren, fo bat 
fid? bod? burd? ben HerPehr ber beiben Illonarchen oor aller 
Uugeit ihre % freunbfchaft in bie Seele bes DolPes gefchrieben. 
Dem König DiPtor €manuel aber mirb man nicht uergeffen, 
baß er pietätuoll in ben UTauioleen 3U (Eljarlottenburg unb 
Potsbam an ben (Sräbern nuferer beiben erften Kaifer Kiäit3e 
nie^erlegte unb baß er mit offener t^aub eine größere Summe 
3utn Beften ber Berliner uttb potsbamer Urinen jpenbete. 

Bei ben IHartnemanöoern (oergL nebenfiehenbe Ubb.), 
bie jüngft cor Dan3ig abgehalten mürben, i(t IDert barauf 
gelegt worben, beit Sd?ießobjeften ein möglichst natürliches 
Uusieheit 3U geben. So waren unter anberm 3wei. alte 
Schiffe, ein Borbing unb eht Steinfab^eug, mit weißem Un* 
jtrich uerfehen unb uollftänbig 3U moberneu panserfchijfeit 
aufgetaPelt worben, bei betten es meber an einer 3 ,n * t a t io n 
rott Kommaubobrürfen, lUaftPörben uub Schornfteinen, nod? 
oon Pau3ertürmen unb (Se[<hüöeit, noch («hlicßlich oon einer 
Bejahung fehlte. 

Die Kaifertage tn pofett wnb 1677 ). 

gweimal bereits hat Kaifer lUilhelm JI« tn ben UTauern der 
Stabt pofen geweilt, aber 3um erftenmal ijt er am 2. September 
bort mit ber Kaiferitt 3U mehrtägigem Uufenthalt eingetroffen. 
(Er hat manches bort oeränbert geftinben. Die Hieberlegurtg 
ber Jeftuttgsmauern hat bie (EntmicFIung ber Stabt mäijtig 
gefördert Heben betn berühmten alten Hathans ftnb neue 
SehenswürbigPeiten entftanben, (Sebäube, bie ber beutfehen 
Kultur 311 bienett beftimmt ftttb: fo bas neue IHufeum, fo bte 
Kaifer UPilhelinsbibliotheP- Die nenfte gierbe pofens aber 
tft erft bei ber Unwefenheit bes Kaiferpaares eingemeiht 
worben, in (einer (Segenwart fiel bie f?ülle uotn UettPmal 
Kaifer Jriebrichs. Die Kaifertage in pojen ftehen im §u* 
fammenhattg mit ben KaifermanöDem bei franPrnrt a. 0 „ 
aus welchem (Srunbe aud? oiele nianöpergäfte bereits an ben 
pofener ^cftlichPeiten teilgettommett haben, lüir bringen 
heute bie Bilber bes €rjhor3ogs Jerbinanb Karl von 0 efter* 
reid?, bes (Senerals ber 3 n fanterie v. Stülpnagel, Kotnman* 
beur bes V. UrtneePorps. bas mit bem III. an ben IHanöoern 
beteiligt ift; bes (SeneralmajorS oon EDebel, Kommanbeurs ber 
8. 3nfant*riebrigabe, unb bes (Seneralmajors uon IHi^laff r 
ber mit bem (Srafen EDalberjee 3utn Schiebsrichter berufen ift. 

Die Beifefcung ber I?er3ogin ITTargarethe Sophie 
Don IDürttemberg (Ubb. S. ( 676 ) fanb auf 29. Uuguft in 



Dae Zietrchiff tm Btnken. 

ber Familiengruft bes Sd?lo(fes 3U lubmigsburg patt. Die 
leidje, bie oon (Smunben birePt nad? lubmigsburg beförbert 
worben mar, mürbe 00m Bahnhof aus in feierlichem gug 
nach betn Sd?loß geleitet. Kußer bem (Semahl ber Deremigtett, 
i?er3og Klbredjt, unb bem König folgten oiele Spe3taigefanbten 
unb 3ahlreid?e lüürbenträger aus bem Königreich betn leid?en« 
magen, ben bie Königin mit ben übrigen furftlidpen Damen 
im Sd?loß erwarteten. 

f?och3eit am garetthof (Kbb. S. 167 ^). Die F r *unb* 
fd?aft 3mtjchen bem gried?ijd?en unb rufftfehen I?of hat einen 


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Seite 1668 . 


Hummer 36 . 


neuen Kilt erhalten. HTit großem pomp ift am 29. 2Iugufi 
in garffoje Sjelo bie Permählung ber (ßroßfürftin tjelene, 
ber (Eodjter bes (ßroßfürften IPlabimir, mit bem pri^en 
Hifolaus oon (Sriedjenlanb gefeiert morben. Pie fdjonfte 
Prin3effin aus bem t^aus Homanom, bie fdjon fo oft oerlobt 
gefagt mürbe unb aud? fdjon einmal mit bem Prisen HTaj 
oon Baben tt^atfad^lid? oerlobt mar, rnirb nun bem 21us- 
ermatten ihres fje^ens aus ben rauhen Kegionen St. Peters¬ 
burgs für immer nad? bem fonnigen Kttjen folgen. 

Pie Dermäljlung oon <£l?rifius-£ang (2lbb. 5. 167*). 
€in einfacher tjafnermeißer 2lnton fang tjat fid? in Ober¬ 
ammergau mit f räulein Ittathilbe Hut; oermählt, aber allent¬ 
halben ift oon .biefer t^od^eit gefprod?en morben, mie fonft 
nur oon ben f eften bei beit (Sroßen biefer (Erbe. HUerbings 
ift 2lnton £ang nicht immer tjafnermeiftcr, er oerläßt mit¬ 
unter bie IPerfftatt unb mirb 311m Piener religiöfer Kmtft. 
Plan fennt ihn meit über bie <Sren3en feiner Beimat hinaus 


als ben (Ehnß 0 * ber pafftonsfpiele vom 3 a h* 1900. Seine 
Permählung gefaltete fleh 3U einer 2lrt Polfsfeß; in bem 
Braut3ug fdjritten oiele befannte Parfteller ber Pafftonsfpiele, 
unb 3ahlreiche Sommerfrifchler hatten ftd? eingefunben, ihn 
3u fehen. 

Pie EDagnerfeßfpiele (2lbb. S. 1705), bie in biefem 
3ahr mieber in nTündjen unb in Bayreuth oeranfialtet 
mürben, bilben ben (Begenftanb bauernber (Erörterungen. 3 n 
Bayreuth betrautet man bas HTünchner prin3regententheater 
als ein KonFurren3unteruehmen, bas neben bem feftfpielhaus 
in ber HTainftabt feine (Efifiei^beredjtigung haben fall. 21llein 
bas publifum fümmert fidj nicht barurn, fonbern fragt nur, 
ob bie Kuffühningen gut fmb, eine (frage, bie 3ur (ßeitug- 
thuung bes proteftors, Prin3en £ubmig f erbinanb oon Bayern, 
unb bes (ßeneralintenbanten oon poffart allgemein mit ja 
beantmortet mirb. Per prin3 hat übrigens feiner IPagner* 
begeifterung auch baburch Husbrucf gegeben, baß er bei ber 
erften Porftellung ber „HTeifterfinger" am Pult ber erfien 
Pioliite im 0rchefter mitmirfte. 

Pas neue Kölner Stabttheater (Hbb. S. i?o*). 
Pie rheinifd?e HTetropoIe, bie fd?on lange als (Eheaterßabt 
einen guten Huf genießt, hat ein neues Stabttheater erhalten, 
bas etrna 1900 Perfonen pia^ bietet, natürlich ftnb bei 
bem 00m Hegiermtgsbaumeifter <£. Ifiorit; mit einem Koftett« 
aufmanb oon fünf ITCillionen ITCarf errichteten Bau alle (Er- 

G- ■— . = 


fahrungen ber (ßegenmart tm (Eheatermefen berüdfichtigt 
morben. Per neue Kunftteinpel mirb, mie ber alte, unter ber 
bemöhrten ieitung bes Pireftors 3 tt ^ us Fjofmanit fteh«. 

€iite IPohlthatigfeitsoorfteltung auf Sylt (2lbb. 
S. \ 706). §um Beften ber ^unterbliebenen ber beim Unter¬ 
gang bes „primus* (Ertrunfenen ift oon frl. oon Buttlar 
unb bem freiherrn 0. IPidebe in EDefterlanb auf Sylt eine 
Ueberbrettloorftellmtg infeeniert morben, bie ben ermünfehten 
(Erfolg gehabt hat. (Einer großen gahl oon Kurgästen mürbe 
burch fünftlerifche Parbietungen (Sentiß bereitet, uub für ben 
mohlthätigen Srned fam eine erflecfliche Summe 3ufammen. 

Sdjmingfeß in Sarnen (2lbb. S. 1678). Schmingfefte 
nennt man in ber S<hmei3 eine 2lrt olympifcher Kampffpiele. 
Pa merben bie Kräfte gernejfen im Schmingen, Springen, 
Hingen, fahnenfehmingen, Steinftoßen unb auch im — 3°&*l n - 
Pas Schmingen, oon bem jte ihren Hamen haben, ift eine 

befonbere form bes Hin¬ 
gens, bei bem nicht ber 
£eib berKämpfenben bireft, 
fonbern bie Sdjminghofe, 
ein ber Babehofe ähnliches 
Kleibungsftücf, gepaeft 
mirb. früher betrieben bas 
Schmingen nur bie Senner, 
in neuerer §eit aber tritt 
babei bie ftäbtifche Beoölfe- 
rung mit ber länblichen, 
treten bie (Duner mit ben 
Sennern in bie Schranfen. 
Pas biesj&h?ige eibge* 
nöffifche Schmiugfeft fanb in 
Sarnen im Kanton intern 
ftatt; als Sieger ging aus 
bem Schmingen tjans Studi- 
Konolftngen h^roor. 

perfonalien (portr. 
S. 1678 unb 1705). 3 n 

St. fiben bei St. (Sailen 

ift nach langem £eiben ber 
fchmei3erifche Hationalrat 

3ofef Keel im 2llter oon 
fünfunbfech3ig Jahren ge¬ 

worben. Keel, ber bem Parlament feit 1876 als Per- 
treter fanftgallifcher Kreife angehörte, mar führet ber 

fonferoatioen Partei. — 3 n Plütuhen, mo er Teilung 

oon fernerer Kranfheit fuchte, ift ber Hegierungspräfibent 
oon Hieberbayern, £ubmig oon IKeifner, fed^ig 3®hre alt, 
geftorben. Bayern oerliert in ihm einen oor3üglichen Per¬ 
maltungsbeamten. — 21 n ft eile bes oerftorbenen (Senerals 
0. b. planig ift ber bisherige Komtuanbeur bes XII. 2lrmee- 
forps, freiherr oon Raufen, 3um fächftfdjen Kriegsminifter 
ernannt morben. Per neue ITCinifter, ber bem fächftfehen 
I?eec feit (863 angehört, mürbe am 17. Pe3cmber 18*6 
geboren. — Sein fünfunb3man3igjähriges Picnftjubiläum 
feierte am 1. September ber Koburg-<Sothaifche Kammerherr 
paul oon €bart, ber oon 1880 bis 1889 piioatfefretär 
bes tjerjogs (Ernjt II. unb alsbann bis 3U beffen (Eob 
3nteubant ber tjoftheater mar. Seine Stüde merben auf 
oerfchiebenen Bühnen mit (Erfolg aufgeführt. -- Pem be¬ 
fanden IHabagasfarforfcher Profejfor Pr. 21. Poelfcfom in 
Straßburg i. €. ftnb aus bem foubs ber ^edmunn-IPentjel» 
ftiftnng 15 000 Illarf 311 einer neuen forfchungsreife be- 
milligt morben, bie ber (Selehrte im nächfien 3anuar an3u- 
treten gebenft. — Sein fünf3igjähriges Poftorjubiläuin 
feierte IHeb^inalrat IPilhelm Benber in (Eamburg. Per 
3ubilar, ber feit *5 3 a h f en bas Phyfifat bafelbft oerroaltet, 
ift (Ehrenbürger ber Stabt, um beren IPohl er ftd? als (ße- 
meinberatsinitglieb unb als Begrünber ber freimilligen feuer¬ 
mehr große Perbienfte ermorben hat. 

— " 0 



VKerenbcleuchtung vor dem Konvcrffttfonohauo zur ftitr der „Grossen QUodu“ in Baden-Baden. 

^eidjnuttg nndj einer 21ufnat]me non 3ungmann & Sd?om, Baben»Bai)en. 


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Hummer 36, 


Seite \669> 



Pie „(Sroffe rPodje 4 ' pon Baben*Baben (Ubb. S. 1675 
unb ( 676 ) ift nun aud; porüber. 3 h r weiterer Perlauf ent* 
fprad; in fportlidjer Bejahung Ieiber pöllig bem Anfang; 
bentfdje Pf erbe traben aud; nid;t ein einiges größeres Hennen 
gewinnen fönnen, in bem ihnen auslänbifdje Pferbe gegen* 
übertraten. PTod^te ber Sieg £a Eamargos iin (Sroffen preis, 
ber allgemein erwartet würbe, and; für fid? allein nid;t fo 
nieberfd;meiternb fein, ba bie Stnte in franfreid; 3ur beffen 
Klaffe gehört, fo liegt bie Sadje mit OTireille, ber Siegerin 
im guhmf tsrennen, febr böfe. Pa3u Fotnmen nod; bie 
Hieberlagen, bie 0 efterreid; 3wifd;en ben «flaggen unfern 
Ställen fdjlug; fürwahr bas (Scfamtergebnis ift für bie 
heimifebe Snd?t traurig. prad;tPoll hingegen war wieber bis 
3um Schluß in 3 ff e 3 ^ e * m * n>i* xn Baben*Baben felbff, am 
(Tage unter ben Strahlen ber Sonne, wie bei Had;t unter 
bem <3lan3 ber rounberpollen Fünft licken Beleuchtung (Ubb. 
S. (668) bas gefeüfd;aft(id;e Bilb. Ueberaü fat; man intereffante 
perfönlid;feitcn, unter beuen fid; gar manche (Sröge ber Urifto* 
Fratie nnb ber Bühne befanb. H* er fat; man bie prima ballerina 
ber Parifer (Dper Iftabatue Kicotti, bie felbft einen Hennftall 
beftgt, bort. um nur einige aus ber großen §at;l t;eraus3u* 
greifen, bie prinseffht Bert tja 3 f*nburg*Sirftein mit beut 
(Srafen Jraii3 Egon UTetternid; in einer Equipage, währenö 
Prin3 Karl 3 f en & ur 9 mit £ewis, feiner Schwägerin, 
fid; bes mobernen Uutomobils bebiente. 

IPirb einmal bas Uutomobil, bas hier nur eine Heben* 
rolle fpielte, auf ber Hennbaipt bem eblen Hoff ebeitfo ftarfe 
KonFurren3 machen, wie fegt fdjon im Perfetjr? Per Kit* 
fang bamit ift gemacht. 3 n cfranFfurt a. ITT* haben am 
3 (. Uugujt größere internationale HTotorwagenrennen auf 
ber Hennbahn am (Dberforfthaus ftattgefunben. Es waren 
bie erften i!;rer Urt auf beutfehem Hoben, unb gleich ber erfte 
Perfud; glüifte pollfommen. Erwähnt fei, baß aud; hi« wieber 
bie h e intifd en Ublerfahrrabwerfe ihre leiftungsfähigfeit er* 
weifen fonuten. 3 hnen mar im Klubporgabefaljren für ITCit* 
glieber bes franffurter UutomobilFlubs ber Sieg befdjieben. 

IPenigrr Pom (SlücF begünftigt war ber pom belgifchen 
Kriegsminijterium peranftaltete, für (Dffaiere aller Urmeen 
offene Piftan3ritt pon Srüffel nad; (Dftenbe (Ubb. S. ( 678 ). 
Pie Seteiligung war 3war, obwohl beutfdje nnb öfterreich* 


ungarifd;e (Dffijiere nicht teilnahmen, fehr jtarf, aber bie (Er* 
oebniffe haben mancherlei SebenFen gerechtfertigt, bie gegen 
bas Unternehmen non pornherein laut würben. <£s Farn 
nämlich nur baranf an, bie (35 Kilometer lange Strecfe 
moglichft fd;nell 3urü<#3u legen; bie fonft bei Piftan3ritten ge* 
(teilte Sebingung, baff bie (Liniere in gutem §uftanb eintreffen 
mußten, fehlte. Pie folge war eine Ucberanßrengung ber 
Pferbe, non benen eine größere Unjahl ben Strapa3en erlag, 
ohne bas giel 3U erreichen. Pen Sieg errang £eutnant 
DTabamet nom ( 3 . fran3Ößfd;en Pragonerregiment, ber erfte 
Belgier H* 3 aofiens traf an fiebenter Stelle ein. : 

Kud; bas Homburger internationale Cawntennisturnier 
(Ubb. S. ( 706 ) hat in3wtfd;en fein Enbe gefunben, bas burch 
bie aftine Beteiligung ber Pamenwelt befonberen Hei3 erhielt. 
Uls eine ber beften Spielerinnen erwies ftch babei Kliff £orother, 
bie unfer Silb im Kampf mit Jrau non Hleifter jeigt. 

giint Schlug fei noch einer fportlichen Peranffaltung ge* 
bad;t, bei ber es nicht auf Kraft, Uusbauer unb (Sefdjtcf, 
fonbern Icbiglich auf Schönheit unb (SefdjmacF anFatn. Per 
Ullgemeine UlfterFlub in Hamburg neranftaltete einen Blumen* 
Forfo (Ubb. S. (70 5 ), ber unter (Teilnahme eines 3at;lreid;en 
PubliFums einen in jeber Be3iehung gelungenen, non 
Schönheit unb (SefdjmacF 3eugenben Perlauf nahm. 



<Eii! £itteraturrornan. 


Per giifammenfchlug unferer nieten Paterlänber 3U einem 
einigen Pentfcben Heid; bebeutete 3unäd;ft für Kuuft unb 
£ittcratur Feinen entjpred;enben Jortfd?ritt. 3 n Seiten 
Fräftigen politifd;en £ebens pflegt bie Kunft in ben hinter* 

grunb 3U treten, ein Ufd;enbrÖöel, in bem niemanb bie Königs* 
tochter erfennt flieht als ein 3ah r 3*tMit follte erft ins £anb 
gehn, benor auf beutfd;em Bobeit bie geiftige (Ernte jenes 
grogen nationalen Ereigniffes 3U reifen, begann. Um bie 
ITlitte ber adliger 3ah** bes nerjfoffenen 3ahrhunberts fegte 
bie litterarifd;*Fünftlerifche Erneuerung ein, inbein ein Häuf¬ 
lein jujenblid;er Stürmer unb Pränger gegen bie aner* 
Fannten Kunft* unb £itteraturgrögen Sturm lief. Pie alte 
ewige «fehbe 3wifd;en 3 un 9 en unb Ulten hub an, bie not* 
wenbig 3U (Sunften bes Jortfd;ritts immer mit bem Sieg 
ber 3 u 9 en b enbet. 

Uuf nahezu 3wei 3 a h r 3 e ^ rt ^ e ber EntwicFlung fd;aut h^ute 



Tom groseen fntemattonalen flotorwagenrennen zu Frankfurt a. fl. 
Siegrr im Kluboorgabr f at}ren: IHar Srdaning ( 21 bf erf atjrrabroer f *). 
§ei<hnung nach einer Photographie ron <D. Stimforb. 


fdjon bie junge beutfd;e £itteratur 3urücf. UTannigfache 
Häutung hat fte burchgemad;t, mannigfache (Särung 
unb Klärung, unb non bem urfprüngliehen JPoUen 
ift wenig 3urücFgebIteben. mitten in biefe Ent* 
wicFlungsFämpfe h*n^n führt uns U?ilhelm pon 
polen3 mit feinem nenen Homan w lPur3el* 
locFer" (Perlag von «f. Jontane u. Eo., Berlin). 
Es ift bie <Sefd?ichte einer jungen Picbterfeele, 
ihtes U)erbens unb IPadjfens, ihres Kämpfens 
unb Heifens in jener bewegten Seit. Uns einer 
3 uriftenfamilie Fommt frig Berting, ber H*lb bes 
Homans; fein Pater gehört * jener Klaffe mo* 
berner Homaben au, ben Beamten, bie heut* 
hierhin, morgen bahin beorbert werben, burch ben 
Pienß, ihre 5 *lt* abbred;en unb anfftellen müffen, 
nid;t wie unb wo es ihnen gefällt, fonbern nach 
Bestimmungen, bie irgen>ein IHenfch in irgenb* 
einem Heffort weit weg in ber Hauptffabt trifft." 
Pie Kinbheitserinnerungen haften barum nid;t 
tief in ber jungen Seele, geben ihr Feine fefte 
Heimat in einem beftimmten (Sau, einer be* 
fiimmten £anbfd;aft — fie ift wu^ellocFer. 

Unb wur3elIodPer ift auch bie rerolutionäre 
3 «genb, in beren Kämpfen Jrig Berting ein 
leibenfd;aft!icher nTitffreiter wirb. Sie hat in 
ihrem Sturm unb Prang ben S u fammenhang mit 
Familie, H cima ^ <ßott perloren, ohne ben ber 


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Seite {670. 


Ztummer 36. 


RTenfd? ein winboerwehtes Blatt tg. Die jungen Dichter 
Kammern fid? wof?l an bie (Eibe, irollen nad? auslänbifdjen 
Dorbilbern ;BaturaIiften a [ein; aber im (grunbe traben fie 
bod? feine Crbe unter ben fügen, wie ftd? aud? fein Ijimmel 
über ihren Köpfen wölbt. Die IDelt, bie ge mit ihrer 
IDirflid?feitsfunfl fdjilbern, h<*t feine (liefe bes füfjlens unb 
feine fjöhe bes (giaubens; fie ig „wie ein großer Saal mit 
aÜ3U niebriger Detfe". Den gufammenhang mit familie, 
Ijeimat, (Sott n>i eher gewinnen — bas ig ber geheime Sinn 
ber Cntwicflung, bie Jrift Berting unb mit ihm bie junge 
beutfd?e litteratur burd?läuft. Eigenes tiefftes Crleben, frenb- 
unb letboolles Sd?icffal führt ihn ben IDeg 3ur (Sefunbung: 
liebe, Daterfdjaft unb ber (Tob ber (geliebten (affen ihn 
wieber an bie ewigen fittliehen IU 5 d?te bes lebens glauben. 
Km (Eube oermag er gef? eiitjuorbnen in bas groge (gan3e, 
bie (gemeinfamfeit, unb baraus fann er bann erft als Künftler 
oon wnr3elfefter (Eigenart heroorblühen. # Kus Religiojität 
unb Ijeimatliebe wirb ber flienfd? ber gufunft feine Kräfte 
äie^en." 

(Es ig ein miglid? t>ing um einen litleraturroman. (Ein 
Kunftwerf foll nicht augerfünftlerifd?en. Rbgd?ten bienen, unb 
ein Roman foll nid?t eine litteraturgefd?ichte fein. polen3 
felbft hat es wohl gefühlt, bäg er gef? mit feinem litterarifchen 
J^elÄen aÜ3u feljt ins Kbftrafte, ins Zeitliche unb perfönlid?e 
oerliere, ’ unb ihm besfjalb bie Klma lur 3ur Seite geftellt, 
aus ber bas leben rein unb unmittelbar, burd? feinen (ge* 
banfen oerbunfelt, 3U uns fprid?t. Sie ift gan3 Reinheit 
unb Unfd?ulb, felbf uiw ^r Süiite^wettge überall Batür ift. 
Die eingeborene IDrogeTf "ihres ffrr^ns überftrahlt h ? H all* 
nod? fo fingen (gebelfert, alle noch fo t?oh en Kunftibeen, unb 
ber (geiftesfampf einer ganzen geit fd?rumpft oor ihr 3U 
einem Bid?ts 3ufammen. Um biefer feltenen frauengefialt 
willen möge ber litteraturroman oon IDilhelin 0. poien3 auch 
jeufeits ber fogenannteu „litterartfd?en Kreife" feine lefer 

ftitOen! pauI Himer. 



Die toten der üloclje. 



Karl oon Krf, profeffor am Konferoatorium 3U St. Pe¬ 
tersburg, t hört im 63 . lebens ; ahr. 

XHintfterialrat a. D. iDilhelm 0. Befjringer, t am 

29. Kuguft 3U lHünd?en. 

Däuifcher Schriftfteüer unb päbagoge teopolb Bubbe, 
t im Klier oon 66 3 a h r * n 3U Kopenhagen. 

Sir Campbell Clarfe, 3 0U * na ltft t in Sonbon im Klter 
oon 67 fahren. 

3 ames Doel, ältefter Schaufpieler (Englanbs, f am 

30 . Kuguft in Stonehoufe bei piymouth im Klter oon 98 3 ah*en. 

Dr.'Qermann Ijaas, befannter Schriftfteüer, f am ».Sep¬ 
tember tu Cbenfjaufen bei iriüud?en im Klter oon 50 3 ah ren * 

Kartograph Dr. Bruno f^affenftein, t am 27 . Kugnfl 
3U (gotha. 

lubwig 0. DTeiyner, Kegieruuasprägbent oon Bieber* 
bayern, f am (. September in ÜUutchen im Klter oon 
60 3 a h r *n (Porträt S. »6 78 ). 

Kontreabmiral HTerleaitf-ponty, 0 berfommanbant ber 
tunefifchen Sdjiffsbioigon, f am 30 . Kuguft in paris. 

Krthur 3 ulius Peter mann, lanbwirtfchaftlicher Che* 
mifer, f 3 U (Semblouj. 

(graf Rascon, ehemaliger fpauifcher (gefaubter 3U Berlin, 
f am 26 . Kuguft 3U HTabrib. 

Jeberico Rubio, befannter fpauifcher Chirurg, t am 
St- Kuguft in ITTabrib im Klter oon 75 3 a hren. 

Klbert Cheer, Porträtmaler, f am 30 . Kuguft in IDien 
im 8 7 . tebeusjahr. 

Kbolf Chamas, Stabtbechant unb (Ehreubomherr, f am 
5 ». Kuguft in Köln im Klter oon 87 3 a h rcn * 



Der nod? oor oerhältnismägig fnr3er geit als Sdjrecf- 
gefpenft geiürchtete IDettbewerb ber Bereinigten Staaten oon 
Kmerifa ift unfern (gewerbe- unb Ejanbelsfreifen ; oorläuftg 
3um guten (genius geworben; benn ber burch ben anbaltenben 
amerifanifchen (grubenarbeiterftreif oerfchärfte Cifen- unb 
Stahlbebarf ber grogeit Republif fud?t feine Befriebigung 
teil weife in (Europa, unb bie amerifanifchen Be3üge forgen 
bafür, bag bie gefüllten läger unferer Ciieninbuftrieüen eine 
ebenfo notwenbige, wie angenehme €rleid?terung erfahren. 
3 n bem amerifanifchen Roheifen- unb Schienenbebarf liegt 
benn auch oorläuftg ber Schlüge! für bie 3nDergd?tlid?ere Ruf* 
fagung, bie bie Börfenfreife oon ber biesfeitigen gewerblichen 
läge befunben. Denn ber h*i m *gh* Bebarf giebt 3unad?g 
nur geringe tebens3eichen, aber es liegt ein gewiger CEroft 
in ber Knnahme, bag ber biesfeitige Koitfum fünftlid? 3urfid- 
gehalten wirb, in ber (Erwartung weiterer preisfonjefgonen 
feitens ber Crseuger. <Db biefe (Erwartung ftch beim^eran- 
nahen bes Ijerbftcs als ftichhaltig prweifen wirb, mug.bahin* 
geftellt bleiben. 3 e h*nfalls aber faul? nicht oerfannt werben, 
bag unfere (gefchäftsfreife einer freunblicheren Kuffafjung ber 
(gefamtlage 3uneigen. 

Dorläugg arbeiten bie grogen unb oiel mehfc f figd? bie 
flehten IDerfe unferer f?ütteninbuftrie mit fehr ggpingem 
Bu^en. Die Kbfd?lüge nad? Kmerifa finb teilweife 3U preifen 
erfolgt, bie ftch nur gering über ben Selbftfoften bewegen. 
Die Kohleninbuftrie befinbet ftch ja banf ihrer 3iemitth fejt 
gefchlogenen Syttbifate — aüerbings machen ihnen bie,äugen* 
fteheitben ged?en nicht wenig 311 fdjaffen r- w einet wefent- 
lieh befferen läge unb arbeiten noch immer mit fchönem 
Reingewinn. Kber es ift immerhin ein betrübenbes (Sefübl, 
bag bas IDohl unb IDehe unferer wichtigftcn 3 1I ^ l, P r * e 3 ll,e '9e 
abhängig ift oon ber amerifanifeben (gefchaftsfonjunftur. 
Schon bas (Erlöfchen bes bortigen (grubeuarbeiterausftaubes 
bürfte ein Bachlagen ber amerifanifchen Beftellnugen in 
Cttropa bewirfen. (Ein ernfilidpes Sdjwaufen ber amerifa- 
mfchen (gefamtfonjunftur aber würbe weit ernftere (gefahren 
für bie biesfeitige (gefdjäftslage bringen, ba aisbann mög- 
iid)erweife ber bisher ausgefcbaltete amertfattifche IDettbewerb 
aftueü werben föunte. Küeiit bie Börfe ift gegenwärtig 
3U folgen Rege^ionen wenig geneigt, ba ge gerabe im Be- 
grig geht geh nach ber langen Kushuugermtgsperiobe einer 
frighen unb fröhlichen h in 3 l ^ebeu. 

¥ 

Cine gait3e Reihe oon DTarftgebieten fonttte in biefen 
(Tagen an ber (gefchäftsbelebung unb ber erheblichen Ktifwärts- 
bewrgung ber preife tetlnehmen. Die günftige Crlebigung 
jener (generaloerfammlungen, oon benen man noch eine Cr- 
febütterung bes Dertrauens befürchten fonnte, nämlid? ber 
Cleftrigitätsgefellfchaft oortn. SchudPert in Bürnberg unb ber 
Deutfchen (genogenfehaftsbanf oon SoergeL Parrigus & Co. 
in Berlin, ferner ber aitbauernb überaus güffige (gelbftanb 
unb bie fchon erwähnte gimuliereube Beeiitguguitg, bie oon Beu- 
yorf ausgeht — alle biefeKlomente, 3utnal ge eine internationale 
IDirfung ausüben, fonnten bic eittgetretene Ijauge genügenb 
legitimieren. Cs fam noch hi^3U/ hag unfere (groggnatt3 geh 3U 
einem Schu^fomitee sufammenfehlog, bas 3uttüchft ber IDahrung 
ber beutfehen 3 »teregeit an türfifchen IDertpapieren bienen foU, 
im weiteren aber gd) 31t einer Cinrichtung ausbilben fonnte, 
bie beit einflugreichen englifchen unb fran5Ögfd?en Schuft- 
fomitees für fremblänbifche IDerte gd? gleichwertig 3ur Seite 
ft.’Uen bürfte. Cs macht bei uns einen hoppelt güuftigeit 
Cinbrucf, wenn gd? bie mäd?tigften (glieber ber l)ochgnan3 
3U irgenbeiner ber grogen KÜgemeinheit bieuenben Schuft- 
aftion 3ufammentl?un, in einer §eit, wo bas mobile Kapital 
fogar oon „ftaatserhaltenbeu* faftoren erbittert befampft 
wird. Perus. 


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Ztummer 36. 


Seite 167|. 




Das Kaiferpaar unb bcr König »oit begeben ficf? pom Datinliof <Sro fcgörfdjen jirafce 3 ur Parabc Oob. Cäpfe pljot.;. 

2. Der Kaifcr unb ber König auf bem parabefelb (§ofpijot. ©. Knfd?ä$ pijot.). 


Ton der Berliner ßerbftparade vor dem K5ntg von Italien. 


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Beite [672. 


Hummer 36, 



König Viktor Smanuel von Italien und Kaiter Cdilhelm vor dem freuen palais in Potsdam. 

iSofpljot. Seile u. Hanfje pbot 



Der 6(nrug des Königs von Italien in Berlin: HnTprache des Oberbürgermeifters Kirfchner. 

€. Henbid? pljot. 


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Hummer 36. 


Seite {675, 



Von der fabnemveihe tu der Ruhmesballe: Hnhunft des Königs von Italien und des Kaffers. 



Von der fabnenweibe in der Rubmesballe: Der feftaht im J*icbtbof. 
fjofptjot. 0. 3lnfdjäft. 


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Seife 


Hummer 36, 



Königin (DIga oon ©riedjenlanb (i) uni) 3 ar * nmut l pr (2) in* Cager uon patolorosf. Dos neunermäblte paar, (Srofcfürftin £?elenc unb prin$ JTfoIaus non ©rtedjenUmb. 

Betuch der griechifcben Känigsfamflie am rurntchen Bof. 

<L 0. Bulla pijot. 




ja. i 

J 

ig jt f .. 

■ M m MM^|¥¥Vm£ 


öpl 1 HB; 




iKl! 


Oie Vermählung des Chrittus-Ilang von Oberammergau: Oer Bochzeitszug. 

H. Cbrifta pbot 


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Hummer 36. 


Seite 1675, 



2luf ber Damentribnne. (Dietridj pl}ot). 



Dor ber Cribflne. OTme. Hicotti Hennjlallbtfi^eriit. 




3ntercffantc <3u fd?an ergr tippen anf bem Hennplafc. 

Jlufnafjmen von ^ranj Küfyt (mit ©bjeftto ber ^irnia Poigtlänber Sc Softn, Pratmfdjnmg). 




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Seite J676. 


Hummer 56. 



©eneral brr jnfniAerie u. Stulpnagel, 
fommanb. ©eneral bcs V. Krmeeforps. 


prin3effinBerll}n3ff n burg*Siriiemu. <5raf5ran$€gonIUetternid% 


©eneralntajor v ZDebel, 
Konmtcinbeur ber 8. 3nf.*&ri<jale. 



<£r 3 berjog ^erbinanb Karl 
nimmt au ben Kaifermanöt>em teil. 

Zu den Kaifermanörern. 


Priitj Karl 3fmburg*Birftein unb Ulifi tcwis. 

Die „Grosse «loche“ in Baden-Baden, 
pbot. Kahn (mit ©bjeftiD ber £irnta Poigtlänber u. fobu. Braunfdjroeig). 


©eneralntajor v. ITtiglaff, 
Sdjiebsridjter mit ©raf EDalberfee. 

Zu den Kaifermanövern. 



Die Besetzung der fterzogin Margarethe Sophie von Württemberg zu kudwigsburg: Der Crauerwagen trifft im Schlosshof ein. 

IPf&ig pbot. 


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i bis 3. §u ben ©mueiijungsfcierlidjfciten roäbrenb ber Hmueienljeit bes Haifers: Pas neue PTufeum. 2. Pie Statue bes Haifer ^riebridjbenfmals. 

| 3. Pie Haifer IPilbrlmsbibliot^ef. Pas alte Hatbaus, ein 3ua>cl beutfd?er Häufung. 

* Kaifertage in pofen. 



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II '*-- M '***~**u 

























































































Knfunft bes erften Belgiers tx 3ooflens (VII. plag). Ct. ITlabamet, J3. frari3öf. Drag. »Bgt. (I. Plag). 

„Raid mllitaire w (Diftanzritt) BrülTel-Oftende. 

<D. Barca pbot 



Bitter o. ITIeirner f 
Begierungspräftbent oon nieberbayem. 



©eneral $teif>err oon Raufen, 3ofef Beel, 5t. ©ollen, + Kammerberr Paul o. <£bart, 

ber neue fddrfifd?e Kriegsminifier. fditoeiserifcber Hationalrat. beging fein 25 jähriges Bienßjubildum. 



Bas Schwingen: Bcficgt. Ber Sieger lians Stucf i’Konolf ingen (X) nad? bem Kampf. Steinftogen. 

Vom eidgenöffifeben Schwing- und Hclplcrfeft zu Sarnen, 
pbot. Krenn. 


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Hummer 56 


Seite \ 67 ty. 


Das fierrsebaftsgebiet der Sprachen. 


Stubte von Dr. 5 rai *3 ©ppen^eimer. 


3 n früheren 3af)rfyunberten mußte ber gebilbefe 
Deutfdje minbeftens franjöfifd] unb italienifd? ver- 
flehen; mer meiter jkebte, lernte fpanifch. Hur 
menige Huslänber lernten englifd?. (Es ift hochintereffant, 
in Hucfles berühmter „(ßefchidpe ber givilifation" ben 
Hachmeis erbracht 3U pnben, baß bis 3ur ZHitte bes 
ad?t3efynten 3ahrhunberts faum ein einiger 5ran3ofe von 
Hang bie englifche Sprache uerjlanb. Heut iP bas anbers 
gemorben. Das 5ran3Öpfche bemahrt 3*var noch einen 
hohen Hang, iß aber vom (Englifd^en minbejlens erreicht, 
wenn nicht über troffen; ben beiben folgt bie beutfehe 
Sprache in fehr geringem Ubpanb: fie mirb bleute in 
ÄranFreich obligatorifd? gelehrt, unb in Stocfholm fpricht 
jeber Schüler ber UlittelFlaffen gan3 geläufig beutjeh. 
Das 3 talienifche ift meit 3urücfgeb liebten: man lernt bie 
Sprache eigentlich nur, menn man eine Heife nach bem 
Süben beabpehtigt, ober 3U ^mecfeii bes ZHupFPubiums. 
Unb gar bas Spanifche ip freute ein Spe3ialfach für 
ein3elne Sprachgelehrte ober faufmännifche Korrefpou* 
benten gemorben; bebauerlich genug angepchts bes un¬ 
ermeßlichen tHerfes biefer Citteratur. Dagegen bringt, 
toenn auch langfam, bas Hufpfche immer roeiter vor. 

Hße Dinge haben ihren 3ureid?enben (ßrunb; es ip 
nur bie Aufgabe, ihn h*raus3upnben. Unb ba foß 
man pdj nicht mit bequemen Scheinerflärungen be* 
ruhigen. €s liegt h^r nicht etrna bloß ein ZHedffel 
ber UTobe vor, auch nicht eine banaupfche HbFehr ber 
HTenfchheit vom 3^ealen 3um Hlaterießeu, eine Hin¬ 
neigung 3U ben Sprad^en bes Hanbels unb (ßelbermerbs 
im (Segenfaß 3U jenen ber KunP, Citteratur unb ZDiffen- 
fchaft. Sonbem biefe Umwertung ber Sprachmerte ip 
bie einfache Äolge ber unermeßlichen Herfdpebung, bie 
bas H^rfchnftegebiet ber Sprachen betroffen hot. 

Die HevölFerung ber europäifchen (Sroßmächte hot 
in ben vier 3ahrhunberten feit bem Heginn unferer 
(Epodje eine außerorbentlich ftarfe Herfchiebenheit 
bes ZHachstums aufgemiefen, mie bie folgenbe Patiftiid^e 
Hergleichung mit einem SlicF 3U überfdjauen geftattet. 
€s hotten (Eiiuvohner: 

im 3 oh« *<*80 *580 *680 *780 *900 

(Englaub*) 3700000 <*600000 5532000 956*000 <**220000 

(Jranfreidj *2600000 *<*300000 *8800000 25*00000 38800000 
preußen*) 800000 *000000 *<*00000 5<*60000 56000000 

Hußlanb 2*00000 <*300000 *2600000 26800000 ***300000 
(Deperreid? 9500000 *6500000 *<*000000 20200000 <*7*00000 
3talien 9200000 *o<*ooooo **500000 *2800000 32000000 
Spanien 8800000 8 *50000 9200000 9960000 * 8 *00000 

(Total <*6700000 59250000 73032000 * 0988*000 3<*<*520000 

(Ein ein3iger HlicF 3eigt Iper, mie ridpig unfere Hör- 
väter bie Hebeutung ber verfchieöeneu Sprachen be- 
wettet haben, unb mie richtig mir pe heute bemerten. 
5 ranfreich hat bis 3um (Enbe bes J 8 . 3 ah r hunberts 
regelmäßig mehr als ein Hiertel, fap ein Drittel ber 
€inmohnerfchaft aller europäifchen Hauptftaaten in feinen 
(Bremen beherbergt; unb mit (Einrechnung ber fransöpfch 
fpredjenben Schu>ei3er unb öelgier mirb mohl ein voßes 
Drittel ber bamaligen (Europäer bas 5ran3Öpfche als 
HTutterfpradie gefprochen haben. Daneben Famen für 
ben Deutfchen nur 3 talienifch unb Spanifd? in Hetradp, 

•) €nglanb Peht fy cr für bas jeßige vereinigte Königreich, 
Preußen für bas jeßige Deutfdje Heid?. 


bie in je einem SechPel ungefähr feines KulturFreifes 
herrf dpen; aber bas (Englifche mar bie Spradje von 
einer H an & D °fl Horbbarbaren. 

ZHie hat fleh &as heute geänbert! Die fpanifdje 
Sprache hat, fo meit (Europa allein in Hetradp ge3ogen 
mirb, ihre michtige Hebeutung gan3 eingebüßt. Statt 
eines fchmachen Sedfftels beherrfdp pe nur noch unge¬ 
fähr ein 5u>an3igftel bes (Bebiets, bas h^rfet, nimmt bie 
einftige Stellung bes <£nglifd?en ein. (£t was meniger 
hat 3tallen verloren, bas immer noch ein Zehntel be* 
herrfdp. Die beutfehe Sprache hat fld? in ihrem ver¬ 
hältnismäßigen Heftanb ungefähr erhalten, (Englanb hat 
Parf gemonnen; vor allem aber ip .es bie ruipfche 
Sprache, bie in ungeheurem „fpurt* au ben KonFurreitten 
vorbeigegangeit ip. Denn, menn auch nidjt alle Unter- 
thanen bes ZHeißen Suren rufpfch fprechen, fo pub es 
hoch heute fchon nicht viel meniger als hunbert HTiKionen, 
unb auch ber HeP fpridp 3um größten (Teil ein flaivifches 
3^iom, nämlich polnifch ((<5 Hlillionen polen überhaupt). 

2 lber bie „lDelt Ä ip nicht mehr (Europa. IDenn mir 
ben gefamten mePeuropäifd?en KuIturFreis, bas Siebe¬ 
lungsgebiet ber FauFapfd?en Haffe — nicht aber ihr 
H^rrfchaftsgebiet — ins Huge faffen, mas natürlich 3U 
gefächen ^ a t/ menn man pd? imer bie relatioe He- 
beutung ber Sprachen ins Klare Fommen miß, bann 
verfchiebt pch öas Hilb noch gan3 anbers. Dann mirb 
namentlich erff bas fj^f^aftsgebiet ber englifd^en 
Sprach^ anfchaulid?. H^r genügt es, bie Herfchiebungeit 
bes leßten 3ahrhunberts 3U betrachten; benu erft biefes 
3 ahrhunbert hat ben europäifchen KuIturFreis mit Kraft 
auf bie übrigen Weltteile erftreeft. Unb ba ergieBt 
eine Hergleichung bas folgenbe Hilb. 

€s fprad7en als ihre HTutterfprache perfonen: 


im 3 a h r ( 80 * 
(Englifd? 20 520 ooo 

^ran3öpfd? 3* <*50 000 

Ueutfch 30 320 ooo 

Huffffd? 30 770 OOO 

Spanifch 26*90000 

3talienifd? *5070000 

Portugiefifd? 7 <*80 ooo 

(Total *6*800000 


bagegen 
im 3 a h r l 8 9 ° 
*** *00 000 
5 * 200 ooo 
75 200 ooo 
75 ooo ooo 

<*2 800 OOO 
33 <*00 OOO 
*3 OOO OOO 

<* 0 * 700 OOO 


Diefe S a h^n erhalten ihren eigentlichen tHert aber 
erff, wenn man pe auf ihre Helativ 3 ahl umrechnet. 
(Es fprachen von je \00 ZTTenfchen bes europäifdjeu 
KulturFreifes als ihre ÜTutterfprad?e: 

*80* *890 

(Englifd? *2,7 27,7 

^ran 3 Öpf<^ * 9 ,<* * 2,7 

Ueutfd? * 8,7 * 8,7 

Hufpfd? *9,0 * 8,7 

Spanifd? * 6,2 * 0,7 

3talienifcf? 9,3 8,3 

portugieftfdj <*,7 3,2 


Diefe (Cabeße 3eigt, baß nur eine Sprache überhaupt 
an (ßebiet gemonnen hat, nämlich bie englifche. Sie 
beherrfchte am Hnfang bes 3 ahrhnnberts erft ein 
Hchtel bes KulturFreifes unb am (Enbe meit über ein 
Hiertel. (Eine aubere Sprache hat ihr (ßebiet bemahrt, 
bie Deutfche. Kße übrigen haben verloren, fogar, menn 
auch fehr rnenig, bas Hufpfd^e, am emppubiichPen aber 
bas Spanifd^e unb 5 ran 3 Öpjd 7 e. 


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Seite \66ö. 


Bummer 36 . 


(gttglattb perbanFt biefen mtinberbarett <£roberuttgs3ug 
por aüent feiner Folonifatorifd?eu (ChätigFeit in außer* 
europäifchen IDeltteilen, namentlich ber Siebelung in 
BorbameriFa. Das UTutterlanb fteüt 3U ben englifd? 
Sprechenbett nur noch ein Drittel, bie Kolonien fteüen 3mei 
Drittel, baoon bie UnteriFanifd?e Union pier 5 ünftel 
unb barüber. <£s fprad?ett \890 runb 39 UTiüionen 
Europäer, aber 58 UTiüionen Cinmohner ber Union 
unb l %,5 UTiüionen Kanabier, Uuftralier, Kapeitglättber 
u. f. m. bas <&tglifd?e als UTutterfprad?e. Unb immer 
mehr perfchiebt fid? bas Sd?mergemicht bes eitglifchett 
Sprad?3entrums in bie meftlid?e fjentifphäre, ba bie 
< 5 roße Bepublif jenfeits bes UtlantiF noch immer burd? 
Zumanberung unb < 5 eburtettüberfd?uß in einem unge¬ 
heuerlichen UTaßftab an <£inmohnern 3unimmt / bereu 
Sprache im Cauf Fünfter 3 e\t anglijiert mirb. 

So h a & cn mir jefct im europäifd?ett KulturFreis 
eigentlich nur noch brei große Kulturfpracben pon Zw 
funftsbebeutung: bas <&tglifd?e, Bufftfd?e unb Deutfcbe. 
Die fran3Öfifcbe Zmtge mirb infolge bes außerorbentlid? 
langfamen U?acbstums ber BepölFerung immer mehr 
unb mehr an relatioer Bebeutung perlieren, mährettb 
bas ftürmifdje IDachstum ber germaitifchen unb flamifd?en 
Baffe unb bie fortbauernbe Uusmanberung in alle ge¬ 
mäßigten U)eltgegenben namentlich ber ettglifd?en Sprad?e 
immer neue UTiüionen uitb UTiüionen pon UTenfd?en 
uittermorfen merben. 3 n tiefem tPettlauf ber Sprachen 
hat Deutjchlanb leiber bie geringsten Uusjtd?teit, ba es 
Feine 3U europäifd?er Beftebelung befonbers perlocfenben 
Kolonien beftfet. Das hat 3ur5olge, baß es einen (Ceil feines 
BepölFerungsüberfd?uffes an feine KonFurrenten, nament¬ 
lich an bie britifche Sprad?e, perliert, mährettb biefe 
ihren eigenen ausmanberttben Ueberfchuß für ihre Sprad?e 
rettet unb barüber hinaus bie Uusmanberung ber gaiijen 
U)elt gemimtt unb affimiliert. (Es märe 3U hoffen, baß 
mir mirFlid?e UcferbauFolonien 5U gemimten imftanbe 
mären, etma am Ulittelmeer, in Kleittaftett unb Syrien, 
um ben Strom überqueHeitber beutfeher BauernFraft bem 
£anb unb ber UTutterfprad?e 3U erhalten. 

* * * 

tüenben mir nun unfern BlicF pon bem europäifchen 
KulturFreis fort auf bas <ßan3e ber UTenfd?h*it, fo per¬ 
teilt ftch bas Bilb mieber ftarF. Dann bleibt aüerbings 
noch an ber TDettbe bes neuen 3ahrhmiberts immer ber 
inbo*europäifd?e Sprad?ftamnt mit 800 UTilliouen £e- 
benber ber meitaus müd?tigfte, bet?errfd?t er hoch mehr 
als bie £}ülfte ber auf runb anberthalb UTiUiarbeit 
UTettfdten gefchäfeten BepölFerung biefes platteten. 3 a, 
er behält biefe herrfdtenbe Stellung fogar auch öattn 
noch, wenn man nur bie europäifchen Zweige biefes 
ungeheuren Stammes mit ihren Koloitiften 3ufamntett- 
rechnet. Dann ift es noch immer ein Drittel ber UTenfd?* 
heit, runb eine halbe UTiüiarbe. Unb noch fto^er Fattit 
es uns machen, menn mir erfahren, baß pon biefen 
ftegreichen Sprad?ett mieber ber germattifche Zweig 
bisher am Fraftpollften gemachfen ift: 2\2 UTiütonen 
umfaßte er (baoon \20 ettglifch, 72 beutfeh fpred?enbe, 
\0 SFanbittapier, \0 Dlamo*E}oüänber). Dann folgt 
ber gräFo-romanifche Zweig mit bann erft ber 

flamifche mit \32 UTilliouen. 

tPetin man aber auf bie eit^elnen Sprad?en, nicht 
auf bie Sprachftämnte ftehh bann riieft felbft bas ftol3e 
Britifche erft itt bie britte Heihe, bann fleht, alles be* 
herrfd?ettb, bie d?ineftfd?e Sprache mit 370 UTidionett 
Seelen an ber Spiße; unb ber eine £?auptbialeFt bes 
3 nbifd?en Kaiferreid?s, bas I?ittbi fjinboftaus, übertrifft 


mit f^O UTifliotten Ungehöriger bas €nglifd?e noch um 
ein Siebentel, mührenb alle inbifdjen Sprachen 3ufammett- 
genommen ben germanjfd?en Sprachftamm noch um 
5 ^ UTillioneit hinter ftch laffett. 

Die übrigen Sprad7ett Fonimeti gegen biefe beiben 
ungeheuren < 5 rtippen gar nicht in Betrad?t, bie 3 U- 
famnten ^ 2\5 UTiüionen Pott ben etma \500 ber < 5 e- 
famtheit beherrfchen (hier ftnb bem (Chinejtfchen bie 
etma ^5 UTiütonen Sprachpermanbter pon (Cibet, Birma, 
Siam unb Unnam beigerechnet). Keine einige ber 
übrigen Sprachftämnte beftfet h^ute piel mehr als ein 
halbes fjunbert UTtüionen Zugehöriger: bie fentitifdj* 
hamitifchen Sprachen mit €tnbe3iehung ber ( 5 aÜa, 
Somali, Ubejftnier, (Cuareg unb Uraber merben auf 
50 UTtüionen, bie ural*altaifd?en Sprachen einfchließlich 
ber UTagyareit, (CürFen unb UTanbfchu auf 53 UTiüionen, 
bie japanifch-Foreaitifdie auf 56 UTiüionen gefchäfct. 
IDas ttod7 bleibt, 3erfplittert ftch tn ttahe3u taufenb 
Sprachen unb DialeFte, bie mau mohl noch tn größeren 
(ßruppen 3ufamntettfaffen Faun, mie bie Bantufprad?e 
SübafriFas mit 30 UTtüionen, ober bie Drapibafprad7en 
Sübiitbiens mit 52 UTtüionen Ungehöriger, bie aber 
Feine Kulturbebeutung, Feinen ZuFunftsmert haben. 

Butt entfteht bie 5 rage: melcher biefer großen XDe It- 
fprachen wirb bie IDeltherrfchaft befchieben fein? 

IPenn mir bie ZuFuuftsausftd?ten ber großen Sprachen 
prüfeitb mägeu, fo fcheibet 3ubien 3unächft aus ber 
Betrachtung aus. €s ift als tropifd7es Cattb unter 
Feinen Umftänben ba3U berufen, eine aFtipe Uoüe in 
ber (Befehle ber ttächfteit 3ahrtaufenbe 3U fpielen. 
Sein h^ßes Klima, bie UeppigFeit feiner Batur bringen 
bie Fräftigfte (£robererraffe binnen Furjem 3ur €r* 
fchlaffuttg: bas haben (CürFen, Urier unb UTougolen er¬ 
fahren. Das fd7Öne, uttglücFliche Cattb mar immer ber 
5 ußfchemel ber Fräftigeu UTäuner aus bem Borbeu 
unb mirb es immer bleiben. <£s mtrb ja immer noch 
an BeoölFeruug 3uuehmett, menn auch heute fd7on feine 
Beftebeluttg unerhört bicht ift, fo bicht, baß auf ben 
Kopf feiner Bemohner fd7on nur noch ein ettglifd7er 
Ucre ( 4 /3 UTorgen) Ucferlanb Fomntt. Uber es ftnb nach 
ber amtlichen Befdjau noch \37 UTiüionen Ucres Cattb 
uubettufet, bie 3ur Bebauung herange3ogett merben 
Fönnteit, unb fo Fönttte bie BeoölFeruug auch ohne 
mefetttlid7e Perbefferuugen ber KulturtechniF immer noch 
um 60 pro3ent sunehntett. Uber aud? bantit erhielte es 
Feine Uusficht auf bie fptad7lkhe IPeltherrfchaft: bentt 
feine ^errett in politifcher uttb ftnanjieüer Bejtehung 
ftttb uttb merbett 3unächft aud? bleibett europüifd?e < 5 er- 
matten ober Slamett, je nad?öem in bem fd?ließlid?en 
Kampf um 3 ttbien ber „Bür" ober ber „tPalfifd?* ben 
Sieg bapontrügt. 

Bleiben nur (China uttb bie europäifd?-germanifd?e 
PölFerfatttilie. IPetttt mir ihre (Chancen ab3umägett 
perfuchett, bann fd?eint bie Uusftd?! ber gelben Baffe 
ungünftig 3U fein. (China ift fd?on h^ate fehr bicht be- 
pölFert mit 370 UTiütonen Seelen auf Ü UTiüionen 
(QuabratFilontcter, b. h-, mit 53 — 3 ^ Seelen für ben 
QuabratFilometer, meitn man bas ganse Beid? 3ufantitien- 
faßt. 3 m eigentlichen (Cl?ina mar aber bie Dtd?tigFeit 
fd?on ^897 auf 87 Seelen für ben QuabratFilonteter ge- 
fliegen, mas faft ben beutid?ett Durchfchtiitt erreicht 
unb beit frait5Öfifd?ett hinter ftch läßt. Da bas 
Canb noch Feine UTanufaFturen uttb 3 u ^ u Pri^n pon 
neittiettsmerter Bebeututtg beftßt, fo hat es ben ihm su- 
uäd?jt befd?iebettett Süttigungsgrab aitfcheittettb nahe3U 
errcid?!. TPenigftctts ift es nach ben Zähmungen beren 


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Hummer 36 . 


Sette {68{. 


SuoerläfRgPeit freilid] RarP be3toeifelt merben muß, fett 
einem 3ahrhunbert nur mäßig an <£inmohner3ahl ge¬ 
machten, gan3 außer allem Serhältnis 3U bem 
ftürmifchen ISachstum ber ISeReuropäer. <£s fofl 
\792 307 Hliüionen Cinmohner gehabt traben 

unb 3äblte \ 8 ty 7 erR 352 Hiillionen, 19^0 nach 
einer anbern Schäßung 370 HTillionen. €s bot 
alfo nur um ein fünftel bis ein SechRel 3m 
genommen, mährenb bie arifchen Stämme pd? an SatR 
mehr als oerboppelten. 

ISenn angenommen merben barf, baß bas Centpo 
bes beiberfeitigen tSachstums auch nur einige (ßenera- 
tionen bas gleiche bleibt, bann mirb bie meiße Haffe einen 
Sorfprung erbalten haben, ben bie gelbe nie mehr mirb 
einholen fönnett. Unb mir glauben, es muß ange¬ 
nommen merben! Senn bie meiße Haffe bat noch un¬ 
geheuer oiel plaß in ihrem £}errfchaftsgebiet. 3n ben 
bereinigten Staaten oon HorbameriPa faß bie (Ein* 
mobnerfebaft \ 89 ? erR in einer Sichtigfeit oon 7,5 Seelen 
auf ben QuabratPilometer; wenn fte ftch auch nur oer- 
3ehnfacht unb bamit bie DichtigPeit 5 ranPreid?s erreicht, 
fo hat bort eine neue britifch-beutfche SolPsmeitge, ein 
«Sumachs oon reichlid? 650 HTillionen HTenfchen plaß. 
Kaitaba ernährt oorerR nur 3toei Seelen pro Quabrat* 
Pilometer, HuRralien nur 0,^, HlejriPo 6, Sraplien 1 , 8 , 
£hi^ u. f. w. £}ier iR .plaß für ungesählte 
HTilliar ben neuer Hitpebler, gaii3 abgefehn oon ben 
Hlittelmeerlänbern, bie nod? lange nicht mieber fo oiel 
Hlenfchen ernähren mie 3ur H5mer3eit, gan3 abgefehn 
001t ber oermehrten SolPs3ahl, bie 3 ubuRrie unb 
£}anbel auch in ben alten „ooübefeßten" £änbem ficher 
leidet toerben ernähren Pönnen. 


Wenn nicht ein JTunber gefchieht, toenn China nicht 
burch einen getoaltigen Stoß oon außen her bie Kraft 
getoiitnt, feine 3toeitaufenbjährige Starre ab3Utoerfeit 
unb in ber Schöpfung einer mächtigen 3 nbuRrie bie 
HTöglichPeit für eine plößlich einfeßeitbe unb bauernbe 
SolPsoermehrung 3U er3eugeit, bann mirb in 3toei bis 
brei 3 ahrhnnberten bie europäifche HTenfchheit 3U fo 
ungeheuren Wahlen aitgetoachfeit fein, baß felbR bie bann 
oielleicht oorhanbene halbe HTilliarbe dpnepfch fprecheu* 
ber HTongoIen nicht mehr ins (ßemicht fallen Panit. 
ISirb hoch angenommen, baß allein bie europäifd.e 
SeoölPerung, bie heute ntnb ^00 Millionen Seelen 
3ählt, binnen hunbert 3 a h r en auf 9^0 Hlillioiten aitge- 
machfen fein toirb. Cegt man biefe Hate 3U (ßrunbe, 
eine Serboppelung immer in adfoig 3 ahreit, fo hätten 
mir anno 2060 : \600 HTillionen unb 2^0 bereits 
3200 Hlillioiten Hrier allein in Curopa, gan3 abgefehn 
oon ben übrigen (Erbteilen, namentlich oon ben ber¬ 
einigten Staaten, mo ber (ßeburtenüberfchuß unb bie 
(Einmanberung bie SeoölPerung noch oiel fchiteUer oer- 
hoppeln, fd:on in etma breißig 3ahren. 

ISenn man hüuurechnet, baß bem djinepfchen Koloß 
oon allen Seiten her fein Kolonifationsgebiet fort- 
genommen rnorben iß unb meiter ent3ogen mirb, fo baß 
ihm bie HTöglichPeit immer mehr abgefchnittcn mirb, 
feiner SeoölPerungsoerntehrung burd? Husbehttung feiner 
HcFermirtfchaft neuen Haum 3U fchaffeit, fo fchrumpft 
bie „gelbe (ßefahr" immer mehr 3ufammen, bie näd?Ren 
3mei bis brei 3 a h r hunberte ooüenben ben heute fd^on 
un3meifelhaft entfehiebenen Sieg ber meißen Haffe, bie 
IDeltherrfchaft namentlich bes (ßermanentums, bie 
tSeltherrjcher ber arifchen Sprache unb Kultur. 




“V 




2. ^ortfetjung. 


©tvendolin. 

Homan oon 

ftuguft niemann. 


ach einigen Stunben Pam (ßrete aus bem 
(ßefdjäft. ,§mar mübe, aber troßbem feelen- 
oergnügt. Sie begrüßte Rürmifch bie 
5 reunbtn unb quirlte in Oer engen Stube 
umher mie ein ZPirbelminb. Sie paefte 
bie bereits angePontmenen Koffer aus, räumte alles 
ein unb gab bem gimmer burd? einige Pleine Ser- 
ättberungen bes mehr als einfachen HTcublentents 
ein gemütlicheres Husfehen. (ßmenbolin lag mübe 
auf bem Sirnau, ber abenbs in ein Sett oermanbelt 
mürbe, unb fah 3U, mie bie Pleine, jierliche perfon umher- 
Pramte, bie Silber, melche (ßmenbolin mitgebracht, auf* 
Reflte unb annagelte unb 3um Sd?luß mit luftig 
blißenben, halb mehmütigen Hugen einen großen Slumen- 
Rrauß aus ihrem §immer holte unb ihn auf ben Sofa- 
tifch (teilte. Hun rücfte Re einen Stuhl herbei, Rüßte 
bie (Ellbogen auf unb fchaute (ßmenbolin an: „HTein 
£?er3e, erhebe bid), frifch auf 3um fröhlichen 3agenl 
£aß ben Kopf nicht hängen unb habe HTut! Unb nun 
rniö ich bir ein (ßeheimnis anoertraueit; biefe Sluntcn 


fenbet bir mein CiebRer mit einem h^lidicn ISiUPommcn 
in Serlin, bem großen Sabel!" 

(ßmenbolin fah (ßrete überrafcht unb beRü^t an. 
„IDer? Du, (ßrete, biR oerlobt mit Cucian, beinern 
Setter?" 

(ßrete lachte laut auf: „© bu Pleines Schaf! Cucian 
unb id?! HTein EJimmel, bas märe ja gräßlich! Hein, 
es iR ein anberer, unb am Pommeubeit Sonntag folIR 
bu ihn Pennen lernen. Cucian Pennt ihn übrigens unb 
iR ber einige außer 5 rau Serger unb bir, melcher 
um unfer (ßeheimnis meiß." 

Unb nun er3ählte Re, baß ihr Serlobter Sanfbe- 
amter fei unb Konrab Dorn helfen ^aß ber (ßebanPe an 
eine Serbinbung mit ihm ihr bie mühfelige Kr beit ihres 
Serufes leicht mad?e unb baß Re nur barum fo frohge* 
mut ins Ceben fähe. 

„ZHerPteft bu benn bas nid^t fchon in Cen3bad?, als 
id? 3U Cante HTormaitn (cher3enb fagte, ich mollte freien?" 

€s mürbe freilich noch brei 3 a hre bauern, bis 
alle fjalme 3U|ammengetragen mären 511 bem befd^eibenen 



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Seite {682. 


ZTummer 36. 


ZZeft, bas (Srete unb Konrab Dorn ftdj bauten, aber 
bies Heft! 3 a, (Sretens Zlugen u>urben feucht, wenn fte 
an biefe Seligfeit bachte. — 

Drei ZVochen war (Swenbolin fd?on in Berlin. Sie be¬ 
fugte eine Ejanbelsfchule in ber nahegelegenen ©ranien- 
firaße. So fchwer hatte jie fidj bie Sache bodj nicht 
oorgefietlt! ZVie biefe Schreibmafchinen flapperten, wie 
bie £uft bief unb übelriedjenb war unb bie ZHenfdjen, 
mit benen fie 3ufammenfaß, ungebilbet unb 3ubringlich! 

Sie war eben mübe unb abgefpannt heimgefommen 
unb faß in ihrem engen Stübchen. fjeiße tEhränen rannen 
über ihr bleiches (Befiehl. Zieh, wie follte fie bas alles er¬ 
tragen! (Eben fam auch (Srete nad] fjaus. (Swenbolin 
hörte fie nebenan ein luftiges £ieb trällern, unb gleich 
bar auf fam fie herein. frfchrocfen blieb (Srete jiehen, 
als jie bie 5 reunbin in tEhränen gan3 aufgelöjt fanb. 
Heber ihr fonttiges (Befiehl flogen trübe Schatten: 
„Zlermjtes, £iebjtes, was ift bir? 3 ^ bu hajt Ejeimweh! 
©b ich bas fenne! Zlber es oergebt I" Unb fie fdjlang 
ihre Zirme um bie oor Schlud^en bebenbe (Sejtalt unb 
ftrich ibr über bas fdjöne Ejaar unb bat unb fchmeichelte 
fo lange, bis (Swenbolin ihre tEhränen troefnete unb 3U 
läd^eln oerfudtfe. 

„Unb nächjteu Sonntag," rief (Srete luftig, „ba 
fahren wir nad? Schmöcfwiß, bie Spree hinauf. Da 
wirft bu auch froher werben." 

Unb am Sonntag fuhr wirflid? bie Komteß 
(Swenbolin auf einem überfüllten Spreebampfer mit. 
(Srete ZTIormann, bie eine Meine Konfeftioneufe war, unb 
ihrem Bräutigam, einem einfad?en Banfbeamten. 5 aft 
bereute jie bie Sufage, als fie ba fo eingeflemmt faß 
3wifchen all ben lauten ZTTenfd?en. Zlber was hatte fie 
eigentlich ooraus oor all biefen fdjweißtriefenben 2fr- 
beitern? Schweißtriefenb am ZVerftag 0011 fchwerer 
Zlrbeit unb am 5 eiertag oor Vergnügen. 

„Du mußt hinaus ins £eben unter ZlTenfchen," batte 
(Srete gefagt; ,,bu mußt es lernen, bir mit ben fübogen 
plaß 3U fd?affen." 

Wenn jie nur wie (Srete eine ZITenfchenfeele gehabt 
hätte, bie ihr 3U eigen gehörte! Zieh, nur einen ZlTen- 
fchen, ber ihr abenbs bie mübe Ejanb brüefte unb au 
beffen Schulter jie ihr mübes E?aupt lehnen fönnte. 5 ür 
wen unb warum arbeitete jie nur? Um ein elenbes, 
gliicflofes £eben 3U oerlangem? Vielleicht hätte fie 
längft mit allem ein f nbe gemacht. Zlber tief in einem 
IViufel ihres jungen Siethens oerfieeft fchluntmerte eine 
fjoffnung, ein brennenber ZVunfch, eine Sehnfucht, bie 
fie gern oor jich felbjt oerleugnete. Unb mit biefer 
Sehnfucht, biefen heimlichen ZViinfchen hingen eng 3u- 
fammen bie leuchtenben Zlugen eines ZHannes, • ber 3U 
ihr einft oon einem golbenen ZTeft gefprod?en, beffen 
heißer Kuß auf ihrem ZlTunb gebrannt hatte. 

Zlber wie fam es nur? 3 m mer, wenn fie biefen 
(Eräumen E?errfd?aft über fich geftattete, bann tauchten 
ein paar anbere Zlugen oor ihr auf. f rujte, treue Zlugen. 
Dann errötete fie unb wifd?te mit ber X}aub über ihre 
brennenben, fehnfiichtigen Zlugen, als fönue fie bamit alle 
biefe tEhorheiten bannen. Unb obgleich bie Sonne t?eiß 
brannte unb bem bunfcln ZVaffer ber Spree, bie an ihren 
flad?en Ufern ben 5 lud? bes oerloreuen parabiefes mehr 


3ur Sd?au trägt als irgeubein anbercr Strom, üble 
Düfte entquollen, jubelten bie ZHetifchen, bie hinaus* 
3ogen in ZValb unb ^eibe, laut um bas einfame 
ZTTäbd?en, beffen Seele jtd? 3urücffehnte in ein golbenes 
£anb. (Srete unb Konrab faßen £?anb in f}anb neben 
(Swenbolin. (Srete jubelte über jeben grünen Baum 
unb er3ählte immer wieber tröjtenb: „Balb wirb’s fchöner, 
halb hören bie häßlichen Speicher unb Äabrifen auf." 

Unb wirflid?: (Swenbolins Sinn heiterte ftd? auf, 
als bie Ufer grüner würben unb bie Äluten flarer. 
Ctwas oon bem fonnigen (Slücf ber beiben ihr fo lieben 
ZTTenfd?en firömte auf fie über. Sie hatte währenb ber 
fur3en Seit ihrer Befanntfchaft Dom beglich fd?äßen 
gelernt. Sein fchlichtes, gebiegenes ZVefen unb feine 
folibe Bilbung überrafchten fie. Sie hatte begreifen ge¬ 
lernt, baß es hinter ben ZHauern, bie ihre ZVelt um¬ 
gaben, noch eine anbere ZVelt gab, in ber man neben 
ernjier Zlrbeit alle bie 3 öeale pflegen fann, bie anfeheinenb 
nur ein prioilegium ber Ueidjen fiitb. 3 n £ucian 
ZTTormann unb Konrab Dorn trat ihr 3um erftenmal 
bie ZTTad?t freier perfönlichfeiten entgegen, perfönlid?- 
feiten, bie ben Stempel felbfterworbenen Zlbels trugen. 

Unb nun faßen fie in Schntöcfwiß. 3 n einer 
fleinen, einfamen £aube, etwas abfeits oon bem übrigen 
Sd?warm. Vom Häufchen ber ZVeKen begleitet, er* 
flang ZUufif 00m anberu Ufer herüber. (Swenbolin 
lehnte ftd? 3urücf, unb ein ZVofjlgefühl, wie fie es lange 
nicht gefannt, burchflutete fie. Sogar bas bunte Creiben 
ba braußen auf ben IVegen bes alten parfs begann 
fte 3U intereffieren. Sie ging mit (Srete uub Konrab 
am Ufer entlang unb fah bie Boote pfeil|d?nell bahin- 
fliegen. Da — wer ftanb bort. an ber tEreppe unb half 
einem fchlanfen, rotblonben ZHäbdjen in bas Boot? Sie 
erbleichte: es war (Eugen Dietmar. fr fchaute mit ben* 
felben brennenben, oerlangenben unb fiegesgewiffen 
Zlugen nach ber Hotblonben im bünnen, luftigen Sommer* 
fleib, wie bamals 3U ihr hm, unb bie Hotblonbe 
fchmachtete ihn an unb fd?rie laut auf, als er fie 
umfaßte unb in ben fchwanfenben Kahn 30g. 

(Swenbolin war froh, baß (Srete 3U fel?r mit Kon* 
rab befchäftigt war, um ihr (Erfchrecfen 3U fehen, froh, 
baß (Eugen Dietmar fte nid?t fah unb erfatinte. Da 
fuhren fie hm! ZVie aus weiter Äerne flaugen Doms 
ZVorte au ihr ©hr: „Sieh mal, (Bretel, bort bas Meine 
Boot, bas britte in ber Beihe! Das ift fugen Dietmar, 
ber bas Stücf fchrieb, bas fo großes Zluffehen erregte, 
unb bie Dame, bie bei ihm (ißt, ift feine ireunbin. 
(Er läßt jie 3ur Schaufpielerin ausbilben. Vor wenigen 
ZHonaten war fie noch ein ZVäfd?ermäbel." 

(Swenbolin wollte eine 5 rage thun, wie bas Stücf 
heiß*, aber fie fchwieg. 5röftelub 30g fte ihr Cuch um 
bie Schultern. 

„Cafen Sie fd?on etwas oon fugen Dietmar ?* 
fragte Konrab jeßt. 

„fugen Dietmar fenne ich fogar perfönlich, er oer- 
fehrte einmal bei uns, aber er intereffiert mich nicht 
mehr, bie Seiten finb oorbei." 

„fr hnt einen nterfwürbigen futwicflungsgang 
burd?gemad]t. 3^ fürchte, er wirb ein ©pfer feiner 
(Eheorie werben, bie »fchranfenlofcs Zluslebcn 4 heißt " 


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Hummer 36, 


Seite {685« 


Im 


torgen. 


Und graut der borgen, bebt der Wind zu faufen 
Wuf allen Strafen dca Gebirge» an. 

So kann Id) länger nid)t Im ftltcn laufen 
Und breebe jeden Hebgervordnen «ann; 

Um meine Schultern foll der Wegivind braufen. 

Und meinen Wantel padt er flatternd an! 

ftn fremdem Wirtetifdf) rvlll id) beute fd)maufcn — 

Schon (leigt die Sonne über «erg und Cann. 

Spuren von Wandrern feb i<h ring» Im Staube, 

Die jede» Weg», wie ich, gezogen find; 
ftuf allen Straften fud)te fie mein Glaube 
Und fand die Spur, die lei» um mich zerrinnt 
Rufe von 'Pferden, Wagenräderbabnen, 

JDazivifcben Schritte — ivle ein rcifig Reer; 

W» mären'» meine €nkel, meine ni;nen, 

Fübl ich der Wandrer nähe füft und fd)ivcr. 

Seid ihr denn nicht», al» diefe arme Spur, 

3br Väter, die ich ehrend grüften möchte? 

Seid ihr der Füftchen (laubiger Wbdrudi nur, 

Dbr Fernen, die ich Hebend küffen möchte? 

Zogt ihr. ivenn HcgenTvind den Schritt vermebt, 

Tes Dacht» im Craumc meine Strafte ivicdcr, 

Daft eure Spur am borgen mit mir gebt? 

Väter und €nkcl, feid ihr meine «rüder? 

3ch bin ivic ihr, Väter, de» Winde» Kaub — 

Wie ihr, auf deren Kopf die Rand ich lege.- 

Da rvächft der Wind und hüllt mich in den Staub, 
Den beilgcn Staub von meinem Wanderivege. 

3a! Dbr vernehmt mich, hört den ftillcn Gruft 
Pc» Lebenden, «rüder dcrfclben Crde! 

Zu rvunderbaren Gipfeln flrcbt mein Fuft, 

Wo all mein Drren eine Liebe iverdc. 

Wilhelm von Scholz. 




#/ Kann fein/ warf 
(ßwenbolin gleichmü¬ 
tig hin; „aber fmb 
folche UTenfd?en 3U 
bebanerit? Sie thun, 
was fie müffen." 

„Bitte, nicht was 
fie müffen, fonberu 
was fte wollen/ 

„Das fcheint mir 
ein Streiten um 
IDorte. Sie fiub 
wenigflens eine furse 
Seit ober eine lange 
Seit glücklich gewefen, 
fie burften leben, 
atmen in ficht unb 
Sonne/ 

<ßan3 erfchrocfcn 
fah Konrab auf bie 
ireunbin feiner Fleinen 
(ßrete. „© Komteß, 

Sie fmb fehr um 
gliicflid? unb bitter, 
fonft würben Sie fo 
nicht reben! Das 
Ceben £ugen Dietmars 
iji ein Baufd?, unb 
jebem Baufd? folgt 
eine entfeßüd?e <Er« 
nüchterung. Das ift 
nicht (ßlücf. Kommen 
Sie, wir wollen hi»’ 
ausrubernl (ßrete foH 
uns ein fieb fingen, 
bie Sonne wirb ben 
Cjimmel golben unb 
rofenrot malen,unb wir 
wollen an eine felige 
Sufunft glauben/ 

(Eine felige Sufunft. 

(ßwenbolin lächelte ein 
wenig belufUgt, wie 
fpießbürgerlid? ehrbar bies alles Flang! Als fie baun 
aber auf bem HPaffer langfam bahinglitteu, perfdjwanb 
allmählid? bas h^ife* (Croßgefühl aus ihrem £jer3en. 

Hoch einmal fd?oß (Eugen Dietmar an ihnen uorbei. 
Die Botblonbe faß am Steuer, er hotte feine brennenben 
Augen in persehrenber (ßlnt auf fie gerichtet, (ßrete fang 
unbeFümmert um all bie heißen unb fchwülen (Befühle, 
bie (ßwenbolins Bruji burchwühlten, bas alte fieb: 
„IDann fef?en wir uns, Brüber, auf biefer Beife wieber?" 

„3ch gehöre nicht 3U euch unb werbe nie unter 
euch heunifch werben!" fo wollte (ßwenbolin am liebjien 
hinausfd?reien. Unb fie ballte ihre Fleine Ejanb 3ur 
5 auji unb brüefte fie gegen bie heißen Augen. IDas 
würbe €ugen Dietmar thun, wenn er fie plößlid? ent- 
beefte? 

€r entbeefte fie nid?t, Fein unfid?tbarer 5 aben fpann 
fid? hinüber 3U bem bebenben, bleichen 2T(äbd?eu im 


Kahn; er fah nur bie Bote, bie Ueppige, unb (ßwenbolin 
fanb fid? wieber. 3 o, fie Founte fogar wieber heiter 
fein auf ber fjeimfahrt. (ßrete hotte poii Cei^bad? 
er3ählt, pon fiician, ja Cucian! fjier ruhten ihre (ße- 
banFen aus, er würbe ihr bie 5 reuubesl?anb reichen, 
wenn fie nicht weiter Founte, unb Bat fchaffen unb (Eroji 
bringen — es war ja fein Beruf. 


€intönig pergingen bie (Tage, (ßwenbolin war eine 
eifrige Schülerin, weil fie fid? hinausfehnte aus biefer An¬ 
häufung pon IDiberwärtigfeiten, bie für fie ber Sd?ul3wang 
in fid?fd?loß. iDenn fie nur erft auf eigenen Äüßenfianb! Unb 
bie S^it Farn aud?, unb nun fud?tefie eine Stelle nad? glüeflid? 
befianbeneni Cgamen. Sie erhielt eine fold?e in einem 
großen Seibenhaus ber Ceip3igerfiraße. 2 Han hotte 
eine junge, gebilbete Dame als Korrefponbentin gefud?t. 


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Seite \68<k. 


Hummer 36 . 


fd?öne E?anbfd?rift hotte bem (O^ef gefallen, unb 
als fie ftd? bann vorjteüen mußte in bem Fleinen, 
eleganten privatFonfor, beffen £u£us merFmürbig ab* 
flad? von ber Uusftd?t auf ben engen, fd?mufeigen E?of, 
fagte fid? fytv UTeyer fofort: bie unb feine anbere. Er 
tjielt fie 3tvgr nod? 3U>ei (Tage bin, engagierte fte bann 
aber mit einem ©eholt von 60 ZTTarf. Sie mar jufrieben. 

Hütte Uuguji trat fte ihre Stelle an. E?err HTeyer 
befd?ieb fte in fein privatFonfor unb empfing fte mit 
fichtücher Derlegenheit. (Er 3upfte nervös an feiner tabel* 
lofen, treißeit IDejie, befat? bie Spifoen feiner gelben 
Scbube unb räufperte ftd?. ©menbolin fab ibn bejiü^t 
an. Was moflte bemt ber HTann ba von it?r? Sie 
mürbe gelächelt haben, menn ibr nicht fo ver3meifelt elenb 
3U Blute gemefen märe! Scbreibmafchine, Stenographie, 
E?anbelsForrefponben3, bas batte fte alles prachtvoll ge¬ 
lernt, aber biefem Calmigentleman mit ber Unter- 
mürfigfeit einer be3ablten Ungeteilten begegnen, bas — 
nun vielleicht mürbe fte auch bas noch lernen. 

E?err HTeyer fefete fid?. Er tbat es in bem (Be¬ 
bauten, baß er fo von vornherein bas gegeufeitige 
Uerbältnis am befielt trtarfiren Föitne, unb bann begann 
er: „ 5 räulein — Komteß — es ifi mir etmas febr 
5 atales paffiert bei 3 h r * m Engagement. Sehen Sie —" 
er erhob ftcb unruhig, unb inbem er auf einen Stuhl 
beutete, fagte er halb ärgerlich: „Seßen Sie fid?! Sitte, 
nehmen Sie plafe!" 

„ 3 ch banfe, E?err HTeyer," fagte ©menbolin, 
flehen bleibeub, „aber foHten Sie es bereuen, mich enga¬ 
giert 5U haben." 

HTeyer lächelte unb suefte bie Uchfeln. Stol3 fügte 

er hin3u: „ Sehen Sie, meine ©näbigjie.Uber bitte, 

nehmen Sie hoch plaß." 

(ßmenbolin überhörte bie erneute Uufforberung aber¬ 
mals. 3 hr ungebulbiger BlicF unb eine unmillfürliche 
IDenbuttg 3ur (Chür ließen ihn fortfahren: „ 3 d? mar 
fehr eilig an jenem nachmittag. 3 ^re E?anbfd?rift 
mar vornehm, gerabe fo, mie ich fie liebe. Es 
ifl prin3ip bei mir, IDert barauf 3U legen, baß 
meine vornehme Kuitbfchaft vornehm gefd?riebene 
Briefe erhält. Sie begreifen. 3 d r * perföitlichfeit fagte 
mir 311." Ejerr HTeyer lächelte bet biefem (Beftänbnis unb 
verbeugte fid? leicht. „3ct? liebe bei meinem per* 
fonal eine gebiegeite, noble, folibe Uußenfeite. Sie be¬ 
greifen bas? 3 ch bin bas meiner gebiegenen Kunb« 
fchaft fchulbig. IPenn eine feine Kunbfchaft fommt, 3. B. 
bie alte iürjttn (Celramunb ober bie prin3efftn Beimont 
ober eine anbere Dame vom E?of, bann müffett Sie mit 
bebienen! Sie erfchieuen mir baher befonbers geeignet. 
Hutt hatte ich unver3eihltchermeife 3 ^ren Hamen über* 
feh*n. Es jtanb aud? bloß ba ,<Smeubolin Brogibo*." 

„©an3 recht," fagte (ßmenbolin uitgebulbig, „aber 
mas haben Sie baran aus3ufeßen?" 

„Erft auf ber polisei, als man Sie melbete, er¬ 
fuhr ich, öaß ich bie Ehre unb bas Vergnügen hatte, 
mit (ßräfin (ßmenbolin Brogibo unterhanbelt 3U haben." 

©menbolin lächelte verächtlich unb 3ucfte leicht bie 
Uchfeln. 

„Unb nun habe id? mich — Sie merben bas begreiflid? 
finben, fofort nach 3^ ren privatverhältniffen erfunbigt." 


Das HTäbd?en moüte empört auffahren, aber fie 
be3mattg fich unb ballte nur Framphaft ihre E?anb in 
ben 5 alten ihres Kleibes. 

„ 5 u meinem Bebauern erfuhr ich bert ©rmtb, 
ber Sie ba3U trieb, 3 hr Brot 3U verbienen. IDenn 
id? nun biefem Beftreben auch meine volle Sympathie 
entgegenbringe, fo frage id? mich hoch, ob Sie recht 
thaten, ba3U gerabe biefen Beruf 3U ergreifen. Eine 
junge Dame, mie Sie, hätte vielleicht aud? noch auf 
anbere EDetfe nitb leichter burchs Ceben Fommen Fönncn, 
ohne fo gan3 aus ihrer Sphäre heraus3utreten." 

„Bitte," fagte ©menbolin Brogibo etmas hochmütig, 
„überlaffen Sie biefe Ermägungen mir felbjt, unb fagen 
Sie mir Fur3, ob es 3 hnen bäuerlich nnb ftörenb ijt, baß 
id] eine (ßräfin bin!" 

„Hiebt mir, aber 3hnen mirb es hinderlich fein!" 

„ 3 d? mill hier gleich bemerFen," marf bie Komteß 
ein, „baß id? im ®efd?äft für jebermann Fräulein 
Brogibo 3U fein miinfehe, baß id? meine Pflicht thuu 
merbe unb nur bementfpred?enb behanbelt fein möchte. 
3 d? jieüe jebod? ber Cöfuitg unferes Koutraftes nichts 
entgegen." 

Ejerr HTeyer 3ucfte bie Uchfeln unb machte eine 
^aitbbemeguitg, als moüte er fagen: „Was liegt mir 
baran, 60 HTarF 3um 5 eitfier hinaus3umerfen?" Daun 
ließ er nod? einen prüfenbeit BlicF über bie elegante 
©eftalt ©menbolins gleiten, blähte feine Hafenflügel 
mohlcjefäüig unb fpielte mit ben Knöpfen feiner We fie. 

„(25 bleibt babei, 5 räulein Brogibo; id? hoffe, mir 
merben Seibe miteiuanber fpinnen unb uns halb gegen- 
feitig vergehen lernen. Uebrigens mar es ein HTiß- 
verflänbnis, bas mit bem ©eholt: biefes beträgt 
nicht 60 , fonbern 75 HTarF. 3 d? müitfd?e, baß Sie fid? 
mohl fühlen in meinem Ejaufe." 

„Uber marum jefet 75 HTarF? Sagten Sie nid?t, 
Sie gäben grunbfäßlid? nicht mehr als 60 UTarF Un¬ 
fangsgehalt? 3ch möchte nicht mehr beanfprud?en, als 
ausgemacht ifl." 

Ejerr HTeyer fah gan3 verblüfft unb verlegen aus. 
„ 3 d? fürchte, Sie merben mit 60 HTarF nicht ausfommen." 

„Das ifl meine Ungelegenheit, Ejerr UTeyer. Uud? 
bin id? nicht gan3 ohne Büttel unb höbe ireunbe." 

<£r läd?elte vielfagenb uttb mad?te eine jiumme Der- 
beugung. ©menbolin ging. 

Ejerr ©raul, ber perfonalch^f, empfing fie vor ber 
(Chür bes privatFontors, um fie mit ihren Fünftigen 
©bliegenheiten beFannt3umad?en. I?err ©raul mar eine 
jiattlid?e perfönlid?Feit mit einem leidsten Unfafe 3ur 
Korpulen3. (Eilfertig burd?fd?ritt er mit bem neuen 
5räuleiit bie eleganten Cabenräume. (Er mar ebenfo 
tabellos geFleibet mie Ejerr TKeyer. Seine blauen 
Uugen glätten vor Dergnügen, als er bie neugierigen 
unb teils neibifd?en Blicfe bes gefamten perfonals auf 
fid? gerichtet fah. Schnett hotte fid? bie Kunbe in 
bem gan3en meitfd?id?tigen ©efd?äftsraum verbreitet, 
baß bie „©räfin" mirFlid? engagiert fei HTit einigen 
höflichen BemerFungen erläuterte er ihr ben galten 
Betrieb. 

„E?ier unten ifl bas 5oularblager — bort bie 
fd?meren, jd?marjen Seibeu — ba brübeu bie Baüjtoffe 


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Hummer 36 . 


Sette {685. 


— linFs bas Sammetlager — redits bas meiße. — 
3di merbe 3hnen noch ades admählich erläutern, bannt 
Sie Befdjeib miffen. f?ier, in ber 3t»eiten (Etage, ftnb bie 
fonfeftionierten Sachen: 3 acfetts, stufen — geftatten 
Sie, Äräulein plant, 3 hre neue Kollegin »om ZHufter* 
»erf anb: Fräulein Brogibo!" 

5räulein plant, bie £}errfdierin im Sei dj ber 
Blufen unb 3 acFetts, fdiaute mit 3ubringlich neu* 
gierigen Kugen auf bie neue Kollegin. Sie nicfte fühl 
unb tjerablaffenb auf bereu tiöflidjen ©ruß. 

3 n ber britten (Etage ettblich befanb ftdi ©menbolitts 
Krbeitsraum. (Er mar nur flein, mit einem fdjmalen, 
einflügeligen 5 enfter. Kn ben tDänben ftanben hohe 
©eftede aus £jol3, in benen bie Hlufterfäften ihren plaß 
Ratten. Seitmärts »om Äenfter ftanb ein Schreibtifdi, 
auf bem ein Stofe unerlebigter Briefe lag. 

£jerr©raul lub mit einer feiner eleganten fjanb* 
bemegungen ©menbolin 3um Sißen ein. Sie nahm er* 
fchöpft plaß. Das Creppenfteigen unb bie fchmüle 
£uft, bie in allen Bäumen lagerte, hatte fte mitbe 
gemacht. Dann rief er aus einem Hebenraum, ber 
hoppelt fo grofe unb ebenfalls gan3 mit 2 T 7 ufterfäften 
ausgeßattet mar, einen jungen 2Henfchen fyevbe i. 

„Dies ift 5riß, 3 h* (Schilfe. <£r ift nur 3U 3 hrem 
Bebarf ba, hat bie »on 3 bnen ausgemählten 2 TTufter 3U 
»erpaefen unb bis auf bie Kbreffen poftfertig 3U 
machen." — — — 

©menbolin fanb (Befallen an bem aufgemecFten 
©eftdit bes 3 u n3eit, ber im Kttfang gefdiäftig bie 
Haturgefchichte bes gefaniten perfonals »or ihr aus* 
framen mellte. Sie »erbot es ihm aber ettergifd?, wenn 
auch freunblidi. 0bgleich ©menbolin nie im geringjten 
»ertraulich mit ihm t»ar, fdimärmte er hoch für fein 
fchönes 5raulein, bie eine heimliche (Bräfin fein fodte. 

2Hit ben anbern Kngejtedten bes Kaufes mar fie 
in mancherlei Be3*iehungen getreten, hoch toaren fte 
ade rein gefchäftltcher Hatur geblieben. 2 TTan Farn ihr 
allgemein mit großer I}öflid?Feit entgegen, nur bie 
fjerrfdierin im Heidi ber Blufen unb 3 acFetts be* 
fleifeigte ftch ih r gegenüber einer größtmöglidien Ktro- 
gan3. ©menbolin pait3erte ftch mit (ßleidigiltigfeit. 
Kber Fräulein plaut fonnte ftch nidit genug thun an 


Uuhöflichfeiten jdber Krt, fte fah in (Bmenbolin eine 
bebenFliche (ßeguerin, bie ihr, mie fte glaubte, be* 
mußt unb mit (Erfolg bie (Bunft £}errn (ßrauls raubte. 

fjerr (ßraul mar Fräulein plauts Craum unb ber 
©nbsmeef ihres Cebens. Bis 3U bem «geitpunft, ba 
(Bmenbolin in bas £jaus trat, hatte f?err (ßraul immer 
bie richtige Schäßung für 5 räuleitt plauts Dor3Üge ge¬ 
habt. ( 5 ab es jemanb, ber fo fchid nach ber neuften 
HIobe ging mie fte? Die neuftett Bänber unb iidjus 
trug fte, unb bie genialften 3npons bichtete fte. Kdes 
nur für ihn. Unb er hatte immer unb immer bie 
rechte tDertfchäßung für biefe Calente gehabt Unb itt 
bämmerttber 5 erne ftanb »or 5 räulein plauts Seele ein 
Konfeftionsgefchäft, moritt £)err (Braut unb fte einji sum 
Bunb für biefes Ceben »ereint h* rr fdlten. Hun hatte 
£jerr ©raul fein Kuge mehr für biefe praftifchen (Eigen* 
fdjaften; er lebte unb mebte für bas hodjnaftgc HTujter* 
»erfanbfräulein im 3meiten Stocf! XDo hatte et nur 
feine Kugen! Das fdjlanfe HTäbchen in ben fd?licbten 
Crauerfleibern hatte es ihm angethan, unb er hatte 
alles barüber »ergeffen, mas er einft angebetet. 

€s mar ein (BlücF, baß ©menbolin »on adebem 
fehr menig bemerfre. Die Klatfchereien, bie Fräulein 
plaut in Umlauf feßte, erreichten nidit ihr 0 hr. 5 roh 
eilte fte abenbs heim, um bann mit (Brete unb Dorn 
ins 5 reie 3U fahren ober bod? menigftens einen Spa3ier* 
gang burd? ben Ciergarten 3U madieit. Sie hatte fidi 
her3ltjh an biefe beiben frohen Hlettfdien atigefd?loffen, 
bie bas Ceben fo freubig belebten unb ihr ein mahrer 
Croft in biefen neuen, für fte fo ungemohnten Derhält- 
niffeit gemorben maren. I}err©raul »erfdiaffte (Bmenbolin 
manche fleine (Erleichterung, »on ber fte Feine Khnuttg 
halte; er rühmte ihren 5leiß beim Chef bes ffaufes unb 
mehrte jebe gubringlidifeit ber jüngeren Kngeftedten 
energifd? ab. 

Dier IDodieit mar (Bmenbolin bereits in ihrer Stede. 
Sie mar gatt3 P0I3 auf ihr felbji »erbientes ©elb, bas 
battf (ßretens Faufntäunifdiem ©enie meiter reichte, als 
fte je geahnt hätte. Kuf ©reteits Hat modle fte ftch 
Stoff 3U einer fdimar3en Caffetblufe faufen. Der Chef 
bes Caffetlagers mar megen feiner Sdiönheit berühmt, 
(fortfeftung folgt.) 





Sd)tnadjpnnigf Rintirr. 

Don Dorothee ©oebeler. 


Die 3 biotenpf!ege unb ©r3iehung h^t in ben leßten 
3 ahren einen ungeheuren Kuffchmung genommen. Cieß 
man bie unglücflichften ader HTettfchenFinber in »er¬ 
gangenen Cageit einfadi in Stumpfftitn unb Blöbigfeit 
untergehen, fo fucht man jeßt ben fdimadiett 5unfen 
menfchlidiett ©eiftes, ber noch in ihnen glüht, 3U immer 
hederem 5 euer an3ufadien. Diel ift fdion gefchehen, 
piel, bas adernteifte bleibt noch 3U thun. U 2 ohl haben 
mir eine gan3e Heihe »on <Er3iehungsanftalten für blöbe 
Kinber, 3um einen Ceil ftnb es inbeffen nur pri»at* 
anftalten, bei benen ber ©elboerbienft bie I^auptrode 


fpielt, 3um anbern Ceil bleiben fte ber öffentlichen IDohl- 
thätigfeit überlaffen. Wo bas ©emeinmefen für bie 
ibiotifd;en Kittber eingetreten ift, ba hat man fich bis¬ 
her noch immer auf bas „(Ejrternat" befdiränft, bas 
heißt auf foldieSdimadijtnnigenfchulen, in benen bieKittber 
nur unterrichtet unb geiftig »ormärtsgebradit merbeit, 
bie aber ttadi bem Unterricht, etma abenbs gegen fed]s 
Uhr, ihre Pforten fchließen. So meit uns befannt, hat 
bisher nur bie Stabt Berlin aus ftäbtifdien ZTTitteln ein 
„3^ternat" errichtet, eine Knftalt, in ber bie Kittber neben 
bem Unterricht auch »odjtänbige ^auspflege finben. 


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Seite *686. 


Bummer 36 . 


Sie 3 &iotenanflaIt in Sallborf gilt als ein BTußerbetrieb. 
3 n ben langen 3 ah r *n ihrer XDirffamFeit hat fie fchon 
unenblichen Segen gegiftet unb salßlofe unglücfliche 
blöbe Kinber 311 nüßlichen Blitgliebern ber menfchlicben 
©efeflfehaft gemacht. 

3 « ben Kreifen ber päbagogen, bie ßd? mit ber 
3&iotener3tefyung befaßen, fielet man ber Frage „Ey* 
ternat* ober Internat" bisher noch 3iemlich unent* 
fdßeben gegenüber. „E^ternat", fagen bie einen: „BTan 
barf ben Kinbern bie Familie unb bes Familienleben 
nid?t entstehen." Ser Ceiter ber Saflborfer Anftalt, 
Ersiehungsinfpeftor piper, tritt biefer Anfchauung, geßüßt 
auf langjährige Erfahrungen, burchaus entgegen. S as 
Ejdernat, 3U Jbem bie anbern Stabte bis heute noch aus 
Sparfamfeitsrücfßchten greifen, wirft nach feinem Aus* 
fpruch auf bie 3^'otener3iehung fdjäbigenb. „Blau foü 
ben Kinbern bie Familie nicht entstehen?" fagt piper — 
„man muß ße ihnen entstehen, wenn man überhaupt 
.etwas erreichen will." Sas blöbe Kinb iß anormal, 
normale BTenfchen perßehen es überhaupt nicht. Sie 
glauben ihm einen Sienß 3U ermeifeu, wenn ße feinen 
Abfonberlichfeiten mit nachgiebigßer ©üte begegnen; 
(ßüte unb ©ebulb ftnb blöben Kinbern gegenüber 3war 
unerläßlich, Ejanb in £?anb mit ihnen hat aber bie Er* 
3iehung 3U gehen, eine fefte Erjiehung, bie ba weiß, n>o 
unb wie ße noch beffern fann unb wo ihre ZTTacht auf* 
hört. Saneben bleibt noch eine anbere Frage offen: 
IPohin gehen bie Sdiwachßnnigen, wenn bas „Ejrternat" 
fie entläßt; welcher Art iß bie „Familie*, beren Kreis 
man fte nicht entstehen mag? Sie meiften ber ibiotifd?en 
Kinber entflammen ben ärntßen Schichten ber Bepölfe* 
rung; ihre Eltern wißen oft felbß faum, woher bas Brot 
3unt Ceben nehmen. Sie Kinber fommen aus ben Höhlen 
ber Armut unb gehen bahin 3uritcf. Sie, bie 5 d\wad]m 
unb Kranfen, benen Cuft, Cicht, Beinlichfeit unb Buhe 
por allem anbern nötig ftnb, gehen in Cöcher, beren 
enge Bäume nicht bloß Eltern unb ©e[d?wißer, nein, 
toomöglich noch ein halbes Sußenb Schlafburfd?en teilen, 
unb wo man ihrem EDefen perßänbnislos gegenüberßeht. 

3m ©egenteil ht^u bietet bas 3**ternat einen allen 
©efeßen ber SiyQiene entfprechenben Aufenthalt. Sie 
Kinber ßehen (Tag unb Bad?t unter Aufßdß gefd^ulter 
EPärter. Sie wohnen in großen unb luftigen Bäumen, 
Sufche* unb anbere Bäber forgen für Beinlichfeit, 
(Barten unb parfanlagen für bie nötige frifche Cuft. 

Sallborf beiipielstoeife präfentiert ßd? bem Befucher 
als ein Meines 3 bylL 3 n einem prächtigen parf per* 
ßeeft, umgeben pon herrlichen Blumenanlagen unb 
weiten Bafenpläßen, erinnert es mehr an einen länb* 
liehen Ejerrenfiß, als an ein Afyl ber Aermßen aller 
Armen. EDeite, freunblid?e Säle, mächtige Korribore, 
helle (Treppenhäuser, Cuft, £id?t unb Blumen, wohin 
man blieft. 

Ser Unterridß ber Schwachßnnigenfchule umfaßt im 
allgemeinen brei bis fechs Klaffen, bie nach bem ©rab 
ber Enttuicflung gebilbet werben. Sas Berliner 3 u- 
ßitut iß fechsMafftg eingerichtet. Auf ber unterßen Stufe 
lernt bas Kinb 3unächß bie fünf Sinne gebrauchen unb 
bie Ejerrfdjaft über ben eigenen Körper. Es lernt 
ßehen, gehen, ßdi halten, bie (ßegenftänbe unterfcheiben, 
hören unb fprecheit, fprechen por allen Singen. Faß 
alle fchruachfinnigen Kinber leiben mehr ober weniger 
an Sprad?gebrechcit, ße ßammeln unb lifpeln. Uuenblid^e 

C T~ - 


Blühe unb ©ebulb iß erforberlich, um ben Kinbern bie 
einfachßen Begeln bes richtigen Spredjens beisubringen. 
Stunben über Stunben pergehen, ehe ße auch nur rich¬ 
tig atmen lernen. 3 *&*r Buchßabe muß ei^eln ein* 
geübt werben, bie Stellung ber Cippen wirb por bem 
Spiegel ßubiert. Sinb bie Kinber über bie unterfte 
Stufe hinaus unb wißen ße bas, was ße fehen, fchon 3U 
unterfcheiben, fo lernen ße bie (Teile ber ©egeußänbe 
Fennen, lernen, baß ber (Tifch pon l}ol3, bas fjaus pon 
Stein iß, baß es Ehüren, Fenßer unb BTauent hat. 
Sie erßen Anfangsgrünbe bes Bechnens werben ihnen 
beim Stäbchenlegcn Flar. Sie pierte Klaße lernt fdjon 
ben Bußen ber eii^elnen Singe Fennen, ße weiß, baß 
bas Ejaus 311m EDohnen, bie (Thür 3um Surd?gel;en ba 
iß. So geht es langlam, aber ftetig weiter. Blau be* 
ginnt mit Ccfen unb Schreiben. Ser 5 a h^uFreis er¬ 
weitert ßch. 5 ählt bie britte Klaße nur pon * bis 
*0, fo rechnet bie 3weite bereits bis 20. 3u ber erßen 
treibt man fchon ©efd?id?te unb ©eograptße, wenn 
auch natürlich in be'cheibenen ©reifen. 

Beben ber geiftigen Ausbilbung wirb bie Förperliche 
nicht pernachläfßgt. Faß jebe größere 3^totenanftalt 
hat, wie Sallborf, eine eigene (Turnhalle, bie Förperlich 
baju befähigten Kinber lernen fogar fchmimnien. Ebenfo 
wirb auf bie praFtifcbe Ausbilbung EDert gelegt. Es 
gilt nicht nur bas geißige Ceben 3U ermeefen, bie Kinber 
follen auch einß auf eigenen Füßen ßehen, ben Cebens* 
unterhalt felbft perbienen. So lernen bie Bläbchen 
nähen, ßopfen, ßicfeit unb alle Ejanbreichungen bes 
Haushalts, fo werben bie Knaben auf ein fjanbwerF 
porbereitet. 

B)ic piel ©ebulb baju nötig iß, begreift ber Caie 
Faum. Sem Fleinen BTäbdicn, bas nähen lernen foü, 
giebt bie Biutter ein Stücf 5 eug, Babel unb Faben, 
bas fchtuadißnnige Kinb bebarf eines eigenen Apparats 
ba3U. 3n einem Stänber ruht ein bünites, am Banb 
burchlöd]ertes Brettd^en, ein anberes ebenfold^es wirb 
baraufgelegt, baß Cod] auf Coch paßt, bas Fleine Bäh¬ 
fräulein nimmt ein fchmales Banb unb steht es nadj 
Art eines Fabens burdj öie ein3elnen Cöcher, ebenfo 
lernt es bie übermenbliche, bie Stepp* unb bie Kreuj- 
ftid^naht, auch &as Stopfen unb FücFen wirb mit Banb 
unb Brettd?en gelehrt. 

Auch ber ©ärtnerei wenben ßd? bie Schwachßnnigen 
gern 3U. Blumenpßege unb Canbbau gewährt ihnen 
pon pornherein piel Vergnügen. 3 m Saflborfer parF 
hat jeber Sögling fein eigenes ©ärtchen, unb es mad?t 
ben Kinbern ben größten Spaß, wenn ße bie 3um Be* 
fuch Fommenbeit Serwanbten in bie felbßge3immerte 
Caube führen ober mit felbftgesogenen Früchten bewirten 
Föniten. 

Faßt man bas, was bieAnßalt ben Schwachßnnigen 
bietet, 3ufamnten, fo fann man bie Forberung pipers nur 
unterfchreiben: „Keine Familienersiehung für bas blöbe 
Kinb." Sas EDort gilt nicht nur für bie ärmeren, cs 
gilt and? für bie wolßhabenben Kreife. Aufopferungs* 
polle BTutterliebe, bie in bem 3 &*°teu nur bas bemit* 
leibeiiswertefte ber Kinber ßetß, wiberßrebt ber Anftalis* 
er3iehung gerabesu, beim auch bie opferfätßgße BTuttcr* 
liebe Fann bem Kinbe nicht bas geben, was ihm bie 
Anßalt giebt: eine feße, fadioerftänbige Er3iehung, bie 
feinen ©eiß 3unt Ceben erweeft unb es hoch uoch 3U 
einem nüßlid^en ©lieb ber menfchlichen ©efeflfehaft ntadß. 


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Ru raren im Hager. 


3t Heitarb, Kiel, pfjot 


Das Ganze Halt! 

UTanöoerbetrachtungen oon Hicharb Schott. (Qier3u 5 pfy>iograptyfäe Aufnahmen). 


Diele Stunben lang fyat bas (Befecht hin unb Ijer 
gewogt. Seit UTorgengrauen finb bie Cruppen auf ben 
Seinen, unb jefet Ejat bie Sonne ihren Ejöhepunft längji 
überfchritten. Das u>ar u>ieber ein (Belaufe fyeutel — 
(Erft fünf Stunben Cfyauffee unb nicht bie geringjte 
Äüfylung mit bem 5 einb. — €nblidj ein paar Schüffe 
brüben am IDalbraub. Ktja! 3 efct geht’s los. — 
IDenn man nur erji brin ift im Knallen, bann macht 
es Spafj. Dann ift es auch abjufetjen; benn wo mir 
eingreifen, ba plafet bie Sombe halb. — Sichtig! 
„Kompagniefolomte formieren!" ruft ber Sataillons- 

abjutant im Dorüberjagen. <£s wirb ausgefchwärmt, 

Cangfam, aber pd?er geht bie Sdjüfeenlinie oor. „ 3 n 
ben (ßraben! Sieber 1 " ertönen 
bie Kommanborufe. „Kuf bie 

feinblidie Schüfeenlinie oor bem 

2Dalb! ^00 SieterI KleineKlappe! 

Suhig 3ielenl" 

(Eine IDeile geht nun bas 

(Befchiefee — hinüber, herüber. 

(Es ift eine IDonne, enblich ein¬ 
mal ein paar STinuten 3u liegen | 
mit bem fchweren Cornifter auf 
bem Sudel. Uber bas Ver¬ 
gnügen hält nicht lange oor. 

„Kufl — ZtTarfch! ZtTarfch!" be¬ 
fiehlt ber Kompagniechef wieber. 

— Unb oorwärts geht es über 
Stur3ader, burdj Kartoffeln unb Süben. 

Don hinten h* r bonnern bie (Befchüfee. 
fjurra! — Das <ßeh&I3 ift genommen. 

Der Sieg ift unfer! — — Kber was 
ift bas? — (Ein Sdjiebsrichter fommt 
herangefprengt. „Das Sataillon hinter 
ben ZDalb 3urüd!" ruft er bem ZtTajor 
31t Uljo war es nichts mit bem Sieg? 

— Sein! (Bewifj traben bie unfrigen j 
an anberer Stelle nid?t fo oiel Schnetö 
entwidelt, benn fonjt — — — 


Das (Belaufe beginnt aufs neue. gurüd vor, 
wieber 3urüd unb wieber oor, bis bie beiberfeitigen 
Kolonnen burch Derfchiebuttgen unb ^lügelmärfdje ftd? 
fo ineinanber oerbiffen höben, baß es 3ur (Entfdjeibung 
fommen muß. 

2lus ben fünf Stunben, bie man unterwegs war, 
ftnb ht3wifchen 3ehn geworben, unb bie Sonnenglut hät 
mittlerweile auch nicht abgenommen. Don bem Chee 
in ber 5elbflafche ift längft fein Cropfen mehr oor- 
hanben, bie §nnge Hebt am ausgetrodneten (Baumen, 
unb ber ZtTagen fängt auch bebenflich an 3U fnurren. 
Uber nod? immer bonnern oon ben Jjöhen rings 
umher bie (Befchüfee, noch immer fnatfem bie 

ZTTafd^inengewehre, nod} immer er- 
Hingt 001t allen Seiten ber bumpfe 
Klang ber Cromnteln, bie 311m 

Eingriff fd?lagen. 

Da erfa?eint enblich am Signat- 
baüon ber Ztlanöocrleitung bas 

langerfehnte Seidicn. Ztlit 3 nbel 




Huf Vorpofteu. 

$ran$ tlcligmann, tHühl^aufcn i. ptjot 


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Seite {688. 


Hummer 56 . 


nehmen es bie Ijoruiften unb (Trompeter auf, unb halb 
tfi bis in bas äugerfte XVinFeld?en bes »eiten HTanö©er- 
felbes bie Äreubenbotfchaft gebrungen, bie alle HTienen 
beiter »erben lägt: „Das <ßait3e I^alt!" 

Sofort »erben nun bie <ße»ehre 3ufammeitgefegt, 
unb »ährettb ber Kommanbeurruf bie Herren ©fföiere 
3ur Kritif befd?eibet, biirfen ftd? bie HTannfd?aften 3um 
erfienmal an biefem h^ßen Cag für ein Stünbdben 
ber »obioerbienten Hube überlaffen, unb fte machen 
©on biefer (Erlaubnis ausgiebigen (ßebraud?. 

Dann h^ßt es noch einmal: „Das <ße»ebr überl 
— Sataißon ohne (Tritt marfd?!" Hun aber »eiß 
man, bag es nicht mehr lange bauern faim. IVenn 
man nicht gerabe bas pech bot, auf Vorpoßen 3U 
fommen, gebt es in bie Quartiere, falls folche oor* 
gefeben ober 3U hoben finb, ober »enigßens boeb ins 
Z 3 i»af. 

Kud? bort giebt es ja noch mancherlei 311 tbun. 
Die Kochlöcher muffen gegraben, bie HTanöoerbebürfniffe 
empfangen unb ©erteilt unb bie gelte aufgefchlageu 


»erben. Die berittenen IVaffen hoben überbies nod? 
für ihre pferbe 3U forgen: eine nicht geringe HTübe, 
bie oon ben nichtberittenen unb mübegelaufenen Vater- 
lanbsoerteibigem immer febr »ohlthuenb als gered?ter 
Ausgleich empfunben »irb. 3nt Vergleich 3U ben 
Strapa3en, bie man hinter ftd? bot, finb bas alles 
aber nur KleinigPeiten. Wenn man überbies et»as 
Vernünftiges im ZHagen bot, ©erfd?mer3t man fd?neß 
alle ZTTübfol unb 3 efch»erbcn, fiebt man bie ZVeit mit 
gau3 anbern Kugeit an, unb halb entfaltet ftd? nun bas 
bunte, fröhlid?e (Treiben bes Cagerlebens. 

Der HTarPetenber ift auch gerabe red^eitig h*ran- 
«fePontmen. (Ein 5 äßd?en nach bem anbern »irb ange- 
3apft unb ergiegt feinen 3 n halt in bie bur fügen Kehlen. 
Vergeffen finb bie ZHüben bes (Tages. Das junge Sol- 
batenblut ift halb aufgefrifcht. Schon mit bem gauber- 
ruf „Das <ßaii3e holt!' 1 bot ber Kuffrifd?ungspro3eg 
begonnen. <£s »irb gefche^t, geplaubert unb gefungen. 

„Drei Silijen, brei lilijett, 

Die pflanjt id? auf mein <5rab. 

Da fam ein fdjönes IHä äbd?en 
Unb pflücft — fie — ab.“ 

tVer fennt nicht biefes fchöne £ieb, beffen tiefjtnnigen 
3nbolt noch niemanb ergrünbet bot unb bas ftch hoch 


oon (ßeueration 3U (ßeneration ebenfo treu fortpßaii3t, 
»ie ber Stol3 auf bie Hegimentsnummer, unb »ie all 
bie anbern fchönen £ieber, bie nun mit unge|d?»ächter 
Cungenfraft binausgefchmettert »erben in bie Kbenbluft, 
nicht immer 3um Vergnügen ber €in»obner. 

Hur bie Vorgefegten hoben meift noch feine geit, 
ftd? ber (Erholung hin3ugeben. Der »eife Kommaitbeur 
fucht ftch ouf bem Caufenben 3U erholten. <£r fanu ftd? 
nicht mit gutem <ße»iffcn 3ur Hube legen, beoor er 
nicht »eig, was rings um ihn h^ oorgebt, um baraus 
fchliegen 3U fönuen, »as morgen paffteren »irb unb 
»effen er ftch 3U oerfeben bot. Sis in bie Vorpoften- 
fette fehieft er nötigenfalls feine ©ffoiere oor r um auch 
über bte Be»egungeit unb Vorfehtungen bes ^einbes 
nach HTöglid?feit unterrichtet 311 feilt. €benfo eifrig ift 
aud? ber £?err Kompagniechef noch am ZVerf. Kn 
irgenbeinem ftiHen plägd?en ©erfammelt er feine ©ffijiere 
unb Unteroffaiere um ftch, um mit ihnen bie Vorfomm- 
utffe bes (Tages 3U befpred?ett, 3U belehren, 3U ermahnen 
unb neue Hefehle unb Verbaltungsmagregeln 3U geben, 
benn er fühlt bie £af! ber Verant»ortlichfeit 
fd?»er auf feinen Schultern ruhen. 

(Enblid? aber bot auch ber Vorgefegte fein 
(Tage»erF ©oflbrad?t, unb »enn bann ber 
gapfenfkeid? ©erflungen, bas (ßebet ge- 
fprochen ift, 3tebt alles ftd? 3um Sd?lummer 
3urücf, ©on bem man ja nie »iffen fann, 
»ie balb er burd? Klarmftgnale unterbrochen 
»erben »irb. Halb nach neun Uhr ruhen 
5 reunb unb 5 ehtb unter bem Schug bes 
5rieben gebietenben „Das <ßan3e bolti", bas 
ja leiber nur bas HTanö©er fennt, nid?t auch 
ber »irflkhe Krieg. 

