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Full text of "Die Zertrümmerung des Siebenbürger Sachsenlandes : nach den Debatten des ungarischen Landtages am 22., 23., 24. und 27. März 1876"

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Die 


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Siebenbürger Fach ſenlantles. 


* 


| Nach den Debatten des ungarischen Landtages am 22., 23., 
| 24. und 27. März 1876. 


München. ; 
Theodor Ackermann. 
1876. 


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* 


e 


Die 
Zertrümmerung 


des 


Siebenbürger Sachſenlantles. 


Nach den Debatten des ungariſchen Landtages am 22., 23., 


24. und 27. März 1876. 


München. 


Theodor Ackermann. 
1876. 


im Hin. Zr 49 ii, 7IS Rühn 2.1 Lal 


I. 


Inhalts = Derzeichniß. 


Einleitung. 


II. Debatte des ungariſchen Unterhauſes. 


10. 


11. 
12. 
13. 


14. 


15. 


16. 


27. 


18. 
19. 
20. 
21. 


1 
2 
3 
4. 
5. 
6 
7 
8 
9 


„ 


Rede des Abgeordneten Guſtav Kapp (Sachſe) 
Aladar Makray (Regierungspartei). 


N Guido Baußnern (Sachſe) 
Miniſterpräſidenten Koloman Tisza 


Abgeordneten Alex. Bujanovics (Sennyeypartei) . 


A, Adolf Zay (Sachſe) 


in Karl Fabritius (Regierungspartei) . 


. Karl Gebbel (Sachſe) 


Unterſtaatsſecretärs Baron Gabriel Kemeny 
Abgeordneten Emil Trauſchenfels (Sachſe) 


+ 0 


4 Ignaz Helfy (Aeußerſte Linke) . 


Zr Blaſius Orban (Aeußerſte Linke) 


Miniſterpräſidenten Koloman Tisza 


Abgeordneten Ferdinand Ragaly (Aeußerſte einke) 


* 


li Eduard Steinacker (Deutfhungar) . 


nt Alexander Bereczky (Regierungspartei) 
„ „ P. K. Szathmary (Regierungspartei) 


17 . Conſtantin Gurban (Romäne) 
5 Friedrich Wächter (Regierungspartei) 


Miniſterpräſidenten Koloman Tisza . 
eee, ... .. . 


* 


* 


III. Debatte des ungariſchen Oberhauſes. 
1. Rede des Baron Dionys Eötvös . 
2. „ „„ „ Nudwig Folder 
3. „ „ , Nie Day 
4 „ „ Grafen Johann Schmidegg 


1 Anhang. 


Geſetzentwurf über den Königsboden . 


e 


Dankadreſſe an die ſächſiſchen Abgeordneten . 


Bericht der Verwaltungscommiſſion des Abgeordnetenhauſes 


Motivenbericht zum Geſetzentwurf über den 0 > 


Seite 


177 
178 
179 
183 


187 
188 
193 
198 


Einleitung. 


War sint die eide komen? — Sie ijt wieder lebendig 
geworden, die bange Frage Walther's von der Vogelweide, 
und geht zornigen Muthes von Gau zu Gau, von Stadt zu 
Stadt eines kleinen deutſchen Volksſtammes, der, von unga— 
riſchen Königen zur Beſiedelung des Landes und „zum 
Schutz der Krone“ gerufen, im ſiebenbürgiſchen Karpathen⸗ 
gürtel aus wüſter Waldeinöde bürgerlicher Gemeinfreiheit und 
Ordnung eine blühende Heimſtätte geſchaffen hat. Sie iſt 
lebendig geworden in einem Zeitabſchnitte des ungariſchen 
Staatslebens, wo eine das Mark der Bevölkerung verzeh— 
rende wirthſchaftliche Noth, erhöhter Steuerdruck, die Aus— 
beutung allgemeiner Wohlfahrtszwecke zur Bereicherung Ein— 
zelner und zur Befriedigung magyariſcher Racenbeſtrebungen, 
die Mißachtung des Geſetzes, der Größenwahn des im Ge— 
biete der Stefanskrone herrſchenden Magyarenſtammes die 
Grundveſten des ungariſchen Staatsweſens, ja der öſter— 
reichiſchen Monarchie erſchüttert haben und wo einſichtsvolle 
Patrioten die Stellung Ungarns, gleichwie neulich ein deut— 
ſcher Schriftſteller, Karl Braun, die Erhaltung der Türkei 
(ſiehe Preußiſche Jahrbücher, Januar 1876), nur von frem— 
der, namentlich deutſcher Einwanderung erwarten. 

Das durch Geſetze und Verträge geſchirmte Coloniſten— 
recht der Siebenbürger Sachſen, an der Feſtſtellung und 
Fortbildung ihrer municipalen Einrichtung und Selbſtver— 
waltung mitzuwirken, it am 24. März im ungariſchen Ab: 
geordnetenhauſe und drei Tage darauf in der zweiten Kam— 
mer, der Magnatentafel, durch die Annahme eines Geſetz— 
entwurfes vernichtet worden, deſſen Zweck, nach den Worten 
eines ſächſiſchen Abgeordneten, darauf gerichtet iſt, das Sie— 
benbürger Sachſenland oder — wie die neuen ungariſchen 

1 


II 


Geſetze es mit Vorliebe nennen, — „den Königsboden und 
deſſen einzelne Theile aus der Reihe deſſen, was da iſt und 
lebt, zu ſtreichen, und das, was aus dieſem Gebiete künftig— 
hin gemacht werden will, der Regierung und ihrer Majorität 
zur freien Verfügung zu ſtellen.“ „Und dieſes, die Zer— 
ſprengung des Königsbodens durch parlamentariſchen Dyna⸗ 
mit, ſoll nach achtjährigen Tantalusqualen die endgiltige 
Löſung ſein?“ — frug ein andeter ſächſiſcher Abgeordneter 
in der dreitägigen Debatte des Peſter Unterhauſes über die 
Zertrümmerung des ſächſiſchen Königsbodens. 

Das Verſtändniß dieſer Frage wird durch die gedrängte 
Darſtellung des ſächſiſchen Municipalrechtes erleichtert, welche 
in der Form einer Petition an Se. Majeſtät den Kaiſer und 
König Franz Joſeph und den k. ungarischen Miniſterpräſi⸗ 
denten Koloman v. Tisza in den erſten Dezembertagen 1875 
von einer ſächſiſchen Deputation überreicht wurde. 

Das Municipalrecht der ſächſiſchen Nation in Sieben— 
bürgen — heißt es beinahe wörtlich in jener Petition — iſt 
eben ſo alt, wie das Daſein der Sachſen in dieſem Lande, 
welche vom König Geyſa II. unter der Bedingung bürger— 
licher Freiheit hineingerufen worden ſind; und nach Jahr— 
hunderten zählt bereits auch die municipale Einheit der heute 
noch beſtehenden eilf ſächſiſchen Kreiſe. Beides: ihr Muni- 
cipalrecht und ihre Municipaleinheit, urſprünglich auf Sou— 
verainitätsacten der ungariſchen Könige (gemeiniglich Privi— 
legien genannt) beruhend, hat unter dem im Laufe der Zeit 
hinzutretenden Schutze auch des Geſetzes eiue reiche Fort— 
bildung erfahren. Doch wurde das ſächſiſche Municipalrecht 
und damit auch die Gliederung und Zuſammengehörigkeit der 
ſächſiſchen Kreiſe von der Landesgeſetzgebung ſtets als eine 
ausſchließlich zwiſchen der Krone und der geſetzlichen Ver— 
tretung der ſächſiſchen Nation zu ordnende, innere ſächſiſche 
Angelegenheit angeſehen und daher auch niemals in ihren 
Einzelnheiten zum Gegenſtande der Reichsgeſetzgebung ge— 
macht. Neu bekräftigt wurde das Municipalrecht und damit 
die Municipaleinheit der ſächſiſchen Nation durch den von 
der detaillirten Regelung der Vereinigung Siebenbürgens mit 
Ungarn handelnden 43. Geſetzartikel vom Jahre 1868. Nicht 
allein wurde durch 8. 11 deſſelben die ſächſiſche Nations» 
univerſität — die Geſammtvertretung des Sachſenlandes — 
in ihrem municipalen Wirkungskreis belaſſen, ſondern über— 
dies wurde im §. 10 deſſelben die Schaffung eines eigenen 


III 


Geſetzes verheißen, als deſſen Aufgabe „die Sicherſtellung 
des autonomen Selbſtverwaltungsrechtes der Stühle, Diſtricte 
und Städte auf dem Königsboden“, dann die „Organiſirung 
ihrer Repräſentanz und Feſtſtellung des Rechtskreiſes der 
ſächſiſchen Nations-Univerſität“ bezeichnet wurde. Dieſes 
Geſetz ſoll „nach geſcheheuer Einvernehmung der Betreffenden“ 
geſchaffen werden und die „auf Geſetzen und Verträgen be— 
ruhenden Rechte“ und „die Gleichberechtigung der auf dieſem 
Gebiete wohnenden Staatsbürger jeder Nationalität gehörig 
berückſichtigen und in Einklang bringen“. Dieſe Verheißung 
iſt von der ungariſchen Geſetzgebung im Jahre 1870 durch 
§. 88 des 42. Geſetzartikels erneuert worden. 

Allein ſtatt der Erfüllung dieſer geſetzlichen Verheißung 
und der geſetzlich begründeten Forderungen der ſächſiſchen 
Nation iſt ein ohne die „Einvernehmung“ der ſächſiſchen 
Nations⸗Univerſität ausgearbeiteter Geſetzentwurf vom kgl. 
ungariſchen Miniſterium vorgelegt und vom Landtage zu 
Ofenpeſt angenommen worden — ein Geſetzentwurf, welcher 
nicht die Sicherſtellung der „auf Geſetzen und Verträgen 
beruhenden Rechte“, ſondern geradezu die Vernichtung des 
Municipalrechtes und der Municipaleinheit der Siebenbürger 
Sachſen enthält. Dieſer Geſetzentwurf, der durch die Sanc- 
tion der Krone mittlerweile auch Geſetzesform erhalten hat, 
ertheilt der ungariſchen Geſetzgebung eine Generalvollmacht, 
ohne alle Berückſichtigung der bisher beſtandenen Verhältniſſe 
und municipalen Verbände eine beliebige, ganz neue Comi⸗ 
tats⸗(Kreis⸗) Eintheilung zu beſchließen. Die Durchführung 
dieſer Generalvollmacht iſt auch bereits in einem zweiten 
Geſetzentwurfe vorbereitet, der, zwar der Oeffentlichkeit noch 
nicht übergeben, aber in der Form eines „Orientirungspla— 
nes“ dem vorberathenden Ausſchuſſe des ungariſchen Abge— 
ordnetenhauſes zur Einſichtnahme vom Miniſter Tisza vor⸗ 
gelegt, das Sachſenland in Stücke zerreißt und letztere mit 
magyariſchen und romäniſchen Verwaltungsgebieten zuſam— 
menkoppelt. 

Solches Verfahren des ungariſchen Miniſteriums und 
Reichstages gegenüber der ſächſiſchen Municipalverfaſſung 
wird durch das Wort Schirren's (ſiehe deſſen „Livländiſche 
Antwort“) zutreffend gekennzeichnet: „je weniger der Geiſt 
begriffen wurde, um ſo lebhafter wuchs die Neigung, an 
Stelle des Rechtes das Geſetz treten zu laſſen.“ 
Seit Jahren iſt in der magyariſchen Preſſe und im Reichs— 


IV 


tage zu Peſt ein wahrer Baldienſt mit der Lehre der parla— 
mentariſchen Omnipotenz getrieben worden. „Was in dieſer 
Sekunde noch Geſetz iſt, weil es der Geſetzgebung ſo beliebt, 
hört in der nächſten Sekunde ſchon auf, Geſetz zu ſein, weil 
und ſobald es ihr nicht mehr convenirt“, oder — wie der 
Miniſterpräſident Koloman v. Tisza ſich ausdrückte — „über 
der Gewalt des Parlamentes ſteht allein die allgemeine ewige 
Gerechtigkeit“. Eine ſolche Theorie kennt kein Recht im 
Staate; es hört auf, ſolches zu ſein, mag es auch durch 
zweiſeitigen Vertrag oder feierlichen Fürſteneid ſcheinbar ge— 
feſtigt ſein, und wird nur Gnade von heute und morgen, die 
von der ſchrankenloſen Gewalt des Parlamentes beliebig ge— 
duldet und wieder zurückgenommen werden kann. Als Gnade 
und Bittleihen erſcheint daher ſolcher Lehre auch das auf 
Verträgen, Staatsgrundgeſetzen und Fürſteneiden beruhende 
Municipalrecht der Siebenbürger Sachſen. Seibſt von den 
heiligſten Rechten der bürgerlichen Geſellſchaft macht die 
parlamentariſche Omnipotenz nicht mehr Halt, und wie nahe, 
ja nur handbreit entfernt die Barbarei vollſtändiger Rechts⸗ 
loſigkeit liegt, beweiſen jene Verfügungen, welche in dem die 
Zertrümmerung des ſächſiſchen Municipalrechtes decretiren— 
den Geſetze über das vorzugsweiſe der Erhaltung deutſcher 
ſcher Schulen gewidmete gemeinſame Vermögen der ſächſiſchen 
Nation getroffen werden. 

Dieſelbe Theorie der parlamentariſchen Allgewalt hat 
den im civiliſirten Europa gemeinverſtändlichen Vegriff des 
Oberaufſichtsrechtes der Regierung zu einem Mitbeſtimmungs— 
rechte der Geſetzgebung über ein fremdes Vermögen erwei— 
tert, indem jenes Geſetz verfügt, zu welchen Zwecken und 
ſogar zu welchen Gunſten das ſächſiſche Nationalvermögen 
verwendet werden müſſe. In welchem nichttürkiſchen Staate 
Europa's wird ferner in einem Geſetze unmittelbar nach den 
Worten, welche die Heiligkeit des Eigenthums betonen, der 
ſelbſtverſtändliche Satz ausgeſprochen, daß die Entſcheidung 
der Eigenthumsfrage den Gerichten vorbehalten bleibe? Muß 
durch das Ausſprechen eines ſolchen ſelbſtverſtändlichen, daher 
in der nur auf das Nothwendige ſich beſchränkenden Legis⸗ 
lation ungewöhnlichen Satzes in Geſetzesform — wie dieß 
im erwähnten Geſetze geſchieht — nicht die Beſorgniß des 
bisher anerkannten Eigenthümers wachgerufen werden, daß 
jener Satz von prozeßluſtigen Prätendenten als eine legis⸗ 
latoriſche Aufforderung zur Abſtreitung des Eigenthums und 


V 


vom Richter als eine Beeinflußung ſeines Erkenntniſſes ver— 
ſtanden oder mißverſtanden werden könnte? Wenn die par— 
lamentariſche Allgewalt nicht noch einen Schritt weiter ge— 
gangen iſt, wenn das Vermögen der ſächſiſchen Nation ſeinen 
Schulwidmungen erhalten bleibt und nicht in die unmittel— 
bare Verwaltung des „Staates“ übergeht, ſo iſt dies ſicher— 
lich nur dem hehren Schutze Sr. Majeſtät des Kaiſers und 
Königs zu verdanken, welcher den haßgierigen Leidenſchaften, 
die weiter züngeln, Schranken geſetzt. Gewiß wird auch die 
eventuelle Schonung der ſächſiſchen Territorialgrenzen bei 
der neuen Zuſammenlegung der Verwaltungsgebiete nur auf 
den mäßigenden und ſtill wirkenden Einfluß der Krone zu— 
rückzuführen ſein. Für den durch das zügelloſe Treiben der 
magyariſchen Preſſe aufgeſtachelten Racenfanatismus bleiben 
noch immer Angriffspunkte übrig, um auch von den Trüm— 
mern des Sachſenlandes Schirren's Wort zu erproben: 
„So lange das Land noch einen Reſt ſeiner abendländiſchen 
„Cultur behauptet, gibt ſich die herrſchende Race nicht zufrie— 
„den; ſie duldet keine Sprache, die ſie nicht ſpricht, keinen 
„Glauben, den Andere glauben, kein Recht, welches Andere 
„berechtigt. So iſt überall in der Provinz, in der Regierung, 
„im Reiche: Unruhe, Unbehagen, Feindſchaft. Erſt wenn 
„das letzte Recht genommen und die Cultur zerſtört iſt, kehrt 
„Frieden ein.“ 

„Es iſt“, jagt ebenfalls Schirren, „im hohen Grade lehrreich, 
den Nationalfanatismus in ſeinem allmäligen Wachsthum zu 
beobachten. Anfangs tritt er als würdig gehaltene Forder— 
ung der Gleichberechtigung auf: es iſt ihm nur um Aner— 
kennung eines Prinzips zu thun. Sobald das Prinzip an— 
erkannt iſt und nun die Realiſirung beginnt, zeigt es ſich, 
daß keine Gleichberechtigung von gleich und gleich gemeint 
ſein kann, da die herrſchende Race doch gleichberech— 
tigt iſt, nur wenn ſie mehr Recht hat, als die beherrſchte. 
Das Verhältniß wird nun, ſei es nach Kopfzahl, ſei es nach 
irgend einer politiſchen Arithmetik, ſei es einfach nach der 
Laune der Stärkern bemeſſen und die Bedrückung hebt an. 
Sobald ſie einen gewiſſen Höhepunkt erreicht, geht jede Be— 
rechnung verloren und die Aktion wird leidenſchaftlich, regel— 
los, toll. Es iſt das zweite Stadium des Eidbruches Die 
Idee iſt vom Nationalhaß überwuchert und dieſer kulminirt. 
In dieſer Phaſe nun tritt, allmälig vorbereitet, auch die 
offizielle Lüge in die vorderſte Aktion.“ Auch den Sieben— 


VI 


bürger Sachſen gegenüber hat die offizielle Lüge in der 
magyariſchen Preſſe, ſowie im Reichstage Alles gethan, was 
zu thun nur möglich war. Das ſächſiſche Bürger- und Bauern: 
volk wird von ihr in der lächerlichen Geſtalt eines Don 
Quixotte vorgeführt, mit verroſtetem Schild und Speer, „um 
die Ueberreſte des Feudalweſens“ kämpfend, und mit allen 
abſchreckenden Attributen finſtern Mittelalters verſehen. Na— 
türlich ſteht dann auf der andern Seite der ungariſche Staat 
mit der glänzenden Rüſtung der Neuzeit angethan, der ſelbſt— 
verſtändlich — dieſer Schluß liegt ja bei jener Gegenüber— 
ſtellung auf der Hand — ein Recht hat, über die mittel⸗ 
alterliche Ruine zur Tagesordnung zu ſchreiten. Auch von 
Jenen, welche im Landtage zu Ofenpeſt der Zertrümmerung 
des Sachſenlandes das Wort redeten, iſt mit vornehmer 
Geringſchätzung das Todesurtheil über deu ſächſiſchen Gau- 
verband 1 . worden, weil derſelbe in das Mittelalter 
zurückreicht, wie denn überhaupt der für alle Halbgebildeten 
abſchreckende Klang des Mittelalters als Rechtfertigung und 
Deckmantel für die verſchiedenartigſten, oft mehr als mittel— 
alterlichen Beſtrebungen und Maßregeln herhalten muß. Ein 
ſolch ungenirter Cultus wird mit der Abſchreckungsphraſe des 
Mittelalters getrieben, als ob es überhaupt in Europa eine 
geſellſchaftliche oder politiſche Schöpfung, ja eine Staaten⸗ 
bildung gäbe, die nicht aus dem Mittelalter hervorgewachſen 
wäre und die — jenem Schlagworte zufolge — ſchon deß⸗ 
halb das Recht der Exiſtenz verwirkt haben müßte, weil ſie 
nicht in einem Wiener oder Peſter 27 Kreuzerbazar das Licht 
der Welt erblickt hat! Die geſchichtliche Thatſache läßt ſich 
nicht abſtreiten, daß die Gemeindefreiheit und der Gauver— 
band der Siebenbürger Sachſen in das Mittelalter zurück— 
reichen und ſchon zu einer Zeit beſtanden haben, in der, rings 
um den freien Sachſenboden und die übrigen deutſchen Sie— 
delungen in Ungarn, nur Herren und Knechte wohnten und 
in welcher trotzdem die viel verleumdete ſächſiſche Nations: 
univerſität ſich ſelbſt ein erhebendes Denkmal in dem am 
10. Dezember 1613 gefaßten Beſchluſſe ſetzen konnte: „Quia 
„virtus nobilitat hominem und Freiheit macht dem Men: 
„ſchen Adel, pflegt man zu jagen. Weilen aber nicht ſchöner 
„Freiheiten ſein können, quam libertas hominum, und die 
„Sachſen wegen berſelbigen rechte Edelleute ſein, wenn ſie der 
„Edelſchaft recht gebrauchen wollen: ſollen derowegen alle 
„diejenigen, ſo ihnen nicht damit genügen laſſen, ſondern 


VII 


„praerogatura nobilitari leben (adelige Vorrechte haben) 
„wollen, zu keinem Ehrenamt adhibirt werden.“ (S. Schlözer: 
Kritiſche Sammlungen zur Geſchichte der Deutſchen in Sie— 
benbürgen. S. 109. Göttingen 1795.) 

Das Municipalrecht der Siebenbürger Sachſen ſtammt 
aus dem Mittelalter und iſt — was der größte, wenn auch 
nicht offen eingeſtandene Vorwurf in Ungarn iſt — deut⸗ 
ſches Recht. Vertragsmäßig angeſiedelt, bedangen ſie ſich 
das Recht nationalen Beſtandes auch im Staate aus, gleich 
den übrigen deutſchen Siedelungen in Ungarn, zu deren 
Gunſten ungariſche Könige wiederholt und ausdrücklich das 
„deutſche Recht“ als allein maßgebend anerkannt haben, wie 
ſchon König Stefan V. den Zipſer Sachſen 1271 erklärte: 
weil ſie „im Recht der Adeligen ſich nicht heimiſch finden 
könnten, ſo ſollten ſie ihres eigenen Rechtes und Geſetzes ſich 
bedienen“. Unter dem Schutze dieſes deutſchen Rechtes haben 
ſich im Mittelalter die zahlreichen deutſchen Bürgergemeinden 
erhoben und ſind von Preßburg bis an den Rothenthurm 
und die Törzburg die Städte mit ihren hohen Domen, Schulen. 
ihrem Gewerbe und Handel gegründet worden, um welche 
ſich faſt in allen Comitaten Ungarns und im Norden und 
Süden Siebenbürgens in breiten Strichen- die grünenden 
Sprach- und Enlturinfeln der Deutſchen lagerten. So lange 
ſie nach ihrem eigenen bürgerlichen Rechte auf dem Boden 
leben konnten, welchen die Herrſcherpflicht einſichtvoller Könige 
ihnen bereitet, ſo lange noch ungariſche Geſetze, wie im Jahre 
1603, von einer „deutſchen Nation“ in Ungarn ſprachen, ſo 
lange konnten ſie für den Staat jene heilſamen Kräfte un— 
geſchwächt entfalten, die in dem Bürgerthum ruhen, welches 
in Ungarn nicht im „Genius“ der magyariſchen Race wur— 
zelt, ſondern eingewandert iſt und zwar weſentlich aus 
Deutſchland. Seit es anders geworden, ſeit die bürgerlichen, 
bäuerlichen und adeligen Intereſſen über Einen Leiſten, und 
zwar über den des magyariſchen Adels geſchlagen werden, 
zerfließt auch das Bürgerthum Ungarns in eine immer halt— 
loſere Maſſe, wird der goldene Boden bürgerlicher Arbeit 
von dem Diſtelgewächs ſchmarotzenden Faullenzerthums und 
ſchuldenmachender Prunkſucht überwuchert und iſt der letzte 
Widerſtand gegen jene unheilvolle Richtung magyariſcher 
Staatspolitik beſeitigt, welche binnen wenigen Jahren mate⸗ 
riell zu einer furchtbaren Entwerthung der Güter und mo⸗ 
raliſch zu einer ebenſo entſetzlichen Verſumpfung der Geiſter 


VIII 


geführt hat. Nun ſoll auch die letzte deutſche Sprach- und 
Culturinſel, das Siebenbürger Sachſenland, das bis in die 
Gegenwart ſtaatsrechtlich anerkannt und eigenberechtigt ge— 
weſen, ſein Jahrhunderte altes Eigenleben verlieren und 
ſollen ſeine Glieder als vereinzelte Atome in das gewaltig 
wogende Meer haßgieriger Völkerleidenſchaft hinausgeſchleu— 
dert werden, in welchem die übrigen deutſchen Volksinſeln 
bereits untergegangen ſind oder mit dem Untergange noch 
ringen. Ja wohl, das ſächſiſche Municipalrecht ſtammt aus 
dem Mittelalter, aber es iſt, ſeinem Inhalte nach, nicht 
mittelalterlich, weder in dem Sinne, daß es Machtbefugniſſe, 
welche die Lehre des modernen Staatsrechts der Centralge— 
walt des Staates beilegt, für ſich in Anſpruch nimmt, noch 
in dem andern Sinne, als ob die in ſeinem Geltungsgebiete 
wohnenden Bürger in ſtaats- oder privatrechtlicher Beziehung 
unter einander nicht gleichberechtigt oder gegenüber dem Bürger 
der anderen Landesgebiete bevorrechtet ſeien. | 

Was das Erſtere anbelangt, gelten auch im Gebiete des 
Sachſenlandes oder Königsbodens die Geſetze des ungariſchen 
Staates und werden hier — nach dem Zeugniß von Gegnern 
der ſächſiſchen Eigenberechtigung — genauer und pünktlicher 
durchgeführt, als in den anderen Landestheilen. Die Summe 
jener Rechte, welche das Sachſenland für ſich in Anſpruch 
nimmt, wird in ſolchen Selbſtverwaltungsbefugniſſen erſchöpft, 
die ſchon begrifflich keine ſtaatlichen Agenden aufſaugen und 
die auch den magyariſchen Komitaten (Kreiſen) eingeräumt 
find. Der Unterſchied zwiſchen den magyariſchen Komitaten 
und dem Sachſenlande bezüglich dieſer Selbſtverwaltungs— 
rechte beſteht nur in der Vertheilung derſelben. Während 
der magyariſche Komitat, getreu ſeinem hiſtoriſchen Cha rakter, 
eine ariſtokratiſche Vertheilung vornimmt, während das von 
der Legislative im Jahre 1870 für ihn geſchaffene Muni⸗ 
cipalgeſetz den municipalen Vertretungskörper im Komitate 
nur zur Hälfte aus der Volkswahl hervorgehen läßt, die 
andere Hälfte dagegen aus den ſogenannten Viriliſten (den 
höchſten Steuerträgern) bildet, während es dort die oberſte 
Magiſtratsgewalt in die Hände einer einzigen Perſon, des 
Vicegeſpans, legt und ſomit eine Dictatur im Municipium 
ſchafft, welche — nach den Worten eines hervorragenden 
Magyaren, Anton Cſengery — nur in der Machtvollkom— 
menheit des türkiſchen Paſchas ihres Gleichen findet, indem 
ſelbſt das centraliſirte Frankreich dem Präfecten den Prä— 


IX 


fecturrath an die Seite geſetzt hat, iſt die Vertheilung der 
Selbſtverwaltungsrechte im Sachſenlande dem demokratiſchen 
Zuge gefolgt, welche die Entwicklung des Sachſenvolkes von 
jeher auszeichnet. Da iſt die oberſte Magiſtratsgewalt col— 
legialen Aemtern anvertraut, die aus fachmänniſch gebildeten, 
auf Lebensdauer gewählten und verantwortlichen Organen 
beſtehen im Gegenſatz zu den Komitatsbeamten, die durch 
raſch wechſelnde Neuwahlen und ohne ausreichende Rückſicht 
auf fachmänniſche Bildung beſtellt werden, da iſt Vertretung 
und Verwaltung ſtrenge geſondert, da beſteht die freie Ge— 
meinde in ihren Abſtufungen als Orts-, Kreis- und Ge— 
ſammtgemeinde, während auf dem maagyariſchen Komitats— 
boden nicht allein das Mittelglied, die Kreis- oder Bezirks— 
gemeinde, vollſtändig fehlt, ſondern auch die Autonomie der 
Ortsgemeinde ſich ſchlechterdings nicht hat entwickeln können. 

Dieſer Organismus ſächſiſcher Selbſtverwaltung, welcher 
auf geſunden Grundſätzen aufgebaut iſt und trotz aller Aus— 
wüchſe, die man ihm von Oben her durch geſetzwidrige 
Oktroirungen künſtlich angeheftet, und trotz der gewaltſamen 
und ſyſtematiſchen Hemmung ſeiner Entwicklung ſich bewährt 
hat — dieſer Organismus fol alſo die von der offiziellen 
Lüge erfundene Rumpelkammer des Mittelalters ſein und 
das Schickſal verdienen, dem verkümmerten Komitatsgebilde, 
das nicht einmal die Grundbedingung des Selfgouvernements, 
die freie Gemeinde, kennt, zu weichen? Die beſſern Früchte 
der ſächſiſchen Selbſtverwaltung, die anerkanntermaßen beſſern 
Zuſtände der öffentlichen Sicherheit und Sittlichkeit, des Un— 
terrichts, der Steuerverwaltung und der Straßen auf dem 
Königsboden ſollen im Intereſſe der Neuzeit nicht zur Ver— 
edlung, ſondern zur Vernichtung an die verrufene Komitats— 
wirthſchaft ausgeliefert werden, deren Zuſtände ein magya— 
riſcher Staatsmann, Baron Paul Sennyey, als „aſiatiſche“ 
gegeißelt hat und deren Element von einem magyariſchen 
Publiziſten, Aurel Kecskemethy, als „eine Rotte lärmender 
Bauernlümmel, adeliges Betyaren- und Junkerthum, zu— 
. Brodneid mit Demagogie“ geſchildert 
wurde? 

Die höhere Entwicklung des ſächſiſchen Municipallebens 
iſt aber ſein Unglück. Das ſei eben — ſagen die „Rufer im 
Streite“ gegen ſächſiſches Weſen — der „Staat im Staate“, 
die Ausnahmeſtellung der Sachſen, und weil die Zuſtände 
„hinter den chineſiſchen Mauern der ſächſiſchen Excluſivität“ 


X 


ſich gedeihlicher entwickelt haben, müſſen die Mauern nieder⸗ 
geriſſen werden und ſollen die Sachſen die geſunden Samen— 
körner ihrer Selbſtverwaltung in den ihnen geöffneten Ko— 
mitatsſaal hineintragen! echoete weiter die offizielle Lüge zu— 
rück! — Wie? die Sachſen ſollen die Selbſtverwaltung 
aus den bewährten Formen, die nun zerſchlagen werden, 
in Einrichtungen einbürgern, in welchen ſie erfahrungsgemäß 
ſchlechtweg nicht Wurzel ſchlagen kann? Sie ſollen von der 
Stellung, zu welcher ſie ſich durch die ehrliche Arbeit der 
Jahrhunderte emporgerungen haben, herabſteigen, weil die 
Andern zu ihr nicht hinaufſteigen wollen? Sie ſind excluſiv, 
weil das Land — ohne ihre Schuld — zurückgeblieben iſt 
und ihnen nicht nacheifern will? Wie ſagt doch Schirren 
in ſeiner livländiſchen Antwort an den Ruſſen Juri Sama— 
rin? „Einige Privilegien haben wir geopfert; den Reſt ver— 
„theidigen wir, wenn es nicht anders ſein ſoll, auch ferner 
„mit dem Muthe der Verzweiflung gegen die Freiheit in der 
„Ohnmacht, gegen die Brüderlichkeit in der Gemeinheit, gegen 
„die Gleichheit in der Knechtſchaft, welche Sie, im Namen 
„des ruſſiſchen Volkes, ſeiner providentiellen Miſſion gemäß, 
„allen Grenzſtämmen des Reiches zu verkünden kommen. 
„Inſoferne unſere Sonderintereſſen, Landesrechte und natio— 
„nalen Vorurtheile in dem Boden abendländiſcher Cultur 
„wurzeln, hätten wir dem großen Vaterlande unſere Cultur 
„zu opfern! Ich übergehe hier die Frage, was damit dem 
„großen Vaterlande genützt wäre.. ich bezeichne, was 
„Sie fordern, in Kürze als Ruſſifizirung.“ 

Ebenſo nichtig, haltlos und erlogen iſt auch die Behaup— 
tung, daß die Sachſen den andern Volksſtämmen des Stefan— 
reiches gegenüber „privilegirt“ ſeien. Die auf dem Königs— 
boden beſtehenden Staatsanſtalten: Poſt-, Telegraphen⸗-, 
Steuer-, Finanz-⸗Aemter und Gerichte find vollſtändig ma- 
gyariſirt; die Eiſenbahnen desgleichen; die aus den Steuer— 
groſchen aller Landesbürger — von denen zwei Drittheile 
nicht Magyaren find — errichteten Staatsſchulen find aus- 
ſchließlich — magyariſch. Die Sachſen genießen mit allen 
übrigen Nichtmagyaren die Rechte — oder ſagen wir richtiger 
— die Gnade, welche ihnen die herrſchende Race einräumt. 
Sie ſind mit einem Worte mit allen nichtmagyariſchen Söhnen 
dieſes Landes gleich ungleich berechtigt. Dagegen iſt überall 
dort, wo die Sachſen ihren Einfluß geltend machen konnten, 
der Gleichberechtigung Rechnung getragen. In den ſächſiſchen 


XI 
Ortscommunitäten, in den Kreisverſammlungen und in der 
ſächſiſchen Nationsuniverſität können — oder richtiger konn⸗ 
ten, denn dies ſoll nun anders werden — die romäniſchen 
und magyariſchen Minoritäten frei und ungehindert in ihrer 
Mutterſprache an den Verhandlungen theilnehmen. Die 
deutſchen Schulen des Sachſenlandes ſtehen allen Bewohnern 
ohne Unterſchied der Nationalität und des Glaubensbekennt— 
niſſes offen und aus dem ſächſiſchen Nationalvermögen, deſſen 
Einkünfte zur Erhaltung der deutſchen Schulen dienen, er— 
halten auch das romäniſche Gymnaſium in Kronſtadt und 
das mag yariſche in Broos eine bedeutende Jahresſub— 
vention. Die auf dem Königsboden beſtehende Gemeinde— 
autonomie kommt Romänen und Magyaren in gleicher Weiſe, 
wie den Sachſen, zu ſtatten; romäniſche und magyariſche 
Gemeinden verwalten hier ſich ſelbſt, und in mehreren (2—3) 
Kreisvertretungen erfreuen die Romänen ſich der Majorität, 
welche die ſächſiſchen Minoritäten oft herb empfinden müſſen. 
Unter gleichen Bedingungen ſind den Sachſen, Romänen 
und Magyaren alle ſächſiſchen Municipal: und Gemeinde: 
ämter zugänglich, Dennoch iſt die offizielle Lüge ſchamlos 
genug geweſen, um von einer Bedrückung der nichtſächſiſchen 
Bewohner des Königsbodens durch die Sachſen zu fabeln. 
Als Bedrückung wird von ihr die Thatſache ausgeſchrieen, 
daß die Sachſen vermöge ihrer, zum Theil in ihrer hiſtori— 
ſchen Vergangenheit wurzelnden geiſtigen und wirthſchaft— 
lichen Ueberlegenheit unter gleichen Bedingungen dennoch das 
Uebergewicht auf dem Sachſenboden behauptet haben. Das 
wird nun in den neuen ungarischen Komitaten, welche aus 
den Trümmern des Sachſenlandes gebildet werden ſollen, 
ganz anders werden: da wird die wahre Gleichberechtigung 
erblühen, die in der magyariſchen Verwaltungspraxis ſo 
verſtanden wird, daß nur die Staatsſprache d. h. das magya— 
riſche Idiom in den Vertretungskörpern ungariſcher Komitate, 
in den Communitäten, Komitatsverſammlungen und bei allen 
Municipalämtern berechtigt und zuläſſig ſei. Selbſtverſtänd— 
lich gilt dies auch von dem neuen, ſogenannten Verwaltungs— 
ausſchuſſe, jener, dem Komitate aufgepfropften Original- 
ſchöpfung des Miniſters Tisza, in welchem die Staatsorgane: 
der Poſt- und Telegraphendirektor, Staatsanwalt, Steuer— 
und Schulinſpektor Sitz und Stimme haben und die Muni⸗ 
cipalverwaltung in aller Details derſelben, als da find: Schot— 
terlieferungen, Straſſenpflaſterungen u. ſ. w. controlliren ſollen. 


XII 


Welches ſind denn die vielverrufenen Privilegien, mit 
welchen die Sachſen einen unerlaubten Cultus treiben ſollen? 
Es iſt doch kein ſächſiſches Privilegum jene Beſtimmung 
des Wahlgeſetzes, die der ungariſche Reichstag im Jahre 
1874 neu bekräftigt hat, und die einen kleinen, aber bevor: 
zugten Theil der ungariſchen Bevölkerung — nämlich den 
magyariſchen Bundſchuhadel — ohne Rückſicht auf den von 
den übrigen Staatsbürgern geforderten Steuercenſus ein 
perſönliches Reichstagwählerrecht verleiht? Es iſt kein ſäch— 
ſiſches Privilegium, denn die Sachſen ſind keine Adeligen, 
denen allein jenes Gefeß *) zu gute kommt, ſo daß bei den 
Reichstagswahlen im Jahre 1872 in Siebenbürgen 65 Per— 
zent der Reichstagwähler, alſo mehr als die Hälfte, auf 
Grund des Adelsbriefes berechtigt waren. Es iſt ferner auch 
fein ſächſiſches Privilegium, wenn die zweite Kammer der 
ungariſchen Geſetzgebung, die Magnatentafel, aus magyari— 
ſchen Magnaten, römiſch⸗katholiſchen und einigen griechiſchen 
Biſchöfen und Obergeſpänen beſteht und die ſächſiſche Nation 
darin gar nicht vertreten iſt. Deßhalb ſind doch nicht die 
Sachſen privilegirt oder mittelalterlich, weil der ungariſche 
Reichstag, Ober- und Unterhaus, auf überwiegend feudaler 
Grundlage, dem Adelspergament, der Magnatenitellung. dem 
Biſchofſitz und dem Obergeſpannsamt, beruht. Die Sachſen 
ſind doch deßhalb keine Feinde des Fortſchrittes, weil ſie — 
nicht den modernen Schlagwörtern — wohl aber deren feu— 
dalen Herolden mißtrauen, die auch nur, weil ſie die Gewalt 
haben, der Theorie der parlamentariſchen Allgewalt huldigen. 
Die ausſchließliche Herrſchaft der magyariſchen Sprache in 
der Geſetzgebung und allen Staatsämtern iſt endlich ebenfalls 
kein ſächſiſches, ſondern ein Privilegium der magyariſchen 
Race, welche dadurch ihren eigenen Genoſſen Aemter und 


*) Der §. 2 des 33. Geſetzartikels vom Jahre 1874 lautet in 
deutſcher Ueberſetzung: „Ein Wahlrecht kann auf die vor 1848 beſtan— 
denen Privilegien künftighin nicht baſirt werden; diejenigen aber, die 
im Sinne des G. A. 1848. V. und des ſiebenbürgiſchen G. A. 1848 II. 
auf Grund der alten Berechtigung in eine der von 1848 bis 1872 an— 
gefertigten Reichstagwählerliſten aufgenommen wurden, werden in der 
Ausübung des Wahlrechtes für ihre eigene Perſon belaſſen.“ Die Tex— 
tirung dieſer Geſetzesbeſtimmung, welche im Vorderſatze die Privilegien 
aufhebt, im Nachſatze aber das im Jahre 1848 verliehene Wahlprivi— 
legium aufrechterhält und ſogar verlängert, iſt charakteriſtiſch. 


XIII 


Würden ſichert und eine Prämie für das aus den andern 
Stämmen ſich rekrutirende Renegatenthum ausſtellt. 

Das einzige Recht der ſächſiſchen Nation, welches man 
mit dem Scheine einer poſitiven Grundlage, ein Privilegium 
nennen könnte, das Recht: durch ihre Vertretung an der 
Feſtſtellung und Entwicklung ihrer municipalen Einrichtungen 
mitzuwirken, iſt kein Privilegium weder ſeinem Inhalte nach, 
wie oben gezeigt wurde, noch ſeiner Form nach, indem es 
wohl in ſeinem Ausgangspunkte, gleich den meiſten Verfaſ— 
ſungen, auf Souverainetätsakten der Könige, auf Verträgen 
zwiſchen Volk und Krone, in ſeiner heutigen Geſtalt aber 
auf einem Verfaſſungsgeſetze des ungariſchen Staates vom 
Jahre 1868 beruht. Es iſt mit einem Worte ein verfaj- 
ſungsgemäß ſichergeſtelltes Partikularrecht, das ſchon 
begrifflich mit Privilegium nicht verwechſelt werden darf und 
deſſen brutale Vernichtung „geſunde und fruchtbare Theile 
des Volkslebeus verletzt“ (Bluntſchli: Allgemeines Staats— 
recht I. 226), hier aber noch einen eklatanten Verfaſſungs— 
bruch enthält. 

Dieſes Recht iſt von der parlamentariſchen Allgewalt 
weggefegt worden, nicht weil es ein Privilegium iſt, ſondern 
weil es ihr nicht gefiel. Nicht einmal das ſogenannte „Staats- 
nothrecht“ kann den Machthabern zur Rechtfertigung dienen, 
da die ſächſiſche Nationsuniverſität ſich immer bereit gezeigt 
hat, den Bedürfntſſen des Staatslebens und ſeiner Entwid- 
lung Rechnung zu tragen. Sie hätte es auch jenen, jetzt ſo 
ſehr in den Vordergrund geſchobenen Territorialreformen 
gegenüber gethan, aber, als ſie dazu reden wollte, hat das 
Machtwort des Miniſters ihr das Reden verboten und die 
Mundſperre angelegt. Der Miniſter verbot es, obwohl das 
Geſetz ihm ausdrücklich die „Anhörung der Betreffenden“ zur 
Pflicht machte.“) 


*) Gegen dieſes mit den Geſetzen in flagrantem Widerſpruche 
ſtehende Verbot der ungariſchen Regierung legten ſämmtliche deutſche 
(35) Mitglieder der letzten ſächſiſchen Nationsuniverſität feierliche Ver— 
wahrung ein, indem ſie dem Protokolle die Erklärung einverleibten: 
„1) daß der auf Geſetzen und Verträgen beruhende, die Verhandlung 

auch über das geſammte Municipalrecht des Sachſenlandes unan— 

fechtbar gewährleiſtende Wirkungskreis der ſächſiſchen Nationsuni— 
verſität durch Verordnungen der Vollzugsgewalt rechtlich keine Ein— 
ſchränkung oder Schmälerung erleiden könne; 


1 


XIV 

Zur Illuſtrirung dieſes Verfahrens mag nebenbei auf 
die jüngſt ſtattgefundene Verhandlung des preußiſchen Ab— 
geordnetenhauſes über die Einverleibung des Herzogthums 
Lauenburg in den preußiſchen Staat hingewieſen werden. 
Dieſes Ländchen iſt ungefähr 20 Quadratmeilen groß und 
zählt 49,000 Einwohner, während auf den 148˙73 Quadrat- 
meilen des Siebenbürger Sachſenlandes nach der amtlichen 
Volkszählung von 1870 im Ganzen 381,628 Seelen wohnen. 
Dem zwiſchen Lauenburg und dem preußiſchen Staate ge— 
ſchloſſenen und vom preußiſchen Landtage genehmigten Ver— 
trage gemäß „bildet der lauenburgiſche Landescommunalver— 
„band in ſeiner gegenwärtigen Begrenzung und unter Bei— 
„behaltung ſeiner bisherigen Benennung einen beſonderen 
„kreisſtändiſchen Verband mit den Rechten einer Corporation 
„und wird als ſolcher bis auf weiteres von der Ritter- und 
„Landſchaft des Herzogthums Lauenburg in ihrer disherigen 
„Zuſammenſetzung vertreten ... Außerdem iſt die Ritter— 
„und Landſchaft berufen, über die Einführung, Abänderung 
„oder Aufhebung von Geſetzen, welche den Kreis ausſchließ— 
„lich betreffen, ihr Gutachten abzugeben, ſowie im beſonderen 
„Intereſſe des Kreiſes Bitten und Beſchwerden an die Staats— 
„regierung zu richten.“ In der Debatte des preußiſchen 
Abgeordnetenhauſes vom 3. April d. J. bemerkte Fürſt Bis⸗ 
marck unter Anderm: „Dieſe (lauenburgiſchen) Stände ſind 
ſehr klein und ſehr unbedeutend im Vergleich zu dem großen 
preußiſchen Landtage, aber ihr Recht zum Mitreden, in ſo 


„2) daß die Regelung des Königsbodens zu ihrer Geſetzlichkeit 
auch der Mitwirkung der ſächſiſchen Nationsuniverſität bedürfe; daß 
die Zerreiſſung des Sachſenlandes den auf Geſetzen und Verträgen 
beruhenden Rechten deſſelben widerſpreche; daß jede geſetzliche Re— 
gelung des Königsbodens deſſen auf Geſetzen und Verträgen be— 
ruhenden Rechte und insbeſondere den XIII. ſiebenbürgiſchen Ge— 
ſetzartikel vom Jahre 1791, im Sinne des XLIII. Geſetzartikels 
vom Jahre 1868 §§. 10 u. 11, gehörig berückſichtigen müſſe; 

„3) daß nach der Ueberzeugung der Unterfertigten die ſächſiſche Nations— 
univerſität jederzeit wie bisher bereit ſein werde, allen billigen 
Forderungen ſtaatlicher Fortentwicklung im Geiſte conſtitutioneller 
Freiheit und bürgerlicher Rechtsgleichheit nach ihren Kräften und 
in ihrem geſetzlichen Wirkungskreiſe Rechnung zu tragen.“ 

Hermannſtadt, 15. December 1875. 
(Folgen die Unterſchriften.) 


XV 


weit es erforderlich iſt, um dem ganzen Abkommen ſeine 
geſetzliche Sanktion zu geben, darf die königliche Regierung 
ihnen doch nicht verwehren. Jetzt pactirt Lauenburg noch mit 
Preußen, und warum das unwürdig ſein ſollte, das kann 
ich, ſo klein das Herzogthum iſt, nicht einſehen.“ 

Ein Verbrechen ſoll es nun ſein, wenn die Siebenbürger 
Sachſen ihres, nur vor acht Jahren garantirten Rechtes ſich 
erinnern, ja wenn die troſtloſen Zuſtände des Landes ſie 
daran erinnern müſſen, daß ihre Väter auf Grund feſter 
Verträge in's Land gekommen ſind, die ihnen nationale 
Eigenart und Selbſtverwaltung verbürgen? Ein Vorwurf 
ſoll es ſein, daß ſie an einem hiſtoriſchen Rechte hängen, 
nachdem ſie täglich ſehen können, wie die herrſchende Race 
mit dem natürlichen Rechte in Ungarn verfährt? Die zwei 
Millionen Deutſchen in Ungarn — 12 Perzent der geſamm— 
ten Bevölkerung des Landes, während die Magyaren höch— 
ſtens 33 Perzent bilden — repräſentiren auch heute nach 
allen Richtungen des ſtaatlichen Lebens hochbedeutſame, ihre 
Zahl weit überſteigende Werthe. Dies hat auch die Wiener 
Weltausſtellung des Jahres 1873 dargethan, indem von 
1956 Auszeichnungen, welche das internationale Preisgericht 
an Ungarn vertheilte, 1044 allein auf deutſche, dagegen nur 
611 auf magyariſche und magyariſirte, und 301 auf anderen 
Nationalitäten angehörige Ausſteller entfielen. Die Deutſch— 
ungarn überragen die geſammte, achtmal ſo ſtarke Bevölker— 
ung Ungarns in den wichtigſten induſtriellen Gruppen, im 
Berg⸗ und Hüttenweſen, in der chemiſchen Induſtrie, in der 
induſtriellen Erzeugung von Nahrungs- und Genußmitteln, 
in der Textil⸗ und Bekleidungs-, in der Metall-, Leder- und 
Kautſchuck⸗, Halte Kurzwaaren- und Papierinduſtrie, in den 
graphiſchen Künſten und dem gewerblichen Zeichnen, im 
Maſchinen⸗, Bau⸗ und Civilingenieurweſen und in der Er— 
zeugung wiſſenſchaftlicher und muſikaliſcher Inſtrumente. Sie 
ſind von jeher Ungarns Culturträger und Vermittler im 
Landbau, Gewerbe, Handel, in Schule und Wiſſenſchaft 
geweſen. Und dennoch kann der Deutſche in Ungarn dort, 
wo ihm nur das natürliche, aber kein hiſtoriſches Recht zur 
Seite ſteht, ſich ſeiner Mutterſprache nur am Herdfeuer des 
eigenen Hauſes erfreuen, dagegen weder im Staate noch im 
Municipium. Ja ſogar in der ſtädtiſchen Gemeindevertretung 
des überwiegend deutſchen und von Deutſchen gegründeten 
Ofen⸗Peſt iſt der deutſche Laut verpönt. Der gegenwärtige 


XVI 

Bürgermeiſter der ungariſchen Hauptſtadt, Karl Kammer— 
maier, zog einen armen Beamten zu ſchwerer Strafe, weil 
dieſer die Todſünde einer deutſchen Kundmachung auf ſich 
geladen hatte. Bei der letzten Ueberſchwemmung in Ofen- 
Peſt wurde der von einem Mitgliede der dortigen Hoch— 
waſſercommiſſion geſtellte Antrag verworfen, die Maueran— 
ſchläge, welche die Bevölkerung von dem Nahen der Waſſer— 
gefahr verſtändigen und warnen ſollten, in magyariſcher und 
deutſcher Sprache zu veröffentlichen, ja ſogar die Bitte wurde 
abgelehnt, unter den amtlich unterzeichneten, magyariſchen 
Verlautbarungen einfach eine deutſche Ueberſetzung ohne irgend 
welche behördliche Signirung anzubringen. So konnte ein 
ſächſiſcher Abgeordneter in der Sitzung des ungariſchen Ab— 
geordnetenhauſes vom 18. März conſtatiren, daß er, obwohl 
„theils in der Hauptſtadt, theils in unmittelbarer Umgebung 
derſelben über 300,000 deutſch-ungariſche Staatsbürger in 
nächſter Nähe bei einander wohnen,“ vergebens eine ſolche 
Schule geſucht habe, wo ſeine Kinder „nicht etwa die Vor— 
bereitung zu den akademiſchen Studien, ſondern nur die 
erſten Elemente der Wiſſenſchaft in ihrer Mutterſprache 
1 i. in einer deutſchſprachigen Volksſchule ſich eigen machen 
önnten.“ 

In dreitägiger Redeſchlacht haben ſich die ſächſiſchen 
Abgeordneten auf dem ungariſchen Landtage gegen eine 
zwanzigfache Uebermacht gewehrt, um Ungarn vor dem Mackel 
eines Rechtsbruches zu bewahren. Sie ſind unterlegen. Sie 
mußten zu dem Schaden auch den Schimpf einer rohen 
Majorität und deren zügelloſen Preſſe erdulden. Ohne Er— 
röthen erklärten ihnen dieſe: die bindenden Zuſagen der ge— 
ſetzgebenden Körper Ungarns und Siebenbürgens und ihrer 
hervorragenden Mitglieder über die Aufrechthaltung des 
ſächſiſchen Municipalrechtes enthielten nicht die Garantie 
deſſelben, die bisher alle Welt unwiderſprochen darunter 
verſtanden hatte. Warum hätten es die Blinden nicht ge— 
ſehen? Ferner wurden nicht blos die einſtudirten Fabeln 
von ſächſiſcher Tyrannei und mittelalterlicher Don-Quixotterie 
den Sachſen von dem Hohne der Uebermacht entgegen ge— 
halten, — ein vom Judenthum zum Magyarenthum über⸗ 
getretener Renegat (Ignaz Helfy, vormals Heller) ſtritt den 
Sachſen ſogar die deutſche Sprache, in welcher ſie ſchreiben, 
öffentlich verkehren und literariſch thätig ſind, die Sprache 
Luther's, Leſſing's, Göthe's und Schiller's mit cijerner 


XVII 


Stirne ab*) — ſondern auch die Wahrheit ihrer Ueberzeug⸗ 
ung wurde geſchmäht. Weil der magyariſchen Majorität und 
deren journaliſtiſchen Helfershelfern die Rechte der Sachſen 
nicht heilig waren, durften ſie auch dieſen letzteren und ins⸗ 
beſondere den ſächſiſchen Abgeordneten nicht heilig ſein. Man 
begriff oder wollte nicht begreifen, daß ein Volk, deſſen 
heiligſte Rechte auf dem Spiele ſtehen, aufrichtigen Schmerz 
empfinden könne; denn, wenn man den Schmerz zugab, 
hätte man auch das Unrecht eingeſtehen müſſen, und in 
keinem Falle von der Beglückung der Sachſen durch die 
neuen „Reformen“ fabeln können; ſinnlos wäre dann auch 
die Poſſe geweſen, daß zwei Ueberläufer im Abgeordneten⸗ 
hauſe ſich angeblich im Namen der Sachſen für die Wohl: 
thaten des Rechtsbruches bedankten. Dafür mußte denn der 
„Peſter Lloyd“, welcher ſich rühmt, „die publiciſtiſchen Be— 
ziehungen Ungarns zum Auslande zu vermitteln“, die Frech— 
heit in die Welt hinauspoſaunen, daß die Sachſen „von 
Amts wegen“ betrübt ſeien. Daher mußte dieſes deutſch 
geſchriebene Blatt, welches ſich ſeine Protektion dadurch er— 
kauft, daß es mit friſch geſchliffenem Huſarenſäbel auf jedes 
Recht der Deutſchen in Ungarn losſtürmt, wieder den Hel— 
denmantel umhängen und ſein illuſtres Mitleid mit dem 


) Die Fabel Helfy's wird ſchon durch die jährlichen Publikationen 
des um das wiſſenſchaftliche Leben in Siebenbürgen hochverdienten, leider 
nur von Sachſen gebildeten „Vereines für ſiebenbürgiſche Landeskunde“, 
ſowie durch die deutſchen Schulprogramme der ſächſiſchen Mittelſchulen 
Lügen geſtraft. Erwähnung mögen hier noch finden: G. D. Teutſch: 
„Geſchichte der deutſchen Siebenbürger Sachſen für das ſächſiſche Volk.“ 
2 Bde. 2. Aufl. (Leipzig 1874. Verlag von S. Hirzel); Friedr. Schuler 
von Libloy: „Siebenbürgiſche Rechtsgeſchichte.“ 3 Bde. (Zweite Auflage. 
Hermannſtadt 1867. Verlag der Cloſius'ſchen Erbin); Schlötzer: „Kri— 
tiſche Sammlungen zur Geſchichte der Deutſchen in Siebenbürgen.“ (Göt— 
tingen 1795 im Vanderhoek-Ruprecht'ſchen Verlage); Ferd. v. Ziegl— 
auer: „Hartenek, Graf der ſächſiſchen Nation, und die ſiebenbürgiſchen 
Parteikämpfe feiner Zeit (1691 — 1703).“ (Zweite Ausgabe. Her: 
mannſtadt 1872. Verlag von Theodor Steinhaußen); Eugen v. Frie⸗ 
denfels: „Joſef Bedeus von Scharberg. Beiträge zur Zeitgeſchichte 
Siebenbürgens im 19. Jahrhundert.“ (Wien 1876. Verlag von Wilhelm 
Braumüller); Charles Boner: „Siebenbürgen. Land und Leute.“ 
(Leipzig 1868. Verlag von Joh. Weber); Franz v. Löher: „Die 
Magyaren und andern Ungarn.“ (Leipzig 1874. Verlag von Fues (R. 
Reisland). 

2 


XVIII 


kindiſchen Unverſtande der Sachſen zur Schau tragen. Daher 
mußten die ſächſiſchen Abgeordneten in demſelben Momente, 
in welchem der Treubruch ihre Bruſt erſchütterte, als Ko— 
mödianten dargeſtellt werden, die auf der Bühne ſterben, 
aber, ſobald der Vorhang gefallen und das Publikum tra⸗ 
giſch gerührt iſt, heil und geſund wieder aufſtehen. 

Die Lüge läßt jedoch ihre Herolde in Peſt nicht ſchlafen. 
Macbeth's Wort: „Da waren Zeiten, wo der Mann ſtarb, 
wenn das Gehirn heraus war, und damit gut; jetzt aber 
ſtehn die Gemordeten auf“ — kommt ihnen nicht aus dem 
Sinn. Das Ausland ſoll zu der Rolle gedrillt werden, bei⸗ 
falljauchzend zu dem Verfahren gegen die Siebenbürger 
Sachſen in die Hände zu klatſchen. Die deutſch geſchriebene 
Peſter Preſſe, aus welcher ſich das Ausland über ungariſche 
Verhältniſſe zu informiren pflegt, ſcheint den Erfolg nicht 
geſichert zu haben, obwohl ſie, voran der „Peſter Lloyd“, 
in den Berichten über die dreitägige Sachſen-Debatte, außer 
der Rede eines einzigen Abgeordneten, die Reden der andern 
ſächſiſchen Abgeordneten jo gut wie todt geſchwiegen, dagegen 
in Leitartikeln haarſcharf nachgewieſen hat, daß die Sachſen 
zur Vertheidigung ihrer Rechtsſtellung nichts anderes als ver— 
altete Privilegien und die nackte Behauptung des Wort: 
bruches vorzubringen gewußt hätten. Daher nachtwandelt 
Lady Macbeth, die Hauptmitſchuldige an den Mordthaten 
ihres Gatten, das k. ungariſche und gemeinſame Andrafjy’iche 
Preßbureau, hinaus in die ausländiſchen, namentlich die deut— 
ſchen Blätter und ſucht ſich in deren Spalten die blutigen 
Hände rein zu waſchen. 5 

So haben denn auch ſchon deutſche Zeitungsorgane, 
deren Redactionen nicht einſichtsvoll genug oder durch 
Pflichten amtlicher Courtoiſie gegen den Nachbar gebunden 
ſind, die Hand dazu geboten, durch die Aufnahme pamphlet⸗ 
artiger Darſtellungen, für die aus Rückſicht auf das deutſche 
Nationalgefühl gewöhnlich einige anerkennende Phraſen als 
Eingangszoll entrichtet werden, das Urtheil des Auslandes 
über den deutſchen Volksſtamm Siebenbürgens zu verwirren 
und ungünſtig zu geſtalten. Auf demſelben Wege iſt in 
deutſche Blätter auch die Verdächtigung der Staatstreue der 
Siebenbürger Sachſen, die Vorſtellung eingeſchmuggelt wor⸗ 
den, als ob die Sachſen auf die Hilfe des deutſchen Mutter⸗ 
landes bauten. Wohl hat es den Deutſchen Siebenbürgens 
ſtets, wie den Schiffer im Liede, der ſein Ohr nach dem 


XIX 


zauberhaften Glockengeläute der meerverſunkenen Wunderſtadt 
hinneigt, nach Deutſchland, ſeinem Mutterlande gezogen. 
Wohl hat Deutſchland, ſelbſt in den Zeiten ſeiner tiefſten 
Zerfahrenheit, auch zum Sachſenvolke Siebenbürgens mit 
ſeiner ganzen Nationalliteratur geſprochen, an der die Sachſen 
gleich jedem andern deutſchen Volksſtamm theilnehmen, und 
die deutſchen Bücher haben ſtets ihren Weg in die Karpathen⸗ 
thäler gefunden, auch damals, als dieſe vom Türkenſtreit 
und Schlachtruf zwiſchen Bürger- und Junkerthum wider— 
hallten. Wohl haben die Sachſen um den Sieg für die 
deutſchen Waffen gebetet, als „der Trompeter von Mars la 
Tour mit der zerſchoſſenen Bruſt“ zum Kampfe wider den 
deutſchen Erbfeind blies; wohl haben ſie, wenn gleich arm, 
ihr Scherflein geſammelt für die verwundeten Helden von 
Wörth, Metz, Sedan, und von den andern Siegesſtätten auf 
der galliſchen Erde — aber nie hat ein unlauterer Gedanke 
gegen die Monarchie, der ſie angehören, ſich in ihre Herzen 
eingeſchlichen; kein einziger Mackel hat jemals ihre Bürger— 
treue gegen ihr Vaterland befleckt. Das beweiſt Blatt für 
Blatt ihre ſiebenhundertjährige Leidensgeſchichte, die ein Meer 
von Blut und Thränen birgt, von Blut und Thränen, welche 
ſie für ein nichtdeutſches Vaterland und für ihr Herrſcher— 
haus vergoſſen haben, dem ſie mit unauslöſchlicher, von 
Ahnen und Enkeln erprobter Treue ergeben und für welches 
die Söhne ebenſo wie die Väter Gut und Blut einzuſetzen 
zu jeder Stunde bereit ſind. 

Nein, nicht Hilfe erwarten die Sachſen Siebenbürgens 
von ihren Stammesbrüdern außerhalb der Grenzen des 
Staates, dem ſie durch Wahl, Beruf und Geſchichte ange— 
hören. Wohl aber erwarten ſie etwas, was jeder Deutſche 
ſpenden kann ohne Einmiſchung in die inneren Angelegen— 
heiten der Nachbarländer: die Sympathie. Denn mehr als 
das Mißgeſchick, das ſie getroffen, muß ihnen Verkennung 
und Verhöhnung im Mutterlande wehe thun. Sie ſenkt den 
bitterſten Stachel in ihre Herzen, und die Wunde ſitzt um 
ſo tiefer, als kein Zug der Berechnung bei der Theilnahme 
der Siebenbürger Sachſen an Deutſchlands Geſchick in ſeinen 
böſen und guten Tagen jemals im Spiele war, und ſelbſt 
ihr Jubel über ſeine jüngſte Waffenehre von Jenen übel 
vermerkt wurde, die bei Gambetta's Lügentelegrammen in 
ſiegjauchzenden Freudentaumel geriethen, in einem offiziö⸗ 
ſen, damals unter Andraſſy'ſchem Einfluſſe ſteheuden Blatte, 


XX 


der „Peſter Reform“ erklärten: „Frankreichs Siege ſind auch 
unſere Siege“ und ſpäter Deutſchlands beſte Freunde ge— 
weſen ſein wollten. 8 

Da ſolch entſtellende Berichte und falſche Urtheile über 
die ſächſiſchen Abgeordneten und die Sache, die ſie verthei— 
digten, auch in die ausländiſche Preſſe Eingang gefunden 
haben, ſo iſt es nur eine Pflicht der Gerechtigkeit, durch eine 
getreue Wiedergabe der Debatte im ungariſchen Landtage 
auch dem Auslande die Gelegenheit zu bieten, falſche Urtheile 
und künſtlich hervorgerufene Irrthümer zu berichtigen. Die 
nachſtehenden Blätter enthalten daher die in deutſcher Ueber— 
ſetzung von dem zu Hermannſtadt erſcheinenden „Sieben— 
bürgiſch⸗deutſchen Tageblatt“ veröffentlichten ſtenographiſchen 
Landtagsberichte über die Zertrümmerung des Sachſenlandes 
in dem Abgeordneten- und Oberhauſe des ungariſchen Land- 
tages. Als Ergänzung der Letzteren möge hier noch Er: 
wähnung finden, daß das Abgeordnetenhaus den Geſetzent— 
wurf der Regierung am 25. März d. J. in dritter Leſung 
angenommen und das Oberhaus noch an demſelben Tage 
die Dringlichkeit des Gegenſtandes beſchloſſen hatte. Zwei 
Tage darauf, am 27. März, wurde der Geſetzentwurf auch 
im Oberhauſe im Fluge erledigt. Blos ein einziger magya— 
riſcher Magnat, Baron Dionys Eötvös, fühlte ſich in ſeinem 
Gewiſſen verpflichtet, die Vorlage als geſetz- und verfaſſungs— 
widrig zurück zu weiſen. Er hat ſich dadurch die ehrenvolle 
Anerkennung aller Rechtlichdenkenden verdient. 

Der Anhang enthält den Geſetzentwurf über den Königs— 
boden in den Textirungen des Miniſters und der vorbe— 
rathenden Commiſſion des Abgeordnetenhauſes, ferner den 
Motivenbericht des Miniſters Tisza und eine von Tauſenden 
unterzeichnete Dankadreſſe des Sachſenvolkes an ſeine volks— 
treuen Abgeordneten in Peſt. 


Druckſehler-Verzeichniß. 


Seite 2, 18. Zeile von Oben auſtatt „eines Geſetzentwurfs“ zu leſen: 


„einen Geſetzentwurf“. 


Seite 18, 4. Zeile von Unten anſtatt „Gewiſſes“ zu leſen: „Gewiſſe ns“. 


77 20, 
70 21 


Seite 88, 
Seite 88, 


Seite 95, 


Seite 96, 


ieee „ „erte 

3. „ „ Unten „ „Geſetzhebung“ zu leſen: „Geſetz— 
gebung“. 

20. Zeile von Oben anftatt „nobilum“ zu leſen: „nobili um“. 
8. Zeile von Unten anſtatt „unter der ſächſiſchen Univerſität“ 
zu leſen: „und der ſächſiſchen Univerſität“. 

3. Zeile von Unten anſtatt „Böſes gebäreu muß“ zu leſen: 
„Böſes muß gebären“. 

2. Zeile von Unten hinter Generalgouverneuers zu ergänzen: 
„aufgehoben war.“ 


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Debatte 


des 


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(Ueberſetzung des ſtenografiſchen Laudtagsberichtes über die Sitzungen 
vom 22., 23. und 24. März 1876). 


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Erſter Sitzungstag am 22. März. 


Präſident Ghyczy: Ich melde dem geehrten Haufe 
an: die Repräſentation der Kronſtädter Diſtrictsvertretung gegen 
den vom l. ungariſchen Miniſter des Innern vorgelegten Ge— 
ſetzentwurf über den Königsboden, weiters über die ſächſiſche 
Univerſität und das Vermögen der Univerſität und das ſo— 
genannten Siebenrichtervermögen. 

Weiters die ähnliche Repräſentation der Stadt und des 
Stuhles Mediaſch, worin gebeten wird, den Geſetzentwurf 
über den Königsboden abzulehnen und den Miniſter des 
Innern anzuweiſen, einen neuen Geſetzentwurf auszufertigen. 

Dieſe Petitionen wären der Hausordnung gemäß an 
die Petitions-Commiſſion zu überweiſen; da aber eben für 
den heutigen Tag die Verhandlung des Geſetzentwurfes über 
den Königsboden anberaumt iſt, frage ich das geehrte Haus, 
ob es nicht etwa zweckmäßiger erſcheint, dieſe Petitionen in 
die Kanzlei des Hauſes, zur Ermöglichung der Einſichtnahme 
aufzulegen? (Zuſtimmung). Wenn das geehrte Haus damit 
einverſtanden iſt, werden dieſe Petitionen ſonach in der Kanzlei 
des Hauſes zur Einſichtsnahme aufliegen. ... 

Präſident: Es folgt die Tagesordnung: Die Verhand— 
lung des Geſetzentwurfs über den Königsboden, über die Re— 
gelung der ſächſiſchen Univerſität, ſowie über das Vermögen 
der Univerſität und der ſogenaunten Siebenrichter, reſpective 
des diesfälligen Berichtes der Verwaltungscommiſſion. 

Wenn das geehrte Haus den Bericht und den Geſetz— 
entwurf als aufgeleſen annehmen will, ſo eröffne ich die Ge— 
neraldebatte, in der das erſte Wort dem Herrn Berichter— 
ſtatter zuſteht. 

Friedrich Wächter Berichterſtatter (Regierungs- 
partei): 

Geehrtes Haus! Da die Motivirung des an der 
Tagesordnung ſtehenden Gejegentwurfes in der Vorlage ſelbſt 
enthalten iſt, wünſche ich bei dieſer Gelegenheit nicht, die 
ohnehin ſehr koſtbare Zeit des geehrten Hauſes mit einer 
neuerlichen Motivirung in Anſpruch zu nehmen, ſondern bitte 

1 


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einfach das geehrte Haus, es wolle den Geſetzentwurf in 
der Textirung des Verwaltungs-Ausſchuſſes im Allgemeinen 
als Grundlage für die Special-Debatte aunehmen. (Zu⸗ 
ſtimmung. 


Koloman Tißa, Miniſterpräſident: 

Geehrtes Haus! Auch meiuerſeits halte ich es nicht 
für nöthig, dieſen Geſetzentwurf im Vorhinein ausführlicher 
zu begründen, nachdem die Motivirung ſeit Wochen ſchon in 
den Händen des geehrten Hauſes ſich befindet. 

Wenn Bemerkungen, Auſtände gegen denſelben auf— 
tauchen ſollten, behalte ich es mir natürlich vor, auf dieſelben 
zu autworten. Jetzt bitte ich das geehrte Haus nur darum, 
es wolle dieſen Geſetzentwurf in der Textirung des Verwal— 
tungs⸗Ausſchuſſes annehmen. (Zuſtimmung.) 

Guſtav Kapp (Sachſe): 

Geehrtes Haus! Indem ich bei der Generaldebatle 
über den vorliegenden Geſetzentwurf das Wort ergreife, eines 
Geſetzentwurfs, der an ſich und im Allgemeinen von großer 
Wichtigkeit, ſpeciell für uns aber von ganz außerordeutlicher 
Tragweite iſt, erſchwert mir gar ſehr meine Aufgabe das Be⸗ 
wußtſein, daß ich keine glänzende Rednergabe beſitze, daß ich 
einer rieſigen Majorität gegenüberſtehe und daß ich mit dem, 
was ich vorbringen werde, ven Vorneherein nur auf Ab- 
neigung und vorgefaßte Meinungen ſtoße und nicht auf 
Sympathien rechnen darf. Bei alledem ſchrecke ich vor der 
Größe und Schwere meiner Aufgabe nicht zurück, ſondern 
werde, im Bewußtſein des Rechts und der guten Sache, die 
mir zur Seite ſtehn, bemüht ſein, nach Maßgabe meiner 
beſcheidenen Kräfte das zu thun, was mir meine lautere 
Ueberzeugung, meine Begriffe von Pflichtgefühl und mein 
Gewiſſen gebieten. Ich werde mich beſtreben, in meiner Rede 
mich ſtreng an die Sache zu halten, ſoweit möglich ruhiger 
Objectivität und thunlichſter Kürze mich zu befleißigen und 
erlaube mir nur die Bitte: das geehrte Haus wolle mich 
mit Geduld anhören, und das, was ich vorbringen will, ſeiner 
Beachtung und einer vorurtheilsfreien, ernſten und ruhigen 
Ueberlegung würdigen. (Hören wir!) 

Der Zweck des vorgelegten Geſetzentwurfes iſt: den 


3 


Königsboden und deſſen einzelne Theile aus der Reihe deſſen, 
was da iſt und lebt, zu ſtreichen, und das, was aus dieſem 
Gebiet künftighin gemacht werden ſoll, der Regierung und 
ihrer Majorität zur freien Verfügung zu ſtellen. Das ſprechen 
die zwei erſten Paragrafe des Geſetzentwurfes mit einer 
durchaus zweifelloſen Klarheit aus. In dem Motivenbericht, 
welchen der Herr Minifter dieſem Geſetzentwurfe beigegeben 
hat, führt der Herr Miniſter an: „daß es eine vom Geſetze 
„vorgeſchriebene Pflicht des Miniſteriums war“, den Geſetz— 
entwurf einzubringen. 

Darin ſtimme auch ich mit dem Herrn Miniſter überein 
— und läßt ſich das bei einem Blick auf das betreffende 
Geſetz auch ſchlechterdings von Niemanden beſtreiten — daß 
dem Herrn Miniſter vom Geſetze die ſtrikte Verpflichtung 
auferlegt worden, einen Geſetzentwurf über die municipale 
Regelung des Königsbodens einzubringen, nicht aber ein 
ſolches, wie das vorliegende iſt. 

Der Herr Miniſter beruft ſich nämlich in feinem Mo- 
tivenbericht in erſter Reihe und hauptſächlich auf den §. 1 
des Geſetzartikels 43 von 1868, welcher von den Detailbe— 
ſtimmungen über die Union Siebenbürgens mit Ungarn 
handelt, und berührt daneben nur ganz oberflächlich die 88. 
10 und 11 dieſes ſelbigen Geſetzartikels, dann den §. 88 
des Geſetzartikels 42 von 1870. Dem Herrn Miniſter er— 
ſcheint es dabei zweckmäßig, das Hauptgewicht auf den §. 1 
des G.⸗A. 43 von 1868 zu legen, welcher — ich will ihn 
Wort für Wort aufleſen — alſo lautet: 

„Die nach den bisher beſtandenen politiſchen Nationen 
„bezeichnete Eintheilung und Benennung der Territorien und 
„die damit verbundenen Vorrechte und Privilegien, ſoweit ſie 
„irgend einer Nationalität mit Ausſchluß anderer zugeſtanden, 
„werden aufgehoben; und die Rechtsgleichheit der ſämmtlichen 
„Staatsbürger des vereinigten Ungarns, in bürgerlicher und 
„politiſcher Beziehung, wird auch neuerlich gewährleiſtet.“ 

Die Berufung auf den, in dieſem Paragraf ausge— 
ſprochenen ganz allgemeinen Grundſatz wäre — ich erkenne 
das an — eine ſehr bequeme Sache; in dem vorliegenden 
Falle liegt die Sache aber nicht ſo. 

Hätte die Geſetzgebung damals, als ſie das Geſetz über 


1 * 


4 


die Detailbeſtimmungen der Union Siebenbürgens mit Ungarn 
ſchuf, nichts weiter gewollt, als dieſen ganz allgemeinen 
Grundſatz ausſprechen — auf welchen der Herr Miniſter 
heute ſeinen vorliegenden Geſetzentwurf vorwiegend ſtützen 
will, fo durfte fie in jenen Geſetzartikel keine weiteren §§. 
aufnehmen. Sie hat aber mehr gethan, hat in den folgenden 
SS. die Detailbeſtimmungen dieſer Union weiter ausgeführt 
und in bindender Weiſe feſtgeſtellt. Speciell den Königs— 
boden betreffend, hat fie präcife beſtimmt, wie und in welcher 
Art dieſe Regelung des Königsbodens zu geſchehen habe. 
2 §. 10 dieſes Geſetzes lautet nämlich Wort für Wort 
alſo: 
„Im Zwecke der Sicherſtellung der Selbſtverwal— 
„tungsrechte der Stühle, Diſtricte und Städte des Königs— 
„bodens, der Organiſirung ihrer Vertretungskörper und 
„die Feſtſtellung des Wirkungskreiſes der ſächſiſchen Na— 
„tions-Univerſität wird das Miniſterium betraut, mit Ans 
„hörung der Betreffenden dem Reichstage einen ſolchen 
„Geſetzentwurf vorzulegen, der ſowol die auf Geſetzen und 
„Verträgen beruhenden Rechte, als auch die Rechtsgleichheit 
„aller, dieſes Territorium bewohnenden, welcher Nationalität 
„immer angehörenden Staatsbürger gehörig zu berückſich— 
„tigen und in Einklang zu bringen hat.“ 
Weiters der §. 11 dieſes Geſetzes lautet: 
„Die ſächſiſche Nations-Univerſität wird auch wei— 
„terhin in dem, mit dem ſiebenbürgiſchen Geſetzartikel XIII. 
„von 1791 in Einklang ſtehenden Wirkungskreiſe — mit 
„Aufrechthaltung des Seiner Majeſtät zuſtehenden und im 
„Wege des ungarischen verantwortlichen Miniſteriums aus— 
„zuübenden Aufſichtsrechtes — belaſſen, mit der Ausnahme, 
„daß die Univerſitätsverſammlung in Folge der Aende— 
„rungen in dem Organismus des Juſtizweſens weiterhin 
„keine richterliche Function ausüben kann.“ 

Der Inhalt dieſer beiden Paragrafe ſetzt völlig außer 
Zweifel, daß der Herr Miniſter bei Anfertigung des Geſetz— 
entwurfes nicht an den §. 1, ſondern ſtrikte an den $. 10 
und 11 dieſes Unionsgeſetzes ſich zu halten angewieſen und 
verpflichtet iſt. Dieſe beiden Paragrafe enthalten ganz präcije 
Beſtimmungen, an die der Herr Miniſter gebunden war, 


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19] 


denen jedoch — das ift unbeſtreitbar — der vorliegende 
Geſetzentwurf ſchlechterdings nicht entſpricht. Ich werde mich 
bemühen, das an der Hand des Geſetzes und dieſes Geſetz— 
entwurfes noch näher nachzuweiſen. 

Ehe ich jedoch daran gehe, wolle mir das geehrte Haus 
geſtatten, ihm nun in den Hauptzügen Einiges von dem in 
das Gedächtniß zurückzurufen, was der Schaffung dieſes 
Unionsgeſetzes von 1868 vorausgegangen. 


