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Full text of "Einführung in das Studium der Bakteriologie : mit besonderer Berücksichtigung der mikroskopischen Technik : für Aerzte und Studirende"

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REFERENCE  HAMDBOOK 

OF  THE   MEDICAL  SCIErJCES 

revi8ed  edition 

Dr.  Albert  H.  Bück,  Editor 

No.  48,  West  40th  Street 

New  York 

William  Wood  and  Company,  Publishers 


Einfülirung  in  das  Studium 


der 

Bakteriologie 

mit  besonderer  Berücksichtigung 
der 

mikroskopischen  Technik. 


Für  Aerzte  und  Studirende 
bearbeitet  von 

Dr.  med.  Carl  Günther, 

Privatdocent  an  der  Universität,  Custos  des  Hygiene  -  Museums  zu  Berlin. 


Vierte,  vermehrte  und  verToesserte  Auflage. 


Mit  72  iiacli  eigenen  Präparaten  vom  Verfasser  hergestellten 
Photogrammen. 


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LEIPZIG. 

Verlag-  von  Georg  Thieme. 

1895. 


Alle  Eechte  vorbehalten. 


7W 


Druck  von  Fischer  &  Wittig  in  Leipzig. 


Vorwort. 


Mit  der  Herausgabe  der  vorliegenden  vierten  Auflage  seines 
Buches  verbindet  der  Verfasser  —  wie  es  auch  bei  den  früheren  Auf- 
lagen*) der  Fall  war  —  die  Absicht,  dem  Mediciner,  und  zwar  dem 
Studirenden  ebenso  wie  dem  Arzte,  eine  kurzgefasste,  das  Wesentliche 
vollständig  bringende  Einführung  in  das  praktische  Studium  der  Bak- 
terienwissenschaft zu  geben;  der  Wissenschaft,  mit  welcher  fast  jeder 
einzelne  Zweig  der  Medicin  mehr  oder  weniger  nahe  Berührungspunkte 
besitzt,  und  über  deren  Bedeutung  für  die  Medicin  heute  wohl  nicht 
mehr  zu  streiten  sein  dürfte. 

Wie  in  den  früheren  Auflagen,  so  hat  auch  in  der  jetzigen  die 
mikroskopische  Technik  ganz  besondere  Berücksichtigung  ge- 
funden; lehrt  doch  die  Erfahrung,  wie  viel  Mühe  dem  Anfänger 
speciell  der  Gebrauch  des  Mikroskopes,  und  zwar  gerade  die  elemen- 
tare, manuelle   Technik,   macht. 

Die  neue  Auflage  ist  gegen  die  vorige  nicht  unwesentlich  ver- 
ändert. Der  Text  ist  sorgfältig  revidirt  worden;  eine  Reihe  von  Ab- 
schnitten sind  von  Grund  aus  umgearbeitet,  andere  neu  eingefügt 
worden ;  fast  auf  jeder  Seite  des  Textes  finden  sich  Ergänzungen  und 
Verbesserungen.  Eine  erhebliche  Erweiterung  des  Textes  hat  sich 
dabei  nicht  vermeiden  lassen. 

Bei  der  Revision  der  photographischen  Tafeln  hat  der  Verfasser 
Veranlassung  gefunden,  von  den  72  Photogrannnen  der  dritten  Auf- 
lage 14  wegzulassen  und  durch  ebenso  viel  neue,  zweckentsprechendere 
Aufnahmen  zu  ersetzen. 

Berlin,   im  August  1895. 

Dr.  Carl  Günther. 


*)  Die   erste  Auflage   erschien   im   Juli  1890,    die   zweite   im  März  1891,  die 
dritte  im  August  1893. 


Inhalts-Uebersicht. 


Seite 

Einleitung 1 

A.  Allgemeines 5 

I.  Allgemeine  Morphologie  und  Systematik  der  Bakterien 7 

IL  Allgemeine   Lebensbedingungen   der  Bakterien.     Desinfection.     Sterili- 
sation.    Antiseptik.     Aseptik 20 

IIL  Allgemeine  Lebensäusserungen  der  Bakterien 40 

IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung 47 

1.  Die  Ausrüstung  des  Arbeitstisches 47 

2.  Beobachtung  der  Bakterien  im  lebenden  Zustande.  Der  hängende 
Tropfen.     Wirkungsweise  des  A  b  b  e 'sehen  Beleuchtungsapparates  52 

3.  Das  gefärbte  Deckglas -Trockenpräparat.  Die  Anilinfarben.  Das 
Princip  der  maximalen  Beleuchtung Hl 

4.  Beobachtung  der  Bakterien  in  Schnitten.  Allgemeines  über  Schnitt- 
behandlung         86 

5.  Allgemeines  über  Färbung  und  Entfärbung.  Leicht  und  schwer 
färbbare  und  entfärbbare  Objecto 97 

6.  Die  Gram'sche  Methode  der  Kernentfärbung 108 

V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung 116 

1.  Einleitendes 116 

2.  Die  Darstellung  der  wichtigsten  bakteriologischen  Nährböden. 
Nährgelatine,  Nähragar,  Nährbouillon,  Blutserum,  Kartoffel,  Ei, 
Brotbrei  etc 119 

3.  Die  wichtigsten  Methoden  der  Bakteriencultur 139 

4.  Anhang:  Die  Methoden  der  bakteriologischen  Luft-,  Wasser-  und 
Boden -Untersuchung  und  ihre  wichtigsten  Ergebnisse    .     .     .     .  171 

a.  Luftuntersuchung 171 

b.  Wasseruntersuchung 174 

c.  Bodenuntersuchung 181 

B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger 185 

I.  Einleitendes 187 

n.  Die  wichtigsten  pathogenen  Bakterienarten  im  Speciellen 226 

1.  Der  Milzbrandbacillus 226 

2.  Der  Bacillus  des  malignen  Oedems 237 


VI  Inhalts -Uebersicht. 

Seite 

3.  Der  TetanusbaciUus 240 

4.  Der  Eauschbrandbacillus 246 

5.  Der  Tuberkelbacillus  (Bacillus  der  Säugethiertuberculose)    .     .     .  249 

6.  Der  Bacillus  der  Hiihnertuberculose  (Geflügeltuberculose)    .     .     .  272 

7.  Bakterien  bei  „Pseudotuberculose" 276 

.8.  Der  LeprabaciUus 278 

9.  Bacillen  bei  Syphilis.     SmegmabaciUen 280 

10.  Der  Eotzbacillus 281 

11.  Der  Typhusbacillus 284 

12.  Der  Bacillus  der  Mäusesepticaemie  und  der  Bacillus  des  Schweine- 
rotlilaufs 294 

13.  Der  Diphtheriebacillus 297 

14.  Die  Bacillen  der  Septicaemia  haemorrhagica 308 

Hühnercholera 309 

Kaninchensepticaemie 310 

Deutsche  Schweineseuche,  amerikanische  Schweineseuche  .     .     .  311 

Einder-  und  Wildseuche 312 

BüfFelseuche,  Frettchenseuche,  Mäusetyphus 313 

15.  Der  Bacillus  des  grünen  oder  blauen  Eiters 315 

16.  Der  KommabaciUus  der  Cholera  asiatica  (Vibrio  cbolerae  asiaticae)  317 

17.  Der  Vibrio  Metschnikoff 348 

18.  Wasservibrionen 352 

Spirillum  marinum,  Massaua-Vibrio 352 

Eenon's  Vibrio,  Vibrio  Danubicus,  Vibrio  aquatiHs    ....  353 
Vibrionen  von   Kiessling,    Loeffler,    Weibel,    Bujwid, 

Fokker,  E.  Koch 354 

Vibrio  Berolinensis 355 

Vibrio  von  Bonhoff,  von  Dunbar 356 

Vibrionen  von  Blachstein,  Sanarelli,  Wernicke    .     .     .  357 

Vibrionen  von  E.  Pfeiffer,  Kutscher 358 

19.  Vibrionen  anderer  Herstammung 358 

Vibrio  von  Finkler  und  Prior  (Vibrio  Proteus) 359 

Deneke's  Vibrio 360 

Vibrionen  von  Miller,   Bleisch,   B.  Fischer  (Vibrio  heiko- 
genes), Vogler 362 

Vibrio  von  Zörkendörfer,  Vibrio  Eomanus,  Vibrio  terrigenus, 

Vibrio  von  Wolf,  Lissaboner  Vibrio 363 

Vibrionen  von  Brix,  von  Kutscher 364 

20.  Das  Bacterium  coli  commune 364 

21.  Der  Gonorrhoecoccus 369 

22.  Der  Streptococcus  des  Erysipels 373 

23.  Die  Eitermikrococcen  (pyogene  Coccen) 375 

a.  Der  Staphylococcus  pyogenes  aureus 378 

b.  Der  Staphylococcus  pyogenes  albus 380 

c.  Der  Streptococcus  pyogenes 381 

24.  Die  Bakterien  der  Pneumonie 385 

a.  Der  Diplococcus  pneumoniae 387 

b.  Der  Bacillus  pneumoniae 390 

25.  Der  Bacillus  des  Ehinoscleroms 391 


Inhalts -Uebersicht.  YII 

Seite 

26.  Der  R.  Pfeiffer 'sehe  Kapselbacillus 392 

27.  Der  Influenzabacilhis 393 

28.  Der  Bacillus  der  Bubonen-Pest 395 

29.  Der  Micrococcus  tetragenus 397 

30.  Die  Spirochaete  des  Recurrensfiebers 398 

31.  Der  Actinorayces 399 

Anhang 403 

Die  pathogenen  Schimmelpilze 403 

Die  pathogenen  Protozoen 406 

Saprophytische  (nicht  pathogene)  Bakterienarten 411 

1.  Kartoffelbacillen 413 

a.  Bacillus  mesentericus  vulgatus 413 

b.  Bacillus  mesentericus  fuscus 414 

c.  Bacillus  liodermos 414 

d.  Bacillus  raultipediculus 415 

e.  Bacillus  mesentericus  ruber 415 

2.  Der  Heubacillus 415 

3.  Der  Wurzelbacillus 417 

4.  Bacillus  Megaterium 418 

5.  Die  Proteusarten  Hauser's 419 

a.  Proteus  vulgaris 419 

b.  Proteus  mirabilis 420 

c.  Proteus  Zenkeri            420 

6.  Bacterium  termo 420 

7.  Der  Hueppe'sche  Milchsäurebacillus 421 

8.  Die  Bakterien  der  Buttersäuregährung 423 

a.  Der  Bacillus  butyricus  Prazmowsky 423 

b.  Der  Bacillus  butjTicus  Hueppe 424 

c.  Der  Bacillus  butyricus  Botkin 424 

9.  Bakterien  der  Essiggährung 425 

10.  Die  Milchkothbakterien  Esche  rieh 's 425 

a.  Das  Bacterium  lactis  aerogenes 425 

b.  Das  Bacterium  coli  commune 425 

11.  Die  Bakterien  der  ammoniakalischen  HarnstofFgährung 425 

a.  Der  Micrococcus  ureae  Leube 426 

b.  Der  Micrococcus  ureae  liquefaciens  Flügge 426 

c.  Der  Bacillus  ureae  Leube 426 

12.  Bakterien  der  Mundhöhle 426 

a.  Leptothrix  buccahs  innominata 426 

b.  Bacillus  buccalis  maximus 426 

c.  Leptothrix  buccahs  maxima 427 

d.  Jodococcus  vaginatus 427 

e.  Spirillum  sputigenum 427 

f.  Spirochaete  dentium 427 

Leptothrix  gigantea  ;  Jodococcus  magnus;  Jodococcus  parvus     .  427 

13.  Der  Bacillus  der  blauen  Milch 427 

14.  Bacillus  violaceus 429 

15.  Bacillus  ruber  Indiens 429 


Vni  Inhalts -üebersicht. 

Seite 

16.  Bacillus  prodigiosus 430 

17.  Microcoecus  agilis 430 

18.  Spirillum  rubrum  Esmarch 431 

19.  Chromogene  Sarcinen 432 

20.  Fluorescirende  Bakterienarten  aus  Wasser 432 

21.  Bacillus  fluorescens  liquefaciens 433 

22.  Phospborescirende  Bakterien 433 

a.  Bacillus  pbospborescens 433 

b.  Bacterium  pbospborescens 434 

c.  Der  einbeimiscbe  LeucbtbaciUus ....434 

23.  Spirülum  concentricum  Kitasato 434 

24.  Einige  andere  sapropbytiscbe  Bakterienarten 435 

a.  Bacillus  tremulus  Kocb 435 

b.  Spirillum  Undula 435 

c.  Spirocbaete  plicatUis 435 

d.  Bacterium  Lineola 436 

e.  Bacillus  Ulna 436 

f.  Vibrio  Eugula 436 

g.  Vibrio  serpens 436 

h.  Spirillum  tenue 436 

i.  Spirillum  volutans 436 

An  bang 437 

Schimmelpilze     .     .          437 

Hefen 437 

Register 439 

Vorbemerkung  zu  den  Tafeln 459 

Druckfehlerberichtigung 461 


Einleitung. 


Unter  der  Bezeiclmimg  „Bakterien"  fasst  man  eine  Gruppe 
kleinster  einzelliger  organischer  Wesen  zusammen,  welche,  ihrer  grossen 
Mehrzahl  nach,  in  physiologischer  Beziehung  den  Pilzen  nahe  stehen 
und  sich  durch  Theilung  des  Einzelindinduums  in  zwei  Individuen, 
durch  Spaltung,  vermehren.  Man  spricht  deshalb  auch  von  Spalt- 
pilzen, Schizomyceten,  und  gebraucht  diese  Ausdrücke  sjiion}^!! 
mit  dem  Ausdrucke  Bakterien.  Auch  die  Bezeichnungen  Mikro- 
organismen, Mikrobien,  sind,  im  engeren  Sinne  verstanden,  fiir 
diese  Gebilde  vielfach  in  Gebrauch.  Die  ausserordentliche  Verbreitung 
derselben  in  der  Natur  hat  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher  schon 
frühzeitig  auf  sie  gelenkt.  Der  Erste,  welcher  die  uns  geläufigen 
Bakterienformen  gesehen  und  abgebildet  hat,  war  Leeuwenhoek  in 
Delft  (Holland)  1683.  Der  geniale  Beobachter  sah  diese  „Thierchen" 
mit  Hülfe  stark  vergrössernder  einfacher  Linsen,  die  er  sich  selbst 
geschliffen  hatte,  in  seinem  Zahnbelage  und  in  anderen  Flüssigkeiten. 
Seit  jener  Zeit  und  dann  namentlich  seit  den  dreissiger  Jahren  unseres 
Jahrhunderts,  nachdem  das  Mikroskop  gewaltige  Verbesserungen  er- 
fahren hatte,  hat  man  den  kleinsten  Lebewesen  die  Aufmerksamkeit 
zugewendet.^) 

Aber  erst  die  letzten  Jahrzehnte  sind  es  gewesen,  welche  ein 
fruchtbringendes  Studium  dieser  Gebilde  in  grösserer  Ausdehnung  er- 
möglicht haben;  erst  seit  dieser  Zeit  können  wir  von  einer  bakterio- 
logischen „Wissenschaft"  sprechen.  Um  das  recht  zu  verstehen, 
müssen  wir  uns  den  jetzigen  und  den  früheren  Zustand  vergegen- 
wärtigen. Jeder,  nicht  bloss  der  Arzt,  sondern  jeder  Laie,  spricht  jetzt 
von  Tuberkelbacillen ,  von  Milzbrandbacillen.  Li  diesen  Worten  liegt 
ohne  Weiteres   die  Ueberzeugung,    dass   damit  von   einander  ver- 


*)  Bezüglich  der  Geschichte  der  Bakterienlehre  verweise  ich  auf  das  aus- 
gezeichnete Werk  Fr.  Loeffler's:  Vorlesungen  über  die  geschichtliche  Entwickelung 
der  Lehre  von  den  Bakterien.     I.  Theil.     Bis  zum  Jahre  1S7S.     Leipzig  ISST. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  1 


2  Einleitung. 

schiedene  Bacillenarten  gemeint  seien,  dass  der  Tiiberkelbacilliis 
seine  specüischen  Eigenschaften  habe,  nnd  dass  diese  von  den  speci- 
fischen  Eigenschaften  des  Milzbrandbacillus  verschieden  seien;  es  liegt 
darin  die  üeberzeugung,  dass  das  Geljiet  der  kleinsten  Organismen 
ebenso  aus  einzelnen,  je  durch  charakteristische  constante  Merkmale 
gekennzeichneten  Species  zusammengesetzt  ist,  wie  das  in  allen 
übrigen  Abtheilungen  der  lebenden  Natur  der  Fall  ist.  Die  Erkennt- 
niss  dieser  so  einfach,  so  selbstverständlich  erscheinenden  Thatsache 
hat  aber  erst  ernmgen  werden  müssen.  Wenn  man  daran  denkt,  dass 
wenig  mehr  als  drei  Jahrzehnte  uns  von  dem  Zeitpunkte  trennen,  wo 
ernste  wissenschaftliche  Männer  eine  Entstehung  der  Bakterienvege- 
tationen in  unseren  Gefässen  durch  Urzeugung,  durch  Generatio 
aequivoca,  noch  ftir  möghch  hielten,  wo  es  erst  bewiesen  werden 
musste,  dass  ohne  das  Vorhandensein  von  entwickelungsfähigen  Keimen 
Bakterienvegetationen  nie  auftreten,  wenn  wir  dies  bedenken,  so  wird 
es  uns  nicht  Wunder  nehmen,  dass  noch  vor  zwanzig  Jahren  von 
mehreren  berühmten  Seiten  i)  auf  Grund  experimenteller  Untersuchungen 
die  Existenz  verschiedener  Species  bei  den  Bakterien  direkt  m  Abrede 
gesteift  resp.  die  Abgrenzung  derselben  in  einzelne  Species  nicht  für 
zwingend  erachtet  wurde.  Dass  dieses  möghch  Avar,  erklärt  sich  aus 
folgendem:  Man  hatte  zwar  optische  Hülfsmittel,  die  Bakterien  zu 
sehen:  man  kannte  die  Formen,  unter  denen  sie  auftreten,  sehr  gut; 
man  verstand  aber  nicht,  aus  einem  Bakteriengemenge  das  einzelne 
Individuum,  die  einzelne  Zelle  herauszunehmen  und  für  sich,  isolirt, 
in  ihrer  Weiterentwickelung  und  in  ihrem  gesanunten  Verhalten  zu 
studiren. 

Dem  genialen  Blicke  Robert  Ivoch"s  war  es  vorbehalten,  die 
Schwierigkeiten  in  diesem  Pimkte  zu  beseitigen.  Durch  Einführung 
einer  neuen,  überaus  einfachen  Methodik  gelang  es  Koch,  die  einzelne 
Bakterienzelle  zu  isohren  und  das  Verhalten  der  isolirten  Bakterien- 
zelle unter  den  verschiedensten  äusseren  Bedingungen  weiter  zu  ver- 
folgen. Hierbei  wurde  sofort  die  Erkenntniss  gewonnen,  dass  unter 
gleichen  Bedingungen  nicht  alle  Bakterienzellen  sich  gleich  verhalten, 
sondern  dass  es  sich  bei  den  Bakterien  um  eine  grosse  Reihe  von 
einander  verschiedener  Arten  handelt,  deren  jede  dm-ch  ein  ihr  eigen- 
thümliches,  specifisches  Verhalten  charalvterisirt  ist.     Diese  Erkenntniss 


')  cf.  Th.  Billroth,  Untersuchungen  über  die  Vegetationsforraen  von  Cocco- 
bacteria  septica  etc.  Berlin  1S74.  —  C.  v.  Nägeli,  Die  niederen  Pilze  in  ihren 
Beziehungen  zu  den  Infektionskrankheiten  und  der  Gesundheitspflege.  München  1877. 
p.  20. 


Einleitung.  3 

ist  der  Grundstein,  auf  dem  allein  sich  eine  wissenschaftliche  Erforschung 
des  Gebietes  aufbauen  konnte.  Nur  die  I  s  o  1  i  r  u  n  g  der  einzelnen  Art 
ermöglichte  es,  ihre  Eigenschaften  festzustellen,  ihre  Lebensbedingungen, 
ihre  Lebensäusserungen  kennen  zu  lernen. 

Die  glänzenden  Entdeckungen,  welche  dieser  erste  Schritt  aus  dem 
Dunkel  in  das  Helle  zur  unmittelbaren  Folge  hatte,  namentlich  die 
Entdeckungen  auf  medicinischem  Gebiete,  haben  das  allgemeine  Interesse 
der  Gebildeten  der  Bakteriologie  zugewandt.  Für  das  erspriessKche 
Wirken  des  modernen  Arztes  aber  ist  es  eine  conditio  sine  qua  non 
geworden,  sowohl  sich  mit  den  Lebenseigenschaften  der  Bakterien  im 
Allgemeinen  vertraut  zu  machen,  wie  auch  die  speciellen  Bakterien- 
arten, die  bei  der  Entstehung  von  Krankheiten  eine  Kolle  spielen,  des 
Näheren  kennen  zu  lernen.  Denn  auf  der  ersteren  Kenntniss  beruhen 
die  Avichtigsten  Theile  unserer  modernen  Hygiene  im  Allgemeinen,  auf 
ihr  beruhen  Desinfection  und  Antiseptik,  beruht  die  chirurgische  Aseptik 
mit  ihren  glänzenden  Resultaten ;  die  Kenntniss  der  speciellen  Lebens- 
eigenschaften der  Krankheitserreger  aber  weist  uns  allein  mit  Sicher- 
heit den  Weg,  den  eine  rationelle  Prophylaxis  gegen  die  einzelnen 
Seuchen  zu  beschreiten  hat. 

Mit  diesen  Punkten  ist  jedoch  der  praktische  Nutzen  der  Bakterio- 
logie nicht  erschöpft.  Die  Entdeckungen  der  letzten  Jahre  Aveisen  mit 
Sicherheit  darauf  hin,  dass  die  Bakterienwissenschaft  berufen  ist,  auch 
für  die  Heilkunde  im  engeren  Sinne,  fiir  die  Therapie,  von  grösster 
Bedeutung  zu  werden. 

Die  folgenden  Blätter  stellen  sich  die  Aufgabe,  den  medicinischen 
Leser  in  das  Gebiet  der  modernen  Bakterienwissenschaft,  soweit  deren 
Kenntniss  für  ihn  ein  unumgängüches  BedürMss  ist,  einzuführen;  dem 
Bedürfnisse  des  Arztes  entsprechend  soll  die  mikroskopische 
Technik  hierbei  besonders  berücksichtigt  werden.  Wir  werden  uns 
zunächst  mit  der  allgemeinen  Morphologie  und  S^^stematik 
der  Bakterien,  mit  der  allgemeinen  Betrachtung  ihrer  Lebens- 
bedingungen und  L  e  b  e  n  s  ä  u  s  s  e  r  u  n  g  e  n  zu  beschäftigen  haben, 
irni  uns  dann  der  allgemeinen  Untersuchungsmethodik  zu- 
zuwenden. Dann  werden  wir  das  Gebiet  der  krankheitserregen- 
den Bakterien  im  Allgemeinen  und  im  Anschlüsse  daran  die 
wichtigeren  einzelnen  pathogenen  Bakterienarten  zu 
betrachten  haben;  anhangswTise  sollen  auch  die  pathogenen  Faden- 
pilze und  die  pathogenen  Protozoen  Erwähnung  finden.  Endlich 
Averden  wir  auch  einige  der  bekannteren  nicht  pathogenen 
Arten  behandeln. 


A.  Allgemeines. 


Morphologie,  Systematik,  Lebensbedingungen  und 
Lebensäusserungen  der  Bakterien. 

Beobachtungs-  und  Züchtungsmethoden. 


I. 

Allgemeine  Morphologie  und  Systematik 
der  Bakterien. 


Hiin  natürliches  System  der  Bakterien  anfzustellen  ist  bisher 
nicht  gelungen.  Diese  Aufgabe  bleibt  einer  späteren. Zeit  vorbehalten. 
Ein  natürliches  System  ordnet  die  einzelnen  Species  nach  den  natür- 
lichen Verwandtschaften,  wie  sie  sich  aus  der  vergleichenden  Betrach- 
tung sämmtlicher  Eigenschaften  der  einzelnen  Arten  ergeben ;  ein 
künstliches  System  greift  ein  einzelnes  in  die  Augen  fallendes  Merk- 
mal heraus  und  gruppirt  danach.  Da  nun  die  Bakterienkunde  eine 
noch  junge  Wissenschaft  ist,  und  da  demgemäss  die  Eigenschaften  auch 
der  wichtigsten  Bakterienarten  bis  jetzt  nur  unvollkommen  bekannt 
sind,  so  müssen  wir  uns  vor  der  Hand  noch  mit  einer  künstlichen 
Classificirung  begnügen.  Ferdinand  Cohn  griff,  als  er  1872  sein 
System^)  der  Bakterien  aufstellte,  das  Merkmal  der  Form  heraus; 
nach  der  Form  der  Einzelzellen  und  nach  der  Form  der  Verbände,  in 
denen  diese  Einzelzellen  auftreten,  theilte  er  die  Bakterien  ein.  Diese 
Art  der  Eintheilung  ist  auch  heute  noch  die  allgemein  gebräuchliche. 
Wir  unterscheiden  danach  drei  grosse  Gruppen:  Kugelbakterien 
(IVIikrococcen,  Coccen),  Stäbchen bakterien  (Bacillen)  und  S c h r a u- 
b  e  n  b  a  k  t  e  r  i  e  n  (Spirillen). 

Die  Kugelbakterien,  Mikrococcen,  stellen  in  einem  ge- 
wissen Entwickelungsstadium  (d.  h.  unmittelbar  nach  vollendeter  Theilung 
der  Mutterzelle)  kugelrunde  Zellen  dar;  die  Stäbchenbakterien, 
Bacillen,  sind  Cylinder  von  kreisförmigem  Querschnitt,  deren  Längs- 
achse den  Querdurchmesser  an  Ausdehnung  übertrifft;  die  Schrauben- 
bakterien, Spirillen,  sind  schraubenartig,  korkzieherförmig  ge- 
wundene Gebilde.     Xach   de  Bary")  lassen   sich   die  drei  Formtypen 


^)  Beiträge  zur  Biologie  der  Pflanzen.     Bd.  1.     Heft  2.     1S72.    p.  1-lü. 
^)  A.  de  Bary,  Vorlesungen  über  Bakterien.     2.  Aufl.  1877.     p.  8. 


8  A.  Allgemeines. 

am  Tbesten  veranschaulichen  durch  bezw.  eme  Billardkugel,  emen  Blei- 
stift und  einen  Korkzieher.  Auf  Taf.  I,  Fig.  1,  ist  ein  Bakteriengemisch 
dargestellt,  welches  Bakterien  aus  der  Mundhöhle  zeigt.  Man  findet 
hier  Angehörige  jedes  der  drei  Fornitypen  durchemander  gemengt. 
Das  Bild  ist  bei  lOOOfacher  Yergrösserung  hergestellt;  bei  derselben 
Vergrösserung  sind  auch  die  folgenden  Photogramme  aufgenommen : 
die  Bilder  lassen  also  eine  unmittelbare  Grössenvergieichung  der  dar- 
gestellten Bakterien  zu.  Es  fällt  an  diesen  Bildern  ohne  Weiteres 
auf,  dass  es  lange  und  kurze,  dicke  und  schmale  Bakterien  giebt.  Im 
Allgemeinen  kann  man  sagen,  dass  die  Dicke  der  Bakterienzellen  sich 
nach  Zehntausendsteln  eines  Millimeters  bemisst,  die  Länge  nach  Tau- 
sendsteln. Es  giebt  aber  nicht  seltene  AusnaJmien,  in  denen  die  Dicke 
einer  Bakterienzelle  ^I^^Q^mm,  1  fx  (Mkron),  überschreitet.^)  Beispiele 
davon  sehen  wir  z.  B.  auf  Taf.  III,  Fig.  1 6 ;  die  Dicke  der  hier  dar- 
gestellten Bakterienzellen  beträgt  auf  dem  Bilde  i,6 — 1,7mm,  d.h.  in 
dem  Präparate  selbst  1,6 — 1,7  jll  Der  Dickendurchmesser  der  Bakterien 
bleibt  aber  stets  erheblich  zurück  hinter  demjenigen  der  Zellen  von 
Sprosspilzen  (Hefen)  und  von  Schimmelpilzen  (Fadenpilzen),  die  wir 
bei  bakteriologischen  Untersuchungen  nicht  selten  zu  Gesicht  bekommen. 
Auf  Fig.  5  (Taf.  I)  sehen  wir  (in  dem  rechten  unteren  Quadranten 
dieser  Figur)  Gebilde,  die  man  ihrer  Form  nach  für  Bacillen  halten 
könnte.  Betrachten  mr  jedoch  die  anderen  Theile  dieser  Figur,  so 
finden  wir,  dass  es  sich  um  einen  zweigbildenden  Organismus,  um  einen 
Fadenpilz  handelt,  der  an  einzelnen  Stellen  in  kürzere,  bacillenartig 
geformte  Theile  auseinander  gefallen  ist.  Die  Dicke  der  Zellen  beträgt 
auf  dem  (1000 fach  vergrösserten)  Photogramm  2— 5  mm,  d.  h.  in 
Wirklichkeit  2 — 5  /*.  Ein  derartiger  Dickendurchmesser  kommt  bei 
Bakterien  nicht  vor.  Ein  anderes  Beispiel  eines  Fadenpilzes  zeigt 
Taf.  Xn,  Fig.  72.  Hier  ist  der  Herpes  tonsurans -Pilz  bei  240facher 
Vergrösserung  dargestellt.  Die  Zellen  sind  im  Bilde  1,3 — 1,8  mm, 
d.  h.  in  Wirklichkeit  5,4—7,5  fi,  fhck.  Auf  Taf.  I,  Fig.  6,  ist  ein  (in 
Sprossbildung  begriffener)  Sprosspilz  (Hefepilz)  dargestellt,  dessen  Zellen 
etwa  6  fi  dick  sind.  Die  Dickenverhältnisse  der  Zellen 
lassen  dieBakterien  von  den  eigentlichen  Pilzen  jedes- 
mal mit  Leichtigkeit  sofort  unterscheiden. 

Die   Bakterienzelle    setzt    sich    zusammen    aus    einem   (nach 


')  Unter  dem  Mikroskope  misst  man  die  Grösse  der  Bakterien  ebenso 
wie  die  irgend  welcher  anderen  Objecto  bekanntlich  so,  dass  man  die  in  Frage 
kommenden  Ausdehnungen  des  Bildes  vergleicht  mit  den  Bildausdehnungen  eines 
unter  denselben  Bedingungen  mikroskopisch  betrachteten  Objectes  von  bekannter 
Grösse  (0 b j e ctm i k r o m e ter). 


I.  Allgemeine  Morphologie  und  Systematik  der  Bakterien.  9 

neueren  Untersuclmngen  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  als  Kern  auf- 
zufassenden) Protoplasmakörper,  welcher  von  einer  Membran 
(Plasmahülle)  umschlossen  ist.  Das  Bakterien-Protoplasma 
färbt  sich  wie  andere  protoplasmatische  Körper  durch  Jod  gelb  bis 
braun,  es  lässt  sich  ebenso  wie  jene  mit  Carmin  und  mit  Anilinfarben 
tingiren.  Die  Membran,  ihrer  chemischen  Natur  nach  nicht  bei 
allen  Arten  gleich^),  geht  nach  aussen  hin  unmittelbar  über  in  eine 
schleimige,  in  Wasser  mehr  oder  weniger  quellbare  Hülle.  Während 
diese  meist  eine  nur  geringe  Ausdehnung  besitzt  und  uns  nicht  be- 
sonders auffällt,  erreicht  sie  in  anderen  Fällen  eine  im  Vergleich  zu 
dem  Protoplasmakörper  sehr  erhebliche  Ausdehnung.  Man  spricht  dann 
von  Kapsel bakterien  (Grioeococcus).  Ein  derartiges  Beispiel 
zeigt  Taf.  XII,  Fig.  69.  Wir  sehen  hier  den  Friedländer'schen  so-, 
genannten  Bacillus  pneumoniae,  dessen  Protoplasmakörper  durch 
Fuchsin  intensiv  dunkel  tingirt  ist,  während  die  Hülle  oder  Kapsel 
sich  als  weniger  intensiv  gefärbte  Masse  kenntlich  macht.  Der  Proto- 
plasmakörper der  Bakterien  ist  bei  weitaus  den  meisten  Arten  farblos, 
chlorophj'lllos.  Die  Bakterien  stellen  sich  in  diesem  Punkte  und  den 
daraus  resultirenden  physiologischen  Eigenschaften  den  Pilzen  nahe. 
(^Nur  bei  einzelnen  wenigen  Bakterienarten  sind  dem  Chlorophyll  nahe- 
stehende Farbstoffe  (z.  B.  das  als  echtes  Chromophyll  aufzufassende 
sogenannte  Bacteriopurpurin)  nachgewiesen a  Hier  weichen  dem- 
gemäss  auch  die  physiologischen  Eigenschaften  von  den  gewöhnlich  zu 
beobachtenden  ab.  Auch  können  sich  mehrere  derartige  Farbstoffe 
gleichzeitig  neben  einander  vorfinden  (Bütschli)-).  Handelt  es  sich 
hier  um  Farbstoffe,  mit  deren  Anwesenheit  wichtige  physiologische 
Functionen  verbunden  sind,  so  werden  andererseits  von  sehr  vielen 
(.,c  h  r  0  m  0  g  e  n  e  n")  Bakterienarten  Farbstoffe  producirt,  die  wahrschein- 
lich nur  als  Stoffwechselproducte  aufzufassen  sind.  Die  hierhergehörigen 
Arten  fallen  in  ihren  Culturen  ohne  Weiteres  durch  die  meist  lebhafte 
Färbung  derselben  auf.  Der  I'arbstoff  wird  in  diesen  Fällen  gewöhn- 
lich ausserhalb  der  Bakterienzellen  liegend  angetroffen;  die  Zellen 
selbst  sind  ungefärbt,  f  Das  Bakterienprotoplasma  zeigt  bei  einer  Reihe 
von  Arten  Stärke-  (oder  richtiger  Granulöse-)  Gehalt:  mit 
wässeriger  Jodlösung  färbt  es  sich  hier  dunkel  indigoblau.\  Bei  einzelnen 

^)  Die  Membran  wird  meist  aus  einer  celluloseartigen  Substanz  gebildet;  bei 
einzelnen  Arten  jedoch  besteht  sie  —  wahrscheinlich  —  aus  einem  eiweissartigen 
Körper,  (cf.  A.  de  Bary.  Vergleichende  Morphologie  und  Biologie  der  Pilze  etc. 
Leipzig.  1884.    p.  493.) 

")  lieber  den  Bau  der  Bakterien  und  verwandter  Organismen.  Leipzig.  1S90. 
p.  10. 


10  A.  Allgemeines. 

Arten  finden  sich  (kiystallinische)  stark  lichtbrechende  Schwefel- 
körnchen in  dem  Protoplasma  vertheilt  (Schwefelhakterien); 
andere  zeigen  Eisenoxyd  in  ihrer  Hülle  eingelagert  (Eisen- 
hak t  e  r  i  e  n ). 

Die  Bakterienzelle  als  Ganzes  ist  hei  manchen  Arten  ge'\nss  ein 
relativ  starres  Gebilde ;  hei  anderen  Arten  ist  dies  jedoch  sicher  nicht 
der  Fall.  Es  ist  mir  öfters  begegnet,  dass  ich  bewegliche  Bacillen, 
welche  in  der  Flüssigkeit  als  gerade  Stäbe  umherschwanunen,  sich 
durch  enge  Hindernisse  hindurchdrängen  sah.  Hierbei  verengerten  sich 
die  verschiedenen  Stellen  des  Bakterienleibes  der  Reihe  nach,  dem 
HindeiTiisse  entsprechend,  und  in  schlangenartigen  Windungen  entwand 
sich  die  Zelle  dem  Engpasse,  auf  der  anderen  Seite  als  gerades  Stäbchen 
weiterschwimmend. 

Bei  Zutritt  von  bestinnnten  Flüssigkeiten  zu  Bakterienzellen  be- 
obachtet man,  wie  das  bei  den  Zellen  höherer  Pflanzen  längst  bekannt 
ist,  einen  eigenthümlichen,  als  „Plasmolyse"  bezeichneten  Vorgang. 
Der  Protoplasmakörper,  welcher  vorher  der  Membran  dicht  anlag,  zieht 
sich  von  der  Membran  zurück  und  contrahirt  sich  nach  dem  Centrum 
hin.  Hier  nimmt  er  je  nach  der  Gestalt  und  dem  Bau  der  Zelle  ver- 
schiedene Gestalt  an.  Nur  lebende  Zellen  lassen  sich  „plasmolysiren". 
Am  besten  eignen  sich  ^/^  bis  10  proc.  Kochsalzlösungen.  Bringt  man 
die  plasmolysirte  Zelle  in  AVasser  zurück,  so  tritt  wieder  die  ursprüng- 
liche Gestalt  ein.^) 

Die  Bakterien  vermehren  sich  (abgesehen  von  der  nur  unter 
besonderen  Bedingungen  auftretenden  sogenannten  Sporenbildung)  durch 
Theilung,  durch  Spaltung  der  einzelnen  Zelle  in  zwei  Zellen. 
Dies  geht  so  vor  sich,  dass  die  Zelle  in  die  Länge  wächst,  und  dass 
sie  sich  dabei  in  der  Mitte  der  Quere  nach  einschnürt.  Ist  die  Ein- 
schnürung vollendet,  so  ist  damit  die  ursprüngliche  Zelle  in  zwei  Zellen 
zerfallen,  deren  jede  ebenso  aussieht  wie  die  Mutterzelle  vor  dem  Be- 
ginne des  Theilungsvorganges.  Tafel  H,  Fig.  11,  zeigt  grosse' Mkro- 
coccen,  die  z.  Th.  in  Theilung  begriffen  sind.  Man  sieht  da  ausser 
rein  kugelförmig  gestalteten  Zellen  solche,  die  in  die  Länge  gezogen 
und  deutlich  eingeschnürt  sind  (Biscuit-  oder  Semmelform).  Aber 
ausserdem  bemerkt  man  auch  vereinzelte,  zwar  von  der  Kugelform 
abweichende,   längliche    Gebilde,   die   aber   noch   keine    deutliche   Ein- 


^)  cf.  A.  Fischer,  Ber.  d.  K.  Sachs.  Ges.  d.  Wisseusch.  Math.-phys.  Classe. 
2.  März  1891.  —  Durch  10  proc.  Milchsäurelösung  lassen  sich  die  plasmolytischen 
Erscheinungsformen  fixiren,  so  dass  che  Zellen  resp.  der  Protoplasmakörper  nachher 
in  dieser  Form  gefärbt  werden  können.  —  Vergl.  auch  A.  Fischer.  Untersuchungen 
über  Bakterien.     Jahrb.  f.  wiss.  Botanik.     Bd.  27.     1894. 


I.  Allgemeine  Morphologie  und  Systematik  der  Bakterien.  1 1 

schnünmg  zeigen.  Diese  Gebilde  stellen  das  erste  Stadium  des  Thei- 
limgsvorganges  dar ;  sie  zeigen  zugleich ,  dass  ein  Miki'ococcus  nicht 
unter  allen  Umständen  rein  kugelförmig  aussieht.  Nur  ein  bestimmtes 
Stadium,  näniKch  das  der  eben  vollendeten  Theilung,  bringt  die  Kugel- 
gestalt rein  zum  Ausdruck,  und  an  dieses  Stadium  muss  man  sich 
halten,  wenn  es  sich  im  gegebenen  Falle  darum  handelt,  zu  entscheiden, 
ob  man  eine  bestimmte  Bakterienart  als  Mikrococcus ,  d.  h.  Kugel- 
bacterium,  oder  als  Bacillus,  d.  h.  Stäbchenbacterium,  bezeichnen  soll. 
Die  Figuren  2—4,  7,  8,  10—13  (Taf.  I— m)  zeigen  eine  Reihe  von 
Bacillen-  und  von  Mikrococcenformen ;  auf  jedem  Bilde  findet  man  eine 
Anzahl  von  Zellen,  welche  in  Theilung  begriffen  sind. 

Die  Richtung,  in  welcher  die  Verlängerung  der  sich  zur  Theilung 
anschickenden  Zelle  geschieht,  entspricht  bei  den  Bacillen  und  Spirillen 
der  Längsrichtung  des  Individuums;  bei  den  Mikrococcen  entspricht 
sie  in  der  Regel  der  Richtung,  in  welcher  die  Verlängerung  bei  dem 
vorhergehenden  Theilungsprocesse  erfolgte.  Dies  letztere  gilt  jedoch 
nicht  ohne  Ausnahme.  Es  giebt  Mki-ococcenarten ,  bei  denen  nach 
erfolgter  Theilung  der  Zelle  die  beiden  Tochtermiki-ococcen  sich  in 
einer  Richtung  theilen,  die  senkrecht  auf  der  Richtung  der  ersten 
Theilung  steht;  es  entstehen  dann  vier  im  Quadrat  gruppirte  Mila'o- 
coccen.  Ein  Beispiel  hierfür  zeigt  Taf.  XE,  Fig.  67.  Man  bezeichnet 
solche  ^Formen  als  Merismopedia  (d.  h.  Tafelcoccen)  oder  als 
Tetragenus.)  Haben  wir  hier  eine  Theilung  nach  zwei  Richtungen 
des  Raumes  vor  uns,  so  giebt  es  andererseits  Mkrococcenarten,  bei 
denen  die  Theilung  in  allen  drei  Richtungen  des  Raumes  vor  sich 
geht.  Es  entstehen  so  packetförmige  Zusammenlagerungen  von  je  acht 
Coccen.  Solche  Ai'ten  bezeichnet  man  als  Sarcina  (cf.  Taf.  III,  Fig.  14). 

Sehen  wir  von  diesen  Ausnahmen  ab7"so  findet  bei  den  Bakterien 
die  Theilung  stets  in  der  Richtung  statt,  in  der  die  vorhergehende 
Theilung  stattfand.  Ist  die  Theilung  vollendet,  su  können  die  Tuchter- 
zellen aneinander  hängen  bleiben  und  so  ketten  artige  Verbände 
bilden,  die  zunächst  aus  zwei,  dann  aus  vier,  acht  u.  s.  w.  Individuen 
bestehen.  Taf.  I,  Fig.  3,  zeigt  solche  Kettenbildung  bei  einer  Art 
grosser  und  dicker  Bacillen  ( „Wurzelbacillen" ) ;  Taf.  VI,  Fig.  33,  zeigt 
dieselbe  Erscheinung  bei  den  Mlzbrandbacillen.  Auf  Taf.  in,  Fig.  13, 
sind  Mikrococcenketten  zu  sehen.  Mkrococcenarten,  welche  eine  der- 
artige kettenförmige  Anordnung  der  Incüviduen  zeigen,  nennt  man 
Streptococcus  (öT^sTira  =  Halskette )  ^).     Handelt   es    sich  hier  mn 

^)  Synonym  mit  „Streptococcus"  wird,  jedoch  selten,  das  Wort  „Torula"' 
gebraucht.  Diese  Bedeutung  des  Wortes  Torula  ist  nicht  die  gewöhnliche;  ge- 
wöhnlich bezeichnet  „Torula"  Hefe. 


12  -A..  Allgemeines. 

VerlDände,  die  gewöhnKch  aus  einer  grösseren  Reihe  von  Einzelzellen 
zusammengesetzt  auftreten,  so  giebt  es  andererseits  Bakterienarten  (be- 
sonders ]\likrococcen ) ,  deren  Zellen  gewöhnlich  zu  zweien  vereinigt, 
l^aarweise  auftreten.  Man  spricht  dann  von  Diplococcen.  Beispiele 
derart  zeigen  Taf.  XI,  Fig.  65,  und  Taf.  XH,  Fig.  68.  Bleiben  Mkro- 
coccen  nach  der  Theilung  nicht  aneinander  hängen,  fallen  sie  aus 
einander,  so  kommen  keine  Kettenverbände  zu  Stande,  sondern  die 
Einzelzellen  lagern  sich,  wie  es  der  Zufall  bringt,  nebeneinander ;  solche 
Arten  bezeichnet  man  als  Staphylococcen  {oracpvXr]  =  TrsLuhe) 
nach  den  unter  dem  Mikroskop  oft  weintraubenartig  erscheinenden 
Bildern,  die  derartig  gelagerte  Mkrococcen  darbieten  (cf.  Taf.  ü,  Fig.  1 2). 

Bei  den  Bacillenarten  spricht  man  je  nach  der  Grestalt  der 
Zellen  resp.  nach  dem  Verhältnisse  ihres  Längsdurchmessers  zum 
Querdurchmesser  von  plumpen,  von  schlanken  Bacillen,  von  Kurz- 
stäbchen, von  Langstäbchen  (cf.  Taf.  I,  Fig.  2  und  4;  Taf.  H, 
Fig.  7  und  8).  Es  ist  hier  zu  bemerken,  dass  von  einigen  Autoren 
synon3'm  mit  dem  Begriffe  Kurzstäbchen  der  Begriff  „Bacte- 
riuni''  gebraucht  wurde  und  noch  wird.  Gegen  diesen  Gebrauch  ist 
nichts  einzuwenden,  wenn  man  sich  nur  stets  dabei  denkt,  dass  das 
Wort  .,Bacterium"  hier  im  engeren  Sinne  angewendet  wird,  dass  man 
eine  bestimmte  Form  damit  meint,  während  man  unter  Bakterien 
im  Allgemeinen  die  ganze  grosse,  oben  näher  definirte  Gruppe  niederster 
Pflanzen  versteht,  die  die  verschiedensten  Coccen-,  Bacillen-  und  Spi- 
rillenformen  umfasst.  Es  giebt  Bacillenarten,  deren  Einzelindividueu 
sich  nach  der  Theilung  voneinander  trennen,  andere,  deren  Glieder 
nach  der  Theilung  kettenförmig  aneinander  hängen  bleiben.  Bezüghch 
dieser  Gruppirungsverhältnisse  kommt  es  nmi  häufig  sehr  auf  die 
äusseren  Bedingungen  an,  unter  denen  das  Wachsthmn  erfolgt.  Be- 
trachten wii-  beispielsweise  den  Mlzbrandbacillus.  Innerhalb  des  in- 
ficii-ten  Thierkörpers  (cf.  Taf.  V.  Fig.  27—29)  treffen  wir  die  Stäbchen 
entweder  einzeln  oder  zu  kleinen  Kettenverbänden  angeordnet.  In  der 
künstlichen  Cultur  hingegen  (cf.  Taf.  VI,  Fig.  31—33,  36;  Taf.  YH, 
Fig.  37)  finden  wir  den  Mlzbrandbacillus  stets  zu  langen,  manchmal 
gewiss  Tausende  von  Gliedern  umfassenden  Ketten  oder  Fäden  aus- 
gewachsen. Derartige  Beobachtungen  kann  man  bei  vielen  Bacillen- 
arten machen.  Es  giebt  nun  aber  Bacillenarten,  die  stets  in  längeren 
Fäden  verbunden  (auch  „  S  c h  e  i  n  f  ä  d  e  n "  genannt)  auftreten.  Hierhin 
gehören  z.  B.  die  in  der  Mundhöhle  vegetirenden,  als  Mj'cothrix, 
L  e  p  1 0 1 h  r  i  X ,  S  t  r  e  p  t  o  t  h  r  i  x  bezeichneten  Bacillenarten  (cf.  Taf.  r\^ 
Fig.  21). 

Was  die  Abtheilung  der  Spirillen  (Beispiele  auf  Taf.  I,  Fig.  1; 


I.  Allgemeine  MorjAoIogie  und  Systematik  der  Bakterien.  13 

Taf.  m,  Fig.  15  und  16;  Taf.  XII,  Fig.  70)  angeht,  so  ist  zu  be- 
merken, dass  auch  die  als  „Komniabacillen"  bezeichneten  Gebilde 
in  diese  Abtheilung  gerechnet  werden  müssen.  Die  Komniabacillen 
(Beispiele  auf  Taf.  X;  ferner  Taf.  HI,  Fig.  18)  sind  gelallmmte  Stäb- 
chen; die  Krümmung  liegt  jedoch  nicht  in  einer  Ebene,  sondern  sie  ist 
thatsächlich  ein  Bruchtheil  einer  Schrauben-  oder  Korkzieher\nndung. 
Unter  gewissen  Umständen  (in  älteren  Culturen)  bleiben  die  Komnia- 
bacillen nach  der  Theilung  aneinander  hängen  und  bilden  dann  wirk- 
liche Spirillen.  Ein  Beispiel  sieht  man  auf  Taf.  X.  Hier  zeigt  Fig.  55 
die  gewöhnliche  kommaförniige  Erscheinungsweise  der  Cholerabacillen, 
Fig.  56  zeigt  dieselben  Organismen  zu  Spirillen  ausgewachsen.^)  Für 
die  Kommaorganismen  ist  auch  der  Ausdruck  „Vibrionen"  in 
Gebrauch. 

Bezüglich  der  Anordnung  der  Bakterienverbände  ist  im  Allgemeinen 
noch  zu  bemerken,  dass  man,  besonders  in  wässerigen  Flüssigkeiten, 
in  welchen  Bakterien  wuchern,  die  letzteren  häufig  in  voluminösen, 
relativ  zähen,  schleimigen  Verbänden  angeordnet  findet.  Hierher  ge- 
hören z.  B.  die  sogenannten  K  a  h  m  h  ä  u  t  e ,  welche  man  auf  faulenden 
Infusen  etc.  häufig  antrifft.  Mkroskopisch  constatirt  man  in  solchen 
Fällen  die  Gallerthüllen  der  Einzelzellen  miteinander  verquollen,  die 
Protoplasmakörper  der  Zellen  durch  die  Gallerthüllen  auseinander  ge- 
halten und  in  meist  regelmässiger  Anordnung  in  der  Gallertmasse 
vertheilt.  Solche  Bakterienmassen  bezeichnet  man  als  Z  o  o  g  1  o  e  a  oder 
Palme  IIa.     Ein  Beispiel  zeigt  Taf.  11,  Fig.  9. 

Beobachtet  man  Bakterien  im  lebenden  Zustande  in  der  Flüssigkeit, 
in  der  sie  gewachsen  sind,  oder  in  einem  anderen  flüssigen  Medium, 
welches  ihre  Weiterexistenz  zulässt,  so  bemerkt  man,  dass  die  Zellen 
sich  bewegen.  Die  Bewegungen,  die  man  beobachtet,  smd  aber 
zweierlei  verschiedener  Art.  Erstens  zeigen  die  Bakterienzellen  die 
Brown 'sehe  Bewegung  oder  Molekularbewegung,  wie  sie  kleinsten, 
in  Flüssigkeiten  suspendirten  Körperchen  stets  zukommt.  Die  Zellen 
tanzen  hin  und  her,  auf  und  ab;  die  Bewegung  jedes  einzelnen  Indi- 
viduums steht  in  Beziehung  zu  der  des  Nachbars.  Ausserdem  koiimit 
aber  eine  Eigenbewegung  bei  den  Bakterien  vor.  Die  Eigen- 
bewegung ist  nicht  allen  Arten  eigenthümlich,  sondern  auf  bestimmte 
Arten  beschränkt.  Sie  findet  sich  zunächst  ganz  allgemein,  ohne  Aus- 
nahme, bei  den  Spirillen  und  Kommabacillen  (Vibrionen). 
Ferner  findet  sie  sich  bei  einer  grossen  Reihe  von  B  a  c  i  1 1  e  n  a  r  t  e  n , 


^)  Umgekelirt  trifft  man  in  jungen   Culturen  wirklicher  „Spirillen "-Arten 
ganz  gewöhnlich  zahlreiche  kommaförniige  Individuen  an. 


14  A.  Allgemeines. 

während  die  ü])rigeii  Bacillenarten  ohne  Eigenbewegung  sind.  Bei  den 
Mikrococcen  kennt  man  Eigenhewegung  nm*  hei  wenigen  Arten. ^)  Um 
eine  beobachtete  Bewegmig  von  Bakterien  als  Eigenbewegung  an- 
zusprechen, ist  es  nöthig,  den  Nachweis  zu  führen,  dass  das  sich  be- 
wegende Individuum  mit  den  Bewegungen  der  Nachbarn  in  keinem 
Zusammenhange  stehende  Ortsveränderungen  ausführt.  Dies  ist  manch- 
mal gar  nicht  so  sehr  leicht  zu  entscheiden.  Die  Eigenbewegung  kann 
zwar  eine  sehr  lebhafte  sein.  Besonders  bei  Spirillen  und  Vibrionen, 
aber  auch  bei  Bacillen,  findet  man  nicht  selten  so  lebhafte  Bewegungen, 
dass  es  recht  schwer  wird,  sich  ohne  ^Yeiteres  ein  deutüches  Bild  der 
Gestalt  der  Zellen  zu  verschaffen;  die  Schrauben  oder  Stäbchen  schiessen 
pfeilschnell  durch  das  Gesichtsfeld,  um  nur  für  kurze  Augenl)licke  hier 
oder  da  auszuruhen.  Auf  der  anderen  Seite  aber  konmien  (bei  Bacillen) 
so  matte  und  träge  Eigenbewegimgen  vor,  dass  es  oft  nicht  leicht 
wkrd,  dieselben  von  Molekularbewegungen  zu  unterscheiden. 

^-  Die  Eigenbewegung  der  Bakterienzellen  wii'd  (nach  Ermittelungen 
von  Koch  und  von  Loefflerj  stets  durch  sogenannte  Geissei- 
fäden vermittelt,  feinste  fadenförmige  Gebilde,  welche  meist  an  den 
Enden  der  Zelle  angebracht  sind  und  durch  die  von  ihnen  ausgeführten 
flimmeiTiden  Bewegungen  Ortsveränderungen  der  Zelle  veranlassen. 
Spirillen  und  Bacillen  mit  Geisselfaden  zeigt  Taf.  ni,  Fig.  15 ;  grosse 
Vibrionen  mit  ihren  Geissein  sieht  man  auf  Fig.  18  derselben  Tafel. 
Taf.  X,  Fig.  57,  zeigt  die  Kommabacillen  der  Cholera  asiatica  mit  ihren 
Geisseifäden.  Findet  man  bei  diesen  Beispielen  die  an  den  Enden  der 
Bakterienzelle  angehefteten  Geisseifäden  in  der  Einzahl,  so  giebt  es 
andererseits  zahlreiche  Fälle,  in  denen  ein  regelrechter  Büschel  von 
Geisseifäden  an  dem  Ende  der  Zelle  angebracht  ist.  So  zeigt  Taf.  HI, 
Fig.  16,  grosse  Spirillen,  Fig.  17  grosse  Bacillen  mit  endständigen 
Geisselbüscheln.  Die  Länge  und  Gestalt  der  Geissein  sind  bei  den 
verschiedenen  Bakterienarten  verschieden.  Die  Anheftimgsstelle  der 
Geissein  liegt,  wie  wir  bereits  sagten,  meist  an  dem  Ende  der  Zelle: 
es  sind  jedoch  eine  Reihe  von  Bacillenarten  aufgefunden  worden,  bei 
denen  jedes  Individuum  eine  ganze  (mitunter  ausserordenthch  grosse) 
Anzahl  von  Geisseifäden  trägt,  die  von  seinen  Seitenwänden  aus- 
gehen.-) Ein  Beispiel  hierfür  bildet  der  Typhusbacillus  (cf.  Taf.  VHI, 
Fig.  46). 


^)  Die  erste  eigenbewegliche  Mikrococcenart ,  deren  Keinzüclitung  gelang,  und 
die  genau  studirt  worden  ist,  wurde  von  Ali -Cohen  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  6. 
ISSil.  p.  33)  in  Trinkwasser  aufgefunden  („Micrococcus  agilis"). 

-)  Die    erste    derartige   Beobachtung    haben    C.   Fränkel   und    R.    Pfeiffer 

(Mikrophot.  Atlas  der  Bakterienkunde.     Lief.  5      18S9.     Tafel  24)  publicirt. 


I.  Allj^emeine  Morphologie  und  Systematik  der  Bakterien.  15 

Wir   hatten   oben   gesehen,    dass   die  Vermehrung   der   Bakterien 
durch  Spaltung  jeder  einzelnen  Zelle  in  zwei  Zellen  geschieht.     Denken 
wir  uns  irgend  eine  Bakterienart  unter  günstigen  äusseren  Bedingungen, 
denken  wir   uns   den  Nährboden   möglichst   günstig    zusammengesetzt, 
die  Temperaturverhältnisse  günstig,  und  denken  wir  diese  Bedingungen 
ungeändert   in   gleicher  Weise   fortbestehen,  so   wäre   kein  Grund  ein- 
zusehen,   weshalb    die   Bakterien    sich   nicht   in   infinitum    in   gleicher 
Weise   weiter   theüen    sollten.     Nun   liegen   aber    die   Verhältnisse   in 
Wirklichkeit  nie  derartig.     Jeder  Organismus  lebt  von  gewissen  Nähr- 
substanzen ;  er  verbraucht  diese  Nährsubstanzen ;  bei  semem  Stoffwechsel 
bilden  sich  gewisse  Abfallproducte,  welche  er  nicht  weiter  zu  verwenden 
vermag.     Auch    der    günstigste    Nährboden,    auf    welchem   Bakterien 
wachsen,  wird   in  kürzerer   oder  weiterer  Frist   erschöpft   an  nothwen- 
digen  Nahrungsstoffen,  er  wird  ausserdem  mehr  oder  weniger  beladen 
mit    Stoffwechselproducten    der   Bakterien.     Höchstens    im    kreisenden 
Blute  eines  inficirten  Thieres  könnten  sich  dort  vegetirende  Bakterien 
für  gewisse  Zeit  in  einem  Zustande  befinden,  der  den  oben  supponirten 
idealen  Verhältnissen   ähnlich   ist;    sie  würden  jeden  Augenbück  neue 
Nahrung  erhalten,  und  ihre  Abfallproducte  würden  ebenso  ständig  ent- 
fernt  vv erden.     Gemeinhin   aber   liegen   die  Dinge    so,    dass  mit   fort- 
schreitendem Bakterienwachsthum   der   Nährboden   sich   verschlechtert. 
Die  letzten  Consequenzen   davon   würden   die  sein,  dass  die  Bakterien 
auf  dem  Nährboden   nicht   mehr   zu   leben  vermögen   und   zu  Grunde 
gehen,   absterben.     Das  geschieht   nun  in  der  That  sehr  häufig.  (^Wir 
sehen   dann   an   den  Bakterienzellen  zunächst  sogenannte  Absterbe- 
erscheinungen,  Involutionserscheinungen   auftreten.)  Die 
Zellen  blähen  sich  auf,  werden  voluminöser,  Mssbildungen,  Schnörkel- 
formen der  mannichfachsten  Gestaltung  bilden  sich  aus,  das  Protoplasma 
durchsetzt  sich  mit  „Vacuolen",  verhext  seine  normalen  chemischen 
Eigenschaften   (z.  B.   färbt    sich   lückenhaft   und   schlecht   mit  'Anilin- 
farben), der  Contour  der  Zellen  wird  undeutlicher;  und  dann  smd  die 
Zellen   nicht   mehr   fähig,    sich   weiter  zu   vermehren,  selbst  wenn  sie 
auf  frischen  Nährboden  übertragen  werden:  sie   sind  abgestorben.     In- 
volutionsformen bei  Milzbrandbacillen  zeigt  Taf.  VI,  Fig.  34;  auf  Taf.  X, 
Fig.  56,    sieht   man  Formen,  wie    sie   bei  der  beginnenden  Involution 
der  Choleravibrionen  auftreten. 

Unter  gemssen  Bedingungen  aber  giebt  die  Verschlechterung  des 
Nährbodens  resp.  die  Erschöpfung  desselben  an  Nahrungsstoffen  Ver- 
anlassung zu  der  Bildung  eigenthümlicher  Fruchtformen,  welche, 
teleologisch  betrachtet,  die  Bestimmung  haben,  das  Weiterbestehen  der 
Art,  solange   die  ungünstigen   äusseren  Verhältnisse  andauern,  zu  ver- 


16  A.  Allgemeines. 

mittein.  Es  ist  dies  die  Bildung  der  Sporen  (Dauersporen).  ^) 
/Die  Bildung  von  Dauersporen  kommt  fast  ausschliesslich  bei  Bacillen 
vor;  sie  ist  aber  nur  einer  Anzahl  von  Bacillenarten  eigenthümlich, 
während  sie  bei  den  anderen  Bacillenarten  fehlt.J  Sie  ist  femer  aus- 
nahmsweise beobachtet  bei  ganz  vereinzelten  Spirillenarten ;  sie  soll 
auch  bei  Sarcinen'-)  vorkommen  können.  Die  Sporenbildung  tritt  aber 
bei  den  sporenbildenden  Ai'ten  nicht  ohne  Weiteres  jedesmal  ein,  wenn 
der  Nährboden  sich  verschlechtert;  es  gehören  hierzu  noch  ganz  be- 
sondere Bedingungen,  die  für  die  verschiedenen  Arten  verschieden  sind. 
Der  Vorgang  bei  der  Sporenbildung  ist  im  Allgemeinen  der,  dass 
zunächst  eine  kleine  Stelle  des  Bacillenleibes  anfängt  stärker  licht- 
brechend zu  werden,  dass  dann  diese  Stelle  an  Ausdehnung  zunimmt 
und  sich  dm-ch  eine  feste,  eigene  Membran  abschliesst  gegen  das  übrige, 
unveränderte  Bacillenprotoplasma.  Es  findet  sich  dann  an  der  ge- 
nannten Stelle  ein  homogenes,  ölartiges,  das  Licht  stark  brechendes, 
bei  hoher  Einstellung  des  Miki'oskoptubus  stark  glänzend,  bei  tiefer 
Einstellung  dunkel  erscheinendes,  meist  länglichrund  gestaltetes  Kör- 
perchen, welches  von  der  erwähnten  Membran  mnschlossen  vnvd.  (Vgl. 
hierzu  Taf.  VI,  Fig.  36 :  Lebende  Milzbrandbacillenfäden  mit  Sporen.) 
Vor  der  Sporenbildung  kommen  übrigens  die  eigenbeweglichen  Bacillen- 
individuen  stets  zur  Ruhe,  Ist  die  Spore  in  der  geschilderten  Weise 
fertig  gebildet,  so  beginnt  der  übrige  Bacillenleib  zu  zerfallen,  und  die 
Spore  ist  dann  isolirt;  sie  bleibt  dann  unverändert,  bis  sie  nach 
längerer  oder  kürzerer  Zeit  wieder  auf  einen  günstigen  Nährboden 
geräth.  Dort  keimt  dann  die  Spore  zu  einem  Bacillus  aus,  welcher 
sich  durch  Zweitheüung  in  der  bekannten  Weise  weiter  vermehrt.  Die 
Sporen  bezeichnet  man  als  Dauerformen  oder  reproductive 
Formen  gegenüber  den  sich  zweitheilenden  Formen,  die  man  als 
vegetative  oder  als  W u c h s f o r m e n  bezeichnet.  Die  Auskeimung 
der  Spore,  die  Sporenkeimung,  geht  bei  den  verschiedenen  Bacillen- 
arten in  verschiedener  Weise  vor  sich.  Bei  dem  Milzbrandbacillus 
z.  B.  verlängert  sich  die  Spore  in  ihrer  Längsachse,  der  Inhalt  verliert 
sein  glänzendes  Aussehen,  die  Sporenmembran  verwandelt  sich  ohne 
W^eiteres  in  die  Bacillenmembran,  der  Bacillus  ist  fertig.  Bei  anderen 
Bacillenarten  kommt  der  Bacillus  durch  ein  Loch  in  der  Membran  der 


^)  Die  Thatsacbe,  dass  bei  Bakterien  Sporenbildung  vorkommt,  wurde  1872 
von  F.  Cobn  entdeckt.  (Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.  Bd.  1.  Heft  2.  1872.  p.  145, 
17G;  Heft  3.     1S75.    p.   ISS.) 

-')  G.  Hauser,  Ueber  Lungensarcine.  (Sitz.-Ber.  Pbys.-Med.  Soc.  Erlangen 
18S7.    [Müncben  ISSS.]  p.  20.) 


I.  Allgemeine  jMorpbologie  und  Systematik  der  Bakterien.  17 

Spore  aus  der  letzteren  heraus,  die  Sporeumembran  kann  dem  jungen 
Bacillus  wie  eine  Kappe  aufsitzen  etc.  ^) 

Die  Sporenbildung-  kann  in  der  Mitte  des  Bacillus  auftreten 
(mittel ständige  Sporen),  oder  sie  kann  an  einem  Ende  des  Ba- 
cillus auftreten  (end ständige  Sporen).  In  dem  letzteren  Falle 
kommt  es  dann,  wenn  die  Bacillen  einzeln  liegen,  zur  Bildimg  soge- 
nannter Köpfchenbakterien,  Bacillen  mit  Köpfchensporen, 
Trommelschläger  formen.  Bei  manchen  Bacillenarten ,  welche 
mittelständige  Sporen  bilden,  kommt  es  bei  der  Sporenbildung  zu  einer 
dem  Sitze  der  Spore  entsprechenden  stärkeren  Auftreibung  des  Stäb- 
chens in  der  Mitte ;  sind  nun  die  Enden  des  Stäbchens  zugespitzt ,  so 
resultirt  eine  deutliche  Spindelform.  Solche  Formen  bezeichnet  man 
als  Clostridium  {^ot7]Q  =-  Spindel).  Auf  Taf.  VI,  Fig.  36,  und 
auf  Taf.  VII,  Fig.  37,  "sind  mittelständige  Sporen  (Milzbrand),  auf 
Taf.  Vn,  Fig.  40,  endständige  Sporen  (Tetanus)  dargestellt.  Man  sieht 
auf  Fig.  37  und  40  das  Bacillenprotoplasma  dm'ch  die  angewandte 
Anilinfärbung  tmgirt  (dunkel),  während  die  Sporen  mehr  oder  weniger 
ungefärbt  (hell)  geblieben  sind.  Diesell)e  Erscheinung  sieht  man  auch 
auf  Taf.  IV,  Fig.  19  (Bacillus  subtilis  mit  Sporen),  sowie  an  den  sporen- 
haltigen  Leptothrixfaden,  welche  auf  Taf.  IV,  Fig.  21,  dargestellt  sind. 
Es  hängt  dieses  diflferente  Verhalten  des  Bacillenprotoplasma  und  des 
Sporenleibes  gegen  Farbflüssigkeiten  auf  das  Engste  zusammen  mit 
der  Verschiedenheit  der  phjsiologischen  Eigenschaften  dieser  beiden 
Dinge  im  Allgemeinen.  Die  Bacillensporen  sind  echte  Dauerformen. 
^Sie  sind  durch  eine  Membran  gegen  die  Aussenwelt  abgeschlossen. 
welche  von  einer  solchen  Resistenz  gegen  äussere  Einwirkungen  ist, 
wie  man  sie  sonst  in  der  organischen  Natur  nicht  wieder  findet,  und 
die  speciell  mit  der  Resistenz  des  Bacillenkörpers  gegen  äussere  An- 
griffe gar  nicht  zu  vergleichen  ist.^  So  sehen  wir  auch  die  Farbflüssig- 
keit  in  den  Bacillenkörper  eindringen,  von  der  Sporenmembran  dagegen 
zurückgehalten  werden. 

Die  besprochene  Art  der  Sporenbildung  bezeichnet  man  als  die 
endogene  Sporenbildung,  die  Sporen  als  endogene  Sporen,  die 
'Batterfeharten,  bei  denen  diese  Bporenbildung  auftritt,  als  e n d o s pore 
Bakterienarten.  Einzelne  Autoren ,  namentlich  d e  B a r y  und 
H  u  e  p  p  e ,  nehmen  daneben  noch  eine  andersartige  Sporenbildung  an : 
die  Art hrospor enbil düng  (arthrospore  Bakterien).  Sie  kommt 
nach  de  Bary  allen  den  Bakterienarten  zu,  welche  nicht  endospor 
sind.    Hier  sollen  einzelne  Zellen,  die  sich  zunächst  in  nichts  von  ihren 


^)  Vergl.  A.  Koch,  Bot.  Ztg.   18SS.     No.  18—22. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage. 


18  A.  Allgemeines. 

Geschwistern  unterscheiden,  entweder  ohne  Aenderung  der  Form,  oder 
nachdem  sie  sich  etwas  vergTÖssert  haben  und  event.  etwas  derhwandiger 
geworden  sind,  ohne  Weiteres  Sporenqualität  annehmen:  d.  h.  diese 
Zellen  dienen,  wähi'end  die  übrigen  absterben,  zum  Ausgangspunkte 
einer  späteren  neuen  Bakterienvegetation.  Von  einer  ähnlichen  Resistenz, 
wie  sie  die  endogenen  Sporen  gegen  äussere  Angriffe  zeigen,  scheint 
bei  den  „Arthrosporen"  („Gliedersporen")  nicht  die  Rede  zu  sein. 
Die  „Arthrosporen"  können  deshalb  auch  nicht  als  Dauerformen  in 
dem  Sinne  der  den  endogenen  Sporen  zukommenden  Eigenschaften  an- 
gesehen werden,  und  die  ganze  Frage  nach  den  Arthrosporen  hat  mehr 
theoretische  als  praktische  Bedeutung.  Von  Wichtigkeit  ist  es  dagegen 
stets,  zu  Avissen,  ob  eine  bestinmite  Bakterienart  wirkliche  Dauer- 
fornien,  d.  h.  mit  besonderer  Resistenz  ausgestattete  Gebilde,  zu 
produciren  vermag;  diese  Eigenschaft  aber  findet  sich  nur  bei  den 
endo  Sporen  Arten. 

Die  Bakterien,  soweit  wir  deren  allgemeine  Morphologie  bisher  be- 
trachtet haben,  zeigen  in  ihren  Formverhältnissen  die  übereinstimmende 
Eigenthümliclikeit,  dass  eine  jede  einzelne  Species  eine  bestimmte,  stets 
wiederkehrende  Form  der  Einzelzelle  aufweist.  Handelt  es  sich  mn 
eine  Bacillenspecies ,  bei  der  das  Individuum  abgestumpfte  Enden  hat, 
so  kehren  diese  abgestumpften  Enden  bei  der  weiteren  Vermehrung 
der  Art  stets  imverändert  wieder;  ein  Miki-ococcus  von  bestinnnter 
Grösse  bildet  bei  seiner  weiteren  Vermehrung  stets  wieder  Miki'ococcen 
derselben  Grösse  etc.  C Mit  einem  Worte:  eine  jede  Bakterienart  hat 
die  Eigenschaft  der  Formconstanz.y  Oben  haben  wir  schon  gesehen, 
dass  während  des  Theilungsprocesses  die  Individuen  sich  verlängern, 
und  dass  unter  ungünstigen  äusseren  Verhältnissen  sich  Formände- 
rungen, sogenannte  Involutionsformen,  auszubilden  vemiögen.  Die 
Eigenschaft  der  Formconstanz  gilt  also  nur  ftir  das  Stadium  der  eben 
abgeschlossenen  Theilung  und  für  im  Uebrigen  normale,  günstige 
äussere  Verhältnisse.  ^) 

Man  hat  nun,  und  dieser  Standpunkt  Arä'd  namentlich  von  Zopf 
vertreten,  gegenüber  den  Bakterien  mit  constanter  Wuchsform  auch 
sogenannte  pleomorphe  Bakterien  arten  statuirt.  Hierhin  ge- 
hören besonders  'die  im  Wasser  vorkommenden  Gattungen  Cladothrix, 
Beggiatoa  und  Crenothrix.  Dieselben  treten  in  Fäden  auf,  welche 
in   ihrer  Dicke   z.  Th.  etwa   dicken   Bacillenarten   entsprechen,   z.  Th. 


^)  Für  die  diagnostische  Beurtheüimg  bestimmten  vorliegenden  Bakterienmaterials 
wichtig  ist  die  Thatsache,  dass  eine  und  dieselbe  Form  der  Einzelzelle  verschiedenen 
Bakterienspecies  zukommen  kann.  Man  darf  also  aus  der  Form,  der  Einzelzelle 
nicht  ohne  Weiteres  auf  die  Art  schliessen. 


I.  Allgemeine  Mori^hologie  und  Systematik  der  Bakterien.  19 

allerdings  eine  erheblich  gi'össere  Dickenausdehnung-  besitzen.  UClado- 
thrLx  ist  durch  Z^veigbildung  ausgezeichnet,  /Beggiatua  zeigt  Schwefel-, 
könichen  im  Protoplasma  eingelagert,  '■  Crenothrix  besitzt  eine  eisenoxjd- 
haltige  Hülle.  Alle  drei  Gattungen  zeigen  in  ihren  Fäden  *emen 
deutlichen  Gegensatz  von  Basis  und  Spitze :  sie  sind  durch  Spitzen- 
wachsthum  ausgezeichnet.  In  den  Entwickelungskreislauf  aller  drei 
sollen  die  verschiedensten  Formen  (Stäbchen,  Coccen  etc.)  gehören. 
Die  Koch'sche  Schule  rechnet  diese  Gattungen  nicht  zu  den  Bak- 
terien, sondern  zu  den  niederen  Algen.  ^)  Auf  Taf.  IV,  Fig.  22,  findet 
man  eine  Cladothrix  (Cladothrix  dichotoma  Cohn?)  bei 
lOOOfacher  Vergrösserung,  auf  derselben  Tafel,  Fig.  24,  eine  Gelatine- 
plattencolonie  desselben  Organismus  bei  lOOfacher  Vergrösserung  ab- 
gebildet.") Taf.  IV,  Fig.  23,  zeigt  eine  Crenothrix-^)  bei  250facher 
Vergrösserung;  die  braunen  Eisenoxydhydrat-Einlagerungen  erscheinen 
auf  dem  Photogramm  dunkel. 


^)  Was  speciell  Cladothrix  angeht,  so  kann  diese  zweigbildende  Art 
logischer  Weise  schon  deshalb  nicht  zu  den  Bakterien  gestellt  werden,  weil  wir  Bak- 
terien als  „Spaltpilze",  als  durch  Spaltung,  durch  Zweitheiluug  (cf.  oben 
p.  10)  sich  vermehrende  einzellige  Organismen  definiren,  eine  Zweigbüdung  aber  vor- 
aussetzen würde,  dass  sich  an  der  Zweigstelle  aus  einer  Zelle  nicht  zwei,  son- 
dern drei  Tochterzellen  bildeten,  oder  aber,  dass  an  dieser  Stelle  sich 
ausser  der  Zweitheilung  eine  Sprossung  etabhrte. 

-)  Diese  Cladothrix,  welche  ich  seit  einer  ganzen  Eeihe  von  Jahren  häufig  in 
Berliner  Leitungswasser  angetroffen  habe ,  wächst  in  Nährgelatine  und  auf  Agar  bei 
Zimmertemperatur  gut,  verflüssigt  die  Gelatine  sehr  langsam,  färbt  die  Nährböden 
im  Umkreise  der  Colonien  braun. 

■   •^)  Diese  Crenothrix   wurde   gelegentlich    in  Spreewasser  gefunden.     Sie  wächst 
auf  unseren  künstlichen  Nährböden  nicht. 


2* 


IL 

Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien. 
Desinfeetion.    Sterilisation.    Antiseptik.    Aseptik. 


Die  Bedingungen,  welche  vorhanden  sein  müssen,  damit 
Bakterienwachsthum  ermöghcht  werde,  sind  je  nach  den  verschiedenen 
Bakterienarten  verschieden.  Im  Allgemeinen  ist  zunächst  ein  gewisser 
Wassergehalt  des  Nährbodens  erforderlich,  ohne  den  ja  überhaupt 
organisches  Leben  imdenkbar  ist;  femer  erfordern  die  allermeisten 
Bakterienarten  einen  Gehalt  des  Nährbodens  an  höheren  organischen 
Verbindungen,  da  sie  ihres  Chlorophjdlmangels  wegen  nicht  im  Stande 
sind,  aus  der  Kohlensäure  der  Luft  ihren  Kohlenstoff])edarf  zu  ent- 
nehmen. Es  bilden  jedoch,  wie  bereits  oben  angegeben,  einzelne  Arten 
hierin  eine  Ausnahme ;  diese  besitzen  Chromophjdl  und  vermögen  Kohlen- 
säure resp.  Carbonate  zu  zerlegen.  ^)  Diese  wenigen  ChromophA'll 
führenden  Bakterienarten  sind  auf  Licht  angewiesen ;  ^)  für  die  übrigen 
Arten  jedoch,  also  für  die  grosse  Mehrzahl  der  Bakterien,  ist  das  Licht 
durchaus  kein  wachsthmnsbegünstigender ,  sondern  durchgängig  ein 
wachsthumsschädigender,  nnd  zwar  sehr  erheblich  schädigender  Factor.^) 
Alle  Bakterien  sind  wegen  des  Stickstoffgehaltes  ihres  Protoplasma- 
körpers auf  stickstoffhaltigen  Nährboden  angewiesen:  am- besten 


^)  Hueppe  und  Heraeus  (60.  Vers.  Deutscher  Naturf.  u.  Aerzte.  Wies- 
baden 1887.  —  ref.  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  3.  1888.  p.  419)  haben  die  wichtige 
Thatsache  festgestellt,  dass  bei  Bakterien  auch  eine  „Chlorophyll Wirkung 
ohne  Chlorophyll"  vorkommt.  D.  h.  es  giebt  chromophyllfreie  Bakterien,  welche 
ihren  Kohlenstoffbedarf  durch  Assimüirung  von  Kohlensäure  (in  Form  von  Aramonium- 
carbonat  geboten)  decken.  Winogradsky  (x\.nn.  de  l'Inst.  Pasteur  1890)  hat  eine 
derartige  Bakterienart  reincultivirt  und  (wegen  ihrer  nitrificirenden  [Oxydation  des 
Ammoniaks]  Eigenschaften)  als  ,,Nitromonas"  bezeichnet.  (Siehe  den  nächsten  Ab- 
schnitt bei  „Nitrification"). 

-)  cf.  Th.  W.  Engelmann.  Die  Purpurbakterien  und  ihre  Beziehungen  zum 
Licht.     (Bot.  Ztg.  1888.  Nr.  42—15). 

')  cf.  weiter  unten,  Schluss  dieses  Abschnittes. 


IL  Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien.  21 

eignen  sich  als  stickstoffhaltiges  Nährmaterial  Eiweissstoffe ;  jedoch 
scheinen  für  viele  Arten  selbst  die  einfachsten  Stickstoffverbindungen, 
namentlich  Ammomaksalze,  als  Stickstoffquellen  zu  genügen.^)  Der  für 
den  Aufbau  der  Körpersubstanz  der  Bakterien  nothwendige  Schwefel 
wird  nach  den  Ermittelungen  von  Eubner''^)  ganz  allgemein  orga- 
nischen Schwefelverbindungen  entnommen.  Die  Existenz  der  sogenannten 
„Schwefelbakterien"  (cf.  oben  p.  10)  ist  an  die  Gegenwart  freien 
Schwefelwasserstoffs  gebunden,  den  diese  Organismen  durch  einen  Oxy- 
dationsprocess  zunächst  in  Schwefel,  dann  in  Schwefelsäui-e  überführen;'^) 
die  „Eisenbakterien"  (cf.  oben  p.  10)  bilden  das  in  ihrer  Hülle 
eingelagerte  Eisenoxyd  durch  einen  bei  ihrem  Lebensprocesse  stattfinden- 
den Oxydationsvorgang  aus  Eisenoxydul,  welches  in  dem  Wasser  ihrer 
Umgebung  gelöst  ist.*) 

Bekanntlich  sind  viele  Bakterienarten  Krankheitserreger, 
d.  h.  sie  vermögen,  in  einen  passenden  Thierorganismus  gelangt,  auf 
Kosten  des  lebenden  Materiales  dieses  Organismus  sich  zu  vermehren. 
Man  bezeichnet  solche  Bakterienarten  als  pathogene  oder  para- 
sitische gegenüber  den  nicht  pathogenen  oder  sapro- 
phytischen  Arten,  welche  nur  auf  todtem  Materiale  leben.  Unter  den 
parasitischen  Arten  giebt  es  nun  solche,  die  in  der  Natur,  unter  ge- 
wöhnlichen Verhältnissen,  nur  im  Körper  des  lebenden  Thieres  resp. 
bestimmter  Thierspecies ,  nicht  auf  todtem  Materiale,  zu  gedeihen  ver- 
mögen. Diese  bezeichnet  man  als  obligate  (strenge,  echte) 
Parasiten  gegenüber  den  facultativen  (gelegentlichen)  Pa- 
rasiten, die  sowohl  im  lebenden  Thierkörper  wie  auch  auf  todtem 
Nährboden  zu  wachsen  vermögen.  Von  den  obligat-parasitischen  Bak- 
terienarten lassen  sich  manche  auf  bestimmten,  künstlich  zubereiteten 
Nährböden  cultiviren ;  bei  anderen  obligaten  Parasiten  ist  die  künstliche 
Cultur  bis  jetzt  ül)erhaupt  nicht  gelungen. 

Ferner  ist  die  chemische  Reaction  des  Nährbodens  für  das 
G-edeihen  der  Bakterien  von  erheblichem  Belang.  Die  meisten  patho- 
genen Arten  wachsen  am  besten  bei  leicht  alkalischer  Eeaction  des 
Nährbodens.     Gegen  Säuren  sind  die  Bakterien   im  All2:emeinen  mehr 


^)  Ueber  eine  neuerdings  vielfach  angewendete  eiweissfreie  Nährlösung  für  Bak- 
terien, die  sog.  „Uschinsky'sche"  Lösung,  siehe  hinten  Abschnitt  V,  2.  —  Ueber 
die  Pixirung  freien  atmosphärischen  Stickstoffs  durch  Bakterien,  wie 
sie  in  den  Wurzelknöllchen  der  Leguminosen  stattfindet,  vgl.  die  zusammen- 
fassende Uebersicht  von  Stutzer  (Centralbl.  f.  Bakt.  Abth.  II,  Bd.  1.  1895. 
p.  68  ff.). 

'^)  Arch.  f.  Hjg.    Bd.  l(j.    1892. 

•■')  Winogradsky,  Bot.  Ztg.  1887.     No.  31—37. 

*)  Winogradsky,  Bot.  Ztg.  1888.     No.   17. 


22  A.  Allgemeines. 

oder  weniger  empfindlich;  jedoch  verhalten  sich,  wie  in  allen  übrigen 
Lehensbedingungen,  anch  hierin  die  einzelnen  Arten  verschieden  von 
einander.  Während  z.  B.  der  Choleranbrio  schon  durch  sehr  geringe 
Mengen  freier  Säure  im  Nährboden  in  seiner  Ent^nckelung  gehenunt 
wird,  verträgt  der  T3^3husbacillus  erheblich  grössere  Mengen  der  freien 
Säure. 

Ganz  ausserordentlich  verschieden  verhalten  sich  die  Bakterien  zu 
dem  freien  Sauerstoff.  Yiele  Ai-ten  wachsen  nur  bei  fortwährender 
ungehinderter  Sauerstoffzufrihr  (obligate  Aeroben),  bei  anderen 
wird  im  Gegentheil  durch  die  geringste  Spur  freien  Sauerstoffs  die 
Entwickelung  sofort  sistirt  (obligate  Anaeroben),^)  eine  dritte  Ab- 
theilung nimmt  eine  Mittelstellung  ein  (f  a  c  u  1 1  a  t  i  v  e  A  n  a  e  r  o  b  e  n). '-) 
Zu  den  letzteren,  den  facultativen  Anaeroben,  gehören  die  meisten 
pathogeneu  Bakterienarten.  Es  giebt  aber  mehrere  wichtige  pathogene 
Arten,  welche  obligate  Anaeroben  sind. 

Von  ausserordentlicher  Bedeutung  für  das  Bakterienwachsthum 
sind  femer  die  Temperaturverhältnisse.  Auch  hier  zeigen 
wieder  die  verschiedenen  Species  verschiedenes  Verhalten.  Zunächst 
hat  jede  Art  eine  untere  und  eine  obere  Temperatm-grenze  (Tempe- 
raturminimum, Temperaturmaximum),  innerhalb  deren  über- 
haupt ein  Wachsthum  möglich  ist.  Die  günstigste  Temperatur  fifr  die 
Vemiehrung  einer  Bakterienart  bezeichnet  man  als  ihr  Temperatur- 
optimum.   Im  Allgemeinen  findet  Bakterienwachsthum  statt  zwischen 


')  Nach  Beyerinck  (Centr.  f.  Bakt.  Abth.  II.  Bd.  1.  1S95.  p.  109.  Aiim.) 
giebt  es  zwei  Klassen  von  echten  Anaeroben.  Die  eine  Klasse  vermag  die 
letzten  Spuren  freien  Sauerstoffs  aus  den  Nährmedien  zu  absorbiren,  wobei  die  mor- 
phologisch so  characteristische  „Sauerstoffform"  auftritt  (Die  Butylalkoholgährung. 
Amsterdam.  1893.  p.  27).  Die  zweite  Klasse  besitzt  eine  solche  Sauerstoffform  nicht 
und  fordert  absolute  Abwesenheit  des  freien  Sauerstoffs,  um  zur  Entwickelung  zu 
kommen. 

Aerobe  sowohl  wie  anaerobe  Bakterien  nehmen  bei  ihrem  "Wachsthum  Sauer- 
stoff auf:  die  aeroben  entnehmen  ihn  aus  der  atmosphärischen  Luft,  die  anaerobeu 
spalten  ihn  aus  dem  Nährboden  ab.  Alle  Bakterien ,  soweit  untersucht ,  geben  bei 
ihrem  Wachsthum  Kohlensäure  ab  (cf.  W.  Hesse,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  15.  1893. 
p.  17  ff.). 

2)  Beyerinck  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  14.  1893.  No.  25)  hat  Methoden 
angegeben,  ,,Athmungsfiguren"  beweglicher  Bakterien  darzustellen ;  diese  Figuren 
(welche  dadurch  entstehen,  dass  die  in  Wasser  etc.  vorhandenen  resp.  in  dasselbe 
eingebrachten  Bakterienzellen  die  ihnen  bezüglich  der  Sauerstoffspannung  günstigste 
Stelle  der  Flüssigkeit  aufsuchen  und  dort  sichtbare  Anhäufungen  Ijüden)  zeigen  ohne 
Weiteres  das  grössere  oder  geringere  Bedüi-fniss  nach  freiem  Sauerstoff,  welches  der 
untersuchten  Bakterienart  zukommt.  Beyerinck  unterscheidet  unter  den  Athmungs- 
figuren  drei  Typen:  den  ,,Aerobentypus",  den  „Anaerobentypus"  und  den  zwischen 
beiden  stehenden  „Spii'iUentypus". 


II.  AUgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien.  23 

Temperaturen  von  etwa  5^  C.  imd  etwa  45*^  C.  Die  Saprophyten 
wachsen  im  Allgemeinen  besser  bei  niedrigerer,  die  Parasiten  besser 
bei  höherer  Temperatur.  Das  Temperaturoptimum  für  die  ersteren  liegt 
gemeinhin  um  20*^  C.  herum,  das  der  letzteren  bei  Körpertemperatur.^) 
Einzelne  Bakterienarten  jedoch  fallen  bezüglich  ihrer  Temperatur- 
ansprüche vollständig  aus  dem  vorstehend  gezeichneten  Rahmen  heraus. 
Globig-)  hat  in  den  oberflächKchen  Bodenschichten  in  weitester  Ver- 
breitung das  regelmässige  Vorhandensein  verschiedener  Bacillenarten 
nachgewiesen,  welche  sich  bei  Temperaturen  von  50  —  70^  C.  zu  ent- 
wickeln vermögen,'^)  und  Forst  er  hat  Bakterienarten  entdeckt,  die  die 
Eigenschaft  haben,  bei  0*^  C.  sich  zu  vermehren.'^) 

Bezüglich  der  Bedingungen,  welche  die  Bakterien  an  den  Nähr- 
boden resp.  an  die  Aussenverhältnisse  stellen,  ist  im  Allgemeinen  noch 
darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  man  bei  vielen  Arten  eine  all- 
mählich zu  Stande  kommende  Gewöhnung  (Anpassung)  an 
einen  der  Art  Anfangs  nicht  zusagenden  Nährboden  resp.  an  nicht  zu- 
sagende äussere  Verhältnisse  beobachtet  hat.  Besonders  bei  zahlreichen 
pathogenen  Arten  hat  man  ein  derartiges  Verhalten  constatirt.  Freihch 
sind  damit  stets  gewisse  Aenderungen  auch  in  den  Lebensäusserungen 
verknüpft,  die  manchmal  den  Verlust  sehr  wichtiger,  für  die  Art  ur- 
sprünglich characteristischer  Eigenschaften  bedeuten.  Bezüglich  der 
Anpassungsvorgänge  ist  sehr  wichtig  die  von  D  i  e  u  d  o  n  n  e  ^)  neuerdings 


^)  Das  gilt  nicht  nur  für  solche  Bakterien,  die  für  Warmblüter  pathogen  sind. 
So  fanden  Emmerich  und  Weibel  als  Erreger  einer  Forellenseuche  eine 
Bakterienart,  deren  Temperaturoptimum  zwischen  10*^  und  IS*'  C.  liegt  (Arch.  f.  Hyg. 
Bd.  21.    1S94.  p.  9). 

■-)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  3.    ISST. 

")  Weitere  Mittheilungen  über  solche  bei  hohen  Temperaturen  wachsende, 
,,thermophile"  Bakterienarten  lieferten  Miquel  (Ann.  de  micrographie  188S)  so- 
wie Macfadyen  und  Blaxall  (Journ.  of  pathol.  and  bacteriology.  Bd.  3.  1894), 
ferner  Rabin owitsch  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  20.  1895).  Es  handelt  sich  um 
Bacillenarten,  die  sich  im  Boden,  im  Fluss-  und  Seewasser,  ferner  im  Darm  der 
Thiere  ganz  regelmässig  vorfinden ,  die  facultativ  anaerob ,  nicht  pathogen  sind,  und 
«.lie  sämmthch  ganz  ausserordentlich  widerstandsfähige  Sporen  (cf.  p.  28)  bilden. 

^)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  2.  1887.  p.  340.  —  Auch  Fischer  (Centralbl. 
f.  Bakt.  Bd.  4.  1888.  No.  3)  fand,  und  zwar  im  Kieler  Hafen  und  Boden,  eine 
Eeihe  von  Bakterienarten,  die  bei  O*'  C.  zu  wachsen  vermögen.  —  Fernere  Unter- 
suchungen von  Forst  er  über  den  Gegenstand  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  12.  1892. 
No.  13)  haben  ergeben,  dass  in  unserer  Umgebung  (Wasser,  Boden,  Strassenschmutz, 
Milch  etc.)  sigh  gewöhnhch  zahlreiche  Keime  finden,  welche  bei  0**  C.  zu  gedeihen 
vermögen ;  dieselben  gehören  nur  wenigen  Arten  zu.  Sie  finden  sich  nicht  etwa  nur 
im  Winter,  sondern  auch  im  Sommer. 

'')  Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-A.     Bd.  9.     1894. 


24  -Ä--  Allgemeines, 

festgestellte  Thatsache,  dass  bestimmte  Bakterienarten  unter  Umständen 
dadurcli  an  T e m p e r  a t ii r y e r li ä  1 1 n i s s e ,  die  ihnen  a  priori  nicht 
zusagten,  gewöhnt  werden  können,  dass  man  eine  grössere  Eeihe 
von  Umzüchtungen  Yornimmt  mit  ganz  allmählich  geänderten 
Temperaturbedingungen. 

Vorstehend  haben  wir  Yersucht,  die  wichtigsten  Punkte,  auf  die 
es  für  das  Bakterienwachsthimi  im  Allgemeinen  ankommt,  zu  skizziren. 
Eine  jede  Art  stellt  bezüglich  jedes  einzelnen  Punktes  ihre  besonderen 
Ansprüche.  Sind  die  Bedingungen  resp.  eine  oder  mehrere  derselben 
ungünstig,  so  kommt  es  auf  den  Grad  des  MissYerhältnisses  an  be- 
züglich der  daraus  resultirenden  Folgen.  Bei  minder  ungünstigen 
Verhältnissen  Avird  das  Wachsthum  nur  Yerzögert  oder  auch  inhibirt 
( E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  s  h  e  m  m  u  n  g ) ,  die  weitere  Vermehrungsf ähi  gkeit 
aber  noch  nicht  aufgehoben:  bei  längerer  Andauer  der  ungünstigen 
Verhältnisse  resp.  wenn  die  Qualität  der  Verhältnisse  eine  noch  un- 
günstigere wird,  kann  auch  die  fernere  Vermehrungsfähigkeit  endgültig 
aufgehoben  werden  (Vernichtung). 

Was  speciell  ungünstige  Temperatureinflüsse  angeht, 
so  ist  darüber  im  Allgemeinen  folgendes  zu  sagen:  Setzt  man  eine 
Bakterienart  Temperaturen  aus,  die  ausserhalb  der  für  ihr  Wachsthum 
noch  geeigneten  Grenztemperaturen  liegen,  so  tritt  zunächst  eine 
Sistirung  der  Entwickelung  ein.  Die  weiteren  Wirkungen  sind  jedoch 
ganz  Yerschieden,  je  nachdem  die  einwirkende  Temperatur  unterhalb 
des  Temperaturminimums  oder  oberhalb  des  Temperaturmaximums  der 
Art  liegt.  Selbst  die  niedrigsten  künstlich  zu  erzeugenden  Temperaturen 
Yermögen  im  Allgemeinen  auch  bei  längerer  Einwirkung  die  fernere 
Entwickelungsfähigkeit  der  Bakterien  nicht  aufzuheben,  während  andrer- 
seits bei  Temperaturen  you  55"  bis  60«  C.  die  YegetatiYen  Formen 
der  Bakterien  im  Allgemeinen  in  kurzer  Zeit  sicher  getödtet  werden. 
Ganz  anders  freilich  Yerhalten  sich  die  Bacillen  s  p  o  r  e  n ,  zu  deren  Ver- 
nichtung stets  ganz   erheblich  höhere  Temperaturen  erforderlich  sind. 

Liegen  die  Bedingungen,  und  zwar  nicht  nur  die  Temperatur- 
bedingungen, sondern  die  gesammten  Lebensbedingungen,  in  einem 
gegebenen  Falle  zufällig  so,  dass  in  jedem  einzelnen  Punkte  die  An- 
sprüche auf  das  Beste  erfüllt  sind,  so  ist  das  Wachsthum  das  üppigste, 
schnellste,  das  überhaupt  möglich  ist.  Gewöhnlich  liegen  die  Bedingungen 
aber  nicht  in  allen  Punkten  so  günstig.  Es  ist  nun  in  dieser  Beziehmig 
äusserst  interessant,  dass  ungünstige  Bedingungen  des  einen  Punktes 
durch  günstige  emes  anderen  Punktes  compensirt  werden  können.  Zum 
besseren  Verständniss  dieser  wichtigen  Thatsache  will  ich  einige  Bei- 
spiele anführen.     Der  CholeraYibrio  wächst   auf  geeignetem  Nährboden 


IL  Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien.  25 

bei  Zimmer-  sowohl  wie  bei  Brüttemperatm-:  bei  der  letzteren  wächst 
er  aber  stets  erheblich  besser.  Der  Cholera\ibrio  wächst  ferner  am 
besten  auf  einem  leicht  alkalischen  Nährboden ;  gegen  geringste  Mengen 
fi'eier  Säure  zeigt  er  sich  empfindlich.  Bringt  man  ihn  nun  auf  die 
(leicht  sauer  reagirende)  gekochte  Kartoffel,  so  wächst  er  bei  Zimmer- 
temperatur hier  nicht;  er  wächst  aber  auf  diesem  ihm  recht  wenig 
zusagenden  Nährboden,  wenn  man  denselben  in  den  Brütschrank  stellt. 
Es  ist  hier  also  die  ungünstige  chemische  Beschaffenheit  des  Nährbodens 
compensirt  worden  durch  die  sehr  günstigen  Temperaturverhältnisse. 
Etwas  Analoges  beobachtet  man  z.  B.  auch  bei  den  Milzbrandbacillen. 
welche  ebenfalls  sowohl  bei  Zimmer-  wie  bei  Brüttemperatur,  bei  der 
letzteren  aber  stets  erheblich  besser,  gedeihen.  Bringt  man  diese 
Organismen  in  eine  Nährgelatine  (cf.  weiter  unten),  der  so  viel  Sublimat 
zugesetzt  ist,  dass  400  000  Theile  des  Nährbodens  1  Theil  Sublimat 
enthalten,  so  wachsen  hier  die  Milzbrandbacillen  bei  Zimmertemperatur 
(16 — 18^  C.)  durchaus  nicht.  Bringt  man  die  Sublimatgelatine  aber 
in  den  Brütschrank,  so  gedeihen  nun  die  Milzbrandbacillen  auf  ihr. 
Bei  Brüttemperatur  (36^  C.)  wirkt  entmckelungshemmend  auf  IMilz- 
brandbacillen  erst  etwa  das  Zehnfache  von  demjenigen  Gehalt  des  Nähr- 
bodens an  Sublhnat,  der  bei  Zimmertemperatur  das  Wachsthum  ver- 
hindert (B  e h r  i n  g)}) 

Veränderungen  m  den  Culturbedingungen  haben  ausnahmslos  eine 
Veränderung  auch  der  Lebensäusserungen  zur  Folge.  Die 
letzteren  können  geringfügiger  Natur  sein,  sich  auf  Aenderung  m  der 
Schnelligkeit  des  Wachsthums  etc.  beschränken.  Sie  können  jedoch 
auf  der  andern  Seite  auch  sehr  wesentlicher  Natm*  sein  und  wichtige 
Umänderungen  in  dem  gesammten  Lebensprocesse  der  Art  bedeuten. 
So  wächst  z.  B.  der  Bacillus  prodigiosus  am  besten  bei  Zimmer- 
temperatur. Er  producirt  hier  auf  den  Nährböden  einen  intensiv  rothen 
Farbstoff;  Hand  in  Hand  damit  geht  die  Production  von  Trimethylamin 
(Geruch  nach  Heringslake).  Züchtet  man  den  genannten  Bacillus  bei 
Brüttemperatur,  so  bleibt  sowohl  die  Farbstoffproduction  wie  auch  die 
Bildung  von  Trimethylamin  vollständig  aus.  Im  Uebrigen  ist  das 
Wachsthum  ein  sehr  gutes  bei  der  Brüttemperatur. 

Im  Anschluss  an  die  geschilderten  allgemeinen  Lebensbedingungen 
der  Bakterien  möge  hier  ein  Kapitel  kurz  berührt  werden,  welches 
in  seinen  Grundlagen  mit  den  Bedingungen  für  das  Leben  und  Sterben 
der  Bakterien  auf  das  Engste  verknüpft  ist:  das  Kapitel  der  Des- 
infection. 


')  Zeitscbr.  f.  Hyg.    Bd.  9.     ISyu.    p.  39S. 


26  A.  Allgemeines. 

Wenn  ii-gend  welche  Gegenstände  desinficirt  werden  sollen,  so 
heisst  das  so  viel,  als:  es  sollen  die  an  oder  in  ihnen  befindlichen 
ki-ankheitseiTegenden  organischen  Keime  getödtet  werden,  ohne  dass, 
falls  die  zu  desinficirenden  Gegenstände  Gebrauchsgegenstände  sind, 
diese  selbst  erheblich  geschädigt  resp.  unbrauchbar  gemacht  werden. 
Der  letztere  Punkt,  d.  h.  die  Eücksichtnahme  auf  die  fernere  Brauch- 
barkeit der  zu  desinficirenden  Gegenstände,  ist  aber  von  untergeordneter 
Bedeutung  gegenüber  dem  anderen  Punkte:  der  Nothwendigkeit  der 
endgültigen  Vernichtung  der  pathogenen  organischen  Keime.  Wir 
haben  bereits  gesehen,  dass  die  Bakterienkeime  von  sehr  verschiedener 
Kesistenz  gegen  äussere  Einwirkungen  sind,  je  nachdem  es  sich  um 
vegetative  Formen  oder  um  Sporen  handelt.  Ein  Desinfectionsverfahren, 
welches  allgemeine  Anwendbarkeit  für  jedwede  Form  von  In- 
fectionski'ankheit  haben  soll,  muss  demnach  so  eingerichtet  sein,  dass 
durch  dasselbe  die  widerstandsfähigsten  Sporen,  welche  wir  bei  ki'ank- 
heitserregenden  Bakterien  kennen,  getödtet  werden.  Handelt  es  sich 
um  ein  Desinfectionsverfahren,  welches  nur  für  die  Zerstörung  ganz 
bestimmter  Krankheitskeime,  nur  für  die  einer  einzelnen  Infections- 
k rankheit,  bestmimt  ist,  so  braucht  dasselbe  natürlich  nur  auf  die 
specielle  Natur  der  in  Frage  kommenden  Krankheitserreger  Ftücksicht 
zu  nehmen. 

Ein  dem  Begriffe  der  Desinfection  sehr  nahestehender  Begriff  ist 
der  der  Sterilisation;  man  versteht  hierunter  das  Keimfrei- (Steril-) 
machen  irgend  welcher  Instrumente,  Apparate,  Nährböden  etc.,  wobei 
man  nicht  speciell  an  krankheitserregende  Keime,  sondern  an  Keime 
von  Organii^men  überhaupt  denkt. 

Die  Tödtung  von  Bakterienkeimen  kann  nun  hauptsächlich 
auf  zweierlei  Art  geschehen :  durch  hohe  Temperaturen  und  durch 
chemische  Mittel  (Desinfection  smittel).  Wenn  wir  unsere 
Messer,  Scheeren,  Platindrähte  etc.  zum  Zwecke  der  Benutzung  bei 
bakteriologischen  Arbeiten  keimfrei  haben  wollen,  so  werden  dieselben 
in  der  Flamme  des  Bunsen'schen  Gasbrenners  oder  in  der  Spiritus- 
flamme „ausgeglüht"  resp.  bis  in  die  Nähe  der  Glühhitze  gebracht. 
Die  den  Instrumenten  anhaftenden  Bakterienkeime  werden  dabei  sämmt- 
lich  augenblicklich  zerstört.  Wenn  wir  Leichen  von  Versuchsthieren 
resp.  die  in  ihnen  befindlichen  Bakterien  unschädlich  machen  Avollen, 
so  verbrennen  wir  die  Leichen  im  Ofen.  Diese  einfachen  Mani- 
pulationen, bei  denen  sehr  hohe  Temperaturen  zur  Bakterienvemichtimg 
in  Anwendung  kommen,  sind  nicht  überall  am  Platze.  Man  hat  sich 
deshalb  mit  niedrigeren  Temperaturen  zu  behelfen  gesucht  und  (früher) 
mit  stark  erhitzter  (trockener)  Luft  „desinficirt". 


II.  Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien.  27 

Die  grandlegenden  Versuche  von  R.  Koch  und  WolffhügeP) 
haben  nun  aber  gezeigt,  dass  die  trockene  heisse  Luft  ein  höchst 
unzweckmässiges  Desinfectionsmittel  ist.  Damit  alle  Bakterienkeime 
getödtet  werden,  ist  dreistündige  Einwkung  einer  Temperatur  Ton 
140*^  C.  nothwendig,  und  hierbei  werden  „fast  alle  Stoffe,  welche  der 
Hitze -Desinfection  zugänglich  sind,  mehr  oder  weniger  beschädigt".-) 
Nichts  desto  weniger  bedienen  wir  uns  in  gewissen  Fällen  auch  heute 
noch  der  Einwirkung  von  heisser  trockener  Luft  zum  Zwecke  der 
Desinfection,  oder  besser  Sterihsation,  wobei  aber  noch  erheblich  höhere 
Temperaturen  als  140*^  C.  zur  Anwendung  kommen.  Es  geschieht 
dies,  wenn  wir  im  Laboratorium  trockene  leere  Glasgefässe  oder  Metall- 
instrumente, die  ohne  Schaden  zu  nehmen  derartigen  Temperaturen 
ausgesetzt  werden  können,  steril,  keimfrei  machen  wollen.  Sie  werden 
dann  in  den  Trockenschrank  oder  Heissluftsterilisations- 
apparat^)  gebracht,  einen  doppelwandigen  Kasten  von  Schwarzblech, 
dessen  Lmeres  mit  Hülfe  einer  untergestellten  kräftigen  Gasflamme, 
und  zwar  durch  die  den  Zwischenraum  zwischen  den  Wandungen  durch- 
streichenden Heizgase  der  letzteren,  in  wenigen  Mnuten  auf  160 — 170*^0. 
erhitzt  werden  kann.  Die  Bakterienkeime  werden  durch  derartig  hohe 
Temperaturen  in  etwa  einer  Stunde  sämmtlich  sicher  vernichtet. 

Viel  energischer  als  die  trockene  heisse  Luft  mrkt  der  heisse 
Wasserdampf  auf  Bakterien  ein.  Die  grundlegenden  Versuche  von 
Pt.  Koch,  Gaffky  und  Löffler*)  haben  in  dem  strömenden,'^) 
ungespannten  Wasserdampfe  von  100*^  C.  ein  ebenso  bequemes, 
überall  leicht  anzuwendendes,  wie  in  der  Sicherheit  seiner  Wirkung 
kaiun  mit  irgend  einem  anderen  vergleichbares  Desinfectionsmittel 
kennen  gelehrt. 

Die  resistentesten  Krankheitskeime,  welche  wh  kennen,  sind 
die  Milzbrandbacillensporen.  Unter  diesen  giebt  es  wiederum  je  nach 
der  Provenienz  des  Materiales,  wie  v.  Esmarch*^)  gefanden  hat, 
schwächer   und   stärker   widerstandsfähige.^)     Die   am  stärksten  wider- 


1)  antth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     ISSl.    p.  301  ff. 

■-)  1.  c.  p.  312. 

^)  Koch,  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     1884.    p.  47. 

*)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1881.    p.  322  ff. 

^)  D.  h.  frei  in  die  Atmosphäre  ausströmenden,  unter  dem  gewöhnlichen  Atmo- 
sphärendrucke stehenden. 

«)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  5.     1888. 

')  Aehnlich  ist  es  auch  mit  anderem  Bakterienmateriale.  Grub  er  (7.  int. 
Congr.  f.  Hyg.  u.  Demogr.  London  1891.  —  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  11.  p.  115) 
constatirte  erhebliche  Differenzen  in  der  Eesistenz  von  Staphylococcus  aureus-Culturen 
verschiedener  Provenienz. 


28  -Ä--  Allgemeines. 

standsfälligen  Milzbrandbacillensporen  hielten  es  allerdings  in  einem 
einzigen  der  sehr  zahlreichen  v.  Esmarch'schen  Versuche  bis  zu 
zwölf  Minuten  in  dem  strömenden  Dampfe  von  100^  C.  aus,  ohne  ver- 
nichtet zu  werden:  die  Mehrzahl  der  Sporen  zeigt  sich  jedoch  bereits 
nach  fimf  Minuten  veniichtet.  In  dem  strömenden  Wasserdampfe  von 
100*^  C.  haben  wir  denmach  ein  für  alle  Zwecke  der  Praxis  ge- 
nügendes, absolut  zuverlässiges  Desinfectionsmittel.  Die  modernen 
Desinfectionsanstalten,  wie  sie  von  Gemeindeverwaltungen  zum 
öffentlichen  Gebrauche  in  den  Städten  eingerichtet  werden,  wenden 
fast  ausschliesslich  den  strömenden  Wasserdampf  an.  Im  Laboratoriimi 
bedient  man  sich  für  die  Zwecke  der  Desinfection  resp.  Sterilisation 
durch  Dampf  des  sog.  Dampftopfes,  eines  mit  Filz  oder  Asbest 
umkleideten,  unten  geschlossenen,  oben  offenen  und  hier  mit  einem 
Deckel  versehenen  Zinkblechcylinders ,  dessen  Imieres  durch  einen  im 
unteren  Drittel  angebrachten  Eost  in  zwei  Abtheilungen  eingetheilt  ist, 
von  denen  die  untere  zum  Theile  mit  Wasser  gefüllt  wd.  während 
die  obere  zur  Aufnahme  der  zu  sterihsirenden  Gegenstände  dient;  das 
Wasser  wird  durch  die  Flamme  eines  unter  den  Kupferblechboden  des 
Cjlinders  gestellten  starken  Gasbrenners  in's  Kochen  gebracht. 

Noch  erheblich  stärker  keimtödtend  als  der  strömende,  ungespannte 
Dampf  von  100*^  C.  wirkt  der  gespannte  AVass  er  dampf  von 
höherer  Temperatur.  Globig^)  fand  bei  Gelegenheit  seiner 
Studien  über  im  Erdboden  vorkommende,  bei  hohen  Temperaturen 
wachsende  Bacillenarten  (cf.  oben  p.  23)  einen  eigenthümlichen,  durch 
rothe  Färbung  seiner  Colonien  ausgezeichneten,  übrigens  nicht  pathogenen 
Bacillus  („rother  Kartoffelbacillus"),  dessen  Sporen  eine  ganz  ungewöhn- 
liche Widerstandsfähigkeit  zeigen.  Die  letztere  geht  bei  Weitem  über  die 
der  Milzbrandbacillensporen  hinaus;  eine  grössere  Widerstandsfähigkeit 
organischer  Keime  ist  überhaupt  nicht  bekannt.  Diese  Sporen  wurden 
im  strömenden  Dampfe  von  lOO^C.  erst  nach  5^2 — 6  Stunden  vernichtet. 
„  gespannten  „  „  109 — 113*^  C.  lebten  sie  nach  45  Min.  noch, 
„  „         „    113— 116^  C.  wurden  sie  in  25  ]\Iin.  vernichtet, 

„    122-1230  C.      „       „    ,.  10    „ 
„  „  „         „  126    C.      „       ,.   ,.    3    ,.  ,, 

1270  c.      „        „    „    2    „ 
,,  „  „         „  ISO^C.      ..       ,.  augenblickl.  zerstört. 

Aus  der  vorstehenden  Tabelle  sieht  man,  dass  mit  steigender  Tem- 
peratur die  Desinfectionskraft  des  (gespannten)  Wasserdampfes  zunimmt, 


')  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  3.     ISST.    p.  331. 


n.  Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien.  29 

und  es  liegt  deshalb  sehr  nahe,  daran  zu  denken,  dass  an  Stelle  der 
niit  strömendem  Dampfe  arbeitenden  Apparate  \iel  besser  die  mit  ge- 
spanntem Dampfe  arbeitenden  Apparate  (Autoclav,  Digestor)  zu 
benutzen  wären.  Zweierlei  steht  jedoch  der  allgemeinen  Einführung 
der  letzteren  entgegen.  Wenn  ein  Desinfectionsapparat  mit  gespanntem 
Dampfe  arbeiten  soll,  so  setzt  dies  einen  hermetisch  verschliessbaren 
Raum  voraus,  in  welchem  die  Dämpfe  entwickelt  werden.  Es  ist  aber, 
bevor  der  genannte  Raum  geschlossen  wird,  unumgänglich  nothwendig, 
dass  auch  die  letzten  Spuren  atmosphärischer  Luft  aus  demselben  ent- 
fernt werden,  dass  nur  Dampf  in  ihm  enthalten  ist.  Denn  erhitzte 
Luft  ist  ein  sehr  unzuverlässiges  Desinfectionsmittel,  wie  wir  oben  ge- 
sehen haben,  und  es  würde  durch  das  Zurückbleiben  von  Luft  in  dem 
Apparate  der  Erfolg  der  Desinfection  ein  zweifelhafter  werden.  Der 
Zeitpunkt  aber,  in  welchem  alle  Luft  entfernt  ist,  ist  gar  nicht  ganz 
leicht  festzustellen;  es  erfordert  dies  jedenfalls  ein  besonders  geschultes 
Personal.  Der  zweite  Grund,  welcher  der  Einführung  derartiger  Apparate 
entgegensteht,  ist  der  der  Explosionsgefahr.  Zur  Aufstellung  derselben 
bedarf  es  stets  besonderer  polizeilicher  Genehmigung.  Beide  Punkte 
kommen  nicht  in  Betracht  bei  den  gebräuchlichen,  mit  ungespanntem 
Dampfe  von  100"^  C.  arbeitenden  Desinfectionsapparaten.  Jeder  Damjjf- 
desinfectionsapparat  sollte  übrigens  so  constrairt  sein,  dass  der  Dampf 
an  der  obersten  Stelle  des  Desinfectionsraumes  in  den  letzteren  ein- 
geleitet wird,  und  dass  er  an  der  untersten  Stelle  desselben  wieder  aus- 
tritt. Da  der  Dampf  specifisch  leichter  ist  als  die  atmosphärische  Luft,  so 
kommt  nur  bei  dieser  Anordnung  eine  möglichst  schnelle  Verdrängung 
der  Luft  durch  den  Dampf  zu  Stande. 

Man  hat  übrigens  daran  gedacht,  inigespannten  Wasserdampf  von 
100  0  Q,  üijer  stark  erhitzte  Metallflächen  streichen  zu  lassen,  um  ihm 
dadurch  eine  höhere  Temperatur  zu  verleihen,^  ohne  dass  dabei  seine 
Spannung  eine  höhere  würde.  Solcher  ungespamiter  strömender  über- 
hitzter Dampf  verhält  sich  aber,  vde  Versuche  von  v.  Esmarchi) 
gezeigt  haben,  in  seiner  keimtödtenden  Kraft  genau  wie  erhitzte  trockene 
Luft,  d.  h.  er  ist  für  die  Zwecke  der  Desinfection  im  Allgemeinen 
ebenso  unbrauchbar  wie  heisse,  trockene  Luft. 

Die  Gebrauchsgegenstände  des  täglichen  Lebens,  welche  in  den 
Desinfectionsanstalten  mit  strömendem  Wasserdampfe  behandelt  werden, 
vertragen  im  Allgemeinen  diese  Procedur  ausgezeichnet.  Kleider,  Wäsche, 
Betten,  Bücher  kommen  aus  dem  Apparate  unversehrt  hervor.  Sie 
trocknen   an   der  Luft   in   kürzester  Frist   und   sind   dann  wieder  ge- 


0  Zeitsebrift  f.  Hygiene.     Bd.  :^.     188^ 


30  A.  Allgemeines. 

brauch sfäliig.  ISTur  Leder  macht  hierin  eine  Ausnahme.  Leder  wird 
durch  die  Dampfbehandhmg  in  eine  starre,  brüchige,  absolut  unbrauch- 
bare Masse  verwandelt. 

Die  im  Vorhergehenden  geschilderten  Methoden  der  Desinfection 
durch  höhere  Temperaturen  verwenden  HitzegTade  von  100^  C.  oder 
darüber.  Gelegentlich  der  Besprechung  der  Bereitung  der  bakterio- 
logischen Nährböden  werden  wir  eine  Methode  kennen  lernen,  welche 
eine  sichere  Sterilisirung  für  gewisse  Zwecke  bei  erheblich  niediigeren 
Temperaturen  (um  c.  56^  C.)  ermöglicht  (cf.  Sterilisirung  des  Blut- 
serums). 

An  dieser  Stelle  sei  das  sogenannte  Pasteurisiren  erwähnt. 
Man  versteht  darunter  eine,  speciell  für  Milch  (und  Bier)  angewendete, 
Methode  des  Haltbarermachens  flüssiger  Nahrungsmittel  durch  kurz- 
dauernde Erhitzung  auf  70  —  75''  C.  und  nachfolgende  Abkühlung. 
Selbstverständlich  werden  vorhandene  Sporen  durch  das  Pasteurisiren 
nicht  beeinflusst. 

Ausser  durch  hohe  Temperaturen  kann  nun  eine  Sterilisirung 
oder  Desinficirung  auch  durch  chemische  Mittel  bewirkt  werden. 
Es  giebt  eine  ganze  Reihe  von  Körpern,  welche,  in  flüssiger  Form 
mit  Bakterienkeimen  kürzere  oder  längere  Zeit  in  Berührung  gebracht, 
die  letzteren  mehr  oder  weniger  schädigen  resp.  tödten.  Durch  grund- 
legende Versuche  R.  Koch's^)  wurde  der  Nachweis  erbracht,  dass 
solche  Körper  i  n  W  a  s  s  e  r  gelöst  sein  müssen,  damit  sie  auf 
die  Bakterienzelle  einwirken  können.  Oelige  oder  alkoholische  Lösungen 
haben  eine  desinflcirende  oder  keimtödtende  Wirkung  nicht.  Koch 
fand,  dass,  wie  dies  für  die  Desinfection  durch  Hitze  gilt,  so  auch 
einem  jeden  chemischen  Desinfectionsmittel  gegenüber  sich  Dauerformen 
und  vegetative  Formen  dm-chaus  verschieden  verhalten.  Die  letzteren 
werden  stets  erheblich  leichter  vernichtet  als  die  Sporen. 

Die  vegetativen  Formen  der  Bakterien  haben  im  Allgemeinen  die 
Eigenschaft,  dass  sie  die  völlige  Wasserentziehung,  das  Austrocknen, 
nur  kürzere  Zeit  ertragen.  Ln  Allgemeinen  werden  Bakteriem^mchs- 
formen  durch  wenige  Tage  langes  Trockenliegen  resp.  durch  wenige 
Tage  lang  andauernde  Wasserentziehung  getödtet.  Einzelne  Species 
sind  ausserordentUch  leicht  durch  Austrocknen  zu  vernichten.  Hierhin 
gehört  z.  B.  der  Choleravibrio,  Avelcher  nach  mehrstündigem  (etwa 
dreistündigem)  \m-klichem  Austroclmen 2)  nicht   mehr  keimfähig,    d.  h. 

1)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-A.     Bd.  1.     ISSl.     p.  250,  251. 

-)  Ein  wirkliches  Austrocknen  ist  in  kürzester  Zeit  nur  dann  zu  erreichen, 
wenn  die  bacillenartige  Flüssigkeit  in  dünnster  Schicht  angetrocknet  wird  (z.  B.  am 
Deckglase). 


IL  Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien.  31 

todt  ist.  Die  Dauerformen  der  Bakterien  hingegen  werden,  soweit 
unsere  Erfahrungen  reichen,  durch  auch  noch  so  lange  Wasserentziehung 
nicht  beeinflusst. 

Die  Kenntniss  dieser  Verhältnisse  ist  nothwendig,  wenn  man  das 
Verhalten  von  bestimmten  chemischen  Mitteln  Bakterien  gegenüber  zu 
prüfen  hat.  Als  Koch^)  z.  B.  die  Einwirkung  von  5proc.  Carbolöl 
(Olivenöl)  auf  Milzbrandbacillen  (nicht  Sporen)  studirte,  fand  er,  dass 
die  Bacillen  nach  sechstägigem  Aufenthalte  in  dem  Carbolöl  todt  waren. 
Genau  dasselbe  Resultat  erhielt  er  mit  1  proc.  Carbolöl,  genau  dasselbe 
auch  mit  reinem  Olivenöl.  Alle  diese  Körper  wii'kten,  ebenso  wie  eine 
5 proc.  alkoholische  Carbolsäurelösung,  auf  Milzbrandsporen  auch 
bei  monatelanger  Berührung  nicht  im  mindesten  ein.-)  Früher  schon 
hatte  R.  Koch^)  nachgewiesen,  dass  in  dünnen  Schichten  angetrocknete 
sporenfreie  Milzbrandbacillen  durch  das  Austrocknen  in  12 — 30  Stunden 
ihre  Keimfähigkeit  verlieren.  In  den  eben  geschilderten  Versuchen 
mit  den  öligen  Flüssigkeiten  haben  die  letzteren  also  nicht  nm*  nicht 
irgendwie  die  Tödtung  der  Bacillen  beschleimigt ,  sondern  sie  haben 
,  höchst  wahrscheinlich  sogar  etwas  conservirend  auf  die  Bacillen  gewii'kt, 
da  dieselben  sich  erst  nach  sechs  Tagen  abgestorben  zeigten.  Es  ist 
dies  \ielleicht  dadurch  zu  erklären,  dass  die  öligen  Flüssigkeiten  das 
völlige  Austrocknen  etwas  verzögerten. 

Die  oben  citirten  Koch'schen  Desinfectionsversuche  haben  eine 
Reihe  von  grundlegenden  Daten  festgestellt.  Koch*)  wies  die  völlige 
Unwirksamkeit  von  Alkohol,  von  Olycerin,  Chloroform, 
Schwefelkohlenstoff,  Benzol  auf  Milzbrandsporen  nach.  Er 
fand  andererseits,  dass  frisch  bereitetes  Chlor wasser,  Bromwasser 
(2:100),  Jod  wasser  gute  Desinficientia  sind.  Dieselben  vernichteten 
Milzbrandsporen  innerhalb  eines  Tages.  Dasselbe  that  1  proc.  wässerige 
Osmiumsäurelösung  sowie  Iproc.  wässerige  Kaliumperman- 
ganatlösung.  Terpentinöl  brauchte  fünf  Tage,  5proc.  wässerige 
Eisenchloridlösung  sechs  Tage,  2proc.  wässerige  Salzsäure- 
lösung zehn  Tage,  Aether  dreissig  Tage,  um  dieselbe  Wirkung 
auszuüben.  Besonders  interessant  waren  die  Ergebnisse  für  wässerige 
C  a  r  b  0 1  s  ä  u  r  e  1  ö  s  u  n  g  e  n.    Eine  1  proc.  sowohl  wie  eine  2  proc.  Lösung 


1)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1881.     p.  251. 

2)  Wie  Teu scher  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  9,  1890.  p.  510)  gefunden  hat, 
bleiben  sehr  widerstandsfähige  Mlzbrandsporen  in  reinem  crystalUsirten  Phenol 
(Carbolsäure) ,  welches  im  Brütschrank  flüssig  gehalten  wird,  bis  zu  4^/,>  Tagen  ent- 
wickelungsfähig. 

=)  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.     Bd.  2.     187(3.     p.  291. 
*)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1881.    p.  263  ff. 


32  ^-  Allgemeines. 

wirkten  nicht  mit  Sicherheit  auf  Milzbrandsporen ;  eine  Sprue.  l)raiichte 
sieben  Tage,  eine  4proc.  drei  Tage,  eine  5proc.  zwei  Tage,  mn  Milz- 
brandsporen zu  vernichten.  Die  letzteren  Zahlen  gelten  jedoch  nicht 
für  Milzbrandsporen  jedweder  Provenienz.  Nach  den  oben  (p.  27) 
citirten  Ermittelungen  von  E.  v.  Esmarch  giebt  es  Milzbrandsporen, 
welche  die  Einwirkung  5proc.  wässeriger  Carbolsäurelösung  länger  als 
vierzig  Tage  ohne  Schädigung  ertragen. 

Als  das  mächtigste  chemische  Desinfectionsmittel  ergab  sich  bei  den 
Koch 'sehen  Versuchen  das  Quecksilberchlorid  (Sublimat). 
Durch  eine  ^/-^^proc.  wässerige  Lösung  dieses  Körpers  zeigten  sich 
Milzbrandsporen  innerhalb  weniger  Minuten  vernichtet.  Die  Milzbrand- 
sporen wurden  bei  diesen  Versuchen ,  an  kurzen  S e i d e n f ä d e n 
angetrocknet,  dem  Desinfectionsmittel  ausgesetzt.  Nach  gewisser 
Zeit  wurden  die  Seidenfäden  aus  der  Sublimatlösung  herausgenommen, 
mit  Wasser  und  (zur  Entfernung  der  letzten  Reste  des  in  Wasser 
schwer  löslichen  Sublimats)  mit  Alkohol  abgespült  und  dann  zur  Unter- 
suchung der  Keimfähigkeit  auf  künstlichen  Nährboden  oder  in  den 
Körper  eines  für  ]\Iilzbrand  empfänglichen  Versuchsthieres  gebracht. 
Ein  Ausbleiben  der  Entwickelung  von  Milzbrandbacillen  in  den  Culturen 
resp.  das  dauernde  Gesundbleiben  des  Thieres  wurde  als  beweisend 
angesehen  für  die  gelungene  Sporenvemichtung. 

Später  hat  jedoch  Geppert^)  gezeigt,  dass  das  Ausbleiben  des 
Auskeimens  und  der  weiteren  Entwickelung  der  Milzbrandsporen  unter 
den  geschilderten  Umständen  nicht  jedesmal  mit  Sicherheit  als  end- 
gültige Vernichtung  der  Sporen  aufgefasst  werden  darf.  Geppert 
wies  nach,  dass  den  Sporen,  welche  mit  Sublimatlösung  behandelt,  mit 
Wasser  und  Alkohol  abgespült  sind,  immer  noch  geringe  Reste  von 
Sublimat  anhaften,  und  dass  diese  Reste  es  sind,  welche  die  fernere 
Ent\nckelung  der  Sporen  auf  den  geeignetsten  Nährböden  verhindern. 
Durch  kürzere  oder  längere  Behandlung  der  Sporen  mit  Schwefel- 
amnioniuni  oder  mit  anderen  Quecksilber  ausfällenden  Lösungen  Hessen 
sich  diese  Sublimatreste  aus  den  Sporen  entfernen,  und  dann  waren 
die  Sporen  wieder  fähig,  auf  künstlichen  Nährböden  oder  im  Thierkörper 
auszukeimen,  d.  h.  Culturen  zu  bilden  resp.  Lifection  zu  veranlassen. 
Die  Versuche  von  Geppert  haben  gezeigt,  dass  im  Durchschnitt  eine 
20  Stunden  lange  Einwirkung  der  ^loP^'^c  Sublimatlösung  auf  die 
Milzbrandsporen  erforderlich  ist,  um  dieselben  so  weit  zu  schädigen, 
dass  sie  (nach  erfolgter  Ausfällung  des  Sublimats)  keine  Infection  mehr 


^)  Berl.  klin.  AVocheiischr.  1SS9.     No.  36,  37.  —  Deutsche  med.  Wochenschr. 
1891.     No.  37. 


n.  Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien.  33 

veranlassen.  Die  so  geschädigten  Sporen  geben  aber  immer  noch  zu 
Cultiu-en  auf  künstlichem  Nährboden  Veranlassung.  Erst  nach  drei 
Tage  langer  Beeinflussung  der  Sporen  durch  die  Sublimatlösung  erlischt 
die  Fähigkeit  der  Auskeimung  auf  künstlichem  Nährboden.^)  Geppert 
stellte  übrigens  seine  Versuche  nicht  mit  Seidenfäden,  an  denen  Sporen 
angetrocknet  sind,  an;  diese  Seidenfäden  setzen  dem  Eindringen  des 
Desinfectionsmittels  immer  einen  gewissen  Widerstand  entgegen;  er 
stellte  sich  vielmehr  eine  dünne  Aufschwemmung  isolirter  Sporen  in 
Wasser  dar  und  schuf  dadurch  die  denkbar  günstigsten  Bedingungen 
für  die  Einwirkung  der  Desinfectionsflüssigkeit  auf  die  Sporen. 

Sublimatlüsungen  sowohl  wie  Carbolsäurelösungen  gewinnen  durch 
Zusatz  von  Säuren  ganz  erheblich  an  keimtödtender  Kraft.  Ausser- 
dem hat  der  Zusatz  von  Säure  (^/g  ^Jq  Salzsäure  oder  Weinsäure)  zu 
Sublimatlüsungen  noch  den  Vortheil,  dass  sich  die  letzteren  selbst  bei 
Benutzung  gewöhnlichen  Wassers  dauernd  unzersetzt  halten,  was  ohne 
diesen  Zusatz  nur  bei  Anstellung  der  Flüssigkeit  mit  reinstem  destil- 
lirtem  Wasser  und  Aufbewahrung  im  Dunkeln  der  Fall  ist.  Statt  der 
Säure  kann  auch  Kochsalz  als  Zusatz  genommen  werden.-) 

Die  sogenannte  rohe  Carb Ölsäure,  ein  in  Wasser  unlösliches 
Gemisch  verschiedener  Phenole,  harziger  Stoffe  und  anderer  Körper, 
vermochte  Laplace^)  durch  Vermischen  mit  roher  Schwefelsäure  in 
eine  wasserlösliche  Substanz  („rohe  Schwefelcarb Ölsäure") 
überzuführen,  die  sehr  erhebliche  desinficirende  Eigenschaften  hat. 
C.  Fraenkel^)  hat  gefunden,  dass  diese  Eigenschaften  noch  wesent- 
lich zunehmen,  wenn  die  Mischung  nicht,  wie  es  Laplace  that,  bei 
höherer  Temperatur,  sondern  im  Gegentheil  unter  energischer  Abküh- 
lung durch  Eis,  vorgenommen  wird.  In  der  resultirenden  Flüssigkeit 
sind  durch  den  Säurezusatz  die  höher  (bei  185 — 205"  C.)  siedenden 
Homologen  des  Phenols,  die  Methylphenole  oder  Kresole,  welche  in 
der  rohen  Carbolsäure  in  unlösHchem  Zustande  vorhanden  waren, 
wasserlöslich  geworden;  diese  Körper,  die  Kresole,  sind  mit  ganz 
hervorragenden  keimtödtenden  Eigenschaften  ausgestattet. 

An  dieser  Stelle  mag  auch  das  englische  (Pearson"sche, 
Jeyes'sche)  Creolin  erwähnt  werden,  welches  ein  Gemisch  von  Seife, 
Kohlenwasserstoffen,  Pyridinen  und  Phenolen   ist,   und   welches   unter 


^)  Wie  weit  für  dieses  Stadium  der  Sporenschädigung  „der  bisher  übliche  Be- 
griff der  Abtödtung"  zutrifft,  lässt  Geppert  dahingestellt. 

^)  cf.  Angerer,  Centr.  f.  Chir.  1887.  Xo.  7.  —  Laplace,  Deutsche  med. 
Wochenschr.     1887.    No.  40.    —   Michaelis,  Zeitschrift  für  Hyg.     Bd.  4.     1888. 

*)  Deutsche  med.  Wochenschr.    1888.    No.  7. 

^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  6.     1889. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  3 


34  A.  Allgemeines. 

Umständen,  nämlich  wenn  es  in  eiweissfreien  Lösungen  auf  Bakterien- 
keime einwirkt,  ein  vortreffliches  Desinfectionsmittel  ist  (Behring).^) 
Das  Lysol,")  ein  Präparat,  welches  wasserlöslich  gemachte  Kresole'^) 
enthält,  ist  dem  Creolin  an  desinficirender  Kraft  noch  überlegen 
(Schottelius*),  Gerlach^j). 

Als  brauchbares  Desinfectionsmittel  hat  sich  femer  der  A  e  t  z  k  a  1  k 
herausgestellt:  namentlich  für  Faeces,  für  Abortgruben  verdient  der- 
selbe Empfehlung  (E.  Pfuhl ^)).  Für  denselben  Zweck  ist  auch  das 
Saprol^),  ein  oeliges,  auf  Wasser  schwimmendes,  an  Phenol  mid 
Kresolen  reiches  Präparat,  im  Gebrauch.  ^) 

Schimmelbusch  erkannte  in  der  kochenden  Iproc.  wäs- 
serigen Sodalüsung  ein  äusserst  kräftig  wirkendes  Desinfections- 
mittel ;  dasselbe  zerstört  sehr  resistente  Milzbrandsporen  in  2  Minuten.  ®) 

Gasförmige  Desinfectionsmittel  haben  sich  im  All- 
gemeinen nicht  als  zuverlässig  erwiesen.  Ein  wichtiger  hierher  ge- 
höriger Körper,  auf  den  sich  neuerdings  die  Aufmerksamkeit  mehr 
gelenkt  hat,  ist  der  Forma Idehyd.  Über  seine  bakterienschädigen- 
den Eigenschaften  hat  zuerst  L  o  e  w  ^^)  berichtet.  Der  Formaldehyd  ist 
in  etw^a  40proc.  wässriger  Lösung  („Formal in ")^^)  im  Handel  zu 
haben.  Das  Formalin  wird  (nach  den  Empfehlungen  von  Haus  er 
[siehe  hinten  Abschnitt  V,  3] )  in  der  bakteriologischen  Praxis  besonders 
zur  Conservirung  von  Bakterienculturen  verwendet. 

An  dieser  Stelle  mag  auch  das  Jodoform  erwähnt  sein.  Dieser 
Körper  verdankt  die  Bedeutung,  welche  er  für  die  praktische  Chirurgie 
hat,  nicht  bakterientödtenden  Eigenschaften  in  dem  gewöhnlichen  Sinne. 
Das  Jodoform  entfaltet  nur  dann  antiseptische  Wirksamkeit,  wenn  es 
zersetzt  wird;   dies   geschieht   z.  B. ,   wenn   das  Jodoform   in   inficii'te 


^)  Deutsche  militärärztl.  Zeitschr.     IS 88.     Xo.  8. 

^)  Erzeuger :  S  c  b  ii  1  k  e  &  M  a  y  r ,  Hamburg. 

^)  Das  Verfabren  der  Darstellung  stebt  unter  Patentschutz. 

*)  Müncb.  med.  Wochenschr.     1890.     No.  19,  20. 

")  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  10.     1891. 

«)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  6  und  7.     1889;  Deutsche  med.  Wochenschr.    1892. 
p.  879. 

')  Erzeuger:  Dr.  H.  Xördlinger  in  Bockenheim  bei  Frankfurt  a.  M. 

«)  cf.  Laser,  Centralbl.  f.  Bakt.   Bd.  12.    1892.    p.  229;  A.  Pfuhl,  Zeitschr. 
f.  Hyg.    Bd.  15.    1893.    p.  192. 

ö)  Arb.  a.  d.  chir.  Klin.  d.  K.  Univ.  Berbn.     b.  Theil.     1891.     p.  78. 
1*»)  Ges.  f.  Morph,  u.  Phys.  zu  München.     1.  Mai  1888;  offic.  Protokoll  Müncb. 
med.  Wochenschr.    1888.    p.  412. 

^^)  cf.   Prosi^ect    der   „Chem.    Fabr.    auf  Actien   (vorm.   E.    Schering)"    vom 
März  1893. 


II.  Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien.  35 

Wunden  gebracht  wird.  Mit  den  Stoffwechselproducten  der  Bakterien 
geht  das  Jodoform  wechselseitige  Zersetzungen  ein,  wodurch  antiseptisch 
Avirkende,  lösliche  Jodverbindungen  entstehen  (Behring^)). 

Wenn  vni  hier  die  wichtigsten  chemischen  keimtödtenden  Mttel 
kurz  betrachtet  haben,  so  wollen  wir  andererseits  darauf  verzichten, 
die  vielerlei  anderen  chemischen  Körper,  welche  auf  ihre  keimtödtenden 
Eigenschaften  untersucht  worden  sind ,  zu  berühren.  - )  Es  sei  aber 
auf  eine  Eeihe  wichtiger  principieller  Punkte  hingewiesen,  die  bei 
Prüfung  chemischer  Körper  auf  ihre  desinficirenden 
(b  a  k  t  e  r  i  e  n  s  c  h  ä  d  i  g  e  n  d  e  n )  Wirkungen  zu  beachten  sind.  ^)  Zu- 
nächst kommt  es  sehr  an  auf  die  chemische  Beschaffenheit 
des  Desmfectionsobjectes,  d.  h.  des  Mediums,  in  welchem  das  Mittel 
auf  die  Bakterien  einwirkt.  Wie  Behring  fand,  werden  z.  B.  Milz- 
brandbacillen,  die  in  Wasser  vertheilt  sind,  schon  in  wenigen  Minuten 
durch  einen  Subhmatgehalt  von  1 :  500  000  sicher  getödtet,  in  Bouillon 
erst  durch  einen  Gehalt  von  1:40  000,  während  in  Blutserum,  wenn 
die  Desinfection  in  wenigen  ]\Iinuten  erfolgen  soll,  ein  Sublimatgehalt 
von  1:2000  noch  nicht  immer  ausreicht.  Boer^j  fand,  dass  bei  ein- 
zelnen Bakterienarten  die  Widerstandsfähigkeit  gegen  Desinfections- 
mittel  eine  verschiedene  ist  je  nach  der  chemischen  Eeaction 
des  Mediiuns,  in  welchem  sie  sich  befinden.  Ferner  gilt  der  Desinfec- 
tionswerth,  den  ein  bestimmtes  Mittel  der  einen  Bakterienart  gegen- 
über besitzt,  durchaus  nicht  ohne  Weiteres  für  das  Verhalten  des 
Mittels  gegen  jede  beliebige  andere  Bakterienart.  Femer  kommt  es, 
wie  das  bereits  aus  den  oben  (p.  31  j  cith-ten  Koch'schen  Desinfec- 
tionsuntersuchungen  hervorgeht,  an  auf  die  Dauer  der  Einwirkung 
des  Desinfectionsmittels.  Je  kürzere  Zeit  ein  Mittel  eimvirkt,  in  desto 
stärkerer  Lösung  muss  es  vorhanden  sein,  damit  derselbe  Effect  er- 
zielt wird.  Ein  weiterer,  ausserordentlich  wichtiger  Punkt  ist,  -wie 
A.  H  e  n  1  e  ^)  gefunden  hat ,  die  T  e  m  p  e  r  a  t  u  r ,  bei  welcher  das  Des- 
inüciens   einwirkt.     Je    höher   die  Temperatur,  um   so  energischer  der 


1)  cf.  Behring,   Deutsche   med.  Wochenschr.    1SS2.    p.  147;  1887,    p.  422. 

^)  Eine  ausführliche  Darstellung  des  derzeitigen  Standes  der  Frage  der  Des- 
infection durch  chemische  Älittel  findet  man  bei  Behring  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  9. 
1890),  ferner  in  dem  Buche  „Bekämpfung  der  Infectionskrankheiten.  Infection  und 
Desinfection.     Leipzig  (G.  Thieme)  1894"  desselben  Autors. 

•^)  In  den  nachfolgenden  Zeilen  lehne  ich  mich  an  die  eben  citirten  Arbeiten 
Behring's  an.  —  Bezüglich  des  praktischen  Vorgehens  bei  Desinfec- 
tionsprüfungen  siehe  p.  36,  Anm.  6. 

*)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  9.    1890. 

•')  Arch.  f.  Hyg.     Bd.  9.     1889. 

3* 


36  -Ä-  Allgemeines. 

Desinfectionseffect. ' )  Auch  kommt  es ,  wie  zuerst  (unabhängig  von 
einander)  Buchner-)  und  Nissen'^)  betont  haben,  auf  die  Zahl 
der  Bakterienzellen  an,  welche  im  gegebenen  Falle  abzutödten  sind. 
Eine  grössere  Anzahl  erfordert  eine  grössere  Menge  des  Mttels.  Ferner 
muss  man  die  Prüfung  auf  die  eventuell  erfolgte  Ab- 
tödtung  der  Bakterien,  oder,  was  dasselbe  ist,  die  Prüfmig,  ob  ihre 
Keimfähigkeit  erhalten  geblieben  ist,  einwandsfi'ei  einrichten.  Es 
kommt  vor,  dass  Bakterien,  die  der  Einwirkung  eines  Mittels  unter- 
worfen wurden,  bei  der  nachfolgenden  Prüfung  ihrer  Entwickelungs- 
fähigkeit,  wenn  dieselbe  bei  einer  der  Art  weniger  zusagenden  Temperatur 
vorgenommen  wird,  nicht  wachsen,  während  sie  dagegen  sofort  sich 
weiter  entwickeln,  wenn  sie  in  möglichst  günstige  Temperaturverhält- 
nisse gebracht  werden.  Man  muss  deshalb  die  Prüfung  stets  bei  dem 
Temperaturoptimum  der  zu  dem  Versuche  benutzten  Bakterienart 
anstellen.  Endlich  hat  Gruber^)  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
(da  nach  der  Ein^virkung  des  Desinfectionsmittels  die  Auskeimung  häufig 
verlangsamt  istj  es  nothwendig  ist,  die  B  e  o  b  a  c  h  t  u  n  g  s  z  e  i  t  bei 
der  Prüfimg  der  event.  erhaltenen  Keimfähigkeit  möglichst  lange 
auszu  dehne  n.'^)  ^) 


1)  Heider  (Centralbl.  f.  Batt.  Bd.  9.  1891.  p.  221  und  ArcL.  f.  Hyg. 
Bd.  15.  1892)  theilt  mit,  dass  JMilzbrandsporen ,  die  durch  36tägige  Einwirkung 
von  5proc.  Carbolwasser  bei  Zimmertemperatur  nicht  vernichtet  wurden,  bei  55*^0. 
in  1 — 2  Stunden  durch  dasselbe  Desinfectionsmittel  zerstört  wurden.  Bei  75"  C. 
waren  3  Minuten  erforderhch ;  3  proc.  Carbolwasser  tödtete  dieselben  Sporen  bei  dieser 
Temperatur  in  15  Minuten,  Iproc.  Carbolwasser  in  2 — 2^1^  Stunden.  —  Nocht 
(citirt  nach  Behring,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  9.  1890.  p.  448  und  „Bekämpfung 
der  Infectionskrankheiten.  Infection  und  Desinfection.  Leipzig  (G.  Thieme)  1894." 
p.  120)  fand,  dass  eine  bestimmte  Sorte  von  Milzbrandsporeu  bei  37,5**  C.  abgetödtet 
wurde  durch  5 proc  Carbolwasser  in  3  Stunden,  durch  4 proc.  in  4  Stunden,  durch 
3 proc.  in  24  Stunden,  während  durch  2 proc.  Carbolwasser  bei  37,5**  C  eine  Ab- 
tödtung  nicht  erfolgte.  —  Für  Seifenlösungen  hat  J  oll  es  (Zeitschr.  f.  Hyg. 
Bd.  19.  1895.  p.  136  und  138)  festgestellt,  dass  sie  (auf  Typhusbaeillen  und  Bact. 
coH  commune)  bei  4 — 8**  C.  bedeutend  stärker  abtödtend  wirken  als  bei  18**  resp. 
30"  C.  Hier  ist  also  der  Desinfectionseffect  bei  der  niedrigeren  Temperatur  grösser 
als  bei  der  höheren. 

•-)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  6.     1889.     p.  10. 

»)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  6.     1889.     p.  495. 

')  7.  int.  Congr.  f.  Hyg.  u.  Demogr.  London  1891.  —  Centralbl.  f.  Bakt. 
Bd.  11.    p.  116. 

■^)  So  sah  Grub  er  Milzbrandsporen,  die  24  Stunden  in  ^I^qI^toc.  Sublimat- 
lösung  gelegen  hatten,  manchmal  erst  nach  7  Tagen  auskeimen,  obwohl  sie  im 
Uebrigen  weiter  nicht  geschädigt  und  insbesondere  noch  voUvirulent  waren. 

**)  Liegt  in  der  Praxis  die  Aufgabe  vor,  eine  chemische  Substanz  resp. 
deren   Lösung  auf    ihre    desinficirenden   Eigenschaften    zu    prüfen,   so 


II.  Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien.  37 

Es  sei  noch  auf  eine  interessante  allgemeine  Beziehung  hin- 
gewiesen, die  zwischen  der  Giftigkeit  chemischer  Körper  für  Bakterien 
und  ihrer  Giftigkeit  für  den  thierischen  Organismus  zu  hestehen  scheint. 
Behring^)  fand  für  eine  ganze  Anzahl  von  hakterienschädigenden 
(antiseptischen)  Stoffen,  dass  die  tödtliche  Dosis  derselben  für  ein 
Kilo  Kaninchen  oder  Maus  ziemlich  genau  ein  Sechstel  beträgt  von 
derjenigen   Dosis,   welche   in    einem   Kilo   Blutserum   das  Wachsthum 


verfährt  man  zu  diesem  Zwecke  im  Allgemeinen  so,  dass  man  znnäcbst  die  Einwirkung 
dieser  Substanz  auf  Milzbrandsporen  untersucht.  Man  stellt  sich  eine  sporen- 
haltige  Milzbrandcultur  dar  (siehe  hinten  unter  Milzbrandbacillus) ,  mit  der  man  in 
folgender  Weise  verfahrt:  Nach  dem  Vorgange  von  Koch  (cf  oben  p.  32)  tränkt 
man  kurze  (etwa  l^/.j  cm  lange)  Seiden fäden,  die  man  zunächst  durch  stunden- 
lange Erhitzung  im  Dampftopf  sicher  sterilisirt  hat,  mit  einer  Aufschwemmung  der 
Milzbrandsporen  in  (durch  längeres  Auskochen)  sterihsirtem  Wasser.  Nachdem  die 
Fäden  dann  aus  der  Sporensuspeusion  entfernt  sind,  lässt  man  sie  (unter  Vermeidung 
von  Verunreinigungen)  trocknen.  Es  kommt  nun  zunächst  darauf  an,  die  Eesistenz 
des  verwendeten  Sporenmaterials  (cf  oben  p.  27)  gegen  Beeinflussung 
mit  bekannten  Desinfectionsmitteln,  nämlich  Wasserdampf  von  lOO'^C. 
und  (bei  Zimmertemperatur  einwirkendem)  5proc.  Carbolwasser,  kennen  zu  lernen: 
Man  hängt  eine  Reihe  von  Fäden  —  einzeln  in  kleine,  aus  (im  Dampf)  sterihsirtem 
Fliesspapier  gebildete,  Packetchen  eingeschlagen  —  in  den  Dampftopf  hinein,  nimmt 
dann  Minute  für  Minute  je  einen  Faden  heraus,  um  ihn  —  mit  Hülfe  einer  durch 
Ausglühen  sterilisirten  Pincette  —  in  je  em  Reagenzglas  mit  Nährbouillon  einzutragen, 
das  in  den  Brütschrank  gestellt  wird.  Man  erfährt  auf  diese  Weise  weiterhin,  an 
welchen  von  den  Fäden  die  anhaftenden  Milzbrandsporen  abgetödtet  sind,  an  welchen 
nicht;  man  weiss  dann  ohne  Weiteres,  wieviel  IVIinuten  der  Beeinflussung  durch  den 
strömenden  Wasserdampf  nothwendig  sind,  um  die  verwendeten  Sporen  zu  tödten. 
In  ähnlicher  Weise  geht  man  auch  bei  der  Bestimmung  der  Resistenz  gegen  das 
5proc.  Carbolwasser  vor.  Nur  wird  man  hier  nicht  Minute  für  Minute,  sondern 
immer  in  Zwischenräumen  von  mehreren  Tagen  je  einen  Sporenfaden  aus  der  Carbol- 
lösung  nehmen  (Einschlagen  in  Papiersäckchen  ist  hier  selbstverständlich  nicht  noth- 
wendig), der  dann  zunächst  in  sterilisirtem  Wasser  abgespült  und  hinterher  in  Nähr- 
bouillon gebracht  wird.  Hat  man  sich  so  eine  Anschauung  von  der  Resistenz  seines 
Sporenmaterials  verschafft,  so  kann  man  nun  Seidenfäden,  welche  mit  gleichwerthigem 
Sporenmaterial  getränkt  sind,  verwenden,  um  die  Wirkung  der  zu  prüfenden  chemischen 
Substanz  auf  dieses  Material  festzustellen ;  man  bekommt  auf  diese  Weise  Aufschluss 
darüber,  wie  sich  die  Wirkung  der  zu  prüfenden  Substanz  resp.  einer  bestimmten 
Lösung  derselben  im  Vergleich  zu  der  Wirkung  des  strömenden  Dampfes  resp.  des 
5proc.  Carbolwassers  stellt.  — Häufig  wird  es  gar  nicht  darauf  ankommen,  dass  ein 
so  resistentes  Material,  wie  es  Milzbrandsporen  sind,  durch  ein  bestimmtes  Desinfec- 
tionsmittel  vernichtet  wird.  Dies  wird  z.  B.  der  Fall  sein,  wenn  das  Mittel  speciell 
für  die  Desinfection  von  Choleraausleerungen  etc.  gebraucht  werden  soll.  In  solchem 
FaUe  nimmt  man  als  Testmaterial  keine  JMilzbrandsporen ,  sondern  anderes,  dem 
jeweihgen  Falle  entsprechendes  Bakterienraaterial ,  welches  man  in  zweckmässiger, 
ebenfalls  dem  specieUen  Falle  angepasster  Weise  mit  der  zu  prüfenden  chemischen 
Substanz  in  Berührung  bringt. 

')  cf  Zeitschr.  f  Hyg.     Bd.  6.     1SS9.     p.  475  ff. 


38  A.  Allgemeiues. 

der  ]\Iilzbranclbacillen  verhindert.  Behring  nennt  diese  Beziehimg 
die  „relative  Giftigkeit"  und  sagt:  die  relative  Giftigkeit  von 
Carbolsäure,  Sublimat,  Jodtrichlorid,  Creoün  u.  s.  w.  ist  gleich  6.  Für 
den  thierischen  Organismns  nngiftige  Antiseptica  werden  sich  wohl 
kaum  auffinden  lassen. 

Allgemein  bekannt  ist  die  grosse  Bedeutung,  welche  die  Verhält- 
nisse, die  bei  der  künsthchen  Vernichtung  der  Bakterien,  speciell  der 
Vernichtung  durch  chemische  Mittel,  in  Frage  kommen,  für  die  operative 
Medicin,  für  Chirurgie  und  Geburtshülfe  haben.  Der  moderne  Chirurg 
kommt  relativ  seltener  in  die  Lage ,  antiseptisch  vorgehen  zu 
müssen;  dagegen  ist  es  stets  seine  erste  Sorge,  „aseptisch"  zu 
arbeiten,  d.  h.  mit  keimfreien  Fingern,  keimfreien  Instrumenten,  keim- 
freien Verbandstoffen  zu  operiren.  Fürbringer.^)  welcher  sich  bemüht 
hat,  ein  möglichst  sicheres  Verfahren  zur  Desinfection  der  Hände 
zu  finden,  wendet  nach  einander,  je  eine  ]Vlinute  lang,  an:  Seife  mit 
Bürste  und  warmem  Wasser,  Alkohol  (mindestens  80  procentig),  2promill. 
Sublimatlösung.  Diese  Methode  hat  bereits  eine  grosse  Verbreitung 
gefunden.  —  Die  Verbandstoffe  werden  jetzt  meist  im  strömenden 
Wasserdampfe  sterilisirt  und  in  dadurch  geschaffenem  keimfi-eien  Zu- 
stande ohne  Zusatz  antiseptischer  Substanzen  verwendet.  Zur  Sterili- 
sirung  chirurgischer  Metallinstrumente  verfährt  man  nach 
Ermittelungen  von  Schimmelbusch-)  am  besten  so,  dass  die  In- 
strumente zunächst  mechanisch  sorgfältig  gesäubert,  dann  in  1  proc. 
wässeriger  Sodalösung  (cf  oben  p.  34)  5  Mnuten  lang  gekocht  werden. 
Die  so  sicher  sterihsirten  Instrumente  werden  bis  zum  Gebrauch  in  eine 
wässerige  Lösung  gelegt,  die  l  ^/^  Soda  und  1  ^/^  Carbolsäure  enthält. 

Am  Schlüsse  dieses  Kapitels  wollen  wir  noch  auf  die  mächtigen 
Wirkungen  hinweisen,  die  dem  Lichte'^)  den  Bakterien  gegenüber 
zukommen  (cf.  p.  20).  Durch  directes  Sonnenlicht  werden  ]Milz- 
brandsporen  in  Bouillon  binnen  wenigen  Stunden  vernichtet  (Arloing).^) 
Aber  auch  das  zerstreute  Tageslicht  hat  deutlich  bakterien- 
schädigende Eigenschaften.  Cultaren  der  Tuberkelbacillen  sterben, 
wenn  sie  dicht  am  Fenster  aufgestellt  sind,  in  5 — 7  Tagen  ab  (Koch). •'^j 


^)  Untersuchungen  und  Vorschriften  über  die  Desinfection  der  Hände  des 
Arztes  etc.    Wiesbaden.     1888. 

2)  Arbeiten   a.  d.  chir.  Klinik  d.  K.  Univ.  Berhn.     5.  Theü.     1S91.     p.  46  ff. 

^)  Die  Literatur  über  diesen  Gegenstand  findet  man  bei  Kaum  (Zeitschr.  f. 
Hyg.  Bd.  6.  1889),  bei  Janowski  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  8.  1890.  p.  IGT  ff.), 
ferner  bei  Dieudonne  (Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-A.     Bd.  9.     1894.     p.  412). 

*)  Arch.  de  phys.  norm,  et  pathol.    t.  7.    1886. 

°)  10.  internat.   med.  Congress.     Berlin,  1890;   Verhandlungen  Bd.   1.     p.  42. 


II.  Allgemeine  Lebensbedingungen  der  Bakterien.  39 

Unter  den  das  weisse  Licht  zusammensetzenden  Strahlen  scheinen  be- 
sonders den  blauen  und  violetten,  d.  h.  den  stärker  brechbaren  Strahlen, 
bakterienschädigende  Eigenschaften  zuzukommen.  Die  Thatsache  wurde 
bereits  (1877)  von  Down  es  und  Blunt,^)  welche  die  erste  Ent- 
deckung bezüglich  der  bakterienschädigenden  Wirkung  des  Lichtes 
machten,  ermittelt.  Ebenso  erkannten  diese  Autoren  bereits  die  grosse 
Bedeutung,  welche  der  freie  Sauerstoff  bei  der  Belichtung  des 
Bakterienmaterials  hat.  Ohne  die  Gegenwart  freien  Sauerstoffs  scheint 
Bakterienschädigung  durch  Licht  nicht  einzutreten.  Durch  Richard- 
son^)  sowie  durch  Dieudonne.-")  ist  später  festgestellt  worden,  dass 
die  Belichtung  von  bakterienhaltigen  Flüssigkeiten  resp.  Culturen  bei 
Sauerstoffanwesenheit  die  Production  von  Wasserstoffsuperoxyd 
veranlasst,  welches  seinerseits  als  kräftiges  Desinfectionsmittel  die  Bak- 
terienschädigung bewirkt.  Santori**)  sowie  Kruse '^)  stellten  fest, 
dass  die  bakterienschädigende  Wirkung  des  Lichtes  um  so  grösser  ist, 
je  höher  die  begleitende  Temperatur.  Eine  einfache  Methode,  den 
schädigenden  Einfluss  des  Lichtes  zu  demonstriren  (theilweise  Belich- 
tung dichtbesäeter  Agarplatten  vor  der  Auskeimung)  hat  H.  B  u  c  h  n  e  r  *^) 
beschrieben. 

In  den  letzten  Jahren  ist  auch  mehrfach  über  bakterienschädigende 
Wirkungen  der  Electricität  berichtet  worden.  ' )  Selbstverständlich  hat 
man  bei  der  Beurtlieilung  solcher  Wirkungen  auf  die  rein  chemische 
Wirkung  eventuell  durch  Electrolyse  gebildeter  Körper  stets  Rücksicht 
zu  nehmen. 


')  Proceed.  of  the  Royal  Soc.  of  London,     vol.  2(i. 

'-)  Journ.  ehem.  Soc.  1893.  1.  1109—1130;  ref.  Ber.  d.  Deutsch.  Chem.  Ges. 
26.  Jahrg.    Bd.  4.    p.  823. 

")  Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-A.     Bd.  9.     1894. 

*)  cf.  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  8.     1890.     p.  738. 

'')  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  19.     1895.     p.  324. 

«)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  12.    1892.    No.  7/8;  Arch.  f.  Hyg.    Bd.  17.    1893. 

')  Die  Literatur  über  diesen  Gegenstand  siehe  bei  Spilker  und  Gottstein 
(Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  9.  1891.  No.  3/4)  sowie  bei  S.  Krüger  (Zeitschr.  f. 
klin.  Med.     Bd.  22.     1893). 


III. 

Allgemeine  Lebensäusserungen  der  Bakterien. 

IJei  dem  Wachsthuni  und  der  Vermehrung  der  Bakterien  treten 
eine  gTosse  Eeihe  Aon  Erscheinnngen  zu  Tage,  die  in  letzter  Linie 
meist  darauf  zurückzuführen  sind,  dass  durch  den  Lebensprocess  der 
Bakterien  die  complicirten  Verbindungen,  aus  denen  der  Nährboden 
zusammengesetzt  ist,  in  einfachere  übergeführt  werden.  So  wie  aber 
eine  jede  einzelne  Art  ihre  eigenen  specifischen  Lebensbedingungen 
hat,  so  sind  auch  die  Processe,  welche  mit  dem  Bakterienwachsthum 
verknüpft  sind,  und  die  Erscheinungen,  welche  durch  dasselbe  ver- 
anlasst werden ,  die  L  e  b  e  n  s  ä  u  s  s  e  r  u  n  g  e  n ,  für  die  einzelnen  Arten 
verschieden. 

Was  die  chemischen  Processe  betrifft,  die  bei  dem  Wachs- 
thum  der  Bakterien  in  die  Erscheinung  treten,  so  können  hierbei  (als 
Stoffwechselproducte)  die  einfachsten  chemischen  Verbindungen 
gebildet  werden:  Kohlensäure,  Wasserstoff,  Methan,  Schwefelwasserstoff,^) 


^)  Nach  Untersuchungen  von  Petri  und  Maassen  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  11. 
1892.  No.  9/10;  Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.  Bd.  8.  1893.  p.  326,  338  ff.) 
sowie  nach  Untersuchungen  von  Stagnitta-Balistreri,  die  im  Eubner 'sehen 
Institut  ausgeführt  wurden  (Arch.  f.  Hyg.  Bd.  16.  1892),  ist  die  Schwefelwasser- 
stoffbildung eine  weit  verbreitete  Eigenschaft  der  Bakterien.  Stagnitta  con- 
statirte,  dass  die  Zusammensetzung  des  Nährbodens  von  wesentHcher  Bedeutung 
bezüghch  des  Zustandekommens  der  Schwefelwasserstoffbildung  und  bezüglich  der 
Quantität  des  gebildeten  Schwefelwasserstoffs  ist.  Eubner  (Arch.  f.  Hyg.  Bd.  16. 
1892)  hat  nachgewiesen,  dass  der  zur  Bildung  des  Schwefelwasserstoffs  noth wendige 
Schwefel  ganz  allgemein  aus  organischen  Schwefelverbindungen  des  Nähr- 
bodens entnommen  wird.  —  Der  Nachweis  der  Schwefelwasserstoffbildung  bei  Bak- 
terienculturen  wird  sehr  bequem  durch  Einhängung  eines  mit  Bleizuckerlösung 
getränkten  Fliesspapierstreifchens  in  das  Culturgefäss  geführt.  Bei  Schwefelwasser- 
stoffentwickelung tritt  Schwärzung  (Bildung  von  Schwefelblei)  ein  (cf.  Schrank, 
Wien.  med.  Jahrbücher.  1888.  p.  313).  Auch  kann  die  Schwefelwasserstoffbildung 
dadurch  nachgewiesen  werden ,  dass  man  bei  dem  Anstellen  der  Cultur  das  untere 
Ende  des  die  Cultur  verschliessenden  Wattepfi'opfs  mit  Bleizuckerlösung  tränkt. 
Fromme  (Diss.  Marburg  1891.  —  Eef.  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  12.    p.  274)  stellt 


III.  Allgemeine  Lebensäusseriuigen  der  Bakterien.  41 

Ammoniak  u.  dgi.  Ferner  kommt  es  bei  den  Zersetzmigen  des  Nähr- 
bodens zm-  Bildung  der  verschiedenartigsten  Fermente^)  oder  Enzyme. 
So  giebt  es  Bakterienarten,  welche  dia statische  Fermente  bilden 
(d.  h.  solche,  die  Stärke  in  Tranbenzucker  umwandeln);  andere  bilden 
invertirende  Fermente  (Umwandlung  von  Rohrzucker  in  Trauben- 
zucker) ;  andere  Bakterienarten  bilden  j)  e  p  t  o  n  i  si  r  e  n  d  e  Fermente,  d.  h, 
solche,  die  geronnenes  Eiweiss,  erstarrte  Gelatine  lösen  (peptonisiren); 
andere  Bakterien  bringen  durch  Production  von  Labferment  Mich 
zur  Gerinnung  (Ausfällung  des  Caseins). 

Ferner  werden  durch  Bakterien  die  verschiedenartigsten  Gäh- 
rungen^)  zu  Stande  gebracht.  Unter  Gährung  versteht  man  die 
Zerlegung  organischen  Materials  unter  Gasentwickelung.-')  Eine  Anzahl 
von  Arten  vergährt  Zucker"')  unter  Bildung  von  Milch  säur  e'^j  (Milch- 
säur e  g  ä  h  r  ü  n  g) ;  andere  vergähren  Stärke  und  Zucker  unter  Bildung 
von  B  u  1 1  e  r  s  ä  u  r  e  (B  u  1 1  e  r  s  ä  u  r  e  g  ä  h  r  u  n  g) ;  l)ei  den  beiden  Arten 
der  Gährung  wird  zugleich  Kohlensäure,  bei  der  Buttersäuregährung 
ausserdem  Wasserstoff  gebildet.  Weitere  Arten  der  Gährung  sind  die 
besonders  in  Wein  auftretende  schleimige  oder  M  a  n  n  i  t  g  ä  h  r  u  n  g, 
welche  durch  Bildung  einer  fadenziehenden,  schleimigen  Gummiart  und 
von  Mannit    imd  Kohlensäure    aus  Traubenzucker    characterisirt    ist; 


sich  behufs  des  Schwefelwasserstoffnaehweises  eine  Eisengelatine  her  (Zusatz  von 
3**/o  Eisentartarat  oder  Eisensaccharat  zu  Nährgelatine).  Dieser  Xährboden  zeigt 
durch  Schwarzfarbung  (Bildung  von  Schwefeleisen)  Schwefelwasserstoffbildung  an.  — 
Neben  der  Schwefelwasserstoffbildung  ist  auch  die  Production  von  (Methyl-)  Mer- 
captan  eine  weit  verbreitete  Eigenschaft  der  Bakterien  (Nencki  und  Sie  her, 
Monh.  f.  Chemie.  Bd.  10.  18S9.  p.  526  ff.;  Eubner,  Arch.  f.  Hyg.  Bd.  19.  1893. 
p.  184;  Pe'tri   und   Maassen,   Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-A.     Bd.  8.    1893.     p.  498). 

^)  cf.  Flügge,  Die  Mikroorganismen.     2.  Aufl.     Leipzig  1886.     p.  466  ff. 

-)  cf.  Flügge,  1.  c.  p.  483  ff. 

^)  Dies  ist  die  Definition  der  Gährung  im  engeren  Sinne.  Man  fasst  jedoch 
den  Begriff  der  Gähi-ung  heutzutage  vielfach  etwas  weiter  und  versteht  auch  solche 
Zerlegungen  darunter,  bei  denen  Gasentwickelung  fehlt. 

■*)  Verschiedene  Zuckerarten  verhalten  sich  gegenüber  den  Bakterien  verschieden. 
Es  giebt  zahlreiche  Bakterienarten,  welche  zwar  Traubenzucker  (Dextrose,  Glycose), 
aber  nicht  Milchzucker  anzugreifen  vermögen,  während  es  wiederum  andere  Ai'ten 
giebt,  die  sowohl  Traubenzucker  wie  Milchzucker  vergähren, 

^)  Nencki  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  9.  1891.  p.  304)  hat  darauf  aufmerk- 
sam gemacht,  dass  von  differenten  Bakterienarten  differente  (isomere)  Milchsäuren 
gebildet  werden  können,  und  dass  die  durch  diese  Isomerien  bedingten  physikalischen 
und  chemischen  Unterschiede  unter  Umständen  zur  Differentialdiagnose  einander  ähn- 
licher Spaltpilzarten  benutzt  werden  können.  —  Pere  (Ann.  de  Tlnst.  Pasteur  1893. 
p.  739,  740)  fand,  dass  die  Ai-t  der  gebildeten  IVIilchsäure  bei  einer  und  derselben 
Bakterienart  und  bei  einer  und  derselben  Zuckerart  verschieden  sein  kann  je  nach 
der  verschiedenen  Stickstoffnahrung,  die  den  Bakterien  geboten  wird. 


42  -^-  Allgemeines. 

ferner  die  Essiggährung  (Verwandlung  des  Aethylalkohols  durch 
Oxydation  in  Essigsäure).  Eeraer  ist  hier  zu  nennen  die  ammonia- 
kalische  Harnsto f f g ä h r u n g  (Spaltung  des  Harnstoffs  in  Kohlen- 
säure und  Ammoniak). 

Zu  den  Gährungen  gehören  auch  die  verschiedenartigen  Fäul- 
nis s  p  r  o  c  e  s  s  e  /)  d.  h.  die  Zersetzungen  stickstoffhaltiger  organischer 
Massen  unter  Enthindung  stinkender  Producte  (Eiweissgährung). 
Im  Allgemeinen  hat  man  zwei  verschiedene  Arten  der  Zersetzung  der 
complicirten  stickstoffhaltigen  organischen  Verbindungen,  der  Eiweiss- 
stoffe,  durch  Bakterien  zu  unterscheiden.  Die  eine  ist  die  F  ä  u  1  n  i  s  s , 
die  andere  die  Verwesung.  Die  Fäulnis s  (unter  der  wir,  wie 
eben  gesagt,  die  Zersetzung  des  Eiweissmoleküls  unter  Auftreten  stin- 
kender Producte  verstehen)  findet  fast  immer  unter  Abschluss  von 
Sauerstoff^)  statt.  Sie  wird  bedingt  durch  den  Lebeusprocess 
anaerober  Bakterien ;  sie  stellt  einen  R e d u c t i o n s p r o c e s s ^j  dar. 
Im  Gegensatz  dazu  bildet  die  Verwesung  einen  Oxydations- 
pro c  e  s  s ;  ^)  sie  findet  statt  unter  der  Mitwirkung  von  atmosphärischem 
Sauerstoff. 

Die  Fäuluissprocesse  gehen  selbstverständlich  um  so  schneller  vor 
sich,  je  günstiger  che  Temperaturverhältnisse  für  das  Wachsthum  der 
betheiligten  Bakterien  hegen.  Mau  kann  deshalb  Objecte  (Fleisch  etc.), 
welche  leicht  in  faulige  Zersetzung  tibergehen,  durch  Halten  bei  niedriger 
Temperatur  einigermassen  conserviren.  Dass  aber  selbst  bei  0*^  C. 
Fäulniss  stattfindet  (wenn  auch  relativ  langsam)  hat  Forst  er,  dem 
wir  (cf.  oben  p.  23 j  die  Entdeckung  bei  0"  wachsender  Bakterienarten 
verdanken,  nachgewiesen.'^) 

Bei  der  Fäulniss  werden  nie  so  einfache  Verbindungen  gebildet 
wie  bei  der  Verwesung,  aus  der  schliesslich  die  allereinfachsten  anorga- 
nischen Verbindungen,  Mtrate,  Sulfate,  Kohlensäure,  hervorgehen. 

^)  cf.  Flügge,  1.  c.  p.  493  S. 

-}  In  Ausnahmefcällen  können  auch  bei  Sauerstoffanwesenheit  stin- 
kende Producte  bei  der  Zerlegung  der  Eiweisskörper  durch  Bakterien  entstehen. 

'^)  Nach  Behring  sind  mit  der  stinkenden  Fäulniss  regelmässig  energische 
Eeductionsprocesse  verbunden.       (Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  7.     1889.     p.  185.) 

■*)  Bei  der  Verwesung  beerdigter  Körpertheile  im  Boden  kommt  es  zu  erheb- 
lichen Temperatursteigerungen  im  Innern  der  verwesenden  (resp.  faulenden)  Organe, 
die  besonders  dann  beträchtlich  werden,  wenn  es  sich  um  Organe  handelt,  die  von 
(gewissen)  Infectionskrankheiten  herstammen,  (cf.  Schottelius,  Centralbl.  f.  Bakt. 
Bd.  7.     1890.     No.  9;  Karlinski,  ebenda  Bd.  9.     1S91.     No.  13.) 

^)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  12.  1892.  p.  434.  —  In  Fleischbrei,  welcher  bei 
0"  C.  gehalten  wurde,  fand  Forster  nach  16  Tagen  (neben  unzähligen  Bakterien) 
etwa  ebensoviel  Zersetzungsproducte  wie  in  dem  gleichen  Fleische,  welches  6  —  7  Tage 
bei  7 — 9**  C.  oder  2  Tage  bei  Zimmertemperatur  gehalten  worden  war. 


III.  Allgemeine  Lebensäusserungen  der  Bakterien.  43 

Pa stein-,  welcher  diese  Vorgänge  bekanntlich  zum  Gegenstande 
umfassender,  grundlegender  Untersuchnngen  gemacht  hat,  hat  dadiu'ch 
zuerst  Aufklärung  gegel)en  über  die  wichtige  allgemeine  Rolle,  die  den 
Bakterien  in  dem  Haushalte  der  Natur  zugewiesen  ist.  Das  organische 
Leben  producirt  fortlaufend  Massen  von  complicirten  stickstoffhaltigen 
Verbindungen.  Den  Bakterien  fällt  die  Aufgabe  zu,  diese  complicirten 
Verbindungen  in.  einfachere,  in  einfachste,  anorganische,  für  die  höhere 
Pflanzenwelt  assimilii-bare  Verbindungen  überzuführen ;  die  Pflanzenwelt 
sorgt  dann  ihrerseits  im  Verein  mit  der  Thierwelt  wieder  für  den  Aufbau 
des  complicirt  zusammengesetzten  Eiweissmoleküls  aus  diesen  einfachsten 
Verbindungen.  So  dienen  die  Bakterien  als  Vermittler  organischen 
Sterbens  und  Lebens;  durch  ihre  Mtwh'kung  wird  es  ermöglicht,  dass 
die  organische  Welt  im  Gleichgewichte  bleibt. 

Von  ganz  besonderer  Bedeutung  sind  die  geschilderten  Verhältnisse 
für  die  L an dwirth schaff.  Wenn  das  Feld  gedüngt  ist,  so  müssen 
die  complicirten  organischen  Verbindungen,  welche  der  Dünger  enthält, 
zunächst  durch  einen  durch  Bakterien  bedingten  Verwesungsvorgang 
in  die  einfachsten,  für  die  Pflanzen  assimilirbaren  Verbindungen  über- 
geführt werden.  Dies  kann,  wie  erörtert,  nur  unter  Sauerstoffzutritt 
geschehen;  und  es  ist  deshalb  eine  Auflockerung  des  Erdreiches  resp. 
eme  grobporige  Bodenbeschaffenheit  erforderlich,  damit  nicht  nur  an 
der  Oberfläche  des  Bodens,  sondern  auch  mehr  m  die  Tiefe  hinein  der 
Sauerstoff  Zutritt  hat.  Em  gewisser  Wassergehalt  des  Bodens  ist  zum 
Zustandekommen  der  Verwesungsprocesse  natürhch  erforderlich;  denn 
ohne  Wasser  können  Bakterien  nicht  wachsen ;  ein  zu  grosser  AVasser- 
gehalt  aber  würde  die  Bodenporen  verschliessen  und  die  Entstehung 
von  Fäulniss  im  Boden  bedingen.  M  Der  wichtigste  Theil  des  Ver- 
wesungsvorganges im  Boden  wd  durch  die  sogenannte  „Nitrification"-) 
dargestellt.  Man  versteht  darunter  die  Oxydirung  des  (organischen) 
Stickstoffs  resp.  Ammoniaks  zu  Salpetersäure.  Schlösing  und  Müntz 
wiesen  (1877)  zuerst  nach,  dass  die  Nitrification  im  Boden  von  der 
Lebensthätigkeit  organischer  Wesen  abhängig  ist.  Nach  Winogradsky") 
setzt  sich  der  Nitrificationsprocess  aus  zwei  verschiedenen  Perioden  zu- 
sammen, nämlich  1)  der  Periode  der  Nitritbildung  und  2)  der  der  Nitrat- 
bildung. Jede  Periode  spielt  sich  ab  unter  dem  Einflüsse  specifischer, 
für  die  beiden  Perioden  verschiedener,  organisirter  Fermente  (Bakterien). 


^)  pf.  E.  Wollny,  Ueber  die  Beziehungen  der  Miki-oorganismen  zur  Agricultur. 
Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  1.     1887.     No.  15— IG. 

-)  Vergl.  hierüber  auch  das  Sammelreferat  von  Burri  (Centralbl.  f.  Bakt. 
2.  Abth.     Bd.  1.     1895.     p.  22  ff.). 

ä)  Ann.  de  Tlnst.  Pasteur.     1891.     p.  599. 


44  A.  Allgemeines. 

Die  Entwickelimg  und  Wirkung  der  Mtritl)ildner  (ferments  nitreux)  ist 
auf  Gegenwart  von  Ammoniak  angewiesen:  diese  Organismen  oxj'^diren 
das  Ammoniak  zu  Nitrit.  Die  Nitratbildner  (ferments  nitriques)  können 
in  Gegenwart  von  Ammoniak  nicht  existiren;  sie  oxjdiren  Nitrite  zu 
Nitraten.^) 

Auf  der  anderen  Seite  kommen  in  der  Natur  auch  in  weiter  Ver- 
breitung Bakterienarten  vor,  welche  Nitrate  zu  reduciren  vermögen. 2) 
lieber  ein  in  der  Natur  weit  verbreitetes  „Sulfidferment",  eine  Bakte- 
rienart, welche  die  Fähigkeit  hat,  Sulfate  zu  reduciren,  hat  jüngst 
B  e  y  e  r  i  n  c  k  ■='j  berichtet. 

Unter  den  bei  dem  Wachsthum  von  Bakterien  gebildeten  Stofl- 
wechselproducten  nehmen  einzelne,  chemisch  leicht  nachweisbare,  Körper 
wegen  des  Umstandes,  dass  sie  von  manchen  Arten  gebildet  werden, 
von  anderen  nicht,  in  Bezug  auf  die  Differentialdiagnose  der  Bakterien- 
arten eine  wichtige  Stellung  ein.  Hierher  gehört  z.  B.  das  Indol,*) 
ein  Product  der  Eiweisszersetzung. 

Die  chemische  Keaction  des  Nährbodens  vdid  durch  Bakte- 
rienwachsthum  fast  stets  geändert.  Man  kann  danach  die  Bakterien  in 
solche  eintheilen,  Avelche  Säuren,  und  in  solche,  welche  Alkalien 
produciren.'^j 


^)  Die  künstliche  Reinzüchtung  der  „Nitro bakterien"  gelingt  nach  W i n o - 
gradsky  (Ann.  de  l'Inst.  Pasteur.  1891.  No.  2)  auf  einem  festen  Nährboden, 
welcher  aus  einer  Lösung  von  Wasserglas  (Natriumsilicat)  unter  Zusatz  verschiedener 
Salze  hergestellt  wird.  —  Die  Kieselsäure  als  Nährboden  für  Mikroorganismen 
wurde  zuerst  von  W.  Kühne  (Zeitschr.  f.  Biol.  Bd.  27.  1890)  angegeben.  Siehe 
über  die  Bereitung  derartiger  Nährböden  auch  Sleskin  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  10. 
1891.     No.  7). 

-)  Eine  einfache  Methode,  Salpeter  reducirende  Arten  zu  isoliren,  hat  neuer- 
dings Beyerinck  (Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abth.  Bd.  1.  1895.  p.  58.  Anm.  2) 
angegeben.  Vgl.  über  nitratreducirende  Bakterien  auch  die  Arbeit  von  Burri  und 
Stutzer  (Centralbl.  f.  Bakt.    2.  Abth.    Bd.  1.    1895.    No.  7—12). 

3)  Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abth.  Bd.  1.  1895.  No.  1—3.  —  Diese  Art, 
„Spirillum  desulfuricans",  ist  in  Grabenschlamm  stets  zu  finden;  sie  gedeiht 
am  besten  bei  etwa  25*^  C,  wächst  nur  unter  absolutem  Abschluss  des  Sauerstoffs 
(cf.  oben  p.  22.  Anm.  1). 

"*)  Kitasato  (Zeitschr.  f.  Uyg.  Bd.  7.  1889.  p.  519),  ferner  Lewandowsky 
(Deutsche  med.  Wochenschr.  1890.  p.  1186)  haben  eine  Reihe  der  wichtigsten  Bak- 
terienarten auf  ihre  Fähigkeit,  ludol  (resp.  Phenol)  zu  bilden,  geprüft. 

•')  cf.  J.  Petruschky,  Bakterie -chemische  Untersuchungen.  (Centralbl.  f. 
Bakt.  Bd.  6.  1889.  No.  2.3—24,  Bd.  7.  1890.  No.  1—2.)  Der  Autor  stellte  seine 
Untersuchungen  an  einer  neutralen  Lackmusmolke  (mit  Lackmus  gefärbtes  Milch- 
serum) an.  (Der  Lackmuszusatz  zu  bakteriologischen  Nährböden  behufs  Erkeimung 
der  Aenderung  der  chemischen  Reaction  des  Nährbodens  ist  von  H.  Buchner  [Arch. 
f.  Hyg.     Bd.  3.     1885]    zuerst    angegeben.)      Es   kommt   bezüghch   der   unter    dem 


in.  Allgemeine  Lebensäusserungen  der  Bakterien.  45 

Unter  den  chemischen  Körpern,  welche  (als  Stoffvvechselproducte) 
l)ei  dem  Lebensprocesse  der  Bakterien  entstehen,  nehmen  eine  besondere 
Stellung  ein  die  sogenannten  Fäulnissalkaloide,  complicirte  stickstoff- 
haltige Verbindungen  basischer  Natur,  die  zum  Theil  giftig,  zum  Theil 
ungiftig  sind.  Diese  Körper  werden  (nach  Selmi)  als  „Ptomaine" 
(nTcojua  =  Leichnam)  bezeichnet,  da  sie  zunächst  namentlich  in  ge- 
faulten Leichentheilen  gefunden  wurden.  Nencki  war  (1876)  der 
Erste,  welcher  einen  derartigen  Körper  in  reinem,  krystallinischem  Zu- 
stande darstellte  und  seine  chemische  Zusammensetzung  ermittelte.  In 
der  Folge  hat  sich  um  die  Erforschung  dieses  Grebietes  l^esonders 
L.  Brieger^)  verdient  gemacht.  Eine  ganze  Reihe  von  Körpern, 
welche  hierher  gehören,  sind  von  B rieger  sowohl  aus  künstlichen 
Culturen  bestimmter  (meist  pathogenerj  Bakterienarten  wie  auch  aus 
Thierorganismen ,  welche  mit  bestimmten  Bakterienarten  inficirt  waren, 
dargestellt  worden.  Für  die  giftigen  Ptomaine  hat  Brieger  den 
Namen  „Toxine"  emgeführt.  Eine  Gruppe  anderer  giftiger  Stoff- 
wechselproducte  pathogener  Bakterienarten,  welche  keine  Alkaloide,  son- 
dern Eiweisskörper  sind  und  als  Toxalbumine  bezeichnet  werden, 
haben  Brieger  und  C.  Fraenkel'-^)  entdeckt. 

Die  genannten  giftigen  StoflFwechselproducte  spielen  eine  wesent- 
liche Rolle  bei  jeder  durch  Bakterien  veranlassten  Infectionskrankheit. 
Auf  die  durch  sie  bedingte  Intoxication  des  thierischen  Organismus  sind 
namentlich  die  allgemeinen  klinischen  Symptome,  welche  bei  Infections- 
krankheiten  beobachtet  werden,  zu  l)eziehen.  Wir  werden  dieses  Gebiet 
weiterhin  noch  zu  betrachten  haben. 

Es  ist  aber  hier  gleich  zu  bemerken,  dass  bei  dem  Wachsthimi 
der  Bakterien   nicht   nur  giftige  Stoff wechselpro du cte,    sondern 


Einflüsse  von  Bakterienwachsthum  sich  ausbildenden  Eeaction  die  ursprüngliche 
Zusammensetzung  des  Nährbodens  sehr  in  Betracht.  Kleine  Mengen  vou 
Traubenzucker  im  Nährboden  geben  häufig,  auch  bei  alkahbildenden  Bakterienarten, 
zu  einem  primären  Auftreten  von  freier  Säure  Veranlassung.  (Behring,  Zeitschr. 
f.  Hyg.  Bd.  7.  1S89.  p.  178.)  Ebenso  bilden  viele  Bakterienarten  auf  glycerin- 
haltigen  Nährböden  mehr  oder  weniger  beträchth che  Mengen  von  Säure  (v.  Somma- 
ruga,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  15.  1893.  p.  305).  Auf  den  gewöhnhchen,  mit  Pepton- 
bouillon  hergestellten,  zucker-  und  glycerinfreien  Nährböden  bilden  von  bekannten 
Arten  nur  der  Mlzbrandbacillus ,  der  IMicrococcus  tetragenus,  der  Wurzel-  und  der 
Heubacillus  Säure,  die  übrigen  Alkali  (v.  Sommaruga,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  12. 
1892.  p.  277,  278).  —  Ueber  Fettspaltung  (Ohvenoel  und  Einderfett)  durch 
Mikroorganismen  hat  v.  Sommaruga  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  18.  1894.  p.  441  ff.) 
systematische  Untersuchungen  angestellt. 

')  Untersuchungen  über  Ptomaine.  Berlin  (Hirsch wald).  1.  u.  2.  Theil  1885, 
3.  Theil  1886. 

-)  Berl.  khn.  Wochenschr.     1890.    No.   11-12. 


46  A..  Allgemeines. 

auch  andere  giftige  Körper  entstehen.  Es  sind  dies  solche  Körper, 
welche  sich  nicht  Avie  die  Stoff^^echselproducte  ausserhalb  der  Bakterien- 
zellen in  den  Nährsubstraten  gelöst  befinden,  sondern  die  im  Innern 
der  Bakterienzellen  selbst  vorhanden  sind,  ohne  Zweifel  einen 
wesentlichen  Theil  der  Zelle  ausmachen  und  gewöhnlich  nur  durch 
ganz  besonders  eingreifende  chemische  Manipulationen  (durch  die  die 
Zelle  jedesmal  abgetödtet  wird)  aus  der  Zelle  extrahirt  werden  können. 
Man  bezeichnet  diese  (eiweissartigen)  Körper  als  „Bakterienproteine". 

Zu  den  Lebensäusserungen  der  Bakterien  gehört  auch  die  Pro- 
duction  von  Farbstoffen  (cf.  oben  p.  9),  welche  z.  Th.  von  ausser- 
ordentlicher Schönheit  sind.  Man  nennt  die  Farbstoff  producirenden 
Bakterienarten  chromogene  Arten  (Pigmentbakterien).  Andere 
Arten  lassen  den  (durchsichtigen)  Nährboden  prachtvoll  fluoresciren: 
wieder  andere  leuchten  in  ihren  Cultm-en  im  Dunkeln  (phosphores- 
ciren). 

lieber  W  ä  r  ni  e  e  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  durch  Bakterien  hat  kürzlicb 
F.  Cohn^)  berichtet. 

Zu  den  Lebensäusserungen  der  Bakterien  gehört  endhch  die  Eigen- 
thümlichkeit  vieler  Ai'ten,  hn  Thier-  (oder  Pflanzen-)  Körper  Krank- 
heitsprocesse  hervorzurufen.  Wir  werden  die  hierher  gehörigen 
Verhältnisse  zum  Gegenstande  einer  besonderen  eingehenden  Betrach- 
tung- machen. 


^)  „Ueber  thermogeue  Bakterien"  (Ber.  d.  Deutsch.  Bot.  Ges.  1893;  ref.  Cen- 
tralbl.  f.  Bakt.     Bd.  15.     p.  424). 


IV. 
Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobaehtung. 


1.  Die  Ausrüstung  des  Arbeitstisches. 

Wenn  man  sich  mit  Bakterienuntersuchimgen  beschäftigen  will, 
so  braucht  man  zunächst  eine  Reihe  von  Instrumenten,  unter  denen 
das  Mikroskop  das  wesentlichste  ist. 

Das  Mikroskop  besteht  aus  einem  optischen  und  einem  me- 
chanischen Theile.  Von  diesen  ist  der  optische  Theil  der  wichtigere, 
und  man  wird  daher  bei  der  Beschaffung  eines  Mikroskopes  zunächst 
auf  eine  zweckentsprechende  Beschaffenheit  dieses  Theiles  zu  sehen 
haben.  Der  optische  Theil  des  Miki'oskopes  setzt  sich  aus  einem 
Beobachtungsapparat,  bestehend  aus  Objectiv  und'Ocular,  und 
aus  einem  Beleuchtungsapparat ,  bestehend  aus  Beleuchtungs- 
spiegel  und  Condensorsystem,  zusammen.  Die  genannten  opti- 
schen Stücke  werden  durch  das  sogenannte  Stativ  in  Verbindung 
mit  einander  gebracht.  Ihre  Stellung  zu  einander  kann  durch  beson- 
dere mechanische  Einrichtungen,  welche  sich  an  dem  Stative  vorfinden, 
je  nach  dem  vorliegenden  Bedürfnisse  modificirt  werden.  Es  ist  nun 
zwar  richtig,  dass  auch  mit  einem  mangelhaften  Stative,  falls  nur  der 
optische  Theil  des  Mikroskopes  gut  ist,  gearbeitet  werden  kann.  Wer 
geschickt  ist,  kann  sich  für  bestimmte  Zwecke  vorübergehend  mit  einem 
derartig  mangelhaften  Instrumente  behelfen.  Wer  aber  nicht  nur  vor- 
übergehend mit  dem  Mikroskope  arbeiten,  wer  Freude  am  mikroskopi- 
schen Arbeiten  haben  will,  wer  ein  universell  anwendbares  Instrimient 
braucht,  der  darf  nicht  bloss  auf  den  optischen  Theil  des  Mikroskopes 
Rücksicht  nehmen,  sondern  er  muss  darauf  sehen,  dass  auch  das  Stativ 
den  modernen  Anforderungen  genüge.  Beiden  Bedingungen,  nämlich 
den  optischen  sowohl  wie  den  mechanischen,    genügen  nur  die  Mikro- 


48  A.  Allgemeines. 

skope  leistungsfähigster  Werkstätten,  sogenannter  „erster  Firmen".^)  Man 
lasse  sich  nicht  durch  den  niedrigeren  Preis  verleiten,  ein  JVIikroskop 
zu  kaufen,  an  welchem  man  hinterher  beim  Grehrauch  einen  Fehler 
nach  dem  anderen  entdeckt. 

Bei  der  Anschafiung  eines  ]\Iikroskopes ,  welches  zu  Bakterienunter- 
suchungen bestimmt  ist,  sind  mm  eine  Eeihe  von  speciellen  Punkten 
zu  berücksichtigen.  Von  Objectiven  braucht  man  mindestens  zwei, 
nämlich  ein  schwaches  (Zeiss  AA,  Leitz  3)  und  ein  starkes  (Zeiss 
Oel-Immersion  2mm  oder  ^l^^'^  Leitz  Oel-Immersion  ^/la")»  ^on  Ocu- 
laren  ebenfalls  zwei  (Zeiss  2,  4,  Leitz  1,  4).  Man  hat  so  schwache 
Vergrösserungen  von  ca.  50  — 100  und  starke  von  ca.  500 — 1000 
zur  Verfügung.  Sehr  angenehm  ist  daneben  noch  der  Besitz  eines 
mittleren  Objectives  (Zeiss  DD,  Leitz  7),  welches  ca.  200 — 450fache 
Vergrösserung  giebt.  Der  Tubus  soll  sowohl  durch  groben  Trieb  wie 
durch  Miki'ometerschraube  verstellbar  sein.  Der  Objecttisch  darf 
nicht  zu  klein  sein,  so  dass  man  Culturplatten  bequem  untersuchen 
kann.  Das  Condensorsystem,  welches  zur  Beleuchtung  der  Objecto 
dient,  soll  nach  der  von  Abbe  (cf.  weiter  unten)  angegebenen  "Weise 
construh't  und  auf-  und  abwärts  (am  besten  durch  Trieb)  verschiebhch 
sein ;  der  Beleuchtungsspiegel  soll  in  seinem  Durchmesser  den  des 
Abbe'schen  Beleuchtungskörpers  etwas  überschreiten.  Sehr  nothwendig, 
kaum  zu  entbehren  für  Bakterienuntersuchungen,  ist  eine  Vorrichtung 
zum  schnellen  und  bequemen  Wechseln  der  Objective  (Revolver). 

Das  wesentlichste  und  bedeutendste  Stück  des  gesammten  Mikro- 
skopes  ist  das  „Oel-Immersions-System",  das  Objectivs3^stem, 
welches  wir  stets  benutzen,  wenn  es  sich  um  eine  möglichst  stark  ver- 
grösserte  Darstellung  des  Objectes  handelt.  Bei  diesem  System  wird 
die  Oberfläche  des  Deckglases  des  Präparates  mit  der  Fi'ontlinse  des 
Objectivs  stets  verbunden  durch  ein  Tröpfchen  emes  Oeles  (Cedeniöl), 
welches  dasselbe  Brechungsvermögen  für  das  Licht  (denselben  Brechungs- 


*)  Allen  voran  schreitet  die  Firma  Carl  Zeiss  in  Jena.  Diese  Firma  lässt 
sich  die  höchsten  Preise  bezahlen ;  sie  liefert  aber  auch  das  Beste.  Die  sogenannten 
„Apochr omat-Objective"  von  Zeiss  sind  das  Vollendetste,  was  von  Objectiven 
existirt.  Ebenso  wird  die  Firma  hinsichthch  der  übrigen  optischen  Theile  der  Mikro- 
skope sowie  hinsichthch  der  Stative  von  keiner  anderen  Firma  übertroffen.  In 
Berlin  sind  die  Zeiss 'sehen  Instrumente  vorräthig  bei  „Carl  Zeiss  Geschäfts- 
stelle Berlin,  früher  G.  König",  N.W.,  Dorotheenstrasse  29. 