Hoch bebeutungspoüer, noch heißer her* 
beigefebnt, mit noch grögerem 3ubel begrügt 
ift bas bie Hebung unterbrechenbe Signal 
am legten HTanöuertag. £?eigt es bod? für 
©iele biesmal nod? im »eiteren Sinn: „Das 
(ßan3e holt!" — Deine Dienfoeit ift nun 
oorüber. 3 n »enigeit Stunben ftgejt bu in 
bem gug, ber bid? in bie fjeimat bringt, 
©b aber auch in beffere, angenehmere Verhältniffe? 
Das ift ©ielen bod? febr fraglich, bemt fte »iffen, bag 
3U £?aufe fd?»ere Krbeit ihrer borrt, ©ielleicht aud? 
fnappe Koft, bei ber fte oft nod? an bie gutgefüllten 
Schüffelu ber HIannfd?aftsfüd?e »erben benfen müffen. 

Kn biefem (Tag »artet man mit bem Singen nicht, 
bis bie Konferoenbüchfen geleert, bie Ääffer beim 
HTarPetenber angefteeft finb. Kaum hoben äße bas 
geid?en oben am Signalballon erfannt, fo brauji es auch 
fd?on los bei 5reunb unb 5einb, bei (ßrenabier unb 
Kanonier, bei 3äger unb f?u|'ar: 

„Heferre l?ot Hul?e, 

Heferre l?ot Hui?, 

Unb trenn Heferre Hul?e f?ot, 

Dann I?ot Heferre Hul?l" 

g»ei 3 obre lang hoben fte mit €hren bes Königs 
Hocf getragen. <£r bot nid?t immer gaii3 bequem ge* 
feffen. Kber — £?anb aufs £?er3 — fd?ön »ar’s bod?! 
— Der (Sebanfe an bas Vaterhaus unb an bie £ieben 
baheint ift aber bod? nod? ©iel, ©iel fd?öner, unb man 
fann es ben »aeferen Hurfd?en nicht ©erbenfen, »enn fte 
am legten HTanöoertag ©oß Sebnfud?t oft nad? bem 
Signalballon ausfd?auen, ob bas geid?en bemt noch 
immer nicht erfd?einen »iß: „Das (ßan3e boltl Ä 



Sei der KHtth. 

tfranj (Ecügmann, Utabltjaufen i. (Dj., pfjot 


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Kummer 3(5. 



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2fafnahmen von Krtljur Henarb, Kiel. 


Seite \689. 
































JttohammccUmfrchc Curkmenen bei einer Hndachtsübung. 


%^^Vem König von €nglanb jtnb mehr 2 Tlohammebaner 
j| \ unterthan, als bem (ßroßfultan, unb auch ber gar 
gebietet über piele HTillionen ittoslemiten. 2ftit 
biefem „(Sebieten" ift es aber fo eine Sache, benn bas bunte 
PölFergemifch, bas bie ungeheuren ©afen ber 3entral* 
aftatifdjen ZDüße beuölFert unb in allerlei Haffen* 
abflufungen feine urfprünglichen irattifchen, türFifchen, 
mongolifchen unb femitifchen HTerFmale erjt allmählich 
bei bem reineren tEypus bes perfers unb bes Afghanen 
abmilbert, iß ein Sammelfurium roilber unb perrpilberter 
Stämme, bie feit 3 ahrtaufenben 
unter ftd? Kämpfe aller gegen 
alle geführt höben, fich nur 
feiten 3ur Kbtpehr eines großen, 
gemeinfamen Äeinbes 3ufammen* 
fanben unb nadieinaitber 
griechifcher, djineßfeher, ntongo* 
lifcher, usbefifd?er unb türFifch* 
arabifdier Ejerrfchaft unterftan* 
ben, bis bann ber KofaF Farn. 

Ejeute iß Sentralaßen nominell 
rufftfeh, perfien ipirb es auch 
halb fein, unb an bem immer 
noch unerfchütterlid) hörtnäefigen 
Kfghuniftan oorfidjtig porbei* 
gehenb, feitbet Hußlanb ruhig 
unb planmäßig bie erßen feinen 
IE>ur3eln feiner Kraft nach Kafch* 
gar, tEibet unb ber dßneßfehen 
HTongolei aus. Seitbem bie ruf* 

fifche Ejerrfd?aft in 5entralaßen Kirgifenfrauen zu 


Kirgifenfrauen zu pferde in Cafchkent 


Fonfolibiert ifi, höben bie HomabenPÖlFer, bie bis bahin 
eigentlich nichts roeiter mären als unpergleidßich breiße 
Häuberhorben, ihren füßen, alten £ebensgen>ohnheiten 
3u entfagen gelernt — im mefentlichen banF ber 
„fchlögenben" Semeisführung ber Knute. Selbß bei 
ben berüchtigten aus ber gan3en (Sefellfchaft, ben 
tEeFFeturFmenen, iß ber europäifche Heifenbe heute 
feines Cebens unb (Eigentums abfolut ftcher, unb auch 
bie ftereotypen Fleinen Diebereien, an bie man ftd? bei 
ben gigeunern, Fellachen unb insbefonbere bei ber 
angenehmen Sanbe, bie pou 
Spanien, Si3ilien unb HTalta 
nach TEunis unb ber norbafri* 
Fanifchen Küße überhaupt aus* 
tpanbert, gemöhnt höt, Fommen 
bei ben TEeFFeturFmenen nicht 
por. ZlTan Fönnte biefen (Erfolg 
ber ruffifchen Dertoaltung in 
gentralaßen pielleicht als eine 
gelungene Hebung bes moralifchen 
Setpußtfeins betrachten, unb 
permutlid? iß hien>on in offiziellen 
Hegierungsberichten piel 3U lefen; 
in EDirFlichFeit aber ifi es nichts 
tpeniger als fjonorigFeit, ipas 
ben Cebenstpanbel ber innerafta* 
tifchen Stämme alfo geläutert 
höt, fonbent einfach bie 5urd?t 
por ber Knute. Zfian Faun nicht 
fagen, baß ber Sarte, berKirgife, 
erde in Cafdikent. ber TEurFmene, unb toie fte olle 




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Seite *692. 


Kummer 36 . 




feigen mögen, bie rufftfd?e I^errfchaft mit 
patriotifdjem ©rintm ertragen: ba3u ftnb fie 
alle 3U gottergeben, bettPfaul unb inbifferent, 
aber ein begeifterter Buffe wirb er ebenfowenig 
jemals werben, aus bem einfachen (Srunb, 
weil er als HToslem ben Hüffen im 3 nnern 
gering fchäßt unb ftch über ben „Ungläubigen" 
hoch ergaben fühlt. 

3 d } fann bas Verhältnis ber beiben Haffen, 
ber unterworfenen unb ber fyerrfdjenben, 3U 
einanber, fowie ihre „giftigen" iX)ed?fel* 
bejieljungen nidtf beffer illufhrieren, als burdj 
bie (Stählung 3weier ©pifoben, bie ftch wäh* 
renb meines mehrjährigen Aufenthalts in 
Samarfaub, Hochara unb CafchPent ereignet 
haben. 3 n (EafchPent waren bie Sarten mit 
bem rufftfd^en <£h*f ihrer Stabtoerwaltung chromfch 
un3ufrieben. Befchmerben halfen nichts, unb fo holte 
eine Hotte Hlifjoergnügter eines helkii (Tags ben Hüffen 
aus feinem Jjaus unb fchlug ihn braun unb blau. Sie 
Sache gehörte natürlich unter ben Aufruhrparagraphen, 
unb wenn nicht einige oerftänöige Sarten ben Beamten, 
ber fd?on brewiertel tot war, befreit hätten, wäre es oor- 
ausfichtlich 3um offenen Krtegs3uftonb gefommen. Sie 
Sarten hatten ftdj fd?on, nach 2 Tiöglid?feit bewaffnet, 3U 
(Taufeitben 3ufammengerottet. Aber bann Pant bas Alarm- 
ftgnal, unb bie KofaFen, bie übrigens wirtlich einen un- 
tabeligen Blut beftfeen, fprengten ventre k terre auf bie 
HTaffen ein, wie ISölfe auf eine Schafherbe. IBas ftch 
ihnen in ben lüeg jteflte, würbe niebergeritten, gefchlagen 


6 aukler in Samarkand. 


f3ohamm<danifch(8 Begräbnis. 

unb cmfgefpießt. 3n weniger als td? brauche, 

um bie Sache 3U er5ählen, war ber Aufjianb 3U <£nbe, 
unb bie Un3ufriebenen waren in alle XStnbe, über 
Sächer unb Äelber geflohen. An ben barauffolgenben 
(Tagen würben bie Häbelsführer grünblich gefnutet, 
einige würben auch auf gehängt, unb ben Sd?luß ber 
Aftion bilbete eine fleine Äeftrebe, bie ber <Th c f ber 
bewaffneten HTad?t ben ba3U eigens entbotenen, reumütig 
Verfammelten oon erhöhtem plaß auf bem HTarFt h^H- 
<£r fagte, was man bei fofchen (Selegenhciten mit Bußen 
3U jagen pflegt, unb nahm im übrigen 3um Sd?luß 
(Selegenh^it, auf einige XSeifungen bes Korans erntah- 
nenb hinsubeuten. Als er geenbet hatte, brängte ftch 
nod] ber rufftfche (Senbarmeriewachtmeifter, ein wahres 
Prachtexemplar oon einem fjiinen unb subem 
burd? gebiegene ©robheit mehr populär als 
gefürchtet, nach uorit, 3eigte ber fchweigenbeit 
Hlenge feine 5 auft, auch ein Prachtexemplar, 
unb rief: „Unb bas ift euer Koran!" 

3 a, bie KofaPenfauft ift ber Koran bA* 
Sarten; fte gebietet ihnen, was fie 3U thun 
unb 3U laffen h^ben, unb ber Sarte fchweigt 
unb gehorcht. HTuß er ftch alfo bem Hüffen 
beugen, fo entfchäbigt er ftch baburch, baß 
er, banP feiner beweglichen 3ntelligen3, ben 
Hüffen uorn unb hinten anfchwinbelt. Sie 
Sache war einige Seit lang fo fchlimm, baß 
ber Hüffe nicht Paufen Ponnte, was er wünfchte, 
fonbern nehmen mußte, was ber Sarte Der* 
Paufen wollte, unb 3war 3U folgern preis, wie 
ihn bie Sarten unter ftch in einem Hing feftgefeßt 
hatten. Unt biefer Kalamität ab3uhelfen unb 
3 unächfi eintttal auf ben ©runb 3U gehu, Der* 
Pleibete ber ©ouoerneur ftch als Solbat unb 
befuchte ben Ba3ar. Bei einem Schläd?ter 
forberte er Äleifch unb bePam 3U unoerfchänv 
tem preis ein jchtechtes Stücf. natürlich 
wollte er befferes 5teifch hnben, weil er 
feinem £}errn folches nicht oorlegen Pönnte. 
Sarauf entließ ihn ber fjänbler mit bem be* 
ruhigenben Befd^eib: „Sas rufftfd^e Schwein 
frißt alles." Sem ©ouDenteur oergiug 3war 
bie Cujt, weiter AbHafchtb 3U fpielen, aber ber 
Swecf war erreicht, ben fartifd?en J^änblertt 
wurbett ihre Flehten praPtiPen befchnitten. 

Sas £eben in ben Stäbten unb auf bent 
£anb ift rein orientalifch, unb alle (Typen, bie 
wir aus ben ©Zahlungen ber Sd?ehere5abe 
Pennen, ftnben wir bort heute noch unDcränöert 


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Bummer 36 . 


Seite \695. 


rnieber. Dlärchenenähfer, 

Koranbeuter, 5licFf dju jter, 

Barbiere, Bettler, <5elb* 
mechsler, (SarFöche unb 
allerlei anbere Calente 
üben i^re Kunjt coram 
publico aus unb geben 
baburd? bem öffentlichen 
£eben Abmechslung unb 
Belegung. IBenig erfreu¬ 
lich fteht es bagegen mit 
bem Bleibenben bet 
Stäbte aus. Was an 
(Sebäuben in SamarFanb 
porhanbett ift, ich meine 
BTofd?een, DTinarets, 

BTebreffen (Schulen) uf tu., 
ijt perfallen. Die flogen 
Bauten, bie Dfchingis- 
Khan, Camerlan unb 
bejfen 5rau, bie chineftfche 
Kaifertocbter Bibi, er¬ 
richteten, liegen permeht 
im tDüftenfanb ober 3er- 
bröcFeln unter Begen unb 
Sonuenbranb. Die über 
3mei DTeilen lange Blauer, 
bie bie Stabt ber fiinheimifchen umgiebt, iji bem poll- 
jtänbigen Derfall preisgegeben, von ben \65 DTofcheen 
unb 2 \ 5riebhöfen liegen bie meiften perlaffen ober in 
Schutt unb tErümmern, einen ebenfo trojtlofen AnblicF 
bieten bie einjt fo prächtigen Karatpanfereien unb 
Kuppelbauten. Por ben 3ahlreidien (Srabmälern h<*t 
am beften bas DTaufoleum (Einturs bem <§ahn ber Seit 
getrofet, ein hächft intereffanter hoher Kuppelbau, in bem 
(Eimur nebjt fechs feiner erften Beamte unb 5 reunbe 
begattet liegt. 

Biemanb mar ba, ber (ich biefer KuttfimerFe annahm, 
unb erjt bie Buffen fchüfeten fte por pollftänbigem Derfall, 


auch bas erjt feit neußer 
Seit. 3n burd?aus 3U 
tabelnber pietätlojtgFeit 
haben fte übrigens be- 
fchloffen, eine ber tDänbe 
berSd]ah- 5 inbehmofchee, 
unb 3mar bie am reichten 
unb fchönjten ornamen¬ 
tierte, bie ben (Sräber- 
Fontple£ abfchliefet, ab» 
3ureißen unb nach Peters¬ 
burg ins BTufeum 3U 
fchaffen. Das ifl ein 
nicht rnieber gut 3U 
machenbes Vergehen 
an ber hißorifdjen (Sröge 
bes 0rts. Dag bie 
Buffen anbrerfeitsöefefee 
gegen bie Domahme pri- 
pater Ausgrabungen er¬ 
laffen hoben, fchüfet me* 
nigßeits etmas por ben 
bis jefet pielfad? porge* 
Fommenen planlofen Be¬ 
raubungen ber Blofcheen. 

Die 3U meiner plau- 
berei gehörigen Bilber 
geben einige intereffante Scenen aus bem £eben ber 
Cinmohner pon SamarFanb unb (Eafchfent rnieber unb 
ftnb burch bie UmnittelbarFeit ber Darjtellung pon intimem 
Bei3. Befonbers charaFteriftifcb für bie Eingabe, momit 
ber fromme BTohammebaner bie Dorfchriften feiner 
Beligion erfüllt, finb bie Blomentaufnahmen pon ben 
Aitbad?tsübungen unb pom Begräbnis. Aber auch bie 
Beigung 3U allerlei Kur3meil ift bei ben 0 rientalen 
3iemlid? ftarF ausgebilbet, besholb erfreuen ftd? bie 
pirtuofen Dorfühmngen ber h^run^iehenben (SauFler* 
unb Artiftenbanben, mie fte meine Aufnahme jeigt, flets 
lebhaften Sufpruchs unb Beifalls. 



Tom Jfarht in Samarkand: probepflügende Ockfen. 



6 ebetsübung während des Gottesdienftes in der Jttofchee. 


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Seite \69^< 


Hummer 36 . 



(Heisse und fchwarze Jodteys bei der plorgenarbctt. 


Die amerikanischen Jockeys und ihre Reitmetbode. 

£?ter 3 ii 7 pf}otograptjifd?e Unfnoljmett. 



<Es ig nod? gar ntd?t lange Ijer, bag bie ameriFanifchen 
3 ocfeys ihren (Einjug in (Europa gelten. Kamen ba nad? 
(Englanb suerg einige junge £eute aus bem Heid? bes Dollars, 
um im Hennreiten ben dannons unb £oates, unb mie fie 
alle im britifd?en Heid? feigen, ins £)anbmerF 3U pfufd?en. 
HTan fjieg bie £eute von brüben millFommen, getingfd?ätjig 
unb mitleibig, benn mos Fonnten mol?! bie UmeriFaner mit¬ 
bringen, um ben altangeganimten englifd?en w 3 0C ^ e V* 
bynagien" 3« imponieren? Unb bann fah man bie (Säfte 
aus ber neuen Welt reiten unb lad?te l?er3lid?. So hatte 
man nod? nie einen 3 ocFey auf bem Pferb erblich, l? 5 d?ftens 
einen Sonntagsreiter, ber fehnfüdjtig verlangenb Hettung aus 
(Eobesangg an ber mäf?ne feines 
(Sauls fud?t. 

Uber bie <Segcf?ter ber 
Spötter mürben halb lang. Die 
£efer ber JPitjblätter freuten 
gef? moljl, wenn ihnen ein 
geid?ner eine KariFatur vor- 
führte, bie einen ameriFanifdjen 
3 ocFey als Ueffd?eit auf bem 
Pferbeljals Fauernb bargellte. 

Die europäifdjen profeffionals 
jebod? mürben gemaltig ernjt. 

Da mar etmas Heues erfd?ienen, 
mas alle if?re (Erabitiouen unb 
fportlid?*Fonfervativen Unfd?au- 
ungen über ben Raufen marf, 
mas läd?erlid? erfdjien, aber 
praFtifd? unb gut fein mugte. 

Denn mas nüt}ten alle tljeore» 
tifd?en (Erörterungen contra, 
bie (Erfolge fprad?en am begen 
für ben amerifanifdjen Sifc. 

Die .importierten" Berufsreiter 
maren plötjlid? (Erumpf, ge er¬ 
hielten bie begen Stellen mit 
Hiefengetjältern, biebeftenpferbe 
unb gemannen Hennen auf 
Hennen. Hid?t lange bauerte 
es, ba Famen bie EJanFees auch 
auf ben Kontinent, unb jet}t 
befinben gef? in Deutfdjlanb, 
franfreief? unb 0efierreid? fd;on fl45 küo! 


3ahlreid?e „echt* amertFanlfd?e 3 o<Feys ober bod? 3 1 *itatoren 
ihrer Heitmeife. 3 a » fogar einige Herrenreiter in Deutfeh* 
lanb, mie 3. 3 . H err Sd?mibt-BenecFe, einer unferer erfolg- 
reid?gen unb tüd?tiggen (Senilemen im Sattel, manbten geh 
ber ameriFanifchen Hlanier 3U. — mit ben 3 0C ^ e VS aus ber 
neuen Welt reiften über ben UtlantiF auch (Erainer 3U uns 
herüber, bie gleich ben Heitern fehnell lohnenbe Befdjäftigung 
fanben. Die ameriFanifche (Erainiermethobe ig mefentlieh 
härter, als bie bei uns übliche. Die Pferbe merben viel 
fd?ärfer bet ber Urbeit h era ngenommen unb mügen vom 
Start meg ihr volles Können einfegen. (Serabe in letzterer 
Hingdjt mirb bei uns 3U meieh gearbeitet, mie gef? fchon 

öfter ge3eigt f?at, menn Per¬ 
treter beutfd?er färben in 
internationale KonFurren3 geh 
hineinmagten. (Ein beutfd?er 
Hennmann, ber Fü^lid? vergor» 
ben ig, hatte feinen grogen 
Stall vollgänbig ameriFanifd? 
eingerichtet, unb ber IJanFee- 
trainer hat mit feinem Sygem 
mirfltd? 3U IDege gebracht, mas 
feinen Porgängern nicht gelun¬ 
gen mar, für bie vom pech 
verfolgten färben höbfd?e Siege 
3U erringen. Huch in 0efterreidj* 
Ungarn feiert ein Henngall mit 
rein ameriFanifd?ein Betrieb 
groge (Eriumphe. 

Unfere Bilber geben eine 
Heihe von mornenten aus bem 
ameriFanifchen 3 otfe?i*ben n>ir* 
ber. IPie bie pferbe von 
3 ocfeys unb Stallburfd?en bei ber 
morgenarbeit geritten merben 
— unter ben Heitern begnben 
geh aud? mehrere Scf?roar3e — 
mie ein blutjunger Burfdje vor 
bem Hennen mit Sattel unb 
gaum3eug auf ber JPage geht, 
voll (Ermartung bes bevor- 
gehenben Kampfes auf bem 
grünen Hafen. Die übrigen 
HU right!“ Bilber 3eigen in anfd?aulici?er 


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Hummer 36. 















..L 


_ 


We ife ben 
typifc^cn 
Sift ber 
HmeriPaner. 

Die hinter* 
fyanb bes 
pferbes 
wirb burd? 
bas Dor* 

(Rieben bes 
Sattels 
anßeror- 
bentlid? ent* 

Iaftet r ber 

Heiter ftet^t mehr in 
ben Steigbügeln, als er 
im Sattel jifct. Diel- 
fad? wirb pon ben 
(Segnern ber ameri- 
fanifdjen Heitweife be¬ 
hauptet, ber neue Sit$ 

Ijinbere ftarf beim ,fi- 
nifl?. Der (Einmanb mag 
nid?t ohne Berechtigung 
fein, aber gefdjicfte 
jocfeys hoben, obwohl 
ße „auf bem b?als" bes 
Pferbes faßen, fd?on 
mit größter Brapour 
nad? fdjarfem Kampf um ben fprid?* 
wörtlichen Pü^eften aller Köpfe 
gewonnen 

Kllerbings — wer einen flogen 
IHeiter mit ßotyr Haltung fehett 
will, ber perhülle porßdjtig 3U 
guter §eit nur red?t feft fein Hnt- 
litj, falls ihm jemanb amerifanifd? 
•3U fommen beabßdjtigt! 

IDenn man pon ben enormen 
Be3ügen ber erßPlafßgcn 3orfeys 
hört, bie mitunter ein größeres 
(Einfommen hoben, ols bie hödjßen 


Staatsbeamten, fo benPt man unwillPürlid?. baß 
bie Herren pom bunten Dreß ungerechtfertigt leidet 
3U «Selb unb (Ehren gelangen. Hber ber 3 0C * C V' 
lehrling unb aud? ber bereits aPPrebitierte Berufs* 
reiter hoben ein red?t befdjwerliebes Dafein mit 
pielen (Entbehrungen. (Senau fo, wie feine pferbe, 
muß er im (training bleiben, unb gar oft hat er 
ber (Sefaljr entgegen3ufchauen. Die ameriPanifche 
3orfeyfchule ift wohl nod? härter unb ftrenger, als 
bie englifd?e, bie auf bem Kontinent, alfo and? 
in E?oppegarten unb ben attbern beutfd?en drai* 
ningsquartieren, porbtlblid? ift. manche ber be¬ 
gehrteren ameri!anifd?en Heiter ergriff wofjl ber 
Hochmutsteufel trotj aller Strapa3en, 
bie bie Baßs 31t ihrer JDofjlhobenhet. 
gelegt hotten, in lächerlicher ZDeife, 
Sie fpielten bie (Sranbsfeigneursi 
hielten ßd? mehrere Diener, ließen 
pch pon Kopf bis 3U <fuß an- unb 
ausPleiben unb beftellten in ben 
Hotels ber Stäbte, in benen pe 3U 
reiten geruhten, ganje (Etagen. 

(Einen deil ber nad? (Europa aus* 
gewanberten atneriPanifcheit 3 0C ^ C V S 
pnbet man freilich trotj großer (Er¬ 
folge jet$t nid?t mehr auf ber Bahn. 
Sie ptto ber £{30113 3um Heiten für 
per luftig erflärt worben, n>egen 
irgenbweldjer unreeller 
machenfdjaften. Hid?t 
bie gan3e gunft aus 
KmeriPa ift etwa un¬ 
fairer Hanblungen fd?ul* 
big, aber ein großer 
pro3entfat$ hot ßd? un* 
angenehm bemerPbar 
gemacht. Huch wirft 
man oft mit Hecht ben 
Herren rücPfichtslofes 
Heiten oor, wie man 
es bei uns nid?t ge¬ 
wöhnt unb nicht 3U 
bulben ge¬ 
willt ift. So 
oerpel Pür5» 
lid? iuDeau* 
Pille einerp- 
Flaffiger 
anteriPani» 
fdjer 3 ocPey 
ber Disqua- 
lipPation,ber 
fpäter in Ba¬ 
ben • Baben 
reiten follte. 

£?. ^rieMaenber. 



Oer amerikanirebe Kcitfitz bei perfdriedenen Gangarten. 


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Hummer 36 . 


Fräulein 61fe. 

Sommerbrief eines lad?enben pefffmiften. Hon ©. 3. Klett. 


aff bin icf? heute in Herfud?ung, mit einem 
biffd?en fentimentater £yriF aus meiner 
Meinen Stabt 3U 3 hnen 3U Fomrnen, Nominal 
Kber mir fällt noch redfoeitig ein, baff Sie 
eine moberne 5rau ffnb — eine non ber äufferffen £inFen 

— unb alfo fämtUd?e weibliche Untugenben — poran 
ben fjang 3 ur gefühfoollen poeterei — uns Pom 
fd?tPäd?eren ©efd?led?t überlaffen. (Ein gan3 Mein 
tpenig grüne Sommerfd?wärmerei müffen Sie mir 
freilich troffbem gönnen, mir, in meiner Meinen Stabt, 
bie mich fd?on fo weit in ben Klauen hat, baff 
ich nach guter neugieriger unb müfffger Kleinftäbter* 
gewot?nheit meinen allabenblichen Spa3iergang nach 
bem Hahnh°f mache unb mit fyalb neibifd?en, h a ß> be* 
haglid?eit Hlicfen bie güge aus* unb entfahren fet?e, 
bie non brauffen Fommeu unb nach brauffen gehett — 
fort — in bie Welt — in eine Stabt, in ber bie 
UTänner immer bie neuften Krawatten unb bie grauen 
füffe, blaffrote tippen hüben. 

3 d? hub ein Meines 2 lbenteuerd?en erlebt, fd?önffe 
5rau. ©in gan3 unfd?ulbiges. 3h n * n will id?’s beichten. 
Uber auf baff bas Kbenteuerd?en nicht gar fo flein fei, 
muff ich um ein paar 3 <*hre 3urücfgreifen. Damals 
fchon er3ählte ich 3hnen oon meinem tieblingsplafe 
hier — am £)ang ber grünen f}ügel, bie bas Ulenfd?en- 
rteffd?en umgeben. ©in breiter, pereinfamter, ntiferabler 
XHeg, von bem aus man bas (Thal auf* unb abwärts 
überfieht, führt 3U einer IPalbecFe, bie nur bie Kusffcht 
auf ein Stücfchen ^immel, auf fehr piele, leife weh^nbe 
(Eannenwipfel unb auf eine Meine tOelt in allernächffer 
Häl?e giebt — auf golbenen ©inffer, auf rötliche Qeibe 
unb burchfichtig grüne 5 arne, auf emffge Käfer, leid?t* 
fertige Schmetterlinge unb pe^auberte ©ibed?fen. 

Daff ber IDeg gar fo pereiufamt unb miferabel ift, 
rührt oon bem alten Steinbruch her, an bem er porüber* 
geht — bid?t oor meiner H>albecFe. (Es wirb nicht 
mehr fehr piel gearbeitet in biefem Steinbruch. Uland?* 
mal feh ich bort, im Horüberwanbern, ein paar braune 
UTänner fyoden unb anbächtig unb eintrad?tspoll aus 
einer groffen 5lafche trinfen; bas fd?eint bie gait3e 
Krbeit 3U fein. 

Dort an ber tüalbecfe lag ich einmal, por 3 ohren, 
bicht am Hanb bes Steinbruchs, ringsum pon ©effräud? 
eingemauert. 3ch lag unb badete barüber nad?, baff 
biefes fchöne 5 lecFd?en (Erbe bod? eigentlich gar nicht 
fchön fei — bas Chol fo grün, fo unglaublich grün 

— bie Herge fo weich unb runb gefdjwungen, ber 
Himmel fo fd?led?tweg blau ober grau — Feine per* 
fchtPimmenben Cöne — Feine gefpenftifchen 5 ormen unb 
Äarben — Feine enblofen H°ri3onte — mit einem tüort 

— Feine Stimmung. Unb Stimmung iff hoch heutjutage 
bie bjauptfache. Das einige eigentlich — nicht wahr? 

Hun alfo — barüber bacht ich nach unb auch dar¬ 
über, ob ich mid? nicht lieber auf bie breite, bequeme, per* 


witterte SteinbanF feften follte, bie unter mir an eine rneiff* 
bärtige, alte Canne gelehnt ftanb. 3<h war mit meinem 
HachbenFen noch längff nicht 3U (£nbe, ba h$r ich 
Sd?ritte ben U>eg entlangFommen. Reichte, flü 3 ?tige 
unb bod? 3Ögernbe Schritte, ©leid? barauf tritt ein 
junges, blonbes Dingeld?en auf ben plafe unter ber 
Canne neben bie SteinbanF. 3 h* runbes ©effchtchen 
glühte, bie ein3elnen Härchen, bie ftch aus bem biefen 
^änge3opf geffohlen hatten, flatterten unruhig. 3ch er* 
Fannte ffe fogleid?. Sie war mir unten in ber Stabt 
fd?on öfter auf gef allen, erftlich, weil einem nieblkhe 
UTäbel immer auffallen, unb bann, weil immer ein fo 
tiefernfter Kusbrucf auf bem Kinberantlifc lag. Selbff- 
perftänblid?. IDenn man fed?3el?n 3oi?re alt, fehr nieb* 
lieh, fehr pertjätfehett unb gehütet unb gepflegt ift, ba 
iff bas £eben fchwer. Unerhört fd?wer. Später, wenn 
wir nicht mehr fed?3ehn 3 a h*e alt, nicht mehr gepflegt 
unb umforgt unb behütet ffnb, bann wirb’s lcid?ter. 
Das £ad?en — bas wahre, richtige, eigentliche, bas 
Fommt erft fpät 

UTein blonbes UTäbeld?en ffanb ein U)eild?en un* 
fdjlüfftg por ber einlabenben HanF. Dann fefete es 
ftd? forgfant, 30g ein Hud? aus ber Cafd?e, fd?lug es 
auf, f ud?te bar in herum unb legte es en blich, energifd? 
aufgeFlappt, neben ffd?. hierauf nahm bie Kleine ben 
großen runben Strohhut ab, 3upfte nachbenFlid? bie 
£öcFcheit 3ured?t, wifchte ffd? mit bem Cafd?entud? übers 
©effd?t — unb feuf3te. fjernad? ftrid? ffe ihr Kleibd?en 
glatt, feffte ffd? in pofftur unb begann 3U lefen. Das 
heifft, ffe nahm bas rotgebunbene 23 ud? 3ur Honb — 
unb feuf3te. 

Sehn UTinuten lang begab ffd? nichts Heues. Unb 
fd?on begann bas nieblid?e profil brunten für mid? an 
Hei3 3U perlieren. plöfflid? aber Farn £eben in bie 
©effalt unten. IDieber wurbett £öcfd?en ge3upft, wieber 
würben Äalten geffrid?en — alles nod? mal pon porrt. 
©leid] barauf wieber Sd?ritte — pon ber anbern Seite 
her. Sie hotte ffe fd?on por mir gehört, natürlich. 
Da3U war ffe bod? bal Sie faff nun in ungemein über* 
3eugenber Hertieftheit mit bem Hotgebunbenen in ber 
£?anb unb wanbte bas blonbe Köpfchen aud? nicht um 
Haaresbreite nad? ber Seite, oon wo jefft ber obligate 
junge UTann auftaud?te. Uebrigens ein netter Surfd?. 
Hraun unb fehnig — nid?t h^Mch, aber mit bem ge» 
rniffen (Etwas, bas 5rauen3immern gefällt. So bas ewig 
UTännlid?e. Sie perffehenl 
©in junges, fd?alfhaftes £äd?eln flog über fein ©effd?t, 
als er bie Slonbe fah* Daun blieb aud? er unfd?lüfffg 
flehen. Sie rührte ffd? nid?t, las mit unglaublichem 
(Eifer. Hun trat er ein paar Schritte por; ein bürrer 2 lft 
Frad?te unter feinen 5 üffen. Da fah ffe benn enblid] auf. 

©r 30g ben £?ut — ffrahlenb. 

„©Uten Kbeub, Fräulein ©Ifel" (Sie ^teff ©Ife — 
wie benn anbetsi) Seine £? au & fuhr linFifd? nad? porn, 



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Hummer 36 . 


Seite \ 6 <) 7 . 


ihr entgegen; er 30g fte aber fchüdtfem mieber 3urüd, 
benit Fräulein (Elfe blicfte ihn ungeheuer erftaunt an, 
nidte bann herablaffenb, faum merflich mit bem blonben 
Köpften uttb fragte fteif: „Uch — Sie ftnb’s, E}err 
paul? (Suten Ubenbl" 

hierauf fenfte fte ben unfchulbsooüen blauen Blid 
mieber auf bas intereffante Bote unb fuhr emftg unb 
mit natürlichjter Unbefangenheit in ihrer Ceftüre fort. 
Ejerr paul fagte nichts — fah fte an — brehte fein 
grünes Äil3hütchen 3toifchen ben fd?lanfen Äingem — 
fah fte mieber an — räufperte ftch, feuf3te bes öftem 
unb fd?mieg weiter. 

Hach einer Weile geruhte fte mieber aufjitbliden — 
nicht ihm ins ©eftcht -r- bewahre! Hur fo gan3 nebenaus 
fragte fte: „IDie fommen Sie benn hier herauf?" 

„Elun — fo!" ermiberte er lächelttb. Daun nahm 
er einen männlichen Unlauf: „ 3 ch habe Sie herauf¬ 
gehen fehen!" 

„Hlüjfen Sie aber fcharfe Uugen hoben!" meinte 
fte heuchlerifd?. 

„E}ab ich auch!" betätigte er mit befcheibenem Stol3. 

paufe. Dann, nach ein paar Sefunben er: „Sie mürbe 
tch boch auf bie weite jte (Entfernung erlernten, Fräulein €lfe!" 

Sie — abmeifenb: „So?" 

paufe. 

<£r: „Sie fommen wohl öfter hier herauf, 5 räulein 
(Elfe?" 

Sie — majeftätifch unb etwas oorwurfsooH: 
„Sonji nie!" 

paufe. 

<Er — oorftdjtig einen Schritt nähertretenb: „Darf 
man mijfen, mos Sie Schönes lefen?" 

Sie hielt ihm mit gut gefpielter ©leichgiltigfeit bas 
Buch hm. Och fah non meinem plaß aus bie fleiite 
fjanb 3ittern!) 

(Er neigte ftch oornüber. 

„Der Trompeter oon Sädingen?" fagte er fragenb. 

(UTeine Ullergnäbigfte, ich fann wirflich unb wahr¬ 
haftig nichts bafür — bas Botgebunbene mar ber 
(Trompeter oon Sädingen.) 

„©efällt es 3huen?" fuhr brunten ber ausbauernbe 
Ejerr paul fort, augettfcheinlich feft entfchloffen, meint 
auch langfam, fo boch jtcher oormärts3urüden. 

„BTanches," ermiberte fte biplomatifd?. O a —man 
muß nicht notweitbig bumm fein, menn man auch ben 
(Trompeter lieft.) 

Hun nahm er einen 3weiten fühnen Unlauf. 

„Die Tiebestieber ftnb fchön — nicht wahr?" fragte 
er fed. Dabei rüdte er noch einen leifen Sdjritt näher. 

Verächtliches Uchfel3uden ihrerfeits unb ein 3ierliches 
2 ?ümpfen bes runben Häschens. 

„Die nun gerabe nidjt!" fagte fte jtreng. 

paufe. 

(Er 3mirbelt an feinem noch ängftlich 3arten Schnurr- 
feärtchen; fte ftarrt „ein Toch in bie Cuft". 

3ebenfalls ijl er gan3 fejl entfchloffen, nicht 3U meichen. 

„Darf ich mich ein bißchen feßen?" fragt er in ben 
fiißeften 5 lötentönen. — Keine Untmort. Uber un« 
merflich rüdt jte ein gan3 flein menig 3ur Seite. 


„© banfe!" meint er eifrig — „es ift plaß genug!" 

5reilid? i(t plaß genug, wenn man ftch fo eng 3U 
feiner Hachbarin feßen mill, mie er es beabftchtigt. Sie 
rüdt mieber ein bißchen unb jteht ftch unruhig nach 
allen Seiten um. 

„E}ier herauf fommt niemanbl" bemerft er be* 
ruhigenb. 

Das junge, warme Blut fchießt ihr ins ©ejtchtdjen. 
Sie erwibert nichts. £ange paufe. 

„E}aben Sie wirflich nicht gebacht, baß ich fommen 
mürbe?" fängt er nun mieber an. 

© Ejerr paul — bas mar bumm — unglaublich 
bumm! 

(Er hat auch fofort Urfache, feine Dummheit eht3U- 
fehen, bernt fte erhebt ftch mit faiferlieber IDürbe unb 
nimmt ihr Buch 3ur E}anb. 

„Uber — Fräulein (Elfe — liebe (Elfe —" fleht er 
3U (Tobe erfchroden — „fo gehen Sie boch nicht!" 

Hur ein E}er3 oon Stein fönnte ben Tauten biefer 
jungen £iebe wiberjtehen. 5räulein ©Ifens E?er3 ift nicht 
oon Stein. Sie feßt ftch 3Ögernb mieber — er h^ft ein 
bißchen nach, inbem er fachte ihre E}anb ergreift unb 
fte neben ftch 3ieht. Tange, lange paufe. 

(Es ift ein wenig bämmerig geworben. (Thymian 
unb Ejeibe atmen ftärfer, ber tüalb ift gan3 ftill, im 
tiefen Ubenbhimntel fleht ein großer, bleicher Stern. 
E}err paul jtßt fehr bicht bei 5 räutein (Elfe uitb fieht 
fte unoermanbt an. Sie fteht ebenfo uitoermanbt oon 
ihm fort — gerabe aus — irgeitbmohin — nach bem 
erjien beften ©egenjtanb, ber ftch ihrem Blid bietet. 
Der erjte befie ©egeitflanb ift ber große bleiche Stern. 

„Da ift fd?on ein Stern!" bemerft jte bemgemäß. 
Denn bas Sdjmeigen wirb immer länger. 

„Der Ubenbjtern!" fagt er fachoerftänbig. (Er fteht 
ben Ubenbjtern augenfdjeinlich auf 5 räuletn (Elfens in 
bie E}öhe gerichteter Hafenfpiße — jebenfaüs fucht er 
ihn nicht am E^intmel. 

©nbltch — id? fange fchon an, mtgebulbig 3U werben 

— enblich hat er ben UTut gefuitbeit, ben Urm um jte 
3U legen — gan3 lofe — unb bamit fcheint ihm oollenbs 
„bie (Traute" 3U fommen, mie ber Berliner fo finnig 
fagt. — 3ch höre nur nod? ein leifes Älüftern — bas 
weitere fehe ich. <£s geht ttid^t gans ohne Ejinberniffe. 
Sie jträubt ftch noch ein flein wenig. 

„Uber Ejerr paul!" 

„Uber 5 räulein £lfe!" 

Schließlich ijl es gefchehen. (Ein erfter Kuß. Blutet 
unfereinen gan3 merfmürbig an, bas oerftchere ich Sie, 
Domina! 

3ch märe gern aufgejtanben unb hätte mich baoon- 
gemacht. Der Ulenfdj ift nun mal unbanfbar unb oer- 
möhnt; alles wirb ihm halb langweilig. Die brumatifche 
(Entmidlung ber Weinen Uffaire hatte mich interefftert 

— bie fentimentale Tyrif wollte ich mir gern fchenfen. 
3 d? befaß aber boch nod} fo oiel Unftanbsgefühh mich 
mit möglichjler Vorficht möglichjt lautlos feitmärts 3U 
bewegen. BTeine beiben gingen übrigens auch gleich 
barauf auseinattber. 3 mtge Tiebe ijl ja fo lächerlich 
genügfam — oon ber Blüte nur ber Duft — 00m 


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Hummer 3 6. 


£id?t ber Schein nur — bas genügt ihr 3um Heben. 
Daraus webt fte ftd? ihre golbenjien Cräume. Über 
id? werbe fentimental. Vielleicht iiabe id? bie 3wei ein 
Hein, flein bißchen beneibet . . . 

Vor etwa vierzehn Zagen iiabe id? Äräulein (Elfe 
wiebergefehen. Bei einer fleinen £anbpartie in (Be feil- 
fd?aft non Befamtteit traf id? fie unb erfannte fxe nicht 
einmal gleich wieber, troßbem fte ftd? in ben brei ober 
vier 3 a ^ren raenig veränbert Ijat Das gleidie blonbe 
©ejtd?t mit bem großen blauen Blicf — ber Blicf ein 
gan3 flein wenig abgeblaßt x>ielleidr>t — ber gleiche bicfe 
Sopf, i*ßt 3U einem funfivoll natürlichen Knoten am 
fjinterfopf Verfehlungen. Hid?t mehr ber gleiche firnft 
auf bem jungen ©ejtd?t, natürlich. Äräulein (Elfe ift 
um vier 3ah r e älter, reifer, erfahrener geworben — 
ba B?at fte lachen gelernt — ober 3um minbejten läd?eln. 
Klles ftimmte — aber eins ftimmte nicht: fte gefiel 
mir eigentlich nicht mehr. IVeshalb? iVeil fie fo 
gleich geblieben, ober weil fte fo anbers geworben .war? 
3ch weiß es nicht. UTag fein, bas „Vielleicht", bas fte 
bamats war, hatte mich befottbers gefeffelt. 3*ßt war 
fte fein Vielleicht mehr — troß ihrer jungen 3waii5tg 
3ahre — troß ihres finblid?en £ächelits. 3n all bem 
lag etwas Äertiges, Kbgethanes, unb bies Äertige gefiel 
mir nicht. tVie eine hübfd?e, haIbaufgebrochene Blüte, 
ber man es anfteht, baß fte ftd? nie weiter entwicfeln, 
nie voll erfchließen wirb. (Es giebt folche Blüten — 
im frühen Ärühling — auch im £?erbjt. 

3 eboch — Äräulein (Elfe war blonb unb rojtg, weich 
unb fd?lanf von ©efialt, jung unb lieblich an3ufd?auen. 
Unb fo fchaute ich fie beim au — bas h^fet, id? h^ft 
mich währettb bes Kusflugs meifl an ihrer Seite. Unfer 
§iel war eine alte, fd?öne Klofierruine, bie auf einer 
fanftett Knhöhe inmitten eines fleinen Dörfchens liegt. 
Das Klofterfirchleitt iji refiauriert unb wirb 3um (Bottes- 
btenji benußt. Die anbern tEeile bes weitläufigen Kn« 
wefens ftitb gefd?icft vor bem Verfall gefd?üßt. Der 
fchöufte Ce'il bes Klofters ift übrigens noch jeßt ber 
Ueberreft eines 3 agbfd?loffes, bas einer ber bamaligen 
württembergifchen (ßrafen ftch bei ben frommen Brübern 
hatte bauen laffen. (Er muß ein fluger UTattn gewefen 
fein, ber alte E?err! 

IVir wanberten burch bie Kreu3gänge, burch bereu 
halbverfallene Bogen bie betten IViefen h^eiitfchauten 
unb gottlofe Äalter in verliebtem Schwärmen fpielten. 
3 ch er3ählte Äräulein (Elfe von ben UTönd?en in langen 
(Bewäitbern, bie hier umhergewanbeit waren — von 
ben alten, mit frommen, heiteren Kinberaugen ober mit 
bem ftiHen, fatten Behagen bes £ebensfünftlers in ben 
rötlichen ZHienen — von ben jungen mit hageren ©e- 
ftchtern, aus benen bas heimliche (Empören, bie KnFIage 
fchrie — in beren ungebünbigten (Bliebern noch bas 
Äieber brannte. — 

Äräulein €lfe fah mich bemunberub unb ein bißd?en 
ängftlich an unb Jagte mit einem bebauernben fleinen 
Stintmd?eit: „0 — bie Krmenl" — unb feufjte. 

IVir Famen in bie alte Klofterbibliothef, unb ich er« 
3ählte, wie uiiertnübliche, hagere, weiße Äinger Cag für 
Zag Suchftaben um Buchftaben auf bas Pergament 


malten. Sd?ritt für Schritt in langfamer, mühevoller 
tVauberung bem ©eift, bem ©ebaufen bie tVege bahneub. 

Äräulein (Elfe bliefte nachbenffam auf bie vergilbten 
Schriften, fagte nichts — unb feuf3te. 

Suleßt traten wir in bas alte 3 agbfd?loß, in ben 
bümmernben Schatten ber haben Blauem, aus bem 
über bas alte, graue, geborfteue ©eftein h' nn >*$ in 
triumphierenbem £ebeitsbrang ein paar t?errlid?e, frifd?* 
grüne fchlanfe Ulmen ftch heben unb mit lachenbem 
Banner in bie £anbe hmausgrüßeit. Unb id? er3ählte 
Äräulein (Elfe von ben fröhlichen Sechgelagen nach ben 
£?irfd?jagben, von ben großen Ääffern rotflaren tVeins 
in ben tiefen, Fühlen KloflerFeüem. 

Klfo unterhielten wir uns vortrefflich, Äräulein (Elfe 
unb ich. Sie fd?wieg unb feuf3te — ich rebete. Das 
war immerhin für mich mal was aitberes. Hid?t wahr, 
fchöufte Ärau mit ben fpöttifchen Uluubwinfeln? 

(Ein paarmal verfpürte ich entfehieben £ufl, wenn 
fte mich gar fo lieblid? unb blau auf ah, 3U fragen: 
„Bun — unb £?err paul?" — 

Über bann fah fte immer gerabe gan$ befonbers un* 
fchulbsvoH unb wäfferdieitflar aus, unb ich rvarf bas 
Steind?en nicht in bie bette Wette biefer blonben Seele. 

IVir gingen bann nach f?aufe. Das Zbctt aufwärts. 
Blonb unb Sterne fdjienen, bie £uft ging weich unb 
flar. Der IValb buftete. UTand?mal ertappte ich mid? 
auf bem ©ebanfen: mein ©ott — bas ift ja fchön 
— wunberfchön — biefer Schwarjwalbfommerabenbi 
3 nbeffen ging Äräulein (Elfe immer neben mir h*r burd? 
bie ftlbente Dämmerung. Sie ging leicht unb ge- 
fd?meibig, wie ein fchneeweißes Käßd?en. Unb ber leife 
Duft ihres jungen Körpers wehte 3U mir herüber. 
IVir fpa5ierten eben unter meiner IValbecfe vorbei — 
unter jener IValbecfe von bamals. — Unb wieber hätte 
ich fragen mögen: „Hun — unb f}err paul?" 

Über ich fragte nicht. Der Sommerabenb war fiill 
unb heimlich — unb Äräulein (Elfe war viel 3U nieblich 
unb 3utrautich. U>ie hätte ich boch fo viel Hieblichfeit 
unb Sntraulichfeit fränfen mögen l 

Sur (Entfchäbiguitg fragte id?: „Sehen Sie bort 
oben bie IValbecfe, Äräulein €lfe?" 

Sie niefte. Den Seuf3er erwartete ich biesmal 
vergeblich- 

„Das ift mein £ieblingsplaß," fuhr ich heinttücfifd? fort 
„Äaft jeben Kbenb ftß ich bort oben. Sie foflten nur 
rniffen, wie fchön unb ftiH es immer bort ift — abenbsl" 

3 ch fühlte gan3 beutlich, wie meine Stimme etwas 
Schmeichelnbes, Ueberrebeitbes befam — id? alter 
Heuchler! 

3eßt feufste Äräulein (Elfe. 3 m übrigen fchwieg fte 
weiter. 

„<£s wäre fo lieb, wenn Sie einmal hmauffämenl 
So viel fönnte ich 3 hnen 3eigen bort oben in meiner 
einfamen, grünen tValbftebetei." Uleine Stimme würbe 
immer fchmeichelnber, weicher. 

„IVollen Sie, Äräulein (Elfe?" fragte id? fchließlid? 
gan3, gan3 vorfiditig unb 3art. 

„3^? rveiß nicht!" erwiberte fte beunruhigt. „3dl 
weiß nicht." 


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Hummer 36. 


Seite J699* 


3d? aber mußte — ich mar meiner Sacke gan3 ftcher. 
Uttb — allerfchönjle 5 rau, id? uerfpärte gar feine 
©emiffensbiffe. ©ar feine. Die lieben, jüßett, thörid?ten 
ZlTäbel gehören nun einmal 3U unferm Dafein, mie 
Hltiten, Sonnenfckeiu unb Sterne — man beachtet fte 
nicht fonberlid?. — im allgemeinen — man ifl 3U fehr 
baran gemöfjnt — aber h^ unb ba genießt man fie 
bod? mit intenftoem tDohlbehagen. 2lm nächjlen Cag 
fam fie nod? nicht. 2lm übernächflen aud? nid?t. 2lber 
am britten. 3 d] lag mieber oben 3mifd?en ben Sträudjem 
— am Hanb bes Steinbrucks. Unb blatte 5 räulein 
(Elfe eigentlich gan3 unb gar oergeffen. 

plöfclid? unten auf bem IDeg leichte, flüchtige Schritte. 
Eine junge blonbe ©ejlalt tritt auf ben freien plafe 
unter ber meißbärtigen Canne — neben bie Steinbanf. 
Die lofeit £}ärd?en flimmern im iDtnb. Sie bleibt un* 
fd?lüfftg fteljen, fleht ftd? um — unb fefet ftd? fckließlick. 
natürlich 3iekt fte ein 33 ud? aus ber Cafd?e. Diesmal 
ein ge!bbrofd?iertes. 3ebenfalls etwas gait3 UTobernes. 
UTein ©ott, man muß bock ein bißeken mit 
ber Seit Sckritt galten 1 Sie fchtägt es forgfam auf, 
legt es neben ftd], 3upft bie Cöcfcken 3ured?t unb ftreid?t 
bie galten bes t(eüen Sommerfleibd?ens glatt. Dann 
feuf3t fte — unb läckelt — unb beginnt 3U lefen. 

Jjallo — bas ift mein Stid?n>ortJ 3 *^ erfekeine 
alfo pflicktfckulbigft auf ber Scene. UHes faft mie oor 
vier 3 a hren. Hur mos bei bem blonben Ding uon 
bamals tEafien unb Uknen mar, ift biente Ä>iffen unb 
IDoHen. Unb ftatt bes braunen, frifchen jungen Hurfdjen 
oon bamals einer mit bem fd?limmen, eingegrabenen 
£äd?eln unter bem bunflen Spifebart. — 3™ übrigen 
ijt alles, mie es fein muß. 

„©uten Ubenb, 5 täulein (Eifel" 

„©uten Ubenb, X}err Doftorl* 

3d] bin nickt mekr fo unerfahren, mie £?err paul, 
id] frage nid]t, ob fie ermartet I^at f mid? 3U treffen. 
3ck begekre aud] nickt 3U mtffen, mos hinter bem ©elb- 


brofd]ierten fteeft. 3 ^? bitte auck nid]t um (Erlaubnis, 
mid? fefeen 3U bürfen. 3^ mid] einfach. 

Uber mie bamals Stert paul — ein bißd?en nah. 
©b id? aud? fo empftnbe, mie Stert paul? Du lieber 
£}immel — fd?a>erltd]l 

Unb alles fo mie bamals. 

„Uber — Stert Doftorl" 

„Was benn, Fräulein Elfe?* 

Uud] ber große bleid?e Stern ifl mieber ba. Er 
mirb uns nickt fehen. ©emiß nickt. Wenn er uns 
f Wie, fo müßte er flimmern. Dor £ad?en. Uber er 
leud?tet gan3 ftiH. 3 <^ glaube, 5 raulein Elfe fennt iku 
gut, biefen Stern. Sie ftekt 3U ikm auf, aber fte fagt 
nid]ts. 3 d] fehe nid?t nad] bem Stern — id? betrachte 
5 räuleiit Elfens Hafenfpifce, bie mirflid] aflerliebfi ifl. 

Ullerfckönfle 5 rau — biefe fleinen, thörid?ten, füßen 
UTäbel ftnb gemiß unb makrkaftig fekr thörid?t unb 
flein; aber fold? ftlbergrauem, buftigem Sommerabettb, 
biefer gau3 unmalerifcken, unmoberuen, unmöglichen 
£anbfd?aft — mit UTonb unb Sternen unb Hachtigallen* 
fcklag — natürlich mein id? nur ©riHenge3irp — flehen 
fte gut 3U ©eftd?t. 

Unb Äräulein Elfe füßt fo, mie es ftd] an folckem 
Ubenb gekört. Süß, meid?, lieb — feine befottbere 
Stimmung — feine unabfekbaren £?ori3onte — frifcf? f 
nieblid? — ein bißchen lattgmeilig — 

Uber es mar bod? ein angenehmer Sommerabenb. 
„Hun — unb Stert paul?* fragen Sie, fd]öne 
5rau. 

Stert paul — Ejerr paull — 3 ^k bitte Sie, mos 
geht mid? E?err paul aitl Soll id? meines Hrubers 
f}üter fein? ©ber meines Brubers £iebd?ens £]üter? 

Die Sommerabenbe ftnb lang unb marm — ber 
leife Duft ber blühenben Hlüten unb ber merbenben 
Heife ifl fo füß — fogar bas ferne Uhnen 00m IDelfeu 
ifl ein 3arter, unbeftimmter ©enuß. Unb Sie miffen 
bod?, Domina — id? liebe bie praftifd?e phüofophiel 


G 





Don Elfe 0alen-0ube. 


Fort gingft du aus dem Vaterhaus 
tJn Hivrtenkranz und Schleier, 

3n den goldigen 8onnenfcf)ein hinaus, 

Die TDädcfjenträume, die träumteft du aus — 
Du fd)iitteft zur Rod)zeitsfeier. 

©lochengeläut mit einem Rial, 

Die Orgel brauft dir entgegen. 

Und in der Kirdje ertönt der Cfjoral, 

Dann kniejt du nieder mit deinem 0emaf)l; 
Der ©eiftlidje fpridjt den 8egen. 


Reut kefjrft du f>eim ins Vaterhaus 
Dm Witivenkleid und 8cf)Ieier. — 

3cf) weiß es, für di cf) ift ja alles aus, 

Reut mußt du in Tiegen und Rerbftjturm hinaus, 
Rinaus zur Cotenfeierl 

Zwei flafjre vermählt 1 Rur kurze Zeit 
Für das ©lück, das dir gegeben — 

Ueber Rad)t kamen Sorge, Rot und Eieid, 

Still gabjt du dein Eiiebftes der Cmigkeit. 
Demütig und gottergeben — — 

0 du armes, junges Leben 1 




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Hummer 56. 



Panter Colletten tm Seebad 

^ierju 4 pfyotograpfyifdje 21ufnat}nien Don 3* Heutlinger, Paris. 


„Eja, meldpe luß gemährt bas Helfen! - €s iß lange 
her, baß bie liebensmürbige ITtußf Boielbieus unter gu* 
grunbelegung obigen (Eejtes bie Heifeluß ber fran3ofen 3U 
popularißeren oerfudjte; aber trog bes alten liebes tft bie 
eigentliche Heifepafßon bem ^franjofeit unb bem parifer erß 
fehr oiel fpäter gefommen, unb ein reifenbes Dolf, fo mie 
mir bas uerßehen, ßnb bie (Sallier noch immer nicht, merben 


$ig. X. Kanno-Hbendtottett« mit Spitzen pale tot. 


es auch mohl niemals merben, trog aller ihrer leichtlebigfeit, 
lebhaftigfeit unb geiftigen Hegfamfeit. Die genannten unb 
meitere noch mehr in bies *fach fcfjlagenbe «Eigen fdjaften merben 
paralyßert burch bie bem franjofen ^eilige Houtine, unb bie 
Houtine h<rtt* bis oor einigen menigen 3 a *? r 3 **? n i*n regel¬ 
mäßige Heifen noch nicht in ihren 3 ^h r ^plan aufgenommen. 
(Erft burch bie (Einmifcbung auslänbifcher unb überfeeifcher 
(Sefellfdjaft in bie e^Flußo-fra^ößfchen Kreife, 
burch bie jahlreichen franfo*amerifanifchen Emiraten 
gerabe unter ben „oberen geljntaufenb - iß auch 
in bie alte, fegh a f* c Parifer (Sefellfchaft etroas 
uon ber Heifemut ber Anglofadjfen hi ne ™9*tt>eht 
unb hat nach unb nach bas er3eugt, mas mir 
heute hte* aii ber 5 eine bie Heifefaifon nennen. 
Bis 3U Anfang bes uerßoffenen 3 a W un &*rte 
ging man megen fernerer afuter leiben in 
irgenbein ATineralbab, mie Hilles*Hains, IKont» 
Dore, Dich? ober, menn’s fehr fchlimm mar, nach 
Karlsbab. Da brachte bie jugenbliche £Jer3ogin 
non Berri, bie mit einer 3ahlreichen Suite Dieppe 
befuchte, bie Seebäber in DTobe. Die nicht allju« 
lange nach jener epochemachenben Heife erfolgte 
(Seburt bes Eje^ogs oon Borbeauj, melch glücf- 
liches Ereignis ber Kur auf Hechnung gefebrieben 
mürbe, mirfte angenehm anregettb auf bas 
fönigstreue „faubourg" unb erhob bie Befudje 
non ' Seebäbern uon ba an auf bie EJöhe ele¬ 
ganter Saifonb^placements, auf ber ße lange 
geblieben ßnb, bis ße in unfern nioellierenbeii 
(tagen, rmlgartßert unb uerallgemeinert, einen 
beträchtlichen Anteil an bem 3 a h res P^an bes 
fran3ößfchen Durchfchnittsgroßßäbters, oor allem 
ber pariferin nehmen. Die Ejauptreife3eit fällt 
hier in bie IKonate, bie 3mifchen bem „(Sranbprij" 
((5. 3 uni) unb bem „ 3 our be l’an" liegen. 

Das tbort Bereit iß aber eigentlich nicht 
bas nichtige für bie non ber parifer in inner» 
halb biefes geitraums ausgeführten ^oolutionen. 
Derläßt ße paris fchon im 3 uni, mas für bie 
eleganteße 2lbreife3eit gilt, fo gefchieht bas meiß 
irgenbeiner bringenben Kur megen, an bie ßcf? 
bann bie Seefaifon in Deaut>ille*<Eroumtle, in 
Boulogne, in Dieppe (beffen Stern als Ittobebab 
aber feit längerer geit burch ben( 5 lan 3 , ben (Erouoille 
unb Biarrig entfalten, fchon ftarf uerbunfelt 
mürbe) u. a. m. anfchließt. 

Die (Ereme ber l^auptftäbtifc^en (Sefellfchaft 
macht ihre Heifeoorbereitungen im großen Stil, 
uerpßan3t ihre (Semohnheitett, Sitten unb < 5 e- 
bräuchc an ben Stranb, an ben ße auch alle 
ihre Bebürfnifle unb eine »erboppelte Sehnfucht 
nach allerljanb gerßreuungen mitbringt, fo baß, 
mer ben parifer lujus in feiner glän3cnbften 
(Entfaltung fetten mill, ihn an ben Ufern bes 
03eans auffuchen muß. (Es fällt babei ein 
(Segenfaß 3um beutfehen Babeleben auf, ber barauf 
hinbeutet, baß bie Secbabfaifon für bie pariferin 
auch feine eigentliche Heife, fonbern eben nur 
bie Deränberung bes Aufenthalts bebeutet. ITIit 
ber angeborenen Heifeunluß ging h«* in ^ranf. 
reich auch bie Abneigung gegen bas f^otel leben 
Ejanb in Ejanb, bas in gemiffen, fehr erflußoen 
Kreifen bis uor gar nicht langer geit immer 
noch im (Seruch bes nicht gan3 paßenben, min- 
beßens bes (Extravaganten ßanb unb allenfalls 
gut genug für bie Jremben mar. Das Speifen 
im Heßaurant volleubs galt bet Damen nicht 


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Xlummcr 36. 


Sette \? 0 \. 


mattgelbcm, elfen beinartig fchimmernbem (Euch erinnert 
in feinem Kragenarrangement an ben fetjr l^übf^en, noch 
immer beliebten „Aiglon", burdj Sarah Bernharbt 3iir Un- 
fterbiidjfeit berufen; bie breite falte in bent nahtlofen Bürten 
unb bie weiten bequemen Aermel, bie nach Belieben offen 
getragen ober vermittelt feibener Sdjnuröfeit an bie Knöpfe 
befeftigt werben, neigt 3um (Senre „sac“ Ijiit. Sdjwa^er 
Stro^ut mit golbigfdjimmernben fafanenfebern unb weites 
0rganbifleib, beffen unterem Botffaum ßat^lreid^e fcbmale 
fältdjcn ffalt unb Konjifteit3 geben. Das Koftum ift in gellen 
Stoffen ljergeftellt, vor3Üglid} für bie morgenbliche Stranb* 
promenabe geeignet; id? jah bas gleiche IHoöell, bas Kleib aus 


für comme il faut: „c’6tait pas 9a“, wie man ungrain- 
matifalifd}, aber fdjitf unb ausbrutfsvoll fagt, unb 

«es war and? nicht bas nichtige 11 aus berfelben (Eonart 
heraus, im Bab Rotels unb Beftaurants ju befugen, 
wenn man es irgenb vermeiben fonnte. Dalmer bie 3a^(« 
reidjen privatvillen an franfreidjs IHeeresftranb, bie entweber 
von ihren Befiftern bewohnt ober bodj von einer familie 
gemietet werben, unb in bie man feine £aren unb penaten 
möglichft mit hinüberfchleppt, fo baß bas Stranb* unb Babe¬ 
leben eine erweiterte, erfrifdjenbe fortfetjung ber parifer 
ffäuslid^feit bilbet. natürlich giebt es in (Erouviüe unb in 
ben Schwefterfiübten biefer perle bes 03eans auch Rotels, es 
giebt beren fogar fet^r oiele, große unb fdjöne; 
in ihren eleganten gimmerfluchten, bie d?araf- 
teriftifdjerweife meift als gan3e Appartements 
unb nicht als £in3el3immer vermietet werben, 
wohnen eine IHenge feljt wohlfituierter Parifer 
familien, aber bas 3beal Cräume ijt eine 
Dilia. 3« biefe verpflan3t bie pariferin bie 
0uinteffen3 ber IHobefenntnis, bie fie watjrenb 
ber «Saifon" gefammelt Ijat unb bie fte ba3U ver- 
wenbet, um bie Babewelt burdj mehrmaligen 
Kleiberwedjfel in freubiges Staunen 3U verfegen. 

Den Schluß unb bie Krone ber täglichen Koftüm- 
prad?t bilbet, um vom vermehrten (Enbe anjn- 
fangen, bie abenbliche Kafmotoilette, von ber 
übrigens in neufter §eit bas ballartige „de'collete“ 
gütlich ausgefchloffen ift. Selbft 3U ben tLany 
feften erfdjeint bie wahre «(Elegante" mit einem 
IHieber, bas nur leicht vom ffals abfällt, be* 

3tehentlich einen fpigen ober vierertigen (Ein- 
fchnitt an Dorber- unb Bücfenteil unb halblange 
burchfidjtige Spigenärmel 3eigt; ber weite runbe 
Schnlterausfchnitt bagegen ift in ben offaiellen 
Ballfaal unb an ben geremoniebinertijch ver- 
wiefen. (Eine mobern« elegante Abenbtoilette 
(f igur 0 ift ein Koftüm, bas in ber gufammen* 

Stellung bes allerneuften vötement, einem aus 
ber fjalsrüfdje, aus ber ITtantiHe unb aus ber 
Bebingote entjtanbenen Spigenpaletot mit ber 
gejtirtten unb infruftierten Botfgarnierung ori¬ 
ginell wirft. Das Hnterfleib aus mattgrünem 
(,jeune pousse“ h e ißt bie färbe be3eichnenber- 
weife) (Eaffet, befielt aus glattem Schlepprocf unb 
tief ausgeschnittenem, fur3ärmeligem IHieber. (Es 
ift bebeeft von einem leicht föltelnben (Sewanb 
aus weißem Seibenmuffeiin, mit mattgrünen 
Seibenpunften burdjftitft, beffen Bocfranb eine 
reiche, burchbro<hene (Sarnitur aus (Suipüre unb 
mattgrüner Seibenftitferei, bas <San3e üt jour ein¬ 
gefegt, bilbet. Der erwähnte gra3iöfe, auffallenbe 
Sacfpaletot, genre rediugote, aus fchwar3em 
(Ehanillytüll, beffen weite Bermel unb breiter 
Banboolant mit Silberflittern unb grüner Chenille 
beftieft ßnb, erinnert burch eine volle fchma^e 
(EüOrüfche unb bur<h bie vorn h era t>faüenben 
breiten fchwar3en Sammetfehleifen, wie gefagt, 
an bie abgebrauchten formen „tour de cou“ unb 
Stola. Diefe (Efitlrebingote, in anbern leichten 
Stoffen nachgeahmt, ift bie AbenbhüUe par 
excellence ber Bäberfajini, wie bie große, ben 
Anjug frönenbe phantafiefrrohtoque ber Kafinohut 
per excellence 3U nennen ift Sein Bival ift 
biefelbe (Eoque, aus weißem Seibentüü gerüfeht; 

3U beiben (loiffuren paffen bie auf bem Bilb \ 
anfchaulich werbenbe große weiße Straußenfeber 
unb ber breite Banb aus fchwar3em Sammet. 

Als märmenbere Abenbhülle nenne ich ben 
weiten Sacfmantel aus (Euch ober aus (Eaffet- 
feibe. festerer Stoff gewinnt burch ein gepufftes 
unb gerüfd?tes Krepp- ober Seibenmujfeliufutter 
noch an €legan3* Klein IHobell (f igur 4) aus £{g. 2. VUfchbarcs Sommcrftleid aus rofa JViull über rofa Seide mit Spitsenfchmudi. 


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Seite J702. 


Hummer 36. 


blauem (Etamine unb ben Paletot aus graubrauner („fumöe“) 
(Eaßetfeibe mit gelblichempottgeef utter hergeftellt; ein eleganteres, 
babei nid?t unpraFtifdjes HeifeFoftüin ift Faum benFbar. Die 
meifte ptjantafie entmicFelt bie jetjige Sommermobe in ber 
Ejerftellung non iDafchfleibern, bie in paris unb feinen 



3ig. 3. KoftUm aus perlgrauem flohair 

mit farbiger ©arnicrung. 

„Dependancen“ bis jefct nie recht beliebt maren unb nicht 
heimifd} mürben. (Es muß mirFlidj ber JDiberfpruchsgeift ber 
IHobiften unb ihrer ausfdjlaggebenben Klientinnen gemefen 
fein, ber biefem miferabeln jrühjahr 3um (Erotj mahre ©rgien 
in Ittußelin, (Eüll, ©rganbi, Spieen unb ATuil arrangierte. 3 etjt 
unter ber märmeren Sonne entfalten ßdj biefe echten redeten 
SommerFIeiber aufs prädjtigfte unb 3eigen, mie Jigur 2, einen 
großartigen Aufmanb an SpitjenfdjmucP. Diefes Kleib 
aus feinftem rofa ITtuII über rofa Seibe, aber lofe, fo baß es 
leicht mafdjbar bleibt, gearbeitet, t^at auf feinem SdjlepprocF 
brei Don rofa IHullrüfchen überragte Spitjenoolants. Das 
pliffierte Dlieber unb bie in brei puffen georbneten Aermel 
3eigen uolantartige Spitjengarnierung. Drapierter (Sürtel aus 
rofa (Eaffet mit pompabourblumenmufter. Der ljut ift eine 
(Eoque aus rofa Krepp, mit meißen Spieen unb rofa Helfen 
garniert, bie fidj ber mobernen melligen Sdjeitelcoiffure 
Fleibfam auffchmiegen. Hofa (Eaffetfd?irm. 

3 n anberer IDeife unb fet^r Fleibfam tritt bie moberne <frifur 
unter ber fd}roar3en (Eüütoque an bem ITTobeü (f igur 3 ) in bie 
(Erfdjeinuttg; bas Ifaar läßt burd? ein eigenartiges Arrangement, 
trotj bes Scheite^manges, bie Schläfen frei, mas für manche 
Phypö^notnien, menn fie nicht geroißermaßen „erbrüeft" merbett 
foUen, notmenbig ift. Der bunfle ffut, ber bas Koftüm begleitet, 
ift, u>ie bie gan3e Ajuftierung, für nicht ausbleibenbe trübe 
*(Eage berechnet: HocP unb ITCieber fmb aus glänjenbem, jebem 
IDettereinßuß trotjenbem perlgrauem ITToßair gefertigt. Die 
(ßarnierung, „streps“ aus rotem (Eaffet, auf bem Hocf Unter- 
d^emifette aus rot unb meißgeftreifter tnbifdper Seibe unb 
eine höchft originelle rote SeibenfticFerei, bie ben bortenartigen 
Kragen umgiebt, beleben b en grauen garten. (Eon. Die Aermel, 



bie, in einem geraben StücF gefd?nitten, an ber ©berfeite unter 
einem rotpaspelierten fdjmalen Ueberfdjlag 3ufammeitfallen, 
finb befonbers originell unb gan3 „dernier cri“. 

5 um Schluß möchte ich barauf aufmerFfam machen, baß ßets 
ein fefjarfer Unterfd^ieb 3tuifd?en nachmittäglicher promenaben- 
unb abenblidjer Kafmotoilette in ben eleganten franjäßfchen 
Seebäbern, heute noch mehr als früher, herrfcht. Auslänberinnen, 
befonbers AmeriFanerinnen, hatten in ben lebten fahren 3U ben 
(Sartenfeften unb anbern gefelligen Hachmittagsoereinigungen, 
bie bie Jfortfeßung ber parifer „Saifonqrbeit* am IHeere 
bilben, ausgefprochene BaOtoiletten, beFolletiert, unb ba3u einen 
großen, gefchmücften Sommerhut angelegt. (Es ift bies ein 
arger ITCißgrtff, ber non mirflicher (Elegan3 unb non ben 
Fompetenten Utobeautoritäten 3urücfgemiefen mirb. Der richtige 
An3ug für eine (ßarbenparty, für eine nachmittägliche Sommer* 
gefellfchaft 
überhaupt, 
gan3 gleich, 
ob babei ge* 
tan3t mirb 
ober nicht, ift 
bas jetjt in 
re^enber Ab- 
medjslung 
unb in aus- 
gefuchtefter 
<£legan3 
ejiftierenbe 
leichte Som- 
merFleib, 
beffen buftiger 
©berftoff auf 
Seibe gearbei¬ 
tet mirb, oon 
beßen reicher 
Spifcen* unb 
Banbgar* 
nierung aber 
glän3enbe me- 
tallifd?e Flit¬ 
ter, (ßolb- unb 
Silberfticfe- 
reien, ffinft- 
liche Blumen 
(bie nur auf 
ben fjut paf¬ 
fen) ausge- 
fdjloßen ßnb. 

Die ermähn¬ 
ten gläsern 
ben guthaten, 

Stirfereien, 

Schme^in- 
Fruftationen, 
unb mas in 
bas (Senre bes 
„Clinquant“ 
fällt, flnb für 
bie Kaflno- 
abenbfefte 3U- 
geiaßen; bas 
„d6collet,6“ 
ift aber pöilig 
oerbannt. 

Efut unb ele¬ 
ganter, meiter 
Abenbmantel 
bürfen bei 
ben Kaßno- 
foireen nie¬ 
mals fehlen. $tg. <$. Hbendtollctt« mit Sadtmantel 

Klementine. aus matt gelbem (Lud;. 


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Hummer 56, 


Seite J703, 



2Jbb. X. mas tft's? 


Die Kunst des Pflanzen$ammeln$. 

^icr 3 U 4 pbotograpfyifdjc Uufnatjmen pon 3. ^ölla, paris. 

gu beit fdjönften Heifeerinnerungett, bie uns an langen tDinterabenben 
jene föftluhen Silber, bie uns auf unfern IDattberungen über Berg unb (Thal, 
burch JDalb unb felb, bur<h tjeibe unb IHoor entgegentraten, mieber lebhaft 
por Augen rufen, gehören unftreitig fadjgemäg gefammelte Pflan3en. Die Photo« 
grapbien, bie man felbft anfertigt ober fauft, rufen mohl bas Bilb im gan3en 
ins < 5 ebäd;tnis jurürf; aber bas £oPalPolorit fet^lt ihnen, bas nur bie Pflogen, 
bie mir felbft geflaut unb bie mir mit heimgebradjt traben, uns mieber flar 
3 Utn Berougtfeiit 3 U bringen permögen. Der Alpenmanberer pergegen« 
märtige fid? nur einmal fo genau mie möglich bas Bilb bes in polier Pracht 
erblühten Alpenrofenbufdjes. IPie mentge finb imganbe, aus bem < 5 ebäd?tnis 
mirflich genau an3ugeben, mie bas Blatt, mie bie Blüte ausgeht. nicht 
anbers geht’s bem IDattberer, ber bie frönen fjeibelanbfdjaften auf feine Heroen 
einroirfett lieg, mit ben fjeibePrüutern, bem Sommerfrifchler im febattigen 
Düringer IDalb mit APelei unb (TürPenbunb, mit (farnPraut unb Bartflechte l 
ITTan gebt heut3utage im allgemeinen 3U leidet über bie edelnen Komponenten 
bes £anbfchaftsbilbes btntoeg, pernachlüfggt bie (Edelheiten unb begnügt {ich 
mit (Lotaleiitbrücfen. XDer aber bie Pleine mühe nicht fdjeut, ft<h auf feinen 
IPanberungen eine pflan3enfammlung an3ulegeit, ber mirb pon biefer hoppelten 
(Senug haben. Hicht nur, bag bie (Erinnerung mieber lebhaft burch bie ge« 
troefneten pga^en gemerft mirbl Das Auge gemöhnt geh auch bei mieberholtem 




Befchauen ber gefammelten Pflan3en 
an bie Unterfcheibung ber (formen, ber 
Blicf mirb gefdjärft, unb bas Bilb ber 
pflogen felbft prägt geh feg ein. 
IDer bies bann erg einmal erreicht 
hat, ber hat auf feinen IDanberungen 
eine (fülle neuer Anregungen 3U 
gemärtigen. (Er unterfcheibet unfehmer 
nahe Dermanbte, bie ber Ungeübte 
für ibentifch h&lfc er mirb burch bas 
(Erfcheinen ber einen pgan3e, burch 
bas Derfchminben ber anbern auf 
Aenbermtgen bes TSobens aufmerffam, 
bie ihm fongentgehn; bieBe3iehun- 
gen 3mifchen pfla^en* unb (Tiermelt 
treten ihm beutlich oor Augen, bie 
tieferen Urfachen für ben perfdjieben- 
artigen Eanbbau merben ihm per« 
gänblich; unb nicht ber geringg an« 
3ufchlagenbe < 5 eminn ig ber, bag bas 
Auge felbg für bie (ErPenntnis ber 
(formenmelt gefchärft mirb. 

pgaii3en 3U fammeln, ig eine 
Kung, bie nicht fdjmer 3U lernen ig. 


Ubb. 3. Unter fachkundiger Heftung. 


2lbb. 2 . Bequemes Botanflteren. 

Am leichtegen tfi’s natürlich unter 
Punbiger Rührung, menn man auf 
bie pgatt3en auf merffam gemacht 
mirb (Abb. 3 ). An CDit unb Stelle 
hält ber Profegor feinen Dortrag 
über bie pgan3e, er3ähit uns ihre 
Sebensgefd/ichte bie uns bas (Seroüchs 
innerlich nüherbringt. Dann mirb 
bas Kraut aus ber (Erbe gehoben, 
mitfamt feinen 2Dur3eln unb feinen 
fonftigen unterirbifchen (Teilen. Da 
Pann’s bann freilich im Anfang leicht 
einmal pafgeren, bag in blinbem 
(Eifer ber h<> r * 3 on ^ a ^ friedjenbe 
U>ur3elgocf h^rtnäcPig in ber (Erbe 
bleibt unb ber Sammler trofc tiefen 
(Srabens nur ein mur3ellofes Stücf 
herans3ieht (Abb. 4). Bequemer h<*t 
man’s bei Sträucbern unb Bäumen, 
oon betten man einen grneig mit 
Blüten unb Blättern unb, menn’s 
geht, mit f rügten abfchneibet(Abb. 2). 
(Ehe nun bie Pgan3e in bie mitge» 
führte Blechtrommel, ober, mos noch 


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Seite 1704. 


Rümmer 56. 


empfehlenswerter ift, tri btc mit geitungsbogcn gefüllte tllappe 
wanbert, perfucht man, nach einem guten IDerP, bas bie 
fiofalflora befdjreibt, ber Pflaize Art unb Hainen fefauftellen. 
Dte,frage: was i]Vs? macht manchem im Anfang 
piel Kopf3erbrecheit, wirb aber mit jeber Art, 
bie man mehr Pennen lernt, leidster, weil 
bie gatjl ber UubePantiten immer Pleiner 
wirb. (Serabe biefes „Befthnmen"' fd?äcft 
ben BlicP gan3 unglaublich, weil man burd? 
bie Befchreibung auf bie ein3elnen (Eetle 
hingewiefen wirb. 3 n ben meiften fällen 
fielet man, was man feljen mujj, mit bloßem 
Auge; rt>er aber ein fdjroadj pergröfjernbes 
linfenglas, eine £upe, h at » bem n>irb bas 
Btftimmen häufig piel leidster, namentlich 
bann, wenn bie Augen fich noch nicht folg« 
fam auf einen punft richten wollen. 
pflan3e beftimmt, fo wirb fte am bejien 
fofort in ber Klappe auf einem halben geitun^s* 
bogen ausgebreitet, nad?bem man einen Pleinen 
gettel mit Hamen, Stanbort, jmnbort unb 
Datum beigelegt hat, mit einem jweiten 
Bogen bebeeft unb 3U Pfaus # getroefnet. Das 

(ErocPiten gefchieht unter mäßigem Drucf — 
ein ober 3tpei giegelfteine auf einem Brett 
genügen meift. Damit bas (Erocfnen fchneller 
geht, legt man 3wifchen je 3wei mit pflan3en gefüllte Bo ten 
ein Dutjenb leerer Bogen, bie taglii? einmal erneuert werben, 
weil fie bie ^euchtigPeit ber 3U troefnenben Pflaize auf» 
faugen. Die pflattje ijt troefen, wenn fie fich n»djt mehr 
Palt anfühlt, unb hält fich bann jabrhunbcrtelang. 3 e 
fchneller man trocPnet, befto beffer erhalten fich bie jfarben, 
weshalb manche auch ftarP angewarmtes löfchpapier 3wifchen 


bie Pflart3en legen unb in Drahtgittcrpreffeu trocPneit. IDer 
barüber mehr wtffen will, ber fei auf meine Fleine prafiifche 
„Zuleitung für pflan3enfammler" rerwiefett 

Der Heifenbe, ber ferne fänber befucht unb 
abfeits pon ber grofen Pfeerfirafje wanbert. 
Pann bnrdj folche Pflainenfammlungcn, bie 
wenig XTlü^e bereiten, ber XDiffenfchaft piel 
nutjen, inbem er feine Sammlung ber bentfcheit 
gentralfteüe für bie BotaniP. bem Königlichen 
Botanifchen IHufeuin 311 Berlin, überweift. 
(Englänber unb <fran3ofeu, Hüffen unb Italiener 
thun bies feit langer gelt Deutfche faft gar 
nicht. Damen, wie frau ^auptmatm prince. 
bie aus Uhehe fdjon fo piele Heuheiten fanbte, 
gehören 3U ben felteuften Ausnahmen. ITiöge 
fie recht piele Hachahmerinnen finben. Unb 
möge por allem bas Pleitte Pferbarium, bas 
unter ber Anleitung bes £ehrers in ben unteren 
(SymnafialPlaffen — leiber nur in ben unteren! — 
poit jebem Schüler angelegt wirb, im fpäteren 
leben nicht ganj pergeffen werben. Die Schule 
glaubt, mit ihrer botanifchen Ziehung beim 
(Eintritt in bie (Eertia fertig 3U fein. Unb 
bod? ift bann erft bie bürftige (Sruublage ge« 
legt, unb Pauin ift bie Jreube über bie Be« 
fdöftigung mit ber bunten Pflanzenwelt unb 
über ihre (Erhaltung leife aufgebämmert. (Eine wirPlicb innere 
Anteilnahme unb bauPbare (Senugthuting wirb ber Sdjüler 
meift erft empftuben, wenn er bas fdjöne (Sebiet ber BotaniP 
perlaffen muß. Das ift febabe. 2Das ater ber Sd?üler als 
pftid>t nicht mehr thun muß, bas follte er ftd? freiwillig 
erhalten. Dann wirb ihn fein Herbarium noch ins £ebett 
hinaus nicht umfonft begleiten! Dr. ut> 0 Dämmer. 



Ubb. % Ohne «Bürzel! 


-=C$=--- 

Bilder aus aller Welt. 



Das neue Stadttheater fn Köln. 

Souper Köln pbot. 


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I. €in erfter preis. 2. Bas ^eftboot „tjammemia". 

Vom Slumenkorro auf der Hirter. 

E). Breuer pbot. 


Profeffor Br. 21. Doelfofott», 
befannter ITlabagasfarforfdjer, erhielt für eine 
nrue 2lfrifarcife aus bent jonbs ber Betfmann* 



Hu» den Sayreuther -peftfpieltagen: 

Fräulein Befhnn*BerIin unb ihre Sdjtrejicr. 
£). <Srotj»Stuitgart pbot. 


Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern und Intendant v. poffart. 

Bcr prin 3 ruirftc als 1. Piolinift bei ber 2luffübrung ber ZTlciiierfinger in IMündjen mit- 
pi}oto«3Uuftration & Co. in münd^en. 


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Tom Uwntdintoturnier in Romburg v. d. R.: Rliss Howther und frau von RIeifter beim Spiet 

<L €}. Voigt phot. 



1. ^rtjr. v. ZDicFcbe. 2. IHargaretbe v. Suttlor. 3. $rau Cuqp Hbels. ITlara ^elbermjdrfier (Hegte). 

D*e acbcrbrcttt auf Sylt: üdobltbätigkeitsvorrtellung zum Seiten der Rinterblicbenen der beim Untergang dca „primus" TerunglOdtteit 

Schluss des redaktionellen Ceils* 



2 >ic £inc Ullt* JMC ‘Jlllt'crc. r« 'Mnt.fr* &en murrt», 

fc.c *.nr lacbt 0 .fr rmr £uftl Wie gerne m*d>« (Ir Au* Ud*n! 

ei'd» trfififr 3Äf>m- frol> brttmflc, £>>* f d ' cut >1« M>, bas mftnbcbrn aufjumaebrn, 

■ ^bdrntvant iinfr Pcnt gefutib,_ HTit 3 &bwcn braun tt?ie angcraucfrc, _ 


0 ber verfAumrctt Pflicht 



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nummer 37. 


4. Jahrgang, 


DiewocHe. 

Berlin, den 13. September 1902. 


Inhalt der nummer 37. 


Eie fiebert (Tage bcr Wodft .1707 

Hubolf Dird?on> f.1707 

Unifcbnu. X7KO 

(Theater.17(1 

Eie (Toten her lDod?e.1712 

Spiel uni) Sport.1712 

ilnfere Bilber.1713 

Bilber vom (Tage. (Pbotograpbi)d?e Bufnqbmrn).1715 

Eer pelj beim Hnndjner. (Eine ©efdjidjtc in Brieten oon Cubmig $ulba 1723 

©wenbolin. Bonum non Bugutf Hiemann. (^ortjcßung).1727 

Eie jertrctenc Boje. <5ebid?t oon 3. (Trojan.1729 

Buf her Bim. Bon ^erbinanb Kronegg. (Blit 8 Bbbilbungen) .... 1732 
£)ur pfycbologie her Kinberfpradje. Don prof. Er. 3- Eirffenbatber 

(^leiburg i. B.).^ . 1736 

Charlotte tDicbe. (lUtt Bbbilbung).1738 

^ebnts ttnb 3 e broibe. ^ on Er. €. ftetf, Eireftor bes Berliner ^oo!ogifdjcn 

©artens. (ITlit 10 Bbbilbungen).1740 

3m Bann bes ^amrismus. Don Er. B. SofoIomsfT. (mit 3 Bbbtlbgn.) 1744 

IDas bie Siebter jagen.1746 

Eer Streit um bas „Bleerauge". Don $ritj fyilberg. (mit 5 Bbbilbungen) 1747 

«in bemaltes Eorf. (lllit 5 Bbbilbungen) . ..1748 

Bilber aus aller ZDelt (pijotograptjifd^e Bufnahmcn) ........ 1750 


J* 

Mäh abonniert auf die „<aocbe“s 

ln Berlin unb Dororten bei ber Fauptrrpebition ^immerftröfce 37/41, fom.e bei ben 
^ih'alen bes „Berliner CofaNBnjeigers* unb in fämtf. Bud?banblunqen, im 
DeutfdrenBeid? bei allen Bud?banblungen ober poftanjhtlten (3eitutigs«preislif)e 
Br. 8221); unb ben ©ejdtfftsflellen ber JDodje": Sonn ft. Rh., Bötnflr. 29 . 
Bremen, ©bernflr. 29 ; Brcslftu, Scbroeibn.fccrflr. €cfe Barlftr. 1 ; CftlTcl, 
dbcre Bbniaflr. 27; Chemnitz, 3™«* 3ohanuistlr. 6 ; Dresden, Scejh. 1 ; 
D (Iffeldorf, Sdjabomjlr. 69; Slberfeld, ßerjoaftrafft 38; BfTen a. Rh., 
Cmibederplatj 8 ; frftnkfurt «. J«., geil 63; ©örlftz, Cuifmftr. 16; Balle 
«. 8 ., Blittelftr. 9 . €rfe Scfyilftr.; Hamburg, neuertoall 60; Hannover, 
©eorgflrafie 39; Karlsruhe, Baiferflr. 34; Kattowftz, pofljh. 12 ; Kiel, 
folftenjirafte 6 ; Köln a. Rh. # §ol?ejhöfce 145 ; Königsberg i. pr., 
Knetphöffdje Cangaaffe 65; Leipzig, petersftra&e 19; Magdeburg, 
Breitemcg 184 ; München, Kaufingerfirafee 25 (Eomfruheit); ffurnberg, 
Corenjerflrafee 30; Stettin, Breite jlrafce 45; Stuttgart, KönigftraBe U; 
eutcsbftden, Birdjgaffe 26; Zürich, Benniveg 48 . 

jeder unbefugte JHachdrudt aus diefer Zeitschrift 
wird rtrafrechtlich verfolgt. 



Die sieben Uage der Woche. 

4. September. 

Der Katfer empfängt in Pofen ben (Erjbifcf/of oon Stab- 
lewsPt unb begiebt ftd) bann 3ur (Enthüllung bes Kaifer 
tfrieörtchbeuPmals. 3 n Beantwortung einer Hulbigungs- 
anfpradje bes proüiujiallaubtagsmarfchalls hält er eine Hebe 
3ur poleiifrage. 

2Xuf einer fahrt, bie präfibent Hooferelt oon pittsflelb 
nach Eenoj: unternahm, ftteg fein 3 a 9 &wa 9 e n mit ber Straßen* 
bahn 3ufammen. Der präfibent Pam mit leichten Verlegungen 
baooit, währenb ein (Sehetmpolt3tft getötet tuurbe. 

Der HcbeUenführer firmiu h at in ber Hähe 001t <Tap 
IJaTtten ben beutfehen Dampfer „Marcomannia" angehalten 
unb bie IDaffen, bie biefer für bie Hegierung in ^aiti an 
33 orb führte, weggenommen. 

lieber Hgram wirb ber Belageruugsjitftanb cerhäugt. 

5. September. 

Das Kaiferpaar fetjrt oon pofen nach Potsbam 3urücf. 

“Kaifer frait3 3 °f e f h fl t hon CEbroufolger (Erbgroßhe^og 
fraii3 ferbinanb 5um Hbmiral bcr öfierreidjifch-uitgarifcheu 
flotte ernannt. 

Hubolf Dirdjow fc^eibet aus bem Eebeit. 


3 » Hamburg tritt ber 13 . 3 nternationaIe 0 rientalifien- 
fongreß 3ufammen, in IDiesbaben bie 29. (ßeueraloerfamm- 
Iung bes beutfdjen unb ößerretchtfcheu Klpenuereiits. 

Eorb Hoberts unb bie übrigen englifchen ManÖrergäße 
treffen in Berlin ein. * 

Das Kriegsgericht in ZTantes fprirf/t ben 0 berßleutnant 
be Saint*Heniy oon ber HnPIage ber (Sehorfamscerweigeruttg 
frei unb rerurteilt ihn nur wegen iDeigeruug, einer Hequifition 
ber gioilbehorbe folge 311 Ieiften, 3U einem (Eag (Sefäuguis. 

6. September. 

Der Kaifer nimmt bei JHarfeuborf in ber TTähe oon 
franffurt a. 0 . bie parabe über bas III. Hrmeeforps ab. 

Die JDitwe Hubolf Dirchows erhält neben melen anbern 
Beileibsbe3euguugen auch ein (Telegramm bes Kaifers. 

Der englifch*chtnefifche fjanbelsoertrag wirb unter3eid^uet. 

3 n 3 mola beginnt ber italieuifche So3iali]lenfougreß. 

7. September. 


Das beutfehe Kanonenboot „panther" hoton ber Hafenein¬ 
fahrt dou (Souaioes bas Schtjf ber haitianifchen HebeÜen „(Trete 
ä pierrot“, bas ben Hamburger Datnpier „DTarcomannia" 
angehalten h fl tte, überrafcht unb in ben (ßruub gebohrt 

8. September. 


Huf ber Hntiüeninfel St. Dincent h a &en p<h bie Kus* 
brüd?r bes Dulfaus Soufricre erneuert. 

3 n 3 ,1 ttsbrucF beginnt ber fiebente internationale Kmijt- 
hiftoriPerfongreß. 

9. September. 

Die Kaifermanöoer bes III. unb V. KrmeePorps nehmen 
ihren Knfang. 

3 u Serlin wirb ber 26 . beutfehe 3 ur iftentag eröffnet. 

Der (Souoenieur ron Martinique hot bie Häumung bes 
norMichett (Teils ter 3 n frl u,l b bie Kiifteblung ber Bewohner 
im Sübcn angeorbnet. 


10. September. 


Der 3 nteruationale 0 rientaliftenfongreß in Hamburg wirb 
gefchlojjeit. 




Rubolf Uirdtom f 

Xlichts Pemt3eichnet bie uniuerfale Bebeutuug unb im beften 
Sinn weltbürgerliche perföulichfcit bes beffer, 

als bie innige (Teilnahme, mit ber fein Derluft oon ber gatten 
wiffcnfchaftlicheu IDelt empfunbeu wirb. Scfortbers intcreffant 
unb cinbringlich fpricht biefe (Sefinnung aus beit uachfolgenbcit 
(Scbächtuisworteu, bie bie Hebaftion ber „IDoche“ oou einigen 
bebcutenben Kutoritätcn ber mebijiuifchen IDelt erbeten h a t* 

j* 

Sir 3 ofeph £tfter (Eonbon) fchreibt uns: IDeun wir 
bie herrorragenben Dicnfte ins Kuge faffen, bie Ptrchow bcr 
Pathologie gcleiftet h fl t^ wenn wir feine großen (Erfolge auf 
bem (Scbiet bcr HV 9 ^ ene ^ f e * ne füh^ciibc Stellung unter ben 
Knthropologcn unb Krchäologen, wenn wir enblich feine raft» 
lofe politifche (ThätigPeit betrachten, fo ergreift uns ehrfürchtiges 
Staunen, unb wir muffen ihn für einen ber erften Männer feines 
Seitalters crPlärcn. (Sleid^eitig gcbeuPen wir mit Bewunbc* 
mng feines ausge3eichncten (TharaPters, feiner KufrichtigPeit in 
allen Dingen unb feines uuerfchrocfencn Mutes, (Eigcnfd^aftcn, 
bie mit faß Pinblidjer Schlichtheit unb fcltener Eicbenswiirbig- 
feit rerbunben waren. 

wr 


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Seite *708. 


Hummer 37. 


Profeßor (Eornil, präßbeut ber Sociötö Anatomique 
(Paris), fdjrcibt: rigoros (Eob mirb oon allen frat»5Öfifd?en 
Hegten, bie ftd? auf bem Eaufcnbcn ber mißenfchaftlicben 
^odfdjritte galten, fd)mer3lid) cmpfuuben. Pirchom I^attc 
nicht nur burd? feine giellularpathologie eine neue 2luf* 
faßnitg ber licilfunbe gefd?aßen, bie ißn feit fünfzig Jahren 
an bie Spifce ber gelehrten Rührer jatjlreidjer (Sencrationen 
(teilte, fonbern banf feinen leitenben Jbeen rationeller unb 
poßtioer philofopljie iß fein langes Eebett bas oollfommeue 
Porbilb eines untabeligen (Seienden, eines unermüblichen, burd? 
crftaunlidje (Entbecfungen ausgeseidjneten Arbeiters, eines 
liberalen, fortfärittlidj gefinnten Polfsoertreters im Eanbtag, 
Heidjstag unb ITTagiftrat gemorben. (Er l^at bie (Srnnblagen 
5ur berliner Stabthygicne gelegt. (Eine ftarfe perfönlichfeit iß 
mit ihm oom Sdjauplatj abgetreten* 

J 9 

profeffor Eeopopoff, IHitglieb ber Hfabemie, ( 5 t. peters* 
bürg): Der (Sebanfe oon ber Unßerblichfeit ber menfd?lichen 
Seele famt ßd? bem Perftanb nie fo flar oorftcllen, als mentt 
fo große ^orfdjer bes (Seheitmtißes über Eeben unb (Eob 
fterben, mie es Hubolf Pird?om mar. Der (Eob giebt ifjm 
bie Unßerblichfeit. 

j* 

(Sch- ITteb^inalrat profeffor Dr. ^ra«3 König (Berlin): 
IPer am Begräbnistag Hubolf Pird?oms bie ernfte ^eier 
im Hatf?aus unferer Stabt miterlcbte, roer gefehen fjat, 
mie biefe Stabt alles aufgeboten batte, um ben großen (Eoten 
roiirbig 3U feiern, ehe feine fterblidpe fjülle bem Sd?oß ber 
IHutter €rbe übergeben mürbe, bem brängte ßd? ohne mcitercs 
ber (Sebanfe auf, mie r>iel Pirdjom biefer Stabt geroefen ift, 
unb mie bie Päter ber Stabt bie Bebcutung feiner perfon aller 
HMt in biefer oornehmen ^eier banfbar 3eigen molltcn. 

Hber uttmillfürlich fchmeiften bie (Sebanfen ab ron ber 
Bcbeutung bes „Bürgers" Hubolf Pird?oro unb beffen, mas 
er für feine Stabt getfyan. IPenn bas nietet fd?on gan3 ron 
felbft gefdjefyen märe, fo mürbe ber ^eierube burd? bie oor* 
treffliche, fachliche, bas IPefen Pird?otos unb feine (Ehatcu 
fchilbembe Hebe bes (Seiftlidjen 5um Hachbeitfen in biefer 
Hichtung getrieben morben fein. Unb ber Schluß biefes Had?* 
benfens mürbe fein, baß mir uns mancherlei ron unferm 
Pircbom megbeitfen fönnten, ohne baß bies feiner fultur* 
gefchichtlichen (Sröße, bie bie (Eluaten, bie er für bie Ittenfchheit 
oerrichtet bereinß ben Hachfommcu aufbemahrt, Hbbrnd? 
thun mürbe. 

So menbeit ßd? beim auch nufere (Sebanfen, als (Erauer* 
gebanfen über ben Perluft, auf anberes. Por bem Sarg er* 
bliefen mir tief trauernbe grauen unb IHänner, bie Hnge* 
hörigen unfcrcs Pcrftorbenen. Unfere Hufmerffamfcit rid?tet 
fleh öunächft auf bie (Sattin. IPer es erfahren h a */ 
mie ße in treuftcr Eiebe unb Sorgfalt für ben (Satten, ber ge* 
mohnt mar, über ber Hrbeit unb ber Sorge für anbere fid? 
felbft 3U ocrgeffen, gemacht unb geforgt h<rt/ &*r toirb mit mir 
glauben, baß biefe ^rau 3um Segen ben (Satten überlebt hat, 
aber er mirb auch ben Schme^ ermcjfen, ben fie fühlte, baß 
ihrem Eeben bas £id?t unb bie ^rcube, forgeu 3U biirfen, ge* 
nommen ift. 

Ittit ihr trauern in gleidjcn (Sefühlen bie Kiitber über ben 
Perluft bes fie über alles licbenben Paters. 

Über bann fchen mir bie große (Semciubc ber (Eranerubeit, 
bie Berufsgenoffen t>om Helteften bis 511m Jüngftcu. Sie ftub 
es in ber (Efjat, ‘ bie ben ITTcifter oerloren, oerloren ben, ber 
ße lehrte, mie fte beufeu, mie ße arbeiten feilten, fie alle oon 
ber ^afultät unb ihren Pcrtrctcrn, bis 31ml jüugfteu Hr3t unb 
bem Stubenten in bunter Ittütje. Sic rocrbeit ihn fortan nid?t 
mehr fehen mit bem geiftoollcn Hugc, ße mcrbcit nicht mehr 
feine (deichten unb mähren IPorte hören, uid?t mehr mirb er 


ihnen 3eigcit, mie ße mit Iftcßer unb pi^ette, mit bem 
ITTifroffop unb (Eieroerfnd? bie IPahrbeit fudjen follen. 

Über fo groß bie (Erauer ift, ße hat ein (Eroftmittel: bas, 
mas ber UTeißer gefuuben unb 3U einem ftol3en Heubau unferer 
IPißenfdjaft geformt hat, bas hat er bereits bei feinen Eeb* 
5eiten feinen Jüngern oererbt. Den fto(5en Bau haben ße in 
ßch anfgenommen, bie Jungen mißen es gar nicht mehr, baß 
bem fo iß, aber ße mohnen bod? in ihm, unb inbem ße jenem, 
ber ihn errichtete, folgen, bauen ße ihn aus, innen unb außen. 

IPenn auch fo unferer aller, bie mir ben großen Ifteißer in 
oielcm oermißen, (Erauer an feinem Kblebett eine allgemeine 
unb große iß, fo mirb ße hoch gemilbed in banfbarer ^renbe 
barüber, baß er uns bereits im £eben bas Befte, mas er fdjuf, 
oererbt hat. 

(Ein Pcrltiß bleibt uns freilich im mißenfdjaftlichen unb 
Kulturmettfainpf ber Pölfcr. IPcmt man bis jetjt in einem 
Hamen bas mefentliche 3ufammenfaßen mollte, mas bas 
ucmt3ehnte Jahrhunbed in mebisinifcher IPtßenfchaft gcleißet 
hat, fo mar biefer Harne Hubolf Pirchom. Heiblos ernannten 
bie anbem Hationen ber gebilbeten IPelt biefen Hamen an. 

Deutfchlanb hat feinen bireften (Erben biefes Hamens. 
Deshalb foll fein (Eob bie Beßen ber Hation attfeuem, baß 
auch tu ber ^olge uns ein Hachfolger Hubolf Pirchoros ermächft. 

j* 

(Seheimer Hleb^inalrat profeßor Dr. B. ^ränfel (Berlin): 
Der (Eob Pirchoms bebeutet für unfer Paterlanb einen fehmeren 
nationalen Perluft. Keiner ber jefct lebenben (Sclchden genießt 
mie er bie Hnerfennung unb Bemuitberung ber IPelt. IPer 
einen internationalen meb^inifchen Kongreß befucht hat, mirb 
fid? bes jubelnbcn Beifalls erinnern, mit bem, fei cs in Eonbon, 
paris, Horn ober IHosfau, jcbesmal bas (£rfd)einen Pirchoms 
begrüßt mürbe. IPenn er unter uns roeilte, gehöden immer 
bie Dcutfchen 30 ben bcoor5ugteften Hationeit. 

Unb Pirchom oerbientc bie allgemeine Pcrehrnng. IPcnigeit 
nur ift cs befchieben, fo meit als es feinem (Scnius gelang, 
bie (Srcn5pfähle bes IPiffens in bas bis bahnt Unbcfanntc 
hinaus3utragen. Unter ben (Sarben, mit betten je^t bie mebi* 
3inifche IPißenfchaft als gefidjedes (Eigentum ihre Speicher 
füllt, fittb eine erftaunliche Kn3ahl oott Pirchom gefät unb ge* 
erntet morben. Die (Entmicfluitg Pirchoms fällt in bie ^cit, 
in ber bas ITtifroffop in bie UTeb^in eingefühd mürbe; er 
fattb bemnad? noch einiges unbeatfertes Eanb oor. Hber tro^* 
bem ift bie ^iille ber muftcrgiltigen €in5elbeobachtungcn, mit 
beiten fein ciferner ^leiß unb feine unbe3toingliche (Energie bie 
IPißenfchaft bereichede, gerabc3it übermältigenb. Seine „(Sc* 
fammelten Kbhanblungen 3nr miffenfchaftlichen IHeb^in^ (( 856 ) 
unb fein leiber nicht gans oollenbetes ,,(8efchmutß*IPerf" 
(( 863 — 67 ), ntn nur biefe Bcifpiele 3U gebrauchen, ßnb gerabe3it 
unoerßegbare Quellen bes IPiffens. Seine pathologifch*a?ta* 
tomifche Sammlung, bie er noch fur3 oor Kbfchluß feines 
Eebens 3U einem UTufeum oereinigte, ßeßt gerabe3u ein3ig in 
ber IPelt ba. (Ebenfo oielleicht feine Sammlung oon Schäbelu. 
Dabei beteiligte er fid? h crüorr a9Cttb an ber (Srünbung bes 
ethnologifchen, bes märfifchen unb bes Ittufeums für Polfs* 
trachten. Bei aller Piclfeitigfeit aber gefd?aß alles, unb fei 
cs auch nur bie Unterfudjung eines ißm oorgelegten Präparates, 
mit ber größten (Srünblichfeit unb (Semißeuhaftigfcit. 

Pirchom oerfügte über eine bemunbemsmede Allgemein* 
bilbnng. Hls Jüngling fchrieb er in feinen ^reißmtben eine 
(Scfchichte ooit Porpommern unb Hügeit, unb hawßö/ befonbers 
in ben anthropologifdjen Si^ungen, überrafchte er burd? fein 
eminentes geographifdjev unb hßtorifches IPißcri. Dabei mar 
er Sprachgelchder. (Er mußte ben IPcrt eines präsifen eiu= 
heutigen Hamens feßr mohl 511 fetten, unb es oerbroß ihn, 
meun in ber mcbijiuifchcu Homcuflatur ^eitler gegen bie 
gricchifche ober lateinifchc (Srammatif gemacht mürben. Je 


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Bummer 57. 


Seite \709. 


höh er aber bic philofophifd?* Ansbilbmtg Pird?oms fleht, um 
fo mehr muß bie ^ülle ber (Einzclbcobachtmigcn attcrFaunt 
merben, bie er 3uerft machte mtb bie er in muftergiltiger 
JPcife in ben Annalen ber lPiffcnfd?aft nicbcrlegte. Keine 
allgemeine KliniF mtb ebenfo Feine ber riclctt Spezialitäten 
ber lUcbtjin Faun an feinem Flamen rorübergehen. Jn fel?r 
uielen Abfd?nittcn bat er gerabezu gruublegcub gcmirFt. 

Ptrd?om mar eine mitteilfamc Batur. IPas bie ffille 
Arbeit bes (gelehrten als fixere (ErFenntnis gemonnen Fjatte, 
bas ffellte er gern auf ben IttarFt bes Lebens; meiffens in 
bemunbersmert Flaren Auffäfcen in ber mebizinifd^en ^adjprejfe, 
bäuftg uor feinen Kollegen in Perfamtnlnngen uttb Pereinen, 
Ziimeilen, z» in ber (Erid?inettfrage, in Brofd?üren für bas 
große publiFum. Pas ,,Ard?io für patt?ologifd?e Anatomie", 
bas er grünbete, l?at jefct bie unerhörte Anzahl oon tro Bänben 
erlebt, bie unter feiner BebaFtion erfd?ieucn fiitb. ftäuffg 
ftellte er ftd? praFtifd?e Aufgaben. Als er im Jal?r l 8 "9 
feine Kbfyanblungeu aus ber öffentlichen JTtcbizin fammclte, 
mürben 5tx>et ftarFe Bättbe baraus. Aud? F^at Pird?om in 
bes IPortes eigentlicher Bebeutung Sdjnle gemacht. Pie mehr» 
ZaF>l ber jefct lebrenben Klcifter uid?t nur feines Spezialfachs, 
fonberu in ber gefamten Iftebtzin ftnb feine, ober feiner 
Schüler Sd?üler. 

Pird?oms eigentliches Arbeitsgebiet, bie patF?ologifd?c 
Anatomie, befd?äftigt fid? mit Leichnamen. Aber ber guftanb 
ber toten (Teile mirb bazu rermanbt, um bie Störungen zu er* 
Fennen, benen bie lebcubcn 0 rgane nntermorfen marert. Aus 
ben Peränberungen ber toten Snbftauz eutmicfelte Pirchom in 
feinen Schriften unb feinen Porlefnngen ben Iebcnbigen KranF* 
heitsprozeß. IPas feine feinfühlige Ejanb abiaftete, mos fein 
fd?arfes Auge erblicfte unb mas fein berebter Ittttnb in mufter* 
giltiger AnfchanlichFeit fchilberte, bas faßte fein pF?ilofophifd?cr 
(Seift uergleichenb unb fichtenb z u fctmmen. Badjbem er ge* 
fuubeit h^tte, baß bie gellen fid? nicht aus bem Leeren unb 
Flüfffgett bilbeu, fonberu in bircFter Erbfolge eine uon ber 
aubem abftammen, bcmics er, baß fein berühmter Saft 
„omnis cellula e cellula" auch für bie pathologie galt, unb 
fo entftanb fein berühmtes neues Syftem ber gcUularpatl?ologie, 
bas fid? mit ungeahnter Sdjuelligfeit bie IPelt eroberte. Klag 
nun auch manche oon Pird?oms Beobachtungen burch fort* 
fchreitenbe (ErFenntnis ftd? als nicht einmaitbsfrei F>erausftellen, 
mögen (Quabern bes ftolzen Baus feiner gellularpatl?ologic 
morfch merben, bas höd?fte Pcrbicnft Pirchoros aber mirb 
ficher für alle geiten ftehn bleiben, nämlich feine Ittethobe ber 
Jforfchung. (Er mar es, ber bie allerbings bereits im EPeicbctt 
begriffene naturphilofophifche Anfchauung ans ber UTebizitt 
cutnzlid? oertrieb unb an ihre Stelle bie cmpirifche Utetbobc 
fctjte. Seit Pirchom bilbeu für bie lUebizitt, roie für bie Batur* 
n>iffenfd?aften überhaupt, bie mit aller Sorgfalt ausgeführten 
Beobachtungen unb bas (Experiment bie einzige (Srunblage ber 
(ErFenntnis. Auf biefer (Srunblage fantt man (Sefefce unb 
Syffemc erbauen. Aber alle biefe Pingc ffnb ber Boobachtung 
unb bem (Experiment untermorfen unb müffen aufgegeben 
n>erbeu, fobalb fie mit ber oorausfefoungslofen Beobachtung 
nicht übereinftimmen. mit biefer PTethobe gelang es Pirchom, 
bie mebizinifche ^orfdjung unb bas mebizinifche IPiffen fo 
5u geftalten, baß bie Ittcbizin jetjt allgemein als ein gmeig 
ber Baturmiffenfchaften aucrFanut mirb. freuen mir uns, baß 
es uns oergönnt mar, biefen Unfterblichen aFs einen ber 
Unfern unter uns mirFett zu fehenl 

(Ehre feinem AttbcuFen! 

perfönlidjc (Erinnerungen an Bubolf Pird?otr>. 

„Pas iff ja aud? ed?t republiFanifchcs Blut!" fo rebete mid? 
2 S. X>ird?om oor mehr als 50 fahren eines Sonntagabenbs 
an, als er 3um erftenmal bei feinem fpatereu Sd?miegerrater, 


bem berühmten Frauenarzt Karl Player, zum Bcfuch mat. 
Jd?, ein breizehttjähriger Obertertianer, mar ihm natürlich nicht 
rorgeftellt, aber er hatte gehört, baß ich Arnolb Buges Sohn 
mar, unb fragte nun fehr teiluchmcub nach meiner in bie 
Frcmbe rcvtricbcnc ^fatnilic unb meinen noch fehr unbeftimmten 
guFunftspläneu. (Er mar bamals noch ganz bartlos, unb bas 
gute, liebe, Fluge (Scfidjt leuchtete berart in meine jungen 
Augen hinein, baß id? fpäter crnftlich bebauerte, einen (Teil 
bcsfelben burd? einen fchönen Pollbart rerbccft 3U ffnben. 

Als ich bann 1855 als junger Stnbeut in IPürzburg ein* 
gezogen mar, fanb id? bie freunblichfte Aufnahme in feinem 
5 aufe unb habe bort in ben folgenben zmei fahren manchen 
glücFlichen Abenb, auch zmei fehr fröhliche EPeihnad?tsabenbe 
im Kreife feiner bamals nod? jungen Familie oerlebt. Sein 
Familienleben mar überaus glücflid?; bie ausgezeichnet liebens* 
mürbige unb reizenbe Frau fah mit zärtlicher Bemunbcrnng zu 
ihm auf unb hatte bamals nod? nicht bie quälenbe Sorge, bie 
ihr fpäter nicht erfpart morbeu ift, baß er fich gar zu oicl an 
Arbeit zumuteu mürbe. Stets hatte er geit für bie Kinber, 
mit benen er fid? oicl unb gern bcfchäftigtc. 

Jm PcrFehr mar er ftets aurcgcitb, gut aufgelegt mtb zu 
Scherzen uttb Becfereicu geneigt. Als ich l^mt Ausfchmfufcn 
bes IPcihuaditsbaumes in bie I)öhc fah unb babei über eine 
im IPegc fieheubc Kiftc ftolpertc, rief er fofort: „Beeilt fol 
per aspera ad astral" 3 u feinem lefttcu Scmefter in XPürzburg 
forberte er mich auf, mit ihm (Euglifch 511 lefen, beffen id> 
mächtig mar, meil ich nach bem Abgangsexamen ein Jahr itt 
(Engianb bei meinen (Eltern gemefett mar. Jdy burfte nach* 
mittags zum Kaffee Fomrnen — „mettn ber ITTenfch naturgemäß 
ber horizontale;! Lage zuftrebt", mie er fagte — unb mir lafctt 
Zufammen einen Bericht über ben Prozeß palmer, eine Per* 
giftungsgefchichtc mit (Sattcumorb aus ben fogenanuten höheren 
Klaffen (Englanbs, unb ei lige Abhattblungcn englifcher patho* 
logen. IHit ber größten LcidjtigFcit fanb er fid) in bas frembc 
Jbiom unb hat fich fpäter oft unb gern beffen bebient. So 
bin ich furze geit felbft Lehrer meines unoergeßlichen Lehrers 
gemefen. (Sauz aubers gcftaltete fleh Pirchoms Leben in Berlin. 
Pa er ftets zu jeber nüfclidicit mtb fchmicrigcn Arbeit bereit mar, 
unb biefe IPilligfeit halb erfannt uttb mcgcti ber ftets unermartet 
middigeu mtb mächtigen (Ergcbniffc immer mieber in Attfprudj 
genommen mürbe — mar feine geit balb übermäßig befetjt. 
Pettttoch mar er aud? jetjt noch ganz für bie Seinen oorhauben. 
lleberall griff er felbft ein, bei (tifd? fchuitt er oor uttb verteilte 
bie Portionen an bie Kinber mtb bie Leute; er achtete auf bie 
Klcibttng ber Kinber, im iPiuter, ob fie Palstüchet unb f^anb* 
fd?uhe nid?t rergäßett, er bchattbeltc bie Pienftboten itt KranF* 
heitsfällcn felbft unb foll fogar cigcuhättbig h e *§ c llmfchläge, 
bie ihm nötig fchiettett, bei einem berfelben gemacht mtb er* 
neuert haben. 

Stets mar er and? für entferntere Permattbte ober F^eunbc 
mit Bat unb (EF?at bei ber fianb unb opferte feine bod? fo 
uuenblid? foftbare geit oft itt t>erfd?mcnberifd?er IPcife. (Er 
mürbe aber aud? ron unzählig oiclen als IHenfd? ebenfo 
fd?märntcrifd? oerefjrt, mie er in ber großen IPelt als IHanu 
ber lPiffeufd?aft unb ber (Ehat angeftaunt mürbe. 

gu feinem fiebzigften (Scburtstag burfte id? ihm als Por* 
fitjeuber bes geutralausfd?uffes ber ärztlichen Pereine bie 
(Slücfmmtfchc uttb ben PanF ber Berliner Aerzte ansfpred?ctt, 
bie alle itt ihm ihren teuren Lehrer rerchrten. „Aud? bie 
Zmeifellos Unfterblichen läßt bie geit nid?t unberührt," fagte 
id? ihm bamals Aug itn Auge. Jcfct hat er ihr feinen lebten 
(Tribut gebracht, aber feiner llnfterblichFcit mirb fte nichts 
aul?aben, fein Baute lebt emig. k. Xu$t. 