Im Jahre 1848 beſchloß Ungarn von ſeiner Seite die 
Union mit Siebenbürgen und lud Siebenbürgen ein, ſich 
Ungarn anzuſchließen. Damals ſprach die Legislative Un— 
garns in dem Geſetzartikel 7 von 1848 §. 5 aus: 


„Ungarn iſt bereit, alle jene beſonderen Geſetze und 
„Freiheiten Siebenbürgens, welche die vollſtändige Ver— 
„einigung nicht hindern und der nationalen Freiheit und 
„Rechtsgleichbeit nicht abträglich find, anzuerkennen und 
„aufrechtzuhalten.“ 


Siebenbürgen nahm darauf hin ſeinen J. G.-A. von 
1848 an, ſprach darin aus, daß es in die Union eingehen 
wolle, und beſtellte im §. 2 des ſiebenb. G.-A. I von 1848 
— eben im Hinblick auf den bezogenen §. 5 des ungar— 
ländiſchen G. -A. 7 von 1848 — „eine Regnicolarcommiſſion, 
„welche Commiſſion über die Details, die Modalitäten dieſer 
„Vereinigung dem ungariſchen Miniſterium Aufſchluß geben, 
„bei der Einverleibung der Theile Siebenbürgens zu Ungarn 
„mitwirken und dem Miniſterium das Material zu dem 
„dießbezüglichen, dem nächſten Reichstage vorzulegenden Ge— 
„ſetzentwurfe liefern ſolle.“ Die! Regnicolarcommiſſion begann 
damals auch ihre Arbeiten, konnte dieſelben jedoch, in Folge 
der bald darauf eingetretenen, bedauerlichen Ereigniſſe nicht 
zu Ende führen. Die Sache — und mit ihr die Union — 
blieb in Schwebe, bis Ende 1865 der ungariſche Landtag 
wieder einberufen wurde. Da beſagte die Thronrede bezüglich 
der Union Ungarns und Siebenbürgens folgendes: 


„Wir haben den Landtag Siebenbürgens zu dem 
„Zwecke einberufen, damit er den, über die Union Sieben— 
„bürgens mit Ungarn handelnden ſiebenbürgiſchen Geſetz— 
„artikel I von 1848 zum Gegenſtand feiner ernſten und ein— 


9 


„gehenden Erwägung mache, und fordern die getreuen Stände 
„und Abgeordneten unſeres geliebten Ungarns betreff des 
„ungarländiſchen G.⸗A. 7 von 1848 zu gleichem Vorgange 
„auf, damit dieſe Frage nicht nach dem todten Buchſtaben 
„eine ſcheinbare und eben darum in ihrem Erfolg zweifel— 
„hafte, — ſondern durch die Würdigung und den vertrauens⸗ 
„vollen Anſchluß aller lebenskräftigen Factoren eine dauernde 
„und befriedigende Löſung finde.“ | 


Hierauf antwortete das Abgeordnetenhaus Ungarns in 
ſeiner Adreſſe an Se. Majeſtät: (lieſt) „Wir ſprechen Eurer 
„Majeſtät unſern Dank aus für die landesväterliche Fürſorge, 
„mit der Eure Majeſtät die endgiltige Austragung der aus 
„der Union Siebenbürgens mit Ungarn fließenden Verhält— 
„niſſe am Herzen tragen. Die Grundlage für dieſe Verhält 
„niſſe haben jene Geſetze gegeben, welche im Jahre 1848 
„über die Union Ungarns und Siebenbürgens von beiden 
„Ländern einverſtändlich geſchaffen und durch die Allerhöchſte 
„Genehmigung ſanctionirt worden ſind. Aber es gibt in dieſer 
„Sache noch Vieles auszutragen und wir ſtellen nicht in 
„Abrede, daß zur Erzielung einer allſeitig befriedigenden, 
„gerechten und billigen Löſung ernſte Ueberlegung und 
„Umſicht nothwendig ſei. Uns würden bei den dießbezüglichen 
„Verhandlungen die Gefühle brüderlicher Liebe leiten, wie 
„wir auch vertrauen und hoffen, daß Niemand von uns 
„ſolches verlangen wird, was die Grundpfeiler unſerer Ver⸗ 
„faſſung gefährden könnte.“ 


Zu derſelben Zeit war auch der Landtag Sieben- 
bürgens einberufen und verſammelt, damit er den ſiebenb. 
G.⸗A. I von 1848 in ernſte Erwägung ziehe. Des Nähern 
auf das, was dort geſchah, will ich vorläufig nicht eingehen 
und nur anführen, was die Adreſſe des ſiebenbürgiſchen 
Landtags dießbezüglich ſagte: „Das väterliche, die Beglückung 
„aller Ihrer Völker anſtrebende Herz Euer kaiſerlichen und 
„apoſtoliſchen königlichen Majeſtät, fo wie die bekannte Frei⸗ 
„ſinnigkeit und Gerechtigkeitsliebe der ungariſchen Geſetz— 
„gebung bieten hinreichende Garantien dafür, daß die Rechte, 
„Intereſſen und Anſprüche der einzelnen Theile, der Con⸗ 
„feſſionen und Nationalitäten Siebenbürgens bei der detail⸗ 
„ltrten Durchführung der Union gebührend berückſichtigt und 


7 


„auf Grundlage der Gleichberechtigung und der Billigkeit 
„werden befriedigt werden.“ 

Das auf dieſe Adreſſe erfloſſene königliche Reſeript an 
den ſiebenbürgiſchen Landtag ſpricht daraufhin aus: (lieſt) 
„Die endgiltige Vereinigung der beiden Länder, die nur auf 
„dem Grunde der erfolgten Feſtſtellung der ſtaatsrechtlichen 
„Verhältniſſe der Länder der ungariſchen Krone zu ein- 
„ander, ſowie der Stellung derſelben zum Reiche verwirklicht 
„werden kann, machen Wir überdieß von der gebührenden 
„Berückſichtigung der beſonderen Landesintereſſen Unſeres ge- 
„liebten Großfürſtenthums Siebenbürgen, von der Sicher- 
„ſtellung der auch von Euch gewürdigten Rechtsanſprüche 
„der verſchiedenen Nationalitäten und von der zweckmäßigen 
„Löſung der auf die Adminiſtration bezüglichen Fragen 
„abhängig.“ 

Gleichzeitig erfloß auch auf die Adreſſe des ungariſchen 
Landtags ein allerhöchſtes königliches Reſcript, welches aus⸗ 
ſprach: (lieſt) „Bezüglich Eurer auf die Vervollſtändigung 
„des Landtags gerichteten Bitten haben Wir mit Befriedi⸗ 
„gung das Verſprechen der landtäglich verſammelten Mag⸗ 
„naten und Abgeordneten aufgenommen, daß ſie gegenüber 
„allen Claſſen der Staatsbürger, ohne Unterſchied der Con» 
„feſſion und der Sprache, die Grundſätze der Gerechtigkeit 
„und Billigkeit zu allen Zeiten zur Richtſchnur nehmen 
„werden, und daß ſie insbeſondere den Landesbewohnern 
„nichtmagyariſcher Zunge alles das, was deren Intereſſen 
„und das allgemeine Landesintereſſe erheiſcht, durch Geſetze 
„gewährleiſten wollen. In Ausübung Unſerer Herrſcher⸗ 
„pflichten werden Wir zu Unſerer angenehmſten Aufgabe 
„zäblen all das, womit wir die Verwirklichung dieſes von 
„Uns heiß erſehnten Wunſches fördern können, denn den 
„Frieden, die Eintracht und die Intereſſengemeinſchaft der 
„Landesbewehner werden Wir jeder Zeit freudig begrüßen 
„und mit aller Macht fördern.“ 

Ich bitte um Entſchuldigung, daß ich Ihre Geduld mit 
Anführung dieſer Citate in Anſpruch genommen, aber ich 
hielt es geboten, bei dieſem Anlaß Ihnen all' das ins Ge, 
dächtniß zu rufen, was ſowol die Geſetzgebung Ungarns und 
Siebenbürgens, als auch Se. Majeſtät dießbezüglich in feier⸗ 


8 


licher und förmlicher Weiſe auszuſprechen und zu erklären 
geruhten, ehe der G.-A. 43 von 1868 geſchaffen worden. 
Ein Ausfluß und eine Folge dieſer feierlichen Erklärungen 
war die Schaffung dieſes G.-A. 43 von 1868, worin die 
Beſtimmungen detaillirt wurden, wie und in welcher Art und 
Weiſe die Unionsfrage überhaupt und ſpeziell auch die Frage 
der Regelung des Königsbodens gelöſt und durchgeführt zu 
werden habe. 

Halten wir nun alle dem den vorgelegten Geſetzentwurf 
gegenüber. Fürwahr, es läßt ſich nicht beſtreiten, daß dieſer 
Geſetzentwurf all dem, was feierlich verſprochen worden und was 
in dem G.⸗A. 43 von 1868 zu wirklicher Geſetzeskraft erhoben 
worden, in keiner Weiſe gerecht wird, daß er die hier maß— 
gebenden SS. 10 und 11 dieſes Geſetzes ſich gar nicht vor 
Augen gehalten hat. 

Denn der vorliegende Geſetzentwurf ſpricht mit keinem 
Worte von der Sich erſtellung der Selbſtverwaltungs— 
rechte der Stühle, Diſtrikte und Städte des Königsbodens, 
ſondern verlangt, die Geſetzgebung ſolle eine Generalvollmacht 
geben, damit ohne alle Berückſichtigung der bisher beſtan⸗ 
denen Verhältniſſe und munizipalen Verbände eine beliebige, 
ganz neue Territorialeintheilung gemacht werden könne; — 
ſpricht alſo die Vernichtung des Königsbodens und ſeiner 
Stühle und Diſtrikte — dem Geſetze ſchnurſtraks entgegen — 
in nackter Weiſe aus. 

Die zweite Anordnung des §. 10 beſtimmt, daß der 
vorzulegende Geſetzentwurf von der Organiſirung der 
Vertretungskörper dieſer Stühle, Diſtrikte und Städte 
handeln ſolle. Auch nicht ein einziges Wort hierüber findet 
ſich in dem vorliegenden Geſetzentwurfe. 


Weiters verordnet dieſer Paragraf, daß dieſer Geſetz⸗ 
entwurf mit Anhörung der Betreffenden ange⸗ 
fertigt und eingebracht werde. Aus dem Bericht der Ver— 
waltungs-Commiſſion iſt erſichtlich, daß der Herr Miniſter in 
der Commiſſion auf eine Anfrage geantwortet und erklärt 
habe: daß die Betreffenden nach Anordnung des 8. 10 
vor Einbringung dieſes Geſetzentwurfes angehört worden 
ſeien, indem die ſächſiſche Nations-Univerſität, von einem 
Vorgänger des Miniſters zur Meinungsäußerung aufgefordert, 


9 


in einer die Regelung des Königsbodens behandelnden Re— 
präſentation ihre Meinung dem Miniſterium vorgelegt habe. 


Ich bin weit entfernt, geehrtes Haus, zu beſtreiten, 
daß in ſolcher Allgemeinheit genommen eine Anhörung über— 
haupt erfolgt ſei; ich muß aber doch Zweierlei hiezu de— 
merken. Für's Erſte, daß der Herr Miniſter es iſt, der ſich 
darauf beruft und damit decken will, daß die ſächſiſche 
Nations⸗Univerſität, von einem feiner Vorgänger hiezu direct 
aufgefordert, der Regierung eine Vorlage gemacht und eine 
Erklärung abgegeben hat, welche er als die legale, im Sinne 
des §. 10 erfolgte Anhörung der Betreffenden anerkennt und 
darſtellt. Das geſchah im Jahre 1872, und ſiehe da, als 
im nächſtfolgenden Jahre — 1873 — die ſächſiſche Nations⸗ 
Univerſität in derſelben Sache und Frage eine Repräſentation 
an das Miniſterium richtete, erließ der damalige Miniſter 
des Innern ein Verbot: die ſächſiſche Nations-Univerſität 
dürfe ſich mit derlei Angelegenheiten überhaupt nicht bes 
faſſen, denn das ſei eine Ueberſchreitung ihres Wirkungs- 
kreiſes! — Im December vorigen Jahres wurde in der 
verſammelten ſächſiſchen Nations-Univerſität, Angeſichts deſſen, 
daß notoriſch in der allernächſten Zeit die Regierung in 
dieſer Angelegenheit dem Abgeordnetenhauſe einen Geſetzent— 
wurf vorlegen wolle, — ein Antrag auf Vorlage einer dies— 
bezüglichen Repräſentation an die Regierung geſtellt. Dieſen 
Antrag auch nur in Berathung zu nehmen, wurde jedoch 
von dem vorſitzenden Organ der Regierung verboten mit 
Berufung darauf, der geehrte Herr Miniſter habe ihn ftreng- 
ſtens angewieſen, jede derartige Berathung, als nicht in den 
Wirkungskreis der Nations-Univerfität gehörig, zu verwehren. 
Und ſiehe da, heute beruft ſich der Herr Miniſter vor dem 
Abgeordnetenhauſe und der Commiſſion desſelben, daß die 
Anhörung der Betreffenden, welche das Geſetz anordnet, eben 
die an einen ſeiner Vorgänger im Amte gerichtete Re— 
präſentation um Meinungsäußerung derſelben — inzwiſchen 
im Verordnungswege dieſes ihres Rechtes beraubten — 
ſächſiſchen Nations-Univerſität bilde! 


Doch weiter — und dies iſt das Zweite, was ich be— 
merken wollte — wie läßt ſich aus der Beſtimmung dieſes 
§ 10, welcher die Anhörung der Betreffenden fordert, 


10 


herausdeuteln, dieſer Geſetzesbeſtimmung ſei Genüge geſchehn, 
wenn die Betreffenden eine Aeußerung einmal abgegeben 
haben, im Uebrigen aber habe die Regierung keinen Grund, 
ſich mit dieſer Aeußerung der Betreffenden zu befaſſen? 
Auch nicht einen Zug, nicht einen Grundſatz aus jener Er⸗ 
klärung der Univerſität hat die Regierung in ihren Geſetz⸗ 
entwurf aufgenommen, ſondern legt einen, in ſeiner ganzen 
Anlage und Richtung damit widerſtreitenden Geſetzentwurf 
dem Hauſe vor. Und das nennt man dann „Anhörung der 
Betreffenden“? — 

Schließlich trägt der § 10 der Regierung auf, ſie ſolle 
einen ſolchen Geſetzentwurf dem Hauſe vorlegen, der die — 
nicht auf Privilegien, ſondern — auf Geſetzen und Ver⸗ 
trägen beruhenden Rechte gehörig berückſichtigt und mit 
der allgemeinen Rechtsgleichheit in Einklang bringt. Wie 
hat der vorliegende Geſetzentwurf dieſe, auf verfaſſungs⸗ 
mäßigen Geſetzen und auf Staatsverträgen beruhenden Rechte 
berückſichtigt? Ich, g. H., finde auch nicht eine Spur von 
dieſen Rechten in dieſem Geſetzentwurfe. 

Nur zu oft begegnet uns Sachſen, daß uns höhniſch 
vorgeworfen wird, wir verlangten Privilegien. Geſtatten 
Sie, daß ich dieſem Vorwurf entgegen mich auf das, von 
der Geſetzgebung Ungarns in der neueſten Zeit — 1868 
— geſchaffene und ſanctionirte Geſetz berufe, worin ſie klar 
und zweifellos anerkennt, der Königsboden habe auf Geſetzen 
und Verträgen beruhende Rechte. Dieſe fordern wir und 
nicht Privilegien. Dieſe Rechte laſſen ſich auch hier und 
heute nicht abſtreiten. Das Geſetz ſchreibt vor, daß dieſe 
beſtehenden Rechte bei Regelung des Königsbodens gebührend 
zu berückſichtigen ſind. Alle Factoren der Geſetzgebung 
Ungarns haben in all den förmlichen und feierlichen Er⸗ 
klärungen, die ich vorhin aufgeleſen, verſprochen, daß es 
in dieſer Richtung gerecht und rückſichtsvoll vorgehn wird. 
Und ſiehe da, g. H., was geſchieht heute? 

Nichts geringeres, als daß nun, da die Stunde zur 
Einlöſung der Verſprechungen gekommen, ein Geſetzentwurf 
uns vorgelegt wird, der nichts anderes bezweckt und enthält, 
als die Vernichtung des Königsbodens, die Verweigerung 
und Verlöſchung ſeines weitern Fortbeſtandes. 


11 


All das, was das Geſetz von 1868 gewährleiſtet, ſo⸗ 
wie die demſelben vorausgegangenen feierlichen Verheißungen 
ſind heute nichtig, wirkungslos und bleiben gänzlich außer 
Betracht. Alle jene Verheißungen erweiſen ſich als Vor— 
ſpiegelungen, als tönende Worte und leere Phraſen. 

Ich habe erwartet, die Geſetzgebung Ungarns werde 
ihr verpfändetes Wort in anderer Weiſe einlöſen. 

Es iſt da wol natürlich, daß ich einen ſolchen Geſetz⸗ 
entwurf nicht annehme, ſondern abweiſe. 

Sie ſagen, ja aber wir ſind genöthigt, ſo zu handeln, 
das Intereſſe des Landes und der Adminiſtration gebietet es. 

Ich will mich nicht darüber auslaſſen, wie weit ein 
ſolcher Vorgang wirklich im Intereſſe des Landes ſein 
könne; ich fürchte ſehr, die Zukunft werde auch Ihnen 
beweiſen, daß ſolches Thun nicht im Intereſſe des Landes 
gelegen. 

Die Intereſſen der Adminiſtration gebieten es? Da 
vom Königsboden die Rede iſt, muß ich mich natürlich auf 
denſelben berufen. 

Geſtehen Sie ſich und uns aufrichtig ein: iſt etwa 
die Adminiſtration auf dem Königsboden in ſolchem Zus» 
ſtande, daß nur mit der Vernichtung und Zerſtückelung des— 
ſelben der Adminiſtration geholfen werden könnte? Ich 
behaupte das Gegentheil, behaupte, daß trotz allem, was 
dort geſchehn, die Adminiſtration in erträglich gutem, ja in 
beſſerem Stande iſt, als anderwärts im Lande. Trotzdem, 
daß ſeit dem Jahre 1867, ſeit die conſtitutionelle Regierung 
Ungarns dort regiert, jener Landestheil nicht mit Geſetzen, 
ſondern mit Verordnungen regiert wird, daß jede Wahl von 
Municipalbeamten dort verboten war, daß dort ſeit 1868 auch 
nicht ein Municipalbeamter gewählt werden durfte, ſondern 
durch das Organ der Regierung ernannt wurde: trotz dieſer 
Ausnahmszuſtände behaupte ich getroſt, daß der Gang der 
Adminiſtration dort ein, immerhin erträglicher geblieben, 
und wenn Sie, meine Herren, nur den Willen dazu hätten, 
ließe ſich da mit Leichtigkeit eine Adminiſtration einrichten, 
die wahrlich dem modernen Staat weder zum Schaden, 
noch zur Schande gereichen würde. Ich erlaube mir dieß⸗ 
falls das geehrte Haus an das zu erinnern, was ein her⸗ 


12 


vorragendes Mitglied dieſes Hauſes, Anton Cſengery, in der 
Einundzwanziger-Commiſſion 1873 über eine zweckmäßige 
Einrichtung der Adminiſtration geſagt und welches Muſter— 
bild er Ihnen dort vorgeführt hat. | 

Uns wird entgegengehalten, daß wir einen Staat im 
Staate haben wollen; nein, geehrtes Haus, wir wollen 
einen ſolchen nicht. Die ſächſiſche Nations-Univerſität batte 
in ihrer Repräſentation, welche fie dem Miniſterium über— 
reichte, klar ausgeſprochen, daß fie für den Königsboden von 
den auf Geſetz und Vertrag beruhenden Rechten rur jene 
Summe von Rechten verlange, welche das Geſetz jedem 
Municipium Ungarns gewährt hat. Sie hat ausgeſprochen, 
daß der Königsboden im Ganzen genommen ſich mit dem 
Rechtskreiſe begnüge, welcher jedem Munieipium im Lande 
damals zukam. Iſt das bei Ihnen der Staat im Staate? 

Endlich wird noch geſagt, ſolches Thun ſei geboten im 
Intereſſe der Freiheit. Nun, meine Herren, ich meine, wer 
die Verhältniſſe des Königsbodens auch nur ein wenig, wenn 
auch noch ſo oberflächlich, kennt, der müſſe doch ſoviel wiſſen, 
daß jener Königsboden ſelbſt in den finſteren Zeiten des 
Mittelalters eine Heimſtätte der allgemeinen bürgerlichen 
Freiheit und Rechtsgleichheit war, wie in ſolcher Art damals 
in Europa überhaupt kaum eine zweite zu finden war. 

Doch zum früheren Punkte muß ich Eines noch be— 
merken. Es iſt wahr, daß jene auf Geſetzen und Verträgen 
beruhenden Rechte dem Königsboden auch ſolche Recht von 
ehedem gewährleiſteten, die vielleicht in dem jetzigen modernen 
Staat nicht ganz vereinbarlich erſcheinen. Aber, wie ich 
ſchon geſagt, die legale Vertretung des Königsbodens hatte 
ſich bereit erklärt, in dieſer Richtung ſoviel als die wirklichen 
Anſprüche des modernen Staates erheiſchen, an dieſer Rechts— 
lage mit ihrer Mitwirkung und Zuſtimmung zu ändern be— 
reit ſei. Aber all dieſer Willfährigkeit gegenüber, Sie ſehen 
es, ſtießen wir lediglich auf die nackte Negation jeden Rechtes. 
Unter dieſen Umſtänden bleibt uns nichts anderes übrig, als 
unſererſeits hier zu erklären, daß wir unerſchütterlich feſt— 
halten an unſeren Rechten, daß wir dieſelben nimmer aufge- 
ben, ihnen nimmer entſagen. 

Unſer Verlangen und unſere Bitte war, und iſt auch 


heute, in dieſem Augenblicke nur: das geehrte Haus wolle 
dasjenige, was das von Ihnen ſelbſt geſchaffene Geſetz be— 
ſtimmt und anordnet, in Ehren halten, demſelben Geltung 
verſchaffen und die geſetzestreue Durchführung anordnen. 

In dieſem Sinne bin ich ſo frei, in meinem Namen 
und im Namen meiner Geſinnungsgenoſſen einen Beſchluß— 
antrag dem geehrten Hauſe vorzulegen, welcher, wie ſchon 
geſagt, ſich lediglich darauf beſchränkt, das Haus zu bitten, 
es wolle jenes Geſetz, das die Geſetzgebung Ungarns im 
Jahre 1868 geſchaffen und das durch die Genehmigung 
Seiner Majeſtät ſanctionirtes, rechtsverbindliches Geſetz ge— 
worden, einhalten und deſſen Anordnungen nun nach Recht 
und Billigkeit endlich auch durchführen. 

Nur unlängſt hielt ein geehrter Herr Abgeordneter von 
jener Seite eben mir hier im Hauſe vor: es gebe Leute, 
denen es nicht ſonderlich beliebt, unſere ſanctionirten Geſetze 
in Ehren zu halten. Geehrtes Haus! jetzt bietet ſich die 
Gelegenheit zu zeigen, daß Ungarns Abgeordnetenhaus die 
von ihm ſelbſt geſchaffenen Geſetze auch in Ehren halten 
kann und will. 

Ich empfehle unſeren Antrag dem geehrten Hauſe zur 
Würdigung und Annahme. 

Präſident: Der Beſchlußantrag wird verleſen werden. 

Algernon Beöthy, Schriftführer, verlieſt den Be- 
ſchlußantrag: 

„In Arbetracht deſſen, daß der „von den Detail-Be— 
ſtimmungen über die Union Siebenbürgens mit Ungarn“ 
handelnde Geſetz-Artikel XLIII: 1868 anorduet: 

„§. 10. Zum Zwecke der Sicherſtellung der Selbſt— 
verwaltungsrechte der Stühle, Diſtrikte und Städte des Kö— 
nigsbodens, der Organiſirung ihrer Vertretungskörper und 
der Feſtſtellung des Rechtskreiſes der ſächſiſchen Nations— 
Univerſität wird das Miniſterium betraut, mit Anhörung der 
Betreffenden dem Reichstage einen ſolchen Geſetzentwurf 
vorzulegen, der ſowol die auf Geſetzen und Verträgen be— 
ruhenden Rechte, als auch die Rechtsgleichheit aller, dieſes 
Gebiet bewohnenden, welcher Nationalität immer angehören— 
den Staatsbürger gehörig zu berückſichtigen und in Einklang 
zu bringen hat;“ 


14 


daß ferner §. 11 dieſes nämlichen Gefeg-Artifels be⸗ 
ſtimmt: 

„Die ſächſiſche Nations-Univerſität wird auch weiterhin 
in dem ihr nach dem ſiebenbürgiſchen G.⸗A. XIII: 1791 
zuſtehenden Wirkungskreiſe — mit Aufrechthaltung des Sr. 
Majeſtät zuſtehenden allerhöchſten und im Wege des unga⸗ 
riſchen verantwortlichen Miniſteriums auszuübenden Auf- 
ſichtsrechtes — belaſſen mit der Ausnahme, daß die Univers 
ſitäts⸗Verſammlung in Folge der in der Einrichtung des 
Juſtizweſens geſchehenen Veränderung künftighin keine rich⸗ 
terliche Funktion ausübt;“ | 

„in Anbetracht deſſen, daß der vom Miniſter des In⸗ 
nern vorgelegte und ſoeben in Verhandlung ſtehende Geſetz— 
entwurf den präziſen Beſtimmungen des voraufgeführten 
Geſetzes überhaupt nicht entſpricht, vielmehr in direktem 
Widerſpruche damit ſteht; 

daß er ſtatt der Sicherſtellung jener Rechte die ein⸗ 
fache Negation und Streichung derſelben bezweckt und be— 
treffs des Rechtskreiſes der ſächſiſchen Nations⸗Univerſität die 
Beſtimmungen des oben zitirten §. 11 ganz außer Augen 
läßt: 

wolle das Abgeordnetenhaus ausſprechen und beſchließen, 
daß es 

1. den vorliegenden Geſetzentwurf nicht annimmt; 

2. das Miniſterium anweiſt, dasſelbe ſolle mit ges 
nauer Beachtung der Anordnungen der SS. 10 und 11 des 
G.⸗A. XLIII v. J. 1868, daun des $. 88 des G.⸗A. XLII: 
1870 einen ſolchen neuen Geſetzentwurf ausarbeiten laſſen, 
welcher den Anordnungen der bezogenen Geſetze vollſtändig 
entſpricht, und ſolle dieſen Geſetzentwurf, nach Anhörung der 
Betreffenden, binnen möglichſt kurzer Friſt dem Abgeordne⸗ 
tenhauſe vorlegen.“ 

Emil Trauſchenfels, Abgeordneter des Kronſtädter 
Diſtrikts; Guſtav Kapp, Abgeordneter der Stadt Her⸗ 
mannſtadt; Friedrich Seraphin, Abgeordneter von Groß⸗ 
ſchenk; Albert Sachſenheim, Abgeordneter von Mediaſch; 
Samuel Dörr, Abgeordneter von Leſchkirch; Chriſtian 
Roth, Abgeordneter des Agnethlener Wahlkreiſes; Carl 
Conrad, Abgeordneter des Leſchkircher Stuhles; Friedrich 


15 


Ernſt, Abgeordneter des Schäßburger Stuhles; Friedrich 
Leonhard, Abgeordneter von Broos; Karl Maager, 
Abgeordueter von Reps; Karl Gebbel, Abgeordneter des 
Hermauuſtädter Stuhles; Wilhelm Löw, Abgeordneter von 
Reußmarkt; Guido Baußnern, Abgeordneter des Media— 
ſcher Stuhles; Adolf Zay, Abgeordneter von Mühlbach; 
Edmund Steinacker, Abgeordneter des Biſtritzer Diſtrikts. 


Aladar Makray (Regierungspartei): 

G. Haus! Ich glaube, wenn es in dieſem Saale einen 
Gegenſtand der Legislative gegeben hat, auf welchen die 
öffentliche Meinung des Landes völlig vorbereitet war, ſo iſt 
es der gegenwärtige Geſetzentwurf. Jahre ſind vergangen, 
ſeit ihn die Preſſe diskutirt, die Regierung ſich damit be⸗ 
ſchäftigt, das Haus vorbereitende Beſchlüſſe faßt, und die 
Bürger des Königsbodens verfolgen ſchon ſeit ſehr langer 
Zeit mit wachſamer Aufmerkſamkeit die Löſung dieſer Frage. 
Ich zähle dieſen Tag zu jenen Momenten der nationalen 
Freude, wie fie das Schickſal unſerer Nation ſelten, mit 
wahrhaft knickeriger Hand beſcheert. Einen ſolchen 
Tag hatte der 1836er Landtag, als er das Geſetz über den 
Rückanſchluß der Theile brachte; einen ſolchen Tag hatte der 
1848er Landtag, als er Siebenbürgen nach 300 jähriger 
Trennung auf  conflitutionelem Wege dem Mutterlande 
wieder anſchloß, einen ſolchen Tag hatte der 1867er Land- 
tag, als das kön. ung. Miniſterium ausſprach, daß die Union 
eine Thalſache ſei. Nicht vergebens intereſſiren ſich die 
Bürzer des Königsbodens für dieſe Frage, denn durch die 
Schaffung dieſes Geſetzentwurfes gewinnt die Einheit des 
magyariſchen Staates einen kraftvollen Ausdruck. Auch in 
Bezug auf die allgemeine Freiheit iſt dieſer Geſetzentwurf 
ſehr wichtig, eine große Thatſache iſt in ihm ausgeſprochen, 
nämlich die, daß in dem Reiche des heil. Stefan das letzte, 
mit Sonderrecht verſehene Territorium aufhört und in die 
Reihe der Kumanier, Jazygier und Sefler-Territorien verſetzt 
wird. Mit der Aufhebung dieſer ſonderberechtigten Gebiete 
ſteht der bürgerlichen Gleichheit weiter nichts mehr im Wege. 

In einem ſolchen Staate, g. Haus, in welchem es ges 
ſchloſſene Gebiete gibt, iſt kein einheitlicher Staat, dort 
aber, wo Privilegien herrſchen, dort gibt es keine Freiheit. 


16 


Dieſe beiden find Waſſer und Feuer in einem Gefäß, welche 
ſich untereinander vernichten. Dies iſt der Kampf der guten 
und der böſen Principien, welche die gegenſeitige Ver- 
nichtung anſtreben. Ich halte dieſen Geſetzentwurf auch im 
Jutereſſe der Bürger des Königsbodens für wünſchenswerth, 
denn ich frage: wer zeigt mir im Umfang Ungarns ein von 
der Natur gejegueteres Gebiet — er zeigt es gewiß nicht — 
und wo gibt es trotzdem ſo viele Zwietracht, ſo viele geheime 
und offene Conſpirationen, ſo viel Unzufriedenheit, als gerade 
an dieſem Ort? Und warum das, g. Haus? deshalb, weil 
die Geſetze dort nur für die Privilegirten geſchaffen find. 
Die Privilegirten unterdrücken die übrigen Bürger. 150,000 
Sachſen gegenüber wurden 30,000 Magyaren und 170,000 
Romänen als geduldet betrachtet, welche nicht zum zünf— 
tigen Stamme gehören, jene waren mehr Paria's als 
Bürger. In Wahrheit werden die Nichtſachſen einer viel— 
fach unbrüderlichen Behandlung theilhaftig. Ich glaube, g. 
Haus, und bin davon tief überzeugt, daß durch dieſen Ge— 
ſetzentwurf die jahrhundertealte Parteiung aufhören wird 
und daß ſich die Parteien mit einander ausſöhnen werden. 
Uebrigens wollte mein Vorredner, der Herr Guſtav Kapp, 
als er ſo viele Erläſſe und Adreſſen auflas, wie ich ihn 
verſtehe, das beweiſen, daß unſere Majorität an Ihrer Mi- 
norität Gewalt, Ungerechtigkeit verüben wolle; wer angeſichts 
unſerer Stellung von den durch das magyariſche Parlament 
geſchaffenen Geſetzen dieſes ſagt, beabſichtigt nicht Beruhigung 
der Leidenſchaften, ſondern die Aufpeitſchung der Leidenſchaften. 
(Zuſtimmung.) | 
Jene Kälte, welche er in feinem Herzen dem magha⸗ 
riſchen Staate gegenüber nährt, will er, wie ich ſehe, auch 
bei Andern nähren. Aber ich frage den g. Herrn Abge— 
ordneten, ob dieſer Zuſtand auch weiterhin dauern ſolle? In 
welchem Theile des Landes iſt die öffentliche Meinung, aber 
beſonders das magyariſche Gefühl, fo oft und fo empfindlich 
verletzt worden? Halb Ungarn, g. Haus, hat der ungariſchen 
Regierung nicht ſo viel Böſes, ſo viel Widerwärtigkeiten zu⸗ 
gefügt, als gerade dieſe ſächſiſche Nationsuniverſität, welche 
jetzt den Gegenſtand der Regelung bildet. (Hört! Hört!) 


G. Haus! Die auf dem Königsboden befindliche ſächſiſche 


17 


Univerſität will ſelbſt regieren, will ſelbſt ein geſetzgebender 
Körper ſein, auf dem Königsboden das Municipalrecht aus— 
üben, indem es den elf Municipien ihre geſetzlichen Rechte 
entzieht und ſo hat ſie den Verordnungen der ungariſchen 
Regierung opponirt und wollte das Miniſterium in den An— 
klageſtand verſetzen. Aus dieſem kann das g. Abgeordneten— 
haus erſehen, daß nur ſolche Umſtände es find, welche uns 
dazu treiben, dieſen Entwurf mit Freuden zu begrüßen und 
anzunehmen. (Zuſtimmung.) Dieſem zu Folge nehme ich den 
Geſetzentwurf in ſeiner Totalität als Grundlage zur Special— 
debatte an. (Zuſtimmung.) 
Guido Baußnern (Sachſe): 

Geehrtes Haus! Nach dem jüngſten Verhalten des 
geehrten Hauſes in der Juterpellationsangelegenheit meines 
geehrten Freundes Emil Trauſchenfels, wo jener Miniſter, 
deſſen allererſte Pflicht es iſt, darüber zu wachen, daß die 
Geſetze ftreng befolgt werden, eine offenbare Geſetzesverletzung 
implicite zwar zugab, jedoch anſtatt deren ſofortige Abſtellung 
zu verſprechen, einen Geſetzentwurf demnächſt auf den Tiſch 
dieſes Hauſes niederzulegen erklärte, welcher die betreffende 
Geſetzesverletzung zum Geſetze erheben ſoll (Oho!) und wo 
die Mehrheit des geehrten Hauſes, auſtatt im Sinne der 
beſtehenden Geſetze vorzugehen, die Enunciation des Mini— 
ſters zur befriedigenden Keuntniß nahm; — nach dieſem 
Verhalten des geehrten Hauſes, ſage ich, iſt es wahrlich 
eine peinliche Aufgabe, gegenüber eines Geſetzentwurfes das 
Wort zu ergreifen, welcher geradezu auf die Beugung ſonuen— 
klarer Gerechtigkeit abzielt. (Lärm, Ruſe: Zur Ordnung! zur 
Ordnung!) Denn, meine Herren, der bezeichnete Vorgang 
dient zum Beweiſe dafür, daß in dieſem Hauſe Geſetzesach— 
tung und Rechtsgefühl wenigſtens in gewiſſen Fragen feblen’ 
(Großer Lärm; Rufe: Zur Ordnung, zur Ordnung!) 

8 Präſident (läutet): Wenn es bei der Verhandlung 
irgend einer Frage nothwendig iſt, daß das g. Haus auch 
die Gegenargumente ruhig und aufmerkſam anhöre, ſo ge— 
hört dieſer Gegenſtand ohne Zweifel dazu, damit man nicht 
wieder den ſo oft gehörten Vorwurf erhebe, daß das g. 
Haus die eben von dieſer Seite (auf die Sachſen weiſend) 
kommenden Gegenargumente nicht nur nicht anhören wolle, 


2 


18 


ſondern ſogar zu unterdrücken bemüht ſei. (Lebhafte Zu⸗ 
ſtimmung.) Andererſeits richte ich auch an die g. Herren 
Abgeordneten (auf die Sachſen weiſend) die Bitte (Hört! 
Hört!), daß fie, gleichwie der Herr Abgeordnete, der als 
Erſter zum Gegenſtande ſprach, ſich objectiv ausd rückte und 
darum vom ganzen Haufe mit geſpannter Aufmerkſamkeit 
angehört wurde, auch jeden Ausdruck vermeiden, der nicht 
zum Gegenſtande gehört, nichts enthält, was zur Augelegen- 
heit nicht gehört und nur Aufregung hervorruft, ja vielleicht 
hervorzurufen beabſichtigt. (Lebhafte Zuſtimmung.) Damit 
man alſo nicht ſagen könne, das Haus wolle die Gegenar⸗ 
gumente nicht anhören, mache ich jetzt von meinem Präſi⸗ 
dentenrechte keinen Gebrauch, muß aber dem Herru Abge— 
ordneten erklären, daß, wenn er auch im weitern Verlaufe 
beleidigende Aeußerungen gegen das geehrte Haus anwenden 
will, ich mich meines Präſidentenrechts mit ganzer Strenge 
bedienen werde. (Allgemeine, lebhafte Zuſtimmung.) 

Guido Baußnern: Es iſt meine Pflicht, dieſe 
Ermahnung des Herrn Präſidenten mit voller Achtung ent⸗ 
gegenzunehmen, und ich werde beſtrebt ſein, ihr zu eutſprechen. 

Wenn ich dennoch das Wort ergreife, ſo erfülle ich 
hiemit nur eine ſittliche Pflicht, denn der Kampf um's Recht 
bildet die ethiſche Seite des großen Kampfes um das Daſein 
und wer im öffentlichen Leben wirkend ſich jenem Kampfe 
aus was immer für Gründen entzieht, der verſündigt ſich 
an dem Sittlichkeitsprincip, auf dem alle Menſchenwürde 
beruht. 
| Doch auch noch aus einem anderen Beweggrunde ers 
greife ich das Wort; einem Beweggrunde, welcher ſich aus 
der menſchlichen Natur ergibt und den der Dichter in die 
ſchönen Worte gekleidet hat: „Selbſt noch am Grabe pflanzt 
der Menſch der Hoffnung Banner auf“. 

Ja wol, die Hoffnung iſt es, welche mich veran⸗ 
laßt, auch meinerſeits das Wort zu ergreifen; die Hoffnung, 
daß Sie, meine Herren, noch in der letzten Minute der 
zwölften Stunde auf die Stimme des Gewiſſes hören und 
jenen Schlag abwehren werden, welcher heute eine ganze 
Nation mit der Vernichtung bedroht! (Bewegung. Eine 
Stimme: Wo iſt dieſe Natien? Bewegung. Hört!) 


19 


Im Geſetze ift fie — Dieſe Hoffnung gründe ich auf 
jene edle Charactereigenſchaft, auf welche die magyariſche 
Nation ſeit jeher am ſtolzeſten war; ich gründe ſie auf die 
Ritterlichkeit und die damit unzertrennlich verknüpfte Sen— 
ſibilität der maghariſchen Nation im Punkte der Ehre. 


Geehrtes Haus! Das allererſte und höchſte Gebot 
der Ehre iſt die Heilighaltung des verpfändeten Wortes. 
Dieſes Gebot hat ſelbſt das mittelalterliche Raubritterthum 
geachtet und die heutige Welt ſtellt Wortbruch und Ent— 
ehrung in eine und dieſelbe Linie. (Lärm. Hört!) Der 
Deutſche gibt dieſem Gebote Ausdruck in dem Satze: „Ein 
Mann ein Wort“; der Magyare drückt es noch bezeichnender 
aus, indem er ſagt: „Ein Mann von Ehre bricht ſein 
Wort nicht“. Wolan, meine Herren, ich erinnere Sie an 
dieſes Gebot; ich erinnere Sie an jenes Ehrenwort, welches 
die magyariſche Nation der ſächſiſchen Nation wiederholt 
feierlich verpfändet hat. (Rufe: Wann?) 

Ich werde fo frei fein, dieſes Ehrenwort der magha— 
riſchen Nation durch Thatſachen zu beweiſeu. (Hört!) 

Geehrtes Haus! Siebenbürgen iſt die glänzendſte 
Perle der Sanct Stefanskrone und den glänzendſten Theil 
der Geſchichte dieſes herrlichen Landes bildet ohne Frage 
der vielhundertjährige Culturkampf der ſächſiſchen Nation. 
(Widerſpruch.) Wahrlich, nicht dieſe Nation ſondern der 
Landesverrath des Woiwoden Zapolya hat es verſchuldet, 
daß Siebenbürgen nach der unglücklichen Schlacht von 
Mohaes vom Mutterlande losgeriſſen wurde und 165 Jahre 
hindurch der Schauplatz fortwährender Bürgerkriege und 
türkiſcher Raubzüge war. 

Daß Siebenbürgen damals nicht vollſtändig in eine 
Wüſte verwandelt wurde, iſt den Verdienſten jener deutſchen 
Nation, der Thatkraft jener Nation zu danken, welche Sie 
heute mit der Vernichtung bedrohen. (Rufe: Das iſt 
nicht wahr!) Fürwahr! Nicht bloß die auf Geſetzen und 
Verträgen beruhenden Rechte der ſächſiſchen Nation, 
ſondern gewiß auch die Verdienſte, welche dieſe Nation 
zur Zeit des Friedens um die Cultur Siebenbürgens, zur 
Zeit der Türkennoth dagegen um die Vertheidigung dieſes 
Landes ſich erworben, haben die magyariſche Nation veran⸗ 


2 * 


20 


laßt, in allen jenen drei Stadien, welche die Wiedervereini— 
gung Siebenbürgens mit dem ungariſchen Mutterlande durch- 
laufen hat, für die politiſche Integrität der ſächſiſchen Nation 
ihr Ehrenwort zu verpfänden. 

Das feierliche Stadium der Union fiel in das weltbewegende 
Jahr 1848. Damals verpfändete die maghariſche Nation 
ihr Ehrenwort ſowol auf dem Preßbucger als auch auf dem 
ſiebenbürgiſchen Landtag ſie verpfändete es in jenen legalen 
Vertretungskörpern, in welchen ſie damals ebenſo, wie jetzt 
die ſouveraine Majorität bildete. 

Auf dem Preßburger Landtag geſchah dieſes durch 
Schaffung des VII. Geſetzartikel vom Jahre 1848, in 
welchem ſich Ungarn gegenüber ganz Siebenbürgen und 
ſomit gleichzeitig auch gegenüber der ſächſiſchen Nation ge— 
ſetzlich verpflichtete, „alle jene ſpeziellen Geſetze und 
Freiheiten Siebeubürgens, welche nebſt dem, daß fie die 
vollkommene Vereinigung nicht hemmen, der Nationalſreiheit 
und Rechtseinheit günſtig ſind, anzunehmen und auf— 
recht zu erhalten.“ 

Auf dem ſiebenbürgiſchen Landtag wurde die politiſche 
Integrität der ſächſiſchen Nation mittelſt eines am 20. Juni 
1848 gefaßten feierlichen Beſchluſſes gewährleiſtet. Es hatten 
nämlich die ſächſiſchen Mitglieder des Landtages die Wünſche 
der ſächſiſchen Nation in einer Denkſchrift unterbreitet, deren 
Inhalt ſich darin conzentrirte, daß das Sachſenland 
wie bisher ſo auch künftig ein untrennbares Ganzes 
zu bilden habe. Das ämtliche Protokoll über den er— 
wähnten feierlichen Landtagsbeſchluß lautet wörtlich folgen— 
dermaßen: 

„Seine Exzellenz der Präſident fordert die Korpora- 
tionen und Landſtände (Karokat és Rendeket) auf, in die 
Berathung der auf die Tagesordnung geſetzten Gegenſtände 
einzugehen, in Folge deſſen die Korporationen und Landſtände 
nach Eröffnung der Berakhung — 

Bezüglich der von den ſächſiſchen Jurisdictionen ein— 
gereichten und die Wünſche der ſächſiſchen Nation enthaltenden 
Denkſchrift ihren Beſchluß in Folgendem ausgeſprochen 
haben: 

Der Landtag obige Erklärung mit ſympathiſchem 


21 


Gefühle gegenüber feinen ſächſiſchen Brüdern entgegennehmend 
übergibt dieſelbe der in Angelegenheit der Union ernannten 
Landeskommiſſion mit dem Auftrage, Letztere habe innerhalb 
der Grenzen der Gerechtigkeit, Billigkeit und einer vernünf-⸗ 
tigen Politik mit allem Eifer dahin zu wirken, daß auf 
Grundlage oberwähnter Erklärung durch das 
ungariſche Miniſterium ein Geſetzentwurf der 
nächſten gemeinſamen Geſetzgebung unterbreitet 
werde.“ 

Geehrtes Haus! Die in dem citirten feierlichen Land— 
tagsbeſchluſſe erwähnte Landeskommiſſion war über Vor— 
ſchlag des ſiebenbürgiſchen Landtages von Se. Majeſtät, dem 
König Ferdinand, mit dem Auftrage ernannt worden, dem 
ungariſchen Miniſterium zu jenem Geſetzentwurfe das Ma— 
terial zu liefern, welcher behufs detaillirter Regelung der 
Union dem nächſten gemeinſamen Reichstage vorbehalten 
worden war. Die bald darauf eingetretenen ſchmerzlichen 
Ereigniſſe haben es mit ſich gebracht, daß die eifrige Thä— 
tigkeit der genannten Landeskommiſſion reſultatlos blieb und 
die Union erſt nach ſiebenzehnjähriger Unterbrechung auf dem 
1865er Klauſenburger Landtag in ihr zweites Stadium trat. 

Auf dieſem ausſchließlich zur ſogenannten Reviſion der 
Union einberufenen Landtage verpfändete die magharifche 
Nation ihr Ehrenwort im Landtagsbeſchluſſe vom 6. Dez. 
1865, kraft deſſen die in Form eines ſchriftlichen Antrages 
unterbreiteten Wünſche, Forderungen und Bedingungen der 
ſächſiſchen Nalion zur Sache des Landtages erhoben 
wurden. Die Hauptpunkte dieſes Antrages waren bezüglich 
des auf der Tagesordnung ſtehenden Gegenſtandes die Auf— 
rechterhaltung der ſächſiſchen Munizipalverfaſſung und die 
territoriale Unantaſtbarkeit des Königsbodens — mit einem 
Worte die politiſche Integrität der ſächſiſchen Nation. 

In das dritte und letzte Stadium trat die Union im 
Jahre 1868. In dieſem Jahre verpfändete die magyariſche 
Nation ihr Ehrenwort zuerſt durch die verantwortliche Re— 
gierung des ungariſchen Staates und dann durch die Geſetz— 
hebung ſelbſt. 

Es war im Februar 1868, als die ungariſche Res 
gierung das gewählte Oberhaupt des Königsbodens, den 


22 


Grafen der ſächſiſchen Nation plötzlich penfionirte und dieſen 
Poſten im Wege der Ernennung wieder beſetzte. Die ſäch— 
ſiſche Nationsuniverſität, als der geſetzliche Repräſentant der 
ſächſiſchen Nation, richtete aus Anlaß dieſes Ereigniſſes eine 
Beſchwerdeſchrift au die ungariſche Regierung, auf welche 
die Letztere durch den damaligen Miniſter des Innern Baron 
Bela Wenkheim in der beruhigendſten Weiſe antwortete. 
Aus dem betreffenden, vom 15. Mai 1868 datirten Mini⸗ 
ſterialbeſcheide erlaube ich mir folgende nicht mißzuverſtehende 
Worte zu citiren: 


„Die ſächſiſche Nation werde nur mit Beruhigung die 
Gelegenheit begrüßen: bei welcher ihre auf Pripi- 
legien beruhende Rechtslage unter der Heiligkeit 
des Geſetzes und unter Mitwirkung des Landesfürſten wie 
auch der Volksvertretung des Sachſenlandes ſelbſt, Feſt⸗ 
ſtellung und ſichern Beſtand erlangen wird, 
wobei die gehörige Würdigung der Anſprüche der ſächſiſchen 
Nation fowel ſeitens Sr. Majeſtät und feiner Regierung, 
als auch ſeitens der übrigen Factoren der Geſetzgebung mit 
Zuverſicht zu erwarten ſei.“ 

Anfangs Dezember deſſelben Jahres, alſo ſechs Mo— 
nate darauf erfolgte die detaillirte und definitive Regelung 
der Union durch den gemeinſamen ungariſchen Reichstag und 
bei dieſer Gelegenheit wurde jenes Ehrenwort, welches die 
magyariſche Nation der ſächſiſchen Nation bis dahin blos in 
principieller Allgemeinheit wiederholt verpfändet hatte in den 
Paragrafen 10 und 11 des 43. Geſetzartikels vom Jahre 
1868 endlich in eine concrete, geſetzlich und rechtlich ver— 
pflichtende Form gebracht. 

Geehrtes Haus! Die 1868er Geſetzgebung konnte bei 
Gelegenheit der definitiven Regelung der Union bezüglich des 
Königsbodens nur Zweierlei alternativ beſchließen: Entweder 
ſie entſchied ſich gegen alles Recht für die Abſchaffung des 
Königsbodens und machte ſomit tabula rasa eder ſie achtete 
das Recht und beſchloß die Aufrechterhaltung des Königs— 
bodens. Tertium non datur. Im erſten Falle hätte die 
Geſetzgebung mutatis mutandis daſſelbe ſagen müſſen, was 
die beiden erſten Paragrafe des vorliegenden Geſetzentwurfes 
enthalten; die Geſetzgebung hätte nämlich Folgendes ſagen 


23 


müſſen: „Bei der Regelung der Munizipien, beziehungsweiſe 
der Munizipalterritorien, über welche ein beſonderes Geſetz 
verfügen wird, werden der Königsboden und die benachbarten 
Munizipien, beziehungsweiſe Territorien einer und derſelben 
Rückſicht unterliegen. Nach dieſer Regelung hören für den 
Königsboden die bisher beſtandenen Unterſchiede im Kreiſe 
der Adminiſtration und hiemit gleichzeitig das Amt des an 
der Spitze des Königsbodens ſtehenden ſächſiſchen Ober— 
geſpans (Comes) auf.“ Im zweiten Falle dagegen mußte 
die 1868er Geſetzgebung ſagen: „Ueber die Regelung des 
Königsbodens verfügt in Gemäßheit der Heiligkeit des 
Rechtes und der ſtaatsbürgerlichen Gleichberechtigung ein be— 
ſonderes Geſetz.“ je 

Meine Herren! Die 1868er Geſetzgebung hat ſich für 
das Letztere entſchieden, indem fie einerſeits im §. 9 des 
Unionsgeſetzes das Amt des ſächſiſchen Obergeſpans voll— 
kommen intact ließ und bloß die Beſetzung dieſes Amtes durch 
Ernennung feſtſetzte; andererſeits im Paragraf 10 und 11 
deſſelben Geſetzes das Miniſterium verpflichtete, über die Re⸗ 
gelung des Königsbodens einen ſolchen Geſetzentwurf dem 
Reichstage vorzulegen, „welcher die auf Geſetzen und Ver- 
trägen beruhenden Rechte, ſowie die Gleichberechtigung der 
auf dem Königsboden wohnenden Staatsbürger jeder Na— 
tionalität gehörig berückſichtigt und gleichzeitig die ſächſiſche 
Nationsuniverſität mit alleiniger Ausnahme der Judicatur 
in dem, mit dem XIII. ſiebenbürgiſchen Geſetzartikel vom 
Jahre 1791 im Einklange ſtehenden Wirkungskreiſe mit Bei⸗ 
behaltung des Oberaufſichtsrechtes der Regierung auch ferner: 
hin beläßt.“ Und damit bezüglich der im Unionsgeſetze ge- 
währleiſteten Aufrechterhaltung der politiſch-ſächſiſchen Nation 
ja kein Zweifel entſtehe, ſetzte die Geſetzgebung im §. 88 
des 42. Geſetzartikels vom Jahre 1870 Folgendes feſt: 
„Ueber die Regelung des Königsbodens (fundus regius) ver- 
fügt in Gemäßheit der Beſtimmung des §. 10 des 43. Ge⸗ 
ſetzartikels vom Jahre 1868 ein beſonderes Geſetz.“ (So iſt's.) 

Geehrtes Haus! Wenn man bei dieſer einfachen und 
klaren Sachlage den im §. 11 des Unionsgeſetzes citirten. 
XIII. ſiebenbürgiſchen Geſetzartikel vom Jahre 1791 in Er- 
wägung zieht, gemäß welchem die ſächſiſche Nation unter 


24 


Wahrung ihrer Eigenthumsrechte in ihrem politifchen und 
richterlichen Wirkungskreiſe aufrecht erhalten wird, und wenn 
man bedenkt, daß der erwähnte §. 11 des Unionsgeſetzes 
ausdrücklich nur den richterlichen Theil dieſes Wirkungs- 
kreiſes abſchafft und ſomit die politiſche Integrität 
der ſächſiſchen Nation in keiner Weiſe alterirt, 
fo muß Jeder von Ihnen, meine Herren, welcher ſich über- 
haupt überzeugen laſſen will, anerkennen, daß die ma— 
gyariſche Nation im Unionsgeſetze für die poli- 
tiſche Integrität der ſächſiſchen Nation ihr 
Ehrenwort verpfändet hat. (Rufe: Oho!) 


Geehrtes Haus! Die politiſche Integrität der ſächſiſchen 
Nation ſetzt die Untrennbarkeit des Königsbodens unumgänglich 
voraus, denn es liegt auf der Hand, daß der Königsboden 
nicht auseinandergeriſſen werden kann, ohne die dieſes Gebiet 
bewohnende politiſche ſächſiſche Nation in gleichem Maße 
auseinanderzureißen. Die politiſche Jutegrität der ſächſiſchen 
Nation ſteht und fällt daher mit der territorialen Integrität 
des Königsbodens. Hieraus aber folgt, daß jenes Ehren- 
wort, welches die magyariſche Nation für die 
politiſche Integrität der ſächſiſchen Nation 
feierlich verpfändet hat, in ganz demſelben 
Grade auch für die territoriale Jutegrität des 
Königsbodens gilt. Dieſes erwähne ich deshalb, um 
jener — ich will mich des gelindeſten Ausdruckes bedienen 
— ich ſage, um jener durch und durch irrigen Be 
hauptung zu begegnen, wornach das ſeitens der magyariſchen 
Nation im Unionsgeſetze der ſächſiſchen Nation verpfändete 
Ehrenwort heute angeblich aus dem Grunde nicht mehr ein— 
gelöſt werden könne, weil es ſich zur Zeit der Schaffung des 
Unionsgeſetzes um die Municipalfrage handelte, während 
heute die Territorialfrage auf der Tagesordnung ſtehe, deren 
Löſung aus dem Geſichtspunkte des modernen Staates und 
ſeiner Adminiſtration angeblich die Aufrechterhaltung der 
teritorrialen Integrität des Königsbodens und ſomit gleich» 
zeitig der pelitifchen Integrität der ſächſiſchen Nation un⸗ 
möglich mache. Ich werde ſogleich die Ehre haben, dieſes 
Schlagwort noch ein klein wenig näher anzuſehen, vorerſt 
aber erlaube ich mir zu unterſuchen, in welcher Weiſe wol 


25 


der vor uns liegende Geſetzentwurf das in Rede ſtehende 
Ehrenwort der maghariſchen Nation einlöſt? 

Geehrtes Haus! Es iſt nicht meine Abſicht, in eine 
eingehende Kritik des Geſetzentwurfes mich einzulaſſen. Ich 
thue dies deshalb nicht, weil ich fühle, daß ich dann einen 
Ton anſchlagen würde, welcher dem ganzen Gepräge meiner 
heutigen Rede widerſpricht. Ich beguüge mich, einfach zu 
conſtatiren, daß der vorliegende Geſetzentwurf daſſelbe ſagt, 
was die 1868er Geſetzgebung hätte ſagen müſſen, wenn ſie 
gegen alles Recht mit dem Königsboden tabula rasa machen 
wollte. Anſtatt nämlich die politiſche Integrität der ſächſiſchen 
Nation ſicherzuſtellen, bezweckt dieſer Geſetzentwurf nichts 
Geringeres, als die Zerreißung des Königsbodens und in 
Folge deſſen die Streichung der politiſchen ſächſiſchen Nation 
aus der Reihe der Lebenden. (Bewegung.) Der vorliegende 
Geſetzentwurf bezweckt ſomit das gerade Gegen— 
theil deſſen, was die magyariſche Nation im Unions⸗ 
geſetze der ſächſiſchen Nation mit ihrem Ehren⸗ 
worte feierlich gewährleiſtet hat! 


Was nun jenes Schlagwort anbelangt, welches von 
gegueriſcher Seite namentlich gegenüber der großen öffent— 
lichen Meinung mit ſolcher Vorliebe gebraucht wird und 
darin beſteht, daß die Aufrechterhaltung der politiſchen ſäch— 
ſiſchen Nation angeblich mit dem modernen Staate und ſeiner 
Adminiſtration unvereinbar ſei: — bezüglich dieſes Schlag— 
wortes frage ich Sie, meine Herren, war es denn etwa die 
ſogenannte „natio Verböczyana“, welche die politiſche In— 
tegrität der ſächſiſchen Nation mit ihrem Ehrenworte feierlich 
gewährleiſtet hat? War es nicht vielmehr die herrſchende 
Nation des heutigen Ungarn's, des heutigen ungarifchen 
Staates, welche dieſes gethan hat? Und wenn es die Letztere 
war, frage ich Sie weiter, iſt denn Ungarn ſeit dem 
Jahre 1868 in feiner ſtaatlichen Entwickelung mit ſolch' 
reißender Schnelligkeit vorwärts geſchritten, daß das, 
was die magyariſche Nation vor acht Jahren in dieſem 
ſelbigen geheiligten Saale mit dem modernen Staate 
und feiner Adminiſtration für vereinbar gehalten und zum 
Geſetze erhoben hat, heute ſchon nicht mehr haltbar ſei? 
Oder waren vielleicht die Schöpfer der 1868er Geſetzgebung 


26 


noch dermaßen in mittelalterlichen Ideen befangen, daß fie 
nicht zu beurtheilen vermochten, was mit dem modernen 
Staate und ſeiner Adminiſtration vereinbar ſei und was 
nicht? Sonderbar! Wenn ich in dieſem geehrten Hauſe Um⸗ 
ſchau halte, fo begegne ich ganz denſelben Capazitäten, 
unter deren weiſen Führung der 1868er Reichstag das Unions⸗ 
geſetz geſchaffen hat. War doch auch der Verfaſſer des vorliegenden 
Geſetzentwurfes, der ſehr geehrte Herr Miniſter des Innern 
und Miniſterpräſident Koloman Tißa, dabei, als dieſes Geſetz 
beſchloſſen wurde; und ſiehe da — wenn Sie, meine Herren, 
das Tagebuch der betreffenden Abgeordnetenhausſitzung durch⸗ 
leſen, ſo werden Sie auch nicht ein einziges Sterbens⸗ 
wörtchen finden, welches der damalige Oppoſitionsführer 
Koloman Tißa gegen die Paragrafen 10 und 11 des Unions⸗ 
geſetzes erhoben hätte; — ja, Sie werden finden, daß 
dieſe beiden Paragrafe vom ganzen Abgeord— 
ern einhellig angenommen worden 
ind! 

So ſchrumpft deun jenes beliebte Schlagwort, wornach 
die Aufrechterhaltung der politiſchen ſächſiſchen Nation an- 
geblich mit dem modernen Staate und ſeiner Adminiſtration 
unvereinbar ſei, zu einer leeren Phraſe zuſammen, welche 
die Nichteinlöſung des ſeitens der magyariſchen Nation der 
ſächſiſchen Nation feierlich verpfändeten Ehrenwortes nie und 
nimmer entſchuldigen kann. (Unruhe. Widerſpruch.) 


Geehrtes Haus! Ich habe am Eingange meiner Rede, 
auf einen concreten Fall geſtützt, darauf hingewieſen, daß in 
dieſem geehrten Hauſe wenigſtens in gewiſſen Fragen jenem, 
mit den erhabenen Ideen unſeres aufgeklärten Jahrhunderts 
wahrlich nicht übereinſtimmenden Grundſatze gehuldigt werde, 
welcher lautet: „Macht geht vor Recht;“ und ich nehme 
keinen Anſtand, zuzugeben, daß Sie, meine Herren, bezüglich 
dieſes Grundſatzes in Europa nicht allein ſtehen. Wenn Sie 
nun aber ſchon durch die Logik des Erfolges in anderen 
mächtigen Staaten geblendet ſagen zu können glauben: 
„Macht geht vor Recht,“ — Eines kann ich von Ihnen, 
als den Repräſentanten der ritterlichen magyariſchen Nation 
unmöglich vorausſetzen und dieſes Eine ift. das Sie fähig 
wären, zu ſagen: „Macht geht vor Ehre!“ 


27 


Nichtswürdig iſt jene Nation, welche nicht ihr Alles 
ſetzt an ihre Ehre, und in die Schanze ſchlägt jene Nation 
ihre Ehre, welche ihr feierlich verpfändetes Ehrenwort nicht 
einlöſt. (Lärm, Rufe zur Ordnung!) 

Präſident: Ich glaube, daß das geehrte Haus keinen 
größeren Beweis feiner Beſonnenheit geben konnte, als durch 
die Ruhe, mit welcher es die — wie es mir ſcheint — 
direkt zur Aufſtachelung der Leidenſchaften gerichteten, ſo oft 
wiederholten Ausdrücke des Herrn Abgeordneten anhörte. 

Ich geſtehe, geehrtes Haus, es fällt mir ſchwer, daß 
ich bei dieſem Gegenſtande von meinem Präſidentenrechte 
nicht in der Weiſe Gebrauch mache, wie ich im Sinne der 
Hausordnung ſollte. Aber das geehrte Haus wird erlauben, 
ich glaube richtig vorzugehen, wenn ich zu dem, wenn auch 
unberechtigten Vorwurfe keinen Anlaß gebe, daß das geehrte 
Haus die Argumente der Redner — wenn dieſelben auch 
mit unzuläſſigen Ausdrücken gewürzt waren, nicht ruhig an- 
hörte; die Weisheit des geehrten Hauſes wird entſcheiden. 
(Rufe Hört!) Der Herr Abgeordnete wolle alſo ſeine 
Rede fortſetzen. 

Guido Baußnern: Geehrtes Haus! Ich ſchließe 
meine Rede mit der Erklärung, daß ich den Beſchlußantrag 
meines geehrten Freundes Guſtav Kapp unterſtütze. (Beifall 
von den Sachſen). 


Miniſterpräſident Koloman Tißa: 

Geehrtes Haus! Vor Allem will ich bemerken, daß ich 
mich derſelben, auch vom geehrten Herrn Präſidenten be- 
tenten Ruhe und Beſonnenheit befleißigen will, welche die 
Mitglieder des geehrten Hauſes im Verlaufe der ſoeben ver— 
nommenen Rede an den Tag gelegt haben; ich werde memer— 
ſeits auf die Rede keine Antwort geben, welche ihrer würdig 
wäre, wol aber eine ſolche, welche dieſes Hanſes würdig 
iſt. (Beifall.) 

Zuerſt will ich bemerken, daß ich glaube, die magyariſche 
Nation werde, gleichwie ſie weder ihre Ritterlichkeit, noch ihr 
Ehrenwort jemals verleugnet hat, dieſelben auch in Hinkunft 
nicht verleugnen; Eines aber hat ſie gelernt, und ich hoffe, 
ſie werde daraus Nutzen ziehen: ſich nämlich, wenn auf 
ihre Ritterlichkeit und ihr Ehrenwort Berufung geſchieht, 


28 


hiedurch nicht fangen zu laſſen, ſondern ſich umzufehen, was 
dahinter ſteckt, worauf man ſich beruft. (Beifall.) Und 
weil ich — wie geſagt — Alles vermeiden will, was zu 
Gereiztheiten führen könnte, ſo will ich überdies bemerken, 
daß ich mich über die im Laufe der Geſchichte erworbenen 
Verdienſte und die Belohnung, welche die magyariſche Nation 
für ihre, nach dem Herrn Abgeordneten im Jahre 1848 be⸗ 
kundete Ritterlichkeit und ihr Ehrenwort von den Sachſen 
empfangen hat, nicht verbreiten werde. (Lebhafter Beifall). 


Uebrigens, meine Herren, wohin würden wir denn 
am Ende kommen, wenn das ſtünde, was einer der Herren 
Abgeordneten geſagt hat, daß ein beſtehendes Geſetz abändern 
wollen ſo viel heiße, als die Heiligkeit des Geſetzes nicht 
achten, die ſchuldige Ehrerbietung vor dem Geſetze verletzen, 
oder wol gar feviel, als das Ehrenwort brechen. Da wäre 
ja das Leben einer jeden, in der Entwicklung begriffenen 
Nation nichts anderes, als eine kontinuirliche Mißachtung 
des Geſetzes, ein fortwährender Wortbruch, denn ein Fort⸗ 
ſchritt ohne Abänderung der Geſetze iſt bei einer Nation 
doch abſolut nicht denkbar. (Wahr! So iſt's!) 

Wie ſteht denn alſo die Sache überhaupt? Der g. 
Herr Abgeordnete ſpricht von einer ungariſchen Nation und 
von einer ſächſiſchen Nation, und zwar auch von der letzteren, 
als einer politiſchen Nation, und bringt damit die territoriale 
Untheilbarkeit in Verbindung. Ich weiß nicht, g. Haus, aber 
ich wenigſtens leſe in dem Geſetze über die Gleichberechtigung 
der Nationalitäten, daß es im Reiche der Sct. Stefanskrone, 
beziehungsweiſe in Ungarn, denn Kroatien macht hier einiger⸗ 
maßen eine Ausnahme, keine andere politiſche Nation gibt, 
als allein die magyariſche (So iſt's !); wie man ſonach uns 
gegenüber eine ſächſiſche politiſche Nation behaupten kann, 
an deren Territorium man nicht rühren dürfe, das, ich muß 
geſtehen, möchte ich mir gerne von Jemandem aus etwas 
anderem, als aus einſeitiger Befangenheit und wahrhaftiger 
Mißachtung des Geſetzes erklären laſſen. (Lebhafter Beifall). 
Was beſagt ſelbſt noch das 1868er Geſetz, auf welches man 
ſich ſo gerne beruft? Sagt es nicht gleich zu Beginn genau 
ſo, wie die vorhergegangenen Erklärungen des ungariſchen 
Reichstages ausgeſprochen haben, in wie weit die Sonder⸗ 


29 


rechte Siebenbürgens reſpektirt und aufrecht erhalten werden 
können? 


Das 1848er Geſetz — um von dieſem zuerſt zu 
reden — ſagt, vielleicht nicht mit denſelben Worten, die ich 
gebrauche, aber es ſagt: daß alle jene beſonderen Geſetze 
Siebenbürgens, welche der Freiheit und der Rechtsgleichheit 
günſtig find, reſpectirt werden. (So iſt's!) Nun frage ich, 
fallen jene Geſetze, welche den Sachſen auf dem bisherigen 
Königsboden eine privilegirte Stellung gaben, in dieſelbe 
Kategorie? Ich glaube nicht, daß Jemand beweiſen könnte, 
daß die große Mehrheit der Bevölkerung jenes Territoriums 
dieſe Geſetze mit der Rechtsgleichheit vereinbar halte. (Leb— 
hafter Beifall). Dieſe Sonderſtellung wird alſo in eben 
jenen Worten des zitirten 1848er Geſetzes ſelbſt verurtheilt, 
in denen das Verſprechen gegeben wurde. Der G. -A. 
XLIII: 1868 aber ſagt bezüglich Siebenbürgens: Die bisher 
beſtandenen Territorial⸗Eintheilungen und Benennungen nach 
politiſchen Nationen, ſowie die damit verbundenen Vorrechte 
und Privilegien, inſofern ſie einer Nationalität mit Ausſchluß 
der übrigen zugeſtanden, werden aufgehoben; daß Geſetz 
ſpricht alſo mit Beſtimmtheit aus, daß es einen ſächſiſchen 
Boden, eine ſächſiſche politiſche Nation, ein ſächſiſches Terrain 
nicht gibt. (Lebhafter Beifall). Sonach iſt das Prinzip 
ſelbſt ſchon im 1868er Geſetze ausgeſprochen; die Applikation 
aber hat dieſes Geſetz — ich will nicht erörtern weßhalb, 
weßhalb nicht? — einer ſpäteren Zeit vorbehalten. 


Sonach beweiſen alſo ſelbſt dieſe Geſetze gegen die 
Anſprüche des Herrn Abgeordneten. 


Ich wiederhole: wenn das neue Geſetz in einem oder 
dem andern Punkte auch Anderes bezweckt, als das ältere 
Geſetz, — die Lehre, daß es Mißachtung des Geſetzes oder 
Wortbruch ſei, anerkenne ich nicht, kann ich nicht anerkennen, 
und gerade Diejenigen, die von gebildeten Nationen, die von 
einer Culturmiſſion nicht nur im Worte, ſondern auch im 
Geiſte einen Begriff haben, können dieſe Lehre auch gar nicht 
aufſtellen. (Stürmiſcher Beifall.) 


Eine Aeußerung — das iſt wahr — habe ich gehört, 
die mir große Freude gemacht hat, und das war die, — Schade 


30 


nur, daß nicht ſchon längſt Viele fie beherzigt haben, die 
immer und unaufhörlich ſo ſehr jammern, wie die Sachſen 
in Siebenbürgen von den Magyaren unterdrückt werden, — 
es war, ſage ich, die Aeußerung: Die Exiſtenz und die In— 
ſtitution der Sachſen widerſtreite ja der Freiheit nicht, denn 
ſie haben ſchon im Mittelalter in Ungarn Freiheit genoſſen, 
wie man ſie zu jener Zeit in ganz Europa nicht finden 
konnte. Es wird gut ſein, ſich das zu merken und auch auf 
jener Seite auf das Gewiſſen zu achten, wenn dem gegen— 
über Unwahrheiten in die Welt geſchleudert werden. 
(Beifall.) 

Der Umſtand aber, daß jene Juſtitutionen damals In⸗ 
ſtitutionen der Freiheit waren, beweiſt ebenſowenig, daß ſie 
auch heute Juſtitutionen der Freiheit und der heute noth- 
wendig gewordenen Rechtsgleichheit ſind, wie der Umſtand 
— den ebenfalls Niemand in Abrede ſtellen wird — daß 
in jenen mittelalterlichen Jahrhunderten die Organifation und 
der Rechtskreis des ungariſchen Adels eine freiheitliche In⸗ 
ſtitution waren, nicht rechtfertigen würde, daß es richtig 
wäre, dem ungariſchen Adel ſeine urſprüngliche Vit zu 
geben. (Lebhafte Zuſtimmung.) 

Bei der Abfaſſung dieſes Gefegentwurfs war ich von 
dem Wunſche geleitet, daß jedes Territorium des Landes 
und jeder Bewohner in adminiſtrativer Beziehung gleichge— 
ſtellt ſei, daß alſo dem Prinzip der Rechtsgleichheit entſprochen 
werde. Und ich wage es entſchieden zu behaupten, daß es 
mir nie in den Sinn gekommen iſt, mich gegen Bürger dieſes 
Landes, welcher Sprache immer dieſe ſein mögen, von feind⸗ 
ſeligen Gefühlen leiten zu laſſen und ich geſtehe, daß ich 
mich nicht berufen gefühlt hätte, unſeren, in Siebenbürgen 
wohnenden ſächſiſchen Mitbürgern ein ſolches Armuthszeug⸗ 
niß auszuſtellen, wie es die Herren Abgeordneten ſich aus⸗ 
ſtellen, indem fie ſagen: dieſer Volksſtamm ſei ſo ſchwach, 
ſo lebensunfähig, daß er ſterben, daß er verſchwinden muß, 
wenn er auf dieſelbe Rechtsbaſis mit den übrigen Bürgern 
des Landes geſtellt wird. (Leb hafter, lang anhaltender Bei⸗ 
fall und Eljenrufe.) 


Ich, geehrtes Haus, glaube nicht, daß dem ſo ſei, ja 
ich bin überzeugt, daß die ſächſiſchen Bürger Siebenbürgens 


31 


unter dem Schutze des allgemeinen Geſetzes nicht nur leben, 
ſondern auch proſperiren und blühen werden. Was, wie 
ich hoffe, ſterben wird, was ſterben muß, das iſt die Herr— 
ſchaft der Yuterefjen einzelner Cliquen — dieſe aber wird 
Niemand bedauern. (Lebhafter Beifall.) 


Dies wur ein Geſichtspunkt; der andere war der, daß 
auch nicht der Schatten eines Zweifels darüber beſtehen 
dürfe, daß alle jene Anklagen wirklich vollſtändig unbegründet 
ſind, die ſeit Jahren unabläſſig verbreitet werden und die 
wir fortwährend leſen können, daß nämlich die ungariſche 
Nation das Vermögen der Sachſen confisziren will — daß 
die vollſtändige Unwahrheit dieſer Anklagen klar erwieſen 
werde, und ich glaube, indem ich die ſächſiſche Nations: 
Univerſität als Verwalterin dieſes Vermögens belaſſen habe, 
indem ich über die rechtliche Natur dieſes Vermögens gar 
keine Meinung abgeben wollte, ſondern das Urtheil hierüber, 
wenn Zweifel auftauchen, dem Gerichte überlaſſe: habe ich 
auch dieſem Geſichtspunkte ganz und vollſtändig entſprochen. 
(Lebhafte Zuſtimmung.) 

Ich wundere mich nicht, geehrtes Haus, wenn dieſe 
Vorlage Manchen nicht gefällt, wenn ſie die Berechnung 
Mancher ſtört, denn es mag wirklich Niemandem lieb ſein, 
wenn es — außerdem, daß ſeine bisher zärtlich gehegten 
ſpeziellen Intereſſen einen Abbruch erleiden — klar wie das 
Sonnenlicht wird, daß er die Nation, in deren Mitte er 
lebte, Jahre lang verleumdet hat, denn dieſer kam es nie in 
den Sinn, von Jemandes Vermögen auch nur einen Heller 
wegnehmen zu wollen. (Lebhafter Beifall.) Und mögen es 
die Herren Abgeordneten und namentlich der Vorredner 
a er daß unſere Deviſe nicht ift „Macht geht vor Recht“. 
Die Geſchichte beweiſt freilich, daß dem leider häufig ſo war; 
wir aber wollen unſere Macht mit dem Recht vereinigen 
(Zuſtimmung); dann aber fell es ihnen nicht ſchwer fallen, 
daß jene in dem kleinen Winkel des Landes genoſſene ſpezielle 
Gewalt, die in ihrer Hand lag, die aber thatſächlich im 
Widerſpruche mit dem Rechte ſteht, aus dem Geſichtspunkte 
des allgemeinen Rechtes ihnen aus der Hand genommen 
wird. (Lebhafte Zuſtimmung.) Ich bitte, die Vorlage anzu— 
nehmen. (Lebhafter, langanhaltender Beifall und Eljenrufe.) 


32 


Alexander Bujaunovies (Senuyeypartei.): 


Geehrtes Haus! Der jetzt in Verhandlung befindliche 
Geſetzentwurf über den Königsboden und die ſächſiſche Uni— 
verſität hat zu Folge der dem Entwurf beigeſchloſſenen 
Miniſterial-Motivirung einen doppelten Zweck. Der eine 
iſt nach den eigenen Worten der Motivirung der: einen 
Modus für die zukünftige Regelung des Königsbodens feſt— 
zuſetzen, der zweite: die ſächſiſche Univerſität, beſonders 
die Vermögensverhältniſſe der ſächſiſchen Univerſität zu regeln. 
Die Nothwendigkeit der Regelung des Königsbodens aner— 
kennt ſchon der XLIII. G.⸗A. vom Jahr 1868, welcher 
von der Vereinigung Siebenbürgens handelt. Er hat dieſe 
nicht blos anerkannt, ſondern auch die Regelung in Ausſicht 
geſtellt. Die Nothwendigkeit dieſer Regelung auerkenne auch 
ich und zwar nach beiden Richtungen hin, ſowol vom Ge— 
ſichtspunkte der Gebiets- und Verwaltungsregelung des 
Königsbodens, als dem der Organiſirung der ſächſiſchen 
Univerſität und der Normirung ihrer Vermögens-Fragen. 

Ich habe daher und kann auch keine Einwendung und 
Bemerkung dagegen haben, daß die Geſetzgebung ſich mit 
der Frage der Regelung des Königsbodeus beſchäftigt. Hin- 
ſichtlich des in Verhandlung befindlichen Geſetzentwurfes 
habe ich nur die Frage, ob das Ziel richtig iſt, welches 
ſich der Geſetzentwurf ſelbſt ſteckt, und ob die in dem Geſetz— 
entwurf enthaltenen Maßregeln die richtigen ſind, um dies 
Ziel zu erreichen. 