Neben  Zeiss  sind  ferner  zu  nennen  Ernst  Leitz  in  Wetzlar  (die  äusserst 
preiswerthen  Instrumente  dieser  Firma,  welche  sich  in  der  Form  an  die  Z  e  i  s  s 'sehen 
anlehnen,  werden  für  die  Zwecke  bakteriologischer  Untersuchung  sehr  viel  verwendet), 
W.  &  H.  Seibert  in  Wetzlar,  Dr.  E.  Hartnack  in  Potsdam,  C.  Eeichert 
in  Wien  und  Andere. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Baktenenbeobachtung.  49 

Exponenten)  besitzt  wie  das  Glas.  Es  wird  also  zwischen  Deckglas 
und  Objectivfrontlinse  durch  das  dazwischen  gebrachte  Cedernöl  eine 
optisch  homogene  Verbindung  hergestellt  („Homogene  Immersion") 
Die  von  dem  Objecte  ausgehenden  Strahlen  gelangen  ohne  irgend 
welche  Ablenkung  in  das  Objectiv.  Es  gelangt  also  ein  viel  grösserer 
von  dem  Objecte  ausgehender  Strahlenkegel  zur  Wirkung,  als  es  ohne 
die  Zwischenlage  des  Cedemöles  der  Fall  sein  würde ;  d.  h.  das  Leis- 
tungsvermögen eines  solchen  Objectivs  (das  Abbildungs-  oder  Auf- 
lösungsvermögen^)) muss  viel  grösser  sein  als  das  Leistungs- 
vermögen eines  Systems  von  derselben  Vergrösserung,  bei  welchem  sich 
zwischen  Deckglas  und  Objectiv  eine  Luftschicht  befindet  („Trocken- 
system"); das  Leistungsvermögen  muss  auch  grösser  sein  als  das 
eines  Systems,  welches  nur  Wasser  als  Immersions-Flüssigkeit  ver- 
wendet   („Wasser-Immersions-System"). '•^)      Die    Immersions- 


^)  Man  versteht  hierunter  die  Fähigkeit  mikroskopischer  Objective,  feine  Struc- 
turen,  Details  innerhalb  der  Objecte  zur  Darstellung  zu  bringen.  Das  Abbildungs- 
vermögen hat  seinen  Sitz  einzig  und  allein  in  der  Function  der  Oeffnung  des 
Objectivsystems.  Es  steht  unter  allen  Umständen  in  geradem  Verhältnisse 
zu  der  numerischen  Apertur  (siehe  die  folgende  Anmerkung). 

^)  Die  in  ein  Objectivsystem  tretende  Strahlenmenge  wird  gemessen  durch  den 
Oeffnungs Winkel  des  Systems.  Der  Üeffnungswinkel  hat  seinen  Scheitel  im 
Brennpunkte  des  Systems ;  seine  Schenkel  werden  gebildet  durch  zwei  einander  gegen- 
überliegende ManteUinien  des  von  dem  Brennpunkte  ausgehenden,  in  das  System 
eintretenden  Strahlenkegels.  Der  Oeffnungswinkel  kann  naturgemäss  niemals  den 
Grenzwerth  von  ISO*'  erreichen.  Die  Brechungsverhältnisse,  welche  bei  Benutzung 
eines  Trockensystems  an  der  Oberfläche  des  Deckglases  statthaben,  bringen  es  nun 
mit  sich,  dass  einem  von  dem  Deckglase  ausgehenden,  die  Luft  durchsetzenden 
Strahlenkegel  von  bestimmter  (beispielsweise  von  ISO**)  Weite  ein  erhebhch  engerer 
ursprünglich  von  dem  Objecte  ausgehender,  das  Deckglas  durchsetzender  Strahlen- 
kegel entspricht;  der  letztere  würde,  den  Brechungsexponenten  des  Glases  zu  1,52 
gerechnet,  in  unserem  Beispiele  nur  82**  17'  Weite  haben.  Da  nun  bei  der  homo- 
genen Immersion  eine  jede  Ablenkung  der  Strahlen  zwischen  Object  und  Objectiv 
wegfäUt,  so  nimmt  ein  Oel-Immersions-System  mit  einem  Oeffnungswinkel  von  82°  17' 
genau  dieselbe  Sti'ahlenmenge  auf  wie  ein  ideales  (übrigens  praktisch  unmöghches) 
Trockensystem  mit  einem  Oeffnungswinkel  von  180**.  Die  blosse  Angabe  des  Oeffnungs- 
winkels  eines  Systems  ohne  Angabe,  ob  es  sich  um  ein  Trockensystem,  um  Wasser- 
oder Oel-Immersion  handelt,  giebt  also  keinen  Ausdruck  für  die  Leistungsfähigkeit  des 
Systems.  Aus  diesem  Grunde  hat  Abbe  den  Begriff  der  „numerischen  Apertur" 
geschaffen.  Derselbe  berücksichtigt  zu  gleicher  Zeit  den  Oeffnungswinkel  und  den 
Brechungsexponeuten  des  zwischen  Deckglas  und  Objectivfrontlinse  befindlichen  Me- 
diums. Man  erhält  die  numerische  Apertur,  wenn  man  den  genannten  Brechungs- 
exponenten mit  dem  Sinus  des  halben  Oeffnungswinkels  multipHcirt.  Der  maximale 
Grenzwerth  der  numerischen  Aperturen  beträgt,  wie  sich  aus  dem  Gesagten  leicht 
ableiten  lässt,  für  Trockensysteme  1,0,  für  Wasser -Immersionen  1,33,  für  homogene 
Immersionen  1,.52. 

Güntlier,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  4 


50  A.  Allgemeines. 

Methode  ist  von  Amici,  die  homogene  Immersion  von  Stephen- 
son  erfunden.  Die  ersten  derartigen  Ohjective  wurden  von  Abbe^j 
und  Z  e  i  s  s  construii't. 

Ausser  dem  Mkroskope  brauchen  wir  für  die  Bakterienbeobachtung 
resp.  für  die  Darstellung  von  Bakterienpräparaten  eine  Reihe  von 
Utensilien,  deren  nothwendigste  etwa  folgende  sind : 

Objectträger.  Dieselben  sollen  von  Aveissem  Glase,  etwa 
1,2  mm  (jedenfalls  nicht  über  1,5  mm)  dick  sein.  Das  gangbarste 
Format  ist  das  sogenannte  englische  (26:76  mm). 

Objectträger  mit  hohlem  Ausschlifi"  (hohlgeschliffene  Object- 
träger). 

Deckgläser.  Man  benutzt  am  bequemsten  quadratische  Deck- 
gläser von  18  mm  Seitenlänge.  Die  Dicke  soll  etwa  0,15— 0,17  mm 
betragen.  Sind  die  Deckgläser  mehrere  Hundertstel  Millimeter  dicker, 
so  gelingt  es  oft  bei  Schnitten  nicht  mehr,  das  Object  mit  starken 
Objectiven  in  allen  seinen  Theilen  einzustellen;  sind  sie  dünner,  so 
zerbrechen  sie  zu  leicht  beim  Reinigen-)  etc. 

Flaschen,  Glasschälchen,  Glastrichter  von  verschie- 
dener Grösse. 

Weite  Standgefässe  von  Glas  mit  eingeschliffenem  Stöpsel 
zum  Härten  von  Organstücken. 

Kleine  Glas f laschen  mit  weitem  Hals  und  übergreifendem, 
lose  aufsitzendem  glockenförmigem  Verschluss  zur  Aufnahme  von  C  e- 
dernöl  und  Canadabalsam.  Xach  Abnahme  des  Verschlusses 
sieht  ein  kleiner,  frei  m  der  Flasche  stehender  Glasstab  zur  Flaschen- 
öffaung  heraus,  mit  Hülfe  dessen  die  genannten  Flüssigkeiten  tropfen- 
weise herausgenommen  werden  können. 

Zwei  Glasmensuren  von  10  und  100  ccm  Inhalt. 


^)  Abbe:  Ueber  Stephenson's  System  der  homogenen  Immersion  bei  Mikroskop- 
Objectiven.    (Sitz.-Ber.  d.  Jenaischen  Gesellsch.  f.  Med.  u.  Xaturwiss.  10.  Januar  1879.) 

^)  Die  Deckgläser  werden  von  Staub  etc.  am  besten  so  gereinigt,  dass  man 
sie.  (in  grösseren  Mengen)  zunächst  mit  Alkohol  übergiesst,  den  man  dann  von  den 
einzelnen  Gläschen  mit  dem  Lappen  wegwischt.  GewöhnMch  bleiben  auf  den  Deck- 
gläsern auch  bei  dieser  Behandlung  mit  Alkohol  noch  Spuren  von  Fett  zurück;  die- 
selben werden  am  besten  durch  Erhitzen  der  Gläser  in  der  nicht  leuchtenden  Flamme 
des  Bunsen 'sehen  Brenners  entfernt.  Das  Fett  lässt  sich  auch  so  entfernen,  dass 
man  die  sauber  geputzten  Deckgläser  (in  grösseren  Mengen)  in  den  Trockenschrank 
(cf.  oben  p.  26)  bringt  und  dort  längere  Zeit  auf  hohe  Temperaturen  erhitzt.  — 
Alte,  gebrauchte  Deckgläser,  die  mit  Canadabalsam  etc.  beschmutzt  sind,  reinige 
ich  auf  die  Weise,  dass  ich  sie  kurze  Zeit  in  kochender  Sodalösung  halte,  dann 
mit  Wasser  abspüle,  durch  Salzsäure  von  dem  anhaftenden  Calciumcarbonat  befreie, 
■wiederum  in  Wasser  und  schliesslich  in  Alkohol  gebe,  aus  dem  sie  dann  heraus- 
genommen werden,  um  mit  dem  Lappen  abgetrocknet  zu  werden. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  51 

Uhrschälchen  von  c.  60  mm  Durchmesser. 
Mehrere,   kleinere   und  grossere,  nicht  zu  stark  federnde  ')  Pin- 
cetten. 

Eine  sich  auf  Druck  öfliiende  (sogenannte  Cornet'sche)  Deck- 
glaspincette. 

Skalpells,  Scheren. 
Feine  Nähnadeln,  Xadelh alter. 

Ein  kleiner  Messingspatel,  dessen  Ebene  man  etwa  2  cm 
vom  Ende  entfernt  stmnpfwinklig  imibiegt. 

Platindrähte,   nicht   zu   dümi,    etwa    60 — 70    mm   lang,    an 
Glasstäben  angeschmolzen,  z.  Th.  mit  ösenförmig  gebogenem  Ende. 
B  n  n  s  e  n  b  r  e  n  n  e  r  oder  S  p  i  r  i  t  u  s  1  a  m  p  e. 
Fliesspapier,  Tuschpinsel,  Leinwandlappen,  Präpa- 
ratenetiketts,   Cartons    resp.    Kästchen    zur    Aufoahme    von 
Präparaten  u.  s.  w. 

Sehr  angenehm  ist  es  ferner,  ein  gutes  Mikrotom  zur  Hand 
zu  haben.  Hier  sind  besonders  die  Instrumente  der  Firmen  J  u  n  g  in 
Heidelberg,  Schanze  in  Leipzig,  Becker  in  Göttingen  zu  nennen. 
Die  von  Schanze  (Weigert'sches  Mkrotom)  sind  die  compen- 
diösesten  nnd  für  unsere  Zwecke  gebräuchlichsten.  Der  wichtigste 
Theil  des  Miki'otoms  ist  das  Messer,  auf  dessen  Listandhaltung  man 
die  gi-üsste  Sorgfalt  verwenden  muss.  Bei  dem  Mangel  eines  Mikro- 
toms kann  man  sich  auch  mit  einem  guten  Rasirmesser,  dessen 
Klinge  auf  der  einen  Seite  plan  geschliffen  ist,  behelfen. 

Ausserdem  brauchen  wir  eine  Reihe  von  Chemikalien,  deren 
wichtigste  nachstehend  aufgeführt  sind: 

Destillirtes  Wasser.  Jodkalium. 

Alcohol  absolutus.  Glycerin. 

Äther.  Anilin  (Anilinöl). 

Chloroform.  Carbolsäure  (Phenol). 

Xylol.  Cedemöl. 

Officinelle  Salz-,  Salpeter-  und  ^^elkenöl. 

Schwefelsäure.  Canadabalsam. 

Eisessig  (Essigsäure).  Gmmni  arabicum. 

Kali  aceticum.  Celloidin. 

Kali-  oder  Xatronlauge.  Yaselin. 

Ammoniak.  Verschlusslack. 

Jod. 


^)  Mit  stark  federnden  Pincetten   ist   das   Arbeiten,   speciell   das   Halten    der 
Deckgläser  etc.,  ein  ausserordentüch  unbequemes. 

4* 


52  A.  Allgemeines. 

Farbstoffe:  Carniin,  Pikrinsäure,  Eosin,  Meth}^!-  oder  Gentiana- 
Tiolett,  Fuclisin,  Methylenblau,  Bismarckbrami  (Vesiivin). 

Die  Chemikalien,  namentlich  die  flüssigen,  bewahren  wir  in  Glas- 
flaschen mit  Glasstöpsel  auf. 

Der  Arbeitstisch,  an  welchem  wir  mikroskopiren,  entsimcht 
in  seiner  Höhe  einem  gewöhnlichen  Schreibtische.  Der  Arbeits- 
stuhl  soll  so  hoch  sem,  dass  "nir,  auf  demselben  sitzend,  bequem 
in  das  vertikal  aufgestellte  Mkroskop  hineinsehen  können.  Die 
modernen  besseren  Mkroskope  sind  zwar  sämmtlich  mit  Einrichtimg 
zum  „Umlegen"  versehen.  Von  dieser  Einrichtung  wird  speciell 
fiir  mikrophotographische  Zwecke  ein  ausgedehnter  Gebrauch  gemacht. 
Hier  stellt  man  den  Tubus  des  Miki'oskopes  gewöhnlich  horizontal. 
Eine  geringe  Schrägstellung  des  Mki'oskoptubus  ist  sehr  angenehm 
für  die  Beobachtung;  sie  kann  aber  in  der  Regel  nur  dann  zur  An- 
wendung gelangen,  wenn  es  sich  um  die  Durchmusterung  fertiger, 
fester  Präparate  handelt.  Während  des  eigentlichen  mikroskopischen 
Arbeitens,  wo  es  sich  stets  um  mehr  oder  weniger  flüssige  resp.  ver- 
schiebliche Objecto  handelt,  Avird  man  den  Objecttisch  stets  in  horizon- 
taler, den  Tubus  also  in  vertikaler  Stellung  belassen  müssen. 

2.  Beobachtung  der  Bakterien  im  lebenden  Zustande. 

Der   hängende    Tropfen.      Wirkungsw^else    des   Abbe'schen 

Beleuchtungsapparates. 

Wenn  es  sich  darum  handelt,  irgend  welche  Bakterien  zu  unter- 
suchen, so  muss  man  sich  zunächst,  wenn  es  irgend  ausführbar  ist, 
ein  Bild  von  dem  Aussehen  derselben  im  frischen,  lebenden 
Zustande  zu  verschaffen  suchen.  Denn  nur  am  lebenden  Material 
kann  man  Aufschluss  erhalten  über  die  Fi'age,  ob  Eigenbewegung  da 
ist  oder  nicht,  nur  im  ftischen  Zustande  koimnen  etwaige  Unter- 
schiede in  dem  Lichtbrechungsvermögen  verschiedener  Theile  der 
Bakterienzelle  zimi  Ausdruck,  nur  im  frischen  Zustande  kann  man 
über  die  Ai't  der  Zusammenlagerung  der  Bakterien  in  gTÖsseren  Ver- 
bänden (Zoogiöen  etc.)  Genauestes  erfahren.  Ausgeschlossen  ist  freihch 
die  Beobachtung  lebender  Bakterien  in  situ  in  Schnitten  thierischer 
Organe.  Wir  werden  weiterhin  noch  sehen,  dass  man  zur  Sichtbar- 
machung ungefärbter,  in  situ  befindlicher  Bakterien  in  Schnitten  die 
letzteren  so  eingreifenden  Manipulationen  unterwerfen  muss,  dass  von 
einem  weiteren  Fortbestande  des  Lebens  der  Bakterien  dabei  keine 
Rede  sein  kann.  Will  man  die  in  thierischen  Organen  enthaltenen 
Bakterien   lebend   untersuchen,    so   muss   man  Theilchen    der  fi-ischen 


TV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobacbtung.  53 

Organe  mit  "Wasser  oder  indifferenten  Flüssigkeiten  (0,75  proc.  Kocli- 
salzlösung,  Bouillon)  zen'eiben,  um  dadurch  die  Bakterien,  von  den 
Körperzellen  isolirt,  in  der  Flüssigkeit  suspendirt  zu  erhalten. 

Die  mikroskopische  Beobachtung  lebender  Bakterien  ist  also  auf 
bakterienhaltige  Flüssigkeiten  beschränkt,  die  entweder  bereits 
fertig  vorliegen,  oder  die  man  sich  durch  VeiTeibung  bakterienhaltigen 
Materials  in  wässrigen  Flüssigkeiten  erst  herstellt.  Will  man  sich 
zunächst  übungsweise  mit  diesen  Dingen  beschäftigen,  so  empfiehlt  es 
sich,  Scheiben  gekochter  Kartoffeln,  welche  in  der  weiter  unten  (Ab- 
schnitt V,  2)  zu  besprechenden  Weise  hergestellt  sind,  einige  Stunden 
der  Luft  auszusetzen  und  dann  in  der  feuchten  Kammer  einige  Tage 
lang  bei  Zimmertemperatm-  stehen  zu  lassen.  Es  haben  sich  dann 
aus  den  einzelnen  Keimen,  w^elche  aus  der  Luft  auf  die  Kartoffel 
nieder  gefallen  sind,  Colonien  von  Bakterien  entwickelt,  welche  als  an 
Höhe,  Flächenausdehnung,  Farbe  mehr  oder  weniger  verschiedene 
Häufchen  erscheinen.  Ein  jedes  Häufchen  zeigt  sich  dann  aus 
Individuen  einer  bestimmten  Art  resp.  Fonn  zusammengesetzt.  Durch 
Yerrühren  kleinster  Quantitäten  solcher  Bakteriencolonien  in  einem 
Tröpfchen  Wasser  oder  Aehnlichem  lassen  sich  dann  ftir  die  miki'o- 
skopische  Beobachtung  geeig-nete  Objecte  herstellen.  Weiter  empfiehlt 
es  sich,  etwas  Heu,  Keis,  Erbsen,  Brot,  Fleisch  oder  Aehnliches  mit 
Wasser  zu  versetzen  und  die  resp.  Infuse  mehrere  Tage  lang  an  einem 
warmen  Orte  stehen  zu  lassen.  Es  entwickelt  sich  dann  in  den  Infusen 
ein  mehr  oder  weniger  reiches  Bakterienleben,  und  jedes  Tröpfchen 
solcher  Flüssigkeiten  bietet  ein  ausgezeichnetes  Object  für  das  Studium 
von  Bakterien  im  lebenden  Zustande. 

Die  Methode,  deren  man  sich  zur  mikroskopischen  Untersuchung 
lebender,  in  Flüssigkeiten  suspendirter  Bakterien  fast  ausschliesslich 
bedient,  ist  die  des  hängenden  Tropfens.  Um  ein  derartiges 
Präparat  anzufertigen,  nimmt  man  zunächst  einen  hohlgeschliffenen 
Objectträger,  dessen  Höhlung  man  mit  gelbem  Vaselin  mittels  eines 
Tuschpinsels  imizieht,  und  den  man  dann  vorläufig  bei  Seite  legt. 
Kun  wird  ein  reingeputztes  (cf.  p.  50)  Deckglas  horizontal  auf  den 
Tisch  gelegt  und  mittels  der  Platinöse  ein  klemes  Ti'öpfchen  der 
bakterienhaltigen  Flüssigkeit  auf  die  Mitte  des  Deckglases  gebracht; 
hat  man  keine  bakterienhaltige  Flüssigkeit,  sondern  mehr  consistente 
Cultm-en  oder  frische  Thierorgane  etc.  vor  sich,  so  bringt  man,  wie 
ol)en    bereits    besprochen,    zunächst    ein    Tröpfchen    reines    Wasser,^) 


^)  Das  destillirte  Wasser,  wie  es  in  den  Laboratorien  vorrätbio;  gebalten  wird, 
ist,  besonders   wenn   es   bereits   eine  Reibe   von  Wocben   bei  Zimmertemperatur  ge- 


54  A.  Allgemeines. 

Kochsalzlüsimg  oder  Bouillon  mit  der  Platiiiöse  auf  das  Deckglas  und 
verreibt  dann  (am  besten  mittels  eines  gerade  endenden  Platindrahtes) 
in  dem  Tröpfchen  eine  Spur  der  Bakterienmasse  resp.  des  Organs, 
um  eine  Suspension  der  Bakterien  in  der  Flüssigkeit  zu  erhalten. 
Hierbei  sehe  man  darauf,  dass  man  möglichst  wenig,  wirklich  nur 
Spuren  der  Bakterienmasse  etc.  in  der  Flüssigkeit  vertheilt,  weil  es 
sonst  sehr  schwer,  häufig  unmöglich  Avird,  die  Individuen  miki'oskopisch 
isolirt  zu  Gesicht  zu  bekommen  und  sich  von  ihrer  Form  etc.  ein  Bild 
zu  verschaffen. 

Nachdem  der  Tropfen  hergestellt  ist,  wird  der  hohlgeschliffene 
Objectträger,  die  Höhlung  nach  unten  gekehrt,  mittels  des  Yaselins 
so  auf  das  Deckglas  geklebt,  dass  das  bakterienhaltige  Tröpfchen  genau 
in  der  Mitte  des  Ausschliffs  hegt.  Nun  wird  der  Objectträger  rasch 
(um  ein  Zerfliessen  des  Tröpfchens  zu  veraieiden)  umgekehrt,  und  das 
Präparat  ist  dann  zur  Beobachtung  fertig.  Das  Tröpfchen  hängt,  zur 
Beobachtung  bereit,  vor  Verdunstung  geschützt,  fi'ei  am  Deckglase. 

Die  Platindrähte  werden  vor  und  nach  jedesmaligem  Oe- 
brauche  ausgeglüht;  bevor  man  sie  nach  dem  Ausglühen  anwendet, 
muss  man  sie  wieder  erkalten  lassen. 

Um  den  hängenden  Tropfen  mikroskopisch  zu  untersuchen,  ver- 
fährt man  am  besten  so,  dass  man  zunächst  mit  schwachem  Objectiv- 
system  den  Rand  des  Tropfens  aufsucht,  um  diesen  Rand  nach- 
her der  Beobachtung  bei  starker  Vergrösserung  zu  unterwerfen.  Sehr 
bequem  und  fast  imentbehrlich  hierfür  ist  die  zum  schnellen  Wechseln 
der  Objective  bestimmte,  oben  Q).  48)  erwähnte  Revolvervorrichtung, 
welche  den  besseren  Mkroskopen  heutzutage  als  integTirender  Bestand- 
theil  stets  beigegeben  wird.  Den  Rand  des  Tropfens  wählt  man  zur 
Untersuchung  mit  starken  VergTösserungen  einestheils  deshalb,  weil 
der  Tropfen  am  Rande  am  dünnsten  ist,  und  sich  Objecte,  die  eine 
möglichst  dünne  Schicht  repräsentiren,  zm-  Untersuchung  mit  stark 
vergTösseniden  Objectiven  naturgemäss  am  besten  eignen;  anderntheils 
bietet  der  Rand  des  Tropfens  wegen  seiner  Dünne  den  einzelnen 
Bakterienindividuen  keinen  so  weiten  Spielraum  zum  Durcheinander- 
schwirren etc.  wie  die  übrigen  Theile  des  Tropfens;  man  wird  also 
am  Rande  die  Formen,  um  die  es  sich  handelt,  gewöhnlich  zum  Theil 


standen  hat,  für  diesen  Zweck  nicht  zu  empfehlen,  da  es  gewöhnlich  zu  zahlreiche 
Bakterien  enthält.  Auch  das  reinste  destillirte  Wasser,  welches  wir  herstellen  können, 
enthält  noch  Nährstoffe  genug,  um  manchen  Bakterienarten  eine  ausgiebige  Ver- 
mehrung zu  gestatten  (cf.  Bolton,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  1.  1886.  p.  98,  99). 
Im  Gegensatz  dazu  ist  gutes  Leitungs-  oder  Brunnenwasser  sehr  arm  an  Keimen 
und  deshalb  für  den  vorUegenden  Zweck  sehr  gut  zu  brauchen. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  55 

in  Euhe  liegen  sehen,  während  man,  nach  der  Mtte  des  Tropfens  zu 
weitergehend,  das  Bakterienleben  allmählich  immer  mehr  in  dem 
natürlichen,  dm'ch  die  Capillaritätsverhältnisse  des  Randes  nnbeeinflussten 
Lagernngs-  und  Bewegungszustande  erblickt. 

Dem  Anfänger  nicht  geringe  Schwierigkeiten  verursacht  nun  das 
Einstellen  des  Präparates.  Es  handelt  sich  dabei  um  dreierlei 
verschiedene  Dinge:  erstens  soll  die  richtige  Stelle  des  Ob- 
jectes  zur  Einstellung  gelangen;  zweitens  soll  das  Bild  des  Objectes 
dem  Auge  scharf  erscheinen,  d.  h.  das  Objectiv  des  Mikroskopes  soll 
den  richtigen  Abstand  vom  Objecte  haben;  drittens  soll  die 
Beleuchtung  des  Objectes  die  richtige,  zweckentsprechende  sein. 

Die  ersten  beiden  Punkte  sind  relativ  leicht  zu  erledigen.  Man 
muss  den  mittleren  Abstand  der  verschiedenen  Objective  vom  Objecte 
ungefähr  kennen ;  man  stellt  die  Objectebene  dann  zunächst  mit 
schwachem  Objectiv  unter  Benutzung  des  groben  Tubustriebes  ein  und 
rückt  das  Präparat  dann  mit  der  Hand  so,  dass  die  zu  untersuchende 
Stelle,  in  unserem  Falle  also  eine  Stelle  des  Tropfenrandes,  genau  in 
die  Mitte  des  Gesichtsfeldes  kommt.  Mt  Vortheil  wird  man  sich 
hierbei  eines  schwachen  Oculars  bedienen.  Ist  die  richtige  Stelle  des 
Präparates  centrisch  eingestellt,  so  geht  man  mit  dem  Tubus  unter 
Benutzung  des  groben  Triebes  etwas  nach  oben,  wechselt  dann  unter 
Benutzung  des  Revolvers  das  schwache  System  gegen  das  Immersions- 
S3"stem  um,  bringt  auf  das  Deckglas  centrisch  einen  kleinen  Tropfen 
Cedernöl  und  schraubt  nun  mit  Hülfe  des  groben  Triebes  den  Tubus 
so  lange  abwärts,  bis  die  Frontlinse  des  Immersionssystems  in  das 
Oel  eintaucht.  Dies  letztere  beobachtet  man  von  der  Seite  her;  man 
muss  dazu  die  Augen  etwa  in  Höhe  des  Objecttisches  bringen.  Ist  die 
Oelverbindung  zwischen  Deckglas  und  Objectiv  hergestellt,  so  schraubt 
man  den  Tubus  wieder  etwas  in  die  Höhe,  ohne  jedoch  die  Oel- 
verbindung zu  zerreissen,  und  bringt  nun  das  Auge  wieder  über  das 
Ocular.  Man  schraubt  nun  (am  besten,  indem  man  beide  Hände  an 
die  Schraube  des  groben  Triebes  bringt),  während  man  in  das  Mikro- 
skop hineinsieht,  den  Tubus  ganz  langsam  und  vorsichtig  nach  abwärts, 
bis  das  Bild  erscheint;  in  diesem  Augenblick  lässt  man  den  groben 
Trieb  los  und  bewirkt  nun  die  feinere  Einstellung  mit  Hülfe  der 
Mikrometerschraube,  i) 


^)  Von  vornherein  gewöhne  man  sich,  das  Auge,  welches  beim  mikro- 
skopischen Sehen  unbetheiligt  ist,  während  des  Mikroskopirens  offen  zu 
halten.  Nur  ganz  zu  Anfang  wird  man  durch  das  von  diesem  Auge  percipirte  Bild 
etwas  gestört;  bei  einiger  üebung  kommt  Einem  dieses  Bild  gar  nicht  mehr  zum 
Bewusstsein.     Es   ist   aber   ein  nicht  hoch  genug   anzuschlagender  Vortheil  mit  der 


56  A.  Allgemeines. 

Die  genannten  Manipulationen,  welche  die  richtige  Einstellung 
des  Präparates  und  des  Objectives  zuni  Zwecke  haben,  setzen  jedoch 
eine  richtige,  zweckmässige  Beleuchtung  voraus.  Ohne  dass  man  die 
Beleuchtung,  wenigstens  annähernd,  zunächst  regulirt  hat,  sind  diese 
Manipulationen  z.  Th.  gar  nicht  ausführbar.  Wir  müssen  uns  deshalb 
mit  der  Beleuchtung  etwas  eingehender  beschäftigen. 

Der  Beleuchtungskörper  des  modernen  Mikroskopes  besteht,  wie 
bereits  erwähnt,  aus  einem  Spiegel,  welcher  die  Strahlen  der  Licht- 
quelle auffängt,  und  aus  einem  Linsensj'stem  (Abbe"  scher  Beleuchtungs- 
apparat), in  welches  hinein-  die  Strahlen  von  dem  Spiegel  aus  geworfen 
werden,  um  schliesslich  auf  einer  relativ  kleinen  Stelle  des  Objectes 
concentrirt  zu  werden.  Es  ist  nun,  wie  uns  Kob.  Kochi)  gelehrt 
hat,  das  erste  Erfordemiss  zum  Zustandekommen  eines  guten  Bildes  — 
dies  gilt  für  jeden  einzelnen  Fall,  wie  auch  die  Verhältnisse  im  Uebrigen 
liegen  mögen  — ,  dass  die  von  der  Lichtquelle  ausgehenden  Strahlen 
in  der  Objectebene  vereinigt  werden,  d.  h.  dass  ein  mög- 
lichst scharfes  Bild  der  Lichtquelle  in  der  Objectebene 
entsteht.  Wenn  ich  mit  schwachem  Systeme  das  Object  scharf  ein- 
gestellt habe,  so  muss  ich  also  den  Beleuchtungskörper  meines 
Mki-oskopes  so  disponiren,  dass  ich  ausser  dem  körperlich  vorhandenen 
Objecte  noch  das  (reelle)  durch  den  Beleuchtungskörper  in  das  Object 
projicirte  Bild  der  Lichtquelle  erblicke.  Ist  die  Lichtquelle  vom 
Mikroskope  weiter  entfernt,  wird  sie  z.  B.  durch  weisse  Wolken  dar- 
gestellt, so  liegt  der  Vereinigungspunkt  ihrer  Strahlen  näher  an  der 
oberen  Linse  des  Abbe' sehen  Apparates,  als  Avenn  die  Lichtquelle 
näher  am  Mikroskope  steht,  z.  B.  durch  die  Flamme  einer  auf  dem 
Tische  stehenden  Petroleimilampe  ^)  repräsentirt  wd.  In  dem  ersteren 
Falle  muss  also  der  Abbe' sehe  Apparat  höher,  dem  Präparate  näher. 


Befolgung  dieses  Käthes  verbunden.  Beim  mikroskopischen  Sehen  soll  nämlich, 
damit  das  Auge  von  unnützer  Anstrengung  möghchst  frei,  das  Arbeiten  ein  mög- 
lichst bequemes  sei,  die  Accommodation  völlig  erschlafft  sein;  das  Auge  soll  auf  die 
Ferne  eingestellt  sein.  Eine  völlige  Erschlaffung  der  Accommodation  ist  aber  nur 
dann  zu  erreichen,  M^enn  die  gesammte  Augenmuskulatur  sich  im  Zustande  der 
Euhe  befindet,  wenn  also  auch  der  SchHessmuskel  des  anderen  Auges  ausser  Thätig- 
keit  ist. 

1)  Cohn"s  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.    Bd.  2.    1877.    p.  410. 

-)  Als  Lichtquelle  benutzt  man  bei  Tage  am  besten  eine  helle  Stelle  des 
Himmels  (weisse  Wolken  etc.).  Directes  Sonnenlicht  ist  für  die  Zwecke  der  Beob- 
achtung nie  zu  benutzen.  Bei  Abend  benutzt  man  als  Lichtquelle  am  besten  eine 
gewöhnliche  Peü'oleumlampe  (Studirlampe).  Ein  auf  die  obere  Ocularhnse  gelegtes 
oder  im  Blendungsträger  angebrachtes  schwach  blaues  (Cobalt-)  Glas  dämpft  die 
gelben  Strahlen  der  Flamme  und  erleichtert  das  Mila-oskopiren  bei  Lampenlicht  sehr. 


TV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobacbtiuig.  57 

im  zweiten  muss  er  tiefer,  von  dem  Präparate  weiter  entfernt  stehen. 
Diese  Ueberlegung  erweist  die  Notliwendigkeit,  dass  der  Abbe 'sehe 
Apparat  verschiebüch  sei.^) 

Es  ist  an  dieser  Stelle  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  der 
Brennpunkt  des  Abbe' sehen  Apparates  für  parallel  eintretende  (d.  h. 
z.  B.  von  einer  entfernten  Wolke  herkommende)  Strahlen  sehr  nahe 
(in  etwa  2  nun  Entfernung)  an  seiner  oberen  Linse  liegt.-)  Damit  die 
Strahlen  aber  Avirklich  parallel  in  den  Abbe'schen  Apparat  eintreten, 
ist  es  nothwendig,  dass  wir  die  Strahlen  der  Wolke  mit  einem  Plan- 
spiegel auffangen  und  sie  dann  in  den  Abbe'schen  Aj^parat  schicken. 
Das  IVIikroskop  trägt  nun  in  seiner  Spiegelfassung  gewöhnlich  zwei 
Spiegel,  nämlich  einerseits  einen  Plan-,  andrerseits  einen  Hohlspiegel. 
Würden  wir  den  letzteren  in  unserem  Falle  anwenden,  so  würden  wir 
dem  Abbe'schen  Apparate  nicht  parallele,  sondern  convergirende 
Strahlen  zuschicken,  und  der  Brennpunkt  derselben  würde  naturgemäss 
dann  noch  viel  näher  an  der  oberen  Linse  des  Abbe'schen  Apparates 
liegen,  d.  h.  so  nahe,  dass  an  ein  Zusammenfallen  dieses  Brennpunktes 
mit  der  Objectebene  —  da  doch  unsere  Objectträger  eine  gewisse 
Dicke  haben  müssen  —  nicht  mehr  zu  denken  wäre.  Es  ergiebt  sich 
aus  dieser  Betrachtung  ohne  Weiteres  die  oS^othwendigkeit ,  bei  Be- 
nutzung des  Abbe'schen  Beleuchtungsapparates  stets  den  Plan- 
spiegel, nie  den  Concavspiegel  anzuwenden.") 


^)  Im  Nüthfalle  kann  das  Abbe'sche  Beleucbtungssystem  durch  eine  unter 
der  Tischöffnung  angebrachte  halbkughge  Linse,  deren  plane  Seite  nach  oben  ge- 
kehrt ist,  und  die,  in  einer  Hülse  gefasst,  auf-  und  abwärts  verschiebbar  ist,  ersetzt 
werden. 

'-)  Die  Firma  C.  Z  e  i  s  s  fertigt  drei  verschiedene  Condensorsysteme  an ;  die- 
selben unterscheiden  sich  in  der  Brennweite  sowie  in  der  numerischen  Apertur 
(cf.  oben  p.  49,  Anm.  2)  von  einander.  Die  oben  im  Text  gemachte  Angabe  bezieht 
sich  auf  den  Condensor  mit  der  Apertur  1,20;  ausserdem  wird  ein  Condensor  von 
1,40  num.  Ap.  und  von  etwas  kürzerer  Brennweite  als  der  des  vorhergehenden,  end- 
lich ein  (achromatischer  und  centrirbarer)  Condensor  von  1,0  num.  Ap.  angefertigt. 
Der  letztere  dient  hauptsächlich  mikro photographischen  Zwecken,  während 
die  beiden  erstgenannten  hauptsächlich  beim  gewöhnlichen  mikroskopischen  Arbeiten 
benutzt  werden.  Für  Arbeiten  bei  Lampenlicht  ist  im  Allgemeinen  der  Condensor 
von  1,20  num.  Ap.  dem  von  1,40  num.  Ap.  vorzuziehen.  —  Ganz  neuerdings  hefert 
die  Firma  C.  Zeiss  die  Mikroskope  auch  mit  ,, herausklappbarem  Conden- 
sor"; d.  h.  es  ist  eine  Einrichtung  getroffen,  den  Abbe'schen  Condensor,  welcher 

—  streng  genommen  —  nur  für  den  Gebrauch  mit  stark  vergrössernden  Objectiv- 
systemen  construirt  ist,  bei  Benutzung  schwacher  Systeme  leicht  entfernen  (zur  Seite 
herausldappen)  zu  können. 

^)  Nur   beim  Beobachten   mit  ganz  schwachen  Objectiven,  wo  der  Planspiegel 

—  l}esonders   bei   Verwendung   von   Lampenhcht    —    oft   nicht    das    ganze   Sehfeld 


58  A.  Allgemeines. 

Die  Beleuchtung  ist  also,  wenn  wir  zunächst  mit  schwachem 
Objective  das  Präparat  betrachten,  so  einzurichten,  dass  wir  den  Plan- 
spiegel benutzen  und  den  Abbe'schen  Apparat  in  eine  solche  Höhe 
bringen,  dass  wir  mit  dem  Bude  des  scharf  eingestellten  Objectes  zu- 
gleich ein  möglichst  scharfes  Bild  der  Lichtquelle  erblicken. 

Kun  bleibt  aber  noch  ein  sehr  wesentlicher  Punkt  bezüglich  der 
Beleuchtung  zu  berücksichtigen,  d.  i.  die  richtige  Disponirung  der 
unterhalb  des  Abbe'schen  Condensorsjstems ,  zwischen  diesem  und 
dem  Beleuchtungsspiegel,  befindlichen  Blendungsvorrichtung. 
Wenden  wir  den  Abbe'schen  Apparat  ohne  jede  Abbiendung  an 
(„offener  Condensor").  so  kommt  die  ganze  Menge  der  in  die 
untere  Linse  desselben  eintretenden  Lichtstrahlen  zur  Wirkung  auf  das 
Object.  Die  kleine  Stelle  des  Objectes,  in  welcher  sich  diese  Licht- 
strahlen vereinigen,  ^m-d  dann  mit  Licht  überschüttet,  welches  von 
allen  einzelnen  Punkten  der  obersten  Linsenfläche  des  Abbe'schen 
Apparates  herkonmit.  Da  nun  diese  Linsenfläche  eine  ziemliche  Aus- 
dehnung hat  und  dem  Vereinigungspunkte  der  von  ihr  ausgehenden 
Strahlen  sehr  nahe  liegt,  so  besitzt  der  in  das  Object  gelangende 
Strahlenkegel  einen  sehr  stumpfv\^inkligen  Scheitel.  Die  Kandstrahlen 
dieses  Kegels  sind  also  den  ihnen  gegenüberliegenden  Kandstrahlen 
nahezu  entgegengesetzt  gerichtet  und  paral^^siren  dieselben  in  ihren 
Diffractions\räkungen  nahezu  vollständig.  Handelt  es  sich  nun  um  die 
Darstellung  solcher  Objecttheile,  die  sich  nur  dm'ch  Differenzen  in 
dem  Licht brechungsver mögen,  nicht  durchDi f f e r e n z en 
in  der  Färbung  von  ihrer  Umgebung  unterscheiden,  die  also  über- 
haupt nur  durch  Difft-actionserscheinungen,  welche  an  ihren  Grenzen 
zu  Stande  kommen,  sichtbar  werden  können,  so  ist  naturgemäss  der 
volle,  u  nah  geblendete  Abbe'sche  Condensor  nicht  am  Platze. 
Derselbe  verhindert  das  Zustandekommen  der  Diffractionserscheinungen, 
d.  h.  er  macht  die  ungefärbten  Objecte  mehr  oder  weniger  unsichtbar. 
Wollten  wir  uns  dagegen  solche  Objecttheile  vor  Augen  fähren,  die 
sich  durch  die  Färbung  von  ihrer  L'mgebung  unterscheiden,  so  wür- 
den diese  gefärbten  Dinge,  die  für  ihre  Sichtbarkeit  irgend  welcher 
Diffractionserscheinungen  nicht  bedürfen,  bei  der  geschilderten  Be- 
leuchtung in  Folge  der  gleichzeitigen  Auslöschung  der  Contouren  der 
ungefärbten  Objecttheile  ganz  besonders  deutlich,  isolirt,  zur  Erscheinung 
gelangen. 

Der  Erste,  welcher  diese  Verhältnisse  erkannt,  scharf  definirt  und 


gleiclamässig  zu  beleuchten  erlaubt,  ist  es  gestattet,  den  Hohlspiegel  zu  verwenden, 
„welcher  ausschliesslich  für  diesen  Zweck  am  Apparat  angebracht  ist".  (C.  Zeiss, 
Gebrauchsanweisung  für  den  Abbe'schen  Beleuchtungsapparat.) 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobaehtung.  59 

für  die  Zwecke  der  praktischen  Mikroskopie  brauchbar  gemacht  hat, 
war  Rob.  Koch.^)  Die  Beleuchtung  mit  vollem  Abbe"- 
schen  Condensor  vernichtet  das  „Structurbild",  isolirt 
das  „Farbenbild".  Diese  Beleuchtung  wird  also  überall  da  am 
Platze  sein,  wo  es  sich  um  Darstellimg  gefärbter  Theile  des  Objectes 
gegenüber  ungefärbten  handelt,  z.  B.  bei  der  miki'oskopischen  Dar- 
stellung von  gefärbten  Bakterien,  die  in  Schnitten  thierischer  Organe 
enthalten  sind.  Hier  werden  Avir  den  vollen  Abbe'schen  Condensor, 
zumal  wenn  es  sich  um  relativ  (d.  h.  gegenüber  den  Gewebszellen) 
sehr  kleine  Bakterien  handelt,  nicht  entbehren  können;  denn  allein 
diese  Beleuchtung  löscht  die  Contouren  der  ungefärbten  Gewebstheile 
(die,  wenn  sie  sichtbar  sind,  kleine  gefärbte  Bakterien  sehr  gut  ver- 
decken können)  aus  und  lässt  die  gefärbten  Theile  dafür  desto  deut- 
licher hervortreten. 

Wollen  wir  aber  ungefärbte  Objecto  oder  Objecttheile  zur 
Anschauung  bringen,  so  dürfen  wir-  den  vollen  Abbe" sehen  Condensor 
nicht  anwenden.  Wir  bringen  dann  ein  Diaphragma  mit  ziemlich  enger 
centraler  Oefinung  (gewöhnlich  einfach  „enge  Blende"  genannt) 
unter  den  Abbe  "sehen  Beleuchtungsapparat.  Es  werden  so  die  Eand- 
strahlen  abgeblendet,  und  es  kommt  dann  auf  das  Object  nur  eine 
relativ  kleine  Menge  centraler  Lichtstrahlen,  ein  sehr  spitzwinkliger 
Strahlenkegel,  zm-  Wii'kung;  dieser  unterscheidet  sich  in  seiner  Wir- 
kung nicht  wesentlich  von  einem  Bündel  paralleler  Lichtstrahlen  und 
lässt  die  Contouren  ungefärbter  Objecttheile  deutlich  zur  Anschauung 
kommen. 

Kehren  wir  nun  zu  unserem  hängenden  Tropfen  zurück, 
so  haben  wiv  hier  eine  Flüssigkeit  (Wasser  etc.)  vor  uns,  in  welcher 
Bakterien  suspendirt  sind.  Die  Flüssigkeit  sowohl  wie  die  Bakterien 
sind  ungefärbt.  Die  Darstellung  der  letzteren  erfordert  es  also,  die 
Beleuchtungsverhältnisse  so  einzurichten,  wie  sie  zur  Sichtbarmachung 
des  „Stru  et  Urbildes"  nothwendig  sind;  d.  h.  wir  dürfen  bei  der 
Beobachtung  des  hängenden  Ti'opfens  nicht  den  vollen  Abbe'schen 
Condensor  anwenden,  sondern  müssen  denselben  durch  eine  enge 
Blende  abblenden.^) 


^)  Untersuchungen  über  die  Aetiologie  der  Wundinfectionskrankheiten.  Leipzig. 
1878.     p.  32  ff. 

-)  Die  „enge  Blende"  hat  für  verschieden  starke  Objectivsysteme  verschiedene 
Weite.  Da  nämlich  der  maximale  Beleuchtungskegel,  den  ein  schwaches  Objectiv 
aufzunehmen  vermag,  ein  engerer  ist  als  der,  den  ein  stärkeres  System  aufzunehmen 
vermag,  so  ist  der  Abbe'sche  Condensor  für  ein  schwaches  System  bereits  als 
„offen",  als  unabgeblendet  zu  betrachten  bei  Anwendung  einer  Blendenweite,  die,  bei 


60  A.  Allgemeines. 

Das  Verfahren  der  mikroskopischen  Einstellung  des  hängen- 
den Tropfens  würde  sich  also  folgendermassen  gestalten: 

1)  Abbiendung  des  Condensors  mit  enger,  etwa  stecknadelkopf- 
grosser, ^)  Blende. 

2)  Scharfe,  centrale  Einstellung  des  Tropfenrandes  mit  schwachem 
System  und  Planspiegel. 

3)  Regulirung  der  Stellung  des  Abbe'schen  Apparates  (Ein- 
stellung des  Bildes  der  Lichtquelle  in  die  Objectebene). 

4)  Centrirung  des  Bildes  der  Lichtquelle  durch  Regulirung  der 
Spiegelstellung. 

5)  Hochschrauben  des  Tubus  und  Auswechseln  des  schwachen 
Sj^stems  gegen  das  Immersionssystem. 

6)  Erweiterung  der  Blende  bis  zu  etwa  ErbsengTösse. -) 

7)  Bringen  eines  Tropfens  Cedemöl  auf  das  Deckglas. 

8)  Vorsichtiges  Mederschrauben  des  Tubus  mit  Hülfe  des  groben 
Triebes  bis  zum  Eintauchen  des  Systems  in  das  Oel.  Zurückschrauben 
des  Tubus,  ohne  die  Oelverbindung  zu  zerreissen. 

9)  Vorsichtiges,  langsames  Mederschrauben  des  Tubus  mit  Hülfe 
des  groben  Triebes  bis  zum  Erscheinen  des  Bildes  im  Mikroskope. 

10)  Loslassen  des  groben  Triebes  und  letzte  Regulirung  der  Ein- 
stellung dm"ch  die  Mikrometerschranbe. 

11)  Sollte  das  Gesichtsfeld  sich  nicht  au  allen  Stellen  gleich- 
massig  beleuchtet  zeigen,  so  kann  man  diesen  Fehler  durch  minimale 
Verstellung  des  Spiegels  ohne  Weiteres  beseitigen. 

Es  möge  hier  ein  für  alle  Mal  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
man  sich  bei  der  mikroskopischen  Betrachtung  eines  jeden  Objectes 
—  besonders  wenn    starke  Objective   zur  Verwendung  kommen  —  zu- 


einem  stärkeren  System  in  Anwendung  gebracht,  hier  nicht  dem  voUen  Beleuchtungs- 
kegel, sondern  nur  einem  centralen  Theile  dessell^en  den  Durchtritt  gestattet.  Ob  bei 
einer  bestimmten  mikroskopischen  Beobachtung  der  für  das  gerade  benutzte  Objectiv- 
system  „volle"  Beleuchtungskegel  in  Wirkung  ist  (ob  „die  Apertur  des  Systems 
[cf.  p.  49,  Anm.  2]  voll  ausgenutzt"  ist),  prüft  man  am  besten  so,  dass  man  das 
Ocular  aus  dem  Tubus  entfernt  und  dann  in  den  Tubus  central  hineinsieht.  Er- 
scheint die  obere  Linse  des  Objectivsystems  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  von  licht 
erfüllt,  so  ist  der  volle  Beleuchtungskegel  in  Wirkung.  Ist  der  Beleuchtungskegel 
mehr  oder  weniger  reducirt,  so  findet  man  nur  eine  kleinere  oder  grössere  centrale 
Partie  der  oberen  Objectivhnse  von  Licht  erfüllt.  —  Die  „enge"  Blende  hat  bei 
schwachem  Trockensystem  (Zeiss  A,  Leitz  3)  zweckmässig  etwa  Stecknadelkopf- 
grösse, bei  Oelimmersionssystemen  zweckmässig  etwa  Erbsengrösse. 

^)  cf,  die  vorige  Anmerkung. 

-)  cf.  die  vorletzte  Anmerkung. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  ßl 

nächst  stets  eines  möglichst  schwachen  Oculars  bedient.  Das 
schwache  Ocular  hat  dem  starken  gegenüber  eine  grosse  Menge  Vor- 
theile:  Das  Bild  ist  lichtstärker  und  schärfer;  die  Schärfe  wird  weniger 
von  geringen  Verschiebungen  der  Mikrometerschraube  beeinfiusst;  das 
Gesichtsfeld  umfasst  einen  grösseren  Theil  des  Objects;  alles  in  allem: 
das  Arbeiten  mit  schwachem  Ocular  ist  leichter,  angenehmer  und  be- 
quemer als  mit  starkem.  Speciell  auch  das  Durchmustern  eines 
Präparates  ist  bei  Anwendung  eines  schwachen  Oculars  erheblich 
leichter.  Es  ist  also  eine  feststehende  Regel,  dass  man  zunächst 
immer  das  schwache  Ocular  benutzt.  Stösst  man  dann  auf  eine  Stelle, 
die  man  bei  stärkerer  Vergrösserung  betrachten  möchte,  so  wechselt 
man  die  Oculare  aus,  greift  aber  sofort  wieder  auf  das  schwache  Ocular 
zurück,  wenn  man  weitere  Theile  des  Präparates  betrachten  will. 

Will  man  nach  der  Beobachtung  des  hängenden  Ti-opfens  das  am 
Deckglas  hängende  Bakterienmaterial  vernichten,  so  geht 
man  zu  diesem  Zwecke  am  besten  in  folgender  Weise  vor :  Man  dreht 
das  auf  dem  hohlgeschliffenen  Objectträger  mit  Vaselin  angeklebte 
Deckglas  unter  Zuhülfenahme  zweier  Finger  so  weit  um  seinen  Mittel- 
punkt, bis  eine  Ecke  des  Deckglases  über  die  Objectträgerkante  herüber- 
ragt. Der  hängende  Tropfen  selbst  muss  hierbei  dauernd  in  der  Mitte 
des  Objectträgerausschliffs  bleiben  und  darf  den  Objectträger  selbst 
nicht  berühren.  Dann  erfasst  man  das  Deckglas  an  der  hervor- 
ragenden Ecke  und  hebt  es  langsam  vom  Objectträger  ab.  Das  Deck- 
glas mit  dem  Bakterienmaterial  wird  in  ein  Gefäss  mit  Desinfections- 
flüssigkeit  versenkt,  der  vaselinirte  Objectträger  kann  ohne  Weiteres 
für  einen  neuen  Versuch  verwendet  Averden. 


3.  Das  gefärbte  Deckglas-Trockenpräparat.   Die  Anilinfarben. 
Das  Princip  der  maximalen  Beleuchtung. 

Haben  wir  uns  durch  die  Untersuchung  des  hängenden  Tropfens 
über  das  Aussehen  eines  Bakteriengemisches  im  lebenden  Zustande 
informii't,  haben  wir  uns,  wenn  es  sich  um  eine  bestimmte  Bakterien- 
art handelt,  durch  die  genannte  Methode  von  eventuell  bestehender 
Eigenbewegung  etc.  überzeugt,  so  gehen  wir  daran,  uns  ein  Dauer- 
präparat für  unsere  Sammlung  anzufertigen.  Ein  solches  Dauer- 
präparat hat  aber  nicht  nur  den  Zweck,  eine  dauernde  Erinnerung 
an  resp.  einen  dauernden  Beleg  für  einen  bestimmten  Befund  zu 
bilden  oder  als  ein  unveränderliches  Demonstrationsobject  zu  dienen. 
Wir  sind  vielmehr  für  manche  Zwecke  direct  gezwungen,  uns  ein  solches 


62  A.  Allgemeines. 

Präparat  anzufertigen.  Wenn  wir  z.  B.  Bakterien  pliotographiscli  ab- 
bilden wollen,  so  müssen  wir  sie  (in  der  Regel)  aus  dem  beweglichen 
Zustande,  in  welchem  sie  zunächst  vorhanden  sind,  in  einen  fixü-ten 
Zustand  überführen,  sie  dauernd  festlegen.  Wenn  wir  feststellen  wollen, 
ob  ein  Sputum  Tuberkelbacillen  enthält  oder  nicht,  so  bedürfen  wir 
hierzu  eines  Verfahrens,  in  welchem  die  dauernde  FLxirimg  des  Unter- 
suchungsobjectes  einen  wesentlichen  Punkt  bildet. 

Die  Methode,  welche  wir  anwenden,  um  bakterienhaltige  resp.  auf 
Bakterien  zu  untersuchende  Flüssigkeiten  in  die  Form  des  Dauer- 
präparates zu  bringen,  stammt  von  E.  Koch. ^)  Koch  fand,  dass 
Bakterien,  die  in  dünner  Schicht  am  Deckglase  angetrocknet  werden, 
in  ihren  Formen  sehr  gut  erhalten  bleiben  und  sich  dann,  am  Deck- 
glase fixirt,  färben  und  ausgezeichnet  conserviren  lassen.  Zur  Her- 
stellung eines  solchen  „Trockenpräparates"  taucht  man  den  eben 
ausgeglühten  und  wieder  erkalteten  Platindraht  mit  der  Spitze  in  die 
bakterienhaltige  resp.  zu  untersuchende  Flüssigkeit  (Blut,  Eiter,  Sputum, 
Gewebssaft,  bakterienhaltiges  Pfianzeninfus,  Faulflüssigkeit  etc.)  ein  und 
streicht  das  am  Drahte  hängen  gebliebene  Material  in  möglichst  dünner 
Schicht  auf  einem  rein  geputzten-)  Deckgiase'^)  aus.  Es  empfiehlt 
sich  hierbei,  nicht  nur  die  wirkliche  Spitze  des  Drahtes  zmn  Ausstreichen 
zu  benutzen,  sondern  das  Ende  des  Drahtes  in  Länge  von  etwa  1  cm 
flach  auf  das  Deckglas  aufzulegen  und  dieses  letzte  Stück  des  Drahtes 
in  seiner  ganzen  Ausdehnung  zum  (quer  gerichteten)  Ausstreichen  der 
Flüssigkeit  zu  verwenden.  Haben  ^vii-  consistenteres  Material  zu  unter- 
suchen, z.  B.  Colonien  von  der  Kartoffel  etc.,  so  müssen  wir  dieses 
Material,  ähnlich  wie  dies  auch  bei  der  Herstellung  des  hängenden 
Tropfens  geschah,  zunächst  in  flüssige  Form  bringen.  Wir  bringen  zu 
dem  Zwecke  zunächst  (mit  Hülfe  des  Platindrahtes)  ein  kleinstes 
Ti'öpfchen  reines  Wasser  auf  das  Deckglas  und  verreiben  nachher  in 
diesem  Wasser   und   mit   demselben  ein  kleinstes  Partikelchen  des  zu 


1)  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  cl.  Pfl.  Bd.  2.  1S77.  p.  401  ff.  —  Mitth.  a.  d. 
Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     18S1.     jx  5. 

-)  cf.  p.  50,  Anm.  2. 

*^)  Manche  Praktiker  pflegen  das  Material  behufs  späterer  Färbung  und  Unter- 
suchung nicht  auf  dem  Deckglase,  sondern  auf  dem  Objectträger  aus- 
zustreichen. Diese  Praxis  hat  sich  vielfach,  einestheils  um  Deckgläser  zu  sparen, 
anderntheils  um  die  Arbeit  abzukürzen,  eingebürgert.  Die  richtige  ,,Fixirung"  (siehe 
p.  63)  des  so  disponirten  Materials  ist  etwas  schwieriger  als  die  Fixirung  des  auf  dem 
Deckglase  ausgestrichenen  Materials.  Nach  der  Färbung,  Abspülung  und  Trocknung 
(siehe  weiter  unten)  solcher  Objectträgerpräparate  wird  das  Immersionsöl  (ohne 
Zwisehenlage  eines  Deckglases)  direct  auf  die  gefärbte  Schicht  gebracht.  Die  Methode 
ist  zuerst  von  Neisser  (Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  4.    1888.    p.  174)  angegeben. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  63 

imtersiiclienden  Materials,  indem  wir  für  möglichste  Flächenausbreitmig 
desselben  in  möglichst  dünner  Schicht  Sorge  tragen.^) 

Ist  das  Material  auf  dem  Deckglase  vertheilt,  so  kommt  der 
zweite  Act  des  Verfahrens:  das  Trocknen  des  vertheilten  Materials. 
Dasselbe  soll  bei  gewöhnKcher  Temperatur  an  der  Luft  geschehen, 
nicht  unter  Erhitzung  in  der  Flamme.")  Gewöhnlich  sind  nur  Bruch- 
theile  einer  Minute  dazu  erforderlich,  das  Präparat  „lufttrocken" 
werden  zu  lassen. 

Ist  das  Präparat  lufttrocken  geworden,  so  kommt  Punkt  3  an  die 
Reihe:  das  Fixiren  der  Schicht.  Wir  wollen  nämlich  die  Bakterien- 
schicht hinterher  färben ;  zum  Zwecke  der  Färbung  muss  aber  die 
Schicht  mit  wässerigen  Farbstofflösungen  und  dann  mit  Wasser 
bespült  werden ;  und  dabei  werden,  wenn  man  nicht  besonders  für  eine 
Fixirung  der  Schicht  gesorgt  hat,  sehr  häufig  —  es  braucht  dies  nicht 
immer  zu  geschehen,  geschieht  aber  oft  —  Theile  dieser  Schicht 
hermitergespült.  Um  das  zu  vermeiden,  wird  die  Schicht  durch  Er- 
hitzung fixirt,  d.  h.  es  werden  die  schleimigen  Hüllen  der  Bakterien, 
vermöge  deren  dieselben  am  Glase  festgeklebt  sind,  in  Wasser  weniger 
quellbar  gemacht,  so  dass  die  Bakterien  nun  fester  am  Glase  haften. 
Koch  führte  diese  Erhitzung  ein  nach  dem  Vorgänge  von  Ehrlich  ,•") 
welcher  dieselbe  speciell  für  Blutpräparate  als  ein  zweckmässiges 
Fixirungsmittel  gefunden  hatte.  Man  kann  zum  Zwecke  der  Fixirung 
die  Deckgläser  2—10  Minuten  in  einen  auf  120—130^  C.  erwärmten 
Trockenschrank  bringen.  Es  genügt  jedoch  für  die  allermeisten  Fälle 
eine  viel  einfachere  Methode:  Das  mit  der  Pincette^)  gefasste,  horizontal 
gehaltene  Deckglas  wird,  mit  der  Schicht  nach  oben  gekehrt,  dreimal 
hintereinander  durch  die  nicht  leuchtende  Flamme  des  B uns en" sehen 
Gasbrenners  oder  durch  eine  kräftige  Spiritusflamme  gezogen.  Man 
beschreibt  dabei  mit  der  Hand  unter  stetiger  Bewegung  dreimal  emen 
vertikal  gestellten  Ki-eis,  der  einen  Fuss  im  Durchmesser  hat,  und  den 
die  Hand  jedesmal  in  einer  Secunde  zurücklegt.    Diese  genaue  Angabe 


^)  Wenn  wir  wässeriges  Material  vor  uns  haben,  so  gelingt  eine  gieich- 
inässige  Ausbreitung  nur  dann,  wenn  das  Deckglas  vollkommen  rein,  namentlich 
vollkommen  fettfrei,  ist.  Das  Letztere  wird  am  schnellsten  und  besten  durch 
Erhitzen  des  Gläschens  in  der  Flamme  erreicht  (cf.  p.  50,  Anm.  2). 

-)  Eine  ganz  leichte  Erwärmung  zum  Beschleunigen  des  Trocknens  ist  gestattet. 
Man  darf  das  Präparat  z.  B.  in  der  erwärmten  Luft,  welche  sich  etwa  60  cm  über 
der  Flamme  des  Bunsenbrenners  befindet,  trocknen. 

ä)  Zeitschr.  f.  klin.  Med.     Bd.  1.     1880. 

■*)  Für  diese  sowie  für  die  folgenden  Manipulationen  empfiehlt  sich  sehr  die 
Anwendung  der  oben  (p.  51)  bereits  erwähnten  sogenannten  Com  et 'sehen  Pincette- 


64  A.  Allgemeines. 

der  Geschwindigkeit  der  Bewegung  stammt  von  John  e,  ^)  welcher  die- 
selbe in  seinen  Erinnerungen  an  die  ersten  ,,Choleracm-se"  im  Koch"- 
schen  Institute  aufgezeichnet  hat. 

Man  könnte  versucht  sein,  eine  derartig  genaue  Vorschrift  für 
die  Schnelhgkeit,  mit  der  man  das  Deckglas  durch  die  Flanmie  zu 
ziehen  hat,  für*  überflüssig  zu  halten.  Dieselbe  ist  jedoch  nichts  weniger 
als  überflüssig.  Erhitzt  man  das  Präparat  bei  dem  „Fixiren" 
zu  stark,  so  büssen  die  Bakterien  an  ihrer  Fähigkeit, 
Farbstoffe  aufzunehmen,  ein,  und  zwar  um  so  mehr,  je  weiter 
die  Erhitzung  gegangen  ist.  Vor  allem  hat  man  sich  vor  einem,  wenn 
auch  noch  so  kurzen,  Verweilen  des  Präparates  in  der  Flamme  zu 
hüten.  Die  Bewegung  soll  stetig  sein;  nm'  ganz  vorübergehend  soll 
die  höhere  Temperatur  einwirken.  Steht  man  einen  Moment  in  der 
Flamme  still,  so  ist  die  weitere  Brauchbarkeit  des  Präparates  verscherzt. 
Auf  der  anderen  Seite  soll  aber  das  Präparat  wrkhch  „fixirt"  werden; 
und  dazu  gehört  ein  bestimmter  Grad  der  Erhitzung.  Man  hat  also 
bei  dieser  Manipulation  eine  gewisse  (für  verschiedene  Untersuchungs- 
objecte  übrigens  etwas  verschiedene)  Mittelstrasse  einzuhalten,  die  durch 
die  obige  Angabe  im  Allgemeinen  ziemlich  genau  bestimmt  wird. 

Ist  das  Trockenpräparat  fixirt,  so  ist  es  zur  Färbung  fertig.  Die 
Färbung  wird  auf  die  Weise  ausgeführt,  dass  man  eine  geeignete 
Farblösung  auf  die  angetrocknete  Schicht  brmgt  und  den  Ueberschuss 
der  Farblösung  nach  kürzerer  oder  längerer  Zeit  mit  geeigneten  Flüssig- 
keiten (meist  Wasser)  herunterspült.  ^)  Vor  der  Färbung  kann  man 
das  Trockenpräparat  durch  kürzeres  oder  längeres  Eintauchen  in  eine 
Sublimatlösung  desinficiren;  man  wird  dies  z.  B.  dann  thun,  wenn 
Einem  daran  liegt,  pathogenes  Material  möglichst  bald  unschädlich  zu 
machen.  Die  Länge  der  Einwirkung  der  Sublimatlösung,  welche  dazu 
nothwendig  ist,  variirt  je  nach  der  Beschafienheit  des  zu  desinficirenden 
Materiales.  Die  Färbbarkeit  der  Bakterienzellen  -nird  nach  meinen  Er- 
fahrungen auch  durch  stundenlange  Einwirkung  der  gebräuchlichen 
SalzsäuresubKmatlösung  (1  Sublimat,  5  Salzsäure,  1000  Wasser)  nicht 
verändert.  ^) 


^)  Ueber  die  Koch 'sehen  Reinculturen  und  die  Cbulerabacillen.  Leipzig. 
1S85.     p.  19. 

'-)  Die  Färbung  des  Präparates  braucht  nicht  sofort  nach  der  Antrocknung  und 
Fixirung  des  Materials  zu  geschehen ;  man  kann  das  fixirte  Präparat,  vor  Feuchtigkeit 
geschützt,  vor  der  Färbung  beliebig  lange  aufbewahren. 

'')  Es  möge  hier  bemerkt  werden,  dass,  obgleich  manchen  Anilinfarben  eine 
hohe  bakterienschädigende  Wirkung  zukommt,  doch  nicht  etwa  jede  Bakterien- 
zelle durch  die  Aufnahme  von  Farbstoff  abgetödtet  wird. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  65 

Als  Farbstoffe  verwendet  man  zur  Bakterienfärbung  fast  aus- 
scbliesslicli  gewisse  Anilinfarben.  Es  ist  zwar  richtig,  dass  sich 
Bakterien  auch  mit  anderen  Farbstoffen,  z.  B.  Haematoxylin,  Carmin, 
tingiren  lassen ;  jedoch  ist  die  Intensität  solcher  Färbimgen  mit  den 
durch  Anilinfarben  hervorgebrachten  nicht  zu  vergleichen.  Der  Erste, 
welcher  Anilinfarben  zum  Färben  von  Bakterien  verwendete,  war 
Weigert.  ^J 

Es  ist  hier  der  Ort,  einige  Bemerkungen  über  das  Wesen  der 
Anilinfarben  im  Allgemeinen  und  über  ihre  Verwendbarkeit  in  der 
mikroskopischen  Technik  zu  machen.  Die  Anilinfarben  leiten  sich  in 
letzter  Linie  ab  von  den  beiden  Körpern  Anilin  und  Toluidin, 
welche  ihrerseits  aus  den  beiden  (in  dem  Steinkohlentheer  enthaltenen) 
Kohlenwasserstoffen  Benzol  resp.  Toluol  durch  Eintritt  einer  NH,-Gruppe 
(AmidogTuppe)  an  Stelle  eines  Wasserstoffatoms  in  den  Benzolkern 
entstanden  sind.  Aus  dem  Anilin  oder  dem  Toluidin  oder  aus  beiden 
zusammen  lassen  sich  nun  solche  Körper  herleiten,  welche  basische, 
und  solche,  die  sam-e  Eigenschaften  haben.  Und  man  kann  die  Anilin- 
farben als  Salze  auffassen,  welche  entweder  dadurch  entstehen,  dass 
sich  ein  solcher  basischer  Körper  mit  irgend  einer  Säure  verbindet, 
oder  dadurch,  dass  einer  der  sauren  Abkömmlinge  mit  irgend  einem 
anderweitigen  basischen  Körper  eine  Verbindung  eingeht.  In  dem 
ersteren  Falle  ist  das  färbende  Princip  des  entstehenden  Salzes 
offenbar  basischer  Natur,  während  in  dem  letzteren  Falle  der  saure 
Bestandtheil  des  Salzes  den  färbenden  Antheil  darstellt.  Ehrlich^) 
unterscheidet  so  „basische"  Anilinfarbstoffe  und  „saure" 
Anilinfarbstoffe. 

Es  hat  sich  nun  gezeigt,  dass  in  der  Wirkungsweise  dieser  beiden 
Gruppen  sehr  erhebliche  Unterschiede  bestehen.  Bringt  man  beispiels- 
weise von  zwei  gleichen  Schnitten  thierischen  Gewebes  den  einen  in 
eine  Farbflüssigkeit,  welche  mit  einem  basischen  Anilinfarbstoffe  her- 
gestellt ist,  den  anderen  in  die  Lösung  eines  sauren  Anihnfarbstoffes, 
so  findet  man  in  der  Färbung  der  nach  weiterer  zweckmässiger  Be- 
handlung resultii'enden  Präparate  die  erheblichsten  Differenzen.  Der 
saure  Farbstoff  hat  das  Gewebe  diffus,  in  allen  seinen  Theilen 
gleichmässig  gefärbt;  der  basische  Farbstoff  hat  vor  Allem  die  Kerne 
des  Gewebes  gefärbt,  die  anderen  Bestandtheile  haben  weniger  Farbstoff 
aufgenommen.   Die  basischen  Anilinfarbstoffe  sind  also  durch 


^)  Ueber    eine  Mykose  bei  einem  neugeborenen  Kinde.  —  Schles.  Gesellsch.  f. 
vaterl.  Cultur.     Breslau.     10.  Dec.  1875.     (Jahresbericht,  p.  229.) 
-)  Zeitschr.  f.  klin.  Med.     Bd.  1.     18S0.     p.  556. 

Günther,  Bakteriologie.     4,  Auflage.  5 


66  A.  Allgemeines. 

eine  besondere  Affinität  zu  den  Kernen  des  thierischen  Gewebes 
ausgezeichnet,  und  man  bezeichnet  sie  daher  auch  als  kernfärbende 
Anilinfarbstoffe,  während  man  die  sauren  auch  als  diffus  färbende 
bezeichnet. 

Die  am  häufigsten  angewandten  basischen  (k  e  r  n  f  ä  r  b  e  n  d  e  n) 
Anilinfarbstoffe  sind: 

Fuchsin  (Rubin,  Magenta)  [rother  Farbstoff]. 
Gentianaviolett,  Methjdviolett  (Dahlia). 
Methylenblau. 
Bismarckbraun  (Vesuvin). 

Zu  den  sauren  (diffus  färbenden)  Anilinfarbstoffen 
gehören  unter  Anderem  Eosin,  Pikrinsäure. 

Die  Kerne  des  thierischen  Gewebes  und  die  Protoplasmakörper 
der  Bakterienzellen  zeigen  nun  gewisse  Analogien  in  ihren  Eigenschaften, 
die  unter  Anderem  auch  in  dem  Verhalten  der  beiderseitigen  Dinge 
gegen  Farbstoffe  zum  Ausdrucke  kommen.  So  wie  die  Gewebskeme  durch 
eine  besondere  Affinität  zu  den  basischen  Anilinfarbstoffen  ausgezeichnet 
sind,  so  sind  dies  auch  die  Bakterien.  "\Vii-  brauchen  deshalb  zur 
Bakterienfärbung  ausschliesslich  die  basischen  (kernfärbenden) 
Anilinfarbstoffe. 

Zm*  Herstellung  der  Färbungsflüssigkeiten  verfährt 
man,  je  nach  dem  Farbstoff,  den  man  verwenden  will,  verschieden.  Bei 
den  beiden  Violetten,  dem  Fuchsin,  dem  Methylenblau  empfiehlt 
es  sich,  gesättigte  Lösungen  in  absolutem  Alcohol 
(welcher  das  ausgezeichnetste  Lösungsmittel  für  diese  Farbstoffe  ist) 
anzustellen,  die  als  Stammflüssigkeiten  dienen,  zum  Färben  jedoch 
an  sich  nicht  verwendet  werden  können.  Diese  gesättigten  alcoholischen 
Lösungen  werden  dann  zum  Gebrauche  mit  etwa  dem  zehnfachen 
Volumen  Wasser  verdünnt.  Die  schliesslich  anzuwendenden  Farb- 
lösungen müssen  stets  wässerige  sein  resp.  einen  hervorragenden 
Wassergehalt  besitzen.  Der  Grund,  weshalb  man  nicht  die  unmittelbar 
gebrauchsfähigen  wasserhaltigen  Farblösungen  von  vornherein  in  gTÖsseren 
Quantitäten  anstellt,  ist  der,  dass  die  mit  Wasser  versetzten  Lösungen 
gewöhnlich  nur  eine  beschränkte  Haltbarkeit  besitzen.  Eine 
nach  obiger  Vorschrift  durch  Vermischen  der  gesättigten  alcoholischen 
Lösung  mit  der  zehnfachen  Wassermenge  hergestellte  Violett-  oder 
Fuchsinlösung  wirkt ,  frisch  bereitet,  ausserordentlich  schön ;  bald 
jedoch,  spätestens  nach  mehreren  Wochen,  neigen  diese  Flüssigkeiten 
dazu,  Niederschläge  ausfallen  zu  lassen;  sie  färben  dann  weniger  in- 
tensiv und  bedecken  das  Präparat  gern  mit  grösseren  oder  kleineren, 
mitunter   sehr   dicht   gesäeten   Fleckchen,    welche   als   „Farbstoff- 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  67 

niederschlage"  bekannt  sind  und  das  Präparat  häufig  unbrauchbar 
machen.  Dies  gut  für  die  violetten  und  die  Fuchsinlösungen.  Den 
Methylenblaulösungen  kommt  etwas  derartiges  nicht  zu.  Me- 
thj^lenblaulösungen    sind   unbeschränkt   haltbar. 

Wir  werden  also,  wenn  wir  Bakterien  violett  oder  fuchsinroth 
färben  wollen,  uns  im  Allgemeinen  frisch  bereiteter,  durch  Vermischen 
gesättigter  alcoholischer  Stammlösungen  mit  Wasser  hergestellter  Farb- 
lösungen  bedienen.  Was  noch  das  Bismarckbraun  im  Speciellen  an- 
geht, so  empfiehlt  es  sich,  diesen  Farbstoff  in  gesättigter  wässeriger 
Lösung  anzuwenden.^) 

In  der  Wirkungsweise  der  verschiedenen  genannten 
Farbstoffe  auf  die  Präparate  sind  übrigens  ganz  bestimmte  Unter- 
schiede vorhanden.  Das  Bismarckbraun,  welches  fiäiher,  namentlich 
für  die  Zwecke  der  Mki'ophotographie ,  unentbehrlich  war,  wird  jetzt 
(wenigstens  für  Deckgiastrockenpräparate)  nur  verhältnissmässig  wenig 
noch  angewendet,  weil  wü-  einerseits  gelernt  haben  auch  anders  als 
braun  gefärl)te  Bakterien  zu  photographiren ,  und  weil  das  Bismarck- 
braun manche  Bakterienarten  (wie  z.  B.  die  Tuberkelbacillen)  schlecht 
oder  gar  nicht  färbt.  Am  intensivsten  färben  und  von  ganz  allgemeiner 
Anwendbarkeit  für  alle  Bakterienarten  sind  die  violetten  Farbstoffe 
und  das  Fuchsin.  Das  Methylenblau^)  färbt  zarter  und  lässt 
in  dem  Bakterienleibe  oft  noch  feine  Differenzen  des  Inhalts  nach  der 
Färbung  erkennen,  die  bei  Anwendung  der  Violette  oder  des  Fuchsins 
vollstäudig  verschwinden,  in  der  Totalfärbmig  des  Bakterienkörpers 
untergehen.  Für  Trockenpräparate  von  eiweisshaltigem  Material 
(Blut,  Eiter  etc.),  welches  auf  Bakterien  untersucht  werden  soll, 
empfiehlt  sich  vor  Allem  die  Methylenblaufärbung,  weil  bei  dieser 
das  Plasma  des  Blutes,  Eiters  etc.  nel  weniger  gefärbt  wird,  als  wenn 
Fuchsin  oder  Violett  zur  Verwendung  gelangt,  und  weil  somit  die 
Bakterien,  Leukocj-ten  etc.  viel  besser  zur  Darstellung  kommen. 


1)  R.  Koch  (Cohns  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.  Bd.  2.  1S77.  p.  406)  empfahl 
seiner  Zeit  eine  concentrirte  Lösung  des  Bismarckbrauns  in  einem  Gemisch  von  Wasser 
und  Glycerin  zu  gleichen  Theilen. 

-)  In  Trockenpräparaten,  welche  mit  Methylenblau  gefärbt  sind,  findet  man 
häufig  einzelne  Dinge  röthlich  gefärbt,  während  andere  eine  rein  blaue  Farbe  an- 
genommen haben.  Man  erklärt  dies  dadurch,  dass  das  Methylenblau  gewöhnlich  kein 
chemisch  reiner  Körper  ist ,  sondern  noch  andere ,  rothe  und  violette ,  Farbstoffe 
enthält.  In  Ausstrichpräparaten  der  Milz  von  Milzbrandmäusen,  die  mit  Methylen- 
blau behandelt  wurden,  habe  ich  häufig  die  Milzbrandbacillen  röthlich,  die  Kerne  der 
Leukocyten  rein  blau  gefärbt  angetroffen.  —  Die  Kapseln  der  MilzbrandliacUlen  (siehe 
weiter  unten  unter  „Milzbrandbacillus")  erscheinen  in  Methylenblau trockenpräparaten 
häufig  hellröthlich  im  Gegensatz  zu  dem  blau  gefärbten  Protoplasmakörper. 


68  A.  Allgemeines. 

Kehren  wir  nun  zu  unserem  Deckglas-Trockenpräparate 
zurück,  welches  wir,  zur  Färbung  bereit,  verlassen  hatten.  Wir  fassen 
das  Präparat  mit  einer  kleinen,  in  der  linken  Hand  gehaltenen  gewöhn- 
lichen Pincette  (oder  mit  der  Corne tischen  Pincette  [cf.  oben  p.  51]) 
so  in.  horizontaler  Lage,  dass  die  angetrocknete  Schicht  nach  oben 
sieht;  wir  bringen  dann  einige  Tropfen  wässeriger  Farblösung  auf  diese 
Schicht  (am  besten  mit  Hülfe  einer  kleinen  Pipette,  welche  aus  der  die 
Farblösung  enthaltenden  Flasche  heraussieht),  wir  lassen  die  Farblösung 
einige  Secmiden  einwirken  und  spülen  dann  mit  Wasser  den  Ueber- 
schuss  ab.  ^)  Die  Schicht  muss  sich  dann  gefärbt  zeigen.  Mit  Hülfe 
eines  Glasrohres  oder  auch  ohne  ein  solches  blasen  wir  dann  das  über- 
schüssige Wasser  von  der  gefärbten  Schicht  herunter,  wischen  die  andere 
Deckglasseite  mit  einem  Leinwandläppchen  oder  mit  Fliesspapier  trocken, 
ziehen  eventuell  das  Deckglas  mit  nach  oben  gerichteter  Schicht  noch 
einige  Male  durch  die  Flamme,  um  es  vollständig  zu  trocknen,  und 
sind  nun  mit  der  Färbung  fertig. 

r  Um  recht  saubere  Präparate  zu  erhalten ,  empfiehlt  es  sich  nach 
memen  Erfahrungen  sehr  häufig,  das  gefärbte  und  abgespülte,  noch 
nasse  Präparat  für  eine  Secunde  in  ganz  dünne  Essigsäure  (1  Eisessig 
-j-  200  Wasser)  zu  tauchen,  es  dann  sofort  mit  viel  Wasser  abzuspülen 
und  hinterher  mögKchst  schnell  zu  trocknen.'^  Diese  Essigsäure- 
behandlung, welche  weiter  nichts  bedeutex  als  eine  ganz  leichte 
Entfärbungsprocedur  (cf  hinten,  Abschnitt  Vs,  5),  befreit  sehr  häufig 
die  gefärbten  Bakterienzellen  von  zufälKg  anhaftenden,  aus  dem  Nähr- 
boden etc.  stammenden,  mitgefärbten  verunreinigenden  Anhängseln. 

Nach  der  Färbung  wird  das  Präparat  auf  den  Objectträger  auf- 
gekittet (zur  Conservirung  „eingeschlossen").  Wir  verwenden  zu 
diesem  Zwecke  fast  ausschliesslich  Canadabalsam.-j  Der  Canada- 
balsam  ist  ein  von  bestimmen  Coniferen  stammendes  terpentinähnliches 
Harz,   welches  in  äusserst  zähflüssigem  Zustande  im  Handel  erscheint 


^)  Hierbei  hat  man  darauf  zu  achten ,  dass  auch  die  etwa  zwischen  den 
Pincettenl^ranchen  angesammelte  Farbflüssigkeit  durch  Aussi^ülen  der  Branchen  ent- 
fernt werde. 

")  Nur  selten  werden  andere  Einschlussmittel  verwandt.  Mit  Bisniarckbraun 
gefärbte  Präparate  können  auch  in  Glycerin,  violett-  oder  fuchsingefärbte  Präpa- 
rate können  auch  in  essigsaurem  Kali  (1  Theil  auf  2  Theile  Wasser)  conservirt 
werden  (E.  Koch,  F.  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.  Bd.  2.  1877.  p.  407).  (Solche 
Präparate  müssen  dann  mit  einem  Lackrahmen  versehen  werden,  welcher  die 
Conservirungsflüssigkeit  nach  aussen  abschliesst.  Am  besten  eignet  sich  Asphalt- 
lack  für  diesen  Zweck  [eine  Lösung  von  Asphalt  in  Leinöl  und  Terpentin].  Der 
Lackverschluss   mrd  mit  Hülfe   eines  Pinsels  in   der  Weise  hergestellt,  dass  sowohl 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  69 

imd  für  unsere  Zwecke  erst  verdünnt  werden  muss.  Die  Verdünnung 
wurde  früher  hauptsächlich  mit  Terpentinöl  oder  mit  Chloroform  bewirkt. 
Es  hat  sich  aber  gezeigt,  dass  diese  beiden  Körper  sich  gegen  gefärbte 
Objecte,  namentlich  gegen  mit  Anilinfarben  gefärbte  Bakterien,  durch- 
aus nicht  gleichgültig  verhalten.  Sie  wirken  allmählich  entfärbend. 
Als  durchaus  indifferenter  Körper  hat  sich  jedoch  in  dieser 
Hinsicht  das  Xylol  erwiesen,  und  dieses  würde  ich  deshalb  ganz  allein 
zur  Verdünnung  des  Balsams  empfehlen.  Das  Xjdol,  ein  Dimeth}^- 
benzol,  ist  eine  leicht  bewegliche,  in  ihrem  Gerüche  zwischen  Benzol 
und  Bittermandelöl  stehende  Flüssigkeit,  die,  ohne  Rückstand  zu  hinter- 
lassen, verdunstet.  (Zum  Verdünnen  des  Balsams  nimmt  man  die  Hälfte 
seines  Volumens  bis  zum  gleichen  Volumen  Xylol  je  nach  dem  Zwecke, 
dem  der  verdünnte  Balsam  dienen  soll.^  Für  Deckglastrockenpräparate 
braucht  man  einen  dünneren,  zum  Conserviren  von  Schnitten  einen 
dickeren  „Xylol-Balsam".    ) 

Das  Aufkitten  des  Trockenpräparates  mit  dem  Xylol-Balsam  auf 
den  Objectträger  (oder  das  „Ein schli essen"  des  Präparates)  wird 
so  ausgeführt,  dass  man  auf  die  Mitte  des  reingeputzten  Objectträgers 
ein  kleines  Tröpfchen  des  Balsams^)  bringt  und  dann,  vorsichtig 
und  langsam,  das  Deckglas,  mit  der  gefärbten  Schicht  nach  unten,  mit 
einer  feinen  Pincette  gefasst,  mitten  auf  den  Objectträger,  d.  h. 
auf  das  Balsamtröpfchen  legt.  Benutzt  man  zu  der  letzten  Manipulation 
nicht  die  Pincette,  sondern  nur  die  Finger,  so  ist  man  genöthigt,  im 
letzten  Moment   das  Deckglas   fallen  zu  lassen;   und   es  kommt  dann 


der  Eand  des  Deckglases  wie  die  angrenzenden  Theile  des  Objectträgers  von  dem 
bestreichenden  Pinsel  getroffen  werden.)  —  Handelt  es  sieht  nicht  um  Conservirung, 
sondern  nur  um  mikroskopische  Besichtigung  der  gefärbten  Deckglaspräparate,  so 
kann  man  auch  Cedernöl  oder  (jedoch  viel  weniger  zweckmässig)  Wasser  als 
Einschlussmittel  verwenden.  —  In  einzehien  seltenen  Fällen  kann  es  auch  zweck- 
mässig sein,  die  Präparate  in  Luft  einzuschliessen  (cf.  weiter  hinten  in  diesem  Ab- 
schnitt die  Darstellung  der  Geisseifäden). 

^)  Der  Balsam  wird  am  besten  Ln  den  (p.  50)  beschriebenen  kleinen  weithal- 
sigen  Fläschchen  mit  (lose  aufsitzender)  ül)ergreifender  Kappe  aufbewahrt.  In  dem 
Fläschchen  steht  permanent  ein  dünnes  Glasstäbchen  mit  rund  verschmolzenen  Enden, 
welches  nach  Abhebung  der  Kappe  aus  dem  Fläschchen  heraussieht ,  und  mit  Hülfe 
dessen  der  Tropfen  Balsam  herausgehoben  wird.  Ganz  unbrauchbar  sind  die  (für 
andere  Keagentien  ganz  brauchbaren)  sogenannten  Cobaltflaschen  für  unseren  Zweck; 
sie  ähneln  den  beschriebenen  Flaschen,  unterscheiden  sich  von  denselben  aber  da- 
durch, dass  der  Glasstab  durch  einen  eingeschliffenen,  nach  unten  in  die  Flasche 
hinein  verlängerten  Stopfen  ersetzt  ist.  Man  wird  diese  Gefässe  nach  kurzem  Ge- 
brauche verwerfen;  denn  es  ist  bei  ihnen  nicht  za  vermeiden,  dass  der  Balsam  über 
den  Maschenrand  herausquillt  und  die  Aussenwand  des  Gefässes ,  den  Tisch  eto. 
beschmutzt  und  verschmiert. 


70  A.  Allgemeines. 

häufig  zur  Bildung  kleiner  Blasen^)  innerhalb  des  Balsams,  welche 
unter  Umständen  geeignet  sind,  die  Beobachtung  des  Präparates  zu 
stören.  Unter  dem  Deckglase  breitet  sich  der  Balsam  je  nach  seiner 
Consistenz  rascher  oder  langsamer  aus  und  bildet  schliesslich  eine 
Verbindung  des  Deckglases  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  mit  dem 
Objectträger.  Man  hüte  sich  übrigens,  zu  viel  des  Balsams  auf  den 
Objectträger  zu  bringen.  Begeht  man  diesen  Fehler,  so  quillt  der 
Balsam  unter  den  Eändem  des  Deckglases  hervor,  kommt  dann  bei  der 
nachherigen  mikroskopischen  Betrachtung  eventuell  mit  dem  Oel  des 
Immersionssystems  zusammen,  vermischt  sich  mit  demselben,  verändert 
den  Brechungsexponenten  der  Immersionsflüssigkeit,  und  man  muss 
sich  dann  der  Mühe  unterziehen,  das  Immersionssystem  sowohl  wie  die 
Oberfläche  des  Deckglases  sauber  (am  besten  mit  Benzol  oder  Xylol) 
abzuputzen,  den  überflüssigen  Balsam  zu  entfernen,  und  kann  dann 
die  Beobachtung  von  Keuem  begiimen.  Ein  weiterer  Verschluss  des 
aufgekitteten  Präparates  ist  nicht  nothwendig.  Innerhalb  weniger  Tage 
ist  der  Balsam  ziemlich  fest,  innerhalb  einer  Reihe  von  Wochen  an 
den  Eändem  steinhart,  und  das  Präparat  ist  dann  ein  echtes,  wirkliches 
Dauerpräparat.  Die  Färbung  hält  sich,  wenn  man  die  Präparate 
im  Dunkeln  aufbewahrt,  dauernd  unverändert. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  man  unmittelbar  nach  der  Herstellung 
des  Präparates  dasselbe  mit  einer  genauen  Bezeichnung  (am  besten 
wird  dieselbe  auf  einem  aufgeklebten  Etikett^)  angebracht)  versieht, 
welche  die  näheren  Daten  über  die  Herstammung  des  Materiales  und 
namentlich  auch  Datum  imd  Jahreszahl  der  Herstellung  angiebt. 

Will  man  übrigens  ein  Ti'ockenpräparat,  welches  vor  längerer  Zeit 
gefärbt  und  in  Canadabalsam  eingeschlossen  wurde,  wieder  von  dem 
Objectträger  herunternehmen,  z.  B.  um  es  auf  einen  anderen 
Objectträger  aufzukitten  oder  es  mit  einer  anderen  Farbe  zu  färben 
(es  „umzufärben")  etc.,  so  braucht  man  nur  den  Objectträger  von 
unten  her  über  der  Flamme  leicht  (nicht  zu  stark '^j)  zu  erwärmen. 
Der  Balsam  wird  sofort  wieder  etwas  flüssiger,  und  man  kann  dann 
mit   einem   kleinen  Hölzchen  oder  Aehnlichem   das  Deckglas  von  dem 


^)  Bemerkt  man  in  dem  Balsamtropfen  Blasen,  bevor  man  das  Deck- 
glas auflegt,  so  kann  man  dieselben  leicht  dadurch  entfernen,  dass  man  sie  mit 
der  Spitze  des  soeben  in  der  Flamme  erhitzten,  noch  heissen  Platindrahtes  berührt. 

^)  Man  mache  es  sich  (aus  nahehegenden  Gründen)  zur  Kegel,  im  bakterio- 
logischen Laboratorium  die  aufzuklebenden  Etiketts  nicht  anzulecken,  sondern 
sie  auf  irgend  eine  andere  Weise  mit  Wasser  anzufeuchten. 

^)  Es  sei  hier  bemerkt,  dass  in  Balsam  eingeschlossene  Bakterienpräparate,  die 
stark  (etwa  bis  zu  beginnender  Blasenbildung  des  Balsams)  erhitzt  werden,  die 
Färbung  hierbei  verlieren. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtuiig.  71 

01)jectträger  herunterschieben  und  es  ohne  Weiteres  mit  einem  neuen 
Tröpfchen  Balsam  auf  einen  anderen  Objectträger  aufkitten.  Beabsichtigt 
man  eine  Umfärb ung,  so  wird  das  heruntergeschobene  Deckglas 
längere  Zeit  (am  besten  für  24  Stunden)  in  Xylol,  das  man  zweck- 
mässiger Weise  mehrmals  erneuert,  gebracht,  bis  der  Balsam  vollkommen 
heruntergelöst  ist.  Dann  kommt  das  Deckglas  in  absoluten  Alcohol 
zur  Entfernung  des  Xylols,  dann  in  eine  der  weiter  unten  zu  be- 
sprechenden Entfärbungsflüssigkeiten,  wird  nach  erfolgter  Entfärbung 
in  Wasser  abgespült  und  kann  nun  mit  beliebiger  Farblösung  wieder 
gefärbt,  dann  abgespült,  getroclmet  und  wieder  aufgekittet  werden. 

Nach  dieser  Abschweifung  wollen  wir  uns  unserem  Trocken- 
präparate wieder  zuwenden,  welches  wir  gefärbt,  in  Balsam  ein- 
geschlossen und  damit  zur  Beobachtung  fertig  gemacht  hatten. 
Während  wir  zur  mikroskopischen  Betrachtung  des  hängenden  Tropfens 
aus  genauer  erörterten  Gründen  darauf  angewiesen  waren,  uns  zunächst 
eine  bestimmte  Stelle  des  Präparates  (nämlich  den  Rand  des  Tropfens) 
aufzusuchen,  um  diese  zu  untersuchen,  haben  wir  es  zum  Zwecke  der 
genaueren  mikroskopischen  Prüfung  des  gefärbten  Trockenpräparates 
nicht  nöthig,  eine  solche  bestimmte  Stelle  aufzusuchen.  Das  Trocken- 
präparat stellt  ein  sehr  dünnes,  in  horizontaler  Ebene  ausgebreitetes 
Object  dar,  dessen  einzelne  Theile  mehr  oder  weniger  gieichwerthig 
sind;  und  es  ist  deshalb  gleichgültig,  welche  Stelle  des  Deckgiäschens 
wir  zunächst  unter  die  Linse  bringen,  falls  nur  überhaupt  an  dieser 
Stelle  Theile  der  gefärbten  Schicht  vorhanden  sind.  Gewöhnlich  legt 
man  deshalb  das  Präparat  so  auf  den  Objecttisch,  dass  die  obere  Linse 
des  Abbe'schen  Apparates  und  das  Deckglas  concentrisch  über  einander 
liegen,  dass  also  die  optische  Axe  des  Mikroskopes  durch  die  Mitte  des 
Deckgläschens  geht.  Dann  wird  ein  Tröpfchen  Cedernöl  ^)  auf  die  IVIitte 
des  Deckgiäschens  gebracht  und,  ohne  dass  erst  eine  Beobachtung  mit 
schwachem  System  erfolgt,  das  Lnmersionssystem  in  der  oben  (p.  55) 
beschriebenen  Weise  unter  Benutzung  des  groben  Tubustriebes  in  das 
Oel  hineingesenkt.  Nachdem  die  Berührung  der  Linse  mit  dem  Gel 
erfolgt  ist,  wird,  wie  dies  bei  der  Einstellung  des  hängenden  Tropfens 


^)  Es  sei  gestattet,  an  dieser  Stelle  ein  Wort  über  den  Modus  der  Entfer- 
nung des  Cedernöls  vom  frischen  Präparate  nach  der  abgeschlos- 
senen mikroskopischen  Beobachtung  zu  sagen:  Am  besten  begnügt  man 
sich  zunächst  damit,  durch  ein  auf  das  Deckglas  aufgelegtes  Stückchen  Eliesspapier 
den  flüssigen  Ueberschuss  des  Oels  herunterzunehmen.  Der  auf  dem  Deckglas  ver- 
bleibende Rest  des  Oels  wird  nach  einigen  Wochen,  wenn  der  Balsam  völlig  fest 
geworden  ist  und  das  Deckglas  also  fest  am  Objectträger  haftet,  mit  einem  in  Benzol 
oder  Xylol  getauchten  Läppchen  entfernt. 


72  A.  Allgeraeiues. 

geschah,  der  Tubus  Avieder  etwas  in  die  Höhe  geschraubt,  ohne  dass 
die  Oelverbindung  dabei  auseinander  reisst.  Dann  bringt  man  das  Auge 
über  das  Ocular  und  regulirt  nun  zunächst  provisorisch  die  Spiegel- 
stellung so,  dass  das  Gesichtsfeld,  in  welchem  zimächst  ein  Bild  noch 
nicht  sichtbar  ist,  überhaupt  nur  eine  gewisse  HelKgkeit  zeigt.  Dann 
wird  durch  vorsichtiges  und  langsames  Herunterschrauben  des  Tubus 
mit  Hülfe  des  groben  Triebes  das  Bild  zum  Erscheinen  gebracht  und 
in  dem  Momente  des  Erscheinens  der  grobe  Trieb  verlassen  und  die 
weitere  feinere  Einstellung  des  Bildes  mit  der  Mikrometerschraube 
vollzogen. 

Nim  ist  zwar  das  Objectiv  resp.  der  Tubus  in  die  richtige  Stellung 
zum  Objecte  gebracht;  das  Bild  wird  aber  nur  in  Ausnahmefällen  sich 
jetzt  schon  so  zeigen,  me  wir  es  definitiv  zu  sehen  "nünschen.  Ein 
wichtiger  Punkt  ist  noch  zu  erledigen:  die  endgültige  ßegulirung  der 
Beleuchtung.  Wir  hatten  die  Beleuchtung  zunächst  nur  so  ein- 
gerichtet, dass  überhaupt  Strahlen  der  Lichtquelle,  von  dem  Spiegel 
reflectirt,  durch  das  Abbe 'sehe  Condensorsystem  in  das  Objectiv  ge- 
langten. Es  kommt  jetzt  noch  darauf  an,  die  Stellung  des  auf-  imd 
abwärts  verschieblichen  Abbe 'sehen  Apparates  so  zu  regulii'en,  dass 
der  Vereinigungspunkt  der  aus  ihm  heraus  in  das  Ob- 
ject  eintretenden  Lichtstrahlen  in  dem  Objecte  selbst 
liegt.  Denn  dies  ist,  Avie  wir  oben  (p.  56)  hervorgehoben  haben, 
zum  Zustandekommen   eines   möglichst  guten  Bildes  stets  erforderlich. 

Um  diese  zweckmässigste  Stellung  des  Beleuchtungskörpers  zu 
finden,  kann  man  sich  entweder  des  Verfahrens  bedienen,  das  wir  oben 
bei  der  Einstellung  des  hängenden  Tropfens  anwandten,  und  das  darauf 
beruht,  dass  man,  indem  man  das  Object  mit  schwachem  Objectiv 
ansieht,  den  Abbe'schen  Apparat  so  stellt,  dass  das  Bild  der  Licht- 
quelle in  der  Objectebene  direct  sichtbar  wird.  Will  man  aber  das 
schwache  Objectiv  umgehen  (und  dies  pflegt  man  bei  der  Betrachtung 
gefärbter  Trockenpräparate  gewöhnlich  zu  thun),  so  findet  man  jene 
zweckmässigste  Stellung  des  Beleuchtimgskörpers  auf  eine  etwas  andere 
Weise.  Hat  man  nämlich  zimächst,  wie  erörtert,  überhaupt  bei  irgend 
welcher  Beleuchtung  das  Bild  mit  dem  Lnmersionssj^stem  möglichst 
scharf  eingestellt,  so  bringt  man  nun  das  Princip  der  maximalen 
Beleuchtung  zur  Anwendung;  d.  h.  man  regulirt  Abbe-  und 
Spiegelstellung  gleichzeitig  so,  dass  das  Centrimi  des  Gesichtsfeldes 
resp.  das  Object  sich  möglichst  hell  beleuchtet  zeigt.  Es  ist  klar, 
dass  dies  Letztere  nur  dann  zu  Stande  kommen  kann,  wenn  die  von 
der  Lichtquelle  ausgehenden  Strahlen  sich  genau  in  dem  Objecte  oder 
in  der  Objectebene  vereinigen.     Das  Princip,   die  Beleuchtung 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  73 

maximal  zu  machen,  ist  also  identisch  mit  dem  Prin- 
cipe, das  Bild  der  Lichtquelle  in  das  zu  beobachtende 
Object  zu  projiciren;  und  ich  darf  daher  das  Princip  der 
maximalen  Beleuchtung,  welches  übrigens  zuerst  von  mir ^)  in 
dieser  Fassung  aufgestellt  resp.  definirt  worden  ist,  ganz  allgemein  für 
das  mikroskopische  Arbeiten  empfehlen. 

N^och  ein  Wort  über  das  rein  manuelle  Vorgehen  bei  dem  Ein- 
stellen dieser  maximalen  Beleuchtung:  Vorausgesetzt,  wir  hätten 
das  Object  mit  dem  Immersionssystem  bei  irgend  welcher  Beleuchtung 
zunächst  möglichst  scharf  eingestellt,  so  würden  wir  weiterhin  nur  an 
der  Spiegelstellung  und  an  der  Stellung  des  Abbe 'sehen  Condensors 
eventuelle  Aenderungen  vorzunehmen  haben.  Wir  bringen  dann  die 
linke  Hand  an  den  Trieb  des  Abbe'schen  Apparates,  die  rechte  an 
die  Spiegelfassung,  richten  den  Spiegel  zunächst  so,  dass  die  Mtte  des 
Gesichtsfeldes  oder  das  Gesichtsfeld  überhaupt  möglichst  stark  beleuchtet 
ist,  mid  schrauben  nun  den  Abbe'  sehen  Apparat  auf-  oder  abwärts, 
je  nachdem  die  Lichtstärke  in  der  ersten  oder  in  der  zweiten  Bewegungs- 
richtung zunimmt,  bis  wir  zum  Maximum  der  Lichtstärke  gekommen 
sind.  An  der  Spiegel  Stellung  nehmen  wii-  nur  dann  in  den  einzelnen 
Momenten  dieser  Eegulirung  der  Abbe-Stellung  Veränderungen  vor, 
wenn  die  Beleuchtung  aus  dem  Gesichtsfelde  herausgehen  resp.  nicht 
centrisch  bleiben  sollte.  Bei  einem  ideal  construirten  Mikroskope  ist 
dies  allerdings  nicht  der  Fall ;  die  meisten,  auch  die  besten  Instrumente, 
zeigen  aber  Fehler  in  der  Centrirung  des  Abbe'schen  Condensors, 
und  diese  werden  durch  geringe  Aenderungen  der  Spiegelstellung 
corrigirt.  Nun  würde  noch  feinste  Einstellung  der  Bildschärfe  mit  der 
Mikrometerschraube  erfolgen;  und  dann  ist  die  gesammte  Disposition 
des  Mikroskopes  die  zweckmässigste ,  die  unter  den  gegebenen  Be- 
dingungen möglich  ist. 

Man  kann  die  maximale  Beleuchtung  noch  auf  eine  andere  Weise 
einstellen:  Nachdem  man  nämlich  mit  Hülfe  des  Immersionssystems 
das  Object  zunächst  bei  irgend  welcher  Beleuchtung  möghchst  scharf 
eingestellt,  d.  h.  dem  Objectiv  die  richtige  Entfenmng  vom  Objecte 
gegeben  hat,  entfernt  man  das  Ocular  aus  dem  Tubus  (ohne  den  letz- 
teren zu  verstellen),  blickt  dann  central  in  den  Tubus,  hinein  und 
disponii-t  nun  die  Spiegelstellung  und  die  Stellung  des  auf-  und  ab- 
wärts verschieblichen  Abbe'schen  Beleuchtungskörpers  so,  dass  die 
obere  Objectivlinse  möglichst  hell  leuchtend  erscheint,  und  dass  der 
Mittelpunkt   der   leuchtenden  Partie   mit   dem  Centrimi   der  Linse  zu- 


0  1.  Auflage  dieses  Buches.     1S90.     p.  56. 


74  A.  Allgemeines. 

sammenfällt.  Die  hierzu  nothwendigen  Stellungen  des  Spiegels  und 
des  A  b  1d  e '  sehen  Apparates  findet  man  durch  Ausprobiren  (Hin-  und 
Herschieben  etc.)  sehr  leicht  in  wenigen  Secunden.  Bringt  man  nun 
das  Ocular  in  den  Tubus  zurück,  so  hat  man  nur  noch  event.  die 
letzte  feine  Einstellung  der  Bildschärfe  an  der  Mkrometerschraube 
vorzunehmen,  um  die  zweckmässigste  Disponirung  des  Mikroskopes  für 
den  gegebenen  Fall  erreicht  zu  haben. 

Dass  wir  bei  der  Einstellung  des  gefärbten  Präparates  keine 
Abbiendung  des  Abbe' sehen  Condensors  vornehmen,  sondern  den- 
selben voll  zur  Wirkung  kommen  lassen,  ist  nach  den  oben  (p.  58) 
über  die  Functionen  des  Abbe'  sehen  Apparates  gegebenen  Erörterungen 
selbstverständlich.  ^) 

Das  Verfahren  der  mikroskopischen  Einstellung  des 
gefärbten  T  r  o  c  k  e  n  p  r  ä  p  a  r  a  t  e  s  wüi'de  sich  also  folgendermassen 
gestalten : 

1)  Position  des  Präparates  auf  dem  Objecttisch  so,  dass  etwa  die 
Glitte  des  Deckgläschens  in  der  optischen  Axe  liegt. 

2)  Bringen  eines  Tropfens  Cedemöl  central  auf  das  Deckglas. 

3)  Vorsichtiges  Niederschrauben  des  Tubus  mit  Hülfe  des  gToben 
Triebes  bis  zum  Eintauchen  des  Immersionssystems  in  das  Oel.  Zurück- 
schrauben des  Tubus,  ohne  die  Oelverbindung  zu  zerreissen. 

4)  Entferaung  jeder  Blendung  unterhalb  des  Abbe'schen  Apparates. 
Stellung  des  Planspiegels  so,  dass  das  Gesichtsfeld  (irgendme)  beleuchtet 
erscheint. 

5)  Vorsichtiges,  langsames  Xiederschrauben  des  Tubus  mit  Hülfe 
des  groben  Triebes  bis  zum  Erscheinen  des  Bildes. 

6)  Loslassen  des  groben  Triebes  und  möglichste  Scharfstellung 
des  Bildes  mit  Hülfe  der  jMikrometerschraube. 

7)  Herstellung  der  maximalen  Beleuchtung  durch  Regulu'ung  der 


^)  Arbeitet  man  bei  Lampenlicht,  so  ist  das  Mkroskopiren  bei  der  ge- 
schilderten Beleuchtung,  namenthch  wenn  man  sch'^'ache  Oculare  verwendet,  für  ein 
normales  Auge  höchst  unangenehm.  Das  Auge  wird  durch  die  Fülle  der  Licht- 
strahlen erheblich  geljlendet.  Man  mache  es  sich,  wenn  man  seine  Augen  lieb  hat, 
zur  Eegel,  bei  der  Beobachtung  mit  Lampenlicht  und  vollem  Condensor  stets 
blaue  Gläser  zu  benutzen  (cf.  p.  56,  Anm.  2).  Es  ist  nicht  statthaft,  das  Licht 
dadurch  abzustumpfen,  dass  man  den  Condensor  abblendet,  oder  dass  man  durch 
vertikale  Verschiebung  des  Condensors  von  dem  Principe  der  maximalen  Beleuchtung 
abweicht.  Denn  in  den  beiden  letzteren  Fällen  würde  man  mit  engerem  Beleuch- 
tungskegel arbeiten,  Diffractionssäume  an  den  Contouren  der  Objecte  erzeugen  und 
ein  Zustandekommen  des  gewünschten  (und  für  die  meisten  Zwecke  unumgänglich . 
nothwendigen)  reinen  Farbenbildes  (cf.  p.  59)  vereiteln. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Batterienbeobachtung.  75 

Abbe-  und  Spiegelstellmig  nach  einer  der  oben  Q).  73)  angegebenen 
Methoden. 

Hat  man  auf  diese  Weise  eine  Stelle  des  Präparates  eingestellt, 
so  unterwirft  man  dieselbe  der  Besichtigung  und  kann  dann,  die  eine 
Hand  am  Präparate,  die  andere  an  der  Mikrometerschraube,  durch 
Verschiebung  des  Präparates  sich  beliebige  weitere  Stellen  des  Präparates 
zur  mikroskopischen  Anschauung  bringen.  An  der  Beleuchtung  braucht 
man  währenddessen  naturgemäss  nichts  zu  ändera. 

An  einem  solchen  gefärbten  Trockenpräparate  zeigen  sich  nun 
die  einzelnen  Bakterien,  und  zwar  der  Protoplasmakörper  der- 
selben, mehr  oder  weniger  intensiv  gefärbt.  Sind  die  Hüllen 
(cf.  p.  9)  stärker  entwickelt,  so  kommen  sie  als  weniger  intensiv  oder 
auch  als  kaum  gefärbter  den  Protoplasmakörper  imigebender  Hof  deut- 
lich zur  Erscheinung  (vgl.  Taf.  V,  Fig.  27 ;  Taf.  XH,  Fig.  67  und  69). 

Häufig  finden  mr  in  einem  gefärbten  Trockenpräparate  (und 
dasselbe  gilt  auch  fiir  die  später  zu  besprechenden  Schnittpräparate) 
nicht  alle  Indinduen  (die  zu  derselben  Art  gehören)  gieichmässig  ge- 
färbt. Neben  solchen,  deren  Protoplasmakörper  sich  gieichmässig 
intensiv  tingirt  hat,  sehen  wir  andere,  die  unregelmässig,  blass, 
lückenhaft  gefärbt  erscheinen.  Beispiele  hierfür  sieht  man  auf 
Taf.  n,  Fig.  9,  femer  auf  Taf.  VI,  Fig.  34.  Es  handelt  sich  hier  mn 
Individuen,  die  in  D  e  g  e  n  e  r  a  t  i  o  n  begriffen  oder  vollständig  degenerirt 
sind,  und  deren  Protoplasma  damit  die  Fähigkeit  verloren  hat,  sich 
in  der  normalen  Weise  mit  Fai'bstoffen  zu  beladen.  Der  Verlust  der 
Färbbarkeit  lässt  mit  Sicherheit  auf  eingetretenen  Tod  schhessen 
(R.  Koch^));  andererseits  ist  es  aber  nicht  statthaft,  aus  der  erhalten 
gebliebenen  Färbbarkeit  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  das  Individuum 
vor  der  Präparation  noch  völlig  lebenski'äftig  war,  wie  Untersuchungen 
von  B  a  u  m  g  a  r  t  e  n  und  B  r  a  e  m  -)  gezeigt  haben.  —  Wir  haben  hier 
von  unregelmässiger,  lückenhafter  Färbung  gesprochen  und  dieselbe  auf 
Degeneration  beziehen  dürfen.  Nicht  zu  verwechseln  damit  ist  eine 
andere  färberische  Erscheinung,  welche  man  bei  mannichfachen  Bakterien- 
arten, und  zwar  bereits  bei  jungen  Reinculturen  derselben,  in  denen 
von  einer  Degeneration  sicher  keine  Eede  ist,  beobachten  kann: 
Während  (bei  kurzer  Behandlung  des  Präparates  mit  unseren  Farb- 
lösungen bei  Zimmertemperatur,  wie  oben  geschildert)  \ie\e  Bakterien- 
zellen den  Farbstoff  kräftig  aufgenommen  haben  und  sich  intensiv 
gefärbt   zeigen,    sind   andere,    gleichgestaltete   Zellen  äusserst   schwach 


*)  Untersuchungen  über  die  Aetiologie  der  Wundinfections-Krankheiten.   Leipzig. 
1878.     p.  53. 

-)  cf.  Centralbl.  f.  klin.  Med.     1888.     No.  29. 


76  A.  Allgemeines. 

gefärbt.  Von  einer  lückenhaften,  ungleichmässigen  Auf- 
nahme des  Farbstoffs  sieht  man  hier  nichts.  Ein  Beispiel  dafür 
(junge  T3-])husbacillencultur)  zeigt  Taf.  YIII,  Fig.  45.  Es  handelt  sich 
in  solchen  Fällen  nicht  um  den  Unterschied  zwischen  lebenskräftigen 
Zellen  einerseits  und  degenerirten  andererseits,  sondern  es  handelt  sich 
um  lebenskräftige  Zellen  verschiedener  Resistenz:  die 
blassgefärbten  Zellen  sind  resistenter  als  die  intensiv  gefärbten.  Be- 
handelt man  nämlich  derartiges  Material  mit  intensiver  wirkenden 
Färbungsproceduren  (cf.  weiter  unten,  Abschnitt  IV,  5),  so  färben  sich 
die  Zellen  sämmtlich  gleichmässig  intensiv.  Etwas  Derartiges  ist  bei 
degenerirtem  Material  niemals  der  Fall;  hier  ist  eben  die  normale 
Färbbarkeit  verloren  gegangen,  und  —  mr  mögen  Färbungsproceduren 
anwenden,  welche  wir  wollen  —  es  resultiren  stets  lückenhaft,  un- 
regelmässig oder  auch  gar  nicht  gefärbte  Zellen. 

Sind  in  dem  Trockenpräparate  Bacillen  vorhanden,  welche  aus- 
gebildete Sporen  enthalten,  so  zeigen  sich  die  letzteren  als  un- 
gefärbte Körper  innerhalb  des  Bacillenleibes,  der  im  Uebrigen  noch 
ganz  noraial  gefärbt  sein  kann  (cf.  Taf.  IV,  Fig.  19  und  21;  Taf.  VE, 
Fig.  37  und  40).  Man  hüte  sich  aber  davor,  jede  ungefärbte  Stelle  in 
einem  gefärbten  Bacillus  als  „Spore"  anzusprechen.  Die  ausgebildete 
Spore  hat  eine  resistente  Membran  (cf.  oben  p.  16).  welche  auch  dem 
Eindringen  von  Farbstofflösungen  einen  sehr  erheblichen  AYiderstand 
entgegensetzt.  Aus  diesem  Grunde  erscheinen  im  gefärbten  Ti'ocken- 
präparat  die  Sporen  gewöhnlich  ungefärbt;  aber  es  können  innerhalb 
von  Bacillen  Stellen  auch  aus  anderen  Gründen  ungefärbt  bleiben" 
z.  B.  wenn  (wie  wir  eben  auseinandergesetzt  haben)  das  Protoplasma 
bei  beginnender  Degeneration  hier  und  da  seine  Färbbarkeit  eingebüsst 
hat.  Ferner  kommt  es  auch,  wie  Büchner^)  gezeigt  hat,  vor,  dass 
bei  dem  Zutritte  der  Farblösung  das  Bacillenprotoplasma  sich  inner- 
halb der  Bacillenmembran  etwas  contrahirt-)  und  so  eine  ungefärbte 
vacuolenartige  Stelle  entsteht.  Zur  sicheren  Diagnose  einer 
„S  p  0  r  e"  ist  ausser  der  Beobachtung  des  Färbimgsverhaltens  vor  Allem 
der  iS'achweis  der  Keimfähigkeit  des  Gebildes  nothwendig. 

Hat  man  Blut  auf  Bakterien  zu  untersuchen,  so  kann  man  sich 
mit  Yortheil  der  geschilderten  Methode  der  Darstellmig  des  gefärbten 
Trockenpräparates  bedienen. -"j  Bei  richtiger  Erhitzung  des  Präparates 
(gelegentlich   der  Fkirung)   zeigen   sich  dann   die  Bakterien  am  inten- 

1)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  4.     ISSS.     No.  1-2—13. 

-)  Vergl.  oben  p.  10  „Plasmolyse". 

•*)  Vergl.  p.  67  (Empfehlung   des  Methylenblaus  für  die  Untersuchung  eiweiss- 

haltiger  Flüssigkeiten). 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  77 

sivsten  gefärbt,  die  rothen  Blutkörperchen  iii  ihrer  Gestalt  erhalten 
und  weniger  intensiv  gefärbt,  das  Plasma  wenig  gefärbt.  Mitunter 
stört  aber  die  Färbung  der  Blutkörperchen  und  des  Plasma  die  Bakterien- 
färbung resp.  Bakterienbeobachtung,  und  es  ist  dann  mit  Vortheil  ein 
Verftihren  anzuwenden,  welches  ich^)  ursprünglich  zur  Färbung  von 
Recurrensspirillen  in  Blutpräparaten  angegeben,  dann  aber  zur  Darstel- 
lung von  Bakterien  in  Blutpräparaten  überhaupt^)  empfohlen 
habe.  Dies  Verfahren  beruht  darauf,  dass  durch  Abspülen  der  getrock- 
neten und  fixirten  Blutpräparate  mit  dünner  (1 — 5  procentiger)  wässe- 
riger Essigsäurelösung  das  Haemogiobin  aus  den  Blutscheiben  extrahirt 
und  ein  grosser  Theil  des  Plasma  von  dem  Griase  heruntergewaschen 
wird,  ohne  dass  die  Fixirung  der  Bakterien  dabei  leidet.  Ti'ocknet  man 
hinterher  die  Schicht  wieder,  so  kann  man  sie  nun  wie  gewöhnlich 
färben,  und  man  erhält  so  eine  ziemlich  isolirte  Färbung  der 
Bakterien;  die  Blutkörperchen  erscheinen  nur  noch  wie  blosse 
Schemen  und  stören  das  Bild  der  gefärbten  Bakterien  nicht  mehr. 
Fig.  70  auf  Tafel  Xu  (Recurrensspirillen  in  Blut)  ist  nach  einem  auf 
die  beschriebene  Weise  hergestellten  Präparate  aufgenommen.  Die  eben 
geschilderte  Methode  lässt  aber  manchmal  im  Stich,  wenn  die  Blut- 
schicht bereits  vor  sehr  langer  Zeit  am  Deckglas  angetrocknet  und  das 
Präparat  in  diesem  Zustande  aufbewahrt  wurde.  Das  Plasma  ist  dann 
so  fest  am  Deckglase  angetrocknet,  dass  es  nicht  gelingt,  dasselbe  mit 
Essigsäurelösimg  abzuspülen.  Hier  habe  ich^)  mit  Erfolg  folgenden 
Kunstgriff  angewendet:  Ich  behandelte  so  eingetrock-nete  Schichten  mit 
2 — 3proc.  wässeriger  Pepsinlösung.  Das  Plasma  wurde  in  km-zer 
Zeit  peptonisirt,  die  Bakterien  blieben  wohl  erhalten  und  Hessen  sich 
hinterher  gut  färben. 

Eine  Doppelfärbung  von  Blut-Trockenpräparaten,  die 
Bakterien  enthalten,  erreicht  man  durch  Behandeln  der  Präparate  mit 
einer  Farblösung,  die  ein  Gemisch  von  Methylenblau  und  Eosin  dar- 
stellt (Chenzinsky'sche'^j  Eosin-Methylenblaulösung).  Man 
nimmt  zweckmässig^)  ein  ganz  frisch  bereitetes  Gemisch  von 

2 — 3  Vol.  gesättigter  wässeriger  Methylenblaulösung, 

1  Vol.  ^/gproc.  Eosinlösung  in  70  bis  75proc.  Alcohol, 

2  Vol.  Wasser. 


^)  Fortschritte  d.  Medicin.     18S5.     p.  755. 

-)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1887.     No.  22. 

")  Deutsche  med.  Wochenschr.     1887.     No.  22. 

^)  Chenzinsky  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  3.  1888.  No.  15)  hat  (Uese  Mischung 
zuerst,  und  zwar  zur  Färbung  von  Malariablut-Präparaten,  angegeben. 

^)  cf.  die  Arbeiten  von  Plehn  (Aetiologische  und  klinische  Malariastudien. 
BerUn  1890)  und  von  Canon  (Virch.  Arch.    Bd.  131.     1893.    p.  404). 


78  A.  Allgemeines. 

Auch  die  weiterhin  noch  zu  besprechende  Gram' sehe  Methode 
lässt  sich  bei  geeigneter  Xatur  der  Objecte  für  Deckglastrockenpräparate 
(speciell  auch  für  Bhitpräparate)  verwenden. 

Zur  mikroskopischen  Darstellung  von  Mikroorganismen  im 
Hörn ge webe  hat  Unna\)  folgende  Methode  angegeben:  Die  be- 
treffende Hornschuppe  (Kruste,  Comedo  etc.)  wii'd  auf  einen  Objectträger 
gelegt  und  mit  einem  Tropfen  starker  Essigsäure  befeuchtet.  Ein  zweiter 
Objectträger  wii'd  auf  den  ersten  gelegt,  und  es  wird  durch  Drücken 
und  Reiben  der  beiden  Objectträger  gegen  einander  das  in  der  Essig- 
säure aufquellende  Material  zu  einem  Brei  zerrieben.  Die  Objectträger 
werden  dann  von  einander  gehoben  und  zur  Verdunstung  der  Essig- 
säure rasch  über  der  Flamme  getrocknet.  Die  ziemlich  abgekühlten, 
aber  noch  warmen  Objectträger  werden,  nach  einander,  mit  etwas 
Aether-Alcohol-jMischung  begossen,  welche  das  Fett  aus  dem  angetrock- 
neten Materiale  extrahirt;  die  ablaufende  fetthaltige  Flüssigkeit  wird 
von  einem  Handtuche  aufgesogen,  mit  Hülfe  dessen  man  den  Object- 
träger zwischen  den  Fingern  hält.  Das  entfettete  Material  wird  mit 
Methylenblaulösung '^j  unter  gelinder  Erwärmung  gefärbt,  mit  Wasser 
abgespült,  mit  dünner  Essigsäurelösung  (oder  anderen  passenden  Mitteln) 
differenzirt  %  mit  Wasser  oder  Alcohol  oder  beiden  abgespült,  über  der 
Flamme  getrocknet*)  imd  in  Balsam  eingeschlossen.  Unna  nennt  so 
hergestellte  Präparate  „  D  r  u  c  k  p  r  ä  p  a  r  a  t  e". 

Den  folgenden  Abschnitten  vorgreifend  wollen  wir  hier  schon 
darauf  aufmerksam  machen,  dass  eine  jede  Färbung  bei  höherer 
Temperatur  schneller  vor  sich  geht  und  unter  Umständen  überhaupt 
bessere  Resultate  giebt  als  die  Färbung  bei  niedrigerer  Temperatur. '") 
Von  dieser  Thatsache  kann  man  manchmal  bei  der  Darstellung  von 
Trockenpräparaten  Gebrauch  machen.  Findet  man  nämhch,  dass  sich 
ein  bestimmtes  Material  (cf.  oben  p.  76  die  Bemerkungen  über  resis- 
tentere  Zellen)  bei  der  gewöhnlichen  geschilderten  Behandlung  nur 
massig  färl)t,  dass  die  Bakterienzellen  sich  im  Allgemeinen  oder  z.  Th. 


^)  Die  Färbung  der  Mikroorganismen  im  Horngewebe.  Hamburg  und  Leipzig. 
1891. 

-)  Unna  vera'endet  folgende  Lösung :  Borax  und  Methylenblau  ana  1,0,  destil- 
lirtes  Wasser  100,0. 

^)  Ueber  „Differenzirung"  der  Färbung   siehe  weiter  unten  (Abschnitt  IV,  4). 

*)  cf.  hierzu  das  über  ,,Antrockuungsmethode"  im  nächsten  Abschnitt  (IV,  4) 
Gesagte. 

^)  Dies  entspricht  der  oben  (p.  35)  erwähnten  wichtigen  Thatsache,  dass  ein 
jedes  chemische  Desinfectionsmittel  bei  höherer  Temperatur  energischer  wirkt  als  bei 
niedrigerer.  So  wie  das  Desinfectionsmittel  l^ei  der  höheren  Temperatur  schneller  in 
die  BakterienzeUe  eindringt,  so  thut  dies  auch  der  Farbstoff. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  79 

nur  schlecht  mit  Farbstoff  beladen,  so  kann  man  oft  ganz  gute  Bilder 
erzielen,  wenn  man  das  mit  der  Pincette  gehaltene,  fixirte  und  mit 
Farbstofflösung  bedeckte  Deckgläschen  für  wenige  Secunden  mitten  in 
die  Gas-  oder  Spiritusflamme  bringt.  Die  Farbflüssigkeit  fängt  dann 
an  zu  dampfen  und  wird,  ehe  sie  einzutrocknen  beginnt,  mit  Wasser  in 
der  gewöhnlichen  Weise  heruntergespült. 

Durch  die  bisher  geschilderten  Methoden,  gefärbte  Trockenpräparate 
darzustellen,  wii'd,  wie  bereits  besprochen,  das  Bakterienprotoplasma 
gefärbt;  auch  die  Hülle  nimmt  oft  in  gewisser  Weise  Färbung  an. 
Ungefärbt  hingegen  bleiben  fast  ausnahmslos^)  die  Geis  seif  ä  den,  die 
Bewegungsorgane  der  eigenbewegiichen  Bakterienarten  (cf.  oben  p.  14). 

Methoden,  Geisseifäden  an  Bakterien  zur  Anschauimg  zu  bringen, 
wurden  zuerst  von  E.  Koch  angegeben.  Koch  wies  diese  Gebilde  zu- 
nächst an  einigen  Spirillen-  und  Bacillenarten  nach,  die,  am  Deck  glase 
angetrocknet,  ungefärbt  und  ohne  Zusatz  einer  Einschlussmasse 
bei  bestimmter  Beleuchtung  die  Geisseifäden  sehr  deutlich  erkennen 
liessen.2)  Durch  eigene  Versuche  habe  ich  mich  davon  überzeugt,  dass 
es  bei  solchen  Bakterienarten,  welche  nicht  zu  zarte,  sondern  relativ 
kräftige  Geissein  besitzen,  ein  Leichtes  ist,  die  letzteren  im  ungefärbten 
Präparate  zm*  Anschauung  zu  bringen.  Die  in  AVasser  suspendirten 
Bakterien  werden  in  dünnster  Schicht  auf  dem  Deckglase  ausgebreitet ; 
man  lässt  die  ausgebreitete  Wasserschicht  verdunsten  und  befestigt 
das  Deckglas  dann  so  auf  einem  Objectträger ,  dass  es,  die  Bakterien- 
schicht nach  unten  gekehrt,  nüt  seinem  Bande  auf  einem  Rähmchen 
von  dünnem  Papier  ruht,  welches  mit  dem  Objectträger  sowohl  wie  mit 
dem  Deckglas  durch  Canadabalsam  verbunden  wii'd.  Auf  diese  Weise 
stellt  man  sich  leicht  Dauerpräparate  her,  bei  denen  das  am  Deckgiase 
haftende  Bakterienmaterial  in  einer  (nach  aussen  hin  abgeschlossenen) 
Luftschicht  eingeschlossen  ist.  Bei  Anwendung  von  Oelimmersion, 
Abbe'schem  Condensor  und  mittelweiter  Blende  sieht  man  dann  bei 
passendem  Material  (siehe  oben)  ohne  Weiteres  die  Geisseifäden.  Ein 
Beispiel  zeigt  Fig.  1 5  auf  Taf.  IH.   Das  Präparat,  aus  faulendem  Stroh- 


^)  Eine  Ausnahme  in  dieser  Beziehung  machen  solche  Bakterieuarten ,  die 
ausserordenthch  kräftige,  nach  den  specifischen  Geisselpräparationsmethoden  unter 
allen  Umständen  leicht  darstellbare  GeisseLn  besitzen.  Hierhin  gehört  z.  B.  Spirillum 
Undula,  dessen  Geissein  auf  Taf.  III,  Fig.  15  und  16,  dargestellt  sind.  Diese  Art, 
im  Trockenpräparate  mit  einer  gewöhnlichen  wässerig-alcoholischen  Farbstofflösung 
behandelt,  zeigt  sehr  häufig  (nicht  in  jedem  Präparate)  die  Geissein  ohne  Weiteres 
gefärbt.  Neuerdings  hat  Bessert  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  16.  189-1.  p.  346)  über 
gelungene  Geisseifärbung  bei  einfacher  Anwendung  wässerig-alcoholischer  Farblösungen 
auch  bei  anderen  Bakterienarten  (mit  zarteren  Geissein)  berichtet. 

2)  F.  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pü.    Bd.  2.    1877.    p.  404,  416—417. 


80  A.  Allgemeines. 

infus  hergestellt,  zeigt  Spirillum  Undula  und  grosse  Bacillen  mit  Geissei- 
fäden bei  lOOOfaclier  Yergrössernng. 

Einschalten  möchte  ich  hier,  dass  es  nur  —  bei  sehr  grossen 
Spirillen  mit  sehr  ki'äftigen  Geissein  —  mehrmals  gelungen  ist,  die 
letzteren  im  hängenden  Wassertropfen  zu  sehen.  Diese  Beob- 
achtung, welche,  soviel  mir  bekannt,  von  anderer  Seite  bisher  nicht 
gemacht  worden  ist,  zeigt,  dass  die  Substanz  der  Geisseifäden  bei  den 
in  lYage  kommenden  Arten  ein  Lichtbrechungsvermögen  besitzt,  welches 
das  des  Wassers  erheblich  übertrifft.  Im  Allgemeinen  sind  die  Geissei- 
fäden —  selbst  bei  ki-äftiger  Ausbildung  —  bei  der  Beobachtung  des 
Materials  im  hängenden  Tropfen  unsichtbar;  ohne  Zweifel  deshalb, 
weil  sie  sich  in  ihrem  Brechungsvermögen  von  dem  Wasser  meist  nur 
ganz  unerheblich  unterscheiden. 

Eine  Methode,  Geisseifäden  zu  färben,  wurde  ebenfalls  zuerst 
von  R.  Koch  ermittelt.  Die  Färbung  gelang  mit  gesättigter  wässe- 
riger Lösung  von  Ex tr actum  campechianum^);  mit  Anilinfarben 
färbten  sich  die  Geisseifäden  nicht. -j  Lmnerhin  hat  man  mit  Hülfe  der 
von  Ko-ch  angegebenen  Methoden  nur  bei  wenigen  Arten  beweglicher 
Bakterien  Geisseifäden  nachzuweisen  vermocht. 

Ln  Jahre  1889  ist  dann  von  Loeffler'^j  ein  Verfahren  gefimden 
worden,  welches  die  Geissein  der  Färbung  mit  Anilinfarben 
ganz  allgemein  zugänglich  gemacht  und  eine  ganz  universelle  Darstell- 
barkeit dieser  Gebilde  ermöglicht  hat.  Loeffler  behandelt  die  Trocken- 
präparate zunächst  mit  einer  Beize;  dadm'ch  werden  die  Geissein 
befähigt,  Anilinfarbstoflfe  aufzunehmen. 

Das  Loeffler 'sehe  Gei  s  s  elf  ärbungs  verfahren,  welches 
der  Autor  später^)  noch  verbessert  hat,  gestaltet  sich  in  dieser  ver- 
besserten Form  folgendermassen :  Das  Bakterienmaterial  wird,  möglichst 
frei  von  schleimigen  oder  eiweisshaltigen  Beimengungen  und  möglichst 
frei  von  anhaftender  Gelatine,  mit  Hülfe  eines  Tröpfchens  reinen  Wassers 
in  recht  dünner  Schicht  mittels  des  Platindrahtes  auf  dem  absolut 
sauberen  Deckglase •^)  ausgebreitet.  Man  lässt  die  Schicht  luft- 
trocken werden  und  fixirt  das  Präparat  in  der  gewöhnlichen  Weise,  indem 


1)  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.    Bd.  2.     1877.    p.  419. 

")  cf.  hierzu  p.  79,  Anm.  1. 

3)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  6.    1889.    No.  8/9. 

*)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  7.    1890.    No.  20. 

'")  Am  besten  erreicht  man  diese  Beschaffenheit  des  Deckglases,  wenn  man, 
wie  bereits  oben  (p.  50,  Anm.  2)  angegeben,  das  mit  Alcohol  abgeputzte  und  dann 
getrocknete  Deckglas  in  der  Flamme  stark  erhitzt.  Nach  dem  Erkalten  kann  es 
dann  benutzt  werden. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  81 

man  es  drei  Mal  durch  die  Flamme  zieht  (p.  63).  Zu  starkes  Erhitzen 
hat  man  hierbei  sorgfältig  zu  vermeiden.  Darauf  filtrirt  man  auf  das 
mit  einer  Pincette  horizontal  gehaltene  Deckglas  so  viel  einer  (weiter- 
hin noch  zu  besprechenden)  Beizflüssigkeit  auf,  dass  das  ganze 
Gläschen  davon  bedeckt  ist,  und  lässt  diese  Flüssigkeit  kurze  Zeit 
(^/.2  bis  1  Mnute)  auf  das  Bakterienmaterial  einwirken.  ^)  Dann  spült 
man  mit  reinem  Wasser  (am  besten  unter  dem  dünnen  Strahle  der 
Wasserleitung)  das  Deckgiäschen  sorgfältigst  ab.  Nun  bläst  man  das 
an  der  Schicht  noch  anhaftende  Wasser  heruntör  (cf.  p.  68)  und  trocknet 
das  Grläschen  in  der  gewöhnhchen  Weise,  als  ob  man  es  in  Balsam  ein- 
schliessen  wollte.  Darauf  fasst  man  das  Gläschen  wiederum  mit  der  Pin- 
cette und  bringt  einige  Tropfen  einer  passenden-)  Farblösung  auf 
die  zu  färbende  Schicht.  Es  folgt  leichte  Erwärmung  über  der  Flamme 
(bis  die  Farblösung  Dämpfe  zu  entwickeln  beginnt);  nach  mehreren 
Minuten  spült  man  die  Farbflüssigkeit  mit  AVasser  sorgfältig  ab,  trocknet 
das  Präparat  in  gewohnter  Weise  und  schliesst  es  in  Xylolbalsam  ein. 
Zur  Herstellung  der  Beize  löst  man  (unter  Erwärmen)  2  g 
Tannin  in  8  ccm  Wasser  und  setzt  der  Lösung  5  ccm  einer  kalt 
gesättigten  wässerigen  Ferrosulfat-  (Eisenvitriol-)  Lösung  und  1  ccm 
einer  gesättigten  alcohoHschen  Fuchsinlösung  hinzu.  Nach  dem  Um- 
schütteln  ist   die  Beizflüssigkeit   ohne  Weiteres"')  gebrauchsfähig,   und 


')  Loeffler  hat  angegeben,  dass  die  Beize  unter  massiger  Erwärmung 
einwirken  soll:  Man  hält  das  Deckglas  in  einiger  Entfernung  über  die  Flamme,  bis 
die  Flüssigkeit  schwach  zu  dampfen  beginnt.  Nach  meinen  Erfahrungen  kann  man 
die  Erwärmung  der  Beize  völlig  entbehren.  Die  bei  Zimmertemperatur  ein- 
wirkende Beize  giebt  eben  so  gute  Eesultate  wie  die  ganz  massig  erwärmte. 
Auf  jeden  Fall  hat  mail  sich  vor  zu  starker  Erhitzung  der  Beize  auf  das  Sorgfältigste 
zu  hüten,  weil  sonst  die  Präparate  unweigerhch  verdorben  werden. 

')  Vergl.  die  über  diesen  Punkt  im  Text  oben  weiter  folgenden  Bemerkungen. 

^)  Loeffler  (1.  c.)  hat  angegeben,  dass  die  so  bereitete  Beize  wohl  für  manche 
Bakterienarten  ohne  Weiteres  zu  gebrauchen  sei,  dass  aber  die  meisten  Arten 
noch  eines  Zusatzes  zur  Beize  bedürften,  der  die  chemische  Eeaction  der  letz- 
teren verändert:  einzelne  Ai-ten  erforderten  eine  sauer  reagirende  Beize,  andere  eine 
alkalisch  reagirende,  damit  ihre  Geissein  fähig  würden  Anihnfarbstotfe  aufzunehmen. 
Ich  habe  mich  von  der  Stichhaltigkeit  dieser  Forderung  nicht  überzeugen  köimen. 
Es  scheint  mir  auf  die  Eeaction  der  Beize  nicht  in  der  von  Loeffler  ausgesprochenen 
Weise  anzukommen.  An  den  nach  Loeffler  so  ausserordentlich  empfindlichen 
Typhusbacillen  z.  B.,  behufs  deren  Geisseharbung  ein  ganz  bestimmter,  tropfenweise 
abgestimmter  Zusatz  von  1  proc.  Natronlauge  zur  Beize  nothwendig  sein  sollte,  gelang 
es  mir  (3.  Aufl.  dieses  Buches.  1893.  p.  76)  ohne  Weiteres  mit  einer  durch  Schwefel- 
säure kräftig  angesäuerten  Beize  die  Geissein  darzustellen.  Auch  Luksch  (Centralbl. 
f.  Bakt.  Bd.  12.  1892.  p.  430)  hat  diese  Erfahrung  gemacht.  Offenbar  kommt  es 
zum  GeHngen  der  Geisseifärbung  im  Allgemeinen  auf  andere  Dinge  viel  mehr  an 
als  auf  die  Eeaction  der  Beize.     (Siehe  oben  im  Text  weiter.) 

Günther,  Bakteriologie.    4.  Auflage.  (i 


82  A.  Allgeraeines. 

sie   hält   sich   dann  "Wochen   und  Monate    lang   in   diesem   gehranchs- 
fähigen  Zustande.  ^) 

Damit  die  Geisseifärbung  nach  der  geschilderten  Methode  gelingt, 
hat  man  noch  eine  Eeihe  von  wesentlichen  Punkten  zu  beachten.  Der 
wichtigste,  allerwesentlichste  Punkt,  auf  den  es  zum  Gelingen  der 
Geisseifärbung  ankommt,  ist  die  passende  Beschaffenheit  des 
Bakterienmaterials.  Wenn  wir  eine  eigenbewegiiche  Bakterien- 
art cultinren  und  die  Cultm*  in  verschiedenen  Stadien  ihres  AVachs- 
thums  untersuchen,  so  finden  wir  durchgehend,  dass  die  Bakterienzellen, 
so  lange  die  Cultur  noch  sehr  jung  ist,  mehr  oder  weniger  lebhafte 
Eigenbewegung  zeigen,  und  dass  mit  zunehmendem  Alter  der  Cultur 
diese  Eigenbewegung  allmähhch  träger  wird.  Femer  bemerkt  man,  dass 
in  der  ganz  jungen  Cultur  die  Eigenbewegung  ein  Attribut  aller  oder 
der  meisten  Zellen  ist,  während  bei  dem  Aelterwerden  der  Cultur  all- 
mählich immer  mehr  und  mehr  Zellen  die  Eigenbewegiichkeit  verlieren 
und  dann  nur  noch  hier  und  da  einzelne  Zellen  diese  Eigenbewegung 
darbieten.  Schliesslich  kommt  dann  ein  Zeitpunkt,  wo  die  Eigenbewegung 
überhaupt  völhg  erloschen  ist.  Das  braucht  aber  durchaus  noch  nicht 
zu  bedeuten,  dass  die  Cultur  abgestorben  ist.  Ohne  Zweifel  handelt 
es  sich  hier  nur  um  die  ersten  Zeichen  der  Degeneration;  eine  Ueber- 
tragung  auf  fiischen  Nährboden  hat  in  diesem  Zeitpunkte  gewöhnlich 
wieder  die  Entwickelung  einer  frischen,  lebenskräftigen,  eigenbewegiichen 
Cultur  zur  Folge.  Für  das  praktische  Vorgehen  bei  der  Herstellung 
eines  Geisseipräparates  ergiebt  sich  aus  dem  Vorhergehenden,  dass  es 
ausserordentUch  darauf  ankommt,  in  welchem  Zeitpunlrte  eine  bestimmte 
Cultur  zm-  Präparation  verwendet  wird.  Denn  wir  werden  nur  dann 
erwarten  dürfen,  im  mikroskopischen  Präparate  die  Geisseifäden  gut  zu 
Gesicht  zu  bekommen,  wenn  dieselben  überhaupt  in  lebenskräftigem 
Zustande  vorhanden  sind.  Bestimmte  a  1 1  g  e  m  e  i  n  e  Vorschriften  lassen 
sich  bezüglich  des  für  die  Präparation  passenden  Zeitpunktes  nicht  geben: 
denn  die  eine  Bakterienart  wächst  (ceteris  paribus)  schneller  als  die 
andere ;  bei  der  ersteren  werden  degenerative  Zustände  also  auch  früher 
eintreten    als   bei    der  letzteren.      Es    giebt    aber    ein    sehr   einfaches 


^)  Bunge  (Fortschr.  d.  Med.  1S94.  No.  12,  17,  24)  hat  (im  Institut  von 
Eberth)  die  Loeffler'sche  Beize  in  folgender  Weise  modificirt:  Er  vermischt 
3  Theile  gesättigter  wässeriger  Tanninlösung  mit  1  Theil  einer  wässerigen  Ver- 
dünnung (1:20)  von  Liquor  ferri  sesquichlor.  Zu  je  10  ccm  der  Mischung  giebt  er 
1  ccm  einer  gesättigten  wässerigen  Fuchsinlösung.  Zu  einem  kleinen  Quantum  der 
(einige  Tage  alten)  Flüssigkeit  werden  (1.  c.  p.  933)  einige  Tropfen  Wasserstofl- 
superoxydlösung  gegeben  bis  zur  Eothbraunfärbuug.  Die  so  fertig  gestellte  Beize 
wird  gut  umgeschüttelt  und  dann  auf  die  Präparate  filtrirt. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  83 

Mittel,  sich  davon  zu  überzeugen,  ob  eine  vorliegende  Cultur  momentan 
für  die  Präparation  der  Geisseifäden  geeignet  ist,  d.  h.  ob  sie  gerade  jetzt 
lebenskräftige  Geissein  aufweist:  die  Untersuchung  des  Materials  im 
hängenden  Tropfen.  Finden  wir  hierbei  die  Bakterien  in  frischer, 
lebendiger  Bewegung,  so  ist  das  ein  Zeichen  dafür,  dass  lebenski'äftige 
Geissein  vorhanden  sind;  ist  die  Bewegung  eine  matte  und  träge,  so 
sind  bereits  degenerative  Zustände  vorhanden,  und  wir  brauchen  in 
diesem  Falle  gar  nicht  erst  den  Versuch  der  Geisseifärbung  zu  machen. 
Im  Allgemeinen  eignen  sich  also,  wie  aus  dem  Gesagten  hervorgeht, 
möglichst  junge  Cultur en  relativ  am  besten  für  die  Darstellimg 
der  Geisseifäden.  Ferner  ist,  wie  ich  gefunden  habe,  auch  das  Alter 
des  zur  Herstellung  der  Cultur  benutzten  Nährbodens  nicht  gleich- 
gültig: Je  älter  der  Nährboden,  d.  h.  je  mehr  eingetrocknet  derselbe 
ist,  desto  weniger  energisch  ist  (ceteris  paribus)  das  Wachsthum  der 
darauf  ausgesäeten  Bakterien,  desto  weniger  lebensln-äftig  verhalten  sich 
die  einzelnen  Individuen.  Die  zu  benutzenden  Nährböden  sollen 
also  möglichst  frisch  hergestellt  sein. 

Ein  zweiter  wichtiger  Punkt,  auf  den  übrigens  Loeffler  gleich 
von  Anfang  an  hingewiesen  hat,  ist  der,  dass  das  Bakterienmaterial  in 
möglichst  dünner  Schicht  und  in  möglichst  reinem  Zustande 
auf  dem  Deckglase  ausgebreitet  wird.  Anhaftende  schleimige  oder 
eiweissartige  Beimengungen,  anhaftende  Gelatine  etc.  färben  sich  stets 
mit  und  machen  dadurch  die  Präparate  unbrauchbar.  Aus  diesem 
Grunde  empfiehlt  es  sich  gewöhnlich  nicht,  das  Material  aus  Gelatine- 
culturen  zu  entnehmen.  Auch  Bouillonculturen  sind  nicht  zu  gebrauchen, 
wenn  man  saubere  Präparate  hal)en  will.  Dagegen  eignen  sich  vortrefflich 
Agar-Oberflächenculturen;  das  Material  lässt  sich  von  diesen  leicht 
ohne  Verletzung  des  Nährbodens  entnehmen,  und  man  bekommt  hier  die 
Bakterienzellen  so  rein,  wie  es  überhaupt  möglich  ist. 

Was  die  Wahl  der  Farblösung  angeht,  die  man  nach  der 
Beizung  des  Materials  anzuwenden  hat,  so  ist  im  Allgemeinen  zu  sagen, 
dass  sich  unsere  kemßirbenden  Anilinfarbstoffe  sämmtlich  zur  Geissei- 
färbung benutzen  lassen,  und  dass  auch  alle  Lösungen  dieser  Farb- 
stoffe, die  man  sonst  für  die  Zwecke  der  Kern-  (resp.  Bakterien-)  Färbung 
anwendet,  ^ )  zum  Zwecke  der  Geisseifärbung  zu  gebrauchen  sind.  Man 
wird  natürlich  in  jedem  Falle,  wenn  man  zwischen  zwei  Farblösvmgen 
zu  wählen  hat,  der  intensiver  färbenden  den  Vorzug  geben.  Loeffler 
hat  als  besonders  geeignet  für  den  vorliegenden  Zweck  gesättigte 
Lösungen   der   Violette    (cf.  p.  66j   oder   des   Fuchsins   in 

')  cf.  weiter  hinten '  Abschnitt  IV,  5. 

G* 


84:  ^^-  Allgemeines. 

xlnilinwasser^)  empfohlen.  Ich  finde,  dass  sich  auch  die  gewöhn- 
lichen wässerig-alcoholischen  Farbstofflösungen  (cf. 
oben  p.  66),  sofern  sie  nur  ganz  frisch  hergestellt  sind,  vor- 
trefflich für  die  Färbung  der  Geisseifäden  eignen.  Die  besten  Resul- 
tate bekam  ich  stets  mit  der  mit  Fuchsin  hergestellten  Lösung.-) 
Fassen  wir  das  über  die  Loeffler'sche  Greisseifärbung 
Gesagte  in  der  Form  eines  kurzen  Eeceptes  zusammen,  so  würde  sich 
die  Herstellung  eines  Geisseipräparates  in  folgender  Weise 
gestalten : 

1)  Das  event.  zu  benutzende  Material  (welches  am  besten  von 
ganz  jungen  Agar  -  Oberflächenculturen ,  die  auf  frisch  hergestelltem 
Nährboden  angelegt  wurden,  entnommen  wird)  wird  im  hängenden 
Tropfen  geprüft.  (Nur  im  Falle  vorhandener  lebhafter  Beweglichkeit 
der  Bakterienzellen  eig-net  sich  dasselbe  für  die  Geisseifärbung.) 

2)  Das  bei  der  Untersuchung  im  hängenden  Tropfen  als  geeignet 
befundene  Material  wird  in  möglichst  dünner  Schicht  und  in  möglichst 
reinem  Zustande  (cf.  oben  p.  83)  auf  dem  absolut  sauberen  Deck- 
glase (cf.  oben  p.  50,  Anm.  2)  ausgebreitet.  Man  geht  hierzu,  falls  es 
sich  um  eine  A  g  a  r  r  e  i  n  c  u  1 1  u  r  handelt,  am  besten  so  vor,  dass  man 
auf  das  Deckglas  mit  Hülfe  des  Platindrahtes  oder  der  Platinöse  zu- 
nächst ein  kleines  Tröpfchen  frischen,  reinen  Leitungswassers  giebt.  Li 
das  Tröpfchen  hinein  tupft  man  (unter  einmaliger  kurzer  Berührung) 
die  Spitze  des  mit  dem  Bakterienmaterial  versehenen  Platindrahtes. 
Man  glüht  den  am  Drahte  hängen  gebliebenen  Bakterienüberschuss 
aus,  lässt  den  Draht  erkalten  und  benutzt  ihn  dann  zum  Ausbreiten 
der  Bakteriensuspension  auf  dem  Deckglase  (cf.  p.  62).  Handelt  es 
sich  nicht  um  Eeinculturen,  sondern  um  b  a  k  t  e  r  i  e  n  h  a  1 1  i  g  e  I  n  f  u  s  e , 
die  man  präpariren  will,  so  ist  die  Verdünnung  des  Materials  mit 
Wasser  gewöhnlich  überflüssig. 

3)  Man   lässt   das  Material   antrocknen   und    fixirt   das  Präparat, 


^)  Die  Darstellung  des  Anilinwassers  ist  weiter  unten  in  Abschnitt  IV,  5 
beschrieben.  Zu  100  ccm  Anilin wasser  giebt  man  4 — 5  g  des  gepulverten  Farb- 
stoffes. Man  schüttelt  dann  öfters  um  und  erhält  so  in  kurzer  Zeit  die  gewünschte 
Farblösung.  Eventuell  kann  man  zu  der  letzteren  noch  eine  geringe  Menge  Natron- 
lauge (1:1000)  zufügen.  —  Beim  Gebrauche  werden  diese  Lösungen,  da  sie  dazu 
neigen,  ,, Farbstoffniederschläge"  (cf  oben  p.  66)  auf  die  Präparate  ausfallen  zu  lassen, 
auf  die  letzteren  auffiltrirt. 

")  Das  Fuchsin  (crystallisirtes  salzsaures  Eosanüin)  ist  ein  sQhr  reiner,  stets 
in  derselben  gleichmässigen  Beschaffenheit  im  Handel  zu  habender  Farbstoff.  Anders 
verhalten  sich  die  Violette,  welche  in  den  verschiedensten  Sorten  vorkommen ;  ich 
habe  gelegentlich  Proben  angetroffen,  bei  deren  Anwendung  gute  Geisseifärbung 
überhaupt  nicht  zu  bekommen  war. 


IV.  AUgemoinc  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  85 

indem  man  es  (nnter  Vermeidung  zn  starker  Erhitzung  [cf.  oben  p.  81]) 
drei  Mal  durch  die  Flamme  zieht. 

4)  Man  tiltrirt  einige  Tropfen  der  Loeffl  er 'sehen  Beize  (cf.  oben 
p.  81)  auf  das  horizontal  gehaltene  Deckglaspräparat  und  lässt  die 
Beize  1/2  ^^i^  ^  Minute  einwirken.  Erwärmung  ist  hierbei  nicht  nöthig, 
event.  sogar  schädlich  {cf.  p.  81,  Anm.  1). 

5)  Man  spült  die  Beize,  am  besten  mit  dem  dünnen  Strahle  der 
Wasserleitung,  sorgfältig  ab  und  trocknet  das  Präparat  in  der  gewöhn- 
lichen Weise  durch  Abblasen  etc.  (cf.  oben  p.  68). 

6)  Entweder:  Man  filtrirt  einige  Tropfen  einer  gesättigten 
Lösung  von  Violett  oder  Fuchsin  in  Anilinwasser  (cf.  oben  p.  84, 
Anm.  1)  auf  das  horizontal  gehaltene  Deckgiaspräparat 

oder:  Man  giebt  mit  Hülfe  der  Pipette  (ohne  Filtration)  einige 
Ti"opfen  einer  fiisch  hergestellten  wässerig-alcoholischen  Fuchsinlösung 
(cf.  p.  84)  auf  das  Deckglas 

und  ei'wärmt  das  letztere  dann  über  einer  Flamme  massig  bis  zu  be- 
ginnender Dampfbildung.  Man  lässt  die  warme  Farblösung  noch 
c.  1  Minute  einwirken   und   spült   sie   dann  mit  Wasser  sorgfältig  ab. 

7)  Man  trocknet  das  Präparat  schnell  und  schliesst  es  in  Xylol- 
balsam  ein. 

Nach  der  geschilderten  Methode  sind  die  Präparate  gefärbt,  welche 
den  Photogramnien  Taf.  III,  Fig.  16  (Spirillum  Undula  mit  Geissei- 
büscheln), Taf.  ni,  Fig.  17  (grosse  Bacillen  mit  Geisseibüscheln). 
Taf.  ni,  Fig.  18  (grosse  Vibrionen  mit  Geissein),  Taf.  Vni,  Fig.  46 
(Typhusbacillen  mit  Geissein),  Taf.  X,  Mg.  57  (Choleravibrionen  mit 
Geissein)  zu  Grunde  liegen. 

Zu  bemerken  ist,  dass  die  geschilderte  Loeffler'sche  Geissel- 
färbungsmethode,  wenn  man  auch  alle  von  uns  erörterten  Cautelen  be- 
rücksichtigt, sich  in  der  Praxis  immerhin  als  ein  difficiles,  in  den 
Resultaten  nicht  ganz  sicheres  Verfahren  darstellt.  Vor  Allem  gelingt 
es  nur  ganz  ausnahmsweise,  ein  Präparat  so  herzustellen,  dass  alle 
einzelnen  Stellen  desselben  das  durchmusternde  Auge  befriedigen;  auf 
der  anderen  Seite  ist  es  allerdings  ebenfalls  eine  Seltenheit,  dass  ein 
sorgfältig  hergestelltes  Präparat  gar  keine  „guten  Stellen"  enthält. 

Die  Loeffler'sche  Geisselfärbungsmethode  färbt  nicht  nur  die 
Geissein  der  Bakterien  und  ihren  Protoplasmakörper,  sondern  sie 
färbt  überhaupt  die  gesammte  Bakterienzelle  in  allen  ihren  einzelnen 
Theilen.  Während  bei  der  gewöhnlichen  Behandlung  der  Präparate 
mit  basischen  Anilinfarbstoffen  nur  der  Protoplasmakörper  (der  Kern) 
der  Bakterienzelle  gefärbt  wird,  die  Hülle  nur  in  seltenen  Fällen  ganz 
leichte  Färbung  annimmt,   so  tingirt  sich  bei  der  Behandlung  mit  der 


86  A.  Allgemeines. 

Loeffler' sehen  Methode  stets  auch  die  Membran,  die  Hülle  der  Bak- 
terienzelle, und  zwar  meist  (aber  nicht  immer)  in  gleich  intensiver 
Weise  wie  der  Protoplasmakörper.  Ist  bei  einem  bestimmten  Bakterien- 
material die  Färbung  von  Hülle  und  Protoplasmakörper  gleich  intensiv 
ausgefallen,  so  resultiren  füi-  das  Auge  dickere  Bakterienzellen,  als  sie 
erhalten  werden,  wenn  das  Material  mit  den  einfachen,  gewöhnhchen 
Färbungsmethoden  behandelt  wird.  (Eine  Illustration  des  Gesagten 
giebt  ein  Vergleich  der  Figuren  55  und  57  auf  Taf  X.  In  Fig.  55 
haben  wir  CholeraA-ibrionen ,  welche  einfach  mit  Fuchsin  gefärbt  sind. 
Hier  ist  also  nur  der  Protoplasmakörper,  der  Kern  der  einzelnen  Zellen 
gefärbt.  In  Fig.  57  haben  wir  dieselben  Organismen,  nach  der 
L 0 ef f  1er' sehen  Geisselfärbungsmethode  behandelt:  hier  ist  die  Hülle 
mitgefärbt.  Dieselben  Organismen  erscheinen  in  Fig.  57  also  dicker 
als  in  Fig.  55.)  Häufig  findet  man  aber,  dass  die  Hülle  der  Bakterien- 
zellen bei  der  Loeff  er 'sehen  Geisselfärbungsbehandlung  sich  nicht 
mit  gleicher  Intensität  vne  der  Protoplasmakörper,  sondern  erheblich 
schwächer  färbt.  Man  erhält  in  solchen  Fällen  oft  ausserordentlich 
schöne,  die  Hülle  von  dem  Kern  der  Bakterienzellen  dif- 
ferenzirende,  Bilder. 

Eine  von  der  Loeffl  er 'sehen  im  Prineip  verschiedene  Methode 
der  Darstellung  der  Geisseifäden  hat  (1893)  van  Erm engem ^)  an- 
gegeben. 


4.  Beobachtung  der  Bakterien  in  Schnitten.     Allgemeines 
über  Schnittbehandlung. 

Will  man  Bakterien  in  Schnitten  thierisehen  Gewebes 
zur  Darstellung  bringen,  so  werden  die  Schnitte  am  besten  gewissen 
Methoden  der  Färbung  unterworfen.  Wie  wir  sehen  werden,  gelingt 
es  so  stets,  im  Gewebe  vorhandene  Bakterien  nachzuweisen.  Un- 
gefärbt lassen  sieh  die  Bakterien  in  Schnitten  nur  sehr  schwer  naeh- 


*)  Travaux  du  laboratoire  d'hygione  et  de  bacteriol.  de  l'üniversite  de  Gand. 
t.  1.  1S93;  ref.  Centralbl.  f.  Bakt. '  Bd.  15.  p.  969.  —  Diese  Methode  behandelt 
das  Material  zunächst  mit  einer  Beize,  welche  Osmiumsäure  und  Tannin  enthält 
(„Bain  fixateur") ,  dann,  nach  Spülung  mit  Wasser  und  Alcohol,  mit  schwacher 
Silbernitratlösung  („Bain  sensibilisateur") ,  darauf,  ohne  vorherige  Abspülung,  mit 
einer  Lösung  von  Gallussäure,  Tannin  und  Kaliumacetat  („Bain  reducteur  et  ren- 
for^ateur"),  endlich  wiederum  mit  Silbernitratlösung;  schliesslich  werden  die  Präparate 
abgespült,  getrocknet  und  in  Balsam  eingeschlossen.  Die  Geissein  färben  sich  bei 
dieser  Behandlung  dunkelbraun.     (Nähere  Details  siehe  an  der  citirten  Stelle.) 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobacbtung.  87 

weisen.  Die  Bakterien  sind  im  natürlichen  Zustande  ebenso  ungefärbt 
wie  die  Gewebstheile;  durch  die  Contouren  der  letzteren  werden  die 
Contouren  der  Bakterien  verdeckt,  und  es  gelingt,  auch  bei  den  grössten 
Formen,  nie,  in  einem  ungefärbten  Schnitte  Bakterien  zu  sehen,  ohne 
dass  derselbe  eingreifenden  Proceduren  durch  Einwirkung 
besonderer  Reagentien  unterworfen  wird.  Die  Bakterien  sind 
mm  im  Gegensatz  zu  dem  thierischen  Gewebe  durch  eine  erhebliche 
Resistenz  gegen  Säuren  u n d  A 1  k a  1  i e n  ausgezeichnet,  und  man 
kann  daher  dadurch,  dass  man  die  Schnitte  mit  derartigen  Reagentien 
behandelt,  d.  h.  dass  man  die  Gewebstheile  mehr  oder  weniger  zer- 
stört, Bakterien  zu  sehen  bekommen.  Am  besten  eignet  sich  als 
Reagenz  verdünnte  Kalilauge,  in  der  der  Schnitt  (unter  dem 
Deckglase)  stark  erwärmt  wird.  Die  Gewebstheile  werden  hierbei  zer- 
stört, die  Bakterien  treten  hervor.  Immerhin  sind  diese  Manipulationen 
umständlich  und  führen  doch  nur  sehr  bedingungsweise  zu  einem 
Resultat.  Man  kann  auf  solche  Weise  wohl  grosse  Formen  (z.  B.  Milz- 
brandbacillen)  sichtbar  machen,  auch  grosse  zusammenhängende  Mikro- 
coccenhaufen  zur  Darstellung  bringen;  aber  „manche,  namentlich  sehr 
kleine  Bakterien  werden  durch  diese  Reagentien  ebenso  zerstört  oder 
verändert  wie  die  thierischen  Gewebe,  und  auch  in  letzteren  finden 
sich  oft  unbestimmbare  Körnchen,  die  durch  Säuren  und  Alkalien  nicht 
beseitigt  werden"  (R.  Koch^)).  Ausserdem  macht  die  bei  den  ge- 
nannten Proceduren  unvermeidliche  Schädigung  des  Gewebes 
eine  Beurtheilung  der  Lageverhältnisse  der  Bakterien  im  Gewebe  voll- 
ständig unmöglich. 

Man  wird  daher,  wenn  es  sich  um  den  Nachweis  von  Bakterien 
in  Schnitten  handelt,  stets  die  F  ä  r  b  u  n  g  der  Bakterien  in  Anwendung 
bringen  müssen. 

Die  Schnitte  stellt  man  sich  am  besten  mit  Hülfe  des  Mikro- 
toms (cf.  p.  51)  her.  Um  die  Organe  m  schnittfähige  Con- 
sistenz  zu  bringen,  überträgt  man  dieselben,  am  besten  in  nicht  zu 
grossen  Stücken,  aus  der  Leiche  etc.  direct  in  absoluten  Alcohol, 
welcher  fast  ausschliesslich  zur  Härtung  für  unsere  Zwecke  benutzt 
wird.  Der  absolute  Alcohol  ist  ein  ausserordenthch  wassergieriger, 
hygroskopischer  Körper.  Er  extrahirt  aus  den  Organen  das  Wasser, 
bringt  die  Theile  zum  Schrumpfen  und  verleiht  ihnen  dabei  eine  derbere 
Consistenz  (härtet  sie).  Das  extrahirte  Wasser  resp.  der  in  der  Um- 
gebung der  eingelegten  Organstücke  sich  bildende  wasserreiche  Alcohol 


^)  Untersuchungen  über  die  Aetiologie  der  Wundinfections-Krankheiten.  Leipzig. 
1S7S.    p.  29. 


gg  A.  Allgemeines. 

ist  mm  specifisch  erheblich  schwerer  als  der  al)solute  Alcuhol  und 
sinkt  infolgedessen  in  dem  Härtungsgefässe  zu  Boden.  Um  das  zu 
härtende  Stück  dauernd  unter  dem  Einflüsse  absoluten  Alcohols  zu 
belassen,  muss  man  dasselbe  also  in  die  oberen  Schichten  des 
Alcohols  placii-en.  Man  hält  es  hier  fest  am  besten  durch  schwim- 
mende Korkstücke,  an  deren  unterer  Seite  das  zu  härtende  Stück  mit 
Hülfe  von  Stecknadeln  festgesteckt  wii'd,  oder  man  bringt  in  die 
unteren  Partien  des  Alcohols  resp.  auf  den  Boden  des  Gefässes  zu- 
nächst einen  grösseren  Bausch  Fliesspapier,  auf  welchem  dann  das  zu 
härtende  Stück  ruht.^) 

Ist  das  zu  untersuchende  Organ  entwässert  (gehärtet),  so 
schneidet  man  sich  kleine  Stücke  von  etwa  5  mm  Höhe  und  1  qcm 
Grundfläche  davon  mit  scharfem  Messer  ab,  die  nun  auf  die  glatte 
Querschnittfläche  eines  Flaschenkorkes  aufgeklebt  werden.  Das 
Aufkleben  geschieht  bequem  mit  einer  dicken  wässerigen  Lösung 
von  Gummi  arabicum.  Man  verfährt  dabei  so,  dass  man  das  auf- 
zuklebende Stück  zunächst  etwa  eine  halbe  ]\Iinute  an  der  Luft  liegen 
lässt,  um  den  oberflächlich  anhaftenden  Alcohol  verdunsten  zu  lassen, 
imd  dass  man  es  dann  mit  der  Pincette  fasst  und  es  mit  einer  der 
(getrockneten)  Breitseiten  in  einen  Ti'opfen  der  Gmnmilösung,  welchen 
man  auf  der  Korkfläche  ausgebreitet  hat,  hmeindrückt.  Man  giesst 
dann  zunächst  einige  Tropfen  Alcohol  über  das  gesammte  aufgeklebte 
Stück,  Avelche  an  den  Seiten  desselben  abfliessen  und  die  äusseren . 
Partien  der  hervorgequollenen  Gummilösung  durch  Wasserentziehung 
erhärten.  Dadurch  wird  es  dann  ermöglicht,  den  Kork  in  umgekehrter 
Lage  '(das  aufgeklebte  Stück  nach  unten)  in  ein  Gefäss  mit  absolutem 
Alcohol  zu  übertragen,  ohne  dass  das  Stück  sich  vom  Korke  loslöst. 
In  dem  Alcohol  wird  dasselbe  dann  belassen,  bis  das  Wasser  aus  allen 
Theilen  der  Gimimilösung  entfernt  ist,  was  in  zwei  bis  sechs  Stimden 
der  Fall  ist.  Dann  ist  zwischen  dem  aufgeklebten  Stücke  und  dem 
Korke  eine  sehr  feste,  steinharte  Verbindung  hergestellt ;  und  der  Kork 
kann  nun  in  der  Ivlenmie  des  Mikrotoms  fest  eingespannt  werden,  das 
aufgeklebte  Stück   kann   (unter  Benetzung   des  Messers  mit  absolutem 


^)  Unter  Umständen  kann  man  auch  ohne  vorhergehende  Alcoholhärtung  Mikro- 
tomschnitte herstellen,  die  sich  für  nachfolgende  Fäi-bungsbehandlung  eignen.  So 
ge^vinnt  W.  D.  Miller  (Verhandlungen  der  Deutschen  Odontolog.  Gesellsch.  Bd.  6. 
1894.  —  cf.  auch  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  16.  p.  450)  aus  frischen  erkrankten 
Zahnpulpen  Schnitte  mit  HüKe  des  Gefrier mikrotoms.  Die  einzelnen,  zarten 
Schnitte  werden,  auf  einem  6—8  mm  dicken  Glasstabe  ruhend,  zunächst  in  30proc., 
dann  in  50-,  70  proc,  schliesslich  in  absoluten  Alcohol  gebracht  und  können  dann, 
immer  auf  dem  Glasstabe  ruhend,  beliebigen  Färbungsproceduren  unterworfen  werden. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienljeobacbtuiig.  89 

AlcühoiJ  gescliuitten  werden.  Man  hat  hierbei  daranf  zu  achten,  dass 
die  Schärfe  des  Messers  nicht  mit  den  harten  Gunmiitheilen  in  Collision 
geräth,  da  sie  sonst  leiden  würde.  Hervorgequollene  Gmnmitheile 
müssen,  deshalb  (mit  einem  Messer)  vor  dem  Mikrotomiren  entfernt 
werden. 

Statt  des  Gummi  arabicum  kann  auch  Fischleim  zur  Auf- 
klebung der  Organstücke  auf  Kork  genommen  werden.  C.  Fraenkel') 
empfiehlt  zu  dem  Zwecke  eine  JVIischung  von  1  Gelatine,  2  "Wasser, 
4  Gljcerin. 

Will  man  dünne  Objecte,  die  sich  nicht  zum  Aufkleben  eignen 
(z.  B.  Darm),  mit  dem  Mkrotom  zerlegen,  so  empfiehlt  es  sich,  die- 
selben zwischen  Stücken  von  gut  gehärteter  Ani^doidleber  zu  placiren 
und  mit  diesen  in  die  Klammer  des  Mikrotoms  einzuspannen.  Die 
Leber  wdrd  dann  mit  dem  Darm  etc.  zugleich  geschnitten. 

Für  Gewebe,  welche  Hohlräume  enthalten  und  sich  deshalb 
an  und  für  sich  weniger  gut  zum  Zerlegen  in  zusammenhängende 
Schnitte  eignen,  kann  man  mit  Vortheil  die  Schiefferdecker'sche 
Celloidinmethode-)  anwenden.  Man  härtet  zu  dem  Zwecke  die 
kleinen,  zurechtgeschnittenen  Stücke  erst  gut  in  absolutem  Alcohol  und 
bringt  sie  dann  aus  dem  letzteren  in  eine  dicke  Celloidinlösung  (das 
Celloidin  ist  ein  collodiumähnlicher  Körper,  welcher  sich  in  absolutem 
Alcohol  sowohl  wie  in  einer  Mischung  von  Alcohol  und  Aether  löst). 
Hier  bleiben  die  Stücke  einen  bis  mehrere  Tage  bis  zur  völligen  Durch- 
tränkung mit  der  Celloidinlösmig.  Sie  werden  dann  mit  der  Pincette 
herausgenommen  und,  mit  einer  Schicht  der  dicken  Lösung  noch  um- 
hüllt, mit  Hülfe  der  letzteren  direct  auf  die  Korkfläche  geklebt.  Xach 
einigen  Mnuten  kommt  das  Präparat  mit  dem  Kork  in  60proc.  Alcohol, 
in  welchem  es  Avieder  einen  bis  mehrere  Tage  verbleibt.  Hier  nimmt 
das  Celloidin  und  mit  ihm  das  ganze  Präparat  Schnittconsistenz  an. 
Dann  wird  der  Kork,  wie  oben  angegeben,  eingespannt,  und  das  Prä- 
parat lässt  sich  nun  mit  dem  Mkrotom  (unter  Benetzung  des  Messers 
mit  60proc.  Alcohol)  sehr  schön  in  zusammenhängende  Schnitte  zer- 
legen. Jeder  der  Schnitte  ist  von  einem  „Celloidinmantel"  umhüllt, 
die  Hohlräume  des  Schnittes  Averden  ebenfalls  von  Celloidin  ausgefällt. 
Das  Celloidin  bleibt  dann  während  der  folgenden  Färbung  etc.  mit  dem 
Schnitte  in  stetiger  Verbindung.  Das  Celloidin  färlit  sich  mit  Anilin- 
farben. 

Zimi  Herstellen  feinster  Schnitte,  die  allerdings  zum  Zwecke  der 


^)  Grundriss  d.  Bakterienk.     3.  Aufl.     1S90.     p 
-)  Arcb.  f.  Anat.     1SS2. 


90  A.  Allgemeines. 

Untersuchung  des  Gewebes  auf  Bakterien  kaum  je  nöthig  werden 
dürften,  muss  man  die  Organe  in  Paraffin  einbetten.  Es  ist  aber, 
um  an  den  Paraffinschnitten  eine  Bakterienfärbung  vornehmen 
zu  können,  durchaus  nothwendig,  das  Paraffin  zunächst  (dm'ch  Xylol) 
vollständig  zu  entfernen  und  die  Schnitte  dann  durch  Alcohol  (zur 
Extrahirung  des  Xvlols)  gehen  zu  lassen.  Nur  in  den  seltensten  Eällen 
dürfte  aber,  wie  gesagt,  die  Anwendung  der  Paraffinmethode  für  unsere 
Zwecke  nöthig  werden. 

Dünner  als  0,02  mm  braucht  man  die  jMikrotomschnitte  föi*  Bak- 
terienuntersuchungen nicht  zu  machen;  derartige  Schnitte  lassen  sich 
bei  guter  Härtung  des  Objectes  und  bei  gutem  Zustande  des  Messers 
stets  erreichen.  Aber  auch  mit  dickeren  Schnitten  (0,03 — 0,05  mm) 
kann  man  oft  noch  auskommen.  Während  des  Schneidens  wird  (bei 
den  mit  Gummi  oder  Gelatine  aufgeklebten  und  bei  den  zwischen 
Amyloidleberstücken  eingeklemmten  Organen)  das  Mkrotommesser  stets 
mit  absolutem  Alcohol  befeuchtet  erhalten.  Die  Schnitte  werden  mit 
einem  Pinsel  von  der  Klinge  herunter  genommen  und  in  ein  Schälchen 
mit  absolutem  Alcohol  übertragen. 

Um  die  Schnitte  nun  zu  färben,  brmgt  man  sie  zunächst  auf 
kurze  Zeit  in  Wasser,  von  da  in  die  Earblösung.  Als  Earbflüssig- 
keiten  kann  man  alle  jene  Flüssigkeiten  verwenden,  die  wir  oben 
(p.  66)  zur  Färbung  des  Trockenpräparates  verwandt  haben.  Wir 
müssen  nur  stets  darauf  sehen,  dass  wir  eine  wässerige  resp.  stark 
wasserhaltige  Flüssigkeit  zur  Anwendung  bringen.  Besonders  zu 
empfehlen  ist  für  Schnittpräparate  die  Loeffler'sche  alkalische 
Methylenblaulösung, ^)  ein  Gemisch  von 

30  ccm  gesättigter  alcoholischer  Meth3'lenblaulösung  und 

100  ccm  wässeriger  Kalihydratlösung  (1:10  000). 
Die  Loeffler'sche  Meth^ienblaulösung  ist,  wie  Meth^^lenblaulösungen 
überhaupt  (cf.  oben  p.  67),  dadurch  vor  anderen  Farbflüssigkeiten  aus- 
gezeichnet, dass  sie  ganz  unbeschränkt  haltbar  und  von  ganz 
unveränderlicher  Gebrauchsfähigkeit  ist.  Diese  Farblösung  soll  auf 
unserem  Arbeitstische  nie  fehlen.  Benutzt  man  (wässerig-alcoholische) 
Fuchsin-  oder  Violettlösungen  zm-  Schnittfärbung,  so  hat  man  sorg- 
fältig darauf  zu  achten,  dass  diese  Lösungen  frisch  hergestellt  sind; 
denn  sonst  läuft  man  Gefahr,  dass  sich  die  Oberfläche  des  Schnittes 
mit  Farbstoffiiiederschlägen  bedeckt  (cf.  p.  66).  Ln  ftischen  Zustande 
aber  smd  die  genannten  Lösungen  ausgezeichnet  für  Schnittfärbungen 
zu  verwenden. 


')  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     1SS4.   p.  439. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  91 

Wenn  man  nun  einen  Schnitt  aus  einem  thierischen  Organ  in  eine 
der  genannten  Farbflüssigkeiten  bringt  und  denselben  nach  einer  Reihe 
von  Minuten  wieder  herausnimmt  und  in  Wasser  abspült,  so  ^nrd  man 
in  der  Regel  nichts  weiter  zu  sehen  bekommen  als  eine  intensiv 
und  gleichmässig  gefärbte  Masse,  in  der  Details  nicht  oder 
kaum  zu  erkennen  sind:  das  Gewebe  hat  sich  zunächst  in  allen  seinen 
Theilen  mit  dem  Farbstoffe  vollgesogen  und  beladen.  Erst  eine  weitere 
Behandlung  des  Schnittes  mit  gewissen  (weiterhin  zu  besprechenden) 
Flüssigkeiten,  welche  die  Fähigkeit  haben,  den  Farbstoff  mehr  oder 
weniger  aus  dem  Schnitte  zu  extrahiren,  lässt  einzelne  gefärbte  Partien 
in  dem  Präparate  vor  anderen  weniger  gefärbten  hervortreten.  Liesse 
man  solche  Flüssigkeiten  genügend  lange  Zeit  auf  den  Schnitt  ein- 
wirken, so  würden  sie  allmählich  eine  vollständige  Entfärbung  des 
Schnittes  zu  Wege  bringen.  Lässt  man  sie  aber  nur  kurze  Zeit  ein- 
wirken, überwacht  man  ihre  Wirkung,  so  erhält  man  Präparate,  in 
denen  nur  die  Zellkerne  und  die  (cA^entuell  vorhandenen)  Bak- 
terien noch  gefärbt  sind,  während  die  Intercellularsubstanz  und 
auch  das  Zellprotoplasma  wieder  entfärbt  sind. 

Man  findet  so,  dass  die  verschiedenen  Bestandtheile,  aus  denen 
sich  das  thierische  Gewebe  zusammensetzt,  keine  principi eilen 
Unterschiede  in  dem  Verhalten  gegen  die  basischen  Anilinfarbstoffe 
zeigen.  Nicht  der  eine  Bestandtheil  wird  gefärbt,  während  der  andere 
der  Färbung  widersteht;  wohl  aber  bestehen  quantitative  Unter- 
schiede in  der  Färbbarkeit  der  einzelnen  Componenten  des  Gewebes, 
die  sich  darin  äussern,  dass,  bei  einem  bestimmten  Grade  der  Ein- 
wirkung farbstoffextrahirender  Flüssigkeiten,  unter  den  ursprünglich 
gleichmässig  gefärbten  verschiedenen  Bestandtheilen  der  eine  den  auf- 
genommenen Farbstoff  noch  festhält,  während  ein  anderer  ihn  voll- 
ständig oder  beinahe  vollständig  wieder  verloren  hat.  Man  kann  so 
die  verschiedenen  Gewebsbestandtheile  in  eine  Färbbarkeitsscala 
bringen,  welche,  wenn  man  mit  denjenigen,  die  am  leichtesten  den 
Farbstoff  wieder  loslassen,  beginnt,  sich  folgendennassen  gestaltet : 

Intercellularsubstanz, 

Zellprotoplasma, 

Zellkerne, 

Bakterien  (wenn  sie  vorhanden  sind). 

Die  farbstoffextrahirenden  Flüssigkeiten  (als  solche  kommen  be- 
sonders Säm-en  zur  Verwendung)  bezeichnet  man  als  „Entfär- 
bungsmittel". Durch  sie  wird  eine  „Differenzirung"  herbei- 
geführt, d.  h.  einzelne  Theile    (Kerne,  Bakterien)   des  Schnittes   treten 


92  A.  Allgemeines. 

in  isolirter  Färbung  vor  anderen  Theilen,  die  die  Färbung  verloren 
haben,  hervor. 

Ist  der  zuerst  diffus  gefärbte  Schnitt  genügend  „entfärbt", 
„differ  enzirt",  so  ist  er  eigentlich  fertig;  da  wir  ihn  aber  schliess- 
lich in  Canadabalsam  zur  Conservirung  einschliessen  wollen,  der  Balsam 
sich  aber  mit  irgendwie  wasserhaltigen  Flüssigkeiten  nicht  vermischen 
lässt,  so  muss  zunächst  aller  und  jeder  Wassergehalt  aus  dem 
Schnitte  entfernt  werden;  und  dies  geschieht  durch  Behandlung 
des  Schnittes  in  absolutem  Alcohol.  Der  Schnitt  macht  also 
noch  ein  Mal  eine  Entwässerung  oder  Härtung  durch.  Aber  auch  mit 
Alcohol  lässt  sich  Balsam  nicht  mischen.  Wir  müssen  deshalb  den 
Schnitt  aus  dem  Alcohol  in  eine  Flüssigkeit  bringen,  welche  auf  der 
einen  Seite  die  Fähigkeit  hat,  sich  mit  Alcohol  zu  vermischen,  auf 
der  anderen  Seite  aber  sich  auch  mit  Canadabalsam  resp.  dem  von 
uns  stets  angewandten  Xylol-Balsam  (cf.  p.  69)  mischt.  Derartige 
Körper  (auch  „Aufhellungsmittel"  genannt)  giebt  es  nun  eine 
ganze  Keihe.  Besonders  ölige  Flüssigkeiten  sind  mit  den  ge- 
wünschten Eigenschaften  ausgestattet.  Am  meisten  verwandte  man 
fi-üher  das  Nelkenöl  zu  diesem  Zwecke,  aber  auch  Terpentinöl, 
Cedern-,  Origanum-,  Zinimet-,  Bergamott-,  Anis-Oel, 
Phenol,  Anilin^)  waren  und  sind  hierzu  im  Gebrauch.  Ich  möchte 
für  imsere  Zwecke  ganz  ausschliesslich  einen  anderen,  ebenfalls  seit 
Langem  gebräuchlichen,  Körper  empfehlen:  das  Xylol  (cf.  p.  69). 
Das  Xylol  ist  ein  Köi^jer,  der  sich  gegen  mit  basischen  Anilinfarben 
gefärbte  Kerne  und  Bakterien  vollständig  indifferent  verhält  und 
sich  in  dieser  Hinsicht  sehr  rühmlich  von  verschiedenen  der  oben  ge- 
nannten Flüssigkeiten,  speciell  auch  von  dem  Nelkenöl,  unterscheidet, 
und  der  ohne  jeden  Eückstand  verdunstet  und  nicht  verharzt  und 
schmiert,  wie  es  z.  B.  ebenfalls  das  Nelkenöl  thut.  Wir  behandeln 
den  gefärbten,  dann  „entfärbten"  und  entwässerten  Schnitt  also  mit 
Xylol. 

Mit  dem  Xylol  durchtränkt  sich  der  Schnitt  sehr  schnell,  und  er 
wird  dann  mit  Hülfe  eines  Spatels  auf  die  Glitte  des  reingeputzten 
0  b j  e  c  1 1  r  ä  g  e  r  s  übertragen. 

Nachdem  das  überschüssige  Xylol  von  dem  Schnitte  durch  vierfach 
zusammengefaltetes  Fliesspapier,   welches  man  in  Berührung  mit  dem 


^)  Das  Phenol  und  das  Anilin  haben  auch  die  Fähigkeit,  geringe  Mengen 
Wassers  aufzulösen.  Bei  der  (weiterhin  noch  zu  besprechenden)  Gram-Weigert'- 
schen  Methode  Avird  das  Anilin  als  Entwässerungsmittel  verwandt.  Dem  Xylol 
kommt,  wie  gegentheiUgen ,  gelegentlich  zu  findenden  Angaben  gegenüber  hier  aus- 
drücklich bemerkt  sein  mag,  irgend  welche  Fähigkeit,  Wasser  aufzunehmen,  nicht  zu. 


Der    Schnitt 
wird   aus  ei- 
nem Uhr- 
schälchen  in 
das  andere 
mit   der  Na- 
del über- 
trafen. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobacbtung.  93 

Schuittrand  gebracht  hat,  abgesogen  ist,  wird  ein  Tropfen  Balsam 
(Xylol-Balsam ;  cf.  p.  69)  auf  den  Schnitt  gebracht,  auf  diesen  mit  der 
Pincette  (cf.  p.  69)  das  Deckglas  gelegt,  unter  welchem  sich  dann  der 
Balsam  ausbreitet.^) 

Will  man  eine  genaue  Vorschrift  für  die  praktische  Ausführung 
des  geschilderten  Verfahrens  der  Schnittfärbung  und  -Conservirung 
(welches  übrigens  im  Principe  mit  dem  alten  Weigert' sehen  Ver- 
fahren-) völlig  übereinstimmt)  haben,  so  wird  man  eine  solche  in 
folgendem  Schema  finden : 

1.  Uebertragen   der    Schnitte    aus   Alcohol   in   Wasser   für 
1  Minute. 

2.  In  eine  passend  zusammengesetzte  (cf.  p.  90)  Farblösung 
2—5  Minuten. 

3.  Wasser  5  Minuten. 

4.  Dünne  Essigsäure  (etwa  1  :  lOOO'^))   l  Minute. 

5.  Absoluter  Alcohol  (Schnitt   gut   ausbreiten!)  ^o  Minute. 

6.  Absoluter  Alcohol  ^-2  J^Jjn^^te. 

7.  Xylol  Vo  dünnte. 

8.  Uebertragen  auf  den  Objectträger  mit  dem  Spatel. 

9.  Abtupfen  mit  Fliesspapier. 

10.  Aufbringen  eines  Tropfens  Xylol-Balsam. 

11.  Auflegen  des  Deckglases  (mit  der  Pincette). 

Zu  diesem  Schema  ist  noch  zu  bemerken:  Wir  benutzen  zur 
Aufnahme  unserer  Flüssigkeiten,  in  die  die  Schnitte  kommen  sollen, 
am  besten  Uhrschälchen  (cf.  oben  p.  51).  Dieselben  kommen  stets 
rein  geputzt  und  trocken  zur  Anwendung.  Die  Schnitte  übertragen 
wir  stets  mit  der  Nadel  aus  einer  Flüssigkeit  in  die  andere,  nicht 
mit  dem  Spatel,  weil  wir  möglichst  wenig  Flüssigkeit  mit  übertragen 
wollen.  Erst  wenn  die  Schnitte  aus  dem  Xylol  auf  den  Objectträger 
kommen  sollen,  benutzen  wir  den  Spatel.  Der  stumpfwinklig  gebogene 
Spatel  (cf.  oben  p.  51)  wird  in  der  linken  Hand  gehalten  und  unter 
den  iQ  dem  Xylol  liegenden  Schnitt  flach  hinuntergefiihrt ;  man  nimmt 
hier  die  in  der  rechten  Hand  gehaltene  Nadel  zu  Hülfe,  mit  welcher 
man  den  Schnitt  auf  die  Spatelfläche  hinaufschiebt.  Indem  man  dann 
den  Schnitt  mit  Hülfe  der  Nadel  an  dem  Spatel  etwas  festdrückt,  hebt 


\)  Wie  beim  Trockenpräparat,  so  wird  man  sich  natürlich  auch  hier  aus  den 
oben  (p.  70)   angeführten  Gründen   hüten   müssen ,  zu  viel  des  Balsams  zu  nehmen. 

•2)  cf.  Virch.  Arch.     Bd.  84.     1S81.     p.  275  ff. 

3)  Ich  halte  mir  eine  etwa  5proc.  wässerige  Essigsäurelösung  vorräthig,  von 
der  ich  einige  Tropfen  auf  ein  Uhrschälchen  mit  Wasser  gebe. 


94  A..  Allgemeines. 

man  den  Spatel  horizontal,  d.  h.  mit  dem  Schnitte  und  einer 
Quantität  Xjlol  beladen  (das  man  nicht  abfliessen  lässt),  aus  der 
Flüssigkeit  heraus  und  legt  ihn  sofort  auf  den  Objectträger  auf,  auf 
den  man  nun  mit  Hülfe  der  Kadel  den  Schnitt  von  dem  Spatel  hin- 
überschiebt oder  zieht.  Die  mitübertragene  Menge  Xylol  erleichtert 
ein  glattes  Hinübergleiten  des  Schnittes  auf  den  Objectträger  sehr. 
Bei  dem  folgenden  Abtupfen  des  Xylols  von  dem  Schnitte  muss  man 
darauf  sehen,  dass  der  Schnitt  nicht  etwa  zu  trocken  wird,  weil  er 
sonst  nach  dem  Einschlüsse  in  Balsam  Luftblasen  einschhesst,  die  die 
Beobachtung  sehr  stören  können.  Es  soll  also  nur  der  sichtbare 
flüssige  Ueberschuss  des  Xylols  mit  dem  Fliesspapier  entfernt  werden. 
Den  Alcohol  giesst  man  sich  in  seine  Schälchen  ein  erst  unmittel- 
bar bevor  man  ihn  gebraucht.  Der  Alcohol  ist  ein  Entwässermigs- 
mittel.  Wir  müssen  ihn  deshalb  zmn  Gebrauche  möglichst  wasserfrei 
haben.  Wenn  man  aber  den  Alcohol  eingiesst  imd  ihn  erst  in  einer 
Yiertelstunde  benutzt,  so  hat  man  keinen  Alcohol  mehr,  sondern  ein 
Gemisch  von  Alcohol  und  Wasser,  welches  letztere  der  Alcohol  aus 
der  Luft  angezogen  hat,  und  welches  vollständig  genügt,  um  den 
Alcohol  unfähig  zu  machen,  die  gewünschte  Entwässerung  herbei- 
zuführen. Wenn  wir  aber  den  Schnitt  in  Xylol  bringen  wollen,  so 
muss  er  zuvor  wirklich  völlig  wasserfrei  gemacht  werden:  ein  Schnitt, 
der  noch  Spuren  von  Wasser  enthält,  scheidet  dieses  Wasser  im  Xylol 
sofort  aus,  und  diese  Wasserausscheidungen,  welche  dem  Schnitt 
dann  dauernd  anhaften,  machen  das  schönste  Präparat  oft  unbrauch- 
bar. Aus  diesem  Grunde  habe  ich  in  dem  obigen  Schema  den  Alco- 
hol auch  zwei  Mal  hinter  einander  angeführt:  die  Entwässerung  soll 
vollständig  sein. 

Zum  Gelingen  einer  guten  Schnittfärbung  ist  es  stets  nothwendig, 
dass  die  einzelnen  Theile  des  Schnittes  gleichmässig  der 
Einwirkung  der  verschiedenen  Flüssigkeiten  ausgesetzt  werden.  Der 
Schnitt  soll  also  sowohl  in  der  Farblösung  wie  in  den  übrigen  Flüssig- 
keiten möglichst  glatt,  ohne  Falten  zu  schlagen,  liegen.  Denn  jede 
Falte  bedingt  einen  ungleichmässigen  Zutritt  der  einwirkenden  Flüssig- 
keit an  der  gefalteten  Stelle  und  damit  auch  ein  mehr  oder  weniger 
unerwünschtes  Resultat.  Ganz  besonders  hat  man  auf  eine  möglichst 
glatte  Ausbreitung  des  Schnittes  zu  sehen  in  dem  Augenblicke,  in 
welchem  derselbe  aus  der  Essigsäure  in  den  ersten  Alcohol  gelangt. 
Der  Schnitt  ist  hier  in  den  ersten  Secunden  noch  dehnbar  und  lässt 
sich  mit  zwei  Nadeln  sehr  gut  glatt  ausbreiten.  Versäumt  man  dies 
aber,  lässt  man  den  Schnitt  in  zufälhg  zu  Stande  gekommener  Faltung 
liegen,    so  wird   er   durch  den  Alcohol  in  dieser  Lage  fkii-t  und  lässt 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeoltachtuug.  95 

sich  nachher  auf  keine  Weise  wieder  glatt  ausbreiten.  ^)  D  i  e  F  o  r  m , 
die  der  Schnitt  in  dem  ersten  Alcohol  annimmt,  behält 
er  weiterhin  unverändert  bei. 

Was  bezüghch  der  Einwirkung  der  Reagentien  auf  gefaltete  Schnitt- 
stellen gilt,  das  gilt  natürlich  ebenso  für  Zusammenlagerungen  von 
mehreren  Schnitten.  Behandelt  man  eine  Anzahl  von  Schnitten 
gleichzeitig  in  demselben  Schälchen,  so  ist  es  ein  Zufall,  wenn 
man  gute  Resultate  erhält;  denn  die  Schnitte  lagern  sich  gern  zu- 
sammen und  gestatten  den  Flüssigkeiten  an  dieser  Stelle  mehr,  an  jener 
weniger  Zutritt.  So  müssen  ungleichmässige  Resultate  zu  Stande 
kommen.  Mau  mache  es  sich  deshalb  zur  Regel,  die 
Schnitte  einzeln,  individuell  zu  behandeln. 

Auch  bei  Schnitten  findet  übrigens  wie  bei  Trockenpräparaten 
(cf.  p.  78)  die  Färbung  schneller  statt  und  wird  intensiver  bei  höherer 
als  bei  niedrigerer  Temperatur.  Man  darf  aber  nur  ganz  massig 
erhöhte  Temperaturen  zu  Schnittfärbungen  verwenden,  höchstens  Tem- 
peraturen von  40 — 50^  C.  (R.  Koch-)).  Bei  höheren  Temperaturen 
schrumpfen  die  Schnitte  ein  mid  werden  unbrauchbar. 

Bei  den  hier  geschilderten  Methoden  der  Schnittbehandlung  wird 
der  Schnitt  behufs  der  Conservirung  in  Canadabalsam  stets  in  Alcohol 
entwässert  und  gelangt  dann  durch  einen  mit  Alcohol  sowohl  wie  mit 
Canadabalsam  mischbaren  Körper  hindurch  (Xylol)  in  den  Balsam. 
Für  bestimmte  Zwecke  (speciell  zur  Conservirung  von  Lepraschnitten) 
hat  Unna')  eine  erheblich  abweichende  Methode  der  Schnittbehand- 
lung angegeben,  welche  er  „Trockenmethode"  oder  auch  „An- 
trocknungsmethode"  genannt  hat.  Die  Schnitte  gelangen  dabei 
nach  der  Färbung  und  Difierenzirung  nicht  in  Alcohol,  sondern  in 
Wasser,  werden  von  hier  mit  dem  Spatel  auf  den  Objectträger  über- 
tragen, mit  Fliesspapier  abgetrocknet  und  dann  über  der  Flamme  schnell 
bis   zu  vollständiger   Trockenheit    erhitzt.     Nach  dem   Abkühlen   wird 


^)  Streng  genommen  ist  dies  nicht  ganz  richtig.  Ein  Mittel,  einen  solchen 
in  gefalteter  Lage  fixirten  Schnitt  wieder  glatt  zu  machen,  giebt  es  doch:  Man 
bringt  den  gefalteten  Schnitt  aus  dem  Alcohol  wieder  in  eine  wässerige  Flüssigkeit 
resp.  in  reines  Wasser  zurück.  Er  begiebt  sich  hier,  da  er  mit  dem  specifisch  leich- 
teren Alcohol  getränkt  ist,  sofort  an  die  Oberfläche  und  breitet  sich  gleichzeitig  aus: 
in  den  allermeisten  Fällen  bekommt  man  auf  diese  einfache  Weise  einen  untadelhaft 
glatten  Schnitt,  den  man  nachher  von  Neuem  zur  Entwässerung  in  Alcohol  etc.  über- 
tragen muss.  Es  ist  jedoch  zu  beachten,  dass  der  Schnitt  bei  dem  geschilderten 
Zurückbringen  in  Wasser  jedesmal  etwas  von  seiner  Färbung  verliert. 