Pie zum Schluß folgcttbe gciftreid?e SFizzicrung Pird?oms 
als IHettfd? rerbattfen mir einem oertrauten, feinem F am H* c u* 
Frcis naheftchcnbcn Frcunb bes (Etttfchlafencn. D. a. 

2Pie mar er mol?l als UTcnfd?? — Pas Jntereffe an 
biefe F ra 9 c berechtigt, ba ja eine Biographie eines großen 
UTamtes oicl Belehrettbcs bringt. — Pott einer ausführlichen 
Sd?ilberung foll hrute abgefchett merben: nur einige Be* 
merFuttgett. — ftochitttereffattt ift bei Pird?om bie BeftänbigFeit, 
ber fehlenbe IPedtfcl feiner Aitfd>aituttgctt, €mpffnbuttgen uttb 


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£eitej?\0. 


Hummer 37. 


bementfprcd}enb feines Perhaltens neben bcm rDaubel, bent er 
feine (Sebanfen, feinen gatt5en df}arafter gab. Beibes, bie Be* 
ftänbigfeit, mie ber IPanbel, auf einer (Srunbeigcnfdjaft: 
gerecht 3U fein, 311 merben — beruhenb. 

Seiner Be ftänbigfeit entfpringt bas tiefe ^eftf}altcn ber 
einmal gefd}loffenen ^reunbfdjaften: mir fefjen tf^n treu mit 
feinen alten ^Jreunben 3ufammenhalten: Körte, Sangerljans — 
nid}t er allein, bie ^rau, bie Pescenbeti3 mar unb mürbe ein* 
gefdjlojfen — Siegmnnb, 3agor, Sd}rimm, jüngere reiften 
fid} an, £uecfer, Diele feiner ehemaligen Kffiftenten. IPer 
ihm uerbunbenmar, blieb es; eine gleichbleibenbe, liebens* 
mürbige Krt, in feiner fjäuslichfeit 3U empfangen,' 3U begrüßen, 
feffelte ben Heuherantretenben; immer lernte man 3 U, ohne 
belehrt 3U merben, fei es, baß er er3ählte, fei es, baß er fragte. 

(Eng rerbunben mit bem ^efthalten an alter ^reunbfdjaft 
ift ber ihm ftets bemahrte ^Jamilienfinn: es mar fein pe* 
bantifdjcs ^Jeßhalten an einem ron ihm als richtig erfannten 
Porfatj, biefe €igenfchaft mar ihm natürlich unb bcshalb fo 
unmittelbar angenehm berührend — (Einer (Einlabung in bie 
Familie ober 3U einem (Seburtstag ber ihm Hahftehenben 
mürbe immer ftattgegebcn. ds mar ein rühreitbes Verhältnis 
3mifchen ihm unb feinem Schmiegeroater, bem berühmten 
Karl Player, mit bem ihn auch miffeitfchaftliche Krbeit oerbanb, 
unb feiner Schmiegermuttcr. Per Dort h ar ^ er ^ rauher Küßen* 
melt heimfebrenbe, oft bittere IlTann mar 3U £7 a n fe ber 
3arte (Satte, ber gute Pater; nach mcnigen ITTinuten mar ber 
(Srunbton miebergefunben, ber ihn fein gan3es £eben mit ber 
(Sattin oerbanb. — IPie fie es machte, mie er fich gab im 
eigenen Ejeim, ift nicht 3U fchilbern: es mar etmas fo per* 
fönlichcs, beiben (Satten (Eigenes, mas man nie Dergißt, menn 
man es fennen gelernt hat. — IPer fann bie (Empftnbungen 
fchilbern, bie nur ber (Eonfall bes IPortes, ber Blicf ber 
Kugen, bas Kommen, bas (Sehen, bas gan3e Perhalten heroor* 
ruft; ftets erfchien alles neu unb hoch immer mar es mie früher. 
Sonntagsnachmittag mürbe oft mit ber Familie Kusfabrt 
gemacht. Kud} ITTuffel, ber langjährige treue oierbeinige 
(Sefelle, merfte nichts ron bem, • mas ben Herren gelegentlich 
braußen berührt hatte: braußen blieb braußen. — IPie oft 
machte er ber (Sattin Sorge: menn Kergerniffe brohten, menn 
Briefe etmas anfünbigten — er oerftanb fie 3U beruhigen; — 
oft famen recht eigentümlich buftenbe Kiften an, bie bei Kb* 
mefenheit be§ PTannes fchnell nach ber dharite beförbert 
mürben; gelegentlich fam Irrtum oor: fo mürbe ein filbernes 
pofalehrengefchcnf ber (Sreifsmalber ^afultät Dom „3nftitut" 
als nicht oermenbbares Präparat 3urücfgefchicft. — Per plag, 
an bem Pirchom arbeitete, mürbe immer Meiner: bie Bücher 
mehrten fich — sulefct fonnte er an feinem (Eifch nicht mehr 
arbeiten, unb hoch mußte er iibeiatl Befdjeib; nicht nur einmal 
mürbe er bei ber £ampe arbeitenb noch oon ber (Sattin an* 
getroffen, mährenb anbere fdjon ans Kaffeetrinfen badjten; — 
er fdjlief bann *—2 Stunben, fam baher mohl auch oft 511 fpät 
3ur Porlefung. — 3a, bie Porlefung, unb noch ba3u früher 
in ber Konflifts3eit: eben ans bem politifchen Kampf am 
Pönhöffplafc — bann h* nc * n ius Kolleg, jebes IPort bnreh* 
baebt, intenfio anregeub — nach Schluß 3urü<f ins politifche 
(Setümmel, bie Profdjfe ftanb fdjon bereit; — genau mürbe 
im Kolleg ba mieber eingefegt, mo ber Portrag aufgehört 
hatte; oft ein fchneller Blicf in bas Kollegienheft bes §unäd}ft* 
figenben unb mitten in bie lPiffcnfd}aft. — IPer mit Pirchom 
etmas 3U befprechen hatte, mußte bann mit nach bcm Pönljoff* 
plag fahren; in ber Profchfe hatte cr §eit. Piefe Eja ft 
unb hoch ftets — bie fich fofort micberfiubenbe Buhe. 
Pie PTöglid}feit, neue, herportretenbe Pinge objeftip 
3U beurteilen. 

Pirchom mar ftets ftreng gegen fid?: fein iPattbel in 
fteter Krbeit, ein ftetes Schaffen, Heugeftalten, im Porfchlag, 
in ber Kusführung; — ftreng gegen anbere, auch jüngere, 
aber bie Strenge gegen ftd? blieb — gegen anbere ließ nach. 
iPer h<Me als junger PTenfd} fi<h früher gern an Pirchom 
heraugemadjt? ©ft fonnte ihn fdjon ein nad}läffiges Sigen 
eines 3üngeren 311 bitteren Bemerfungen pcranlaffert. 

Paß einer in feiner 3 u 9cnb an „nichts" benfen fonnte, 
mar ihm unoerftänblich: er fah alles, beobachtete alles — mo 


er mar, fanb er etmas; mo feiner es ahnte, entbeefte er 
etmas. — £>öd?ft intereffaut ift es, mie bas urfprünglich beerbe 
einem natürlidjen IPohlmolleit plag machte. 3 a / er Iteß fich 
gelegentlid} „quälen". ITTit meld}erHuhe ließ er fich über ein 
mijfenfd)aftliches ©bjeft ausfragenl Pireft freunbfchaftlich, 
fo meit es bei einem jungen PTann einem älteren gegenüber 
möglich mar, ftanb er 3U feinen Kffiftenten. PTit melcher ^reube 
folgte er ihrer Krbeit; oft in ^embsärmeln, mie es ber Per* 
fehr im TJnftitut mit ftd} brachte, mürben bie roijfenfchaft* 
liehen fragen erörtert. 

Pirdjom mar geredet, fein Beftreben geredet 3U merben, 
lag tief gemu^elt in feinem dfjarafter, unb er ptüfte — er 
fah« Pirchom mar treu in feiner <Jreunbfd}aft, unmanbelbar in 
feinem Perhatten 3U ben Seinigen, ftreng unb unmanbelbar gegen 
fid? unb feine Krbeitsfraft; unb munberbar, melche Kenberung 
in ihm fpäter porging: er mürbe milber. früher menig 
empfänglich für Schnurren, hatte er fpäter and? feine ^reubc 
bran; feine fdiarfe Penfungsmeife ließ ihn faft ben Efnmor 
als etmas (Eripiales, Unperjtänbliches gelten, er faßte leicht 
fo auf, mie es gefagt mürbe, nicht mie es gemeint mar. 
IHit meinem Epmor er3ählte Pirdjom fpäter, mie ihm bas 
heiraten poli3eilich fo fdjroer gemacht mürbe, mie er eigentlich 
noch Por feiner fjod^eit, bie fchon feftgefegt mar, auf poli3ei* 
liehen Befehl Berlin perlaffen follte, als gefährlicher PTenfd}. 
ITTit bem Ejumor, ber ihm früher faft fremb erfchien, trat auch 
fpäter mehr bie ^reube an angenehmen gufammenfein mit anbern 
auf. Pie Knthropologifche (Sefellfchaft mar mohl mefentlich bie 
Peranlaffung, baß er in Hadjfignngen pielen eine ^reube 
burdj feine Knmefenf}eit machte; ftets mäßig, lernte er bod} 
bie Knnehmlichfeit bes gufamtnenfeins mit anbern fennen: 
er nugte baburd} ber Sache enorm. 

IPie munberbar mar bie Schnelligfeit, mit ber er arbeitete, 
mit ber er fid} fein (Thema, bas 3u behaitbeln mar, 5ured}t 
legte — mie hatte er ftets alles bei ber Ejanb! Kaum 
eine Stunbe por ber Sigung ber ITTünchner Haturforfd}er* 
perfammlung mußte er nod} nid}t, mas fein (Thema fein mürbe, 
erft auf ber <Jal}rt nad} Breslau überlegte er feinen Portrag, 
ber fofort gehalten merben mußte: unb hoch mar nachher 
jebes IPort, jeber Sag gehaltpoll. Beim £efen Pird}omfd}er 
Kbhanblungen fann man feine Seite überfpringen, mie es 
ohne Sd}äbigung bei anbern leiber fo oft möglich ift. 

(Eins mar ihm gan3 fern — bas lag eben in feinem 
IPefeit, gerecht 311 merben unb 5U prüfen — fogenannter 
„Klatfd}" — unb es nahte ihm aud} mohl faum einer mit 
fold}en Pingen, mas entfcf}ieben eine pornehme Kuffaffung 
porausfegte. (Treu, unmanbelbar, manbelbar nur im (5uten 
unb reine (Süte — ein Povbilb für bie 3 u 9*Hb, bemunbe* 
rungsmftibig für bie Klten: fo mar er als ITtenfch. 

<3S® 

Umfdiau. 

Pie pofener Kaifertage ftnb ohne ben geringften KTißton 
porübergegangen. Pie Hebe, in ber fid} ber Kaifer über bie 
polenfrage äußerte, mar burd}aus pom (Seift ber Perföhnung 
getragen; bie fcharfen Pormürfe, bie ber ITTonard} in ITTarien* 
bürg gegen bie polen erhoben h fl tee, maren 3U ber Klage 
herabgeftimmt, baß fid} ein (Teil ber „ Unterthanen nid}tbeutfd?en 
Hamens" nur fdjmer in unfere Perhältniffe 3U finben fcheine. 
Kllcin ber Kaifer fiel}t nid}t pefftmiftifd} in bie gnfunft, er hat 
bie Eröffnung nid}t perloren, baß aus ben polen nod} „brape 
Preußen'' merben möchten, menn fie erft feine mähren Kb* 
fid?ten erfannt hüben. Pas freilich müffen fie einfefjen, baß 
bie propin3 pofen unlöslich mit ber prcußifd}en ITTonarchie per* 
fnüpft ift, aber fie brauchen besf}alb nid}t 3U fürchten, baß ihre 
Konfeffion angetaftet, baß ihre Stammeseigentümlid}feiten unb 
Ueberlicferungen ausgelöfd}t merben follen. Piefe Perftd}erung 
gab Kaifer IPilhclm ben polen, mährenb er ^orberungen nur 
an bie Peutfd}en ftellte. Sie follen ben alten parteif}aber 
fahren laffeit, unb bie Beamten insbefonbere follen unbedingt 
unb ohne gaubern bie politif burd}führen, bie er als richtig 
für bas IPohl ber propin3 ernannt hat* 

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Kummer 3 ?. 


Seite \ 7 \\. 


iDas fd?on lange befürchtet merben mugte, ig cingetretcn. 
Die IDirren auf £?aiti f>abctt ein (Eingreifen Deutfcblanbs not» 
ipenbig gemacht. Allein bie Sad?e mürbe fd?nell unb leidet 
crlebigt. Das F^aitianifche Kanonenboot „Crßte ä Pierrot“, bas 
fid? in ber (Semalt bes Bcbellenführers ^irmiu befanb, h a t 
ben beutfehen Dampfer „ITtarcomannia" angehalten unb gd? 
ber IDagen bemächtigt, bie bas Schiff für bie Begierung Haiti 
an Borb hatte. Das mar nichts anberes als Seeraub, ber 
Sühne heif<ht e ‘ HTit bev Kufgabe, bas Derbrechen 3U {trafen, 
mürbe bas Kanonenboot „Panther", Kapitän Ecfermann, be* 
traut; fein Erfcheinen genügte, um bie £eute ^irmins 3ur Buge 
3U 5mingen. Die „Creto ä Pierrot“ mürbe pon ber Be* 
fafcung perlagen, bem beutfeben Kanonenboot überantmortet 
unb oon biefem in ben (Srunb gebohrt. Den „panther", ber 
hier ben Haitianern Befpeft por Deutfd?lanb beigebracht hat, 
fennen unfere £efer bereits. IDir haben eine Kbbilbmtg bes 
Kanonenboots gebracht, als ber Kaifer es 5ur Knsftellung nad? 
Düjfelborf entfanbt hatte. 

* 

Das fran5ögfd?e Kriegsgericht in Bantes f? at eine nad? 
beutfehen Begriffen unmögliche Entfd?eibung gefällt. Es hat 
ben 0berftleutnant be Saint Hemy, ber geh feiner Seit gemeigert 
hatte, aufKnorbnung bes fommanbierenben (Senerals bie gipil* 
behörbe bei ber Schliegung einer 0rbensfd?ule 3U unterftüfccn, pon 
ber Knflage ber (Sehorfamspermeigerung freigefprochen. Das 
Kriegsgericht mar ber KTeinung, bag ber (Seneral bem 0berft* 
leutnant nicht einen Befehl erteilt, fonbern ihm nur ben 
IDunfd? ber gipilbehörbe übermittelt h^ c * pcrurteilte 

baher ben 0fg3ier, ber bie (Sehorfamspermeigerung gar nicht 
leugnete unb mit (Seroigensbebenfen motipierte, nur 3U einem 
(Eag (Sefängnis, roeil er gd? gemeigert habe, ber Bequigtion 
einer gipilbehörbe ^olge 3U leiften. Die nationaliftifche 0ppo* 
gtion in ^ranfreid? betrachtet ben Spruch roohl nicht gan3 mit 
Unrecht als eine XTieberlage ber Begierung. 



Beue „Schauburgen", roie man in ben Bieberlanben bie 
(Theater nennt, gnb in 5mei (Srogftäbten am Bf?ein unb am 
UTain entganben; bas H aus in Köln mürbe *ingemeiht, bie 
(Eröffnung bes grogen Scbaufpielhaufes in ben ^ranffurter 
2lnlagen geht bepor; Berlin felbg h a * in feinem 3meiten 
Schillertheater eigentlich auch eine neue Schaubühne erhalten; 
unb mistigere Ergauffüfjrungen gnb ebenfalls porüber. So 
ift’s benn nunmehr im neuen (Eheaterjahr runbum lebhaft 
gemorben. 

Kn bie (Srünbung bes neuen Schillertheaters, bas ohne 
xr>eitere Feierlichkeit mit Schillers „Braut pon ITTefgna" bem 
publifum übergeben mürbe, fömtten ftd? mefentliche Erörterungen 
knüpfen. Die erge (Eochteranftalt bes Schillertheaters im 0gen 
Hat bas ^riebrid? JDilhelmgäbtifd?e Cheater perbrängt. Dies 
trat por 3ahren eine ftol3e 0perettenbühne im Borben pon 
3erlin; mit ber 0perette ging es nieber, mit bem (Eheater 
auch; unb einmal mar es pöllig 3U einem „Dolfstheater" für 
grobe, grufelige Sdjaufpiele heeabgefunfen. Das Schillertheater 
N. ruht {ebenfalls auf reinlicherer (Srunblage, menn man barum 
aud? bie Kunghöhe ber Schillertheater im allgemeinen nid?t 3U 
fiberfd?äfcen braucht. (Sebeiht bas Schillertheater N., fo merben 
in anbern Berliner Stabtteilen ficherlich ähnliche (Eod?terangalten 
entftehen. Denn man barf nicht glauben, bag fein neues 
(THeaterpublifum mehr in <Srog*Berlin gemonnen merben fönne. 
ZVoüen hoch felbg Brahm unb eine <Sefellfd?aft bie Beif?e ber 
koftfpieligen Sujustfjeater um ein neues H aus heften &cr* 
meh rcn ^ €inen ^ortfdjritt bürften bie Schillertheater immer* 
Hin bebeuten, menn man ge nur nicht überfchatjt unb menn 
man nicht felbg genügfam betont: h icr h al, en mir eine 
theatralifdje Dolfsfunft. gur Dolfsfunft im umfaffenben Sinn 
können bie Schillertheater mit ihren engen Bütteln, gnan3tellen 


mie fchaufpieferifchen, natürlich nicht führen. Sie mügen geh 
ihrem publifum pon mefentlid? fleinbürgerlichem (Ebarafter 
fügen; unb bas perlaugt, im arbeitsreichen Berlin pon fernerem 
IDcrftag bebriieft, poruehmlich leichteres geiftiges Behagen. 
Hin unb roieber fann 311 fcgtäglicher Erhebung ein flaffifches 
£ieblingsfd?aufpiel ober ein erprobtes mobernes Drama gebracht 
merben. Darüber hinaus mirb man 3U mertoollen neuen Kn* 
regungen faum gelangen, aber man mug auch mit bem 
menigen fd?on 3ufrieben fein. 

3m £efgngtheater hat man es mit BTafim (Sorfis „Klein* 
bürgern", einem Schaufpiel, bas por einigen (Eagen in Breslau 
feine erge beutfehe Kufführung erlebte, perfucht. Der Dieter 
ber „Enterbten unb Derlorenen" mill nun feine Kreife meiter 
Sieben. Er mill uns ganse rufgfehe (Sefellfd?aftsgruppen por* 
führen. 3” feinem ergen Drama, bas freilich nichts meniger 
als ein regelrechtes (Eheaterftücf ig, gellt er (Eypen aus ber 
fleinbürgerlichcn Kafte in Buglanb sufammen. IDie fchmüle 
Bleland?olie lagert es über ben Schaufpielfcenen, bie pon ber 
geiftigen Derfümmcrung ber Eltern unb Pom Drang unb ber 
Bot ihrer Kinber ersähen. Klan reibt im Drucf, in ber 
Enge ber Derhälhtige gef? gegenfeitig auf. Ein trübes fo3iales 
Bilb, unb mirffam heben geh ein paar l\eüe, lebensgd?ere 
(Seftalten, bie Derfünbiger einer befferen IDelt, bapon ab. 
£cibcr ift bie Datftelluug am £efgngthcater nicht auf ben in* 
biribuellen Beid?tum pon (Sorfis perfonen eingegangen, unb 
bamit mar eine gemige Eintönigfeit perbunben. (Erofcbem fehlte es 
hier mie in Breslau nid?t an Knerfennurtg. Ein (Eheatererfolg 
tm üblichen Sinn mürbe es nicht, menngleich gd? bas Stücf 
mohl lä?tgere §eit auf bem Spielplan halten mirb. cofi. 

S 

Die prunfenben (Eheaterpaläfte gnb in ihrer IDeife eben* 
falls ein Kenn3cichen ber Benentmicflung unferer (Srogftäbte. 
Dag gerabe Köln unb ^ranffurt, alte meftbcutfche Kulturgäbte, 
mit foftfpieligcn £uyusbauten befonbers herportreten, mill nicht 
3ufällig erfd^einen. Beibe Stabte gnb über ihre alten (Ehore 
mächtig cmporgeroadjfen; in beiben hat geh neuer Begfc feine 
neuen „Stabtbilber" gefchagert. Der Kölner palag h a * fünf 
Millionen gefoget. Kus Knlag ber ^egmeihe am 7. b. KT. 
hat ber Erbauer bes (Ehcaters, Krdgteft IHori^, geh 3U mobernem 
(Seift befannt. Er gellte geh eine groge Kufgabe. Er mollte 
gd? Pom „archäologifchen Betrieb" fernhalten, bas h c ^ liiert 
als Badjäger beftimmter gefchichtlicher Stilgattungen erscheinen, 
fonbern einen perfönlichen, mähren Kusbrucf geminuett. ^ür 
bics fchmierige Problem hat man, mie ber Erbauer felbg mit 
Bedjt betont, noch feinen fegen Stanbpunft, pon bem aus mau 
gchcr urteilen fönute. 3 n Köln felbg mar man 3unächg 
pon bem imponierenbeit (Sefamteiubrucf überrafcht. Das ig 
bie (Srunbftimmung ber Bürgerfchaft. Der innere Bühnenraum 
mirfte trofc feiner mächtigen Kusbehnung nidjt fremb unb fühl* 
Klan glaubte, in einen intimeren (Scfellfchaftsfaal 3U treten. 
Der eigentliche ^eftaft begann mit Beethopens IDeiheouperture 
unb einem IDeihcfpruch ber Eolonia pon 3°f e f ^aug unb enbete 
mit bem britten Kft aus ben IHeigergngcrn; es gab egeftreiche 
IHagengruppierung, unb aud? bie Kfuftif im Baum befriebigte. 

$ 

Kud? IHünchen h a ^ e f c * n Cheaterereignis. freilich miegt 
es nid?t 3U fdjmer. §um erftenmal auf beutfd?er Bühne mürbe 
im bortigen Begbeti5theater ber altfpanifdje Sd?manf „Don 
(Sil" bes (Eirfo bc ITTolina in ber Beubearbeitung pon ^riebrid? 
Kbler aufgeführt. Das 5terlichc, galant*bemcgte IDi^fpiel bes 
KomÖbienbichters, ber aud? als Erfter bie Don 3 ucm f a 9 c 
bramatifd? behanbelte, mürbe mit freubigem BeifaÖ aufge* 
ttommen, unb namentlich gegcl ^räulein Smoboba, bie Dar» 
gellerin bes falfd?en „Don (Sil in grünem Sammet", burd? 
£ebhaftigfeit im Dortrag. Diefe „Dama Kobolb", bie Donna 
3uana, hat bie £ug am Sturm, am tollgett Sturm, mie ge 
felbg in ber Eingangsfcene fagt, unb mad?t als perfleibeter 
3üngling halb IHabrib toll, bis ge ihren Don IHartiit, ber ihr 
entrigen merben follte, glücklich erobert. Es ift ein 3ntriguen* 
unb Derfleibungsfpiel red?t harmlofer, aber bühnenmirffamer KrU 


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Seife \ 7\2 


Hummer 37. 



Sir ^reberief Hugtift 21 bei, Erftnber pon raudjlofcn Er* 
ploffoftojfen, f in £onbon. 

^erreira Ultneiba, portugiefifdjer politiFer nnb Ulinifter, 
f am 5 . September 511 £iporno. 

Hieberlänbifdjer Kolonialminijier ran Ufdj pan XD yd, 
f am 9. September. 

3 ames Bailey, ber tTeftor unter ben englifcfjen Dichtern, 
f im 86. £ebensjaljr. 

pon Behr*HegenbanF, früher 0berpräfibent pon Pommern, 
f am 8. September 5U Scmlom. 

Baron Simon Iftorifc p. Betljmann, Ulitinhaber bes 
BanFljanfes (Sebrübcr Betbmann, t um 5 . September 511 
Königftein ((Taunus). 

früherer Sdjaufpieler ^riebridj ( 5 ottbanF*XDicn, f im 
Hlter pon 85 3 ufyrcn. 

(Sraf £otfjar pon Begnenberg*Dii£, bayrifdjer Kammer* 
f|err, f am 6. September im 56 . £cbensjahr 5U Bofbegnenberg. 

BotaniFer (Djeobor p. ^elbreid?, f xn 2tthen. 

Stabtbaurat 3 umes Bo bredjt, £eiter bes berliner (Lief- 
baumefens bis (897, f am 9. September 511 Berlin (portsät 
untenftefjenb). 

(Seheimer Hegierungsrat B 0 f f nt a n n, früherer 0 berbürger* 
meifter pon Königsberg, f am r>. September. 

Domherr £aurent, f am 8. September 51t UTetj. 

Dr. S. £e irin ft ein, Herausgeber ber Dcntfdjen (TabaF* 
5eiiuttg, f im Hlter pon 7 3 3 uf? rc N* 

^raii5öfi|d)cr Brigabegeneral be la Hoe, DireFtor bes 
Hceresmufeums, t um (. September 511 paris. 

(Sefjcimrat (Sraf Unton pergen, einer ber Rubrer ber 
uieberÖftcrrcidjifdjcn Kleri* 

Faleit, f am 9. September 
auf Sdjloß Uspang. 

früherer Faiferlidjer 
norarFonful für bie 0ftfdjmei3 
Hnbolf Sdjöller, f am 
3 . September 511 güridj. 

Hiftorienmaler profeffor 
Ebuarb Sdjmoifer, f am 
5 . September 5U IHündjen im 
7 7 . £ebeitsjabr. 

Pr. S tablfdjmibt, pro* 
feffor an ber Ecdjnifdjcn Bodj* 
fdjule 3U Hachen, f. 

Ungarifcber Hrdjiteft pro* 
feffor Emeridj Sleinbl, f 
am 3 (. Kugiljt ^Porträt f. Stabtbaurat 3 amcs fjobredjt t 
S. ( 720 ). 

^ran Xttatbilbe XDefenboncF, ^freunbin Hidjarb XDagners 
unb Bcfifcerin einer ber Foftbarften pripaten Kunftfammlungcu 
Berlins, f in ber Pilla (TrauublicF am (Smunbener See im 
Hlter pon 7 ^ 3 Q i? ren » 

Hitffifdjer Staatsrat K. p. XDilb, früherer Pireftor bes 
pbyfiFalifcben gentralobferpatorinms 311 Petersburg, f um 
5 . September 311 güridj. 

^ran3 XD ülln er, PireFtor bes Kölner Konferratoriums, 
f am 8. September 311 Bramtfels a. b. £afjn (portr. f. S. ( 720 ). 

H. X^erfin, (Seneralbireftor ber fdjmeijerifdjen PolFsbanf, 
f am 8. September 311 Bern im Hlter pon 6 2 3 a f?ren. 

H. H. gagareli, grufinifcher Scbriftfteller, f 3U (Eiflis. 

<35® 




Unmittelbar an bie „(Sroße XDodje" pon BabenBabeit 
fdjließeit fid? bie Hennen 3U Köln am Bbein an. 0bmobl es 
babei einige ga?t3 erFlecflidje preife 3U ijolen giebt, batten fie 
biesmal gar Feine HnsicfjungsFraft auf bas Huslanb ausgeübt. 
Pie beutfdjen pferbe blieben gan3 unter fid?, unb inbent flc 
ihre Kräfte mitciitanber maßen, erhielt man neue Hnbalts* 
punFte sur Beurteilung ihres XDertes. Pa muß beim suitädjft 
gefagt roerben, baß ^Jreifjerr pon 0 ppenheims Signor eutmeber 
pon pornberein bodj nidjt fo gut gcmcfeit ift, mie fein Dater 
Saphir, ober baß er in feiner £eiftungsfäljigFeit bcträdjtiidj 3urücf* 
gegangen ift. Penn er mürbe in bem mit 30 000 UTarF botierteu 
Hfjeinifdjcn gndjtremten pon (Sraf BniitsFis ^Jarna leidjt mit 
einer £anae gefddagen, bie nod? im Babeit^=Babener guFnnfts* 
rennen hinter ibin cingcFommcn mar. ^reil^err pon 0ppen* 
f^eim Fomttc fid^ allerbitigs bamit tröften, baß am erften (Eag 
fein ^lirt gegen bie BniitsFifd^e Stute (Eccola ftd? ben preis 
pom Bfjcin (20000 UlarF) geholt fyatte. Paß biefer ber Bejfere 
ift, bat er bamit aber nicht ermiefen, ba €ccola im preis pon 
IDorringen bas Derfyältnis mteber um3uFel?ren perntod?te. Pas 
britte große Hennen fdjließlidj, ben mit 25000 ITlarF botierten 
preis pon Ponauefd^ingen, Holte fidj H crrn XDeinbergs Prin3 
Bamlet. Hur pier pferbe erfd^ieneit bei biefem Hennen am 
Start: außer bem Sieger ttodj Slaitbers, Bracfypogcl unb 
St. (Soar. — IDar aud? bas XDetter nid?t allen Henntagen 
bes IHeetings gleid? fyolb, fo l^atte fid? boc^ eine ftattlicbe, er* 
lefene (Sefellfc^aft auf bem Henuplafc bei UTerl^eim ^nfammen* 
gefunbeit unb bie Pamenmelt faub reid^licb (Selegen^eit, bas 
Bilb burdj fd>öue (Toiletten 5U beleben. Heben ben Kölner 
offatellen perfönlid^Feiten bemerFte man aud? ben 0 berlanbes* 
ftallmciftcr (Srafcn (Seorg £cbnborff. 

(Ein mehr internationales (Sepräge trugen bie Hennen in 
£n5ern, bie fid? allerbings 3um größten (Teil 3mi|cben ben 
flaggen abfpielten. H* er trafen fdjmeiscrifdje, itaiienifebe, 
beutfebe unb fran3Öfifcbe §ud?t aufeinanber. 3 » ^ en Kämpfen 
bes erften (Tages maren bie beutfdjen pferbe befonbers glncFlicb, 
ba fie pon fünf Hennen nidjt meniger als Pier gemannen. 
£u3ern ift als (Turfftabt fd^ncll 511 einer gemiffen Bebentung 
gcFommen. Pie (Erfolge ber pcrgangeiten 3 a *? rc ermögliditcn 
es, für bas biesjäljrigc UTceting bereits ein Bennen im IPcrt 
pon (oooo ^ranF aus5ufcbreibcn. 

XXebeu bem (Turf haben einige majferfportli<be (Ereignijfe 
bie KufmerFfainFeit mcitercr Kreife auf ßdj gclenFt. Utit 
großem 3 n tereffe faH man namentlich bem 3mciten Derfucb 
UTontague H 0 ^ c * !ts ( 2 lbb. S. ( 722 ) entgegen, ben Kanal 5U 
bnr<hfd?roimmen. (Er hut fein §iel 3mar mieber nidjt erreicht, 
aber er ljut mieber eine erftaunlidje £eiftnng pollbradjt. (Er 
blieb 22V2 Stunben im IDaffer, elje er fidj entfdjloß, bas 
ausfidjtslofe Unternehmen auf3ngebeit. Bolbeiit, ber fidj 
übrigens früher als Panerfabrer auf ber Habrenubabu bureb 
tüdjtige £eiftuugen Ijctoorgetban l>ut, mar ber englifeben Küfte 
fdjon bis auf menige Kilometer ttaljegeFommcn, als feine 
Kräfte nidjt meljr ausreidjten, bie mibrigen Strömungen bes 
XITeeres 3U überminbeit. (Er Ijat ftdj jebenfalls als ausgc3eidj* 
neter, ausbauernber Sdjmimmer bcmäljrt, ber bem Kapitän 
XDebb bnrdjans nidjt nadjftebt, obmobl biefem unter günstigeren 
Bebingnngen bie Purdjquernng bes Kanals feiner §eit ge» 
luugen ift. Pie (Seleljrten bes Sports finb nach ben bei ben 
Bolbeinfdjen Dcrfudjen gemachten Erfahrungen ber IHeinung, 
baß es mit HücFfidjt auf bie Strömungen im Uteer fidj mehr 
cntpfeljlc, nidjt pon ber fran5Öfifchen Küfte, fonbern pon Poper 
aus 311 fdjmimmen. 

Per Sdjauplaft eines beutfdj fran3Öfifdjen Hubcrmatdjs ijt 
iit3mifdjcn bic Stabt ^ranFfurt a. 111 . gemefen (Hbb. S. ( 72 (). 
Eine Hcbtermannfdjaft bes parifer HomingFlubs mar über bie 
(Srenje geFomnten, um ber ^ranFfnrter (Sermania Heoandje 
für ihre porjährige Hieberlage 511 geben. KUein bie fra^öjt* 


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Hummer 37. 


Seite 1713. 


fdjen (Säfte maren mieber ben I|ctmifd?cn Buberem überlegen/ 
fte ftegten auf ber 2 500 Hlcter langen Bahn leicht mit brei 
£äitgeu. Per UTißerfolg ber v franFfurter tf^at jebodj ber guten 
Stimmung Feinen (Eintrag. Bei bem ^JeftbauFett im palmeit* 
garten mürben piclmefjr smifebeu Pentfcbcn unb ^Jranjofeu fet^r 
freuitblidie Heben ausgetaufcht. 

Pas itädifte große Freiguts, bas nun bie Sportfreuubc 
befebäftigt, ift bie „Berliner IVochc", bie permntlidj burdj bie 


Beteiligung bes Kaifers ausgeseidjnet fein mirb. Pie Nennun¬ 
gen haben ein unermartet gnnftiges Ergebnis gehabt/ fte über* 
fteigen mit ber §aljl 28 7 bie porjäbrigen um nietet meniger 
als ( 03 . Pas ift eine febr bebeutenbe guitahnte, felbft mcitu 
mau in Betragt 3ieht/ baß in biefem 3 afyr fteben Begatten 
gegen fünf im Vorjahr ftattftnben. Unter aitbcrn mirb bie 
pom Kaifer nach ber Kieler IVocbc ermorbene 3 ad?t „Uncle 
Sam“, bie jegt ben Namen „Niagara" trägt, ftarten. 

tp- 


Onfei*« 

Pie Kaifertage in pofen unb ^ranFfurt a. 0 . 
(Bbb. S. (7 ( 7 ). Pie Bnmefenheit bes Kaifcrpaars in pofen 
hat ber Stabt erfyebcnbc ITContcnte gebracht. Von bem Bugen» 
blicF an, ba bie UTajeftäten ihren (Ein3ug gelten, 0 berbnrger* 
meiftcr JVitting fte begrüßte unb fein (Eödjterdicn, aus bem 
Kreis ber Ebrettjungfrauen berportreteub, ber Kaiferin einen 
Hofenftrauß überreichte, bis fte bie Hücfreifc nach Berlin an¬ 
traten, herrfdjte eitel 3 ubcl. Kein IftißFlang trübte bie Jfreube 
ber beutfeben BcPölFcrung,, bent Kaifer ihre BnhäuglichFeit bc» 
5eugcn 3U bürfen, ber als ^riebcitsfürft nach pofen Farn in 



Das ^ohanntterrchloss in Sonnenburg. 


anberm Sinn noch als fonft. IVie er im Hat ber VölFer ber 
Welt bie Hube erhalten h^ft/ fo münfeht er aud? bie §ermürf* 
ntjfe smifchert ben Nationalitäten befeitigt 31t fehlt, unter 
benett bie preußifdien 0 fttnarFen leiben. (Er hat beutlidj genug 
gezeigt, baß er perföhnlicb geftimmt ift. Pie polen brauchten 
nur btc ihnen gereichte Haitb 511 ergreifen, unb es foü pergeffett 
fein, mas fte in ber Vergangenheit Eabelitsmertcs gethatt 
fabelt. (Es ift 31t h°ff cn / baß ber Befncb 
bes Kaifers auch au ihnen nidyt roirFnttgslos 
roritbergegangen ift; natürlich merben fte nicht 
von h cu * e auf morgen bie „brauen Preußen" 
tuerbett, 3U benen fie ber Kaifer gern machen 
möchte; aber es ift ber Klaffe ber polr.ifchen 
23 cr>ölFerung bod? einmal einbringlich bie Ulacbt 
unb ber <Slan3 ber Hohen3ollertiFrone por Bugen 
geflirrt morben, unb gerabe bafür ftrtb fie 
empfänglich. Per (EinbrneF mirb um fo nach* 
haltiger fein, memt fie febn, baß bie ihnen 
aegenüber eingefchlageitc politiF bei aller not* 
n^enbtöten ^cftigFeit beit perföbnlidicit, beredjtigte 
(EigentfimlichFciten berücffichtigcnben IVorten bes 
Kaifers eutfpricht. tVirb cs beit polen babnrdj 
leichter gemacht, ftdj auf beit Bobeu ber ge« 
fcbid?tlichcn (Ehatfadjeu 31t ftelleit, fo ift aubrer* 
feifs auch ihren utopifcbeit guFunftsträumeu ein 
harter Stoß perfetjt morben burd> bie Be* 
ionung ber beutf<h»rnfftfchcn IVaffeubrüberfchaft. 


ßtl der. 

Sie ftttb mieber baran gemahnt morben, baß ihre Hoffnungen 
auf Hußlanb, bie fte trog aller entgegenftehenben Erfahrungen 
nid?t fallen laffen mögen, hinfällig ftnb. Unb menn fte mit 
bem fünften BrmecForps etroa über bie pofettfehe (Sxtn^c mit 
gegangen finb in bie prouin3 Branbenburg, bann merben fte 
gefehn haben, baß fte nirgenbs auf Unterjtügung in ihren 
SclbftänbigFeitsgelüften 3U rechnen ba& cn » 3 n ^ranFfnrt a. 0., 
mo ber Kaifer porn 0berbürgermeifter Pr. Bbolpb auf bem 
IPilhclmsplag begrüßt rottrbe, umbraufte ihn bie gleiche Be¬ 
geiferung mic in pofen, und in feiner Umgebung maren bie 
Vertreter frember, mit bem Peutfchen Beicb befreunbeter Brächte 
noch 3ahlrcicher, als bort. Es fei h** r aur an bie englifchcn 
UTanöpergäfte (Bbb. S. (7(8) erinnert, bie auf ihrer Heifc 
auch in Berlin gemefen ftnb. Pen porträts pon beutfchcit 
unb fremben 0ff?3ieren, bie bei ben großen IHattöpern als 
Rührer ober gufchauer beteiligt maren, fügen mir beute noch 
(S. (720) bie bes italienifcheit (Seneralftabschefs Salctta unb 
bes Komntanbcurs mtferer neunten Pipifiott, (Scncralleutnants 
poit Eichhorn, au. 

N 

Pie Beerbiguttg Httbolf Virdjoms (Bbb. S. (7(3) ^ 
bat am 9. September nach einer großartigen ^eier im Berliner 
Hathaus unter Kunbgebungcn ftattgefunben, bie nod? einmal 
fo redjt bartbateu, melcber allgemeinen Hocbfchägnttg fich ber 
große (Selehrtc erfreute. Buf bem alten UTattbäiFirchbof mürben 
bie fterblichen Ucberrefte bes Unfterblichen 3ur legten Hube 
beftattet. 

Pas 3 ohannitcr* 0 rbcnsfchloß in Sonnenburg 
(pergl. bie ttebcnftehenbe Bbbilbmtg) hat mährenb ber UTaitöper 
ber legten (Lage bem Kaifer sunt Hufenthalt gebient. Pie 
(gefetzte bes Baus reicht meit in bie Vergangenheit 3uriicF, 
ber (Srunb mürbe mabrfcbeinlich fchon in ber erften fjälfic bes 
pier^chntcn 3 ^h r h un ^ crts gelegt. Seine heutige (Seftalt erhielt 
bas Schloß uad> ber IViebererrichtung ber Balley Branbenburg 
im 3 ahe (8 32 , unb feitbem ftnbet hier regelmäßig ber Bitter* 
fd?lag ber neuen 0rbcnsmitgliebcr bureb ben Hcrrenmeifter ftatt. 
Pas Sdjloß, in bem erft por roenigeu iVocheit bas 0 rbcnsfcft 



Schloss und Kirche Sattln (Sasvar). 


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Seite 


Hummer 37 . 


gefeiert mürbe, ift in3roifchen für beti Hefudj bes Kaifcrs im 
3nncrn pöllig neu ausgeftattet morben. 

»Xi 

Kaifer ^ran3 3 °f*f bei ben UTanöpern in ber 
Abria (Abb. S. Had? längerer paufe h a * Kaifer 

iJranj 3ofef in biefeni 3ah* mieber ben ITIanöpern ber öfter* 
reid?ifd?en jflotte, bie por pola nnb £uffinpiccolo abgefjalten 
mürben, beigemoijnt. IPte in Peutfchlanb fnd?t man aud? bei 
ben uns perbünbeten Had)bam bie in «Ojitia gefammelten 
militärifchen (Erfahrungen bei ben Uebungen 3U perwerten. 
(Es wirb mehr IPeri als früher barauf gelegt, bie Fombiniertcn 
£eiftungen pon £anbheer unb UTarine 311 erproben, in ber (Ein* 
fdjiffung unb £anbung oon (Truppen unb (Sefchüßen bie größt* 
mögliche Pollenbnng 3U erreichen. Kaifer <Jran3 3 °f e f' ber 
biefe IHanöper pott feiner 3a<fyt „miramar" aus beobachtete, 
hat über bereu Perlauf in einem ^lottenbefehl feiner pollftett 
3 ,ufriebenheit Ausbrutf gegeben, 
ii . ^ 

Pas Kaiferliche Schloß in Saffin (Saspar) (pgl. bie 
Abbilbuttg S. ( 7 t 3 ) wirb für bie geit ber ungarifchen großen 
XHaaöper 3ur IPohnung für ben Kaifer ^ran3 3 °fef wnb für 
unfern Kronprin3en als beffen (Saft h cr 9 cr id?tct. Per 0 rt 
führt außer bem flomenifchen Hamen Saffin auch ben ungari* 
fdjen Saspar unb ben beutfehen IHaria*Schloßberg, biefen, weil 
bas Schloß au eine Kird?e angebaut ift, 511 beren IHarienbilb 
fd?on feit bem fedtfehnten 3 ahrhunbert IPallfahrten peranftaltet 
rnerben. Pas (Sebäube hat 3wei Stocfmerfe, pon benen bas 
untere für Kaifer <Jran3 3 ofef, bas obere für unfern Krott* 
prin3en eingerichtet morben ift. Um biefem ben Aufenthalt 
mögliche angenehm 3U machen, hat man fi<h tftühe gegeben, 
bei ber Ausftattung bec Häunte feinem (Sefchmacf Hcchnung 
3u tragen. 

Cb4 

3 n ber f*an3Öfifd)en Piplomatie (Abb. S. J 7 J 8 ) hat 
ein umfangreicher Stellenmechfel ftattgefunben, pon bem and? 
Peutfchlanb berührt mirb. IPir fabelt bas Hilb bes neuen 
Hotfehafters am Herliner fjof Hihourb bereits in Hr. 55 ge¬ 
bracht. An feiner Stelle geht nadj Hern Tjerr Hainbrc, bisher 
Pireftor ber politifchen Abteilung im IHinifterium bes Aeitßent, 
mährenb fein Kollege Homparb, ber Pireftor berKonfulate unb ber 
ßaubelsangelegenheiten, ben UTarquis ITtoniebeüo erfeßen wirb, 
ferner gebt ber Hotfehafter (Eambon pon TPaffjington nad? 
ZTTabrib, in feine Stellung rücft ber Kopenhagener (Sefaubte 
3uf|cranb ein, unb in bie bänifdie Rauptftabt fommt ber 
bisherige geremonienmeifter <Tro5ier. Pie fjauptfache bei 
biefem gan3en Piplomatcnfchub ift offenbar bie Enthebung bes 
UTarquis be ATontcbello in Petersburg unb bes UTarquis be 
Hoailles in Herlin pon ihren poften. (Es fam ber frait3Öfi* 
fchen Hegierung barauf an, bie beiben Ariftofraten burdj gute 
bürgerliche Hepublifaner 3U erfeßen. 

1*4 

Per XIII. 3 aternaiionale 0 ricntaliftcnfongreß (Abb. 
S. 1 7 20), ber in Hamburg getagt hat, fonute fid? mieber 
über3eugcn, wie fchr man in ber großen fytnfa* unb fjanbels* 
ftabt aud? bie IPiffcnfchaft unb ihre Pcrtrctcr 3U fchätjen weiß. 
Unter anberm mürben ben (Teilnehmern pou ber Hamburg* 
Amerifalinie bie Pampfer „IPtllfommcn" unb „Hlanfenefe" 
5u einer (Elb* unb Seefahrt 3ur Perfügung geftellt. Unfer 
Hilb 3eigf. baß bie (Selehrten in großer galff bie Pergnügungs* 
tour mitgemacht haben. 3 n ber bichten (Sruppe an Horb 
beffuben fid? brei ber Herühmtefteu ihres jaches: ber ^Jran^ofe 
0 ppcrt, ber Peutfdje fjirth unb ber 3 talicner pullä. 

Pie TPiener internationale ^ifcherciausftellung 
(Abb. S. *7*9) ift am 6 . September pou ihrem proteftor, 
bem <Er5her3oot ^fran3 ^erbinanb, feierlich eröffnet morben. 
Pie Anstellung, bie mit bem glcid>5eitig in ber öfterreichifcheu 
fjauptftabt abgehalteneit ^ifchereitag in gufamntenhang ftanb, 
mar ungewöhnlich reich befdbieft. Aus bem 3 nlanb unb Aus* 
lanb, aus Hußlanb unb Humäniett, aus Peutfchlanb unb 
Sfanbinapien, fogar aus ^ranfrcich mären bie (Erjcugniffc bes 


^ifchereigcmerbes unb bie 311 feinem Hetrieb notmenbigen <Se* 
genftänbe h cr & c i9ef<h a t?t morben. Per <£r3her5og unternahm 
nach ber (Eröffnung alsbalb unter Rührung bes präftbenten 
^ran3 pon pirfo einen Hmtbgang burd? bie papillons, ber 
ihn mit großer Hefricbigung erfüllte. 

Pie Unruhen in Agram (Abb. S. 1722 ) h fl tt cn einen 
folgen Umfang angenommen, baß bic Hegierung fidy 3ur Per* 
bängung bes Helagerungs3uffanbes genötigt fah. Seitbem 
herrfcht mieber einigermaßen 0 rbnung. Serben unb Kroaten 
hüten fleh gleichmäßig por neuen Ausfchreitungen, ba fie nun 
miffen, baß jeber €r3cß fitr3erhanb geahnbet mirb. Pon ber 
IPnt, mit ber bie Straßenfämpfe geführt mürben, legen unfere 
Hilber geugnis ab. 

Pie 3 nfel UTartinique (Abb. S. (720 iff/ mährenb 
ftd? bie (Semüter noch nicht über bie letjte Kataftrophe be* 
ruhigt h«ben, pon einem neuen furchtbaren Ausbruch bes 
Ittoitt pelee h e ^ m ^ e f uc h^ morben, unb mieber finb babei mehr 
als (ooo UTenfchenleben Perloren gegangen. Pie 0 rtfchaft 
Utorne Houge, bie fchon bei ber erften €ruption ferner in 
UTitleibenfchaft ge5ogcn mürbe, ift jeßt pöllig 3erftört morben, unb 
in £e (Earbet hat eine ^lutmelle große Perheerungen angcrichtet.: 

Aus aller TPelt (Abb. S. 1722). Pie gan3 ungemöhnlich 
niebrige (Temperatur mährenb ber Sommermonate itt UTittel* 
europa hat 5nr ^olgc gehabt, baß man ftch in ben Hergen in 
ber geit, bie fonft bic h^ißefte ift, beinah TUinterpergnügungen 
hingeben fonnt.e.. Hcinah allerbings nur. Um ^örnerfchlitten* 
fahrten 3U peranftalten, reichte bie (Eisregion nicht meit genug 
herab, aber auf ber Sd?neeFoppe im Hiefengebirge maren bod? 
beifpielsmeife U>ege gehörig perfchneit, bie gemeinhin im 
fommer fehneefrei finb. TPer mirflich Schlittfchuh laufen mollte, 
mußte fdion piel meitergehn, bis meit über ben Aequator, nach 
Sübafrifa, roo ber IPinter herrfcht, menn mir Sommer haben, 
unb umgefehrt. — (Ein pon ßerafleion nach Kephiffia fahrenber 
(Eifenbahtt3ug mürbe jüitgft, mährenb er gerabe eine Steigung 
3U überminben hatte unb fid? beshalb nur langfam pormärts* 
bemegte, pott einem 0rfan erfaßt unb pollftänbig umgelegL 
Pon ben fed^ig paffagieren, meiff Arbeitern unb grauen 
pom £anb, bie in ber Stabt ihre IParen abfetjen mollten, 
mürbe bie f>älfte nur leidjt perleßt. gum (Slücf hatte ber 
Sturm ben gug nach linfs gemorfen, rechts märe ep in einen 
Abgrunb hiaabgcftnr3t. 

perfonalien (Porträts S. t 720 ). 3 a Hraunfels a. b. 
£aljn ftarb nach längerem £eiben ber Pireftor bes Kölner 
Konferpatoriums, profeffor ^ran3 U^üllner, ber Pirigent ber 
erften Aufführungen pon „Hhcingolb" unb „TPalfüre" in 
ITTünchen. IPüllner, ber am 28 . 3 fl nuar t 832 in UTnnfter 
i. TP. geboren mar, gehörte 5U ben beften beutfehen Kapell» 
meiftern nnb ITTufifpäbagogen. — Als Sachperftänbiger bei 
bem Schiebsgericht in ber „Ittceraugenfrage", über bie mir 
(S. 1 7 ^ 7 ) einen befonberen Artifel bringen, mürbe profeffor 
Hecfcr aus gfirich berufen. — Pcm Kommanbeur bes (.^elb* 
artillericregiments 0 berftleutnant IPeiß in (Sumbinnen mürbe 
ber Abfdjicb bemilligt. Per Hücftritt ftefft im gufamntenhang 
mit einer auffallenbett €hrung, bie bem burch fein Puell mit 
bem £eutnant Hlasfomiß befannt geworbenen 0 berleutnant 
^ilbebranbt nach feiner Hegrtabigung pon Kamerabcn bereitet 
mürbe, mopott allerbings ber Kommanbeur nichts mußte. — 
3 n peft ftarb, 63 3 ahre alt, ber berühmte Architeft profeffor 
€merich Steinbl. (Er mar ber Sd?öpfer bes neuen ungarifchen 
parlamentsgcbäubes unb 3ahlreicher anberer monumental* 
bauten. — Seinen ficb3igften (Scburtstag feierte am to. Sep* 
tember ber Pi3epräfibent bes Hcichsbanfbireftoriums, (Seheimer 
0berffnau3rat Pr. (Sallcitfantp. — Per militärattache' ber 
öftcrreichifch*ungarifchen Hotfchaft in Herlin, (Sraf Stuerghf, 
tritt bemttächft pon biefem poften 3urücf. — 3 n f°f9e ber ilit* 
ruhen in Agram foll bic Stellung bes Hanus pon Kroatien, 
(Srafen Khuewfjcberpdry, erfchüttert fein. 


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Hummer 37. Seite J7J5. 




Die Besetzung Rudolf Tirchows am 9. September: 

Per £ctd>cutt>agcn auf bem IPegc rom Hatbaus nach bem ITtattbaifirdjfjof. 

Spfjiayrtufnabmc für bic „ITocfyc". 


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Seite Hummer 37 . 



t. Ptrcfcom. 2. tTIefjifommer. 3. Banfe. tttctbner. 

Berühmte minner ber tOiifen f djaf t cm ber Pfdljlbautenflätte ron Bobenljauf en. 



Bnbolf Dirdjoto in jfingeren 3at}rcn. 



1. Pirdjoa». 2. jrnu f cfyiemann. 3. ,^rl, 3ot?cinna Ptrcijon). 4. Prof. 21. BagmsfY- 
5. prof. <5Iucf. 6. Sotjn oon €rnii fcHtcmann. 

Ptrdjom unb feine ^reunbe. 



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Hummer 37 , 


Seife 1717, 



(Elnsug Des Haifeepaars in (?ofcn: 2lnfprad?e Des ©berbürgermei jlers tPitting. 



Der ©berbärgermeifter oon ^ranffurt a. ©., Dr. Hbolpt}, 
begräbt Den Kaifer auf Dem ZDiltjelmspIafe. 

Kaifer Wilhelm in pofen und f*ranhfurt a, O. 

Spejialaufnatjmen pon Hl. 5 ran J Käbn. 


(Ellen ZHitting 

im Hreife Der (Ebrenjungf rauen. 


L 


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Seite 17*8. 


ttummcr 37 . 



Rainere 



Somporb, bUl >" »»'W« i" P«^but 9 . tnmbon (x). 

ber neue 3otfd?after in Petersburg. 01« neuen diplomatifcben Vertreter 0*anltreich8. gebt oon IPaibington nadj Blabrib. 



In ber unteren Beibe (oon bnfs nadj rechts)- Kriegsminifier Brobricf, jelbmarfd?all Boberts, ©eneral KcHy*KennT. — 3 n ber oberen Heibe: (PbetU 
>clater, Ceutnant OTajoribanfs. Blajor ©raf Böbern, Blajor jrciberr oon 5nlmutb, ©enerallcutnont ^rend?, ©cnerallcutnant £)amiIton, (Dbrrfi IPaters. 

0ie englifdien Manövergärte des Katters in Berlin« 

Spe^ialaufnubme für bie „JPodje". 


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Hummer 37 , 


Seite ^19. 



1. BMfetp X >es Kaifers Sxan$ 3°f e f 0011 3<*dft „tTUramcrr". 2. Der Kaifer In pola Qltelier „5Iora" ptjoL). 3. Die Xaiferjacfft „OTiramar* im §afen 

poh Cufftnpiccolo (Brenner pbot.). 

Die öfterreichffchen Seemanöver auf der Hdria. 



Oie Internationale fifchereiauaftellung in «dien: Rundgang des €rzherzcge fran z ferdinand unter fQbrung des prXftdcnten frans von pirko. 

fjofpijot 21. £)uber. 


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Seite {720, 


JTnmmer 37, 



Prof. Dr. ,^ratt3 IDöIIner f 
Direftor bes Kölner I\onfrrt>atortiims. 


Prof. Berfer, 5&rid). SadjuerflÄnbiger 
beim „tnecrauge"*Sd?icbsgericljt. 




(DbcrjMt. IDeifj. Gumbinnen, 
mürbe brr 21bfd?ieb betmUigt. 


Prof. €. 5teinbl, Bubapefl, f 
brrporragcnber Krdfiteft. 




I. Prof, ©ppert föranfreid?). 2. prof. Ijirtb (manchen) 3. prof. puüä (Bologna). 

Tom i3. internationalen Oricntaliftcnkongress in ftamburg: Die <5lb- und Seefahrt am 7. September. 

pf}ot. fdjaul. 



Gcnerallt. o. €id?bom, G’ogau. Grnrral Sale‘ta, Dr. Gallenfamp, Bijepräf. ber <S5raf 5tuergbf, öflerr.»ungar. 

Konimanbeur ber 9 . Dioifton. italienifcber Generalfhibsd?cf. Brid?sbanr, feierte f. 70. Geburtstag. Militärattache in Berlin. 


Graf Kbuen«f>£brmärf, 
Bonus in Migrant. 


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Hummer 37, 


Seite \72\. 



W 


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Seite {722. 


Kummer 37, 



ÜlilitArpoficn. 




(Eilt bemolierter Cabett. 
Ton den Unruhen in Hgram. 

ptjot. ^erb. Öubitfi. 


JM. Kolbeins VerfUd», den Kanal zu durch fdnvimmen: 

©efprdd? mit ^olbein Dom Segleitfdjiff ans. 
pfjotograptjifcfye ITlomentaufnaljme. 




Der vom Sturm umgeworfene Sifenbahnzug bei Berakleion. 



Die Schneekoppc im Riefcngcbirge am 25. Huguft. 

pl'ot 3ot). J?önfel. 


Sommervergnügen auf dem 6ife in Barkly 6aft 

(5 u b n f r i f a). 


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itummcr 3?. 


Seite {723. 


X)er pelz beim Kürfd>ner. 

(Eine (ßefdjichte in Briefen pou Cubmig 5 ulba. 


profeffor ATa£ IDieganb an DoFtor (ßujtap Strauch. 

Berlin, 20. Hopember. 

lieber (ßufkml £}eute muß ich Dir eine HeuigFeit 
mitteilen, bie Dich jebenfaüs in fyofyem (ßrabe über* 
rafdjen mirb. 3^h höbe mich pon meiner Jrau ge¬ 
trennt. ©ber richtiger, rpir hoben uns poneinanber 
getrennt. IDir jinb in gegenfeitigem (Einpernehmen 
frieblich auseiuaubergegangen. ATeiue 5 rau hot fW? 
3U ihrer 5omilie nach 5reiburg begeben unb mirb per* 
mutlich bort ihren jlänbigen Aufenthalt nehmen. 3°h 
Weibe porerji in ber alten ZDohnung. Dielleicht fuctje 
ich mir 3um 5rühjohr eine neue, fleinere; pielleicht auch 
nicht. Denn ich ftnbe fchmerlid? ein fo ruhiges Arbeits* 
3imnter, u>ie ich es jefet höbe, unb por einem Um3ug 
graut mir, 3umal menn idj an meine große BibüothcF 
beitfe. 

Du miflji natürlich miffen, toas porgefaüen iji. 
(ßar nichts iji porgefaüen, mein IDort barauf. Die 
IDelt freilich roirb nach aüen möglichen unb unmög¬ 
lichen (ßrünben forfdhen, marum 3mei ATenfchen, bie 
fleh ous liebe geheiratet hoben unb elf loug 

eine jogenannte glücfliehe <Eh* führten, ihrem <§u* 
fammenleben ein <Enbe gemacht hoben. 3 o, biefe 
IDelt, bie fleh fo überaus Flug bünFt unb bie in IDahr* 
heit fo überaus befdjränFt iji, u>irb ohne groeifel 
glauben, baß man ihr irgenbetmas perbirgt; jie mirb 
auch biefen 5 aü in eine ber paar groben AubriFen 
einfchochteln, bie fie für jebes (ßefchehnis bereit hot, 
roeil jte nicht ahnt, baß bas leben in feiner unerfdjöpf* 
liehen ATannigfaltigFeit fleh niemals mieberholt, unb baß 
fogar ein unb berjelbe (Thotbefianb unenblidj per* 
fchiebeue phYftognomien annehmen Fann, je nach bem 
dhoraFter ber Beteiligten. Dir, lieber (Sujiap, brauche 
ich &os aües nicht 3U fagen. Du mirji begreifen, baß 
3toei feiner organifirte Seelen fleh nicht länger burch 
ein äußerliches Banb aneinanber Fetten rooüen, nach* 
bem fie fich burch taufenb pergebliche Derfudje über* 
3eugt hoben, baß in aüen großen 5 rogen eine Der* 
ftänbiguug 3tpifchen ihnen unmöglich iji. 

IDir fmb 3 ü entgegengefeßte Staturen, meine 5 rau 
unb ich. gtpifchen ihrer IDeltanfchauung unb ber 
meinigen Flafft ein unüberbrüefbarer Abgrunb. 3 n ben 
erjien 3 a h**n hoffte ich noch, jte leiten, lenFen unb aü* 
mählich mir angleichen 3U Fönnen. Sie fd?ien (0 fchmieg* 
fam unb biegfam, nahm fo marmen Anteil an meinen 
2Xrbeiteij, meinen plänen, ließ fleh ohne IDiberfpruch 
uon mir belehren. <£rjt nach bem (Tobe unferes 3 nngen 
ging eine tpefentliche Deränberung mit ihr por. Die 
(Trauer über biejen Derlujt, ben roir beibe niemals 
gan3 perminben roerben, machte jte reif, machte jte felb* 
ftänbig. (Ein ihr porher pöüig frember ffang 3um 
Sinnen unb (ßrübeln nahm überhanb unb gab ihren 
teils angeborenen, teils aner3ogenen Auffaffungen unb 
gegriffen, bie mein (Einfluß 3urüdgebrängt, aber nicht 
ausgemer3t hotte, hoppelte SähigFeit. 3mmer tiefer 


fpann jte fich in ben Hebel ntYjiifchei; 3 &**n, fentimentafr 
phantajiifcher Dorfteüungen ein; mit (Eigenjtnn, ja mit 
Derbiffenheit perlangte fie für ihren StanbpunFt An* 
erFennung unb (ßleidjberechtigung; mit leibenfehaft 
lehnte jie meine naturtoiffenfchoftlichen (Einmänbe ab. 
Sie perlor jebes 3ntereffe an meiner beruflichen Chätig* 
Feit; jie fah in meinen Arbeiten mit uitausgefprochenent, 
aber fühlbarem IDibermiüen (Truppen aus bem feinb¬ 
lichen lager. 

€s gab 3ulefet im meiteit Kreife ber Hatur unb 
bes ATenfd^enlebens Faum noch irgenbettoas, morüber 
mir bie gleiche ATeinung hotten, gtpar Fam es nie¬ 
mals 5U einem eigentlichen §anF; aber je mehr tpir uns 
gegenfeitig 3U ffchoiten fuchtelt, bejio tiefer griffen bie 
DerjHmntungen. IDir empfanben immer beutlicher, baß 
mir nur nodj nebeneinanber begingen, ohne 3U ein* 
anber 3U gehören. Diefe (Empftnbung mudjs in uns 
heran; jie beunruhigte, fte quälte uns; jie brängte 
fchließlich oüe anbern (Befühle in ben ffintergrunb. 
hätten mir uns pormals meniger geliebt, hätten mir 
uns jeßt meniger geachtet, jo märe uns ein joldjer Su- 
jlanb pielleicht noch jahrelang erträglich erfd]ienen. 
Aber mir befaßen beibe eine 3U hohe Auffaffung pon 
ber (Ehe, ein 3U lebhaftes Bemußtjein pon unferer 
ATenfchenmürbe, als baß mir uns mit einer bjalb* 
heit, mit einer Ui^ulänglichFeit auf biefem heiligen <Se* 
biet hatten abfmben Fönnen. Unb fo ergab {ich enblid? 
por etma acht (Tagen bie entfeheibenbe Ausfprache mit 
jener SelbftperftänblichFeit, mit ber eine überreife 5 rud]t 
pom Baum fäüt. IDer pon uns beiben bas erfte IDort 
gefunben, fie ober ich, läßt {ich Faum fejljieüen. (Eine 
gemeinfame Uebec3eugung fchten in bem gleichen Augen* 
blicF fich aus3ulöfen, fich 3U befreien. Unb baß mir in 
biefer Stunbe nach langen 3 a h r * n 3 um erjienmal 
eine michtige Angelegenheit in pöüiger Harmonie be* 
fprechen Fonnten, bas gab bem herben (Thema etmas 
Det {ähnliches unb IDohlthueubes, gab uns bie heitere 
Buhe, bie mir fo lange fchmer3lich permißt hotten. 

Unfere (Trennung hot fid? beim auch gejtern in ben 
benFbar pornehmjien 5 ormen poÜ3ogen. Kein IDort 
ber AnFlage; Fein ATißton. IDir fühlten beibe bie Hot* 
menbigFeit, aber auch bie (Tragmeite unferes (Entfchluffes. 
3 n ber (Erinnerung an unfere Braul3eit, au bas große 
StücF £eben, bas mir gemeinfam 3urücfgelegt hotten, 
Formten mir nur mit Blühe einer Anmanbluug pon 
SättüchFeit miberjieh^n. Unb ich beFenne Dir, nie hot 
mir meine $rau mehr HefpeFt eingeflößt, als in biefem 
AToment, mo aües Kleinliche pou ihr abgefaüen fchien 
unb bie urfprünglid?e (Sroß3ÜgigFeit ihrer Hatur aufs 
reinjie h^portrat. Durdj ihre Tjaltung, burch &os, mos 
fie fprach unb was jte perfchmieg, mürbe bie gart3e 
Scene ber AütäglichFeit entrüeft unb in eine feierliche, 
meiheooüe Sphäre gehoben. 3 « tiefjler (Ergriffenheit, 
unfere Chränen gemaltfam 3urücfbämmenb, reichten mir 
uns bie £}änbe 3unt Abfchieb. Unb fo merben mir 


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Seite l? 2 *k. 


stummer 37. 


menigftetts auf ben Schluß unferer ©he jiets mit unein- 
gefd?ränfter Befriebigung 3urücfblicfen bürfen. 

Uücs ©efchäftlidje höbe ich Dorier mit ihrer gu- 
jtimmung burch ben Hechtsanmalt orbrten laffett. Senn 
auch ein fdjriftücher Verfehr foll nicht mehr 3mifchen 
uns ftattfinben. ©r mürbe nur alte IVunben aufreißen 
unb neue ©egenfäße ans £id?t bringen; er mürbe bie 
Cfyatfraft, bie uns für bie (Errichtung unferer fünftigen 
gefonberten ©£iften3 unentbehrlich ijt, lähmen. 

Sas £eben muß nun noch einmal pon porn be¬ 
ginnen — für fie unb für mich. Sa3U gehört neben 
ber äußeren Befreiung pon ber Vergangenheit auch bie 
innerliche. 

Schon jeßt ahne ich leichter. Ser Hubifon ijt 
überfdritten. 3 ch glaube, Su barfft mich ba3U beglücf* 
münfehen. 

^ * * 

profeffor HTay IVieganb an Softor ©uftap Strauch. 

Berlin, \ 2 . Se3ember. 

£ieber ©uftapl Ver3eih, baß ich für Seine unt- 
gehenbe, pon fo feinem Verjtänbnis unb fo fremtbfdjaft- 
iicher Teilnahme 3eugenbe Untmort auf meinen leßten 
Brief Sir erjt heute meinen Sanf fage. 3 ch Ȋre 
nicht früher intjicmbe gemefen, Sir 3U fchreiben — unb 
auch jeßt noch fällt es mir fdjmer. Su fpenbejt mir 
Seinen wteingefchränften Beifall 3U einem Schritt, bem 
Su für mein JVohlbefinben unb meine meitere ©nt- 
micflung ben größten tVert beilegjt. Uber Su 3iehjt 
babei nicht in Betrad}t, mas es heißt, jich pon einem 
IVefen 3U trennen, bas man elf 3 <*h*e lang (Eag 
unb Hacht 3ur Seite gehabt höt. ZHir felbft ift 
bas in biefen unerfreulichen tVodjen erft allmählich 
3um Pollen Bemußtfein gefommen. Sie ©emohnheit ijt 
eine ungeheure ZTTacht, befonbers bei ZHetifchen, bie — 
mie Su unb ich — in einer geiftigen ZDelt leben unb 
ba3U eines foliben Unterhaus bebürfen. Senn mie 
follen mir pon ben ginnen bes Curms Umfchau 
halten, menn bie 5unbamente nicht ein für allemal ge¬ 
fiebert finb? natürlich höben folche ©efichtspunfte 
feinen Gelang neben ben fchmermiegenben ©rünben, bie 
meine 5rau unb mich befHinmt höben, auseinanber- 
3ugehen. 3ch bin auch felbftoerjtänblich nach mie por 
ber feften Ueber3eugung, baß unfer ©ntfdjluß in unferm 
beiberfeitigen 3 n tereffe geboten mar. Uber in biefent 
munberlichen Safein geht feine Rechnung ohne Heft auf. 

©in Uebergangsjtabium höt ja fchon an unb für 
ftch etmas Unerquicfliches, Vermirrenbes; in meinem 
5 all aber mirb es 3ur ausgefuchten Quälerei. 3 ch muß 
mich pon früh bis fpät um Quisqutlien fümmern, au 
bie ich feit meinen 3uuggefellentagen nicht mehr ge¬ 
bacht höbe. Singe, bie ich Sir 9ör nicht nennen mill 
— fo lächerlich unbebeutenb jtnb fie — unb hoch rauben 
jte mir in unperhältnismäßigeni ©rabe Stimmung, geit 
unb Huhe. 3 ch müßte auch nicht, mefche 0 rganifation 
ich treffen fönnte, um bie taufenb Bagatellen, bie meine 
Jrau mir fonjt abgenommen hötte, mir porn £eibe 3U 
halten. Siefe SienftbotenI 3 eßt, mo bie Kaße aus 
bem Ejaufe ijt, glauben fie ftch ölles erlauben 3U bürfen. 
Unb pon ben albernen£}inberniffen,über bie ich noch außer- 


bem fortmährenb ftolpere, pon ben armfeligen Utnjiänb- 
lichfeiten, bie auf Schritt unb (Eritt 3U bemältigen finb, 
machft Su Sir feinen Begriff, ©in Beifpiel für piele. 
feit ein paar (Eagen höben mir ftarfen 5 rojt. 3 ch fudje 
meinen pel3 unb fann ihn nicht ftnben. ZtTit ^ilfe bes 
Stubenmäbdiens brehe ich öas gan3e Ejaus um, bis ihr 
fchließlid? einfäHt, baß meittb 5rau im Frühjahr ben 
pel3 bem Kürfchner 3ur Uufbemahnutg gegeben höt. 
Uber metchem Kürfchner? Sas ijt nicht h*röus- 
3ubefommen. Bei einem Sußenb bin ich fchon pergeb- 
lieh gemefen. 

tVemt ich nur mit meiner 5 rau nicht perabrebet 
hätte, baß mir uns nicht fchreiben moHenl 3ch fönnte bei 
ihr bann einfach anfragen. Unb hoch, es ijt beffer fo. 
Ser Badjflang unferes Ubfchiebs foll pon banalen Bei- 
mifchungen frei bleiben. Uuf ein Srama großen Stils 
foll feine poffe folgen. Vielleicht mürbe jte fogar 
glauben, baß ich bereue; baß ich fie meniger leicht ent¬ 
behren fann als fie mich; baß ich Öen erjten beften 
Vormaub auflefe, um mieber mit ihr an3ufui\pferu 
Himmermehr I 

Ejeute höben mir fed?s ©rab unter HuH. 

* * * 

profeffor HTaf IVieganb an 5 rau ©mma IVieganb. 

Berlin, Se3ember. 

£iebe ©mmal Su mirjt fehr erjtaunt fein, troß unferer 
gegenteiligen Ubmachung einen Brief pon mir 3U er¬ 
halten. 5ürd?te nicht, baß ich bamit eine Korrefponben3 
3mifchen uns eröffnen miH. Unfere inneren Bejahungen 
finb auf bie mürbepotlfte Urt abgefchloffen morben, 
unb mir moHen an biefer perftegelten Pforte nicht mehr 
rütteln, ©s hönbelt fid? nur um eine gan3 geringfügige 
frage, bie Su allein mir beantmorten fannft. ZVie heißt 
ber Kürfchner, bem Su meinen pel3 im frühjaljr 3ur 
Uufbemahrung gegeben höjt? £ina fann ftch öer Ubreffe 
nicht entfinnen. 3 u ©rmartung Seines balbigen freunb* 
liehen Befchetbs banfe ich Sir im poraus bejtens. 

HTa^. 

* * • 

fraü ©mma IVieganb an profeffor ZlTa£ IVieganb. 

5reiburg, J 5 . Se3ember. 

£ieber HTafl Ser Kürfchner heißt palafchfe unb 
mohnt in ber gimmerflraße. £inas Vergeßlichfeit ijt 
mir unbegreiflich- Sie felbft höt ben pel5 bamals hin¬ 
getragen. ©mma. 

^ * • 

profeffor ZTTaj IVieganb an frau ©ntina IVieganb. 

Berlin, {?. Se3ember. 

£iebe ©mmal Hoch einmal — 3um leßtenmal — 
muß ich. Sich behelligen. Ejerr palafchfe erflärt, baß er 
ben pel3 nur gegen Bücfgabe bes Uufbemahrungsfd?etns 
ausliefern fann. Hach perfchiebenen unangenehmen Vor¬ 
fällen ber leßteit geit höbe er ftch öiefe Bigorofität 3um 
prin3ip gemacht. Uber mo ijt ber Schein? 3 ch höbe 
heute ben gan3en Vormittag umfonjt batiach gefudjt. 
£iita hötte natürlich auch hien>on feine Uhnung. Uls 
ich ihr öas im fanftejten Ion pormarf, mürbe jte un- 


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Hummer 37. 


Sette 1725. 


©erfchämt. Sie ©erlägt morgen bas I$aus. 34 3iehe 
es ©or, ihr bis 3um Termin Eohn unb Kofigelb, ©er- 
mehrt burch eine aitgemeffene IDeihnachtsgratifiFation, 
aus3U3a^len; benn ich miß mit biefer untauglichen unb 
impertinenten perfon nicht mehr unter einem Dach 
häufen. 

Alfo — fei fo gut, mir mit ein paar IDorten mit- 
3uteilen, wo ftd? ber Schein beftnbet. 3 ch höbe mir in 
(Ermanglung bes pel3es fchon eine tüchtige (Erfüllung 
3uge3ogen. hoffentlich bifi Du wohlauf unb haji bet 
Deiner Familie aßes nach IDunfch getroffen. 

^ * * 

5 rau Emma IDieganb an profeffor 2 Tla£ IDieganb. 

5reiburg, J9» Desember. 

Eieber ZTTcq: I Der Schein ifi entweber in ber Fleinen 
Kommobe im (Eoiletten3immer, 3t©eite ober britte Schub¬ 
labe ©on oben, ober in meinem Sdjreibtifch, rechts ober 
liitfs. 3ch mürbe ihn gleich ftnben, wenn ich bort 
märe. 

Eina hat groge 5 ehler; aber fte gehört hoch noch 3U 
ben Anftänbigften. 34 3weifle, bag etmas Befferes 
nachfommt. Unb jegt, ©or IDeihnachten, befommft Du 
überhaupt feine. Du hättejt menigftens noch ein paar 
IDochen lang (ßebulb mit ihr höben foßen. Aber bas 
geht mich ja jegt nid?ts mehr au. 

hoffentlich ifi Deine (Erfältung fchon ©orbei. 34 
befinbe mich fehr wohl. Emma. 

* * * 

profeffor HTa£ IDieganb an Srau Emma IDieganb. 

Berlin, 2 \. De3ember. 

Eiebe Emma! Der Schm ijt nicht 3U finben — 
meber in ber Kommobe noch im Schreibtifd]. Dielleicht 
ift er, mähreitb Du einpacfteft, h cra usgefchleubert unb 
achtlos beifeite gemorfen morben. Anbers fann ich 
mir bie Sache nicht erflären. 

34 merbe morgen ober übermorgen noch einmal 
3U herm palafchfe hingehen unb ihm gegen guftcherung 
afler möglichen Kautelen mein Eigentum ab3ufd?meicheln 
fuchen. freute nämlich mug ich bas Zimmer hüten. 
Denn 3U meiner Erfältung hot ftch noch eine fiarfe 
Heroenirritation hi”3ögefeßt. 

3 d? hotte geflern einen abfdjeulichen Auftritt mit ber 
Köchin. 

Durch einen gufaß bin ich bahinter gefommen, bag 
fte mi di ©om Cag Deiner Abreife an fchamlos über- 
©orteilt hot. Als ich ihr bies in fdjonenber IDeife 
©orhielt, brehte fte ben Spieg um, erflärte mir mit un- 
gebilbeten unb brutalen Ausbrücfen, bag ich »on ber 
IDirtfchaft nicht bas Hlinbejte ©erftänbe, bag fie nur 
aus Sympathie für Dich, liebe Emttta, ftch bisher mit 
einem ©iel 3U Fargen Eohn begnügt höbe, unb bag fte 
auf ber Steße bas f}aus ©erlaffe. 34 erwiberte ruhig, 
afrer energifch, fie fei ©erpflichtet, bis 3um &\ei in ihrer 
Steßung 3U oerhorren. Sie ftng barauf an 3U fchreien 
unb 3U geftifulieren unb hotte fchlieglid? bie bobenlofe 
Frechheit, 5 U behaupten, Du hätteft es ja auch nicht bei 
mir ausgehalten. 34 verlor bie Raffung; ich tourbe 


toütenb unb mug t©ohl „orbinäres 5rauen3immer lf 3U 
ihr gefagt hoben — was ich nachträglich gor nicht be¬ 
greifen Fann. 34 bin eben leiber noch nicht gewöhnt, 
„mit fy^en umjugehen". 

Als ich 3wei Stunben fpäter nach bem Abenbeffen 
Flingelte, entbeefte ich, bag fte mit Sacf unb pad bereits 
auf unb baoongegangen toar. 3 n ber Küche hotte fte 
mir ein ©on Orthographien fehlem tointmelnbes 
Bißet-bouf h^nterlaffen, worin fte mir brohte, faßs ich 
ihr bie geringften Schroierigfeiteit in ben IDeg legte 
unb ihr nicf?t ein gutes Serums ausfertigte, wie fie es 
©erbiente, mich wegen bes „orbinären 5rauen3immers l< 
3U oerflagen. 

Hun bin ich ohne jebe Bebienmtg. Die portierfrau 
wichfi mir gegen teures (Selb bie Stiefel unb bringt 
mir aus ber Befiauration ein poli3eiwibrig fchlechtes 
Effen herauf. Dor IDeihnachten, ja, ©or Heujahr ifi, 
wie Du gaii3 richtig bemerfji, nicht barart 3U benfen, 
bag ich einen halbwegs brauchbaren Erjag finbe. 34 
habe benno 4 "bereits an ein Dugcnb Dermittlungs- 
Bureauj gef 4 rieben unb werbe felbjt hingehen, fobalb 
mein «gujlanb es erlaubt. 

Das ift nun ein langer Brief geworben, liebe Emma. 
IDeffen bas ©oß ift, baoon läuft bie 5 eber über. 

Uebrigens höbe ich biefes infame Kochweib aud? im 
Derbacht, bag fie meine golbenen BTanfchettenFnöpfe — 
bas ErbftücF ©on ®nFel 5 riebrid? — beifeite gebradjt 
hat. 34 Fann es ihr aber natürlich ni 4 t beweifen. 
®ber hoft Du eine Ahnung, wo fte fteefen Fönnteu? 
3n biefem Jaß wäre ich Dir für einen 5inger3eig fehr 
©erbunben. 

Eeb wohl, liebe Emma, unb lag es Dir beffer er¬ 
gehen, als es mir ergeht. Dein BTa£. 

* * * 

5 rau Emma IDieganb an profeffor BTa£ IDieganb. 

5 reiburg, 23 . Dejember. 

Eieber BTa^I Die Schilberung ber Keinen BTig- 
heßigFeiten, ©on benen Du h*intgefu 4 t bijt, höbe id? 
mit aufrichtiger Ceilnahnte gelefen. Die Köchin' hot 
mir oft nod? gon3 anbere Dinge gefagt wie Dir, unb 
ich hob’s ftifl hinuntergefchlucft, weil fte gut Föchte. 
b)öfü 4 flnb nur bie HichtsFönnerinnen. Der <ßrab ber 
Eeiftungen lägt ftch bei biefer (ßilbe nach bem < 5 r abe 
ber Un©erfd)ämtheit 3iemlich ft4er berechnen. 

Hun jtehft Du wenigftens, mit was für Dingen id] 
jahraus, jahrein mich h* rum f4lagett mugte, unb 
über3eugft Dich, bag es au 4 auf biefem < 5 ebiet Probleme 
giebt, bie man mit aßer Haturwiffenfchaft ni 4 t löfen 
Fann. 

34 bin ni 4 t imjtanbe, Dir aus ber Entfernung in 
biefen Angelegenheiten 3U raten. 34 würbe mi4 auch, 
nachbem unfere inneren Be3iehungen — wie Du in 
Deinem erften Brief fo treffenb fagtejt — auf bie 
würbeooßjte Art abgefd?loffen worben finb, nicht mehr 
für ba3u berechtigt holten. 

IDas ben Sd:ein bes Kürfdineys unb bie BTaufd?ettcn- 
Fnöpfe betrifft, fo m 54 te i 4 wetten, bag ich innerhalb 
fünf BTinuten ben einen wie bie anbern finben würbe. 
Du erinnerft bi 4 toohl, wie oft Du ohne Befultat nad? 


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Seite 1726 


stummer 37 . 


Singen horumfpürteff. bie icfj bann auf ben erffen (ßriff 
3um Vorfchein brachte. Sie RTänner pnben 3t©ar ab 
unb 3U eine neue IVahrhoit, aber niemals einen alten 
Knopf. 

Sa mir nun hoch einmal in Korrefponben3 getreten 
pnb — auf Seine Veranlagung — fo mödge auch ich 
Sir eine fleine Sitte ausfpred?en. 3 ch höbe ©ergeffen 
Sieb ©or meiner Ubreife um bie Briefe 3U erfud]en, bie 
Su mir in unferer Braut5eit fchriebff unb auf meinen 
IVunfch in Seiner eifernen Kaffe aufbemahrteff. Sie 
ffnb ja mein Eigentum, unb ich möchte fte als (Er* 
iunerung an eine gliicfliche Seit gern in meinem Beffg 
haben. Su big mohl fo freunblidj, fte mir 3U fdjicfen. 

3 ch münfehe Sir fröhliche XVeihnadgen. 

€mma, 

♦ * * 

profeffor RTajr IVieganb an 5 rau (Emma IVieganb. 

Berlin, 25 . Se3ember. 

R 7 eine liebe (Emma! Sein IVunfch fröhliche IVeih* 
nagten betreffenb, iff nicht in Erfüllung gegangen. 
(Einen hotligen Ubenb ©on fofcher (Eroffloffgfeit fyabe 
ich in meinem ga^en Ceben noch nicht ©erbracht. 

Sag es mir miberffrebte, ben (Einlabungen unferer 
5reunbe 3U folgen unb frembes 5amilienglücf als gaun* 
gaff mit an3ufehen, mirff Su mir nachfühlen. 3 ch blieb 
alfo 3U Ejaufe, menn ich oon einem guhaufe überhaupt 
noch reben fann. 3 ch mar in ber IVohnung mutter* 
feelenaHein. (Erog meiner ©er3meif eiten Bemühungen 
©or bem er gen 3 anuar feine Sienff boten auf3utreiben! 
<Segern nicht einmal eine Uustglfe. Sie portiersfrau 
fegte mir bereits am frühen Radpnittag mein faltes 
Ubenbbrot auf ben (Eifch, ba pe ftch fpäter, infolge ber 
Sefdjerung für ihre Spröglinge, nicht mehr um mich 
fümmern fonnte. (Eine ffaefernbe Petroleumlampe ©er- 
trat bie Stelle bes XVeihnadjtsbaums, ben Su fong 
alljährlich fo re^eitb unb gefchmacfootl 3U fd^müefen 
pflegteg. Uuch fehlten alle bie hübfehen Ueberrafdjungen, 
mit benen Su meine IVünfche errieteff, noch beoor ich 
felbg ge erraten hotte. Uuf bem tVeihnadgstifch lag 
nichts anberes als mein alter pel3, ben E}err palafdjfe, 
burd] meine fortgefegten Sitten unb Vorffeßungen ober 
and] burch bie 5egtagsgimmung ermeidp, mir am Vor¬ 
mittag I^attc 3ugeden laffen. 

(Es herrfchte eine Ejuubefälte im Signier; benn bas 
5euer mar ausgegangen, unb es mieber an3uftecfen, 
erroies geh meine Sadjfenntnis als ©ödig un3ureid?enb. 
3ch 30g alfo ben pel3 an, fegte mich an bie ffaefernbe 
Campe unb las meine Bräutigamsbriefe, *bie ich ihrer 
elfjährigen Ruhoffott entnommen hatte, um ge Sir heute 
3U iiberfenben 

Ciebe (Emma! Sen Cinbrucf, ben biefe leftüre mir 
gemadg hat, fann ich Sir nicht fchilbern. 3 ch meinte 
t©ie ein Kinb. Ridtf nur über bas traurige <£nbe eines 
fo ©erheigungsooüen Sunbes, fonbern auch über bie 
Veränberung, bie mit mir felbg ©orgegangen ig. <£s 
geht ja oiel Unreifes barin; ©ieles, r©as meinen 
heutigen Uupdtfen nicht mehr entfpricht; aber r©as für 
ein frifdier, freier, toarmbliUiger (Sefell bin ich bamals 
gemefenl IVie h a bo ich Sich geliebt l IVie glücflich 


mar id?! Unb mie nai© unb ungeteilt gab ich mich 
bem < 5 lücf hinl 3 a ^arin lag mohl alles. 3” biefer 
Vorausfegungsloffgfeit; in biefem jugenblid?en lebeus- 
©ertrauen; in biefer (Semütsfraft, bie oon ihrem Reich¬ 
tum überquoll mie ber IVeinffocf im Frühling. 3 ch 
glaubte bisher, nur Su hätteft Sich langfam ©ermanbelt; 
erg jegt erfemte ich, bag auch ich nicht ber gleich* ge¬ 
blieben bin. Unb meig (Sott, menn id? ben UTay ©on 
bamals mit bem heutigen ©ergleiche, bann fchmanfe 
id? feinen Uugeublicf, meld?em ©on beiben id? ben Vor- 
3ug geben foll. 

3n ber fd?laflofen Sacht, bie hinter mir liegt, habe 
ich nach RTöglid?feit ©erfud?t, mich in jenen eingigen 
ZTTa£ mieber 3urücf3u©erfegen, unb ba gnb mir hoch 
fd?mere Sebenfen aufaegiegen, ob bie (Segenfäge unferer 
Unfd?auungen, ja, auch unferer (Empgnbungen fo michtig 
maren, mie ge uns erfdgenen; ob es nicht barüber 
hinaus noch etmas Seutrales, emig UTenfchüches giebt, 
mas uns gemeinfant mar unb emig getneinfam hätte 
bleiben foHen. 

prüfe Sich, liebe €mma, ob in Seiner Seele nicht 
eine ähnliche Stimme fpridtf. IVas gefchehen ig, fann 
ja nicht mehr rücfgängig gemacht merben. Uber nichts 
mürbe mir in meiner jegigen qualooHen Situation 
grögere £inberung ©erfd?affen, als menn Su biefe Jrage 
bejahen fönnteg. Senn Sein Sd?eiben h<*t eine £ücfe 
in meinem I?aus unb in meinem leben jurücfgelaffen, 
bie ich nie, nie mehr merbe ausfütten Fönnen. 

Sein tief unglücflidjer RTay. 

* * * 

5 rau (Emma IVieganb an profeffor RTa£ IVieganb. 

5 reiburg, 27 . Se3ember. 

lieber UTa^l So lange Su mich nad? Sd^einen unb 
Knöpfen fragreff, habe ich ®ir gern Rebe geffanben. 
Sie fragen, bie S11 in Seinem legten Brief aufmirfg, 
3U beantmorten, mug ich bagegen ablehnen, ©ber 
glaubff Su mirflich, bu alter pebant, ich hätte Sein 
J^aus, bas auch bas meinige mar, nur beshalb ©er¬ 
laffen, meil unfere Knfd^auungen unb unfere €mpgnbun- 
gen nicht 3ufammen ftimmten? Sann täufchff Su Sich 
gemaltig. 3 ^ bin ©on Sir gegangen, meil es mir 
immer beutlicher gemorben ig, bag Su mich nicht mehr 
liebg. 3 <*/ ich n>ar Sir 3ur £ag gemorben; Su moHteff 
mich los fein; bas ging aus allem h*r©or. £}ätteff Su 
in jener mürbeooflen Kbfchiebsfcene ein einiges h^r3- 
liches IVort gefunben, ich märe ©ielleicht nod? geblieben. 
Uber Su ritteg, mie immer, bas hoho Rog ber IVelt- 
anfdjauung, ©on bem Su nun fo fläglid? herunter- 
gepur3elt big, meil Su feine Sebienung mehr h<*ff. ^tndj 
ich höbe Sir ja treu gebient, ohne bag Su ein Uuge 
bafür befageg. 3 ch h fl bo bas 5 euer in Seinem Ejaus 
niemals ausgehen laffen; nicht ich mar fdjulb, menn es 
nid]t mehr marin barin merben mollte. 

IVer meig, ob Su je bie Cikfe bemerft hätteff, bie 
mein Scheiben surüeflieg, menn nicht sufäüig auch Sein 
pel3 Sir gefehlt hätte. Sag Su ihn ©ermigteg, gab 
Sir bie Veranlagung, eine Korrefponben3 3mifchen uns 
5U eröffnen; es fd;eint mir nur folgerichtig, bag mir 
ge fchliogcn, nachbem Su ihn glücflich miebererlangt 


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Hummer 37. 


Sette 1727. 


tjaft. 3 <*l menigftens ftabe Dir nichts mehr 3U fagen. 

Heb mohl — für immer. (Emma. 

* * 

* 

profeffor ZTTaj EDieganb an Doftor ©ujtao Strauch. 

Berlin, 8. 3 onuar. 

Cieber ©uftao! Abermals tjabe ich Dir eine über« 
rafdjenbe HeuigPeit 3U berichten. HTeine 5 rau ift geftern 
3U mir jurücfgePebrt. Unb 3toar auf meine mieberholten 
tnfiänbigen Bitten. 3 ^h batte geglaubt, nicht mehr mit 
ihr leben 311 fömten; ohne jte fonnte idi es erft red?t 
nicht. Hun er ft habe ich oon ihr erfahren, baß fte 
mährenb ber Seit mtferer (Trennung (ehr unglücflich 


gemefen ijt. Tiber fte hätte mir bas niemals 3ugejtanben; 
benn fie ijt bie Stärfere oon uns beiben. 3 ch n?eiß 
nicht, mie ich mir bas IDunber erPlären foß: mir lieben 
uns inniger benn je. IDir feiern neue ilittermochen. 
Die großen 5 ragen bes Cebens haben uns auseinanber- 
getrieben; aber jtnb es mirflich nur bie fleinen, bie 
uns mieber 3ufammengefiihrt haben? ©ber hätte)! Du 
es für möglich gehalten, baß man in ben (Eafdjen 
eines alten pel3es plößlidj («in halb oertroefnetes Ejerj 
mieberfinbet? 

Das (ßebäube meiner IDeltanfchauung manft in feinen 
©ruitbfejlen, lieber ©uflao. 3ch merbe umlernen müffen. 


*7v r 






$ortfefcimg. 


©tvendolm. 

Hontan oon 

ftuguft Diemann. 


5 . 


err (Ehomajtus, ber (d?öne Heffortdjef ©om 
(Eaffetlager, (ah aus, mie ein nachgemadjter 
(ßefanbtfchaftsattach^. ©menbolin hatte ihm 
niemals ihre TlufmerPfamPeit gefchenPt, fte 
Pannte faum feinen Hamen. <Er bebiente fte felbjt, 
unb es fiel ihr unangenehm auf, baß er fein 
<£nbe ftnben fonnte mit feinen fabelt Heben unb ben 
Kauf in bie Cänge 30g. Tluch im preis, ben ©menbolin 
genau fanitte, irrte er jtch, inbem er einen ©iel ge* 
ringeren nannte. Tlls fte bann abenbs an ber Kaffe 
ihren Kauf in ©mpfang nehmen moßte, um ihn 3U be* 
3ahlcn, mar bereits besahlt. ©menbolin Bpelt &as für 
ein Hlißoerjtänbnis unb mar nur ärgerlich über bie 
Der3Ögerttng, bie für fte baraus entftanb. Da bie 
Klarlegung ber Tlngelegentjeit fleh 3u lange hi”3<>g, 
moßte fte eben gehen, um bie TlufPlärung auf morgen 
ju oerfchieben, als jte hinter (ich, ©01t hämifchem Sachen 
begleitet, eine Bemerfmtg Fräulein plauts auffing, bie 
ihr bas Blut in ben Tibern erjtarren ntadtfe. €h« ft« 
noch felbft Plar mar, mas fte eigentlich thun foßte, trat 
ber fchöne HTann uom (Eaffetlager auf fte 3U unb erbot 
ftd?, ihr auf bem Ejeimmeg bas bumme ZTCißoerjtänbnis 
auf3uflären. ©menbolin mußte jtch mohl ober übel 
öareiu fügen, baß Ejerr (Ehonmfius mit ihr gleichseitig 
ben Sabett uerließ. Sie mar beftrebt, fort3ufommen, 
benn mohin fie auch hlicfte, begegnete fte Sädjeln unb 
2lchfel3ucfen. Der ©ruitb mar ihr noch immer nicht 
uoßfommen flar. 

„EDarunt moßen Sie nicht begreifen/ begann Ejerr 
{Ehomajtus mit ungläubiger Unuerfchämtheit feine 
Unterhaltung, „©eftatten Sie, baß ich 3 hnen meinen 
2Xrtn anbiete. IDir fönnten bie Sache übrigens am 
bequemjten erlebigen, wem Sie mir bas Vergnügen 
machen moflten, in irgenbeinem oon 3h n «n, meine 
<£>näbige, 3U beßimmenben Heftaurant gemeinfam —" 
©menbolin blieb flehen. Starr unb fpradjlos h a ^ e 
fte anfangs biefen €rguß bes fdjönen. HTannes über 


ftd? ergehen laffen. Sie mürbigte ihn auch jefet feiner 
Tlntmort, fonbern fah ihn nur oerächtlich oon oben bis 
unten an unb ging gerabesmegs auf ben Drofchfen« 
halteplaß 3U, ber 3um ©lücf gerabe gegenüber mar, 
unb fuhr bauon. 

Ejerr (Eh oma ftus fah ihr fludjenb nach, bie Hoße 
mit bem Seibenfloff in ber I}anb. 

©menbolin mußte nicht, ob fie lachen ober meinen 
foßte. Scham, <£fel unb ©ntrüflung fdjüttelten fte. 
Dogelfrei, ja bas fdjeint man als arbeitenbe 5rau 3U 
feinl Tiber bie Schlingen maren 3U plump gelegtl 
Unb hoch, mie manche mag ins ©arn gehen, mübe, 
abgeheßt oon ben Quälereien einer langmeiligen Tlrbett, 
hungrig nach ein menig ©enuß. 3<*, fäflt mohl 
eine hinein auf bie roten Beeren, auf bie füße £ocf- 
fpeife im ©am bes Dogeljleflersl — — — 

©rete h a tte bie Sache auf bie leichte Schulter ge« 
nomnten. „HTache bir bodj nichts baraus, jleß ihn 
morgen 3ur Hebe, mach ihm Öen Stanbpunft flar unb 
oerbitt bir feine Subringlichfeiten, bann läßt er bid? 
fdjon in Buh — fannfl’s mir glauben, ich fentte ben 
Hummel gan3 genau! Tiber fag ihm nichts oor beugen, 
fei flug unb ruiniere bir beine Steßung nicht. Schaffe 
bir feine 5eiitbe." 

©menbolin feuf3te. Ueberhaupt noch ein H>ort 
an biefen HTenfchen oerfdjtoenben? ©ar noch biplo* 
matifch fein? Hein, bas brachte fte nicht fertig, lieber 
moßte fie es mit ooßfommenem Stißfdjmeigen oerfuchen, 
bas mußte er bodj auch ©erflehen. 

Tiber Ejerr (Ehomaftus oerftanb es nicht, er fdjicfte 
ben Seibenftoff mit ber poft unb einen unoerfdjämten 
Brief ba3U. Was nußte es, baß beibes 3urücfging? 
Hun prangten täglich Blumen in ihrem Tlrbeits3immer* 
Da 30g ©menbolin ^erm ©raul in ihr Dertrauen. 
©lücffelig lächelitb hörte er 3U unb trö(lete fte mit guten 
IDorten. 3 er bot ihr fogar feine Begleitung abenbs 
an, bie ©menbolin jebod? ablehnte. Tiber menn fte 



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Sette {728» 


Kummer 37 . 


morgens ju 5uß nach ihrem (ßefchäft ging, bann er* 
eignete es ftdj 3umeilen, baß Ifrrr (ßraul, aus irgenb« 
einer Seitenßraße kommenb, ßch ihr anfdßoß, ober baß 
er abenbs oor irgenbeinem Schaufenßer ßanb unb ßch 
mie oon ungefähr 3U ihr gefeilte. Unfänglich fiel bies 
(ßmenbolin nicht meiter auf, aber eines Ubenbs be- 
merfte fte mit ßillem Cntfeßen in feinen kleinen blauen 
klugen ein feltfames 5euer, unb eh* fte ßch über biefe 
Cntbecfung recht Har gemorben mar, ba brach öas 
Unheil auch fchon los. £jerr (ßraul geßanb (ßmenbolin 
feine Siebe unb machte ihr einen regelrechten ffeirats- 
antrag. 3fyr mar nie fo unbehaglich gemefen mie in 
biefem Uugenblick. tDie eine Beleibigung erfchienen 
ihr bie gutgemeinten tDorte. Uber ße nahm ßch 3U- 
fammen unb banfte ihm fur3 unb freunblich. ^err 
(ßraul mar gan3 niebergefchmettert. 

Uts fte am anbern UTorgen gebanfenooH in ihrem 
Keinen Urbeitsraunt faß, fam plößlich unter einem 
nichtigen Dormanb t^err Chomaßus herein. Derßänb- 
nisooH lächelnb ßellte er eine toßbare Bonbonniere oor 
fte hin unb fagte: „Süßer Heiner Satan, laffen Sie 
ftch milbe ßimmen!" 

Bebenb oor <§orn 3eigte fte ihm bie (Ehfir — lachetib 
unb achfel3U<Jenb entfernte er ftch* Um bas UTaß ber 
Unannehmlichfeiten 00H 3U machen, brach 5 räulein 
plaut einen Streit 00m < 5 aun. (ßmenbolin fchmieg, 
unfähig, biefe gemeinen Dormürfe unb Befchulbigungen 
3U beantmorten. Uber es jianb feß bei ihr, baß fte 
hier nicht bleiben könne. Sie fah ein, es mar für fte 
ein Ding ber Unmöglichkeit, hi** feßen 5 uß 3U faffen. 
3n biefe (ßebanfen ©erlieft, batte fte nicht bemerkt, baß 
jentanb 3U ihr hereinkam. <£rß als fte bie Stimme 
bes Chefs h^rte, ber 5 riß mit einem Uuftrag in ben 
Beßerkeller fchickte, fuhr fte erfchrocken aus ihrem Sinnen 
auf. €r nickte ihr einen ku^en (ßruß 3U unb begann 
läfftg bie UTußerkoIlektion 3U unterfucheu. Dann richtete 
er einige gleichgiltige 5ragen an fte, bie fte höflich unb 
kur3 beantmortete. Sie kämpfte einen Uugenblick mit 
ftch, ob fte feinen Schuß erbitten foüte gegen t}errn 
Chomaftus* Subringlichteiten unb 5 räulein plauts Un- 
oerfchämthciten, aber nur einen UToment lang, bann 
fagte fte ftch: nein, beines Bleibens iß nicht h^r. 

„tDo mohnen Sie, 5 räulein?" fragte UTeyer gan3 
unoermittelt. 

„3u einem penftonat, gemeinfam mit einer 3ugenb- 
bekannten. " 

„€in menig unbequem/ meinte er nadßäfßg. 

„Unbequem? Kun ja, oier CreppenI Unb hoch 
bin ich fahr froh, ein fo gutes Unterkommen gefunben 
3U haben." 

„ 0 ," rief fjerr UTeyer mit Cmphafe, „gutes Unter¬ 
kommen? 3 ebenfaüs ift es für Sie noch lange nicht 
gut genug, menn man in Betracht 3ieht, mie Sie es 
gemohnt maren." 

„Das ftttb meine prioatoerhältniffe, Jjerr UTcyer, 
ich —* 

„Uber feien Sie hoch ©ernünftig, (ßnäbigfte! Sie 
ßehen unter meinem befonberen Schuß, Komteß. 3 ch 
beobachte genau. VOas, bas haben Sie mohl gar nicht 
bemerkt? 3 a f ja, Kleine, Sie haben bas gan3 famos 


gemacht. Den einen gegen ben anbern ausgefpiettl 
5 amos, kleiner Bäcker I" 

IDohlgefällig 3upfte er an feiner meißen tDeße, 
bann h°b er feine fette, roohlgepflegte, brillanten- 
gefd?ntückte fjanb unb kniff (ßmenbolin in bie tDange. 
Uber ehe er noch ein weiteres 3ärtliches tt>ort fagen 
konnte, fauße eine fchlanke £janb auf feine IDange, eine 
feße £}anb, bie mand^es mtberßrebenbe Boß gebänbigt 
unb bie peitfche 3U fd?mingen ©erßanb. Dor feinen 
0hren brauße es toie UTeer es mellen, unb bunte dichter 
flammten oor feinen meit aufgerijfencn Uugen. UUes 
brehte ßd? im Kreis. UIs er enblich mit einigen hilf' 
lofen I}anbbemegungen bie blutroten Bebel, bie oor 
feinen Uugen tunten, ©erfcheucht hatte, mar ber plaß, 
mo bie Komteß noch oor ein paar Sefunben geßanben 
hatte, leer. <£r empfanb eine ßdßbare (Erleichterung. 
Sein plan mar blißfchnett gefaßt. Ejätte er im Spiegel 
bas brenneube Bot feiner einen (ßeßchtshälfte gefehen, 
fo märe er mahrfcheinlich meniger fchnetl hiuter (Bmen- 
bolin h^rgegangen. So fdjneU es feine ku^eit Beine 
erlaubten, entfernte er ftch- €r fah gerabe noch, mie 
(ßmenbolin, oerfolgt oon ben erßaunten Blicken bes 
perfonals, ben Caben oerließ. €r mar fo erregt oon 
biefem fchme^haften (Ereignis, baß er bie oermunberten 
Blicke nicht bemerkte, fonbem gan3 gegen feine fonftige 
(ßemohnhcit 3U jebem, ber ihm über ben U>eg lief, 
fagte: „Sie ift entlaffen, bie unoerfchämte perfon." 
Uber als er in feinem prioatkontor oerfchmunben mar, 
entftanb ein fchabenfrohes Sachen unb Barnten. Da 
faß er nun äd^enb in feinem neußen ßiloollen Seffel 
mit bent Ubbruck oon fünf feinen arißotratifchen Ringern 
auf feiner finken ZDange. 

(ßmenbolin kam atemlos im Bergerfcheit penftonat 
an. 5 rau Berger hörte fdjmeigenb ihre (Stählung, 
bann fagte ße gelaffeu: „Das fah ich kommen; fo etmas 
fährt ftdj nie in einem Saßkarren ein." 

(ßmenbolins (Erregung löße ßd] fchließlich in einem 
Chränenßrom auf. 5 rau Berger bettete ße liebeood auf 
ben Diman, ßreichelte bas bebeube BTäbchen unb fprach 
ihr Buhe 3U. eigentlich mar 5 rau Berger oon nichts, 
fo feß über3eugt, als baß (ßmenbolin nicht ba3U tauge, 
5ronbieuße 3U thun. 

Uuch ®rete hatte läitgß bie Ueber3eugung ge- 
monnen. tüas follte nun merbeit? Konrab Dorn 
meinte 3U (ßrete: „IDie bie IDelt einmal iß, mirb’s 
fchmer halten, beiner 5reunbm fo leicht mieber eine 
Stelle als Korrefponbentin 3U oerfdjaffenl ^err BTeyer 
mirb ihr kein gutes Zeugnis ausfteüen!" 

„Unb (ßmenbolin," marf (ßrete ein, „mirb gar feins 
oon ihm mollen, fo mie ich ß* kenne." 

Da kam 3um (ßlück in alte biefe trüben Ueberleguugen 
hinein ein Brief oon Ce^bad? an (ßrete, ber Cucian 
ZTTormanns Unkunft oerkünbete. (ßrete mar hocherfreut. 
Dielleicht konnte ber raten. 

Uuch über (ßmenbolins abgehärmte flog ein 

^offnuitgsfchimmer. 

Uber mie langfam fehlten nun bie (Tage für (ßmen¬ 
bolin bahinl Ojatenlofe Cage im (ßrunbe, beim ße 
brachte es nicht über ßch, mehr als brei Derfuche 5U 
magen, eine neue Stellung 3U bekommen. UeberatI oer- 


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Bummer 37 . 


Seite ^729. 


langte man ein gutes Zeugnis unb 
brachte ihr UTißtrauen entgegen, 
tueil pe ihre er^e Stelle {o fd?nell 
perlaffen hotte. 

„Verlieren Sie nur ben UTitt 
liiert," fagte 5 rau Berger. „ (Es 
giebt £eute genug, benen es nod? 
fd?Ummer gel?t." Das mar 5 rau 
Bergers ßefyenber Crop. 

Uber biefer (Croß Palette (Smen* 
bolins Ver3meiPuug nur auf, unb 
5 rau Berger fuhr gan3 erfd?rocFen 
3ttfammen, als jene mtgebulbtg aus* 
rief: „ 3 o, 5 rau Berger, bas metß 
id? mirFltd? 3ur (genüge I (Es giebt 
UTäbchen, bie mäl3en pd? im Schlamm 
ber (Softe, es giebt hohläugiges 
(Elenb, bas hn trüben Sumpfmafter 
bes £anbmehrFanals enbigtl Seit 
id? in Berlin lebe, allein auf mich 
geftellt, ge3mmtgen, für mich allein 
3U [orgen, höbe ich alle Unterpufen 
pon 5 rauenelenb Fennen gelernt. 
UTeht (Sott, id? höbe UugenI klugen, 
bie entfefelid? War fehen. Blich 
fd?aubert*s, mich friert, ich Fann nicht 
meifer." 

„Uber liebes Kinb," rief 5 rau 
Berger mit gefalteten £?änben, „ip 
bas nun 3bre <Jon3e pielgerühmte 
Kraft unb aller Blut? Sinb bas bie 
folgen 3hrer (Er3iehung? (Brete 
fagte mir, Sie Fonnten milbe pferbe 
reiten unb miberfpenftige meipernl 
Hun? Unb ein paar Ungelegen* 
heiten merfen Sie gleich aus bem 
(Soleis?" 

(ßmenbolin faßte bie oerarbei* 
teten i?änbe ber 5rau unb fagte 
beinah bemütig: „Ud?, per3eil?en Sie 
mir, 5 rau Berger, unb haben Sie 
(Sebulbl" 

5 rau Berger ging fopffchüttelnb 
hinaus. 

^ * * 

£ucian UTormann fant nach Ber¬ 
lin mit einem fje^en poH Sehnfucht 
unb banger Sorge. 5 reilid?, er 
mochte pd? bas nicht eingepehen. 
Vielleicht mar es bas erpe UTal im 
£eben, baß er nicht gan3 ehrlich 
gegen pd? mar. (Smeitboltn flößte ihm 
reges 3ntereffe ein, unb am liebften 
märe er frei por pe hingetreten, um 
pd? baoon 3U über3eugen, ob biefe 
(Sefühle ehten IVieberhaH bei ihr 
fänben. 

(Er fanb bas geliebte UTäbd?ett 
unglücfltd?er, als er für möglich 
gehalten. Unb biefe fjilflopgFeit 



Go lirgt rine Rofp non iirbs 
iidjftrr Jlrt, 

Ginr Rof auf örr Strafte im 
Staub. 

Glas ift iftr grfrijrftrn, 0 fagt 
mir, mir marö 

Sir fo brm ürrörrbrn tum 
Raub? 

Urrlor fir oifllridjt, brr fir rbrn 
grpflüdit, 

drii genug nidjt er gab auf 
fie adjt? 

Gr ftättr oirliridjt fid) fonft 
nieöergrbüdit 

Unb ijatt in fein Raus fie 
gebradjt. 

Ober ruarf, ber fie trug, auf bem 
Siege fie fort, 

drii nidjt meljr rr iijrrr bps 
grijrt? 

Sie mar ihm DirUeirfjt in ber 
Ranb fdjon oerborrt 

Unb fd}ien bes Brftaltrns nidjt 
rorrt. 

Dun lirgt auf bem drg fie — 
rorr adjtrt barauf, 

der trägt iijr nod] Liebes im 
Sinn? 

Gs Rrbt heine Raub uon ber 
Strafte fie auf, 

Unb bir Fiiftr, bie geftn brüber 
bin. 

Unb bod) mar nod] eben nidjts 
Rolbres ju feftn, 

JIls fie giänjte fteroor aus bem 
Laub. 

die mar fie fo rritrnb, mir mar 
fie fo fdjönl 

Unb nun liegt fie vertreten im 
Staub. 

7- Crojati. 



machte pe ihm doppelt lieb. Sie 
erfd?ien ihm rührenb, pe, bie Pol3e, 
bie er pets nur hoch 3u pferb unb 
als Siegerin in jeber £ebenslage pd? 
3U benfen pon Wein auf gemot?nt mar. 

Utm faßen pe pd? an einem 
fchönen £?erbftabenb gegenüber in 
bem alten (Sarten pon IVilhel* 
minetthof. Sie maren mieber borthin 
gefahren, meil £ucian meinte, es 
mürbe bem UTenfd?en allein fd?on 
mohler, menn er fern pon bem 
£ärm unb bem (Setriebe ber Stabt 
am I?er3en ber Statur aufatme. Unb 
hier unter ben hohen £inben nahe 
bem alten (Sutshaus Fonnte man 
mirflid? leidit pergeften, baß man 
bem großen Babel fo nahe mar. 
Der freuitblid?e tVirt hotte einen 
Strauß Spätrofen auf ben (Eifd? 
gefleüt unb pd? teilnef?menb nad? bem 
Beftnben ber fo bleid? ausfehenben 
„gnäbigen 5 rau" erfunbigt. (Er lobte 
feine Hofen, feine frifd?e UTild? unb 
empfahl feine guten 5 ifd?e. Der 
Schatten eines £äd?elns flog über 
(Smenbolins bleiches (Bepd?t, als 
£uctan mit einigen gefd?icft ange¬ 
brachten IVorten unb bod? mit leifer 
Verlegenheit bem Ulten bas UTißper- 
Pänbnis aufflärte. (gutmütig fagte 
jener bann: „Hun, man Faun für 
gar nichts pel?en im £eben, unb 
mer meiß, mie es nod? einmal 
Fommt?" Da fd?oß £ucian mirFlid? 
eine BlutmeHe ins (Sepdjt, unb ber 
Ulte ging fd?mun3elnb bapon. 

(Smenbolin perlor nicht ihren 
<Sleid?mut. IVarum aud?? (Sab es 
etmas Unmahrfd?einlid?eres, als baß 
biefer pe 3U feinem IVeib begehre? 
Seine freunbfd?aftlid?en Hatfd?läge 
entfprangen ber (Semot?nheit feines 
Stanbes, 3U Reifen unb 3U tröpenl 
Unb fo mübe mar pe, fo per3agt. 
£ucian UTormann aber Preifte bte 
pornehme (ßeflalt an feiner Seite 
mit prüfenben BlicFen. Ulles mar 
(Ebenmaß unb Kraft an biefer 
5rauengeftalt unb bod? in allem ein 
sartes, ihr felbp unbemußtes fjin* 
neigen, ein Verlangen nad? £?alt unb 
(Ergän3ung. IVie gern hätte er 
biefe fdjlanFen £?änbe in feine £?anb 
genommen unb befd?tpid?tigenb ge¬ 
jagt: Fomm, id? mill bid? führen, 
liebes UTäbd?en, über bie BrücFe, bie 
£eben bte über ben Strom ge* 

fd?lagen ift, ber 3ur €migFeit führt. 
3 o, mar eine feltfame Unruhe in 


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Sette {730. 


stummer 3?. 


ifjm geblieben feit jenem 2lbenb auf bem ^riebhof 3U £ett3- 
bäd?. 2 Us fie it?n bei feiner 2 lnFunft por meitigen (Tagen 
in Berlin fo ratlos fragte, mas fie beginnen follte, als 
(ßrete it?n beflürntte in ihrer lebhaften, etwas gemalt- 
tätigen IVeife, ba mar es ihm flar gemorben, baß er 
nur einen einigen Hat mußte: fomm mit mir unb laß 
mtd? für bid? forgen unb arbeiten. 

€r gehörte nicht 3U ben HTännern, bie ftd? gering 
fd?äßen. <£s fam thm faum ber (BebanFe, baß it?re 
abelige 2 lbFunft ein ^inberungsgrunb fein föunte, um 
fie 3U merben. Das B?i«lt ihn nicht ab. <£r fürchtete, 
baß bie (Befühle, bie in feinem fjer3eit IVm^el gefaßt 
Ratten, einfeitige mären, unb baß bie IVelten, morin 
fie beibe bislang getrennt poneinanber gelebt, 3tx>et grunb- 
perfd?iebene perfönlid?Feiten gefd?affen Ratten, bie, um 
gemeinfam geheimen 3U Fönnen, eine £iebesfülle brauchten, 
bie auf beiben Seiten gleich groß fein müffe. €r mollte 
ein IVeib, bas fein märe mit jeber 5 afer ihres fjer3ens, 
bas jaucbsenb in feine Fraftpolleren 2lrnte flöge, beffeit 
fjer3 im gleichen (EaFt mit bem feinen fdjlüge, beffen 
Seele ben gleichen Rieten 3ußrebte. Stnnenb fd?aute 
er auf ben 5 luß mit feinem flimmernben XDeHenfpiel. 
(Eilige Sd?malben ftridjen in fd?neßem 5lug barüber fyu, 
meiße IVolFen ballten fid? am ^erbftflaren fjimmel. 