Bevor ich meine Bemerkungen zum Geſetzentwurf vor— 
bringe, ſehe ich mich genöthigt zu bemerken, daß ich den 
Beſtand und die Aufrechthaltung einer mit beſondern Privi- 
legien ausgeſtatteten Municipalkörperſchaft, einer privilegirten 
Verwaltungsbehörde im Gebiet des ungariſchen Staates nicht 
unterſtütze (Zuſtimmung), nicht unterſtütze weder vom Ge— 
ſichtspunkt der Rechtsgleichheit, noch des Staatsintereſſes, 
noch der Anforderungen der Verwaltung. Mit Bereitwillig⸗ 
keit anerkenne ich jene Dienſte, welche derartige Gebiete 
und Bezirke in der Vergangenheit ſowol für die Intereſſen 
der Cultur als auch der Verwaltung geleiſtet haben. Aber 
dieſe Anerkennung dieſer in der Vergangenheit geleiſteten 
Dienſte, der in der Vergangenheit erworbenen Verdienſte 


33 


kann mich nicht abhalten zu erklären: daß ich bei den ent- 
wickelten Verwaltungs- und Staatsanſprüchen, ſolche beſon— 
dere Privilegien beſitzende Verwaltungskörper und Behörden 
für die Vermittlung der Staatsverwaltung für vollſtändig 
geeignet nicht halte, daß daher auch ich eine Regelung der— 
ſelben, wobei die Vermögens-Rechte, die Cultur-Intereſſen 
in Ehren gehalten werden, wünſche. 


Bei dieſer Regelung aber anerkenne ich nur einen ent— 
ſcheidenden und maßgebenden Geſichtspunkt, und dieſer iſt 
das höhere Staatsintereſſe, das unvermeidliche Poſtulat der 
Verwaltung, welchen Geſichtspunkt, wie ich glaube, man auf 
jedweden Bürger des Staates, auf alle Verwaltungs-Körper— 
ſchaften anwenden muß, aber innerhalb ſeiner Schranken 
wünſche ich jedem berechtigten Intereſſe, jedem berechtigten 
Auſpruch Schutz, geſetzliche Unterſtützung zu gewähren ohne 
jede Rückſicht auf Stamm, Bekenntniß und Nationalität. 

Dieſemnach, geehrtes Abgeordnetenhaus, kann ich er— 
klären, daß die Regelung des Königsbodens auch ich ſehr 
wünſche und unterſtütze. Ich acceptire die Regelung auf 
Grund derjenigen Geſichtspunkte, derjenigen Principien, welche 
ich für die Geſammtheit aller Bürger des Staates, für jede 
Jurisdiction als richtig anerkenne. Aber ich wünſche und bin 
für eine wirkliche, weſentliche Regelung, für das Nichtaus— 
ſprechen des Prineips, aber mit dem Ausſprechen des Prin— 
cips gleichzeitig für eine praktiſche Anwendung des Princips. 
Und indem ich von dieſem Geſichtspunkte ausgehe, muß ich 
bemerken, daß der in Verhandlung befindliche Geſetzentwurf 
mich nicht befriedigt, daß ich meinerſeits denſelben mangelhaft 
finde. Dieſer Geſetzentwurf enthält zwar in den einzelnen 
Theilen in der Frage der Regelung der ſächſiſchen Univerſität 
und der materiellen Verhältniſſe detaillirte Verfügungen, 
Verfügungen, welche, weil ſie die Eigenthumsrechte reſpee— 
tiren, weil ſie dieſe Rechte zwar normiren, aber die Ver— 
fügungs⸗Freiheit der Berechtigten nicht verletzen, indem ſie 
hinſichtlich der Vermögensrechte die vollſtändige richterliche 
Competenz aufrecht erhalten, Verfügungen, welche auch ich 
meinerſeits als richtig aunerkennen muß. Aber in dem zweiten 
Haupttheile, in dem Theile über die Regelung des Königs— 
bodens iſt dieſer Geſetzentwurf ſchon in ſeinem Ziel verfehlt. 

3 


34 


Dieſer Geſetzentwurf bezweckt nicht ſo ſehr die Regelung, 
ſondern nur eine Modalität der Regelung, nicht die An⸗ 
wendung des Princips, nur das Princip ſelbſt, aber die An⸗ 
wendung dieſes Principes verleiht ihm erſt ſeinen prak— 
tiſchen Werth. 


Der erſte Paragraf des Geſetzentwurfes ſagt zwar, 
daß über die Regelung des Königsbodens ein beſonderes Ge— 
ſetz entſcheiden und daß bei dieſer Regelung der Königsboden 
mit den benachbarten Territorien unter dieſelbe Rückſicht 
fallen werde. An und für ſich iſt dieſer Grundſatz löblich; 
mit dem Ausſprechen desſelben wird jedoch die Angelegenheit 
der Regelung des Königsbodens um keinen Schritt vorwärts 
gebracht; nun halte ich meinerſeits nicht die abſtracte Auf— 
ſtellung eines Grundſatzes, ſondern die Anwendung des Grund— 
ſatzes bei der Frage ſolcher Regelungen für die Aufgabe der 
Legislative. Eine ſo nackte Aufſtellung des Prinzipes führt 
nur zur Erweckung von Mißverſtändniſſen und Beſorgniſſen, 
während die richtige, gerechte und praktiſche Anwendung des 
Grundſatzes — wenn ſie auch vielleicht von der einen 
und andern Seite nicht mit erforderlicher Ruhe aufgenommen 
würde — die Geſammtheit der Staatsbürger jedenfalls be- 
ruhigen würde. Eben deßwegen würde ich es für richtiger 
gehalten haben, wenn die adminiſtrative Territorial-Regelung 
des Königsbodens gleichzeitig mit der Regelung der ſieben— 
bürgiſchen Jurisdictionen und in einem und demſelben Geſetz— 
entwurfe durchgeführt worden wäre, (Zuſtimmung); blos die 
Löſung der Frage des ſächſiſchen Univerſitätsvermögens hätte 
den Gegenſtand eines beſondern Geſetzentwurfes zu bilden. Wie 
geſagt, hätte ich dieſen Vorgang der Geſetzgebung für richtiger, 
zweckmäßiger angeſehen. Ueberhaupt, g. H., halte ich es nicht für 
einen richtigen Vorgang der Geſetzgebung, nicht für eine richtige 
Politik, behufs der practiſchen Löſung der auf Erledigung 
harrenden Fragen früher ein Geſetz zu bringen, welches den 
Grundſatz aufſtellt, und nachher dieſen Grundſatz in einem 
neuen beſonderen Geſetzentwurfe anzuwenden. Abgeſehen von 
jenem Zeitverluſte, welcher mit ſolchem geſetzgeberiſchen 
Vorgehen verbunden iſt, beruhigt — ich wiederhole es — nicht 
die Aufſtellung des Grundſatzes, ſondern die gerechte An- 
wendung des Principes, und wir erſchweren uns durch 


39 


ſolches Vorgehen nur unſere geſetzgeberiſche Wirkſamkeit. 
G. H., regeln wir daher den Königsboden, wenn wir die 
Nothwendigkeit der Regelung erkennen, — und ich anerkenne 
die Nothwendigkeit der Regelung —, aber regeln wir ihn 
auch thatſächlich, practiſch, jenen Principien gemäß, welche 
wir oder — ich bitte um Entſchuldigung — die Mehrheit 
als jedem Bürger des Vaterlandes angemeſſen erachten, 
aber regeln wir dieſe Fragen definitiv; denn eine ſolche 
Löſung der Fragen, wie ich ſie erwähnte, iſt ein ſolches 
geſetzgeberiſches Vorgehen, welches ich meinerſeits nicht für 
richtig halte. 

Da aber dieſer Geſetzentwurf, außer dem erſten und 
meiner Anſicht nach im Zwecke verfehlten 8, auch Anz 
ordnungen von practiſcher Bedeutung enthält, ſo trete ich 
nach der Erwähnung dieſer Bemerkungen dem nicht ent— 
gegen, daß dieſer Geſetzeutwurf zur Baſis der Special— 
debatte angenommen werde, behalte mir aber vor, in der 
Specialdebatte meine Anſichten näher zu entwickeln. (Zu— 
ſtimmung.) 


Adolf Zay (Sachſe. ): 

Geehrtes Haus! Der Beruf der Geſetzgebung iſt in 
jeder ihrer Agenden ein ernſter, hochwichtiger und verant— 
wortungsſchwerer, doch erufter und verantwortungsvoller als 
je wird die Aufgabe und die Pflicht der Legislative, wenn 
ihrer Entſcheidung ein Geſetzesentwurf vorliegt, der — wie 
der heutige — die Exiſtenz eines lebeusfähigen, im Sturme 
von Jahrhunderten erprobten und bewährten Volkes in Frage 
ſtellt. (Lärm). 

Präſident: Geehrtes Haus! Die Stimme des 
Herrn Redners iſt ſo leiſe, daß ich ſelbſt ſie nicht höre, 
weßhalb ich das geehrte Haus bitte, aufmerkſam und ruhig 
ſein zu wollen, damit wir die Rede hören. (Rufe: Auf die 
Tribüne!) 

Adolf Zay: Geehrtes Haus! Sie ſelbſt haben es 
nicht vor langer Zeit erfahren, was es heißt um Sein oder 
Nichtſein einer Nation zu kämpfen; in Ihren Reihen ſitzt ſo 
mancher von den begeiſterten Streitern für die vitalen In⸗ 
tereſſen Ihrer Nation, und Keiner iſt unter Ihnen, deſſen 
Seele nicht ein heiliger Schauer der Rührung ergreift, wenn 

3 * 


36 


er der Worte Ihres Nationaldichters gedenkt: egy ezred- 
evi szenvedes ker eltet vagy halält. (Ein tauſend⸗ 
jähriges Leiden bittet um Leben oder Tod.) Nun wol meine 
Herren, ſo rufe ich Ihnen denn in dieſer hochernſten Stunde 
mit bittender, mahnender, warnender Stimme zu: het- 
szäz évi szevendés k. e. v. h! (Ein ſiebenhundertjähriges 
Leiden bittet um Leben oder Tod). Die mehr denn ſieben— 
hunderjährige ehren⸗ und ſegensvolle und von den ungariſchen 
Königen hochgeehrte Vergangenheit des ſächſiſchen Volkes tritt 
heute in dieſe heiligen Hallen der Geſetzgebung, ſie fleht 
nicht um Gnade, ſie fordert ihr gutes Recht: und wenn in 
Ungarn Recht und Geſetz noch gilt, wenn Treu und Glauben 
nicht hinfällig geworden, wenn der ungariſche Staat auf 
der ethiſchen Baſis der Gerechtigkeit ſtehen will, ſo muß die 
ſächſiſche Nation ihr gutes Recht hier bei den Hütern des 
Geſetzes finden, und wäre es auch der allmächtige Minifter- 
präſident ſelbſt, der die Axt angelegt hat an die Lebens- 
wurzeln ihres nationalen Beſtandes! 

Seien Sie ſich bewußt, meine Herren, daß es ſich 
heute ſomit nicht nur um das Recht der Sachſen, ſondern 
Hauch um die Ehre des ungariſchen Parlamentes und des 
ungarischen Volkes handelt! Laſſen Sie heute jeden Partei- 
ſtandpunkt, jede Voreingenommenheit, jede Antipathie fahren, 
ſuchen Sie den Gegenſtand voll und objectiv zu erfaſſen, 
prüfen Sie ruhig, ernſt, leidenſchaftslos und gewiſſeuhaft — 
ſeien Sie gerecht und halten Sie ſich dabei gegenwärtig: 
hodie tibi, eras mihi! — 

Die Achtung vor dem geehrten Hauſe gebietet mir — 
trotz des feindſeligen Getöſes, das Ihre Blätter und insbe— 
ſondere die Organe der Regierung gegen uns erhoben, trotz 
der Tendentioſität und Unwahrheit, mit welcher auch in aus— 
wärtigen Blättern dem uneingeweihten Publikum Sand in die 
Augen geſtreut und gegen uns „Stimmung“ gemacht wurde, 
und trotz der Haltung der Verwaltungscommiſſion des ge- 
ehrten Hauſes, ja ſelbſt ungeachtet des lauten Jubelrufes, 
mit welchem das geehrte Haus die Worte des Herrn Inner» 
miniſters und der Redner der Regierungspartei aufgenommen 
hat — trotz alledem, zwar nicht von der Hoffnung meines 
Freundes Baußnern auf die Ritterlichkeit der magyariſchen 


37 


Nation, aber doch von der Auſicht, oder ſagen wirs 
offen, von der parlamentariſchen Fiction auszugehen, daß 
a dhue sub judice lis est, daß die geehrte Majorität 
dieſen Saal nicht mit fertiger Abſtimmungsordre in der 
Taſche betreten, daß hier mit der parlamentariſchen Be— 
rathung nicht bloß Comödie geſpielt würde, ſondern daß die 
Mitglieder des geehrten Hauſes in dieſem Saale erſchienen 
find, um ſich hier ihr Urtheil zu bilden, und ſich infor— 
miren und überzeugen zu laſſen. 

Erlauben Sie mir, daß ich dies mit den beſchränkten 
Mitteln eines nicht im Gebrauche der Staatsſprache Heran⸗ 
gewachſenen im Nachſtehenden verſuche. 

Ich halte es um ſo mehr für meine Pflicht, mich hier 
in eine Klarlegung der Sachlage einzulaſſen, als die Auf- 
klärungen, die der Herr Innerminiſter gegeben, in mir die 
Ueberzeugung wachgerufen, daß ſelbſt der Herr Fachminiſter 
den Gegenſtand hie und da nicht kennt oder aber nicht kennen 
will. Ich verweiſe hier nur darauf, daß der Herr Inner- 
miniſter in der Verwaltungscommiſſion auf die Anfrage: 
wodurch derzeit der Behördenorganismus des Sachſenlandes 
normirt ſei, die Auskunft gab: durch veraltete Privilegien — 
während der Herr Fachminiſter doch ganz gut wußte oder 
doch wiſſen müßte, daß dieſe Norm in einer — doch wol 
nicht unter das beliebte und wirkſame Schlagwort „veraltete 
Privilegien“ zu ſubſummirenden Verordnung des früheren 
Innerminiſters Baron Bela Wenkheim vom 28. März 1869 
beſteht. Ebenſo muß es den Kenner ſiebenbürgiſchen Rechtes 
höchlichſt befremden, wenn der Herr Innerminiſter ſich am 
Schluße ſeines Motivenberichtes darüber moquirt, daß das 
Vermögen der Siebeurichter von 8 Municipien verwaltet 
werde, wenn er dies einen Beweis „erſtaunlicher“ und „ver— 
quickter“ Verhältniſſe nennt. Ja, weiß denn der Herr Inner- 
miniſter nicht — was in Siebenbürgen jeder Schulknabe 
weiß — daß septem sedes blos eine Abkürzung von Cibi- 
nium et septem sedes iſt und die älteſte Anſiedlercolonie, 
die aus Hermannſtadt und den 7 übrigen älteſten Anſied⸗ 
lergruppen beſtehende provincia Cibiniensis bedeutet?! — 
Oder war es dem Herrn Miniſter nur darum zu thun, 
durch die Ausdrücke erſtaunlich und verquickt wieder einmal 


38 


in feiner bekannten loyalen und objectiven Art zu informiren ? 
— Dieſe beiden Beiſpiele mögen genügen zur Beleuchtung 
des Werthes der vom Herrn Innerminiſter gegebenen Ju⸗ 
formation. 


Zur Beleuchtung und Beurtheilung des vorliegenden 
Geſetzentwurfes müſſen wir vor Allem conſtatiren, was iſt 
fein Inhalt, was feine Tendenz? 


Die Worte, in welchen der Haupttenor des Entwurfes 
gelegen iſt, die Worte des §. 1, ſind ſehr fein ausgeklügelt; 
es iſt dem Herrn Innerminiſter wieder einmal gelungen, 
hinter harmlos klingenden Worten durchaus nicht harmloſe 
Dispoſitionen und Tendenzen zu maskiren. Sehen wir uns 
den erſten Abſatz des genannten §. aber etwas genauer an, 
ſo heißt der Ausdruck: „fällt unter dieſelben Geſichtspuncte“ 
dasſelbe, was man, offener und ehrlicher ſo ſagen würde: 
der territoriale Zuſammenhang des Königs⸗ 
bodens wird zerriſſen, und die Worte des II. Abſatzes 
„die bisherigen Beſonderheiten auf dem Gebiet der Verwal— 
tung entfallen“ lauten in klarer Sprache derer die nicht bei 
Talleyrand in die Schule gegangen, einfach ſo: das 
Municipalrecht des Königsbodens wird confis⸗ 
cirt. — Die weiteren SS. des Entwurfes enthalten die 
Aufhebung des Rechtskreiſes der Nationsuni⸗ 
verſität und weſentliche Beſchränkungen in der 
Verwaltung des Vermögens der ſächſiſchen 
Nation. 

Der Herr Miniſter wolle entſchuldigen, daß ich meiner- 
ſeits die Sprache nicht für dazu beſtimmt erachte, um hinter 
ihr die Gedanken zu verbergen. Ich habe das Kind beim 
rechten Namen genannt und will nun zeigen, wie dieſe im 
Entwurfe geplanten Dispoſitionen ſich verhalten erſtens zum 
geltenden Rechte und zweitens zu den Intereſſen 
des Staates. — 
| Der Herr Innerminiſter beruft ſich in feinem Mo⸗ 
tivenbericht ſelbſt auf das für die Beurtheilung feines Ent- 
wurfes fundamentale Geſetz, auf die 88. 10 und 11 des 
XLIII. G.-⸗A.: 1868 — und auf §. 88 des XLII. G.⸗A. 
1870. Doch auch hier hat ſich wieder einmal die wunder- 
bare Geſchicklichkeit des Herrn Miniſters bewährt, durch das 


39 


Prisma ſeiner Dialectik auch den reinſten Lichtſtrahl jo zu 
brechen, daß er die Farbe annimmt, die dem Herrn Miniſter 
beliebt — ſagen wir es offen heraus: der Herr Miniſter 
hat aus den citirten Geſetzesſtellen nur die Worte heraus» 
geklaubt, die ihm zu ſeiner Tendenz ſtimmten — es ſind dies 
die unweſentlichen — und hat jene Worte und zwar die 
weſentlichen einfach ignorirt und in feinem Motivenberichte 
mit gewohnter Loyalität todtgeſchwiegen, welche ſeiner 
Teudenz den Schild des Geſetzes entgegenſtrecken. — So 
kann man daun freilich jedwede geſetzliche Garantie illuſoriſch 
machen, aus jedem Geſetze nur das herausleſen, was man 
will — ob aber dieſe Methode der Geſetzesapplication nicht 
am Lebensmarke des Rechtsſtaates frißt, ob ſie mit po— 
litiſcher Ehrenhaftigkeit vereinbarlich iſt, über— 
laſſe ich beruhigt dem Urtheile aller Ehrlichdenkenden. 


Vor allen Dingen ſchreibt der §. 10 des XLIII. 
G.⸗A.: 1868 dem Inuerminiſter nicht blos vor: einfach 
irgend einen Geſetzentwurf über die Regelung des Königs— 
bodens einzubringen, ſondern ſagt ausdrücklich: das habe zu 
geſchehen nach Anhörung der Betreffenden d. i. 
wie der Herr Miniſter in dem Verwaltungsaus— 
ſchuße ſelbſt anerkannt hat: der ſächſiſchen Nations-Uni⸗ 
verſität. Dies hat der Herr Miniſter nicht gethan, er hat 
ſeinen Entwurf der ſächſiſchen Nationsuniverſität zur Aeuße— 
rung nicht vorgelegt, ſomit ſchon hiedurch den §. 10 des citirten 
Geſetzes verletzt. Der Herr Innerminiſter könnte mir 
einwenden, daß ſchon fein Vorgänger die Univerſität über 
dieſen Entwurf ein vernommen, ich meinerſeits aber conſtatire, 
daß dies nicht der Fall iſt. Wol hat ſich der Herr Miniſter 
Wilhelm Thot mit der ſächſiſchen Nationsuniverſität bezüg⸗ 
lich des einzubringenden Municipalgeſetzes in's Ein⸗ 
vernehmen geſetzt; doch einerſeits geſchah dies auf einer ganz 
andern Baſis, während der vorliegende Entwurf der 
Univerſität niemals zur Aeußerung vorlag und ſich ſowol 
die 1871er als insbeſondere die 1872er Nationsuniverſität 
in dieſer Frage in einer Weiſe äußerten, die mit dem gegen— 
wärtigen Geſetzentwurfe in diametralem Gegenſatze ſteht — 
andrerſeits aber wurde die ſächſiſche Nationsuniverſität 
niemals über die Arrondirungsfrage gehört, die doch 


40 


das Fundament des heutigen Entwurfes iſt und 
die Vernichtung des geſammten ſächſiſchen Municipalvechtes 
als einfache Conſequenz der geplanten Zerreißung des Sach— 
ſenlandes nach ſich ziehen ſoll. 


Wegen der nicht erfolgten Anhörung „der Betreffenden“ 
liegt alfo ſchon in der Einbringungsart des Ent- 
wurfes ſelbſt, ganz abgeſehen von ſeinem Inhalte, eine 
formelle Rechtsverletzung und zugleich die Schädigung des der 
ſächſ. Nationsuniverſität durch den §. 10 des citirten Ge— 
ſetzes und durch wiederholtes Königswort zugeſicherten Rechtes: 
bei der Regelung der Jnnerverhältniſſe des Sachſenlandes 
ſelbſt mitzuwirken. 


Weit bedenklicher und unverautwortlicher aber ſind die 
materiellen Rechtsverletzungen, die der dispoſitive In— 
halt des Entwurfes involvirt. Derſelbe zertrümmert, wie 
ich oben gezeigt, den territorialen Zuſammenhang des Königs— 
bodens, macht das Municipalrecht des Königsbodens illuſoriſch, 
confiscirt den Rechtskreis der Nations⸗Univerſität und greift 
ein in das Eigenthumsrecht der Nation. Zu all' dieſer 
Vergewaltigung hält ſich der Herr Miniſter bei ſeiner bei⸗ 
ſpielloſen oben characteriſirten Interpretationsmanier durch 
den §. 10 des citirten Unionsgeſetzes für berechtigt. Was 
aber ſagt der derart mißdeutete S. 10: „Zur Sich er⸗ 
ſtellung der Selbſtverwaltungsrechte der Stühle, 
Diſtricte und Städte des Königsbodens, zur Organi- 
ſirung ihrer Vertretungskörper und Feſtſtellung des Wir— 
kungskreiſes der ſächſiſchen Nations -Univerſität wird das 
Miniſterium beauftragt einen ſolchen Geſetzartikel ein⸗ 
zubringen, welcher ſowol die auf Geſetzen und Ver⸗ 
trägen beruhenden Rechte, als die Rechtsgleichheit der auf 
dieſem Territorium wohnenden Staatsbürger jedweder Na— 
tionalität gebührend berückſichtigt“, und der §. 88 
des allgemeinen Municipalgeſetzes ſagt ausdrücklich, daß der 
Königsboden nicht dem allgemeinen Municipalgeſetz zu un— 
terwerfen ſei, ſonderu, daß über die Regelung des Königs— 
bodens ein eigenes Geſetz gemäß des §. 10 des XIIII. 
G.⸗A.: 1868 verfügt. 


Ich meinerſeits aber conſtatire: Von dieſen den Be⸗ 


41 


wohnern des Königsbodens gegebenen Garantien, von dieſen 
Grundſätzen, nach welchen das fragliche Geſetz ge— 
ſchaffen werden muß, ſagt der Herr Miniſter in ſeiner hoch— 
achtbaren Loyalität natürlich kein Sterbenswörtchen im 
Motivenbericht. 

Das Unionsgeſetz hält alſo den Königsboden als 
municipale Einheit aufrecht, garantirt den Beſtand und die 
Autonomie ſeiner 11 Einzelmunicipien und ſichert ihnen ein, ihren 
Rechtsgewohnheiten und Lebensverhältniſſen entſprechendes, 
mit Berückſichtigung ihrer auf Geſetzen und Verträgen be— 
ruhenden Rechte zu ſchaffendes beſonderes Municipalgeſetz 
zu. Und wie meint der Herr Innerminiſter dieſem Geſetze 
Genüge geleiſtet zu haben: er zerreißt den Königsboden, 
kettet feine ausgerenkten Glieder an Bruchſtücke des Comitats— 
bodens und erklärt, daß nunmehr von jenem beſondern 
Municipalrechte keine Rede ſei. Der Herr Miniſter ver- 
nichtet alſo zuerſt das Anwendungsgebiet des von ihm 
pflichtgemäß zu proponirenden Geſetzes und wähnt dadurch 
ſeine geſetzliche Verbindlichkeit zur Einbringung des ihm im 
§ 10 des Unionsgeſetzes und im § 88 des XLII. G.⸗A: 
1870 aufgetragenen Geſetzentwurfes illuſeriſch machen zu 
können. Der Herr Miniſter ſagt alſo nicht: ich gedenke den 
§ 10 des Unionsgeſetzes zu ignoriren, er proponirt auch 
nicht die Aufhebung des §S 10 — er zieht dem S 10 einfach 
den Boden, den Königsboden, unter den Füßen weg, und 
hat denſelben Erfolg erreicht; — der Vorgang, geehrtes 
Haus heißt aber nicht das Geſetz achten, ſondern geradezu: 
das Geſetz verhöhnen! 


Ganz im Geiſte dieſer Rechtsachtung ſpringt der 
Herr Miniſter auch mit der ſächſiſchen Nationsuni⸗ 
verſität um. Der § 11 des XLIII. G.⸗A. von Jahre 
1868 ſichert dieſer ihren vollen, ihr gemäß des XIII. G.⸗A. 
von 1791 zuſtehenden Rechtskreis mit einziger Ausnahme 
ihrer bisherigen Juſtizbefugniſſe zu; — und was thut der Herr 
Miniſter?! Er iſt gar nicht darum verlegen, auch dieſen 
§ 11 des Unionsgeſetzes aus der Welt hinauszuinterpretiren, 
er erklärt — incredibile dietu — der 8 11 werde durch 
den § 1 desſelben Geſetzes alterirt, alſo die Ausnahme durch 
die Regel beſchränkt — eine Erfindung, ſo originell, aber 


42 


auch fo ungenirt, wie fie nur der Dialectik des ſehr ge- 
ehrten Herrn Innerminiſters entſpringen kann. 


Der Herr Innerminiſter anerkennt zwar, daß es bisher 
im Wirkungskreiſe der ſächſiſchen Nations -Univerfität ge— 
ſtanden, die Innerverhältniſſe des Königsbodens durch Sta— 
tute zu regeln, verſucht aber dies ihr Statutargeſetzgebungs⸗ 
recht dadurch wegzuescamotiren, daß er dasſelbe für ein Attribut 
ihrer ſtaatsrechtlichen Stellung als dritte politiſche Nation 
Siebenbürgens erklärt und, von dieſer falſchen Suppoſition 
ausgehend, dann ſo zu argumentiren beliebt: da der J. 
Klauſenburger Geſetzartikel vom Jahre 1848 und der XLIII. 
Geſetzartikel vom Jahre 1868 in ihren SS 1 die „poli- 
tiſchen Nationen“ Siebenbürgens aufheben, haben ſie 
zugleich das Statutargeſetzgebungsrecht der ſächſiſchen Nations- 
Univerſität aufgehoben. — Dies iſt eine grundfalſche 
Auffaſſung und Interpretation: die beiden citirten Unions⸗ 
geſetze heben — wie der Herr Miniſter doch wiſſen müßte 
— blos jene ſtändiſche Verfaſſung des frühern 
Großfürſtenthums Siebenbürgen auf, welcher zufolge der 
magyariſche und Szekler-Adel und die adelige Nation der 
bürgerlichen Sachſen als die drei Stände des Landes mit 
völliger Ausſchließung der übrigen Bevölkerung die Geſetz— 
gebung und die Adminiſtrationsexecutive in ihren Händen 
hatten. Dieſem gemäß exiſtirt der geſonderte ſiebenbürgiſche 
Landtag nicht mehr, und iſt aufgehoben jenes Recht der ſäch— 
ſiſchen Nation, wornach fie die Abgeordneten ihrer Univer— 
ſitätsverſammlung als die Vertreter der dritten ſtändiſchen 
Nation in den ſiebenbürgiſchen Landtag ſenden konnte. Blos 
dies disponiren die zwei vom Herrn Innerminiſter citirten 
Unionsgeſetze in ihren erſten SS. Das aber, was der Herr 
Miniſter jetzt zu confisciren trachtet, das Statutargeſetz— 
gebungs⸗ und Innerverwaltungsrecht der Nations-Univerfität, 
iſt abfolut nicht der Ausfluß ihrer Landſtandſchaft, 
ſondern — wie dies jeder Kenner der Staatsrechtswiſſen⸗ 
ſchaft ſofort erkennen müßte — die Conſequenz ihres Self— 
gouvernements. Dies Selbſtverwaltungsrecht 
aber hat das Unionsgeſetz auch nicht mit einer 
Silbe alterirt, im Gegentheil, die 88 10 und 11 des 
1868er Unionsgeſetzes garantiren dasſelbe ausdrücklich 


43 


von Neuem und halten die ſächſiſche Nations-Univerſität 
— mit alleiniger Aufhebung ihrer juſtiziellen Wirkſamkeit — 
vollſtändig mit jener Rechtsſphäre aufrecht, welche ihr 
nach dem XIII. Geſetzartikel von 1791 gebührt. Daß aber 
in dem auf dieſem Geſetzartikel beruhenden Rechtskreiſe auch 
das Statutargeſetzgebungs- und Innerverwaltungsrecht mit 
inbegriffen war, anerkennt der Herr Innerminiſter in ſeinem 
Motivenberichte ſelbſt. 

Durch die geplante Confiscation dieſes Rechtes hat 
der Herr Miniſter daher das Geſetz abermals verletzt. 

Bezüglich des ſächſiſchen Nations vermögens 
muß ich zwar anerkeunen, daß der Herr Miniſter nicht auch 
dieſes confisciren will. Den Grundſätzen der Communiſten 
huldigt der Herr Miniſter alſo nicht, aber weiter geht er 
auch nicht in ſeiner Achtung vor der Heiligkeit des Eigen— 
thums. Das Eigenthum kann jedoch nicht blos durch directen 
Raub verletzt werden, ſondern auch durch rechtswidrige 
Einſchränkungen; und ſolche rechtswidrige und verletzende 
Eingriffe finde ich in den auf das ſächſiſche National- 
Vermögen ſich beziehenden Beſtimmungen des Geſetzentwurfes. 
Zugegeben, daß das Privatvermögen einer öffentlich- rechtlichen 
Corporation unter andere Rechtsnormen und andere ſtaat— 
liche Geſichtspunkte fällt, als das Vermögen einer Privat- 
perſon, zugegeben weiters, daß dem Staate über das Ver— 
mögen einer öffentlich- rechtlichen Corporation das Ober— 
Inſpectionsrecht gebührt, ſo kann es doch durch keinerlei 
Argumentation gerechtfertigt werden, daß der Herr Miniſter 
jetzt durch ein neues Geſetz befehlen will, zu welchen Zwecken 
und ſogar zu weſſen Gunſten das Privatvermögen einer 
öffentlichen Corporation verwendet werden ſolle. 

Ich muß mich daher gegen dieſen geplanten rechts— 
widrigen Eingriff in unſer Eigenthumsrecht ganz energiſch 
verwahren! 

Durch jede einzelne Verfügung des Geſetzentwurfes 
verletzt der Herr Miniſter demnach die durch die SS. 10 und 
11 des 1868er Unionsgeſetzes neuerdings gewährleiſteten 
„auf Geſetzen und Verträgen beruhenden“ Rechte der ſächſi— 
ſchen Nation; deßhalb wäre es — dies iſt meine feſte Ueber⸗ 
zeugung — die Pflicht des geehrten Hauſes, dieſe durch den 


44 


Herrn Miniſter begangenen Rechtsverletzungen unter die 
Judicatur des §. 32 im III. Geſ.⸗Art. von 1848 zu ſtellen. 
Dies zu beantragen und einzuleiten überlaſſe ich jedoch dem 
Rechtsgefühl und der Geſetzesachtung des geehrten Hauſes. 

Sie könnten mir entgegnen meine Herren: ja, wenn 
es auch die Pflicht des Innerminiſters geweſen wäre, der 
Weiſung des §. 10 im Unionsgeſetze nachzukommen, wir, 
die ſouveräne Geſetzgebung, ſtehen über dem Geſetz. 

Nach der von Profeſſor Thomas Veesey jüngſt hier 
aufgeſtellten Theorie, iſt der momentane Wille der Geſetz⸗ 
gebung auch ſchon Geſetz, und was in dieſer Secunde noch 
Geſetz iſt, weil es der Geſetzgebung ſo beliebt, hört in der 
nächſten Secunde ſchon auf, Geſetz zu ſein, weil und ſobald 
es ihr nicht mehr convenirt. Es liegt nicht in meiner Abſicht 
gegen dieſe ſonderbare Theorie anzukämpfen — wenigſtens 
heute nicht —, ich beabſichtige auch nicht darauf hinzu⸗ 
weiſen, daß ein Staat nicht das Product momentaner Laune 
iſt und ſein kann, auch darauf nicht, daß derartiges 
Ballſpiel mit dem Geſetze nicht nur die Sicherheit: ſondern 
ſogar die Exiſtenz des Staates in Gefahr ſetzen müßte; 
blos darauf weiſe ich heute hin, hierauf jedoch mit größtem 
Nachdrucke: daß es Geſetze gibt, deren Abänderung ſchon 
deßwegen nicht im ſouveränen Belieben der Geſetzgebung 
ſteht, weil ſie den Charakter eines bilateralen Ver⸗ 
trages haben, und aus ihnen jura quaesita, wolerworbene 
Rechte, erwachſen ſind, dies dürften mir wol auch die An⸗ 
hänger der parlamentariſchen Omnipotenz zugeſtehen. 

Solcher Vertragscharakter aber wohnt den 
Unionsgeſetzen inne! Die im I. Klauſenburger Geſetz— 
artikel vom Jahre 1848 und im XLIII. Peſter Geſetzartikel 
vom Jahre 1868 inartikulirte Union des früheren 
Großfürſtenthums Siebenbürgen mit Ungarn 
iſt ein ſtaatsrechtlicher bilateraler Vertrag und 
iſt nicht durch den einſeitigen Befehl des ſouveränen Par- 
laments von Ungarn, ſondern nur durch die Zuſtim⸗ 
mung des andern vertragſchließenden Theiles, 
nur durch die Zuſtimmung des ſiebenbürgiſchen 
Landtages zuſtandegekommen und konnte logi⸗ 
ſcherweiſe blos hiedurch zuſtandekommen. Damals aber, 


45 


als es fih um die Zuſtimmung bes fiebenbürgifchen Land⸗ 
tages handelte, gab der 3. Landſtand, gaben die Vertreter 
der ſächſiſchen Nation ihre Einwilligung nur unter der aus- 
drücklichen Bedingung, daß die auf Geſetzen und 
Verträgen berubenden Rechte der ſächſiſchen Nation und 
zwar ſpeciell: die territoriale Integrität des Königsbodens, 
der geſetzliche Wirkungskreis der Nations-Univerſität, das 
Selbſtverwaltungsrecht der Einzelmunizipien und die freie 
Verfügung über das Nationalvermögen auch bei der Union 
aufrehterhalien würden. Als Antwort hierauf aber 
hat der Präſident des 1848er Klauſenburger Landtages in 
feierlicher und verpflichtender Weiſe erklärt: Das 
ſächſiſche Municipalrecht werde durch die Union 
nicht alterirt werden; „ja dadurch, daß ihr (der 
„ſächſiſchen Nation) Recht von ganz Ungarn 
„geſtützt wird, wird ſie jene glänzende Epoche ihrer Ge— 
„ſchichte ſich erneuern ſehen, welche in die Zeit vor der 
„Trennung unter den ungariſchen Königen fällt.“ — Und 
als es ſich im Jahre 1865 um die Reintegrirung der Union 
handelte, und auf dem Klauſenburger Landtag ſächſiſche Ab— 
geordnete dieſe obenbezeichnete Rechtsſphäre für die ſächſiſche 
Nation in Anſpruch nahmen, legte der Landtag in ſeiner 
Adreſſe vom 18. December 1865 Sr. Majeſtät dem Kaiſer 
dieſe Forderung mit der Bitte, reſpective mit dem Antrage 
vor: „Ew. kaiſ. kön. apoſtoliſche Majeſtät möge geruhen 
ihre durch vaterländiſche Geſetze und durch die 
Municipalverfaſſung begründbaren Wünſche 
und Anſprüchedemgemeinſamen Peſter Reichstag 
zur Berückſichtigung zu empfehlen“ — was be⸗ 
kanntlich auch geſchehen iſt. 

Auf dieſer Baſis kam der XLIII. G.⸗A. von 
1868 zu Stande, ſomit hat dies Unionsgeſetz und insbe— 
ſondere auch die das eigene Municipalrecht des Königsbodens 
garantirenden 88. 10 und 11 desſelben gleich dem Ab— 
ſchluſſe der Union ſelbſt Vertragsnatur, und 
die einſeitige Aufhebung derſelben wäre daher 
ein willkürlicher und rechtswidriger Bruch des 
Unions vertrages ſelbſt. 


Doch ſollte Ungarns Parlament vor dieſer Rechtsver⸗ 


46 


letzung, vor dieſem unverantwortlichen Vertragsbruch auch 
nicht zurückſchrecken, ſo iſt und bleibt der oberſte Schirmherr 
unſeres Rechtes, Ungarns gekrönter König, der in ſeinem 
Krönungseide auch für uns geſchworen: „Die Jurisdic⸗ 
„tionen Ungarns und ſeiner Nebenländer, ſowie die 
„Staatsbürger jedweden kirchlichen und weltlichen Standes 
„in ihren Vorrechten, Freiheiten, Privilegien und Ge— 
„ſetzen, ihren alten und genehmigten guten Ge— 
„pflogenheiten erhalten“ zu wollen. Insbeſondere 
aber vertrauen wir auf die königlichen Worte jener aller— 
höchſten Entſchließung vom 15. Mai 1868, in welcher Se. 
Majeſtät die ſächſiſche Nations-Univerſität zu der ihr ge- 
bührenden Mitwirkung bei der Regelung des Königsbodens 
auffordert, und dabei die allerhöchſte Ueberzeugung aus— 
ſpricht: „daß die ſächſiſche Nation .. . die Gelegenheit nur 
mit Berahigung begrüßen werde, bei welcher ihre auf Privi— 
legien beruhende Rechtslage unter der Heiligkeit 
des Geſetzes und unter Mitwirkung des 
Fürſten, wie auch der Volksvertretung des 
Sachſenlandes ſelbſt, Feſthaltung und 
ſichern Beſtand erlangen wird.“ 

Geehrtes Haus! Dies iſt der Rechts ſtandpunkt 
bei der Beurtheilung des auf der Tagesordnung ſtehenden 
Geſetzentwurfes. 

Da der Herr Miniſter jedoch den Inhalt feines Eut— 
wurfes damit zu mofiwiren trachtet, es ſei die Regelung — 
oder beſſer geſagt die „Zermalmung“ des Sachſenlandes und 
des ſächſiſchen Municipalrechtes durch Verwaltungs⸗ 
rückſichten zur unausweichlichen Nothwendigkeit geworden, 
ſei es mir geſtattet, auch die ratio und die Conſequenzen 
des Entwurfes vom Standpunkt des allgemeinen un⸗ 
gariſchen Staatsintereſſes aus in Erwägung 
zu ziehen. 

Der Herr Innerminiſter beliebt zur Begründung ſeiner 
obigen Behauptung zu erklären: der Königsboden ſei bei 
ſeiner jetzigen Verfaſſung ein „Staat im Staat;“ ich gebe 
zu, daß dieſes von den ſachſenfreſſeriſchen Blättern ausgeheckte 
Schlagwort ſehr ſchlau und geſchickt gewählt wurde zur — 
Entſtellung des wahren Sachverhaltes. Der wahre 


47 


Sachverhalt aber ift der: daß bie 11 einzelnen Muni⸗ 
cipien des Sachſenlandes in einem Selbſtverwaltung s- 
körper höheren Ranges, in einem Geſammtmuni⸗ 
cipium zuſammengefaßt ſind, welches jedoch kein weiteres 
Recht für ſich in Anſpruch nimmt, als die Regelung und 
Verwaltung der allen 11 Einzelmunicipien des Sachſen— 
landes gemeinſamen Innerverhältniſſe. Somit 
greift die ſächſiſche Nationsuniverſität in den ſtaatlichen 
Wirkungskreis abſolut nicht ein, und nimmt nichts 
für ſich in Anſpruch als das Selbſtverwaltungsrecht 
(Selfgouvernement), das doch in Ungarn jedwedem Comitate 
gebührt, ohne daß der Herr Innerminiſter dort auch auf 
den Einfall käme, vom „Staat im Staate“ zu declamiren. — 
Oder will der Herr Miniſter vielleicht auch das Selbſtver— 
waltungsrecht der Comitate aus „Verwaltungsrückſich ten“ 
confisciren?! Nun, ich meine: eine bedenkliche Initiative 
hiezu hat er durch die „Verwaltungsausſchüſſe“ wahrlich be— 
reits getroffen! 


Sie könnten mir einwenden, — und ich habe eine 
ſolche Einwendung von Ihnen in der That vorhin gehört — 
daß dieſer Vergleich nicht zutreffe, weil es ſich mir hier 
nicht um ein einfaches Municipium, wie die Comitate, ſondern 
um einen Selbſtverwaltungskörper höheren Ranges handle. 
Ich gebe zu, daß hierin ein gewiſſer Unterſchied beſteht; ich 
conſtatire aber auch zugleich: einerſeits daß dieſer Ver— 
waltungskörper einzig und allein Selbſtverwaltungs⸗— 
rechte und ſomit ſchon begrifflich abſolut keine ftaat- 
lichen Agenden für ſich in Anſpruch nimmt, andererſeits 
aber, daß dieſe Zuſammenfaſſung der Einzelmunicipien in 
dem Geſammtmunicipium der Nationsuniverſität durch die 
eigenthümlichen Verhältniſſe des Sachſenlandes 
unbedingt erfordert wird und gefordert werden darf. 


Es iſt den geehrten Herren wol bekannt, daß auf dem 
Sachſenboden ein Volkselement lebt, welches nicht blos in 
nationaler, ſondern weit mehr noch in ſocialer, wirthſchaft— 
licher und culturlicher Beziehung von der Comitatsbevölkerung 
grund verſchieden iſt. Während es auf Comitatsboden 
früher und bis in die jüngſte Zeit nur Herren und Knechte 
gab, während die Wirthſchaft dort einzig in Ackerbau und 


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Viehzucht beſtand, wohnten auf freier Sachſenerde von An- 
beginn an nur freie Männer, welche in ihren Dörfern mit 
Landwirthſchaft, in ihren Städten mit mancherlei Gewerben 
und mit dem culturvermittelnden Handel, der freien Arbeit 
waltend, der bürgerlichen Gleichberechtigung, der 
bürgerlichen Ordnung und der bürgerlichen Bildung 
eine Heimſtätte geſchaffen haben in dieſem Lande. Aus 
dieſen beſondern ſocialen, wirthſchaftlichen und culturlichen 
Verhältniſſen wuchſen beſondere Anſchauungen, beſondere Ein— 
richtungen und beſondere Intereſſen hervor, die identiſch ſind 
allüberall im Sachſenlande, ſich aber von der geſammten 
Lebensordnung des übrigen Landes weſentlich unterſcheiden. 
Dieſe beſondere Lebensordnung des Königs— 
bodens fordert eine beſondere gemeinſame Verwaltung und 
hat fie gefunden in der ſächſiſchen Nationsuniver- 
ſität, als dem die gemeinſamen Intereſſen 
dieſes bürgerlichen Elementes vertretenden 
Selbſtverwaltungskörper. 


Die Staatsmänner Ungarns müſſen dieſe befondern 
Verhältniſſe und beſondern Intereſſen umſomehr anerkennen, 
würdigen und pflegen, als ſie ſelbſt in jener denkwürdigen 
Staatsſchrift, auf welcher die jetzige Verfaſſung Ungarns 
baſirt, in der II. Adreſſe vom Jahre 1861 diesbezüglich er— 
klärt haben: „Jene Staatsmänner, die die beſonderen Ver— 
„hältniſſe und abweichenden weſentlichen Intereſſen einzelner 
„Landestheile nicht gebührend zu würdigen verſtehen, und die 
„mühevolle Löſung der ſchwierigen Fragen entweder ganz 
„unterlaſſen, oder aber mit einem irgend einer Theorie ent— 
„ſprungenen allgemeinen Principe durchhauen (vägjäk keresz. 
„tül), ohne die practiſche Durchführbarkeit jenes Principes und 
„die aus feiner Anwendung möglicherweiſe entſpringenden 
„ſchädlichen Folgen desſelben zu berückſichtigen, opfern ihrer 
„eigenen Bequemlichkeit die Zukunft des Staates.“ — Der 
vorliegende Geſetzentwurf aber will die hechwichtige Frage 
der Regelung des Königsbodens mit dem abſtracten Princip 
der alles nivellirenden Staats uniformität „durchhauen“, 
und das wahre Motiv dieſes Entwurfes iſt — ich wage 
dies mit voller Beſtimmtheit zu behaupten — die An- 
tipathie um nicht zu ſagen der Haß des Herrn 


49 


Jnnerminiſters gegen das deutſche, bürgerliche Ele⸗ 
ment des Königsbodens. — „Die Nationalitäten zer⸗ 
malmen“: dies edle, hochherzige und ſtaatskluge Loſungswort 
hat der Herr Junerminiſter vor Jahresfriſt, am 13. April 
1875 auf ſein Panier geſchrieben, und dies Loſungs⸗ 
wort iſt das einzige wahre Motiv des auf der 
Tagesordnung ſtehenden Geſetzentwurfes! 

Das alſo iſt die Erfüllung jenes Beſchlußantrages, 
in welchem dieſer ſelbige Herr Koloman v. Tißa 
am 21. Auguſt 1861 als damaliger Abgeordneter forderte, 
das Abgeordnetenhaus wolle erklären: 


„1.: Die Erfüllung der mit der territorialen und 
„politiſchen Integrität des Landes nicht collidirenden An- 
„ſprüche aller im Lande wohnenden Nationalitäten auf Baſis 
„der in der Adreſſe ausgeſprochenen Principien ... hat 
„der zur Geſetzgebung befugte (nächſte) Reichstag zu ſeinen 
„erſten und allerwichtigſten Agenden zu zählen“ ?!! 

Wenn dieſer Geſetzentwurf je Geſetzeskraft erlangen 
würde, fo würde die Geſetzgebung ſelbſt ein nationales Ele— 
ment auf das empfindlichſte ſchädigen, welches bisher eben 
zufolge ſeiner beſondern Verhältniſſe und ſeiner auf dieſen 
beruhenden beſondern Eigenſchaften dem ungariſchen Staate 
von allergrößtem Nutzen war. Die Eigenverwaltung ihrer 
beſonderen Intereſſen befäbigte die ſächſiſche Nation dazu, 
durch Strebſamkeit, Sparſamkeit und gewerbliche Tüchtigkeit 
ein Wirthſchaftsgebiet zu gründen, welches einen be⸗ 
deutenden Theil des Landesvermögens repräſentirt, und un⸗ 
geachtet teffen, daß es zur gemeinſamen Staatsſteuer mit 
einer relativ außergewöhnlich großen Summe beiträgt und 
dieſe Summe auch that ſäch lich bezahlt, dennoch die 
Koſten feiner Selbſtverwaltung fait ausſchließlich aus 
eigenen Mitteln beſtreitet. Was aber dieſe von der 
ſächſiſchen Nation beſorgte Innerverwaltung ſelbſt betrifft, 
ſo muß gerade der Herr Innerminiſter eingeſtehen, daß auf 
dem Königsboden bezüglich der öffentlichen Sicherheit, der 
öffentlichen Sittlichkeit, des Unterrichts, der Steuerverwal⸗ 
tung, der Straßen und jedweden andern Verwaltungszweiges 
die Verhältniſſe viel correcter und zufrieden⸗ 
ſtellender find, als irgendwo ſonſt im Lande. 


4 


50 


Uebrigens wären unſere Selbſtverwaltungsverhältniſſe noch 
weit tüchtiger, wenn nicht jenes Proviſorium, jener 
„Ausnahmszuſtand“, der ſeit 1868 in Geſtalt von 
autocratiſchen Miniſterialberordnungen auf unſerem ſelfgou— 
vernmentalen Leben laſtet, jedwede Initiative und jedwede 
lebendigere Regung unſerer Selbſtverwaltung unmöglich ge— 
macht a 

Daß die ſächſiſ che Nation zur Selbſtverwaltung reif 
ſei, und daß ſie in ihrem Univerſitätsverbande tüchtige 
Reſultate der Selbſtverwallung aufweiſen könne, hat Se. 
Majeſtät der König ſelbſt in den an die ſächſiſche Natien 
gerichteten ehrenden Worten anerkannt: 

„Thron und Staat ... werden Euch die verdiente 
„Anerkennung zollen und die Bürgſchaften zu ſchätzen wiſſen, 
„welche Eure von unſern Ahnen ſo oft belobte Tapferkeit, 
„Ausdauer und Treue, vornehmlich aber Euer Sinn 
„für Ordnung und Geſetzlichkeit und der ver- 
„nünftige Gebrauch der hiedurch unter Euch 
„heimiſch gewordenen Freiheit für den Glanz der 
„Krone und den Beſtaud des Staates gewähren.“ 

Da es fonach feſtſteht, daß der Königsboden 2 
Selbſtverwaltungsagenden vollſtändig erfüllt und die Staats— 
adminiſtration nicht nur in keiner Weiſe hindert, ſondern 
durch ſeine materiellen, moraliſchen und intel⸗ 
lectuellen Kräfte ſtützt und fördert, ſo kann die 
geplante Zerreißung des Königsbodens und die Confiscatien 
des Rechtskreiſes ſeines Innerverwaltungsorganes, der ſäch— 
ſiſchen Nationsuniverſität, durch „Rückſichten der 
Staatsverwaltung“ abſolut nicht motivirt 
werden! — Doch wozu denn auch überhaupt noch lauge 
motiviren: „stat pro ratione — voluntas“! 

Die rechtswidrige Confiscalion der Municipalverfaſſung 
des Königsbodens würde ſomit ein directer und bedeutender 
Schaden ſein für die Staatsverwaltung; doch weit größer 
und bedenklicher wäre jener intellectuelle Schaden, 
welcher für Ungarn aus dieſem Rechtsbruch erwüchſe. „Denn 
„kein Unrecht, welches der Meuſch zu erdulden hat, und 
„wiege es noch ſo ſchwer, reicht für das ſittliche Gefühl 
„von Weitem an das heran, welches die von Gott geſetzte 


r u. 


51 


„Obrigkeit verübt, indem fie ſelbſt das Geſetz bricht,“ ſagt 
Ihering in feiner berühmten Schrift: „der Kampf ums Recht.“ 
Wer ſoll in Ungarn weiter das Recht achten, wenn die 
Geſetzgebung ſelbſt es brechen und hiemit das Rechtsgefühl 
und die Heilighaltung des Geſetzes ſelbſt vernichten wollte?! 
„Für einen Staat aber, der geachtet da ſtehen 
„will nach Außen, und feſt und unerſchütterlich 
„nach Innen, gibt es kein foftbareres Gut, das 
„er pflegen und bewahren müßte, als das mu 
„tionale Rechͤesgefühl!“ 

Die Annahme des vorliegenden Geſetzent⸗ 
wurfes würde das Rechtsgefühl des Volkes 
untergraben, das Vertrauen in das Geſetz er⸗ 
ſchüttern und den ſittlichen und politiſchen 
Credit Ungarns ruiniren! Wie ſollte ſich das Aus: 
land auch künftighin mit Ungarn in ein Vertragsverhältniß 
einlaſſen, wie ſoll es dem Worte Ungarns trauen, wenn 
Ungarns Geſetzgebung einen fundamentalen Staatsvertrag 
wie die Union ſeinen eigenen Staatsbürgern gegenüber zu 
brechen keinen Anſtand nähme?! 

Wie ſollen die Bewehner des Landes, wie ſollen ins⸗ 
beſondere die nichtmagyariſchen Staatsbürger ihre Rechte und 
ihre Exiſtenz geſichert ſehen, wenn ein ſo klares, ſo oft und 
jo feierlich garantirtes Recht, wie das Municipalrecht des 
Königsbodens, mit Füßen getreten wird?! 

Die nichtmagyariſchen Staatsbürger müßten ſich durch 
die Annahme dieſes Entwurfes tief beunruhigt fühlen, ſie 
würden in ihr den flagranteſten Beweis dafür ſehen, daß 
der ungariſche Staat, wie ihn der Herr Innerminiſter ſich 
vorſtellt, keinen Raum hat für die Nichtmagyaren, daß er 
die vitaljten Jntereſſen der übrigen Staatsbürger negirt, daß 
er ihre natürliche Eriftenz vernichten will. Einen ſolchen 
ungarifchen Staat aber können die nichtmagyariſchen Staats 
bürger weder lieben noch unterſtützen, noch — wenn es 
gilt — vertheidigen. Ungarns Geſetzgebung aber wird, laſſen 
Sie mich dies hoffen, viel zu einſichtig fein, als daß fie 
den jüngſt in dieſem Hauſe ausgeſprochenen Wahnglauben 
des Herrn Innerminiſters theilen könnte, als ob Ungarn 
auch ohne die Sympathien, ohne die Unterſtützung ſeiner 
4 * 


52 


nichtmagyariſchen Bürger, der Mehrzahl feiner Be- 
wohner, blühen, ja überhaupt nur weiterhin beſtehen könne. 

Darum rufe ich Ihnen nochmals mit mahnender, 

warnender Stimme zu, üben Sie Gerechtigkeit, ſchon um 
Ihrer ſelbſt Willen! Discite justitiam moniti ac non 
temnere divos! 
Wie der Beſchluß des geehrten Hauſes aber auch 
immer ausfallen möge, ich kenne mein ſächſiſches Volk beſſer 
als der Herr Innerminiſter und ſeine Rathgeber, und er— 
kühne mich mit aller Beſtimmtheit zu behaupten: hinter 
uns ſteht das ganze ſächſiſche Volk; die ſäch⸗ 
ſiſche Nation wird eine Confiscation ihrer auf 
Geſetz und Vertrag beruhenden Rechte nimmer- 
mehr als rechtsgiltig anerkennen, fie wird auf 
ihr gutes Recht niemals verzichtleiſten, „in An⸗ 
hoffung einer ſchönern Zukunſt, und im Vertrauen auf die 
Gerechtigkeit ihrer Sache.“ „Denn was Macht und Gewalt 
entreißen, das kann die Zeit und ein günſtigeres Geſchick 
wiederbringen.“ 

Ich weiſe den auf der Tagesordnung ſtehenden Ge— 
ſetzesentwurf hiemit mit tiefſter Judignation ſolenn zurück, 
und ſtimme für den Beſchlußautrag meines geehrten Freundes 
Guſtav Kapp. 

Präſident: Der geehrte Herr Abgeordnete möge 
entſchuldigen, wenn ich auf die Schlußworte ſeiner Rede, in 
welchen er den Geſetzentwurf mit Indignation zurückweiſt, es 
ausſpreche, daß dies kein parlamentariſcher und paſſender 
Ausdruck iſt. (Zuſtimmung.) 


Zweiter Sitzungstag am 23. März. 
Zur Tagesordnung ergreift zuerſt das Wort 


Carl Fabritius (Regierungspartei): 
a Geehrtes Haus! Nach den am geſtrigen Tage gehaltenen 
Reden finde ich es nöthig, über den uns vorliegenden wichtigen 
Gegenſtand meine Meinung kurz auszuſprechen. (Hören wir!) 
Deu ſeit lange ſehnlich erwarteten, von der Regelung 
des Königsbodens handelnden Geſetzentwurf begrüße ich vom 


53 


adminiſtrativen Geſichtspunkte als den erſten Schritt auf- 
richtig. (Billigung.) 

Auch bedauere ich ſehr, daß es den bisherigen Miniſtern 
des Innern nicht gelungen iſt, ein die conſtitutionelle Re— 
gelung des Königsbodens bezweckendes Geſetz zu ſchaffen und 
durchzuführen, denn in tiefem Falle wären wir nicht nur in 
geordnetem Zuſtande, ſondern es ſäßen jene Ultras heute 
nicht im Abgeordnetenhauſe als ein politiſches Parteichen 
und wir hätten auch geſtern jene herausfordernden Er⸗ 
örterungen nicht gehört, nach welchen wir billig fragen 
können, ob jene Abgeordneten würdige Nachkommen der Vor— 
fahren, jener Vorfahren ſind, welche das Land in der Ver— 
gangenheit mit dem Titel „viri prudentes ac eireumspecti“ 
beehrt hat? (Lebhafte Zuſtimmung!) Ich meinerſeits bitte, 
dieſen dreiſten (vakmerö) Vorgang nicht zum Nachtheile des 
Sachſenvolkes auslegen zu loſſen; (Billigung!) auch wundere 
ich mich nicht über das Kriegsſpiel, denn vermöge meiner 
Parteikämpfe kenne ich ſeit Jahren die Spieler jener Vabanque⸗ 
Politik, die nunmehr, um aus der Sackgaſſe ihrer verfehlten 
Politik hinauszugelangen, keinen anderen Ausweg finden 
können, als zum offenbaren Schaden ihrer Sender mit dem 
Loſungsworte „aprés nous le deluge!“ oder um billigen 
Preis ſich ein Martyrium zu verſchaffen, oder im Hauſe einen 
Scandal zu provoziren, um unter deſſen Vorwande ſich 
der weiteren Verhandlung zu entziehen. (Lebhafte Zuſtim— 
mung.) Nur der ernſten Vorſicht des Präſidenten, der ſtaats— 
männiſchen Mäßigung des Innerminiſters, der ſeltenen Geduld 
des ganzen Hauſes können wir es danken, daß geſtern 
weder der eine noch der andere Fall eintrat. (Wahr, 
wahr!) 

Nothwendig wäre dieſe Regelung des Königsbodens 
ſchon bisher geweſen, denn in dieſem Falle hätten alle jene 
leidenſchaftlichen Parteibewegungen unter den Sachſen um 
ein gutes Stück früher aufgehört und auch alle jene Gründe, 
welche die Gemüther der Bewohner des Königsbodens in fort— 
währender Beſorgniß hielten. Unter dieſen Beſorgniſſen war 
das wichtigſte, daß durch die in magyariſchen Kreiſen gang⸗ 
bare, irregeführte öffentliche Meinung das ſächſiſche Univer⸗ 
ſitäts⸗ und Sieben⸗Richter⸗Vermögen, dieſer Hauptfactor des 


Sue 


Schulweſens auf dem Königsboden in Frage geſtellt wurde, 
und hierdurch einigen Malkontenten zu eindringlichen und 
umfangreichen politiſchen Agitatienen Gelegenheit geboten wurde. 

Freudig anerkenne ich alſo, daß der ſehr geehrte Herr 
Miniſter des Innern den Grundſatz der Heiligkeit des Privat- 
eigenthums zur Grundlage nehmend in dem uns vorliegenden 
Geſetzentwurf dieſe Klippe mit weiſer Einſicht und glücklich 
umgangen und durch Anerkennung des Vermögensrechtes der 
ſäͤchſiſchen Univerſität und der Sieben-Richter die Urſache 
all jener Beſorgniſſe, all der Agitationen, all der Verdächtigungen 
beſeitigt hat. (Zuſtimmung.) 

Sehr oft iſt den Bewohnern des Königsbedeus vorge⸗ 
worfen worden, daß derſelbe bisher eine Sonderſtellung, be— 
ſondere Privilegien beſeſſen habe. Aber wir müſſen zugeben, 
daß dieſer Zuſtand in den alten ſiebenbürgiſchen Geſetzen 
wurzelte. Solche Privilegien brauchte der Königsboden auch 
ſo lange, als ſolche auf dem ſiebenbürgiſchen, ungariſchen 
und Szekler Boden herrſchten. (So iſt es!) Bezüglich der 
beiden letzteren wurde die Sonderſtellung ſchon mit dem Ein⸗ 
tritt der conftitutionellen Zeit im Sinne der Geſetze aufge— 
hoben und daß die nothwendige Veränderung auf dem 
Königsboden nur jetzt, im neunten Jahre des wieberherge- 
ſtellten verfaſſungsmäßigen Staatslebens geſchieht, daran ſind 
nicht die Bewohner des Königsbodens, wenigſtens ſie * 
allein Schuld. (Rufe: das iſt wahr!) 


Uebrigens ſtehn die Bewohner des Königsbodens auch 
nicht auf Privilegien an; die öffentliche Meinung hat ſich 
anders ausgeſprochen; es iſt Pflicht ſelbſt derjenigen, die 
auf jener Seite jetzt den Geſetzentwurf ſo heftig bekämpfen, 
im Sinne des Mediaſcher Programmes, auf welches ſie bei— 
nahe geſchworen haben, nicht mehr Recht in Anſpruch zu 
nehmen, als wie viel das Munizipalgeſetz den ungariſchen 
Comitaten gibt. Dieſes hat unſer Abgeordnetencollege Guſtav 
Kapp in feiner geſtrigen Rede auch anerkannt. Weßhalb alſo 
dieſen Geſetzentwurf nicht annehmen? 

Die Bewohner des Königsbodens, beſonders die Sachſen 
lieben die Hetzereien nicht; es ſind ruhige, arbeitſame, einen 
geregelten Zuſtand und Bildung liebende Staatsbürger, 
(wahr! wahr!) die, wie ſie es bisher bewieſen haben, auch 


55 


hinfort beweiſen werden, daß ſie bei einer guten Verwaltung, 
bei einer guten Rechtspflege ihre ſtaatsbürgerlichen Pflichten 
pünktlich erfüllen werden und ihr Lebensziel auch Be 
können. (Lebhafte Zuſtimmung.) | 

Und wenn das von meinem Abgeordnetenkollegen 
Baußnern ſo oft betonte politiſche Gebiet aufhört, deßhalb 
bleibt daſelbſt und wird das ſächſiſche Volk im Genuße und 
unter dem Schutze eben derſelben Rechte, wie die übrigen 
Völker Ungarns leben, (lebhafte Zuſtimmung) und zwar wird 
es leben auf Grund der Gleichberechtigung, nicht wie bisher 
abgeſchloſſen und unter fortwährender Reibung (ſo iſt es!) 
ſondern in Frieden und Brüderlichkeit; wie das unter 
gleichberechtigten Bürgern eines und deſfelben Staates be⸗ 
ſtehn ſoll und auch beſtehn wird, damit das gemeinſame 
Vaterland glücklich ſein könne. (Lebhafte Zuſtimmung.) 

Sterben werden auf dem Königeboden in Folge dieſes 
Geſetzes bloß die Malkontenten, aber ich heze, Gott ſei Dank, 
die ſichere Hoffnung, daß das Volk aufblühen werde. (An— 
haltender Beifall.) 

Aus allen dieſen Gründen und huldigend dem en 
‚alten Rechtsgrundſatz: Salus reipublivae suprema lex esto, 
nehme ich den Geſetzentwurf an. ‚ash Beifalle- 


äußerungen.) 
Carl Gebbel (Sachſe) 


Geehrtes Haus! Ich geſtehe, daß ich in dieſem Augen- 
blicke mich des Rechtes zu ſprechen nicht gerade in gehobener 
Stimmung bediene. Die Mineritäten haben kein beneidens— 
werthes Loos, denn ſie ſind in der unangenehmen Lage, 
wornach man ſie nicht nur gewöhnlich zu majoriſiren bezie— 
hungsweiſe niederzuſtimmen, ſondern ihnen auch das noch 
vorzuwerfen pflegt, daß ſie nicht einmal Recht haben; und 
dies letztere fällt — zumal in einer fo hochwichtigen Sache 
wie die vorliegende — um ſo ſchwerer, weil es dem gegen— 
über keinen anderen Troſt gibt, als die innerliche Ueberzeu— 
gung davon, daß das, was Gegenſtand des Kampfes und 
der Vertheidigung, trotz der mächtigen Gegenſtrömung im 
Rechte und in der Gerechtigkeit begründet ſei. Und eben 
dieſe feſte und aufrichtige Ueberzeugung macht es mir und 
unſerer winzigen Minorität zur Pflicht, wenn auch nicht mit 


Br... 


der ſicheren Siegeshoffnung, doch zur Beruhigung unſeres 
Gewiſſens, noch mit einigen Worten an der Debatte uns 
zu betheiligen. Ich werde dem Erforderniſſe der Objectivität 
zu entſprechen trachten. 

Der von der detaillirten Regelung der Vereinigung 
Ungarns und Siebenbürgens handelnde 43. Geſetzartikel vom 
Jahre 1868 enthält im §. 10 die Anordnung: 

„Behufs der Sicherſtellung der Innerverwaltungs⸗ 
„rechte der Stühle, Diſtricte und Städte des Königs⸗ 
„bodens, der Organiſirung ihrer Vertretung und der Feſt⸗ 
„ſtellung des Rechtskreiſes der ſächſiſchen Nationsuniverſität 
„wird das Miniſterium beauftragt, nach Anhörung der 
„Betreffenden dem Reichstage einen ſolchen Geſetzentwurf 
„vorzulegen, welcher ſowol die auf Geſetzen und Verträgen 
„beruhenden Rechte, als auch die Gleichberechtigung der 
„auf dieſem Territorium wohnenden Staatsbürger jeder 
„Nationalität gehörig zu berückſichtigen und in Einklang 

zu bringen haben wird.“ 

Der 11. Paragraf aber enthält die Beſtimmung: 

„Die ſächſiſche Nationsuniverſität wird auch hinfort 

in dem, dem 13. ſiebenbürg. Geſetzartikel vom Jahre 1791 
H„entſprechenden Wirkungskreiſe, unter Aufrechthaltung des 
„oberſten und durch das ungariſche verantwortliche Mi⸗ 
„niſterium auszuübenden Aufſichtsrechtes Seiner Majeſtät 
„belaſſen, mit dem Unterſchiede, daß die Univerſitätsver⸗ 
„ſammlung die richterliche Jurisdiction nicht mehr aus⸗ 
„üben kann.“ 

Der von der Regelung der Municipien handelnde 42. 
Geſetzartikel vom Jahre 1870 ferner beſtimmt im §. 88: 

„Ueber die Regelung des Königsbodens verfügt in 

„Felge Anordnung des §. 10 des 43. Geſetzartikels vom 
„Jahre 1868 ein beſonderes Geſetz.“ 

Ein klares Geſetz weiſt alſo die Regierung an: worüber, 
nach deſſen Anhörung und mit Beachtung welcher Geſichts⸗ 
punkte fie einen Geſetzvorſchlag z verfaſſen und einzu⸗ 
reichen habe. 

Mit den bezogenen beiden Geſetzen hat die Geſetzgebung 
neuerdings anerkannt, daß, da die in dem ungarifchen Staats⸗ 
rechte wurzelnden politiſchen Verhältniſſe des Königsbodens 


57 


von denen der anderen Theile des Landes weſentlich ver— 
ſchieden ſind, dieſelben auch bei der Reglung in gehörige 
Berückſichtigung zu nehmen ſeien. 

Aber es liegt auch in der Natur der Sache, daß ab— 
weichende Verhältniſſe eine dieſen anzupaſſende beſondere 
Regelung erhalten. Die Entwicklung der Verhältniſſe des 
Königsbodens iſt nun aber das Ergebniß einer ſiebenhundert⸗ 
jährigen Geſchichte, und was ein eigenthümliches National- 
leben in ſo langer Zeit zur Reife und Entwicklung gebracht 
hat, daran haben die Erlebniſſe und Geſchehniſſe der letzten 
acht Fahre rechtlich Nichts geändert. 


Das Geſetz verordnet alſo — mit weiſer Berück⸗ 
ſichtigung dieſer Rechtsentwickelung und des factiſchen Zu— 
ſtandes — daß für die Jurisdictionen des Königsbodens 


und die ſächſiſche Univerſität ein beſonderes Geſetz geſchaffen 
werde. 

Der geehrte Herr Miniſter des Innern hat jedoch 
meines Erachtens dieſer beſtimmten Weiſung des Geſetzes 
weder in formeller noch in materieller Beziehung Genüge 
ge leiſtet. - 

In formeller Beziehung nicht, indem er den Geſetz⸗ 
entwurf mit Beſeitigung der Vernehmung der Betreffenden 
eingereicht hat. Wer „die Betreffenden“ ſeien, diesbezüglich 
haben die von mir ſogleich zu nennenden Vorgänger des 
geehrten Herrn Innerminiſters keinen Anſtand genommen 
thatſächlich anzuerkennen, daß unter dieſen die ſächſiſche Uni- 
verſität zu verſtehen ſei. 

Der geweſene Miniſter des Innern Herr Baron Bela 
Wenckheim hat nämlich noch am 24. April 1868 unter der 
Zahl 898 — alſo vor dem Zuſtandekommen des 43. G.-A. 
— erklärt, „es walte kein Anſtand dagegen ob, wenn die 
„ſächſiſche Univerſität ihre Anſichten und Wünſche in Be— 
„ziehung der Reform der Rechtsverhältniſſe der ſächſiſchen 
„Nation innerhalb jener Formen, welche in dieſer Hinſicht 
„in Folge des Repräſentativſyſtems beſtehen, geltend zu 
„machen beabſichtigen wolle“. 

Sein ſpäterer Nachfolger Herr Miniſter Wilhelm 
Toth ließ unter dem 18. November 1870, Zahl 2753 die 
ſächſiſche Univerſität auffordern: „im Sinne von § 10 des 


58 


„43. Geſetzartikels von 1868 und § 88 des 42. Geſetzar⸗ 
„tikels von 1870 ihre Meinung über die Regelung des 
„Königsbodens baldigſt feſtzuſtellen und vorzulegen“. | 


Die ſächſiſche Univerſität hat ihre Anſchauungen und 
Forderungen bezüglich der Regelung zuletzt im Jahre 1872 
auch vorgelegt, ihre Vorſtellung erhielt jedoch keine Erle— 
digung, und hat ſeither die Regierung in Sachen der Rege— 
lung nicht nur mit der Univerſität ſich nicht mehr in das 
Einvernehmen geſetzt, ſondern ſo oft dieſe die Angelegenheit 
aufgriff und deren Förderung zu betreiben wünſchte, 
dieſelbe an der Ausführung ihres diesbezüglichen Beſtrebens 
im Verordnungswege verhindert und auf den Weg der 
einfachen Rechtsverwahrung beziehungsweiſe des Schweigens 
gedrängt. 

Wie ſehr dieſes nicht nur mit dem jeden Zweifel aus— 
Ichliegenren Inhalte und Geiſte der bezogenen Geſetze, 
ſondern auch mit den verheißungs vollen Erklärungen des 
letzten Klauſenburger Landtags und der conſtitutionellen 
Miniſterialregierung im Widerſpruche ſteht, dies geht aus 
jenen beiden Daten hervor, auf welche ſich meine geehrten 
Collegen Adolf Zay und Guido Baußnern geſtern beriefen. 
Das Eine iſt die Repräſentation des Klauſenburger Land- 
tags vom 18. December 1865, in welcher die im Namen 
der ſächſiſchen Minoritäts- Abgeordneten durch Friedrich 
Bömches als Antrag formulirten Wünſche und Forderungen 
wegen Aufrechthaltung der ſächſiſchen Municipalverfaſſung 
und der Untheilbarkeit des Gebietes von Seite des Land— 
tages als rechtmäßige und empfehlenswerthe anerkannt worden 
find. Das zweite iſt der Erlaß des geweſenen Herrn Mini— 
ſters des Innern Baron Bela Wenckheim vom 15. Mai 
1868, mittelſt welchem der Univerſität der ſicherſtellende 
Allerhöchſte Beſcheid auf deren Vorſtellung aus Anlaß der 
Amtsenthebung des früheren ſächſiſchen Nationsgrafen bekannt 
gegeben wurde. 

In ſolchen feierlichen Erklärungen bin ich geneigt, jene 
dazumal in den maßgebenden Kreiſen herrſchend geweſene 
Anſchauung zu erblicken, es ſei die Berückſichtigung des 5. 8 
des VII. ungarländiſchen Geſetzartikels vom Jahre 1848, 
wornach „Ungarn alle jene beſonderen Geſetze und Freiheiten 


59 


„Siebenbürgens, welche nebſt dem, daß ſie die vollſtändige 
„Vereinigung nicht hindern, der Nationalfreiheit und Rechts— 
„gleichheit günſtig ſind, anzunehmen und aufrecht zu erhalten 
„bereit iſt“, — nicht N ein Gebot der Billigkeit, ee 
der Pflicht. | 

Der uns — — Geſetentwurf weicht jedoch von 
den durch die ſächſiſche Univerſität in ihrem verfaſſungs— 
mäßigen Wirkungskreiſe zum Ausdruck gebrachten Regelungs- 
Grundſätzen gänzlich ab; derſelbe iſt alſo nicht mit deren 
Mitwirkung und Zuſtimmung zu Stande gekommen. 

Der Geſetzeutwurf entſpricht aber hauptſächlich in 
feinen materiellen Beſtimmungen der Anordnung des Ge— 
ſetzes nicht. 

Der Geſetzentwurf identificirt die Regelung des Königs⸗ 
bodens mit den im Lande angeblich aus dem Geſichtspunkte 
der Verwaltung unvermeidlichen Gebietsregulirungen, indem 
er als Grundſatz auszuſprechen empfiehlt, daß bei dieſen 
Regulirungen ein Unterſchiedzwiſchen dem Königsboden und 
den Nachbarterritorien nicht gemacht werde. 

Dieſem Grundſatze gemäß würde die Regelung des 
Königsbodens einfach in der Zerreißung ſeines Gebietes und 
in der Umwandlung deſſelben gemeinſchaftlich mit den Nach- 
barterritorien in Comitate beſtehen. 

Hiedurch hat der geehrte Herr Miniſter ſich mit dem 
Geſetze, welches nichts Anderes, als „die Sicherſtellung der 
„Innerverwaltungsrechte der Stühle, Diſtriete und Städte 
„des Königsbodens, die Organiſirung ihrer Vertretung und 
„die Feſtſtellung des Rechtskreiſes der ſächſiſchen Nations— 
„Univerſität“ verlangt, geradezu in Gegenſatz und uͤber 
daſſelbe hinweggeſetzt, indem er Etwas ganz Anderes 
vorſchlägt, als was jenes verordnet. Denn daß die Zer— 
ſprengung des Königsbodens durch parlamentariſchen Dynamit 
eine „Regelung“ ſei, wird kein unbefangener Menſch be— 
haupten können. 

Und was iſt das Hauptmetiv dieſer geplanten lebens— 
gefährlichen Operation? Einfach das, daß der Königsboden 
angeblich ein nationales privilegirtes Territorium ſei, ein 
ſolches aber in Folge des ausgeſprochenen Prinzipes der 
Gleichberechtigung nicht mehr aufrecht erhalten werden könne. 


60 


Aber der erſte Paragraf des 43. Geſetzartikels von 
1868 hat meiner Anſicht nach die Bedeutung, daß die Ter⸗ 
ritorialeintheilungen und Benennungen nach politiſchen Na⸗ 
tionen und die damit verbundenen Vorrechte und Privilegien 
allerdings aufgehoben worden ſind, jedoch bloß in ſo weit, 
als dieſe irgend eine Nationalität mit Ausſchluß anderer 
zugeſtanden haben, nicht aber ſoferne ein ſolcher Ausſchluß 
nicht mehr Platz greift. f 

Unter dem ſogenannten Municipalrechte der Sachſen, 
welches nominell und formell zwar auf einem Privilegium, 
jedoch auf einem Privilegium, das durch die Eintragung in 
die Grundgeſetze des Landes den Character eines Vertrages 
angenommen, im Weſen aber auf der bürgerlichen Freiheit 
und Gleichheit beruht, iſt, nach meinem Erachten, ſeidem 
der Grundſatz der individuellen Rechtsgleichheit durch den 
ſiebenbürgiſchen I. Geſetzartikel von 1848 ausgeſprochen wor⸗ 
den iſt, ein ſolcher Rechtsſtand zu verſtehen, welcher die 
Anerkennung der geſetzlichen Beſonderheit und deren weiteren 
Entwicklungsfähigkeit in ſich faßt. 

Dieſes ſogenannte Privilegium alſo iſt nunmehr heutzu⸗ 
tage nichts Andres, als der Ausdruck des Prinzips der 
Selbſtbeſtimmung und Selbſtregierung, aber ſo, wie ſie auf 
dem Königsboden ſich entwickelt hat (der Ausdruck der über 
tas, qua vocati fuerant a piissimo Rege Geyza), welche, 
um zur Geltung gelangen zu können, ſich natürlich auch auf 
ein beſtimmtes Territorium beſchränkt, weßhalb jedoch dieſem 
nicht mehr die Eigenſchaft irgend eines Privilegs oder eines 
eine andre Nationalität ausſchließenden Vorrechtes anklebt. 