■')  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1S81.     p.  10. 

^)  Monatshefte  f.  praet.  Dermatologie.  Ergänzungsheft.  1885.  —  Centralbl. 
f.  Bakt.     Bd.  3.     1888.     p.  3U. 


96  -■^-  Allgemeines. 

mit  einem  Tropfen  Balsam  das  Deckgiäsclien  aufgeldttet.  Wir  werden 
Gelegenheit  haben,  diese  für  manche  Zwecke  ganz  ausgezeichnete 
Methode  noch  zu  besprechen. 

Auch  bei  der  weiterhin  noch  zu  nennenden  Weigert'  sehen 
Modification  des  Gram' sehen  Verfahrens  wird  die  Differenzirung  und 
Entwässerung  des  Schnittes  auf  dem  Objectträger  vorgenommen. 

Was  nun  die  mikroskopische  Betrachtung  der  gefärbten 
Schnittpräparate  angeht,  so  ist  es  anzuempfehlen,  stets  zunächst  eine 
Durchmusterung  des  Präparates  mit  schwachem  System  vor- 
zunehmen. Xur  auf  diese  Weise  wird  man  unter  Umständen  etwa 
vorhandene  Bakterien  mit  Sicherheit  auffinden  können.  Es  giebt  zwar 
genuo-  Fälle,  in  denen  wir  die  Bakterien  an  jeder  Stelle  des  Schnittes 
antreffen;  in  anderen  Fällen  aber  treten  die  Bakterien  in  einzelnen 
zerstreuten  Herden  auf,  und  diese  können,  wenn  man  a  priori  mit 
starkem  Objectiv  untersucht,  sehr  leicht  sich  der  Auffindung  entziehen. 
Im  Uebrigen  gelten  für  die  Einstellung  des  Präparates  die  oben  (p.  59 
und  72)  bezüglich  der  Beleuchtung  gegebenen  Grundsätze :  Da  es  sich 
um  gefärbte  Objecte  handelt,  die  wir  betrachten  wollen,  so  nehmen 
wir  den  vollen  Abbe' sehen  Condensor;  den  Trieb  des  Condensors 
stellen  wir  so  ein,  dass  die  Beleuchtung  maximal  ist. 

Ein  nach  der  angegebenen  Methode  angefertigtes,  gut  gelungenes 
Präparat  zeigt  Bakterien  und  Gewebskerne  gefärbt,  die  übrigen 
Theile  mehr  oder  weniger  ungefärbt.  Die  eigenthümliche  Form  der 
Bakterien,  ihre  Grössenverhältnisse,  ihre  Gruppirung  zu  kleineren  oder 
grösseren  Verbänden  oder  Haufen  macht  eine  Verwechselung  der  Bak- 
terien mit  gefärbten  Theilen  des  thierischen  Gewebes  kaum  möglich. 
Anlass  zu  Verwechselungen  in  dieser  Hinsicht  haben  die  von  Ehrlich') 
entdeckten,  in  normalem  und  pathologischem  Gewebe  vorkommenden 
„Mastzellen"  gegeben.  Diese  Zellen  besitzen  einen  (bei  der  Fär- 
bung mit  Anilinfarbstoffen  ungefärbt  bleibenden)  Kern,  um  den 
herum  ein  Haufen  intensiv  färb  bar  er  Körner  gruppirt  ist.  Diese 
Körner  sind  häufig  für  Mikrococcen  gehalten  worden.  „Doch  sind 
die  Körnchen  gewöhnlich  von  ungleicher  Grösse.  Dieses  letztere  Ver- 
halten, das  Vorhandensein  eines  Kernes  und  der  Vergleich  mit  anderen 
ebensolchen  Zellen  sichern  indessen  leicht  ihre  Diagnose."  (Koch.-)) 
Gelegentlich  findet  man  die  Mastzellen  auch  in  Trockenpräparaten 
(Ausstrichpräparate  von  Organen);  in  solchen  Präparaten  sind  die 
Mastzellen   dann  häufig  zerquetscht,    die  Körner   zexstreut.     Derartige 


')  Arch.  f.  raikroskop.  Anatomie.     Bd.  13.     1S77.     p.  263. 

'-)  Unters,  üb.  d.  Aetiol.  d.  Wundinfect.-Krankheiten.     Leipzig.    1878.     p.   38. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobacbtiing.  97 

Befunde  könnten  noch  leichter  als  Mastzellen  in  Schnitten  zur  Ver- 
wechselung mit  Mikrococcen  Veranlassung  geben.  Aber  auch  hier  ist 
nach  meinen  Erfahrungen  die  richtige  Beurtheilung  unter  Benutzung 
der  angeführten  Kriterien  nicht  schwer. 

Selbstverständlich  erscheinen  bei  der  mikroskopischen  Betrachtung 
eines  jeden  Schnittpräparates  diejenigen  Gewebstheile  und  speciell  auch 
diejenigen  Bakterien  dem  Auge  am  besten  und  klarsten,  welche  in  den 
obersten  Schichten  des  Schnittes  liegen.  Für  Demonstrations- 
zwecke, ferner  zum  Zwecke  der  photographischen  Darstellung  etc.  wird 
man  möghchst  dementsprechend  gelegene  Stellen   auszusuchen  haben. 

5.   Allgemeines   über  Färbung  und  Entfärbung.     Leicht  und 
sch^ver  färbbare  und   entfärbbare  Objecte. 

In  den  vorhergehenden  Abschnitten  haben  wir  gesehen,  dass  die 
Bakterien  ganz  im  Allgemeinen  die  Eigenschaft  haben,  aus  geeigneten 
Lösungen  basischer  Anilinfarbstoffe  den  Farbstoff  aufzunehmen,  sich  zu 
färben ;  wir  sahen  weiter,  dass  dieselbe  Eigenschaft  auch  den  Zellkernen 
des  thierischen  Gewebes  zukommt.  Es  machte  bezüglich  des  principiellen 
Vorgehens  bei  der  Färbung  auch  keine  Unterschiede,  ob  die  Bakterien 
am  Deckglase  angetrocknet  oder  ob  dieselben  im  Gewebsschnitt  ver- 
theilt  gefärbt  werden  sollten.  Die  anzuwendenden  Lösungen  waren  die- 
selben, und  hier  wie  dort  erfolgte  die  Färbung  in  kürzester  Zeit.  Dass 
Trockenpräparate  sich  im  Allgemeinen  schneller  färben  als  Schnitte, 
liegt  nicht  etwa  an  einer  principiellen  Verschiedenheit  der  zu  färbenden 
Objecte  selbst,  sondern  nur  an  der  verschiedenen  Art  der  äusserlichen 
Disponii'ung  dieser  Objecte.  Das  Ti'ockenpräparat  stellt  eine  dünne, 
trockene  Schicht  dar,  welche  beim  Benetzen  mit  wässerigen  Flüssig- 
keiten, also  auch  beim  Benetzen  mit  den  Farbstofflösungen,  aufquült 
und  sich  in  dem  letzteren  Falle  begierig  mit  der  Farbstofflösung  voll- 
saugt. Beim  Schnitte  hingegen  haben  wir  eine  grössere  Gewebsmasse 
vor  uns,  welche  mit  Alcohol  oder  Wasser  durchtränkt  ist.  Diese 
durchtränkenden  Flüssigkeiten  müssen  dann  l)eim  Einbringen  des 
Schnittes  in  die  Farblösung  erst  durch  Diffusion  entfernt  werden. 

Die  eigentliche  „Färbung"  der  einzelnen  Bakterienzellen  erfolgt  also, 
gleichgültig  ob  ein  Schnitt  oder  ein  Trockenpräparat  vorhegt,  im  All- 
gemeinen in  kürzester  Zeit  —  vorausgesetzt,  dass  man  passende  Farb- 
lösungen anwendet.  Mehrmals  haben  wir  bereits  betont,  dass  diese  Lö- 
sungen wässerige  sein  müssen.   Es  lässt  sich  nun  leicht  nachweisen, ^) 


^)  Diesen  (oben  im  Text  folgenden)  Nachweis  habe  ich  1S90  (1.  Auflage  dieses 
Buches  p.  71)  geführt. 

Güutlier,  Bakteriologie      4.  Auflage.  7 


98  -^-  Allgemeines. 

dass  rein  alcoholische  Lös ii n g eu,  d.  li.  Lösungen  der  Farb- 
stoffe in  absolutem  Alcohol,  überhaupt  nicht  die  Spur 
bakterien-   und   kernfärbender  Eigenschaften   haben. 

Man  stelle  sich  irgend  welches  Trockenpräparat  durch  Verreiben 
von  Bakterienmaterial  auf  dem  Deckglase,  durch  Ausstreichen  von  Blut, 
Eiter  etc.  auf  demselben,  dar.  Man  fixire  es  in  der  gewöhnlichen 
Weise.  Das  absolut  trockene  Deckglas  fasse  man  mit  absolut  trockener 
Pincette  und  gebe  nun  auf  die  angetrocknete  Schicht  mehrere  Tropfen 
einer  gesättigten  Lösung  eines  basischen  Anilinfarbstoflfes  in  absolutem 
Alcohol.  Nach  einigen  Secunden  spüle  man  das  Deckglas  mit  absolutem 
Alcohol  ab.  Die  Schicht  ist  vollständig  ungefärbt  geblieben. 
Die  Bakterien  resp.  die  Kerne  der  Eiterzellen  etc.  haben  nicht  ver- 
mocht aus  der  alcoholischen  Lösung  Farbstoff  aufzunehmen,  trotzdem 
dass  diese  Lösung  procentisch  so  viel  Farbstoff  enthält  wie  keine  auf 
irgend  welche  sonstige  Weise  darstellbare  Lösung.  Ich  mll  bemerken, 
dass  man,  nach  dem  Aufbringen  der  Farblösung  auf  das  Präparat, 
dasselbe,  um  die  Färbung  eventuell  zu  beschleunigen,  in  die  Flamme 
halten  kann,  so  dass  die  Farblösung  anfängt  zu  brennen.  Entfernt 
man  dann  das  Präparat  aus  der  Flamme  und  spült  es  nach  dem  Aus- 
blasen der  brennenden  Farblösung  mit  absolutem  Alcohol  ab,  so  ist 
das  Resultat  dasselbe  wie  vorher:  die  Schicht  ist  ungefärbt  gebheben. 

Nun  könnte  zwar  Jemand  einwerfen,  durch  das  Abspülen  mit 
Alcohol,  der  das  beste  Lösungsmittel  dieser  Farbstoffe  ist,  werde  die 
zu  Stande  gekommene  Färbung  vernichtet,  der  Farbstoff  werde  wieder 
extrahirt.  Zur  Entki'äftung  dieses  Einwandes  stelle  man  folgenden 
Versuch  an:  Ein  beliebiges  Trockenpräparat  färbt  man  mit  der  wässe- 
rigen resp.  stark  wasserhaltigen  Lösung  eines  basischen  Anilinfarbstoffes ; 
man  spült  die  Lösung  darauf  mit  Wasser  ab  und  macht  das  Präparat 
durch  Abblasen  etc.  in  der  gewöhnlichen  Weise  trocken,  als  ob  man 
es  in  Balsam  conserviren  wollte.  Das  Präparat  ist  jetzt  gefärbt.  Nun 
legt  man  das  absolut  trockene,  mit  absolut  trockener  Pincette  gefasste 
Deckglas  in  absoluten  Alcohol.  Der  Alcohol  wird  nicht  die  Spur  von 
Farbstoff  zu  extrahii-en  vermögen.  Erst  nach  längerem  Liegen  an  der 
Luft,  wenn  der  Alcohol  Wasser  aufgenommen  hat,  beginnt  eine  ganz 
leichte,  allmählich  stärker  werdende  Extraction  des  Farbstoffes.  Der 
absolute  Alcohol  ist  unfähig,  dem  gefärbten  Präparate 
Farbstoff  zu   entziehen.^) 


^)  An  dieser  Stelle  möchte  ich  bemerken ,  dass  (was  nach  dem  Vorstehenden 
eigentUch  selbstverständlich  ist)  der  absolute  Alcohol  auch  aus  gefärbten 
Geissein   den  Farbstoff  nicht  zu  extrahiren   vermag.     Wenn  man  diese 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobacbtung.  99 

Und  was  von  Ti-ockenpräparaten  gilt,  das  gilt  von  Schnittpräpa- 
raten ganz  ebenso.  Nur  ist  es  viel  schwerer,  sich  wirklich  absolut 
trockene  Schnitte  herzustellen.  Ich  habe  zur  Ivlarstellung  dieser  wich- 
tigen principiellen  Fi-agen  Schnitte  aus  Alcohol  mit  Hülfe  des  Spatels 
auf  den  Objectträger  gebracht.  Dort  habe  ich  sie  an  der  Luft  an- 
trocknen lassen  und  nun  noch  über  der  Flamme  den  Objectträger 
leicht  erwärmt,  um  möglichst  jede  Spur  h3'groskopisch  anhaftenden 
Wassers  zu  entfernen.  Nach  dem  Erkalten  wurden  die  Schnitte  mit 
gesättigter,  rein  alcoholischer  Farblösung  Übergossen  und  nach  wenigen 
Secunden  mit  absolutem  Alcohol  abgespült.  Auch  hier  derselbe  Effect: 
Ausbleiben  jeder  Färbung.  —  Dann  habe  ich  Schnitte  in  wässerigen 
Lösungen  längere  Zeit  gefärbt,  aus  der  Farblösung  direct  auf  den  Object- 
träger gebracht,  durch  Aufpressen  von  Fliesspapier  abgetrocknet  und 
dann  lufttrocken  werden  lassen,  event.  unter  leichter  Erwärmung.  Dann 
sprangen  die  Schnitte  leicht  vom  Glase  ab  oder  Hessen  sich  leicht  ab- 
ziehen. Der  trockene  Schnitt  wurde  dann  in  absoluten  Alcohol  versenkt. 
Ganz,  ganz  allmählich  kam  hier  eine  Extraction  des  Farbstoffes  zu 
Stande,  die  dann  mit  wachsendem  Wassergehalt  des  Alcohols,  wie  oben, 
allmählich  zunahm. 

Kein  alcoholische  Lösungen  der  basischen  Anilin- 
farbstoffe sind  also  vollständig  unfähig,  Bakterien 
sowohl  wie  thierisches  Gewebe  zu  färben,  und  anderer- 
seits ist  der  absolute  Alcohol  unfähig,  den  Farbstoff 
aus  gefärbten  Bakterienzellen  und  aus  gefärbten  Zel- 
len thierischen  Gewebes   zu   extrahiren. 

Wenn  trotzdem  gerade  der  absolute  Alcohol  als  „Ent- 
färbungsmittel" zum  „Differenziren"  von  gefärbten  Schnitten 
empfohlen  wird  (speciell  durch  Weigert),^)  so  ist  diese  Wirkung  des 
Alcohols  darauf  zurückzuführen,  dass  er  hier  auf  Gewebe  einwirkt, 
welche  mit  wässeriger  Flüssigkeit  (Farblösung)  durchtränkt  sind,  dass 
der  Alcohol  hier  also  thatsächlich  nicht  als  absoluter,  sondern  als  mit 
Wasser  verdünnter  Alcohol  zur  Wirkung  kommt.  Der  mit 
Wasser  in  gewissem  Grade  verdünnte  Alcohol  ist  aber  ein  aus- 
gezeichnetes Mittel,  die  Anilinfarbstoffe  aus  den  Zellen  zu  extrahiren. 
Es  kommen  hier  zwei  Eigenschaften  desselben  zur  Geltung:  erstens 
der  Wassergehalt,  welcher  die  Flüssigkeit  befähigt,  die  Bakterien  oder 
thierischen  Zellen  etc.  zum  Aufquellen   zu  bringen,   und   zweitens   der 

Thatsaohe  demonstriren  will,  so  ist  es  noth wendig ,  das  der  Geisseifärbung  (cf.  oben 
p.  80  ff.)  unterworfene  Deckglaspräparat  in  trockenem  Zustande  zunächst  in  absoluten 
Alcohol,  aus  demselben  dann  in  Xylol  zu  bringen  und  dann  in  Balsam  einzuschhessen. 
^)  Virch.  Arch.     Bd.  84.     ISSl.     p.  275  ff. 


\ 


100  -Ä..  Allgemeines. 

Alcoholgehalt,   welcher  die  Flüssigkeit   so  viel   geeigneter  zur  Lösung 
der  Farbstoffe  macht,  als  es  das  Wasser  selbst  ist. 

Und  was  für  den  Alcohol  als  Entfärbungsmittel  gilt,  das  gilt  auch 
für  den  Alcohol  als  Constituens  von  Farblösungen.  Einen 
wässerig  durchtränkten  Schnitt  können  wir  auch  in  einer  rein  alcoho- 
lischen  Farblösung  färben,  aber  nicht  weil  die  letztere  an  und  für  sich 
färbende  Eigenschaften  hätte,  sondern  weil  sich  bei  dem  Zutritt  der- 
selben zu  dem  Schnitte  eine  verdünnte  alcohoKsche  Farblösung  bildet, 
die  die  Färbung  bewirkt.  Ebenso  können  wir  ein  trockenes  Trocken- 
präparat mit  rein  alcoholischer  Farblösung  färben,  wenn  wir  zum 
Abspülen  der  Farblösung  nicht  Alcohol,  sondern  Wasser  nehmen.  Die 
im  Momente  des  Abspülens  sich  bildende  verdünnte  alcoholische  Lösung 
be\\ärkt  die  Färbung. 

Hinsichtlich  der  hier  aufgestellten  principiellen  Eigenschaften  des 
absoluten  Alcohols  ist  zu  bemerken,  dass  einerseits  bereits  Weigert') 
darauf  aufmerksam  gemacht  hat,  dass  man  die  Schnitte  „über  eine 
Stimde  (bei  intensiver  Färbung  noch  länger)  in  Alcohol  lassen  kann, 
ohne  dass  sie  die  Kern-  und  Bakterienfärbung  abgeben",  und  dass 
andererseits  Friedländer-)  betont  hat,  dass  „ein  grösserer  Zusatz 
von  Alcohol  als  etwa  10  ^/^  zu  der  Farblösung  das  Färbungsvennögen 
derselben  beeinträchtigt".  Dass  aber  der  Alcohol  als  solcher  gar 
keine  entfärbenden  und  rein  alcoholische  Farblösungen 
gar  keine  färbenden  Eigenschaften  haben,  ist,  so  viel  ich  weiss, 
zuerst  von  mir  ausgesprochen  worden.  Wir  werden  derartige  Eigen- 
schaften des  Alcohols  und  alcoholischer  Lösungen  nur  durchaus  ver- 
ständlich finden  müssen.  Die  Bakterienzelle  ebenso  wie  die  thierische 
Gewebszelle  ist  nur  in  Wasser  quellbar,  nie  in  absolutem  Alcohol. 
Damit  die  Zelle  aber  aus  irgend  welcher  mit  ihr  in  Berührung  kom- 
menden Flüssigkeit  Bestandtheile  in  sich  aufzunehmen  vermag,  muss  sie 
in  der  Flüssigkeit  zunächst  in  gewissem  Grade  aufzuquellen  vermögen. 
Wir  sehen  hier  sehr  enge  Analogien  zwischen  den  Vorgängen,  die 
sich  bei  der  Färbung  einer  Zelle  abspielen,  und  denjenigen,  die  bei 
der  Einwirkung  antiseptischer  Flüssigkeiten  auf  die  Zelle 
in  Frage  kommen.'^)  Wie  wir  bereits  oben  (p.  31)  mittheilten,  fand 
E.  Koch,*)  dass  eine  alcohohsche  Lösung  von  Carbolsäure  nicht  die 
geringste  Einwirkung   auf  die  Keimfähigkeit  von  Milzbrandsporen  hat. 


')  Vircb.  Arch.    Bd.  84.     1881.    p.  280. 
■-)  Mikroskopische  Technik.    3.  Aufl.    Berlin  1886.    p.  47. 
^)  Auch   noch   in  anderer  Hinsicht   bestehen  Analogien  zwischen  diesen  beiden 
Arten  von  Vorgängen  (cf.  p.  78,  Anra.  5). 

')  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.    Bd.  1.     1881.    p.  251. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobaclitung.  101 

während  wässerigen  Lösungen   derartige  Einwirkungen    sehr   wohl    zu- 
kommen. 

Nach  Erledigung  dieser  principiell  wichtigen  Angelegenheit  wollen 
wir  uns  mit  den  verschiedenen  Punkten  beschäftigen,  Avelche 
von  allgemeiner  Bedeutung  bei  der  Bakterienfärbung 
sind.     Es  sind  dies  drei  Punkte: 

1)  die  Qualität  der  Earblösung, 

2)  die  Temperatur,  bei  der  die  Färbung  vorgenommen  Anrd, 

3)  die  Zeitdauer  der  Einwirkung  der  Earblösung. 

Bezüglich  des  2.  resp.  3.  Punktes  gilt  es  ganz  allgemein,  dass 
die  Färbung  um  so  schneller  vor  sich  geht,  je  höher  die  Temperatur 
ist,  und  dass  sie  desto  intensiver  wird,  je  länger  wir  die  Farblösung 
auf  das  Object  einwirken  lassen.  Bezüglich  des  1.  Punktes  haben  wir 
bereits  erörtert,  dass  sich  rein  alcoholische  Lösungen  gar  nicht  zur 
Färbung  eignen,  dass  sich  aber  Gemische  aus  emeni  Theile  derartiger 
Lösungen  und  etwa  10  Theilen  Wasser  (cf,  p.  66)  ausgezeichnet  zur 
Färbung  eignen.  Wir  haben  ferner  gesehen,  dass  die  Loeffler'sche 
Methylenblaulösung  (cf.  p.  90),  welche  ebenfalls  eine  wässerig- alco- 
holische ist,  aber  einen  ganz  geringen  Zusatz  von  kaustischem 
Kali  enthält,  sich  ganz  besonders  gut  zu  Färbungen  eignet.  —  Es 
hat  sich  nun  gezeigt,  dass  das  Färbungsvermögen  der  wässerig- alco- 
hülischen  Lösungen  überhaupt  durch  bestimmte  Zusätze  sehr  erheblich 
gesteigert  werden  kann.  Mehrere  solcher  intensiv  färbenden 
Tinctionsflüssigkeiten  sind  seit  Jahren  in  Gebrauch  und  haben  sich  sehr 
bewährt.  Dahin  gehört  an  erster  Stelle  die  Ehrlich"sche  Lösung, 
welche  mit  Fuchsin  oder  mit  den  Violetten  hergestellt  werden  kann, 
imd  die  ursprünglich  zur  Färbung  der  Tuberkelbacillen  construirt  wurde, 
ferner  die  Ziehl'sche  Lösung,  Avelche  mit  Fuchsin  hergestellt  wii"d. 

Die  Ehrlich'sche  Lösung')  ist  eine  Mischung  einer  gesättigten 
wässerigen  Anilinlösung  mit  gesättigter  alcoholischer  Farbstofflösung. 
Sie  wird  folgendermassen  dargestellt: 

4  ccm  Anilin  (Anilinöl)  werden  mit 
100  ccm  Wasser 
geschüttelt.  Hierbei  wird  die  grösste  Menge  des  Anilins  gelöst.  Man 
filtrirt  nun  durch  ein  mit  Wasser  vollständig  angefeuchtetes 
Filter  (angefeuchtet  deshalb,  damit  die  ungelösten  öligen  Anilintröpfchen 
auf  dem  Filter  zurückgehalten  werden)  und  setzt  dann  zu  dem  klaren 
Filtrate  („Anilinwasser") 


^)  cf.  Deutsche  med.  Wochenschr.     1SS2.    p.  270. 


102  A.  Allgeraeines. 

11  ccm  gesättigte  alcoholisclie  Fuchsin-  (oder  Gentianaviolett- 
oder  Methylviolett-)  Lösung. 
Die  Mischung  -nird  geschüttelt.  Diese  Ehrlich'schen  Lösungen  setzen 
in  den  ersten  Stunden  nach  ihrer  Bereitung  Farhstolfiiiederschläge  ab. 
Schnitte,  die  unmittelbar  nach  der  Herstellung  der  Flüssigkeit  mit  der- 
selben behandelt  werden,  zeigen,  gleichgültig  ob  man  die  Farbmischung 
filtrirt  oder  imiiltrii-t  zur  Anwendung  gebracht  hat,  ihre  Oberfläche 
mit  kleinsten  Farbstofihiederschlägen  bedeckt,  die  zu  entfernen  (ohne 
die  Färbimg  im  Uebrigen  zu  schädigen)  es  kein  Mittel  giebt.  Nach 
24  Stunden  jedoch  hat  die  Lösung  sich  geklärt,  und  nun  stellt  sie 
ein  sehr  gutes,  allgemein  anwendbares  Färbungsmittel  dar.  Die  Ehr- 
lich'sehen  Lösungen  werden  mit  Vortheil,  wie  bereits  bemerkt,  zur 
Färbung  von  T  u  b  e  r  k  e  1  b  a  c  i  1 1  e  n  angewendet.  Handelt  es  sich  hier- 
bei um  Deck g last rockenpräpa rate  (die  von  S p u t u m  her- 
gestellt sind),  so  bringt  es  die  Nachbehandlung  dieser  Präparate  mit 
sich,  dass  für  diesen  Zweck  die  Ehrlich'schen  Lösungen  auch 
ganz  frisch,  eben  dargestellt,  gebraucht  werden  können;  zur  Dar- 
stellung von  Tuberkelbacillen  in  Schnitten  aber  muss  man  24  Stun- 
den alte  Lösungen  vei"wenden.  Die  Ehrl  ich 'sehen  Lösungen  halten 
sich  eine  Reihe  von  Tagen  bis  Wochen  brauchbar.  Allmählich  jedoch 
wird  eine  derartige  Lösung  missfarbig,  hell;  der  Farbstoff  setzt  sich  als 
schmieriger  Belag  auf  dem  Boden  und  an  der  Wand  des  Gefässes  ab, 
und  die  Flüssigkeit  muss  dann  verworfen  und  durch  neue  ersetzt  werden. 
Die  Ziehl'sche  Lösung')  ist  eine  Mischung  von  5procentiger 
wässeriger  Carbolsäurelösung  mit  alcoholischer  Fuchsinlösung.  Man 
stellt  sie  dar  durch  inniges  Verreiben  von 
1  g  Fuchsin  mit 
100  ccm  5proc.  wässeriger  Carbolsäurelösung  unter  alimäh- 
lichem Zusätze  von 
10  ccm  Alcohol. 
Die  ZiehTsche  Carbolsäure-Fuchsinlösung  hat  ebenfalls  ein 
ausserordentliches  Tinctionsvermögen ,  kommt  aber  darin  den  Ehr- 
lich'schen  Lösungen  sicher  nicht  gleich.  Die  ZiehTsche  Lösung 
ist  dauernd  haltbar.  In  diesem  Punkte,  durch  den  sich  die 
Ziehl'sche  Lösung  von  den  Ehrlich'schen  Lösungen  wesentlich 
unterscheidet,  liegt  übrigens  gerade  ein  Grund  des  geringeren  Färbungs- 
vermögens der  Ziehl "sehen  Lösung  gegenüber  den  Ehrlich"schen. 
TJnna"^)   hat  nämlich   auf  das   allgemein   gültige  Gesetz  aufmerksam 

^)  cf.  Deutsche  med.  Wochenschr.    1SS2.    p.  4.51. 
2)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  3.    1SS8.    p.  254. 


lY.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienl)eobachtung.  103 

gemacht,  dass  diejenigeu  Farblösungeu  am  intensivsten  färl)en,  in  denen 
der  Farbstoff  am  schlechtesten  gelöst  ist,  ohne  jedoch  ausgefällt  zu 
werden.  Unna  hat  diesen  Zustand  einer  Farblösung  mit  dem  Aus- 
druck der  „Schwebefällung"  belegt.  Bei  den  Ehr  lieh 'sehen 
Lösungen  ist  dieser  Zustand  der  Schwebefällung  vorhanden,  bei  der 
Ziehl'schen  Lösung  nicht.  Ich  würde  deshalb  überall  da,  wo  es 
darauf  ankommt,  eine  möglichst  intensive  Färbung  zu  erreichen,  die 
Ehrlich'schen  Lösungen  verwenden  und  eventuell  die  Mühe  nicht 
scheuen,  mir  dieselben  fiisch  darzustellen;  nur  im  Nothfalle  würde  ich 
als  Ersatz  zu  der  ZiehTschen  Lösung  greifen,  die  immer  vorräthig 
und  jederzeit  gebrauchsfertig  im  Laboratorium  gehalten  werden  kann.^) 

Einen  noch  höheren  Grad  des  Färbungsvermögens  hat  Loeffler^) 
den  Ehrlich'schen  Lösungen  dadurch  verliehen,  dass  er  den  Alcohol 
bei  ihrer  Zusammensetzung  ganz  wegliess  und  etwas  Natronlauge  zu- 
fügte. Loeffler  setzte  sich  zur  Färbung  der  Geissein  an  Bakterien, 
die  zunächst  mit  einer  Beize  behandelt  waren,  die  Farlilösung  ursprüng- 
lich folgendermassen  zusammen  (cf.  oben  p.  83) : 

Zu  100  ccm  gesättigtem  Anilinwasser  ^)  wird 

1  ccm  1  procentige  Natriumhydratlösung  zugefügt. 

Das  Gemisch  wird  mit 

4 — 5  g  festem   Fuchsin    (oder   Methylviolett   oder   Methylen- 
blau) tüchtig  geschüttelt. 

Diese  Farbflüssigkeit  dürfte  an  Litensität  des  Färbungsvennögens 
von  keiner  der  bekannten  Farblösungen  übertroffen  werden.  Man  sieht 
ohne  Weiteres,  dass  hier  ein  noch  höherer  Grad  der  Unna'schen 
„Schwebefällung"  bestehen  muss  als  bei  den  Ehrlich'schen  Lösungen, 


^)  Manche  Praktiker  gebrauchen  die  (unveränderte  oder  mit  Wasser  verdünnte) 
Ziehl'sche  Lösung  mit  Vorliebe  und  regelmässig,  und  zwar  nicht  nur  in  solchen 
Fällen,  in  denen  die  Anwendung  einer  besonders  stark  färbenden  Flüssigkeit  indicirt 
ist,  sondern  auch  dort,  wo  eine  wässerig-alcoholische  Lösung  vollständig  ausreichen 
würde.  Der  Grund  für  diese  allgemeine  BeUebtheit  der  ZiehLschen  Lösung  ist 
ihre  Haltbarkeit.  Der  Verf.  möchte  diese  Lösung  für  die  geschilderten  Zwecke 
durchaus  nicht  empfehlen,  da  sie  die  sehr  wenig  angenehme  Eigenschaft  besitzt,  die 
Präparate  mit  grösseren  oder  kleineren  rundlichen  Inseln  von  Farbstoff  zu  bedecken, 
die  sich  durch  Abspülen  mit  Wasser  nicht  entfernen  lassen:  die  Präparate  werden 
mehr  oder  weniger  unsauber.  (Diese  letztere  Thatsache  wird  von  vielen  Praktikern 
allerdings  ruhig  hmgenommen.)  Die  Farbstoffinseln  stammen  nicht  (wie  es  z.  B. 
bei  den  Farbstoffausscheidungen  älterer  wässerig-alcoholischer  Fuchsinlösungen  [cf. 
p.  66]  der  FaU  ist)  aus  dem  Innern  der  Flüssigkeit,  sondern  von  ihrer  Oberfläche, 
auf  der  —  während  die  Flüssigkeit  selbst  dauernd  klar  bleibt  —  sich  kleinste  ölige 
Färb  Stofftröpfchen  schwimmend  vorfinden. 

-)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  6.     1889.    p.  213. 

■^)  Dargestellt  wie  bei  der  Bereitung  der  Ehrlich'schen  Lösungen. 


104  A.  Allgemeines. 

da  ja  der  Zusatz  des  Alcohols,  des  ausgezeichnetsten  Lösungsmittels 
unserer  Farbstoffe,  fehlt. 

Unerwähnt  will  ich  übrigens  nicht  lassen,  dass  H.  Kühne  i)  als 
Univer  salbakterienf ärbungsmittel  eine  C  a  r  b  o  1  m  e  t  h  y  1  e  n  b  1  a  u  1  ö  s  u  n  g 
(dargestellt  aus  1,5  g  Methjdenblau ,  10  ccni  Alcohol  und  100  ccm 
5  procentigem  Carbolwasser)  angegeben  und  empfohlen  hat. 

In  dem  quantitativ  verschiedenen  Färbungsvermögen  der  citirten 
Farblösungen  einerseits,  andererseits  in  der  verschiedenen  Zeitdauer 
der  Einwirkung  dieser  Lösungen  auf  das  Object  und  in  der  verschieden 
hohen  Temperatur,  bei  der  dies  geschieht,  haben  wir  die  Momente, 
welche  für  die  Intensität  der  zunächst  resultirenden  Färbung  von  Be- 
deutung sind. 

Es  hat  sich  nun  die  wichtige  Thatsache  herausgestellt,  dass  sich 
nicht  alle  Bakterienobjecte  einer  und  derselben  Farblösung  gegenüber 
gleichartig,  der  Färbung  gleichmässig  zugängig,  verhalten.  Verfeinerte 
Methoden  werden  ohne  Zweifel  in  dieser  Beziehung  vielfache  Differenzen 
zwischen  den  verschiedenartigen  Objecten  auffinden,  die  uns  heute 
noch  unbekannt  sind.  Wie  die  Dinge  heute  stehen,  kann  man  im 
Allgemeinen  nur  unterscheiden  zwischen  solchen  Objecten,  die  den 
Farbstoff  leicht  aufiiehmen,  und  solchen,  die  ihn  schwer  aufnehmen; 
oder  anders  ausgedrückt :  wir  haben  zu  unterscheiden  zwischen  leicht 
färb  baren  Objecten  und  schwer  färbbaren  Objecten.  „Leicht 
färbbar"  wollen  wir  solche  Objecto  nennen,  die,  mit  wässerig-alco- 
holischen  Farbstofflösungen  bei  gewöhnlicher  Temperatur  behandelt, 
im  Trockenpräparat  die  Färbung  innerhalb  weniger  Secunden,  im 
Schnitte  innerhalb  weniger  Minuten  annehmen,  „schwer  färbbar" 
solche,  die  unter  denselben  Bedingungen  die  Färbung  noch  nicht  an- 
nehmen,  zu   deren  Färbung   es   intensiver  wöi'kender  Methoden  bedarf. 

Ganz  allgemein  gilt  es  ferner,  dass  diejenigen  Objecto,  die  den 
Farbstoff  leicht  annehmen,  denselben  auch  leicht  wieder  abgeben,  dass 
andererseits  diejenigen,  die  ihn  nur  bei  intensiverer  Behandlung  mit 
der  Farblösung  aufnehmen,  ihn  auch  energischer  festhalten,  weniger 
leicht  abgeben.  Wir  können  das  auch  so  ausdrücken:  Die  leicht 
färbbaren  Objecto  sind  auch  leicht  entfärbbar,  die 
schwer  färbbaren  auch  schwer  entfärbbar.  Oben  haben 
wir  definirt,  was  wir  imter  „leicht  färbbar",  „schwer  färbbar"  verstehen. 
Was  verstehen  wir  aber  unter  „leicht  entfärbbar",  „schwer  entfärbbar"? 
Um   diese  Fragen   zu   beantworten,   müssen  wir   uns   über   die  Mittel, 


')  Praktische    Anleitung    zum    mikroskopischen    Ncachweis    der    Bakterien    im 
thierischen  Gewebe.     Leipzig.     1S8S. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobacbtung.  105 

die  uns  zur  Entfärbung  der  gefärbten  Zelle  zu  Gebote  stehen, 
informiren. 

Absoluter  Alcohol  extrahirt,  wie  auseinandergesetzt,  den  Farbstoff 
aus  der  gefärbten,  trockenen  Zelle  nicht.  Wird  der  Alcohol  aber  mit 
Wasser  verdünnt,  so  tritt  eine  Extraction  des  Farbstoffes  ein.  Dieselbe 
erfolgt  aber  nicht  momentan,  sondern  langsam  und  allmählich.  Wir 
können  gefärbte  Schnitt-  sowohl  wie  Trockenpräparate  ihres  Farbstoff- 
gehaltes  allmählich  vollständig  berauben,  wenn  wir  sie  in  verdünnten 
Alcohol  legen  und  darin  liegen  lassen.  Die  Gründe  für  die  in  dieser 
Beziehmig  verschiedene  Wirkung  des  absoluten  und  des  verdünnten 
Alcohols  haben  wir  oben  (p.  99)  auseinandergesetzt.  Der  mit  Wasser 
verdünnte  Alcohol  ist  also  ein  Extractionsmittel  für  den  Farbstoff, 
ein  Entfärbungsmittel.  Sehr  energisch  wirkt  im  Vergleich  zu 
dem  verdünnten  Alcohol  der  öfters  wiederholte  Wechsel  zwischen 
absolutem  Alcohol  und  Wasser.  Man  wird  wohl  nicht  fehl- 
gehen, wenn  man  die  intensiven  Diffusionsströme,  die  hier  in  und  an 
dem  Objecte  auftreten  müssen,  für  die  Extractionswirkung  wesenthch 
mit  verantwortlich  macht. 

Die  stärksten  Entfärbungsmittel  aber  bilden  die  S  ä  u  r  e  n.  Schon 
eine  ganz  verdünnte  Essigsäure  hat  intensiv  entfärbende  Eigen- 
schaften. Verdünnte  Salz-,  Salpeter-,  Schwefelsäure  oder 
mit  Säure  versetzter  Alcohol  wirken  noch  stärker.  Ganz  be- 
sonders stark  entfärbende,  durch  nichts  zu  übertreffende  Einwirkungen 
erzielt  man,  wenn  man  abwechselnd  wässerige  Säurelösungen 
und  Alcohol  auf  die  gefärbten  Objecte  einwirken  lässt,  oder  wenn 
man  angesäuerten  Alcohol  mit  Wasser  abwechseln  lässt. 
Die  bei  dem  jedesmaligen  Wechsel  auftretenden  Difftisionsströme  (cf. 
auch  den  vorigen  Absatz)  sind  es  ohne  Zweifel,  welche  hier  die  starke 
Entfärbungswirkung  zu  Wege  bringen.') 

^)  Sehr  schön  lässt  sich  die  ausserordentlich  kräftig  entfärbende 
Wirkung  des  Wechsels  zwischen  Wasser  und  Alcohol  in  Gegenwart 
von  Säure  durch  folgenden  Versuch,  den  ich  seit  Jahren  in  meinen  Cursen  vor- 
führe, demonstriren :  Mit  Hülfe  irgend  einer  Fuchsin-  oder  Violettlösung  macht  man 
sich  an  der  Volarseite  eines  Fingers  einen  Farbfleck.  Man  versucht  vergebens  diesen 
Fleck  durch  Bespülen  mit  Wasser  zu  entfernen;  nach  dem  sorgfältigen  Abtrocknen 
des  Wassers  versucht  man  ebenso  vergeblich  Alcohol,  dann  einen  Alcohol,  welchem 
i^jo  Salzsäure  zugesetzt  sind,  zu  diesem  Zwecke.  Der  Fleck  ist  nach  wie  vor  un- 
verändert vorhanden.  Träufelt  man  nun  aber  (ohne  dass  irgendwie  an  dem  Finger 
gerieben  wird)  einige  Tropfen  des  genannten  Salzsäure-Alcohols  auf  den  Fleck,  spült 
dann  mit  Wasser  ab,  träufelt  wiederum  Salzsäure  -  Alcohol  auf,  spült  wieder  mit 
Wasser  ab  und  wiederholt  diesen  AVechsel  in  derselben  Weise  eine  Anzahl  von  Malen 
hinter  einander,  so  sieht  man,  wie  der  Fleck  nun  in  kürzester  Frist  spurlos  ver- 
schwindet. 


lOQ  A.  Allgemeines. 

Für  unseren  Arbeitstisch  möchte  ich  als  stets  voiTäthig  zu  haltende 
Entfärbimgsmittel  empfehlen : 

1)  öprocentige  wässerige  Essigsäurelösung.  Dieselbe 
kann  ohne  Weiteres  verwendet,  aber  auch  mit  mehr  oder  weniger 
Wasser  verdünnt  zur  Anwendung  gebracht  werden. 

2)  20  pro  centige  wässerige  Salpetersäurelösung. 

3)  3procentigen  Salzsäure-Alcohol  (100  Alcohol  abso- 
lutus,  3  Salzsäure). 

Von  manchen  Seiten  Avird  auch  Salpetersäure -Alcohol  empfohlen. 
Ich  möchte  dieser  Empfehlung  weniger  das  Wort  reden;  denn  die 
Salpetersäure  bewirkt  sehr  leicht  Oxydationen  des  Alcohols,  und  man 
hat  dann  im  gegebenen  Ealle  häufig  ein  undefinirbares  Gemisch  ver- 
schiedener  Aether  etc.  an  Stelle  der  Alcohol -Salpetersäuremischung. 
Der  Salzsäure-Alcohol  jedoch  ist  unverändert  haltbar. 

Unter  „leicht  entfärbbaren"  Objecten  verstehe  ich  nun 
solche,  welche  die  Färbung  bei  der  Behandlung  mit  20procentigem 
Salpetersäurewasser  oder  mit  3procentigem  Salzsäure-Alcohol  in  kür- 
zester Zeit  (Secunden  bis  Minuten)  verlieren;  unter  „schwer  ent- 
färbbaren"  solche  Objecte,  die  die  Färbung  unter  diesen  Bedingungen 
behalten. 

Man  kann  folgende  Sätze  aufstellen: 

1)  Leicht  färbbar  und  leicht  entfärbbar  sind  (es  färben 
sich  in  wässerig-alcoholischen  Farbstofflösungen  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  in  kürzester  Zeit,  und  es  entfärben  sich  in  20proc. 
Salpetersäurewasser  und  ebenso  in  3proc.  Salzsäure-Alcohol  in 
kürzester  Zeit) : 

a)  Bakterien  (excl.  Tuberkel-  [und  Lepra-]  Bacillen  und  excl. 
Bacillensporen). 

b)  Zellkerne. 

2)  Schwer  färbbar  und  schwer  entfärbbar  sind  (es  färben 
sich  nur  bei  Anwendung  intensiver  wirkender  Methoden,  und  es 
entfärben  sich,  einmal  gefärbt,  nicht  bei  kurzer  Einwirkung  von 
20proc.  Salpetersäurewasser  oder  3proc.  Salzsäure-Alcohol): 

Tuberkel-  (und  Lepra-)  Bacillen  und  Bacillensporen. 
Worin  die  intensiver  wirkenden  Methoden  bestehen,  er- 
giebt  sich  von  selbst,  wenn  wir  die  oben  (p.  101)  dargelegten  Momente 
in  Ei-wägung  ziehen,  welche  für  die  Litensität  der  Färbung  in  Betracht 
konunen.  Um  intensiv  färbend  einzuwirken,  werden  wir  uns  zu- 
nächst solcher  F a r b  1  ö s u n g e n  bedienen  müssen,  denen  besonders 
grosse  Tinctionskraft  zukommt,  d.  h.  also  der  Ehrlich'schen 
Lösungen,  event.  auch  der  Zieh!' sehen  Lösung;  hiermit  werden  wir 


IV.  Allgemeine  ^Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  107 

in  den  meisten  Fällen  das  Ziel  erreiclien.  Kommt  es  auf  ganz  be- 
sonders intensive  Einwirkung  an,  so  werden  wir  uns  die  von  Loeffler 
(cf.  p.  103)  angegebenen  alkalischen  Anilinwasserfarblösungen,  die  alco- 
holfrei  sind,  darstellen  müssen.  Diese  intensiv  wirkenden  Lösungen 
werden  wir  dann,  und  das  ist  das  zweite  Moment,  nicht  bei  gewöhn- 
licher Temperatur,  sondern  bei  höherer  Temperatur  auf  das  Object 
einwirken  lassen,  und  wir  werden  (dritter  Punkt)  nicht  kurze,  sondern 
längere  Zeit  die  Einwirkung  andauern  lassen.  Berücksichtigen  wir 
im  gegebenen  Falle  alle  drei  Punkte,  die  Qualität  der  Farblösung,  die 
Temperatur  und  die  Zeit,  so  wird  die  Intensität  der  Färbung  ihr 
Maximum  erreichen.  Gewöhnlich  aber  genügt  es,  die  intensiv  färbende 
Flüssigkeit  bei  höherer  Temperatur  kürzere  Zeit  oder  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  längere  Zeit  einwirken  zu  lassen.  Das  erstere  wird  sich 
besonders  für  Ti'ockenpräparate,  das  letztere  besonders  für  Schnitte 
empfehlen.  Deckglastrockenpräparate  können  wir,  ohne  dieselben  zu 
schädigen,  mit  kochender  Farbstofflösung  behandeln,  so  lange  wir  Avollen. 
Schnitte  vertragen,  wie  oben  (p.  95)  gesagt,  höchstens  Temperaturen 
bis  etwa  40—50  o  C. 

Die  schwer  färbbaren  Bakterienobjecte,  die  Tuberkel-  (und 
Lepra-)  Bacillen  und  die  Bacillensporen,  verhalten  sich  nun  hinsichtlich 
der  Zugängiichkeit  für  den  Farbstoff  verschieden.  Die  Leprabacillen 
setzen  dem  Eindringen  des  Farbstoffes  den  geringsten  Widerstand  ent- 
gegen. Sie  können  sich  sogar  manchmal,  wenigstens  in  einzelnen 
Exemplaren,  wie  leicht  färbbare  Bakterien  verhalten,  und  es  ist  diese 
Eigenschaft  von  B  a  u  m  g  a  r  t  e  n  ^)  zu  einer  mikroskopischen  Differential- 
diagnose zwischen  Lepra-  und  Tuberkelbacillen  vei'wandt  worden.  Die 
Tuberkelbacillen  verhalten  sich  erheblich  resistenter  gegen  das  Ein- 
dringen des  Farbstoffes.  Am  resistentesten  verhalten  sich  die  Bacillen- 
sporen. Die  letzteren  bedürfen  also  zum  Zustandekommen  der  Färbung 
der  relativ  intensivsten  Behandlung.  Sind  die  genannten  Objecte  ein- 
mal gefärbt,  haben  sie  den  Farbstoff  einmal  aufgenommen,  so  geben 
sie  denselben  an  die  Entfärbungsmittel,  wie  erwähnt,  nicht  leicht 
wieder  ab,  während  andere  Theile  des  Präparates,  denen  die  Eigenschaft 
der  leichten  Färbbarkeit  zukommt,  sich  bei  derartiger  Behandlung  mit 
Entfärbungsmitteln  wieder  entfärben.  Es  resultirt  dann  naturgemäss 
eine  isolirte  Färbung  der  vorhandenen  schwer  färbbaren  Objecte; 
und  damit  ist  dann  auch  die  Möglichkeit  gegeben,  die  wieder  ent- 
färbten, leicht  färbbaren  Theile  secundär  mit  einer  gegen  die  Färbung 
der    schwer    färbbaren    01)jecte    contrastirenden    Färbung,    mit    einer 


^)  Zeitschr.  f.  wissensch.  Mikroskopie.     Bd.  1.     1884. 


108  A.  Allgemeines. 

Contrast-  (Gregen-  oder  Grund-)  Färbung,  zu  versehen.  Man 
kann  so  Präparate  mit  Doppelfärbung  herstellen.  Bei  primärer 
Fuchsinfärbung  wählt  man  als  Gegenfarbe  Meth^'lenblau ,  bei 
primärer  Violettfärbung  als  Gegenfarbe  Bismarckbraun  oder  Carniin. 
Wir  können  auf  diese  Weise  z.  B.  in  einem  Tuberkelbacillenschnitt- 
präparate  die  Tuberkelbacillen  fuchsinroth,  die  Kerne  des  Gewebes 
meth3denblau  färben;  wir  können  ims  Ti-ockenpräparate  von  tuberculösem 
Sputum  herstellen,  in  welchen  die  Tuberkelbacillen  violett,  die  übrigen 
vorhandenen  Bakterien  und  die  Kerne  der  Eiterzellen  etc.  bismarckbraun 
gefärbt  sind ;  wir  können  sporenhaltige  JMilzbrandfäden  so  färben ,  dass 
die  Sporen  fuchsinroth,  das  Bacillenprotoplasma  methjlenblau  erscheinen. 
Auf  die  Sporenfärbung  werden  wir  bei  Gelegenheit  der  Be- 
trachtung des  Mlzbrandbacillus ,  auf  die  Tuberkelbacillenfärbung 
bei  Geleo'enheit  des  Tuberkelbacillus  des  Näheren  eino-ehen. 


6.    Die  Gram'sche  Methode  der  Kernentfärbung. 

Wie  wir  gesehen  haben,  lassen  sich  Bakterien,  welche  in  Schnitten 
thierischen  Gewebes  enthalten  sind,  durch  die  Färbung  mit  basischen 
Anilinfarbstoffen  sehr  leicht  der  Beobachtung  zugänglich  machen.  Wir 
brauchen  einen  solchen  Schnitt  nur  in  eine  der  angegebenen  Farb- 
lösungen zu  legen  und  hinterher  abzuwaschen  und  mit  schwachen  Ent- 
färbungsmitteln zu  behandeln,  um  die  Bakterien  gefärbt  zu  Gesicht  zu 
bekommen.  Freilich  sind  die  Kerne  des  Gewebes  stets  mitgefärbt. 
Würden  wir  auf  den  gefärbten  Schnitt  stärkere  Entfärbungsmittel  ein- 
wirken lassen,  z.  B.  3proc.  Salzsäure- Alcohol ,  oder  würden  wir  die 
schwächeren  Entfärbungsmittel  längere  Zeit  einwirken  lassen,  so  würden 
allerdings  die  Kerne  ihre  Färbung  verlieren;  zu  gleicher  Zeit  aber 
wüi'den  auch  die  Bakterien  ihre  Färbung  abgeben  und  verblassen. 
Wollen  wir  also  in  einem  Schnitte  die  Bakterien  gefärbt  haben, 
so  müssen  wir  eine  Kern  färb  ung  mit  in  den  Kauf  nehmen;  es  sei 
denn,  dass  es  sich  um  die  schwer  färb-  und  entfärl)])aren  Tuberkel- 
(oder  Lepra-)  Bacillen  handelte;  die  specifischen  Eigenthümlichkeiten 
dieser  Bakterien  bringen  es  mit  sich,  dass  wn-  sie  in  isolirter  Färbung 
darstellen  können. 

Aus  dem  Schema  der  bisher  betrachteten  Färbungsmethoden  fällt 
nun  vollständig  heraus  ein  eigenthümliches  Verfahren  der  färberischen 
Behandlung  bakteriologischer  Präparate,  welches  der  dänische  Forscher 
Christian   Gram^)   im   Jahre    1884   zu  Berlin   entdeckte.     Gram 


Fortscbr.  d.  Med.     1SS4.     No. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobacbtuny.  109 

gelangte  durch  Zufall  zu  dieser  Entdeckung.  Er  hatte  nämlich,  wie 
er  angiebt,  0  versucht,  in  pathologisch  veränderten  Merenschnitten  eine 
Doppelfärbung  dadurch  herzustellen,  dass  er  dieselben  zunächst  in 
Ehrlich 'scher  Anilinwassergeutianaviolettlösung  und  darauf  in  Jod- 
jodlvaliumlüsung  behandelte.  Die  Kerne  sollten  violett,  die  Harncjdinder 
braun  gefärbt  werden.  Als  er  nun  die  so  behandelten  Schnitte  in 
Alcohol  behufs  der  Differenzirung  und  Entwässerung  brachte,  beob- 
achtete er,  dass  die  Schnitte  sich  vollständig  und  schnell  entfärbten, 
d.  h.  dass  die  sonst  in  Alcohol  verbleibende  Kernfärbung  verschwand. 
In  dem  Schnitte  vorhandene  Bakterien  hatten  sich  aber  hierbei  nicht 
mit  entfärbt;  im  Gegentheil:  sie  zeigten  sich  äusserst  intensiv,  dunkel 
tingirt.  Gram  hatte  also  ein  Verfahren  gefunden,  die  Gewebskerne 
zu  entfärben,  ohne  die  Bakterienfärbung  anzutasten. 
TDas  Gram' sehe  Verfahren  ist  also  kein  eigentliches  Färbungs- 
veriahren,  sondern  es  ist  ein  Entfärbungs verfahren,  und  zwar  ein 
Kernentfärbungs verfahren.^  Hiermit  war  viel  gewonnen.  Es 
war  die  Möglichkeit  eröffnet,  jede  beliebige  Bakterienart  in  isolirter 
Färbung  im  Schnitte  darzustellen  und  nach  Belieben  auch  eine  Gegen- 
färbung der  Kerne  eintreten  zu  lassen.  Gram  fand  aber  sofort,  dass  nicht 
alle  Bakterienarten  bei  der  geschilderten  Entfärbungsmethode  ihre  Fär- 
bung behalten,  sondern  dass  es  Bakterienarten  giebt,  welche  sich  bei  der 
geschilderten  Behandlung  ebenso  wie  die  Kerne  des  Gewebes  entfärben. 

Die  ursprüngliche  Gram' sehe  Vorschrift  war  nun  die,  dass  die 
Schnitte  aus  Alcohol  in  die  E  h  r  1  i  c  h '  sehe  Anilinwassergentianaviolett- 
lösung  für  mehrere  Minuten  gelangen.  Hierauf  werden  sie  in  eine 
Jodjodkaliumlüsung  (l  Jod,  2  Jodkalium,  300  Wasser)  für  mehrere 
Minuten,  darauf  in  Alcohol  gebracht.  Während  sich  der  Schnitt  in 
der  Jodlösung  glänzend  schwarz  gefärbt  hat,  giebt  er  in  dem  Alcohol 
sofort  eine  purpurrothe  Farbstoffwolke  ab.  Wird  kein  Farbstoff  mehr 
ausgezogen,  so  kommt  der  Schnitt  in  Nelkenöl;  hier  verliert  er  eventuell 
noch  etwas  Farbstoff.     Darauf  wird  er  in  Balsam  eingeschlossen. 

Befolgt  man  diese  ursprüngliche  G  r  a  m '  sehe  Vorschrift  genau,  so 
wird  man  meist  gute  Resultate  erzielen;  mitunter  aber  führt  diese 
Behandlung  nicht  zu  einer  genügenden  Entfärbung  der  Kerne.  Es 
gelingt  jedoch  durch  bestimmte  kleine  Abänderungen  das  Verfahren  so 
zu  gestalten,  dass  es  unter  allen  Umständen  zu  dem  gewimschten 
Ziele  führt. 

Im  Jahre  1886  habe  ich'-)  zuerst   eine  Modilication  des  Gram'- 


1)  Fortschr.  d.  Med.     1884.     No.  (5.    p.  186. 

-)  In  der  mikroskopischen  Technik  von  C.  Friedländer,  3.  Aufl.    p.  50 — 51 
(nach  brieflicher  Mittheilung  an  Fr.)  angegeben. 


110  A.  Allgemeines. 

sehen  Verfahrens  angegel3en,  die  ich  dann  im  folgenden  Jahre  aus- 
führlich publicirt  habe.  ^)  Diese  Modification,  welche  unter  der  Be- 
zeichnung des  „Gram-Günther' sehen"  Verfahrens  bekannt  geworden 
und  der  ursprünglichen  Methode  gegenüber  vielfach  mit  Vortheil  an- 
gewendet worden  ist,  unterscheidet  sich  dadurch  von  dem  ursprimg- 
lichen  Verfahren,  dass  nicht  nur  Alcohol,  sondern  daneben 
auch  3proc.  Salzsäure- Alcohol  zur  Extraction  des  Farbstoffes 
benutzt  wii-d;  wesenthch  ist  aber,  dass  der  Säurealcohol  nur  ganz 
vorübergehend  zur  Anwendung  gelangt.  Eine  zweite  Abweichung 
von  der  ursprünglichen  Gram' sehen  Vorschrift  liegt  darin,  dass  nicht 
Nelkenöl  (welches  bei  Gram  eventuell  noch  zur  Extraction  des  Farb- 
stoffes diente),  sondern  Xylol  zur  Verwendung  gelaugt. 

Das  Gram-Günther' sehe  Verfahren  gestaltet  sich  mm  im 
Speciellen  folgendermassen : 

1)  Der  Schnitt  gelangt  aus  Alcohol  in  (eben  filtrirte)  Ehrlich' sehe 
Amlinwassergentiana\iolett-  (oder  MethyMolett-)  Lösung  auf  1 — 2  Mi- 
nuten.-)  (Die  Farblösung  muss  mindestens  24  Stimden  alt  sein  [cf. 
p.  102].  Sie  darf  aber  nicht  zu  alt  sein.  Ist  sie  bereits  eine  gi'össere 
Reihe  von  Tagen  alt,  so  hat  sie  zuviel  von  ihrem  Farbstoff  bereits 
abgegeben;  die  Färbimg  wird  dann  wenig  intensiv,  die  Resultate 
werden  ungenügend.  Aus  diesem  Grunde  muss  auch  streng  darauf 
gesehen  werden,  dass  zur  Bereitung  der  Lösung  [cf.  p.  101]  wirklich 
gesättigte  alcoholische  Farbstoff lösung  verwandt  wird.) 

2)  Herausnehmen  des  Schnittes  mit  der  Nadel,  Abtupfen  der  über- 
schüssigen Farblösung  auf  Fliesspapier  und  Einbringen  des  Schnittes 
in  Jodjodkaliumlösung  (1  Jod,  2  Jodkalimn,  300  Wasser)  auf  2  Mnuten. 
(Der  Schnitt  liegt  dabei,  gut  ausgebreitet,  auf  dem  Grunde  des 
Schälchens.) 

3)  In  Alcohol  auf  V-.  ^linute. 

4)  In  3proc.  Salzsäure-Alcohol  auf  genau  10  Secunden. 

5)  ]\Iit  Ablauf  der  10  Secunden  sofortige  Uebertragung  in  neuen, 
bereits  vorher  bereit  gestellten  reinen  Alcohol  auf  mehrere  Minuten. 

6)  Noch  ein  oder  mehrere  Male  (in  nicht  zu  langen  Pausen) 
TJebertragung  in  frischen  Alcohol  bis  zu  maximaler  Entfärbung 
(es  darf  sich  schliesslich  keine  Farbstoffwolke  mehr  von  dem  Schnitte 
abheben). 

7)  In  Xylol.     Hier   kann   der  Schnitt   beliebig   lange   liegen.     Er 


')  Deutsche  med.  Wochenschr.     1887.    No.  22.    p.  474. 

^)  Eine  Ausnahme  machen  Tuberculose-  und  Lepraschnitte.     Die  letz- 
teren werden  V2  Stunde,  die  ersteren  12—24  Stunden  gefärbt. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtimg.  Hl 

hält  sich  in  dem  Xylol  unbegTeuzt  lauge  unverändert.  Jedoch  kann 
er,  mit  Xylol  durchtränkt,  sofort,  d.  h.  spätestens  ^/^  Minute  nach 
dem  Einlegen  in  Xylol,  übertragen  werden 

8)  mit  dem  Spatel  auf  den  Objectträger. 

9)  Xach  Abtupfen  des  Xylolüberschusses  wird  ein  Tropfen  Xylol- 
Balsam  aufgebracht  und  auf  diesen  das  Deckglas  gelegt. 

Will  man  eine  Gegenfärbung  der  Kerne  erzielen,  so  kann 
man,  wie  das  Gram  that,  die  in  Alcohol  entfärbten  Schnitte  auf  einen 
Augenblick  in  w  ä  s  s  e  r  i  g  e  B  i  s  m  a  r  c  k  b  r  a  u  n  1  ö  s  u  n  g  tauchen,  dann 
wieder  in  Alcohol  entwässern  und  nach  der  Passage  durch  Xylol  in 
Balsam  einschliessen.  Mitunter  bekommt  man  so  ganz  gute  Eesultate. 
Häufig  aber  verlieren  die  Bakterien  bei  dieser  Manipulation  etwas  von 
der  Präcision  ihrer  Färbung,  und  bei  Erysipel- Schnitten  werden 
die  Coccen,  wie  ich  gefunden  habe,  bei  dieser  Gelegenheit  sogar  voll- 
ständig entfärbt.  Es  empfiehlt  sich  also  die  nachträgliche  Grund- 
färbung mit  Bismarckbraun  im  Allgemeinen  durchaus  nicht. 

Ein  anderes  Verfahren  der  Grundfärbung  bei  der 
Gram' sehen  Schnittbehandlung  ist  jedoch  für  alle  Fälle  durchaus 
zu  empfehlen.  Bei  diesem  Verfahren  wird  die  Kernfärbung 
vor  der  Bakterienfärbung  vorgenommen.  Die  ungefärbten 
Schnitte  gelangen  hier  aus  dem  Alcohol 

1)  in  Wasser  auf  mehrere  Minuten,  darauf 

2)  in  soeben  filtrirte  Picrocarminlösung  ^)  2 — 5  JVIinuten. 

3)  Sie  werden  darauf  in  vier-  bis  fünfmal  erneuertem  Wasser  aus- 
gewaschen und  dann 

4)  in  Alcohol  gebracht. 

Die  Schnitte  haben  nun  eüie  wundervolle  Kemfärbung  (Carmin)  an- 
genommen. In  dem  Alcohol  hönnen  sie  behebig  lange,  ohne  sich  zu 
verändern,  aufbewahrt  werden.     Man  kann  sie  dann  zu  beliebiger  Zeit 


^)  Die  Lösung  stellt  man  sich  nach  Friedländer  (Mikroskopische  Technik. 
3.  Aufl.  1SS6.  p.  35)  so  dar,  dass  man  eine  Lösung  von  Carmin  in  Ammoniak 
(1  Carmin,  1  Ammoniak,  50  Wasser)  zurecht  macht  und  zu  dieser  soviel  gesättigte 
\vässerige  Picrinsäurelösung  zusetzt,  bis  der  entstehende  Niederschlag  (Carmin)  beim 
Umrlüu'en  nicht  mehr  gelöst  wird.  Eine  Spur  Ammoniakzusatz  löst  den  Niederschlag 
wieder  auf.  Diese  Vorschrift  hat  sich  mir  stets  bewährt.  —  Filtration  der  Picro- 
carminlösung  kura  vor  dem  Gebrauche  ist  deshalb  nothwendig,  weil  diese  Lösimg,- 
wenigstens  die  im  Handel  käufliche,  gewöhnlich  lebende  Mikroorganismen  (ich  fand 
namentlich  HefezeUen  häufig)  enthält,  die  zunächst  —  durch  die  Filtration  —  ent- 
fernt werden  müssen,  wenn  man  nicht  sehr  störende  Beimengungen  im  Präparate 
haben  wiU.  Zur  Verhinderung  des  Wachsthums  von  IMikrooi'ganismen  in  der  Picro- 
carminlösung  giebt  man  der  letzteren  nach  Friedländer's  Empfehlung  auf  je 
100  ccm  einige  Tropfen  Phenol  zu. 


112  ^-  Allgemeines. 

der  Gram'  sehen  resp.  G  r  a  m  -  G  ü  n  t  h  e  r '  sehen  Behandlung  unter- 
werfen, die  genau  so  ausgeführt  wird,  als  wenn  es  sieh  um  vollständig 
ungefärbte  Schnitte  handelte.  Die  Carminfärbung  der  Kerne  wird  durch 
die  G  r  a  m  '  sehe  Behandlung  in  keiner  Weise  alterirt. 

Wie  wir  oben  schon  angaben,  bleiben  bei  der  Kementfärbung  nach 
der  Gram' sehen  Methode  eine  Reihe  von  Bakterienarten  gefärbt;  eine 
andere  Eeihe  von  Arten  theilen  das  Schicksal  der  Kerne  und  entfärben 
sich.  Man  sagt  von  den  ersteren  auch:  „Sie  färben  sich  nach  der 
Gram 'sehen  Methode",  von  der  anderen  „sie  färben  sich  nicht  nach 
der  Gram'  sehen  Methode".  Man  sagt  auch  einfach  „sie  färben  sieh 
nach  Gram"  resp.  „nicht  nach  Gram".  Es  ist  aber  zu  betonen,  dass 
eüie  jede  Bakterienart  sich  entweder  auf  die  eine  oder  auf 
die  andere  Seite  stellt.  Eine  Zwischenstufe  in  dem 
Verhalten   giebt   es   nicht. 

Von  den  pathogenen  Bakterienarten  färben  sieh  nach 
Gram  (d.  h.  bleiben  gefärbt,  während  sieh  die  Kerne  entfärben) : 

der  ]VIilzbrandbacillus, 

der  Tuberkelbaeillus, 

der  Leprabacillus, 

der  Diphtheriebaeillus, 

der  Bacillus   der  Mäusesepticaemie   und  des  Schweinerothlanfs, 

der  Tetanusbacillus, 

die  Streptococcen  (Erysipel,  Pyaemie,  Phlegmone), 

der  Staphylocoeeus  pyogenes  aureus. 

der  Diplococcus  pneumoniae  A.  Fraeukel, 

der  Mcrocoeeus  tetragenus. 
Ausserdem  gehört  in  diese  Gruppe 

der  Actinomyees  bovis  s.  hominis. 
Es  färben  sich  nicht  nach  Gram  (d.  h.  entfärben  sieh  zusammen 
mit  den  Kernen) : 

der  Tj^phusbaeillus, 

der  Rotzbaeillus, 

der  Bacillus  des  malignen  Oedems, 

der  Rauschbrandbacillus, 

der    Bacillus    der    Septicaemia    haemorrhagica    (Hühnercholera, 
Kaninchensepticaemie,  Sehweineseuehe,  Binder-  und  Wildseuchej, 

der  Kommabaeillus  der  Cholera  asiatica, 

der  Bacillus  pneumoniae  Frie  dl  ander, 

der  Gonorrhoecoecus, 

die  Spirochaete  des  Recurrensfiebers. 
Haben   wir   oben   angegeben,    dass  in  Schnitten,    die   sich  für  die 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobachtung.  113 

Gram' sehe  Beliaudlung  eig-nen,  die  Kerne  sich  bei  dieser  Behandlung 
entfärben  und  allein  die  Bakterien  gefärbt  zurückbleiben,  so  müssen 
wir  dieser  Angabe  jetzt  eine  gewisse  Einschränkung  auferlegen.  Es 
giebt,  von  den  Bakterien  abgesehen,  bestimmte  Bestandtheile  des  Ge- 
webes, welche  bei  der  Gram'  sehen  Entfärbung  die  einmal  angenommene 
Färbung  stets  beibehalten.     Dies  sind: 

1)  die  sogenannten  Kerntheilungsfiguren, 

2)  die  Mastzellenkörner  (cf.  p.  96), 

3)  die  Hornschicht  der  Epidermis. 

Ferner  halten  auch  die  serösen  Ueberzüge  der  Organe  und  die  an- 
grenzenden Zonen  der  letzteren  der  Gram' sehen  Behandlung  gegen- 
über die  Färbung  ausserordentlich  fest. 

Es  ist  hier  zu  bemerken,  dass  von  pflanzlichen  Objecten  nicht 
etwa  nur  bestimmte  Bakterienarten  bei  der  Gram'  sehen  Entfärbung 
gefärbt  bleiben,  sondern  auch  andere  Dinge,  z.  B.  Hefezellen  etc. 

Die  Gram'  sehe  Methode  ist  übrigens  nur  auf  ganz  bestimmte 
Farbstoffe  beschränkt.  Mit  Fuchsin,  mit  Methylenblau,  mit  Bismarek- 
braun  wird  man  nie  Eesultate  bekommen.  Einzig  und  allein  anwend- 
bar sind  die  sogenannten  Pararosaniline.  Wir  verdanken  diese 
Kenntniss  Unna,  welcher  die  bei  der  Gram 'sehen  Methode  in  Be- 
tracht kommenden  Verhältnisse  zum  Gegenstande  einer  ausführliehen 
Studie!)  gemacht  hat.  Den  Pararosanilinen,  zu  denen  Methyl- 
violett,  Gentianaviolett  und  Victoriablau  gehören,  stehen 
die  ßosaniline  gegenüber.  Beide  Gruppen  leiten  sich  ab  von  dem 
aus  dem  Methan  CH^  abgeleiteten  Triphenylmethan  C(CeH.).3H, 
aus  dem  durch  Einführung  dreier  Amidogruppen  und  einer  Hydroxyl- 
gruppe das  farblose  Pararosanilin  oder  Triamidotriphenyl- 
karbinol  C(CeH^  -NH^)..  OH  wird.  Das  salzsaure  Salz  des  letzteren 
ist  eins  der  färbenden  Pararosaniline  und  hat  die  Zusammen- 
setzung C(Cy  H^  •  NH2)2  •  C(jH^  •  NH2  Gl.  Die  R  0  s  a  n  i  1  i  n  e  unter- 
scheiden sieh  dadurch  von  den  Pararosanilinen,  dass  statt  einer  der 
drei  Phenylgruppen  eine  ToluylgTuppe  (statt  CgHg  also  CgH^  •  CH3)  in 
das  Methan  eintritt.  Wie  gesagt,  sind  nur  die  Pararosanilin- 
verbindungen  (Methylviolett,  Gentianaviolett,  Victoriablau)  für  die 
Behandlung  nach  Gram  anwendbar.  Der  Grund  hierfür  ist  nach 
Unna  die  starke  Verwandtschaft,  welche  diese  Farbstoffe  zu  dem  Jod 
besitzen. 

Die   genannten   Farbstoffe   muss   man   aber    stets   in   Ge«talt   der 


^)   Die    Eosaniliae    und    Pararosaniline.     Eine    bakteriologische    Farbenstudie. 
(Monatsh.  f.  prakt.  Dermat.  Ergänzungsheft  1.     1S87.) 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  8 


114  A.  Allgemeines. 

Ehrlich*  sehen  Lösung,  d.  h.  in  iV  n  i  1  i  n  w  a  s  s  e  r  gelöst,  zur  An- 
wendung bringen ;  sonst  hekonmit  man  weniger  befriedigende  Resultate. 

Man  kann  übrigens ,  wie  ich  gefunden  habe ,  die  G  r  a  m '  sehe 
Methode  resp.  meine  Modification  dieser  Methode  auch  mit  der  oben 
(p.  95)  bereits  erwähnten  U  n  n  a '  sehen  A  n  t  r  o  c  k  n  u  n  g  s  m  e  t  h  o  d  e 
eombiniren.  Speciell  für  Lepraschnitte  habe  ich  dies  mit  Yortheil 
gethan.  Die  Schnitte  werden  zu  dem  Zwecke,  nach  der  maximalen 
Entfärbung  in  Alcohol,  nicht  in  Xylol,  sondern  (entweder  cürect  oder 
nach  vorheriger  Behandlung  mit  Wasser)  mit  dem  Spatel  auf  den 
Objectträger  gebracht,  dort  dann  nach  der  Unna"  sehen  Yorschrift  an- 
getrocknet und  dann  in  Balsam  eingeschlossen. 

Auch  für  D  e  c  k  g  1  a  s  p  r  ä  p  a  r  a  t  e  kann  mau  die  G  r  a  m '  sehe 
Methode  verwenden.  Doppelfärbungen,  in  der  oben  (p.  111)  angegebenen 
Weise  unter  Anwendung  von  Picrocarmin  hergestellt,  geben  hier  (bei 
Ausstrichpräparaten  von  Gewebssaft  etc.)  oft  die  schönsten  Bilder. 
Man  geht  bei  der  Färbung  von  Deckglaspräparaten  nach  Gram  am 
besten  so  vor,  dass  man  das  (event.  mit  [vorher  filtrirtem ;  cf.  p.  111, 
Anm.  1]  Picrocarmin  vorgefärbte,  dann  mit  Wasser  abgespülte  und 
wieder  getrocknete)  Präparat  e.  V-2  ^'^finute  mit  Ehrlieh' scher 
Gentiana^iolettlösung,  dann  (ohne  es  abzuspülen)  c.  1  Minute  mit 
der  Jodjodkaliumlösung,  dann  (am  besten  unter  Bewegen)  eine  Reihe 
von  Minuten  —  Ins  zu  maximaler  Entfärbung  —  in  Alcohol  be- 
handelt; dann  wii"d  das  Präparat  schnell  unter  dem  Strahl  der 
Wasserleitung  abgespült,  abgeblasen,  getrocknet  und  in  Xylolbalsam 
eingeschlossen. 

Die  Gram' sehe  Behandlung  bringt  bei  den  Bakterien  nur  den 
Protoplasmakörper,    nie   die  Kapseln,    gefärbt   zur  Anschauung. 

Ausser  meiner  Modification  der  G  r  a  m "  sehen  Methode  sind  noch 
mehrere  andere  Modificationen  angegeben  worden,  unter  denen  besonders 
die  oben  (p.  96)  bereits  erwähnte  Weigert" sehe  „Methode  zur 
Färbung  von  Fibrin  und  von  M  i  k  r  o  o  r  g  a  n  i  s  m  e  n"  i)  sieh 
bewährt  und  ausgedehnte  Anwendung  gefunden  hat.  Weigert  färbt 
den  Schnitt  in  E hr lieh' scher  Anilinwassergentianaviolettlösung,  spült 
ihn  in  Wasser  oder  Kochsalzlösung  ab,  bringt  ihn  dann  mit  dem 
Spatel  auf  den  Objectträger,  tupft  ihn  mit  Fliesspapier  ab,  behandelt 
ihn  darauf  mit  der  oben  genannten  Jodjodkaliumlösung,  tupft  ihn  Avieder 
ab,  betropft  ihn  mit  Anilin  (Anilinöl),  welches  die  Diflerenzirimg  bewirkt 
und  den  Schnitt  zugleich  entwässert  (cf.  p.  92,  Anm.  1). 
Dann  wird    das  Anilin  mit  Xylol  entfernt  und  der  Schnitt  in  Balsam 


1)  Fortschr.  d.  Med.     ISST.     No.  8. 


IV.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienbeobacbtung-.  115 

eingeschlosseu.     Das  Fibrin,  Hj^^lin  etc.  werden  bei  dieser  Behandlung- 
intensiv blau,  die  Mkroorganisnien  dunkelviolett. 

U  n  n  a  ^j  bat  empfohlen,  die  ursprüngliche  Gram'  sehe  Vorschrift 
dahin  abgeändert  anzuwenden,  dass  man  das  Jod  nicht  als  solches  der 
Jodkaliumlösung  zusetzt,  sondern  dass  man  dasselbe  mit  Hülfe  von 
Wasserstoffsuperox}' d,  welches  der  Jodkaliumlösung  zugefügt 
wurde,  in  die  Gewebe  einführt. 


^)  Die  Eosaniline   und   Pararosaniline.     (Monatshefte   f.    prakt.   Dermatol.    Er- 
gänzungsheft 1.     ISS  7.) 


V. 

Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüehtung-. 


1.  Einleitendes. 

VV  eim  es  sicli  darum  handelt,  Genaueres  über  irgend  welche 
Bakterien  zu  erfahren,  die  sich  in  der  Natur  ii-gendwo  uns  darbieten, 
sei  es  innerhalb  des  erki'ankten  Thierkörpers ,  sei  es  innerhalb  eines 
bestimmten  Trinkwassers  oder  an  irgend  einem  anderen  Orte,  so  wird 
man  sich  in  der  Regel  nicht  damit  begnügen  dürfen,  die  Bakterien 
mikroskopisch  zu  untersuchen;  man  würde  so  weiter  nichts  feststellen 
können  als  ihre  Form  und  ihr  Verhalten  zu  Farblösungen  und  sonstigen 
Reagentien.  Es  würde  vielmehr  durchaus  nothwendig  werden,  den 
Versuch  zu  machen,  die  Bakterien  zur  Vermehrung  zu  bringen,  sie  zu 
züchten,  zu  cultiviren.  Erst  die  Cultur  lässt  bei  vielen  mor- 
phologisch gleichen  oder  sehr  ähnlichen  Arten  Unterschiede  der  Arten 
hervortreten,  und  für  die  Diagnosticirung  einer  bestimmten  Art 
ist  die  Cultur  gewöhnlich  gar  nicht  zu  umgehen. 

Es  kann  nun  vorkommen,  dass  die  Xatur  ims  im  gegebenen 
Falle  die  Bakterien  bereits  in  Rein  cultur  darbietet,  d.  h.  dass  sich 
an  dem  Fundorte  nur  einer  einzigen  Bakterienart  angehörige  Indivi- 
duen, unvermischt  mit  Indi\dduen  anderer  Arten,  vorfinden.  In  diesem 
Falle  würden  wir  nichts  weiter  zu  thim  haben,  als  beliebige  Theile 
dieser  natürlichen  Reincultur  auf  einen  passenden  keimfreien,  natür- 
lichen oder  künstlichen  Nährboden  zu  übertragen;  auf  diesem  Nähr- 
boden würde  sich  die  eingesäete  Art  vermehren,  und  wir  hätten  dann 
durch  beliebige  Variation  der  Culturbedingungen  Gelegenheit,  das  Ver- 
halten der  Art  unter  den  verschiedensten  äusseren  Verhältnissen,  mit- 
hin ihre  Eigenschaften  nach  allen  Richtungen  hin,  zu  studiren.  Dieser 
Fall  findet  sich  z.  B.  häufig  dann,  wenn  es  sich  um  Thierkrankheiten 
handelt,  die  durch  die  Einwanderung  einer  bestimmten  Bakterienart 
in  den  Thierkörper   und   durch   die  Vermehrung   dieser  Art   im  Blute 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzücbtung.  117 

des  Thieres  bedingt  sind.  Ein  jeder  Blutstropfen  wird  dann  eine  Rein- 
ciütui-  der  bestimmten  Bakterienart  enthalten. 

In  den  meisten  Fällen  liegen  jedoch  die  Dinge  so.  dass  die  Xatur 
nicht  eine  Reincultur,  sondern  ein  Gemisch  verschiedener 
B  a  k  t  e  r  i  e  n  a  r  t  e  n  darbietet.  Wollen  wir  dann  Grenaueres  über  diese 
Arten  erfahren,  so  müssen  wir  die  Arten  von  einander  zu  trennen, 
die  einzelnen  Arten  von  einander  isolirt  in  Reincultur  zu  gewinnen 
suchen.  Ein  methodisches,  zielbewusstes  Vorgehen  in  dieser  Richtung 
ist  erst  durch  Rob.  Koch  ermöghcht  worden.  Koch's  Methoden 
der  Reincultivirung  der  Bakterien  smd  derart  construirt,  dass  wir 
jedesmal  die  verschiedenen  Bakterienarten,  die  sich  in  einem  be- 
stimmten Bakteriengemische  vorfinden,  in  isolirten  Reinculturen  zu 
ge\\äQnen  im  Stande  sind,  falls  nur  diese  Arten  auf  dem  zur  Anwendung 
gebrachten  Nährboden  und  unter  den  sonstigen  bestehenden  Bedingungen 
überhaupt  zu  gedeihen  vermögen. 

Die  Zeit  vor  Koch  arbeitete  fast  ausschliesslich  mit  flüssigen 
Nährböden.  Koch  schuf  den  durchsichtigen,  festen  Nähr- 
boden. ^In  dieser  Umwandlung  liegt  die  Basis  de r  m o d e r n e n 
Bakteriologie.  "^ 

Ist  die  Aufgabe  gestellt,  mit  Hülfe  eines  flüssigen  Nähr- 
bodens die  verschiedenen  Arten,  welche  sich  in  einem  Bakterien- 
gemische vorfinden,  von  einander  zu  sondern,  in  isolii'ten  Reinculturen 
zu  gewinnen ,  so  kann  dies '  nur  so  geschehen ,  dass  man  aus  dem 
Bakteriengemische  eine  einzelne  Bakterienzelle  herausnimmt 
und  diese,  unvermischt  mit  andern  Zellen,  in  ein  beliebiges  Quantum 
des  vorher  keimfrei  gemachten  flüssigen  Nährbodens  überträgt.  Hat 
man  wirklich  nur  eine  einzelne  Zelle  übertragen,  ist  der  Nährboden 
sicher  keimfi-ei  gewesen,  so  muss  jetzt,  falls  der  Nährboden  überhaupt 
passend  ist,  eine  Reincultur  gelingen.  Aber  wie  überträgt  man  eine 
einzelne  Zelle?  Man  hat  dies  durch  weitgehende  Verdünnungen 
des  Bakteriengemisches  mit  sterilisirtem  Wasser  zu  ermöglichen  gesucht. 
Man  ging  mit  der  Verdünnung  so  weit,  dass  auf  eine  abmessbare 
Menge  der  Flüssigkeit  der  Schätzung  nach  nur  ein  einzelner  Keim 
kam.  Uebertrug  man  nun  diese  Menge  der  Flüssigkeit,  so  entstand 
mit  Wahrscheinlichkeit  eine  Reincultur,  da  man  mit  Wahrscheinlich- 
keit nur  einen  einzelnen  Keim  übertragen  hatte.  Wie  aber  war  eine 
Controle  darüber  möglich,  dass  wirklich  nur  ein  einzelner  Keim  über- 
tragen war,  dass  ihm  nicht  mechanisch  andere  anhingen?  Wie  war 
es  möglich,  die  Entwickelung  der  Cultur  aus  dem  einen  Keime  mikro- 
skopisch zu  verfolgen  und  es  so  über  alle  Zweifel  zu  erheben ,  dass 
man  es  wirklich  mit  einer  Reincultur  zu  thun  hatte?   Alle  diese  Dinge 


llg  A.  Allgemeines. 

boten  so  imencUiche  Schwierigkeiten,  dass  an  eine  nniverselle  Anwend- 
barkeit dieser  Methode  znm  Zwecke  der  Eeincnltur  nicht  gedacht 
werden  konnte.  L  i  s  t  e  r  i)  war  übrigens  der  Erste,  welcher  mit  Hülfe 
der  beschriebenen  Verdünnungsmethode^)  eine  Bakterienremcnltur 
erzielte,  nachdem  dieselbe  vorher  schon  von  Brefeld  für  Schimmel- 
pilze mit  Erfolg  angewendet  worden  war. 

R.  Koch  hatte  bei  seiner  ersten,  grundlegenden  Arbeit  über  die 
Actio logie  des  Milzbrandes^)  ebenfalls  nur  flüssige  Nähr- 
böden zur  VeiTVTndung.  Es  gelang  ihm  hier,  mit  Hülfe  des  flüssigen 
Nährbodens  die  Entwickelungsgeschichte  des  Milzbrandbacillus  lückenlos 
darzulegen  und  an  der  Hand  sicherer  Reinculturen  seine  Pathogenität 
zu  erweisen.  Immerhin  gehörte  das  ausserordentliche  Geschick  eines 
Koch  dazu,  die  Unzulänglichkeiten  des  flüssigen  Nährbodens  zu  über- 
winden und  denselben  in  einwandsfreier  Weise  dem  erstrebten  Ziele 
dienstbar  zu  machen. 

Der  fundamentale  Unterschied  zwischen  dem  flüssigen  und  dem 
festen  Nährboden  ist  der,  dass  der  flüssige  Nährboden  die  verschiedenen 
Bakterienvegetationen,  die  sich  in  oder  auf  ihm  bilden,  in  uncontrolir- 
l)arer  Weise  durch  einander  gerathen  lässt,  während  dieselben,  in 
festem  Nährboden  wachsend,  vermöge  der  Consistenz  des  letzteren 
an  Ort  und  Stelle  isolirt  von  einander  fixirt  bleiben. 
Ist  nun  der  feste  Nährboden  nebenbei  noch  durchsichtig,  so  ist  eine 
makroskopische  und  mikroskopische  Controle  der  verschiedenen  Vegeta- 
tionen in  jedem  Augenblicke  ermöglicht,  und  damit  die  Erzielung  von 
Reinculturen  eigentlich  vollendet.  Wir  werden  uns  deshalb  zur 
Isolirung  der  Bakterien  stets  des  festen  Nährbodens  bedienen; 
flüssige  Nährböden  können  nur  in  Frage  kommen,  wenn  wir  bereits 
Reinculturen  vor  uns  haben. 

Zur  Isolirung  der  Bakterien,  zur  methodischen  Herstellung 
von  Reinculturen  sind  also  feste,  durchsichtige  Nährböden  er- 
forderlich. Solche  Nährböden  erhält  man  nach  Koch's  Vorgang 
durch  Zusatz  von  gelatinirenden  Substanzen  zu  passenden  Nähr- 
lösungen. Da  die  Bakterien  je  nach  den  Arten  aber  verschiedene 
Ansprüche   an   den  Nährboden   stellen,   so  wird  man   sich  nicht   auf 


^)  Jos.  Li  st  er.  On  the  lactic  fernientation  etc.  (Patb.  Societj'  of  London 
Deo.  18.  1877;  Transactions  1877/78.)  Dort  p.  447  beschreibt  Lister  die  Ver- 
diinnungsmethode, die  er  anwandte,  um  aus  Milch  die  säuernde  Bakterienart,  das 
„Bact.  lactis"  reinzuzüchten. 

')  xVusfiihrlicheres  hierüber  findet  man  in  Hu eppe 's  „Methoden  der  Bakterien- 
lorschung".     5.  Auil.    Wiesbaden.    1891.    p.  306  ff. 

")  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.    Bd.  2.    1876.    p.  277  ff. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung-.  HO 

eine  einzige  Nährlösung  beschränken  dürfen,  sondern  man  muss  die 
Znsammensetzung  der  Nährlösung  je  nach  dem  Bedürfnisse  varüren.^) 
Koch-)  construirte  sich  so  verschiedene  „Nährgelatinen"  durch 
Zusatz  von  Gelatine  zu  Heuinfus,  Weizeninfiis,  Humor  aqueus,  Fleisch- 
extract-  und  Peptonlösung,  Fleischinfus  und  Peptonlösung,  Blutserum. 

Zur  Cultivirung  von  Pilzen  sehr  geeignet  erwiesen  sich  mit 
PÜaumendecoct  oder  Pferdemistdecoct  hergestellte  Nährgelatinen. 

Zur  Züchtung  von  pathogenen  Organismen  ganz  besonders 
geeignet  fanden  Koch  und  Loeffler'^)  eine  Nährlösung,  welche 
aus  Fleischinfus  mit  Pepton-  und  Kochsalzzusatz  be- 
steht, und  die  durch  Natriumphosphat  oder  Natriumcarbonat  schwach 
alkalisch  gemacht  wird.  Diese  Pepton -Kochsalz -Bouillon  bildet  die 
Basis  der  wichtigsten  Nährböden,  welche  in  dem  bakteriologischen  Labo- 
ratorium heutzutage  angewendet  werden.  In  Verbindung  mit  Gelatine 
bildet  sie  den  gewöhnlich  einfach  als  „Koch' sehe  Nährgelatine" 
bezeichneten  Nährboden;  in  Verbindung  mit  Agar  bildet  sie  das  weiter- 
hin noch  zu  besprechende  „Nähragar";  ohne  Zusatz  mrd  sie  als 
„  N  ä  h  r  1)  0  u  i  1 1 0  n  "  angewendet. 


2.    Die  Darstellung  der  -wichtigsten  bakteriologischen 

Nährböden.  Nährgelatine,  Nähragar,  Nährbouillon,  Blutserum, 

Kartoffel,  Ei,  Brotbrei  etc. 

Die   „Nähr gel atine"   wird   folgendermassen    dargestellt:    Man 
übergiesst 

500  g  fettfreies  gehacktes  oder  geschabtes  Eindfleisch 
1  1  destillirtem  Wasser 


^)  Eine  Methode,  die  Bedürfnisse  an  Nährsubstanzen  für  einen  gegebenen  Fall 
zu  ermitteln,  hat  Beyerinck  1SS9  (cf.  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  7.  1S90.  p.  347) 
angegeben.  Er  vertheilt  eine  Eeincultur  der  Bakterien-  (oder  Hefen-  etc.)  Art,  deren 
Bedürfnisse  ermittelt  werden  sollen ,  in  geschmolzener  Gelatine  oder  in  Agar ,  denen 
die  nothwendigen  Nährsubstanzen  zunächst  noch  nicht  zugesetzt  sind,  giesst  die  so 
beschickte  (Jelatine  resp.  das  Agar  auf  eine  Platte  etc.  aus ,  lässt  das  Ausgegossene 
erstarren  und  bringt  nun  auf  die  Oberfläche  der  erstarrten  Gelatine  resp.  des  Agars 
an  verschiedenen  Stellen  Tröpfchen  von  Lösungen  verschiedener  einzelner  Nährsub- 
stanzen. Die  Stoffe  diffundiren  in  die  erstarrte  Gelatine  etc.  hinein,  und  es  kommt 
dort  zu  dem  ausgiebigsten  Wachsthum,  wo  (wie  z.  B.  event.  in  dem  gemeinsamen 
Diffusionsfeld  differenter  Tröpfchen)  die  Nährsubstanzen  in  der  günstigsten  Zusammen- 
setzung vorhanden  sind.  Es  entsteht  auf  diese  Weise  eine  Entwickelungsfigur  auf 
der  Platte,  welche  Beyerinck  „Auxanogramm"  nennt;  die  Methode  bezeichnet 
er  als  „ Auxanographie".  '  • 

'-)  Mitth.  aus  d.  Kais.  Ges.-Amte.    Bd.   1.    1881.    p.  27,  28. 

•')  Mitth.  aus  d.  Kais.  Ges.-Amte.    Bd.  1.     1881.    p.  27  und  109. 


120  -^-  Allgemeines. 

und  lässt  das  Gemisch,  nachdem  man  das  Fleisch  möghchst  gleich- 
massig  in  dem  Wasser  vertheilt  und  hinterher  noch  mehrmals  um- 
gerührt hat,  12 — 24  Stunden  an  einem  kühlen  Orte  stehen.  Ln 
Sommer  empfiehlt  sich  hierzu  der  Eisschrank.  Dann  giesst  man  das 
Gemisch  auf  ein  reines  leinenes  Tuch,  welches  über  einen  grossen 
Glastrichter  hinweggelegt  ist,  und  lässt  das  „Fleischwasser"  hin- 
durchlaufen. Ist  die  ganze  Menge  aufgegossen,  so  kann  man  die  Zipfel 
des  Tuches  zusammennehmen  und  nun  durch  vorsichtiges  Drücken 
imd  Pressen  des  Tuches  mit  der  Hand  das  Durchfliessen  der  Flüssig- 
keit beschleunigen.  Man  presst  so  lange,  bis  man  1  1  Fleischwasser 
erhalten  hat.  Das  Fleischwasser  ist  eine  Lösung  der  löshchen  Sub- 
stanzen des  Muskels;  es  reagirt  in  Folge  seines  Gehaltes  an  Mlch- 
säure  stark  sauer.  (Anstatt  des  Fleischwassers  kann  auch  eine  Fleisch- 
extract-Lösung  als  Constituens  der  Xährgelatine  benutzt  werden; 
man  ninunt  10  g  Liebig'sches  Fleischextract  auf  1  1  Wasser.  Die 
resultirende  Nährgelatine  ist  bräunlich  gefärbt,  während  bei  der  Ver- 
wendung von  Fleischwasser  ein  ungefärbter  Nährboden  erhalten  wird). 

In  das  Fleischwasser  (resp.  (üe  Fleischextractlösung)  hinein  wird 
nun  gegeben: 

100  g  Gelatine  (107o), 
10  g  Pepton  (Peptonum  siccum)  (l^o)' 
5  g  Kochsalz  (VaX)- 
(Es  giebt  im  Handel  viele  verschiedene  Sorten  von  Gelatine.     Wir  ver- 
wenden fiii-  unsere  Zwecke   die  gute  weisse  Speisegelatine  der  Küche, 
die   eine   gute  Erstarrungsfähigkeit   besitzt.)     Das  Gemisch   lässt   man 
zunächst  etwas   stehen,  damit   die  Gelatine  aufquillt,  und  bringt  das- 
selbe   dann  bei  massiger  Erwärmung  (durch  Einstellen  in  40 — 50^0. 
warmes  Wasser)   zur  Lösung.     Die  Erwärmung   soll   hierbei  niemals 
so   weit   gehen,  dass   das  Muskeleiweiss   beginnt  ausgefällt  zu  werden. 

Ist  die  ganze  Menge  der  Gelatine  und  des  Peptons  gelöst,  so 
nimmt  man  das  Neutralisiren  des  Gemisches  vor.  Man  bedient 
sich  dazu  einer  gesättigten  wässerigen  Lösung  von  Natriumcarbouat, 
die,. zuerst  in  grösserer  Quantität,  dann  vorsichtiger,  tropfenweise,  mit 
Hülfe  einer  Pipette  so  lange  zugesetzt  wird,  bis  das  Lackmuspapier  i) 
schwache,  aber  deuthche  alkalische  Reaction  anzeigt. 

Dann  kommt  das,  am  zweckmässigsten  in  einem  gi'ossen  Glas- 
kolben befindliche,  Gemisch  (dem  man  —  behufs  der  sichereren  Klärung 


^)  Phenolphtalein  oder  Eosolsäure  sind  als  Indicatoren  hierbei  nicht  zu  be- 
nutzen. Eine  in  der  Eeaction  richtig  gestellte,  auf  Lackmus  schwach  alkaUsch 
reagirende  Nährgelatiiie  zeigt,  mit  einem  der  erstgenannten  Körper  geprüft,  saure 
Eeaction. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  121 

bei  dem  nachfolgenden  Erhitzen  —  jetzt  noch  das  Weisse  emes  [guten, 
frischen!]  Hühnereies  zusetzen  kann,  welches  mit  der  Flüssigkeit  ge- 
hörig durchgeschüttelt  wird)  in  das  kochende  Wasserbad  oder 
in  den  Dampftopf  (cf.  oben  p.  28),  wo  es  1  bis  l^o  Stunden  i)  der 
Erhitzung  durch  den  100*^  C.  heissen  Wasserdampf  ausgesetzt  wird. 
Hierbei  werden  die  aus  dem  Muskel  stammenden  (event.  auch  das  zu- 
gesetzte Hühnereiweiss  repräsentirenden)  fällbaren  Eiweisskörper  aus 
dem  Gemische  ausgefällt;  sie  finden  sich  dann  an  den  Wänden  des 
Gefässes  und  auf  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  schwimmend  als  zu- 
sammenhängende Massen  vor,  während  die  Flüssigkeit  selbst  klar 
erscheint. 

Die  letztere  braucht  nun  nur  noch  filtrirt  zu  werden.  Das 
Filtriren  geschieht  durch  eine  doppelte  Lage  gutes  Filtrirpapier  hin- 
durch. Man  lässt  die  Flüssigkeit  in  gut  gereinigte  sogenannte  Erlen- 
meyer'sehe  Kölbchen  hineinlaufen.  Die  Gelatine  ist  jetzt  eventuell 
(siehe  nachher)  fertig.  Sie  muss  klar  durchsichtig  erscheinen  und  darf 
sich  beim  Auf  kochen  nicht  trüben;  sie  muss  schwach,  aber  deutlich 
alkalisch  reagiren. 

Nur  in  seltenen  Fällen  wird,  wenn  man  die  Gelatine  genau  nach 
dem  vorstehenden  Recept  angefertigt  hat,  die  chemische  Reaction 
jetzt  schon  eine  zufriedenstellende  sein.  Hat  man  nämlich  nach  der 
Lösung  der  Gelatinetafeln  und  des  Peptons  in  dem  Fleischwasser  die 
Reaction  des  Gemisches  auch  auf  das  Sorgfältigste  richtig  gestellt,  so 
erlebt  man  es  doch  ausserordentlich  häufig,  dass  nach  dem  Kochen 
die  Reaction  wieder  eine  neutrale  oder  selbst  leicht  saure  geworden 
ist.  Dieses  „iST  ach  säuern"  der  Nährgelatine  beim  Kochen  scheint 
bei  der  einen  Gelatinesorte  in  höherem,  bei  der  anderen  in  geringerem 
Grade  aufzutreten.  Auf  jeden  Fall  darf  man  sich  daher  niemals  damit 
zufrieden  geben,  dass  man  die  Reaction  ein  Mai  richtig  gestellt  hat, 
sondern  es  ist  durchaus  nothwendig,  die  Reaction  nach  dem 
Kochen  wiederum  zu  prüfen.  Am  zweckmässigsten  ist  es,  diese 
Prüfung  und  event.  erneute  Richtigstellung  vor  dem  Filtriren  vor- 
zunehmen. Nach  der  Richtigstellung  der  Reaction  wäre  dann  erneut 
kurze  Zeit  (i/o  Stunde  etwa)  zu  kochen,  dann  zu  filtriren. 

Dass  die  Nährgelatine  die  richtige,  d.  h.  eine  deutlich  alka- 
lische Reaction  zeigt,  ist  ein  g a n z  hervorragend  wichtiger 
Punkt;   und   man   darf  denselben    bei   der  Darstellung   dieses  Nähr- 


^)  Die  angegebene  Zeit  bezieht  sich  auf  den  Fall,  dass  man  (wie  oben  an- 
genommen) 1  1  des  Nährbodens  zurecht  macht.  Handelt  es  sich  um  die  Darstellung 
grösserer  Quantitäten,  so  muss,  da  die  Erhitzung  hier  langsamer  vor  sich  geht,  ent- 
sprechend länger  gekocht  werden. 


122  -•^-  Allgeineiues. 

bodeiis  uie  aus  den  Augen  lassen.  Die  Bakterien  verlangen  ganz  im 
Allgemeinen,  wie  das  schon  oben  (p.  21)  gesagt  ^vurde,  alkalische 
Nährböden.  Manche  Arten,  speciell  z.  B.  der  Choleravibrio,  sind  ganz 
ausserordentlich  empfindlich  in  dieser  Beziehung.  Falls  man  daher 
eine  Nährgelatine  dargestellt  hat,  die  die  vorschriftsmässige  Keaction 
nicht  zeigt,  so  darf  man  sich  nachher  nicht  wundem,  wenn  der 
Choleravibrio  nur  höchst  kümmerlich  oder  auch  gar  nicht  auf  diesem 
Nährboden  gedeiht,  der  letztere  demnach  für  Cholerauntersuchungen 
nicht  zu  brauchen  ist. 

Bezüglich  der  Bereitung  der  Nährgelatine  ist  aber  darauf  auf- 
merksam zu  machen,  dass  es  sich  nicht  empfiehlt,  die  chemische 
Reaction  gleich  im  Anfange  (vor  dem  Ausfällen  der  Eiweisskörper)  zu 
stark  alkahsch  zu  stellen.  Man  wüi'de  dadurch  nämlich  bewirken,  dass 
der  nachfolgende  lüärungsprocess  (beim  Kochen)  sehr  unvollkommen 
imd  schlecht  vor  sich  ginge.  Je  weniger  alkalisch  die  Fleischwasser- 
Gelatiue-Pepton-Kochsalz-Lösung  ist,  desto  schneller  und  besser  klärt  sie 
sich  bemi  Kochen.  Im  Allgemeinen  würde  es  sich  also  empfehlen,  in 
dieser  Beziehung  eine  Mittelstrasse  einzuschlagen;  h.  h.  man  macht 
zunächst  (vor  dem  Kochen  und  Klären)  die  Flüssigkeit  nur  neutral 
resp.  ganz  schwach  alkalisch,  dann  kocht  man,  und  erst  nach 
dem  Kochen  und  der  Klärung  wird  die  Reaction  deutlich  alkalisch 
eingestellt.  Erneutes  kurzes  Kochen  (siehe  oben)  und  darauf  folgendes 
Filtriren  würde  dann  die  Operation  abschliessen. 

Genügt  die  Gelatine  den  in  Vorstehendem  ausfiihrUch  auseinander 
gesetzten  Anforderungen  (erscheint  sie  nach  dem  Filtriren  klar  durch- 
sichtig, trübt  sie  sich  beim  Aufkochen  nicht,  zeigt  sie  die  richtige 
Reaction),  so  kann  sie  in  Reagenzgläschen  eingefüllt  werden, 
in  welchen  sie  dann  vorläufig,  bis  wir  sie  in  Gebrauch  nehmen,  ver- 
bleibt. Nach  der  ursprünglichen  Koch'schen  Vorschrift 
werden  die  zu  benutzenden  Reagenzgläschen  zunächst  sauber  mit  "Wasser 
und  Bürste  gereinigt,  dann  an  der  Luft  getrocknet  und  nun  mit  je 
einem  Wattepfropf,^)  der  in  die  Oeffnung  fest  eingedreht  wird, 
und  durch  den  ein  „pilzdichter"  Verschluss  des  Gläschens  herbeigeführt 
werden  soll,  versehen.  Die  Gläschen  gelangen  dann  in  einen  in  den 
Heissluft-  oder  Trocken  schrank  (cf.  p.  27)  passenden  Einsatz 
von   Drahtgeflecht   („Draht korb"),    welcher   in   den   Trockenschrank 


^)  Auf  die  Herstellung  des  "Wattepfropfs  hat  man  gehörige  Sorgfalt  zu 
verwenden.  Es  genügt  nicht,  irgendwie  ein  Stückchen  Watte  in  den  Hals  des  Röhr- 
chens zu  stopfen,  sondern  man  muss  dazu  ein  zusammenhängendes  Stück  "Watte 
nehmen ;  die  äussere  Fläche  des  fertigen  Wattepfropfs  muss  (an  den  Seiten  und  unten) 
eine  möglichst  continuirliche  Schicht  bilden. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüclitung.  123 

gestellt  wird.  Hier  werden  die  Gläschen  ^/g  bis  "^/^  Stunden  einer 
Temperatur  von  etwa  150^  C.  ausgesetzt.  Sie  werden  hierbei  sammt 
dem  Wattepfropf,  der  bei  dieser  Procedur  eine  leicht  bräunliche 
Färbung  (beginnende  Verkohlung)  annimmt,  gründlich  sterilisirt.  Nach 
der  Erhitzung  lässt  man  die  Gläschen  erkalten.  Sie  sind  nun  gebrauchs- 
fertig. Man  nimmt  Gläschen  für  Gläschen  in  die  Hand,  entfernt  den 
Wattepfi'opf,  dessen  innerhalb  des  Röhrchens  befindlich  gewesenen  Theil 
man  sorgfältig  vor  Berührung  mit  den  Händen  und  anderen  Dingen 
schützt,  und  giesst  aus  dem  E  r  1  e  n  m  e  3?^  e  r '  sehen  Kölbchen  die  flüssige 
Gelatine  in  einer  Menge  von  je  etwa  10  ccm  in  das  vertikal  gehaltene 
Reagenzröhrchen  so,  dass  eine  Benetzung  des  oberen  Theiles  der  Wand 
des  Röhrchens  sorgfältig  vermieden  wird.  Verfehlt  man  dies,  so  klebt 
nachher  der  Wattepfropf  an  der  Wand  an  und  muss  dann  später  los- 
gerissen werden,  was  immer  Unannehmhchkeiten  mit  sich  führt.  Nach 
dem  Eingiessen  der  Gelatine  "v^nrd  der  Pfropf  wieder  aufgesetzt  resp. 
eingedreht,  und  das  Gläschen  dann  zunächst  in  das  Reagenzglasgestell 
bei  Seite  gestellt. 

Nach  dem  Vorgange  mehrerer  anderer  Autoren  habe  ich  (ab- 
weichend von  der  vorstehend  angegebenen  ursprünglichen  Koch  "sehen 
Vorschrift)  das  Sterilisiren  der  Reagenzgläser  vor  dem 
Einfüllen  der  Gelatine  seit  Jahren  ganz  weggelassen.  Ich 
stelle  mir  die  gut  gereinigten  und  getrockneten  Gläschen  neben  ein- 
ander auf  das  Reagenzglasgestell,  fülle  sie  nach  der  Reihe  mit  Gelatine, 
versehe  erst  jetzt  jedes  einzelne  mit  einem  (unsterilisirten)  Wattepfropf 
und  behandle  sie  dann,  wie  folgt,  weiter.  ^) 

Sind  alle  Gläschen  (unter  Befolgung  der  ursprüngHchen  Koch'- 
schen  Vorschrift  oder  der  angegebenen  Modification)  mit  Gelatine  be- 
schickt, so  kommen  sie  zusammen  in  den  Einsatz  des  Dampftopfes 
und  njit  diesem  für  15 — 20  Minuten  in  den  Dampf  von  100  0  C. 
Dann  werden  sie  aus  dem  Dampftopf  entfernt,  zur  Abkühlung  hin- 
gestellt, bis  zum  nächsten  Tage  stehen  gelassen,  und  gelangen  nun 
von  Neuem  auf  15 — 20  Minuten  in  den  Dampftopf.  Dies  wird  dann 
auch  noch  ein  drittes  Mal,  24  Stunden  später,  wiederholt.  Bei  dieser 
Behandlung    wird    die    Gelatine    sterilisirt.-)      Der    Grund    dieser 

^)  Ebenso  verfahre  ich  bei  der  Agarbereitung  und  bei  der  Bouillonbereitung, 
ebenso  auch ,  wenn  es  sich  um  Kartoffelculturen  im  Keagenzglase  handelt.  Für 
Blutserumröhrchen  ist  dieses  abgekürzte  Verfahren  nicht  anwendbar;  denn  die  (bei 
den  anderen  Nährböden  nach  der  EinfiÜIung  folgende)  Sterilisirung  im  Dampftopf 
ist  bei  Blutserum  nicht  angängig. 

-)  Hat  man  die  Gelatine  in  vorher  nicht  sterilisirte  Gläschen  eingefüllt,  so 
wird  bei  dieser  Behandlung  im  Darapftopf  auch  das  Gläschen  und  der  Wattepfropf 
sterilisirt. 


124  A.  Allgemeines. 

mehrmaligen,  miterbrochenen,  „discontinuir liehen"  Erhitzmig  ist 
folgender:  In  der  Gelatine  sind  zunächst  Keime  vorhanden,  welche 
zerstört  werden  sollen.  Die  Keime  können  z.  Th.  in  Form  vegetativer 
Zellen,  z.  Th.  in  Form  von  Dauersporen  vorhanden  sein.  Die  ersteren 
sind  durch  Erhitzung  schnell  und  leicht  zu  tödten,  die  letzteren  aber 
würden  zu  ihrer  Tödtung  eines  viele  Stunden  fortgesetzten  Kochens 
benöthigen.  Eine  so  lange  auf  Siedetemperatm-  gehende  Erhitzung 
verträgt  aber  die  Gelatine  nicht.  Die  Gelatine  hat  die  Eigenthüm- 
lichkeit,  durch  langdauemdes  Erhitzen  ihre  Erstarrungsfähigkeit  mehr 
und  mehr  eiuzubüssen.  Wir  ^vürden  also,  wollten  wir  die  Gelatine 
durch  einmaliges  Kochen  sicher  sterilisiren,  einen  flüssigen  IS^ährboden, 
und.  nicht  einen  festen,  den  wir  haben  wollen,  erzielen.  Man  begnügt 
sich  daher  zunächst  damit,  die  vegetativen  Formen  abzutödten.  Bis 
zum  nächsten  Tage  sind  dann  in  der  wieder  abgekühlten  Gelatine  die 
vorhandenen  Sporen  ausgekeimt,  und  es  sind  also  jetzt  keine  Sporen 
mehr  da,  sondern  nur  vegetative  Formen,  die  durch  erneutes  kurzes 
Erhitzen  wieder  leicht  und  sicher  zu  tödten  sind.  Um  ganz  sicher  zu 
gehen,  erhitzt  man  auch  noch  ein  drittes  Mal  in  dieser  Weise.  Dann 
hat  man  sicher  keimfreie  Gelatine,  i)  Das  Princip  dieser  ,,  d  i  s  c  o  n  - 
tinuir liehen  Sterilisation"  wurde  von  Tyndall  erfunden. 

Die  angegebene  Nährgelatine  kann  man  als  die  „  N  ä  h  r  g  e  1  a  t  i  n  e 
p  a  r  e  X  c  e  1 1  e  n  c  e"  bezeichnen :  spricht  man  von  „Nährgelatine"  schlecht- 
hin, so  meint  man  stets  diesen  Nährboden,  Oben  (p.  119)  haben  wir 
schon  angegeben,  dass  bereits  Koch  sich  für  bestimmte  Zwecke  anders 
zusammengesetzte  Nährgelatinen  hergestellt  hat;  und  in  der  Folge, 
nach  den  ersten  Koch'  sehen  Arbeiten ,  hat  es  sich  als  nothwendig 
erwiesen,  auch  für  die  Züchtung  von  pathogenen  Bakterien,  für  die  ja 
die  gewöhnliche  Koch'  sehe  Fleischwasser-Pepton-Kochsalzgelatine  im 
Allgemeinen  ganz  besonders  geeignet  ist  (cf.  p.  119),  die  Zusammen- 
setzung der  Nährgelatine  gelegentlich  etwas  abweichend  zu  gestalten. 
Es  handelt  sich  hier  hauptsächlich  um  gewisse  Zusätze,  die  man  der 
gewöhnlichen  Nährgelatine  in  der  Praxis  für  den  einen  oder  den  anderen 
Zweck  giebt.  In  Folgendem  seien  die  am  häufigsten  angewandten, 
hierhin  gehörigen  Modificationen  der  Koch'  sehen  Nährgelatine  an- 
gegeben. 

T  r  a  u  b  e  n  z  u  c  k  e  r  -  G  e  1  a  t  i  n  e.    Man  setzt  der  fertig  hergestellten. 


^)  Unter  Umständen  können  —  allerdings  sind  das  sehr  seltene  Aus- 
nahmen —  an  den  Gelatinetafehi  des  Handels  äusserst  widerstandsfähige  Keime 
vorhanden  sein,  welche  es  verursachen,  dass  eine  sichere  Sterilisirung  der  Nähr- 
gelatine nach  der  geschilderten  Methode  nicht  gelingt,  (cf.  Heim,  Centralbl.  i. 
Bakt.    Bd.  13'.     1893.    No.  20.) 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  125 

bereits  filtrirten,  aber  noch  nicht  in  Reagenzgiiischen  eingefüllten, 
Nährgelatine  2  ^j^  Tranbenzucker  zu  (d.  h.  auf  1  1  Gelatine  20  g), 
löst  auf,  füllt  in  Reagenzgläschen  ein  und  sterilisirt  im  Dampftopf,  wie 
oben  angegeben.^) 

Milchzucker- Gelatine.  Sie  wird  genau  so  dargestellt  wie 
(üe  Ti-aubenzucker-Gelatine.  Man  nimmt  2  ^j^  Milchzucker,  welchen 
man  der  fertigen  Nährgelatine  zusetzt. 

3proc.  Kochsalz-Gelatine.  Man  stellt  sich  eine  Nähr- 
gelatine genau  in  der  Weise,  wie  oben  (j).  119  ff.)  geschildert,  her;  nur 
nimmt  man  3  ^J^  Kochsalz  anstatt  ^/^  ^Iq-') 

Die  vorstehend  genannten,  mit  10  ^/^  Gelatine  hergestellten  Gelatine- 
Nährböden  haben  die  Eigen thümlichkeit,  bei  etwa  24  "^  C.  weich  zu 
werden  und  bei  etwas  höherer  Temperatur  zu  schmelzen.  Man  kann 
sie  deshalb  nur  bei  „Zimmertemperatur",  d.  h.  höchstens  bei 
einer  Temperatur  von  22  ^  C.  zu  Culturzwecken  verwenden,  will  man 
sich  nicht  des  Vortheils  des  festen  Nährbodens  begeben.  Dadurch  nun, 
dass  man  den  Gelatinezusatz  bei  der  Bereitung  des  Nährbodens  erhöht, 
die  Nährgelatine  also  concentrirter  macht,  gehngt  es  Nährböden  her- 
zustellen, die  erheblich  höhere  Temperaturen  (bis  zu  30  ^  C.)  aushalten, 
ohne  ihre  feste  Consistenz  zu  verlieren.  Solche  Nährgelatmen  (bei  deren 
Herstellung  resp.  Sterihsirung  alle  und  jede  nicht  absolut  nothwendige 
Erhitzung  streng  vermieden  werden  muss,  da  die  Gelatine,  je  mehr 
erhitzt,  desto  mehr  an  Erstarrungsvermögen  einbüsst  [cf.  oben  p.  124]) 
haben  Pane^)  (1892)  sowie  Eisner*)  (1894)  angegeben. 

Die    Darstellung    des    Nähr -Agar    erfordert    ein    von    der 


')  Es  empfiehlt  sich  nicht  den  Traubenzucker  gleich  zu  Anfang,  d.  h.  mit  dem 
Pepton  imd  Kochsalz  zusammen,  der  Flüssigkeit  zuzusetzen;  denn  bei  dem  nach- 
folgenden längeren  Kochen  wird  der  Traubenzucker,  wie  bekannt,  allmählich  immer 
mehi-  und  mehr  verändert,  und  es  wird  dadurch  der  Zweck,  einen  Nährboden  von 
bestimmtem  Traubenzuckergehalt  zu  bekommen,  vereitelt. 

^)  Die  3proc.  Kochsalz  -  Gelatine  findet  besonders  zur  Züchtung  von  Leucht- 
bakterien Verwendung.  Braucht  man  nur  einige  Eöhrchen  derartiger  Gelatine,  welche 
man  sich  aus  bereits  vorhandener  gewöhnlicher  Nährgelatine  herstellen  will,  so  kann 
man  zweckmässig  'so  verfahren ,  dass  man  etwas  Kochsalz  in  einem  leeren  Eeagenz- 
glas  über  der  Bunsenflamme  stark  erhitzt,  so  dass  es  seinen  Wassergehalt  verliert 
und  sterilisirt  wird.  Zu  gleicher  Zeit  erhitzt  man  auch  das  Eeagenzglas  m  allen 
seinen  einzelnen  Theilen  stark,  um  es  völlig  steril  zu  machen.  Man  hat  dann  weiter 
nichts  zu  thun,  als  von  dem  sterihsirten  Kochsalz  eine  kleine  Quantität  in  ein  Gläs- 
chen mit  Nährgelatine,  dessen  offenes  Ende  man  nach  Entfernung  des  Wattepfropfs 
in  der  Flamme  stark  erhitzt  hat,  überzugiessen,  um  es  (nach  Aufsetzung  des  Watte- 
pfropfs) in  der  dann  geschmolzenen  Gelatine  gleichmässig  zu  vertheilen. 

^)  cf.  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  16.    p.  229.  Anm. 

^)  Hjg.  Rundschau  1894.    p.  296;  Arch.  f.  Hyg.    Bd.  21.    1894.    p.  140. 


126  A.  Allgemeines. 

Darstellung  der  Xährgelatine  etwas  abweichendes  Vorgehen.  Das 
Agar  odor  Agar-Agar  ist  eine  Pflanzengallerte,  von  verschiedenen 
Arten  ostindischer  Meerestange  stammend.  Das  Agar  kommt  in  Form 
von  Streifen  oder  von  Pulver  oder  auch  von  grösseren  vierkantigen 
Stücken,  die  aus  lose  zusammenhängender  dünner  Agarmasse  bestehen,^) 
in  den  Handel.  Das  Agar  quillt  in  Wasser  auf,  schmilzt  aber  im 
Gegensatz  zur  Gelatine,  welche  gewöhnlich  bereits  zwischen  25  ^  und 
30  ^  C.  flüssig  wird,  erst  bei  Temperaturen,  die  der  des  kochenden 
Wassers  nahe  kommen.  Die  geschmolzene  Agarlösung  erstarrt  dann 
bei  etwa  40  ^  C.  wieder.  Zur  Darstellung  des  N^ähr-Agar 
geht  man  wieder  von  dem  Fleischwasser  aus,  welches  man  sich 
in  derselben  Weise,  wie  oben  (p.  119)  bei  der  Bereitung  der  Nähr- 
gelatine angegeben,  darstellt.  (Statt  des  Meischwassers  kann  man,  wie 
bei  der  Herstellung  der  IS'ährgelatine,  auch  eine  1  proc.  Lösung  von 
Liebig' schem  Fleischextract  nehmen.)  Man  setzt  dann  zu  1  1 
Fleischwasser  10  g  Pepton  (1%)  und  5  g  Kochsalz  (Vs^/o)- 
Diese  ^Mischung  bringt  man  nun  zunächst,  ohne  sie  vorher  zu  neutrali- 
siren,  etwa  für  eine  Stunde  in  den  Dampftopf:  hier  werden  die  fäll- 
baren Eiweisskörper  ausgefällt.  Man  filtrirt  die  Flüssigkeit  dann 
durch  Filtrirpapier.  Zu  der  Flüssigkeit,  welche  nun  frei  ist  von  durch 
Hitze  ausfällbaren  Eiweisskörpern,  setzt  man  10  bis  höchstens  20  g 
Agar  (1  bis  höchstens  2  *^/o)-)  entweder  in  Pulverform  oder  in  kleinen 
Stückchen,  die  man  durch  Zerschneiden  der  Streifen  etc.  gewonnen 
hat,  und  bringt  nun  das  Gemisch  aufs  Keue  in  den  Dampf  topf 
oder  auch  über  die  offene  Flamme,  bis  sämmtliches  Agar  ge- 
schmolzen ist.  Die  homogene  Flüssigkeit  wird  nun  mit  Hülfe  von 
gesättigter  Sodalösimg  (wie  dies  [oben  p.  120]  bei  der  Gelatine  ge- 
schah) auf  leicht  alkalische  Eeaction  gebracht")  Dann  wird 
noch  einmal  gründhch  gekocht,  am  besten  mehrere  Stunden  lang,  und 
dann  wird  die  Masse  durch  eine  doppelte  Lage  Filtrirpapier,  oder,  was 


^)  Diese  vierkantigen  Stücke  sind  das  reinste  und  daher  am  meisten  zu 
empfehlende  Präparat. 

-)  Gewöhnlich  nimmt  man  iVa'^/o- 

'■'}  Zu  diesem  Zwecke  ist  gewöhnlich  ein  viel  geringerer  Sodazusatz  nothwendig, 
als  es  bei  der  Nährgelatine  der  Fall  ist;  der  Grund  ist  der,  dass  die  käufliche 
Gelatine  an  sich  sauer  reagirt,  das  Agar  aber  nicht.  Uebrigens  kommt  es  bei  der 
Nähi-gelatine  (die  zur  Züchtung  pathogener  Bakterien  Verwendung  finden  seil)  viel 
mehr  darauf  an,  die  Reaction  richtig  einzustellen,  als  bei  dem  Xähragar.  Auf  dem 
Nähragar  nämlich  züchten  wir  die  pathogenen  Bakterien  gewöhnlich  bei  Brüttemperatur, 
d.  h.  bei  ihrem  Temperaturoptimum,  während  wir  die  Gelatinecultureu  bei  Zimmer- 
temperatur, d.  h.  bei  Temperaturgraden,  die  den  pathogenen  Arten  weniger  günstig 
sind,  halten  müssen.     Sind  aber  die  Züchtungsbedingungen  in  mancher  Hinsicht  (im 


V.  AJlgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  127 

sehr  zweckmässig  ist,  durch  Flanell  filtrirt.  Hierzu  wird  man  sich  stets 
des  Heisswassertrichters ')  bedienen  müssen.  Man  kann  auch  die  Fil- 
tration ganz  und  gar  im  Dampftopf  geschehen  lassen.  Das  Agar- 
filtriren  ist  aber  ein  mühsames  Geschäft,  da  die  Agannasse  sehr  lang- 
sam durch  das  Filter  läuft:  und  man  hat  sich  deshalb  auf  andere 
Weise  möglichst  klare  Agarlösungen  zu  verschaffen  gesucht.  ^)  Vielfach 
angewendet  wird  ein  (von  A.  Fränkel")  angegebenes)  einfaches  Ver- 
fahren, welches  darauf  beruht,  dass  man  die  Agarlösung  in  ein  hohes 
Cylindergefäss  giesst  und  das  letztere  so  disponirt,  dass  sich  die  Lösung 
nur  ganz  allmählich  abkühlen  kann.  Recht  gut  erreicht  mau  dies, 
wenn  man  die  aus  dem  Dampftopf  kommende,  100  o  C.  heisse,  Agar- 
lösung, nachdem  man  sie  in  ein  derartiges  Gefäss  gebracht  hat,  mit 
demselben  in  den  Dampftopf  zurückstellt,  den  man  nun,  ohne  ihn 
weiter  zu  heizen,  der  allmählichen  Abkühlung  überlässt.  Es  senken 
sich  dann  in  der  Lösung  die  in  ihr  suspendirten  Präcipitate  zu  Boden, 
während  die  darüber  befindliche  Lösung  mehr  und  mehr  klar  Avird. 
Man  findet  dann  nach  dem  Erstarren  eine  feste  Agarmasse,  die  in 
ihren  unteren  Theilen  die  Präcipitate  einschüesst,  während  die  oberen 
klar  sind.  Die  Masse  wird  nun,  eventuell  dm'ch  leichtes  Erwärmen 
des  Glases,  aus  dem  letzteren  mi  Ganzen  herausgeholt;  die  trüben 
Theile  des  Agarcylinders  werden  durch  einen  Messerschnitt  von  den 
klaren  getrennt,  die  letzteren  zerkleinert,  wieder  geschmolzen,  und  es 
wird  dann  der   so  gewonnene   fertige  Nährboden   in  einzelne  Reagenz- 


letzteren  Falle  also,  was  die  Temperaturverhältnisse  angeht)  weniger  günstig,  so 
muss  darauf  gesehen  werden,  dass  im  Uebrigen  die  Ansprüche  der  zu  cultivirenden 
Art  mögUchst  erfüllt  werden  (cf.  auch  die  Beispiele  auf  p.  24,  25  oben).  Zu  diesen 
Ansprüchen  gehört  aber  bei  den  pathogenen  Bakterien  im  Allgemeinen  eine  leicht 
alkalische  Eeaction  des  Nährbodens. 

1)  Unna  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  9.  1891.  No.  23)  hat  einen  „Dampf- 
trichter" zum  Agarfiltrireu  construirt.  Derselbe  arbeitet  bei  Temperaturen  etwas 
über  lOO**  C. ;  die  Agarlösung  ist  während  des  Filtrirens  dauernd  von  Dampf  um- 
geben. Man  kommt  mit  dem  vierten  Theil  der  Zeit  aus,  die  man  sonst  zum  Agar- 
filtrireu braucht. 

-)  Tischutkin  (cf.  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  9.  1S91.  p.  208)  hat  empfohlen, 
das  Agar  (vor  der  Lösung)  in  dünner  (.öproc.)  Essigsäure  einzuweichen,  dann  in 
Wasser  zu  waschen  und  darauf  erst  in  die  BouiUon  behufs  der  Auflösung  zu  bringen. 
Die  Lösung  geht  dann  schnell  vor  sich,  und  auch  die  Filtration  des  so  hergestellten 
Nährbodens  geschieht  schnell  und  leicht.  Wie  jedoch  N.  K.  Schultz  (Centralbl. 
f.  Bakt.  Bd.  10.  1891.  p.  58)  hervorhebt,  gewinnt  man  durch  diese  Methode  nichts. 
Das  Erstarrungsvermögen  des  Agar  wird  nämlich  durch  die  Einwirkung  der  Säure 
herabgesetzt  und  kann  auch  durch  nachträgliches  Neutralisiren  nicht  wiedei'  her- 
gestellt werden. 

3)  Zeitschr.  f.  klin.  Med.    Bd.  10.    lSb6.    p.  415,  Anm. 


128  A.  Allgemeines. 

gläschen,  wie  dies  bei  der  Gelatinebereitimg  geschah,  eingefüllt.  Darauf 
erfolgt  das  Sterilisiren  der  gefüllten  Eeagenzgläschen ,  welches  man 
zweckmässig  genau  wie  das  der  Gelatineröhrchen,  d.  h.  durch  je 
1 5 — 20  Minuten  lange  Behandlung  im  Dampftopf  an  drei  auf  einander 
folgenden  Tagen,  bewerkstelligt.  —  Zur  Klärung  der  Agarlösung  hat 
neuerdings  Haegler^)  die  Centrifuge  vorgeschlagen. 

Für  manche  Zwecke  ausgezeichnet  ist  ein  Zusatz  von  etwa  6  ^/^ 
G 1  y  c  e  r  i  n  zu  dem  Xähragar.  Einzelne  pathogene  Bakterienarten,  z.  B. 
Diphtheriebacillen,  Streptococcen,  gedeihen  besser  auf  dem  glj'cerin- 
haltigen  Nährboden  als  auf  dem  glycerinfi-eien ;  und  die  Tuberkel- 
bacillen  wachsen  sogar  auf  dem  glycerinhaltigen  Agar  (gewöhnlich 
einfach  „Glycerin-Agar"  genannt)  ausgezeichnet,  während  sie  auf 
gewöhnlichem  Agar  nur  äusserst  kümmerlich  wachsen.  Das  Glycerin 
setzt  man  bei  der  Agarbereitung  am  besten  dem  filtrirten  resp.  ge- 
klärten Nährboden  vor  der  Einfüllung  m  die  Gläschen  zu ;  im  Uebrigen 
verfährt  man  dann,  wie  oben  angegeben. 

Ferner  ist  füi'  manche  Zwecke  (z.  B.  zur  Cultivirung  von  Anaeroben 
[siehe  weiter  unten],  zur  Züchtung  von  Hefen  etc.)  ein  Zusatz  von  etwa 
2  °/o  Traubenzucker  zu  dem  Nähragar  sehr  zu  empfehlen  („Trauben- 
zucker-Agar").  In  ähnlicher  Weise  kann  man  auch  Milchzucker- 
Agar  herstellen;  auch  hier  ninmit  man  zweckmässig  2^0  des  Zuckers 
als  Zusatz.  Selbstverständlich  ^m-d  man  —  genau  wie  bei  der  Her- 
stellung der  Zucker-Gelatinen  (cf.  p.  124)  —  auch  bei  der  Herstellung 
der  Zucker-Agar-Nährböden  den  Zucker  erst  dann  den  resp.  Nähr- 
flüssigkeiten zusetzen,  wenn  die  letzteren  im  Uebrigen  fertig  und 
namentlich  auch  bereits  filtrirt  sind. 

Auch  Mischungen  von  Blutserum  und  Agar  werden  gelegentUch 
zu  Culturzwecken  verwendet  („Blutserum-Agar"). -)  Auch  kommt 
für  manche  Zwecke  Agar  zur  Verwendung,  welches  mit  frischem  Blut 
bestrichen  ist  („Blut-Agar").  ■^) 

Das  Nähragar  imterscheidet  sich  in  mehreren  Beziehungen  sehr 
wesentlich  von  der  Nährgelatine.  Während  die  Nährgelatme  schon  bei 
Temperaturen  wenig  über  25  *^  C.  flüssig  wird,  zu  Züchtungen  bei 
Brüttemperatur  also  nicht  gebraucht  werden  kann,  eignet  sich  das 
Nähragar  für  diese  Züchtungen  ganz  vortrefflich.     Ein  zweiter  wesent- 


')  Centralbl.  f.  Bakt.  Abth.  1.  Bd.  17.  1895.  p.  55S.  —  Der  Autor  centri- 
fugirt  die  Agarlösung  in  einem  schüsseiförmigen  Gefäss.  Das  Centrifugiren  mnss 
so  lange  fortgesetzt  werden,  bis  die  Masse  erstarrt  ist. 

-)  Siebe  hierüber  den  nächsten  Abschnitt  (V,  3.):  Verwendung  von  Blutserum 
zu  Plattenculturen,  sowie  die  dem  Gonorrhoecoccus  gewidmete  Besprechung. 

^)  Siehe  hierüber  hinten  die  Besprechung  des  Influenzabacillus. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  129 

licher  Unterschied  ist  der,  dass  das  Agar  kein  Eiweisskörper  ist  wie 
die  Gelatine,  sondern  ein  den  Kohlehydraten  nahestehender  Körper. 
CDas  Agar  ist  also  nicht  peptonisirbar  wie  die  Gelatine ;  es  wird 
durch  Bakterien,  welche  die  Gelatine  verflüssigen  (cf.  oben  p.  41) 
nicht   verflüssigt."^ 

Die  (mit  Nährgelatine  oder  mit  Nähragar  beschickten)  Reagenz- 
gläschen  lässt  man  nach  vollendeter  Sterilisirung  entweder  in  vertikaler 
Stellung  abkühlen,  oder  aber,  und  dies  empfiehlt  sich  besonders  bei  den 
Agarröhrchen,  man  lässt  dieselben  in  schräger  Lage  abkühlen,  so  dass 
der  Nährboden  mit  einer  Oberfläche  erstarrt,  die  mit  der  Längsachse 
des  Gläschens  einen  sehr  spitzen  Winkel  bildet  („Schräg  erstarrter 
Nährboden").  Man  hat  dann  eine  möglichst  ausgedehnte  Oberfläche 
des  Nährbodens  für  Oberflächenimpfungen  zur  Verfügung.  Beim  Er- 
starren presst  das  Nähragar  Wasser  aus  („Condensationswasser"), 
welches  sich  später  in  den  abhängigen  Theilen  des  Röhrchens  ansammelt. 

Die  Nährbouillon  wird  in  der  Weise  dargestellt,  dass  man  zu 
1  1  Fleischwasser,  welches,  wie  oben  (p.  120)  angegeben,  dar- 
gestellt ist,  oder  zu  1  1  einer  1  proc.  Fleischextractlösung  (cf.  p.  120), 
10  g  Pepton  (1  ^/J  und  5  g  Kochsalz  ('/-2  ^/o)  zusetzt  und  nach 
der  Auflösung  dieser  Zusätze  die  Reaction  des  Gemisches  mit  ge- 
sättigter Natriumcarbonatlösung  schwach  alkalisch  i)  macht.  Hierauf 
wird  (event.  nach  Zusatz  des  Weissen  eines  Hühnereies)  1 — 2  Stunden  im 
Dampf  topf  gekocht,  filtrirt,  die  fertige  Bouillon  dann  in  einzelne 
Reagenzgiäschen  zu  je  etwa  10  ccm  eingefüllt.  Die  Gläschen  Averden 
darauf,   genau  wie  dies  bei  Gelatine  und  bei  Agar  geschah,    sterilisirt. 

Wie  bei  der  Nährgelatine  und  bei  dem  Nähragar,  so  ist  auch  bei 
der  Nährbouillon  der  Zusatz  von  Glycerin  (6  ^/o)  resp.  von  Trauben- 
zucker (2  ^Iq)  oder  von  Milchzucker  (ebenfalls  2  "/q)  für  manche  Zwecke 
vortheilhaft.  Man  setzt  auch  hier  die  genannten  Köii^er  der  Flüssigkeit 
erst  zu,  nachdem  die  letztere  fertig  hergestellt  und  namentlich  auch 
filtrirt  ist.  Man  erhält  so  eine  .,Glycerin-Bouillon",  eine 
„T r a u b e n zu c k e r - B  0  u i  1 1 0 n'',   eine  „M i  1  o h z  u c k e r - B  o u i  1 1  o n". 

Die  mit  Zucker  versetzte  Bouillon  gelangt  hauptsächlich  dann  zur 
Verwendung,  wenn  es  sich  um  die  Feststellung  des  Gährungsvermögens 
einer  bestimmten  Bakterienart   handelt.     Der   flüssige  Nährboden  wird 


^)  Man  hüte  sich  ja  davor,  die  Eeaction  der  Nährbouillon  zu  stark  alkalisch 
zu  stellen;  in  solchem  Falle  nämlich  wird  es  fast  zur  Unmöglichkeit,  einen  klaren 
Nährboden  zu  erhalten  (cf.  p.  122).  Uebrigens  steht  es  bezüglich  der  chemischen 
Eeaction,  die  die  Nährbouillon  haben  soll,  genau  so  wie  beim  Agar  (cf.  p.  126, 
Anm.  3):  Bei  den  beiden  genannten  Nährböden  ist  es  viel  weniger  streng  erforderlich, 
die  Reaction  in  ganz  bestimmter  Weise  einzustellen,  als  bei  der  Nährgelatine. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  9 


130  ^-  Allgemeines. 

in  solchen  Fällen  am  besten  nicht  in  Eeagenzgiäschen ,  sondern  in 
sogenannte  Gährungskölbchen  eingefüllt.  Diese  Kölbchen,  welche 
in  physiologisch-chemischen  Laboratorien  seit  langer  Zeit  in  Grebrauch 
sind,  wurden  in  die  bakteriologische  Praxis  dnrch  Th.  Smith  i)  ein- 
geführt. Sie  besitzen  einen  offenen  Schenkel,  durch  Avelchen  sie  ge- 
füllt und  geimpft  werden,  und  einen  geschlossenen,  in  welchem  sich 
bei  der  Cultur  die  durch  die  Gährung  gebildeten  Gase  ansammeln. 
Will  man  ein  Gährungskölbchen  für  bakteriologische  Zwecke  zurecht 
machen,  so  füllt  man  es  durch  den  offenen  Schenkel  mit  Zuckerbouillon, 
indem  man  durch  Neigen  die  Luft  aus  dem  geschlossenen  Schenkel 
verdrängt  und  sie  durch  den  flüssigen  Nährboden  ersetzt.  Man  ver- 
schliesst  dann  den  offenen  Schenkel  mit  einem  Wattepfi'opf  und  bringt 
das  Kölbchen  ziu'  Sterilisirung  an  drei  auf  einander  folgenden  Tagen 
für  je  15 — 20  Mümten  in  den  Dampftopf  (in  derselben  Weise,  wie 
dies  bei  den  zu  sterilisirenden  Reagenzgläsern  geschieht).-) 

Zum  Zwecke  der  Bereitung  des  Blutserums  als  Nährboden  für 
Mikroorganismen  verfährt  man  am  besten  so,  dass  man  das  Blut  aus 
den  Adern  des  Thieres  direct  in  grössere  sterile  Gefässe  (sterilisirte 
Glasc3dinder)  strömen  lässt.  Es  gelingt  dann  häufig,  das  Blut  ganz 
keimfrei  aufzufangen.'^)  Man  lässt  nun  das  Blut  an  einem  kühlen 
Orte  stehen.  Nachdem  sich  dann  das  Serum  von  dem  Blutkuchen 
getrennt  hat,  wird  das  Serum  mit  sterilisirter  Pipette  abgehoben  und 
in  Eeagenzgiäschen  (zu  je  etwa  10  ccm)  eingefüllt,  die  vorher  sammt 
dem  Wattepfi-opf  gut  sterilisirt  wurden  (cf.  p.  122).  Darauf  werden  die 
gefüllten  Gläschen  in  einen  doppelwandigen  Kasten  von  Zinkblech  ge- 
legt, dessen  Boden  nicht  horizontal,  sondern  etwas  gegen  die  Horizontale 
geneigt  ist,  und  in  welchem  der  Zwischenraum  zwischen  den  beiden 
Wandungen  durch  Wasser  ausgefüllt  ist.  Die  Gläschen  liegen  hier  so, 
dass  das  Blutserum  mit  seiner  Oberfläche  einen  sehr  spitzen  Winkel 
mit  der  Längsachse  des  Gläschens  bildet.  Li  dieser  Lage  wird  nun 
das  Blutserum  zur  Erstarrung  gebracht,  und  zwar  geschieht  dies 
bei  einer  Temperatur  von  65—68  ^  C,  die  man  durch  Erhitzung  des 
Wassers  von  der  Bodenfläche  des  Kastens  her  erreicht.  Bei  dieser 
Temperatur  erstarrt,  wie  Koch")  fand,  das  (Rinder-)  Blutserum  zu  einer 


^)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  7.    1S90.    :No.  16. 

")  Nach  der  ersten  Erhitzung  muss  man  darauf  sehen,  dass  die  Luftblase, 
welche  sich  in  dem  geschlossenen  Schenkel  angesammelt  hat  (dieselbe  repräsentirt 
die  in  dem  Nährboden  gelöst  gewesene  Luft,  die  durch  die  Erhitzung  ausgetrieben 
wurde)  durch  Neigen  des  Kölbchens  entfernt  werde. 

^)  R.  Koch,  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     1884.    p.  47. 

^)  1.  c.  p.  47,  48. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüclitung.  131 

durchsichtigen  homogenen  Masse.  Geht  man  mit  der  Temperatur  höher, 
über  70  *^  C,  so  kommt  keine  klare,  durchsichtige,  sondern  eine  trübe 
Masse  zu  Stande.  Die  fertigen  Gläschen  werden  nun  auf  ihre  Sterilität 
dadurch  geprüft,  dass  man  sie  mehrere  Tage  bei  Brüttemperatur  stehen 
lässt.  Zeigen  sie  dann  keine  Entwickelung  von  Bakteriencolonien,  so 
sind  sie  steril  und  gebrauchsfähig.  Man  gebraucht  diese  Blutserum- 
röhrchen  zu  Oberflächenhnpfungen.  Aus  diesem  Grunde  liess  man  sie 
auch  in  schräger  Lage  erstarren;  das  Blutserum  bietet  so  eine  mög- 
lichst grosse  Oberfläche  dar.  —  Für  manche  Zwecke,  besonders  zur 
Anlegung  sogenannter  Blutserumplatten  (siehe  den  nächsten 
Abschnitt),  ist  es  nothwendig,  das  Blutserum  nicht  iii  erstarrtem, 
sondern  in  flüssigem  Zustande  aufzubewahren.  Die  mit  dem  Serum 
beschickten  Röhrchen  werden  zu  diesem  Zwecke,  ohne  dass  man  sie 
vorher  der  Erstarrungstemperatur  aussetzt,  behufs  Prüfung  der  Sterilität 
in  den  Brütschrank  gestellt.  Haben  sie  die  Probe  bestanden,  so  sind 
sie  zu  jederzeitigem  Gebrauche  fertig  A^orbereitet.  —  Hat  man  keine 
Sicherheit,  dass  das  Blutserum  bei  der  Entnahme  aus  dem  Thierkörper 
steril  aufgefangen  wurde,  so  muss  man  es,  nachdem  es  zur  Erstarrung 
gebracht  \mrde,  oder  auch  vorher,  besonders  sterilisiren.  Dies 
geschieht  nach  K  o  c  h ,  i)  indem  man  die  Röhrchen  6  bis  8  Tage  lang 
täglich  ein  bis  zwei  Stunden  einer  Temperatur  von  etwa  56  ^  C.  aus- 
setzt. Es  findet  hier  nach  demselben  Prmcipe,  welches  wir  bei  der 
Gelatine,  bei  Agar  und  Bouillon  angewendet  haben,  eine  SteriHsirung  statt. 

Auch  das  Blutserum  wird  unter  Umständen  mit  Zusätzen  versehen, 
z.  B.  Glycerin.  Koch-)  empfahl  auch  eine  Blutserum-Gelatine  zu 
Culturzwecken. 

In  seltenen  Fällen  wii'd  menschliches  Blutserum  als  Nähr- 
boden nothwendig.  Nach  Bumm's  Vorgang  gewinnt  man  dasselbe 
zweckmässig  aus  Placenten.  ■^) 

Die  bis  jetzt  besprochenen  Nährböden  haben  wii-  nach  der  Be- 
reitung in  Keagenzgiäschen  eingefüllt  und  können  sie  nun  aufbewahren, 
bis  wir  sie  benutzen  wollen.  Der  Wattepfropf  verhindert  das  Hinein- 
gelangen von  Bakterien-  und  sonstigen  Keimen  in  den  steril  ge- 
machten Nährboden,  und  der  letztere  bleibt  uns  also  dauernd  zur 
Verfügung  —  bis  er  durch  Austrocknen,  was  ganz  allmählich  erfolgt, 
unbrauchbar  wird. 

In  ähnlicher  Weise  kann  man   sich  nun   auch    die  (für  Züchtung 


1)  1.  c.  p.  48. 

2)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.   1.     1881. 
■^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1S85.     p.  910. 


132  A.  Allgemeines. 

von  Bakterien  zuerst  von  Schröter')  benutzte)  gekochte  Kar- 
toffel als  Nährboden  füi-  bakteriologische  Zwecke  vorräthig  halten. 
Wir  werden  die  hierzu  angegebenen  Methoden  noch  besprechen  (cf. 
p.   134). 

Nach  der  ursprünglichen  Methode  von  Koch  macht  man  die 
Kartoffel  immer  erst  kurz  vor  dem  Gebrauche  zurecht.  Man  ver- 
fährt hierbei  so,  dass  man  die  Kartoffel-)  unter  dem  Strahle  der 
Wasserleitung  mit  einer  harten  Bürste,  sog.  Kartoffelbürste,  zu- 
nächst mechanisch  von  allem  äusserhch  anhaftenden  Schmutz,  von 
Erdpartikelchen  u.  s.  w.  gründlich  befreit.  Die  Kartoffel  stammt  aus 
der  Erde,  und  in  der  Erde  sind,  wie  wir  bereits  früher  (p.  28)  mit- 
getheilt  haben,  Bakterienkeime  von  ganz  ausserordentlich  grosser 
Resistenz  vorhanden.  Diese  müssen  also  zunächst  möglichst  beseitigt 
werden.  Die  so  mit  der  Bürste  gereinigte  Kartoffel  ^Wrd  dann  einer 
genaueren  Inspection  unterzogen;  und  es  werden  hierbei  mit  Hülfe 
eines  gewöhnlichen,  in  der  Küche  gebräuchlichen  Kartoffelschälmessers 
(„Kartoff elmesser")  die  Vertiefungen  der  Kartotfeloberfläche,  die 
„Augen"  der  Kartoffel,  sowie  alle  etwa  schadhaft  erscheinenden  Theile 
der  Oberfläche  ausgekratzt.  Man  benutzt  hierbei  die  Spitze  des  Messers, 
welches  man  mit  seiner  Ebene  senkrecht  zur  Kartoffeloberfläche  auf 
die  letztere  aufsetzt.  Wir  müssen  hierbei  soviel  der  Augen  resp.  der 
schadhaften  Stellen  entfernen,  dass  von  der  Kartoffel  nur  gesundes 
Gewebe  und  gesunde  Epidermis  zurückbleibt.  Erstrecken  sich  grössere 
krankhafte  Stellen  in  die  Kartoffel  hinein,  so  ist  die  Kartoffel  zu  ver- 
werfen. Man  hüte  sich,  zu  tief  in  die  Kartoffel  hinein  zu  schneiden, 
weil  die  Kartoffel  hinterher  in  Sublimatlösung  gelegt  wird,  und  ein- 
dringendes Sublimat  die  Kartoffel  für  Xährzwecke  ungeeignet  macht. 
Auch  schone  man  die  gesunde  Epidermis  möglichst.  Ist  die  Kartoffel 
mit  dem  Messer  gesäubert,  so  gelangt  sie  nach  Abspükmg  mit  Wasser 
auf  ^/g  bis  1  Stunde  in  eine  7ioP^'***^^'^%^  Säuresublimatlö  sung 
(1  Sublimat,  5   Salzsäure.   1000  Wasser)")  (cf.  oben  pag.  33).     Dann 


1)  F.  C oh n 's  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.     Bd.  1.     Heft  2.     ls72.     p.  111. 

'-)  Nicht  alle  Kartoffelsorten  sind  für  Culturzwecke  gut  zu  verwenden.  Man 
wählt  am  besten  sogenannte  ,,Salatlcartoffeln",  die  beim  Kochen  nicht  platzen  und, 
in  gekochtem  Zustande  durchschnitten,  keine  ,, mehlige",,  sondern  eine  feste,  glänzende 
Schnittfläche  zeigen. 

")  Zweckmässig  hält  man  sich  als  Stammflüssigkeit  eine  mit  Salzsäure  her- 
gestellte 20procentige  Sublimatlösung  (2(1  g  Sublimat,  gelöst  in  Salzsäure  bis  zum 
Gesammtvolumen  von  100  ccm)  vorräthig.  Von  dieser  Stammflüssigkeit  nimmt  man 
5  com  und  füllt  dieselben  mit  Leitungswasser  bis  zu  1  1  auf:  So  erhält  man  die 
Vio  procentige  Lösung  für  den  Gebrauch.  —  Zur  Prüfung  darauf,  ob  eine  Sublimat- 
lösung genügende  Quantitäten  Sublimat  gelöst  enthält,  bedient  man  sich  nach  E.  Koch 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  133 

wird  die  Kartoffel  aus  der  Subliniatlösmig  lieraiisgenommen  und, 
nachdem  sie  in  den  Einsatz  des  Dampftopfes  gelegt  worden  ist,  mit 
demselben  auf  ^2  ^i^  '7*  Stunden  in  den  Dampf  topf  gebracht. 
Hier  wird  die  Kartoffel  gar  gekocht  und  zugleich  endgültig  steriKsirt. 
Nun  wird  der  Einsatz  aus  dem  Dampftopf  herausgenommen  und  zu- 
nächst zur  Abkühlung  hingestellt.  Ist  die  Abkühlung  einigermassen 
erfolgt,  so  werden  die  einzelnen  Kartoffeln  mit  2  oder  3  Fingern  der 
mit  Seife  gut  gewaschenen  und  dann  in  Subhmatlösung  getauchten 
linken  Hand  aus  dem  Einsatz  herausgenonmien  und  mit  Hülfe  eines 
in  der  rechten  Hand  gehaltenen,  zunächst  „ausgeglühten"  (cf  p.  26) 
und  darauf  wieder  erkalteten  Kartoffelmessers  durchschnitten, 
um  dann  sofort  in  eine  (noch  zu  beschreibende)  feuchte  Kammer  ge- 
legt zu  werden.  Bei  dem  Herausnehmen  der  Kartoffeln  mit  Hülfe  der 
„ Sublimat finger"  aus  dem  Einsatz  des  Dampftopfes  hat  man  zu- 
nächst darauf  zu  sehen,  dass  die  Kartoffeln  nicht  mehr  als  nöthig  mit 
Sublimatlösung  beträufelt  werden.  Dann  ist  zu  beachten,  an  Avelchen 
Stellen  die  Kartoffel  ergriffen  werden  soll:  Wir  wollen  die  Kartoffel 
nachher  durchschneiden,  und  die  hierbei  entstehenden  Schnitthälften 
sollen  sich  gut  so  hinlegen  lassen,  dass  die  Schnittflächen  nach  ol)en 
sehen ;  die  Kartoffel  muss  also,  wenn  wir  auf  ihre  gewöhnlich  eUipsoide 
Gestalt  die  für  die  Erde  gebräuchlichen  Bezeichnungen  anwenden, 
äquatorial  durchschnitten,  also  an  den  Polen  mit  den 
Fingern  angefasst  werden.  Die  durchschnittene  Kartoffel  wird 
nun  mit  der  linken  Hand  in  die  feuchte  Kammer  so  gelegt,  dass 
die  beiden  Schnitthälften  von  einander  getrennt  und  die  Schnittflächen 
nach  oben  gerichtet  sind.  Die  feuchte  Kammer  besteht  aus  einem 
Paar  geräumiger  Griasschalen  (Doppelschale),  deren  obere  über 
die  untere  hinübergreift  und  als  kappenartiger  Deckel  dient.  Die 
untere  hat  c.  20  cm  lichten  Durchmesser  und  etwa  6  cm  Höhe.  Der 
Boden  der  inneren,  unteren  Schale  ist  mit  einem  kreisförmigen  Stück 
Fliesspapier  bedeckt,  welches  mit  7io  P™^-  Sublhnatlösung  befeuchtet 
ist.  Nach  dem  Einlegen  der  Kartoffeln  wird  die  Deckelschale  auf- 
gelegt; man  lässt  die  Kartoffeln  gründlich  abkühlen  und  kann  sie 
dann  in  der  weiterhin  zu  besprechenden  Weise  impfen. 

Will    man    gekochte    Kartoffeln    zu    Culturzwecken    vorräthig 


(Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Anite.  Bd.  1.  1881.  p.  278)  sehr  bequem  der  Kupfer- 
Eeaction.  Ein  mit  Schmirgelpapier  blank  geputztes  Streif chen  Kupferblech  wird 
in  die  zu  prüfende  Lösung  hineingebracht.  Bildet  sich  innerhalb  einer  halben  Stunde 
ein  deutlicher  Queksilberüberzug,  so  enthält  die  Lösung  mindestens  1:5000  Subli- 
mat. Eine  Vio  procentige  Lösung  giebt  die  Eeaction  schon  innerhalb  einer  Minute 
deutiich. 


134  A.  ALgemeiues. 

halten ,  so  kann  man  nach  y.  E  s  m  a  r  c  h  i)  so  verfahren ,  dass  man 
die  rohen  Kartoffeln  schält,  abspült,  in  Scheiben  schneidet,  nnd  dass 
man  diese  Scheiben  lq  kleine  gläserne  Doppelschälchen  (von  5  bis 
6  cm  Durchmesser)  legt,  die  zuvor  im  Trockenschrank  sterüisirt-)  sind. 
Die  so  armirten  Schälchen  werden  auf  etwa  "/^  Stunden  in  den  Dampf- 
topf gestellt,  dann  herausgenommen  und  bis  zur  späteren  Benutzung 
aufbewahrt. 

Andere  Methoden  bereiten  die  Kartoffel  innerhalb  des  mit  AVatte- 
pfi'opf  verschlossenen  Reagenzglases  zur  Cultur  vor.  Auf  solchen 
Kartoffeln  angelegte  Culturen  sind  vor  Verunreinigungen  durch  fremde 
Keime  ganz  sicher  geschützt,  während  dies  nicht  von  Kartoffelculturen 
gilt,  die  nach  den  zuerst  besprochenen  Methoden  angestellt  werden. 
Methoden  der  Kartoffelcultur  im  Reagenzglase  haben  Bolton"), 
Globig^),  Roux'^)  angegeben.  Globig  und  Roux  verwenden 
Kartoifelkeile,  welche  durch  diagonale  Durchschneidung  von  Kartoflfel- 
cy lindem  hergestellt  werden,  die  man  mit  dem  Korkbohrer  aus  der 
Kartoffel  aussticht.  Gr lobig  verwendet  bereits  gekochte,  Roux  rohe 
Kartoffeln.  In  beiden  Fällen  gelangen  die  Kartoffelkeile  dann,  mit 
dem  breiten  Ende  voran,  in  ein  Reagenzglas,  welches  durch  einen 
Wattepfropf  verschlossen  wird.  Da  sich  bei  dem  nachfolgenden  Kochen 
resp.  Sterihsiren  Condensationswasser  bildet,  so  lässt  Roux  die  Kar- 
toffel auf  einer  in  der  Nähe  des  Bodens  des  Reagenzglases  befind- 
lichen verengerten  (eingezogenen)  Stelle  der  Wand  des  Glases  aufruhen, 
während  H  u  e  p  p  e  '^)  hierzu  ein  Stück  Watte  benutzt,  welches  auf  den 
Boden  des  (in  gewöhnlicher  Weise  geformten)  Reagenzglases  gebracht 
wird.  Durch  beide  VoiTichtungen  mrd  die  Berührung  der  Kartoffel 
mit  dem  Condensationswasser  verhindert.  Ich ')  benutze  zu  diesem 
Zwecke  kleine,  kurze  Glasröhrchen,  auf  denen  der  Kartoffelkeil  semen 
Stützpunkt  findet.  Hat  man  bereits  gekochte  Kartoffeln  für  die  ge- 
nannte Methode  in  Verwendung  gebracht,  so  folgt  nach  dem  Verschluss 
des  Glases  mit  Watte  die  Sterilisii'ung,  welche  wie  bei  der  Gelatine-  etc. 


')  Centralbl   f.  Bakt.    Bd.  1.    1S87.    No.   1. 

^)  Diese  vorherige  Sterilisirung  der  Doppelschälchen  im  Trockenschrank  ist 
nicht  dringend  nothwendig;  es  empfiehlt  sich  aber,  falls  man  nicht  steriiisirte 
Schälchen  verwendet,  die  mit  den  Kartoffeln  beschickten  Schälchen  an  drei  auf  ein- 
anderfolgenden  Tagen  im  Dampftopf  zu  erhitzen,  und  zwar  am  ersten  Tage  c.  '  .3  Stunde, 
an  den  beiden  folgenden  Tagen  je  15  Minuten. 

'0  Med.  News.     1SS7.     vol.  1.     No.  12. 

*)  Zeitschr.  f.  Hjg.    Bd.  3.    1887.    p.  298. 

'')  Annales  de  l'Inst.  Pasteur.    1888.    No.   1. 

®)  Die  Methoden  der  Bakterienforschung.     4.  Aufl.     1SS9.     p.  234. 

'')  Deutsche  med.  Wochenschr.     1889.     No.  20. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  135 

Bereitung  vorgenommen  wird.  Hat  man  rohe  Kartoffeln  verwendet, 
so  müssen  die  Kartoffelkeile  erst  gekocht,  dann  noch  gründlich  sterili- 
sirt  werden.  Zu  dem  Zwecke  stellt  man  die  Grläschen  zunächst  für 
30  Minuten  in  den  Dampftopf  und  wiederholt  die  Dampf behandlung 
an  den  beiden  nächstfolgenden  Tagen  je  15  —  20  Minuten  lang.  — 
Bei  der  Verwendung  von  rohen  Kartoffeln  sieht  man  sehr  häufig,  dass 
die  Oberfläche  der  Kartoffel  während  der  Dampfbehandlung  resp. 
Sterilisirung  eine  dunklere  Farbe  annimmt  und  zugleich  erheblich 
trockener  wii'd.  Die  Kartoffelfläche  ist  dann  recht  wenig  zweckmässig 
für  Bakterienculturen.  Um  diese  Verfärbung  und  Eintrocknung  zu 
vermeiden,  empfiehlt  es  sich  sehr,  die  zu  benutzenden  rohen  Kartoffel- 
keile vor  dem  Einbringen  in  die  Röhrchen  zunächst  sorgfältig  in 
Wasser  abzuspülen,  und  dann,  nach  dem  Einbringen,  noch  einige 
Ti-opfen  Wasser  in  jedes  Röhrchen  einlaufen  zu  lassen,  die  sich  am 
Grunde  des  Röhrchens  sammeln.  0 

Die  Kartoffel  hat  gewöhnlich  eine  leicht  saure  Reaction. 
Für  gewisse  Zwecke  ist  es  nothwendig,  die  Kartoffeloberfläche  (z.  B. 
durch  15  Minuten  langes  Einlegen  in  1  proc.  Sodalösung  vor  der 
Sterilisirung)  schwach    alkalisch  zu  machen. 

Eine  Methode,  frische  Eier  als  Nährboden  für  Miki'oorganismen 
zu  verwenden,  hat  Hueppe'-)  angegeben:  Die  frischen  Eier  werden 
äusserlich  sorgfältig  (mit  Hülfe  von  Seife,  Wasser  und  Bürste)  ge- 
remigt ;  dann  wird  die  Schale  mit  Sublimatlösung  sterilisirt,  mit  steri- 
lisirtcm  Wasser  abgespült  und  mit  steriler  Watte  abgetrocknet.  Nun 
wird  an  der  Spitze  des  Eies  mit  ausgeglühter  Nadel  eine  feine  Oeff- 
nung  gemacht;  durch  die  letztere  hindurch  wii'd  mit  Hülfe  des  Platin- 
drahtes die  Infection  des  Eies  bewirkt.  Darauf  bedeckt  man  die  Oeff- 
nung  mit  einem  kleinen  Stück  sterihsirten  Seidenpapiers  und  befestigt 
das  letztere  mit  Hülfe  von  Collodium  fest  an  der  Eischale,  sodass  die 
Oefihung   luftdicht   verschlossen   wii'd.^)  —  Ich   gehe   behufs   der   Ei- 

^)  Dieses  sehr  zweckmässige  Verfahren  stammt  von  Herrn  Scholz  (Hygienisches 
Institut,  Berlin). 

'-)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  4.  1888.  No.  3.  —  Nach  Hueppe 's  Ansicht  ist 
das  Wachsthum  der  Bakterien  innerhalb  des  Eies  ein  wesenthch  anaerobes.  Von 
vollständiger  Anaerobiose  kann  aber  sicher  keine  Rede  sein,  da  der  atmosphärische 
Sauerstoff  durch  die  Schale  in  das  Innere  des  Eies  hineindiffundirt.  Die  im  Ei  aut- 
tretenden, das  spontane  Verderben  der  Eier  bewirkenden  Bakterienarten  sind  sammt 
mid  sonders  Aeroben  (cf.  Schrank,  Wien.  med.  Jahrb.  1888.  p.  320;  Zörken- 
dörfer,  Arch.  f.  Hyg.  Bd.  16.  1893.  p.  398;  W.  Hesse,  Zeitschr.  f.  Hyg. 
Bd.  15.     1893.    p.  25). 

")  Hammerl  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  18.  1894.  p.  155)  sowie  Sclavo  (Della 
cultura  del  diplococco  etc.  Eoma.  1894)  verschhessen  das  Ei  sehr  einfach  mit  einem 
Tropfen  brennenden  Siegellacks. 


136  A.  Allgemeines. 

inficirimg  so  vor,  dass  ich,  nachdem  das  Ei  an  der  Spitze  mit  Seife 
und  Bürste  gereinigt,  mit  gewöhnlichem  Wasser  (ohne  Sublimat)  ab- 
gespült und  wieder  getrocknet  ist,  das  glühende  Ende  eines  Kartoffel- 
messers oder  Scalpells  flach  auf  die  Spitze  des  Eies  auflege.  Es  ent- 
steht eine  oberflächKch  verkohlte,  d.  h.  also  sicher  sterilisirte,  Stelle, 
in  welche  mitten  hinein  mit  geglühter  und  wieder  erkalteter  Is^adel 
unter  drehenden  Bewegungen  ein  Einstich  gemacht  wird,  der  sich 
leicht  soviel  erweitem  lässt,  dass  der  Platindraht  oder  die  Platinöse 
eingeführt  werden  kami.  Den  Verschluss  kann  man  dann  entweder 
mit  Collodium  und  sterilisirtem  Papier  oder,  einfacher,  mit  brennendem 
Siegellack ')  bewerkstelligen. 

Um  die  Ei  Substanz  für  sich,  von  der  Eischale  entblösst,  zu 
Culturzwecken  zu  verwenden,  verfährt  Zörkendörfer-)  auf  folgende 
Weise:  Das  frische  Ei  wird  aufgeschlagen,  und  das  Eiweiss  mrd  in 
der  in  der  Küche  üblichen  Weise  (nämlich  indem  man  den  Dotter 
mehrmals  aus  einer  Schalenhälfte  in  die  andere  überfüllt)  in  ein  (vor- 
her im  Trockenschrank  steriüsiites)  Erlenmeyer'sches  Kölbcheu 
eingefüllt.  Dann  wird  der  ganze  Dotter  auf  die  Mündung  des  Kölb- 
chens  gelegt,  und  das  letztere  wird  darauf  in  Eiswasser  gestellt.  Der 
Luftdruck  presst  nun  den  Dotter  meist  ohne  Weiteres  in  das  Kölb- 
ehen;  event.  hilft  man  durch  Blasen  etwas  nach.  Man  hat  dann  das 
ganze  Ei  mit  unverletztem  Dotter  hn  Kölbchen:  das  letztere  wird  mit 
dem  zugehörigen  (sterilisirten)  Wattepfi'opf  verschlossen  und  dann  zur 
sicheren  Sterilisirung  des  Eies  eine  Reihe  von  Tagen  je  1  —  2  Stunden 
einer  Temperatur  von  56 '^  C.  ausgesetzt.  Man  verfährt  also  genau  so 
wie  bei  der  Sterihsirung  des  Blutserums  (cf.  oben  p.  131). 

Ein  wichtiger  Nährboden  für  bakteriologische  Zwecke  ist  die  steri- 
lisirte Milch.  Man  füllt  zur  Herstellung  dieses  Nährbodens  Reagenz- 
gläschen in  der  gewöhnlichen  Weise  zu  etwa  einem  Drittel  voll  frischer, 
eben  umgeschüttelter  Milch,  versieht  sie  mit  Wattepfropfen  und  macht 
nun  den  Nährboden  durch  Erhitzen  steril.  Das  Letztere  ist  aber 
keine  leichte  Aufgabe;  unsere  gewöhnlich  zum  Zwecke  der  Sterili- 
sirung von  Nährböden  im  Laboratorium  geübten  Methoden  versagen 
fast  stets,  wenn  es  sich  um  die  Sterilisirung  von  ]\Iilch  handelt.  Es 
hat  dies  einfach  darin  seinen  Grund,  dass  in  der  Mich,  und  zwar  in 
jeder,  auch  der  frischesten  Milch,  zahlreiche  Keime  von  ganz  ausser- 
ordentlicher Widerstandsfähigkeit  vorhanden  sind.  Auf  jeden  Fall 
braucht   man,   wenn   man   nicht   sehr   hohe   Temperaturen   (im  Auto- 


^)  cf.  die  vorige  Anmerkung. 

■2)  Arch.  f.  Hyg.     Bd.  16.     1S93.     p.  3S0. 


V.  Allt,'emeine  Methodik  der  Bakterienzücbtung.  137 

claveu;  cf.  p.  29)  anwenden  will,  oder  wenn  man  die  Milch  nicht 
ganz  aussordentlich  lange  Zeit  (eine  grössere  Eeihe  von  Stunden)  im 
Dampftopf  erhitzen  will  (wobei  die  Milch  immer  sehr  erheblich  ver- 
ändert wird),  die  discontinnirliche  Sterihsirung.  Es  kommt  aber 
da  nicht  allein  darauf  an,  wie  lange  Zeit  die  Milch  jedes  einzelne  Mal 
erhitzt  wird,  sondern  auch  darauf,  bei  welcher  Temperatur  sie  in  der 
Zwischenzeit  zwischen  den  einzelnen  Erhitzungen  gehalten  wird.  Xach 
meinen  Erfahrungen  erhält  man  einen  sicher  sterilen  Nährboden,  wenn 
man  die  Milch  an  drei  aufeinander  folgenden  Tagen  je  eine 
Stunde  lang  im  Dampftopf  hält  und  in  der  Zwischen- 
zeit jedesmal  bei  c.  21®  C.  stehen  lässt.  Die  Milch  nimmt 
bei  dieser  Methode  der  Sterilisirung  eine  ganz  leicht  hellbräunliche 
Färbung  an. 

Eine  besondere  Stellung  unter  den  für  die  Zwecke  der  Bakterien- 
cultur  gebrauchten  Nährböden  nehmen  diejenigen  ein,  welche  eiw eiss- 
frei sind.  Es  hat  damit  folgende  Bewandtniss:  Bereits  im  Jahre  1858 
zeigte  P  a  s  t  e  u  r  1)  bei  seinen  Untersuchungen  über  die  Emährungs- 
bedingungen  von  Hefepilzen,  dass  diese  Organismen  zu  ihrem  Wachs- 
thum  keine  Eiweisskörper  brauchen,  sondern  dass  sie,  me  die  grünen 
Pflanzen,  den  für  den  Auf  bau  ihres  Leibes  nothwendigen  Stickstoff 
a  u  s  A  m  m  0  n  i  a  k  zu  entnehmen  vermögen.  P  a  s  t  e  u  r  benutzte  bei 
seinen  Versuchen  eine  eiweissfi-eie  Nährflüssigkeit  („Pasteur'sche 
Flüssigkeit"),  auf  welcher  sich  Hefepilze  völlig  normal  entwickeln 
und  vermehren  können,  und  die  besteht  aus  100  Gew.-Th.  destillirtem 
Wasser,  10  Th.  reinstem  Candiszucker,  1  Th.  weinsaurem  Ammoniak 
und  der  Asche  von  1  Gew.-Th.  Hefe  (etwa  0,075  Gew.-Th.).  Der 
Zucker  diente  in  der  Pasteur'schen  Flüssigkeit  den  Hefepilzen  als 
Kohlenstoffquelle,  das  weinsaure  Ammoniak  als  Stickstoffquelle;  ausser- 
dem waren  zur  Ernährung  dieser  Mkroorganismen  noch  ]\Iineral- 
substanzen  nothwendig,  welche  durch  die  Hefenasche  repräsentirt  wurden. 
Die  Pasteur'sche  Flüssigkeit,  welche,  wie  sich  in  der  Folge  zeigte, 
auch  für  Bakterien  ein  ausgezeichneter  Nährboden  ist,  wm'de  von 
A.  Mayer'-)  dahin  modificii-t,  dass  anstatt  der  Hefenasche  die  in  der- 
selben enthaltenen  -wirksamen  Salze  zur  Herstellung  der  Nährlösung 
genommen  wurden.  Im  Anschlüsse  an  die  Ermittelungen  der  vor- 
genannten Autoren  construirte  dann  (1872)  Ferd.  Cohn'^)  seine 
„normale  Bakterien-Nährflüssigkeit",  welche 


1)  Citirt  nach  F.  Cohn,  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.  Bd.  1.  Heft  2.  1872.  p.  191  ff. 
'^)  Untersuchungen  über  die  alcoholische  Gährung.  1870   (citirt  nach  F.  Cohn. 
1.  c.  p.  195). 

3)  F.  Cohn,  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.    Bd.  1.    Heft  2.     1872.    p.  195,  196. 


138  -^-  Allgemeines. 

0,1  g  phosphorsaures  Kali, 

0,1  g  cryst.  schwefelsaure  Magnesia, 

0,01  g  dreibasisch  phosphorsauren  Kalk  auf 

20  com   dest.  Wasser   enthielt:   in   der   Flüssigkeit   wurde 

ferner  aufgelöst 
0,2  g  weinsaures  Ammoniak. 

In  dieser  Cohn" sehen  Nährlösung  ist  das  Ammoniak  die  Stick- 
stoff-, die  Weinsäure  die  Kohlenstoffquelle  der  Bakterien.  Aus  weiteren 
Versuchen  über  die  Ernährung  der  (von  ihm  untersuchten)  Bakterien 
zog  r.  Cohn^)  den  Schluss,  „dass  die  Bakterien  in  völlig  normaler 
Weise  und  in  grösster  Ueppigkeit  sich  vermehren,  sobald  sie  die  er- 
forderlichen Aschenbestandtheile  in  Lösung  vorfinden  und  ihren  Stick- 
stoff aus  Ammoniak  oder  Harnstoff,  wahrscheinlich  auch  aus  Salpeter- 
säure, ihre  Kohle  aus  irgend  einer  organischen  Kohlenstoff\-erbindung, 
entnehmen  können".  Der  Vergleich  eiweissfreier  und  eiweisshaltiger 
Nährböden  führte  Cohn-)  zu  dem  Ergebniss,  dass  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit die  Assimilationsprocesse  bei  den  Bakterien  die  nämKchen 
seien,  möge  ihnen  der  Stickstoff  in  Form  von  Ammoniak  oder  in  Form 
von  Eiweisskörpem  geboten  werden.  Einen  weiteren  Fortschritt  in  der 
Kenntniss  der  Ernährungsverhältnisse  der  Mikroorganismen  verdanken 
wir  dann  C.  v.  Nägeli,'^)  welcher  ermittelte,  dass  der  Stickstoff  aus 
seinen  Verbindungen  am  leichtesten  assimilirt  wird,  wenn  er  als  NH., 
vorhanden  ist,  weniger  leicht,  wenn  als  NH,  noch  weniger  leicht,  wenn 
als  NO  vorhanden. 

Ueberblickt  man  die  vorstehend  referirten  Ermittelungen,  so  er- 
scheint es  nicht  auffällig,  dass  es  kürzlich  U  s  c  h  i  n  s  k  y  ■*)  gelungen  ist, 
einen  ei w eissfreien  Nährboden  herzustellen,  auf  dem  eine  grosse 
Reihe  von  pathogenen  Bakterienarten  gut  gedeihen.  Die  „Uschinskj- 
sche  Lösung"  besteht  aus 

Wasser  1000  Mag-nesiimisulfat  0,2—0,4 

Gljcerin  30—40  Dikaliumphosphat  2—2,5 

Chlomatrium  5 — 7  Ammonium  lacticum  6 — 7 

Chlorcalcium  0,1  Natrium  asparaginicum '')  3,4. 


^)  1.  c.  p.  202. 

'-)  1.  c.  p.  210. 

■')  C.  V.  Nägel i.  Untersuchungen  über  niedere  Pilze.  München  und  Leipzig. 
1882.  p.  5. 

*)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  14.     181)3.     p.  316. 

^)  Ueber  die  Verwendbarkeit  des  Asparagins  zur  Ernährung  von  Spaltpilzen 
siehe  C.  v.  Nägeli,  1.  c.  (1882)  p.  29  etc. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  139 

C.  FränkeP)  hat  die  „TTscliinsky 'sehe  Lösung"  in  folgender 
Weise  vereinfacht:  Er  nimmt 

Kochsalz  5  g 

Kaliimibiphosphat  2  g 
Ammonium  lacticum  6  g 
käufl.  Asparagin  4  g 

Wasser  1000  g  und  setzt  dazu 

verdünnte  Natronlauge  bis  zu   deutlich  alkalischer 
Reaction. 

Auch  auf  dieser  Lösung  Avachsen,  wie  C.  Fränkel  festgestellt  hat, 
eine  gTOsse  Reihe  von  saprophytischen  sowohl  wie  von  pathogenen 
Bakterienarten.  -) 

Die  genannten  eiweissfreien  Nährlösungen  werden  ebenso  steri- 
lisirt,  wie  es  bei  der  Gelatine,  dem  Agar  etc.  geschieht,  d.  h.  sie 
werden,  in  mit  Wattepfropf  versehenen  Gelassen  eingeschlossen,  an 
drei  aufeinander  folgenden  Tagen  je  15  bis  20  IVIinuten  im  Dampftopf 
gehalten. 

Zur  Züchtung  von  Schimmelpilzen  benutzt  man  mit  Yortheil 
Brotbrei.  Um  denselben  herzustellen,  füllt  man  getrocknetes  und 
zerriebenes  Brot  in  Reagenzgläser  bis  etwa  zur  Höhe  von  3  bis  4  cm 
(oder  noch  besser  in  Erlenmeyer'sche  Kölbchen,  etwa  1  cm  hoch) 
ein.  Man  giebt  dann  so  viel  Wasser  hinzu,  dass  das  Brot  völlig 
durchfeuchtet  wird,  verschliesst  das  Röhrchen  resp.  Kölbchen  mit 
einem  Wattepfropf  und  erhitzt  nun  behufs  der  Sterilisation  an  drei 
auf  einander  folgenden  Tagen  je  15  bis  20  Minuten  im  Dampftopf. 
Der  Brotbrei  reagirt  sauer,  ist  also  für  Bakterien  kein  passender 
Nährboden. 


3.  Die  wichtigsten  Methoden  der  Bakteriencultur. 

Zur  Isolirung  der  einzelnen  Arten  aus  einem  Bakteriengeniische 
bedient  man  sich  jetzt  fast  ausschliesslich  der  Koch" sehen  Platten- 
culturmethode.'^)     Diese  Methode  setzt  einen  gelatinirenden  Nähr- 


1)  Hyg.  Rundschau.    1S94.    p.  772. 

■-)  Kein  Wachsthum  zeigte  auf  diesem  Nährboden  unter  Anderem  der  Tu- 
berkelbacillus  (vergl.  hinten  das  dem  Tuberkelbacillus  gewidmete  Kapitel);  da- 
gegen wuchs  dieser  Mikroorganismus  rasch  und  üppig,  sobald  der  obigen  Nährlösung 
.3 — 4^/o  Glycerin  zugesetzt  wurden. 

^)  Das  Princip  dieser  Methode  hat  Koch  zuerst  angegeben  in  den  Mitth.  aus 
d.  Kais.  Ges.-Amte.    Bd.   1.     18S1.    p.  27.    Zeüe  25—29    und  p.  36.  Zeile  U  — 14. 


140  A.  Allgemeines. 

boden  voraus,  der  ini  flüssigen  Zustande  mit  dem  Bakterieimiaterial 
so  beschickt  wird,  dass  sich  die  einzelnen  Keime  möglichst  gleichmässig 
in  ihm  vertheilen,  der  dann  auf  einer  möglichst  grossen  Fläche  aus- 
gebreitet und  dort  zur  Erstarrung  gebracht  wii'd.  Dann  sind  die  em- 
gesäeten  Keime  örtlich  fixirt  und  kommen  zu  isolii'ter  Entwickelung. 
Als  Nährboden  kommt  meist  die  gewöhnliche  Xährgelatine  (cf.  oben 
p.  119)  zur  Verwendung.  Nach  der  ursprünglichen  Koch*  sehen  Vor- 
schrift verfährt  man  hierbei  folgendermassen : 

Es  wird  ein  Eeagenzglas,  welches  c.  1 0  ccm  sterilisirte  Kährgelatine 
enthält  („Gelatineröhrchen") ,  genommen  und  sein  unterer  Theil  über 
der  Flamme  (oder  in  c.  40^  C.  warmem  Wasser)  leicht  erwärmt,  so 
dass  die  Gelatine  schmilzt.  Ist  bei  der  Erwärmung  über  der 
Flamme  die  Gelatine  zu  heiss  geworden,  so  muss  sie  bis  etwa  zur 
Handwärme  wieder  abgekühlt  werden.  Xun  wird  das  Gläschen  in  die 
rechte  Hand  genommen,  der  verschliessende  Wattepfropf  wird  mit  den 
Fingern  der  hnken  Hand  erfasst,  dm'ch  Drehen  zunächst  gelockert  und 
dann  herausgezogen.  Dann  bring!  man  das  schräg  gehaltene  Köhrchen 
mit  seiner  Mündung  mehrere  Secunden  lang  in  die  Bunsenflamme, 
indem  man  es  dm'ch  Bewegen  mit  den  Fingern  mn  seine  Längsachse 
rotiren  lässt.  Dabei  wird  der  E  a  n  d  des  Gläschens  „abgeglüht", 
die  dort  befindlichen,  aus  der  Luft  zufällig  aufgefallenen  Keime  werden 
,.abgebrannt".  (IVir  müssen  dies  thun  einerseits,  um  zu  vermeiden, 
dass  bei  dem  nachfolgenden  Lnpfen  des  Eöhrchens  von  den  genannten 
fremden  Keimen  etwas  mit  in  das  Eöhrchen  hinein  gelangt,  anderer- 
seits auch,  um  zu  vermeiden,  dass,  bei  dem  weiterhin  folgenden  Aus- 
giessen  der  geimpften  Gelatine  auf  die  Culturplatte,  diese  fremden 
Keime  mit  auf  die  Platte  hinübergerissen  werden.)  Dann  wii'd  das 
Gläschen  so  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  der  mit  dem  Hand- 
teller nach  oben  gerichteten  ausgestreckten  linken  Hand  gesteckt,  dass 
seine  Mündung  nach  oben  sieht.  Der  Wattepfropf  ^vird  z-oischen  den 
zweiten  und  dritten  Finger  der  linken  Hand  so  geklenmit,  dass  der 
im  Glase  befindlich  gewesene  Theil  des  Pfropfes  von  den  Fingern  nicht 
berührt  wird. 

Xun  wird  die  Gelatine  „inficirt".  Das  luficiren  geschieht 
mit  Hülfe  eines  Platindrahtes,  welcher  etwa  6 — 7  cm  lang,  nicht 
zu  dünn,  und  an  einem  etwa  20  cm  langen  Glasstabe  angeschmolzen 
ist.  Von  derartigen  Platindrähten  hält  man  sich  mehrere  vorräthig. 
Einzelne  sind  geradlinig  gestreckt;  bei  anderen  ist  das  Ende  zu  einer 
etwa  2  mm  im  Durchmesser  haltenden  ki'eisförmigen  Oese  gebogen 
(„Platin Öse").  Je  nachdem  man  nun  ein  Material  vor  sich  hat, 
welches  ausserordentlich  reich  au  Bakterien  ist  (wie  z.  B.  die  Kahm- 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.        -  141 

haut  auf  der  Oberfläche  eines  faulenden  Pflanzenmfuses),  oder  welches 
weniger  reich  an  Bakterienkeimen  ist  (wie  z.  B.  käufliche  rohe  Mich), 
nimmt  man  entweder  mit  der  Spitze  oder  mit  der  Oese  etwas  von 
dem  zu  untersuchenden  Material  und  bringt  es  in  die  Gelatine.  An 
der  Spitze  nämlich  bleiben  stets  erheblich  geringere  Quantitäten  des 
Materials  haften  als  an  der  Oese.  Bevor  man  die  Platindrähte  be- 
nutzt, werden  sie  in  dem  Flammenmantel  des  Bunsenbrenners  oder 
in  der  Spiritusflamme  ausgeglüht,  dann  wieder  erkalten  gelassen.  Der 
inficirte  Platindraht  resp.  die  Platinöse  werden  in  das  Gelatineröhrchen 
so  eingeführt,  dass  man  eine  Berührung  der  Wand  des  Gläschens  mit 
dem  Bakterienmateriale  oberhalb  der  Gelatine  möglichst  vermeidet. 
Das  ganze  Material  soll  in  die  Gelatine  gelangen  und  nicht  etwa  zu 
einem  grösseren  oder  geringeren  Theile  am  Glase  hängen  bleiben. 
Das  Material  wird  dann  durch  Agitiren  mit  dem  Platindrahte  möglichst 
gleichmässig  in  der  Gelatine  vertheilt.  Hat  man  consistenteres  Material 
vor  sich,  welches  sich  nicht  so  leicht  gleichmässig  vertheilen  lässt,  so 
empfiehlt  es  sich,  dasselbe  dicht  oberhalb  der  Gelatine  an  der  Glas- 
wand unter  Zuhülfenahme  kleiner  Mengen  Gelatine  mit  Hülfe  des 
Platindrahtes  zu  zerreiben  und  dann  durch  Bewegen  des  Röhrchens 
in  die  Gelatine  hineinzuspülen. 

Auf  jeden  Fall  kommt  es  also  immer  darauf  an,  das  zu  unter- 
suchende Material  in  möglichst  vertheiltem  Zustande  mit 
der  Nährgelatine  zu  vermischen.  Es  giebt  Fälle,  in  denen  die  hierzu 
nothwendige  Zertheilung  und  Zerkleinerung  des  Materials  auf  dem 
geschilderten  Wege  nicht  gelingt.  Wenn  wir  z.  B.  ein  Stückchen  einer 
frischen  Fawsborke  mit  Hülfe  des  Platindrahtes  in  die  geschmolzene 
Nährgelatine  eintragen  würden,  so  würde  uns  die  nothwendige  Zer- 
kleinerung dieses  Materials  durch  Agitiren  etc.  in  keiner  Weise  ge- 
lingen, r  In  solchen  Fällen  habe  ich  mir  auf  folgende  Weise  geholfen : 
Ich  improvisirte  mir  eine  sterilisirte  Reibschale  und  ein  steri- 
lisirtes  Pistill:  erstere,  indem  ich  ein  reingeputztes  Uhrschälchen 
über  der  Flamme  stark  erhitzte  und  dann  erkalten  liess;  letzteres,  in- 
dem ich  ein  leeres,  trockenes,  reingeputztes  Reagenzglas  an  seinem 
geschlossenen  Ende  in  der  Flamme  stark  erhitzte  und  dann  erkalten 
hess.  Dann  wurde  etwas  sterile  Bouillon  m  das  sterile  Uhrschälchen 
gegossen,  das  zu  zerkleinemde  Material  (Favusborke  etc.)  hineingegeben 
und  mit  Hülfe  des  „Reagenzglaspistills"  fein  zerrieben.  Hat 
man  sich  derartiges,  mehr  oder  weniger  zähe  zusammenhängendes, 
Material  auf  die  geschilderte  Weise  zertheilt  und  zerkleinert,  so  nimmt 
man  dann  eine  Platinöse  voll  der  das  zerkleinerte  Material  ent- 
haltenden Bouillon  heraus,  trägt  die  Oese  in  die  geschmolzene  Gelatine, 


142  A..  Allgemeines. 

die  zui-  Plattencultur  verwendet  werden  soll,  ein,  und  es  ist  dann  ein 
Leichtes,  das  Material  gieichmässig  in  der  Gelatine  zu  vertheilen."^ 

Wir  haben  nun  eine  Portion  Gelatine  inficirt,  wir  haben  das 
Keimgemisch,  welches  wir  untersuchen  wollen,  möglichst  sorgfältig  in 
der  Gelatine  zer-  und  vertheilt,  so  dass  die  einzelnen  Zellen  möglichst 
von  einander  entfernt  liegen.  Wir  könnten  nun,  ^\ie  das  nachher  auch 
geschehen  soll,  die  inficirte  Gelatine  auf  eine  sterile  Glasplatte  in 
möglichst  dünner  Schicht  ausgiessen,  und  wir  -würden  dann  nach  der 
Erstarrung  der  Gelatine,  d.  h.  also  nach  der  örtlichen  Fimamg  der 
einzelnen  Keime,  aus  diesen  einzelnen  Keimen  isolirte  Colonien  ent- 
stehen sehen.  Nun  aber  bringt  es  die  Kleinheit  der  Bakterien  mit 
sich,  dass  auch  die  kleinste  Menge  des  Bakteriengemisches,  die  wir  mit 
Hülfe  des  Platindrahtes  in  die  Gelatine  übertragen,  gewöhnlich  noch 
Tausende  und  aber  Tausende  von  Zellen  enthält.  Es  würden  auf 
unserer  Platte  also  ebenso  viele  Colonien  zur  Entwickelung  gelangen, 
und  diese  würden  dann  so  dicht  gedrängt  liegen  müssen,  dass  kaum 
von  einer  isolh'ten  Beobachtung  derselben  die  Eede  sein  könnte,  ge- 
schweige denn  von  einer  weiteren  Manipulation  mit  den  einzelnen 
Colonien.  Aus  diesem  Grunde  begnügt  man  sich  nie  mit  dem  einen 
inficirten  Glase,  sondern  man  macht  ohne  Weiteres  von  diesem  Glase 
„Verdünnungen".  Zu  dem  Zwecke  bringt  man  ursprünglich  (cf. 
p.  140)  nicht  nur  in  einem,  sondern  gleich  in  drei  Gelatine- 
röhrchen  die  Gelatine  zum  Schmelzen.  Ist  das  erste  Köhrchen 
(„Original")  mit  der  Bakterienmasse  inficirt,  so  nimmt  man  sofort 
ein  zweites,  noch  steriles  Röhrchen,  entfernt  seinen  Wattepfropf,  glüht 
seinen  Rand  ab  (cf.  p.  140)  und  stellt  es  neben  das  erste  Röhrchen, 
also  ebenfalls  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  der  linken  Hand. 
Den  Wattepfi"opf  klemmt  man  nun  zwischen  dritten  und  vierten  Finger 
der  linken  Hand.  Man  überträgt  dann  eine  Anzahl  Platinösen  (ge- 
wöhnlich drei)  der  inficirten  Gelatine  des  Originalgiases  in  das  zweite 
Glas  („Erste  Verdünnung").  Nach  gehöriger  Vertheilung 
dieser  drei  Oesen  in  der  Gelatine  des  zweiten  Gläschens  (die  Ver- 
theilung erleichtert  man  event.  durch  Hin-  und  Hemeigen  des  Gläschens) 
wird  das  Originalglas  mit  dem  zugehörigen  Wattepfropf  verschlossen, 
beiseite  gestellt,  und  es  werden  dann  aus  dem  zweiten  Gläschen 
wiederum  drei  Oesen  Gelatine  in  das  dritte,  noch  sterile  Gläschen 
übertragen  („Zweite  Verdünnung"). 

Vorher  bereits  hat  man  sich  die  drei  Platten,  auf  die  man  die 
Gelatine  der  drei  Gläschen  ausgiessen  will,  zurecht  gelegt.  Die  Platten 
sind  von  nicht  zu  dickem  Glase,  rechteckig  und  messen  etwa  8:13  cm. 
Sie  müssen  sorgfältig  sterilisirt  sein,    ehe    sie  zur  Benutzung  kommen. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Balvterienzücbtung.  143 

Das  S  t  e  r  i  1  i  s  i  r  e  n  bewirkt  man  am  besten  in  dem  Trocken- 
schrank  (cf.  p.  27).  Die  Platten  werden  zu  dem  Zwecke,  rein  ge- 
putzt und  getrocknet,  in  grösserer  Anzahl  auf  einander  gelegt  und  in 
eine  Tasche  von  starkem  Eisenblech,  die  mit  übergreifendem  Deckel 
versehen  ist  („P lattentasch e")  geschoben.  Diese  Tasche  wird  dann 
während  etwa  ^j^  Stunden  in  dem  Trockenschranke  einer  Temperatur 
von  160  0  C.  oder  darüber  ausgesetzt.  Nach  dem  Abkühlen^) 
werden  drei  von  den  Platten,  die  man  aber  nur  an  den  Kanten 
berühren  darf,  aus  der  Tasche  herausgenommen  und  nun  über 
einander  auf  eine  horizontal  eingestellte  Platte  von  starkem  Glase 
gelegt,  welche  die  Bedeckimg  einer  mit  AVasser  und  Eisstücken  voll 
angefüllten  Glasschale  bildet  (Koch 's  Gies sapparat).  Das  Eis- 
wasser kühlt  die  Glasplatten  ab.  -)  lieber  die  Platten  wird  eine  Glas- 
glocke gestülpt,  welche  das  Auffliegen  von  Luftkeimen  auf  die  Platten 
verhindert.  Verfügt  man  über  einen  Trockenschrank  nicht,  so  kann 
man  die  Platten  auch  sehr  bequem  dadurch  sterilisiren,  dass  man 
sie,  indem  man  sie  mit  den  Fingern  an  den  Kanten  festhält,  beiderseits 
in  der  Gas-  oder  Spiritus  flamme  stark  erhitzt.  Man  lässt 
sie  dann  unter  einer  Glasglocke  abkühlen. 

Wir  gehen  jetzt  daran,  unsere  drei  inficii'ten  Gelatineröhrchen  auf 
die  zurechtgelegten,  durch  Eis  abgekühlten  Platten  auszugiessen.  Zu 
dem  Zwecke  nehmen  wir  zunächst  das  „Original"- Röhrchen  in  die 
rechte  Hand,  entfernen  den  Wattepft'opf,  den  wir  sofort  in  eine  Schale 
mit  Desinfectionsflüssigkeit'^)  werfen,  und  glühen  (wie  oben, 
p.  140,  beschrieben)  den  Rand  der  Mündung  des  Röhrchens  von  Xeuem 
in  der  Flamme  ab.  Nachdem  der  Rand  des  Gläschens  wieder  ab- 
gekühlt ist,  wird  der  über  die  Platten  gestülpte  Deckel  (die  Glas- 
glocke) des  Giessapparates  mit  der  linken  Hand  in  die  Höhe  gehoben, 
und  es  wird  nun  die  inficirte  Gelatine  des  Originalglases  in  einem 
Zuge  auf  die  Mitte  der  obersten  Platte  ausgegossen.  Unmittelbar 
darauf  sorgt  man  für  möglichste  Flächenausbreitung  der  Gelatine  da- 
durch, dass  man  dieselbe  mit  dem  Rand  des  Röhrchens  direct  auf  der 


^)  Das  Abkühlen  muss  sehr  langsam,  am  besten  innerhalb  des  nach  Ab- 
stellung der  Heizung  erkaltenden  Trockenschrankes,  geschehen,  weil  sonst  die  Platten 
gewöhnlich  entzwei  springen. 

-)  ßubner  (Arch.  f.  Hyg.  Bd.  11.  1890.  p.  367)  legt  die  Platten  behufs  der 
Abkühlung  auf  einen  Kupferblechkasten,  dessen  horizontal  gestellte  obere  Wand  von 
unten  her  durch  einen  Aetherspray  abgekühlt  wird. 

•^)  Hierzu  eignet  sich  besonders  gut  eine  etwa  Sprocentige  wässerige  Lösung 
der  oben  (p.  33)  angegebenen  rohen  Schwefelcarbolsäure;  auch  die  bereits  (p.  132) 
genannte  Salzsäuresublimatlösung  lässt  sich  verwenden. 


144  A.  Allgemeines. 

Platte  ausstreicht  und  vertheilt.  Die  Gelatine  soll  hierbei  überall  etwa 
1  cm  vom  Rande  der  Platte  entfernt  bleiben;  denn  den  Eand  resp. 
die  Kanten  der  Platte  haben  ^v^:  mit  den  Fingern  berührt  und  werden 
wir  weiterhin  noch  berühren.  Diese  Theile  sind  also  nicht  als  steril 
zu  betrachten ;  sie  würden  uns  fi*emde  Keime  auf  unsere  Platte  bringen. 
Nun  wird  der  Deckel  -wieder  auf  den  Giessapparat  aufgesetzt;  das 
seiner  Gelatine  entledigte  Röhrchen  kommt  in  die  Desinfectionsfiüssig- 
keit  (s.  oben). 