„IVas träumen Sie?" fragte (ßmenbolin, „finb Sie 
angeftecFt pon meinem (Erübjtnn ? IVie fd?äme id? mid? 
bod?, baß id? mid? fo gehen laffel 21 d?, geben Sie mir 
3 h*« fjanb, laffen Sie uns 5 *eunbe fein." 

<£r reichte tl?r feine fjanb über ben tCifdj unb er- 
miberte fd?lid?t: „Bebarf es mot?l nod? biefes äußeren 
S«id?ens? 3ch bin 3h* 5reunb oon gan3em fjer3en 
unb mollte, id? hotte bie HTad?t, 3hnen 3U tjelfen." 

„Die HTad?t?" Sie erhob ftd? unb ging bem Ufer 
3U, unb er folgte, bid?t an itjrer Seite gefyeitb. Sie 
fab feljr bleid? aus. plöfelid? rief fie in übermaüenbeni 
(Befühl: „2lcb, icb bin fo entfeßlid? einfam — arm 
unb perlaffen, poll oon £eib, unb bas £eib macht mich 
nicht gut! 3 ^h 3*ttere in bem (BebanFen, auch Sie 
unb (ßrete fönnten mid? einft allein laffen." 

£ucian löjie fchmeigenb ein Boot unb reichte iB?r 
bie fjanb. Sie flieg mortlos ein. Wie mar er bod? 
anbers als anbere HTänner! <£r halte eine ftille HTad?t 
über fie gemonnen, ber fie folgen mußte. Sie unb 
alles, mas gut in ihr mar, bas fühlte fie, unb es be- 
glücfte fie munberbar. Sie faß am Steuer, unb er 
führte bie Huber. Sie fd?aute auf ben fd?önen, fraft- 
ootlen HTann, auf bie bunFlen IVaffer, auf ben fjimmel, 
ber in roten unb blauen unb golbenen 5orben prangte. 
Sie fah bie grünen Ufer, unb fie hörte bas Stoitfchern 
ber Vögel. (Ein ftifles (BlücFsgefühl 30g in ihr fjer3. 
BUfeartig flogen bie Bilber ber Vergangenheit an ihrem 
geiftigen 2 luge oorbei, aber ftanb bas Hab bes £ebens 
ftill? 3a, menn es fo märe — ihr graute por ber 
SuFunft, menn fie allein fein follte, allein ohne ben 
HTann bort, ber por ihr im fd?manFenben Boot faß. 

„Komteß" — unterbrach £ucian bie 5 ludtf ihrer 
(BebanFen, unb feine IVorte maren ein Balfam für ihre 
munbe Seele — „geben Sie mir bas Hed?t, für Sie 
forgen 3U bürfen! Vielleicht begeh« id? «in Unred?t, 
menn id? 3 h*« Ver3meiflung, 3 h r « Sd?mad?h«it benuße. 


HTeine £iebe, (ßmenbolin, gehört 3 hn«n. Sie gehört 
3hn«n feit jenem 2lbenb auf bem 5riebl?of. 3^h a?«rbe 
nie ein anberes Bilb in meinem tje^en aufftellenl 
(ßmenbolin, merben Sie mein U)eib!" 

Sie fah ihn mit ihren munberoollen 2lugen fHH unb 
glücflid? an. Sie Fonnte Feine 2lntmort in fVorteu 
finben. Sie reichte ihm ihre eine freie fjanb h«rüber 
unb blieb ftumm. <£r Fonnte fte nicht fo lange feßhalten, 
mie er es fo gern gethan hatte. HTit menigen Huber- 
fd?lägen trieb er bas Boot ans £aitb unb hob fte,h«*ous. 
<£r trug fte mit ßarFen 2 lrmen bie paar Schritte 3um 
£attb, unb bann gingen fte nod? lange fjanb in fjanb 
in bem alten (Barten auf unb ab, in bem fte h« ut « bie 
einigen (Säfte maren. 2lls fte 2lbfd?i«b nahmen, lächelte 
ber fVirt perfdjmißt. <£r täufd?te ftd? fo leicht nid?t. 

£uciait mar mie ausgemechfelt. 

„ 2 ld?, (ßmenbolin," fagte er, unb B?«H«* 3 abel Flang 
aus feiner Stimme, „mie fegne id? beine Unfät?igFeit, 
Seibe 3U perFaufeit, unb beine große Faufmännifd?e 
Untüd?tigFeit! IVie folljt bu mir aufblüh«n im ftißen 
pf arrhausfrieben I" 

3 a, 5 rieben unb Huhe, bas fd?ien ihr bas ein3ig 
Begehrensmerte. Sie liebte biefen fd?lid?ten, Fraftpoßen 
HTann, fte gelobte ihm Creue, fte gelobte fte ihm mit 
aller Kraft ihrer Seele. 

(ßretens 3 nbel mar gren3enlos unb Dorns 5 *«ube 
aufrichtig unb h«r3lid?. 2Us er (ßmenbolin bie fjanb 
brücFte, um ihr (ßlücf unb Segen 3U münfd?«n 3U biefem 
Sd?ritt, hielt «r fte etmas länger unb fd?aute ihr ernjt 
unb prüfenb in bie ftrahlenben 2lugen. 

„2lüe3eit getreu — h°l& anb gegeitmärtig — fteht’s 
nicht fo in 3 hr«m U 2 appen, Komteß? Seien Sie bies 
für £ucianl" 

* 

2ld?t tCage fpäter jtanb £uciatt baheim in £en3bad? 
in bem Fleinen Küflergarten. Selbft bie Spätrofen 
blühten nid?t mehr, aber £ilien unb bunter HTohn bufteten 
ihm entgegen, unb jiol3e (Beorgitten (Tanben mie firamme 
2Väd?ter längs bes Brette^auns. Die alte 5 rau, bie 
ihn an ber Sdjmelle bes fjaufes in bie 2lrme fd?loß 
unb 3ärtlid? Füßte, mar poll 3itternber 2 lufregung. Be¬ 
fangenheit unb eine gemiffe Verlegenheit mar ihrer 
5reube beigemifd?t. £ucian entging bies nicht. 2lud? 
Vater HTormann mar anbers, als ihn ber Sohn 3U 
ftttben hoffte. Vermuttbert fah £ücian bie €ltern an. 
<£r hotte ftd? Faum in ben alten, bequemen Seffel nieber- 
gelaffen, ben bie 3ärtlid?e ZTTutter an ben Kaffeetijd? 
geritcft, als er aud? ohne langes Saubern fragte: 
„Vater, HTutterd?en, billigt ihr nachträglich meine 
fVal?l nid?t?" 

Küjter HTormann mar gerabe babei gemefen, feine 
pfeife in Branb 3U fteefen. €r paffte etmas umßänb- 
lid?«r, als nötig gemefen märe, unb räufperte ftd? auch 
bann noch, als er anljub mit belegter Stimme: „HTein 
Sohn, id? follte etmas gegen beine XVahl hoben? Hein 
unb ja, mie man’s nimmt. HTan fprid?t unb urteilt, 
mie mait’s perfleht. 3^h meinte immer: 2lrt 3U 2lrt. 
Hid?t, baß mir beine Braut mißfiele! Sie ijt fd?ön, 
gefunb, mie id? es liebe am IVeib, mie beine HTulter 
in natura 3eigt. 2 lber fte ift abelig, unb mir finb Bürgers- 


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Hummer 37 . 


Seite * 73 *. 


leute. Du meinft ja, bie £iebe gleicht alles aus? 3 a, 
fo fofl es wohl fein, aber ob es fo iß — ob fte bich mit 
biefer £iebe liebt? fis braucht bie probe aufs (Stempel, 
unb ba man bie nicht fo ohne weiteres machen fann, 
fo müffen wir dbwavten, ob bie Seit Hofen bringt. 
Das möchte ich wiffen, ob bie Komteß ben paftor 
£ucian ÜTormaitn, Küßer HTormamts Sohn, genommen 
hätte als reiche ©eneralstochter mit einem Stall ooß 
pferbenl Das peinigt mich! 21 uch wollte ich beiner 
HTutter gewünfcfjt haben, öu hätteß ihr eine Cochter 
ins f}aus geführt, bie — nun, bie uns liebt, wie wir 
ßnb, auch im Kßtagsfleib. fiine, oor ber wir nicht 
immer im Sonntagsftaat auftreten müjfen mit ben ©olb* 
taffen auf bem tCifch." 

„Kber lieber Dater —* 

„£aß ihn hoch ausbrummeln," rief bie Klte ba* 
3wifd^en. Unb währenb fte bas folgenbe fprach, hielt 
fte mit ber einen fjanb bie bes Sohnes uttb mit ber 
anbern ßreidjelte fte manchmal ihren Küßer: „Sie 
würbe ihn auch lieben, wenn fte noch bas reiche Bläh¬ 
ten wäre. IDarum follte fte bas nicht?" 

Sie war gan3 empört bei biefem ©ebaitfen. 

„Hber ob fte arbeiten fann, wie es eine Pfarrers* 
frau auf bem £anb nötig hat? Kann fte fochen, ßicfen, 
ßopfen? Säen, Unfraüt ausjiehen? Hch, ber große 
©arten l ©b fte haushalten fann mit bem wenigen, 
was bu im Knfang haben wirft — bas macht mir 
Sorgen!" 

£ucian war fo glücflich unb fo ftegesfroh- Die 
Sorgen ber filtern oerfdjeuchte er halb mit guten 
tOorten. Unb fte gingen bereitwillig auf alle feine 
frohen Sufunftsträume ein, sollten fte ihm hoch nicht 
feinen 3ubel trüben. 

Küfter HTormann hörte fchweigenb 3U, wie ber Sohn 
alle Dorsüge ©wenbolins her3ählte, bann flellte er feine 
pfeife beifeite unb ging hinüber in feine Kmtsßube 
3u feinen Kirchbüchent. IDie er ba fo allein faß, 
fchüttelte er immer wieber ben Kopf, fiine ©räßn als 
Schwiegertochter? Kber um feines Sohnes willen fpann 
er feine Befürchtungen nicht weiter aus. 

5rau HTormamt hatte nun alle Ejänbe ooll 3U thun. 
Sie richtete bie beiben Stuben, in benett ©retens Dater 
gewohnt unb bie im ©berflocf lagen, 3um fimpfaitg 
ihrer Schwiegertochter her. £ucian füßte oft, gerührt 
oon fo otel £iebe unb ©üte, bie fleißigen fjänbe, bie 
bas Heft fo forgfam bereiteten für jene, bie er über 
alles liebte. 

fiine Stunbe oon £en3bach entfernt lag Schöneiche, 
fir hatte ftch um bie bort erlebigte pfarrftelle beworben, 
weil es ihm ratfamer oorfam, feine junge fihe in neuen 
Derhältniffen 3U beginnen. Kud) hatte ihn bie eigen¬ 
tümliche Schönheit ber ©egenb nicht wenig beßodjen, 
ftch gerabe um biefeit ©rt 3U bewerben. Schöneiche 
lag in einem lieblichen 5 htßthal. Die gefchwungenen 
i}ügel, bie es begreifen unb bie oon größeren Bergen 
im ^intergrunb überragt würben, beren grotesfe 5ormen 
außerorbentlich rontantifch ausfahen, waren teils herr¬ 


lich bewalbet, reils an ihren Anfängen im (Ehal mit 
fchönen ©bßbäunten bepßan3t. Cucian war gewiß, 
auch ©wenbolin würbe ftch Weht hier einleben, 3umal, 
ba auch eine Bahnlinie bies liebliche (Thal mit ber 
übrigen IDelt oerbanb. 

21n einem fchönen ©Ftoberabenb überfchritt ©wen¬ 
bolin 3um erßenmal als Braut au Cucians Krm bie 
Schwelle bes Küßerhaufes, Die beiben Klten ßanben im 
Qausßur, unb wenn fchon ©wenbolin mit aufrichtiger 
^er3lichfeit bie filtern ihres Derlobten begrüßte, fanbeu 
hoch alle brei nicht gleich ben rechten (Eon. 

Der 3 ungen war es peinlich, ftch oon ber alten 
5rau bebienen 3U laffen, unb hoch war bas fo fchneU 
nicht aus ber IDelt 3U fchaffen, bemt es hanbelte ßd? 
manchmal um bie einfachen Dinge, bie ©wenbolin 
nicht 3U machen oerßanb. Da aber feine ZTTagb ge¬ 
halten würbe, fo fiel bie Krbeit auf bie alte 5rau. 
Diefe that alles gern, beglich gern, es hätte nur mehr 
anerfannt werben müffen. Daß bies nicht tn bem ge- 
wünfehteu 2 Haß gefchah, lag weniger an bem böfen 
IDißen ber jungen Braut, als an ihrem gütlichen 
Unbefanntfein mit folch engen Derhältniffen. ©hue 
baß es in ihrer Kbjtcht lag, fließ fte an unb oerleßte 
bie beiben guten Klten. £ucian fah bies alles, fir 
hatte immer ein (Eroßwort ober einen Scher3 3ur fjanb, 
um bie Sache wieber 3urechtjurücfen unb aus3ugleichen. 
natürlich lag es ihm hoppelt am £}er3en, bie £}od?3eit 
3u befchleunigen, bamit ©wenbolin enblich im eigenen 
fjeint bie erfehnte Buhe ftnben fönnte! fis gab oiel 
3U erneuern im Pfarrhaus 3U Schöneiche, bas brei- 
hunbert 3 ah*e alt war. Die in bie ßeineritett (Ehor- 
pfoften gemeißelten 3ah r es3ahlen befunbeten bies, unb 
bas merfwürbige Kusfetjen ber übrigen ©ebäulich- 
feiten, befoitbers bes IDohnhaufes, ßraften biefe Kuttbe 
nicht £ügett. Seine oielen 5 ettßer unb bas fpiße, weit 
überhättgeitbe Dach, bie niebrigeit Stuben, an bereu 
Decfen ftch Querbalfen h^ogen, unb bas pradßooße 
(Ereppengeläuber waren eine Kugenweibe für ben Kenner 
unb Ciebhaber folcher alten f}eimatfunß. £ucian litt 
nicht, baß feine Braut oor ber fjod?3eit herausfam. 
Sie foßte bas Heft erß fehen, wenn es fertig war. 
IDie hatte er in ben wenigen IDochen bas wunberüche 
fjaus liebgewonnen I Schöne (Eräume umflatterten ben 
fpißen ©iebel, innige Segenswünfche begleiteten bie 
Krbeit ber fianbwerfer, bie bas fjaus injlanbfeßten. 
ZTTit bem Heft oon ©wenbolins Dermögen unb einem 
großen §ufchuß atts Küßer ZHormamts Sparfaffe würbe 
eine Kusßeuer beforgt. 5rau HTormamt h°lt^ ih rc 
Cinnenfchäße ans Cicht unb war wehmütig geftimmt, 
baß bie junge Braut nicht feliger war über biefeit 
foliben Dorrat an Bettlafen unb (Eafeltüchern. • fiine 
wirfliche J}er3ensfreube war eben biefe Derlobung bis 
heute nicht geworben für bie beiben Klten. Da gab 
es feine Brautoiftten unb feine ©efeßfehaften im Kreis 
ber 5reunbe unb ©eoattern, aßes ging ftiß unb ge- 
räufchlos feinen gewohnten IDeg wie aße Cage. 

Jortfeftung folgt. 


G - . (^2^^ 1 —*) 


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Sette 1?32. 


Hummer 3?. 



iand Kronegg 


(traut, Ulündjen, ptjot. 


®b's foa Säitb giebt auf ber itlm brob’n? 
Seil u>oa§ brngerfdjt i net g’tmfj — 

2lber ber Ijat g<m 3 g’njifj g’fänbigt. 

Der auf foana brob n g’tpcn is! 

ie Seit, u>o bie „Hlmahütt’n" ben berg- 
hungrigen Couriflen als „Stüßpunfte" 
bet Partien bienen mußten, ober too fte 
überhaupt bie einige UnterFunft in h&he* 
rett Hegionen boten, ftnb längft porbei. 
Die großartigeChütigfeit bes beutfch-öfterreichifchenHlpen* 
pereins 3ur „Huffchließung" ber t^crrltd^flen Ceile ber 
beutfdjen Hlpen hat bie „Hlmahütten*poefei" in 3meite 
Cinie gefchoben. 3 eber X}ochtouriji ftrebt heute 311m Heber- 
nachten nach einer „Unterfunftshütte" mit ihrer Behag* 
lichFeit unb bem oerhältnismäßig immer großftäbtifch 
guten „pupperl", bas bem „ewig Käfenten" ber Hirn- 
hütte unb ihren perfdjiebenen „ZHiliarten", als ba ftnb: 
bie „(B’ftödelte", „H’grahmte" unb fo fort beim hoch 
pon einem „Stabtfracf" Porge3ogen tpirb. 

Hber troß ber „grüabigen" Jütten bes Hlpenoer* 
eins, tt>o es fo fchöne Betten, fo fehntaefhafte Konferpen 
unb meift auch gan3 brillantes HTündjner Bier giebt, 
3ieht es piele Stäbter hoch immer tnieber, tpenigftens 
3U einem Befuch, nach ber Hlmhütte. 

Der poetifche Hei3, ber über biefem IDort liegt, hat noch 
lange nicht feinen alten Sauber perloren. <£s ift eben bie 
uralte Sehnfucht nach jenen patriarchalifd^en Perhält* 
niffen, rro ber Hlenfch noch im innigften Hnjchluß an bie 


Batur lebte — unb u>as ift es benn anbers, bas alljährlich 
bie oielen (Eaufenbe hinein in bie freie iDelt ber Ulpett 
treibt, als bie einig unfaßbare 5 ehnfucht, w fleh non ber 
heiligen HTutter Batur in bie Hrme nehmen 3U laffen"? 

Da flieht benn gern felbft ber behäbigfte „Chulonfel", 
ber fid? bie Bergesgipfel unb Hlpenpereinshütten am 
liebften burch ein Bierglas pon ber Peranba bes Rotels 
anfteht, einmal hinauf in bie Hbgefchiebenheit unb Stille 
ber Hlm. Denn „gefeheit haben" foU man’s ja hoch 
— unb ber Hufßieg 3U einer Hlm ifl noch immer feine 
Crfteigung eines Pajolettturms. Subem haben bte 
Himer in ihrer angeborenen pfifftgfeit fchon längjt ben 
„polfsmirtfchaftlichen Bußen bes frembenperfehrs" 
grünbüch erfannt, unb xoenn auch hier nnb ba nod] ein 
befonbers eifriger Pfarrer pon ber Ka^el gegen bie 
Ueberfchmemmung bes Canbes burch „norbbeutfehe 
Cutherifche" bonnerte — bie maeferen Himer fchntun* 
3elten, ließen ben Pfarrer rebeit, fagten potl ^erjlfchfeit 
ihr „(Selt’s (Sott für bie fchöne prebi** unb — fchauten 
3U, baß redit piel 5 rembe auf ihre Hirnen famen. Denn 
tpo fonnten fte beffere preife für ihre „H’grahmte" 
ober ihren halbgaren ,Kaf ,A er3ielen? 

So Fennen bemt heute bie Hlmbetoohner in jenen 
befonbers beoor3ugten (Segenben ©berbayerns, Berchtes* 
gabens unb im „tPerbenfelfer-fanbl" bis hinüber ins 
Fäfereiche Hllgäu fehr genau bie „Saifon" in ihren 
Unterabteilungen, tpie Por*, £}och* unb Bachfaifon. 



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Ztumnter 57. 


Sexte *733. 


Da fam im 3<*h r *89$ ein junger, 
reicher <£nglänber ttadi CÖI3. <£r 
fprad? gan5 gut beutfd? — unb bas 
ift getpifc bie f}auptfad?e, beim feine 
0011 unfern Zllmerinnen fann ertglifd? 
ober tpeifj gart3 genau, rvo's „<£nglifd?e 
liegt 7 '. Zlljo ber junge Courift frajelte 



eines £ags trieber auf eine 2llm, fat? 
bort bie <£bnerhof‘2Tiibei, ein blut¬ 
junges Ding port füuf5et>u 3 ^B?ren 
unb nebenbei ein „blutarms £eut", 
aber fauber — fauber . . .! So ein 
(Srtglänber fdjmärmt nid]t lange — 
er ging 3U bent „bluatartna Dattern", 
Flimperte mit einem Saufen (Solbft liefe, 
baß bem armen (Teufel poit 5 lo£* 
arbeiter gan3 fchuntmmerlich mürbe 
— na, unb bann Fam bas ZTiibei 
als Fräulein ZITarie in ein feines 
penftonat nad? 2Tlünd?en, unb in 
brei 3ah r ^n mar fte eine mirflid? 
piFfeitte, aller liebfte Stäbterin ge* 
trorbett, bie heute als 5rau bes 
romantifchen £nglänbers in ber (Se* 
fellfd?aft fehl* gute 5igur mad?t. 


Hn feurigem Buain is hoa Staffcr f ei’ z' nass! 

Sie h^hen ftd? an piefen 0rten fchon nad? Zlrt ber 
Hoteliers einen gan3 artig arrangierten gegenfeitigen 
HeFlamebienft eingerid?tet, unb 3iPar in ber 2 Peifc, baf$ 
ber Z 3 ergmirt — unb in meld?er f?öl?e, mo nur halb* 
ipegs eine nette 2 lusftd?t ift, giebfs heute Fein Berg* 
tpirtshems? — ihnen mißbegierige (Säfte hinauffd?icFt f 
mäfjtrenb fte ihm mieber jene (Tourifien „3umiu>eifcrt" r 
bie pon ber anbern Seite bes Berges fomnteit. 

3 a, nicht nur bie Kultur unb mit ihr ber fjotel* 
gefd?äftsgeift haben auf ben meifteu Kimen fd?ou ihren 
<£iu3ug gehaltert, fonbern and? bie Montan.if — unb 
3trar bie fchönfte, hintmelblaufte Ciebesromantif. Sic 
(Sefd7ichte Port bem mubelfauberen Klntabeanbl in ber 


£?interriß ift gar pielen „Kolleginnen" 31t Kopf ge¬ 
siegelt. Sie <S’fd?id?t ift aber aud? gar fd?ön, wenn 


fte auf ber Klm „ue^ähtt" mirb. 


Der Bcppcl und s’ J'Kdei. 


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Seite \ 73 $. 


Summer 37 . 




Aber aud? bie „Suam" auf ber Alm 
träumen von rontantifd?en Abenteuern. 
f?abett bod? fd?on mehrere gan3 gute 
Partien gemacht burd? grauen, bie als 
(Eouriftimten auf bie Alm famen unb 
ftd? in ben fefd?ett Serglerburfd?en per* 
fd?auten v 0ie bayrifctten 0 berlanbler 
finb aflerbings ein ausgefud?t fd?ö?ter 
2TTenfd?enfd?lag, unb Sistitarcf jelbft tpar 
es f ber il?iieu nad?rüf?mte, bafe fte „in 
(ßang, Haltung unb (ßebaren fo viel 
unbetpufet Ariftofratifd?es traben '. Unb 
rr>er ftd? bie <ßefd?id?te pielleid?t in 
So3?n nod? nid?t erjätjlen liefe, bern fei 
fte t^ier furj angebeutet. 0er eifernc 
Kahler h<*t fid? als 3üng* 
ling aud? einmal in ein 
taufrifdjes Serglerbeanbl 
perfd?aut, hat’s fo fetjr 
närrifd? gern gehabt, bafe 
er’s um jeben preis heiraten 
tpoßte. Alfo roäre auf ein 
£?aar eine faubere Almerm 
5rau Seid?sfanjler getpor* 
ben! IDer’s itid?t glaubt, 
ber gelie nadi Sojen unb 
taffe ftd? pon „Seitgeuoffen" bie Sad?e nät?er „aus* 
beutfd?en". — Seben it^rer äufeeren Sd?önt?eit t?aben 
biefe Sergler aber aud] eine innere Sd?önl?eit: eine 
l?ol?e Segeijterung für Kunjt unb UTuftf. 

3 h* natürlidies Calent 3um „Kumebig’fpiel* ift ja 
lieute burd? bie perfd?iebeiten „0rigiualbauerntlieater" 


m 


% *'• • 


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Craut 27iund?ert, pfyot. 


21uf b’ Uadjt nad? beni IHcIfa, 
IPann b’ 2lrbeit oorbct, 

©ctit ber fcppel na' ^cntferln 
So a 2llma bat's fei’! 


efnkchr im Bergwirtsbaus. 


in gan3 0eutfd?tanb befannt. €s überrafd?! balier audi 
bie Sefud?er Sorbbeutfd?lanbs nid?t melir aß3ufet?r, tvenn 
fie auf Spajiergättgen aus perfd?iebeiten Almliütten unb 
Stahle ben Seppei unb bie £ifei in f?öd?ft gefd?tPoflenetn 
pallios bePlamieren hören; bie „g’jtubieren" eben gerabe 
für irgenb ein Sitterftücf voll Eingebung ilire Soßen. 

XPeuiger befannt als bie bramatifd?e 
Begabung ift bas müftfalifd?e Caient 
ber bayrifd?en 0berlanbler, unb bodi 
ift bies entfdiieben bas tjerporragenbere. 
2 )ie fleinjten „Ejüatabuam" fd?neiben 
ftd? fd?on felbft ilire panflöten, ober fte 
fpielen auf bem Birnbaumblatt. Solis 
unb 0uette von beipunbernstpürbiger 
(Eed?nif. EDerben fte gröfeer, bann ift 
aß ilir Sparen barauf gerid?tet, ftd? 
auf bem 3äfamarft einen „Sojhobel" 
laufen 3U fönnett, n>ie bie UTunb* 
harmouifa aßgemein h*ifjt. 0ie felilt 
bann auf feiner Alm — fein „E?üata* 
bua" jielit ohne fte auf bie IDeibe. 
Sicht minbere Kunftfertigfeit fanit mau 
aber audi auf bem primitiven blediemen 
5ehnpfennigflötd?en ftnben, roie fte auf 
3ubtntärften feilgeboten iverben. €s 
ift gerabeju überrafchettb, 3U roeldier 
2 Tüeifterfd?aft biefe Almbuben es ba oft 
bringen. Sie begnügen ftd? aud* nid?! 
mit einer, fonbern blafen auf 3tveien 
burd? bie Safeitlöd?er bie funjtpofljten 
Sad?en. 3*fct enblid? faßt bas Auge 
ber „Unternehmer" aud? auf biefen 
<§tpeig oberbayrifd?er Kunftfertigfeit, 
unb ein 3™P r *fano ift eben bamit be* 
fd?äftigt, an Stefle ber ftarf überlebten 
Bauerntheater ein „Bauernüberbrettl" 
treten 3U laffen, roofür fd?on eine ganje 
Aitjahl Almer unb Almerinnert für bie 
XPiuterfaifon „gewonnen" ftnb. 3 ^ cn * 


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Stummer 37 . 


Seite J 735 . 



falls fömtte bie 
Sache luftiger 
toerben als 
manches rütjr* 
felige, oerlo* 
getie ©rigiital* 
bauernftiicf. 

©aß uns auf 
ben bayrifdjen 
Sergen ^eute 
noch bie male* 
rifcfyfcbönen 
(Cradtfenfopotf« 
fommen erhal* 
ten finb, ift tpohl 
mit ein großer 
Un3iehungs- 
punft für ZUnt* 
befuche. ©er 
©aitf hierfür 
gebührt inerfter 
£inie ben 
Ulünchner 
©olfstrachten* 

pereinen, bie ftd* ihre „Arbeitsgebiete" gan3 nach UTufter 
ber Alpettpereinsfeftionen in beit ein3elnen (Teilen bes 
fjochlanbes ausgefucht haben, fjanb in Cjanb mit ber 
ret3enben (Eracht gebt eine 

außerorbentliche Ueittlich* 


Im „Kudierl“. 


(Traut, OTünd?en, pljot 


fo einem „Alntfafer" im KuhftaH am 
jpeifeit fann. 

Z©ie re^enbunbeinlabenbfteht ba 

aus, 

d^en 


feit, poit ber 
bie Sauernroirt« 
febaften Ztieber* 
Bayerns, na« 
meutlicb im bay* 
rifeben Z©alb 
unb (Tirols, nicht 
eben porteilhaft 
abftechen. 

peinliche 
Sauberfeit: bas 
ift ber große 
©or3ug inbiefen 
Serghütten 
pom Sa^bur* 
gif eben an bis 
hinüber ins All¬ 
gäu, mo ber 
Zteinticbfeits« 
ftnit feinen^öbe* 
punft erreicht, 
beim nicht mit 
Unrecht heißt 
es, bafj man bei 
Soben (Cable b’hote 

nur foeine „Klaufn" 
bas Scblaffärnmer» 

ber Almerin — unb 



Bei der Hifei in der „KlauPn“. 


(Traut, mänd?en, pfyot 


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3eite 1736. 


ZTummer 37 . 





wie blifefau- 
ber unb 
fdjmucf Fom- 
men bie 
Burfeben 
unb HTäbt 
bafyer, n>enn 
[te am Sonn¬ 
tag tynab in 
bic Kirche 
gehn. 

Da fpielt 
beim auch 
manches 
blifcfaubere 
Stabtjräu- 
(ein einmal 
gan3 gern 
„Klmerm" 
unb 3eigt ftd? 

mit bem 
fefchen „pa¬ 
artet" unb. 
ber gan3eit 
„Kluft 41 bem 
ftaunenben 
DolF. 

So ifl 
benn tyute 
bie Klm nicht 

nur für ben Stäbter noch immer ein ©rt, too er gern 
hingeht unb {ich »mit BouernoolF oermeiigt", fonbern 
auch für bie Himer felbji iji ber Sommer jefct troß 


aller Arbeit 
unb Blühe 
eine heiß* 
erfehntegeit, 
benn er be¬ 
fehlt ihnen 
jo manches, 
roas fte Hlo- 
natehinburch 
entbehrt unb 
moranfxefich 
allmählich 
gemöhnt h<* - 
ben. <£r 
bringt ihnen 
bie fibelen 
5 rembenaus 
aller Herren 
£änbern unb 
bamit Unter¬ 
haltung unb 
Kbmechs» 
lung aller 
Art, Anre¬ 
gung unb 
— (Selb 
oor allen 
Dingen. Unb 
(ßelb hat 
ja überall in 

ber galten IVelt einen guten Klang — auch bort 
brobeit in ben bergen auf ber einfamften Klm, u>o bie 
Schellen bes frieblich grafenben Viehs harmonifch läuten. 


Die erften Gärte dev „Sattem". (Erauf ' ^ ot - 


Zur Psychologie der Kinderspracbe. 

Don prof. Dr. 3 - Dieffenbacher ( 5 reiburg i. B.). 


Ktnberfprad?e — geheimitisooll, munberbar flingt fte bem 
taufchenben (Dtyt ber liebeoolt forgenben Htutter. Unb mie 
oerfteht biefe aus ben uns aubern UTenfchen Faum oerftänblidjen 
Sauten bes teuren Fleinen JVefens b^ausjuboren, mas es 3U 
fageit hat oon feinen Scbmer3en unb Seiben, von feinen 
Fleinen Sorgen unb Aengften, feinem Verlangen unb IVunfchenl 
Uacb bem VölFerpfychologen JVunbt befieht Spraye in 
Sautäußerungen ober in anbern fmnlicb mahrnehmbaren 
geichen, bie, bur<b ITTusFeliDirFungen b^o^ebraebt, innere 
guftänbe, Vorftelluugen, (Sefühle, AffeFte nach außen Funb* 
geben. So mären aud? biefe erften lautlichen Kunbgebungen 
bes Kinbes Spraye. Unb boeb merben mir jene unartiFu* 
lierten Saute nicht fo nennen Fönnen, fo menig mie jenen 
Scbmer3enslaut, mit bem ber Fleine IVeltbürger fein (Erfdjeinen 
3u oerFünben pflegt. Sprache Fann bies alles nicht fein, 
meil es reine (Sefüblsäußerungeit jinb, meil es ftcb nicht um 
ben KusbrucF oon Vorftellungen hobeln Fann, bie gefebaffen 
ober oon anbern Übernommen merben, um anbern ben 
eigenen (SebauFeninbalt mit3Uteilen. (Eroß allebem liegt für 
ben pfycbologen, ber bem (Seheimnis ber Kinberfprache nach* 
geht, in biefem (Selall unb (Sepiauber, btefern Sautgefptel 
bes Kinbes eine Quelle ber intereffanteften pfychologifchen 
Stubien, benen er (ich nicht minber aufmerFfam hingiebt, mie 
bie glücfliche ITlutter ben fpradjlidjen Künften ihres Sieblings. 


Verhältnismäßig früh Pflegen fich beim gefunben Kinb 
bie erften An3eidjen bes Sprechenmollens ein3ufteüen. Allerlei 
feltfame, unartifulierte Saute, bie bie Pfychologen Urlaute 
nennen, bringt bas Kinb am (Hube bes erften Vierteljahrs 
feines Sehens h*™or. <Hin abfonberliches (Setönl Viefes 
eigentümliche (Surgeln unb QuieFen, Sdjmaßen unb Schnaken, 
es hat gar menig AehnlidjFeit mit unfern, mit ben fpäteren 
Sprachlauten. (Senaue Beobachter haben mit Hecht heroor* 
gehoben, baß ®on einer Had?ahmung etma gehörter Saute 
nicht bie Hebe fein Fann. (Eine Hadjahmnng ber Spraye 
ber Umgebung an3unehmen, ift gerabe3U miberfmnig, 
eine folche hätte 3ur Voraus feßmtg ein meit über ben that* 
fächlichen gußanb hmausgehenbes (Sehör* unb Unterfcheibungs* 
oermögen. (Es ift Fein gmeifel, bas Kinb hanbelt gan3 un¬ 
abhängig oon ber menfchlichen Umgebung, es folgt einem 
in ihm ruhenben Bethätigungstrieb. „tVie bas Kinb mit 
ben FJänbdjen unb füßd?en 3appelt unb ftrampelt," fagt Sieb* 
mann in einem jüngfi erfchienenen Auffaß über bie fpradj- 
liehe (EntmicFlung unb Behanblung geiftig 3urücfgebliebener 
Kinber, r ,fo mirb es oon bem gleichen (EhätigFeits* 
brang getrieben bie gefchilberten merFmörbigen Urlaute 5U 
probateren." UTit biefen unermüblichen (Eje^itien ber 
Spra<hmerF3euge fchafft ftd? bas Kinb bas UTaterial 3U feiner 
3uFünftigen Sprache. (Eine unüberfehbare HlannigfaltigFeit 


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Hummer 37 . 


Seite \ 737 . 


oon Sauten, oon benen nur ein gan3 geringer üeil in bie 
fpätere Sprache Übergeht, tritt ijier 3a Sage. Solche Lall* 
monologe ber Kinber pnb mehrfach aufge3eid?net rnorben, fie 
traben eine ftaunensmerte Julie non Lautfdjöpfungen erfennen 
laffen. Bei ber Unfähigfeit unferer Sdjrifoeidjen, biefen 
Sauten lautphypologifdj auch nur im entfernteren geredet 3U 
werben, mirb ein oergleidjenbes Stubium biefer Urlaute erff 
möglich werben, trenn mir non folgen Lallmonologen phono» 
graphifd?e Kufnahnten Ijerftelleri unb pe in einem pfydjo* 
logifdjen ^nftitut fammeln. Diefe Urlaute beptjen meines 
GEradjtens nicht nur för bie uns befdjäftigenbe Jrage oon ber 
€ntwicflung ber Kinberfprache, fonbern für bie DolFspfycho* 
logie überhaupt eine meitgetjenbe Bebeutung. 

Perfolgen mir bie (Entwicflnng ber Spraye beim Kinb 
in ihrem weiteren DerlaufI 3 n * er 3a>citen Ejälfte bes 
erpen Lebensjahrs geht ber fleine Sprachfünßler ba3U über, 
gemiffen Lautoerbinbunaen, vor allem ben für bie Kinber¬ 
fprache fo d?arafteriftifd?en Lautmieberholungen oor andern 
(Gebilden ben E>or3ug 3U geben. (Ein behagliches (Befühl 
burchftromt ben finbliehen Sprachhelbert, wenn er in enblofer 
TDieberholung Sautreihen tute ba*ba*ba«ba, ba*ba*ba*ba, tna* 
ma*ma*ma*ma 311m beften giebt. 

Was bas Kinb bis 3U biefer Stufe ber (EntwicFlung auf 
bem Sprachgebiet geleipet hat, muß als fein eigenftes TDerf 
angefprochen merben; feine Spradjbethätigung bis bahin mar 
oöllig fpontaner Krt. ®ir fönnen getrop behaupten, 

baß ein Kinb, bas gan3 ifoliert, abfeits 0011 menfehlieber 
Umgebung, aufmüchfe, in feiner fprachlichen (EntwicFlung fo 
weit gelangen müßte. Das mill uns 3mar beim UTenfcheit 
als etmas Unmögliches erfreuten, aber ber Vergleich mit 
ber (Eierwelt fann uns eines Beffern belehren. Bei ben 
Singoögeln fetjen mir bie Jähigfeit, aus fid? felbp heraus 
ben (Befang 3U fdjaffen, als felbftoerpänblich ooraus. Bin ich 
etma nicht fep oon biefer (Ehatfadje über3eugt, wenn id? mir 
oon einem Jreunb einen gan3 jungen Kanarienoogel fchenfen 
laffe, in ber Pieren (Ermattung, baß bas (Eierten mich 31m 
gegebenen geit mit feinem (Befang erfreut? Selbft menn 
ich es abfeits oon allen Dögeln aufmachfen laffe, erfolgt fein 
Singen mit munberbaror prä3iflon, fo baß es mir ben (Einbruch 
macht, als habe eilt unpehtbarer UTeiper ihm feine Kunp 
gelehrt. Jür einen Kenner mirb 3mar bem (Befang bes 
(Eierchens etmas Unbeholfenes, Jrembartiges, Unabgerunbetes 
anhaften. UM ich beshalb einen frönen (Befang haben, fo 
meroe ich meinen Dogel einem älteren Sänger in bie Lehre 
geben. Diefer fpielt für ben (Befang bes jungen (Eierchens 
bie gleiche Holle, mie bie menfehliche Umgebung für bie Sprache 
bes Kinbes. (Befdjaffen hat biefe bis bahin bem Kinb nichts; 
oon nun an aber fann Pe förbernb unb umgepaltenb in ge¬ 
waltiger TDeife in bie Sprachentmicflung eingreifen. 

natürlich mirb niemanb ben ungeheuren (Einpup ber Um¬ 
gebung bes Kinbes auf feine Sprache leugnen motten. Unb 
bod? liegt bie Sache nicht fo einfach, als man bei oberpäch* 
lieber Betrachtung an3unehmen geneigt märe. XDir begegnen 
nämlich in ber Kinberfprad?e bes 3meiten Lebensalters einer 
Heihe oon XDörtern unb TDortbilbungen, bie offenfunbig mit 
jenen früheren, als eigene Schöpfungen bes Kinbes an* 
gefprochenen Lautmieberholungen in gufammenhang pehn, 
wie: „TDaumau* EJunb, „(Sogag" €i, „pipi" Dogel, XDorte, 
bie nur in ber Kinberfprache gebraucht unb fpäter mieber ab* 
geftopen merben. Sinb biefe eigenartigen „LaUmorte" (Er* 
finbungen, Schöpfungen ber Kinber, ober hat auch hi*? bie 
Umgebung bes Kinbes ihre f}anb mit im Spiel? Die 
Jorfcber unb Beobachter ber Kinbesfprache haben barauf eine 
oerfchiebene Kntmort gegeben, fo bap mir 3mei (Bruppen 
unter ihnen unterfcheiben fömten. Die eine läpt pch oon 


ber oorher beobachteten Selbpthätigfeit bes Kinbes in bet 
erpen EntwicFlung berartig blenben, bap pe ber UTeinung ifl, 
bas Kinb felbft fei ber eigentliche Sprachfchöpfer im meitepen 
Sinn bes iUorts. Schon Houffeau bemerft, *ba bas Kinb alle 
feine Bebürfnifle 3U erflären genötigt mar unb bemnach bet 
UTutter mehr mit3uteilen hatte, als biefe ihm, fo mar es 
felbp am meipen ge3toungen, 3U erpnben, unb fomit ift bie 
Sprache, bie es tp er 3 u aumanbte, größtenteils fein eigenes 
tDerf." (Einen ähnlichen StanbpunFt oertritt Letnoine 
(De la physionomie et de la parole. ( 865 ). Das Kinb 
habe an ber Sprache, bie man es lehre, mehr Unteil, als 
man ben Fe; es erfänbe pe 3ur Ejälfte, mährenb man pch 
bem (Blauben hingäbe, pe ihm gan3 3U fchenFen. Das erfte 
IDort, bas es ausfpreche unb bem es einen Sinn beilege, fei 
nicht ein IDort ber UTutterfprache, bie es oon feiner IDärtertn 
lerne. Die recht arme Sprache bes Ktnbes, beren TDortfdjafc 
pch aus einigen Sauten, mobellierten Schreien 3ufammenfege^ 
fei bas U?erF3eug, bepen pch bie UTutter fpäter bebiene, um 
es bie gelehrte Sprache feines Lanbes unb feines 3 ahrh un & er te 
oerpehn unb fpredjen 3U lehren. 

Dem gegenüber erFlärt IDunbt: „Das Kinb giebt bie 
Laute her* aber ber €rmachfene erp meip ihnen ihre Be¬ 
beutung an unb oerleiht ihnen fo ben dharafter 001t Sprach* 
lauten. Die Ulütter unb Ummeu, bie pd? ber Lautfähigfeit 
bes Kinbes unb feiner Dorliebe für Lautmieberbolung 
aFFomobieren, pnb alfo bie eigentlichen €rpnber ber Kinber* 
fpradje." Uehnlich äupert pd? auch Paul in feinen berühmten 
»Prin3ipien ber Sprachgefdjichte", mo er oon bem onomato- 
poetifd^en (EharaFter ber bie TDieberholung liebenben Kinber* 
iprache hanbelt. „Die Spraye ip nid?t eine (Erpnbung bes 
Kinbes. Sie mirb ihm fo gut mie jebe anbere Spraye 
überliefert." 

IDie bei otelett (Erfcheinungen mirb bas nichtige in ber 
Ulitte liegen. Ulan mirb beshalb bem neupen Bearbeiter 
biefer Jrage, Kment (Begriff unb Begriffe ber Kinberfprache, 
Berlin 1902), recht geben, ber fein Urteil bahin 3ufammen* 
faßt: „Dem Kinb ift fprachliche Spontaneität angeboren, bie 
3unächp unb oorherrfchenb als eine unmillfürliaje, fpäter als 
eine millfürliche betrachtet merben muß, unb Ulütter unb 
Kmmen Pfierett, überliefern unb nachahmen nur feine fpon* 
tanen Bilbungen." 

Die Jrage, mie meit bie Kinber aud? nach ber LaUperiobc 
noch felbftthätig fchöpferifch beteiligt finb, hängt in ihrer 
Beantmortuug mit ber anbern 3ufammen, ob fich auch b^nte 
noch bei Kinbern aus ber früheften Kinbheit felbftgeprägte 
IDorte nachmeifen laffen. Solche oon ber Umgebung unak 
hängige Schöpfungen pnb häupg beobachtet morben, fo oon 
(Eaine, Darroin, <£ompayr£ preyer unb anbern. IDunbt jeboch 
ift biefen „angeblichen U^orterpnbungen" ber Kinber in feiner 
„DölFerpfychologie" energifch 3U Leibe gerüeft, er Fommt 
3U bem (Ergebnis, „nicht ein einiges U)ort Fönnte als 00m Kinb 
felbft erfunben nachgemiefen merben." €s hanble pd? in allen 
biefen Jällen um ein Derhören unb entfielltes tDiebergeben 
eines unpeher aufgefapten TDortes ber Umgebung. 3m 
folgeitben möchte ich nun ein auf eigener Beobachtung be* 
ruhenbes Beifpiel ber XDortfcböpfung eines Kinbes geben, 
bas ber fd?arfen Kritif U^unbts mohl ftanbjuhalten oermag. 

UTein fleines röhnchen, bamals (5 UTonate alt, f<huf p<h 
für pferb, obmohl es bas ber Kinberfprache angehorige Wort 
„fjotto" gemip von UTutter ober Timme gehört hatte, ein eigenes, 
burchaus felbftänbiges, burch feinen Kusbrucf ber Umgebung 
beeinflußtes IDort; es be3eichnete nämlich jebes pferb, bem 
es begegnete, mit ben folgenben, bie erfte Silbe ftarf be* 
tonenben, bann allmählich in ber (Eonftärfe abfallenben Lauten, 
bie ich ^t roa fa miebergeben mö^te: — h u — — ty*-" 


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Seite 1758. 


Hummer 37 . 


©ffenbar ahmte bas Kinb bas tDiehern ber pferbe nach, tote 
ja eine Zllenge pon folgen Kinberwörtern auf biefem prinjtp 
berufen. Der Knabe fam tagtäglich an einem Drofdjfen» 
halteplag porbei, ruo er offenbar feine Stubien machte. 
ITTeines (Erachtens tjaben mxv es h* er bei biefem in feiner 
Hrt flaffifchen ©nomatopoetifou, bas aus einer fcharfen Be¬ 
obachtung bes Knaben entfprungen ig, mit einer pölligen 
Heufchöpfung 3U thun. Don einer Hachahmung eines IDortes 
aus ber Umgebung fann nicht bie Hebe fein, ba fein IHenfdj 
bie Pferbe fo 3U benennen pflegt unb auch alle perfonen, 
bie mit bem Kinb 3U thun hatten, nachweislich niemals ein 
Pferb fo genannt haben. 

Dag wir fo feiten Gelegenheit haben, berartige Heu* 
fdjöpfungen bes Kinbes 3U beobachten, hä n 3* bamit 3ufammen, 
bag wir ben Kinbern faft niemals Gelegenheit 3ur Selbg- 
thatigfeit gewähren. Die Sprache bes Kinbes wirb unter 
bem Ginflug ber Umgebung in eine oerfrühte (Entwicflung 
hineingetrieben. Die Umgebung 3wängt fdjlieglich bem Kinb 
eine fertige Sprache auf; nnb mit Hiefenfchritten burchmigt 
bas Kinb in feiner britten Sprachperiobe eine jahrtaufenb- 
jährige Bilbungsepoche ber Sprache. 

tt>ohl bie wenigften Gltern ahnen, wenn fie bem Ge« 
plauber ihres Kinbes laufcheu, wenn fie geh erfreuen an 
bejfen fprachlidjen fortfehritten Pom erften fallen an bis 3U 
bem Uugenblicf, wo bie ein3elnen IDorte immer heutiger 
geh gegolten, wohl bie weniggen werben es geh bewugt 
werben, bag an ihrem Gehör ein Stücf Gntwicflungsgefchichte 
porbeigutet, in ungreifbarer Schnelligfeit geitfpannen burd?* 
laufenb, bie 3U überwinben einft 3ahrhunberte benötigte. ZPas 


fjäcfel inBe3ug aufbieGntwicflungbesITTenfhen im allgemeinen 
in feiner (Embryologie aufgegellt hat, ber Grunbfag nämlich/ 
bag bas (Ehtjelwefen in feiner Gntwicflung alle Stabien ber 
porausgegangenen Stufen burchlaufe, gilt auch pon ber 
pfychifchen Gntwicflung unb ganj befonbers pon ber ber 
Sprache. Hud? hier 'ft bie ortogenetifche (Entwicflung bes 
Geiftes nur eine abgefürjte IDieberholung ber phylogenetifchen. 
„IDir mögen annehmen," fagt Ument in ber obenerwähnten 
Sd?rift, „bag auf bas Kinb ein Sprachmechanismus pererbt 
wirb, ber ber niebrigeren (Entwicflung früherer Stufen bes 
menfchengefchlechts noch nähergeht als ber bireften (Eltern. 
Deshalb gnb bie pon ihm erseugten fprachlichen Bilbungen 
3unächft noch folgen erfterer ähnlich, fei es, bag es fpontan 
tDortbilbungen er3eugt, wo es geh ber Stufe ber Haturoölfer 
noch nähert fei es, bag es fpäter bie mtausfprechbaren IDorte 
feiner mutterfprache feinem Spradjpermögen afgmiliert, wo 
es geh bis 3ur Stufe unterer h'gorifchen Hlpten fortgefchritten 
3eigt. IDie geh ber Sprachmechanismus bes IlTenfchengefchlechts 
mit bem Sprachfortfchritt perpollfommnet, wirb er beim Kinb 
bur<h bie Grlemung ber Utntterfprache wieber perpollfommnet." 

IDer mit mir pon ber fähigfeit bes Kinbes, felbftänbig 
IDorte 3U fragen, übe^eugt ig> ber witb nicht umhin fönnen, 
bem biogenetifchen Grnnbgefetj ber Spracheittwicflung 3U3U- 
gimmen; benn gerabe burch biefe IDortfchöpfungen, bie geh in 
ähnlicher IDeiie Poll3tehen. wie unfere Dorfaljren eing geh 
ZDörter bilbeten, wirb bie Kontinuität ber (Entwicflung er» 
wiefen. So eröffnet geh benn beim Stubium ber Kinberfprache 
ein (Einblicf in eine wunberbare tDelt grogartiger Gr* 
fcheinungen, bie bis an bie pforte ber Unenblichfeit führen* 


-==£p=- 

Charlotte SKehe. 

£?ierju hie pljotograpljifclje Jlufnctljnie S. 1739 Don W. u. P. Dormtey, Conbon. 


s war im Sommer 1897, in Klampenborg. Bid^t 
weit baoon war ein Dergnügungs3ug entgleift, an 
hunbertUIenfchen waren umgefommen. prin3efgn 
UTarie pon Dänemarf, Kopenhagens guter Gugel, 
hatte ihr „gelbes palais" perlaffen, alserfte EjilfeeinlDohlthätig* 
feitsfon3ertinKIampenborgarrangiert. Gs war, pom gutengweef 
abgefehen, für frembe ein 3weifelhaftes Dergnügen, ba piel 
bänifche Deflamation auf bem Programm ffanb. Hermann Bang 
fprach ben Prolog, ein Kopenhagener Schaufpieler beflamierte 
etwas — ba hufd?te als Hummer brei ein blonbes, 3ierli<hes, 
elfenhaftes JDefen auf bie Böhne, es fprach, fang, tan3te — 
ich weig weber was, noch in welchem fremben 3&i° m ' ttetch 
unbefannten IlTelobien, Hhyihmen; i(h n>eig nur, bag ein 
Genie in feinen ureigenften fauten feine eigene Sprache 
rebete, jene Sprache, bie noch jeber perganben, bie gets 
31t Eje^en geht weil ge pon E}er3en fommt! 3^? erinnere 
mich heute noch, welch ein Beifallsgurm bas Ejaus bureb« 
braufte, wie bie fönigliche familie bas füge Gefchöpf be¬ 
jubelte, bas nun ein fchwermütiges bänifches Dolfslieb mit 
(Ehränen in ber Stimme fang, um wenige Ittinuten fpäter 
mit ben „Cloches de Corneville' 4 3a ent3öcfen, unb fchlieglich 
ein Knberfenfches IITärchen portrug: bie bänifche UTufe 
felbg fchien ihrem grögtett Sohn Stimme 3U leihen! Das 
war Gharlotte IDiehe! 

Dier 3 a *? re fpäter fah ich fie xn HTonte Garlo im „Palais 
des beaux arts“ wieber. Gine pom internationalen Huhm 
gefrönte frau! 3 m »thöätre des Capucines“ in Paris war 
ihr Stern aufgegangen. Bereny, ihr Gatte, h fl tte „la main“ 
gefchrieben bie IDiehe in biefer Holle ein ITTeigerwerf ge- 


fchaffen! Ulan mug bie Eje^ensangg fehen, mit ber ge wie 
ein perirrtes Dögelcfjen über bie Böhne ffattert, wie ge 
mit 3itternber Ejanb geh an ben Ejals greift, als wolle ge 
bie Hngg bef<hwi<htigen, bie ihr bie Kehle 3ufd?nürt, mtb 
man mug bann bie IDiehe gumm lachen, jubeln fehen, um 
ge für bie erge lebenbe Ulimiferin an3uerfennen! Unb in 
ber Doppelrolle bes „l’homme aux poupdes“, wo bie Gattin 
auf bie puppe eiferfüd?tig ig, wo ge auf ber Schwelle bie Holle 
wechfeit, aus ber lebensfreubigen frau bie tote Puppe wirb 
— Igrr erreicht bie IDiehe ben Uloment hödjger, grögter 
Kung, ben ihr fleines Genre bietet. Unb es ift jaminer« 
fchabe, bag f rau IDiehe geh h au Ptfäd^lid^ auf bie Pantomimen 
perlegt; wer fo im gutnmen Spiel ent3ücfen, ergreifen fann, 
bem mögte bas IDort, ber Gon 3U unerreichten Siegen 
helfen! 3$ ®eig bie ßrünbe nicht, weshalb biefe groge 
Künglerin geh ein fo fleines felb in Iefcter gjeit erwählt. 
Gharlotte IDiehe ig in Kopenhagen geboren unb gehörte bem 
Ballett ber bänifchen Ejofoper an, trat bann in Salonfomöbieit, 
©peretten auf, bis ge in Paris unter Gherbs Leitung geh 
auf bie Pantomime oerlegte. 

3g bie IDiehe in ihrem Genre burch ben Huhm hors 
de concours, fo ig ge im £eben, im Salon eine ber ent- 
3ücfenbgen, anmutigften Grfcheinungen, bie gra3iöfege Der- 
quiefung ber rogg blonben frauenfdjönheit ihrer Ejeimat 
mit bem raf girierten Bouleparbgefchmacf ihres 3weiten 
Daterlanbes; feit brei 3^hren h a t bie „bänifche pariferln" 
bie Seineftabt 3um ftänbigen Hufenthalt erwählt, bie ge 
nun perlägt, • um auf einem neuen Sieges3ug neue £orberen 
auf ihr blonbes Köpf eben 3 U häufen. cruti?. 



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Zlummer 37. 


Seite 1739. 



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Zugerittenes Zebra der Kilimandfcbarogefellfcbaft. 


Zugerittenes Zebroid fatx-feinfcber Zucht* 


Zebras und Zebrotde. 

Von Dr. £. fjecf, DireFtor bes berliner Soologifchen ©artens. 

£}ier 3 u JO pfyotograpfyfdje 2lufncibmen. 


Die fd?a>ar3 unb mei§ geftreiften, mie Fünftlidj an¬ 
gegebenen Sebras geboren feit 23 eftehen ber <§oologifchen 
©arten 311 ihren nteifl beftaunten SchauftücFen, 3umal 
fte immer für un5ähmbar tpilbe Ciere gälte«, bie trofoigen 
illutes felbft mit bem Sömeit anbiitben, tuen« er an 
einem ber 3hren ftd? pergriff, (Erft in unfern lagen 
ift man auf ben ©ebanFen geFommen, $u perfuchen, ob 
man fie nicht am <£nbe hoch nufebar pertpenben, ein 
Flima* unb feuchenfeftes £eit* unb Zugtier für bas 
tropiid^e 2 lfrifa heraus3Ü:hten Fömte. Das giebt heute 
bem <§ebra menigflens bie ZTTöglidjfeit einer getpiffen 
praFtifchen 23 ebeutung unb erhöbt nod? unfer 3 ntereffe 
für bie an fid? febon fo eigenartig fchönen ©iere. 

Der pon bem römifeben Kaifer Caracalla im < 5 irFus 
getötete fjippotigris (Cigerpferb), ber pon biefer afri- 
fanifeben tDilbpferbgruppe bureb ben ©efehichtsfehreiber 
Dio ©afftus ber europäifeben Kulturmelt bie erfte Kunbe 
brad?te,mufj mohl ein©rePYS‘ 5 ebra(EquusgrevyiA.M.-E.) 
getpefen fein; beim biefes ift bie nörblichfte 2lrt f im 
inneren Sontalilanb (©allalanb) unb Sübabefftnien 
(Scboa) 3U £}aufe, alfo pon Silben her bis ins tlilgebiet 


reichenb, mobin fid] ja anbrerfeits rpieber über Aegypten 
bie Derbinbungen bes römifeben IDeltreicbs ausbebnten. 
3n ber Deu3eit mürbe ©repys &ebva fo3«fagen pon 
neuem entbeeft bureb ein ©eichenf bes abejfmifcben 
Degus ZHeneliF an ben präftbenten ber fran3Öjtfchen 
23 epubliF, nadj bem bann 2 ftilne*(£biparbs pom parifer 
2 ftufeum für DaturFunbe bie 21 rt benannte. Später 
fpaltete man biefe noch in 3tpei, itibem man pon bem 
eigentlichen fcbtoar3fcbtoän3igen ©rePYfd?eit bas tpeifc- 
fdirpän5ige 5aurefche <§ebra aus bem l^atpafchgebiet ab¬ 
trennte auf ©runb eines weiteren (Exemplars, bas unter 
5 aures Regierung naeb Paris fam. Beiben Krten (ober 
geographifchen formen bergleichen 2lrt, toie man roill) 
ift bie biebte, enge Streifung bes gan3en Körpers ge¬ 
meintem, bie namentlich auf ben Saufen unb bem Kreu3 
fehr fcbmal unb fein ift unb an lefcterer Stelle 3U beiben 
Seiten bes breiten fchn>ar3en HücFenjlreifens ein meines 
5elb frei lägt. 

5 aures Sebra ift es, bas auf unferm Sitb S. ^ 7^2 
mein Kollege porte pom Jardin d’acclimatation befliegen 
bat, um feine Lahmheit 3U 3eigen. (Eine perblüffenbe 
Aufnahme: ber Oarifcr im ©ehroef, meiner 
Sinbe unb^YÜ n ^ r auf &em innerabeffinifcben 
(Eigerpferb. ©hatfächlich fefete biefes fchöne 
Cier, bas ich auch lebenb gefehlt liabe, 
bureb feine aufjerorbentliche Lahmheit unb 
Sanftmut in (Erftaunen: es ftanb im Stall, 
mürbe behanbelt tpie irgenbeiit ponY unb 
Fonnte aüerbings 3U Sebrajähmungsperfucheu 
allen ZHut machen. (Es bleibt nun ab3iuparten. 
ob meitere (Exemplare — fokhe finb bis jefct 
nicht nad7 (Europa gefommen — ebenfo gut¬ 
artig fein merben, unb ob bie ruhige Dulbuitg 
pon Sattel unb ©efdiirr ftd? toirflid} um* 
fefeen läßt in ernftbafte, lebenslängliche 2lrbeit 
unter bem Zweiter unb por bem ZDagen. 



eduard QQulff mit reinen drelTierten Zebras. 


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Zebrofde palz-fetnfcher Zucht. 


Svflematifche, groß angelegte Derfuche im fiinfangen, 
Säumen, Streiten unb (Einfahren pou g>ebtas maajt ja 
3ur Seit bie Kilimanbfcharo-Haubels* unb Canbmirtfchafts* 
gefeüfdjaft auf ihrem be3eichnenb unb perheißungspoll 
„(Eraf ebnen" genannten S^brageflüt in ber UTaffaifleppe 
Deutfchoflafrifas, unb nach ben Berichten ihres Der* 
treters 5. p. Bronfart, bes Leiter ber Derfuche, mit 
iiberrafchenbem (Erfolg. Die KugenblicFsaufnahmen, 



Saftardzebra rwKfdieti Berg- und Chapmanns Zebra. 


bie ber (Be¬ 
nannte ein- 
gef an bt hat, 
erlauben fei¬ 
nen Stueifel 
mehr, baß 
felbfl aus» 
gemachfene 
Zebras, alte 
fjengße bes 
in Deutfeh» 
oflafrifa 
heimifchen 
Böhms* 
Sebras (E. 

boehmi 
Mtsch.), pon 
unferm UTu- 
feumsfnftos 


UTatfchiebem 


leiber 3U früh perftorbenen Kfrifareifenben Böhm 3U 
€bren genannt, burch porflehtiges (Eraining in Fur3er 
Seit ba3U gebracht merben fönnen, ruhiq unb fromm 
(Befcbirr unb Heiter 3U bulben. p. Bronfart hat als 
alter, für 3 agb unb (Eiermelt pafftonierter „Kfrifaner" 


offenbar ein gan3 befonberes (BefchicF, mit Aufgebot pon 
Hunberten gut gefchulter, eingeborener (Treiber §ebra- 
berben ein3uFreijen unb langfam in große, mit Dorn- 
bccFen einge3Üunte 5 angFrale 


lieferung ber Kilimanbfcharo-Hanbels-unb Canbmirtfchafts* 
gefeüfcbaft FärjUdi 3U bem befannten Hamburger (Eier- 
hänbler fjagenbecF gefommen; id] babe pe bort gefehen, 
mir einen fjengft ausgefuebt unb gehört, baß pier 
bapon Kommifflonsrat Bufdj geFauft hat, um fle für 
feinen <ghrfus 3U breffieren. 

Das bat fd?on (Ebuarb ZDulff ( 2 lbb. 5 . 17 ^ 0 ) mit bem 
pon Ueiche-Ülfelb regelmäßig eingefübrteit (Eranspaal- 
Sebra (E. Chapmanni Layard) aus bem (ßebiet 3tpifchen 
Cimpopo- unb Sambejifluß unternommen unb längere 
Seit burchgefübrt; bann aber gab er es auf, meil ibm 
bie (Eiere bureb Bösartigfeit unb ZDiberfpenftigfeit 3U 
unbequem mürben unb im Derbältnis 3U biefen Schmierig* 
Feiten unb (Befahren bie Hummer 3U menig (Effeft 
beim publifum machte. (ßünftiger urteilt ber Dreffeur 
pbilabelpbia unb ber fchmebifche HTenageriebeftßer 
Sdiol3, ber in feinem H?enagerie3irFus jefet eine ein3elite 
Sebraflute als 5 reibeits-, Spring» unb Kpportierpferb 
porfübrt, pe einen Uepolper abfehießen unb 3ulefet im 
5euerregeu Pehen läßt. 

Daß auch (Ehapmanits - Sebras PoHFommen 3abm 
merben fönnen, mie Haustiere, ip außer aller 5 rage; 
pe müffen nur pon „guten flirten" in eutfpred^enber 
Umgebung entiprechenb behaubeit merben, b. b- einer- 
feits eine gemiffe 5 reiheit, momöglich auf ber XDeibe, 
genießen, anbrerfeits aber auch bie fiirforgliche unb pflege* 
rifche fjerrfchaft ber ZHenfchen fühlen. So habe ich pe 
im porigen ^erbfl in Uscania Hopa gefebeit, bem (Eier* 
elborabo meines 5reunbes 5al3*5ein, ber fleh bort mit 
Straußen, Sebras unb Kntilopen ein StücF innerafri- 
Fanifchen (Eierlebens auf feine fübrujflfdie Steppe ge¬ 
säubert bat. Die Stute ging mit mongolifd^en Urmilb» 
pferben — 5al3-5ein bat bie erften biefer hod?intereffanten 
(Eiere lebenb eingefiibrt — mit Halbblütern pon jolcben 
unb einem Kulan (gelbem apatifd?em XDilbefel) gan3 
frei auf ber IDeibe unter ©bhut eines berittenen Hirten- 


3u „brüefen", aus benen fle 
erfl in <£in3ellaufpläße unb 
bann in Staübogen gelangen. 
So an bas (Befangen leben im 
engen Hautn unb ben Umgang 
mit bemHTenfchen gemöbnt, flnb 
pe fchließlich nach p. Bronfarts 
eingebenben Schilderungen nicht 
fchmieriger 3usureiten unb ein- 
3ufabren als bie „rohen" 
Stpei* unb Dierjäbrigen unter 
unfern pferben auch* Sechs 
StücF foldier Böhms-Sebras 



aus bem beut'choftafriFamfchen 


(Erafebnen finb mit einer (Eier- 


eingefahrenes Zebroid falz-fein fcher Zucht. 


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Seite \ 7 % 2 . 


Bummer 37 . 




jungen, ber aber meiftenfcits gar nid]t 
im Sattel faß, fonbent gan3 behaglich bei 
feinen Sdjüglingen fdpafenb im (Sras 
lag: jo menig Kufpcht 
mar nötig! Der £}eitgP 
hat auf bie eingesäunte 
„Ciergeppe" gebracht 
merben müffen, rno auf 
^00 ZTlorgen bie Strange 
unb Antilopen laufen; 
aber nid?t etma, rneil 
er bösartig unb gefähr¬ 
lich geworben märe, 
fonbern nur, meil er 
berart oerliebt in pferbe* 

(tuten ijt, bag er laut 
miehernb hinter jebem 
(Buts* unb Bauernfuhr* 
toerf Verrennt, fo bag 
bie pferbe fdjeu merben 
unb ben BTenfchen ein 
„EjeibeufchredP" in bie 
< 5 lieber fährt. BTaitch 
frommes rufpfches Bäuer* 
lein mag gebad?t haben, ber leibhaftige (ßottfeibeiuns 
fei heiter ihm unb fein legtes Stüublein habe ge* 
fd?lageu, meun bas fchmarjmeig gejtreifte pferbe- 
ungeheuer mit feinem eigenartigen, fürs abgebrochenen 
IDiehern herangetrabt Farn. Diefe Dorliebe für frembe 
IDeiblichfeit bei bent Sal5*Sein|chen <3ebrahengft hatte 
übrigens eine gerabeju tragifche Schattenfeite in einer 
feinblichen Abneigung gegen bie eigene Stute: er big 
fte eines Cags tot. 

Sonft ift aber feine pferbeliebe gut ausgenugt morben 
unb hat fd?öne Früchte getragen in ( 5 ejialt prädtfiger 
Sebroibenmifchlinge mit pferben. SatySeiit hat als 
erfahrener <Srog5Üchter biefe «gebroibeufrage gan3 um* 
faffenb in Eingriff genommen unb fann heute fchon alle 
möglichen <§ebra * pferbemifchlinge oorführenl So 
ftammt ber erfie oon linfs auf Kbb. S. J 7 ^J 00m 
^ebrahengft unb einer gelblichmeigen Bauerngute, ber 
folgenbe umgefehrt oon einem gelblichmeigen Bauern* 
heng(t unb ber ^^^rafiute, ber britte oon einem 
Dollblut-Kraberheugg unb ber ^ebraftute unb ber oierte 
00m «gebrahengft unb einer befferen <§ud?tgute mit 
ziemlich uiel englifchem Blut. Beim (Einfahren unb 
reiten, bas ich felbg 3um Ceil mitgemacht habe, mar 
auch beutlid] 3U beobachten, mie geh bas eblere pferbe* 
blut in befferem 
Körperbau unb 
befferer (Bemütsart 
ber ZHifchlinge gel* 
tenb macht. (Ein Sin* 
ger3eig für etmaige 
3ebrotb3Üchtung 3U 
mirflichen Bug- 
3meden. 

Dom fachmiffen* 
fchaftlichen Stanb* 
punft aus hat pd? 
ber (Ebinburger 
profeffor (Ernart 
lange 3ahre mit ber 
^broibensucht be* 
fchäftigt unb feine 


mertnollcu (Erfahrungen unb Beobachtun* 
gen in mehreren bebeutfameit IDerfen 
niebergelegt, m benen er bie oer* 

fdpebengen fragen ber 
pferbesudg unb ber 
fjaustier3ud}t überhaupt 
neu beleuchtet. (Er fcheint 
mit feinen Derfuchen jegt 
3U einem gemiffen Kb- 
fchlug gefommen 3U fein, 
hat meniggens feinen 
berühmten «gebaucht* 
hengft ZTTatopo an fragen* 
beef oerfauft, ber ihn an 
ben dürften fjohenloh^ 
0ehringen meitergeben 
mirb. (Benannter Stan- 
besherr miU (ich jegt 
ebenfalls banfensmerter* 
meife ber &ebtott>m* 
3ucht mtbmen. Das 
(Emartfche gebroib 

Blulatto, ge3ogen mit 
einer eblen englifchen 
ponyflute, bepgt jegt König (Ebuarb VII. 

ZTiir felbg ift es gelungen, im Berliner «goologifdjen 
(Barten ein ebenfo fchönes mie feltenes 5^roib 3U 

3üchten, nämlid? einen BTauIefel oon einem falben 
(gelben, fd?mar3tnähnigen) ShetlanbpottYhengg unb 

einer Berg3ebraftute (E. zebra L.), jener füb* 

Ifchften, fapifd^en <§ebraart, bie, bis bahin nur noch in 

einigen legten Beften gefchont, jegt burd? ben Krieg 
oietleicht gan3 00m €rbboben oerfchmunben ig; pe 
3eid?net ftd? burd? efelartige (Begatt unb garte, enge, 
über ben gatten Körper bis an bie ^ufe reichenbe 

Streifung aus. Bei biefer (ßelegenheit mag bemerft 

merben, bag bie Zebras, fo eigenartig fte im £eben 
erfcheinen, im SFelett unb (Bebig nicht oon ben grauen 
tDilbefeln 3U unterfcheiben pnb, mit benen fte bie fjeimat 
Kfrifa teilen; pe bilben alfo mit biefen offenbar eine 
enger 3ufammengehörige (ßruppe ber afrifanifdieit IDilb* 
pferbe, unb man ift um fo mehr beredtfigt, einen Pferbe* 
mifchling mit einer <§ebragute als BTaulefei ju be5eichnen, 
ba ber ZHaulefel im genaueren naturgefchichtlidjen Sinn 
ja bas Kinb oon pferbchengft unb (Efelftute ift. (Er 
mirb mit unferm Jjausefel im (Segenfag 3U bem um* 
gefehrten Dlifchling, bem Blaultier, ber bas fjaupt* 
nugtier gan3er länber unb (Erbteile ip, faunt gesichtet; 

oerbürgt ftnb mir 
nur 3toei StücF, bie 
ber Kltmeiger unferer 
miffenfchaftlichen 
Cierjudp, Kühn* 
^afle, im bortigen 
lanbmirtfchaftlichen 
3nftitut ge3üd7tet hat. 
Diefer Berg3ebra- 
BTaulefel hat auf 
ber Kbbilbung noch 
bas mollige Sohlen* 
fleib; jegt ift er glatt 
unb glän5enb, golb* 
gelb oont Pater, mit 
ben fd?mar3en Strei¬ 
fen über ben gatten 


faurefcht Zebra im parifer Jardln d*acclimatat!on. 


Bergzebra mit Zebroidfohlen im Berliner Zoologifcben Garten. 


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Hummer 37 . 


Körper von ber 
HTutter — ein 
prachtvolles (Eier! 

— unb wirb von 
unferm 3»fpeftor 
^avemaun feit 
einiger Seit mit 
ber ihm eigenen 
©ebulb unb ©e- 
fchicflichfeit barauf 
eingeübt, HTitglieb 
unferer Heitfara* 
waite für bie Kin- 
ber 3U tverben. 

Don feinen förper* 
liehen <£igenfchat¬ 
ten fann man 
fagen, baß er 
plöfelid? 3« 00113 un¬ 
glaublicher Kraft¬ 
entfaltung fähig ift 
unb folche auch immer noch manchmal übt im Stammen- 
hang mit feiner geiftigen ©igenart, ber nichts von Hös» 
artigfeit, rvohl aber eine getviffe Schrecfhaftigfeit anhaftet. 

Schließlich hat man auch fchon HTifchlinge 3tvifchen 
verfdjiebenen S^braarten ge3ogen. Don ben geographifch 
benachbarten formen, bie htNtereinanber in unfere 
30ologifd?en ©arten famen, je nachbem bie ©ntvölferung 
Subafrifas von (Eieren burch Huren unb ©nglänber 
vor ftch ging, ftnb fte oft fchtver als folche au3ufpre*hen; 
als recht charafteriftifdje Swifchenform bagegen erfdjien 
mir ber abgebilbete Hajiarb 3wifchen ©hapmanns- unb 
Herg3ebra, ben ich neulich in ^agenbedPs SteUiitger 
(Eierparf fah, weil in ihm bas ©felartige bes Herg3ebras 
fo beutlich 3um Porfchein fommt. 

Was ift nun über tvirflid? nufebare Derwenbung 
von gebras unb Se&roiben 3U fagen? lieber ihre 
Ceijtungsfähigfeit, bie bjer, unb über ihre Unempfäng- 
lichfeit gegen Seuchen unb Hlutfchmarofcer, bie in Afrifa 
felbji 3unächfl bas IDichtigjte ift? 


Seite 17 ^ 3 . 


IParum gebvc* 
maultiere nicht 
ebenfo leijtungs» 
fähig fein f ollen, 
ivie gewöhnliche 
©felmaultiere, ift 
burchaus nid?t ein» 
3ufehen; beim ber 
Sebrahengft, ihr 
Pater, ift in ber 
Hegel ftärfer unb 
beffer gebaut als 
ber ©felhengft, unb 
er teilt mit ihm 
ben einigen fehler, 
ben er im Sinn 
ber Arbeitsfähig* 
feit etwa hat, bie 
weichen unb büttiten 
5 effeltt. Das Klima 
fpielt fo gut wie 
gar feine Holle; ich laffe unfere S*&ras, wenn es nicht 
gerabe ben garten (Eag regnet ober fd?neit, fchon feit 
3 ahreit auch int IPinter täglidi ins Äreie. 

Dagegen haben ftd? bie S*kroibe in ber IPiberftanbs- 
fähigfeit gegen ölutfehmarofeer, namentlich bas böfe, 
aalartig im Hlut ftch bahinfdilängelnbe (Erypanofoma 
ber (Ehetfefranfheit, leiber nicht bewährt. Drei S*6roibe, 
bie ©wart 3U Anftecfungsverfudien an Kanthacf, Durhatn 
unb Hlanbforb hergab, gingen an ber Kranfheit ebenfo 
fchnell unbunter ben gleichen ©rfd:eimutgen ein wiepferbe. 

IPie verhalten ftd? nun bie reinblütigen Sebras gegen 
(Ehetfe? Das ift natürlich bie wichtigjle, bie grunb* 
legenbe Dorfrage für alle bie neuerluhen Heftrebungeu. 
bie auf Schaffung eines feuchenfeften Heit* unb Arbeits* 
tiers in unfern Kolonien ab3ielen. £}ier fann uns einen 
5inger3eig jener erfte oben fchon genannte (Erausport 
beutfchojtafrifanifcher Sebras geben, bie jüngjt in Ham¬ 
burg attgefommen ftnb. Dicfe (Eiere ftnb burch ©ngiifch* 
ojtafrifa mit ber Hgattbabahu über Hlontbaffa ausgeführt 



ponyftute mit Zcbroid 6wartfcher Zucht. 



Zahme Zebras im falz-feinfchen Cferpark zu Hseania JSova. 


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Seite \ 7 ^. 


Bummer 37 . 


morben, alfo ftdier burd? (Thetfegebiete gefommen, unb 
id? machte batjer gleich bie Stelle bes (TropenhY<jienifd?eit 
3nftituts in fjamburg auf biefe feltene ©elegent?eit auf* 
merffam. €s mürben aud? Fleine Blutproben aus einem 
©hrriß entnommen, aber feine (Thetfeparafiten gefunben; 
ebenfomenig bei einem H en gft bes (Transports, ber in* 
3mifd?en in ben Beftß unferes ©artens überging unb 
pom Kod?fd?en 3 njtitut aus unterfudjt mürbe. 2 Tlan 
fann alfo annehmen, baß bie Sebras thatfächlid? 
feft ftnb. Der ejaFte Bemeis mürbe aüerbings erjt burd? 


bas ©jrperiment geliefert merben, baß mieberbolte, plan¬ 
mäßige ©infprißungen pottt Blut eines thetfeFranFen 
(Tiers in ein gebta refultatlos perliefen, ohne bei biefent 
bie (ThetfeFranFheit 3u erjeugen. IDer mill aber bei 
foldjem unbänbigen, bifftgen (Der, mie es bas gebra 
im «goologifcben ©arten gemöhnlid? ijt, biefes ©jrperi* 
ment machen? Unb mer mirb fold? mertpoües Stüd 
ba3uh*rgeben? ©s müßtebeibcrKilimanbfcharogefellfchaft 
an ©rt unb Stelle gemad?t merben, mo ber Beftanb 
(ad?t3ig Stüd) groß unb ber IBert 3unäcbft nod? gering iftl 





Xm Bann des Fanatismus. 


^fet 3 U 3 pijotograpljtfd^e 2Iufn<tt?nten. 


©s gebärt 3U ben intereffanteflen Aufgaben ber 
Dölferpfychologie, 3U Perfolgen, mie ftd? bei ben DölFerit 
ber Bußgebanfe entmidelte unb melche formen er bis 
hinauf 3U ben f?°hen KulturpälFern, 3U benen mir felbft 
gebären, angenommen l?<*t. Verfolgen mir bie ©nt* 
ftehung biefes ©ebanfens rüdmärts bis 3U ben auf 
tieffier Kulturftufe ftet?enben BaturüölFern hinab, fo 
läßt ftd? unfebmer erfennen, baß fte im ©eifterglauben 
unb AhnenFultus ibre IDur3el t?nt. Der Baturmenfd? 
jtel?t in bem natürlichen Ableben feines UTitmenfchen 
ben unheimlichen ©tnfluß böfer Dämonen, bie bem Der- 
florbeneit feinblich gefmnt mareit unb ihm burch Sn* 
fübrung pon perberben- 
bringenber Kranfbeit ben 
(Tob brachten. Verfölgen 
mir bie feelifcben Begungen 
ber BaturpölFer bei (Tobes- 
fällen, fo ergiebt (ich, baß 
ficb bei ben einjelnen Döl- 
Fern für bie Ueberlebenben 
bie perfd?tebenartigften Sit¬ 
ten unb ©ebräud?e heraus- 
gebilbet haben; biefeleßteren 
laufen alle barauf hinaus, 
bie Seele bes Beworbenen 
enbgiltig pon ber £eid?e 
burch befonbere Deranftat* 
tungen 3U bannen, bamit 
fte Buhe finbet, ober aber 
ftd? felbft burch ftrenge Be¬ 
folgung beftimmter Bor* 
fchriften por bem ©influß 
ber bäfen ©eijter 3U fd?ir* 
men. Bon gan3 befonberer 
Bebeutung ift hierbei bie 
(Tt?atfad?e, baß im ©lauben 
bes Baturmenfchen bie Seele 
bes Beworbenen eine außer* 
orbeutliche ©emalt über bie 
Cebenben h<*t. Diefe An- 
fchauung geht fogar fo 
mett, baß ber Beuhollänber 
fid? ben Schäbel bes Der* 
ftorbenen porhält, meil er 
glaubt, baß er hierburch in 
ftd? äen ©eift bes Derftor* 
benen mirfen läßt. Der Hshefe indifcher fahtre: Scfcrtigung eifermr Raken Cm RQdtenfleirch. 


in ber ©inbilbungsFraft biefer UTenfd?eit fortgefeßt be* 
ftehenbe Derfehr mit ben ©eiftern ber Berftorbenen 
3mingt bie Ueberlebenben, gan3 beftimmte Borfchriften 
3U erfüllen, um bie Seele bes (Toten 3U befänftigen unb 
3ur emigen Buhe gelangen 3U laffen. Hier ift bie 
XBur3el für bie ©ntftehung ber Asfefe 3U fuchen, b. Fi¬ 
ber ©nthaltung pon Cebeitsgemohnheiten, bie bei ben 
ein3elnenDölfern ein gau3 eigenartiges©epräge annehmen 
fäitnen. So lange nad? ber Anftd?t ber Bälfer bie 
Seele bes Berftorbenen nicht im 3 enfeits meilt, müffen 
pott ben Ueberlebenben ©egenftänbe, bie bem (Toten 
gehörten ober in beiten er feinen Aufenthalt nehmen 

Fäitnte, gentiebeit merben. 
Aus biefem ©runb legen 
ftd? äie Hinterbliebenen ber 
eitt3elnen Bälfer bie ©nt- 
haltung pon befiimmten ©e- 
ttüffen unb Cebensgemohn- 
heiten auf. Diefe Derf?ält- 
niffe merben am beften 
burd? bie Sdjilberung ber 
Beobachtungen erläutert, bie 
bie BTitglieber ber Deutfcfjen 
(Tieffeee^pebition gelegent¬ 
lich ihres Befuches ber 
BiFobaren bei ben Be» 
mohnern biefer 3nfeln an- 
fteüen fomiteit. Bach ber 
Anfchauung biefes Bolfes 
ftnb es, mie ©huit, ber 
Ceiter ber ©jrpebition, mit¬ 
teilt, bie ©cifter ber Ber¬ 
ftorbenen,’ bie „3n>is", bie 
ftch lieber nach einem 
-Körper febnen unb in irgenb- 
jemanb t?inein3ufahren per- 
fuchen. Um 3U perhüten, 
baß ftch äer 3»* eines 
Cebenben burd? Heimfuchun* 
gen unb bäfe KranFheiten 
bemächtigt, giebt man bem 
Berftorbenen alles mit ins 
©rab, mas ihm im Ceben 
mert mar. Die Hinterblie¬ 
benen entfagen aber für 
längere Seit allen 5reuben 
unb ©enüffen, namentlich 


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Hummer 37 . 


Seite { 7 ^ 5 . 



aud? bem BetetFauen, um ben (Seift 3U oerföbnen. Um 
ju oerhinbem, baß bie 3wts in bie Jütten t^ineinfa^ren, 
errichtet man fogenannte (Beifterbäume im IPaffer, bie 
als Ablenfer bienen foüen. IPenn troß aller Porftd?tsmaß- 
regeln ftd? bennodjbeiben £}interbliebenenHnglücFsfäHeunö 
KranFheiten, namentlich bas (0 feljr gefürchtete lieber, 
einftellen, fo wirb 
ein mit (Selagen 
unb Opferungen 
oerbunbeneslEeu- 
felsfeft oeranßal- 
tet, um ben 3mi 
3u oerföhnen. 

Schließlich wirb 
oon ber Beoöl- 
ferungein(ßeifier- 
fchtff hergefteüt, 
bem ber (Seift, 
oon ben Saube¬ 
rem in einen 
Korb eingefan¬ 
gen, anoertraut 
wirb, um bas 
Schiff mit bem 
gefangenen 3®i 
ben IPeHen bes 
©3eans preis 3 U- 
geben. Ausbiefem 
Seifpiel geht 3ur 
(Senüge heroor, 
toie tief ber 
(Slaube an bie 
HTad?t ber ge- 
fdjtebenen Seelen 
m ber «Empfin- 
bung ber Hatur- 
menfchenrour3elt; 
es ergab fich aber 
auch baraus bie 
(Entziehung asFe- 
tifdjer (Sehr äud?e. 

Perfolgtman nun 
oon biefem (8e- 
ftdjtspunft aus 
in auffleigenber 
Kulturreihe bie 
biesbe3üglichen 
(Sebräuche ber 
ein3elnen PölFer, 
fo läßt ftd? un- 
jehtoer erFennen, 
baß hierin bie 
Anfänge retigiö* 
fen «Empftnbens 
3U Feimen be¬ 
ginnen. 

Sie erftreefen 
ftd? alle auf Ueber- 
ftnnlid?es, bas ber IPahrnehmungsFraft bes HTenfd?en 
fpottet. Alle (Erfd?einungen unbfiinflüffe, benen berZTTenfd? 
ratlos unb umoiffenb gegenüberjieht, führt er auf bas «Ein¬ 
greifen überjtnnlicher HTäd?te3urücF. Ueberlieferung, Aber¬ 
glaube unb Sage forgen bafür, baß ftd? bei ben natur- 
menfd?en bie Perehrung ber Perftorbenen 3U einem 
Ahnenfultus ausgeßaltet, ber bie Bahn 3U höherer unb 


freierer religiöfer «Entfaltung ber Hlenfcbheit freigiebt. 
©ie aus Furcht entftanbenen asfetifd?en Sitten oerbid?ten 
ftd? bei ben PölFern 3U beftimmten religiöfeu Potfd riften, 
beren ftrenge Ausführung ben Befolget t^eiliat unb ihn 
läutert oon ben Perführungen unb Süitben biefer 2 Belt. 
£ine gan3 befonbers ftarfe Ausbilbung t?<*t bie 

Asfefe bei ben 
UTohamme- 
banern angenom¬ 
men. Die als 
©erwifd?e ober 
FaFire be3eid?ne- 
ten Asfetifer bes 
3slams führen 
ein meift gan3 
oon ber Außen¬ 
welt abgefd?loffe- 
nes£eben, um ftd? 
jeglicher Sinnlich¬ 
feit 3U enthalten 
unb ein gott¬ 
gefälliges £eben 
3U führen, £?ier 
bemächtigt ftd? 
oielfad? ber Fa¬ 
natismus ber 
(Släubigen, bie 
ftd? bie furd:tbar» 
flen. «Entbehrun* 
gen, Perftümme- 
lungen unb Selbß- 
peinigungen auf¬ 
erlegen, weil fte 
glauben, bamii 
ihrem (Sott ein 
wohlgefälliges 
XPerf 3U oerrich¬ 
ten. 3n h^roor- 
rageitbem ZHaß 
fpielt biefer Fa¬ 
natismus bei ben 
Asfetifem 3 n * 
biens eine Holle. 
IPelche wahn- 
finnige Hid?tung 
ber 3rrglaube 
ber inbijd?en 
FaFire annehmen 
fann, führen uns 
bie beiftehenber 
Silber oor Augen, 
©ie Abbilbuitg 
Seite \746 3eigt 
einen Fafir, ber 
feinen Körper auf 
bas graufamfle 
3erfletfd?t, inbem 
er auf einem mit 
3at?treichen eifemen Stacheln oerfehetten Cager fchläft. 
Hid?t minber wiberwärtig iß bas an h^h^t Fefttagen 
aufgeführte Schaufpiel „Cfcharah pubfd?a", bas uns bie 
beiben anbern Silber 3eigen. ©iefes befteht bartn, baß 
man burd? bas Hücfenfletfd? eines Fufirs an ein Seil 
befeftigte trafen treibt unb bas Seil an einen langen 
QuerbalFen Fnüpft, ber ftd? im ZTuttelpunft um einen 


Hskcrc {ndtfdicr faMre: Der emporgetogene faktr. 


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Seite 


Hummer 3?. 



faktr in Benares, der auf einem Ötachelroft fchläft. 


tjohen pfähl &reht. Hnbere UsfetiFer Ralfen einen ober burdtfieljen als (ßauFler ober 5d>Iangenbefd?n?örer bas 

gar beibe Urme ftänbig Ijod}, baß biefe ftetf rperbeti, per» £anb unb leiften als foldje oft tpahrhaft ^eroorragenbes. 

Fümmern unb jtets fo flehen bleiben. Solche UnglücPItdjen Piele misteten leben auch einfam, beoorjugen bie Hah* pon 

muffen pon ber fanattfdjen ZTCenge, bie biefe 5afire (gräbern unb Perbreunungsorten, ba fte ^ier fidjerer 

betrunbert, gefüttert trerben. IDieber anbere fyaben auf bie ZTCilbthätigFeit ber (gläubigen rechnen Fdnneit. 

ftd? bas (ßelübbe bes etrigen 5d?tPeigens auferlegt. Unbere l^aben ftd? tpieber nach 2lrt ber HTöitche in 

2)as (ßebaren anberer 5afire ift fyarmlofer. Blanche Klöftern pereinigt. Pc. 2 l Sofoiomsf* 



Odas die Richter Tagen. 

Hotftanb. meine Ejanb lungsmeife erforberlid? fein, um ben Schaben 

3 « ber Bot ftnb Ejanblungen erlaubt, bie unter gemöhn* abjumenben; id? honble alfo ntd?t im Hed?t, menn td? ber 

licken Umftänben mtgefeglich ftnb. Das Hed?t fpriebt f^ter (Befahr anbers entgegen Fonnte. Dalmer mad?t ftd? ber ftraf* 

pon Hotmeht unb Hotftanb. Der Unterfdjieb liegt barin, bar, ber bettelt, meil ihn hungert. Denn er Faun Unter¬ 
baß bie Hotmehr jtets burd? einen Ungriff begrünbet mkb, ftüftung ron ber Ortspolijei begehren. IDohl aber barf idf 

ber pon einem UTenfdjen ausgeht. Hotftanb ift eine gmangs* einem anbern bas Brot megnehmen, trenn id? mid? nicf?t anbers 

läge, bie burdj anbere Umftänbe oerurfadjt mirb, 3. B. Hatur- por bem Verhungern fd?ütjen Faun. 3 **? borf nicht einem anbern 

ereignijfe, Eingriff pon (Eieren ober fonftigen Sdjaben, ber bejfen alten Efut porn Kopf reißen, um meinen neuen por 

uns pon Sachen broht. 3 n foldjer Sage Fann id? eine frembe bem Hegen 3U fd?üßen, benn bie (Befunbheit bes anbern 

Sad?e 3erftören ober bef<h#bigen, menn ber brohenbe Schaben ift mehr mert, als mein neuer Fjut. tDenn aber in einem 

groger ift, als ber burd? meinen (Eingriff perurfadjte Stäben; Ködert ober in einem Hejtaurant mein b?ut rermechfelt ift, 

td? Fann unbefdjränFt honbeln, alfo aud? größere gerftörungen fo bin id? berechtigt, einen £711t mit3unehmen, ber nodj übrig ijt. 

anridjten, ja HTenfdjen perlenen, felbft töten, falls Seib ober Selbftperftäriblich muß ich gleich nad? bem (Eigentümer forfchen. 

Seben pon mir ober einem meiner Ungehörigen in (Befahr Wenn burch eine £?anblung im Hotftanb Schaben entftehh 
fdjmebt unb ich biefe (Befahr nicht felbft etma rerfdjulbet höbe. fo bin id?, trenn ich and? an unb für fid? im Hecht gehanbelt 

IDerbe ich alfo auf ber Straße pom Hegen überrafcht unb höbe, eoentuell 3um <£rfa£ perpflichtet Dann bin ich aber 

Fann mich nicht burd? einen Schirm fchüßen, fo barf id? in nicht haftbar, menn id? bie Sache felbft, bie mich bebrohte, 

bas nSchfte befte bjaus treten, um ben Hegenguß abju- ^erftört habe, menn id? alfo 3. B. ben ipilben Stier tötete, 

märten. Der Efausbefiöet ift nicht berechtigt, mich 3U pertreiben. ber mich angriff. freilich mürbe i<h auch in folchen fällen 

3 mmer aber muß es fich um eine gegenmürtig brohenbe Schabenerfa^ leiften müffen. menn ich bie (Befahr perfd?uli>et 

(Befahr honbeln, bas h e ißt, fte muß unmittelbar beoorftehen. höbe. 3 n ollen anbern Jäüen, b. h-r trenn ich fonft Sdjaben 

3 <h barf baher nicht meinen gorn auslaffen an Sachen, bie rerurfacht höbe, obmohl bie (Befahr roit anberer Seite brohte, 

mir bereits einen Schaben gethan hoben. Und? muß bin id? ^um <Erfa§ rerpftichtct. 



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Hummer 37. 


Seite ^7^7. 



Das KoscieUskertbaL Der Tchwarxe Ceidh 


Der Streit um das „JMeerauge". 

Sier3u 5 2hifn<ihmcn ron 5- ©olMwmmcr. 



ZPer eittfam fein trollte, trer tagelang tranbern trollte 
burdj fülle (Dj&Ier, burdj enblofe Canneitträlöer, trer in blatte 
Bergfeen blicfen trollte, btmfel unb tief trie ins b}er 3 ber 
Kllmutter Hatur, ber ging t>or geiten in bie hoh e Catra. 
Diefer ljöd?fte (Teil ber Karpathen giebt in feiner rom Süben 
unmittelbar auffteigenben Schroffheit, in ber tri Iben, unge- 
bänbigten Schönheit feiner Bergfpifcen, in feinen IDälbern unb 
in ben unj&hligen „HTeeraugen*, ben Bergfeen, bie faß auf 
jebent (Sipfel ben IDanberer überrafchen, eigene, beinah 
inbiribuelle Beije. 
fjeute ift bie Catra 
w erfchlojfen",Bahnen 
führen in bie IPilb- 
ttis hinein' beinah 
ins Xjerj bes <Be* 
birges, Rotels unb 
Jütten ftnb allent¬ 
halben, unb auf 
fchtrierigen Bergen 
trinfen fchon Klam¬ 
mem unb Seile, fo bafj 
biemilbeHatur biefer 
Berge heute auch un¬ 
geübte Bergfteiger 
nicht mehr fd?recPt. 

3n biefem Som¬ 
mer h<*t bie Catra, 
bie ron Deutfchen 
ron 3 U 3ahr 

mehr befugt utib be- 
trunbert trirb, ein 
faft aftuelles 3nter- 
effe. (Ein alter Kampf 
um bie (Breite von 


0efterreich unb Ungarn, bejtr. ron polen, fpfiter (Balijien, b. h- 
0efterreich, unb Ungarn, bte auf einem fleitten (Bebtet ron fünf 
0uabratfiIometern hoch oben mitten im (Bebirge, im „Hleerauge" 
unb int „(fifchfee" firittig ift, h a * 3 ur (Etnfetjung eines 
,, Hleerauge" fchiebsgeridjts geführt, bas in (Sraj lange unb ein- 
gehenbe Derhanblungen um ben öfterreichifchen ober ungarifchett 
Befifcftanb führt. nicht bie (Bröge, trohl aber bie unrer* 
gleichliche Schönheit biefes „Hleerauges", bie trilbe (Srog- 
artigfeit ber Hatur, bie prachtrollen, ßeilragenben felstränbe, 

bie ftch in beiben 
Seen fpicgeln, recht- 
fertigen. ben erbitter¬ 
ten Streit beiber 
Hationen um ihre 
(Brenje. lUer ein« 
mal bort oben bei¬ 
nah 1600 Bieter 
über bern Hteeres- 
fpicgel ftanb, trirb 
ben büfteren, me- 
Iancholifchen (Ein- 
bruef bes füllen, 
bunflen Itfaffers, bas 
ftch treithin aus* 
behnt, ber grogett 
Scbutthalben unb 
Schneemaffen an fei¬ 
nen Ufern unb ber 
geraben Bergträitbe 
nie rergeffeu. 

Das Hleerauge 
unb ber fifchfee ftnb 
ber trichtigße unb 
interejfanteße punft 


Der Berg piöncb aber dem „pieerauge“. 


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Seite \ 7 % 8 , 


Hummer 37. 



Bansfo, einer flcincu, fd?ön gelegenen Jörfterei, pon ber matt auf meift guten Pfaben 
SumfjauptausgangspunFt aller füMicben XDanberuttgen, 3tim<£iorberfee, gelangen fann. 
Das im Horben ber (Tatra gelegene §acopane ift beFannt als einziger 2 DinterFurort 
bes (Gebirges, non bem aus matt fycrrlidje Einfälle itt bie nörblicheit (Tatrathäler 
machen Faun. Durch bas muuberoolle Stra3ysPalhal, porbei an romanttfdjen 
j^elspartieu unb einem raufdjeubett IPaffcrfall, füt^rt ein neu angelegter 2Deg tu 
bas KoscielisFerthal, bas feit langem berühmt unb bei allen IDanberern beliebt ift 
al* Satnmelplag munberrollfter ^Informationen unb eigenartigfter (Sefteinbilbitngen, 
btc oft Burg» unb Stabtruineit beut ent^ürften Uuge portäufchen. Uuci? ber 
bireFt nörblid? oom „2Ueerange" gelegetie tto5y«2Dierch, 511 beutfrfj bie (Semfett* 
fpi^e, beffett (Sipfel ftd} itt bem prächtigen „Sd?u>ar3en Heid)" fpiegelt, wirb üon 
gacopaue gern beftiegeu. 

2 Dem ginge bas t}er3 nicht auf nur bei ber Hamenuenuung biefer Straßen, 
HuhcpuiiFte unb Führen ^fclsfpitjen? Der September ift bie fd)öufte 3 ^** 3 *^ für 
Bergbesteigungen. Das 2 Detter will befiättbig werben, bie £uft ift fiifd? unb Flar, 
jeber Schritt ift eine (Erleichterung, jeber Utem3ug eine (Erquicfung. 2 Der möchte 
jetjt. fofern ihm tiod) golbette jcrieit3eit minFt, nicht noch ror XDinters 
Anfang einen Ausflug tu bie hohe (Tatra, 3U allen bett tro^igen bergen unb 


CUafferfall tm StrazyshatbaL 

ber norblichen (Tatra, in bie 
ber 2Danberer, ber meift pon 
Süben, aus Deutfddanb über 
0 berberg«(Eforba, aus 2 Dieu ober 
Bubapeft fommt, rou Hforba aus 
über ben lieblichen dforberfee 
im wirPungspolleu tSegctna^ 511 m 
ftufteren 21teerauge, ober t?on 
poprab aus über bie fiomni^er 
Spitje unb bie btei SdunecFfe in 
fehr lohnettben, aber oft anftrettgett* 
ben mehrtägigen (Touren gelangt. 

Hatürlicb giebt es un3ählige 
Dariationen fold?er acht« bis 
rierjehntägigeu jmßwanberungen, 
unb jeber Liebhaber ber einen 
ober attbern Spifte preift begeiftert 
feine Houte. Den Uebergattg über 
bie h<>h* Catra pon Horben nach 
Süben macht man als fchönes «gegeuftücf 3u ben ebenenpähntett 
Ulärfdjen pon Süben her am beften pon gacopane aus burd? bas 
KoscieiisPerthal ober bas langgefirecFte (Tydjathal nach pob 


Der ©(pfel des Ko zy VKerdi. 

wilben Seen unb por allem bem unpergletchlichen „ 21 Teerauge Ä 
machen, mag es nun bem (Saldier gehören ober bem feurigen 
Ungarn!?! $ritj r^uberg. 



in bemaltes Dorf. 

f'ictsu 5 Aufnahmen ron U. Krenn. 

(Einer Künftlerlaune hat bas waabilättbifche Dorf 
St. Regier bei Depey feinen eigenartigen unb inert« 
Pollen Bilberfcbmucf 3U perbanFen. Diefer ift nicht 
ettpa in einer (Salerie untergebracht unb gegen (Entgelt 
3U berichtigen, fonbern jebermann, ber fid? bie ITTüt^e 
nimmt, burd? bas prächtige Hebgelänbe nach bem am 
Berghang liegenben Dorf 3U pilgern, Famt (ich be« 
liebig an biefen KunfttoerPen erbauen. Unb es finb 
ihrer nicht wenige, bie pon biefer feltfamen Schau« 
ftellung auge3ogen werben. 

Die Dorfftraße ift bie (Salerie, 2 Däube, Scheunen* 
thore unb (Thürflügel ber Untergrunb, ben ber Künftler 
3U feinen IDerFen benutzte, unb bas Dorf leben, wie 
es an ihm bei ber Urbeit porüberjog, gab ihm bie 
prächtigften UlobeUe 3a feinen (Entwürfen. So enthält 
bie „(Salerie" auch fafi burchweg, abgefehtt pon 


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Seite ^750. 


Hummer 37. 


einigen allegortfchen Hemtnbjen3ert aus ber Der* 
gangenheit, Scenen unb (Typen aus bem Dorfleben. 
DTit Fühner, fidlerer Efanb Ijat ber KünfHer feine 
Sfi33en auf bie rohe, unoorbereitete <fläd?e hin* 
gemorfen, mit menigen Fräftigen <£in3elftricben 
ben (Einbrucf eines Hugenblicfs fefthaltenb. 

JDer ift ber Künßler, ber nad? genoffenen 
(Ehren bem £eben ber Weit entfagte unb mit 
feiner Kunji 3um DolF herabftieg? (Ein Kinb bes 
Dorfs, ber DTaler Beguin. ber einft in parifer 
KünftlerFreifen febr angefebn mar, b«t FranF unb 
©om Ejeimmeh nach ber Scbmei3 getrieben bie 
beimatlid?e Scholle mieber aufgefudjt. 

Die neuen (Einbrücfe belebten ibn mieber 
unb regten ihn aufs neue, ben pinfel in bie fjanb 
3U nehmen. 2ln ben alten h^ernen Cb orcn «nb 
IDänben entbecfte er alte DIalereien, bie fdjon 
fajt gä^lidj 3erjiört unb ©erblaßt maren. (Er 
machte ftdj baran, fte mieber anf3ufrifcben, fomie 
auch neue SF^en nach bem DTujter ber aufgefun* 
benen aus3ufuhren. Balb mar ber Huf feiner 
eigenartigen (EbStigFeit beFannt gemorben, £ieb* 
baber unb Sammler {teilten fld? ein, um bie Be* 
guinfd?en (öemälbe an3uFaufen. Die Bauern gaben 
ihre alten Scbeunentbore mit Dergnügen her, mit 
bem (Erlös Fonnten.fie-.ficb ^ehn neue* anfd?affen. 
Damit mar jebocb ber Kütijiler nicht einoerftanben, 
unb in §uFunft mäblte er bie roben DtÖrtelmänbe 
ber ffäufer als BilbtrSger. 

Seither tft Feitts ber „(Bemälbe" mehr ©er* 
Fauft roorben. 


Bilder aus aller Sielt 

Selbft ben (Erbolungsbebürftigen unb <Sro§* 
ftabtmüben, bie am Dteer ober in ben Bergen 
neue Kraft fuchen, lägt ber immer machfenbe 
Hutomobilfport Feine Hube. So fanb in DeauoilJe 
bei bem befannten fran3Öfifchen Seebab (Erouuiüe 
eine HutomobilFilometerfahrt ftatt, auf ber bie 
frühere Serpentintän3erin Dime. Bob IDalter 
1 Kilometer in Sefunben 3urücFlegte. Der be* 
Fannte Sportsman DT. Serpoüet 3eigte fid? in einem 
neuen Kraftmagen „H^alfifch^r beffen Do^iige er 
auf unferm Bilb Eferrn ©on Hotbfd?ilb erflärt. 


Bilder aus aller Welt. 



€ine franjbfifdje Beforbfaljrerin: 

Ulme. Bob Walter, bie fräljere 5 erpentin tänjerin. 



Ul. SerpoIIct mit feinem neuen Wagen „Walfifdf* 
im ©efpräd? mit £jerm ron Uot^fdjilb. 
Hirtomobllrennen bet Dcauvtllc. (pbot. BrangefDoft) 


Schluss des redaktionellen Teils. 



Fommenften unb wirb ba^cr als bas befte ©on allen gegenwärtig 
befannten ZHunbrnäffern anerfannt. 


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Jftummcr 37. 


Sexte 17 ^ 9 , 




Sb i 

rtV~- a: 

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C-X^-. .1] 



' "V| -> - V . , ;JK< 


6fn bemaltes Dorf: 8t« Legier (Waadtland)* 


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DiewocHe. 


[lummer 38. 


Berlin, den 20. September 1002. 


4. Jahrgang. 


Inhalf der nummer 38 , 

_. „ , _ feile 

Pie fleben (Tage t>er lDod?c.. 

®* e _ ® n ^*cf hinter bic Kuliffcn bes kaifermanöners. Don 

Btdjorb Schott. , 7 e, 

liniere Bilbcr.' *. 

Pie (Toten ber tPocf?e.! ! !.17*4 

P e Börfenwodie. ]*[)**’’’* i 75 J 

Per lefote Krieg. Don Linus oon Ciopfen.l 7 5= 

Bi Iber 00m (Tage, (pbotographifdje Kufnnijmen).* * \ 1759 

©toenbolin. Kommt non Kugutf Hiemann. (^ortiehung).1767 

Blute oon Koalun. ©ebidjt non ^ran3 (Soers ... . . 1771 

Dolfslieb unb Doirsoper. Don profcffor 21mo Klejfel (Köln) 1772 

roeinleje am Kbein. Don ID. Spulte 00m Brühl. (mit 6 Kbbilbungen) 1?75 
€me Kusüeflung nltolnniifdjer Kunfl. Don Klfreb Hutjemnnn. (mit 6 Kb* 

biloungcn) • •••••>««.. . 177? 

Pie IHnhljeit einer Kingelnntter. Don 0<ins <Sejer' (mit Kbbilbung)! ! 1781 

Don ber Keife 3urürf. Sf^c oon <£. ^ntjroio. i 78 2 

2Iuf ber Jnbmtarftsnieffe oon niftnij*notogorob. Don p. S. o Käaelaen* 

(ZKit 8 Kbbilbungen). y * t 78 3 

Kus ber mün^ner fyjfgefellfdjaft. Don Pr. 21 oon tDilfe '(mündjen).’ 

(mit 22 Kbbilbungen).. *?8? 

Derronnblung. ©ebidjt oon (jugo oon ßofninnnsthal ...!!!! 1 17Q1 
Silber aus aller IDelt.j 7 ^2 

d* 

Man abonniert auf die „Cöoche“: 

in Ber [in unb Dorortcn bei ber £?nupterpebition ^immeiilrafce 37/41, foroie bei ben 
Filialen bes „Berliner CofaI*Kn3eigers" unb in fftmtl. Buchhanblunaen im 

.. i .* X . M X L.! .ir w w ^ ~ - . — ’ ■ 7 ' 


SÜI!l e .? dn ^ ,lr ' 27: Chemnitz, 3obnnnisplnö Dresden', Seeftr. 1 


©eorgftr. 39; Karlsruhe, Kniferftr. 54; Kattowitz, poftflr. 12; Klei, 
tiolftenftrnfje 6; Köln a. Rh., ßobettra&e 145; Königsberg I. pr. 
Kneiphöffdje Cnnggnffe 55; Leipzig, petersiKn^e 19; Magdeburg, 
Breitemeg 184; Mönchen, Kaufing rftrctfce 25 (Pomfreiheit); Mömberg, 
Coren^erm-afec 30; Stettin, Brriteürafce 45; Stuttgart, Königtfrafcc U : 
Vliesbaden, Kirdjgayf* 26; Zürich, Kenntoeg 48. 

Jeder unbefugte Nachdruck aus diefer Zeitrchrift 
wird ftrafrcchtlid) verfolgt. 



14« September. 

Der Krtifcr reift 511 beit (flottenmanöueru uor Kurbaucit ab. 

3 »t Danzig mirb her „Deutfchc dag" bes (Dftmarfcn* 
pcrcins abgcbaltcn. Kitßcr bem üblichen Pulbigungstelegramm 
mirb and? eine Dcpcfcbc an ben Kcid?sfan3lcr (Srafeu Külom 
aefanbt unb if?m bie guftimmung 511 feiner pdcnpolitiF 
ausgefproeben. 

3 n münd?en beginnt ber fo3ialbcmofratifd?e Parteitag. 

§ar KiFoIaus richtet in Kurs? an bie Dorfältcften ueri 
fd?iebencr (Souuernemcnts, in benen Unruhen uorgeFommcn 
fmb, eine Kttfpradie. (Er marnt uor (ScfctjmibrigFcitcn unb 
ucrfid?ert bie dauern feiner ^ürforge. 

3 n Bulgarien ftnben (Erfafcmablen für bic Sobranje fiatt, 
bie fämtlid? für bie Regierung günftig ausfallen. 

3 m phönijparF 311 Dublin erbebt eine non 20000 per* 
foiten bcfudjte Derfammlnng proteft gegen bic Perfjängung 
bes 23 elagerungs 3 uftanbes über bic Stabt. 

15. September. 

3 n Offenbad? a. ITT. roirb ber neue DTainfyafen bem 
Dcrfebr übergeben. 

2 Iuf bem Kapitol in Hom mirb ber oierte internationale 
(Synäfologenf’ongreg Dom Unterridjtsminifter 2flafi feierlich 
eröffnet. 

Der italicnifdjc IHinifterpräfibent ©anarbeüi, ber fid? auf 
einer Keife burd? bic füblid?en Prooin3en bes Königreichs 
befinbet, tuirb überall fympatt>ifch anfgenommen. (Ein be* 
fonbers begeifterter (Empfang ijt i^m in Keapel bereitet roorben. 

16. September. 

Die .ftottenmemöoer nor Kurljaoen muffen megen ffflrmtfcffen 
JDcttcrs abgebrochen roerben. 

Königin IDilhelmina ron ffollanb eröffnet bie (Sencral* 
ftaaten mit ber Dcrlefung einer in ber fic erflärt, 

fic fei von ihrer febrocreu Kranfheit üöflig micbcrhergeftellt. 

17. September. 

3 n ITTündicu tritt ber beutfd?e Perein für öffentliche (Se* 
funbhcitspflcgc 5U feiner 2 7 . ^auptuerfammlung sufammen. 


Die sieben üage der Woche, 

11. September. 

Der Deutfcbe Kronprins trifft in Sasuar 5U ben öftcrreichifd?» 
ungarifchen DTanöpern ein. (Er roirb oom Kaifer A’ran3 
3ofef perfönlid? empfangen. 

Der <Sro§faufmann ^rau3 5 d>nltc in Kremen &cm 
Senat bic Dlittcl für ein Kaifer ^ricbrichbcnfmal jur Per* 
fügung gcftellt. 

12. September. 

Der Kaifer Fchrt aus bcni IHanöuergcfänbe nad? Potsbam 
3urücf. 

Die (Srubcnarbcitcr im £oirebafftn bcfchliegen/ in ben 
(Scnerarausftanb ein3utrctcn. 

13. September. 

König (Seorg uon Sachfen trifft 3um Kefud? bes Kaifers 
in potsbam ein. Kei ber ihm 3U (Ehren oeranftaltetcn 
Kbenbtafel bringen bic beiben IHonarcben (Erinffprüche auf* 
einanber aus. 

Die €ntfchcibung bes Schicbsgcridits in bem DTecraugeu* 
ftreit ift 3u (Sanften (Sali3iens gefallen. 

Der cbinefifche Pof ift juni erftcnmal nad? brei 3 ^i?rcn 
micber in ben pefinger Sommcrpalaft cinge5ogcn. 


Dir „Lage“. 

£tn Klirf h^ter bie Kuliffcn bes Kaifermanöocrs 1902. 

üon Richard Schott. 

(Es mar am lefctcu DTanöucrtag. Kuf bic 3 nfanterie- 
biuifion, bie fid? mit beit anbern beiben Dioifioncn bes uoit 
0ftcn her eingebrungeuen roten ^eiitbes in einer vortrefflich 
gemäblten Stellung bei Kalau 5ur Pertcibigung eingerichtet 
hatte, rücfte in frdftigem Porftofj bie (Sarbc an. 3 bre £inicn 
tuaren 3iemlich bümt. Das brachte bie neue (Eaftif — bic 
Kurcntaftif fo mit fid?. Kber es fehlten bod? bie getiügcnben 
Pcrftarfungcn, bie bem Angriff ben rechten ZTacbbrucf h^^en 
verleihen muffen, unb als cs trofcbem 311m Sturm fam, er* 
.Flärten bie Sd)iebsrid?ter biefen, rnie nicht anbers 3U er* 
märten mar, für abgcfd?lagen. Die (Sarbc mugte Kehrt 
mad?eu, nnb bic brauen pofener freuten fidi ihres Sieges. 
Dod? bie ^reubc folltc nur uou Fnr3cr Dauer fein, plö^lid? 
Fam ein Kbjutant ber ITTanoucrleitung h cra, mcfprengt unb 
überbrachte ben Kefchl: „gurücfl Die £age erforbert esl“ 
mißmutig gehorchten bic um ben preis' ihrer (EapfcrFcit 
gebrachten Sieger, unb auch non ben gufchauern fdjüttcllc 
mohl mancher erftauut ben Kopf. 


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Seite *752. 


Hummer 38. 


„©ff, off! Sic gereimten 
einen Sieg unb gehen 3U* 
rücf?" meinten ein paar 
von ben englifcffcn Korrc* 
fponbenten mit Fritifdfcn 
(Seftdftern. „U?enn bas 
mal in SübafriFa begegnet 
reärc; um einer £age reiUen 
reären reir gereiß nidft 
bavongelaufenl tt)as ift 
benn bas überhaupt für ein 
Ding, biefe Sage?" 

„Das reill ieff 3 ffnen 
fagen, meine Herren," ant* 
reortete ein (Seneralmajor, 
ber fie begleitete. „Die 
,£age‘ ift gereiffermaßen 
bas große Kabel, an bejfen 
vielen, meift unfidftbaren 
^äben bie UTanöverleitung 
affe Figuren biefes Kriegs* 
fdfaufpiefs ffalt; benn im 
(Srunbe ift es natürlicff 
nur ein Scffaufpiel, reenn 
auch ein jeffr ernftes unb 
lehrreiches! IDcnn Sic 
reünfdfen, reifl ieff bie (Sc* 
feefftspaufe benufcen unb 
3ffnen bas noeff etreas 
naffer auscinanbcrfefcen; 
benn über nidfts ift bas 
Publifum melfr im un* 
flarcn, als über bas IDefen 
einer folcffen großen ^rie* 
bensübung." 