Das in dieſem Sinne zu nehmende öffentliche Recht 
des Königsbodens iſt ein eben ſolcher ergänzender Theil des 
ungariſchen Staats- und Verfaſſungsrechtes, wie jede audre 
fundamentale Staatseinrichtung; wenn alſo die auf das 
Ganze bezüglichen Grundgeſetze aufrecht zu erhalten ſind, 
worüber im geehrten Hauſe ein Zweifel nicht obwalten dürfte, 
ſo iſt auch der Theil, beziehungsweiſe deſſen territoriale und 
politiſche Integrität als der Boden für die Möglichkeit ſeiner 
geſunden Fortentwicklung, unverſehrt zu erhalten, — weil 
das Gegentheil Selbſtverſtümmelung wäre. 15 

Die berührte politiſche Beſonderheit aber greift in den 


61 


Rechtskreis Andrer nicht ſtörend oder hindernd ein, fie ſteht 
der Gleichheit vor dem Geſetze und dem freien Genuße der 
bürgerlichen Rechte in keiner Weiſe im Wege, ſeit die Wol— 
thaten dieſes Munizipalrechtes nicht bloß die Sachſen, ſon— 
dern ſämmtliche Bewohner des Königsbodens genießen; — 
dieſemnach iſt die Verweigerung ihrer Exiſtenzberechtigung 
nicht ummum jus, ſondern summa injuria, das größte 
Unrecht, denn fie würde der Gemeinfreiheit jenes Gebiets- 
theiles das Grab graben. — 


Was aber den geplanten künftigen Organismus und 
Wirkungskreis der ſächſiſchen Univerſität anbelangt, je läßt 
hiebei der Entwurf die Paragrafe 9 und 11 des 43. Geſetz⸗ 
artikels von 1868 ebeufalls gänzlich außer Acht, in ſo ferne 
derſelbe die Stelle des Sachſengrafen definitiv erlöſchen läßt, 
und vom Wirkungskreiſe der Univerſität jede Einflußnahme 
auf Verwaltungs- und politiſche Angelegenheiten ausſchließt, 
— mithin das Leopoldiniſche Diplom, welches ein radicale 
conventionis instrumentum iſt, und den hierauf ſich be— 
rufenden XIII. ſiebenbürgiſchen Geſetzartikel vom Jahre 1791, 
in deſſen Geiſte ein noch im Jahre 1791 am 13. April, 
Zahl 960 erlaſſenes königliches Reſeript ſich alſo ausge- 
drückt hat: 


„eui (scilicet Universitati) in concreto per moduin 
„legitimae repraesentationis de legibus in medium 
„eonsulere, ae id, quod in commune ipsius bonum 
„eonferre Constitutionique suae conveniens esse judi- 
„eaverit, supremae Regiae confirmation substernere 
„competit,“ 


und welche geſetzmäßige Rechtsſtellung auch durch die Heilig⸗ 
keit des fürſtlichen Krönungseides in ihrer Geltung ſicher⸗ 
geſtellt iſt, — einfach zu den Todten wirft und hiemit auch 
den Grundſatz der Rechtscontinuität verleugnet. 


Und hier halte ich es nicht für überflüßig zu bemerken, 
daß die im Jahre 1848 zur Ausarbeitung der Einzelheiten 
der Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn entſendete Lan— 
des⸗Commiſſion mittelſt des von derſelben verfaßten 12. und 
14. Geſetzartikelsprojectes ſowol das Comeswahlrecht als 
auch den geſetzlichen Wirkungskreis der Univerſität aufrecht 


62 


zu erhalten vorgeſchlagen hatte, ſomit vom Grundſatze der 
Rechts achtung ausgegangen iſt. 

Daß aber dieſer geſetzliche Wirkungskreis auch auf 
öffentliche und Landes-Angelegenheiten ſich erſtreckt hat, wie 
ſolches der 13. Geſetzartikel von 1791 gewährleiſtet, und 
thatſächlich ausgeübt worden iſt, dießbezüglich will ich in 
Kürze nur darauf hinweiſen, — daß die ſächſiſche Univerſität 
am 21. Juli 1692 den unter dem Namen der Accorda mit 
mit den beiden anderen Nationen wegen Auftheilung der 
Steuer geſchloſſenen Vertrag unterfertigt, im Jahre 1791 gegen 
mehrere Landtagsgeſetzartikel Vorſtellungen gemacht, imJ. 1792 
in Augelegenheit der Union, 1805 in Betreff der aus Anlaß 
des franzöſiſchen Krieges erforderlichen Verfügungen, 1809 
wegen Errichtung einer ſächſiſchen Bürgerwehr, im J. 1823 
in der Frage der Vereinigung des Fogaraſcher Diſtrictes 
mit dem Ober-Albenſer Comitat, im J. 1833 wegen Ein» 
führung des öſtreichiſchen allg. bürgerli chen Geſetzbuches, 1842 
in Sachen der Amtsſprache und 1844 in Angelegenheit der 
Regelung der Comeswahl, berathen, beſchloſſen, Statuten 
gebracht und Repräſentationen gemacht hat. 

Und jetzt iſt ſelbſt der eingeſchränkte Wirkungskreis der 
Univerſität kaum der blaſſeſte Schatten einer Autonomie, 
indem der Geſetzentwurf die Vollziehung eines jeden Be— 
ſchlußes derſelben von der Miniſterialgenehmigung abhängig 
macht und ſelbſt in die Sphäre des Privatrechts ſich unzu— 
ſtändiger Weiſe einmengt dadurch, daß er das Eigenthums— 
recht des Univerſitätsvermözen genannten Nationalvermögens 
ſcheinbar im 5. Paragraf unberührt läßt, in dem darauf 
folgenden dagegen wenigſtens einen Theil deſſelben auf alle 
Bewohner des Königsbodens als Eigenthümer überträgt, ja 
ſogar im 4. Paragraf auch das als Norm beſtimmt, wozu 
das Vermögen verwendet werden ſolle, während doch die 
Verfügung darüber bisher frei war. 

Und dieſes il nach achtjährigen Tantalusqualen die 
endgiltige Löſung ſein? 

Dieſem zu Folge iſt es mir klar, daß die Rückſichten 
der Gleichberechtigung die Nothwendigkeit ſolch radtcaler Maß— 
regeln nicht rechtfertigen können; aber auch die Rückſichten 
der öffentlichen Verwaltung nicht, in welcher Hinſicht ich es 


63 


für genügend erachte, auf die notoriſche Thatſache hinzuweiſen, 
daß die Handhabung des auf dem Königsboden beſtehenden 
Verwaltungsſyſtems die Concurrenz mit der Comitatsver— 
waltung immer getroſt aushalten kann und jedenfalls ſowol 
in der Vergangenheit als auch in der neueren Zeit in geringe— 
rem Maße den Gegenſtand der Unzufriedenheit und begrüu— 
deter Klagen gebildet hat, als man ſolches in anderen Theilen 
des Landes zu erfahren Gelegenheit hatte. Der vergleichs— 
weiſe geordneten Führung dieſer Verwaltung ftanden aber 
die Verhältniſſe der Territorialbildung nicht im Wege. 


Ich bin demnach der Ueberzeugung, daß die Reglung 
der Verhältniſſe des Königsbodens ohne Verleugnung des 
hiſtoriſchen Rechts und ohne Gefährdung der Intereſſen der 
Gleichberechtigung und des Staates, auch mit Vermeidung 
der Nivellirung um ſo mehr möglich ſei, als dazu auch die 
ſächſiſche Univerſität die Bereitwilligkeit zu ihrer zuſtändigen 
Mitwirkung niemals verweigert und meines Erachtens wann 
immer mit Frenden zu bethätigen bereit ſein würde. 


Die Geſetze des Jahres 1848 waren in den Jahren 
1865, 1868 und 1870 in den entſcheidenden Kreiſen noch in 
lebendigerer Erinnerung, als heute und doch wurde bisher 
eine ſolche Auslegung denſelben nicht gegeben, als ob das 
politiſche, beziehungsweiſe municipale Recht jener hiſtoriſchen 
Individualität, welche auf dem Gebiete des Königsbodens 
innerhalb des Bereiches der Verfaſſung ſich entfaltet hat, 
aufgehoben worden, oder als ſei es von ſelbſt erloſchen. 

Da es nach meiner Anſicht ein poſitives Geſetz nicht 
gibt, welches das auf Geſetzen und Verträgen ruhende 
Municipalrecht des Königsbodens und den legalen Wirkungs— 
kreis der Univerſität — mit alleiniger Ausnahme der Recht: 
ſprechung — aufgehoben oder in engere Grenzen eingeſchränkt 
hätte, als welche in dem 13. Geſetz-Artikel von 1791 ge— 
zogen find; da die ſächſiſche Nations -Univerſität, als das 
zur Erklärung des Willens und der Meinung der Geſammt— 
bevölkerung des Königsbodens geſetzlich berufene Organ, 
ihr geſetzlich gewährleiſtetes Selbſtbeſtimmungsrecht hinſicht— 
lich jener Gegenſtände, welche zu ihrem Wirkungskreiſe geſetz— 
mäßig gehören, weder aufgegeben, noch verwirkt hat, ſo halte 
ich es nicht für einen verfaſſungsmäßigen Vorgang, dieſen 


64 


Wirkungskreis, welcher die Regelung des Königsbodens in 
Beziehung auf adminiſtrative und überhaupt Innerangelegen— 
heiten umfaßt, ohne Mitwirkung der Univerſität gleichſam 
im Wege der Oectroirung zu ſuſpendiren, beziehungsweiſe 
zu vernichten. 

Die Frage iſt nach meinem Dafürhalten als eine 
Rechts- und nicht als eine Macht-Frage zu löſen. Auf was 
Anderes kann ſich aber Angeſichts des geſetzlichen Rechtes 
die Majorität des geehrten Hauſes berufen, als auf die Macht? 

Aber auch für den Mächtigen kann es gefährlich wer— 
den, die Bahn der Rechtsverleugnung, beziehungsweiſe der 
Rechtserdrückung zu betreten; denn ein ſolches Vorgehen 
könnte einſt auch gegen ihn als Waffe gebraucht werden. 
Gleichwie dem Einzelnen, ſo iſt es aber auch den Völkern 
nicht auf die Stirne geſchrieben, wie lange ſie zu leben 
haben, und ich glaube die Aufgabe wäre die, daß der Mächtige 
den Schwächeren in dem, was ſein Recht und ſeine Gerechtig— 
keit iſt, ſchirme, nicht aber niedertrete. 

Rechte, die im Volksbewußtſein tiefe Wurzeln geſchlagen 
haben, und die beſtimmte Anordnung des Geſetzes einfach 
zu ignoriren, und ohne die Zuſtimmung und den Willen 
eines anſehnlichen Theiles der Betheiligten und Berechtigten, 
ja ſelbſt zahlloſen amtlichen Verwahrungen entgegen tabula 
rasa zu machen, ſcheint mir wahrhaftig weder als ein con⸗ 
ſtitutioneller noch als ein politiſch verſtändiger Vorgang. 

Oder ſoll vielleicht die im Schoße des geſetzgebenden 
Körpers derzeit blühende günſtige Parteiconſtellation den em⸗ 
pfohlenen Vorgang rechtfertigen und zwar lediglich aus dem 
Grunde, weil dieſelbe zu einer mächtigen Majorität ſich ent⸗ 
wickelt hat? Hat denn die Macht, wenn ſie conſtitutionell 
bleiben will, nicht auch die heilige Pflicht, das Geſetz einzu⸗ 
halten und die auf Geſetzen und Jahrhunderte alter Uebung 
beruhenden Rechte, deren die Rechtsgleichheit kränkende Aus⸗ 
ſchließlichkeit ohnehin ſchon aufgehört hat, zu achten und zu 
ſchützen, zumal deren Ausübung wahrlich unter allen Um: 
ſtänden weder der Krone noch dem Lande zum Schaden war? 

Die einfache Leugnung des Beſtehens eines Rechtes 
vermag das Recht ſelbſt nicht aufzuheben; wenn daher 
Willkür oder Gewalt deſſen Gebrauch zeitweilig zu hindern 


65 


oder auch zu erſticken vermag, fo können günftige Umſtände das- 
ſelbe wider aufleben machen, und zu ſolchen günſtigen Verhält— 
niſſen kann ich unter Anderem auch ſchwache Regierungen zählen, 
da der geehrte Herr Miniſterpräſident in ſeiner am 15. Februar 
d. J. im Oberhauſe gehaltenen Rede den Werth und die 
Rechtswirkſamkeit auch ſolcher Freiheiten unbedingt anerkannt 
hat, welche damals errungen worden ſind, als die Zentral— 
gewalt ſchwach war. „Das Endziel der Herrſchaft kann auch 
„nach meiner Meinung nicht die Größe der Macht ſein, die 
„Macht iſt nur Mittel, das Endziel iſt die Beglückung der 
„Völker.“ 


Unter verfaſſungsmäßigen Verhältniſſen kann jede der— 
artige öffentliche Einrichtung, welche nicht das Ergebniß des 
freiwilligen Begehrens und der Selbſtbeſtimmung der be— 
treffenden Berechtigten, ſondern eines unnatürlichen Zwanges 
iſt, wodurch nach Deak „gegenſeitiges Vertrauen unmöglich 
begründet werden kann“, ſelbſt wenn dieſer Zwang eine con— 
ſtitutionelle Form hat, in ihren Folgen nicht heilſam und 
beglückend ſein. Wenn es geſtattet iſt, Kleines mit Großem 
zu vergleichen, ſo bin ich ſo frei, um die vorgebrachten Ge— 
danken einigermaßen zu illuſtriren, aus den in der Repräſen— 
tation des ungariſchen Landtags vom 8. Auguſt 1861 vor- 
kommenden zahlreichen goldnen Ausſprüchen die geſchätzte 
Aufmerkſamkeit des ſehr geehrten Hauſes mit der Verleſung 
bloß des folgenden in Anſpruch zu nehmen: 


„Wenn irgend eine Macht, ſei es in Folge von 
„Fehlern, ſei es in Folge von Unglücksfällen dahin ge— 
„langt iſt, daß ſie zur Hebung des materiellen Wolſtandes 
„nur ſehr wenig thun kann, ja daß ſie von den zur Auf— 
„rechthaltung des Staates durch ſchwere Laſten beinahe 
„ſchon erſchöpften Landesbürgern immer neue materielle 
„Opfer genöthigt iſt zu verlangen: da geht ſie nicht 
„zweckmäßig vor, wenn ſie die Gefühle der Nation auch 
„durch Verkürzung der politiſchen Rechte verletzt; denn 
„die ſchweren Laſten werden bei der Ueberzeugung, daß 
„auch die Sicherheit der politiſchen Rechte gefährdet iſt, 
„noch ſchwerer, das gerechte Gefühl der Verbitterung 
„ſtimmt jede Opferwilligkeit herab und erſtickt das Ver— 
„trauen zu der Macht, welche die materiellen Intereſſen 


5 


66 


„der Bürger nicht zu ſchonen weiß, ihre politiſchen Rechte 
„aber nicht ſchonen will.“ 

Zum Schluße ſei mir geſtattet bei dieſer Gelegenheit 
noch eine, wie ich glaube, bedeutungsvolle Aeußerung zu 
citiren, welche in der Sitzung der ſogenannten Einundzwanziger 
Landtags⸗Commiſſion vom 20. Jänner 1874, wie Seite 102 
des betreffenden Tagebuches zeigt, das Commiſſionsmitglied 
Koloman Tißa gethan hat und welche wie folgt lautet: 


„Ein Vorgang, welcher nur auf der Gewalt beruht, 
„es mag dieſe von Gottes oder der Revolution Gnaden 
„ſein, iſt wirklicher Abſolutismus, aber jedenfalls Abſolu— 
„tismus, denn dieſe iſt eine Nichts verſchonende Gewalt. .. 
„In einem conſtitutionellen Lande darf man ſolche Ge— 
„walt nicht anwenden.“ 

Wenn der ſehr geehrte gegenwärtige Cabinetschef dieſem 
ſeinem Ausſpruch nicht mehr ſollte treu bleiben wollen, dann 
müßte ich zu der ſchmerzlichen Folgerung gelangen, daß wir 
an der Schwelle der Inaugurirung der Aera des parla— 
wentariihen Abſolutismus ſtehn. 

Weil ich aber nicht glauben kann, der ſehr geehrte 
Herr Miniſterpräſident habe die ernſte Abſicht, dieſes neue 
Regierungsſyſtem einzuführen, ich meinerſeits aber daſſelbe 
entſchieden verwerfe, weil ich die Vernichtung des Municipal— 
rechtes des Königsbodens nicht unterſchreiben kann, zum 
Selbſtmorde aber wir uns nicht entſchließen können, übrigens 
auch Ludwig Koſſuth in ſeinem Briefe vom 14. Februar 
d. J. behauptet „ein niedergetretenes Volk könne wieder ge— 
„boren werden, für ein ſelbſtmörderiſches Volk aber gebe es 
„keine Auferſtehung“, — ſo nehme ich alledem zu Folge 
den vorliegenden Geſetzentwurf als zur Verhandlung nicht 
geeignet weder im Allgemeinen noch im Einzelnen an und 
unterſtütze den Beſchlußantrag meines Abgeordneten-Collegen 
Kapp. 

Uns Wenigen aber, denen dieſer ſchwere Augenblick zu 
Theil geworden iſt, diene zur Ermunterung unſers Dichters 
patriotiſche Mahnung: „Was auch d'raus werde, 
ſteh' zu deinem Volk, das iſt dein angeborner 


Platz!“ | 


67 


Baron Gabriel Kemeny (unterſtaatsſecretär): 


Ich geſtehe, daß ich mit einiger Verwunderung jene 
Reden bis zu Ende angehört habe, welche einige unſerer Ab— 
geordnetencollegen des Königsbodens bezüglich des vorliegen— 
den Geſetzentwurfes hielten; ich wundere mich über jenen 
Anachronismus, welcher in denſelben enthalten iſt, und ver— 
wundere mich über den Mangel an Auffaſſung der Ver— 
hältniſſe, welcher, wenigſtens nach meiner geringen Anſicht, 
daraus hervorſticht. Wenn wir nicht in Peſt wären, nicht 
auf dem Reichstage des gemeinſamen Ungarns, ſondern auf 
irgend einem Spezial-Landtage Siebenbürgens, vielleicht in 
Torda oder Mediaſch oder auch Mühlbach, wenn wir in 
der Zeit vor 250 Jahren leben würden, dann würde ich ver— 
ſtehen, dann könnte ich mir erklären, dann könnte ich den 
Geſetzen gemäß begründen, was jetzt als Anſprüche hervor— 
treten; wie man aber jetzt in dieſem Augenblicke mit der— 
artigen Forderungen hervortreten kann, wie das einige meiner 
Abgeordnetencollegen herzuſagen für gut fanden, finde ich 
unbegreiflich. 

Geehrtes Haus! Meine geehrten Abgeordnetencollegen 
von der äußerſten Rechten haben bezüglich des Königsbodens 
die Anſicht, daß das geſammte Land dann, wenn es die 
innere Organiſation und Verwaltung des Königsbodens regeln 
will, mit dem Königsboden ein pactum conventum zu 


ſchließen habe. 


Wie wunderlich auch dieſe Forderung erſcheinen mag, 
ſo hat ſie doch ihre Baſis. In Siebenbürgen waren vor 
und bis 1848 thatſächlich drei politiſche Nationen. Hier in meiner 
Hand befinden ſich die 48er ſiebenbürger Landtags-Protokolle 
und Urkundenbücher. Alle Beſchlüſſe derſelben floſſen aus 
der Verſammlung der geſetzlich vereinigten Corporationen und 
Stände der drei politiſchen Nationen. Dieſes verſtehe ich, 
dieſes weiß ich, was es bedeutet. Dieſes hat ſeine eigene 
hiſtoriſche Entwickelung. In Siebenbürgen exiſtirten ſchon 
zur Zeit der Könige drei priveligirte, mit von einander ge— 
ſchiedenen Territorien ausgeſtattete Nationen, welche beſondere 
Rechte, eine beſondere innere Organiſation und eine beſondere 
innere Verwaltung beſaßen. Damals traten die Funktionen 
und Wirkſamkeit einzelner Nationen in politiſcher Beziehung, 


5 * 


68 


nicht ſehr in den Vordergrund, denn die allgemeine öffent: 
liche Sicherheit, die Hauptintereſſen des Landes wurden nicht 
in Siebenbürgen, nicht dort verwaltet, ſondern in Ungarn, 
dort, wo die gemeinſamen Landtage abgehalten wurden. Als 
Siebenbürgen von Ungarn ſich trennte — und in dieſer 
Beziehung bin ich der Anſicht, daß dieſes nicht in Folge des 
Verhaltens einzelner Menſchen geſchehen ſei, wie beiſpiels— 
weiſe behauptet wurde, daß dieſes Zapolya's Verrath mit 
ſich gebracht habe, ſondern dieſes trat in Folge der Wirkung 
verſchiedener in ſich eingreifender Gründe ein; auch trennte 
nicht Siebenbürgen von Ungarn ſich los, ſondern Siebenbürgen 
und der öſtliche Theil Ungarns trennten ſich von dem weſtlichen 
Theile des Landes los und bildeten ein beſonderes Fürſten— 
thum, (Rufe: So iſt's!) welches eine lange Zeit hindurch 
zwar das Andenken an die heilige Stefanskrone behielt, aber 
ſeine eigenen Angelegenheiten unabhängig verwaltete. In 
dieſer Zeit waren die drei kleinen Nationen in dem kleinem 
Siebenbürgen auf einander angewieſen und ſomit das Na— 
türlichſte, daß dieſelben ein paetum conventum mit einander 
abſchloſſen. So wurden die drei Nationen der Reihe nach 
die ungariſche, die ßekler und die ſächſiſche Nation genannt, 
welche eine Union abſchloſſen und in dem Unionseide aus— 
drücklich umſchriebene Rechte und Verpflichtungen ſich gegen— 
ſeitig zugeftanden, die jeder Landesbürger zu reſpectiren ver— 
pflichtet war. Damals ereignete ſich allerdings nicht bos 
Ein Fall, daß die Verweigerung des Siegels, das Weg— 
bleiben der Nationalvertreter den einen oder den anderen ge— 
ſetzgeberiſchen Akt unmöglich machten. Damals war Sieben- 
bürgen, das muß zugeſtanden werden, in drei Cantone ge— 
ſchieden, bezüglich welcher drei verſchiedene politiſche Nationen 
als ſolche das Recht ausübten, und die volle Einwilligung 
derſelben war erforderlich, damit in Siebenbürgen ein ge— 
wiſſer Geſetzes-Akt ins Leben trete. Dieſes kann nicht be— 
zweifelt werden, aber keinen Zweifel erleidet es, daß ſchon 
bei Gelegenheit des Rückfalles Siebenbürgens an die heilige 
Stefanskrone, ſchon bei Gelegenheit jener Verhandlungen, 
zufolge deren Siebenbürgen unter die Krone des erlauchten 
habsburgiſchen Hauſes gelangte, ſchon damals der Einfluß 
dieſer geſonderten kleinen Nationen als politiſchen Indivi⸗ 
dualitäten auf die Verwaltung der Landesangelegenheiten 


69 


jeine Bedeutung verlor. Von dem Erfcheinen des leopoldiniſchen 
Diplom's angefangen ſank derſelbe fortwährend und ſchon in 
dem XI. ſiebenbürgiſchen landtäglichen Geſetzesartikel vom 
Jahre 1791, in welchem aufgezählt iſt, was die Reihenfolge 
der Berathungen, was die Gegenſtände der jährlich abzu— 
haltenden Landtage ſeien, iſt es klar ausgedrückt, daß die 
Abſtimmungen nach Köpfen zu geſchehen haben. So iſt, 
nachdem die durch eine verſchiedene Anzahl von Abgeordneten 
vertretenen Nationen nicht mehr curiatim, ſondern nach 
Perſonen abſtimmten, eigentlich ſchon damals jenes Recht 
verloren gegangen, gemäß welchem ein Geſetz und gültiger Be— 
ſchluß ohne Einwilligung der mit dem Curiatvotum aus— 
geſtatteten geſonderten politiſchen Nationen nicht entſtehen 
und welche Nation immer daſelbſt eine Rolle ſpielen konnte. 
Ich ſage, dieſes hat bereits der 1791er Geſetzartikel auf 
das entſchiedenſte ausgeſprochen. 


Aber ſeitdem iſt viel geſchehen, viel mehr, als bis dahin, 
und in dieſer Beziehung iſt das Jahr 1848 entſcheidend. 
Wie Sie alle zu wiſſen belieben, wird im Preßburger VII. 
Geſetzartikel von 1848 die Union zwiſchen Siebenbürgen 
und Ungarn ausgeſprochen für den Fall, daß Siebenbürgen 
demſelben beiſtimmt. Siebenbürgen hat auf dem im Jahre 
1848 zu Klauſenburg abgehaltenen Landtage die Union mit 
großer Begeiſterung und Einſtimmigkeit angenommen. Hier 
erlaube ich mir beſonders zu bemerken, daß, ſelbſt wenn auch 
das Curiatvotum der einzelnen Nationen beſtanden hätte, 
die Abgeordneten des Königsbodens gegenwärtig ſelbſt in 
dieſem Falle gegen dieſes Unionsgeſetz Nichts einwenden 
könnten, denn wie die ämtlichen und beglaubigten Aktenſtücke, 
Protokolle und Urkundenbücher dieſes Landtages bezeugen, er— 
klärte der ſächſiſche Abgeordnete von Kronſtadt Elias Roth, 
welcher jenen Augenblick als einen heiligen bezeichnete, wo 
der geſammte Landtag einen für ſo wichtig gehalten Gegen— 
ſtand mit ſolcher Begeiſterung begrüßte, auch ſeinerſeits bereit 
zu ſein, die Union anzunehmen und ihr beizuſtimmen, jedoch 
jedenfalls unter Vorbehalt der Aufrechthaltung der beſonderen 
Rechte der Sachſen. Dieſe Erklärung unterſchrieben 17 der 
ſächſiſchen Abgeordneten, deren Geſammtzahl 22 war. Es 
iſt allerdings wahr, daß einige Jurisdiktionen einzelne ſächſiſche 


70 


Abgeordnete darüber zur Verantwortung zogen, daß fie bie 
Inſtruktionen jener überſchritten, daß ſie mehr gethan hatten, 
als ſie bevollmächtigt worden waren. Ich glaube aber, es 
könne bei der Schaffung eines Geſetzes deſſen Gültig— 
keit dadurch nicht alterirt werden, daß jenes innere 
Verhältniß, welches zwiſchen den Abgeordneten und 
Wählern beſteht, vielleicht nicht immer ein correctes 
war. Jedenfalls ſteht ſoviel feſt, daß ſelbſt in dem Falle, 
daß die ſächſiſche Nation das Curiatvotum gehabt hätte, die 
Union zum Geſetze geworden wäre. Nach Abgabe dieſer 
Erklärung reichten die Abgeordneten der Jurisdictionen des 
Königsbodens eine umfaſſende Denkſchrift ein, in welcher ſie 
jene Wünſche auseinanderſetzten, welche ſie der mit dem 
Durchführungsplan der Union betrauten Negnicolar-Commij- 
ſion unterbreiten wollten. Dieſelbe hat geſtern mein geehrter 
Abgeordnetencollege Guido Baußnern vorgeleſen, aber meiner 
Anſicht nach mit einem großen Irrthum. Ich hatte gerade 
heute das Druckwerk in amtlicher Ausgabe in der Hand und 
habe diesbezüglich im litografiſchen Berichte nachgeſehen und 
bemerkt, daß drei Worte, welche von großer Wichtigkeit ſind, 
aus dem Texte, ohne Zweifel infolge eines Schreibfehlers 
meines geehrten Abgeordnetencollegen ausgeblieben ſind. Hier 
nämlich iſt der Landtagsbeſchluß ſo mitgetheilt: „Der Land— 
tag obige Erklärung der ſächſiſchen Brüder mit Sympathie 
entgegennehmend übergibt dieſelbe der in Angelegenheit der 
Union ernannten Landescommiſſion mit dem Auftrage, ſie 
habe innerhalb der Grenzen der Gerechtigkeit und Billigkeit 
mit allem Eifer dahin zu wirken, daß auf Grundlage der 
erwähnten Erklärung durch das ungariſche Miniſterium ein 
Geſetzentwurf der Geſetzgebung unterbreitet werde.“ Der 
ausgebliebene Paſſus aber iſt folgender: „Innerhalb der 
Grenzen der geſunden Politik.“ Dieſer Ausdruck „geſunde 
Politik“ iſt, ich will nicht ſagen, ein gewöhnlich gebrauchter 
Ausdruck, aber ich verſtehe ſehr gut, daß das salus rei— 
publicae darin liegt, und ich ſetze hinzu, daß ich dieſes auch 
für ſehr weſentlich halte. Was ein Anderer darunter ver— 
ſteht, iſt eine Frage der Auffaſſung. Ich ſage alſo, der 
Landtag nahm die Union an und gab der Regnicolar-Com⸗ 
miſſion die Weiſung, daß fie die Wünſche der Sachſen, in- 
ſoferne ſie mit dem Rechte, mit der Billigkeit und ſämmt⸗ 


71 


lichen Intereſſen des Landes vereinbar find, berückſichtige. 
Darauf folgte, wie wir wiſſen, die Sündfluth. Lange Zeit 
hindurch war kein politiſches Leben, — denn ich nenne das 
nicht politiſches Leben, was gleich Aufaugs der 50er Jahre 
gerade auf dem Königsboden entſtanden. Bei uns war kein 
politiſches Leben, bei uns beginnt die geſetzliche recht- und 
verfaſſungsmäßige Wirkſamkeit blos mit dem Jahre 1868. 
Der XLIII. Geſetzartikel vom Jahre 1868 hat in dieſer 
Beziehung verfügt und die diesbezügliche Verfügung in Betreff 
der Durchführung der Union iſt in meinen Augen nicht da— 
durch wichtig, was geſtern anzuführen beliebt wurde, es 
werde nämlich das Miniſterium beauftragt, über die Re— 
gelung des Königsbodens einen Geſetzentwurf einzureichen, 
ſondern für mich iſt das von beſonderer Wichtigkeit, daß in 
der Einleitung des erſten Klauſenburger Geſetzartikels vom 
Jahre 1848 das Prinzip ausgeſprochen iſt, daß alle jene 
Vorrechte, welche früher in Siebenbürgen beſtanden, künftig 
ohne Rückſicht auf politiſche Nation und Religion aufgehoben 
werden. Dieſes iſt nicht nur im Allgemeinen ausgeſprochen 
worden, ſondern es wurde ausgeſprochen, daß die alten poli— 
tiſchen Nationen, politiſchen Territorien aufhören und aufge— 
hoben werden. Dieſes iſt außerordentlich wichtig, und dieſes 
war ſo, und für mich iſt das der wichtige Theil der Sache, 
daß die Exiſtenz der politiſchen Nationen, wenn ſie ehemals 
war, wie ich nicht behaupte, daß ſie nicht war, und wenn 
ſie ehemals eine ſo große Macht hatten, daß jene Territorien 
beſondere Cantone genannt wurden, welche in Siebenbürgen 
im Beſitze der beſonderen Nationen waren, — im Jahre 
1848 im Principe aufgehört hat, im Jahre 1868 aber in 
das Geſetz eingeführt auf das ausdrücklichſte aufgehoben 
wurde. 


Da dies geſchehen, iſt jetzt die Frage: was könnte 
man zweckentſprechendes thun? Sie belieben ſehr wol zu 
wiſſen, daß der geſammte Königsboden nicht mehr als 150 
und einige Quadratmeilen beträgt, und dieſe 150 und 
einige Quadratmeilen find auf 4 Theile getheilt: Kron— 
ſtadt für ſich, Biſtritz 2 Stücke, die anderen eines, und dieſe 
150 und einige Ouadratmeilen bilden 11 Jurisdictionen. 
Jetzt frage ich, was iſt hier möglich, — Broos, Biſtritz und 


72 


Kronſtadt unter eine Jurisdiction bringen und die kleineren 
Stücke, unter einen Hut gebracht, aufheben, die beſonderen 
kleinen Jurisdictionen in ihrer 5, 6, 8 oder 10 Meilen be— 
tragenden Fläche — Reußmarkt oder Mühlbach, oder alle 
dieſe — belaſſen und deren Univerſität ein Municipalleben 
höheren Ranges verleihen? Hier erlaube ich mir zu bemerken, 
daß auch ich hie und da die alten Bücher durchblättert habe; 
aber eine Spur davon, daß aus den Zurisdictionen des 
Königsbodens in Siebenbürgen ein Geſammtmunicipium 
höheren Ranges geſchaffen werde, habe ich nirgends gefunden. 
(Zwiſchenrufe von der äußerſten Rechten . aber es 
iſt dort!) Ich bitte um Entſchuldigung, aber davon, daß ein 
Geſammtmunicipium aus den 11 Jurisdictionen des Königs⸗ 
bodens geſchaffen werde, habe ich kein einziges Wort geleſen 
weder im leopoldiniſchen Diplom, noch in den Approbaten, 
noch in den Compilaten, — obwol dieſes jenes Zeitalter 
war, wo man dergleichen Dinge hätte inarticuliren können. 
In dem leopoldiniſchen Diplom vom Jahre 1691 alſo iſt 
die Aufrechterhaltung der Vorrechte und conſtitutionellen Ver— 
hältniſſe im Allgemeinen gewährleiſtet, welche ſich damals 
in beiden Fällen auf den am entſchiedenſten mit priveligirten 
Vorrechten ausgeſtatteten Königsboden bezog, deſſen Be— 
ſtand — wie ich vorhin anzuführen ſo frei war — 
aufhörte. 


Ich ſage alſo, was könute man in dem Falle thun, 
wenn dieſe Jurisdictionen nicht zuſammen und nicht jede für 
ſich allein bleiben können? Die dritte Möglichkeit iſt die, 
eine Jurisdiction zu ſchaffen, die in der ungariſchen Geſchichte 
und, ich kann behaupten, auch in Siebenbürgens Geſchichte 
ihresgleichen ſucht, welche über dem Municipalleben und unter 
dem Landtage ſteht. Nun, ich hörte wol ſolche Aeußerungen 
und kenne aus der alten Zeit dergleichen Municipien, welche 
direct unter der Verfügung der Krone ſtehen. Wollen Sie 
aber bedenken, daß Sie den denkbar unparlamentariſcheſten 
Satz damit aufgeſtellt haben, indem Sie wünſchen, es möge 
die Krone für ſich allein in irgend einer Angelegenheit ver— 
fügen. Verfügt doch die Krone direct durch das Miniſterium 
und dem Miniſterium verleiht das die Kraft, wenn es ſich 
auf das Abgeordnetenhaus und auf alle jene Factoren ſtlützt, 


73 


welche allein das Element der rechtlichen Geſetzgebung im 
Lande bilden. (Zuſtimmung.) Die Krone für ſich thut nie— 
mals etwas anderes als Gutes; wenn Sie die directe Ver— 
fügung der Krone wünſchen, wage ich zu behaupten, daß Sie 
einen in hohem Maße unparlamentariſchen Satz aufzuſtellen 
belieben. Und jetzt obgleich die Rechtscontinuität dorthin 
führt, daß der Königsboden geregelt werde und zwar nicht 
durch ein pactum conventum, ſondern direct durch den 
Reichstag unter richtiger Bedachtnahme der Verhältniſſe 
und Umſtände, jetzt entſetzen ſich einige Abgeordnete des 
Königsbodens, welche auf der äußerſten Rechten ſitzen, indem 
ſie ſagen, daß dieſes ſie vernichte. Mein geehrter Abge— 
ordnetencollege Fabritius hat ſehr richtig auseinandergeſetzt, 
daß hier von Vernichtung keine Rede ſei; umſonſt 
befürchtet dieſes mein geehrter Abgeordnetencollege Guſtav 
Kapp. Auch ich bin davon überzeugt, daß das ſächſiſche Volk 
viel zu arbeitſam, viel zu verſtändig, viel zu fleißig und viel 
zu ausdauernd iſt, als daß es, wenn es mit Anderen gleicher 
Rechte theilhaftig wird — wenn es auch keine Vorrechte 
bekommt, und hierauf werde ich ſpäter zurückzukommen mir 
erlauben — nicht ſeine Stellung zu behaupten wiſſen, ja 
ſogar ſich emporheben werde. Ich ſehe die Aeußerungen des 
Mißfallens ſeitens jener meiner Abgeordnetencollegen und 
auch das weiß ich, daß der Herr Abgeordnete Gebbel ſoeben 
angeführt und des Längeren erörtert hat, daß fie nicht indi— 
viduelle Vorrechte wünſchen; aber deßhalb, weil Sie nicht 
individuelle Privilegien und nicht ein individuelles, ſpezielles 
Territorium wünſchen, dagegen wenn bezüglich der geſammten 
Einwohnerſchaft irgend eines Territoriums eine ſo eigen— 
thümliche öffentliche Verwaltung erfordert wird, welche nur 
ihnen gehört und welche ohne ihre Befragung nicht abge— 
ändert werden kann: ſo glaube ich, daß das denn doch ein 
Privilegium, denn doch ein Vorrecht iſt. (Lebhafte Zu— 
ſtimmung). 

Es iſt möglich, daß einige es nicht für das halten, 
aber dieſes iſt ohne Zweifel ein Privilegium; ich halte es 
dafür. (Lebhafte Zuſtimmung). 

Uebrigens wundere ich mich ſehr darüber, daß Sie 
ſich bei Vernehmung gerade deſſen ſo ſehr entſetzten, während 


74 


— wie ich auch vorhin zu bemerken ſo frei war — wenn 
irgendwo in unſerm Vaterlande in den 50er Jahren poli— 
tiſche Bewegung war, ſo war dieß auf dem Königsboden. 
Ich glaube die Herren Abgeordneten haben nicht vergeſſen, 
(Hören wir! Hören wir!) daß die competenten Vertreter 
des Königsbodens, inſoferne es damals möglich war, auf 
jene Rechts⸗Stellung, auf welche ſie ſich jetzt fo gerne be⸗ 
rufen, verzichtet haben. 


Guſtav Kapp (ruft dazwiſchen): Sie haben nicht 
verzichtet! 

Baron Gabriel Kemeny: Merkwürdig, daß ſich 
mein geehrter Abgeordnetencollege Kapp nicht zu erinnern 
beliebt, — belieben Sie ſich nicht darauf zu erinnern, daß 
Sie unter dem Titel „Markgrafſchaft Sachſe n“ eine felbft- 
ſtändige Provinz wünſchten? (So iſt's! So iſt's!) Belieben 
Sie ſich nicht darauf zu erinnern, daß Sie den Wunſch 
äußerten, von dem Reiche des heiligen Stefan getrennt und 
mit den andern Theilen der Monarchie vereinigt zu werden? 
(So iſt's! So iſt's!) Das iſt nicht eine einfache Behauptung, 
das iſt eine allgemein bekannte Thatſache. (So iſt's! So iſt's.) 

Belieben Sie ſich auf den 1863er Provinzial-Landtag 
zurückzuerinnern, — ich ſelbſt war auch dort, ich ging ganz 
bis zur Thürſchwelle. (Zuſtimmung). Sie belieben zu wiſſen, 
daß, nachdem dieſer 1863er Provinzial-Landtag zuſammenkam, 
er bezüglich des Leopoldiniſchen Diploms ſelbſt erklärte, daß 
dieſes etwas werthloſes ſei. (So iſt's! So iſt's!) Wie be— 
lieben Sie ſich jetzt über dieſe Sache auszuſprechen? (Zu— 
ſtimmung). 

Aber ich gehe noch weiter. Sie belieben ſich zu erin— 
nern — und das werden Sie nicht leugnen, daß dieß auch 
Thatſache iſt — daß derſelbe Provinzial-Landtag gegen ſein 
Eude Abgeſandte in den Reichsrath ſchickte; (So iſt's! So 
iſt's!) das Diplom vom 26. Feber acceptirte. (So iſt's!) 
All' dieſes ſind ſolche Thatſachen, zufolge deren, wenn das 
alte ſiebenbürgiſche Geſetz aufrecht ſtünde, die größte Ver⸗ 
letzung an dem unionis juramentum begangen worden wäre. 
(Lebhafte Zuſtimmung.) Das ſteht nicht, was vorhin zu 
ſagen beliebt wurde, daß Sie Ihre Rechte nicht verwirkt 
(„verwirokltäk“) haben. Geſtern haben Sie ſich darauf be⸗ 


75 


rufen, daß wer felber feine Rechte aufgibt — ich will mich 
auf dieſen ſo ſehr abgenützten Satz nicht berufen — der 
gewinnt ſie nie mehr zurück; aber wenn man ſein Recht 
aufrecht hält, und die Gewalt eutreißt ſie, ſo iſt immer die 
Ausſicht auf deren Wiedergewinnung möglich. Jene, die ſo 
gehandelt haben — und dieſes waren die Abgeordneten des 
Königsbodens, die haben das Recht verwirkt, indem ſie die 
Verbindung mit der St. Stefanskrone verleugnet haben. 
(Lebhafte Zuftimmung). 


Und es gibt eine noch ſeltſamere Erſcheinung. Eben 
auf dem 1863er Hermannſtädter Provinzial-Landtag wurde 
auch ein Eintheilungsplan für Siebenbürgen entworfen, 
welcher nicht die geringſte Rückſicht darauf nimmt, was der 
Königsboden war. (Ausrufe: So iſt's!) Es war ungefähr 
eine ſolche Eintheilung, welche die abſolutiſtiſche Eintheilung 
Joſefs II. eingeführt hatte. Die Sache wurde auf dem ganzen 
Königsboden mit ſolcher Sympathie und Bereitwilligkeit auf— 
genommen, daß beiſpielsweiſe, als man die Ungültigkeit des 
leopoldiniſchen Diploms ausſprach, nur 2—3 magyariſche 
Mitglieder des Provinzial-Landtages ihre Stimme erhoben 
und der Beſchluß der Uebrigen mit großer Begeiſterung ge— 
faßt wurde. In dieſem Eintheilungsplane war nicht die ge— 
ringſte Rückſicht darauf genommen, was der Sekler-, was 
der magyariſche und was der Königsboden ſei. Woher kommt 
alſo die Klage, daß die Nation zu Grunde gehen werde? 
Die Nicht⸗Exiſtenz derſelben hat ja ſchon das Geſetz ausge— 
ſprochen, ſo daß dieſes eine nutzloſe Aſpiration iſt. Denn ſo 
gerne ich auch jedes Mitglied des Königsbodens ſehe, ſei es 
ein Sachſe oder Romäne, ebenſo entſchieden weiſe ich es von 
mir, daß deſſen Bewohner als geſondert ſtehende Maſſen 
politiſcher Rechte theilhaftig gemacht werden. (Lebhafte Zu— 
ſtimmung.) Ich wundere mich auch über jene andere Er— 
ſcheinung nicht, daß der größte Theil der auf der äußerſten 
Rechten ſitzenden Abgeordneten des Königsbodens in die 
eingehende Kritik des Geſetzes ſich gar nicht eingelaſſen hat, 
ſondern dabei geblieben iſt: „Wir als politiſche Nation, als 
ein die geſammte Verwaltungs-Jurisdiction beſitzender Theil, 
können das Geſetz nur dann acceptiren, nur dann als auf 
ſolchem Wege entſtanden anſehen, wo es acceptabel und er— 


76 


träglich iſt, wenn man auch uns angehört hat und zwar nur 
ſo und nur in dem Falle, wenn man mit uns pactirt.“ Ich 
ſage, ich mache mir Nichts daraus, nachdem die Täuſchung 
Ihre Aufmerkſamkeit ſo erfaßt hat, daß man mit Ihnen aus 
einem ganz beſonderen ſiebenbürgiſchen Geſichtspunkte, aus 
einem 2—3 Jahrhunderte zurückverſetzten Geſichtspunkte ver- 
handeln müßte, — halte ich es für natürlich, daß ich be— 
züglich des Werthes des Geſetzes ſelbſt keine Bemerkung 
gehört habe, ausgenommen die heutige Rede des Herrn 
Abgeordneten Gebbel. Was jenen Theil des Geſetzentwurfes 
betrifft, welcher ſich auf die Feſtſetzung des Verwaltungsver— 
hältniſſes bezieht, jo halte ich denſelben meinerſeits deßhalb 
für nothwendig, weil in Siebenbürgen bis jetzt der Königs- 
boden überhaupt nicht geregelt iſt. Dieſe Ungergeltheit 
wurzelt im Geſetze, im 1868er Geſetz, indem dieſes zu be— 
richtigen einem ſpätern Zeitpunkte vorbehalten wurde. Man 
muß daher darüber Verfügung treffen, ſo daß man bei Ge— 
legenheit der demnächſt erfolgenden Territorialberichtigung 
in Siebenbürgen eine zweckmäßige politiſche Eintheilung vor— 
nehmen könne. 


Nachdem ich glaube, daß es ſchädlich, das es fehler— 
haft wäre, bezüglich welches Landestheiles immer eine Extra— 
wurſt zu machen („egy extrawurstot csinälni:*) deßhalb, 
daß er beſonders geregelt werde, deßhalb, daß gleichzeitig 
geſagt werden könne, „ſiehe da der Königsboden iſt zu regeln 
und demzufolge iſt jene Arrondirung, welche denſelben betrifft, 
einzubringen, für das Uebrige werden wir ſpäter Sorge 
tragen;“ ſtatt dieſem iſt weitaus zweckmäßiger die Feſtſetzung 
des Princip's, auf deſſen Baſis man die Regelung ſelbſt 
gleichzeitig, beſonders aber bezüglich Siebenbürgens und des 
Königsbodens aus einem höheren Geſichtspunkte, aus dem 
Geſichtspunkte des geſammten Landesintereſſes vornehmen 
kann. Deßhalb enthält der erſte und zweite Paragraf 
nichts Anderes, als die Feſtſetzung des Prineip's, daß die 
Sonderverhältniſſe des Königsbodens aufgehoben und be— 
züglich der öffentlichen Verwaltung ganz dieſelben Geſetze 
dort eingeführt werden, welche in den übrigen Theilen des 
Landes in Giltigkeit ſind. Die übrigen Theile des Geſetzes 
beſchäftigen ſich mit der Regelung der Univerſität ſowie des 


77 


Siebeurichlervermögens. Mein geehrter Abgeordnetencollege 
Karl Fabritius hat hervorgehoben, daß er dem eine ſehr 
große Wichtigkeit beilegt, daß die Unverletzlichkeit des 
Eigenthums auf das Entſchiedenſte im Geſetze ſelbſt in den 
Vordergrund geſtellt iſt. Ich glaube, daß dieſes Ziel darin 
liegt, und glaube ganz richtig, denn das Eigenthumsrecht zu 
verletzen kann unter keinen Umſtäuden richtig ſein; aber 
dieſes bedeutet nicht ſoviel, daß der ſächſiſchen Univerſität 
derartige Rechte eingeräumt werden, welche längſt beſtanden, 
und wenn fie beſtanden im 17. Jahrhundert, im 19. Jahr— 
bundert ſind ſie wahrlich außer Giltigkeit und beſitzen keine 
im Geſetze begründete Berechtigung. (Zuſtimmung.) 

Geehrtes Haus! Die alte Geſtaltung Siebenbürgens 
iſt eine ſolche, wie es der größte Theil der mittelalterlichen 
Geſtaltung war: Ein gewiſſes wüſtes Selbſtſtändigkeitsbe— 
ſtreben, eine gewiſſe Energie, welche nicht blos einmal in 
Siebenbürgen, ja auch in anderen Theilen Ungarns zu Un— 
gerechtigkeit und Gewaltthätigkeit geführt haben. Dies 
characteriſirt die mittelalterlichen Geſtaltungen; gewiß eine 
ſolche Geſtaltung, welche aus der Engherzigkeit ſich kaum 
emporhebt zur Abwägung ihrer eigenen directen Intereſſen 
und kaum ſo weit geht, die Intereſſen des geſammten Vater— 
landes würdigen zu können; welche ſich mit Privilegien um— 
ſchanzen will und darin alle Glückſeligkeit zu finden wähnt, 
wenn das Geſchäft des eigenen Stuhles, der eigenen Stadt, 
des eigenen Bergwerksbetriebes und des eigenen kleinen 
Territoriums vorwärtsſchreitet. Anſtatt deſſen werden wir 
alſo, die geſammtſtaatlichen Intereſſen berückſichtigend, die 
möglichſte Homogenität erſtrebend und zur Aufrichtung und 
Erreichung der gemeinſamen Intereſſen den Geſammtwol— 
ſtand im Auge habend, die Frage löſen. Dieſer Geſetzent— 
wurf iſt blos der letzte Schlußſtein einer vielhundertjährigen 
Entwicklung und bezeichnet gleichzeitig den Weg, auf welchem 
die nächſte neue Entwicklung geſchehen wird: Dies iſt der Weg der 
Civiliſation, der Entwicklung, des Fortſchrittes. Aus dieſem 
Grunde bewillkommne und acceptire ich den Geſetzentwurf. 
(Lebhafte allgemeine Zuſtimmung.) 


Präſident: Der Herr Abgeordnete Guido Baußuern 
wünſcht zur perſönlichen Bemerkung das Wort. 


78 


Guido Baußnern: Der geehrte Herr Vorredner be— 
liebte zu ſagen, daß ich in meiner geſtrigen Rede drei Worte ausge— 
laſſen habe. Ich kann dieſe Behauptung nicht acceptiren. Gegen— 
über der Behauptung, dies ſei in Folge eines Schreibfehlers 
einerſeits geſchehen, behaupte ich, daß dieſes in Folge eines 
Schreibfehlers der Stenografen geſchehen ſei Ich werde 
es ſofort beweiſen. Der „Peſter Lloyd“, dem ich die deutſche 
Ueberſetzuung meiner geſtrigen Rede übergeben, war fo ge— 
fällig, meine Rede ſehr ausführlich mitzutheilen und obgleich 
das betreffende Citat nicht Wort für Wort darin ſteht, ſo 
befinden ſich — und deſſen freue ich mich behufs meiner 
Rechtfertigung — dennoch die drei betreffenden Worte, nämlich 
„einer geſunden Politik“ darin. Das Citat im „Peſter 
Lloyd“ lautet (lieſt): „Darauf beſchloß der Landtag der in 
Angelegenheit der Union ernannten Landescommiſſion die 
Weiſung zu ertheilen, letztere habe innerhalb der Grenzen 
der Gerechtigkeit, Billigkeit und einer geſunden Politik 
(„jozan orszäglästan“) mit allem Eifer dahin zu wirken, 
daß „u. ſ. w. — Dieſes zu bemerken hielt ich für meine 


ſittliche Pflicht. 


Emil Trauſchenfels (Sachſe): 


Geehrtes Haus! Als ich heute Morgens dieſen Saal 
betrat, that ich es mit dem Vorſatz, die Reizbarkeit draußen 
zu laſſen. Daß ich dieſem Vorſatz auch treu bleibe und auch 
bleiben werde, beweiſe ich wol am beſten dadurch, daß ich 
auf die Ausführungen des erſten Sprechers vom heutigen 
Tage, des Herrn Abgeordneten Carl Fabritius, überhaupt 
nicht reflectire. Dagegen will ich die Ausführungen meines 
unmittelbaren Vorredners, des ſehr geehrten Herrn Abgeord— 
neten und Uuterſtaatsſecretärs, meinerſeits mit einigen Ge— 
genbemerkungen erwidern. 


Den erſten Theil ſeiner Rede, jene hübſche und cor— 
recte hiſtoriſche Darſtellung, nehme ich dankbar zur Kenntniß, 
dankbar ſchon deshalb, weil ſie jene Verhältniſſe illuſtrirt, 
auf deren Grundlage auch wir mit unſeren Erörterungen uns 
zu beziehen bei dieſem Anlaſſe vielfach genöthigt ſehen, um 
ſo mehr, als das in dieſen Angelegenheiten in der Regel 
nicht gut informirte geehrte Haus ſolche Erörterungen, wären 


79 


ſie unſererſeits vorgebracht worden, aller Wahrſcheinlichkeit 
nach nicht mit dem gleichen Intereſſe würde angehört haben. 

Aus dieſem Grunde halte ich mich dem Herrn Abge— 
ordneten gegenüber in der That zum Danke verpflichtet. — 
Um ſo weniger aber iſt es mir möglich, ich geſtehe es, mit 
dem Herrn Abgeordneten übereinzuſtimmen bezüglich der Be— 
hauptungen und der daran geknüpften Bemerkungen, welche 
in dem weiteren Theile ſeiner Rede enthalten ſind. Der Herr 
Reichstagsabgeordnete und Unterſtaatsſecretär Baron Gabriel 
Kemeny hat die Verwirkungs-Theorie in der That mit bril— 
lantem Erfolg ausgeführt. Freilich wol hat er dieſe Theorie 
nicht in jenem Geiſte behandelt, in welchem Franz Deak 
einſtmals den bekannten Wiener Profeſſor Luſtkandl abge— 
fertigt hatte. y 

Würde der Geift Franz Deak's dem Herrn Abgeord— 
neten vor Augen geſchwebt haben, er würde recht wol gewußt 
haben, daß, was auch Einzelne thun oder unterlaſſen mögen, 
die Rechte von Corporationen, von Ländern oder von Nas 
tionen dadurch doch niemals verwirkt werden können. 


Doch der Herr Abgeordnete geht weiter, er macht uns 
einen Vorwurf daraus, daß auch vom Königsboden aus der 
ſogenannte Hermannſtädter Landtag durch Abgeordnete beſchickt 
worden war. — Was aber thaten denn die Abgeordneten 
magyariſcher Nationalität im Jahre 1865? War denn der 
Klauſenburger Laudtag deshalb, weil er in Klauſenburg, 
deshalb, weil er im Jahre 1865 abgehalten wurde, auch 
nur um ein Jota mehr und beſſer im geſetzlichen verfaſſungs— 
mäßigen Rechte des Landes begründet? Nein, er entſprach 
den geſetzlichen Erforderniſſen leineswegs beſſer. Aus dieſem 
Grunde ſchon hätte daher der geehrte Herr Abgeordnete dieſen 
Hinweis ſich erſparen können. Er hätte es unterlaſſen ſollen, 
den Vorwurf eines Rechts- und Verfaſſungsbruches zu er— 
8 da er doch ſelbſt des gleichen Fehlers ſich ſchuldig 
wußte. 

Auch außerdem aber halte ich es für unſtatthaft und 
gefährlich, wenn von einem Abgeordneten dieſes Landes, wer 
er auch ſei, das Thema der Verwirkungs-Theorie hier ange— 
ſchlagen wird; — denn, geehrtes Haus, verzichtleiſten — 
wie er behauptete, daß die ſächſiſchen Abgeordneten auf das 


80 


Leopoldinum und auf, ich weiß nicht welche anderu werth— 
vollen Gerechtſame noch ſonſt ſollten Verzicht geleiſtet haben 
— verzichtleiſten kann man auf zweierlei Art. Man kann 
es dadurch, daß man Weniger, man kann es aber auch da— 
durch, daß man Mehr, über die Gränze des Erlaubten hinaus, 
in Anſpruch nimmt. Der geehrte Abgeordnete Baron 
G. Kemeny behauptet von den Abgeordneten des Königs— 
bodens, daß ſie Weniger in Anſpruch genommen haben, das 
heißt, daß ſie den Werth jenes Leopoldiniſchen Diploms als 
die eigene Rechtsbaſis nicht gewürdigt haben, daß ſie darauf 
Verzicht geleiſtet haben. 

Erlauben Sie mir nun aber, Sie daran zu erinnern 
— es fällt mir wahrlich ſchwer, in dieſem Hauſe es auszu— 
ſprechen; — nehmen Sie es auch nicht als ein Zeichen der 
Gereiztheit, denn ich ſpreche mit vollkommen nüchterner Ruhe, 
ich ſpreche es nur aus, weil ich durch die Herausforderung 
dazu gezwungen wurde — erlauben Sie mir, den Debrecziner 
Landtag Ihnen in's Gedächtniß zu rufen. Auch dieſer leiſtete 
Verzicht auf die Verfaſſung, freilich in der andern Form 
(Rufe! Oho! Bewegung! ). | 

Nehmen Sie es mir nicht übel, geehrte Abgeordneten, 
wir genießen jetzt durch die gnädige Entſchließung unſeres 
verfaſſungsmäßigen Königs und durch die Mitwirkung des 
Landes verfaſſungsmäßige Zuſtände. Man darf aber deſſen 
niemals uneingedenk ſein, was als Schlagwort dieſer Epoche 
von Ihnen ſelbſt aufgeſtellt wurde, der Satz nämlich: „Breiten 
wir einen Schleier über die Vergangenheit“, denn, geehrtes 
Haus, „was dem einen recht, iſt dem andern billig.“ 

Und nuumehr ſei es mir geſtattet, dem geehrten Herrn 
Miniſterpräſidenten Koloman Tißa auf ſeine geſtrige Rede 
Einiges zu erwidern. Der ſehr geehrte Herr Miniſterpräſi— 
dent gab uns, nach einer meiner Anſicht nach fehlerhaften 
Rechtserörterung, jene beiden Geſichtspunkte bekannt, welche 
ihn bei der Conception des in Verhandlung befindlichen Geſetz— 
Entwurfes leiteten, und zwar ſprach er als ſolche namentlich 
aus: die Grundſätze der Rechtsgleichheit und der Heilighaltung 
des Eigenthumsrechtes. Auf den letzteren werde ich im Ver— 
laufe meiner Rede noch ſpäter zurückkommen. Auch über die 
Rechtsgleichheit will ich nur Weniges bemerken, da dieſer 


81 


Gegenſtand auch heute bereits durch mehrere Redner erörtert 
wurde. Es drängt mich aber gleichwol, dem geehrten Hauſe 
zum Bewußtſein zu bringen, daß in der 700 jährigen Ver— 
faſſung des Königsbodens die Rechtsgleichheit von Anbeginn 
her beſtanden hat; denn ſchon in Folge des Freibriefes Königs 
Andreas des II., in Folge des „unus sit populus, sub uno 
judice censeatur“, wurden die Richter unter der oberſten 
Gerichtsherrlichkeit des Königs vom Volke ſelbſt gewählt; 
und bereits ſeit Jahrhunderten, auch damals, als in allen 
übrigen Theilen Ungarns nur das Feudalrecht in Anwendung 
war, ſchöpften auf dieſem Gebietstheil die Richter ihre Wahr— 
ſprüche aus einem auf das römiſche Recht begründeten bür— 
gerlichen Privatrecht. Ebenſo war ſchon ſeit Jahrhunderten 
die Bevölkerung des Königsbodens, als ſolche: membrum 
sacrae coronae, ein vollberechtigtes Glied der Krone des 
heiligen Stefans. 


Ausgeſchloſſen von der Gemeinfreiheit und zwar wegen 
der Grundgeſetze Siebenbürgens, nicht aber wegen der Ver— 
faſſung des Königsbodeus, war nur derjenige, der keiner der 
vier recipirten Religionen angehörte. Es war daher auch 
jeder Romäne, wenn er einer dieſer vier recipirten Religionen 
angehörte, zum vollen Mitgenuß all' jener Gerechtſame ebenſo 
berechtigt, als jeder Sachſe. Den geehrten Herrn Miniſter 
hat zuverläſſig jener Umſtand beirrt, der auch Andere häufig 
irre zu führen pflegt, das iſt der Umſtand, daß jene Gebiets— 
theile des Unteralbenſer Comitates, welche, als der ſächſiſchen 
Nation und der Stadt Kronſtadt verliehenes herrſchaftliches 
Beſitzthum, dieſen beiden Corporationen als Eigenthumsob— 
jecte gehören, durch den Siebenbürger Landtag denſelben 
bereits vor Jahrhunderten auch in die Verwaltung übergeben 
wurden. Dieſe Gebietstheile, die, wie ich ſage, Vielen zu 
Irrungen Anlaß geben, ſtanden nicht im Mitgenuß der Ge— 
meinfreiheit, fie konnten das auch nicht, weil fie als Comitats— 
Beſtandtheile unter der Herrſchaft des Feudalrechtes ſtanden. 

Aber, geehrte Abgeordnete, forſchen Sie in der Ge— 
ſchichte, fragen Sie die dortige Bevölkerung — und ſie 
werden erfahren, daß dieſelbe, obwol wegen ihres Hörigkeits— 
verhältniſſes vom Beſitze politiſcher Gleichberechtigung aus— 

geſchloſſen, dennoch einer ſo großen Wolthat theilhaftig war, 
6 


82 


als zu jener Zeit hörige Bauerſchaften nirgends im ganzen 
Lande genoſſen. Ihre Privatrechtsverhältniſſe nämlich wurden 
nach den gleichen Rechtsgrundſätzen geordnet, als die der 
Vollbürger des Königsbodens. 

Daher kommt es, geehrtes Haus, daß, wohin Sie auch 
in Siebenbürgen Ihre Blicke wenden mögen, Sie gewiß die 
ſchönſten und reichſten romäniſchen Gemeinden auf dem Kö— 
nigsboden finden werden. In Städten des Königsbodens 
werden Sie die wolhabendſten romäniſchen Kaufleute finden, 
— und daß dieſe nicht in ſchlechten Verhältniſſen waren, 
beweiſt auch die Thatſache, daß ſie im Stande waren, auf 
einem Theile des Königsbodens jenes glänzende Obergym— 
naſium aufzubauen und einzurichten, wodurch ſie allerdings 
zunächſt ſich ſelbſt in Kronſtadt ein rühmliches Zeugniß ge— 
ſetzt haben. Es ſcheint mir alſo, daß der geehrte Herr Mi- 
niſterpräſident mit ſeinen Anſichten bezüglich der Rechtsgleich— 
heit von Irrthum befangen war. 

Aber auf noch eine andere Aeußerung des Herrn 
Miniſterpräſidenten möchte ich entgegnen. Der Herr Mi— 
niſterpräſident ſagte nämlich, das ſächſiſche Volk werde ſich 
aufrecht halten, die Clique werde zu Fall kommen, und dieſer 
wünſche er ſelbſt den Tod. Ich bitte recht ſehr um Ent— 
ſchuldigung, ich anerkenne es, es gab ſolche von den älteſten 
Zeiten her und Gott ſei es gelobt, es gibt ſolche auch heute 
noch, die bereit waren und bereit ſind, nicht blos in dem 
Momente der Gefahr dieſer die Stirne zu bieten, ſondern 
auch in friedlichen Zeiten mit ihrer Sorgfalt und mit ihrer 
Arbeit jene Inſtitution zu unterſtützen, zu deren Vertheidi⸗ 
gung auch wir heute in die Schranken treten. 

Solches thaten muthmaßlich, und wie es in der Regel 
zu ſein pflegt, blos Einzelne; von der großen Menge wurden, 
wie das überall zu gehen pflegt, ſolche Dienſte nicht geleiſtet. 
Außerdem ſei noch bemerkt, daß, was Menſchen⸗Geiſt und 
der Menſchen Arbeit geſchaffen hat, nur durch Sorgfalt 
und Pflege der Menſchen erhalten werden kann, denn nur 
das Unkraut wuchert von ſelbſt in der Wildniß. 

Aber, geehrtes Haus, daß die Inſtitution, zu deren 
Vertheidigung wir in die Schranken treten, nicht das Er⸗ 
zeugniß der Clique iſt, das beweiſt auch ihr Jahrhunderte alter, 


83 


dauernder Beſtand. Denn was Cliquen ſchaffen, was 
Cliquen beſorgen, das hat — der Herr Minifterpräfident 
wird noch Gelegenheit haben, ſich davon zu überzeugen — 
keinen langen Beſtand. (Zuſtimmung von der äußerſten 
Linken und von den Bänken der Sachſen.) 


Der Herr Miniſterpräſident war außerdem noch ſo 
gütig zu bemerken, das ſächſiſche Volk würde ſich ein Armuths⸗ 
zeugniß damit ausſtellen, wenn es erklärte, blos dieſe einzige 
Inſtitution könne feinen Beſtand erhalten. Ich gebe zu, daß 
die Söhne des ſächſiſchen Volkes, welches ſo vielerlei Prü— 
fungen und Gefährden überwunden hat, im Stande ſein 
werden, auch nach der Einführung der vom Herrn Miniſter— 
präſidenten ihm zugedachten Einrichtungen — falls nämlich 
das geehrte Haus dieſen ihre Zuſtimmung ertheilen ſollte 
— ihre Exiſtenz aufrecht zu erhalten, aber als ſchweren 
Schlag würden ſie es empfinden, als einen ſolchen Schlag, 
geehrtes Haus, der es fraglich erſcheinen läßt, ob dieſes 
Volk noch lange im Stande ſein würde, dem gemeinſamen 
Vaterlande ſo gute und werthvolle Dienſte zu leiſten, als es 
bisher geleiſtet hat. 

Doch erlauben Sie mir, geehrte Abgeordnete, dieſen 
Gedanken dem Herrn Miniſter, dem geehrten Herrn Frage— 
ſteller gegenüber umzukehren. Ich ſchicke voraus, daß die 
Unverletzlichkeit des Landes mir ſo heilig iſt, als wem immer 
im Vaterlande. Aber dennoch, geehrtes Haus, Exemplifi— 
cationen müſſen mir geſtattet ſein, da ſie es für den Herrn 
Miniſter waren. In ſeiner Exemplification ſprach alſo der 
geehrte Herr Miniſterpräſident aus, es ſei ein Armuthszeugniß 
für das ſächſiſche Volk, wenn dasſelbe nach der Zerreißung 
ſeines Gebietes ſich nicht weiter aufrechthalten könnte. Ich 
richte an den Herrn Miniſter die Frage, wenn unſer Vater- 
land, eingekeilt, wie es iſt, zwiſchen die Völker-Rieſen, die 
es umgeben, einſtmal in die traurige Lage käme — wovor 
es Gott behüten möge —, einem dieſer Völker-Rieſen zum 
Opfer zu fallen, und wenn dann dieſe Macht ähnlich mit 
unſerem Vaterlande verfahren würde, als der Herr Miniſter 
beantragt, daß mit dem Königsboden verfahren werde: würde 
das, frage ich, geehrtes Haus — auch hier nur der Nationali- 
tätsſtandpunkt ins Auge gefaßt und — ganz abgeſehen vom 

6 * 


84 


Intereſſe des Landes — würde das nicht ein ſchwer zu ver— 
windender Schlag ſein für die magyariſche Nationalität. 

Aber, geehrtes Haus, indem ich hiemit die Polemik er— 
ledigt habe, gehe ich über zu jenem Geſichtspunkt, den zu 
erörtern und zwar im Hinblick auf den vorliegenden Geſetz— 
entwurf zu erörtern, ich mir als die Aufgabe meiner heutigen 
Rede geſtellt habe. Meine geehrten Freunde und Geſinnungs— 
genoſſen haben von dieſen Bänken hier die Frage des quid 
juris, wie ich glaube, erſchöpfend dargelegt. 

Ich gehe über zur Frage des quid consilii, um zu 
zeigen, daß ich auf die von Baron Gabriel Kemeny ſo ſtark 
pointirten drei Worte, welche angeblich mein geehrter Freund 
Guiodo v. Baußnern ausgelaſſen haben ſollte, daß ich 
auf die drei Worte „geſunde ſtaatsmänniſche Grundſätze“ 
auch meinerſeits Gewicht lege. Indem ich auf das Gebiet 
des quid consilii übergehe, anerkenne ich ferner die Mög— 
lichkeit, daß ſolche, wenn auch durch rühmliche Verdienſte 
erworbenen alten Rechte dennoch in der Jetztzeit verändert oder 
aufgehoben werden können. Was aber iſt die Urſache, daß 
wir eben in der Jetztzeit ſolche Erſcheinungen immer zahl— 
reicher ſehen, ohne daß wir doch bei richtigen Vorgehen be— 
ſorgt zu ſein brauchten? Der Grund iſt der, geehrtes Haus, 
daß im Allgemeinen die Einficht gewachſen, die Einſicht, 
welche im Staude iſt zu beurtheilen, was geſund und haltbar 
iſt an ſolch alten Rechten, und daß von der vermehrten 
Einſicht auch erwartet werden kann, daß ſie das Richtige, 
das Gute als ſolches erkennen wird. Denn in der That, 
übereifrig müßte man denjenigen nennen, der alles, was alt 
iſt und was eine geſetzliche Grundlage hat, vernichten wollte, 
blos deßhalb, weil es eine geſetzliche Grundlage hat und 
weil es alt iſt. 


Worin beſteht der Gegenſtand deſſen, was der 800 
Herr Miniſter mittelſt ſeines Geſetzentwurfes regeln will. 
Ich will es nennen. Der Hauptbeſtandtheil davon beſteht 
darin, was vor Allem andern uns am Herzen liegt, zu deſſen 
Vertheidigung wir ſo viel einſetzen als wir überhaupt im 
Stande ſind, beſteht in der Autonomie und Selbſtver⸗ 
waltung der Gemeinde. Darauf beruht die ganze Ver⸗ 
faſſung des Königsbodeus, wenn fie mir dieſen Ausdruck 


85 


geſtatten. Jene Gemeinde-Autonomie, welche dem bürgerlichen 
Element Raum gibt zu ſeinen activen ſchaffenden Leiſtungen, 
jenem bürgerlichen Element, welches nicht nur in alten Zeiten 
Burgen erbaute, ſondern welches auch heute die Grundlage 
des modernen Staates bildet und einen ſeiner werthvollſten 
Beſtandtheile. 

Damit ich aber beweiſe, daß ich die Wahrheit ſage, 
indem ich behaupte, daß die Gemeinde-Autonomie das eigent— 
liche Object unſeres Kampfes bildet, geſtatten Sie mir den 
einfachen Organismus des Königsbodens Ihnen kurz zu 
kennzeichnen. Auf der Autonomie der freien Gemeinde baut 
ſich der ganze Organismus auf, dieſe Gemeinden als ſolche 
bilden dann zuſammen dasjenige, was das ungariſche Staats— 
recht Municipien nennt, doch bilden fie es in anderer Weiſe, 
als dies in Comitaten geſchieht. Hier iſt vor Allem 
charakteriſtiſch der Grundſatz, daß es kein höheres Forum 
gibt, in welchem der untere Beſtandtheil, die Gemeinde als 
ſolche nicht vertreten wäre. Daher bejteht das Municipium, 
oder das was man in dem übrigen Theile des Landes das 
Comitat neunt, aus der gemeinſamen Generalverſammlung 
der Gemeinde. Und worin beſteht der Hauptgegenſtand der— 
ſelben, geehrtes Haus? Der Hauptgegenftand beſteht in 
nichts anderm als in der Pflege der Gemeinde-Autonomie. 
Denn wir wollen jetzt abſehen von jenem weiten Rechts— 
und Wirkungskreis, über den dieſe ſächſiſche Diſtrikte und 
Stühle und die ſächſiſche Nations-Univerſität einſtmals ver 
fügten. Der Organismus iſt derſelbe geblieben, nur der 
Inhalt hat ſich verändert; den Inhalt bildet nach meiner 
Anficht heute die Competenz der Gemeinde-Autonomie. Jene 
Gemeinde-Autonomie, über welche zwar jede Gemeinde für 
ſich ſelbſt verfügt, wobei aber deren etwaiger Mangel an 
Jutelligenz und Auctorität durch das höhere Forum ergänzt 
wird. Meines Erachtens wird alles das, was für uns er- 
heblich und wichtig iſt, in jenen Competenzen erſchöpft, welche, 
nach der Anficht der heutigen Staatsrechtslehrer und auf— 
geklärten Staatsmänner, der Gemeinde-Autouomie angehörten. 
Was das Municipalgeſetz darüber hinaus den Comitaten 
einräumt, das iſt größtentheils geeignet, zu wirken und zu 
verhindern, daß ſie dem für ihre eigenen inneren Angelegen— 


86 


heiten, für ihre eigene Autonomie wichtigsten Geſichtspunkt, 
daß ſie den für ſie ſelbſt wichtigſten Angelegenheiten ge— 
hörige Aufmerkſamkeit widmen könnten. 

Meines Erachtens kann daher der ſogenanute über- 
tragene ſtaatliche Wirkungskreis, dieſe, wie ich eben an⸗ 
deutete, eher beſchwerlichen und eher glänzenden als werth- 
vollen Rechte, den Hauptgegenſtand jener Anſprüche nicht 
bilden, welche wir für unſere Inſtitution bewahren wollen. 
Dennoch bin ich ſo frei, an dieſer Stelle zu bemerken, daß, 
in wie weit dieſer übertragene Wirkungskreis den ſächſiſchen 
Jurisdictionen durch den Staat anvertraut war, demſelben 
durch in ſo ordnungsgemäßer dieſe und ſo gewiſſenhafter 
Weiſe entſprochen wurde, daß wol wenig ähnliche Beiſpiele 
in unſerem Vaterlande anzuführen wären. 

Das wäre eine flüchtige Skizze eines Theiles von 
dieſem Organismus. Dazu gehört noch die Nationsuniverſität, 
welche das Gebäude krönt, jedoch nicht ſo, als ob ſie Organe 
hätte, durch welche ſie entweder dem Staat oder den Muni⸗ 
cipien und Gemeinden bedrohlich würde. Nein, geehrtes 
Haus! Die Univerſität iſt auch nur als eine Inſtitution 
aufzufaſſen, welche die Beſtimmung hat, die einzelnen Glieder, 
die ihr angehören, in der Richtung der Intelligenz und 
Auctorität zu ergänzen und zu kräftigen. Aus dieſem Grunde, 
geehrtes Haus, hat die Univerſität auch heute noch großen 
Werth für uns. Denn ebenſo, wie ſie in vergangenen Jahr⸗ 
hunderten ihren Werth bewahrte, durch Sammlung der Kräfte 
der zu ihr gehörigen Stühle und Gemeinden, durch Samm- 
lung zu gemeinſamem Handeln gegen heimiſche Angriffe, ſo 
findet ſie auch heute noch ihre Beſtimmung, indem ſie für 
die ihr angehörigen Glieder als Antrieb wirkt in friedlicher 
aber dennoch activer und ſchaffender Bürgertugend. Und ich 
darf es wol ſagen, kraftvoll hat ſie in der einen wie in der 
anderen Richtung gewirkt. Daß dieſe Univerſität in der erſt 
erwähnten Richtung keinen Beruf mehr hat, das wiſſen wir 
ſehr wol. Wir erheben auch keinen Anſpruch darauf. Doch 
kann der Organismus der Univerſität beſtehen, ja er muß 
ſogar beſtehen mit dem veränderten Inhalt. 


Außerdem hat die Univerſität noch einen Charakter 
und dieſer gewinnt darin ſeinen Ausdruck, daß ſie das Recht 


87 


der Sonderſtellung der Stühle und Gemeinde des Königs- 
bodens repräſentirt. Denn zu dieſer Sonderſtellung iſt der 
Königsboden berechtigt, dieſes Recht wird durch das Geſetz 
gewährleiſtet, nicht aber zerſtört, wie der Herr Miniſter⸗ 
Präſident geſtern ausführte. Geſtatten Sie mir bei dieſem 
Anlaſſe, zu bemerken, daß auch er, allerdings blos aus der 
Erinnerung das Geſetz citirend, den 10. §. des 43. G.⸗A. 1868 
Geſetzes unrichtig reproducirte, indem er ſagte: „Dieſen Zu⸗ 
ſtand der Sonderſtellung verurtheilen daher eben jene Worte 
des citirten 1868-er Geſetzes, in welchem das Verſprechen 
enthalten iſt: „Das 1868: 43. Geſetz ſpricht bezüglich 
Siebenbürgens aus, daß die bisher beſtandene, nach Natio- 
nalitäten geordnete territoriale Eintheilung, De 
nennung und die damit verbundenen Vorrechte ꝛc. erloſchen find.“ 
Ich bedarf blos dieſer Stelle aus ſeiner geſtrigen Rede zum 
Beweis deſſen, daß der Herr Miniſter in ſeinem Citat auch 
die territoriale Eintheilung als unhaltbar anführte. Das 
Geſetz aber ſagt: „So wie die auf Geſetzen und Verträgen 
beruhenden Rechte, ſo auch die Rechtsgleichheit der auf jenen 
Gebieten wohnenden, welcher Nationalität immer angehörigen 
Staatsbürger u. ſ. w.“ Es hat alſo das Geſetz nicht die 
Territorien verwiſcht, ſondern die beſondern Rechte der auf 
dieſen Territorien wohnenden Nationalitäten, inſofern dieſe 
Rechte der einen Nationalität mit Ausſchluß der anderen 
zugeſtanden wären. 