Innerhalb  des  Bruchtheils  einer  Minute  ist  dann  die  Gelatine 
erstarrt.  Die  Platte  wird  nun  nach  Lüftung  des  Deckels,  indem 
man  sie  an  den  Kanten  erfasst,  von  den  darunter  liegenden  Platten 
abgehoben  und  in  querer  Lage  auf  ein  etwa  5^.^  cm  breites,  14  cm 
langes  Glasbänkchen  gelegt,  welches  aus  einer  Glasplatte  von  den 
angegebenen  Dimensionen  und  zwei  imter  die  Enden  derselben  mit 
Siegellack  festgekitteten  vierkantigen  Glasklötzchen  (von  etwa  51/2  cm 
Lcänge,  1  cm  Breite,  7  mm  Höhe)  hergestellt  ist.  Zwischen  Glas- 
bänkchen und  Platte  legt  man  einen  Papierzettel,  welcher  die  genaue 
Bezeichnung  des  Platteninhaltes  und  das  Datum  enthält.  Man  hat 
sich  gewöhnt,  die  Originalplatte  mit  „0",  die  erste  Verdünnung  mit 
„I",  die  zweite  mit  „IE"  zu  bezeichnen.  Das  Bänkchen  wird  dann  mit 
der  Platte  in  die  feuchte  Kammer  gestellt,  die  man  sich  ebenso 
herstellt,  wie  wii*  es  oben  (j).  133)  für  die  nach  der  ui'sprünglichen 
Koch"  sehen  Methode  hergestellten  Kartoffelculturen  angegeben  haben. 
Nun  wird  das  zweite  Röhrchen,  die  erste  Yerdünnung,  auf  die  zweite 
auf  dem  Giessapparate  liegende  Platte,  in  derselben  Weise  me  vorher 
das  Originalröhrchen ,  ausgegossen,  dann  nach  dem  Erstarren  der 
Gelatine  die  Platte  auf  ein  bezeichnetes  Bänkchen  gelegi  und  das 
letztere  auf  das  Bänkchen  der  Originalplatte  in  die  feuchte 
Kammer  gestellt.  In  derselben  Weise  wird  auch  das  dritte  Röhrchen 
behandelt,  und  das  dritte  Bänkchen  schliesslich  auf  das  zweite  Bänk- 
chen in  die  feuchte  Kammer  gestellt.  Die  letztere  bleibt  nun  bei 
Zimmertemperatur  stehen.  Am  günstigsten  ist  im  Allgemeinen  für  die 
Gelatineculturen  eine  Temperatur  von  18 — 20  ^  C. 

Haben  die  Plattenculturen  24  Stunden  bei  den  angegebenen 
Temperaturen  gestanden,  so  zeigt  die  Originalplatte  gewöhnlich  schon 
bei  der  Betrachtung  mit  blossem  Auge  eine  mehr  oder  weniger  auf- 
fallende Träbung;  und  bei  schwacher  Yergrösserung  sieht  man  dann 
gewöhnlich  äusserst  zahlreiche,  sehr  kleine,  mehr  oder  weniger  rund- 
liche, dichtstehende  dunkle  Flecken,  von  denen  jeder  eine  Colonie 
repräsentirt,  die  aus  einem  einzelnen  Keime  hervorgegangen  ist.  An 
den  Verdünnungsplatten  sieht  man  zu  dieser  Zeit  gewöhnlich  m  a  k  r  0  - 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  145 

s  k  0  p  i  s  c  h  noch  nichts ;  aber  in  den  nächsten  Tagen,  wenn  das  Wachs- 
thrnn  mehr  vorgeschritten  ist,  kommen  hier  die  isohrten  Colonien 
schon  makroskopisch  zur  Geltung.  Man  sieht  dann  oft  ohne  Weiteres 
schon  mit  blossem  Auge,  dass  man  es  nicht  mit  einer  einzigen  Bakterien- 
art zu  thun  hat,  sondern  dass  auf  der  Platte  verschiedenartige  Keime 
zur  Entwickekmg  gelangt  sind.  Denn  ein  ceteris  paribus  verschieden- 
artiges Aussehen  der  Colonie  berechtigt  natürlich  ohne  Weiteres 
zu  dem  Schlüsse,  dass  es  sich  um  verschiedene  Arten  handelt. 
Wir  sehen  hier  z.  B.  eine  Colonie,  die  als  weisses  Häufchen  erscheint, 
welches  auf  der  Gelatineoberfläche  aufsitzt;  eine  andere  Colonie 
characterisirt  sich  als  ein  mehr  flächenhaft  ausgebreitetes  irisirendes 
Häutchen,  welches  die  Oberfläche  der  Gelatine  überzogen  hat.  Dann 
fällt  uns  eine  andere  Colonie  durch  ihre  lebhafte  (z.  B.  gelbe  oder 
rosa)  Färbung  auf.  Alle  diese  Colonien  haben  die  umgebende  Gelatine 
intact  gelassen.  Andere  haben  die  Gelatine  an  der  Stelle  ihres 
Wachsthums  verflüssigt;  bei  der  einen  Colonie  ist  diese  Verflüssigung 
stärker,  bei  der  anderen  weniger  stark  ausgesprochen.  So  finden  wir 
schon  makroskopisch  hier  und  da  Unterschiede  der  verschiedenartigen 
Organismen,  welche  zur  Entwickelung  auf  der  Platte  gelangt  sind. 
Wir  werden  uns  aber  nicht  begnügen,  die  Untersuchung  maki'oskopisch 
vorzunehmen;  wir  legen  vielmehr  unsere  Platte  auf  den  Objecttisch 
des  Mikroskopes  und  mustern  sie  mit  schwachem  System.  Nach 
den  oben  (p.  56  ff.)  gegebenen  Auseinandersetzungen  über  die  mikro- 
skopische Beleuchtung  werden  wir  hierbei  den  Abbe'  sehen  Apparat 
durch  enge  Blende  abblenden  müssen. ^) 

Bei  der  mikroskopischen  Betrachtung  der  Platte  kommen 
nun  morphologische  Eigenschaften  der  Colonien  zu  miserer  Kenntniss, 
von  denen  wir  vorher  nichts  gesehen  haben.  Zunächst  ist  ein  all- 
gemeiner Unterschied  zwischen  solchen  Colonien  zu  machen,  welche 
innerhalb  der  Gelatine  liegen,  und  solchen,  die  sich  an  der 
Oberfläche  befinden  oder  bei  ihrem  Wachsthum  die  Oberfläche  er- 
reicht haben.  Während  die  ersteren  sich  meist  als  mehr  oder  weniger 
rundliche  Gebilde  darstellen,  zeigen  die  letzteren  eine  viel  grössere 
Mannichfaltigkeit  iu  ihrer  Gestalt. ')    Abgesehen  von  der  verschiedenen 


^)  Während  wir  bekannthch  (cf.  oben  j).  57)  bei  Benutzung  des  Abbe'schen 
Condensors  im  AJlgemeineu  stets  den  Planspiegel  anwenden,  ist  es  für  schwache 
Vergrösserungeu  (also  auch  für  den  vorliegenden  Fall) ,  speciell  bei  Verwendung  von 
Lampenhcht,  angängig,  den  Hohlspiegel  zu  gebrauchen  (cf.  p.  57,  Anm.  3). 

-)  Es  ist  an  dieser  Stelle  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  unter  den 
Colonien,  welche  einer  und  derselben  Bakterienart  angehören,  mitunter 
ganz   ausserordentliche   Unterschiede  in  dem  Aussehen   sich   bemerkhch  machen,  je 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  10 


146  A.  AUgemeiües. 

räumlichen  Ausdehnimg  sehen  wir  z.  B.  characteristische  Unterschiede 
der  Colonien  in  der  Gestaltung  des  Bandes.  Die  einen  haben  einen 
ganz  glatten,  die  anderen  einen  mehr  buckeligen,  unregelmässig  ge- 
kerbten Rand.  Andere  zeigen  eine  deutlich  lockenförmige  Gestaltimg 
des  Randes,  gebildet  von  in  zierlichen  Windungen  neben  einander  her- 
laufenden Zügen  von  Bacillenfäden ;  andere  senden  weite,  fadenförmige 
Ausläufer  aus ;  bei  anderen  erscheint  der  Rand  der  kreisrunden  Colonie 
wie  mit  feinsten  Stacheln  besetzt.  Und  wie  in  der  Gestaltung  des 
Randes,  so  zeigen  die  Colonien  auch  in  ihrem  Inhalte  erhebliche 
Differenzen  unter  einander.  Die  einen  zeigen  ein  grobkörniges,  andere 
ein  feinkörniges,  fast  homogenes  Gefüge.  So  giebt  es  die  mannich- 
fachsten  Unterschiede  in  der  Gestaltung  und  dem  Aussehen,  und  jeder 
Unterschied  deutet  sofort  auf  eine  Verschiedenartigkeit  der  Keime,  aus 
denen  die  Colonien  entstanden  sind.  Das  Letztere  gilt,  wie  bereits  oben 
(p.  145)  angedeutet,  selbstverständlich  nur  für  den  Fall,  dass  die  Be- 
dingungen, unter  denen  die  mit  einander  in  Vergleich  gezogenen 
Colonien  sich  entwickelt  haben,  genau  die  gleichen  waren.  Unter 
differenten  äusseren  Bedingungen  lassen  Keime  derselben  Art  ge- 
wöhnlich different  erscheinende  Colonien  entstehen.  IS^amentlich  kommen 
hier  Temperaturverhältoisse  in  Frage.  Je  höher  die  Temperatur  ist, 
bei  der  die  Culturplatte  steht,  desto  geringer  ist  die  Consistenz  der 
Gelatine,  desto  leichter  kommen  —  namentlich  bei  beweglichen  Bakterien- 
arten und  bei  solchen  Ai'ten,  die  die  Gelatine  verflüssigen  —  Variationen 
in  der  Gestaltung  der  Colonien,  namenthch  was  den  Rand  betrifft 
(Anhängsel,  Ausläufer  etc.),  zu  Stande. 

Auf  eine  von  mir  beobachtete,  allerdings  nicht  allzu  häufige,  Er- 
scheinung möchte  ich  an  dieser  Stelle,  quasi  in  Parenthese,  auf- 
merksam machen:  Man  sieht  nämlich  gelegentlich  bei  der  Betrach- 
tung einer  CultuiiDlatte  mit  schwacher  Vergrösserung  —  und  zwar 
betrifft  diese  Erscheinimg  nur  solche  Platten,  die  nicht  allzu  dicht 
besäet  sind — ,  dass  die  einzelnen,  relativ  grossen  Colonien  von 
je  einem  ganzen  Heer  kleiner  Colonien  umgeben  sind. 
Man  constatirt  bei  der  Dm-chmusterung  solcher  Platten  ganz  deuthch, 
dass  jeder  Haufen  kleiner  Colonien  zu  einer  ganz  bestimmten  grossen 
Colonie   gehört;    eme  Verbindung   der   grossen  Colonie   mit   den   dazu 


nachdem  die  Colonien  in  der  Tiefe  der  Gelatine  oder  an  ihrer  Ober- 
fläche liegen.  So  erscheinen  z.  B.  die  tief  hegenden  Colonien  des  Bact.  coli  unter 
allen  Umständen  als  kleine,  über  Stecknadelknopfgrösse  kaum  hinausgehende,  rund- 
liche Gebilde,  während  die  oberflächlichen  Colonien  derselben  Art  häutige  üeberzüge 
auf  der  Gelatine  darstellen,  die  häufig  eine  nach  Centimetem  zu  bemessende  Aus- 
dehnung erreichen. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  147 

gehörigen  kleinen  oder  der  kleinen  Colonien  unter  einander  ist  im 
Uebrigen  nicht  zu  erblicken.  Diese  Erscheinung,  welche  nur  bei  be- 
weglichen Bakterienarten  vorkommt,  hat  man  sich  folgendermassen  zu 
erklären:  Auf  der  Platte  haben  sich  zunächst  von  einander  isolirte 
Colonien  bis  zu  einer  bestimmten  Grössenausdehnung  entwickelt.  Dann 
ist  die  Platte  vorübergehend  (z.  B.  dadurch,  dass  sie  an  einen  Ort 
gestellt  worden  war,  auf  welchen  vorübergehend  Sonnenschein  triflft) 
zu  warm  geworden;  die  Gelatine  ist  dadurch  zeitweilig  weicher  oder 
selbst  halbfiüssig  geworden.  Während  dieser  Zeit  haben  eine  Anzahl 
der  die  einzelne  Colonie  zusammensetzenden  beweglichen  Bakterien- 
zellen Gelegenheit  gefunden,  von  der  Colonie  weg  in  die  Umgebung 
auszuschwärmen.  Dann  hat  sich  die  Platte  wieder  auf  die  normale 
niedere  Temperatur  abgekühlt,  und  dadurch  sind  die  ausgeschwärmten 
Zellen  an  Ort  und  Stelle,  in  der  Umgebung  der  Colonie,  festgehalten 
worden.  Aus  jeder  derartigen  Zelle  ist  dann  eine  secundäre 
Colonie  entstanden;  und  diese  secundären  Colonien  imigeben  dann 
in  ihrer  Gesammtheit  die  ursprüngliche,  primäre  Colonie. 

Wenden  wir  uns  jetzt  der  Betrachtung  der  Culturplatte  im  All- 
gemeinen wieder  zu,  so  ist  bezüglich  des  Aussehens  der  Colonien 
noch  Folgendes  hervorzuheben:  Stellt  man  bei  der  Besichtigung  der 
Platte  mit  schwachem  Mkroskopsystem  eine  bestimmte  Colonie  ein,  so 
macht  man  ganz  regelmässig  die  Beobachtung,  dass  die  Colonie  ein 
verschiedenes  Aussehen  darbietet,  je  nachdem  die  Einstellung  eine 
„hohe"  oder  eine  „tiefe"  ist.  Da  nämlich  die  Bakteriencolonie  ein 
relativ  dickes  Gebilde  ist,  so  ist  es  nicht  möglich,  sie  gleichzeitig  in 
allen  einzelnen  Theilen  scharf  einzustellen.  Eine  innerhalb  der 
Gelatine  liegende  Colonie  wird  in  ihrer  äusseren  Begrenzung  natur- 
gemäss  bei  einer  mittleren  Einstellung  am  schärfsten  erscheinen.  Ver- 
ändert man  nun  die  Einstellung,  geht  man  aus  der  mittleren  Stellung 
mit  dem  Tubus  mehr  nach  oben  oder  mehr  nach  unten,  so  beobachtet 
man  nicht  nur  eine  Abnahme  der  Schärfe  der  äusseren  Begrenzung 
der  Colonie,  sondern  man  sieht,  dass  auch  die  Helligkeitsverhältnisse 
der  inneren  Theile  der  Colonie  sich  verändern.  Colonien,  welche 
innerhalb  der  Gelatine  liegen,  zeigen  bei  hoher  Einstellung  ein  hell- 
glänzendes Innere;  bei  tiefer  Einstellung  erscheint  das  Innere  dunkel. 
Es  hat  das  einfach  darin  seinen  Grund,  dass  die  die  Colonie  zusammen- 
setzende Bakterienmasse  ein  höheres  Lichtbrechungsvermögen  besitzt 
als  die  umgebende  Gelatine,  und  dass  deshalb  die  rundliche  Colonie 
wie  eine  kleine  Convex linse  wirkt.  Es  giebt  aber  auch  Colonien, 
die  wie  Concavlinsen  wirken,  und  die  dementsprechend  bei  tiefer 
Einstellung  glänzen  und  bei  hoher  dunkel  erscheinen;  das  sind  aus- 

10* 


148  -^-  Allgemeines. 

nahm sl OS  verflüssigende  Colonien,  die  an  der  Ober- 
fläche der  Gelatine  sitzen.  Wo  nämlich  an  der  Oberfläche  der  Gela- 
tineplatte eine  verflüssigende  Colonie  sich  entwickelt,  da  kommt  es 
stets  zu  emem  sichtbaren  Defect  des  Nährbodens,  zm'  Bildung  ebier 
Emsenkung,  einer  Delle,  und  zwar  einfach  aus  dem  Grunde,  weil  die 
verflüssigte  Gelatine  mehr  Wasser  durch  Verdunstung  abgiebt  als  die 
benachbarte  fest  gebhebene  Gelatine.  Mit  der  Ausbildung  einer  solchen 
oberflächüchen  Einsenkung  ist  aber  ohne  Weiteres  die  Concavlinse 
fertig  gestellt. 

Betrachten  wir  die  in  unseren  Tafeln  dargestellten  Plattencolonien, 
so  zeigt  zunächst  Fig.  25  auf  Taf.  V  eine  Stelle  aus  einer  Platten- 
cultm",  welche  mit  Heustaub  angelegt  ^vurde,  nach  zweitägigem  Wachs- 
thum,  bei  25facher  Vergrösserimg.  Wir  sehen  da  hnks  oben  mehrere 
kleinere  Colonien,  die  als  dunkle  Flecken  erscheinen;  mehr  nach  rechts 
hinüber  liegen  mehrere  grössere  Colonien  von  ähnlichem  Aussehen,  die 
sich  z.  Th.  decken;  alle  diese  Colonien  gehören  wahrscheinlich  Bak- 
terien an.  Dazmschen  aber  sehen  wir  zwei  Schiimneipilzcolonien  ihre 
zarten  Mycelien  aussenden.  AVii-  sehen  diesen  Colonien  es  ohne 
Weiteres  an,  dass  sie  nicht  Bakterien,  sondern  Fadenpilzen  angehören; 
denn  mr  können  hier  bei  25facher  Vergrösserung  (das  Pbotogramm 
wird  man  zweckmässig  mit  der  Loupe  betrachten)  bereits  die  beiden 
Contouren  der  überall  gleich  starken  Mycelfäden  deutlich 
unterscheiden.  Diese  Gebilde  sind  '\'iel  dicker,  als  ein  einzelner  Bacillen- 
faden  es  sein  würde;  und,  zögen  mehrere  oder  viele  Bacillenfäden  neben 
einander  her,  die  in  ihrer  Gesanmitdicke  einem  solchen  Pilzmycelfaden 
entsprechen  würden,  so  würden  wir  an  einzelnen  Stellen  dünnere,  an 
anderen  Stellen  dickere  Gebilde  (je  nach  der  Menge  der  zusammen- 
liegenden Bacillenfäden  verschieden)  sehen  müssen.  Die  doppelt- 
contourirten,  überall  gleich  starken  Fäden,  welche  wir 
bereits  bei  so  schwachen  Vergrösserungen  deutlich  sehen, 
lassen  stets  mit  Bestimmtheit  auf  Fadenpilze  schhessen. 

Plattenculturen  bei  schwacher  Vergrösserung  zeigen  femer  Fig.  31, 
Taf.  VI  (Milzbrandbacillus),  Fig.  49,  Taf.  ES  (Tyi)husbacillus),  sowie 
Fig.  61  und  62,  Taf.  XI  ( Cholerabacillus).  Die  erste  ist  bei  43facher, 
die  anderen  sind  bei  lOOtächer  Vergrösserung  dargestellt.  Man  sieht 
das  fundamental  verschiedenartige  Wachsthum  dieser  Organismen  in 
der  Plattencolonie.  Auf  Taf.  IV,  Fig.  24,  ist  eine  Plattencolonie  der 
von  mir  öfters  im  Berliner  Leitungswasser  gefimdenen  (cf.  p.  19) 
Cladothrix  bei  lOOfacher  Vergrösserimg  abgebüdet. 

Will  man  eine  Colonie  bei  stärkerer  Vergrösserimg  (mit  starkem 
Trockensystem  oder  mit  der  Inunersion)    dii-ect  untersuchen,    so  muss 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  149 

man  auf  die  Platte  ein  Deckglas  auflegen  und  die  Platte  nun  wie  ein 
gewölinliches  mikroskopisches  Präparat  behandeln.  Auf  die  spätere 
weitere  Benutzung  der  Colonie  zur  Entnahme  von  Material  hehufs  der 
Weiterzüchtung  etc.  muss  man  dann  allerdings  verzichten.  Auf  Taf  XII, 
Fig.  72,  ist  ein  auf  diese  Weise  mit  starkem  Trockensystem  gewonnenes 
Bild  dargestellt. 

Ist  das  Wachsthum  der  Plattencultur  noch  nicht  zu  weit  vor- 
geschritten, so  gelingt  es  meist,  sich  recht  schöne  Situ sbil der  der 
oberflächlichen  Colonien  dauernd  zu  fixiren  in  Form  der  sogenannten 
Klatschpräparate  (Contactpräparate).^)  Verflüssigende  Arten  eignen 
sich  hierzu  allerdings  nur  so  lange,  als  die  Verflüssigimg  noch  nicht 
augenfällig  geworden  ist,  so  lange  die  Gelatine  in  dem  Bereiche  der 
Colonie  noch  nicht  eigentlich  verflüssigt  ist,  höchstens  etwas  weicher 
zu  werden  beginnt.  Ueberhaupt  eignen  sich  junge  Colonien 
besser  als  alte  für  diese  Präparation.  Um  sich  ein  solches  Klatsch- 
präparat darzustellen,  legt  man  ein  rein  geputztes  Deckglas  mit  der 
Pincette  auf  die  Platte  auf,  lässt  es  einen  Augenblick  los  und  nimmt 
es  dann  mit  Hülfe  der  Pincette  von  der  Gelatiaeoberfläche  wieder 
herunter.  Man  hat  dann  einen  Abklatsch  der  oberflächlichen 
Colonien  auf  dem  Deckglase.  Nachdem  man  ein  solches  Präparat 
recht  sorgfältig  hat  lufttrocken  werden  lassen,  fixirt  man  es  in  ge- 
wohnter Weise  in  der  Flamme,  färbt  es  wie  ein  gewöhnliches  Trocken- 
präparat und  schliesst  es  in  Balsam  ein.  Man  bekommt  so  nicht 
allein  dauernde  Bilder  von  der  Lagerung  der  Organismen  zu 
einander  innerhalb  der  Colonie,  man  erhält  so  überhaupt 
die  klarsten,  distinctesten  Bilder  der  einzelnen  Bak- 
terienzellen. Die  diesem  Buche  beigegebenen  Photogramme  sind 
zimi  Theil  nach  solchen  „Klatschpräparaten"  hergestellt.  Speciell  will 
ich  auf  Fig.  33  (Taf.  VI)  aufmerksam  machen.  Hier  haben  wir  ein 
Klatschpräparat  von  Milzbrandbacillenfäden  bei  lOOOfacher  Vergrösse- 
rimg.  Das  Präparat  stellt  den  Abklatsch  einer  Plattencultur  dar, 
welche  in  Fig.  32  bei  40  facher  Vergrösserung  abgebildet  ist.  (Diese 
Plattencultur  ist  nach  Strichimpfting  des  Bacillenmaterials  auf  sterile, 
auf  die  Platte  ausgegossene  und  dann  erstarrte  Gelatine  [cf  unten 
p.  160]  entstanden).  Die  feinen  Locken  der  Cultur  Fig.  32  lösen  sich 
in  Fig.  33  in  die  deutlich  gegliederten  Bacillenfäden  auf 

Kehren  wir  nun  zu  unserer  Plattencultur,  in  welcher  sich  aus 
den  in  der  Gelatine  vertheilten  Keimen  einzelne,  isohi-t  liegende  Colo- 
nien entwickelt  haben,  zurück.    Würden  wü-   dieselbe  sich  selbst  über- 


^)  cf.  R.  Koch.     Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     1884.    p.  5-1. 


150  -^-  Allgemeines. 

lassen,  so  würden  niit  weiterschreitendem  Waclisthum  die  Colonien 
allmählich  mit  ihren  Grenzen  an  nnd  in  einander  gerathen,  und  dann 
wäre  es  mit  der  Isolirung  der  Colonien  vorbei.  So  sehen  wir  denn 
auch  auf  den  Originalplatten,  wo  die  Colonien  gewöhnlich  äusserst 
dicht  gedrängt  liegen,  derartige  Zustände  in  der  Kegel  eintreten.  Eine 
solche  Platte  bietet  nach  wenigen  Tagen  bereits  ein  undefinii'bares 
Chaos  von  Bakteriencolonien  dar.  Sind  dann  verflüssigende  Arten 
unter  den  eingesäeten  Bakterien,  so  fliesst  die  Grelatine  gewöhnlich 
nach  mehreren  Tagen  vom  Glase  herunter:  „Die  Platte  ist  verflüssigt" 
und  damit  definitiv  unbrauchbar.  Die  Verdünnungen  aber  lassen  wir 
so  weit  nicht  kommen.  Nachdem  wir  die  Colonien  zunächst  bei 
schwacher  VergTÖssermig  untersucht,  uns  dann  von  der  oder  jener 
Colonie  ein  Präparat  im  hängenden  Tropfen  resp.  ein  gefärbtes  Trocken- 
präparat angefertigt  haben,  mn  uns  durch  Betrachtung  bei  starken 
Vergrösserungen  weitere  Aufschlüsse  über  die  Colonien  zu  holen,  be- 
nutzen wir  diejenigen  Colonien,  die  uns  aus  irgend  welchem  Grunde 
interessii-en,  so  lange  sie  noch  isolirt  in  der  Gelatine  liegen,  dazu,  von 
ihnen  Material  zu  entnehmen,  um  dieses  in  geeigneter  Weise  weiter 
zu  züchten.  Da  die  Colonie  auf  der  Platte  eine  Reincultur  war,  so 
müssen  jetzt  auch  die  davon  weiter  gezüchteten  Culturen  Rein- 
en 1 1  u  r  e  n  repräsentii'en. 

Die  Weiterzüchtungen  werden  gewöhnlich  im  Reagenz  glase 
vorgenommen  („Reagenz  glas  culturen").  Hat  man  das  Material 
einmal  in  reinem  Zustande  auf  den  im  Reagenzglase  befindlichen  Nähr- 
boden gebracht,  so  sorgt  dann  der  Watteverschluss  des  Glases  dafür, 
dass  die  Cultur  rein  bleibt.  Die  Reagenzgiasculturen  eignen  sich  also 
vor  Allem  dazu,  eine  Sammlung  lebender  Bakterienreincul- 
turen  dauernd  im  Stand  zu  erhalten.^) 


^)  Zu  diesem  Zweck  ist  es  selbstverständlich  nothwendig,  dass  die  einzelnen 
Culturen  zu  rechter  Zeit,  d.  h.  ehe  sie  (durch  eintretenden  Nahrungsmangel,  durch 
Austrocknen  etc.)  abgestorben  sind,  auf  neuen  Nährboden  übertragen,  „umgezüchtet" 
werden.  Im  Allgemeinen  empfiehlt  es  sich ,  die  Culturen  in  Zwischenräumen  von 
etwa  4  bis  6  Wochen  auf  neuen  Nährboden  zu  übertragen.  —  Es  sei  an  dieser 
Stelle  bemerkt,  dass  es  sich  bei  dem  Oeffnen  einer  Reagenzglascultur  (behufs  der 
Entnahme  von  Material)  stets  empfiehlt,  nach  der  Entfernung  des  Wattepfropfs  den 
Rand  der  OefFnung  des  Gläschens  abzuglühen  (in  derselben  Weise ,  wie  es  bei  dem 
Anlegen  von  Plattenculturen  [cf.  oben  p.  140]  geschieht).  Man  vermeidet  dadurch 
fast  mit  absoluter  Sicherheit  das  Hineingelangen  von  verunreinigenden  Stäubchen, 
die  an  der  OefFnung  des  Glases  hafteten,  in  die  Cultur.  Ebenso  würde  ich  ganz 
allgemein  empfehlen,  auch  jedes  Reagenzglas,  in  welches  hinein  eine  Uebertragung 
geschehen  soll,  nach  Entfernung  des  Wattepfropfs  an  der  Oeffnung  durch  Ausglühen 
zu  sterilisiren.  Ich  beobachte  diese  Vorsichtsmassregeln  seit  Jahren  und  habe  seit 
dieser  Zeit  fast  nie  die  Verunreinigung  einer  Reagenzglascultur 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  151 

Die  gebräuchlichste  Form  der  Reagenzgiascultiir  ist  che  Gelatine- 
Stichcultiir.  Um  eine  solche  Cultur  mit  dem  Material  einer  be- 
stimmten Plattencolonie  anzulegen,  verfährt  man  auf  folgende  Weise : 
Es  wird  zunächst  die  Colonie  unter  dem  Mikroskope  bei  schwacher 
Vergrösserung,  wie  oben  (p.  145)  auseinandergesetzt,  eingestellt.  Man 
überzeugt  sich,  dass  die  Colonie  auch  thatsächlich  isolirt  liegt,  dass 
sie  ein  homogenes,  concentrisch  gewachsenes  G-anzes  re- 
präsentirt,  dass  nicht  etwa  eine  Nachbarcolonie  ihre  Grenzen  ganz  in 
die  Nähe  vorgeschoben  oder  gar  Theile  der  Colonie  verdeckt  hat.  A"on 
einer  Colonie,  die  die  letzteren  Charactere  zeigt,  dürften  wir  nichts  zur 
Weiterzüchtung  entnehmen,  da  hier  keine  Bürgschaft  für  die  Ueber- 
tragung  thatsächlich  reinen  Materials  vorhanden  wäre.  Haben  wir 
aber  eine  Colonie  gefunden,  diö  genügend  isolirt  innerhalb  der  klar 
durchsichtigen,  d.  h.  sterilen,  Gelatine  liegt,  so  suchen  wir  nun  (nach- 
dem wir  den  Tubus  etwas  in  die  Höhe  geschraubt  haben,  ohne  an  der 
Lage  der  Platte  auf  dem  Objecttische  das  Geringste  zu  ändern)  mit 
blossen  Augen  festzustellen,  welches  die  eingestellt  gewesene  Colonie 
ist.  Es  gelingt  dies  stets  ohne  Schwierigkeiten,  wenn  man  central 
über  der  oberen  Linse  des  Abbe 'sehen  Beleuchtungsapparates  die 
dort  vorhandenen  Colonien  mit  dem  Auge  aufsucht,  ihre  gegenseitige 
Lagerung,  ihre  Grössenverhältnisse  etc.  berücksichtigt.  Man  geht  dann 
mit  einem  ausgeglühten  und  wieder  erkalteten  Platindraht  (mit  gerade 
endender  Spitze)  auf  die  Colonie  zu  und  entninunt  von  ihr,  aber  nur 
von  ihr,  eine  Spur  mit  der  Spitze  des  Platindrahtes,  i)  Dieses  Ent- 
nehmen des  Materiales  von  der  Platte  bezeichnet  man  als  „Fischen". 
Man  nimmt  nun  ein  Reagenzglas  mit  erstarrter  Nährgelatine,  bringt 
es  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  der  linken  Hand 
so,  dass  die  Oeffhung  des  Glases  nach  der  Volarseite  hin  gerichtet 
ist,    entfernt   durch  Drehen  den  Wattepfropf,   bringt  ihn  in   der  oben 


^)  Wenn  die  Colonien  ziemlich  dicht  zusammenliegen,  so  hat  die  sichere  isolirte 
Entnahme  des  Materials  von  der  central  eingestellten  Colonie  naturgemäss  ihre 
grossen  Schwierigkeiten.  Für  solche  Fälle  hat  Unna  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  11. 
1892.  p.  278)  ein  besonderes  Instrument,  die  „Bakterienharpune"  angegeben 
(von  C.  Zeiss  in  Jena  zu  beziehen):  Nachdem  man  die  Colonie  mit  schwachem 
System  central  eingestellt  hat,  hebt  man  den  Tubus,  schraubt  das  Objectiv  ab  und 
an  seiner  Stelle  die  Bakterienharpune  (welche  das  Objectivgewiude  trägt)  an.  Senkt 
man  nun  den  Tubus  wieder,  so  trifft  eine  an  dem  genannten  Instrumente  genau  in 
der  optischen  Achse  angebrachte  Nähnadel  mit  ihrer  (vorher  ausgeglühten)  Spitze 
genau  die  vorher  central  eingestellte  Colonie.  —  Freymuth  undLickfett  (Deutsche 
med.  Wochenschr.  1893.  p.  457)  haben  die  Bakterienharpune  in  der  Weise  modiflcirt, 
dass  sie  statt  der  Nähnadel  eine  an  ihrem  unteren  Ende  quer  abgeschliffene  Pravaz- 
Canüle  anwenden,  welche  locheisenartig  wirkt  und  die  Colonie  cürect  aussticht. 


152  ^-  Allgemeines. 

(p.  140)  geschilderten  "Weise  zAvischen  2.  und  3.  Finger  der  linken 
Hand  und  sticht  nun,  während  man  das  Gläschen  mit  der  Oeffinung 
nach  unten  gekehrt  hält,  den  inficirten  Platindraht  unter  vorsichtiger 
Vermeidung  der  Berührung  der  Griaswandungen  central  in  die  Gelatine 
hinein,  bis  nahe  an  den  Boden  des  Glases.^)  Man  geht  dann  auf 
demselben  Wege  wieder  aus  der  Gelatine  heraus,  glüht  den  Draht  aus, 
stellt  ihn  bei  Seite,  bringt  den  Wattepfropf  wieder  auf  das  Reagenz- 
glas und  bezeichnet  nun  das  letztere  dm*ch  ein  Etikett,  welches  — 
etwa  4  cm  von  der  Oeffiiung  des  Glases  entfernt  —  angeklebt  wird, 
und  welches  die  näheren  Daten  über  das  „eingestochene"  Material  und 
das  Datmn  augiebt.  Nun  überzeugt  man  sich  durch  Herunterschrauben 
des  Tubus  und  nochmalige  miki-oskopische  Einstellung  der  vorher  ein- 
gestellt gewesenen  Plattenstelle  davon.,  dass  auch  wirklich  Material 
von  der  in  der  optischen  Achse  liegenden  Colonie  entnommen  wurde. 
Dieselbe  muss  einen  deutlich  sichtbaren  Defect  zeigen.  Die  ISTachbar- 
colomen  müssen  unverletzt  sein. 

Die  Verschiedenheiten  der  Form,  welche  wir-  bei  den  Plattencolonien 
gefunden  haben,  zeigen  sich  nun  auch  in  entsprechender  Weise  bei 
der  Form  der  S  t  i  c  h  c  u  1 1  u r  e  n  wieder.  Auch  hier  haben  wir  wieder 
die  Unterschiede  zwischen  solchen  Arten,  die  die  Gelatine  solide  lassen, 
und  solchen,  die  sie  verflüssigen.  Unter  den  ersteren  finden  wir  solche, 
die  im  ganzen  Bereiche  des  „Impf  st  ich  es"  gleich  kräftig  wachsen, 
andere,  die  besonders  in  den  oberen  Theilen  desselben  gedeihen.  Die 
eine  Art  bildet  halbkugelige  Häufchen,  nimmt  nur  einen  kleinen  Theil 
der  Gelatineoberfläche  in  Anspruch;  die  andere  hat  die  Tendenz,  sich 
oberflächlich  gleich  in  gTÖsserem  Masse  auszubreiten,  ein  dünnes  Häut- 
chen  zu   bilden.     Unter    den   verflüssigenden   Arten   verflüssigen 


')  Ist  die  Gelatine  in  dem  Eöhrchen,  in  welches  hinein  der  Einstich  geschieht, 
nicht  mehr  ganz  ft-isch,  sondern  bereits  vor  einigen  Wochen  hergestellt,  so  ist  die 
Oberfläche  des  Nährbodens  gewöhnhch  etwas  eingetrocknet  (unter  Ausbildung 
einer  coucaven  Einziehung),  und  das  hat  dann  zur  Folge,  dass  bei  dem  Emstechen 
des  Platindrahtes  die  Gelatine  in  der  Weise  aus  einander  klafft,  dass  sich  eine 
(grössere  oder  kleinere)  keilförmige  Lücke  bildet.  Dieses  Yorkommniss  ist  ausser- 
ordenthch  störend;  die  characteristischen  Eigenthümlichkeiten,  welche  viele  Bakterien- 
arten in  ihrer  Stichcultur  darbieten ,  kommen  an  derartig  beschaffenen  Culturen  so 
gut  wie  gar  nicht  zur  Ausbildung.  Man  kann  sich,  wenn  man  für  die  Anlage  einer 
Stichcultur  fi-isch  hergestellte  Gelatine  gerade  nicht  zur  Verfügung  hat,  einigermassen 
dadurch  helfen,  dass  man,  bevor  man  den  Einstich  macht,  das  Gläschen  unter 
schnellem  Drehen  um  seine  Längsachse  wenige  Secunden  so  in  (Ue  Flamme  bringt, 
dass  die  obersten  Partien  der  Gelatine  etwas  erwärmt  werden.  Hierbei  löst  sich  die 
Gelatine  an  den  eingetrockneten  Partien  vom  Glase  los ,  und  ein  Klaffen  bei  dem 
folgenden  Einstich  tritt  nun  nicht  mehr  ein. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  153 

die  einen  sehr  langsam  und  allmählich  die  Gelatine,  andere  schneller, 
noch  andere  ausserordentlich  rasch.  Farbstoffproducirende 
Arten  zeigen  manchmal  im  ganzen  Verlaufe  des  Impfstiches  ebenso 
wie  an  der  Oberfläche  der  Gelatine  Farbstoffproduction ;  andere  Arten 
bilden  nur  an  der  Oberfläche  der  Gelatine  Farbstoff,  wachsen  im  ganzen 
Impfstiche  farblos;  noch  andere  endlich  wachsen  an  der  Oberfläche 
farblos,  während  sie  im  Impfstiche  Farbstoff  produciren.  In  den  Stich- 
culturen  findet  man  also  das  verschiedenartigste  Verhalten,  ebenso  wie 
es  auf  der  Platte  der  Fall  war.  Zu  nennen  ist  hier  ferner  die  Eigen- 
thümlichkeit  vieler  Arten,  Gas  zu  produciren.  Auf  der  Platte 
kommt  diese  Eigenschaft  kaum  zum  Ausdruck;  an  der  Stichcultur 
aber  können  wir  dieselbe  meist  sehr  deutlich  constatiren:  die  Gelatine 
bekommt  mehr  oder  weniger  ausgedehnte  Risse,  welche  von  dem 
Impfstiche  ausgehen.  Wenn  die  Risse  klein  sind,  so  haben  sie  meist 
linsenförmige  Gestalt.  ^) 

Gelatine -Stichculturen  sind  abgebildet  auf  Taf.  VI,  Fig.  35; 
Taf.  IX,  Fig.  54;  Taf.  XI,  Fig.  63;  man  bemerkt  hier  ohne  Weiteres 
die  augenfälligen  Unterschiede  in  der  Gestaltung  der  Stichcultur  bei 
den  verschiedenartigen  Organismen. 

Eine  andere  Form  der  Reagenzglasculturen  ist  die  0  b  er  fläche  n - 
Strichcultur.  Hier  wird  das  Material  nicht  in  die  Gelatine  ein- 
gestochen, sondern  oberflächlich,  gewöhnlich  in  einem  einzigen,  sehr 
dünnen  Striche,  auf  den  Nährboden  aufgestrichen  („Impf strich").-) 


^)  Die  „gasbildenden"  Bakterienarten  zeigen  die  Eigenschaft  der 
Gasbildung  am  besten  auf  solchen  Nährböden,  welche  gährungs fähigen  Zucker 
(am  besten  Traubenzucker)  enthalten;  in  Gelatinestichculturen  kommt  die  Gasbildung 
also  namentlich  dann  zu  unserer  Kenntniss,  wenn  es  sich  um  T  r  au  benzucke  r- 
Gelatine  (cf.  oben  p.  124)  handelt,  in  welche  hinein  der  Einstich  geschah.  Nach 
Th.  Smith  (The  fermentation  tube.  The  wilder  Quarter  -  Century  Book.  1893. 
p.  197.  —  cf.  auch  das  Autorreferat  über  diese  Abhandlung  im  Centralbl.  f.  Bakt. 
Bd.  14.  p.  864)  kommt  Gasbildung  nur  bei  Anwesenheit  von  Zucker  (oder  Kohle- 
hydraten) im  Nährboden  vor;  tritt  bei  Benutzung  von  Nährböden,  welche  keinen 
derartigen  Zusatz  erhalten  haben,  Gasbildung  auf,  so  handelt  es  sich  um  Muskel- 
zucker,  welcher  in  dem  zur  Herstellung  des  Nährbodens  benutzten  Fleisch wasser 
enthalten  war.  Das  Gas,  welches  bei  der  Zuckervergährung  durch  Bakterien  ent- 
steht, und  welches  besser  als  in  Stichculturen  in  den  bereits  oben  (p.  130)  erwähnten 
„Gährungskölbchen"-Culturen  beobachtet  wird,  ist  gewöhnhch  ein  Gemisch 
von  Wasserstoff  und  Kohlensäure;  es  hat,  wie  Th.  Smith  (1.  c.)  festgestellt  hat, 
nicht  immer  eine  und  dieselbe  Zusammensetzung;  Smith  hat  verschiedene  Typen 
der  Gasbildung  gefunden. 

-)  Selbstverständlich  hat  man  bei  jeder  Uebertragung  für  eine  innige  Verbin- 
dung des  Impfmaterials  mit  dem  Nährboden  zu  sorgen.  Bei  frischen  (normal 
wasserhaltigen)  Nährböden  und  frischem  (feuchten)  Bakterienmaterial  ist  diese  innige 


154  -A-  Allgemeines. 

Am  besten  bedient  man  sich  dazu  solcher  Eöhrchen,  in  denen  der 
^Nährboden  (Glelatine,  Agar,  Blutserum)  in  schräger  Lage 
zur  Erstarrung  gebracht  worden  ist  (cf.  oben  p.  129),  Ferner  eignen 
sich  hierzu  die  steriKsirten  Kartoffelkeile,  welche  in  Reagenz- 
gläschen eingeschlossen  sind  (cf.  oben  p.  134).  Hat  man  nicht  ver- 
flüssigende Arten  vor  sich,  so  kann  man  sie  auf  schräg  erstarrter 
Gelatine  oder  auf  Blutserum  ausstreichen.  Bei  verflüssigenden 
Arten  empfiehlt  sich  dies  natürlich  nicht;  man  nimmt  hier  zweck- 
mässig den  nicht  zu  verflüssigenden  Agar-Nährboden  oder  die  Kar- 
toffel. 

Ebenso  wie  auf  festen  iSTährboden  kann  man  natürlich  auch  auf 
flüssige  sterile  Nährböden,  die  im  Reagenzglase  unter  Watte- 
verschluss  enthalten  sind,  das  reine  Material  der  Plattencolonie  über- 
tragen. Speciell  empfiehlt  sich  für  pathogene  Organismen  hierzu  die 
oben  (p.  129)  erwähnte  Nährbouillon.  Man  wählt  die  „Bouillon- 
cultur"  besonders  gern  dann,  wenn  es  sich  um  die  Darstellung 
grösserer  Mengen  reinen  Culturmaterials  handelt,  die  für  irgend  welche 
Zwecke  gebraucht  werden  sollen.  (An  entwickelten  Bouillonculturen 
hat  man  verschiedene  Dinge  von  allgemeiner  Wichtigkeit  zu  beob- 
achten. Zunächst  kommt  hier  die  Frage  in  Betracht,  ob  die  Haupt- 
masse der  Nährboiüllon  klar  geblieben  ist,  oder  ob  sie  sich  getrübt 
hat.  Ist  sie  klar  geblieben,  so  finden  wir  die  zur  Entwickelung  ge- 
langte Bakterienmasse  in  Form  eines  pulverigen  oder  wolkigen  oder 
flockigen  Sediments  am  Boden  des  Röhrchens;  es  handelt  sich  in 
solchen  Fällen  stets  um  eine  unbewegliche  Bakterienart.  Hat  man  da- 
gegen eine  eigenbeweghche  Bakterienart  in  die  Bouülon  eingeimpft,  so 
findet  sich,  nachdem  die  Cultur  zm-  Entwickelung  gelangt  ist,  der 
iSTährboden  stets  zunächst  gleichmässig  getrübt,  und  erst  später  tritt 
dann  eine  Sedimentirung  der  Bakterienzellen  ein.  Ausser  der  Fi'age 
nach  der  eventuellen  Trübung  der  Bouillon  und  der  Beschaffenheit  des 
event.  vorhandenen  Sediments  hat  man  bei  Bouillonculturen  ferner  die 
Frage  zu  berücksichtigen,  ob  sich  an  der  Oberfläche  des  Nährbodens 
ein  Häutchen  entwickelt  hat  oder  nicht;  es  giebt  eine  Reihe  von  Arten, 
welche  ein  solches  Häutchen  gewöhnhch  zur  Erscheinung  kommen 
lassen,  während  anderen  Arten  diese  Eigenschaft  abgeht.) 

Auch  in  Reagenzgläser  mit  sterihsii-ter  Milch  (cf.  oben  p.  136), 


Verbindung  durch  blosses  Aufstreichen  ohne  Weiteres  hergestellt.  Hat  man  trockenes 
Material  (Pilzmycehen  etc.)  zu  verimpfen,  so  empfiehlt  es  sich  stets,  der  Oberfläche 
des  Nährbodens  zunächst  kleine  Verletzungen  (durch  Anstechen  mit  dem  Platindraht) 
beizubringen  und  in  diese  hinein  dann  das  Material  sorgfältig  einzubringen  oder 
einzureiben. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzücbtung.  155 

mit  sterilisirtem  Urin,  mit  bestimmten  chemisclien  Nährlösnngen  (cf. 
p.  137  ff.)  etc.  kann  man  das  Material  aus  der  Plattencolonie  übertragen. 

So  wie  man  diese  Weiterzüchtungen  aber  im  Reagenzglase  vor- 
nehmen kann,  so  kann  dies  natürlich  auch  in  beliebiger  anderer  Weise 
geschehen,  z.  B.  auf  den  nach  der  ursprünglichen  Koch' sehen  oder  nach 
der  Esmarch'schen  Methode  präparirten  Kartoffeln  (cf.  p.  132,  134). 
Solche  Kartoffeln  inficirt  man  am  besten  mit  Hülfe  eines  Skalpells, 
welches  ausgeglüht  wurde  und  wieder  erkaltet  ist,  und  mit  dessen  in 
das  Bakteriemnaterial  getauchter  Spitze  man  das  Material  in  die  Kar- 
toffelfläche eim-eibt.  Die  nach  Koch 'scher  Weise  präparirte  Kartoffel 
wird  hierbei  mit  „Sublimatfingern"  (cf.  p.  133)  festgehalten.  Bei 
dem  Inficiren  der  Kartoffel  bleibt  man  mit  dem  inficirenden  Skalpell 
gern  1  cm  vom  Eande  der  Kartoffel  entfernt,  da  Verum-einigungen  der 
Cultur,  die  von  der  Kartoffel  selbst  ausgehen,  gewöhnlich  am  Rande 
der  Kartoffel  sich  zuerst  zeigen.  Hierher  gehören  z.  B.  die  die  Kar- 
toffelculturen  so  oft  verderbenden  „Kartoffelbacillen",  welche  aus 
Sporen  entstehen,  die  der  Kartoffel  äusserlich  anhafteten  und  bei  der 
Sterihsirung  derselben  nicht  getödtet  wurden. 

Ferner  kann  die  Uebertragung  von  der  Platte  in  einen  hängen- 
den Tropfen  (von  Bouillon  oder  von  Gelatine)  hinein  geschehen,  der 
ebenso  präparii't  wii'd,  wie  oben  (p.  53)  angegeben,  nur  dass  man  ein 
steriles  Deckglas  (durch  Erhitzen^)  in  der  Flamme  sterihsirt)  und 
steriles  Material  für  den  Tropfen  selbst  wählt.  Die  sich  entwickelnde 
„Cultur  im  hängenden  Tropfen"  gestattet,  die  Wachsthumserschei- 
nungen  der  Bakterien  unter  dem  Mikroskope  cürect  zu  verfolgen.^) 

Die  ursprüngliche  Koch 'sehe  Plattenculturmethode  ist  nunmannich- 
fach  modificirt  worden.     Zunächst  ist  hier  ein  Verfahren  zu  nennen. 


^)  Das  Erhitzen  soll  hierbei  nicht  so  weit  gehen,  dass,  wie  dies  z.  B.  bei  der 
Herstellung  zu  färbender  Trockenpräparate  oft  nothwendig  ist  (cf  oben  p.  63,  Anm.  1), 
das  Deckglas  völlig  entfettet  wird.  Auf  einem  völlig  entfetteten  Deckglase  nämlich 
lässt  sich  ein  Bouillon t r o p fe n  kaum  herstellen:  Der  Tropfen  zerläuft  auf  dem  Glase, 
sobald  er  darauf  gebracht  worden  ist,  und  breitet  sich  als  gleichmässige  Flüssigkeits- 
schicht aus.  Es  muss  also  noch  eine  spurweise  Fettschicht  zur  Herstellung  des 
Culturtropfens  vorhanden  sein.  Man  kann  nun  nachweisen,  dass  sich  durch  Erhitzung 
in  der  Flamme  leicht  eine  sterile,  aber  doch  nicht  vollkommen  fettfi'eie  Deckglas- 
fläche herstellen  lässt :  Behufs  der  Sterilisirung  sind  niedrigere  Temperaturgrade  aus- 
reichend als  behufs  der  vollständigen  Entfettung. 

-)  Bei  solchem  Material,  welches  bei  Körpertemperatur  besser  wächst  als  bei 
Zimmertemperatur,  wird  das  iVIikroskop  zu  diesem  Behufs  am  besten  so  disponirt, 
dass  der  Objecttisch  und  das  auf  ihm  liegende  Culturpräparat  in  einem  auf  Körper- 
temperatur erwärmten  Räume  stehen  (cf  unten  im  Text:  Besprechung  des  Brut- 
schrankes). 


156  ^-  Allgemeines. 

welches  manche  Yortheile  vor  dem  m-sprünghchen  Koch' sehen  Ver- 
fahren darbietet,  und  welches  von  Petri^)  stammt.  Petri  nimmt 
keine  Glasplatten  als  Träger  des  Nährbodens,  sondern  an  Stelle  dieser 
runde  Glasschälchen  von  10 — 11  cm  Durchmesser  und  1 — 1,5  cm 
Höhe.  Jedes  Glasschälchen  wird  durch  ein  etwas  grösseres,  als  Deckel 
dienendes  ähnliches  Schälchen  vor  Staub  etc.  geschützt.  Die  Doppel- 
schälchen  werden,  rein  geputzt,  auf  einander  gestellt,  im  Ti'ockenschrank 
sterilisirt  (cf.  p.  143)  und  können  nach  dem  Erkalten  benutzt  werden. 
Ein  besonderer  „Giessapparat"  wie  bei  dem  Koch'  sehen  Verfahren  ist 
hier  nicht  nöthig.  Die  Gelatine  wird  einfach  eingegossen,  die  Schale 
zugedeckt,  etikettii't  und  dann  sich  selbst  überlassen.  Diese  Methode 
wird  jetzt  sehr  viel,  häufiger  als  die  ursprüngliche  Koch"  sehe,  an- 
gewandt. Es  ist  aber  zu  bemerken,  dass  die  mikroskopische  Unter- 
suchung-) derartiger  Schälehenculturen  etwas  weniger  bequem  ist  als 
die  der  Koch 'sehen  Platten. 

Eine  andere  Modification  der  ursprünglichen  Koch' sehen  Platten- 
methode hat  V.  Esmareh")  angegeben.  Die  Gelatine  wii'd  hierbei 
weder  auf  Platten  noch  in  Schälchen  ausgegossen,  sondern  an  der 
Innenwand  des  Keagenz röhrchens,  in  dem  sie  sich  befindet, 
direct  ausgebreitet.  Man  bewerkstelligt  dies  so,  dass  man  nach 
der  Inficiiimg  der  geschmolzenen  Gelatine  den  Wattepfifopf  in  das 
Pvöhrchen  soweit  hineinstösst,  dass  er  vollständig  im  Glase  verschwindet, 
dass  man  dann  eine  Gummikappe  über  die  Oeähung  des  Röhrchens 
herüberzieht,  die  einen  wasserdichten  Abschluss  bewirkt,  und  dass 
man  nun  das  Eöhrchen  horizontal  auf  die  Oberfläche  sehr  kalten  (event. 
Eis-)  Wassers  legt  und  dann  das  Eöhrchen  mit  den  Fingern  in  (möglichst 
schnelle)  Rotation   versetzt.*)     Die  Gelatine  wird   dann   bald  fest  und 


1)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  1.    1887.    No.  9. 

^)  Man  kann  diese  Schälehenculturen  mit  schwachem  System  sowohl  von  oben 
her  (nach  Abhebung  der  Deckelschale)  wie  auch  durch  den  Schälchenboden  hindurch, 
also  von  der  Unterseite  her,  mikroskopisch  ansehen;  in  dem  letzteren  Falle  braucht 
die  Deckelschale  selbstverständhch  nicht  entfernt  zu  werden.  Ist  die  Oberfläche  des 
Schälchenbodens  an  der  unter  dem  Mikroskope  liegenden  SteUe  so  uneben,  dass  eine 
wesentUche  Verzerrung  des  Bildes  bei  der  Mikroskopirung  durch  diesen  Boden  hin- 
durch zu  Stande  kommt,  so  kann  man  sich  dadurch  helfen,  dass  man  auf  das  Glas 
an  dieser  Stelle  einen  Tropfen  Cedernöl  und  auf  diesen  ein  Deckglas  bringt.  Man 
verleiht  auf  diese  Weise  dem  Schälchen  eine  ebene  Oberfläche,  und  die  Bilder  der 
hier  liegenden  Colonien  erscheinen  nun  ohne  jede  Verzerrung. 

«)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  1.     1886. 

*)  Bei  diesem  Drehen  des  Röhrchens  geht  man  am  besten  so  vor,  dass  man 
das  Eöhrchen  nur  an  dem  einen  Ende,  dort  wo  der  Wattepfropf  sich  befindet, 
mit   den  Fingern   (der  rechten  Hand)   berührt.     Während  der  bei  der  Drehung  ein- 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  157 

Überzieht  das  Glas  an  seiner  Innenfläche  mehr  oder  weniger  gieich- 
mässig.  Nachher  wird  das  Köhrchen  aus  dem  Wasser  herausgenommen, 
die  Gummikappe  entfernt,  das  Röhrchen  etikettirt  und  zur  Entwickelung 
der  Colonien  hingestellt.  Diese  „RoUröhrchen",  „Rollplatten" 
sind  am  besten  von  allen  Plattenculturen  gegen  die  Verunreinigung 
durch  fremde  Keime  geschützt.  Haben  sich  die  isolirten  Colonien  mner- 
halb  der  „ausgerollten"  Gelatine  entwckelt,  so  kann  man  sie  so- 
wohl mikroskopisch  untersuchen  (durch  die  Glaswand  hindurch),^)  als 
auch,  unter  Benutzung  eines  an  der  Spitze  gekilimmten  Platindrahtes, 
von  ihnen  Material  zm*  Anlage  weiterer  Culturen  entnehmen.  Eine 
derartige  Rollplatte  (oder  wenigstens  einen  Theil  von  ihrj  zeigt  Fig.  26 
auf  Taf  V.  Dieselbe  wurde  mit  Gartenerde  angelegt.  Man  sieht  hier 
im  Centrum  mehrerer  Colonien  noch  die  schwarzen  Erdbröckelchen, 
von  denen  das  Wachsthum  ausgegangen  ist. 

Die  bis  jetzt  genannten  Methoden  der  Plattencultur  haben  alle 
das  Gemeinsame,  dass  sie  zur  Anlage  einer  jeden  einzelnen  Cultur 
ein  besonderes  Gelatmeröhrchen  brauchen.  Kommt  es  Einem  im  ge- 
gebenen Falle  auch  nur  auf  die  die  Verdünnungen  enthaltenden  Cultur- 
platten  an,  so  ist  man  doch  genöthigt,  zunächst  ein  „Original" -Röhr- 
chen zu  inficiren,  um  von  diesem  wieder  Verdünnungsröhrchen  anzu- 
legen. Eine  Methode,  welche  Soyka^)  angegeben  hat,  vereinfacht  die 
Procedur  und  spart  Material.  S^o^ka  empfiehlt  Doppelschälchen  zur 
Anlage  der  Plattenculturen,  welche  den  Pe  tri 'sehen  im  Allgemeinen 
ähnlich  sind,  sich  aber  dadurch  von  ihnen  unterscheiden,  dass  in  die 
untere  7  bis  8  oder  mehr  Vertiefungen  (wie  bei  den  hohl- 
geschliffenen Objectträgern)  eingeschliffen  sind.    In  jede  der  Ver- 


tretenden kurzen  Pausen,  in  denen  die  Finger  das  Eöhrchen  nicht  berühren,  sorgt 
dann  jedesmal  die  Gravitation  dafür,  dass  das  Eöhrchen  horizontal  eingestellt  wii-d. 
"Vor  der  Drehung  thut  man  gut,  zunächst  alle  Theile  der  Gefässwand  mit  der 
flüssigen  Gelatine  zu  befeuchten;  hierbei  hat  man  darauf  zu  achten,  dass  nicht  die 
ganze  untere  Fläche  des  Wattepfropfs,  sondern  nur  die  wandständigen  TheUe  des- 
selben mitbefeuchtet  werden,  weil  anderenfalls  —  bei  der  folgenden  Abkühlung  des 
Eöhrchens  im  Eiswasser  —  im  oberen  Theile  des  Eöhrchens  zahlreiche  Luftblasen 
sich  ansammeln. 

^)  Um  das  mikroskopische  Bild  bei  dieser  Gelegenheit  besser  zu  gestalten,  als 
es  die  geki-ümmte  Aussenfläche  des  Eeagenzglases  an  und  für  sich  zulässt,  habe  ich 
(cf.  auch  p.  156,  Anm.  2)  an  der  zu  untersuchenden  Stelle  einen  Tropfen  Cedernöl 
auf  die  Glaswand  gebracht  und  auf  diesen  ein  Deckglas,  dessen  freie  Oberfläche  in 
senkrechte  Eichtung  zur  optischen  Achse  des  Mikroskopes  gebracht  wird.  Man  be- 
kommt so  naturgemäss  vortreffüche  Bilder  der  Colonien.  —  Einen  zweckmässigen 
Eea gen z glashalt  er  für  die  EoUplatten  zum  Aufsetzen  auf  den  Objecttisch  hat 
V.  Sohlen  (Zeitschr.  f.  wissensch.  Mikroskopie.    Bd.  7.    1890)  angegeben. 

-)  Deutsche  med.  Wochenschr.    1888.    No.  43. 


158  A.-  Allgemeines. 

tiefluigen  kommt  eine  kleine  abgemessene  Quantität  geschmolzener 
Gelatine.  Die  Gelatine  in  einer  der  Vertiefungen  wird  dann  mit  dem 
in  das  Ausgangsmaterial  getauchten  Platindraht  inficirt,  und  die  wei- 
teren Verdünnungen  werden  dann  durch  Uebertragung  von  Material 
immer  aus  einer  Vertiefung  in  die  nächstfolgende  bewerkstelligt.  (Nach 
jeder  einzelnen  Uebertragung  muss  der  Platindraht  ausgeglüht  werden.) 
Die  Gelatine  lässt  man  dann  erstarren.  Man  hat  so  auf  einer 
Platte   alle   Verdünnungen   und   hat  sehr  an  Material  gespart. 

Diesem  sehr  zweckmässigen  S  o  y  k  a '  sehen  A'erfahren  schliesst  sich 
ein  Verfahren  an,  welches  der  Verf.  zur  Eeincultivirung,  zur  Isolirung 
von  Bakterien  häufig  benutzt,  und  welches  ebenfalls  darauf  gerichtet 
ist,  Gelatine  zu  sparen  resp.  einen  möglichst  geringen  Apparat  für 
den  einzelnen  Versuch  nothwendig  zu  haben.  Ich  bringe  mir  zunächst 
auf  eine  sterile  Glasfläche  (einen  stark  erhitzten  und  wieder 
erkalteten  Objectträger  oder  die  Innenfläche  des  Deckels  eines  steriü- 
sirten  Pe  tri 'sehen  Schälchens,  welches  nachher  für  die  Plattencultur 
zur  Veiivendung  kommen  soll)  4  —  5  einzelne,  isolirt  liegende 
Tropfen  steriler  Bouillon  oder  sterilen  Wassers,  inficire  dann  den 
ersten  Tropfen  mittels  des  Platindrahtes  mit  dem  zu  untersuchenden 
Materiale,  glühe  den  Draht  aus,  tauche  ihn  nach  dem  Erkalten  in  den 
ersten  Tropfen  wieder  ein  und  übertrage  die  kleine  anhaftende  Menge 
in  den  zweiten  Tropfen.  Von  diesem  aus  inficire  ich  (mit  vorher  aus- 
geglühtem Drahte)  auf  dieselbe  Weise  den  dritten,  von  diesem  den 
vierten,  und  ebenso  auch  eventuell  einen  fünften  Tropfen  je  nach  dem 
Bakterienreichthum  des  Ausgangsmateriales.  Von  dem  letzten  Tropfen 
übertrage  ich  dann  eine  Oese  in  ein  Eöhrchen  geschmolzener  Nähr- 
gelatine  und  giesse  die  letztere  dann,  wie  oben  (p.  143)  beschrieben, 
in  ein  Petri'sches  Schälchen  aus.  Habe  ich  die  Innenfläche  des 
Deckels  des  Schälchens  zur  Anlage  der  Verdünnungen  benutzt,  so 
hat  derselbe  während  dieser  Zeit  umgekehrt  auf  dem  Schälchen  ge- 
legen und  so  das  Schälchen  vor  dem  etwaigen  Hineingelangen  von 
Luftkeimen  behütet.  Die  während  der  Entwickelung  der  Cultur  an 
dem  Deckel  hängenden  Ti'opfen  schaden  der  Cultur  natürlich  durch- 
aus nichts. 

Anstatt  der  Gelatme  kann  man  auch  Agar  zu  Plattencul- 
tur en  benutzen;  und  bei  Organismen,  welche  erheblich  besser  und 
schneller  bei  Brüttemperatur  wachsen  als  bei  Zimmertemperatur,  wird 
man  mit  Vorliebe  zu  dem  Agar  greifen.  Nur  ist  hier  ein  besonders 
geschwindes  Operiren  durchaus  geboten.  Wie  wir  oben  (p.  126)  be- 
reits erwähnten,  schmilzt  das  Nähr-Agar  erst  bei  Temperaturen,  die  der 
Siedetemperatur   des   Wassers   nahe   liegen.      Geschmolzen   muss   aber 


-    1 

V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüclitung.  159 

jeder  Nährboden  werden,  mit  welchem  wir  eine  Platte  anlegen  wollen. 
Nach  dem  Schmelzen  wird  das  Agar  abgekühlt  bis  etwas  über  40*^  C. 
Man  stellt  das  Röhrchen  zu  dem  Zwecke  am  besten  in  ein  entsprechend 
warmes  Wasserbad  ein.  Bei  dieser  Temperatur  ist  das  Agar  gerade 
noch  flüssig  und  doch  schon  kühl  genug,  dass  man  Bakterien  ohne 
Gefahr  für  ihre  weitere  Entwickelungsfähigkeit  einsäen  kann.  Nun 
muss  man  möglichst  schnell  das  Material  eintragen,  vertheilen  und 
dann  die  Verdünnungen  machen,  um  hinterher  den  Nährboden  gleich  in 
P  e  t  r  i '  sehe  KSchälchen  ^)  auszugiessen.  Diese  Schälchen  werden  in  eine 
feuchte  Kammer  (p.  133)  und  mit  dieser  in  den  Brütschrank  gestellt.^) 
Will  man  das  Agar  zu  Rollplatten  (cf.  oben  p.  157)  ver- 
wenden, die  in  den  Brütschrank  gestellt  werden  sollen,  so  darf  man 
nicht  das  gewöhnliche  1  i/o  procentige ,  sondern  muss  2  procentiges  (cf 
oben  p.  126)  Agar  verwenden,  weil  nur  bei  dieser  Concentration  die 
Agarschicht  auch  bei  längerem  Aufenthalt  im  Brütschrank  an  den 
Wandungen  des  Glases  sicher  haftet  (C.  Fränkel*^)).  v.  Esmarch*) 
setzt  zur  Verhütung  der  Ablösung  der  Agarschicht  dem  li/^proc. 
Agar  mehrere  Ti'opfen  einer  sterilisirten  dicken  Lösung  von  Gummi 
arabicum  zu. 


^)  Cxiesst  man  das  inficirte  Agar  auf  gewöhnliche  Koch'sohe  Platten  aus, 
so  dürfen  diese  Platten  nicht  wie  bei  der  Anlage  von  Gelatinei^latten  möglichst  stark 
abgekühlt  (cf.  p.  143)  sein,  sondern  die  Spiegelplatte  des  Giessapparates  muss  für 
diesen  Zweck  sogar  durch  lauwarmes  Wasser  etwas  angewärmt  sein.  Je  schneller 
nämlich  das  Agar  auf  den  Platten  erstarrt,  desto  weniger  gut  haftet  es  am  Glase. 
Auf  die  so  angewärmten  Platten  trägt  man  vor  dem  Aufgiessen  des  Agars  zweck- 
mässig noch  je  mehrere  Tropfen  Siegellack  auf,  welche  das  Abgleiten  der  Agarschicht 
vom  Glase  nach  der  Erstanning  verhüten. 

")  Häufig  erlebt  man  es,  dass  nach  24  Stunden  die  gesammte  Oberfläche  der 
Agarschicht  in  den  Schälchen  sich  mit  einer  gleichmässigen  Bakterienwucherung  be- 
deckt zeigt.  Es  handelt  sich  hier  um  die  Eigen thümlichkeit  des  Agars,  beim  Er- 
starren Wasser  auszupressen  (cf.  p.  129);  die  Oberfläche  überzieht  sich  zunächst 
mit  einer  Schicht  derartigen  ,,Condensationswassers",  und  diese  Wasserschicht  wird 
dann  sehr  leicht  zu  einem  Vermehrungsort  von  Bakterien.  Selbstverständlich  ist 
unter  solchen  Umständen  die  Platte  zur  Isohrung  der  eingesäeten  Keime  nicht  mehr 
zu  brauchen,  der  eigentliche  Zweck  des  Versuches  also  verfehlt.  Um  dieser  un- 
angenehmen Eventualität  zu  entgehen,  hat  Zabolotny  (Deutsche  med.  Wochenschr. 
1893.  p.  1353)  vorgeschlagen,  die  Agarschalen  nicht  horizontal,  sondern  schräg  ge- 
neigt aufzustellen:  das  Condensationswasser  sammelt  sich  bald  in  den  abhängigen 
Theileu  der  Schale,  und  die  Hauptmasse  des  Nährbodens  wird  von  dem  flüssigen 
Oberflächenbelage  befreit.  Freudenreich  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  1894. 
p.  643)  sowie  Miller  (ebenda  p.  895)  stellen  die  Agarschalen  aus  denselben  Grün- 
den umgekehrt  (den  Deckel  nach  unten  gerichtet)  auf. 

^)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  3.     1888.  ■  p.  767. 

*)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.   1.     1886.     p.  301. 


160  A-.  Allgemeines. 

Auch  für  Agarplatten  hat  sich  mir  meine,  der  Soyka'schen 
nachgebildete  Verdünnungsmethode  fcf.  p.   158)  bewährt. 

Eine  Methode,  Blutserum  für  Plattenculturen  zu  ver- 
wenden, hat  Hueppe^)  angegeben.  Das  flüssige,  steril  aufgefangene 
oder  (im  flüssigen  Zustande)  sterilisirte  (cf.  p.  131)  Blutserum  wird 
auf  c.  40*^  C.  erwärmt  und  mit  dem  zu  untersuchenden  Bakterien- 
materiale  beschickt,  welches  gieichmässig  darin  vertheilt  wird.  Event, 
werden  von  dem  so  hergestellten  Originalröhrchen  Verdünnungen  (wie 
bei  der  Gelatineplattencultur,  p.  1 42)  hergestellt.  Inzwischen  ist  2  pro- 
centiges  Nähr- Agar  geschmolzen  und  auf  42*^  C.  wieder  abgekühlt 
worden.  Das  inficii'te  Serum  wird  nun  mit  etwa  der  gleichen  Quan- 
tität Agar  sorgfältig  vermischt;  das  Gemisch  wird  in  Schälchen  aus- 
gegossen, in  welchen  es  erstarrt,  und  che  dann  in  den  Brütschrank 
kommen. 

Ehe  Koch  seine  Plattenmethode  erfand,  benutzte  er  die  Nähr- 
gelatine  in  etwas  anderer  Weise  zur  Isolirung  der  Keime.  Er  inficirte 
nämlich  den  Platindraht  und  strich  denselben  dann  mit  der  Spitze 
über  die  Oberfläche  von  Nährgelatine,  welche  auf  einem  sterilisirten 
Objectträger  in  dünner  Schicht  ausgegossen  war.  Neben  einander 
wurden  so  eine  Anzahl  „Impf striche"  gemacht.  Die  Mehrzahl 
der  dem  Draht  anhaftenden  Keime  blieb  natürlich  schon  beim  ersten 
Striche  an  der  Gelatine  hängen,  der  zweite  Strich  erhielt  schon  weniger 
Keime ;  und  bald  kam  bei  den  nächstfolgenden  Strichen  ein  Zeitpunkt, 
wo  nur  hier  und  da  ein  einzelner  Keim  sitzen  blieb.  Die  Object- 
träger wurden  dann  in  die  feuchte  Kammer  gestellt.  Mit  Hülfe  dieser 
„Objectträgerculturen"  erzielte  Koch  die  ersten  isolirten  Rein- 
cultm-en  aus  Bakteriengemischen.  -)  Eine  Plattencultur ,  welche  nach 
dem  genannten  Principe  angelegt  wurde,  zeigt  Taf.  VI,  Fig.  32  (cf.  oben 
p.  149).  Dieses  Princip  der  Isolirung  von  Keimen  durch  Anlegung 
einer  Reihe  von  Oberflächen- Strichculturen  wendet  man  in  der  bakterio- 
logischen Praxis  sehr  häufig  —  wenn  auch  in  einer  von  der  Objecto 
trägermethode  abweichenden  Form  —  an,  und  zwar  zum  Zwecke  der 
Isolirung  patho gener  Keime  aus  Material,  welches  dii'ect  aus  dem 
erkrankten  Körper  stammt.  Der  mit  dem  Originalmaterial  (Blut,  Eiter, 
diphtherische  Pseudomembran  etc.)  inficirte  Platindraht  wird  hinter 
einander  auf  der  Oberfläche  des  (schräg  erstarrten  [p.  129])  Nähr- 
bodens von  4  bis  6  bis  8  Reagenzröhrchen  (Agar,  Glj^cerinagar,  Blut- 
serum etc.)   ausgestrichen.      Die   inficirten   Röhrchen   kommen  in   den 


1)  Centralbl.  t.  Bakt     Bd.  1.     1887.     p.  610. 

•-)  Mtth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1881.    p. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  161 

Brutschrank.  In  den  letzten  Röhrclien  kommen  isolirte  Colonien  zm- 
Entwickelung.  ^) 

Will  man  Bakteriencnlturen  conserviren,  so  geht  man 
gewöhnlich  so  vor,  dass  man,  sobald  das  Wachsthnm  eine  gewisse 
Höhe  erreicht  hat,  die  Culturgefässe  gegen  die  Atmosphäre  luftdicht 
abschliesst.  Das  Letztere  geschieht  entweder  durch  sorgfältiges  Ver- 
kitten der  Deckel  etc.  mit  Paraffin  oder  durch  Zuschmelzen  der  Oeff- 
nungen  der  G-efässe.  Das  Zuschmelzen  lässt  sich  aber  gewöhnlich  nur 
bei  Reagenzgiasculturen  bewerkstelligen.  Durch  den  luftdichten  Ver- 
schluss des  Culturgefässes  wird  eine  Verdunstung  der  in  dem  Nähr- 
boden enthaltenen  Feuchtigkeit  sowie  die  Möglichkeit  der  Verunreinigung 
dauernd  ausgeschlossen.  Ausserdem  wird  der  weiteren  Entwickelung 
der  Cultm*  durch  den  luftdichten  Abschluss  meist  bald  ein  Ziel  ge- 
setzt (Abschluss  von  Sauerstoff).  Um  den  Ausbau  der  hierher  ge- 
hörigen Conservirungsmethoden  haben  sich  besonders  verdient  gemacht 
Soyka^),  Soyka  und  Kral"),  Kräl'^),  Czaplewski.^)  Man 
kann  sich  nach  diesen  Methoden  sehr  schöne  Sammlungen  bakterio- 
logischer Culturen  anlegen  („bakteriologische  Museen").  Die  Culturen 
behalten  unter  luftdichtem  Verschluss  sehr  lange  Zeit  ihre  Uebertrag- 
barkeit  bei. 

Eine  von  dem  geschilderten  Princip  abweichende  Methode  der  Con- 
servirung  von  Bakteriencnlturen  hat  Häuser**)  angegeben.  Hauser 
benutzt  zu  diesem  Zwecke  Formaldehyddämpfe.  Der  Formaldehyd, 
welcher  in  c.  40proc.  Lösung  unter  dem  Namen  „Formalin"  im  Handel 
zu  haben  ist,  ist  bekannthch  (cf.  oben  p.  34)  em  ziemlich  energisch 
bakterientödtendes  Mittel.  Werden  Bakteriencnlturen  den  Dämpfen  des 
Formalins  ausgesetzt,  so  erfolgt  zunächst  Entwickelungshemmung,  dann 
Abtödtung  der  Culturen.  Sehr  mchtig  ist  nun  die  Thatsache,  dass, 
obgleich  eine  Abtödtung  des  Bakterienmaterials  erfolgt,  der  Eindruck, 
den  die  Cultur  dem  Auge  gewährt,  völlig  erhalten  bleibt ;  eine  fernere 
wichtige  Thatsache  ist  die,  dass  Grelatine,  die  durch  Bakterienwachsthmn 
verflüssigt  worden  ist,  unter  dem  Einflüsse  der  Formalindämpfe  wieder 


^)  Selbstverständüch  kann  man  zum  Zwecke  der  Isolirung  pathogeuer  Keime 
nach  diesem  Princip  auch  Agar  verwenden,  welches  geschmolzen,  dann  in  Schälchen 
ausgegossen  und  dort  zur  Erstarrung  gebracht  wurde.  Wegen  der  Aufstellung  solcher 
Schälchen  im  Brütschrank  vgl.  p.  159,  Anm.  2. 

-)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  1.     1887.     No.  18. 

^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  4.     188S. 

*)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  5.     1889. 

^)  Centralbl.  f,  Bakt.     Bd.  6.     1889.     No.  15. 

•^)  Münchener  med.  Wochenschr.     1893.     No.  30. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  11 


162  A.  Allgemeines. 

vollständig  fest  wird/)  dass  aber  auch  hierbei  der  optische  Eindruck 
der  flüssigen  Gelatine  völlig  erhalten  bleibt.  Bezüglich  des  praktischen 
Vorgehens  bei  der  Fornialinmethode  hat  Hause  r  folgende  Vorschriften 
gegeben:  Plattengüsse  in  Schälchen,  die  conservirt  werden  sollen, 
erhalten  unter  dem  Deckel  eine  Einlage  von  Filtrü-papier,  auf  welches 
man  10 — 15  Tropfen  Formalin  träufelt;  hierauf  bringt  man  die  ge- 
schlossenen Schalen  in  eine  mit  stark  angefeuchtetem  Fliesspapier  aus- 
gekleidete feuchte  Kammer  (grosse  Doppelschale  Q).  133]);  in  diese 
stellt  man  noch  ein  offenes  Schälchen,  in  welches  man  etwas  Watte 
legt,  die  mit  Formalin  angefeuchtet  wird.  Zu  conservirende  Reagenz- 
glasculturen  werden  mit  losem  Wattepft-opf,  der  am  unteren  Ende 
mit  8  — 10  Tropfen  Formalin  angefeuchtet  wird,  geschlossen,  dann  in 
ein  cylindrisches,  luftdicht  zu  verschliessendes  Grefäss  eingestellt,  auf 
dessen  Boden  sich  Watte,  die  mit  Formahn  befeuchtet  ist,  befindet; 
täghch  werden  hier  einige  Tropfen  Formalin  zugegossen.  —  Die  For- 
maUnmethode  eignet  sich  vortrefflich  dazu,  Bakterienculturen  für 
kürzere  Zeit  (z.  B.  zu  Demonstrationszwecken)  zu  conserviren.  Selbst- 
verständlich ist  auch  hier,  wenn  man  wirkliche  Dauei-präparate  wünscht, 
ein  luftdichter  Abschluss,  der  das  allmähliche  Vertrocbien  verhindert, 
nicht  zu  entbehren. 

Man  hat  auch  versucht,  Culturen  in  festem  Nährboden  in  Form 
des  mikroskopischen  Präparates  zu  conserviren.  Handelt 
es  sich  um  Plattenculturen,  so  muss  die  zu  conservirende  Stelle 
mit  dem  Messer  umschnitten  und  dann  zwischen  Objectträger  und  Deck- 
glas (in  Glycerin  z.  B.)  eingeschlossen  werden.  Derartige  Methoden 
haben  Garre^),  Plaut''),  Lipez^),  Jacobi'^)  sowie  der  Verf.*^) 
angegeben.  Haus  er')  hat  gefunden,  dass  sich  auch  für  diesen  Zweck 
ganz  besonders  gut  die  (vorstehend  besprochene)  Formalinmethode 
eignet:  Die  Culturplatte  wird  zunächst  durch  Formalindämpfe  ge- 
härtet; dann  wii-d  die  zu  conservirende  Stelle  mit  einem  Messer  um- 
schnitten, vorsichtig  von  dem  Glase  abgelöst,  auf  den  Objectträger 
gelegt,  mit  geschmolzener  Gelatine  eingeschlossen  und  mit  einem  Deck- 


^)  Auch  durch  Erhitzen  lässt  sich  solche  „Formahn -Gelatme",  wie  Hauser 
weiterhin  (Münch.  med.  Wochenschr.  1893.  No.  35)  festgestellt  hat,  nicht  mehr 
flüssig  machen. 

■-)  Fortschr.  d.  Med.     18S6.     No.  12. 

-)  Fortschr.  d.  Med.     18S6.     No.  13. 

*)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  1.     1887.     No.  13. 

•^)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  3.     1888.     No.  17. 

•*)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1889.     No.  20. 

')  Münch.  med.  Wochenschr.     1893.     No.  35. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  163 

glase  bedeckt.  Hierauf  stellt  man  das  Präparat  noch  etwa  24  Stunden 
in  die  Fomialinkammer,  wo  die  zum  Einschluss  benutzte  Gelatine  eben- 
falls erstarrt  mid  unlöslich  wird.  Zum  Schlüsse  wird  das  Präparat 
durch  einen  Lackrahmen  (cf.  p.  68,  Anm.  2)  vor  Eintrocknung  ge- 
schützt. —  Handelt  es  sich  um  Eeagenzglasculturen,  die  in 
Form  des  mikroskopischen  Präparates  conservirt  werden 
sollen,  so  muss  die  die  Cultur  enthaltende  Gelatine  zimächst  gehärtet 
und  dann  in  Schnitte  zerlegt  werden.  Solche  Methoden  haben  FischP) 
und  Neisser^)  publicirt. 

Die  bisher  besprochenen  Culturmethoden ,  speciell  die  Platten- 
methode, gehen  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  wir  solche  Organismen 
zu  untersuchen  haben,  welche  an  der  Luft  zu  wachsen  ver- 
mögen. Wir  haben  nun  früher  bereits  (p.  22)  gesehen,  dass  es  eine 
gTOsse  Eeihe  von  Bakterienarten  giebt,  denen  dies  Vermögen  abgeht, 
die  im  Gegentheil  durch  die  Gegenwart  freien  Sauerstoffs  in  ihrer  Ent- 
wickelung  gehemmt  werden.  Es  sind  dies  die  sogenannten  Anaeroben 
(auch  „obligate",  „strenge"  Anaeroben  genannt).  Haben  wir 
solche  Organismen  zu  züchten,  so  kann  dies  natüi'lich  nicht  in.  der  ge- 
wöhnhchen  Weise  auf  der  Platte  geschehen;  denn  der  atmosphärische 
Sauerstoff,  welcher  zu  der  Platte  ungehinderten  Zutritt  hat,  würde  ein 
jedes  Wachsthum  von  vornherein  iahibiren.  Will  man  derartige  Or- 
ganismen zum  Wachsthum,  zur  Vermehrung  briagen,  so  muss  man 
den  atmosphärischen  Sauerstoff  von  dem  Orte,  an  dem  das  Wachsthum 
geschehen  soll,  sorgfältigst  fernhalten. 

Nach  verschiedenen  Principien  kann  dies  geschehen.  Man  kann, 
wie  dies  zuerst  (1878)  Pasteur,  Joubert  und  Chamberland'^) 
thaten,  den  inficirten  Nährboden  in  einen  Raum  bringen,  der  nachher 
luftleer   gepumpt  wii'd;^)    oder  man  kann,   nach   Büchner,'^)    aus 

^)  Fortschr.  d.  Med.     1887.     No.  20. 

2)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  3.     1888.     No.  16. 

^)  Comptes  rendus  de  l'Acad.   des  sciences.     Paris,    t.  86.     1878.     p.  1038  ff. 

*)  Gruber  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  1.  1887.  No.  12)  benutzt  zu  diesem 
Zwecke  lange,  im  oberen  Drittel  verengte  Keagenzgläser,  welche  —  nach  der  Be- 
schickung der  in  ihnen  befindlichen  Näkrgelatine  mit  dem  Bakterienmaterial  —  mit 
der  Luftpumpe  in  Verbindung  gesetzt  und  nach  dem  Evacuiren  an  der  verengten 
Stelle  luftdicht  abgeschmolzen  werden.  Dann  wird  die  Gelatine  in  ihnen  nach  der 
Esmarch' sehen  Methode  (oben  p.  156)  ausgerollt.  —  Einen  einfachen  Apparat 
für  die  Anstellung  von  Culturen  im  luftleeren  Eanme,  der  auch  zur  Herstellung  einer 
Wasserstoffatraosphäre  (cf.  oben  im  Text  weiter)  zu  benutzen  ist,  hat  Novy  (Cen- 
tralbl. f.  Bakt.  Bd.  14.  1893.  p.  592  und  Bd.  16.  1894.  p.  566)  angegeben.  — 
Einen  ähnlichen  Apparat  gab  bereits  vorher  (1892;  Virch.  Arch.  Bd.  128)  Nico- 
laier an  (cf.  Centralbl..  f.  Bakt.    Bd.  15.    1894.    p.  227). 

ö)  Cenü-albl.  f.  Bakt.     Bd.  4.     1888.     No.  5. 

11* 


Jß4  -^-  Allgemeines. 

dem  Eaume,  in  welchem  der  inficirte  Nährboden  resp.  das  Cnltur- 
gefäss  (z.  B.  eine  nach  Esmarch  angelegte  Rollplatte)  steht,  den 
Luftsauerstoff  fortschaffen  durch  alkalische  Lösung  von  Pyro- 
gallol  (1  g  Pn-ogallol,  1  ccm  Liqu.  Kai.  caust.,  10  ccm  Wasser), 
welche  bekanntlich  ein  ausserordenthch  sauerstoffgieriges  Medium  ist.  i) 
Man  kann  aber  den  Luft.sauerstoff  resp.  die  atmosphärische  Luft  auch 
entfernen,  indem  man  in  den  den  Nährboden  umgebenden  Raum  ge- 
nügend lange  Zeit  reinen  Wasserstoff^)  einleitet,  indem  man 
eventuell  sogar  dm'ch  den  Nährboden  selbst  (bei  Gelatine  vor  der  Er- 
starrung) Wasserstoff  durchleitet.  Wird  nachher  ein  sicherer  Verschluss 
nach  aussen  hin  hergestellt  (durch  Zuschmelzen  der  Glasgefässe,  durch 
Verkitten  der  Oeflhungen  mit  Paraffin),  so  gedeihen  die  Anaeroben  in 
ausgezeichneter  Weise  in  dieser  Wasserstoffatmosphäre.  ■^) 


^)  Diese  vortreffliche  Buchner'scbe  Methode  ist  später  von  Nikiforoff 
(Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  8.  1890)  zur  Cultivirung  der  Anaeroben  im  hängen- 
den Tropfen  verwendet  worden.  Nikiforoff  umstreicht  die  Höhlung  des  hohl- 
geschüffenen  Objectträgers  wie  gewöhnlich  (cf.  oben  p.  53)  mit  Vaselin  und  drückt 
dann  das  mit  dem  geimpften  (inficirten)  Tropfen  versehene  Deckglas  (cf.  oben  p.  155) 
so  auf  diesen  Objectträger,  dass  die  Höhlung  des  letzteren  an  einer  Stelle  nicht 
vöUig  vom  Deckglase  verschlossen  wird.  Diese  freigelassene  Stehe  wird  nun  an 
ihrem  einen  Ende  mit  starker  wässeriger  PyrogaUoUösung  (mit  Hülfe  einer  Platin- 
öse) betupft,  während  an  das  andere  Ende  ein  Tröpfchen  Kalilauge  gebracht  wird. 
Sodann  wird  durch  Verschiebung  des  Deckgläschens  die  Höhlung  des  Objectträgers 
vöUig  verschlossen.  Es  mischen  sich  dann  die  beiden  Eeagentien  mit  einander;  sie 
bleiben  an  der  BerührungssteUe  von  Objectti'äger  und  Deckglas  hängen,  kommen 
mit  dem  Culturtropfen  nicht  in  Berührung. 

^)  Der  aus  „reinem"  Zink  und  „reiner"  Schwefel-  oder  Salzsäure  bereitete 
Wasserstoff  wird  (nach  C  Fränkel;  Centralbl.  f.  Baki:.  Bd.  3.  1888.  p.  768)  be- 
hufs der  Eeinigung  von  eventuellen  Verunreinigungen  am  besten  durch  3  Wasch- 
flaschen geleitet,  welche  der  Eeihe  nach  enthalten  1)  alkalische  Bleilösung  (zur  Ab- 
sorption etwaiger  Schwefelwasserstoffspuren),  2)  Silbernitratlösung  (zur  Absorption 
etwaigen  Arsen  Wasserstoffs),  3)  alkahsche  PyrogaUoUösung  (zur  Absorption  etwaigen 
Sauerstoffs). 

^)  BezügHch  der  vielfachen  hierfür  angegebenen  Methoden,  um  deren  ersten 
Ausbau  sich  namentUch  H.  und  E.  Buchner,  Hauser,  Liborius,  Eoux  (1885 
bis  1887)  verdient  gemacht  haben,  verweise  ich  im  Allgemeinen  auf  Hueppe's 
„Methoden  der  Bakterienforschung",  5.  Aufl.  1891.  p.  361  ff.  —  Kitasato  (Zeitschr. 
f.  Hyg.  Bd.  7.  1889.  p.  227)  gab  zur  Anlegung  von  Plattenculturen  flache 
Glasgefässe  an,  durch  welche  Wasserstoff  hindurch  geleitet  wird,  und  die  dann  luft- 
dicht zugeschmolzen  werden.  —  Gabritschewsky  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  10. 
1891.  p.  249)  hat  (sehr  empfehlenswerthe)  Culturschalen  für  Wasserstoffdurchleitung 
und  gleichzeitige  Sauerstoffabsorption  durch  Pyrogallol  angegeben,  bei  welchen  eine 
Zuschmelzung  nicht  vorgenommen  zu  werden  braucht.  —  Aehnliche  Schälchen,  bei 
denen  aber  nur  Wasserstoffdurchleituug ,  nicht  Pyrogallol  zur  Verwendung  gelangt, 
hat  Kamen  (Centralbl.  f.  Bakt.   Bd.  12.  1892.  No.  9)  beschrieben.  —  Eine  höchst 


V.  Allgeiueine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  165 

Es  ist  an  dieser  Stelle  darauf  hinzuweisen,  dass  man  nicht 
etwa  Kohlensäure  zur  Verdi'ängung  des  Luftsauerstoffs  benutzen 
darf.  Es  hat  sich,  besonders  durch  umfassende  Untersuchungen,  die 
C.  Eränkel^)  angestellt  hat,  gezeigt,  dass  die  Kohlensäure,  wie  für 
andere  Organismen,  so  auch  für  die  Bakterien  im  Allgemeinen 
ein  Gift  ist,  und  dies  sowohl  für-  Aeroben  wie  Anaeroben.-)  Der 
Wasserstoff  ist  jedoch,  wie  für  andere  Organismen,  so  auch  für  die 
Bakterien  ein  völlig  indifferentes  Gas. 

Von  Plattenculturen  kann  man  den  Luftsauerstoff  nach 
Koch'')  dadurch  fernhalten,  dass  man  auf  die  Gelatine  etc.  ein  dünnes 
Glimmerplättchen,  welches  vorher  durch  Ausglühen  sterilisirt 
wurde,  auflegt.  Dasselbe  muss  natürlich  eine  grössere  Ausdehnung 
besitzen.  Unter  demselben  kommen  die  Anaeroben  zur  Entwickelung. 
Das  geschilderte  Verfahren  lässt  sich  auch  sehr  gut  zur  Prüfimg  des 
Sauerstoffbedürfnisses  bestimmter  neu  aufgefimdener  Arten  benutzen.^) 
Ganz  besonders  gut  für  den  letztgenannten  Zweck  eignen  sich  auch 
die  bereits  oben  (jd.   130,   153)  erwähnten  Gährungskölbchen.^) 


einfache  Methode  der  Wasserstoffbenutzung  hat  Fuchs  (Dissert.  Greifswald.  1890) 
angegeben.  Siehe  hierüber  Loeffler  (Centr.  f.  Bakt.  Bd  7.  1890.  No.  20.  p.  635): 
„Die  Methode  besteht  darin,  dass  das  besäete  Köhrchen  umgedreht,  und,  nachdem 
einige  Minuten  hindurch  Wasserstoff  mit  einem  Glasrohr  eingeleitet  worden  ist. 
mit  einem  Gummistopfen  von  unten  her  fest  verschlossen  wird.  Der  Gummistopfen 
kann  zur  Vorsicht  noch  paraffinirt  werden."  —  Blücher  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  8. 
1890)  cultivirt  Anaeroben  auf  der  Platte  (Petri'sches  Schälchen),  auf  Kar- 
toffeln etc.  unter  einer  Glasglocke,  in  welche  Wasserstoff  eingeleitet  wird,  und 
deren  Inneres  durch  eine  wässerige  Glyceriulösung  (1  Glycerin  +  3  bis  4  Wasser) 
gegen  die  äussere  Luft  abgesperrt  wird.  —  Botkin  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  9.  1890) 
hat  ein  ähnliches  Verfahren  angegeben,  bei  welchem  Paraffin  um  liquidum  als 
Absperrflüssigkeit  verwandt  wird. 

1)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  5.     1888. 

^)  Das  gilt  jedoch  nicht  ohne  Ausnahme.  Es  giebt  Anaeroben,  welche  ganz 
gut  in  der  Kohlensäureatmosphäre  gedeihen. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     188-1.    p.  502. 

■*)  Nach  neueren  Mittheilungen  von  Braatz  (Centralbl.  f.  Bakt.  1.  Abth. 
Bd.  17.     1895.    p.  741)  ist  das  Letztere  nicht  der  Fall. 

^)  Allerdings  gilt  dies  nur  für  den  Fall,  dass  die  zu  untersuchende  Art  eigen- 
beweglich ist.  Hat  man  kurz  vor  der  Impfung  des  Gährungskölbchens  dafür  ge- 
sorgt, dass  der  in  der  Nähi-flüssigkeit  enthaltene  fi-eie  Sauerstoff  durch  Erhitzung 
des  Kölbcheus  im  Dampftopf  entfernt  wurde,  so  findet  man,  sobald  man  eine  streng 
Sauerstoff  bedürftige  Art  einimpft,  dass  eine  Vermehrung  der  Bakterien  nur  in  der 
Kugel  des  Gährungskölbchens,  d.  h.  in  demjenigen  Theile  desselben,  der  mit  dem 
freien  atmosphärischen  Sauerstoff  in  dauerndem  Contact  ist,  eintritt;  die  Flüssigkeit 
in  dem  aufsteigenden  (geschlossenen)  Schenkel  des  Kölbchens  bleibt  in  solchen  Fällen 
absolut  klar.  Umgekehrt  sieht  man  bei  solchen  Arten,  die  auch  unter  Abschluss 
von  freiem  Sauerstoff  zu  gedeihen  vermögen  (die  meisten  pathogenen  Arten  verhalten 


IQQ  A.  Allgemeines. 

Sehr  bequem  zur  Züchtung  der  Anaeroben,  wenn  auch  zur  Iso- 
lirung  der  Keime  aus  emem  Gemische  weniger  brauchbar,  ist  eine 
andere  Methode,  bei  welcher  der  Sauerstoif  der  atmosphärischen  Luft 
von  der  Cultur  durch  da  rüber  geschichtetes  festes  Nährsubstrat 
abgeschlossen  wird.i)  Nach  diesem  einfachen  Principe  kann  man  z.  B. 
aus  Keinculturen  von  Anaeroben  Stichculturen  in  jedem  Grelatineröhr- 
chen  anlegen.  Man  sticht  das  Material  in  der  gewöhnlichen  Weise 
mit  dem  Platindraht  tief  in  die  Gelatine  ein  und  sieht  nachher  in  den 
tieferen  Schichten  der  Gelatine,  zu  denen  der  atmosphärische  Sauer- 
stoff keinen  Zutritt  hat,  bis  etwa  1  '/2  cm  von  der  Gelatineoberfläche 
entfernt,  von  dem  Impfstiche  das  Wachsthum  der  anaeroben  Cultur 
ausgehen,  während  in  den  oberen  Schichten  der  Gelatine,  die  mit  dem 
atmosphärischen  Sauerstoff  in  Berührung  sind,  jedes  Wachsthum  unter- 
bleibt. Man  kann  auch  das  Bakterienmaterial  in  geschmolzener  Gelatine 
vertheilen  und  die  Gelatine  dann  wieder  erstarren  lassen.  Man  beob- 
achtet dann  in  den  unteren  Partien  der  Gelatine  die  Entwicklung 
mehr  oder  weniger  von  einander  isolirter  Colonien.  Eine  solche  Cultur 
zeigt  z.  B.  Fig.  39  auf  Taf.  VII.  Kommt  es  Einem  darauf  an,  von 
derartigen,  isolirten  Colonien  Abimpfungen  zu  machen  (um  das  Material 
in  reinem  Zustande  zu  erhalten),  so  ist  es  vielleicht  das  Zweckmässigste, 
das  Eöhrchen  etwas  zu  erwärmen,  so  dass  die  gesammte  Masse  des 
Nährbodens  aus  dem  Röhrchen  herausgleiten  kann.  Dann  ist  es  leicht, 
einzelne  Colonien  behufs  isoKrter  Abimpfung  mit  dem  Platindraht  zu 
treffen.  ^) 

Es  empfiehlt  sich  zur  Cultur  anaerober  Organismen  den  Nähr- 
böden gewisse  reducirende  Substanzen  zuzusetzen. 
Das  Wachsthum  erfolgt  dann  schneller.     Liborius")  fand  einen  Zu- 


sich  ja  so  [cf.  p.  22]) ,  dass  auch  in  dem  aufsteigenden ,  d.  h.  von  der  Atmosphäre 
abgeschlossenen,  Schenkel  des  Kölbchens  Vermehrung  der  Bakterien,  d.  h.  Trübung 
der  Nährlösung,  eintritt.  —  Beyerinck  hat  die  Gährungskölbchen  auch  dazu  be- 
nutzt, um  streng  anaerobe  Bakterienarten  aus  Bakteriengemischen  rein  zu  cultivireu. 
Von  dem  genannten  Autor  angegebene  (Centralbl.  f.  Bakt.  Abth.  II.  Bd.  1.  1S95. 
p.  104  ff.)  raodificirte  Gährungskölchen  (sog.  „Trennungskölbchen")  gestatten, 
die  in  dem  geschlossenen  Schenkel  entwickelten  strengen  Anaeroben  von  anderem, 
mitcultivirtem,  aerobem  Materiale  zu  trennen. 

^)  Diese  Methode  wurde  zuerst  von  W.  und  E.  Hesse  (Deutsche  med.  Wochen- 
schrift. 1885.  No.  14)  angegeben,  dann  von  Liborius  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  1. 
1886.    p.   119  ff.)  weiter  ausgebildet. 

2)  Sanfelice  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  14.  1S93.  p.  346)  benutzt  diese  Methode 
zur  behebigen  Herstellung  von  Eeinculturen  anaerober  pathogener  Bakterienarten, 
und  zwar  unter  Verwendung  von  Agar. 

»)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  1.     1S86.     p.  168. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  167 

satz  von  2°/^  Traubenzucker  zu  der  Xährgelatine  wachsthums- 
beschleunigend ;  K  i  t  a  s  a  t  o  und  W  e  y  1  ^)  haben  später  für  den  gleichen 
Zweck  einen  Zusatz  von  0,3 — 0,5 ^/q  ameisensaurem  Natron  zu 
Nähragar  empfohlen.  Kurz  vor  der  Benutzung  sollen  die  zur  Anaeroben- 
cultur  zu  verwendenden  Nährböden  stets  kurz  aufgekocht  werden  (zur 
Austreibung  gelösten  Sauerstoffs),  sodann  sollen  sie  schnell  abgekühlt 
werden. 

Die  Cultm-en  der  Bakterien,  aerober  sowohl  -wie  anaerober,  können 
nun,  mag  es  sich  um  Platten-  oder  Reagenzglasculturen  oder  um 
Kartoffelculturen  in  der  feuchten  Kammer  handeln,  bei  den  verschie- 
densten Temperaturen  gezüchtet  werden.  Die  gebräuchlichsten 
sind  die  Zimmertemperatur  (18  —  22*^  C.)  und  die  Brüt- 
(Blut-)  Temperatur  (c.  35 — 38 ^C).  Gelatineculturen  eignen  sich 
natürlich  nicht  zur  Züchtung  bei  Brüttemperatm-,  da  die  Gelatine  schon 
bei  25^  C.  sehr  weich  und  bei  wenig  höherer  Temperatur  flüssig 
wird.  Bei  22^  C.  kann  man  dagegen  die  Gelatineculturen  noch  sehr  gut 
halten.  Und  bei  dieser  Temperatur  zeigen  auch  fast  alle  diejenigen 
Organismen,  die  am  besten  bei  Brüttemperatur  gedeihen,  d.  h.  die  für 
Warmblüter  pathogenen,  noch  Wachsthmn.  Für  Züchtungen  bei  Brüt- 
temperatur nimmt  man  Agar,  Bouillon,  Blutserum,  Kartoffeln  etc. 
Die  Nährböden  kommen  hierbei  am  besten  in  Reagenzröhrchen  resp. 
in  Petri'schen  Schälchen  (bei  Agarplatten)  eingeschlossen  zur  Ver- 
wendung; denn  irgend  welche  Verunreinigungen  der  Cultur  machen 
sich  bei  Brüttemperatur  gleich  in  viel  ausgedehnterem  Masse  geltend 
als  bei  Zimmertemperatur,  und  die  genannten  Dispositionen  schützen 
die  Nährböden  am  besten  vor  Verimreinigungen.  Ist  das  Wachsthum 
der  zu  züchtenden  Art  ein  sehr  langsames,  so  ist  ein  langer  Aufenthalt 
in  dem  künsthch  auf  Brüttemperatur  erwärmten  Räume  (Brütschrank, 
Brütofen)  nothwendig,  und  dabei  trocknen  dann  die  Nährböden  ge- 
wöhnlich ziemlich  schnell  ein.  Besonders  ihre  Oberfläche  wird  dann 
bald  so  wasserarm,  dass  sie  das  Bakterienwachsthum  nicht  mehr  ge- 
stattet. Man  muss  in  solchen  Fällen  die  Züchtung  in  Reagenzgläsern 
vornehmen  und  von  vornherein  für  einen  luftdichten  Verschluss 
derselben  sorgen.  Nothwendig  wird  dies  z.  B.  bei  der  künstlichen 
Züchtung  der  Tuberkelbacillen  auf  Blutserum,  auf  Glycerinagar.  Man 
überzieht  dann  die  Oeffnung  des  Reagenzglases,  nachdem  man  den 
Wattepfropf  tief  hineingestossen  hat,  mit  einer  Gummikappe.  Würde 
man  dies  aber  ohne  besondere  Vorsichtsmassregeln  thun,  so  würden 
sich  die  an  dem  Wattepfropf  aussen  aufsitzenden,  aus  der  Luft  stani- 


1)  Zeitscbr.  f.  Hyg.     Bd.  8.     1890.     p.  43. 


Ißg  A.  Allgemeiues. 

menclen  Keime  in  der  geschaffenen  feuchten  Kammer  baldigst  zu  ent- 
wickeln beginnen,  und  es  würden  mm  namentlich  die  Pilzmycehen  die 
Poren  des  Pfropfs  durchwuchern  und  die  Cultur,  deren  Züchtung  wir 
beabsichtigten,  verderben  resp.  gar  nicht  zu  Stande  kommen  lassen. 
Deshalb  geht  man  in  solchen  Fällen  so  vor,  dass  man  den  mit  der 
Pincette  gefassten  Wattepfi'opf  zunächst  äusserlich  in  der  Flamme 
abbrennt,  um  alle  anhaftenden  Keime  zu  vernichten,  dann  ihn  in  den 
erhitzten  Hals  des  Röhrchens  hineinschiebt  und  schliessHch  eine 
Gummikappe  überzieht,  welche  stundenlang  in  Sublimatlösung  ge- 
legen hat. 

Der  Brütschrank,  dessen  man  sich  zu  Culturzwecken  bedient, 
(Brütofen,  Wärmeschrank,  Vegetationskasten,  Thermo- 
stat) kann  verschieden  construirt  sein.  Wesentlich  ist  ein  abgeschlos- 
sener, gegen  Wärmeabgabe  nach  aussen  möglichst  gesicherter  Raum, 
dessen  Inneres  auf  constanter  Temperatur  erhalten  wii'd.  Meist 
sind  fiii-  diesen  Zweck  doppelwandige ,  aussen  mit  Filz  oder  Asbest 
bekleidete  Kästen  von  starkem  Kupferblech \)  in  Gebrauch,  die  mit 
einer  vom  angebrachten  Doppelthür  versehen  sind.  Zwischen  den 
beiden  Wandungen  des  Kastens  befindet  sich  Wasser,  in  welchem  auf 
der  einen  Seite  ein  aussen  ablesbares  Thermometer,  auf  der 
anderen  ein  (noch  zu  besprechender)  Thermoregulator  steht. 
Der  ganze  Kasten  steht  auf  einem  Vierfussgestell  und  wfrd  erwärmt 
durch  eine  besondere  Siehe rheits-  (Gas-)  Lampe,  zu  der  das 
Gas  durch  den  Thermoregulator  hindurch  gelangt.  Die  Lampe  ist  so 
eingerichtet,  dass  bei  zufälligem  Verlöschen  der  Flamme  (durch  vor- 
übergehendes Absperren  der  Leitung  etc.)  der  Hahn  automatisch  ge- 
schlossen wird. 

Man  hat  auch  Brütschränke  construirt,  in  welche  das  Mikro- 
skopstativ so  eingesetzt  werden  kann,  dass  der  Objecttisch  und 
seine  Umgebung,  speciell  das  auf  dem  Objecttisch  befindliche  Präparat 
mit  dem  (lebenden)  bei  Brüttemperatur  zu  beobachtenden  Object, 
innerhalb  des  Brütraumes,  das  Ocularende  des  Tubus  aber,  femer  die 
Mikrometerschraube  ausserhalb  des  Brütraumes  befindlich  sind.  Solche 
Brütapparate  gestatten  die  continuirliche  Beobachtung  lebender  Objecte, 
z.  B.  Culturen  im  hängenden  Tropfen  (cf.  oben  p.  155)  etc.,  bei  Brüt- 
temperatur. Unter  den  für  derartige  Zwecke  constnürten  Vorrich- 
tungen möchte   ich   speciell  die  von  Friedrich'-)  angegebene  „Heiz- 


*)  Die  früher  gebräuchlichen  Brütschränke  aus  verbleitem  Eisenblech  sind  nicht 
zu   empfehlen.     Sie  rosten  sehr  leicht  und  erfordern  dann  fortwährend  Reparaturen. 
'-)  Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  S.     1S92. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  169 

vorriclitiing  des  Mikroskopes  zu  bakteriologischen  Untersuchungen'' 
empfehlen. 

Der  Thermoregulator  kann  nach  verschiedenen  Principien 
construirt  sein.  Am  zuverlässigsten  sind  und  am  genauesten  wirken 
die  electrischen  Thermoregulatoren.  Bei  diesen  steht  innerhalb 
des  Wassermantels  des  Thermostaten  ein  sogenanntes  Contactthermo- 
meter,  d.  h.  ein  Quecksilberthermometer,  dessen  Quecksilbersäule  bei 
der  Erreichung  einer  bestimmten,  bei  jedem  einzelnen  Instrumente  von 
dem  Verfertiger  ein  für  alle  Mal  fest  eingestellten,  Temperatur  mit 
einem  Platindraht  in  Contact  tritt.  Dadurch  wird  dann  ein  galva- 
nischer Strom  geschlossen,  welcher  seinerseits  einen  Electromagneten 
in  Thätigkeit  setzt,  der  die  Gaszufuhr  zur  Heizflamme  des  Thermo- 
staten absperrt  oder  vielmehr  auf  ein  Minimum  reducii't.  Wenn  dann 
der  Wassermantel  sich  wieder  unter  die  genannte  Temperatur  abgekühlt 
hat,  so  wird  der  Contact  aufgehoben,  der  Electromagnet  tritt  ausser 
Thätigkeit,  die  Heizflamme  erlangt  ihre  ft'ühere  Grösse  u.  s.  f.  Mit 
Hülfe  der  electrischen  Thermoregulatoren  kann  man  die  Brütschrank- 
temperaturen bis  auf  Zehntel  Grade  genau  einstellen. 

Weniger  strengen  Anforderungen,  aber  immerhin  den  meisten 
Bedürfnissen  des  bakteriologischen  Laboratoriums,  genügen  die,  im 
Principe  von  Bunsen  und  Lothar  Meyer  stammenden,  Thermo- 
regulatoren, bei  welchen  der  Gaszufluss  zur  Heizflamme  bei  Erreichung 
der  gewünschten  Temperatur  durch  Quecksilber  abgesperrt  mrd. 
Diese  Regulatoren  sind  —  im  Gegensatz  zu  den  electrischen  —  vom 
Gasdruck  abhängig:  sie  lassen  bei  höherem  Gasdruck  mehr  Leuchtgas 
durch  als  bei  niedrigerem.  Ganz  besonders  möchte  ich  das  von 
H.  Rohrbeck^)  verfertigte  Modell  empfehlen.  Dasselbe  besteht  aus 
einem  starkwandigen ,  c.  14  mm  weiten,  c.  34  cm  langen,  vertikal 
stehenden  Glasrohr,  welches  unten  geschlossen  und  in  der  Mitte  durch 
eine  horizontale  gläserne  Scheidewand  abgetheilt  ist,  die  central  eine 
enge,  nach  unten  sich  in  ein  offenes  Glasrohr  fortsetzende  Oeffnung 
besitzt.  Der  Raum  unterhalb  der  Scheidewand  ist  beinahe  vollständig 
mit  Quecksilber  angefüllt,  welches  durch  das  erwähnte  Glasrohr  in 
den  oberen  Raum  gelangen  kann.  Auf  dem  unteren  Quecksilberhori- 
zont schwimmen  mehrere  Tropfen  Aether.  Der  ganze  Apparat  steht 
in  dem  auf  bestimmte  Temperatur  zu  erwärmenden  Wassermantel  des 
Thermostaten.  Je  mehr  mm  durch  die  Elanime  das  Wasser  erhitzt 
wird,  desto  mehr  dehnen  sich  die  Aetherdämpfe  aus;  dabei  wird  das 
Quecksilber   mehr   und   mehr  aus   dem  unteren  Räume  in  den  oberen 

')  Berlin  N.W.,  Karlstrasse  24. 


J70  ^-  Allgemeines. 

Raimi  liinaiifgedrückt.  Das  Leuchtgas  tritt  mm  in  den  oberen  Eaiun 
hinein  durch  ein  vertikal  stehendes,  dünnes,  eisernes,  in  einer  Stopf- 
büchse verschiebbares  Rohr,  welches  (in  verstellbarer  Höhe)  über  dem 
oberen  Quecksilberhorizonte  mündet.  Es  tritt  aus,  um  zu  der  Flamme 
zu  gelangen,  seitlich  neben  dem  eisernen  Eohre  aus  der  Wand  des 
Instrumentes.  Erreicht  nun  mit  zunehmender  Erwärmung  das  obere 
QuecksilbeiTiiveau  das  Ende  des  eisernen  Rohres,  so  wird  die  Oefl&iung 
desselben  verschlossen,  und  die  Flamme  würde  sofort  verlöschen,  wenn 
nicht  ein  feiner  vertikaler  Schlitz  in  dem  Rohre  noch  ein  wenig  Gas 
durchtreten  liese.  Die  Flamme  wird  also  nur  erheblich  reducirt.  Hat 
sich  dann  das  Wasser  wieder  etwas  abgekühlt,  so  tritt  das  Quecksilber 
wieder  zurück,  lässt  das  Gas  wieder  voll  ausströmen  u.  s.  f.  Da  das 
eiserne  Rohr  verstellbar  ist,  so  kann  man  den  Apparat  auf  beliebige 
Temperaturen  (natürlich  in  gewissen  Grenzen)  einstellen,  die  dann 
constant^)  bleiben. 

Hat  man  keine  Gasleitung  und  keinen  Thermoregulator  zur  Ver- 
fügung, so  kann  man  seinen  Brütap parat  sehr  gut  mit  einer 
Petroleumlampe  heizen,  deren  Flammenhöhe  empirisch,  der  ge- 
wünschten Temperatur  entsprechend,  eingestellt  wird.  Koch  ^j,  welcher 
bei  seinen  ersten,  grundlegenden  Untersuchungen  über  Milzbrand  sich 
dieser  Methode  bediente,  empfiehlt  dieselbe  auf  das  Wärmste.  Man 
hat  neuerdings  übrigens  auch  sehr  exact  arbeitende  Wärmeregulatoren 
für  Petroleumheizung  hergestellt. 

Am  Schlüsse  dieses  Kapitels  seien  noch  einige  Worte  der  Frage 
gewidmet,  auf  welche  Weise  am  zweckmässigsten  verfahren  wird,  wenn 
es  sich  darum  handelt,  Bakteriencultur en  zu  vernichten. 
In  den  Laboratorien  werden  die  Gefässe,  welche  die  zu  vernichtenden 
Culturen  enthalten,  gewöhnlich  zunächst  in  ^/^ßproc.  Säuresublimat- 
lösung (cf.  p.  132)  gethan,  in  der  sie  eine  Reihe  von  Tagen  verbleiben. 
Man  sorgt  dabei  selbstverständlich  dafür,  dass  die  Desinfectionsflüssig- 
keit  alle  Theile  der  Cultur  auch  wirklich  trifft.  In  der  Regel  ^vii'd 
man  auf  diese  Weise  innerhalb  weniger  Tage  das  Bakterienmaterial 
vernichtet  haben.  Sicherer  jedoch  geht  man  in  jedem  Falle,  wenn  man 
sich  auf  die  Wirkung  der  Sublimatlösung  nicht  verlässt,  sondern  die 
Vernichtung  durch  Hitze,  d.  h.  durch  Auskochen,  bewirkt.  Da  wir 
pathogenes  Material,  welches  eine  halbstündige  Erhitzung  im  strömen- 


^)  Die   Temperaturschwankungen   betragen   bei   Anwendung   des   beschriebenen 
Eegulators  im  Allgemeinen  nicht  über  0,5^  C. 

•-)  F.  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.     Bd.  2.     1S76.     p.  282. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtnng.  171 

den  Wasserdampf  oder  ebenso  langes  Kochen  unbeschädigt  vertrüge, 
nicht  kennen,  so  dürfte  es  das  Zweckmässigste  sein,  die  Vernichtung 
von  Culturen  pathogener  Bakterien  ganz  im  Allgemeinen  dadurch  zu 
bewirken,  dass  man  die  resp.  Gefässe  30  Minuten  lang  in  siedendes 
Wasser  oder  in  den  Dampftopf  bringt. 


4.  Anhang:  Die  Methoden  der  bakteriologischen 

Luft-,   Wasser-   und  Boden -Untersuchung  und   ihre 

Avichtigsten  Ergebnisse. 

a.  Luftiiutersiichung-. 

In  der  uns  umgebenden  Luft  finden  wir  stets  Keime  von  Mikro- 
organismen, Es  finden  sich  da  sowohl  Bakterienkeime  wie  Keime 
von  Schimmelpilzen  und  von  Hefen.  Dieselben  gelangen  dadurch 
in  die  Luft,  dass  sie  von  dem  Substrate,  auf  welchem  sie  sich  ent- 
wickelt haben,  durch  Luftströmungen  entfernt  werden.  Natürlich  kann 
dies  nur  geschehen,  wenn  die  Cultur  eingetrocknet  ist.  So  lange  der 
Nährboden  und  die  Cultur  feucht  sind,  ist  gewöhnlich  keine  Möglich- 
keit vorhanden,  dass  sich  Theilchen  der  Cultur  in  die  Luft  erheben. 
Die  geringen  Lebensansprüche  vieler  Bakterienarten  bringen  es  nun 
mit  sich,  dass  allenthalben  in  der  Natur,  wo  etwas  Feuchtigkeit  vor- 
handen ist,  Bakterien  zu  wachsen  vermögen.  Vertrocknet  eine  Bakterien- 
colonie,  wird  sie  durch  zufällige  Berührungen  zerkleinert,  in  Staub 
verwandelt,  so  genügt  der  geringste  Luftstrom,  die  Stäubchen  davon- 
zufahren, um  sie  an  irgend  welchem  anderen  Orte  abzusetzen. 

Die  für  die  Untersuchung  der  Luft  auf  Bakterien  angegebenen 
Methoden  siad  sehr  zahlreich.  Will  man  nur  qualitative  Auf- 
schlüsse über  die  Keime  haben,  kommt  es  Einem  nur  darauf  an,  zu 
ermitteln,  welchen  Arten  die  in  einer  bestimmten  Luft  enthaltenen 
Keime  angehören,  so  empfiehlt  sich  die  zuerst  von  Koch^)  geübte 
„Absitzmethode".  Man  bedeckt  den  Boden  eines  sterilisirten 
Glasschälchens  mit  geschmolzener  Nährgelatine  und  lässt  nach  der 
Erstarrung  der  Gelatine  das  Schälchen  offen  an  dem  Orte  stehen, 
dessen  Luft  man  untersuchen  will.  Die  Keime  setzen  sich  dann  auf 
der  Gelatineoberfläche  ab.  Nach  bestimmter  Zeit  wird  dann  das 
Schälchen  geschlossen ,  und  die  Keime  müssen  sich  nun  oberflächlich 
auf  der  Gelatine  entwickeln,  sofern  sie  überhaupt  fähig  sind,  auf  diesem 
Nährboden  und  in  Gegenwart   des  Luftsauerstoffs  zu  wachsen.     Koch 


1)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     ISSl.     p.  33. 


"172  A.  Allgemeines. 

setzte  die  Schälclien  auf  den  Grund  eines  cj-linderförmigen  Glasgefässes 
und  mit  diesem  erst  der  Luft  aus.  Die  Luft  innerhalb  des  Cylinders 
ist  von  den  äusseren  Luftströmungen  mehr  oder  weniger  unabhängig, 
und  so  konnten  wenigstens  einigermassen  auch  quantitativ  vergleich- 
bare Kesultate  zwischen  den  an  verschiedenen  Orten  ausgeführten 
Untersuchungen  erhalten  werden.  Als  Nährboden  zeigte  sich  Weizen- 
infusgelatine  am  zweckmässigsten. 

Eine  Methode,  welche  bezüglich  der  Quantität  der  in  einem 
bestimmten  Luftvolumen  enthaltenen  Keime  erheblich  mehr  leistete, 
wurde  dann  von  W.  Hesse ^)  erfunden.  Hesse  saugt  vermittels 
eines  Aspirators  das  zu  untersuchende  Luftquantum  durch  ein 
horizontal  liegendes,  ca.  70  cm  langes,  3,5  cm  weites  Glasrohr, 
dessen  Innenwand  mit  Nährgelatine  ausgekleidet  ist.  Die  Keime  setzen 
sich  dabei  aus  der  Luft  auf  der  Gelatine  ab.  Xatm'gemäss  muss  die 
Geschwindigkeit  des  Luftstromes  sich  in  gewissen  Grenzen  halten,  weil 
sonst  Keime  aus  der  Röhre  wieder  austreten  könnten,  ohne  sich  auf 
der  Gelatine  abgesetzt  zu  haben. 

Ein  bequemeres  und  leistungsfähigeres  Verfahren  der  quanti- 
tativen Luft  Untersuchung  auf  Mikroorganismenkeime 
wurde  dann  von  Petri")  ausgearbeitet.  Das  Verfahren  ist  wohl  das 
beste  der  überhaupt  existirenden.  Petri  saugt  die  Luft  mit  Hülfe 
einer  Handluftpumpe,  die  einen  m  ihrem  Volumen  geaichten 
Kolben  besitzt  imd  dm'ch  eine  Kurbel  in  Bewegung  gesetzt  wird,  durch 
ein  Sandfilter,  in  welchem  die  Keime  zurückgehalten  werden.  Das 
mit  den  Keimen  beladene  Filter  wird  in  ein  „Petri"sches  Schälchen" 
(cf.  oben  p.  156)  gebracht,  der  Sand  wird  dann  mit  geschmolzener 
Xährgelatine  vermischt  und  gründlich  darin  vertheilt.  Die  sich  nach 
dem  Erstarren  der  Gelatine  entwickelnden  Colonien  können  dann 
gezählt  und  weiter  untersucht  werden.  Der  Sand  hat  eine  Kom- 
grösse  von  0,25  —  0,5  mm  imd  wird  vor  der  Verwendung  ausgeglüht. 
Derselbe  wird  in  zwei  dm'ch  kleine  Drahtnetze  gestützten  Schichten 
von  je  3  cm  Länge  und  1,5 — 1,8  cm  Durchmesser  in  ein  8 — 9  cm 
langes  Glasrohr  eingebracht  und  in  dieser  Anordmmg  zum  Filtriren 
der  Luft  verwendet.  Mcht  mehr  als  5 — 10  Liter  Luft  pro  Minute 
werden  durch  das  Filter  gesaugt,  so  dass  die  Geschwindigkeft'  des 
Luftstromes  im  Filter  0,7  m  pro  Secunde  nicht  übersteigt.  Bei 
den  einzelnen  Bestimmungen  werden  50 — 100  Liter  Luft  zur  Unter- 
suchung filtrirt. 


1)  Mitth.  a.  d.  Kais.  aes.-Amte.     Bd.  2.     1S84. 

-)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  2.  1SS7.  Xo.  5—6.  —  Zeitscbr.  f.  Hyg.  Bd.  3.  ISST. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzücbtung.  173 

Petri  bftt  bei  den  zahlreichen  Luftuntersuchungen,  die  er  nach 
seiner  Methode  anstellte,  und  bei  denen  er  stets  Controluntersuchungen 
nach  der  Absitzmethode  unternahm,  gefunden,  dass  bei  der  Filtrir- 
methode  relativ  mehr  Pilzsporen,  bei  der  Absitzmethode  relativ  mehr 
Bakterienkeime  gefunden  werden.  Jedenfalls  ist  hierfür  das  ver- 
schiedene specifische  Gewicht  der  Keime  verantwortlich  zu  machen. 
Die  Pilzsporen  sind  nämlich  sehr  leicht,  die  bakterientragenden 
Stäubchen  specifisch  viel  schwerer;  die  letzteren  werden  sich  also 
leichter  zu  Boden  senken  als  die  ersteren.  Ein  weiterer  interessanter 
Befund,  der  sich  aus  den  Petri' sehen  Versuchen  ergeben  hat,  ist 
der,  dass  die  an  einem  und  demselben  Stäubchen  anklebenden  Bak- 
terienkeime relativ  selten  verschiedenen  Arten  zugehören.  Mehr  als 
drei  Species  entwickelten  sich  niemals  an  der  Absatzstelle  eines  ein- 
zelnen Luftstäubchens. 

In  Franki'eich  bedient  man  sich  für  Luftuntersuchungen  immer 
noch  des  (fi-üher  allgemein  üblichen)  flüssigen  Nährbodens.  Miquel, 
welcher  im  Observatorium  des  Montsouris  zu  Paris  fortlaufende  Luft- 
untersuchungen anstellt,  saugt  den  Luftstrom  durch  sterilisirtes  Wasser 
und  vertheilt  nachher  das  mit  den  Keimen  beladene  Wasser  zu  gleichen 
Portionen  in  eine  grössere  Anzahl  von  Gefässen  mit  steriler  Bouillon. 
Von  diesen  muss  dann  mindestens  ein  Drittel  ohne  Entwickelung  von 
Organismen  bleiben,  d.  h.  sich  als  keimfi-ei  herausstellen.  Man  darf 
dann  annehmen,  dass  in  den  Gefässen,  in  denen  Entwickelung  zu 
Stande  kommt,  diese  nur  von  einem  einzigen  Keime  ausging,  und 
hat  damit  die  Anzahl  der  in  der  durchgesaugten  Menge  Luft  enthalten 
gewesenen  Keime. 

Die  Mkroorganismen ,  welche  bei  Luftuntersuchungen  gefunden 
werden ,  sind  erstens  die  verschiedenartigsten  Schimmelpilze ,  ferner 
eine  Anzahl  Hefen,  endlich  Bakterien. ')  Die  Mehrzahl  der  Bakterien- 
keüne  gehört  den  Mikrococcen  an;  speciell  finden  sich  ganz  regel- 
mässig eine  Anzahl  Sarcinearten.  Die  Colonien  verflüssigen 
ihrer  grossen  Mehrzahl  nach  die  Gelatine  nicht.  Viele  ehr o mö- 
gen e  Arten  (cf.  p.  46)  finden  sich.  Die  meisten  Keime  gehören  sapro- 
phytisehen  Arten  an;  es  sind  aber  hier  und  da  auch  pathogene  Keime 
gefunden  worden. 

Ln  Allgemeinen  zeigen  die  auf  den  Luftplatten  sieh  entwickelnden 
Bakterieneolonien    ein   sehr  langsames  Wachsthum,   offenbar  aus  dem 


^)  Welz  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  11.  1891)  bat  eine  gTÖssere  Eeihe  von  Mikro- 
organismenarten, die  er  in  der  Luft  (in  Freiburg)  fand,  übersicbtlicb ,  in  Tabellen- 
form, beschrieben. 


174  -A--  Allgemeines. 

Grunde,  weil  die  an  den  Luftstäubclien  angetrockneten  Bakterienzellen, 
aus  denen  die  Colonien  hervorgehen,  gewöhnlich  bereits  längere  Zeit 
der  Lehensthätigkeit  entzogen  waren  und  die  zu  einer  kräftigen  Ver- 
mehrung nothwendige  Energie  erst  wieder  gewinnen  müssen. 

Je  mehr  Staub  in  der  Luft  enthalten  ist,  desto  mehr  Keime 
findet  man  bei  der  Untersuchung.  „Die  Zahl  der  in  der  fi-eien  Atmo- 
sphäre geftmdenen  Keime  schwankt,  zwischen  100  —  500 — 1000  und 
mehr  pro  1  cbm;  im  Mttel  500  — 1000  Keime,  und  darunter  100  bis 
200  Bakterien"  (Flügge^)).  Fast  keimfi-ei  oder  auch  vollständig 
keimfrei  hat  sich  die  Luft  draussen  auf  hoher  See  in  weiter  Ent- 
fernung vom  Lande  ei*wiesen.  Auch  auf  den  Spitzen  schneebedeckter 
Berge  ist  die  Luft  sehr  arm  an  Keimen. 


1).  Wasser  unter  suchung. 

Um  den  Bakteriengehalt  eines  bestimmten  Wassers  festzustellen, 
verfährt  man  nach  Koch 's  ^)  ursprünglichem  Vorgang  so,  dass  man 
eine  bestimmte  Menge  des  Wassers  (gewöhnhch  nimmt  man  1  ccm 
oder  '/2  com  oder  auch  [zur  gegenseitigen  Controle  der  Versuche] 
beides)  mit  sterilisirter  Pipette  in  ein  Röhrchen  mit  geschmolzener 
Nährgelatine •^)  vertheilt  und  die  Gelatine  dann  auf  eine  sterile  Platte^) 
ausgiesst.     Nach  dem  ErstaiTen  der  Gelatine  ent\Aickeln  sich  dann  die 


^)  Grundriss  d.  Hygiene.     3.  Auflage.     Leipzig.     1S94.    p.  148. 

-)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte     Bd.  1.     1881.    p.  36. 

^)  Die  Nährgelatine  muss  zum  Zwecke  der  Wasseruntersuchung  eine  be- 
stimmte chemische  Eeaction  besitzen;  denn  es  hat  sich  gezeigt,  dass  Nähr- 
gelatinen, welche  in  dieser  Beziehung  unter  einander  diiferiren,  aus  einem  bestimmten 
Volumen  eines  und  desselben  Wassers  verschieden  viel  Colonien  aufgehen  lassen.  Am 
günstigsten  für  die  Entwickelung  der  Wasserbakterien  hat  sich  im  Allgemeinen  eine 
Nährgelatine  erwiesen,  welche  einen  Gehalt  von  etwa  0,15''/o  Natriumcarbonat  (dem 
neutralen  Nährboden  zugesetzt)  hat.  Jlit  einer  solchen  Nährgelatine  erhält  man  im 
Allgemeinen  das  Maximimi  an  Colonien  aus  einer  bestimmten  Wasserprobe.  Jedoch 
scheinen  sich  verschiedene  Wässer  in  dieser  Beziehung  etwas  verschieden  zu  ver- 
halten (cf.  Eeinsch,  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  10.  1891.  No.  13;  Bd.  16.  1894. 
p.  883).  —  B.  Fischer  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  1894.  p.  659)  imdet,  dass 
manche  Meeresbakterien  erhebhch  besser  als  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden 
auf  solchen  Nährböden  wachsen,  die  mit  Seewasser  hergestellt  sind.  Zur  Bereitung 
des  Fleisch  Wassers ,  als  Constituens  der  Nährböden,  gebraucht  Fischer  hier  kein 
Rindfleisch,  sondern  das  Fleisch  grüner  Heringe. 

^)  Es  empfiehlt  sich,  zu  diesen  Untersuchungen  stets  Platten,  nicht  Pe  tri 'sehe 
Schälchen,  zu  nehmen.  Nur  auf  Platten  zeigt  nach  dem  Erstarren  die  Cultur- 
gelatine  überall  gleichmässige  Dicke;  das  Letztere  ist  aber  nothwendig,  wenn  man 
(siehe  oben  im  Text  weiter) ,  zum  Behufe  der  Zählimg  der  entwickelten  Colonien, 
aus  einem  Theile  der  Platte  auf  die  ganze  Platte  schliessen  will. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüclitung.  175 

emgesäeten  Keime  in  isolii-ten  Colonien,  deren  Anzahl  in  der  weiterhin 
zu  besprechenden  Weise  festgestellt  werden  kann.  Ist  das  zu  unter- 
suchende Wasser  ausserordentlich  reich  an  entwickelungsfähigen  Keimen, 
so  ist  es  zur  Erzielung  brauchbarer  Culturplatten  nothwendig,  das- 
selbe auf  das  10  bis  20  fache  Volumen  mit  sterilisirtem  Wasser  zu 
verdünnen. 

Die  Feststellimg  der  Anzahl  der  auf  der  Platte  zur  Entwickelung 
gekommenen  Colonien  geschieht  am  besten  mit  Hülfe  eines  zu  diesem 
Zwecke  (von  WolffhügelJ  construirten  Zählapparates.  Der 
letztere  besteht  aus  einer  horizontalen  schwarzen  Tafel,  auf  welche 
die  Culturplatte  aufgelegt  wird.  In  einiger  Entfernung  darüber  wird 
eine  Glasscheibe  gelegt,  in  welche  ein  Gitterwerk  von  gleich  grossen 
Quadraten  mit  dem  Diamanten  eingerissen  ist.  Auf  dieser  Platte 
steht  eine  dreibeinige  Loupe,  durch  die  hindurch  man  zugleich  das 
Gitterwerk  und  die  Colonien  sieht.  ^)  Man  bestimmt  nun  für  eine 
Reihe  von  Quadraten  durch  directe  Zählung  die  Anzahl  der  in  jedem 
liegenden  Colonien,  nimmt  daraus  das  Mittel  und  multiplicii't  die  ge- 
wonnene Zahl  mit  der  Anzahl  der  Quadrate,  die  auf  die  ganze  Platte 
kommen. 

Ist  die  Zahl  der  auf  der  Platte  zur  Entwickelung  gekommenen 
Colonien  sehr  gross,  oder,  was  dasselbe  sagt,  hegen  die  Colonien  sehr 
dicht  neben  einander,  so  gelingt  es  häufig  gar  nicht  die  Anzahl  der- 
selben mit  Hülfe  des  beschriebenen  Zählapparates  zu  bestimmen.  In 
solchen  Fällen  kann  man  die  Zählung  sehr  bequem  unter  de m 
Mikroskope^)  vornehmen.  Zu  dem  Zwecke  bestimmt  man  sich 
zunächst,  unter  Zuhülfenahme  eines  Objectmikrometers,  für  sein  In- 
sti-ument  —  und  zwar  für  ein  bestimmtes,  schwaches  System,  für  ein 
bestimmtes  Ocular  und  für  eine  bestimmte  Tubuslänge  —  ein  für  alle 
Mal  den  Flächeninhalt  des  Gesichtsfeldes.  Man  bringt  dann  die 
Cultui-platte  unter  diesen  Bedingungen  unter  das  Mikroskop  und  zählt 


')  Durch  Mio  (Hyg.  Eundschau.  1S94.  p.  294)  ist  der  Wolffhügel'sche 
Apparat  in  sehr  zweckmässiger  Weise  dahin  modificirt  worden,  dass  das  Gitter- 
werk auf  der  unteren,  schwarzen  Tafel  angebracht  ist,  und  dass  die  obere  Glasscheibe 
nur  dazu  benutzt  wird,  die  Stehloupe  zu  tragen.  Die  Wirkung  der  ParaUaxe,  welche 
bei  dem  ursprünglichen  Wolffhü  gel 'sehen  Apparate  —  in  Folge  der  ziemüch  be- 
deutenden Differenz  der  Entfernungen ,  die  die  Culturplatte  einerseits  und  die  Mess- 
platte andererseits  vom  Auge  des  Untersuchers  haben  —  eine  recht  erhebliche  war 
und  gelegentlich  zu  mehr  oder  weniger  fehlerhaften  Auszählungen  Veranlassung  geben 
musste,  ist  bei  dem  Mio 'sehen  Apparate,  der  die  Cultur-  und  die  Messplatte  nahe 
an  einander  bringt,  auf  ein  Minimum  reducirt. 

-)  cf.  Bu  ebner,  Longard  und  Ei  edlin  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  2. 
1887.    p.  3). 


176  ^-  Allgemeines. 

eine  gTÖssere  Reihe  (20  bis  40)  beliebig  ausgewählter  Gesichtsfelder 
bezüglich  der  Colonienanzahl  aus;  selbstverständlich  berücksichtigt  man 
dabei  jedesmal  (unter  Benutzung  des  groben  Tubustriebes)  die  Gelatine- 
schicht in  ihrer  gesammten  Dicke.  Aus  der  sich  daraus  ergebenden 
Durchschnittszahl  und  aus  dem  Yerhältniss  der  Grösse  der  ganzen 
Gelatineplatte  zur  Grösse  des  einzelnen  Gesichtsfeldes  lässt  sich  dann 
leicht  die  Anzahl  der  Colonien  berechnen,  welche  auf  die  ganze  Platte 
kommen.  Unter  Umständen,  nämhch  wenn  die  Anzahl  der  Colonien 
ganz  ausserordentlich  gTOss  ist,  führt  auch  dieses  Verfahren  noch  nicht 
ohne  Weiteres  zum  Ziele ;  es  kommen  dann  nämüch  so  zahlreiche 
Colonien  auf  jedes  Gesichtsfeld,  dass  ihre  dii'ecte  Auszählung  uimiöglich 
wird.  Dann  hilft  man  sich  in  der  Weise,  dass  man  jedesmal  mu'  einen 
bestimmten,  in  seiner  Ausdehnimg  vorher  (mit  Hülfe  des  Objectmikro- 
meters)  ausgemessenen,  Theil  des  Gesichtsfeldes  auszählt.  Diesen 
Theil  des  Gesichtsfeldes  grenzt  man  durch  Linien  ab,  die  auf  einem 
Glasplättchen  angebracht  sind,  welches  auf  das  Diaphragma  des  Oculars 
gelegt  wird.  Bei  der  mikroskopischen  Beobachtung  sieht  man  die 
Linien  dieses  „Ocular-Netzmikrometers"  )  gleichzeitig  mit  den 
mikroskopisch  betrachteten  Colonien.  Ausgezeichnet  eignen  sich  für 
diesen  Zweck  auch  die  von  Ehrlich  angegebenen,  in  das  Ocular 
einzulegenden  Blenden,  -)  welche  (verschieden  gTosse)  quadi'atische  Oeff- 
nungen  besitzen  und  das  abzuzählende  Gesichtsfeld  ganz  beliebig  ein- 
zuschränken gestatten.  ■^) 

Zum  Zwecke  der  bakteriologischen  Untersuchung  wird  das  Wasser 
am  Orte  der  Entnahme  in  sterile  Gefässe  (z.  B.  Erlenme}- er'sche 
Kölbchen)  eingefüllt,  die  mit  sterilisirtem  Watteverschluss  versehen 
und  dann  unverzüglich  in  das  Laboratorium  gebracht  werden.  Die 
entnommenen  Proben  sollen  möglichst  sofort  in  der  oben  an- 
gegebenen Weise  zur  Einsaat  in  Gelatine  kommen.  Das  Letztere  soll 
jedenfalls  nicht  später  als  etwa  eine  Stunde  nach  der  Entnahme  ge- 
schehen, weil  die  veränderten  Bedingungen  eine  Veränderung  des 
Bakteriengehaltes  sowohl  hinsichtlich  der  absoluten  Quantität  der  Keime 
wie  hinsichtlich  der  relativen  Menge  der  verschiedenartigen  Keime  zur 
Folge  haben.  Unmittelbar  vor  der  Einsaat  in  die  Gelatine  ist  das  zu 
untersuchende  Wasser  umzuschüttein,  damit  etwa  zu  Boden  gegangene 


^)  Die  aiif  p.  48  genannten  mikroskoj^iscben  Firmen  führen  derartige  In- 
strumente. 

")  Von  Carl  Zeiss,  Jena,  zu  beziehen. 

^)  Dass  —  namentlich  bei  dicht  besäeten  Platten  —  die  mikroskopische 
Zählung  im  Allgemeinen  richtigere  Werthe  giebt  als  die  Loupenzählung ,  hat 
M.  Neisser  (Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  20.    1895)  nachgewiesen. 


V.  Allgemeine  Meth(xUk  der  Bakterienziichtung.  177 

Keime  aufgerührt  werden  und  eine  gleiclimässige  Vertheilung  der  Keime 
in  der  Probe  erzielt  wird.^) 

Die  im  Wasser  gefundenen  Bakterien  gehören  meist  der  Gruppe 
der  Bacillen  an.-)  Vorwiegend  kommen  verflüssigende  Arten  zur  Ent- 
wickelung.  Man  nennt  die  Bakterien,  welche  sich  mit  Vorliebe  im 
[i'luss-,  See-,  Meer- •^)] Wasser  aufzuhalten  pflegen,  „Wasserbakte- 
r  i  e  n  ".  Pathogene  Bedeutung  kommt  denselben  nicht  zu.  P  a  t  h  o  g  e  n  e 
Arten  sind  selten  im  Wasser  gefunden  worden.  Die  wichtigsten 
hierhergehörigen  Befunde  sind  die  Befunde  von  Choleravibrionen 
in  verschiedenen  Wässern  bei  Gelegenheit  von  Choleraepidemien, ^) 
ferner  zahlreiche  Einzelbefunde  von  T  y  p  h  u  s  1)  a  c  i  1 1  e  n  in  dem  Wasser 
durch  Typhusdejectionen  verunreinigter  Brunnen. 

Im  Allgemeinen  gehen  pathogene  Bakterien,  die  in  gewöhn- 
liches Wasser  eingebracht  werden,  in  kurzer  Zeit  zu  Grunde;  sie 
werden  von  den  Wasserbakterien  überwuchert.  Jedoch 
scheint  in  dieser  Beziehung  die  Temperatur  des  Wassers  eine  grosse 
Rolle  zu  spielen;  höhere  Temperatur  (hohe  Sommertemperatur)  scheint 
begünstigend  auf  die  Vermehrung  pathogener  Bakterien  zu  wirken.'^) 


^)  Die  Sediinentirung  spielt,  wie  hier  in  unseren  Gefässen,  so  auch  in 
der  Natur  eine  wichtige  EoUe  bezüglich  des  Bakteriengehaltes  des  Wassers.  Grosse 
Wasserbecken  mit  langsamer  Strömung,  welche  zunächst  ein  bakterienreiches  Wasser 
aufnehmen  ,  wirken  stets  als  Kläranlagen.  Sie  lassen  in  sehr  kurzer  Zeit  den  aller- 
grössten  Theil  der  suspendirten  Bakterienzellen  zu  Boden  gehen ;  die  letzteren  häufen 
sich  in  Form  einer  zusammenhängenden  schleimigen  Masse  auf  dem  Grunde  an. 
(cf.  auch  Eubner,  Arch.  f.  Hyg.     Bd.  11.     1890.) 

-)  Eine  Eeihe  von  Bacillenarten,  die  im  Wasser  regelmässig  vorkommen,  haben 
G.  C.  Frankland  nnd  P.  F.  Fr  an  kl  and  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  6.  1889)  be- 
schrieben. Tils  (ebenda  Bd.  9.  1890)  hat  eine  grössere  Eeihe  von  Bakterienarten, 
die  er  im  (Freiburger)  Leitungswasser  fand,  übersichtlich,  in  Tabellenform,  beschrieben. 
Lustig  (Diagnostik  der  Bakterien  des  Wassers.  Jena  und  Turin.  2.  Aufl.  1893. 
128  Seiten)  hat  sich  die  Mühe  genommen,  die  in  der  Literatur  zerstreuten  Angaben 
über  Wasserbakterien  zu  sammeln  und  tabellarisch  zu  ordnen. 

>*)  Nach  B.  Fischer  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  1S94.  p.  0(34,  665)  zeigen 
die  im  Meerwasser  vorkommenden  Bakterienarten  (,,Halibakterien")  sämmt- 
lich  Eigenbewegung;  regelmässig  kommen  bei  den  einzelnen  Arten  schraubig  ge- 
krümmte Formen  vor  (Aehnlichkeit  mit  Kommabacillen) ;  nach  Gram  sind  die 
Meeresbakterien  nicht  färbbar;  viele  von  ihnen  wachsen  schon  bei  0"  C. 

^)  Der  erste  derartige -Befund  stammt  von  E.  Koch.  Koch  fand  die  Cholera- 
vibrionen in  einem  Tank  in  der  Nähe  von  Calcutta.  (K  o  c  h '  s  Bericht  aus  Calcutta 
vom  4.  März  1884.  —  Deutsche  med.  Wochenschr.    1884.    p.  222.) 

')  cf.  Hueppe,  Berl.  klin.  Wochenschr.  1893.  p.  HO.  —  Auch  eine  Zu- 
nahme des  Kochsalzgehaltes  im  Wasser  wirkt  begünstigend  auf  die  Vermehrung 
pathogener  Bakterien. 

Günther,    Bakteriologie.     4.  Auflage.  12 


178  A-.  Allgemeines. 

In  sterilisirtem  Wasser  können  sich  patliogene  Arten  lange  Zeit  lebend 
erhalten. 

Bezüglich  des  Keimreichthums  verschiedener  Wässer  macht 
Flügge ^J  folgende  Angaben:  „In  der  Regel  beobachtet  man  in  reinem 
Leitnngs-  nnd  Quellwasser  2  —  50  Bakterien  in  1  ccm,  in  reinen 
Pumpbrunnen  100  —  200  —  500,  in  filtrirtem  Flusswasser  50  —  200, 
in  unfiltrirtem  Wasser  rein  gehaltener  Flüsse  6000  —  2000 0,  in  ver- 
unreinigten Brunnen  bis  zu  100  000,  ebensoviel  bei  Störung  des  Filter- 
betriebes in  Flusswasserleitungen;  im  Kanalwasser  oder  in  stark  ver- 
unreinigten Flussläufen  2  —  40  Millionen  Bakterien  in  1  ccm."  In 
grossen  Wasserbecken ,  constatirte  K  a  r  1  i  n  s  k  i  -)  eine  Abnahme  der 
Bakterienzahl  nach  der  Tiefe  zu.  H.  Büchner-^)  hat  den  Nachweis 
geführt,  dass  das  Licht  (namentlich  das  directe  Sonnenlicht)  auf  im 
Wasser  suspendirte  Bakterien  einen  gewaltig  schädigenden  Einfluss 
ausübt. 

Selbstverständlich  ist  in  hygienischer  Beziehung  die  Frage, 
wie  viele  Keime  in  einem  Cubikcentimeter  eines  bestimmten  Wassers 
enthalten  sind,  von  ganz  untergeordneter  Bedeutung  gegenüber  der 
Frage,  av eichen  Arten  die  vorhandenen  Keime  angehören,  speciell 
ob  p  a  t  h  0  g  e  n  e  Keime  in  dem  zu  untersuchenden  Wasser  vorhanden 
sind  oder  nicht.  TJm  die  letztere  Frage  im  Einzelfalle  zu  entscheiden, 
ging  man  früher  ausschliesslich  so  vor,  dass  man  eine  Quantität  des 
Wassers  mit  Kährgelatine  vermischte,  zur  Platte  ausgoss,  und  dass 
man  dann  unter  den  entwickelten  Colonien  auf  pathogene  (speciell 
kommen  hier  Cholera-  und  Typhusbakterien  in  Betracht)  fahndete. 
Die  Feststellung  vereinzelter  Colonien  pathogener  Bakterien  auf  der 
Platte  neben  einer  grossen  Ueberzahl  nicht  pathogener  Colonien  hat 
aber  sehr  grosse  Schwierigkeiten,  und  nur  in  seltenen  Fällen  hat  die 
Plattenaussaat  zur  Feststellung  pathogener  Keime  in  dem  untersuchten 
Wasser  geführt  (cf.  p.  177).  Die  sichere  Beantwortung  der  Frage,  ob 
ein  bestimmtes  Wasser  gesundheitsschädlich  ist  oder  nicht,  ist  also 
mit  Hülfe  der  geschilderten  Methode  kaum  zu  geben :  und  auch  die 
Untersuchung  der  chemischen  Beschaffenheit  des  Wassers  kann 
diese  Frage  nicht  ausreichend  beantworten,  da  die  Krankheitserreger 
nicht  todte  chemische  Körper,  sondern  lebende  Wesen  sind. 

Was  die  Untersuchung  speciell  auf  C  h  o  1  e  r  a  b  a  k  t  e  r  i  e  n  angeht, 


')  Grundriss  d.  Hygiene.     .3.  Auflage.     Leipzig.     1894.     p.  192. 
^)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  12.     1892.     No.  7/8. 

«)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  11.    1892.   No.  25;   Arcb.  f.  Hyg.    Bd.  17.    1893. 
p.  202. 


y.  Allgemeine  Methodik  der  Balvterienzücbtung.  179 

SO  sind  in  den  letzten  Jahren  von  verschiedenen  Seiten  \)  yerl)esserungen 
des  Verfahrens  der  bakteriologischen  Wasseruntersuchung-  angegeben 
worden,  die  darauf  beruhen,  dass  man  dem  zu  prüfenden  Wasser  zu- 
nächst bestimmte  für  das  Wachsthmn  der  Cholerabakterien  günstige 
Zusätze  giebt  und  dasselbe  dann  eine  gewisse  Zeit  bei  einer  für 
die  Cholerabakterien  sehr  günstigen,  für  die  Wasserbakterien  weniger 
günstigen  Temperatur  stehen  lässt.  Man  erzielt  so  bei  dem  Vorhanden- 
sein von  Cholerakeimen  in  dem  Wasser  eine  Vermehrung  derselben; 
und  eine  dann  folgende  Plattenaussaat  bietet  viel  mehr  Chancen  für 
das  Auffinden  der  Cholerakeime,  als  es  die  Plattenaussaat  des  ur- 
sprünglichen Wassers  gethan  hätte.  Mit  diesem  verbesserten  Verfahren 
hat  z.B.  Koch  während  der  Winterepidemien  1892/93  in  einer  Reihe 
von  Fällen  Cholerabacillen  im  Wasser  nachgewiesen.  Für  die  Unter- 
suchung des  Wassers  auf  T  y  p  h  u  s  b  a  c  i  1 1  e  n  haben  ^vir  derartige  ver- 
besserte Methoden  bis  jetzt  nicht.  Hier  sind  wir  auf  die  primäre 
Plattenuntersuchung  des  ursprünglichen  Wassers  angewiesen. 

Xoch  in  anderer  Hinsicht  aber  ist  die  bakteriologische  Wasser- 
untersuchung von  grosser  Bedeutung  für  die  Hygiene.  Wenn  es  sich 
darum  handelt,  ein  gi'össeres  Gemeinwesen  mit  einer  centralen  Wasser- 
versorgung zu  versehen ,  so  sind  wir ,  Avenn  nicht  Q  u  e  1 1  w  a  s  s  e  r 
oder  das  unter  normalen  Verhältnissen  keimfreie  (cf.  unten  p.  1 82) 
Grundwasser  in  ausgiebigem  Masse  zm'  Verfügung  stehen,  darauf 
angewiesen,  Oberflächenwasser  (Fluss-,  Seewasser)  zu  nehmen. 
Das  Oberflächenwasser  ist  nun  (cf.  oben  p.  178)  schon  an  und  für 
sich  fast  ausnahmslos  reich  an  organischen  Keimen;  und  zu  Zeiten 
von  Cholera-  oder  Tj-phusepidemien  liegt  die  Gefahr  ausserordentlich 
nahe,  dass  in  dieses  Wasser  hinein  die  entsprechenden  Krankheits- 
keime gelangen  und  dann  durch  die  Wasserleitung  überall  hin  ver- 
schleppt werden.  Es  ist  also  ein  hygienisches  Gebot  ersten  Ranges, 
dass  das  für  die  Wasserversorgung  bestimmte  Oberflächenwasser  zu- 
nächst von  den  in  ihm  eventuell  vorhandenen  Infectionskeimen  befreit 
werde.  Das  kann  aber  nur  so  geschehen,  dass  man  die  im  Wasser 
vorhandenen  organischen  Keime  überhaupt  entfernt.  Das  beste  Mittel, 
Wasser  von  organischen  Keimen  zu  l)efreien,  ist  selbstverständlich  das 
Kochen  desselben  resp.  das  Sterilisiren  durch  Erhitzung.  Dies  lässt 
sich  aber  nur  im  Ivleinen  ausführen.  Soll  im  Grossen  möglichst  keim- 
freies Wasser  hergestellt  werden,  so  muss  das  Wasser  durch  Filtration 
von  den  Keimen  befreit  werden.    Am  besten  geschieht  dies  durch  die, 


^)  Näheres   hiei-über  siehe  weiter   hinten  hei  Gelegenheit  der  Besprechung  des 
Choleravibrio. 

12* 


180  A.  Allgemeines. 

in  vielen  Städten  bereits  eingeführte,  San dfil trat i(3 n.  i)  Die 
bakteriologische  Prüfung  des  Wassers  vor  und  nach 
der  Filtration  gewährt  uns  nun  ein  unfehlbares,  durch  nichts 
Anderes  zu  ersetzendes  ilittel ,  den  genannten  Filtrationsprocess 
zu  controliren.  Hierin  liegt  mit  der  Hauptwerth  der  bakterio- 
logischen Wasseruntersuchung.  - ) 

Bei  der  künstlichen  Filtration  des  Wassers  durch  Sand  werden 
übrigens  nicht  alle  Keime,  sondern  nur  der  allergTösste  Theil  der- 
selben, aus  dem  Rohwasser  entfernt.  Die  in  dem  filtrirten  Wasser 
vorhandenen  Keime  stammen  zum  allergrössten  Theile  nicht  aus  dem 
Rohwasser,  sondern  aus  den  unteren  (Stein-,  Kies-  und  Sand-)  Schichten 
der  Sandfilter,  welche  letzteren  sich  im  Laufe  der  Zeit  mit  Bakterien- 
vegetationen überziehen.  Diese  Filterbakterien  sind  harmlose 
Wasserbewohner  ohne  pathogene  Bedeutung, 

Kleinfilter,  d.  h.  Wasserfilter  für  den  Hausgebrauch,  sind 
im  Allgemeinen  nicht  zu  empfehlen.  Wir  kennen  keine  einzige  Con- 
struction,  die  für  längere  Zeit  mit  Sicherheit  keimfreies  Wasser  fördert. 
Bezüglich  der  Art  und  Weise,  wie  die  in  dem  filtrirten  Wasser  auf- 
tretenden Keime  dahinein  gelangen,  ist  sehr  wichtig  die  Thatsache, 
dass  ein  a  priori,  d.  h.  zu  Anfang  der  Benutzung,  durchaus  keim- 
dichtes Filter^)  gewöhnlich  im  Laufe  der  Benutzung,  oft  schon  binnen 
wenigen  Tagen,  von  Bakterien  durchwachsen  wii'd:  die  Bakterien- 


^)  Indem  bezüglich  genauerer  Daten  über  Sandfiltration  auf  die  Arbeiten 
von  Plagge  und  Proskauer  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  2.  1887),  C.  Fränkel 
und  Piefke  (ebenda  Bd.  S.  1S90),  E.  Koch  (ebenda  Bd.  14.  1893),  Piefke 
(ebenda  Bd.  16.  1894)  verwiesen  wird,  soll  hier  nur  auf  folgende  für  die  Sand- 
filtration wichtigen  Punkte  aufmerksam  gemacht  werden:  Das  eigentlich  Fil- 
trirende  in  den  Sandfiltem  ist  nicht  der  Sand  selbst,  sondern  die  Schlammdecke, 
welche  sich  durch  Sedimentirung  der  in  dem  Wasser  suspendirten  Bestandtheile  auf 
der  Sandoberfläche  ansammelt.  Es  kommt  darauf  an,  dass  diese  Schlammschicht 
sich  zunächst  regelrecht  bildet.  Nach  ihrer  Bildung  kann  die  Filtration  vor  sich 
gehen.  Die  Filtrationsgeschwindigkeit  soll  über  ein  Maximum  von  100  mm  in  der 
Stunde  nicht  hinausgehen.  Die  sich  allmählich  verdickende  und  damit  dem  AVa.sser 
immer  mehr  Widerstand  bietende  Schlamm  schiebt  soll  zu  rechter  Zeit  entfernt  wer- 
den. Die  Sandschicht  soll  stets  mindestens  30  cm  hoch  bleiben.  Jedes  einzelne 
Filter  eines  Filterwerks  soll  mit  einer  Einrichtung  versehen  sein,  die  es  gestattet, 
das  filtrirte  Wasser  zu  entnehmen,  um  es  bakteriologisch  auf  seinen  Keimgehalt  zu 
untersuchen.  Die  Untersuchung  hat  möglichst  oft  zu  geschehen.  Es  muss  an  jedem 
Filter  eine  Emrichtung  vorhanden  sein,  die  es  ermöglicht,  das  ungenügend  gereinigte 
Wasser  zu  entfernen,  ohne  dass  es  sich  mit  dem  gut  filtrirten  Wasser  mischt. 

-)  cf.  R.  Koch,  10.  Internat,  med.  Congr.  Berlin  1890.  Verhandl.  Bd.  1.  p.  44. 

^)  Hierhin  gehören  die  Pa  ste  ur-Ch  am  berl  and 'sehen  Porcellanfilter  (Por- 
ceUankerzen) ,  ferner  die  aus  gebrannter  Infusorienerde  bestehenden  sogenannten 
„Berkefeld" -Filter  und  andere. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  181 

Zellen  Ijilden  Ansiedelungen  in  den  Porenräumen  des  Filters,  durch- 
wucliern  diese  und  gelangen  so  bald  in  das  filtrirte  Wasser  hinein. 
Dabei  braucht  das  Filter  von  seiner  Bakteriendichtigkeit  durchaus  gar 
nichts  einzubüssen:  wird  ein  solches  Filter  wieder  zweckmässig  ge- 
reinigt und  sterilisirt,  so  kann  ein  zunächst  vollständig  normal  fünc- 
tionirendes  Filter  Aviedererhalten  werden. 

lieber   die    filtrirende   Wirkung    des   Erdbodens   vergl. 
den  nächsten  Abschnitt  (p.  182). 

c.  Bodenuutersucliuiig. 

Um  den  Gehalt  einer  bestimmten  Bodenprobe  an  Mikroorganismen 
zu  untersuchen,  verfährt  man  nach  C.  Fraenkel,^)  dem  wir  eine  der 
besten  Arbeiten  über  diesen  Gegenstand  verdanken,  so.  dass  man  eine 
abgemessene  Quantität  des  Bodenmaterials  in  ein  Reagenzröhrchen  mit 
geschmolzener  Gelatine  einfüllt,  das  Material  dann  gründüch  in  der 
Gelatine  vertheilt  und  die  Gelatine  nachher  an  den  Wandungen  des 
Eöhrchens  nach  der  Esmarch'schen  (cf.  p.  156)  Methode  ausrollt. 
8o  behält  man  das  gesammte  Material  innerhalb  des  Eöhrchens,  wäh- 
rend l)eini  Ausgiessen  der  Gelatine  auf  eine  Platte  etc.  ein  Theil  der 
Keime,  an  Erdbröckelchen  anhaftend,  im  Glase  zurückbleiben  würde, 
und  das  Eesultat  dadurch  ein  unsicheres  werden  würde.  Fig.  26  auf 
Taf.  V  zeigt  ein  solches  Eöhrchen,  welches  mit  Gartenerde  beschickt 
wurde  (cf.  oben  p.  157).  C.  Fraenkel  hat  ein  besonderes,  sinn- 
reich eingerichtetes  Bohrinstrument  -)  construirt,  welches  gestattet,  Erd- 
proben aus  beüebiger  Tiefe  ohne  jede  Verunreinigung  zur  Untersuchung 
heraufzuholen. 

Uebrigens  muss  (me  bei  Wasseruntersuchungen  [p.  176])  auch  bei 
Bodenuntersuchungen  die  Einsaat  des  Materials  in  die  Gelatine  mög- 
lichst bald  nach  der  Entnahme  desselben  aus  dem  Boden  geschehen, 
da  sonst  in  Folge  der  veränderten  Bedingungen  (veränderte  Temperatur, 
veränderte  Zusammensetzmig  der  umgebenden  Luft)  eine  uncontrolir- 
bare  Vermehrung  einzelner  Mikroorganismenarten  in  dem  Materiale 
selbst  stattfindet. 

Bei  den  Bodenuntersuchungen  hat  sich  nun  ergeben,  dass  die 
oberen  Schichten  des  Bodens  überall ,  sowohl  bei  bebautem 
wie  bei  jungfräulichem  Terrain,  sehr  keimreich  sind.  ,.Es  finden 
sich  im  Durchschnitt  selbst  im  sogenannten  jungfräulichen,  unbebauten 
Boden  ca.  100  000  Keime  in  1   ccm  Boden,  oft  noch  erheblich  mehr" 


')  C.  Fraenkel,  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  2.     ISS" 
-)  1.  c  p.   535. 


182  -•^-  Allgemeines. 

(Flügge).^)  Dieser  Keiim-eichthiun  erleidet  nach  der  Tiefe  zu  eine 
Abnahme ;  und  zwar  ist  diese  Ahnahme  eine  allmähliche  bis  etwa  zur 
Tiefe  von  l^^  m.  Dort  wd  die  Abnahme  plötzlich  eine  sehr 
rapide,  so  dass  schon  wenige  Decimeter  tiefer  der  Boden  häufig  völlig 
keimfrei  angetroffen  wird.  Die  Schicht  des  Grundwassers  ist  ge- 
wöhnlich vollständig  keimfrei.  Die  geschilderte  Vertheilung  der 
Bakterienkeime  im  Boden  ist  so  zu  deuten,  dass  die  Keime  von  aussen, 
durch  die  Luft  oder  mit  Dungstoflfen  etc.,  auf  die  Oberfläche  und  in 
die  obersten  Schichten  des  Bodens  gelangen,  dass  sie  dann,  eventuell 
nachdem  in  dem  einen  oder  anderen  Falle  eine  Vermehrung  statt- 
gefunden hat,  mit  dem  in  den  Boden  einsickernden  Regen-  etc.  Wasser 
mehr  in  die  Tiefe  gespült  werden.  Während  aber  das  Wasser  seinen 
Weg  durch  den  porösen  Boden  hindurch  bis  in  das  Grundwasser  hin- 
ein weiter  findet,  bleiben  die  Bakterien  als  feste  Theile  z\Aischen  den 
Partikelchen  des  Bodens  hängen,  so  dass  also,  je  nach  der  Boden- 
beschaffenheit  in  wechselnder  Tiefe,  das  Wasser  der  vorher  beigemischten 
Bakterien  entledigt  ist.  Es  findet  hier  dieselbe  filtrirende  Wir- 
kung der  E  r  d  p  a  r  t  i  k  e  1  c  h  e  n  statt,  wie  wir  sie  bei  den  Sandfiltern 
der  Wasserleitung  (cf.  oben  p.  180)  künstlich  herstellen.  Xur  ist  die 
natürliche  filtrirende  Wirkung  des  Bodens  der  filtiirenden  Wirkung  der 
künstlichen  Sandfilter  ganz  ausserordenthch  überlegen,  und  zwar  ein- 
fach aus  dem  Grunde,  weil  die  Filtrationsgesch\Aindigkeit  im  Boden 
eine  so  sehr  viel  langsamere  ist  als  in  den  künstlichen  Filtern. 

Da  das  Grundwasser  in  der  Regel  keimfi-ei  ist,  so  liefern  die 
Röhrenbrunnen  dann  wirklich  keimfreies  Wasser,  wenn 
das  Rohr  selbst  frei  von  Keimen  ist.  Durch  einfaches  Aus- 
bürsten des  Brunnenrohres  gelang  es  C.  Fraenkel'-)  in  einem  be- 
stimmten Falle,  das  Brunnenwasser,  welches  vorher  recht  keimreich 
gewesen  war,  für  eine  Reihe  von  Tagen  völlig  steril  zu  machen.  Die 
Kesselbrunnen,  welche  Verunreinigungen  von  aussen  fortgesetzt 
preisgegeben  sind,  lassen  sich  natürlich  nicht  in  dieser  Weise  säubern. 

Die  im  Boden  vorkommenden  Bakterienarten  ■^)  gehören  meist  zu 
den  Bacillen.  Vorwiegend  fand  Koch*)  bei  seinen  ersten  orientirenden 
Untersuchungen  den  Heubacillus  und  den  „würz eiförmigen-' 
Bacillus.    Beide  sind  nicht  pathogen.    Colonien  des  „wurzeiförmigen" 


')  Grundriss  der  Hygiene.     3.  Auflage.     Leipzig.     1S94.     p.  17.5. 

-)  Zeitschr.  f.  Hyg.'    Bd.  6.     18S9. 

")  FüUes  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  10.  1891)  hat  eine  grössere  Eeihe  von 
Bakterienarten,  welche  er  im  (Freiburger)  Boden  fand,  übersichtlich,  in  Tabellenforni, 
beschrieben. 

*)  Jlitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amter    Bd.  1.     Ibbl.     p.  35. 


V.  Allgemeine  Methodik  der  Bakterienzüchtung.  183 

Bacillus  sieht  man  übrigens  auch  in  dem  Taf.  V,  Fig.  26,  dargestellten, 
mit  Gartenerde  angelegten  Culturrohrchen.  Die  Colonien  sind  durch 
die  feinen  von  ihrer  Peripherie  ausgehenden  Ausläufer  kenntlich.  Den 
„wurzeiförmigen"  Bacillus,  auch  „Erdebacillus"  genannt,  findet  man 
fest  ausnahmslos  in  jeder  Bodenprobe.  Von  pathogenen  Bakterien 
kommt  in  den  oberen  Culturschichten  des  Erdbodens  weit  verbreitet 
der  Bacillus  des  malignen  Oedems  vor  (R.  Koch')).  Der- 
selbe wird  in  gedüngter  Gartenerde  fast  stets  gefimden.  Hier  kommt 
auch  der  Tetanusbacillus  vor. 

Im  Uebrigen  gehen  pathogene  Bakterien,  welche  in  den  Boden 
eingebracht  werden,  in  kürzerer  oder  längerer  Frist  zu  Grunde.  -) 

')  Ebenda  p.  5(). 

■-)  cf.  unter  Anderem:  C.  Fraenkel,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  2.  ISST.  p.  579 
bis  581;  E.  v.  Esmarch,  ebenda  Bd.  7.  1S89;  Fe  tri,  Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.- 
Amte.    Bd.  7.     1891. 


B.  Die  Bakterien  als 
Krankheitserreger. 


I. 

Einleitendes. 


V  on  einer  ganzen  Reihe  von  Bakterienarten  hat  man  nach- 
gewiesen, dass  ihnen  die  Fähigkeit  zukommt,  in  den  leidenden  thieri- 
sehen  Körper  einzudringen  und  denselben  zur  Erkrankung  zu  bringen. 
Man  hat  sich  das  so  vorzustellen,  dass  der  lebende  thierische  Körper 
hierbei  den  Bakterien  in  ähnKcher  AVeise  zum  Nährboden  dient, 
wie  dies  sonst  todtes  organisches  Substrat  thut.  In  l)eiden  Fällen 
Avachsen  die  Bakterien  und  vermehren  sich  auf  Kosten  des  Nähr- 
bodens; in  dem  einen  Falle  wird  das  todte  Nährmaterial  dabei  in 
bestimmter  Weise  verändert,  in  dem  anderen  Falle  ist  es  die  Sub- 
s  t  a  n  z  des  1  e  1)  e  n  d  e  n  K  ö  r  p  e  r  s ,  welche  d  u  r  c  h  d  a  s  B  a  k  t  e  - 
rienwachsthum  verändert  wird.  Die  Veränderungen,  welche 
der  lebende  Körper  auf  diese  Weise  erleidet,  kommen  in  ihrer  Ge- 
sammtheit  als  Erkrankung  des  Körpers  zum  Ausdruck;  und  man 
bezeichnet  ganz  im  Allgemeinen  solche  Krankheiten,  die  durch  die 
Vermehrung  in  die  Körpersubstanz  eingedrungener  organischer  Keime 
hervorgerufen  werden,  als  ..Infectionskrankheiten".  Das  Ein- 
dringen der  Keime  in  den  Organismus  bezeichnet  man  als  .,Infec- 
tion''  desselben.  Diese  organischen  Keime  brauchen  nicht  stets 
Bakterien  zu  sein.  Wir  kennen  auch  andere,  pflanzliche  sowohl  wie 
thierische,  Mikroorganismen,  welche  in  analoger  Weise  krankhafte  Ver- 
änderungen des  thierischen  Körpers  veranlassen  können. 

Diejenigen  Mikroorganismen,  welchen  derartige  krankheits- 
erregende Eigenschaften  zukommen,  bezeichnet  man  als  Para- 
siten gegenüber  denjenigen,  die  auf  todtem  organischen  Material 
vegetiren ,  und  die  man  S  a  p  r  o  p  h  y  t  e  n  nennt.  Die  durch  die  para- 
sitischen Bakterien  hervorgerufenen  Krankheiten  sind  je  nach  den 
verschiedenen  Bakterienarten  verschieden,  und  jede  hierher  gehörige 
Infectionskrankheit  hat  ihren  speci fischen  Erreger.  Ein  jeder 
dieser  Erreger  vermag   aber   nur   bei  ganz    bestimmten  (je  für  die 


188  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

verschiedenen  Bakterienarten  verschiedenen)  Thierspecies  Erkrankung 
zu  veranlassen,  während  die  anderen  Thierspecies  durch  ihn  nicht  be- 
einflusst  werden:  Für  jede  hierher  gehörige  Parasitenart  existiren  be- 
stimmte „empfängliche"  Thierspecies.  Auch  kann  die  nach 
der  Einverleibung  eines  bestimmten  Erregers  in  den  Organismus  ein- 
tretende Erkrankung  eine  verschiedene  sein,  je  nachdem  die 
befallenen  Thiere  verschiedenen  empfänglichen  Arten,  oder  so- 
gar je  nachdem  sie  verschiedenen  Altersstufen  einer  und  der- 
selben Thierart  angehören. 

Es  giebt  unter  den  parasitischen  Bakterienarten  manche,  die  be- 
hufs ihrer  Entwickelung  des  lebenden  Organismus  als  Nähr- 
bodens durchaus  bedürfen,  die  ausserhalb  dieses  lebenden  Organismus 
in  der  Xatur  sonst  nicht  existiren  können.  Diese  nennt  man  obligate 
(echte,  strenge)  Parasiten.  Auf  der  anderen  Seite  giebt  es 
parasitische  Bakterienarten,  welche  gewöhnlich  ein  saprophytisches  Da- 
sein führen,  draussen  in  der  Natur  an  geeigneter  Stelle  die  Bedingungen 
für  ihre  Existenz  finden,  und  die  die  Invasion  des  lebenden  Organis- 
mus nur  als  gelegentlichen  Abstecher  betrachten,  dessen  sie  zu  ihrer 
Existenz  durchaus  nicht  bedürfen.  Diese  Arten  nennt  man  facul- 
tative  (gelegentliche)  Parasiten.  Zu  dem  Begriffe  des  Para- 
sitismus gehört  aber  immer,  dass  die  Bakterien  nicht  bloss  auf  oder 
in  dem  lebenden  Organismus  vegetiren,  sondern  dass  sie  von  der 
Substanz  des  Organismus  selbst  ihre  Existenz  bestreiten,  die 
lebende  Substanz  also  verändern.  So  sind  z.  B.  die  Milliarden  von 
Bakterien,  die  in  dem  Inhalte  unseres  Darmes  stets  gefunden  werden, 
keine  Parasiten ,  sondern  Saprophjten :  denn  sie  ernähren  sich  nicht 
von  der  lebenden  Substanz  unseres  Darmes,  sondern  von  dem  todten 
Materiale,  welches  innerhalb  desselben  vorhanden  ist.  Würde  der  Fall 
eintreten,  dass  die  in  dem  Darmlumen  auf  dem  todten  Materiale  vege- 
tirenden  Bakterien  giftige  Stoffwechselproducte  bildeten,  die,  von  den 
Organen  der  Darmwand  aufgesogen,  in  den  Körper  überträten  und 
denselben  zur  Erki-ankung  brächten,  so  würde  man  ebenfalls  nicht  von 
„Parasiten"',  von  einer  „Infection",  reden  können,  sondern  man  müsste 
einen  derartigen  Vorgang  als  „Intoxication"  bezeichnen,  A^eranlasst 
durch  die  Resorption  bestimmter,  durch  saproph}i:ische  Bakterien  im 
Darmkanal  gebildeter  chemischer  Zersetzungsproducte./'  Zu  einer  „In- 
fectiun"  gehört  stets,  dass  die  lebende  Substanz  des  Körpers 
von  den  Mikroorganismen  befallen  wird,  und  dass  die  letzteren  sich 
auf  Kosten  der  lebenden  Substanz  vermehren.  31 

Wenn  wir  nun  bei  einem  bestimmten  Krankheitsfalle  Bakterien, 
oder   ganz   im  Allgemeinen  IVIikroorganismen,   im    Körper   aufgefunden 


I.  Einleitendes.  Igg 

haben,  smd  Avir  dann  berechtigt,  dieselben  als  Erreger  der  Krankheit 
anzusprechen?  Durchaus  noch  nicht.  Zu  einem  derartigen  Urtheile 
gehört  mehr  als  der  blosse  Befund,  womöglich  der  Befund  in  ver- 
einzelten Fällen  der  Krankheit.  Zunächst  ist  der  Nachweis  zu  führen, 
dass  in  allen  Fällen  der  betreffenden  Krankheit,  die  uns  irgend 
zur  Untersuchung  zugänglich  sind,  der  Befund  wiederkehrt,  dass  wir 
es  mit  einem  Consta nten,  nicht  vereinzelten  Befunde  zu  thun 
haben.  Weiter  darf  sich  dieser  Befimd  bei  keiner  anderen 
Krankheit  zeigen,  er  muss  etwas  für  die  untersuchte  Krankheit 
Speci  fisch  es  darstellen. 

Ist  ein  constanter  speciiischer  Bakterienbefund  oder  überhaupt  ein 
constanter  specifischer  Befund  von  Organismen  bei  einer  bestimmten 
Ivrankheit  festgestellt,  so  ist  damit  bereits  ausserordentlich  viel  ge- 
wonnen. Es  kann  nicht  oft  genug  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
dieser  Punkt  erst  erledigt  sein  muss,  ehe  an  irgend  etwas  Weiteres 
gedacht  werden  kann.  So  konnte  z.  B.  der  (jetzt  verlassene)  aus  der 
Luft  von  Malaria  gegenden  gezüchtete  „Malariabacillus"  von  vornherein 
keine  Aussicht  auf  definitive  Anerkennung  haben,  Aveil  im  Körper  des 
Malariakranken  überhaupt  niemals  ein  parasitirender  Bacillus  gefunden 
worden  ist.  Wenn  man  das  Gebäude  der  Feststellung  der  Aetiologie 
einer  bestimmten  Infectionskrankheit  aufrichten  will,  so  darf  man,  wie 
uns  die  logische  Art  des  Vorgehens  R.  Koch 's  eindringlich  gelehrt 
hat,  nicht  mit  dem  Dach  beginnen,  sondern  muss  mit  dem  Fundamente 
den  Anfang  machen.  Das  Fundament  aber  ist  der  con staute 
Nachweis  der  Parasiten  im  erkrankten  Körper,  und  zwar 
der  mikroskopische  Nachweis. 

Wie  man  es  anfängt,  Bakterien  mikroskopisch  nachzuweisen, 
haben  wir  oben  (p.  47  ff.)  ausführlich  erörtert.  Es  soll  hier  nur  auf 
Täuschungen,  denen  man  dabei  eventuell  ausgesetzt  sein  könnte, 
hingewiesen  werden.^)  Man  wird  sich  zunächst  hüten  müssen,  etwaige 
Färb  stoffnieder  schlage  (cf.  oben  p.  66),  die  sich  im  Präparate 
finden,  für  Bakterien  zu  halten.  Die  Beschränkung  dieser  Nieder- 
schläge auf  die  Oberfläche  des  Schnittes,  die  verschiedene  Grösse  und 
Gestalt  derselben  lässt  hier  Verwechselungen  nicht  leicht  zu.  Ebenso 
wird  man  sich  hüten,  die  Kömer  der  M  a  s  t  z  e  1 1  e  n  für  Mikrococcen  an- 
zusprechen (cf.  p.  96).  Hat  man  wirklich  Bakterien  vor  sich,  so  könnten 
dieselben  aus  den  Farblösungen  oder  sonstigen  benutzten  Reagentien 
stammen.     Sie  könnten  dahinein  durch  irgend  welchen  Zufall  gerathen 


*)  cf.  E.  Koch,  Untersucliimgen  über  die  Aetiologie  der  AVundinfectionsirank- 
heiten.     Leipzig.     ISTS.     p.  37. 


190  B-  Diß  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

sein,  sich  Gventiiell  sogar  darin  vermehrt  haben,  um  nachher  auf  dem 
in  der  Farblösung  etc.  behandelten  Schnitt  (ebenfalls  oberflächlich) 
sich  festzusetzen.  Hat  man  diese  Täuschungen  vennieden,  hat  man 
wirklich  Bakterien  vor  sich,  die  innerhalb  des  Schnittes  hegen, 
so  muss  der  Einwand  ausgeschlossen  werden,  dass  es  sich  eventuell 
um  Fäulnissbakterien  handeln  könnte,  welche  post  mortem  in  das 
Organ  hineingelangt  sind.  „Jedesmal,  wenn  einzelne  Bakterien  nur  in 
den  oberflächlichen  Schichten  von  Organen  gefunden  werden,  ist  zu 
vermuthen,  dass  es  sich  um  beginnende  Fäulniss  handelt"  (Koch^)). 
Es  ergiebt  sich  hieraus  die  Regel,  die  Section  zu  untersuchender 
Leichen  stets  möglichst  bald  nach  dem  Tode  vorzunehmen  und  die 
Organe  möglichst  sofort  in  Alcohol  einzulegen. 

Findet  man  aber  die  Bakterien  im  Innern  von  Organen  in  Lage- 
verhältnissen ,  die  nur  während  des  Lebens  zu  Stande  kommen 
können,  „oder  ist  gar  der  unverkennbare  Einfluss  der  Mikroorganismen 
auf  das  von  ihrer  Livasion  betroffene  Gewebe,  z.  B.  Nekrose  der  in 
einem  gewissen  Bereich  gelegenen  Zellen,  Anhäufimg  von  Rundzellen 
in  der  Nachbarschaft,  Eindringen  der  ft-emden  Organismen  in  die 
Zellen  u.  s.  w.  zu  constatiren,  dann  müssen  solche  Mikroorganismen 
als  pathogen  angesehen  werden;  mindestens  müssen  sie  verdächtig  er- 
scheinen und  zur  weiteren  Untersuchung  und  Aufklärung  des  Befundes 
auffordern"  (Koch -)). 

Eine  besondere  Berücksichtigung  verdienen  die  Oberflächen  der 
äusseren  Haut  und  der  Schleimhäute  (namentlich  des  Darmes), 
an  denen  normaler  Weise  harmlose  Bakterien  schmarotzen,  die  nicht 
für  pathogene  gehalten  werden  dürfen. 

Uebrigens  werden  Anr  uns  mit  dem  Nachweise  von  „Sporen"  im 
Gewebe  nie  begnügen  dürfen.  Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass 
die  im  thierischen  Körper  sich  vermehrenden  Bakterien,  hier  also  im 
Speciellen  die  Bacillen,  in  ihren  vegetativen  Formen  vorhanden 
sind.  Das  schliesst  nicht  aus,  dass  unter  Umständen,  speciell  bei  den 
anaeroben  Bacillenarten,  auch  sporentragende  Stäbchen  gefunden  werden 
können.  Das  isolirte  Vorkommen  von  „Sporen"  im  Gewebe  aber, 
das  übrigens  einwandsfi'ei  nüki'oskopisch  kamii  nachzuweisen  sein  dürfte, 
ist  bisher  nicht  beobachtet  und  auch  wohl  unmöglich ;  und  ein  solcher 
vermeintlicher  Nachweis  muss  deshalb  stets  mit  der  grössten  Reserve 
aufgenonnuen  werden  und  darf  jedenfalls  nicht  als  Beweis  für  das 
Vorhandensein  von  Bakterien  im  Gewebe  gelten. 


1)  Ebenda. 

-)  Mittb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.   1.     ISSl. 


I.  Einleitendes.  191 

Hat  man  die  constante  Anwesenheit  bestimmter  Bakterienformen 
in  allen  Fällen  einer  bestimmten  Krankheit  sowie  ihr  Fehlen  bei 
anderen  Krankheiten  mikroskopisch  nachgewiesen,  so  kann  man  daran 
denken,  die  aufgefundenen  Bakterien  künstlich  zu  züchten.  Zu 
diesem  Zwecke  müssen  wir  aus  den  von  den  Bakterien  befallenen 
Organen  Material  entnehmen  und  dies  unter  möglichster  Vermeidung 
von  Verunreinigungen  auf  künstliche  sterile  Nährböden  bringen.  Man 
säubert  dann  bei  der  Section  die  zu  durchschneidende  Haut  der  auf 
dem  Sectionsbrett  fixirten  Thiere  äusserlich  durch  sorgfältiges  Ent- 
haaren und  Abwaschen  mit  Sublimatlösung  unter  nachheriger  eventueller 
Kachspülung  mit  Alcohol  und  Aether.  Die  zu  benutzenden  Messer, 
Scheren,  Pincetten  etc.  werden  in  durch  Ausglühen  sterilisirtem  Zu- 
stande angewendet.  Die  so  in  möglichst  originalem  Zustande  ent- 
nommenen Organe  werden  mit  sterilem  Messer  durchschnitten;  und 
es  werden  nun  mit  sterilem  Instrumente  Partikelchen  aus  dem  Organ 
herausgenommen  und  davon  Plattenculturen  angelegt,  um  die  in 
dem  Organ  vorhandenen  Bakterienkeime  zu  isoliren  und  ihre  Eigen- 
schaften in  sicheren  Eeinculturen  weiterhin  prüfen  zu  können.  Man 
wird  sich  hierbei  natürlich  nicht  mit  der  Nährgelatine  begnügen  dürfen, 
sondern  wird  jedenfalls  auch  Agarplatten  anzulegen  haben,  um  die 
Züchtung  der  Colonien  bei  Brüttemperatur  vornehmen  zu  können. 
Ausser  durch  die  Plattencultur  erreicht  man  die  sichere  Isolirung  der 
einzelnen  Keime  bekanntlich  auch  durch  Oberflächen-Strich- 
culturen,  welche  man  auf  durchsichtigem  festem  Nährboden  anlegt 
(cf.  oben  p.  160).  Da  die  verschiedenen  Bakterienarten  verschiedene 
Ansprüche  stellen,  und  es  speciell  manche  pathogene  Arten  giebt,  die 
WTder  auf  der  Gelatine  noch  auf  dem  Agar  wachsen,  so  muss  man 
daneben  noch  andere  Nährböden,  wie  Glycerin  -  Agar ,  Traubenzucker- 
Agar,  erstarrtes  Blutserum,  Blutserum  -  Agar ,  Blut -Agar  etc.  bereit 
haben,  um  die  Züchtung  darauf  zu  versuchen.  Auch  darauf  wird 
man  im  gegebenen  Falle  Eücksicht  zu  nehmen  haben,  dass  die  zu 
züchtenden  Bakterien  den  obHgaten  Anaeroben   angehören  könnten. 

Es  ist  jedenfalls  zunächst  immer  danach  zu  streben,  eine  Iso- 
lirung der  Keime  zu  erreichen.  Denn  gar  häufig  ist  es  der  Fall, 
dass  nicht  nur  eine  einzige  Bakterienart,  sondern  mehrere  Arten  in 
dem  zu  untersuchenden  Organe  vorhanden  sind,  von  denen  der  einen 
die  wesentliche  Bedeutung  zukommt,  während  die  andere  nur  einer 
Zufälligkeit  ihre  Anwesenheit  verdankt.  Sorgt  man  nun  nicht  für  eine 
Isolirung  der  Keime  bei  der  Anlage  der  Cultur,  sticht  man  z.  B.  mit 
dem  in  das  Material  getauchten  Platindrahte  in  feste  Gelatine  ein, 
legt  „primär  eine  Stichcultur"  an,    so   wird   häufig  nur  diej.enige  Bak- 


192  B-  l^iß  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

terieuart  zur  Entwickelung  kommen,  welche  m  dem  Nährboden  die 
besten  Lebensbedmgungen  findet,  während  die  andere,  vielleicht  gerade 
che  wesentliche  Art,  durch  das  Wachsthum  der  ersteren  erdrückt  wird. 
Man  hegiebt  sich  so  jeder  Uebersicht  über  tue  ursprünglich  vorhandenen 
Keime. 

Bei  manchen  Krankheiten,  bei  denen  man  bestimmte,  unzweifelhaft 
parasitäre  Organismen  constant  findet,  ist  die  künstliche  Züchtung 
der  letzteren  bisher  nicht  gelungen.  Solche  Krankheiten  sind  z.  B.  das 
Eecurrensfieber  und  die  intermittirenden  (Malaria-)  Fieber.  Hier  sind 
wir  vorläufig  auf  den  constanten  specifischen  Befund  allein  angewiesen. 

Ist  die  Reinzüchtung  einer  bestimmten  im  Körper  gefimdenen  Art 
gelungen,  so  müssen  wir  die  Cultur  zunächst  durch  eine  grössere 
Eeihe  von  Generationen  hindiu-ch  von  einem  Nährboden  auf  den  an- 
deren fortpflanzen.  Unser  schliessUches  Ziel  ist  es  nämlich,  durch 
TJebertragung  der  reingezüchteten  Bakterienart  auf  ein  empfäng- 
liches Versuchsthier  ihre  Pathogenität  sicher  zu  stellen.  Es 
wäre  jedoch,  wollten  wir  von  der  ersten  Culturgeneration  die  TJeber- 
tragung auf  das  Thier  bewirken,  der  Einwand  berechtigt,  dass  wir  mit 
den  Bakterien  zugleich  irgend  welche  direct  aus  dem  Ausgangsthiere 
stammenden  anderweitigen  Dinge  auf  das  neue  Thier  übertragen  hätten, 
und  dass  nicht  die  Bakterien,  sondern  diese  anderen  Dinge  die  even- 
tuelle Erkrankung  des  Thieres  herbeigeführt  haben  könnten.  TJeber- 
tragen  wir  dagegen  Material  aus  einer  späteren  Culturgene- 
ration, so  ist  ein  derartiger  Einwand  natürhch  hinfällig. 

Finden  wir  nun,  dass  durch  die  Uebertragung  des  aus  einer 
späteren  Culturgeneration  stammenden  Materiales  auf  ein  Versuchs- 
thier eine  Krankheit  bei  diesem  Thiere  —  nicht  in  einem  Falle, 
sondern  in  allen  Fällen,  in  denen  wir  den  Versuch  wiederholen  — 
entsteht,  die  der  Ausgangskrankheit  gleicht,  erheben  wir  bei  diesen 
Thieren  denselben  Bakterienbefund  wie  bei  dem  Ausgangsthiere,  so  ist 
die  Kette  des  Beweises  geschlossen,  dass  die  reingezüchteten  Bakterien 
das  ätiologische  Moment  der  untersuchten  Krankheit  darstellen. 

Handelt  es  sich  um  eine  Thierkrankheit,  so  ist  das  emp- 
fängliche Versuchsthier  ohne  Weiteres  gegeben;  handelt  es 
sich  dagegen  um  eine  specifische  Krankheit  des  Menschen,  so  ge- 
Kngt  es  häufig  gar  nicht  ein  empfängliches  Versuchsthier  zu  finden.^) 


')  Der  Mangel  einer  empfänglichen  Thierspecies  macht  sich  besonders  in 
solchen  Fällen  fühlbar,  wenn  es  sich  darum  handelt,  zu  entscheiden,  ob  eine  Bak- 
terienart, die  man  irgendwo  in  der  Natur,  ausserhalb  des  menschlichen  Körpers,  ge- 
funden hat,  mit  einer  bestimmten  für  den  Menschen  pathogenen  Art  identisch  ist 
oder  nicht.     Wenn   z.  B.   bei  Gelegenheit   einer  Typhusepidemie   in    dem  infections- 


I.  Einleitendes.  193 

Es  hat  sich  aber  ergeben,  „dass  in  allen  den  Fällen,  in  welchen  es 
gelungen  ist,  bei  einer  Infectionskrankheit  das  regelmässige  und  aus- 
schliessliche Yorkommen  von  Bakterien  nachzuweisen,  letztere  sich 
niemals  wie  zufällige  Schmarotzer,  sondern  wie  die  bereits  sicher  als 
pathogen  erkannten  Bakterien  verhielten.  Wir  sind  deshalb  wohl  jetzt 
schon  zu  der  Behauptung  berechtigt,  dass,  wenn  das  regelmässige  und 
ausschliessliche  Vorkommen  des  Parasiten  nachgewiesen  wurde,  damit 
der  ursächliche  Zusammenhang  zwischen  Parasit  und  Krankheit  auch 
vollgültig  bewiesen  ist"  (R.  Koch^)). 

Auf  der  anderen  Seite  kommt  es  auch  vor,  dass  empfängliche 
Yersuchsthiere  existiren,  ohne  dass  eine  Züchtung  der  Erreger  auf 
künstlichen  Nährböden  bis  jetzt  möglich  gewesen  ist ;  dies  ist  bei  dem 
Recurrensfieber  der  Fall,  für  welches  der  Affe  empfänglich  ist. 

verdächtigen  Brunnenwasser  eine  bestimmte  typhusbacillenäbnlicbe  Bakterienart  ge- 
funden ist;  welcbe  Kriterien  giebt  es,  die  die  sichere  Entscheidung,  ob  der  Typhus- 
bacillus  vorliegt  oder  nicht,  ermöglichen?  Wir  können  ganz  im  Allgemeinen  sagen, 
dass  wir  in  derartigen  Fällen,  in  denen  es  sich  um  für  den  Menschen  speci- 
fisch  pathogene  Arten  handelt,  die,  ausserhalb  des  erkrankten  mensch- 
lichen Körpers  oder  ausser  Zusammenhang  mit  einem  bestimmten 
entsprechenden  Kr ankheits falle  aufgefunden,  identificirt  werden  sollen,  fast 
jedesmal  auf  ein  negatives  Urtheil  angewiesen  sind.  Wir  müssen  nämlich  in 
solchen  Fällen  —  bei  dem  •  Mangel  einer  empfänglichen  Thierspecies  —  uns  noth- 
gedrungen  damit  begnügen,  die  Wachsthums-  und  Lebenserscheinungen  der  zu  be- 
stimmenden Bakterienart  auf  den  verschiedensten  künstlichen  Nährböden  und  unter 
den  verschiedensten  sonstigen  äusseren  Bedingungen  zu  studiren  (am  besten  unter 
ständiger  Vergleichung  mit  einer  authentischen,  d.  h.  aus  dem  erkrankten  mensch- 
lichen Körper  resp.  der  Leiche  gewonnenen,  Cultur  der  entsprechenden  pathogenen 
Art).  Finden  wir  dann  keinerlei  Differenzen  zwischen  den  Eigenschaften  der  zu  be- 
stimmenden Art  vmd  denen  der  authentisch  festgestellten,  so  können  wir  zwar  aus- 
sprechen, dass  wir  die  Identität  der  beiden  Arten  für  höchst  wahrscheinlich 
halten;  aber  mit  Bestimmtheit  können  wir  die  Identität  nicht  aussprechen. 
Wir  sind  im  Wesen thchen  darauf  angewiesen,  zu  sagen,  dass  der  heutige  Stand  der 
Wissenschaft  nicht  ermöglicht,  Unterschiede  festzustellen. 

Ganz  ausserordentlich  anders  liegen  die  Dinge,  wenn  die  zu  prüfenden  und  zu 
bestimmenden  Bakterien  innerhalb  des  erkrankten  menschlichen  Kör- 
pers (z.  B.  in  der  frischen  Leiche)  oder  überhaupt  in  unmittelbarem  Zu- 
sammenhange mit  dem  Krankheitsfalle  (z.  B.  in  fiisch  entleerten  Fäces 
des  Erkrankten)  gefunden  werden.  Hier  haben  wir  ausser  den  festzustellenden 
Cultureigenthümlicbkeiten  vor  allem  das  wichtige  Kriterium  für  die  Beurtheilung, 
dass  die  fragliche  Bakterienart  sich  innerhalb  des  menschlichen  Körpers,  und  zwar 
in  einem  klinisch  in  bestimmter  Weise  characterisirten  Falle,  entwickelt  und  ver- 
mehrt hat.  Handelt  es  sich  um  Befunde  in  Organen  der  frischen  Leiche,  so 
kommt  dazu  noch  die  mikroskopisch  feststellbare  Localisirung  der  Bakterien  in  dem 
<;)ewebe.  Auf  diese  Weise  ist  die  Diagnosticirung  der  gefundenen  Bakterien  häufig 
«ilnie  AVeitiTcs  mit  Bestimmtheit  möglich. 

')   10.  Internat,  medic.  Congr.  1890.     Verhandl.     Bd.   1.     p.  40. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  13 


194  ^-  Di^  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Bezüglich  der  Weiterübertragung  der  Culturen  pathogener  Bak- 
terien von  einem  Nährboden  zum  anderen  ist  übrigens  noch  Folgendes 
zu  bemerken:  AVir  sehen  gar  nicht  selten,  dass  eine  bestimmte  Art 
auf  dem  künstlichen  Nährboden  zunächst  nur  kümmerlich  wächst, 
während  sie  bei  weiteren  Uebertragungen  allmählich  an  Wachsthums- 
energie  zunimmt  und  schliesslich  sehr  gut  auf  dem  künstlichen  Nähr- 
boden fortkommt.  Man  bezeichnet  dies  Vorkommniss  als  Anpassung 
an  den  künstlichen  Nährboden.  Damit  ist  nun  gewöhnlich  eine  Ab- 
nahme der  pathogenen  Eigenschaften  oder  auch  ein  vollständiges  Ver- 
schwinden derselben  verbunden.  Der  Parasit  hat  sich  an  das  sapro- 
phytische  Dasein  gewöhnt.  Hierauf  hat  man  bei  den  anzustellenden 
Thierversuchen  zu  achten.  Bei  einzelneu  Arten  sieht  man  auch,  dass 
sie  auf  dem  künstlichen  Nährboden  bald  absterben.  Während  sapro- 
phy tische  Organismen  gewöhnlich  Monate  lang  übertragbar  l)leiben, 
verlieren  einzelne  pathogene  Arten  ihre  Uebertragbai'keit  schon  nach 
wenigen  Tagen. 