Den (Englänbern, benen 
ftdf auch ein paar beutfdje 
unb amerifanifdfe Kollegen 
angefdffoffen hatten, rear 
bie fad?männifdfe €rläute* 
rung nidft unreillFommcn. 
Dian fudftc fidf im nalfcn 
Dorf ein ftifles piäfcdfcn. 
Der Dtajor breitete feine 
Karten aus, auf benen, 
reic auf unfern neben* 
fteffettben Kärtdfen, bie Stel¬ 
lungen ber einzelnen (Erup* 
penteile an ben verfdjicbc* 
nen UTanövertagen eingc* 
3eidfnet rearen, unb begann: 
„Dor allen Dingen, meine 
Herren, müffen reir uns 
barüber flar reerben, reas 
foldf ein großes Utanöver 
eigentlich bcjreecfcn foll. 
Soll es ctrea ben Rührern 
(Selcgenffcit geben, ftdf als 
große Strategen 3U ent* 
puppen? Das Publifum 
glaubt es. Über es ift 
nidjt fo. Die ftrategifdje 
Schulung vermitteln bie 
Kriegsfpiele unb bie (Sc* 
ncralftabsreifen. 3m UTa* 
növer aber ift ber <£lfcf 
ber UTanöverleitung, in 
biefem ^all alfo ber <£bef 
bes (Sencralftabs ber Kr* 
mee ber einige Stratege. 
Kllc übrigen Beteiligten 
haben rur iffre taftifdje 
Befä icung 3U erreeifen, 





Stellung am U. September abenbs. 


iffre (EüdjtigFeit unb Sei* 
ftjtngsfäffigfeit int Kuf* 
flärungsbienft, auf bem 
tTlarfdf, beim Bereegen im 
(Selättbe unb im <Sefecht, 
fur3: ihre Sdffagfcrtigfeit 
in jeber Bc3iehung. 3^ ncn 
Ificr3u möglidfft gute < 5 e* 
legenh^it 3u verfdfaffen, ift 
bie Hauptaufgabe ber UTa* 
növcrlcitung. Sic muß vorher 
ein (Selänbe ausreälflen, auf 
bem 3 nfanterie, Kavallerie 
unb Krtillcrie ftdf in ber 
für fie dfarafteriftifdfen 
tDcifc frei entfalten fönnen. 
Sie muß baftir forgen, baß 
bie beiben Parteien auf 
biefem (Selänbe 3U einer 
beftimmten geit sufammen* 
treffen. Unb fie ff(tt bie 
Ucbung audf nodf fo ein* 
3uridften, baß bie (Eruppen 
3um Schluß in ber Habe 
ber €ifenbaffnftationert 5U 
ftehn Fommen, reo fie 3um 
Bücftransport verlabcn reer* 
ben müffen. Das ift ein 
fd>reeres Stücf Krbeit, meine 
Herren! Unb ba anbrer» 
feits ben (Eruppen führ cm 
innerhalb ihrer Aufgaben 
audf nodj volle Bereegungs* 
fäfjigFeit gcreäffrt reerben 
foll, ba in taftifdfer Htnftdjt 
ber KriegsmädftigFeit Feine 
bcengenben (Sren3cn ge* 
3ogen reerben bürfen, reas 
follte bie UTanöverleitung 
ba reofff anfangen, reenn 
ihr nidft ein Deus ex machina 
3ur Derfügung ftänbe, ber, 
von ben tffatfädflidfen €r* 
cigniffen unabhängig, über 
ben IDaffcrn fdftvebte unb 
ihr bie UTöglidfFeit böte, 
in jebem Kugcnblitf 3U 
fageit: h a W Bis hierhin 
unb nidft reeiter? 

„Diefcr Deus ex machina 
ift nun] bie Sage, bie 
Kriegslage nämlidf, unb 
3tvar nidft nur bie allge¬ 
meine, fonbern audf bie 
für jebe Partei befonberc, 
unb es hängt gan3 von 
bem (SefdficF ber UTanövcr* 
leitung ab, bipfen (Sott aus 
ber IHafdfine fo aus^uftaf* 
ficren, baß er fie niemals 
in Derlcgenheit bringt. — 
,€iit rotes KrmeeForps ift 
über bie IDcidffel in berBidf* 
tung auf Bogafen vorge* 
gangen. (Ein bei ^ranF* 
furt a. ©. vcrfammcltes 
blaues KrmecForps foll ben 
in bas Sanb eingebrungenen 
(feinb surücfrecrfen/ heißt 
es ba. Daraus geht hervor, 
baß bie beiben Parteien 
irgenbreo 3tvifcben Bogafen 
unb ^ranFfurt 3ufammcn 


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Kummer 38. 


Sexte J755. 


treffen muffen. — Tiber von Hogafett bis ^ranFfurt ift roeit, 
unb nur; 3H)ifd?en gielenjiöi, XHeferiß unb Schmiebus ftebn bie 
ProviantFolonneu mit ben frönen, frifdjen Kommißbroten. 
Deshalb läßt ber hinter ben Kuliffen maltenbe Ueberirbifchc 
plöfclich ein jmeites rotes TlrmeeForps erfcheinen, bas an» 
geblich aus Sdjlefien über Sagan ^eranntafdjicrt unb fid? in 
ber Hidjtung auf ben ,$einb mit bem anbern vereinigen foü ; 
unb nun ift bie Hlanövcrleitung fidler, baß bie Kommiß’ 
brote bei Sdjermeifel nicht verfd)immeln merben. — Sieben 
Sic mal eine £inie von Sagan nach Horben unb eine anbere 
von Hogafen nad? JranFfurt, fo tverbeit Sie ffrtben, baß biefe 
beiben £inien ftd? gerabe bei IHeferifc fd^neiben. 

„So Ratten mir benn am 9. September abenbs bie beiben 
Parteien glücflidj biefjt bei einanber. Bei (Tempel am Hanb 
eines geborenen 4 Sdjlachtfelbs ftanben fie ficb fo nahe gegen» 
über, baß bie Dorpoften ftd? fajt mit ben ^anben greifen 
fonnten, unb ohne baß ber natürlichen (Entmicflung (Semalt 
angetljan märe, hatte allein bie ,£age‘ 3U IDege gebracht, 
mas bie Klanöverleitung beabfichtigtel Km nädjften morgen 
mußte bie Bombe 3um planen fommen. 

„Das mar ein prächtiger Hlanövertag, fo feffelnb unb lehr¬ 
reich, mie feiten einer. Tiber ber böfe, rote <Jeinb hatte feine 
Sache 3U gut gemacht. IHit feinen eng 3ufammengebrängten 
brei 3nfanteriebivifionen hatte er öem mcit auseinanber* 
ge3ogenen III. Korps fo hart ^ugefe^t, baß mir biefes rnahr* 
f<heinli<h am nächften (Tag meit hi n * cr 5ieleti3ig micber* 
gefunben haben mürben, menn bie Klanöverlcitung nicht 
abermals ihren Flafftfchcnjfreunb 3uHate ge3ogen unb ben blauen 
Branbenburgern eine gehörige DerfiärFung angebichtet hätte. 

„Sehen Sie jetjt, bitte, auf bie Karte vom jo. September 
abenbs. — Die rote Kavalleriebivifion ift verfchmunben. Der 
ftille (Teilhaber bes IHanoverfriegsgottes hat fie nach Silben 
verfchieft, um bie Dcrbinbung mit bem fchlefifcheit Korps 
her3uffellen. — Dagegen fteht bei IDeißenfee jetjt ein ganses 
KavallerieForps. lüo Fommt bas her? <San3 einfach! TIus 
ber befonberen Kriegslage; benn ba heißt es ja ausbrücflich, 
baß ,meitere Gruppen 4 jenfeits ber Ober 3ufammenge3ogen 
merben. IDarum follten fich biefe nicht in einer 3meitcn 
Kavalleriebivifion offenbaren, bie it^tvifchcn heraugerüeft mar 
unb fid? mit ber Kavalleriebivifion A vereinigt hatte. 

„Sie fehen, meine Herren, ( 5 ef<hminbigFeit ift auch in 
biefem ^all feine fjererei, unb fo gefchah es, baß Hot, bas 
fid? am (Lag vorher fo tvaefer gefchlagcn hatte, am [ |. Sep» 
tember fo grünblich gefchlagcn mürbe. — Die ,£age 4 er» 
forberte es! — Die Begebenheiten burften nicht nach einem 
anbern (Selänbe ge3ogen merben, unb vor allen Dingen foüte 
ja in biefem HTanöver bie taftifdje (Jrage geprüft merben, 
ob es hcut3utage noch möglich fei, Kavallericmaffcn in offener 
(Jelbfchlacht 3U vermenbeti. Deshalb mürbe Hot an biefem 
(Tag von vornherein in Derhältniffe verfemt, bie es nötigten, 
feine mühfam errungene Stellung 5mifd)cn (Tempel unb 
(Srochom auf3ugeben unb ben Hüglig an3utreten, auf bem 
bas Kavallerieforps es überfallen unb feinen rechten 
flügel in (Srutib unb Boben reiten mußte. Unb menn ber 
heutige große <Entfd)eibungsFampf jetjt für einige geit unter» 
brochen morben ift, fo merben Sie halb fehen, baß es bamit 
eine befottbere Bemanbtnis hat." 

Unb richtig! Der Ulajor hatte faum feine Karten 3U* 
fammengepaeft, als es 311 bomtern unb 511 fnattern begann. 
Das Kavallerieforps hatte in meitem Bogen bie redete ^laufc 
von Hot umgangen unb feueyte nun mit feinen rcitenben 
Batterien unb Ulafchinengemehren bem meichenben (Segner 
gerabe in ben Hücfett. Hoch einmal attaefierte, vom Kaifcr 
felbft geführt, bie gan5e ungeheure Heiterfcbar unb 3ermalmtc 
unter ihren 6000 Pfcrbcn bie (Trümmer bes feinblichen läccres. 

„Sehen Sic, meine Ucrren," fagte ber UTajor, fich ver» 
abfehiebenb. „ 3 efct «?irb ihnen bas (Scheimnis ber ,£age 4 ver» 
ftänblicher gemorben fein. ITlanöver ift ein Schaufpiel, bei betn 
es meniger auf bie fjatiblung als auf bie £eiftuug ber mit» 
roitfenben anfommt. Ditfe braven Heiter merben auch im 
roirflidjen feuer ihren (Tobesritt reiten; benn fie rniffen, 
mas es h c ^t: bie £age erforbert es!" 

OÖ 



Unmittelbar nach ben großen UTanövern, von benen 
mir heute sahlreiche Bilber (Seite ^7 59—( 765 ) bringen, hatte 
ber Kaifer bie ^reube, in potsbam ben König (Seorg von 
Sachfen als feinen (Saft begrüßen 5U föntien. Die (Sefühle ber 
gufammengehörigFeit unb ber ^reunbfdjaft 3mifchen bem 
Bunbesfürftcn unb bem Heichsoberhaupt famen in beglichen 
(Trinffprüchett beim ^eftmahl 3um Tlusbrucf. Uitfer Bilb 
(S. ( 766 ) 3eigt ben Kaifcr unb feinen föniglichen (Saft bei 
ber TInfunft vor bem Heuen palais. IDährettb ber Kaifer 
nach potsbam h e ^ m ^ c ^ r te, begab fich unfer Kronprin5 von 
Sonnenburg aus bireft 3U ben öfterreichifch»ungarifchen 
manövern (Tlbb. S. J 766 b), mo er an ber Seite Kaifer 
iran5 3 °f e f s oon ber Bcvolfcrung mit h^ r 5Ücf?er Bcgeiftcrung 
begrüßt mürbe. 

prin3effin Tllfons von Bayern (Tlbb; S. ( 766 a). 
Der (Eh c &es prin3en Tllfons von Bayern, ber bereits feit 
J89J mit ber prinseffin £uife von Orleans vermählt 
ift, mar ber Kinberfegcn lange verfagt geblieben. 3 n 
biefem 3 ahr erji hatte bie Prin3efftn bas (Slücf, ihn mit 
einem Baby befchcnFen 311 fönnen. IDir bringen h eu te ihre 
neufte Porträtaufnahme, bie mutter mit ihrem Kinb im TIrm. 

(Ein DcitFmal ber verftorbenen (Sroßher3ogin 
Tllice von Reffen (Tlbb. S. ( 766 ) ift am (2. September 
in Darmftabt feierlich enthüllt morben. Bilbljauer £ubmig 
Babich hat ba ein eigenartiges, von jeber Schablone völlig 
freies Kunftmerf gcfchaffen. Tluf einem Brunnen mit bem 
Helicfbilbuis ber fjer3ogin erhebt fid) ein fdjlanFer ©belisF 
bis 3ur £}öbe von 2 \ metern. garte UTäbchengeftalten 3ieren 
bie (Ecfen, grotesFe IDafferfpcier am Socfel bemeifen, baß ber 
Schöpfer bes ernft mürbigen DenFmals auch Sinn für tjumor 
bat. Jfcitt unb ebel, mie I^e^ogin Tllice gemefen, ift bas 
monurnent, bas grauen unb 3 u agfrauen ihrem TlnbenFen 
aeftiftet haben. 

Die 7 Dcrfammlung beutfeher TTaturforfcher 
unb TIcr31e (Tlbb. S. J 766 b) mirb vom 2 {. bis 27 . Sep¬ 
tember in Karlsbab unter bem Dorftfc bes (Seh. Kleb^ina!» 
rats profeffor Dr. ^eubner Berlin tagen. Unfere £efer ffnben 
in ber vorliegeitben Hummer bie Porträts hervorragenber 
Dorftanbsmitalicbcr. 

fr« 

Der 26 . beutfehe 3 ur iftentag (Tlbb. S. J 766 C unb d) 
hat feine Sifcnngcn im preußifchen TIbgeorbnetenhaus in 
Berlin abgehalten unter (Teilnahme ber Spitjen ber jurifti» 
fehen Behörbett. Somohl ber StaatsfeFretär bes Heid)sjufti3» 
amts Dr. Hieberbing, mie ber preußifche 3 u fti3minifter 
Dr. Sd)önftebt begrüßten bie Derfammlung mit Tlnfprachen, 
in benen bie Bebeutung bes 3 ur iftentages gemürbigt mürbe. 
3 « ber (That hat er in ben \2 3 ahren, feit er 311m erftenmat 
5ufammentrat, burd? Tlnregung unb KritiF bie (Sefeftgebung 
in Deutfd)lanb mefcntlid? beeinflußt. (Er hat auch biesmal 
mieber eine ^ülle von material geliefert für fchmebenbe, 
unter politifd)en, fo3ialcn unb mirtfchaftlichen (SefichtspunFten 
äußerft michtige fragen. So eifrig aber gearbeitet mürbe, 
bie (Teilnehmer am 3 ur iftentag fanbeu auch noc ^? 5 c »t 
für gefellige Derguügungeit. Unter anberm mürbe ein ^eft- 
banFett im goologifchett (Sartcn vcranftaltet, bei bem aud) 
ein vom Hechtsanmalt Uermanit (Eifert verfaßtes hamoriftifd>es 
i'eftfpiel „Die Kraniche bes 3 ^V^ US " 3 llr Tlufführung Farn. 

fr« 

€in (Sruppcnbilb ber TlrchitcFtcn (Enbe unb BöcF- 
manit (Tlbb. S. ^ 766 b), bie fich f c *t 3ah r 3chaten 311 gemein* 
famem Schaffen verbunben haben, ift gegenmärtig bei Schulte 
in Berlin ausgefteüt. (Es ift bas erfte IDerF, bas ber maler 
dafar Philipp nad? langjähriger TIbmefenheit Vn ber beut- 


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Seite J75^. 


Hummer 38. 


(eben b^eimat vollenbet I>at. Böcfmantt pfct an einem difcf?, 
(Eitbe fte^t, bie bjattb auf feiner redeten Schulter, neben ihm 
unb weift auf bie vor ihnen liegenbett plane für bas beu^ebe 
b}aus in Brünn, bas bie beibcu Künpier ausgeführt l>abcn. 


Sd?loß Burg an ber IDupper (Abb. S. 1766 ), bas 
verfallene Stammfd?loß ber (Srafen von Burg, bas teils aus 
privaten, teils aus öffentlichen lllitteln wieberhcrgeftellt wor* 
ben ift, h a * burd? bie ©pferwilligPeit bes ^reiherrn v. b. b^eybt 
(porträt S. J 766 d) in (Elberfelb einen prächtigen Sd?mutf 
erhalten. (Er ftiftetc einen Brunnen, beffen (Enthüllung auf 
ben 20. September anberaumt ivorben ift. Der Düflelborfer 

Bilbhuuer Jf. doubillier h a * &i e 



ihm geftcllte Aufgabe glänjenb 
gelöjt. Auf bem entfprechenb ber 
Ard?itePtur bes Schlotes in früh* 
gotifchem Stil gehaltenen Brunnen 
erhebt pd? bas Stanbbilb bes 
(Srafen Abolf von Berg. 

Der hoi tian ifd?e „Abmtral" 
Killicf, ber ftd? auf bie Seite 
bes Hebellenfübrers ^irrnin ge* 
fchlageit F^attc, foll bei ber Der* 
nidjtung bes Schiffes drete 


.ntmiroi“ H.uirf. 4 pierrot, an beffen Sorb er ftd; 

befanb, ums £eben gekommen 


fein, hoch ip bie Had?richt von feinem (Tob nidjt beglaubigt. 


W3 


Perfonalien (porträts S. (766 d). €s ift ivieber ein» 
mal von einem bevorftehenben IDedjfel itt ber Derivaltung 
Deutfd?fübwepafriPas bie Hebe. Der (Souverneur ©berft 
£eutwein weilt 3ur geit in Dcntfchlanb, tväbreitb im Scf?ut5» 
gebiet fein Stellvertreter DTajor (Eftorff bie (Sefchäfte führt. 
3tibeffen ift 3U h°ff cn / <Dberft ieuttvein auf feinen 

Pojtcn, für ben er fo ungewöhnlich befähigt ift, im 
3 ntereffc bes (Semcinwohls tvieber jurütfPchrett wirb. — Der in 
güricf? verporbene ruffifd^e Staatsrat von IDilb, ein geborener 
Schwei3cr, gehörte 3U ben bebeutenbften PhyfiPern. (Er war 
profeffor an ber Univerfität unb Direktor bes phyftPalifd?en 
gentralobfervatoriums in Petersburg unb lange gett auch 
präftbent ber internationalen polarPotnmifpon. 



(Sebcimrat Prof. Dr. (Ernft Dümmler, f am u* Scp* 
tember 511 ^riebrid^roba im Alter von 7 2 3 a h ren * 

profeffor Dr. ^inPciter von ber Berliner BergaPabemie, 
f am j 3. September 511 Burgpeinfurt. 

Kompottift D. H. ^infterbufd?, f i n (Slauchau. 
(Scncralmajor Hobcrt von 3 0C lf 0T1 , früherer Heitlcbrcr 
ber Kaiferin <Elifabetf>, f 5U IDicn. 

^Jrau profeffor Amalie £aud?ert, Sd?weftcr bes verftor* 
benen Beid?sfan5lcrs dürften 311 fjohenlohe, f 3 U <Sotl?a. 

IDürttembergifcher Sanbtagsabgeorbncter ITTaurer, f am 
\ 6 . September 3U Stuttgart. 

Profeffor ber Hcd?tsPunbc K. v. ITTaurer, f am j 7 .Sep* 
tember 311 2 Hünd?cn im Alter von 80 3 <*h ren » 

< 5 raf dafa HTiraitba, (Satte ber Sängerin dbripine 
Xlilsfon, f 3 U dambo (PyrctiäenX 

DiPtor ^rbr. v. pcrcira* Arnpcitt, früherer Canbes* 
hanptmannftcllvcrtrctcr, f 311 £ain3. 

AltStänbcrat Peter von pianta, fd?wei3erifcf?er poli* 
tiPer, f am J 5 . September 311 dbur. 

Homponift dhriftopf? Preis, f am J2. September 3U 
(Erlangen im Alter von 8^ 3 a h rcn * 

<35» 



IDcnn biefe geilen unter bic prejfe gehen, tritt in ber 
alten Krönungs* uitb ^anbelsftabt JrauPfurt a. HL ber erpe 
beutfd?e BanPiertag 3ufammen, unb nach allen Anzeichen 5U 
fd?ließen, wirb er eine impofante Demonftration gegen bas 
i^aubel unb DcrPel?r Pnebelnbe Börfengefefc barftellen. (Sroß 
angelegte agitatorifchc Kunbgebungen beptjen aber heutjutage 
in unferm gcfefcgeberifchen £eben eine erheblichere Bebeutuitg 
als 3U früheren geiten. Dies höben Plar bic noch in frifchcr 
(Erinnerung bepnblichen weithin tragenben Agitationen anbercr 
großer 3 nterc ff* n 9 cme i n f c haften ge3eigt. Bebauerlich bleibt 
nur, baß ftd? bie beutfd?e BanPwelt erp jefct barauf befmnt, 
in einer gemeinfamen ©rganifation an bie breite ©effent- 
lichPeit 3U treten. Alles, was früher von ben <Ein3elver- 
bänben, von EjanbelsPammern, loPalen BanPieroereinigungett 
unb bergleichen gefcf?ehen ip, um eine ATilberung ber fcharfett 
Börfengefetjgebung hetbe^uführen, h a l P<h — als öiemlich 
nufelofe Kraftverfd?wenbung ^cirausgcftcUt. ditte (Er* 
Plärung für jene Seitherige bePlagenswerte gurücfbaltung 
uitferer BanPwelt liegt in ber großen Dcrfdjiebenheit ihrer 
3 nterejfen. (Es würbe oft genug unb mit Hed?t barauf hi n * 
gewiefen, baß bie von ben banbelsfeinblichen Parteien ge» 
mad?te Börfengefefcgebuttg bem (SroßPapital, wie es in unfern 
führettben APtienbanPen pd? barpellt, mehr Hufeen als Sd?aben 
bringt, mährenb bas (Sefe^ bie wirtfd?aftlichen Kräfte ber 
mittleren unb gar erft ber Pleinen privatbanfiers allmählich 
voüftänbig aufreiben muß. 

IDenn man gegenwärtig von ben Dorgängen an ben 
(Jonbs* unb (SelbmärPten rebet, ip man alsbalb genötigt, 
ben Blicf auf bie ameriPanifchen Derhältnipe 5U lettPen. 
Auch gegenwärtig liegt h* cr 3 u lieber ein 3wingenber An* 
laß vor. Die burch bie Pühle IDitterung etwas ver5Ögerte 
ameriPanifdje (Ernte höl ^ic (SelbPlemme an ber HeuyorPer 
Börfe verfd?ärft unb auf einen längeren geitraum erpreeft. 
Diefe Knappheit ber Umlaufsmittel ift natürlich burd? eine 
außerorbentlid? ausgebehnte BörfettfpePulation unb ferner 
burd? bic ungeftutb emporgefd^oßene druftwirtfd?aft unver¬ 
hältnismäßig gefteigert worben. IDcnn nid?t ber von 3 a h r 
311 3 a h r fd?icr unheimlich anwachfenbe Hationalreichtum ber 
großen HcpubliP als gewichtiger ^JaPtor mit in Betracht 
Pätne, fo würbe bas üppig auffchicßenbe SpePulantentum mit 
feinen ungeheuerlichen Auswüchfcn längp bic folgenfchwerpen 
Kataftrophcn h cr l >c iö c füh rt h a l ,cn - Diefcr letjterc ^aPtor, 
bie anßerorbcntlich wad?fenbe gelbliche poten3 bes £anbes, 
wirb aber von vielen biesfeitigen Beurteilern ber wirtfdjaft* 
lidien £agc AmcriPas ttidjt gebührenb in Anfchlag gebracht, 
llnb baber bie oft mit apobiPtifdjcr Beftimmtheit ausge* 
fprodicitc pt*ophc3eiung von bem nahe bevorftehenben 
„ameriPanifdjen Krad?". 

Die £agc an ber Berliner Börfe h fl t pd? iit3mifd?en nur 
wenig veräitbert. 3 ” lebten (Tagen ließ bie Dorliebc 
für auslänbifd?e Hentcnwerte 3um (Teil etwas nad?, unb be» 
fonbers bie bisher fehr ftarP begünftigten türPifd?en papierc 
traten bei abfd?wäd?enbcn preifeu in ben b^intergrunb. Die 
türPifcf?e 2lnleihenunipPatioit ftößt immer wieber auf nette 
Iiinbcrniffe bei ber h°h cn Pforte, unb b^err Houvier fd?eint 
bes ewigen Bacffd?ifd?gebcns nun enbltd? fatt 3U fein. 
Aud? am 3 n ^ u P r irctPtienmarPt l?öt pd? wieber eine fd?ier un¬ 
heimliche (Sefchäftsftille eingcftellt, unb namentlich be3Üglid? 
berlDertc berdifettinbuftrie ift baspubliPum neuerbings mcrPlid? 
abgcfd?rccPt worben. Dagegen erhält ftd? für bie APticn einer An¬ 
zahl von dransportuntcrnchmungcn unb ebettfo für unfere ton* 
angebcitbcuBattPaPtien regeres 3 ntcreße. Die sum b^erbfttermin 
jefet fd?üd?tern an3iehettben (Selbainsfä^e gehen von einem 
bisher fo außcrorbentlid? niebrigen Hiveau aus, baß von einer 
(Selbverteuernng eigentlich nicht gerebet werben Pattn. r>enis. 


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Zlummer 38, 


Seite *755. 



<Es mar einmal — bas fieißt: es mirb einmal 
Ju biefetn munberfd?öneit Jammerthal 
(Ein großer ITiajin mit ftaunensmerten (Saben 
(Selebt, gemirft unb fo gehattbelt haben, 

IDie id? porahnenb eud? erjd^len mill. 

Heid? an (Erfolg unb (Ehre lebt er ftill 
llnb fd?lid?t in feine IDiffeitfdjaft pergraben, 

(Ein marmer ;freunb ber HTenfd?en jebes Staubes, 
(Ein treuer Hürger feines Daterlaubes. 

(Er l?attc uiel crforfd?t unb piel crfunbeit, 

Kranfert 3um heil, jum Dorteil beit (Sefitnben, 
llnb laut unb banfbar pries man allerorten 
manch IDunbcrmcrf, bas, 3unt (Erftaunen flar, 

Hus feiner IDcrfftatt (Tiegeln unb Hctorten 
Hafcf? über alle IDclt perbreitet mar. 

Hls f?ätte bic Hatur, mie eine Hraut, 

Dem Liebling if?r (Sefjcimftes anpcrtraut," 

Hur il?m, mie feinem attberen gemogen, 

Don aller IDirfnng ftreng pcrborgnem (Sruttb 
Die lebten Schleier 3ärtlid? meggc3ogcn, 

Derging fein dag ihm ohne fichern (Juttb 
(Scmaltiger, ttod? nie geahnter Kräfte, 

Hclcbettbcr, mie mörberifdjer Säfte, 
llnb mas er fattb, tuar immer ein Hercid?crn 
nTenfd?lid?cn IDiffens, faum titcl?r auf3ufpcid?crn . ♦ 
llnb trotjbcm fchtuur einft in ber (Erunfettfjeit 
Sein £iebliitgsfd?iiler laut auf Doftorefjrc, 

Daß bei ttod? längerem £cben and? noch mcit 
<Erftauitlid?ercs 3U gemärtigen märe. 

(Erfchrerft ob feines eignen IDortes Sd?mcrc, 
Schlug biefer Schmäler Feinen 3mciten Junten, 

Um aufjutyetten biefe Deimlichfeit, 

llnb hat feitbent nie micbcr fid? betrnttfeu. 

Je mehr ber UTciftcr in bie Jahre fam, 

Je meniger er an artbern Hntcil ual?m. 

KU ftörenber (Sefclligfeit entronnen, 

(Juhrt er auf feinem (Sütd?en oor ber Stabt 
Hei alten Häumctt unb lebenbigen Hrotiiten 
llnb feiner <forfd?ung blanfem 2lpparat, 

Don (Ehrfurcht unb Hemunbrung fd?cu umgeben, 

(Ein glücfliches unb ungeftortes £cbctt. 

(Er fd?iirte feilten 0fen, fchicb unb mifebte, 

Hcrechnctc, gemaitn, perbrauchte (Selb 

Itnb freute ftd?, mcntt’s auf bem herbe sifchte, 

Des förberfamen Dafeins, fern ber IDclt . . . 

Da fatn auf einmal, mie pott Sturmes IDogcit 
CEitt roinbgetragenes (Scräufd? pom ITTeer 
Jtts £aub hercirtbringt, gait3 poii ungefähr, 

<£in aUaufregcnbes (Scrücht geflogen. 

llnb mas l?eut nur (5erüd?t, Hcfürd?tung mar, 

IDar nächften (Tages fd?on gemiffe Kunbe, 

llnb fd?recflicf? ging bas IDort pon ITluitb 31t IlTunbe: 

’s giebt Krieg I Das Daterlanb ift in (Sefahrl 

(Es mar ein ernftes Dolf, fromm uttb gerecht, 
Dod? aud? ein ftarfes Dolf, geübt in IDaffen, 

Don feinem langen ^rieben 51t erfchlaffeit, 

Solbaten poii (Sefd?led?te 3U (Sefd?led?t; 

IDic Sonnenftrafjleit flammten feine Jahnen 


Dom Hul?m 5al>llofer Siege feiner Hhnen. 

Dom Kaifer, über Had?t berufen, legen 
Die Illäntter hamnter, pflüg unb Jfebcr f?in. 

Ulan fielet im mciteit Heid? auf allen IDegett 
Die ^eeresfäulcn nad? bett (Sre^eit 3iel?n. 

Das Dolf fleht auf, 311m Sturmljut mirb bie Krone, 
Iflit <Eicbeti3meigett fd?rnücft fid? jebe HTütjc, 

Der fytffdjlag flirrt, es raffeln bic (Sefdiütje, 

Dont ebenmäßigen Sdjritt ber HataiUoite- J J 
«Erbröhitt bie (Erbe, mäl?rcttb an ben Kitften 
Sid? ftol3 bic meißen patt3crflottcit brüften. 

Kls ttod? pott ^eiliger Hegciftcrung 
(Erleuchtet unb cnt3Ünbet alt uitb jung, 

Hegiebt fid? pon ben (Ebclften unb Heften 
(Ein Husfd?uß, mit bem Kan3ler an ber Spifce, 

Had? uitferes (Belehrten mufenfttje. 

IDer fiil?lt fid? ttid?t gcel?rt poii fold?eit (Säften! 
llnb bod? betrübt ben at?nungspollcu (Seift 
Heforgttis, als er ftc millfommett l?eißt. 

(Erhabner ^rettnb, fein Hürgcr fommt bir glcid? 

— Hlfo begann ber erftc ITlattn im Heid? — 

Die <Srctt3en aüe fittb Pont ^citib umringt. 

IDcttit fclbft bas ärmfte pon bett £aitbcsFinbertt 
Dem Staat mit (Sut uttb Hlut fein 0pfer bringt, 
IDas mirft bu tl?nn, bic fd?mcre Hot 3U linbern? 
IDas fattnft bu thun, um biefeit Krieg 31t hinbern? 
IDo jeberntaittt feilt Sd?crflcin Pflicht entriditet, 

Jft bas (Senie 311 unglcid? mcl?r perpfliditet. 

Der attberc bcfaittt fid?, unb er fprad?: 
mit ^freubeit fätn id? euren IDüufcbctt itad?, 

Dod? hab id? cud? nid?ts Heues mehr 5U geben. 

IDas id? in meinem arbeitsrcid?en £eben 
Der IDclt 311m frommen ober 3um Derberben 
Hisl?er crgrübclte, mas id? crfaitb, 

(Sab id? bereits betn teuren Daterlanb. 

Kraitfl?cit perfd?manb, pcr3Ögert ift bas Sterben, 
mit neuen Sd?rccfctt füllt id? bic (Scfihoffc, 

Hcflügcltc bic matttten uttb bic Hoffe, 

Hefeftigungcn hab id? neu crbad?t. 

Die Sd?iffe felbft 51t Heftungen gcmad?t, 

Jn DorratsI?äufcru mie itt Hrfcitalen 

IDirft mein (Scbanfc — foll id? mehr ttod? prahlen? 

Heilt 1 rief ber Kaiser: Selbft bei fcrttfleit horbett 
(Ertönt beitt Hitfim. Dod?, mas bu uns crbad?t, 

Die attbern haben’s lang fd?ott ttad?gentad?t. 

So ift’s (Sctneingut aller IDelt gemorben. 

IDir f?abcn’s, bod? bic ^eittbc fyabctt’s aud? 

Hub fchäbigett uns mit bem, mas bu erfonnett. 

Zlun gel?t itn gan3eit Dolf herum ein t^aud?, 

Der einem beitter Sd?üler einft entronnen, 

Uttb einem jener 0hrcit3cugcu fprid?t’s 
Der aitbrc nad?: bu f?ätteft es in E?änben, 

Den Krieg mit einem Sd?lage 3U bccitbcn. 

Da rief ber IDeifc rafd?: Jd? meiß pott ttid?ts! 
llnb müßt id? mas, bas jeben f?aber ftillc, 

Derrict id?’s nicht. Denn Krieg ift (Sottcs IDille. 

(Er mill nicht, baß bie Dölfer feig crfd?laffeit. 

IDeil cr’s uid?t mill, brunt gab er il?ticu IDaffcit. 


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Seite \ 756 . 


Hummer 38. 


Die Pölfer, bie ber tPaffcn £ujl verlernen, 

Per Freiheit unb bes UTutes ftd? entfernen, 

Kampflos entarten fie, el? fte’s gcbad?t. 

Pes ZTTannes h°,h c Schule bleibt bie Schlad>t. 

(Sott mar mit uns in allen unfern Kriegen. 

PTit (Sottl So merben mir aud? biesmal fxegen 1 
Per Kan3ler fd?micg. Perftimmt unb unsufrieben 
3ft er pon bem berühmten PTann gefd?ieben . . . 

mit (Erommelmirbel, Hlärfchen unb Fanfaren 
3ft, mas ba IPaffen trug, ins ^elb gefahren. 

Still ift bie Stabt, unb leer ftitb all bie (Saffen, 

Pie jüngjl bie menge faum oermodjt 3U faffen. 

XPo Kampfesgier aus allen (Thoren febmärmte, 
Begeiferung 3um h°h cn fjimmel lärmte, 
fjält bie (Ermartung jefct ben Utem an 
Unb Ijordjt hinaus, ob feine Boten nafjn. 

Unb Boten fommen. Pod? fein briefjt 

£aut aus bei ihrem färglid?en Bericht. 

HIehr Boten fommen — Siegesboten nid?t. 

XPas fid? fein Ulenfd? im meiten Heid? gebad?t, 

Steift feft: perloren ift bie erfte Sd?lad>t. 

3n <£in3elgruppen ftelfn an allen (Ecfen 
Pie Börger, im (Sefidjt ben blaffen Sdjrecfen. 

(Ein fdjcy (Serüdft fdjleicht halb burd? ihre mitte: 
Perloren aud? bie 3mcite Sd?lad?tl Pie brittel 
Unb leife tufcfyclt man ftd? in bie 0ljren: 

Pie fdföne, ftol3e flotte aud? perloren. 

Pie ^eftungen, bie neuen Ungeheuer, 

Perbrannt in einem rätfelljaften ^euer, 

Pas ftd? ber ^cinb oon meitem mitgebracht . ♦ ♦ 

Huf . feinem Söller in ber Sommernacht 
Sitjt traurig ber (Seleljrte, finnt unb laufest 
(Sebanfenpoll, mie ftd? im Hbenbminbe 
Huf feinem Pad? bie £anbesflagge baufdjt; 

(Ein füßer Puft jteigt pon ber blüh’nben £inbe 
herauf 311m hod?<$efd?nmngencn Hltan. 

Ulit najfen Uugen fefjaut er in bie Sterne, 

Pann auf bie Stabt hinab. Pa ftefjt pon ferne 
Prei (Jünfd?cn er ben meiten IPcg bergan 
3n aller (Eile feinem Ejaufe naffn. 

Pie fernen ^unfen merben litüe flamme. 

Sd?on qualmt fie breit unb leudftet auf ben (Eroß, 
Permeilen eine Ijelbenljafte jtrantme 
3ünglingsgeftalt beljenb ftd? h c &* 00m Hoß. 
man podft. Per Pförtner fdjilt. Balb fprid>t er leifer. 
Pie Ungel fnarrt. Kein Heben mehr, fein Hufen. 
Hur Sporenflang fjallt auf ben Ularmorjtufen. 

Per Hausherr öffnet: r»or ihm fteht ber Kaifer. 

(Ein IPinf . . unb bas (Sefolg im ^acfclfd?ein 
Bleibt por ber (Efjür. Die beiben finb allein. 

Pom Ejeere fomm’ id?, tief gebeugt 00m ^lucb, 
Prei (Eagereifen ohne Haft unb Hui?, 

Unb bir, nur bir allein gilt mein Bcfud?, 

Penn ber uns fjdfett fann, bift einsig bu. 

(Sefdjlagen ftnb mir. Hid?t burd? mut unb Kraft, 
Hein, burd? bie Künfte höherer lPiffenfd?aft, 

Pie munberbar bie IPudjt bes ^einbes fteigert, 
3nbeffen uns fiefj bein (Senie oermeigert. 

(Sleich einem (Sott bes gornes jtanb er ba, 

Per fjerrfdjer, ber auf feinen Picner fab. 

Per fprad?: Um meiner ffeimat (Slücf beftiffen 
(Sab id? eud? all mein Können, all mein IPiffen 
Unb If^ in meines treuen Bufens galten 
Bidets, mas eud? retten fonntc, porbehalten. 

Per ^errfdjer fpottete: Pu großer ITCann, 

£ügft beinen Sdfülcr, Jreunb unb Kaifer an? 
tPie? 0ber magft bu mir ins 2lngeftd?t 
gu fd?mörcn, jener feltfamc Bericht 
Pon bem (Seheimnis, bas imjtanbe märe, 

3m Hu lfinmeg3utilgen gan3e f?eere, 

Sei nid?ts als eines Prahlers Sd>minbelntäre? . . 
Pem Kaifer IPafjrlfeit!.. (Siebt’s bas mittel? 3<* 1 
Unb fommft bem Ejeer bamit 3U Ejilfe? Heini 



Erhabner ßerr, fielfP bu ben (Hegel ba 
Huf meinem f^erb? So unfd?einbar unb flein 
€r ift: bies Jläfdfchcn nod? in fein (Semifd? 

<Serul?rt, ein rafd?er Prutf bann auf bie ^eber 
Pes Apparates bort linfs auf bem (Eifd? — 

Unb jeber Upotfjefertehrling, j e ^ cr 

Hnfängcr in (Ehcmic unb PhvP ^ ann 
3m ^ui pernid?tcn h^nberttaufenb mann. 

Pu rül?mft bes ^eittbes U?iffenfd?aft? Per3eih > 

UTir, baß id? ladje . . . Hidjt aus Prahlerei l 
Pod? mollf id?, augenblicfs, mie id? ba ftebe, 

Hur fo meit manbern, bis ben ^einb id? fälje, 

3d? gan3 allein mit biefem fleiitcn Copf, 

UTäß' bie (Entfernung, brneft’ auf jenen Knopf: 

. . . Per Stab, bieRegimenter unb bie Hoffe, 

Pie ferneren U?agcn, fd?mereren (Sefd?ojfe, 

Was alles jetjt bie ^eimatflur 3erftampft — 

(Eins 3mei: perbrannt, 3erftäubt, h* n meggeblafenl 
Unb 3mifchen blauer £uft unb grünem Hafen 
Hur eine IPolfe, bie nerbliftt, nerbampft, 

(Ein ungeheures, ffieljenbes £eid?entud?, 

Praus hier unb bort nod? Knod^en, (Eifenteile 
E?erunterfallen unb geraume U?eile 
(Ein unerfreulich branftiger (Serud? 

Perfpürt mirb, bodj fein (Jcinb, fein einiger ^cinb, 
So meit ins Paterianb bie Sonne fd?eintl 
Pa fährt ber junge f?elb empor unb fpricht: 

^rifd? auf, ben Unterbrucfer mcgsufegenl 
Komm, fomm! 

Per anbre fagt: 3^ ^ ar f es nicht. 

Pu barfft nid?t? 1 ruft mit fd?recflichem (Sefidjt 
Per Kaifer. 3ft ’s benn mehr als Bürgerpflid>t 
Unb Scbulbigfeit? Sprich: marum barfft bu nid?t? 

Pa mirft ber meifter ftd? 3ur (Erbe hin: 

ZPeil id? ein menfd?, nid?t nur ein Bürger bin 
Unb meil, menn bies (Seheimnis id? oerfünbigte, 

3d? an ber gansen menfehheit mid? oerfünbigte. 
Urteile felbft: fobalb ein leidster Sinn 
(Erft einmal mein (Seheimnis preisgegeben, 

So hnt’s jebmeber Schädjcr in ber f^anb, 

Hus eitel Bosheit (Eaufcnbe pon £eben, 

3a, gan3e Stäbte, meilenmeites £anb 
3n menigen minuten 3U pernid?ten. 

Penn jeber Sd?üler fann bie mifd?ung rid?tcn, 

Unb für berlei Pynamomurfmafchinen 
(Senügt ein Kinb, fie mirffam 3U bebienen. 

^abfucht unb Hachfud?t ohne oiel (Sefährbe 
(Entpölferten in fur3er Seit bie (Erbe. 

Bier meiebt bie Bürgerpflicht por häh* r n Pflichten. 
3d? bin ein menfd?, unb meines Schöpfers (Süte 
Schrieb mir bie Pflicht ins fchaubernbe (Semüte, 

Paß id? bie HTcnfchhcit oor Pernid?tung hüte. 
Zliemartb foll meines ZPiffens Kuttbe haben, 

Penn mein (Seheimnis mirb mit mir begraben. 

Per f^errfd?er hart's unb blieft am Sdiroert h»aab, 
ZUs blicff er in fein eignes offnes (Srab; 

Sein f}aupt, bas über allem Polfe ragt, 

(Erblaßt als mie perfteiuert, unb er fagt; 

Pu großer UTann mit beinern flcinen (Topf, 

3d? fenne bid? unb beinen h ar tc n ^°Pf 
Uttb meiß: mas bu befchloffett, fteht fo feft, 

Paß es burd? IPorte fid? nid?t änberu läßt — 

Hllcitt pieüeid?t burd? ^h^ten. f?ör’ mid? attl 
3d? fehr 1 3um f?eer 3urücf, um, menn id? fantt, 

Sn roenbett uttfre fernere Hieberlage. 

Belfs (Sottl . . . Pod?, mirb an einem biefer (Tage — 
Perhüt’ es (Sott: — (Scmißheit bir gebracht, 

Paß uttfre Kraft gefällt unb aufgerieben, 

Paß nad? ber lebten mörberifd?en Sd?lacht 
Uns feilte IPehr uttb Hoffnung mehr geblieben 
Uls bu, um uns pom Untergang 5U retten, 

Siebft bu bie Beften unfers Polfs in Ketten, 

Pas fjeer in (flud?t, bie (Sräber uttfrer Hhnen 


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Hummer 38. 


Seite *757. 


(Befcijänbet unb 3erbro<hen unfre Jahnen, 

Siehg bu mit Bugen, wie ber Ueberwinber 
gu SFlapen macht bie tDcibcr unb bic Kinber 
Unb unfre Sprache fclbft fein macfjtgebot 
Don biefer €rbe 3U perbannen broljt — 

Dann hämmert bir piellcidjt ber IDahrljcit Schlug, 
Dag 5u ber gan5cn Hlenfdjbeit (Blürf unb fjeil 
(Befunb nnb frei ihr allerbeftcs (Teil, 

3h r unfer Dol! erhalten bleiben mug. 

Dann wirb piclleicht bein Pflichtgefühl ftd> fieigern, 
Dann wirft bu nicht mehr beine fjilfe weigern 
Unb greifft im (Srimm 5um fchrerflichfien ber Schrerfen 
Unb wirg ringsum ben (Jeinb 5U Boben grerfen. 

Jurdjtbare guFunftl rief ber alte Ulann 
Befturjt unb h°k abwcfjrenb beibe Tjänbe: 

Bie überleb’ ich meines DoIFcs (Enbc. 

Käm’s je fo weit, wie bu gefagt, ja .. . bann .. .1 

Die Stimm erftirft in fühlens Uebcrmag. 

Der Kaifer aber fpricht ihn gütig an: 
f^eil bir, bies eine furje IDort genügt 
Dem, ber fo lang 3U beinen fügen fag. 

Bun geh’ i<h voller fjoffnung, bie nicht trügt, 

3ch geh getroft, weil unfer fjeil gefunben. 

€r halt bes Schwertes freujesförmigen Knauf 
Dem Ulten hin. Der legt bic fingcr brauf 
gu ftummem Schwur für wenige Sefunben. 

Dann reicht jum Bbfchieb ihm ber fürft bie ßanb 
Unb ruft ihm, auf ber Schwelle 3Ögernb, ju: 

(Einer non beiben wirb bas Datcrlaub 
Dom feinb erretten: wenn nicht ich, fo bu! 

Unb wieber auf ber (Treppe Hingt's pon Sporen, 
Unb wieber not bem Chor brei facfeln flammen, 
Bis ge ben weiten 2Dcg hinab jufammen 
€in flämmchen fcheinen, in ber Bacht perloren. 
Still ift’s ringsum, erlofchen jebes Eicht, 

Schwül brütft bic Euft aufs lech3cnbe (Sclänbe, 

Unb mit bem (Sott in feinem Bufcn fpricht 
Der greife Ulann unb weint unb ringt bie ^änbe .. ♦ 

Seit jener Bacht, feit jenem gummen (Eibe, 

Eebt ber (Belehrte fchaubernb, wie im (Traum, 
Derfdjliegt geh por ber IDelt unb atmet Faum 
Dor Benggcn, wie bas Sdjirffal geh entfeheibe. 
Ullein bas broh’nbe Schirffal fchweigt unb 3aubcrt. 
Der Eicblingsfdjülcr, ber einft unbcbacht 
(Etwas non bem (Seheimnis ausgeplaubert, 

Das bis 3um Kaifer bann ben IDeg gemacht, 
Bemüht geh, feinen UTcigcr auf3uheitern, 

Doch feine Eaunc, feine Ulühc feheitern 
Un bes (Belehrten cigengnniger Urt, 

Der, in (ScbanFen nach wie por perloren, 
Derfniffnen Ulunbes, nach bem Ejerbc ftarrt. 

Da fraßt ber Ufgftcnt geh hm^r’n ®h rcn: 

’s geht ein (Berückt non fchrecflichem (Sefecht. 

Ullein man munfeit nur, man weig nicht recht, 
Ulan tufchelt, man nerfchwcigt unb hat nicht Bat, 
JDeil bie Depefchen non ben freiluftfduffem 
Derborbeit gnb, man Fann ge nicht ent3iffern. 

Dom gachen Eanbe ftrömen früh un & !P at 
Die Bauern in bie Stabt, unb auf ben IDällcn 
Sieht man (Sefchüße pgan3en, JDachen gellen. 

’s wirb bren3lich, Uleiger! IDär’s nicht an ber geii, 
Um cnblich biefen niederträchtigen Tjunben 
gu 3eigen, was bu Schrerflicfies erfunben 
Unb aller IDelt bisher nerheimlicht haft? 

3ch weig gut, wie man’s macht, unb freu’ mich faft.. ♦ 

Da unterbrach ben Schüler ber (Belehrte: 

Du freug bich? fragt er traurig. €r nerwehrtc 
Dem Ungebulbigcn, geh bem fjerb 3U nah’n, 

Unb fah ih n I an 9 mit höfen Bugen an. 

Der fchleicht banon. Der Uleiger geht 3ur Buh* 
Doch anberndags in aller fjerrgottsfruh, 

Da Sterne noch am blagen fjimmel funFeln, 

JDerft ihn (Sewieher. Unb er geht 5U paupt 



Des Eagcrs einen Ulann im h<Men DunFeln 
Des gimmers gehn, ben er 3U Fennen glaubt. 

(Er ftüßt geh auf, fchaut — nein, er Fennt es nicht. 
Das blage blutberonnene (Begeht 
Des Bcitcrs, ber 3urürf ben Ulantel fchlägt 
Unb nun ein Schwert mit abgebrochner Klinge 
3h m feierlich unb ftumm aufs Eager legt. 

Da ahnt er ben gufammenhang ber Dinge, 

Da fpringt er aus bem Bett unb gügert reifer: 


IDcr fchirft mir bies? 


Der anbere fagt: Dein Kaifer. 


2Do weilt er? 

Unter (Bottes freiem Ejimmel, 

Don feiner (Barben glän3enbem (Sewimmel 
Umringt, liegt unter Eeidjen feine Eeiche. 

(Erfchlagen alle wie non einem Streiche. 

Unb unfer 6eer? ■ ^ c 

Des feeres (Trümmer giehn. 

Der Übel unb bie 3 u 9 cn & gnb bahin. 

Hoch feh ich ge, bie gö^cn Beiterfcharen, 

Die Jahnen h oc h, mit fehmetternben Fanfaren, 

Des Beiches i?ort, ben Kaifer, in ber Ulitten, 

So gnb ge jubelnb in ben (Tob geritten. 

Unglaublich fcheint’s: lein (Segner, Feine Schlacht, 
Bein, wie aus blauer Euft mit einem Ulal 
Dernichtenb rtlebe^urft ein IDettergrahl, 

So lag im Bu bic gan3e JDaffcnmacht 
3n Beih unb (Blieb 3erfchmettert unb ßerftäubt. 

Bach Stunbcn fomm’ ich 3ur Begnnung, rage 
Ulich aus bem Knaul ber (Toten auf unb felje 
Den Kaifer ftcrbenb mir in nächger Bah*. 

(Er fchaut mich an unb reicht mir biefe IDaffe, 

3n aller (Eile gc 3U bir 3U tragen . . . 

Dann fanf er um unb fonnte nichts mehr fagen. 
Dergehft bu, Uleiger, was mir bunfel blieb? 

Der Uleiger fprach: f}ab Danf unb geh 3ur Buh! 
2Das er auf Stahl mit blutigem Ringer febrieb, 

(Es h c if$t: I>ein Kaifer garb. Bun rette bul 
3ch lef’ es mit ben Bugen meiner Seele, 

Unb ohne Säumen folg’ ich bem Befehl*. 

Eeb wohl, mich brängt’s 511 hobeln. €s ig geit. 
Da macht’ er emgg feinen (Topf bereit. 


(Trat an ben fjerb unb richtete fein (Töpfchen, 
(Bab noch aus jenen (Jlafdjen einen Sdjug 
Unb auch aus biefen eins unb anbres (Tropften, 
Befahl 5ur fjilfe geh ben (Jamulus, 

Befahl ben IDagcn, barg in begen Cafchen 
Den Flcinen (Topf unb bic notwenbigen (Jlafchen, 
Schob bie Batterie hinein unb lieg in engen 
Behältern heiliger (ElcFtr^ität 
Diel ungeheure Kraft sufammenbrängen 
(IDie’s heut3utage noch Fein menfeh pergeht). 

(Es warb gemifcht, geFocht, geparft, gehämmert. 
Bis, Faum gebacht, ber Sommerabeitb hämmert. 


Bis nun bie Eüfte mehr unb mehr oerbunleln, 
Sieht man pom ^ügel, wie im l^albFrcis weit, 

Die Eagerfeuer um bic fjauptgabt funFeln. 

Da hebt ein 3 amme rn an, man heult unb ghreit: 
Das ig ber (Jeinbl Schon gnb wir eingefchlogen! 
Kein ^eer mehr, feinen Dormarfch 3U perhinbernl 
XDeh uns l U>eh unfern IDeibern, unfern Kinbernl ♦ ♦ ♦ 
mit feinem Schüler geht auf hohem (Turm 
Der meiftcr, traurig in bie Dämmrung fpähcnb, 

Unb fprid)t, auf all bie fernen feuer fehenb: 

3<h glaube felber, morgen Fommt’s 3um Sturm, 
IDenn wir nicht rafdjer gnb. mach bich bereit. 

€s brängt bie Bot, unb unfer IDeg ig weit. 

IDeit war ber IDeg. Doch über (Thal unb ßügel 
(Trug ge ber IDagen mit bes iDinbes (Jlügel, 

Bis fie auf einem grünen XDiefenplan 
Buumchr in Xladft bie ^cinbe lagern fah’n, 

Die forglos in bes Sieges Uebcrmut 
— -Sie fehen es genau mit ihren Stechern — 

Sich Braten rögen arTTcr roten (Blut 


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Seite *758. 


Hummer 38. 


Ilm 3cutc roürfeln, £icbcr fingen, bechern, 

Hub anbre fcfylafcttb liegen moblbctvacht. 

Hlfo vergebt ber längfte deil ber Hacht. 

Von tveitem fdimcttcrt jeftt ein l^ontfignal . ♦ « 
Hutmort von redits unb littFs. Wit einem Wal 
Kommt brättgenbe Hetvegung in bic Waffen. 

(Es formen fid? im roten ^cucrfchein — 

Die (Ebene vermag fie Faum 5U faffen — 
Uitabfchbar ber Hegimenter Hcihit. 

Der Weifter, ber feit Stnnbcn nicht gcfprodicn, 
Springt anf unb ruft ben Sanier au ergrimmt: 
Schon fyat ber ^cittb fein £agcr abgebrochen. 

<Er benFt uns ttodj vor dag 511 unterjochen. 

Dod?, wenn Hcrcchnuttg ber (Entfernung ftimint, 
S'ittb nnfre dotcu nodj vor dag gerochen! . . . 
fertig? . . . (Einsl gtvei! . . . Die IVolFc fliegt, 
ginft, bli^t unb breitet rocit fid> aus im v ^lug . . 
llnb birft . . . Unb mas itodi eben IVaffen trug, 
3ft aufgebrannt, verblafctt ober liegt 
(Erftieft von ffiefynbcr pcftilcn^cn Qualm 
Wann bet Wann, tvie norm Schnitter lialm bei fjalm. 

Da ftarrt ber Schüler fpracfylos übers dfyal, 

Das jefct bet erfter Dämmrnng grau unb faljl 
Der Somte biefcs Stegestags begegnet, 

Dcrmcil’s nodi aus ber IVolFc Knochen regnet. 

Der Weifter aber ruft: IVas sögerft bu? 

Had? falber Hrbeit gicbt’s nodi Feine Kuh. 
gu IVageitl Warfd?l Unb laß bic Haber treiben! 
(Ein jtneites f]ccr nodi gilt cs auf3ureibcn. 

Uitb mic im Sturm gittg’s mcitcr itadj Horboften. 
Halb fallen ftc bes ^cinbcs vorbre poften 
llnb balb bas jtucitc I^eer ber ^auptftabt nalin. 
Unb mieber I^alt! llnb mieber: (Eins! unb gtvei 1 
Unb mieber rnar’s mit Wann uitb Hoß vorbei! 

Hutt mar bic Hrbeit aber gait3 getban, 

Der Krieg beenbet, eingclöft ber (£ib, 

Das Vatcrlanb non jebem ^einb befreit. 

Der Weifter, übermältigt vom (Schief, 

Das ihn 3um furchtbarn lVcrF3eug auserlcfcn, 

£ag auf ben Knien mit fehaubernbent (Settief 
Unb betete 311 jenem böfycrn IVefen: 

3d? hab vollbracht, mas bu befohlen Ijaft. 

Huit bitt id) bid? in Demut: nimm bic £aft 
Des ^ludis hon meinem tveincnbcit (Seroiffctt, 

Daß icfi ein großes VolF ins Hichts geriffelt. 

Dodi, mas burd? reine Pflicht geheiligt mar, 

Kein IVütrid? foll bamit bic Wettfehheit FräitFcn. 
£aß mein (Scl^eimnis brunt auf immerbar 
3tt emige Vcrfchmicgcnhcit verfeuFett! 

Der Sdiüler aber rief voll llcbermut: 

Wacht' id] nicht meine Sadic flittF unb gut? 

Das mar mal ein Vergnügen! Huf mein IVort: 
Das Waffcumorbeit ift ber Ijöchftc Sport! 

Komm, Weifter, jefct erobern mir bic IVclt! 

IVas uns entgegenftebt, mas uns mißfallt, 

IVirb Fur3erbanb ins liebe nichts geprellt. 

Unb millft bu nicht — nun bein (Schcimnis mein, 
<Erobr' idi mir bie IVclt für midi allein. 

Du mußt, fpradi jener, mas bu meißt, vergeffen! 
Hdi mas! (Es Fommt ber Hppetit beim (Effen. 
Uitb (Effeit ift hoch audi nur ein Vernichten. 

3ch möcht gleich micbcr bic Wafdjiitc richten . . 
Siel), Weifter, brunten iit ber (Ebne rennen 
ZTocfy ^einbe! £aß fie hurtig tnid? verbrennen 1 
Der Schüler reeFt bic hanb. Der Weifter fpridit 
Hbmehreub: biefe IVcttigcn fdiabett nidit. 

Vergönn beit Hermften bodi bas ttaefte £cben, 
Damit fie in ber fjeintat Kuitbe geben, 



IVas (Sott für uns gethait in biefent Streite. 

Da fehiebt ber 3 l " lTt ? cr Icichcith ihn beifeite: 

£aß midi mit foldi (Empftnbelet in Hulil 
IVas bu crfaitbft, Faun ich fo gut mic bu. 
paß auf, mic idj, um folcbcs 311 bemeifen, 

£aß jette Kerle bort ins 3 citfcits reifen. 

(Er faßt ben dopf, ber aitbrc faßt ifjtt auch . ♦ • 
Uitb mar’s nun, baß ber Schüler im (Sebraudi 
Der furchtbaren (Erftnbuttg nietet fo fertig 
IVar ober ntinber gciftcsgcgcnmärtig: 

Wit einem Hin# — id? meiß nidit, mie’s gefchah — 
IVar ber vermegue Sdiüler nidit mehr ba, 

Der platj, mo er itodi juft gcftattbcit, rein, 

Der ftrettge Weifter mcit runbnm allein. 

^ahr l^itt! rief er. llnb fei bic blaue £nft 
Dir, Worbbcgicrigetn, £cichcntud? uitb (Sruftl 
3 nt Keim erftieft’ idi beinc Wij|ctf}aten. 

Du mirft mir Fein (Scfjcimitis mcl|r verraten! 

Unb Farn allein 3urücf im ^rü^rotglatt3, 

Vom 3 ubcl bc3imicrter VölFcrfd^aftcn, 

Die naffen Kugs aufftaunettb il^n begafften, 

Hegrüßt als Vater feines Vatcrlaitbs! . . . 

0 b bic (Erftitbnitg auch (Sefjciinnis blieb, 

IVeil ber (Erftnber ttientaitb fie befdiricb? 

0 b er letjtmillig fie betn Staat vermachte? 

(Ein attbrer ^orfdicr fie aufs neu erbadite? — 

Wau fagt: (SebattFett fd^meben in ben iVinbcit, 

IVas einer fanb, Faitn audi ein anbrer ftitbcn — 

3d? meiß cs nidit. Das aber ift gcroiß, 

Daß mit bem VolFc, bas in fyödiftcr Hot 
Hodj über fold^e IVunberFraft gebot, 

Um ofyne iVaffett, ol]tte ^iitbcrnis, 

(Slcich 3mei ber fürdjtcrlic^ften EJccresfaulcn 
Samt allem Kriegsgerdt, Solbatett, (Säulen 
3 tt mcitigcit Winuten auf3urolleu, 

Kein anbres VolF ftd? mel^r fyat mejfcit mollcit. 

Uitb, mcittt audi anbere gemiffermaßen 
(Sleich große dhctnipfyyfiFcr befaßen — 

Wit fo erprobtem dopf mar nidjt 3U fpaßen. 

Hits furcht marb jeber gjmift im Keim gcfchlidjtct. 
So Fiat ber le^te Krieg ben Krieg verniditet. 

Die bes cmigeit v fricbctts, ftc begann! . . 

Unb bann?" (Pnufc. Dnnn Stimme aus öent pubfifum ) 
IVas bailtt?! (Stimme aus bem publifum:) 

„3amohl! .. Hadilicr .. mas bann?" ... 
Hdi fo?! . . 3fyr meint: id? foll nunmehr prophctifdi 
Die IVißbegier befricbigcit: mic ctfyifdj 
3 nt emigett ^rieben fid^ ber Wettfdi entfaltet, 

0b er ftdi cugclartig ausgejtaltet, 

0 b bei betn allgemeinen IVajfeitroftcn 

31 ?m Scrapl^sflügel au ben Schultern fproßten . . . 

0ber, meil alle ^echtcrFuitft etttfchlief, 

IVas Jfeinbe mareit, fidi gan3 primitiv 
dinaitbcr mit ben gähnen aufgefreffen? . . . 

3ch fchj’s balb fo ... balb fo ... hoch feh' ich's fehief. 
IVer auf betn Dreifuß Pythias lang gefcjjctt, 

IVirb fchmittblig .. 11 m mich breht fidi’s Frcu3 unb quer. 

Vom all3ulattgeu 3 n ^iC3uFuttftfdjaneu 

gucFt's nun mic ^cuer unter meinen Hraucn. 

Die Kugelt, bic ich angeftrengt 51t fchr, 

Vcrfageti ihren Dienft! 3 1 ^ fcfy’ nichts mehr. 

Sdion bünFt’s mich frevel, von ber guFuuft (Srüften 
Den 3 ft s f c i?I('( cr »or ber geit 311 lüften . . . 

(Er fällt mir ans ber hattb mic 5eutncrfd?mcr . . . 
Die Hilber biinFcln. Die (Scftaltcn fdimaitFctt. (Strt>t auf.) 
(Seftattet als propliet mir ab3ubaitFcu 
Uitb feib mit bem, tvas mir 511 fdiantt befdiieben 
(Semefett ift, mcnit's eudi gejtel, 5ufriebett. 



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ZTummer 38* 


Sexte \ 75 <). 



Koifer XDiö)dm mit (Beneralabjubant von Sd }oll ($. Kfifyt, ptjot.). 2. ©eneral pon Cigrtitj, Kommanbeur bes 111. Korps. 5. (Serteral pon Stfilpnagel, 

Kommanbenr bes V. Korps, (X) im IHanboergelänbe (Sdfoppmeier, pt?oL). 

Kairerman&ver in der Ottmark L 


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Seite *760. 


Hummer 58. 



Die Keiferin perläftt ben Bat^ntjof (EentpeL 


3talienifd?er (Scnerelßabscbef General Saletta. 




(General $rend? (0, £t. IHajoribanfs (2) unb JTlajor Bald (3). 


Graf IPalberfee. 



Die amerifanifeben (Säfte, üon linfs nad? redjts: UTajor pbiUips, (toi. 3°bnflon, tllajor *>• König Pom i, Garbe^efbartitlerieregiment, Berlin, 
General Corbin, General l^oung, €t Wie. Kinlej (Hefte bes perftorbenen präftbenten), General IPoob, Ct. Öle. Coy. 

Katferman&ver in der Oftmark II* 

Spejialaufnabnten für bie „tDocbe" uon $. Kühn. 


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Stummer 38, 


Sette {761 



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JJuffcMagen bes 3in?afs. 

KairermanSvcr in der Ortmarh III, 

Spejlataufnatimen für bk „Wod)C" von g. tiäijv 



































Seite \762 


Hummer 38, 



^elbbäcfcrei in (C b «5 t i g f e i t 
Spejtcjlaufnafyme für bic *tt>odie" non 5* Küfjn. 



Prooiantnuto mobile. 

Kalfermanövcr in der Ottmark IV. 


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Xlummcr 38. 


Seite i 765 



Der K r o n p r i n 3 u n b ^elbmarfcball Hoberts. 




< 5 enerallcutn. v. ßeeringen. 




(Senetal (Sraf v. £d}lieffen. 


ITTajor Klufjmann unb ITlajor B r o f e. Prin3 Ceopotb üoh Bayern. Prin^regent Jl 1 brecf?t d. Brau nfd?n?eig. 

Kaifermatiöver in der Oft mark V. 

Spejiaraitfnabmen für bie „IDoc^e" con 5- Kütjn. 


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Seite 


Jlummcr 58, 



Hampfc$p<tufe bei einer £clbf}aubi$tnbatterie. 



Infanterie inSd?üfcenHnie. 



Pra^oncrregiment (t. £d?iefifd?es) i>. Örebot» IXr. 4 

Kaitermanöver in der Ottmark VI. 

Spejialaufnabnten für bie „Wod)t M Don $. Kühn. 


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Hummer 38 


Sette ^ 765. 



© f f i 3 i e r e beim 21 b F o d? e tt. 



21 b I a b e n b e r Sin?nfbebflrfniffc. 

KaifermanSver in der Ottmark VII. 

i*pe 3 inlflufnnbmen für bic „ITocbe" oort 5 » Küfjn. 


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I- 














Seite \ 7 66 


Hummer 58 



Der Schlossbrunneu zu Schloss Burg au der Klupper, Uns nin 12 . September enthüllte 

her nm 20. September enthüllt mirh. Denkmal der Brossherzogfn HUce von Betten. 



Vom Betuch des Königs von Sachten am Deuttcheu Katferhof: Hnkunft vor dem freuen palais in Potsdam. 

fcofphot. Sefle & Kunfce. 


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stummer 58, 


Seite \766a. 





JHeufte porträtaufnabme der prinzeffin Hlfons von Bayern« 

ptjot. £?. tCraut, manchen. 



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Seite { 766 b. 


Kummer 38< 




©eb. $ofrat Prof t>. 't§off (Cbarlottcnb.) 
©rfter ftelluertrctenber Poqifcenber. 


©ruppenbtldnls der Hrebltehten 6nde und BSdtmann» ©eb. Hieb «Bat Prof. ßeubner (Berlin), 

für bas beutfd?e £)aus 311 Brfinn gemalt i>on Cdfar Philipp. ©rfter Oorjt^enber. 



©efyOTeb.»SatpTof.Crenbelettburg(£eip 3 .). J)r. v. f^efner»2IItenecf (Berlin). ©ft). £}ofrat Prof, Regler (^reiburg t. Br.). Prof. Cbun (triftig). 

Zur 74. Yerfammtung deutfcher fiaturforfeher und Herzte ln Karlsbad (u. bis 27. September): Vorfltzende und Vorltandsmltglieder. 



Der Deutrebe Kronprinz als ffanörergart des Kalfers von Oerterreleh: Huf dem pfandrergeUnde bei Basrar (Ungarn). 

ßofpot 21. l)uber. 


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Ztummcr 38 


Seite \ 766 c, 



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Seite \766d. 


Hummer 58. 




Jtuffifcfjer Staatsrat v IPilb + 
berühmter ptifllfer. 


J^ajor to« ertorff, 

flelloertretenber (Souper neur 
oott Deutfd?fübipefiafrifa. 



Hedjtsanipalt (Eifert, 
Pcrfaffer bes £eftfpie(s 
3 um 3uriftentag. 


Oberrt Heutweto, 

©ouperitrur poit Peutfcfyf ftbtpcflafrtfa, 
5 ur «n Deutfdjlmtb. 



^rbr. v. b. £jcybt’'2lberfelb, 

Stifter bcs Brunnens auf Sci'loß Purg. 



Vo« der ft\tr des 7 urtrte«tage 8 : 0 ruppenbfld aus dem feftrpfel „Die Kranfdie des Ibphus“. 

Räuber & Cobifd? pbot 


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Hummer 38 . 


Seite { 767 . 


©ivendolin. 

Hontan oon 

4. ^ortfeftung. ftuguft Diemann. 


nblich mar es fo meit! Die 2 Tcöbd maren 
angefomnten unb eingeräumt im Schön¬ 
eicher Pfarrhaus, unb bas Aufgebot mar 
erlebigt. Km Cag oor ber E[odfieit gegen 
Kbenb faßen bie beiben Klten allein 
oor ber Ijausthür. Sie feuf3ten manchmal tief auf. 
(Einer noch tiefer mie ber anbere, aber fte fdjmiegen, 
was follten fte auch fugen? 

Das Brautpaar mar 3um 5 riebhof gegangen. HTiibc 
unb bleich ging ©menbolin an Cucians Seite. ©r hatte 
3U feinem Kummer erft heute bemerft, mie bleich fte mar. 

„lieber bas Heft oergaß ich mein Bögelchen/' fagte 
er 3ärtlich, „aber marte nur, gebulbe bich noch ein 
IDeilchen nur, bann ftnb mir am <§>iel." 

Sie fchmiegte ftch an ihn unb fehmieg. IDas hätte 
fte auch reben foücn? Klagen? Sic mar umgeben mit 
einer 5ülle oon liebeooller 5ürforge. fjatte fte benn über¬ 
haupt ein Bcd]t 3U irgenbeiner 5 orberung, einer Klage? 
Dielleicht mürbe er gar nicht oerftehen, mas fte brüefte! 
3 a, bas mar’s, mas manchmal mie Cäbmung ftch auf 
ihre Seele legte: mürbe fte ftch jemals in feiner IDelt 
3urecbtftnbcn? Anfangs hatte fte .biefen bangen, quälen- 
ben ©ebanfen 3umeilcn Kusbrucf ©erlichen. Dann hatte 
er mit feinen fröhlich oertrauenben Kugen fte fo innig 
angefchaut unb gentfen: „Kber bie Ciebe! Die Ciebe, 
mein l}er3ensfinb, fte überbrüeft jebe Kluft, ©laube 
unb oertraue, bann fommt bas ©lücf. 3 a bie Ciebe! 
Die Ciebe!" IDenn fte bann allein in ihrer Stube im 
Küjterhaus faß unb auf ben linbenbefianbenen Kirch- 
plafc fchaute, auf bem bie Kinber oon Cen3bach fpielten, 
auf bie altersgraue Kirche, bie fo bicht oor ihr lag unb 
jeben freien Kusblicf oerfperrte, bann mürbe es ihr fo 
eng unb mch ums £}cr3, heiße Schnfucht erfaßte fte nach 
ben Ijöhen bcs Cebens, nach jenen feinen Ccbensformcn 
unb jener angeborenen *Unge3toungenhett, oon benen ihre 
fjausgenoffen trofe aller Seelengüte feine Khnung hatten. 
Stunbertlang fonnte fte auf bie altersgrauen Kirch- 
mänbe ftarren. Dann fam mohl ber Blumenbuft 3U 
ihr heräufgejogen, unb bas Singen unb Beten, bas 
gebämpft burch bie Blauem ber Kirche 3U ihr herüber- 
brang, rebete eine ntahnenbe Sprache 3U ihrem iüjer3en. 
Unb fte beugte ftch in Danfbarfeit; aber ©lücf? Ciebe? 
U>ar bas Ciebe, bics (Befühl, bas fte 3U bem Ulann 
hin3og, bem fte ftch 3^ eigen gelobt hatte? Wenn 
Cucians ftattliche ©eftalt 3mifchen ben alten Cittbcn auf 
bem Kirchplafe erfchien unb froh iw bent ©lauben, fte 
habe nach iljm ausgefchaut, hmaufgrüßte, bann fanb 
fte nicht ben UTut 3U einer flärenben Kusfprache unb 
fchloß bie Kugcn, umfchloffen oon feinen ftarfen Krmen. 
Sie oertraute ihm, fte ocrehrtc ihn faft noch mehr, nie 
mar ihr ftchcrer 3U UTut als an feiner Seite. Kber 
Ciebe? JDar bas bie richtige Ciebe? . . . 


Kuch heute fcheuchte fte bie trüben ©efühle, bie 
quälenben <gmeifcl 3urücf, inbem fte ftch eng an ihren 
Bräutigam fchmiegte. 

„Dergieb mir, Cucian," fagte fte ntit thränenfehmerer 
Stimme, „ich bin fo 3aghaft, mir ift fo bang! IDirb 
es mir jemals gelingen, bir für all beine Ciebe 3U 
banfen?" 

„©, rebe nicht oon Danf! Du giebft bich mir felbjl, 
mein ©lücf, mein alles! Warte nur, menn mir erfi 
baheim ftnb, bei uns baheim!" 


Unb nun maren fte fchon acht Cage baheim! Das 
alte Schöneicher Pfarrhaus hatte noch wie eine fo feine 
pfarrfrau beherbergt, fo fagte Delten Böfe, ber Kltarijt, 
unb ihm ftimmten alle Ceute im Dorf bei. Die fjanne 
UTeffingen, bie IDirtin im „Blauen ©chfen", hatte 3toar 
„ihre füllen Bebenfcn", ob bie junge 5 rau auch mit 
ihrem oornehmen ©ethue 3U ihrem neuen Stanb paffe, 
aber fte enbete eine ihrer mortreichen Heben fchließlich 
mit bem mcifen Kusfpruch, baß man abmarten müffe. 

Die junge 5 rau mar ent3ücft oon bem alten, fehönen 
fjaus. Wie träumenb ging fte oon einer Stube in bie 
anbere. 3 c fct fühlte fte erft bie gan3e ©röße ber innigen 
Ciebe, bie ihr Cucian entgegenbrachte, jefet lernte fte 
alle bie tiefen unb liebensmürbigen ©igenfdjaften fennen, 
bie er befaß, unb feine Bilbung, fein Kunjioerftänbnis. 
manches alte Stücf aus ihrem ©Itemhaus hätte er 
3urücfgefauft, auch ih r 5lügel ftanb ba in bem gemüt¬ 
lichen IDohn3intmer, bas bicht neben bem Krbeits3immer 
bes Hausherrn gelegen mar. Unb bas behagliche 
Schwimmer! Sie fanb nichts 3U tabeln, fte begriff 
nur nicht, mie es möglich gemefen mar, mit fo geringen 
HTittcln bics alles 3U erreichen. Die ^ausmirtfehaft 
mürbe mit £}ilfe einer alten ffaushälterin geführt, trofe- 
bem gab ftch bie junge 5 rau reblich UTühe, 3U halfen 
unb 3U lernen. 

UTamfell UTinchen mar eine gan3 entfernte Dermanbte 
ber UTormanns. Sie hätte oon früh auf in fremben 
Käufern gebient, ^ulefct mar fte 3ehn 3 a h*e bei einem 
alten Hentner fjaushältcrin gemefen. Diefer hätte ihr 
ein Meines Dermögen hmterlaffen, oon bem fte forgenlos, 
menn auch befcheiben, hätte für ftch leben fönnen. Sie hätte 
ftch auch anfänglich in Cen3bach häuslich niebergelaffen. 
Kber an Chätigfeit gemöhnt, ergriff fte ntit 5reuben 
Cucians Dorfchlag, feinem £}aus oor3uftehcn, unb ba fte 
ihren Meinen Hausrat mitbringen fonnte, ber in 3toci 
freunblichen Zimmern bes geräumigen fjaufes unter¬ 
gebracht mürbe, fo maren alle Ceile auf ihre Uedjnung 
gefommen. Fräulein UTinchcn ©rbrobt hätte ein fym- 
pathifches ©eftcht, bas oon braunen IDellenfcheitcln, bie 
noch fein graues £}aar jeigten, umrahmt mar, aber fte 



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Seite 1768 » 


Hummer 38 . 


hatte einen Meinen Perbruß: ihre Iinfc Schulter mar 
bcbcutcnb höher als bie redete. Sie trug besfjalb ftets 
eine Meine, bunfle pelerine. (ßmenbolin füllte ftch 3U 
ber immer ^eiteren, fleißigen unb bcfchetbenen perfon 
fetjr hinge3ogen, bie mit rührenber Siebe unb Perehrung 
an ihrem HTann hing, ben jte als Kinb fdjon auf ihren 
Ernten getragen. 

Hls freilich Pater HTormann mit feiner (ßattin 3um 
crjtcnntal nach Schöneiche 3um Befuch fam, mar er mit 
mancherlei nicht gan3 einoerftanben. So ärgerte es ihn, 
baß Sudan nicht erlaubt hätte, baß bas alte ^aus mit 
Hauchpufe bemorfen mürbe. Hein, bie alten I$ol3balfcn 
maren mie bei einem gan3 gemöhnlichen Bauernhaus 
braun angeftrichen unb bie Selber meißl Huch behagte 
ihm gar nicht bies emige (treppauf, (treppab 1 Hnb ben 
beiben jungen Leuten gefielen biefe Singe gerabe. <£r 
fehmieg benn auch unb mar froh/ öaß er menigfterts 
ben (Barten loben fonnte. 21 m HTittag fonnte man fogar 
bei bem herzlichen Spätfommermctter noch ein Stünbchen 
unter ben alten.Cfchenbäumen ©or bem fjaus ftften, fo 
marm fchien bie Sonne. Hach thüringifcher Sitte mar 
ber pfarrhof 3mar in bie Straßenflucht eingebaut, aber 
er bübetc troftbem ein Hnmefcn für ftch. Sie „ffofreitc" 
mar oon ber Straßenfeite her mit einer HTauer in halber 
HTanneshöhe umgeben. Por bem fjaus mar ein Blumen¬ 
garten, unb hinter bem großen I}of, auf bem eine breit- 
äjtige Cinbe jtanb, hinter ben Scheunen unb Ställen, 
fdjloffen ftch ein großer ©bjt- unb (Bemüfegarten unb 5elb 
unb XPicfen an. Sie grüne pfortenthür jtanb mcit 
offen, unb oben auf bem jteinernen (Querbalfen muchfen 
fjauslauch unb gclbblühcnber tjfop. Sas brachte (ßlücf 
ins ^aus unb fchüfcte ©or bäfen IPettern. 

Sie offene (Eh^r ärgerte Pater HTormann. 

„Sas muß fo fein," fagte ber Sohn, „meine (Ehür 
ficht jebem offen." 

3 ebem? Saoon mollte ber Hlte nichts hören. „ 3 a- 
mohl jamohl, mein Sohn, aber es fchabet nichts, menn 
ber Bittenbe erfl anMopft. ,Klopfet an, fo mtrb euch 
aufgethan/ unb irgenbmo foH ftehen: ,£aß bas Kimofen 
fchmifeen in beiner £janb, eh* bu es giebft! 1 Hber bu 
bift hi^r fjerr, Pfarrer oon Schöneiche!" 

Por bem bjaus, nur getrennt oon einem 5 ußmeg, 
ber mit firlen beflanben mar, floß ber Sluß oorbei. Sa 
gab es SoreHen genug, bie, oon HTamfell HTinchens 
fjanb 3ubereitet, föftlich munbeten unb Küfter HTormann 
meich ftimmten. 3enfeits bes Sluffes lag ein großer 
Sorfanger mit alten Sinben unb Steinhaufen. 3 m 
bjintergrunb auf einer Meinen «Erhöhung lag bie Kirche. 
Ser Husblicf oon ben oberen 5 enftern bes pfarrhaufcs 
mar fo malerifch, baß (Bmcnbolin 3u Sarbenfaften unb 
pinfel griff. Sas Bilb mar für bie Hlten beftimmt, 
unb bies (Befchenf trug mehr baju bei, ihr bie Siebe 
ber guten Küftersleute 3U ermerben, als manche anbere 
müheoolle Chat (Bmenboüns. 

5 rau HTormann fanb auch etwas aus3ufefoen. Sie 
mar im (Brunbe genommen angenehm enttäufcht ge- 
mefen oon ber gan3en fjausmirtfehaft. Ueberall herrfchtc 
peinliche Sauberfeit, bie junge 5 rau mar fo ftrablcnb 
glüdlich, fo 3ärtlich beforgt um Sudan, fo ehrerbietig 
gegen bie (Eltern! Sa mar nur eins, bas machte ihr 


Kummer! Sas mar ein Habenpaar, bas mit fchmer- 
fälligem 5 lügelfd)fag oon ben alten Crlen am Bach 
aufflog unb ftch lautlos auf ben (Querbalfen ber Pforte 
fefete. 

„Plein (Bott, mie gräßlich," fagte fte, „Haben jtnb 
Hnglücfsoögel! Was mollen bie? IParum fcheudjt 
ihr fte nicht fort?" 

Sudan lachte unb fagte: „Bift bu fo abergläubifeh, 
HTutterchen?" 

„Cs jtnb (ßätterboten," marf (ßmenbolin ein. 

„Kch geh," meinte bie Hlte bäfe, „£}eibenfpuf in 
einem chriftlichen Pfarrhaus! IParum jte nur in ben 
Schulen fo etmas lernen! Sas oermirrt nur! Unb 
HTinl, bie er3ählt auch immer Spuf* unb Häubergefdachten 
— ja, bas that jte immer!" 

„Sie Haben!" (ßmenbolin beefte gerabe ben (Eifdj. 
„ 3 a, bie Haben," fagte auch Sudan, „bas iji fo eine 
befonbere Sache, bie gehören ja mohl 3ur Schöneicher 
Pfarre. Bafe HTine fennt bie (Befchichte genau." 

„Hch bie! Hu natürlich mirb jte bie fennen," mifchte 
ftch ber alte HTormann ein. 

HTamfell HTinchen lachte unb hufdjte hmaus. 3 n 
ber Chür brehte jte jtch noch einmal um unb rief: 
„Petter HTormann, bie junge 5 rau fann euch bie <ßc- 
fchichte er3ählen, jte ift mahr, fein Spuf." 

Hergerlidj fagte ber Hlte, als jte hiuaus mar: „ 3 a, 
ja, gut mag Bafe HTine fein: fein Kuchen bleibt ja 
ftfoen, ben fte bäcft, unb fein IPein fchlägt um, ben fte 
feltcrt, aber ein menig unheimlich ift fte hoch, unb menn 
ich auch nicht behaupten mill, baß jte einmal einer 
§e%e bie fjanb gebrüeft hötte — (Sott bemahre! — fo 
foöten hoch eigentlich junge Cheleute ftch fein oermachfenes 
5rauen3tmmer ins bjaus nehmen." 

Sudan legte bittenb bie ^anb auf feines Paters 
Hrm. Ser Hlte fehmieg ein menig befchätnt. (ßmen¬ 
bolin hatte bie IPorte ihres Schmiegcroaters nicht ge¬ 
hört, jte fchaute gebanfenooü auf bas Habenpaar, bas 
lautlos unb mit fernerem Slügelfdjlag in bie Crlcnbäumc 
3urücffIog. 

„Sas mit ben Haben ift eine fefpr merfmürbtge (Be¬ 
fchichte. 3 *öes Kinb im Sorf fennt jte, ich mill fte euch 
cr3ählen." 

5 rau HTormann fefote ftch in bie Sofaecfe 3urütf unb 
30g fröftelnb ihr fjalstuch fejter. 

„Sas Pfarrhaus," begann (ßmenbolin, „iji brei- 
hunbert 3 a hrc alt, ihr lafet bie 3ahre$3ahl auf ben 
alten Steinpfoften. Huch fteht bie gleiche §ahl oben in 
bent fchmalen (Querbalfen am (Biebel, unb barunter in 
bem breiten fteht ber merfmürbige Spruch: > 3 c fu Seben, 
Streben nufoet jebem Keben/ Hur bem Habenpaar 
hat es nichts genüfet. Sie keiften ^orjt unb 3 utta, 
benn es maren einft HTenfchen mie mir auch. 

„Es mar 3ur Seit bes breißigjährigen Krieges. Sas 
Pfarrhaus jtanb öbe, ben Pfarrer hatten jte 3U (Eobe 
gequält mit bem Schmebentranf. Sie Seute hatten bas 
Singen unb Beten fajt gan3 ©erlernt. Sa famen eines 
Cags 3mei megmübe IPanberer ins Sorf. Ein junger 
HTann, in ber arg ©erjiaubten (Eracht eines eoangelifdjen 
(Beiftlichcn, führte an ber fjanb fein junges IPeib. Sie 
Bauern oon Schöneiche nahmen jte freunbtich auf, als 


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Goc gle 



Hummer 38 . 


Seite \ 76 ^. 


fle bas geiftliche (Semanb fafjen. Der frembe HTann 
nannte fidj ^orft XDielanb, feine Begleiterin l^ie§ 3 utta. 
©nes Pfarrers Tochter meit oon brüben aus bent 
fjefflfdjen foll fle gemefen fein. Des Tilly Truppen 
Ratten bie Angehörigen ber jungen 5rau ermorbet unb 
ihre Heimat 3erflört. fjorfl IDielanb ersählte, mührenb 
feine 5 rau im heftigen 5 ieber nach ber (Seburt eines 
toten Kinbes lag, bag audj feine pfarrei 3erftört fei. 
Diefe hak* flromabmärts an ber IDefer gelegen. (El¬ 
mar geflohen mit feinem IDeib, beren (Elternhaus fie 
als Trümmerhaufen fanben. (Er hotte fleh auf oer- 
borgenen IDegen, um fein IDeib 3U fdjüfeen, nach ©fenach 
flüchten moHen. Hun mar fie ihm hier 3ufantmen- 
gebrochen. Hatlos, arm, bes IDegs unfunbig, litten 
fte fleh in bies Seitenthal ber IDerra uerirrt. Da haben 
fleh bie Bauern oon Schöneiche nicht lange befonnen. 
Sie beflellten fleh fjorfl IDielanb 3um Pfarrer, unb er 
hat nach fingern Sögem angenommen. Sie haben ihm 
Knecht unb HTagb unb Brotfrucht gegeben unb einen 
einfachen fjausrat 3ufammengebracht. Unb er hat ihnen 
alles getauft unb getraut, mas noch lofe unb lebig 
herumlief, unb tO orte oon ber Kan3el gerebet, fo ge* 
maltig, mie jene fle nie Dorfjer h^ten. (Bemunbert hot 
es bie Bauern nur, baß er fechten unb reiten fonnte 
unb fommanbieren mie ein Sanbsfnedfl. Aber auch bas 
ifl ihnen bei ben böfen Seiten gut 3U ftatten gefontmen. 
Dem Knaben, bem 3 utta bas Seben gegeben, h a ^tc ein 
IDirbel im Hücfen gefehlt, barum hotte er nicht leben 
fönnen, unb fo gefchah es mit noch brei anbern Knaben 
banach* Don biefem furchtbaren Sdfldfal ifl bie 5 *au 
fchmermütig gemorben. Dann fam ein liebliches HTübchen 
3ur IDelt, aber mettn es auch herrlich gebieh, fo blieb 
es hoch flumm. Don ba an hat 5 *au 3 utta fein IDort 
mehr gefprochen. Sie ifl oon Tag 3U Tag elenber ge¬ 
worben; ihr HTann hot fle täglich in bie Sonne ge¬ 
tragen. Alle 5 rauen im Dorf haben ihn oerehrt barum, 
wie 3ärtlich er bie 5 rau behütete, ©nes Tags ifl fle 
geflorben. Das Kinb mar gerabe fünf 3 a hre alt. Am 
anbern HTorgcn, als bie HTagb ben Pfarrer meefen miU, 
ift er tot unb bas Kinb auch. 2 Us man bie Seichen be¬ 
graben h<*t, flnb aus ben (Srabem 3mei Haben aufge* 
flogen unb haben fleh auf bie HTauer ba gefegt — ba 
ftfcen fle heute «ach breihunbert 3 a h r en nod}. Unb in 
einem Sdjriftflücf hat fforfl IDielanb feine Beichte hinter- 
laffen: er mar fein Pfarrer, er mar ein entlaufener 
Stubent, feine 5 rau mar eines hefflfchen Hitters Tochter, 
bie hatte er entführt. Sie maren nicht getraut. So hatte er 
nun über 3ehn 3 a h*e fang bie Seute betrogen. HTanche 
fagen, trogbem habe Segen auf ber (Bemeinbe geruht, aber 
ihre Strafe haben fjorfl unb 3 u tta vielfach empfangen." 

„© mie fchrecflich," fagte 5 rau HTormann. „XDarunit 
3oget ihr in ein fjaus, mo fo etmas (greuliches pafflert 
ift? HTan ntug fleh ja fürchten!" 

„Unb menn es feine Schanbe unb fein Spott ifl, bag 
Safe HTine meiner Schmiegertochter folche Dinge auf- 
refcet, fo miß ich nie mieber Küflerbienfle thun! 3 eh 
werbe ein ernfles IDort mit HTamfell Hüne reben!" So 
fprach Dater HTormann. 

T)ie junge 5 rau mar gan3 erfdjtocfen über bie IDirfung 
hrer (ßefdflchte, benn auch Sudan machte ein ernfles 


(ßeftdfl. (Er meinte, es märe nidfl gut, ihrem bemeg- 
liehen (Seift fo oiel romantifd^e Hahrung 311 geben. © 
30g fle an fidj unb fügte fle 3ürtlid? auf bas braune, 
buftenbe ^aar. Unb ehe fle recht mugte, mie’s gefchah, 
fchlang fle bie Arme um feinen fjals unb meinte bitterlidj. 
. Hun aber mar Dater HTormann in feinem 5 ahrmaffer. 
„Da habt ihr’s! 3 eh fagte es ja gleich! ©ne junge 
5 rau unb folche Spufgefdfldflen!" Unb er ging fofort 
in bie Küche 311 HTantfell HTine unb erging fld} in bunflen 
Drohungen unb Anfpielungen, oon benen biefe erfl all¬ 
mählich Öen Sinn oerflanb. 5 rau HTormann ging mit 
richtigem Taft hinaus, unter bem Dormanb, 5 räulein 
HTine t>on ihrem erboflen Küfler 3U befreien. Unb 
Sudan lieg bie Seichterregbare ruhig meinen. Stille, 
glücfliche Thränen. Dann flüflerte er ihr lachenb ins 
<Dl}x: „Siebchen, unfer 3 unge u>irb eine gerabe IDirbel* 
fäule haben, unb bie HTäbchen merben fchön fein mie 
ihre HTutter, unb reben fönnen mie biefe." 

Da fah fle flrahlenb 3U ihm auf unb mifchte bie 
Thränen ab: „© bu! Du meigt es fdjon?" 

© niefte flill unb glücffelig unb führte ihre fdflanfe 
lüjanb an feine Sippen. ,, 3 d] fah es an beinen Augen, als bu 
oon 3 uttas ©enb er3ühltefl. (Sott fegne bidf, mein IDeib!" 


€s mar früh HAnter gemorben. 3 ™ Schöneicher 
Pfarrhaus praffelte fchon ein gemütliches Seuer in bem 
alten, braunen Kad^elofen. HTamfell HTinchen fag mit 
bem Strid3eug auf ber Banf bicht am ©fen, (Smenbolin 
auf bem 5enflertritt, unb fle harte 3erflreut auf bie ©• 
3ählungen ber Alten. Sie lieg öfters bie ^änbe in ben 
Schog flnfeit unb fchaute auf bas mittterliche Bilö oor 
ihrem 5 enfler. Die Bäume maren entlaubt unb ber 
5 lug oom oielen Hegen angefdjmolieu. Auf ben fahlen 
(Erlenbäumen fagen bie beiben Haben. 

„®b bie (Befchidfle mir flieh mahr ifl?" fagte (Smen* 
bolin plöfelich. 

„XDelche (Scfchichte?" 

„Die mit fjorfl unb 3 atta. Hiebt etma ihre Der- 
manblung in ein 2 Tabenpaar, HTamfell, ich meine, bag 
er fle entführte unb bag fle eines Hitters Tochter mar, 
bag bie Kinber ..." 

„Ach, grunbgütiger fflmmel! XDenn ber Küfler HTor¬ 
mann erfährt, bag Sie heute noch an bie (Befdflchte 
ben fen!" 

(Smenbolin mugte lächeln. Sie fchmieg unb oerfu te 
ihre (Sebanfen auf anbere Dinge 3U lenfen. HTamfell 
begann mieber eine ihrer (Befchidflen 3U e^ählett. Aber 
(Smenbolin h^rte nur aus fjöflichfeit 3U. Sie oermigte 
Sudan, fehnte fleh nach anbern Dingen, nach HTenfdjen, 
nach — ja, fle mugte fldj fclbfl feine Hechenfchaft 3U 
geben, marum fle mit einem HTal fo unruhig unb un* 
3ufrieben mar. Sie mar hocherfreut, als fle ihren HTann 
in Begleitung eines jüngeren fjerrn auf bas fjaus 311* 
fomtnen fah* Sudan brachte einen jungen Kanbibateit 
mit, ber als Difar feit fur3er g^it in einem benachbarten 
Pfarrhaus arbeitete. Kanbibat IDörlc fam aus Berlin 
unb hotte eine HTenge Dinge 311 berichten. €r mar 
doU oon neuen 3 öcen, bie bie Köpfe unb Seelen ber 
ntobernflen 3 u g cn & beherrfdjten. 


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Seite l ? 70 . 

Kudj bie Haffenfrage befdjäftigte ihn gewaltig, unb 
er hotte gern mit allen feinen Kräften bahin gemirft, 
baß bie blonbe fjerrettraffe burd) 3mecfentfprechenbe 
Sudjtmahl tüchtig gemacht mürbe, noch lange 311m Segen 
ber gefamten Schöpfung 311 madjfen, 3U geheimen! Cr 
fal| babei auf (ßmenbolin, unb es mar eine ehrliche 
Begeiferung, bie ihn beim Knblicf ber fdjönen 5rau 
erfüllte. Hngeregt pon bem guten Hhcinmein, ber bas 
ZlTatf mür3te, perlieh er ihr offentje^ig tDorte. 

(ßmenbolin hotte ftch feiten fo gut unterhalten. XDie 
lange mar es hoch fax, öoß man ihr gehulbigt! Sie 
mußte lächeln, als fte ftch babei ertappte, mie mohl il?r 
biefe finbliche unb ein menig täppifche Bemunbcrung 
that. Sudan, ber pollfommen frei pon jeber eifer- 
füchtigen Hegung mar, empfanb es trofebem nicht gan3 
angenehm; er mar 3U feinfühlig unb 3U guther3ig, um 
biefem (Befühl IDorte 3U leihen, aber er brachte bie 
Unterhaltung in ein anberes (Beleife, er fprach pon ber 
neuften Kunstrichtung. Die neue Kunft! Das mar erfi 
recht £}errn Wdxles Clement! Da legte er ftch erfi fo 
recht aus, unb obgleich niemanb feine geliebten Beuen 
unb Kllemeuften, feine Kommenben unb IDerbenben an* 
griff, perteibigte er fte fo tapfer, als ob bie fchmeigenb 
3uhörenben Bciben ba por ihm auf bem gemütlichen 
Sofa ein anftürmenber Barbarenhaufe mären. Da fiel 
auch ein Barne: Cugen Dietmar! 3 a, ber mar ber 
5ül|renbe! „Sicherlich lafen Sie fdjon pon ihm? Das 
ift eine ^errennatur! Der hot uns gelehrt, baß mir 
nicht nur bas reine Schönheitsibeal brauchen fönnen! 
Bein, mir brauchen auch bas!} äßliche, bas macht uns 
fiarf, gefunb! Der fchleuberte bie Diffonan3 ins leben, 
in bie Kunft — ja, bas that er. Solche Kraft- unb 
(ßemaltmenfchen thun uns not!" 

„Der fd|leuberte bie Diffonan3 in bie Kunft? Der 
Cugen Dietmar, lieber IDörle? 2 lch nein, bie Diffonan3 
mar immer ba, unb Kunft nenne ich, biefe Diffonan3 
tn bie rechte Harmonie auflöfen. Das brachte meiner 
Knftcht nach biefer pirtuofe (ßettußmenfeh bislang nicht 
fertig. 3 ^ fegte feine Aachen ftets mit Unbehagen aus 
ber fjanb. Denn obgleich er meint, bie Welt 3U 3eigen, 
mie fte ift, fo giebt er eben nur bas fchiefe Bilb, bas 
er pon feinem Sehminfel aus notmenbig geben muß. 
Cs fehlt 3faem 3&ool bas, mas 3U einem ga^eu 
Künftler, 3U einem Cbelmenfchen gehört, nämlich, bas Be* 
mußtfein: Wiv ftnb Seines (ßefchlechts — Sohn (Bottes 
— unb biefer Übel perpflichtet mehr, als alles anbere. 
Uber," menbete pajtor UTormann ftch bann an feine 
5rau, „mie ift mir — irre ich mich? Derfehrte Dietmar 
nicht in beinern päterlichen Xjaus? ZHir mar’s, als hätte 
ich iho einmal mit bir 3ufammen gefehen." 

(ßmenbolin faß im Schatten, ber rote Seibenfchirm 
ber Campe perhinberte, baß man bas tiefe (Erbleichen 
ihres (ßeftchts fah- 

„30, bu $ojl er »erfehrte bei uns. Cr jtanb 
bamals im Unfang feiner Caufbahn." 

„Unb mie fanben Sie ihn?" 

(ßmenbolin fagte mit leichter Ungebulb in ber Stimme: 
„Cs ift fo lange her, itnb bamals mar er mirfltch faum 
mehr als ein Unfänger. 3 ^h tos 3ubem nie etwas pon 
ihm. 3 d| höbe faum ein fertiges Urteil über biefen 


Buntmer 58 . 

UTann." Dann nach einer paufe fefete fte t^iri3u: „Cr 
mar ein fchöner UTann — er fchiett mir 3unt I^errfchen 
geboren." 

Cudan fah etmas erftaunt auf (ßmenbolin. „£}crr- 
fchen? Bein, mein Kinb, 3um fferrfdjen nicht, 3um 
Cyrannijterett pielleicht. Cr hot etmas pbm Haub* 
geftnbel an fidj." 

bjerr XDärle fchmieg unb brehte feine Daumen. Cr 
hatte anbere Unftchten unb hoffte beftinunt, auch bie 
Stau, bort, bereu fdjöne Uugen fo feltfam blifeen fonnten, 
bächte mie er. lief feuf3te er auf, als er ftch jefet 
erhob, um ftch 3U perabfehieben. 3 a , i0, fo mar ber 
Weit Cauf! Diefer paftor UTormann mar mahrhoftig 
feiner Seit ein fchneibiger HTann gemefen! Bun mar 
er aud| bereits perbauert — ein Banaufe! 

„fjafi bu etwas pon Cugen Dietmar unter ben 
Senbungen beines Suchhönblers? Cs mürbe mich 
intereffteren," fo fragte (ßmenbolin, bie ftch halb noch 
herm IDörles 5 ortgang 3U Bett gelegt holte. „ 3 ^ 
möchte nod] etmas lefen." 

„3ch höbe einige Sfi33en unb (Bebichte pon ilpn, 
auch einen Homan. Uber," fagte er, fte liebepoü 
ftreichelnb, „lies es nicht, es ift mir flieh unleibliches 
Seug. 3^ möchte bich nicht ber (Befahr ausfefeen, 
baß bu beine reine Phontafte befteefft — jefct ..." 

<£twas ungebutbig unb geregt fagte (ßmenbolin: 
„Phantafte beffeefen? Uber, mein lieber 5*eunb, bin 
ich beim ein unreifes Kinb? 3 <h ©erflehe bich gor 
nicht! Du hoft fonft fo weltweite Unftchten, aber feit —" 

„Bun? Seit?" Cucian fah Qan$ erftaunt auf feine 
fchöne 5^au. Sie fchmollte? Bodj niemals mar bas 
porgefommen. Cr fchaute fte mit hellem Cnt3ücfen an, 
fefete ftch ouf ben Bettranb unb lachte. 

„Bun, meine Keine, thörichte (Bräfm, mas bin ich 
benn?" 

Uber fte fniff bie Uugen 3U mie ein tfäfochen. Cr 
perfuchte mit ihr 3U fche^en, unb als er fie füffen moüte, 
brehte fte ftch ärgerlich gan3 3ur XDanb — unb mirflid?, 
ba brach fte in Clpänen aus, unb ba3mifd)en fdjluchste 
fie in fraufen IDorten: „Seit ich — feit ich einem Kinb 
bas leben geben foü, tyrannifterfi bu mich! 3^ borf 
gar nichts mehr, immer nur benfjt bu, es famt bem 
Kinb fchaben! 3 a / mas bin ich betxn eigentlich? Bur 
bie IHutter beiner fünftigen Kinber? Denfft bu einmal 
baran, irgenbetmas fönnte mir 5*eube machen, mich 
aufhdtern? Du gehft allein fort, ich ftfee baheim unb 
langmeile mich unb fehne mich hinaus — hinaus nach 
etwas leben unb — unb wenn man nun einmal etwas 
hören möchte pon ber XDeli ba braunen, in ber man 
früher h*intifch mar, bann ift bas auch mieber fchäblich!" 

Schmeigenb trat Sudan 3urücf. Cr ging in fein 
Simmer unb fd^ritt bort lange ^eit auf unb ab. Cr 
hatte nur für ftch Dormürfe. Sie mar im Hecht. 3 ntmer 
hatte er ftch feft eingebilbet, feine große Siebe märe 
genug 3 «holt für ihr leben. Cr hotte pergeffen, mas 
fte einft befeffen unb aufgegeben. Die 5 *auen feiner 
Kollegen maren fein Umgang für fte, er hotte bas nie 
geglaubt unb mar beruhigt unb befeligt, baß (ßmenbolin 
mit feinem Ca ft unb (ßefchid biefe Be3iel|ungen menig- 
ftens äußerlich angenehm geftaltete. Cine $rau mit 


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Hummer 38 . 


Seite 



klipii 

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lute von Hvalun 


Reimlich in leuchtender Rächt 
Dist du mir aufgeblüht, 

Wie aus 'Cräumen envacfjt, 
Wie vom Rimmel durchglüf)t. 
Schimmernder fiöondlichtglanz, 
Drauf meine Äugen ruhn. 
Schönt deine heuschen Glieder, 
Dlüte von Ävalun. 


Deine blicke sind gleidj 
■perlen auf dunklem ©rund, 
■Deine Stimme ist rveid), 

Weich nüe "Rosen dein fftund. 
Wenn du das Angesicht 
Lieblich im Schreiten hebst. 

Wird deiner Glieder Dervegung 
Fliessend, rvie rvenn du schtvebst. 


ÄII dein Wesen ist Klang, 
Deine Höhe ist Licht, 

Deine Seele ist Sang, 

Deine Derüfjrung Gedicht. 
Sieh 1 mein Rerz rvird ein Kind 
3n deinen Ärmen ruhn, 

Küsse seliger €ngel, 
ßlüte von Ävalun. 


Franz €vera. 



) » 




1 ) 


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Seite 1772. 


Hummer 58. 


biefem reichen ©eift brauchte auch noch anberes! 
Unb nachbent er ehrlich mit ftch ins ©ericht gegangen 
mar, ftridj er ftd] bie Sorgenfalten oon ber hohen Stirn, 
fdjalt ftch einen Harren, baß er bie neroöfe £aune einer 
5 rau fo fermer genommen. Das ließ ftch ja alles leidet 
mieber gut machen! ©r holte bie Hücher ©ugen 
Dietmars aus feinem Hüdjerfchrattf — bie mürbe fie 
ja fchon felbft fdjnefl beifeite legen! (Sab er ihr nicht 
alles, mas er an echter HTaitnesliebe befaß? Unb 


biefe efeln, feierten Dinge faßten ihr gefallen?- 

Stißfchmeigenb legte er bie Hüdjer auf ©toenbolins 
Hettbecfe. 3 ^re tO^ränen Ratten ftch bereits in Heue- 
thränen oermanbelt. Sie litt nietet nur ben Kuß, ben er 
ihr fanft auf bie Stirn brüefte, nein leibenfdjaftlidj um* 
ferlang fie ihn. Um anbern HTorgen ging ©menbolin 
mie auf Sprmtgfebem umher. Sie mar Reiter mie 
feiten, ja fie fang fogar, unb £ucian ftrahlte oor ©lüdl 
Gfortfefcung folgt.) 




Volkslied und Volksoper. 

Don profeffor Arno Kleffel (Köln). 


Die Ct^atfacbe, baß ber einjt in fo üppiger 5 üße 
hlühenbe Haum ber beutfdjen 0 per feine ©ragfraft ein¬ 
gebüßt h a * unb augenblidlid] faunt mehr imftanbe ift, 
eine mirflid? lebensfräftige 5rudjt 3U 3eitigen, legt bie 
Pflicht nal]e, 5 mmer mieber ben Urfachen nadföufpürcn, mie 
biefe Stocfung entjtanben ift, unb auf ZTTittel 3U fmnen, 
ihrem meiteren Utnficbgreifen mirffam 3U begegnen. 

Schon ein oberflächlicher Hücfblicf in bie Dergangenheit 
beirrt uns, baß bie £iebe 31m HTuftf fo 3iemlich aßen 
Kuituroölfern gemeinfam mar, ja baß bie ©riechen bie 
pflege ber ©onfunft jtets als eine ihrer htUidfteii 
pflichten betrachteten. 0 b ihre ZtTufif fchon auf hur- 
ntonifch feftgefügter ©runblage beruhte, bürfen mir 
mit Hecht be3mcifcln, benn bas unferer ©onfunft 3U 
©runbe liegenbe Syftent ift eine ©rrungenfehaft ber 
neueren Seit, unb ihre ©ntmicflung läßt fich feit ber 
(Einführung bes ©regorianifchen Kirchengefangs, alfo 
oom jlcbenten 3ahrhunbert ab, wenn auch in lang* 
famen Smifchenräumen, Sd^ritt für Schritt oerfolgen, 
©s oergingen 3toar noch uiele 3 a ^rhunberte, ehe fie fich 
oon ben Ueffeln bes ftrengen Kirchengefangs befreien unb 
fich als felbftänbige HTacht fühlen fonnte, aber aßmählich 
machte ftch buch fchon m &en weltlichen £iebern jene 
£ebensfreube geltenb, bie feitbem in ben Dolfsliebern ber 
oerfchiebenften Hationen in mechfelnben 5 ormen unb 
Stimmungen micberflingt. So fchneß ftch auch bie 
HTuftf oon nun ab als neuer Kulturfaftor nach aßen 
Hichtungen hin oerbreitete, fo tritt fte hoch erft feit ber 
©ntjtehung ber ©per in 3* a ß*n — alfo ums 3 a hr 
\600 — mit ber ©efamtheit bes Dolfs in unmittelbare 
Berührung. 3 n Deutfchlanb hutte fich unterbeffen bas 
Dolfslieb, bem aflmählidj aus bem HTimtegefang unb 
einzelnen ©an3meifen frifd^e Hahrung 3uftrömte, früh- 
3eitig entmicfelt. HTan hotte halb erfamtt, baß in ber 
HTelobie für ben bichterifchen Ausbrucf ein unenblid) 
michtiger unb fchöpferifch mitthätiger Hunbesgenoffe ge* 
monnen merben fonnte, unb baß bie HTuftf mie feine 
anbere Kunft imftanbe fei, gemiffe Stimmungsmoniente 
in oielfältiger XDeife 3U fteigern unb 3U oertiefen. IDäh* 
renb bie neue ZTTuftfform ber ©per in 3tulien unb 
5 ranfreich fofort oon aßen Dolfsfreifen mit 3 ubel be¬ 
grüßt unb oon ben bebeutenbften ©onbichtem gepflegt 
unb ausgebaut mürbe, fanb fie in Deutfchlanb erft 
bleibcnben ©ingang, als fte in ben Singfpielen unb 
©peretten 3um erftenmal ben Dolfston in feiner naioen 
Schlichtheit unb ungefünjtelten Creuher3igfeit 3um Aus* 
bruef brachte. So menig auch anfangs biefe Singfpiele 


auf fünftlerifche Hebeutung Anfpruch erheben fonnten, 
fo mar hoch mit ihnen ber Hoben betreten, auf bem 
nun in ficherer ©runblage bie beutfehe ©per ihr IDerf 
beginnen unb fich oon jefet ab in faß ununterbrochener 
5olge 311 immer fühnerem 5lug erheben fonnte. 

Diefes oolfstümliche ©lernent, bas mir fchon in ben 
fjaybnfchen XDerfen als integrierenben Heftanbteil bes 
fünftlerifchen HTateriafs oorftnben, gelangt nun burch 
HTo3art in feinen brei HTeifteropem: „ 5 igaros ^och3eit", 
„Don 3 nan" unb „Sonberflöte" 3ur höchften Hlüte. Sumal 
in ber lefeteren tritt es uns in fo ooflenbet abgeflärter 
unb barum fo ergreifenber Raffung entgegen, baß oiele 
Hummern baraus, mie bie prieftcrchöre, bie ©efänge 
ber brei ©enien, bie £ieber papagenos u. f. m., 3U ben 
reinften unb foftbarften perlen gehören, bie mir auf 
bem ©ebict ber ntujtfalifchen Dolfspoefie befifeen. ©leich- 
mohl fönnen mir bie „Sonberflöte" noch feine beutfehe 
Dolfsoper nennen, benn meber ihre £janblung, noch bie 
burch fie bebingten perfonen finb aus bem beutfehen 
Dolfsleben heroorgegangeit. Als erfte mirflich beutfehe 
Dolfsoper iftfomit erft IDebers „ 5 reifchüfe // 3U be3eid]nen. 
3 n ihm beefen ftch aße HTerfmale unb Hebingungen, 
bie man an ein nationales Kunjtmerf 3U fteßen be¬ 
rechtigt ift, auf bas ooßftänbigjie: 3uerfi ein trefflicher, 
Ie£t, bann eine echt beutfehe fjanblung, ferner ar* 
beutfehe ©eftalten, bie in ihren fcharf ausgeprägten phyfto* 
gnomien unb ihren gegenfäfelichen Cfjarafteren 3ur 
tnujifalifchen ©infleibung förmlich herausforbem, ba3u 
eine 2 Hufif, bie in jebem Deutfchen oermanbte Saiten 
erflingen läßt. Dies aßes mirfte 3ufammen, um bie erfte 
Aufführung bes „Sreifchüfe" inHerlin — im 3 ^h^ — 
3u einem nationalen ©reignis 3U fiempeln. Der ©nthu* 
ftasmus, ber plöfelich aße Deutfchen ergriff, glich einem 
mähren 5reubentaumel. ZDonach fie ftch feit 3 a h r- 
hunberten gefehnt, bas einigenbe Hanb, bas gemeinfame 
Seichen, unter bem fte ftch <*üe wieber als Hrüber eines 
Stammes fühlten, mar ihnen plöfelidf mie ein ©efchenf 
oom ^intmel gefaßen. IDas feine fjerrfchermacht, fein 
fyet unb feine politif oermocht, bas h^tte ein einfadies 
Kunjtmerf 3U ftanbe gebracht. So oiele HTontente ftch 
auch vereinigt h^^ri, um bem „ 5 reifchüfe" bie IDege 3U 
ebnen, ber eigentliche 5 unfe jeboch, ber jene He« 
geijterungsglut 3ur h^Hlobernben 5lamme entfachte, blieb 
hoch immer bie IDebcrfche HTuftf, unb ihr faft aus» 
fchließliches Derbienjt ift es, wenn ber „Sreifchüfc" uns 
heute noch mit ber gleichen Unmittelbarfeit berührt unb 
ent3ücft, mie oor ach^ig 3 a hren. 


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Hummer 38 . 