Nach dem bisher Geſagten werden Sie anerkennen, 
geehrte Abgeordnete, daß der Organismus der Univerſität 
und der Municipien und Gemeinden des Königsbodens im 
Ganzen und zwar weſentlich ſich unterſcheidet von dem der 
Comitate. In den Comitaten konnte, ob zwar der Reichstag 
wiederholt mit der Gemeinde-Geſetzgebung ſich befaßt hat, 
Gemeinde-Leben und Selbſtverwaltung nicht zur Entwickelung 
gelangen. Der Grund davon iſt der, daß die Comitate, ehe— 
mals nur aus dem Adel beſtehend, die Couſequenzen davon 
auch in die neuen Verhältniſſe wenigzſtens thatſächlich hin⸗ 
übergenommen haben, während auf dem Königsboden, wie 
ich bereits erwähnte, die Gemeinden als ſolche die Jurisdietionen 
zuſammenſetzten, die Gemeinden als ſolche deren Grundlagen 
bildeten. Dieſer innerliche Unterſchied mag wol einer der 


88 


Hauptgründe davon ſein, daß in den Gemeinden des Königs- 
bodens von jeher der Widerwille gegen eine Vereinigung mit 
dem Comitat ſo lebhaft war. 


Doch gibt es auch andere, aus dem Leben gegriffene 
Gründe hiefür. Die Erfahrung bot Gelegenheit zur Be— 
urtheilung dafür, worin die Folgen ſolcher Vereinigungen 
ſich fühlbar machten. Ich will dies dem geehrten Hauſe 
veranſchaulichen. In den Stürmen früherer Zeiten kam es 
vor, daß einzelne Beſtandtheile vom Sachſenlande abgeriſſen 
und den benachbarten Comitaten einverleibt wurden. Die 
Kenntniß davon hat ſich in der Folge in der Tradition erhalten. 
Ich fand in der vom königlichen Schul-Inſpector Albert 
Bielz in den 50⸗-er Jahren herausgegebenen Wochenſchrift 
„Tranſſylvania“ ein illuſtratives Beiſpiel dafür. Dieſes handelt 
von jenen dreizehn ſächſiſchen Gemeinden, welche ſeit geraumer 
Zeit dem Kokelburger Comitat angehören, wohin fie muth— 
maßlich in der Weiſe gelangten, daß ehemals in dieſen Ge— 
meinden Einige zu übermäßiger Gewalt gelangen, wie die 
Chroniſten jener Zeit erzählen, als „praedia tenentes et 
more nobilum sese gerentes,“ von der Gemeinſchaft des 
Königsbodens ſich ablöſten, indem ſie es ihrem Intereſſe 
entſprechender fanden, ſich den Comitaten anzuſchließen. In 
jenen alten Zeiten war es möglich, daß Solches geſchehen 
konnte, ohne daß Urkunden ſich erhalten haben, aus denen 
wir die äußere Form dieſer Neubildungen in ihren Einzel— 
heiten erkennen könnten. Worin aber beſtanden ihre Folgen? 

In der erſten Zeit waltete bei dieſen „praedia te- 
tentes et more nobilium sese gerentes“, bei dieſen füch- 
ſiſchen Grundherren das Bewußtſein des früheren Verhält— 
niſſes noch vor; in Folge deſſen duldeten ſie einen ſolchen 
Entwicklungsgang, daß ihre ehemaligen Mitbürger, nunmehr 
hörige Unterthanen, mit den ſächſiſchen Stühlen unter der 
ſächſiſchen Univerſität ſowol bezüglich ihrer Gemeinde— ⸗Ange⸗ 
legenheiten als auch bezüglich ihrer Rechts Verhältniſſe in 
den engſten Beziehungen bleiben konnten. 

Das iſt eine ſehr auffallende und intereſſante Er— 
ſcheinung. Dieſe zu Frohubauern gewordenen ehemaligen 
Freiſaſſen verwalteten auch nachher ihre Gemeinde-Auge— 
legenheiten, die Gemeinde-Polizei, ſowie die Flur- und Wald⸗ 


. . 


ordnung ſelbſt. Ihre Orts-Vorſtände blieben ihre Richter 
in erſter Inſtanz; von dieſen wurden die Streitſachen zu den 
benachbarten Sachjen-Stühlen, und in dritter Juſtanz zur ſäch— 
ſiſchen Univerſität appellirt. So entwickelte ſich und ſo blieb 
das Verhältniß beiläufig bis zur Mitte des vorigen Jahr— 
hunderts. Seit dem Jahre 1755 beiläufig wurden lebhafte 
Klagen vernehmlich. Von jenem Zeitpunkte an durften, wie 
der Chroniſt erzählt, wahrſcheinlich in Folge eines verfäng— 
lichen Proceſſes, mit einmal die Streitſachen von den Orts— 
Richtern nicht mehr wie bis dahin zu den Sachſenſtühlen 
und zur Univerſität gehen; die Entſcheidungen gingen an die 
Comitats⸗Stuhlrichter über. Ja die Panduren dieſer Stuhl- 
richter durften, wie der Chroniſt mit Betrübniß erzählt, die 
ehemals jo Auſehnlichen, als ihre Untergebenen, mißhandelun. 

Geſtatten Sie mir die wörtliche Mittheilung einer von 
mir überſetzten Stelle aus dieſer Chronik, woraus Sie die 
auch vom Cultur-Standpunkt bedauerlichen Folgen hievon 
erkennen werden. Der Chroniſt ſagt nämlich, nach Erzählung 
des von mir bereits Mitgetheilten, wie folgt: 

„Die Waldungen, Millionen Gulden werth, größten— 
theils Eichwälder, hatten die Sachſen-Unterthanen gepflanzt, 
gezogen, und wie ein Kleinnoth beſorgt — —: dieſe werden 
jetzt von den Grundherrſchaften auf allen Seiten hin und 
her verkauft, gehauen und verführt. — Wald-Ordnung iſt 
jetzt keine, es wird auf dem ganzen Hattert hier und dort 
gehauen, verkauft und weggeführt, und das Dorf hat, wie 
es heißt, nichts dazu zu reden — ja Einer beſtiehlt den 
Anderen, ſelbſt von fremden Oertern her — Einer ruinirt 
den Wald des Andern ſelbſt unwiſſend — und wenn einige 
Grundherrſchaften ihren Waldantheil auch gerne erhalten 
wollten, ſo können ſie nicht. Aus Mangel des Holzes müſſen 
hier nur unter etlichen Jahren die Wieſen, Weingärten zu 
Grunde gehen, und wenn Feuer auskäme, ſo ſind die darauf 
ehemals Bedacht geweſenen Sachſen nicht mehr im Staude, 
ſich nur eine Wohnung wieder aufzurichten .. es ſei denn, 
ſie holten das Holz aus den entfernten Gebirgen, weil ſchon 
bisher in dieſer Umgegend faſt keine andere Wälder mehr 
waren, als die den ſächſiſchen Dörfern zugehörigen.“ 

Geehrtes Haus! Im Anſchluß an die letzte Bemerkung 


BER... 


des Chroniſten, erlaube ich mir diejenigen Mitglieder des 
geehrten Hauſes, die jemals in Siebenbürgen waren, aufzu⸗ 
fordern, Sie mögen ſich erinnern, wo haben Sie, — wol⸗ 
gemerkt in der Nähe der Gemeinden, in der Nähe gangbarer 
Straßen — und beſonders auf die mittleren Gegenden des 
Landes bezieht ſich meine Frage — wo haben Sie im guten 
Zuſtand befindliche Waldungen angetroffen? Auf dem Königs- 
boden haben Sie es angetroffen, dort wo die Waldungen in 
der Beſorgung der ſächſiſchen Gemeinden ſtanden und ſtehen. 


Dieß war ein Beiſpiel der Comitats-Verwaltung aus 
früheren Zeiten; um wie weniges dieſe auch heute eine 
beſſere genannt werden darf, wiſſen und anerkennen die 
Herren Abgeordneten allerſeits. Doch das wird muthmaßlich 
anders werden durch den großangelegten Reformplan des 
Herrn Miniſters, den erſt kürzlich auch das geehrte Haus 
acceptirt hat — jo behauptet man wenigſtens. 

Geſtatten Sie mir meine Anſicht über dieſen Reform- 
plan durch ein kleines Beiſpiel zu illuſtriren. Vor ein paar 
Wochen erſt las ich in einer engliſchen Zeitung eine kleine 
Erzählung, deren Schauplatz die Türkei iſt. Der Correſpondent 
der Londoner „Times“ erzählt dieſes Geſchichtchen auch aus 
dem Grunde, weil er im Hinblick auf die vom türkiſchen 
Kaiſer erlaſſene Reform-Jrade dasſelbe für charakteriſtiſch 
zur Beurtheilung dieſes Erlaſſes hält, zur Beurtheilung 
deſſen, was von der hiedurch zu erwartenden Reform der 
türkiſchen Verwaltung zu halten ſei. Zur Beleuchtung davon 
erzählte er aus einer dortigen flavifchen Provinz, daß der, 
ausnahmsweiſe auch bei der chriſtlichen Bevölkerung beliebte 
türkiſche Paſcha aus Anlaß dieſer Reform die dortige ſla— 
viſche Bevölkerung zu ſich befohlen habe. Nachdem zuerſt der 
Wortlaut der Reform-Jrade in amtlicher Staatsſprache d. i. 
türkiſch aufgeleſen worden, fügte er in der Mutterſprache der 
Bevölkerung folgendes hinzu: „hieraus werdet ihr ſehen, 
meine lieben Kinder — denn wie ich vorangeſchickt habe, er 
war ein allgemein beliebter Paſcha, und ſo ſprach er die 
verſammelte Bevölkerung in dieſer gutartigen Tablobiro⸗ 
Manier an — hieraus ſehet ihr meine lieben Kinder, wie 
gut es Se. Majeſtät der Pabiſchah mit euch meint, darum 
geht alſo nur ruhig wieder nach Hauſe, denn es wird — 


91 


alles beim Alten bleiben.“ Dieß iſt die kleine Er- 
zählung, welche ich zur Kennzeichnung meiner Meinung über 
die Comitats⸗Reform vorzubringen wünſchte. Ich füge hinzu, 
daß dieſe Reform, welche der Bedeutung dieſes Geſetzes 
gemäß nunmehr zuſammt der geſammten Eomitatseinrichtung 
auch auf den Königsboden ausgedehnt werden ſoll, meiner 
Ueberzeugung nach die Verwaltung entweder in ihrem bisherigen 
Zuſtand belaſſen wird d. i. wie man ſich gewöhnt hat, in 
dieſem Hauſe ſie zu nennen, als „aſiatiſche Verwal⸗ 
tung“ oder aber, wie wir auf deutſch ſie zu nennen pflegen, 
als „Comitats⸗Wirthſchaft“. Wahrſcheinlich aber iſt 
ſogar, daß der Wirrwarr ein noch größerer werden wird. 


Ich will übrigens nicht nur von dem Intereſſeu⸗ 
Standpunct der Bevölkerung des Königsbodens, ſondern — 
indem ich das von Baron Gabr. Kemeny ſo ſtark pointirte 
„nüchterne ſtaatsmänniſche Princip“ bereitwillig acceptire — 
ich will auch vom Standpunkte des Staats-Intereſſes aus die 
Nothwendigkeit der Aufrechthaltung jener Inſtitution er- 
örtern, welche Sie als eine ſchädliche zu bezeichnen lieben. 


Erlauben Sie mir daher, an jene kurze, aber bedeut— 
ſame Verhandlung Sie zu erinnern, welche nach der Ge— 
neral⸗Debatte über die Verwaltungs-Ausſchüſſe beim erſten 
Paragrafen in der Specialberathung durch den hochverbieuten 
Abgeordneten Eduard Zſedenyi eröffnet und durch den ge— 
ehrten Abgeordneten Julius Schwarz fortgeſetzt ward. Dieſe 
beiden geehrten Abgeordneten hatten bei jenem Anlaß den 
Werth des ſtädtiſchen und bürgerlichen Elementes der Wür— 
digung des geehrten Hauſes empfohlen, indem ſie den Wunſch 
ausſprachen, die Verwaltungs- Ausſchüſſe ſollten auf die 
Städte nicht ausgedehnt werden. 


Der ſehr geehrte Abgeordnete Eduard Zſedenyi hatte 
ſeinen Antrag vom hiſtoriſchen Standpunkt aus d. h. vom 
Standpunkt der erworbenen Rechte vertreten, wogegen ich 
natürlich nichts einzuwenden habe. Der geehrte Abgeordnete 
Schwarz hingegen ſtellte die Städtebürger, indem er einen 
mehr praktiſchen Standpunkt einnahm, als die eigentlichen 
Säulen des modernen Staates hin. 


Ich will bei dieſem Anlaſſe ebenfalls vom Standpunkt 


92 


— — 


des geehrten Abgeordneten Julius Schwarz noch einiges hin— 
zufügen. Ich erinnere daher an jenen, uns gegenüber von 
Ihnen, geehrte Abgeordnete, ſo häufig gebrauchten Ausſpruch, 
daß wir nämlich einen „Staat im Staate“ bilden wollen. 
Nun denn ich acceptire, daß wir einen Staat im Staate 
bilden wollen, in der Weiſe aber, wie jede antonome Ge— 
meinde einen Staat im Staate bilden muß, d. h. bis zu 
jener Grenze, innerhalb deren ihre ſelbſtſtändige Wirkſamkeit 
niemals und durch keine andere Gewalt erſetzt werden kann: 
im Wirkungskreis ihrer eigenen Gemeinde-Autonomie nämlich. 

Ich war ſo frei, Ihnen darzulegen, daß der verfaſ— 
ſungsmäßige Organismus des Königsbodens ebenfalls in 
nichts Anderem beſtehen kann, auf nichts Anderes baſirt iſt, 
als auf die Sicherſtellung der Gemeinde- Autonomie; es 
wird daher auch die Aufrechthaltung der Sonderſtellung des 
Königsbodens eben dieſem gefunden Principe förderlich fein. 

Geſtatten Sie mir in dieſem Zuſammenhang auf den 
im Kreiſe von Staatsmännern wol bekannten Namen des 
Heinrich Friedrich Carl Freiherrn vom Stein hinzuweiſen und 
Ihnen eine Stelle jenes Briefes vorzutragen, dem man eine 
programmmäßige Bedeutung beimißt, und den er im Jahre 
1807, alſo ein Jahr vor ſeinem, unter dem Namen der 
„Städte-Ordnung“ bekannten großangelegten Reform-Werk 
ſchrieb. Ich habe dieſelbe auch ins Magyariſche überſetzt, ſie 
lautet alſo: „Das zubringliche Eingreifen der Staats-Be— 
hörden in Privat⸗ und Gemeinde-Angelegenheiten muß auf— 
hören, und deſſen Stelle nimmt die Thätigkeit des Bürgers 
ein, der nicht in Formen und Papier lebt, ſondern kräftig 
handelt, weil ihn feine Verhältniſſe in das wirkliche Leben 
hinrufen und zur Theilnahme an dem Gewirre der menſch— 
lichen Angelegenheiten nöthigen .. . . hat eine Nation ſich 
über deu Zuſtand der Sinnlichkeit erhoben, hat ſie ſich eine 
bedeutende Maſſe von Kenntniſſen erworben, genießt fie einen 
mäßigen Grad von Denkfreiheit, ſo richtet ſie ihre Aufmerk— 
ſamkeit auf ihre eigenen National- und Communal-Angelegen⸗ 
heiten. Räumt man ihr nun eine Theilnahme daran ein, ſo 
zeigen ſich die wolthätigſten Aeußerungen der Vaterlands— 
liebe und des Gemeingeiſtes; verweigert man ihr das Mit⸗ 
wirken, fo entſteht Mißmuth und Unwille, der entweder auf 


93 


mannigfaltige ſchädliche Art ausbricht oder durch gewaltſame, 
den Geiſt lähmende Maßregeln unterdrückt werden muß.“ 


Nachdem ich die Autonomie des Königsbodens dem 
geehrten Hauſe als eine ſolche Inſtitution dargeſtellt habe, 
welche beſtimmt iſt, ſowol die Selbſtverwaltung der Ge— 
meinde als auch die freie Bewegung des bürgerlichen Ele— 
mentes ſicherzuſtellen, mußte es mir zur Genugthuung ge— 
reichen, mich auch auf den Ausſpruch einer ſolchen Auctorität 
berufen zu können. Es gibt aber noch einen Grund, der auch 
vom Standpunkt des Staates aus die Aufrechthaltung der 
Autonomie des Königsbodens als überaus wichtig erſcheinen 
läßt. Sie gewährleiſtet den Beſtand eines wichtigen ſocialen 
Factors. Der Herr Minifterpräfivent Koloman Tißa ſagte 
zwar gegen das Ende ſeiner geſtrigen Rede: „Dann mag 
es Ihnen aber nicht ſchwer fallen, daß man Ihnen die 
Specialgewalt, welche Sie in jenem kleinen Winkel des 
Landes genoſſen haben, in deren Beſitz Sie waren, die aber 
in der That dem Recht widerſpricht .. .. aus den Händen 
entreiße.“ Daß dieſe dem Recht nicht widerſpricht, haben 
Andere bewieſen. Daß ſie dem Intereſſe des Staates nicht 
widerſpricht, ließ ich mir angelegen ſein, im Bisherigen ſchon 
zu beweiſen. Nachdem aber der Herr Miniſter jenen in 
einem kleinen Winkel des Landes befindlichen und dort eine 
Specialgewalt beſitzenden Saocialfactor mit ſolcher Ge— 
ringſchätzung erwähnte, geſtatten Sie mir noch einen 
„nüchternen ſtaatsmänniſchen Geſichtspunkt“ anzuführen. 
Jusbeſondere englifche Staatsmänner, welche dieſes geehrte 
Haus doch ſo ſehr in Ehren zu halten gewohnt iſt, betonen 
ſo ſehr häufig, daß der Parlamentarismus bloß in ſolchen 
Ländern möglich ſei, wo es in den verſchiedenen Gegenden, 
über das Land ausgebreitet ſolche ſociale Factoren gibt, 
welche vertrauenswürdig ſind und welche als die Vermittler 
und als die ſtützenden Säulen des Anſehens und der An— 
ordnungen des Parlamentes zu wirken berufen find. 


Geehrtes Haus! Die bisher unter dem Namen der 
ſächſiſchen Nation bekannte Corporation — beuennen Sie 
ſie hinfort wie es Ihnen beliebt — kurz diejenigen, die im 
Genuße dieſer autonomen Inſtitution ſtanden, waren von den 
älteſten Zeiten her bei wirklichen Staatsmännern als ein 


94 


ſolcher ſocialer Factor anerkannt. Als ſolcher wurden fie 
anerkannt ehemals von den uungariſchen Königen, die eben 
deßhalb mit ihren Verleihungen ſo freigebig auf dieſelben 
Bedacht nahmen. Als ſolcher wurden ſie anerkannt von den 
hervorragendſten, den einheimiſchen ſiebenbürgiſchen Wahl- 
fürſten. Als ſolcher wurden ſie anerkannt von den erſten 
Heerführern, welche das erhabene öſterreichiſche Kaiſerhaus 
zur Vertreibung der Türken nach Siebenbürgen entſendet 
hatte. Als ſolcher wurden ſie anerkannt auch von dieſem 
geehrten Haus — dieſer Meinung war ich wenigſtens bis— 
her — zur Zeit, als das 1868er Geſetz geſchaffen wurde, 
welches Sie freilich nunmehr ganz anders auslegen. 

Geehrtes Haus! Auch auf einen fundamentalen Ver— 
faſſungsgrundſatz muß ich mich berufen, welcher die Au- 
nahme dieſes Geſetzes gegenwärtig verbietet. Es iſt derſelbe 
Grundſatz, auf welchen mich zu berufen, ich erſt kürzlich aus 
einem andern Anlaſſe gezwungen war. Es iſt derſelbe Grund— 
ſatz, auf welchen ſich Franz Deak in feiner berühmten 196 ler 
zweiten Adreſſe beruft. Nachdem er den 12. Artikel der 
1790er Geſetze citirte, welcher beſagt: „Daß nur der Reichs— 
tag in Gemeinſchaft mit dem König berechtigt ſind die Ge— 
ſetze des Landes zu interpretiren, zu verändern oder aufzu— 
heben,“ nachdem er ferner zu jener Zeit dem Könige gegen— 
über den Grundſatz erörtert hatte, ſagt er: „Denn, wenn 
jenes Geſetz nicht beſtände, daun brauchte es ja nicht modi— 
ficirt zu werden; wenn es aber beſteht, dann muß es auch 
in Ausführung gebracht werden, bevor es modificirt oder 
aufgehoben wird.“ ; 

Geehrtes Haus! Wir find heute genau in derſelben 
Lage mit Bezug auf die ſächſiſche Univerſität. Ich ver⸗ 
weiſe bloß auf §S 11 des 1868: 43 Geſetzartikels. Dieſer 
§ beſagt nämlich: „Die ſächſiſche Nationsuniverſität wird 
bei Aufrechthaltung des Seiner Majeſtät dem Könige zu⸗ 
ſtehenden, und im Wege des verantworlichen ungariſchen 
Miniſteriums zu handhabenden Oberinſpections-Rechtes, auch 
ferner in ihrem dem 13. ſiebenbürgiſchen Geſetzartikel vom 
Jahre 1791 entſprechenden Wirkungskreiſe aufrecht erhalten; 
jedoch mit dem Unterſchied, daß in Folge der ſyſtematiſchen 
Veränderungen des Gerichtsweſens, der Univerſitätsverſamm⸗ 
lung eine gerichtliche Competenz nicht mehr zuſteht.“ 


u 
= 


| 


95 


Geehrtes Haus! Daß die Univerſität nicht nur richter— 
liche Compelenz, welche durch dieſes Geſetz aufgehoben 
wurde, ſondern daß ſie außerdem verſchiedene werthvolle 
Competenzen beſitzt, welche eben dieſes Geſetz gewährleiſtet, 
das iſt Ihnen ſeit Jahren bekannt. Ich halte jedes Beiſpiel 
für überflüſſig, und dem es noch an der Kenntniß davon 
fehlte, der mußte durch Baron G. Kemeny's heutige Rede 
belehrt worden ſein. 

Und dennoch wurde dieſer geſetzliche Wirkungskreis bis 
zur Vernichtung verkümmert. Wie war das möglich? Durch 
jenen Willküract des Grafen Julius Szapary, demzufolge 
er die in der Erfüllung ihrer Pflicht, der Berathung ob— 
liegende Nationsuniverſität ſchließen und an der Erfüllung 
ihrer Pflicht verhindern ließ. Auch dieſer Act wurde dem 
geehrten Haus bereits zur Kenntniß gebracht. Mein ſehr 
geehrter Freund Joſef Gull hatte in dieſer Angelegenheit 
den Miniſter interpellirt, der in ſeiner Antwort unſer geſetzliches 
Recht verleugnete, was leider damals auch vom geehrten 
Hauſe zur Kenntniß genommen wurde. 

Wenn ſchon das geehrte Haus durch dieſe Zurrkennt— 
nißnahme gefehlt hatte bei einem Anlaſſe, wo es ſich um 
die Faſſung eines Beſchluſſes von wenig verbindlicher Form 
handelte, ſo darf dieſer Fehler nicht geſteigert werden jetzt, 
wo die Berathungen des geehrten Hauſes auf die Schaffung 
eines Geſetzes gerichtet ſind. 

Wie ich bereits erwähnte, verbietet ebenſo ſehr das 
Geſetz als die nüchterne ſtaatsmänniſche Anwendung eines 
fundamentalen verfaſſungsmäßigen Grundſatzes, worin Franz 
Deak mit ſo glänzendem Beiſpiel vorangegangen war; beides 
verbietet gleich ſehr die Annahme der gegenwärtigen Vor— 
lage, bevor nach der Anordnung des gegenwärtig in Kraft 
ſtehenden Geſetzes die Nationsuniverſität in ihre Rechte 
nicht wieder eingeſetzt wurde. Leider hat ja auch der Re- 
gierungsnachfolger des Grafen Szapary deſſen Fehler fort- 


geſetzt, ſo daß ich mit den Worten des Dichters wol ſagen 


darf: „Das iſt der Fluch der böſen That, daß ſie fortzeugend 
Böſes gebären muß.“ 
Dennoch verlangt der Herr Miniſterpräſident, daß wir 


ſeinen Geſetzentwurf annehmen. Ja er beruft ſich in ſeiner 


96 


Begründung ſogar noch auf Pietät, die er dieſer Inſtitution 
gegenüber will angewendet haben. Geehrtes Haus! laſſen 
Sie mich auf dieſe auffallende Erſcheinung hinweiſen, wor— 
nach ein parlamentariſcher Miniſter einen Geſetzentwurf dem 
Hauſe vorlegt, mit welchem diejenigen, die er betrifft, nicht 
nur nicht zufrieden ſind, ſondern vom rechtlichen und vom 
praktiſchen Standpunkt auch nicht befriedigt ſein können und 
daß ſich der Herr Miniſter trotzdem auf ſeine Pietät beruft 
— erlauben Sie auch dieß durch ein — kurzes Beiſpiel zu 
illuſtriren. 

Es iſt nicht lange her, daß Fürſt Bagration, der 
General-Gouverneur der drei ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen, ge— 
ſtorben iſt. Faſt unmittelbar nach deſſen Tode erfolgte die 
Verfügung der ruſſiſchen Regierung, wornach der Poſten 
eines General-Gouverneurs der drei Oſtſeeprovinzen aufge— 
hoben wurde, wodurch die baltiſchen Provinzen in die Gleich— 
berechtigung mit den übrigen Provinzen des ruſſiſchen 
Reiches einbezogen und in dasſelbe verſchmolzen wurden. 

Dieſes Beiſpiel entſpricht von mehreren Geſichts— 
punkten aus dem Falle mit der ſächſiſchen Nationsuniverſität. 
Auch dort wurde die „Univerſität“ aufgehoben, das heißt 
das Vereinigungsband der drei Provinzen. Außerdem waren 
die Begründer dieſer baltiſchen Provinzen im gewiſſen Sinne 
auch die Begründer einzelner Theile des Königsbodens. Aus 
dem Burzenland, alſo aus dem Kronſtädter Diſtrict, über— 
ſiedelte er an die Geſtade des Baltiſchen Meeres, jener 
deutſche Ritterorden, welcher dazu berufen war, jene ge— 
waltigen Colonien dort zu begründen, deren nunmehr zu 
Rußland gehörigen kleineren Beſtandtheile, nachdem ſii im 
Laufe der Zeiten auch zur polniſchen und ſchwediſchen Krone 
gehört hatten, noch in der letzten Zeit, unter ruſſiſcher 
Herrſchaft der vollſtändigſten Selbſtverwaltung ſich erfreut 
hatten. Erſt unter Kaiſer Nicolaus begann die Verkümmerung 
ihrer Rechte, bis ſie kürzlich mit einem Federzug in die 
ruſſiſche Gleichberechtigung hineinfuſionirt wurden. | 

Nachdem, wie ich erwähnte, die Baltiſche „Univerſität“, 
nachdem der Poſten eines gemeinſchaftlichen General-Gouver⸗ 
neurs, und dieſe Maßregel in den Baltiſchen Provinzen 
einen ungeheueren Reſens verurſacht hatte, entſchloß ſich 


97 


Czar Alexander II. eine Deputation aus jenen Provinzen 
zu ſich zu befehlen, der gegenüber er ſich auf das Allergnädigſte 
ausſprach, indem er ſagte: daß ihr Wol ſeinem Herzen 
nicht weniger angelegen ſei, als das ‚jeiner übrigen Unter— 
thanen, und daß die Verfügung eigentlich in ihrem Intereſſe 
getroffen worden ſei. 


Geſtatten Sie mir, daß ich die von der Londoner 
„Times“ hierauf gemachten Bemerkungen, welche ich eben— 
falls ins Maghariſche überſetzt habe, Ihnen wörtlich vor— 
leſe. Sie lauten: „Czar Alexander II. wird in den Bal- 
tiſchen Provinzen ebenſo ſehr als im übrigen Rußland für 
einen ſo wohlmeinenden und gütigen Monarchen gehalten, 
daß die Herablaſſung, die er gezeigt, ſicherlich Einfluß haben 
wird auf die beſtürzten Gemüther ſeiner deutſchen Unter— 
thanen. Dennoch werden dieſelben Deutſchen nicht ermangeln 
zu bemerken, daß nur wenige Tage, nachdem der Kaiſer ſich 
ſeines Speech's entledigt hatte, den leitenden St. Petersburger 
Journalen geſtattet war, es für einen Inſult gegen Rußland 
zu erklären, wenn jeder Unterthan des Czar gleicher Weiſe 
nicht auch als Unterthan der ruſſiſchen Race betrachtet 
würde — geſtattet wurde, als das eigentliche Ziel die voll— 
ſtändige Vernichtung der deutſchen Nationalität in den Bal— 
tiſchen Provinzen darzuſtellen, demnach genau das zu be— 
haupten, was der kaiſerliche Speech in Abrede zu ſtellen 
beabſichtigt hatte. Dieſe befremdende Thatſache wird man 
gewiß als ein ſchlechtes Omen, wenn auch nicht für die 
unmittelbar bevorſtehende, jo doch für die darauf folgende 
Zukunft nehmen dürfen“. 


Geehrtes Haus! Indem ich dieſen Fall natürlich 
nur als Beiſpiel vorbrachte, maße ich mir keineswegs das 
Recht an, zu beurtheilen, ob die ruſſiſche Regierung bei 
dieſem ihrem Vorgehen recht oder unrecht handelte. So viel 
kann ich mir aber beiläufig vorſtellen, daß dieſer Fall in 
Rußland ein natürlicher iſt; denn die Verfaſſung beſteht ja 
dort in dem: „sie volo, sic jubeo“, 


Wir aber ſollten ja in einer andern Lage ſein, geehrtes 
Haus. Und erlauben Sie mir geehrte Abgeordnete, Sie 
abermals an die Worte des deutſchen Dichters zu erinnern: 


7 


98 


„Eines ſchickt fich nicht für Alle, 
Sehe Jeder, wie er's treibe 
Und wer ſteht, daß er nicht falle“. | 
Blos noch einen Geſichtspunkt habe ich noch vorzu— 
bringen. Es konnte meiner Aufmerkſamkeit nicht entgehen, 
daß einem Gerüchte nach der Herr Miniſterpräſident in 
dem Verwaltungsausſchuſſe auch ſeinen, über die neue Ge— 


bietseintheilung vorbereiteten Geſetzentwurf vorgelegt haben 


ſoll — und zwar, wie er hinzugefügt haben foll: aus dem 
Grunde, damit er den geehrten Ausſchußmitgliedern bei Be— 
urtheilung des gegenwärtig in Verhandlung befindlichen 
Geſetzentwurfes zur Orientirung diene. Ich muß geſtehen, 
daß ich es für einen gänzlich ungebräuchlichen, ja ſogar nicht 
geſetzlichen Modus halte, daß die Regierung ihren Geſetz— 
entwurf zuerſt dem Ausſchuſſe vorlegt. Ich war bisher 
der Meinung, daß die Geſetzesvorlagen im offenen Hauſe 
eingebracht wurden und das geehrte Haus dieſelben jener 
Commiſſion zuwieß, die es für geeignet hielt. Der Schritt 
hat aber noch erheblichere Folgen. Die erſte unmittelbarſte 
Folge iſt die, daß, während die Commiſſionsmitglieder einer 
Thatſache gegenüber ſtehen, der Thatſache nämlich, daß der 
Herr Miniſter ihnen ſeine leibhaftige Vorlage überreicht 
hat — ein unleugbarer Vortheil für die Mitglieder des 
Ausſchuſſes — wir von dieſem Vortheile ausgeſchloſſen ſind; 
nur vom Hören-Sagen haben wir Kunde davon. In wie 


weit die Zeitungen dieſen Geſetzentwurf richtig oder unrichtig 


mitgetheilt haben, kann ich natürlich nicht beurtheilen; mir 
iſt es aber aufgefallen, daß in dem vom „Peſter Lloyd“ 
mitgetheilten Context für den letzten Punkt, der von einem 
ſo genannten Kronſtädter Comitat handelt, eine alternative 
Faſſung vorkommt. Der „Peſter Lloyd“ nennt es eine 
Variante; bei Geſetzesvorlagen jedenfalls eine ungebräuch⸗ 
liche Form! 

Zuerſt kam das ſo genannte Kronſtädter Comitat; 
darauf folgte eine neue Alinea, nach welcher anſtatt einem 
Kronſtädter Comitat blos eine Stadt Kronſtadt erſcheint, 
dafür aber ein großes Haromßeker Comitat, zu welchem auch 
der Kronſtädter Diſtrict gehört. 


Ich bin der Meinung, geehrtes Haus, daß der Herr 


0 


Miniſter, bevor er einen Geſetzentwurf dem Haufe vorlegt, 
über einzelne Punkte desſelben verſchiedene Meinungen haben 
kann. Wenn er aber nicht durch das Medium des Hauſes, 
wie im vorliegenden Falle, einen Entwurf vorlegt, ob zwar 
mit dem Bemerken, daß er den Betreffenden zur Orientirung 
dienen ſolle, wenn unter ſolchen Umſtänden der Entwurf in 
der erwähnten Form vorgelegt wird, dann wird er nicht zur 
Orientirung, ſondern zu Mißverſtändniſſen Anlaß geben. 


Ich geſtehe daher, ich kann mir nicht vollkommen er- 
klären, was der Herr Miniſter eigentlich mit ſeinem Ent— 
wurfe gewollt hat; es müßte denn — und damit fällt es 
mir nicht bei, den Herrn Miniſter zu verdächtigen, noch 
auch behaupte ich, daß, was ich vorbringen werde, mit ſeinem 
Einfluß geſchehen iſt — es müßte denn ſich beſtätigen, was 
einzelne Perſonen erzählen, daß der ſehr geehrte Herr Mini- 
ſter nämlich in dieſem Punkte und noch in einem anderen, 
in dem Schäßburg betreffenden Punkte, auffallenderweiſe 
bereit wäre, den cherjten Geſichtspunkt außer Acht zu laſſen, 
den er für dieſe Angelegenheit ſelbſt aufg eſtellt hat: das 
ſind die zwingenden Gründe der öffenllichen Verwaltungs— 
Rückſichten. Denn einzelnen Abgeordneten zu Liebe, ſo ſagt 
man, habe er die Vorlage ſo eingerichtet. Allerdings iſt es 
wahr, daß dieſe Vorlage bisnoch gar keine verbindliche 
Form hat. Der Herr Minifter wird dieſe Vorlage, wenn 
es ihm ſo gefällt, im Hauſe vielleicht gar nicht einreichen. 

Wenn aber dieſe Vorlage, wie von anderer Seite be— 
hauptet wird, die Beſtimmung gehabt hätte, die Zukunfts- 
bürger der ſogenannten Schäßburger und Kronſtädter Comi— 
tate zu veranlaſſen, im Voraus ſchon, auf dieſes unbegründete 
Gerücht des Herrn Miniſters gegenwärtigem ernſtem Geſetz— 
entwurf volle Anerkennung entgegenzubringen, von Verwah— 
rungen dagegen abzuhalten: dann muß ich geſtehen, würde 
mir ein ſolcher Vorgang ſehr ſonderbar erſcheinen. Und, ge— 
ehrtes Haus, nach dem magyariſchen Sprüchwort: „mit 
der Trommel fängt man keine Spatzen“ — Sie haben uns 
auch nicht gefangen. Wen es trifft, der mag es auf ſich 
beziehen. | | 

Ich schließe hiemit meine länger, als ich ſelbſt vor- 
hatte, ausgedehnte Rede. Ich acceptire den Beſchluß-Antrag 

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meines geehrten Mitabgeorbneten Guſtav Kapp. (Zuſtimmung 
von den Bänken der Sachſen.) 


Ignaz Helfy (vormals Heller; äußerſte Linke): 

Ich greife die Vorlagen der Regierung ſo häufig an, 
daß es meine Pflicht iſt, dann zu ſprechen, wenn ich zuweilen 
in die glückliche Lage komme, daß meine Ueberzeugung ſich 
mit den in der Vorlage ausgedrückten Principien begegnet. 
(Hört!) Ich halte es nicht für einen loyalen Vorgang, das 
Schlechte immer zu tadeln und nicht auch das Gute zu loben! 
(Beifall. Hört!) Ich bin daher ſo frei, zuerſt deßwegen das 
Wort zu ergreifen, um meine Abſtimmung kurz zu motiviren. 
Andererſeits beſtimmt mich zum Sprechen auch das, was 
geſtern und heute von jener Seite, von den Gegnern des 
Geſetzentwurfes in ſolcher Art vorgebracht wurde, daß es von 
keiner Partei mit Stillſchweigen übergangen werden darf 
(Beifall.) 

Ich nehme den in Verhandlung ſtehenden Geſetzentwurf 
als Grundlage der Specialdebatte an, und zwar aus zwei 
Gründen: erſtens deshalb, weil ich in demſelben nichts an— 
deres ſehe, als die Vollſtreckung deſſen, was das 1848er 
Geſetz vorgeſchrieben hat, oder den Vollzug einer aus der 
Union naturgemäß folgenden Verfügung. Ich nehme ihn 
zweitens deshalb an, weil die Regierung hier nichts anderes 
thut, als daß ſie von Wort zu Wort das vollſtreckt, was die 
neueſten Geſetze ihr anbefohlen, — und nur mit dem kurzen 
Nachweis deſſen werde ich auf die wenigen Argumente ant- 
worten, welche von jener Seite vorgebracht wurden. 

Die geehrten Herren Abgeordneten von jener Seite 
berufen ſich zumeiſt auf den §. 10 des XLIII. G.⸗A. von 
1868 und behaupten, daß dieſes Geſetz durch den Entwurf 
verletzt werde. Darauf hat ihnen der ſehr geehrte Herr Mi— 
niſterpräſident in ſeiner ausgezeichneten Rede ſchon geant— 
wortet, daß man kein Geſetz durch ein Geſetz verletzen könne. 
Aber die Sache ſteht auch nicht ſo, wie die Herren Abge— 
ordneten uns glauben machen wollen. Der §. 10 ordnet die 
Anhörung der Betreffenden an. Das iſt geſchehen. Die 
Vorgänger des Herrn Miniſters des Innern haben die 
ſächſiſche Univerſität zur Aeußerung aufgefordert, und dieſe 
hat ihre Aeußerung auch überreicht. Das Geſetz ordnet 


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ferner an: der Reichstag ſolle ſich bemühen, die Rechte des 
ſogenannten Königsbodens auf Grund der beſtehenden Geſetze 
und Verträge mit den Rechten der übrigen Bewohner aus— 
zugleichen. Auch dies geſchieht Wort für Wort — Wort 
für Wort auf Grund der Verträge, denn ich glaube auch 
Ihre Staatsweisheit wird es anerkennen, daß wenn von Ver— 
trägen die Rede iſt, immer nur der letzte Geſetzeskraft beſitzt, 
was aber bier die Kraft eines geſetzmäßigen Vertrages beſitzt, 
das iſt die im Jahre 1848 zu Stande gekommene Union. 
Auf Grund dieſes Vertrages wird der Geſetzentwurf einge— 
reicht und er wird gerade, wie das Geſetz es verlangt, zu 
dem Zwecke eingereicht, damit den Erforderniſſen der Rechts— 
gleichheit Genüge geſchehe. Auch hier iſt die Regierung im 
Sinne des Geſetzes vorgegangen, ja man hätte fie zur Ver— 
antwortung ziehen können, wenn ſie anders vorgegangen wäre. 
Aber die Regierung hat endlich — und ich geſtehe hier, 
daß ſie ihre Scrupuloſität vielleicht zu weit getrieben, indem 
fie mit dieſem Geſetzeutwurf nicht zugleich auch jenen Geſetz⸗— 
entwurf eingereicht hat, den ſie in Bezug auf die Arrondirung 
der Territorien einzureichen beabſichtigt. In dieſer Hinſicht 
hat der Abgeordnete Herr Bujanovics vollkommen Recht, 
daß das entgegengeſetzte Verfahren beſſer geweſen wäre, weil 
dem Wort ſogleich auch die Action gefolgt wäre. Und warum 
hat die Regierung das nicht gethan? Offenbar deshalb, damit 
fie Ihnen gegenüber ſelbſt das letzte Wort des Geſetzes reſpec— 
tire, da auch in dem §. 88 des G.-A. XLII. von 1870 
ausgeſprochen iſt, daß darüber ein beſonderes Geſetz verfügen 
werde. Die Regierung hat daher für dieſen Fall ein beſon— 
deres Geſetz gebracht, damit dadurch jenes Hinderniß beſeitigt 
werde und die Territorialeintheilung durchgeführt werden 
könne. Ich glaube daher, daß in dieſer Hinſicht Niemand 
wird ehrlich und aufrichtig behaupten können, daß die Re— 
gierung — ſelbſt wenn es überhaupt zuläſſig wäre, vor der 
Legislative von einer Geſetzesverletzung im Geſetzgeb ungs— 
wege zu ſprechen — im vorliegenden Falle nicht möglichſt 
genau im Sinne des Geſetzes vorgegangen ſei. 
| Aber, geehrte Herren, ich zweifle ja auch gar nicht 
daran, daß die Herren Abgeordneten, welche vor mir ges 
ſprochen haben, alles das ſehr gut wiſſen, und daß ſie davon 


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ebenſo gut überzeugt find, wie ich ſelbſt, und eben deshalb 
wundere ich mich auch gar nicht über jene leidenſchaftlich 
ſcheinenden Ausdrücke, welche die Herren Abgeordneten geſtern 
gebraucht haben. Ich gebe mich über die wahre Natur der— 
ſelben keiner Täuſchung hin. Sie hatten keine Argumente, 
Ihnen ſtanden keine Ideen zu Gebote, mit welchen dagegen 
gekämpft werden könnte, und darum nahmen Sie zur Leiden— 
ſchaft die Zuflucht, denn Sie haben Noth, die Sache ſo dar— 
zuſtellen, als ob der Geſetzentwurf eine außerordentlich große 
Indignation in Ihnen hervorgerufen hätte (Beifall, Heiter⸗ 
keit.) Die Rolle, die Sie ſpielen, fordert von Ihnen dieſe 
Indignation (Wahr! So iſt es! Heiterkeit.) 


Mir iſt geſtern, als der Abgeordnete Herr Baußnern 
jene außerordentlichen Cultur-Ausdrücke gebrauchte (Heiter⸗ 
keit), ein Fall aus jener Zeit in den Sinn gekommen, wo 
ich in einer ausländiſchen Stadt lebte und öfter einem Mohren 
begegnete, der ſtets ſehr nett und luxuriös gekleidet war. 
Ich konnte nicht erfahren, woher dieſer Menſch ſo bequem 
leben und den großen Aufwand treiben konnte. Ich machte 
einmal ſeine Bekanntſchaft und fragte ihn, wovon er lebe. 
„Herr, ich lebe von meiner Schwärze. Wenn ich ein Weißer 
wäre, ſo hätte ich längſt zu Grunde gehen müſſen, aber 
weil ich in dieſer großen Stadt der einzige Schwarze bin, 
will mich jeder ſehen und ladet mich zu Gaſt, und ſo lebe 
ich rein nur von meiner Schwärze“. (Heiterkeit.) 


Mancher der geehrten Abgeordneten fühlt es, daß er 
als einfacher ungariſcher Abgeordneter hier vielleicht nicht 
auffallen könnte und unter den Vielen verſchwinden würde, 
darum ſagt er: ich lege mir die Eigenſchaft eines ſächſiſchen 
Abgeordneten bei und bin ein ausgezeichneter Mann (Heiter⸗ 
keit), von mir wird das „Tageblatt“ und auch die „Augs— 
burger Allgemeine“ ſprechen, und ſo werde auch ich eine 
Rolle haben. (Beifall.) Solange die Herren nur ihre eigene 
Eitelkeit zu befriedigen trachten, habe ich nichts damit zu 
ſchaffen, aber es iſt unmöglich auf ſolche Dinge zu ſchweigen 
wie ſie geſtern die Herren Abgeordneten Baußuern und Zah) 
ausgeſprochen haben. Vielleicht achtzehumal hat Herr 
Baufuern das Ehrenwort erwähnt und er ſprach nicht nur 
von der Regierung, nicht nur von Einzelnen, ſondern von 


103 


der ganzen magyariſchen Nation und behauptete, daß fie ihr 
Ehrenwort gebrochen habe. Ich habe zwar nie gehört, daß 
jemand deshalb verklagt worden wäre, weil er ſich ſelbſt 
ſein Ehrenwort nicht gehalten habe; ich verſtehe es, wenn 
von einer Nation gegenüber einer andern Nation die Rede 
iſt, aber daß eine Nation deshalb, weil ſie heute etwas für 
ſich ſelbſt für gut hält, und morgen dasſelbe abändert, des 
Bruches des Ehrenwortes beſchuldigt werden könne, das habe 
ich nie gehört. Aber die Herren Baußnern und Zay haben 
die Schwäche ihrer Argumente wol gefühlt, und haben des— 
halb nicht als Bürger dieſes Vaterlandes geſprochen, ſondern 
ſich ſo hingeſtellt, als wenn hier auf der einen Seite die 
Nation Baußnern und Zay ſtünde, (langandauernde, lebhafte 
Heiterkeit), und Herr Zay hat insbeſondere die Frage ge— 
ſtellt, wie könne ein anderes Volk, wenn wir jetzt ihren 
Wünſchen nicht Genüge thun, Ungarn Vertrauen ſchenken, 
um mit ihm Verträge abzuſchließen. Hier ſind ſie, die Herren 
Baußnern und Zay, welche mit uns keine Verträge ſchließen 
wollen, weil ſie uns nicht Vertrauen ſchenken. 


Noch einen ſolchen Ausdruck hat Herr Baußnern ge— 
braucht; er ſagte: „nichtswürdiges Volk.“ Ich ſage nicht 
und glaube es auch nicht, daß jemals ein nichtswürdiges 
Volk auf der Welt geweſen ſei oder noch ſei, aber ich be— 
merke, daß man das grade von der Race, zu welcher die 
Herren Abgeordneten gehören, auf Grund hiſtoriſcher Daten 
vielleicht behaupten könnte, — wenn ich ſelbſt es auch nicht 
ſage, weil ich kein Volk für nichtswürdig halte —, denn der 
hoffentlich auch von Ihnen als ſolcher reſpectirte Culturſtaat 
hat es, bevor er ſich zur höchſten Stufe der Cultur erhob, 
für nothwendig erachtet, das Land Sachſen von der Karte! 
von Europa verſchwinden zu machen, damit der Culturſtaat 
zu Stande komme und doch iſt es Niemanden eingefallen 
zu behaupten, daß die große ſächſiſche Nation — nicht die, 
von der Sie träumen — nichtswürdig ſei. Das darf man 
von keiner Nation ſagen, wol aber hat es zu jeder Zeit 
ſolche Menſchen gegeben, und auch in der Gegenwart kennen 
wir ſolche, welche charucterlos, undankbar oder ohne allen 
Grund Agitatoren ſind, die anſtatt ihren Mitmenſchen Gutes 
zu thun, denſelben Schlechtes thun, und von Solchen pflegt 


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der Magyare zu jagen, daß fie eine nichtsnutzige Nation 
(näcziö) ſeien. (Große Heiterkeit.) 

Die Herren Abgeordneten haben nicht nur bei dieſer 
Gelegenheit geſagt, ſondern ſie rücken uns es gleichſam auf 
jeden Schritt und Tritt vor, daß ſie von der göttlichen Vor— 
ſehung ſelbſt in den Oſten des Landes geſtellt worden ſeien, 
damit ſie uns gegenüber ihre Culturmiſſion erfüllen. Das 
haben die Herren Abgeordneten wiederholt betont und auch 
heute hat Herr Trauſchenfels dasſelbe gethan. Damit Sie 
mit dieſer Sache in's Reine kommen, will ich anerkennen, 
daß es auch unter Ihnen, namentlich unter ihren in Sieben⸗ 
bürgen daheim befindlichen Mitbürgern ſehr ausgezeichnete 
und gebildete Leute gibt; wenn wir aber die Sachſen als 
Maſſe, als Race nehmen, ſo ſehe ich wahrhaftig nicht, wo 
jene Culturmiſſion ſteckt, die Sie in Ungarn erfüllen. Sie 
ſagen, in der Vergangenheit; aber die Herren Abgeordneten 
gehen ſehr leichtfertig mit der Geſchichte um. Auch der 
Abgeordnete Herr Baußnern behauptet, daß Sie die Cultur 
in Siebenbürgen 150 Jahre hindurch aufrecht erhalten haben, 
ſonſt wäre das Land heute eine Wüſte. Ich geſtehe, daß 
ich auch die Geſchichte Siebenbürgens durchblättert habe, das 
aber habe ich nirgends gefunden, und dies iſt vielleicht das 
erſte Blatt der Geſchichte des Herrn Abgeordneten Baußnern; 
aber auch damit nicht zufrieden, geht er zurück bis zur Schlacht 
bei Mohacs und beginnt die Geſchichte damit zu fälſchen, 
daß er dem Zapolya das Verbrechen des Verrathes auf— 
bürdet, und doch hat derſelbe kein anderes Verbrechen be— 
gangen, als daß er ein Magyare war. Aber was verſtehen 
Sie eigentlich unter dieſer Culturmiſſion? Ich bin z. B. aus 
Siebenbürgen gebürtig, dort habe ich meine Jugend verlebt, 
aber ich kenne keine Literatur des Königsbodens, ich kenne 
keine Künſtler vom Königsboden; wo iſt alſo dieſe Cultur— 
miſſion? Oder verſtehen ſie die Sache vielleicht im con— 
feſſionellen Sinn, daß Sie die Ideen der Reformation ver⸗ 
breitet haben? Hierin ſtehen ſie nicht allein, denn es hat 
auch Magyaren gegeben, welche dieſelbe Bahn gewandelt 
ſind, mit dem Unterſchied, daß dieſe auch der magyariſchen 
Nationalität genützt, die magyariſche Literatur gefördert 
haben; Sie haben gar nichts gefördert, denn Sie haben in 


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gar engem Kreiſe gelebt, Sie haben, was fie gedacht und 
geſchrieben, in einem Dialeet geſchrieben, den Niemand 
verſteht. Und da Sie dies hier vorgebracht haben, ſei es 
mir geſtattet zu bemerken, daß man, um eine Culturmiſſion 
zu erfüllen, vor Allem eines Verkehrsmittels bedarf, und 
dieſes iſt die Sprache. Sie aber, ich bitte mich zu ent» 
ſchuldigen, denn ich conſtatire nur eine Thatſache, Sie 
haben gar keine Sprache. (Heiterkeit). Ich will das 
gleich mit einem Beiſpiel erläutern. (Hören wir). Wir 
wohnten, als ich ein Kind war, in Dees, einer kleinen un— 
gariſchen Stadt in Siebenbürgen; da tritt einmal ein jehı 
tüchtiger ſächſiſcher Bürger gerade in dem Augenblick bei 
uns ein, als mein Lehrer bei uns im Zimmer war und mir 
die deutſche Sprache vortrug. Später ſagte der ſächſiſche 
Bürger zu meinem Vater: „ich ſehe, Sie wollen Ihren Sohn 
deutſch lernen laſſen, auch ich habe einen Sohn gleichen 
Alters, tauſchen wir; ich ſchicke meinen Sohn her, damit er 
hier magyariſch lerne, und Sie ſchicken den Ihrigen zu mir, 
dort wird er bald deutſch lernen.“ Ich erinnere mich ſehr 
genau, was mein Vater darauf antwortete. „Was Ihren 
Sohn anbelangt, ſo werde ich ihn gerne in meinem Hauſe 
aufnehmen, ich verſichere Sie, Ihr Sohn wird im Kreiſe 
meiner Familie magyariſch lernen. Aber Sie müſſen mich 
ſchon entſchuldigen: meinen Sohn ſchicke ich nicht nach 
Hermannſtadt, denn dort vergißt er das Bischen Deutſch, 
was er gelernt hat.“ (Heiterkeit). Sie haben keine Schrift— 
ſprache. Wie es ohne Sprache möglich ſei die Cultur auf 
Andere zu übertragen, das verſtehe ich nicht. 


Aber geſetzt, Sie hätten eine Culturmiſſion, wie wären 
Sie dann, ich bitte ſehr, in der Erfüllung derſelben durch 
dieſen Geſetzentwurf gehindert. Da ſteht doch der § 4 des— 
ſelben, welcher klärlich darthut, daß Ihre Univerſität für 
Bildungszwecke erhalten bleibt, grade ſo wie bisher. Aber 
Sie haben immer von den SS 1 und 2 geſprochen, und doch 
bin ich davon überzeugt, was Sie am meiſten ſchmerzt, iſt 
der § 4, welcher ausſpricht, daß dieſe Univerſität künftig nur 
Bildungszwecken dienen wird. (Beifall). Dieſes ſchmerzt 
Sie, und es ſchmerzt Sie ferner der 8 6, in welchem aus— 
geſprochen iſt, daß jenes Eigenthum zu Gunſten der ge— 


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ſammten Bewohner ohne Rückſicht auf Sprach- und Reli⸗ 
gionsverſchiedenheit zu verwenden ſei. Das iſt es, was Sie 
ſchmerzt, und nicht das übrige. (Beifall). Geehrtes Haus! 
ich halte, wie ich im Eingang meiner Rede erwähnte, die 
ganze Sache nicht für ſo ſehr wichtig, daß ſie vieler Worte 
werth wäre, und ich gebe meiner Ueberzeugung Ausdruck, 
daß ſelbſt die Herren Abgeordneten ſie nicht ſo ernſt nehmen, 
als ſie glauben machen wollen, denn ſie reden ja nach Hauſe. 


Die geehrten Herren Abgeordneten haben auch zwei 
oder drei magyariſche Dichter citirt; ich dagegen citire einen 
deutſchen, zwar nicht einen Dichter, wol aber einen nicht 
weniger ausgezeichneten Proſaiker: Börne. Börne erzählt, 
wenn ich nicht irre, in ſeinen Pariſer Briefen, es ſei in 
Paris ein Trödler mitten im Winter zu ihm gekommen und 
habe gefragt, ob er nicht alte Sachen habe, worauf er, die 
Frage bejahend, ſeine alten Sachen zuſammengeſucht und ihm 
übergeben habe. Inzwiſchen ſei ſeine Freundin eingetreten, 
die er mit folgenden Worten angeredet: „Stell' dir nur vor, 
ich hätte es gar nicht geglaubt, daß ich für dieſe vielen ab— 
getragenen Sachen, einen ſo guten Winterrock bekommen 
könne, der mich vor jedem Sturm ſchützen wird.“ Als der 
Trödler fortgegangen war, ſagte Börne: Ich bin auf die 
Knie gefallen und habe folgendermaßen gebetet: „Lieber 
Herrgott, mache auch Du mit mir ein Geſchäft. Nimm 
Dir mein Schaumburg, Lichtenſtein, Sachſen, Meiningen und 
all die Länder wie ſie heißen und gib mir dafür blos Ein 
Vaterland.“ 

Wenn es wahr iſt, daß wir, geehrte Herren Abge— 
ordnete, Ihnen etwas wegnehmen, ſo nehmen wir Ihnen den 
mittelalterlichen Plunder, aber wir geben Ihuen dafür ein 
großes Vaterland. (Lebhafte Zuſtimmung und Beifall). 

Streben Sie mit uns gemeinſam, damit das Vater⸗ 
land wahrhaft groß und ſtark ſei, und dann werden Sie 
insgeſammt glücklich ſein. (Allſeitige lebhafte Zuſtimmung 
und Eljenrufe). 

Blaſius Orban (äuferfte Linke): 
Geehrtes Haus! Ich lege großes Gewicht auf das 


brüderliche Einverſtändniß der in unſerm Vaterlande bisher 
mitſammenlebenden und hierauf auch angewieſenen Nationali⸗ 


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täten, denn in der Eintracht liegt eine große Kraft; unſere 
Nation aber kann ihren weltgeſchichtlichen Beruf hier in der 
Grenzfeſte der Civiliſation wie bisher ſo auch fernerhin nur 
mit großem Kraftaufwand erfüllen. Ich bin daher bereit, 
jederzeit die gerechten und billigen Auſprüche der mit uns 
Lebenden und zu gemeinſamer Wirkſamkeit Berufenen ſelbſt 
mit Opfern zu befriedigen. Von dieſem Geſichtspunct aus 
beurtheile ich den gegenwärtigen Geſetzesentwurf; bevor ich 
jedoch meinen Standpunct ihm gegenüber markire, halte ich 
es für nöthig, noch einiges vorauszuſchicken. 

Ich will mich hier nicht in eine hiſtoriſche Erörterung 
über Urſprung und Beſtimmung des ſächſiſchen National- 
und des Siebenrichtervermögens einlaſſen, da der Geſetzes— 
entwurf die Beſtimmung des Eigenthumsrechtes unberührt 
läßt. Doch muß ich gegenüber dem hier Aufgeführten noch 
erwähnen, daß daſſelbe jederzeit zur Deckung der Juſtiz- und 
Verwaltungskoſten auf dem Königsboden verwendet wurde, 
und daß, ſo oft der Staat die Auslagen beſtritt, der Fond 
jedesmal unter ſtaatliche Verwaltung kam, wie dies auch 
während der Herrſchaft Kaiſer Joſefs II. geſchah. Auch die 
neuern richterlichen Urtheile haben ſolchen Rechtsanſchauungen 
Raum gegeben. Wenn daher der ungariſche Staat mit Bei— 
ſeitelaſſung der ihm diesbezüglich zuſtehenden Rechtsanſprüche 
geſtattet, daß dieſer Fond zu öffentlichen Bildungszwecken 
der Bewohner des Königsbodens verwendet werde, verdient 
er keinen Tadel, ſondern hat eine ſehr ritterliche und groß— 
müthige That gethan und ſetzt ſeinen früheren Wolthaten 
damit die Krone auf dadurch, daß er, um die in früheren 
Zeiten gewährten Begünſtigungen hier zu übergehen, ſeit 
1849 die ſächſiſche Bevölkerung des Königsbodens mit 13 
Millionen Gulden beſchenkte. 

Denn außer dem jetzigen, 2 Millionen Gulden über— 
ſteigenden Fonde haben fie im Jahre 1849 1½ Millionen 
als Darlehen vom Staate erhalten, welche Summe ihnen 
ſpäter geſchenkt wurde. An Urbarialentſchädigung und unter 
dem Titel der Inſcription für das Fogaraſcher Dominium 
erhielten ſie 6 Millionen, obwol der Ungar und Szekler 
auch heute noch ſeine Geiſtlichen ſelbſt zahlt, während die 
ſächſiſchen Pfarrer aus den Zinſen der Zehutentſchädigung 
reichlich dotirt ſind. | 


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Dies erwähne ich hier nicht als Vorwurf, ſondern blos 
um das geehrte Haus zu orientiren und ihm klar zu machen, 
daß die ſächſiſchen Brüder gegenüber dem Vaterlande, welches 
gegen ſie jederzeit ſo großmüthig war, doch billig mehr 
Neigung und Liebe bezeugen müßten, als bisher. 

Dieſer Geſetzeseutwurf beſtimmt, daß das ſächſiſche 
Nationalvermögen zu dem edelſten Zwecke, zur Förderung 
der allgemeinen Bildung verwendet werden ſolle mit Aus— 
dehuung auf alle Bewohner des Königsbodens ohne Unter— 
ſchied der Nationalität und Coufeſſion und dies mit Recht, 
da die nichtſächſiſchen Bewohner des Königsbodeus bisher 
von jedem Rechte und jeder Begünſtigung ausgeſchloſſen 
waren; ich meinerſeits aber glaube, daß für die diesbezüg— 
liche Controle nicht die nöthige Sorge getragen wird, deren 
Nothwendigkeit gar ſehr obwaltet, da das Vermögen in der 
langen Reihe von Jahrhunderten immer zweckwidrig ver— 
wendet wurde. So oft der Patriotismus unſerer ſächſiſchen 
Brüder in Zwieſpalt kam, ſo oft vergaßen ſie, daß ſie 
Bürger des ungariſchen Vaterlaudes ſeien, — was leider 
oft geſchah — ſo oft wurde dies Vermögen zur Organiſirung 
einer Kriegsmacht gegen das Vaterland verwendet. So geſchah 
es im Jahre 1848 und auch in früheren Zeiten, zu Frie— 
denszeiten aber wurde es mehr als einmal von hochſtrebenden 
oder eigennützigen Männern verſchwendet, wie dies aus den 
Reſcripten der Maria Thereſia und der Kaiſer Joſef und 
Franz, ſowie aus den Acten der entſendeten Unterſuchungs— 
Commiſſionen hervorgeht. 

Geehrtes Haus! Wir wiſſen nicht, was die Zukunft 
verbirgt, es können noch gefahrvolle Tage für unſer Vater— 
land kommen, wo die Treue ſeiner Bürger auf die Probe 
geſtellt fein wird; diejenigen, deren Hand ſich gegen fie felber 
wendet, können auch ſpäterhin egoiſtiſch ſein, daher möchte 
ich allen Eventualitäten gegenüber ſo das Vaterland als die 
öffentlichen Bildungsintereſſen aller Bewohner des Königs— 
bodens geſichert wiſſen und deshalb hielte ich es für nöthig, 
in dieſem Geſetze das Coutrolrecht des Staates und deſſen 
Pflicht hiezu umſomehr ausdrücklich zu normiren, weil, wie 
dies bisher geſchah, wahrſcheinlich auch fernerhin die nicht— 
ſächſiſchen Bewohner des Königsbodens in der Nationsuni— 


109 


verfität nur durch ein paar Männer vertreten fein werden, 
weshalb es gut wäre, die Beſtimmung in das Geſetz aufzu— 
nehmen, daß das Vermögen, ſobald es ſeiner Beſtimmung 
entfremdet würde, ſofort in den Beſitz des Staates überzu— 
gehen hat. 

Uebrigens erblicke ich im Geſetzentwurf den erſten 
Schritt dazu, den Ausnahmszuſtand des Königsbodens auf— 
zuheben, die dortigen Anomalien, die hunderttauſende unſeres 
Volkes aus den Ringwällen der Verfaſſung ausſchließen, weg— 
fallen zu machen, die großen Principien der Rechtsgleichheit 
und Freiheit zu verwirklichen, mit einem Wort auch den Kö— 
nigsboden in den Kreis unſerer Verfaſſung eintreten zu 
laſſen. Deßwegen heiße ich den Geſetzesentwurf willkommen 
und nehme ihn in ſeiner Totalität als Baſis zur Special— 
debatte an. 


Nach dieſer Erklärung will ich nur noch, mit der gnä— 
digen Erlaubniß des Hauſes auf das in Kürze reflectiren, 
was die Redner der geſtrigen und heutigen Debatte erwähnt 
haben. 


Der Ueberreicher des Beſchlußantrages Herr G. Kapp, 
und nach ihm noch mancher Andere hat von Verträgen ge— 
ſprochen, welche zwiſchen dem ungariſchen Staate und der 
ſächſiſchen Nation zu Stande gekommen ſeien und beſtanden 
haben ſollen. Ein ſolcher Vertrag aber hat niemals beſtanden; 
vielmehr hatten die Sachſen von den Königen und Fürſten 
Privilegien erhalten, wie ſie auch die übrigen Volksſtämme 
Siebenbürgens hatten. So ſprechen unſere Geſetze vom 
Szeklerland; auch die Szekler haben Landtag gehalten auf 
dem Agyagfalver Felde; zahlreiche von unſeren Geſetzen 
ſichern die Steuerfreiheit der Szekler. Nicht wahr, Sie ſelbſt 
würden es für lächerlich erklären, wenn wir die Rolle eines 
beſonderen Landes ſpielen wollten? Wenn Sie aber ein 
Recht auf ein geſondertes politiſches Territorium zu haben 
glauben, ſo könnten auch wir auf gleicher Rechtsbaſis daſſelbe 
fordern, eine ſolche Zerſtückelung aber würde den unter den 
2 Millionen Bewohnern Siebenbürgens nach jeder Richtung 
hin zerſtreuten 200,000 Sachſen wol kaum zum Heile ge— 
reichen. 

Ueberhaupt ſprechen die auf der Rechten ſitzenden 


110 


Herren Abgeordneten des Königsbodens, die bisher geſprochen 
haben, immer von der maghyariſchen und der ſächſiſchen Na⸗ 
tion und ſtellen dieſe einander gegenüber als zwei gleichbe— 
rechtigte, mit einander in Vertragsverhältniſſen ſtehende, 
ſelbſtſtändige Nationen — und doch ſollten die Herren Ab— 
geordneten wiſſen, daß man 130,000 Menſchen doch nie als 
Nation zu betrachten pflegt. Sie aber ſind blos ſo ſtark 
und nicht ſtärker auf dem Königsboden, da man Ihre Anzahl 
nur ſo auf 156,000 ſchätzen konnte, daß man 30,000 Luthe⸗ 
raner immer zu ihnen zählte. Dieſe aber wollen durchaus 
nicht Sachſen werden, weil man ſo mit ihnen umgegangen 
iſt, daß ſie lieber Eskimos als Sachſen werden wollen. — 
Herr Guido Baußnern verknüpft die territoriale Einheit der 
Sachſen mit der politiſchen; glauben Sie mir aber, wenn 
wir heute die beſondere Staatlichkeit des Königsbodens decre— 
tiren würden, ſo würden wir hiemit die Nullificirung der 
Sachſen ausgeſprochen haben, weil Sie dort in ſo augen— 
fälliger Minorität ſind, und Ihre Mitbewohner des Landes 
ſo ſehr gegen ſich erzürnt haben, daß dort in kurzer Zeit 
nicht das Sachſenland, ſondern etwas ganz anderes fein 
würde; wir aber lieben Sie, was ſie auch immer gegen uns 
agitiren mögen, viel zu ſehr, als daß wir dies zulaſſen. 

Herr Abgeordneter Zay hat zum Schluſſe ſeiner Rede 
in Zweifel gezogen, daß Ungarn ohne Unterſtützung der Nicht- 
magyaren und insbeſondere der Sachſen beſtehen könne. Nun 
wenn dies ſo wäre, dann beſtände Ungarn ſchon lange nicht 
mehr; denn unſere ſächſiſchen Brüder haben uns leider ſehr 
ſelten unterſtützt und pflegten gerade in den gefährlichſten 
Stunden unſeres Vaterlandes im Lager des Feindes zu ſein; 
doch deßwegen beſteht Ungarn auch heute noch, und wenn 
die Sachſen heute noch leben auf dieſer Welt, ſo haben ſie 
dies unſerer Verſöhnlichkeit und unſerem Schutze zu ver⸗ 
danken. 

Sie beweiſen es am beſten, daß die verwöhnteſten 
Kinder immer die anſpruchsvollſten und empfindlichſten zu 
ſein pflegen. Sie waren immer die verwöhnten, am meiſten 
gehätſchelten Kinder des Vaterlandes; wir haben Ihnen mehr 
Rechte und beſſeres Erdreich gegeben, als wir es ſelbſt be⸗ 
ſitzen, und jetzt, wo die Mutter bei der Erbtheilung unter 


111 


ihren Kindern jedem unparteiiſche Gerechtigkeit angedeihen 
laffen will, murren Sie, wie es die Verwöhnten zu thun 
pflegen. Doch was Sie ſich auch immer beſchweren mögen, 
das können wir nicht weiter dulden, daß Sie zum Spott auf 
die in unſerm Geſetze inaugurirte Rechtsgleichheit 25,000 auf 
Ihrem Gebiet wohnende gleichberechtigte Staatsbürger von 
dem Genuffe jedes Bürger- und Menſchenrechtes ausſchließen. 
Sie berufen ſich auf alte Geſetze, alte Verſprechungen. Meine 
Herren, wenn wir aus der Geſchichte jene leider ſehr zahl- 
reichen Fälle hervorſuchen wollten, wo die Sachſen uns Treue 
geſchworen und dennoch gegen uns gekämpft haben, jo würden 
Sie wahrlich nicht als große Wolthäter erſcheinen; abgeſehen 
hievon aber pflegte jedes Volk jederzeit die alten und veral— 
teten, vom Zeitgeiſt überflügelten Geſetze und Inſtitutionen 
abzuändern. Haben doch im 8. Art. von 1741 die unga— 
riſchen Reichsſtände ausgeſprochen, wenn Jemand von der 
Beſteuerung des Adels auch nur ein Wort ſprechen würde, 
ſolle er für einen Hochverräther erklärt werden; und doch haben 
ſie ſich ſelbſt freiwillig der Staatsſteuer unterworfen, weil 
ſie das mahnende Wort des Zeitgeiſtes aufzufaſſen, weil ſie 
mit ſeinen Ideen zu transigiren wußten. — Thun Sie dies 
auch, ſächſiſche Brüder, entſagen Sie ihren eingebildeten Vor— 
rechten, die das auch von Ihnen acceptirte 1848er Unions— 
geſetz ohnehin aufgehoben hat! Herr Trauſchenfels hat ge— 
rathen, auf das Gebiet des „quid consilii“ zu gehen; nun 
ich meine, daß das quid consilii für Sie bedeuten würde, 
daß Sie ſich beſtreben ſollten, nicht zu zerreißen, ſondern zu 
verewigen jenes jahrhundertjährige Band, welches uns als 
Brüder verbindet. Denn was einige von Ihnen fortjegen, 
iſt eine ſolche Siſyphusarbeit, welche Ihnen kein Heil, 
ſondern nur Schaden bringen kann. — 

Ich nehme den Geſetzesentwurf als Baſis zur Special⸗ 
debatte an. 


Miniſterpräſident Koloman Tißa: 
Geehrtes Haus! Zu allererſt will ich das berichtigen, 
was der Herr Abgeordnete Trauſchenfels betreffs meiner 
geſtrigen Rede falſch citrt hat, wahrſcheinlich deßhalb, weil 
er vergeſſen hat, daß es in dem 43. Geſetzartikel von 1868 
nicht blos einen §. 10, ſondern auch einen §. 1 gibt. Ich 


112 


habe mich zwar nicht auf den §. 10, ſondern auf den 
43. Geſetzartikel berufen; deßhalb nun, weil das, was ich 
citirt, nicht im §. 10 ſteht, ſagte er, daß es nicht im 
43. Geſetzartikel von 1868 ſtehe. 

Ich — ſo behaupte ich — kann dies nur dem Um— 
ſtande zuſchreiben, daß er vergaß, daß dieſer Geſetzartikel 
auch einen andern §. hat, als den §. 10; denn in dem §. 1 
ſteht es ausdrücklich, daß: „nachdem ſchon durch den erſten 
Klauſenburger Geſetzartikel von 1848 jeder Bewohner Sieben— 
bürgens ohne Unterſchied der Nationalität, Sprache und 
Religion für gleichberechtigt erklärt und alle hiemit im 
Widerſpruche ſtehenden Geſetze Siebenbürgens aufgehoben 
worden: hören die nach den bisherigen politiſchen Nationen 
beſtandenen Territorialeintheilungen, Benennungen und die 
damit verbundenen Vorrechte und Privilegien, inſoweit ſie 
einer Nationalität mit Ausſchluß einer andern zugekommen 
wären, auf.“ 

Es ſteht alſo im Geſetzartikel 43: 1868, daß die 
nationalen Territorien aufhören, wie ich es eitirt habe. 

Nachdem ich dies geſagt, habe ich noch eine Bitte an 
das geehrte Haus, welche ſich auf die weiteren Agenden be— 
zieht. Ich meine, daß es für das Haus und die Geſetzgebung 
nothwendig ſei, wenn gleich nicht viele, ſo doch noch ein 
paar wichtige . zu erledigen, bevor die üblichen 

Oſterferien beginnen. Ich bitte daher das geehrte Haus, 
im Hinblick auf die heute und geſtern gemachten Erfahrungen 
den geehrten Präſidenten des Hauſes zu bevollmächtigen, daß 
er, falls er es von dieſen Geſichtspunkten aus für nothwendig 
erachtet, morgen auch eine zweite Sitzung abhalten laſſe, die 
Nachmittags 4 Uhr zu beginnen hätte. (Zuſtimmung.) 


Dritter Sitzungskag am 24. März. 


Präſident: Auf der Tagesordnung ſteht die Fort⸗ 
ſetzung der Debatte über den Geſetzentwurf betreffs des 
Königbodens, der ſächſiſchen Nationsuniverſität und des Ver⸗ 
mögens der ſogenannten ſieben Richter. 

Karl Könczey: (Lärmende Rufe: Aufs Wort 
verzichten!) Ich verzichte auf's Wort. N 


113 


Karl Szathmary: (Rufe: Aufs Wort ver- 
zichten) Ich verzichte aufs Wort (Eljen.) 


Ferdinand RNagaly (äußerſte Linke): 


G. H.! (Rufe: aufs Wort verzichten.) Nur auf fünf Minuten 
werde ich die Aufmerkſamkeit des geehrten Hauſes in Anſpruch 
nehmen. Geehrtes Haus! Ueber den auf der Tagesordnung 
befindlichen Gegenſtand haben wir ſehr ſchöne und lehrreiche 
geſchichtliche Diſſertationen gehört; wir haben gehört die 
Darlegung der Verwaltungsorganiſation des Königsbodens, 
wir haben ſogar von zweierlei Verwirkung und vom Aus— 
breiten eines Schleiers darüber gehört, und zwar ſo oft, 
daß mir, ich geſtehe es, dieſes Schleierwerfen ſchon 
nicht zu gefallen beginnt. Mit einem Wort, wir haben Vieles 
und Verſchiedenes gehört, aber an Argumenten haben wir 
nicht viel gehört. Nur ein Argument war es, welches die 
Gegenpartei für ſehr ſtark gehalten hat. Daß dieſes Geſetz 
das Unionsgeſetz alterire, das aber ſei ein internationaler 
Vertrag, deſſen Abänderung den Charakter des Wortbruchs 
trüge, wie ein ſolcher gegen die ungariſche Ehre ſei. Auf 
dieſes Argument hat mein Freund Helfy ſehr witzig geaut— 
wortet, jo daß ich an die Herren Abgeordneten nur noch die 
eine Frage richten möchte, ob ſie den Vergleich mit einem 
internationalen Vertrage zu ihren Gunſten oder zu ihrem 
Schaden als Argument gebraucht haben. Denn wenn ich 
ihn auch nicht als richtig anerkenne, ſo iſt es doch unleugbar, 
daß nach dem Zeugniß der Geſchichte internationale Verträge 
nur ſo lange gehalten worden ſind, als der ſtärkere Theil 
es wünſchte. 

Ich gehe bezüglich des Vorgebrachten von einem ganz 
andern Geſichtspunkt aus; dieſer Geſichtspunkt iſt die Noth— 
wendigkeit oder mit das oberſte Geſetz, welches das Wol 
des Staates fordert. Allen iſt das salus reipublicae 
suprema lex esto! bekannt. Ich anerkenne, daß diesbezüg— 
lich viele Mißbräuche geſchehen ſind, beſonders unter dem 
Vorwande der Ordnung gegen die Freiheit; aber in ultima 
analysi, meine Herren iſt dies unvermeidlich für den Staat 
im Allgemeinen, unvermeidlich auch in dieſem concreten Falle. 
Es iſt im Allgemeinen unvermeidlich, daß der Staat, wenn 
er in eine Lage geräth, in der er die Gefahr nicht auf 

8 


114 


andere Weiſe abwenden kann, das Gele verletzt, und das 
iſt dann nicht nur ſein Recht, ſondern ſeine Pflicht; denn 
wie ſchon einmal an dieſem Orte geſagt worden iſt, der 
Trieb der Selbſterhaltung iſt ſtärker als das Geſetz, oder 
ſteht vielmehr über dem Geſetz Wenn eine Corporation in 
einem Staate, vermöge welchen Geſetzes oder Privilegiums 
immer, eine derartige Ausnahmsſtellung für ſich verlangt, 
welche die richtige Regierung unmöglich macht, ſo muß dies 
Privilegium abgeſchafft werden. 

Meine Herren, iſt es berechtigt und erlaubt, daß eine 
Corporation von etwa 150.000 Menſchen mehr Rechte habe, 
als 16 Millionen? Soll die Körperſchaft dieſer 150.000 
Menſchen mehr Rechte haben, welche — was zugeftandeu 
werden muß — dem Staate gegenüber meiſt gegenſätzlicher 
Anſicht ſind? jene Körperſchaft, welche, als der Staat den 
Kampf auf Leben und Tod kämpfte, in den Reihen der 
Feinde ſtand? 

Ich nehme den Geſetzentwurf im Allgemeinen an. 


Edmund Steinacker (Deutſchungar): 


Geehrtes Haus! Bei Verhandlung des auf der Tages— 
ordnung ſtehenden Geſetzentwurfes kann ich nicht umhin, 
dem Bedauern Ausdruck zu geben, daß ich den Schein, als 
ob ich pro domo rede, kaum werde vermeiden können. 
Denn, indem ich als Nichtſache keinerlei Parteidiseiplin 
unterworfen, aus reiner ſachlicher Ueberzeugung erkläre, 
daß ich den vorgelegten Geſetzentwurf zur Baſis der 
Specialdebatte nicht annehmen kann, ſo wird dieſe Aeußerung 
ſelbſtſtändigen Denkens und unabhängiger Handlungsweiſe 
unverſtanden bleiben oder nur der Rückſicht auf meinen 
Wahlbezirk zugeſchrieben werden, von Allen jenen, — und 
deren Zahl iſt groß — die um keinen Preis „gegen die 
Strömung“ zu kämpfen wagen. 