Als  Prototyp  einer  Infectionskrankheit,  deren  Aetiologie  nach  den 
vorstehend  gezeichneten,  von  R.  Koch  geschaffenen  Principien  ermittelt, 
und  zwar  mit  unanfechtbarer  Sicherheit  ermittelt  wurde,  kann  der 
Milzbrand  gelten.  Nach  denselben  Principien  haben  später  Koch 
sowohl  wie  auch  andere  Autoren,  die  sich  seine  Methoden  zu  eigen 
machten,  die  Entstehungsursache  einer  Eeihe  weiterer  Infectionskrank- 
heiten  klargelegt.  Die  erste,  durch  Bakterien  veranlasste  Infections- 
krankheit, deren  Aetiologie  ermittelt  wurde,  war  aber  der  Milzbrand. 
Es  ist  leicht  einzusehen,  weshalb  Koch  gerade  diese  Krankheit  zum 
ersten  Objecte  seiner  Untersuchungen  machte.  Man  Avusste  bereits 
längere  Zeit,  dass  im  Milzbrandblute  Stäbchen  gefunden  Averden:  diese 
Stäbchen  waren  relativ  gross,  eigneten  sich  also  zur  Beobachtung 
besonders;  femer  waren,  falls  es  gelang,  die  Stäbchen  künstlich  in 
Reinculturen  zu  züchten,  empfängliche  Versuchsthiere  sicher  vorhanden, 
da  es  sich  ja  um  eine  Thierkrankheit  handelte.  Die  Sch^vierigkeiten 
der  Forschung  waren  beim  Milzbrande  also  noch  relativ  gering:  und 
die  streng  logische  Art  des  Vorgehens  Rob.  Koch 's  spricht  sich  bereits 
darin  deutlich  aus,  dass  er  sich  zunächst  relativ  leichter  zu  lösende 
Aufgaben  stellte,  um  später,  mit  immer  mehr  vervollständigter  und 
ausgebauter  Methodik,  an  so  schwierige  Aufgaben  heranzutreten,  wie 
sie  sich  z.  B.  in  der  Erforschung  der  Ursache  der  Tuberculose  dar- 
stellten. 

Nicht  bei  allen  infectiösen  Krankheiten  hat  man  bisher  die  Er- 
reger zu  ermitteln  vermocht.  Von  den  acuten  Exanthemen  (Masern, 
Scharlach,   Fleckt^^phus ,  Pocken  etc.)   wissen  wir  noch  gar  nichts  be- 


I.  Einleitendes.  195 

züglich  ihrer  Entstehungsursache ;  auch  über  die  Krankheitserreger 
der  Himdswiith,  des  Keuchhustens,  des  Trachoms,  des  Gelbfiebers,  der 
Einderpest,  der  Lungenseuche  und  mancher  anderer  unzweifelhafter 
Infectionskrankheiten  wissen  wir  noch  gar  nichts.  Und  doch  müssen 
hier  parasitäre  Organismen  existiren,  die  die  Erkrankung  veranlassen. 
Ob  diese  Parasiten  zu  den  Bakterien  gehören,  ist  allerdings  höchst 
zweifelhaft.  Bakterienbefunde  sind  bei  allen  diesen  Krankheiten  er- 
hoben worden,  nicht  selten  mit  dem  Ansprüche,  dass  hiermit  der  Er- 
reger gefunden  sei.  Es  handelt  sich  in  allen  diesen  Fällen  um  logische 
Fehler  in  der  Art  und  Weise,  aus  Beobachtungen  Schlüsse  zu  ziehen. 
Nicht  die  Thatsche  allein,  dass  man  in  dem  und  jenem  Falle  einer 
Lifectionskrankheit  Bakterien  findet,  berechtigt  dazu,  dieselben  für  die 
Erreger  der  lü'ankheit  anzusehen.  Dazu  gehören,  wie  wir  gesehen 
haben,  zwingendere  Beweisgründe.  Die  gefundenen  Bakterien  können 
rein  nebensächliche  Befunde  darstellen,  sie  können  eventuell  der  Aus- 
druck einer  zu  der  ursprünglichen,  primären  Infection  in  dem  einen 
oder  anderen  Krankheitsfalle  dazugekommenen  „secundären  In- 
fection" sein.  Man  bezeichnet  solche  Combinationen  auch  als 
„  M  i  s  c  h  i  n  f  e  c  t  i  0  n  e  n".  ^) 

Die  acuten  Exantheme  sind  exquisit  „  c  o  n  t  a  g  i  ö  s  ",  d.  h.  von 
Fall  zu  Fall  ansteckend  und  übertragbar.  Es  mag  an  dieser  Stelle 
auf  den  Unterschied  zwischen  Infectiosität  und  Contagiosität 
hingewiesen  Averden.  Eine  jede  durch  specifische  Parasiten  hervor- 
gerufene Krankheit  ist  „infeclLöJ-".  Man  „inficirt"  sich  mit  Cholera, 
mit  Pocken,   mit  Malaria.     Dabei   wird   auf  irgend  welche  Weise   der 


^)  Der  Begriff  der  Mischinfection  (,, gemischte  Infection")  ist  zuerst  von 
Ehrlich  (Charite-Annalen.  7.  Jahrgang.  18S2.  p.  223)  aufgestellt  worden.  Vergl. 
auch  Ehrlich  und  Brieger  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1882.  No.  44).  —  Nencki 
(cf.  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  11.  1892.  No.  8)  hat  gezeigt,  dass  unter  Umständen 
bei  gleichzeitiger  Einwirkung  zweier  Mikroben  auf  ein  Nährsubstrat  ein  neues  (che- 
misches) Stoffwechselproduct  entstehen  kann ,  welches  keiner  der  beiden  Spaltpilze 
für  sich  allein  zu  bilden  vermag.  Sterile  Traubenzuckerlösung,  mit  zwei  bestimmten 
Spaltpilzarten  gleichzeitig  inficirt,  wurde,  wie  Nencki  beobachtete,  viel  rascher  und 
energischer  zersetzt  als  durch  jeden  der  beiden  Spaltpilze  allein.  Andererseits  be- 
obachtete Nencki,  dass  Reinculturen  zweier  Mikroben,  von  denen  jeder  z.  B.  Ei- 
weiss  energisch  zersetzte,  wenn  sie  gleichzeitig  in  dieselbe  Eiweisslösung  eingeimpft 
wurden,  in  ihrer  Gährtüchtigkeit  sich  gegenseitig  abschwächten.  Nencki  spricht 
die  Vermuthung  aus,  dass  Analogien  zwischen  diesen  Vorgängen  und  denen  im  in- 
ficirten  Thierkörper  möglicherweise  häufig  statthaben.  —  Hier  mag  eine  von  Frhr. 
V.  Dungern  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  18.  1894.  p.  182)  gemachte  Beobachtung  Er- 
wähnung finden:  Die  gleichzeitige  locale  Verimpfung  des  Milzbrandbacillus  und  des 
Bac.  pneumoniae  in  den  Kaninchenorganismus  verhinderte  das  Zustandekommen  einer 
allgemeinen  Milzbranderkrankung. 

13* 


196  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

jedesmalige  Iiifectionserreger  in  den  Körper  aufgenommen.  „Con- 
t  a  g  i  ö  s "  nennt  man  aber  nur  solche  Krankheiten ,  während  deren 
VerTauf  normaler  Weise  der  Lifectionserreger  in  infectionstüchtigem 
Zustande  aus  dem  Körper  des  Erkrankten  ausgeschieden  wird,  so  dass 
die  Möglichkeit  gegeben  ist,  dass  er  durch  die  Yermittelung  der  Luft 
(wie  bei  den  Pocken)  oder  an  bestimmten  Gegenständen  haftend  und 
durch  A^ermittelung  dieser  übertragen  (wie  bei  der  Cholera)  in  einen 
neuen  Organismus  gelangt  und  diesen  iiificirt.  Nicht  contagiös 
ist  z.  B.  die  Malaria :  denn  hier  findet  eine  Ausscheidung  infections- 
tüchtiger  Parasiten  aus  dem  erkrankten  Körper  nicht  statt;  bei  der 
Malaria  liegt  die  Möglichkeit  der  natürlichen  „Ansteckung"  eines  Falles 
dui'ch  den  anderen  nicht  vor.  Nur  auf  besondere  künstliche  Weise 
kann  bei  den  nicht  contagiösen  Krankheiten  die  Uebertragung  des  Er- 
regers von  dem  Kranken  auf  den  Gesunden,  die  Inficii'ung  eines  Falles 
direct  durch  einen  anderen,  geschehen.  Bei  der  Malaria  kann  man 
dies  dadurch  bewerkstelligen,  dass  man  Blut  des  Erla-ankten  dem  Ge- 
sunden einverleibt. ' ) 

Bei  den  Infectionskrankheiten  kann  die  Einwanderung  des  Erregers 
in  den  Organismus,  die  Infection,  auf  verschiedenen  Wegen  erfolgen. 
Handelt  es  sich  um  „natürliche  Infection",  so  können  die  Bak- 
terien durch  den  Mund  in  Magen  und  Darm  gelangen  und  von 
dort  aus  in  den  Organismus  einwandern,  oder  sie  können  mit  der 
Athmungsluft  in  die  Lunge  aufgenommen  v.erden  und  dann  weiter 
in  den  Körper  eindringen,  oder  sie  können  durch  Verletzungen 
der  Haut'^)  oder  der  Schleimhäute'^)  in  den  Körper  gelangen 
und  dann  auf  dem  Wege  der  Ljonph-  und  Blutgefässe  sich  weiter 
verbreiten.  Eine  dieser  drei  Infectionsarten  trifft  bei  der  allergrössten 
Mehrzahl  der  natürlichen  Lifectionen  zu.  In  Ausnahmefällen  giebt  es 
auch  noch  andere  Infectionspforten;  und  wenn  wir  im  Labo- 
ratorium Versuchsthiere *)  künstlich  inficiren,  so  benutzen  wir 
ausser  den  oben  angeführten  drei  Wegen  in  der  That  häufig  noch  andere. 


^)  Eingehenderes  über  Contagiosität  siehe  bei  Flügge  (Die  Mikroorganismen, 
Leipzig  1886.    p.  596  ff.  und  Zeitschr.   f.  Hjg.    Bd.  14.    1893.    p.  170). 

-)  Unter  Umständen  können  Bakterien  auch  durch  die  unverletzte  Haut 
in  den  Körper  emdringen.  Nach  Garre  (Fortschr.  d.  Med.  188.5.  p.  173)  nimmt 
z.  B.  beim  Furunkel  die  Staphylococcen -Infection  ihren  Weg  gewöhnlich  durch  die 
Ausführungsgänge  der  Hautdrüsen  hindurch. 

'')  So  bilden  nachgewiesener  Massen  die  Tonsillen  sehr  häufig  die  Eingangs- 
pforte für  infectiöse  Mikroorganismen,  (cf.  Buschke,  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir. 
1894.  —  ref.  Centralbl.  f.  Bakt.     1.  Abth.    Bd.  17.    p.  370.) 

•*)  Die  am  meisten  benutzten  Species  sind  Mäuse  (weisse  und  graue  Haus- 
mäuse, Feldmäuse),  Ratten,  Meerschweinchen,  Kaninchen,  Tauben. 


I.  Einleitendes.  I97 

Die  verschiedenen  Infeotionsmudi,  die  künstlich  zur  An- 
wendung gelangen,  sind:  die  cutane  Einverleibung  des  Materials 
(„Impfung"  im  engeren  Sinne),  die  subcutane'),  intramuscu- 
lare-).  intravenöse'^),  intraoculare^),  intrapleurale'^),   in- 


^)  Mäuse  kann  man  ohne  Assistenz  sehr  bequem  in  folgender  Weise  subcutan 
inficiren:  Man  disponirt  zunächst  das  dem  Thiere  einzubringende  Culturmaterial  so, 
dass  man  es  nachher  bequem  mit  der  rechten  Hand  allein  erlangen  kann.  Dann 
nimmt  man  die  Maus  mit  1er  „Mäusezange"  (modifieirte  Tiegelzange)  aus  dem  Käfig 
am  Schwänze  (Feldmäuse  an  den  Ohren)  heraus  und  setzt  sie  auf  ein  Tuch,  in 
welches  man  nun  die  Maus  so  einhüllt,  dass  nur  der  Schwanz  und  der  angrenzende 
Theil  des  Kückens  heraussieht.  Nun  bringt  man  das  Tuch  mit  der  Maus  in  die 
linke  Hohlhand,  indem  man  die  Schwanzwurzel  fest  zwischen  linkem  Daumen  und 
Zeigefinger  fixirt.  Der  untere,  freie  Theil  des  Mauserückens  liegt  dann  in  dem  von 
Daumen  und  Zeigefinger  umschlossenen  Eaum  frei  zu  Tage.  Diesen  Theil  des 
Mauserückens  benutzt  man  als  Operationsfeld.  Man  entfernt  hier  mit  einer  Schere 
die  Haare  und  kann  nun,  indem  man  eine  Stelle  der  Haut  zwischen  die  Scheren- 
branchen klemmt,  mit  der  Schere  leicht  einen  klemen  Hautdefect  herstellen,  der 
dann  mit  einer  ausgeglühten,  nicht  zu  spitzen  Pincette  zu  einer  Hauttasche  erweitert 
Avird.  In  die  letztere  wird  das  Impfmaterial  eingetragen.  Nach  beendeter  Operation 
fasst  mau  die  Maus  mit  der  Zange  am  Schwanzende,  zieht  sie  aus  Tuch  und  Hand 
heraus  und  setzt  sie  in  den  Käfig  zurück. 

'-)  Dieser  Infectionsmodus  wird  speciell  bei  der  Impfung  von  Vögeln  (Tau- 
ben etc.)  gewöhnlich  angewandt;  man  bringt  den  Thieren  das  Infectionsmaterial  mit 
HüKe  der  Injectionsspritze  in  den  grossen  Brustmuskel  hinein. 

'•^)  Bei  grösseren  Thieren  (grossen  Kaninchen  z.  B.)  verfährt  man  behufs  der 
intravenösen  Einverleibiuig  sehr  bequem  so,  dass  man  (nach  dem  Vorgange  von 
Aufrecht)  das  Material  mit  Hülfe  einer  feinspitzigen  Pravaz-Canüle  in  eine 
Ohrvene  injicirt,  die  man  vor  dem  Einstich  durch  einen  Gehülfen  central  compri- 
miren  lässt  und  so  zur  Anschwellung  bringt.  Die  zu  injicirende  Bakterienaufschwem- 
mung muss  vorher  (zur  Entlernung  gi-öberer  Partikel)  durch  feine  Gaze  filtrirt  werden 
(cf.  E.  Koch,  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.  Bd.  2.  1S84.  p.  73).  —  Die  genannte 
Pravaz-Canüle  bildet  das  Ansatzstück  der  Injectionsspritze,  welche  steriüsirbar  sein 
muss  (cf.  p.  198). 

^)  Die  künstUche  intraoculare  Infection  (Einbringung  des  Materials  in  die  vor- 
dere Augenkammer)  ist  von  Cohnheim  angegeben  worden.  Die  Operation  wird 
meist  bei  Kaninchen  vorgenommen.  Man  kann  so  vorgehen,  dass  man  am  oberen 
Eande  der  Cornea  einen  mehrere  Millimeter  langen  Einschnitt  macht  und  durch 
diesen  hindurch  das  Impfmaterial  (Bröckchen  einer  Cultur  etc.)  einbringt,  oder  dass 
man  mit  einer  sehr  feinen  und  scharfen  Canüle  einen  Einstich  durch  die  Cornea  in 
die  Vorderkammer  hinein  macht  und  dann  direct  ein  Tröpfchen  der  Bakterienauf- 
schwemmung injicirt  (cf.  E.  Koch,  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.  Bd.  2.  1884. 
p.  68).  Die  intraoculare  Infection  ist  deshalb  von  besonderem  Werthe,  weil  man 
die  an  die  Infection  sich  anschüessenden  pathologischen  Veränderungen  durch  die 
Cornea  hindurch  direct  beobachten  und  verfolgen  kann. 

^)  Hat  man  kleine  Thiere  (z.  B.  Mäuse)  intrapleural  zu  inficiren,  so  muss  mau 
die  rechte  Seite  wählen,  weil  man  links  gewöhnhch  das  Herz  trifft. 


J98  B-  Di®  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

traperitoneale^)  Einverleibung,  die  Einverleibung  in  den  Magen,-) 
in  das  Duodenum,  die  Einbringung  durch  Inhalation,  die  in- 
tratracheale, intrapulmonale  Injection,  die  intracranielle 
(sub durale)  Einverleibung  (Application  des  Materials  nach  Tre- 
panation unter  die  Dura),'^)  die  Injection  in  grosse  Nerven  hinein. 
Ist  mit  der  künstlichen  Einverleibung  des  Infectionsmateriales  in  den 
Thierkörper  eine  Verletzung  der  Gewebe  verbunden  (und  das  ist,  wenn 
man  die  Einverleibung  in  den  Magen  und  die  Einbringung  durch  In- 
halation ausnimmt,  stets  der  Fallj,  so  muss  man  selbstverständlich  so 
operiren,  dass  das  Eindringen  anderer  Infectionskeime  streng  vermieden 
wird.  Die  Operationsstelle  wird  deshalb  zunächst  von  eventuell  vor- 
handenen Haaren  befreit,  dann  mit  Sublimatlösung,  hinterher  mit 
Alcohol  und  dann  mit  Aether  abgewaschen.  Alle  zur  Operation  ge- 
brauchten Instrumente  werden  in  durch  Hitze  desinficirtem  Zustande 
angewendet.  Flüssiges  Material  (Culturaufschwemmungen  in  sterihsirtem 
Wasser  etc.)  bringt  man  am  besten  mit  Hülfe  einer  aus  Glas  und 
Metall  construirten,  mit  feiner  Canüle  versehenen,  durch  Hitze  sterili- 
sirbaren'')  Spritze,  wie  sie  in  verschiedener  Construction  von  R.  Koch'^) 
und  Anderen  angegeben  ist,  in  das  Innere  der  Gewebe  hinein. 

Soll  die  Pathogenität  einer  bestimmten  reingezüchteten  Bakterien- 
art sicher  gestellt  werden,  so  muss  man  bei  dem  Thierversuche  zunächst 
möglichst   wenig   von   dem  Bakterienmaterial   in   den  Organismus 


^)  Wichtig  ist  es,  bei  dieser  Operation  eine  Verletzung  der  Därme  zu 
vermeiden.  Bei  Meerschweinchen,  Katten,  Mäusen,  Katzen  gelingt  dies  nach  E.  Koch 
(Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.  Bd.  2.  1884.  p.  71)  leicht,  wenn  man  die  Canüle 
langsam  durch  die  Bauchdecken  treibt.  Kaninchen  sind  wegen  des  stark  gefüllten 
Blinddarms  für  die  Operation  weniger  geeignet.  —  E.  Pfeiffer  (Zeitschr.  f.  Hyg. 
Bd.  18.  1894.  p.  27)  verfährt,  um  Verletzungen  der  Därme  mit  Sicherheit  zu  ver- 
meiden, so:  Nach  Durchschneidung  der  Haut  wird  eine  stumpfe  Canüle  an- 
gewendet, die  sich  dann  leicht  durch  die  Muskehi  und  das  Peritoneum  hindurch- 
schieben läset. 

-)  Bei  Meerschweinchen  lässt  sich  das  Infectionsmaterial  mit  Hülfe  eines  feinen 
elastischen  Katheters ,  der  durch  einen  durchbohrten ,  zwischen  den  Zahnreihen  des 
Thieres   eingeklemmten  Knebel  hindurch   geschoben   wird,  leicht  in   den  Magen  ein- 


^}  Diese  Methode  wird  bei  experimentellen  H  u  n  d  s  w  u  t  b  infectionen  häufig 
angewendet. 

■*)  Die  Sterilisirung  der  Spritze  wird  jedesmal  sowohl  vor  dem  Gebrauch  als 
auch  nach  demselben  vorgenommen,  und  zwar  am  besten  so,  dass  man  mehrmals 
kochendes  Wasser  durch  die  Canüle  und  den  Cylinder  der  Spritze  zieht,  event.  auch 
die  Spritze  mit  den  genannten  Theilen  in  ein  passendes  Gefäss  (z.  B.  ein  Reagenz- 
glas) für  einige  JVIinuten  hineinbringt,  in  welchem  Wasser  im  Sieden  erhalten  wird. 

5)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.  Bd.  1.  1881.  p.  17;  Bd.  2.  1884.  p.  60; 
Deutsche  med.  Wochenschr.     1890.     No.  46  a.     p.   1029. 


I.  Einleitendes.  199 

des  Versuchthieres  übertragen;  denn  es  ist  gar  nicht  zu  vermeiden, 
dass  mit  den  Bakterienzellen  zugleich  chemische  Substanzen  übertragen 
werden,  die  theils  in  dem  Leibe  der  Bakterien  selbst,  theils  in  der 
die  Bakterienzelleu  umgebenden  Culturflüssigkeit  enthalten  sind.  Unter 
diesen  chemischen  Substanzen  befinden  sich  häufig  Körper  von 
hoher  Giftigkeit  (giftige  Ptoma'ine  [Toxine]  und  andere  giftige 
[Eiweiss-  etc.]  Körper), \)  die,  in  grösseren  oder  geringeren  Mengen 
dem  Thierorganismus  einverleibt,  Vergiftungen  veranlassen  und 
dann  das  Resultat  des  Thierversuches  sehr  stören,  eventuell  auch  zu 
den  fehlerhaftesten  Schlussfolgerungen  Veranlassung  geben  können,  in- 
dem man  nämlich  die  Erkrankung  des  Thieres  als  Folge  einer  Infection 
ansieht,  während  sie  doch  der  Ausdruck  einer  Intoxication  war. 
Es  ist  hier  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  es,  man  kann  wohl 
sagen  mit  jedweder  beliebigen,  auch  der  unschuldigsten  Bakterienart  — 
d.  h.  mit  einer  solchen,  die  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen,  spontan, 
nie  und  nimmer  Krankheitserscheinungen  bei  irgend  welcher  Thier- 
species  hervorbringt  —  gelingt,  ki-ankhafte  Erscheinungen  oder  auch 
den  Tod  des  Versuchsthieres  zu  veranlassen,  wenn  man  sehr  grosse 
Culturdosen  in  den  Thierorganismus  einführt.  Eine  Infection  aber 
ist  nur  dann  vorhanden,  oder,  was  dasselbe  sagt,  die  eingeführten 
Bakterien  sind  nur  dann  als  pathogene  zu  betrachten,  wenn  sie 
sich  auf  Kosten  des  Organismus  vermehren. 

Es  liegt  jedoch  in  der  Natur  der  Sache ,  dass  wohl  mit  jeder 
Infection  eine  Intoxication  verbunden  ist.  Man  könnte 
sich  allerdings  Infectionskrankheiten  denken,  bei  denen  eine  so  massen- 
hafte Vermehrung  der  Bakterien  im  Blute  stattfindet,  dass  die  Bak- 
terien schliesshch  ein  physikalisches  Hindemiss  für  den  Blutumlauf 
abgeben,  dass  das  Thier  rein  und  ausschliesslich  an  der  Vermehrung 
der  Bakterien  stirbt.  Ob  eine  solche  Vermehrung  aber  in  der  That 
möglich  ist,  ohne  dass  dabei  auf  das  Thier  irgendwie  schädlich  ein- 
wirkende und  den  Verlauf  der  Erki'ankung  beeinflussende  Stoffvvechsel- 
producte  gebildet  werden,  ist  sehr  die  Frage.  In  den  allermeisten 
Fällen  von  Infection  tragen  die  giftigen  chemischen  Körper,  welche 
die  Bakterien  bei  ihrem  Wachsthum  im  Thierkörper  bilden,  sehr  wesent- 
lich das  Ihrige  zu  der  gesammten  Erkrankung  bei.  Immerhin  ver- 
halten sich  die  pathogenen  Bakterien  bezüglich  ihrer  Giftwirkung 
ganz  verschieden  unter  einander.  Es  giebt  Bakterienarten  —  und  zu 
diesen  gehören  z.  B.  der  Tetanusbacillus  und  der  Diphtheriebacillus  — , 
die  Gifte   von   so  fabelhafter,    so   ungeheurer  Wirksamkeit  produciren, 


')  cf.  oben  p.  45,  46. 


200  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

dass  in  den  entsprechenden  Krankheiten  die  Wirkung  dieser  Gifte  auf 
den  Organismus  das  Krankheitsbild  völlig  bestimmt.  Die  Bakterien 
selbst  finden  sich  in  Tetanus-  und  in  Diphtheriefällen  gewöhnlich  nur 
an  einer  kleinen,  circimiscripten  Stelle  im  Körper  (der  Infectionsstelle) 
in  Vermehrung.  Hier  werden  die  furchtbaren  specifischen  Gifte  ge- 
bildet, die  dann  in  den  Körper  hinein  resorbii't  werden  und  die 
schweren  Allgemeins3mptome  der  genannten  Krankheiten  bedingen. 
Man  bezeichnet  derartige  Bakterienarten  als  „toxische  Bakterien" 
im  Gegensatz  zu  den  oben  genannten  Arten,  welche  wesentlich  dm'ch 
ihre  Vermehrung  als  solche  wirken,  und  die  man  auch  Avohl  als 
„infectiöse"  Bakterien  im  engeren  Sinne  oder  als.  ,. s e p t i - 
cae mische"  Bakterien  bezeichnet. 

Wie  schon  gesagt,  zeigen  sich  die  Bakterien  bei  den  verschiedenen 
Infectionskrankheiten  im  Körper  des  Thieres  verschiedenartig  localisirt. 
Auch  bei  einer  und  derselben  Krankheit  kann  je  nach  dem  verschiedenen 
Modus  der  Infection,  der  verschiedenen  Lage  der  Infectionspforte ,  die 
Localisation  der  Bakterien  im  Körper,  und  damit  auch  der  Ki'ankheits- 
verlauf,  verschieden  sein.  Wählen  die  Bakterien  das  Blut  als  den  Ort 
ihrer  Vermehrung,  sind  sie  bei  der  Section  in  den  Blutgefässen  und, 
abgesehen  von  den  besonderen  Veränderungen  der  Infectionsstelle  und 
der  ersten  Verbreitungswege,  überall  im  Blute  und  nur  im  Blute  zu 
finden,  so  bezeichnet  man  eine  solche  (schnell  tödtlich  verlaufende) 
Erkrankung  nach  D  a  v  a  i  n  e  und  K  o  c  h  ^)  als  „  S  e  p  t  i  c  a  e  m  i  e  ".  -) 
Bei  der  Septicaemie  finden  sich  Herdbildungen,  Metastasen,  nicht. 

In  anderen  Fällen  schnell  verlaufender  allgemeiner  Infection  des 
Körpers  kommt  es  in  Folge  der  Vermehrung  der  Bakterien  im  Blute 
zur  Bildung  (eitriger)  Herde  in  den  inneren  Organen,  zur  Meta- 
stasenbildung. Dann  bezeichnet  man  den  Process  als  „Pyaemie". 
Kach  Koch'^)  hat  man  sich  die  erste  Entstehung  der  Herde  so  vor- 
zustellen, dass  die  im  Blut  sich  vermehrenden  Bakterien  in  grösseren 
Haufen  zusammenhängen  bleiben  und,  mit  Blutkörperchen  zusammen- 
kle])end,  EmboHsirung  enger  Blutgefässe  und  Throml)enbildung  ver- 
anlassen. 

Diesen  Fällen   allgemeiner  Verbreitung  des  Infectionserregers 


1)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     ISSl.     p.  84. 

^)  Durch  Untersuchungen  von  Petruschky  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  17.  1894. 
p.  110)  ist  festgestellt,  dass  bei  der  septischen  Infection  des  Menschen 
der  Nachweis  von  pyogenen  Coecen  im  Blute  (cf.  hinten  unter  „Streptococcus  pyo- 
genes")  nicht  jedesmal  eine  letale  Prognose  begründet. 

^)  Pyaemie  bei  Kaninchen.  Untersuchungen  über  die  Aetiologie  der  Wund- 
infections-Krankheiten.     Leipzig  1S78.     p.  54  ff. 


I.  Einleitendes.  201 

im  Körper  gegenüber  stehen  andere  Fälle,  in  denen  die  Verbreitung 
der  Bakterien  auf  gewisse  Gebiete  oder  Organe  des  Körpers 
beschränkt  ist.  So  finden  wir  z.  B.  bei  der  Cholera  die  Erreger  nur 
im  Darme  und  in  der  Darmwand,  sonst  nirgends,  bei  dem  Wund- 
starrkrampf (Tetanus),  bei  der  Diphtherie  finden  ^nr  sie  (wie  bereits 
oben  angeführt)  nur  an  der  Infectionsstelle  und  in  ihrer  nächsten  Um- 
gebung. Es  ist  klar,  dass  die  schweren  Allgemeinsj-mptome  dieser 
Krankheiten  nicht  directe  Folge  der  Bakterienvermehrung  sein  können, 
sondern  dass  die  durch  die  Bakterien  gebildeten  giftigen  chemischen 
Körper  es  sind,  welche,  von  der  Yermehrungsstelle  der  Bakterien  aus 
in  den  Körper  eingedrungen,  diese  Symptome  veranlassen.  Bleiben  die 
Bakterien  localisirt,  so  kann,  wie  bei  den  eben  genannten  Krankheiten, 
eine  Genesung  des  Körpers  eintreten.  Bei  manchen  localen  In- 
fectionen  ist  der  Ausgang  in  Genesung  die  Regel;  dies  sehen  wir 
z.  B.  an  den  in  unserer  Haut  so  oft  auftretenden  Furunkelbildungen, 
die  ihre  Entstehung  einer  localen  Hautinfection  durch  Bakterien  ver- 
danken. ^)  Bei  Ueberschwemmung  der  gesammten  Blutbahn  mit  den 
Infectionserregern  ist  Genesung  sehr  selten. 

Die  nahen  Beziehungen  zwischen  Infection  und  In- 
toxication  lassen  übrigens  eine  Thatsache  erklärlich  erscheinen,  die 
man  ohne  die  Kenntniss  dieser  Beziehungen  schwer  verstehen  könnte. 
Es  hat  sich  nämlich  gezeigt,  dass  unter  Umständen  zwar,  bei  gewissen 
Infectionskrankheiten  und  bei  bestimmten  Thierspecies ,  die  kleinste 
Quantität  des  Infectionsmaterials,  eine  einzige  Bakterienzelle,  genügt, 
imi  die  Infection  zu  bewerkstelligen.  In  anderen  Fällen  genügt  dies 
durchaus  nicht;  man  muss,  um  die  Infection  zu  erzielen,  grössere 
Quantitäten  des  infectiösen  Materials  dem  Thierkörper  einverleiben. 
Ohne  Zweifel  sind  in  solchen  Fällen  die  in  den  Körper  zugleich  mit 
einverleibten    giftigen    chemischen   Körper   wesentlich   mitbetheiligt  an 


^)  Zu  den  localen  Infectionen  gehört  auch  die  Zahncaries,  welche  nach  den 
Ermittelungen  von  W.  D.  Miller  (Die  Mikroorganismen  der  Mundhöhle.  Leipzig 
1889;  2.  Aufl.  Leipzig  1892)  dadurch  zu  Stande  kommt,  dass  zunächst  eine  Ent- 
kalkung des  Schmelzes  resp.  des  Zahnbeins  durch  saure  Flüssigkeiten  (saure  Gährungs- 
producte)  eintritt,  und  dass  dann  das  entkalkte  Zahnbein,  die  leimgebende  Grund- 
substanz desselben,  von  (verflüssigenden)  Bakterien  befallen  wird,  welche  die  Er- 
weichung und  Zerstörung  derselben  bewirken.  LTeber  die  Bakterien  arten ,  welche 
hierbei  eine  Rolle  spielen,  cf.  die  Inaug.-Diss.  von  C.  Jung,  Berlin  1S92.  Yergl. 
auch  die  zusammenfassende  Darstellung  desselben  Autors  über  das  Wesen  der  Zahn- 
caries im  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  16.  1894.  p.  624  ff.  und  p.  688  ff'.  —  Ueber  die 
„Bakterio-Pathologie  der  Zahnpulpa"  hat  W.  D.  Miller  (Verhandl.  d. 
Deutschen  Odontologischen  Ges.  Bd.  6.  1894.  [Orig.-Eef.  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  16. 
p.  447  ff".])  ausführliche  Untersuchungen  publicirt. 


202  B-  Die  Baliterien  als  Krankheitserreger. 

dem  Zustandekonmien  der  Infection,  indem  sie  die  —  von  Xatiir,  wie 
wir  weiterhin  noch  sehen  werden,  äusserst  bakterienfeindlichen  —  Ge- 
webssäfte  des  Körpers  schädigen  und  weniger  widerstandsfähig  machen 
gegen  die  eindringenden  Bakterien.  ^) 

Es  ist  hier  der  Ort,  auf  die  Verhältnisse  einzugehen,  weiche  für 
das  Zustandekommen  resp.  das  Ausbleiben  der  Erki-ankung  nach  der 
Einführung  von  Infectionserregern  in  den  Thierkörper  wesentlich  be- 
stimmend sind.  Wir  Averden  besonders  die  auf  Immunität  und 
Schutzimpfung  bezüglichen  Fragen  einer  Betrachtung  zu  unter- 
werfen haben. 

Wenn  ein  thierischer  Organismus  für  eine  bestimmte  Infections- 
krankheit  unempfänglich  ist,  so  nennt  man  ihn  „imniun"  gegen  diese 
Krankheit.  Man  sagt  auch,  er  verhalte  sich  refractär  gegen  die 
Einverleibung  des  bestimmten  Infectionserregers.  Die  Immunität 
gegen  eine  bestimmte  lü-ankheit  kann,  wie  wir  bereits  oben  (p.  188) 
angedeutet  haben,  eine  allgemeine  Eigenschaft  aller  Mtglieder  der 
betreffenden  Thierspecies  sein;  man  spricht  in  diesem  Falle  von  der 
natürlichen  Immunität  der  Species.  Sie  kann  aber  auch  einzelne 
Individuen  einer  im  Uebrigen  für  die  bestimmte  Infectionski-ankheit 
empfänglichen  Thierspecies  betreffen.  In  dem  letzteren  Falle  handelt 
es  sich  um  individuelle  I  m  m  u  n  i  t  ä  t. 

Die  individuelle  Immunität  kann  unbekannte  Ur- 
sachen haben ;  sie  kann  aber  auch  —  auf  natürhche  oder  künstliche 
Weise  —  erworben  sein.  Wenn  ein  Kind  Scharlach  überstanden  hat, 
so  ist  es  in  der  Regel  für  das  weitere  Leben  gegen  eine  erneute  Schar- 
lacherkrankung gefeit.  Hier  haben  mr  es  mit  einer  zufälligen, 
natürlichen  Immunisirung  zu  thun.  Die  Immunisirung  kann 
aber  auch  absichtlich,  künstlich  zu  Stande  gebracht  werden, 
und  zwar  durch  Einverleibung  eines  bestimmten,  je  nach  den  ver- 
schiedenen Krankheiten  verschiedenen  Impfstoffes,  eines  „Vaccin", 
in  den  Organismus. 

Bekanntlich  wird  seit  beinahe  himdert  Jahren  die  (von   Jenner 


^)  Hiermit  in  Einklang  steht  die  wichtige  Entdeckung  von  A.  Gottstein 
(Deutsche  med.  Wochenschr.  1890.  No.  24),  dass  unter  Umständen  Thiere,  die  sich 
gegen  einen  bestimmten  Krankheitserreger  unter  normalen  Verhältnissen  vollständig 
refractär  verhalten ,  durch  Einverleibung  blutkörperchenzerstörender  Substanzen  für 
diesen  Erreger  empfänglich  gemacht  werden  können.  —  Hierhin  gehört  auch  die 
häufiger  gemachte  Beobachtung,  dass  eine  bestimmte  einzelne  pathogene  Bakterienart, 
in  kleiner  Quantität  dem  Thierkörper  einverleibt,  die  Infection  nicht  zu  Wege  bringt, 
dass  die  letztere  aber  sofort  erfolgt,  wenn  daneben  noch  eine  bestimmte  andere  Art, 
die  durchaus  nicht  pathogen  zu  sein  braucht,  mit  einverleibt  wird. 


I.  Einleitendes.  203 

eingeführte)  Schutzimpfung  gegen  die  Menschenpocken  geübt. 
Es  handelt  sich  hier  um  eine  rein  empirische  Sache.  Man  hatte 
beobachtet,  dass  Menschen,  die  sich  mit  dem  Inhalte  der  Kuhpocken 
inficirten,  eine  leichte  locale  Erkrankung  bekamen,  und  dass  das 
Feberstehen  dieser  leichten  Erkrankung  Immunität  verlieh  gegen  die 
Infection  mit  den  Menschenpocken.  Es  liegt  hier  eine  merk^nirdige, 
aber  uns  leider  noch  völlig  dunkle  Beziehung  zwischen  zwei  von 
einander  verschiedenen  Krankheiten  vor.  Wir  wissen  nur,  dass  diese 
Beziehung  existirt.  Wir  erzeugen  bei  der  Kuh  oder  beim  Kalb  durch 
Impfung  absichtlich  eine  Infectionskrankheit ;  wir  entnehmen  von  dem 
kranken  Thiere  Krankheitsstoflf  und  impfen  denselben  dem  menschlichen 
Organismus  ein:  wir  sehen,  dass  der  letztere  danach  erkrankt;  aber 
wir  sehen  diese  Erkrankung  sehr  gern,  weil  wir  wissen,  dass  das  Ueber- 
stehen  derselben  den  Organismus  schützt  vor  einer  weit  gefährlicheren 
Krankheit.  Wir  thun  dies  Alles,  trotzdem  wir  weder  den  Erreger  der 
Kuhpocken  noch  den  der  Menschenpocken  kenneu,  und  trotzdem  alle 
Anstrengungen  der  letzten  Jahre,  dieser  Erreger,  die  doch  sicher  exi- 
stiren,  habhaft  zu  werden,  bisher  gescheitert  sind  (cf.  p.  194).  Wie 
dem  aber  auch  sei,  jedenfalls  ist  hier  die  Immunität  gegen  die  eine 
Krankheit  durch  das  lieber  stehen  einer  anderen  —  mit  der 
ersten  vielleicht  nahe  verwandten  —  Krankheit,  die  durch  künst- 
liche Impfung  erzeugt  wurde,  hervorgebracht  worden. 

In  anderen  Fällen,  und  zwar,  wie  wir  weiter  sehen  werden,  bei 
einer  Reihe  von  Infectionski'ankheiten,  deren  Erreger  wir  genau  kennen, 
geschieht  die  Immunisirung  nach  dem  Vorgange  von  Pasteur  durch 
Einverleibung  des  Erregers  derselben  Krankheit,  gegen 
die  wir  den  Organismus  schützen  wollen.  Die  Eigenschaften  des  in 
den  Organismus  einzubringenden  Krankheitserregers  müssen  hier  jedoch 
in  der  Weise  abgeändert  sein,  dass  eine  verderbenbringende  Infection 
nicht  etwa  durch  die  Lnpfung  selbst  schon  erfolgt. 

Die  erste  Entdeckung  auf  diesem  Gebiete  wurde  1880  von  Pasteur 
gemacht.  Pasteur  fand,  dass  Hühner  —  welche  bekanntermassen 
für  die  Infection  mit  den  „Hühnercholerabakterien"  im  höchsten 
Grade  empfänglich  sind  und  nach  der  Einverleibung  dieser  Bakterien 
in  ihren  Körper  ausnahmslos  an  einer  schweren  Allgemeinerkrankung, 
der  Hühnercholerasepticaemie,  sterben  —  nur  local  und  vorübergehend 
erkranken,  wenn  man  ihnen  solche  Hühnercholerabakterien  unter  die 
Haut  bringt,  die  in  den  künstlichen  Culturen  bereits  längere  Zeit  (eine 
Reihe  von  Monaten)  sich  selbst  überlassen  gestanden  haben.  Nach 
dem  Ueberstehen  dieser  localen  Erkrankung  zeigten  sich  die  Hühner 
gegen   die  Impfung   mit   den   wirksamsten,   frischesten  Hühnercholera- 


204  t*-  üif  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

bakteriell  immun.  Durch  das  längere  Stehen  der  ursprünglich  so  ver- 
derbeiibringenden  Bakterienculturen  haben  dieselben  demnach  an  ihrer 
Giftigkeit  für  den  Organismus  des  Huhns,  an  ihrer  „Virulenz",  er- 
heblich eingebüsst. 

Man  nennt  so  veränderte  Cultiu-en,  so  veränderte  Bakterien  ab- 
geschwächt; und  es  hat  sich  in  der  Folge  gezeigt,  dass  eine  solche 
Abschwächung ,  ein  solcher  Verlust  der  Virulenz  ursprünglich 
virulenter  Bakterien  nicht  allein  bei  den  Erregern  der  Hühnercholera, 
sondern  bei  den  meisten  pathogenen  Bakterienarten  beobachtet  werden 
kann.  Ebenso  hat  es  sich  weiterhin  auch  gezeigt,  dass  die  Impfung 
mit  abgeschwächtem  Material  bei  einer  ganzen  Reihe  von  Infections- 
krankheiten  Immunität  hervorbringt  gegen  die  Impfung  mit  virulentem 
Material. 

Durch  welche  Einflüsse  werden  aber  virulente  Bakterien  ab- 
geschwächt? Was  diese  Frage  angeht,  so  giebt  es  eine  ganze  Anzahl 
Methoden,  mit  Hülfe  deren  man  virulente  Bakterien  abzuschwächen 
vermag.  In  dem  vorher  erwähnten  Falle  der  Hühnercholera  war  es 
das  längere  Stehen  der  Culturen,  welches  die  Abschwächung 
zu  Wege  brachte;  und  Pasteur  war  der  Ansicht,  dass  der  lange 
dauernde  Einfluss  des  atmosphärischen  Sauerstoffs  wesentlich  dabei 
betheiligt  sei. 

Ausserdem  ist  es  eine  bei  vielen  pathogenen  Bakterienarten  ge- 
machte Beobachtung,  dass  die  Virulenz  geschädigt  wird,  wenn  die 
Bakterien  längere  Zeit  auf  künstlichem  Nährboden  weitergezüchtet 
werden,  ohne  den  Thierkörper  zu  passiren.^) 

Femer  giebt  es  eine  Reihe  von  chemischen  Körpern  (sehr 
dünne  Losungen  von  Kaliumbichromat,  von  Schwefelsäure,  von  Carbol- 
säure  etc.),  die,  mit  virulenten  Bakterienculturen  längere  oder  kürzere 
Zeit  in  Berührung,  dieselben  abschwächen. 

Auch  ein  längeres  Austrocknen  kann  abschwächend  i^irken. 

Von  ganz  besonderer  Bedeutung  aber  haben  sich  in  dieser  Be- 
ziehung thermische  Einflüsse  gezeigt.  Eine  kurz  dauernde  Erwär- 
mung auf  höhere  Temperaturgrade  (bei  Mlzbrandbacillen  z.  B.,  wie 
Toussaint  1880  fand,  10  IMinuten  langes  Erwärmen  auf  55"  C.) 
Avirkt   unter   Umständen    abschwächend    ein.     Noch    sicherer   wirkt   m 


^)  Es  ist  deshalb  im  Laboratorium  behiils  der  Erhaltung  der  Virulenz  bei 
pathogenen  Bakterienculturen  die  Regel,  dieselben  —  in  nicht  zu  langen  Zwischen- 
pausen —  ab  und  zu  durch  den  Körper  empfängUcher  Versuchsthiere  zu  schicken. 
Dadurch  erhält  sich  nicht  allein  die  Virulenz;  sie  wird  sogar  häufig  gesteigert. 
Und  wenig  virulente  Culturen  können  auf  diese  Weise  gelegentlich  wieder  zur  vollen 
Virulenz  zurückgebracht  werden. 


I.  Einleitendes.  205 

manclien  Fällen  (z.  B.  beim  Milzbrandbacillus)  die  C  ii  1 1  i  v  i  r  ii  n  g  der 
Bakterien  bei  Temperaturen,  die  zwar  erheblich  niedriger  als  die  eben 
genannten  sind,  aber  doch  nahe  an  der  Grenze  liegen,  imterhall)  deren 
die   betreffende   Bakterienspecies   überhaupt  noch  zu  wachsen  vermag. 

Ausserdem  beobachtet  man  eine  Ahschwächung  mitunter  auch 
dann,  wenn  man  die  Bakterien  durch  einen  für  sie  wenig  ge- 
eigneten Thierkörper  passiren  lässt.  Pasteur  hat  z.  B. 
gefunden,  dass  die  Schweinerothlaufbacillen,  welche  für  junge  Schweine 
edler  Kassen  ein  äusserst  gefährliches  infectiöses  Material  bilden,  die 
Virulenz  für  Schweine  verlieren,  wenn  man  sie  zunächst  Kaninchen 
einimpft,  und  dann  aus  dem  Kaninchenkörper  weiter  cultivirt. 

Alles  in  Allem  pflegen  Ab  seh  wach  ungs  Vorgänge  also  dann 
einzutreten,  wenn  man  virulente  Bakterien  in  Aussen- 
Verhältnisse  versetzt,  welche  ihnen  ungünstig  sind  und 
ihrer  eigentlichen  Natur  wenig  entsprechen. 

Was  ist  nun  das  Wesen  der  Ahschwächung?  Wie  unter- 
scheiden sich  abgeschwächte  Bakterien,  abgesehen  von  der  Veränderung 
der  Virulenz,  von  gleichnamigen  virulenten  Bakterien?  Durch  umfang- 
reiche Versuche,  welche  Smirnow^)  in  dem  Institut  von  Flügge 
angestellt  hat,  hat  sich  als  ziemlich  allgemein  zutreffend  die  Thatsache 
herausgestellt,  dass  der  Verlust  der  Virulenz  mit  einer  allgemeinen 
Degeneration  der  Bakterien  verbunden  ist.  Die  abgeschwächten 
Bakterien  wachsen  auf  dem  künstlichen  Nährboden  im  Allgemeinen 
langsamer  als  die  virulenten,  die  sporenbildenden  unter  ihnen  zeigen 
sich  in  der  Sporenhildung  verlangsamt,  die  abgeschwächten  Culturen 
sind  in  jeder  Beziehung  weniger  ki'äftig  als  die  virulenten  Culturen. 
Es  muss  jedoch  bemerkt  werden,  dass  das  genannte  Gesetz  ganz 
allgemein  gültig  doch  nicht  ist.  So  befinden  sich,  wie  Behring 2) 
mitgetheilt  hat,  im  Koch'schen  Institute  Milzbrandbacillenculturen, 
welche  l)ei  erheblichster  Ahschwächung  ihrer  Virulenz  in  ihren  son- 
stigen Fähigkeiten,  in  der  Schnelligkeit  des  Wachsthums,  der  Sporen- 
bildung etc.  sich  wie  die  ki-äftigsten .  virulentesten  Milzbrandculturen 
verhalten. 

Es  ist  an  dieser  Stelle  zu  erwähnen,  dass  eine  einmal  eingetretene 
Ahschwächung  sich  bei  fortgesetzten  Uebertragungen  in  immer  frischen 
Nährboden   hinein    entweder   dauernd-^)    oder    doch    für    längere    oder 


»)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  4.     1SS8. 

-)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  6.     1SS9.    p.  137. 

^)  Damit  die  Abschwäcbimg  eine  dauernde  bleibt,  ist  es  nach  Roux  (7.  inter- 
nat.  Congr.  f.  Hyg.  u.  Demogr.  London  1891.  —  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  10. 
p.  649)  nothwendig,  dass  der  Abschwächungsprocess  langsam  vor  sich  geht. 


206  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

kürzere  Zeit  zu  erhalten  pflegt:  d.  h.  die  einmal  durch  ungünstige 
äussere  Verhältnisse  modificiiien  Bakterien  erlangen  hei  Wiederher- 
stellung günstigster  Culturhedingungen  ihre  früheren  normalen  Eigen- 
schaften durchaus  nicht  sofort,  mitunter  sogar  überhaupt  nicht,  "wieder. 
Durch  die  Impfung  mit  abgeschwächten  Infections' 
Stoffen  hat  man  nun  gegen  eine  ganze  Reihe  von  Ivi'ankheiten  künst- 
liche Immunität  zu  erzeugen  vermocht.  Ausser  der  Hühner- 
cholera war  es  zunächst  der  Milzbrand,  gegen  den  eine  künstliche 
Immmiisirung  durch  Einimpfen  in  bestimmter  Weise  künstüch  zu- 
bereiteter Vaccins  ermöglicht  wurde.  Toussaint  erhielt  (cf.  p.  204} 
durch  10  Minuten  lange  Erwärmung  virulenter  ]\Iilzbrandbacillen  (Blut 
von  Milzbrandthieren)  auf  55 o  C.  Vaccins.  Pasteur  stellt  sich  seine 
Vaccins  dar  durch  Cultivirang  der  Mlzbrandbacillen  in  Bouillon  bei 
einer  Temperatur  zwischen  42  und  43^  C.  (cf.  p.  205).  Auch  für  den 
Rauschbrand,  eine  in  vielen  Gegenden  häufig  vorkommende  Ki'ank- 
heit  der  Rinder,  wurde,  und  zwar  durch  Arloing,  Cornevin  und 
Thomas,  eine  künsthche  Immunisirung  aufgefunden.  Die  genannten 
Autoren  erhitzten  das  getrocknete,  sehr  infectiöse  Fleisch  der  an  Rausch- 
brand verendeten  Thiere  auf  100«  C.  und  erzielten  dadurch  emen 
Vaccin.  Gegen  den  Schweinerothlauf  kann  man  nach  der  Ent- 
deckung Paste ur's  Schweine  dadurch  immmiisiren,  dass  man  ihnen 
Schweinerothlauf bacillen  einverleibt,  die  in  der  oben  (p.  205)  an- 
gegebenen Weise  durch  das  Passh'en  des  Kaninchenkörpers  abgeschwächt 
wurden.  Endhch  kann  man  auch,  wie  ebenfalls  Pasteur  gefunden 
hat,  gegen  die  Hundswuth,  deren  Erreger  wir  im  Uebrigen  noch 
ganz  und  gar  nicht  kennen,  Hunde  durch  Einimpfimg  abgeschwächten 
Infectionsmaterials  innnunisii'en.  Die  Abschwächung  wird  in  diesem 
Ealle  dadurch  bewerkstelhgt,  dass  man  kleine  Stücke  der  nervösen 
Centralorgane  an  Hundswuth  verendeter  Thiere,  in  welchen  das  noch 
unbekannte  Gift  der  Hundswuth  enthalten  ist,  längere  oder  kürzere 
Zeit  in  trockener  Luft  der  Austrocknung  (cf.  p.  204)  überlässt. 

Fassen  wir  nun  diejenigen  Krankheiten  ins  Auge,  deren  Erreger 
bekannt  sind,  und  bei  denen  durch  Einimpfung  der  abgeschwächten 
Bakterien  eine  künsthche  Immunisirung  des  Thierkörpers  gegen  die 
Infection  mit  virulenten  Bakterien  erfolgt,  so  drängen  sich  uns  mehrere 
Fragen  auf:  Was  wird  im  Thierkörper  aus  den  demselben  eingeimpften 
abgeschwächten  Bakterien?  Welche  Veränderungen  erleidet  der  Thier- 
körper bei  dem  Immmiisirungsacte  ?  Wodurch  wird  er  in  den  Stand 
gesetzt,  die  Einimpfung  virulenten  Materials  schadlos  zu  ertragen? 
Was  geschieht  mit  den  dem  immunen  Thiere  eingeimpften  virulenten 
Bakterien  ? 


I.  Einleitendes.  207 

Stellen  wir  uns  behufs  der  Beantwortung  dieser  Fragen  zunächst 
eine  Vorfrage:  Was  wird  überhaupt  aus  irgend  welchen  Bakterien, 
die  dem  Thierkörper  einverleibt  werden?  Vermag  der  Organismus  die 
Bakterien  etwa  auf  dem  Wege  der  ^'ieren,  des  Darms,  der  Haut  etc. 
auszuscheiden?  Nun,  dies  ist  im  Allgemeinen  nicht  der  Fall. '^)  Wenn 
es  sich  um  solche  Bakterien  handelt,  welche  für  die  betreffende  Thier- 
species  nicht  pathogen,  also  unschädlich  sind,  so  verschwinden  die- 
selben nach  dem  Einbringen  in  den  Thierkörper  in  kürzester  Frist 
spurlos.  Sie  werden  von  den  Säften  des  Körpers  direct  abgetödtet 
(cf  weiter  unten)  und  dann,  eventuell  unter  Vermittelung  gewisser  Zellen 
(Gefässendothelien  in  Milz,  Leber  und  Knochenmark),  aufgelöst  und  end- 
gültig vernichtet.  Handelt  es  sich  hingegen  um  Bakterien,  die  für  die 
betreffende  Thierspecies  pathogen  sind,  so  beobachtet  man  zunächst  zwar 
auch  eine  gewisse  Schädigung  der  Bakterien  im  Thierkörper;  dann 
jedoch  gelangen  die  Bakterien  zur  Vermehrung;  d.  h.  das  Thier  er- 
krankt, um  schliesslich  an  der  Infection  zu  Grunde  zu  gehen,  der 
Uebermacht  der  Bakterien  zu  erliegen.-) 

Die  Frage,  was  denn  aus  abgeschwächten  Bakterien  werde,  die 
dem  für  die  gleichnamigen  virulenten  Bakterien  empfänglichen  Thier- 
körper einverleibt  werden,  ist  nun  ebenso  leicht  zu  beantworten  wie 
die  andere  Frage,  was  denn  aus  den  virulenten  Bakterien  werde,  die 
dem  künstlich  gegen  die  Infection  immun  gemachten  Thierkörper  ein- 
geimpft werden.  In  beiden  Fällen  nämlich  tritt  in  kürzester  Zeit  eine 
vollständige  Vernichtung  des  eingeführten  Bakterienmateriales  ein.  Das- 
selbe verschA\ändet  spurlos.'^) 

Anders  jedoch  steht  es  mit  der  Beantwortung  der  Frage,  in 
welcher  Weise  der  Thierkörper  bei  der  Immunisirung  verändert  wird; 
welche  Vorgänge  schliesslich  der  Grund  sind,  dass  der  Körper  die 
spätere  Einführung  virulenten  Infectionsstoffes  unbeschädigt  übersteht. 
Es  sind  zur  Erklärung  dieser  Dinge  eine  ganze  Reihe  von  Hjqjothesen 
aufgestellt  worden.  Die  „Erschöpfungshypothese"  von  Klebs 
und  Pasteur,  eine  Hypothese,  welche  heute  wohl  völlig  verlassen  ist, 
nahm  an,  dass  bei  der  Immunisirung  eine  Erschöpfung  des  Körpers 
an  gewissen  für  die  Bakterien  nothwendigen  Nährstoffen  eintritt,  und 
dass  in  Folge  dieser  Erschöpfung  die  späterhin  in  den  Körper  ein- 
dringenden virulenten  Bakterien  in  demselben   nicht   zu  gedeihen  ver- 


^)  In  einzelnen  Fällen  ist  Ausscheidung  pathogener  Bakterien  durch  Nieren, 
Darm,  Haut  etc.  beobachtet. 

-)  cf.  Flügge  und  Wyssoko witsch.     Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  1.     1SS6. 

3)  cf.  Flügge  und  Bitter,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  4.  1888.  p.  299  ff.  — 
Emmerich  und  di  Mattei,  Fortschr.  d.  Med.     1888.     No.  19. 


208  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

mögen.  Eine  andere  Hypothese,  die  „E  etentionshypothese" 
Chanveau's,  nimmt  an,  dass  bei  der  Immnnisirung  gewisse  Stoff- 
wechselproducte  der  Bakterien  in  dem  Thierkörper  znrückgehalten 
werden,  die  eine  spätere  Ansiedelimg  virulenter  Bakterien  verhindern. 
Wir  werden  sehen,  dass  diese  Hypothese  der  Sache  viel  näher  kommt. 
Eine  dritte  Hjqjothese,  welche  Metschnikoff  auf  seine  „Phago- 
cytentheorie"  gegründet  hat,  nimmt  an,  dass  gewisse  Körperzellen, 
nämlich  die  weissen  Blutkörperchen  und  gi'össere  Organzellen  (Phago- 
cyten),  denen  die  Phagocytentheorie  überhaupt  die  Fähigkeit  zuspricht, 
Bakterien  activ  anzugreifen  und  „aufzufressen",  bei  dem  Immunisii'ungs- 
acte  sich  in  der  Bakterienvemichtung  an  den  abgeschwächten  Bakterien 
üben  und  hierdurch  die  Fähigkeit  erlangen,  die  später  in  den  Körper 
eindringenden  virulenten  Bakterien  ebenfalls  zu  vernichten.^) 

Die  genannten  H^^pothesen  waren  sämmtlich  aufgestellt  worden 
zur  Yerständlichmachung  der  Vorgänge,  die  bei  der  künstlichen  Im- 
munisirung  durch  Einverleibung  abgeschwächten  Bakterienmaterials 
in  den  Körper  statthaben.  Ganz  neue  Gresichtspunkte  aber  wurden 
geschaffen  durch  die  Entdeckung  von  Salmon  und  Smith'-)  (1887), 
dass  eine  Inmiunisirung  auch  möglich  ist  ohne  die  Mitwirkung  lebenden 
Bakterienmaterials,  d.  h.  dass  es  eine  Immunisirung  auf  rein 
chemischem  Wege  giebt.  Den  genannten  Autoren  gelang  es, 
Tauben  gegen  Hog- Cholera  (amerikanische  Schweineseuche)  zu  inmiu- 
nisiren  durch  Einverleibung  der  bakterienfreien,  gelösten  Stoflfwechsel- 
producte-^)  von  Hog-Choleraculturen,     Diese  Entdeckung,  welcher  eine 


^)  H.  Büchner,  welcher  (cf.  hinten  unter  „Eiterniikrococcen'')  an  einer 
grösseren  Reihe  von  Bakterienarten  nachgewiesen  hat,  dass  die  in  der  Bakterienzelle 
vorhandenen  Eiweisskörper  (Proteine;  cf.  vorn  p.  46)  Leukocyten-anlockend  (positiv 
chemotactisch)  wirken,  denkt  sich  die  phagocj'ti sehen  Vorgänge  so:  Je  stärker 
ein  Mikroorganismus  durch  die  Körpersäfte  des  betreffenden  Thierorganismus  ge- 
schädigt (cf.  weiter  unten)  wird,  um  so  mehr  kommt  es  zur  Proteinausscheidung  und  in 
Folge  dessen  zur  Anlockung  von  Leukocyten  (7.  Internat.  Congr.  f.  Hyg.  u.  Demogr. 
London  1891.  —  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  10.  p.  713).  Die  Ausscheidung  plasma- 
tischer  Inhaltsbestandtheile  aus  der  Bakterienzelle  beginnt  nach  Buchner's  An- 
sicht (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  10.  1891.  p.  7.35)  sofort,  wenn  die  Bakterien  in  un- 
günstige Lebensbedingungen  gerathen. 

^)  D.  E.  Salmon  und  Th.  Smith,  Experiments  on  the  production  of 
immunity  by  the  hypodermatic  injection  of  sterilized  cultures.  (Medic.  Congress 
Washington,  6.  Sept.  1887.  —  Med.  News.     1887.    vol.  2.    No.  12.    p.  343.) 

•^  Die  bakterienfreien  Stoff'wechselproducte  werden  dadurch  erhalten,  dass  man 
die  Bakterieneulturen  unter  Druck  durch  (unglasirtes)  Porcellan  filtrirt  (Pasteur- 
Ch amber lan dusche  Porcellaufilter ,  Porcellankerzen) ,  wobei  die  Bakterien  als  feste 
Theile  zurückbleiben,  oder  dass  man  die  Culturen  durch  stärkere  Erhitzung  von  den 
lebenden  Bakterien  befreit.  —  Einfache  Apparate,  bei  welchen   die  Filtration   (unter 


I.  Einleitendes.  209 

Reihe  analoger  Beobachtungen  von  anderen  Seiten^)  sehr  bald  folgten, 
warf  mit  einem  Schlage  die  ganze  Frage  der  künstlichen  Immunisirung 
auf  das  chemische  Gebiet  hiaüber.  Es  war  durch  diese  Entdeckimgen 
der  sichere  Nachweis  erbracht,  dass  —  wenigstens  in  den  beobachteten 
Fällen  —  eine  chemische  Veränderung  der  Säfte  des  Körpers 
bei  resp.  nach  dem  Inimunisirungsacte  stattfindet,  welche  den  Körper 
resistent  macht  gegen  den  Angriff  des  räulenten  Bakterienmaterials.-) 
Fast  zu  gleicher  Zeit  mit  der  Entdeckung  der  chemischen  Lii- 
munisirung  wurden  Thatsachen  bekannt,  die  sich  zwar  lediglich  auf 
die  normalen,  unveränderten  Körpersäfte  bezogen,  die  aber  doch  die 
Ermittelungen  über  die  Möglichkeit  der  chemischen  Immunisirung  nur 
zu  stützen  geeignet  waren.  Es  wurde  nämlich  —  die  erste  derartige 
Beobachtung  stammt  von  Fodor-^j  (1887)  —  constatirt,  dass  die 
Säfte  des  normalen  lebenden  Körpers,  speciell  das  Blut, 
bakterienvernichtende  Eigenschaften  besitzen.  Der  Vorgang, 
den  man  experimentell  beobachten  kann,  ist  im  Allgemeinen  der, 
dass  das  Bakt-erienmaterial,  welches  in  frisch  aus  der  Ader  entnommenes 
Thierblut  eingebracht  wird,  zunächst  erheblich  geschädigt  wird  in  der 
Weise,  dass  ein  grosser  Theil  der  Bakterienzellen  abgetödtet  wird. 
Erst  nach  einer  Eeihe  von  Stunden  lässt  die  bakterientödtende  Kraft 
des  Blutes  nach ;  und  dann  vermögen  sich  die  event.  entwickelungs- 
fähig  gebliebenen  Bakterienzellen  auf  Kosten  des  unwirksam  gewordenen 


Zuhülfenabme  einer  Wasserstrahl -Luftpumpe  durch  Porcellan  (Thon)  geschieht,  con- 
struirten  unter  Anderen  Kitasato  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  10.  1891.  p.  269)  sowie 
Eeichel  (Sitz.-Ber.  d.  Phys.-Med.  Gesellsch.  zu  Würzburg.  1891.  p.  44).  Der 
letztere  Apparat  wird  von  E.  Muencke  in  Berlin  fabricirt.  —  Bitter  (Zeitschr. 
f.  Hyg.  Bd.  10.  1891)  hat  die  aus  gebrannter  Infusorienerde  bestehenden  sog. 
„Berkefeld"-Filter  für  diesen  Zweck  empfohlen.  —  Ferner  sind  gegenwärtig  viel- 
fach die  PukalTschen  hartgebrannten  Filter  aus  porösem  Thon  (Ber.  Deutsch. 
Chem.  Ges.  Jahrgang  26.  1893.  Bd.  1.  p.  1159)  in  Gebrauch.  —  Yergl.  über 
bakteriendichte  Filter  im  Allgemeinen  auch  oben  p.   180. 

^)  In  demselben  Jahre  1887,  in  welchem  Salmon  und  Smith  ihre  Ent- 
deckung machten,  gelang  eine  Immunisirung  auf  rein  chemischen  Wege  Foä  und 
Bonorae  bei  Kaninchen  und  Fröschen  gegen  Infection  mit  Proteus  vulgaris 
und  Proteus  capsulatus;  ferner  gelang  eine  derartige  Immunisirung  gleichzeitig 
Chamberland  und  Roux  bei  Pferden,  Eseln,  Hammeln  und  Hunden  gegen 
malignes  Oedem,  Roux  bei  Meerschweinchen  gegen  Eauschbrand. 

'^)  Damit  in  Uebereinstimmung  steht  auch  die  Entdeckung  von  Wooldridge 
(Arch.  f.  Anatomie  und  Physiologie.  1888),  dass  sich  aus  dem  normalen  Thierkörper, 
ohne  irgend  welche  Mitwirkung  von  Bakterien,  Eiweiss-  (Fibrinogen-)  Lösungen  her- 
stellen lassen,  deren  Einverleibung  Immunität  gegen  Infection  mit  virulentem  Milz- 
brand hervorruft. 

^)  cf.  Deutsche  med.  Wochenschr.     1887.    No.  34. 

Güuther,  Bakteriologie.     4.   Auflage.  14 


210  B-  r>ie  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

(todten)  Blutes  zu  vemiehren.  Um  die  experimentelle  Feststellung  der 
bakterienfeindlichen  ( „  b  a  c  t  e  r  i  c  i  d  e  n  ",  „ m  i  c  r  o  b  i  c  i  d  e  n ")  Eigen- 
schaften der  normalen  thierischen  Körpersäfte,  speciell  des  Blutes, 
haben  sich  ausser  F  o  d  o  r  besonders  N  u  1 1  a  1 1  ^)  (im  Flügge'  sehen 
Institut),  Behring-)  und  H.  Büchner^)  verdient  gemacht.  Es 
wurde  hierbei  gleichzeitig  constatirt,  dass  die  bakterienschädigende 
Eigenschaft  des  Blutes  auch  dem  daraus  gewonnenen  Blutserum 
zukommt;  und  Buchner*)  emiittelte  (1889),  dass  im  (zellenfreien) 
Blutserum  enthaltene  Eiweisskörper  —  von  Buchner  später'^) 
„  A 1  e  X  i  n  e  " '')  genannt  —  der  Ti'äger  dieser  Eigenschaft  seien.  Gleich- 
zeitig wurde  aber  auch  constatii't,  dass  nicht  das  Blut  einer  jeden 
.  Thierspecies  auf  jede  beliebige  Bakterienart  schädigend  einwirkt,  sondern 
dass  in  manchen  Fällen  bactericide  Vorgänge  völlig  vermisst  werden.  ') 
Die  Entdeckung  dieser  Thatsachen,  der  Nachweis,  dass  sich  in 
den   noiinalen    thierischen   Körpersäften    Substanzen    gelöst  vorfinden. 


«)  Zeitschr.  f.  Hyg-.     Bd.  4.     1S88. 

•■^)  Centralbl.  f.  kün.  Med.     1888.     No.  38. 

3)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  5.  1889.  No.  25;  Bd.  6.  1889.  No.  1  und  21; 
Arch.  f.  Hyg.     Bd.  10.     1890. 

*)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  6.  1889.  p.  .562.  Wie  Buchner  bei  diesen 
Untersuchungen  fand,  verliert  das  Serum  durch  Dialysiren  gegen  destillirtes  Wasser 
(nicht  durch  Dialysiren  gegen  physiologische  Kochsalzlösung) ,  ferner  durch  ein- 
stündiges Erwännen  auf  55"^  C.  oder  durch  sechsstündiges  Erwärmen  auf  52"  C. 
seine  Wirksamkeit.  (Die  Untersuchungen  wurden  an  Kaninchen-  und  Hundeblut  mit 
Typhusbacillen  angestellt.)  Wie  Bu ebner  (Arch.  f.  Hyg.  Bd.  17.  1893.  p.  139 
und  142)  weiter  fand,  bekommt  das  Serum,  welches  durch  Wasserzusatz  seine  Acti- 
vität  verloren  hat,  dieselbe  wieder  durch  Zusatz  von  Chlornatrium,  ebenso  auch 
durch  Zusatz  anderer  Neutralsalze.  Ferner  stellte  Bu  ebner  (1.  c.  p.  149)  fest,  dass 
die  Zugabe  von  Amnioniumsulfat  (auch  andere  Neutralsalze  thun  es,  aber  Sulfate, 
namentlich  Ammoniumsulfat,  wirken  am  besten)  zu  dem  verdünnten  Serum  die  Ee- 
sistenz  desselben  gegen  Erhitzung  um  etwa  10  Temperaturgrade  steigert. 
(In  dieser  Beziehung  ähnlieh  verhalten  sieh,  wie  bereits  vorher  durch  Biernacki 
[Zeitschr.  f  Biol.  Bd.  28.  1891.  p.  53]  im  Laboratorium  von  W.  Kühne  gefunden 
wurde,  Enzyme  und,  wie  Buchner  fand  [Arch.  f.  Hyg.  Bd.  17.  1893.  p.  165,  169], 
auch  das  Tetanus-  und  Diphtheriegift  sowie  IVIilzbrandsporen.  Von  allen  diesen  Dingen 
konnte  nachgewiesen  werden ,  dass  ihre  Kesistenz  gegen  Erhitzung  durch  Anwesen- 
heit von  Salzen  [namentlich  Ammoniumsulfat]  gesteigert  wird). 

■^)  Münchener  med.  Wochenschr.     1891.     p.  437. 

^)  Hergeleitet  von  uli^nv  (=  abwehren).  Diese  Alexine  oder  Abwehrstoffe  sind 
nach  Buchner  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  14.  1893.  p.  729)  als  Producte  ge- 
wisser zelliger  Elemente  des  Organismus,  und  zwar  speciell  der  Leuko- 
cyten  (Müneh.  med.  Wochenschr.     1894.    p.  719),  aufzufassen. 

')  Buchner  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  6.  1889.  p.  9)  constatirte,  dass,  während 
Kaninchen-  und  Hundeserum  Typhusbacillen  vernichtet,  Einder-  und  Pferdeserum 
typhusbacillenvernichtendc  Eigenschaften  nicht  besitzt. 


I.  Einleitendes.  211 

die  für  Bakterien  Gifte  sind,  für  den  tliierischen  Körper  aber  nicht  ^), 
war  —  so  ausserordentlich  wichtig  er  principiell  auch  war  —  an  und 
für  sich  noch  nicht  geeignet,  den  Zustand  der  Immunität  zu  er- 
klären. Wenn  nämlich  die  Immunität  eines  Individuums  gegen  eine 
bestinmite  Infectionski'ankheit  auf  dem  Gehalt  seiner  Körpersäfte  an 
Substanzen  beruht,  welche  die  eindringenden  specifischen  virulenten 
Bakterien  schädigen  und  zerstören,  so  müssen  diese  bakterienschädigen- 
den Substanzen  in  dem  Körper  eines  empfänglichen  Individuums  fehlen. 
Eine  derartige  Beobachtung  wurde  allerdings,  und  zwar  von  Behring") 
(1888),  gemacht.  Behring  fand,  dass  das  Blut  der  (von  Natur 
gegen  Milzbrand  unempfänglichen)  Ratte  und  das  daraus  hergestellte 
Serimi  milzbrandbacillenvernichtende  Eigenschaften  besitzen,  während 
(las  Blut  und  das  Serum  der  (für  Milzbrand  empfänglichen)  Mäuse, 
Meerschweinchen,  Kaninchen,  Hammel  und  Rinder  milzbrandbacillen- 
vernichtende Fähigkeiten  nicht  im  Geringsten  besitzen,  sondern  einen 
guten  Nährboden  für  den  Milzbrandbacillus  abgeben.  Während  nun 
in  diesem  Einzelbeispiele  der  Zustand  der  Immunität  gegen  eine  be- 
stimmte Infectionskrankheit  mit  dem  Vorhandensein  von  Substanzen 
im  Blutserum  zusammenfällt,  die  auf  die  entsprechenden  Bakterien 
schädigend  wirken,  andererseits  der  Zustand  der  Empfänglichkeit  mit 
dem  Mangel  derartiger  Substanzen  im  Blutserum  verbunden  ist,  so 
hat  sich  eine  derartige  Beziehung  zwischen  Immunität  und  Eigenschaft 
des  Blutserums  durchaus  nicht  etwa  als  allgemein  und  gesetzmässig 
herausgestellt.  Im  Gegentheil :  Die  oben  geschilderte  Beobachtung 
von  Behring  beim  Milzbrand  hat  sich  als  eine  Ausnahme  erwiesen, 
der  nur  ganz  vereinzelte  gleichnamige  an  die  Seite  gestellt  werden 
können.'^)  Bactericide  Eigenschaften  des  Blutes  resp.' 
des    Blutserums    können    demnach    für    die    Erklärung 


^)  Ganz  richtig  ist  dies  nicht.  Das  normale  Serum  besitzt  bluttörperchen- 
zer  stör  ende  („globulicide")  Eigenschaft  gegenüber  den  Blutkörperchen  einer 
anderen  Thierspecies.  Hundeblutserum  vernichtet  z.  B.  Kaninchenblutkörper.  Durch 
Erhitzen  auf  50 — 60  ^  C.  geht  die  globulicide  Fähigkeit  (wie  die  bactericide  [cf.  oben 
p.  210,  Anm.  4])  des  Blutserums  verloren  (cf.  Daremberg,  Acad.  des  sciences.  Paris. 
19  oct.  1891;  Arch.  de  med.  exper.  et  d'anat.  pathol.  1891).  Die  globulicide  Wirk- 
samkeit des  Blutserums  erstreckt  sich  übrigens  auch  auf  fremde  Leukocyten 
(Buchner,  Münch.  med.  Wochenschr.   1892.  p.  119). 

-)  Centralbl.  f.  kUn.  Med.     1888.     No.  38. 

^)  Charrin  und  Roger  (cf.  Bouchard,  10.  Internat,  med.  Congr.  Berlin 
1890.  —  Verhandl.  Bd.  1.  p.  54)  fanden,  dass  das  Serum  des  gegen  die  Infection 
mit  Bac.  pyocyaneus  immunisirten  Kaninchens  schädigend  wirkt  auf  den  Bac.  pyo- 
cyaneus ,  während  das  Serum  des  normalen  Kaninchens  einen  guten  Nährboden  fin- 
den genannten  Mikroorganismus   darstellt.    —  Behring   und   Nissen    (Zeitschr.  f. 

14* 


212  B-  Die  Bakterien  als  KrankheitseiTeger. 

des  Zustandes  der  Immunität  im  Allgemeinen  nicht 
herangezogen   werden. 

Weitere  Studien  auf  diesem  Gebiete,  die  zunächst  Behring  und 
seinen  Mitarbeitern  zu  danken  sind,  haben  jedoch  eine  ganz  gesetz- 
mässige  Eigenschaft  des  Blutserums  von  Individuen,  die 
auf  irgen.d  welche  Weise  Immunität  gegen  eine  be- 
stimmte In fectionsk rankheit  erworben  haben,  erkennen 
lassen:  Ist  ein  Individuum  (durch  Ueberstehen  einer  spontan  auf- 
tretenden oder  durch  künstliche  Impfung  herbeigeführten  Erkranlvung) 
gegen  eine  bestimmte  Infectionskrankheit  imimmisirt  worden,  so  hat 
sein  Blut  und  ebenso  das  daraus  dargestellte  Serum  damit  die  Fähig- 
keit erlangt,  den  Zustand  der  Immunität  auf  ein  für  dieselbe 
Infectionski'ankheit  empfängliches  Individuum  (beliebiger  Species),  in 
dessen  Organismus  es  —  in  genügender  Quantität  —  eingebracht  wird, 
zu   übertragen   (Behring'sches   Gesetz). 

Die  erste  Beobachtung,  welche  in  dieses  Gebiet  hineingehört, 
wurde  (1888)  von  Hericourt  und  Riebet^)  gemacht,  die  zweite 
(1889)  von  Babes  und  Lepp. -)  Immerhin  haben  diese  vereinzelten 
Beobachtungen  zu  einem  weiteren  Ausbau  des  in  Eede  stehenden  Ge- 
bietes keine  Veranlassung  gegeben ;  das  ist  erst  durch  die  syste- 
matischen Arbeiten  B e bring' s  und  seiner  IMitarbeiter  geschehen. 

Die  erste  Behring' sehe  Mittheilung ^)  (1890)  bezog  sich  auf 
den  Tetanus.  Es  war  Behring  und  Kitasato  gelungen,  Kanin- 
chen gegen  Tetanus  zu  immunisiren.  Das  Blutserum  der  gegen  Te- 
tanus immunisirten  Kaninchen,  den  (für  Tetanus  ausserordentlich  emp- 
fänglichen) Mäusen  einverleibt,  machte  die  letzteren  unempfängUch  für 
Tetanus.  Der  Tetanusbacillus  gehört,  wie  bereits  oben  (p.  199,  200) 
auseinandergesetzt  Avurde,  zu  den  toxischen  Bakterienarten.    Dringen 


Hyg.  Bd.  8.  1S90)  constatirten,  dass  das  Serum  des  gegen  die  Infection  mit  Vibrio 
Metschnikoff  immunisirten  Meerschweinchens  den  Vibrio  Metschnikofif  kräftig  ab- 
tödtet,  während  das  Serum  normaler  Meerschweinchen  keine  Spur  von  schädigender 
Einwirkung  gegenüber  dem  Vibrio  Metschnikoff  besitzt. 

^)  Comptes  rendus  de  l'Acad.  des  sciences.  Paris,  t.  107.  18SS.  p.  750.  Den 
Autoren  gelang  es,  den  Zustand  der  Immunität  von  Hunden,  welche  künstlich  gegen 
die  Infection  mit  dem  „Staphjlococcus  pyosepticus"  immunisirt  worden  waren,  da- 
durch auf  Kaninchen  zu  übertragen,  dass  den  letzteren  das  Blut  der  Hunde  intra- 
peritoneal einverleibt  wurde:  „II  tious  semble  donc  assez  probable  que  le  sang  des 
chiens  inocules  precedemment  avec  le  Staph.  pyosepticus,  puis  absolument  gueris, 
confere  une  immunite  plus  complete  que  le  sang  des  chiens  intacts." 

^)  Ann.  de  Tlnstitut  Pasteur.  1889.  No.  7.  Den  Autoren  gelang  es,  mit  den 
Säften  gegen  Hundswuth   refractär  gemachter  Thiere  andere  Thiere  zu  immunisiren. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1890.    No.  49. 


I.  Einleitendes.  213 

Tetanus k e i ni e  m  einen  empfänglichen  Körper  ein,  so  vermehren  sie 
sich  an  der  Infectionsstelle ;  hier,  an  der  Vermehrungsstelle  der  Bak- 
terien, wird  das  furchtbare  Tetanus  gif  t  gebildet,  welches  in  den  Körper 
aufgesogen  wird  imd  dann  seine  deletären  Allgemeinwirkungen  ent- 
faltet. Das  Tetanusgift  wird  aber,  ebenso  wie  hier  im  Körper,  auch 
ausserhalb  desselben,  in  der  künstlichen  Cultur  des  Tetanusbacillus 
gebildet.  Befreit  man  eine  künstliche  Cultur  von  den  lebenden  Bacillen- 
keimen  (durch  Filtration),  so  hat  das  bakterienfi-eie ,  giftige  Filtrat,  in 
der  passenden  Dosis  dem  Thierkörper  einverleibt,  die  Erki-ankung  des 
Thieres  an  Tetanus  ebenso  zur  Folge  wie  vorher  das  Eindringen  der 
Tetanuskeime.  In  dem  ersten  Falle  haben  wir  zunächst  eine  Tetanus- 
infection:  die  Keime  dringen  in  den  Körper  ein  und  vermehren 
sich;  im  Anschlüsse  daran  entsteht  eine  Intoxication:  die  von. 
den  sich  vermehrenden  Keimen  gebildeten  Gifte  werden  resorbirt  und 
wirken.  In  dem  zweiten  Falle  hingegen  haben  wir  sofort,  primär,  eine 
Intoxication:  das  fertige  Tetanus  gif  t  als  solches,  als  gelöster 
chemischer  Körper,  dringt  in  den  Organismus  ein  und  wirkt.  Beh- 
ring und  Kitasato  stellten  nun  in  der  citirten  Arbeit  die  wichtige 
Thatsache  fest,  dass  die  Einverleibung  des  Senmis  künstlich  gegen 
Tetanus  immunisirter  Thiere  tetanusempfängliche  Thiere  nicht  allein 
gegen  die  Tetanusinfection,  sondern  auch  gegen  die 
primäre  Intoxication  schützt.  Den  Autoren  war  es  ferner 
gelungen,  tetanuserkrankte  Thiere,  d.  h.  Thiere,  in  deren 
Körpersäften  das  Tetanusgift  bereits  wirksam  kreiste,  durch  Einverlei- 
bung des  Blutserums  immunisirter  Thiere  zu  heilen.  Die  erwähnten, 
von  Behring  und  Kitasato  experimentell  festgestellten  Thatsachen 
documentiren  ohne  Weiteres,  dass  die  immunität-  resp.  heilungbringende 
Wirkung  des  Serums  tetanusimmunisirter  Thiere  auf  giftwidrigen 
(„an  ti  toxi  sehen")  Eigenschaften  dieses  Serums  beruht,  welche  es 
dem  Tetanusgift  gegenüber  entfaltet,  und  dass  sie  nicht  etwa  mit  bak- 
terienschädigenden (bactericiden ,  antibacteriellen)  Eigenschaften  zu- 
sammenhängt. Die  antitoxische  Fähigkeit  des  immunisii'enden  resp. 
heilenden  Serums  wurde  von  Behring  und  Kitasato  als  eine 
directe  Giftzerstörung,  als  Neutralisirung  des  Giftes  im  che- 
mischen Sinne,  aufgefasst.  Wir  werden  weiterhin  sehen,  dass  später 
entdeckte  Thatsachen  in  gewichtiger  Weise  gegen  die  Zulässigkeit  einer 
derartigen  Auffassung  sprechen. 

Die  citirten  Entdeckungen  bei  Tetanus  sind  der  Ausgangspimkt 
einer  grossen  Reihe  von  Untersuchungen  geworden,  welche  sich  darauf 
bezogen,  in  wie  weit  das  Blutserum  künstlich  immunisirter  Individuen 
bei  Infectionskrankheiten  für  Heilzwecke  verwendbar  sei.   Specielle 


214  ^-    Die  Bakterien  als  Krankheitserreger- 

Rücksichtnahme  erheischte  natürlich  die  Frage,  oh  in  Erkrankungs- 
fällen des  Menschen  diese  „Blutsernmtherapie"^)  anwendbar 
nnd  aussichtsvoll  sei.  Bei  diesen  Untersuchungen  hat  sich  nun  zu- 
nächst ergeben,  dass  das  B  ehr  Ingusche  Gesetz  überall  zutreffend  ist. 
In  jedem  Einzelfall  von  erworbener  Immunität,  der  bisher  daraufhin 
untersucht  wurde,  hat  sich  das  Blutserum  fähig  erwiesen,  die  Immu- 
nität auf  empfängliche  Individuen  zu  übertragen.  Diese  Fähigkeit  ist 
selbstverständlich  stets  eine  specifische ;  d.  h.  die  Imnmnität  wird  nur 
für  diejenige  Krankheit  durch  die  Uebertragung  geschaffen,  gegen 
welche  das  Ausgangsindividuum  immunisirt  war.  -)  Femer  hat  sich 
dm'chgängig  die  Thatsache  als  zutreffend  erwiesen,  dass  Individuen, 
welche  von  Natur  immun  sind  gegen  eine  bestimmte  Infections- 
ki-ankheit,  in  ihrem  Blutserum  keine  immunisirenden  Sub- 
stanzen haben.  Diese  Substanzen  sind  also  niemals  von  Natur  aus 
in  einem  Individuum  vorhanden,  sondern  sie  müssen  immer  erst  ge- 
bildet werden;  und  zwar  geschieht  dies  bei  der  Lnmunisirung.  Für 
das  Verständniss  der  natürlichen  Immunität  fehlt  uns  vorläufig 
noch  jeder  Anhalt. 

Unter  den  bisher  imtersuchten  Ki'ankheiten  hat  sich  in  den  ge- 
nannten Beziehungen  dem  Tetanus  am  nächsten  gestellt  die  Diph- 
therie.^) Auch  hier  haben  wir  eine  Krankheit,  die  dm'ch  toxische 
Bakterien  (cf.  oben  p.  200)  veranlasst  wird;  auch  hier  sind  die  All- 
gemeins}Tnptome  der  Krankheit  auf  Intoxication  zu  beziehen;  auch 
hier  hat  sich  das  Blutserum  künstlich  immunisirter  Individuen  durch 
seine  antitoxischen  Eigenschaften  wirksam  erwiesen.  Man  kann 
den  Vorgang  der  Immunisirung  gegen  Tetanus  und  gegen  Diphtherie, 
dem  Wesen  dieser  Krankheiten  entsprechend,  auch  als  Giftfestigung 

*)  cf.  Behring,  Die  Bhitserumtherapie.  I.    Leipzig,  G.  Thieme.  1892.  p.  fi. 

^)  Ganz  ohne  Einschränknng  gilt  dies  allerdings  nicht.  Wie  Eoux  (Annales 
de  l'List.  Pasteur.  1894.  No.  10.  p.  726)  fand,  wirkt  die  Einverleibung  des  Serums 
tetanusimmunisirter  Thiere  in  den  Körper  anderer  Individuen  nicht  allein 
gegen  die  Tetanusintoxication,  sondern  auch  gegen  die  Intoxication  mit  Schlangen- 
gift. (Umgekehrt  aber  ist  das  Serum  schlangengiftimmunisirter  Thiere,  welches 
nach  den  Feststellungen  von  Calmette,  sowie  von  Phisalix  und  Bertrand 
gegen  die  Schlangengiftintoxication  schützt  [cf.  Calmette,  Ann.  de  l'Inst.  Pasteur 
1894.  p.  284]  gegen  Tetanus  nicht  wirksam.)  Ebenso  wirkt  nach  Eoux  das  Serum 
hundswuthimmunisirter  Kaninchen  in  hohem  Grade  schlangengiftwidrig. 
Vergl.  über  diese  Verhältnisse  auch  die  Mittheilungen  von  Calmette  (Ann.  de 
ITnst.  Pasteur  1895.  p.  241  ff.) 

^)  Nachdem  Behring  die  auf  die  Diphtherie  bezüglichen  Verhältnisse  bereits 
1890  angedeutet  hatte  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1890.  No.  49),  ist  von  Beh- 
ring und  W  ernicke  (1892)  eine  grundlegende  Arbeit  über  diesen  Gegenstand  er- 
schienen, welche  unten  genauer  citirt  werden  soll  (Zeitschr.  f.  Hyg.   Bd.  12.    1892). 


I.  Einleitendes.  215 

bezeichnen.  Ehrlich^)  hat  nun  den  wichtigen  Nachweis  geführt,  class 
das  Behring' sehe  Gesetz  auch  für  Giftfestigungen  gegen  andere  als 
durch  Bakterien  gebildete  Gifte  gilt.  Ehrlich  gelang  es,  Mäuse 
gegen  Ei  ein  (einen  ausserordenthch  giftigen,  in  den  Ricinussamen 
enthaltenen  Eiweisskörper)  sowie  gegen  Abrin  (das  Toxalbuniin  der 
Jequiritybohne)  dadurch  zu  immunisiren ,  dass  er  langsam  steigende 
Dosen  der  resp.  Gifte  an  die  Thiere  verfütterte.  Das  Blut  der  „ricin- 
festen"  Thiere  zeigte  dann  die  Fähigkeit,  die  Ricinfestigkeit  auf  nor- 
male Thiere  zu  übertragen.  Die  Versuche  mit  den  „abrinfesten"  Thieren 
hatten  entsprechende  Resultate.  Calmette,  sowie  Phisalix  und 
Bertrand^)  fanden,  dass  das  Blutserum  von  gegen  Schlangen- 
giftintoxication  immunisirten  Thieren  andere  Thiere  gegen  die 
Intoxication  mit  Schlangengift  zu  schützen  vermag. 

Unter  den  Infectionskrankheiten  hat  sich  auch  überall  da  das 
Behring' sehe  Gesetz  als  zutreffend  erwiesen,  wo  man  bei  der  Im- 
munisirung  nicht  von  Giftfestigung  sprechen  kann;  es  gilt  z.  B.  ftir 
alle  Fälle  von  Septicaemien  (cf.  p.  200),  die  bisher  in  dieser  Be- 
ziehung untersucht  wurden.'^)  Ja,  selbst  bei  Infectionskrankheiten, 
deren  Erreger  uns  noch  völlig  unbekannt  sind,  und  bei  denen  wir 
auch  über  eventuelle  Gifte  noch  gar  nichts  Genaueres  wissen,  wie 
z.  B.  bei  der  Hundswuth,^)  gilt  das  Behring'sche  Gesetz:  Das 
Blutserum  künstlich  ünmunisirter  Individuen  vermag  die  Lnmunität 
auf  normale  Individuen  zu  übertragen. 

Die  LQ  Rede  stehenden  Untersuchungen  haben  auch  auf  die  Vor- 
gänge bei  der  spontanen  Heilung  von  Infectionskrank- 
heiten ein  Licht  geworfen.  Dieselbe  scheint  ganz  im  Allgemeinen 
so  zu  erfolgen,  dass  sich  in  dem  erkrankten  Organismus,  und  zwar  im 
Blute,  Körper  bilden,  welche  die  die  Infectionskrankheit  veranlassen- 
den SchädUchkeiten  paralysiren.  Ist  die  Krankheit  dann  überstanden, 
so  finden  sich  diese  „Antikörper",'^)  „Antitoxine"  im  Blute 
weiterhin  vor;  ihnen  verdankt  der  Organismus  in  denjenigen  Fällen, 
in   welchen   das  Ueberstehen    der  Ki'ankheit  Immunität  erzeugt,    diese 


^)  Deutsche  med.  Wochenscbr.     1891.     No.  32  und  44. 

2)  cf.  oben  p.  214,  Anm.  2. 

*)  cf.  z.  B.  die  Mittheilungen  von  Lorenz  über  Schweinerothlauf  (Centralbl. 
f.  Bakt.  Bd.  13.  1893.  No.  11/12  und  Bd.  15.  1894.  No.  8/9).  Kitt  (cf.  Cen- 
tralbl. f.  Ballt.  Bd.  14.  1893.  p.  869)  fand,  dass  Hühner  durch  die  Impfung  mit 
der  Substanz  von  Eiern  Hühnercholera-immunisirter  Hennen  gegen  Impf  hühnercholera 
geschützt  werden  können. 

^)  cf  oben  p.  212,  Anm.  2. 

">)  cf.  Ehrlich,  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  12.    1892.    p.  184, 


216  B-  r)ie  Balvterien  als  Krankheitserreger. 

Eigenschaft  der  Immunität.  Bei  Menschen,  welche  Pneu  m  u  n  i  e  / ) 
Typhus,^)  Cholera,'^)  Diphtherie*)  überstanden  haben,  hat 
sich  das  Blutserum  von  immunisirender  Einwii'kung  gegenüber  Ver- 
suchsthieren  erwiesen. 

Was  die  Anwendung  der  Blutserumtherapie  bei  dem 
erkrankten  Menschen  angeht,  so  kommt  bisher  in  dieser  Be- 
ziehung fast  ausschliesslich  die  Diphtherie'^)  in  Frage.  Zwar  ist 
auch  bereits  bei  einer  ganzen  Anzahl  von  Tetanus  fällen  die  Blut^ 
Serumbehandlung  zur  Anwendung  gelangt;")  jedoch  liegen  die  Ver- 
hältnisse für  die  Tetanusbehandlung  noch  nicht  so,  dass  sichere  Erfolge 
erzielt  werden  könnten. 

Was  die  Diphtherie  betrifft,  so  wiu'den  die  ersten  genaueren 
Mittheilungen  über  die  schützende  resp.  heilende  Fähigkeit  des  Blutes 
immunisirter  Thiere  von  Behring  und  Wernicke')  (1891)  gemacht. 
Die  Autoren  zeigten,  dass  das  extravasculäre  Blut  diphtherieimmuni- 
sirter  Meerschweinchen  die  Fähigkeit  besitzt,  normale  Meerschweinchen 
gegen  Diphtherie  zu  immunisiren,  wenn  es  ihnen  intraabdominell 
eingespritzt  wird,  und  dass  sich  diphtherieinficirte  Meerschweinchen 
durch  Einverleibung  solches  Serums  heilen  lassen;  auch  das  Blut 
(liphtherieimmunisirter  Kaninchen  konnte  zur  Immunisiruug  resp.  Hei- 
lung der  Meerschweinchen  benutzt  werden.  Weitere  Mittheilungen 
über  die  Immunisirung  resp.  Heilung  von  Versuchsthieren  bei  Diph- 
therie machten  dann  Behring  und  Wernicke^)  1892.  Es 
war  den  Autoren  gelungen,  auch  grössere  Thiere  (Hammel)  gegen 
Diphtherie  zu  immunisiren;  in  dem  Blute  dieser  Thiere  und  dem 
daraus  dargestellten  Serum  fanden  die  Autoren  ein  sicher  wirkendes 
Immun isirungs-  und  Heilmittel  gegen  die  Diphtherieinfection  der  Ver- 
suchsthiere.  Sie  fanden  weiter,  dass  man  zur  Erziel ung  von 
Heileffecten    grössere    Mengen    von    Serum    braucht    als 

1)  (1.  und  F.  Kl  em  per  er,  Berliner  Min.  Wochenschr.     1891.    No.  34,  35. 

'^)  Stern.  Deutsche  med.  Wochenschr.    1892.    No.  37. 

'^)  Lazarus,  Berüner  khn.  Wochenschr.     1892.    No.  43,  44. 

*)  Klemensiewicz  und  Escherich,  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  13.  1893. 
No.  5/6.  Siehe  über  diese  Verhältnisse  auch  weiter  hinten  das  Kapitel  „Diphtherie- 
hacillus". 

■'')  Ueber  die  '  praktische  Anwendung  der  Blutserumtherapie  bei 
Diphtherie  vgl.  hinten  das  Kapitel  „Diphtheriebacillus". 

'^)  Eine  Aufzählung  der  behandelten  Fälle  findet  man  unter  Anderem  bei  Ee- 
mesoff  und  Fedoroff  (Centralbl.  f.  Bakt     Bd.  15.    1894.    p.  119.  Anm.) 

')  7.  Internat.  Congr.  f.  Hyg.  u.  Demographie.  London.  August  1891.  — 
Deutsche  med.  Wochenschr.    1891.    No.  52. 

^)  Zeitschr.  f.  Hygiene.    Bd.  12.    1892. 


r.  Einleitendes.  2 1  7 

für  die  Imm  im  i  sirun  g.  Ferner  fonden  sie,  dass  zur  Erreich ung 
von  Heilerfolgen  um  so  grössere  Dosen  des  Serums  nothwendig 
sind,  je  später  die  Behandlung  der  inficirten  Thiere  begonnen 
wird.')  Das  Serum  fanden  die  Autoren  desto  wirksamer,  je  höher  der 
künstlich  erzeugte  Immunitätsgrad  des  blutliefernden  Thieres  war;  es 
schien  hierbei  auf  die  Differenz  zwischen  dem  durch  die  Imniu- 
nisirung  erreichten  und  dem  ursprünglich  vorhanden  gewesenen 
Immunitätsgrad '■^)  anzukommen.  (Später  [siehe  weiter  unten]  hat 
allerdings  diese  letztere  Ansicht  erheblich  modificirt  werden  müssen, 
da  es  sich  zeigte,  dass  hochgradig  immunisirte  Individuen  nicht  immer 
hochwirksames  Serum  zu  liefern  brauchen.)  Den  Immunisirungs- 
werth  des  Blutserums  bestimmten  Behring  und  Wernicke  in 
der  citirten  Arbeit")  durch  diejenige  Zahl,  welche  angiebt,  wieviel 
Gramm  Versuchsthier  ein  Gramm  Serum  gegen  die  sicher  tödt- 
liche  Minimaldosis  des  Giftes  zu  schützen  vermag.^)  Das  aus  dem 
Blute  immunisirter  Thiere  gewonnene  Serum  bezeichneten  Behring 
und  Wernicke  als  „Heilserum";  sie  fanden,  dass  es  sich  durch 
Zusatz  von  ^/^  %  Carbolsäure  conserviren  lasse  („Carbolheil- 
serum").'') 

Was  die  Herstellung  des  Heilserums,  und  speciell  des 
Diphtherieheilserums ,  angeht ,  so  macht  stets  die  grössten  Schwierig- 
keiten die  primäre  Immunisirung  der  Thiere,  aus  deren 
Blut  das  Serum  hergestellt  werden  soll.  Das  zmn  Zwecke  der  primären 
Immunisirung  zur  Anwendung  kommende  Princip  beruht  —  wie  auch 
das  specielle  Vorgehen  in  dem  Einzelfalle  sich  gestalten  möge  —  stets 
darauf,  dass  das  zu  immunisirende  Individuum,  welches  zunächst  eine 
mehr  oder  weniger  hohe  Empfindlichkeit  gegen  virulente  Culturen  resp. 
gegen  das  in  denselben  enthaltene  Gift  besitzt,  allmählich  an  das  Virus 


^)  1.  c.  p.  19;  cf.  auch  Kitasato  (Heilversuche  an  tetanuskranken  Thieren), 
Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  12.    1892. 

^)  Der  Immunitätsgrad  resp.  der  Grad  der  Giftfestigkeit  wird  nach 
dem  Vorgange  von  Ehrlich  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1891.  p.  977)  durch 
eine  Zahl  ausgedrückt,  welche  angiebt,  das  Wievielfache  der  für  normale  Individuen 
(gleichen  Körpergewichts)  sicher  tödthchen  Minimaldosis  des  Giftes  das  immunisirte 
Individuum  noch  verträgt,  ohne  daran  zu  Grunde  zu  gehen. 

3)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  12.    1892.    p.  16,  17. 

*)  Behring  und  Knorr  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  13.  1893.  p.  417)  haben 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  bei  dieser  Prüfung  des  Immunisirungswerthes  des 
Serums  das  Gift  24  Stunden  nach  der  Serumapplication  einzuverleiben  ist,  da  das 
schützende  Serum  gewöhnlich  erst  eine  Eeihe  von  Stunden  nach  seiner  Einverleibung 
in  den  Organismus  seine  volle  Wirksamkeit  entfaltet. 

'")  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.   12.     1892.    p.  18. 


218  B-  r)'e  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

gewöhnt  wird.  Zu  diesem  Zwecke  wird  dem  Thiere  zmiächst  Material 
einverleibt,  welches  qualitativ  und  quantitativ  so  beschaffen  ist,  dass 
das  Thier  auf  die  Einverleibung  nicht  mit  dem  Tode,  sondern  nur  mit 
voriibergehenden  krankhaften  Erscheinungen  reagirt.  Ist  die  krankhafte 
Reaction  überstanden,  so  hat  das  Thier  damit  die  Fähigkeit  gewonnen, 
ein  Material,  welches  qualitativ  resp.  quantitativ  dem.  zuerst  einverleibten 
ül)erlegen  ist,  zu  vertragen;  auch  diese  zweite  Einverleibung  wird  dann 
nur  mit  emer  vorübergehenden  kTankhaften  Reaction  beantwortet.  Li 
dieser  Weise  gelingt  es,  durch  öfters  wiederholte,  in  der  Virulenz  stets 
steigende  Einverleibungen  dem  ursprünglich  mehr  oder  weniger  hoch 
empfänglichen  Thiere  einen  mehr  oder  weniger  hohen  Grad  von  Inmiu- 
nität  dem  vollvirulenten  Materiale  gegenüber  beizubringen.  —  Speciell 
für  Tetanus  und  Diphtherie  sind  eine  ganze  Reihe  von  Immu- 
nisirungsmethoden  angegeben  worden.^)  Zur  Erreichung  sehr 
hoher  Immunitätsgrade  ist  es  stets  nothwendig,  das  zu  immunisirende 
Individuum  (nach  Erreichung  eines  gewissen  Immunitätsgrades)  mit 
V  0 1 1 V  i  r  u  1  e  n  t  e  m  Materiale  zu  behandeln ,  welches  in  immer 
grösser  werdenden  Dosen  einverleibt  wird.  Dieses  Princip  der 
Immunitätssteigerung  stammt  von  Ehrlich,^)  welcher  es  bei  seinen 
Untersuchungen  über  Ricin-  und  Abriiünununität  zuerst  anwandte. 

Bei  der  künstlichen  Immunisirung  der  Thiere  beobachtet  man 
jedesmal  nach  der  Application  des  Impfstoffes  eine  Reaction  des 
Organismus,  welche  sich  z.  B.  bei  Pferden,  die  gegen  Tetanus 
immunisirt  werden, •'^)  in  Temperatursteigerung,  Abnahme  des  Körper- 
gewichts und  in  einer  bestimmten  Veränderung  der  Blutbeschaffenheit 
äussert.  Die  letztere  besteht  in  einer  veränderten  Art  der  Serum- 
ausscheidung des  Aderlassblutes:  das  Serum  wird  viel  langsamer  als 
bei  dem  Impfthiere  ausserhalb  der  Reactionsperioden  und  als  bei  nor- 
malen Pferden  ausgeschieden;  das  ausgeschiedene  Serum  umspült  den 
Blutkuchen  nicht  ft-ei  beweglich,  sondern  hängt  in  einem  Netz  von 
Eibrinfäden.  Während  einer  jeden  Reaction speriode  ist  der  Zustand 
der  Immunität  des  Impfthieres  und  demgemäss  auch  der  Immimisirungs- 
Averth  seines  Blutserums  ein  niedrigerer  als  vor  der  Einverleibung 
des  Impfstoffes.  Nach  der  Reactionsperiode  jedoch,  d.  h.  nach  dem 
Ablauf  der  Impf ki-ankheit ,  zeigt  sich  der  Immunisirungswerth  des 
Blutserums   gegenüber  dem   Zustande   vor   der   Impfung  jedesmal    ge- 

^)  Eine  Aufzählung  der  Methoden  der  Immunisirung  gegen  Diphtherie 
findet  man  weiter  hinten  in  dem  Kapitel  „Diphtheriebacillus". 

")  Deutsche  med.  Wochensohr.     ISyi.     p.  978. 

^)  cf.  Behring  und  C asper  (Behring,  Die  Blutserum therapie.  H.  Leipzig, 
G.  Thieme,  1892.    p.   105). 


I.  Einleitendes.  219 

steigert.^)  Wie  B rieger  und  Ehrlich^)  (an  Ziegen,  die  gegen  Teta- 
nus inununisii-t  wurden)  gefunden  haben,  folgt  auf  diesen  Anstieg  des 
Inununisirungswerthes  secundär  wieder  ein  massiger  Abfall,  worauf  dann 
der  Immunisirungswerth  eine  constant  bleibende  (den  Zustand  vor  der 
Impfung  überragende)  Höhe  behält.  Zum  Behufe  möglichst  schneller 
und  ausgiebiger  Steigerung  der  Immunität  soll  jede  neue  Impfung  zu 
deijenigen  Zeit  vorgenommen  werden,  wo  der  Immunitätsgrad  nach  der 
vorhergehenden  Reactionsperiode  seine  höchste  Höhe  erreicht  hat 
(Brieger  und  Ehrlich).  Jedenfalls  muss  die  Reactionsperiode 
jedesmal  völlig  überwimden  sein:  das  Thier  muss  wieder  ganz  gesund 
sein.  Das  Letztere  gilt  natürlich  auch  für  die  Wahl  des  Zeitpunktes, 
an  welchem  dem  immunisirten  Thiere  Blut  znm  Zwecke  der  Gewinnung 
von  Heilserum  entzogen  werden  soll;  denn,  so  lange  die  Reactions- 
periode andauert,  sind  die  giftigen  Imj)fstoffe  noch  nicht  völlig  aus 
dem  Blute  verschwunden.'^) 

Was  den  Wirkungswerth  des  Blutserums  immunisirter 
Thiere  (den  I  m  m  u  n  i  s  i  r  u  n  g  s -  resp.  H  e  i  1  u  n  g  s  w  e  r  t  h  des  Serums) 
angeht,  so  waren,  wie  bereits  oben  (p.  217)  erwähnt,  Behring  und 
Wer  nicke  zunächst  der  Ansicht,  dass  es  zm*  Erreichung  möglichst 
hoher  Werthe  jedesmal  darauf  ankomme,  den  Immunitätsgrad  des  blut- 
liefemden  Thieres  möghchst  hoch  zu  treiben,  die  Differenz  zwischen 
dem  durch  die  Immunisirung  erreichten  und  dem  ursprünglich  vor- 
handen gewesenen  Immunitätsgrad  möglichst  gross  zu  gestalten.  Wie 
jedoch  später  Behring^)  fand  (bei  tetanusimmunisirten  Schafen), 
kann  das  Antitoxin  bei  den  immunisirten  Thieren  allmählich  aus  dem 
Blute  verschwinden,  ohne  dass  die  Immunität  aufhört ;  es  kommt  zum 
Zwecke  der  Heilserumgewinnung  nicht  darauf  an,  die  Immunität  mög- 
lichst hoch  zu  treiben,  sondern  darauf,  die  Thiere  in  einem  solchen 
Zustande  zu  erhalten,  dass  sie  auf  die  Einführung  des  Virus  mit  einer 
krankhaften,  vorübergehenden  Reaction  antworten;  ausschliesslich 
diese   krankhaften  Reactionen    sind   mit  Antitoxinproduction 


^)  Eine  Steigerung  der  Immunität  bei  einem  bestimmten  Thier  ist  so  lange 
möglich,  so  lange  es  noch  gehngt,  durch  die  Impfungen  Reactionen  hervorzurufen 
(Behring  und  Knorr,  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  13.     1S93.    p.  414). 

«)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  13.     1893.    p.  336  ff. 

")  Behring  und  Knorr  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  13.  1893.  p.  414)  entnehmen 
Blut  von  tetanusimmunisirten  Pferden  zur  Heilserumgewinnung  erst  dann,  wenn  die 
Thiere  normales  allgemeines  Aussehen  darbieten,  wenn  Temperatur  und  Puls  normal 
sind,  wenn  das  normale  (vor  der  Impfung  vorhandene)  Körpergewicht  wiedergekehrt 
ist  und  die  Gerinnung  des  Aderlassblutes  (cf.  oben  p.  218)  wieder  normalen  Ab- 
lauf zeigt. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1893.     No.  48. 


220  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

verbuncleu.  Auch  bei  Thierspecies  übrigens,  welche  gewöhnKch  als 
natürlich  immun  gegen  eine  bestimmte  Infection  resp.  Intoxication 
gelten,  hat  man  auf  die  Einfährung  grosser  Dosen  des  Virus  Antitoxin- 
production  beobachtet.  So  fand  Vaillard,^)  dass  bei  dem  (gegen 
Tetanus  von  Natur  immunen)  Huhn  durch  subcutane  Einspritzimg 
grosser  Dosen  filtrirter  Tetanuscultur  das  Blutserum  immunisirende 
Eigenschaften  bekommt.  Aronson^)  fand,  dass  für  die  (gegen  Diph- 
therie natürlich  immune)  weisse  Ratte  dasselbe  bezüglich  der  Diphtherie 
gilt.  Ohne  Zweifel  sind  diese  Thatsachen  so  zu  verstehen,  dass  in  den 
genannten  Fällen  die  sogenannte  „natürhche  Immunität"  keine  absolute 
ist,  d.  h.  dass  durch  sehr  gTosse  Dosen  des  Virus  krankhafte  Eeactionen 
(welche  dann  zm-  Antitoxinproduction  führen)  ausgelöst  werden  können. 
Bei  der  Bestimmung  des  Immunisirungswerthes  gingen  Behring 
und  Wernicke,  wie  bereits  oben  (p.  217)  mitgetheilt,  ursprünglich 
so  vor,  dass  sie  diejenige  Zahl  ermittelten,  welche  angiebt,  wie\iel 
Gramm  Versuchsthier  ein  Gramm  Serum  gegen  die  sicher  tödtliche 
Minimaldosis  des  Giftes  zu  schützen  vermag.  Später  hat  Behring'^) 
den  Begriff  „Normalserum"  eingeführt.  Er  nennt  „Normal- 
diphtherieserum" ein  solches  Serum,  von  welchem  0,1  ccm  —  gemischt 
mit  der  10 fachen  Menge  der  für  300 — 400  g  schwere  Meerschweinchen 
tödtlichen  jMinimaldosis  gelösten  (bakterienfi-eien)  Diphtheriegiftes  — 
genügt,  um  den  Eintritt  von  Ki'ankheitserscheinungen  nach  der  Ein- 
spritzung des  erwähnten  Serum  -  Gift  -  Gemisches  in  den  Körper  der 
Thiere  zu  verhüten.  Zur  Prüfung  des  Wirkungswerthes  eines  vor- 
liegenden Serums  wird  nach  Ehrlich,  Kossei  und  Wasser- 
mann^) die  10  fache  Menge  der  tödtlichen  Minimaldosis  des  Giftes  mit 
verschiedenen  Quantitäten  des  Serums  gemischt,  die  Mischungen  werden 
mit  Hülfe  von  physiologischer  Kochsalzlösung  je  auf  4  ccm  gebracht 
und  dann  je  einem  Meerschweinchen  subcutan  injicirt;  aus  dem  Auf- 
treten oder  Nichtauftreten  localer  Infiltrationen,  femer  aus  dem  Ver- 
halten des  Körpergewichtes  der  Thiere,  ist  am  zweiten  Tage  nach  der 
Injection  eia  sicheres  Urtheil  darüber  möglich,  ob  die  Giftwirkung 
paralysirt  ist  oder  nicht."^  Zeigt  es  sich  bei  einer  derartigen  Prüfung, 
dass  geringere  Quantitäten  des  Serums  als  0,1  ccm  genügen,  die 
10  fache  Minimaldosis  Gift  unschädlich  zu  machen,  so  wird  das  Serum 
als  „ faches  Normalserum"  bezeichnet:    oenüsen  z.  B.  0,05  ccm,  so 


^)  Annales  de  Tlustitut  Pasteur  1892.    No.  4. 
-)  Berl.  klin.  Wochenschr.     1893.    p.  625. 

")  Deutsche  med.  Wochenschr.  1893.  p.  390;   Behring  und  Boer,  Deutsche 
med.  Wochenschr.     1894.    No.  21. 

■')  Deutsche  med.  Wochenschr.    1894.    No.  16. 


I.  Einleitendes.  221 

handelt  es  sich  um  ein  zweifaches  Normalsemm,  genügen  schon  0,Oül 
ccm,  so  liegt  ein  lOOfaches  Normalsenim  vor.  1  ccm  1  faches  Normal- 
serurn  enthält  1  „Immunisirungseinheit",  1  ccm  lOOfaches 
Normalserum  enthält  100  Immunisirungseinheiten.^  Bezüglich  der  Prü- 
fung des  Wirkungswerthes  des  Serums  ist  es  von  principieller  Bedeu- 
tung, dass  fertiges  Diphtherie  gif  t  und  nicht  etwa  lebendes  Diphtherie- 
bacillenmaterial  zur  Verwendung  gelangt ;  denn  gegen  Intoxication 
verhält  sich  die  Wirkung  eines  bestimmten  Serums  quantitativ  ganz 
anders  als  gegen  Infection.  Zum  Schutze  gegen  die  Infection 
mit  der  tödthchen  Minimaldosis  Cultur  —  bei  der,  nach  Massgabe  der 
Vermehrung  der  lebenden  Bakterien  im  Körper,  das  Gift  im  Körper 
erst  gebildet  wird  —  genügen  stets  erheblich  geringere  Quantitäten 
des  Serums  als  zum  Schutze  gegen  die  Intoxication  mit  der  tödt- 
lichen  Mnimaldosis  bereits  fertigen  Giftes  (Behring  und  Boer^)). 
Oben  (p.  213)  wurde  mitgetheilt,  dass  die  bei  ihrer  ersten  Publi- 
cation  von  Behring  und  Kitasato^)  ausgesprochene  Ansicht,  die 
Wirkung  des  Heilserums  beruhe  auf  directer  Giftzerstörung,  auf 
Neutralisirung  des  Giftes  im  chemischen  Sinne,  durch  später  entdeckte 
Thatsachen  erheblich  hat  modificirt  werden  müssen.  Diese  Thatsachen 
sind  folgende:  Zunächst  fand  Büchner,^)  dass  eine  bestimmte  Mischung 
von  Tetanusgift  und  Tetanusantitoxin,  welche  für  Mäuse  unschädlich 
ist,  bei  Meerschweinchen  noch  giftige,  tetanuserzeugende  Eigenschaften 
entfalten  kann.  Dann  fand  Behring*)  (bei  Versuchen  über  Tetanus- 
immunisirung),  dass  unter  dem  Einflüsse  der  Giftbehandlung  gleichzeitig 
mit  der  Antitoxinanhäufung  im  Blute  eine  „lieber empfindlichkeit" 
des  lebenden  Organismus  gegen  das  Gift  resultiren  kann:  Ein  tetanus- 
giftbehandeltes  Pferd  „kann  in  1  ccm  seines  Blutes  genug  Antitoxin 
besitzen,  lun  eine  solche  Giftmenge  für  normale  Pferde  unschädlich  zu 
machen,  von  welcher  ein  Bruchtheil  genügt,  um  das  antitoxinliefernde 
Pferd  zu  tödten".  Die  genannten  Thatsachen  lassen  eine  Deutung  der 
Vorgänge  bei  der  Serumtherapie  im  Sinne  einer  Zerstörung,  einer  Neu- 
tralisirung  des  Giftes  durch  das  antitoxische  Heilserum,  kaum  noch  zu; 
sie  haben  Büchner'^)  veranlasst,  das  Wesen  jener  Vorgänge  als 
„rascheste  Immun isirung  aller  noch  nicht  von  der  specifischen 


^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1893.    p.  416. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.    1890.    No.  49. 

''^)  Vortrag  im  Aerztl.  Verein  zu  München  am  7.  Juni  1893  (Münchener  med. 
Wochenschr.   1893.    No.  24,  25). 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1893.  p.  1254.  —  Vergl.  auch  Wladimiroff 
(Zeitschr;  f.  Hyg.    Bd.  15.    1893.    p.  417—419.) 

■')  Berhner  kliu.  Wochenschr.    1894.    p.  26. 


222  ^>-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Giftwirkimg  ergriffenen  Zellterritorien"  zu  deuten.  Bemerkt  muss  aber 
werden,  dass  Behring^)  nach  wie  vor  an  der  Annahme  der  Grift^ 
Zerstörung  festhält.  —  Handelt  es  sich  bei  den  oben  genannten,  gegen 
die  Giftzerstörung  sprechenden  Thatsachen  um  Vorgänge,  welche  den 
Tetanus  betreffen,  so  haben  später  Roux  und  Martin  auch  bei  der 
Diphtherie  Beobachtungen  gemacht,  welche  sich  mit  der  Annahme  einer 
Zerstörung  des  Giftes  durch  das  antitoxische  Serum  schwer  vereinbaren 
lassen.-) 

lieber  die  chemische  Xatur  der  in  dem  antitoxischen  Serum 
vorhandenen  wirksamen  Substanzen  (Antitoxine,  Antikörper,  Heilkörper) 
ist  bis  jetzt  wenig  Sicheres  bekannt.  Behring  und  Knorr'^)  haben 
gefimden,  dass  die  „Tetanusheilkörper"  sehr  widerstandsfähig  gegen 
physikalische,  chemische  und  atmosphärische  Einflüsse  sind,  dass  sie 
bei  der  Dialyse  des  Serums  in  das  Dialysat  übergehen,  und  dass  sie 
in  dem  letzteren  die  characteristischen  Eiweissreactionen  durchaus  ver- 
missen lassen. 

Zum  Zwecke  der  Gewinnung  von  Heilserum,  welches  für  die  Be- 
handlung des  diphtheriekranken  Menschen  Verwendung  finden  soll, 
werden  jetzt  fast  ausschliesslich  Pferde  der  Inmiunisirung  unter- 
zogen; aber  auch  Kühe,  Schafe,  Ziegen  sind  zu  diesem  Zwecke 
verwendet  worden;^)  die  Herstellung  grösserer  Mengen  Serums  er- 
fordert selbstverständlich  stets  die  Verwendung  grosser  Thier- 
individuen  (die  leicht  die  Entziehung  einer  grösseren  Quantität 
Blutes  vertragen). 

Das  Heilserum  lässt  sich,  wie  bereits  oben  (p.  217)  erwähnt,  nach 
dem  Vorgange  von  B  e  h  ring  und  W  e  r  n  i  c  k  e  durch  einen  Zusatz 
von  0,5^/0  Carbolsäure  haltbar  machen.  Die  Carbolsäure  kann 
zweckmässig  mit   Chloroform   combinirt   werden    in    der   Weise,    dass 


^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1894.    p.  251. 

'^)  Annales  de  l'Institut  Pasteur  1894.  No.  9.  —  Die  Autoren  fanden,  dass 
Meerschweinchen,  die  zunächst  (durch  Einspritzung  von  anderweitigen  Mikroorganis- 
men oder  deren  Producten)  künsthch  in  ihrer  Eesistenz  gegen  das  Diphtheriegift 
geschädigt  waren,  durch  dieselbe  Antitoxinmenge,  welche  normale  Meerschweinchen 
gegen  die  tödthche  Dosis  des  Giftes  schützte,  nicht  mehr  gegen  diese  Dosis  zu 
schützen  waren.  —  Und  was  den  Tetanus  angeht,  so  fand  Eoux  (Ann.  de  l'Inst. 
Pasteur  1894.  p.  725),  dass  eine  bestimmte  Mischung  von  Tetanusgift  und  Tetanus- 
antitoxin ,  welche  normale  Meerschweinchen  nicht  zu  beeinflussen  vermag ,  solche 
Meerschweinchen  an  Tetanus  erkranken  lässt,  welche  vorher  gegen  die  Infection  mit 
dem  Massaua -Vibrio  (cf.  weiter  hinten  im  Text)  immunisirt  wurden. 

•'')  Behring,  Die  Blutserumtherapie.  I.     Leipzig,  G.  Thieme.     1S92.    p.  52. 

*)  cf.  Behring,  Bekämpfung  der  Infectionskrankheiten.  Infection  und  Des- 
infection.  Leipzig,  G.  Thieme.  1894.  p.  231;  Eoux  et  Martin,  Annales  de 
l'Institut  Pasteur  1894.    No.  9. 


I.  Einleitendes.  223 

man  —  wie  es  zuerst  Behring  und  Knorr^j  zum  Zwecke  der  Con- 
servirung  des  Tetanusheilserums  thaten  —  das  Serum  in  eine  Masche 
bringt,  deren  Boden  mit  Chloroform  bedeckt  ist,  und  dass  man  nach 
mehrtägigem  Aufbewahren  der  Flüssigkeit  im  Eisschrank  das  Serum 
von  dem  Chloroform  abhebt,  in  kleinere  Fläschchen  füllt  und  mit 
^/a  ^/o  Carbolsäure  versetzt.  Letzteres  Verfahren  zum  Zwecke  der  Con- 
servirung  des  Diphtherieheilserums  empfahlen  Behring  und  B  o  e  r.  -) 
A  r  0  n  s  0  n  conservirt  seine  „Diphtherie-Antitoxinlösung-  Schering"  durch 
Zusatz  von  0,2  ^/^  Tritoesol. ^)  Eoux  und  Martin"*)  fügen  ihrem 
Diphtherieserum  nichts  weiter  als  ein  Stückchen  Campher  zu  und  finden, 
dass  es  sich  dann,  in  sterilen,  vollständig  gefüllten  Flaschen,  im 
Dunkeln  aufbewahrt,  vortrefflich  hält. 

Was  die  Herkunft  der  Antitoxine  angeht,  so  sieht  sie  die 
allgemeine  Meinung  (Behring,  Koux)  als  Producte  des  thierischen 
Körpers  an,  welche  auf  den  durch  das  eingeführte  Gift  ausgeübten  Beiz 
hin  entstehen.  Zwischen  der  Quantität  des  dem  Körper  einverleibten 
Giftes  und  der  des  producirten  Antitoxins  besteht  keine  Proportionali- 
tät. Bei  Anwendung  kleiner,  vielfach  wiederholter  Giftdosen  bekommt 
man  stärker  wirksames  Serum  als  bei  Einführung  von  nur  wenigen, 
grossen  Dosen.  Roux^),  welcher  diese  Thatsache  feststellte,  kommt  zu 
der  Ansicht,  dass  das  Toxin  wie  ein  Excitans  auf  die  Körperzellen  ein- 
wirkt, welche  das  Antitoxin  secerniren.  Im  Gegensatz  zu  Behring 
und  Roux  sieht  Bu ebner  die  Antitoxine  nicht  für  Producte  der 
Eeaction  des  thierischen  Organismus  an,  sondern  für^')  Bakterien- 
producte,  für  Bestandtheile  des  specifischen  Bakterienplasma;  sie  sind 
nach  ihm  wahrscheinlich^)  „modificirte,  umgewandelte,  entgiftete  Pro- 
ducte der  specifischen  Bakterienzelle"  und  sind  „als  im  Körper  mo- 
dificirte und  seinem  Chemismus  angepasste  Bakterienzellsubstanz  zu 
betrachten";  die  Blutserumtherapie  ist  nach  Büchner^)  nur  „eine 
besondere  Modification  der  bisheris-en  Immunisiruno-smethoden". 


^)  Behring,  Die  Blutserumtberapie.  IL  Leipzig-,  (1.  Thieme.  1S92.  p.  63; 
Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  13.     1893.    p.  411. 

-)  Deutsche  med.  Wochenschr.    1893.    p.  415. 

^)  Prospect  der  „Chemischen  Fabrik  auf  Aktien  (vorm.  E.  Schering)"  vom 
15.  März  1894. 

*)  Annales  de  l'Institut  Pasteur  1894.    No.  9.    p.  624. 

^)  Ann.  de  l'Institut  Pasteur  1894.     No.  10.    p.  724. 

•*)  Vortrag  im  Aerztl.  Verein  zu  München  am  7.  .luni  1893.  MüncJiener  med. 
Wochenschr.     1893.    No.  24,  25. 

'')  Vortrag  im  Aerztl.  Verein  zu  München  am  23.  Mai  1894.  Münchener  med. 
Wochenschr.    1894.    p.  470,  471. 

*)  Berl.  khn.  Wochenschr.     1894.    p.  75. 


224  B-  Diß  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Streng  hat  man  sich  davor  zu  hüten,  die  Antitoxine,  wie  sie 
bei  der  Immiinisiriing  in  dem  thierischen  Organismus  entstehen, 
mit  den  Alexinen  (cf.  oben  p.  210),  welche  dem  normalen  Blut- 
serum seine  bactericiden  und  giobuliciden  Fähigkeiten  verleihen,  zu 
confundiren.  Die  Antitoxine  sind  haltbare,  resistente  Körper;  die 
Alexine  dagegen  (cf.  oben  p.  210,  Anm.  4)  sind  äusserst  labile,  leicht 
zu  zerstörende  Dinge. 

Durch  Ehrlich^)  ist  der  Nachweis  geführt  worden,  dass  die 
Antitoxine  in  die  Milch  überzugehen  vermögen,  und  dass 
durch  Säugung  Lnmunität  hervorgerufen  werden  kann.  Grleichzeitig 
hat  Ehrlich  festgestellt,  dass  Immunität  resp.  Giftfestigung  durch 
die  Mutter,  aber  nicht  durch  den  Vater,  auf  die  Nach- 
kommenschaft übertragen  wird.  Bei  der  Vererbung  der  künst- 
lichen Immunität  kommen  nach  den  Ermittelungen  Ehr  lieh's 
zwei  differente  Factoren  in  Betracht:  erstens  die  Versorgung  des  fötalen 
Blutes  mit  immunisirenden  Substanzen  aus  dem  mütterlichen  Blute, 
und  zweitens  die  durch  die  Säugung  bedingte  Vemiehrung  dieser  Sub- 
stanzen im  Organismus  des  Ivindes.  —  Wie  Ehrlich  und  Wasser- 
mann'-) feststellten,  ist  der  Gehalt  der  Milch  an  wirksamen  Sub- 
stanzen ganz  erheblich  geringer  als  der  des  Blutes  des  milchliefemden 
Thieres;  bei  Diphtherie  uud  Tetanus  verhielten  sich  die  Immunisirungs- 
werthe  der  Milch  und  des  Blutes  wie   1:15  bis  1:20  bis  1:30. 

Eine  Reihe  von  Autoren  haben  sich  bemüht,  die  in  dem  Blut- 
serum resp.  in  der  Mich  immunisiiier  Individuen  enthaltenen  Anti- 
toxine in  concentrirterer  Form  zu  gewinnen.-^)  Zu  prak- 
tisch in  ausgedehnterem  Masse  lirauchbaren  Ergebnissen  halben  diese 
Versuche  bisher  nicht  geführt. 


^)  Versuche  an  ricin festen  (siehe  oben  p.  215)  Mäusen  (Zeitschr.  f.  Hyg. 
Bd.  12.  1892.  p.  183  fif.).  Vergl.  auch  Brieger  u.  Ehrlich,  ebenda  Bd.  13.  1893. 

2)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  18.     1894.    p.  248. 

^)  Die  hierher  gehörigen  Arbeiten  sind:  Tizzoni  und  Cattaui  (Centralbl. 
f.  Bakt.  Bd.  9.  1891.  No.  21;  Bd.  10.  1891.  No.  2/3:  Versuche  mit  dem  Serum 
tetanusimmunisirter  Hunde).  Emmerich  und  Tsuboi  (Die  Natur  der  Schutz- 
und  Heilsubstanz  des  Blutes.  Wiesbaden.  Bergmann.  1892).  Emmerich, 
Tsuboi  und  Steinmetz  (Centralbl.  f.  Baki;.  Bd.  12.  1892.  No.  11/12—14). 
Brieger  und  Ehrlich  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  13.  1893:  Versuche  an  Milch  teta- 
nusimmunisirter Tliiere).  Brieger  und  Cohn  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  15.  1893: 
Versuche  an  Milch  tetanusimmunisirter  Tliiere).  Aronson  (Berl.  klin.  Wochenschr. 
1894.  p.  454:  Versuche  an  Diphtherieserum.  Vergl.  hierzu  auch  Aronson,  Berl. 
med.  Gesellsch.  25.  Juli  1894  [Deutsche  med.  Wochenschr.  1894.  Vereinsbeilage. 
p.  77]).  Wassermann  (Zeitschr.  f.  H3'g.  Bd.  18.  1894.  p.  235  ff. :  Versuche  an 
Milch  diphtherieimmunisirter  Thiere). 


I.  Einleitendes.  225 

Bezüglich  der  Dauer,  der  Haltbarkeit  der  künstlichen 
Immunität  hat  man  die  beiden  verschiedenen  Arten,  nach  denen 
Immunität  erworben  werden  kann,  scharf  aus  einander  zu  halten.  Ist  die 
Immunisirung  eine  „iLüliiij;^",  ^)  d.  h.  vollzieht  sie  sich  durch  Ueber- 
stehen  einer  Impfkrankheit,  muss  der  Organismus  die  bei  der  Impfung 
eingedrungenen  giftigen  Substanzen  selbst  überwinden,  und  schafft  er 
sich  so  selbst  eine  Resistenz  gegen  ähnliche  Invasionen  giftiger  Sub- 
stanzen, so  ist  die  aus  diesem  Kampf  des  Körpers  mit  den 
Schädlichkeiten  resultirende  Immunität  eine  relativ  feste,  relativ 
lange  Zeit  andauernde.  War  die  Immunisirung  hingegen  eine  ,jpa__s- 
sive",  d.  h.  wurde  dem  Organismus  die  Immunität  verliehen  durch 
Einführung  von  Blut,  Blutserum,  Milch  eines  immunisirten  Individuums, 
wurden  also  die  immunisirenden  Substanzen  dem  Organismus  fertig  ge- 
bildet überliefert,  so  ist  die  Dauer  der  auf  diese  Weise  mühelos  er- 
langten Immunität  eine  relativ  kurze,  über  eine  Reihe  von  Wochen 
wahrscheinlich  nicht  hinausgehende.  -) 


1)  Ehrlich,  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.   12.     1S92.     p.  1S9. 
-)  Ehrlich,  ebenda. 


Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  15 


IL 

.Die  wichtigsten  pathogenen  Bakterienarten  im 
Speeiellen. 

1.   Der  Milzbrandbacillus. 

JJer  Milzbrandbacillus  (Bacillus  authracis,  bacteridie  du 
charbon)  wurde  im  Blute  milzbrandkranker  Thiere  zuerst  1849  von 
Peilender^)  gesehen.  Der  Befund  wurde  dann  von  verschiedenen 
Seiten  bestätigt,  und  namentlich  war  es  Davaine,-)  welcher  (1863) 
auf  Grand  experimenteller  Untersuchungen  zu  der  Ueberzeugung  ge- 
langte, dass  durch  die  in  dem  Blute  milzbrandkranker  Thiere  vor- 
handenen Stäbchen  die  Mlzbrandkrankheit  erzeugt  werde.  Aber  Robert 
Koch  war  es  vorbehalten,  das  Letztere  schlagend  zu  beweisen.  Koch"^) 
gelang  es,  die  Stäbchen  künstlich  zu  züchten,  ihren  Entwickelungsgang 
in  allen  Einzelheiten  darzulegen,  nachzuweisen,  dass  die  Stäbchen  unter 
Umständen  Dauerformen  (Sporen)  produciren,  dass  die  letzteren  viel 
resistenter  sind  als  die  Stäbchen  selbst,  und  dass  die  Infectiosität 
milzbrandigen  Materiales  eine  ganz  verschiedene  Haltbarkeit  besitzt,  je 
nachdem  das  Material  Sporen  enthält  oder  nur  Stäbchen.  So  erklärte 
Koch  die  Differenzen  in  den  Erfolgen  der  fi-üheren  Impfversuche, 
welche  ein  abschliessendes  Urtheil  über  die  Bedeutung  der  im  Blute 
gefundenen  Stäbchen   bis   dahin   nicht   ermöglicht   hatten.^)     Als   eins 


^)  (Casper's)  Vierteljahrsschrift  für  gerichthche  und  öffentUche  Medicin.  Bd.  8. 
18.55.  p.  112.  (Mikroskopische  Untersuchung  des  Blutes  von  an  Milzbrand  gestorhenen 
Kühen  im  Herbst  1849.) 

^)  Davaine,  Kecherches  sur  las  iufusoires  du  sang  dans  la  maladie  connue 
sous  le  nom  de  sang  de  rate  (Coraptes  rendus  de  Tacad.  des  sciences.  Paris, 
t.  57.  186.3). 

3)  F.  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.    Bd.  2.    1876. 

*)  lieber  diese  Differenzen  vergl.  z.  B.  Fes  er,  Der  Milzbrand  auf  den  ober- 
bayerischen Alpen.     München  1877.    p.  103. 


Der  IVIilzbrandbacillus.  227 

der  Hauptergebnisse  seiner  Untersuchungen  bezeichnete  Koch^)  den 
Kachweis,  „dass  nur  solche  Substanzen  ]\iilzl)rand  hervorriefen,  aus 
welchen  bei  den  gleichzeitig  angestellten  Culturversuchen  sich  sporen- 
haltige  Fäden  entwickelten  und  umgekehrt".  Hiermit  war  bewiesen, 
dass  die  Uebertragbarkeit  des  Milzbrandes  an  das  Vorhandensein  lebens- 
fähiger Bacillenkeime  geknüpft  ist. 

Der  Milzbrandbacillus  ist  1  — 1,5  /^  breit  und  3  —  6 — 10  // 
lang.  Er  findet  sich  im  Blute  milzbrandiger  Thiere,  und  zwar  ent- 
weder in  einzelnen  Exemplaren  oder  in  kleinen  Verbänden,  2,  3,  6  bis 
10  Stäbchen  zu  einem  Faden  vereinigt.  Die  einzelnen  Stäbchen  zeigen 
im  gefärbten  Präparate  stets  scharf  abgeschnittene  (nicht 
abgerundete)  Enden;  die  Endflächen  können  in  solchen  Präparaten 
gelegentlich  —  das  ist  aber  durchaus  nicht  immer  der  Fall  —  ganz 
wenig  concav  eingezogen  erscheinen,  so  dass  in  den  Fäden  zwischen 
den  zusammenstossenden  Enden  je  zweier  Stäbchen  eine  Trennungs- 
stelle entsteht,  die  eine  kleine  Anschwellung  in  der  Mitte  besitzt. 
Diese  Gliederung  der  IVIilzbrandbacillenfäden,  welche  sich  bei  anderen 
Bacillenarten  nicht  findet,  konmit  aber,  wie  gesagt,  nur  im  gefärbten 
Präparat,  und  auch  da  nicht  immer,  zmn  Ausdruck.  Am  Deutlichsten 
zeigt  sie  das  von  R.  Koch  1877  veröffentlichte  Programm,-)  welches 
nach  einem  mit  Anilinbraun  gefärbten,  in  Glycerin  eingelegten  Ti'ocken- 
präparate  von  Milzsubstanz  der  Milzbrandmaus  aufgenommen  war.  Im 
hängenden  Tropfen  betrachtet  bietet  der  Milzbrandbacillus  keine 
scharf  abgeschnittenen,  sondern  abgerundete  Enden  dar. 

Nicht  selten  sieht  man  in  gefärbten  Präparaten  des  Milzbrand- 
bacillus, die  mit  Material  hergestellt  sind,  welches  direct  aus  dem 
Thierkörper  stammt,  an  den  Bacillen  hier  und  da  —  d.  h.  nicht  an 
allen  Bacillen  —  den  Kern  der  Bakterienzelle  und  die  Hülle  deut- 
lich von  einander  differ enzirt.'^)  So  sieht  man  z.  B.  auf  dem 
Bilde  Taf.  V,  Fig.  27,  an  einzelneu  der  dargestellten  Bacillen  diese 
Differenzirung  ziemlich  deutlich.  Das  diesem  Photogramm  zu  Grunde 
liegende  Präparat  (Deckglasausstrich  von  Milzsubstanz  der  an  Milz- 
brand gestorbenen  Maus)  ist  in  der  gewöhnlichen  Weise,  und  zwar 
mit  Fuchsin,  gefärbt;  das  gefärbte  und  getrocknete  Präparat  wurde  in 
der   gewöhnlichen  Weise   in   Balsam   eingeschlossen.'^)   —   Jüngst   hat 


^)  F.  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfi.    Bd.  2.     1870     p.  -m. 

•-)  F.  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.    Bd.  2.    Taf.  XVI,  Fig.  .5. 

^)  Die  Hüllen  oder  Kapseln  der  MilzbrandbaciUen  wurden  zuerst  von  Serafini 
cf.  Baumgarten's  Bakteriol.  Jahresber.  1888.  p.  102)  beobachtet. 

*)  Ein  ähnliches  Präparat  reproducirte  ich  1893  in  der  3.  Auflage  dieses 
Buches  (Taf.  V,  Phot.  2.5).     Oben  (p.  67,  Anra.  2)   wurde   bereits   mitgetbeilt,  dass 

1.5* 


228  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

nun  Johne  uns  eine  besondere  Art  der  Behandlung  der- 
artiger Präparate  gelehrt,  welche  es  gestattet,  an  Milzbrand- 
hacillen,  die  aus  dem  Thierkörper  stammen,  unter  allen  Um- 
ständen die  Existenz  wohl  ausgebildeter  und  scharf  von  dem  Kern 
differenzirter  Hüllen  oder  Kapseln  nachzuweisen.  Johne^) 
ist  der  Meinung,  dass  die  genannte  Eigenthümlichkeit  des  Milzbrand- 
bacillus  (die  sichere  Darstellbarkeit  einer  wohl  entwickelten  Kapsel) 
diesen  Mikroorganismus  ohne  Weiteres  von  allen  übrigen  Bakterien- 
arten unterscheidet,  welche  bei  der  Untersuchung  von  Thierleichen 
möglicher  Weise  Anlass  zur  Verwechselung  mit  dem  Milzbrandbacillus 
geben  könnten.  Um  die  Kapseln  darzustellen,  verfährt  man  nach 
Johne-)  folgendermassen:  Das  vde  gewöhnlich  auf  dem  Deckglas  aus- 
gestrichene, dann  getrocknete  und  in  der  Flamme  fixirte  Präparat 
wird  zunächst  mit  einer  2proc.  wässerigen  Violettlösung  unter  ganz 
schwacher  Erwärmung  gefärbt,  dann  einen  Moment  in  Wasser,  dann 
6  — 10  Secunden  in  2 proc.  Essigsäurewasser  gespült;  sodann  wird  das 
Präparat  in  Wasser  ausgewaschen  und  —  ein  ausserordentlich  wesent- 
licher Punkt  —  in  Wasser  e i n g e s c h  1  o s s e n  und  so  mikroskopisch 
angesehen  (d.  h.  also  nicht  in  Balsam  eingeschlossen).  Die 
Johne' sehe  Behandlungsmethode  bringt  die  Kapseln  der  Milzbrand- 
bacillen  nach  meinen  Erfahrungen  in  geradezu  idealer  Weise")  zum 
Ausdruck;  nimmt  man  aber,  nachdem  man  sich  an  einem  solchen 
Präparate  von  der  Existenz  der  schönen  Kapseln  überzeugt  hat,  das 
Deckglas  von  dem  Objectträger  herunter,  trocknet  man  dann  das  Prä- 
parat und  schliesst  es  in  Balsam  ein.  so  geht  die  ideale  Erscheinungs- 
weise der  Kapseln  sofort  verloren ;  man  überzeugt  sich  auf  diese  Weise, 
dass  der  Umstand  des  Wasser  ein  Schlusses  bei  der  Johne  "sehen 
Behandlung  eine  ausserordentlich  wesentliche  Bolle  spielt;  vielleicht 
ist  dies  überhaupt  der  wesentlichste  Punkt  des  ganzen  Verfahrens. 
Offenbar  sind  die  Kapseln  in  dem  einschliessenden  Wasser  in  ge- 
quollenem Zustande  vorhanden  und  werden  dadurch  deutlich,  während 
sie  bei  dem  Trocknen  des  Präparates  Behufs  des  Einschlusses  in 
Balsam   zusammenschrumpfen   und    somit    ihre    deutliche    Sicbtl)arkeit 


in  derartigen  Präparaten,  wenn  sie  mit  Metliylenblau  gefärbt  sind,  die  Hüllen  der 
Milzbrandbacillen  gewöhnlich  hellröthlieh  erscheinen  im  Gegensatz  zu  dem  blau  ge- 
färbten Kern. 

')  Deutsehe  Zeitschr.  f.  Thierraed.  u.  vergl.  Patb.  Bd.  19.  lS!t.3.  p.  244  ff.: 
Bd.  20.     1S94.    p.  426  ff. 

-)  Deutsche  thierärztliche  Wochenschr.     1894.    Xo.  3.5. 

■')  Vergl.  anch  die  Johne's'chen  Photograrame,  Deutsche  Zeitschr.  f.  Thier- 
rae<l.    Bd.   19.     1S93.    Taf.  VI. 


Der  Milzbrandbacillus.  229 

verlieren.  —  Oben  sagten  wir  schon,  dass  die  Kapseln  der  Milzbrand- 
bacillen  sich  an  solchem  Material  darstellen  lassen,  welches  aus  dem 
Thiorkörper  stammt.  Stammt  das  Material  dagegen  aus  künstlichen 
Culturen ,  so  finden  sich  deutlich  ■  ausgebildete  Kapseln  gewöhnlich 
nicht;  sie  kommen  hier  jedoch,  wie  Haase^)  feststellte,  vereinzelt  A^or; 
eine  Ausnahme  in  dieser  Beziehung  machen,  wie  weiherhin  Johne-) 
fand,  Culturen  des  Milzbrandbacillus  in  flüssigem  Blutserum;  hier 
findet  man  die  Kapseln  von  derselben  Schönheit  und  Regelmässigkeit 
wie  im  Thierkörper.  —  Uebrigens  finden  sich  die  Kapseln  des  Milz- 
brandbacillus nicht  nur  in  Trockenpräparaten;  es  ist  mir")  gelegentlich 
auch  an  Schnittpräparaten,  die  mit  Methylenblau  gefärbt  und  in  der 
gewöhnlichen  Weise  in  Balsam  eingeschlossen  wurden,  gelungen  Kap- 
seln zu  constatiren. 

Der  Milzbrandbacillus  besitzt  keine  Eigen bewegung.  Er 
wächst  bei  Sauerstoifanwesenheit  auf  den  gewöhnlichen  bakteriologischen 
Nährböden,  bei  Brüttemperatur  besser  als  bei  Zimmertemperatur.  Unter 
15^  C.  findet  kein  Wachsthum  statt.  Zwischen  15  und  18*^  C.  ist 
«lasselbe  sehr  kümmerlich.  Die  obere  Grenze  ist  etwa  45*^  C.  Die 
Gelatine  wird  massig  schnell  verflüssigt.  Der  Impfstich  der 
Gelatine  Stiche  ultur  zeigt  häufig,  aber  nicht  stets,  feine  faden- 
förmige Ausläufer  (Taf.  VI,  Fig.  35);  auf  der  Gelatineplatte  zeigt 
die  Colonie  häufig  einen  zierlich  gelockten  Rand.  Taf.  VI,  Fig.  31, 
zeigt  eine  solche  Colonie  bei  schwacher  (43facher)  Vergrösserung.  Die 
Luckenbildung  ist,  wenn  man  sie  beobachtet,  für  den  Milzbrandbacillus 
characteristisch  insofern,  als  sie  bei  keiner  anderen  pathogenen  Bak- 
terienart beobachtet  wird.  Häufig  aber  erscheinen  die  Colonien  auf  der 
Gelatineplatte  ohne  diesen  gelockten  Rand ;  sie  bilden  dann  mehr  oder 
weniger  kugelförmige  Knäuel,  an  deren  Rändern  man  bei  schwacher 
Vergrösserang  aber  stets  ein  fädiges  Gefüge  constatiren  kann.  Die 
Colonie  auf  der  Platte  zeigt  auch  nicht  selten  fädige  Ausläufer,  welche 
in  die  Umgebung  hineinwachsen,  also  ähnliche  Bildungen,  wie  wir  sie 
l)ei  der  Stichcultur  sahen.  Solche  Colonien  mit  Ausläufern  zeigt  die 
auf  Taf.  VI,  Fig.  32,  bei  40facher  Vergrösserung  dargestellte  Platte, 
welche  übrigens  nicht  durch  Vertheilung  von  Milzbrandmaterial  in  der 
flüssig  geinachten  Gelatine,  sondern  durch  oberflächliches  Aufstreichen 
des  Materials  mit  der  Spitze  des  Platindrahtes  auf  die  erstarrte  sterile 
Gelatine  (cf.  p.  160)  erhalten  wurde.    Fig.  33  zeigt  ein  Klatschpräparat 


1)  Deutsche  Zeitschr.  f.  Thiermed.    Bd.  -20.     1S94.  p.  429. 

-)  Ebenda.    Bd.  21.    1894.    p.  142. 

■')  3.  Auflage  dieses  Buches.    1893.    p.  19(). 


230  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

von  dieser  Platte  bei  lOOOfacher  YergTössemng.  Die  zierlichen  fädigen 
Windungen  der  Fignr  32  lösen  sich  hier  in  die  deutlich  gegliederten 
Bacillenfäden  auf. 

Auf  Kartoffeln  bildet  der  Bacillus  einen  weissen,  trockenen 
Belag.  Auf  der  Agar  ob  er  fläche  wächst  derselbe  in  Gestalt  eines 
gTauen,  mattgiänzenden  Ueberzuges.  In  Bouillon  bildet  der  Milz- 
brandbacillus  flockige  Zusammenhäufungen,  welche  am  Boden  des  Cultur- 
gefässes  liegen,  während  die  darüber  befindliche  Culturflüssigkeit  klar 
durchsichtig  und  vollkommen  frei  von  Bacillen  bleibt. 

Ueberall  auf  den  lainstlichen  Is'ährböden  wächst  der  Mlzbrand- 
bacillus  zu  langen  Fäden  aus,  die  viele  Hunderte  und  vielleicht 
Tausende  von  Gliedern  enthalten  können. 

Ist  der  Nährboden  in  gewisser  Beziehung  erschöpft,  so  tritt  in 
den  Fäden  Sporenbildung  (cf.  oben  p.  16)  ein;  und  zwar  bildet  sich 
in  der  Mtte  jedes  einzelnen  Bacillus  eine  Spore.  Die  Sporenbildung 
ist  aber  noch  an  zwei  weitere  Bedingungen  geknüpft:  Erstens  muss 
freier  Sauerstoff  vorhanden  sein,  und  zweitens  muss  eine  bestimmte 
Temperatur  (zwischen  18  und  etwa  40"  C.)  herrschen.  Am 
schnellsten  geht  nach  meinen  Erfahrungen  die  Sporenbildung  bei  einer 
Temperatur  von  etwa  28"  C.  vor  sich.  Bei  dieser  Temperatur  be- 
obachtet man  häufig  bereits  24  Stunden  nach  Anstellung  der  Cultur 
schön  und  regelmässig  in  den  Fäden  entwickelte  Sporen  (siehe  Taf.  VI, 
Fig.  36:  Hängender  Bouillontropfen  mit  lebenden  sporenhaltigen  Mlz- 
brandfäden).  Bei  37"  C.  tritt  die  Sporenbildung  nicht  mit  solcher 
Präcision  und  Regelmässigkeit  ein.  Die  Milzbrandspore  besteht  nach 
Koch  1)  „aus  einem  stark  lichtbrechenden  Tröpfchen ,  vielleicht  einem 
Oel,  welches  von  einer  dünnen  Protoplasmaschicht  eingehüllt  ist.  Letztere 
ist  die  eigentliche  entwickelungsfähige  Zellsubstanz,  während  ersteres 
vielleicht  einen  bei  der  Keimung  zu  verbrauchenden  Reservestoflf  bildet." 
—  Sind  übrigens  bei  der  Erschöpfung  des  Nährbodens  die  übrigen 
Bedingungen  für  die  Sporenbildung  nicht  vorhanden,  so  kommt  es  zum 
Absterben  der  Bacillen;  es  bilden  sich  dann,  wie  fi'üher  (p.  15)  dar- 
gelegt, Involutionsformen  (siehe  Fig.  34  auf  Taf.  VI). 

Sind  die  Sporen  fertig  gebildet,  so  zerfällt,  wie  wii*  oben  (p.  16) 
dargelegt  haben,  der  Bacillenfäden;  die  Sporen  werden  aus  dem  Ver- 
bände ausgelöst,  liegen  fi-ei  da  und  verändern  sich  nun  nicht  mehr, 
bis  sie  wieder  auf  einen  passenden  Nährboden  gelangen.  Hier  keimen 
sie,  bei  Brüttemperatur  schon  innerhalb  weniger  Stunden,  wieder  zu 
Bacillen  hi  der  AVeise  aus,  dass  die  länglich  rund  gestaltete  Spore  sich 


>)  F.  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  d.  PH.    B<1.  2.    1ST6.    p.  2S9. 


Der  ]\Iilzbrandbacillus.  231 

in  der  Eiclitimg  ihres  grössten  Durcliinessers  verlängert,  dabei  an  Glanz 
abnimmt  und  schliesslich  den  sich  durch  Zweitheilung  weiter  vermehren- 
den Bacillus  repräsentirt. 

Die  Resistenz  der  Milzbrandsporen  gegen  äussere  Ein- 
wirkungen ist,  wie  wir  bereits  oben  (p.  27,  32)  erwähnten,  nach  den 
Ermittelungen  von  E.  v.  Esmarch  nicht  immer  die  gleiche.  Es  giebt 
Milzbrandsporen,  die  durch  5  proc.  Carbolsäurelösung  bereits  in  2  Tagen, 
durch  strömenden  Dampf  von  100^  C.  in  3  Minuten  abgetödtet  werden, 
während  es  andere  giebt,  die  die  Einwirkung  derselben  Flüssigkeit 
länger  als  40  Tage,  des  strömenden  Dampfes  länger  als  12  Minuten 
ertragen.  Das  Material  hat  je  nach  seiner  Provenienz  eine 
verschiedene  Resistenz.  Die  Gründe  dafür  sind  noch  unbekannt. 
P.  F.  Frankland^)  hat  die  wichtige  Entdeckung  gemacht,  dass  bei 
18 — 20 0  C.  gebildete  Milzbrandsporen  viel  widerstandsfähiger  (zunächst 
gegen  den  schädigenden  Einfluss  des  Lichtes  [cf  oben  p.  38])  sind  als 
bei  35—38"  C.  gebildete. 

Chamberland  und  Roux-)  fanden  1883,  dass  Milzbrand- 
bacillen  die  Fähigkeit  verlieren  können,  Sporen  zu  bilden  („asporo- 
gener  Milzbrand"),  ohne  dass  dabei  die  Virulenz  geschädigt  zu 
werden  braucht.  Solcher  asporogener  Milzbrand  wurde  erhalten  durch 
Cultivirung  von  Milzbrandbacillen  in  Nährbouilion  mit  einem  Zusatz 
^^^^  ^/•2ooo  ^i^  Vöooo  Kaliumbi Chromat.  K.  B.  Lehmann-^)  fand  später, 
dass  Milzbrandculturen ,  die  in  langer  Reihe  von  Gelatine  zu  Gelatine 
weiter  gezüchtet  waren,  asporogen  geworden  waren.  Behring*)  hat 
dann  nachgewiesen,  dass  die  genannte  Erscheinung  als  Ausdruck  einer 
gewissen  Degeneration  anzusehen  ist,  die  (wie  bereits  Chamber- 
land und  Roux  fanden)  durch  gewisse  für  die  Bacillen  nicht  zweck- 
mässige Zusätze  zu  den  Nährböden  künstlich  veranlasst  werden  kann. 
Eine  bestimmte  Methode,  asporogenen  Milzbrand  zu  erhalten  (Cultur 
in  Bouillon  mit  bestimmtem  Phenolzusatz)  hat  weiterhin  Roux^)  an- 
gegeben. Surmont  und  Arnould'')  haben  kürzlich  gefunden,  dass 
sich  manche  Milzbrandrassen  leichter ,  andere  schwerer  asporogen 
machen  lassen. 

Die  Virulenz  der  Milzbrandculturen  lässt  sich  auf  verschiedene 
Art  und  Weise  abschwächen,   wie  wir  oben  Q).  204  ff.)  bereits  er- 


1)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  15.     1S94.     p.  110. 
'-)  Compt.  rend.  de  l'acad.  des  sc.  t.  9G. 
■')  Münch.  med.  Wochenschr.     1S87.     No.  26. 
*)  Zeitsebr.  f.  Hyg.    Bd.  7.    1889.    p.   172. 
■')  Annales  de  l'Institut  Pasteur.     1890.    No.  1. 
")  Annales  de  Tlnstitut  Pasteur.     1894.    p.  832. 


232  B-  üie  Balvterien  als  Krankheitserreger. 

örtert  haben.  Der  in  seiner  Virulenz  abgeschwächte  Milzbrand  wächst, 
wenn  er  das  A^ersuchsthier  noch  zu  tödten  vermag,  in  den  Organen 
häufig  zu  langen,  schleifen  artig  verschlungenen  Fäden 
aus.  Eine  Illustration  hierzu  giebt  Fig.  30  auf  Taf.  V;  das  Präparat 
ist  aus  der  Milz  einer  Maus  hergestellt,  welche  mit  Milzbrandbacillen 
inficirt  worden  war,  die  längere  Zeit  im  Laboratorium  auf  künstlichem 
Nährboden  Aveiter  gezüchtet  worden  waren. 

Der  virulente  Milzbrand  producirt  auf  künstlichen  Nähr- 
böden Säure,  der  abgeschwächte  Milzbrand  bewirkt  Keduotion 
des  Nährhodens  (Behring^). 

Der  jVlilzbrandbacillus  ist  ein  facultativer  Parasit.  Ohne 
Zweifel  findet  er  draussen  in  der  Natur  an  geeigneten  feuchten  Stellen 
sein  Fortkommen  und  kommt  dort  auch  zur  Sporenbildung,  um  dann 
gelegentlich  mit  dem  Futter  in  den  Organismus  der  Weidethiere, 
speciell  den  Darm  derselben,  eingeführt  zu  werden  und  dann  die  Er- 
krankung an  Milzbrand  zu  veranlassen. 

In  der  Natur  ausserhalb  des  Thierkörpers  nachgewiesen  ist  der 
Milzbrandbacillus  noch  nicht. 

Die  AVeidethiere  (Schafe,  Rinder,  Pferde)  werden  fast  stets 
vom  Darme  aus  inficirt.  Der  Milzbrand  tritt  hier  zimächst  als 
Darmmilzbrand  auf.  Die  Infection  kann  ausserdem  auf  vielen 
anderen  Wegen  erfolgen;  besonders  durch  cutane  Impfung  kann 
der  Infectionsstoff  auf  empfängliche  Thiere  leicht  übertragen  werden. 
Ausserordentlich  empfänglich  für  cutane  Infection  sind  Mäuse,  ferner 
Meerschweinchen  und  K  a  n  i  n  c  h  e  n.  Diese  Thiere  können  auch 
durch  Inhalation  von  Sporen  sehr  leicht  inficirt  werden  (Buchner)-), 
Avährend  sie  vom  Darme  aus  sehr  schwer  zu  inficiren  sind.  Bei  der 
Infection  durch  Inhalation  kommt  zunächst  Lungenmilzbrand  zu 
Stande.  Als  primärer  Lungenniilzl)rand  ist  auch  die  sogenannte 
„Hadernkrankheit"  (lüankheit  der  WoUsortirer ,  maladie  des 
trieurs  de  laine,  woolsorters  disease)  des  Menschen  aufzufassen,  welche 
bei  Lumpensortirern  auftritt  und  der  Einathnumg  von  Milzbrandsporen, 
die  den  Lumpen  anhafteten,  ihre  Entstehung  verdankt.  Uebrigens 
kommen  die  meisten  Milzbrandfälle  beim  Menschen  durch  Infection 
von  kleinen  Hautwunden  zu  Stande  (Pustula  maligna)"].    Bei 


')  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  (J.     ISSÜ.  p.    142. 

-)  Arch.  f.  Hyg."   Bd.  b.     IbSs. 

■')  Die  IMilzbrandnatur  der  Pustula  maligna  des  Menschen  erkannten  (auf  Grund 
des  mikroskopischen  Nachweises  der  .,bacteridies"  und  auf  Grund  gelungener  Ueber- 
tragungen  auf  Meerschweinchen)  zuerst  Davainc  und  Kaimbert  (Comptes  rendus 
de  l'acad.  des  sciences.     Paris,  t.  -59.     186-1.    p,  429). 


Der  Milzbrandbacillus.  233 

zweckmässiger  Behandlung,  und  öfters  auch  ohne  diese,  bleibt  der 
Milzbrand  beim  Menschen  local  resp.  geht  nicht  über  die  Lymphdrüsen 
hinaus.  Auch  Fälle  von  Darmmilzbrand  sind  beim  Menschen  be- 
kannt geworden. 

AVo  die  Infectionspforte  aber  auch  liegen  mag,  der  Milzbrand 
bietet,  wenn  er  sich  verallgemeinert  und  zum  Tode  führt,  stets  das 
Bild  einer  t3i)ischen  Septicaemie  (cf.  p.  200)  dar:  d.  h.  die  Bacillen 
finden  sich  nach  dem  Tode  nur  in  den  Blutgefässen.  Das 
Photogramm  Fig.  29  auf  Taf.  V  zeigt  einen  Schnitt  durch  die  Lunge 
der  an  Milzbrand  gestorbenen  Maus  bei  mittlerer  (löOfacher)  Yer- 
grösserung.  Man  sieht  hier  deutlich  die  Lagerung  der  Bacillen  in 
den  Blutgefässen;  der  auf  der  linken  Seite  des  Bildes  liegende  durch- 
schnittene Bronchialast  enthält  keine  Bacillen.  Die  grossen  Ge- 
fässe  enthalten  nach  Koch  beim  Meerschweinchen  viel,  beim  Kaninchen 
weniger,  bei  der  Maus  sehr  wenig  Bacillen.  Bei  der  Maus  ist  die  Milz 
ausserordentlich  bacillenreich  (siehe  Fig.  27  u.  28,  Taf.  Y). 

Die  Milzbrandbacillen  finden  sich  bei  den  Yersuchsthieren  nicht 
sofort  nach  der  Infection  innerhalb  des  Blutkreislaufs,  sondern  sie  sind 
hier  immer  erst  in  einem  späteren  Stadium  des  Krankheitsverlaufes 
anzutreffen^).  Eine  Ausnahme  hiervon  findet  selbstverständlich  dann 
statt,  wenn  die  Bacillen  bei  der  Impfung  des  Thieres  direct  in  den 
Blutkreislauf  hinein  gelangen.-) 

Niemals  werden  in  der  unverletzten  Milzbrandleiche  sporenhaltige 
Milzbrandbacillen  gefunden.  So  lange  nämlich  das  Thier  lebt,  ist  die 
zur  Einleitung  der  Sporenbildung  nothwendige  Erschöpfung  des  Xähr- 
bodens  nicht  eingetreten;  ist  das  Thier  gestorben,  so  fehlt  der  zur 
Sporenbildung  nothwendige  Sauerstoff. 

Das    Schwein-^),    der   Hund,    die   meisten  Yögel^)   verhalten    sich 

^)  G.  Frank  und  Lubarsch  (Zeitschr.  f.  Hyg-.  Bd.  11.  1891.  p.  270)  landen 
z.  B.  bei  Meerschweinchen,  die  mit  einer  Milzbrandsorte  geimpft  wurden,  welche  die 
Thiere  spätestens  nach  34  Stunden  tödtet,  nie  vor  der  17.  Stunde  Bacillen  im  Blute: 
nach  der  22.  Stunde  wurden  die  Bacillen  nie  im  Blute  vermisst  (Untersuchung  mit 
Hülfe  der  Cultur). 

-)  Mäuse,  die  auf  dem  Eücken  oder  am  Schwänze  in  frische  Wunden 
hinein  mit  Milzbrandbacillen  geimpft  wurden,  zeigten  schon  ^/a  Stunde  nach  der 
Lifection  die  Milzbrandkeime  (durch  Cultur  nachgewiesen)  in  Lunge,  Leber,  Milz  und 
Nieren.  (Schimmelbusch  und  Eicker,  Deutsche  med.  Wochenschr.  1894.  p.  575.) 

^)  Nach  Crookshank  (cf.  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  8.  1890.  p.  407)  können 
Schweine  an  Milzbrand  erkranken. 

■*)  Canalis  und  Morpurgo  (Fortschr.  d.  Med.  1890.  No.  18)  machten 
Tauben  durch  Hungern  milzbrandempfänglich.  —  Junge  Tauben  sind  sehr  viel  emp- 
fänglicher für  Milzbrand  als  ältere  Thiere  (cf.  Czaplewski,  Zeitschr.  f.  Hyg. 
Bd.   12.     1892.    p.   379  ff.). 


234  B-    I^'ö  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

immun  gegen  Milzbrand.  Die  Ratte ^)  zeigt  sich  meist  immun.  Der 
Frosch  ist  unter  gewöhnlichen  Umständen  immun  gegen  den  Milzbrand ; 
bringt  man  den  Frosch  aber,  nachdem  man  Milzbrandsporen  in  seinen 
Lj'mphsack  eingebracht  hat,  in  den  Brütschrank,  so  geht  er  an  Milz- 
brand zu  Grunde.-) 

Mit  den  Pasteur'schen,  durch  Cultivirung  von  virulenten  Milz- 
brandbacillen  bei  Temperaturen  zmschen  42  und  43  ^  C.  hergestellten 
Vaccins  (cf.  p.  206)  lassen  sich  Thiere,  speciell  Schafe  und  Rinder, 
gegen  Impfmilzbrand  immunisiren ;  gegen  den  natürlichen  Infections- 
modus  (primärer  Darmmilzbrand)  ist  die  Fast eur" sehe  Schutzimpfung 
nicht  mit  Sicherheit  zu  verwenden,  wie  durch  Koch  nachgewiesen 
worden  ist.  Hankin'^)  stellte  im  Koch' sehen  Institute  aus  Milzbrand- 
culturen  eine  giftige  Albumose  dar,  die,  in  sehr  kleiner  Dosis 
Mäusen  und  Kaninchen  einverleibt,  Immunität  gegen  Milzbrand  hervor- 
ruft. Wooldridge  vermochte  durch  Einverleibung  einer  aus  dem 
normalen  Thierkörper  ohne  Mitwirkung  \oi\  Bakterien  hergestellten 
bestimmten  Eiweisslösung  Immunität  gegen  Milzbrandinfection  hervor- 
zui'ufen  (cf.  oben  p.  209,  Anm.  2). 

Der  Milzbrandbacillus  nimmt  aus  wässerigen  Anilinfarbstofflösungen 
die  Farbe  schnell  auf;  er  färbt  sich  auch  nach  der  Gram"  sehen 
Methode  (p.  108  ff.). 


1)  Weisse  Ratten  erliegen  nach  Metschnikoff  (Ann.  de  Tlnst.  Pasteur  1890. 
No.  4)  wiederholter  Milzbrandirapfung  stets.  —  Nach  G.  Frank  (Centralbl.  f. 
Bakt.  Bd.  8.  1890.  No.  10)  sind  weisse  Ratten  dadurch  stets  sicher  tödthch  mit 
Milzbrand  zu  inficiren,  dass  man  ihnen  einen  Seidenfaden  mit  angetrockneten  Milz- 
brandsporen (cf.  oben  p.  32)  in  die  Bauchhöhle  bringt.  —  Nach  Behring  und 
Nissen  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  S.  1890.  p.  418)  sind  besonders  jüngere  weisse 
Ratten  empfänghch  für  Milzbrand.  Verschiedene  Rattensorten  verhalten  sich  ver- 
schieden. Ceteris  paribus  wirkt  am  sichersten  stets  die  Verimpfung  von  Blut  oder 
Organstückchen,  weniger  sicher  die  Verimpfung  frischer  Agarcultur,  noch  weniger 
sicher  die  Verimpfung  von  Seidenfäden  mit  angetrockneten  Sporen.  —  Charrin  und 
Roger  (Soc.  de  Biol.  Paris.  19  janv.  1890)  machten  weisse  Ratten  durch  Ermüdung 
(Gehen  in  der  Tretmühle)  milzbrandempfänglich.  —  Nach  Hank  in  (Centralbl.  f. 
Bakt.  Bd.  11.  1892.  p.  722)  sind  wilde,  braune,  ausgewachsene  Ratten  bei  Fleisch- 
fütterung ziemlich  resistent  gegen  Milzbrand;  mit  Brot  gefüttert  bekommen  die 
Thiere  Milzbrandempfänglichkeit.  —  ^m  resistentesten  ist  nach  Kurt  Müller  (Der 
]ililzbrand  der  Ratten.  Fortschr.  d.  Med.  1893.  No.  6  und  8—15)  die  schwarze 
Rasse  (1.  c.  p.  439).  Kurt  Müller  (1.  c.  p.  527)  machte  die  Ratten  durch  sub- 
cutane Zuführung  von  Fleischextractlösungen  resistenter. 

-)  Nach  Petruschky  (Zeitschr.  f  Hyg.  Bd.  7.  1889.  p.  79)  ist  hierzu  eine 
Aussentemperatur  von  31—35*'  C.  uothweudig.  Innerhalb  des  Körpers  von  Milz- 
brandfi-öschen  findet  man  die  ]\Iilzbrandbacülen  vielfach  zu  langen  schleifenförmigen 
Gebilden  (cf.  oben  p.  232)  ausgewachsen. 

")  Brit.  med.  Journal.    October  1889. 


Der  Milzbrandbacillus.  235 

Wir  hatten  uns  oben  (p.  108)  vorgenommen,  bei  Gelegenheit  des 
Milzbrandbacillus  auf  die  Sporenfärbung  einzugehen.  Wie  wir 
bereits  (p.  76)  sahen,  verhalten  sich  Bacillensporen  bei  kurzdauernder 
Behandlung  der  Präparate  mit  der  kalten  Farblösung  so ,  dass  sie  die 
Färbung  hierbei  nicht  annehmen,  während  das  Bacillenprotoplasma  bei 
dieser  Behandlung  ja  ohne  Weiteres  gefärbt  wird.  Fig.  37  auf  Taf.  VII 
zeigt  Milzbrandfäden  mit  Sporen;  das  Präparat  ist  mit  kalter  Farb- 
lösung kurz  behandelt.  Das  Bacillenprotoplasma  ist  gefärbt ;  die  Sporen 
sind  ungefärbt  geblieben.  Ein  ähnliches  Präparat  (Bac.  subtilis,  Heu- 
bacillus,  mit  Sporen)  ist  auf  Taf.  IV,  Fig.  19,  dargestellt.  Die  Methoden, 
welche  angegeben  sind,  die  Sporen  zu  färben,  kommen  nun  alle 
darauf  hinaus,  dass  man  die  Präparate  mit  intensiv  färbenden 
Lösungen  bei  höherer  Temperatur  längere  Zeit  behandelt, 
dass  man  also  alle  drei  Momente  berücksichtigt,  die,  wie  wir  sahen 
(p.  101),  ganz  allgemein  für  die  Intensität  der  Färbung  in  Betracht 
kommen.  W^as  die  Qualität  der  Farblösung  angeht,  so  würde  ich  stets 
lieber  die  Ehrl  ich' sehe  (anilinwasserhaltige)  als  die  Ziehl'sche 
(carbolwasserhaltige)  Lösung  anwenden,  da  die  erstere  aus  oben  (p.  102) 
näher  dargelegten  Gründen  intensiver  färbt  als  letztere. 

Stets  ausgezeichnete  Sporenfärbung  erhält  man,  wenn  man  auf 
folgende  Weise  verfährt:  Man  macht  sich  zunächst  von  dem  sporen- 
haltigen  Material  ein  Deckglaspräparat  in  der  gewöhnlichen  Weise  zu- 
recht, lässt  es  lufttrocken  werden  und  fixirt  es  in  der  Flamme.  Dann 
giesst  man  ein  Uhrschälchen  bis  nahe  zum  Eande  voll  frisch  be- 
reiteter Ehrl  ich 'scher  Anilinwasser-Fuchsin-Lösung  (cf.  p.  101),  welche 
nicht  filtrirt  zu  werden  braucht.  Nun  wirft  man  das  Deckglas  so  auf  die 
Farblösung,  dass  es,  mit  der  Präparatenschicht  nach  unten,  auf  der  Farb- 
flüssigkeit schwimmt.     Sollte  es  untersinken,  so  schadet  das  nicht  viel. 

Nun  wird  das  Uhrschälchen  mit  der  Lösung  und  dem  Präparate 
erhitzt.  Macht  man  dieses  Erhitzen  nicht  nach  gewissen  zweckmässigen 
Regeln,  so  zerspringt  Einem  das  Uhrschälchen  sehr  häufig;  und 
das  ist  der  Grund,  weshalb  viele  Praktiker  dieses  Erhitzen  im  Uhr- 
schälchen verwerfen.  Folgendermassen  aber  vermeidet  man  das  Zer- 
springen der  Schälchen  mit  Sicherheit :  Man  benutzt  zum  Erhitzen  nur 
eine  sehr  kleine  Flamme,  eine  Flamme,  die  nicht  höher  als  etwa 
2  cm  ist.  Benutzt  man  den  Bunsen' sehen  Brenner,  so  sperrt  man 
die  Luftzufuhr  zur  Flamme  ab  und  schraubt  dann  die  Flamme  bis  zur 
angegebenen   Grösse   hinunter  i) ;    benutzt   man   die    Spüituslampe ,    so 

^)  Ausgezeichnet  für  diesen  Zweck  sind  die  sogenannten  Mikrobrenner, 
kleine  Bunsen'sche  Brenner  mit  engem  Eohr,  bei  denen  ein  Zurückschlagen  der 
Flamme  unmöglich  ist. 


236  B-  Die  Bakterien  als  Kranlcheitserreger. 

regulirt  man  die  Grösse  der  Flamme  an  dem  Dochte.  In  die  kleine 
Flamme  hinein  bringt  man  nun  das  mit  einer  starken  Pincette  am 
Eande  erfasste  Uhrschälchen  so,  dass  nur  seine  Mitte  erhitzt 
wird.  Ist  das  Schälchen  etwa  2  bis  3  Secimden  in  der  Flamme  ge- 
blieben, so  bewegt  man  dasselbe  langsam  in  vertikaler  Richtung 
bis  etwa  zur  Höhe  von  10  cm  oberhalb  der  Flamme.  Während  dieser 
Zeit  wird  das  Schälchen  durch  die  -N'ertikal  von  der  Flamme  auf- 
steigenden Heizgase  erhitzt.  Nun  geht  man  sofort  wieder  in  die  Flamme 
hinunter,  bleibt  darin  wieder  einige  Secunden,  geht  wieder  in  die  Höhe, 
wieder  hinunter,  und  so  fort,  bis  die  Flüssigkeit  beginnt  Blasen  zu 
entwickeln.  In  diesem  Moment  bricht  man  die  Erhitzung  ab,  stellt 
das  Schälchen  auf  den  Tisch  und  lässt  dasselbe  eine  Minute  lang 
stehen.  Nun  erhitzt  man  wieder  von  Neuem  bis  zur  Blasenbildung, 
lässt  dann  wieder  eine  Minute  lang  stehen.  So  erhitzt  man  das 
Schälchen  etwa  5  Mal  und  lässt  dassell)e  eben  so  oft  je  eine  Minute 
lang  stehen. 

Die  Sporen  —  nicht  nur  die  Milzbrandbacillensporen,  sondern  über- 
haupt vorhandene  Bacillensporen  —  haben  nun  eine  intensive  Färbung, 
in  unserm  Falle  eine  Fuchsinfärbung,  angenommen.  Man  brmgt  nun 
das  Präparat,  ohne  es  in  AVasser  abzuspülen,  aus  der  heissen  Farblösung 
in  ein  Uhrschälchen  mit  3proc.  Salzsäure-Alcohol  (j).  106),  und 
zwar  so,  dass  die  Präparatenseite  nach  oben  gekehrt  ist.  Hier  bleibt 
das  Pi'äparat  etwa  eine  Minute.  Zweckmässig  bewegt  man  es  in  dieser 
Flüssigkeit  (mit  der  Pincette)  öfters  hin  und  her.  Nun  wird  das  Präparat 
mit  Wasser  abgespült.  Dasselbe  wird  jetzt  makroskopisch  ziemlich 
oder  vollständig  farblos  erscheinen ;  denn  bei  der  Einwirkung  des  stark 
entfärbenden  Salzsäure  -  Alcohols  haben  nur  die  Sporen  die  Färbung  be- 
halten ;  alles  Uebrige  ist  entfärbt  worden.  Nun  färbt  man  das  Präparat 
noch  ganz  kurz  mit  kalter  Avässeriger  Methylenblaulösung  nach,  spült 
es  wiederum  mit  Wasser  ab,  trocknet  es  und  kittet  es  mit  Balsam  auf 
den  Objectträger  auf. 

Betrachtet  man  das  Präparat  jetzt  mikroskopisch,  so  findet  man 
die  Sporen  wundervoll  tiefroth  tingirt,  während  das  Bacillenprotoplasma 
blau  gefärbt  ist.  Fig.  20  auf  Taf.  IV  zeigt  ein  solches  Sporenpräparat 
(Heubacillus,  Bacillus  subtilis)  bei  lOOOfacher  Yergrösserung.  Die  tief 
dunkelen  Stellen  entsprechen  den  fuchsinroth  gefärbten  Sporen;  die 
im  Photogramm  heller  erscheinende  Bacillensulistanz  ist  im  Präparat 
blau  gefärbt. 

Tafel  YII,  Fig.  40,  zeigt  Bacillen  mit  endständigen  Sporen  (Tetanus) 
bei  einfacher,  kurz  angewendeter  Färbung  mit  kalter  Fuchsinlösung; 
hier  sind  die  Sporen  ungefärbt  geblieben,   während   sich  das  Bacillen- 


Der  Bacillus  des  malignen  Oedems.  237 

Protoplasma  gefärbt  hat.  In  Fig.  41  sind  Bacillen  mit  endständigen 
Sporen  (Trommelschlägerform,  cf  p.  17)  dargestellt,  bei  denen  in  der 
oben  geschilderten  Weise  eine  Contrastfärbnng  der  Sporen  nnd-  der 
Bacillensubstanz  hergestellt  ist. 

Statt  der  Ehrlich 'sehen  Fnchsinlösnng  kann  man  übrigens 
anch  sehr  gnt  die  entsprechende  Viele ttlösung  (cf.  p.  102)  zm- 
Sporenfärbnng  anwenden.  Man  färbt  dann  nach  der  Entfärbung  der 
Bacillensnbstanz  das  Präparat  mit  Bismarckbraun  nach. 

2.  Der  Bacillus  des  malignen  Oedems. 

Der  Bacillus  des  malignen  Oedems  (Oedembacillus, 
Bacillus  oedematis  maligni,  vibrion  septique)  wurde  zu- 
erst 1878  von  P  a  s  t  e  u  r ,  J  o  u  b  e  r  t  und  C  h  a  m  b  e  r  1  a  n  d  ^)  gesehen, 
dann  (1881)  von  E.  Koch-)  genauer  studirt.  Er  kommt  in  ganz 
ausserordentlicher  Verbreitung  in  unserer  Umgebung  vor.  Besonders 
in  gedüngter  Gartenerde  (cf.  oben  p.  183)  finden  wir  ihn  regelmässig, 
ferner  in  Schmutz  und  Staub,  in  Abwässern  der  Haushaltung;  auch 
in  dem  Darmkanal  der  Thiere  scheint  er  sich  regelmässig  vorzufinden. 

Der  genannte  Bacillus  ist  etwas  schmäler  als  der  Miizbrand- 
bacillus,  ungefähr  von  derselben  Länge  wie  dieser,  hat  aber  im 
Gegensatz  zum  Milzbrandbacillus  nicht  scharf  abgeschnittene,  sondern 
abgestutzte,  abgerundete  Enden.  Er  zeigt  eine  schwache  Eigen- 
beweglichkeit, welche  durch  Geis  sein  vermittelt  wird,  die  nicht 
nur  an  den  Enden,  sondern  auch  an  den  Längsseiten  des  Bacillus  in 
gTÖsserer  Anzahl  angeheftet  sind  (cf  p.  14).  Die  Methode  der  mikro- 
skopischen Darstellung  der  Geissein  ist  oben  (p.  80  ff.)  beschrieben. 

Der  Bacillus  ist  ein  strenger,  obligater  Anaerobe.  Er  wächst 
auf  den  gewöhnlichen  Nährböden  bei  Zimmer-  und  Brüttemperatur, 
aber  nur  unter  Sauerstoffabschluss.  (Die  Züchtungsmethoden  siehe 
oben  p.  163  ff.)  Tafel  VIT,  Fig.  39,  zeigt  ein  G  e  1  a t  i n  e  röhrchen,  in 
welchem  die  Gelatine  zunächst  geschmolzen  wurde,  um  dann  mit  einer 
geringen  Menge  oedembacillenhaltigen  Gewebssaftes  der  Maus  vermischt 
zu  werden.  Man  sieht,  wie  sich  in  den  unteren,  d.  h.  vom  Sauerstoff 
abgeschlossenen,   Theilen   der   Gelatine    eine   Anzahl   Colonien   der 


^)  Comptes  rendus.  Acad.  des  sciences.  Paris,  t.  86.  1S78.  p.  103b  ff.  — 
Es  handelt  sich  um  den  „vibrion  septique",  der  aus  dem  Herzblut  eben  gestorbener 
Thiere  gewonnen  wurde;  seine  künstliche  Cultivirung  gelang  im  luftleeren  E-aume 
sowie  in  Kohlenscäureatmosphäre  (cf.  auch  oben  p.  Ifi3). 

-)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.  Bd.  1.  ISSl.  p.  53—57.  —  Cxaffkj, 
ebenda  p.  84 — 92. 


238  ^-  Die  Batterien  als  Krankheitserreger. 

Oedembacillen  entwickelt  haben.  Dieselben  bilden  kn^elförmige, 
mit  Flüssigkeit  erfüllte  Hohlränme.  ^)  Der  Bacillns  des  malignen  Oedems 
yerflüssigt  also,  wie  wir  sehen,  die  Gelatine. 

Nach  Kitasato")  gelingt  die  Cultui-  der  Bacillen  des  malignen 
Oedems  mit  Sicherheit  i'edesmal,  wenn  man  die  Milz  eines  an  malignem 
Oedem  gestorbenen  Meerschweinchens  unmittelbar  nach  dem  Tode 
unter  Vermeidung  von  Verunreinigungen  in  Meerschweinchenbouillon 
(Nährbouillon,  aus  Meerschweinchenfleisch  hergestellt)'^)  bringt  und  die 
Cultur  unter  Wasserstoff  sich  im  Brütschrank  entwickeln  lässt.  Die 
Bouilloncultur  stinkt  penetrant. 

Der  Bacillus  des  malignen  Oedems  bildet  mittelständige  Sporen. 

Eine  sehr  grosse  Anzahl  von  Thierspecies  ist  für  die  Infection 
mit  dem  Bacillus  empfänglich.  Es  sind  aber  zum  Zustandekommen 
der  Infection  besondere  Bedingungen  nöthig.  Eine  einfache  cutane 
Impfung,  wie  sie  beim  Milzbrand  zum  Zustandekommen  der  Infection 
genügt,  hat  hier  keinen  Erfolg.  Der  vorhandene  Sauerstoff  macht  eine 
Vermehrung  des  Bacillus  unmöglich.  Legt  man  dagegen  bei  einem 
empfänglichen  Thiere  (besonders  Meerschweinchen  imd  Mäuse  eignen 
sich  dazu)  eine  subcutane  Haut ta sehe  an,  indem  man  die  Cutis 
nach  Enthaarung  der  zu  operirenden  Stelle  durchtrennt  und  dann 
mit  der  (sterilisirten)  Pincette  das  subcutane  Gewebe  lockert,  und 
bringt  man  dann  eine  gewisse  Quantität  des  Infectionsstoffes  (man 
darf  nicht  allzuwenig  nehmen),  z.  B.  eine  kleine  Messerspitze  von 
Gartenerde,  w^elche  Sporen  der  Oedembacillen  enthält,  in  die  subcutane 
Tasche  hinein,  so  sieht  man  nach  Verlauf  von  einem  bis  zwei  Tagen 
das  Thier  zu  Grunde  gehen.  Bei  der  Section  findet  man  ein  all- 
gemeines subcutanes  Oedem  und  hierin  massenhaft  die  beschriebenen 
Bacillen.^)  In  dem  sauerstoffhaltigen  Blute  konnten  die  Bacillen  nicht 
zur  Vermehrung  gelangen,  sie  fehlen  deshalb  bei  der  sofort  nach  dem 
Tode  vorgenommenen  Section  im  Blute  und  den  inneren  Organen:  sie 

^)  Das  Ausseben  der  Culturen  wurde  zuerst  von  Liborius  (Zeitschr.  f.  Hyg. 
Bd.  1.  1886.  p.  159)  besebrieben.  Vergl.  auch  W.  und  E.  Hesse,  Deutsche  med. 
Wochenschr.     1885.    p.  214. 

-)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  6.     1SS9.    p.  111. 

")  Die  Darstellung  siehe  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  6.     1889.    p.  107. 

*)  Erfolgte  die  Infection  nicht  mit  einer  Eeincultur  der  Oedembacillen,  sondern 
(wie  in  unserem  Beispiel)  mit  unreinem  Material,  z.  B.  Gartenerde,  so  finden  sich 
in  dem  Oedemsaft  neben  den  specifischen  Oedembacillen  noch  andere  Batterien. 
Lüderitz  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  5.  1888)  hat  aus  dem  Körper  von  Mäusen  und 
Meerschweinchen,  welche  nach  Infection  mit  Gartenerde  gestorben  waren,  5  ver- 
schiedene ,  nicht  pathogene ,  anaerobe  BaciUenarten  reingezüchtet :  1 .  Bacillus 
liquefaciens   magnus,   2.  Bacillus   liquefaciens    parvus,   ?>.   Bacillus 


Der  Bacillus  des  malignen  Oedems.  239 

sind  lediglich  in  dem  sauerstoffarmen  Subcutangewebe  zu  finden,  wo 
sie  sich  haben  verniehren  können.  Bleibt  das  Thier  nach  dem  Tode 
liegen,  so  dringen  nun  die  Oedembacillen  aus  dem  Subcutangewebe  in 
den  sauerstoffarmen  Organismus  vor  und  durchwuchern  schrankenlos 
alle  Organe. 

Am  allerempfängiichsten  für  das  maligne  Oedeni  scheint  sich  die 
Maus  zu  verhalten.  Die  Maus  zeigt  bezüglich  der  Yertheilung  der 
Bacillen  in  ihrem  Körper  ein  von  dem  beschriebenen  abweichendes 
^'erhalten.  Wir  finden  im  Mäusekörper  schon  bei  den  ersten  Krank- 
heitssj'mptomen  Bacillen  im  Blute ,  namentlich  in  der  Lunge.  ^)  Die 
Bedingungen  für  die  Vermehrung  der  Bacillen  in  dem  Körper  der 
Maus  scheinen  so  günstige  zu  sein,  dass  gleich  von  vornherein  die 
Bacillen  in  die  Organe  vordringen  und  die  Gefässe  durchbrechen;  das 
hat  dann  zur  Folge,  dass  schon  frühzeitig  die  Bacillen  durch  das 
Blut  in  die  Lunge  etc.  verschleppt  werden.-)  Fig.  38  auf  Taf.  YLI 
zeigt  Oedembacillen  im  Saft  des  Meerschweinchens  bei  lOOOfacher 
Yergrösserung. 

Fälle  von  malignem  Oedem  beim  Menschen  haben  zuerst 
B rieger  und  Ehrlich'^)  beschrieben.  Es  handelte  sich  um  zwei 
Typhuskranke,  die  drei  Tage  nach  der  AppHcation  einer  Moschus- 
injection,  mit  welcher  zufälhg  Keime  des  malignen  Oedems  in  das 
Unterhautgewebe  gebracht  worden  waren,  an  malignem  Oedem  zu 
Grunde  gingen.  Nur  unter  dem  Einflüsse  schwächender  Momente  (in 
den  citirten  Fällen  des  Tj-phus)  scheint  der  Mensch  für  die  Lifection 
mit  dem  malignen  Oedem  empfänglich  werden  zu  können.  Eine  In- 
fection  gesunder  Menschen  ist  bisher  nicht  beobachtet. 

Einen  Fall  von  Mischinfection  von  malignem  Oedem  und 
Milzbrand  hat  Koch^)  bei  einem  Meerschweinchen  beschrieben. 

Empfänglich  sind  für  die  Infection  mit  malignem  Oedem  Mäuse, 
Meerschweinchen,  Kaninchen,  Ziegen,  Kälber,  Schafe,  Pferde,  Esel, 
Schweine,  Katzen,  Hunde,  Hühner,  Tauben,  Enten.  Immun  sollen 
sich  Rinder  verhalten.  Die  Passage  durch  den  Körper  der  weissen 
Ratte  soll  die  Virulenz  des  Bacillus  abschwächen  (Cornevin). 


radiatus,  4.  Bacillus  solidus,  5.  Bacillus  spinosus.  Alle  5  Arten 
wachsen  bei  Zimmer-  sowohl  wie  bei  Brüttemperatur,  bilden  in  zuckerhaltigen  Nähr- 
böden Gas.  Alle  sind  eigenbeweglich  mit  Ausnahme  von  Bac.  liquefaciens  parvus: 
aUe  verflüssigen  die  Nährgelatine  mit  Ausnahme  von  Bacillus  solidus. 

1)  Koch,  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.   1.     ISSl.     p.  54. 

■2)  cf.  C.  Fraenkel,    Grundriss  der  Bakterienkunde.     3.  Aufl.     1S90.  p.  298. 

^)  Berl.  klin.  Wochenschr.     1882.     No.  44. 

^)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1881.    p.  67. 


240  B-  Uie  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Verschiedene   Thierspecies  können   gegen   die  Infection   immnnisirt 
werden  (cf.  p.  209,  Anm.  1). 

Der  Bacillus  des  malignen  Oedems  färbt  sich  mit  kalten  wässe- 
rigen Farbstoff lösungen  gut:  er  färbt  sich  nicht  nach  der  Gram"- 
schen  Methode  (cf.  p.   108  ff.). 

Einen  „Bacillus  oedematis  maligni  11"  hat  (1894) 
Novy^)  beschrieben.  Derselbe  ist  anaerob,  bildet  keine  Sporen. 
(Vergl.  auch  p.  248,  Anm.  1.) 


3.  Der  Tetanusbacillus. 

Dass  der  W  u  n  d  s  t  a  r  r  k  r  a  m  p  f  eine  von  einem  Individuum  auf 
das  andere  übertragbare  Infectionskrankheit  ist,  wurde  zuerst  von 
Carle  und  Rattone-)  1884  festgestellt.  In  demselben  Jahre  fand 
dann  Xicolaier'^)  in  Göttingen  eine  Gartenerde,  welche,  sub- 
cutan auf  Mäuse,  Meerschweinchen.  Kaninchen  übertragen,  die  Er- 
krankung und  den  Tod  der  Thiere  an  Tetanus  veranlasste.  Die 
Krankheit  liess  sich,  durch  Uebertragung  des  Wundeiters,  von  Thier 
zu  Thier  weiter  fortpflanzen.  In  der  Umgebung  der  Infectionsstelle 
fand  sich,  und  zwar  stets  in  Gesellschaft  anderer  Mikroorganismen,  ein 
langer,  dünner,  borstenförmiger  Bacillus  mit  einer  e  n  d  s  t  ä  n  d  i  g  e  n 
Spore  (Köpfchenspore).  Diesen  Bacillus  reinzuzüchten  gelang  nicht. 
Dann  fand  Rosenbach^)  1886  in  einem  Falle  von  Frostgangraen 
beim  Menschen,  der  sich  mit  Tetanus  complicirte,  che  Xico  laier 'sehen 
Stäbchen  wieder,  constatirte  auch  die  Infectiosität  des  diese  Stäbchen 
enthaltenden  Materiales  für  Yersuchsthiere.  Eine  Reinzüchtung  gelang 
aber  auch  Rosenbach  nicht.  Sie  gelang  auch  vielen  anderen  Unter- 
suchem  nicht,  die  im  Uebrigen  den  characteristischen  Bacillenbefund 
in  ihren  Fällen  meist  bestätigen  konnten. 

Erst  ^itasato'^)  ist  es  (1889)  gelungen,  die  Stäbchen  mit  den 
Köpfchensporen,  welche  übrigens  als  exquisit  anaerobe  Organismen 
auch  vorher  schon  erkannt  waren,  reinzuzüchten,  und  zwar  auf  folgende 
Weise:  Auf  schräg  erstarrtem  Blutserum  oder  Agar  wurde  Tetanuseiter 
ausgebreitet;  die  Gläschen  wurden  bei  36  —  38*^  C.  gehalten.  ISTach 
48  Stunden  fanden  sich  ausser  anderen  Bakterien  auch  borstenförmige. 


0  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  17.     1894. 

^)  Giornale  deUa  E.  accad.  di  med.  di  Torino.     1884. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1884.     No.  .52. 

*)  Langenb.  Arch.     Bd.  34.     1886. 

'")  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  9.     1889. 


Der  Tetauusbacillus.  241 

s  p  0  r  e  n  tragende  Bacillen  reichlich.  Jetzt  kam  die  Cultur  auf  ^/^  bis 
1  Stunde  in  das  vorher  auf  80^  C.  erhitzte  Wasserbad,  wobei  die 
vegetativen  Formen  zerstört  werden  mussten.  Nun  wurde  Nähr- 
gelatine mit  einer  Oese  der  Cultur  gemischt  und  in  Schälchen  aus- 
gegossen, in  welche  Wasserstoff  geleitet  wurde  (cf.  oben  p.  164,  Anm.  3). 
Diese  Schälchen  wurden  bei  18  —  20*^  C.  gehalten.  Nach  einer  Woche 
fing  hier  die  Bildung  isolirter  Colonien  an,  welche  selbstverständlich 
Reinculturen  darstellten;  durch  deren  subcutane  Einbringung  bei 
Versuchsthieren  konnte  jedesmal  Tetanus  erzeugt  werden. 

Später  gelang  es  Kitt,i)  aus  Tetanuseiter  auch  ohne  Zuhülfe- 
nahme  der  Erhitzungsprocedur -)  sichere  Reinculturen  des  Tetauus- 
bacillus zu  gewinnen.  Das  Ausgangsmaterial,  welches  nicht  zu  sehr 
durch  fi-emde  Spaltpilze  verunreinigt  sein  darf,  wurde  mit  sterilem 
Wasser  stark  verdünnt,  und  die  Flüssigkeit  dann  in  oberflächlichen 
Impfstrichen  (cf.  p.  160)  auf  Pferde-  oder  Schaf blutserum  aufgeimpft. 
Die  Culturen  wurden  in  einer  Atmosphäre  gehalten,  die  nach  der 
Buchner' sehen  Methode  (p.  163)  sauerstofffrei  gemacht  wurde. 

Es  möge  hier  bemerkt  werden,  dass  es  vielen  Untersuchern  bei 
Befolgung  der  Kitasato 'sehen  Vorschrift  nicht  gelungen  ist,  aus 
tetauusbacillenhaltigem  Material  Reinculturen  des  Tetauusbacillus  dar- 
zustellen. Wie  Sormani"^)  und  später  auch  Nicolai  er'')  betont 
haben,  kann  die  Erhitzimgsprocedur  Kitas ato's  selbstverständlich 
nur  dann  zum  Ziele  führen,  wenn  zufällig  neben  den  Tetanussporen 
nicht  noch  andere  widerstandsfähige  Sporen  in  dem  zu  erhitzenden 
Materiale  vorhanden  sind.''^) 

Der  Tetauusbacillus  resp.  seine  Dauerform  findet  sich  in  grosser 
Verbreitung  in  unserer  Umgebung.  In  Erde,  Staub,  Kehricht  sind 
Tetanuskeime   anzutreffen:*')  auch  in  Thierexcrementen,   namentlich  in 


^)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  7.    1890.     No.  10. 

•-)  Kitasato  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  10.  1891.  p.  305)  hat  es  Kitt  gegen- 
über bestritten,  dass  die  Eeinzüchtung  des  Tetanusbacillus  ohne  die  Erhitzungs- 
procedur  mögUch  ist.  Nach  Kitasato  gelingt  es  nur  durch  die  Erhitzung  zu- 
verlässig, die  begleitenden  facultativen  Anaeroben  wegzuschaffen. 

^)  Verhandl.  d.  10.  Internat,  med.  Congr.  Berhn  1890.  Bd.  5.  Abth.  15.  p.  153. 

')  Virch.  Arch.     Bd.  128.     1892. 