Seite { 773 * 


dergleichen mir nun, mie ftch uns bas oolfstümliche 
(Element in ben beiben lieblingsopem bes beutfehen dolfs, 
in ber «gauberflöte unb im 5reifchüg barfießt, fo finben 
mir halb beftimmte Berührungspunfte, feft ausgeprägte 
ZHerfmale, bie ben beiben ©pern eigen ftnb, in erfter linie: 
fchlidfte Hatürlichfeit unb flare, anmutige 5orm. der* 
fefftungenen pfaben geht bas dolf aus bem Xdeg, unb 
mit gelehrten Problemen meig es erft recht nichts an3U* 
fangen. Soll eine ZHelobie unmittelbar auf bas dolfsgemüt 
mirfen, fo muß fte leicht 3U faften unb leicht 3U be¬ 
halten fein, fte barf aber auch, fofl fte ihren feffelnben 

Sei3 nicht in fut3cr Seit einbügen, mieberum nicht geift* 
los ober alltäglich fein; je fchäner vielmehr ihre linien 
gefchmungen unb je intereffanter fte ftch in ihrer 5affung 
3u geben meig, um fo nachhaltiger mirb fte ftch in ber 
dolfsgunft einbürgem. der leichte Sinn bes dolfs oer- 
gnügt ftch mohl eine Seitlang mit ntuftfalifchen Platt¬ 
heiten unb ©affenhauern, ftögt fte aber, fobalb biefe 

luft befriebigt ift, eben fo fdjneß mieber oon ftch, mie er 
fte empfangen. Somit bilbet bie dolfsmufif, mag fte 
ftch nun in liebem, (Eä^en ober fonft mclcher 5orm 
ausfprechen, einen 3iemlich ftcheren ©rabmeffer für bie 
Bilbungsftufe jeber Hation. 3 e ebler ein dolf oeranlagt 
unb je höher fein Kunftftnn entmicfelt ift, um fo unerbitt¬ 
licher mirb es auch bie (Erioialitätcn aus feinen dolfs* 
meifen ausfeheiben. (Ein Heifpiel aus neuerer Seit, mie 
mächtig ftch ber dolfsinftinft fchon burch bie glän3enbe 
5orm eines Kunftmerfs beftimmen unb beeinflußen lägt, 
liefern bie befannten „Ungarifchen On3e", bie jahr- 
3ehntelang unbeachtet blieben unb erft, feitbem ihnen 
Brahms bie befannte geniale Raffung oerliehen, ftch 
im Siegeslauf bie Xdelt eroberten, finben ftch bie 
fo gefchilberten ZHerfmale als erfte ©runbbebingung 
in allen dolfsmeifen ber oerfefftebenen Kulturnationen 
oor, fo ift bem beutfehen dolfslieb noch ein Sug 3U 
eigen, ber ihm erft feinen inbioibuellen Hei3 unb feinen 
hoppelten Xdert oerleiht: bas ift ber innige, marmher3ige 
(ßemütston, ber mohl auch in ein3elnen Hationalgefängen 
anberer dölfer mieberfUngt, aber nirgenbs in fo feinen 
Stimmungsunterfchieben unb in fo frifcher, treuher3iger 
Xüeifc mie im beutfehen dolfslieb. 

demnach bebarf es feines fftnmeifes, mie mächtig 
fich bie ZHitmirfung bes oolfstümlichen Elements gerabe 
in ber ©per ermeifen mug, unb fo lehrt uns auch fchon 
ein fur3er HücfblidP, bag feine ©per, bie ftch bauernb 
in ber ©unft bes dolfes feft3ufegen mugte (mir nennen 
t>on neuem ©pern nur Brüßs „©olbenes Kreu3" unb 
Kicn3l’s „Eoangelimann"), besfelben gütlich entbehrt, 
ja bag oerfchiebene Xderfe, mie oor allen bie lorging- 
fd?en ©pem, ohne jenes gar nicht 3ü benfen ftnb. 
3 c 3 Üglich ihres muftfalifchen ©ehalts oon oielen Xderfen 
bcheutenberer ZHeifter meit übertroffen, haben bie 
Corgingfchen Iderfe burch bie fdftichte Hatürlichfeit 
ifjrer ZHuftf, burch bie lebensfrifche ihrer ber flein¬ 
bürgerlichen Sphäre entnommenen fjanblung unb be- 
fonhers burch ihren urmüchftgen, echt beutfehen Ejumor 
üjre 5ln3iehungsfraft bis auf ben heutigen Cag bemahrt. 
Sclebte Xdeber mit feiner ZHuftf oor3ugsmeife bas meite 
Sagengebiet, unb mugte er mit beutfehen Farben bie 
©erfchiebenften länber unb Stänbe, 3umal bas oomehme 
Rittertum, 3U illuftrieren, fo nahm lorging feine ©e- 
ftalten mitten aus bem dolfsleben heraus unb 3eichnete 
fte fo mahr unb echt, mie fte nur jemals bie X?anb eines 
niefcerlänbifchen ZHalers 3U 3eichnen oerftanben. Seine 
2TTelobicn ftnb oft oon finblidjer Haioität, oerfallen aber 
niemals ins ©eiftlofe ober tErioialc unb beuten fomit in 


ihrer Einfachheit bireft mieber auf bas Singfpiel, ben 
Ztusgangspunft ber beutfehen ©per hm* So mie lorging 
bie beutfehe fomifche ©per erft begrünbete, fo ift er auch 
bis 3um heutigen Cag ihr faft unumfehränfter f)errfcf?er 
geblieben. Seine Iderfe haben alle anbem auf ben oon 
ihm gefchaffenen ©ebiet — mit Ausnahme oon Hicolais 
genialen „luftigen Xdeibem oon Xdinbfor" — an 
lebensfraft überbauert, dag auch ZHarfchner in feinen 
brei ZHeifteropem: „dampyr", „(Templer unb 3 ubin" 
unb „fjeiling" burch ZHuftfftüdPe in abgefchloffener lieb¬ 
form feine grögten Erfolge er3ielte, barf hier gleichfalls 
nicht unermähnt bleiben. Betrachten mir nun 3um 
Schlug, mie ftch auch in ben Xdagnerfchen ©pem bas 
doifseiement barfteflt, fo merben mir feinen belebenben 
Xjauch auch hier leicht erfennen, aber halb bie Xdatjr- 
nehmung machen, bag Xdagners eigentliche Bcbeutung 
ftch hoch in anberer Xdeife geltenb macht. Sicharb Xdagner 
bilbet in ber dielfeitigfeit feiner Begabung unb in feinem 
gan3en fünftlerifchenXderbegang eine burchaus e^eptionefle 
Erfcheinung. Sein 5euergeift fteHte ftch mit jebem neuen 
Xderf eine grägere Zlufgabe, unb fo gemann er allmählich 
nicht nur innerhalb feines daterlanbs, fonbem auf bie 
gef amte 3eitgenöfftfche Kunftentmicflung einen fo über- 
ragenben Einflug, mie ihn in ähnlicher Xdeife noch niemals 
ein Künftler oor ihm ausgeübt. Zlber bei aller Kühn¬ 
heit feiner Beformibeen unb ber ©rogartigfeit feiner 
Entmürfe hat er niemals bas doifseiement als bie be- 
Iebenbe unb unerfchöpfliehe Quelle feiner Kunftbethätigung 
auger acht gelaffen; feine Chemen ftnb auch in feinen 
fompli3ierteften Xderfen überftchtlich unb oon plaftifcher 
Einfachheit, unb mo es ihm, mie in ben „ZHeifter- 
ftngern", notmenbig erfcheint, fnüpft er fogar bireft 
mieber an bas dolfslieb an. Xdenn Xdagner in feinen 
legten Xderfen mit puritanifcher Strenge jeber Zlrt oon 
Konoenien3 ben Krieg erflärte, menn er mit rücfftchts- 
lofer Energie manche burch huttbertjährige ©rabition 
geheiligte Schranfe nieberrig, menn er ftch 3ulegt einen 
eigenen Stil fchuf, fo maren biefe Heuerungen hoch 
immer nur Zlusffüffe feines eigenen Xdefens, unb biefes 
eigene Xdefen hatte ftch mieberum aus ber ©harafter* 
eigentümlichfeit feines dolfes langfam h^mngebilbet. 
dolf unb Kunft ftehn 3U aßen Seiten in Xdechfclmirfung, 
unb immer fpiegelt ftch bie 3ubioibualität eines dolfs 
am flarften unb mahrheitsgetreuften in ben Xderfen 
feiner Künftler ab. die 5 rage, meshalb nun Xdagners 
Kunftmerf, fo fegensreich es ftch für bie Zlus* unb lim- 
geftaltung bes gef amten ©pernmefens ermies, fo menig 
fruchtbar auf bie probuftioität feiner Hachfol^er cin- 
mirfte, bürfte baher nicht fchmer 3U beantmorten fein. 
Xdenn ber Bayreuther ZHeifter Heuerungen einführte, 3. B. 
harmonifche Sagungen burchbrach ober ben orcheftralen 
Zlpparat ermeiterte u. f. m., fo bilbeten biefe Heuerungen 
hoch immer nur Ausnahmen unb maren fdftieglich 
logifche Konfequenjen feines raftlos fchaffenben ©hatig- 
feitsbrangs; menn aber feine Hachfolger in biefen Zlus- 
nahmen bas Xdefentliche unb bie erften Bebingungen ber 
Xdagnerfchen Kunft erblicfen, fo 3eigen fte, bag fte bas 
groge Seifpiel unb bie in ihm enthaltenen lehren ihres 
ZHeifters nicht oerftanben haben. 

Hun mirb man ja nicht überfehen bürfen, bag, mie 
unfere Sitten, fo gut mie unfere Sprache, einer emigen 5 ort- 
entmicflung untermorfen ftnb, auch unfere Zlnfprüdje, bie 
mir an bie Kunft [teilen, ftch mit ber Seit oeränbern. Hm 
fo mehr mirb ein Künftler, miß er bleibenben Einflug auf 
fein dolf geminnen, bebadft fein müffen, auch beffen 
geheimen pulsfchlägen 3U laufchen. Sein nationales 


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Seite \77<k. 


Hummer 38. 


Empflnben, fein (Einsfein mit ben geizigen Bebürfniffen 
feines Polfs mirb fomit für ihn immer bie unoerflegbare 
Quelle bleiben, bie feinem Kunflmerf erp bas organifdje 
Eeben einflögt. XPie XPagner fleh aus bem beutfehen 
Polfstum emporgehoben, fo bietet uns Perbi als 3 ta(iener 
ein ähnliches Scifpiel. ©bgleich er fleh mit jebem neuen 
XPerf oeroöüfommnete, unb obgleich fid) auch bei ihm 
in feinen legten ©pern ber XPagnerfdje (Einflug auf bas 
unoerfennbarfle bemerflich macht, ifl er bod| §c\t feines 
Eebens ein treuer 3 ialicncr geblieben. Unb gcrabe biefes 
beharrliche 5eflhalten an feiner Hationalität, ber er mit 
feiner Bote, meber in feinen ©pern noch in feinem 
nach altflafflfchen Sonnen aufgebauten Bequiem, 
untreu mirb, giebt feinen XPerf en er ft tb^re leuch tenbe 
5 rifche, ihren eigentlichen XPert. 

XPährenb mir nun in ben oerfdflebenflen Eänbern 
lebensfähig Keime für bie XPeiterentmidlung ber ©per 
auftauchen fehen, fcheint mir im beutfehen Paterlanb 
ihr Hährboben feine (Eragfraft eingebügt ju höben. 
2luger fjumperbinefs „b}änfel unb (Bretel" ifl feit 
XPagners (Tob fafl fein XPerf mehr non blcibenbcr 
Bebeutung entflanben. So herrlich uns bas liebliche 
fjumperbincffche BTärchen auch non ber Bühne aus an¬ 
mutet, unb fo unnergleidflich ber Polfston felbft in ben 
geiflreichflen fontrapunftifchen Permebungcn gemährt 
bleibt, fo menig oermochte fleh ber Komponift in ber 
orcheflralen Einfleibung bem XPagnerfchen (Einflug 3U 
entjiehen. ©b im erflen Kft ein Celler Serfdflagen mirb, 
ob ber Befenbinber feine Kartoffeln ausfehüttet, ober ob 
im 3n?eiten Kft bie Engel nom fflmmel hernieberfleigen, 
es tobt unb mettert in einem fort. XPenn nun im legten 
Kft ber ^ejenritt mit toirflich infemalifchen 5arben 
illuflriert toerben foll, fo fyjt ber Komponift bereits feine 
Kusbrucfsmittel erfchöpft unb oermag feine Steigerung 
mehr 3U er3ielen. 3ntmerlfln bleibt bie fjumperbindfehe 
BTärchenoper ein 3 umel non h^h^nt XPert, nur leiber 
oft in überlabener, baher flillofer döffung. 

Um bas XPieberaufblühen ber beutfehen ©per 3U 
förbem, h^ben in ben legten jeffn 3 a hren funflbegeiflerte 
BTänncr 3U mieberholten UTalen preisausfdjreiben erlaffen, 
aber meber bie Ehre noch bet materielle (ßeminn, ber 
ben Siegern tninfte, ncrmochten auch nur ein ein3tgos 
lebensfähiges XPerf ans (Tageslicht 3U förbem. BTan 
fönnte eintnenben, bag biefes ungünflige Ergebnis auf 
Sufaß beruhe unb nur ber rechte BTeifler fleh nicht ein- 
gefunben höbe, ©iefe Einnahme ifl jeboch hinfällig. 
Die 3 cit, in ber ein BTeifler, tnie Eorging, feinem Polf 
eine ganje Un3ahl föfllicher XPerfe fchenfen unb 3um 
©anf bafiir in Hot unb Elenb oerfommen fonnte, ifl 
glücflich oorbei. heutigen (Tags mirb bas beutfehe Polf 
jebes bebeuteube ©pernmerf — bies 3eigt bjumperbinefs 
„X}ärtfel unb (Bretel" — mit jubelnbem Saruf begrügen, 
unb ber glücfliche Komponift mirb aus ben (Tantiemen 
unb Perlegerhonoraren fchon in fur3er Seit einen weit 
grögeren (ßeminn bejiehen, als ihm jemals ein Kon- 
furren3preis 3U bieten oermag. Jn früheren 3 öhren, 
als eine ganje Saat lebensfräftiger ©permoerfc h^roor 
fprogte, märe biefer 5 afl mohl benfbar gemefen. Uber 
heute, mo man mit oerlangcnber Sehnfudfl fchon feit 
3ahr3ehnten nach einem fommenben BTann ausfebaut, 
ber bie beutfehe ©per mieber 3U neuen Siegen führen 
foll, unb biefer fommenbe BTann leiber trog ber lodenb- 
flen Perheigungen nicht erfchetnen miß, ba mug er eben 
nicht oorhönben fein. „Das Polf," fagt einmal Hofegger, 


„ifl ein Baum unb ber Dichter"—3U bem mir auch ben 
Künfller 3ählen — „feine Blüte." 3 fl bie Blüte taub, fo 
fehlt es bem Baum an Kraft, merben feine Blätter melf 
unb broht er ab3uflerben, fo mug ber Boben feine Hahr- 
fraft oerloren höben. XPie man nun ben Baum an 
feinen Früchten erfennt, eben fo fldjer tritt bie geiflige 
Begf amfeit unb Eebensfüfle eines Polfs in ber probuftions* 
fraft feiner Künfller 31t Cage. Hun ifl es ja eine natür¬ 
liche Erfcheinung, bag, wie im Eeben, fo auch in ber Kunfl 
fruchtbare unb unergiebige perioben miteinanber ab- 
mechfeln, unb bag bie Kunfl, fobalb pe erfl einmal ihren 
niebrigflen Ciefflanb erreicht, fleh um fo mächtiger 3U 
neuem <ßlan3 erheben merbe. XPie meit für anbere 
Kunflgebiete biefe Hoffnung berechtigt, mögen anbere 
entfeheiben. 5 ür bie Confunft liegt ba bie groge (Befahr 
nahe, bag fle mährenb ber Seit ihres Hiebergcmgs 
ihren fchönflen Schmucf, ihre nationale Eigenart unb 
3nbioibualität, melleicht für immer cinbügen fann. 

Picler 3 a h r hönberte höt es beburft, bis fleh bie 
beutfehe (Tonfunfl aus bem Polfslieb heraus bie ihr eigene 
3 nbioibualität fchuf. Je fubjeftioer unb inbioibuefler 
fleh aber eine nationale Kunfl gcflaltct, um fo mächtiger 
unb nachhöltiger mirb fle mirfen. Die BTuflf ifl nun 
oermöge ihrer befonberen Keugerungsart jene Kunfl, bie 
entmeber auf bie Hebung ober Permilberung ber Polfs- 
bilbung in aßererfler Beitje ein3umirfen berufen ifl. 
Deshalb ifl es oermunberlich, bag oon feiten bes Staats 
nicht bas (ßcringfle gefdfleht, um biefer Permilberung 
Einhalt 3U thun. (Siebt es benn gar fein Büttel, um bem 
Unfug ber (Tingeltangel 3U fleuem? IPäre cs nicht 
cnblich an ber Seit, bag in ben Schulen unb gan3 be- 
fonbers in ben Seminarien 00m Staat geprüfte BTufler- 
fammlungen beutfeher Polfslieber eingeführt mürben? 
(Bäbe es mohl für bie muflfalifche Kfabemie, bie ja 
feiner Seit 31m XPahrung unb 5 örberung ber muflfalifchen 
3 ntereffen bes Staates ins £eben gerufen mürbe, eine 
fchönere Kufgabe, als bem preugifchen Unterrichts- 
miniflerium ein (Butadflen oor3ulegen, auf meldje IPeifc 
ber Sinn für gute UTuflf im Polf mieber ju meefen fei? 
Pießeicht liege fleh, um auch hei ben Komponiflen ben 
Sinn für bas Polfslieb mieber an3uregcn, eine Ein¬ 
richtung treffen, bag oon ber Kfabemie eine <£h**flo™öthie 
b. h- eine UTuflerfammlung ber beflen im Polfston ge¬ 
haltenen Eieber lebenber Komponiflen, oeranftaltct unb 
fortgeführt, bag jeber Komponift, ber eine gemiffe 
Un3ahl biefer Eieber besteuert, eine Uus3eichnung erhalten 
mürbe? Jeder (Tonbidfler mürbe flch’s gemtg 3ur höchflcn 
Ebre fchägen, wenn fein Harne in biefer Sammlung 
enthalten märe. 3 c &enfaßs fann bie Pereblung ber 
Polfsbilbung nur oon unten herauf gefchehn. 3 fl ^rfl 
ber rechte XPiße ba, fo mirb auch bet rechte XPeg ge¬ 
funben merben. 3 P er A bas beutfehe Polfslieb bei uns 
mieber 3U Ehren gefommen, unb höben aus ihm bie 
beutfd^en Komponiflen mteber gelernt, bag ein einfacher 
C-dur-Ufforb auch h eu ^ noc h 9rog unb übermäliigenb 
mirfen fann, bag unfere tTonfunfl, miß fle nicht ihren 
£}alt oerlieren, nun einmal auf ber (ßrunblage bes 
biatonifdjen Syflems benthen mug, bag bas Schöne unb 
Bleibenbe nidfl in ber geiftlofen Sphäre bes Heglerfcben 
Eiebertafeltons, auch nicht in bem Überresten ©iffo- 
nan3enbereich gemiffer fjimmelsflürmer, fonbern in ber 
golbnen Bütte liegt, bann merben unfere Komponiflen 
auch toicber lebensfrifche ©pern fchreiben fönnen, fleh sur 
Ehre, uns 31ir 5reube unb ber beutfehen Kunfl 311m Buhm. 


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ZTmnmer 38 . 


Seite H 



m 




' 4 ?n; 


Beim jviortcm. 


QQcmUfc am Rhein 


£}tcr3u 6 pf]otograpt}ifd?c 2Iufnafjmctt non <Dsn>. £?eibertd?, Kübesfyeim am Ufy 


Die cble Bebe ift eigentlich wäfyrenb bes galten 3 a f? rc s bas Sorgenfinb bes IPi^ers, bes 
„ IDingcrtsmanncs", wie er am Bbein beißt. 3 nt mefentlidjen tätigt aber bas IDobl unb IDel^e 
ber ZDeinernte fowofy nad} Qualität, als nach Quantität pon 3wei furjen <§eitperioben ab, ber 
<§eit ber ^ 3 lüte unb ber <$eit bes Verbilliegen Kusreifens ber Qirauben. 3 f* b\c Blüte gut verlaufen, 
unb 3eigcn bie (Sefdjcine einen reifen ^rudjtanfafe, bann beginnt ber IPinscr froh 311 hoffen. 2TTag 
ficb bann aud? ber Sommer einmal feucht unb fnb>l anlaffen, fo baß mitfiihlenbe IDeinfreunbe im 
€anb brinnen fdjon ängftlicb um bas Sd^icffal bes feurigen werben, er timt frohgemut feine fdjwere 
Pflicht ben geliebten Beben gegenüber, er jätet ben IPcinberg pon Unfraut, er binbet bie Beben auf, 
entfernt bie „<Sci5c" unb führt mit Energie feinen unentwegten Kampf gegen bie 5 einbe aus bem üier* 
unb bem pfla^cnrcid), gegen bie fchäblichen 3 nfeften unb bie nicht minber fchäblichen Schmarotzer 
aus bem ( 5 efdfled^t ber Sdflmmelpi^e. <£r hofft auf ben fjerbft; ber September unb ber Qftober, 
bic müffen’s bringen, unb wenn „ber IPin3cr Sd?utzherr Kilian" ein <£ittfchcn h a * unb etwas feines 
befchcren will, bann wirb er 311m XPettermacher unb forgt für troefenes IPetter unb Sonncnfchcin. 

BTit £nbc 2luguft fängt bas IPii^erpölfd^en an, nerpös 311 werben. 3eber 
WyLjÖ rauhe unb naffc <Eag wirb wie eine perfönlichc Kr än hing empfunben, jeber 


Das „JUfen“ der Craubetu 


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Seite \ 776 . 


Hummer 38 . 



Xm Keltcrraum. 


fomtigtrarme tote eine befonbere Soniftfation. IDelche 
tSohßhat, trenn in ber 5 rühe noch bie Hebel, bie „©rauben- 
brüefer", burch bie Serge fhrcidjen unb ihre 5^nd]te an 
bie reichlich angefeßten Seeren Rängen* ©amt fteigt bie 
Sonne lachenb über bie ^öljen unb vertreibt bie treißen 
Schtraben, erträrmt bie 5 eudjte an ben ©rauben unb 
focht biefe fein facht unb grünblich, baß fich ber faßliche 
guefer in ber fhrofeenben Seere bilbet. UTögen auch 
bic Höchte fühl fein, bie freunbüche bjerbßfonne forgt 
trohl für ben rechten Ausgleich. 

Schon trerben bie erften Trauben treich. Da trirb’s 
nötig, baß bie lOeinberge gefdjloffen trerben. Das trär 
’ne fchöne <ßcfdjichte, trenn jeber ernten, „herbften", 
fönntc, trenn es ihm gerabe beliebte. Da rrürben bic, 
bie’s nicht abtrarten fönnen, ben Segen 3U bergen, recht 
häufig ben guten Huf einer ZtTarfe aufs Spiel fefeen. 



Hn der Kelter. 


Uber ber IDinscr am Hhcin, fonbcrlich ber, in beffen 
©rtsgemarfung herrorragenbe ©afeltreine, fjochgeträchfe 
gesogen trerben, ber hat bas IDarten gelernt, ob ihm 
auch oft ein geheimes Sangen anfommt, baß rießeicht 
fchlechtes Wettet eintreten unb bie (Ernte fchtrer beein¬ 
trächtigen fönne. 3 mmcrhin giebt’s oft hifeßje Debatten 
in ben (Semeinbeberatungen, ob bie £efe beginnen folle 
ober nicht. Uber gerabe bie Sefifeer her&orcagenber 
£agen fmb 3äh unb harren bis 3um äußerften, bamit 
bie Sonne ihr ISerf rollenbe unb bamit auch bet „ (Ebel¬ 
fäule" ber ©rauben, bie bie Qualität fo herrorragenb 
rerbeffert, rechte Seß geiaffen trerbc. ^nstaifchcn a>ir& 
alles eifrig rorbereitet; bie Keller trerben gefäubert, bie 
Keltern, bie Kufen getrafchen, bic neuen 5 äjfer trerben 
trieber unb trieber ausgebrüht, bamit aller Coh^efchmacf 
aus bem eichenen f?ol3 hcraus3ieht. 

Dann fchtrefelt man jte grünblich, brüht fte trieber 
unb trieber, um fte „treingrün" 3U machen, trährenb 
es ftch bie aßen, pew ährten 5äffer, bie beftimmt finb, 
ben ebelften ZSein auf3unehmen, gefallen laffen ntüffen, 
baß man etwas rauh mit ihnen ©erfährt, ba es giß, 
ben ZSeinftein, ber fich in ihnen mit ben 3 a h**n ange- 
fefet hat, heraus3uflopfen. 

3 nbes fo H)in3er, Küfer unb Kichmeißer im ©rt 
ihre Krbeit haben, ftnb bic ge- 
fdßoffenen IDeinberge trie ausge- 
ßorben. Hur hin unb trieber fehreitet 
ein „©raubenfehüß" mß feiner 5 lintc 
fpähenb bie pfäbchen 
bahin unb pfeffert auch 
trohl einmal mit treß- 
hin fchallcnbem Schuß 
eine £abung Sogelbunft 
in eine Schar nafchhaf- 
ter Stare ober ©roffeln, 
benn biefe Sögel ftnb 
bebeutenbe (ßourmanbs 
unb triffen, nicht wem - 
ger trie aüerhanb flie¬ 
gen unb ISefpen, bie 

füßen Seeren ber reifen ©rauben trohl 3u trürbigen. 

ZTTancherorts hat bie £efe ber 5rühburgunber unb 
ber früh reifenben roten ©rauben fchon begonnen. 
Uber ben „Hiesßng", bie ebelfte, bouquctreichße ©raube, 
foü bie fjerbftfonne bis 3ulefet freunblich befcheinen; 
fogar einen gan3, gan3 leichten 5roft — ein fchärferer 
fann aHerbings bie gan3e (Ernte rerberben — muß er 
unter Hmftänbcn über ftch ergehen laffen. 3 c tß enblich 
hat bie Kontmiffton ein ©nfehen, fte befdßießt, bie 
IDcinbergc 3U öffnen, bie £efe beginnen 3U lajfen. 2>er 
©rtsbiencr 3ieht mit feiner Stelle in ber gan3en < 5 e- 
meinbe umher unb macht bas trichtige (Ereignis lunb, 
bas allenthalben freubig begrüßt trirb. 

Unb nun iß ber erfte ©ag ber £efe ba. ©n bichter 
Hebel, 3utn ©reifen bief, liegt über bem Hheinthal unb 
3ieht fich faft bis 5U ben fjöhcn in alle Seitentäler 
hinein. Da tönen feierlich bic ©locfen thalauf unb ab, 
ben Knfang ber IDeinlefe rerfünbenb. Hlancherorts 
machen auch Söüerfchüffe ben Segimt funb. (Erft—3trifchen 
fechs unb fieben Uhr — rerfammeß fich bie ©emcinbe 3um 
5rühgottesbienft, bann gelß’s hinaus in bie beiße 5mfter* 
nis, mit Süßen unb £egel, mit Karren unb Raffern, mit 
Krügen unb Körben, bie falte Küche für ben ©ag ent¬ 
halten. fjic unb ba tauchen bunfle ©eßaltcn im Hebel 
auf, man hört freubige Zurufe, lautes 3auch3<m, lDin3cr- 



minserfn. 


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Hummer 38 . 


Seüe * 777 . 



Halb fielet man, ioic 
es allenthalben von 

fröhlichen, emfig ar- 
beitenben Scharen toimmelt. So mirb ben gan3cn Sag ohne 
paufegelefen. 3eber^at3n?eiHet?älter. 3nbemeinentoerben 
bie toeniger guten Crauben, bie unreifen ober mit ©roden* 
faule behafteten, gefammelt, in bent anbern bie guten. Die 
Hüttchen toerben in bie „Cegel" entleert, in bie ©rag* 
butten, bie bann ein Arbeiter auf bem Huden 3U einer 
fjütte ober 3U bem mit einem großen höhnen ©richtcr 
oerfehenen „Cabfaß" tragt, in bas fte, nadjbem fte oor* 
her gemoftert, bas mit einem h^ernen Stampfer 

3erguetfcht mürben, fyneingefchüttet toerben. Das 5 oß 
toirb bann, nachbem es gefüllt ift, 3ur Kelter gefahren, 
too fein 3erquetfchter 3nholt erft grünblich ausgepreßt 


bieHToftmage, baß ber ausgepreßte Saft einen hohen Sucfer* 
gehalt hot, bann ift bie 5 rcubc natürlich hoppelt groß, unb 

bas gan3e Cefegefchäft nimmt einen oiel luftigeren Derlauf, 
als trenn bie Kres3en3 an Quantität unb Qualität 3U 
münfehen übrig läßt. 3 nnnerhin hot ftdj bie IDein* 
ernte, toirb fte auch heute nicht mehr fo feftlidj begangen, 
wie früher, hoch noch eine 5üüe poetifcher HTomente 
gerettet. Schon bas bunte ©reiben in ben fonnigen 
Hergen, toährenb aus ber ©iefe ber Hhein heraufblifet, 
ergiebt eine eigenartige,^ rei30olle Stimmung. Unb bann 
toirb hoch auch noch oon mancher fjerrfdjaft geforgt, 
baß bie Cefe einen Knftridj oon Seftlidjfeit erhält, fei 
es auch nur baburd>, baß bas lefcte Cabfaß, mit Hänbem 
unb IDeinlaub gefdjmüdt, 3U ©hal geführt toirb. 

XD. Spulte vom OrfUjI. 



Eine Husftelluna altvlätnikl)er Kunft. 


Ä n bem unoergleichlichen, t>om 
rjaudj mittelalterlicher HTyflif 
noch heute erfüllten, einjt fo 
großherrlichen Hrügge hot ftch 
in biefem Sommer eine Kus* 
ftellung aufgethan, bie nirgenb- 
toohin beffer gepaßt hätte, als 
hierher. 3ft es auch ein Kna* 
chronismus, behaupten3utooHen, 
Jbaß bie IDiege ber fogenann* 
J tcn olämifchen Kunft in 5 ton* 
bem ftanb, fo ift hoch auf ber anbern Seite toirflich 
erft hier ihr magrer Stern aufgegangen. Die Hamen 
ber Dan €ycf unb Hlemlings, Hoger Dan ber 
IDeybens unb neuerbings ©örarb Daoibs, bes fjugo 
Van ber ©oes’ unb ©hierri Houts unb anberer, heute 
noch unbefannter, heiß umftrittener ZTTeifter fnüpfen ftd? 
unjertrennlidj an Hrügge, mag bie Heimat ihrer ©räger 
eine anbere prooin3, ja felbft bas Kuslanb, wie 


£)ter3u 6 Ubbitbungen. 

bei HTemling Deutfcp.anb, getoefen fein. 3 ene unoer* 
gleichliche (Epoche bes ©rblühens einer neuen Kunft, 
einer neuen ©echnif ift unter ber He3eichnung ber Schule 
oon Hrügge 3ufammengefaßt toorben, unb biefer Harne 
fleht ber plefabe oon Künftlem, bie fte fchufen, gut an. 
Uuch bie <§eit, bie man für biefe mahrhoft ein3ige Kus* 
ftellung toählte, hormoniftert mit ber lofalen ©önung. 

3 n biefem Sommer hot Helgien bas 5 eft ber fiebert* 
hunbertften IDieberfehr ber Schlacht non ©ourtrai, bas 
ber ©olbenen Sporen, begehen fönnen. Kuf bem ©roßen 
plaß 3U Hrügge nun erhebt fich bas Doppelftanbbilb oon 
Hreybel unb be ©onind, ben Rührern ber ©etoerf* 
fchaften ber flanbrifchen Stäbte, bie auf ber (Ebene oon 
©röninghen Philipp oon 5 ranfreidjs glän3enber Hitter* 
fchaft ein fo fchmäl>lichcs <£nbe bereiteten. Das Dlanten« 
tum hot alfo ein großes 3 a h r 3 U oer3eid]nen, gleichoiel 
ob es ein Dlamentunt im heutigen Sinn bamals fchon 
gegeben hot. Die Schlacht oon ©ourtrai trug einen 
neuen XDinb in bie flanbrifchen prooht3en, unb banl 


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Seite \778. 


Hummer 58. 


liefern fjauch tcr 5i‘cü?cit gewarnt Brügge feine ftolse 
mcrfantilifdje, feine t^el^re fünftlerifdje Blüte. 

3 m Schatten bes Ijodjragenfcen Belfriebs unb bes 
gebadeten Doppelftanbbilbes, im palaft bes ©oupemeurs 
(Kbb. S. ^ 779 ) cm bem ©roßen plafe 3U Brügge 
befmbet ftdj ber eine (Teil ber ©rinnerungsausftellung, 
ber ber alten Hleijter ober, um ein nachgerabe polfs* 
tümlich geworbenes SdjlagtPort an3uwenben, ber ber 
primitipen. Die 3weite Abteilung, bie bcs plämifchen 
Kunftgewerbes, hat ftch im ©ruuthuufe (Kbb. S. \ 779 ) 
aufgethan, biefem fteinemen Schafe altbrügger 3nnen* 
unb Kußenardfiteftur, für beren (Erhaltung man ber 
Stabt nicht genug Danf fagen fann. Das ©ruuthuus, 
Bewahrer einer berühmten Spifeenfammlung, war ber 
gegebene Ort für eine Kusfteßung alten Kunftgewerbes. 
3 n fernen fo wohl erhaltenen Sälen unb Kemenaten 
fcheint noch ber ©eift 
©buarbsIV. mtblDar* 
wiefs, be£ Königs¬ 
machers, umsugehen. 

HTit feiner porüber* 
gehenben Kusftattung 
pon alten HTöbeln unb 
(Eapifferien, ©olb-uttb 
Schme^arbeiten, por 
allem aber mit ber 
unüberfehbaren Kn* 

3ahl t>on ©egenftän* 
ben fachlicher Kunft, 
bie Brügges Klöfter, 
por allem bas ber 
potterie, willig tiev 
geliehen, einer Samm¬ 
lung pou <Silbe3eichen 
unb©ewerfsemblemen 
gleicht es einem Hlu* 
feum uon fabelhaftem 
Beichtum, einer uner- 
fchöpflichen Stubien* 
quelle, bie in ber (Ehat 
auch noch unerfchloffen 
ift. Heuerbings erft 
hat ftch £. Hlaeterlincf, 

Bruber bes pielgc* 
nannten Dichters unb 
Konferpator am ©en¬ 
ter HTufeum, mit ben 
Urfprüngen ber plämifchen Kunft 3U befchäftigen begonnen 
unb bamit ein neues 5orfchungsgebiet erfdjloffen. £eiber 
aber ftnbet bie funftgemerbliche Kusftellung im ©ruut* 
huufe 3U Brügge nicht bie Beachtung, bie fte erjtens 
burch ih**n inneren fünftlerifchen IDert unb bann burch 
bie ihr fo angepaßte Umgebung wahrhaft perbient. Die 
^Primitipen im fjaufe bes ©oupemeurs pon tDeftflanbern 
perbunfeln alles übrige, mag es noch fo fongenial fein. 

lieber bie ftattliche (Ereppe mit ben IDache haltenben 
£öwen, bie freilich nicht bie Hielte pon Brügge 
mit angefehn haben, jenes Blutbab, bas ber Schlacht pon 
©ourtrai poraufging unb ber Stylianifchen Defper an 
Schrecfett nichts nachgegeben bat, über biefe (Ereppe eines 
allerbings nicht fehr gotifd} ftilifierten, neueren ©c- 
bäubes gelangt man in einen wahren (Eempcl ber Kunft. 
Seine Säle burch wallen geheimnispolle Schatten, unb 
eine Dämmerung f^rrfdjt, bie bie Kenner unb 5 orfd?er 
pon alter HTalerei 3war fehr am Befchauen unb 


Befritteln hebert, ben naipen UTenfchcn aber mit per* 
mehrter ©ewalt in bie (Eräumerei pon ber Dcrgangen- 
heit fy n cin 3 iehen tmtß. Dunfel ober halbbunfel bie 
Bäume, fein £aut ringsumher, benn auf biefen (Teppichen 
wartbert bas publifum porüber; nur bie HTabonnen 
unb bie Ejeiligcn, bie Hlärtyrer, bie hiwtnlifchen ©lorien 
unb bie (Teufeleien ber fjölle leud?ten h cr °o r aus biefer 
£)albnacht, unb bie BTenfchen ftehn ent3ücft por biefen 
Kunftwerfen Dan ©yefs unb HTemlings, beffen „Bcliquien- 
fchrein ber heiligen Urfula" eine ber perlen ber Kus* 
fteüung bilbet. Unfer Bilb giebt einen ©inbruef bes herr¬ 
lichen ZDerfes.—HichtsHeues, wenigftens nichts wefentlich 
Heues für bie Kunftgefdeichte hat bie Husftellung ber 
plämifchen HTeifter in Brügge 3uftanbegebracht. So 
piele Kunftgelehrte fte befucht haben unb noch befuchen, 
fo gegeben bie ©elegenheit war, neuere unb tiefgehenbe 

Dergleiche machen 3u 
fönnen burch bie 

Hebeneinanberftellung 
pon Bilbern, bie fonfl 
piele fjunberte pon 
HTeilen getrennt unb 
oft auch faum ftdjtbai 
ftnb, fo ift hoch noch 
nichts bapon gemelbet 
worben, baß eins ber 
überrafchenb pielen 
Bilber unter ben 

breihunbert porhan* 
benen, bie bas fo 
beglich wenig be* 

fagenbe(Eäfelchen„lln* 
befannter BTeifter / ' 
tragen, auf feinen 

wahren Hutor erfannt 
würbe. 3 ames EDeale, 
ber glücf liehe ©ntbeefer 
bes Ijauptbilbes pon 
©&rarb Dapib, Der- 
faffer bes gelehrten 
Kataloges ber Kus- 
ftellung, hat noch nicht 
einen 3weiten IDurf 
biefer Krt machen 
fönnen. Unb bie Kus* 
ftellung 3U Brügge 
wirb nid?t bie bren» 
nenbc5rage3ur€ntfcheibungbringen, wer recht hat: IDcalc 
mit feiner Behauptung, baß pon HTemlings authentifchen 
IDerfen feine pier3ig befannt ftnb, währenb mein braper 
5 reunb, ber befannte Kunftfenner K. 3 - IDauters, in einem 
fehr perft^nblichen Ceitfaben 3urHusftellung behauptet, baß 
bie in Brügge pereinigten breißig IDerfc Hiemlings faunt 
bie Hälfte feiner uns befannten Schöpfungen barftellen. 
©benfowenig wirb es porläuftg unentfehieben bleiben, ob 
Hlemling noch unter bem ©influß £ochners flattb, als er, 
pon Köln fommenb, nur bie 5 ornt unb bie (Eechnif pou 
ben Dan ©yefs entlehnte, ober ob er pon ber bereits 
porhanbenen Heuheit unb Originalität ber Brügger 
Schule unterjocht würbe. IDir Deutfchen fagen: wir 
bradtfen euch Hieberlänbern bie Hlalfunft, benn uns 
fchenfte fte Karl ber ©roße, inbem er aus bem öftlichen 
Böntifchen Beich namentlich Künftlcr in bas £aitb 30g. 
Die Dlänten behaupten: wir ftnb bie größeren, benn, ab¬ 
gefeimt pon ber weniger neu entbeeften, als burch bie beiben 



Raus jviemling: Der Retiquicn fehr ein der heiligen Krtula. 


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Ztummer 38 . 



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Seite 1780 . 


Bummer 38 . 



G£rard David: Jungfrau und Rind. 

Dem <£ycf neu gehanbhabten (Ecd}nif ber 0el* 
f arbenmalerei, bie grunblegenb für bic <£nt* 
tvicflung ber Kunft in allen Cänbertt getvorbett 
ift, entlehnt unfere Sd}ttle alles von ber Batur, 
fie lebt nur non ihr unb für fic. 3 cncr Anfang 
unferer nationalen 2TJalerei bat ttod} beute eine 
5 ortfeftung, er tr>irb eine 5 ortfefeung ohne <£nbe 
haben, benn bas liegt in unferer Baffe, robuft 
unb natürlich 311 fein, Unb in ber Chat ift es fo, 
in ber Chat [teilt man Dan <£ycf h°h cr als 
21 Tcntling, benn ber lefttere verftanb jtrar bie 
Sinfonien bes fjimmlifchen unb Uebcrirbifd}cn 
verftärenb auf feine Bilbcr 311 bannen, er ent* 
fernte fid) aber bamit aud] non jener tieffinnigen 
<£rforfchuitg ber ntcnfdjlidjcn 22 atur unb phyft* 
ognomie, bie bas b c b r f tc XDappenfchilb ber Kunft 
Dan <£ycfs geblieben ift. 2Tiit einem IDort alfo, 
nid}t ettvas 22 cucs, llcberrafdicnbcs gestaltet bie 
2lusftcllung in Brügge 5 U einem unvergeßlichen 
Hnifum auf bem Kunftgebiet, bas ivobl ver* 
biente, bitrd} bas Bilb in allen teilen feftge* 
halten 311 tverben, fonbern biefes Bcbetteinanber, 
biefes Sufantntentragen non breibunbert Schäden, 
bereu Kunftivert unermeßlich, bereit Dcrficherungs* 
tvert nicht iveniger als THülionen beträgt. 

211it einem pricfelnben Kugen* unb Sinnen* 
fchmaus verbunden, eröffnete bie Kusftellung ber 
primitiven uns eine fchon längft bcrbeigetrüinfdjte 
(Gelegenheit, einen umfaffenben Blicf auf bie 
geniale Kunftcpod^c 311 iverfen, bie jene ge* 
nannten primitiven gebar unb bereit 2 Xad>folger 
bis 3 U ben 21Ietfys, Cornelis, pourbus, Dan 


0rlcy unb Breugbct fpnattf» Sie legt ein 
Zeugnis ab von ber getvaltigcn 21 rbeitslaft, 
bic [ich eine Kitsahl opferfreubiger 2 Tiämtcr, 
an ber Spiftc Baron Kervyn be £cttcnhove 
unb Kamille Culpincf, ber (Geitcralfefrctär unb 
eigentliche Deranlaffer biefer Kusftcllung, 
befamtt burd) feine he rü0rr agcnben Stubien 
über bie belgifd^en ^resfen* unb 2 Tlonuntcnt* 
ntalercien, für bie allgemeine Belehrung auf 
bie Schultern gclabcn Imben. Sie legt aber 
aud? ein Zeugnis ab für bic rührcitbe Bereit* 
tvilligfcit, mit ber ftch 2TTufeen unb Sammler 
von ihren Schäften 3 citir>eilig getrennt höben. 
3 d} fpredte nid}t von ben belgifdtctt 21 iufecn 
unb Kirchen, beren 3 n ^ crc ff c an ^ cm Suftanbe* 
fomnten biefer 2 lusftellung verftänblichcnveife 
näberliegenb ivar. 3 ^? inu 6 bagegen rühntenb 
bie DermaItungen ber 2Tiufccn von 2tad}en, 
Straßburg, Sigmaringen, (Glasgotv, 2}er* 
ntannftabt, bie privatfammler (Graf 2lrco* 
Dalley, 2Tlünd]en, 2}ct* 3 og von Knhalt, (Graf 
X}arrad} unb 5ürft £iechtcnftcin, IDien, unfern 
(Gcfanbtcn im f)aag, (Grafen pourtal&s, 
nantcntlid} aber bic 5cmtilie Kaufmamt«Ber(in 
unb 0ppenheint»Köln unb viele anbere 
bcutfdjc, belgifche, fran 3 Öftfd}c unb ettglifche 
Kunftfreunbe bafür heroorheben, baß fte ju 
bem «Suftanbcfontntcn &cr 2 lusftellung von 
Brügge fo uneigettnüftig beitrugen. 2}abcn 
fd]ließlid} auch bas Berliner 2nufeunt unb 


Dans fttemling: Bildnis eines jungen JUanncs» 


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Go °s Ie . _ J 



EEummcr 58. 


Seite \ 78 K. 


St. Sapo 5U (Sent bie £nx>artung enttäuf djt, burd? 
^ergäbe ber in itjrcrn Gefife beftnblidjen, fefylenben 
(Tafeln bes „ 2 TTyftifd?en £ammcs" von 3 an pan €ycf 
bas foftbare Gilb in allen feinen (Teilen unb ©n3el* 


feiten enblidj einmal vereinigt fefyt 311 fönnen, fo 
umßrahlt bie Elusftellung ber primitiven 3U Grügge 
nidjtsbeßotveniger ber bleibenbe <ßlan3 einer großen 
funftgefcfydjtlidten Gegebenheit. aifmb aaftemann. 


QyxC 





nifdicrKör* 

per beftebt jazum^^^H^MM 
CEcil bie ungeheure 
Gcbcutmtg ber Röntgen* 
ßrahlcn. Eluf bem v fluorcszcn3’ 


ober ber photogra*^§i qB| 
^ platte entmer* 

Strahlen einen \^ 
BjjÄv riß bcs burd?* V. 
■k\ Körpers mit hei 3 y 
unb bunflercn \ 
■KVa len, je nad? bem ' 
I KfducbenetuSrab 
_ x Sdniuidjuitu, 


Ringelnatter. 


^ in fdimüler ETacbmit* 
*0 tag führt uns am Ufer 
eines trage babinflicßcnbcn Gadts 
entlang. Ellies ift ftill, fo baß man 
jeben £aut vernimmt. Da rafdiclt’s 
plötzlich 51t unfern ^üßen unb tvill 
vcrfcbroiitben, hoch che nod? bas 
unbefanntc (Etmas ins IDajfer 
gleitet, es fd?ott mitftd>erer 5 anb 

erfaßt. V £5 ift ein praebb 

cremplar \ J vo n Elingcl* 

nattcr, groß 
unb ftarf, je 
bod? ift fic gegen 
i^re fonftige ( 5 c 
tpotjnbcit febr träge. 

3m allgemeinen fitib 
ja bie Ringelnattern rcd?t bc 

mcglich, fte ftreifen viel umher, friccbcn 5icmlid? fcbnclf, 
Hettern gut unb fehmimmert r>ortrcfflid>. Dabei finb ßc 
rollig harmlos. KEcnn fte gereift merben, verfudten fte 
5mar 311 beißen, aber fte tonnen rnenig ober gar nichts 
ausridjtcn. Elud> in ber (Sefangcnfdyaft hält 
ftd? bie Ringelnatter ohne befonbere 
pflege recht gut. ftauptfäch 
lid? frißt fte <fröfd?e, 

^Jifchc, (Eibecbfctt, Krö* 
len u. f. m., fte Faun 
aber aud? monate« 
lang hungern. 

Die Rätter, , 
fah red^t mert | 
keib mar gegen 
unb bie taftetiben I 
rcre h ar * c ^ör | 
fdjeint eine tüch 
ben," munberte , 
mohl miffen, mas 1 
„Das follft bu 
harrt bie Röntgen ^ 

„ Elbcnbs 3eigtc 
fchirnt bie (Scheint 
leibes. Das Gilb, 


bie mir gefangen batten, 
mürbig aus. 3h r fd?lanFct 
bie ITlittc 311 ftart aufgetrieben, 
Ringer tonnten bcutlidj melt 9 
per mabrnebmett. „Ga, bie 
tige IlTahlscit harter fid? 3U h a * 
fich mein ^reuttb, „ich möchte 
bie alles in ihrem Klagen hat!" 
fchn, bettn allzulange fchon 
röhre ihrer Gcßimtnungl" 
uns bann ber Fluoreszenz» 
nijfe bes Schlangen* 
bas ftd) barbot, 


tvar 5U lehrreich, um 
auf ber photographifd^cn 
feft3iihalten, urtb fid?erlid> 
mirb cs auch für uttfere £cfcr 
r>oit 3 !l ^reffe fein, (Dßcnbar batte 
E>ie Ringelnatter gcrabe eine gute 21Tabl5eit 
ISintcr firf?. Gur ein ^rofeh mar cs, ber ihr im 
IlTagcit lag, aber er mar febr groß. Don hinten mar 
er gefaßt unb Verfettungen morben, mie untere Elbbilbuttg 
fceutlid? 3U ertennen giebt. 3 n biefer Durchleuchtung orga- 


Dott 


fjans (Scycr. 


fdtirm 
pbifdtcn 
fen bie 
Schatten 
leuchteten ^ 
lernt 
Stcl 
k per 
k ber 
bie 

1 bie ein* 

3elnen 
Strahlen 
auf ihrem KEcge 
burd? bett Körper crfahrciT 

haben. So gemähten bie Rontgcnbilbcr einen ge* 
nauett (EinblicMn bas 3 imere ber orgaitifchcn Körper, 
bas uttferem Elngc unzugänglich ift. Eluf unferetn Gilbe 
febril mir beutlich bie £agc bcs ^rofebes im Sdjlattgcn* 
"leib. £anggcftrccft nadt vorn liegen bie Porbcrfüßc bcs ^rofd^cs, 

unb jebes eiit3clnc _ Kttöd^clcbcn ift noch am rid?» 

tigen platj, ein Reichen, baß bie 

Derbait uttg nodj nid^t meit 

porge jehritten mar.^^^^B^^gmifchcnbcnDor- 

ber /jfr fußen bcs ^rofehes liegt bef\^k\f en ^°Pf/ ^ l ' r 
nur an bem bogenförmigen Knochcn^ SWk erfemtbar ift. 
Die iPirbclfäulc beeft fich faß gan5 
Schlange, iß aber bcbcutcnb ßärfer. ETun ^ 

Gccten unb \}icx aitfchließeitb bie mäd>ti 
beine; bie gehen ßttb nach rorn umgelcgt. 
gettben ^lecfctt ftnb mahrfcheinlich <Ejtre 
verbauten Knochen unb b^arnfäure bc^ 
für X*Strahlen menig burchläfßg ftnb. 

(Jrofchcs iß aber ttod) ctmas 311 
Schäbel, nicht mehr beut 
aber mahrfchciit 
gen IHaus 
Ser 


^mit jener ber 
folgt bas 
J gettSpring* 
IDic noch fol 
r meute, aus 
ßcheub, bie 
3m £cib bcs 
f fehlt : eilt fleitter 
lieh erkennbar, 
r lieh von einer juit* 
^rjcrrührenb, bie ftd? 
K frofch feinerfeits vorher 


511 < 5 etnütc 50g. Die Klaus 
micbcrum hatte ftihcrlidi vorher eine 
Einzahl 3 1l frFtcit verzehrt. KEcldjcs von 
beit brei (Lievcit, bie unferc Elbbilbuttg ver* 
einigt, ift nun mobl nüfzlidtcr ober fd?äblid?cr — 
bie Heine Klaus, ber größere <Jrofch ober bie große Schlange? 
Das iß gerniß nicht fo leidet 3U entfeheibett. 


Die mablzeit einer 


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Seite 1782. 


Kummer 38. 


Von der Reife zurück. 

Sfi 33 e von (£. <£ahtom. 


er fjert Doftor mar erft feit brei 3a^ren verheiratet, 
obrnohl er nicht mehr meit von 3 meimtbvier 3 ig ent« 
fernt unb vorher ein cingefleifchter 3 un 99 c f c ^ e 9 e “ 
mefen mar. 

3n biefen brei fahren h arte er jebod? bie (Entbecfung 
gemalt, baß fclbft bie unumftößlichften (Thefen auf thönemen 
<Jüßen ruhen. §um Beifpiel mar er vorher ber Ueber 3 eugung 
gemefen, baß er „immer recht“ hätte. i e t>* f a h er > & a ß 

immer feine ^rau recht hotte, felbft menn ihre Hleinung ber 
feinen — mie bas ja in ben beften (Ehen vorfommt — 
ftrifte 3 umiberlief. Über fo geht es ja felbfi ben größten 
(gelehrten. <£s giebt feine Ueber 5 eugung, bie nicht erfdmttert, 
unb fein (Sefefc, bas nicht eines (Eags umgeftoßen merben fann. 

Der fferr Doftor 5 <hmar 3 er mußte es nun längft, baß 
feine <Jrau ftets gan 3 ihrer eigenen Hleinung mar unb baß 
fie gemöhnlich „recht“ hotte. *tur feiten fiel er 3 urü<f in 
feinen alten fehler unb mollte feinen eigenen IDillen burdj 9 
fefcen; bas befam ihm jeboch allemal recht fcblccht. 

2lls er in biefem 3oh r feine Sommerreife antrat, hotte 
feine <$rau — Sophie hieß fie, Sophia, bie IDeife — fid? 
bagegen gemehrt, baß man bie JDohnung cjtra gegen Dieb* 
fiahl unb anbere Unfälle verwerte, ober baß man Silber 
unb 3 u welen in bie Obhut von Dermanbten gäbe. 

„Das ftnb Ungemohnheiten," erflärte fie, „bie ja in beine 
3 unggefellen 3 eit (es mar unbefchreibüch, melche Deradjtung 
fie in bies JDort , 3 unggefellen 3 eit 4 3 U legen mußte) gepaßt 
haben mögen 1 IDer meiß, mit was für verbärgen Elementen 
bu bamals befannt marft ..." 

„Ha, erlaube mall" fagte ber Doftor. 

„Befannt marfil" mieberholte mit erhöhter Stimme bie 
^rau Doftor. „3d? behaupte ja nicht, baß bu folche (Elemente 
3 U beinen intimen ^reunben rechneteft. Uber natürlich, bie 
JDorte einem im IHunbe verbrehen, bas fönnt ihr ülänner 
alle! Ulle, fag ichl — Damals alfo magft bu ja berechtigt 
$u allerlei mißtrauen gemefen fein, aber jefct ift bas nicht 
meh* nötig, minna ift ein 3 uverläffiges mäbchen. . ." 

„Du fennft fte hoch erft ein Dierteljahr." 

„Das genügt mir. Unterbrich mich boeb nicht fortmährenbl 
minna mirb in ber IDohnung bleiben, bie Schlüffel 5 U ben 
mistigen Schränfen nehmen mir natürlich mit, unb bas (Selb, 
bas mir für bie Derfidjerung u. f. m. fparen, Tonnen mir 
nachher gleich 3 U einer fferbftgefellfchaft praftifch vermenben.“ 

Der Doftor Schmaler that etmas fehr Unvorftchtigcs, er 
er 3 ählte biefe iJTleinungsverfchiebenheit feinem Stammtifch unb 
erregte bamit von neuem bie (Entrüftung biefer Herren. 

Das ginge nicht fo meiterl erflärten fie. Da müffe ein 
(Ejempel ftatuiert merben. €s müffe etmas ausgeheeft merben, 
mas ber (Snäbigen bas ^anbmerf legen mürbe für alle Seit. 

Unb bie Dcrfchmörer hielten Hat.- 

(Enblich maren bie vier IDochen ber Sommerreife herum 
unb Doftor Schmaler hatte fürforglid? in ben brei £ofalblättem 
inferiert: „Don ber Heife 3 urücf. Dr. Schmar 3 er." 

minna, bas 3 uverläfftge mäbchen, hotte uor vier 3 ehn 
(Tagen ihrerfeits eine (Erholungsreife angetreten. Sie mollte 
auch gern mal bei muttern ausruhn, unb fehaben fonnte bas 
ja nichts bei ber verfchloffencn IDohnung unb ber allgemeinen 
öffentlichen Sicherheit in Dingsba. 

Die <Jrau Doftor hatte, mcife mie immer, minna gegen* 
über ihre Hücffehr auf einen (Tag fpäter angegeben, als fie 
in IDirflichfeit ftattfanb. Sie mollte nämlich bas mäbchen 


„überrafchen“, benn fomas liebte bie ^rau Doftor fc^r! 
2 lch, bie Ueberrafchung follte biesmal auf ihrer Seite fein! 

Sunächft öffnete auf mieberholtes Klingeln niemanb. 

„Hhal“ fagte ber Doftor mit unterbrüeftem (Triumph 3U 
feiner (Jrau, „beine suverläfftge minna ift nicht ba." 

„Sie mirb mohl Beforgungen machen. Da fie benft, baß 
mir hoch erft morgen nachmittag 5urücffommen, fo ift fie 
gemiß noch fortgegangen, um eine Blumenguirlanbe ober 
bergleichen 3U faufen. IDahrfcheinlich mirb fie fehr unglücflich 
fein, baß mir fie fo überfallen." 

„ IDahrfcheinlich l" mieberholte ber Doftor troefen. 

„(Sott, bu mit beinern emigen OpponierenI" rief (frau 
Sophie. „(Sieb ben Korriborfchlüjfel hoch enblich her, bamit 
mir h^rinfönnenl" 

' „Den Schlüffel hoft bu ja. Unb ebenfo ben von bet 
f^austhür; übrigens taffe ich mir 3 U biefer jefot einen für mich 
anfertigen." 

Die ^rau Doftor fanb es für mürbiger, auf eine folche, 
mie fie meinte, leere Drohung nichts 511 antmorten. Sie öffnete 
bie IDohnung unb trat ein. — Staub, Staub, Staub ringsum. 
Die ^enfter gefchloffen, eine ftiefige, bumpfe £uft überall. 

3 n minnas Kammer lag fo biefer Staub auf Bett unb 
U>afd)ttfch, baß bie £rau Doftor rief: „ffimmel, hier fyot 
minbeftens ad>t (Tage niemanb gefdjlafenl" 

„Dielleicht 30g minna unfer Schlofsimmer vor?" meinte 
ber Doftor fanft. 

(Ein milber Blicf antmortete ihm. Unb bann rannte 
$rau Sophie 3 um portier hinab, um von biefem bie nieber* 
fchmetternbe Kunbe 3 U erhalten, baß „^räulein minna" feit 
3 mei lDocf>en verreift märe unb morgen früh wieberfämc. 

Das mar ein Sd?lag für bie arme ^rau. Denn nun 
mürbe fie ja mohl bis an ihr £ebcnsenbe 5U hören befommen, 
baß ihr mann „ihr bas ja vorhergefagt" habe. <£s märe 
fchrecflich, menn ber mann einmal mirflich recht hätte 1 

Oben mieber angelangt, fanb fie ben t^errn unb (Scbieter 
bamit befchäftigt, in ber Küd?e feiler an3U3Ünben. 

„3<h will bir Kaffcemaffer machen, Sophien," fagte et 
freunblidj. „Uls 3 un 99 c felle f?cibc id? mir ja fo oft ben 
Kaffee allein fod>en müffen. Diclleicht bejiehft bu injmifchen 
bie Betten? Die Schlüffel 3 U ben Schränfen haft bu ja." 

3 n grollenbem Schmeigen ging bie teure (Gattin hinein. 
Balb aber ertönte ein gelienber Sd?rei aus bem Speife3immer. 
Der £?err Doftor fiür3te hm — unb fanb Sophie in (Dränen 
vor bem Sitberfchranf — ber leer mar. 

„(Eingebrochcnl" fchlud^te fte. „Hlles geftohlen! Der 
(Tafelauffafc von Onfel IDilhelm unb bie Spargcl3ange von 
(Tante Termine, aud? bie §ucfer3angen unb ber IDeiufühlerl" 

„£}üf fjimmel, Sophie, finb benn menigftens bie (Theelöffel 
ba unb unfere (Eßbeftecfe?" 

„nichts l" fam es hohl nnb gebrochen von ben blaffen 
£ippen. „Hlles ift megl" 

„Hocf ift meg, Stocf ift megl" pfiff ber h cr 3 l°f c mann. 
„Ha, bann hätte id? jamohl biesmal recht ge . . ." 

„Sei ftilll" rief Sophie voller tDut. „IDillft bu mich 
noch verhöhnen? Sieh im Sdjrcibtifch nach, ob meine perlen 
noch brinliegen — fo gut mie man hier einen Hachfchlüffel 
benufct bat — bas Schloß mar ja gan 3 in Orbnung — fo 
gut fann man’s aud? mit bem Sd?reibtifch gemacht h a & cn *" 
— Der Doftor fd?loß ben Sdjreibtifdj auf — es ging gan 3 
leicht — ber Schniucf mar fortl Huch eine Ht^ahl von 



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Bummer 58. 


Seite \ 785 . 


Staatspapicren, bie baneben gelegen, marett ücrfc^munben. 
„Karl!" rief bie ^rau Poftor, inbem fie ihrem UTann 
um ben ff als fiel, „farntft bu .mir uer 5 ei^en? Pas ift ja 
biesmal meine Schulb alleinl IVir finb ruiniert! Unb alles 
bloß, meil ich bas lumpige Derftdjerungsgelb fparen mollte!" 

„ 3 a, peljft bu, bas fommt nun bauon! Uber beruhige 
bidj nur, ruiniert ftnb mir mirflich noch nicht. Peine perlen 
unb bie Papiere Ijabe ich nämlich, entgegen beinern Befehl, 
beuor mir abreiften, 3 um Banfier getragen." 

€itv Stein fiel oon Sophies fjerjen. 

„IVie praftifdj unb oorfiebtig bas ron bir mar!" lobte fie. 
„Uber biefer Ulinna merbe idj’s eintränfen! 3 <h mache fie 
oerantmortlich für ben Süberbiebftaljll IVie gemein ron i^r, 
mich fo 3 U enttäufd^cnl" 

„Vielleicht hat fie bas Silber mitgenommen? Pu mußt 
mir 3 ugeben, baß man nach einem Vierteljahr ein Zlläbchen 
mirflich nod? nicht fennt." 

Sophie f<hmieg. 3m mer lieber lief fie ror ben leeren 
Silberfdjranf unb fonftatierte, baß „alles meg" fei. 

(Enblid? erfchien aus ber Küche ihr lieber Kart mit t>or* 
3 üglidj buftenbem Kaffee. 

„Ha, nun fomml" fagte er. „Cröjte bid? 1 Peine Kleiber 
hajt bu ja mitgehabt, bie ZVäfcbc unb bie Ulöbel finb nod? 
ba, bie paar taufenb Ularf Silber merben mir oerfchmerjen." 

„3<h r>crftehe bidj nicht!" fuhr Sophie auf — aber im 
nachften IHoment flappte fie mieber 3 ufammen. Sie fah es 
ein, enbgiltig mar bas §cpter ihren fjänben entmunben, unb 
non nun ab mürbe ihr UTann tljun, mas er mollte. 

0 biefe ITlinnal — Penn natürlich mar ja ihr p ri u 5 i p 
richtig gemefen — aber mer fonnte ahnen, baß ein fo 
falfches (Sefdjöpf hinter biefem Uläbcbcn fteefte. — 

Beuor am nächften Vormittag Ulinna mieber einrüefte, 
ftingelte es an ber Korriborthür. Sophie eilte hinaus — 
ein Pienftmann mit einem mächtigen pafet ftanb not ihr. 

„3ft ber fjerr Poftor uon ber Heife 3 urücf?" 

„ 3 awol!l." 

„Ha, bann geben Sie ihm mal bas hier ab." 


„Pas hier" n>urbe ausgemicfelt, unb Sophie ftieß einen 
^reubcnfdjrei aus: „0nfel IVilhelms (Eafelauffatj!" 

„iVabrhaftig! Ha, fo mas! — björe, Sophiechen, cs 
flingelt fd?on mieber. (Schft bu aufmachen?" 

(Ein neuer Pienftmann mit einem neuen pafet. 

„3ft ber f^err Poftor oon ber Keife 3 urücf?" 
f ,3amohl." 

„Ha, benn geben Sie ihm mal bas hier ab." 

Pas hier mar £ante fferminens Spargel 5 ange. 

Unb bann flingelte es mieber — unb nochmals — unb 
immer mieber — unb Sophie hatte ben <Hinbru<f, baß eine 
£egion Pienftmänner aus bem Boben geftampft fei. 

Had? smei Stunben mar ber gan 3 e Silberfdjafc mieber 3 ur 
Stelle. §um Schluß aber fam ein Brief an bie ^rau Poftor. 
Pie ffanbfcbrift gehörte bem preifes ber Stammtafel aus bem 
<£afe Banaria, unb ber Poftor erfannte fie fehr mohl/ h^ete 
fich jeboch, es 3 U fagen. 

„Verehrtcfie <frau," lautete ber Brief, „biesmal ftnb Sie 
noch gut meggefommen, benn mir ftnb ehrliche Picbe, bie 
fid? bloß einen Spaß erlaubt haben. 3h n en möchten mir 
aber 3 U bebenfen geben, baß es auch hatte blutiger (Eruft fein 
fönnen! 3n §ufunft beugen Sie fich oor ber größeren Vor¬ 
hin*, Hach’ unb Hücfftcht 3h rcs hatten unb geben Sie 3U, 
baß auch er 3 umeilen (mie in biefem $all) recht hat. 

3hre ergebenften Spifcbuben." 

„Karl!" rief Sophie mit flammcnben Kugen, „biefes ift 
ein abgefarteter Streich, non bem bu gemußt h a fti U?o 
haben bie Kerle ben Sdjlüffel 3 um Silberfchranf hergehabt?" 

„Pas fragft bu mich? Pu h a ft ih n bod? mitgenommen." 

„Kd? mas, bann f>aft bu ih n vorher . . ." 

„Sophie!" rief 5err Pr. Schmar 3 er mit energtfeher Stimme, 
„fo mas oerbitt id? mir! Von jefct ab bin ich bjerr im fjaufc! 
Unb bu ^rau im fymfel Unb jefct geh ich 3 um ^rühfehoppen. 
Unb jeben ülittmoch unb Sonnabenb gehe ich 3 um Kbenb* 
feboppen. Unb menn bir bas nicht paßt, bann ridjte bir 
and? einen ein! Kbicu!" 

Unb mahrhaftig, babei blieb es, 3 U beiber gufricbcnheit. 


Auf der Jabrmarktsmme von Hishtiij-Nowgorod. 

^icrju 8 pljotograptitfcije 2Iufncit)men pon ^unef. 


(Ein gewaltiges, alle (ßebanfen unb Verkeilungen, 
wie fie im Kopf eines einigermaßen entwicFelten XVeft- 
Europäers 3U wohnen pflegen, oöllig oerwifchenbes unb 
mit bem ©etöfe unb ber IVirrnis ungeahnter Sonberbar* 
feiten an BUbern, Cauten, Vorgängen, Bewegungen unb 
<55erüchen übertäubenbes Cebensbilbl Die HTeffe oon 


Bifhnij'Bowgorob, ein Sammeb unb Kulminationspunkt 
ruffifch'afiatifcher Kultur auf ben (ßebieten bes f^anbcls, 
ber 3nbuftrie unb Hianufaftur, ber größte 3nnenmarft 
bes größten ber Kontinentalreiche! Unb tuahrlich, man 
rettet fich aus ben ZVarenbergen, ben gewaltigen Stapel* 
häufen oon 5 ^ücn, <£ifen, Hauchwerf, Chce, billigen 



Der eiodtenmarht. 


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Seite J 784 -. 


Hummer 38, 


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6efamtantfd>t von JN'frbnfj-JHowgorod: 

2fZanufafturer3eugnijfen in Sied? unb I30I3 unb all bem Scobad?ten red?t sufammenfaffen, ftd? Cypcn t?erausgreifen 

melen anbern, bas um ber fd?led?t cntwideltcn Krebit* formte: jebes (Einseine feheint typifdj, jeber <£in3elne 

unb KommunifationsDcrhältniffe Hußlanbs willen in cor- feheint (Typus unb nimmt für jid? 3 ntereffe unb Beob* 

pore unb nicht etwa als probe angeführt unb sunt Her- adjtung in Knfprud?, weil gar nichts, abgefehen 

fauf angeboten ift — aus bem (Be wühl unb (Scfchrei pon ben 3ugereiften IHcltrcifcnben unb (ßroßferafleuten, 

ber Käufer, Berfäufer, Bettler, HTeßbummler, fjauftcrcr, auch nur im gcringften an wefteuropäifche HTeffebilber 

unb was ba fonft an fonberbaren eifrigen (ßeftalten erinnert. (Es ift Kficn, bas man uor Kugen l?at, eins 

burd?einanberl?afpelt, mit bem (Befühl ber ©hnmacht, ber größten ruffifch-aftatifchcn Kulturbilber, unb man 

bas man wirflid? großen (Einbrücfen gegenüber l?at, bie mag uor bem Siefen fo mancherlei Sefpcft haben — 

fid? nicht fo ohne weiteres Dorausfefeungslos einfchaltcn fielet man ihn bei feinen häuslichen Errichtungen, fo 

unb uerarbeiten laffen. (£s ift nicht fo fef?r bie (ßröße große Kllgemeinbebeutung fie auch kfiben mögen, wie 

bes 3ahrmarfts felbft, nicht bie £?efe c unb gewaltige etwa biefe HTcffc, fo erfcheint bas fid? unmittelbar 

Unruhe bes (Betriebes, auch nicht bas ausgefprochen äußernbe £eben, dotu abgefefctenpelshänbler bis sum golb» 

5 remblänbifche, bie bas h crüorr ufen, Dielmehr ber Um- behängten „Sibiriafen" sicmlid? fremb unb unfultureH, 

ftanb, baß jeber unb alles Don bem Dielen bisher nicht trenn auch intereffant, sumal es nid?t fraftlos ift. 

(Bcfehenen unb Ungewohnten ftd? nicht als Sdjauftüd in (£s ift ja unleugbar etwas (Sroßcs an biefer UTeffe* 
Suhe, fonbern in emfthafter, 3wecfmäßiger Betätigung Kuf ber £?albinfel Strjälfa, an ber bie IDaffer ber 
mit ber gan3en unocrfälfchten Unmittelbarfeit bes £ebens IBolga unb ©fa sufantmenfließen unb bie famt bem 
präfentiert. Unb srnar wirb alles mit ungeheurer gansen HTcffepIaft $ur <§eit ber 5rühlingsüberfchwemmung 

(ßreifbarfeit lebenbig, ohne baß man fofort Be3iehungen bes „tBeffenij rasliw" regelmäßig weithin überfchwemmt 

3um (Bewohnten fchaffen, ohne baß man aud? nur beim ift, baut ftd? alle 3 a h r in furser <§eit ein gewaltiger 

HTarft mit fajt 
JO 000 £äben auf, 
3 u bem eine Sd?ar 
Don faft einer hnb 
ben Hlillion Kauf¬ 
leute sufammen- 
jtrömt, um U)aren 
5 U Dcrfaufen ober 
3 U faufen, bie Don 
ringshcr auf 
Strecfen Don Dielen 
taufenb Kilometern 
mit Don HTenfchen, 
ben „ Burla fi", ge¬ 
sogenen Booten, 
mit Kamelen, 3 U 
pferb unb 3 U 
tf>agcn, bloß 3 U 
einem geringen 
(Teil mit (Eifenbahn 
ober ©ampfboot 
3 ufantmcngeführt 
jtnb unb bie, ob» 

Das grosse Chcclager. Wohl meift Bolj* 


















Hummer 38 . 


Seite \785. 



Blich vom Kreml auf die Stadt. 


material in fiifen, 5 ell, Saumtpolle u. f. ip., bie 
Hiefenfumme pon einer falben HTiüiarbe ZTTarf 

repräfentieren. Dabei ift 3U bemerfen, bag es 
faum einen (Segenftanb giebt, ber nicht pon 

CDfien ober t>on IVeften h^ngeführt mürbe unb in 
Hifhnij-Hotpgorob feinen Abnehmer fänbe, angefangen 
t>on ben an Meiner Schnur aufgereihten Pfifferlingen bes 
Säuerleins, ber 5 uf?re Stroh bis 3U ben fid? 3u hohen 
Sergen türmenben Cbeebaüen, pom neuften parifer 
UTobeartifel bis 3U Millionen unb Abermillionen roher 
5 efle aus Sibirien; nichts ift 3U fein, nichts 3U gemein, 
I^ier gebt’s pon ^atib 3U fjanb unb meiter in bas Heich 
hinein. Hmt fprid?t ja faum etmas fo beutlich pom 
HTangel ruffifeber 3 nnenmärfte unb bem niebrigen Stanb 
bes rufjtfdjen fjanbels, mie bev gufuhrmege oXs gerabe 
biefes Sufammenfhrömen bes Angebots an einem punft 
aus- all ben meiten (Teilen bes Hiefenreichs, rnobei bie 
ISaren mitgeführt tperben, felbft auf bie (ßefabr b^/ 
fie als unperfauft bis 3ur näcbften Zfieffe beponieren 
ober 3urücftransportieren 3U müffen, aber gerabe biefem 
Hmftanb h a * man auch bas Sdjaufpiel eines folchen 
Hiefenmarfts unb 
ben tounberbar 3U- 
fammenfaffenben 
UeberblidP über bie 
probuftion bes 
ruf fif eben Seichs 
3U banfen. Unb 
trenn biefe Herme 
auch ritt trauriges 
£id?t auf ben Stanb 
ber rufjifchen 3n* 
bufhrie mirft — 
man finbet mobl 
faum fonftmo in 
ber ZVclt fo fchmäb* 
lief? nachfäfjig ge¬ 
arbeitete 3nbuftrie- 
er3eugniffe, bie ben 
ueractftungsDoIIen 
Zlamen „Sab rif- 

trare" perbienten, 
urie in Huglanb — 
fo fiei?t man in ber 
Zdannfattnx, befon* 


bers fjol3 unb HTeffing, gute, trenngleich mit unglaublichem 
Aufroanb an <§eit unb HTenfchcnfraft gelieferte Arbeit, 
unb bas pon Huglanb hen>orgcbrad]te Hohmaterial 
flögt gerabc3u ebrfurcbtspolle Scheu por ber Kraft 
unb bem Heichtum bes Canbes ein. freilich milbert 
ficb bie Verblüffung, menn man bie Dimenftonen bes 
Canbes in Setradit siebt. 3 m pofant toirfen bie Silber 
ber aufgeftapelten IVarenmaffen jebcnfalls im haften 
< 5 rabe. Unfere Silber, bie bie Zfieffe in ben lefeten 
(Tagen por ber biesjäbrigen Cröffnung 3cigcn, bemon- 
ftrieren bie Anfuhr ber ZVaren unb formen barum fo 
recht ein Süb pon ben Zfiaffen bes Angeführten 
geben. Die perfer, bie ihre Kaufniebcrlage in ber 
fogenannten „Karatranferci" (rrörtlicb: Karatrancnlager) 
haben, alles fdrtr erreiche (Srogfcuflcute, rnaren bort 
eingetroffen, rrenngleich ihre ZTarcn, bie fchönften 
(Teppiche, Hojincn, getrocfnetc pftrfiche, bie ber ruffifd^e 
Sauer „Sdjlcptald" nennt, Hüffe, ZVaffert unb anbere 
€r3eugnijfe bes (Dricnts erft 3um (Teil ausgepaeft iparen. 
€s trtrb piel (Taufchhonbel getrieben, rnobei bie perfer, 
liftiger als bie 3uben, ja fdbft als bie % <ßrted)cn, bie 



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Seite *786. 


Kummer 58. 


Buffen fchr über bas 0 l?r [“ 
trauen fallen. Kls bie perfer 
photographiert mürben, erbat 
fich’s ein ruffifchcs Bäuerlein, 
bas mit Pilsen handelte, einer 
ber Hauptnahrungen bes Bauern |§j 
im Borbcn währettb ber IDin* 
terntonate, aud? babei fein 3U 
biirfen, mit ber ZHotimerung, 
er h^be einen franfen 5uß, 
nnb bie „Kgrafia" fönne ihn 
pielleidtf gefunb machen. Der 
(Slaube ntadtf ja nun freilid] 
nicht nur felig, fottbcrn aud? 
gefunb. Dielleidit, baß ihm bas 
Photographiertwerben geholfen 
hat. Der bäuerliche H au f iercr 
ift eine typifche <2rfcheinung; 
er bilbet 5uglcid} mit feinem 






Strasse längs des fibrnfcbcn Landungsplatzes. 


,*?=*-* 


* 




eines jeben BTomcnts 3ur Sd]au bringt, als es fid? in 
ber Hifce ^cs Kampfes um ben Dorteil scigt. 
So tobt cs alle 3 a h l *c öuf ber fanbigen Strjälfa 
pom 28 . 3uli bis 311m 25 . September, am hifeiöften 
um bie Bütte Kuguft, ba bis 3U111 7 . September alle 
IDcchfel beglichen fein müffen, eins ber intcrcffantcftcn 
ethnologifchen SdxiuftücFe, 3uglcidj wobl aud] bas groß* 
artigfte unb buntefte Bilb ans bem (Scbict bes f} an bels. 
Blle Frühjahr aber, trenn bie 51üf)c fich weiten unb 
bie großen IDaffer fommen, mögt es am felben plaß 
aud] oft in luftiger, fehäuntettber Branbung. Die grün- 
liehen IDaffer ber 0 fa fämpfen mit ben gclblid?cn ber 
IDolga — nid?t um Dorteil unb (ßewimt, fonbern ben 
Kampf ber großen Baturmaffen, ben serftörenben; unb 
bent Befdmucr pom h°h en Kreml, ber auf ben X^ü^cln 
BifbnipBowgorobs gelegen, bas £anb weithin übertürmt, 
wirb fdmuil 31t Sinn, bemt er ben ft ber (Lage in näherer 
ober fernerer <§ufunft, an betten attbere Baturtnaffen im 
Kampf liegen werben unb aud} niemanb wiffen wirb, 
wem alle biefe Kämpfe Bußen ober Sd^abcn, (SliicF 
ober Ilngliid bringen. p. s. u. icageigcn. 


6tne Gruppe perfer. 

Kopefenbattbel einen mnnber* 
baren Kontraft 311 bem BTib 
lionen untfeßenben perfer. 
Beibe perfinnbilblkhen fo bie 
(Segenfäße pon Borb unb 
Siib, IDeft unb ©ft in 2 ?affe, 
Sitte uttb Ktcibung, Energie 
unb Sd^lafmüßigfeit, Klugheit 
unb Ilnpcrnunft, 5röntmigfcit 
uttb £aftcr. Dor unfern Kugen 
entfaltet fidt ein buntes unb 
bewegtes £ebensbilb, bas um 
fo wüfter wirb, aber and? 
um fo präsifer bie Eigenart 


I »K.I 


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Stapelplatz für feile« 


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Hummer 38 . 


Seite \ 7 Q 7 . 



Hue der JMünebner Rofgefellfcbaft. 

mit 22 pf)otograpf}ifd}en Uufnaljmen ber §ofpf}otograpt}en Saumann, Dittmar, <5ebr. Cflftel, müfler xmb bes ^ofalcliers €Iotra in m&nci?en. 


ZTTan ift getrofytt, ben Huf, ben HTündjen als Kunft* 
ßätte tjeute in ber gefamten Kulturrrclt genießt, als 
einen faum ein 3afyrf}mtbert alten an3ufetjen. HTan ba* 
tiert ifyn non bem geitpunft ab, ba König Cubtrig I. 
bie unrergeffenen IDorte fpradj: er trolle HTündjen 3U 
einer Stabt machen, bie jeber gefefyen fyaben müffe, trenn 
er behaupten trolle, Deutfdjlanb ju fennen. HTan rer* 
gißt, baß audj bie Vorgänger ber 3ur <§eit ben Cfyron 
innetjabenben ^treibiüdcner Ciitie bes bjaufes iPittelsbad} 
rrarme Befdjüfcer ber Kunft traren. (Serabc in HTüncfyen 
begegnet man auf Schritt unb (Tritt in btefer fjinfidtf 
i^rett Spuren. Die ftattlidjc alte Heftben3, bie Kurfürft 
HTarimilian I. erbaute, bid?t baneben bas im ent3Üdenb* 
jien Hofofoftil ausgefd^müefte Bcftben3tfy>ater, ein IPerf 


bes Kurfürften ZTCaj: III. 3 ofcf, bas alte Hatfjaus, 3at}I* 
reiche fdjöne Kirdjen, wie bie ber (Tfyeatiner* unb ber 
Senblingerftraße, unb t>or allem ber efyrtrürbige Dom — 
all biefe Bautrerfe jtnb ebenfo riete berebte beugen 
bafür, baß ben IDittelsbadjer dürften nidtf erft im neun* 
3ef?nten 3 a fcl?unbert bie fünftlerifdfe Kusgeftaltung if?rcr 
fjauptftabt am fje^en tag. 

<£s ift eine ron ber (ßefdjidtfc aller Onber betätigte 
(Erfahrung, baß bie Künfte am freiften unter bent Scfyift 
ber £}errfd}er gebieten, bie in Cebenstrcife unb i}of* 
Gattung 3ugleict? 'bie pradjt unb ben prnnf am meiften 
liebten. IDcnn bies audj für bie reränberten Der^ält* 
niffe unferer Seit nidjt mefyr fo unbebingt 3utrifft, 
fo genügt es, ben Hamen eines Cubtrig XIV. ron 5 ranf* 


i 


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Seite V?88. 


Hummer 38 . 






Baronta Hnnie Cdürtzburg. 


reich, eines Sosmo bi 
HTebict, eines papftes 
£co X., eines 5 riebrich 
I. oon preußen ju 
nennen, um bie Wahr¬ 
heit bes Saftes für bic 
Vergangenheit nach* 

Suwcifen. 

(SIän3cnber nun 
mar, uon Wien ab* 
gefehen, fein ijof in 
Deutfdjlanb, als ber 
ber bayrifdjen Kur- 
fürften im fteb3ehnten 
unb acht3ehnten 3ahr- 
hunbert. <£r bilbete 
ben gef eiligen HTittel- 
punft bes fränfifchen 
unb fchiuäbifcheu 
reichsumnittelbarcn Kbcls, tuie ber übrigen fjcrren- 
gefdjlcchter bes füblichen Deutfchlanbs unb 30g auch 
3ahlreiche Kuslänbcr in feine Höhe. Die oermanbtfchaft- 
liehen Sc3iehungen 3U ben Dynaftien fjabsburg, Sourbon, 
Saooyen halten ihr Seil baran, bem HTünchner £}of- 
lager einen Hang 3U oerleihen, mit bem ber anberer 
beutfeher Hcjtben3cn faum wetteifern fonnte. Unb als 
nach bem Kusfterbcn ber eigentlichen 2Tiünd7ner £inic 
Sayem an ben Kurfürften Karl Sheobor *>on ber pfal3 
gelangte, ber allerbings nur ungern aus feinem reicheren 

unb üppigeren Stamntlanb 
fchieb, warb UTünchen ber 
Schauplaft prächtiger 5 efte, 
uon benen bic ©hroniften 
uns manche intcreffantc 
Schilbcrung überliefert 
haben. Unter Karl Sheobor 
erhielt bie Hcfiben3ftabt 
ihren fchönften Schmucf, 
ben englifchen ©arten, noch 
heute täglich bas <§iel aller, 
bic fich in freier £uft unb 
fchön gepflegter Hatur uon 
ben Knftrcngungen unb 
Kufreibungcn bes groß- 
ftäbtifchen Ccbens auf ein 
paar Stunben erholen 
toollen. Damals biente 
ber ©arten, ben Sir Sen- 
jamiu Öjotnpfon, ©raf 
uon Humforb, bes Kur¬ 
fürften ©ünftling, angelegt 
hatte, 3ugleich als Scencrie 
für bie 5eieriichfeiten, bie 
ber Canbesfürft bei wich¬ 
tigen Kniäffen ueranftaltete. 
Kn fold]en Sagen — 3u- 
leftt, als Karl Sheobor, 
einunbfieb3ig]ährig, bie um 
3toeiunbfünf3ig 3ahre jün¬ 
gere <Er3her3ogin HTaria 
Ceopolbine oon ©efterreich* 
HTobena als 3meite ©e* 
mahlin heimführte — er- 

Otto 6r»f zu erteil, f tca W te Öcr CU 9 l ^ c <S«- 

Kgl. boTtifdjcr jlägclabjutant. tCIt ittl £td}t DOll ILaufctlbCll 


uon bunten Campen, 
unb bas Dolf erfreute 
fich an Wettrennen 3U 
5u§, Cuftfafjrten auf 
bem See, bem San3 
ber Hülfen im Sempel 
bes Kpollo unb an 
bem materielleren 
<£enuß ber Weiß* unb 
Hotmein heraorfpru- 
belnben Fontänen. 
Damals fchon ging 
ber Deutfchlanb be¬ 
reif ettbe 5rembe „uon 
Diftinftion" nicht mehr 
ad)tlos an HTünchen 
uorüber. 

Baronin tfarfctta Rittcr-Grilnftefa. Die politifche Um- 

mäl3ung am Scginn 
bes 19 - 3ah r hunberts brachte eine große Kn3ahl ehemals 
fouueräner ober halbfouoeräner fjäufer Sübbeutfd^lanbs 
unter bayrifchefjerrfchaft, fo bie dürften ^ohenlohe,5ugger, 
Coemenftein, Surn unb Sajis, ©ettingen, bie ©rafen 
pappenheim, Saftell, Schönborn, Königsegg, ©uabt, 
U)albbott*Saffenheim, Sörring. Dem h°hen Kbel 3U« 
gehörig unb als folche ben regierenben europäifchen 
Käufern ebenbürtig unb ihnen oielfach auch oermanbt- 
fdjaftlich naheftehenb, bilben biefe jeftt bie oberfte Klaffe 
bes inlänbifchen Kbcls unb tragen burch ihre Hepräfen- 
tation nicht menig ba3U 
bei, ben ©lan3 bes fönig- 
lichen fjofes 3U erhöhen. 

Die meiften uon ihnen be* 
fiften in HTünchcn eigene 
palais, in bie ftc 311m 
Winter ein3ichn, um am 
gef eiligen £eben berfjaupt* 
ftabt teil3unehmen. HTanche 
uon ihnen finb bem X}of 
auch baburd? in nahe, uon 
©eneration 3U ©eneration 
uererbenbe Se3iehung ge¬ 
bracht, baß aus ihren 
Heihen bie oberften fjof- 
djargen, bic fogenannten 
„©roßbeamtcu ber Krone", 
gewählt werben. So pflegt 
bas Kmt bes Kronoberft- 
hofmeifters ben 5ürften 3U 
©ettingen-Spielberg, bas 
bes Kronoberftfämmercrs 
einem Hohenlohe, bes 
Kronoberftpoftmcifters bem 
jeweiligen ©hef bes Kaufes 
Saps uerliehen 3U werben. 

Von biefen ©efchlechtern 
gan3 abgefehn, uerfügt 
Saycrn überhaupt über 
einen außerorbentüdi 30hl* 
reifen Kbel. Heben ben 
fchon ermähnten alten ritter- 
fchaft(id]en 5 ami(ien, bie 
3um großen Seil ihren £anb* 
befife fdjon jatjrfyun&erie* 6r , f M^miiun »o* 
lang tn fjänben haben unö ba T r. ©berjtrcmonienmeifUfc, 




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Hummer 38 . 


Seite \ 789 - 


: I 





Graf foreTta, 

3talienif<ijer (Sefanbter in ITlündjciu 


freiberr von Bodman, 

Sabifd?cr ©efanbler in Blänken. 



fpriherr von frieren» 

Sädrfifdjcr (Sefnnrter in ZUfinc^en. 




freiherr von Soden» 

XOürttembergifdjer ©efanbter in ZTlfim^en. 


Graf Monte, 

Prenfiifdfer ©efonbter in OTandjcn. 




Graf Zieh* 

©efJr^Ungar. (Sefanbter in tnündjen. 



von Giere mit Gemahlin, 
Euffifdjer ©efanöter in tHftndjcn. 



Graf d’Hubigny, 
5tan35fifd?cr ©rjnnbter in Diam^en. 


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Seite \ 790 . 


Hummer 38 . 


auf Stammreihen 3urücffehn, bereu 
Urfprung fich bis in bie Sagen3eit 3U- 
rücfoerliert, befteht eine oerhältnismäßig 
große «galfl oon Emilien auslänbifcher 
fjerfunft — italicnifcher urtb fran3Öfifcher 
namentlich — bereu Hhnoäter einft aus 
toelfchen Canben an ben gläu3enbcn 
HTünchner ^of ge3ogen famen unb bann 
auf beutfdjem Boben eine 3toeite ^eimat 
fanben. Der Klang ihres Hamens ift 
jefet noch bas cin3ige, toas ihre frembe 
Hbftammung oerrät, fonft finb bie Verri 
bella Bofta, pocci, Bambalbi, Spreti, 
bie Seyffel, Baffetet be la Bof&, HToy, 

Bray u. f. to. längft Bayern oon echtem 
Schrot unb Korn getoorben. 

«gur <§eit geht es in ber HTünchner 
Heftben3 ftiller 3U als fonft. (Einmal ifl 
ber greife Hegen! fein 5 reunb großer, raufchenber 
5 eftlichfeiten. Solbatenberuf unb 3 a 0 ^P a fpon füllten 
fein leben aus, ehe ihn bas tragifdje Schicffal 
feiner föniglichen Heffen 3ur fjerrfchaft berief. 
Seinen fedjs 3ahi3ehnte lang geübten Getoohnheiten ifl 
prin3 Cuitpolb auch als Canbesoenoefer treu geblieben. 
(Er ift noch h cu ^ ein Srühauffteher unb geht, mit feltenen 
Ausnahmen, 3U einer Stunbe 3U Bett, 3U ber bie Ver¬ 
gnügungen ber großen XVelt ihren Hnfang erft 3U nehmen 
pflegen. Dann aber gebietet bem prin3cn bie Chatfache, 
baß er nicht felbft König, nur bes Königs Stellocrtretcr 
ifl, an unb für ftch in fjinficht ber Bepräfentatkm eine 
getoiffe Befdjränfung. Darum finb große 5 efle am 
HTünchner fjof ettoas oerhültnismäßig Seltenes: eine Heu¬ 
jahrscour, ein X}ofbaH, einige Galabiners — bamit ift 
bas regelmäßige Programm bes IVintcrs fo 3iemlich er- 
fchöpft. Hber fo oft es bie Gelegenheit erheifdfl, beim 
<£mpf ang fremberGefanbten, 
bei 5amilienereigniffen im 
föniglichen fjaus, bet Be- 
fuchen frember 5ürftlichfeiten, 
entfaltet ber £}of eine pracht, 
bie feinen Vergleich 3U 
fcheuen braucht. Da toerben 
bie foftbaren prunftoagen 
bes HTarflalls, meift Hn- 
fchaffungen König Cub- 
toigs II., aus ben Hemifen 
ge3ogen, too fie im Sommer 
bie 5remben als Sehens- 
toürbigfciten beflaunen, bie 
Ceibgarbe ber fjartfdflere 
in ihren toeißen HTänteln, 
unb fdjtoeren golbenen Rei¬ 
men tritt in 5unftion, unb 
alles ooÜ3ieht ftch flreng 
nach &en Hegeln bes fjof- 
3eremoniells, bas oiele Sehn¬ 
lich feit mit jenem IViens 
bietet unb, toie biefes, auf 
bas fpanifche 3urücf3uführen 
ift. Blanche folcher 5 efte, 
fo 3. B. bas alljährlich 
roieberfehrenbe bes Georgs* 
ritterorbens, bieten burch 
ben babei entfalteten prunf 
unb ben Gcfchmacf ber 


Koftüme bem Kuge einen hodjfl an3iehen' 
ben malerifchen Genuß. 

Die Knorbnung bei biefen Hnläffen 
liegt in erfter Cinie in ben fjänben bes 
©berflhofmeiflers Grafen Guftao 3U 
CaflcÜ-Caftell unb bes 0ber3eremonien- 
meifters Grafen HTajrimilian oon HToy 
(porträt S. 1788 ). 3 ener entflammt 
einem ber älteften fränfifchen Dynaflen- 
gefdflechter unb ifl ber Vater ber Gräfin 
Cubmilla Caftell, ber ©heim bes jüngften 
51 ügetabjutanten bes Hegenten, bes Hitt* 
meifters Grafen 0 tto Caflell (porträt 
S. 1788 ). Diefer — ein Bruber bes 
hochher3igen Spenbers ber oon ben 
Sbgeorbnetenoertoeigerten 100000HTarf 
— leitet feine «^erfunft oon einer abligen, 
eingetoanberten Familie ber picarbie her. 
Die Gemahlin bes Grafen <£mfl HToy, Gräfin 
Sophie (porträt S. 1787 ), ifl oäterlicherfeits bem 
Stamm ber Grafen oon Srco entfproffen. Der Chef 
bes Kaufes Srco, Graf Karl Srco-Valley, ift ber 
Vater ber Baronin HTaj Speibet (porträt S. 1787 ), 
beren Gemahl als ©berftleutnant bas erfle fchroere 
Heiterregiment — bie alte bayrifdje Garbebuforps — 
fommanbiert. Die 5 ürftin IVanba Cötoenflein (portr. 
obenfl.) unb bie Gräfin Klemens Sdjönbom (portr. 
S. 1787 ), oon Geburt preußinnen — erflere eine Codfler 
bes 5ürftcn putbus, Icfetere eine 5*eiin oon Welc^ed — 
gehören 3toei ber obenermähnten 5amilien bes h°hen, 
ben Hegierenben ebenbürtigen Hbels an, beren Gefehlte 
mit jener Bayerns feit 3 a hrh u nfcerten eng t>erfnüpft 
ift. Die Grafen Schönborn haben bem alten Deutfchen 
Hcich eine Heihe mächtiger Kirchenfürflen gegeben, unb 
bie 5 ürften Cötoenflein finb felbft ein groeig bes fjaufes 

IVittelsbach, als Hachfom- 
men bes Kurfürflen Bie¬ 
brichs I. oon ber pfa'13 unb 
feiner morganatifchen Ge¬ 
mahlin KlaraDettin. IVittels- 
badflfehes Blut fließt auch — 
oon 3toei Seiten — in ben 
Hbern ber Grafen oon JEjoln- 
ftein. Das beseitige fjaupt 
biefes fjaufes, Graf Cubtoig, 
ein Sohn bes um ben Hn- 
fchluß Bayerns an bas 
Deutfdje Heich 
ten ©berftftallmeiflersKönigs 
Cubmig II., ift ber Gemahl 
einer ber intereffanteften 
(Erfchcinungen bes HTünchner 
£}ofes, ber Gräfin HTaria 
fjolnflein, geborenen oon 
Hpuchfin, einer Buffin oon 
Geburt (portr. S. 1787 ). 
Kn biefen Kran3 fchöncr 
5rauen fchli^ßt ftch eine 
Schar anmutiger HTäbchen- 
geftalten, oon benen ber Cef er 
hier tnehrere im Bilb toicber* 
gegeben fielfl. Die Baro* 
neffen Knnie IVürfeburg unb 
HTarietta Bitter * Grünftein 

(portr. S. 1788 ) ftnb 3toei lieb. 



fttrftüv OUnda JUSwenftdti. 



Guftav ©raf zu Cartett, 

Oa\Tifd?cr ©bcrfibofmeipcr. 


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Hummer 58. 


Seite '?9l- 





Gräfin pocci. 


tidjc Sproffen alter Hüter* 
gefdjlcdjtcr aus 5 rartfcn unb 
oom Hbein, beren Dergan* 
gentjeit ftcfy faft um eintaufenb 
3at^re 3 U* 
rücfocr* 
folgen 
läßt, bie 
(Sräfm- 
nen HTa- 
ria pocci 
unb 

(Elifabetfy 
(Eourten 
(porträt 

5 J 787 ) bagegen toelfdjen Urfprungs. 

J)ie (Srafen pocci — ber befannte Dichter 
unb Kunftfcnncr toar ber (ßroßoatcr ber 
(ßräftn HTaria — mären ctjemals italtcnifdv 
patrijier; bie IDiegebcr (Srafcn tourten, bereu 
(Djef ber Batet ber anmutigen (ßräfin <£Iifa* 
betlj, ein geachteter Kunftmaler ift, ftanb 
im IBallis. Biel bemunbert mirb auch bie 
gra3iöfe <£rfijciming bes Fräulein oon Küi}l* 
mann, bie burd? ihre HTutter eine tnfelin 
bes Sichters (Dsfar von Hebung ift (porträt nebenft.). 

Das biplomatifdje Korps in HTündjen (porträts S. 
J 789 ) ift, nach bent in Berlin, bas 3ahlreichftc ber an 
ben beutfehen fföfen affrebitierten. IBäljrenb ber Der* 


Gräfin HudmitU zu CartelUCaftell. 


■frl. Gitta von Kühlmann. 


treter preufcens, (Sraf Knton 
HTonts, 3 unggefeUe geblie¬ 
ben ift, oereinigt ber Salon 
bes öfterreichifch-ungarifchen 
(Sefan* 
bten,<ßra* 
fen 5 id?Y/ 
unb feiner 
(ßemah- 
lin in bem 
ftattlichen 
prin3- 
Karlpa* 
lais oft 
bie 

HTündjner Hrijtofratie bes (Seiftes unb 
ber (Seburt in gefelligen Sufanmtenfünften. 
Ser Bertreter bes Königreichs 3 lolien, 
tfiraf 5 orefta, blieft auf eine oerhältnismä§ig 
lange Caufbafyn 3urücf, bie ihn auf bie mich* 
tigften augerbeutfdjen biplomatifchen poften, 
uad? Konftantinopel, Ktfyen, IDafhington, St. 
Petersburg unb HTabrib geführt ijat, roährenb 
fein frait3Öfifchcr Kollege, ber (ßefanbte 
(ßraf b’^ubigny, nidit nur ben Berliner 
(ßefcllfchaftsfreifen aus feiner Cbätigfeit an ber Berliner 
Botfchaft, ber er 3 tocimal, als Sefretär unb als Hat, 
angehörte, nod] in gutem Knbenfen ftcht, fonbern audj 
burd? feine 21 bftammung mütterlicherfcits oon ben toeft* 


® ® ® ® ® ® 



Umwandlung. 


Uad? S. C. Coler t>gc. 

Oon Rugo von Rofmarmatbal. 

Dichter: 

Auf einmal war ein liebliches 0ebi1d, 

Auf einmal wars an meines Bettes Rand, 
Sah neben mir und ftübte (eine band 
Auf meine Killen und (ah (tili mich an, 
Dab [über Schauer mir das IDark durchrann, 
Und ich begriff: dies i|t mein wahres Ich, 
Das lautlos (ich zu mir herüberfchlich 
Und nun mit tiefen Blicken mich ernährt. 
Doch ach! ich hatte mich ja nicht geregt, 
Und fchon! fo fchnell! wie es lieh von 
mir kehrt,. 

Wie es auf einmai fremde Züge trägt 
Uerfteinernd unter meinem müden Blick! 
Und nun — (ein JIntlifc kam ihm nicht 
zurück — 

Und dennoch: fremde auf ein fremdes 
(tauend, 

frihlt ich im Innern einen Wahn beharrend, 
€in Wi((en, das vom tiefftenPlah nicht wich: 
Dies ift nicht fremdes, (ondern dies bin ich! 
Jreund: 

Soll von der Wirklichkeit dies Rätfel 
handeln? 

Soll’s etwas geben oder nur bethören? 

In welchem Zeitraum, lahunsmindefthören, 
Sich zutrug dies entfehliche Ucrwandeln? 
Dichter: 

Bann es in eines Augenblickes Räume, 

So ift’s ein bröckelnd nichts vom Cand 
der träume. 

nimm, ]ahre haben dunkel dir gewirkt, 
Du (iehlt, was jedes Ecben in [ich birgt. 


® <8> ® ® ® <§> 


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Seite \ 792. 


Kummer 38 . 


fälifdjen (Srafen Sayn*Xt>ittgenftein im beutfdjert fjocfyabel 
Diele X>ern>anbtc 3 äl?lt. 

cCt^araPteriftiffür bas gefamte HTünchttcr (ßefell* 
fdjaftsleben, bie J^ofgefellfcbaft einbegriffen, ift, baß fein 
Stanb jtd? ängftlidb unb engl^ersig t>on bettt anbern ab* 
fdjließt. 2 Tian fann biefe <Ehatfad?c fid?erlid) 3unt (Teil 
auf Hccfytung ber 23 eftrebungen bes fjerrfd^erlmufcs 


fefeen, ber nidtf nad) Klaffenunterfcbiebcn fragenben 
Kunft eine fjcimftättc unter feinem 5 d >ufc 311 bereiten. 
<£s gereicht bem bayrifcfym, bie fur3 feierte £}of* 
gefeüfchaft bilbenben Hbel nur 5ur <£hrc, baß er ftd? erft 
fürjlich mieber in biefer 2}infid?t als bie feftefte Stitfee 
bes (Throns ermiefen hat. 

Dr. 21. pon WiIFe*IUttncbcn. 


t3ilder aus 

Die (Sencraloerfammlung beutfd?er €ifenbahnr>ermaltungcn 
hat in biefen (Tagen in ^rcibnrg i. B. ftattgefnnbeu. Sie 
mar oon allen Seiten gut bcfndjt unb bie uielfadjen Per* 
hanblungen follcn befricbigeitbc (Ergcbniffc erhielt haben. IPenn 
man bebenft, wie ungeheuer groß unb uerjmeigt unfer (Eifen* 
bahnneß h eu * e ift wirb mau bie Schwierigkeiten ber 311 
erörternben Perwaltungsfragen einigermaßen ermeffeu können. 
Heben beu cingehenbett unb oft langwierigen Diskuffioncn 
unb Derhanblnngcit kommt bas (Erhohutgsbebürfnis bei biefeit 
Derfammlungeu auch auf feine Hcchnuug. IPenn bie Perkchrs* 
fragen geregelt fiitb, winkt allen (Teilnehmern ein großes ^eft- 
mahl, unb folgen fröhliche 2 lusflitgc. Diesmal gings non 
^reiburg aus nad? Babeitmciler, wo bas (Sruppcnbilb, bas 
wir unfern £cfcrn ^eigeu, aufgenommen würbe. 


aller Welt. 

3 u Straßburg feierte ber Statthalter ber Beidjslanbc, 
^ürft 3u ftohcnlohcSangcnburg, feinen <0. (Seburtstag. Der 
Statthalter hat es in ber §>eit feiner ftilleu unb ntilbeu 
IPirkfamkeit oerftanben, auch manche grollenbett unb abfeits* 
ftchenbcit (Elemente unter ber rcid>slänbifchen Beuölkerung 
31t Jfrcunben 5U machen. <£r hat bie ^reubc gehabt, unter feiner 
Regierung unb als ihre ^olge bas läftige 2lusnahmegefet$ fallen 
5U fehen. 3 m Kreife feiner ^amilie feierte er feinen (Se¬ 
burtstag, mit Wohlgefallen unb Stols barf er auf bie ener= 
gifd>e unb 3iclbewnßte (Thätigkcit blicken, bie fein Sohn als 
Begcnt bes frer^ogtnms Sachfcn Koburg unb ( 5 ott>a entfaltet. 

«Ebenfalls in „ber wunbcrfd>önen Stabt" würben in ben 
letjtcn (Tagen 3wei ber älteften unb merkwürbigften Raufer, 
bie beiben Kapitelhöfe bes (Thomasftifts 3um „Homer" unb 



\. ©eljeimrat Kranolb. Porftßcnbcr. 2. Staatsrat «Jifcnlobr. 3. Baurat näbepKarlsrutje. 4. ©encralfefrctär Schubert. 5. Hegierungsrat Betfer * Cubrofgs» 
tjafen. 6. Seftionsd?ef «Erncr •Wien. 7. ©ebeimrat Stuft «Parm|}abt 8. Br. f d?n?oem * Babentpeiler. 9. ^manjrat Knapp * Stuttgart, to. Miranboile* 
ÜmjUrbarrt. H. Baurat Siotfer*Stuttaart. (2. Hcaicrungsrat ©nglcr=Königsberg. 13. Baurat £arras«Bresben. H- Hrgicrungsbaumcifler Kuftner. 15. Dt» 
StrabcIMtcpIift. 16. <£i)enbabnbirf?tor £ey>narnberg. 17. ©eneralbtreftor p. ©bermayer (Bayern). 

Von der 6eneratverfammtuiig des Vereins deutfeher 6(fcnbahnrerwaltungen zu freiburg C S.: Husflug nach Badenweiler« 

©ruppenaufnabmc por bem Hömcrbab in Babentpciler pon 2llbert ©raf. 


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J 












XTummer 58 . 


Seite \ 793. 




IPenn id} in Me ^ufunft 2lmcrifas blicfc ... IPcr 3 ulctjt Iad>t, lacht am brfien .. . 3” Nffcni Sinne: Good bye! 

Roofeveit auf der Redereife: Sine typifebe Wahlrede in Hpborismen. 


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Seite 


Hummer 58. 



Don Iittfs nadj rechts. (Pbcre Heitjc: Hegicrungsrat 3ifd?of. ©raf Solnftcin. 
^ürfl f?ot}cnlobe*i$<mcnfteiM. ^«»eitc Heibe: (Erbpri^efftn Cciningen. <£rbpriu 3 
Cciningcn. €rbpnnj Heufj j. £. Dritte Heilte: $ot]enIobe‘3artenrtetu. 

£Arf)in £>ot}enIobc*Canaenburg. $&xfi r>obenIobe*€angenburg. Unten: <£rbprin 3 
£SobenIolie*Cnngenbutg, itegent non Sad?fen«Koburg«©otl}a. 

Gruppenaufnahme von der feicr des 70. Geburtstages des fürrten 
ftohenlohe-kangenburg, Statthalters von Glfoss-Lothringen. 

jum „fjaljneFrot" abgebrochen, um piafc für ein großes, 
neues SparFaffcngcbäube 5U machen. Die beiben alten bauten 
haben eine reiche (Scfdjicbtc unb uiele interejfante (Tage hinter 
ßdj, in ilptcn wohnten ber berühmte (ühronift 3uFob gjwinger 
ron Königshofen, IHagiftcr 3 °^ anncs Sturm unb 3 ofjann 
Daniel Scijöpflin, Ulänncr, bic mit ber großen Vergangenheit 
Straßburgs in engfter Verbinbung flehen. Der Ubbruct? ber <Se= 
baube ift wegen ber uoüauf gcglücftcn Konfcruierung ber frönen 
XVanbmalereicn interejfant. Die Kapitelljaufcr bcs J 5 . unb 


TD. Sdjeufmumn. IHalcr 3otlad?cr. OTaler £>. (EbeKiegetsbeim. 

Vom Hbbruch des „Römers" am St. Chomasplatx in Strassburg i.6.: 
Die freilegung der Wandmalereien vom 6nde des 15. Jahrhunderts. 

16 . 3 a fy r h un & cr * s waren fo ncrfchwenberifch mit DeForations* 
malereien gcfchmücFt, baß ein berühmter prebiger gegen fotzen 
£urus tüchtig oorging: »Die Hiiser der Kleriker sind us- 
gestrichen lustig als ein paradyss!" Unter Leitung bcs früheren 
Ulnfcumsaffiftenten ID. Schcnermann mürben bie bemalten 
Rächer aus bem UlauermerF oorfichtig gelöft unb in bas 
ftäbtifche Ulufeum übergeführt. Die (Erhaltung ift noüftänbig 
geglücFt, fo baß bie norher im Aufträge ber Stabt gemalten 
Kopien ber Ülaler Ejcnri (Ebel * ^egersheim unb Klfreb 
33 oüad>er*Straßburg glücflichcrwcife übcrßüffig geworben finb. 

Schluss des redaktionellen Ceils»' 







DiewocHe. 


Iluminer 39. 


Berlin, den 27. September 1902. 


4. Jahrgang. 


Inhalt der {lummer 39. 


Dir fieben (Tage ber IDocfje.(795 

Die ßeimfetjr Pearls unb Soerbrups. Don fS. Singet (öromberg) . • . 1<95 

llmfd?au.1798 

(Theater unb XTlufif . . . 179g 

Das 8udj ber tDodje .1799 

Die Bdrfemr>od?e.1799 

Die (Toten ber ZDod?e ..1800 

Unfere Silber. .I800 

Silber vom (Tage (P^otograptyfche ilufnabmen).1803 

©roenbolin. Honian pon Kuguft Utemann (^ortjetjung) . 18(1 

Blumen am Wege. ©ebid?t pott XHaria Stona . . . ..1855 

Die bygienifdj 3uläfflgen ©renjen bes Klfoljolgenufffs. Don Dr. Karl 

Sirdjoro (Cbarlottrnburg). 1816 

^Iöfjerei auf ber 3f <**• Don Prof. 2TI. l)ausbofer.‘ (ITlit 7 Kbbifbungcn). 1819 
Damenreitfport. Don Sid?arb Sd?oenbe<f. IHajor a. D. (Xllit 12 Kbbilbung.). (823 

CiUians ©pfer. Sf^e pon ßenry Urban (neu?orf).1827 

SInmenpflege in ber Solfsfdjiile. Don D. ©oebeler (CTltt Kbbilbang) . . 1830 

€ine gute gebratene ©ans . . . (mit 4 Ubbilbungen).1832 

©ine beutfcbe Kolonie in Sene3uela. Don p. Srfjneiber, Pfarrer ber 

beutidjcn ©emeinbe in Caracas, (mit 2 Kbbilbungen).(833 

IDas bie Kerbte fagen.1835 

Silber aus aller Welt..1855 


♦ J? 

Flau abonniert auf die „TOocbe“: 

in Serlin unb Sorortrn bei brr fjauptcjpebition gimmerftrajje 37/41, fotPte bei ben 
Filialen bes „Berliner CofabKtyeigers" unb in fämtl. Bua?banvlungen, im 
Peutfd?rnHeid?bri allen Sudjtjanblungen ober pojlanflalten ( 5 eitungs»preisfifte 
Sr 8221); unb ben ©efcfcäftsfleüen ber „tPod?e": Bonn a. Rh., Kölnftr. 29; 
Bremen, ©bemftr. 29 ; Breslau, Scfcn>eibniöerfh., ©de Karlftr. 1 ; CalTcl, 
©bere Königilr. 27; Chemnitz, 3ot)annispIafc 1; Dresden, Seeflr. 1 ; 
Darreldorf, Sdjabotpftr. 59: Blberfeld, ^erjogftr. 38; erren a. Rh., 
Äimberferplatj 8 ; franhfurt a. fl., ^eil 63; toörKtz, *uifenjhr. ( 6 ; Balle 
a. 8., mittelßr. 9 , ©cfr Scbulfhr.; Bamburg, Seuerroall 60; Bannover, 
©eorgfhr. 39; Karlsruhe, Kaiferffr. 54; Kattowitz, poftftr. 12 ; Kiel, 
ßolöenfhrafce 6 ; Köln a. Rh., ßobeftrafje 1 * 5 ; Königsberg i. pr., 
K» eipfyöffdje Canagaffe 65; Heipzig, petersftrafce 19; Magdeburg, 
Sreitemeg 184; München, Kaufingeritrafje 25 (Domfreibeit); Nürnberg, 
Core^errtrafje 30; Stettin, Breitejirafje 45 ; Stuttgart, Königilrajje U, 
Wiesbaden, Kird?gaffe 26; Zürich, Bcmureg 48. 

^eder unbefugte ffochdrudt aus dierer Zeitfcbrift 
wird f traf rechtlich verfolgt. 



Die sieben üage der Woche, 

18. September. 

Der pon ber SolltarifFommiffton bes Hcidjstags por tFjrer 
Pertagung eittgefefcte Unterausfdjuß beginnt feine Beratungen. 

Der Bunbesrat hält feine erfte Sitjung nadj ben Serien ab. 

3n Brüjfel wirb ber Kongreß für internationales Hecht 
eröffnet. 

Der ameriFanifdje Staatsfefrctär Ejay hat an bie Bot* 
fd?after unb (Sefanbten ber Union in (Europa ein Schreiben 
gerietet, in bem er ber Hoffnung Uusbrucf giebt, baß bie 
Ulädfte auf (Srmib bes Berliner Vertrags Rumänien 5U einer 
Bejferung ber Sage ber 3 u & cn Deranlajfen werben. 

19. September. 

3n Spaa erliegt bie Königin UTaria ^enriette oon Belgien 
ihren £eiben. 

3n ^ranffurt a. ITT. tritt ber erfte Deutfdje BanFicrtag 
3ufammen, 5U bem etwa 800 (Teilnehmer erfdjienen ftnb. 

3n Ungarn wirb bie Koffutf^Sentenarfeier feftlid? begangen. 

3n ber (Thetfabtcilung ber 0efterrei£bifd?cn SäuberbanF 
finb Unterfcblagungen in Tjöhe non mehr als 4,6 UTillion 
Kronen entbeeft worben, bie ein por ber Hcpifion entflohener 
Beamter Hamens 3 c ^ine! perübt hat. 


Der Kaifer begiebt fidj uott ben ITTanöücrn nadi J)ubertus* 
ftoef, n>o er mit ber Kaiferin sufammentrifft. 

20. September. 

Stabtrat Kauffmann pe^ichtet auf bie U?ahl sum jmeiten 
Bürgermeiftcr pou Berlin. 

21. September. 

3it Karlsbab beginnt ber Kongreß beutfdjer ttaturforfdjer 
unb Kerjtc. 

3n Köln tritt bie (Scfcllfchaft für fojiale Heform $u- 
fammen. 

22. September. 

Der franjöfifche Ulinifterpräfibent (Tombcs h^U bei einem 
^eftmahl in bem<Drt ITlatha eine Bebe, in ber er einige feinbfelige 
Keußerungen bes Kriegsminifters Knbr^ unb bes marine* 
minifters peüetan über bie auswärtige politif besapouiert. 

Die golltariffommiffion bes Heichstags beginnt bie 3weite 
£efung bes Entwurfs. 

3n Köln tritt bas internationale Komitee für bie Krbeiter- 
fdmtjgefefcgebung 5U einer Senatspcrfammlung jufammen. 

23. September. 

Kaifer TDilhclm h at ^ cn uorwegifchen Horbpolfahrcr 
Sperbrup 3U feiner BücfFehr telegraphifd? beglücfmünfcht. 

3n ber goütariffommiffion fommen bie h°*? cn fieifd?'* 
preife 3ur Sprache. (Ein Hegierungsfommijfar teilt mit, baß 
ber preußifche £anbwirtfchaftsminifter nach bem Beifpiel ber 
Hegierungen pon Bayern, IDürttemberg unb Baben eine 
(Enquete h^üfor angeorbnet h^^f* 

Das Kaiferpaar trifft in Hominten ein. 

24. September. 

Präfibent Hoofepelt bat fid? in 3nbianapolis einer Operation 
unterjiehcu müffen. (Es hatte fid? infolge feines Unfalls ein 
läftiges, wenn auch ungefährliches (Sefchwür am Knie gebilbet. 

Don ben Burengeneralen Botha, Delarey unb bc IDet wirb 
etn Kufruf 5ur pripateu Untcrftü^ung ihres DolFes peröffentlicht. 

S5» 

Die beimkebr Pearv$ und $verdrup$. 

T?icr 3 U bie Dilber auf Seite 1804—1805. 