Dies wird mich aber nie, und ſo auch jetzt nicht ab— 
halten, dem, was ich für richtig oder nicht richtig halte, 
offen gewiſſenhaften Ausdruck zu geben. 

Allein ich kann das geehrte Haus verſichern, daß, 
wenn ich den Geſetzentwurf auch für unannehmbar halte, 
mir doch auch der geringſte Grad von Leidenſchaftlichkeit 
fern liegt, wie ſie, blos zufolge einiger vielleicht nicht glücklich 


115 


gewählter Ausdrücke, meiner Anſicht nach grundlos, dem einen 
oder andern meiner ſächſiſchen Abgeordnetencollegen vorge— 
worfen worden iſt. Die ruhige objective Darlegung meines 
Standpunktes darf darum vielleicht auf ruhiges Gehör rechnen. 

Geehrtes Haus! Mehrere meiner Abgeordnetencollegen 
vom Königsboden haben bereits eingehend den Thatbeſtand 
dargelegt, demzufolge ſie den vom Herrn Miniſter des Innern 
vorgelegten Geſetzentwurf als mit beſtehenden Grund-Geſetzen 
im Widerſpruch ſtehend erachten. Die geſchichtlichen, poli— 
tiſchen und rechtlichen Seiten der Angelegenheit könnten 
bereits allen Jenen klar ſein, welche dieſelben ohne Vorein— 
genommenheit erkennen und beurtheilen wollen. Allein es 
iſt nicht nur das Unglück von Königen, — wie dem König 
von Preußen ein unerſchrockener Volksvertreter ins Geſicht 
ſagte — daß ſie oft die Wahrheit nicht hören wollen, es 
hat Fälle gegeben und gibt Fälle, wo auch Körperſchaften 
ſich in der Stimmung befinden, welche das Unglück der 
Könige iſt. Es würde wahrhaftig in das Faß der Danaiden 
ſchöpfen, wer in ſolchen Fällen die vorgebrachten Argumente 
und Berufungen auf Geſetze noch vermehren wollte. Ich 
will auch nicht die Geduld des geehrten Hauſes mit Derar— 
tigem ermüden. 

Ich möchte nur darauf hinweiſen, daß es Dinge gibt, 
die wie es ſcheint für Alle Andern, als die Betheiligten 
ſchwer verſtändlich ſind. Ich erinnere mich der Zeit, als im 
Auslande im Beginne der 60er Jahre Niemand verſtehen 
wollte, und ich, wenn ich Gelegenheit hatte, die Verhältniſſe 
meines Vaterlandes Andern zu erläutern, Niemandem be— 
greiflich machen konnte, warum die Ungarn nicht in den 
Reichsrath gehen wollen. Umſonſt ſprach ich von einer Con— 
ſtitution, an der man unter allen Umſtänden feſthalten müſſe, 
von Geſetzen, von denen nicht abzuweichen die politiſche Con— 
ſequenz erfordere. Die Welt ſagte damals: das ſind ja alte 
Dinge, die Intereſſen des öſterreichiſchen Staates geſtatt en 
nicht, dieſen überwundenen Standpunkt zu refpectiren. Es 
kann gar keine Rede davon ſein, daß die Ungarn, denen die 
Arena des Parlamentarismus, der Verfaſſungsmäßigkeit — 
wenn auch in Wien — eröffnet worden iſt, eine Extrawurſt 
bekommen ſollen, daß ſie in irgend welcher Beziehung anders 
regiert werden ſollen, als die übrigen Völker der Monarchie. 


8 * 


116 


— Was ich darauf von ungariſchem Standpunkte erwidern 
mußte, iſt nicht ſchwer zu errathen. 


Und was von Alle dem, nach Sadowa, das Ende 
war, nun das wiſſen wir, nämlich ein status cum statu. 


Indem ich nun hier in Ungarn von den Verhältniſſen 
des Königsbodens, insbeſondere von dieſem Geſetzentwurf 
reden höre, fühle ich mich um 15 Jahre verjüngt, denn ich 
höre dasſelbe Raiſonnement, dieſelben Argumente, dieſelben 
Witze, dieſelben Berufungen auf die Poſtulate der Staat— 
lichkeit, auf die Opportunität und auf die Macht, die ich 
damals gehört habe. — Ich weiß ſehr wol, daß jeder Ver— 
gleich hinkt. Und ſofort wird man mir auch einwenden: 
Ja Bauer, daß iſt ganz was anders. Oft aber: licet parva 
componere magnis. Ich muß conſtatiren, daß das Prinzip 
der Rechtscontinuität eben ſo viel gilt, wenn die ſchwache 
ſächſiſche Nation dasſelbe gegenüber dem ungariſchen Staate 
geltend macht, als es damals galt, als die Ungarn es gegen— 
über dem Geſammtſtaate verfochten. Dort ebenſo wie hier 
beruht das Recht, oder wem es ſo gefällt, Privilegium, was 
übrigens auf eines herauskommt, auf einem Vertrage. Wenn 
dem nicht ſo wäre, wie könnte doch der von der ungariſchen 
Legislative geſchaffene 43. G.-A. vom Jahre 1868 auf Ver— 
trägen beruhende Rechte erwähnen? Ein ſolches Recht ab— 
ſchaffen, einen ſolchen Vertrag löſen kann man nicht einſeitig. 
So wie dies nicht der eine Faktor der Staatsgewalt, die 
Krone thun kann, ſo kann dies auch nicht der Andere, die 
Volksvertretung. Da aber auf der Welt nichts von ewiger 
Dauer ſein kann, ſo iſt natürlich auch jeder Vertrag unter 
Zuſtimmung beider Contrahenten abänderlich. Auf ſolch ge- 
meinſamer Zuſtimmung des Reichstags und der Krone beruht 
der 1867er Ausgleich. Krone und Volksvertretung können 
jedech in gewiſſen Fällen nur mit Einſtimmung der Reichs- 
vertretung der öſterreichiſchen Erbländer die fundamentalſten 
Geſetze des Landes abändern. Ebenſo kann bezüglich der 
Organiſirung des Königsbodens und bezüglich der Abän— 
derung des Rechtskreiſes der ſächſiſchen Nationsuniverſität 
eine verfaſſungsmäßig rechtsverbindliche Feſtſtellung nur mit 
Zuſtimmung, jedenfalls aber nur nach Anhörung der Ver— 
tretung der ſächſiſchen Nation zu Stande kommen. Und zu 


117 


einer ſolchen wird dieſe jedenfalls ebenſo bereit fein, wie im 
Jahre 1867 die politiſche ungariſche Nation dazu bereit war. 

Man wird ſagen, dieſe Arrogirung eines beſtimmten 
in der That ſehr kleinen Theiles der ſouveräuen legislativen 
Gewalt ſei eine Anomalie. Ich will darüber nicht ſtreiten. 
Aber ſie iſt eine Bedingung der Union mit Siebenbürgen. 
Seiner Zeit wurde dieſe „anomale“ Bedingung acceptirt, 
deren Erfüllung jedenfalls aber nach Anhörung der Betreffenden 
verſprochen. Und ich glaube, daß nicht nur Einzelne, ſondern 
auch Staaten ihre Verſprechungen zu halten verpflichtet ſind, 
auch wenn ihnen dies nicht leicht wird oder nicht angenehm 
iſt. Darin, ob der Monarch eine Verpflichtung übernimmt 
der ganzen Nation gegenüber, oder der Staat eine Ver— 
pflichtung gegenüber einem Theile ſeiner Bevölkerung, ſehe 
ich keinen großen Unterſchied. Und wenn man den öſterrei— 
chiſchen Profeſſor, der, ich weiß nicht ob aus Ueberzeugung, 
oder aus Deferenz gegen die damalige Gewalt, dieſe Rechts- 
eontinnität in einem Buche, im Gewaude der Wiſſenſchaft— 
lichkeit der ungariſchen Geſammtnation abſprach, Luſtkandl 
nennt, der ungariſche Miniſterpräſident aber, der, ich weiß 
nicht ob aus unvollſtändiger Kenntniß der Sache oder trotz 
dieſer Kenntniß, der uniformen Durchführung einer Lieb— 
lingsidee, des famoſen Verwaltungsausſchuſſes zu Liebe, im 
Vollbeſitz der Macht, unter ſchamhafter Einhaltung der 
äußeren Formen der Geſetzlichkeit, die Rechtscontinuität einem 
Theile der ungariſchen Staatsbürger vorenthält, Koloman 
Tißa beißt, ſo iſt vom Namen abgeſehen der Unterſchied im 
Vorgehen beider nur der, daß die Verantwortlichkeit des 
letztern vor ſeinen Zeitgenoſſen und vor dem Richterſtuhl der 
Geſchichte eine viel ſchwerere iſt. 

Aus der Glanzperiode unſeres Vaterlandes hat ſich 
ein Spruch über einen König erhalten, der nebenbei bemerkt 
an die Sachſen ſchrieb: urbibus et villis egregiis regnum 
nostrum non solum ampliastis, sed etiam decorastis 
magnifice. Der Spruch lautet: König Mathias iſt 
todt, es gibt keine Gerechtigkeit mehr. Wenige 
Wochen ſind es, daß wir den Weiſen des Vaterlandes, den 
Vorkämpfer der Rechtscontinuität begraben haben. Aber 
wenn Franz Deak noch leben würde, wenn er noch dort 
ſäße auf ſeinem Platze zunächſt dem Miniſterpräſidentenſitz, 


118 


dann will ich nicht ſagen, daß der vor uns liegende Geſetz⸗ 
entwurf nicht das Licht der Welt erblickt hätte, aber ich 
glaube nicht, daß man das geehrte Haus zur Annahme des- 
ſelben hätte capazitiren können, das aber weiß ich, daß 
Franz Deak nicht dafür votirt hätte. Denn ſo wie er die 
Rechte der Geſammtnation vertheidigte, ſo achtete er jedes 
Recht, und ich glaube, daß er im Stande geweſen wäre klar 
zu machen, wann das Recht identiſch iſt mit einem ſogenannten 
Privilegium. 

Wie übrigens Franz Deak über bilaterale Verträge 
dachte, zeigt folgende Stelle aus der vom 6. Juli 1861 da⸗ 
tirten Adreſſe des ungariſchen Landtags: 

„Der ſelcherweiſe auf Grund freier Vereinbarung ge— 
ſchloſſene bilaterale Vertrag (die pragmatiſche Sanktion) trat 
in volle Kraft und mit jeder ihrer Bedingungen ins Leben, 
wurde von allen darauf folgenden gekrönten Königen einge— 
halten, die darin enthaltenen Garantien wurden neuerdings 
und detaillirt wiederholt und der rechtskräftig geſchloſſene 
Vertrag wurde durch geſetzliche Ausübung ſanktionirt. Kann 
man nun dieſen Vertrag einſeitig brechen, und von der 
Nation die darin enthaltenen Verpflichtungen fordern, dabei 
aber die Bedingungen nicht einhalten oder mangelhaft nur 
in manchen Theilen erfüllen?“ 

Ein der pragmatiſchen Sanktion ähnlicher Vertrag iſt 
die Union mit Siebenbürgen. Fiat applicatio. 

Aber Franz Deak iſt todt, es exiſtirt keine Deakpartei 
mehr, es exiſtirt eine liberale Partei, ein Miniſterium Tißa 
und vor uns liegt ein ſolcher Geſetzentwurf über den Königs— 
boden, beziehungsweiſe über die Vernichtung des Königsbodens. 

Die Motivirung des Geſetzentwurfes beſchäftigt ſich 
auch nicht ſo ſehr mit dem quid juris als mit dem quid 
consilii der Angelegenheit. Die durch dieſes Geſetz zu er- 
zielende Vorbereitung der Zerſtörung des Begriffes Königs⸗ 
boden wird als Poſtulat der guten Adminiſtration hingeſtellt. 
Wahrlich eine beſſere Adminiſtration erſehnt das Volk, als 
ſie bei der Pflege der Comitatsorganiſation möglich iſt. Aber 
das Aufhören der territorialen Anomalien iſt nicht das 
Hauptmoment einer guten Adminiſtration, und die bisherigen 
Herren Miniſter des Junern werden vielleicht doch nicht 
leugnen, daß eben auf dem Königsboden die Adminiſtration 


119 


auch bisher zu den beſſern im Lande gehörte, daß auf dieſen 
zerſtreuten Gebietstheilen die Steuern pünktlich bezahlt wurden, 
Wenige ſich der Militärpflicht entzogen und wenig Verbrechen 
begangen wurden. Und um auch die Tyrannei der Sachſen 
gegen die übrigen Mitbewohner des Königsbodens ins richtige 
Licht zu ſetzen, verweiſe ich auf die auch ſchon von meinem 
Abgeordnetencollegen Trauſchenfels conſtatirte unumſtößliche 
Thatſache, daß das romäniſche Element auf dem Königs— 
boden gebildeter und wolhabender iſt und ſich freier ent— 
wickeln konnte, als in irgendwelchem ſiebenbürgiſchen Comitat. 
Und ſo iſt es natürlich, daß Sachſen und Romänen in gleichem 
Maße die Auftheilung der Municipien des Königsbodens in 
die Comitate perhorresciren. Es zeigt dies deutlich der im 
Wahlbezirke des Herrn Referenten ſeitens des Kronſtädter 
Municipiums mit den einhelligen Voten der Sachſen und 
der Romänen gefaßte Beſchluß auf Unterbreitung einer Re— 
präſentation an den Reichstag gegen Annahme dieſes Geſetz— 
entwurfes. 

In den ſchöner arrondirten Gebieten wird in Folge 
des ſtarken Vorwiegens des Comitatenſerelements und der Be— 
ſeitigung der bisherigen guten Verwaltungsmodalitäten die 
Adminiſtration nicht beſſer, ſondern ſchlechter werden, als fie 
bisher war. 

Wenn indeß der vorliegende Geſetzentwurf zum großen 
Theile einer Lieblingsidee des gegenwärtig die Schickſale des 
Landes lenkenden Staatsmannes, dem Wunſche nach Aus— 
dehnung der Inſtitution der Verwaltungsausſchüſſe auf alle 
Theile des Landes zugeſchrieben werden muß, ſo iſt doch 
deſſen nicht eingeſtandener ja ſogar abgeleugneter geheimer 
Zweck, oder, wenu auch nach der geſtrigen Aeußerung des 
Herrn Miniſterpräſidenten überhaupt nicht deſſen Zweck, ſo 
doch die unausweichliche Folge desſelben die Schwächung 
einestheils des deutſchen Elementes, andererſeits des bürger— 
lichen Elementes in Ungarn. 

Auf dem Wege der Preſſe und auf jede ſonſtige denk— 
bare Weiſe iſt zwar Alles geſchehn, was nur geſchehn konnte, 
um den Siebenbürger Sachſen das übrige deutſche Element 
in Ungarn zu entfremden. Der Magyarenfeindlichkeit und 
Staatsfeindlichkeit wurden die Sachſen beſchuldigt, während 
ſie nichts Anderes thaten, als daß ſie feſthielten an ihrer 


120 


Nationalität uud an ihren gefeglihen Exiſtenzbedingungen. 
Und es fanden ſich für ſolche Imputationen auch zahlreiche 
Gläubige, aber der ſchärfer blickende Theil der Landesbürger 
deutſcher Zunge fühlt ſehr wol, daß dieſer Geſetzentwurf ein 
gegen das deutſche Element ganz Ungarns geführter Schlag 
iſt, den dieſes wahrhaftig nicht verdient hat. Denn das 
deutſche Element in Ungarn iſt patriotiſch geſinnt, iſt ftaate: 
treu, gravitirt nicht nach Außen und hatte ſtets Sympathie 
für den magyariſchen Stamm. Gerade das deutſche Element 
iſt der natürlichſte Verbündete des magyariſchen. Ich brauche 
wol nicht darauf zu verweiſen, wieviel die Entwicklung 
Ungarns dem deutſchen Elemente verdankt, wie tief die 
politiſche Nation unſers Vaterlandes aus dieſer Quelle 
geiſtiger Kräfte geſchöpft hat. Man braucht ja bloß die 
Liſte der urſprünglich magyariſchen, der magyariſirten und 
nicht magyariſirten Namen der Capacitäten dieſes geehrten 
Hauſes zu überblicken, man braucht nur die verſchiedenen 
Zweige des öffentlichen Lebeus, die Wiſſenſchaft und Kunſt 
unſeres Vaterlandes ins Auge zu faſſen, um die Wahrheit 
des Geſagten beſtätigt zu finden. 

Aber von allen andern Gründen abgeſehn, müßte aus 
rein politiſchen Gründen das deutſche Element nicht geſchwächt, 
ſondern geſtärkt werden, ſowol in den nördlichen, wie in den 
ſüdlichen und ſüdöſtlichen Theilen Ungarns. Das entgegen— 
geſetze Verfahren, wie ſich ein ſolches ſchon in manchen 
Maßnahmen der Regierung wie der Legislative gezeigt hat 
und auch in dieſem Geſetzentwurfe zeigt, iſt eine ſehr kurz— 
ſichtige Politik, die ſich noch ſchwer rächen und die ſtaats— 
männiſche Reputation ihrer Lenker nicht heben wird. 

Freilich ſagt man, daß zwiſchen den ungarländiſchen 
Deutſchen im engern Sinne und den Siebenbürger Sachſen 
ein großer Unterſchied beſtehe, da letztere ſich ſehr oft in 
Gegenſatz zu dem ſiebenbürgiſchen Magyarenthum geſetzt 
hätten. Ich kann, geehrtes Haus, dieſe Diſtinktion nicht ac— 
ceptiren, weil dieſer Gegenſatz nichts anderes war, als die 
Vertheidigung des freien Bürgerſtandes und freien, ge— 
wiſſermaßen allodialen Bauernſtandes gegen die Uebergriffe 
des Adels, des Feudalismus. Es war ein Glück für ganz 
Siebenbürgen, daß die ſächſiſche Nation als ſolche politiſch 
ſtark genug organiſirt war, ſich der gegen fie gerichteten An— 


121 


griffe zu erwehren, und es wäre ein Glück für ganz Ungarn 
geweſen, wenn auch deſſen Städte eine ſolche politiſche 
Selbſtändigkeit beſeſſen, ſoviel Einfluß auf die Lenkung der 
Schickſale des Landes beſeſſen hätten, wie die Sachſen auf 
die Geſchichte Siebenbürgens. Ungarn beſäße dann einen 
ſtärkern bürgerlichen Mittelſtand, als es ihn heute beſitzt 
und deſſen ungenügende Entwicklung einer der Gründe iſt, 
weßhalb unſer Vaterland auf materiellem, wie auf manch' 
anderem Gebiet ſo bedauerlich zurückgeblieben iſt. 

Der unter Verhandlung ſtehende Geſetzentwurf zielt 
darauf ab die bisher einer andersgearteten, beſſern Admini⸗ 
ſtration ſich erfreuenden Municipien des Königsbodens in die 
Comitatsinſtitution zu verſchmelzen, bezweckt ſomit die 
Schwächung des bürgerlichen Elementes oder wird eine 
ſolche mindeſtens zur Folge haben. Dieſe Schwächung werden 
aber nicht nur die Sachſen, ſondern es wird ſie der ganze 
ſtädtiſche Bürgerſtand Ungarns empfinden, wenn er erſt 
„aus ein und denſelben Geſichtspunkten“ beſonders nach er- 
folgter Durchführung der Beſchränkung der municipalen Au— 
tonomie der kleinern Städte die Segnungen der Inſtitution 
der Verwaltungsausſchüſſe genießen wird. Was eine ſolche 
Verſchmelzung in den Comitatsorganismus bedeutet, hat 
mein Abgeordnetencollege Trauſchenfels an einem Beiſpiele 
aus Siebenbürgen gezeigt. Man möge aber auch die Zipſer 
befragen, was die in früherer Zeit erfolgte Vernichtung ihrer 
Städteuniverſität für Folgen gehabt habe! Sind doch die 
wackern Zipſer Sachſen dem ungariſchen Vaterlande haupt— 
ſächlich nur durch Verpfändung der 13 Städte an Polen 
erhalten worden. 

Die bisherige Sonderſtellung des Königsbodens, deren 
Beſeitigung dem Herrn Miniſter des Innern ſo ſehr am 
Herzen liegt, hätte dort die Einführung der Inſtitution der 
Verwaltungsausſchüſſe nicht geſtattet. Die Verhältniſſe des 
Königsbodens ſind den Zuſtänden verwandt, auf welche, im 
Gegenſatz zur Auftheilung des Landes in große Comitate, 
die Freunde wahrer Selbſtverwaltung die Adminiſtration 
baſiren möchten, nämlich auf die Autonomie der Gemeinde, 
reſp. kleiner Territorien. Und wer ſich zu dieſem Principe 
bekennt, der wird keine ſolche Scheu haben vor unregel- 
mäßigen, nicht mit dem Zirkel arrondirten Gebieten, der wird 


122 


die Aufrechthaltung der wenn auch nicht ganz zuſammen⸗ 
hängenden Theile des Königsboden unter ihrem bisherigen 
Begriffe, und den Fortbeſtand der geſetzlich ſaͤnktionirten 
hiſtoriſchen Organiſation desſelben nicht zu bekämpfen brauchen. 

Geehrtes Haus! Der vorliegende Geſetzentwurf iſt der 
Ausgangspunkt von Maßnahmen, welche ganz ohne Noth 
zerſtören wollen, was Jahrhunderte gereift haben und woran 
Hunderttauſende ungariſcher Staatsbürger hangen, was auch 
Einzelne unter denſelben ſagen mögen, auf die vielleicht der 
vom Herrn Minifterpräfidenten bei anderer Gelegenheit mir 
gegenüber gebrauchte Ausdruck von der unberufenen Anwalt⸗ 
ſchaft beſſer paſſen dürfte. Den ſtaatlichen Organismus 
bildet nicht der Boden in erſter Linie, ſondern es bilden ihn 
die Menſchen. Nicht die Configuration der einzelnen Gebiets⸗ 
theile, ſondern das den Menſchen innewohnende Gefühl der 
Zuſammengehörigkeit iſt das entſcheidende Moment, mit dem 
der wahre Staatsmann rechnet. Werden ſolche Bande ohne 
Noth gelockert oder gar gegen den entſcheidenden Wunſch 
der Betroffenen und im Gegenſatze zum beſtehenden Geſetz 
ganz zerriſſen, dann lockert ſich damit auch das Vertrauen 
der Bürger gegen den Staat und es nimmt ab die Liebe 
und Opferfreudigkeit für das Vaterland, ohne welche — mit 
Verlaub des Herrn Miniſterpräſidenten, welcher den Staat 
lediglich auf die Forcirung gern oder ungern erfüllter Pflichten 
gründen will — ein Staat auf die Dauer nicht beſtehen 
kann. Ewig aber wird die Wahrheit Geltung behalten 

„Justitia regnorum fundamentum!“ 

Der vorliegende Geſetzentwurf iſt nicht auf dieſes 
Fundament gegründet. Und wenn ich ſehe, wie Wenige von 
denen, die leichthin zur Entſcheidung der Angelegenheit bei— 
tragen wollen, dieſe allerdings verwickelte Frage, welche aber 
eine Lebensfrage, wenn auch nicht die Frage des Daſeins 
für Hunderttauſende iſt, genug eingehend ſtudirt haben, ſo 
müſſen mir die von Ludwig Koſſuth in ſeinem jüngſten 
Briefe an den Abgeordneten Helfy gebrauchten Worte in den 
Sinn kommen, daß wir in der Zeit des politiſchen Cynis— 
mus leben und daß unſer Verfaſſungsleben verkappter Abſo⸗ 
lutismus ſei. 

Der ſehr geehrte Herr Miniſterpräſident ſieht es nicht 
gerne, daß Viele für den von ihm eingereichten Geſetzent— 


123 


wurf das Wort ergreifen, die ja dadurch nur das Waſſer 
auf die Mühle dieſer (ſächſiſchen) Herren treiben. Ich habe 
bis jetzt geglaubt, daß der Parlamentarismus der Kampf⸗ 
platz der Argumente fein ſolle, und daß man nach Möglich— 
keit durch Argumente den Gegner nicht zu beſiegen, ſondern 
zu überzeugen trachten müſſe. Der Herr Miniſterpräſident 
ſcheint alſo nicht ſehr viel von der ſiegenden Gewalt der 
Argumente ſeiner Getreuen zu halten. Die bisherigen Ar⸗ 
gumentationen haben jedenfalls ebenſowenig meine Ueber⸗ 
zeugung, wie jene meiner ſächſiſchen Abgeordnetencollegen 
über die Angelegenheit zu erſchüttern vermocht. Und die 
Auwendung der Zermalmungsvelleitäten auf das parlamen⸗ 
tariſche Vorgehn dürfte denn doch nicht ſtatthaft ſein, be— 
ſonders nicht kurz vor Schluß der Seſſion. 

Den auf die Tagesordnung ſtehenden Geſetzentwurf, 
welcher ohne die geſetzlich vorgeſchriebene Anhörung der 
Betheiligten und ohne wirkliche innere Nothwendigkeit, mit 
Verletzung einer Bedingung des Unionsgeſetzes über die 
Vernichtung des Königsbodeus verfügen will, kann ich, nicht 
vom ſpecifiſch-ſächſiſchen Standpunkt, ſondern weil feine 
Annahme dem ungariſchen Staate, dem vaterländiſchen 
bürgerlichen Mittelſtand und indirect auch der magyariſchen 
Nationalität von noch größerem Nachtheile ſein würde, als 
den Sachſen, welche auch trotz deſſelben fortbeſtehn werden, 
zur Grundlage der Specialdebatte nicht annehmen. | 


Alexander Bereezky (Regierungspartei): 


Geehrtes Haus! Die Abgeordneten, welche gegen den 
Geſetzentwurf geſprochen haben, halten dieſen Geſetzentwurf 
für eine Rechtsverletzung, aber ſie können dieſe nicht beweiſen. 
Sie berufen ſich zwar auf das Geſetz, auf zahlloſe königliche 
Erläſſe und landtägliche Adreſſen, aber mit all' dieſem haben 
ſie mich von nichts anderm überzeugt, als davon, daß die 
Regelung des Königsbodens nicht nur nothwendig, ſondern 
auch eine uns obliegende Pflicht iſt. 

Sie finden darin eine Verletzung, daß die jetzige Geſetz— 
gebung den Königsboden nicht, wie es bisher geſchehen, für 
ein Blümchen Rührmichnichtan hält; den Königsboden, welchen 
die ſiebenbürgiſchen Geſetze unter dem Namen fundus regius, 
bonum coroaae regis erwähnen und welchen auch die ge- 


124 


ehrten Herren Abgeordneten ſelbſt ſehr richtig Königsboden 
benennen und über welchen die Königin Maria Thereſia 
600 Jahre nach der Niederlaſſung der Sachſen ſich ſo äußerte: 
„Wir haben unliebſam erfahren, daß die ſächſiſche Nation 
auf unſern, von ihr bewohnten Boden Eigenthumsanſpruch, 
Erbrecht erhebt, ihr möget jener Nation für dieſe Verwegen⸗ 
heit unſere beſondere Mißbilligung ausdrücken.“ Dieſelbe 
Königin jagt 1753 in Folge jener Beſchwerde der Szekler, 
weil ihnen die Sachſen nicht geſtattet hatten, Grund und 
Boden in ihrer Mitte zu kaufen: „Aus den vorgewieſenen 
Privilegien-Briefen geht klar hervor, daß der von den Sachſen 
bewohnte Boden unſer Eigenthum iſt und ſeine Entfremdung 
uns zum Schaden gereichen würde.“ 

Ich wünſche nicht, geehrtes Haus, mich hier auf die 
Rechtsfrage zu berufen; ich habe einige Zeilen blos deshalb 
erwähnt, damit Sie beurtheilen können, ob das eine Ver— 
letzung iſt, daß das Land über ein ſolches Landesgebiet dann 
verfügt, wenn es ihm frei ſteht, auch über andere Gebiete, 
welche eine eigenthumsrechtliche Baſis beſitzen, zu disponiren. 

Für eine Verletzung halten die geehrten Herren Abge— 
ordneten auch das, daß fie von der Gebietseintheilung Sie- 
benbürgens in dieſem Geſetzentwurfe nicht ausgenommen ſind. 
Nun fie mögen ſchon entſchuldigen, aber dies lönnen gerade 
ſie am allerwenigſten übel nehmen, weil nicht die ungariſche 
Regierung zuerſt die Gebietseintheilung Siebenbürgens ange— 
regt hat, ſondern gerade ihre Univerſität 1862 in einer ihrer 
an den Landesfürſten gerichteten Adreſſen. In Folge hievon 
hat man 1863 bei unſerer Abweſenheit in einer ungeſetzlichen 
Verſammlung die Eintheilung auch beſchloſſen; daß ſie nicht 
durchgeführt wurde, das iſt wahrhaftig nicht ihre Schuld, 
ſondern ſie iſt nicht durchgeführt worden zufolge einer Ver— 
fügung Sr. Majeſtät des Königs, welcher ſie als verfaſſungs— 
widrig aufhob. 

Was kann nun für eine Verletzung darin liegen, wenn 
auf ihre Bitten, auf Grund ihres ungeſetzlichen Beſchluſſes 
die jetzige Legislative dieſe Frage in einer geſetzlichen Form 
zu erledigen wünſcht? 

Sie ſagen, Sie fürchten ſich vor der Vernichtung. 
Aber ich bitte um Entſchuldigung, ich beurtheile ihre Lebens— 
fähigkeit viel zu günſtig, und halte ihr Leben für viel zu 


125 


zähe, als daß dieſes ein einziges Geſetz vernichten könnte. 
Fürchten Sie nichts. Ich kann mit einem ermuthigenden 
Beiſpiel dienen; ich kann unſere Szekler dert in Sieben— 
bürgen nennen — ſie ſind älter als die Geſchichte, weil 
noch Niemaud an jenen Zeitpunct ſich zurückerinnern und 
ihn genau bezeichnen kann, ſcit wir uns dort niedergelaſſen 
haben. — Auch wir beſaßen Privilegien, nicht blos als 
Nation, ſondern auch als einzelne, und ſolche Privilegien, 
wie ſie auf ungariſchem Boden noch keine Nation und keine 
Perſon beſeſſen hat. Wegen unſerer Privilegien hatten wir 
Feinde, vielleicht auch in Ihrem Lager. Aber wir haben 
die Fahne unſerer Privilegien gegen unſere Feinde getragen 
und haben unſere Privilegien vertheidigt. Da kam einmal 
ein Feind nicht mit großem Lärm, leiſe, ohne alles Gefolge 
und als wir ſeine Annäherung bemerkten, vertheidigten wir 
uns kräftig, damit er uns nicht verletze. Dieſer Feind, 
welcher unſere Privilegien zertrümmert hat, war der Zeit— 
geiſt. (Lebhafter Beifall.) Wir haben unſere Lebeusbäume 
aus dem Glashaustopf der Privilegien in einen reicheren Boden, 
verſetzt, in den Boden des bürgerlichen Rechtes. (Beifall.) Das 
iſt der richtige; als Nation haben wir aufgehört zu leben, aber 
die Wurzel iſt geblieben, von welcher wir uns ernähren können 
und der reiche Boden wird uns erhalten (Beifall), denn 
wenn wir nur nicht Selbſtmörder werden, werden wir in 
dieſem Boden leben, ſolange Ungarn beſteht (Lebhafter Beifall). 
Dies, meine Herren, iſt das ermuthigende Beiſpiel, mögen 
Sie ihm nachfolgen. Sie ſind wahrlich jünger in der Ge— 
ſchichte, deun man kann ſchon poſitiv beſtimmen, wann Ungarn 
Sie als Gäſte in ſein Vaterland aufgenommen hat (Heiter- 
keit). Sie hatten und haben heute noch Privilegien. Dieſen 
‘Privilegien gegenüber halten fie die Geſetzgebung für Ihren 
Feind? Nicht dieſe iſt der Feind, der Zeitgeiſt iſt es (Zu— 
ſtimmung). Sie berufen ſich auf Ihre Cultur? Die Cultur 
muß die Kraft des Zeitgeiſtes anerkennen. Beugen Sie ſich 
vor ihm, verſetzen Sie Ihr privilegirtes Leben in den Boden 
des bürgerlichen Rechtes und wenn es dort tiefe Wurzeln 
geſchlagen hat, ſeien Sie überzeugt davon, daß Sie es zu— 
ſammen, nebeneinander gewiß nicht verlieren, ſondern ges- 
nießen werden. 


Ich möchte Ihnen noch einen Rath geben. Verlegen 


126 


Sie Ihre ſpeciellen Ortsintereſſen auf das Gebiet der Ge— 
ſammtintereſſen des ganzen Vaterlandes. Dieſes wird die 
Schutzmauer ſein, hinter welcher das Leben auch nicht eines 
einzigen Bürgers des Vaterlandes bedroht iſt. Unter den 
geehrten Herren Abgeordneten hat Guido v. Baußnern den 
ſtärkſten Angriff gegen die Geſetzgebung gerichtet. Ich ſage 
nicht, daß die Stärke dieſes Angriffes in ſeinen Principien 
beſtanden habe, ſondern er hat, wie wir ſehen, aus der 
Geſchichte eine Seite der magyariſchen Nation kennen ge— 
lernt, an welcher man ſie ſehr oft hat faſſen können. Er 
hat ſich auf das von dem Magyaren gegebene Wort, auf 
die Einlöſung ſeines Ehrenwortes berufen. Er hat Recht; 
die magyariſche Nation hat nur ein einziges Mal ihr Wort 
nicht eingelöſt; dies hat die Nothwendigkeit verurſacht und 
vielleicht gerade auch die Loyalität gegen Sie; aber dies 
können wir uns nur ſelbſt als Fehler anrechnen. Sie gerade 
können ſich ſehr kühnlich auch für die Zukunft auf das von 
der magyariſchen Nation gegebene Wort berufen; denn dieſe 
wird es auch hinfort einlöſen. Aber verlangen Sie nicht, 
daß wir blos aus nationalem, eitlem Stolz, nach ſo vielen 
Kränkungen, unſere einzige Waffe, unſer Recht, nicht ge— 
brauchen. Verlangen Sie nicht von uns, daß wir Ihres 
Intereſſes halber blos aus Nationalſtolz die nur jetzt mit 
dem Blut der Nation beſiegelten Errungenſchaften, die Rechts⸗ 
gleichheit, aufgeben. (Zuſtimmung.) 

Die magyariſche Nation beſitzt außer der Achtung des 
Ehrenwortes und ihrer Loyalität noch eine berühmte Eigen— 
ſchaft, welche ſie in Ehren hält, und dieſe iſt die Gerechtig— 
keitsliebe; und wenn man auch ſagt, daß es ſeit dem Tede 
des Königs Mathias keine Gerechtigkeit gibt, wir ſind uns 
deſſen bewußt, daß Mathias zwar geſtorben iſt, aber die 
Gerechtigkeit lebt in uns, der magyariſchen Nation. Und, 
g. Haus, wenn wir jetzt dieſen Geſetzentwurf nicht annehmen 
ſollten, würden wir nach meiner Ueberzeugung unſer gegebenes 
Wort brechen, unſere Ehre beſchmutzen, weil wir denen nicht 
Gerechtigkeit gäben, welche auf dem Königsboden mit Ihnen 
auf einem Gebiet wohnen, (So iſt es!) den im einheitlichen 
Ungarn wohnenden Bürgern. (Zuſtimmung.) 

Der Herr Abgeordnete Baußnern ſagt in ſeiner Rede 
daß unter den Einwohnern Siebenbürgens die Sachſen einen 


127 


Brennpunkt der Cultur bilden. Ich meine, ein unmittelbarer 
Genoſſe der Cultur ſei die Höflichkeit. In dieſer meiner 
Vorausſetzung hat mich, wie ich geſtehe, die Aeußerung des g. 
Herrn Abgeordneten ſchwankend gemacht (Heiterkeit). Aber 
hieraus will ich auf die ſächſiſche Cultur nicht den geringſten 
Schluß ziehn. Ich anerkenne die Culturſtufe der Sachſen, 
denn ich kenne die Quelle und die Kraft, den Dispoeſitions— 
fond, welcher den Sachſen zur Förderung ihrer Cultur zur 
Verfügung ſteht. Ich wünſche nur noch das zu bemerken, 
daß die ſiebenbürgiſchen Völker andern Stammes, wenn dieſe 
ähnliche Verfügungsfende beſeſſen hätten, gewiß nicht ge— 
zwungen wären, ſich vor der ſächſiſchen Cultur zu beugen, 
und ich ſetze noch hinzu, daß auch bei alledem, daß ſie im 
Beſitz eines ſolchen Dispoſitionsfendes find, der bei ihnen 
erreichte Culturfortſchritt, deſſen ſie ſich Jo glänzend rühmen, 
auf keine Weiſe dem entſpricht, was wir von ihnen that— 
ſächlich erfahren. Ich, geehrtes Haus, würde nur noch ſagen, 
daß eine Berufung auf die Vaterlandsliebe der Sachſen er— 
ſolgt iſt. Ich ziehe auch das nicht in Zweifel, aber in 
jedem Falle ſcheint es mir eine ſonderbare Vaterlandsliebe 
zu ſein, wenn die Sachſen gerade dem Herrn Abgeordneten 
Guido Baußnern Gelegenheit gegeben haben, die Union hier 
vor uns in drei Stadien zu theilen. Ich würde den reinen 
Patriotismus darin finden, wenn ſie dieſes Unionsgeſetz ſchon 
im erſten Stadium als eine vollendete Thatſache angeſehen 
hätten; es iſt das ein abſonderlicher Patriotismus, wenn ſie 
die Autonomie, welche fie 1850 und wiederholt 1860 zu 
den Füßen der öſterreichiſchen Staatseinheit freiwillig nieder— 
gelegt haben, jetzt gerade gegen das Intereſſe des Vater— 
landes ſo hartnäckig vertheidigen. (Zuſtimmung.) 

Der geehrte Herr Abgeordnete und auch die übrigen 
haben ſich auch auf die beſſere Verwaltung berufen. Ich 
glaube es, daß dieſe beſſer iſt, aber ſie mögen nicht ſo eng— 
herzig ſein und gerade deshalb, weil ſie ſo gut iſt, dieſelbe 
nicht unter den Scheffel ſtellen wie das Licht, ſondern zu 
der beabſichtigten Gebietseintheilung auch noch das Opfer 
bringen, daß jener gute Same, welchen ſie beſitzen und von 
dem ſie glauben, er ſei anderswo nicht zu finden, auch auf 
Andere ausgeſtreut werde. Ich muß dieſen Geſetzentwurf auch 
von dem Geſichtspunkte aus acceptiren, daß jene hohe Cultur— 


128 


ſtufe, auf welche ſich die geehrten Herren Abgeordneten be- 
rufen, durch den Dispoſitionsfond auch auf diejenigen Vater⸗ 
landsbürger ausgedehnt werde, welche von deſſen Genuß 
bisher ausgeſchloſſen waren. 

Ich habe nur noch eine einzige Bemerkung. Auf die 
Indignation des indignirten Herrn Abgeordneten — ſeinen 
Namen weiß ich nicht — habe ich keine Antwort. Hierauf 
zu antworten iſt ein Recht ſeiner eigenen Wähler, und mir 
bleibt nur übrig, daß ich aus jener Antwort die Culturſtufe 
der Sachſen ermeſſe. 

Ich nehme den gegenwärtigen Geſetzentwurf als Grund— 
lage zur Specialdebatte an. (Zuſtimmung.) 


P. Karl Szathmary (Regierungspartei): 


Geehrtes Haus! (Rufe aus dem Zentrum: „Aufhören“ !) 
Wie Sie am Beginne der Sitzung zu hören beliebten, war 
es bereits meine Abſicht, auf das Wort zu verzichten. Da 
es aber ein weſentliches Moment gibt, welches ich im Ver— 
laufe dieſer Debatte nicht übergangen ſehen möchte, und da 
ferner ein Abgeordneter von der entgegengeſetzten Seite des 
Hauſes — den ich, weil er ſich auf ſächſiſche Abgeordnete 
beruft, einen freiwilligen Sachſenabgeordneten nennen will 
(Heiterkeit) — ſolche Argumente vorbringt, die geſtern der 
Abgeordnete Trauſchenfels als ſolche aufgeſtellt hat, deren 
Wahrheit ich aber nicht anerkennen kann, aus dieſen Gründen 
bin ich ſo frei einige Bemerkungen zur vorliegenden Frage 
beizufügen. 

Jenes Hauptmoment, wegen deſſen ich das Wort er- 
greife, beſteht darin, daß jene Herren, die hier ihre Stimme 
ſo laut erheben, nicht auf unſere Anzahl, nicht einmal auf 
ihre Wähler, ſondern auf das gebildete Europa, auf die ge— 
bildete Literatur Deutſchlands Rückſicht nehmen, und auf 
dieſem Wege, den ſie ſehr wol kennen, ihre Behauptungen 
in die deutſche Preſſe einführen wollen, ihre, aufrichtig 
geſagt, häufig nicht wahren, gegen das Land und gegen die 
magyariſche Nationalität gerichteten Behauptungen, daß ſie 
dieſelben dort zur Geltung bringen, ohne daß jemals das 
dieſen Behauptungen entgegenſtehende Wort dorthin gelangen 
könnte. Der Abgeordnete Baußnern gedachte geſtern mit 
Dank des „Peſter Lloyd“, weil er ſeine Rede wörtlich ab— 


129 


gedruckt habe. Ich anerkenne das Recht der Journaliſtik an, 
Jedermanns Rede wortgetreu zu publiziren. Wenn aber jenes 
große deutſch geſchriebene Blatt, welches unſer Vaterland 
vor dem Auslande repräſentirt, wenn dieſes dem ganzen 
Inhalt jener Rede Raum gibt, welche unſer Vaterland an— 
greift, ſo würde dasſelbe uns zu Dank verpflichten, wenn 
es auch davon einiges mittheilen wollte, was wir hier vor— 
bringen. (Aeußerungen des Erſtaunens von den Bänken der 
Sachſen. Zwiſchenrufe vom Zentrum aus: iſt das die Rezi— 
prozität?) Wollen Sie ſich nicht davor fürchten, geehrte 
Abgeordnete, daß ich eine Art Nationalitäten-Frage oder 
Debatte zu eröffnen beabſichtige. Dies iſt keine Nationali— 
täten⸗Frage, ſo daß ich die vom geehrten Abgeordneten J. 
Helfy geſtern ausgeſprochene Anſicht, wornach dies kein ernſter 
Angriff ſein könne, vollkommen theile, und demnach weiß ich 
nicht, wie jener ſächſiſche Herr Abgeordnete den Vorwurf 
erheben konnte, daß wir nicht in hinlänglicher Zahl und mit 
hinlänglichen Argumenten die von ihnen vorgebrachten Argu— 
mente widerlegen. Hat doch ſelbſt der Herr Abgeordnete 
Trauſchenfels geſagt, daß die auf dem ſiebenbürgiſchen Pro— 
vinziallandtag bezüglich des Leopoldiniſchen Diploms vorge— 
brachten Aeußerungen nicht den Ausdruck der öffentlichen 
Meinung unter den Sachſen involvirten. Da muß ich dann 
aber fragen, wie ſoll man dann ihre Anſicht als Ausdruck 
der öffentlichen Meinung der Sachſen nehmen, wenn ſo 
brave (derék) Herren Abgeordnete, wie Karl Fabritius und 
Friedrich Wächter (Eljen-Rufe), ganz entgegengeſetzter 
Meinung ſind? Derartige Aeußerungen erinnern uns an 
jene literariſche Bewegung, welche von den betreffenden Ab— 
geordneten beſonders in der deutſchen Preſſe veranlaßt wurde. 
(Hören wir.) Es iſt ſehr intereſſant, geehrtes Haus, wie 
dort die magyariſche Nationalität dargeſtellt wird, und in 
welches Verhältniß die Culturaufgabe des ſächſiſchen Volkes 
zum Barbarismus des magyariſchen Volkes gebracht wird, 
welcher auf die Unterdrückung jenes gerichtet ſei. Derart 
wird dort die magyariſche Nationalität dargeſtellt — wie 
dies auch der Herr Abgeordnete Guido Baußnern gethan 
hat — daß dieſe „nichtswürdige“ Nation in Ungarn exiſtire 
und daß es dann aber hier auch ein braves ſächſiſches Volk 
gebe, welches hereinberufen werden fei ad retinendam co- 


9 


130 


ronam (Heiterkeit), welches Ungarn auch in der That ver- 
theidigt, welches die Reformation eingeführt, welches die 
hieſige Literatur zur Blüthe gebracht, welches einen hohen 
Grad von Kunſt geſchaffen habe, alles dies zu ſagen hat 
dem Herrn Abgeordneten heute beliebt; ich aber kann von 
alledem nichts ſehen; (Heiterkeit). Endlich aber habe es 
alle jene autonomen Rechte und Freiheiten vertheidigt, welche 
durch unſere barbariſche Nationalität in denſelben angegriffen 
werden. (Heiterkeit). Daß die ungariſche Geſchichte, oder 
gar inebeſondere die ſiebenbürgiſche Spezialgeſchichte anderes 
berichtet, darauf nehmen dieſe Herren wenig Bedacht. Wir 
wollen nicht in Betracht ziehen, daß nicht diejenige Refor— 
mation in Siebenbürgen Verbreitung gefunden hat, welche 
von ihnen hereingebracht wurde, ſondern daß eine andere 
Verbreitung fand, und daß dieſe dort eine große Literatur 
geſchaffen hat, während die ihrige zurückgeblieben iſt; daß 
jene Autonomie, und autonome Freiheit, die ſie im Munde 
führen, immer das Banner der Reaktion getragen hat, und 
daß dieſelben mit der ungariſchen Verfaſſung und der magya— 
riſchen Freiheit immer im Gegenſatz geſtanden iſt. (Beifall 
im Zentrum und auf der äußerſten Linken). 

Alles dies erachten dieſe Herren für gar nichts. 

Was aber iſt es, weßhalb ſie ſo eiferſüchtig beſorgt 
ſind? Sie fürchten nicht für das ſächſiſche Volk, ſondern 
für die verknöcherte autonome ſächſiſche Bureaukratie. Weß— 
wegen wachen ſie ſo eiferſüchtig über ihre Nationalität? 
Was denn für eine Nationalität? Ich bin, das geehrte Haus 
weiß es wol, ich bin einer von den am allerſanfteſten gear— 
teten Menſchen, noch niemals habe ich in perſönlicher Be— 
merkung das Wort ergriffen. ( Heiterkeit.) Ja, noch mehr, 
ich bin im Stande — und darauf thue ich mir als ein 
Menſch von humanen Gefühlen etwas zu gute — ſelbſt 
ſolche Bedenken zu würdigen, die jedes Rechtsgrundes ent— 
behren. Ich reſpektire die Furcht ſo kleiner Nationen, wenn 
ſie darauf gerichtet iſt, die eigene Nationalität gegen die 
große Zahl der ſie umgebenden zu bewahren. Worauf aber 
iſt die Furcht der Sachſen gerichtet? Die deutſche Nation 
zählt ja nach Millionen und aber Millionen in Europa, und 
belieben Sie mir zu glauben, die Sprache, die von 
der deutſchen Literatur geſchaffen wurde, die Schrift⸗ 


131 


werke, die fie geſchaffen hat, werden nicht jo leicht vom 
Schauplatz Europa's verdrängt werden, ſelbſt dann nicht, 
wenn die ſächſiſche Nations-Univerſität nicht mehr beſteht. 
(Rufe von den Bänken der Sachſen: ſo iſt's! Sie dürften 
Recht haben!) Denn das, daß Sie einen Dialekt vertheidigen 
ſollten, der weder dentſch noch ſächſiſch, ſondern vlämiſch iſt, 
das kann ich wol nicht glauben. Ich wenigſtens kann nicht 
vorausſetzen, daß ſelbſt zur Vertheidigung von ſo etwas 
Jemand erſtehen ſollte. (Heiterkeit.) 


Zur Widerlegung des Herrn Abgeordneten Trauſchenfels 
bemerke ich, daß es nicht zuläßig iſt, der magyariſchen Na— 
tionalität mit den germaniſchen Volksſtämmen zu drohen. 
Wir ehren die deutſche Nation als ein gebildetes, großes 
Volk; es kann die Zeit kommen, wo wir mit unſerer 
Freundſchaft, mit all unſeren Aſpirationen zu dieſem hin— 
ſtreben werden; deshalb werden wir aber dennoch die ver— 
knöcherte bureaukratiſche Autonomie der Sachſen niemals 
achten, und wir erkennen nicht die Entfaltung des Banners 
jener großen deutſchen Nation auf den Ringmauern von 
Hermannſtadt. 


Derſelbe Herr Abgeordnete Trauſchenfels hat aber 
auch gar wunderliche Dinge behauptet, von denen man zu 
ſagen pflegte: ignotos fallit, notis est derisui. Der 
Herr Abgeordnete ſagt, daß ſchon zur Zeit König Andreas II. 
vollſtändige Rechtsgleichheit im Sachſenlande beſtand, und 
indem er die Verhältniſſe des Sachſenlandes denen Ungarus 
im Ganzen eutgegenſtellt — ich bitte dies zu beachten — 
ſagt er, daß es auf dem Königsboden überhaupt keinen 
Feudalismus gegeben habe. Dies ſagt der Abgeordnete des 
Kronſtädter Diſtrikts, der doch genau weiß — oder ſollte ich 
mich irren —, daß eben die Stadt Kronftart die Usangö- 
Ortſchaften als Frohnbauern behandelt zu ſehen wünſchte, 
und daß fie auch von der Regierung die Grundentlaſtungs— 
Obligation für dieſen Urbarialbeſitz in Empfang genommen 
hat. Wenn man daher dort ſogar die milites castrens es zu 
Frohnbauern gemacht hat, die in Ungarn die Qualifik ation 
als Adelige erlangten, da ſcheint es mir, daß dort doch ſoviel 
Ee Neigungen beſtanden haben müſſen als im übrigen 

ngarn. 


9 * 


132 


Der Herr Abgeordnete hat auch vorgebracht, daß auf 
dem Königsboden die Wallachen (Zwifchenrufe: die Romänen!) 
alſo ich bitte um Entſchuldigung — die Romänen in beſſeren 
Verhältniſſen ſind als dort, wo ſie zwiſchen anderen Na— 
tionalitäten wohnen. Was iſt aber die Urſache davon? 
Die Urſache iſt die, daß ſie dort vom ſanften, ehrlichen 
ſächſiſchen Volk die Wirthſchaftlichkeit gelernt haben. Das 
erkenne ich an, aber daß ſie in rechtlicher Beziehung bis 
zum Jahre 1848 in beſſeren Verhältniſſen geweſen wären, 
das muß ich leugnen. Ich war als Kind dort anweſend, 
als im Jahre 1847 der damalige Blaſendorfer Biſchof 
Johann Lemeny auf dem Klauſenburger Landtag entſchieden 
erklärte, daß die auf dem Königsboden wohnenden Romänen 
weit mehr unterdrückt ſeien, als überall ſonſt in Sieben— 
bürgen. Ich berufe mich auf das Landtagsprotokoll. 

Der Herr Abgeordnete Trauſchenſels ſagt ferner, und 
darauf legt er den hauptſächlichſten Nachdruck feiner Rede, 
daß er die ſächſiſche Nations -Univerſität als autonomen 
Factor anſieht, und zwar für die Gemeinde-Autonomie. 
Sehen wir einmal. Dort haben wir die Gemeinde, über 
der Gemeinde den Stuhl und über dieſem die Univerſität, 
demnach eine dreiſtöckige Gemeinde-Autonomie. Ich, geehrtes 
Haus, habe zwar eine Vorliebe für die dreiſtöckigen Häuſer, 
zumal wenn ſie mir gehören. Was aber die dreiſtöckige 
Autonomie bedeutet, das weiß ich nicht. Und wenn Sie 
mir beweiſen, daß es in Deutſchland irgendwo ſolche drei— 
ſtöckige Gemeinde-Autonomie gibt, welche die Aufſicht ſührt 
über die Behandlung der Wälder. daun gebe ich dem Herrn 
Abgeordneten Recht. Und da ich eben von den Wäldern 
ſpreche — der Herr Abgeordnete ſagt, daß es dieſem Um: 
ſtande zu danken ſei, diß auf dem Sachſenland die Wälder 
erhalten worden ſind. Wenn die ſächſiſche Univerſität die 
Wälder erhalten hat, dann belieben Sie dieſe Agenden, die 
ihr jetzt weggenommen werden, an Waldhüter zu übertragen, 
dann werden die Wälder ebenſo auch weiter erhalten werden. 
(Von den Bänken der Sachſen unter Gelächter Rufe: ſo 
iſt's!) Da wir doch wiſſen, und auch er es weiß, daß dieſe 
ſächſiſche Univerſität nichts anderes war, als das Medium 
zur Concentrirung der Volkskraft und der Preſſionsmittel 
gegen die ihr drohenden Angriffe, — iſt es eine ſonderbare 


133 


Myſtification der öffentlichen Meinung, nunmehr die Sache 
darauf hinaus ſpielen zu wollen, daß ihre Hauptaufgabe 
darin beſtanden habe, eine Oberbehörde in Waldangelegenheiten 
zu fein. — Sehr ſonderbar erſcheint es mir auch, daß, als 
er Bagration und einen preußiſchen Staatsmann erwähnte 
und Stein's Verfahren gegen Kurland und Eſtland in ein 
Verhältniß zu uns Magyaren brachte, daß er bei dieſer Ge— 
legenheit nur die Worte Stein's zitirt; warum denn hat er 
nicht auch feine Thaten erwähnt, und warum hat er nicht 
auch nachgewieſen, daß Poſen im deutſchen Reich etwa im 
Genuß einer ſolchen dreiſtöckigen Autonomie iſt und daß es 
mit Bezug auf die Verwaltung ſeines Vermögens und auf 
ſeine Autonomie jene Nationalrechte genießt, welche die 
Sachſen in Siebenbürgen bisher beſeſſen haben und beſitzen 
werden? Es war nicht Recht blos die Worte, und ſtatt der— 
ſelben nicht lieber auch die Thaten der preußiſchen Regierung 
zu zitiren. 

Meine letzte und einfache Bemerkung iſt noch die 
(hören wir!), daß dieſe Angriffe, wie ich auch bereits Ein— 
gangs bemerkt habe, nicht ernſt zu nehmen ſind. Jene Be— 
hörde, jenes Conſortium, welches aus dieſen Worten nach 
Gehör verlangt, iſt nicht das ſächſiſche Volk, ſondern jene 
Bureaukratie, die im Mittelalter entſtanden iſt, welche in 
ihren Städten ſich ebenſo umſchanzt, als dieſe feldft mit 
ihren Ringmauern, die ja zu jener Zeit gut waren, die aber 
jetzt keinen Werth und keinen Nutzen haben. Und beſonders 
empfehle ich jenen Herren, daß es hier im Muſeum ein ſehr 
intereſſantes Beiſpiel gibt, welches über jene Bureaukratie, 
von der hier die Rede iſt, ſehr orientirend iſt. Das iſt ein 
in Hermannſtadt geprägter Thaler aus dem Jahre 1540. 
Derſelbe gibt ſehr genaue Anhaltspunkte über die Rolle, 
welche dieſe Bureaukratie, von der ich eben ſpreche, ſeit Jahr— 
hunderten geſpielt hat. (Hören wir!) Auf der Reversſeite 
dieſes Thalers ſteht der Name des Hermannſtädter Bürger— 
meiſters Criſtoforus Schmidt; alſo dieſelbe Familie, welche 
bis auf den heutigen Tag die erſte Rolle nicht aus der 
Hand gelaſſen hat. Auf der Aversſeite ſteht — und zwar 
zu einer Zeit, da Johann Zapolya König war: Ferdinandus 
primus. 

Ich bitte hieraus wenigſtens den Schluß zu ziehen, 


134 


daß wir es hier mit einem fo verknöcherten Nepotismus zu 
thun haben, der jede Freiheit ausſchließt, und die zur Ver⸗ 
theidigung davon eingeſtanden find, gleichen jenen, die Cer— 
vantes beſchreibt, und ich hoffe, daß dieſe veralteten Helden 
auch noch ihren Cervantes finden werden. Nach alledem, 
und in der Hoffnung, daß dadurch durch die Reihen dieſer 
verknöcherten Bureaukratie der Freiheit eine Gaſſe gebahnt 
wird, nehm ich den Geſetzentwurf an. (Lebhafter Beifall 
im Centrum.) 

Präſident: Der Herr Abgeordnete Emil Trauſchen⸗ 
fels wünſcht in perſönlicher Bemerkung das Wort zu er— 
greifen. 

Emil Trauſchenfels: Ich erbitte mir vom Herrn 
Präſidenten das Wort, um eine an mich perſönlich gerichtete, 
des Me ritum des Gegenſtandes betreffende Frage mit mög- 
lichſter Kürze zu beantworten. 

(Rufe: Das iſt nicht möglich! großer anhaltender Lärm; 
endlich kann der Redner fortfahren.) 

Es ſcheint mir, daß eine meritoriſche Seite des Gegen— 
ſtandes entſtellt und verdreht wurde durch jenen Theil des 


eben gehörten Vortrages, bezüglich deſſen der Herr Abge- 


ordnete auch eine Anfrage direct an meine Per ſon gerichtet 
hat. Nachdem dieſe Verdrehung, wie es mir ſcheint, eben 
auf jenen Theil meiner Darſtellung ſich bezieht, den der 
Herr Abgeordnete ſelbſt als den weſentlichſten und wichtigſten 
Theil meiner Rede anerkennt, ſo erſuche ich den geehrten 
Herrn Präſidenten um Erlaubniß, in gedrängteſter Kürze 
autworten zu dürfen. 

Präſident: Ich verſtehe die Hausordnung ſo, daß 
der Herr Abgeordnete zum Sprechen berechtigt iſt, wenn er 
in ſeiner Perſon angegriffen wurde. Er iſt ferner auch dann 
zum Sprechen berechtigt, wenn ſeine eignen Worte entſtellt 
worden ſind. Wenn der geehrte Herr Abgeordnete in dieſem 
Sinne zu ſprechen wünſcht, ſo habe ich keine Einwendung 
dagegen. Daß er aber in die meritoriſche Widerlegung, in 
meritoriſche Gegenargumente ſich einlaſſe, das erſcheint mir 
nach der Hausordnung nicht geſtattet. Wollen Sie daher 
ſich innerhalb der Grenzen halten, daß Sie Ihre etwa falſch 
verſtandenen Ausſprüche richtig ſtellen. (Hören wir! aus dem 
Centrum.) 


135 


Emil Trauſchenfels: Dem geehrten Herrn Abge— 
ordneten hat es beliebt dasjenige, was ich geſtern in aus— 
führlicher Darſtellung über den Verwaltungsapparat und 
über den Organismus der Autonomie des Königsbodens vor— 
brachte, ſeinerſeits mit dem Ausdruck: „dreiſtöckige 
Autonomie“ zu bezeichnen und, inſofern ich ihn ver— 
ſtehen konnte, meine Darſtellung zu entſtellen und in lächer— 
lichem Lichte dazuſtellen. (Widerſpruch vom Centrum.) Ich 
bitte um Eutſchuldigung, ich wünſche nur mit wenigen Worten 
jenen Eindruck richtig zu ſtellen. 

Der Herr Abgeordnete weiß ebenſo, wie das geehrte 
Haus ſelbſt, recht gut, daß die ſächſiſche oder Königsboden— 
Autonomie, ſeit fie unter der freien Hand der k. ung. Re— 
gierung ſteht, daran verhindert worden iſt, in ihrer orga— 
niſchen Gliederung zu functioniren, d. h. würde die hohe 
Regierung dieſes Functioniren geſtattet haben, — weder der 
Herr Abgeordnete noch ſonſt irgend Jemand würde dann 
dieſe Frage an mich gerichtet haben. (Lärm.) Die Wider— 
legung kommt jetzt. Sie kennen einen andern, genau nach 
dem Vorbild und nach dem Weſen dieſes politiſchen Orga— 
nismus nachgebildeten autonomen Apparat; es iſt die Auto— 
nomie der lutheriſchen ſiebenbürgiſchen Landeskirche. Dieſe 
genau jenem Muſter nachgebildete Autonomie functionirt, 
wie der Herr Cultusminiſter beſtätigen wird; dieſelbe iſt 
auch „dreiſtöckig“ und doch bildet ihren eigentlichen Gegen— 
ſtand (Großer Län, Widerſpruch; während dieſes Lärms 
beendet Redner ſeinen Satz) der Schutz und die Pflege der 
Autonomie der einzelnen Kirchengemeinden. (Redner wird 
vom Präſidenten unterbrochen.) 

Präſident: Der geehrte Herr Abgeordnete mag 
doch auf den unzweideutigen Ausdruck der Stimmung des 
Hauſes Rückſicht nehmen wollen, welches offenbar der 
Meinung iſt, daß der Herr Abgeordnete nicht die Richtig— 
ſtellung ſeiner eignen etwa falſch verſtandenen Worte, ſondern 
meritoriſche Ausführungen vorzubringen beabſichtigt. (Zu— 
ſtimmung.) 


Conſtantin Gurban (Komäne) : 


Geehrtes Haus! Zu dem auf der Tagesordnung be— 
findlichen Gegenſtande zu ſprechen, ſpornen mich nicht bloß 


136 


die Wichtigkeit der Sache ſondern auch die eigenthümlichen 
Erſcheinungen während der Diskuſſion an, welche Beide ich 
in meinem Vortrage in Eines verſchmelzen möchte. Ich 
ſehe nämlich, daß die Stärke und Macht mit der Waffe der 
ſcheinbaren Gerechtigkeit und unter dem allgemeinen Bei— 
fall ihrer großen Umgebung ihre Herrſchaft eine einſtens 
mit Privilegien ringsumher verſchanzte Feſte fühlen laſſen; 
ich höre das Jammergeſchrei, welches die Bewohner der 
Feſte erheben, die Wucht der Stärke empfindend, welche ſie 
immer mehr niederdrückt, ohne daß Jemand ſich fände, um in 
ihrem — wie ſie ſelbſt ſagen — äußerſten Todeskampfe mit 
rettenden Mitteln ihnen zu Hilfe zu eilen. 

Wahrlich, eine eigenthümliche Erſcheinung das, geehrtes 
Haus, und der unparteiiſche Menſch kann ſich ſchwer ent— 
ſcheiden, ob er ſich über den ſicheren Sieg der Waffe jener 
bezeichneten Gerechtigkeit freuen oder ob er die Ver— 
nichtung der — wie ſie ſagen — die Exiſtenzfrage berühren— 
den Privilegien bedauern ſolle, welche der ſchwächere und 
übrigens nicht ſtrafbare Theil bisher beſaß und auch künftig 
zu behalten hoffte. 

Ueber den ſicheren Sieg der Gerechtigkeit haben wir 
mehrere Redner ſich freuen geſehen in dieſem geehrten Hauſe; 
indem ich den zu Beſiegenden meine Theilnahme bezeugen 
will, tröſte ich ſie damit, daß die Früchte des Privileg's ge— 
nug gereift ſind, um vom Baume zu fallen. Ich meiner— 
ſeits, von meinem Standpunkte habe keinen Grund, die 
Richtung der jetzigen Regierung gutzuheißen, denn ich ſehe 
ſie in vielen Fällen von dem wolverſtandenen Jutereſſe unſeres 
Vaterlandes abweichen (Beifall auf der äußerſten Linke), 
wovon den Nachweis in dieſem Hauſe zu verſuchen, ich bei 
gegebener Gelegenheit nicht verſäumen werde. Judeß be— 
friedigt der vorliegende Geſetzentwurf wenigſteus in feiner 
Grundlage einigermaßen; ſelbſt die Bewohner der fremden 
Reiche werden nichts dagegen jagen können und wenu nur 
keine andere Tendenz darin liegt, ſo wird er in 
größerem oder geringerem Maße auch die auf dem bisherigen 
Königsboden wohnenden romäniſchen Bürger befriedigen, 
welche in der romäniſchen Preſſe nicht bloß einmal ſich dar- 
über beklagt haben, daß ſie von ihren ſächſiſchen Brüdern 
— welche dort im Vollbeſitz der Macht ſind — des Ge— 


137 


nuſſes am Königsboden-Vermögen nicht im entſprechenden 
Maße theilhaftig gemacht worden. Sie können jetzt billig 
ſagen: „hodie mihi, cras tibi.“ 

Oder, geehrtes Haus, trauren unſere ſächſiſchen Brüder 
darüber, daß ſie die weſtliche Cultur im Oſten, ſpeciell in 
Siebenbürgen nicht mehr verbreiten können? Sie mögen 
darin ihre Beruhigung finden, daß ſie in dieſer Beziehung 
ſchon übergenug gethan haben; fie haben nämlich die Cultur 
nur unter ſich verbreitet und ſind auf Grundlage deſſen auch 
emporgeſtiegen; Anderen davon zu borgen haben ſie nicht 
recht Luſt gehabt, weßhalb ſie aber auch nicht zu beſchuldigen 
ſind. Es iſt leicht, meine Herren, die Cultur ſich anzueignen 
und fortzubilden dort, wo ſich von allen Seiten die Mittel 
dazu darbieten, und der Königsboden iſt eine der geſegneteſten 
und fruchtbarſten Gegenden, während auf der anderen Seite 
die Privilegien jenen gemeinſamen Boden unſeren ſächſiſchen 
Brüdern hinlänglich ſicherten. Schwer iſt es, die Cultur 
ſich anzueignen und fortzubilden unter ſtiefmütterlichen Ver— 
hältniſſen, unter welchen das ſiebenbürgiſche und überhaupt 
das Romanenvolk ſeit Jahrhunderten lebt, welches Volk auch 
die die Cultur ſelbſt verbreitenden ſächſiſchen Brüder gepeinigt 
haben u. z. der Maßen, daß ſie ihnen in mehreren Orten 
nicht einmal die Erlaubniß zum Aufbau eines Bethauſes gaben. 

Geehrtes Haus! Der geehrte Herr Innerminiſter hat 
in den letzten Tagen ſo wirkungsvoll bewieſen, daß die Re— 
gelung des Königsboden mit dem Tode der ſächſiſchen Brüder 
nicht eins ſei; nichtsdeſtoweniger hat einer unſerer geehrten 
Abgeordnetencollegen auch nachher dieſe Ueberzeugung ausge— 
ſprochen. Meines Erachtens hätte der Herr Miniſter ſeine 
Behauptung nur mit Beiſpielen illuſtriren müſſen, damit ſie 
eine vollkommen überzeugende Kraft beſitze. Siehe da, ich 
werde mit Erlaubniß des geehrten Hauſes einen Vergleich 
vorzubringen mir erlauben. (Hören wir!). Das romäniſche 
Volk keunen unſere ſächſiſchen Brüder ſehr gut. Dieſes Volk 
hat in ſeinem ganzen Leben kein einziges Privilegium be— 
ſeſſen, was ich auch mit Stolz in dieſem Hauſe bemerke. 
Mehr als 1700 Jahre bewohnt dieſes Volk dieſe Gegenden 
und 1000 Jahre find es, daß es mit dem magharifchen 
Volke zuſammenlebt. Es gab und zwar nicht bloß einmal eine 
Zeit, wo, während die ſächſiſchen Brüder und Andere die 


138 


Cultur unter fich verbreiteten, dieſes Volk ſchaarenweiſe auf 
den Plan hinauszog und ſein Blut auf dem Schlachtfelde 
vergoß, damit es nur fein Vaterland vor der feindlichen 
Eroberung bewahre; doch mögen hievon das Brot- und 
Amſelfeld, das „debulu tatariloru“ in der Marmaroſch, und 
andere Orte ſprechen. Aber nicht erwähnen wir ſie! Dieſes 
Volk erfocht ſich keine Verdienſte, es erfüllte ſeine Pflicht. 
Viele Tauſende dieſes Volkes mögen auf den Kampfplätzen 
geblieben ſein, aber es iſt Gott ſei Dank bis zum heutigen 
Tage vollzählig. 

Dieſes Volk können unſere ſächſiſchen Brüder ſehr gut 
kennen; ſie können von ihm wiſſen, daß es nicht bloß keine 
Privilegien beſaß, ſondern ſogar — beſonders unter den 
magyariſchen ſiebenbürgiſchen Fürſten ſehr gepeinigt worden 
iſt u. z. der Maßen, daß es nach den beſtehenden Geſetzen 
ſeine Kinder nicht in die Schule ſchicken konnte und von der 
Gnade der Grundherren lebte; ſeine Geiſtlichen den Super— 
intendenten auf ihren Schultern in die Kirche und zurück 
trugen; in der Religionsübung, wenn auch nicht davon ausge— 
ſchloſſen, ſo doch ſehr behindert war; mehreren tyranniſchen 
Hierarchen der Serben unterſtellt wurde; feine Religion in 
Siebenbürgen bloß geduldet war, aus welcher Lage ſich 
Letztere nur in der neueſten Zeit befreien konnte — wenn ich 
nicht irre, wurde ſie im Jahre 1864 in die Reihe der 
„receptae ecelesiae“ inartikulirt — und noch viele andere 
Leiden des romäniſchen Volkes könnte ich hier in Paralelle 
ziehen zum Troſte der Herren Sachſen; nichtsdeſtoweniger 
laſſe ich all' dieſes bei Seite, aber Eines halte ich dennoch 
für nothwendig, vorzubringen. (Hören wir!) 

Zwei Millionen erreicht die Zahl der Romänen in 
Ungarn und durch wie viel Männer ſehen wir dieſelbe hier 
vertreten? Beſonders aus Siebenbürgen, wo die Romänen ſo 
dicht beiſammenwohnen, nimmt kein einziger Abgeordneter 
ſeinen Platz hier ein. Sie, meine ſächſiſchen Brüder, wiſſen 
es gut, warum ſie nicht da ſind; Sie ſind im Stande, die 
Verhältniſſe der Romänen auch in Ungarn zu kennen. Ich 
weiß, daß Sie unſere Lage nicht brillant finden, trotzdem 
bangt der romäniſchen Nation nicht um ihre Exiſtenz, ja ſie 
hofft ſogar, daß die magyariſche Nation vielleicht recht bald 
einſehen werde, daß gerade bezüglich ihrer ſelbſt nichts 


139 


wünſchenswerther ſei, als das identiſche Intereſſe, ein billige 
und freundſchaftliche Handlungsweiſe gegenüber den Romänen. 

Unſere ſächſiſchen Brüder mögen ſich daher mit dem 
erwähnten Vergleiche tröſten. Ich glaube, ſie werden die 
Regelung des Königsbodens nicht als den Gegenſtand ihrer 
letzten Beſorgniß anſehen! 

Uebrigens nehme ich den vorliegenden Geſetzentwurf 
als Grundlage zur Specialdebatte an. (Beifall.) 

Präſident: Nachdem zum Sprechen Niemand mehr 
aufgezeichnet iſt, erkläre ich die Generaldebatte für geſchloſſen. 
Das Wort gebührt dem Herren Referenten und dem Ein— 
reicher des Gegenantrages. 


Friedrich Wächter, Referent (Regierungspartei): 


Geehrtes Haus! (Hört! Hört!) Nachdem der auf der 
Tagesordnung befindliche Geſetzentwurf von allen Seiten 
beſprochen worden, kann ich meine Bemerkungen auf ſehr 
Weniges beſchränken. Als ich dieſen Platz einnahm, ent- 
ſchloß ich mich, mich weder auf Recriminat ionen, noch auf 
Provocationen einzulaſſen. (Beifall.) Ich halte es für eine 
mit meiner Stellung verbundene Pflicht, blos darauf mich 
einzulaſſen, was ich als Referent des Verwaltungsausſchuſſes 
nicht mit Stillſchweigen übergehen kann. 

Ich werde darauf nicht reflectiren, was von Seite 
Derer geſprochen wurde, welche dieſen Geſetzentwurf als 
Grundlage für die Specialdebatte nicht annehmen. Allein 
es befindet ſich dennoch unter dieſen Erklärungen und Aus— 
ſprüchen ein Punkt, welchen ich mit Stillſchweigen nicht 
übergehen kann, nicht übergehen darf, denn ich als Referent 
des Verwaltungsausſchuſſes bin genöthigt dann, wenn über 
das im Verwaltungsausſchuſſe Geſchehene Unrichtiges vorge— 
bracht wird, Aufklärung zu geben. 

Der Herr Abgeordnete Trauſchenfels hat ſich in ſeiner 
geſtrigen Rede dahin ausgeſprochen, der ſehr geehrte Herr 
Miniſter habe bezüglich der Territorialregelung dem Ver— 
waltungsausſchuſſe einen Geſetzentwurf eingereicht. Der Herr 
Abgeordnete hat das getadelt, hat dieſen Vorgang geſetz— 
widrig genannt, und an und für ſich war auch feine Behaup- 
tung berechtigt, es ſei Pflicht des Miniſters, einen Geſetz⸗ 


140 


entwurf zuerft dem Haufe vorzulegen, und das Haus habe 
denſelben dann dem Ausſchuſſe zuzuweiſen. Allein, geehrter 
Herr Abgeordneter, die Sache verhält ſich nicht alſo, wie 
Sie dieſelbe darzuſtellen beliebten, und ich kann nicht be— 
greifen, wie der geehrte Herr Abgeordnete, welcher die 
Journale ſo fleißig zu leſen pflegt und deſſen zwei, drei 
Freunde in jener Ausſchußſitzung anweſend waren, eine 
jolche Behauptung aufſtellte, welche der Wahrheit zuwider— 
läuft. Der geehrte Herr Miniſter des Innern hat dem 
Ausſchuſſe keinen Geſetzentwurf vorgelegt, ſondern blos zum 
Behufe der Orientirung des Ausſchuſſes einen Plan vor- 
gezeigt, betreffs deſſen er ſelbſt ganz beſtimmt erklärte, der— 
ſelbe könne von ihm ſelbſt noch nicht als endgiltig feſtgeſtellt 
angeſehen werden. Hier kann alſo nicht von einem geſetz⸗ 
widrigen Vorgang die Rede ſein, denn das iſt gewiß, daß 
diejenige Fachcommiſſion, welche irgendwelche Angelegen— 
heiten vorher zu berathen berufen iſt, auch die Berechtigung 
hat, vom Miniſter zu wünſchen und zu fordern, er ſolle alle 
zur Orientirung erforderlichen Daten ihr zur Verfügung 
ſtellen. 

Der geehrte Herr Abgeordnete hat dieſe ſeine Be— 
hauptung als Anklage gegen den Herrn Miniſter benützt, 
indem er ſagte, derſelbe habe dies blos deshalb gethan, da— 
mit er auf einige Jurisdictionen des Königsbodens eine 
Preſſion ausübe, jetzt, da die Agitation auf dem Königsboden 
zu dem Behufe in Gang gebracht worden iſt, damit Ver— 
wahrung gegen den in Berathung befindlichen Geſetzentwurf 
eingelegt werde. Der geehrte Herr Abgeordnete kann aus 
meiner Erklärung erſehen, daß der Miniſter keine andere 
Intention gehabt hat, als dem Wunſche der Commiſſion 
behufs Orientirung zu entſprechen. (Beifall.) Möglich iſt's, 
daß die Vorlegung dieſes Planes von Einzelnen unten als 
Mittel dazu gebraucht wurde, daß einige Aufregung auf 
dem Königsboden hervorgerufen werde. Ich anerkenne auch, 
daß dieſes Mittel ſehr gut, ſehr nachdrücklich ſein kann. 
Allein, geehrter Herr Abgeordneter, ich will in dieſer Aus» 
einanderſetzung nicht weiter gehen, denn die Loyalität und 
die perſönlichen Verhältniſſe, in welchen wir gegenſeitig 
leben, nöthigen mich, daß ich in dieſer Hinſicht in weitere 
Auseinanderſetzungen mich nicht einlaſſe. Denn ich halte es 


141 


nicht für chevalersk, das Alles zu ſagen, was ich hierüber 
weiß und zu ſagen wüßte. (Beifall.) 

Geehrtes Haus! Indem ich dazu übergehe, weshalb 
der Verwaltungsausſchuß den zur Berathung vorliegenden 
Geſetzentwurf angenommen hat, kann ich mich darauf be— 
rufen, daß es in dieſem Hauſe bewieſen worden iſt, daß es 
in ganz Ungarn blos einen geſetzgebenden Körper geben 
kann, daß in Ungarn blos die ungariſche Legislative das 
Recht hat, Geſetze zu ſchaffen, (Beifall) und weil dies der 
Fall iſt, hat der Verwaltungsausſchuß ſich dem nicht ent— 
ziehen können, dieſen Gefegentwurf in Berathung zu ziehen. 
Der Verwaltungsausſchuß hat ſich blos die Frage ſtellen 
können: ob dieſer Geſetzentwurf wirklich, wie behauptet wurde, 
eine Schädigung für die Bewohner des Königsbodens ſei. 
Und in dieſer Hinſicht iſt es, geehrtes Haus, meine perſön— 
liche Ueberzeugung, daß dieſer Geſetzentwurf für die Be— 
wohner des Königsbodens nicht nur nicht ſchädlich 
und verletzend ſei, ſondern daß derſelbe auf dem 
Königsboden ſolchen Verhältniſſen ein Ende macht, welche 
mit der Verfaſſung unvereinbarlich ſind. (Lebhafter Beifall.) 