^)  Nicolaier  (Virch.  Arch.  Bd.  128.  1892)  glückte  die  Eeincultivirung,  indem 
er  die  zunächst  erhaltenen  unreinen  Culturen  S'/^  Min.  lang  im  strömenden  Wasser- 
dampf von  100^  C.  erhitzte  und  dann  davon  Platten  anlegte.  Auch  hier  wurde  das 
Gehngen  der  Keincidtur  nur  dem  zufälligen  Umstände  verdankt,  dass  andere  resistente 
Sporen  in  dem  zu  erhitzenden  Materiale  felüten. 

**)  Nach  Le  Dantec  (Ann.  d.  l'Inst.  Pasteur.  1890.  p.  716  ff.)  stellen  sich 
die  Eingebornen  der  Neuen  Hebriden  tetanuserzeugende  Giftpfeile  dadurch  her,  dass 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  16 


242  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Excrementen  von  Pflanzenfressern  (Pferd,  Eind  etc.)  hat  man  sie  öfters 
nachgewiesen.  ^) 

Der  Tetanusba  cillus  ist  etwas  kleiner  imd  dünner  als  der 
Bacillus  des  malignen  Oedems,  er  liegt  oft  einzeln;  in  den  Cultm'en 
zeigt  er  sich  aber  oft  zu  langen  Fäden  ausgewachsen.  Er  hat  eine 
deutliche,  aber  wenig  lebhafte  Eigenbewegung.-)  Sporentragende 
Stäbchen  sind  übrigens  stets  unbeweglich  (cf.  p.  16).  Der  Bacillus 
ist  obligat  anaerob. 

Er  wächst,  wenn  mau  seine  anaeroben  Eigenschaften  berück- 
sichtigt, auf  den  gebräuchlichen  Nährböden,  bei  Brüttemperatur  besser 
als  bei  Zimmertemperatur;  unter  14^  C.  findet  kein  Wachsthuni  statt. 
In  Gelatine  und  Agar  zeigt  die  Cultur  feine  strahlige  Ausläufer  (feder- 
artiges, distelartiges  Aussehen).  Die  Gelatine  wird  langsam  ver- 
flüssigt.^) Die  Culturen  haben  einen  widerwärtigen  Geruch. 
Auf  Blutserum  wächst  der  Tetanusbacillus  schlecht :  das  Blutserum 
wird  nicht  verflüssigt.*) 

Der  Bacillus  bildet  end ständige,  kugelrunde  Sporen,  die 
dicker  sind  als  der  Bacillus.  Dieselben  werden  bei  Brüttemperatur  in 
etwa  30  Stunden,'^)  bei  20—25«  C.  erst  nach  7  Tagen  gebildet.  Die 
Sporen  ertragen  im  feuchten  Zustande  eine  einstündige  Erhitzung  auf 
80*^  C;  dagegen  werden  sie  dui'ch  einen  5  Minuten  langen  Aufenthalt 
bei  100*^  C.  im  Dampfapparate   getödtet.     Unter   natürlichen  Verhält- 


sie die  (knöchernen)  Pfeilspitzen  (unter  Zuhülfenahme  eines  vegetabilischen  Klebe- 
mittels) mit  Sumpfschlamm  überziehen. 

^)  Sormani  (Verhandl.  d.  10.  internat.  med.  Congr.  Berlin  1890.  Bd.  5. 
Abth.  15.  p.  152)  tritt  lebhaft  für  die  „fäcale  Theorie  des  Tetanus"  ein. 
Nach  dem  Autor  stammen  die  virulenten  Tetanuserreger  stets  aus  dem  Darm  von 
Thieren  resp.  aus  faeces;  und  zur  Virulenzerhaltung  des  Tetanusbacülus  ist  öftere 
Passage  durch  den  Darm  nothwendig. 

-)  Schwarz  (Lo  Sperimentale  1891.  No.  18;  ref.  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  12. 
p.  391)  wies  die  Existenz  eines  endständigen  Geisselfadens  an  den  Stäbchen  nach. 

^)  Wenn  die  Virulenz  der  Culturen  sehr  abgeschwächt  ist,  so  wird  die  Gelatme 
nach  Tizzoni  und  Cattani  (Riforma  medica  1891.  No.  89.  p.  158)  nicht  mehr 
verflüssigt. 

*)  cf.  Kitasato,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  10.  1891.  p.  305.  —  Wenn  die 
Virulenz  der  Bacillen  sehr  gross  ist,  so  vei-flüssigen  dieselben  nach  Tizzoni  und 
Cattani  (Riforma  medica  1891.  No.  89.  p.  158)  das  Blutserum. 

^)  Nach  einer  Angabe  von  Brieger,  Kitasato  und  Wassermann  (Zeit- 
schrift f.  Hyg.  Bd.  12.  1892.  p.  150)  bilden  die  Tetanusbacülen,  in  streng  neu- 
traler Peptonbouillon  unter  Wasserstoff  im  Brütschrank  gezüchtet,  während  der 
ersten  30  Stunden,  trotz  sehr  reichUchen  Wachsthums,  keine  Sporen.  Derartige, 
c.  24  Stunden  lang  gewachsene  Culturen  eignen  sich  (nach  den  Autoren)  vortrefflich, 
wenn   es   darauf  ankommt,  sporenfreies  Tetanusmaterial  zu  haben. 


Der  Tetanusbacillus.  243 

nissen  vermögen  die  Tetanussporen  ihre  Keimfähigkeit  ausserordentlich 
hinge  zu  erhalten. 

Fig.  40  auf  Taf.  VII  zeigt  sporeutragende  Bacillen,  welche  aus 
einer  Agarstichcultur  entnommen  sind. 

Der  Tetanusbacillus  färbt  sich  gut  bei  kurzer  Behandlung  mit 
kalten  wässerigen  Farblösungen ;  er  färbt  sich  auch  nach  der  Gram"- 
schen  Methode  (p.  108  fE'.). 

Von  Thieren  sind  für  die  Tetanusinfection  hervorragend  empfänglich 
das  Pferd  > )  und  das  Meerschweinchen ,  etwas  weniger  Mäuse ,  noch 
Aveniger  Kaninchen,  noch  weniger  Eatten;-)  Hammel,^)  Hunde,  Tauben 
sind  gering  empfänglich;  das  Huhn  ist  unempfänglich  für  Tetanus.^) 
Werden  die  Thiere  mit  unreinem,  ausser  Tetanuskeimen  noch  andere 
Keime  enthaltenden  Materiale  (Staub,  Erde)  inficii-t,  wie  es  bei  der 
natürlichen  Infection  die  Kegel  ist,  so  findet  sich  bei  der  Section  an 
der  Infectionsstelle  Eiter,  welcher  (ausser  anderen  Bakterien)  sporen- 
tragende Tetanusstäbchen  enthält.  Me  finden  sich  die  Tetanus- 
bacillen  an  anderen  Stellen  des  Körpers  als  an  der  Infectionsstelle 
(cf.  oben  p.  199).  Wird  die  Infection  mit  einer  Kein cultur  bewirkt, 
so  ist  nur  Hyi^eraemie  an  der  Impfstelle,  aber  keine  Eiterung 
vorhanden;  und  es  finden  sich  in  solchen  Fällen  auch  keine  Tetanus- 
bacillen  bei  der  Section  des  Thieres:  die  Bacillen  sind,  obgleich  sie  typi- 
schen Tetanus  veranlasst  haben,  spurlos  im  Thierkörper  verschwunden.  -') 

Wie  bereits  oben  (p.  200)  ausführlich  erörtert  wurde,  gehört  der 
Tetanusbacillus  zu  den  toxischen  Bakterienarten.  Er  wirkt  deletär 
auf  den  empfänglichen  Thierkörper  ausschliesslich  durch  ein  furchtbares 
specifisches  Gift,  welches  er  bei  seiner  Vermehrung  auf  dem 
(natürlichen  oder  künstlichen)  Nährboden  bildet.  Dringen  Tetanuskemie 
in  das  subcutane  Gewebe  eines  empfänglichen  Individuums  ein  (die 
anaerobe  Xatur  des  Tetanusbacillus  sestattet,   wie  das  auch  beim  Ba- 


^)  Die  Incubationsperiode  beim  Pferd  beträgt  nach  Schütz  (Zeitschr.  f.  Hyg. 
Bd.  12.     1892.    p.  Sl)  4—5  Tage. 

'-)  Bezüglich  der  verschieden  hohen  Empfindlichkeit  unserer  gewöhnUchen 
Laboratoriurasthiere  gegen  das  Tetanusgift  vergl.  die  Ermittelungen  von  Wladi- 
miroff (Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  15.     1893.    p.  409). 

^)  Die  Incubationsperiode  beim  Hammel  beträgt  nach  Schütz  (Zeitschr.  f. 
Hyg.    Bd.  12.     1892.    p.  81)  2—4  Tage. 

*)  Ermittelung  von  Kitasato  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  10.  1891.  p.  301).  — 
Nach  neueren  Feststellungen  von  F.  K  lern  per  er  (Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharm. 
Bd.  31.  1893.  p.  373)  sterben  Hühner  nach  intraperitonealer  Injection  sehr  hoher 
Dosen  von  Tetanuscultur  unter  Krampferscheinungen,  event.  auch  unter  deutlich 
tetanischen  Symptomen. 

^)  Kitasato,  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  7.     1889.    p.  231. 

16* 


244  B-  Die  Bakterien  als  Ivrankheitserreger. 

cillus  des  malignen  Oedems  [p.  238]  der  Fall  ist,  die  Infection  nur 
vom  Subcutangewebe  aus) ,  so  vermehren  diese  Keime  sich  local  au 
der  Infectionsstelle  und  bilden  hier  das  Tetanusgift,  welches  dann  in 
das  Innere  des  Körpers  hineingelangt  und  die  AllgemeinsjTnptome  der 
Tetanuskrankheit  bewirkt.  Wir  haben  hier  also  primär  eine  Tetanus- 
infection  (Vermehrung  der  Keime)  und  secundär  eine  daraus  resul- 
tii'ende  Tetanusin toxication.  Da  das  Tetanusgift  aber  nicht  bloss 
im  inficirten  Körper,  sondern  auch  auf  künstlichem  Nährboden,  in  der 
Cultur,  gebildet  wird,  so  kann  man  auch  eine  primäre  Intoxication 
erzielen,  und  zwar  dadurch,  dass  man  dem  empfänglichen  Thiere  eine 
künstliche  Tetanusbacilleucultur  (in  zweckmässiger  Dosis)  einverleibt, 
welche  auf  passende  Weise  von  den  lebenden  Tetanuskeimen  befi'eit 
ist,  das  gelöste  Gift  aber  enthält.  Der  Erfolg  ist,  mag  die  Intoxication 
eine  secundäre  oder  eine  primäre  sein,  derselbe:  das  empfängliche 
Thier  erki'ankt  an  Tetanus.  Die  Tetanusempfänglichkeit  ist  eine 
Empfänglichkeit  für  die   specifische   Vergiftung. 

Dm-ch  ausschliessliche  Verimpfung  absolut  gift- 
freier (durch  Auswaschung  und  Erhitzung  auf  80^0.  von  dem  ge- 
lösten Gifte  befreiter)  T  e  t  a  n  u  s  k  e  i  m  e  (in  nicht  allzugrosser  Quantität) 
gelingt  es  übrigens,  nach  Untersuchungen  von  Vaillard  und  Vincent '), 
nicht,  Tetanuserkrankung  zu  erzeugen.  Diese  Keime  scheinen  allein, 
ohne  fremde  Beihülfe,  im  normalen  Körper  sich  nicht  vermehren  zu 
können.  Dagegen  erlangen  diese  Keime,  wie  die  genannten  Autoren  er- 
mittelten, die  Fähigkeit  der  Vermehrung  und  damit  der  Tetanus- 
'erzeugung,  wenn  zugleich  mit  ihnen  fremde,  die  Infectionsstelle  schä- 
digende Dinge  (z.  B.  etwas  Milchsäure,  etwas  Trimethjlamin,  eine  Cultur 
von  Bac.  prodigiosus  etc.)  dem  Thierkörper  eingeimpft  werden,  oder 
wenn  die  Impfstelle  traumatisch  geschädigt  wird.  Bei  der  Tetanus- 
infection,  wie  sie  unter  natürlichen  Verhältnissen  (durch  Eindringen 
von  Erde,  Staub  etc.  in  das  verletzte  Unterhautgewebe)  stattfindet,  ge- 
langen nie  Tetanuskeime  allein,  sondern  stets  zugleich  andere  Bakterien- 
keime in  den  Körper  hinein,  welche  die  Vermehrung  der  Tetanuskeime 
begünstigen.-) 


1)  Annales  de  l'Inst.  Pasteur.     1891.     p.  24  ff. 

■-)  Inficirt  man  Versuchstbiere  (weisse  Mäuse,  Meerschweinchen  etc.)  mit  tetanus 
sporenhaltiger  Erde,  und  überträgt  man  nach  dem  Tode  des  Tbieres  von  dem  eitrigen 
Material  der  Infectionsstelle  etwas  auf  ein  neues  Thier  u.  s.  f.,  so  gehngt  es  gewöhn- 
hch  nicht  die  Tetanuserkrankung  über  das  dritte  Thier  hüiaus  zu  erzeugen.  Die 
erste,  mit  Erde  geimpfte,  Maus  stirbt  gewöhnhch  nicht  vor  dem  3.  bis  4.  Tage  an 
Tetanus ;  die  Tetanussymptome  entwickeln  sich  bei  ihr  sehr  langsam  und  sind  wenig 
characteristisch ;  das  von  dem  ersten  Thiere  geimofte  zweite  Thier  erkTankt  gewöhn- 


Der  Tetanusbacillus.  245 

Das  specifische  Tetaniisgift,  welches  in  lainstlichen  Culturen 
des  Tetanusbacillus  gelöst  enthalten  ist  und  im  tetanuserki'ankten 
Körper  mit  den  Säften  circulirt,')  ist  seiner  chemischen  ISTatur  nach 
noch  ziemlich  wenig  bekannt.  Nach  Untersuchungen  von  Brieger 
und  Cohn-)  ist  es  kein  eigentlicher  Eiweissstoif.''^)  Durch  Erhitzen 
Avird  das  Gift  geschädigt.  Bereits  5  Minuten  lange  Erhitzung  auf  65*^  C, 
20  Minuten  lange  Erhitzung  auf  60^  C,  iVcj  stündige  Erhitzung  auf 
55^  C.  schädigt  das  Gift  sehr  erhebhch;  zu  seiner  völKgen  Zerstörung 
ist  allerdings  eine  intensivere  Einwirkung  der  Hitze  nothwendig.  Ebenso 
wirken  auch  Austrocknen  bei  Brüttemperatur,  Einfluss  des  Lichtes,  des 
Luftsauerstoffs,  schädigend  auf  das  Gift.'')  Es  ist  sehr  schwer,  eine 
das  Tetanusgift  enthaltende  Lösung  in  unveränderter  Giftwirkung  zu 
conserviren.  Behring  und  Knorr'^)  fanden  am  zweckmässigsten 
hierfür  einen  Zusatz  von  0,6  ^j^  Carbolsäure  und  Aufbewahrung  in  fest 
verschlossenen  Flaschen. 

So  wie  die  Empfänglichkeit  für  den  Tetanus  als  Empfänglichkeit 
für  die  Vergiftung  angesehen  werden  muss  (cf.  oben  p.  244),  so 
ist  auch  (durch  Behring  und  K  i  t  a  s  a  t  o ;  siehe  oben  p.  2 1 3  ff.)  die 
erworbene  Immunität  gegen  den  Tetanus  als  eine  Lnmunität  gegen 


lieh  bereits  innerhalb  12  Stunden  nach  der  Impfung  unter  klassischen,  schnell  sich 
steigernden  Starrkrampferscheinungen  und  stirbt  gewöhnlich  vor  Ablauf  des  ersten 
Tages  nach  der  Impfung.  Bei  weiteren  Uebertragungsversuchen  von  Thier  zu  Thier 
bekommt  man,  wie  gesagt,  sehr  bald  negative  Eesultate.  Nach  Vaillard  imd 
Eouget  (Ann.  de  Flnstitut  Pasteur  1892.  p.  428)  ist  der  Grund  hierfür  der, 
dass  die  Bakterien,  deren  Mitübertragung  die  Vermehrung  des  Tetanusbacillus  im 
Thierkörper  ermöglicht  oder  begünstigt  (siehe  das  Vorhergehende  oben  im  Text), 
von  Thier  zu  Thier  eine  ..progressive  Verminderung  an  Zahl  und  Wirksamkeit" 
erleiden. 

^)  Beim  Menschen  wies  zuerst  Nissen  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1891. 
No.  24)  das  Gift  in  dem  circiüirenden  Blute  des  Tetanischen  nach.  —  Das  Tetanus- 
gift kann  gelegentUch  auch  in  den  Harn  übergehen.  —  Mit  dem  specifischen 
Tetanusgift  haben  nichts  zu  thun  gewisse  von  Brieger  (cf.  Deutsche  med.  Wochen- 
schrift. 1887.  p.  303,  304)  aus  Tetanusculturen  hergestellte  Alkaloide,  von  denen 
namentlich  das  Tetanin  C13H30N2O4  äusserst  giftig  und  starrkrampferregend  wirkt. 

■-)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  15.     1893.     p.  8. 

^)  Der  Tetanusbacillus  wächst  und  bildet  sein  Gift  aber  nur  auf  Nährböden, 
die  Eiweisskörper  enthalten   (Brieger,   Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  19.     1895.    p.  102). 

^)  Vergl.  Kitasato,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  10.  1891:  Vaillard  u.  Eouget, 
Annales  de  l'Inst.  Pasteur.  1892.  No.  6.  —  Ueber  die  Eigenschaften  des  Tetanus- 
giftes siehe  auch  die  umfangreiche  Experimentalarbeit  von  Permi  und  Pernossi 
(Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  16.  1S94;  ausführhches  Autorreferat  findet  sich  im  Centralbl. 
f.  Bakt.    Bd.   15.    p.  303). 

'')  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.   13.     1893. 


246  B-  Diß  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

oben  (p.  217  ff.)  des  Näheren  auseinandergesetzt,  dass  es  gelingt,  tetanns- 
empfängliche  Thiere  künstlich  gegen  Tetanus  zu  immunisiren  und  die 
künstliche  Immunität  künstlich  weiter  zu  steigern ;  und  wir  sahen, 
dass  das  Blut  und  speciell  das  Blutserum  der  künstlich  immunisirten 
Thiere  tetanusgiftwidrige  Eigenschaften,  antitoxische  Fähig- 
keiten dem  Tetanusgift  gegenüber,  insofern  besitzt,  als  es  einerseits 
gelingt,  durch  Einführung  dieses  Serums  in  den  Körper  eines  tetanus- 
empfänglichen Individumns  dem  letzteren  Immunität  gegen  die  Tetanus- 
vergiftung zu  verleihen,  andererseits  durch  Einführung  dieses  Serums 
in  den  Körper  eines  bereits  an  Tetanus  erki-ankten  Individuums  das- 
selbe zu  heilen.  Die  letztere  Thatsache,  d.  h.  die  Möglichkeit  der 
Heilung  an  Tetanus  erkrankter  Individuen,  hat  sich  bisher  aller- 
dings nur  an  kleinen  Versuchsthieren  mit  Sicherheit  feststellen 
lassen,  und  auch  da  begegnen  derartige  Versuche  gewissen  Schwierig- 
keiten. So  gelang  es  zwar  K  i  t  a  s  a  t  o  ^)  tetanuskranke  Laboratoriums- 
thiere  (Mäuse,  Meerschweinchen)  durch  intraperitoneale  Ein- 
verleibung des  antitoxischen  Serums  zu  heilen;  aber  andererseits  ver- 
mochte Beck'-)  bei  subcutaner  Einführung  sehr  stark  wii'ksamen 
Tetanusheilserums  Meerschweinchen  nie  zu  retten,  sobald  die  ersten, 
auch  nur  die  geringsten  Krankheitssymptome  bereits  vorhanden  waren. 
Was  die  Behandlung  des  tetanuserkrankten  Menschen  mit  dem  anti- 
toxischen  Serum  angeht,  so  sind  die  Dinge,  wie  wir  bereits  oben  (p.  216) 
sagten,  augenblicklich  jedenfalls  noch  nicht  so  weit  gediehen,  dass 
sichere  Erfolge  zu  erzielen  wären. 

Die  Tetanusheilkörper,  d.  h.  die  in  dem  Blutserum  immu- 
nisirter  Individuen  enthaltenen,  immunisirend  und  heilend  wirkenden 
chemischen  Substanzen,  sind  ihrer  chemischen  Natur  nach  noch  sehr 
wenig  erforscht.  lieber  die  hierhergehörigen  Ermittelungen  von  Beh- 
ring und  Knorr  siehe  oben  p.  222. 


4.    Der  Rauschbrandbacillus. 

Vielfach  mit  Milzbrand  verwechselt  wurde  früher  eine  Krankheit, 
welche  zuerst  (1875)  von.  Bollinger^)  und  (1876)  von  Feser-*)  als 
„ßauschbrand"    fixirt    imd    so    vom    Milzbrande    getrennt    wurde. 


1)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  12.    1892.    p.  25(5  ff. 
■-)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  19.    1895. 

3)  Deutsche  Zeitschr.  f.  Thiermed.  u.  vergl.  Path.    Bd.  1.     1875.    p.  297. 
^)  J.  Peser,  Der  Milzbrand  auf  den  oberbayerischen  Alpen.     München    18' 
p.  84. 


Der  Rauschbrandbacillus.  247 

Der  Rauschbrand^)  (charbon  sjmptomatique),  auch  „Geräusch, 
Rauscher,  fliegender  Brand,  Mlzbrandomphysem ,  St.  Antoniusfeuer, 
Knotenkrankheit,  Plag,  Kroser  etc."-)  genannt,  ist  eine  über  die  ganze 
Erde  verbreitete,  jedoch  immer  nur  in  bestimmten  Gegenden  heimische, 
immer  nur  sporadisch  auftretende,  niemals  von  Fall  zu  Fall  ansteckende, 
sehr  häufig  mit  Milzbrand  zusammen  vorkommende  Infectionskrankheit, 
die  fast  nur  Rinder,  und  zwar  hauptsächlich  junge  (1 — 3  Jahre  alte) 
Individuen,  befällt  und  besonders  in  den  Monaten  Juni  bis  September 
auftritt,  wo  die  Thiere  auf  die  Weide  getrieben  werden.  Der  Krank- 
heitsverlauf ist  meist  ein  sehr  stürmischer,  fast  stets  tödtlicher.  Die 
Thiere  erkranken  mit  unregelmässig  begrenzten,  beim  Ueberstreichen 
und  Drücken  deutlich  knisternden  („rauschenden",  „Rauschbrand")  An- 
schwellungen der  Haut  und  Musculatur,  besonders  der  Schenkel  und 
Brust;  dabei  bestehen  Störungen  des  Allgemeinbefindens  und  hohes 
Fieber,  und  36 — 40  Stunden  nach  dem  Beginn  der  Erkrankung  erfolgt 
der  Tod.  Die  Cadaver  sind  stark  aufgetrieben.  Das  Unterhautgewebe, 
stellt  eine  sulzige,  gelblich  oder  blutig  gefärbte  Masse  dar,  welche  die 
morsche,  mit  Gas  durchsetzte,  schwarzbraunrothe  Musculatur  bedeckt. 
In  dem  Gase  fand  Kitt  76*^/0  Wasserstoff". 

In  dem  erla-ankten  Gewebe  findet  sich  ein  specifischer  Bacillus, 
welcher  von  Feser  und  Bollinger  bereits  als  Erreger  der  Krank- 
heit angesprochen  wurde.  Arloing,  Cornevin  und  Thomas  er- 
hielten ihn  in  künstlicher  Cultur,  mit  der  sie  Thiere  erfolgreich  inficii-en 
konnten.  Kitasato'^)  gelang  es  den  Bacillus  in  festen  Nährböden 
sicher  rein  zu  cultiviren. 

Der  Rauschbrandbacillus  (Bacillus  sarcophysematos  bovis) 
ist  3  bis  6  /.<  lang,  0,5  bis  0,7  (a,  dick.  In  der  Cultur  liegen  die  Stäbchen 
meist  einzeln.  Sie  zeigen  massig  lebhafte  Eigenbewegung.  Jedes 
Exemplar  besitzt  zahlreiche  Geis  sein  wie  der  Bacillus  des  malignen 
Oedems  (cf.  p.  237);  dieselben  lassen  sich  nach  der  Loeffler'schen 
Geisselfärbungsmethode  (jx  80 ff.)  miki'oskopisch  darstellen.  In  Blut- 
serumculturen  des  Rauschbrandbacillus  hat  Loeffler^)  gelegent- 
lich seiner  Studien  über  Geisseifärbung  eigenthümliche ,  spiralig 
g  e  d  r  e  h  t  e ,  h  a  a  r  z  0  p  f  ä  h  n  1  i  c  h  e  Gebilde  von  verschiedenster  Grösse 
angetroffen.  Diese  Gebilde,  welche  sich  in  Präparaten,  die  nach  der 
Geisselfärbungsmethode  behandelt  sind,   gefärl)t  zeie-en.  aber  auch  un- 


^)  Die   folgende  Schilderung  lehnt   sich   zum  grossen  Theil   an  die  Skizze  von 
Kitt  (Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  1.    1SS7.    No.  23—25)  an. 
-)  cf.  Feser,  1.  c.  jj.  69. 
»)  Zeitschi-,  f.  Hyg.     Bd.  S.     1890. 
^)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  7.     1890.     p.  6.36. 


248  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

gefärbt  im  hängenden  Tropfen  zu  sehen  sind,  bestehen  nach  Loeffler's 
Ansicht  aus  zusammengedrehten  abgerissenen  Greissehi.^) 

Die  Eauschbrandbacillen  sind  exquisite  Anaeroben.  Sie  wachsen 
auf  den  gewöhnlichen  ^Tährböden,  unter  14«  C.  nicht,  bei  16 — 18*^  C. 
langsam,  am  besten  zwischen  36  und  38^  C.  Die  Eauschbrandbacillen 
verflüssigen  die  Gelatine;  die  Colonien  erscheinen  innerhalb  der- 
selben als  kugelige,  mit  Flüssigkeit  angefüllte  Hohlrämiie,  von  denen 
aus  die  Bacillenfäden  strahlig  in  die  Gelatine  hineinwachsen.  Inner- 
halb der  festen  Nährsubstrate  (Gelatine,  Agar)  findet  bei  dem  Wachs- 
thum  Gasbildung  statt.  Bouillonculturen  riechen  nach  ranziger 
Butter.  Die  Kartoff elculturen  der  Rauschbrandbacillen  (in 
sauerstofffreier  Atmosphäre  gezüchtet)  haben  Aehnlichkeit  mit  denen 
der  Tjphusbacillen :  man  bemerkt  nur  einen  feuchten  Glanz  auf  der 
Kartoffelfläche;  entnimmt  man  etwas  mit  der  Platinnadel,  so  fühlt 
man  eine  dicke,  weiche,  sich  leicht  ablösende  Masse,  die  aus  den 
Organismen  besteht.     (Blücher.)-) 

Der  Eauschbrandbacillus  bildet  ovale  Sporen,  welche  dicker 
sind  als  der  Bacillus  und  dem  einen  Ende  des  Bacillus  nahe  stehen, 
so  dass  derselbe  ein  kolbenförmiges  Aussehen  bekommt.  Die 
Sporen  bilden  sich  in  den  künstlichen  Culturen,  bei  Brüttemperatur 
schneller,  bei  Zimmertemperatur  langsamer.  Innerhalb  des  inficirten 
Thierkörpers  bilden  sich  Sporen  erst  dann,  wenn  24 — 48  Stunden 
nach  dem  Tode  des  Thieres  verstrichen  sind.  Im  Körper  des  kranken 
Thieres  sowie  in  künstlichen  Culturen  werden  sehr  häufig  Involutions- 
formen beobachtet;  die  Bacillen  zeigen  hier  gewöhnlich  mittelständige 
Auftreibungen,  so  dass  Spindelformen  zu  Stande  kommen. 

Die  Virulenz  der  Rauschbrandbacillen  bleibt  in  den  Culturen 
auf  festem  Nährboden  dauernd  erhalten. 

Der  Eauschbrandbacillus  färbt  sich  gut  mit  kalten  Tarblösungen ; 
er  färbt  sich  nicht  nach  der  Gram' sehen  Methode  Q).   108 ff.). 

Auf  Menschen  ist  eine  Uebertragimg  der  Infection  noch  nicht 
beobachtet.  Binder,  Schafe,  Ziegen,  Meerschweinchen  sind  leicht  zu 
inficiren;  Pferde,  Esel,  weisse  Eatten  zeigen  nur  vorübergehend  locale 
Störungen ;  Schweine,  Hunde,  Katzen,  Kaninchen,-^)  gewöhnliche  Eatten, 

^)  Aehnliche  Gebilde  („Riesengeisseln")  wurden  bei  einem  „neuen  anaeroben 
Bacillus  des  malignen  Oedems"  von  Novy  (Zeitsehr.  f.  Hyg.  Bd.  17.  1894.  p.  213ff.; 
ebenda  Taf.  I  und  II  mit  mikrophotographiscben  Darstellungen  der  Gebilde)  constatirt. 

2)  Zeitsehr.  f.  Hyg.     Bd.  8.     1890.     p.  503. 

^)  Roger  (Acad.  des  sc.  Paris.  1889)  fand,  dass  die  natürliche  Immunität 
des  Kaninchens  gegen  Rauschbrand  durch  gleichzeitig  mit  der  Rauschbrandimpfung 
erfolgende  Einverleibung  der  StofFwechselproducte  von  Bac.  prodigiosus,  Staphylo- 
coccus  aureus    und   von  anderen  Bakterienarten   künstlich   aufgehoben  werden  kann. 


Der  Tuberkelbacillus.  249 

Enten,  Hühner,  Tauben  erscheinen  nahezu  immun;  Mäuse  sind  wenig 
empfänglich.  Frösche  sterben  an  der  Infection,  wenn  sie  bei  22*^  C. 
gehalten  werden  (Arloing,  Cornevin  und  Thomas).  Die  In- 
fection wird  stets  nur  durch  subcutane  Application  veranlasst  (wegen 
der  anaeroben  Natur  des  En-egers  [cf.  p.  238]). 

Meerschweinchen,  Schafe  und  Kinder  können  künstlich 
gegen  Kauschbrandgift  immunisirt  werden  (cf.  p.  209,  Anm.  1). 
Kitt^)  fand,  dass  getrocknetes  Rauschbrandfleisch  durch  6 stündige 
Erhitzung  im  strömenden  Dampfe  von  100^  C.  in  einen  zur  Immu- 
nisirung  brauchbaren  Impfstoff  verwandelt  wird. 


5.  Der  Tuberkelbacillus  (Bacillus  der  Säugethiertuberculose). 

Der  Erste,  welcher  durch  Einbringung  tuberculösen  Materiales 
experimentell  Tuberculose  bei  Thieren  erzeugte,  war  Klencke'-) 
(1843).  Weiterhin  kam  dann  auf  Grund  planmässiger  Experimente 
Tille  min")  (1865)  dazu,  die  Tuberculose  mit  Sicherheit  als  Infections- 
krankheit  anzusprechen.  Durch  C  o  h  n  h  e  i  m  und  S  a  1  o  m  o  n  s  e  n  ^) 
(1877),  welche  die  Impfimg  in  die  vordere  Augenkammer  (cf.  p.  197) 
des  Kaninchens  (und  Meerschweinchens)  einführten,  wurde  an  der  Hand 
dieses  Infectionsmodus  der  sichere  Nachweis  geführt,  dass  ausschhess- 
lich   die  Uebertragung  tuberculösen  Materiales  Tuberculose  hervorruft. 

War  durch  die  Untersuchungen  von  Villemin  und  von  Cohnheim 
der  infectiöse  Character  der  Tuberculose  auch  so  gut  wie  sichergestellt, 
so  sollte  es  doch  K.Koch  vorbehalten  bleiben,  die  Aetiologie  der 
Tuberculose  festzustellen. 

Durch  die  Arbeiten  K.  Koch's''^)  wurde  zunächst  festgestellt, 
dass  eine  bestimmte  Art  von  Bacillen,  welche  sich  durch  ein  ganz 
specifisches  Färbungsverhalten  von  den  übrigen  bekannten  Bakterien- 
arten unterscheidet,  regelmässig  und  ausschliesslich  bei 
der  Tuberculose  gefunden  wird,  ferner,  dass  diese  Bacillen  örtlich 


^)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  3.     1888.    No.  18—19. 

-)  Untersuchungen  und  Erfahrungen  im  Gebiete  der  Anatomie ,  Physiologie, 
Mikrologie,  wissenschaftüchen  Medicin.  Von  Prof.  H.  Klencke.  Leipzig,  Fe  st 'sehe 
Verlagsbuchhandhmg.  1843.  Bd.  1.  p.  123.  (Citirt  nach  Waidenburg,  Die  Tuber- 
culose, die  Lungenschwindsucht  und  Scrophulose.  Berlin  [Hirschwald]  1869.  p.  198). 

*)  Acad.  de  med.  Paris.  4  dec.  1865.  (Erfolgreiche  Impfungen  der  Tuberculose 
von  Menschen  auf  das  Kaninchen.) 

^)  Schles.  Ges.  f.  vaterl.  Cultur.     13.  Juli  1877.     (Jahresber.  p.  222.) 

■^)  Vortrag  in  d.  physiolog.  GeseUsch.  zu  BerHu  am  24.  März  1882.  (Berl.  klin- 
Wochenschr.    1882.    No.  15.)  —  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.    Bd.  2.    1884. 


250  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

und  zeitlich  allen  der  Tuberciilose  eigenthümlichen  Veränderungen  voran- 
gehen, und  dass  ihre  Anzahl,  ihr  Erscheinen  und  Verschwinden  in 
directem  Verhältniss  zum  Verlauf  der  Tuberculose  steht.^)  Weiter  ge- 
lang es  Koch  die  für  die  Tuberculose  specifischen  Bacillen  künst- 
lich zu  züchten,  die  Tollkommenste  Uebereinstimmnng  der  von 
dem  verschiedensten  Ausgangsmateriale  gewonnenen  künstlichen  Cul- 
turen  darzuthun  und  dm-ch  TJebertragung  der  durch  beliebig  viele 
Culturgenerationen  hindm'chgegangenen  Bacillen  in  den  Körper  empfäng- 
licher Thiere  mit  Sicherheit  den  Xachweis  zu  führen,  dass  die  Tuberkel- 
bacillen  die  Ursache  der  Tuberculose  sind.  Aus  seinen  Gesammtunter- 
suchungen  aber  konnte  Koch-)  den  stolzen  Schluss  ziehen,  „dass  die 
Tuberkelbacillen  nicht  bloss  eine  Ursache  der  Tuberculose,  sondern  die 
einzige  Ursache  derselben  sind,  und  dass  es  ohne  Tuberkel! )acillen  keine 
Tuberculose  giebt". 

Die  Tuberkelbacillen  finden  sich,  wie  schon  gesagt,  bei 
jedem  tuberculosen  Process,  mag  derselbe  nun  als  miliare  Tuberculose, 
Lungenschwindsucht  ■^)  oder  Damiphthisis,  Tuberculose  einzelner  Organe, 
Scrophulose  der  Drüsen,  fungöse  Entzündung  der  Gelenke,  Lupus  auf- 
treten. Und  wie  bei  der  Tuberculose  des  Menschen,  so  finden  sich 
die  Tuberkelbacillen  auch  bei  der  Tuberculose  der  Thiere :  bei  der  Perl- 
sucht des  Rindes,  der  Tuberculose  des  Pferdes,  des  Schweines,  der  Ziege, 
des  Schafes,  des  Affen,  Meerschweinchens,  Kaninchens  etc.  „Am  sicher- 
sten trifit  man  die  Bacillen  dort  an,  wo  der  tuberculose  Process  im 
ersten  Entstehen  oder  im  raschen  Eortschreiten  begriffen  ist."*) 

Bei  der  Hühner-  (Geflügel-)  Tuberculose  finden  sich 
Bacillen,  die  in  ihrem  Aussehen  und  in  ihrem  Verhalten  gegen  Anilin- 
farben   mit    den    gewöhnlichen   Tuberkelbacillen   vollkommen    überein- 


')  cf.  Mitth.  aus  d.  Kais.  Ges.-Amte.    Bd.  2.    1SS4.    p.  46. 

-)  Ebenda  p.  76. 

')  Die  ulceröse  Lungenphthisis  ist  stets  eine  Mischinfection,  bei 
der  ausser  Tuberkelbacillen  noch  andere  Bakterienarteü ,  am  häufigsten  Strepto- 
coccen, betheiligt  sind  (cf.  Kitasato,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  11.  1892.  p.  444; 
Cornet,  Wiener  med.  Wochenschr.  1892.  No.  19—20;  Petruschky,  Deutsche 
med.  Wochenschr.  1893.  No.  14).  Die  bei  der  Phthisis  die  Tuberculose  complicirende 
secundäre  Streptococceninfection  kann  zu  einer  Ueberschwemmung  des  gesammten 
Organismus  mit  Streptococcen,  zu  einer  richtigen  Septicaemie,  führen.  Koch  be- 
zeichnet (cf.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1893.  p.  317)  die  Curve  des  hektischen 
Fiebers  als  „Streptococcencurve".  —  Ortner  (Die  Lungentuberculose  als  Misch- 
infection. Wien  1893;  ref.  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  p.  490)  findet  bei  Lungen- 
tuberculose neben  dem  Tuberkelbacillus  meist  einen  Coccus,  der  in  seiner  Form  alle 
Variationen  vom  typischen  Streptococcus  pyogenes  bis  zum  typischen  Diplococciis 
pneumoniae  zeigt,  und  den  er  „Micrococcus   pneumoniae"  nennt. 

')  Koch,  Mitth.  aus  d.  Kais.  Ges.-Amte.    Bd.  2.     1884.    p.  17. 


Der  Tuberkelbacillns.  251 

stimmen,  und  die  von  Koch  znnäclist  mit  den  letzteren  fiir  identisch 
angesehen  wnrden.  Es  haben  sich  jedoch  späterhin  (Maffucci, 
Koch)  Unterschiede  zwischen  den  Hühnertuberculosebacillen  und  den 
gewöhnlichen  Tuberkelbacillen  ergeben,  die  namentlich  in  dem  Aus- 
sehen der  künstlichen  Culturen  hervortreten:  und  Koch^)  hat  dem- 
nach die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  die  Bacillen  der  Hühnertuberculose 
eine  fiir  sich  bestehende,  aber  den  echten  Tuberkelbacillen  (den  Bacillen 
der  Säugethiertuberculose)  sehr  nahe  verwandte  Art  darstellen.-)  Wir 
werden  die  Bacillen  der  Geflügeltul)erculose  zum  Gegenstande  einer 
besonderen  Betrachtung  machen. 

Koch  hatte  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  bei  der  Entstehung 
der  Tuberkel  im  Gewebe  hauptsächlich  Wanderzellen  betheiligt  seien, 
die  die  Verschleppung  der  Bacillen  von  einem  Orte  zum  anderen  be- 
wirkten. Durch  den  Eeiz,  welchen  der  Bacillus  auf  die  Zelle  ausübt, 
wird  die  letztere  bald  unfähig,  ihre  Wanderung  weiter  fortzusetzen. 
Es  entsteht  aus  ihr  eine  epithelioide' Zelle  und  daraus  dann  die  tuber- 
culöse  Kiesenzelle.  Damit  ist  das  Centrum  für  den  Tuberkel  geschaffen. 
Baumgarten'^)  ist  nach  seinen  Untersuchungen  zu  der  Ueberzeugung 
gelangt,  dass  bei  der  ersten  Entstehung  des  Tuberkels  die  fixen  Ge- 
webszellen, namentlich  die  Bindegewebszellen,  wesentlich  mitbetheiligt 
sind.  Aus  ihnen  werden  durch  Karyokinese  junge  Zellen  neugebildet, 
welche  epithelioiden  Character  haben.  Die  Bacillen  brauchen  nicht 
durch  Wanderzellen  verschleppt  zu  werden,  sondern  es  genügt  zur 
Weitertransportirung  der  Bacillen  (welche  ohne  Eigenbewegung  sind) 
der  Saftstrom  in  Verbindung  mit  der  Wachsthumsbewegung  der  Tuber- 
kelbacillen. Der  histologische  Befund  bei  der  Tuberkelbildung  ist 
übrigens  ein  ganz  verschiedener  je  nach  der  Art  des  die  Infection  be- 
wirkenden Materiales  und  je  nach  dem  Ort,  an  dem  sich  der  Tuberkel 


^)  10.  Inteniat.  med.  Congr.    Berlin  1890.    Verhandlungen.    Bd.  1.    p.  39. 

^)  Neuere  Arbeiten  von  Fischel  (Untersuchungeu  über  die  Morphologie  und 
Biologie  des  Tubereulose -Erregers.  Wien  und  Leipzig.  Braumüller.  1893;  ferner 
Berl.  khn.  Wochenschr.  1893.  No.  41),  von  Courmont  und  Dor  (cf.  Semaine 
medicale  1893.  p.  420,  421)  und  von  anderen  Autoren  haben  es  wieder  fraglich  ge- 
macht, ob  eine  strenge  Artunterscheidung  zwischen  dem  Bacillus  der  Säugethier- 
tuberculose und  dem  der  Gefiügeltuberculose  durchzuführen  ist.  So  ist  Fischel 
an  der  Hand  seiner  Untersuchungen  zu  dem  Schlüsse  gelangt,  dass  die  Säugethier- 
und  die  Hühnertuberkeibacillen  nur  Ernährungsanpassungen  einer  und  derselben  Art 
darstellen,  und  Courmont  hat  gefunden,  dass  die  Hühnertuberculosebacillen  um 
so  mehr  ihre  specifische  Virulenz  fiir  Vögel  verlieren,  d.  h.  um  so  leichter  Säuge- 
thiere  zu  inficiren  vermögen,  je  länger  sie  auf  künstlichem  Nährboden  fortgezüchtet 
werden. 

")  cf.  Lehrbuch  der  pathol.  Mykologie.     Bd.  2.     1890.     p.  555  ff. 


252  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

entwickelt.  Die  bei  der  Tuberkelbildung  auf  die  Neubildung  von  Zellen 
stets  folgende  centrale  Verkäsung  ist  als  Neki'ose  der  Zellsubstanz 
(Weigert's  Coagulationsnekrose)  aufzufassen,  die  durch  den  deletären 
Einfluss  der  Bacillen  zu  Stande  kommt.  Die  tuberculösen  Kiesen- 
zellen,  welche  sich  bekanntlich  durch  randständige  Kerne  auszeichnen, 
sind  nach  Weigert 's  Ermittelungen  partiell  (central)  verkäste  (nekro- 
tisch gewordene)  Zellen. 

Die  Tuberkelbacillen  sind  feine  Stäbchen  von  1 ,6  bis  3,5  ^ 
Länge,  welche  übrigens  bei  der  Färbung  mit  Methylenblau  dünner,  mit 
Gentiana^iolett  oder  Fuchsin  gefärbt  cücker  erscheinen  und  häufig  eine 
Ghederung  (ungefärbte  Stellen  im  gefärbten  Bacillus)  erkennen  lassen. 
Sie  sind  gewöhnlich  nicht  ganz  gerade  gestreckt,  sondern  zeigen  leichte 
Biegungen  und  Krünmiungen.  Sie  liegen  im  Gewebe  meist  einzeln. 
In  künstlichen  Culturen  und  auch  dort,  wo  sie  im  Thierkörper  sich 
unbeemflusst  von  lebenden  Zellen  entwickeln  können  (in  vollständig  ab- 
gestorbenem Gewebe)  kommt  es  ^ir  Bildung  tj^iisch  gestalteter  Grup- 
pirungen  der  Bacillen.  Man  sieht  dann  bei  schwachen  Vergrösserungen 
besonders  S-förmig  geschwungene,  in  der  Mitte  spindelförmig  verdickte, 
an  den  Enden  zugespitzte  Figuren,  welche  aus  zusammengelagerten 
Bacillen  gebildet  sind. 

Eigenbeweglichkeit  geht  den  Tuberkelbacillen  vollständig  ab. 

Die  Tuberkelbacillen  wachsen,  wie  Koch  fand,  vortrefflich  auf 
erstarrtem  Blutserum,  welches  man  sich  in  der  oben  (p.  130)  be- 
schriebenen Weise  präpariit  Die  Cultivirung  der  Tuberkelbacillen 
ist  eine  sehr  schwierige  Aufgabe.  „Am  sichersten  gelingen  die  Rein- 
culturen,  wenn  zur  Aussaat  ein  bacillenreicher  Tuberkel  oder  ebensolche 
Substanz  aus  dem  Innern  von  noch  wenig  verkästen  Lymphdrüsen 
eines  getödteten  tuberculösen  Meerschweinchens  genommen  wird.  ^) 
Damit  die  Cultur  aber  glückt,  ist  die  Vermeidung  irgend  welcher  Ver- 
nm-einigungen  durchaus  nothwendig.  Die  Section  des  Cadavers,  aus 
dem  das  Material  entnommen  werden  soll,  muss  möghchst  bald  nach 
dem  Tode  vorgenommen  werden.  Die  Haut  wird,  nach  äusserlicher 
Durchfeuchtung  mit  Sublimatlösung,  mit  ausgeglühter,  noch  heisser 
Schere  dm-chschnitten ;  es  werden  darauf  mit  anderen  durch  Ausglühen 
sterilisirten  Instrumenten  die  tuberculösen  Organe  blossgelegt  und 
mit  wiederum  neuen  sterilen  Instrumenten  einzelne  Tuberkelknötchen 
herauspräparirt.  Nachdem  ein  solches  Tuberkelknötchen  zwischen  ste- 
rilen Skalpellen  zerdrückt  ist,  wird  die  zerdrückte  Masse  mit  starkem 
Platindraht   auf  das   Blutserum   ausgestrichen    oder    Aielmehr    in    die 


')  Koch,  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Arate.    Bd.  2.     1S84.    p.  49. 


Der  TuberkelbaciUus.  253 

Oberfläche  desselben  eingerieben.  Solcher  Röhrchen  werden  immer 
gleich  eine  grössere  Anzahl  inficirt,  weil  das  eine  oder  das  andere 
derselben  durch  fremde  Keime,  welche  trotz  aller  Vorsicht  sich  ein- 
geschlichen haben  könnten,  eventuell  verloren  sein  könnte.  Derartige 
Verunreinigungen  wachsen  stets  schneller  als  die  Tuberkelbacillen :  und 
es  ist  demnach  behufs  der  Anlegung  einer  künstlichen  Cultur  von 
Tuberkelbacillen  aus  dem  Thierkörper  stets  durchaus  nothwendig,  von 
einer  bereits  bestehenden  (natürlichen)  Reincultur  auszugehen  und  die- 
selbe ohne  Verunreinigungen  auf  den  sterilen  Nährl)oden  zu  übertragen. 

Die  in  der  beschriebenen  Weise  beimpften  Blutserumröhrchen 
werden  dann  (wie  wir  bereits  oben  p.  167  auseinandergesetzt  haben) 
mit  frisch  abgebranntem  Wattepfropf  verschlossen;  über  die  Oeffinmg 
des  Eöhrchens  wird  eine  (zunächst  30  Min.  im  Dampftopf  und  dann 
stundenlang  in  Sublimatlösung  gehaltene)  Gummikappe  gezogen,  welche 
einen  luftdichten  Abschluss  bewirkt  und  den  Nährboden  bei 
dem  nun  folgenden  Aufenthalte  im  Brütschrank  vor  Verdunstung  und 
Austrocknung  bewahrt. 

Die  Tuberkelbacillen  gedeihen  unter  29^  C.  nicht;  ebenso  wachsen 
sie  nicht  mehr  bei  42^  C.  Das  Optimum  der  Temperatur  liegt 
bei  37  —  38  ^  C.  Bei  der  letzteren  Temperatur  erscheinen  auf  dem 
Blutserum  miki-oskopisch  bereits  nach  5  —  6 ,  makroskopisch  erst 
nach  10 — 15  Tagen  kleine,  trockene,  weisse,  der  Oberfläche  des  er- 
starrten Serums  lose  auf  hegende  Schüppchen  von  starrer,  brüchiger 
Consistenz,  welche  ganz  aus  aneinander  klebenden  Bacillen  bestehen. 
Ist  die  Cultur  aus  vereinzelten  Keimen  hervorgegangen,  so  zeigen  die 
Colonien,  bei  schwacher  Vergrösserung  betrachtet,  die  oben  erwähnte 
S-förmige,  spindelartige  Gestalt.  Das  Blutserum  wird  nicht  ver- 
flüssigt. Als  Blutserum  eignet  sich  zur  Cultur  am  besten  solches 
vom  Hammel,  Rind  oder  Kalb. 

Auch  auf  Bouillon  gedeihen  die  Tuberkelbacillen,  ebenso  auf  ge- 
wöhnlichem Nähr-Agar,  wenn  auch  nicht  so  gut  wie  auf  Blutserum. 
Auf  dem  Agar  kommt  es  zur  Bildung  compacter  unförmlicher  Massen. 

Nocard  und  Roux^)  haben  gefunden,  dass  ein  Zusatz  von 
6  —  8°/o  Glycerin"^)  zu  Bouillon  und  zu  Agar  dieselben  viel  ge- 
eigneter zum  Nährboden  für  Tuberkelbacillen  macht,  als  sie  es  ohne 
diesen  Zusatz  sind.  Auf  der  Oberfläche  von  Glycerin-Agar  bildet 
der   TuberkelbaciUus   voluminöse   warzenförmige   weisse   Wucherungen. 

^)  Annales  de  Tlnst.  Pasteur.     1S87.     No.  1. 

-)  Nach  den  Untersuchungen  von  Hammerschlag  (Centralbl.  f.  klin.  Med. 
1881.  No.  1.  p.  15)  brauchen  die  Tuberkelbacillen  (im  Gegensatz  zu  allen  übrigen 
bekannten  Bakterienarten)  Kohlehydrate  oder  Glycerin  nothwendig  zum  Wachsthum. 


254  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Auf  Glycerin-Bouillon,  wie  überhaupt  auf  flüssigen  Nährböden, 
entwickelt  sich  der  Tuberkelbacillus  —  seinem  starken  Sauerstoff- 
bedürfniss  entsprechend  —  nur  oberflächlich:  es  bilden  sich  dicke 
faltige  Häute,  die  auf  der  Oberfläche  des  Nährbodens  schwimmen. 
Nach  Aronson^)  gelingt  die  Züchtung  im  Innern  des  flüssigen  Nähr- 
bodens, wenn  man  denselben  permanent  mit  Sauerstoff  durchlüftet: 
der  Tuberkelbacillus  wächst  dann  in  Glj'cerin- Bouillon  in  Form  von 
kleinen,  warzenförmigen,  am  Boden  des  Culturgefässes  haftenden  Ge- 
bilden. Bonhoff-J  hat  gefunden,  dass  sich  zur  Ciütur  der  Tuberkel- 
bacillen  ganz  besonders  eine  aus  gesunder  Kalbslunge  hergestellte,  mit 
4°/o  Griycerin  versetzte  Bouillon  eignet.  Dieser  Nährboden  scheint  ein 
kräftigeres  Wachsthum  der  Tuberkelbacillen  zu  gestatten  als  alle 
anderen  bekannten  künstlichen  Nährböden. 

Pawlowskj"^)  gelang  es  die  Tuberkelbacillen  auch  auf  der 
Kartoffel  zu  cultiviren.  Später  hat  Sander*)  die  Cultivii-ung  der 
Tuberkelbacillen  auf  pflanzlichen  Nährböden  überhaupt  zum 
Gegenstande  eingehender  Studien  gemacht.  Sander  fand,  dass  auf 
einer  ganzen  Eeihe  derartiger  Nährböden  die  Züchtimg  der  Tuberkel- 
bacillen leicht  gelingt,  dass  aber  ihre  Virulenz  dabei  stets  geschädigt 
wird.  Ausserordentlich  üppig  wachsen  nach  den  Ermittelungen  des 
Autors  die  Tuberkelbacillen  auf  einer  (sauren)  mit  4  «/^  Gltcerin  ver- 
setzten Kartoöelbrühe.  ■'') 

Auch  auf  eiweissfreien  Nährböden  (cf  oben  p.  137ff.)  ge- 
deihen die  Tuberkelbacillen;  nm*  müssen  derartige  Nährböden  einen 
gewissen  Gehalt  an  Glycerin  besitzen,  um  für  den  Tuberkelbacillus 
tauglich  zu  sein.  *^) 

Koch')  hat  eine  Methode  angegeben,  die  Tuberkelbacillen  dir e et 


1)  Berl.  kliu.  Wochenscbr.     1894.     No.  18.     p.  426.  Anm. 

-)  Hjg.  Eundschau.     1892.     No.  23. 

^)  Annales  de  linst.  Pasteur.     1888.     No.  6. 

^)  Arch.  f.  Hyg.     Bd.  16.     1893. 

^)  100  g  zerriebene  Kartoffel  werden  mit  300  ccm  Wasser  versetzt  und  über 
Nacht  in  den  Eisschrank  gestellt.  Aus  dem  Gemische  werden  (durch  ein  Seihtuch 
hindurch)  300  ccm  Kartoffelsaft  ausgepresst;  der  letztere  wird  1  Stunde  lang  auf 
dem  Wasserbad  gekocht,  darauf  filtrirt,  mit  i'^j^  Glycerm  versetzt,  sterihsirt  und 
ist  dann  zum  Gebrauehe  fertig. 

«)  cf.  W.  Kühne,  Zeitschr.  f.  Biol.  Bd.  30.  1893.  p.  2.50;  Proskauer  imd 
Beck,  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  18.    1894. 

')  Durch  Kitasato  publicirt  (Zeitschi-,  f.  Hyg.  Bd.  11.  1892).  —  Bei  dieser 
Gelegenheit  fand  Kitasato,  dass  die  in  phthisischem  Sputum  vorhandenen  Tuberkel- 
bacillen gewöhnlich  zum  grössten  Theile  abgestorben  sind,  wenn  sie  sich  auch  noch 
in  normaler  Weise  färben  lassen. 


Der  Tuberkelbacillus.  255 

aus  phthisiscliem  Sputum  zu  cultiviren.  Da  das  Sputum 
stets  noch  andere  Bakterien  enthält,  so  kommt  Alles  darauf  an,  diese 
letzteren  möglichst  zu  entfernen.  Koch  lässt  zu  diesem  Zwecke  den 
Kranken  nach  sorgfältiger  Reinigung  der  Mundhöhle  in  ein  sterilisirtes 
Petri'sches  Schälchen  aushusten.  Die  ausgehustete  Schleimfiocke 
wird  dann  in  oft  erneuertem  sterilisirten  Wasser  ausgewaschen;  und 
es  wird  mm  —  nach  geschehener  miki'oskopischer  Prüfung  —  ein 
mit  sterilisirten  Instrumenten  aus  der  JMitte  der  Flocke  entnommenes 
Partikelchen  auf  Glycerin  -  Agar  oder  Blutserum  ausgestrichen.  Die 
Culturröhrchen  kommen  nach  luftdichtem  Abschluss  Q).  253)  in  den 
Brütschrank.  Gelingt  der  Versuch,  so  entwickeln  sich  binnen  2  Wochen 
Colonien  von  Tuberkelbacillen  auf  der  Oberfläche  des  Nährbodens,  welche 
zmiächst  gewisse  Differenzen  von  den  Colonien,  welche  bei  der  Culti- 
virung  der  Tuberkelbacillen  aus  dem  Thierkörper  entstehen,  darbieten: 
die  Colonien  stellen  kreisrunde,  rein  weisse,  feucht  glänzende,  glatte, 
undurchsichtige  Flecken  dar.  Später  verwischen  sich  die  Differenzen 
in  dem  Aussehen  der  so  erhaltenen  Colonien  von  dem  der  aus  dem 
Thierkörper  gezüchteten. 

Ein  anderes  Verfahren,  Tuberkelbacillen  direct  aus  Sputum  zu 
cultiviren,  hat  Pastor^)  angegeben.  Das  möglichst  ohne  Verunreini- 
gungen (wie  oben  bei  dem  Koch 'sehen  Verfahren)  gewonnene,  in 
sterilisirten!  Wasser  abgespülte  Sputum  wird  durch  Schütteln  in  steri- 
lisirtem  Wasser  zu  einer  feinen  Suspension  aufgeschwemmt;  die  Auf- 
schwemmung wird  in  geschmolzener  Xährgelatine  vertheilt,  und  die 
letztere  wird  zur  Platte  ausgegossen.  Nach  3 — 4  Tage  langem  Stehen 
bei  Zimmertemperatur  werden  auf  der  Platte  die  durchsichtig  ge- 
bhebenen  Stellen,  d.  h.  die  Stellen,  an  denen  sich  keine  Colonien  (die 
nur  verunreinigenden  Bakterien  zugehören  können)  entwickelt  haben, 
aufgesucht;  diese  Stellen  werden  mit  steriKsirtem  Messer  ausgeschnitten, 
auf  Blutserum  gebracht,  und  das  letztere  wird  in  den  Brütschrank 
gestellt.  In  etwa  lOo/^  der  geimpften  E öhrchen  entwickeln  sich  Rein- 
ciilturen  von  Tuberkelbacillen. 

Die  Tuberkelbacillen  bewahren  bei  der  fortlaufenden  Züchtung  auf 
künstlichem  Nährboden-)  ihre  Eigenschaften  sehr  hartnäckig.  Koch"^) 
züchtete  Reinculturen  seit  mehr  als  neun  Jahren  im  Reagenzglase  fort; 
diese  Culturen,  die  seitdem  nie  wieder  in  einen  lebenden  Körper  ge- 
langten, hatten  sich  bis  auf  eine  geringe  Abnahme  der  Virulenz  voll- 
kommen unverändert  erhalten. 


')  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  11.    1892.    No.  8. 

ä)  Auf  pflanzlichen  Nährböden  (siehe  p.  254)  wird  die  Virulenz  geschädigt. 

'')  10.  internat.  med.  Congr.    Beriin  1890.    Verhandlungen.    Bd.   1.    p.  39. 


256  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Die  Cultiiren  der  Tuberkelbacillen  müssen,  wenn  ihre  ITebertrag- 
barkeit  erhalten  bleiben  soll,  sorgfältig  vor  Licht  geschützt 
werden.  Durch  directes  Sonnenlicht  werden  Tuberkelbacillen  je  nach 
der  Dicke  der  Schicht,  in  welcher  sie  dem  Sonnenlichte  ausgesetzt 
werden,  in  wenigen  Minuten  bis  einigen  Stunden  getödtet.  Das  zer- 
streute Tageslicht  übt,  wenn  auch  entsprechend  langsamer,  dieselbe 
Wirkung  aus:  die  Culturen  der  Tuberkelbacillen  sterben,  wenn  sie 
dicht  am  Fenster  aufgestellt  sind,  in  5  — 7  Tagen  ab  (Koch).^) 

Nach  seinen  ersten  Untersuchungen  war  Koch  der  Ansicht,  dass 
der  Tuberkelbacillus  —  sowohl  in  der  künstlichen  Cultur  wie  im  Thier- 
körjDer  —  Sporen  bildet:  Die  sporentragenden  Stäbchen  sind  analog 
den  sporenhaltigen  Milzbrandfäden  gebaut,  sie  sind  nur  viel  kleiner. 
Der  Bacillus  zeigt  hierbei  eine  deuthche  Gliederung  (cf.  p.  252).  Es 
sind  in  jedem  Bacillus  2  bis  6  Glieder  vorhanden,  welche  je  eine  stark 
glänzende,  eiförmige  Spore  enthalten.-)  Ob  diese  Gebilde  aber  in  der 
That  als  „Sporen"  anzusprechen  sind,  ist  später  wieder  zweifelhaft  ge- 
worden.'^) Die  Tuberkelbacillen  sind  als  solche,  d.  h.  in  ihrer  rein 
vegetativen  Form,  bereits  durch  eine  viel  grössere  Resistenz"^)  gegen 
äussere  Einflüsse  ausgezeichnet,  als  sie  sonst  vegetativen  Bakterien- 
zellen zukommt.  Diese  Resistenz  findet  auch  in  der  (weiterhin  aus- 
führlich zu  besprechenden)  Eigenschaft  des  Tuberkelbacillus,  aus  Farb- 
lösungen erst  bei  intensiver  Behandlung  mit  den  letzteren  (cf.  p.  106) 
Farbstoff  in  sich  aufzunehmen,  deutlichen  Ausdruck.  Aus  der  Resi- 
stenz tuberkelbacillenhaltigen  Materials  gegen  äussere  Angriffe  kann 
also  nicht  auf  das  Vorhandensein  von  Sporen  geschlossen  werden;  diese 
Resistenz  las  st  sich  ungezwungen  aus  den  genannten  Eigenschaften  der 
Bacillensubstanz  an  sich  erklären.  Die  Frage,  ob  Sporenbildung  bei 
dem  Tuberkelbacillus  besteht,  würde  erst  dann  definitiv  in  positivem 
Sinne  entschieden  werden  können,  wenn  es  gelänge  an  den  fraglichen 
Gebilden  eme  Auskeimung  zu  beobachten. 

Jedenfalls   ist  es  also  bis  auf  Weiteres  nicht  mehr  statthaft,    die 


^)  10.  intemat.  med.  Congr.    Berlin  1890.    Verhandlungen.     Bd.   1.    p.  42. 

2)  Soch,  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.    Bd.  2.     1884.    p.  22. 

^)  cf.  C.  Fraenkel,  Grundriss  d.  Bakterienk.    .3.  Aufl.     1890.    p.  308. 

*)  Während  vegetative  Bakterienzellen  im  Allgemeinen  (cf.  oben  p.  24)  durch 
Erhitzung  auf  c.  56**  C.  in  kurzer  Zeit  vernichtet  werden,  werden  Tuberkelbacillen 
ia  Eeinculturen  erst  durch  10  Min.  langes  Erhitzen  auf  70**  C.  getödtet  (Ter sin, 
Ann.  de  Tlnstitut  Pasteur.  1888.  No.  2;  Bon  hoff,  Hyg.  Eundschau.  1892.  No.  23; 
Forster  und  de  Man,  Hygienische  Eundschau.  1893.  p.  670  [auch  Ai'ch.  f.  Hyg. 
Bd.  18.  1893]).  —  In  3  Jahre  lang  eingetrocknetem  phthisischen  Sputum  fand 
Stone  (Amer.  Journ.  of  the  Med.  Sciences.  March  1891)  die  Tuberkelbacillen  nicht 
allein  von  normaler  Färbbarkeit,  sondern  auch  von  nur  wenig  abgeschwächter  Virulenz. 


Der  Tuberkelbacillus.  257 

in  gefärbten  Präparaten  in  den  Tuljerkelbacillen  so  häufig  anfzufinclen- 
den  nngefärbten  Lücken  (p.  252)  als  „Sporen"  anzusprechen. 

Wie  bereits  mehrfach  mitgetheilt,  unterscheiden  sich  die  Tuberkel-  • 
bacillen  in  ihrem  Färbungs verhalten  dadurch  von  allen  anderen 
Bakterienarten,  dass  sie  die  Färbung  durch  basische  Anilinfarbstoffe 
schwerer  annehmen,  und  dass  sie  dementsprechend,  wenn  sie  einmal 
gefärbt  sind,  sich  auch  Entfärbungsmitteln  gegenüber  schwerer  zugäng- 
lich verhalten  als  andere  Bakterienarten.  Wenn  man  Tuberkelbacillen 
färben  will,  so  muss  man  deshalb  die  Farbstoffe  besonders  intensiv 
einwirken  lassen;  man  hat  aber  in  diesem  speci fischen  Ver- 
halten der  Tuberkelbacillen  ein  Mittel,  dieselben  mit  Sicher- 
heit nachzuweisen.  Der  Praktiker,  der  die  Methoden  zur  Dar- 
stellung der  Tuberkelbacillen  im  gefärbten  Präparate  beherrscht,  hat 
damit  die  Fähigkeit,  im  gegebenen  Falle  zu  entscheiden,  ob  es 
sich   um   Tuberculose   handelt   oder   nicht. 

Die   ursprüngliche   Methode,   welche   Koch  zur  Sichtbar- 
machung der  Tuberkelbacillen  anwandte,  war  folgende:')   Der  Schnitt 
oder    das   Trockenpräparat    kam    auf  20  —  24    Stunden   bei   Zimmer- 
temperatur  (auf  ^/g  bis  1  Stunde   bei  40*^  C.)    in    eine  Mschung   von 
200  ccm  dest.  Wasser, 

1  ccm  gesättigter  alcohol.  Meth3^1enblaulösung, 
0,2  ccm  lOproc.  Kalilauge. 
Das  dann  dunkelblau  gefärbte  Präparat  vnnde  in  Wasser  abgespült 
und  gelangte  für  15  Minuten  in  eine  gesättigte  wässerige  Lösung  von 
Vesuvin  (Bismarckbraun).  Dann  wurde  das  Präparat  in  Wasser  ab- 
gespült und  in  der  gewöhnlichen  Weise  weiter  behandelt,  um  zur 
Untersuchung  in  Balsam  eingeschlossen  zu  werden.  Die  Tuberkel- 
bacillen erscheinen  dann  l)lau,  die  übrigen  Bakterien  uud  die  Kerne 
des  Gewebes  braun. 

Ehrlich'-)  erreichte  eine  erheblich  schnellere  und  intensivere 
Färbung  der  Tuberkelbacillen  durch  Anwendung  seiner  bereits 
oben  (p.  101)  besprochenen  Anilinwasser  -  Farbstofflösungen. 
Ferner  fand  Ehrlich  die  schon  mehrfach  erwähnte  Thatsache,  dass 
die  Tuberkelbacillen,  einmal  gefärbt,  sich  gegen  starke  Entfärbungs- 
mittel (verdünnte  Säuren)  resistent  verhalten. 

Das  von  Ehrlich  construirte  und  von  Koch  acceptirte  Färbungs- 
verfahren resp.  Darstellimgsverfahren  der  Tuberkelbacillen  gestaltet  sich 


1)  Berl.  kliii.  Wochenscbr.    18S2.     No.   15.  —  Mittb.    a.    d.  Kais.    Ges.-Amte. 
Bd.  2.     1SS4.     p.  5. 

-)  cf.  Deutscbe  med.  Wochenscbr.    1882.    p.  270. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  IT 


258  B-  Die  Bakterien  als  Krankbeitserreg-er. 

danach  folgendermassen  :^)  Die  Objecte  (Schnitte  oder  Deckglaspräparate) 
kommen  füi-  mindestens  12  Stunden  hei  Zimmertemperatur  (oder  kürzere 
Zeit  hei  höherer  Temperatur)  in  die  Ehrlich' sehe  Lösung,  werden 
dann  einige  Secunden  mit  25proc.  Salpetersäurewasser  behandelt,  dann 
einige  Minuten  in  60  proc.  Alcohol  gespült  und  hinterher  in  verdünnter 
Bismarckhraun-  resp.  Methylenblaulösung  (je  nachdem  die  erste  Färbung 
mit  Violett  oder  Fuchsin  vorgenommen  wurde)  nachgefärbt.  Dann 
nochmaliges  Spülen  in  60  proc.  Alcohol,  Entwässern  in  absolutem  Alcohol, 
Aufhellen  in  Cedemöl.  IS^un  kommt  die  mikroskopische  Untersuchung 
des  Präparates.  Dasselbe  wird  zum  Schluss  in  Balsam  eingelegt,  wenn 
es  conser\irt  werden  soll. 

Ziehl")  empfahl  dann  seine  oben  (p.  102)  angegebene  Carbol- 
säurefuchslnlösung  zur  Färbung  der  Tuberkelbacillen. 

B.  Fraenkel"'')  empfahl,  bei  Deckglaspräparaten  die  Entfärbung 
und  die  Xachfärbung  gleichzeitig  vorzunehmen.  Das  mit  Anilüiwasser- 
fuchsin  gefärbte  Deckglaspräparat  gelangt  in  eine  Flüssigkeit,  welche 
aus  50  Wasser,  30  Alcohol,  20  Salpetersäure  und  Methylenblau  bis 
zur  Sättigung  besteht.  Wenn  das  Präparat  blau  erscheint,  wird  es  in 
Wasser  abgespült  und  dann  in  Wasser  untersucht. 

Der  Verf.  wendet  seit  Jahren  zur  Darstellung  der  Tuberkel- 
bacillen in  Deckglastrockenpräparaten  folgendes  Verfahren*)  an:  Das 
mit  Sputum  etc.  auf  die  bekannte  Weise  (cf.  p.  62)  hergestellte,  an 
der  Luft  getrocknete  und  zur  Fixirung  3  Mal  durch  die  Flamme  ge- 
zogene Deckglaspräparat  bringt  man 

1)  (mit  der  Präparatenschicht  nach  unten)  auf  die  Oberfläche 
frisch  bereiteter  Ehrlich 'scher  Anilinwasser  -  Fuchsinlösung 
(p.  101),  welche  in.  ein  Uhrschälchen  gefüllt  ist  (Filtriren  ist  nicht 
nothwendig)  und  das  Schälchen  fast  vollständig  erfüllt.  Sinkt  das 
Gläschen  in  der  Flüssigkeit  unter,  so  schadet  dieses  nichts. 

2)  Das  Schälchen  wird  mit  starker  Pincette  am  Rande  erfasst  und 
über  kleiner  Flamme  in  der  oben  (p.  235)  geschilderten 
Weise  bis  zur  Blasenbildung  der  Flüssigkeit  erhitzt. 

3)  Das  Schälchen  wird  jetzt  hingestellt  und  bleibt  eine  Minute 
lang   ruhig   stehen. 

4)  Das   Deckglas   wird   mit   kleiner  Pincette    aus    der  Farbe    ge- 


^)  Mitth.  a.  (1.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     1SS4.    p.  10. 

^)  cf.  Deutsche  med.  Wochenschr.     18S2.     p.  451. 

'^)  Berl.  klin.  Wochenschr.     1884.     No.  13. 

^)  Dies  Verfahren  ist  durchaus  zuverlässig.  Damit  soll  aber  nicht  ge- 
sagt sein,  dass  es  in  diesem  Punkte  vor  den  anderen  citirten  Metboden  etwas  vor- 
aus hätte. 


Der  Tuberkelbacillus.  259 

iiommeu,  umgedreht  (so  dass  die  Präparatenschicht  nach  oben  sieht) 
und  in  ein  Uhrschälchen  mit  3proc.  Salzsäm-e  -  Alcohol  (cf.  p.  106)  ge- 
legt ;  hierin  wird  das  Deckglas  eine  Minute  lang  hin  und  her,  auf  und 
ab  bewegt. 

5)  Das  Deckglas  wird  nüt  der  Pincette  aus  dem  Säure -Alcohol 
genommen,  und  es  wird  nun  durch  einen  Wasserstrahl  (jede  Wasser- 
flasche kann  man  dazu  benutzen)  zunächst  die  Flüssigkeit  zwischen 
den  Branchen  der  Pincette  weggespült,  dann  das  Gläschen  sel1)st  beider- 
seitig abgespült.^) 

6)  Aufträufeln  weniger  Tropfen  verdünnter  wässeriger  (oder 
wässerig- alcohoUscher)  Methylenblaulösung  mit  der  Pipette.  Die  Färbung 
soll  hier  nur  ganz  gering  werden,  damit  die  Bacillenfärbung  nicht  hier 
und  da  dm*ch  die  Grundfärbung  verdeckt  werde. 

7)  Abspülen  in  AVasser.  (Zunächst  werden  wieder  die  Pincetten- 
branchen  ausgespült.) 

8)  Das  Deckglas  wird  mit  den  Fingern  erfasst,  die  Präparaten- 
seite kräftig  abgeblasen,  die  leere  Seite  mit  Hülfe  eines  Läppchens 
abgemscht. 

9)  Xach  dem  Trocbien  drei-  bis  zehnmaliges  Ziehen  durch  die 
Flamme. 

10)  Auf  kitten  mit  Xylol-Balsam  auf  den  Objectträger. 

Das  Präparat  ist  nun  zur  Untersuchung  fertig.  Die  Methode  ist 
eine  absolut  zuverlässige.  Sämmtliche  gefärbte  Tuberkelbacillen 
sind  stets  intensiv,  und  mit  gleicher  Intensität,  gefärbt. 
Daraus  folgt,  dass  es  nicht  möglich  ist,  dass  bei  dieser  Behandlung 
Tuberkelbacillen  ungefärbt  bleiben;  denn  sonst  müsste  man  hier  und 
da  auch  Exemplare  finden,  die,  als  Uebergänge  zwischen  den  intensiv 
gefärbten  und  den  gar  nicht  gefärbten  Bacillen,  nur  wenig  intensiv 
gefärbt  wären.  Diese  Betrachtung  ist  nicht  überflüssig;  denn  wir 
wissen  durch  Untersuchungen  von  Ehrlich,")  dass  die  in  einem  und 
demselben  Präparate  vorhandenen  Tuberkelbacillen  sich  gegen  eine 
und  dieselbe  Farbstofiflösung  durchaus  nicht  gleichartig  zu  verhalten 
brauchen. 

Das  unter  Xummer  9  aufgeführte  Ziehen  des  Präparates 
durch   die   Flamme  vor  dem  Einschlüsse  in  Balsam  bezweckt  die 


^)  Diese  Abspülung  soll  möglichst  schnell  geschehen,  der  Salzsäure- 
Alcohol  soll  in  möglichst  kurzer  Zeit  durch  das  abspülende  Wasser  verdrängt  wer- 
den. Anderenfalls  nämlich  können  sich  zu  lange  Zeit  andauernde  Diffusionsströme 
an  dem  Präparate  etabhren,  welche  eine  zu  energische  Entfärbung  veranlassen  (cf. 
oben  p.  105,  Anm,). 

■-)  Charite-Annalen.     1SS6. 

17* 


260  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Erreichung  einer  dauernden  Haltbarkeit  der  Färbung  der 
Tuberkelbacillen.  Wie  nämlich  bereits  Koch  fand,  entfärben  sich  die 
gefärbten  Tuberkelbacillen  im  Präparate  sehr  leicht  und  gern  wieder. 
Manchmal  bereits  nach  mehreren  Stunden  sieht  man  die  Bacillen  ver- 
blassen und  dann  unsichtbar  werden.  Unna^)  hat  den  Nachweis 
geführt,  dass  die  im  Präparat  zurückgebliebenen  Spuren  der  zu  der 
Entfärbimg  der  Kerne  etc.  benutzten  Säure  es  sind,  welche  diese 
Entfärbung  bewirken ;  und  er  begTÜndete  auf  diese  Erkenntniss  eine 
neue  Methode  der  Darstellung  resp.  Conservirung  von  gefärbten  Prä- 
paraten, die  sich  zunächst  auf  Leprabacillen  und  auf  Schnittpräparate 
bezog.  Die  Leprabacillen  theilen  nämlich  die  Eigenschaft,  sich  in  den 
Präparaten  gern  zu  entfärben,  mit  den  Tuberkelbacillen.  Unna  bringt 
bei  seiner  „  A  n  t  r  o  c  k  n  u  n  g  s  m  e  t  h  o  d  e  "  (cf.  oben  p.  9  5)  die  Schnitte 
nach  der  Entfärbung  in  Wasser,  wäscht  sie  dort  gründlichst  aus,  über- 
trägt sie  nun  nicht  in  Alcohol,  sondern  gleich  aus  dem  Wasser  auf 
den  Objectträger  und  trocknet  sie  dort  an.  Darauf  erhitzt  er  den 
Objectträger  von  unten,  bis  der  Schnitt  anfängt  leicht  glänzend  zu 
werden.  Bei  diesem  ziemlich  starken  Erhitzen  werden  die  letzten 
Spuren  Säure  aus  dem  Schnitte  entfernt.  Der  Schnitt  wird  dann  nach 
dem  Abkühlen  mit  einem  Tropfen  Xylol- Balsam  beträufelt  und  mit 
dem  Deckglas  bedeckt.  Die  Bacillenfärbimg  ist  in  solchen  Präparaten 
dauernd  haltbar. 

Dasselbe  Princip  der  Erhitzung  nach  der  Entfärbung 
hat  sich  mii--)  auch  bei  Tuberkelbacillenschnitten  und  weiter  auch  bei 
Tuberkelbacillendeckglaspräparaten  sehr  bewährt.  Die  Bacillenfärbung 
bleibt  unverändert  haltbar. 

Hat  man  in  der  Praxis  eine  bestimmte  Sputumprobe  auf  Tuberkel- 
bacillen zu  untersuchen,  so  fertigt  man  sich  von  verdächtigen  Theilen 
des  Sputums  mehrere  Deckglastrockenpräparate  durch  Ausstreichen  des 
Materiales  in  möglichst  dünner  Schicht  (wozu  man  ein  Scalpell  oder 
einen  starken  Platindraht  benutzen  kann)  an  und  behandelt  dieselben 
nach  einer  der  oben  angegebenen  Färbungsniethoden.  Man  wird  die 
Bacillen  zunächst  in  den  eitrigen  Theilen  des  Sputums  zu  suchen 
haben  und  namentlich  auf  kleine  käsige  Bröckchen  zu  fahnden 
haben,  welche  oft  dii-ect  von  der  Wand  einer  Caveme  stammen,  und 
in  denen  man  die  Bacillen  am  zahlreichsten  findet. 

Wenn  es  sich  dann  um  die  Untersuchung  des  fertigen  Prä- 
parates  imter   dem  Mikroskope   handelt,    so   muss   man   nach   roth 


^)  Monatshefte  f.  pract.  Dermatol.     Ergänzungsheft  1SS5. 
~)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1887.     No.  22.     p.  474. 


Der  Tuberkelbacillus.  261 

gefärbten  Bacillen  suchen.^)  Hat  man  wirklich  fuchsingefärbte 
Stäbchen  vor  sich,  so  können  diese  nichts  Anderes  sein  als  Tuberkel- 
bacillen.  Man  muss  sich  aber  sicher  davon  überzeugen,  dass  man  es 
auch  wirklich  mit  Stäbchen  zu  thun  hat.  Nicht  Alles,  was  in  einem 
solchen  Präparate  roth  erscheint,  bedeutet  Tuberkelbacillen.  Roth 
erscheint  in  einem  solchen  Präparate  ganz  im  Allgemeinen  Alles,  was 
sich  der  Entfärbimg  durch  den  Säure-Alcohol  widersetzt  hat.  Zunächst 
können  solche  Stellen  des  Präparates,  in  denen  das  ausgestrichene 
Material  dickere  Schichten  bildet,  einen  röthlichen  bis  rothen 
Farbenton  behalten  haben.  Diese  grösseren,  meist  rundlichen  Stellen 
wird  Niemand  mit  Bacillen  verwechseln.  Auch  Schimmel pilz- 
sporen,  ferner  Bacillensporen  unter  Umständen,  treten  in 
solchem  Präparate  roth  gefärbt  auf.  Ihre  runde  Gestalt  sichert  sie 
ebenfalls  vor  der  Verwechselung  mit  Tuberkelbacillen.  Dann  kommt 
es  z.  B.  auch  vor,  dass  in  einem  Haufen  von  Mikrococcen  (die  in 
jedem  Sputum  anzutreffen  sind)  einzelne  Zellen,  einzelne  Coccen,  eine 
röthliche  Farbe  zeigen,  während  die  anderen,  gleichgestalteten  Zellen 
rein  blau  erscheinen.  Die  röthlichen  Zellen  haben  ohne  Zweifel  dem 
Eindringen  des  Entfärbungsmittels  einen  grösseren  Widerstand  ent- 
gegengesetzt als  die  blauen ;  sie  sind  als  resistentere  Zellen  aufzufassen. 
Ihre  Gestalt  sichert  sie  vor  der  Verwechselung  mit  Bacillen.  Endlich 
zeichnen  sich  auch  Fragmente  von  Haaren,  Fragmente  von  ver- 
hornten Epidermisz eilen,  die  zufällig  in  das  Präparat  gelangt 
sind,  dadurch  aus,  dass  sie  die  einmal  angenommene  Rothfärbung  dem 
Entfärbungsmittel  gegenüber  energisch  festhalten.  Alle  diese  Dinge 
Avird  aber  Niemand  mit  Bacillen  verwechseln.  Zu  Verwechselungen 
Anlass  könnten  dagegen  kleine  Fettcrystallnadeln  (Cholesterin) 
geben,  welche  in  solchen  Präparaten  ebenfalls  roth  erscheinen;  aber 
doch  nur  dem  ganz  Ungeübten  könnte  diese  Verwechselung  begegnen. 
Die  Tuberkelbacillen  haben  eine  so  typische  Form  (cf.  p.  252),  dass 
diese  zusammen  mit  dem  typischen  Verhalten  bei  der  Färbung  eine 
Verwechseluno-   dieser  Gebilde   mit   etwas  Anderem  unmöglich   macht. 


^)  Damit  dies  geschehen  kann,  d.  h.  damit  man  im  Staude  ist  die  Farbe 
sicher  zu  erkennen,  ist  es  vor  Allem  nothwendig,  die  Beleuchtung  so  zu 
wählen,  dass  jede  Spur  eines  „Structurbüdes",  jede  Spur  von  Diffractionserschei- 
nungen  an  den  Grenzen  der  Objecte,  vermieden  wird.  Zu  dem  Zwecke  ist  also  (cf. 
p.  59,  72)  mit  völlig  offenem  Condensor  zu  arbeiten  und  der  letztere  in  eine 
solche  Entfernung  von  dem  Objecte  zu  bringen,  dass  die  Beleuchtung  maximal 
ist.  Namentlich  für  Untersuchungen  bei  Lampenlicht  beherzige  man  diese  Mahnung, 
wenn  man  nicht  gelegentlich  in  die  gröbsten  Irrthümer  verfallen  will.  Erscheint 
die  Lampenlichtbeleuchtung  zu  blendend,  so  kann  die  HeUigkeit  durch  blaue  Gläser 
(cf.  p.  74,  Anm.)  gemindert  werden. 


262  B-  Die  Bakterien  als  Ki-ankheitserreger. 

Taf.  Vin,  Fig.  43,  zeigt  ein  Sputiimpräparat  niit  Tiiberkelbacillen  bei 
1 000  facher  Vergrösserung. 

In  Vorstehendem  haben  wir  immer  von  r  o  t  h  gefärbten  Tuberkel- 
bacillen  gesprochen.  Wir  setzten  dabei  voraus,  dass  das  Präparat  zu- 
nächst mit  Fuchs  in  lösung  behandelt  war.  SelbstverständUch  kann 
man  als  primäre  Farbflüssigkeit  auch  die  Ehrlich'sche  Violett- 
lösung nehmen;  die  Nachfärbung  geschieht  dann  nicht  mit  Methylen- 
blau, sondern  mit  Bismarckbraun. 

Um  eine  leichte  Verständigung  über  die  ungefähre  Menge  der  in 
einem  bestimmten  Sputum  vorhandenen  Tiiberkelbacillen  zu  ermöglichen, 
hat  Gaffky^)  eine  Tabelle  construirt,  Avelche  den  verschiedenen  Reich- 
thum  der  Sputa  an  Tuberkelbacillen  mit  verschiedenen  Nummern  be- 
zeichnet. Gaffky  untersucht  die  fertigen  Präparate  mit  Zeiss'schem 
Oelinimersionssystem  ^/^o"  und  Ocular  2  und  zählt  resp.  schätzt  dann 
die  Anzahl  der  in  jedem  Gesichtsfelde  oder  auch  der  in  dem  ganzen 
Präparate  vorhandenen  Tuberkelbacillen.  Danach  wird  dann  das  unter- 
suchte Sputum  in   eine  der  Nummern  1 — 10  der  Tabelle  einrangirt.-) 

Um  ganz  vereinzelte  Tuberkelbacillen  im  Sputum  auf- 
zufinden, hat  Biedert  "^ )  empfohlen,  das  Sputum  zunächst  mit  Wasser 
zu  verdünnen,  dann  mit  Natronlauge  zu  versetzen  und  zu  kochen,  bis 
eine  ganz  gleichmässige ,  homogene  Flüssigkeit  entstanden  ist.  Diese 
lässt  man  dann  absetzen.  Die  specifisch  relativ  schweren  Bakterien 
sammeln  sich  im  Bodensatze  an,  und  hier  sind  dann  etwa  vorhandene 
Tuberkelbacillen  ebenfalls  zu  finden.  (Biedert'  sehe  S  e  d  i  m  e  n  - 
tirungsmethode.)  — ■  Eine  ähnliche  Methode  hat  Spengler*) 
angegeben;  bei  dieser  Methode  wird  das  Sputiun  zunächst  alkaüsirt 
und  mit  Pankreatin  versetzt,  dann  12 — 24  Stunden  bei  Brüt- 
temperatur der  Verdauung  überlassen;  nach  dieser  Zeit  finden  sich 
dann  Zellkerne  und  Bakterien  (und  mit  den  letzteren  auch  die  etwa 
vorhandenen  Tuberkelbacillen)  unverdaut  im  Sediment. 

Gabritschewsky^)  hat  eine  von  Ad.  Schmidf')  angegebene 


')  Älitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     18S4.     p.  126. 

■^)  In  der  Gaffky 'sehen  Tabelle  bedeutet  z.  B.  No.  1,  dass  im  ganzen  Prä- 
parate nur  1  — 4  Bacillen  zu  finden  waren ;  No.  3 ,  dass  durchschnittlich  in  jedem 
Gesichtsfelde  etwa  1  Bacillus;  No.  5,  dass  durchschnittlich  in  jedem  Gesichtsfelde 
etwa  4 — 6  Bacillen  vorhanden  waren  u.  s.  w. 

")  Berl.  kün.  Wochenschr.     1886.     No.  42—43. 

*)  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  18.  1894.  p.  344.  —  Detaillirtere  Angabe:  Deutsche 
med.  Wochenschr.    1895.    p.  244. 

■')  Deutsche  med.  Wochenschr.     1891.     No.  43. 

'0  Centralbl.  f.  klin.  Med.     1891.     No.  25. 


Der  Tuberkelbacillus.  263 

Methode  —  welche  behufs  der  mikroskopischen  Untersuchung  das  Sputum 
in  Alcohol  härtet  und  dann  m  Schnitte  zerlegt,  die  weiterhin  ge- 
färbt etc.  werden  —  zur  Untersuchung  des  Sputums  auf  Tuberkel- 
bacillen  (und  auf  Riesenzellen)  empfohlen. 

Wie  im  Sputum,  so  lassen  sich  natürlich  auch  im  Darminhalt 
(bei  phthisischen  Diarrhöen)  die  Tuberkelbacillen  durch  die  Färbung 
nachweisen.  Die  erste  derartige  Beobachtung  machte  Lichtheim.^) 
Auch  im  Urin  lassen  sich  vorhandene  Tuberkelbacillen  (im  Sediment)  -) 
durch  die  Färbung  auffinden. 

Will  man  Tuberkelbacillen  in  Schnitten  darstellen,  so  kann 
man  nach  der  oben  (p.  257)  angegebenen  Ehrlich- Koch' sehen 
Methode  verfahren.  Man  bekommt  auf  diese  Weise  Präparate,  in  denen 
die  Tuberkelbacillen  mit  ausserordenthcher  Präcision  und  Deutlichkeit 
erscheinen,  und  in  denen  die  vorhandene  Kernfärbung  auch  über  die 
histologische  Structur  vollen  Aufschluss  ertheilt.  Leider  sind  die  Prä- 
parate, oder  vielmehr  ist  die  Tuberkelbacillenfärbimg,  wenig  haltbar. 

Um  haltbare  Schnittpräparate  herzustellen,  kenne  ich 
nur  einen  Weg:  dieselben  nach  der  Unna' sehen  Antrocknungs- 
methode  (cf.  oben  p.  95)  zu  behandeln.  Die  Schnitte  werden 
zunächst  in  24  Stunden  alter  (cf.  oben  p.  102),  eben  filtrirter  Ehrlich'- 
scher  Anilinwassergentianaviolett-  (oder  -Methylviolett-  oder  -Fuchsin-) 
Lösung  bei  Zimmertemperatur  12  bis  24  Stmiden  (oder  im  Brütschrank 
bei  c.  35^  C.  1^2  Ws  2  Stunden)  gefärbt,  dann  etwa  10  Minuten  in 
Wasser  zum  vorläufigen  Auswaschen  überflüssigen  Farbstoffes  gelegt, 
dann  in  20proc.  Salpetersäurewasser  auf  etwa  2  Mnuten  gebracht. 
Sie  kommen  darauf  in  absoluten  Alcohol,  in  welchem  sie  etwa  eine 
halbe  Minute  lang  hin  und  her  bewegt  werden.  Darauf  gelangen  sie 
in  3  bis  4  Mal  erneuertes  Wasser,  wo  sie  ziemlich  farblos  werden. 
Wenn  sie  hier  gut  (etwa  10  Minuten  lang)  ausgewaschen  sind,  werden 
sie  mit  dem  Spatel  auf  den  Objectträger  übertragen.  Man  geht  hierbei 
am  besten  so  vor,  dass  man  zunächst  eine  Quantität  Wasser  mit  dem 
Spatel  auf  die  Mitte  des  Objectträgers  bringt  und  in  dieses  Wasser 
hinein  den  Schnitt  nachher  überträgt.  Dann  neigt  man  langsam  den 
Objectträger,  lässt  das  Wasser  abfiiessen,  ohne  dass  der  Schnitt  mit 
herunter  geht,  und  tupft  dann  das  noch  auf  und  neben  dem  Schnitt 
stehende  Wasser  mit  Fliesspapier  ab.  Nun  erhitzt  man,  wie  oben 
(p.  260)  angegeben,  den  Objectträger,  bis  der  Schnitt  leicht  glänzend 
wird,   lässt   abkühlen   und   kittet  mit  Xylol- Balsam  ein  Deckglas  auf. 


1)  Fortschr.  d.  Med.     1883.     No.  1. 

-)  cf.  Kir stein  (Deutsche  med.  Wocbensclar.     1886.     No.  15). 


264  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

ISTacli  einem  derartig  haltbar  hergestellten  Präparat  ist  das  Photo- 
gramm 44  auf  Taf.  ^TII  (Meningealtuberculose )  aufgenommen.  —  Die 
Unna' sehe  Methode  ist  ganz  ausgezeichnet  zu  brauchen,  wenn  es  sich 
darum  handelt,  die  in  einem  Schnitte  vorhandenen  Tuberkelbacillen 
mit  Sicherheit  nachzuweisen  und  gleichzeitig  die  Präparate  so  zu  ge- 
stalten, dass  sie  sich  dauernd  halten.  Andererseits  ist  diese  Methode 
sehr  wenig  zu  empfehlen,  wenn  man  über  die  histologische  Structur 
des  Schnittmaterials  etwas  Genaueres  erfahren  will.  Bei  Gelegenheit 
der  starken  Erhitzung  nämlich,  welche  ja  den  wesentlichsten  Theil  der 
Unna 'sehen  Behandlung  darstellt,  wird  die  Structur  des  Gewebes 
jedesmal  mehr  oder  weniger  geschädigt;  es  empfiehlt  sich  aus  diesem 
Grunde  gewöhnlich  nicht,  das  Unna' sehe  Verfahren  mit  einer  Kern- 
färbung zu  verbinden. 

Zu  bemerken  ist,  dass  sich  die  Tuberkelbacillen  auch  nach  der 
G r  a  m '  sehen  Methode  (p.  108  ff.)  färben  lassen.  Die  Präparate  müssen 
selbstverständüch  auch  hierbei  erheblich  intensiver  als  andere  Bakterien- 
objecte  mit  der  Farblösung  behandelt  werden  (cf.  oben  p.  HO,  Anm.  2). 

Mit  Bismarckbraun  ist  eine  Färbung  der  Tuberkelbacillen  bisher 
nicht  gelungen. 

Eine  Methode,  Tuberkel-  (und  besonders  Lepra-)  Bacillen  im  Ge- 
Avebe  mit  Jod  braun  zu  färben,  hat  Unna^)  angegeben. 

Die  früher  (cf.  p.  256)  als  „Sporen"  der  Tuberkelbacillen  ge- 
deuteten Dinge  zu  färben  ist  bisher  auf  keine  Weise  gelungen. 

Für  die  Infection  mit  dem  Tuberkelbacillus  (Bacillus  der  Säuge- 
thiertuberculose)  sehr  empfänglich  sind  von  Versuchsthieren  vor 
Allem  Meerschweinchen,  ferner  Kaninchen,  Katzen,  Feldmäuse.  Viel 
weniger  empfänglich  sind  weisse  Mäuse,  Hunde,-)  Ratten,  Hühner, 
Kanarienvögel.  Durch  subcutane  Einführung  der  Tuberkelbacillen, 
durch  Einführung  in  die  vordere  Augenkammer  (cf  oben  p.  197),  in 
die  Bauchhöhle,  in  Venen,  ferner  durch  Inhalation  erreichte  Koch 
bei  seinen  grundlegenden  Arbeiten  die  tuberculöse  Infection.  Ganz 
besonders  promjDt  reagiren  Meerschweinchen  auf  die  Einver- 
leibung tuberculösen  Materiales.  Bringt  man  einem  solchen  Thiere 
tuberkelbacillenhaltiges  Material  in  eine  am  Bauch  angelegte  Unter- 
hauttasche, so  stirbt  es  in  4  bis  8  bis  11  Wochen  =^)  an  Tuberculöse, 
die  sich  besonders  im  IS^etze,  in  Milz  und  Leber,  weniger  in  der  Lunge 
localisirt  zeigt. 

^)  Monatsh.  f.  pract.  Dermatol.     Bd.   12.     1S91.     p.  477. 
-)  Nach  Maffucci  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  11.  1S92.  p.  4.52)  erkranken  Hunde 
nach  intravenöser  Einverleibung  des  Tuberkelbacillus  an  allgemeiner  Miliartuberculose. 
^)  cf.  Kitasato,  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.   12.     1S92.     p.  321. 


Der  Tuberkelbacillas.  265 

Beim  Menschen  ist  bekanntlich  meist  die  Lunge  Sitz  der 
primären  Erkrankung.  Die  Tuherkelbacillen  gelangen  durch  Inhalation 
in  die  Luftwege.  Die  Eingangspforte  kann  aber  auch  von  der  Darm- 
schleimhaut oder  anderen  Schleimhäuten  oder  von  der  äusseren  Haut 
gebildet  werden.  Ebenso  kann  der  menschliche  Foetus  im  Mutterleibe 
vom  mütterlichen  Organismus  her  durch  die  Placenta  hindurch  mit 
Tuherkelbacillen  inficirt  werden;  eine  ganze  Keihe  von  Fällen  un- 
zweifelhafter congenita  1er  Tuberculose  sind  bereits  beim  Men- 
schen (und  ebenso  auch  bei  Thieren)  ^)  beobachtet.  -) 

Die  durch  Inhalation  in  die  menschlichen  Luftwege  aufgenommenen 
Taberkelbacillen  werden  häufig  in  den  Bronchialdrüsen  zurückgehalten, 
ohne  eine  weitere  Infection  des  Körpers  hervorzurufen.  Sie  scheinen 
sich  hier  ausserordentlich  lange  Zeit  in  lebensfähigem  und  infections- 
tüchtigem  Zustande  halten  zu  können.  Viele  ganz  gesunde  Menschen 
tragen  in  ihren  Bronchialdrüsen  Tuherkelbacillen  mit  sich  herum.  ^)  — 
Mcht  selten  bilden  Traumen  die  Veranlassung  zum  Ausbruch  tuber- 
culöser  Herderkranlmngen.^) 

Dass  die  u  1  c  e  r  ö  s  e  L  u  n  g  e  n  p  h  t  h  i  s  e  eine  Complication  ver- 
schiedener Processe,  das  Product  einer  gemischten  Infection,  darstellt, 
ist  bereits  oben  (p.  250,  Anm.  3)  betont  worden. 

Die  ausserordentliche  Häufigkeit  der  Lungenschwindsucht  und  die 
erhebUchen  Quantitäten  tuberkelbacillenhaltigen  Sputums,  welche  täg- 
lich von  den  Phthisikern  ausgeworfen  werden,  hatten  den  Gedanken 
nahegelegt,  dass  tuberculose  Keime  überall,  wo  Menschen  wohnen,  an- 
zutreffen sind,  dass  wir  sie  womöglich  mit  jedem  Athemzuge  in  uns 
aufnehmen,    und    dass   es   nur   dem  Mangel   an   „Disposition"   zuzu- 


^)  Der  erste  sicher  constatirte  Fall  von  congenitaler  Tuberculose  (bei  einem 
Kalbsfoetus)  wurde  von  .Johne  (Fortscbr.  d.  Med.    18S5.    p.  198)  pubhcirt. 

'■^)  Bezüglich  der  experimentellen  Erzeugung  congenitaler  Tuberculose  vergl.  die 
Arbeit  von  Gärtner  (Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  13.     1893). 

3)  Pizzini  (Zeitschr.  f.  Min.  Med.  Bd.  21.  1892)  hat  bei  der  Untersuchung 
der  Leichen  von  30  Personen,  die  an  acuten  Krankheiten  oder  Unglücksfällen  ver- 
storben waren  und  im  Leben  keine  Spur  von  Tuberculose  gezeigt  hatten,  in  42*^/0 
der  Fälle  (durch  Meerschweincheninfection)  Tuberkelbacillen  in  den  Lymphdrüsen 
nachgewiesen ;  am  meisten  waren  die  Bronchialdrüsen  befallen.  —  Aehnliche  Befunde 
(bei  Kindern)  hat  Spengler  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  13.  1893)  beschrieben:  Miki'o- 
skopischer  Nachweis  der  Tuberkelbacillen  in  Schnitten  der  Bronchialdrüsen,  während 
die  Lungen  sowohl  wie  die  Cervical-  und  Mesenterialdrüsen  frei  waren.  —  Ueber 
die  ausserordentliche  Häufigkeit  tuberculöser  Veränderungen  in  menschlichen  Leichen 
vergl.  auch  die  Arbeit  von  Schlenker  (Virch.  Arch.    Bd.  134.     1893.    p.  149). 

')  Eine  sorgfältige  Zusammenstellung  der  Arbeiten  über  Inoculations-  und 
Cont  u  sio  n  st  u  bereu  lose  hat  Guder  (Vierteljahrsschr.  f.  ger.  Med.  u.  öff. 
San.-Wesen  3.  Folge.    Bd.  7.    1894)  geliefert. 


266  B-  I*ie  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

schreiben  ist,  wenn  die  Mehrzahl  der  Menschen  nicht  tuberculös  wird. 
Diese  Auffassung  musste  nothwendig  im  Gefolge  haben,  dass  Jeder, 
dem  sein  Leben  lieb  ist,  den  Phthisiker  zu  fliehen  hatte.  Ton  Seiten 
der  Aerzte  aber  konnte  nichts  weiter  geschehen,  als  dass  man  sich 
stiller  Eesignation  ergab. 

Wir  verdanken  Cornet^)  eine  totale  Umgestaltung  dieser  An- 
schauungen. Com  et  hat  (im  Koch  "sehen  Institute)  mehrere  Jahre 
daran  gearbeitet,  die  Orte,  wo  der  Tuberkelbacillus  ausser- 
halb des  Körpers  zu  finden  ist,  zu  ermitteln.  Er  untersuchte 
in  allen  nur  erdenklichen  Localitäten,  in  Wohnungen,  Krankenhäusern, 
in  Gefängnissen,  auf  der  Strasse  etc.  Staub,  der  sich  an  den  Wänden, 
auf  Möbeln,  auf  Gesimsen,  auf  dem  Fussboden  etc.  angesammelt  hatte, 
auf  seinen  Gehalt  an  Tuberculosekeimen.  Als  Eeagens  diente  das 
Meerschweinchen,  dem  der  Staub  (in  steriler  Bouillon  vertheiltj  in  die 
Bauchhöhle  eingebracht  wurde.  Es  geht  aus  den  Cornef  sehen  Unter- 
suchungen mit  grösster  Sicherheit  hervor,  dass  von  einer  Ubiquität 
des  Tuberkelbacillus  keine  Eede  ist.  Derselbe  findet  sich 
n  u  r  dort  im  Staub  resp.  in  der  Luft,  wo  p  h  t  h  i  s  i  s  c  h  e  s  Sputum 
Gelegenheit  hat  anzutrocknen  und  dann  zu  verstäuben.  Die 
Gelegenheit  findet  sich  aber  fast  ausschliesslich  dann,  wenn  das  Sputum 
auf  den  Boden  oder  in  das  Taschentuch  gespuckt  wird. 
Com  et  sieht  daher  mit  Recht  in  der  allgemeinen  Einführung  und 
Benutzung  des  Spuck  na  pf  es,  welcher  ein  Fortschafi'en  und  Un- 
schädlichmachen  des  Sputums,  bevor  es  vertrocknen  kann,  ennögiicht, 
das  mächtigste  Mittel,   die  Tuberculose  prophylactisch  einzuschränken. 

In  einer  besonderen  statistischen  Arbeit'-)  hat  übrigens  Com  et 
den  Xachweis  gehefert,  dass  der  dauernde  Verkehr  mit  unrein- 
lichen Phthisikem  selbst  die  ki'äftigsten  Menschen  aus  den  ge- 
sündesten Famihen,  bei  denen  von  einer  besonderen  Anlage  zur 
Schwindsucht  sicher  keine  Eede  ist,   der  Tuberculose  überantwortet.'') 

Am  4.  August  1890  machte  Koch*)  die  ersten  ]\Iittheilungen 
über  He ilungs Vorgänge,   die  er  bei   tuberculösen   Thieren 


1)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  5.     1S88. 

■-)  Die  Sterbliclikeitsverhältnisse  in  den  Krankenpflegeorden.  Zeitschr.  f.  Hyg. 
Bd.  6.     1SS9. 

^)  Straus  (Arch.  de  med.  exper.  et  d'anat.  path.  Bd.  6.  1894)  fand  virulente 
Tuberkelbacillen  in  den  Nasenhöhlen  gesunder  Menschen  (Wärter  etc.),  die  sich  bei 
tuberculösen  Kranken  aufhielten;  diesen  Befund  zeigten  9  von  29  untersuchten  der- 
artigen Personen. 

^)  10.  Internat,  med.  Congr.     Berlin  1S90.     Verhandlungen.     Bd.  1.    p.  46. 


Der  Tviberkelbacillus.  267 

beobachtet  hatte:  Koch  hatte  Substanzen  gefunden,  welche  nicht 
allein  im  Reagenzglase  (wie  so  viele  andere  chemische  Substanzen), 
sondern  auch  im  Thierkörper  das  Wachsthum  der  Tuberkelbacillen 
aufzuhalten  im  Stande  sind.  Koch  theilte  mit,  „dass  Meerschweinchen, 
wenn  man  sie  der  Wirkung  einer  solchen  Substanz  aussetzt,  auf  eine 
Impfung  mit  tuberculösem  Virus  nicht  mehr  reagiren,  und  dass  bei 
Meerschweinchen,  welche  schon  in  hohem  Grade  an  allgemeiner  Tuber- 
culose  erkrankt  sind,  der  Krankheitsprocess  vollkommen  zum  Stillstand 
gebracht  werden  kann,  ohne  dass  der  Körper  von  dem  Mittel  etwa 
anderweitig  nachtheilig  beeinflusst  wird."^) 

In  einer  weiteren  Mittheilung-)  (vom  13.  November  1890)  be- 
richtete Koch  über  Versuche,  die  mit  dem  Mittel  am  tuberculösen 
Menschen  angestellt  waren,  und  die  —  soweit  sich  bei  der  geringen 
Zahl  der  Versuche  und  der  Kürze  der  Beobachtungszeit  urtheilen 
liess  —  gezeigt  hatten,  dass  auch  beim  Menschen  der  tuberculöse 
Process  durch  die  Behandlung  mit  dem  Mittel  zum  Stillstand  gebracht 
werden  kann.  Koch  betonte  femer  die  specifische  Wirkung  des 
Mittels  auf  tuberculöse  Processe  und  damit  seine  Bedeutung  für  die 
Diagnosticirung   zweifelhafter  Fälle.^) 

In  einer  dritten  Mittheilung ^)  (vom  15.  Januar  1891)  gab  Koch 
die  Principien  der  Herstellung  des  Mittels  und  den  Weg  an,  auf 
welchem  er  zu  seiner  Entdeckung  gelangt  warr^)  Koch  hatte  beob- 
achtet, dass  sich  gesunde  Meerschweinchen  nach  der  Impfung  mit 
einer  Reincultur  von  Tuberkelbacillen  ganz  anders  verhalten  als  bereits 
tuberculöse  Meerschweinchen,  an  welchen  dieselbe  Impfung  vorgenommen 
wird.  Bei  den  gesunden  Thieren  verklebt  nach  der  Tuberkelbacillen- 
impfung  in  der  Eegel  die  Impfwunde  und  scheint  in  den  ersten  Tagen 
zu  verheilen ;  erst  im  Laufe  von  10  — 14  Tagen  entsteht  ein  hartes 
Knötchen,  welches  bald  aufbricht  und  bis  zum  Tode  des  Thieres  eine 
ulcerirende  Stelle  bildet.  Bei  bereits  tuberculösen  Thieren  verklebt 
die  kleine  Impfwunde  auch  Anfangs;  aber  es  bildet  sich  kein  Knötchen, 


^)  Eine  complete  dauernde  Heilung  der  Tuberculöse  tritt  bei  derartig  beban- 
delten Meerscb weineben ,  wie  wir  weiter  unten  (p.  269)  seben  werden,  nicbt  ein. 
Die  Tbiere  geben,  wenn  aucb  später  als  nicbt  bebandelte,  an  Tuberculöse  zu  Grunde. 

'")  Deutscbe  med.  Wocbenscbr.     1S90.     No.  46a.     Extra-Ausgabe. 

")  Die  diagnostiscbe  Bedeutung  des  Kocb 'seilen  Mittels  bat  sieb  in  der  Praxis 
durcbaus  bewäbrt.  Speciell  in  der  Tbiermedicin  leistet  dasselbe  —  zur  Erkennung 
der  Tuberculöse  intra  vitam  beim  Einde  —  unscbätzbare  Dienste.  (Vergl.  bierüber 
das  zusammenfassende  Eeferat  von  Eber,  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  11.  1S92.  No.  9/10.) 

^)  Deutscbe  med.  Wocbenscbr.     1891.     No.  3. 

'")  In  der  folgenden  Scbilderung  halte  icb  mich  meist  würtbcb  an  die  Kocb"- 
scben  VeröffentUcbungen. 


268  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

sondern  schon  am  nächsten  oder  zweiten  Tage  wird  die  Impfstelle 
und  dann  auch  die  nächste  Umgehung  derselben  hart  und  dunkler 
V gefärbt;  und  es  stellt  sich  dann  in  den  nächsten  Tagen  immer  deut- 
licher heraus,  dass  die  so  veränderte  Haut  nekrotisch  ist;  sie  wird 
schliesslich  abgestossen,  und  es  bleibt  dann  eine  flache  Ulceration 
zurück,  welche  gewöhnlich  schnell  und  dauernd  heilt,  ohne  dass  die 
benachbarten  Lymphdrüsen  inficirt  werden.  So  wie  sich  aber  die 
gesunden  und  die  bereits  tuberculösen  Thiere  nach  der  Impfung  mit 
lebenden  Bacillen  verschieden  von  einander  verhalten,  so  verhalten 
sie  sich  auch  nach  der  Injection  abgetödteter  Tuberkelbacillen- 
reinculturen  in  verschiedener  Weise.  Gesunden  Meerschweinchen 
können  wässerige  Aufschwemmungen  von  durch  Hitze  oder  auf  andere 
Weise  abgetödteten  Tuberkelbacillenculturen  in  grosser  Menge  unter 
die  Haut  gespritzt  werden,  ohne  dass  etwas  Anderes  als  eine  locale 
Eiterung^)  entsteht.  Tuberculöse  Meerschweinchen  dagegen  werden 
schon  durch  Injection  von  sehr  geringen  Mengen  solcher  aufge- 
schwemmten Culturen  getödtet  (je  nach  der  Dosis  in  6  bis  48  Stunden). 
Eine  Dosis,  welche  eben  nicht  mehr  ausreicht  das  Thier  zu  tödten, 
kann  eine  ausgedehnte  Nekrose  im  Bereiche  der  Injectionsstelle  be-' 
wirken.  Wird  die  Aufschwemmung  noch  weiter  verdünnt,  dann  bleiben 
die  Thiere  nach  der  Injection  am  Leben;  werden  die  Injectionen  mit 
ein-  bis  zweitägigen  Pausen  fortgesetzt,  so  zeigen  die  Thiere  bald  eine 
merkliche  Besserung  ihres  Zustandes.  Die  (ijrimäre)  ulcerii-ende  Impf- 
wunde verkleinert  sich  und  vernarbt  schliesshch,  was  ohne  eine  der- 
artige Behandlung  niemals  der  Fall  ist ;  die  geschwollenen  L3'mphdrüsen 
verkleinern  sich;  der  Ernährungszustand  wird  besser,  und  der  Krank- 
heitsprocess  kommt,  wenn  er  nicht  bereits  zu  weit  vorgeschritten  ist  und 
das  Thier  an  Entkräftung  zu  Grunde  geht,  zum  Stillstand.  —  „Damit 
war  die  Grundlage  für  ein  Heilverfahren  gegen  Tuberculöse  gegeben." 
Koch  fand  dann  weiter,  dass  ein  mit  SOprocentiger  Gljeerin- 
lösung  hergestellter  Auszug  aus  Tuberkelbacillenculturen  in  derselben 
Weise  zu  heilenden  Injectionen  gegen  Tuberculöse  benutzt  werden 
kann  wie  die  Aufschwemmung  abgetödteter  Culturen.  Mit  diesem 
Glycerinextract, -)    dem    später    die    Bezeichnung    „Tuberculinum 

')  Die  Eiterung  wird  veranlasst  durch  eine  in  den  Bacillen  selbst  vorhandene 
chemische  Substanz,  welche  sich  künstlich  nur  schwierig  aus  diesen  Zellen  extra- 
hiren  lässt.     Vergi.  auch  unten  den  Abschnitt  „Eitermiki-ococcen". 

^)  Genauere  Angaben  über  die  Herstellung  hat  Koch  in  einer  vierten  Mit- 
theilung (vom  22.  October  1891;  Deutsche  med.  Wochenschr.  1891.  No.  43) 
gemacht.  Daselbst  wird  auch  über  Versuche  berichtet,  das  wirksame  Princip  aus 
dem  Mittel  zu  isoliren. 


Der  Tuberielbacillus.  269 

Kochii"^)  beigelegt  \nirde,  wird  das  Koch'sche  Heilverfahren  aus- 
geübt. Der  in  das  Glycerinextract  übergehende  wirksame  Körper  ist 
in  absolutem  Alcohol  unlöslich;  er  ist  nach  Koch  mit  Wahrschein- 
lichkeit ein  Derivat  von  Eiweisskörpern  und  steht  diesen  nahe, 
ist  aber  kein  „Toxalbumin"  (cf.  p.  45),  da  er  hohe  Temperaturen  (Siede- 
temperaturen) erträgt  und  im  Dialj^sator  leicht  und  schnell  durch  die 
Meml)ran  geht. 

Spätere  Arbeiten,  welche  aus  dem  Koch'schen  Institute  hervor- 
gegangen sind,  haben  die  genauere  Angabe  gebracht,  dass  die  in 
Vorstehendem  geschilderte  Heilung  der  Tuberculose  des  Meer- 
schweinchens nicht  als  eine  definitive  Heilung  des  gesammten  tuber- 
culösen  Processes,  der  sich  in  dem  Meerschweinchenkörper  (nach  der 
Impfung  des  Thieres  am  Bauche)  abspielt,  aufgefasst  werden  darf. 
Pfuhl")  theilt  mit,  dass  tuberculose  Meerschweinchen  durch  die  Be- 
handlung mit  dem  Tuberculin  bis  zu  19  AVochen  nach  der  Infection 
am  Leben  erhalten  werden  können,  während  nicht  behandelte  Thiere 
im  Durchschnitt  63  Tage  nach  der  Infection  zu  Grunde  gehen.  Während 
aber  die  unbehandelten  Thiere  an  einer  hauptsächlich  in  den  Unter- 
leibsorganen (Leber,  Mlz)  localisirten  (cf  p.  264)  Tuberculose  sterben 
und  eine  nur  wenig  vorgeschrittene  Lungentuberculose  darbieten,  so 
zeigt  sich  bei  der  Obduction  der  behandelten  Thiere  die  Unterleibs- 
tuberculose  und  die  Tuberculose  der  Impfstelle  günstig  beeinflusst  (in 
Rückgang  begriffen),'^)  die  Lungentuberculose  aber  so  erheblich  vor- 
geschritten, dass  sie  für  den  Tod  der  Thiere  wohl  in  erster  Linie  ver- 
antwortlich gemacht  werden  muss.  Die  Lungentuberculose  des  Meer- 
schweinchens scheint  durch  das  Koch'sche  Mittel  gar  nicht  beeinflusst 
zu  werden.*)  Ebenso  wie  Pfuhl  constatirte  auch  Kitasato'^)  nur 
eine  Verlängerung  der  Lebensdauer  der  tuberculösen  Meerschweinchen 
durch  die  Tuberculinbehandlung. 

In  seiner  zweiten  Mittheilung")  hatte  Koch  bereits  betont,  dass 
das  neue  Mttel  nicht  etwa  die  Tuberkelbacillen    tödtet,   sondern   dass 


^)  Das  Wort  „Tuberculin"  wurde  zuerst  von  Pobl-Pincus  (18S4)  ge- 
braucht; cf.  Deutsche  med.  Wocbenschr.     1884.     No.  7.     p.  108. 

-)  Zeitscbr.  f.  Hyg.     Bd.  11.     1891. 

^)  Nach  Bauragarten,  Czaplewsky  und  Roloff  (cf.  die  Bauni- 
garten'scben  Ausfülirungen  im  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  1894.  p.  371)  wird 
die  Nierentuberculose  der  Meerschweineben  nicht  zurückgebildet,  sondern  sie 
bleibt  zurück  unter  dem  Einflüsse  der  Tuberculinbehandlung. 

^)  Vergl.  hierüber  auch  die  Koch'sche  Veröffenthchung  vom  22.  Oct.  1891 
(Deutsche  med.  Wochenschr.     1891.     No.  43). 

5)  Zeitscbr.  f.  Hyg.     Bd.  12.     1892. 

«)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1890.     No.  46a. 


270  B.  Die  Bakterien  als  Kraukheitserreger. 

es  lediglich  das  tuberciüöse  Gewebe,  und  zwar  das  lebende   tuber- 
culöse    Gewebe,   zum   Absterben   bringt.     lieber   die   Art  und 
Weise,  wie  wir  uns  die  specifiscbe  Wirkung  des  Mittels  auf  das  tuber- 
culöse  Gewebe   vorzustellen   haben,   hat   Koch^)   folgende  H3T^)othese 
aufgestellt:   Die  Tuberkelbacillen   produciren  bei  ihrem  Wachsthum  in 
den  lebenden  Geweben  ebenso  wie  in  den  künstlichen  Culturen  gewisse 
Stoffe,  welche  die  lebenden  Elemente  ihrer  Umgebung,  die  Zellen,  in 
verschiedener  Weise,  und  zwar  nachtheilig,  beeinflussen.     Darunter  be- 
fmdet  sich  ein  Stoff,  welcher  in  einer  gewissen  Concentration  lebendes 
Protoplasma   tödtet   und  so  verändert,   dass  es  in  den  von  Weigert 
als   Coagulationsnekrose  (cf.  oben  p.  252)  bezeichneten   Zustand  über- 
geführt wird.     In   dem  nekrotisch  gewordenen  Gewebe  findet  der  Ba- 
cillus dann  so  ungünstige  Emährungsbedingimgen,  dass  er  nicht  weiter 
zu  wachsen  vermag,  unter  Umständen  selbst  schliesslich  abstirbt.    Auf 
grosse  Entfernung  vermag   der  einzelne  Bacillus  Nekrose  nicht  zu  be- 
wirken; denn  sobald  die  Nekrose  eine  gewisse  Ausdehnung  eiTeicht  hat, 
nimmt   das  Wachsthum   des   Bacillus   und   damit   die   Production   der 
nekrotisirenden  Substanz  ab,  und  es  tritt  so  eine  Art  von  gegenseitiger 
Compensation  ein.     Würde   man  nun  künstlich  in  der  Umgebung  des 
Bacillus  den  Gehalt  des  Gewebes  an  nekrotisirender  Substanz  steigern, 
dann  würde  sich  die  Neki-ose  auf  eine  gi'össere  Entfernung  ausdehnen, 
und  es  würden  sich  damit  die  Emährungsverhältnisse  für  den  Bacillus 
viel   imgünstiger   gestalten,    als   dies  gewöhnlich  der  Fall  ist.     Theils 
Avürden    alsdann    die    in    gi'össerem   Umfange    nekrotisch    gewordenen 
Gewebe   zerfallen,    sich   ablösen   und,   wo   dies   möglich   ist,    die  ein- 
geschlossenen  Bacillen   mit   fortreissen    und    nach    aussen    befördern: 
theils  wüi'den   die  Bacillen   so  weit  in  ihrer  Vegetation  gestört,   dass 
es  viel  eher  zu  einem  Absterben  derselben  kommt,  als  dies  unter  ge- 
wöhnlichen Verhältnissen  geschieht.    Gerade  in  dem  Hervorrufen  solcher 
Veränderungen  besteht  wahrscheinlich  die  Wirkung  des  Mttels. 

Das  Glyceiinextract  enthält  von  der  wirksamen  Substanz  nach  der 
Schätzung  Koch"s  Bruchtheile  eines  Procentes.  Von  dem  Glycerin- 
extract  kann  eiaem  gesunden  Meerschweinchen  eine  Dosis  bis 
zu  2  ccm  subcutan  beigebracht  werden,  ohne  dass  es  merklich  dadurch 
beeinflusst  wü'd.  Der  gesunde  erwachsene  Mensch  ^x\Iä  bereits 
durch  eme  Dosis  von  0,25  ccm  intensiv  beeinflusst.  Auf  Körpergewicht 
berechnet  ist  also  Visoo  "^'^^  ^^^  Menge,  welche  beim  Meerschweinchen 
noch  keine  merkliche  Wirkung  hervorbringt,  für  den  Menschen  sehr 
stark  wirkend.     Koch  schildert  die  Wirkung  einer  Dosis  von  0,25  ccm, 


')  Deutsche  med.  Wocbenschr.     1891.     No.  3. 


Der  Tuberkelbacillus.  271 

die  er  sich  selbst  am  Oberarm  subcutan  injicirte,  folgendermassen : 
„Drei  bis  vier  Stunden  nach  der  Injection  Ziehen  in  den  Ghedern, 
Mattigkeit,  Xeigung  zum  Husten.  Athenibeschwerden ,  welche  sich 
schnell  steigerten ;  in  der  fünften  Stunde  trat  ein  ungewöhnlich  heftiger 
Schüttelfi-ost  ein,  welcher  fast  eme  Stunde  andauerte;  zugleich  Tebel- 
keit,  Erbrechen,  Ansteigen  der  Körpertemperatur  bis  zu  39,6^:  nach 
etwa  12  Stunden  liessen  sämmtliche  Beschwerden  nach,  die  Temperatur 
sank  und  erreichte  bis  zum  nächsten  Tage  wieder  die  normale  Höhe; 
Schwere  in  den  Gliedern  und  Mattigkeit  hielten  noch  einige  Tage  an, 
ebenso  lange  Zeit  blieb  die  Injectionsstelle  ein  wenig  schmerzhaft  und 
geröthet." 

Die  untere  Grenze  der  Wirkung  des  Gl}- cerinextracts  liegt  für  den 
gesunden  Menschen  ungefähr  bei  0,01  ccm.  Die  meisten  Personen 
reagirten  in  den  Koch' scheu  Versuchen  auf  diese  Dosis  nur  noch  mit 
leichten  Gliederschmerzen  und  bald  vorübergehender  Mattigkeit.  Bei 
einigen  trat  ausserdem  noch  eine  leichte  Temperatursteigerung  ein 
bis  zu  38^  oder  wenig  darüber  hinaus.  Ganz  anders  reagiren  Tuber- 
culöse  (Erwachsene),  wenn  ihnen  eine  derartige  Dosis ^)  injicirt  wird; 
bei  diesen  tritt  sowohl  eine  starke  allgemeine  wie  auch  eine  örtliche 
Reaction  ein.  Die  allgemeine  Reaction  besteht  in  einem,  in  der  Regel 
4  bis  5  Stunden  nach  der  Injection  eintretenden,  mit  Schüttelft-ost  be- 
ginnenden, 12  bis  15  Stunden  dauernden  Fieberanfall ,  welcher  mit 
Gliederschmerzen,  Hustenreiz,  grosser  Mattigkeit,  öfters  auch  mit  Uebel- 
keit  und  Erbrechen  verbunden  ist.  Die  örtliche  Reaction  kann  am 
besten  an  solchen  Kranken  beobachtet  werden,  deren  tuberculöse 
Affection  zu  Tage  liegt,  also  z.  B.  bei  Lupuskranken.  Einige  Stunden 
nach  der  (an  einer  entfernten  Körperstelle  gemachten)  Injection  fangen 
die  lupösen  Stellen  an  zu  schwellen  und  sich  zu  röthen.  Die  Schwellung 
und  Röthung,  welche  gewöhnlich  bereits  vor  dem  Beginne  des  Frost- 
anfalles eintritt,  wird  während  des  Fiebers  stärker  und  kann  zur 
Nekrose  des  lupösen  Gewebes  führen,  welches  dann  später  abgestossen 
wird.  In  ähnlicher  Weise  tritt  eine  örtliche  Reaction  bei  allen 
im  Körper  vorhandenen  Tube  reu  lösche  r  den,  aber  nur 
bei   diesen,  auf. 

Was  die  therapeutische  Anwendung  des  Koch  "sehen 
Tuberculins  bei  dem  tuberculösen  Menschen  angeht,  so  lassen  sich 
die  seit  dem  Bekanntwerden  des  IVIittels  gesammelten  Erfahrungen  im 
Wesentlichen   dahin   zusammenfassen,    dass    erstens   (wie    das    Koch 


^)  Bei  Pbthisikern  muss  man  mit  viel  geringeren  Dosen  arbeiten;  bier  sind 
die  Eeactionen  am  allerbeftigsten. 


272  B-  l^ie  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Übrigens  gleich  Anfangs  betont  bat)  nicht  jeder  Fall  von  Tuberculose 
sich  für  die  Tuberculinbehandlung  eig-net;  es  sind  einer  günstigen 
Beeinflnssung  durch  Tuberculin  nur  Fälle  von  beginnender,  und  im 
Speciellen  nur  von  uncomplicirter  Tuberculose  zugängig. ^) 
Fälle  von  complicirter  Tuberculose  (cf.  p.  250,  Anm.  3 ;  p.  265)  eignen 
sich  nicht.  Zweitens  sind  stürmische  Eeactionen  nach  den  einzelnen 
Injectionen  weder  erforderlich  noch  wünschenswerth.  Sie  sind  durch- 
aus zu  vermeiden.-)  •  Wesentlich  ist,  die  specifische  Reizbarkeit  des 
tuberculösen  Gewebes  möglichst  lange  zu  erhalten  und  sie  nicht,  wie 
das  bei  grossen  Dosen  und  schnellen  Steigerungen  der  Fall  ist,  vor- 
zeitig zu  vernichten.'^) 


6.    Der  Bacillus  der  Hühnertuberculose  (Geflügel- 
tuberculose). 

Die  spontan  bei  dem  Geflügel  (Hühner,  Enten,  Fasanen  etc.) 
auftretende  Tuberculose  zeigt  sich  bedingt  durch  einen  Bacillus, 
welchen  Koch^)  bei  seinen  Tuberculosestudien  zunächst  mit  dem  bei 
Säugethieren  gefundenen  Tuberkelbacillus  für  identisch  hielt.  Spätere 
Untersuchungen  jedoch,  namentlich  von  Rivolta'^)  und  von  Maf- 
fucci,^)  haben  den  Nachweis  geliefert,  dass  ganz  bestimmte  Unter- 
schiede zwischen  den  Eigenschaften  des  Bacillus  der  Hühner- 
tuberculose (Geflügeltuberculose)  und  denen  des  Bacillus 
der  Säugethiertuberculose ,  des  Tuberkelbacillus  par  excellence,  be- 
stehen. Ob  es  sich  hier  um  zwei  verschiedene  Arten  oder  nur  um 
Varietäten  einer  Art  handelt,  ist  heute  noch  nicht  mit  Sicherheit 
entschieden;  vergl.  über  diese  Frage  oben  p.  251. 

Die  Bacillen  der  Hühnertuberculose  sind  morphologisch  denen 


*)  cf.  Petrus chky,  Deutsche  med.  Wocbenschr.     1893.     No.  14. 

^)  Ueber  die  ernsten  Gefahren,  welche  stürmische  Eeactionen  mit  sich 
führen  köimen,  vergl.  die  von  Yirchow  in  der  Berliner  medicinischen  Gesellschaft 
am  7.  Januar  1891  und  in  den  sich  anschhessenden  Sitzungen  gemachten  Mitthei- 
lungen. Es  ist  durch  dieselben  zur  hohen  Wahrscheinlichkeit  erhoben  worden,  dass 
bei  dem  Auftreten  stürmischer  Eeactionen  eine  Verbreitung  der  Tuberkelbacillen  von 
dem  beeinflussten  tuberculösen  Herde  aus  in  den  Körper  hinein  und  im  Anschlüsse 
daran  die  Entwickelung  miliarer  Tuberculose  erfolgen  kann. 

^)  cf.  Ehrlich,  7.  Internat.  Congr.  f.  Hyg.  u.  Demogr.  London  1891.  (Cen- 
tralbl.  f.  Bakt.     Bd.  10.     1891.     p.  811). 

')  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     1884.     p.  41. 

•^)  cf.  Baumgarten's  Bakt.  Jahresber.     1889.     p.  313. 

*')  La  Eiforma  medica.  1890.  No.  119—120.  —  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  11.  1892. 


Der  Bacillus  der  Hühnertuberculose.  273 

der  Säugethiertuberciüose  sehr  ähnlich,  erscheinen  aber  gewöhnlich 
etwas  länger  und  dünner  als  die  letzteren. 

Sie  lassen  sich  künstlich  züchten:  und  zwar  wachsen  sie 
auf  Blutserum,  auf  Agar,  auf  Bouillon.  Die  genannten  Nähr- 
böden sind  sowohl  ohne  Zusatz  von  Glycerin  oder  Traubenzucker  als 
auch  mit  diesen  Zusätzen  zu  gebrauchen.  Das  Wachsthum  ist  im 
Allgemeinen  ein  etwas  schnelleres  als  das  der  Bacillen  der  Säuge- 
thiertuberculose.  Auf  Kartoffeln  gedeihen  die  Hühnertuberculose- 
bacillen  nicht. 

Die  T  e  m  13  e  r  a  t  u  r  b  e  d  i  n  g  u  n  g  e  n  für  die  Züchtung  sind  von 
denen  der  Säugethiertuberculosebacillen  etwas  verschieden.  Während 
nämlich  (cf.  oben  p.  253)  die  letzteren  bei  42^  C.  nicht  mehr  gedeihen, 
so  wachsen  die  Bacillen  der  Hühnertuberculose  bei  42^  bis  43^  C. 
noch  vortrefflich,  und  zwar  ebenso  gut  wie  bei  37°  C.  Im  Allgemeinen 
hndet  Wachsthum  statt  zwischen  35*^  und  45*^  C.  Die  Züchtung  bei 
43  0  C.  hebt  die  Virulenz  durchaus  nicht  auf.  Die  genannten  Unter- 
schiede zwischen  den  Temperaturansprüchen  der  Bacillen  der  Hühner- 
und  der  Bacillen  der  Säugethiertuberculose  sind  bei  der  verschiedenen 
Höhe  der  normalen  Körpertemperatur  der  VögeP)  und  der  Säuge- 
thiere  ohne  Weiteres  verständlich. 

Die  künstlichen  Culturen  der  Hühnertuberculosebacillen 
unterscheiden  sich  in  ihrem  Aussehen  in  ganz  bestimmter,  characte- 
ristischer  Weise  von  denen  der  Bacillen  der  Säugethiertuberculose. 
Auf  festem  Nährboden  (erstarrtes  Blutserum  etc.)  bemerkt  man 
makroskopisch  zuerst  nach  6  bis  8  bis  10  Tagen  Wachsthiun.  Es  bilden 
sich  kleine  weissliche  Colonien,  wie  Flecken  oder  Punkte  von  weissem 
Wachs  aussehend.  Die  Colonien  nehmen  an  Dicke  und  Flächenaus- 
dehnung mehr  und  mehr  zu  und  fhessen  nach  etwa  einem  Monat  mit 
einander  zusammen,  einen  weissen  speckigen  Feberzug  auf  dem  Nähr- 
boden bildend.  Ueberträgt  man  Material  von  dieser  primären  Cultur 
auf  neuen  Nährboden,  so  bilden  sich  nicht  mehr  kleine  isolirte  Colonien, 
sondern  es  entsteht  gleich  a  priori  ein  weisser  Streifen,  der  die  Tendenz 
zeigt  sich  über  den  Nährboden  auszubreiten,  und  der  dabei  auch  an 
Dickenausdehnung  zunimmt.  Bei  der  Entnahme  von  Theilen  der  Cultur 
mit  dem  Platindraht  macht  die  Cultur  stets  einen  weichen,  feuchten 
Eindruck  gegenüber  der  Cultur  der  Säugethiertuberculose,  welche  stets 
resistent  und  trocken  erscheint.  Mit  zunehmendem  Alter  nimmt  die 
Cultur  der  Hühnertuberculose  einen  gelblichen  Farbenton  an  und  wird 
schleimig  und  faserig. 


^)  Die  normale  Eectaltemperatar  der  Vögel  beträgt  41,5°  bis  42,5*'  C, 

Günther,  Bakteriologie.    4.  Auflage.  18 


274  ^-  Diß  Batterien  als  Krankheitserreger. 

Auf  flüssigen  Nährböden  (Bouillon,  flüssiges  Blutserum) 
gezüchtet  erscheint  die  Cultur  als  ein  sehr  feines  weissliches  Pulver, 
welches  sich  an  den  Wänden  des  Cultunöhrchens  festsetzt  und  auch 
Grund  und  Oberfläche  des  Nährbodens  (letztere  als  gleichmässig  weisses 
Häutchen)  überzieht.  Das  obei-flächliche  weisse  Häutchen  ist  leichter 
zerreiblich  als  der  entsprechende  Ueberzug,  welchen  die  Bacillen  der 
Säugethiertuberculose  auf  den  flüssigen  Nährböden  bilden. 

Die  Hühnertuberculosebacillen  scheinen  eine  etwas  grössere  Re- 
sistenz gegen  die  Erwärmung  auf  höhere  Temperaturgrade 
zu  besitzen,  als  sie  den  Bacillen  der  Säugethiei"tuberculose  zukommt. 
Durch  2  stündige  Erhitzung  auf  65  ^  C.  werden  sie  (im  Gregensatz  zu 
den  letzteren)  nicht  yemichtet;  so  beeinflusste  Cultui-en  zeigen  aber 
hinterher  ein  verlangsamtes  Wachsthmn.  Durch  15  Minuten  lange 
Erhitzung  auf  70  ^'  C.  werden  die  Bacillen  der  Hühnertuberculose  ge- 
tödtet  (cf.  oben  p.  256,  Anm.  4). 

Die  künstlichen  Culturen  scheinen  sich  sehr  lange  Zeit  lebens- 
fähig und  unverändert  "virulent  erhalten  zu  können.  Maffucci  er- 
hielt mit  Culturen,  die  seit  2  Jahren  nicht  umgezüchtet  waren,  in 
beiden  Eichtungen  positive  Resultate.  Auch  vertragen  die  Culturen 
monatelanges  Austrocknen  ohne  Schädigung.  In  den  genannten 
Beziehungen  verhalten  sich  also  die  Bacillen  der  Hühnertuberculose 
dauerhafter  als  die  der  Säugethiertuberculose. 

Sporenbildung  hat  man  bei  dem  Bacillus  der  Hühnertuber- 
culose bisher  ebenso  wenig  zu  statuiren  vermocht  wie  bei  dem  Bacillus 
der  Säugethiertuberculose  (cf.  p.  256). 

Für  die  Infection  mit  dem  Hühnertuberculosebacillus  zeigen  sich 
ganz  im  Allgemeinen  Vögel^)  empfänglich.  Die  spontane  Ge- 
flügeltuberculose,  welche  mitunter  jahrelang  unter  dem  Geflügel 
eines  Hofes  herrscht,  scheint  sich  fast  ausschliesslich  durch  con ge- 
nitale üebertragung  fortzupflanzen  (Baumgarten-^)).  Die 
Hauptlocaüsation  findet  sich  stets  in  der  Leber:  nie  tritt  die  spontane 
Geflügeltuberculose  primär  in  der  Lunge  oder  in  der  Darmschleimhaut 
auf;  die  tuberculösen  Hühner  producii-en  weder  tuberculöses  Sputum 
noch  tuberculösen  Koth.  Characteristisch  füi-  die  Geflügeltuberculose 
ist  (im  Gegensatz  zur  Säugethiertuberculose)  der  sehr  langsame,  chro- 
nische  Verlauf  und    die    geringe    Veränderlichkeit,   welche    die    tuber- 


^)  Eine  grosse  Eeibe  von  Vogelspecies,  bei  denen  Geflügeltuberculose  beobachtet 
ist,  findet  man  bei  Sibley  (cf.  Bau  mg  arten 's  Bakt.  Jahresber.  1S90.  p.  324) 
aufgezählt. 

-)  Arb.  a.  d.  path.-anat.  Inst,  zu  Tübingen.   Bd.   1.    1S92.   p.  320  und  336  ff. 


Der  Bacillus  der  Hiibnertuberculose.  275 

ciüösen  Bildungen  in  späteren  Stadien  zeigen.  Die  tuberculösen  Bil- 
dungen sind  ganz  enorm  reich  an  Bacillen ;  auch  hierin  unterscheidet 
sich  die  Geflügeltuherculose  von  der  Säugethiertuberculose.  Riesen- 
zellen, welche  in  dem  Säugethiertuberkel  fast  stets  gefimden  werden, 
sind  bei  der  Geflügeltuberculose  erheblich  spärlicher,  fehlen  aber 
nicht  vollständig.  ^ )  Die  centrale  Zellnekrose  des  Tuberkels  erfolgt  bei 
der  Hühnertuberculose  nicht  (wie  bei  der  Säugethiertuberculose)  unter 
Bildung  feinkörniger  käsiger  Massen,  sondern  unter  Bildung  einer 
glasigen  Substanz  (Cadiot,  Gilbert  und  Eoger-)). 

Die  künstliche  Infection  des  Geflügels  mit  dem  Bacillus 
der  Hühnertuberculose  lässt  sich  durch  Einverleibung  des  Mate- 
rials in  das  Unterhautgewebe,  in  die  Bauchhöhle,  die  Lunge,  den  Blut- 
strom erreichen.  Vom  Verdauungstractus  aus  scheint  die  Infection 
nicht  zu  gelingen.  Die  durch  die  künstliche  Infection  tuberculös  ge- 
machten Thiere  sterben  nach  einem  bis  mehreren  Monaten  an  Tuber- 
culose,  die  sich  hauptsächhch  in  Leber  und  Milz  localisirt  zeigt;  die 
Lunge  bleibt  meist  verschont.  Tuberculöse  Hühner  übertragen  die 
Krankheit  auf  den  Enibr3^o.  —  Gegen  Säugethiertuberculose 
verhalten  sich  im  Gegensatz  dazu  erwachsene  Hühner  so  gut  wie  un- 
empfänglich; Hühnerembr Jonen  zeigen  eine  ganz  minimale  Empfäng- 
lichkeit. 

Von  Säugethieren  hat  sich  bisher  nur  das  Kaninchen  empfäng- 
lich für  die  Infection  mit  Hühnertuberculose  erwiesen,  Nach 
subcutaner  Impfung  zeigen  sich  zunächst  locale  Abscedirungen,  denen 
später  Knötchenbildung  hauptsächlich  in  den  Lungen  folgt.  Hier  ist 
also  die  Localisation  eine  andere  als  bei  dem  Geflügel. 

Das  für  die  Säugethiertuberculose  so  hervorragend  emp- 
fängliche Meerschweinchen  zeigt  sich  gegen  die  Infection  mit 
Hühnertuberculose  völlig  refractär.  Nach  der  Einverleibung  der 
Hühnertuberculoseculturen  in  den  Körper  dieses  Thieres  beobachtet 
man  keine  Vermehrung,  sondern  ein  Absterben  der  eingeführten  Ba- 
cillen; bei  dieser  Gelegenheit  kommt  aber  ein  in  den  Hühnertuber- 
culoseculturen enthaltenes  (dem  Gift  der  Säugethiertuberculosebacillen 
sehr  ähnhches)  Gift  zur  Wirkung  auf  den  Meerschweinchenkörper, 
welches  interstitielle  Entzündungen  und  Atrophien  der  mneren  Organe 


*)  Den  ersten  Nachweis  von  Riesenzellen  bei  Hühnertuberculose  lieferte  Weigert 
(Deutsche  med.  Wochenschr.  18S5.  p.  599).  Die  Literatur  über  die  weiteren  hier- 
hergehörigen Befunde  (Johne;  Cadiot,  Gilbert  und  Roger;  Pfand  er)  siehe 
bei  Pfander  (Ärb.  a.  d.  Gebiete  d.  path.  Anat.  u.  Bakt.  a.  d.  path.-anat.  Institut 
zu  Tübmgen.     Bd.  1.     1S92.     p.  317). 

-)  Soc.  de  Biol.     Paris.     IS  oct.   1890. 

18* 


276  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

veranlasst  und  stets  einen  gewissen  chronischen  Marasmus  hinterlässt.  — 
Das  Huhn  wird  viel  weniger  durch  dieses  Gift  beeinflusst. 

Ebenso  wie  das  Meerschweinchen  ist  auch  der  Hund  imempfäng- 
lich  für  die  Infection  mit  Hühnertuberculose ,  selbst  bei  intravenöser 
Einverleibung,  die,  mit  Säugethiertuberculose  ausgeführt,  bei  dem 
Hunde  stets  die  Entwickelung  miliarer  Tuberculose  zur  Folge  hat  (cf. 
p.  264,  Anm.  2). 

Durch  (längere  Zeit  hindurch  fortgesetzte)  Züchtung  des  Hühner- 
tuberciüosebacillus  auf  künstlichem  Nährboden  verhert  der  Bacillus  — 
nach  den  Ermittelimgen  von  Courmont^)  —  allmählich  seine  Eigen- 
thümlichkeit,  nur  für  die  Klasse  der  Vögel  pathogen  zu  sein.  Er 
nähert  sich  dann  in  seinen  pathogenen  Eigenschaften  dem  Bacillus  der 
Säugethiertuberculose. 

Ob  der  Mensch  für  die  Infection  mit  Hühnertuberculose  emp- 
fänglich ist,  ist  noch  eine  offene  Frage. 

Der  Bacillus  der  Hühnertuberculose  zeigt  in  seinem  Färbungs- 
verhalten ähnliche  Eigenschaften  wie  der  Tuberkelbacillus  par 
excellence.  Er  soll  aber  die  Farbstoffe  etwas  leichter  aufnehmen  als 
der  letztere.  Gegen  Entfärbungsmittel  (Säuren)  zeigt  er  dieselbe  Re- 
sistenz wie  der  Bacillus  der  Säugethiertuberculose. 


7.   Bakterien  bei  „Pseudotuberculose" 

der  allgemeineu  Bezeichnung  „Ps  endo  tu 
versteht  man  solche  Krankheitsprocesse,  bei  denen  sich  Veränderungen 
im  Thierkörper  ausbilden,  welche  pathologisch-anatomisch  mit  den  der 
Tuberculose  eigenthümlichen  Veränderungen  mehr  oder  weniger  grosse 
Aehnlichkeit  haben,  bei  denen  jedoch  keine  Tuberkelbacillen,  sondern 
andere  (höhere  oder  niedere)  Mkroorganismen  vorhanden  sind. 

Eiue  ganze  Reihe  von  „Pseudotuberculosen"  sind  bereits  bekannt 
geworden.  Die  erste  Mittheilimg  über  durch  Bakterien  veranlasste 
Pseudotuberculose  (1883)  stammt  von  Malassez  und  Vignal^); 
die  Autoren  bezeichneten  den  (durch  Uebertragung  menschhchen  Krank- 
heitsmaterials auf  Meerschweinchen  erzeugten)  lü'ankheitsprocess  als 
„Tuberculose  zoogleique";  bei  demselben  ■\^airden  Mkrococcen 
gefunden.  Eine  weitere  Mittheilung  (1885)  machte  Eberth-^),  welcher 
bei    der   Section    eines    abgemagerten    Kaninchens    eine    ausgebreitete 


^)  Vergl.  oben  p.  251,  Anm.  2. 

-)  Archives  de  physiol.  norm,  et  path.     1S83. 

^)  Fortschr.  d.  Med.    1SS5.    No.  22;  Yireh.  Arch.    Bd.   103.    ISSf.. 


Baliterien  bei  Pseudotuberculose.  277 

tnberciüoseähnliclie  Erkrankung  beobachtete  und  in  den  Knötchen 
einen  kurzen  Bacillus  („Bacillus  der  Pseudotuberculose  des 
Kaninchens")  nachmes,  der  als  die  Ursache  der  Erkrankimg  an- 
gesehen wird.  Dann  beobachtete  Chantemessei)  (1887)  eine 
„Tuberculose  zoogleique"  bei  Meerschweinchen  mit  zoogioeabildenden 
Coccen ;  Chantemesse  hält  die  von  ihm  studirte  Affection  für  iden- 
tisch mit  den  von  den  vorgenannten  Autoren  studirten  Krankheits- 
processen. 

Weitere  Mittheilungen  über  Pseudotuberculose  (bei  Nagethieren) 
stammen  von  C  harr  in  und  Roger-),  von  Dor-^),  ferner  von 
A.  Pfeiffer'^).  Der  letztgenannte  Autor  sah  zwei  Meerschweinchen, 
die  mit  Material  von  einem  wegen  ßotzverdachts  getödteten  Pferde 
geimpft  worden  waren,  8 — 9  Tage  nach  der  Impfung  (d.  h.  viel  zu 
früh  für  eine  Eotzünpfung)  sterben.  Die  Section  der  Thiere  zeigte 
makroskopisch  die  Merkmale  des  Impfrotzes,  d.  h.  es  fand  sich  Knöt- 
cheneruption  in  den  Organen;  die  bakteriologische  Untersuchung  aber 
ergab  keine  Rotzbacillen ,  sondern  einen  anderen,  plumpen  Bacillus 
(„Bacillus  pseudotuberculosis"),  der  die  Gelatine  nicht  ver- 
flüssigt, keine  Sporen  bildet,  sich  nach  der  Gram'schen  Methode  nicht 
färbt.  Mit  Reinculturen  dieses  Bacillus  geimpfte  Meerschweinchen 
starben  3  Wochen  nach  der  Impfung.  Ausser  dem  Meerschweinchen 
fand  A.  Pfeiffer  graue  und  weisse  Hausmäuse,  Kaninchen,  Hamster, 
Feldhasen  empfänglich ;  Pferd,  Ziege,  Hund,  Katze,  Igel,  Ratte,  Fleder- 
maus, Wühlmaus,  Huhn,  Taube,  Feldmaus  zeigten  sich  unempfänglich. 

Ferner  haben  N  o  c  a  r  d  und  M  a  s  s  e  1  i  n  '^) ,  C  o  u  r  m  o  n  t '') ,  Z  a  - 
gari'),  isTocard^),  Grancher  und  Ledoux-Lebard  •'),  Kitt^*^), 
Parietti^^).  Vincenzi^^),  Preisz  und  Guinard^"),  Hayem^*), 


1)  Annales  de  TList.  Pasteur.    IS 87.    No.  3. 

-)  Comptes  rendus.  Acad.  des  sciences.     Paris,  t.  106.     ISSS.    i^.  868. 

'')  Ebenda  p.  1027. 

*)  Ueber  die  bacilläre  Pseudotuberculose  bei  Nagethieren,  Leipzig.  G.  Tbieme. 
1889. 

■')  Soc.  de  Biologie.     Paris.  9  mars  1889. 

*^)  Soc.  de  Biologie.     Paris  und  Acad.  des  sciences.     Paris.     1889. 

')  La  Eiforma  medica.    1889.    No.  258. 

-)  Soc.  de  Biologie.    Paris.    26  octobre  1889. 

'')  Arch.  de  med.  exper.  et  d'anat,  path.    1889  und  1890. 
1»)  Monatshefte  f.  prakt.  Thierheilk.    Bd.  1.    1890. 
")  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  8.    1890.    No.   19. 
1'-)  Giomale  della  R.  Accad.  dl  med.  di  Torino.    1890. 
^^)  Journ.  de  med.  veter.    t.  42.    1891. 
^^)  La  Seraaine  niedicale.    1891.    p.  285. 


278  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

du   Cazal  und  Yaillard^),  Preisz'-),  Kutscher-^)  über  Pseudo- 
tuberciilose,  diircli  Bakterien'*)  hervorgerufen,  bericlitet. 

8.  Der  Leprabacillus. 

Bei  der  Lepra  (Aussatz)  wurden  zuerst  durcli  Armauer 
Hansen'^)  stäbchenförmige  Organismen  festgestellt.  Durch  Neisser'^') 
\nu'de  diese  Entdeckung  bestätigt.  Die  Leprabadllen  liegen  in  den 
leprösen  Neubildungen ,  und  zwar  gewöhnlich  innerhalb  der  Gewebs- 
zellen („  L  e  p  r  a  z  e  1 1  e  n  "). 

Die  Leprabacillen  sind  in  ihren  Eigenschaften  den  Tuberkel- 
bacillen  ausserordentlich  ähnlich  und  stellen  jedenfalls  nahe  Verwandte 
derselben  dar.  Sie  erscheinen  meist  etwas  kürzer  als  die  Tuberkel- 
bacillen.  Es  muss  aber  darauf  hingewiesen  werden,  dass  man  nicht 
selten  (in  tuberculösem  Sputum  z.  B.)  Zusammenlagerungen  von 
Tuberkelbacillen  antriöt,  die  durch  die  Kürze  der  einzelnen  Exemplare 
lebhaft  an  Leprabacillenzusammenlagerungen  erinnern. 

Die  Leprabacillen  haben  keine  Eigenbewegung. 

üeber  künsthche  Züchtung  der  Leprabacillen  hat  namentlich 
Bordoni-Uffreduzzi")  berichtet.  Es  gelang  ihm  im  Januar  1887 
gelegentlich  eines  Leprasectionsfalles  in  Turin  in  zwei  mit  dem  Knochen- 
mark der  leprösen  Leiche  geimpften  Peptongij-cerinblutserum-Eöhrchen 
bei  Brüttemperatur  m  sieben  Tagen  die  ersten  Entwickelungsspuren 
eigenthümlicher  Colonien  zu  erhalten,  die  aus  verschieden  langen,  an 
den  Enden  meist  keulenförmig  angeschwollenen  Bacillen  bestanden. 
Die  Endkeulen  sah  Bordoni-Uffreduzzi  als  vermuthliche  Dauer- 
form (Arthrospore)  an.  Baumgarten  ist  der  Ansicht,  dass  es  sich 
hier  wohl  um  eine  Livolutionserscheinung  handelt.  Die  Strichculturen 
Bordoni-Uffreduzzi 's  bildeten  bandartige,  mit  zackigen  Bändern 
versehene  Colonien.  Uebrigens  scheint  es  später  nicht  wieder  geglückt 
zu  sein  die  Leprabacillen  künstlich  zu  cultiviren. 

1)  Annales  de  l'Inst.  Pasteur.    1891.    No.  6. 

-)  Annales  de  Tlnst.  Pasteur.    1894.    No.  4. 

3)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  18.    1894. 

^)  Pseudotuberculöse  Processe  können  auch  durch  thierische  Parasiten  hervor- 
gerufen werden  (cf.  Kitt,  Bakterienkunde  und  pathol.  Mikroskopie  für  Thierärzte. 
2.  Aufl.  Wien.  M.  Perles.  1893.  p.  278);  auch  die  Infection  mit  pathogenen 
Schimmelpilzen  kann  Pseudotuberculöse  erzeugen  (cf.  Chantemesse,  10.  intern, 
med.  Congr.  Berün  1890.  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  9.  p.  775:  Pseudotuberculöse, 
hervorgerufen  bei  jungen  Tauben  durch  Aspergillus  fumigatus). 

5)  Virch.  Arch.    Bd.  79.    1880. 

«)  Virch.  Arch.    Bd.  84.    1881. 

')  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  3.     1887. 


Der  Leprabacillus.  279 

lieber  die  Fi'age  der  Sporenbildung  der  Leprabacillen  lässt 
sich  etwas  Bestimmtes  noch  nicht  sagen. 

Die  Leprabacillen  lassen  sich,  wie  in  mancher  anderen  Hinsicht, 
auch  in  ihren  färberischen  Eigenschaften  den  Tuberkelbacillen 
vergleichen  (cf  oben  p.  106).  Sie  sind  aber  nicht  so  schwer  färbbar 
wie  die  Tuberkelbacillen ;  sie  nehmen  zwischen  den  letzteren  und  den 
übrigen  Bakterien  eine  Mittelstellung  ein  (cf.  p.  107).  Ebenso  geben 
sie  die  Färbung  an  Entfärbungsmittel  etwas  leichter  ab  als  Tuberkel- 
bacillen. Hat  man  Leprabacillen  im  Trockenpräparat  zu  färben. 
so  Avird  man  sich  mit  Vortheil  der  oben  (p.  257  fi".)  zur  Färbung  von 
Tuberkelbacillen-Deckglaspräparaten  angegebenen  Methoden  bedienen. 
Hat  man  Schnitte  von  Leprabacillen  zu  tingiren,  so  genügt  eine  etwa 
halbstündige  Einwirkung  einer  der  Ehrl  ich  "sehen  Lösungen  (p.  101) 
auf  den  Schnitt  bei  gewöhnlicher  Temperatur.  Die  Leprabacillen  sind 
dann  intensiv  gefärbt.  Behufs  der  Conser^drung  der  Schnitte  emptieblt 
es  sich  sehr,  dieselben  nach  der  bei  Grelegenheit  der  Tuberkelbacillen- 
färbung  (p.  260)  besprochenen  Unna 'sehen  Antrocknungsmethode  zu 
behandeln. 

Die  Leprabacillen  färben  sich  auch  nach  der  Gram  "sehen  Me- 
thode (p.  108  ff.) 

Als  Unterscheidungsmerkmal  der  Leprabacillen  von 
den  Tuberkelbacillen  ist  von  B  a  u  m  g  a  r  t  e  n  ^)  das  verschiedene 
Verhalten  dieser  Organismen  bei  der  Behandlung  mit  einfachen  wässe- 
rigen Fuchsinlösungen  angegeben  worden.  Die  Leprabacillen  färben 
sich  hier  (wenigstens  in  einzelnen  Exemplaren  [cf  oben  p.  107])  in 
kurzer  Zeit  bei  Zimmertemperatur,  während  sich  die  Tuberkelbacillen 
bei  dieser  Behandlung  noch  nicht  färben. 

Melcher  und  Ortmann-)  haben  über  erfolgreiche  Ueb er- 
tragung von  Lepra  auf  Kaninchen  berichtet.  Die  Autoren  impften 
Lepraknotenstückchen  in  die  vordere  Augenkammer  zweier  Thiere. 
Dieselben  gingen  4  resp.  4^/^  Monat  später  zu  Grunde  und  zeigten 
ausser  anderen  Metastasen  eine  Knoteneruption  im  Darme,  besonders 
in  der  Wand  des  Coecums,  die  die  Autoren  als  Lepra  deuteten. 
Tedeschi'^)  berichtete  über  Vermehrung  der  (in  Lepraknotenstückchen) 
unter  die  Dura  des  Rückenmarks  eines  Affen  eingebrachten  Lepra- 
bacillen. 

Im  Uebrigen  ist  über  Thierinfectionen  mit  Lepra  wenig  berichtet: 


')  Zeitschr.  f.  wissensch.  Mikroskopie.    Bd.  1.     1SS4.    p.  368,  369. 

-)  Berl.  klin    Wochenschr.     1886.    No.  9. 

3)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  14.      1893.     p.   113  fr. 


280  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

imd  auch  die  Modi,  die  bei  der  Infection  des  Menschen  hauptsäch- 
lich in  Fi-age  kommen,  sowie  die  ganze  Art  und  Weise  des  Zustande- 
kommens der  leprösen  Veränderungen  sind  noch  wenig  bekannt. 

Ein  Photogi-amm  von  Leprabacillen  bei  lOOOfacher  Yergrösserung 
(Ausstrichpräparat  eines  leprösen  Hautknotens ^))  zeigt  Taf.  YII,  Fig.  42. 
Das  Photogramm  giebt  ein  t^^pisches  Bild  von  der  ausserordentlichen 
Menge  von  Bacillen,  welche  sich  bei  der  Lepra  in  den  einzelnen  Zellen 
anorehäuft  finden. 


9.  Bacillen  bei  Syphilis.     Smegmabacillen. 

Im  Jahre  1885  machte  Lustgarten")  in  Wien  eine  Aufsehen 
erregende  Mittheilung  von  Bacillenbefunden  in  syphiliti- 
schen GcAveben.  Lustgarten  war  es  gelungen,  in  Schnitten 
syphilitischen  Grewebes  mit  Hülfe  einer  specifischen  Färbungsmethode 
Bacillen  nachzuweisen,  welche,  geM'öhnlich  nur  in  wenigen  Exemplaren,' 
innerhalb  von  Zellen  hegend  angetroffen  wurden.  Die  specifische 
Färbungsmethode  beruht  darauf,  dass  die  in  der  Ehrlich' sehen  Anilin- 
wassergentianaviolettlösung  gefärbten  und  in  Alcohol  ausgewaschenen 
Präparate  in  einer  Lösung  von  Kaliumpermanganat  entfärbt  werden. 
Bei  dieser  Entfärbung  bleiben  die  Lustgarten 'sehen  Bacillen  ge- 
färbt. Der  sich  auf  den  Präparaten  bildende  Niederschlag  von  Mangan- 
hyperoxyd wird  dann  durch  Eintauchen  der  Präparate  in  eine  wässerige 
Lösung  von  schwefliger  Säure  entfernt.  Mit  derselben  Methode  konnte 
Lustgarten  auch  in  S3^hihtischen  Secreten  (d.  h.  in  Deckgiastrocken- 
präparaten)  ebenso  gestaltete  Bacillen  nachweisen.  Die  Lustgarten"- 
schen  Bacillen  ähneln  in  ihrer  Form  den  Tuberkelbacillen. 

Nach  dieser  Methode  gelang  es  vielen  Untersuchern  nicht  sich 
die  Lust  garten 'sehen  Bacillen  zur  Anschauung  zu  bringen.  Dies 
gelang  besser  mit  einer  anderen  Methode,  die  von  de  Giacomi-^)  für 
Trockenpräparate  angegeben,  von  A.  Gottstein^)  auch  für  Schnitt- 
präparate empfohlen  wurde.  Die  de  Giacomi"sche  Methode  beruht 
darauf,  dass  die  Präparate  in  Ehrlich  "scher  Anilinwasserfuchsin- 
lösung gefärbt  und  dann  nüt  Eisenchloridlösung  nachbehandelt  werden. 
Aber   auch   mit   dieser   Methode   ist   es   nicht    gelungen   die   Lust- 


^)  Das  dem  Präparate  zu  Grunde  liegende  Material  verdanke  ich  Herrn  Prof. 
Dr.  L  a  s  s  a  r. 

-)  Wien.  Med.  Jahrb.  18S5.  —  Vorläufige  Mittheilung:  Wiener  med.  Wochen- 
schrift.    1884.    No.  47. 

■')  Con-esp.-Bl.  f.  Schweizer  Aerzte.     1SS5.     No.  12. 

')  Fortscbr.  d.  Med.     1885.     No.  16. 


Bacillen  bei  Syphilis.     Smegmabacilleu.  281 

gart  eil 'sehen  Bacillen  in  s}7)hilitischen  Geweben  constant  nach- 
zuweisen. 

Dagegen  fanden  Alvarez  und  TaveP)  sowie  Matterstock-) 
im  normalen  Smegma  praeputiale,  ferner  zwischen  den  grossen  und 
kleinen  Labien  und  am  Anus  gesunder  Menschen  bestimmte  Bacillen- 
formen  (,,Smegmabacillen"),  die  den  Lustgarten 'sehen  Bacillen 
im  Aussehen  gleichen  und  auch  dieselben  färberischen  Eigenthümlich- 
keiten  darbieten.'^)  Die  Bedeutung  der  Lustgarten'schen  Bacillen, 
deren  Imnstliche  Züchtung  übrigens  nicht  gelungen  ist,  ist  dadurch 
sehr  in  Erage  gestellt  worden. 

Für  die  specüische  Bedeutung  der  Lustgarten'schen  Bacillen 
ist  übrigens  seinerzeit  die  geAvichtige  Autorität  von  C.  Weigert^)  in 
die  Schranken  getreten. 

10.  Der  Rotzbacillus. 

Als  Ursache  der  Kotzkrankheit  (Malleus),  einer  speciell 
bei  Pferden  und  verwandten  Thieren  in  Epizootien  auftretenden  In- 
fectionskrankheit,  die  aber  l3ekanntlich  auch  auf  den  Menschen  ■')  über- 
tragbar ist,  wurde  1882  durch  Loeffler  und  Schütz*^)  ein  speci- 
hscher  Bacillus,  der  „Rotzbacillus",  ermittelt.  Loeffler  hat 
dann  seine  umfangreichen  Studien  über  die  Rotzkrankheit  in  einer 
ausführlichen  Arbeit ' )  niedergelegt. 

Der  Rotzbacillus  ist  ein  sehr  kleines  Stäbchen  ohne  Eigen- 
bewegung. Der  Bacillus  lässt  sich  auf  den  gewöhnlichen  bakterio- 
logischen Nährböden,  bei  Temperaturen  zwischen  25  und  40^  C.  und 
bei  Sauerstoifanwesenheit ,  künstlich  züchten.  Auf  der  Agar- 
oberfläche  erscheinen  die  Culturen  als  feuchtglänzende  weissliche  Be- 
läge; besonders  gut  eignet  sich  als  Nährboden  Glycerin-Agar.^)  Auf 
Blutserum  bildet  der  Rotzbacillus  helldurchscheinende,  zerstreute,  tropfen- 

^)  Arcb.  de  pbysiol.  norm,  et  pathol.     1885.     No.  7. 

2)  Verh.  d.  Würzb.  phys.-med.  Gesellsch.     Juni  1885. 

*)  Doutrelepont  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1885.  p.  321)  hat  eine  be- 
sondere Färbungsmethode  angegeben,  die  zwar  die  bei  Syphilis  vorkommenden  Bacillen, 
aber  nicht  die  Smegmabacillen  gefärbt  zur  Anschauung  bringen  soll. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1885.     p.  885. 

•^)  Auch  beim  Menschen  kann  der  Eotz  gelegentlich  in  grösserer  Verbreitung 
auftreten  (cf.  Dävalos,  Crönica  medico-quin'irgica  de  la  Habana.  1893;  ref.  Cen- 
tralbl.  f.  Bakt.    Bd.  15.    p.  870:  Der  Eotz  in  Habana). 

«)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1882.     No.  52. 

')  Arbeiten  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1886. 

^)  Kranzfeld,  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  2.     1887.    p.  274. 


2S2  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

förmige  Aiiflagerimgen,  die  später  zusammenfliessen.  Das  Blutserum 
wird  nicht  verflüssigt. 

Sehr  characteristisch  ist  das  Wachsthum  der  Eutzbacillen  auf 
Kartoffeln.  Es  bildet  sich  auf  der  Oberfläche  der  bei  Brüttempe- 
ratur gehaltenen  Kartoffel  im  Verlauf  von  etwa  2  Tagen  zunächst  ein 
gelblicher  honigähnlicher  Belag,  der  dann  allmählich  dunkler,  braun- 
roth  bis  dunkelroth  wird;  die  den  Belag  umgebenden  Theile  der 
Kartoffel  Oberfläche  färben  sich  gelbgrünlich. 

Ob  der  Rotzbacillus  Sporen  bildet  oder  nicht,  wurde  von  LoefflerM 
unentschieden  gelassen;  heute  kann  es  wohl  mit  Bestimmtheit  ausgespro- 
chen werden,  dass  Sporenbildung  bei  dem  Eotzbacillus  nicht  existirt.-) 

Werden  die  künstlichen  Culturen  der  Rotzbacillen  auf  Pferde  oder 
auf  andere  empfängliche  Thiere  verimpft,  so  erzeugen  sie  das  typische 
Bild  der  Rotzkrankheit.  Empfänglich  sind  von  Hausthieren  —  ausser 
Pferden  und  Eseln  —  Ziegen  und  Katzen,  weniger  empfänglich 
sind  Schafe  und  Hunde, •^)  Schweine  noch  weniger;  Rinder  erscheinen 
immun.  Aus  der  Gruppe  der  Nagethiere  sind  hervorragend 
empfänglich  die  Feldmaus  und,  wie  Kitt^)  festgestellt  hat,  die  Wald- 
maus und  die  Wühlmaus,  fem  er  das  Ziesel;'^)  etwas  weniger  empfäng- 
lich sind  Meerschweinchen,  viel  weniger  Kaninchen.  Ganz  unempfäng- 
lich sind  Haus-  und  weisse  Mäuse *')  sowie  Ratten.  Der  Igel  ist  sehr 
empfänglich  für  die  Infection. ') 


^)  Loeffler  beobachtete  eingetrocknete  Eotzbacilleu ,  die  drei  Monate  ihre 
Uebertragbarkeit  und  ihre  Virulenz  behielten;  diese  Thatsache  schien  Loeffler  für 
die  Anwesenheit  von  Dauersporen  zu  sprechen.  Baumgarten  und  Kosenthai 
(Centralbl.  f.  Bakt.-  Bd.  3.  1888.  No.  13)  sind  dann  auf  Grund  gelungener  „Sporen- 
färbung" bei  den  Rotzbacillen  (cf.  oben  p.  235  ff.)  für  die  Existenz  der  Sporen- 
bildung eingetreten  Das  einzig  und  allein  mit  Sicherheit  in  dieser  Frage  ent- 
scheidende Kriterium,  nämlich  der  Nachweis  der  Keimfähigkeit  (cf.  oben  p.  TG), 
ist  jedoch  für  die  als  „Sporen"  gedeuteten  Gebilde  noch  nicht  geliefert  worden. 

-)  Flügge  (Grundriss  d.  Hyg.  1889.  p.  54)  spricht  sich  mit  Sicherheit 
gegen  die  Bildung  „echter  Sporen"  aus.  Auch  Boer,  welcher  im  Koch 'sehen 
Institute  arbeitete,  hat  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  9.  1890.  p.  481)  angegeben,  dass  er 
in  zahlreichen  Versuchen  die  Sporenbildung  bei  den  Rotzbacillen   stets  vermisst  hat. 

'^)  Junge  Huude  sind  sehr  empfänglich  (Flügge,  Grundriss  d.  Hygiene. 
1889.     p.  54). 

^)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  2.     1887.     No.  9. 

■')  Kranzfeld,  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  2.     1887.    No.  10. 

")  Leo  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  7.  1889)  fand,  dass  die  weissen  Mäuse  ihre 
natürhche  Immunität  gegen  Rotz  verlieren,  wenn  sie  mit  Phloridzin  gefüttert 
werden.  Die  Thiere  scheiden  nach  der  Phloridzindarreichung  (wie  der  Mensch  und 
der  Hund)  Zucker  aus,  und  diese  künstlich  diabetisch  gemachten  Thiere  sind  für 
die  Rotzinfection  empfänglich. 

"')  Kitt  (cf.  Fortschr.  d.  Med.     1^^9.     p.  392). 


Der  Rotzbacillus.  283 

Bei  fortgesetzter  Züchtung  auf  künstlichen  Nährböden  verliert 
der  Eotzbacillus  seine  Virulenz  bald;  künstliche  Culturen  können 
deshalb  nur  dann  dauernd  mulent  erhalten  werden,  wenn  sie  von 
Zeit  zu  Zeit  durch  einen  empfänglichen  Thierkörper  geschickt  werden 
(cf.  oben  p.  204,  Anm.). 

Die  Infection  geschieht  unter  natürhchen  Umständen  wohl  aus- 
schliesslich von  kleinen  Verletzungen  der  Haut,  vielleicht  auch 
der  angrenzenden  Schleimhäute,  aus.  Es  bilden  sich  zunächst  locale 
Schwellungen,  die  gern  abscediren,  und  denen  sich  Schwellungen  der 
Lymphgefässe  und  Lymphdrüsen  mit  eventueller  Abscedirung  an- 
schliessen;  dann  kommt  es  zu  allgemeiner  Verbreitung  der  Krankheit 
in  den  Körper,  zur  Bildung  von  metastatischen,  an  die  Tuberkel  er- 
innernden sulraiiliaren  Knötchen  in  den  Organen.  Die  rotzig  veränderten 
Gewebstheile  haben  grosse  Neigung  zur  Nekrose,  zum  Zerfall. 

Bei  Pferden  ist  die  Prädilectionsstelle  für  die  Eotzgeschwüre 
die  Nasenschleimhaut.  Ob  hier  in  jedem  Falle  auch  die  primäre  Infection 
stattfindet,  oder  ob  die  Affection  der  Nasenschleimhaut  häufig  eine 
metastatische  ist,  ist  noch  unentschieden. 

Meerschweinchen  gehen  nach  der  künstlichen  subcutane)i  In- 
fection im  Verlaufe  mehrerer  Wochen,  Feldmäuse  schon  nach  3  bis 
4  Tagen  zu  Grunde.  Bei  männlichen  Meerschweinchen  entstehen  wäh- 
rend des  Krankheitsverlaufs  (besonders  rapide  bei  intraperitoneaier  In- 
fection) ganz  characteristische,  durch  den  Eotzbacillus  veranlasste  Hoden- 
anschwellungen,  die  weiterhin  zu  einer  Vereiterung  der  Hoden  führen. 

Aus  Eotzbacillenculturen  haben  zuerst  Kalning  in  Dorpat  und 
unabhängig  von  ihm  Preusse  in  Danzig  eine  Kotzlymphe  („Mallein") 
hergestellt,  welche  —  analog  dem  Tuberculin  bei  Tuberculose  (cf.  oben 
p.  267,  Anm.  3j  —  als  diagnostisches  Hülfsmittel  bei  rotzverdächtigen 
Thieren  benutzt  werden  kann.  Eotzkranke  Pferde  antworten  auf  die 
Injection  mit  Temperatursteigerung.  ^ ) 

Die  Eotzbacillen  finden  sich  in  den  specifischen  Gewebsneu- 
bildungen,  namentlich  in  den  Centren  der  Knötchen;  sie  sind  in 
Gewebsschnitten  nicht  leicht  darstellbar.  Am  besten  gelingt  die  Dar- 
stellung noch  an  ganz  frischem  Material,  während  man  bei  älterem 
Material  oft  vergeblich  versucht  die  Bacillen  durch  die  Färbung  sicht- 
bar  zu   machen.     Besonders   empfohlen   hat   Loeffler   zur   Färbung 

^)  Vergl.  das  zusammenfassende  Eeferat  über  diesen  Gegenstand  von  Eber 
(Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  11.  1892.  No.  1).  —  Die  Ansichten  über  den  diagno- 
stischen Werth  des  Malleins  sind  getheilt.  So  hält  z.  B.  Schütz  (Arch.  f.  wiss.  u. 
prakt.  Thierheilk.  Bd.  20.  1894.  p.  469)  das  Mallein  als  diagnostisches  Mittel  für 
unzuverlässig. 


284  B-  Die  Bakterien  als  Kranklieitserreger. 

seine  alkalisclie  Metlwlenblaulösimg  (cf.  oben  p.  90).  Im  Uebrigen 
muss  man  die  Schnitte  nach  der  oben  (p.  93)  angeführten  Weigerf- 
schen  Methode  behandeln  und  eine  Kernfärbiing  in  den  Kauf  nehmen. 
Eine  Methode  der  isolirten  Färbung  der  Eotzbacillen  im  Gewebe  ist 
bisher  nicht  aufgefunden.  Nach  der  G r a m ' sehen  Methode  (p.  108  ff.) 
färben  sich  die  Bacillen  nicht. 

Taf.  IX,  Fig.  50,  zeigt  einen  Schnitt  durch  die  Lunge  der  inficirten 
Feldmaus.  Man  sieht  hier  am  Schnittrande,  genau  in  der  Mitte  des 
Bildes,  eine  Zelle,  welche  eine  Anzahl  Eotzbacillen  enthält. 


11.  Der  Typhusbacillus. 

Die  bei  dem  menschlichen  Abdominaltyphus  constant  vor- 
kommenden Bacillen,  die  „Typhusbacillen",  wurden  (in  den  in- 
neren Organen  von  Tj^husleichen)  zuerst  von  E  b  e  r  t  h  ')  gesehen. 
Die  fast  zur  selben  Zeit  von  Klebs  bei  Abdomina  1  typ  hu  s  in 
den  nekrotischen  Darmpartien  aufgefimdenen  Bacillen'-)  hält  Koch'') 
nach  der  Klebs 'sehen  Beschreibung  ihres  Aussehens  nicht  für  Typhus- 
bacillen,  sondern  für  andersartige  Bacillen,  die  nur  eine  secundäre  Be- 
deutung hatten.  Koch*)  hat  die  T^^phusbacillen  etwa  zu  derselben 
Zeit  wie  Eberth  gesehen  und  zuerst  photographisch  dargestellt. 
Gaffky'')  hat  dann  den  Typhusbacillus  auf  künstlichen  Nährböden 
cultivirt  und  seine  Eigenschaften  einem  eingehenden  Studium  unter- 
worfen. 

Der  Typhusbacillus  ist  ein  kurzes,  plumpes  Stäbchen  mit 
abgerundeten  Enden,  welches  im  Gewebe  gewöhnlich  einzeln  liegt,  in 
künstlichen  Culturen  aber  häufig  zu  langen  Fadenverbänden  auswächst. 
Auf  Taf.  Vm,  Fig.  45,  ist  ein  Klatschpräparat  von  einer  Gelatine- 
plattencultur  bei  lOOOfacher  Vergrösserung  dargestellt;  hier  sieht  man 
sowohl  einzeln  liegende  wie  auch  in  längeren  Verbänden  angeordnete 
Bacillen.  Der  T3q3husbacillus  hat  lebhafte  Eigenbewegung, 
w^elche  durch  Geisseifäden  bewirkt  wird.  Die  letzteren  sind  dem 
einzelnen  Bacillus,  und  zwar  nicht  nur  den  Enden,  sondern  auch  den 
Seitenwandungen  desselben,  in  grosser  Zahl  angeheftet.  Jeder  einzelne 
Bacillus  trägt  etwa  8  — 12  Geissein.     Die   mikroskopische  Darstellung 


')  Virch.  Arcb.     Bd.  Sl.     ISSO  und  Bd.  SS.     1S81. 

■-)  Archiv   f.    exp.    Path.   n.   Pbarmak.    Bd.  12.    1880.    p.  233.  —  Abbildung 
der  Bacillen  im  Darmscbnitt  ebenda    Bd.  13.     1881.    p.  399. 
*)  Mittb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Anite.     Bd.  1.     1881.     p.  45. 
-')  Ebenda,  Taf.  IX  und  X. 
")  Mittb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amto.     Bd.  2.     1884. 


Der  Tjphusbacillus.  285 

dieser  Gebilde  (nach  der  Loeffler 'sehen  Methode)  ist  oben  (p.  80  ff.) 
besprochen.  ^)  Auf  Taf.  VIII,  Fig.  46,  ist  ein  nach  der  genannten  Methode 
dargestelltes  Präparat  bei  lOOOfacher  Vergrösserung  wiedergegeben. 
Man  findet  hier  mehrere  einzeln  hegende  Bacillen  mit  ihren  Geissein. 

Der  Ty])hnsbacillus  gedeiht  bei  Sauerstoffanwesenheit  sowohl  wie 
bei  Sanerstoffabschluss.  Er  wächst  auf  den  gewöhnlichen  bakterio- 
logischen Nährböden  (selbst  bei  leicht  saurer  Reaction  derselben  [cf. 
oben  p.  22]):  am  besten  gedeiht  er  ])ei  Brüttemperatur;  er  kommt 
aber  auch  bei  Zimmertemperatur  fort. 

Die  Gelatine  wird  nicht  verflüssigt.  Auf  der  Gelatine- 
platte haben  die  Colonien  ein  ganz  verschiedenes  Aussehen,  je  nach- 
dem sie  sich  in  der  Tiefe  oder  an  der  Oberfläche  des  Nährbodens 
entwickeln.  Die  tiefliegenden  Colonien  stellen  sich  als  kleine,  über 
Stecknadelkopfgrösse  kaum  hinausgehende,  weissgraue,  kugelförmige 
Gebilde  dar;  entwickelt  sich  die  Colonie  jedoch  an  der  Oberfläche  der 
Nährgelatine,  so  bleibt  sie  nicht  von  der  beschriebenen  geringen  Grösse, 
sondern  breitet  sich  nach  allen  Seiten  aus,  indem  sie  einen  dünnen, 
häutchenförmigen,  buchtig  begrenzten,  blattartig  gezeichneten  Ueberzug 
auf  der  Gelatineoberfläche  bildet.  Wird  die  Colonie  in  ihrer  seitlichen 
Ausbreitung  nicht  durch  benachbarte  Colonien  gehemmt,  d.  h.  kann 
sie  sich  ungestört  entwickeln,  so  erreicht  der  Oberflächenbelag  in 
5  Tagen  bei  Zimmertemperatur  einen  Durchmesser  von  c.  5  mm. 
Fig.  49  auf  Taf  IX  zeigt  eine  oberflächliche  und  mehrere  tiefliegende 
Colonien  des  Tjphusbacillus  nach  2tägigeni  Wachsthum,  bei  lOOfacher 
Vergrösserung.  Die  tiefUegenden  Colonien  sind  auf  dem  Bilde  nicht 
scharf  eingestellt;  an  der  (schaif  eingestellten)  oberflächlichen  Colonie 
sieht  man  die  oben  erwähnte  buchtige  Begrenzung  sowie  die  blatt- 
artige Zeichnung.  Ausserdem  erbhckt  man  an  dieser  Colonie,  und 
zwar  in  dem  rechten  oberen  Theile  derselben,  ein  kleines  rundes, 
dunkler  erscheinendes  (d.  h.  in  Wirklichkeit  weniger  durchsichtiges) 
Gebilde,  eine  Art  Nabel;  es  ist  dies  diejenige  Stelle,  an  welcher  die 
Colonie  zuerst  (im  Innern  der  Gelatine)  entstand,  um  sich  dann  später, 
nachdem  sie  die  Oberfläche  der  Gelatine  erreicht  hatte,  auf  derselben 
flächenhaft  auszubreiten.  Ein  derartiger  „Nabel"  lässt  sich  an  jeder 
oberflächlichen  Plattencolonie  des  T3^phusbacillus  feststellen.  Impft 
man  den  Typhusbacillus  strich  förmig  auf  die  Gelatineoberfläche,  so 
bildet  sich  sofort  ein  häutiger  Oberflächenbelag,  welcher  von  dem 
Impfstriche  ausgehend  den  Nährboden  überzieht.  In  der  Gelatine- 
Stichcultur    wächst    der   Typhusbacillus    längs    des   ganzen   Impf- 


^)  Vergl.  uaraentlich  Anm.  3  auf  p.  Sl. 


286  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Stiches   als   grauweisser  Taden :    au    der   01)erfläche    bildet    sich   auch 
hier  der  häutchenförmige  Ueberzug. 

Auf  der  Oberfläche  von  Nähr-Agar  wächst  der  Typhusbacillus 
bei  Brüttemperatur  in  Gestalt  eines  grauweissen,  feuchten  Belages. 
Säet  man  den  T3q)husbacillus  in  Nährbouillon  ein,  die  bei  Brüt^ 
temperatur  gehalten  wird,  so  tritt  zunächst  (innerhalb  von  24  Stunden) 
eine  allgemeine  Trübung  der  Culturflüssigkeit  ein ;  weiterhin  beginnen 
dann  die  oberen  Partien  der  Bouillon  sich  zu  klären,  indem  die  Bak- 
terienmasse mehr  und  mehr  sedimentirt.  , 

Wie  G-affk}'  ermittelte,  bildet  der  Typhusbacillus  auf  der  Kar- 
toffel fläche  ( bei  Brüttemperatur)  makroskopisch  unsichtbare 
dünne  Ueberzüge.  Die  inficirten  Kartoflfelflächen  lassen  „im  Laufe  der 
folgenden  Tage  für  das  blosse  Auge  nur  sehr  geringe  Veränderungen 
erkennen.  Die  besäeten  Flächen  scheinen  wohl  ein  etwas  gleich- 
massigeres  und  feuchteres  Aussehen  anzunehmen ;  doch  sieht  man 
makroskopisch  von  emem  Wachsthum  nichts.  Versucht  man 
aber  —  etwa  nach  48  Stunden  —  mit  der  Platinnadel  von  der  Ober- 
fläche eine  geringe  Menge  zur  mikroskopischen  Untersuchung  zu  ent^ 
nehmen,  so  erhält  man  den  Eindruck,  als  ob  die  ganze  Fläche  in  eine 
zusammenhängende  resistentere  Haut  verwandelt  wäre,  ohne  dass  sich 
von  Eintrocknung  auch  nur  eine  Spur  wahrnehmen  liesse.  Von  welcher 
Stelle  der  Oberfläche  man  aber  auch  ein  minimales  Kartoffelstückchen 
entnehmen  mag,  überall,  auch  an  den  nicht  besäeten  Partien,  findet 
man  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  in  ganz  überraschenden 
Mengen  die  verimpften  Bacillen,  meist  von  der  gewöhnlichen  Länge, 
zum  Theil  aber  auch  in  Form  längerer  Scheinfäden.  Die  ganze  Ober- 
fläche schemt  fast  nur  aus  den  Bacillen  zu  bestehen."^)  Allerdings 
kommen  von  dem  genannten  „typischen"  Aussehen  der  Kartoffelcultur 
auch  Abweichungen  vor.  E.  F  r  a  e  u  k  e  1  und  S  i  m  m  o  n  d  s  -)  hal)en 
zuerst  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Typhusbacillen  auf 
manchen  Kartoffel  Sorten  graue,  in  ihren  Grenzen 
deutlich  erkennbare,  schmierige  Beläge  bilden.  Zum 
Zustandekommen  der  „typischen",  von  Gaffky  beschriebenen  Er- 
schemungsweise  der  Kartoffelcultur  scheint  die  normale,  leicht  saure 
Reaction  der  Kartoffel  unerlässlich  zu  sein.'^) 


')  Wörtlich  aus  der  Arbeit  Gaffky's,  1.  c.  p.  388,  389. 

'^  Zeitschr.  f.  Hygiene.     Bd.  2.     1887. 

■')  Dass  nicht  bloss  der  Typhusbacillus,  sondern  auch  andere,  in  gewisser  AVeise 
typhusbacillusähnliche ,  Bakterienarten  bezüglich  des  Wachsthums  auf  der  Kartoffel 
von  der  chemischen  Eeaction  dieses  Nährbodens  abhängig  sind,  hat  Fr  emiin 
(Arch.  f.  Hyg.    Bd.  19.     1893.    p.  30fi)  festgestellt. 


Der  Typhusbacillus.  287 

Die  Kart  off  elcultnr  wurde  seinerzeit  A^on  Graffky  benutzt, 
um  den  Typhusbacillus  von  solchen  Bakterienarten  zu 
unterscheiden,  welche  durch  andere  Culturmerkmale  nicht  mit 
Sicherheit  von  ihm  zu  unterscheiden  waren;  aus  den  vorstehend  über 
die  Kartoflfelcultur  gegebenen  Erörterungen  geht  jedoch  hervor,  dass 
die  Kartoffelcultur  ein  absolut  sicheres,  zuverlässiges 
Unterscheidungsmerkmal  nicht  darstellt.  Liegt  die  Aufgabe 
vor,  irgend  eine  Wasser-  oder  Bodenprobe,  eine  bestimmte  Milch  etc. 
auf  den  Typhusbacillus  zu  untersuchen,  d.  h.  festzustellen,  ob  sich 
dieser  Mikroorganismus  in  dem  Materiale  vorfindet  oder  nicht,  so  kann 
das  nur  so  ausgeführt  werden,  dass  man  zunächst  Gelatineplatten  von 
der  zu  untersuchenden  Probe  herstellt,  und  dass  man  dann  unter  den 
entstehenden  Colonien  auf  typhusähnlich  wachsende  fahndet.  Es  giebt 
nun  im  Wasser,  im  Boden,  in  Faeces,  in  der  Mich  etc.  zahlreiche 
Arten  von  Bakterien,  welche  auf  der  Gelatineplatte  in  ähnlicher  Weise 
gedeihen  wie  der  Typhusbacillus,  die  also  durch  das  Aussehen  der 
Plattencolonie  nicht  ohne  Weiteres  von  dem  Typhusbacillus  unter- 
schieden werden  können.  Haben  Avir  in  einem  solchen  Falle  „t3'phus- 
verdächtige"  Colonien  gefunden,  so  kommt  es  also  darauf  an,  dieselben 
weiter  zu  prüfen.  Sehr  einfach  würde  die  Sache  liegen,  wenn  wir 
eine  bestimmte  Versuchsthierspecies  zur  Verfügung  hätten,  welche  in 
specifischer  Weise  auf  die  Einverleibung  des  Typhusbacillus  reagirte; 
alsdann  würde  es  nur  nothwendig  sein,  das  zu  bestimmende  Bakterien- 
material dem  Thiere  einzuverleiben  und  den  Erfolg  abzuwarten.  Eine 
derartige  Thierspecies  haben  wir  aber  leider  nicht.  Wir  sind  also  auf 
die  Prüfung  des  fraglichen  Materials  durch  M  i  k  r  o  s  k  o  p  und  künst- 
liche Cultur  angewiesen  (cf  oben  p.  192,  Anm.  1). 

Diejenigen  Bakterienarten,  die  auf  der  Gelatineplatte  dem 
Typhusbacillus  ähnlich  wachsen,  werden  von  vielen  Autoren 
als  „typhusähnliche  Bakterienarten"  bezeichnet :  zu  be- 
merken ist  hierzu,  dass  diese  Bezeichnimg  durchaus  gar  keine  andere 
Aehnlichkeit  im  Sinne  hat  als  die  auf  der  Gelatineplatte  documentirte, 
d.  h.  dass  sie  nur  ein  einziges,  in  der  gesammten  Biologie  des  Typhus- 
bacillus recht  untergeordnetes  Kriterium  berücksichtigt.  Zu  den 
,.typhusähnlichen"  Bakterienarten  gehört  auch  das  (in  unserem  Darme 
constant  vorhandene)  Bacterium  coli  commune,  und  auf  die 
Unterscheidung  gerade  dieser  Art  von  dem  Typhusbacillus  beziehen 
sich  ausserordentlich  viele  Arbeiten,  welche  seit  der  Gaffky 'sehen 
Publication  über  den  Typhusbacillus  entstanden  sind. 

Von   Chante messe    und   W i d a  1  ^)    wurde    (1887)   angegeben, 

^)  Arcb.  de  physiol.  norm,  et  path.     18S7.     No.  3. 


288  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

dass  der  Tj-phusbacillus  eine  grössere  Resistenz  gegen  geringe  Mengen 
A'on  Carbolsäure  (die  dem  Nährboden  zugesetzt  wird)  besitze  als 
andere  Bakterienarten;  und  es  wurde  diese  Eigenschaft  des  Typhus- 
bacillus  zur  Differentialdiagnose  und  zur  Trennung  von  anderen  Arten 
empfohlen.  Spätere  Untersuchungen  haben  jedoch  ergeben,  dass  eine 
zur  differentiell- diagnostischen  Yerwerthung  ausreichende  Resistenz  des 
T3ijhusbacillus  gegen  Carbolsäure  nicht  besteht.^) 

Diagnostisch  verwerthbar  dagegen  ist  nach  den  Ermittelungen  von 
Kitasato  neben  der  Kartoffelcultur  das  Verhalten  der  Bouillon- 
cultur-)  beim  Zusatz  von  Kaliumnitrit  und  Schwefelsäure^)  (d.h.  beim 
Zusatz  von  salpetriger  Säure).  Während  nämlich  bei  manchen  dem 
Typhusbacillus  ähnlichen  Bakterienarten  (z.  B.  bei  dem  Bacterium  coli) 
nach  diesem  Zusätze  eine  Rothfärbung  eintritt  (Indolreaction), 
bleibt  diese  Rothfärbung  in  den  Typhusbacillusculturen  aus.  Die 
Typhusbacillen  produciren,  zum  Unterschied  von  vielen 
sonst    ähnlichen   Arten,    kein    Indol.^) 

Femer  ist  von  grosser  diagnostischer  Bedeutung  die  Gährungs- 
probe.  Th.  Smith'')  hat  (1890)  angegeben  —  und  diese  Angabe 
hat  sich  durchaus  bestätigt  —  dass  der  T}i)husbacillus  bei  seinem 
Wachsthum  in  2proc.  Traubenzucker -Bouillon  (cf.  oben  p.  129)  keine 
Gasbildung  hervorruft,  während  ähnliche  Bakterienarten,  speciell  auch 
das  Bacterium  coli  commune,  Gasbildung  bewirken.  Eine  Säue  r  u  n  g 
der  Traubenzucker -Bouillon  wird,  wie  Th.  Smith  später*^)  mitgetheilt 
hat,  sowohl  durch  den  Typhusbacillus  wie  auch  durch  das  Bacterium 
coli  commune  hervorgerufen.'^)  Die  Gährungsprobe  wird  am  besten  in 
den  oben  (p.  130  und  p.  153,  Anm.  1 1  bereits  erwähnten  Gährungs- 
k  ü  1  b  c  h  e  n  angestellt. 


^)  So  fand  z.  B.  Dun  bar  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  12.  1S92.  p.  506),  dass 
dem  Bacterium  coli  commune  eine  grössere  Eesistenz  gegen  Carbolsäure  zukommt 
als  dem  Typhusbacillus. 

-)  Zur  Anstellung  dieser  Probe  darf  (nach  meinen  Erfahrungen)  nur  zucker- 
freie Bouillon  genommen  werden. 

*)  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  7.  1889.  —  Zu  10  ccm  der  Cultur  wird  1  ccm 
einer  VaoProc  wässerigen  Lösung  von  reinem  Kaliumnitrit  zugegeben;  dann  werden 
einige  Tropfen  concentrirte  Schwefelsäure  zugefügt  (1.  c.  p.  518). 

^)  Ueber  Indolbildung  durch  Bakterien  vergl.  auch  oben  p.  44. 

•')  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  7.     1890.     No.  16.     p.  504. 

*■)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.   11.     1892.     p.  367. 

')  Eohrzucker  i\ird  nach  Th.  Smith  durch  keine  der  beiden  Alien  vergohren. 
In  Milchzuckerbouillon  macht  nur  das  Bacterium  coli  kräftige  Säuerung,  nicht  der 
Typhusbacillus. 


Der  Typhusbacillus.  289 

^N^ach  den  eigenen  Erfahrungen  des  Verf.  ^)  ist  die  Cultivirung 
in  Gährungskölbchen  mit  2proc.  Traiibenzuckerbouillon, 
die  bei  37  "^  C.  gehalten  werden,  die  beste  Methode,  die  es 
giebt,  um  in  irgend  einem  Falle  der  Praxis  zu  entscheiden,  ob  eine 
bestimmte,  typhusverdächtige  Bakterienart  von  dem  Tj'phusbacillus  ver- 
schieden ist,  oder  ob  es  event.  in  Frage  konmien  könnte,  dass  sie  mit 
dem  Tjphusbacillus  identisch  wäre.  Was  zunächst  die  in  dem  Wasser 
vorkommenden  Bakterienarten  angeht,  welche  auf  der  Gelatineplatte 
ein  Wachsthum  zeigen,  das  mit  dem  des  Typhusbacillus  Aehnlichkeit 
hat,  so  sieht  man  ganz  gewöhnlich,  dass  diese  Bakterienarten  nach 
der  Einsaat  in  Traubenzuckerbouillon,  die  bei  37*^  C.  gehalten  wird, 
überhaupt  gar  nicht  zm-  Entwickelung  kommen:  stellt  man  jedoch  die 
geimpften  Kölbchen  bei  Zimmertemperatur  auf,  so  erfolgt  ohne  Wei- 
teres ergiebiges  Wachsthimi.  Selbstverständlich  ist  eine  Bakterienart, 
die  zwar  bei  Zimmer-,  aber  nicht  bei  Brüttemperatur  wächst,  hier- 
durch sofort  als  verschieden  von  dem  T3'phusbacillus  erwiesen.  Femer 
constatirt  man  bei  den  genannten  „tjqjhusähnlichen"  Wasserbakterien, 
dass  sie  in  den  Gährungskölbchen,  die  man  vor  der  Impfung  sorg- 
fältig luftfi-ei  gemacht  hat  (cf.  oben  p.  165,  Anm.  5),  ausschliesslich 
in  der  Kugel,  d.  h.  in  Contact  mit  dem  atmosphärischen  Sauerstoff, 
zu  wachsen  vermögen :  die  Bouillon  in  dem  aufsteigenden  Schenkel 
des  Kölbchens  bleibt  absolut  klar.  Auch  dieser  Punkt  unterscheidet 
diese  „tjphusähnlichen"  Bakterien  ohne  Weiteres  mit  Sicherheit  von 
dem  Typhusbacillus:  der  letztere  trübt  unter  allen  Umständen  die 
Flüssigkeit  in  dem  ganzen  Gährungskölbchen  zunächst  gieichmässig, 
und  erst  nach  weiterem  Stehen  der  Cultur  findet  eine  Sedimentirung 
der  suspendii'ten  Bakterienzellen  statt,  womit  dann  eine  allmähliche 
lüärung  der  Culturflüssigkeit  in  dem  aufsteigenden  Schenkel  des  Kölb- 
chens verbunden  ist.  AehnKche  Balvterien,  wie  wir  sie  eben  als  in 
dem  Wasser  vorkommend  kennen  gelernt  haben,  kommen  z.  B.  auch  in 
der  Milch  gelegentlich  vor.  Ebenso  ist  es  auch  mit  Faeces;  auch 
hier  findet  man  gelegentlich  auf  den  zunächst  angelegten  Gelatine- 
platten (neben  Colonien,  die  weiterhin  mit  Sicherheit  als  Bacterium  coli 
zu  bestimmen  sind)  solche  Colonien,  welche  zunächst  typhus-  resp.  Bac- 
terium coli -verdächtig  erscheinen,  die  dann  aber  mit  Hülfe  der  Gährungs- 
kölbchen-Cultur  ohne  Weiteres  als  fi'emdartige ,  weder  dem  Tj^hus- 
bacillus  noch  dem  Bacterium  coli  angehörige,  Dinge    erkannt  werden. 