Kud? ber neufte ^elb5ug, bejfen §iel bie Eroberung bes 
Horbpols war, h at ^ cn gewünfd?ten (Erfolg gehabt: 

Balbwin fd?eitcrtc auf ber curopäifd)en Seite fchon im erften 
Kulauf, fein früherer (Sefährte peary fam auf ber ameri* 
fanifcheit Seite tro^ jahrelangen Hingens nur wenig über 
ben 84. (Srab hinaus, unb Sperbrup enblidp, ber ben Horb* 
pol freilich nur bann 3U nehmen porhatte, wenn er ihm 5U* 
fällig „in ben IDcg fäme", würbe au einer Stelle ber Hrftis 
feftgchalten, bie als 0perationsbafis für einen Hngriff auf 
ben pol überhaupt faum in Betracht tommt. 

(Erotjbem wäre es burd?aus perfchlt, wollte man — pon 
ber Balbwinfcben Unternehmung abgefehen — pon einem 
wirflichen mißerfolg, pon €rgcbnisloftgfeit reben. Klier* 
bings, ber Harne bes HTannes, bem ficb ber Horbpol ber 
€rbe entfchleierte, würbe unftcrblid? fein; aber eine wiffen* 
fdmftliche Kufgabe pou fouberlicher Bebeutung hätten ihm 
(Slütf unb §ufall bamit nicht gclöft. KUcr K>ahrfd)einlichFeit 
nad? giebt es £ättber pon irgenb nennenswerter Uusbehnung 
nörblich Pom 83. Breitengrab nicht, unb bas peränberlicbe 
(Eis eines HTeercs bürfte bie Stelle überbeefen, wo ber pol 


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Seite \7<)6. 


stummer 59» 


5U fucfyen ijt; biefe Stelle fennen 311 lernen, ift baher mehr 
von fportlicbcm, als von wiffcnfdjaftlichem Jntereffe. 3 mm ^ r ^?* n 
hat jenes lotfenbc giel bie polarforfcfjung bes lebten Jahr* 
3ehnts beflügelt, ihr feit Hanfens Kusfaljrt ben d)araFteriftifchen 
Stempel anfgebrüeft, unb was habet, foufagen nebenher, für 
(Erbfunbe, IHctcorologie unb Plagnctismus gewonnen worben 
ijt, erfdjeint fo gewichtig, baß bie gewaltige Kraftanjtrengung 
eines Hänfen, eines Wcllman, eines fjerjogs ber Kbri^en, 
eines peary unb Sverbrup ber had?f* cn Hewunberung unb 
Wertfdjätjung würbig bleibt. 

Heinah gleichseitig haben bie lebten in biefer Kampfer* 
reibe, peary unb Svcrbrup, ben h c * ma tlichen Hoben wieber 
betreten, unb als ber (Eelcgraph Kunbe bavon gab, h orc *?te 
bie ganje Wett erwartungsvoll auf. peary, fo mag 3unä<hft 
betont werben, war nicht verfallen, ijt alfo auch nicht „auf* 
gefunben" worben; bagegen behob bas enbliche Wieberauf* 
tauchen bes feit brei Jahren vermißten Svcrbrup bie ernjteften 
Hcforgnijfe. 

Per amerifanifche Jttgenieur unb UTarineleutnant Hobert 
<E. peary machte bereits J886 mit bem Jnlanbeis (Srön* 
lattbs HeFanntfdyaft unb war fobann \ 8 <)\—92 unb *893—95 
auf ber Smithfunbroute tljä'tig, vornehmlich in ber Kbficht, 
bie nörbliche Kusbehnnng (Srönlanbs fefoujtellen. geitweife 
begleitete ihn herbei feine mutige (Sattin, (frau 3 °fephi nc 
Piebitfcfj’peary, bie ihm im hoh cn Horben, im Winterquartier 
an ber Jaglefielbbai (j 77 ° <*o' tt. Hr.), im September {895 
ein (Eöchterdjen gebar. Pie (Ergcbniffe biefer (forfcfcungcu 
beftanben unter anbertn in einer eingehenben Aufnahme ber 
Jngleflelbbai, in ber (ErFcnntnis, baß (Srönlanb über Kap 
Wafhington b* naus uidjt mehr meit naf h Horben reifen 
fönne, unb in ber (Entfchleierung ber HorboftFüjtc (Srönlanbs 
(Jnbepenbcncebai). ferner rnadjtc peary genauere HcFannt* 
febaft mit bem intcrcjfauten Fleincn (EsFimoftamm, ber an 
ber weftgrönlänbifchcn Küftc bei (Etah lebt, ben nörblichft 
wobnenben ITlcnfchen. Picfe Hcifen, fowie bie ^ährten von 
1896 unb j89 7 in ber Hlclvillebai, bie ber Hergung eines 
großen Pleteoriten galten, befchricb peary in bem 1898 er* 
fd>ieitcnen 3weibänbigen Wert „Northward over the Great 
Jce“, nachbem feine (Sattin bereits *893 in ihrem Hudj 
„My Artic Journal* 4 bie Waubcrung 3ur 3 n &epenbcncebai 
gefdjilbert hatte. 

1898 brad? Peary 3U feiner leftten großen Heife auf, 
bie ber (Erforfdjung bes äußerjten Horbens von (Srönlanb 
unb ber He3wingung bes pols galt. Pie Mittel ba3u ge¬ 
währte eine Bereinigung von (Jreunben ber polarforfchung, 
ber „Peary Artic Club“ in HcuyorF, unb Pearys plan ging 
babin, auf ber Smithfunbroute Scbensmittelbepots immer 
weiter nach Horben vor3ufchieben unb bann mit bjunbefcblitten 
unb (EsFimos ben entfeheibenben Porftoß 3um pol 3U wagen; 
ferner wollte ber Klub alljährlich im Sommer ein Schiff in 
ben Smitbfunb fenben, um bie Perbinbnng ber (E^pcbition 
mit ber Außenwelt aufrccht3ncrbalten. peary verließ, nur 
von einem fd?war3cn Piencr begleitet, am 2. Jul* ^ 898 an 
Horb ber „Winbwarb" ZTeuyorF unb überwinterte auf (899 
mit bem Sdjiff in ber Kllmanbai (79 0 30 ' n. Hr., an ber 
0 ftFüjte von (Srinnelllanb). Währenb biefes erften Winters er* 
forfebte er ben I^aycsfnnb, ber bis babin für eine Meeres* 
ftraßc gehalten würbe, fid? nun aber als eine weitver3wcigtc 
Hudjt erwies, worauf er ben näcbftcn Winter ((899—1900) 
in <£tah unb auf Kap Sabine snbraebte. Sd?o?t im Mär3 1900 
ging peary nad? Horben unb trat im Kpril von (fort donger 
aus feine erfolgreiche Schlittenrcife bie HorbFüjle (Sröulanbs 
entlang an. Wenig öftlich von Kap Wafhington crrcidite er 
unter 83 ° 39' n. Hr. bie Horbfpifcc biefes polarlaubcs, wo* 
rauf er über bas teilweife offene unb fchwer gangbare (Eis 
polwärts bis 83 ° 50 ' vorjtieß; bann verfolgte er bie Küfte 


nad) 0 ften unb Süboften, bis er bie 3 n & c P cn & cncc & a i in Sidjt 
beFam, unb fehrte auf bem gleichen Weg nach (fort donger 3urürf. 
Peary hatte bamit feine Aufgaben in (Srönlanb erlebigt. 
Jn (fort donger an ber £aby (franFliubai (8J° n. Hr.) 
überwinterte peary auf 190J, er burchrcifte bas 3 nncre r>on 
(Srinuell unb (Srantlanb unb ging im Kpril ^ 90 ^ an ber 
0 jtFüfte von (Srantlanb von neuem polwärts vor. Menfdjen 
unb (Eiere befanben fleh jeboeb in fo fchlechter Perfaffung, 
baß peary nicht einmal bis Kap Ejecla tarn unb nach sehn 
(lagen umfehren mußte; er 30g fleh barauf nach Süben 3urütf 
unb traf bei Kap Sabine bie ihm 1900 nachgefanbte „Winb* 
warb", bie ihm (Sattin unb (Eodjter nachgeführt hatte. $a 
bie „Winbwarb" im fjerbft *900 nicht jurüefgefommen war, 
fonbern braußen überwintert hatte, fo war man bis $um 
f^crbjt t90t in Sorge um pearys Schirffal. 

Hoch ein weiteres 3 a ^ r h arr ^ c nun P^ry auf feinem 
(forfchungsfelb aus, nachbem er (frau unb (Eochter in bie 
ßeimat gefanbt h a *te. Sein Winterquartier war biesmal 
ber payerhafen bei Kap Ejerfchel. Wie feft man in Kmerifa 
inx vergangenen IJcrbft bavon übcr3eugt war, baß peary 
hoch fchließlich fein großes giel erreichen würbe, geht aus 
einer Keußcrung bes Sefretärs bes „Peary Arctic Club“ 
hervor, ber ba verfidjerte, Peary „returns 1902 Avith Pole“. 
Pemgegeuüber hat ber Pcrfaffer vor foldjeit hochgefpannten 
(Erwartungen gewarnt („(Slobus" Hb. 8t, S. 25 ), unter ffin* 
weis barauf, baß bas (Eis ber infelfrcicn £incölnfee wohl 
nur fehr feiten bem Schlitten eine f^eerftraße 311m pol er* 
öffnet. Jn ber (Ehat ift peary im Kpril t902 norbweftlicb 
von Kap Ejccla trofe übermenfcblicher Knftrengungen nur bis 
8^° 1 7 ; n. Hr. gelangt; bie disbeefe war 3U uneben unb 
nid^t gefchlojfeit. Paß pearys Werf tro^bem bewunbernswert 
ift, haben wir bereits eingangs betont. 

Kls peary auf {899 in ber Kllmaubai überwinterte, lag 
etwas weiter füblicb, bei bem Jaf^c» <£ocfet f?at ( 70 ° so' 
n. Hr.), bie „(fram" Svcrbrups im (Eis fejt. Per ebenfo 
Fühue wie erfahrene norwcgifdje Kapitän, ber (Sefährte 
Hanfens auf bem grönlänbifdjcn J^tenbeis unb nautifd?e 
feitcr ber großen Hanfenfchcn (Erpcbition von 1893—(896, 
war am 2 7 . 3 u, ti 1898 mit nicht fidjer befannten gielen 
von dhriftiania nach bem Smithfunb abgefegelt. Plan hat 
vielfach gemeint, Svcrbrup habe (Srönlanb im Horben um¬ 
fahren unb feine Kusbehnung ermitteln, alfo mit peary in 
KonFurrcn3 treten wollen; es fdpeint inbcjfen, baß er nur 
fd>lechtwcg irgenbeine bebeutenbe Kufgabe 311 löfett beab* 
ftchtigt unb bie (Entfcheibung barüber von ben Perhältniffen 
abhängig gemacht hat. Kls Svcrbrup im Sommer ^ 899 
frei Farn, fegeltc er nach <£tah, um f^unbe an Horb 5U 
nehmen, unb war bann ein Stücf füblicher am (8. Kugujt 
^ 899 3um le^tcnmal gefehen worben. Seitbem fehlte es an 
jeber Hadjricht, unb bie Hcforgnis um Sverbrup wuchs um 
fo mehr, als man nicht wußte, wohin man eine ^ilfsejpebition 
birigieren follte. Pie (Eisverhältniffe ber Smithfunbroute 
waren im Sommer 1899 für ein Schiff fehr ungünftig, aber 
es blieb body bie möglichFeit bcftchen, baß Svcrbrup trofcbent 
bnreh bett KobefonFanal bie Sincolnfec gewonnen hatte unb an 
ber grönlättbifchcn 0 ftFüfte feftfaß ober polwärts hinaus* 
getrieben war. (Eine anbere ITlcinung ging bahin, Svcrbrup 
habe fleh nad? Süben gewanbt unb fei im 3 onc sfattb nad> 
Weften gcftcuert, um entweber nach ber Hcringftraße burd>* 
5ubrcchen ober im Weften von (Ellcsmcrclanb nach Horben 
vor3ugehcn. Picfe Knnahntc hat fleh beFanntlich als 311* 
trcjfcnb erwiefett; Sverbrup hat in ber (Ehat ben Jonesfunb 
aufgefucht. KUcin er ift bort.nidjt weit gcFommen, fonbern 
bei Horth Pevon, etwa unter 89 0 w. £. unb 76 ° ^ 5 ' n. Hr. 
feftgehalten worben. (Kuf ber KartenfFi33c fmb bie brei 
lebten Winterquartiere Svcrbrups auf (Sruitb ber erften. 


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Hummer 39- 


Seite \7<)7. 






©Ifen. 





naturgemäß nur bürftige nachrichten eingetragen. Hus neueren Diel* 
bungen feheint nun beruor3ugeben, baß Suerbrup auf *900 an ber 
Süboftfüfte bes (Ellesmerelanbes, am Eingang 311m 3 °nesfunb, überwintert 
hat, unb baß bie tDinterquarticre ooit *900—(90 ^ etwas weftlidjer, 
in ber Häl^c bes 89. £ätigegrabcs, liegen. Hußerbem bat Suerbrup, 
nac^bem er ben 3 on e s f un & paßiert bett Kanal (<£arbiganßraße) 

burdjfahren, ber Horth Dcoon non ber Heineren, nörblich bauon liegenben 
3 nfcl (Horth Kent) trennt). (Erofcbem barf man ßcb uon ber (Ejpebition 
bie intereßanteften 2 Iuffdjlüße uerfprechen. Seit ber ^JranHinfucberseit, 
alfo feit länger als 50 fahren, hat bie ^orfcljung in biefem (Teil ber 
Polarwelt pollßänbig geruht, unb über bie Striche nörblich non Horth 
Deuon unb Bathurft unb wcftlicb von (Ellesmerclanb jenfeits non Kap 
€ben wißen wir fo gut wie nichts; Sncrbrup aber hat bie geit feiner 
(Scfangenfcfjaft ßeißig genügt unb burefy Sd^littenrcifen über jene terra 
incognita Sicht nerbreitet. 

Die Horbpolarejpebitionen, bie feit 3 a h rcT1 bas allgemeine 3 t1 tereße 
für ßcb in Hnfpradj nahmen, ßnb fomit bereif unb es brängt ßdj bie 
Frage nach ber gulunft ber polarforfcbung auf. Kllem Hnfchein nach 
ßehn wir wieber nor einem IDenbepunft. Das „Hennen um ben 
Horbpol" wirb wohl norläußg ins Stocfen geraten, nachbem bie lebten 
Derfuche alle fehlgefd>lagcn ßnb, unb bamit werben überhaupt bie auf 
bas (Ejtenßne gerichtete Beßrebungen in ber Horbpolarforfchung eine 
(Einfcbränfung erfahren, ©hnehin iß in3wifcben ein neues großes 
giel für ben menfcblicben (Jorfd^ungsbrang aufgerichtet worben, bie 
Hntarftis, unb fcboit bemühn ßcb bie Hationen, barunter auch bie 
beutfebe, um bie (Eutfcblcierung jener lange r>erna<bläffigten äußerßen 
€nbeu ber (Erbe. Sollte aber bie Sübpolarforfd)ung eine geitlang 
bie Horbpolarforfduiug ablöfen unb bie Kräfte an3iebn, bie im Kampf 
um ben Horbpol (Erfahrung gefammelt h a ^ en / f° wäre &as nur mit 
Frcnben 3U begrüßen. 

Suerbrups Begleitung fcfcte ßd? aus J 5 perfoncit sufammen, bereu 
Porträts wir hier bringen. Sechs Begleiter waren wißcnfcbaftlicb aus* 
gebilbet; (Seologic, Botanif, goologic, Kßronomie unb pbyßf maren burch 
Fachmänner vertreten. (Ein ®fß3iet übernahm bie fartograpbifeben Hrbeitcu, 
währenb ber Sd)iffsar3t, ber leibcr halb nach Beginn ber Bcife ßarb, bie 
mcteorologifcbcn Beobachtungen uornabm. Knftelle bes oerftorbenen 
H^tcs untcr5og ßcb Suerbrup fclbft ber Hufgabe, in ben leiber jahl* 
reichen Krankheitsfällen fjilfe 3U leiften. fj. Singer (Srombcrs). 



3frtdjl'en (lunwUericIcutncmt) 






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Seite 1798. 


Hummer 39- 


Umldiau. 

Die Unl?altbarFcit ber herrfchenben pcrcinsgcfet$lichen gu* 
jtänbe in Preußen erf?ellt fo red?t aus einem ber Komi? nicht 
entbcfyrenben gmifd?enfall, ber ftd? bei ber Pcrfammlung ber 
CSefeUfcbaft für fosialc Bcform in Köln ereignete. Dort folltc 
^räuleitt Xjelcne Simon aus Berlin einen Portrag über bie 
X?crabfet$ung ber BrbeitS3eit für grauen unb bie (Erhöhung 
bes Schulalters für jugenblicf?e Arbeiter in ben ^abrifeit 
galten, fte mürbe inbcjfen baran burd? ein poli3eilid?es Perbot 
geljinbert, ba es gefefclid? un3uläfftg fei, baß grauen in politischen 
Perfammlmtgen reben. 3h re Brbeit ging inbeffen nicf?t per* 
loren, benn itjr Portrag mürbe non bem Schriftführer ber 
(Sefcllfd?aft, profeffor ^ranefe, perlefen, mährenb fte felbft in 
bem „Segment" als gul?örerin faß, bas nad? ben Bestimmungen 
bes DTiniftcrs non X^ammcrftein für grauen in politifchcn 
Pereinsncrfammlungcn referniert merben barf. Der Porfifccnbc, 
^reif>crr non Berlepfd?, Fenn5eid?uete in humornolhfatirifchcr 
IPeife ben 3mifd?en bem geltenben (Sefefc unb ben (Erforberniffen 
ber (Segenmart flajfenben IPibcrfprud?. €r fprad? ^räulein 
Simon ben Dan? ber (Scfellfchaft aus, bemerke aber 3itgleid?, 
fic bürfc aud? nicht burd? bie gcringfte Bemegnng 311 
crFcttnen geben, baß feine IPortc an fte gerichtet feien. 
Kann es einen größeren IPiberftnn geben? (Sine Dame 
ift in ber Sage, einen Portrag aus3uarbeitcn, ber ber 
Perlefung nor einer aus ten gcbilbetftcn Kreifen 3ufammcn* 
gefegten (Scfellfchaft mert erachtet mirb, aber mentt fte auch 
nur ben Dan? für ihre miffcnfd?aftlid?e ITCübemaltung ent* 
gegennimmt, macht fte fid? ftrafbar unb giebt motnöglich Per* 
attlaffung 3ur Buflöfung ber Perfammlung. Der Kölner 
Porgang ift mol?l geeignet, einer Bcoifion bes (Sefcfccs bie 
IPegc 311 ebnen. Bacf?bem h* er c * n Hlinifter a. D. feinen 
Spott barüber ausgegojfen h at ' wirb vielleicht auch ein aFtiocs 
fllitglicb ber Begicrung über ?ur3 ober lang feinen Spuren 
folgen. Der £rau Fanu ihr piafc in ber <Deffentlici?Feit auf 
bie Dauer bod? nicht permeigert merben. Diefer Ueber3cuguitg 
pcrfd?lteßt fid? ja auch ber gegenmärtige UTinifter bes 3 nncr n 
in Preußen nid?t. (Er hat ben gopf bes Percins* unb Per* 
fammlungsred?ts bereits pcrFür^t, vielleicht fd?ncibct er ihn 
nod? gan3 ab. 

* 

3n ^ranFrcid? haben fid? * n lco- cn IPochcn mehrfach 
ITlitalicber bes Kabinetts etmas merFmürbigc rcbnerifche Seiten* 
fprünge geftattet, bcncit fchließlid? ber Ifliniftcrpräfibent 
(Sombes entgegentreten mußte. ITlan erinnert fich nod?, baß 
ber Kriegsminifter Bitbre fich in Bclfort in einigen d?aupi* 
niftifd?cn IPcnbungcn gefiel, in bcncit bie Beoanche eine ge* 
ivtffe Bolle fpielte. Seine Sorbeereit h a ^ cu & cn Klarine* 
minifter pelletan nicht fcblafen laffen, aber meniger gcfd>icft 
als jener, überbot er ihn noch unb erging fich i n Beußerungen, 
bie jebe Spur ftaatsmännifdjen Sinns pcrmijfcit ließen. <£r 
hielt in KorfiFa eine Bcihe pon Beben, bie als X^eraus* 
forberung (Englanbs, Dcutfd?lanbs unb gan3 befonbers Italiens 
hätten gelten müffen, menn man fic überhaupt ernft ge* 
nommen hätte. Das ift nun nicht gefd?el>cn, fonbern man 
hat ftd? allgemein über bie Bhctorif bes fterrn pelletan 
luftig gemacht, ber offenbar bei feinen pcrfchiebcnen (Ergriffen 
bes füfien IPcins aÜ3U poll gemefen ift. Bichtsbeftomeniger 
hat Xnrr Sombes bie erfte (Selcgenheit mahrgenomnten, 
um ben rcbcluftigcn ITliniftcrn ihren StanbpunFt Flar 3U 
machen. (Er mar es bem Bnfehn ber Bcgicrung unb bem 
Scitcr ber ausmärtigen politif ;$ranFrcid?s, Xjcrrn Dclcaffe, 
fd?ulbig, beffett girFcl burd? eine IPicberholuitg ber bcrcgteit 
oratorifchen Seiftungcn bod? empfinblicb hätten geftört merben 
Fönneit. lurr (Eombes hat Xictrn pelletan, inbem er fich 
feheinbar gegen eine mißbräuchliche Busnutjung feiner 
Beußerungen manbte, gan3 gehörig bie IPahrhcit gefagt, er 
hat ihm Flipp unb flar porgcmorfett, baß er über Dinge ge* 
rebet h^t, bie ihn nichts angehn. IParcu bie IPortc bes 
Dliniftcrpräftbentcn auch 5uuächft an X^errn pelletan gerichtet, 
fo muß fid? 5meifellos and? licrr Bnbre baburch getroffen 
fühlen, unb cs ift d^araftcriftifdj für bie beiben Männer, baß 


man in ^ranFreicfa annimmt, nicht ber UTarineminifter, 
fonbern ber Kriegsminifter merbc aus ben Pormürfen bes 
Kabinettschefs bie gebotenen Konfequen3cn 3iehn. Doch h at 
bas Buslanb hieran meniger 3”tcreffc, als an ben meiteren 
Busführungen bes X^errn (fombes, ber mit ben XPocten fd?loß, 
baß für ^ranFreid? bie €rl?altung bes ^riebens bas erfte 
Bebürfnis unb ber glül?enbftc IPunfch fei. 



Dicht lärm, als 3nhalt; bas ift für bie Bufnahme ber 
jungften Berliner Bopitätcn d?araFterifiifd?. (Singe es nach 
lauten unb überlauten Beifallsäußerungcn, mir hätten glänsenbe 
Siege hinter uns; fäme es auf beit IPiberfpruch ber leidet 
(Entrüfteten an, fo mären breifte gumutungen an uns geftelit 
roorben. 3n IPirFlichFeit mar bie Erregung für unb miber 
mohl übci*hi£t. 

v faft leibenfcbaftlid?, bemonjtratio nahm man für bas 
„bürgerliche" Drama „X^eerohme" r>on 3°f c f t^auff partei. 
Das Stücf ift aus einer marmblütigen (Stählung bes Per* 
faffers hß^orgegangen unb h a t auf bem IPeg 5ur Bühne bie 
frifdien unb ftilleren Bei5e ber lanbfchaftlichen Schilberung 
ucrloren. IPas übrigblicb, ift theatralifd^es Pathos, bas 
allcrbings fchr mirFfam gefteigert ift. Da3U Fommt, baß es 
ein ITlaffengefühl leicht aufregt. (Ein großer gefchichtlicher 
X^intergrunb, ber Krieg uon ftcb3ig; bie XPirFungen ber geit 
auf einen 3 l i n 9Ü n 9* 3 um Fatholifd>en priefter gemeiht 
merben foll unb beffen Sinne unb Seele einen anbern ^lug 
nehmen; bas treibt 5um KonfliFt unb 3um gemaltfamen (Enbc. 
Der Ejcerohme, ber junge Seminarift, ber in (SemiffcnsnÖten 
in fein nieberrheinifches Xjeimatftäbtchen geeilt mar, h°t fich 
in heimlich^h c i§ cr ^iebesftunbe mit einem XHäbchen uergangen 
unb mirb uom Pater biefes ITtäbchens erfchlagen. Dies liebes* 
motir» erhöht mohl bie äußere Spannung, brüeft aber bie 
eigentliche (Seroiffenstragöbie nieber. Das publiFnm, mic bie 
Schaufpieler bes leffingtheaters, in erfter Beihe Bbolf Klein, 
(£. 0. IPinterftein (ber X^eerohme) unb patry ließen ftch uon 
ber rebnerifchen Kraft bes Schaufpiels tragen; ba3u Farn bie 
lleberrafchung, 3°fcf ^ au ff anbern XPegen als ben ber 
bramatifierten X^ofgefchichte 3U fehen, unb fo mürbe ber ftarFc 
äußere (Erfolg erreicht. 

3m Deutfd?cn Theater gab umgeFehrt ein BaucrnfchmanF, 
ein brcitgcmächlicher XllF, „Der Sd?a&<jräber" ©on (Earlot 
Heuling, einer Btt3ahl uon gufchauern Bitlaß 3U h c fti9em 
IPiberfpruch. IParum man hier mieber foldj Bcrgemis nahm, 
ift nicht recht Flar gemorben. Bculings Komöbie ift vielleicht 
3u umftänblich geraten; aber menn fie berbe Dinge in berber 
0ffenher3igFeit benennt, ift fie barum bod? nid?t anftößig. 
lieber berlei bramatifchcn Spaß ift nid?t uict 3U fagen. (Ein 
bäuerlicher Schelm fdjielt nach feines Bäd?ftcn (Ehemeib unb 
meint, feinen Bad?bar narren 3U Fönnen. Der Begehrliche 
mirb aber fchlicßlid? felbft genarrt. Beulings SchmanF mürbe 
cbenfo mie eine Fleinc fatirifche Stubie „Stichmahr' Pon 
IHaj Dreycr trefflich bargefteüt. 

gum bramatifchcn UIF, in bem gleichfalls piel poIFs* 
tümlich berbe BusbrucFsmcife h cr D or 9C?rh r i wirb, gehört nod? 
IPaltcr Bloems „Sommerfpicl pom Bhein": „Sd? nap p hähne". 
Die PcrsFomöbie mürbe pon einem überaus frcunblid? gc» 
ftimmten publiFum im Sd?aufpieU?aus mit banFbarer Be* 
hagIid?Fcit angcl?ört. IPas I?i er fciftig PolFstümlid? fein mill, 
giebt ftd? freilid? nid?t fo anfprud?slos, mic in ber Bauern 
Fomöbic Beitlittgs; unb bie lyrifch bemcgten Scenen haben 
Feinen ftarFcn pcrfönlichctt Klang. Komöbicn aber, bie mie 
gute, alte BcFannte anmuten, ftnbcn immer ihr PubliFum; 
unb fo merben cs aud? Bloems Sd?napphäl?nc ftnben. 3 n 
bas Beft eines „Schnapphahns", eines armen Baubrittcrs 
aus ber geit Bubolfs pon l^absburg, gerät ein junger mohl* 
gebilbeter Kaufmann aus Köln, als er mit IParc nach bem 


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Hummer 59* 


Seite J799* 


0berrl?ein reift. Dort trifft er auf ein wilbes, fd?war5* 
paariges (Ebelfräulcin, unb burd? Gicbc 3äbmt ber ftoljc 
Sürgersfobn bas verwilbcrte (Eöcbtcrlcin bcs Raubritters. 
So fiegt bie verfeinerte Stabtfnltur. c 0 fi 

T 

Kurj nach €röffnung if?rer Spielzeit hat bie berliner 
Königliche 0pcr bereits mit einer febr intereffanten Hcul?eit 
aufgewartet, mit ber breiaftigen ^eiteren 0per „Dcrpfcifer* 
tag" von ^erbinanb <5raf Sporcf in ber Kompofition von 
UTaj Shillings. Das war ein guter Knfang, gan3 geeignet, 
bie üblen (Erinnerungen an bie peinlichen Premieren aus ber 
3tveiten fiälfte ber vorigen Saifon 3U verwifd?eit unb in Se3ug 
auf bie (Dpernereigniffe bes fommenben Eüinters bie beften 
Eröffnungen 3U erwetfen. €s bürfte faum jentanb beftreiten, 
baß Ulaj Schillings in ber erften Reif?e unferer jungen 
IHufifbramatifcr ftef?t. Um fo auffallenbcr unb bebauerns* 
iverter mußte es erfd?einen, baß man feine in 

Berlin nur burd? ein gaftierenbes (Enfemblc (allerbings in 
bervorragenber ^orm), feinen „pfeifertag" aber gar nicht 3U 
hören befam. Run cnblicb fcheint ber Sann gebrochen 3U 
fein, nachbcm faft brei 3abre feit ber glän3enben Uraufführung 
bes „Pfeifertages" am Schweriner fjoftbeatcr unter Hermann 
gumpe verftrichen ftnb. (Es würbe bamals bereits in biefen 
Blättern gebührenb ZT0Ü3 genommen von bem IDerF, bas fid? 
vor ben meiftcit neueren ÜluftFbramcn fchon baburch aus* 
3eid?net, baß ihm einer ber glü<flid?ftcn 0pcrnftoffe 511 (Srunbe 
liegt, bie cs überhaupt nur geben Fann. (Ein ähnliches, 
burch unb burch „muftFalifdies Sujet" bat Rid?arb XDagner 
in feinen „UTciftcrfingern" behanbclt, mit welchem Stürf ber 
„Pfeifertag" übrigens auch eine gewiffe, fehr intereffantc 
Parallele aufweift: bie ÜTcifterfinget hatten ftch sufammen* 
gethan, um gemeinfam bas <Sebeiben ihrer Kunft 311 förbern; 
bie Spiellcute waren 311 einer großen Srüberfcbaft 3ufammen* 
getreten, um bie ^ntereffen bes Künftlers wahr3unchmcn. 
IPagner hat es nur beffer verftanben, ben (SrunbgebanFen 
plaftifcher h cr aus3uf?eben; &ie SporcFfdie (Eejrtbichtung beutet 
ihn nur einigemal an, ift übrigens auch fonft nicht frei von 
Klüngeln, fo baß fie von ber Sd?illingsfd?en IHufif mit ihrem 
eblcn Pathos, ihrem warmem pulsfchlag unb ihrer einheitlich 
vornehmen Haltung l?od? überragt wirb. — Die teilweife gar 
fchwierigen Aufgaben, bie bie (Dper ben Kusfübrenben fteüt, 
würben von ben Künftlern ber föniglichen Sühne auf bas 
befte gelöft. 3 ns ücfonbcre bot f?ert Knüpfer (flehe Kbbil* 
bung S. J8J0) als Pfeiferfönig eine gefänglich wie bar* 
ftellerifch außerorbentlich fYmpatbifche £eiftung. E>. k. 



Das Buch der Bloche 


Der begrabene (Tempel. 

IDemt eine Seit reif geworben ift, ftnb bie gleichen <5e* 
bauten unb (Empfinbungen überall, in vielen Köpfen unb 
f}er3en, bie nichts voneinanber wißen, 3wifchen benen viel» 
leicht felbft uid?t ein Such ober eine geitung eine Srücfe ge* 
bilbet h<*t« €in uufichtbarcr Sämann ift über bie (Erbe ge* 
gangen unb bat bie gleiche gufunftsfaat ausgeftreut, überall, wo 
lorferer, fruchtbarer Seelcnboben ber (Empfängnis unb ber 
<Jrud?t harrte. 3n folgen geitläufcn erfeunt man, baß bie 
IHenfchheit ein einig benfenbes, füblenbes IDefen ift, unb 
baß bie ein5elnen UTenfchen nichts ftnb als gellen in einem 
großen, gemeinfamen Körper, befeelt von bem gleichen (Ent* 
witflungs* unb guFunftswillen. 

IDir fommen aus einer <Epod?e bes gweifefs, ber gerfeßung, 
ba wieber einmal ber Derftanb, ber ewige Revolutionär, alt* 
geworbene 3& ca lc 3crbacht unb 3erftört hat. 3it uns allen 
5ittert nod) bie €rregung nach von bem gewaltigen geiftigen 
(Erbbebeu, bas unfere innere unb äußere IDclt crfdiüttcrt bat. 
JDir fd?auett (Trümmer um uns unb in uns, unb wir febnen 
uns nad? einem neuen (Eempel, ber aus ben Ruinen erftchn 
foll. gwar hat bie Raturmijfenfd?aft einen großen, flarcn, 


lichtvollen Sau aufgeridftet; aber er ift nie recht unfer £?cint 
geworben, weil in feinen all5u grell mit Dcrftanbeslicht er» 
füllten Räumen unfere Seelen fich ängftigten unb feine Knbacbt 
feiern fonnten. (Ein neues Bedürfnis bes (Slaubetts wächft 
überall empor, ein Heimweh nach bem Daterhaus, bas wir in 
jugenblid? ; baftigcm lUiffensbrang verlaffcit haben. 

Unb wir fühlen, baß ber (Eempel, ben wir bauen wollen, 
in uns felbft begraben liegt. IDas unfere ^orfdjuitg bem 
fytnmel genommen hat, follen wir größer unb fd?öner im 
nTenfchenbe^en wieberftnben. 3 n allen Gänbern, unter allen 
DölFern ftnb beute eifrige tfänbe am IDerf, ben Schutt aus 
beit Seelen fort3iträumen unb ben verfd?üttcten (Sottesbau in 
neuem (Slan3 erftehn 3U taffen. Das ift and? bie vomehntfte 
Gebensarbeit bes Belgiers ITIauriceinacterlintf, eines überaus 
glürflicben Sd?aßgräbcrs in ber menfd?lid?en Seele, beffeit tief» 
grabenbe Sd?aufel fd?ort manches verlorengegangene fchimmernbe 
Kleinob wieber ans £id?t gehoben hat. Un|erc Üufgeflärten 
ftanben 3U Knfang feiner Dichtung fo gut wie verftänbnislos 
gegenüber, bis ihnen allmählich, befonbers banf feinen philofo- 
pbifchen Sd?riften, ber ernftc große Sinn feines iDollens unb 
Schaffens aufgegangen ift. €r ift ein IDctfer ber Seele — 
fte erfchcint ihm „wie ein Sd?läfcr, ber in feinen tiefen (Träumen 
ungeheure Rnftrengungen mad?t, einen Krm 3U bewegen ober 
ein Gib 3U heben." (Er will ber Seele h e tf cn , au f &aß fte im 
lUenfchen erwache unb mit ihrer unbewußten IDeisfjeit ihn 
unb fein £eben bcbcvrfchc. 

ITtaurice UTaeterliucf bat feinem neuen philofoplftfchen EDerf 
ben (Eitel „Der begrabene (Eempel" gegeben (beutfd?e Ucber* 
tragnng von v friebrid? von 0ppeln*Bronifowsfi, im Dcrlag 
von (Eugen Dieberichs, £eip3ig). Das Sud? 3cngt für eine be* 
beutfame IDeiterentwicFlung bcs Dichters: währenb ftd? bttrd? 
feine früheren Schriften noch ber (Slaube an ein außermenfd?» 
iiches Derhängttis 30g, verlegt er jeßt gatt3 ausfd?ließlid? alles 
(5efd?ehn, alles Sd?tcffal, alles Red?t unb (Serid?t in bas 
innere bes irtenfd?e?t. Dort allein thront ber <Sott*Rid?ter, 
vor bem wir unfer Geben verantworten müffen, ber uns lohnt 
unb beftraft burd? inneres (Slücf ober Unglücf. Hid?t außer 
uns waltet bas ITTYftcrium ber (Scrcd?tigfeit, foitberit in uns, 
in uns allen, in bem I^öchften fo gut wie in bem Hiebrigftcn. 
Die moralifd?e lüclt gehört uns allein, ift gait3 in uns ein» 
gefd?loffett, hat keinerlei Pcrbiitbung mit ber Rußenweit. Der 
(Sott, ben wir einft in einen fernen f?immel verwiefen haben, 
Fcbrt 3urücf unb will in uns wohnen. 3h m einen (Eempel 3U 
erbauen, ober vielmehr feinen begrabenen (Eempel in uitfercr 
Seele wieber frcisulegen, bas muß unfer ScbenswcrF fein. 

„Der £cib vergebt, aber ber (Eempel, bett er gebaut hat, 
bleibt fteblt." p auI Hemer. 



Der erfte Dcutfd?c SanFiertag in ^ranFfurt a. ITT. gab 
Knlaß 3U einer impofanten Kunbgebung bcs SanFiergcwerbes 
gegen bie börfeitfcinblid?c (Sefeßgebung ber antifapitaliftifd?cn 
Parteien, wie fte in gleichem Umfang unb in ähnlid? ge* 
wichtiger IDcifc feitl?er aud? nid?t entfernt 3U (Tage getreten 
war. Der Dcrlauf ber Dcrfammlung war gehoben burd? bie 
(Teilnahme von belcgiertcn ftaatlid?cn ^unFtionären, unb wenn 
auch bie (ErFlärungcn, bie fie in autoritativer IDeife abgaben, 
fclbftverftänblid? feine binbenbe gufichcrung irgenbweld?er Rrt 
enthalten Fonnten, fo atmeten fte bod? ein entfehiebenes lt)ol?l* 
wollen für bie auf eine Ülilbcrung ber Sörfengefeßgcbung 
gerichteten Scftrebungen bes beutfehen SanFicrftanbes. (Es 
ift ja natürlich, baß bie beutfd?cn Staatsrcgicrungen, nadibem 
fie feit mehreren 3 a h ren bic aud? nad? ber ftsfalifchen Seite 
bin unerfreulichen IDirfungcn bes vcrfd?ärften Sörfcngcfcßcs 
beobachtet haben, einer Rbänberung feiner harteften Sc* 
ftimmungen fympathifd? gegcnüberftchcn. Rllcin ber gute 
IDillc von jener fonft als maßgebenb bc3cichnctcn Seite ift 
in biefem fall nid?t glcid?bcbcutenb mit ber (El?at; benn be- 


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Seite 1800. 


Ztummer 39- 


fanntltd? fielet bie überwiegenbe Majorität bes gegen¬ 
wärtigen Heidjstags mit (Entfchiebcnhcit auf börfcitgcgneri* 
fcfjer Seite. 

* 

Diefc drfenntnis ijt bertn aud? bet ber ^rartffurier (Tagung 
allgemein 3um Durchbruch gelangt, unb bie früheren un* 
gejtümen DTahncr gebulbctt ftd? jefct gern mit ihren Kb* 
änberungsmünfdjen, bis ein neuer unb hoffentlich weniger 
antifapitaliftifd>er Heidjstag 3ufammengetreten fein wirb, ber 
ben berechtigten ^orberuttgen ber Börfe mit weniger Dor* 
eingenommenheit als fein Dorgänger gegcnübcrjteht. (Ein 
folcher Heidjstag muß felbjtoerftänblich ber (Erfettntnis 
Kaum geben, baß bas D^efen unb bie üljätigfeit ber 
Börfe unb ber beutfdjen Banfwelt eine eminent wirtfchaftlidje 
unb nationale Bebeutung beftfct, unb baß baher ein (Erfchlaffen 
ober ein Hiebcrgang bes beutfehen (Selbmarfts für unfer 
Datcrlanb pon folgettfcfywerer Bebeutung fein wirb, ja, ge* 
gcbcttenfalls fogar eine fdjwere (Sefafjr für bie höchften 
nationalen 3 n ^ r ^ff cn in fid? fdjließen fann. Diefcs ÜToment 
würbe aud? i n & en mi f bem Banfiertag gehaltenen Dorträgcu 
unb in ben anfcbließcnben Debatten beutlich genug betont 
unb in ein3elnen Heben ber Hegicruugspertrcter auch als 
3utreffenb anerfannt. ITenn man nun auch 3ugeftehen muß, 
baß biefer ^ranffurter Kongreß eine unmittelbare Dörfung 
nicht ausüben wirb, fo läßt ftd? bod? ber Pcranftaltung feines* 
wegs ihre befonbere Bebeutung abfprechen. Dies wirb ftd)erlich 
in abfehbarcr geit burch bie (Seftaltung ber Dcrhältniffe feine 
Betätigung finben. 

* 

Kn uitfererBÖrfe hatte fleh in5wifd?en 3citweifc eine ent* 
fchicbcne (Eenben3befeftigung (Seltung pcrfchajft, bie bicsmal 
weniger auf ben (Einfluß ber bisher übermächtigen Heuyorfcr 
Börfe 3urücf3uführen war — 3umal horten bas (Sebäubc 
infolge ber noch afutcr geworbenen (Sclbflcmmc ins lüanfcn 
fam — fonbern, 3um (Teil wenigftens, auf bie eigene 
Kraft bes h e i m ifd?en DTarftcs. Die aufbeffernbe Be* 
wegung wuselte in bem 3nbuftrieaftienmarft unb rief hier 
namentlich eine fjauffe auf bem (Scbiet ber Kohlcnwcrtc 
herpor. Die lebten DTonatsausweifc ber tonangebenben (Sc* 
fcllfchafteit biefes (Scwerbes h a ^ cn eine in bie Gingen 
fpringenbe Befferung gejeigt, unb aud> bie offaiellcn Be* 
ridjte pon ben IHontanbörfen in (Effen unb Düffclborf, bie 
bisher mit Hecht wegen ihrer ^arblofigfeit unb uugenügenben 
dharaftcrificrung ber DTarftpcrljältniffc angcfochten worben 
waren, befnnbeten mit einem ITlal etwas mehr Optimismus. 
KUcin um DTittc ber D)od?c bewirfte bann Heuyorf wieber 


Dcrftimmung. Die große Defraubation pon <*,6 DTillioncn 
Krotten, bie ein Kngcftclltcr ber 0 efterreichifchen Lanbesbanf 
perübt h a t erlangte nicht einmal an ber Döener Börfe 
befottberen (Einfluß auf bie Kursbewegung. Perus. 



Dapib Klbertario, Dichter bes (Dbferpatore dattolico, 
f in darenno bei Lecco. 


Dr. 3 °feph Bergfon, früher pripatbo3ent ber Berliner 
Uniperfität, f im 90. Lebensjahr. 

Der parifer Börfenmafler Lucien Dapib f, würbe am 
22. September im Seebab dtretat pon bem parifer Porträt* 
maler Sttybon getötet. 

DTaria Henriette Königin pon Belgien, fam 19. Sep¬ 
tember 3U Spaa (Portr. S. J 803 ). 

Krdjiteft Patri3 Bub er, einer ber „Sieben" ber Darm* 
ftäbter Künftlerfolonic, f 311 Berlin im Kltcr pon 2 \ 3 a h rcn * 

(Sefangsmeiftcrin ^rau ffebwig Lepyfofjn, f 311 Berlin. 

Profeffor 3 °h- Klcj. Littnemann, befattntcr (Slasmaler, 
f am 22. September 5Ü ^ranffurt a. DT. im 6$. Lebensjahr. 

(Sei?. Kird?cnrat Prof. Dr. Lntharbt, berühmter (Theologe, 
f am 22. September 3U Leipsig im 79. Lebensjahr (Portr. 
Hr. t 3 , S. 5^9 bcs laufenben 3 a h r 9 an 9 s )» 

Stabtrat DTamroth*Berlin, f am 23 . September. 

Tjanbelsfammcrfcfretär Prof. Dr. Hies*Dö>rms, f am 
2 \. September. 

Dörflicher (Seheimer Hat perfius, f im 69. Lebensjahr 
(portr. S. 1809). 

Dr. Karl Scf?neiber, parifer Korrcfponbcnt ber „Kölni* 
fd?cn Leitung", f auf ber Hcifc pon Dcutfdjlanb nach Paris. 

3 ournalift Kntonio Dalcri (darletta), Pcrfaffer einer 
DTonographie über (Socthes „Schöne DTailänberin", f 5U Hont. 

(Englifcher Kbntiral IDatfon, f in DTalta. 

Baronin 3 ba p. gcblifc-Heufird?, Bcfttjcrin bes Berliner 
Hcßbcit5thcaters, f in f?ar3burg. 

Dr. (Ernft p. geller, früher Dorftaub ber 3 r *enhcil* 
unb Pflcgcanftalt Dönncntbaf, f am September 51t 

Stuttgart im 72 . Lebensjahr. 


G 



Qnfcrc Bilder. 


Königin DTaria f?cnrictte pon Belgien (Porträt 
S. 18 Ö 5 ) ift nach langem fehwerem Leiben in Spaa am 
*9. September geftorbett; am gebrochenen 1?errett würbe man 
piellcicht fagen, wenn fte nicht, obwohl weid?er Hegungett fähig, 
eine fräftige, bis 3ttr Dnbeugfamfeit willcitsftarfc Hatiir gc* 
wefen wäre. Bei 3artcrer Konftitution h^H c f* c früher beit 
harten Schlägen erliegen müffen, bie iljr bas Sd?icffal 31t* 
gebadjt. Königin DTaria Henriette war eine ber unglücflichften 
grauen, bie je auf einem (Thron gefeffett haben, unglüeflid? 
als (Sattin, unglücflich als DTutter. Kls (Tochter bes feiner 
geit ungewöhnlich populären<£r3hcr3ogs 3 °f c Ph von ©eftcrrcid? 
am 23 . 2 Uguft J 836 3U Schönbriimt bei IDictt geboren, per* 
ließ fte fd?on früh bas päterlid?e ^aus. Km jo. Kuguft ^85 5 
bereits würbe fte burd? Stcllpertretung in ihrer Beimat unb 
5wölf (Tage fpätcr in perfon bem bamaligcn belgifchen Krön* 
prin^cn Leopolb pcrmählt. DTochtett bie dharaftcrc pon 
Knfattg an nicht redjt 51t einattber geftimmt haben, fo erhielt 
bie (Ehe einen tiefen Hiß, als {869 ber einzige Sohn im 


Hltcr pott 5chit 3 a h rcn c ” lcr tücfifdjeit Kranfhcit erlag, 
gwar ließ es König Leopolb bei ofß3icllcr (Sclcgcnhcit nie 
an ber gebotenen f^öflichfcit gegenüber ber (Scntahlin fehlen, 
im übrigen war pon einem gufammcnlebcit eigentlich ttid>t 
mehr bie Hebe. Die fpäteren 3 a h rc brachten ber unglücklichen 
Königin bann nod? ben Kummer um bas Sd?icffal ihrer 
(Töd?tcr. Kn ihrem Sterbebett weilte nur bie unpermählt 
gebliebene prinsefftn Klementine. pritt3effin Luife, bie frühere 
(Semahlitt bcs ^er5ogs Philipp »on Kobttrg, würbe befanitt* 
lieh por einigen 3 <*hren * n c ' ner fjcilanjlalt für (Seiftcsfranfc 
untergebracht, unb pon pritt3ef|m Stephanie, bie auf fo tragifchc 
D^cifc bett (Satten, ben öftcrreichifchcn Kronprittscn Hubolf 
perlor, fagte fich König Leopolb los, als fte bem (Srafen 
Lottyay bie Banb 3U einem sweiten (Ehebuube reichte. 3 n 
Belgien hatte man wohl gehofft, baß bie golbenc Ejod^eit 
bes Königspaars im nächfteit 3 <*h r ^ cr föniglid?en Familie 
ben ^rieben bringen werbe, allem Httfchein nad> aber ohne 
(Sruitb. Denn fclbft bie perföhnenbe DTacht bes (Tobes h^t 


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rtummer 59* 


Seite \S 0 \. 


hier verfagt. (Srdgn £onyay, bic ans (Totenbett ber HTutter 
geeilt mar, bat noch vor ber Beifefcung Belgien mieber Ver¬ 
lagen mügen, ba König £eopolb in feiner Uncrbittlicfyfeit es 
über geh brachte, ihr mittcilcn 311 laffen, bag ihre Hnmcfen« 
l|cit unermünfeht fei. 

*3 

Die bjerbftmaitöoer unferer flotte (Hbb. S. ( 80 ?) 
gipfelten in ben unter (Teilnahme bes Kaifcrs abgcbaltencn 
ftrategifdjen Hebungen in ber XTorbfee. Die jenen 311 (Srunbe 
iiegenbe (Seneralibee mar etma folgenbe: eine fcinblicbc 
flotte fudjt fofort nach ber Kricgserfldrung, nod? bevor bie 
IHobilmadjung beenbet ift, bie ^lugmünbungen ber <£ms, ber 
TDefer mit 3 abe unb ber (Elbe mit ben vorgelagerten 3 nfeln 
in ihren Begfc 3U bringen, mahrenb bie beutfcfye Kriegsflotte 
vor ^elgolanb anfert. €s mürbe 311 meit fiteren, bie HTa* 
növer in allen ihren <Ein3elb^eiten 3U verfolgen, nur fei ein 
ungetvöfynlidjer gmifchenfall ermähnt. IDahrenb bes Kampfes 
um bie (Elbmünbung fah geh ber Kaifer veranlagt, IDagen» 
ftiüftanb 3ivifd?en ben flotten 311 proflamieren; ber ftürmifcfje 
Seegang hatte eine Unterbrechung ber Hebungen, foüten nicht 
Hlenfchenleben gefahrbet merben, nötig gemacht, jm übrigen 
ivaren bie HTanöver infofern bemerfensmert, als ftd) 3um 
erftcnmal bie beiben dorpebobootsgottillen aus lauter Der* 
treteru unferes neuen ^ochfeetorpebobootstypus 3ufammcn> 
festen, unb als 3utn erftenntal bie ^unFentelcgraphie in 
grögerem Umfang 3ur Hnmenbung Farn. — (Selcgentlich ber 
HTanöver hat ber Kaifer bem Hbmiral Hans von Köfter ben 
Scbma^cn Ublerorbcn verliehen. Köfter, ber am 29. Hpril 
J 8 H 3U Schmerin geboren mürbe, trat (859 als Kabetten* 
afpirant in bie preugifchc HTarine ein; er mürbe *890 
Kontreabmiral unb ift feit (896 <£T>cf ber HTarincftation in 
ber 0 ftfee unb feit *899 3uglcich (SeneralinfpeFteur ber 
HTarine. 3 m 3 a h r 1 8 9 ° erhielt er ben Übel. Don ber 
neuen Hus3eid>nung, bie bem 
Ubmiral 3U teil mürbe, h fl t 
Kaifer TDilhelm auch Köfters 
HTutter in einem liebensmür* 
bigen (Telegramm HTitteilung 
gemacht, ,frau Bertha Köfter, 
bie, einft eine ber grögten 
(Sefangsfünftlerinncn, noch 
beute als einziges (Ebrenmit* 
glieb ber Königlichen 0 per 
in Berlin augebört. 

HTanöver in Bayern 
unb ber Sd?mei3 (Hbb. 

S. (806 unb (809). 3» 

Bayern hat in biefem I^erbft 
bas I. HrmeeForps unter £ei* 
tung feines fommanbierenben 
(Benerals, bes Prisen Hrnulf, 
grogc HTanöver abgehalten, 

Sie in ber Umgebung von 
<Sün5burg ihren Unfang nah 4 
men. fjier mugten bie feiub* 
liehen Divifionen aufeinanber* 
ftogen, bie eine rote, vom 
Sied? nach XDeften, unb eine 
blaue, von ber 3Uer nach 
CDften vorrurfenbe Urmee bar* 
ftellten. Der Dcrlauf ber 
Uebungen mar berartig, bag 
prin3 Urnulf in ber ab* 
fd>liegeuben Kritif feiner 
©öligen gufricbcnheit über bie 
£>altung ber (Truppen fomohl 
als über ihre fidlere Leitung 
burd> bic Dorgefctjten Hus* 
brurf geben fonnte. — IDah* 
renb fo bie Staaten mit ben 
grogen ftehenben feeren ihre 
Kriegstüchtigfeit erproben, 


bleibt auch bie fchmci3crifd?c (Eibgenoffenfchaft nid>t 
mügig in ber (Entmicfluug ihrer militdrifchen £eiftungs* 
fdhigfeit. (Es gub in biefem E^crbft groge HTanöver 
im Horben bes Kantons £ii5ern unb im Kanton Uargau 
abgebalten morben, für bie bie Heeresleitung befonberc 
druppenförper formiert hätte* €s übten 3undchft bie beiben 
Divifionen bes IV. Urmecforps miteinanber, fobaun 
mürben biefc vereinigt unb unter ber £eitung bes 0berftcn 
von (Techtermann, Kommanbanten bes erftert UrmecForps, 
gegen eine eigens für bie Uebungen gebilbete HTanöver* 
bivifion unter bem Befehl bes Kommanbanten ber < 5 ottf>arb* 
befeftigungen, 0 berftcn von Sprcd?er, geführt. Km Schlug ber 
HTanöver hielt ber Dorftehcr bes HTilitdrbepartcinents, Bunbes* 
rat HTüller, eine Hebe, in ber er eine Hefornt bes 
militdrifchen Unterrichts anfünbigte. 

«3 

Dentfche Haturforfcher unb 2 tcr3 1 e (Ubb. S. (808 
unb (809). Unter ben (Selchrtcnvereinigungen geniegt feit 
langer §eit ber Kongreg beutfeher Haturforfcher unb He^te, 
ber in biefen (Tagen in Karlsbab 311m 7 *. mal getagt hat, 
einen ebenfo grogen, mie berechtigten Huf. €r bilbet ein ge* 
treues Spiegclbilb ber beutfeheu HTebisin unb XTaturmigen» 
fd)aften, bas IDort „beutfeh" nicht auf bie politifchen (Bremen 
bes neuen Heikes bcfchränft, fonbern in bem mciteren Sinn 
von bcutfch-fprachig genommen. Hud? in Karlsbab fiitb neben 
Hcichsangehörigen mieber 3ahlrciche h cn) orragcnbe ^orfcher 
aus 0cfterreich bebeutfam hervorgetreten unb haben über 
ben Stanb ber verfefaiebenften miffenfchaftlichcn fragen, teil* 
meife untcrgüfct burch praFtifcfje Dcmongrationcn, lehrreiche 
Dortrdge gehalten. TDie Karlsbab maren auch bie benach* 
barten Bdber burch ben Bcfuch ber (Selehrtenmelt ausge* 
3eichnet, es haben üor bem Kongreg etma 260 

beutfehe Ker3te eine Stubicnreife burch Böhmen unternommen. 

IDelchc Bcbeutung ben är5t* 
liehen Stubienrcifen auch in 
offaiellen Kreifen beigclegt 
mirb, 3eigte bereu Haltung in 
Dresbcn, bem HusgangspunFt 
ber biesjöhrigen ,Jahrt. Die 
(Teilnehmer mürben burch Der* 
treter ber Hcgierung begrügt, 
unb bas ^eftbanFett fanb unter 
bem Dorg^ bes (Sehcimcn 
HTebi3inalrats Prof. Dr. HeuF 
aus bem HTinigerium bes 
3nnern ftatt. — 3^ ^rau3cns* 
bab, mo ber gentralverbanb 
bcutfd?er He^te in Böhmen 
feine 3ah rcsüc rfammlung ab* 
hielt, mürbe bei biefer ( 5 e* 
legenheit ein DenFmal für 
Dr. Bernharb Hbler (vcrgl. 
bie nebeuftchcnbc Zlbbilbung), 
ben Begrüitber bes Kurorts, 
feierlich enthüllt. 

Der „Dcutfd>e dag" 
(Kbb. S. ( 808 ), ber am (<*. 
September in Dan3ig abgehal* 
ten mürbe, nahm einen gldn* 
3cnben Derlauf. €tma (2 000 
perfonen, Dcrtreter aller Be* 
rufsftänbe, beteiligten geh 
unter Dorantritt ber ftöbtifchen 
Behörbcn Dan3igs, bie ben 
0ftmarfenverein burd? ben 
Bürgermeiftcr drampc ofgsiell 
begrügten. €s mar ein 
Seitenftürf 3U ben Kaifertagcn 
in pofen. Hatte bort bas 
Heichsoberhaupt bei aller 
HTilbe im don feinen 
gmeifel barüber gelogen, bag 



piarmorbOrtc Dr. Hdlcrs, 

bes drjtlidjen Öegrünbers bes öabeorts ^ranjensbab. 


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Seite 1802. 


Bummer 39- 


bie polen unbefd?abct ber (Erhaltung ihrer Ucberlicfcrungcn 
unb Stammescigcntümlid?Feiten mit ber Dergangenheit brcd?en 
unb fid? in bie neuen Derhältniffe fügen müßten, fo legte 
hier bas Bürgertum Zeugnis ab, baß es entfd?lof[cn ift, bas 
Dcutfd?tum l^odj5ul]altcn. (Es unterliegt feinem gmeifcl, baß 
bie vom (Srafen Bülom cingclcitete polcnpolitiF bereits ihre 
(Jrüdjtc 511 tragen beginnt. Blag aud? bei einjclneit Parteien 
biefc ober jene Blaßnahme nicht Billigung ftnben, fo h a * bod? 
ßd?erlid? im allgemeinen bie 
große jfcftigFeit ber Bcgierung 
in ber beutfd?en BevölFcrung 
bas Bcmußtfein geförbert, baß 
gufammenhaltcn gegenüber pol» 
nifd?en Bnfprüd?cn nötig fei, 
in IDcftpreußcn nid?t miuber als 
in pofen. — ITlit BftcFfid?t auf 
bie eigentümlichen, in ben pro» 
vin3en mit gemifd?tfprad?iger 
BevölFcrung lierrfc^enben Der» 
hältniffe ift cs hoppelt erfreulid?, 
baß neuerbings aud? für bie 
mcftpreußifdje fymptftabt als 
IDa^eic^cn bcutfd?er (Treue ein 
Bciterftanbbilb Kaifer IDil* 
heims I. von Bilbhauer €ugeu 
Börmel gefd?affen morbeit ift. 

Die Königin IDilfjcl* 
mina ber Bieberlanbe (Bbb. 

5. 180 . 6 ), beren £ebett vor 
einigen Blonaten als l^öd^ft ge» 
fdljrbet betrachtet mürbe, ift 
von ihrer fd?meren KranFfieit 
mieber voUFommen genefen; fie 
hat bie gügel ber Begierung 
bereits mieber mit fefter fjanb 
ergriffen. Sie fclbft h a * in 
Begleitung bes prin3gemahls f^einrid?, ber 5U biefem gmccF 
feine Kur in Bachen unterbrach, unb ber Königinmutter bie 
(Seneralftaaten mit einer (Thronrebe eröffnet, in ber fie non 
ihrer völligen IDiebcrherftellung fprad? unb hi n 3ufügte, bie 
ihr mahrenb ber Kranfhcit vom DolF bemiefene £iebe h a ^ c 
bas Banb, bas fie mit ihm verbinbe, noch inniger gefnüpft. 
Don ber begeifterten Derchrung, bie ihr in ihrem £anb ent* 
gegengebracht rnirb, h attc f lc fi<h &d ihrer BücFFunft nach 
bem f}aag fogleid? aufs neue über5cugen fönnen, benn enb» 
lofer 3 ubel fd?oll ihr bei ihrer erften ^al?rt burd? bie Straßen 
ber Stabt entgegen. Die f^ollänber h a ^ icn aber aud? a ^ c 
Urfadjc, auf ihre junge Königin ftol5 3U fein, benn man 
muß cs ihr laffen, baß fie es ausgc5cid?net uerfteht, 3ugleich 
ben (Empftnbungcn ber Dolfsfcele unb ben (Erforberniffen ber 
hohen politif Bcchnung 3U tragen. Daher fonnte fie in 
ihrer (Thronrebe ebenfo mic non bem innigen Banb 5tvifd?eu 
Dolf unb (Thron auch von ben nach mic vor fehr freunb- 
fd?aftlid?en Be3ichungcn 3mifcf?en ben Bieberlanbcn unb bem 
Buslanb fprechen. 

Bis neuer BTcffias (Bbb. S. ( 807 ) ift in £onbou ein 
offenbar am religiöfcn IDahnfitm erfranfter prebiger, Bevcrcitb 
3. H- Smytl? pigott, aufgetreten. Der neue „(Ojriftus", rnie 
er firf? felbft nennt, mar in feiner 3 u $enb 5ur Sec gegangen, 
gab aber biefen Beruf balb auf, um fid? bem Stubium 
ber Rheologie 3U3umenben. Halbem er (Seiftlid?er ber 
cnglifchen StaatsFird?c gemorben unb einige geit Difar 
in £onbon gemefen mar, trat er J88* 311t Heilsarmee 
über, fehrte aber (895 in ben Dienft ber Staatsfirche 3urücf, 
unb stfrar mirftc er als beffen Bliffioitat in 3 r lnnb. ß^ cr 
üollsog fid? bie neufte IDanblung in feinen Bnfchauungcn, er 
fd?loß fid? ber Scftc ber „Bgapemonitcn" au, berett (Srüuber, 
Bruber princc, bereits göttliche (Eigenfd?aftctt für fid? in Bn* 
fprud? genommen h a ** c * ScFtc, bie in Sajton in ber 


< 5 raffd?aft Somcrfctfhirc ihren ^auptfi^/ «bie Brche ber £icbe" 
hat, befifct and? in £onbon, in ber norböftlid?cn Dorftabt 
Clapton eine Kapelle, bie „Bunbeslabe" genannt. H* cr nun 
prebigte pigott, unb bie Bgapemoniten jubelten il?m voll 
gläubiger Begeiferung 511, als er 3um erftenmal mit ber 
Behauptung auftrat: „ 3 <h, her i<h h cutc 3 U eud? fp*ed?c, ich 
bin jener Herr 3 c fus <£h r *f 1tus , her ftarb unb mieber aufftanb 
unb gen Himmel f ll h r I" Allein, ba fid? bie Kunbe hiervon 

fchnell verbreitete, fanben fid? 3U 
feinen meiteren prebigten aud? 
3ahlreiche perfonen ein, bie ber 
SeFte nid?t angehören. Dicfe 
nahmen bie Behauptung pigotts, 
er ftef?e nid?t als Paftor ber 
Kirdic, fonbern als ber von 
neuem geFommene Sohn (Sottes 
vor ihnen, nicht mit Begeijte* 
rung, fonbern mit (Entrüfhwg 
auf. 3 hre (Erbitterung machte 
fid? in müften Sccnen £uft, fte 
bemolierten bas 3 n nere her 
„Bunbeslabe", unb es märe 
bem neuen BTcffias felbft ver« 
mutlid? fehr übel ergangen, menn 
fid? nicht bie polisei red?t3eitig 
3U feinem Sd?ut$ eingefunben 
hatte. Bach biefen trüben (Er* 
fahrungen h^t Bl. pigott einft» 
meilen £onbon verlaffen unb in 
Sajton Bufenthalt genommen, 
inbeffen, ba er von feiner 
Bliffton über3eugt ift, muß man 
rnohl mitfeinemIDiebererfcheinen 
in ber fmnptftabt rechnen. 

3ubiläumsfcier am 
ScfjipFapaß. §ur (Erinnerung 
an bie ruhmreichen Kämpfe am SdjipFapaß mährenb bes 
niffifd?*türFifd?en Krieges im 3 a ^ r l 8 ?? h at hie bulgarifche 
Begierung-umfangreiche 3 u hildumsfeierlichFeiten vorbereitet. 
Unter anberm merben große Blanöver abgchalten, 3U beiten 
jebod? entgegen fonftigem (Sebraud? frembe BTilitärattacfaes 
nicht 3ugelaffen merben, cmgcblid?, um ben Hebungen als 
einem (Teil ber (SebenFfeftlichFeiten beit loFalen unb intimen 
dharaFter 3U mähren. H* n 9 c 9 c!t nehmen baran etma fed?5ig 
rnffifche (Scnerale mit bem Kriegsminifter KuropatFin unb 
bem (Sroßfürften Bicolai Bicolajemitfd?, (SeneralinfpeFteur 
ber ruffifchen Kavallerie, als Dertreter bes garen teil. Die 
Blanöver, bie am 29. (j6. alten Stils) September beginnen, 
merben ein Bilb ber ernften Kämpfe bes 3 ah*cs l 8 "? geben 
unb am 2. 0 Ftobcr ((9. September alten Stils) mit einem 
Sturm auf bas hiftorifchc £ager von Sd?cinomo fcfaließen. BTit 
ber militärifchen (feier geht H an h in H an h eine rcligiöfe, es 
mirb nämlid? bie auf ber H^ c hes Sd>ipFapaf|es erbaute 
<Sebächtnisfird?e (vergl. bie obenfeheube Bbbilbung) feierlid? 
eingemeiht, ein prädjtiger Bau in by3antiui|\hem Stil. 

Pcrfonalicit (Porträts S. (809). 3 m Blter von 
69 3^h re n ift ber frühere langjährige präfibent bes 
preußifchen ^bervcrmaltungsgerichts Dr.pauiperftus geftorben, 
nachbent er fid? erft vor Fudern ins Privatleben 3urücfgc3ogen 
hatte. Der Dcremigtc mürbe meiteren Krcifen 5unäd?ft bc- 
Fannt, als er J 866 , bantals £anbrat bes Kreifes 0 ftpricgni^, 
ins preußifd?e Bbgcorbnctcnhaus gcmählt mürbe, mo er ftd? 
ber Fonfcrvativen ^raFtion aitfd?loß. Bis t 875 bas 0 ber* 
vermaltungsgerid?t errid?tet mitrbe, mürbe perfius 3U feinem 
präßbeuten ernannt. — Das bättifche Blinifterium Deunfcer 
bat eine (Ergäti3ung erfahren, ber bisherige (SeneralbireFtor 
ber Staatsbahnen, Bntbt, mürbe 311m DerFehrsminifter er* 
nanut, nad?bem ber Bliitifter bes 3 nnern biefen poften feit 
bem (Tob H^rups proviforifd? mit vermaltet h^tte. 



Die 6cdächtn\8hCrcbe auf dem 8 cMphapas9, 

bie tvütjrenb ber ant 1^/29- 5ept. begtnnenben bulg.*ruiy. (Sebenffeterlic^feiten 
eingca>cüjt n>irb. 


O - ~ " o 


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Hummer 59 . 


Seite J805. 




Königin ^arta fjenrutte von Belgien f 

((Seborcn am 23 . Sluguft * 836 , geftorben am 19 . September 1902). 


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Seite 180q. 


Hummer 39 . 



■ 


iEHSESj' 


Massstab 1 • 10000000 


. _RouTenSverdrops 189&'1902 j 

__ * Pearjs 1698-1902/ 

aWinferquartiere Sverdrops fh 


») itiormi 

II B 


£*über von ben früheren Seifen pearfs: 1. peasy auf Sdjnetfd?ul}cn. 2. €sfimobefud?. 3. 3 n » Sdjtaffad. — 3n ber mitte Karte mit ben Konten 

pearys unb Soerbrups. 

„In flacht und Gis“ (f. 2irtifel auf S. U95). 


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Hummer 39- 


Seite *805. 



Ccutnant prary. 2. Peary. 3. OToric peary. 4. faerbrup. 

Zu pearys und Sverdrups Rückkehr aus dem polareis. 


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Sexte \806, 


Hummer 39 



I. prin 3 Urttulf. 2. ©bereit, pon Brug. 3 . IHnjor IDaltber von 
IDalberrtöttm. ßofrat pon Canbmann, Bürgermftr. pon ©än$burg. 
Empfang Oes Prisen 2lrnulf in ©ün$burg. 


©berft ©reif pon Botbmer. 
<Ein ftttjler ©runf auf freiem $elb. 
(©fftytere Pom 2. *3at. bes 3nfaniericleibregiments.) 

Ton dem Korpsmanöver des I. bayrifchen Hrmeekorpe unter Heftung des Prinzen Hrnulf von Bayern« 

IHicf?. Eietrid} pljot. 






¥1 FB /TV 




^ Af 1 « , /lIrFf 




-i M I 


Hus dem ftaag: Hnkunft der zum erftenmal nach ihrer Krankheit vor die Oeffentlfchkeft tretenden Königin KKflhelmfna. 

<£. 3. be ©ilbe pt]ot. 


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Der „neue J^effias“ in 6ngland: Rev. J. B. Smith pfgott (X) verlässt unter dem Schutz der Polizei die „Bundeelaäe“ 

der Hgapemoniten zu Clapton« 

H. 21. irljiclt» pljot 


Ton den Flottenmanövern in der fiordfee: Corpedodurchbruch« 

©beit redjts Porträt Des Übntirals £?ans pon Köficr, bes jmtgfleit Hitlers bcs ©rbens Pom Sd?roarjen Hbler. 


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Hummer 39. 


Sette \8Ü8. 



Der „Deutfcbe Cag“ in Danzig: fettrede des Bürgermeirters Crampe. 

IPnltcr ^ifdjer pbot. 



C 7 ofrnt Prof. Cbinrt (präg). 
3 n?eiter ftellocrtret. Dorflfcenbcr. 


(Seboimrot prof. ftinfiing ( 3 ?na), 
Dorflftcnber ber nieb^m. Dauptgruppe. 


(Sch. ßofrut Pr. (ampr«t>tfd?er (CciP 3 ‘ 3 ) 
Sdjotpncijlcr. 

Vom fiaturforreber- u. Herztetag 
in Karlsbad. 


Reiterrtandbüd Kaffer Klilhclms 

für bic prouinj IPcftpreufjcn (Panjig). 
Don <£ 11 g c u £> iS r m c I. 

5 . Cornanb pbot. 


prof. Derroom (©öttingen), 
flcUucrtr. Dorf, ber ntebij. fjauptgruppe 

Vom ffaturforfeber- u. Herztetag 
in Karlsbad. 


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Kummer 59* 


Seite \809* 



Prof. Dr 23. HctfToto (Ceipjig). ©efierr. Unterridjtsmmtfler 5r. o. fjartel, (Seb. Kat Dr. paul Pcrfms, <&eneralbireftor ber Staatsbahnen 

Sefretär bei ber natura», fjauptgruppe. begrüßte bte Perfanmi eiten. früherer präftbent bes 2Imbt, 

Pom naturforf<f?er* u. 21 e r 5 t e t a g in Karlsbab. <Dberpern?altungsgerid}tsbofs f ber neue bäuifdje Peifef]rsminifter. 



Sdjnellfeuerauf ben ©egner. 



Pie beutfefjen (Offiziere auf bemlHandoerfelb. 
Ton den diesjährigen Schweizer pianövem. 
ptj. Sc £inf*3frid} pt}Ot 


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Seite \8\0. 


Hummer 59 . 



3ofept} CnufF, 

Perf. bes „ESeerobme" (Ceffmgtbeater). 


Karlot Heuling, 

Perf aff er bes „Sdjafcgräbers 
(Peutfdjes (Djeater). 


StL Ijiebler unb ^err Knäpfer als £?erjlanb unb pfeiferfönig im „pfeifertag' 
Hus dem Berliner Cheaterleben. 

(Sielte Hrtttel (Ojcater). 


IPalter HIoem, 
Perfaffer ber ,,Sd?nappbäfjne' 
(Kgl. Sdjaufpiel). 


UTar Shillings, 

Komponiff b. „Pfeifertags" (Kgl. ©per). 



I. prof. Pr. Henf. 2. Pr. OTeifjner, Sdjriftf. 3. Pr. ©ilbert, ©eneralfefrctär. Pr. ©lipen, Scbafcmeiftcr. 

Van der diesjährigen Studienreife deutscher Herzte: ferterfen zu Dresden unter Vorritz des 6eh. Rat prof. Dr. Renk. 

Sd}atü pbot. 


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stummer 59 . 


Seite 18 U- 


©tvendolin. 

ZTontan von 

5. ^ortfefcung. ftuguft niemann. 


er ZTovember braute noch einmal fdjöne 
Cage. „Zlltmeiberfommer," ironifierte fich 
ZTTamfell ZTTinchett felbft, bie mit ber jungen 
5 rau 3 ufamnten in ber offenen Pforte ftanb 
unb nach Cucian ausfehaute, ber von einem 
Begräbnis ^eimfommen follte. lieber bie Brüde, bie 
gerabeaus über bas 5 hifechen führte, bis ju ber Pforte 
ber pfarrei fam ein munberlich ausfef>enber alter ZTTatm. 
l^ager unb bleich fchlidf er hin, bas mirre graue f}aar 
flatterte im 2X>inb. Zluf bem ZTüden trug er einen 
(Querfad, fdftver ftüfcte er fich auf einen StocF, neben 
ibm ging ebenfo langfam unb fchleidjenb ein sottiger 
^hönfpife. 

„Selben Sie nur, ZTTamfell, ben Zllten! 0, mie ber 
einige 3nbe fiebt er aus! Könnte man ben malen!" 

„Still, füll," fagte ZTTamfell ZTTine ängftlich, „bas ift 
ja ber Kräuterfdjorfdje." Sie mollte noch meiter reben, 
ba aber ber Zllte bid]t vor ber Pforte angefommen 
ir>ar, unterbrach fie fich, fomtte aber nicht hinbern, bafe 
(ßmenbolin in ihrer impulfiven Zlrt auf ben ZUten 3 U- 
trat unb ihm frcunblidj ein (ßclbftüd gab mit ben ZDorten: 
,/3h r f*l?t fo Meid? aus, Zllter, geht unb trinft was 
UZarmes!" 

„Zjab ich bie 5 rau benn um etmas gebeten?" fprach 
ber Zllte, holb 3 u feinem Zjunb gemanbt, ber ba 3 U biffig 
fnurrte. 

ZTTamfell ZHinchen 30 g bie junge 5 rau 3 urüd. „Caffen 
Sie ihn, er he£t uns etmas an! Zluch ift er reicher als mir." 

Der Zllte, ber meitergegangen mar, ohne (ßmenbolins 
(ßabe 3 U nehmen, brehtc fich bei biefen ZDorten um. 
£in böfes, fonberbares Cädjeln flog über fein (ßeftcht. 
„3au?ohI/ reicher als ihr, reicher, sehnntal reicher!" 

Dann fam er 3 urücf unb fagte: „3fi bas bes Pfaffen 
IDeib? <£in UZunbcr mär’s! Zllfo ungebeten teilt fie 
ihre (ßaben aus? Den ZTTann möd>t ich feitnen, ber 
euch 5 um UZeib hot." 

(ßmenbolin mar erfi etmas erfd>roden 3 urüdgemid?en, 
bann fagte fie freimütig: „3ch tenne euch nicht, ZTTann. 
3 hr thatet mir leib, meil ihr fo elenb ausfeht." 

Da trat Cucian 3 U ber (ßruppe. <£r fannte ben 
2 llten vom Sehen unb vom Zjörenfagen. €r mufete 
von feiner firchenfeinblichen (ßefinnung, bie ihn alle 
(ßeiftlichen unb alle pfarrhäufer meiben liefe. Darum 
mar er erftaunt, ihn hier 3 U finben. 

„0 Cucian!" rief (ßmenbolin erleichtert. „3ch bc- 
Icibigte biefen ZTTann, meil ich ihm unaufgeforbert eine 
<ßabe anbot." 

Der Zllte lad?te höhnifch: „UZas geht eud^ auch &cr 
Canbftrcicher an? Der Canbftreicher hot nur br ei 
5 r*cunbe: ZTTutter <£rbe, Dater Sonne unb feinen fjunb!" 

„Zlidtf hoch!" fagte Cucian freundlich, „feib nicht fo 
bitter, alter ZTTann, fommt herein unb nehmt einen 
(trunf an, crfrifcht euch ein menig." 


Der Zllte fchien anbern Sinnes 3 U merben, unb bie 
ZTTamfell machte ein erftauntes (ßefidtf, als Sd?orfd]e mit 
ben beiben über bie Schmelle trat. Das mar etmas 
für fie. Den Sd]orfd]e umfehmebte ein graufiges (ße- 
heimnis — wenn fie bas ergriinben fönnte! Sie bradtfc 
ihm einen grofecn Copf Kaffee unb ein gemaltigcs Stücf 
Kuchen. Zluf ben fauberen Cifd], ber auf bem £}ausflur 
ftanb, fefete fie ihm alles bereit. 3™ Sommer pflegten 
Knecht unb ZTTagb bort 3 U effen. 

„UZas hobt ihr alles in eurem Sad?" fragte ZTTamfell 
neugierig. 

„3hr! 3hr!" mieberholte ber Zlltc. „UZas mirb barirt 
fein? €tmas für ZTTenfchen, etmas fürs JZieh, nichts für 
neugierige UZeiber." 

(ßmenbolin fam aus ihrem <§immer heraus, als ber 
Zllte fertig mit <£ffen unb Crinfen mar unb fich 3 um 
(ßehen anfehidte. Zluch Cucian trat h* r 3 u, unb etmas 
reumütig reichte Schorf d)c ben beiben bie Ejanb 311 m 
Zlbfchicb. 

„Zlpollofinger!" fagte er nachbeitflich, als er (ßmcti- 
bolins fdjlanfe Zjanb in ber feinen hie^ „Zlpollofinger! 
UZer biefe Z}anb halten miß, mufe einen feften (ßriff 
haben." 

Cucian mar unangenehm berührt non bes ZTTannes 
fonberbarem UZefen. (ßmenbolin fchaute gan 3 bcftür 3 t 
erft bem Zlltcn nach, ber eilig über ben pfarrfteg ging, 
unb bann auf ihre Z}anb. 

„Was meint er bamit?" 

„Uitfinn, Kinb, er hat mahrfcheinlich irgenbetmas 
von Chiromantie gelefen. Komm, mein Kinb!" 

IDenn etmas (ßmenbolins leicht erregbare ZTerucn in 
Schminguitg t?erfefete, fo mar es bas „fomrn, mein Kinb". 
Dicfe liebevolle Uebcrlegenheit hotte fie anfänglich ge¬ 
rührt unb ihre fiurmgepeitfehte Seele, bie matt unb miibe 
mar, mie bas fofenbe Schmeicheln einer ZTTutter berührt. 
3 efet aber, mo fie fich fd?on longe mieber auf fich felbft 
befonnen hotte, mo es ihr flar gemorben mar, bafe fie 
für bies (ßeborgenfein am ZTTanncsher 3 en, im ZTTamtes- 
arm ftch felbft hingegeben hotte, ba meinte fie ZTcd^te 
3 U beftfeen, ZTechte, ihre Selbftänbigfeit 3 U mähren im 
Denfen, fühlen unb fjanbeln. Sie mollte fich nid^t be- 
fchmichtigen laffen, fie mollte an allem teilnehmen, fie 
mollte eine XDiffenbe merben. ZDenn fie ihrem ZTTann 
bies auseinanberfefete, bann fd^lofe er anfänglich mit 
einem Kufe ihren flagenben ZTTunb. Später verfuchte er, 
ihreti (ßebanfengängen nad> 3 ugehen, unb fanb nichts 
barin als eineZPieberfpiegelung ber franfhoftenSymptome 
bes §eitgeiftcs. €r mollte bem IDeib feiner Ciebe gern 
alles geben, mas er für gut fanb, er mollte bies mcifee 
Blatt befchreiben, aber es folltc nur bas barauf ftehen, 
mas er für gut fanb. Unb (ßmenbolin mollte mehr, 
mollte anbercs. Unb fie mollte es luftiger unb leiben- 
fd?aftlid?cr feit jenem Zlbcnb, als er ihr Cugen Dietmars 



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Hummer 39 » 


Sudler auf bas Bett gelegt hatte. Darum'fagte fte aud? 
jeßt ein wenig geregt: „Sage nietet immer: liebes Kinb! 
3 d| bin nun bodf mirflid) fein Kinb mehr!" 

„Du bift mein alles!" ermiberte er h^lich, unb es 
mar gut, baß er nicht bas ungebulbige Zld}fel3ucfcn fah, 
bas fie als Zlntmort für ihn hatte. 


Der Sturm umheulte bas Pfarrhaus non Schöttcichc, 
unb ber Hegen fefflug gegen bic Fünfter. 0 cbc unb 
ftiü lag ber Dorfanger ba, alles brängte fleh in bic 
Jütten 3ufammen. Cucian faß über einer miffenfehaft* 
liefen Arbeit, bie ihm Kopf unb marm machte: 

er fdjrieb eine Streitfdjrift. „Heue protefle", nannte er 
fte, unb wenn er mübe bie 5eber aus ber f?anb legte, 
bann fam er mit einem fronen Cächeln hinüber 3U feiner 
Frau unb begann von bent 3U reben, was ihn bemegte. 
3 m Zlnfang fanb biefe viel 3 n te*effe an feinen fübnen 
(ßebanfengängen. Sie hörte ihm 311 unb machte h^ r 
unb ba einen Einmurf, Einmürfe, bie neue (ßebanfen 
in ihm anregten. Das beglüefte ihn, unb er meinte 
bann, baß er ber glücflidtfte ZHamt fei. Sage alles, 
mas bu benfft, miberfprid] mir, befämpfe mich; es ift 
ein fo tvonniges (Befühl, fchon im uoraus 311 miffen, 
baß ich Sieger bleibe! — 3 a , cr blieb auf biefen (Be* 
bieten natürlich Sieger. (Einmal fagte fte ärgerlich, als 
er alle ihre Einmürfe flar unb verflänblidj miberlegt 
hatte, fo baß fte ihm 3ugeftehcn nutzte, er habe recht: 
„Es ift furdflbar langmeilig für mid}, immer bie Unter» 
Itegenbe 3U fein! Unb es ift gar nidfl ritterlich, baß bu 
mich immer meine 0hnntadfl fühlen lägt!" 

Erftaunt fragte er: „Uber mürbe es bir 5 rcubc 
ntadjen, beinen ZUamt in ben Sanb 311 flreefen?" 

„ZDarum nicht?" fagte fte leichthin. Er flufcte einen 
Zlugcnblicf, aber bann vergaß er es fd]nell micbcr. 

< 5 um IDeihnachtsfeft follten bie alten ZITonnanns nach 
Schöneidje fomnten. Cucian freute ftch mie ein Kinb 
auf biefes 5eft unb fanb itod) <3eit 3U bräunten, in 
betten ihm bas nächftjährige 5eft noch golbtger er» 
fchien. ZHamfell ZUine hatte troß Schnecfturm unb 
IDinterfältc bas I}aus vom Keller bis 311m Hoben mit 
ber ZHagb genteinfam rein gemacht unb bann bie fdjönftcn 
Stollen unb Sternchen gebaefen. Zluch für bie Zlrmut 
mürbe liebevoll geforgt, unb bas mar vor allem (Bmen* 
bolins Domäne. Sie that es mit Feuereifer, bentt biefe 
Zlrbeit brachte ihr Befricbigung unb <§erflreuung. XDenn 
Cucian feine F*au fo fchalten unb malten fah, behilflich 
Kleiber unb HöcFchen nähen unb Spie^eug einfaufen, 
bann famen alle bangen gmeifel unb Fragen, bie fleh 
in lefeter Seit in feinem fje^en geregt hatten, 3ur Huhe. 
Dann fagte er mohl 3U fleh: mas millft bu, ungebulbiger 
Chor, laß ihr hoch Seit, fleh in biefer anbern Welt 31t* 
red]t3uflnben, bic mahrlich meber fdfledfler noch Heiner 
ift, als bie, in ber fte früher lebte. 

Cucians Huch mar noch vor bem Feft erfdflenen. 
Es hatte allgemeines Uuffchcn erregt. Piel freubige 
Suftintntung mar ihm entgegengebracht, tnand] ehrenber 
IPiberfpruch. Er legte alle bie Strcitfchriftcn unb Sa* 
flimmungsberidfle eines Zlbcnbs vor feine Frau lachenb 
hin unbrief: „Hunfprtchbu bas IcßteZPort, liebe Frau." 


Sie fah gerabe heute abenb bc3aubernb aus. Das 
meichc, bunfelrote £)ausfleib ftanb vortrefflich 3U ihrem 
feinen, bleichen (Beflcht. Sie legte bie ^anbarbeit 3ur 
Seite unb griff nach ben Büchern unb Brofdfliren. 

„Du bift mit einem Schlag berühmt gemorben. Dein 
Ephorus fagte es mir geftern fchon mit einem (ßemifch 
von Stol3 unb Heib. Er nannte bich fogar ben fomnten* 
ben ZTCann." 

„Zieh, laß hoch, er hatte immer bie Ungemohnheit, 3U 
übertreiben! ZTlir fommt es ja nur barauf an, meine 
lebensfreubige, lebenbejahenbe Zlnfchauung in bie XPelt 
hinein3utragen! 3^ möchte allen rnüben, ver3meifelten 

Seelen bie Cufl am Kampf beibringen! 3 ^h möchte 
ihnen Har machen, baß man nicht ver3tveifcln foll, menn 
bie XPirflichfeit ben ZTlaßcn bes (Buten, ZPahren unb 
Sd]önen nicht flanbhält, bie mir an fle legen. Hein, 
ein Zlnfporn follte es uns merben 3U mannhaftem Streben 
unb mutvoller Zlrbeit. ZUan überfdjäßt viel 3U fehr ben 
Frieben unb bie Buhe! ZUan fleht bas Ceib von gan3 
falfchen (Beflchtspunften an, bas Ceib, biefen michtigflen 
Faftor in unferes Herrgotts ZPeltmirtfchaft! ZHan hat 
feine Cufl am Kampf mehr, man hot vergeffen, baß 
mir von einem (Befehlest von Drachentötern abflammen." 

„ 3 a, ja," fagte (Bmenbolin, „aber meißt bu, mas 
ich immer benfen muß? Zllles, mas bu ba fagfl unb 
mas bu gefchrieben hafl, flnb nicht bie 3&cen eines 
d^rifllichen Pfarrers! Du bifl ja gar fein Eh r 'fl mehr! 
Hein, nein, nidfl bas ift (Chriflentum, mas ihr prebigt, 
bu unb bie anbem, bie beinen Stanbpunft teilen. 3 ^h 
habe oft barüber nachgebadfl. 3h r rebet von bem 
Heid] (Bottes inmenbig in eud)! 0 , cs fommt nicht in 
euch unb beflcht auch nicht außer euch in bem Sinn, 
mie cs bie erflen Ehriflen meinten unb erhofften. Unb 
cs fann nie fomnten, meil alle (Brunbbcbingungen fehlen! 
Es macht mich fo ungebulbig, menn ich ZUänner fold]c 
vergeblid^e XPaffeitgänge gehen feho." 

Cucian fah fpradflos auf bie erregte F^au. 

„Das fagfl bu mir?" rief er bann nach einer ZDcilc. 

„IPunbcrft bu bid) barüber?" 

^3<i? glaubte, bu verflänbefl mid)!" 

„ 3 d? habe bich verflanben. Es ifl mir mit UTacht 
Har gemorben, baß ich nicht imflanbe bin, an bic Er* 
folge beiner fchmächlichenPernüttlungsverfuche 3U glauben, 
eine vorgefchrittcne IPelt auf alte ^}been 3urücf3ufd?rauben! 
Die pietät, bie barin 3unt Kusbrucf fommt, rührt mich; 
id] fühle, bu meinft cs ebel, aber bu greiffl 3U falfchen 
ZTTitteln! Haue etmas Heues! Du fliefft nur neue 
Cappen auf alte Kleiber!" 

„Zllfo bas habe ich erreicht!" rief er bitter. „3d? 
rühre bich! ^Ibcr id] flnbe bid] im Cagcr meiner 
(ßegner!" 

„Heflege mich! Dem Stärferen beuge ich mich mit 
ZPonne!" 

„Unb fo mollen mir H>eihnachten feiern?" 

„IDir flnb müitbigc ZUenfchen! ZDir fönnen uns un¬ 
möglich an Eräumcn unb ZHärchen genügen laffen! 
3 ch habe eine §eülang crnftlich verfucht, beine Zt>ege 
3U gehen. 3^? ^ a nn es nicht. 3^h erftide!" 

„0 (Bmenbolin! ZPas 3ertrümmerfl bu mir ba fo 
unbarnthcr3ig!" rief Cucian fchnter3bcmegt. 


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stummer 39. 


Seite \ 8 \ 3 . 


„21 df," fagte fie unb faltete mit tiefem Seufser bie 
emporgehobenen bjänbe, „ich farm feine 5effel bulbctt, 
feine leibliche unb feine geiftige, ich muß frei fein, wenn 
ich gebeten foll! ©ber ber UTann, ber mich bänbigen 
unb feffeln will, muß wirflich §ett\A\et fein. 3 <h tafel 
3 d? fefye es bir an, bu toillfi mir bas fagen. Unb bann 
wirft bu mir fagen: fei fülle, liebe Stau, um bes Kinbes 
roiHcn! Um bes Kinbes willen! 3 a / was bin ich benn 
eigentlich? 2 Tur UTutter?! 3 ch will mehr fein." 

©r fd^wieg. Was hatte er auch fagen fallen? €r 
nahm nicht einmal feine Sucher non ihrem Cifdj. €r 
ging hinaus, unb feine ©ebanfen fanben feinen 2lusweg, 
feinen Uat. ©r ftanb lange am 5enfter feines ^i^iers 
unb fah auf bie oerfdjneiten Wege ba braunen, ©amt 
fegte er fich an feinen Schreibtifd]. 2lber er fonnte nicht 
arbeiten. ©r oergab ihr in ©ebanfen taufenbmal. 
©r, ber ben UTenfchen bie 5 reube am Kampf prebigeit 
roollte, bachte immer an 5neben. ©r ging in bas €ß* 
3imnter. ©s toar nur für ihn allein gebedt. ,,©ie 5rau 
liegt 31t Sett," beftellte bie UTagb. 2 Tun ftieg 2 lngft 
unb Weh* in fein H c r3. ©r trat in bas Schlaf3immer, 
leife unb behutfam, er legte feine fjanb auf ihre fyeifae 
Stirn. Sie ftieß biefe gute fjanb nicht fort, aber fie 
fanb auch fein Wort bes ©anfes. 

2 lm anbern UTorgen ftanb fie plöglich neben feinem 
Schreibtifch, wo er bie gan3e IXacht gefeffen hatte. Sie 
fah fehr bleich unb franf aus. 

„£ucian, laß mich h eu fe unb morgen unb über* 
morgen, er3toinge feine 2lusfprache! 3d? fann beine 
(Eltern nicht empfangen — toerbet ohne mich fertig. 
3ch will mich toieber nieberlegen, benn ich bin fränfer, 
als bu benfft." 

©r roollte fie umfaffen unb ihr fagen, baß er feine 
2lusfprache ©erlange, er liebe fie, unb bas fei alles! 
©a tokh fie fchaubernb 3urücf unb fanf mit einem leifen 
Sd}iner3ensruf 3ufammen. X}art fchlug ihre Stirn auf 
bie Kante bes Schreibtifches. ©r fprang entfett auf 
unb hab fie empor. ©r bettete fie auf ben ©itoan. 
UTamfell flog 3um 2lr3t, oer3toeifelt, an allen ©liebem 
bebenb. 

Craurige Weihnachten! Vernichtet bie golbigen 
Hoffnungen auf bas Kommcnbe — oerflogen bie fügen 
(Eraumgebanfen! Unheimlich ftiü roar es in bem alten 
Haus. UTamfell empfing am anbern Cag mit rot* 
geweinten 2 lugen bie Küftersleute aus Selbach, bie, 
in roarme pe^e gepaeft, frohgemut im offenen Schlitten 
porfuhren. Cucian begrüßte mit forgenfehwerem 
bie ©Item unb erflärte bem Vater mit ftoefenber Stimme, 
Ä>as fich 3ugctragen, roährenb bie alte 5rau UTorntann 
troftlos inmitten ihrer oielen pafete in UTamfell UTines 
Stübchen faß unb oon biefer fich toieber unb immer 
toieber bie traurige Kunbe oortragen ließ. 

„Wie roar es nur möglich," fchloß fie bie lange 
Heihe oer3toeifelter ©ebanfen, „baß ©ott am Eag oor 
Xt>eihnachten einen fo braoen UTann unb ©iener, roie 
if^ren Sohn Cuciatt, fo hart beftrafen fonnte!" Sonft 
fanb fie immer ein Croftroort, heute roar fie gan3 oer* 
3 ro eifeit. 

„£aß mir ben lieben ©ott aus bem Spiel," rief Küftcr 
ZTTormann ärgerlich. „3<h fagc bir, 3ohanne, nad?gerabe 


fangen mir bie 2lugen an auf3ugehen! Cucian hatte 
Verftanb genug, um 311 roiffen, baß es ©efege giebt 
auch in biefem 5all, bie man ungeftraft nidtf Übertritt! 
Sagte beine felige UTutter nicht immer: toas nügt ber 
Kuh UTusfat? Wenn bu nun ©rüge im Schäbel h a ft, 
toas ich annehmen barf, fo machft bu bir ein ©jempel 
oon biefem Ueifpiel. ©u fannft auch fagen: gleich unb 
gleich gefeilt fich gern, ©a hat er nun feine ©räfht, 
unb bamit hat er ftch eine böfe Suppe eingebroeft, bie 
auch abgefühlt noch fehlest genug aus3ulöffeln fein roirb. 
Uun fyü&t es einfach ftille halten unb abroarten." 

5 rau UTorntann faß gan3 allein in bem großen, 
bätnmerigen Wohn3immer unb fchaute bie oornehme 
(Einrichtung an, als ob fie fie noch nie gefeiten, unb 
troefnete bie heimlichen ©jränen, &enn fie roollte gern 
nach außen heiter erfcheinen, um UTut unb fjoffnung 311 
erroeefen, bie fie felbft nicht hatte! 

ZTTit toehem Vierten hielt £ucian feine Weihnachts* 
prebigt. 3egt fällte er betoeifen, toas es heißt, fein 
eigenes Weh 3urücf3ubrängen unb ein ©ehilfe ber 5reube 
feiner ©emeinbe 3U fein! <£r biß bie <§ähnc aufeittanber 
unb faltete frampfhaft bie £Jänbe, als er in feiner engen 
Safriftei auf* unb abgtng, roährenb burdj bie Kirche 
ber uralte Weihnachtsgefang flang: „Umt finget unb feib 
froh!" — ©ie £iebe! ©ie £iebe, bas ©runbgefeg ber 
Welt? Sollte er wirflich mit einem UTal an biefem 
£eitmotio feines £ebens irre roerben? War benn alles 
nur ein Eraum getoefen? 3 ene frohen (Tage, jene 
feligen Mächte? War es ihm hoch getoefen, als ob fich 
bie Uätfel ber ©wigfeit löften, als er fein Weib 3um 
erftenmal im 2lrm hielt. © nein, fo leicht gab er fich 
nicht gefangen unb fie nicht auf. Uur ZTTut! Xlut un* 
entroegt Hoffen! Unb mit biefen ©ebanfen beftieg er 
bie Kan3el. Küfter UTorntann burfte heute ftol3 auf. 
feinen Sohn fein, unb beshalb ärgerte es ihn, als feine 
5rau in Chränen aufgelöft neben ihm faß. <£r fließ fie 
mit bem (Ellbogen ärgerlich in bie Seite unb fagte: 
„Heule nicht, 3 °hanne, heule nicht! Was foll bas 
©orf oon biefer fjeixlerei benfen! Sie roirb fich er¬ 
holen, bie 5rau Schwiegertochter, fie roirb fich befinnen 
auf ihren Wappenfpruch, auf ben fie ftch immer fo 
oicl 3U gute thun, biefe 2lbeligen." 

2lber 5 *au UTorntann fanb nur fchroer ihre Selbft* 
beherrfchung roieber. Wenn fie hoch nur toenigftens 
einen UTenfdjen gehabt hatte, mit bem fie über biefe 
©inge hätte reben fönnen! ©a roar nur UTamfell 
UTinchett. Was oerftanb bie oon allebcm! 2 luch 
toar UTamfell UTinchen noch oiel faffungslofer als fie 
felbft. ©er 2lr3t hatte auch ein fo merfwürbiges ©eficht 
gemacht unb nur immer oon Huhe unb nochmals Huhe 
gefprochen. Unb fogar oon einer £uftoeränberung! 
So etroas! ©as fannte fie nur als UTittel gegen Keuch* 
huften! ©ine 5*au toar hoch in folchen <§uftänben nir* 
genbs beffer aufgehoben, als baheim bei ihrem UTann! 
Hoch ba3u bei einem, ber fie auf fjänben trug! ©ab 
es benn gar feine oerftänbige 5rau, mit ber fie fich 
über biefe wichtigen ©inge hätte ausfprechen fönnen? 

£ucian ging ftill unb bebrüeft nad] beenbetem ©ottes* 
bietift stoifchen feinen ©Item l}eim über ben befchneiten 
©orfangcr. Seine 23 liefe fuchtcn fdfon oon ferne bie 


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Seite \ 8 \%. 


Hummer 39 * 


bid?t »ergangenen 5 enftcr bes Kranfenjintmers. Kaum 
hörte er auf bie vielen teilnahmsvollen (Srüßc, bie 
man ihm von aßen Seiten für feine franfe 5t*au mit 
heimgab. 

(Traurige Kunbe brachte HTamfell ben £}eimfehrcnben, 
bang 5 ragenben. Die junge 5 rau lag apathifch ba, unb 
ihre Schwäche mar fo groß, baß ber Krjt fogar ben 
Bcfudj Cucians als 5U aufregenb eiitftmeilen unterfagt 
hatte. Das mar nun ein trauriges 5 eftmahl, 3 U 
ftch bie brei HTcitf djen nieberfefeteit. Uls es beenbet 
mar, ging Cucian in fein Stubier3immer. <£r ftanb an 
ber gefchloffenen (Chur, bie 3U bem ehelichen (Semad) 
führte, mie ein Verbannter, unb laufchte, ob nicht menig* 
ftens ein 2ltcni3ug 3U hören märe, ober ein leifer Hagen* 
ber Saut, ber ihn riefe 311 Schüfe unb Croft. Uber 
alles blieb ftill. Da litt es ihn nidtf länger im £}aus, 
er ftieg hinunter in ben Tjof hinter bem ^aus. Dort 
erging er ftch in ber falten, Haren IVinterluft. Hach 
geraumer geit fnarrte bie alte Tjausthür, unb fein Vater 
fam. Cangfam unb 3Ögernb blieb ber Ulte auf ber 
Schnelle jtehen, bann fam er auf ben Sohn 3U. 

Der XVeg mar gatt3 fchmal, ben 3 od]en, ber Knecht, 
am UTorgen gefegt hatte, bamit er 3U ben Ställen ge* 
langen fönne. Hur ba, tr»o bie alte Sinbc ftanb, mar 
ein großer, fchneefreier plafe für bie Vögel, benen 
(ßmenbolin täglich 5 utter ftreute. Sudan mußte bahin 
3urücf gehen, für beibe mar auf bem fchmalen 5ußpfab 
fein plafe. Särmenb flogen bie Vögel in bie bürren 
Ucftc ber Cinbe unb äugten erftaunt hinter auf bie 
Hlänner, bie ihr 5utter 3ertraten. 

„Cucian," begann ber Ulte, ittbem er feine £}anb 
auf bes Pfarrers Schulter legte, „rebe mit beinern 
alten Vater, beffen einiger bu bift unb beffen Stol3 bu 
immer marft. Sage beinern Vater alles! Bif \ bu un* 
glücflich? Unb ber Unfall, ber beine 5 rau betroffen, 
ift es nicht allein? Der (Srunb liegt tiefer? 3 ft ba 
noch etmas, bas erft ans Sicht muß, wenn bie Sache 
gut merben foll? I}aft bu fte beleibigt, beitte allsu fein 
befaitete 5 rau? Hebe nichts! 3 ^ n?eiß fchon! Hein 
— ich miH bxv einmal ben Star ftechen! 3 hr paßt 
nicht 3u einanber! Unb bas ift ihr eher Har gemorben, 
als bir, benn fte liebt bidj nicht fo, mie ein IVeib lieben 
muß, bas feinem UTann mit Schmet*3cn Kinber gebären 
foll. HTit taufenb Schmet*3en! Hid]t nur leiblichen! 
Die feclifd^en fmb nid|t minbere, benn eine 5 *au muß 
ftch felbft verlieren unb auf geben, menn fte (Sattin unb 
2Uutter merben mill. Kannft bu etmas bagegen fagen? 
Hein, nein! Unb bics ift nicht nur ZVahrheit vorn 
fjörenfagen, etma meil es ber paftor von Seebad? bei 
jeber ^ochseit unb jeber Caufc »orlicft, nein, bas ift 
meine erlebte IVeisheit." 

Sudan mollte hinausrufen in bie minterliche ZVelt: 
aber ich liebe fte, unb fte liebt mich beitnoch, benn fte 
mar mein, mein mit Scib unb Seele! Uuch mit ber 
Seele! 

Der alte UTann rebete meiter. „ 5 reube h a tte ich 
nie an beiner XVahh immer meinte ich, ob nicht ein 
Hein meitig X7od^ttut babei int Spiel mar. Htd]t fo ge¬ 
meiner 2}od}mut, orbinärc Streberei — (Sott bemahre, 
bas follte feiner von Kiiftcr UTorinann feinem Sohn 


fagen: (Sroßmattnsfucht! Uber bu hotteft immer einen 
hohen 5lug . . ." 

„Vater, quäle mich nid]t. Sieh, ein UTenfch mirb 
hoch, er entmicfelt ftch, er fommt aud] mit feiner größer 
gemorbenen Bilbung fchließlich über feinen anfänglichen 
Stanb hinaus. HTau mädjft ..." 

„Das meinft bu fo, mein Sohn. Uber beitte (Sc* 
mohnheiten unb beine Unftchten rnu^eln in Küfter 
UTormanns 5 amilie. Die ab3uftreifen, reicht ein HTenfchen* 
leben nicht aus! Deines Vaters (Sroßvater hot einmal 
bie Kühe gehütet! teilte feinem Unbenfen, er mar fo 
brav, mie mir, noch mehr am <£nbe, benn er mar’s, ber 
ben erften Schritt hinauf that, inbent er feinen Sohn 
ein -Ejanbmerf lernen ließ. So ein erfter Schritt mag 
ber fchmerfte fein. Uber beiner 5 rau Vorfahren maren 
feinem bienftbar. Sie hoben ftch 30 (Srafen aus* 
gemachfen. Denfe nach, mein Sohn, über bies unter* 
fchicbliche IVerben. So etmas gleicht ftch nicht leidet 
aus, es gleicht ftch einfach nie aus, es fei benn —" 
l}icr ftoefte Küfter UTorntamt, benn er fdjeute ftch, bas 
noch einmal aus3ufprechen, mas ihm ber eigentliche 
(Srunb alles €lenbs 3U fein fdjicn. „<£s fei benn, beine 
5rau hotte bich geliebt, mie bu fte liebft." 

„Vater, bu fagteft bas fchon einmal mit unbarm* 
hefiger 0 ffenheit! Unb bu millft bas gefehn hoben, 
Vater, unb ich ^hor merfte von allebem nichts?! 3 ^ 
fann es auch jefet nodj nicht glauben, auch nicht, menn 
ihr UTunb es mir fagt. Sie iji franf. Komm, laß uns 
hineingehn. Die UTutter forgt ftch allein in ber oben 
Stube ohne U>cihnachtsfchimmer." 

Ciner hinter bem anbent gingen fte auf bem fchmalen 
5 ußmcg ins Tjaus surücf. Uuf bem Tjausflur begegnete 
ihnen ber Ut*3t, ber Sucian um eine Unterrebung bat. 
Dr. Branbau mar burch mibrige Vcrhältniffe nach 
Schöneiche »erfd?lagen morben. Unfänglidt mar er nur 
mibermillig nach biefem cinfantett Heft gegangen, fdtfieß* 
lieh hotte er ftch fo 3mifdten feinen Bauern unb feinen 
Bergen cingelcbt, baß er ftch nicht mehr bavon trennen 
mochte. <£r mar eine fchlichte Hatur unb nannte bie 
Dinge immer beim rechten Hamen. So mad^te er benn 
and} heute fursett pro3eß. tVährenb Sudan mit bem 
Hiicfen am ^enfter gelehnt ftanb, marf er ftch erfchöpft 
in ben Seffel ant 0 fen unb rief: „Verflucht, lieber 
paftor! Sieber höbe ich 3ehn typhusfranfe Bauern* 
meiber in Behattbluttg, als eine leibeitbe, vornehme 
Dame! Unb nun paffen Sie mal auf, alter 5 reiutb: 
3h** 5rau ift franf, fehr franf, mollen mir mal fagen, 
in manchen StücFen unfurierbar. (Sott im fjimntel, am 
liebften fluchte ich dn Donnermetter! Sagen Sie mal, 
haben Sie ftch mit 3 h*** 5 *ou (Scntahlin ernftlich ver¬ 
uneinigt? Da ftintmt etmas in ben tiefften Cicfett nicht. 
Soll id? 3 hveit einen Hat geben aus treuem I}cr3cn, 
bann trennen Sie ftch räumlich einmal eine «geitlang 
»otteittanber. Können Sic bas entrichten?" 

Pfarrer HTormamt fagte: „ 3 d? banfe 3 hnett, lieber 
Doftor, ich »erflehe Sie. <£rfpareit Sie mir eine Unt* 
mort. Kann ich mit meiner 5 rau ein IVort rebett?" 

„ 3 a , ftcherlid]. Sic merben Sic nicht aufregen! 
X}abett Sie HTut. (Sine folche (Trennung mirft 3umeilcn 
IVttnber. geigen Sie 3 h**cr 5 rau (Sleichmut, meinet* 


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Hummer 39 » 


Seite 18 \ 5 . 




ll 

ßlumen i 

801 

am 

Wege. 

Die Blumen, die am (Liege (tebn, 

SSI 

Sie fürchten keines (Uetters Hot, 

^ Sind [taub- und tturmgebärtet. 

m 

Kein Dröhnen der blitjenden Cüfte, 

Die rauben Blätter lebmiegen (icb nicht, 

I> 

Und peit(cbt der Regen ihr offnes 0e[icbt, 

£ Die grauen Blüten biegen (icb nicht — 


Sie acbten’s wie Segen und neigen es nicht; 

1 Die Blumen, die am (liege (tebn. 


Die Blumen, die am (Hege (tebn, 

* Sind [taub- und [turmgebärtet. 


Sind Itaub- und (turmgebärtet. 

S Ruflatticb, Schafgarben und (Uegewart 


Sie hören des wiehernden Ro((es Ruf, 

H Und Di(teln und baTte Kletten; 

■ 

Des (terbenden Bettlers Klage, 

\fi Starren die einen (teif und leer. 

€in wehes Stöhnen dort und hier, 

Barren die andern reif und (cbwer. 

lljl ■ 

€in Poltern und Joltern von IDen(d) und Cier 

m Die Blumen, die am (Uege (tebn, 

& fe 

Und Cercbengelcbmetter in blauen Röhn — 

jfl Sind (taub- und (turmgebärtet. 

1 

il 

Die Blumen, die am (liege (tebn. 

J^aria Btona. 

- 1 



wegen ©leichgiltigfeit, auch ein wenig ©eringfehäßung; 
an fo etwas erftarfen unb gefunben juweilen biefe Krt 
IDeiberfeelen, aber nichts für ungut, paftor, mir finb 
bie Sammctpatfchen, mit benen man serfprungenc £icv$en 
anpaefen foll, im Kampf mit bent Ccben pcrloren ge¬ 
gangen." 

Dr. Branbau war froh, als er wicber braußen por 
ber £f}ür ftanb. ©r holte tief Ktem unb brumnttc etwas 
pon albernen abligen Kllüren por fid] fyin. Dann ließ 
er fich poh ^anne ZTTefjmgen einen fteifen ©rog brauen. 
Den tranf er fyödjft fdjweigfam 3U fjannerts großem 
Kerger. 

Cucian ging 3U ©wenbolin. Sie lag mit offenen 
Kugen im Bett. Das §er$ frampfte fich ifyn 3ufammen, 
als er fte fo wieberfah- Schöner, wie je 3UPor, mit 
biefern feinen £eibens3ug um ben 21Iunb. 

„Ceibeft bu fehr?" fragte er liebcpoll, ihre fjanb 
ergreifenb. 

Sie 3ucfte leicht 3ufammen bei bem (Eon feiner 
Stimme, mel}t nod) bei feiner Berührung, ©ine ZDeile 
fchwieg fie, bann erwiberte fte leife: „Du leibeft noch 
mehr, Cucian, ich n?eijs &as. 3 ^ fenne bich unb beine 
cjrensenlofe ©üte fo genau. Kd>, ich bin heute nod] fo 
inübe, fo ntübe — aber fontine morgen wieber, ober 
übermorgen, bann will ich beichten, wenn bu es per* 
langft.. Dielleicht weißt bu es aber auch fo fchon. Du 
fannft ja in Seelen lefen." 


©r ftanb auf, unb ehe er ging, rücfte er noch behutfam 
ihre Kiffen suredjt unb fdjob ben (Eifch naher 3unt Bett. 

Kls bie (Ehür fich leife in ben Kngeln fnarrenb hinter 
ihm fchlofe, barg fie ben Kopf in ben Kiffen unb weinte. 
Sie weinte bie hetj^ften (Ehränen ihres Cebens. Bid^t 
beim (Eobe ihres Daters war fie elenber gewefen als 
heute, benn fie hotte fich felbjt Perloren unb fonnte jid] 
nicht wieber ftnben. 

Cange lag fie grübelnb ba, ehe fie Buhe unb Schlaf 
fanb. Km anbern BTorgen, als bie helle IDinterfonne 
burd? bas 5 enfter fchien, erwachte fie erjt. Sie hatte 
lange unb tief gefchlafen, gan3 traumlos. 3 hr Blicf 
fiel auf Cucian, ber, ftill in einem Buch lefenb, neben 
ihrem Bett faß. Sie errötete leicht, fie wagte nicht, fich 
3U rühren, wie in einem Bann lag fte ba. 3 *?* gan3es 
pergangenes Ceben flog blißartig an ihrer Seele por- 
über, ihre fonnige Kinbheit, ihre jtol3e 3 ugenb — unb 
bann — fie fchauberte. 

Cucian fah von feinem Buch auf. Seine treuen 
Kugen blicften poll Ciebe unb Beforgnis. „Du haft fo 
feft gefchlafen, liebe 5raul ©ottlob, nun wirft bu 
bich balb beffer fühlen." 

0 biefe ©üte! XDie machte fie bie ungebulbigl 
Konnte biefer BTann fie benn gar nicht begreifen! 
IDarutu faß er h^r, ihren Sdjlaf 3U behüten? XDarunt 
Siirnte er nicht? Was würbe einer thun müffen, um 
biefen BTann in XDut 3U bringen? 


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Seite \ 8 \ 6 . 


Stummer 39 « 


„StTir ift beffcr, ich benfe, Dr. Kranbau wirb nicht nod} nach 3 ahren cntpfanb ©wenbolin bas peinliche 

mehr oft 3U fommen Brauchen, unb bas ift gut, benn biefer Situation. Sie würgte wortlos ein wenig STtilch 

er ift ein unangenehmer Sltamt." unb einige Riffen Semmel hinunter. <£r fdjob ihr alles 

£ucian überhörte bie leßten IDorte unb flingelte ber fo bequem wie möglich 3urecht. 'Dann richtete jie fich 
StTamfell. Diefe fam ftrahlcnb in freubiger XDidjtigfeit plößlich auf. 

mit bem 5rühftücf herein. Cräumenb fah ©wenbolin „3d? fann nicht mehr, ich fann nicht mehr," ftöhnte 

3U, wie fte einen größeren Cifch mit £ucians fjilfe h er ‘ fte. „ 3 ch bitte bich, verfiel^ hoch, was ich entpftnbe!" 
beifchob unb alles 3icrlich orbnete. 5 rifd?e STKlch unb Unb er antwortete bebenb, aber mit feiner gansen 

IDeißbrot, fjonig, 5 efttagsfuchen, Kaffee für £ucian, unb großen £iebe für biefe fchöne, feine 5 rau: „ 3 d? nerftehe 

fte machte alles fo fünf unb geräufchlos. manchmal bid> ja, weiß, baß bu elenb bift. Sei fülle, fei ruhig, 

lächelte fte ftumm unb 3eigte babei mit ben Slugen auf mein Ciebling. Sobalb bu fräftig genug bift, follft bu 

£ucian, ber 3ttnt 5 enfter hinausfah* Dabei brüefte fte reifen, hinaus in bie XX>clt. Das wirb bich 3erftreuen 

beibe fjänbe auf ihr S)er3, als wolle fte ©menbolin be* unb" — es wttrbe ihm fo fauer, weiter 31t rebett — „unb 

greif lieh machen, baß bas feine faft gebroden wäre — aber wenn bu genug gefehlt haft non beiner IDelt, bann 

nun fei alles wieber gut! Dann frühftücften fte 3m fommft bu wieber l^.int in unfer ftilles I?aus." 

fammen. <£s war ein nterfwürbiges Beginnen, unb (^ortfefcung folgt.) 

—.tp 

Die hygienisch zulässigen Grenzen des Jllkoholgenusses. 