Geehrtes Haus! Der erſte Theil des Geſetzentwurfes 
handelt über die Verwaltung. Man möge von welcher 
Seite immer ſagen, was man will, das Eine ſteht feſt, daß, 
wenn wir den Standpunkt der Verwaltung im Auge be— 
halten, es ſich nicht in Abrede ſtellen läßt, eine gute Ver— 
waltung könne nur dann ſtattfinden, wenn das Geſetz, welches 
von der Verwaltung handelt, im ganzen Lande eines und 
dasſelbe iſt. (Beifall.) . 

Es läßt ſich ferner nicht in Abrede ſtellen, meine 
a daß, wer auch nur einen einzigen Blick auf die 

arte Siebenbürgens geworfen hat, davon überzeugt ſein 
muß, daß man in Siebenbürgen eine gute Verwaltung nicht 
ins Leben rufen kann, wenn man nicht die ganze Territo— 
rialeintheilung Siebenbürgens regelt. Ja, ich gehe noch 
weiter, geehrtes Haus! Die Herren Abgeordneten, welche 
gegen dieſen Geſetzentwurf opponiren, mögen mir Glauben 
ſchenken, auch ich bin ein ſo guter Sachſe wie Sie, auch 
ich liebe meine Nationalität wie Sie, ich thue im Jutereſſe 
meiner Nationalität, deren Sohn ich bin, bei jeder Gelegen⸗ 

heit, wo es nur möglich iſt, bei jeder Gelegenheit, wo 


142 


es nicht die Gerechtigkeit verbietet, alles nur immer 
Mögliche (Lebhafter Beifall); allein Sie können, meine 
Herren Collegen, wenn Sie die Wahrheit eingeſtehen, es 
nicht in Abrede ſtellen, die Territorialregelung kann nicht 
ins Leben treten, ohne daß auch der Königsboden dadurch 
berührt werde. (So iſt's!) Und, geehrtes Haus, wenn ge— 
fragt wird, wer dieſe Regelung durchzuführen habe, ſo kann 
es ſicherlich Niemanden in dieſem Reichstage, Niemanden 
unter den Abgeordneten geben, welcher ſagen würde, nicht 
die Legislative, die ungariſche Legislative, ſei dazu berechtigt. 
(Lebhafter Beifall.) 

Es ſteht doch wol feſt, daß man Niemanden zu fragen 
braucht, ob er dies geſtattet oder nicht? Stünde die Sache 
ſo, daß wir diesbezüglich Jemanden fragen müßten, ſo würde 
man nach alledem, was die Herren Abgeordneten geſagt 
haben, Siebenbürgen abſolut gar nicht arrondiren können. 
Die Herren Abgeordneten haben nämlich erklärt, daß ſie 
ihrerſeits von einer Arronvirung des Königsbodens überhaupt 
nichts wiſſen wollen; ohne daß jedoch der Königsboden von 
dieſer Maßregel berührt würde, kann man in Siebenbürgen 
dieſe Angelegenheit nicht ordnen. (Beifall.) 

Adolf Zay: Das ſteht nicht! (Hört! Hört!) 

Friedrich Wächter: Dieſer Geſetzentwurf macht Zus 
ſtänden ein Ende, welche in einem verfaſſungsmäßigen Lande 
nicht aufrechterhalten werden können. 

Zudem der Geſetzartikel XLIII: 1868 beſtimmt, daß 
bezüglich des Königsbodens ein beſonderes Geſetz verfügen 
werde, erklärt er gleichzeitig, daß inſolange das Geſetz über 
die Regelung des Königsbodens nicht geſchaffen iſt, das 
Miniſterium berechtigt iſt, den Königsboden mittelſt Verord⸗ 
nungen zu regieren. Seit 1868 unterſteht alſo der Königs⸗ 
boden dem Verfügungsrechte, der freien Hand des Miniſte⸗ 
riums. Seit 1868 iſt der Königsboden der einzige Theil 
Ungarns, in welchem die Verfaſſung ſuspendirt iſt. Nur 
in dieſem Theile des Landes, wo während Jahrhunderten die 
Beamten frei gewählt wurden, wo man im Beſitze einer 
wirklichen Verfaſſung war, werden die Beamten ernannt und 
die Regierung iſt berechtigt, wann immer die beſtehenden 
Verordnungen umzuändern oder aufzuheben, nach welchen 
wir dort regiert werden. Daß dies kein haltbarer Zuſtand 


143 


ift, wird mir jedes Mitglied des geehrten Hauſes zugeben. 
(Beifall) 

Ich behaupte demnach, daß es für den Königsboden 
ein bedeutender Gewinn ſei, wenn er wieder in den Genuß 
der Wolthat der Verfaſſung eingeſetzt wird, wenn er aller 
jener Rechte theilhaftig wirt, welche die übrigen Bürger des 
Vaterlandes genießen. (Zuſtimmung.) 

Ich gehe zum zweiten Theile des Geſetzentwurfes über, 
welcher über die Nations-Univerſität handelt. Geſtern war 
oſt davon die Rede, daß der Zweck dieſes Geſetzentwurfes 
der ſei, die ſächſiſche Nationalität zu vernichten. Ich bitte 
um Vergebung; die ſächſiſche Nationalität findet eben in der 
Nations-Univerſität ihren Ausdruck; ſolauge daher die 
ſächſiſche Nations-Univerſität aufrecht erhalten wird, ſo lange 
wird auch die ſächſiſche Einheit aufrecht erhalten ſein, wenn 
auch nicht als politiſche Einheit, ſo wird ſie doch als 
culturliche Einheit aufrecht erhalten ſein. (Lebhafter Beifall.) 
Dieſer Geſetzentwurf garantirt unſere Schulen. Die Herren 
mögen doch deſſen gedenken, daß die größte Beſchuldigung 
immer die war, das Beſtreben in Ungarn ſei darauf ge— 
richtet, dieſes Vermögen je eher zu confisciren. Die größte 
Beſorgniß der ſächſiſchen Nationalität war die, man werde 
heute oder morgen jene Dotation angreifen, welche daſelbſt 
die Gymnaſien beziehen und mit deren Unterſtützung dieſe 
Gymnaſien beſtehen. Und ſiehe da, geehrte Herren Abge— 
ordnete, dieſer Geſetzentwurf liefert eine Garantie dafür, daß 
dieſe Confiscation nicht ſtattfinden wird, und damit iſt Genüge 
geleiſtet Jedermann, welcher aufrichtig ſein will, welcher 
nicht blos darauf ſinnt, zu agitiren. (Lebhafter Beifall.) 

Ich will nicht weiter ſprechen, geehrtes Haus, ſondern 
ſchließe meinen kurzen Vortrag. (Hört, Hört!) Ich verweiſe 
auf jene Worte, mit denen der Herr Abgeordnete Karl 
Gebbel ſeine Rede ſchloß. Er ſagte mit Berufung auf die 
Worte des großen Dichters: „Bleib bei deinem Volke, das 
iſt der ſich're Ort!“ So iſt es! Auch ich gehe zu meinem 
Volke, auch ich werde — wo es nöthig iſt — an der 
Seite meines Volkes nach Thunlichkeit ſtreiten, auch ich werde 
um meines Volkes willen Alles thun, was ich thun kann. 
Allein Eines hat der Herr Abgeordnete anzuführen vergeſſen, 
und dieß iſt, daß der Dichter jene Worte einem Schweizer 


144 


in den Mund legte, der Schweizer aber fein Vaterland für 
das Heiligſte auf der Welt hält, ihm iſt ſein Vaterland, die 
Schweiz, das, wofür er Alles opfert. (Beifall.) 


Geehrter Herr Abgeordneter! Wenn ich nach Hauſe 
reife und man mich ſelbſt mit Koth bewirft, fo hoffe ich 
doch, es werde heute oder morgen die ruhige Ueberlegung 
wieder die Oberhand gewinnen, und ich werde meinen ge— 
ringen Einfluß, welchen ich beſitze, ſtets nur darauf verwenden, 
daß die Sachſen, wie ſie dies auch bisher geweſen, ſo gute 
Staatsbürger und Patrioten bleiben, wie jener Schweizer, 
an welchen der Dichter ſeine Worte richtete. (Lebhafter Bei— 
fall.) Geehrtes Haus! Indem ich dieſen Geſetzentwurf neuer— 
dings dem geehrten Hauſe empfehle, thue ich dies nicht einzig 
und allein als Referent des Verwaltungs-Ausſchuſſes, ſondern 
ich thue dies, geehrtes Haus, als geborener Sachſe. (Lange 
anhaltender Beifall). Mit reinem Bewußtſein, geehrtes Haus, 
ſpreche ich es aus, daß ich blos deshalb für dieſen Geſetz— 
entwurf ſtimme, blos deshalb ihn empfehle, weil ich ein— 
ſehe, daß meine Nationalität durch denſelben nicht gefährdet 
ſein wird. 

Sie, geehrte Herren Abgeordnete (zeigt auf die Sitze 
der Sachſen), mache ich auf Eines aufmerkſam. Es mag 
Einzelne unter unſeren ſächſiſchen Genoſſen und Freunden 
geben, welche ihre Häuſer, ihre Gärten verkaufen, ihr Geld 
in die Taſche ſtecken und dann, wenn ihnen der Zuſtand des 
Landes nicht mehr zuſagt, wenn vielleicht jene Lage, welche 
ſie mit herbeigeführt haben, derart ſich geſtaltet, daß ſie ihre 
Volksthümlichkeit verlieren; es iſt möglich, daß dann ſolch' 
Einzelne fortreiſen nach Wien oder nach dem großen Deutſch— 
land oder wohin es ihnen beliebt, ſich dort niederlaſſen und 
ſich nicht mehr um das Loos der ſächſiſchen Nation kümmern. 


Auf dies allein mache ich die geehrten Herren Abge— 
ordneten aufmerkſam. Das Schickſal der ſächſiſchen Natio- 
nalität iſt eng verbunden mit dem des ungariſchen Vater— 
landes. (Lebhafter Beifall.) Die Sachſen müſſen mit den 
übrigen Bürgern unſeres Vaterlandes in Siebenbürgen leben 
und deshalb handeln Diejenigen am Beſten, ſind Diejenigen 
die beſten Freunde der ſächſiſchen Nationalität, welche darauf 
bedacht ſind, jenem Haß ein Ende zu machen, welcher hie 


145 


und da gegen die magyariſche Nation hervorgerufen wurde. 
(Beifall.) 

Geehrtes Haus! Ich ſpreche nicht weiter. Ganz kurz 
fordere ich das geehrte Haus auf, den Geſetzentwurf im 
Ganzen als Grundlage zur Specialdebatte anzunehmen. (Lange 
anhaltender Beifall und Eljenruſe.) 

Präſident: Der Gegenantragſteller wünſcht auch 
zu ſprechen. 

Guſtav Kapp (Sachſe): 
Geehrtes Haus! (großer Lärm und Unruhe.) 


Präſident: Der geehrte Herr Abgeordnete thut 
ſehr gut daran, wenn er ſeine Rede in ſo lange nicht be— 
ginnt, bis es dem Hauſe nicht beliebt, ihn auch anzuhören. 
Es iſt überaus wünſchenswerth, daß die Verhandlung mög— 
lichſt bald zum Abſchluß komme, und darum bitte ich das 
geehrte Haus, es wolle den Redner anhören. (Zuſtimmung.) 

Guſtav Kapp: Geehrtes Abgeordnetenhaus! Ich 
verſpreche im Vorhinein, daß ich trachten werde, mich mög— 
lichſt kurz zu faſſen, daß ich gelaſſen und ruhig ſein werde, 
ſo weit das nur immer möglich, obwol es manchmal ſchwer, 
vermöge der menſchlichen Natur und des Temperamentes über— 
aus ſchwer iſt, die Ruhe und Gelaſſenheit in vollem Maße 
zu bewahren. Gleichwol hoffe ich auch diesmal zu beweiſen, 
daß ich vollſtändig objectiv mich an die Sache halten werde, 
denn ich halte dafür, daß es eben jetzt und hier keineswegs 
nöthig ſei, die Leidenſchaften noch höher anzufachen und einer 
beſonnenen Erwägung den Weg zu verlegen. 

Ich will mich auch nicht einlaſſen auf all' das, was 
gegen uns vorgebracht worden iſt, denn in dem Falle würde 
meine Antwort eine allzu weitwendige werden müſſen, ich 
werde mich nur auf das Unabweislichſte beſchränken. 

Geſtatten Sie mir, daß ich mich in erſter Reihe gegen 
meine geehrten ſiebenbürgiſchen Abgeordneten-Collegen, an 
unſere magyariſchen und ſzekleriſchen Landsleute (atyank- 
fiaihoz) — wie wir ehedem zu ſagen pflegten, wende. (Uns 
ruhe. Der Präſident läutet.) 

Eben von ihrer Seite ſind wir am feindſeligſten und 
heftigſten angegriffen worden, und doch meine ich, daß wir 
eben von ihrer Seite verlangen und Anſpruch erheben durften, 


10 


146 


daß ſie uns, ſoweit wir im Rechte ſind, unterſtützen und die 
Sachlage wahrheitsgetreu jenen Mitgliedern des geehrten 
Hauſes darſtellen, die nicht aus eigener Auſchauung und Er— 
fahrung den Königsboden kennen, ſondern nur aus jenen 
Redereien — ich kann wol ſagen, Fabeln, — die über dieſen 
Königsboden ſeit Jahren im Lande verbreitet worden. Dar— 
auf hatten wir einen, wie ich meine, -wolbegrürdeten Ans 
ſpruch eben Kraft all' deſſen, was der geehrte Herr Ab— 
geordnete Baron Gabriel Kemeny aus unſerer ſiebenbürgiſchen 
Vergangenheit geſtern dem Hauſe ſehr dankenswerth aus— 
einandergeſetzt hat. 

Der geehrte Herr Abgeordnete wolle mir geſtatten, 
dem von ihm diesbezüglich — über das Verhältniß der drei 
Nationen — Geſagten nur Eins beizufügen, was auch er 
ſehr gut weiß, da ihm die ſiebenbürgiſchen Geſetze und Ver— 
hältniſſe ſehr gut bekannt ſind: nämlich, was z. B. der 
ſiebenbürgiſche Landtag Angeſichts einer Rechtsverletzung, 
welche ſeitens der damaligen Regierung gegen die Sachſen 
ſtattfinden wollte, in der Landtags-Repräſentation vom Jahre 
1810-11 ſagte: (Hören wir). Das iſt kein „Privilegium,“ 
ſondern eine landtägliche Adreſſe und Repräſentation: (lieſt) 

„Nos quoque justae huic sollieitationi deteren- 
„dum esse censentes, Majestatem Vestram Sacratissi- 
„mam vi unionis, qua ad manutenenda unitarum 
„Nationum legalia quaevis jura obstringimus, demisse 
„exorandum esse duximus, ut praedictam Nationem 
„Saxonicam hac etiam in parte in juribus suis, 
„statuque Diplomatico conservare Jignetur.*) 

Ich wende mich nun zu einer andersgeurteten Behauptung 
des ſehr geehrten Herrn Abgeordneten Baron Kemeny. Er 
geräth außer Faſſung, bezeichnet es als einen Anachronis— 


*) Dieſem gerechten Verlangen meinen auch wir entſprechen 
zu ſollen und ſtellen an Eure geheiligte Majeſtät Kraft der Union, 
durch die wir zur Wahrung aller geſetzlichen Rechte der vereinigten 
Nationen verpflichtet ſind, die unterthänige Bitte, Eure Majeſtät gernhe 
auch in dieſer Richtung die vorerwähnte ſächſiſche Nation in ihren 
Rechten und dem Diplom (Leopoldinum) entſprechenden Stande zu 
bela ſſen. - 


147 


mus und ich weiß nicht, als was Alles ſonſt noch, wie und 
in welcher Art wir uns unterfangen, hier aufzutreten, wie 
wir hier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ſolche 
Dinge verlangen können, die ihn — wie er zu ſagen be— 
liebte — gemahnen, als ob er um 200 oder 250 Jahre 
früher mit uns auf einem ſiebenbürgiſchen Landtag zu Mediaſch 
oder ſonſt wer weiß wo ſich befände. Er berief ſich ſodann 
auf die Geſchehniſſe in den 1850-er und 1860er Jahren, 
insbeſondere auf den ſogenannten Hermannſtädter Landtag 
von 1863, an welchem die Sachſen theilgenommen hätten. 
Auf dies Letztere will ich nicht eingehend antworten, ſondern 
dem geehrten Herrn Abgeordneten nur eines bemerken. Er 
ſelbſt erwähnte —— wenn ich nicht irre eben mit dieſen 
Worten — daß er ſelbſt auch in dem Vorzimmer jenes 
Landtages geweſen ſei. Ich füge nur bei, daß der geehrte 
Herr Abgeordnete ſelbſt ſehr gut weiß, wie nach der da— 
maligen Lage der politiſchen Verhältniſſe ſowol die ungariſchen 
als ſzekleriſchen Abgeordneten in Hermannſtadt ſich eingeſtellt 
hatten, und wie es nur an einem Haare gehangen, daß fie 
aus dem Vorzimmer in den Landtagsſaal ſelbſt nicht auch 


gelangten. 
Was in der Zwiſchenzeit — vom Vortag bis zum 
nächſten Morgen — da vorging — ich will es nicht er— 


örtern, ſelbſteigene Kenntuiß davon habe ich auch nicht, denn 
ich perſönlich war, wie der geehrte Herr Abgeordnete ſehr 
gut weiß, auch nicht einmal in dem Vorzimmer jenes 
Landtages. 

Der geehrte Herr Abgeordnete geräth außer Faſſung 
(megbotränkozott) darüber, was wir gegenwärtig verlangen 
und wünſchen! Und was iſt dies? Daß die Geſetzgebung 
Ungarns einhalte nichts anderes, als das, was ſie ſelbſt 
vor ſieben oder nahezu acht Jahren verheißen, zum Geſetz 
erhoben und was heute noch vollkommen rechtsgiltiges 
ſanctionirtes Geſetz iſt. 

Der geehrte Herr Abgeordnete berief ſich im Zuſammen— 
hang mit den Geſchehniſſen aus der Zeit ven 1850 bis 
1863 auch auf die Rechtsverwirkung! Er wolle mir geftatten, 
daß ich ihm ins Gedächtniß rufe Dinge, die nach jener 
Zeit, nach dieſen 60er Jahren geſchehen: nämlich feierliche, 
öffentlich abgegebene Erklärungen von hochaugeſehenen, ge— 

10 * 


148 


wichtigen ſiebenbürgiſchen Parteiführern aus dem Jahre 1865. 
Damals ſagte der Amtsvorgänger des Herrn Abgeordneten 
und Staatsſecretärs, Karl Zeyk, als Antragſteller und 
Hauptwortführer im 1865er ſiebenbürgiſchen Landtag über 
dieſen Gegenſtand folgendes: — Geſtatten Sie mir, daß ich 
nur wenige Zeilen vom Papier ableſe, damit nicht auch mir 
eine Unrichtigkeit (tollhiba) vorgeworfen werden könne. — 

Karl Zeyk ſagte gegen Ende feiner großangelegten 
Landtagsrede folgendes: „Belangend die ſächſiſche Nation 
„legen wir Seiner Majeſtät vor einige Bitten und Forde— 
„rungen, damit Seine Majeſtät als der eine Factor der Geſetz— 
„gebung geruhe, auf Grund der Gerechtigkeit und Gleich— 
„berechtigung auf dieſelben Rückſicht zu nehmen und zu über— 
„wachen, daß auch der andere Factor der Geſetzgebung, der ge— 
„meinſame Landtag dieſelben berückſichtige; . .. denn ich 
„wünſche wahrhaftig, daß dem Sachſenlande, dem fundus 
„regius, jene Municipalrechte, die in ihrer urſprünglichen 
„Form ein überaus ſchönes Muſterbild einer volksthümlichen 
„Regierungsart (Kormänyzat), einer aus dem Volke ſtammen— 
„den Regierungsart darbieten, daß dem Sachſenboden dieſe 
„Regierungsart, die auch auf das Familienleben der 
„einzelnen Bürger von Einfluß iſt, auf der alten Grundlage 
„erhalten bleibe.“ 

Noch feierlicher erklärte der weitblickende, hochangeſehene 
Staatsmann, Baron Franz Kemeny, der Präſivent des 
ſiebenbürgiſchen Landtags zur ſelben Zeit, nämlich als jener 
1865er Landtag vertagt wurde, in feiner Schlußrede mit 
folgenden Worten: 

„Ich muß auch das eingeſtehen, daß unſere hohe 
„Regierung, von einem höheren Standpunkt die Angelegen— 
„beiten unſeres Vaterlandes bemtheilend, Anzeichen und Be— 
„weiſe dafür gab, daß ſie nicht in der Zertheilung der 
„Völker die Kraft des geſammten Reiches ſucht, nicht darin 
„die Aufgabe ihrer Regierung erblickt, die Völker mit einem 
„geringeren Ausmaß politiſcher Freiheit zu befriedigen, die— 
„ſelben zu zertheilen, damit ſie eine geringere moraliſche 
„Kraft entfalten und alſo geſchwächt leichter regiert werden 
„können, ſondern ihre Richtung und Ueberzeugung erſcheint 
„im Gegentheile die zu ſein, daß die Bildung und die natur— 
„gemäße Empfindung des Triebes nach Genuß politiſcher 


149 


„Rechte nur jener Politik eine Zukunft verheißt, welche die 
„gerechten Anſprüche der Völker befriedigt, und auch nur 
„dies allein könne die Großmachtſtellung des Reiches be— 
„feſtigen“. 

„Getroſt ſehe ich der Zukunft entgegen, daß die end— 
„giltige Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn nicht lange 
„wird auf ſich warten laſſen“. 

„In dieſer Ueberzeugung beſtärkt mich die ſichere 
„Hoffnung, daß die Regierung in ihren erhabenen Abſichten 
„auch von uns unterſtützt werden wird. Es kann kaum auch 
„nur einen klar urtheilenden Bürger dieſes Landes, um ſo 
„weniger ein Mitglied dieſer hochanſehnlichen Körperſchaft 
„geben, der das heilſame Werk unſerer Vereinigung durch 
„überſpannte Forderungen erſchweren, der über die Schranken 
„der im Jahre 1848 geſchaffenen Geſetzartikel I. und VII. 
„und ihrer Beſtimmungen hinausgehn und diejenigen aus 
„ſeinen eigenthümlichen Verhältniſſen herausgewachſenen 
„Inſtitutionen Siebenbürgens, welche die Vereinigung nicht 
„hindern und die im Laufe von mehr als drei Jahrhunderten 
„ſammt unſern althergebrachten Gewohnheiten in unſer 
„Fleiſch und Blut übergegangen ſind, auf einmal über den 
„Haufen werfen wollte, und der die mit der Vereinigung 
„beider Länder vereinbarlichen Wünſche der verſchiedenen 
„Nationen unſeres Vaterlandes verweigern wollte. Und 
„dieß vor Augen gehalten kann die ſächſiſche 
„Nation für ſich keinen Nachtheil erblicken, daß 
„ſie unter den unmittelbaren Schutz der ung a— 
„riſchen Krone kommt und wenn fie ihre Stel- 
„lung reiflich erwägt, kann ſie auch keinen 
„Grund zu Beſorgniſſen haben: denn ihr Muni— 
„eipium kann neben der Vereinigung unver⸗ 
„ſehrt fortbeſtehn, ja da ihr gutes Recht geſchützt 
„von dem ganzen Ungarlande, wird ſie jene 
„glänzende Epoche ihrer Geſchichte ſich erneuern 
„ſehen, die in die Zeit vor der Trennung, in 
„das Zeitalter der ungariſchen Könige fällt, 
„aus welcher Zeit ihre ſchönſten Freiheiten 
„und die Grundpfeiler ihres bürgerlichen Wol⸗ 
bergehens herrühren“. 

Nun denn, geehrtes Haus, ich habe mir nur deshalb 


150 


erlaubt, dies vorzubringen, um den Beweis zu führen, daß 
die anſehnlichſten Männer Siebenbürgens in ſolcher Weiſe, 
in ſolchem Ton und in ſolchem Sinne ſich ausſprachen und 
über unſere Wünſche keineswegs ſich entſetzten, wie es jetzt dem 
Herrn Abgeordneten Br. Kemeny beliebt, ſich zu ſcandalifiren 
(megbotränkozni), während wir auch heute nichts Anderes ver— 
langen, als die Aufrechthaltung unſeres Municipiums und 
unſeres Municipalrechtes; verlangen, daß unſer Territorium 
beſtehen bleibe und nicht der Regierung zur beliebigen Ver— 
fügung überantwortet werde. 

Doch über dieſen Punkt will ich Weiteres nicht vor— 
bringen; wer ſich diesbezüglich überhaupt überzeugen laſſen 
will, der kann es fein; wer eben nicht will, den werde ich 
ohnehin nicht umſtimmen. 

Auf alles weitere, was vorgebracht worden, geſtatten 
Sie mir nur zwei Dinge kurz zu berühren, nämlich die von 
nahezu jedem Redner betonten Privilegien, und dann die 
ebenſoviel betonte Gleichberechtigung, vor welcher wir 
angeblich ſolch erſchrecklichen Abſcheu haben. 

Was das Wort „Privilegium“ überhaupt betrifft, ſo 
iſt in dieſem Falle die wirkliche Bedeutung desſelben nicht 
die, was man heute im Allgemeinen und Sie insbeſondere 
darunter verſtehen wollen; die wirkliche, rechtsgeſchichtliche 
Bedeutung dieſes Wortes iſt leicht nachzuweiſen. Daß in der 
Vergangenheit nicht nur die Freiheiten und Rechte der 
Sachſen, ſondern überhaupt alle, auch die Rechte des Landes 
Ungarn ſelbſt, in der äußeren Geſtalt von Privilegien ge— 
währleiſtet worden ſind, das wiſſen Sie Alle, meine Herren, 
ganz gut. Ihre goldene Bulle ſtammt von demſelben Könige, 
von dem auch wir unſere goldene Bulle erhielten, nämlich 
von König Andreas II. und iſt die unſerige nur um wenige 
Jahre jünger — 1224 —, als die Ihrige. Aber fürchten 
Sie nicht, daß ich etwa bis zu jenen Zeiten zurückzugehen 
beabſichtige; das habe ich nicht im Sinne. Ich will nur auf 
das Eine das geehrte Haus aufmerkſam machen, daß im 
ganzen Laufe der Verhandlung und ebenſo in dem Motiven— 
bericht des Herrn Miniſters betreffs unſer nur auf die Ver— 
hältniſſe Siebenbürgens und zwar nach der Lostrennung 
von Ungarn Bezug genommen wird, daß da nach dem Ge— 
ſetze tres nationes, drei Nationen, beſtanden hätten, dieſe 


151 


Nationen aber durch die neueren Geſetze geſtrichen worden 
ſeien (eltöröltettek). Aber meine Herren, jene Rechte, welche 
die Sachſen beſitzen, ſtammen aus viel früherer Zeit; auch 
vor der Lostrennung Siebenbürgens von Ungarn exiſtirten 
die Sachſen dort als vollberechtigte Landesbürger, und zwar 
als vollberechtigte deutſche Landesbürger und übten ihre 
Rechte im Lande aus. Ganz irrig wäre daher die Anſicht, 
als hätten auch ſie erſt im Jahre 1848 überhaupt freie 
bürgerliche Rechte erlangt. Als ein freies Bürgervolk lebten 
und erhielten ſie ſich im Lande, unter ihnen gab es keine 
adeligen Vorrechte, keine unfreie Hörigkeit, volle Rechts- 
gleichheit genoß Jeder. Eben dazu brauchte es damals Pri— 
vilegien, denn ringsum im ganzen Lande herrſchten feudale 
Verhältniſſe, mit alleiniger Ausnahme des von den Sachſen 
bewohnten Gebietes. Zur Kennzeichnung der Stellung, welche 
die Sachſen dazumal einnahmen, geſtatten Sie mir auch ein 
Citat vorzubringen. Im Jahre 1521 berief König Ludwig II. 
die Sachſen mit folgendem Schreiben auf den Landtag und 
forderte fie auf, Deputirte zu wählen: | 
„cum autum vos quoque sitis membrum hujus 
„regni Hungariae fidelitati vestrae harum serie firmissime 
„mandamus, ut ad dietum festum Elisabethae proxi- 
„mum oratores vestros . .. ad praedietum con- 
„ventum Budam ad Majestatem Nostram mittere cum 
„pleno mandato debeatis, ut cum illis et aliis fide- 
„libus nostris de ratione defensionis regnorum no- 
„strorum ut vestrum omnium tractare, consultare ac 
„eoneludere possimus.“ *) | 


Noch kennzeichnender wird Ihnen erſcheinen die Ein- 
ladung, welche unmittelbar die Stände Ungarns an die 
Siebenbürger Sachſen ergehen ließen. Dieſe Einladung wirft 
ein helles Licht auf die damaligen Verhältniſſe und Wechſel— 
beziehungen. Im Jahre 1454 ſchrieben ſie alſo: 


*) Da auch Ihr ein Glied dieſes Reiches Ungarn ſeid, entbieten 
Wir Eur Getreuen hiemit auf das Beſtimmteſte, daß Ihr zu dem ge⸗ 
nannten nächſten Feſttage der Eliſabetha Euere Redner ... auf den 
genannten Landtag nach Ofen zu Unſerer Majeſtät mit vollem Mandate. 
ſchicket, damit Wir mit ihnen und unſeren übrigen Getreuen über die 
Art der Vertheidigung Unſerer Reiche und Eurer Aller verhandeln, be— 
rathen und beſchließen können. 


152 


„Rafael, archiepiscopus, Andreas, Episcopus 
„quinque-Eeclesiensis, Joannes de Hunyad, Comes 
„perpetuus Bistriciensis et Capitaneus regni Ungriae 
„generalis, Ladislaus de Gara, ejusdem regni Pala- 
„tinus, Nicolaus de Ujlak, Voivoda Transsilvanensis, 
„et Joannes de Konugh, Banus Machoviensis, cete- 
„rique Praelati, Barones et Nobiles hujus regni 
„Ungriae, nune in Varadino Petri congregati ... 
„providis et circumspectis universis et singulis Saxo- 
„nibus septem Sedium Saxonicalium partium Trans- 
„silvanarum salutem et amicitiam debito eum honore. 


„Fraternitates vestras hortamus, requirimus et 
„quantum possumus rogamus, quatenus juxta man- 
an et literas praefati Domini nostri Regis qua- 
„tuor ex vobis et quot ultra volueritis ... . ad prae- 
„tactum diem Budam cum pleno mandato mittere 
„velitis, ut cum illis et aliis fratribus nostris congre- 
„gandis de facto praetacti exercitus tractare et con- 
„eludere valeamus.“ **) 


Daraus erſieht das geehrte Haus, welche Stellung 
unſere Vorfahren damals in Ungarn einnahmen. Wenn ſie 
dazu in jener Zeit der Privilegien bedurften, ſo lag das in 
dem Weſen der damaligen Zeit. In der Folge haben indeſſen 
mit der Entwicklung der Rechtsformen dieſe Privilegien auch 
eine andere Form, eine andere Geſtalt angenommen; die 


**) Rafael, Erzbiſchof, Andreas, Biſchof von Fünfkirchen, Johann 
Hunyad, immerwährender Graf von Biſtritz und Generalkapitän des 
Königreichs Ungarn, Ladislaus von Gara, desſelben Reiches Palatin, 
Nikolaus von Ujlak, Woiwode von Siebenbürgen und Johann von 
Konugh, Banus von Machorien, ſowie die übrigen, derzeit in Peter- 
wardein verſammelten Prälaten, Barone und Adelige des Königreichs 
Ungarn .. . entbieten den klugen und fürſichtigweiſen, allen und ein- 
zelnen Sachſen der ſieben ſächſiſchen Stühle in Siebenbürgen mit 
ſchuldiger Ehrerbietung Gruß und Freundſchaft. 

Euch Brüder ermahnen, erſuchen und, ſoviel wir können, bitten 
wir, daß Ihr nach dem Befehl und Schreiben unſeres genannten Herreu, 
des Königs, viere von Euch oder fo viele Ihr wollt ... auf den be- 
zeichneten Tag nach Ofen mit ganzer Vollmacht ſchicken wollet, damit 
wir mit ihnen und unſeren andern Brüdern, die ſich dort verſammeln 
ſollen, über die Beſchaffung des gedachten Heeres verhandeln und be— 
ſchließen können. 


153 


Gewährleiſtung der ehedem durch Privilegien verkürzten 
Rechte ging über in die Form theils von verfaſſungsmäßigen 
Geſetzen, theils von — nicht wie man uns ſpöttiſch fragend 
entgegnete, von internationalen Verträgen, ſondern von — 
Staatsverträgen ſolcher Art, wie z. B. ein ſolcher mit der 
durchlauchtigſten habsburgiſchen Dynaſtie abgeſchloſſen wurde, 
als die Herrſchergewalt und Regierung über Siebenbürgen 
das allerhöchſte Herrſcherhaus überkam. In dieſen Staats- 
verträgen wurden jene Rechte gewährleiſtet, welche ſie von 
dem Augenblicke an, da ſie in das Land gerufen worden — 
libertatem, qua vocati fuerant — innegehabt haben. 

Und nun noch eine Bemerkung belangend die allge— 
meine Gleichberechtigung. Den Herren hat es hier beliebt 
allerlei zu ſagen von Tyrannei, von ſchwerem Drucke, den das 
arme Volk dort auf dem Königsboden erdulden müſſe, über 
welches dort nur eine gewiſſe bevorrechtete — privilegirte — 
Claſſe herrſche. Ich bitte um Entſchuldigung geehrtes Haus, 
das ſteht ja in vollſtändigſtem Widerſpruche mit der Wahrheit. 
Sehr gut wiſſen es die Herren alle, die den Königsboden 
überhaupt auch nur einmal perſönlich geſchaut haben, ſehr 
gut weiß es insbeſondere der Herr Abgeordnete Baron 
Gabriel Kemeny — der auch genaueſte amtliche Kenntniß 
davon haben muß, in welcher Weiſe auf dem Königsboden 
die Ausübung der bürgerlichen Rechte ſtattfindet. Wollen 
Sie es doch ſagen, meine Herren, wo iſt ein einziges Hin⸗ 
derniß für irgend einen Bewohner des Königsbodens, möge 
er welcher Nationalität immer angehören, daß er unter den 
nämlichen Bedingungen, die für die Söhne des ſächſiſchen 
Volkes gelten, dieſes oder jenes politiſche oder bürgerliche 
Recht, ſei es in der Gemeinde, in dem Munizipium, bei den 
Landtagswahlen oder bei welcher Rechtsausübung immer, 
nicht auch beſäße? Wo iſt denn auch nur ein einziges Hin— 
derniß, daß der auf dem Königsboden wohnende, welcher 
Nationalität immer angehörige Staatsbürger, ſei er ein 
Sachſe, ein Romäne oder ein Magyar, welches ihm wehrt, 
alle Rechte in derſelben Weiſe, in demſelben Ausmaß zu ge— 
nießen, wie der Sachſe? Es gibt keines; das Gegentheil 
beſtreite ich entſchieden; den Beweis dafür kann und wird 
auch Niemand liefern. 

In den Munizipalvertretungskörper ſind Vertreter aller 


154 


Nationalitäten und in all dieſen Vertretungskörpern, ſowol 
in den Kreisvertretungen als in der Verſammlung der ſäch— 
ſiſchen Natiens⸗Univerſität bedient ſich jedes Mitglied frei 
und unbehindert ſeiner Mutterſprache, der Romäne ſpricht 
romäniſch, der Magyar magyariſch, der Sachſe deutſch. 
Sehr gut weiß es insbeſondere der genannte Herr Abgeord— 
nete, daß auf dem Königsboden in mehreren Stühlen z. B. 
die Romänen die entſchiedene Majorität haben, daß ihre 
Majorität da in allen Angelegenheiten die maßgebende iſt, 
während die Sachſen in der Minorität ſind und jedesmal 
niedergeſtimmt werden. Das muß dort die ſächſiſche Minorität 
ſich gefallen laſſen, ebenſo wie anderwärts die Romänen und 
Magyaren, wo ſie in der Minorität ſind, ſich die Majorität 
der Sachſen müſſen gefallen laſſen. Die Behauptung, als ob 
auf dem Königsboden keine Rechtsgleichheit wäre für alle 
Bewohner, mögen ſie welcher Nationalität immer angehören, 
iſt mithin falſch und unwahr. | 


Geſtatten Sie mir nun auch, daß ich zu dem von mir 
überreichten Antrag zurückkehre und kurz zuſammenfaſſe, was die 
Frage des quid juris betrifft. 

Bei meinem erſten Auftreten, als ich unſeren Autrag 
überreichte, ſtellte ich die Behauptung auf: daß bezüglich der 
Regelung des Königsbodens zum Ausgangspuncte nichts An— 
deres genommen werden könne, als die SS. 10 und 11 des 
— von der Geſetzgebung Ungarns geſchaffenen — Geſetzar— 
tikels 43 vom Jahre 1868. 


Dem entgegen beliebte es dem g. Herrn Miniſterpräſi⸗ 
denten, ſich auf den 1. §. jenes Geſetzartikels zu berufen, auf 
welchen er — nicht nur wie es ſcheint, ſondern wie er mit 
aller Entſchiedenheit dem geehrten Hauſe hier ſelbſt erklärt 
hat — das Hauptgewicht legt. Auf dieſen §. 1 wünſchte 
er alſo dieſen ſeinen, jetzt eben vorliegenden Geſetzentwurf zu 
baſiren. Ich würde wol einen ſchweren Stand haben, wenn 
ich darauf angewieſen wäre, mit der allgemein anerkannten, 
glänzenden Dialektik des Herrn Miniſterpräſidenten mich diesfalls 
meſſen zu müſſen. Ich thue es auch nicht, halte aber deſſen— 
ohngeachtet meine Behauptang aufrecht, daß in dieſer Frage 
das Geſetz pofitiv auordnet, die Regierung ſolle den §. 10 
und 11 des G.⸗A. 43 von 1868 durchführen (hajtsa végre), 


155 


nicht aber, fie ſolle ihren Geſetzentwurf auf den §. 1 dieſes 
Geſetzartikels baſiren. 

Ich erkenne an, daß es überaus bequem wäre, dieſen 
Geſetzentwurf auf den im §. 1 ausgeſprochenen, ganz allge— 
meinen Grundſatz zu baſiren. Denn im F. 1 ift eben nur 
ein allgemeiner Grundſatz ausgeſprochen, welcher ſpäterhin 
bequem enger oder weiter, ſo oder anders ausgelegt werden 
kann, wie es die gegebenen Umſtände und das Belieben der 
Machthaber eben erheiſcht. (Aufſchreie: Aufhören. Lärm.) 

Präſident: Es iſt zwar wünſchenswerth, daß die 
Verhandlung vorwärts komme; aber den Redner muß man 
anhören. 

Guſtav Kapp: Geehrtes Haus! Ich bin in der 
angenehmen Lage, jene meine Behauptung, daß nämlich dem 
vorliegenden Geſetzentwurf der §. 10 des G.-A. 43 zur Baſis 
dienen mußte, nicht durch eine eigene Argumentation, ſondern 
abermals mit einem ſanctionirten, ſpäter geſchaffenen Geſetze 
auch erweiſen zu können. Es iſt nämlich in dem, von der 
Regelung der Municipien handelnden Geſetzartikel 42 von 
1870 in S. 88 klar und beſtimmt ausgeſprochen: 

„Ueber die Regelung des Königsbodens verfügt nach 
„Anordnung des §. 10 des G.-A. 43 von 1868 ein beſon— 
„deres Geſetz.“ 

Damit glaube ich, geehrtes Haus, meine Behauptung 
auch bewieſen zu haben, daß das Geſetz will, als Baſis für 
dieſen Geſetzentwurf ſolle der §. 10 und nicht der §. 1 
dienen. 

Der g. Herr Miniſterpräſident ſagte aber in ſeiner erſten 
Rede auch noch etwas Anderes, nämlich: daß ein beſtehendes 
Geſetz abändern oder umändern wollen, nicht ſoviel heiße, 
als dem Geſetze nicht gehorchen, das Geſetz verletzen. Ge— 
ehrtes Haus! In ſolcher Allgemeinheit, erkenne ich willig 
an, daß der Herr Miniſterpräſident Recht hat; in dieſem 
Falle aber ſteht die Sache keineswegs ſo. Wenn der Herr 
Miniſterpräſident etwa der Meinung war, jenes Geſetz, 
welches im Jahre 1868 diesbezüglich geſchaffen worden, 
welches beſtimmt vorſchreibt, in welcher Weiſe der Königs— 
boden zu regeln ſei, ſolle heute nun nicht durchgeführt, nicht 
in Ausführung gebracht werden. . .. (Auffhören! Aufhören! 
Lärm.) 


156 


Präſident: Geehrtes Haus! Ich bitte um Ent- 
ſchuldigung, aber man darf den Sprecher am Reden nicht 
hindern. Es iſt wol wünſchenswerth, daß die Verhandlung 
weiter komme, aber wenn der Herr Abgeordnete ſeine Rede 
fortſetzen will, ſo muß man ihn anhören. 

Guſtav Kapp: Ich ſagte: Wenn der Herr Minifter- 
präſident etwa der Meinung war, man ſolle jenen §. 10 des 
G.⸗A. 43 von 1868 umändern — aus dieſem oder jenem 
Grunde, ich will es nicht unterſuchen —, man ſolle ihn um⸗ 
ändern und nicht durchführen, dann meine ich, durfte er 
dieſen Geſetzentwurf nicht und nicht mit einem ſolchen Motiven⸗ 
bericht dem Hauſe vorlegen. Denn in dieſem Motiven⸗ 
bericht beruft ſich der Herr Miniſter allerdings auf den §. 1 
des G.⸗-A. 43 von 1868, er beruft ſich aber gleichzeitig auf 
die SS 10 und 11 jenes Geſetzes. Er ſtellt mithin die 
Sache jo dar, als ob er eben jenem Geſetze Genüge leiſten 
wollte, als habe er eben nach Anordnung und auf Grund— 
lage jenes Geſetzes ſeinen Geſetzentwurf einzubringen. Daß 
dies nicht der Fall iſt, war ich befliſſen, zu erweiſen mit 
den Geſetzesſtellen, die ich wortgetreu aufgeleſen habe; aus 
denen, wie ich meine, auch das erwieſen iſt, daß dieſer Ge⸗ 
ſetzentwurf nicht ein Ausfluß, nicht eine Durchführung des 
§. 10 des G.⸗A. 43 von 1868 iſt. 

Auch dieſen Paragrafen kann man allerdings um⸗ 
ändern (megvältoztatni). 

Ich erkenne an, daß es in der Macht der Geſetzgebung 
allezeit ſteht, ein Gefetz, welches ſie gemacht hat, auch wieder 
umzuändern; dieß läßt ſich im Allgemeinen nicht beſtreiten. 
Daß aber der Vorgang, den Sie jetzt hier anwenden wollen, 
all' dem gegenüber, was meine Geſinnungsgenoſſen und ich 
diesbezüglich vorgebracht haben, ein gerechter und billiger ſei, 
das kann und werde ich nie, gar niemals anerkennen. 

Auch für die ſouveräne Gewalt der Geſetzgebung muß es, 
nach meiner Auffaſſung, ein Etwas geben, das dieſer Ge- 
walt Schranken ſetzt und dies iſt: das beſtehende Recht. 
In aller Welt iſt es anerkannt, daß es in jedem Staate 
Rechtsverhältniſſe gibt, die man mit der Parlaments majorität 
nicht umſtoßen kann. Nicht nur ich ſage, ſondern das Ab— 
geordnetenhaus Ungarns ſprach im Jahre 1861 — in ſeiner 
erſten Adreſſe aus: „Unzählige ſolche Rechtsverhältniſſe gibt 


157 


„es ſowol auf dem „Gebiete des öffentlichen Rechts, als des 
„Privatrechts, welche dem einen oder dem anderen Theil 
„unbequem ſind; wenn man aber jedes ſolchartige Rechts— 
„verhältniß umſtürzen könnte (fel lehetne forgatni), denn 
„die Jutereſſen des einen Theiles erheiſchen deſſen Um— 
„änderung, insbeſondere wenn man es in ſolcher Weiſe um— 
„ändern könnte, daß der eine Theil halte, wozu er ſich ver— 
„pflichtet hat, der andere aber erfüllt die bedungenen Ver— 
„bindlichkeiten nicht, weil dieſe ihm beſchwerlich ſind: dann 
„würden weder das Geſetz, noch Verträge eine Sicherheit ge— 
„währen, ſondern allein die Kraft wäre der Maßſtab des 
„Rechts.“ 

Ich meine, dieſer Satz verliert nichts an ſeiner Wahr— 
heit und feinem Gewicht, weil heute ich auf deuſelben mich 
berufe. 

Der von mir überreichte Antrag, geehrtes Haus, geht 
nicht weiter, als darauf: das geehrte Haus wolle jenes Ge— 
ſetz, welches die Legislative Ungarns im Jahre 1868 ge— 
ſchaffen, und in welchem ſie beſtimmt und angeordnet hat, 
in welcher Weiſe der Königsboden geregelt, wie dieſe Frage 
gelöſt werden ſolle, in Ehren halten und wolle ihm gegen— 
über der Regierung Achtung verſchaffen. (Großer Lärm. Auf- 
hören! Aufhören!) 

Präſident: Der geehrte Herr Abgeordnete wird 
ſeine Rede fortſetzen; aber ich bitte ihn, er möge es kurz 
machen. (Bewegung.) 

Guſtav Kapp: Geehrtes Haus! Ich ſchließe meine 
Rede. (Lebhafter Beifall.) Im Hinblicke auf die große Be— 
deutung und Tragweite dieſes Geſetzentwurfes muß ich er— 
klären, daß wir unſererſeits demſelben weder unſere Zuftim- 
mung geben, noch uns damit befriedigt erklären können, denn 
wenn wir dieſes thäten, würden wir treulos (hütlenek) dem 
Geſetz, dem Lande, unſerem Volke und unſerem eigenen Ge— 
wiſſen. 

An der Specialberathung werden wir — meine Geſin— 
nungsgenoſſen und ich — darum auch keinen Theil nehmen. 
Beſchließen Sie, meine Herren, ſo, wie es Ihnen Ihre 
Ueberzeugung, Ihr Gefühl für Recht und Billigkeit eingibt. 
Nur auf Eines mögen Sie achten und das iſt: justitia est 
regnorum fundamentum! — Ich empfehle Ihnen unſeren 


158 


Gegenantrag. (Lärm. Widerſpruch aus dem Centrum und 
von der äußerſten Linken. Beifall von der äußerſten Rechten 
ſeitens der Sachſen. 


Koloman Tißg, Miniſterpräſident. 


Geehrtes Abgeordnetenhaus! (Hören wir! Hören wir!) 
Auf jede mögliche Weiſe wünſche ich die — es läßt ſich nicht 
leugnen — in den letzten Tagen in jeder Art auf die Probe 
geſtellte Geduld des geehrten Hauſes zu ſchonen und werde 
ich mich daher nur auf das Nothwendigſte beſchränken. 
(Hören wir!) 

Was die letzte Aeußerung des geehrten Herrn Abge— 
ordneten, der vor mir ſprach, anlangt, nämlich was ſie, er 
und ſeine Parteigenoſſen — nun zu thun haben, darüber 
mögen ſie mit ihrem Gewiſſen ſich abfinden; das iſt ihre 
Sache. Aber daß an den Berathungen eines geſetzgebenden 
Körpers theilnehmen und ſich darin ergeben, wenn aus einem 
Entwurf ein Geſetz wird, ſoviel bedeute, als dem Geſetze 
untreu werden, — dafür will ich keine andere Erklärung 
ſuchen, aber Sinn hat das abſolut keinen. (So iſt's.) 

Was das anbelangt, was über der parlamentariſchen 
Gewalt ſei, hat der geehrte Herr Abgeordnete nicht richtig 
ausgelegt. Ueber der parlamentariſchen Gewalt ſteht, vom 
Standpuncte des einzelnen Falles aus betrachtet, kein Recht, 
über der parlamentariſchen Gewalt ſteht nur die allgemeine 
ewige Gerechtigkeit (az Altalänos örök igazsäg) (Lebhafter 
Beifall) denn ſonſt — erlauben Sie gefälligſt — war auch 
das Rechi des ungariſchen Adels ein Recht; das jus gladii 
war auch ein Recht, welches einzelne Grundherren ehemals 
ausübten, und dennoch ſind ſie eben im Intereſſe der heiligen 
Gerechtigkeit abgeſchafft worden. (Lebhafte Zuſtimmung.) 

Und ſo muß man mit jedem Rechte thun, das nicht 
dem Allgemeinen, nicht der Gerechtigkeit dienlich, (Beifall) 
mit jedem, das ſo weit geſunken iſt, daß es nur noch Ein— 
zelnen zum Steckenpferde dient und zwar zum großen Schaden 
des großen Publikums, der Geſammtheit. (Lebhafter Beifall.) 

Ich muß indeſſen bemerken, daß es überaus ſchwer, 
nahezu überflüſſig iſt, mit den geehrten Herrn Abgeordneten 
zu disputiren, zu argumentiren. Nur auf einige Dinge 
werde ich reflectiren, nur diejenigen berühren, welche er— 


159 


weiſen, daß es überflüſſig iſt, ihnen gegenüber zu argumen— 
tiren. Denn ich frage: läßt ſich mit ſolchen Leuten argu— 
mentiren, die — während ſie über den vorliegenden Geſetz— 
entwurf, vom Verhältniß des Königsbodens, eines Theils 
des ungariſchen Staates, zu dem ganzen Staate ſprechen — 
ihre Analogien daraus entnehmen, was einſt die ungariſche 
Geſetzgebung vom Standpuncte des geſammten ungariſchen 
Staates einem andern Staate gegenüber vorgebracht hat? 
Das iſt eine ſolche, entweder abſichtlich, oder auf Irrthum 
beruhende Verwechſelung der Situation, daß es verlorene 
Mühe wäre, mit demjenigen, der hieran feſthält, auf dem 
Boden des Conſtilutionalismus zu debattiren. (Lebhafter 
Beifall.) 

Wie könnte man aber auch mit ihnen debattiren, wenn 
heute ein geehrter Herr Abgeordneter unter Andern auch den 
Satz aufgeſtellt hat, daß Recht und Pr ivilegium Eins ſei. 
Ich bitte, leſen Sie die zahlreichen, im Schoße der auch 
von mir ſehr hochgeachteten, wahrhaft wiſſenſchaftlichen 
deutſchen Nation erſchienenen Bücher, und Sie werden finden, 
daß Jene, die wirkliche Culturmenſchen ſind, Recht und 
Privilegium nicht miteinander zu verwechſeln pflegen. 
(Heiterkeit. ) 

Aber nech Eines ſagte der hochgelehrte Herr Abge— 
ordnete (große Heiterkeit.) Er wendete wieder die Analogie 
auf den vorliegenden Fall an und ſagte, von der oben von 
mir bezeichneten Situation ausgehend, wie es dem Könige 
nicht erlaubt ſei, einſeitig die Geſetze und Rechte aufzuheben, 
jo ſei das auch der Geſetzgebung einſeitig nicht erlaubt. 
Da iſt es wieder ſchwer zu debattiren, wenn Jemand glaubt, 
daß auf der einen Seite der König, auf der anderen die 
Geſetzgebung ſtehe. Nach conftitutionellen Begriffen iſt der 
König der eine, allerhöchſte ergänzende Theil der Geſetz— 
gebung; es kann mithin unter keinen Umſtänden die Gefeß- 
gebung ihm gegenübergeſtellt werden. 

Der Herr Abgeordnete beklagt ſich, daß die Preſſe 
Alles gethan habe, um die übrigen deutſchen Bewohner 
Ungarns den Deutſchen des Königsbodens zu entfremden. 
Er hat Recht; ein Theil der Preſſe hat dazu Alles gethan, 
aber das war jener Theil der Preſſe des Siebenbürger— 
Königsbodens, der unpatriotiſche Lehren verkündigt und da— 


160 


durch in den patriotiſchen deutſchen Bewohnern Ungarns 
Antipathie gegen fie geweckt hat. (Wahr! So iſt's!) 

Der Herr Abgeordnete betont den Patriotismus, und 
ſagt dann doch, entgegen der hiſtoriſchen Wahrheit, von den 
Zipſer Sachſen — entgegen der hiſtoriſchen Wahrheit 
deshalb, weil wir gut wiſſen, wie ſehr die Zipſer Sachſen 
weit entfernt, ihrer Verpfändung an Polen ihr Wolergehn 
zu verdanken, ſich aus dieſer Verpfändung herausgeſehnt 
haben, und wie ſie, ebenſo wie vorhin, ſo auch nachher zu 
den treueſten Söhnen des ungariſchen Vaterlandes gehört 
haben, in deſſen Schoße fie ſich wol befanden — und doch 
behauptet er von ihnen, ſie hätten ihr Proſperiren dem zu 
danken gehabt, daß ſie an Polen verpfändet waren. Nun, 
ſolchen Patriotismus, der auch noch der hiſtoriſchen Wahrheit 
ins Geſicht ſchlägt, um nur ſein eigenes Vaterland verun— 
glimpfen zu können, kann ich als Patriotismus nicht gelten 
laſſen. (Lebhafter Beifall.) | 

Was den politiſchen Cynismus anbelangt, fo hat dieſer 
Herr Abgeordnete ganz Recht; daß es politiſchen Cynismus gibt, 
hat nicht er geſagt; daß wir in dem Zeitalter desſelben 
leben, hat auch nicht er geſagt; die Wahrheit des Ausſpruches 
ſelbſt will ich nicht discutiren, erörtern, beſtätigen oder be— 
ſtreiten: das aber erkenne ich mit voller Bereitwilligkeit an, 
daß von dieſem, nicht von ihm gethanen Ausſpruch der 
Herr Abgeordnete ſelbſt die ſtärkſte Illuſtration iſt. (Große 
Heiterkeit). 

Auch das ſagte er — und da muß ich wieder auf 
einen curioſen parlamentariſchen Brauch aufmerkſam machen, 
der darin beſteht — zum Glück iſt er indeß noch nicht par⸗ 
lamentariſcher Brauch — daß auf ein, im Privatgeſpräch 
fallengelaſſenes Wort im Parlament ſich berufen und darüber 
eine Rede gehalten wird; doch das iſt Geſchmackſache und 
ich habe Nichts dawider — alſo der Herr Abgeordnete ſagte, 
ich ſehe es nicht gerne, daß zur Vertheidigung meines Ge- 
ſetzentwurfes zu Viele das Wort ergreifen, und daraus 
folgert er, ich habe kein Vertrauen, daß mein Geſetzentwurf 
mit Gründen ſich vertheidigen laſſe. Nun bitte ich um Ent- 
ſchuldigung, da muß man wieder die Logik bewundern. Denn 
wenn ich das nicht gerne ſähe, daß man gegen meinen Geſetzent⸗ 
wurf ſpricht, wenn ich mich bemüht hätte, diejenigen zu über⸗ 


161 


reden, fie ſollten nicht ſprechen, die meinen Geſetzentwurf 
angreifen wollen, — dann könnte er allerdings logiſch richtig 
ſagen, ich habe das gethan aus Furcht, ſie könnten mit 
ihren Gründen meinem Geſetzentwurf den Boden unter den 
Füßen wegziehen. Ich denke aber, wenn Jemand eben die— 
jenigen, die ihm beipflichten, bittet, ſie möchten mit Rückſicht 
auf die Zeit, deren Koftbarfeit wir Alle ermeſſen, vom Reden 
abſtehn, — dann ſagen, man könne den Geſetzentwurf nicht 
vertheidigen, verſtößt gegen die einfachſten Regeln der Logik. 
(Zuftimmung). 

Zum Schluße geehrtes Haus! Die Anſchuldigung iſt 
immer nur die, der vorliegende Geſetzentwurf ſtehe nicht auf 
der Baſis des 1868er Geſetzes. Wie weit ein ſolcher Vor— 
wurf überhaupt auf eine neue Geſetzvorlage anwendbar ſei, 
nämlich daß ſie einem älteren Geſetze nicht entſpreche, darüber 
habe ich ſchon zum vorigen Male mich ausgeſprochen. Mehr 
darüber will ich nicht ſagen; in dieſem gegebenen Fall aber 
beſtreite ich entſchieden, daß der Vorwurf begründet ei. 
Denn ich bitte den geehrten Herrn Abgeordneten, der eben 
vor mir geſprochen, um Entſchuldigung, man darf ſich nicht 
nur auf den § 1, auch nicht nur auf den $ 10 und 11 des 
G.⸗A. 43 von 1868 berufen, ſondern man muß ſich auf den 
ganzen Geſetzartikel, in feinem ganzen Zuſammenhange be— 
rufen. (So iſt's!) Und wenn wir uns fo darauf berufen, 
ſo meine ich, daß die Geſetzgebung bei der Gelegenheit, als 
ſie jenes Geſetz ſchuf, wußte, was ſie wollte, und daß ſie 
das, was fie im S 1 geſagt, nicht mit den SS 10 und 11 
wieder niederreißen wollte, ſondern daß fie im S 1 den 
Grundſatz aufgeſtellt und im § 10 und 11 nur ausſpricht, 
innerhalb der Schranken dieſes allgemeinen Grundſatzes ſolle 
mit dem Königsboden verfahren werden. Und wenn wir die 
Sache alſo auffaſſen, dann wage ich entſchieden zu behaupten, 
daß er (der Geſetzentwurf) auch dieſen Anordnungen des 
Geſetzes entſpricht. (So iſt's!) 

Noch eine Bemerkung will ich mir erlauben zu machen, 
dann ſchließe ich meine Rede. (Hören wir! Hören wir!) 

Ich, ſeien Sie deß überzeugt, als ich dieſen Geſetzent— 
wurf überreichte, wollte nicht zertrümmern — wie der Herr 
Abgeordnete geſagt hat — das, was Jahrhunderte zufammen- 
gefügt, ſondern wollte alle Theile des ungariſchen Staates 


11 


162 


möglichſt enge verſchmelzen (Beifall) und möglichſt alle 
Hinderniſſe wegräumen, die dieſer Verſchmelzung noch im 
Wege ſtehn. (Lebhafter Beifall). Und auch in dieſem Falle 
kann von nichts Anderem, als von dieſem, die Rede ſein. 

Uebrigens hat von den geehrten Herren Abgeordneten 
Einer, der nicht heute geſprochen — das iſt, wogegen ich 
meinen Geſetzentwurf nicht ſchützen, aber vertheidigen will 
(még nem megvedeni, de vedeni) — gejagt: Dieſer Ge— 
ſetzentwurf ſei die Verkörperung deſſen, was ich am 13. 
April — ich weiß nicht genau — vorigen Jahres geſagt 
habe. Was habe ich damals geſagt? Habe ich geſagt, die 
ungariſche Nation werde diejenigen zermalmen, die nicht 
Magyaren ſind? Niemals! weder damals, noch ſonſt habe 
ich das auch nur mit einem Worte geſagt. Was ich damals 
ſagte, war: ich machte den Herrn Abgeordneten, der damals 
aufgetreten war, aufmerkſam, ſie mögen auf ihrer Hut ſein, 
denn wieviel Noth und Sorgen wir auch haben mögen, werde 
Ungarn und die ungariſche Nation immer noch ſoviel Kratf 
haben, um alle Diejenigen zu zermalmen, die den Beſtand 
und die Sicherheit des Landes und der Nation gefährden. 
(Lebhafter Beifall.) Hat der Herr Abgeordnete wol auch 
bedacht, als er ausſprach, dieſer Geſetzentwurf ſei eine Ver— 
körperung meines damaligen Ausſpruches, was er damit ge— 
ſagt hat? Eine Anſchuldigung, eine unverdiente Anſchuldigung, 
gegen die ſächſiſchen Bewohner des Königsbodens, ſo daß dieſe 
ſelbſt, wenn ſie gehörig darüber aufgeklärt würden, die erſten 
wären, die Anſchuldigung an dem Herrn Abgeordneten zu 
ahnden. (Lebhafte Zuſtimmung.) Denn wenn das eine Verkör— 
perung meines Ausſpruches wäre, die Sachſen ſollten zermalmt 
werden, ſo hieße das, die Sachſen ſeien Feinde der Exiſtenz 
und der Sicherheit des Vaterlandes. (Lebhafte Zuſtimmung.) 
Möglich, daß es nach dem Wunſche und in der Einbildung 
des Herrn Abgeordneten ſo ſein mag, in der Wirklichkeit 
aber iſt es nicht ſo. (Lebhafte Zuſtimmung.) 

Schließlich will ich auf eine Aeußerung des geehrten 
Herrn Abgeordneten, der vorher geſprochen, noch eine Be— 
merkung machen. Er fügte, er nehme den Geſetzentwurf eben 
deshalb nicht an, weil er noch ſchlechter ſei für die Magyaren, 
als für die Sachſen. Zunächſt bitte ich den geehrten Herrn 
Abgeordneten, er möge ſich — wie man zu ſagen pflegt — 


163 


unſeren Kopf nicht weh thun laſſen; dafür wollen wir 
ſchon ſelber ſorgen. Ich bin aber ſo frei, auch das auszu— 
ſprechen, das geehrte Haus wolle dieſen Geſetzentwurf — 
nicht als ſolchen, der nach der Behauptung des Herrn Ab— 
geordneten, ſchlimm für die Sachſen, und noch ſchlimmer 
für die Magyaren und Romänen wäre, ſondern als einen 
ſolchen, der nach meiner Ueberzeugung, für alle Bewohner 
des Königsbodens gut iſt, annehmen. (Andauernder lebhafter 
Beifall und Hochrufe). 

Präſident: Ehe ich zur Abſtimmung die Frage 
ſtelle, wird erſt der Gegenantrag aufgeleſen werden, welchen 
Guſtav Kapp und ſeine Geſinnungsgenoſſen eingegeben haben. 

Algernon Beöthy, Schriftführer, (lieſt den Antrag). 

Präſident: Ich werde die Frage ſtellen. Nimmt 
das Haus den Geſetzentwurf über den Königsboden (fundus 
regius) ferner über die Regelung der ſächſiſchen Univerſität 
(universitas) und über das Vermögen der Univerſität 
ſowie das Vermögen der ſogenannten Siebenrichter, nach dem 
Texte der Verwaltungscommiſſſon im Allgemeinen als Grund— 
lage für die Specialdebatte an? (Wir nehmen ihn an). 
Die ihn annehmen, mögen aufſtehen. (Geſchieht. ). Das 
Haus nimmt den Geſetzentwurf nach dem Texte der Ver— 
waltungscommiſſion zur Grundlage der Specialdebatte an. 

Es folgt nun die Specialdebatte. 

(Die ſächſiſchen Antragſteller und der Ab— 
an Decani verlaſſen den Berathungs— 

a al). 


Spezialdebatte. 


Parthenius Kozma: Geehrtes Haus! Es iſt 
mir wahrlich ſchwer gefallen mich zu beherrſchen, um nicht 
in der Generaldebatte die oft wiederholten Lobeserhebungen, 
wie groß früher auf dem Königsboden die Freiheit und 
Gleichberechtigung geweſen ſei, auch meinerſeits zu illuſtriren; 
ich habe dies jedoch nicht gethan, vor allem wegen der 
Manier, in welcher die Herren ſächſiſchen Abgeordneten den 
Geſetzentwurf bekämpften. Ich muß geſtehen, daß ich meiner⸗ 


*) Mit allen gegen 17 Stimmen, nämlich der 15 Antragſteller, 
und der Abgeordneten Decani und Kasper. 
11 * 


164 


ſeits dieſe Manier nicht für die allerzweckmäßigſte halte; 
ſie haben ſich den Anſchein gegeben, als ob ſie den letzten 
Kampf um Sein oder Nichtſein kämpfen, und ich bin nicht 
der Menſch, welcher dem Leidenden — wenn er ſich für 
einen ſolchen hält — das Recht zur Klage abſpräche, und 
wenn ich ihm nicht helfen kann, ihn noch ſelbſt unterdrücke. 
Aus dieſem Geſichtspunkt habe ich, weil es nicht in meiner 
Macht ſtand ihnen zu helfen, lieber geſchwiegen. Doch kann 
ich nicht umhin, jetzt bei der Spezialberathung des Geſetz— 
entwurfes, in Kürze einige Amendements zu ſtellen, und zwar 
insbeſondere hier beim Titel. Es iſt möglich, daß ich auch 
hier geſchwiegen, wenn ich die Motivirung des Herrn Be— 
richterſtatters bezüglich der künftigen ſächſiſchen Nationsuni— 
verſität nicht gehört hätte; denn wenn der Titel ſo bleibt, 
wie er jetzt lautet, jo eutſpricht derſelbe der durch das Geſetz 
geſchaffenen Lage und Wirklichkeit nicht, und entſpricht weder 
der Rechtsfrage pro praeterito, noch der Gleichberechtigung. 

Dem Titel des Entwurfes gemäß wird geſagt, daß 
die „ſächſiſche Univerſität“ geregelt wird. Zwiſchen Dieſem 
und dem Bisherigen iſt der Unterſchied, daß es bisher hieß 
„ſächſiſche Nation suniverſität“, wenn Sie nun „Nations“ 
weglaſſen und bloß „ſächſiſche Univerſität“ ſagen, während 
dieſem Geſetze gemäß ein ſolches Territorium nicht mehr 
exiſtirt, welches ſächſiſch genannt werden könnte und auch 
de jure niemals beſtanden hat, da dies Territorium früher 
der fundus regius war und auch jetzt bleibt — ſo können 
Sie meiner Anſicht nach dem Vertretungskörper, welcher in 
einer Beziehung berufen iſt, dies Territorium zu repräſen— 
tiren, abſolut keinen nationalen Namen geben. Wenn es ſo 
bleibt, wie es gegenwärtig iſt, ſo müßte ein Vertreter des 
Königsbodens, der in dieſem Vertretungskörper des fundus 
regius ſitzt, ein Glied der ſächſiſchen Nation ſein, ſei er ein 
Magyare, Deutſcher oder Romäne, er wird als ſolcher 
Sachſe ſein. Dies iſt meiner Anſicht nach eine Anomalie, 
iſt eine Ungerechtigkeit den übrigen Nationalitäten gegenüber, 
und dann iſt nicht durchgeführt das Geſetz, auf welches Sie 
ſich eben auf der Gegenſeite beziehen, und welches vor— 
ſchreibt, wie es durchgeführt werden ſoll. Denn dort ſteht 
ausdrücklich, daß die Regelung ſo erfolgen ſoll, daß die 
Rechtsgleichheit der Bewohner jenes Territoriums, ſeien ſie 


165 


welcher Nationalität immer, gebührend berückſichtigt werden 
ſoll. Nun, ich bitte um Entſchuldigung, ich kann mir nicht 
vorſtellen, wie ſich der Magyare oder Romäne, der Ver— 
treter des Königsbodens iſt, zum Sachſen machen ſoll, wenn 
er kein Sachſe iſt. Weiter aber ſtimmt der Titel auch nicht 
zum Text des Geſetzes, weil insbeſondere der §. 6 aus— 
drücklich beſtimmt und ſagt, daß, unter Vorbehalt der richter— 
lichen Entſcheidung bezüglich des Eigenthumsrechtes, die Ver— 
mögensobjekte, welche der Verwaltung der Univerſität unter— 
ſtehen, das Eigenthum ſämmtlicher Bewohner des Königs— 
bodens bilden. 

Ich will daher nicht weiter über dieſen Gegenſtand 
ſprechen, bitte aber im Intereſſe der Gerechtigkeit, im Sinne 
des §. 10 des XLIII. G.⸗A. von 1868 und im Intereſſe 
der Correctheit des Geſetzes das einzige Wort „ſächſiſche“ 
auszulaſſen und an Stelle desſelben „des Königsbodens“ 
zu ſetzen, fo daß es laute: „Univerſität des Königsbodens“. 


Wenn wir den Sinn des Wortes „Univerſität“ nehmen, 
wie er bei uns beſteht, ſo muß man eingeſtehen, daß der Ausdruck 
„egyetem“ ganz vergriffen iſt; denn unter „egyetem“ ver— 
ſteht man im Magyariſchen eine höhere Unterrichtsauſtalt. 
Jedes Municipium war in Ungarn eine „universitas“, als 
die lateiniſche Sprache die diplomatiſche war, ſpäter ſagte 
man hiefür Gemeinde („Közönség“), unter dem Titel Ge— 
meinde correſpondirte die Regierung mit der Univerſitas des 
Municipiums, und ſo nannten ſich die Municipien in ihrer 
Unterſchrift. Wenn wir nun ſtatt des Wortes Univerſität 
das richtige Wort: Gemeinde ſetzen wollten, ſo müßten wir 
ſagen: „ſächſiſche Gemeinde“, was jedoch eine Abſurdität 
wäre, da es nicht angeht „ſächſiſche Gemeinde“ zu ſagen, 
wenn nicht die Sachſen, ſondern die übrigen Nationalitäten 
die Majorität bilden. Doch ſelbſt wenn die Sachſen in der Ma— 
jorität wären, ſelbſt dann könnte man nicht ſagen: „ſächſiſche 
Gemeinde“, weil es dort auch andere Nationalitäten gibt, — 
deßwegen überreiche ich mein Amendement und empfehle es 
zur Annahme. 


Schriftführer Julius Gullner: (lieſt) Amen⸗ 


dement zum Titel des Geſetzes über den Königsboden: In 
der erſten Zeile des Titels möge das Wort „ſächſiſche“ 


166 


ausbleiben und an Stelle deſſen „des Königsbodens“ geſetzt 
werden. 

Gabriel Kemeny, Unterſtaatsſekretär: Geehrtes 
Haus! Es gibt kaum etwas Schwereres als gute Namen 
geben. Dort wo brauchbare Benennungen mit klarem 
Sinne exiſtiren, iſt es am beſten ſie ſo zu gebrauchen, wie 
ſie das Leben gebildet hat. Was ich hier in der Hand habe, 
nennt man einen Bogen Papier, obwol es weder ein Bogen, 
noch auch Papyros iſt, doch es ändert hieran nichts, wie 
wir es nennen, weil Jederman weiß, was wir darunter ver— 
ſtehen wollen. Es ſteht feſt, daß die alte Bezeichnung „ſäch— 
ſiſche Univerſität“ oder „Nationsuniverſität“ lautete, je nach 
dem es einem bequemer war. Die Bezeichnung „ſächſiſche 
Univerſität“ entſpricht dem jetzigen Zuſtand viel beſſer, nicht 
Nationsuniverſität, wol aber „ſächſiſche Univerſität“, weil 
dieſer Ausdruck das bezeichnet, was dies Geſetz darunter 
verſtehen will, während die Bezeichnung „Königsboden-Uni⸗ 
verſität“ etwas total Neues wäre, was gar keine hiſtoriſche 
Grundlage hat, eine neugeſchnitzte Benennung, mit welcher 
ich mich, offen geſagt, nicht recht befreunden könnte, weil ſie 
eine Antipathie erwecken würde, welche ich nicht gerne er— 
wecken wollte. — Ich bitte das geehrte Haus, belieben Sie 
die Bezeichnung fo anzunehmen, wie fie da ſteht, und den 
alten Namen beizubehalten, ſo daß der Titel bleibe: „ſäch— 
ſiſche Univerſität.“ (Beifall.) 

Dagegen bin ich ſo frei das geehrte Haus zu bitten, 
es wolle eine kleine Stilmodifikation annehmen. Es ſteht 
nämlich in der zweiten Zeile „von dem Vermögen der ſoge— 
nannten Siebenrichter;“ wenn wir zum Worte Siebenrichter 
das Beſitzſuffix hinzufügen, jo wird der Ausdruck viel cor— 
recter ſein. 

Julius Horvath: Nach dem, was mein Vor- 
redner Herr Abgeordnete Baron Gabriel Kemeny geſagt, 
bleibt mir ſehr wenig zu ſagen übrig; auf das, was der 
Herr Abgeordnete Parthenius Kozma geſprochen, ſei es mir 
jedoch erlaubt, einige kurze Bemerkungen zu machen. 

Er hat geſagt, man möge ohne weiteres den Titel des 
Geſetzentwurfes ändern, ſo daß er laute: „von der Regelung 
des Königsbodens“. Wer die Geſchichte kennt, weiß, daß 
Regelung des Königsbodeus und Regelung der ſächſiſchen 


167 


Univerſität zwei ganz verſchiedene Dinge bedeuten. Während 
„Königsboden“ das Vermögen ſelbſt, den Beſitz des Terri— 
toriums bedeutet, ſo war die ſächſiſche Univerſität das Organ, 
welches dies Vermögen verwaltete, zur Verwaltung dieſes 
Vermögens berechtigt war. Wenn der Titel lauten wird: 
von der Regelung des Königsbodens, ſo wird er die Be— 
nennung jenes Organes nicht enthalten, welcher in den 
alten ſiebenbürgiſchen Geſetzen, den Conſtitutionen, vorkommt. 
Hier iſt davon die Rede, daß die Univerſität normirt werden 
ſoll, die Univerſität kann ſo und kann anders geregelt werden, 
da es ſich aber hier um die Regelung keiner andern Uni— 
verſität handeln kann als um die der ſächſiſchen, die bisher 
nur unter dieſem Namen bekannt war, da alſo von der 
Regelung dieſer die Rede iſt, ſo kann man ihren Namen 
nicht ändern. 

Parthenius Kozma: Mein geehrter Herr Vor— 
redner hat meine Worte mißverſtanden; denn ich habe kein 
Wort von dem geſagt, was er widerlegt hat, da ich von 
der Univerſität des Königsbodens und nicht von der Re— 
gelung des Königsbodens geſprochen habe. (Beifall). 

Karl Könczey: Ich ſchließe mich in jeder Be- 
ziehung dem Antrage meines geehrten Collegen Kozma an, 
weil ich hiezu ein hiſtoriſches Recht ſehe; nur ſo werden alle 
Bewohner des Königsbodens jene Rechte erreichen, die ihnen 
gebühren. Ich werde ſo frei ſein einen Antrag aufzuleſen, 
welcher bezweckt, daß nicht nur im Titel, ſondern auch in 
den SS an Stelle von „ſächſiſcher Univerſität“ „Univerſität 
des Königsbodens“ geſetzt werde. Da über den fundus 
regius von Rechtswegen nur die Univerſität des Königs— 
bodens disponiren kann; beantrage ich, daß vom Titel des 
Geſetzentwurfes angefangen vorzüglich in den 88 2, 3, 4, 
5, 6, 7, 10, 11, 12, 14, 15, 16, 17, 18 und 19 überall 
ſtatt „ſächſiſche Univerſität“ „Univerſität des Königsbodens“ 
geſetzt werde, weil nur dieſer Titel die geſammte Bewohner— 
ſchaft des Vaterlandes beruhigen kann, da dieſer Titel die 
Idee des ungariſchen Staates in ſich trägt. 

Schriftführer Julius Gullner verlieſt den Antrag. 

Koloman Tißa, Miniſterpräſident: Ich habe mich 
umſomehr gefreut, daß der Herr Abgeordnete ſeinen Antrag 
im Allgemeinen bezüglich mehrerer SS eingebracht, als fo 


168 


wenigſtens zu hoffen ift, daß wir bei viefer Gelegenheit die 
ganze Frage ſuperiren können. Als ich dieſen Geſetzentwurf 
einbrachte, war, wie ich ſchon früher erklärt habe, nicht das 
meine Abſicht, aus unſerm Geſetzbuche die Namen jener 
Sachſen auszulöſchen, die in demſelben Jahrhunderte hier 
noch mit Recht eine Rolle geſpielt haben. Es lag blos in 
meiner Abſicht, ſolche Verhältniſſe aufzuheben, welche dem 
Intereſſe des geſammten Staates zuwiderlaufen. Dagegen 
verſtehe ich nun meinerſeits nicht, wie es dem Intereſſe des ge— 
ſammten Staates zuwiderlaufen ſoll, ein Ding beim rechten 
Namen zu nennen, von der ſächſiſchen Univerſität zu ſagen, 
daß ſie die ſächſiſche Univerſität ſei, und uns vor dem Namen 
nicht zu fürchten, da ſonſt ſchließlich jemand ſagen könnte, 
daß wir ſogar vor dem Namen zurückgeſchreckt ſind. Ich 
bitte ſomit diejenigen, welche den Geſetzentwurf billigen, den— 
ſelben in ſeiner jetzigen Form anzunehmen. (Beifall.) 