^)  Vergl.  hierüber  meine  Notizen  über  Untersuchung  des  Spreewassers  auf 
Typhusbacillen  (Arch.  f.  Hyg.  Bd.  21.  1894.  p.  99),  sowie  die  auf  meine  An- 
regung entstandene  Arbeit  von  de!  Rio  (Arch,  f.  Hyg.    Bd.  22.    1895). 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  19 


290  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Der  Typliusbacillus,  in  (luftfrei  gemachte)  Gähriingskölb- 
chen  übertragen,  die  mit  2prüc.  Traubenzuckerboiiillon 
gefüllt  sind,  und  die  dann  bei  37*^  C.  gehalten  werden, 
trübt  binnen  24  Stunden  die  gesammte  Culturf lüssig- 
k  e  i  t ;  die  letztere  wird  dabei  stark  sauer;  Gasbildung 
findet  dabei  nicht  statt.  (Das  Bacterium  coli  wächst  unter  den 
genannten  Umstcänden  genau  so  wie  der  Tj-phusbacillus,  mit  dem  ein- 
zigen Unterschiede,  dass  sich  in  dem  geschlossenen  Schenkel  des 
Kölbchens  Gas  ansammelt.)  Eine  Bakterienart,  welche  auf  der  Gela- 
tineplatte  in  ihren  oberflächlichen  Colonien  häutchenförmig 
( „typhusähnlich" )  wächst,  sich  bei  der  Untersuchung  im  h  ä  n  g  e  n  d  e  n 
Tropfen  als  eigenbewe  glich  es  Stäbchen  erweist  und  bei 
der  Cultur  in  Gährungskölbchen  mit  luftfreier  2proc. 
T  r  a  u  1)  e  n  z  u  c  k  e  r  b  0  u  i  1 1 0  n  1)  e  i  37^  C.  innerhalb  von  2 4  Stunden 
die  gesammte  Cultur flüssigk ei t  unter  Säuerung  und 
ohne  Gasbildung  trübt,  ist  bis  jetzt  nur  in  dem  Typhus- 
bacillus  gefunden  worden.  Damit  soll  selbstverständlich  nicht  ge- 
sagt sein,  dass  nicht  vielleicht  in  der  Zukunft  gelegentlich  irgendwo 
eine  neue  Bakterienart  gefunden  werden  wird,  die  dieselben  Charactere 
zeigt ;  in  solchem  Falle  wird  man  dann  nach  anderweitigen  Differenzen 
suchen  müssen;  es  soll  damit  vielmehr  nur  gesagt  sein,  dass  die 
Entscheidung,  ob  eine  bestimmte,  auf  der  Gelatineplatte  gefundene 
Colonie  dem  Typhusbacillus  zugehören  kann,  in  der  Praxis 
gewöhnlich  viel  leichter  zu  erledigen  ist,  als  es  in  den  meisten  diesen 
Gegenstand  behandelnden  Arbeiten  dargestellt  wird. 

Bezüglich  der  Culturdifferenzen ,  welche  speciell  zwischen  dem 
Typhusbacillus  und  dem  Bacterium  coli  commune  bestehen,  seien  hier 
noch  einige  Punkte  erwähnt,  zunächst  das  Verhalten  der  beiden  Or- 
ganismen bei  der  Cultivirung  in  steriler  Milch:  Der  Typhusbacillus 
bewirkt  eine  geringe  Säuerung,  aber,  selbst  bei  Monate  langem  Stehen 
bei  Brüttemperatur,  keine  Gerinnung  der  Milch,  während  das  Bac- 
terium coli  bei  37  ^  C.  bereits  in  24  bis  48  Stunden  starke  Säuerung 
und  Gerinnung  der  Milch  hervorruft,  i)  (Damit  in  Uebereinstimmung 
steht  auch  die  [bereits  1889]  von  Petruschky-)  festgestellte  That- 
sache,  dass  der  Typhusbacillus  auf  neutraler  Molke  [Milchserum]  sehr 
geringe  Mengen  Säure  bildet  [in  Volumprocenten  der  zur  Xeutralisirung 
verbrauchten   ^/^^  Nonnalnatronlauge  ausgedrückt  2 — S^/J,   während 


^)  cf.  Cbantemesse  und  Widal  (Soc.  de  Biol.   Paris.  7  nov.  1891),  ferner 
Dunbar  (Zeitsclir.  f.  Hyg.    Bd.  12.     1892.    p.  491). 
-)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  ß.     1889.    p.  062. 


Der  Typhusbacillus.  291 

das  Bacterium  coli  auf  demselben  Nährboden  erheblich  grössere  Mengen 
[7 — S^Iq]  Säure  bildet.)  Ein  fernerer,  sehr  wesentlicher  Culturunter- 
schied  zwischen  dem  Tj^^husbacillus  und  dem  Bacterium  coli  commune 
ist  der,  dass  bei  Cultiviruug  der  beiden  Organismen  bei  Zimmer- 
temperatur auf  irgend  welchem  Nährboden  das  Bacterium  coli 
commune  stets  ganz  erheblich  viel  schneller  wächst  als  der  Typhus- 
bacillus; (bei  Brüttemperatur  sind  die  Wachsthumsschnelligkeiten  der 
beiden  Arten  einander  gleich). 

Was  die  Diagnosticirung  resp.  Identificirung  des  Typhusbacillus 
im  üebrigen  angeht,  so  sei  auf  die  oben  (p.  192,  Anm.  1)  gegebenen 
allgemeinen  Erörterungen  über  die  Identificirung  von  Bakterienarten, 
die  specifisch  für  den  Menschen  pathogen  sind,  hingewiesen:  Stanunt 
das  zu  bestimmende  Material  unmittelbar  von  einem  verdächtigen 
Krankheitsfalle,  oder  ist  es  der  frischen  Leiche  entnommen,  so  macht 
die  Diagnose  in  der  Regel  keine  Schwierigkeiten;  das  Kriterium  des 
unmittelbaren  Zusammenhanges  mit  dem  Krankheits- 
falle beschränkt  das  Gebiet,  in  das  hinein  die  aufgefundenen  Bakterien 
gehören  können,  sofort  in  ganz  bestimmter  Weise.  Stammt  das  Material 
dagegen  aus  irgend  einer  anderen  Quelle,  aus  Wasser,  aus  dem  Boden, 
aus  älteren  Fäces  etc.,  so  sind  ^rir  —  bei  dem  Mangel  eines  empfäng- 
lichen Versuchsthieres  —  lediglich  darauf  angewiesen,  die  Culturmerk- 
male  der  aufgefundenen  Bakterien  auf  das  Sorgfältigste  nach  allen 
Eichtungen  hin  zu  untersuchen  (cf.  die  oben  p.  287  ff.  über  diesen 
Punkt  gegebenen  Vorschriften).  Stimmen  die  Culturmerkmale  in  allen 
Beziehungen  mit  denen  einer  authentischen  Typhusbacillencultur  über- 
ein, so  sind  wir  vollberechtigt,  auszusprechen,  dass  die  zu  bestimmen- 
den Bakterien  mit  dem  Typhusbacillus  höchstwahrscheinlich 
identisch  seien.  Eine  absolute  Sicherheit  in  der  Diagnose  (wie 
sie  z.  B.  bei  der  Identificirung  des  Milzbrandbacillus,  des  Rotzbacillus, 
des  Schweinerothlaufbacillus  etc.  durch  die  Thierimpfung  ohne  Weiteres 
erreicht  wrrd)  ist  hier  nicht  möglich. 

An  dieser  Stelle  ist  zu  erwähnen,  dass  jüngst  R.  Pfeiffer^) 
zum  Zwecke  der  sicheren  Identificirung  des  Typhusbacillus  das  Princip 
seiner  speci fischen  Im munitätsreaction^)  empfohlen  hat. 

Gaffky  war  durch  seine  Untersuchungen  zu  dem  Schlüsse  ge- 
führt worden,  dass  die  TAq)husbacillen  (endständige)  Sporen  bilden, 
die  sich  bei  Brüttemperatur  in  den  Culturen  innerhalb  3  bis  4  Tagen 


1)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1S94.     p.  898. 

-)  Vergl.  über  dieses  Princip  die  weiter  unten  bei  der  Besprechung  des  Cholera- 
vibrio (p.  331  ff.)  gegebenen  Erörterungen. 

19* 


292  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

entwickeln.  Es  fehlen  diesen  „Sporen"  jedoch  wesentliche  Charactere, 
welche  man  an  endogenen  Sporen  nicht  zu  vermissen  gewohnt  ist,  vor 
Allem  die  Eesistenz  gegen  die  Einwirkung  höherer  Temperaturen. 
Besonders  durch  Büchner^)  ist  später  auf  Grund  experimenteller 
Untersuchungen  die  Sporenbildung  bei  den  Typhusbacillen  lebhaft  be- 
stritten worden.  Es  unterliegt  jetzt  keinem  Zweifel  mehr,  dass  Sporen- 
bildung bei  dem  T373husbacillus  nicht  existirt. 

Aus  Culturen  der  Typhusbacillen  auf  Rindfieischbrei  hat  Brieger-) 
ein  giftiges  Alkaloid,  ein  „Toxin",  isolirt,  welches  die  Zusammen- 
setzung C^  H^^  NO2  hat.  In  Organen  der  menschlichen  Typhusleiche 
haben  Brieger  und  Wassermann'^)  giftige  Eiweisskörper  nach- 
gewiesen. 

Der  T3^)husbacillus  ist  auf  Thiere  nicht  übertragbar. 
Von  mehreren  Seiten^)  wurden  in  den  Jahren  1885  und  1886  an- 
gebhch  gelungene  Thierversuche  publicirt;  es  hat  sich  aber  feststellen 
lassen,  dass  es  sich  in  den  Fällen  mit  anscheinend  positivem  Ergeb- 
nisse um  Intoxicationen  mit  den  giftigen  Stoffwechselproducten 
der  Tirphusbacillenculturen  gehandelt  hat,  und  dass  die  Typhusbacillen 
im  Körper  der  Versuchsthiere  sich  nicht  zu  vermehren  vermögen.'^) 
Durch  Einverleibung  allmählich  steigender  Dosen  (lebender)  T,yphus- 
bacilluscultur  erreichten  Beumer  und  Peiper'^')  eine  gewisse  Gift- 
festigung bei  Mäusen.  Chantemesse  und  Widal^)  erreichten 
dasselbe  auch  mit  Culturen,  die  durch  Erhitzung  auf  120"  C.  abgetödtet 
waren.  Uebrigens  haben  Brieger,  K  i  t  a  s  a  1 0  und  Wasser  m  a  n  n  ^) 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Giftigkeit  verschiedener  T3-])hus- 
culturen  für  Mäuse  von  Hause  aus  sehr  verschieden  ist. 

Bei  der  Infection  des  Menschen  bildet  der  Darm  stets  die 
Eingangspforte.  Man  findet  in  der  Typhusleiche  die  Bacillen  innerhalb 
der  Darmwand,   in    den  Mesenterialdrüsen,   ferner   besonders   in  Milz, 


1)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  -1.     ISSS.    No.  12—13. 

-)  Berl.  klin.  Wochenschr.    1886.    No.  18.    p.  283. 

»)  Charite-Annalen.     17.  Jahrgang.    1892.    p.  822  ff. 

*)  E.  Fränkel  und  Simmonds,  Centralbl.  f.  klin.  Med.  1885.  No.  44; 
Die  ätiologische  Bedeutung  des  Typhusbacillus.  Hamburg  und  Leipzig.  1S86.  — 
C.  Seitz,  Bakteriologische  Studien  zur  Typhusaetiologie.     München.  1886. 

■^)  Eine  begrenzte  Vermehrung  der  Typhusbacillen  findet  nach  Petruschky 
(Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  12.  1892.  p.  269)  bei  Mäusen,  denen  das  Material  intraperi- 
toneal injicirt  wird,  statt,  aber  nur  auf  der  Oberfläche  des  Bauchfells;  eine  Ansied- 
lung  der  Bacillen  in  den  Organen  kommt  nicht  zu  Stande. 

'')  Zeitschr.  f.  Hygiene.     Bd.  2.     1887. 

')  Annales  de  Tlnst.  Pasteur.     1888.     p.  56, 

")  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  12.     1892.     p.  166. 


Der  Typbusbacillus.  293 

Leber  und  Nieren.  In  den  letztgenannten  Organen  treten  die  Bacillen 
stets  in  grösseren  oder  kleineren  Anhäufungen,  Herden,  auf;  und 
zwar  liegen  dieselben  innerhalb  der  Blutgefässe.  (Diese  Bacillenherde 
innerhalb  der  Organe  sind  in  ihrer  mikroskopischen  Erscheinungsweise 
für  den  T3'phus  abdominalis  durchaus  characteristisch ;  dieser  mikro- 
skopische Befund  kommt  beim  Menschen  sonst  nicht  vor.)  Auf  Taf.  VIII, 
Fig.  48,  ist  ein  Herd  aus  einer  Typhusleber  bei  200facher  Ver- 
grösserung  dargestellt;  Fig.  47  zeigt  einen  Theil  dieses  Herdes  bei 
500facher  Yergi-össerung ;  die  Mitte  der  Figur  47  entspricht  genau 
der  Mitte  der  Figur  48.  —  Nach  Quincke^)  finden  sich  die  Typhus- 
bacillen  auch  in  dem  Knochenmark  der  Typhusleiche  constant  vor. 

Beim  lebenden  Typhuskranken  fand  zuerst  A.  Pfeiffer-) 
die  Typhusbacillen  im  Stuhl.  Dieser  Befimd  ist  jedoch  kein  con- 
stanter ;  '^)  im  Gegentheil :  der  Typhusbacillus  findet  sich  ganz  ausser- 
ordentlich selten  im  Stuhl  des  Typhuskranken.  Dann  wies  Neu- 
hau s  s  '^)  den  Typhusbacillus  im  peripherischen  Blute  (im  Blute 
der  Roseolen)  des  Typhuskranken  nach.  Andere  Autoren  haben  ihn 
dann  auch  im  Fingerblute  gefunden.  Jedoch  sind  alle  diese  Be- 
funde nur  vereinzelt;  die  Untersuchungen  sind  oft  mit  negativem  Er- 
gebniss  wiederholt  worden.  In  einer  Anzahl  von  T3'phusfällen  findet 
man  den  Typhusbacillus  auch  im  Urin. 

Der  Tj'phusbacillus  kann  sich  längere  Zeit,  eine  ganze  Reihe  von 
Monaten,  im  Körper  des  Menschen  lebend  erhalten  und  Veranlassung 
zu  posttA^^hösen  Eiterungen  (Knocheneiterungen  etc.)  geben. 

Im  Blutserum  von  T3Tjhusreconvalescenten  wies  Stern'^)  (durch 
Versuche  an  Mäusen)  Körper  nach,  Avelche  gegen  die  Typhusintoxi- 
cation  immunisirend  wirken  (cf.  oben  p.  216). 

In  der  Literatur  finden  sich  zahlreiche  Angaben,  welche  den  ge- 
lungenen Nachweis  des  Typhusbacillus  im  Trinkwasser,  besonders 
in  verunreinigtem  Brunnenwasser,  betreffen.  In  einer  Anzahl  dieser 
Fälle  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  es  sich  in  der  That  um  den 
Typhusbacillus  gehandelt  hat;  ebenso  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die 
natürlichen  Infectionen  des  Menschen  mit  Abdominaltyphus  häufig 
durch  den  Genuss  von  bacillenhaltigem  Trinkwasser  vermittelt  werden. 
Die  Typhusbacillen   färben    sich   nicht   nach    der   Gra mischen 


1)  Berl.  Min.  Wochenschr.     1894.     p.  352. 
-)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1885.     No.  29. 

3)  Nach  Karlinski   (cf.  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  8.    p.  83)    ist   der   Typhus- 
bacillus vor  dem  9.  Krankheitstage  nie  im  Stuhl  zu  finden. 
^)  Berl.  klin.  Wochenschr.     1886.     No.  6  u.  24. 
'"')  Deutsche  med.  Wochenschr.     1892.     No.  37. 


294  B'  l^ie  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Methode  (p.  108  ff.).  Sie  nehmen  ferner  die  Färbung  mit  Anilinfarl)en 
überhaupt  etwas  schwieriger  an  als  andere  Bakterienarten.  Färbt  man 
ein  Trockenpräparat,  welches  man  sich  aus  einer  Typhusbacillencultur 
hergestellt  hat,  mit  einer  gewöhnlichen  wässerigen  Farblösung  in  der 
gewöhnlichen  Weise,  so  findet  man  viele  Exemplare  der  Bacillen  nicht 
intensiv,  sondern  nur  blass  gefärbt;  vergi.  das  Photogramm  Taf.  Ym, 
Fig.  45.  Es  empfiehlt  sich  deshalb,  falls  man  überall  intensive  Färbung 
wünscht,  die  Färbung  unter  leichter  Erwärmung  (cf  p.  78)  zu  bemrken. 


12.  Der  Bacillus  der  Mäusesepticaemie  und  der  Bacillus  des 
Schweinerothlaufs. 

Die  Mäusesepticaemie  ist  eine  experimentelle  Infections- 
krankheit,  welche  R.  Koch  bei  seinen  „Untersuchungen  über  die 
Aetiologie  der  Wundinfectionskrankheiten" ')  entdeckte.  Haus-  und 
weisse  Mäuse,  denen  faulendes  Blut,  faulendes  Fleischinfus  subcutan 
eingebracht  wurde,  gingen  an  einer  Septicaemie  zu  Grunde.-)  Die 
inneren  Organe  zeigten  sich  makroskopisch  im  Allgemeinen  unverändert; 
nur  bestand  beträchtliche  Milzschwellung.  Die  Ki-ankheit  liess  sich  von 
einer  Maus  auf  die  andere  durch  cutane  Impfung  mit  den  geringsten 
Mengen  von  Blut  der  gestorbenen  Thiere  übertragen. 

Ueberall  im  Blut  fand  Koch  sehr  kleine  Stäbchen, 
0,8 — 1,0  fji  lang,  0,1 — 0,2  /t  dick.  Dieselben  liegen  fast  stets  einzeln, 
d.  h.  nicht  zu  Fadenverbänden  vereinigt;  sie  finden  sich  häufig  (und 
zwar  meist  in  ausserordentlicher  Anzahl  bei  einander)  in  Zellen  ein- 
geschlossen; vergl.  das  Photogramm  Fig.  53,  Taf  IX. 

Ob  die  Stäbchen  Eigenbewegung  haben,  erscheint  noch 
zweifelhaft. 

Der  Bacillus  der  Mäusesepticaemie  (Bac.  murisepticus)  zeigt  ein 
ganz  characteristisches  Wachsthum  in  der  i^ährgelatine. 
Auf  Platten  erscheinen  im  Verlaufe  einiger  Tage  hellgraue,  durch- 
scheinende, nebel-,  schleier-,  wolkenartige  runde  Flecken.  In  der 
Gelatine  st ichcultur  beobachtet  man  um  den  Impfstich  herum 
die  Ausbildung  horizontal  gestellter,  schichtweise  über  einander  liegen- 


^)  Leipzig.     1878.     p.  40—45. 

•-)  Loeffler  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  11.  1892.  p.  130)  hat  den  in  Eede 
stehenden  Bacillus  auch  als  spontanen  Erreger  einer  epidemischen  Erkrankung 
unter  in  Gefangenschaft  gehaltenen  weissen  Mäusen  beobachtet.  Bei  dieser  Epidemie 
wurde  die  Krankheit  höchst  wahrscheinlich  durch  Aufnahme  des  Erregers  in  den 
Digestionstr actus  übertragen. 


Der  Bacillus  der  Mäusesepticaemie  und  der  Bacillus  des  Schweinerotblaufs.     295 

der  wolkiger  Trübungen  (siehe  Taf.  IX,  Fig.  54).  Die  Gelatine  wird 
ganz  langsam  verflüssigt,  und  dementsprechend  kommen  sowohl 
auf  den  Gelatineplatten  wie  in  den  Stichculturen  Verdunstungserschei- 
nungen des  Nährbodens,  dellenartige  resp.  tulpenförmige  Einziehungen 
der  Gelatine,  zu  Stande. 

Auf  der  A  g  a  r  Oberfläche  bildet  der  Bacillus  äusserst  zarte,  kaum 
sichtbare,  in  feinsten  Tröpfchen  angeordnete  XJeberzüge. 

Auf  Kartoffeln  wächst  der  Bacillus  nicht. 

Milch  wird  durch  das  Wachsthum  des  Bacillus  makroskopisch 
nicht  verändert;  in  Traubenzuck  erb  ouil  Ion  entsteht  keine 
Gährung.  ^) 

Ln  hängenden  Tropfen  bei  Brüttemperatur  wächst  der  Ba- 
cillus nicht,  wie  man  das  sonst  bei  Bacillen  häufig  sieht,  zu  langen 
Fäden  aus,  sondern  vermehrt  sich  zu  dichten  Haufen.  In  einigen 
Fällen  hat  Koch  Sporenbildung  beobachtet. 

Haus-  und  weisse  Mäuse  sind  für  die  Infection  sehr  empfäng- 
lich; sie  sterben  40—60—80  Stunden  nach  der  Impfung.  Man 
findet  sie,  was  für  die  Krankheit  ganz  specifisch  ist,  nach 
dem  Tode  in  sitzender  Stellung  mit  stark  gekrümmtem  Rücken.  Feld- 
mäuse sind  vollständig  immun,  ebenso  Hühner  und  Meerschweinchen. 

Der  Mäusesepticaemiebacillus  färbt  sich  leicht  mit  wässerigen 
Farblösungen;  ebenso  färbt  er  sich  auch  nach  der  Gram'schen  Me- 
thode (p.  108  ff.). 

Auf  Taf.  IX,  Fig.  53,  ist  ein  Ausstrichpräparat  von  dem  Leber- 
saft einer  an  Mäusesepticaemie  verendeten  Maus  bei  lOOOfacher  Ver- 
grösserung  dargestellt. 

Dem  Mäusesepticaemiebacillus  in  seinem  gesammten  Verhalten 
höchst  ähnlich,  vielleicht  mit  demselben  identisch,  ist  der  Bacillus  des 
S  c  h  w  e  i  n  e  r  0 1  h  1  a  u  f  s. 

Der  Schw^einerothlauf  (rouget  des  porcs)  ist  eine,  besonders 
unter  den  edleren  Schweinerassen  in  den  ersten  Lebensjahren  epi- 
zootisch  auftretende,  unter  dem  Bilde  einer  Septicaemie  verlaufende 
schwere  Infectionskrankheit.  Den  veranlassenden  Bacillus  fand  zuerst 
Loeffler^)  (1882)  in  dem  Blute  und  den  Organen  der  Thiere.  Er 
züchtete   bereits  1882    diesen  Bacillus  rein  und  erkannte  seine  Patho- 


')  Nach  Moore;  cf.  das  Eeferat  von  Th.  Smith,  CentralbL  f.  ßakt.  Bd    12. 
1892.     p.   732. 

•-)  Arbeiten  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1S86. 


296  ^-  Diö  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

genität  für  Mäuse  und  Kaninchen.  ^)  Er  fand  damals  auch ,  dass 
Kanmchen  durch  einmahges  Ueberstehen  der  Infection  immun  werden 
gegen  eine  neue  Infection.  Schweine  zu  inficiren  gelang  Loeffler 
nicht;  wie  sich  nämhch  später  herausgestellt  hat,  sind  die  gemeinen 
Landrassen  so  gut  wie  unempfänglich  für  die  Krankheit.  Namentlich 
dm'ch  Schütz-)  ist  dann  der  Schweinerothlauf  genauer  studirt  und 
seine  Aetiologie  sicher  festgestellt  worden.'^) 

Schütz  hält  die  Identität  der  Erreger  der  Koch' sehen  Mäuse- 
septicaemie  und  des  Schweinerothlaufs  für  wahrscheinlich.  Durch 
Kitf*)  ist  festgestellt,  dass  auch  insofern  eine  Uebereinstimmung  be- 
steht, als  der  Eothlaufbacillus,  wie  der  Mäusesepticaemiebacillus,  zwar 
für  Haus-  und  weisse  Mäuse,  nicht  aber  für  Feldmäuse  pathogen  ist. 
Eefractär  sind  gegen  Schweinerothlauf  Rinder,  Schafe,  Pferde, 
Maulesel,  Esel,  Hmide,  Katzen,  Meerschweinchen,  Feldmäuse,  Wald- 
mäuse, Hühner,  Gänse,  Enten.  Auch  auf  den  Menschen  ist  eine  Ueber- 
tragimg  nicht  beobachtet. 

Die  Virulenz  des  Bacillus  wii-d  bei  der  wiederholten  Yerimpfuug 
von  Kaninchen  zu  Kaninchen  abgeschwächt  (Pasteur,  Kitt). 
Durch  Impfung  mit  dem  abgeschwächten  BaciUus  lassen  sich,  wie 
Pasteur  (cf.  oben  p.  206)  gefunden  hat,  Schweine  immun  machen 
gegen  die  Infection  mit  dem  virulenten  Bacillus."^) 

Die  Infection  der  Schweine  mit  Schweinerothlauf  scheint  unter 


^)  Kaninchen  erkranken  nach  cutaner  oder  subcutaner  Impfung  gewöbuhch 
nur  local  und  vorübergehend  (heftige  rothlaufartige  Entzündung:  Röthung  und 
Schwellung),  Mährend  sie  nach  intravenöser  Einverleibung  des  Bakterienmaterials 
in  3  bis  6  Tagen  an  Septicaemie  zu  Grunde  gehen  (Kitt,  Bakterienkunde  und 
pathol.  Mikrosk.  f.  Thierärzte.    2.  Aufl.    Wien  1893.    p.  2S6). 

'-)  Arbeiten  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     l8S(i. 

■')  Nach  C.  0.  Jensen  (Kopenhagen)  tritt  der  Schweinerothlauf  in  folgenden 
verschiedenen  (sämmtüch  durch  den  specifischeu  Bacillus  veranlassten)  wohlcharacte- 
risirten  Formen  auf  (zwischen  denen  jedoch  ab  und  zu  Uebergangsformen  vorkommen) ; 
1)  „Eouget  blanc";  seltenere,  schnell  verlaufende,  ohne  Eothfärbung  der  Haut  ein- 
hergehende Form,  2)  Rothlauf  im  engeren  Sinne,  3)  diffuse  nekrotisirende  Haut- 
entzündung (trockener  Hautbrand),  4)  Nesselfieber,  Urticaria  (dänisch  Kmulerosen 
==  Knotenrothlauf),  5)  Eudocarditis  verrucosa  bacillosa.  (Deutsche  Zeitschr.  f.  Thicr- 
med.  u.  vgl.  Bath.    Bd.  18.    1892.    p.  298.) 

')  cf.  das  Autorreferat  im  Ceutralbl.  f.  Bakt.     Bd.  2.     1887.     No.  23. 

•')  Neuerdings  hat  Lorenz  in  Darmstadt  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  13.  1893. 
No.  11  12;  ferner  ebenda  Bd.  15.  1894.  No.  8/9  und  Deutsche  Zeitschr.  f.  Thier- 
med.  Bd.  20.  1893)  ein  Schutzimpfungsverfahren  für  Schweine  angegeben,  welches 
mit  Hülfe  des  Blutserums  von  Schweinen  ausgeführt  wird,  die  gegen  Schweineroth- 
lauf immunisirt  sind,  und  die  kurze  Zeit  vor  der  Blutentnahme  eine  neue  Injection 
virulenter  Cultur  erhielten.     Vergl.  auch  oben  p.  21.5,  Anm.  3. 


Der  Dipbtheriebacillus.  297 

natürlichen  Verhältnissen  durch  die  Aufnahme  der  sehr  \iruleuten 
Excroniente  erkrankter  Schweine  mit  der  Xahrung  in  den  Darmkanal 
zu  erfüllen. 


13.  Der  Diphtheriebacillus. 

Die  bei  der  menschlichen  Diphtherie  vurkomnienden  Bakterien 
wurden  zuerst  von  Loeffler^)  einer  eingehenden  Untersuchung  mit 
Hülfe  der  modernen  bakteriologischen  Methoden  unterworfen.  Loeffler 
constatirte  das  ziemlich  constante  Vorkommen  einer  bestimmten,  künst- 
lich züchtbaren  Bacillenart-),  mit  der  es  zwar  zunächst  nicht  ge- 
lang bei  Thieren  echte  Diphtherie  hervorzurufen,  der  aber  doch  Thieren 
gegenüber  eine  erhebhche  Giftigkeit  zukam.  Freilich  fand  Loeffler 
dieselbe  Bacillenart  auch  einmal  in  der  Mundhöhle  eines  gesunden 
Kindes ;  und  er  hat  sich  deshalb  sehr  reservirt  bezüglich  der  etwaigen 
8pecifität  der  gefundenen  Bacillen  für  die  Diphtherie  ausgesprochen. 
Weitere  Untersuchungen  von  Loeffler'^)  sowie  von  Roux  und 
Yersin^),  von  Zarniko'^),  von  E  scherich*'j,  von  Brieger  und 
C.  Fraenkel')  und  von  anderen  Autoren  haben  nun  gezeigt,  dass 
der  L  oeffler'sche  „Diphtheriebacillus"  allerdings  ein  ganz  con- 
stantes  Vorkommnis s  bei  der  Diphtherie  ist.  Ferner  sind  eine 
Reihe  von  Thatsachen  bezüglich  des  Verhaltens  dieses  Bacillus  gegen- 
über Versuchsthieren  ermittelt  worden,  die  keinen  Zweifel  mehr  lassen, 
dass  wii-  in  dem  Loeffler'schen  Bacillus  'den  Erreger  der 
menschlichen   Diphtherie^)  vor  uns  haben. 


1)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     1884. 

-)  Mikroskopisch  waren  diese  Bacillen  vor  Loeffler  bereits  von  Klebs 
(2    Congr.  f.  inn.  Med.    Wiesbaden.    April  1883)  gesehen  worden. 

«)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  2.     1887.     No.  4. 

*)  Annales  de  l'Inst.  Pasteur.    1888.    No.  12;  1889.    No.  6;    1890.    No.  7. 

'")  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  6.     1889.     No.  6—8. 

«)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.   7.     1890.     No.   1. 

')  Berl.  klin.  Wochenschr.     1890.     No.  11  —  12. 

^)  Man  muss  unterscheiden  zwischen  1)  „Diphtherie",  d.  h.  der  siiecifischen 
uralten  contagiösen  Krankheit,  und  2)  pathologisch-anatomisch  diphtherie-ähnlichen 
Affectionen.  Die  letzteren  bezeichnet  man  zur  Unterscheidung  von  der  echten ,  ge- 
nuinen Diphtherie  auch  als  ,,Diphtheritis".  So  spricht  man  z.  B.  von  ,, Schar- 
lach diphtheritis",  einer  Affection,  welche,  wie  bereits  Breton neau  1821  über- 
zeugend ausführte,  ätiologisch  mit  der  echten  Diiihtherie  gar  nichts  zu  thun  hat, 
und  bei  der  auch  Loeffler  (und  ebenso  die  späteren  Untersucher)  die  bei  der 
echten  Diphtherie  vorkommenden  Stäbchen  stets  vermissten.  (Siehe  die  Eingangs 
citirte  Arbeit  von  Loeffler,  p.  449,  4.50.)  Bei  der  Scharlachdiphtheritis  findet 
sich  ganz  regelmässig  der  Streptococcus  pyogen  es,  welcher  übrigens  auch  die 


298  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Der  Diphtheriebacillus  ist  ein  Stäbchen,  welches  etwa  die  Länge 
des  Tuberkelbacinus  besitzt,  aber  etwa  doppelt  so  breit  wie  dieser  ist. 
Das  morphologische  Verhalten  wechselt  aber.  Häufig  finden  sich  leicht 
gekrümmte  Exemplare;  auch  bizarre  Formen  mit  kolbig  verdickten, 
knotig  aufgetriebenen  Enden  sind  häufig  (Involutionserscheinungen). 
Im  gefärbten  Präparate  zeigt  der  Diphtherieliacillus  ganz  gewöhnlich 
ein  segmentirtes  Aussehen.  Fig.  52  auf  Taf.  IX  zeigt  ein  Ausstrich- 
präparat einer  Agarcultur,  welches  das  geschilderte  morphologische  Ver- 
halten deutlich  zur  Anschauung  bringt. 

Der  Bacillus  findet  sich  gewöhnlich  ausschliesslich  in  den  diphthe- 
rischen Pseudomembranen,  sonst  nirgends  im  Körper  des  Erkrankten.^) 
Die  schweren  Allgemein  Symptome  der  Diphtherie  l)eruhen  auf  Intoxi- 
cation  des  Körpers  durch  die  am  Orte  der  Infection  von  dem  Bacillus 
gebildeten  höchst  giftigen  StoflFwechselproducte.  Auf  Taf.  IX,  Fig.  51, 
sieht  man  einen  Durchschnitt  durch  eine  diphtherische  Pseudomembran 
mit  Stäbchenhaufen.  -) 

Nicht  nur  während  des  Verlaufs  der  Diphtherieerla'ankung,  son- 
dern häufig  auch  noch  wochenlang  nach  dem  Verschwinden  der  Beläge, 
während  der  Reconvalescenz,  sind  (infectionstüchtige )  Diphtheriebacillen 
in  der  Mundhöhle  der  Patienten  nachweisbar.  =^) 


genuine  Diphtherie  sehr  häufig  complicirt.  —  Dass  die  sehr  schweren  Diphtheriefälle 
(sog.  „septische  Diphtherie")  der  Mehrzahl  nach  nicht  auf  einer  Mischinfection 
(mit  Streptococcen)  beruhen,  sondern  durch  den  Diphtheriebacillus  allein  bedingt 
sind,  hat  Genersich   (Jahrb.  f.  Kinderhlk.    Bd.  38.    1894.    p.  254)  nachgewiesen. 

*)  Es  kommt  aber  auch,  wie  neuere  Untersuchungen  gezeigt  haben,  gar  nicht 
selten  vor,  dass  der  Diphtheriebacillus  —  durch  das  Culturverfahren  —  in  den 
inneren  Organen  nachweisbar  ist.  Frosch  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  13.  1892)  hat  in 
10  von  15  zur  Section  gekommenen  Diphtheriefällen  den  Diphtheriebacillus  durch 
die  Cultur  in  den  inneren  Organen  nachzuweisen  vermocht.  Am  regelmässigsten 
fanden  sich  die  Bacillen  in  pneumonischen  Herden ,  in  der  Milz ,  in  Cervical-  und 
Bronchiallyraphdrüsen.  Auch  Canon  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1893.  p.  1039) 
fand  den  Diphtheriebacillus  häufiger  in  Leichenblut ;  daneben  fauden  sich  sehr  häufig 
Streptococcen,  seltener  Stai^hylococcen.  Kutscher  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  18.  1894. 
p.  175)  vermochte  den  Diphtheriebacillus  in  8  von  9  untersuchten  Sectionsfällen  von 
Diphtherie  in  Lungenschnitten  mikroskopisch  nachzuweisen. 

-)  Dass  sich  häufig  neben  den  Diphtheriebacillen  noch  andere  Mikroorganismen, 
namentlich  Streptococcen,  in  den  Pseudomembranen  finden,  haben  wir  oben  (p.  297, 
Anm.  8)  bereits  erwähnt.  Den  Streptococcen  kommt  ohne  Zweifel  nur  eine  seeundäre 
Bedeutung  zu. 

")  Auf  dem  10.  Internat,  med.  Congress  1890  hat  Loeffler  (cf.  Centralbl.  f. 
Bakt.  Bd.  8.  p.  664)  einen  Diphtheriefall  mitgetheilt,  in  welchem  er  aus  dem  Eachen 
des  Erkrankten  bis  zum  24.  Tage  nach  dem  Beginn  der  Erkrankung  (fieberlos  war 
der  Kranke  seit  dem  5.  Krankheitstage)  infectionstüchtige  Diphtheriebacillen  zu 
züchten  vermochte.  —  Tobiesen  (Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  12.    1892.    No.  17)  hat 


Der  Dipbtheriebacillus.  299 

In  einer  ganzen  Anzahl  von  Fällen  ist  der  Diphtlieriebaciilus 
neuerdings  als  Ursache  von  Rhinitis  fibrinosa  nachgewiesen  wor- 
den; femer  kommen  nicht  selten  Fälle  von  Conjunctivitis  vor, 
bei  denen  die  Entzündung  durch  Infection  mit  dem  Diphtheriebacillus 
veranlasst  resp.  complieirt  ist.  Auch  echte  W  u  n  d  d  i  p  h  t  h  e  r  i  e  ^) 
(mit  Nachweis  von  Diphtheriebacillen)  ist  neuerdings  häutiger  fest- 
gestellt worden. 

Der  Diphtheriebacillus  ist  u  n  b  e  w  e  g  1  i  c  h.  Er  wächst  bei  Tempe- 
raturen zwischen  20  und  42  ^  C,  und  zwar  bei  Sauerstoffanwesenheit.-) 
Er  wächst  sowohl  in  Gelatine  wie  auf  anderen  Nährböden.  Die  Nähr- 
böden müssen  stets  leicht  alkalisch  sein.  Besonders  eignet  sich  das 
„Loeffler'sche  Blutserum"  (3  Theile  Rinder-  oder  Hammelserum  ver- 
mischt mit  einem  Theile  einer  Rinderbouillon,  der  1  o/^  Pepton,  ^/o^o 
Kochsalz  und  1  ^/^  Traubenzucker  zugesetzt  ist) ,  ferner  das  Gljcerin- 
Agar'^)  (cf.  oben  p.  128)  zur  Cultivirung.  Zum  Zwecke  der  Isolirung 
des  Bacillus  aus  dem  erkrankten  Körper  streicht  man  nach  dem  Vor- 
gange von  Loeffler^)  ein  sehr  kleines,  an  der  Platinöse  haftendes 
»Stückchen  der  Pseudomembran  hinter  einander  auf  der  Oberfläche  des 
Nährbodens  von  6 — 8  Blutserum-'^)  oder  Glycerinagar- Röhrchen  (schräg 
erstarrt;  cf.  oben  p.  129)  aus.  Die  Röhrchen  werden  dann  in  den 
Brütschrank  gestellt.  In  den  letzten  Röhrchen  kommen  isolirte  Colo- 
nien  zur  Entwickelung  (die  dann  mikroskopisch  untersucht  und  event. 
weiter  verimpft  werden ).     Nach  R  o  u  x  und  Y  e  r  s  i  n ")  erhält  man  auf 


46  geheilte  Dipbtberiepatienten  bei  ibrer  Entlassung  aus  dem  Krankenbause  auf  die 
Anwesenbeit  von  Dipbtberiebacillen  im  Scblunde  untersucht  und  bei  24  von  ihnen 
(am  4.  bis  31.  Tage  nach  dem  Verschwinden  der  Beläge)  mit  Sicherheit  Diphtberie- 
bacillen  nachzuweisen  vermocht.  —  Abel  (Deutsche  med.  Wochenscbr.  1S94.  No.  35) 
beobachtete  einen  leichten  Fall  von  Eachendipbtberie ,  bei  dem  sich  (9  Tage  nach 
dem  VerschAvinden  der  Beläge)  eine  —  durch  die  Infection  mit  den  Diphtherie- 
bacillen  bedingte  —  fibrinöse  Ehinitis  entwickelte;  in  diesem  Falle  Hessen  sich  bis 
zum  65.  Tage  nach  dem  Ablauf  der  Rachendiphtherie  virulente  Dipbtberiebacillen 
in  der  Nasenhöhle  nachweisen. 

')  Der  erste  derartige  Fall  wurde  von  Brunn  er  (Berl.  kUn.  Wochenscbr. 
1S93.  No.  22—24)  mitgetheilt.  Die  Literatur  über  Wunddiphtberie  findet  man  zu- 
sammengestellt bei  Schottmüller  (deutsche  med.  Wochenscbr.    1895.    p.  273). 

"-)  Nach  W.  Hesse  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  18.  1894.  p.  503)  ist  der  Diphtherie- 
bacillus obligat  aerob ;  in  Wasserstoffatmosphäre  venuehrt  er  sich  nicht. 

^)  Feststellung  von  Kitasato  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  2.  1887.  p.  105,  Anm.). 

•*)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     1884.     p.  461,  462. 

•^)  Nach  Frosch  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  13.  1892.  .p.  52)  wachsen  die  Dipb- 
tberiebacillen auf  Agar,  welches  mit  menschlichem  Blut  bestrichen  ist, 
ebenso  gut  wie  auf  Blutserum. 

'■')  Ann.  de  ITnst.  Pasteur.     1890.     No.  7.     p.  389. 


300  ^-  Diß  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

diese  Weise,  wenn  es  sich  überhaupt  um  echte  Diphtherie  handelt, 
fast  stets  ohne  Weiteres  grosse  Mengen  von  Diphtheriebacillencolonien. 
Die  letzteren  erscheinen  (nach  18  —  2 4  stündiger  Cultur  bei  Brüt- 
temperatur)  als  runde,  mehrere  Millimeter  im  Durchmesser  haltende, 
weissgraue,  mattgiänzende  flache  Häufchen:  sie  unterscheiden  sich  in 
dem  Aussehen  ohne  Weiteres  von  den  (fast  stets  daneben  zur  Ent- 
Avickelung  kommenden)  ^Streptococcencolonien,  welche  als  kleinste,  durch- 
sichtige, thautröpfchenähnliche  Gebilde  erscheinen.  —  Neben  den  ge- 
nannten Nährböden  wird  neuerdings  ein  von  De3^cke^)  empfohlener 
Nährboden,  welcher  mit  Hülfe  von  aus  Kalbfleisch  hergestelltem  Alkali- 
albuminat  bereitet  Avird-),  zum  Zwecke  der  Isolirung  des  Diphtherie- 
bacillus  häufiger  angewendet.  Die  Diphtheriebacillen  entwickeln  sich  auf 
diesem  Nährboden  sehr  üppig,  Streptococcen  ausserordentlich  kümmerlich. 

Hat  man  in  der  Praxis  mit  Hülfe  eines  der  vorstehend  genannten 
Nährböden  isolirte  Colonien  erhalten,  die  man  auf  ihre  Diphtherienatur 
weiter  prüfen  Avill,  so  ist  zunächst  die  mikroskopische  Untersuchung 
nothwendig:  man  stellt  sich  ein  gefärbtes  Ausstrichpräparat  her  und 
findet  dann,  wenn  es  sich  um  Diphtheriebacillen  handelt,  Stäbchen 
von  dem  oben  (p.  298)  beschriebenen  Aussehen.  Das  Gesammtbild, 
welches  ein  solches  Präparat  darbietet,  ist  für  den  Diphtheriebacillus 
durchaus  characteristisch  und  entscheidet  die  Diagnose.'^) 

Auf  dem  Loeffler'schen  Serum  (cf.  p.  299)  bilden  tue  Bacillen 
bei  37^  C.  in  2  Tagen  einen  dicken,  weisslichen,  glänzenden  Ueberzug. 
Die  Beläge  auf  Agar  haben  ein  weissliches,  mattgiänzendes  Aussehen. 

Auf  der  Gelatineplatte  bildet  der  Diphtheriebacillus  (bei 
etwa  22  —  24^  C.)  rundliche,  die  Gelatine  nicht  verflüssigende 
Colonien,  welche  dauernd  klein  bleiben.  In  der  Stich  cultur  bilden 
sich  kleine,  weisse,  kugelförmige  Colonien  längs  des  Impfstiches. 


^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1894.     No.  25. 

•-)  Kürzlich  hat  Deycke  (Centralbl.  f.  Bakt.  1.  Abth.  Bd.  17.  1S9.5.  p.  241) 
mitgetheilt,  dass  sein  Alkahalbuminat  von  E.  Merck  in  Darmstadt  hergestellt  wird 
und  käuflich  zu  beziehen  ist.  Zur  Bereitung  des  Nährbodens  setzt  man  (1.  c.  p. 
242)  10  Alkahalbuminat,  10  Pepton,  5  Kochsalz,  20  Agar,  50  Glycerin  mit  1000 
dest.  Wasser  an.  Die  alkalisch  reagirende  Mischung  wird  durch  troplenweisen  Zu- 
satz von  reiner  Salzsäure  genau  neutralisirt ,  und  es  wird  dann  zu  derselben  1  ^j^) 
einer  Sodalösung  zugesetzt,  die  aus  1  Theil  Soda  und  2  Theilen  Wasser  besteht. 
Die  nunmehr  fertige  Nährmischung  lässt  man  mehrere  Stunden  bei  Zimmertemperatur 
quellen  und  bringt  sie  dann  für  1  Stunde  in  den  Dampftopf,  filtrirt  sie  schliesslich 
durch  Watte. 

")  Will  man  die  Virulenz  der  gewonnenen  Culturen  feststellen,  so  muss  man 
den  Thierversuch  (sucutane  Impfung  von  Meerschweinchen;  cf.  unten  p.  302)  an- 
schliessen.  —  Was  den  sog.  ,,Pseud(»dipLtheriebacillus"'  angeht,  vergl.  unten  p.  308. 


Der  DiphtheriebaciUus.  301 

Bei  der  Züchtimg  in  Bouillon  giebt  der  DiphtheriebaciUus  zu 
ganz  massiger  allgemeiner  Trübung  des  Xährbodens  Veranlassung; 
femer  bilden  sich  Meine  krümelige,  bröckelige,  aus  Bacillen  bestehende 
Conglomerate ,  welche  besonders  den  Wandungen  des  Culturgefässes 
ansitzen  und  bei  dem  Bewegen  der  Flüssigkeit  sich  ablösen  und  zu 
Boden  sinken. 

Auf  der  Kartoffel  wächst  der  Bacillus  nur,  wenn  die  Ober- 
fläche derselben  alkalisch  gemacht  wird.  Die  Milch  ist  ein  günstiger 
Xährboden  für  den  Bacillus. 

Sporenbildung  schemt  nicht  zu  existiren. 

Im  getrockneten  Zustande  (in  Stückchen  von  Pseudomembranen 
z.  B.)  bleibt  der  DiphtheriebaciUus  3 — 4  Monate  lang  entwickelungs- 
fähig.^)  Niedrige  Temperatur,  feuchte  Luft  und  Dunkelheit  schützen 
ihn  am  besten  vor  dem  Absterben  (Flügge-)). 

Der  DiphtheriebaciUus  gehört  zu  den  exquisit  toxischen  Bak- 
terienarten (cf.  oben  p.  199).  Er  bildet  —  sowohl  in  künstlichen 
Culturen  wie  im  Körper  des  Diphtherieki-anken  —  ein  specifisches 
Gift,-^)  über  dessen  Natur  noch  wenig  Sicheres  bekannt  ist.  Ausser- 
ordentlich wichtig  ist  die  von  Guinochet^)  festgestellte  Thatsache,  dass 
das  specifische  Diphtheriegift  auch  bei  der  Cultivirung  des  Diphtherie- 
baciUus in  sterihsirtem  Urin  gebildet  wird,  und  dass  die  resultirende 
giftige  Culturflüssigkeit  keinerlei  Eiweissreaction  liefert.  Das  specifische 
Diphtheriegift  gehört  hiernach  nicht  zu  den  Eiwei  sskörpern. 

Die  schweren  Allgemeinsymptome,  welche  bei  der  chphtherischen 
Erki'ankung  des  Menschen  auftreten,  sind  auf  die  Wirkung  des  —  an 
der  Infectionsstelle  von  den  sich  vermehrenden  Diphtheriebacillen  ge- 
bildeten und  von  dort  aus  in  den  Körper  hineingelangenden  —  spe- 
cifische n  Diphtherie  g  i  f  t  e  s  zu  beziehen. 

Bei   der  Verbreitung   der  Diphtherie   unter   den  Menschen    spielt 


')  Abel  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  14.  li>93.  No.  23)  stellte  in  einem  Falle 
der  Praxis  fest,  dass  sich  der  üiphtberiebacillus  (an  Spielsachen  [Baukasten])  an- 
getrocknet 6  Monate  lebensfähig  halten  kann. 

-)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  17.     1894.     p.  405. 

^)  Diese  Thatsache  wurde  zuerst  (18S8)  von  Eoux  und  Yersin  (Ann.  de 
rinst.  Pasteur.  1888.  No.  l-#  p.  642  ff.)  und  (ebenfalls  1888)  unabhängig  von  diesen 
Autoren  auch  von  Loeffler  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1890.  p.  109)  festgestellt. 
—  Um  sehr  stark  giftiges  Material  zu  erzielen,  legt  Aronson  (Berl.  klin.  Wochen- 
schrift. 1894.  p.  426)  Oberflächenculturen  des  DiphtheriebaciUus  auf  Nähr- 
bouillon an.  Es  bildet  sich  eine  zarte,  durchsichtige  schleierartige  Haut,  welche 
auf  der  Nährflüssigkeit  schwimmt.  Ab  und  zu  lösen  sich  Theile  der  Haut  ab  und 
sinken  unter. 

')  Arch.  de  med.  exper.     t.  4.  1892.     p.  494. 


302  ß-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

die  individuelle  Disposition  allem  Anscheine  nach  eine  erhebliche  Rolle 
(Flügge  1)). 

Das  Diphtheriegift  resp.  gifthaltige  Culturen  der  Diphtheriehacillen 
wirken  auch  auf  eine  grosse  Reihe  von  T  h  i  e  r  e  n  in  specifischer  Weise. 
Meerschweinchen,  welche  ganz  besonders  empfänglich  sind,  sterben 
nach  subcutaner  Einverleibung  der  kleinsten  Mengen  innerhalb  24  bis 
72  bis  96  Stunden  bis  1  bis  2^/2  Wochen. '-)  Sie  zeigen  emen  für  die 
Diphtherieintoxicatiou  ganz  characteristischen  Sectionsbefund,  ^)  nämlich 
Schwartenbildung  an  der  Infectionsstelle  (nur  bei  sehr  schnell  ver- 
laufender Krankheit  findet  sich  statt  der  Schwartenbildung  Oedem- 
flüssigkeit) ,  Pleura-  (zuweilen  auch  Pericardial-)  transsudat,  Blut- 
überftillung  der  Bauchorgane  und  VergTÖsserung  und  Rothfärbiuig  der 
IS'ebennieren.  Ebenso  sind  Hammel  sehr  empfänglich  für  die  Diph- 
therieintüxication  (Behring  und  Wer  nicke).  Kaninchen,  Tauben. 
Hühner  sind  weniger  empfänglich  als  die  genannten  Species.  Junge 
Hunde  verhalten  sich  sehr  empfänglich.  Yerimpft  man  virulente  Cultur 
auf  die  Vagina  von  Meerschweinchen,  so  entsteht  nekrotisirende  Schleim- 
hautentzündung. Auf  der  eröfl&ieten  Trachea  von  Meerschweinchen  und 
Kaninchen  entwickelt  sich  nach  der  Impftmg  eine  echte  Diph- 
therie^) (Brieger  und  C.  Fraenkel).  Sehr  wichtig  ist  die  ganz 
sicher  constatirte  Thatsache  (Roux  und  Y  er  sin,  Brieger  und 
C.  Fraenkel),  dass  sich  bei  längerer  Krankheitsdauer  bei  den  Ver- 
suchsthieren  häufig  echte  diphtherische  Lähmungen  entwickeln. 

Mäuse ■'^)  und  Ratten  sowie  Rinder  verhalten  sich  refractär. 

Oben  (p.  218)  wurde  bereits  erwähnt,  dass  es  gelingt  diphtherie- 
empfängiiche  Thiere  künstlich  gegen  die  specifische  Infection  resp. 
Intoxication  zu  festigen.  Der  Erste,  welcher  über  gelungene  Diph- 
therie immunisirung   berichtet   hat,   war   Ferrän'')   (April  1890). 


^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  17.     1894.     p.  409. 

-)  cf.  auch  Aronson  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1S93.  No.  2.3 — 2.5;  ..Berliner 
Klinik".    Heft  63.    1893.    p.  15). 

■^)  cf.  Behring,  Deutsche  med.  Wochenschr.  1890.  p.  114.5;  Behring 
und  Wernicke,  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  12.     1892.    p.  17. 

*)  Es  kann  da  zu  mächtigen,  die  ganze  Wand  der  Trachea  auskleidenden,  bis 
hinab  in  die  grossen  Bronchien  fortschreitenden  Auflagerungen  kommen  (cf.  C. 
Fraenkel,  Deutsche  med.  Wochenschr.     1895.    p.  176). 

•')  Nach  V.  Babes  (Virch.  Arch.  Bd.  119.  1890.  p.  468)  sind  junge  weisse 
Mäuse  für  die  (subcutane)  Infection  mit  DiphtheriebacUlen  ziemlich  empfängUch. 

'')  Nota  sobre  la  vaccinaciön  contra  el  envenenamiento  difterico  agudo  experi- 
mendal.  Barcelona  1890.  (Citirt  nach  C.  Fraenkel,  Deutsche  med.  Wochenschr. 
1894.    p.  984.) 


Der  Diphtheriebacillus.  303 

In  demselben  Jahre  publicirten  ancli  C.  FraenkeP)  sowie  Behring^) 
eine  Reihe  von  Methoden,  mit  Hülfe  deren  Versnchsthiere  gegen 
Diphtherie  immnnisirt  werden  können.  Weitere  Methoden  der  künst- 
lichen Diphtherieimmunisirung  vonThieren  sind  von  Behring  und  Wer- 
nicke  ISOT")  und  1892,*)  von  Brieger,  Kitasato  und  Wasser- 
mann,'^)  ferner    von   Wem  icke'')    1892,   von    Aronson    1892,') 


^)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1890.  No.  49.  —  C.  Fraenkel  gelang  es  Meer- 
schweinchen dadurch  zu  immunisiren,  dass  den  Thieren  1  Stunde  lang  auf  65 
bis  70"  C  erhitzte,  3  Wochen  alte  Diphtheriebouillonculturen  subcutan  injicirt 
wurden. 

-)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1890.  No.  -50.  —  Die  von  Behring  publi- 
cirten Methoden  waren  1)  die  Vorbehandlung  von  Meerschweinchen  mit  jodtrichlorid- 
behandelten  Diphtlieriebouillonculturen,  2)  die  Vorbehandlung  von  Meerschweinchen 
mit  Körpersäften  diphtheriekranker  und  diphtherieverendeter  Thiere,  3)  (unter  Mit- 
wirkung von  Boer  gefunden)  die  Heilung  diphtherieinficirter  Meerschweinchen  durch 
Localbehandlung  mittels  verschiedener  chemischer  Agentien,  4)  die  Vorbehandlung 
von  Meerschweinchen  und  Kaninchen  mit  Wasserstoffsuperoxj'd  (was  die  Kaninchen 
angeht,  unter  Mitwirkung  von  Lübbert  gefunden).  (Vergl.  über  diese  Methoden 
auch  Behring,  Die  Geschichte  der  Diphtherie.  Leipzig.  G.  Thieme.  1893. 
p.   152.) 

•')  7.  Internat.  Congr.  f.  Hyg.  u.  Demogr.  London,  August  1891.  (Deutsche 
med.  Wochenschr.  1891.  No.  52):  Vorbehandlung  von  Meerschweinchen  mittels  einer 
combinirten  Methode  zum  Zweck  der  Erreichung  hoher  Immunitätsgrade,  bei  welcher 
zuerst  die  Behandlung  mit  abgeschwächten  Culturen  und  hinterher  mit  in  der  Virulenz 
allmählich  gesteigerten  Culturen  resp.  mit  nicht  abgeschwächtem  Diphtheriegift  vor- 
genommen wird. 

^)  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  12.  1892.  p.  15.  —  Die  Autoren  fanden,  dass  sich 
Kaninchen  durch  subcutane  Impfung  mit  einem  erhitzten  diphtheriegifthaltigen  Kalk- 
niederschlag (aus  BouiUonculturen  gewonnen  nach  der  von  Eoux  und  Yersin 
[Ann.  de  Tlnst.  Pasteur.  1889.  No.  6]  angegebenen  Methode)  immunisiren  lassen, 
ferner,  dass  durch  Fütterung  mit  Diphtheriegift  bei  Meerschweinchen,  Kaninchen 
und  Hunden  Immunität  hervorgerufen  wird. 

•'')  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  12.  1892.  p.  164,  165.  —  Methode  der  Diphtherie- 
immunisirung der  Meerschwemchen :  Die  Autoren  züchteten  virulente  Diphtherie- 
bacülen  in  einer  Bouillon,  welche  aus  Thymusextract  hergestellt  war.  Sie  erhitzten 
die  Thymus-Diphtherie-Bouillon  (welche  sich  bereits  an  sich  erheblich  weniger  giftig 
erwies  als  gewöhnliche  Diphtheriebouillon)  15  Älinuten  lang  auf  65 — 70^'  C.  und 
injicirten  sie  dann  den  Thieren  intraperitoneal. 

'*)  Vortrag  in  der  Deutschen  Gesellsch.  f.  öff.  Gesundh.-Pfl.  am  19.  Dec.  1892. 
(cf.  Behring,  Geschichte  der  Diphtherie.  Leipzig.  G.  Thieme.  1893.  p.  153): 
Verfahren,  Hunde  gegen  Diphtherie  zu  immunisiren,  welches  darauf  beruht,  dass  die 
Thiere  mit  steigenden  Dosen  eines  nicht  abgeschwächten  Diphtheriegiftes  und  mit 
nicht  abgeschwächten  Diphtheriebouillonculturen  behandelt  werden. 

')  Beri.  med.  Gesellsch.  21.  Dec.  1892;  Verhandlungen.  Bd.  23.  1.  Theil. 
p.  281.  —  Dem  Autor  gelang  es  Hunde  dadurch  zu  immunisiren,  dass  er  sie  sub- 
cutan mit  allmähhch  steigenden  Dosen  wenig  virulenter  Cultur  behandelte. 


304  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

1893^)  und  1894,"-)  von  Eoux  imd  Martin")  1894  angegeben 
worden. 

Die  Thatsache,  dass  das  Blut  und  speciell  das  Blutserum  diph- 
therieimmunisirter  Thiere  die  Fähigkeit  besitzt,  normale  Indi\iduen 
gegen  die  Diphtherieinfection  und  -intoxication  zu  schützen  resp.  von 
der  entsprechenden  Erkrankung  zu  heilen,  ist  bereits  oben  (p.  2l4fF.) 
berichtet  worden.  Zu  erwähnen  ist  hier  noch  die  von  Wernicke^) 
im  Verein  mit  Behring  (1893)  festgestellte  wichtige  Thatsache,  dass 
die  in  den  Körpersäften  diphtherieimmunisirter  Thiere  vorhandenen  anti- 
toxischen Stoffe,  ohne  Alteration  zu  erfahren,  vom  Verdauungskanal  auf- 
genommen werden''):  Hunde,  die  mit  dem  Fleische  diphtherieimmunisirter 
Schafe  gefüttert  wurden,  erlangten  dadurch  eine  gewisse  Immunität.*^) 

Die  erste  thatsächliche  Feststellung  der  Möglichkeit  der  Heilung 
diphtherieerkrankter  Versuchsthiere  durch  Einverleibung 
des  Serums  diphtherieimmunisirter  Individuen  geschah 
(1891/92)  durch  Behring  tmd  Wem  icke")  (cf.  oben  p.  216):  den 


')  Berl.  med.  Gesellsch.  31.  Mai  1S93;  Berl.  klin.  Wocbenscbr.  1S93.  No.  25, 
26.  —  Immunisirung  von  Thieren  mit  Hülfe  von  Culturen,  die  durch  Formaldehyd 
abgeschwächt  sind. 

'^)  Berl.  kUn.  Wochenschr.  1S94.  p.  425.  —  Methode  der  Diphtherieimmu- 
nisirung  verschiedener  Species  grosser  Thiere:  Aronson  injicirt  den  Thieren  zu- 
nächst Bouillonculturen ,  die  kurz  dauernder  Erhitzung  ausgesetzt  wurden  (zunächst 
kommen  Culturen  zur  Verwendung,  die  1  Stunde  auf  70*^  C. ,  dann  solche,  die 
1  Stunde  auf  62*'  C'.  erhitzt  sind.)  Nach  Erreichung  einer  gewissen  Widerstands- 
föhigkeit  werden  die  Thiere  mit  Culturen  weiter  behandelt,  in  denen  durch  Zusatz 
von  0,3  "/o  Trikresol  die  Bakterien  abgetödtet  sind. 

■')  Ann.  de  l'List.  Pasteur.  1894.  p.  612.  —  Die  Autoren  benutzen  zur  Diph- 
therieimmunisirung  ihrer  für  die  Heilserumgewinnung  bestimmten  Pferde  Diphtherie- 
gift, welches  zunächst  in  mit  Jodjodkaliumlösung  versetztem  Zustande  den  Thieren 
beigebracht  wird.  (Die  Beeinflussung  der  Toxine  mit  Jod  zum  Zwecke  der  Immu- 
nisirung wurde  zuerst  von  Eoux  und  Vaillard  bei  dem  Tetanus  angewendet.) 
Nach  Erreichimg  eines  gewissen  Immunitätsgrades  wird  dann,  in  steigenden  Dosen, 
unverändertes  Diphtherietoxin  zu  den  Injectionen  genommen.  (Das  hier  angewendete 
Princip  der  Immunitätssteigerung  durch  Einverleibung  immer  grösser  werdender 
Giengen  vollgiftigen  Materials  stammt  von  Ehrlich  [cf.  oben  p.  218]). 

*)  Vortrag  in  der  Physiol.  Gesellsch.  zu  Berlin,  3.  Februar  1893  (citirt  nach 
dem  Sep.-Abdr.  aus  den  „Verhandlungen").  Siehe  auch  Wer  nicke,  Arch.  f.  Hyg. 
Bd.  IS.     1893. 

■^)  Die  Thatsache,  dass  Antitoxine  überhaupt  vom  Darmkanal  aus  unverändert 
in  den  Körper  resorbirt  werden  können,  hat  Ehrlich  (bei  seinen  Versuchen  über 
Eicinfestigkeit;  cf.  oben  p.  224)  entdeckt  (Zeitschr.  f.  Hyg.   Bd.  12.    1892.  p.  183  ff.). 

'^)  Die  letztere  liess  sich  dadurch  steigern,  dass  zunächst  alte,  wenig  virulente 
Diphtherieculturen ,  schliesslich  voUvirulente  Culturen  den  Thieren  subcutan  ein- 
gebracht wurden. 

■)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  12.     1892. 


Der  DipLtberiebacillus.  305 

Autoren  gelang  es,  künstlich  mit  Diphtherie  inticirte  und  danach  er- 
krankte Meerschweinchen  mit  dem  Serum  zu  heilen.  Handelte  es  sich 
bei  der  Diphtherie  der  Meerschweinchen  von  Behring  und  Wernicke 
um  eine  Krankheit,  die  durch  subcutane  Einverleibung  des  Diph- 
therievirus zu  Stande  gekommen  war,  so  haben  neuerdings  Roux  und 
Martin^)  festgestellt,  dass  mit  dem  antitoxischen  Diphtherieserum  die 
Rettung  auch  solcher  Thiere  (Meerschweinchen  und  Kaninchen)  gelingt, 
bei  denen  künstlich  primäre  Schleim  ha  utdiphtherie  erzeugt 
wurde.  [Durch  leichte  thermische  Cauterisirung  der  Vaginalschleim- 
haut und  folgende  Application  virulenter  Diphtheriecultur  lässt  sich, 
wie  die  Autoren  fanden,  die  Infection  von  Meerschweinchen  leicht  be- 
wirken. Die  Thiere  bekommen  Pseudomembranen  am  Ort  der  primären 
Infection  und  sterben  nach  2 — 3  Tagen  an  allgemeiner  Diphtherie- 
intoxication.  Ebenso  gehen  Kaninchen,  denen  nach  vorgenommener 
Tracheotomie  die  Schleimhaut  der  Luftröhre  mit  dem  Platindraht 
erodirt  und  darauf  mit  Diphtheriebacillen  beimpft  wird,  in  3 — 5  Tagen 
an  allgemeiner  Diphtherieintoxication  zu  Grunde,  die  sich  an  die  Aus- 
bildung ausgedelmter  intratrachealer  Pseudomembranen  anschliesst.  ^)] 
Werden  die  vaginal  oder  tracheal  inficirten  und  darauf  erkrankten 
Thiere  mit  genügenden  Quantitäten  antitoxischen  Diphtherieserums  be- 
handelt, so  können  sie  dadurch  voller  Genesung  entgegengeführt  werden. 
Bei  Gelegenheit  dieser  Versuche  haben  Roux  und  Martin'^)  auch 
festgestellt,  dass  die  Krankheit,  welche  bei  den  Versuchsthieren  durch 
die  Infection  von  den  Schleimhäuten  aus  mit  einer  Mischung  von 
Diphtheriebacillen  und  Streptococcen  hervorgerufen  wird,  schwerer 
durch  das  antitoxische  Serum  zu  heilen  ist  als  die  allein  dui'ch  Diph- 
theriebacillen verursachte.^)  Dieselbe  Thatsache  (allerdings  nicht  für 
die  Infection  von  den  Schleimhäuten,  sondern  für  die  Infection 
vom  subcutanen  Gewebe  der  Versuchsthiere  aus)  wurde  vor  der 
Publication  von  Roux  und  Martin  bereits  von  Funck^)  ermittelt. 
Die  ersten  orientirenden  Versuche  über  die  Anwendung  der 
„Serumtherapie'"^)  bei  dem  diphtherieerkrankten  Menschen  da- 


^)  Ann.  de  l'Inst.  Pasteur.     1894.     No.  9.     p.  H24  ff. 

'-)  Vergl.  auch  oben  p.  302. 

^0  Ann.  de  l'Inst.  Pasteur.     1894.     No.  9.     p.  031. 

*)  Dass  ein  Gemiscb  von  Diphtheriebacillen  und  Streptococcen  auf  tUe  Ver- 
suchsthiere viel  perniciöser  wirkt  als  die  Diphtheriebacillen  allein,  haben  bereits 
früher  Roux  und  Yersin  festgestellt. 

^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  17.     1894. 

*^)  Bezüglich  der  für  das  Gebiet  der  Blutserumtherapie  priucipiell  wich- 
tigen Facta  siehe  die  oben  (p.  212  ff.)  gegebene  Darstellung. 

Güather,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  20 


306  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

tiren  aus  den  Jahren  1891  und  1892.^)  Ueber  die  weitere  Anwen- 
dung des  ,,  D  i  p  h  t  h  e  r  i  e  li  e  i  1  s  e  r  u  m  s  "  beim  Menschen  vergi.  nament- 
lich die  Statistiken  von  H.  Kossel'-),  Heubner''),  Ehrlich,  H.  Kossei 
und  Wassermann^),  A.  Baginsky'),  femer  die  vonRoux,  Mar- 
tin und  Chaillou*^). 

In  Deutschland  haben  die  „Farbwerke  vorm.  Meister  Lucius 
&  Brüning"  zu  Höchst  am  Main  die  Herstellung  von  .,Behring's 
Diphtherieheilmittel"  übernommen :  diese  Firma  verkauft  das 
liir  die  Behandlung  des  erkrankten  Menschen  bestimmte  Diphtherie- 
heilserum seit  dem  1.  August  1894.  Auch  die  „Chemische  Fabrik 
auf  Aktien  (vorm.  E.  Schering)"  zu  Berlin  stellt  das  antitoxische 
Diphtherieserum  dar  (cf.  oben  p.  223).  In  Paris  wird  das  Präparat 
durch  Roux  dargestellt. 

Ueber  den  Werth,  welchen  die  durch  Behring  inaugurirte  Blut- 
serumtherapie der  Diphtherie  für  den  diphtherieerkrankten  Menschen 
hat,  kann  selbstverständlich  nur  durch  sehr  lange  Erfahrung  definitiv 
entschieden  werden.  Vorläufig  lautet  das  allgemeine  Urtheil  günstig 
für  die  neue  Behandlungsmethode.  Soweit  die  bisherige  Statistik") 
Schlüsse  zulässt,  wird  die  Diphtheriemortalität  durch  die  Verwendung 
des  Heilserums  herabgedrückt.  Ungünstige  Nebenwirkungen  des  Serums, 
welche  dauernden  Xachtheil  mit  sich  brächten,  hat  man  bisher 
nicht  beobachtet.'^) 


^)  von  Bergmann'sche  Klinik  in  Berlin  (cf.  Behring,  Deutsche  med. 
Wochenschr.  1893.  p.  390);  He  noch 'sehe  Kinderstation  in  der  Charite  zu  Berlin 
(cf.  Berl.  med.  Gesellsch.  21.  Dec.  1892.  —  Berl.  klin.  Wochenschr.  1893.  p.  101); 
Heubner'sche  Universitätskinderklinik  in  Leipzig  sowie  Krankenabtheilung  des  In- 
stituts für  Infectionskrankheiten  zu  Beriin  (cf.  Behring,  Deutsche  med.  Wochen- 
schrift.   1893.    p.  389). 

2)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1893.  p.  392  ff.;  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  17. 
1894;  ,,Die  Behandlung  der  Diphtherie  mit  Behriug's  Heilserum."  Berlin. 
S.  Karger.     1894. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1894.  p.  331;  Jahrb.  f.  Kinderheilk.  Bd.  38. 
1894.    p.  221  fP. 

')  Deutsche  med.  Wochenschr.    1894.    No.  16. 

•')  cf.  Katz,  Berl.  klin.  Wochenschr.  1894.  No.  29;  A.  Baginsky,  Berl. 
med.  Gesellsch.  25.  Juli  1894.  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1894.  Vereinsbeilage 
No.  10.  p.  77):  A.  Baginsky,  „Die  Serumtherapie  der  Diphtherie  etc."  Berlin. 
Hirschwald.    1895. 

'*)  Annales  de  l'Inst.  Pasteur.     1894.     No.  9. 

•)  Vergl.  auch  meine  zusammenfassende  historische  Uebersicht  über  die  Blut- 
serumtberapie  gegen  Diphtherie  in  der  „Hyg.  Eundschau".    1895.    No.  1—3. 

■*)  Fest  steht,  dass  sehr  häufig  eine  Reihe  von  Tagen  nach  den  Seruminjectionen 
sich  Urticaria  ähnlicher  Hautausschlag  einstellt;  diese  Erscheinung  hat, 
wie   aus   Untersuchungen   von    Behring   (Behring,    Bekämpfung    der   Infections- 


Der  Diphtheriebacillus.  307 

Zur  localen  Behandlung  der  Diphtherie  hat  Loeffler^) 
ein  Gemisch  empfohlen,  bestehend  aus  Alcohol  60  Vol.,  Toluol  36  Vol., 
Liqu.  ferri  sesquichlor.  4  Vol.,  dessen  therapeutisches  Vermögen  auf  der 
energischen  Wirkung  in  die  Tiefe  und  auf  seiner  ausserordentlich  stark 
wasserentziehenden  Eigenschaft,  welche  den  wirksamen  Substanzen  das 
Eindringen  in  die  Tiefe  gestattet,  beruht. 

So  wie  sich  bei  Versuchsthieren,  die  eine  Diphtherieerkrankung 
überstanden  haben,  immunisirende  Substanzen  im  Blute  finden,  so  ist 
dies  auch  beim  Menschen  der  Fall.  Der  erste  derartige  Nachweis 
stammt  von  Klemensiewicz  und  Esche  rieh-):  die  Autoren  fanden, 
dass  das  Blutserum  von  Diphtheriereconvalescenten  meerschwemchen- 
inmiunisirende  Eigenschaften  besitzt.  Nach  den  Ermittelungen  von 
Abel'^)  finden  sich  diese  Eigenschaften  nicht  unmittelbar  nach  dem 
Ueberstehen  der  Diphtherie,  sondern  erst  eine  Reihe  von  Tagen  (8  — 11) 
später;  sie  verschwinden  auch  bald  wieder.  Wichtig  ist  die  sicher 
constatirte  Thatsache  (Abel^).  Wassermann^),  Es  eher  ich  und 
0  r  1 0  w  s  k  i  *') ),  dass  auch  Individuen  (namentlich  Erwachsene),  die  nie 
eine  Diphtherieerkrankung  durchgemacht  haben,  diphtherieinununi- 
sirende  Substanzen  in  ihrem  Blute  haben  können,  während  andere  der- 
artige Individuen  keine  Spur  derartiger  Substanzen  aufweisen.  Dass 
jedoch  das  Ueberstehen  einer  Diphtherieerki-ankung  beim  Menschen 
solche  schützenden  Substanzen  im  Blute  entstehen  lässt,  ist  durch 
Es  che  rieh'')  direct  nachgewiesen  worden. 

Aus Diphtheriebacillenculturen  stellten  Brieger  undC.  Fraenkel^) 


krankheiten.  Infection  und  Desinfection.  Leipzig.  G.  Thieme.  1894.  p.  237)  her- 
vorgebt, mit  dem  Antitoxin  selbst  nicht  das  Mindeste  zu  thun;  sie  beruht  auf  dem 
Gehalt  des  benutzten  Serums  an  „irritirenden  Stoffen"  (sog.  „Acria"),  von  denen 
Behring  (ebenda  p.  238)  angiebt,  dass  sich  ihre  Eliminirung  ermöglichen  lässt. 
Nach  H.  Kos  sei  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1894.  No.  51)  tomrat  bezüghch  der 
Eventualität  des  Auftretens  der  Urticaria  wahrscheinhch  auch  die  Thierart  in  Frage, 
von  welcher  das  Serum  stammt:  Hammelserum  ruft  z.  B.  häufiger  Urticaria  hervor 
als  Ziegen-  und  Kuhserum.  Ausser  der  Urticaria  kommen  aber  auch  schwerere 
Affectionen  nach  Anwendung  des  Serums  zur  Beobachtung  (polymorphe  Erytheme, 
mit  Fieber  und  Gelenkaffectionen  verbunden).  Dauernde  Schädigung  ist  durch  diese 
Zufälle  bisher  nicht  beobachtet  worden. 

')  Deutsche  med.  Wochenschr.     1894.     p.  802. 

•')  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.   13.     1893.     No.  5/6. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1894.     p.  902. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1894.     p.  936. 

•^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.   19.     1895.     p.  415. 

•*)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1895.     p.  401. 

')  Ebenda  Anmerkung. 

■'*)  Berl.  khn.  Wochenschr.     1890.     No.  11,  12. 

20* 


308  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

einen  überaus  giftigen  Eiweisskörper  (kein  Alkaloid)  dar,  welcher 
in  die  Gruppe  der  von  diesen  Forschem  entdeckten  „Toxalbumine" 
(cf.  oben  p.  45)  gehört.  Dieser  giftige  Eiweisskörper  ist  nach  den 
oben  über  die  Natur  des  specifischen  Diphtheriegiftes  gegebenen  Er- 
örterungen mit  dem  letzteren  nicht  identisch. 

Der  Diphtheriebacillus  färbt  sich  mit  wässerigen  Farbstofllösungen, 
besonders  gut  mit  der  Loeffler'schen  Meth3'lenblaulösung  (p.  90); 
er  färbt  sich  auch  nach  der  Gram' sehen  Methode  (p.  108  ff.). 

In  der  Mimd-  und  Eachenhöhle  findet  sich  nicht  ganz  selten  ein 
dem  Loeffler'schen  Diphtheriebacillus  morphologisch  mid  in  der 
Cultur  sehr  ähnhcher,  aber  (für  Yersuchsthiere)  nicht  virulenter 
Bacillus,  der  „Pseudodiphtheriebacillus"').  Derselbe  wurde 
zuerst  von  Loeffler-)  gesehen,  dann  auch  von  v.  Hofmann-^) 
studirt.  Dieser  Pseudo diphtheriebacillus  lässt  sich  dadm'ch 
von  dem  echten  Diphtheriebacillus  miterscheiden ,  dass  er,  in  alka- 
lischer Bouillon  gezüchtet,  die  Eeaction  derselben  unverändert  lässt. 
Der  echte  Diphtheriel)acillus  hingegen  macht  die  ursprünglich  leicht 
alkahsche  Bouillon  zunächst  sauer;  später,  oft  allerdings  erst  nach 
Monaten*),  Avird  die  Reaction  wieder  alkalisch.  Ueber  das  Yerhältniss 
des  Pseudodiphtheriebacillus  zmn  Diphtheriebacillus  gehen  die  Mei- 
lumgen  der  Autoren  noch  aus  einander.  Nicht  unmöglich  ist  es,  dass, 
wie  Roux  und  Ter  sin  ■^)  annehmen,  der  Pseudodiphtheriebacillus  nur 
eine   nicht   pathogene  Varietät  des  echten  Diphtheriebacillus  darstellt. 


14.   Die  Bacillen  der  Septicaemia  haemorrhagica. 

Unter  der  Bezeichnung  „Septicaemia  haemorrhagica" 
hat  Hueppe")  eine  Eeihe  von  (nicht  auf  den  Menschen  übertrag- 
baren) Thierkrankheiten  zusammengefasst,  welche  durch  Bakterien 
veranlasst  Averden,  die  einander  sehr  nahe  verwandt  sind,  wenn  sie 
auch  nicht  direct  als  identisch  betrachtet  werden  dürfen. 


^)  Der  „Pseudodiphtheriebacillus"  soll  etwas  kürzere  und  dickere  Formen  bilden 
und  auf  den  Nährböden  etwas  üppiger  gedeihen  als  der  echte  Diphtheriebacillus. 
Xach  Gram  färbt  er  sich  wie  dieser. 

2)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  2.     ISST.     No.  4. 

^)  Tagebl.  d.  60.  Vers,  deutsch.  Naturf'.  u.  Aerzte.  Wiesbaden  ISST.  p.  IHt 
bis  120. 

^)  Escherich,  Berl.  khn.  Wochenschr.     1S93.     yi.  520. 

^)  Ann.  de  l'Inst.  Pasteur.     1890.     No.  T.     p.  413,  414. 

'^)  Beri.  klin.  Wochenschr.     1SS6.     No.  44—46. 


Die  Bacillen  der  Septicaemia  haemorrbagica.  309 

Es  gehören  hierher  die  Hühnercholera,  die  experimentelle  und 
die  spontane  Kaninchensepticaemie,  die  deutsche  Schweineseuche,  die 
amerikanische  Schweineseuche,  die  dänische  Schweinepest,  die  Mar- 
seiller  Schweineseuche,  die  Rinder-  und  Wildseuche,  die  itahenische 
Büffelseuche,  die  Frettchenseuche,  der  Mauset jphus  und  nelleicht  noch 
einige  andere  Thierseuchen. 

Die  Huhn  er  Cholera  (Geflügelcholera,  cholera  des  poules,  Ge- 
fiügelpest,  Geflügeltyphoid)  ist  eine  unter  dem  Geflügel  des  Hofes  oft 
epizootisch  auftretende,  mit  Diarrhöen  einhergehende,  hei  Hühnern  in 
1 — 2  Tagen  tödtlich  endende  Infectionskrankheit. 

Durch  Perroncito^),  dann  besonders  durch  Pasteur'-),  wau'den 
in  dem  Blut  und  den  Organen  der  Thiere  sowie  in  dem  Darminhalt 
derselben  constant  vorkommende,  eigen thümlich  gestaltete  Bakterien 
nachgewiesen,  die  durch  Pasteur  (1880)  reingezüchtet  wurden,  und 
deren  specifische  pathogene  Bedeutung  durch  erfolgreiche  Uebertragung 
auf  gesunde  Thiere  durch  Pasteur  festgestellt  wurde. 

Die  Huhne rcholerabacillen  (Bacillus  cholerae  gallinarum 
Flügge,  Bacterium  avicidum  Kitt),  sind  kurze,  plumpe  Stäbchen  mit 
etwas  abgerundeten  Enden,  die  häufig  einzeln,  aber  auch  zu  mehreren 
verbunden  angetroffen  werden  und  sich  bei  der  Färbung  mit  Anihn- 
farbstoffen  dadurch  vor  anderen  ähnKchen  Stäbchen  auszeichnen,  dass 
sie  sich  nur  an  den  Endpolen  färben,  während  ihre  Mitte 
ungefärbt  bleibt. 

Die  Hühnercholeral)acillen  sind  u  n  b  e  w  e  g  1  i  c  h. 

Sie  wachsen  auf  den  gewöhnlichen  Xährböden  bei  Zimmertem- 
peratur sowohl  wie  bei  Brüttemperatur;  auf  Kartoffeln  findet  nur 
bei  Brüttemperatur  Wachsthum  statt,  und  zwar  auch  da  nur  massiges. 

In  Gelatinestichculturen  kommt  die  Entwickelung  sowohl 
im  Verlaufe  des  Impfstiches  wie  auch  auf  der  Oberfläche  zu  Stande: 
auf  der  Oberfläche  bildet  sich  ein  zarter,  weissgrauer  Belag.  Die 
Gelatine  wird  nicht   verflüssigt. 

Auf  Agar  und  Blutserum  bilden  sich  glänzende,  weissliche 
Beläge. 

Sporenbildung  existirt  bei    den  Hühnercholerabacillen   nicht. 

Unter  natürlichen  Yerhältnissen  wird  die  Infection  der 
Hühner,  wie  sicher  nachgewiesen  ist,  dadurch  vermittelt,  dass  die 
Excremente  der  kranken  Thiere,  welche  sehr  reich  an  den  Bacillen  sind. 


^)  Arch.  f.  wiss.  u.  prakt.  Thierbeilk.     1879. 

■^)  Comptes  rendus.     A.cad.  des  sciences.     Paris,    t.  90.  1880:    t.  92.    1881. 


310  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

von  den  gesunden  Thieren  mit  der  Nahrung  in  den  Darmkanal  auf- 
genommen werden.  Die  experimentelle  Erzeugung  der  Krankheit 
durch  Infection  per  os  erfordert  stets  die  Einführung  sehr  grosser 
Mengen  des  specifischen  Bakterienmaterials/)  während  durch  cutane 
oder  subcutane  oder  durch  intramusculare '^)  Einverleibung  die  Infection 
mit  den  kleinsten  Quantitäten  des  Infectionsmaterials  gelingt. 

Die  Hühner  zeigen  ausser  der  Septicaemie  vor  Allem  hämorrha- 
gische Enteritis;  der  Darminhalt  ist  reich  an  den  specifischen  Bak- 
terien. Neben  Hühnern  sind  Gänse,  Tauben,  Sperlinge,  Mäuse  und 
Kaninchen  empfänglich.  Meerschweinchen  erscheinen  fast  un- 
empfänglich. Auf  Taf.  XI,  Fig.  64,  ist  ein  Ausstrichpräparat  des 
Herzblutes  einer  Taube  dargestellt,  welche  an  der  Infection  zu  Grunde 
gegangen  war.  Man  sieht  hier,  zwischen  den  rothen  Blutkörperchen 
(von  denen  nur  die  Kerne  deutlich  hervortreten),  die  in  characteristischer 
Weise  an  den  Endpolen  gefärbten  kleinen  Stäbchen  liegen. 

Bekanntlich  ist  die  Hühnercholera  diejenige  Krankheit,  bei  der 
zuerst  eine  Abschwächung  der  Virulenz  pathogener  Bakterien 
(durch  Pasteur  1880;  cf.  oben  p.  203)  festgestellt  wurde.  Pasteur 
fand,  dass  künstliche  Culturen  der  Hühnercholerabakterien  bei  ein- 
fachem längeren  Stehen  an  der  Luft  ihre  Fähigkeit  verloren  hatten, 
Hühner  tödtlich  zu  inficiren.  Die  geimpften  Thiere  erkrankten  nur 
örtlich  und  zeigten  sich  nachher  immun  gegen  Infection  mit  viru- 
lenten Culturen. 

Der  Hühnercholerabacillus  färbt  sich  mit  wässerigen  Farbstoff- 
lösungen; er  färbt  sich  nicht  nach  der  Gram'schen  Methode  (p.  108 ff.). 

Die  Kaninchen  septicaemie.  Durch  subcutane  Injection 
von  Pankewasser  (die  Panke  ist  ein  in  Berlin  mündendes  Neben- 
flüsschen der  Spree)  in  den  Kanin chenkörper  erhielt  Gaffky'^)  zuerst 
diese  experimentelle  Infection skrankheit.  Die  Kaninchen  gehen 
innerhalb  16  —  20  Stunden  nach  der  Impfung  zu  Grunde  und  zeigen 
überall  im  Blut  und  in  den  Organen  Organismen  (Bacillus  cunicuhcida 
Flügge),  welche  in  ihrem  gesammten  Verhalten  (Morphologie, 
Cultur,  Thierpathogenität)  den  Hühnercholerabakterien  gleichen. 

Von  dem  Bacillus  der  experimentellen  Kaninchen  septicaemie  (und 
damit   auch   von   dem  Hühnercholerabacillus)  abweichend   verhält  sich 


0  cf.  Schönwerth,  Arch.  f.  Hjg.    Bd.  17.     1893. 

^)  Nach  Schönwerth  (1.  c.)  genügt  bei  intramuscularer  Einverleibung  wahr- 
scheinlich schon  ein  einziger  Bacillus  zur  erfolgreichen  Infection. 

■')  Mitth.  a.  d. 'Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1881.     p.  102,  104. 


Die  Bacillen  der  Septicaemia  haemorrhagica.  311 

der  Erreger  der  „  s  p  o  u  t  a  n  e  n  "  K  a  n  i  n  c  h  e  ii  s  e  p  t  i  c  a  e  m  i  e ,  welcher 
von  Eber th  imd  Mandry^)  beschrieben  worden  ist.  Es  handelt 
sich  um  einen  eigenbeweglichen  Bacillus,  der  in  den  Cultur- 
merkmalen  sich  nicht  wesentlich  von  dem  Hühnercholerabacillus  unter- 
scheidet; dagegen  finden  sich  bedeutende  Unterschiede  in  den  patho- 
genen  Eigenschaften.  Sperlinge,  Mäuse,  Kaninchen  verhalten  sich 
ziemlich  empfänglich,  Tauben  und  Meerschweinchen  weniger;  Hühner 
verhalten  sich  auch  sehr  grossen  Dosen  gegenül)er  ganz  refractär. 

Die  (deutsche)  S  c  h  w  e  i  n  e  s  e  u  c  h  e.  Dieselbe  ist  eine  früher  mit 
Schweinerothlauf  (s.  oben  p.  295)  zusammengeworfene  Krankheit,  welche 
jedoch  von  Loeffler")  als  selbständige  Krankheit  erkannt  wurde. 
Loeffler  fand  1882  in  der  Halshaut  und  den  Organen  eines  an- 
geblich an  Rothlauf  verendeten  Schweines  sehr  kleine  ovoide  Bakterien, 
welche  mit  den  Hühnercholerabakterien  die  grösste  Aehnlichkeit  hatten. 
Loeffler  cultivirte  die  Schweineseuchebakterien  auch  bereits  rein. 
Schütz-^)  hat  dann  später  die  Schweineseuche  eingehend  studirt  und 
mit  den  reingezüchteten  Bakterien  Schweine  erfolgreich  inficirt. 

Pathologisch  -  anatomisch  ist  die  deutsche  Schweineseuche  der 
Hauptsache  nach  eine  multipel-lobulär  auftretende  nekrotisirende  Pneu- 
monie; der  Verlauf  der  Krankheit  ist  meist  sehr  acut  (wenige 
Stunden,   •/,  bis  2  Tage)  (Kitt). 

FAn  Unterschied  zwischen  den  Hühnercholerabakterien  und  den 
Erregern  der  Schweineseuche  besteht  insofern,  als  die  letzteren  für 
Hühner  und  Tauben  ffist  völlig  indifferent,  für  Meerschweinchen  aber 
sehr  virulent  sind.  Hühnercholerabakterien  verhalten  sich  gerade  ent- 
gegengesetzt. Im  Uebrigen  aber  sind  irgendwie  durchgreifende  Unter- 
schiede nicht  zu  verzeichnen. 

Die  amerikanische  S  c  h  w  e  i  n  e  s  e  u  c  h  e  wiu'de  bezüglich 
ihrer  Aetiologie  zuerst  studirt  von  Salmon*)  und  von  Billings. ^) 
Salmon  ist  dafür  eingetreten,  dass  es  zwei  ätiologisch  von  einander 
verschiedene   Schweineseuchen   in   Amerika   giebt:    „Hog   Cholera" 


'^  Virch.  Arch.     Bd.  121.     1S90. 

-)  Arbeiten  a.  d.  Kais.  Ges.-Arate.     Bd.   1.     1SS6,     p.  51  ff. 

")  Ebenda  p.  376  ff. 

■*)  cf.  Baumgarten's  Bakteriol.  .Jahresber.  1SS6.  p.  1.50,  151;  1SS7.  p.  127 
bis  129;  1888.  p.  128. 

■')  cf.  Baumgarten's  Bakteriol.  .Jahresber.  1887.  p.  130;  1888.  p.  129; 
1889.    p.   178. 


312  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

und  ,.  S  w  i  n  e  Plague  ".  Kacli  neueren  Untersucliungen  ^)  nimmt 
man  nur  eine  amerikamsclie  Schweineseuche  an,  die  Hog-Cholera. 

Die  pathologischen  Veränderungen  bei  der  amerikanischen  Schweine- 
seuche sind  fast  immer  auf  den  D  a  r  m  beschränkt :  der  Verlauf  der 
Krankheit  ist  acut  (5  —  8  Tage)  oder  chronisch  (mehrere  Wochen) 
(Kitt). 

Von  dem  Erreger  der  deutschen  Schweineseuche  sind  die  Bak- 
terien der  amerikanischen  Schweineseuche  leicht  zu  unterscheiden. 
Die  letzteren  zeigen  (zum  Unterschiede  von  den  Bakterien  der  deut- 
schen Schweineseuche)  Eigenbewegung,  sie  wachsen  femer  gut 
auf  Kartoffeln. 

Den  Bakterien  der  amerikanischen  Schweineseuche  in  seinem  ge- 
sammten  Verhalten  sehr  nahe  steht  ein  Bacterium,  welches  von  Se- 
iander ^)  als  Erreger  der  dänischen  Schweinepest  (Svinpest) 
nachgewiesen  wurde. 

Eine  ähnliche  Bakterienart  vraiäe  von  Riet  seh.  Jober  t  und 
Martin  and"')  als  Ursache  einer  1887  in  Marseille  beobachteten,  von 
Afrika  eingeschleppten  Schweineepidemie  (Mar seiller  Schweine- 
s  e  u  c  h  e )  aufgefimden. 

Die  Binder-  und  Wild seu che.  Dieselbe  ist  eine  ft-üher 
häufig  mit  Milzbrand  verwechselte,  dann  von  Bo  Hing  er  als  selbst- 
ständige Krankheit  erkannte,  epizootisch  auftretende  Infectionskrankheit, 
welche  Roth-  und  Schwarzwild,  aber  auch  Pferde  und  Rinder 
spontan  befällt  und  je  nach  dem  Infectionsmodus  in  einer  cutanen 
(septicaemi sehen),  einer  pectoralen  (pneumonischen)  und  einer  intesti- 
nalen Eorm  auftritt.  Die  bei  der  Wildseuche  vorkommenden  speci- 
fischen  Bakterien  wurden  zuerst  von  Kitt^)  gesehen;  durch  Kitt 
und  durch  Hueppe'^)  ist  dann  die  Ki-ankheit  genauer  studirt  und 
durch  den  letzteren  Forscher  ihre  Zugehörigkeit  zu  der  in  Besprechung 
stehenden  Gruppe  von  lü-ankheiten,  für  che  Hueppe,  wie  bereits  er- 
wähnt, die  Bezeichnung  „Septicaemia  haemorhagica"  schuf, 
festgestellt  worden. 


')  Frosch,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  9.  1890:  Th.  Smith,  Centralbl.  f.  Bakt. 
Bd.  9.  1891.  p.  253  ff.;  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  10.  1891;  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  IH. 
1894.    p.  231  ff. 

-)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  3.     1888.     No.  12. 

=0  Acad.  des  sciences.  Paris.  23  janvier  et  9  avril  1888.  (Compt.  rend.  t.  106. 
p.  296  et  1096). 

*)  Sitzungsber.  d.  Ges.  f.  Morph,  n.  Physiol.  zu  München.    10.  Xov.  1885. 

")  Beri.  klin.  Wochenschr.     1886.     No.  44—46. 


Die  Bacillen  der  Septicaemia  baemorrhagica.  313 

Die  (italienische)  Büffels  euch  e  („Barbone  dei  bufali").  Die 
Aetiologie  der  Krankheit  wurde  zuerst  von  Oreste  und  Armanni^) 
genauer  studirt.  Der  Barbone  ist  eine  in  Italien  heimische,  vornehmlich 
die  jungen  Büffel  im  Sommer  befallende,  mit  hohem  Fieber,  Störung 
des  Allgemeinbefindens  und  localen  entzündlichen  Oedemen,  namentlich 
der  Kehlgegend,  einhergehende,  meist  innerhalb  von  12  bis  24  Stunden 
tödtlich  endende  Infectionskrankheit ,  die  epidemisch  auftritt  und  oft 
viele  Opfer  fordert. 

Im  Blute  und  in  dem  Exsudate  der  localen  Schwellungen  fanden 
die  genannten  Autoren  einen  dem  Erreger  der  (deutschen)  Schweine- 
seuche in  hohem  Grade  ähnlichen  Organismus,  mit  dessen  Reinculturen 
an  einer  Anzahl  von  Thierspecies  Impfungen  mit  positivem  Erfolge 
ausgeführt  werden  konnten.  Ein  junger  Büffel,  ein  junges  Schwein, 
ein  junges  Pferd,  eine  junge  Kuh,  ein  Schaf,  ferner  Mäuse,  Ratten. 
Kaninchen,  Meerschweinchen,  Tauben,  Hühner  zeigten  sich  empfänglich. 

Die  Frettchenseuche.  Diese  gelegentlich  spontan  in  Epide- 
mien auftretende  Infectionskrankheit  wurde  bezüglich  ihrer  Aetiologie 
von  E b e r t h  und  Schi mmelbu seh ^)  studirt.  Makroskopisch  fand 
sich  bei  der  Krankheit  besonders  Pneumonie  und  Milztumor.  Mikro- 
skopisch wurde  im  Blut  und  in  den  Organen  ein  kurzer,  facultativ 
anaerober,  mit  lebhafter  Eigenbewegung  begabter  Bacillus  gefunden, 
welcher  im  Uebrigen  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  Hühnercholera- 
bacillus  besitzt.  Derselbe  ist  namentlich  für  Sperlinge  pathogen,  bei 
denen  er  nach  subcutaner  Im])fung  einen  localen  Eiterherd  und  den 
Tod  durch  Septicaemie  veranlasst.  Hühner  aber  verhalten  sich  re- 
fractär. 

Der  Mäusetyphus.  Im  Jahre  1890  beobachtete  Loeffler'^) 
unter  den  im  hygienischen  Institut  zu  Oreifswald  gehaltenen  weissen 
Mäusen  eine  Epidemie,  welcher  in  kurzer  Zeit  69  ö/^  der  Thiere  er- 
lagen. Die  Krankheit,  welche  sich  dadurch  fortpflanzte,  dass  die  todten 
Thiere  von  den  gesunden  angefressen  wurden,  zeigte  sich  bedingt  durch 
einen  specifischen,  bis  dahin  unbekannten  Bacillus  (Bacillus  des  Mäuse- 
typhus, Bac.  typhi  muri  um). 

Es  handelt  sich  um  kurze  Bacillen  mit  lebhafter  Eigen- 
bewegung.    Die  letztere  wird  bedingt  durch  seitenständige  Geissein. 


')  cf.  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  2.     1887.     p.  50—56. 

-)  Fortschr.  d.  Med.  1888.  No.  8;  Virch.  Arch.  Bd.  115.  1889  u.  Bd.  116.  1889. 

3)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  11.     1892.    No.  5. 


314  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Künstliche  Züchtung  gelingt  auf  den  gewöhnlichen  iS'^ährböden  bei 
Zimmer-  sowohl  ^vie  bei  Brüttemperatur.  Die  Gelatine  wird  nicht 
verflüssig  t.  Auf  der  Platte  bilden  die  oberflächlichen  Colonien 
häutchenartige  Ausbreitungen,  in  ähnlicher  Weise  wie  es  beim  T^phus- 
bacillus  der  Fall  ist,  oder  auch  dickere  Flecken.  Im  Bereiche  der 
Colonien  trübt  sich  die  Gelatine  leicht.  Auf  der  A  g  a  r  Oberfläche 
entstehen  grauweisse  Beläge,  auf  der  Kartoffel  weissliche  Auf- 
lagerungen, in  deren  Umgebung  sich  die  Kartolfel  schmutzig  graublau 
färbt.  In  Peptonzuckerbouillon  findet  unter  starker  Trübung 
Säurebildung  und  Gasentwickelung  statt.  Milch  wird  sauer,  ihr  Aus- 
sehen nicht  verändert.     Sporenbildung  wurde  nicht  beobachtet. 

Der  beschriebene  Bacillus  ist  für  eine  ganze  Reihe  von  Thier- 
species  pathogen;  bei  Verfütterung  des  Infectionsmateriales 
zeigen  sich  jedoch  ausschliesslich  die  (weisse  und  graue)  Haus- 
maus (Mus  musculus)  und  die  Feldmaus  (Arvicola  arvalis)  emp- 
fänglich ;  und  zwar  ist  die  Feldmaus  empfänglicher  als  die  Hausmaus ;  i) 
die  graue  Hausmaus  ist  etwas  widerstandsfähiger  gegen  die  Infection 
als  die  weisse.^)  Nach  der  spontanen  Infection  der  weissen  Mäuse 
während  der  oben  erwähnten  Epidemie  verflossen  gewöhnlich  1  bis 
2  Wochen  bis  zum  Tode.  Die  gestorbenen  Thiere  zeigten  Milztumor, 
Hämorrhagien  der  Magen-  und  Dünndarmschleimhaut,  Eöthung  der 
Peyer"schen  Plaques,  geschwollene  und  von  Hämorrhagien  durchsetzte 
Mesenterialdrüsen.  Ueberall  in  den  Organen,  speciell  in  der  Leber 
und  den  Mesenterialdrüsen,  ferner  in  der  Milz,  in  manchen  Fällen 
auch  im  Herzblut,  fanden  sich,  und  zwar  in  den  Gefässen  Liegend,  die 
beschriebenen  Bacillen.  Häufig  waren  herdförmige  Anordnungen  der 
Bacillen  in  den  Organen  wie  beim  menschhchen  Abdominaltyphus:  die 
Bacillen  waren  oft  in  Zellen  eingeschlossen. 

Nach  der  künstlichen  Infection  per  os  gingen  Feld- 
m  ä  u  s  e  in  6  bis  8  bis  12  Tagen  zu  Grunde :  die  s  u  b  c  u  t  a  n  e  In- 
fection tödtete  diese  Thiere  innerhalb  2  bis  4  Tagen. 

Katzen,  Ratten,  Brandmäuse  (Mus  agrarius),  kleine  Vögel,  Tauben, 
Hühner,  Meerschweinchen,  Kaninchen,  Ferkel  zeigten  sich  bei  Ver- 
fütterung des  Infectionsmateriales  unempfänglich.  Durch  sub- 
cutane Einverleibung  Hessen  sich  kleine  Vögel,  Ratten,  Tauben, 
Meerschweinchen  inficiren;  Kaninchen  zeigten  sich  dabei  wenig  emp- 
fänglich. 

Mit  Hülfe  des  Mäusetyphusbacillus  hat  Loeffler  im  April  1892 


V  cf.  Lunkewitsch,  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  1.5.     1S94.     p.  S46. 
■-)  Loeffler,  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.   1."^.     1S93.     p.  64S. 


Der  Bacillus  des  grünen  oder  blauen  Eiters.  315 

die  Feldmaiisplage  in  ThessaKen  erfolgreich  bekämpft.  ^)  Es  ist  bei 
dieser  Gelegenheit  auch  erwiesen  worden,  dass  der  genannte  Bacillus 
für  den  Menschen  (per  os  einverleibt)  unschädlich  ist.-)  —  Auch  an 
anderen  Orten,  z.  B.  in  Oesterreich •^) ,  sind  praktische  Versuche,  be- 
treffend die  Vertilgung  von  Mäusen  mit  Hülfe  des  Loeffler "sehen 
Bacillus,  angestellt  worden. 

Einen  dem  Mäusetjphusbacillus  äusserst  ähnlichen,  jedenfalls  mit 
demselben  nahe  verwandten  Bacillus  hat  Laser^)  im  Februar  1891 
als  Erreger  einer  Epide;nie,  die  unter  den  Feldmäusen  des  hygienischen 
Instituts  zu  Königsberg  auftrat,  ermittelt.  Dieser  Bacillus  hat  auch 
das  Gemeinsame  mit  dem  Mäusetyphusbacillus ,  dass  er  bei  der  Ein- 
verleibung per  OS  nur  die  Hausmaus  und  die  Feldmaus  zu  tödten 
vermag. 

Der  Laser'  sehe  Bacillus  tödtet  die  Thiere  im  Allgemeinen  in 
etwas  kürzerer  Zeit  als  der  Loeffler'sche. ■^) 


15.  Der  Bacillus  des  grünen  oder  blauen  Eiters. 

Der  Bacillus  des  grünen  oder  blauen  Eiters  (Bacillus 
pyocyaneus,  Bacteritim  aeruginosum)  ist  die  Ursache  des  öfters  zu 
beobachtenden  spontanen  Grün-  oder  Blauwerdens  des 
Eiters  und  der  Verbandstoffe  in  Krankenanstalten.  Aus  derartigem 
Eiter  kann  er  durch  das  Plattenverfahren  leicht  in  Reincultur  ge- 
wonnen werden. 

Der  Bacillus  pyocyaneus  \nirde  zuerst  von  Gessard*')  (1882) 
gesehen. 

Der  Bacillus  ist  ein  kleines,  schlankes  Stäbchen  von  der 
Länge  des  Mäusesepticaemiebacillus ,  aber  etwas  dicker  als  dieser 
(Flügge),  welches  einzeln  oder  in  kleinen  Verbänden  auftritt  und 
lebhafte  Eigenbewegung  besitzt.  Das  Stäbchen  trägt  eine  ein- 
zige Geis  sei  (Loeffler),  welche  sich  nach  der  oben  (p.  80  ff.) 
besprochenen  Geisselfärbungsmethode  mikroskopisch  darstellen  lässt. 


1)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  12.     1S92.     No.  1. 

•-)  Ebenda  p.  12. 

3)  cf.  Kornauth,  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.   Kl.     1894.     p.  HO. 

^)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  11.  1892.  No.  6/7.  —  Ebenda  Bd.  13.  1893.  No.  20. 

•^)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  13.     1893.    p.  649. 

^)  Comptes  rendus.  Acad.  des  sciences.  Paris,  t.  94.  1882.  —  Die  wichtigste 
Literatur  über  den  Bac.  pyocyaneus  siehe  bei  Jakowski  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  15. 
1893.    p.  474—479). 


316  B-  Die  Bakterien  als  KrankheitseiTeger. 

Der  Bacillus  ist  facultativ  anaerob.  ^)  Er  wächst  auf  den 
gewöhnlichen  Nährböden,  und  zwar  l)ei  Zimmertemperatur  sowohl  Avie 
bei  Brüttemperatm-. 

Auf  der  Gelatineplatte  bilden  die  Colonien  unregelmässio- 
begrenzte,  flach  ausgebreitete  Beläge,  in  deren  Bereich  die  Gelatine 
massig  schnell  verflüssigt  wird,  während  die  Umgebung  sehr  bald 
eine  grüne  Fluor escenz  annimmt.  Dementsprechend  gestaltet  sich 
auch  das  Wachsthum  der  Stichcultur.  Auch  hier  tritt  lebhafte 
grüne  Fluorescenz  ein. 

Nährbouillon,  die  mit  dem  Bac.  p3roc3'aneus  beimpft  wird, 
trübt  sich  und  zeigt,  zuerst  an  der  Oberfläche,  schön  gelbgrüne 
Färbung.  -) 

Auf  der  A  g  a  r  Oberfläche  bildet  der  Bacillus  weissliche  Beläge, 
unter  denen  der  Nährboden  grün  gefärbt  wird.  Glj^cerin-Agar, 
mit  dem  Bacillus  beimpft,  färbt  sich  zunächst  schön  blau,  wird  dann 
allmählich  immer  dunkler,  fast  undurchsichtig. 

Auf  Kartoffeln  entstehen  dicke,  gelbgrüne  bis  bräunliche 
Ueberzüge,  in  deren  Umgebung  die  Kartoffel  sich  grün  färbt. 

Der  Bacillus  vermag  mehrere  Farbstoffe  zu  l)ilden;  die  wichtigsten 
sind  das  blaue  PvocA-anin  und  ein  fluorescirender ")  grüner  Farb- 
stoff. Die  Natur  des  im  Einzelfalle  gebildeten  Farbstoffes  ist  von  der 
jeweiligen  Zusammensetzung  des  Nährbodens  abhängig:  andererseits 
bildet  der  Bacillus.,  pyocyaneus  auch  Varietäten,  welche  sich  in 
der  Farbstoffproduction  von  einander  unterscheiden. '')  Zuerst  durch 
P.  Ernst  ■^)  wurden  Varietäten  des  Bacillus  pyocyaneus  („Bac.  pyoc.  a" 
und  „Bac.  p3^oc.  /?")  statuirt.  Die  a-Varietät  producirt  einen  gelbgrünen 
Farbstoff,  verflüssigt  die  Gelatine  langsam  und  lässt  die  ganze,  auch 
die  unverflüssigte  Gelatine  grün  fluoresciren;  die  /5- Varietät  producirt 
einen  blaugrünen  Farbstoff',  verflüssigt  die  Gelatine  schnell  und  hat 
sehr  wenig  fluorescirende  Kraft. 

Sporenbildung  existirt  bei  dem  Bacillus  pyocyaneus  nicht. 

Der   Bacillus    bildet    giftige    8 toffwechselproducte.     Er 


^)  Das  Wachsthum  bei  Sauerstoffzutritt  ist  aber  besser  als  das  bei  Saiierstoff- 
abschluss.  Bei  Züchtung  unter  Abschluss  von  Sauerstoff  bleibt  die  Farbstoffproduc- 
tion aus  (.Jakowski,  1.  c.  p.  4SI). 

-)  cf.  Jakowski,  1.  c.  p.  482. 

^)  Zur  Bildung  des  grünen  fluoresciren  den  Farbstoffs  ist  es  nöthig,  dass 
der  Nährboden  eine  gewisse  Menge  phosphorsauren  Salzes  enthält  (Gessard, 
Annales  de  l'Inst.  Pasteur.    1S92.    p.  SlO,  Sil). 

*)  cf.  Gessard,  Ann.  de  Tlnst.  Pasteur.    1891.    No.  2. 

•^)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  2.    1887. 


Der  Bacillus  des  grünen  oder  blauen  Eiters.  317 

vermag  auch,  wie  die  Untersuchungen  vun  Ledderhose')  und  von 
Charrin^)  gezeigt  haben,  im  Körper  empfänglicher  Thiere  sich  zu 
vermehren.  Am  intensivsten  wirkt  die  intravenöse  Einverleibung, 
weniger  intensiv  die  intraperiteneale  oder  subcutane.  Besonders  emp- 
fänglich sind  Kaninchen  und  Meerschweinchen.  Nach  subcutaner  In- 
jection  nicht  zu  kleiner  Mengen  frischer  Bouilloncultur  gehen  die  Thiere 
unter  Entwickelung  localer  eitriger  Entzündung  bald  zu  Grunde ; 
bei  intraperitonealer  Einverleibung  entsteht  eitrige  Peritonitis, 

Bei  fortgesetzten  Uebertragungen  von  Thier  zu  Thier  scheint  die 
Virulenz  des  Bacillus  zuzunehmen. 

Durch  Einverleibung  kleiner  Culturmengen  sowie  durch  Ein- 
verleibung der  bakterienfiTien  Stofifwechselproducte  des  Bacillus  lassen 
sich  Kaninchen  gegen  die  Pyocyaneus-Infection  immun isiren.  Das 
Blutserum  des  immunisirten  Kaninchens  hat  (im  Gegensatz  zu  dem 
Serum  normaler  Kaninchen)  bactericide  Eigenschaften  dem  Bacillus 
pyocyaneus  gegenüber  (Bouchard-^)). 

Auch  für  den  Menschen  scheint  der  Bacillus  pyocyaneus  unter 
Umständen  pathogen  werden  zu  können.^) 


16.  Der  Kommabacillus  der  Cholera  asiatica  (Vibrio 
cholerae  asiaticae). 

Im  Jahre  1883  wurde  durch  Bob.  Koch  ermittelt,  dass  in  allen 
Fällen  von  Cholera  asiatica  eine  ganz  bestimmte  Bakterienart 
gefunden  wird,  und  dass  diese  Bakterienart  ausschliesshch  bei  Cholera 
asiatica  vorkommt.  Man  findet  in  den  Ausleerungen  von  Cholerala'anken 
kommaförmig  gekrümmte,  lebhaft  bewegliche  Bakterien  („Kommabacillen 
der  Cholera",  „Choleravibrionen",  „Cholerabacillen") ;  in  der  frischen 
Choleraleiche  findet  man  dieselben  ebenfalls  im  Darminhalt,  ferner  in 
dem  Gewebe  der  Darmwand,  sonst  jedoch  —  in  bei  Weitem  der  grössten 
Mehrzahl  der  Fälle  —  nirgends  im  Körper.'^) 


>)  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.    Bd.  28.    1888. 

'-)  La  maladie  pyocyanique.     Paris  1889. 

^)  cf.  oben  p.  211,  Anm.  3. 

*)  Bezüglich  der  Literatur  über  diese  Frage  cf.  H.  Kos  sei  (Zeitschr.  f.  Hyg. 
Bd.  16.    1894.    p.  368). 

°)  In  vereinzelten  Fällen  sind  Cholerabakterien  auch  in  anderen  Organen  ge- 
funden worden.  So  berichtet  z.  B.  V.  Babes  (6.  Internat.  Congr.  f.  Hyg.  u.  Demogr. 
Wien  1887.  Verhandlungen  Heft  18.  p.  78),  dass  er  die  Cholerabakterien  öfters 
in  der  Niere  von  Choleraleichen  angetroffen  habe.  Aehnliche  Befunde  sind  auch 
von  anderen  Seiten  publicirt  worden. 


318  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Der  C  h  0 1  e  r  a  V  i  b  r  i  0  ist  ein  koinmaförmig  gekrümmtes  Stäbchen, 
welches  in  seiner  Länge  die  Hälfte  bis  zwei  Drittel  eines  Tnberkel- 
bacillns  erreicht,  aber  dicker  als  dieser  ist.  Die  Organismen  werden 
meist  einzeln  angetroffen,  und  zwar  (wenn  sie  sich  in  lebensfrischem 
Zustande  befinden)  in  lebhafter  Bewegung.  In  künstlichen  Cul- 
turen,  besonders  wenn  der  Nährboden  bereits  anfängt  erschöpft  zu 
werden,  kommt  es  —  und  zwar  dadurch,  dass  die  Kommabacillen  nach 
der  Theilung  nicht  mehr  aus  einander  fallen  —  auch  zm-  Bildung 
Spirillen  förmiger  Gebilde.  Taf.  X,  Fig.  55  und  56,  zeigen  Cholera- 
vibrionen aus  Grelatineculturen.  Auf  Fig.  55  sieht  man  die  Vibrionen 
einzeln  liegend;  auf  Fig.  56  sind  Spirillen  abgebildet,  welche  sich  in 
der  erwähnten  Weise  gebildet  haben.  Die  Spirillenbildung  fasst  man 
als  eine  Involutionserscheinung  auf.  Eine  Yergieichung  der 
beiden  genannten  Photogramme,  die  bei  gleicher  Vergrösserung  her- 
gestellt sind,  zeigt  auch  deutlich,  dass  die  Spirillen  dicker  sind  als  die 
noch  frisch  vegetii'enden  Kommabacillen;  die  Anschwellung  des  Bak- 
terienleibes bei  der  Involution  hatten  wir  aber  als  eine  gewöhnliche 
Erscheinung  kennen  gelernt  (cf.  oben  p.  15).  Die  „Spirillen"  trifft 
man,  wie  gesagt,  in  künstlichen  Culturen  häufig.  In  dem  Darm- 
gewebe der  Choleraleiche  sind  sie,  soviel  bekannt,  nur  ein  einziges 
Mal,  durch  H.  Kühne,^)  gefunden  worden. 

Bei  der  Betrachtimg  des  Photogramms  Fig.  55  auf  Taf.  X  fällt 
es  ohne  Weiteres  auf,  dass  nicht  alle  abgebildeten  Bakterienzellen  die 
typische  Kommaform  besitzen.  Es  ist  das  eine  Beobachtung,  die  man 
bei  jedem  einzelnen  Präparate,  welches  man  sich  von  Cholerabakterien 
herstellt,  machen  wird.  Immer  wird  man  —  in  dem  einen  Falle  mehr, 
in  dem  anderen  weniger  —  Zellen  finden,  die  von  der  typischen 
Kommaform  abweichen  und  sich  der  Gestalt  gerade  gestreckter 
Stäbchen  nähern.  Hat  man  künstliche  Culturen  vor  sich,  so  findet 
man  im  Allgemeinen  die  Kommaform  um  so  ausgeprägter,  je  jünger 
und  lebensfrischer  die  Cultur  ist,  je  weniger  bereits  Erschöpfung  des 
Nährbodens  eingetreten  ist. 

Durch  Loeffler'-)  sind  an  dem  Choleravibrio  endständige  Geis- 
sein nachgewiesen  worden;  jedes  Komma  besitzt  eine  einzige 
Geissei ,  welche  an  dem  einen  Ende  angeheftet  ist.  ■^)  Die  mikro- 
skopische Darstellung  der  Geissein  ist  oben  (p.  80  ff.)  ausführlich  be- 


^)  cf.  A.  Pfeiffer,  Deutsche  med.  Wochenschr,     18ST.     No.  11. 

-)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  6.     1889.     p.  218. 

")  Von  einzelnen  Autoren  (Nie olle  und  Morax,  Ann.  de  Tlust.  Pasteur. 
1893.  p.  559;  Gruber,  Arch.  f.  Hyg.  Bd.  20.  1894.  p.  128;  Kluczenko  und 
Kamen,   Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  16.    1894.    p.  497    u.  ebenda  Taf.  XIH,  Phot.  4; 


Der  Kommabacillus  der  Cholera  asiatica.  319 

sprochen.  Auf  Taf.  X,  Fig.  57,  ist  ein  nach  der  Loeff  1er' sehen 
Methode  hergestelltes  Präparat  von  Choleravibrionen  dargestellt,  welches 
die  Geissein  deutlich  erkennen  lässt.  Die  Choleravibrionen  erscheinen 
in  dem  Photogramm  Fig.  55  (in  gewöhnlicher  Weise  gefärbtes  Präparat) 
erheblich  dünner  als  in  der  Fig.  57  (nach  der  Loeffler" sehen  Geissel- 
färbungsmethode  behandeltes  Präparat).  Der  Grund  dafür  ist,  wie  wir 
bereits  oben  (p.  85,  86)  erörterten,  der,  dass  in  dem  ersteren  Präparate 
nur  der  Protoplasmakörper,  der  Kern  der  Bakterienzellen  gefärbt  ist, 
während  in  dem  letzteren  Präparate  auch  die  Hülle,  die  Membran  der 
Zeilen  die  Färbung  angenommen  hat. 

Der  Choleravibrio  wächst  auf  den  gewöhnlichen  bakteriologischen 
Nährböden ;  er  wächst  bei  Zimmertemperatur  sowohl  wie  bei  Brüt- 
temperatur, bei  letzterer  aber  erheblich  schneller.  Er  wächst  am 
besten  in  Gegenwart  von  Sauerstoff,  kann  aber  auch  Sauerstoffinangel 
ertragen. 

Oben  (p.  122)  haben  wir  schon  erwähnt,  dass  der  Choleravibrio 
stets  eine  alkalische  Reaction  des  künstlichen  Nährbodens  be- 
ansprucht. Vor  Allem  kommt  dieser  Punkt  bei  Nährgelatine, 
welche  für  Cholerauntersuchungen  verwendet  werden  soll,  in  Betracht. 
Verschiedene  Nährgelatinen,  die  sich  —  bei  im  TJebrigen  gleicher  Zu- 
sammensetzung —  in  der  chemischen  Reaction  von  einander  unter- 
scheiden, zeigen  stets  ein  differentes  Wachsthum  der  eingesäeten 
Choleravibrionen.  Im  Allgemeinen  giebt  es  ein  Optimum  der  Al- 
kalescenz,  einen  Alkalescenzgrad ,  bei  welchem  der  Choleravibrio 
am  besten  gedeiht.^)  Entfernt  sich  die  chemische  Reaction  der  Gela- 
latine  von  diesem  Optimum,  wird  die  Alkalescenz  geringer,  so  wächst 
der   Choleravibrio   langsamer;'-)   und    bei   neutraler   oder   gar   schwach 


Bange,  Fortschr.  d.  Med.  1894.  p.  930)  ist  das  gelegentliche  Vorkommen  von 
mehreren  Geisseifäden  an  den  einzelnen  Zellen  des  Choleravibrio  angegeben 
worden. 

1)  Dahmen  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  12.  1892.  No.  18.  p.  620)  findet,  dass 
der  beste  Alkalescenzgrad  dadurch  erreicht  wird,  dass  man  der  kochenden,  zunächst 
(unter  Verwendung  von  Lackmuspapier)  genau  neutralisirten  Gelatine  auf  100  ccm 
1  g  crystalhsirtes  kohlensaures  Natron  zusetzt.  —  Flügge  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  14. 
1893.  p.  195)  giebt  folgende  Vorschrift  für  die  Alkalisirung  der  Nährböden:  Zu 
einem  Liter  Bouillon  sind  35  ccm,  zu  einem  Liter  Nährgelatine  55  ccm  einer  Soda- 
lösung zuzufügen,  welche  10,6"/o  durch  Glühen  von  Natriumbicarbonat  her- 
gestellte Soda  enthält.  —  Grub  er  (Arch.  f.  Hyg.  Bd.  20.  1894.  p.  130)  ver- 
wendet eine  10  proc.  Nährgelatine,  die  eben  bis  zum  Eintritt  der  Rosolsäurereaction 
alkalisirt  ist. 

^)  Natürlich  ist  dann  auch  die  eintretende  Verflüssigung  eine  verzögerte  (cf. 
E.  Fränkel,  Deutsche  med.  Wochenschr.    1892.    No.  46). 


320  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

saurer  Keaction   des  Nährbodens   wird   das  Wachsthum  ein  mininiales 
oder  kann  selbst  gänzlich  ausbleiben.^) 

Auf  der  Grelatineplatte  bildet  der  Cholera vibrio  zunächst  rund- 
lich gestaltete,  nicht  glatt,  sondern  etwas  unregelmässig,  höckerig  be- 
grenzte Colonien,  deren  Inhalt  ausgesprochen  grobkörnig  ist:  bei 
lOOfacher  VergTösserung  erscheinen  die  Colonien  „wie  mit  kleinen 
Glasstückchen  bestreut"  (Koch).  Die  Colonien  sind  zunächst  im 
Ganzen  hell,  werden  dann,  in  Folge  der  Vermehrung  der  Organismen, 
in  der  Mtte  etwas  undurchsichtiger,  in  der  Durchsicht  also  dunkler, 
und  zeigen  sich  in  späteren  Stadien  ihrer  Entwickelung  am  Rande 
häufig  wie  mit  einem  Kranze  sehr  feiner  radiär  gerichteter  Spitzen 
besetzt.  Auf  Taf.  XI,  Fig.  61  und  62,  sind  Plattencolonien  des  Cholera- 
vibrio bei  lOOfacher  Vergrösserung  dargestellt.  Fig.  61  zeigt  eine 
Platte  nach  30  stündigem  Wachsthum  bei  Zimmertemperatur.  Man 
sieht  hier  an  den  scharf  eingestellten  Colonien  deuthch  das  grobkörnige 
Gefüge  und  den  unregelmässigen  Rand.  Auf  Fig.  62  sind  2  Colonien, 
die  eine  nach  48  stündigem,  die  andere  nach  72  stündigem  Wachsthum, 
dargestellt;  die  letztere  zeigt  den  mit  feinen  Spitzen  besetzten  Rand. 
Hand  in  Hand  mit  dem  Wachsthum  geht  eine,  nicht  sehr  schnelle, 
Verflüssigung  der  Gelatine.  Die  Platte  zeigt  dann  an  dem 
Orte  der  einzelnen  Colonien  leichte,  trichterförmige  Einsenkungen,  welche 
das  Zeichen  dafür  sind,  dass  an  diesen  Stellen  mehr  von  dem  Wasser- 
gehalt der  Gelatine  durch  Verdunstung  verloren  gegangen  ist  als  an 
den  übrigen  Stellen,  d.  h.  dass  hier  Verflüssigung  der  Gelatine  ein- 
getreten ist  (cf.  oben  p.  148).  Oben  sahen  wir  schon,  dass  auf  der 
einen  Gelatine  die  Choleravibrionen  schneller  wachsen  und  demgemäss 
auch  schneller  Verflüssigung  bewirken  als  auf  der  anderen.  Geht  nun 
die  Verflüssigung  der  Gelatine  sehr  energisch  vor  sich,  so  sieht  man 
häufig  bereits  am  zweiten  oder  dritten  Tage  die  Colonien  am  Rande 
ganz  imregelmässig  zerklüftet,  mit  feinen  Anhängseln  versehen  etc. 
Diese  Erscheinung,  welche  besonders  bei  hoher  Aussentemperatur  beob- 
achtet wird,  ist  einfach  so  zu  deuten,  dass  die  (eigenbeweglichen) 
Cholerabakterien  in  die  die  Colonie  lungebende  Gelatine,  welche  durcli 
den  Verflüssigungsprocess  weicher  zu  werden  beginnt,  hier  und  da 
activ  hineinwandem  und  sich  dort  dann  weiter  vermehren.  In  diesem 
Sinne   ist   auch   eine  Erscheinung   zu    deuten,    die  man  an  sehr  dicht 


^)  Deycke  hat  unter  Verwendung  von  Alkalialbuminaten  eine  Nährgelatine 
hergestellt,  welche  sich  ganz  besonders  gut  als  Nährboden  für  Cholerabakterien 
(ebenso  wie  für  Diphtheriebacillen)  eignet,  während  andere  Bakterienarten  auf  diesem 
Nährboden  im  Wachsthum  zurückbleiben.  Die  Darstellung  dieser  Nährgelatine  ist 
oben  (p.  300,  Anra.  2)  angegeben. 


Der  Kommabacillus  der  Cholera  asiatica.  321 

besäeten  Choleraplatten  (und  auch  an  Platten  anderer  eigenbeweghcher 
verflüssigender  Bakterien),  und  zwar  ebenfalls  besonders  bei  hoher 
Sonunertemperatur ,  häufig  beobachtet:  Man  sieht  nach  24 stündigem 
Wachsthum  die  Platte  bei  mikroskopischer  Betrachtung  von  sehr  kleinen, 
äusserst  dicht  liegenden,  ganz  unregelmässig  gestalteten,  nicht  rund 
geformten,  sondern  meist  mit  feinen  spitzen  zipfelartigen  Ausläufern 
versehenen  Colonien  erfüllt;  diese  Colonien  sind  deshalb  in  so  un- 
regelmässiger Weise  gewachsen,  weil  die  durch  den  Verflüssigungs- 
process,  event.  auch  durch  die  hohe  Aussentemperatur ,  in  ihrer 
Consistenz  geschädigte  Gelatine  den  eigenbeweglichen  Bakterienzellen 
beliebige  Ortsveränderungen  gestattet. 

Das  Wachsthum  der  Choleravibrionen  in  der  Gelati nestich- 
cultur  ist  ein  dem  Wachsthum  auf  der  Platte  entsprechendes.  Man 
findet  auch  hier  eine  (in  der  Regel  langsame)  Verflüssigung,  namentlich 
der  obersten  Theile  des  Stiches.  In  dem  obersten  Theile  des  Impf- 
stiches kommt  es  sehr  bald  zur  Bildung  einer  trichterförmigen  Ein- 
senkung  der  Gelatine;  von  der  Seite  her  betrachtet  sieht  man  den 
Impfstich  an  dieser  Stelle  erweitert,  die  Gelatine  schliesst  hier  eine 
mit  der  äusseren  Luft  communicirende  runde  Luftblase  ein.  Xach 
imten  zu  geht  der  Trichter  über  in  den  nur  wenig  erweiterten,  nur 
wenig  verflüssigten  Stichkanal,  der  den  grössten  Theil  der  in  der  Cultur 
gewachsenen  Bakterienmasse  in  Form  eines  zierlich  aufgedrehten  Fadens 
enthält.  (Eine  Stichcultur  von  t3rpischer  Gestalt  zeigt  Fig.  63  auf 
Taf.  XL)   Später  wird  dann  allmählich  die  gesammte  Gelatine  verflüssigt. 

Auf  der  Agar  ob  er  fläche  wachsen  die  Choleravibrionen  in 
Form  eines  grauweissen,  saftig  glänzenden  Ueberzuges.  Auf  A gar- 
platten oberflächlich  aufgeimpfte  Choleravibrionen  wachsen  zu  runden 
Colonien  aus,  welche  ein  eigenthümlich  hellgraubraunes,  transparentes 
Aussehen  haben  (Koch).^) 

In  Bouilloncultm'en  bilden  die  Choleravibrionen  ausser  einer 
allgemeinen  Trübung  der  Flüssigkeit  häufig  (aber  nicht  immer)  ober- 
flächliche Kahmhäute.  Das  Letztere  kann  man  auch  in  älteren  Gela- 
tinestichculturen  beobachten. 

In  T  r  a  u  b  e  n  z  u  c  k  e  r  -  B  0  u  i  1 1 0  n  wächst  der  Choleravibrio  unter 
Bildung  von  linksdrehender  Milchsäure.-) 


ij  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  14.     1893.     p.  330. 

"')  Nach  Untersuchungen,  die  im  Eubn  er 'sehen  Institut  von  Kuprianow 
(Arch.  f.  Hyg.  Bd.  19.  1893.  p.  288)  und  von  Gosio  (ebenda  Bd.  21.  1894.  p.  120) 
ausgeführt  wurden.  Wie  Gosio  (ebenda  Bd.  22.  1894.  p.  11)  constatirte,  entsteht 
bei  der  Zerlegung  des  Traubenzuckers  durch  den  Choleravibrio  neben  der  Links- 
milchsäure noch  Essigsäure  und  Buttersäure. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  21 


322  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Blutserum  wird  diu-cli  die  Vibrionen  langsam  verflüssigt. 

Auf  Kartoffeln  wachsen  die  Cholera  Vibrionen  bei  Temperaturen 
unter  21  bis  22  ^  C.  gewöhnlich  nicht.  Bei  22 »  C.  bildet  sich  ein 
weissgelblicher  bis  bräunlichgelber,  honigähnlicher,  saftig  glänzender 
Belag.  Dasselbe  Aussehen  hat  auch  die  bei  Brüttemperatur  gezüchtete 
Kartoffelcultur :  nur  geht  hier  das  Wachsthum  schneller  vor  sich.  Auf 
manchen  Kartoffelsorten  scheint  der  Choleravibrio  schlecht  oder  über- 
haupt nicht  zu  wachsen.  Hier  hat  man  mit  Vortheil  die  Alkalisirung 
der  Kartoffelfläche  mit  Hülfe  von  Sodalösung  angewandt ;  ein  vor- 
trefflicher Nährboden  für  den  Cholera\ibrio  wird  auch  erzielt,  wenn 
man  die  Kartoffelstücke  mit  einer  etwa  3  proc.  Kochsalzlösung  imprägnirt 
oder  noch  besser  sie  damit  kocht.  ^) 

Ueber  das  Verhalten  der  Cholerabakterien  in  (sterilisirter)  M  i  1  o  h 
lauten  die  Angaben  der  Autoren  einander  widersprechend. 

Dauerformen  sind  bei  den  Choleravibrionen  nicht  bekannt. 
Die  von  Hueppe'-)  statuirte  .,Arthrosporenbildung"  hat  mit  der  Bil- 
dung irgendwie  besonders  resistenter  Fruchtformen  jedenfalls  nichts  zu 
thun  (cf.  oben  p.  17).  In  alten  Culturen  findet  man  häutig  kleine 
Kömchen,  Kugeln,  ferner  allerhand  Missbildungen.  Diese  Dinge  sind 
samrnt  und  sonders  als  Involutionsformen  aufzufassen  (vergl. 
Fig.  56,  Taf.  X). 

Die  Choleravibrionen  verlangen,  wie  bereits  wiederholt  hervor- 
gehoben wurde,  zu  ihrem  Gedeihen  einen  schwach  alkalischen 
Nährboden:  gegen  die  geringsten  Mengen  freier  Säure  (namentlich 
Mineralsäure)  verhalten  sie  sich  sehr  empfindlich.  Ein  Zusatz  von 
0,07  bis  0,08  *^/o  Salz-  oder  Salpetersäure  zmn  neutralen  Nährboden 
hemmt  bereits  die  Entwickelung  (Kitasato")).  Diese  Empfind- 
lichkeit gegen  Säuren  ist  der  Grund,  weshalb  die  Cholera- 
vibrionen den  normalen  Magen  des  Menschen  gewöhnlich  nicht  lebens- 
fähig zu  passiren  vermögen.  Dasselbe  gilt  auch,  wie  wir  sehen  werden, 
für  Versuchsthiere. 

Ausser  gegen  Säuren  verhalten  sich  die  Choleravibrionen  auch 
gegen  alle  übrigen  chemischen  Desiufectionsmittel,-*)  ferner 
gegen    höhere    Temperaturen    und   gegen   das   Austrocknen 


')  cf.  Voges,  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  13.  1893.  No.  17;  B.  Fischer, 
Deutsche  med.  Wochenschr.     1893.     j).  542. 

■-)  Fortschr.  d.  Med.     1885.     No.  19. 

3)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  3.     1888. 

•*)  Nach  Forst  er  (Hyg.  Eundschaii.  1893.  p  722)  tödtet  eine  w<ässerige 
Subliniatlösung  vom  Gehalte  1 : 3  000  000  Cholerabakterien  in  5  Minuten,  eine  Lösung 
vom  Gehalte  1:30  000000  dieselben  in  10  Minuten  ab. 


Der  Kommabacillus  der  Cholera  asiatica.  323 

ausserordentlich  empfindlich.  Sie  sind  stets  leicht  zu  vernichten.^) 
Wir  erwähnten  bereits  oben  (p.  30),  dass  ein  drei  Stunden  langes  wirk- 
liches Trockenliegen  die  Choleravibrionen  tödtet.  Im  feuchten  Zustande, 
z.  B.  in  künstlichen  ßeinculturen  (namentlich  auf  der  Agaroberfläche), 
kann  man  die  Choleravibrionen  mehrere  Monate  lang  lebensfähig  erhalten. 

Die  Choleravibrionen  sind  facultative,  gelegentliche  Para- 
siten. Sie  finden  ohne  Zweifel  draussen  in  der  Natur  an  geeigneten 
Stellen  die  Bedingungen  für  ihr  Fortkommen.  Dies  gilt  namentlich 
für  die  Länder,  in  denen  die  Cholera  endemisch  ist. 

Koch  fand  (cf.  oben  p.  177,  Anm.  4)  die  Choleravibrionen  1884 
in  dem  Wasser  eines  ostindischen  Tank.  Weitere  Befunde  von 
Choleravibrionen  in  Wasser  sind  von  Koch  und  anderen  Autoren  ge- 
legentlich späterer  Epidemien,  namentlich  der  des  Jahres  1892,  gemacht 
worden.-)  Im  Allgemeinen  aber  kommen  die  Choleravibrionen  in  ge- 
wöhnlichem Wasser  nicht  gut  weiter.  Sie  werden  (cf.  oben 
p.  177)  von  den  Wasserbakterien  bald  überwuchert  und  unterdrückt. 
Dagegen  ist  sterilisii'tes,  keimfreies  Wasser  —  und  zwar  Wasser  jed- 
weder Herkunft  —  ein  Medium,  in  welchem  sich  die  Choleravibrionen 
Wohlbefinden,  und  in  dem  sie  sich  nicht  unbeträchtlich  vermehren 
können.     Ferner  ist  die  Möglichkeit  natürlich  nicht  ausgeschlossen,  dass 


^)  Zur  Desiiifection  von  Cbolerastühlen  empfiehlt  das  preussische  Cultusmiuiste- 
riuni  (cf.  E.  Pfuhl,  Deutsche  med.  Wochenschr.  1892.  p.  879)  Kalkmilch  (vergl. 
oben  p.  34).  Dieselbe  wird  aus  1  Liter  zerkleinerten  reinen  gebrannten  Kalkes  und 
4  Liter  Wasser  hergestellt  und  zu  ungefähr  gleichen  Theilen  mit  den  Dejecten  ver- 
mischt. Das  Gemisch  soll  dann  mindestens  1  Stunde  stehen  bleiben,  ehe  es  als 
unschädlich  beseitigt  werden  darf. 

-)  Cholerabakterien  wurden  im  Hafenwasser  von  Marseille,  ferner  in  einem 
Wasserbehälter  in  Montevideo,  aus  dem  an  Cholera  erkrankte  Soldaten  ihr  Wasser 
entnommen  hatten,  aufgefunden  (cf.  Flügge,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  14.  p.  166). 
Ferner  fanden  Cholerabakterien:  C.  Fränkel  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1892. 
No.  41)  im  Wasser  des  Duisburger  Zollhafens,  Biernacki  (Deutsche  med.  Wochen- 
schrift 1892.  No.  42)  in  Brunnenwasser  m  Lublin,  Lu barsch  (Deutsche  med. 
Wochenschr.  1892.  No.  43)  im  Wasser  des  Kielraumes  eines  Elbschleppdampfers, 
der  von  Hamburg  kam,  Loeffler  (Greifswalder  med.  Verein.  3.  Dec.  1892.  — 
Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  13.  p.  383)  in  Brunnenwasser  in  Demmin,  Koch  (Zeitschr. 
f.  Hyg.  Bd.  14.  1893.  p.  337  und  417)  gelegentlich  der  Winterepidemien  1892/93 
im  Hamburger  Eibwasser ,  in  einem  Brunnen  in  Altona  und  in  dem  Wasser  inner- 
halb des  dortigen  Filterwerks,  auf  den  Kieselfeldern  der  Provinzial-Irrenanstalt  Niet- 
leben bei  Halle  a.  S. ,  in  dem  Saalewasser  daselbst  und  in  dem  Leitungswasser  der 
Anstalt,  van  Ermengem  (Acad.  de  med.  de  Belgique  27  mai  1893.  —  Semaine 
medicale  1893.  p.  272)  in  verschiedenen  Trinkwässern  in  Belgien  bei  Gelegenheit 
einer  Choleraepidemie,  Spronck  (Ned.  Tijdschrift  voor  Geneeskunde.  1893.  Deel  IL 
p.  653  ff.)  in  mehreren  Gewässern  in  Holland  im  Herbst  1893,  B.  Fischer  (Deutsche 
med.  Wochenschr.  1894.  p.  580)  im  Wasser  des  Nordostseekanals,  —  u.  s.  w. 

21* 


324  B-  Die  Bakterien  als  KrankheitseiTeger. 

sie  gelegentlich  —  bei  Epidemien  —  auch  auf  andere  Nährboden, 
auf  zubereitete    Speisen  etc.,  gelangen  und  sich  dort  vermehren. 

Die  ersten  Versuche  Koch's,  für  die  Cholera  empfängliche  Ver- 
suchsthiere  zu  finden,  hatten  keinen  Erfolg.  Nicati  und  Rietsch^) 
gelang  es  dann  Meerschweinchen  erfolgreich  dadurch  zu  inficii-en, 
dass  sie  nach  Unterbindung  des  Ductus  choledochus  den  Thieren  die 
Reincultur  direct  in  das  Duodenum  injicirten.  Es  ^YUl•de  auf  diese 
Weise  erstens  die  deletäre  Einwirkung  des  sauren  Magensaftes  auf  die 
Cholerabakterien  umgangen  und  zweitens  durch  Absperrung  der  Galle 
die  Darmperistaltik  herabgesetzt.  Der  letztere  Punkt  ist  von  wesent- 
licher Bedeutung  für  die  Ermöglichmig  der  Ansiedelung  der  Cholera- 
bakterien im  Meerschweinchendarme.  Koch  -)  erreichte  dann  eine 
erfolgreiche  Infection  der  Meerschweinchen  vom  Magen  aus  da- 
durch, dass  er  den  Thieren  zunächst  den  Mageninhalt  mit  Sodalösung 
neutralisirte  (er  brachte  denselben  5  ccm  5proc.  Sodalösung  mit  Hülfe 
der  Schlundsonde '^j  in  den  Magen),  dass  er  einige  Zeit  nachher  (um 
die  Cholerabakterien  nicht  unmittelbar  in  die  Sodalösung  zu  bringen) 
10  ccm  einer  Bouilloncultur  von  Cholerabakterien  in  den  Magen  ein- 
flösste,  und  dass  er  schliesslich  den  Thieren  —  zur  Herabsetzung  der 
peristaltischen  Darmbewegungen  —  eine  kleine  Quantität  Opiumtinctur 
(1  ccm  auf  je  200  g  Körpergewicht)  in  die  Bauchhöhle  injicirte.  So 
behandelte  Meerschweinchen  gingen  nach  etwa  2  Tagen  zu  Grunde 
imd  zeigten  bei  der  Section  einen  Befund,  der  mit  dem  der  mensch- 
lichen Cholera  übereinstimmt.  Es  fand  sich  starke  Röthung  des  Dünn- 
darmes; derselbe  war  mit  wässeriger  Flüssigkeit  gefüllt,  welche  reich 
an  Kommabacillen  war.  Erbrechen  oder  Diarrhoe  zeigten  die  Meer- 
schweinchen nicht,  aber  lähmungsartige  Schwäche  der  Hinterextremitäten, 
schwache  und  verlangsamte  Respiration,  Temperaturerniedrigung,  Herz- 
schwäche —  also  S3'mptome,  welche  lebhaft  ah  die  menschliche  Cholera 
erinnerten.  So  inficirte  Thiere  gehen,  ebenso  wie  es  bei  dem  an  der 
natürUchen  Cholerainfection  sterbenden  Menschen  der  Fall  ist,  an  der 
Vergiftung  durch  die  im  Darme  bei  der  Vermehrung  der  Vibrionen 
gebildeten  giftigen  chemischen  Körper  zu  Grunde  (cf.  p.  201). 

Kaninchen  lassen  sich  nach  Thomas*)  leicht  von  der  Blut- 
bahn  aus   inficiren:    die   Thiere    bekommen    nach    intravenöser'') 


^)  cf.  Deutsche  med.  Wocbenscbr.     18S4.     j).  fi34. 

'-)  Conferenz  zur  Erörterung  der  Cliolerafrage.     Zweites  .Jahr.    1SS.5.    Deutsche 
med.  Wochenschr.     1885.     No.  37  A.     p.  5,  6. 

")  Bezüglich  des  manuellen  Vorgehens  hierbei  cf.  oben  p.   198,  Anra.  2. 

^)  Ai-cb.  f.  exp.  Path.  u.  Pbarmak.     Bd.  32.     1893.     p.  38  ff. 

^)  Bezüglich  der  Technik  dieser  Operation  cf.  oben  p.   197,  Anm.  3. 


Der  Kommabacillus  der  Cholera  asiatica.  325 

Einveiieibimg  des  Infectionsmaterials  typische  Choleraerscheinimgen, 
und  es  finden   sich  dann   stets  Choleravibrionen  in  dem  Darminhalt.  ^) 

Wegen  des  Verhaltens  des  Choleravibrio  bei  der  Verimpfung  auf 
Tauben  vergl.  weiter  unten  den  Abschnitt  „Vibrio  Metschnikoff". 

Beim  Menschen  geschieht  die  natürliche  Infection  ohne 
Zweifel  vom  Darmkanal  aus.  Es  ist  dazu  nothwendig,  dass  die 
Vibrionen,  die  mit  der  Nahrung,  mit  Trinkwasser  etc.  eingeführt  werden, 
den  Magen  in  entwickelungsfähigem  Zustande  passiren.  Ist  der  Magen 
nur  massig  gefüllt,  sein  Inhalt  sauer,  so  dürften  die  Cholerabakterien 
die  Barriere  des  Magens  wohl  selten  überschreiten  können  (cf.  oben 
p.  322). 

Beim  Menschen  sind  bereits  eine  Reihe  von  Fällen  von  Cholera- 
infection  durch  —  theils  unabsichtliche,  theils  absichtlich  vorgenommene 
—  Einverleibung  künstlicher  Reincultur  der  Choleravibrionen  in  den 
A'erdauungskanal  bekannt  geworden.  Der  erste  dieser  Fälle  -)  (un- 
absichthche  Infection)  betraf  einen  Arzt,  welcher  an  einem  der  ersten 
von  Koch  abgehaltenen  Choleracurse  theilnahm.  Weitere  Fälle  sind 
die  von  v.  Pettenkofer  und  von  Emmerich,"')  welche  sich  den 
Infectionsstoff  absichtlich  beibrachten.  Einen  vierten  Fall  (unabsicht- 
liche Laboratoriumsinfection  eines  Laboratoriumsdieners)  haben  Frey- 
muth  und  Lickfett^)  publicirt.  Ferner  hat  Hasterlik^')  Cholera- 
infectionsversuche  am  Menschen  angestellt,  auch  Metschnikoff®) 
hat  über  derartige  Versuche  berichtet.  Fälle  von  (unabsichtlicher) 
Laboratoriumsinfection  mit  Cholerabakterien  publicirten  weiter  Ren- 
vers ')  sowie  K  0 1 1  e.  ^ )  Alle  diese  Fälle  sind  in  Genesung  aus- 
gegangen. Ueber  einen  Fall  von  (unabsichtlicher)  Laboratoriums- 
infection mit  tödtlichem  Ausgange  hat  Reincke'"')  berichtet. 


^)  Issaeff  und  Kolle,  welche  diese  Thomas 'sehen  Ermittelungen  be- 
stätigen, fügen  hinzu,  dass  sich  die  Darmcholera  des  Kaninchens  durch  subcutane 
und  durch  intraperitoneale  Einverleibung  des  Infectionsmaterials  nicht  er- 
zeugen lässt  (Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  18.    1894.    p.  41). 

'-)  Koch,  Conferenz  zur  Erörterung  der  Cholerafrage.  Zweites  Jahr.  1885. 
Deutsche  med.  Wochenschr.     1885.     No.  37  A.     p.  7. 

^)  Münchener  med.  Wochenschr.     1892.     No.  46. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1893.     Xo.   19. 

•^)  K.  K.  Ges.  d.  Aerzte  in  Wien.  24.  Febr.  1893.  (Offic.  Protokoll  Wien, 
klin.  Wochenschr.  1893.  p.   167):  6  Versuche  an  4  Personen. 

")  Ann.  de  linst.  Pasteur.     1893.     No.  7. 

')  Deutsche  med.  Wochenschr.    1894.    p.  52.     Der  Fall  betraf  einen  Arzt. 

«)  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  18.  1894.  p.  44,  45:  Zwei  Fälle,  die  Mitarbeiter  am 
Koch 'sehen  Institut  E.  Pfeiffer  und  Pfuhl  betreffend. 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1894.  p.  795.  Der  Fall  betraf  Dr.  0er gel, 
Assistent  des  Hygienischen  Institutes  zu  Hamburg. 


326  ^-  l^ie  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Die  Incubationsdauer  betrug  bei  den  Fällen  von  v.  Petten- 
kofer  und  Emmerich  1  bis  2  Tage,  in  einem  der  von  Met  sehn i- 
koff^)  publicirten  Fälle  von  absichtlicher  Infection  12  Stunden.  In 
8  Fällen  natürlicher  Cholerainfection,  welche  Banti-)  1886  in  Florenz 
beobachtete,  und  bei  denen  die  Incubationsdauer  mit  grosser  »Sicherheit 
bestimmt  werden  konnte,  betrug  sie  36  bis  45  Stunden. 

lieber  die  Bedingungen,  welche  vorhanden  sein  müssen,  damit 
die  Einführung  des  Choleravibrio  in  den  menschlichen  Darmkanal  (üe 
Entwickelung  des  klinisch  typischen  Choleraanfalles  zur  Folge  hat, 
wissen  wir  so  gut  wie  noch  gar  nichts.  Zweifellos  wii'd  bei  Gelegen- 
heit von  Choleraepidemien  die  Infection  häutig  durch  ganz  minimale 
Mengen  der  Vibrionen  zu  Wege  gebracht ;  damit  aber  diese  minimalen 
Mengen  die  Infection  veranlassen  können,  sind  jedenfalls  besondere 
Hülfsmomente  nothwendig.  Es  kommen  hier  wahrscheinlich  persön- 
liche Immunitätsverhältnisse,  ferner  der  Zustand  der  Verdauungs- 
organe etc.  in  Frage. ■^)  Eine  besondere  Bedeutung  für  die  Ver- 
breitung der  Cholera  sowohl,  wie  —  in  nelen  Fällen  —  vielleicht 
auch  für  das  Zustandekommen  der  Infection  in  dem  einzelnen  Falle 
haben  die  Beziehungen  des  Menschen  zum  Wasser.  Bei 
Gelegenheit  der  grossen  Hamburger  Epidemie  im  Herbst  1892  z.  B. 
hat  sich  mit  Sicherheit  nachweisen  lassen,  dass  das  (Hamburger) 
Leitungswasser  der  Träger  des  Infectionsstoffes  war.  *) 

lieber  che  Xatur  des  specifischen  Choleragiftes,  d.h.  des  von 
den  Cholerabakterien  bei  ihrer  Vermehrung  producirten  giftigen  Kör- 
pers,  dessen  Einwirkung  auf  den  Organismus  die  schweren  Symptome 


^)  Annales  de  Tlnstitut  Pasteur.     1S93.     p.  5S1. 

'-)  Lo  Sperimentale  1887;  siehe  auch  Deutsche  med.  Wochenschr.   Ib92.  p.  S41. 

^)  cf.  K.  Koch  (19.  Vers.  d.  Deutsch.  Vereins  f.  öff.  Ges.-Pfl.  zu  Magdeburg, 
21.  Sept.  1894.  —  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  16.    p.   1050). 

'')  Hamburg  wurde  mittels  seiner  Wasserleitung  mit  unfiltrirtem  Eibwasser 
versorgt,  während  die  Nachbarstadt  Altena,  die  unmittelbar  an  Hamburg  grenzt, 
eine  vorzüglich  geleitete  Sandfilter  anläge  hatte.  Altona  bUeb  so  gut  wie  frei  von 
der  Cholera.  An  einer  zu  Hamburg  gehörenden,  an  der  Grenze  der  beiden  Städte 
liegenden  Häusergruppe  (am  sog.  Hamburger  Platz)  wurde  nun  Folgendes  beobachtet: 
,,Die  erwähnte  von  Arbeiterfamilien  dicht  bewohnte  Häusergruppe  gehört  zu  Ham- 
burg, wird  aber  von  Altona  mit  Wasser  versorgt;  und  sie  blieb  von  Cholera  voll- 
kommen frei,  während  ringsherum  auf  Hamburger  Gebiet  zahlreiche  Erkrankungen 
und  Todesfälle  vorkamen.  Hier  haben  wir  es  also  mit  emer  Art  von  Experiment 
zu  thun,  das  sich  an  mehr  als  hunderttausend  Menschen  vollzogen  hat,  aber  trotz 
seiner  gewaltigen  Dimensionen  alle  Bedingungen  erfüllt,  welche  man  an  ein  exactes 
und  vollkommen  beweisendes  Laboratoriumsexperiment  stellt.  In  zwei  grossen  Be- 
völkerungsgruppen sind  alle  Factoren  gleich ,  ein  einziger  ist  verschieden ,  nämlich 
ilie  AVasserversorgung"  (E.  Koch,  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  14.     1893.    p.  395). 


Der  Kommabacillus  der  Cbolera  asiatica.  327 

der  Choleraerkrankung  bedingt,  ist  noch  wenig  Sicheres  bekannt.^) 
(Nach  der  Ansicht  von  E.  Pfeiffer-)  ist  dieses  Gift  in  dem  Zellleibe 
der  Choleravibrionen  selbst  enthalten  |  cf.  oben  p.  46]).  Ganz  besonders 
empfänglich  für  die  Vergiftung  mit  Choleraculturen  haben  sich  Meer- 
schweinchen erwiesen.  Bereitet  man  sich  von  einer  fiischen  Agar- 
cultur  sehr  virulenter  Choleravibrionen  eine  Aufschwemmung  in 
sterilisirter  Bouillon,  und  injicirt  man  diese  Aufschwemmung  in  passen- 
der Dosis  einem  Meerschweinchen  intra peritoneal,  so  treten 
wenige  Stunden  nach  der  Injection  Vergiftungserscheinungen  auf.  ^) 
Unter  rapidem  Sinken  der  Kürpertemperatur  wird  das  Thier  schlaff 
und  hinfällig,  es  liegt  mit  lähmungsartiger  SchM^äche  der  Hinter- 
extremitäten platt  auf  dem  Bauche ;  fibrilläre  Zuckungen  treten  von 
Zeit  zu  Zeit  auf;  das  Thier  fühlt  sich  kalt  an  und  geht  meist  12  bis 
16  Stunden  nach  der  Injection,  mitunter  auch  später,  zu  Grunde 
(R.  Pfeiffer).  Bei  der  Section  findet  man  in  der  Bauchhöhle  ge- 
wöhnlich geringe  Mengen  einer  hellgelben  serösen  Flüssigkeit,  in 
welcher  sich  (nach  Untersuchungen  von  Grub  er  und  Wiener^)) 
die  eingebrachten  Choleravibrionen  in  der  Regel  stark  vermehrt  zeigen. 
Ebenso  enthält  auch  die  (mitunter  vorhandene)  die  Injectionsstelle 
umgebende  subcutane  Oedemflüssigkeit,  ferner  das  intramusculare  Binde- 

')  Hueppe  (Berl.  klin.  Wochenscbr.  1S94.  No.  17,  18)  hat  als  der  Erste 
einen  giftigen,  den  Peptonen  nabestehenden  Eiweisskörper  im  menschlichen  Cholera- 
stuhl nachgewiesen. 

■-)  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  11.  1S92.  —  E.  Pfeiffer  stellte  seine  Unter- 
suchungen über  das  Choleragift  an  dem  sog.  Massana-Vibrio  (einem  von  Pas- 
quale  [Giornale  del  E.  Esercito  e  della  E.  Marina.  1S91 ;  cf.  Riforma  medica.  1892. 
vol.  I.  p.  310]  aus  Brunnenwasser  in  Massaua  cnltivirten,  auf  Versuchsthiere  sehr 
deletär  wirkenden  Mikroorganismus)  an ,  welcher  in  vielen  Beziehungen  von  dem 
Choleravibrio  abweicht,  und  von  dem  später  auch  E.  Pfeiffer  selbst  (cf.  E.  Pfeiffer 
und  Issaeff,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  17.  1894.  p.  394)  zugegeben  hat,  dass  er  von 
dem  Choleravibrio  verschieden  ist.  Nichtsdestoweniger  können  die  Ergebnisse 
der  Pfeiffer 'sehen  Untersuchungen  als  auch  für  den  Choleravibrio  geltend  an- 
gesehen werden.  Wie  weitere  Untersuchungen  (siehe  oben  weiter  im  Text)  nämlich 
ergeben  haben,  zeigen  eine  grosse  Eeihe  der  verschiedensten  Bakterienarten  genau 
dieselben  Wirkungen  auf  (intraperitoneal  inficirte)  Meerschweinchen,  wie  sie  E.  Pfeiffer 
bei  dem  Massaua -Vibrio  constatirte;  und  zu  diesen  Bakterienarten  gehört  auch  der 
echte  Choleravibrio.  Selbstverständlich  aber  darf  man  diese  Wirkungen  auch  bei 
dem  echten  Choleravibrio  nun  nicht  auf  das  „specifische  Choleragift"  beziehen,  da 
sie  ja  durch  alle  möglichen  Bakterienarten  hervorgerufen  werden. 

■')  Die  Thatsaehe,  dass  nach  intraperitonealer  Einverleibung  von  Choleraculturen 
beim  Meerschweinchen  sich  schnell  Vergiftungssymptome  einstellen,  wurde  bereits 
18S.5  von  E.  Koch  constatirt.  (Conferenz  zur  Erörterung  der  Cholerafrage.  Zweites 
Jahr.     1885.  —  Deutsche  med.  Wochenscbr.    1885.    No.  37  A.    p.  6.) 

')  Wien.  klin.  Wochenscbr.     1892.    No.  38;    Arch.  f.  Hyg.    Bd.  15.    1892. 


328  B-  Diß  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

gewebe  der  Baiichwand  und  des  Zwerchfells,  endlich  auch  das  mitunter 
anzutreffende  pleuritische  Exsudat  (nach  den  Ermittelungen  der  letzt- 
genannten Autoren)  Vibrionen.  Nach  E.  Pfeiffer  und  Wassermann^) 
findet  man  nur  dann  die  intraperitoneal  in  den  Meerscliweinchenkörper 
injicirten  Choleravibrionen  vemiehrt,  wenn  mehr  als  die  tödtliche  Mini- 
maldosis der  Cultur  eingebracht  wurde. 

Dieselben  Vergiftungserscheinungen  wie  nach  intraperitonealer  Ein- 
verleibung beobachtet  man  bei  den  Meerschweinchen  auch  nach  intra- 
pleuraler Einverleibung  des  Materials  (Kolleg). 

Bei  derartigen  Thierversuchen  zeigt  sich  nun  die  Virulenz  ver- 
schiedener Choleraculturen  ganz  ausserordentlich  verschieden.  Erstens 
scheint  in  diesem  Punkte  die  Provenienz  eine  grosse  Eolle  zu  spielen; 
und  zweitens  zeigen  sich  nach  Gruber  und  Wiener*^)  ceteris  paribus 
junge  Culturen  stets  virulenter  als  ältere.  Das  Letztere  geht  sogar 
so  weit,  dass  in  einer  und  derselben  Agarcultur  die  Randzonen  (die 
die  relativ  jüngsten  Theile  der  Cultur  repräsentiren)  nachweislich  viru- 
lenter sind  als  die  mittlere  Zone  (welche  die  ältesten  Theile  der  Cultur 
enthält).  Die  A'irulenz  einer  künstlichen  Choleracultm-  geht  stets  sehr 
schnell  zurück.  Im  Uebrigen  ist,  wie  Bonhoff*)  fand,  die  A^irulenz 
bei  Bouillon-  und  Agarculturen  ganz  ausserordentlichen,  ohne  irgend 
welche  erkennbare  Ursache  auftretenden  Schwankungen  unterworfen.  — 
G  r  u  b  e  r  und  Wiener  ermittelten,  dass  eine  wenig  wirksame  Cholera- 
cultur  durch  Züchtung  auf  frischem  H  ü  h  n  e  r  e  i  w  e  i  s  s  ■'') 
virulenter  gemacht  werden  kann.") 


1)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  14.     lbi):i. 

')  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  Iß.     1S94.    p.  349. 

«)  Arch.  f.  Hyg.    Bd.   1.5.    1892. 

*)  Arch.  f.  Hyg.    Bd.  22.    1S94.    p.  40. 

■')  Diese  Enuittelung  ist  nicht  zu  identificiren  mit  der  früheren  Angabe  von 
Hueppe  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  4.  1888.  No.  3),  dass  die  Cholerabakterien,  im 
Innern  des  Hühnereies  gezüchtet,  sehr  energisch  und  schnell  giftige  Körper 
produciren;  Hueppe  machte  für  diese  „Toxinbildung"  die  im  Ei  herrschende 
Anaerobiose  verantwortlich.  Oben  (p.  135,  Anm.  2)  haben  wir  bereits  darauf  hin- 
gewiesen, dass  von  einer  vollständigen  Anaerobiose  im  Hühnerei  sicher  keine  Eede 
sein  kann,  und  dass  die  spontan  in  Eiern  vorkommenden  Bakterien  strenge  Aeroben 
sind.  Grub  er  und  Wiener  haben  die  oben  citirte  Virulenzsteigerung  erhalten 
durch  Cultivirung  der  Choleravibrionen  auch  auf  dem  Eiweiss  in  Contact  mit 
der  atmosphärischen  Luft,  also  unter  aeroben  Bedingungen;  sie  sind  der 
Ansicht,  dass  für  die  Virulenzsteigerimg  die  Cultivirung  auf  nativem  Eiweiss 
das  AVesentliche  ist.  —  Dass  der  Cholera  vibrio  thatsächhch  an  aerob  zu  wachsen 
vermag,  haben  Hueppe  und  Fajans  (Arch.  f.  Hyg.  Bd.  20.  1894.  p.  372  ff.) 
direct  nachgewiesen. 

")  Nach  Blachstein  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1S94.  p.  400  ff.)  ist  die 
Virulenz  des  Choleravibrio  überhaupt  eine  Function  des  Nährbodens. 


Der  Kommabacillus  der  Cholera  asiatica.  329 

Die  einer  bestimmten  Cholera ciütiir  mangelnde  Virulenz  für  Meer- 
schweinchen spricht  übrigens,  wie  Metschnikoff  fand,  nicht  ohne 
Weiteres  dafür,  dass  die  Cultur  auch  für  den  Menschen  unschädlich  ist.  i) 

Wie  wir  bereits  oben  (p.  327,  Anm.  2)  mittheilten,  stellen  die 
nach  der  intraperitonealen  Einverleibung  von  Cholera\äbrionen 
bei  Meerschweinchen  auftretenden  Erscheinungen  nichts  für  Cholera 
Typisches  dar,  •  Klein  -)  ermittelte  nämlich,  dass  dieselben  S3Tnptome 
bei  den  Thieren  und  dieselben  anatomischen  Veränderungen  auch  dm'ch 
intraperitoneale  Inj ection  anderer  Bakterienarten  (Vibrio  Einkler, 
Bacterium  coli,  Typhusbacillus,  Bacillus  prodigiosus,  Proteus  etc.)  her- 
vorgerufen werden.  ^)  Durch  S  o  b  e  r  n  h  e  i  m  *) ,  G  r  u  b  e  r '') ,  B  o  n  - 
hoff^')  wurden  diese  Klein'schen  Ermittelungen  bestätigt. 

Auf  subcutane  Impfung  mit  Choleraculturen  reagiren  Meer- 
schweinchen nur  mit  vorübergehender  Temperatursteigerung.  ■^) 

Gegen  die  deletäre  Wirkung  der  intraperitonealen  Ein- 
verleibung virulenter  Choleracultur  lassen  sich  Meerschweinchen 
dadurch  schützen,  dass  man  ihnen  vorher  Choleraculturen  intra- 
peritoneal einverleibt,  die  durch  Erhitzung  geschädigt  wurden  (B rieger 
und  Wassermann,^)  G.  Klemp  erer^)),  oder  dass  man  ihnen 
virulente  Cultur  in  solcher  Menge  einverleibt,  dass  nicht  der  Tod, 
sondern  nur  eine  vorübergehende  Allgemeinerkrankung  erfolgt  (Wasser- 
mann^*')).     Die    so   bewii-kte  Immunisirung   der  Meerschweinchen   ist 


')  Metschnikoff  (Ann.  de  Tlnst.  Pasteur.  1893.  p.  581)  beobachtete 
des:  Ein  19 jähriger  Manu  nahm  zunächst  (zur  Neutralisirung  des  Magensaftes) 
Natriumcarbonat ,  dann  eine  für  Meerschweinchen  unschädliche  Choleracultur  ein. 
9  Stunden  später  bekam  er  KoKkschraerzen ,  .3  Stunden  darauf  den  ersten  dünnen 
Stuhl;  und  es  entwickelte  sich  ein  typischer,  in  Genesung  ausgehender  Choleraanfall. 

•')  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  13.     1893.    No.  13. 

^)  Auch  die  Injection  von  Culturen,  die  durch  Erhitzung  abgetödtet  sind, 
bewirkt,  wenn  grosse  Dosen  genommen  werden,  den  Tod  der  Thiere  unter  Ver- 
giftungserscheinungen; bei  Anwendung  kleinerer. Dosen  werden  die  Thiere  nur  vor- 
übergehend krank  (Klein). 

^)  Hygienische  Rundschau  1893.    No.  22. 

'')  Arch.  f.  Hyg.    Bd.  20.     1894.    p.  141. 

«)  Arch.  f.  Hyg.    Bd.  22.     1894.    p.  87. 

')  cf.  E.  Pfeiffer,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  Iti.  1894.  p.  281.  —  Wie  Voges 
(Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  17.  1894.  p.  478)  angegeben  hat,  bringt  die  subcutane  In- 
jection von  2  ccm  sterilen  destillirten  Wassers  bei  Meerschweinchen  bereits  eine 
Temperaturerhöhung  von  mehreren  Graden  hervor;  man  muss  also  bei  der  Bakterien- 
einverleibung mögUchst  wenig  Flüssigkeit  mit  einspritzen. 

*)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1892.     No.  31. 

■')  Berl.  klin.  Wochenschr.     1892.     No.  32. 

'«)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  14.     1893. 


330  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

nach  E.  Pfeiffer  und  Wassermann^)  nicht  als  Giftfestigung- 
(cf.  p.  214)  zu  betrachten,  sondern  als  eine  Erhöhung  der  bakterien- 
schädigenden Eigenschaften  der  Körpersäfte  der  Thiere;  eine  „Gift- 
festigung" der  Thiere,  ein  Unempfänglichmachen  gegen  beliebige  Düsen 
giftiger  Choleracultur,  ist  bisher  nicht  gelungen. 

Nach  den  Ermittelungen  von  Klein'-)  gelingt  der  künstliche 
Impfschutz  der  Meerschweinchen  gegen  intraperitoneale 
Einverleil)ung  virulenter  Choleracultur  nicht  nur  durch  Einbringung 
(durch  Erhitzung  geschädigter)  C  h  o  1  e  r  a  bakterien ,  sondern  es  lassen 
sich  eine  ganze  Reihe  anderer  Baktenenarten  (z.  B.  Vibrio  Finkler, 
Bacterium  coli,  Bacillus  prodigiosus)  ebenfalls  zu  diesem  Zwecke  ge- 
brauchen. °)  Meerschweinchen,  die  nach  der  intraperitonealen  Ein- 
verleibung der  Cultur  einer  derartigen  Bakterienart  (die  zunächst  10  bis 
15  Min.  auf  62  —  65^  C.  erhitzt  wurde)  nur  vorübergehend  erkranken 
(man  darf  nicht  zu  grosse  Dosen  nehmen :  cf.  oben  p.  329,  Anm.  3 ), 
zeigen  sich  nach  dem  TJeberstehen  dieser  Impf  krankheit  gefestigt  gegen 
die  intraperitoneale  Einverleibung  sonst  letal  wirkender  Dosen  virulenter 
Choleracultur;  ebenso  zeigen  sie  sich  auch  gefestigt  gegen  die  intra- 
peritoneale Einverleibung  letaler  Dosen  irgend  einer  der  anderen  ge- 
nannten Bakterienarten.  Und  umgekehrt  gewährt  auch  die  intra- 
peritoneale KSchutzimpfung,  die  mit  Cholerabakterien  vorgenommen  wird, 
Impfschutz  gegen  die  intraperitoneale  Beibringung  letaler  Dosen  irgend 
einer  der  anderen  genannten  Bakterienarten.  —  Durch  .Sobernheim^) 
wurden  diese  Kl  ein"  sehen  Ermittelungen  bestätigt. 

R.  Pfeiffer  und  Issaeff'')  haben  dann  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, dass  die  künstliche  Schutzimpfung  gegen  die  intraperitoneale 
Injection  von  Cholerabakterien  bei  Meerschweinchen  durch  vorgängige 
intraperitoneale  Einverleibung  der  verschiedensten  (sterilen) 
Substanzen    gelingt :     Blutserum    von    Menschen " )     und    Thieren, 


1)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.   14..     1893. 

■-)  Centralbl.  f.  Bakt,     Bd.   13.     1893.     No.   13. 

''^)  Nicht  alle  Bakterienarten  sind  hierzu  zu  brauchen.  Wie  nämlich  Klein 
später  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  1894.  No.  16)  mitgetheilt  hat,  eignen  sich  z.  B. 
der  Milzbrandbacillus ,  der  Diphtheriebacillus ,  der  Hühnercholerabacillus  nicht  für 
den  vorliegenden  Zweck.  Die  Meerschweinchen  wurden  nach  intraperitonealer  Ein- 
verleibung —  selbst  grosser  Dosen  —  der  (durch  Erhitzung)  abgetödteten  Zellsubstanz 
dieser  Bakterienarten  nicht  krank ;  sie  bekamen  in  Folge  dessen  auch  keine  Resistenz. 

^)  Hygienische  Rundschau  1893.     No.  22. 

•^)  Zeitschr.  f.  Hygiene.     Bd.  16.     1894.     p.  282,  p.  291  ff. 

")  Dass  das  Blutserum  normaler  Menschen  (die  keine  Choleraerkrankung  über- 
standen haben)  Meerschweinchen  gegen  die  intraperitoneale  Einverleibung  von  Cholera- 
bakterien  immunisiren    kann,  hat  zuerst  (i.  Klemperer   (Berl.  klin.  Wochenschr. 


Der  Konimabacillus  der  Cholera  asiatica.  331 

Büuillun,  Harn,  Nuclemsäurelösungen,  Tuberculin.  physiologische  Koch- 
salzlösung lassen  sich  hierzu  gebrauchen.  Alle  diese  Substanzen  (eben- 
so wie  Bakterienzellsubstanz  im  Allgemeinen)  haben,  wie  R.  Pfeiffer 
und  Issaeff  hervorheben,  die  Eigenschaft,  bei  ihrer  intraperitonealen 
Einverleibung  eine  locale,  im  Peritoneum  sich  abspielende  Leukocytose 
bei  den  Thieren  zu  erzeugen ;  und  diese  letztere  ist  es ,  welche  bei 
der  folgenden  Einverleibung  sonst  letaler  Dosen  Bakteriencultur  die 
Resistenz  gegen  diese  Einverleibung  bedingt.  24  Stunden  nach  der 
Schutzimpfung  ist  die  Schutzwirkung  am  stärksten;  nach  einer  Reihe 
von  (etwa  10  — 15)  Tagen,  wenn  die  Leukocytose  verschwunden  ist, 
ist  auch  die  Resistenz  verschwimden.  Die  genannten  Autoren  wollen 
streng  unterschieden  wissen  zwischen  dieser  vorübergehenden, 
auf  Phagocytose  beruhenden,  Resistenz  und  einer  dauernden 
Immunität,  welche  —  falls  die  Schutzimpfung  mit  bestimmtem 
Bakterienmaterial  ausgeführt  wurde  —  nach  dem  Verschwinden  der 
genannten  Resistenz  zurückbleibt,  und  welche  (wie  R.  Pfeiffer  und 
Issaeff^)  weiter  angegeben  haben)  nur  gegen  die  Infection  mit  der- 
jenigen Bakterienart  gilt,  mit  der  die  Schutzimpfimg  ausgeführt  wurde. 
Der  letztere  Punkt,  dessen  Stichhaltigkeit  —  wie  hier  gleich  be- 
merkt sein  mag  —  bisher  durchaus  nicht  von  allen  Seiten'-)  zu- 
gegeben wird,  würde  also,  wenn  er  thatsächlich  zuträfe,  die  Möglichkeit 
eröfihen,  Meerschweinchen  gegen  die  intraperitoneale  Einverleibung  der 
verschiedensten  Bakterienarten  specifisch  zu  immunisiren:  so 
würde  es  demnach  auch  gelingen  die  Thiere  gegen  die  Wirkung  authen- 
tischer, d.  h.  von  menschhchen  Cholerafällen  stammender,  Cholera- 
bakterien specifisch  zu  festigen,  und  ein  solches  Thier  würde  sich  dann 
ausgezeichnet  dazu  eignen,  festzustellen,  ob  eine  bestimmte,  irgendwo 
in  der  Natur  (im  Wasser  etc.)  aufgefundene  Bakterienart  mit  dem 
Choleravibrio  identisch  wäre  oder  nicht.  Wir  hätten  also  in  der  speci- 
fischen  Immunisirung  ein  hochwichtiges  diagnostisches  Kri- 
terium, ein  Kriterium,  welches  uns  über  die  grossen  Schwierigkeiten 
der  diagnostischen  Beurtheilung  in  einem  solchen  Falle  (cf.  die  Aus- 
einandersetzungen über  diese  Frage  weiter  unten)  mit  einem  Schlage 
hinwegsetzen    würde.     R.   Pfeiffer    und   Issaeff'^)    vertreten    nun 


1S92.  p.  970)  nachgewiesen.  Auch  Metschnikof f  (Annales  de  Flnstitut  Pasteur 
1893.  p.  411)  hat  diese  Thatsache  festgestellt.  Klemperer  prüfte  die  Thiere 
12  Stunden  nach  der  Serumeinverleibung  auf  ihre  Resistenz,  Metschnikoff 
24  Stunden  danach. 

1)  Deutsche  med,  Wochenscbr.  1894.   p.  305;  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  17.  1894. 

-)  cf.  weiter  unten  p.  333. 

■')  cf.  die  zuletzt  citirten  Mittheilungen. 


332  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

allerdings  diesen  Standpunkt.  8ie  benutzen  ihre  specifisch  gegen 
Cholera  immunisirten  Meerschweinchen  nicht  allein  in  der  Weise  zur 
diagnostischen  Beurth eilung  zu  prüfenden  Bakterienmaterials,  dass  sie 
das  letztere  den  Thieren  —  in  sonst  letal  wirkenden  Dosen  —  intra- 
peritoneal einspritzen  und  den  Erfolg  abwarten,  sondern  sie  gehen 
weiter :  sie  entnehmen  den  specifisch  gegen  Cholera  immunisirten  Meer- 
schweinchen Blut  und  benutzen  dann  das  ausgeschiedene  specifisch 
„choleraimmune"  Blutserum  —  welches  nachdem  Behring'- 
schen  Gesetz  (cf.  oben  p.  212)  die  Eigenschaft  hat  die  Immunität  auf 
normale  Indinduen  zu  übertragen  —  dazu,  um  quasi  jeden  Augen- 
blick specifisch  choleraimmune  Thiere  herstellen  und  an  ihnen  die 
eventuelle  Choleranatur  irgend  welcher  zu  bestimmender  Bakterien- 
arten prüfen  zu  können.  Die  genannten  Autoren  geben  an,  dass  man 
bei  Meerschweinchen,  die  zunächst  subcutan  mit  choleraimmunem  Se- 
rum vorbehandelt  werden,  und  die  24  Stunden  später  eine  intraperi- 
toneale Injection  (in  passender,  d.  h.  bei  normalen  Thieren  letal  wir- 
kender Dosis)  von  authentischer  Cholera cultur  bekommen,  die  injicirten 
Vibrionen  in  dem  Peritonealsack  während  weniger  Stunden  oder  in 
noch  kürzerer  Zeit  zu  Grunde  gehen  sieht, ^)  während  nach  der  Ein- 
verleibung einer  andersartigen  —  wenn  auch  sonst  ähnlichen  —  Bak- 
terienart kein  Zugrundegehen  der  Bakterienzellen  stattfindet,  sondern 
die  letzteren  sich  im  Gegentheil  weiter  entwickeln  und  bis  zum  Tode 
des  Thieres  vermehren.  Wurde  nicht  Serum  von  einem  choleraimmu- 
nisirten  Thier,  sondern  von  einem  Thier  genommen,  welches  gegen  eine 
andere  Bakterienart  immunisirt  war,  so  zeigt  sich  ein  Zugrundegehen 
der  Bakterienzellen  im  Meerschweinchenperitoneum  in  entsprechender 
Weise  nur  dann,  Avenn  diese  Bakterienart  eingebracht  Avurde. 
E.  Pfeiffer-)  hat  dann  die  ganze  Prüfungsprocedur  mit  Hülfe  solches 
„specifisch  immunen"  Serums  dadurch  vereinfacht,  dass  er  die  zu 
prüfende  Bakteriencultm'  direct  mit  dem  (mit  Bouillon  verdünnten) 
Serum  mischt  und  che  Mischung  normalen  Meerschweinchen  in  den 
Peritonealsack   einspritzt.-^)     W'urde   hierbei   choleraimmimes    Serum 

*)  Mit  Hülfe  eines  Capillarröhrchens  wird  von  Zeit  zu  Zeit  ein  Ideiner  Tropfen 
des  peritonealen  Exsudates  hervorgeholt  (Zeitschr.  f.  Hjg.  Bd.  17.  1S94.  p.  386j. 
Das  Zugrundegehen  der  Vibrionen  documentirt  sich  durch  wirklichen  sichtbaren 
Zerfall  der  Zellleiber;  es  bilden  sich  aus  den  Vibrionen  Kügelchen  und  „Granula'', 
bis  bald  auch  diese  Trümmer  verschwunden  sind.  Phagocytische  Vorgänge  (Eiu- 
schluss  in  Leukocyten;  cf.  oben  p.  208)  werden  dabei  nicht  beobachtet. 

-)  Zeitschr.  V.  Hyg.     Bd.  18.     1894. 

')  Ueber  die  Einzelheiten  des  Vorgehens  hierbei,  die  zu  beachtenden  Cau- 
telen  etc.,  hat  E.  Pfeiffer  besondere  Mittheilungen  gemacht  (Zeitschr.  f.  Hyg. 
Bd.  U).     1895). 


J 


Der  Koraraabacillus  der  Cholera  asiatica.  333 

angewendet,  so  findet  ein  Zugrundegehen  der  (in  sonst  letal  wirkender 
Dosis  eingebrachten)  Bakterienzellen  nur  dann  statt,  wenn  es  sich  wirk- 
lich nm  authentische  Cholerabakterien  handelte. 

Oben  bereits  (p.  331)  sagten  wir,  dass  die  Kichtigkeit  des  von 
K.  Pfeiffer  aufgestellten  Princips  der  specifischen  Choleraimmuni- 
sirung  durchaus  nicht  von  allen  Seiten  zugegeben  wird.  Namentlich 
ist  es  Bonhoff ^),  welcher  auf  Grund  eingehender  Versuchsreihen  zu 
der  Ansicht  gekommen  ist,  dass  die  nach  der  intraperitonealen  Vor- 
behandlung eines  Meerschweinchens  zurückbleibende  dauernde  Immu- 
nität (cf  oben  p.  331)  nicht  nur  gegen  die  bestimmte,  bei  der  Vor- 
l)ehandlung  benutzte  Bakterienart  Grültigkeit  hat,  sondern  auch  gegen 
andere  Bakterienarten.  Auch  von  anderen  Autoren  ^)  ist  die  Stichhaltig- 
keit des  E.  Pfeiffer"schen  Princips  bestritten  worden,  während  an- 
dererseits auch  Bestätigungen  desselben  vorliegen.'^) 

An  dem  Blutserum  geheilter  menschlicher  Cholerapatienten  wies 
Lazarus'*)  meerschweinchenschützende  Eigenschaften  nach  (^cf  oben 
p.  216).  Diese  Eigenschaften  des  Blutserums  treten,  wie  Wasser- 
mann'^) fand,  beim  Menschen  nicht  sofort  nach  dem  Ueberstehen  der 
Choleraerkrankung  auf,  sondern  erst  einige  Wochen  danach.  Sie  sind 
noch  nach  Monaten  deutlich  nachzuweisen.  '^) 

Künstliche  Choleravibrionenculturen  in  peptonhaltigen  Xährböden 
zeigen  eine  bestimmte  chemische  Eeaction  („Cholerareac- 
tion").  Versetzt  man  nämlich  eine  derartige  Cultur  mit  chemisch 
reiner  Salz-  oder  Schwefelsäure,  so  nimmt  sie  eine  leichte  Bosa-  bis 
intensive  Burgunderrothfärbung  an.  Es  bildet  sich  hierbei  ein  be- 
stimmter Farbstoff  („Choleraroth").  Die  Eeaction  gelingt  mit 
peptonhaltiger  Fleischbrühe,  in  welcher  die  Vibrionen  24  Stunden  lang 
bei  Brüttemperatur  gewachsen  sind :  besser  aber  nimmt  man  als  Nähr- 
flüssigkeit   eine     einfache     1  proc.     wässerige     Peptonlösung, 


1)  Hygienische  Kundschau  1894.  No.  21;  Arch.  f.  Hyg.  Bd.  22.  1894.  p.  87, 
88;  ebenda  Bd.  22.    1895.    p.  390. 

■^)  cf.  z.  B.  Kumpel,  Berl.  klin.  Wochenschr.     1895.    No.  4. 

^)  cf.  z.  B.  Wesbrook,  Hygienische  Kundschau.  1894,    p.  823. 

*)  Berl.  klin.  Wochenschr.    1892.    No.  43,  44. 

•')  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  14.     1893. 

•«)  Nach  Issaeff  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  l(i.  1894.  p.  316)  sowie  nach  Sobern- 
heim  (Hyg,  Kundschau.  1895.  p.  152)  treten  bei  Menschen,  die  einen  schweren 
Choleraanfall  überstanden  haben,  die  Schutzstoffe  im  Blute  etwa  2 — 3  Wochen  nach 
der  Erkrankung  auf  und  sind  in  der  6.  Woche  sehr  kräftig  wirksam  vorhanden. 
Bei  leichten  Fällen  hat  (nach  Sobernheim)  die  schützende  Wirkung  des  Blutes 
ihren  Höhepunkt  bereits  um  die  2. — 3.  Woche  erreicht;  das  Blut  zeigt  sich  hier  in 
der  fi,  Woche  wieder  von  normaler  Beschaffenheit. 


334  ^-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

welche  1  ^/^  Kochsalz  enthält,  und  die  event.  (durch  Sodalösung)  alka- 
lisch gemacht  wurde.^)  Zur  Beschleunigung  der  Reaction  kann  man 
die  Flüssigkeit  nach  dem  Säurezusatz  etwas  erhitzen.  Die  genannte 
Reaction  wurde  von  drei  verschiedenen  Autoren,  die  unabhängig  von 
einander  arbeiteten,  aufgefunden.  Zuerst  wurde  sie  mitgetheilt  von 
Poehl-)  (1886),  dann  von  Bujwid=^)  (1887)  und  in  demselben  Jahre 
auch  von  Dunham.*)  Poehl  fand  die  Reaction  an  Gelatinestich- 
culturen,  B  u  j  w  i  d  und  D  u  n  h  a  m  fanden  sie  an  Culturen  auf  flüssigen 
Nährböden.  Von  manchen  Seiten  wurde  die  genannte  Reaction  als 
für  die  Choleravibrionen  specifisch  hingestellt;  von  anderen  Seiten 
jedoch  wurden  gegen  die  Specifität  der  Reaction  Einwände  erhoben: 
man  behauptete,  dieselbe  käme  auch  anderen  Kommabacillenarten  zu, 
die  zwar  morphologisch  den  Choleravibrionen  ähnlich  sind,  sonst  aber 
nichts  mit  ihnen  zu  thun  haben.  Durch  Salkowski^)  ist  die  Frage 
endgültig  entschieden  worden.  Salkowski  hat  den  Nachweis  ge- 
liefert, dass  die  Cholerareaction  weiter  nichts  ist  als  die  gewöhnhche 
Nitr OSO -Indol reaction'^)  (Indol  -j-  Salpetrige  Säure  =  Rothfär- 
bung). Es  giebt  eine  grosse  Reihe  von  Bakterienarten,  denen  die  Eigen- 
thümlichkeit  zukommt,  aus  den  Eiweisskörpern  des  Nährbodens  Indol 
zu  produciren  (cf.  oben  p.  44),  während  anderen  Bakterienarten  diese 
Fähigkeit  abgeht.  Zu  den  indolproducirenden  Arten  gehört  nun  auch 
der  Choleravibrio;  es  gehören  dazu  ferner  mehrere  (weiterhin  noch  zu 
besprechende)  andere  Arten  von  Kommabacillen,  nämlich  der  Komma- 
bacillus  von  Finkler,  der  Kommabaciilus  von  Deneke,  der  Vibrio 
Metschnikoff,  der  Vibrio  Berolinensis  etc.  Setzt  man  zu  der  Bouillon- 
oder Peptoncultur  einer  dieser  Arten  salpetrige  Säure  oder,  was  auf 
dasselbe  hinauskommt,  eine  Gemenge  von  Kaliumnitrit  und  Schwefel- 
säure, so  tritt  Rothfärbung  ein.     Nun  hat  aber  der  Choleravibrio  (und 


1)  Siehe  E.  Koch,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  14.  1893.  p.  326.  —  Die  Thatsache, 
dass  reine  Peptonlösungen  eine  gute  Vermehrung  der  Cholerabakterien  gestatten,  und 
dass  solche  Choleraculturen  die  oben  genannte  Eeaction  besser  als  Bouillonculturen 
zeigen,  wurde  von  Dunham  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  2.  1887.  p.  340)  ermittelt. 

-)  Ber.  d.  Deutschen  ehem.  Ges.     19.  Jahrgang.     1886.     p.  1162. 

^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  2.     1887. 

^)  Ebenda. 

'")  Virch.  Arch.     Bd.  110.     1887. 

'*)  Vor  der  Öalkowski'schen  Veröffentlichung  hat  bereits  Poehl  (1.  c.)  an- 
gegeben, dass  der  bei  Säurezusatz  zu  Choleraculturen  sich  bildende  rothe  Farbstoff 
ein  Skatolderivat  ist,  und  dass  er  von  Amylalcohol  aufgenommen  wird.  Brieger 
(ebenfalls  vor  Salkowski)  isolirte  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1887.  No.  15)  das 
Choleraroth  aus  Choleraculturen.  Er  erkannte  dasselbe  (ebenda  1887.  No.  22)  als 
I  n  d  0 1  d  e  r  i  V  a  t. 


Der  Kouimabacillus  der  Cholera  asiatica.  335 

der  Vibrio  Metschnikoflf'  sowie  der  yi])rio  Berolinensis  theilen  diese 
Eigenschaft)  die  fernere  Eigen tliümlichkeit,  die  geringen  Mengen  von 
Nitraten,  welche  sich  in  dem  Nährboden  stets  vorfinden,  zu  Nitriten 
zu  reduciren,^)  während  dem  Finkler'schen  und  dem  Deneke"schen 
Kommabacinus  diese  Eigenschaft  abgeht.  In  Cholera ciüturen ,  in 
Culturen  des  Vibrio  Metschnikofi"  und  in  Culturen  des  Vibrio  Beroli- 
nensis sind  also  stets  Indol  und  Nitrite  vorhanden.  Wird  nun 
reine  Salz-  oder  Schwefelsäure  zugesetzt,  so  wird  salpetrige  Säure  frei, 
welche  die  characteristische  Nitrosoindolreaction  veranlasst,  während  bei 
den  Finkler  "sehen  und  den  Deneke'schen  Kommabacillen  bei  dem 
Zusatz  reiner  (salpetrigsäureft'eier)  Mineralsäuren  die  genannte  Re- 
action  selbstverständUch  ausbleiben  muss. 

Die  vorhergehende  Darstellung  trifft  auf  die  Verhältnisse,  wie  man 
sie  gewöhnlich  beobachtet,  zu ;  es  darf  aber  nicht  verschwiegen  werden, 
dass  man  im  Laboratorium  häufig  auch  bei  den  authentischen  Finkler- 
und  D  e  n  e  k  e  -  Culturen  nach  Zusatz  von  reiner  Schwefelsäure  Roth- 
färbung beobachtet ;  ohne  Zweifel  spielen  hier  Modificationen  des  Nähr- 
bodens eine  Rolle,  die  wir  nicht  beherrschen.  Aus  diesen  Thatsachen 
sowie  aus  der  weiteren,  bereits  erwähnten  Thatsache,  dass  eine  Reihe 
von  Vibrionenarten  die  genannte  Reaction  ganz  regelmässig  zeigen, 
geht  hervor,  dass  die  Nitrosoindolreaction  nur  einen  höchst  be- 
schränkten diagnostischen  Werth  besitzt.  Man  würde  den 
letzteren,  was  den  Cholera vibrio  angeht,  nur  so  fassen  können,  dass 
eine  Vibrionencultur  in  Peptonwasser  (cf.  p.  333),  die  die  genannte 
Reaction  nicht  giebt,  nicht  als  Choleracultur  angesehen  werden  darf. 
Aus  dem  positiven  Ausfall  der  Reaction  würde  bezüglich  der  eventuellen 
Choleranatur  der  geprüften  Bakterienart  nichts  geschlossen  werden  können. 

Die  Bedingungen,  unter  welchen  die  Nitrosoindolreaction  in  Pepton- 
lösungen  am  besten  zu  Stande  kommt,  sind  von  Blei  seh-)  zum 
Gegenstande  einer  besonderen  Untersuchung  gemacht  Avorden.  Nach 
Blei  seh  gehört  ein  bestimmter  Gehalt  der  Peptonlösung  an  Nitraten 
dazu:  schon  ein  geringer  Ueberschuss  von  Nitraten  verhindert  die 
Reaction.  •') 


1)  cf.  Petri,  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  5.     1SS9.     No.  17—18. 

-)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  14.     1893. 

'■'')  Im  Handel  kommen  ganz  verschiedene  Peptonsorten  vor.  Ist  man 
im  Besitze  eines  absolut  nitrat  freien  Peptons,  so  beträgt  nach  Blei  seh  (I.e. 
p.  112,  114)  der  zwectmässigste  Zusatz  auf  je  100  ccm  der  1  proc.  Lösung  dieses 
Peptons  30  bis  5Ü  Tropfen  einer  0,08  proc.  Lösung  reinen  Kaliumnitrats.  Durch 
Ausprobiren  hat  man  jedesmal  festzustellen,  ob  die  gerade  vorliegende  Peptonsorte 
den  zweckentsprechenden  Nitratgehalt  besitzt. 


336  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Die  Mtrosoindolreaction  lässt  sich  übrigens  nicht  nur  an  Culturen 
in  flüssigen  Nährböden,  sondern  auch  an  solchen  auf  festen  Nähr- 
böden anstellen.  Ausgezeichnet  eignen  sich  nach  den  Erfahrungen 
des  V  e  r  f.  ^)  dazu  Oberflächenstrichculturen  auf  Agar.  Man  setzt  zu 
der  entwickelten  Cultur  sehr  verdünnte  reine  Schwefel-  oder  Salzsäure, 
und  zwar  so  viel,  dass  die  Oberfläche  des  Nährbodens  völlig  davon 
bedeckt  wird,  und  sieht  dann  im  Falle  des  positiven  Resultates  nicht 
allein  die  Bakterienmasse  sich  rosa  bis  roth  färben,  sondern  auch  die 
angrenzenden  Theile  des  Nährbodens  eine  derartige  Farbe  annehmen. 
Auch  Kartoffelculturen  eignen  sich  nach  meinen  Erfahrungen  zur  An- 
stellung der  Reaction. 

Der  Choleravibrio  färbt  sich  mit  wässerigen  AnilinfarbstofF- 
lösungen.  Nach  der  Gram'schen  Methode  (p.  108  ff.)  färbt  sich  der 
Choleravibrio  nicht. 

Die  genaue  Kenntniss  der  in  Vorstehendem  dargestellten  morpho- 
logischen und  biologischen  Eigenschaften  des  Choleravibrio  ermöglicht 
es  nun,  in  verdächtigen  Ki'ankheitsfällen  (z.  B.  ersten  Fällen  einer 
Epidemie)  seine  Anwesenheit  oder  Abwesenheit  festzustellen  und  damit 
darzuthun,  dass  es  sich  um  Cholera  asiatica  handelt,  resp.  dass  es 
sich  nicht  darum  handelt.  Denn  der  Choleravibrio  findet 
sich  con staut  und  ausschliesslich  bei  Cholera  asia- 
tica: die  Diagnose  dieser  Krankheit  steht  und  fällt 
mit   seinem   Nachweise. 