Don Dr. Carl Dirchow (Charlottenburg)» 

2luf bie fchäblichen IDirfungen bes übermäßigen nicht Kchnlich ift ber Derbrauch non Branntwein in $ranf* 

nur, fonbern auch bes mäßigen (ßenuffes von alfoholifchen reich un$ Cnglanb, ber Derbrauch non Bier in Cnglanb, 

©etränfen ift in ihrem gan3en Umfang bie öffentliche mährenb in ^ranfreich bas Bier vornehmlich burd> XDetn 

Slufmerffantfeit vornehmlich erft burch bie Chätigfeit ber mit einem Durchfchnittsnerbrauch non J02 £iter auf 

Dereine gegen ben mißbrauch geiftiger ©etränfe gelenft ben Kopf erfefct wirb. 

tnorben. Unb biefe wieber ftüßt ftch auf bie wiffen* Der enorme Derbrauch non alfoholifdjen ©etränfen 

fchaftlichen Arbeiten unb ©utachten einer Steihe h crr> or« unb bie Derbreitung bes Sllfoholgenuffes über ben ga^ett 
ragenber 5achgclehrter. ©rbfreis, fowie bie uralte Befanntfchaft bes Ulenfchen 

SHan unterfcheibet nach beut pro3entgehati an Sllfohol mit ben alfoholifchen ©etränfen haben feit einer Steitje 

wefentlich brei Slrten non alfoholifchen ©etränfen: non 3 ah*en bie Deranlaffung gegeben, ben ©rünben 

Branntwein (bejtillierte ©etränfe), IDein unb Bier, biefer außerorbentlichen Beliebtheit nadföuforfchen, bie 

Unb auch in ber Staüfüf werben fte immer auseinanber* troß ber großen Schäben für förperlidhe unb geiftige 

gehalten. 2lls wichtigftes Kriterium bes günftigen ober ©efunbheit, fowie öffentliche Sicherheit unb fittliche 

ungünftigen Standes ber Sllfoholfrage (bes Klfoholismus) £ebensauffaffung ftetig im IDadjfen begriffen waren, 

eines £anbes wirb faft ausfdjließlich ber Konfum an Die wefentlichften biefer ©rünbe ftnb: \. bie mate* 

Branntwein betrachtet, weil, wie man meiftens an3U* rielle Slot weiter Dolfsfreife unb ber ©laube an ben 

nehmen pflegt, bie fchwerften, bem Sllfoholgenuß ent* Sllfohol als ben Stettcr aus ihr; 2. bie alfoholifchen 

fpringenben Derbrechen unb öffentlichen UTißftänbe ihre ©etränfe fommen bem uralten unb tiefeingemur3elten 

lDur3el ber bjauptfadje nach im Branntweingenuß haben. Bebürfnis ber menfehlichen Statur nach Steruenrei3mitteln 

Die folgen bes Branntweingenuffes ftnb befonbers bes* in ausgiebigftcr IDeife entgegen. (XDie ftarf biefer Drang 

halb in bie Stugen fpringenb unb 3U öffentlichen Stö* ift, beweifen unter anberm in charafteriftifcher IDeife bie 

rungen führenb, weil ber Branntwein faft ausfchließlich fogenannten Crinffttten.) 3 . berSUfohol ift burch eine Steihe 

non ben untersten unb befonbers gern 3U Slusfchreitungen wiffenfdjaftUcher 2 lrbeiten als Stährftoff charafteriftert wor* 

neigenben Benölfcrungsflaffen fonfumiert wirb, weil er ben, allerbings unter gan3 beftimmten Cinfchränfungen; 

ferner auf bie ©efunbheit viel fdjäbltcher einwirfenbe ber Klfohol ftnbet in ber 3 nbuftrie weiteftgehenbe Der* 
Stoffe enthält, als IDein unb Bier, in erfter £tnie 3U wenbung; 5 . ber Sllfohol unb bie alfoholartigen ©etränfe 

erwähnen ift ber Kmylalfohol. Crofebem fönnen auch ftnb ©bjeftc non bebeutenber Steuerfraft für ben Staat, 

in hYStenifcher Be3iehung aus bem IDein* unb Biergenuß 3 nt Derlauf ber nachfolgenben Befprechungen wirb, 
minbeftens ebenfo große Schäben ftch ergeben, weil ber foweit fte allgemeiner Statur ftnb, fchlechtweg non Sllfohol 

mißbrauch in gewiffen Kreifen ber fogenannten gebil* gefprochen, wie es allgemein Sitte ift, obwohl ja ber 211 * 

beten ©efellfchaft infolge beren günftigerer Dermögens* fohol als chemifch reine Subftan3 niemals in $rage fomntt. 

läge unverhältnismäßig viel größer ift. <£s mögen Der 2llfoholgehalt ber 3um Konfum nerwenbeten 
einige auf ben Konfum Be3ug nehmenbe fahlen h' cr ©etränfe ftellt ftch in runben <§ahlen folgenbermaßen: 

plafe ftnben. <£s würben verbraucht in Deutfchlanb: <£s enthält im £iter ©ramm 2 llfohol 

J888 \899 £agerbier 20 — 58 ©räumt 

an Branntwein 2 J 95300000 £iter 2^^6000000 £iter porter unb 2 lle — 98 „ 

an Bier ^691500000 £iter 69 ^ 9 °ÖO^O £iter IDeiß* unb Hotwein 78 — 80 „ 

bas heißt pro Kopf ber Benölferung: Sübliche IDeine 80 — \70 „ 

\888 I899 Branntweine unb £iföre 200—^00 „ 

an Branntwein ^,5 £iter \,2 £iter IDenn an biefer Stelle ber Derfuch gemacht werben 

an Bier 97,5 £iter ^ 2^,9 C^er. foll, bie ^vgienifeh 3nläfftgcn (Stengen bes 2 llfohob 


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Hummer 59 * 


Seite ^ 8 \ 7 < 


ccnußes fcft3ufteüen, fo geht aus tiefer Befchrättfung 
fchon an unb für ßch h cr Por, was aus ber Betrachtung 
aussufcheiben hat. 3 eber übermäßige Alfofjolgenuß 
wirb non jebem wahrhaft gebilbeten Volfsfreunb felbß* 
perftänblidj ßets aufs energifdße befämpft werben. Die 
5 oIgen bes übermäßigen Alfoholgenußes ftnb: bie wich* 
tigften ©rgane, Bieren, f}er3, £eber, HTagen unb in 
befonbers auffälliger EVeife bas Sentralnerpenfyßem 
unb bie peripheren Herpenenbigungen fönnen mehr 
ober weniger erfranfen. Beim ©etßm äußert ßch bies 
unter allen Umftänben in ber Abnahme bes 3 ntellefts, 
unb biefe tritt bem £aien in perfdßebener EVeife, unter 
anberm als 3unehmenbe Kritifloßgfeit, Selbßtäufchung 
unb ©ebächtnisfchwädje entgegen. Hun iß ber ©rab 
ber Erfranfung inbioibuell fehr perfdßeben, aber auch 
bie wißenfchaftliche Außaßung über beffen jebesmaligen 
Umfang feine einheitliche unb feft abgefdßoßene. 

Daher fah man ftch Wort feit längerer Seit por bie 
5rage geftellt: tpas hot man 3U tpählen, ElTäßigfeit im 
Alfoholgenuß ober gän3liche (Enthaltung? 

Die Entfcheibung iß pon großer EVichtigfeit, ba 
neben ber ©efunbheit ungeheure materielle 3ntereßen — 
bie piele ETTillionen repräfentierenben ©ärungsgewerbe — 
unb alte, liebgetporbene ©ewofjnheiten auf bem Spiel 
ßehen, benen ber ©efeßgeber bas £ebenslicht attsblafen 
Könnte. Unterwerfen wir 3unächß bie Berechtigung bes 
Stanbpunfts ber Enthaltfamfeit ober, wie man 3U fagen 
pßegt, ber „abfoluten Abßinen3" einer Kritif. 

Die 2lbßinen3ler behaupten, baß ber Alfohol 3U ben 
ßärfßen E}er3* unb Herpengiften gehöre, baß baher fchon 
bie fleinften UTengen, wenn auch oft anfangs unmerflich, 
WäbHch wirfen. Dies fei in erßer £inie burch feinen 
pcrberblichen Einßuß auf ben finblidjen (Organismus, 
ferner aber auch auf den oort Erwadßenen unb 3war 
nicht nur pon folchen, bie nicht an alfoholifdje ©etränfe 
gewohnt feien, fonbem auch pon mäßigen (Erinfern 
fonßatiert worben. Sie behaupten baher, baß bie ©e* 
fahr pon ©efunbheitsfchäbigungen, bie ber fogenannte 
mäßige Alfoholgenuß enthalte, piel größer fei, als bie 
aus unmäßigem ©enuß entftehenbe, weil leßtcrer, burch 
feine folgen unmittelbar in bie Augen fpringenb, fchncll 
unb erfolgreich befämpft werben Könne, währenb ber 
erßere ben Alfohol unpermerft als fdßeichenbes ©ift 
bem Körper 3uführe unb fomit bie UTöglichfeit einer 
Teilung ausfdßieße ober minbeftens fehr erfchwere. 

Was hier befonbers interefßert, iß bie Außaßung, 
bie bie Abßinen3lcr pon bem Begriff bes mäßigen 
Alfoholgenußes haben. Einerfeits behaupten ße, ber 
Begriff fei bel?nbar, weil er nach dem perfönlichen Er* 
nteffen bes Ein3elnen wechsle, anbrerfeits höbe ein 
(Erinfer nicht bie moralifche Kraft, beftimmte ©ren3en 
bes Alfoholgenußes inne3uhalten. Beibes iß nur fehr 
bebingungsweife richtig. Ein wefentlicher 5 clßer in ber 
Argumentation ber Abftinen3ler ift nämlich ber, baß ße 
bas Darlehen pon folchen bereit notorifch mäßigen 
Crinfern (bie Deßnition bes Begriffes erfolgt nachher) 
nicht berücfßchtigen, bie burch unmäßigen Alfoholgenuß 
in früheren 3 ah rcn erfran!ten. Solche perfonen fdjeiben 
natürlich als nicht mehr normal aus unferer Betrachtung 
aus. Hur jene burchaus normalen mäßigen Printer 
ftnb als paffenbe Beifpiele für bie Entfcheibung über 
fcie Sdjäblichfeit ober Unfchäblichfeit beßimmt begren3ter 
2llfoholmengen perwertbar, bie 3eitlebens über ein be* 
ftimmtes, als rmfchäblidf erfanntes UTaß im Alfohol¬ 
genuß nicht Ißnausgcgangen ßnb. Es giebt 3ahlreiche 
23 eifpiele pon cin3elnen perfonen, fowie ©efellfchafts* 


Haßen, bie troß regelmäßigen Alfoholgenußes burdjaus 
mäßig leben. So f arm man 3um Beifpiel häußg be¬ 
obachten, baß EVeinbauern äußerß nüchtern leben unb, 
ßch mit einem geringen Quantum EVein auf ben (Eag 
begnügenb, ein hohes Alter erreichen. EVenn bie 
2ibftinen3ler behaupten, baß bie EVirfungen ber poü* 
ftänbigen Enthaltung fehr günftige feien, fo baß 3um 
Beifpiel allgemein bie abftinenten Arbeiter bie nicht 
abßinenten an Cüdßigfeit übertreßen, fo fann bas nicht 
wunbemehmen, ba gerabe pon feiten ber Arbeiter (3um 
Beifpiel in fehr bebenHichem ©rab in ben Bergwerfen) 
ber fo außerorbentlich fdjäbliche fufelhaltige Branntwein 
unb meift über bie ©ren3en bes Bebürfnißes hmous 
genoßen wirb. Der Beweis iß aber nicht erbracht, baß 
pollfommene Enthaltfamfeit in biefem $all erforberlidf 
ift, um bie gleichen IVirfungen 3U er3ielen. EVas bie 
burch freie Vereinbarung eingeführte Abßinen3 ber Berg* 
ßeiger, Habfahrer unb anberer Sporttreibenber anbetrifft, 
fo bürfte ihre Berechtigung barin ihre Erflärung ßnben, 
baß bei biefen (Ehätigfeiten bas X}er3 ohnebies ßarf be* 
anfprucht iß, unb baß ße abfolute Hüchtemheit unb 
©eißesflarheit perlangen. Be3Üglich ber burchfchnittlich 
großen Enthalßamfeit ber 5 rau bem Alfohol gegenüber 
iß 3U bemerfen, baß ße einerfeits auch nicht ohne Be- 
bürfnis nach Herpenre^mitteln iß (ihr Spe3ißfum iß 
pornehmlich ber Kaßee), baß anbrerfeits aber ihre Körper¬ 
lichen £eißungen wefentlieh hinter benen bes HTannes 
3urücfßehen unb baß ber bamit perbunbenen geringeren 
Hahrungsaufnahme auch ein geringeres Bebürfnis nach 
Herpenrei3mitteln entfpridß. 

< 3 um Schluß fei bemerft, baß bie giftigen Eigen- 
fchaften bes Alfohols nicht im entfernteßen mit jenen 
ber ftarfen pßan3en*, (Eier* unb HTineralgifte 3U per¬ 
gleichen ßnb, ba leßtere fchon in ben fleinßen Dofen 
unb faß pollfommen unabhängig pon ber 3n&wibualität 
lebengefährbenb unb töblich wirfen. 

Der Beweis ber Hotwenbigfeit ber abfoluten Ab* 
ßinen3 für bie Allgemeinheit iß fomit noch nicht erbracht. 

<§ur allgemeinen Ehnraftcrißerung ber Abftinen3ler 
barf man fagen, baß ße burchfchnittlich einfeitig über¬ 
treiben, unb 3war höußg in fehr fanatifchen Ausbrücfen, 
inbem ße pon ben extremen fällen bes Alfoholmißbrauchs 
Bücf* unb Erugfdßüße auf bie 5älle bes mäßigen 
Alfoholgenußes 3iehen, ferner baß ße bie 3ahlreichen 
Schäbigungen, bie bas Kultur* unb Erwerbsleben unb 
ber Kampf ums Dafein mit ßch bringt, auf Koßen bes 
Alfoholismus gering anfdßagen. 

EVir fommen nunmehr 3ur 5 rage bes mäßigen 
Alfoholgenuffes unb 3ur 5 eftßellung ber Umftänbe, unter 
benen ber Alfohol noch feine ©iftmirfungen äußert. 
EVeldje Alfoholmengen fönnen auf einmal unb auf ben 
(Eag unbefchabet ber ©efunbheit genoßen werben, fowie 
welche allgemeinen, bas EVolßbeßnben unb bie ©efunb¬ 
heit förbemben Eigenfchaften beftßt ber Alfohol? 

Der Alfohol iß auf ©runb fogenannter Stoßwedßel- 
perfuche als Hährßoß 3U be3eichnen. Er 3erfällt in ber 
Blutbahn unb in ben ©eweben 311 Kolßenfäure unb 
EDaffer unter Auslöfung pon Spannfräften unb Ent* 
wicflung pon IDärme. Er ähnelt in ber Be3ichung 
ben eigentlichen Hährftoßen, bie ja aud? unter 
Verbrennung Kraft* unb EVärmewirfung ausüben, 
ohne unter allen Umftänben im Körper 3um Anfaß 3U 
fommen. \ ©ramm Alfohol liefert 7 Kalorien (EVärme* 
einheiten) bei feiner Umfeßung im Körper, währenb 
\ ©ramm Eiweiß ^,1, \ ©ramm 5 ctt 9,3 unb \ ©ramm 
Kohlehydrat Kalorien entwicfelt; mithin iß ber Ver- 


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Seite \ 8 \ 8 . 


Kummer 39» 


brennungswert bes TUfohols ein fchr bcbcutenber. 5<*ncr 
fann ber Tllfohol fettfparenb wirfcn, b. h- 5ctt fann int 
Körper 311m Tlnfafe fommen, trenn bei gleichseitigem 
©enuß pon Tllfohol unb 5 ett bie gerfefeung (Der* 
brennung) bes fettes burch bie bes Tllfohols gan3 ober 
teilweife perhinbert wirb. Der Tllfohol wirb pom 
2 TCagen aus fdfnell (innerhalb V4 bis \ Stunbc) refor* 
biert; bie Se*fcfeung in ber Blutbahn ift eine faft roll* 
fontntene (ettra 3U 97 pro3ent). Starfe alfoholifche ©e* 
tränfe, 3. B. Kogna! in größeren Dofen (bis 60 ©ramm), 
befchlcunigen bie 5feifd?rerbauung. (Ebenfo trirb bie 
Verbauung fchtrerrerbaulicher Speifcn, wie gewiffer 
Käfearten, fetter ©cmüfe u. f. tr., burch fonsentrierte 
TUfoholifa (Ciföre), unb 3trar rneift rclatir geringer 
ZITengen, fotrie fohlefäurehaltige alfoholifdje ©etränfe 
wefentlidj geförbert unb. f ,3 n ^ 5 P°^ on ^ bes HTagens 
burch fte perhinbert ober t befeitigt. Hot* unb IVeißwein 
wirfen befdjleunigenb auf bie Nlagenpcrbauung, inbem fte 
eine jtarfe Kbfonberung von HTagenfaft 3ur 5oIge haben. 
Der Tilfohol wirft um fo weniger fdjäblich, je reich¬ 
licher bie ©treiß3ufuhr ber Nahrung ift, ba er bann 
mcniger fchnell reforbiert unb baher nicht in fo fon* 
3entrierter 5orm in bie Blutbahn übergeführt trirb. 
3 n rerbünnter 5 orm (als Bier, leichter tVein) trirft er 
bei mäßigem ©enuß riel fchträcher auf bie ©rgane ein, 
als in fon3entrierter. <Eiweiß3erfaIl unb fettige <£nt* 
artung ber ©etrebe treten bei mäßigem Tllfohotgenuß 
nicht ein. Der ZVärmeperluft, bewirft burch bie <£r* 
Weiterung ber fjautgefäße nach Klfoholgenuß, ift inbiri* 
buell fehr rerfchieben; bas häufige (Erfrieren von ZTCcnfchen 
nach übertriebenem Tllfoholgenuß hat im allgemeinen 
feinen ©runb treniger im XVärmeperluft, als in ber 
burch ben Tllfohol bewirften (Ermübung. 

Die alfoholifchen ©etränfe ftnb nur in engen 
©rcn3en als burftftillenb 3U betrachten, ba fte leicht ben 
Dürft fteigern, tnas befonbers auffällig bei profefftons* 
mäßigen Biertrinfem beobachtet werben famt. IVenn 
fomit ber Biergenuß ©efahrett in ftch birgt, fo fteht 
hoch ber remünftigen Verwertung bes Bieres nichts int 
IVege. Bei einer rationell entworfenen, ftreng logifch 
burchgeführten Diät, wie man fte heutzutage in allen 
Kranfenhäufern, guten priratflinifen unb Sanatorien 
ftnbet, fann bas mäßig genoffene Bier roüfommen als 
Nahrungsmittel in Tlnfchlag gebracht werben, wie sahi¬ 
reiche, 3wecfmäßig angeorbnete unb burchgeführte Stoff* 
wcchfelrerfuche beweifen; in feiner anregenben tVirfung 
fungiert es natürlich auch jeberseit als ©enußmittel. 

Kommen wir nun 3U ben 3uläfftgen NTapmalmengen 
non Klfohol, fo müffen wir einige allgemeine Berner* 
fungen pora usf chief en. ZTTit ber Verbaulichfeit bes 211 * 
fohols, wenn wir biefen Tlusbrud gebrauchen bürfen, 
fteht es ähnlich, wie mit jener ber Nahrungsmittel. Sie 
hängt ab non einer gefunben, fräftigen ©efamtfonfti* 
tution, befonbers ber Verbauungsorgane, ferner ber Ce* 
bensweife unb Bcfchäftigungsart, ber ©efamtemährung, 
fowohl nach Quantität als Qualität, fchließlich aber nont 
Ccbensalter. Durchfchnittlich bürfte 3wifchen bem 20. unb 
^0. Cebensjahr bas NTa^imum ber Tlufnahmef ähigfeit liegen. 
Vor unb nach tiefer Seit ift fte geringer; es hättgt 
bies int erften 5all von bem sarteren Nernenfyftem ber 
3ugenb, im 3weitcn non ber abnehmenben Verbauungs* 
fraft ab. Bei fräftiger (Ernährung (€iwetß3ufuhr) 
eiitcrfeits, bei ftarfer, förperlicher Tlrbeit anbrerfeits wirb 
ein höheres Klfoholquantunt nertragen. <£s werben 


baher bei ber nernünftig lebenben Tlrbeitcrbepölfcrung 
ftch nicht fo leicht aus bem Tllfoholgenuß refultierenbc 
Niißftänbe herausftellen, als bei ben eine jtfeenbe unb 
rein geiftige tEhätigfeit ausübenben Berufsflaffen. <£r* 
fahrungsgemäß fann man 30—^0 ©rantm Klfohol als 
tägiges Durchfchnittsquantum annchmen, entfprechenb 
3wei 5lafd?en Lagerbier ä 4 /io Citer ober eine 5lafchc 
leichten IVeines ä V2 Citer, für fräftige Arbeiter 60 bis 
70 ©ramm Tllfohol in 5 omt alfoholifcher ©etränfe. 

Sunt Schluß erfcheint es 3wecfmäßig, bie wichtigften 
©eftchtspunfte in einigen Säfeen sufantmen3ufaffcn: 

\. Der Begriff mäßiger Crinfer ift beftnierbar uttb 
fann praftifch sum Kusbrucf gebracht werben. <£s giebt 
nicht fchäblid) wirfenbe, allerbings inbinibuell wechfelttbe 
TUfoholmengen. Die widjtigfte Vorausfefeung für ben 
mäßigen Tllfoholgenuß ift bie genaue Kenntnis feiner 
hvgienifch 3uläfftgen ©ren3en, fowie ber eigenen 3u- 
bipibualität unb ber etwaigen franfhaften Veranlagung. 

2 . Der Tllfohol ift, pom phvftofogif djen Stanbpunft 
aus, als Nährftoff fowohl, wie als ©enußftoff (Nerpen* 
rci3inittel) 3U betrachten. tErofebem fann er als ein 
notwenbig 3U unferer (Ernährung gchörenber Stoff nicht 
be3eid>net werben, ba bie. non alters h* r Nahrungs¬ 
mittel geltenben Stoffe nollfommen 3U unferer (Ernährung 
ausreichen, unb ba bie ©ren3en ber ©iftwirfung bes 
Klfohols inbinibuell 3iemlich weite ftnb. 

3. Knbrerfeits liegt fein ©runb nor, non gefunben 

unb erwachfenen perfonen nollfommene (Enthaltung 3U 
nerlangen. IVobl aber ftnb bie hochpr<>3entigen alfoho* 
lifchen ©etränfe nach JTlöglichfeit burch alfoholärmcrc 
3U erfefeen. Kinber bagegen follen alfoholifche ©etränfe 
niemals außer auf ältliche Verorbnung erhalten. Der 
Safe, baß bas Bier bei reichlichem ©enuß biefes Blut 
unb träge macht, ift richtig; auch bewirft es Herz¬ 
erweiterung, wie beifpielsweife bas berüchtigte HTündjncr 
Bierher3 3eigt. am empfehlenswerteren ift 

ein leichter Craubenwein. 

5ür eine Neihe von Kranfheiten ift ber Klfohol 
nicht 3U entbehren. Knberer Knftcht ftnb natürlich bie 
2Xbftinen3ler. 

5 . ©egen bie Kuswüchfe ber (Erinfjttten, befonbers 
ben Crinf3wang, ift cnergifch nor3ugehen. Die Vorliebe 
für bas Ceben in ben Kneipen, befonbers ber fchlcd^t 
pentilierten, beweift hV9^ n iW c un ^ äfthetifche Unbilbung. 

6. Die wichtigften Nüttel, ben Klfoholismus wirffam 3U 
befämpfen, ftnb: Befchaffung guter unb billiger Nah¬ 
rungsmittel, fowie geeigneter ©rfafegetränfe, in erftcr 
Cinie natürlich guten Crinfwaffers, möglichftc Sd^licßung 
ber Schnapsfchättfen, Befchränfung bes XVirtshauslebcns 
burch XVedPung bes Bebürfniffes nach eblerctt Vergnü¬ 
gungen, größtmöglich^ Verbreitung pon hV 9 i ett h^ cn 
unb naturwiffenfchaftlichen Kennhtiffen. 

7. Die abfolute 2lbftinen3 ©rwachfener ift nur in 
beftimmten 2 lusnahmefällen geboten, bie Befchränfung 
bes Klfoholfonfums bei gewiffett ©efellfchaftsflaffen 
nötig, in größeren pripaten fowie öffentlichen Knftaitcn 
unb Betrieben 3wedmäßig unb auch pielfach cingeführt. 

Tiber bie gan3e XVelt in bie «gwangsjaefe ber Tlb* 
ftinen3ler 3U fteefen, ift einerfeits burch bie Hmftänbc nidjt 
geboten, anbrerfeits ber HTeitfchheit unwürbig. 3ebcr 
NTenfch muß 3U folcher geiftigen Neife im hYgtenifchett 
Denfen er3ogen werben, baß er bas NTaß beffen, was 
ihm 3uträglich ift, fennt unb baß er bar nach lebt, llitb 
biefes Siel fann unb wirb erreidjt werben. 




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ttummer 39 - 


Seite (8^. 


flösscrci auf der Xfar. 




ntcr ben Slüffen, bie bie HTaucrn 
beiitfdjer Stabte burd^raufchen, bat 
bie 3 far, bas (Semäffcr ber bavrifchen 
Hauptftabt, ihre befonberc 2 lrt. Bis 
unter bie Brüdenbogen ber Stabt hinein ift fic 
ein milber, blaugriincr Bergftront geblieben, 
fpielenb mit fryftallflaren IDeUchen in mand?cr 
3^i?tes3eit; ein anbermal micber mit 
graugelben XPirbeln bahertofenb, als 
toollte fte bie Ufer oerf dringen. Unb 
in ber ©jat gelang es ihr nor menigen 
3ul^ren noch, 3mei fd?öne neue Brüden 
unt3utr>erfen unb bereu krümmer tbalab* 
märts 3U reißen, obmohl man feit HTcnfchen* 
altern bemüht mar, 
ifyre IDilbheit 3U be* 
fämpfen mit allen 
UTitteln alter unb 
neuer 3 ngenieurfunft, 

3fa Huden trägt 
feine Schiffe, außer 
benen, bie bas Sluß- 
bauamt 3ur Uusfüh* 
rung oon Strombauten 
braucht. Dte einigen 
Sa teeuge, bie ben 
Strom beleben, jtnb 
bie Sloße, bie auf ihm 
aus bem Hochgebirge 
herunterf chmimmen. 

Die 3 farf!(>ßerei ift 
ein altes Derfehrs- 
mittel unb mar meit 
midjtiger für bie Stabt 
ZHündjen oor bem 
Zeitalter ber <£ifen* 
bahnen unb ber guten 
£anbftraßen. 

Die 3 far h<*t ihren 
Urfprung in milben 
Hochgebirgsbächen, 
bie aus ben grauftg 
fchonen Solfenthälem 
bes Karmenbelgebir- 
ges heroorbrechen. Sür 
Stoße fahrbar mirb 
fte bei bem einji oieb 
umfämpften Bergpaß 
ber Scharniß, an ber 
©ren3e non Bayern 
unb Cirol. Die eigent* 

(iche Slößerei aber 
beginnt ein paarStum 
ben meiter ftromab* 
märts, bei bem fchö* 
nen bayrifchen UTarft- 
flieden UTittenmalb. 

Der mar fchon gegen 
bas <£nbe bes UTittel- 
alters ein mkbtiger 
plaß für ben <5ren3* 


Stnholcn eines Baurnftammcs» (Crcui pfcoi). 


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Seite * 820 . 


Hummer 39 



oerfeht- Damals mürben allerhanb XDaren, bie aus 
bem Süben burd? tEirol gebracht morben mären, auf 
5 löße oertaben unb nach Bayern herausgebracht. fjcute 
bient bie Flößerei faft nur mehr bem ^o^gefchäft. Die 
ungeheuren Wal* 
bungen, bie ben 
gan3en ©berlauf 
ber 3far begleiten, 
fonnten Jahrhun* 
berte hwburch gar 
nicht anbers nußbar 
gemacht merben, 
als mittels ber 
5ahrbahn, bie ber 
Strom barbot. Sie 
machte es möglich, 
bie fchlanfen fjoch* 
malbftämme, bie in 
ben einfamenBerg« 
thälern bes (Sveny 
lanbes gemachten 
maren, tynab* 
fch mimmen 3U laf- 
fen nach HTünchen 
unb Canbshut unb 
meiterhin in bie 
Donau, nach £in3 
unb ZDien, fo baß 
mancher biefer 
fchönen Xjodjmalb« 
ftämme in einen 
IDiener ober Bubapefter Dachftuhl eingefügt marb. 

Die 5löße ber 3far merben an ben i}ol3pläßcn bes 
oberen 5tußlaufcs, in ber ©egenb oon OI3, Cenggrics 
unb HTittenmalb 3ufammcngcftcUt. Sie finb immer nur 
fur3 gebaut, aber aus ftarfen Stämmen. 5 ür bie Arbeit 
ber 5tößerei ift in ben grünen langgeftredten ühälern 
bes fogenannten „ 3 f^minfels /y ein ©efchled7t oon Berg* 


Unterhalb der BrossherTeloher Brüche. 


bemohncm he*<M9emachfen, mie es im gan3en 211 pen* 
länb nicht ftattlicher unb fchneibiger gefunben merben 
fann: ZTTänner uon riejiger ©eftalt, mit braunen, 
fehnigcn ©liebem, malerifcher Cracht unb mehen« 

ben Xjahnenfebem 
auf ben Spißhüten. 
<£s fmb jene 2Hen* 
fchen, bie nicht nur 
bie führten 5loß- 
fahrer,fonbern auch 
in allen Kriegen, 
bie Bayern 3U 
führen h a ^/ bie 
uermegenften 
Kämpfer geftellt 
haben. 

Sinb bie 5 löße 
3ufammengefteUt, 
mas megen ber 
ferneren rollenbcn 
Stämme, mit benen 
babei hantiert mer¬ 
ben muß, eine 
feinesmegs gefahr« 
lofe Krbeit ift, ba 
fte im rafch fließen« 
ben IDaffer gethan 
merben muß, fo 
merben fte noch mit 

(£)ofpbot. ®. Stafflet.) ein <* *<>*>»"9 »011 

Brennhol3, Bret* 
tern ober anbcrm Baumaterial uerfehn. ZHanche gehn 
auch ohne £abung, bloß als Bauhof. Km uorberen 
unb am hüteten <£nbe bes 5loßes ift ein rohes, 
mächtiges Stcucrruber befeftigt; an jebem biefer Huber 
fteht einer jener fraftoollen 3 f<ttminfler Bergmenfchen, 
um bas fehmere unb ungefüge däh^eug burdj bie 
tofenben Stromfchnellen 3U lenfen, bie es oft genug 



Btädtifcbe Zentrallände in München bei JMaria-Binriedel. (dräut pbot.) 


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Hummer 59 - 


SeiteJ 82 *. 



DU flosscr von Langemdt und lUnggrUs panieren Cöl z. ((Eraut pI?ot). 


mit einem folgen lDaffcrfd}ti>all überfluten, baß bie 
Cenfer bis an bas Knie in ben IDellen ftcljn. 

paffagiere rnerben auf ben flögen feltener; biefe 
21rt bes Reifens ift 3U naß für bie uertDÖfynte ZTTenfc^* 
fyeit gemorben. (Efyebem fonntc man uon 2 Tiünd?cn bis 
ibien um uier (Sulben auf bem 5 loß fahren, mußte 
aber unter Umftänbcn felbft mitfyelfcn, bas 5foß flott* 
3umacben, tt>enn cs fid? etwa auf einer Kicsbanf feft* 


gefahren fjattc. ®as fann um fo leichter, trofe ber 
(Eüd]tigfeit ber 5 teuerlcute, gcfdjcljn, ba bas ^afyrmajfer 
bes Stromes fid? beftänbig änbert, I}ic unb ba fät>rt 
nod] ein armer Ceufel mit, bem bas (Selb für anberes 
Seifen ausging, ober ein paar luftige Stubcnten, benen 
es Spaß madjt, ftd? oon 3 f artt> ollen ein paar Stunbcn 
lang übcrfpriifym 3U laffen. ®ie liebften 5ol?rgüfte finb 
ben Flößern ihre fdjmucfen Canbsmänninnen, bie man nod* 


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Hummer 39 


als tDurfgefdjoß in weitem 
Sogen ans Ufer faufcn. Die 
Kleinen aber freuen jtch unb 
3iefyen mit ihrer Beute oer- 
gnügt nach fjaufe. 

Dor wenigen 3afyr* 
3ehnten noch gingen oiele 
5löße burdj UTündjen I?in- 
burch, unb es war für 
bie Spa3iergänger auf ben 
UTünd|ner Brüden ein 
lanbesübliches Vergnügen, 
bas Knlanben ber unge- 
fügen fjo^fa^euge 3U be¬ 
trachten. 

3efet ijt ber Canbe- 
plafe etwa eine Stunbe 
oberhalb UTünchens. Da 
fann man auf breiten 
Kiesbänfen 3wifchen ben 
hohen, bewalbeten Strom¬ 
ufern bas Treiben ber 
5lößer unb bas (Enbe ber 
5 töße mit anfehn. Die left- 
teren werben auseinanber- 
gcbrochen, bie ein3elnen 
Stämme werben burch oor- 
gefpannte pferbe auf ben 
Kies httausgefdpeift unb 
auf XDagen oerlaben. 

Dann oerfdjwinben bie 
Säume in ben uner- 
fättlichen Bachen ber UTün- 
chner Sägemühlen, unb 
ftatt bes raufdjenben Serg- 


Seite 1822 . 

Siemlich häuft* auf ben 
flößen fleht: bergfrifche UTä- 
bei in malerifcher Canbcs- 
tracht, etwas ängftlich auf 
ben Sretterftoß Ipuge- 
fdjmiegt, ber einen er¬ 
höhten, etwas trodenerim 
plafe 3U ftchern oermag. 
UTanchmal finb’s auch gan3e 
Dereine ober ^od^eitsge- 
fellfchaften, bie mit UTuftf 
unb wehenben Jahnen fich 
auf mehreren flößen oon 
IDolfratshaufen ober oon 
(E0I3 nach UTünchen hiuab- 
fchwemmeri laffen, jauch* 
3enb begrüßt oon ben 
Spa3tergängern am Ufer. 
Das iji bann ein gar fröh- 
liches Ceben, reich an luft¬ 
igen 5u>ifchenfälien aller 
Krt, an Borb bes oft pfeil- 
fchnell bahinfd?ießenben3fat- 
floßes. 

Die Flößer führen ftets 
einen Dorrat oon lofen 
J^ol3fcheiten mit ftd?- Der 
gehört für arme Kinber, 
bie, wenn bie 5loßfahrt im 
(Sange ijt, an ben Ufern 
ftehn, um fjol3 3U erbetteln. 
Schallt bie bittenbe Kinber- 
ftimme über ben 5luß, bann 
ergreift ber Flößer eins 
ber Scheite unb läßt es 


Huf der JMünchner Zentrallände: 
Canbmcifier Oofd? nummeriert & t e Stämme. 
• (Craut pljot.) 


Der Kolzftapelplatz in Hangenedt« (Craut pijot.) 


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stummer 39. 


Seite { 823 . 



8tte ein floss mit rchweren Stämmen beladen wird. (Craui pfjot.) 


trnribs, ber einjt burd} itjre 2 lefie fang unb ifjre bobcit lidicn, raftlos arbeitenben fiifenjaljn, ber üjren fdjönen, 
Wipfel umtDeljte, tjören fte nur metjr ben unermüb* fdjlanfen IDucfys serteilt. p CO f. m. ^ans^ofet. 



t)am enr eitfp ort 

Don Hid?. Schocnbccf, H 7 ajor a. D. 

ITIit 12 pfjotograpfjifäcn Uufnal'mm. 


Dor brei ober rier 3 <*h rc n ben 2lnfd?ein, 

als wem bas 5a^rrab fiegreid? emporfteigenb unb icbcn 
anbern Hemegungsfport überflügelnb, ftd? bie Welt er¬ 
obern mollte, unb bie IDeifen bes 5 ^^rrabfports er¬ 
klärten unummunben, baft bamit bie bisher unbeftrittene 
J^errfdiaft bes pferbes als oornefyuftcs Cu£us* unb 
Sportmittel 3U <£nbe fei. Die <£rfd}einungcn, auf betten 
biefe Knftdjt bafierte, maren allerbings banad) an¬ 
getan, fie nicht unmotiriert erfdjeinen 3U taffen. 
Sie traten gan3 befonbers in Amerika, (Englanb unb 
Frankreich Terror, mo bie (Cattefatls unb Hcitinftitute 
leer ftanben unb beren Sefifeer forgenrolle (ßefichter 
machten, benn riete ihrer Klienten unb pcnfionäre 
traten rom Iebenben Hojj auf bas Statjlrojj geftiegen. 
Diefes jebodj I^at Iängft ben Kulminationspunkt feiner 
Siegeslaufbahn überfdjritten. 3 n befferen (ßefelt- 
fdjaft — menigftens bei uns in Deutfdjlanb — h a * bas 
Fahrrab trotzt nie recht fefien 5uß 3u faffen rermocht, 
unb heute ift bas eble Curuspferb ein ebenfo gefügter 
Krtikel, mie er es ftets gemefen. 

„ZDer nie im HXorgenfonnenIid?t 

Kuf flüdjtgem, Ieidjtbefyuftem pferbe 

Pen tPalb butdjflog — ber kennt fie nidjt, 

Pie !jöd?jie tPonne biefer €rbel" 

(Eaufenbe unb Kbcrtaufenbe ron Heitern merben bie 
ZDafyrfyeit biefer Derfe betätigen. Kber nid}t nur fie, 
fonbern auch bie Dertreterinnen bes fchönen (Sefchlechts, 
benen es rergönnt ift, fid) biefer cbelften alter Sport¬ 
arten Eingehen 311 können, merben bas thun, benn bas 
Heiten ift nicht ausfchliefclich ein Dorredjt ber HTänner, 
mar es 3U keiner Seit! 

Don jeher fyaben fidj auch 5 ^uen 3ur Fortbcmegung 
unb 3um Dergniigcn je nad) Scbiirfnis ber Heitticre be- 


bient. Hur ba§ ehemals rielfach Hotmenbigkeit mar, 
mas heute ein ebenfo angenehmer, mie gefunbheits- 


prinzeffin BUfabetb von Reffen. 

ptjot. t3auwddj. 


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Herzog Karl Cbeodor in Bayern mit feiner familie, 

£)ofpt}ot V. Uittmar. 


förbernber Sport iff. tDagen rnaren bei* 
fpielsmeife im STittelalter bei ber Un¬ 
ebenheit, ja Unergrünblichfeit — auch 
Unpcherheit fönnen mir noch hi^ufügen 
— ber Strogen für längere Seifen auger- 
orbentlich unbequem, oft gerabeju unmöglich 
3u gebrauchen, abgefefjen bavon, bag ihre 
Sauart noch h^chP primitiver Sahir mar. 
Die Damen ber befferen Stänbe mugten 
ihre Seifen beshalb 3U pferbe unter¬ 
nehmen, unb ba pe unter bem Diagonal¬ 
trab bes pferbes arg 3U leiben hatten — 
auch bie Damenfättel maren 3U jener Seit 
recht mangelhaft — brefperte man 3U ihrer 
(Erleichterung ben Damenpfcrben, Seltern, 
eine fünftliche (Sangart, ben „pag" an, 
bei bem ftatt ber biagonalen bormärts* 
bemegung ber vorberen unb hinteren (Slieb- 
magen bes pferbes pe [ich gleichfcitig vor- 
märtsbemegten, momit, .gleich mie bei bem 
Kamel, eine 3mar etmas fchmanfenbe, aber 
ungleich fanftere unb baher für lange 
Couren bequemere (Sangart er3ielt mürbe. 

Dag bie Seiterin übrigens auch fchon in 



mug, geht aus ber grogen Salp *>on roffe- 
tummelnben grauen hervor, von benen uns 
Dichtung unb Sage 3U berichten miffen. 
So 3ogen, mie er3ählt mirb, um bie Siitte 
bes \2. 3ah r h ur| berts breihunbert tapfere 
3 ungfrauen mohlberitten mit Kaifer 
Konrabs Kreu3heer ins h c iÜG c £anb, unb 
auch im 5rieben thaten pch beutfehe 5rauen 
oft genug in biefer chcvaleresfen Kung 
hervor. (Sem begleiteten pe ihren fyren 
unb (Sebieter auf bie fjafc von Iprfch unb 
(Eber; als gan3 befonberen Sport aber 
betrieben pe bie Seiherbei3e mit bem Ralfen. 
5 reilich nicht immer mit (Slücf: beibe 
(Semahlinnen Kaifer Slajimilians, Slaria 
von Surgunb unb Blanfa Sfor3a, verloren 
babei burch Stur3 vom pferb ihr Ceben, 
ebenfo erlitt Katharina von STcbici babei 
3meimal bebeutenbe Verlegungen. 

Xüas ben tyut üblichen Querpfe ber 
Damen betrifft, fo fcheint er vor bem 
\2 . 3 a hrh u nbert nur ausnahmsmeife an* 
gemenbet morben 3U fein. Xüir haben 
allerbings feine Sachridpen barüber, mie 


6rzberzogin GUfabetb, 

5nrfHn IVinbif djgrajj. 



ben bem 21 TittclaIter voraufgehenben 3 a hr* 
hunberten etmas (Scmöhnlichcs gerne)en fein 


bie 5rauen bes Altertums 311 pferbe fagen; 
mir miffen nichts bavon, meber von 


Dfe Zarin. 


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Charlotte Srbprinzeffin von SadTfen-J'Ielmngen (pbotoiltafhratum §ans ^ranfc & <Zo.). 


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Kummer 39. 

Semiramis, noch 2 )ibo, 
Cloelia, ber perpfdjen 
Königin Hhoboguna, 
nobia, Cäfonia, ben 
grauen bes Caligula, 
fjiera, ber fdjönen 
ZTTypcrin, ben grauen 
paläftinas u. f. it>. Zimi* 
anus HTarfeUinus fdjeint 
an3ubeuten, baß bie 
5rauen nur auf einer 
Seite bes pferbcs, fo toie 
heute, gefeffen traben; 
inbeffen ip es toahr* 
fchcinlich, baß in früheren 
Seiten bes ZUtertums 
bie 5tauen nach HTänner* 
art 3U pferbe faßen. (Es 
beißt, baß Zinna, bie 
Codper eines böhmifdfen 
Königs, angef angen habe, 
pch eines (Querfattels 3U 
bebienen, unb baß beffen 
Gebrauch bann feljr 
allmählich nach ©eutfeh* 
lanb unb Züefteuropa 
überging. Hoch im \ 3 . 
3abrbunbcrt fcheint er 
nun hier unb ba als 
oornehme Sitte gern 
aufgenommen unb erft 
im 1^. 3at}rbunbert all¬ 
gemeiner gemorben 3U 
fein. (Ein englipher Chro« 
nip 3ur &e\t Hidjarbs II. 


Seite 1825 . 

er3äblt/ baß bie bamaligen 
(Ebelbamcn hohe HTüfeen 
unb bjüte unb Hoben 
mit langer Schleppe 3U 
pferbe trugen unb pcb 
nach bem Seifpiel ber 
Königin Zinna, bie biefe 
HTobe 3uerft in (Englanb 
einführte, bes Seiten« 
fattels bebienten; „ benn 
oorbem ritten grauen 
jeglichen Stanbes, gleich* 
toie bie HTänner ppegen". 
©er oon Zinna unb 
ihren Nachfolgerinnen ge* 
brauchte Sattel toar übri* 
gens nur ein einfad^es 
Heitfiffen, auf bem man 
mie auf einem Stuhl faß, 
toobei es bie höpfdje 
Ziegel oerlangte, baß bie 
Heiterin bas (ßepdp gegen 
ben Kopf bes Cieres 
fehrte. 3 « biefem Sife, 
ber ebenfo unpeher toie 
unbequem, für bie 5üh' 
rung bes pferbes unge* 
eignet mar, fehentDir3.Z3. 
auf einem alten Kupfer* 
pid? bie neun3ebnjäbrige 
(ßemabün bes großenKur* 
fürpen £uife Henriette oon 
©ranien abgebilbet. 

Uebrigens h a * biefes 
©amenreiten, „ gleidjtoie 


Die Kaiferin. 






























Seite \ 826 . 


Hummer 39 * 





die UTänner pflegen", fleh, rnic aus Abbildungen mannig¬ 
facher Art 3U erfehn ift, tcilmcife noch bis um die 27 Iittc 
des ad^ehnten Jahrhunderts erbalten, Bcmeis genug, 
daß diefe Sitte vor dem Zartgefühl auch einer oorge* 
fchritteneren geit ftand3uhalten oermochte. So ift 3. B. 
die prin3effm Kunigunde 511 Sachfen in diefer lüeife im 
Schloß 3U KobIen3 abgebildet, und auch die prit^effln 
5riederife Sophie Xüilhelmine von preußen fehn mir 
auf einem alten Kupferftid] im fjerrenfattel. 

(Es ift gan3 3meifellos, daß der Damcnrcitfport in 
neufler Seit immer mehr an Anhang geminnt, gan5 
befonders in den h^h crcu und höchften Ständen. 
Das (Erfdjeinen der Kaiferin bei den paraderi 51t Pferde 
in dem fleidfamen Koftüm ihres Küraffierregiments, eine 
bisher gan3 ungemohntc Sitte, entfeffclt ftets ein wahres 
<Ent3Ücfen bei dem publifum. Aud? die Kaiferin Friedrich/ 
die hier und da in der Uniform ihres fjufarenregiments 
bei paraden erfchien, mar eine t>or3Ügliche Heiterin, 
ebenfo wie ihre Cochter, die £rbprin3efjtn dbarlotte 
oon SachfemUTciningen. Dabei fann es denn nicht aus* 
bleiben, baß piele Damen der haften find hoben Stände 
dem gegebenen Beifpiel mit Vergnügen folgen. 

Allerdings find dem Heitfport der Damenwelt, was 
feine Ausbreitung betrifft, <ßren3 en gezogen, denn 
der Koflenpunft fpielt 
dabei eine nicht unwesent¬ 
liche Holle, ebenfo wie 
die geiftige und förper* 
liehe Befähigung, die 
5igur und das Caftge* 
fühl der Dame, alfo die 
Aeflhetif — und 3mar in 
weit höherem HIaß, als 
bei den Herren. IDenn 
eine Dame nicht gan3 
einwanbsfrei reitet und 
dabei eine in 5igur, 

Haltung und Kleidung 
tadellofe (Erfcheinung 3U 

Kronprinzeffin JMarie von Rumänien. 


Pferde bildet, fo ifl 
fie dem unüebfamen 
Urteil despublifutns, 
das vielfach inftinftio 
das nichtige trifft, 


gefährlidj märe. 5in* 
det fich jedod] alles bei* 
fantmen, ein gutes Pferd, 
eine elegante 5igur mit 
grasiöfer Haltung, eine 
fidlere ^ügclführung, 
die jedes Aengftlichfeits* 
gefühl oermiffen läßt, 
einefdflefe, fportgcrcchte 
Befleidung und ein clc* 
gantes Heitajuftemcnt, 


prinzeffin Hlfons von Bayern. 

fo bildet fie unter allen 
Umftänden eine der fym* 
pathifchten öffentlichen 
(Erfd^citinngen, die man 
fehen fann. Da$u gehört 
allerdings der Seitflß, 
an den fleh das Auge 
gemöhnt hat und der 
and] für die Sid?erheit der 
Amasonc oont cgueftri* 
fchen Standpunft aus 
der midfligfte ift. 

Die £man3ipations* 
beftrebungen der Damen, 
die neuerlich auf foialen (Sebieten und in fo mannigfacher 
Besiebung fleh bemerfbar machen, haben auch Her einen 
Angriffspunft gefunden. Keine geringere als 5 räulcin 
Dr. finita Augspurg hatte im vergangenen Jal]r einen 
für den 2 \eitfit=> der Damen nach Xjerrenart plädierenden 
längeren Artifel im „Berliner Cosalanseiger" oeröffent* 
Iidfl, der die gefamte reitende Damenmelt mit „fdflagen* 
den Argumenten" auf forderte, den üblichen Seitflß auf* 
3ugebcn und reumütig 511 dem antifen fjerrenflß surücT* 
5ufehrcn. Bon einem 
iad^mann aber 
murdc diefer Angriff 
auf den üblichen 
Damenflfo in fo ein¬ 
gehender und fach* 
gemäßer XDcife 

miderlegt, baß damit 


Gräfin Fjohcnau. 


prinzefrtn Reuea. 


prinzeffin Klara von Bayern. 


oerfallen. <§dcjt fleh daher eine 
Dame öffentlich 311 Pferde, fo mu§ 
fie bereits in jeder Be3ichung 
gefeftigt fein und darf feine 
fehlerhaften Allüren mehr an fleh 
tragen, mas beiläufig auch in 
3e3ug auf ihre eigene Sicherheit 


Flarfe Benrlette Königin von Belgien. 


diefe 5rage, menigftens für die 
Allgemeinheit, erledigt 3U fein 
feheint, und aud? in (England 
haben fleh die h crü0rra gcndftcn 
Hcitcrinncn, und fpe3iell folche, die 
in fehmeren irifd^en Jagden mit* 
reiten, gegen den I^errenflß erflärt. 


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ttummer 39. 


Seite {827. 


tüflllans Opfer. 

5 fi 33 e pon fjenry 5 . Urban (Beuyorf). 


ie „(Sefcllfchoft ber politif djen grauen" mar ein 
fehr feiner Damcnpcrcin. Ulan bcfd]äftigte ftch 
piel mit politif im permegenften Sinn bes XBortes: 
pon ber offenen Ojür in (O^ina bis herunter 3ur offenen 
(O^ür ber Schnapsfneipen in Beuyorf am Sonntag, bic ben 
Ccmpercn3lerinncn fo perfjogt ift. Sonberlich ernftl?oft 
perfuhren bie flugen Damen babei nicht. Die BTit* 
glieber mären 3um größten Seil Angehörige ber befferen 
Stänbe, bie nicht tourten, was fte mit ber unenblichen 
BTenge freier Seit anfangen foüten. Denn je feiner 
bie Antcrifanerin ift, befto lieber permeibet fte häusliche 
pflichten als (Sattin ober UTutter. So erfchien es ihnen 
als ein ebenfo moberner wie angenehmer Seitpertreib, 
ein bißchen an politif 311 fnabbem. Nebenbei maren 
fie ftarf frauenredjtlcrifch angehaucht. (Einige Agita- 
torinnen ber 5*ouenrcchtlerimten hotten ftd] in ben 
Bereut aufnehmen laffen, wetterten gegen itouenfnedjt- 
fchaft unb perfünbeten bas Epangeliunt pom Stimmrecht 
ber 5 rau. ferner gehörten 3U bem Bercin einige per* 
frachte Ehefrouen, alternbe BTäbdjen, beren 5 oll hoff* 
nungslos mar, fomie mehrere IBitmen. Die IBitmen 
3erftelen in 3met Klaffen. Die einen, meiftens unange¬ 
nehm ober alt, banften (Sott, bag fie „bas Sd]eufal" 
los maren, unb mollten ihre Kenntniffe bes mifcrablen 
UTannes in ber politif permenben. Die anbern, meiftens 
angenehm ober jung, fuchten in ber politif Croft für 
ben Berluft bes „Unpergeglidjcn". IBie 3um Beifpicl 
CUlian. Sie hotte ftch auf Anraten ihrer ^reunbin, 
ber präjibentin, bem Berein angefchloffen unb mar mit 
£eib unb Seele bei ber Sad^e. 

Bun mar es abermals ber Bachmittag, an bem 
einmal im UTonat bie politifchen Damen 3ufammen- 
famen. Die präftbentin hotte ftch entfchulbigen laffen, 
ba fie 3ur Schneiberin 3ur Anprobe mugte. So rief bie 
Sekretärin bie erfte B^epräftbentin auf. Die erfte Bi3C- 
präfibentin, fo erflärte beren 5*cunbin, fonnte ebenfalls 
nicht fommen, ba fie heftige UTigränc hotte. Die 3meite 
Di3epräfibentin mar auf ber 3 agb nach einer Köchin. 
Die britte B^epräfibentin fonnte nicht fommen aus 
Schmer3 über bas plößliche Ableben ihres geliebten 
Ehorlics, eines UTopfes, ber flüger gemefen mar, als 
3mei UTänner, mie fte 3U behaupten pflegte. Da man 
nur brei B^epräftbentinnen hotte, mürbe für bie Sißung 
eine befonbere pierte Bijepräftbentin ernannt. Es mar 
eine runbliche, rofige Dame, fehr hornlos unb frieblich- 
Sie bebanfte fich errötenb für bie Ehre, ergriff ben rei- 
$enben fjammer mit ber lilafarbenen feibenen Schleife 
unb rief bie Berfammlung 3ur ©rbnung. 3 nfoIgc 
ihrer Unerfahrenheit fchlug fie ftch aber mit bem fjammer 
heftig auf bas rofige Däumchen bes [inten £}änbd>cns 
unb mar einer ©hnmadtf nahe. Sie mußte bas Amt 
nieberlegen, unb man ernannte eine fünfte B^epräftbentin, 
eine giftige ^rauenreditlcrin mit einem fnochigen, gelben, 
galligen (Sefidit, einem golbenen Kneifer auf ber Bafe 


unb einem langen, bünnen Einfchnitt unter ber Bafe an- 
ftelle bes BTunbes. Sie erteilte bas IBort einer ehr* 
mürbigen Dame mit grauen Cöcfchen, bie ein perbäd}* 
tiges UTanuffript in ber «Ejanb hielt unb baraus por3u* 
lefen begann. Da fie fehr fur3fichtig mar, fo fah man 
pon ihr nichts als bas graue £}aar. Bur menn fie eine 
paufe machte, um aus bem (Sias neben ihr IBaffer 31t 
trinfen, mürbe ihr chrmürbiges Antlig fichtbar. Was 
fte ausführte, mar folgenbes. 

UTan ftanb in Beuyorf por einer neuen Bürger* 
meiftcrmahl. Die UTacht hotte bisher in ben ^änben 
ber Demokraten gelegen, bie einer unerhörten Korruption 
(Ehür unb Chor geöffnet hotten unb bie öffentlichen (Selber 
aus ben Cafchen ber Steuer3ahler in bie eigenen fteeften 
unb bie Spielhöllen fchüßten, um pon ihnen Cribut 3U 
erhalten. Es galt, biefe partei 3U ftüt^en unb an ihre 
Stelle bie ehrlichen Kanbibaten ber Bepublifaner 3U 
fegen. Wenn fte, bie 5 rouen, nur ftimmen bürften, fo 
märe bas eine Kleinigfeit. Denn fte, bie grauen, mürben 
natürlich nur für Ehrlichfeit in ber politif eintreten. 

„Aber," fo rief bie Bortragenbe, „wenn mir auch 
lelber noch nicht bireft ftimmen fönnen, fo fönnen mir’s 
hoch inbireft, inbem mir unfern Einflug auf unfere 
ftimmfähiejen B 7 äitner, ©nfel, Brüber ober 5 reunbe gel- 
tenb machen!" 

„IBie ift’s mit bent (Srogpapa?" rief eine luftige 
fleine Blonbine mit einer angenehm unuerfchämten 
Stuinpfnafc. Alles lachte. 

„Bitte um Buhe!" rief bic B^cpräfibcntin mit einet 
Stimme, bie einer heiferen Dampfpfeife glich- Zugleich 
lieg fte ben fjantmer auf ben Cifch faufen, als ob fte 
bamit einen grauenfned^ter 3ermalmen mollte. 

„3ch fchlage nun por," fuhr bie ehrmürbige Dame 
mit ben grauen Cöcfchen fort, „ich fchlage nun por —" 
fte fuhr aufgeregt mit ber Bafe in ihrem BTanuffript 
herauf unb herunter, benn fte hotte bie Stelle perloren, 
mo fte ftehen geblieben mar. Enblich hotte ftc’s. „ 3 ch 

fchlage nun por, bag jebe pon uns für bie Seit ber 

tDahlen eine Bereinigung pon 3ehn Damen ihrer Be* 
fanntfehaft grünbet, beren 3ehnte fte felbft ift. Bon 
biefen mug ftch jebe ein3elne perpflichten, je einen BTann 
für bie Sache ber Bepublifaner 3U geminnen, unb 3mar 
fchriftlich- Da mir breihunbert BTitglieber ftnb, fo er¬ 
gäbe bas fchon eine beachtenswerte An3ahl Stimmen 
3u (Sunften ber Bepublifaner unb einer ehrlichen Stabt * 
permaltung." 

Die Bi3cpräfbentin brachte ben Antrag bes per¬ 
ehrten ZHitgliebes 3ur Abftimmung. Er mürbe ein¬ 

stimmig an genommen. Bun mclbeten ftch mehrere 
Damen 3um XBorte, um noch allerhanb praftifche Bat- 
fchläge 3ur (Srünbung ber Sehnerflubs 3U machen. 
Darunter Cillian. (Serabe, als fte fpradj, betrat bie 
präfibentin mit h°d? r0 ^n ZDangen unb gan3 auger 
Atem bas Berfammluttgslofal. Sie hotte ihr neues 



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Seite \S2S . 


stummer 39 * 


fjerbftfoftüm an. (Eine große Aufregung bemächtigte 
ftch ber Damen. Die präftbentin trat por bie Der* 
fammelten mtb bat megen ihres Ausbleibens um Ent* 
fchulbigung. Uebrigens fei fie über3eugt, baß bie ge* 
ehrte Di3epräfibentin bie Sißung in ibealer IDeife geleitet 
habe. Dann nahm fte auf einem Stuhl neben ber Vitf* 
präftbentin plafe. 

So hatte bie Derfantmlung pollauf (Selegenheit, ftch 
über ihr Koftüm 3U ärgern. Am meiften ärgerte fich 
bie Dijepräfibentin, bie noch ihr ebenfo gcfchmacflofes, 
roie billiges Sommerfleib trug. Diefe unb jene fprach 
noch 3ur Sache. Aber niemanb fchenfte ihnen irgenb* 
melche Aufmer ff amfeit. Ulan befprad? flüftemb bas 
Koftüm ber präftbentin, ben Stoff, ben öefafe, ben Sifc, 
bie 5arbe, ben preis unb fo meiter. 

„3ch fehe," bemerfte bie D^epräftbentin enblich mit 
galligem lächeln, „baß bas munberpolle Koftüm unferer 
perehrten präftbentin alles anbere in ben Schatten ftellt. 
Um es noch beffer bemunbem 3U fönnen, motlen mir 
uns pertagen." Alfo pertagte man fich. 

(Eine ber erften, bie auf bie Straße traten, mar 
lillian. (Es mar ein flarer, frifcher £}erbfttag. mancher 
UTännerfopf manbte ftch nach £itlian um. Sie mar 
nicht gerabe fchön. Aber bas fympathifche (Seftcht mit ben 
großen, bunflen Augen,, ben frifchen, roten Sacfen unb 
bem feinen, Keinen UTunb hatte etmas ungemein Apartes. 
(Es mar ein feltenes (geficht, fehr ruhig, fehr ernft. Sie 
trug ein einfaches Kleib unb ein offenes 3 acfett aus 
gleichem Stoff über einer mattblauen Seibenblufe. Da3u 
einen barettartigen I}ut aus gleichem Stoff, ohne piel 
Zierat. 

„UThm — Haffemeib!" fagte ein junger 5 ant hn 
Dorübergehen 3U feinem 5reunb. 

lillian hatte es gehört. 3hre feinen nafenflügel er* 
meiterten ftch faum merflich, bie UTunbminfel 3ogen ftch 
faum merflich aufmärts. 

„So allein in ber Apenue?" fragte jemanb neben 
ihr unb 30g höflich grüßenb ben £}ut. Sie erfchraf. 
Dann errötete fte. 

„Ah, Doftor Ahrens! 3 ch hake Sie fd?on feit 
längerer §eit nicht mehr gefehen! Wo haben Sie im 
Spätfommer gefteeft?" 

„ 3 n ben Sergen, <§ur (Erholung. U 7 an ift bas feinen 
Patienten fchulbig. (Ein gefunber Ar3t leiftet bas Doppelte. 
Unb Sie — machen Sie immer noch politif?" (Er fah 
fte lachenb pon ber Seite an. 

„ 3 <* — menn Sie nichts bagegen haben." 

„(gerniß h^be ich etmas bagegen. (Es mirft auf bie 
(galle unb auf ben HTagen unb auf bie Heroen unb 
auf bie Schönheit überhaupt. Darum halte ich mich ja 
pon ber aftipen politif fern." 

lillian lachte. Der gute Doftor! (Eine Schönheit 
mar er gerabe nicht mit ber langen, geraben ZTafe, bie 
nach unten fpiß 3ulief, ben runben, grauen Aeugelchcn 
hinter bem Kneifer unb bem bunflen Spifcbart. <£r 
hatte etmas pon einem pergnügten Haben an ftch. 
Uebrigens mußte er gan3 genau, baß er fein Apollo mar. 

„Sie gehören alfo immer noch Sn ber ,<ßefeüfchaft 
ber politifchen 5 raucir, meine (Snäbige?" 


„3ch fomme gerabesmegs pon bort." 

„So? Was merben Sie mit ijaiti machen?" 

„Sie Spötter! Wit haben nichtigeres perhanbelt 
Wir merben in ben tDahlfampf eingreifen!" 

„Ach nee! Das müffen Sie mir ausführlicher er* 
3ählen. XDotlen Sie mir ein ©pfer bringen?" 

„Unb bas märe?" 

„Da brüben ift Eafö HTartin. Crinfen Sie eine 
limonabe auf mein XDoht — er3ählen Sie mir mährenb* 
bem pon 3 ^ rer Derfammlung. So piel Seit hab ich." 

„Schön — gehen mir 3U HTartin!" Sie fagte bas 
mie jemanb, bem etmas mie gerufen fommt. 

3 m Cafe nahmen fte an einem ber Keinen HTarmor* 
tifche plafe. lillian fefete ftch auf einen Stuhl, Ahrens 
auf ben fchmellenben braunen leberbiman, ber ftch rings 
an ben XDänben hm3og. lillian befteilte einen „Amer 
picon" mit «gihronenftrup, Ahrens mählte fein geliebtes 
pilfener. 

„Wenn mich jefet gemiffe Damen aus unferm Herein 
fähen!" meinte lillian lachenb. „Sie perlören allen 
(glauben an meine Hechtfdjaffenheit. Komifch, mie eng 
bei einanber bei uns immer höchfte Aufgeflärthcit unb 
borniertere <§urücfgebliebenheit mohnen, befonbers in 
ben fogenannten echt amerifanifchen Kreifen. Aber ich 
mollte 3hnen ja pon unferer hantigen Sißung er3ählen." 
Unb fte er3ählte. 

„fjochintercffant!" meinte Ahrens, als fte geenbet 
hatte. Unb mit ber ihm eigenen über3ucferten Sosheit, 
bie 3unächft fuß fehmeefte, fragte er: „Unb nun haben 
Sie Unglücftiche einen biefer UTänner 3U liefern, tot ober 
lebenbig, ber ftch perpflichtet, für bie Hepublifaner unb 
eine ehrliche Stabtpermaltung 3U fiimmen? Da bin ich 
fchön hcrcingefallcn!" 

„XDiefo?" 

„Zinn natürlich foü ich mich 3 hnen mit fjaut unb 
Jjaar pcrfchreibcn, meil ich ein perruchter Demofrat bin." 

„Wenn Sie fo fremtblich fein mollen." 

„f}at man IDorte? Aber, bas ift nicht fo leicht, 
mie Sie (ich bas PorfieHen. Unfere politif ift ein (ge* 
fchäft, menn auch ein außerorbentlich fehmußiges (ge* § 
fchäft. Uleine Stellung am fjofpital habe ich nur burch 
ben Einfluß bemofratifcher politifer erhalten. Die meiften 
meiner patienten habe ich aus bem mächtigen bemo* 
fratifchen Klub gewonnen, bem ich beigetreten bin. So 
bin id] ben Herren perpfTichtet. Ueberbies hat man mir 
eine Por3Ügliche Stellung in ber (gefunbheitsbehörbe in 
Ausftcht geftellt. Unb nun foü ich 3 hnen 3uliebe für 
bie anbere partei ftimmen. 3 ^ muß por Schrecf noch 
ein pilfener trinfen. Kellner, noch ’n pilfener!" 

lillian fdjlug bie £jänbe 3ufammen. 

„Aber Sic ftnb ja ein politif eher SHape!" 

Ahrens lachte. 

„Natürlich ftnb mir bas, aHcfamt, gan3 gleich, 3U 
melcher partei mir gehören. Das (Scfchäft beftimmt 
unfere gugehörigfeit 3U einer ber beiben Parteien, nichts 
meiter." 

„Entfefctich! Das mirb unb muß anbers merben, 
menn mir 5 raucn erft afttp an £cr politif Anteil nehmen 
merben. XDir merben bie politif reinigen." 


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Hummer 59 « 


Seite { 829 . 


„(glauben Sie bas roirflief? P ©ber mirb nicht alles 
beim alten bleiben, meit bie 5rau immer fo ftimmen 
mirb, mie es bas gefcpäftliche 3 n ^ rc ff c äe* ZTTannes, 
Vaters ober Brubers gebietet?" 

„Kber ich muß einen HTamt für bie Hepublikaner 
liefern, ich muß! Wenn ich Sie nun red?t bitte unb ju 
3 ^nen fage: mein lieber fjerr Khrens, tfjun Sie mir 
ben (gefallen unb laffen Sie 3 faeu perfönlidjen Dorteil 
beifeite, ein einiges HTal, unb ftimmen Sie für bie He* 
publifaner! Können Sie bas abfchlagen? 3 <$ glaubte 
3l?rer fo ftcher 3U fein." 

„gu rei3enb. Kber marum?" 

„Hun, meit Sie — ich badjte — Sie fagten einmal 
oorigen Sommer, als ich Sie im Seebab fennen lernte, 
Sie fönnten mir nichts abfchlagen." 

„Sagte ich bas? Was für ein eifemes (Sebächtnis 
bie grauen für angenehme Derfpredjungen traben. Kber 
bamals bachte ich nicht an politif. Unb bann bie Um* 
gebung. Die länblidje Einfamteit, bas meite fonnige 
HTeer. Unb eine re^enbe Damenbekanntfchaft. IDiffen 
Sie noch, mie Sie an einem Hadpnittag oon einer Stur3* 
melle oon bem 5 loß geriffen mürben unb ich Sie ans 
Ufer bugfierte? Sie maren ohnmächtig. 3 ^? brachte 
Sie mieber 3ur Befinnung unb befudtfe Sie nodi auf 
3 h**m Sintmer. Sie maren meine erfte patientin. (Erft 
mollten Sie midf nicht f^crcinlaffen unb —" 

„Klfo Sie ftimmen für bie Hepublikaner?" 

„(Erlauben Sie — fo fchnell —*• ich muß mir bas 
noch überlegen, fehr emftlich überlegen." 

„EDie lange?" 

Er bachte einen Kugenblick nad }, lächelte oor ftch 
hin, als ob er einen guten Einfall hätte, unb fagte: 
f/ 2td?t Cage minbeftens!" 

„Dann merben Sie ftch enbgiltig entfeheiben?" 

„3ch fchmöre es bei 3hnen!" 

„Danfe! Kber jefet muß id? nach bjaufe."- 

Km nächften Kbenb mürbe lilian am Celephon ihrer 
XDofptung angerufen. Es mar Ktjrens, ber anfragte, 
ob fie ihn in eine midjtige Derfammlung ber Hepubli* 
faner begleiten mürbe. Er molle ftch genau über bie 
Knflagen ber Hepublikaner gegen bie Demokraten infor* 
mieren. Es mürbe ihn fehr freuen, menn fte ihm bas 
©pfer brächte. Sie erklärte ftch bereit, unb er oerfprach, 
fte ab3uholen. Hach ber Derfammlung lub er fte 3U 
dummem ober Kuftem in einem HatskeHer am Sroabmay 
ein, um bas (gehörte 3U befprechen. Es maren fchmer* 
miegenbe Anklagen gemefen, bie bie republikanifchen 
Hebner gegen bie Demokraten oorgebradjt hatten. Khrens 
beftritt bas meifte. 

„So fd?mar3," meinte er, „ftnb mir Demokraten 
benn hoch nicht. IDie mollen Sie ftch ein Urteil bilben, 
wenn Sie immer nur bie eine partei hären? Unmöglich! 
Audiatur et altera pars. IDie märe es, menn Sie über* 
morgen mit mir in eine Derfammlung ber Demokraten 
gingen? ZDolIcn Sie mir auch biefes ©pfer bringen?" 

„HTit Dergnügen!" fagte lillian lachenb. „Hur keine 
Einfeitigkcit!" 

Klfo brachte fte ihm ein meiteres ©pfer unb be* 
gleitete ihn in bie Derfammlung ber Demokraten. Hach 


ber Derfammlung begaben fie ftch 3U Delmonico, unb 
nun beftritt lillian, was bie Demokraten ben Hepubli* 
kanern oormarfen. TXlan konnte ftch nicht einigen, aber 
es mar bod? fpaßhaft, unenblid? fpaßhaft, biefe gemein* 
fame Bummelei mit bem intimen Meinen Souper 3um 
Schluß bes (Sa^en. Diefe rei3enbe lillian erfchioit 
hoppelt rei3enb mit ihrem gemaltigen politifchen Eifer, 
ber ihr fo gar nichts IDeiberrechtlerifches oerlieh, fon* 
bem eher beluftigenb mirkte. 

„ 3 <*, es fteht fchlimm mit meiner Bekehrung!" fagte 
Khrens, nahm fein' (glas <£h a &K 5 pnä ftieß mit ihr an. 
„«gum (glück für Sie ift übermorgen abermals eine 
Derfammlung ber Hepublitaner, unb 3mar eine große, 
mo bie leuchten ber partei reben merben. IDürben Sie 
mir bas ©pfer bringen, auch noch 5u biefer Derfamm* 
lung 5u kommen? Dielleicht baß ich &(* enblid? über* 
3eugt merbe!" 

lillian 3eigte lachenb bie meißen HTaufe3ähnchen. 
„Es mirb mir fchmer, £jerr Khrens. Unb was merben 
bie leute oon uns benken-" 

„Kch mas! Sie ftnb IDitme unb Politikerin unb 
eine 5rau oon t?eute, bie ftch bem HTann für gleid?* 
berechtigt hält. Hiebt mahr?" 

„3a, bas bin ich." 

Unb fo gingen fte auch noch 3U biefer Derfammlung, 
mo ihnen abermals haarklein bemiefen mürbe, mas für 
clenbe Spifebuben bie Demokraten mären. nachher 
folgte bas übliche Souper im Heftaurant. Diesmal 
oben bei HTartht in bem feenhaften Speifefaal. Kl?rcns 
hatte fleh einen ber kleinen (Eifche für <gmei auf ber 
(galerie befteHt. Don h^r konnten fte auf bie (Säfte 
herabblicken, bie an ben Cifchen faßen mit ben frifchen 
Blumen barauf unb bem glifeernben KryflaH unb ben 
kleinen leuchtern mit ben rotfeibenen Schirmchcn über 
ben 5lantmen. KHes fah fo intim, fo behaglich, fo be* 
3auberrtb aus. Da3u bie fchmeichlerifche, fanfte HTuftk 
bes kleinen ©rchefters über bem SHmmengemirr unb 
bem lachen h^krer HTenfchen. Es er3eugte eine traunt* 
hafte Stimmung, ein (Sefühl oon (Stück unb ben tDunfdj, 
btefes (glück 3u genießen in jeber Sckunbe. Khrens 
mar mieber nicht über3eugt morben. Kud? bie großen 
Hebner hatten ihn nicht bekehren können. 

„tDelchen §wed hat es," fragte er, „ber anbern 
partei 3ur fjerrfchaft 3U oerhelfen? HTan treibt immer 
nur ben Ceufel mit Bee^ebub aus. Die Heuen mögen 
meniger unoerfchämt flehten als bie alten, aber ftehlen 
thun fte auch. Das ifl nun mal bie Krebskrankheit 
unferes politifchen Körpers." 

„ 3 ch betrachte Sie als oerloren!" meinte lillian 
fcher3enb. „Wenn nicht noch ein IDunber gefdpeht." 

„Kch laffen mir hoch bie bumme Politik!" ermiberte 
Khrens. „fjier ifl es oiel 3u fchön, um über Politik 3U 
fprechen. fjören Sie, jefet mirb bie rei3enbe (Eellouoerture 
gefpielt. Da3u müffen mir etmas Sdjme^erkäfe effen." 

Sie marf ihm 3ur Strafe für feinen gräßlichen IDifc 
lachenb eine Heike 3U. Er fteckte bie Heike ins Knopf* 
loch, unb fte fummte bie HTetobie mit. 

„Sinb Sie glücklich?" fragte er mit tomifcher 5 eier* 
lichkeit. Sie nickte. „IDunfchlos glücklich?" Sie nickte 


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Seite * 830 . 


Hummer 39 - 


abermals. (Er fafj jefet toieöer me^r benrt je einem 
oergnügten Haben ähnlich. 

Km Hadjmittag bes näcfjften (Eages erflang in 
fillians IDohnung bas (Telephon. (Es mar ber 

mieber um ein ©pfer bat. (Er bat, ihr am Kbenfc feine 
Kuftoartung machen 3U bürfen, in politifcher Ungelegen* 
heit, wie er oerfidjerte. (Es märe hochwichtig. Ctlltan 
ermiberte, bajj er millfommen märe. Sie empfing ihn 
in bem Keinen Salon, mo alles in meergrün gehalten 
mar: bie (Eapete, bie Vorhänge an ben 5enfiem, bie 
HTöbeibe3Üge, ber Ceppich, fogar ber papagei Oohnny. 
Kfyrens fah eleganter aus als je unb roch nach Teilchen. 

„fjaben Sie fleh enblich entfehicben?" fragte fte mit 
ihrer gewöhnlichen HTunterfeit. „Unb nicht mahr — 
3U meinen ©unften?" 

(Er behielt ihre ffanb in ber feinen unb fagte: „ 3 ch 
habe mir alles noch einmal überlegt, unb ich bin 3U bem 
Schluß gefommen, öaß ich für bie Hepublifaner nur 
bann ftimmen fönnte, wenn ich ftänbig unter republifa* 
nifchem (Einfluß ftänbe, wenn mir jemanb bie republifa- 
nifchen prin3ipien unausgefefct prebigte, oon früh bis 
fpät. 3ch müßte niemanb, ber bas beffer fönnte, als 
Sie. pftl Kein tHort! 5 ^eilich müßten Sie, meine 
liebe Cillian, 3U biefem <3tocd 3h*o IDihocnfchaft auf* 
geben unb 3 h**n Hamen änbern. IHollcn Sie im 


3ntcreffe ber republifanifchen partei unb einer ehrlichen 
Stabtuermaltung unb ber (ßcfellfchaft ber politifchen 
grauen noch biefes ©pfer bringen?" 

Sie mar feuerrot gemorben. 

„5ür bie republifantfehe partei unb eine ehrliche 
Stabtpermaltung unb bie ©efellfchaft ber politifchen 
grauen ift mir fein ©pfer 3U groß." 

Dann ocrfchtoanb fie 3mifchen 3mei langen Kmten, 
unb 3mei gelbe ©lac^honbfchuhe lagen freu3meife auf 
ihrem Hücfen. -- 

Km nächften (Eag 3cigte fie ber ©efellfchaft ber 
politifchen grauen ihren Kustritt an. ©aran ttjat fte 
meife. Denn als es h^rauslam, unter melchen Hebin¬ 
gungen t>r. Khrens ftch für bie ehrliche Stabtuermaltung 
oerpflichtet hotte, erhob fleh unter ben politifchen grauen 
ein (Entrüftungsfturm. HTan berief eine befonbere Her* 
fammluttg. 3 n &ief cr Herfammlung las bie fur3ftchtige 
alte Same, beren graue Cöcfchen oor Kufregung 3itterten, 
eine Hebe oor, in ber fie £illian bes HTißbrauchs ber 
politi! 3ur Sörberung unlauterer perfönlicher <§toedc 
fomie bes Herrats ber heiligen Jrauenfache in ber politif 
anflagte. HTan nahm eine Hefolution in biefem Sinne an. 

Ciüian unb Khrens aber waren fo bar aller frommen 
Scheu, ftch über bie Hefolution ber bitteren Samen oor 
Sachen förmlich aus3ufchütten*. 


<r=-^ o 

BlumenpfUge in der Volksfchule. 

ßierju bie pbotograpfjifdje Uuftialjme S. 1831. 


Das 3 a h T h un ^ cr t bes Kinbes hat man bas beginnenbe 
Säculum genannt, unb wahrlich nidjt mit Unrecht. Hoch nie 
hat bas Kinb fo fefyr im Dorbcrgrunb aller öffentlid?cn 3 ntereffen 
gefianben mie heut. UTit allen pulfen neu ermacbenber £ebens« 
luft unb Kraft wenbet fleh bie ülenfchheit, ber 3 ugenb 3U. 
Das Kinb ift Schlagmort gemorben. Kunft für bas Kinb, 
JTtnfif für bas Kinb, (Eheater, IDijfenfchaft, alles für bas Kinb. 
Die 3 bee, Scfjulfinber 3ur BlumcnpfTege 3U er3iehen, ift auf 
biefer felbcn (Srunblage entftanben, unb oielleidjt mar cs eben 
biefe gefunbe (Srunblage, bie ihr 3U fo rafebem (Sebeihen oerhalf. 

(Einer unferer Dolfspfydjologen h Q t einmal gefagt: 
„IDo Blumen am ^fenfier blühen, maltet ein guter (Seift im 
häufe." (Es liegt eine tiefe UTenfchenfenntnis in biefem Kus* 
fpruch* Die Blume gehört 3U jenen ^reuben, bie bem UTenfchen 
gemiffermaßen freimiUig entgegenblühen. Sie ftnb ba für 
leben, er braucht nichts meiter als eben fidj — baran 3U freuen. 

(Es liegt ein h°h er ethifc^er XDert in ber BlumenpfTegc; 
man fann es nur mit ^freube begrüßen, baß man ihr in ber 
mobernen Dolfsfdjule ein fo meites ^felb ein3uräumen beginnt. 
Der Berliner Derein 3ur ^örbermtg ber BlumcnpfTege bei 
Schulfinbern, eine (Srünbung bes Stabtfehulinfpeftors Dr. gmief, 
beftcht jefct erft faum fünf 3 a h rc / unb bod? hat ** fd?on bie 
fchönften (Erfolge geseitigt. Kls biefer Derein ^ 898 3uerft mit 
feiner 3 bce h^roortrat, mürbe fte oon ben Berliner Schulfreien 
mit lautem 3 u bct begrüßt. (Es fchloffen ftch ihm fogleich 
fechsunbbreißig Schulen an. 589 <* PfTa^en famen 3m Der* 
teilung. 3 m 3H>eiten 3 a h r tießen fcchs Schulen bie Sache 
mieber fallen, es famen aber fteben neue ba3u, unb bie §abl 
ber oertciltcn pfla^en ftieg auf 635 <*. Das britte Dcrcinsjabr 
brachte fchon oierunboier3ig Schulen mit 8000 Pflait3cn. 
£)eut ift bie Saljl ber Schulen nicht nur in Berlin geftiegen, 
auch in ben Dororten hat bie 3 bce ber Blumenpflege (Eingang 


unb Dcrmirflichung gefunben, ebenfo in einer gan3en 
Heihc anberer Stabte bes Deutfchen Beides. 3 u Königsberg 
trägt man fich jetjt mit ber 3 bee, ben Kinbern auch IDinter* 
pflan3en 3ur pflege 311 geben. Kuf ber (Sartenbauausftellung 
3u (Sera hotten etma fiinfhunbert Bürgerfchüler an taufenb 
felbftge3ogene Pflan3ett ausgeftcllt. h annooer / <Sotha unb 
manche anbere Stabt rnenben ber Sache ihr gan3cs 3 utereffe 
3 U. Die Dertcilung ber pfla^en unb ber Blumenerbe gefehlt 
naturgemäß im ^riihjahr. 3 n Hotanifjtunbe giebt ber 
£ehter eine Knmcifung oon allem, mas 3ur Pflege ber PfTanse 
nötig ift. Das Umtopfen, Düngen unb (Siegen mirb gleich 
an einigen (Exemplaren gc3eigt, bie nun am Klaffcnfenfter 
Kufftellung finben unb mährenb bes Sommers oon ber Klaffe 
gepflegt merben, 3ugleich aber auch noch meiter als (Ejperi* 
menticrejemplare bienen, an benen ber £ehrer bas (Entfernen 
ber melfen Blätter, ^rucfjtfapfeln u. f. m. erörtert. §um 
Semefterfchluß müffen bie Kinbcr ihre Pfla^en mieber mit¬ 
bringen, es folgt eine Kusftcllung in ber Kula — ober mie 
in (Sera, Königsberg u.f.m. in Dcrbinbung mit einer (Sartcnbau* 
ausftcllung. Die beftgepflegten Cöpfc merben prämiiert. 

Unfer hübfehes Bilb führt uns nach h annoücr u ”b 3eigt uns 
bie Keinen hannooeranerinnen, bie eben mit ihren Pfleglingen 
3ur allgemeinen Beftd)tigung unb preisoerteilung antreten. 

3 « oerfchicbenen Spulen hot man ftch mit ber höuslidjen 
Blumenpflcge allein nicht begnügt, man hot auch einen Schul¬ 
garten angelegt, in bem bie Kinbcr ihre Beete bcficllcn unb 
pflegen. Sie fommen im ^rüfjjahr, graben ben Boben um 
(bei 3u fd)merer Krbeit hilft ber Schulbictter), fäcn unb pjlan3cn. 
3 cben (Eag 3U beftimmter Stnnbe finben fte ftcb mieber ein, 
jäten unb gießen, fuchen bie Baupctt ab, menn cs ba5U §eit, 
tbun überhaupt alles, mas 3ur pflege eines Blumen- unb 
(Semüfcgartens gehört. D. ©oebcier. 


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Xtummer 59 


Seite \ 85 V 



ßlumenpflege in der Schule: Ordnen der Kinder nach pfUnzengattungen auf dem Schulhof* 

W. IDetirl}at}n ptjot 


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Seite 1832. 


Hummer 39 » 



HlUs auertetgeni 


ur noch menige IDochen trennen uns oon 2 T(artini, 
ber fdjönen <§eit, in ber felbft in ben entfagungs» 
freubigften fje^en ber tDunfch nach einem lederen 
(Sänfcbraten lebenbig mirb, in ber mir in gar manchem 
fjaus, bas mir betreten, um bie mittägliche Stunbe ben fchonen 
Duft bief^s — 3umal menn er gebraten mirb — göttlichen 
Dogels mit ben nötigen «guthaten, ZTTajoran unb Schmor- 


ihre ungeteilte Schmejter. Der Hausfrau, bie rechnen 
muß, bietet bie Einführung bes „pfunbuerfaufs" inbeffen 
auch fonft noch Dortcile. Sie braucht ftch nicht bie Aus¬ 
gabe eines großen Brateimogels 3U machen, menn fie 
einmal (SänfeHein ober bie noch belifatere herrliche (Sänfe- 
leber auf ben (Eifch bringen miß. Heibes ift auch im 
Ein3eloerlauf 3U erhalten. 3 c ö cn fatfs fy*t 




fohh oerfpüren. ITnb mau oerfpürt ihn jeftt fehl* oft. Die gett> 
mo bie (Sans ausfchlicßlich ben Eifch bcs reichen ZITannes 
3ierte, ift längft Vorbei, ber feine (Sänfebuft ift beut auch in 
ber Küche bes 2 Tlinberbemittelten 3U Ijaufe. XDer fu*h eine 
gan^e (Sans nicht (eiften fann, nimmt menigftens „aus* 
gefchnittenes fßänfefleifch"* Es ift noch nicht aÜ3u lange auf 
bem 2 Tlarft eingeführt unb h a t fich 
hoch alle l7cr5cn unb — 2 Tiagen er 
ohert. 3nt <Topf gefchmort, mit 
Heifuß unb Kepfcln mirb bie „aus 
gefdjnittene (Sans" ebenfo leder mie 


biefer Ein3elnerfauf bes (Sänfeflcifd^es ber 
eblen Retterin bes Kapitols bie meiteften Kreife 
erfchloffen unb demgemäß auch Öen Per» 



Hummer 39 . 


Seite \833. 



Huf dem «Hege zum Verkauf. 


brauch von (ßänfen bebeutenb gesteigert — KugenblidFlich 
beftnbett wir uns gerabe in ber^eit ber großcit<ßänfetrans« 
porte aus Hußlanb. <$Efy bie nach vielen ^unberten jaulen« 



Das Verladen. 


ben gerben ihre weite IPanbermtg nach ben beutfdjen (Bauen 
antreien, werben fte, um ben Strapa3en einer folchen Beife 
gcwadjfen 3U fein, „befohlt", bas I^eißt, fie werben burch 


eine €ad)e bünnflüfftgen (Ecers unb gleich barauf über 
einen (ßranbhaufen getrieben, um baburch gewijjermaßen 
eine Sohle unter bie 5üße 3U erhalten, bamit bas IDunb- 
laufen ber E}äute verhinbert wirb. Um eine Einfchleppung 
ber gefürchteten (ßcflügetcholera ober einer anbern unter 
ben (Eieren oft h^fch^nben Kran fheit 3U verhinbern, 
werben bie (ßänfe an ber (ßren3e 3unächft einer Qua* 
rantäne unterworfen, nach beren Beenbigung fie mit 
ben (Ercibcrn lanbeinwärts 3iehen. mehrere Zttänner, 
bie mit langen Stöcfen verfehen finb, an beren Spiße 
ein befonbers fonftruierter ^afen 3um Einfangen ber 
ein3elnen (Eiere befeftigt ift, marfchieren vor unb hinter 
ber Ejerbe; ein wachfamer fjunb begleitet bie wanbembe 
unb laut fchnatternbe Schar, um foforf jeben Kusreißcr, 
ber etwa einen Schritt r>om IDeg risfiert, 3ur Ejerbe 
3urücf3ubringen. (ßegen mittag wirb Haft gemacht. 
Kus einem großen EJaferfacf erfolgt nun bie Fütterung 
ber (ßänfe, unb 3war in ber IPeife, baß fich einer ber 
(Ereiber mitten in bie beerbe fteüt unb bas (Betreibe nach 
allen Hichtungen hin ausftreut. 3n ber Had)t werben 
bie (Eiere in eigens für fte hergerichtete tveite (ßärten 
gebracht, bie 3ur größeren Sicherheit mit Srahtneßen 
über3ogen ftnb. Hach längerer, oft tagelanger Wan « 
berung ift bas giel erreicht. Sie (Eiere werben nun 
entweber in befonbere Derfdjläge getrieben unb bort bis 
3ur Knfunft ber (ßeflügelwagen, mit benen fte weiter 
nach ben (ßütern beförbert werben, gefüttert ober von 
ben Einwohnern gef auf t unb 3ur UTäftung in befonbers 
eingerichtete Käfige gefefot, um 3ur UIartins3eit auf bie 2 Tiär fte 
gebracht 3U werben. Ser (ßänfetransport nach bent IDeften 
fcheint in biefem 3<*h r gan3 befonbers groß 3U werben. 

■ög-=5^* 


Eine deutsche Kolonie in Ueneznela. 

Pon p. Sdjneiber, Pfarrer ber beutfdjen (ßemeinbe in Caracas. 

£?ierju 2 pt)otograpt}ifd?e Aufnahmen. 


3nt geitalter ber 3 u biläen ift es vielleicht nicht unange* 
bracht, unfere lanbsleute in ber Heimat auf ein 3ubiläum 
jenfeits bes 03eatts aufmerffam 3U machen, bas in ben nächften 
IHonaten, freilich 9 an 5 i n & er Stille, gefeiert werben wirb. 
Der 3 ubilar ift bie beutfebe Kolonie „Covar" in Dene3uela, 
jene in Deutfcblanb halb vergebene, aber im innerften Kern 
beutfeh gebliebene Kcferbaufolonie, bie im Knfang bes 3 a h res 
18^3 von babifchen (Einwanberern gegrünbet, nun auf ein 
fech3igjähriges Beftehen jurücfblicfen fann. 3 h rc C 5 cfd?icbtc 


ift nicht reich an Chaten, unb ihre Cntwicflung ift fyntet 
ben urfprünglich gehegten (Erwartungen 3urücfgeblieben. Still 
im befcheibenen IPirfungsfreife, in völliger Kbgefchiebenheil 
hat fte bahingelebt. IPas uns aber mit Bewunberung erfüllen 
muß, unb weshalb fte verbient, baß man ihrer in ber fjeitnal 
nicht gan3 vergißt, ift ber Umftanb, baß fte ihr Deutfchtum, 
bcutfcbeSittcn unb (gebrauche, beutf<heSprache mit echtallemanni 
feber gähigfeit bis auf ben h eu *i^ crt bas h c *6^ 

bis in bie brittc (Seneration treu unb rein erhalten h a * 


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Seite \83^. 


Hummer 39 * 


3m 3 a&F WO faßte bic ©ene3olattifche Begierung bett 
Befdjlnß, in bem wenig be©ölferten £anb — nod? l)eut hat 
Pctte3ucla, hoppelt fo groß wie Peutfdjlanb, nur 2 { .2 Millionen 
(Einwohner — AuswattbrerFolonien ju grünben, unb wanbte 
fid? an ben (Seographett Auguftin Coba33i / ber fid? bamals in 
Paris aufhielt, mit ber Bitte um ein (Sutadjten über bie 
befte Purchfüh« 
rung it^res pla¬ 
nes. Coba^ji war 
mit bem plan 
burdjaus einuer* 
flanben unb be- 
fd?lo§, um bem 
Unternehmen ben 
(Erfolg 3U fiebern, 
bie Ausführung 
felbft in bie Tjanb 
3U nehmen. 3 n 
einem Pcutfdjen, 
bem Knpferftecher 
Alejanber Benifc, 
ber bamals in 
paris eine Karte 
©on Penc3uela 
ftad}, fattb er ba» 
bei bie befte Unter» 
ftüfcung. Penn 
biefer war es, 
ber ber 3U grün» 
benben Kolonie 
bas tPichtigfte, 
nämlich bie An» 
ficbler, beforgte, 
inbem er feine Sanbsleute aus bem babifchen 5chmar3malb 
©cranlaßte, auf ben Auswanberungsplan eii^ugehen. JTtiß* 
ernten hatten bie Bewohner biefes £anbftri<hes mehrere 3 a h re 
hinburd? fchwer heimgefucht, unb Armut unb (Elettb hc^rfebten 
in ihren Raufern. Pa mußte ihnen ber Porfcblag ihres Eanbs» 
tnanncs wie eine (Erlöfung ans großer Hot erfreuten, unb 
gern gingen fie barauf ein. Aber anbrerfeits wollten fie 
auch nieqt ©oreilig ben entfeheibenben Stritt thun. Sie ©er* 
langten erft genaue Hadjrichten über £anb unb Klima, bic 
£age unb Befdjaffcnheit bcs Bobcns, auf bem man bie neuen 
Anfieblnngen 311 grünben gebadete, cbettfo aud? über bie politifchen 
Pcrhaltniffe unb ben (Srab ber Freiheit, bereu ftd? bie neuen 
Kolouiften erfreuen follten. Bcnitj ging auf biefe ^orberungen 
ein unb begleitete (£oba53i auf beffen Heife nach Penesuela. 

I^ier h an ^ e ^te es ftd? 3unächft barum, ben geeigneten 
piafc für bie neue Kolonie 3U fudjen, unb nach mehreren 


(Eutbecfungsreifen glaubte doba55i ben ©orteilhaftejten in 
einem Ijochthal ber Küftcnforbilliere 5wifchen £a Pictoria unb 
bem kleinen ^afen ZTTaya gefunben 3U h a ^ cn * 33 er Bobcn 
war frud?tbar unb ©erfpradj reichen (Ertrag. Pie Purdj* 
fchnittshöbe von jsoo Bieter über bem Uleeresfpiegel, eine 
initteltemperatur ©on (6 < 5 rab (Tclftus, ließen bie Annahme 

berechtigt crfd>ci* 
nett, baß h* cr 
(Europäer, unbe» 
fchabet ihrer (Sc» 
funbheit, nach 
heimifd?er tPeife 
leben unb ben 
Acfcrbau ihres 
£anbcs treiben 
Fönnten. Pasu 
fam nod?, baß ber 
Bcftfcer hiefer bis 
bahin oöllig un» 
bekannten (Sc» 
birgsgegettben, 
für ben fie felbfl 
faft wertlos wa» 
ren, Pr. ITlartin 
dooar, bic £änbe* 
reien leihweife 
hergeben wollte. 
Spater würben fte 
©on feinem Sohn 
ben Koloniften 
gefchenft. 

Am 8. April 
J 8$3 trafen 37 * 
Perfotten, UTämtcr, 96 grauen unb J33 Kinber in ber neuen 
Kolonie ein. §>nnäcbft würben Käufer gebaut unb IPcge angelegt, 
©or allem ber gerabesu mnftcrgiltigc £Peg burch ben Urwalb nach 
£a Pictoria. (Sroße Abholungen würben ©orgenommen unb 
bas baburd? gewonnene £attb an bie Koloniften ©erteilt. 
Ulan baute eine Heine Kirche, bie ©om (E^bifdjof perfönlicb 
cingcweibt würbe, man richtete eine Schule ein, beren erjtcr 
£eiter, ein Tjerr (Teufel, mit hi n Ö c ^ c ^ cr Creue unb uner- 
müblicher Sorgfalt feines Amtes gewaltet hat — Fur3, als 
im April bes 3 a h rcs eine HegicrungsFommiffton bie 

Kolonie (Tooar befugte, war fie mit Hecht erftaunt, in einer 
rauben, unbcFannten (Sebtrgsgegcnb, inmitten eines Urwalbes, 
ber bis ©or Fudern noch ©on Feinem Ulenfchen burchquert 
war, weitab ©on jeber bewohnten Stätte ein blühenbes (Se* 
meiuwefett 3U ftnbett. Aber biefem Auffd?wung folgte nach 
wenigen 3 a *? rcn c ^ n fdjitellcr Hiebergang. €ine Spaltung 



flädchenhurre mit ihrem Hehrer in Covar, 



Kirche in Covar mit umliegenden Bau ernhäu fern. 


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Hummer 5 ( ). 


Seite \855. 


teilte bie (Semeinbe tu 3mei Parteien uub oerhinberte jebc 
gemeinfame Arbeit; mehrere Uliperuten untergruben ben 
IDohlpanb, unb mas noch übriggeblieben mar, per3chricn 
bie Heoolutionen bes £attbes, bereu Kriegsfcbaren mehrmals 
raubenb unb plünbernb in unfer abgelegenes (Sebirgsborf 
brangen. Die Kolonie fyat pd? non biefen Schlägen noch 
nicht tnicber gan3 erholt. 

Don ben por 60 Jahren Eingemanberten leben nur nod? 
$ UTäitner unb i j grauen. 3m gan3en 3äljlt Eopar gegen* 
märtig 62 Raufer, bie über eine Bobenpäche non 4000 Ueftar 
3erftreut finb, unb ^50 Eiitmohner. Die Schule mirb non 
63 Kinbern bcfudit, ^3 Knaben unb 20 I 11 abd?en. Den 
Hnbau curopäifdjer ^clbfrüd?te r ben man in ben erften 
3afjren betrieb, ljat man nach bitteren Erfahrungen mieber 
anfgeben muffen. 

Dafür fielet man aber jet$t in ben (Djälern überall 
Kaffeeppau3ungen unb auf beit fföfjen IHais uub rer» 


fchicbenc l^icfioic ^clbfrüd>te. <Sau5 feltfam unb pielleid)t ciii3ig 
baftehenb ift bie Kutonomic ber Kolonie. Die nene3olanifd?e 
Hegierung h at nid>t Hecht, pd? in bie inneren Hngc* 
legenheiten ber (Semeinbe ein3umifchen. Die Koloniften 
mahlen aus ihrer mitte ben Dorftehcr, ber nur ber Beftätiguug 
ber Hegierung bebarf. Sonft finb pe, obmohl fd?on längft 
uene3olanifche Bürger, in jeber Be3iehung fclbpänbig, mas 
auch baraus herporgelp, bap pc nidjt 3um ITtilitärbienp heran* 
ge3ogen merben bürfen. Don Hnfang an mar es ben Ktt* 
fieblent ftreng perboten, eine Hichtbeutfd?e 31t heiraten. IDer 
ftd? biefer Beftimmuug nicht fügen mollte, mupte aus ber 
(Semeinbe ausfeheiben unb perlor alle Hechte an (Srunb 
unb Hoben. 

Diefes Derbot ift bis jefct gan3 ftreng burchgcführt 
morbett unb hot molp am meiften 3ur Erhaltung bes Deutfchtums 
beigetragen. Kl er auf bie Dauer mirb man es faum aufrecht* 
erhalten fönnen, menn nicht Erfafc aus Deutfchlanb fommt. 


Was die Herzie lagen. 


Die (DcioUxa^aiix . 

3 n Hegypten ift bie Eholera ausgebrochen; bie Seuche 
mad?t unheimliche ^ortfdjritte unb hot einen fefjr bebrohlichen 
Eljorafter angenommen. fjöchP mahrfcheinlich mirb ber für 
De3ember in Kairo geplante mebi3inifche Kongrep perfchobeit 
merben müffen. man hot bereits an mapgebenber Stelle 
über bie Schritte beraten, bie geeignet pitb, bie Einfchleppung 
ber gefährlichen Kranfhcit nach Europa 3U perhinbern. Diefe 
Hufgabe erfdjeint trotj bes 3iemlich regen Derfehrs 3mifchcn 
ber Horbfüfte Hfrifas unb Europas nicht fchmierig, banf ber 
meit fortgefchrittenen Husbilbung ber öffentlichen Hygiene, 
beren mir uns befonbers in Deutfchlanb 3U erfreuen hoben. 

Die Eholera ip eine typifdje 3 *tfeftionsfranfheit, bie 
ihren Ein3ug burdj ben Ulunb f>ölt unb 3unächft ben Der* 
bauungstraftus befällt. Die Hahrungsaufnahme ift es alfo 
por allem, bie bie (Sefahr ber 3 n fcftion mit pd? bringt. Es 
mup betont merben, bap ein abfolut gefunber magen, ber 
eine normale Derbauungsthätigfeit entmicfelt, fogar imftanbe 
ift, bie Eboleraerreger absutöten; baher ip bie michtigfte 
Hegel, pd? fo 3U ernähren, bap ber magen in feiner IDeife 
geftört, alteriert mirb. Das h*ipt ober nichts anberes, als 
pd? fo ernähren, mie in feiten, mo eine Epibemie nicht 


brohte. 3^ber Ej3ep in fulinarifcher Be3iehung fann ben 
magen angreifen unb ihn unfähig machen, ben Schufc gegen 
3nfeftion aus3uüben, beffen mir bebürfen, benn es ift faum 
benfbar, bap mährenb einer Epibemie, mie pe bamals in 
Hamburg h er rfchte, es bei aller Sauberfeit and? nur an* 
näljernb gelänge, jebeit Eh°l cra feim von pd? fern5uhaltcn. 
Hun h c rrfd?t ober ungliicffeligermeife im Dolf ber (Slaubc, 
man müffe in geiten, mo bie Eholera brohe, pd? gan3 
anbers ernähren unb fönne burd? reichlichen (Settup pon 
Klfohol pch por 3 n feftion fehlten; biefes Hberglaubens megen 
peht man auf ben Strapen niemals fo piel Betrunfene mie in 
ber Eholera3eit. Das ift natürlich bas allerperfehrtcfte, benn 
jeber übermäpige, ober bejfer gefagt nid?t gemohnte Hlfolfolgenup 
bringt einen mehr ober meniger heftigen OTagenfatarrh h crüor > 
alfo gerabe bas, mas mir auf alle ^älle permeiben follten. 
Heuperfte Sauberfeit, Benuftung nur ftcrilen IPaffcrs 3um 
Erinfen, Kochen unb tDafdjen unb 3 nnehaltnng ber gemohnten 
£ebensmeife finb bie erften Hegeln für bas Perhalten bei 
Choleraepibemien. Es ift feht unmahrfcheinlich, bap mir bei 
ben hantigen hvgieoiphen Dlapnahmen mieber eine Epibemie 
erleben; follte cs aber ber ^Jall fein, fo fchü^t pch jeber nach 
obiger Dorfd?rift am bepen unb erfolgreichften. 


cp-- 

ßildcr aus aller Welt 


Der Bemohner ber intereffanten europäifchen Ecfe, mo Hamen nur ben Dormurf surücfgcbliebener Barbarei. Unb 

Dölfer unb SprachPämme in ftetem offenem ober heimlichem hoch brüeft ber mitteleuropäer mit „^albapen“ 3ugleich Dormurf 

Kampf miteinanber ftehen, hört bie Be3eichnung „^albapen" uub Bemunberuitg aus; er mifcht im (Seift parifer Sd?icf 

für fein Daterlanb nicht gern. Er peht in bem omiitöfen unb Sebensfreubigfeit mit flamipher Knute unb orientalifchem 



Per Sieger im Kaiferrennen 


Start jum Kaiferrennen. 
Pferderennen ln Sarajewo. (S■ Eopic pbot.) 


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Seite J836. 


Hummer 59» 





Von den franzSfirchen ffandvern: prfnz von Hfturien (l) und BeneralUTitnus Brugbre (2). 

pbot. Chuffeau\$UtDirn$. 

Schmufc. Hub er fyat mit biefer Vorftellung tti dft gan3 un¬ 
recht, 3ebcs Xattbesfinb uom Halfan unb ba unten berum, 
jebe gufammenfnnft bcs Volfes 3U ^eft ober (Trauer 3cigt 
ein eigenartiges, immer an3ieljenbcs (Scpräge non gefteigertcr 
Kultur unb etwas Barbarei, non augenfälliger Sinnenfreube 
unb merfwürbiger (Sleichgiltigfcit gegen bic uns naturnot» 
wcnbigjtcn Kulturforbcrungen. Darum jtub uns-Bilbcr aus 
jenen (Segenbeu ftets interejfant. Unfere Uufnahmen S. \ 8 35 
geben ITlomentbilbcr uom Pferbcrcittien in Sarajewo, ber 
ffauptftabt Bosniens, beffen gewaltige Kulturfortfdmttc unter 
öjterreid?ifd?cr fjerrfchaft erft uor fu^cm uon uns gewürbigt 
würben. Das (Treiben auf bem Hcmtplafc ift bunt unb färben * 
freubig, gufchauer wie Heiter tragen originelle Koftümc. 

Die Ulanöucr fyaben allerorten itjr (Eubc erreicht. 3 n 


^ranfreich fanben fte 
unter bem Oberbefehl 
bes (Scneraliffimus Bru* 
gfcre in ber (Segenb uon 
CTouloufe ftatt. Befonbers 
ein gemeinfamer ^ront« 
angriff bcs (6. unb 17 . 
HrmeeForps gegen eine 
Hnhöbe, bic eine Diuifton 
uerteibigte, h' n * er 
bas publifum fidj auf* 
halten unb ben allfeiti* 
gen Eingriff bes ^cinbes 
gut beobachten fonntc, 
fanb großen Beifall. Der 
Prin5 uon Hfturien war 
ber uornchmfte ber aus* 
Idnbifchen (Safte, bie bic 
UTanöucrleitung gelaben 
hatte; er würbe uon ber 
Bcoölferung überall 
warm begrüßt, unb fein Crinffpruch wäbrenb bes Ulanöucr* 
fcflmabls in (Touloufe auf ben präfibenten £oubet unb bie 
tapfere fran3Öfifd)c Hrmce fanb frenbigen IDieberball. (Sroßcs 
3 ntereffe 3cigte ber prins für bas neue fran3Öftfd?e Schnell* 
fcucrfelbgefchüu, bas wir im Bilb »erführen. (Ein uöllig ab* 
fdjließenbcs Urteil haben bic 
Fachleute 3war noch nicht ge* 
fällt, aber bic Hlöglicbfcit, in 
ber Ulinute bis 3wan3ig Sdjiiffc 
ab3ugeben, burdj eine finnreidpe 
Brcmsuorricbtuug ben HüdP* 
fd)lag ber Kanone beim Schuß 
3u uerhinbern unb bureb higel* 
fidjere Stablfdjilbe bie Bcbie* 
nungsmannfehaft 311 fchüfcen, 
bebenten 3weifellos große 
artillcriftifche VeruoUfommmin* 
gen. Unfcre Bilber scigen bas 
Hcußere bes neuen felbgc* 
fcbüfces mit bem fugelpchercn 
Stahlfchilb unb bie Uluui* 
tiouswagen geöffnet, bic bie 
praftifche Hnfftapelung ber (Se* 
fd?ojfe fehen laffen. Hud? bie 
großen Sonberübungen ber frau3Öfifd>en Kauallerie unter ber 
Leitung bcs (Sencrals Donop in ber Bcaucc uerlicfen 3U uollfter 
gufriebenbeit ber ftceresleitung. X^ier würben namentlich bie 
neuen Ulafcbinengewchrc, bic auch wir in Deutfchlanb eingeführt 
haben, auf ihre Beweglichfeit unb fd?nclle tVirffamfeit erprobt. 

Drüben, jenfeits bes großen tVajfcrs, haben nicht 
nötig, all3uuie( geit auf Kriegsfpiel unb Vorbereitung 3um 
(Eruftfall 3U uerwenben. Das amerifanifebe 3 ntereffe fon3en* 
triert fid? mehr unb mehr auf einen großen frieblichen IDett* 


General Donop, 

(etter ber frattj. HanaUerirmanduer. 



Geöffnete ttlunittonstragen ber neuen franjöfifdjen Sd? nellfeuerfelbgefcbüfoe. 
Bilder von den grossen franzöfifeben ffandvern. 

Pbot. <Prib<rfeboff. 


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stummer 59. 


Sette \ 857 . 







tjenry 3- 5«rt>er. £a Perne XD. Hofer. 3°^ n harten Payne. 

Dm Komitee zur Vorbereitung der Olympifcben Spiele ln Chicago 


Hrnjantm 3. Hofentfjal. 

1904. 


Paoib H. jrancis, 
präf. b.lPeltausjteUung t>. St. Couis. 


Fampf, auf bie t9<H in St. 
£ouis ftattfinbenbe ibeltaus« 
ftellung, 3U ber ber 2ltneri= 
Faner tpirFlidj bic gatt3e lüelt 
bet ftdj 3U (Saft fefyn mill. Die 
Kusftellung tpirb bem £anb 
ber unbegreit3tcn fflöglid)« 
Feiten angemeffen fein, fefyr 
groß, übertpältigettb im Um* 
fang, Qualität uttb (EiubrucF. 
gugleidj tr>UI man im Som» 
nter 190* bie *896 in Ktfjen, 
1900 in Paris abgefyaltenett 
(blympifd^enSpielcitnO^icago 
austragen. IVir bringen bie 
Bilbet bes überaus rührigen 
Komitees für biefc (Dlym* 
pifdjett Spiele uitb bas por* 
trat pon Daoib H. ^rancis, 
bes präfibeitten ber 3uFünf» 



König Kcfroa (t) unb König Peibo (2) aus Kamerun. 
6xotlfche 6äfte in ftamburg. 

Sd?aul ptjot. 


tigen IDeltausftellung in St. 
£ouis, für bic bereits bie 
größten Vorbereitungen ge¬ 
troffen tperbett. Um bie 
Beteiligung Deutfcfylanbs an 
ben großen (Dlympifcfyen 
Spielen, bie auf Anregung 
bes Praftbenten befonbersaud) 
militärifd>e IVettFämpfe 3um 
Kustrag bringen follcn, tpirb 
eifrig gctporbeit; man ermattet 
pon ber beutfd?en Regierung 
eine Snbpention pon ettpa 
jo 000 JKarF unb trofft, bic 
nod? nötigen 30 000 IHarF 
burdj pripatfammlungen in 
Deutfdjlanb unb unter ben 
DeutfdjantcriFanern brüben 
ofytte befonbere Sdjtpierig» 
Feiten aufoubringett. 



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Seite J858. 


stummer 59. 



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Klaeber, Cdnbfd^aftsgärtner (tBanrtfee), II. Dorf. 2 . IDeijj, Stabtobergärtner (Berlin). Schriftführer. 3. ZDcnbt, £anbfd?aftsgärtner (Berlin), Sd?afcmeiftet. 
4- Stemmler, ©artenbaubireftor (Ciegnifc), Beififcer. 5. feiler, Stabtgartenbireftor (ITländjcn), Seifiger. 6 . Öleier, parfbireftor (Branifc), ©brenmitglieb. 
7. ©räger, Canbesrat (Breslau). 8 . iTlildf. Stabtrat promenabenbecernent (Breslau). 9 . Cejius, Stabtuerorbneter (Breslau). 10. ^ctbenreid?. Stabtrat (tfüfit). 
11. Schäfte, ©bergärtner (Breslau). 12 . €rtel, Kaufmann (Breslau). (3. Krätgen, Canbfchaftsgärtner (Balle). 14. IDemer, Stabtgartenbtrrftor (Cbemnift). 
15. <Oenten, Hebafteur (Berlin). 16. Hinter, ©artrnbireftor (Breslau). 17. Kynaft ©arteninfpeftor (©leiroift). 18. Sdjmibt, Stabtgdrtner (Bortmunb). 
19. polier, Stabtgdrtner (ITlöblbaufen). 20 . Cinfe, Stabtgdrtner (ITlagbeburg). 21 . £)anifd?, Canbfdjaftsgartner (Kattotvift). 22 . ©oertb, König!, ©bergärtner 
(prosfau). 23. Klar, Hoflieferant (Berlin). 24 . IHefd?, ©arteninfpeftor (Koppift). 25. Köcbel, ©arteninfpeftor (IDartenberg). 26. 3anorfd»fe, Cnnbichafts» 
gdrtner (©b.*®loaau). 27. Sdjulj, Stabtgarteninfpeftor (Stettin). 28. 3 tm 9 c l au fl c n. Baumfdiulenbefifter (^ranffurt a. ©.). 29 . Bannenberg, ©arteninfeeftor 
(Breslau). 30. €rbe, Stdbt. ^riebtjofsinfpeftor (Breslau). 31. Sd^neiber, Kunflgdrtner (Breslau). 32. Beinje, Stabtobergärtner (Breslau). 33. Bernbt 
Baunifchulenbeflfter (3irl«u). 34. Kellner, ©artenbauingenieur (Breslau). 35. 5i|d?er, ©bergärmer (Brefa). 36. ^tfcfyer, ^rirbtjofsinfpeftor (XHagbeburg). 

37. ©Ium, Canbfchaftsgärtner (Berlin). 38. ©ngeln, Stabtobergärtner (Breslau). 39 . Kurftmann, H?f 9 ^ r bter (SibyDenort). 

Gruppenbild von der XV. Genera Iverfammlung der Deuträten Gartenhönftler In Breslau. 

f). Sd?irben>nn pbot. 


Don ber <5röße uitb iPud)t amcrifantfd^cn Unternchmungs* 
geiftes itnb 3 ugleid) praftifdjer ^ctfjätigung fann ber Kiefen* 
bau ber neuen (EafhKiBcrbrütfc in Keuyorf über 3 eugcn, bie 
ein mürbiges (ßegenftücf 311 ber großen Krntfe bilbet, bie 
ebenfalls nad> Krooflyn I)inäbcrfül)rf (21bb. S. (83 7). 

Das obenftehenbe (Sruppeubilb Bereinigt bie (Teilnehmer 
an ber XV. (Seiteralucrfammlnng bes Percius bcutfdjer (Sarten* 
fünftler, bie in ber 0 berrcfiben 3 Breslau 3 ufammmengefommen 


waren. Der fünftlcrifd^e (Sartenbau gewinnt ja immer me^r 
an Kebcutung, namentlich für bie (ßroßftabt. 

(Ein luftiges beutfch-afrifanifches Derbrübcrnngsbilb giebt 
bie Aufnahme Bom (Einsug ber afrifanifdjen Könige Kcfwa unb 
Deibo in Hamburg (5. (837). Die ejotifdjcn (Safte befefyn fidj mit 
regem ^utereffc unfere große fmnbelsftabt. ^0 Bam>erg. 


Schluss jdes redaktionellen Cetls. 



(Frei nach Körner.) 

„Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein? 
Sehs näher und näher blinken! - 
Das sind dieZähne des Schlossfräulein, 

Die so blendend schimmern und blinken!“ 
Und wenn ihr die junge Dame fragt: 

Das hat„Odol'nur, „Odol'nur gemacht!" 


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STANFORD, CALIFORNIA 
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