Präſident: Die Amendements werden aufgeleſen 
werden: („Wir haben ſie ſchon gehört!“) Wenn das geehrte 
Haus dieſelben für aufgeleſen erachtet, ſo ſtelle ich die Frage: 
beliebt das Haus den Titel des Geſetzentwurfes, ſo wie die 
Verwaltungscommiſſion denſelben formulirt hat, mit der Stil— 
modification, daß ſtatt „hétbirok vagyonärol“, „hetbiräk- 
nak vagyonärol* geſetzt werde — worüber meiner Anſicht 
nach eine beſondere Abſtimmung nicht nöthig iſt — alſo im 
übrigen nach der Textirung des Verwaltungsausſchuſſes an— 
zunehmen? Ich bitte diejenigen, welche ihn annehmen, ſich 
zu erheben. — (Geſchieht.) Somit ſind, da das geehrte 
Haus den Titel des Geſetzeutwurfes nach dem Texte des 
Verwaltungsausſchuſſes mit der vorerwähnten Stilmodification 
angenommen hat, die Amendements entfallen. 

Schriftführer Aladar Molnar verlieſt die Ein- 
leitung und den erſten Paragraf, nachdem dieſe ohne Be⸗ 
merkung angenommen worden, auch den zweiten Paragraf. 

Martin Hegyeſſy: Geehrtes Haus! Dieſer 
Paragraf hebt zwar die Stellung des ſächſiſchen Geſpans 
(Comes) auf, bekleidet aber gleichzeitig den Obergeſpan des 
zu ſchaffenden Hermannſtädter Comitates mit dieſem Titel. 
Dieſes Vorgehen ſteht meiner unmaßgeblichen Meinung nach 
einigermaßen im Widerſpruch mindeſtens mit dem $. 1 des 
XLIII G. A. vom Jahre 1868, welcher ſagt, daß auch die 


169 


Benennungen nach den bisherigen politiſchen Nationen für: 
derhin aufhören. Da ich aber nicht einſehe, weßhalb wir's 
nöthig haben, eine ſolche Beſenderheit jetzt beizubehalten, 
die keinen Sinn hat, die ſich nur auf dieſen Titel ſtützt, 
aus welchem aber unſere ſächſiſchen Vettern künftighin weiß 
Gott was für Conſequenzen ziehen könnten. Daher bean— 
trage ich in aller Kürze, es möge der letzte Abſatz dieſes 
Paragraf's: „und dieſer Titel geht auf den Vorſitzenden der 
ſächſiſchen Generalverſammlung, auf den Hermannſtädter 
Obergeſpan über“ — geſtrichen werde, weil hiemit nichts 
anderes aufgehoben wird, als daß die Titel gänzlich weg— 
fallen. Was weiters darin ſteht, daß der Hermannſtädter 
Obergeſpan der Vorſitzeude der Generalverſammlung ſei, iſt 
ohnehin im §. 8 des Entwurfes enthalten. Daher empfehle 
ich mein Amendement zur Annahme. 
Schriftführer Julius Gullner verlieſt das Amen- 
dement. 
Miniſterpräſident Koloman Tißa: Geehrtes Haus! 
Ich bin ſo frei zu bitten, das geehrte Haus wolle den §. 1 
annehmen, wie er redigirt iſt (Beifall), das was mit den 
unbedingt nöthigen Verwaltungsrückſichten nicht vereinbarlich 
iſt, das Amt des ſächſiſchen Geſpan's, darüber iſt ausge— 
ſprochen, daß es aufgehoben wird; dagegen ſehe ich nicht ein, 
warum wir — da wir dies Ziel auch ſo erreichen können 
— auch einen Titel aufheben ſollten, an welchen ſich ge— 
ſchichtliche Reminiscenzen knüpfen, die jedoch auch Fünftighiu 
nur Reminiscenzen ſein werden. Ich meinerſeits liebe es, 
das Ding ſo zu machen, wie ich es für gut erachte, und 
ſchrecke nicht zurück, wenn dies auch Intereſſen verletzt; doch 
liebe ich es auch das Ding in einer ſolchen Art zu machen, 
wie fie für die Betreffenden am ſchonendſten iſt. (Beifall.) 
Parthenius Kozma: Ich habe nur eine ganz 
kurze Erklärung abzugeben, geehrtes Haus! Ich wünſche 
ganz dasſelbe zu empfehlen, was mein Abgeordnetencollege 
Martin Hegyeſſy vorgebracht hat, denn ich halte es wahr— 
lich für überflüßig, daß wir Jemandem einen Titel geben, 
der abſolut keine Baſis hat. Das iſt ſo ein Titel ohne 
Mittel, der gar keinen Sinn hat. Ich hätte wol nicht das 
Wort ergriffen; doch darin, daß wir hiemit den ſächſiſchen 
Herren einen Gefallen erweiſen, irren Sie ſich meiner Ueber— 


170 


zeugung nach. Ich glaube fie viel zu gut zu kennen, als 
daß ich annehmen könnte, fie ſeien mit einem ſolchen Comes⸗ 
titel zufrieden, wie dieſer. Sie brauchen einen ganz andern 
Comes; nicht einmal der jetzige Comes genügt ihnen — 
trotz des Comestitels. Da wir ihnen alſo hiemit keinen Ge- 
fallen thun, und der Titel keine Baſis hat, weil er that⸗ 
ſächlich nicht mehr exiſtirt, acceptire ich das Amendement 
meines Collegen M. Hegyeſſy. | 

Präſident: Beliebt das Haus den $.2 gemäß dem 
Contexte der Verwaltungscommiſſion und entgegen den ge— 
ſtellten Amendements anzunehmen? — Er iſt angenommen 
worden, ſomit entfallen die Amendements. 

Schriftführer Aladar Molnar lieſt den §. 3. 

Präſident: Da keine Einwendung erhoben worden, 
enuncire ich den §. 3 als angenommen. 

Schriftführer Aladar Molnar lieſt den 8. 4. 

Michael Kaſper: Ich bin ſo frei ein kleines 
Amendement zu empfehlen, welches darin beſteht, daß ſtatt 
des Wortes „einzig“ in dieſen Paragraf „gewöhnlich“ geſetzt 
werden möge. Ich will zur Begründung deſſen nur bemerken, 
daß ich eine ſolche Beſchränkung des freien Dispofitions- 
rechtes über das Eigenthum, wie ſie in dieſem Paragraf 
enthalten und durch das Wort „einzig“ ausgedrückt iſt, über⸗ 
haupt für übertrieben und ungerechtfertigt erachte, ſelbſt dann, 
wenn dieſelbe in einem Geſetze verfügt wird. 

Ich bin weit entfernt zu verlangen, daß das ſächſiſche 
Nationalvermögen zu andern als zu Culturzwecken verwendet 
werde, deßwegen aber halte ich es doch nicht für richtig, das 
aus dem Eigenthumsrecht fließende freie Dispoſitionsrecht 
des Eigenthümers ohne haltbaren Grund einzuſchränken, und 
damit die Möglichkeit völlig auszuſchließen, daß vom ſäch— 
ſiſchen Nationalvermögen für andere Culturzwecke, z. B. für 
Wolthätigkeitszwecke auch nur ein Groſchen verwendet 
werde. 

Daher empfehle ich mein Amendement um ſo mehr 
zur Annahme, als dasſelbe den Zweck und das Weſen des 
Geſetzentwurfes abſolut nicht alterirt, und man von dies— 
bezüglichen Uebergriffen der Nationsuniverſität ſchon deßwegen 
nichts zu beſorgen hat, weil der 12. Paragraf des Geſetz⸗ 
entwurfes hiefür Sorge trägt, indem er nämlich beſtimmt, 


171 


daß die Beſchlüſſe der Univerſitätsverſammlung nur nach 
Genehmigung des Miniſters rechtskräftig werden. 

Schriftführer Julius Gullner lieſt den Abänderungs⸗ 
antrag Kaſper. 

Miniſterpräſident Koloman Tißa: Ich glaube nicht 
des Breiteren begründen zu müſſen, daß ich dies Amendement 
für unannehmbar halte. (Beifall.) Es iſt wahr, daß der 
Vollzug gewiſſer Beſcheide und Beſchlüſſe von der Ge— 
nehmigung der Regierung abhängig gemacht wird; aber eben 
deßwegen iſt es nöthig, daß die Grenze gezogen werde, inner— 
halb deren ſich die Regierung zu bewegen hat. Wenn aus- 
geſprochen iſt, daß es allein zu öffentlichen Bildungszwecken 
verwendet werden darf, ſo iſt es dann ſehr natürlich, daß 
die Regierung ihre Pflicht kennen wird, wenn man die Ab— 
ſicht haben ſollte, es zu andern Zwecken zu verwenden. 
Wenn dies nicht jo beſtimmt wurde, ſonderu in der Art, 
wie es der geehrte Herr Abgeordnete wünſcht, ſo könnten 
die Regierungen ſelbſt bisweilen in die Verſuchung gerathen, 
in einzelnen Fällen nachzugeben, in andern nicht, und ſo 
gäbe es dann ewige unangenehme Mühe und Plage. — Ich 
bitte den Text beizubehalten. (Beifall.) 

Präſident: Nimmt das geehrte Haus den § 4 ent⸗ 
gegen dem eingebrachten Amendement an? (Ja!). Der § 4 
iſt angenommen und ſomit das Amendement abgelehnt worden. 

Schriftführer Aladar Molnar lieſt die 88 5, 6 
und 7, welche ohne Debatte angenommen werden, hierauf $ 8. 

Parthenius Kozma: Geehrtes Haus! („Auf— 
hören“ !) Ich bin gezwungen auch hier ein Amendement 
vorzulegen und bedauere ſehr, daß die Herren Abgeordneten 
des Königsbodens in der Specialdebatte nicht ſprechen und 
größtentheils auch nicht anweſend ſind, denn inſoweit ich Be— 
rufungen auf Gerechtigkeit und Rechtsliebe gehört habe, bin 
ich überzeugt, daß auch ſie ſelbſt meinen Antrag für gerecht 
erachten werden. 

In dieſem 8 iſt die Rede davon, woraus die Nations— 
univerſität denn eigentlich beſtehe. Aus 20 Vertretern der 
Bevölkerung des Königsbodens. Der Königsboden zerfällt 
in Städte, Diſtricte und Stühle. Die Städte geben 9 Ber: 
treter, die Diftricte und Stühle alle zuſammen 11. Ich be⸗ 
dauere ſehr, daß wir gegenwärtig noch keine ſtatiſtiſchen 


172 


Daten haben, doch weiß ich, daß die Bewohnerzahl der Städte 
ſich zu der der Diſtricte und Stühle ungefähr ſo verhält 
wie 1:4 oder, daß die Stühle und Diſtricte mehr als 
Zmal ſo viel Bewohner haben, wie die Städte. Hier bei 
der Vertretung dagegen iſt das Verhältniß derſelben faſt 
gleich, weil 9 Abgeordnete 11 gegenüber ſtehen. Die geehrte 
Regierung weiß beſſer als wir, wie viel Klagen es auch in 
der jetzigen Univerſität darüber gibt, daß die Städte die 
Stühle und Diſtricte abſorbiren, und daß die Minorität auch 
jetzt faſt bei jedem Beſchluß gezwungen iſt, Sondermeinung 
abzugeben. Ich, geehrtes Haus, hielte es für das Gerechteſte, 
ja für das Minimum, wenn die Stühle und Diſtricte in 
mindeſteus doppelt ſo großer Zahl an der Univerſitätsre— 
präſentanz betheiligt wären als die Städte, und wenn alſo 
um die Zahl der Städtevertreter nicht zu ſchmälern, auf 
dieſe 9 und auf die Stühle und Diſtricte 18 Vertreter ent— 
fielen, ſo daß die Univerſität aus 27 Vertretern beſtünde. — 
Vielleicht wird man mir das Argument eutgegenhalten, daß 
dies theuer zu ſtehen kommt. Doch die Univerſität wird 
hiernach ohnehin nicht ſo viel zu thun haben, daß ſie. Monate 
lang tagen müßte, und ſo würde der Koſtenunterſchied nicht 
groß, das Zahleuverhältniß der Vertreter aber ein gerechtes 
ſein. Ich empfehle mein Amendement zur Annahme. 

Schriftführer Julius Gullner verlieſt das Amen— 
dement. 

Präſident: Nimmt das geehrte Haus den § 8 nach 
dem Text der Verwaltungscommiſſion au? (Ja!) Er iſt an⸗ 
genommen worden und ſomit das Amendement des Herrn 
Abgeordnoten Kozma entfallen. 

Aladar Molnar lieſt die 88 9—12, welche ohne 
Bemerkung acceptirt werden; hierauf § 13. 

Referent Friedrich Wächter: Im § 13 empfehle 
ich aus Stilrückſichten folgendes Amendement: „Der Präſident 
hat, wenn die Generalverſammlung ſeiner Meinung nach 
ihren Wirkungskreis überſchreitet,“ ꝛc. (Beifall). 

Präſident: Der $ 13 wird mit dieſer Stilmodifi⸗ 
cation angenommen. 

Aladar Molnar lieſt den § 14, welcher ohne 
Bemerkung angenommen wird, dann $ 15. 


173 


Michael Kasper: Ich bin fo frei zu dieſem $ 
folgende Modification zu empfehlen: (Lieft). Die Worte 
dieſes §: „welch' letztere die Univerſitätsconferenz mit abſoluter 
Stimmenmehrheit wählt“ mögen ausgelaſſen und der 2. Titel 
ſo textirt werden: „Die Anzahl der übrigen Beamten des 
Centralamtes, weiters den Gehalt ſämmtlicher Beamten des 
Centralamtes, die Art der Wahl und die Dauer der Amts» 
führung beſtimmt die Univerſitätsconferenz unter Genehmigung 
des Miniſters. 

Jene Agenden des Nationalrechnungsamtes, daß dies 
die Rechnungen der k. Freiſtädte und Gemeinden zu prüfen 
hat, „hören ꝛc. auf.“ 

Ich empfehle mein Amendement zum Theil auch zum 
Zwecke der Wahrung des freien Dispoſitionsrechtes über 
das Eigenthum, da das Univerſitätsamt nicht Verwaltungs— 
und nicht politiſche Behörde, ſondern einzig Vermögenver— 
waltungsamt ſein wird gemäß dieſes Geſetzes — weßhalb 
die Dauer der Amtszeit nur die Univerſitätsconferenz als der 
Eigenthümer des Vermögens zu beſtimmen berufen und be— 
rechtigt iſt. Ich empfehle ihn andererſeits auch aus dem Geſichts— 
punkt der Gleichheit, damit nicht Secretär und Caſſier vielleicht 
nur auf 2 Jahre, die Uebrigen aber für Lebensdauer 
gewählt werden, was jedenfalls eine Anomalie wäre. 

Julius Gullner verlieſt das Amendement. 

Miniſterpräſident Koloman Tißa: Geehrtes Haus! 
Zunächſt weiß ich nicht, wie der Herr Amendementſteller von 
der letzten Alinea des § 10 denkt, weil er ſich diesbezüglich 
in ſeinem Amendement nicht erklärt: dieſe aber muß unbe— 
dingt im Geſetzestext bleiben, weil es die Conſequenz der 
ganzen Verfügung iſt, daß jene Agenden der Univerſitäts— 
buchhaltung aufhören, die in den Kreis der Gemeinden und 
Municipien eingreifen. Dies muß daher meiner Anſicht nach 
auf alle Fällen ſtehen bleiben. Was die übrigen Theile des 
Amendements betrifft, lege ich kein großes Gewicht auf dieſelben; 
ich halte den urſprünglichen Context für klarer. Doch wenn 
das Amendement auch angenommen wird, verpfuſcht es die 
Sache doch nicht. Die letzte Alinea bitte ich jedenfalls 
beizubehalten. 


Julius Gullner lieſt das Amendement nochmals anf. 


174 


Referent Friedrich Wächter: Auch ich lege dem 
Amendement keine Tragweite bei und habe nichts gegen ſeine 
Annahme. 

Präſident: Ich habe zu dem Amendement die Be— 
merkung, daß man darin die Stilverbeſſerung machen müßte, 
daß ſtatt „die Beamten der übrigen Centralämter“ geſagt 
werde „die übrigen Beamten der Centralämter“. (Beifall). 
Ich glaube alſo, das geehrte Haus ſtimmt dieſem zu. (Sal). 
Belieben Sie alſo hernach den 8 10 (rectius 15) mit dem 
Amendement des Herrn Abgeordneten M. Kasper anzu— 
zunehmen. (Ja). Er iſt angenommen worden. 

Miniſterpräſident Koloman Tißa: Hernach bleibt 
die letzte Alinea jedenfalls darin. 

Präſident: Die letzte Alinea bleibt jedenſalls; das 
Amendement hat dieſe auch gar nicht berührt, weil es zur 
dritten Zeile der erſten Alinea lautet, deßhalb ſagte ich, 
daß mit dieſer Aenderung der ganze Context angen ommeu wird. 

Schriftführer Aladar Molnar lieſt die SS 17, 
18, 19 und 20, welche ohne Bemerkung angenommen werden. 

Präſident: Da der Geſetzentwurf über die Regelung 
des Königsbodens auch in ſeinen Details erledigt iſt, wird 
er in der morgen, Samſtag abzuhaltenden Sitzung, welche 
auch ſonſt nach dem Beſchluſſe des Hauſes abgehalten werden 
muß, zum drittenmale verleſen werden. 


Debatte 


des 


ungariſchen Ober hauſes. 


(ueberſetzung des ſtenografiſchen Landtagsberichtes). 


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Sitzungstag am 27. März. 


Präſident: Es folgt der Bericht der Dreier-Com⸗ 
miſſion über den Geſetzentwurf, betreffend die Regelung des 
Königsbodens. (Schriftführer Geza Podmaniczky ver⸗ 
lieſt den Bericht der Dreier-Commiſſion und den Motiven— 
bericht des Miniſters.) 

Diejenigen hochwolgebornen Herren Magnaten, welche 
zu dem Princip und Weſen des Geſetzentwurfes über die 
Regelung des Königsbodens im Allgemeinen zu ſprechen 
wünſchen, mögen dies thun. 

Baron Dionys Eötvös: 

Hochwolgeborener Herr Präſident! Hochwolgeborne 
Magnaten! Ich will nicht die Zeit des hohen Oberhauſes 
mit einer weitläufigen Rede in Anſpruch nehmen; ich be— 
merke nur kurz, daß ſowol der 1848er, die Union mit Sie— 
beubürgen betreffende Geſetzartikel, wie die $$.1, 10 und 11 
des 43. Geſetzartikels aus dem Jahre 1868 ebenfo, wie der 
§. 88 des 42. G.⸗A. von 1870, auf deren Inhalt ſich die 
Frage der Entſcheidung des jetzt vor uns liegenden Geſetz— 
entwurfes gründet, mich davon überzeugt haben, es ſei immer 
die Anſchauung und Ueberzeugung geweſen, daß, inſofern die 
1848 zum Geſetz gewordene Rechtsgleichheit dies geſtattet 
und nicht das Gegentheil befiehlt, die Regelung des Königs— 
bodens unter Achtung der jahrhundertalten Privilegien unſerer 
ſächſiſchen Landsleute vollzogen werden müſſe. Ich finde, 
daß wir, da fie gegenwärtig nicht befragt worden 
find, und die Schaffung eines ſolchen Zu: 
ſtandes, mit welchem auch ſie zufrieden ſind, 
nicht einmal verſucht worden iſt, dieſer bisherigen 
Anſchauung und Ueberzeugung nicht ganz gefolgt ſind. 

Wenn man auch den Umſtand in Erwägung zieht, daß, 
ſoviel ich weiß, die Zahl meiner ſächſiſchen Mitbürger, ein— 
gekeilt zwiſchen meine wallachiſchen Mitbürger, gering iſt, 
ſo beſtimmt mich dies gerade dazu, daß man bis zur äußerſten 
Grenze gerecht, billig und ritterlich zu ſein ſich beſtreben 
müſſe. 

12 


178 


Wenn wir ferner den Umſtand berückſichtigen, daß der 
größte Theil der conſtitutionellen Länder der Welt Charten, 
Freibriefe beſitzt, deren Abänderung an gewiſſe erſchwerte 
Formalitäten geknüpft iſt, daß wir dagegen ſolche entbehren, 
indem jene in unſerer Verfaſſung und ebenſo, wie bei den 
Engländern, in unſern Geſetzen und Inſtitutionen ſich zer— 
ſtreut finden, erlaube ich mir die Aufmerkſamkeit des hohen 
Oberhauſes darauf zu lenken, daß es bei uns doppelt noth— 
wendig ſei, ſolche Geſetze nur nach den ernſteſten Beſorgniſſen 
und Erwägungen zu ſchaffen, damit ſie uns nicht täglich, 
theilweiſe und unbemerkt, aus unſerer Verfaſſung abhan— 
den kommen. 

Geleitet von den hier vorgetragenen Principien und 
dem aufrichtigen Wunſche, es mögen meine ſächſiſchen Mit— 
bürger ebenſo große Loyalität zeigen wie ich, verlange ich, 
daß das Land ihnen gegenüber immer eine Ausnahme machen 
möge, und bin der Hoffnung, daß ſie mit Freuden in alle 
jene Veränderungen einwilligen würden, welche die Intereſſen 
unſers, die Verfaſſung in den Ländern der heiligen Stefans— 
krone bisher ſchirmenden ungariſchen Staates erheiſchen. 
Damit ich das hohe Oberhaus für meine kurze, aber gleich 
wol langweilige Rede entſchädige, citire ich die ſchönen Worte 
des Salluſtius: „concordia res parvae crescunt, discordia 
maximae dilabuntur,“ was ich übrigens nicht ſo verſtehe, 
als ob die einzelnen Menſchen nicht abweichende Anſichten 
haben dürften. Ich erkläre, daß ich den jetzt uns unter- 
breiteten Geſetzentwurf, fo wie er jetzt vor uns liegt, als 
Grundlage zur Generaldebatte nicht annehme. 


Baron Ludwig Földvary: 


Hochwolgeborner Herr Präſident! Hohes Oberhaus! 
Ich theile die Beſorgniſſe meines Vorreduers, des hochwol— 
gebernen Herrn Baron Dionys Eötoös, nicht, weil ich dieſen 
Geſetzentwurf für den natürlichen Ausfluß des 1848 -er und 
1868⸗er Geſetzes halte und gewü k ſcht hätte, er wäre früher 
vorgelegt worden, als heute. Was das Privilegium anbe— 
langt, welches der hochwolgeborne Herr Baron erwähnt 
hat, ſo glaube ich, daß auch wir viel größere Privilegien, 
als dieſes iſt, im Intereſſe der großen Geſammtheit aufge— 
geben haben, und ich bin davon überzeugt, daß dieſer Geſetz— 


179 


entwurf, wenn er auch jetzt Einzelnen unſerer ſächſiſchen 
Mitbürger nicht gefällt, die große Menge in kurzer Zeit 
überzeugen wird, daß er hinſichtlich der Verwaltung der Ein⸗ 
theilung des Gebietes in jeder Richtung ihre Wünſche be— 
friedige; ich bin daher ſo frei, nochmals zu wiederholen, 
daß ich, die Beſorgniſſe des hochwolgebornen Herrn Barons 
nicht theilend, dieſen Geſetzentwurf meinerſeits als Grund— 
lage zur Specialdebatte annehme und deſſen Annahme dem 
hohen Oberhauſe empfehle. (Zuſtimmung.) 


Baron Nikolaus Vay: 


Hochwolgeborner Herr Präſident! Hochgeehrte Ma— 
gnaten! Ich läugne nicht, daß ich der Hoffnung war, dieſer 
Geſetzentwurf werde ſo, wie er hier iſt, ohne jede weitere 
Discuſſion angenommen werden, und wenn Niemand ge— 
ſprochen hätte, hätte auch ich geſchwiegen, weil ich zum 
Reden nicht eben große Luſt verſpüre. Nachdem ich jedoch 
ſchon aufgeſtanden bin, werde ich meine Anſicht über dieſen 
Geſetzentwurf mit größter Aufrichtigkeit ſagen. 

Nachdem ich mehreremale die Möglichkeit und Gelegen— 
heit gehabt habe, mit unſeren Landsleuten vom Königsboden 
auf ihrem eigenen Grund und Boden, mit vielen Einzelnen 
unter ihnen und an ihrem eigenen Heerde zuſammenzukommen, 
und theilweiſe in amtlichen Beziehungen zu ihnen 
geftanden bin, fo habe ich ihre vielfachen Eigenthümlichkeiten, 
ihre Kräfte derart kennen gelernt, daß ich über das vor uns 
liegende Geſetz, welches die Mehrheit der Genannten kaum 
jemals in fo hohem Maße perhorresciren wird, trotz ver da— 
gegen gerichteten noch ſo heftigen und ungerechten Angriffe, 
durchaus ohne Vorurtheil und ohne Voreingenommenheit 
ſprechen kann. 

Die vorzugsweiſe ſächſiſche und theilweiſe, aber auch 
nur theilweiſe magyarenfeindlich geſinnte Bevölkerung hat, 
beſonders das Bürgerthum, dieſer in unſerm Vaterland ſo 
ſehr entbehrte Factor der Civiliſation, ſich jo große Ver— 
dienſte erworben, daß meine Rückerinnerung an dieſe nicht 
einmal durch das Andenken an jene bitteren Zeiten gänzlich 
verdunkelt werden kann, in welchen ich als Mitlebender mir 
meine Erfahrungen geſammelt habe. Nachdem ich, wie ge— 
ſagt, mehrmals Gelegenheit gehabt habe, mit unſern Lands— 


12* 


180 


leuten auf dem ſiebenbürgiſchen Königsboden in ihrem 
eigenen Geburtslande, mit Einzelnen, an ihrem eigenen 
Heerd zu verkehren und theilweiſe mit ihnen auch in amt— 
licher Verbindung zu ſtehen, habe ich ihre vielſeitigen Kräfte 
ſo ſehr achten gelernt, daß, wenn ich überzeugt wäre, der 
vor uns liegende Geſetzentwurf würde jene Zuſtände er— 
ſchüttern, auf welchen jene in unſerem Vaterlande ſeit alter 
Zeit ſich behauptende gut geordnete kleine Geſellſchaft beruht, 
die ſich auf dem Gebiete der Cultur, des Handels, der 
Gewerbe und des Cultus nicht geringe Verdienſte erworben 
hat, oder wenn ich geradezu die Möglichkeit ihrer Ver— 
nichtung ſehen ſollte, auch ich geneigt ſein würde, in die 
Reihe Derjenigen zu treten, welche das Inslebentreten dieſes 
Geſetzes zu verhindern ſich beſtreben. 

Aber die Sache verhält ſich nicht alſo, ſondern ſo, 
daß eine ſeit langeher fchon allgemein anerkannte, auch 
ſeitens der Mehrheit der Bewohner des Königsbodens ſelbſt 
nicht beſtreitbare Nothwendigkeit vorhanden iſt — was ich, 
wie ich wiederhole, zufolge meiner perſönlichen Erfahrungen 
bezeugen kann — daß großartige territoriale Reformen in 
Siebenbürgen ſtattfinden müſſen, deren radikalem Vollzug 
unleugbar nur die bisherige Organiſation des Köniasbodens 
im Wege ſteht, — die auch ſelbſt dann, wenn vor ihr Halt 
gemacht werden ſollte, die beſagte Arrondirung nicht ins 
Leben treten läßt. — Heute aber in der gegenwärtigen Phaſe 
der Angelegenheit, kann meiner Ueberzeugung nach der Ge— 
fihtspunft, aus welchem die Sache beurtheilt werden muß, 
nur dieſer ſein, ſo ſehr und ſo ausſchließlich, daß, wenn Jemand 
uachweiſen könnte, die Organiſation des Königsbodens ſtehe 
der Territorialreform von ganz Siebenbürgen nicht im Wege, 
dieſer das Recht hätte, uns der Ungerechtigkeit und Tyrannei 
zu beſchuldigen. Aber dies wird kaum Jemand mit Erfolg 
unternehmen können. Die übrigen, auf die Verwirrung der 
Sache zielenden Fragen aber, wie die Nationalität und das 
auf ihre ſtaatsrechtlichen Verhältniſſe zum Muͤtterlande 
Bezügliche, kann man hier nicht berückſichtigen; denn hierüber 
haben ſchon früher das Nationalitätengeſetz und die neueren 
Unionsgeſetze entſchieden. 

Was außerdem die ſchon ſo oft eitirten Freiheiten und 
Privilegien betrifft, ſo ſind nicht wir es, welche ſie heute 


181 


außer Kraft ſetzen werden, ſondern die unwiderſtehliche 
Macht der Zeit, dieſer geſchworene Feind der Privilegien, 
vollbringt es. 

Welche Verhältniſſe, wenn dem nicht alſo wäre! 
Wo würden wir heute ſtehen auch bezüglich anderer von uns 
vollzogenen Reformen, wenn wir nämlich bei jeder Reform— 
frage hätten zurückweichen müſſen, ſobald uns einzelne un— 
zufriedene Vereine, Confeſſionen oder Einzelne mit einem 
Pergament oder sigillum pendens den Weg verſtellen 
wollten? 


Viele von uns haben beiſpielsweiſe auch noch nach 
dem Inslebentreten der Union kräftig dafür gekämpft, daß 
das Gubernium, wenngleich in anderer Geſtalt, doch noch 
in Klauſenburg aufrecht erhalten werden ſolle! 


Dies hätte natürlich die centrale, einheitliche Admini— 
ſtration gerade ſo geſchwächt, wie die Organiſation des 
Königsbodens, welche die ſächſiſchen Herren aufrecht zu halten 
wünſchen, heute den in Rede ſtehenden Gebietsreformen im 
Wege ſtehen würde. 

Aber gehen wir weiter. — Es könnten ſich zum Bei- 
ſpiel unſere Städte oder einzelne unſerer alten Familien auf 
ihr jus gladii berufen, wenn demnächſt die Erledigung der 
Strafgeſetze auf das Tapet kommt. Aber ich erinnere mich 
noch deſſen, daß meine Ahnen, was heute wie Uebertreibung 
oder noch anders klingt, gleichwie die k. freie Stadt Debreczin 
auf ihrem Gebiete, ſo auf den in der nächſten Nähe der 
Stadt ſelbſt liegenden adeligen Beſitzungen — Zeuge deſſen 
die vorgekommenen Hinrichtungen — das unmittelbare per— 
sonale jus gladii beſeſſen haben, daß ſie durch einen von 
ihnen eingeſetzten Herrenſtuhl die Schuldigen mit möglichſter 
Barmherzigkeit veruriheilt baben, ohne daß die Hofkanzlei 
den Proteſt der Stadt berückſichtigt hätte. 


Dies waren denn wahrhaft aſiatiſche, aber dazumal 

für normal geltende Zuſtände. 
Es möge mir geftattet ſein, noch eines zu erwähnen, 
wenn ich mich fchen fo lange bei der Aera der Privilegien 
aufhalte. Wir zum Beiſpiel, die kirchlichen und weltlichen 
Mitglieder dieſes Oberhauſes, die wir im vollen Beſitze 


182 


unferer reichstäglichen Rechte — in plena possessione — 
find, die noch das Jahr 1848 als eine Art noli metangere 
angeſehen, deren alte Rechte der in Geſetzen wurzelnde Ge— 
brauch von Jahrhunderten geheiligt hat, wollen wir unter 
Vorweiſung der hundert und aber hundert Privilegien, die 
ſeinerzeit unumgänglich nothwendig erſchienen, die Reform 
unſers Oberhauſes halsſtarrig verhindern? Werden unſere 
ſächſiſchen Vetter hiezu Ja ſagen? 

Nein, nein, — die goldene Zeit der Privilegien iſt 
vorüber, aber deshalb haben diejenigen, die der Privilegien 
verluſtig geworden, in Weſen doch nicht ſo viel verloren. 
Wir werden ihnen auf der andern Seite durch zeitgemäße 
neue Einrichtungen den Verluſt reichlich erſetzen, vom allge: 
meinen Gewinn nicht einmal zu reden. 

So wird es auch mit unſern ſächſiſchen Mitbürgern 
ſein; die bemooſten Baſteien des romantiſchen Kronſtadt und 
und des verrammelten Hermannſtadt werden zu Boden 
ſinken, aber dafür wird um ſo freier die erfriſchende und 
geſunde Luft unſeres gemeinſamen Vaterlandes ihre volks⸗ 
reihen Gaſſen durchziehen und um fo ungehinderter wird 
bald von dort herausſtrömen all' das Schöne und Gute, 
was bisher hinter jenen etruskiſchen Mauern für den Egois- 
mus Einzelner aufgeſtappelt war. 


Nicht verlieren, nicht verkümmern wird daher die Uni- 
verſität nach dem Inslebentreten dieſes Geſetzes. Die Be⸗ 
wohner desſelben werden vielmehr auf Grund der modificirten 
Organiſation neue Kraft von tauſenden Mitbürgern, die mit 
ihnen in ein innigeres Verhältniß treten, mit ihnen ſich 
amalgamiren, aber bisher von ihnen iſolirt waren, ſchöpfen, 
indem fie ſich gegenſeitig ihre nicht wegdisputirbaren, bürger 
lichen ausgezeichneten Eigenſchaften und Tugenden mittheilen. 

Schließlich will ich kurz nur noch Eines bezüglich des 
Vermögens des Königsbodens erwähnen, hinſichtlich deſſen 
ich, da ich die frühere, dieſen Gegenſtand betreffende viel 
ſtrengere Anſicht kenne, nicht umhin kann, die hierauf be— 
züglichen, ſchonenden Verfügungen der jetzigen Regierung zu 
billigen, welche den ſeiner Natur nach heiklen Weg gänzlich 
vermeiden, und nur Gelegenheit dazu bieten, nur in der 
Beziehung eine entſprechende moraliſche Preſſion ausüben, 


183 


daß die Betreffenden die beſagten gemeinſamen Güter nach 
einem andern, gerechteren Schlüſſel, aber gleichwol aus— 
ſchließlich ſelbſt, und einerſeits auf einer ausgedehnteren Baſis, 
andrerſeits zu beſtimmten heilſamen Zwecken mit Ausſchluß 
jeder Monopoliſirung verwalten. 

Dieſem zufolge nehme ich dieſen Geſetzentwurf als 
einen neuen Beweis für die Gerechtigkeitsliebe und Energie 
und Kühnheit unſerer Regierung, aber gleichzeitig auch für 
ihr ſchonungsvolles Weſen mit voller Bereitwilligkeit an. 

Ich kann nicht umhin mich zu freuen, daß endlich jene 
Seeſchlange, welche nicht nur in unſerm Vaterlande, ſondern 
auch in einem gewiſſen andern Theile Europas von Zeit 
zu Zeit ihr Haupt emporzuheben pflegte, ich meine die 
ſächſiſche Frage, endlich ganz von unſerem politiſchen Horizont 
verſchwinden werde. Denn dies wird das vortreffliche Geſetz, 
welches möglichſt practiſch iſt, ohne dabei drakoniſch zu fein, 
hoffentlich bewirken. 


Graf Johann Schmidegg: 


Mit Freuden begrüße ich den Geſetzentwurf, welcher 
mir gleichzeitig Gelegenheit bietet, das zu beweiſen, daß 
ich, obgleich ich zur Oppoſition gehöre, gleichwol freudig 
einem ſolchen Geſetzentwurf zuſtimme, den ich als heilſam 
und nützlich für das Vaterland halte. Zu dieſen rechne ich 
auch den gegenwärtig verhandelten Geſetzentwurf, welcher 
auf die Aufhebung eines Staats im Staate gerichtet iſt. 
Deshalb nehme ich ihn in ſeiner ganzen Ausdehnung an. 
(Zuftimmung). | 

Präſident: 

Wenn Niemand mehr das Wort zu ergreifen wünſcht, 
ſo kann ich, wie ich glaube, da eine Unterſtützung des Gegen— 
antrages nicht ſtattgefunden hat, ausſprechen, daß die hoch— 
geborenen Magnaten den in Verhandlung befindlichen Geſetz— 
entwurf annehmen. 

Es folgt die Specialverhandlung. 

(Schriftführer Baron Geza Podmaniczky 
lieſt die einzelnen Paragrafe). 

Präſident: Wenn Niemand das Wort zu ergreifen 
wünſcht, geruhen diejenigen Magnaten, welche den Geſetz— 


184 


entwurf über den Königsboden, ferner über die ſächſiſche 
Univerfität, ſowie über das Vermögen dieſer und der foge- 
nannten Siebenrichter ſowol hinfichttltch des Inhaltes, als auch 
hinſichtlich der Faſſung annehmen, dies durch Erheben anzu- 
deuten. (Es geſchieht). Die hochgeborenen Magnaten nehmen 
ihn an und ich werde hievon das Abgeordnetenhaus in der 
üblichen Weiſe verſtändigen. 


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I. 
Beridf 


der Verwaltungscommiſſion (des Abgeordnetenhauſes) 
zu dem miniſteriellen 
Geſetzentwurf über den Königsboden ıc. 


Ehe die Verwaltungscommiſſion dieſen, ihr zugewieſenen 
Geſetzentwurf in Verhandlung genommen, gab der Minifterpräfident 
Koloman Tißa Aufklärung betreffs zweier Fragen. 

Erſtens darüber, daß die „Betreffenden“ — gemäß der An⸗ 
ordnung des §. 10 des G.⸗A. 43 von 1868 — ebe der vorlie- 
gende Geſetzentwurf eingebracht worden, angehört worden ſind, 
indem die fächſiſche Nations⸗Univerſität zur Vorlage ihrer Meinung 
über die Regelung des Königsbodens von ſeinen Amtsvorgängern 
aufgefordert worden fet und ihr Gutachten dem Miniſterium ein⸗ 
geſchickt habe. 

Zweitens: daß der Geſetzentwurf über die, auch nach der 
Meinung der Verwaltungscommiſſion unabweislich gewordene Ar— 
rondirung von einem Theile des Landesgebietes wegen adminiſtra— 
tiver Rückſichten, — welcher Geſetzentwurf mit dem über die Rege— 
lung des Königsbodens im engſten Zuſammenhange ſteht und ohne 
welchen der vorliegende Geſetzentwurf nicht ins Leben treten kann — 
nach den Ferien werde eingebracht werden. 

Nach Erhalt dieſer Aufklärungen verhandelte die Verwaltungs— 
commiſſion den vorliegenden Geſetzentwurf, nahm denſelben mit 
einigen ſtiliſtiſchen und ergänzenden Modificationen an und empfiehlt 
denſelben auch dem geehrten Hauſe zur Annahme. 

Die gewünſchten Modificationen ſind folgende: 

in §. 4, 5, 7, 9, 13, 15, 17, 19. 20 — (welche 
wir, des beſſern Verſtändniſſes und der leichteren Ueber— 
ſicht halber, zwiſchen die betreffenden SS. des Regie— 
rungsentwurfs eingeſchaltet, vollinbaltlich folgen laſſen:) 

Da weitere Modificationen ſich nicht ergaben, beehrt ſich die 
Commiſſion den hiernach ausgebeſſerten Geſetzestekt in der Anlage 
achtungsvoll vorzulegen. 


Budapeſt, am 18. März 1876. 


Graf Emanuel Pechy, Friedrich Wächter, 
Commiſſions⸗Präſes. | Berichterſtatter. 


188 


II. 


Geſetzentwurf 
über den Königsboden (fundus regius), ferner 
über die Regelung der Sachſen⸗Univerſität (uni- 
versitas) und von dem Vermögen der Univerſität 
und der ſogenannten ſieben Richter. 


Da aus adminiſtrativen Rückſichten die Regelung eines Theiles 
des Landes⸗Territoriums unvermeidlich geworden, wird beniglic des 
Königsbodens Folgendes beſtimmt: 

§. 1. Bei der Regelung der Municipal Territorien, über 
welche ein beſonderes Geſetz verfügen wird, werden der Königs— 
boden und die benachbarten Territorien einer und derſelben Rückſicht 
unterliegen. Nach Regelung des Territoriums hören für den Ko: 
nigsboden die Unterſchiede im Kreiſe der Adminiftration auf. 

§. 2. Das Amt des ſächſiſchen Obergeipand (Comes) 
hört auf und der Titel kommt, als dem Präſidenten der General— 
verſammlung der Univerſität, dem Obergeſpan des Hermannſtaͤdter 
Comitats zu. 

§. 3. Der Rechtskreis der Sachſen-Univerſität, als einer 
ausſchließlich culturellen Behörde, wird betreffs der Verfügung über 
das Univerſitäts⸗Vermögen, betreffs der Verwendung der unter ihrer 
Verwaltung ſtehenden Fundationen auf Grund der Beſtimmung 
dieſer Fundationen und betreffs Controle derſelben auch weiterhin 
aufrecht erhalten. 

§. 4. Das Vermögen der Sachſen⸗Univerſität kann einzig 
und allein zu Cultur⸗Zwecken verwendet werden. 

§. 4.) Das Vermögen der Sachſen⸗Univerſität (§§ 6 und 7) 
kann einzig und allein zu Cultur⸗Zwecken verwendet werden. f 

§. 5. Das Eigenthumsrecht betreffs des ſächſiſchen National 
vermögens bleibt unberührt. Die bezüglich dieſes Rechtes etwa 
auftauchenden Fragen werden durch ein richterliches Urtheil ent— 
ſchieden. 

§. 5.) Das Eigenthumsrecht betreffs des ſächſiſchen Univer- 
ſitäts⸗ Vermögens bleibt durch gegenwärtiges Geſetz un⸗ 
berührt. Ueber dieſes Eigenthumsrecht etwa auftauchende 
Fragen werden durch richterliches Urtheil entſchieden. 


* Geänderter Text der Verwaltungs⸗Commiſſion; fette Schrift 
macht die Aenderungen erſichtlich. 


189 


8. 6. Die Einkünfte des unter freier Verfügung der Unt- 
verſität ſtehenden Vermögens find innerhalb der in den §§. 3 und 4 
enthaltenen Schranken zu Gunſten der geſammten eigenthumsberech— 
tigten Bewohner ohne Unterſchied der Religion und Sprache zu 
verwenden. 

§. 7. Ueber das Vermögen der Sachſen⸗Univerſität verfügt 
innerhalb der Fundationsihranfen und unter Aufrechthaltung des 


Aufſichtsrechtes der Regierung die Generalverſammlung der Sachſen— 


Univerfität. 

§. 7.) Ueber das Vermögen der Sachſen-Univerſität verfügt 
im Sinne und innerhalb der Schranken der Fundationen und unter 
Aufrechthaltung des Aufſichtsrechtes der Regierung die Generalver— 
ſammlung der Sachſen⸗-Univerſität. 

§. 8. Der Sachſenuniverſitäts-Generalverſammlung: 

a) Präſident iſt der Obergeſpan des Hermannſtädter Comitats; 

b) Bicepräfident iſt Derjenige, den die Generalverſammlung 
unter ibren Mitgliedern auf drei Jahre wählt; 

c) Schriftführer der Univerſitätsſecretär ($. 15) und im Ber: 
hinderungsfalle der durch die Generalverſammlung unter 
ihren Mitgliedern für die Dauer der Seſſion zu wählende 
Vertreter. Der Schriftführer bat Sitz und Stimme; 

d) Mitglieder ſind 20 Vertreter der mit dem Wahlrechte für 
den Reichstag bekleideten Einwobner der Stühle, Diſtricte 
und Städte, welche den Königsboden bilden, und zwar von 
Seite Hermannſtadts und Kronſtadts je zwei, daher vier, 
von Seite der Städte Schäßburg, Müblbach, Broos, 
Mediaſch und Biſtritz je einer, zuſammen fünf, für die 
Wahl der übrigen elf Mitglieder der Verſammlung werden 
die übrigen Theile des Königsbodens in elf Wahlbezirke ein- 
getheilt, und zwar mit Rückſicht darauf, daß in denſelben 
die Zahl der Wähler möglichſt gleich ſei, daß ein Wahlbezirk 
ſich auf mehrere neu zu bildende Municipien erſtrecke, und daß 

die Wähler der früher beſtandenen Municipien des Königs» 
bodens möglichſt beiſammen bleiben. Jeder Wahlbezirk ent— 
ſendet einen Vertreter in die Univerſität. 
8. 9. (neu — im urſprünglichen Text S. 16.) 
Die im Sinne des $ 8. Punkt d. zu bildenden 11 Wahlbezirke 


) Geänderter Text der Verwaltungs⸗Commiſſion; fette Schrift 


macht die Aenderungen erſichtlich. 


190 


beſtimmt der Minifter des Innern nach Anhörung der Verſammlung 
der beſtehenden Sachſen⸗Uuiverſität. In eben ſolcher Weiſe wird der 
Modus für die Wahl der Mitglieder der Univerſitäts-Verſammlung 
feſtzuſtellen ſein. 

Die auf Grund dieſes Geſetzes zu bildende erſte Generalver— 
ſammlung aber ſtellt unter Genehmigung des Miniſters des Innern 
die Berathungs-Normen der Univerſitäts-Verſammlung und die 
Geſchäftsordnung des Centralamtes der Univerſität feſt. 


Alle ſpäteren Modificationen der in dieſem $ ent: 
haltenen Verfügungen werden durch den Miniſter des 
Innern mit Anhörung der Generalverſammlung der 
Sachſen⸗ Univerfität beſtimmt. 

§. 9. Die Mitglieder der Univerſitäts-Verſammlung werden 
auf drei Jahre gewählt. 

Jetzt §. 10. *) 

§. 10. Eine Generalverfammlung der Univerfität wird 
regelmäßig jährlich einmal abgehalten, in welcher die Rechnungen 
des vorhergegangen Jahres geprüft und das Budget des künftigen 
Jahres angefertigt wird. Die Regierung kann die Einberufung 
einer außerordentlichen Generalverſammlung anordnen; außerdem 
it es Pflicht des Präſidenten der Generalverſammlung der Uni- 
verſität, auf Wunſch der Mehrheit der Mitglieder eine außeror⸗ 
dentliche Generalverſammlung einzuberufen. 

Jetzt §. 11. ) 


§. 11. Die Beſchlüſſe der Univerſitäts⸗Verſammlung werden 
im Allgemeinen nach Gutheißung des Miniſters des In nern, info- 
ſern ſie ſich aber auf Sachen der öffentlichen Bildung beziehen, 
nach Genehmigung von Seite des Cultus- und Unterrichtsminiſters 
Geltung erlangen. 

Jetzt §. 12. ®) 


§. 12. Die Protocolle der Univerſitäts⸗Generalverſammlung 
ſind längſtens binnen acht Tagen nach Schluß der Verſammlung 
dem Miniſter des Innern zu unterbreiten. Ein Protocoll-Beſchluß, 
auf welchen während vierzig Tagen von der Anlaugung deſſelben 
gerechnet, das Miniſterium keine . macht, iſt als ge 
nehmigt zu betrachten. 


*) Geänderter Text der Verwaltungs- Commiſſion; fette Schrift 
macht die Aenderungen erſichtlich. 


r ð A 2 MfM 


191 


Jetzt $. 13. *) 

Die Protocolle der Univerſitäts⸗Geueralverſammlung find läng- 
ſtens binnen 15 Tagen nach Schluß der Verſammlung dem Miniſter 
des Innern zu unterbreiten. Ein Protocollbeſchluß, auf welchen binnen 
40 Tagen von der Unterbreitung desſelben an gerechnet das Mini— 
ſterium keine Bemerkung macht, iſt als genehmigt zu betrachten. 

$. 13. Wenn der Präſident der Meinung iſt, daß die Gene: 
ralverſammlung ihren Wirkungskreis überſchritten hat, oder wenn 
er die Ordnung nicht aufrechtzuerhalten vermag, ſo hat er das 
Recht, die Sitzung zu ſiſtiren und im Falle der Wiederholung, 
dieſelbe auf vierzehn Tage zu vertagen. In dieſem Falle iſt es 
Pflicht des Präſidenten, dem Miniſter des Innern einen motivirten 
Bericht zu erſtatten. 

Jetzt 8. 14 *) 

§. 14. Die Ace der Univerſitäts⸗Generalverſammlung 
ſind öffentlich. 

Jetzt $. 15 *) 

$. 15. Die Angelegenheiten der Univerſität werden auf 
Grund der Generalverſammlungs-Beſchlüſſe durch das Centralbureau 
der Univerſität geleitet. Das Haupt dieſes Bureaus iſt der Prä— 
ſident der Univerſitäts⸗Generalverſammlung; die Beamten find: der 
Secretär und Caſſier der Univerſität, welch' letztere durch die 
Univerſitäts⸗Verſammlung mit allgemeiner Stimmenmehrheit ge— 
wählt werden. Die übrigen Beamten des Centralamtes und die 
Bezahlung ſämmtlicher Beamten des Centralbureaus beſtimmt die 
Univerſitätsverſammlung unter Genebmigung des Miniſters. Die 
Aufgabe der Univerſitaͤts-Rechnungsführung, die Rechnungen der 
Städte und Gemeinden des Königsbodens zu prüfen, hört auf. 

Jetzt $. 16 ) 

Die Angelegenheiten der Univerſität werden auf Grund der 
Generalverſammlungs⸗-Beſchlüſſe durch das Centralbureau der Univer⸗ 


ſität verwaltet (beforgt). Der Chef dieſes Bureaus iſt der Präſes der 


Univerſitäts⸗Generalverſammlung; die Beamten find: der Secretär. 
(8. 8) und der Caſſier der Univerſität, welch' letztere die Univerſitäts⸗ 
verſammlung mit allgemeiner Stimmenmehrheit auf 6 Jahre wählt. 

Im Verhinderungsfalle des Präſes ſubſtituirt den⸗ 
ſelben im Centraloureau der Seeretär der Univerſttät. 


*) Geänderter Text der Verwaltungs⸗Commiſſion; fette Schrift. 
macht die Aenderungen erſichtlich. 


192 


Die übrigen Bedienſteten des Centralamtes, die Beſoldung 
aller Beamten desſelben, ſowie die Dienſtesdauer beſtimmt die 
Univerſitätsverſammlung unter Genehmigung des Miniſters. 

Jene Aufgabe der Univerſitäts⸗Buchhaltung, die Rechnungen 
der Städte und Gemeinden des Königsbodens zu prüfen, hört auf. 

$. 16. Die im Sinne des Punktes d) (§. 8) zu bildenden 
11 Wahlbezirke beſtimmt der Miniſter des Innern nach Anhörung 
der Verſammlung der beſtehenden Sachſenuniverſität. In eben 
ſolcher Weiſe wird der Modus für die Wahl der Mitglieder der 
Univerſitätsverſammlung feſtzuſtellen ſein. Die auf Grund dieſes 
Geſetzes zu bildende erſte Generalverſammlung aber ſtellt unter 
Genehmigung des Miniſters des Innern die Berathungs-Normen 
der Univerſitäts⸗Verſammlung und die Geſchäftsordnung des 
Centralamtes der Univerfität feſt. 

Jetzt 5. 9 *) 

§ 17. Ueber das Vermögen der ſogenannten ſieben Richter 
verfügen diejenigen Mitglieder der Univerſitäts-Verſammlung, die 
jene Städte und Bezirke des bisherigen Königsbodens vertreten, 
welche zuſammen die Eigenthümer des Vermögens der ſieben 
Richter find. Der Schriftführer dieſer Verſammlung iſt der ©e- 
cretär der Univerſität und ſein Rechtskreis betreffs dieſes Vermögens 
iſt identiſch mit demſelben, welcher durch das vorliegende Geſetz be— 
züglich des Univerſitäts-Vermoͤgens für die Univerſitätsverſammlung 
feſtgeſtellt iſt. 

§. 17.*) Ueber das Vermögen der ſogenauuten ſieben Richter, 
bezüglich deſſen im Uebrigen die Anordnungen der SS. 4, 
5, 6, 7 maßgebend find, verfügen unter Vorſitz des Obergeſpans 
des Hermannſtädter Comitats corporativ diejenigen Mitglieder der 
Univerſitätsverſammlung, die jene Städte und Bezirke des bisherigen 
Königsbodens vertreten, welche zuſammen die Eigenthümer des Sieben⸗ 
Richter⸗Vermögens ſind. 

Der Schriftführer dieſer Verſammlung iſt ebenfalls der Secre- 
tär der Univerſität und ihr Rechtskreis betreffs des Sieben⸗Richter⸗ 
Vermögens iſt identiſch mit jenem, welcher durch das vorliegende Geſetz 
bezüglich des Univerſitäts⸗Vermögens für die Univerſitätsverſammlung 
beſtimmt worden. 

$. 18. Die Generalverſammlung der fieben Richter wird 


*) Geänderter Text der Verwaltungs⸗Commiſſion; fette Schrift 
macht die Aenderungen erſichtlich. 


193 


zur Zeit abgehalten, wann die Generalverfammlung der Unioerſität 
iſt. Eine beſondere Einberufung derſelben iſt nicht nöthig. 

$. 19. In welchem Maße und in welcher Weiſe aus dem 
Vermögen der ſieben Richter zu den Koſten des Central⸗Bureaus 
der Univerſität beigetragen werden ſoll, werden die Univerſitäts— 
Verſammlung und die Verſammlung der ſieben Richter mit einander 
vereinbaren; ſollten aber dieſe beiden Verſammlungen diesbezüglich 
ſich nicht verſtändigen können, ſo wird die Frage durch den Mini— 
ſter des Innern entſchieden werden. 

$. 20. Die Zeit des Juslebeutretens dieſes Geſetzes beſtimmt 
der Miniſter des Innern; mit der Vollſtreckung des Geſetzes aber 
werden der Miniſter des Junern und der Cultus- und Unterrichts— 
miniſter betraut. 

(Die SS. 19 und 20 haben blos geringfügige ſtyliſtiſche Aende— 
rungen erfahren.) 


Motivenbericht 


zum Geſetzentwurf über den Königsboden (fundus regius), 

ferner über die Regelung der ſüächſiſchen Univerſität (uni- 

versitas) und von dem Vermögen der Univerſität und 
0 der ſogenannten ſieben Richter. 

Der gegenwärtige Geſetzentwurf hat zwei Zwecke, der eine 
iſt: die Feſtſtellung der Modalität der Regelung des Königsbodens; 
der zweite: die Regelung der ſächſiſchen Univerſität ſowie der 
Vermögensverhältniſſe der ſächſiſchen Univerſität und der fogenannten 
ſieben Richter. 

Die Verwirklichung des erſten Zweckes iſt auf die zwei 
erſten Paragrafen des Geſetzentwurfts bafjirt, deren beſondere 
Motivirung ich in Aubetracht der Wichtigkeit des Gegenſtandes 
für nothwendig erachte. 

In Siebenbürgen exiſtirten bis zum Jahre 1848 drei 
politiſche Nationen, und zwar die ungariſche, die Szekler und die 
ſächſiſche, und jede dieſer Nation hatte ihren beſonderen Boden, den 
ungarischen Boden, den Szeklerboden und den Königsboden. Jede der 
erwähnten Nationen hatte ihre eigenen Vorrechte (Privilegien) und auf 

13 


194 


dem Boden jeder dieſer Nationen exiſtirtein größerem oder geringerem 
Maß e ein anderes öffentliches und privates Recht. 

Die ſo gearteten Unterſchiede wurden bereits durch den 
(Klau enburger) G.⸗A. I: 1848 im Princip aufgehoben, und noch 
klarer wird dies vom §. 1 des G. A. XLIII: 1868 feſtgeſtellt, 
indem derſelbe ausſpricht, daß die, nach den bis vor dem Jahre 
1848 in Siebenbürgen beſtandenen Nationen feſtgeſetzte Territorial— 
Eintheilung und die damit in Verbindung ſtehenden Vorrechte auf— 
gehoben ſind. Nachdem indeß die Abweichungen in der inueren 
Verwaltung des Königsbodens und den übrigen Theilen des Landes 
bedeutend waren, wurde das Miniſterium in den Paragrafen 10 
und 11 des erwähnten Geſetzartikels angewieſen, dem Reichstage 
einen Geſetzentwurf über die Regelung des Königsbodens und der 
ſächſiſchen Univerſitaͤt vorzulegen und bis dahin ermächtigt, im 
Sinne der in dem erwähnten Geſetze ausgedrückten Principien 
bezüglich der inneren Organifation und der inneren Adminiſtration 
der Municipien des Königsbodens proviſoriſch zu verfügen. Weiter 
iſt im §. 88 des G.⸗A. XLII: 1870 ebenfalls ausgeſprochen, 
daß über die Regelung des Königsbodens ein beſonderes Geſetz 
verfügen wird. 

Es war daher eine dem Miniſterium durch die Geſetze auf— 
erlegte Pflicht dem Reichstage einen Geſetzentwurf äber die 
Regelung des Königsbodens vorzulegen. Ich hätte aber ſelbſt 
dann einen Geſetzentwurf über die Regelung des Königsbodens 
vorgelegt, wenn ich nicht durch mehrere übereinſtimmende Be— 
ſtimmungen einiger Geſetze hiezu verpflichtet geweſen wäre; denn 
weder können die von einander getrennten, ſehr unregelmäßigen 
Territorien des geſammten Königsboden — vom Standpunkte der 
zweckmäßigen Organiſation aus betrachtet — ein Municipium 
bilden, noch iſt die Belaſſung der gegenwärtigen elf geſonderten 
Municipien des Königsbodens als ſelbſtändige Municipien in ihrem 
gegenwärtigen Territorialbeſtande möglich, noch aber auch, daß die 
elf Municipien des Königsbodens, geſondert beſtehend, zuſammen 
noch einen politiſchen Verband höheren Ranges bilden und unter 
Vorſitz des Sachſen⸗Comes, als Generalverſammlung der Vertreter 
des Königsbodens, gleichſam als Staat im Staate exiſtiren; ins— 
beſondere Letzteres iſt vom Standpunkte der Adminiſtration und 
des Staatsintereſſes unannehmbar. 

Im erſten Paragrafen iſt die Richtung des vorliegenden 
Geſetzentwurfes bezüglich dieſer Frage deutlich erſichtlich, welche 


195 


dahin geht, daß, nachdem die Sonderſtellung des Königsbodens 
aufgehoben iſt, das Territorium des Königsbodens bei Gelegenheit 
der erfolgenden Arrondirung der Municipien unter dieſelben 
Geſichtspunkte falle, wie die Territorien der denſelben umgebenden 
Municipien, und daß die hinſichtlich der Adminiſtration noch be— 
ſtandenen Verſchiedenheiten aufhören. 


Ich bemerke hier noch, daß der Geſetzentwurf über die 
Territorial⸗Regulirung, welcher mit dem vorliegenden Geſetze ohnehin 
gleichzeitig ins Leben treten muß, bezüglich des zu Adminiſtrations— 
zwecken benützten ſeparaten Vermögens und der Einkünfte der 
einzelnen Municipien des Königsbodens, mit vollſtändiger Wahrung 
des Eigenthumsrechtes verfügen wird. 

Im F. 2 wollte ich der Pietät für die hiſtoriſchen Be: 
nennungen entſprechen. 


Und jetzt übergehe ich zur Beleuchtung des zweiten Zweckes 
des Geſetzentwurſes. 


Die ſächſiſche Nations-Univerſität, beziehungsweiſe die General— 
verſammlung der Univerſität der ſächſiſchen Nation hatte in alter 
Zeit drei beſondere Wirkungskreiſe: 


1. Die Univerſität der ſächſiſchen Nation, als eine der in 
Siebenbürgen beſtebenden drei politiſchen Nationen übte jenes 
ſtatutariſche Recht auf dem Felde der Verwaltung uud der Zuftiz- 
pflege, mit welchen dieſelben bekleidet waren; ſie konnte über die 
ungeſchmälerte Erhaltung der ſächſiſchen nationalen Vorrechte 
wachen, und 


2. bildete die Generalverſammlung der Univerfität einen 
Hüter binſichtlich Aufrechthaltung der geſammten Verfaſſung; 


3. verſügte dieſelbe über das Nationsvermögen. 


Nachdem in den oberwäbhnten Geſetzartikeln (Klauſenburg) 
I: 1848 und XLIII: 1868 bereits principielldie Aufhebung der 
Vorrechte genießenden, geſonderten politiſchen Nationen, ſowie der 
nationalen Territorien ausgeſprochen wurde, ſo verſteht es ſich von 
ſelbſt, daß die, politiſche und adminiſtrative Rechte übenden 
Nationsverſammlungen der ſächſiſchen Nation, welche in vergangenen 
Zeiten mehreremal in Verkennung ihrer Aufgabe ihre Kompetenz 
weit überſchritten, nicht mehr befteben können. 


Was den juftizielen Wirkungskreis der ſächſiſchen Nations— 


196 


univerſität betrifft, ſo haben in dieſer Hinſicht bereits die Geſetze 
verfügt, indem dieſelben die Juſtizpflege auf dem Königsboden mit 
dem der übrigen Theile des Landes gleichförmig geſtalteten. In 
dieſer Beziehung hat demnach die Competenz der Univerfität auf: 
gehört. Es bleibt daher von dem früheren Wirkungskreiſe der 
ſächſiſchen Univerſität nichts übrig, als die Verfügung über das 
ſehr beträchtliche ſächſiſche Nations-Vermögen und die Controle 
über die der Beſtimmung deſſelben entſprechende Verwendung. 


Dieſes Recht muß die ſächſiſche Nationsuniverſitaͤt auch in 
Zukunft behalten, wenn wir uns nicht dem gerechten Vorwurfe 
ausſetzen wollen, daß der Staat über das Privatvermögen von 
Einzelnen oder Gegenden eigenmächtig verfügt. Auf Grund dieſer 
Auffaſſung entſtand jener Theil dieſes Geſetzentwurſes, der ſich auf 
die Nationsuniverſität ſowie auf das Vermögen der ſächſiſchen 
Univerſität und der ſieben Richter bezieht. 


In den §§. 3—7 iſt der Wirkungskreis der Univerſität 
jeftgeftellt, ferner daß das Univerſitätsvermögen nur zu culturellen 
Zwecken verwendet, daß das Eigenthumsrecht hinſichtlich des 
Univerſitätsvermögens unverändert aufrechterhalten wird, daß die 
Einkünfte der Univerſität zum Beſten der geſammten Einwohnerſchaft 
zu verwenden find, ohne Unterſchied der Religion und Sprache, 
und daß die Generalverſammlung der ſächſiſchen Nationsuniverſität 
verfügt. S. 8 beſtimmt die Zuſammenſetzung der General— 
verſammlung. Ihr Präſident wird in Zukunft nicht der Sachſen— 
comes ſein, da dieſes Amt in dem Geſetzentwurfe, der über die 
Regelung des Königsbodens geſchaffen werden ſoll, aufhört, ſondern 
der Obergeſpan des Hermannſtädter Comitats, welche Würde 
anfangs ohnehin mit der des Sachſencomes zuſammenfiel. f 


Einen Vicepräſidenten würde die Generalverſammlung ſelbſt 
wählen, ihr Schriftführer wäre der ſtändige Univerſitätsſecretär. 
Was die Zahl der Mitglieder der Univerſität betrifft, ſo war vor 
1848 jedes Municipium durch 2 Deputirte vertreten; die Ge— 
ſammtzahl betrug demnach 22, mit dem Präſidenten 23. Nach 
der im Jahre 1869 zufolge reichstäglicher Ermächtigung etlaſſenen 
proviſoriſchen Miniſterial-Inſtruction beſtand die Generalverſammlung 
außer dem Praͤſidenten aus 44 Mitgliedern; der Hermannftädter 
Stuhl und der Kronſtädter Diſtrict entſandten nämlich zufammen 
6 Vertreter, die übrigen 9 Municipien je 2, zuſammen 18. 
Außerdem ſandten die Städte Hermannſtadt und Kronſtadt je 3 


Vertreter, zuſammen 6; Schäßburg, Mediaſch, Biſtritz, Broos und 
Müblbach je 2, zuſammen 10 Vertreter; Großſchenk, Reps, 


Reußmarkt, Leſchkirch je 1, zuſammen 4. Da ſich aber dieſe Zabl 


erfahrungsgemäß als übermäßig groß erwies, ſo geht der gegen— 
wärtige Geſetzentwurf beinahe auf die Zahl vor 1848 zurück, da 
er außer dem Präſidenten und Schriftführer eine Zabl von 20 


Mitgliedern feſtzuſtellen empfiehlt. 


Nach §. 9 werden die Mitglieder der Generalverſammlung 
in Zukunft auf drei Jahre gewählt, da ſich die Beibehaltung der 
Verfügung von 1869 als überflüſſig erwies, derzufolge, nachdem 
alljährlich wenigſtens eine Generalverſammlung abgehalten wird, 
in jedem Falle auch die Vertreter neu gewaͤhlt werden. Die 88. 
10 bis 14 enthalten auf die Generalverſammlung bezügliche Be» 
ſtimmungen. §. 15 regelt das Zentral-Bureau der Univerſität. 
8. 16 enthält die Uebergangsbeſtimmungen. Die SS. 17—19 
verfügen über das Vermögen der ſieben Richter. Hinſichtlich dieſer 
Paragrafen bemerke ich noch, daß die ſeogenannten ſieben Richter 
die ſieben Stamm⸗Municipien des Königsboden ſind, deren Uni— 
verſität ein gewiſſes Vermögen beſitzt, das eine der des Vermögens 
der ſächſiſchen Univerſität ähnliche Beſtimmung hat. Als ein Beweis 
der verwickelten Verhältniſſe mag gelten, daß das Vermögen jener 
ſieben Richter gegenwärtig und zwar nach hundertjähriger und 
geſetzlicher Praxis die Univerſität von acht und nicht von ſieben 
Municipien beſitzt und von den elf Municipien des Königsbodens 
baben rechtlich nur drei, nämlich Kronſtadt und ſein Diſtrict, 
Biſtritz und fein Diſtrict, Stadt und Stuhl Mediaſch, keinen 
Antheil daran. Hinſichtlich des Vermögens der ſieben Richter 
mußte man daher beſonders verfügen; die Anordnungen der an— 
geführten Paragrafen ſind aber, wie ich glaube, klar genug, um 
eine eingehende Motivirung überflüſſig zu machen. Bezüglich des 
§. 20 bemerke ich noch, daß es ſich am zweckmäßigſten erwies, 
mit der Beſtimmung des Zeitpunktes des Inslebentretens der Vor— 
lage den Miniſter des Innern zu betrauen, da das Inslebentreten 
derſelben mit anderen noch nicht geſchaffenen Verwaltungsreformen 
in untrennbarem Zuſammenhange ſteht. 


Budapeſt, 23. Februar. 1876. 
Koloman Tißa, Miniſter des Innern. 


198 


Iv. 
Adreſſe ) 


an die Herren Landtagsabgeordneten Guido v. Baußnern, 

Carl Conrad, Samuel Dörr, Friedrich Ernſt, Carl Gebbel, 

Guſtav Kapp, Friedrich Leonhard, Wilhelm Löw, Carl 

Maager, Chriſtian Roth, Albert v. Sachſenheim, Friedrich 

Seraphin, Edmund Steinacker, Emil von eee 
Adolf Zay. 


Ernſte Zeiten ſind über das Sächſiſche Volk hereinge— 
brochen. 

Die langgenährte Hoffnung auf Wiederaufrichtung 
unſeres geſetzlichen Rechtes, auf Erfüllung geſetzlich gewähr— 
leiſteter Verheißungen, auf geſunde Fortbildung altbewährter 
Einrichtungen und auf neue freudige Lebensentfaltung im ver— 
jüngten Bau unſerer Municipalverfaſſung, — dieſe treube— 
wahrte Hoffnung iſt durch die Tage des 22., 23. und 24. März 
ſchwer gebeugt worden. Die Verhandlungen des ungariſchen 
Unterhauſes über den „Geſetzentwurf über den Königsboden“ 
mußten alles, was Hoffnung heißt, in tiefſte Beſorgniß ver— 
kehren. 

„Was iſt der Gegenſtand deſſen, was der Geſetz— 
„entwurf regeln will? Ich will es nennen. Der Haupt— 
„beſtandtheil davon beſteht darin, was vor allem Andern 
„uns am Herzen liegt, zu deſſen Vertheidigung wir ſo 
„viel einſetzen, als wir überhaupt im Stande ſind, beſteht 
„in der Autonomie und Selbſtverwaltung der Gemeinde. 
„Darauf beruht die ganze Verfaſſung des Königsbodens. 
„Jene Gemeindeautonomie, welche dem bürgerlichen Ele— 
„mente Raum gibt zu ſeinen activen ſchaffenden Leiſtungen, 
„jenem bürgerlichen Element, welches nicht nur in alten 
„Zeiten Burgen erbaute, ſondern welches auch heute die 
„Grundlage des modernen Staates bildet und einen ſeiner 
„werthvollſten Beſtandtheile.“ (Trauſchenfels.) 


*) Obenſtehende Adreſſe, die dem lebhaften, in allen Theilen des 
Sachſenlandes ſich äußernden Danfgefühle gegen feine wackeren Abge— 
ordneten in Peſt entgegenkommt, circulirt, bereits mit zahlreichen Unter 
ſchriften bedeckt, unter dem Sachſenvolke. 


199 


Und auf dieſe freie, dem ganzen zuſammengeſchloſſenen 
Sachſenboden eigene Gemeindeverfaſſung hat das Sächſiſche 
Volk ein Recht, — ein Recht ſo gut wie jedes Recht im 
ungariſchen Staate. 

„Die Frage iſt als eine Rechts- und nicht als 
„eine Machtfrage zu löſen.“ (Gebbel.) 

Doch welche Löſung wurde uns geboten? 

„Der Zweck des vorgelegten Geſetzentwurfes iſt: 
„den Königsboden und deſſen einzelne Theile aus der Reihe 
„deſſen, was da iſt und lebt, zu ſtreichen, und das was 
„aus dieſem Gebiet künftighin gemacht werden ſoll, der 
„Regierung und ihrer Majorität zur freien Verfügung zu 
„ſtellen.“ (Kapp.) 

„Und dieſes — die Zerſprengung des Königsbodens 
„durch parlamentariſchen Dynamit — ſoll nach achtjährigen 
„Tantalusqualen die endgiltige Löſung fein? (Gebbel.) 

„Ich fürchte ſehr, die Zukunft werde beweiſen, daß 
„ſolches Thun nicht im Intereſſe des Landes gelegen.“ 
(Kapp.) 

Doch die regierende ſtaatsmäuniſche Weisheit von heute 
ſagt es ja laut: „Sie haben Ihre Rechte verwirkt!“ (Baron 
Gabriel Kemeny) und: „Ueber der Gewalt des Parla— 
mentes ſteht allein die allgemeine ewige Gerechtigkeit.“ (Ko— 
loman Tißa.) 

Aber dennoch ſagen wir mit Ihnen: 

„Das Princip der Rechtscontinuität gilt ebenſoviel, 
„wenn die ſchwache Sächſiſche Nation daſſelbe gegenüber 
„dem ungariſchen Staate geltend macht, als es damals 
„galt, als die Ungarn es gegenüber dem Geſammtſtaate 
„verfochten.“ (Steinacker.) Und dennoch ſagen wir: 

„Es giebt Geſetze, deren Abänderung ſchon deswegen 
„nicht im ſouveränen Belieben der Geſetzgebung ſteht, weil 
„ſie den Character eines zweiſeitigen Vertrages haben und 
„aus ihnen wolerworbene Rechte erwachſen find.“ (Zay.) 
Ja dennoch ſagen wir: 

„Auch für den Mächtigen kann es gefährlich werden, 
„die Bahn der Rechtsverleugnung, der Rechtserdrückung 
„zu betreten; denn ein ſolches Vorgehen könnte einſt auch 
„gegen ihn als Waffe gebraucht werden. Gleichwie dem 
„Einzelnen, ſo iſt es aber auch den Völkern nicht auf die 


200 


„Stirne geſchrieben, wie lange fie zu leben haben, und ich 
„glaube die Aufgabe wäre die, daß der Mächtige den 
„Schwächern in dem, was ſein Recht und ſeine Gerech— 
„tigkeit iſt, ſchirme, nicht aber niedertrete.“ (Gebbel.) 

Mit ſolchen Waffen der Vernunft, des Rechts und 
des Gewiſſens haben Sie, verehrte Volksvertreter, drei lange 
Tage hindurch den ſchweren Kampf der Wenigen gegen eine 
ungeheuere Mehrheit geführt, denn: 

„Der Kampf um's Recht bildet die ethiſche Seite 
„des großen Kampfes um das Daſein und wer im öffent— 
„lichen Leben wirkend ſich jenem Kampfe aus was immer 
„für Gründen entzieht, der verſündigt ſich an dem Sitt— 
„lichkeitsprincip, auf dem alle Menſchenwürde beruht.“ 
(Baußnern.) 

So Ihre Pflicht ernſt und würdig erfüllend, durften 
Sie nicht anders, als am Schluſſe der drei Leidenstage, 
angeſichts der nicht mehr zweifelhaften Euſcheidung, erklären: 

„Wir können dieſem Geſetzentwurf weder durch 
„unſere Zuſtimmung noch durch den Ausſpruch unſerer 
„Beruhigung beitreten; denn thäten wir dieſes, ſo wären 
„wir untreu dem Geſetze, untreu dem Vaterlande, unſerem 
„Volke und unſerem eigenen Gewiſſen; und deßhalb wer— 
„den wir uns auch an der Einzelberathung des Geſetz— 
„entwurfes nicht betheiligen.“ (Kapp.) 

So machten Sie wahr das Dichterwort: 

„Was auch draus werde — ſteh' zu deinem Volk! 

„Es iſt dein augeborner Platz.“ 

Ja, zu Ihrem Volke find Sie mannhaft geſtanden, 
wie dieſes Volk zu Ihnen ſteht. Denn nicht ſoll auch jenes 
Wort zu Schanden werden, das Einer aus Ihrer Mitte 
ſprach: 

„Hinter uns ſteht das ganze ſächſiſche Volk; die 
„ſächſiſche Nation wird eine Confiscation ihrer auf Geſetz 
„und Vertrag beruhenden Rechte nimmermehr als rechts— 
„giltig anerkennen, ſie wird auf ihr gutes Recht niemals 
„Verzicht leiſten, in Anhoffung einer ſchönern Zukunft und 
„im Vertrauen auf die Gerechtigkeit ihrer Sache.“ GZay.) 

So wollen wir denn auch aus dieſen Tagen, gehoben 
und geſtärkt durch Ihr Beiſpiel und Ihre eiumüthige That, 
retten die Hoffnung auf die Zukunft unſeres Volkes! 


— — 


III INN 


6678 


Bei Theodor Ackermann in München sind ferner er- 
schienen: 


Bezold, Dr. Frd. von, König Sigmund und die Reichskriege 
gegen die Husiten bis zum Ausgang des dritten Kreuzzugs. 
I. Abtheilung. gr. 8. 1872, Preis 3 M 5 

— — II. Abtheilung. Die Jahre 14231428. gr. 8°. 1875. 
Preis 3 M. 
Die III. (Schluss-) Abtheilung erscheint Ende 1876. 

— — Zur Geschichte des Husitentums. Culturhistorische Studien. 
gr. 8°. 1874. Preis 2 M. 


Biedermann, Prof. Karl, Jeutſchlands trübfte Zeit oder der 30jäh- 
rige Krieg in feinen Folgen für das deutſche Culturleben, gr. 8%, 


Preis 3 M 
Klüpfel, Dr. Karl, Raiſer Maximilian I. gr. 8“. Preis 1% | 
Kutzen, Prof. Dr. Joſeph, Aus der Zeit des fiebenjährigen Krieges. 
Umriſſe und Bilder deutſchen Landes, deutſcher Thaten, Charaktere 
und Zuſtände. gr. 8. Mit fieben Kärtchen. Preis 3 ,; geb. 

3 AJ. 15 4 
Rn 95 A., Baifer Heinrich IV. gr. 8%, Preis 3M; geb. 3 M 


W Prof. Dr. William, Der große Aurfürſt. gr. 8“. Preis 
3 M. eleg. geb. 4 M 50 3. 

Schirrmacher, Prof. Dr. Fried., Naiſer Friedrich II. und die letzten 
Hohenftaufen. 2 Theile. 1. Theil gr. 8%. Preis 3 II. Theil 
gr. 8. Preis 1 50 I. 

Schweinitz, Julius Graf, Studien über die wirthſchaftliche Gegen⸗ 
wärt und Zukunft Siebenbürgens und des Szeklerlandes. gr. 8°. 
1876. Preis 1 M. 

Sugenheim, Prof. Dr., Deu iſchland im ſpaniſchen Erbfolge⸗ und im 
großen nordiſchen Kriege. (1700 — 1721). gr. 8. Preis 3 M. 
60 3 

Wachsmuth, Prof. Dr. N, Riederſüchſiſche Geſchichten. gr. 80. 
Preis . 3; geb. M 3 


Waitz, Georg, Beuifhe a 5 Karl dem Großen bis Maximilian. 
8 


gr. 8. Preis A. 
Weber, Prof. Dr. Georg, Germanien in den 1 he 
feines geſchichtlichen Lebens. gr. 8. Preis M 2 


2 


BEER, 
v. SA