Die  in  der  heissen  Jahreszeit  nicht  selten  auftretenden  Fälle 
von  sogenannter  „Cholera  n  o  s  t  r  a  s "  (Brechdurchfall) ,  die  mit- 
unter nach  kurzem  Verlaufe  tödtlich  enden,  können  der  Cholera  asia- 
tica klinisch  und  pathologisch -anatomisch  völlig  gleichen,  die  Aus- 
leerungen eines  solchen  Falles  können  denjenigen  echter  Cholerafälle 
makroskopisch  und  mikroskopisch  völlig  identisch  sein  —  nur  der 
bakteriologische  Befund  ist  ein  anderer:  in  dem  „Cholera  nostras"- 
Falle  findet  sich  irgendwelche  specifische  Mikroorganismenart  nicht; 
in  dem  Falle  von  Cholera  asiatica  findet  sich  der  Koch" sehe  Vibrio. 
Bei  der  sogenannten  „Cholera  nostras"  handelt  es  sich  nach  Allem, 
was  wir  bisher  darüber  wissen,  jedenfalls  nicht  um  eine  specifische 
Ursache;  die  schweren  Darmläsionen  (Desquamation  des  Epithels 
[Flocken  der  Reiswasserstühle]),  welche  wir  bei  „Cholera  nostras"  in 
genau  derselben  Weise  finden  können  wie  bei  der  echten  Cholera  asia- 
tica, sind  ohne  Zweifel  genau  so  auf  Schädigungen  durch  giftige  Körper 


')  Deutsche  med.  Woehenschr.     1S92.     p.  1125. 


Der  Kommabacillus  der  Cholera  asiatica.  337 

ZU  beziehen,  wie  das  bei  der  Cholera  asiatica  der  Fall  ist.  Während 
aber  bei  der  letzteren  Krankheit  das  Gift  ein  specifisches  ist,  ge- 
bildet bei  der  Vermehrung  einer  bestimmten,  speci fischen 
Mikroorganismenart  innerhalb  des  Körpers,  so  sind  die  bei  der  „Cholera 
nostras"  in  Betracht  kommenden  Gifte  wahrscheinlich  in  verschiedenen 
Fällen  verschieden,  und  es  ist  auch  durchaus  noch  nicht  ausgemacht, 
dass  diese  Gifte  in  allen  Fällen  durch  Mikroorganismen  gebildet  wer- 
den, und,  wo  das  Letztere  der  Fall,  dass  sie  innerhalb  des  von  der 
Ivrankheit  befallenen  Körpers  producirt  werden.  Es  ist  ein  gewaltiger 
Unterschied  bezüglich  der  im  Interesse  des  Allgemeinwohls  zu  ergreifen- 
den hygienischen  Massregeln,  ob  der  vorKegende  unter  ver- 
dächtigen Erscheinungen  acut  zu  Grunde  gegangene  Fall  Cholera  asia- 
tica oder  „Cholera  nostras"  ist:  Im  Falle  der  Cholera  asiatica  ist  eine 
Krankheitsursache  vorhanden,  die  die  Fähigkeit  hat  sich  ausserhalb 
und  innerhalb  des  menschlichen  Körpers  zu  vermehren  und  so  die 
Krankheit  zu  reproduciren;  im  Falle  der  „Cholera  nostras" 
handelt  es  sich  um  Schädlichkeiten,  die  nach  Allem,  was  wir  darüber 
wissen,  die  Fähigkeit  der  Vermehrung  und  der  Eeproduction  nicht 
besitzen. 

Wie  gestaltet  sich  nun  das  praktische  Vorgehen  bei  der  bakterio- 
logischen Untersuchung  eines  verdächtigen  Falles?  Obenan  ist  hier 
stets  die  Forderung  zu  stellen,  dass  das  Material  so  frisch  wie 
nur  irgend  möglich  untersucht  wird,  dass  es  in  möglichst 
originalem  Zustande,  möglichst  in  dem  Zustande,  in  welchem 
es  im  Körper  des  Erki-ankten  vorhanden  war,  zur  Prüfung  herangezogen 
wird.  Handelt  es  sich  um  einen  verdächtigen  Todesfall,  so  muss  die 
Section  so  bald  wie  möglich  nach  dem  Tode  vorgenommen  werden, 
damit  der  Dünndarminhalt  zur  Untersuchung  entnommen  werden  kann: 
handelt  es  sich  um  einen  lebenden  Kranken,  so  müssen  die  Dejec- 
tionen  möglichst  bald  nach  der  Entleerung  aus  dem  Körper  untersucht 
werden.  Die  Forderung,  das  Material  in  jedem  Falle  möglichst  frisch, 
möglichst  original  zu  untersuchen,  ist  deshalb  von  so  ausserordent- 
licher Bedeutung,  weil  der  von  dem  Kranken  entleerte  resp.  nach  dem 
Tode  in  der  Leiche  stagnirende  Darminhalt,  je  mehr  Zeit  verfliesst, 
desto  mehr  Veränderungen  erleidet;  es  tritt  Vermehrung  der  einen. 
Absterben  der  anderen  Mikroorganismen  ein,  und  es  ist  durchaus  nicht 
unmöglich,  dass  die  heute  in  dem  Material  vorhandenen  und  mit 
Leichtigkeit  nachweisbaren  Cholerabakterien  morgen  oder  gar  über- 
morgen nicht  mehr  vorhanden  und  also  auch  nicht  mehr  nachweisbar 
sind.  Besonders  bei  Sommertemperatur  treten  solche  Verschiebungen 
der    bakteriologischen   Beschaffenheit    des   Materiales    sehr    leicht   und 

Günther,   Bakteriologie.     4.  Auflage.  22 


338  ß-  ^^^  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

schnell  ein.  Lässt  es  sich  nicht  ermöglichen,  die  bakteriologische 
Prüfung  desselben  sofort  in  Angriö"  zu  nehmen,  muss  es  z.  B.  zur 
Untersuchung  erst  an  ein  mehr  oder  weniger  entferntes  Institut  ver- 
schickt werden,  so  ist  das  Material  (Dejection  des  Kranken  resp.  doppelt 
unterbundene  Dünndarmstücke  der  Leiche)  —  selbstverständlich  ohne 
Zusatz  von  Desinfectionsmitteln  —  in  gut  verschliessbare  Glasgefässe 
zu  füllen,  und  die  letzteren  sind,  am  besten  in  Eis  verpackt,  auf  dem 
kürzesten  Wege  an  den  Bestimmungsort  zu  befördern.  Da  es  auch  in 
diesem  Falle  vorkommen  kann,  dass  das  Material  sich  in  der  oben 
angedeuteten  Weise  verändert,  so  würde  ich  stets  rathen,  dass  der  zu 
dem  Falle  zugezogene  Arzt  neben  der  Sorge  um  möghchst  schnelle 
und  zweckmässige  Expedirung  des  Materials  noch  die  Herstellung 
einer  Reihe  von  Ausstrichpräparaten  aus  demselben  übernimmt. 
Diese  Präparate  werden  mit  dem  übrigen  Materiale  zugleich  an  die 
Untersuchungsstelle  eingesandt,  um  dort  mikroskopisch  geprüft 
zu  werden.  Es  handelt  sich  hier  nicht  etwa  um  die  Herstellung 
fertiger  mikroskopischer  Präparate  von  Seiten  des  mit  Berufs- 
geschäften ohnehin  überhäuften  Arztes,  sondern  nur  um  die  Fixirung 
des  momentan  noch  unverändert  vorliegenden  Krank- 
heitsmateriales  auf  einer  Glasfläche  zum  Zwecke  der 
dauernden  Festlegung  in  diesem  originalen  Zustande. 
Mit  irgend  einem  passenden  MetalKnstrument,  z.  B.  einer  kleinen  Pin- 
cette  (die  nach  dem  Gebrauch  durch  Ausglühen  desinficirt  Avird)  oder 
Aehnlichem,  wird  aus  dem  verdächtigen  Material  eine  Schleimflocke 
entnommen  und  auf  eine  durch  Abwaschen  etc.  gut  gesäuberte,  trockene 
Glasfläche  (im  Nothfalle  genügt  ein  Stück  Fensterglas  etc.)  so  unter 
Aufdi'ücken  ausgestrichen,  dass  Schleim-  etc.  Theilchen  in  dünner  Schicht 
an  der  Glasfläche  hängen  bleiben.  Man  lässt  die  Schicht,  ohne  weiter 
(durch  Ivratzen  etc.)  an  ihr  zu  manipuliren,  lufttrocken  werden  und 
legt  dann  die  so  vorbereiteten  Glasstückchen,  in  reines  Schreibpapier 
einzeln  eingeschlagen,  dem  abzusendenden  Untersuchungsmateriale  bei. 
Sind  mikroskopische  Deckgläser  zur  Stelle,  so  wird  man  natürlich  diese 
für  den  genannten  Zweck  gebrauchen. 

Die  auf  die  angegebene  Weise  —  von  frischem,  originalem  Ma- 
terial —  hergestellten  Ausstrichpräparate  sind  von  gar  nicht  hoch 
genug  anzuschlagendem  Werthe.  In  einer  solchen  angetrockneten 
Schicht  bleibt  die  Morphologie  des  aufgestrichenen  Materiales  dauernd 
völlig  unverändert:  und  dem  Untersucher,  welcher  nachher  diese  Prä- 
parate in  der  gewöhnlichen  Weise  des  Trockenpräparates  mit  Anilin- 
farben färbt  und  mikroskopisch  untersucht,  ist  damit  wenigstens  ein 
Einblick   in  die    originalen   morphologischen  Verhältnisse 


Der  Kommabacillus  der  Cholera  asiatica.  339 

ermöglicht  und  gesichert,  wenn  auch  in  dem  flüssigen  Untersuchungs- 
materiale  s o  1  c h e  Veränderungen  vor  sich  gegangen  sein  sollten,  dass 
ein  sicheres  Ilrtheil  allein  nach  der  (mikroskopischen  und  Cultur-) 
Untersuchung  des  letzteren  sehr  schwer  oder  auch  gar  nicht  mög- 
Kch  ist. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  des  frischen 
M a t  e r  i a  1  e  s  kann  in  positiven  Fällen  die  Diagnose  der 
Cholera  asiatica  ohne  "Weiteres  entscheiden.  Das  ist 
nicht  etwa  so  zu  verstehen,  dass,  wenn  man  verdächtiges  Material  im 
Mschen  Zustande  mikroskopisch  untersucht,  der  Befund  von  komma- 
förmig  gekrümmten  Organismen  ohne  Weiteres  zur  Diagnose  „Cholera" 
berechtigte.  Vereinzelte  konimaförmig  gekrümmte  Bakterien  kann  man 
in  jeder  beliebigen  Fäcesprobe  antreffen.  Zur  mikroskopischen  Diagnose 
„Cholera"  gehört  vielmehr  stets  der  Nachweis,  dass  Kommabacillen 
in  sehr  grossen  Mengen,  in  das  ganze  Bild  beherrschender 
Anzahl  vorhanden  sind.  Ein  derartiger.  Befund  ist  bisher  bei  keiner 
anderen  Krankheit  und  ebenso  wenig  beim  normalen  Menschen  gemacht 
worden:  er  ist  für  Cholera  asiatica  characteristisch.  Auch  füiden  sich 
die  Vibrionen,  wie  das  Koch  bereits  1884  beschrieben  und  abgebildet^) 
und  neuerdings  wieder  in  Erinnerung  gebracht^)  hat,  in  den  bei  der 
Präparation  fadenförmig  ausgezogenen  Stellen  des  Schleims  häufig  in 
characteristisch  geformten  Gruppen  liegend:  „Sie  bilden  nämlich  Häuf- 
chen, in  denen  die  einzelnen  Bacillen  sämmtlich  dieselbe  Richtung 
haben,  so  dass  es  so  aussieht,  als  wenn  ein  kleiner  Schwann  der- 
selben, wie  etwa  Fische  in  einem  langsam  fiiessenden  Gewässer,  hinter 
einander  herziehen."  Dieses  Bild  im  Besonderen  ist  für  Cholera  asia- 
tica durchaus  characteristisch.  Es  sei  aber  nochmals  betont,  dass  diese 
Sicherheit  der  mikroskopischen  Choleradiagnose  ausschliesslich  für  die 
Untersuchung  des  absolut  frischen,  originalen  Materials  gilt, 
und  dass  sie  nur  gilt  für  den  positiven,  zweifellosen  Befund. 
Wird  das  Material  nicht  frisch  untersucht,  oder  trifft  man  bei  fiischem 
Material  die  Vibrionen  nicht  in  überwiegender  Anzahl  oder  auch  gar 
nicht  an,  so  ist  aus  solchem  Befunde  nie  ein  Urtheil  zu  ziehen.  Hier 
sind  wir  bezüglich  des  letzteren  ausschliesslich  auf  die  Cultur unt er- 
suchung angewiesen.  So  viel  ist  aber  sicher,  dass  ein  gutes,  von 
dem  frischen  Materiale  hergestelltes  mikroskopisches  Präparat  unter 
Umständen  die  Diagnose  ermöglichen  kann,  wo  sie  aus  den  veränderten 
und  verdorbenen  Dejectionen  nicht  mehr  zu  stellen  ist. 


1)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1S84.     No.  32.     p.  501. 

2)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.   14.     1893.     p.  324. 

22^ 


340  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Selbstverständlich  wird,  wo  dies  irgend  angängig  ist,  die  mikru- 
skopische  Untersuchung  dui'ch  die  Culturuntersuchung  ergänzt. 

Es  ist  an  dieser  Stelle  zu  erwähnen,  dass  sich  in  den  Dejectionen 
echter  Cholerafälle  (neben  den  Koch 'sehen  Kommabacillen ) ,  nnd 
ebenso  auch  in  den  Dejectionen  von  „Cholera  nostras"  -  Fällen ,  nicht 
selten  spirillenförmige  Gebilde  vorfinden.  Es  handelt  sich  bei 
diesen  spirillenfürmigen  Gebilden  höchst  wahrschemlich  um  zwei  von 
einander  difierente  Formen.  Die  am  häufigsten  beobachteten  hierher 
gehörigen  Dinge  haben  die  Gestalt  der  gewöhnlichen  Zahnspiro- 
chaeten  (cf.  Taf.  I,  Fig.  1.  rechts  und  links  am  Rande  des  Bildes): 
feine,  schwach  färhbare,  mit  unregelmässigen  flachen  Windungen  und 
mit  zugespitzten  Enden  versehene  Spirillen.  Viel  seltener  scheint  eine 
andere  hierher  gehörige  Form  zu  sein:  ziemlich  grosse,  mit 
mehreren  regelmässigen  Windungen  versehene,  aber  hier  und  da  auch 
Kommaform  zeigende  Gebilde,  welche  ebenfalls  zugespitzte  Enden  be- 
sitzen. (Ueberträgt  man  auf  die  Gestalt  dieser  letzteren  Gebilde  die 
für  die  Durchschnittszeichnung  einer  Welle  gebräuchlichen  Bezeich- 
nungen, so  handelt  es  sich  mn  schön  gieichmässig  geformte,  hohe 
und  weite  Wellenberge  und  mn  entsprechend  gestaltete  Thäler.)  Beide 
Spirillenformen  sind  schon  nach  ihrer  Gestalt  nicht  mit  Cholera- 
l)akterien  zu  verwechseln:  die  Cholerabakterien  sind  plumper,  kürzer 
und  dicker  als  die  fi-aglichen  Gebilde;  die  letzteren  haben  ausserdem 
(wie  bereits  erwähnt)  zugespitzte  Enden,  während  die  Enden  der 
Cholerabakterien  stumpf  abgerundet  sind.  Die  Herstammung  dieser 
Spirillen  imd  die  Bolle,  welche  ihnen  eventuell  zukommt,  ist  noch 
vöUig  zweifelhaft;  übrigens  lassen  sich  beide  Spirillenformen  künstlich 
nicht  züchten.  Auf  das  Vorkommen  der  fi-agiichen  Gebilde  in  De- 
jectionen von  Cholera  asiatica  resp.  von  „Cholera  nostras"  hat  zuerst 
(1884)  Escherich ^)  aufmerksam  gemacht:  dann  wurden  die  Ge- 
bilde (1886)  von  de  Giaxa  und  Lustig-),  ferner  (1887)  von  Gruber^^) 
sowie  von  V.  Babes^),  dann  (1892)  von  Für  bring  er  •^),   \ielleicht 


•)  Münch.   ärztl.   Intell.-Bl.    1884.    No.  51.    p.  562  links;    der  Autor  bemerkt 
liier,  dass   sich   „Zahnspirochaeten"   in   Cholerastühlen   in   grosser   Häufigkeit 


-)  Wien.  med.  Wochenschr.  1886.  p.  424,  425.  Gute  Zeichnung  daselbst 
p.  425;  nach  der  letzteren  handelt  es  sich  um  die  zahnspirochaeten-förmigen  Gebilde. 

")  Wien.  med.  Wochenschr.     1887,     p.  225. 

^)  6.  Internat.  Congr.  f.  Hyg.  u.  Demogr.  Wien  1887.  Verhandlungen  Heft  18. 
p.  80  und  118,  119. 

°)  Deutsche  med.  Wochenschr.  1892.  No.  34.  p.  768.  Hier  handelte  es 
sich  um  die  schön  regelmässigen,  grossen  Spii'illen  bei  einem  Falle  von  „Cholera 
nostras". 


Der  Kommabacillus  der  Cholera  asiatica.  341 

auch  von  M.  Kirchner^),  gesehen;  neuerdings  hat  Kowalski-) 
wiederum  die  Aufmerksamkeit  auf  diese  Grebilde  gelenkt,  und  eine 
Keihe  anderer  Autoren-')  haben  über  entsprechende  Befunde  berichtet. 
Behufs  der  Cultur  unter  suchung  verdächtigen  Materials  geht 
man  so  vor,  dass  man  von  den  Dejectionen  oder  von  dem  Darminhalt 
der  Leich(},  und  zwar  am  besten  von  einer  Schleimflocke,  in  bekannter 
Weise  Gelatineplatten  anlegt  (cf.  oben  p.  139  ö".).  Zu  diesem 
Zwecke  zerreibt  und  vertheilt  man  das  Material  in  einem  Röhrchen 
geschmolzener  Nährgelatine  (passender  Beschaffenheit;  cf.  oben  p.  319), 
legt  Verdünnungen  an  und  giesst  die  so  inficirte  Gelatine  auf  Platten, 
in  Schälchen  etc.  aus.  Die  Platten  (oder  Schälchen  etc.)  sollen  bei  22^  C. 
aufbeAvahrt  werden.  Bei  dieser  Temperatur  sind  die  aus  den  event. 
vorhandenen  Cholerabakterien  entstehenden  Colonien  in  18 — 24  Stunden 
so  weit  gediehen,  dass  sie  eine  sichere  Beurtheilung  gestatten.*)  Ent- 
wickelte Platten  von  Choleradejectionen  bieten  nun  schon  makroskopisch 
ein  von  anderen  Fäcesplatten  differentes  Bild.  Während  nämlich  auf 
Fäcesplatten  im  Allgemeinen  —  im  Gegensatz  zu  der  enormen  An- 
zahl der  mikroskopisch  in  dem  Aussaatmaterial  nachweisbaren  Bakterien 
—  gewöhnlich  nur  relativ  spärliche  Colonien  bei  Zimmertemperatur 
zur  Entwicklung  gelangen,  so  findet  man  Platten  von  Choleradejec- 
tionen gewöhnlich  mit  Colonien  übersäet,  deren  grösste  Mehrzahl  dem 
Choleravibrio  angehört:  Der  Choleravibrio  unterscheidet  sich  von  der 
Mehrzahl  der  sonst  in  Fäces  vorkommenden  Bakterien  schon  dadurch, 
dass  er  auf  der  Gelatineplatte  gut  zur  Auskeimung  gelangt.  Findet 
man  nun  bei  der  Untersuchung  der  Platte  mit  schwacher  Vergrösse- 
rung   die    den   Choleracolonien   zukommenden   Merkmale    (cf.   p.   320). 

^)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1892.  p.  1074:  sehr  lange  und  zierliche,  künstUch 
nicht  züchtbare  Spirillen  bei  2  Fällen  von  „Cholera  nostras". 

-)  K.  K.  Ges.  d.  Aerzte  in  Wien.  1.  Dec.  1893.  —  Offic.  Protokoll  Wien, 
klin.  Wochenschr.  1893.    p.  888. 

'^)  Abel,  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  1894.  No.  7;  Aufrecht,  ebenda 
No.  12;  Eechtsamer,  ebenda  No.  21;  Grassberger,  Wien.  klin.  Wochenschr. 
1894.  No.  .50.  p.  943;  Pestana  und  Bettencourt,  Centralbl.  f.  Bakt.  1.  Abth. 
Bd.  17.     1895.    p.  522. 

^)  Benutzt  man  Nährgelatinen,  welche  höheren  Temperaturen  —  etwa  28  "C.  — 
ausgesetzt  werden  können,  ohne  zu  schmelzen,  so  kann  man  (wenn  man  die  Culti- 
virung  bei  der  genannten  Temperatur  vornimmt)  schon  in  9—10  Stunden  Culturen 
erhalten,  welche  eine  sichere  Diagnosestellung  ermöglichen.  Solche  Nährgelatinen 
construirten  Pane  sowie  Eisner  (cf.  oben  p.  125).  Vergl.  auch  die  der  Arbeit 
von  Eisner  (Arch.  f.  Hyg.  Bd.  21.  1894)  beigegebenen  Photogramme  von  Platten- 
colonien.  —  Bezüglich  der  Quahfication  von  Nährgelatine  für  den  Zweck  der  Cholera- 
untersuchung überhaupt  vergl.  auch  das  oben  (p.  320,  Anm.  1)  über  den  Deycke'- 
schen  Nährboden  Gesagte. 


342  B-    Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

lind  constatirt  man  l)ei  der  Abimpfimg  der  fraglichen  Colonien  und 
Untersuchung  des  Abgeimpften  mit  starker  Vergrösserung ,  dass  die 
Colonien  aus  kommaförmigen  Organismen  bestehen,  so  ist  die  Diagnose 
„Cholera  asiatica"  sichergestellt. 

Es  muss  an  dieser  Stelle  betont  werden,  dass  diese  sichere  Diagnose 
aus  dem  Plattenbefunde  nur  dann  möglich  ist,  wenn  —  was  wir  vor- 
aussetzten —  die  Platte  mit  solchem  Material  angelegt  ist,  welches 
unmittelbar  von  dem  erkrankten  Menschen  stammt.  Ln 
immittelbaren  Zusammenhange  mit  dem  Krankheitsfalle  ist  ein  der- 
artiger Plattenbefimd  fiir  Cholera  asiatica  durchaus  specifisch;  er  ist 
sonst  nirgends  erhoben  worden.  Auf  der  anderen  Seite  ist  der  blosse 
Plattenbefund  ohne  das  Kriterium  des  Zusammenhanges  mit  dem 
Krankheitsfalle  —  z.  B.  der'  Befund  einer  mit  choleraYerdächtigem 
Trinkwasser  angelegten  Platte  —  wemi  die  vorhandenen  Colonien  auch 
noch  so  grosse  Aehnlichkeit  mit  Choleracolonien  haben,  fiir  die  Dia- 
gnosticirung  des  Choleravibrio  nicht  ohne  Weiteres  zu  verwerthen. 
Selbst  wenn  die  verdächtigen  Colonien  aus  kommaförmigen  Bakterien 
zusammengesetzt  sind,  ist  die  sichere  Beurtheilung  nicht  ohne  Weiteres 
möglich;  denn  wir  kennen  von  dem  Choleravibrio  diflferente  Komma- 
1)acillenarten,  deren  Plattencolonien  in  gewissen  Entwickelungsstadien 
genau  so  aussehen  wie  die  Colonien  des  Choleravibrio ;  wir  wissen  auch, 
dass  derartige  Kommabacillenarten  im  Wasser  vorkommen  können. 
Auf  der  andern  Seite  aber  wissen  w-  mit  Sicherheit,  dass  im  mensch- 
lichen Darme  vorkommende  Kommabacillen,  die  zur  Entstehung  cholera- 
ähnlicher Colonien  auf  der  Platte  Yeranlassung  geben,  nur  Cholera- 
vibrionen sein  können.^) 

Neuerdings  hat  Koch")  neben  der  Gelatineplattencultur  auch 
die  A  g  a  r  p  1  a  1 1  e  n  c  u  1 1  u  r  zur  Choleradiagiiose  empfohlen.  Man  lässt 
das  geschmolzene,  in  Doppelschalen  ausgegossene  sterile  Agar  zunächst 
erstarren  und  dann  (zum  Zwecke  der  Verdunstung  der  ausgepressten 
oberflächlichen  Flüssigkeitsschicht)  mehrere  Tage  im  Brütschrank  stehen.'^) 
Auf  die  Oberfläche  des  so  vorbereiteten  Nährbodens  breitet  man  das 
zu  untersuchende  Material  mit  einer  Platinöse  aus.  Bei  37^  C.  ent- 
stehen dann  aus  Cholerabakterien  schon  nach  8—10  Stunden  relativ 
grosse  Colonien,  die  allerdings  in  ihrem  Aussehen  nicht  sehr  characte- 
ristisch  sind  (cf.  oben  p.  321).    Die  Colonien  muss  man  dann  abimpf en 


^)  Vergl.  bezüglich  der  vorhergehenden  Auseinandersetzung  die  oben  (p.  192, 
Anra.  1)  gegebenen  Ausführungen. 

•-)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  14.     1893.     p.  330. 

^)  Auch  andere  Manipulationen  eignen  sich  zur  Entfernung  der  oberflächhchen 
Flüssigkeitsschicht  (cf.  oben  p.  1.59,  Anm.  2). 


Der  Koramabacillus  der  Cholera  asiatica.  343 

und  auf  kommaförmige  Organismen  untersuchen.  Findet  man  Komma- 
bacillen,  und  stammte  das  Material  unmittelbar  von  dem  erkrankten 
Menschen,  so  kann  es  sich  nur  um  Choleravihrionen  handeln.  —  Die 
Agarplattencultur  kann  zur  Beschleunigung  der  Diagnose- 
stellung verwandt  werden.  In  jedem  Falle  wird  man  sich  auf  sie 
allein  —  bei  dem  wenig  characteristischen  Aussehen  der  Colonien  und 
bei  den  vorkommenden  Schwankungen  in  der  Form  der  Einzelzellen 
des  Choleravibrio  (cf.  p.  318)  —  nicht  verlassen,  sondern  daneben 
stets  auch  Gelatineplatten  anlegen,  welche  ein  viel  sichereres,  wenn  auch 
nicht  so  schnell  zu  erhebendes,  Urtheil  gestatten. 

Zur  weiteren,  wenn  nicht  Sicherung,  so  doch  Bestätigung  der 
Diagnose  kann  neben  der  Gelatine-  und  der  Agarplattencultur  auch 
die  (mit  hergestellten  Reinculturen ,  am  besten  in  Peptonlösung  [cf. 
oben  p.  333],  anzustellende)  Nitro soindolreaction  sowie  der 
Thier versuch  (intraperitoneale  Injection  von  Reinculturen  bei  Meer- 
schweinchen [cf.  oben  p.  327])  ausgeführt  werden. 

Alle  diese  Kriterien,  das  mikroskopische  Bild,  die  Gelatine-,  die 
Agarplatte,  die  Indolreaction  und  der  Thierversuch ,  geben  —  wenn 
das  Material  wirklich  von  einem  Cholerafalle  stammt  und  frisch  zur 
Untersuchung  kommt  —  gewöhnhch  übereinstimmende  Resultate.  Das 
Resultat  der  mikroskopischen  Untersuchung  kann  (siehe  oben  p.  339) 
mitunter  zweifelhaft  sein,  während  die  übrigen  diagnostischen  Hülfs- 
mittel  ein  völlig  sicheres,  übereinstimmendes,  unzweideutiges  Resultat 
ergeben. 

Steht  das  zu  untersuchende  Material  nicht  in  unmittelbarem 
Zusammenhange  mit  einem  verdächtigen  Ki'ankheitsfalle ,  liegen  z.  B. 
Dejectionen  vor,  die  schon  eine  Reihe  von  Tagen  bei  Sommertemperatur 
gestanden  haben  und  verfault  sind ,  oder  hat  man  ein  des  Cholera- 
vibrionengehaltes verdächtiges  Trink^vasser  zu  untersuchen  etc.,  so  ge- 
staltet sich  die  Diagnose  nicht  ganz  so  einfach  wie  bei  frischem,  vom 
Kranken  oder  von  der  Leiche  stammenden  Material  (cf.  oben  p.  192, 
Anm.  1 ).  Hat  man  in  solchen  Fällen  kommaförmige  Organismen  auf- 
gefunden, so  muss  man  sie  nach  allen  Richtungen  hin,  d.  h.  durch 
Züchtung  auf  den  verschiedensten  Nährböden  und  bei  verschiedenen 
Temperatm-en ,  durch  Anstellung  der  Indolreaction  und  des  Thier- 
versuches  mit  echten,  authentischen  Cholera  Vibrionen  vergleichen  und 
kann  dann  event.  das  Urtheil  abgeben,  dass  der  aufgefundene  Or- 
ganismus sich  mit  den  heutigen  Hiilfsmitteln  in  keiner  Beziehung  von 
dem  Choleravibrio  unterscheiden  lässt.  Auf  den  Ausfall  des  Thier- 
versuchs  wird  man  in  solchen  Fällen,  bei  der  schwankenden  Virulenz 
des   Choleravibrio  (cf.  p.  328),   nicht   allzu    grosses  Gewicht   zu   legen 


344  B-  Diö  Bakterien  als  Kranldieitserreger. 

haben.  —  Auch  das  Kriterium  der  R.  Pfeiffer  ■gehen  specifischen 
Immunisirung  (cf.  oben  p.  331  ff.)  käme  bei  dieser  Prüfung  des  frag- 
lichen Materials  event.  in  Betracht. 

Um  in  solchen  Fällen,  wo  in  den  verdächtigen  Dejectionen  nur 
wenige  oder  gar  keine  Konmiaformen  mikroskopisch  auffindbar  sind, 
die  event.  vorhandenen  Cholerabakterien  dennoch  der  miki'oskopischen 
Beobachtung  und  weiteren  Untersuchung  zugängig  zu  machen,  hat 
Schottelius^)  folgendes  Verfahren  empfohlen:  100  bis  200  ccm  der 
verdächtigen  Dejectionen  werden  mit  250  bis  500  ccm  Nährbouillon 
innig  vermischt;  das  Gemisch  bleibt  10  bis  12  Stunden  in  offenem 
Gefasse  bei  Brüttemperatur  stehen.  Die  event.  vorhandenen  (sauerstoff- 
bedürftigen [cf.  p.  319])  Cholerabakterien  sollen  sich  währenddessen 
an  die  mit  der  atmosphärischen  Luft  in  Contact  stehende  Oberfläche 
der  Flüssigkeit  begeben  und  sich  hier  vermehren,  so  dass  man  nach 
Ablauf  der  obengenannten  Zeit  durch  mikroskopische  Untersuchung 
einer  Spur  der  oberflächlichen  Schicht  der  Flüssigkeit  ihre  Gegenwart 
nachweisen  kann.  Büchner'^)  hat  ein  ähnhches  Verfahren  der  „Vor- 
cultur",  welches  ebenso  wie  das  Schottelius'sche  eine  relative 
Vermehrung  der  vorhandenen  Cholerabakterien  anderen  Mkroorganismen 
gegenüber  bezweckt,  angegeben:  Er  sterihsirt  eine  7  Tage  im  Brüt- 
schrank gCAvachsene  Bouillon-  oder  Peptoncultur  des  Choleravibrio  durch 
Kochen  und  verdünnt  sie  dann  mit  dem  10  fachen  Volumen  0,6  proc. 
Kochsalzlösung.  Der  so  erhaltene  flüssige  Nährboden  ist  für  die  Cholera- 
bakterien nach  Buchner  viel  günstiger  als  für  andere  Organismen. 
Bringt  man  kleine  Quantitäten  des  zu  untersuchenden  Materials  in  diesen 
Nährboden  hinem,  so  sammeln  sich  etwa  vorhandene  Cholerabakterien 
an  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  an,  vermehren  sich  hier  und  bilden  ein 
Häutchen,  welches  die  Cholerabakterien  event.  in  Reincultur  enthalten 
kann.  An  die  genannten  Methoden  der  Vorcultur  von  Schottelius 
und  von  Buchner  lehnen  sich  Verfahrungsweisen  an,  welche  Gruber'^), 
Bnjwid*)  und  Andere  angegeben  haben.  Koch'^)  hat  später,  emp- 
fohlen, eine  relative  Vermehrung  der  Cholerabakterien  in  dem  zu 
untersuchenden  Materiale  dadurch  herbeizuführen,  dass  man  in  die 
oben  (p.  333)  angegebene  Pepton- Kochsalzlösung,  die  sich  im 
Reagenzglase  befmdet,  eine  oder  mehrere  Platinösen  der  zu  unter- 
suchenden Dejection  oder  einige  Schlemiflocken  aus  derselben  einbringt 


^)  Deutsche  med.  Woclienschr.     1885.     No.  14. 

■-)  Münch.  ärztl.  InteU.-Bl.     1885.     No.  50. 

^)  Wiener  med.  Woclienschr.     1887.     No.  7,  S. 

^)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  4.     1888.     No.  Iß.     p.  494. 

")  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  14.     1893.     p.  326  ff. 


Der  Kominabacillus  der  Cholera  asiatica.  345 

und  dann  die  Cultur  in  den  Brütschrank  (37^  C.)  stellt.  Die  event. 
vorhandenen  Cholerabakterien  vermehren  sich  in  diesem  ihnen  ausser- 
ordentlich zusagenden  (p.  334,  Anm.  1)  Nährboden  sehr  schnell  und 
bilden  oft  schon  nach  6  Stunden  an  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  ein 
zusanunenhängendes  Häutchen,  welches  dann  miki'oskopisch  und  durch 
Plattencultur  weiter  untersucht  wird.^)  —  Selbstverständlich  wird  man 
bei  Benutzung  solcher  Vorculturmethoden ,  solcher  Methoden,  die  den 
Zweck  haben,  das  Untersuchungsmaterial  an  Choleravibrionen  „anzu- 
reichern", niemals  versäumen  dürfen,  gleichzeitig  mit  der  Yorcultur 
Plattenculturen  anzulegen;  denn  es  ist  nie  mit  Sicherheit  auszuschliessen, 
dass  in  dem  Untersuchungsmateriale  eine  anderweitige  Bakterienart 
vorhanden  ist,  die  ein  ähnliches  Sauerstoffbedürfiiiss  besitzt  wie  der 
Choleravibrio,  und  die  vermöge  ihrer  Eigenbeweglichkeit  ebenfalls  an 
die  Oberfläche  der  Flüssigkeit  steigt  und  dort  sogar  den  Choleravibrio 
verdrängt.  Xatürlich  wird  diese  Möglichkeit  der  Verdrängung  und 
Ueberwucherung  des  Choleravibrio  durch  eine  andere  Bakterienart  eine 
verschiedene  sein  müssen  je  nach  der  Zeitdauer,  während  der  das 
Gemisch  der  Brüttemperatur  ausgesetzt  wm'de.  Koch-)  giebt  aus- 
drücklich an,  dass  die  Untersuchung  der  Pepton -Vorcultur  am  besten 
6  bis  12  Stunden  nach  der  Aussaat  vorgenommen  wird,  dass  später 
die  Cholerabakterien  auch  in  den  oberflächlichen  Flüssigkeitsschichten 
gewöhnlich  von  anderen  Bakterien  übervmchert  und  verdrängt  werden, 
so  dass  also  der  Fall  eintreten  kann,  dass  sie  bei  einer  zu  späten  Unter- 
suchung nicht  mehr  gefunden  werden.  Jedenfalls  aber  ist  die  Mög- 
lichkeit der  Ueberwucherung  auch  in  den  ersten  Stunden  der  Yor- 
cultur im  einzelnen  Falle  a  priori  nie  von  der  Hand  zu  weisen,  imd 
ein  bei  der  Vorcultur  sich  ergebendes  negatives  Resultat  würde  daher 
stets  mit  Vorsicht  zu  vervverthen  sein.  Durch  gleichzeitige  Anlegung 
von  Plattenculturen  aus  dem  Untersuchungsmaterial  (die  übrigens  Koch 
bei  Gelegenheit  der  Empfehlung  der  Pepton -Vorcultur  für  die  Unter- 
suchung von  Dejectionen  in  erster  Reihe  vorschreibt)  sichert  man  sich 
jedenfalls  stets  die  Uebersicht  über  die  ursprünglich  vorhandenen  Ver- 
hältnisse. 


')  Maassen  (Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Arate.  Bd.  9.  1894.  p.  122)  hat  ein 
anderes  Princip  der  Vorcultur  angegeben:  Er  streicht  das  Material  auf  der  Ober- 
fläche von  erstarrtem  Blutserum  aus.  Waren  Cholerabakterien  in  dem  Mate- 
riale  vorhanden,  so  haben  dieselben  nach  6—12,  spätestens  nach  20  Stunden  Brüt- 
schrankcultur  das  Blutserum  an  den  entsprechenden  Stellen  peptouisirt;  der  Nährboden 
erscheint  dann  wie  angefressen,  es  haben  sich  Löcher  und  Kinnen  gebildet,  in  deren 
Tiefe  die  Vibrionen  meist  in  Reincultur  zu  finden  sind. 

2)  Zeitschr.  f.  Hjg.     Bd.  14.     1893.     p.  327. 


346  B-  Die  Bakterien  als  Kjankheitserreger. 

Es  muss  übrigens  darauf  liingewiesen  werden,  dass  nicht  in  jedem 
Cholerafalle  die  Koch  "sehen  Vibrionen  in  jeder  einzelnen  Portion  der 
Dejectionen  vorhanden  sind.  Sie  können  gelegentlich  während  ganzer 
Tage  aus  den  Dejectionen  verschwinden,  um  dann  wieder  aufzutreten. 
Aus  einer  einzelnen  Untersuchung  mit  negativem  Er- 
gebniss  ist  also  ein  bindender  Schluss  nicht  ohne 
Weiteres  gestattet.^)  Im  Durchschnitt  sind  die  Cholerabakterien 
bis  zum  10.  Tage  nach  der  Erkrankung  im  Darminhalt  anzutreffen.-) 
Bei  Gelegenheit  der  Choleraepidemien  1 S92/93  sind  die  Cholerabakterien 
gelegenthch  auch  in  den  Dejectionen  scheinbar  gesunder 
resp.  nicht  mit  allgemeinen  Störungen  erkrankter  Personen,  ja  selbst 
im  festen  geformten  Stuhl,  aufgefunden  worden.-^)  Diese 
leichtesten  Cholerafälle  sind  nur  unter  Gruppen  von  Menschen  be- 
obachtet, Avelche  gleichmässig  der  Cholerainfection  ausgesetzt  waren 
und  neben  den  leichten  auch  schwere  Fälle  aufwiesen.^)  Sie  bedeuten 
weiter  nichts,  als  dass  die  individuelle  Disposition  des  Menschen  für 
die  Cholerainfection  eine  sehr  verschiedene  ist'^)  (cf.  auch  oben  p.  326). 

Behufs  der  Untersuchung  von  verdächtigem  AVasser  auf  event. 
vorhandene  Cholerabakterien  ging  man  früher  ausschliesslich  so  vor, 
dass  man  eine  geringe  Quantität  des  zu  untersuchenden  Wassers  mit 
geschmolzener  Nährgelatine  vermischte,  das  Gemisch  zur  Platte  aus- 
goss  und  dann  unter  den  aufgehenden  Colonien  auf  choleracolonien- 
ähnlich  aussehende  fahndete.  Findet  man  bei  dieser  Gelegenheit  der- 
artige Colonien,  so  werden  sie  abgeimpft,  ihr  Inhalt  Avh^d  auf  Komma- 
bacillen  geprüft,  und,  falls  sich  Kommabacilien  linden,  wird  das  Material 
auf  seine  sonstigen  Cultur-  etc.  Eigenschaften  hin  (am  besten  imter 
ständiger  Vergleichung-  mit  authentischen  Choleravibrionen)  untersucht, 
um  dann  event.  (mit  mehr  oder  weniger  grosser  Sicherheit  resp.  Wahr- 
scheinlichkeit) als  mit  Cholera  identisch  oder  als  von  Cholera  different 
erkannt   zu   werden.*^)     Mit   Hülfe    dieser   Gelatineplattenmethode   hat 


^)  Vergl.  Kumpel,  Deutsche  med.  Wochenschr.     1893.     No.  7. 

•-)  Vergl.  Flügge,  Zeitsclir.  f.  Hyg.  Bd.  14.  1S9.3.  p.  157.  —  Die  Cholera- 
vibrionen scheinen  sich  gelegentlich  lange  Zeit  in  dem  Darm  des  Menschen  halten 
zu  können.  Dönitz  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  18.  1894.  p.  49)  fand  sie  in  einem 
Falle  bis  zum  46.  Krankheitstage,  Kolle  (ebenda  p.  48)  in  einem  Falle  bis  zum 
48.  Krankheitstage. 

")  Vergl.  Canon,  Lazarus  und  Pielicke,  Berl.  khn.  Wochenschr.  1892. 
No.  48.    p.  1216;  Eumpel,  Deutsche  med.  Wochenschr.    1893.    No.  7. 

*)  cf.  Koch,  Zeitschr.  l  Hyg.    Bd.  14.     1893.    p.  321. 

'")  cf.  Flügge,  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  14.    189ö.    p.  158. 

")  Die  Prüfung  auf  die  eventuelle  Choleranatur  der  bei  solcher  Gelegenheit 
gefundenen   Kommabacilien   hat   mit  der   allergrössten   Sorgfalt   und    unter   Berück- 


Der  Komraabacillus  der  Cholera  asiatica.  347 

z.  B.  Koch  (cf.  oben  p.  177,  323)  1884  in  dem  Wasser  eines  Tank 
in  der  Nähe  von  Calcntta  Cholerabakterien  nachgewiesen,  nnd  auch 
in  einigen  späteren  Fällen  ist  der  Nachweis  von  Cholerabakterien  im 
Wasser  auf  diese  Weise  gelungen. 

Im  Allgemeinen  aber  hat,  me  wir  bereits  ol)en  (p.  178)  aus- 
einandersetzten, die  Feststellung  vereinzelter  Choleracolonien  auf  der 
Celatineplatte  neben  einer  grossen  Ueberzahl  anderer  Colonien  —  die 
sich  auf  Wasserplatten  stets  entwickeln  —  ihre  sehr  grossen  Schwierig- 
keiten ;  und  es  ist  deshalb  ohne  Weiteres  verständhch,  dass  die  genannte 
Methode  nur  in  sehr  wenigen  Fällen  ein  positives  Resultat  gezeitigt 
hat.  Man  hat  deshalb  nach  Verbesserungen  der  Methode  gesucht, 
und  es  sind  in  neuerer  Zeit  derartige  Verbesserungen  mehrfach  an- 
gegeben und  von  autoritativen  Stellen  empfohlen  worden.  AVir  sagten 
bereits  oben  (p.  179),  dass  die  Verbesserungen  darauf  beruhen,  dass 
man  dem  zu  untersuchenden  Wasser  zunächst  bestimmte  für  das 
Wachsthum  der  Cholerabakterien  günstige  Zusätze  giebt,  und  dass 
man  das  Gemisch  dann  eine  gewisse  Zeit  bei  einer  für  die  Cholera- 
bakterien sehr  günstigen,  für  die  Wasserbakterien  weniger  günstigen 
Temperatur  stehen  lässt.  Man  sucht  dadurch  —  in  ähnlicher  Weise, 
wie  es  die  (cf.  oben  p.  344,  345)  von  Schottelius  und  Anderen  an- 
gegebenen, in  modificirter  Weise  später  auch  von  Koch  empfohlenen 
„Anreicherungs"- Methoden  bei  der  Untersuchung  von  Dejectionen  be- 
zwecken —  eine  relative  Vermehrung  der  event.  vorhandenen  Cholera- 
bakterien anderen  Bakterien  gegenüber  zu  erzielen.  In  der  resultirenden, 
im  Vergleich  zu  dem  ursprünglichen  Wasser  an  Cholerabakterien  so 
viel  reicheren  Flüssigkeit  müssen  die  letzteren  selbstverständlich  viel 
leichter  nachweisbar  sein  als  in  dem  ursprünglichen,  an  Cholerabakterien 
armen  Wasser. 

Eine  derartige  Methode  wurde  meines  Wissens  zuerst  von  Pas- 
qual e  ^)  zum  Zwecke  der  Auffindung  der  Cholerabakterien  im  Wasser 
benutzt.  Dann  hat  Heim-)  ein  derartiges  Verfahren  empfohlen  (Zu- 
satz von  2  ^Iq  Pepton  und  1  °/q  Kochsalz    zu    dem   zu   untersuchenden 

sichtigung  sämmtlicher  Kriterien  der  Artbestimmung  zu  geschehen;  die  Wasser- 
untersuchungen, die  gelegentlich  der  Choleraei^idemie  1S92  von  vielen  Seiten  aus- 
geführt wurden,  haben  gezeigt,  dass  im  Wasser  ganz  regelmässig  Kommabacillenarten 
vorkommen,  die  in  der  Form  der  Plattencolonie,  wenn  auch  unter  Um- 
ständen nur  in  gewissen  Entwickelungsstadien ,  mit  Cholera  grössere  oder  geringere 
Aehnlichkeit  aufweisen  (cf.  weiter  unten  im  Text). 

^)  cf.  oben  p.  327,  Anm.  2.  Pasquale  züchtete  bei  dieser  Gelegenheit  einen 
Wasservibrio  rein,  welcher. mit  dem  Cholera vibrio  nicht  identisch  ist  (vergl.  auch 
weiter  unten  im  Text  p.  352). 

■-)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.   12.     1892.    p.  3.53  ff. 


348  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Wasser  und  folgender  Aufenthalt  im  Brutschrank),  ferner  Loeffler^) 
(200  ccm  des  Wassers  werden  mit  10  ccm  alkalischer  Peptonbouillon 
versetzt;  das  Gemisch  wird  24  Stunden  im  Brütschrank  gehalten,  und 
es  werden  dann  von  der  oberflächKchen  Flüssigkeitsschicht  Platten  an- 
gelegt); ähnhch  ist  auch  das  Verfahren  von  Arens.-)  Flügge-^)  emp- 
fiehlt, zu  100  ccm  des  zu  untersuchenden  Wassers  so  \iel  concentrirtes 
alkalisches  Peptonwasser  zuzusetzen,  dass  eine  1  proc.  Peptonlösung 
entsteht;  die  Mischung  wird  10  Stunden  bei  37^  C.  gehalten,  und 
dann  werden  von  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  Proben  zu  G-elatine- 
platten  verarbeitet  oder  auf  Agar  gebracht.  Koch"^)  setzt  dem  Wasser 
1*^/0  Pepton  und  1%  Kochsalz  zu,  hält  die  Mischung  dann  bei  37"  C 
Nach  10,  15,  20  Stunden  wird  die  Oberfläche  auf  Cholerabakterien 
weiter  untersucht. 

Wenn  man  derartige  Methoden  anwendet,  so  vriid  man  es 
sich  stets  gegenwärtig  halten  müssen,  dass  —  ebenso,  wie  wir  es 
oben  (p.  345)  für  die  entsprechende  Behandlung  zu  untersuchender 
Dejectionen  entmckelt  haben  —  es  nie  a  priori  ausgemacht  ist,  dass 
nicht  in  dem  zu  untersuchenden  Wasser  Bakterien  vorhanden  sind, 
welche  bei  der  geschilderten  Behandlung  eine  ähnliche  Vermehrung 
erfahren  wie  die  Cholerabakterien,  die  dabei  event.  sogar  noch  günstigere 
Bedingungen  finden  als  die  Cholerabakterien  und  die  letzteren  über- 
wuchern und  unterdrücken.  (Einen  Mila'oorganismus,  welcher  die  letz- 
teren Eigenschaften  besitzt,  und  der  noch  dazu  ein  für  Meerschweinchen 
pathogener  mid  die  Xitrosoindolreaction  gebender  Vibrio  ist,  habe  ich'^) 
z.  B.  in  dem  Vibrio  Berolinensis  [cf.  weiter  unten  im  Text]  festgestellt.) 
Es  ist  deshalb  stets  erforderlich,  neben  der  Vorcultur  Platten- 
culturen  von  dem  ursprünglichen  Wasser  anzustellen, 
welche  allein  eine  Uebersicht  über  die  originalen  Verhältnisse  gestatten. 


17.  Der  Vibrio  MetschnikofT. 

Im  Jahre  1888  publicirte  Gamaleia*')  Untersuchimgen  über 
eine  in  Odessa  im  Sommer  epizootisch  vorkommende,  äusserlich  der 
Hühnercholera   (cf.   oben   p.    309)    sehr    ähnliche,    Krankheit    des 


')  Greifswalder  med.  Verein.  3.  Dec.  1892.  —  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  13.  p.  384. 

-)  Müncli.  med.  AVocbenschr.     1893.     No.  10. 

')  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  14.     1893.     p.  167. 

^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  14.     1893.     p.  336. 

'•)  Arch.  f.  Hyg.     Bd.  19.     1893.     p.  221, 

'■')  Annales  de  l'Inst.  Pasteur.     1888.     No.  9,  10. 


Der  Vibrio  Metschnikoff.  349 

Geflügels,  uamentlicli  junger  Hühner  („Gastro-enterite  chole- 
riqne").  Pathologisch -anatomisch  unterscheidet  sich  die  Krankheit  von 
der  Hühnercholera  besonders  dadurch,  dass  die  Milzschwellung  fehlt, 
und  dass  der  Darm  einen  mehr  choleraähnlichen  Zustand  zeigt.  Ga- 
maleia  führte  den  Nachweis,  dass  die  genannte  Krankheit  veranlasst 
wird  durch  eine  bestimmte  Kommabacillenart  („Vibrio  Metschni- 
kovi"),  welche  dem  Choleravibrio  in  vieler  Beziehung  ausserordentlich 
ähnlich  ist. 

Eine  genauere  Kenntniss  des  Vibrio  Metschnikoff  verdanken 
wir  R.  Pfeiffer^)  und  Nocht.  Die  Autoren  haben  sich  im  Koch'- 
schen  Institute  eingehend  mit  dem  genannten  Mikroorganismus  be- 
^^chäftigt. 

Der  Vibrio  Metschnikoff  ist  ein  gekrümmtes  Stäbchen,  ein 
Kommabacillus.  Seine  Zellen  sind  etwas  kürzer  und  (gewöhnlich)  er- 
heblich stärker  gekrümmt  als  die  des  Choleravibrio  (cf.  Taf.  X,  Fig.  58). 
Der  Organismus  ist  lebhaft  eigenbeweglich.  Die  Bewegung  wird 
vermittelt  durch  einen  langen,  sehr  feinen  Geisselfaden,  welcher,  wie 
beim  Cholera^äbrio ,  dem  einen  Ende  der  Zelle  angeheftet  ist.  Die 
Geissein  lassen  sich  nach  der  oben  (p.  80  ff.)  beschriebenen  Loeffler'- 
schen  Methode  gut  darstellen.  In  künstlichen  Culturen  zeigen  sich 
häufig  (ähnlich  wie  beim  Choleravibrio)  Spirillenbil düngen. 

Der  Vibrio  Metschnikoff  ist  facultativ  anaerob.  Er  wächst 
auf  den  gewöhnlichen  bakteriologischen  Nährböden  bei  Zimmer-  sowohl 
wie  bei  Brüttemperatur;  bei  letzterer  wächst  er  schneller. 

Auf  der  Gelatineplatte  zeigen  nicht  alle  Colonien  des  Vibrio 
M.  identisches  Aussehen.  Während  eine  Reihe  von  Colonien  in  ihrer 
Gestalt,  der  Schnelligkeit  ihres  Wachsthums  und  der  Verflüssigung 
der  Gelatiae  von  Colonien  des  Ein  kl  er 'sehen  Kommabacillus  (cf. 
weiter  unten)  makroskopisch  sowohl  wie  miki'oskopisch  kaum  zu  unter- 
scheiden sind,  zeigen  andere  Colonien  derselben  Platte  in  den  ge- 
nannten Beziehungen  ausserordentliche  Aehnlichkeit  mit  dem  Cholera- 
vibrio. Der  Vibrio  M.  neigt  also  sehr  dazu,  Spielarten  zu  bilden.  In 
der  Gelatinestichcultur  zeigt  sich  die  Wachsthumsschnelligkeit 
des  Vibrio  M.  etwa  der  des  Deneke "sehen  Kommabacillus  (cf.  Aveiter 
unten)  entsprechend.  Im  Uebrigeu  sind  Gelatinestichculturen  des 
Vibrio  M.  von  entsprechend  älteren  Choleraculturen  in  ihrem  Aussehen 
nicht  zu  unterscheiden. 

Auf  der  A g a r Oberfläche  bildet  der  Vibrio  M.  Beläge,  welche 
denen  des  Choleravibrio  gleichen. 


1)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  7.     1889. 


350  B-  Diö  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Bouilloncultureu  des  YiMo  M.  zeigen  allgemeine  Trübung  und 
event.  auch  oberflächliche  Kahmhautbildung,  genau  wie  Choleraculturen. 
Durch  Zusatz  von  salpetrigsäiu'efreien  Mineralsäuren  erhält  man  Roth- 
färbung (Nitrosoindolreaction)  genau  wie  bei  Choleraculturen 
(cf.  oben  p.  333). 

Auf  Kartoffeln  wächst  der  Vibrio  M.  (wie  dies  auch  der 
Choleravibrio  thut)  nur  bei  Brüttemperatur  und  bei  hoher  Zinuner- 
temperatur  (21 — 22^  C).  Das  Wachsthum  ist  etwas  ki-äftiger  als  das 
des  Choleravibrio;  die  auf  den  Kartoffeln  entstehenden  Beläge  gleichen 
im  Uebrigen  denen  des  Choleravibrio  (cf.  p.  322). 

Sporenbildung  ist  bei  dem  Vibrio  M.  nicht  nachgewiesen. 

Leicht  und  mit  Sicherheit  von  dem  Choleravibrio  zu  unterscheiden 
ist  der  Vibrio  Metschnikoff  durch  den  Thierversuch. 
Tauben  (die  der  Cholerainfection  kaum  zugänglich^)  sind)  bilden 
geradezu  ein  Reagens  auf  den  Vibrio  M.  Impft  man  einem  solchen 
Thiere  eine  minimale  Menge  der  Cultur  in  den  Brustmuskel,  so  geht 
das  Thier  innerhalb  von  20  Stunden  zu  Grunde.  Es  findet  sich  eine 
ausgedehnte  gelbliche  Verfärbung  und  Nekrose  des  geimpften  Muskels: 
derselbe  ist  von  einem  blutigen  Oedem  durchtränkt,  in  welchem  die 
Vibrionen  massenhaft  zu  finden  sind.  (Auf  Taf.  X,  Fig.  58,  ist  ein 
Ausstrichpräparat  des  Muskelsaftes  der  Taube  bei  1000  fa eher  Ver- 
grösserung  dargestellt.  Man  bemerkt  hier  neben  zwei  rothen  Blut- 
körperchen, deren  Kerne  intensiv  gefärbt  hervortreten,  eine  Menge 
der  characteristisch  gekrümmten  Vibrionen.)  Ebenso  finden  sich  die 
Vibrionen  in  ungeheuren  Mengen  im  Herzblut.  Die  Lungen  zeigen 
sich  blutreich,  Leber  und  Milz  anaemisch  und  schlaff.  Der  Darm  ist 
blass,  mit  mehlsuppenartiger  Flüssigkeit  in  massigem  Grade  erfüllt. 
Hier  finden  sich  Vibrionen  nur  in  geringerer  Anzahl.  Vom  Magen 
aus  sind  Tauben  kaum  zu  inficii-en.  Junge  Huhne  r  verhalten  sich 
genau  wie  Tauben.  Nur  fmden  sich  in  ihrem  Herzblut  nicht  so  un- 
geheure Mengen  der  Vibrionen  wie  bei  Tauben. 


^)  Diese  Angabe  über  das  Verhalten  der  Tauben  gegen  Impfung  mit  Cholera 
stammt  von  E.  Pfeiffer  und  Nocht  (h  c).  Salus  hat,  in  Bestätigung  früherer 
Angaben  von  Gamaleia,  kürzlich  (Arch.  f.  Hyg.  Bd.  19.  1S93.  j).  342)  darauf 
hingewiesen ,  dass  Tauben  auch  mit  dem  Cholera vibrio  septicaemisch  zu  in- 
ticiren  sind;  es  gehören  nur  virulente  Culturen  dazu.  (Die  Virulenz  der  Cholera- 
culturen ist  bekanntlich  sehr  wechselnd  und  schwankend;  cf.  oben  p.  32S).  Ebenso 
constatirte  Weibel  (Arch.  f.  Hyg.  Bd.  21.  1894.  p.  34  und  41)  die  Möghchkeit 
der  Infection  von  Tauben  durch  den  Choleravibrio.  Seine  —  zunächst  wenig  viru- 
lenten —  Culturen  machte  sich  Weibel  dadurch  stärker  virulent  und  damit  pathogen 
für  Tauben,  dass  er  sie  in  den  Körper  der  weissen  Maus  einbrachte  und  von  Maus 
zu  Maus  in  Passagen  weiter  verimpfte. 


Der  Vibrio  Metsclinikoff.  351 

Mäuse  sind  wenig  empfänglich,  Kaninchen  unempfänglich. 

Sehr  empfänglich  sind  dagegen  Meerschweinchen.  Diese 
Thiere  lassen  sich  sowohl  subcutan  wie  vom  Magen  aus  tödtlich  infi- 
ciren;  in  dem  letzteren  Falle  muss  man  (wie  bei  der  experimentellen 
Erzeugung  der  Meerschweinchencholera  [cf.  p.  324])  den  Mageninhalt 
vorher  mit  Sodalösung  alkalisch  machen  und  durch  intraperitoneale 
Einverleibung  von  Opiumtinctur  die  Darmperistaltik  eliminiren. 

Die  Yertheilung  der  Vibrionen  in  dem  Körper  der  an  der  Infec- 
tion  zu  Grunde  gegangenen  Thiere  hat^  R.  Pfeiffer  veranlasst,  den 
iSTamen  „Vibrionen  septicaemie''  für  die  durch  den  Vibrio  M.  ver- 
anlasste Krankheit  vorzuschlagen. 

Meerschweinchen  und  Tauben  lassen  sich  durch  Einverleibung 
sterilisirter  Culturen  gegen  die  Infection  mit  lebenden  Culturen  im- 
mun isiren.  ^)  Das  Blutserum  immunisirter  Meerschweinchen  besitzt 
(im  Gegensatz  zu  dem  Blutserum  normaler  Meerschweinchen)  bacteri- 
cide  Eigenschaften  dem  Vibrio  M.  gegenüber  (Behring  und  Nissen; 
cf.  oben  p.  211,  Anm.  3). 

Aeltere  Bouillonculturen  des  Vibrio  M.  reagiren  stark  alkalisch. 
Dieselben  enthalten  einen  auf  die  empfänglichen  Versuchsthiere  äusserst 
giftig  einwii-kenden  chemischen  Körper  gelöst.  Neutralisirt  man  die  (vor- 
her im  Dampftopf  bei  100^  C.  sterilisirten)  Bouillonculturen  mit  Salz- 
säure, so  bleibt  die  Giftigkeit  derselben  ungeändert ;  die  Neutralisation 
mit  Schwefelsäure  hingegen  schwächt  die  Giftwirknng  erhebUch  ab. 

Der  Vibrio  Metschnikoff  färbt  sich  mit  kalten  Farblösungen: 
er  färbt  sich  nicht  nach  der  Gram 'sehen  Methode  (j).  108  ö*.). 

E.  Pfuhl'-)  fand  (im  Sommer  1893)  im  Wasser  des  „Nordhafens" 
zu  Berlin  einen  Vibrio  („Nordhafen- Vibrio") ,  den  er  nach  allen  seinen 
Eigenschaften  mit  dem  Vibrio  Metschnikoff  für  identisch  hält.  Kutscher  '^) 
hat  angegeben,  dass  er  (im  Herbst  1894)  den  Vibrio  Metschnikoff  in 
dem  Wasser  der  Lahn  miterhalb  von  Giessen  gefunden  hat. 


^)  Gamaleia  (1.  c)  hatte  angegeben,  dass  der  Vibrio  M.  sich  benutzen  lässt, 
um  Thiere  gegen  die  Infection  mit  dem  Cholera vibrio  zu  immunisiren,  und  dass  um- 
gekehrt auch  mit  Hülfe  des  Choleravibrio  Thiere  gegen  Infection  mit  dem  Vibrio 
M.  immun  gemacht  werden  können.  R.  Pfeiffer  und  Nocht  (1.  c.)  bestritten  die 
Möglichkeit  der  Erzielung  dieser  wechselseitigen  Immunität.  Salus  (Arch.  f.  Hyg. 
Bd.  19.  1893.  p.  346)  ist  neuerdings  zu  dem  Eesiütat  gekommen,  dass  die  Angabe 
von  Gamaleia  zu  Recht  besteht. 

2)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  17.     1894. 

3)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.   19.     189.5.    p.  476. 


352  B-  Die  Balvterien  als  Krankheitserreger. 

18.  Wasservibrionen. 

Unter  der  Bezeichmmg  „Wasservibrionen"  versteht  man 
solche  Kommabacillenarten,  die  sich  in  öffentlichen  Wasserläufen  finden, 
und  die  bei  Gelegenheit  von  bakteriologischen  Untersuchungen  des 
Wassers  aufgefunden  werden.  Vor  der  grossen  Hamburger  Cholera- 
epidemie des  Jahres  1 892  waren  derartige  Mikroorganismen  so  gut  wie 
unbekannt.  Erst  die  regelmä^sigeren  bakteriologischen  Wasserunter- 
suchimgen,  welche  aus  Anlass  dieser  Epidemie  vorgenommen  wurden, 
und  die  sich  die  Aufgabe  stellten,  dem  Cholera\äbrio  in  den  Wasser- 
läufen nachzuspüren,  haben  solche  Bakt-erienarten  öfters  auffinden  lassen. 
Die  Zahl  der  auf  diese  Weise  ermittelten  Wasservibrionenarten  ist  jetzt 
schon  eine  recht  beträchtliche,  und  von  Zeit  zu  Zeit  kommen  immer 
neue  derartige  Befunde  zu  unserer  Kenntniss.  Die  Wasservibrionen 
haben  fiir  den  Bakteriologen  ein  besonderes  Interesse  deshalb,  weil 
ihre  Unterscheidung  von  dem  Choleravibrio  mit  den  uns  zu  Gebote 
stehenden  Hülfsmitteln  vielfach  (das  gilt  aber  durchaus  nicht  für  alle 
Arten)  eine  recht  schwierige  ist,  weil  diese  Befunde  uns  also  lehren, 
dass  man  bei  der  Diagnose  des  Choleravibrio,  sofern  das  zu  beurthei- 
lende  Bakterienmaterial  aus  W^asser  stammt,  ausserordentlich  vorsichtig 
sein  soll  (cf.  oben  p.  346,  Anm.  6).  Anderntheils  erwecken  viele  von 
den  in  Rede  stehenden  Arten  an  sich  schon  unser  Interesse,  da  es  sich 
dabei  um  Bakterienarten  handelt,  die  fiir  unsere  Versuchsthiere  eine, 
z.  Th.  nicht  unbeträchtliche,  Pathogenität  besitzen. 

Die  wesentlichsten  dieser  Befunde  sind  —  chronologisch  geordnet 
—  folgende: 

„Spirillum  marinum."  Dieser  Vibrio  wurde  im  Jahre  1891 
von  Russell^)  im  Wasser  des  Golfs  von  Neapel  gefunden;  er  zeigte 
sehr  kräftiges  Wach  sthum  auf  Kartoffeln,  Avuchs  bei  Brüttemperatur  nicht. 

„Massaua-Vibrio."  Pas  quäle-)  fand  diesen  Mikroorganis- 
mus im  Jahre  1891  in  Brunnenwasser  in  Massaua.  Der  Vibrio  wächst 
bei  Brüttemperatur  und  ist  durch  eine  hohe  Pathogenität  lür  Meer- 
schweinchen ausgezeichnet.  Der  Massaua -Vibrio  unterscheidet  sich 
durch  eine  Reihe  von  Merkmalen  beträchtlich  von  dem  Choleravibrio: 
seine  Zellen  sind  gewöhnlich  gerade  gestreckt,  zeigen  sehr  selten 
Kommaform,   die  Beläge   auf  Agar   sind   schleimig   und   fadenziehend, 


^)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.   11.    1891.    p.  198. 
'^)  cf.  oben  p.  327,  Anm.  2. 


Wasservibrionen.  353 

die  Rotlifärbimg  bei  Zusatz  von  Schwefelsäure  zu  Peptonwasserculturen 
(Mtrosoindolreaction ;  cf.  oben  p.  334)  ist  eine  sehr  wenig  deutlich 
ausgesprochene. 

Renon^)  fand  in  Seinewasser  (dicht  unterhalb  der  Stadt  Paris, 
bei  Billancourt)  einen  grossen,  nicht  pathogenen  Vibrio. 

„Vibrio  Danubicus".  Dieser  Vibrio  wurde  ini  Jahre  1892 
von  H  e  i  d  e  r  -)  aus  dem  Wasser  des  Wiener  Donaukanals  isolh-t.  Der 
Vibrio,  dessen  Colonien  in  fi-ühen  Stadien  mit  Choleracolonien  Aehnlich- 
keit  haben,  giebt  die  Nitrosoindolreaction  (cf.  p.  334);  er  ist  für 
Meerschweinchen  pathogen. 

„Vibrio  aquatilis".  Dieser  Vibrio  wurde  vom  Verf.'^)  im 
Herbst  1892  im  Wasser  der  Oberspree  in  Berlin  aufgefunden.  Ein 
Ausstrichpräparat  dieses  Mkroorganismus  ist  auf  Taf.  X,  Fig.  60,  wieder- 
gegeben. Der  Vibrio  aquatilis  ist  von  dem  Choleravibrio  in  den  ersten 
Tagen  des  Wachsthums  auf  der  Gelatineplatte  durch  die  Colonienform 
mit  Leichtigkeit  und  Sicherheit  zu  unterscheiden:  er  bildet  kreisrunde, 
glattrandige,  feingranulirte  Colonien.  Erst  in  einem  späteren  Stadium 
der  Entwickelung,  bei  fortschreitender  Verflüssigung,  tritt  eine  entfernte 
Aehnlichkeit  der  Colonien  mit  Cholera  auf.  Der  Vibrio  aquatilis  unter- 
scheidet sich  femer  von  dem  Choleravibrio  vor  Allem  durch  den  stets 
negativen  Ausfall  der  Mtrosoindolreaction  (cf.  p.  334,  335)  und  durch 
den  völligen  Mangel  pathogener  Eigenschaften.  Seine  Culturen  riechen 
unangenehm  nach  Schwefelwasserstoff"  und  Mercaptan.  Das  Temperatur- 
optinmm  liegt  bei  c.  28°  C.  Der  Vibrio  aquatilis  wuchs  ursprünglich 
auf  flüssigen  Nährböden  sehr  schlecht,  bei  37°  C.  auf  diesen  Nährböden 
gar  nicht  (auf  Agar  wuchs  er  hingegen  von  vornherein  bei  37°  C); 
im  Laufe  der  Jahre  hat  er  im  Laboratorium  die  Fähigkeit  angenommen 
in  Bouillon  bei  37°  C.  gut  zu  wachsen.*)  Spirillenbildungen,  wie 
man  sie  z.  B,  beim  Choleravibrio  (cf.  p.  318)  und  auch  bei  vielen 
anderen  Vibrionen  sieht,  habe  ich  bei  dem  Vibrio  aquatilis  nicht 
beobachtet. 


0  Ann.  de  l'Inst.  Pasteur.    1892.    No.  9.    p.  629  S. 

-)  K.  K.  Ges.  d.  Aerzte  in  Wien.  11.  Nov.  1892.  (Orig.-Ber.  Wien.  med. 
Wochenschr.  1892.  p.  1809.)  —  Ausführl.  Mittli.  im  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  14. 
1893.     No.  11. 

^)  Deutsche  Ges.  f.  öff.  Ges.-Pfl.,  Sitzung  v.  28.  Nov.  1892.  —  Deutsche  med. 
Wochenschr.    1892.    No.  49.    p.  1124. 

*)  cf.  auch  meine  Mittheilung  im  Arch.  f.  Hyg.     Bd.  21.     1S94.     p.  97. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  23 


354  B-  l^iß  Bakterien  als  Kraukheitserregei'. 

Einen  mit  dem  Vibrio  aquatilis  höchstwahrsclieiulich  identischen 
Vibrio  fand  (ebenfalls  1892)  Kiessling^)  in  dem  Abflusswasser  der 
Wäscbe  des  Filtrirsandes  des  Altonaer  Wasserwerkes.  Der  Befund  ist 
insofern  von  besonderem  Interesse,  als  er  zunächst  zur  Verwechselung 
mit  Cholera  A^eranlassung  gegeben  hat.-) 

Im  Herbst  1892  fand  Loeffler'^)  in  Peenewasser  in  Demmin 
2  verschiedene  Kommabacillenarten.  Die  erste  verflüssigte  die  Gelatine 
schnell,  stand  in  ihrem  Verhalten  dem  Finkl  er 'sehen  Vibrio  (cf. 
p.  359)  nahe;  die  andere  verflüssigte  die  Gelatine  langsam. 

In  Münchener  Brunnenwasser  fand  Weibe  1^)  im  November  1892 
eine  die  Gelatine  verflüssigende,  in  Bouillon  bei  Brüttemperatur  gut 
wachsende  Vibrionenart.  Der  Weibel'sche  Vibrio  stellt  sich  in 
manchen  Beziehungen  meinem  „Vibrio  aquatihs"  (cf.  p.  353)  nahe;  das 
Temperaturoptimum  liegt,  wie  ich  constatiren  konnte,  bei  c.  28*^  C. ; 
die  Culturen  haben  denselben  unangenehmen  Geruch  wie  die  des  Vibrio 
aquatilis. 

„Bacillus  c  h  0 1  e  r  0  i  d  e  s  "  a  und  ß.  —  Zwei  Arten  von  Komma- 
bacillen,'^)  deren  eine  Bujwid  im  October  1892  in  Warschauer  Weichsel- 
wasser fand,  Avährend  die  andere  von  Orlowski,  Bujwid' s  Assi- 
stenten, in  dem  Wasser  eines  Brunnens  in  Lublin  gefunden  wurde. 
Beide  Arten  scheinen  sich  dem  W  e  i  b  e  T  sehen  Vibrio  resp.  meinem 
„Vibrio  aquatilis"  nahe  zu  stellen. 

Im  Herbst  1892  züchtete  Fokker*"')  aus  dem  Wasser  eines  Hafens 
in  Groningen  eine  Kommabacillenart ,  welche  die  Gelatine  rasch  ver- 
flüssigt, auf  flüssigen  Nährböden  schlecht  wächst;  die  Culturen  zeigten 
keine  Pathogenität  für  Versuchsthiere. 

E.  Koch^)  hat  im  Mai  1893  angegeben,  dass  in  seinem  Institut 
aus   Wässern    der    verschiedensten   Herkunft    mit   Hülfe    der   Pepton- 


^)  Discussion  im  Anschlüsse  an  meinen  oben  (p.  353)  citirten  Vortrag  über  den 
Vibrio  aquatilis.  —  Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  8.     1893. 

^)  Vergl.  hierüber  Kiessling  (Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.  Bd.  8.  1893. 
p.  432,  Anm.),  ferner  Wallichs,  Kreisphysikus  in  Altena  (Deutsche  med.  Wochen- 
schrift.   1892.    p.   1050  links  unten). 

3)  Greifswalder  med.  Verein  3.  Dec.  1892.  —  Centralbl.  f.  ]5akt.  Bd.  13.  p.  384. 

*)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  13.     1893.     p.  117. 

5)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  13.     1893.     p.  120. 

<*)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1893.     p.  1G2. 

')  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  14.     1893.     p.  338. 


"V^'asservibrionen .  355 

vorciütur  fcf.  p.  347)  fast  ein  Dutzend  Arten  gekrümmter  Bakterien 
reincnltivirt  seien,  die  sich  alle  sehr  leicht  imd  sicher  dm-ch  das  Fehlen 
der  Indolreaction  (cf.  p.  334)  imd  der  toxischen  Wirkimg  auf  Meer- 
schweinchen von  dem  Choleravibrio  unterscheiden  liessen. 

„Vibrio  Berolinensis".  Dieser  Organismus  wurde  im  Sommer 
1893  von  M.  Neisser/)  der  in  Eubner's  Institut  arbeitete,  in 
Berliner  Leitungswasser  aufgefunden. 

Es  handelt  sich  um  einen  Kommabacillus,  der  in  der  Form  der 
Einzelzellen,  in  der  Gestalt  und  Anheftungsweise  der  Geisseifäden 
dem  Choleravibrio  völlig  gleicht.  Der  Vibrio  Berolinensis  wächst 
bei  Zimmer-  und  bei  Brüttemperatur;  bei  der  letzteren  wächst  er 
schneller. 

Der  Vibrio  Berolinensis  ist  durch  die  Form  der  Gelatine- 
plattencolonie  von  dem  Choleravibrio  ohne  Weiteres  zu  unter- 
scheiden. Junge  (1  bis  2  Tage  alte)  Colonien  zeigen  nicht  wie  die  des 
Choleravibrio  (cf.  p.  320)  grobkörniges  Gefüge,  sondern  sind  erheblich 
viel  feinkörniger,  in  der  Durchsicht  heller  als  die  des  Choleravibrio;  der 
Rand  ist  nicht  wie  der  der  Choleracolonien  unregelmässig  höckerig, 
sondern  meist  absolut  glatt  und  ki'eisrund,  nur  selten  ganz  wenig  un- 
regelmässig gestaltet.  Mit  zunehmendem  Alter  nehmen  die  Colonien 
(besonders  die  mehr  isolirt  liegenden,  von  einem  gi'össeren  Bezirke 
steriler  Gelatine  imigebeneu)  gewöhnlich  ein  (heller  oder  dimkler)  bräun- 
liches Colorit  an  und  bekommen  dabei  ein  buckeliges,  höckeriges,  manch- 
mal nahezu  radiär  gelapptes  Aussehen;  aber  auch  in  diesem  Stadium 
sind  sie  von  Choleracolonien  dadurch  mit  Sicherheit  zu  unterscheiden, 
dass  das  Gefüge  der  Buckel,  Höcker  und  Lappen  nicht  grobkörnig, 
sondern  feinkörnig  ist.  Die  Colonien  haben  die  Tendenz,  über  eine 
gewisse  geringe  Grösse  nicht  hinauszugehen.  Die  Gelatine  wird  ganz 
ausserordentlich  langsam  verflüssigt.  Li  der  Gelatine- 
stichcultur  zeigt  sich  Wachsthum  längs  des  ganzen  Impfstiches; 
von  oben  her  erfolgt  ganz  allmähliche  Verflüssigung  der  Gelatine. 

In  der  Agar-Oberflächenstrichcultur  wächst  der  Vibrio  B.  gewöhn- 
lich Avie  der  Choleravibrio.  Mitunter  (besonders  wenn  das  Wachsthum 
von  einzelnen  dünnen  Impfstrichen  ausgegangen  und  die  Obei-fläche  des 
Nährbodens  bereits  etwas  eingetrocknet  ist)  kommt  es  auf  der  Agar- 
oberfläche  zur  Ausbildung  voluminöser  trockener,  runzeliger,  an  chagrai- 
nirtes  Leder  erinnernder  Auflagerungen. 


^)  Vorläufige    Mittbeilung    von    Rubner,    Hyg.    Rundschau    1893.     No.    16; 
ausführliche  Arbeit  von  Neisser,  Arch.  f.  Hyg.    Bd.  19.     1893. 

23* 


356  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Wie  Kiiprianow^)  in  Kubner's  Institut  ermittelte,  bildet  der 
Vibrio  B.  bei  der  Cultur  in  Traubenzucker -Bouillon  (zum  Unterschiede 
von  dem  Choleravibrio  [cf.  p.  321])  optisch  inactive  Milchsäure. 

Ausserordentlich  empfindlich  sind  Meerschweinchen  gegen 
die  Einverleibung  des  Vibrio  B.  Bringt  man  einem  Meerschweinchen 
von  300  bis  400  g  Gewicht  die  Aufschwemmung  einer  kleinen  Platinöse 
frischer  Agarcultur  des  Vibrio  intraperitoneal  bei,  so  geht  das  Thier 
unter  Temperaturabfall  in  1  bis  2  Tagen  zu  Grunde.  Es  zeigt  dann 
einen  ganz  ähnlichen  Befund  wie  die  nach  intraperitonealer  Einver- 
leibung des  Choleravibrio  gestorbenen  Meerschweinchen  (cf.  p.  327). 

Die  Nitrosoindolreaction  (cf.  p.  334)  zeigt  der  Vibrio  B. 
genau  so  wie  der  Choleravibrio. 

Xach  der  Gram 'sehen  Methode  (p.  108  ff.)  färbt  sich  der  Vibrio 
B.  nicht. 

Der  Vibrio  Berolinensis  beansprucht  unser  Interesse  nicht  nur  aus 
dem  Grunde,  weil  er  ein  Vibrio  ist,  der  den  positiven  Ausfall  der 
Nitrosoüidolreaction  und  die  Eigenschaft  der  Thierpathogenität  mit  dem 
Choleravibrio  gemeinsam  hat,  von  dem  letzteren  jedoch  leicht  durch 
die  Gelatineplattencultur  zu  unterscheiden  ist,  sondern  vor  Allem  aus 
dem  Grunde,  weil  er  —  wie  ich")  festgestellt  habe  —  das  Vermögen 
hat,  in  der  Peptonwasservorcultur  bei  37  o  C.  den  Choleravibrio  zu  über- 
^vuchern  und  zu  verdrängen  (cf.  auch  oben  p.  348). 

Bonhoff'^)  beschrieb  1893  einen  Vibrio,  welchen  er  aus  Wasser 
von  Stolp  in  Pommern  reincultivii't  hatte.  Es  handelt  sich  um  einen 
die  Gelatine  nicht  verflüssigenden,  am  besten  bei  Brüttemperatur 
wachsenden,  Traubenzuckerbouillon  unter  Gasbildung  vergährenden 
Kommabacillus,  welcher,  in  Peptonwasser  cultivirt,  die  Nttrosoindol- 
reaction  (cf.  oben  p.  334)  zeigt,  für  Meerschweinchen  nur  wenig  pa- 
thogen ist. 

Dunbar^)  beschrieb  eine  im  Juli  1893  in  seinem  Institut  von 
0  e  r  g  e  1  aus  Eibwasser  isolirte  Vibrionenart,  deren  ausgebreitetes  Vor- 
kommen im  Stromgebiet  der  Elbe  darauf  von  Dunbar  festgestellt 
wm'de.  Es  handelt  sich  um  eine  dem  Choleravibrio  sehr  ähnliche  Art. 
Gemeinsam  mit  dem  letzteren   hat  der  Vibrio  das  üppige  Wachsthum 


1)  Arcli.  f.  Hyg.  Bd.  19.     1S93.     p.  293. 

4  Arch.  f.  Hjg.  Bd.  19.     1893.     p.  221. 

3)  Arch.  f.  Hyg.  Bd.  19.     1893.     p.  252  ff. 

^)  Deutsche   med.  Wochenschr.    1893.    p.  799;   Arb.   a.   d.   Kais.    Ges.-Amte. 


Bd.  9.    1S94. 


Wasservibrionen .  357 

bei  37^  C,  den  positiven  Ausfall  der  Xitrosoindolreaction  (cf.  p.  334), 
das  Aussehen  der  Gelatineculturen,  die  Pathogenität  für  Meerschwein- 
chen; der  einzige  Unterschied,  der  zwischen  dem  neuen  Vibrio  und 
dem  Choleravibrio  festgestellt  werden  konnte,  war  der,  dass  die  Ent- 
wickelungsenergie  des  Wasservibrio  überall  eine  grössere  zu  sein  schien. 

Kutscher^)  ist  es  dann  gelungen  an  dem  beschriebenen  Vibrio 
noch  eine  weitere  Differenz  von  dem  Choleravibrio  festzustellen,  näm- 
lich das  Vermögen  der  Phosphorescenz.  Die  Culturen  des  Vibrio  — 
und  zwar  eignen  sich  dazu  am  besten  Culturen  auf  den  gewöhnlichen 
rieischwasserpepton-Nährböden  —  leuchten  im  Dunkeln;  das  Tem- 
peraturoptimum fiir  das  Leuchten  liegt  bei  c.  22*^  C.  (Kutscher  hat 
angegeben,  dass  das  Phänomen  der  Phosphorescenz  unabhängig  von 
ihm  auch  von  0er gel  entdeckt  worden  sei.) 

Der  in  Eede  stehende  Vibrio  wurde,  wie  Kutscher  mitgetheilt 
hat,  auch  aus  den  Dejectionen  einiger  Personen,  welche  z.  Th.  an 
Diarrhöen  erkrankt  waren,  durch  Cultur  gewonnen.  Er  hat  also  die 
Fähigkeit,  gelegentlich  den  menschlichen  Darmkanal  zu  passii-en. 

B  lach  st  ein")  isohrte  1893  einen  Vibrio  aus  Seinewasser,  der 
mit  dem  Choleravibrio  Aehnlichkeit  hatte,  aber  feiner  granulirte  Colo- 
nien  zeigte. 

Sanarelli-^)  isolirte  1893  eine  ganze  Reihe  von  Vibrionenarten 
aus  Seine-  und  Marnewasser,  von  denen  einige  die  Nitrosomdolreaction 
gaben  und  pathogen  für  Versuchsthiere  waren. 

W  er  nick  e^)  beschrieb  1894  drei  verschiedene  Vibrionenarten, 
welche  er  aus  Elb-  resp.  Havelwasser  isolirt  hatte. 

Der  „Eibvibrio  I"  stellt  einen  nicht  pathogenen,  grossen 
Kommabacillus  dar,  der  am  besten  bei  etwa  23^  C,  aber  auch  bei 
37^  C.  wächst.  Er  verflüssigt  die  Gelatine  stärker  als  der  Cholera- 
vibrio, ist  durch  positiven  Ausfall  der  Mtrosoindolreaction  (cf.  p.  334) 
ausgezeichnet. 

Der  „Eibvibrio  D"  ist  ein  sehr  kleiner  Kommabacillus.  Seine 
Colonien  auf  der  Gelatineplatte  sind  verschiedenartig,  z.  Th.  cholera- 
ähnlich gestaltet;  er  verflüssigt  die  Gelatine  langsamer  als  der  Cholera- 
vibrio.    Er   ist   durch   positiven   Ausfall   der   Nitrosoindolreaction   aus- 


^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1893.  p.  1301. 

-)  Annales  de  l'Inst.  Pasteur.     1893.  p,  691. 

^)  Annales  de  l'Inst.  Pasteur.     1893.  No.  10. 
^)  Arch.  f.  Hyg.    Bd.  21.    1894. 


358  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

gezeichnet  und  ist  ganz  ausserordentlich  pathogen  für  Meerschweinchen, 
Tauhen,  Kaninchen,  Mäuse,  Feldmäuse. 

Der  „Havelwasservibrio"  ist  grösser  und  dicker  als  der 
Choiera-vdbrio ;  er  bildet  auf  der  Grelatineplatte  Colonien,  welche  die 
Gelatine  z.  Th.  verflüssigen,  z.  Th.  solide  lassen;  die  Nitrosoindol- 
reaction  giebt  er  nicht;  er  ist  nicht  pathogen. 

E.  Pfeiffer  führt  in  einer  kürzlich  publicirten  Tabelle^)  unter 
anderen  Vibrionen  auch  eine  Eeihe  von  Wasservibrionenarten  an. 

Kutscher"")  hat  im  Herbst  1894  die  Gewässer  von  Giessen 
(Lahnfluss)  bakteriologisch  untersucht  und  eine  grössere  Eeihe  von 
Vibrionenarten  daraus  isoürt.  Es  handelt  sich  1)  um  einen  gTossen, 
die  Gelatine  nicht  verflüssigenden,  die  Nitrosoindolreaction  (cf.  p.  334) 
nicht  gebenden,  nicht  pathogenen  Vibrio ;  2)  um  zwei  grosse,  die  Gela- 
tine langsam  verflüssigende,  stark  gekrünmite  Vibrionen,  die  wenig 
pathogen  sind  und  die  Nitrosoindolreaction  nicht  geben;  3)  um  sechs 
in  ihren  Eigenschaften  dem  Finkl  er 'sehen  Vibrio  (cf.  den  nächsten 
Abschnitt)  nahestehende  Ai'ten;  4)  um  einen  Vibrio,  der  mit  dem 
Vibrio  Metschnikofi"  identisch  ist  (cf.  oben  p.  351);  5)  um  neun  in 
ihren  Eigenschaften  dem  Choleravibrio  nahestehende  Vibrionenarten. 


19.    Vibrionen  anderer  Herstammung. 

Nachstehend  sollen  eine  Eeihe  von  Vibrionenarten  kurz  erwähnt 
werden,  welche  nicht  aus  Wasser,  sondern  aus  dem  verschieden- 
artigsten anderweitigen  Material  reingezüchtet  worden  sind.  Es  giebt 
da  Vibrionen,  welche  aus  älteren  Fäcesproben,  aus  Käse,  aus  cariösem 
Zahnbein,  aus  dem  Erdboden,  aus  dem  Secret  des  Cervix  bei  Endo- 
metritis chronica,  aus  dem  Sputum  eines  Pneumonikers,  aus  Dünger- 
jauche gewonnen  sind ;  es  finden  sich  aber  auch  eine  Eeihe  von  Vibrio- 
Arten  darunter,  welche  aus  fiischen  diarrhoischen  Ausleerungen,  z.  Th. 
in  Fällen  von  Choleraverdacht,  isolii't  wurden.  Aus  den  letzteren  Be- 
funden ersieht  man,  dass  es  eine  ganze  Eeihe  von  Vibrio -Arten  giebt, 
welche,  wenn  sie  in  den  menschlichen  Darmkanal  hineingelangt  sind, 
denselben  unversehrt  zu  passiren  vermögen,  so  dass  sie  nachher  aus 
den  Dejectionen  wieder  gewonnen  werden  können.  Einer  der  Befunde 
(„Vibrio  Eomanus")  zeigt  im  Speciellen,   dass  unter  Umständen  sogar 


<)  Zeitscbr.  f.  Hyg.    Bd.  19.     1S95.     p.  93  if. 
-)  Zeitscbr.  f.  Hyg.     Bd.   19.     1895. 


Vibrionen  anderer  Herstammung.  359 

solche  Arten  den  menschlichen  Darmkanal  unversehrt  passiren  und 
aus  den  Dejectionen  dann  isolirt  werden  können,  die  gar  nicht  die 
Fähigkeit  der  Vermehrung  hei  Körpertemperatur  besitzen,  bei  denen 
also  von  einer  eventuellen  Vermehrung  im  Innern  des  Darmkanals 
gar  keine  Rede  ist.  Im  Gegensatz  hierzu  steht  ein  anderer  der  Be- 
funde („Lissaboner  Vibrio").  Hier  haben  wir  es  mit  einem  Mikro- 
organismus zu  thun,  von  dem  es  nicht  unwahrscheinlich  ist,  dass  er 
die  Ursache  des  epidemischen  Auftretens  einer  (gutartigen)  Gastro- 
enteritis gewesen  ist. 

Die  wichtigsten  Befimde,  welche  in  diese  Gruppe  hinein  gehören, 
sind,  chronologisch  geordnet,  die  Folgenden: 

Der  Kommabacillus  von  Finkler  und  Prior  („Vibrio 
Proteus").  Mit  dem  Koch 'sehen  Kommabacillus  der  Cholera 
asiatica  fiir  identisch  gehalten  wurde  von  Fink  1er  und  Prior^) 
eine  Kommabacillenart,  welche  diese  Forscher  (1884)  in  mehrere 
Tage  alten,  faulenden  Dejectionen  eines  Falles  von  „Cholera 
nostras"  fanden.  Eine  genauere  Prüfung  des  Finkler 'sehen  Komma- 
bacillus hat  ergeben,  dass  derselbe  von  dem  Choleravibrio  total  ver- 
schieden ist,  dass  derselbe  aber  auch  mit  der  „Cholera  nostras" 
nicht  das  Geringste  zu  thun  hat.-)  Der  Finkler 'sehe  Vibrio 
ist  später  nie  wieder,  weder  bei  „Cholera  nostras"  noch  sonst  irgendwo, 
einwandsfrei  aufgefunden  worden  (R.  Koch^)).  Er  hat  heute  niu- noch 
historisches  Interesse.  Seine  Culturen  werden  in  den  bakteriologischen 
Laboratorien  von  Reagenzglas  zu  Reagenzglas  weitergezüchtet. 

Der  Finkler' sehe  Kommabacillus  („Vibrio  Proteus")  erscheint 
etwas  grösser  als  der  Cholera vibrio,  ist  im  Uebrigen  morphologisch 
kamn  von  dem  letzteren  zu  unterscheiden.  Er  ist  sehr  lebhaft  beweglich, 
wächst  in  künstlichen  Culturen,  wie  dies  auch  der  Choleravibrio  thut, 
häufig  zu  Spirillen  aus  (beginnende  Involution).  Die  Kommabacillen 
tragen  je  eine  Geis  sei,  die,  wie  bei  den  Choleravibrionen,  an  dem 
einen  Ende  angebracht  ist. 

Auf  künstlichen  Nährböden  cultivirt  unterscheidet  sich  der 
Finkler' sehe  Vibrio  ausserordentlich  von  dem  Choleravibrio.  Er 
wächst  bei  Zimmertemperatur  ganz  unvergleichlich  viel  schneller,  ver- 


^)  Tageblatt  der  57.  Vers,  deutscher  Naturf.  u.  Aerzte.  Magdeburg.  1884. 
p.  216  fr.  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1884.  p.  632,  657).  —  Tageblatt  d.  58.  Vers, 
deutsch.  Naturf.  u.  Aerzte.  Strassburg.  1885.  p.  438  —  440.  —  Ergänzungshefte  z. 
Centralbl.  f.  allg.  Ges.-Pfl.    Bd.  1.     1885.    p.  279  ff. 

^)  Vergl.  das  oben  (p.  336)  über  die  Aetiologie  der  „Cholera  nostras'' 

^')  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  14.     1893.     p.  329. 


360  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

flüssigt  die  Gelatine  riel  energisclier.  Auf  der  Gelatineplatte 
bilden  sich  schnell  kreisrunde,  schnell  an  Umfang  zunehmende  Colonien, 
in  deren  Bereich  die  Gelatine  verflüssigt  ist.  Auf  Agar  bilden  sich 
grauweisse,  glänzende  Ueberzüge  aus.  In  Bouillonculturen  kann 
sich  gelegentlich,  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  dem  Choleravibrio,  eine 
oberflächliche  Kahmhaut  bilden.  Auf  Kartoffeln  wächst  der 
F  i  n  k  1  e  r '  sehe  Vibrio  —  zum  Unterschiede  von  dem  Choleravibrio 
(cf.  p.  322)  —  viel  schneller ;  er  gedeiht  auf  diesem  ISTährboden  schon 
bei  niedriger  Zimmertemperatur.  Er  bildet  hier  grau-  bis  braungelbe, 
saftige,  schleimige  Beläge. 

Der  Ein  kl  er 'sehe  Vibrio  ist  für  Meerschweinchen  pathogen. 
Die  Pathogenität  für  die  Meerschweinchen  ist  eine  geringere  als  die 
des  Choleravibrio.  Man  kann  die  Thiere,  ebenso  me  dies  bei  dem 
Choleravibrio  geschah,  mit  den  Finkler 'sehen  Kommabaeillen  vom 
Darmkanal  aus  inficiren  (cf.  oben  p.  324).  Der  Darminhalt  zeigt  — 
zum  Unterschiede  von  der  Cholerainfection  —  starken  Fäulnissgeruch.^) 
Metschnikoff-)  hat  den  Nachweis  geführt,  dass  auch  beim  Menschen 
die  experimentelle  Einführung  von  Finkler-Culturen  in  dem  Darm- 
kanal Darmstörungen  herbeiführen  kann. 

Die  Nitrosoindolreaetion  zeigen  die  Culturen  des  Finkler'- 
sehen  Vibrio  gewöhnlich  nicht;  man  trifft  jedoch  gelegentlich  Nähr- 
böden, bei  deren  Benutzung  Culturen  erhalten  werden,  die  die  genannte 
Reaction  geben  (cf.  über  diesen  Punkt  oben  p.  335). 

In  der  menschlichen  Pathologie  spielt  der  Fink  1er 'sehe  Vibrio 
eine  Rolle  allem  Anscheine  nach  nicht. 

Der  Deneke'sche  Kommabacillus  (Vibrio  Deneke,  Spi- 
rillum  t3T0genum,  Käsesp»iiillum)  wurde  von  Deneke^)  im  Flügge'- 
schen  Institut  (1885)  aus  einem  längere  Zeit  aufbewahrten 
Käse  gezüchtet.  Später  scheint  dieser  Vibrio  nie  wieder  aufgefimden 
worden  zu  sein.  Seine  Culturen  werden  in  den  Laboratorien  von  Glas 
zu  Glas  weitergezüchtet. 

Die  Einzelzellen  des  Vibrio  Deneke  sind  vielleicht  etwas  kleiner 
als  die  des  Choleravibrio.  Jede  Zelle  besitzt  —  me  der  Choleravibrio 
und  die  übrigen  Kommabacillenarten  auch  — •  einen  einzigen,  dem 
einen  Ende  der  Zelle  angehefteten,  Geisselfaden. 

Der  Vibrio   Deneke   ist   durch   eine   Reihe    von  Cultunnerkmalen 


^)  Vergl.  E.  Koch,  Conferenz  zur  Erörterung  der  Cholerafrage.  Zweites  Jahr. 
1885;  Deutsche  med.  Wochenschr.    1885.    No.  37  A.    p.  6. 
2)  Ann.  de  Tlnst.  Pasteur.     1893.     No.  7.     p.  570. 
^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1885.     No.  3. 


Vibrionen  anderer  Herstammung.  361 

von  den  übrigen  Kommabacillenarten  niit  Sicherheit  zu  unterscheiden. 
Zunächst  gelingt  es  —  wenigstens  gilt  dies  für  die  meisten  ^)  der  jetzt 
in  den  Laboratorien  befindlichen  Culturen  —  nicht  ihn  bei  Brüt- 
temperatur  (37^  C.)  zum  Wachsthum  zu  bringen.  Dagegen  wächst 
er  (nach  meiner  Beobachtung)  noch  bei  31^  C.  Das  Temperatur- 
optimum scheint  bei  c.  22''  C.  zu  liegen.-) 

Auf  der  Gelatine  platte  sowohl  wie  in  der  Gelatinestich- 
cultur  steht  bezüglich  der  Schnelligkeit  des  Wachsthums  der  Vibrio 
Deneke  zwischen  dem  Choleravibrio  und  dem  Vibrio  Finkler.  Die 
Gelatine  wird  verflüssigt.  Es  bildet  sich  in  den  Gelatineculturen 
ein  intensiv  citronen-  bis  orangegelber  Farbstoff.  Auf  der  Oberfläche 
der  verflüssigten  Gelatinestichcultur  kommt  es  —  besonders  schnell 
bei  etwa  22*^  C.  —  zur  Bildung  einer  äusserst  kräftigen,  üppigen 
Kahmhaut,  welche  nicht  selten  von  solcher  Festigkeit  ist,  dass  man 
das  Culturgefäss  umkehren  kann,  ohne  dass  sie  zerreisst.  Die  Colo- 
nien  auf  der  Gelatineplatte  können  in  gemssen  Entwickelungsstadien 
täuschende  Aehnlichkeit  mit  Choleracolonien  haben.  Auf  der  Agar  ober- 
flache  bildet  der  Vibrio  D.  durchscheinende,  leicht  gelblichgrau  gefärbte, 
glänzende  Ueberzüge.     Auf  Kartoffeln  findet  kein  Wachsthum  statt. 

In  den  Culturen  des  Deneke'  sehen  Vibrio  bilden  sich  häufig 
kürzere  oder  längere  Spirillenformen  aus,  welche  —  wie  die  ent- 
sprechenden Formen  anderer  Kommabacillenarten  (cf  p.  13,  318)  — 
als  der  Ausdruck  beginnender  Involution  aufzufassen  sind. 

Für  Meerschweinchen  zeigt  der  Deneke 'sehe  Vibrio  eine 
gewisse  Pathogenität,  die  aber  noch  geringer  ist  als  die  des  Finkler '- 
sehen  Vibrio.  Die  Thiere  lassen  sich  durch  Einverleibung  der  Cul- 
turen vom  Magen  aus  (nach  Alkalisirung  des  Mageninhaltes  und 
intraperitonealer  Darreichung  von  Opium  wie  bei  den  Choleraversuchen; 
cf.  p.  324)  mitunter  tödtlich  inficiren.'^)     Auch  beim  Menschen  ver- 


1)  Metschnikoff  (Ann.  de  l'Inst.  Pasteur.  1893.  No.  7.  p.  567)  besitzt 
Culturen  des  Vibrio  Deneke,  welche,  wie  er  sagt,  von  den  ursprünglichen  Original- 
culturen  Deneke's  abstammen,  und  die  bei  36'' C.  wachsen.  Ob  die  von  Deneke 
ursprünglich  aus  dem  Käse  erhaltenen  Culturen  die  Fähigkeit  des  Wachsthums  bei 
Brüttemperatur  gehabt  haben,  darüber  habe  ich  in  der  Literatur  eine  Angabe 
nicht  zu  finden  vermocht. 

-)  Dieudonne  (Ai-b.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.  Bd.  9.  1894.  p.  496)  ist  es 
gelungen,  eine  zunächst  bei  Brüttemperatur  durchaus  nicht  wachsende  Cultur  des 
Vibrio  Deneke  durch  oft  wiederholte  Umzüchtungen  bei  ganz  allmählich  höher  wer- 
denden Temperaturen  dahin  zu  bringen,  dass  sie  bei  37,-5''  C.  üppig  wuchs  (cf. 
oben  p.  23). 

^)  cf.  E.  Koch,  Conferenz  zur  Erörterung  der  Cholerafrage.  Zweites  Jahr. 
1885;  Deutsche  med.  Wochenschr.    1885.    No.  37  A.    p.  6. 


362  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

mag,  wie  Metschnikoff M  festgestellt  hat,  die  experimentelle  Ein- 
fühnmg  von  Culturen  des  Yibrio  Deneke  in  den  Magen  Darmstörangen 
zu  veranlassen. 

Bezüglich,  der  Mtrosoindolreaction  verhält  sich  der  Deneke 'sehe 
Vibrio  genau  so  wie  der  Vibrio  von  Finkler  (cf.  oben  p.  335,  360j. 

In  der  menschlichen  Pathologie  spielt  der  Vibrio  Deneke  eine 
Eolle  nicht. 

Der  Miller 's  che  Kommabacillus.  Im  Jahre  1885  isolirte 
W.  D.  Miller-)  aus  einem  cariösen  Zahne  einen  Vibrio,  welcher 
vielleicht  mit  dem  Vibrio  Finkler  (cf.  oben  p.  359)  identisch  ist. 

Bleisch-^)  isolirte  1892  aus  d^m  frischen  Darminhalt  eines 
unter  choleraartigen  Erscheinungen  Verstorbenen  ein  lebhaft  beweghches 
Kurzstäbchen,  welches  —  allerdings  selten  —  auch  gekrümmte  Zellen, 
aber  nie  Spirillenbildungen  zeigte.  Dasselbe  wuchs  bei  niedrigerer 
Temperatur  als  der  Choleravibrio ;  überhaupt  wuchs  es  schneller  als 
der  letztere.     Die  Gelatine  wurde  verflüssigt. 

„Vibrio  h  e  1  k  o  g  e  n  e  s  "  ( g  e  s  c  h  w  ü  r  s  1)  i  1  d  e  n  d  e  r  K  o  m  m  a  - 
bacillus).  Mit  diesem  Xamen  bezeichnete  B.  Fischer')  eine 
Kommabacillenart ,  welche  er  im  Herbst  1892  aus  diarrhoischem 
Stuhl  reinculti\irte.  I'ür  Mäuse  und  Meerschweinchen  war  der  Vibrio 
pathogen.  Bei  den  Mäusen  gab  er  nach  subcutaner  Einverleibung, 
falls  die  Thiere  nicht  innerhalb  der  ersten  Tage  nach  der  Impfung 
eingingen,  häufig  Veranlassung  zur  Entstehung  ausgedehnter  Haut- 
geschwüre.  Der  Vibrio  wuchs  sehr  schnell  bei  Zimmertemperatur  und 
verflüssigte  die  Gelatine  sehr  rapide.  Ausgezeichnet  wuchs  er  auch 
bei  37*^  C. ;  und  auch  bei  0*^  C.  wurde  Wachsthum,  wenn  auch  nur 
sehr  langsames,  beobachtet. 

Vogler^)  gewann  (1893)  aus  diarrhoischem  Stuhl  eine 
Kommabacillenart,  welche  die  Gelatine  verflüssigt,  die  Xitrosoindol- 
reaction  (cf.  p.  334)  nicht  giebt,  für  Versuchsthiere  nicht  pathogen  ist. 


*)  Ann.  de  Tlnst.  Pasteur.     1S93.     No.  7.     p.  570. 

-)  Verein  f.  inn.  Med.  16.  Febr.  1SS5.  —  Deutsche  med.  Wochenschr.  1SS5. 
p.  138.  —  Siehe  auch  W.  D.  Miller,  Die  Mikroorganismen  der  Mundhöhle.  2.  Aufl. 
Leipzig  1892.    p.  65  ff". 

'^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  13.     1892.     p.  31  ff. 

*)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1893.     p.  576  ff. 

■')  Deutsche  med.  Wochenschr.     1893.     No.  35. 


Vibrionen  anderer  Herstammnng.  363 

Z  ö  r  k  e  n  d  0  r  f  e  r  ^)  züchtete  aus  dem  Stuhle  emes  choleraver- 
dächtigeu  Falles  einen  Vibrio  rein,  der  die  Nitrosoindolreaction  (p.  334) 
nicht  gieht  und  für  Versuchsthiere  nicht  pathogen  ist. 

„Vibrio  Romanus".  Mit  diesem  Xamen  belegten  Celli  und 
Santori"^)  einen  Kommabacillus ,  welchen  sie  (im  Herbst  1893)  mit 
Hülfe  der  bei  Zimmertemperatur  gehaltenen  Vorcultur  aus  dem 
Darminhalt  einer  Reihe  von  Cholerakranken  und  -leichen  züchteten. 
Der  Vibrio  wuchs  absolut  nicht  bei  dl^  C,  sondern  nur  bei  Zimmer- 
temperatur ;  ferner  liess  er  sich  in  Bouillon  sowie  auf  Peptonagar  über- 
haupt nicht  zum  Wachsthum  bringen.  (Vergl.  die  Bemerkungen  be- 
züglich dieses  Vibrio  oben  p.  358.) 

„Vibrio  terrigenus".  In  einer  Berliner  Bodenprobe  fand 
der  Verf.  •^)  im  Sommer  1894  einen  Kommabacillus,  welcher  an  beiden 
Enden  der  Zelle  Geisseifäden  trägt,  häufig  ganze  Büschel  von  Ceisseln 
zeigt.  Er  verflüssigt  die  Gelatine  gar  nicht,  gleicht  in  seinen  Gelatine- 
plattencolonien  vollständig  dem  Vibrio  Berolinensis  (cf.  oben  p.  355). 
Der  Vibrio  ist  streng  aerob,  wächst  bei  Zimmer-  sowohl  wie  bei  Brüt- 
temperatur, am  besten  bei  etwa  27 — 28^  C.  In  Nährbouillon  wächst 
er  gut;  die  mit  Peptonwasserculturen  angestellte  Mtrosoindolreaction 
(p.  334)  fällt  negativ  aus.  Auf  der  Kartoffel  wächst  der  Vibrio  bei 
Zimmertemperatur  in  Gestalt  gelbweisser  bis  bräunlicher,  glänzender 
Beläge.     Bei  der  Cultur  in  Zuckerbouillon  tritt  keine  Säuerung  ein. 

Wolf*)  fand  (1893)  im  Cervicalsecret  eines  Falles  von  chro- 
nischer Endometritis  einen  choleraähnlichen  Vibrio,  der  die  Mtrosoindol- 
reaction (p.  334)  nicht  giebt  und  für  Meerschweinchen  nicht  pathogen 
ist.  Der  Autor  hat  seinen  Vibrio  „Bac.  choleroides"  genannt; 
der  Name  ist  aber  schon  anderweitig  vergeben  (cf.  oben  p.  354). 

„Lissabon er  Vibrio".  Im  April  und  Mai  1894  herrschte  in 
Lissabon  eine  Epidemie,  deren  S3^mptomatologie  im  Grossen  imd 
Ganzen  das  Bild  einer  einfachen,  rasch  in  Genesung  ausgehenden 
Gastroenteritis  darbot,  während  verschiedene  einzelne  Fälle  aus- 
gesprochen choleraartige  Erscheinungen  zeigten.    Etwa  15  000  Menschen 


^)  Prager  med.  Wochenschr.     1893.     iSTo.  43,  44. 

■^)  Annali   dell'   istituto   d'igiene    sperimentale    della  E.    Universitä    di   Eoma. 
Vol.  IV  (nuova  serie).    p.  233  ff.    Eoma  1894. 

^)  Hygienische  Emidschau.     1894.     No.   16.     p.  721  ff. 
*)  Münch.  med.  Wochenschr.     1893.     p.  694  ff. 


364  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

wurden  befallen;  unter  diesen  kam  nur  ein  einziger  Todesfall  (50 jäh- 
riger Mann)  vor.  Bei  dieser  Epidemie  constatirten  nun  P  e  s  t  a  n  a 
und  Bettencourt^)  das  fast  constante  Vorkommen  (etwa  50  Fälle 
wurden  untersucht)  eines  bestimmten  Vibrio  in  den  Dejectionen 
der  Erkrankten;  in  den  Entleerungen  gesunder  oder  an  anderweitigen 
Krankheiten  leidender  Personen  wurde  der  Vibrio  nicht  aufgefunden. 
Der  Vibrio,  welcher  auch  im  Leitungswasser  der  Stadt  nachgewiesen 
wurde,  hat  sein  Temperaturoptimum  bei  hoher  Zimmertemperatur, 
wächst  bei  37**  C.  erheblich  weniger  gut,  giebt  die  Nitrosoindolreaction 
nicht,  ist  für  Meerschweinchen  sehr  wenig  pathogen. 

(Der  Befimd  von  Pestana  und  Bettencourt  repräsentirt  — 
neben  der  Cholera  asiatica  —  den  einzigen  bisher  bekannt  gewordenen 
Fall,  in  welchem  man  bei  einer  epidemisch  auftretenden  Darmerki-ankung 
des  Menschen  einen  specifischen  Mikroorganismus  in  den  Dejectionen 
[in  diesem  Falle  fast  constant]  nachgewiesen  hat.  Es  ist  abzuwarten, 
ob  sich  derartige  Epidemien  wiederholen  werden.  Vergi.  auch  oben 
p.  359.) 

„Vibrio  aus  Sputum".  Mit  diesem  Namen  hat  Brix^)  eine 
Kommabacillenart  belegt,  die  er  (1894)  aus  dem  Sputum  eines 
Pneumonikers  isolirte.  Der  Vibrio  ist  aerob;  er  wächst  bei  Zimmer- 
temperatm- schneller  als  der  Choleravibrio  und  verflüssigt  auch  die 
Gelatine  schneller  als  dieser;  die  Verflüssigung  geht  aber  langsamer 
vor  sich  als  bei  dem  F i n  k  1  e  r '  sehen  Vibrio.  Auch  bei  37 "  C.  findet 
Wachsthum   statt.     Der  Vibrio   ist   für  Versuchsthiere  nicht  pathogen. 

Kutscher-")  hat  kürzlich  (1895)  mehrere  Vibrionenarten  be- 
schrieben, welche  er  aus  D  ü  n  g  e  r j  a  u  c  h  e  rein  cultivirte. 


20.  Das  Bacterium  coli  commune. 

In  den  unteren  Partien  des  normalen  Säugiingsdarmes  wurde 
(1885)  von  Escherich  ■^)  eine  Bakterienart  constant  aufgefunden 
(„Bacterium  coli  commune"),  die  sich  später  überhaupt  als 
ein  regelmässiger  Bewohner  des  menschlichen  Dickdarmes  heraus- 
gestellt hat,  und  die  in  menschlichen  Fäces  (normalen  sowohl  wie  nicht 


^)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  16.     1894.     No.   10/11. 
-)  Hygienische  Eundschau.     1894.     ^j.  913. 
")  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  20.     1895.     p.  51  ff. 
-•)  Fortschr.  d.  Med.     1885.     No.   16  u.  17. 


Das  Bacterium  coli  commune.  365 

normalen)  ganz  gewölinlich  angetroffen  wird.  Auch  in  thierischen  Fäces 
scheint  sie  ganz  gewöhnlich  vorhanden  zu  sein. 

Das  Bacterium  coli  commune  bildet  Kurzstäbchen,  welche 
eine  Breite  von  etwa  0,8  ij,,  eine  Länge  von  1 — 3  /x  haben, ^)  bald 
einzeln,  bald  paarweise  auftreten  und  eine  massige  Eigenbeweglich- 
keit besitzen.  Die  Eigenbewegung  wird  vermittelt  durch  G-eissel- 
fäden,^)  welche  meist  in  der  Einzahl  an  dem  einen  Ende  der  Zelle 
angebracht  sind ;  bisweilen  finden  sich  aber  auch  mehrere  (bis  etwa 
3  bis  4)  Geissein  an  einer  Zelle  angebracht.  Die  Geisseifäden  lassen 
sich  nach  der  Loeffl  er 'sehen  Methode  (p.  80  fi".)  mikroskopisch  zur 
Darstellung  bringen. 

Das  Bacterium  coli  commune  wächst  bei  Sauerstoflfanwesenheit 
ebenso  gut  wie  bei  Sauerstoffabwesenheit  auf  den  gewöhnlichen  bak- 
teriologischen Nährböden.  Es  wächst  bei  Zimmertemperatm-  und  bei 
Brüttemperatur,  bei  letzterer  schneller. 

Auf  der  Gelatineplatte  (cf.  auch  oben  p.  145,  Anm.  2)  bilden 
die  innerhalb  der  Gelatine  liegenden  Colonien  kleine  weissliche 
runde  Zusammenlagerungen,  die  in  ihrer  Ausdehnung  über  etwa  Steck- 
nadelknopfgTÖsse  nicht  hinausgehen.  Die  an  der  Oberfläche  der 
Gelatine  liegenden  Colonien  haben  ein  ganz  anderes,  characteristisches 
Gepräge:  Die  Colonie  bildet  ein  der  Gelatine  aufliegendes,  rundlich 
gestaltetes,  häufig  unregelmässig  zackig  begrenztes,  weisslichgraues, 
irisirendes  Häutchen,  welches  die  Tendenz  hat  sich  weiter  über  die 
Oberfläche  des  Nährbodens  hin  auszubreiten.  In  der  beschriebenen 
Gestalt  der  oberflächlichen  Colonien  auf  der  Gelatineplatte  ist  das  Bac- 
terium coli  dem  Tjqjhusbacillus  sehr  ähnlich;  ein  wesentlicher  Unter- 
schied in  dem  Wachsthum  der  beiden  Arten  auf  der  Gelatine  besteht 
aber  insofern,  als  das  Bacterium  coli  commune  auf  diesem  Nährboden 
(d.  h.  bei  Zimmertemperatur)  ganz  unvergleichlich  viel  schneller  wächst 
als  der  Typhusbacillus  (cf.  oben  p.  291).  In  der  Gelatine stich- 
cultur  findet  Wachsthum  im  Verlauf  des  ganzen  Impfstiches  statt; 
an  der  Oberfläche  der  Gelatine  bildet  sich  das  dünne  Häutchen  (wie 
bei  der  Plattencultur) ,  welches  bald  die  ganze  ft-eie  Oberfläche  des 
Nährbodens  überzieht.  Das  Bacterium  coli  verflüssigt  die  Gela- 
tine  nicht. 

Auf  der  A  g  a  r  Oberfläche  bildet  das  Bacteriimi  coli  grauweisse, 
saftig  glänzende  Beläge. 

In   Bouillon   bewirkt   es   allgemeine  Trübung   der   Flüssigkeit; 


^)  Nach  neueren  Messungen  des  Herausgebers. 

-)  cf.  Lukscb,  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  12.     1892.     ^.  430. 


366  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

gewöhnlich  bildet  sich  dabei  ein  zartes  Häutchen,  welches  an  der  Ober- 
fläche der  Flüssigkeit  schwimmt. 

Auf  Kartoffeln  bilden  sich  gewöhnlich  saftige  Ausbreitungen 
Yon  mais-  bis  erbsengelber  Farbe.  Es  kommt  jedoch  bezüglich  des 
Aussehens  des  Kartoffelbelages  auf  die  chemische  Reaction  der  Kar- 
toffel an.  Fr  emiin  ^)  fand,  dass  das  Bacterium  coli  auf  Kartoffel- 
flächen, die  Tor  der  Sterilisirung  durch  Einlegen  in  1  proc.  Essigsäure- 
wasser sauer  gemacht  werden,  nur  äusserst  dünne,  makroskopisch  kaum 
sichtbare,  feuchte  Ueberzüge  bildet,  d.  h.  in  einer  "Weise  wächst,  die 
an  das  sog.  „typische"  Wachsthum  des  Typhusbacillus  auf  der  Kar- 
toffel erinnert  (cf  p.  286). 

Milch  wird  —  bei  gewöhnhcher  Temperatur  langsamer,  bei 
Brüttemperatur  schneller  —  unter  Säurebildung  zur  Gerinnung  ge- 
bracht (cf.  oben  p.  290). 

Traubenzuckerbouillon  ebenso  wie  Milchzuckerbouillon 
werden  durch  das  Bacterium  coli  unter  kräftiger  Säurebildung 
und  unter  Gasent Wickelung  vergohren.  (Die  Gasentwickelung 
beobachtet  man  am  besten  bei  der  Cultur  in  den  bereits  mehrfach 
erwähnten  Gährungskölbchen;  cf.  p.  290.)  Das  gebildete  Gas 
besteht  zum  kleineren  Theile  aus  Kohlensäure,  zum  gTösseren  Theile 
ist  es  brennbar  (Wasserstoff). 

Auch  bei  der  Cultur  in  Zuckergelatine  sowie  in  Zucker- 
agar  kann  man  die  Vergährung  des  Zuckers  resp.  die  Gasbildung 
sehr  gut  beobachten,  sofern  man  die  Einsaat  in  Form  der  Stichcultur 
macht;  man  sieht  dann,  wie  der  feste  Nährboden  durch  die  sich  ent- 
wickelnden Gasmengen  zerrissen  wird  (cf  p.  153). 

Auf  zuckerhaltigen  Nährböden  gezüchtet  verlieren  die  (zunächst 
sich  sehr  üppig  entwickelnden)  Culturen  des  Bacterium  coli  stets  sehr 
bald  (binnen  wenigen  Wochen)  ihre  weitere  Uebertragbarkeit :  die  Bak- 
terienzellen sind  durch  die  bei  der  Zerlegung  des  Zuckers  entstandene 
Säure  allmählich  abgetödtet  worden. 

Bei  Zusatz  von  Kaliumnitrit  und  Schwefelsäure  zu  Culturen  des 
Bacterium  coli  auf  peptonhaltigen  Nährböden  tritt  Rothfärbung  ein 
( N  i  t  r  0  s  0  i  n  d  0 1  r  e  a  c  t  i  0  n ;  cf  p.  288).  Die  Reaction  wii'd  am  besten 
in  der  oben  (p.  288,  Anm.  3)  beschriebenen  Weise  angestellt.  Sie  lässt 
sich  sehr  gut  an  Culturen  in  gewöhnlicher  Nährbouillon,  auf  gewöhn- 
lichem Nähragar,  anstellen;  zuckerhaltig  dürfen  die  Nährböden  nicht 
sein.  Auch  an  Kartoffelculturen  gelingt  die  Reaction.  Es  ist  aber  zu 
beachten,  dass  bei  dem  blossen  Zusatz  von  Schwefelsäure  (ohne  Kalium- 


0  Arch.  f.  Hyg.     Bd.   19.     1893.     p.  .306. 


Das  Bacterium  coli  commune.  367 

nitrit)  eine  Eothfärbimg  nicht  eintritt:  Nitrite  finden  sich  also  in  den 
Calturen  des  Bacterium  coli  nicht  vor  (Unterschied  von  Cholera-  etc. 
Culturen;  cf.  oben  p.  333). 

Sporenbildung  existirt  bei  dem  Bacterium  coli  commune  nicht. 

Nach  der  Gram" sehen  Methode  (p.  108  ff.)  lassen  sich  die 
Stäbchen  nicht  färben. 

Das  Bacterium  coli  commune  wurde  früher  allgemein  für  einen 
Mikroorganismus  angesehen,  dem  keine  oder  doch  nur  eine  sehr  ge- 
ringe Pathogenität  zukäme.  Zwar  sah  bereits  Escherich^)  Meer- 
schweinchen und  Kaninchen  nach  intravenöser  Einverleibung  massiger 
Culturmengen  innerhalb  weniger  Stunden  bis  3  Tagen  unter  Temperatur- 
steigerung und  Entwickelung  heftiger  Diarrhöen  zu  Grunde  gehen; 
aber  eine  ausgedehntere  pathogene  Eolle,  namentlich  eine  Rolle  in  der 
menschlichen  Pathologie,  ^Yurde  dem  Bacterium  coli  nicht  zugeschrieben. 
Erst  Lamelle-)  hat  (1889)  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  diese 
Ansicht  nicht  richtig  ist.  Lamelle  beobachtete  zwei  Fälle  von 
Perforationsperitonit  s  beim  Menschen,  bei  denen  er  im 
Exsudate  das  Bacterium  coli  fand;  und  es  gelang  dem  Autor  auch, 
bei  Thieren  durch  Einverleibung  der  Culturen  experimentell  Peritonitis 
zu  erzeugen. 

Seitdem  sind  bereits  eine  ganze  Anzahl  Fälle  von  Perforations- 
peritonitis  beim  Menschen  bekannt  geworden,  in  denen  sich  das  Bac- 
terium coli  commune  in  Keincultur  im  Exsudat  gefunden  hat.  Das  in 
solchen  Fällen  aus  dem  peritonitischen  Exsudate  gezüchtete  Bacterium 
coli  hat  erheblich  viel  virulentere  Eigenschaften  als  das  aus  dem 
gesunden  Darm  gezüchtete.  Alex.  FränkeP)  sah  Kaninchen  nach 
intraperitonealer  Lijection  derartiger,  von  menschlichen  Krankheitsfällen 
stammender  Culturen  nach  3  bis  4  Tagen  (mitunter  auch  bereits  nach 
einem  Tage)  zu  Grunde  gehen.  Man  findet  bei  der  Section  eine 
fibrinös- eitrige  Peritonitis;  im  Exsudat  sowohl  wie  im  Herzblut  findet 
sich  Bacterium  coli  in  Eeincultur.  Nach  dem  Vorgänge  des  genannten 
Autors  kann  man  sich  ein  virulentes  Bacterium  coli  beliebig  dadurch 
verschaffen,  dass  man  Versuchsthieren  einen  künstlichen  Darmver- 
schluss'^)  herstellt.  Nach  dem  Tode  der  Thiere  findet  sich  im  peri- 
tonitischen  Exsudate  das  virulente  Bacterium  coli. 


')  Fortscbr.  d.  Med.     1SS5.     p.  521. 

2)  cf.  Baumgarten's  Bakt.  Jahresber.     1889.     p.  335. 

'^)  Wien.  klin.  Wochenschr.     1891.     No.  13—15. 

^)  AI.  Fränkel  experimentirte  an  einem  Hunde,  dem  er  nach  Laparotomie 
den  Darm  unterband.  —  Yergl.  wegen  des  Darmverschlusses  auch  Fremlin,  Arch. 
f.  Hyg.     Bd.   19.     1893.     p.   312. 


368  B-  Diö  Bakterien  als  Kranlvheitserreger. 

Ausser  der  Perforationsperitonitis  vermag  das  Bacterium  coli  com- 
mime  vielleicht  auch  noch  andere  krankhafte  Processe  beim  Menschen 
hervorzurufen.  Bei  Pyelonephritis,  C^^stitis,  eitriger  Prostatitis,  bei 
eitriger  Gallengangsentzündung,  bei  Meningitis,  bei  Strumitis  etc.  hat 
man  das  Bacteriimi  coli  gelegentlich  nachgewiesen  ;i)  in  Fällen  von 
„Cholera  nostras"  findet  es  sich  nicht  selten  in  ungeheuren  Mengen 
(viel  mehr  als  in  normalen  Fäces)  in  den  Dejectionen. 

Es  ist  an  dieser  Stelle  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  der 
Begriff"  „Bacterium  coli  commune"  in  der  bakteriologischen  Literatur 
recht  verschieden  und  zum  Theil  recht  willkürlich  gefasst  wird.  Es 
giebt  Autoren,  welche  jede  Colonie  auf  einer  von  Fäcesmaterial  her- 
gestellten Gelatineplatte,  die  in  Form  eines  oberflächhchen  Häutchens 
wächst,  dem  Begriffe  „Bacterium  coli"  zurechnen;  andere  Autoren 
gehen  aber  noch  weiter:  sie  rechnen  Alles  unter  den  Begriff  „Bac- 
terium coli",  was  auf  Fäcesplatten  die  Gelatine  nicht  verflüssigt.  Mt 
demselben  Recht  könnte  man  schhesslich  überhaupt  alle  Colonien  zu 
„Bacterium  coli"  rechnen,  die  auf  Fäcesplatten  zur  Entwickelung 
kommen.  —  Eine  derartige  Nomenclatur  ist  aber  durchaus  unwissen- 
schaftlich, weil  sie  ganz  verschiedenartige  Dinge,  die  nur  die  einen 
oder  die  anderen  Eigenthümlichkeiten  mit  einander  gemein  haben, 
unter  einen  Art  begriff  vereinigt.  Man  sollte  —  in  dem  Sinne,  wie 
dies  bereits  Gilbert  und  Lion^)  vorgeschlagen  haben  —  nar 
solche  Bakterien  als  „Bacterium  coli  commune"  bezeichnen,  welche 
folgende  allgemein  anerkannte  Eigenschaften  zeigen:  Eigenbewegiiche 
Kurzstäbchen,  die  die  Gelatine  nicht  verflüssigen,  in  ihren  oberfläch- 
lichen Colonien  auf  der  Gelatineplatte  häutchenförmig  wachsen,  Trauben- 
zucker- sowie  Milchzucker-Bouillon  unter  Säuerung  und  Gasbildung 
vergähren  und  in  gewöhnhcher,  zuckerfi'eier  Bouillon  Indol  produciren.  ^) 

Mit  dem  Bacterium  coli  commune  ist  ohne  Zweifel  iden- 
tisch   der    sogenannte    „  Emmerich 'sehe    Bacillus"    („Bacillus 

^)  Ob  das  Bacterium  coli  in  allen  diesen  Fällen  —  selbst  in  allen  denjenigen, 
in  denen  es  in  Keincultur  in  den  Krankheitsproducten  vorgefunden  wurde  —  auch 
wirklich  der  Erreger  der  Affection  war,  kann  bezweifelt  werden.  Beco  (Annales 
de  rinst.  Pasteur  1895.  No.  3)  hat  kürzlich  festgestellt,  dass  bei  langsam  zum 
Tode  führenden  Schädigungen  des  Körpers  (Vergiftungen)  von  Versuchsthieren  Darm- 
bakterien, speciell  Bacterium  coli,  in  das  Innere  des  Körpers  eindringen:  „Man  darf 
deshalb  aus  der  blossen  Anwesenheit  des  Bacterium  coli  in  Blut  und  Organen  nicht 
ohne  Weiteres  schliessen,  dass  das  Bacterium  coli  die  Ursache  der  Krankheit  war." 

•-)  See.  de  Biologie.  Paris.  18  mars  1893.  —  Semaine  medicale.  1893.  p   130. 

*)  Vergl.  bezüghch  der  Unterscheidung  des  Bacterium  coli  von  „ähnhchen" 
Arten  auch  oben  p.  289. 


Der  Gonorrhoecoccus.  369 

Neapolitaniis").  Derselbe  wurde  von  Emmerich^)  (1884)  aus 
älterem  Material  von  Neapler  Choleraleichen  cultivirt  imd  zu- 
nächst auf  Grund  von  Thierversuchen  als  Erreger  der  Cholera  asiatica 
proclamirt.  Es  hat  sich  in  der  Folge,  namentlich  durch  gründliche 
Untersuchungen  von  Weisser'-),  gezeigt,  dass  der  Emmerich 'sehe 
Bacillus,  der  „Neapler  Cholerahacillus",  ein  Mkroorganismus  ist,  der 
in  menschlichen  Eäces,  normalen  sowohl  wie  nicht  normalen,  in  der 
Luft  und  in  faulenden  Flüssigkeiten  ganz  gewöhnlich  gefunden  wird, 
und  der  nicht  das  Allergeringste  mit  der  Cholera  zu  thun  hat. 


21.    Der  Gonorrhoecoccus. 

Bei  den  gonorrhoischen  Affectionen  der  Harnröhre  und  der  Con- 
junctiva  wurden  1879  durch  Neisser^)  eigenthümhch  gestaltete 
Mikrococcen  im  Eiter  entdeckt.  Dieselben  schienen  einen  für  die 
Gronorrhoe  specifischen  Befund  darzustellen  und  wurden  von  Ne isser 
mit  dem  Namen  „Gonococcus"  belegt. 

Die  Beobachtungen  von  Ke isser  wurden  vielfach  bestätigt.  Es 
gelang  dann  hauptsächlich  Bumm^),  den  Gonococcus  in  sicheren 
Eeinculturen  zu  gewinnen  und  durch  Uebertragung  der  Reincultm-en 
typische  Gonorrhoe  beim  Menschen  hervorzurufen.  Durch  Wert- 
heim ■^)  sind  später  die  Reinzüchtungsmethoden  des  Gonococcus  er- 
heblich vervollkonmmet  worden. 

Der  Gonorrhoecoccus  wird  im  Tiippereiter ,  und  zwar  inner- 
halb der  Eiterzellen,  gefunden.  Die  Coccen,  welche  in  grösserer 
oder  geringerer  Anzahl  um  die  Kerne  der  Zellen  herum  gruppirt  sind, 
erscheinen  gewöhnlich  im  Zustande  der  Theilung,  als  Diplo coccen. 
Die  einzelnen  Coccen  erscheinen  dann  gewöhnlich  nieren-,  semmelförmig; 
die  Hilen  der  Nieren  sind  einander  zugekehrt.  Fig.  65  auf  Taf.  XI 
zeigt  die  tj^^Dische  Erscheinungsweise  der  Gonococcen  im  Trippereiter. 
Man  erkennt  hier  unschwer  die  Umgrenzungen  der  Eiterzellen,  inner- 
halb deren  die  grossen,  mehrfachen  Kerne  hegen,  um  welche  herum 
dann  die  Coccen  gruppirt  sind. 

Die  Gonococcen  lassen  sich ,  wie  bereits  gesagt ,  künstlich 
cultiviren.     Bumm,  welchem  die  künsthche  Cultur  zuerst  gelang,  sah 

^)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1884.     No.  50. 
-)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  1.    1886. 
■■')  Centralbl.  f.  d.  med.  Wiss.     1879.     No.  28. 

"*)  Der  Mkroorganismus  der  gonorrhoischen  Schleimhauterkraukungen  „Gono- 
coccus-Neisser".     Wiesbaden.    Bergmann.    1885.    p.  128  ff. 

'")  Deutsche  med.  Wochenschr.  1891.  No.  50.  —  Arch.  f.  Gyn.  Bd.  42.  1892. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  24 


370  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

ein  "Wachsthimi  ausschliesslich  auf  Blutserum  eintreten,  und  zwar  bei 
Brüttemperatur,  am  besten  bei  30  —  34*^C.  \)  Am  besten  eignete  sich 
menschliches  Blutserum,  welches  man  nach  B  u  m  m '  s  Vorgang 
aus  Placenten  gewinnen  kann  (cf.  p.  131).  Die  Cultur  bildet  auf  dem 
erstarrten  Blutserum  sehr  zarte,  wenig  ausgedehnte,  durchsichtige,  bei 
auffallendem  Licht  graugelblich  erscheinende  Ueberzüge  mit  feuchter, 
glatter  Oberfläche,  deren  Bänder  diffus  in  die  Umgebung  übergreifen. 
Das  Blutserum  wird  nicht  verflüssigt.  Die  Uebertragung  auf 
neuen  Nährboden  muss  sehr  bald  geschehen,  da  in  3  Tagen  etwa  die 
Cultur  bereits  abzusterben  beginnt. 

AVertheim  hat  später  nachgewiesen,  dass  das  menschliche  Blut- 
serum ein  viel  weniger  günstiger  Nährboden  für  den  Gonococcus  ist 
als  eine  Mischung  von  Blutserum  und  gewöhnlichem 
N  ä  h  r  a  g  a  r. 

Um  mit  Hülfe  des  Bluts  er  um- Agar  aus  Trippereiter  die 
Gonococcen  auf  Platten  in  isolirten  Colonien  zu  gewinnen,  verfährt 
man  nach  Wertheim^)  folgendermassen :  Mehrere  Oesen  Tripper- 
eiter werden  in  flüssigem  menschlichen  Blutserum  (im  Reagenzglase) 
sorgfältig  vertheilt,  und  es  werden  von  dem  so  inficirten  Blutserum 
zwei  Verdünnungen  in  neuen  Blutserumröhrchen  in  bekannter  Weise 
(cf.  oben  p.  142)  angefertigt.  Die  Röhrchen  werden  sofort  nach  der 
Beschickung  in  ein  Wasserbad  von  40^  C.  gestellt,  und  der  Inhalt 
eines  jeden  Röhrchens  wird  darauf  mit  etwa  der  gleichen  Menge 
2proc.  Nähragars  (cf.  p.  125),  welches  zunächst  geschmolzen  und  dann 
auf  40^  C.  abgekühlt  wurde,  gut  gemischt.  Die  Mischung  wird  auf 
Platten  (oder  in  Schälchen  etc.)  ausgegossen,  welche  in  den  Brütschrank 
gestellt  werden.  Auf  so  hergestellten  Platten  zeigen  sich  bereits  nach 
24  Stimden  isolirte  Colonien  der  Gonorrhö ecoccen.  Nach 
48  Stunden  des  Wachsthums  findet  man  auf  den  Verdünnungsplatten 
die  tiefliegenden  Colonien  von  weisslichgrauem  Aussehen;  mikro- 
skopisch zeigen  sie  ein  höckeriges  Gefiige;  nach  72  stündigem  Wachs- 
thum  haben  die  tiefliegenden  Colonien  Brombeerform  angenommen. 
Die  oberflächlich  liegenden  Colonien  zeigen  mikroskopisch  ein 
central  gelegenes,  dunkleres  Pünktchen,  umgeben  von  einem  sehr 
zarten,  durchsichtigen,  farblosen,  feinkörnigen,  nach  allen  Seiten  ziem- 
lich gleichmässig  sich  ausbreitenden  Oberflächenbelag. 


^)  Temperaturen  über  38**  C.  vernichten  nach  Bumm  (1.  c.  p.  132)  bei  längerer 
Einwirkung  die  Vermehrungsfähigkeit  des  Gonorrhoecoccus  vollständig. 

")  Deutsche  med.  Wochenschr.  1891.  p.  1351.  —  Wertheira  benutzt  hierbei 
das  von  Hueppe  (cf.  oben  p.  160)  angegebene  Verfahren  der  Verwendung  des  Blut- 
serums zu  Plattenculturen. 


Der  Gonorrhoecoccus.  371 

Ueberträgt  man  das  (zähschleimige ,  consistente)  Material  einer 
solchen  isolirten  Plattencolonie  auf  schräg  erstarrtes  Blut- 
serum-Agar  (am  besten  nimmt  man  hierzu  eine  Mischung  von 
1  Theil  menschlichem  Blutserum  und  2  bis  3  Theilen  Nähragar^))  in 
Form  des  oberflächlichen  Impfstriches,  so  beobachtet  man 
ein  ausserordentlich  üppiges  Wachsthum  der  Gonococcen.  Schon  nach 
24  stündigem  Aufenthalt  im  Brütschrank  sieht  man  an  der  Cultur 
zahlreiche  weisslichgraue  Pünktchen  aufschiessen,  die  sich  rasch  ver- 
grössem,  zusammenfliessen  und  bald  einen  grossen,  zusammenhängen- 
den, weisslichgrauen,  feucht  glänzenden,  bei  der  Abimpfung  zähschleimig 
erscheinenden  Rasen  bilden,  welcher  beim  weiteren  Wachsthum  vom 
Rande  aus  einen  farblosen,  ungemein  zarten  Belag  vorschiebt.  Das 
Condensationswasser  (cf.  p.  129)  des  Röhrchens  bedeckt  sich  mit  einer 
zusammenhängenden  Culturhaut. 

Statt  der  IVIischung  von  menschlichem  Blutserum  mit  Agar  kann 
nach  Wertheim  auch  eine  Mischung  von  thierischem  Blut- 
serum (z.  B.  Rinderserum)  mit  Agar  zur  Cultivirung  des  Gono- 
coccus  verwandt  werden.  Das  Wachsthum  ist  hier  allerdings  nicht 
so  üppig  wie  auf  der  erstgenannten  Mischung;  immerhin  gedeihen  die 
Gonococcen  auf  dem  Rinderserum -Agar  viel  besser  als  auf  mensch- 
lichem Serum  ohne  Zusatz  von  Agar.^) 

Nach  Abel'^)  kann  man  ganz  gut  auch  Agarflächen  zur  Aussaat 
des  Gonococcus  benutzen,  die  man  mit  (sterilem  menschlichen)  Blut 
bestrichen  hat  (cf.  oben  p.  128:  Blut- Agar);  man  gewinnt  das  Blut 
durch  Einschnitt  in  die  eigene  (vorher  desinficirte)  Haut.  Die  Colonien 
bilden  hier  kleine,  thautropfenähnliche,  scharfi-andige  Colonien. 

Ein  guter  Nährboden  ist  femer  (nach  Wertheim*))  ein  Gemisch 
von  flüssigem  menschlichen  Blutserum  mit  der  doppelten 
Menge  gewöhnlicher  Nährbouillon.  Hier  zeigt  sich  nach  24  Stunden 
langem  Aufenthalte  im  Brütschrank  eine  zarte  grauweisse  oberflächliche 
Kahmhaut.  Die  Flüssigkeit  selbst  bleibt  ganz  klar,  enthält  nur  wenige 
von  der  Kahmhaut  abgelöste  Bröckel. 

Die   mit  den  Serummischunsjen  herg-estellten  Culturen  des  Gono- 


^)  Das  geschmolzene  und  auf  40  "^  C.  wieder  abgekühlte  Agar  wird  mit  dem 
auf  40**  C  erwärmten  flüssigen  Serum  gemischt.  Nach  der  Vermischung  werden 
die  Röhrchen  in  schräger  Lage  (cf.  oben  p.  129)  der  Abkühlung  und  dabei  eintreten- 
den Erstarrung  überlassen. 

-)  Wertheim,  Arch.  f.  Gyn.     Bd.  42.     1S92.     p.  25. 

")  Greifswalder  med.  Verein.  3.  Dec.  1892.  —  Deutsche  med.  Wochenschr. 
1893.     p.   265. 

')  Arch.  f.  Gyn.     Bd.  42.     1892.     p.  24. 

24* 


372  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

cocciis  zeigen  sich  —  vor  Austrocbiiing  bewahrt  —  noch  nach  4  bis 
6  "Wochen   übertragungsfähig   und   virulent. 

Die  mikroskopische  Prüfung  der  künstlichen  Gonococcenculturen 
zeigt  die  Gonococcen  von  der  typischen,  der  mikroskopischen  Er- 
scheinungsweise im  Trippereiter  entsprechenden,  Gestalt. 

Bezüglich  der  künstlichen  Cultivirung  des  Gonococcus  muss 
übrigens  noch  bemerkt  werden,  dass  ein  minimales  Wachsthum 
auch  auf  gewöhnlichem  Agar  und  speciell  auf  Gl3^cerin-Agar 
(p.  128)  stattfindet.!) 

Nach  einer  neueren  Angabe  von  T  u  r  r  ö  ^)  wachsen  die  Gono- 
coccen auf  sauren  Nährböden  viel  besser  als  auf  den  in  der  her- 
gebrachten Weise  schwach  alkalisch  hergestellten  Nährböden. 

Die  TJebertragung  der  künstlichen  Cultur  des  Gonococcus  auf  die 
normale  Urethra  des  Menschen  hat,  wie  bereits  Bumm  fand  und 
Wert  he  im^)  bestätigte,  die  Entwickelung  tj^ischen  Hamröhren- 
trippers  zur  Folge. 

Bei  Thieren  lässt  sich  das  tj-pische  Bild  der  Gonorrhoe 
durch  Yerimpfen  gonorrhoischen  Materials  nicht  erzeugen.*)  Dennoch 
verhalten  sich  manche  Versuchsthiere,  wie  Wertheim  ermittelt  hat, 
für  die  Infection  mit  dem  Gonococcus  in  gewisser  Weise  empfäng- 
lich. Am  besten  eig-nen  sich  weisse  Mäuse  für  diesen  Zweck,  ferner 
Meerschweinchen,  weniger  gut  Kaninchen  und  Ratten;  ablehnend  ver- 
halten sich  Hunde.  Bringt  man  nämlich  einem  empfänglichen  Thiere 
eine  kleine  Quantität  der  Gonococcencultur  (und  zu  gleicher  Zeit  etwas 


^)  Diese  Tbatsache,  welche  von  verschiedenen  Autoren  angegeben  ist,  kann  der 
Herausgeber  dieses  Buches  bestätigen.  Bei  früheren,  in  der  Lassar 'sehen  der- 
matologischen Khnik  ausgeführten  Untersuchungen  konnte  ich  regelmässig  durch 
Verimpfung  frischen  Trippereiters  (der  sich  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung 
—  soweit  das  eben  eine  solche  Untersuchung  feststellen  kann  —  als  ausschliesshch 
gonococcenhaltig  und  als  frei  von  anderen  IMikroorganismen  erwies)  auf  die  Ober- 
fläche von  Gljcerinagar  Culturen  erzielen,  die  sich  mikroskopisch  aus  Mikrococcen 
bestehend  erwiesen,  welche  in  dem  mikroskopischen  Bilde  die  Gestalt  der  Tripper- 
coccen  hatten  imd  sich,  nach  Gram  behandelt,  entfärbten.  Die  Culturen  stellten 
ganz  unscheinbare,  dünne,  glänzende,  ungefärbte  Ueberzüge  von  geringer  Flächen- 
ausbreitung dar.  Es  gelang  diese  Beläge  von  einem  Köhrchen  in  das  andere  zu 
übertragen.  Ich  habe  damals  diesen  Befund  skeptisch  aufgenommen;  nach  den 
Wertheim  'sehen  Publicationen  zweifle  ich  nicht  mehr  daran ,  dass  ich  in  den 
Culturen  echte  Gonococcen  vor  mir  hatte. 

2)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  16.    1894.    No.  1. 

^)  Wertheim  experimentirte  an  Paralytikern. 

■*)  Nach  Turrö  (1.  c.)  lassen  sich  Hunde  mit  den  auf  sauren  Nährböden 
erhaltenen  Culturen  ohne  Weiteres  von  den  Schleimhäuten  aus  (unverletzte  Schleim- 
haut der  Glans  penis)  inficiren. 


Der  Streptococcus  des  Erysipels.  373 

von  dem  Agarnährboden  selbst)  in  die  Baucbhöhle,  so  beobachtet  man 
die  Entstehmig  örtlicher  eitriger  Peritonitis;  den  Tod  der 
Yersiichsthiere  hat  die  Infection  nie  im  Gefolge.  ^) 

Der  Gonococcus  färbt  sich  nicht  nach  der  Gram 'sehen  Methode 
(p.  108  ff.).  Deckgiaspräparate  von  Trippereiter  färbt  man  am  besten 
mit  einfacher  wässerig-alcoholischer  Methylenblaulösung  (cf.  p.  67).  Die 
Coccen  erscheinen  dann  tief  dunkelblau,  die  Kerne  der  Eiterzellen 
weniger  dunkelblau.  Der  Nachweis  der  typischen  Gestalt  der 
Coccen  in  Verbindung  mit  dem  Nachweise  der  Lagerung  inner- 
halb  der   Eiter  Zellen  berechtigt  zur  Diagnose   „Gonorrhoe". 

Was  die  im  Gefolge  der  ascendirenden  Gonorrhoe 
auftretenden  entzündlichen  Vorgänge  an  den  Tuben,  den 
Ovarien,  am  Peritoneum,  im  Gewebe  des  Ligamentum  latum  betrifft, 
so  hat  Wertheim^)  den  Nachweis  geführt,  dass  diese  Erkrankungen 
sämmtlich  ebenfalls  durch  den  Gonococcus  bedingt  werden. 

Frisch")  hat  nachgewiesen,  dass  primär  auch  gonor- 
rhoische   Geschwüre    des   Rectums   vorkommen. 

Der  Gonococcus  scheint  gelegentlich  auch  echte  Bindegewebs- 
eiterungen  hervorrufen  zu  können. 


22.    Der  Streptococcus  des  Erysipels. 

Das  constante  Vorkommen  von  Streptococcen  in  der  erysi- 
pelatösen  Haut,  und  zwar  das  constante  Vorkommen  derselben  am 
Eande  des  Erysipels  und  ihre  ausschliessliche  Anwesenheit  in  den 
Lymphgefässen,  wurde  zuerst  durch  R.  Koch^)  festgestellt. 
Fehleisen^)  gelang  es  dann,  die  bei  dem  Erysipel  gefundenen 
Streptococcen  künstlich  zu  züchten  und  ihre  pathogene  Bedeutung 
durch  erfolgreiche  Verimpfung  der  Culturen  auf  Kaninchen  und  auf 
eine  Anzahl  von  Menschen  sicher  zu  stellen.  Die  Verimpfungen  er- 
zeugten t}^isches  Erysipel. 

Der  Streptococcus  des  Erysipels  ist,  we  der  Name  sagt, 
ein  in  Kettenform  angeordneter  Mikrococcus.  Die  Ketten  können 
aus   wenigen,   aber   auch    sehr  vielen  einzelnen  Coccen  bestehen.     Der 


^)  Eine  Vermehrung  der  Gonococcen  findet  hierbei  nicht  statt  (Finger, 
Ghon  und  Schlagenhaufer,  Arch.  f.  Dermat.  u.  Syph.  Bd.  18.  1894  [Autor- 
referat Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  16.    1894.    p.  350]). 

2)  Arch.  f.  Gyn.     Bd.  42.     1892.     p.  85. 

^)  Würzb.  phys.-med.    Ges.   Verhandlungen  N.  F.     Bd.  25.     1891.     p.   167  fi". 

■*)  Mtth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.    Bd.  1.    1881.    p.  38,  39  und  Tafel  I,  11. 

•^)  Die  Aetiologie  des  Erysipels.     Berhn  1883. 


374  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Coccus  wächst  in  künstlichen  Culturen  bei  Zimmer-  nncl  bei  Bilit- 
temperatur,  bei  letzterer  schneller. 

Auf  der  Gelatineplatte  bildet  der  Erysipelcoccus  kleine  pmikt- 
förmige  Colonien  von  weisslichgrauer  Farbe,  welche  miki-oskopisch  als 
undurchsichtige,  grobköniige  Grebilde  erscheinen.  Die  Colonien  er- 
reichen einen  grösseren  Umfang  überhaupt  nicht.  Die  Gelatine  wii'd 
nicht  verflüssigt.  In  der  Gelatinestichcultur  bilden  sich 
längs  des  Impfstiches  sehr  kleine,  weisse,  kugelrunde  Colonien  aus. 

Auf  der  (bei  Brüttemperatur  gehaltenen)  Agarplatte  kommt 
es  zur  Entwickelung  kleiner  punktförmiger  Colonien,  welche  auch  hier 
eine  grössere  Ausdehnung  nicht  erreichen. 

Streicht  man  das  Material  auf  der  Oberfläche  von  Nähr- 
gelatine oder  von  Agar  aus,  so  kommt  es  auf  den  besäeten  Stellen 
des  Nährbodens  zur  Entwickelung  kleiner,  runder,  durchscheinender, 
feinsten  Thautröpfchen  vergleichbarer  Häufchen,  welche  dauernd  von 
einander  isolii't  bleiben. 

Erheblich  besser  als  auf  den  genannten  festen  Nährböden  wächst 
der  Streptococcus  des  Erysipels  in  Bouillon.  Er  bildet  hier  einen 
wolkigen  Bodensatz,  der  sich  bei  Bewegungen  des  Culturgefässes  in 
die  Flüssigkeit  erhebt.  Mikroskopisch  findet  man  den  Bodensatz  be- 
stehend aus  schönen  langen  Ketten. 

Auf  Kartoffeln  scheinen  die  Erysipelascoccen  nicht  oder  kamn 
zu  wachsen.^) 

Die  erfolgi-eiche  U  e  b  e  r  t  r  a  g  u  n  g  der  Coccen  resp.  die  kimstliche 
Erzeugung  von  Erysipel  durch  ihre  Uebertragung  ist,  wie  oben  er- 
wähnt, bei  Menschen  sowohl  wie  bei  Kaninchen  gelungen.  Nach 
der  Impfimg  am  Ohr  bekommen  die  Kaninchen  eine  von  der  Lnpf- 
stelle  aus  auf  Kopf  und  Nacken  sich  ausbreitende,  mit  Temperatm- 
steigerung  verlaufende  erysipelatöse  Hautentzündung,  die  in  etwa  6  bis 
10  Tagen  ihr  Ende  erreicht  und  in  Genesung  übergeht.  In  den  er- 
krankten Partien  findet  man  beim  Kaninchen  die  Coccen  genau  so  an- 
geordnet wie  bei  dem  Erysipel  des  Menschen,  so  dass  es  sich  in  der 
That  lun  tj^Disches  Erysipel  handelt.-) 


1)  Nach  Czaplewski  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  1S94.  p.  319)  wachsen 
die  Streptococcen  auf  alkalisirten  Kartoffeln  (cf.  oben  p.  135)  besser  als  auf 
gewöhnlichen. 

^)  Nach  Untersuchungen  von  Fessler  (Khnisch- experimentelle  Studien  über 
chirurgische  Infectionskrankheiten.  München  1891.  —  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  13. 
p.  197)  bringt  die  gleichzeitige  Verimpfung  des  Erysipelstreptococcus  und  des 
Bac.  prodigiosus  auf  das  Kaninchenohr  eine  sehr  heftige  Phlegmone  mit 
Eiterung  und  Gewebsbrand  hervor. 


Die  Eitermikrococcen.  375 

Bei  der  natürlichen  Infection  des  Menschen  bilden  Hautveiietzungen 
wohl  ohne  Zweifel  die  Eingangspforte  für  den  EiTegerJ) 

Die  Er^^sipelascoccen  färben  sich  mit  wässerigen  Farblösungen; 
sie  färben  sich  auch  nach  der  Gram'schen  Methode  (p.  108  fi".;  vergi. 
speciell  p.  111). 

Auf  Taf.  XI,  Fig.  66,  ist  ein  Schnitt  durch  die  erysipelatöse  Haut 
des  Menschen  bei  lOOOfacher  Vergrösserung  dargestellt.  Das  nach 
meiner  Modification  der  Gram'schen  Methode  gefärbte  Präparat  zeigt 
deutlich  die  kettenförmige  Anordnung  des  Er3^sipelcoccus. 

Xach  neueren  Feststellungen  von  Jordan^)  kommen  beim  Men- 
schen typische  Erysipelfälle  vor,  welche  nicht  durch  den  besprochenen 
Streptococcus,  sondern  durch  andere  JVIiki'oorganismen  hervorgerufen 
werden.  Jordan  beobachtete  zwei  Fälle,  die  durch  den  Staphylo- 
coccus  pyo genes  aureus  (cf.  den  nächsten  Abschnitt)  veranlasst 
waren.  Von  diesen  Fällen  betraf  der  zweite  eine  Krankenwärterin, 
welche  sich  offenbar  an  dem  ersten  Falle,  den  sie  gepflegt  hatte, 
inficirt  hatte. 


23.   Die  Eitermikrococcen  (pyogene  Coccen). 

Wo  wir  Eiterungen  im  Organismus  autreffen,  da  finden  sich 
auch  M  i  k  r  0  0  r  g  a  n  i  s  m  e  n.  Dieser  Satz  hat  für  natürliche  Verhält- 
nisse ganz  allgemeine  Gültigkeit.  Nur  auf  besonders  künstliche  Weise 
können  wir,  experimentell,  Eiterung  erzeugen,  ohne  dass  Mikroorga- 
nismen dabei  betheiligt  sind.^)  Unter  natürlichen  Verhältnissen  wird 
die  Eiterung  stets  durch  Infection  mit  Miki'oorganismen  hervorgerufen. 

Speci fisch  Eiterung  erregende  Bakterienarten  giebt  es  nicht. 
Eiterung  kann  durch  sehr  viele  Bakterienarten  hervorgerufen  werden 
(cf.  p.  377).     Die    sog.  „Eitermikroorganismen"    sind   solche  Bakterien, 


^)  Unter  Umständen  scheint  beim  Menschen  auch  eine  allgemeine  Strepto- 
cocceninfection  in  Folge  von  Hauterysipel  vorkommen  zu  können,  (cf.  Pfuhl, 
Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  12.     1892.) 

2)  Arch.  f.  klin.  Chir.     Bd.  42.     1891. 

^)  Scheurlen  (Langenb.  Arch.  Bd.  36.  1887)  sah  nach  Injection  von  sterilen 
Ptomainen  Eiterung  auftreten;  Grawitz  und  de  Bary  (Virch.  Arch.  Bd.  108. 
1887)  haben  gefunden,  dass  man  durch  subcutane  Injection  steriler  chemisch  reizen- 
der Flüssigkeiten ,  wie  5  proc.  Lösung  von  Argent.  nitric,  stärkerer  Ammoniakfiüssig- 
keit,  Terpentinöl,  bei  Hunden  Abscesse  erzeugen  könne;  Steinhaus  (Die  Aetiologie 
der  acuten  Eiterungen.  Monographie.  Leipzig  1889)  wies  eiterungserregende  Fähig- 
keit auch  für  andere  sterile  chemische  Körper  nach. 


376  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

deren  Wirkungen  vornehmlich  in  der  Eitererregung  bestehen,  und  denen 
unter  allen  Mkroorganismen  pyogene  Eigenschaften  am  stärksten  zu- 
kommen.^) 

Die  verbreitetsten  Eit er mikro Organismen  sind  die  („pyo- 
genen")  Staphylococcen.  Dieselben  wurden  in  acuten  Äbscessen 
mikroskopisch  constant  zuerst  von  0  g  s  t  o  n  -)  gefunden.  J.  Rosen- 
bach^),  F.  Krause*),  Passet"^),  Garre'^),  Hoffa')  und  andere 
Autoren  studirten  die  Staphylococcen  mit  Hülfe  der  modernen  Rein- 
culturmethoden  und  wiesen  die  ausgedehnte  Bedeutung  derselben  in 
der  menschlichen  Pathologie  nach. 

Es  giebt  eine  ganze  Reihe  von  pyogenen  Staphylococcen.  Der 
verbreitetste ,  wichtigste,  giftigste  ist  der  Staphylococcus  pyo- 
gene s  aureus;  der  zweitwichtigste  ist  der  Staphylococcus 
pyogenes  albus.  Daneben  hat  man  noch  einen  Staph.  pyog. 
citreus,  einen  Staph.  cereus  albus  und  einen  Staph.  cereus 
flavus  statuirt.  Wir  wollen  nur  die  ersten  beiden  etwas  genauer 
betrachten. 

Ausser  den  pj^ogenen  Staphylococcen  haben  auch  noch  andere 
Mikroorganismen  eiterungserregende  Eigenschaft.  Unter  diesen  ist  der 
Streptococcus  pyogenes  der  bei  Weitem  ^nchtigste.  Auch 
diesen  werden  wir  daher  besonders  zu  betrachten  haben. 

Die  Art  und  Weise,  wie  durch  Mikroorganismen  Eiterung  veranlasst 
wird,  haben  wir  uns  nach  neueren  Untersuchungen  von  H.  Buchner 
so  vorzustellen,  dass  gewisse  chemische  Körper,  welche  primär 
in  der  Bakterienzelle  vorhanden  sind,  auf  die  Leukocyten 
des   Körpers   emen    anlockenden   („positiv  chemotactischen"^)) 

1)  cf.  Kurt  Müller,  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.   Ib.    1894.    p.  807,  814. 

'-)  Arch.  f.  Min.  CMr.     Bd.  25.     1880. 

'')  Mikroorganismen  bei  den  Wundinfectionskrankheiten  des  Menschen.  Wies- 
baden (Bergmann)  1884;  cf.  auch  Vortrag  auf  der  bl.  Vers,  deutscher  Naturf.  u. 
Aerzte.     Magdeburg  1884.     (Deutsche  med.  Wochenschr.     1884.     p.  631.) 

0  Fortschr.  d.  Med.     1884.     p.  221  ff. 

■^)  Fortschr.  d.  Med.     1885.     p.  33  ff. 

'^)  Fortschr.  d.  Med.     1885.     p.  165  ff. 

')  Fortschr.  d.  Med.     1886.     p.  75  ff. 

")  Mit  dem  Ausdrucke  „Chemotaxis"  hat  W.  Pfeffer  (Ueber  chemotac- 
tische  Bewegungen  von  Bakterien,  Plagellaten  und  Volvocineen.  Unters,  a.  d.  Bot. 
Inst.  Tübingen.  Bd.  2.  1888)  gewisse  Bewegungserscheinungen  belegt,  welche  durch 
die  Einwirkung  gelöster  chemischer  Körper  auf  eigenbewegliche  Mikroorganismen 
bei  den  letzteren  zu  Stande  kommen.  Pfeffer  beobachtete  nämlich,  dass  gelöste 
chemische  Körper,  welche  (in  einseitig  zugeschmolzenen  CapiUarröhrchen  disponirt) 
mit   dem   die   beweglichen  Mikroorganismen   enthaltenden  Wassertropfen   in  Contaet 


Die  Eitermikrococcen.  377 

Einfluss  ausüben.  Biichner^)  hat  für  eine  grosse  Reihe  von  Bakterien- 
arten den  Nachweis  geführt,  dass  ihre  eitenmgserregende  Fähigkeit  an 
chemische,  in  der  Bakterienzelle  vorhandene  Substanzen  gebunden  ist.^) 
Liess  Buchner  durch  Hitze  sterilisirte  Culturaufschwemniungen 
wochenlang  stehen,  so  war,  nachdem  sich  die  Bakterienzellen  zu  Boden 
gesetzt  hatten,  nur  der  aus  den  Zellen  bestehende  Bodensatz  eiterungs- 
erregend, nicht  die  Flüssigkeit.  Die  in  der  Bakterienzelle  vorhandenen, 
eiterungserregenden  chemischen  Substanzen  gehören,  wie  Buchner 
nachgewiesen  hat,  zu  den  Bakterienproteinen-')  (cf.  p.  46).  Diese 
chemotactisch  wirksamen  (Näheres  hierüber  siehe  oben  p.  208,  Anm.  1). 
Eiweisskörper  scheinen  eine  hochgradige  Beständigkeit  zu  haben.  Selbst 
stundenlange  Erhitzung  auf  120^0.  im  Dampfkessel  vernichtet  ihre 
eiterungserregende  Fähigkeit  nicht.  Durch  Einverleibung  dieser  Pro- 
teine in  den  Kaninchenkörper  wird  (aseptische)  Eiter  an  Sammlung 
bewirkt;  bringt  man  den  Thieren  diese  Substanzen  intravenös  bei,  so 
entsteht,  wie  Buchner  und  Roemer*)  feststellten,  starke  Vermeh- 
rung der  Leukocyten  im  Blute  (Leukocytose).     Uebrigens  hat  Buch- 


gebracht werden,  entweder  attractiv,  anziehend,  oder  repulsiv,  abstossend,  auf  die 
Organismen  einwirken.  In  dem  ersten  Falle  dringen  die  Organismen  in  das  Eöhr- 
chen  ein  (,,positive  Chemotaxis");  in  dem  zweiten  fliehen  sie  von  ihm  hin- 
weg („negative  Chemotaxis").  Die  chemotactische  Wirkung  ist  je  nach  der 
verschiedenen  Art  und  Concentration  der  gelösten  Körper,  ferner  je  nach  dem  ver- 
schiedenen Organisraenmaterial  eine  verschiedene. 

^)  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  8.    1890.    No.  11. 

-)  Für  den  Tuberkelbacillus  hat  E.  Koch  (cf.  oben  p.  268,  Anm.  1) 
die  Anwesenheit  einer  eiterungserregenden  chemischen  Substanz  in  der  Bakterien- 
zelle nachgewiesen. 

^)  Zur  Extrahirung  dieser  chemotactisch  wirksamen  Körper  aus  den  Bakterien- 
zellen ging  Bu ebner  ursprünghch  so  vor,  dass  er  die  Culturen  mit  0,5proc.  Kah- 
lauge behandelte;  die  entstandene  Lösung  wurde  dann  mit  Säuren  gefällt.  Die 
Präcipitate  wurden  wieder  mit  Kalilauge  gelöst,  wieder  mit  Säuren  gefällt;  und  diese 
Procedur  wurde  so  mehrmals  wiederholt.  Die  so  aus  der  Bakterienzelle  extrahirten 
Eiweisskörjjer  (Proteine)  wurden  von  Buchner  (Münch.  med.  Wochenschr.  1891. 
No.  49)  als  ,, Alkaliproteine"  bezeichnet.  Eine  erheblich  grössere  Ausbeute  an 
Proteinen  erzielte  Bu  ebner  (ebenda)  auf  folgende  Weise:  Die  von  dem  Nährboden 
abgestreifte  Bakterienmasse  wird  bei  38"  C.  mehrere  Tage  lang  getrocknet,  dann 
mit  dem  10  fachen  Gewicht  (der  ursprünglichen  feuchten  Bakterienmasse)  heissem 
Wasser  verrieben,  dann  auf  dem  Sandbad  mit  Rückflusskühler  eine  Stunde  lang  ge- 
kocht, endlich  durch  Kieseiguhr  filtrirt  und  nachher  eingeengt.  Durch  absoluten 
Alcohol  werden  dann  die  Proteine  ausgefällt.  Dieselben  machen  c.  25  bis  40*^/0 
der  angewandten  trockenen  Bakterienmasse  aus.  Die  so  dargestellten  Proteine  sind 
leicht  löslich  in  Wasser  und  werden  durch  schwaches  Ansäuern  der  Lösung  (im 
Gegensatz  zu  den  „Alkahproteinen")  nicht  gefällt. 

*)  Berl.  klin.  Wochenschr.     1890.     No.  47.     p.  1087. 


378  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

ner^)  gefunden,  dass  ausser  den  Bakterienproteinen  auch  andere 
Eiweisskörper  (Glutencasein,  Alkalialbuminat,  Leim  etc.)  eiterungs- 
erregend (positiv  cliemotactiscli  auf  Leukocyten)  wirken. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zur  Betrachtung  derjenigen  Bakterieuarten, 
welche  am  häufigsten  als  Erreger  spontaner  Eiterungen  auftreten. 

a.  Der  Stapliylococcus  pjogenes  aureus. 

Der  Staphylococcus  p  jungen  es  aureus  wurde  zuerst  (aus 
Ahscessen)  von  J.  Eosenbach-)  reincultivirt.  Der  Coccus  tritt  als 
Kügelchen  von  durchschnittlich  0,7  /<  Durchmesser  auf.  Die  Kügel- 
chen  gruppiren  sich  gern  zu  weintrauhenähnlichen  (cf.  p.  12)  Zu- 
sammenlagerungen ;  daher  der  Name  „Staphylococcen"  ■^).  Auf  Taf.  H, 
Fig.  12,  ist  ein  Präparat  von  Staphylococcus  aureus  dargestellt,  welches 
die  „Weintrauben"  gut  erkennen  lässt. 

Der  Staphylococcus  aureus  wächst  auf  den  gewöhnlichen  Nähr- 
böden, bei  Brüttemperatur  besser  als  bei  Zimmertemperatur. 

Auf  der  G-elatineplatte  bildet  er  zunächst  weisse,  dann  orange- 
gelb werdende,  runde  Colonien,  die  eine  nur  massige  Grösse  erreichen 
und  die  Gelatine  massig  schnell  verflüssigen.  Mkroskopisch  erscheinen 
dieselben  als  scharfrandige,  dunkle,  grobkörnige  Gebilde.  In  der  Gela- 
tine stich  cul  tu  r  ist  das  W^achsthum  ein  dem  entsprechendes.  Die 
oberen  Theile  des  Impfstiches  werden  zunächst  verflüssigt. 

Auf  der  Agarplatte  im  Brütschrank  bilden  sich  in  1  bis 
2  Tagen  Colonien  aus,  die  an  der  Oberfläche  des  Nährbodens  einen 
mehrere  Älillimeter  betragenden  Durchmesser  erreichen  und  als  saftige, 
orangegelbe  Häufchen  erscheinen. 

Auf  der  Agar  ob  er  fläche  (Strichcultur)  bildet  der  Coccus  einen 
feuchtglänzenden  orangegelben  Ueberzug;  fand  die  Züchtung  im  Brüt- 
schrank  statt,    so   erscheinen  die  Bänder   der  Cultur  häufig  weiss. 

Auf  der  Kartoffeloberfläche  entwickeln  sich  saftige  gelbe 
Beläge. 

Der  Staphylococcus  aureus  ist  ziemlich  resistent  gegen  das 
Austrocknen  und  gegen  die  verschiedensten  chemisch  oder  physikalisch 
wirkenden  Desmfectionsmittel. 

Mäuse,    Meerschweinchen    und    Kaninchen    sind    durch    cutane 


\)  Berl.  klin.  Wocbenschr.     1890.     No.  47. 

")  Mikroorganismen  bei   den  Wundiiifectionskrankheiten   des  Menschen.     Wies- 
baden 1884.     p.  19. 

^)  Dieser  Name  stammt  von  Ogston. 


Die  Eitermikrococcen.  379 

Impfung  mit  dem  Coccus  nicht  zu  inficiren;  bei  subcutaner  Ein- 
verleibung entstehen  gewöhnlich  locale  Abscesse,  welche  in  Ge- 
nesung übergehen.  Injicirt  man  Kaninchen  den  Coccus  in  das 
Blut,  so  gehen  die  Thiere  unter  Auftreten  eitriger  Entzündungen, 
namentlich  der  Gelenke,  sowie  unter  Bildung  metastatischer  eitriger 
Herde  und  Infarcte,  namentlich  in  den  Nieren,  zu  Grunde. 

In  den  so  häufig  in  unserer  Haut  auftretenden  Furunkeln 
sowie  in  den  durch  Zusammenhäufung  mehrerer  Furunkel  entstehenden 
eitrigen  Carbunkeln  findet  sich  der  Staphylococcus  aureus  ge- 
wöhnlich. Er  vermag,  me  dies  G  a  r  r  e  ^)  experimentell  an  sich  selbst 
festgestellt  hat,  durch  die  unverletzte  Haut  einzudringen  und  eitrige 
Hautentzündungen  zu  erzeugen.  Nach  G  a  r  r  e "  s  Ansicht  scheint  die 
Infection  hierbei  ihren  Weg  durch  die  Ausführungsgänge  der  Haut- 
drüsen zu  nehmen.  Ausser  dem  Furunkel  resp.  Carbunkel  verdankt 
auch  das  Panaritium  seine  Entstehung  gewöhnlich  der  Infection 
mit  dem  Staphylococcus  aureus.  Damit  ist  aber  die  Kolle  dieses 
Coccus  in  der  menschlichen  Pathologie  nicht  erschöpft.  Bei"')  den 
acuten  (heissen)  A bscessen  sowie  den  (mehr  circumscripten) 
Phlegmonen  der  Haut ,  bei  Impetigo,  Sycosis,  B 1  e p h a r o - 
adenitis,  Conjunctivitis  phlyctaenulosa  findet  er  sich. 
Ferner  wird  er  bei  der  acuten  infectiösen  Osteomyelitis"^) 
ganz  regelmässig  gefimden.  Dann  findet  er  sich  bei  Lymphdrüsen- 
eiterungen, in  Empyemen,  bei  Gelenk-  und  Schleimbeutel- 
eiterungen, im  Tonsillarabscess,  in  den  eitrigen  Secret- 
pfröpfen  bei  Angina  lacunaris,  in  Mammaa bscessen,  bei 
Parotiseiterungen,  bei  idiopathischer  Cerebrospinalmenin- 
gitis,  bei  Strumitis,  eitriger  Peripleuritis,  bei  der  sym- 
pathischen Ophthalmie  u.  s.  w.  Zu  bemerken  ist,  dass  in  den 
erwähnten  Fällen  auch  andere  Eitercoccenarten ,  namentlich  der 
Staphylococcus  albus,  angetroffen  werden  können.  Häufig  sind 
Mischbefunde. 

Uebrigens  entsteht  nicht  in  allen  Fällen  bei  der  Vermehrung  des 
Staphylococcus  pyogenes  aureus  im  Körper  Eiterung.  So  fand  Gold- 
scheider  ^)   den    genannten  Miki-oorganismus  (wie   auch  den  Strepto- 


^)  Fortschr.  d.  Med.     18S5.     p.   170,  171. 

")  Nach  Baumgarten,  Lehrbuch  d.  path.  Mykologie.  Braunschweig  1890. 
Bd.  1.     p.  297  ff. 

^)  Bei  dieser  Erkrankung  wurde  er  zuerst  von  F.  Krause  (Fortschr.  d.  Med. 
1884.    p.  221  if.)  festgestellt. 

^)  Zeitschr.  f.  kUn.  Med.     Bd.  21.     1892.     p.  .371. 


380  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

coccus  pyogenes)  bei  rein  seröser  Pleuritis.  Kurt  Müller^) 
constatirte  bei  einem  bestimmten  Krankheitsfalle,  dass  dieselben 
Stapbylococcen  im  lüiochenmarke  eine  eitrige,  im  Kniegelenk  eine 
seröse  Entzündung  erzeugt  hatten. 

Ausser  in  Fällen  primärer  resp.  localer  Eiterungen  wird  der 
Staphjdococcus  aureus  auch  als  Erreger  secundärer  Eiterungen 
angetroffen.  Allerdings  spielt  er  in  dieser  Beziehung  eine  weniger 
hervorragende  EoUe  als  der  weiter  unten  zu  betrachtende  Strepto- 
coccus  pyogenes. 

Oben  hatten  wir  schon  gesehen,  dass  der  Staphylococcus  aureus, 
Kaninchen  in  die  Blutbahn  gebracht,  metastatische  Eiterungen  ver- 
anlasst. Orth  und  Wy  ssoko witsch -)  fänden  dann,  dass,  wenn 
man  den  Kaninchen  vor  der  Staphylococcusinjection  in  das  Blut  eine 
Verletzung  der  Herzklappen  macht  (durch  Einführung  eine  s 
Instrumentes  in  die  Carotis),  die  Stapbylococcen  sich  dann  in  dem 
verletzten  Endocard  ansiedeln  und  acute  ulceröse  Endocarditis 
veranlassen.  Bibbert^)  gelang  die  experimentelle  Erzeugung  dieser 
Affection  auch  ohne  vorherige  Klappenverletzung,  und  zwar  gelang 
sie  dadurch,  dass  er  sehr  kleine  Kartoffelbröckchen  den  Thieren  injicirte, 
die  mit  Staphylococcuscultm-  imprägnirt  waren.  Diese  Thierversuche 
wurden  angestellt,  nachdem  man  beim  Menschen  in  Fällen  von  ulceröser 
Endocarditis  (die  [nach  Baumgarten]  in  den  meisten  Fällen  wohl 
als  Localisation  eines  von  einem  anderen  Herde  eingeleiteten  Allgemein- 
leidens auftritt)  Stapbylococcen  in  den  Klappenwucherungen  nach- 
gewiesen hatte.  Ebenso  haben  sich  Staphjdococcen  später  auch  bei 
V  e  r  r  u  c  ö  s  e  r  Endocarditis  auffinden  lassen.^) 

Der  Staphylococcus  aureus  färbt  sich  mit  wässerigen  Farblösungen; 
er  färbt  sich  auch  nach  der  Gram 'sehen  Methode  (p.  108  ff.j. 

b.  Der  Staphylococcus  pyogenes  albus. 

Der  Staphylococcus  pyogenes  albus  (J.  Rosenbach ■^)) 
ist  vielleicht  nur  als  Varietät  des  Staphylococcus  am'eus  aufzufassen. 
Er  zeigt  weisse,  nicht  gelbe  Culturen,  ist  etwas  weniger  giftig  fiir 
den  Thierkörper  als  der  Staph.  aureus.  Im  Uebrigen  gleicht  er  dem 
letzteren  vollständig.     (Siehe  über  sein  Vorkommen  auch  p.  379.) 


')  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  15.     1894.     p.  805. 

•-)  Centr.  f.  d.  med.  Wiss.     1885.     No.  33.  —  Virch.  Arch.     Bd.  103.    1886. 

3)  Fortschr.  d.  Med.     1886.     No.  1. 

^)  E.  Traenkel  und  Sänger,  Virch.  Arch.     Bd.  108.     1887. 

■'')  1.  c.  (Siehe  ,, Staphylococcus  aureus"). 


Die  Eitermikrococcen.  381 

c.   Der  Streptococcus  pyogenes. 

Manche  Eiterungen  haben  die  Tendenz,  sich  auf  dem  Wege  der 
Lymph bahnen  fortzupflanzen,  Lymphangitis,  L}Tnphadenitis  zu  be- 
wii'ken.  Diese  „phlegmonösen"  Eiterungen  sind  es,  bei 
welchen  der  (von  J.  Rosenbach^)  zuerst  aus  Eiter  reincultivirte) 
Streptococcus   pyogenes   regelmässig  angetroffen  wird. 

Handelt  es  sich  hier  häufig  um  local  bleibende  Ansiedlung  des 
Streptococcus,  die  bei  geeigiieter  (operativer)  Behandlung  oder  auch 
ohne  eine  solche  gelegentlich  zur  Heilung  gelangt,  so  findet  sich  der 
Streptococcus  pyogenes  auf  der  anderen  Seite  auch,  und  zwar 
ausserordentlich  häufig,  als  der  Vermittler  schwerer  allgemeiner, 
metastatischer,  eitriger  Processe  (Pyaemie),  welche  gewöhn- 
lich mit  dem  Tode  endigen  (cf.  oben  p.  200).  So  sehen  wir  bei  der 
puerperalen  Pyaemie  den  Streptococcus  im  Blute ^)  kreisen,  die 
Merengefässe  embolisiren  und  dort  metastatische  Eiterungen  ver- 
anlassen; wir  sehen  ihn  schwere  Gelenkentzündungen  bewirken, 
schwere  acute  Endocarditis  veranlassen  u.  s.  f.  Die  Infections- 
pforte  kann  hierbei  eine  ganz  verschiedene  sein.  Bei  der  puerperalen 
Pyaemie  geschieht  der  Eintritt  der  Streptococcen  durch  die  offen- 
stehenden Uterusgefässe.  In  vielen  Fällen  (z.  B.  bei  Scharlach,  wo 
wir  sehr  häufig  „secundäre"  Infectionen  durch  Streptococcen 
auftreten  sehen)  dürfte  die  erki-ankte  (und  dadurch  wohl  leichter 
dm-chgängige)  Eachenschleimhaut  als  Infectionspforte  fungii-en. 

Der  Streptococcus  i)yogenes  ist  in  seinem  gesammten  Verhalten 
in  künstlichen  Culturen  und  auch  Thieren  gegenüber 
durch  nichts  unterschieden  von  dem  Streptococcus 
des  Erysipels,  den  wir  oben  (p.  373)  betrachteten.  Er  wird  des- 
halb mit  diesem  jetzt  ganz  allgemein  für  identisch"^)  angesehen.     Ein 

'■)  Mikroorganismen  bei  den  Wundinfectionskrankheiten  des  Menschen.  Wies- 
baden (Bergmann)  1884.     p.  22. 

'-)  Petruschky  (Zeitscbr.  f.  Hyg.  Bd.  17.  1894.  p.  109)  entnimmt  zum 
Zwecke  der  bakteriologiscben  Untersuchung  des  Blutes  septisch  In- 
ficirter  (cf.  oben  p.  200,  Anm.  2)  das  Blut  mittels  sterilisirter  Schröpfköpfe.  Die 
pyogenen  Coccen  gehen  bei  der  Gerinnung  des  Blutes  in  das  sich  abscheidende 
Serum  mit  über.  Das  letztere  wird  dann  zur  Anlegung  von  Culturen  benutzt,  ferner 
(m  einer  Quantität  von  0,5  bis  2,0  com)  weissen  Mäusen  in  die  Bauchhöhle  gespritzt. 
Sind  hochvirulente  Streptococcen  vorhanden,  so  sterben  die  Thiere  in  kurzer  Frist 
an  Streptococcen -Septicaemie.  Bereits  vor  dem  Tode  der  Thiere  können  in  ihrem 
Blute  die  Streptococcen  durch  directe  Culturaussaat  eines  Tröpfchens  Schwanzblut 
nachgewiesen  werden. 

^)  E.  Fraenkel  hat  eine  schlagend  beweisende  Illustration  für  diese  Identität 
pubhcirt  (Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  6.    1889.    No.  25).     Er  cultivirte  aus   peritoni- 


382  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Photogramm  des  Streptococcus  pyogenes  bei  lOOOfacherVergTösserung 
zeigt  Taf.  in,  Fig.  13. 

Streptococcenculturen  neigen  im  Allgemeinen  sehr  dazu,  bei  fort- 
gesetzter Züchtung  auf  künstlichen  Nährböden  zu  degeneriren;  sie  ver- 
lieren allmählich  die  Fähigkeit  kräftig  zu  wachsen,  sind  schliesslich 
gar  nicht  mehr  übertragbar.  Nach  Erfahrungen  von  P  e  t  r  u  s  c  h  k  y  ^) 
kann  man  die  Uebertragbarkeit  der  Culturen  und  sogar  ihre  Virulenz 
für  Yersuchsthiere  (cf.  weiter  unten)  dadurch  vortrefflich  conserviren, 
dass  man  Stichculturen  in  Nährgelatine  anlegt,  dieselben  2  Tage  lang 
bei  22*^  C.  hält  und  dann  im  Eisschranke  aufbewahrt.-) 

Der  Streptococcus  pyogenes  färbt  sich  (in  Ueberein Stimmung  mit 
dem  Streptococcus  des  Erysipels)  auch  nach  der  Gram 'sehen  Methode 
(p.  108  ff.). 

Neuere  Untersuchungen  über  Streptococcen,  welche  wir  nament- 
lich V.  Lingelsheim^),  Kurth^),  Behring'^),  Knorr''')  ver- 
danken, haben  zu  dem  Resultat  geführt,  dass  die  in  der  Natur  vor- 
kommenden Streptococcen  doch  eine  gewisse  Classificirung  gestatten. 
Nicht  etwa,  dass  sich  irgend  Avelche  durchgreifenden  Unterschiede 
zwischen  dem  Streptococcus  erysipelatos  und  dem  Streptococcus  pyogenes 
feststellen  Hessen;  die  Unterschiede  bestehen  in  anderer  Richtung. 
Cultivirt  man  nämlich  Streptococcen  in  Bouillon,  so  findet  man  bei 
der  mikroskopischen  Untersuchung  der  entstehenden  Vegetation  meist, 
dass  dieselbe  aus  sehr  langen,  vielgiiedrigen  Ketten  besteht  (cf.  oben 
p.  374).  In  seltneren  Fällen  besteht  die  Vegetation  aus  ganz  kurzen 
Streptococcenketten.  v.  Lingelsheim  und  Behring  haben  hiemach 
unterschieden  zwischen  Streptococcus  longus  und  Strepto- 
coccus brevis. 

Der  letztere,  der  Streptococcus  brevis,  scheint  in  der 
Pathologie  des  Menschen  keine  oder  nur  eine  sehr  geriuge  Rolle  zu 
spielen;  auch  für  Thiere  (Kaninchen  und  weisse  Mäuse)  zeigt  er  sich 
nicht   pathogen.    Er  ist  ausserdem  durch  makroskopisch  sichtbares 


tischem  Eiter  in  zwei  Fällen  Streptococcen,  die,  auf  das  Kaninchenohr  cutan 
verimpft,  typisches  Erysipel  erzeugten. 

1)  Centralbl.  f.  Bakt.     1.  Abth.     Bd.  17.     1895.     No.  16. 

-)  Petruscbky  constatirte  an  derartigen  Culturen  nach  6  Monate  lauger 
Aufbewahrung  im  Eisschranke  völlig  erhaltene  Virulenz. 

3)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  10.    1891;  Bd.  12.    1892. 

■*)  Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  7.     1S91. 

")  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  12.     1892.     No.  6. 

"•■)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  13.     1893. 


Die  Eitermikrococcen.  383 

Wachsthum  auf  Kartoffeln  und  ferner  dadurch  von  anderen  »Strepto- 
coccen unterschieden,  dass  er  die  Gelatine  etwas  verflüssigt. 

Der  Streptococcus  longus  hingegen  ist  es,  welcher  für  die 
menschliche  Pathologie  so  ausgedehnte  Bedeutung  hat.  Innerhalb  der 
Streptococcen,  welche  zu  dem  Streptococcus  longus  gerechnet  werden 
müssen,  eine  weitere  durchgreifende  Differenzirung  zu  statuiren,  hat 
sich  bisher  als  unmöghch  herausgestellt.  Das  aber  muss  betont 
werden,  dass  verschiedene  Culturen  des  Steptococcus  longus  eine  ganz 
verschiedene  Virulenz  besitzen  können.  Als  Reagens  hat  sich 
in  dieser  Beziehung  am  brauchbarsten  die  weisse  Maus  erwiesen 
(cf.  auch  oben  p.  381,  Anm.  2).  Nach  subcutaner  Einverleibung  kleiner 
Quantitäten  sehr  virulenter  Bouilloncultur  gehen  diese  Thiere  nach 
3—4 — 6  Tagen  zu  Grunde.  Man  findet  Eiterung  an  der  Infections- 
stelle  und  eine  durch  die  Streptococcen  veranlasste  Septicaemie;  die 
Milz  ist  vergrössert.  Ist  die  Virulenz  geringer,  so  wird  die  Krankheits- 
dauer verlängert,  und  es  können  sich  dann  auch  Eiterherde  in  den 
Organen  finden.  Der  Tod.  tritt  dann  manchmal  erst  nach  Wochen 
oder  sogar  Monaten  ein.  Es  hat  sich  nun  durchgehend  eine  gewisse 
Beziehung  zwischen  dem  Virulenzgrade  und  dem  Aussehen  der  Bouillon- 
cultur constatiren  lassen :  Je  mehr  der  Streptococcus  longus  die  Neigung 
zeigt,  sich  in  seinen  Vegetationen  in  der  Nährbouillon  zu  fest 
verfilzten  Haufen  zusammenzuballen,  desto  mehr  viru- 
lent ist  er  für  weisse  Mäuse.  Für  die  sich  fest  zusammenballenden, 
sehr  virulenten  Streptococcen  hat  Kurth^)  den  Namen  „Strepto- 
coccus conglomeratus"  erfunden.  Es  muss  aber  nochmals  darauf 
hingewiesen  werden,  dass  die  letztere  Bezeichnung  nicht  etwa  eine  für 
sich  abzugrenzende  Art  bedeutet. 

Für  Kaninchen  sind  die  langen  Streptococcen  ebenfalls  pathogen. 
Auch  hier  schwankt  die  Virulenz  ausserordentlich.  Bei  subcutaner 
Einverleibung  können  die  Thiere  an  schnell  (in  wenigen  Tagen)  ver- 
laufender Septicaemie  sterben,  oder  aber  es  kann  sich  auch  ein  längerer 
Krankheitsprocess  an  diese  Infection  anschliessen ;  stirbt  das  Thier 
dann  nach  Wochen ,  so  findet  man  Eiterherde  in  den  Organen,  eitrige 
Pleuritis  und  Pericarditis  etc.  Bei  cutaner  Einverleibung  bekommen 
die  Kaninchen  meist  erysipelatöse  Affectionen.  Bei  geringerer  Virulenz 
des   Impfmaterials   kann   die  Entwickelung   des  Er^'sipels   ausbleiben.^) 

^)  Kurth  fand  solche  Streptococcen  ausschliesslich  bei  schweren  Scharlachfällen. 

•^)  V.  Lingelsheim  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  12.  1892.  p.  317)  konnte  das 
Erysipel  in  solchen  Fällen  oft  noch  dadurch  hervorrufen,  dass  er  an  der  geimpften 
SteUe  (er  benutzte  [cf.  auch  oben  p.  374]  das  Ohr  des  Kaninchens)  Ki'eislauf Störungen 
herstellte  (Anbringung  eines  CoUodium-  oder  H^Hpflasterstreifens). 


3S4  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Es  hat  sich  übrigens  herausgestellt,  dass  eine  Cultur,  die  für  Kaninchen 
besonders  virulent  ist,  deshalb  nicht  auch  für  Mäuse  besonders  virulent 
zu  sein  braucht,  und  umgekehrt. 

In  einer  jüngst  erschienenen  Arbeit  aus  dem  Institut  Pasteur  zu 
Paris  hat  M  a  r  m  o  r  e  k  i)  über  Versuche  berichtet,  die  Behring'  sehe 
S e r u m t h e r a p i e  (cf.  oben  p.  214  ff.)  auf  die  Streptococcen- 
k rankheiten  des  Menschen  anzuwenden.  Das  Wesentliche  der 
M  a  r  m  0  r  e  k '  sehen  Ermittelungen  ist  zunächst  das,  dass  es  dem  Autor 
gelungen  ist  die  Virulenz  von  Streptococcenculturen  bis  auf  eine 
ganz  ausserordenthche  Höhe  zu  bringen.  Die  Virulenzsteigenmg  ge- 
schah in  der  gewöhnlichen  Weise  durch  Passageimpfimgen  von  Thier 
zu  Thier;  wesentüch  ist  aber,  dass  zwischen  jeder  Impfung  und  der 
nächsten  das  Blut  (des  gestorbenen  Thieres)  zunächst  auf  ein  Gemisch 
von  2  Theilen  menschlichem  Blutserum  und  1  Theil  Pepton-Eleisch- 
Bouillon  gebracht  wurde,  um  nach  der  Entmckelung  auf  diesem 
„Bouillon- Serum"  wiederum  in  den  Thierkörper  zu  gelangen. 
Als  Thiere  wurden  Mäuse  und  Kaninchen  verwendet.  Der  genannte 
Xährboden  hat  nach  den  Angaben  des  Autors  die  Eigenschaft,  die 
momentan  bestehende  Virulenz  einer  Streptococcencultur  durchaus 
zu  conserviren,  während  auf  unseren  sonstigen  Nährböden  (cf.  p.  382) 
die  Virulenz  und  auch  die  Uebertragbarkeit  der  Culturen  sehr  bald 
abnimmt  resp.  erlischt. 

Der  zweite  wesentliche  Punkt  in  der  M  a  r  m  o  r  e  k '  sehen  Ver- 
öffentlichung ist  der,  dass  es  dem  Autor  gelang,  mit  Hülfe  der  ge- 
Avonnenen  ausserordentlich  vii'ulenten  Streptococcenculturen  grosse 
Thiere  (Hammel,  Esel,  Pferde)  zu  immunisiren.  Die  Thiere 
sind  zunächst  gegen  die  Einverleibung  des  Virus  sehr  sensibel,  lassen 
sich  aber  in  einer  Reihe  von  Monaten  allmählich  durch  Gewöhnung 
dahin  bringen,  dass  sie  grosse  Dosen  des  Virus  vertragen.  Das  Serum 
der  immunisirten  Thiere  hat  die  Eigenschaft  die  Immunität  auf  nor- 
male Thiere  (Kaninchenversuche)  zu  übertragen. 

Der  Autor  hat  bereits  Gelegenheit  gehabt  die  Heilwirkung  des 
Serums  bei  dem  streptococcenkranken  Menschen  zu  versuchen  (Er}^- 
sipel,  Puerperalfieber  etc.) ;  die  definitive  Entscheidung  über  den  Werth 
der  Serumtherapie  gegen  die  Streptococcenkrankheiten  des  Menschen 
bleibt  der  Zukunft  überlassen. 


')  Annales  de  l'Inst.  Pasteur.     1S95.     No.  7.     p.  593  ff. 


Die  Bakterien  der  Pneumonie.  385 


24.  Die  Bakterien  der  Pneumonie. 

Die  ersten  Bakterienbefunde  bei  der  Pneumonie  wurden  von 
Klebs  (1875)  erlioben;i)  dann  folgte  Ebertli;^)  und  R  Kocli=^) 
war  dann  der  Erste,  welcher  (1881)  die  in  einem  Falle  von  Pneumonie 
(nach  Recurrens)  in  den  Schnitten  der  Lunge  und  der  Nieren  auf- 
gefundenen Bakterien  photographisch  fixirte.  Frie  dl  ander  **)  wies 
dann  in  einer  Reihe  von  Fällen  croupöser  Pneumonie  in  Schnitten  des 
erkrankten  Lungengewebes  constant  Coccen  nach.  In  dem  mit  Hülfe 
der  P  r  a  V  a  z '  sehen  Spritze  dem  lebenden  Pneumoniker  entnommenen 
Limgensafte  fanden  dann  Leyden  und  (eine  Reihe  von  Monaten 
früher)  der  Verf.  ebenfalls  Mikrococcen.  Auf  Taf.  Xu,  Fig.  68,  gebe 
ich  ein  Photogramm  desjenigen  Präparates,  welches  ich  damals  (im 
Mai  1882)  gewann.'^)  Friedländer  hat  später*^)  angegeben,  dass 
ich  damals  zuerst  die  „Kapseln"  der  Pneumoniecoccen  gesehen  und 
(in  einer  Zeichnung)  abgebildet  habe.  Ich  möchte  es  jedoch  für  frag- 
lich halten,  ob  die  ungefärbten  Räume,  welche  in  diesem  Präparate 
die  Bakterien  umgeben,  für  Bakterienhüllen,  für  Kapseln,  angesehen 
Averden  dürfen;  die  Möglichkeit  ist  allerdings  nicht  direct  ab- 
zuweisen. 

Der  Erste,  welcher  aus  der  pneimioni sehen  Lunge  Bakterien  in 
Reincultur  züchtete,  war  Friedländer.  Friedländer 
bediente  sich  der  Vortheile,  welche  der  von  Koch  eingeführte  feste 
Xährboden  bietet,  nur  halb.  Es  wurden  in  seinen  Culturversuchen 
keine  Platten  angelegt;  überhaupt  wurde  keine  Rücksicht  darauf  ge- 
nommen, dass  etwa  verschiedene  Bakterienarten  in  dem  zu  unter- 
suchenden Materiale  vorhanden  sein  könnten.  Friedländer  legte 
mit  dem  aus  der  kranken  Lunge  entnommenen  Materiale  directe  Stich- 
culturen  in  Gelatine  an  und  erhielt  auf  diese  Weise  Culturen  eines 
Organismus,  den  er  zwar  mit  dem  Namen  „Pneumoniemikro- 
coccus"  belegte,  der  aber,  wie  sich  in  der  Folge  gezeigt  hat,  nur 
ganz  ausserordentlich  selten  bei  der  Pneumonie  vorkonunt. 


1)  Arch.  f.  exp.  Path.     Bd.  4. 

■-)  Deutsches  Arch.  f.  Win.  Med.     Bd.  2S. 

-)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1881. 

4  Virch.  Arch.     Bd.  87. 

^)  Dieses  Präparat  habe  ich  im  Verein  für  innere  Medicin  zu  Berhu  am  20.  Nov. 
1882  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1883.  p.  52)  demonstrirt.  Das  Photogramm 
Taf.  Xn,  Fig.  68,  zeigt  genau  die  damals  demonstrirte  Stelle. 

«)  Fortschr.  d.  Med.     1883.     p.  719. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  25 


3S6  ß-  ^iß  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Wie  nämlich  A.  Fraenkel^)  und  Weichselbaum-)  gezeigt 
haben,  kommt  der  von  Friedländer  gezüchtete  „Pnemnoniemikro- 
coccus",  welchen  Weichselbaum  seiner  Form  nach  als  „Bacillus 
pneumoniae"  bezeichnet  hat,  nur  höchst  selten  bei  der  Pneumonie 
vor.  Weichselbaum  fand  ihn  in  83  Fällen  von  Pneumonie,  in 
denen  er  Culturen  anstellte,  nur  6  Mal,  während  in  der  gTÖssten  Mehr- 
zahl der  Fälle  (54  Mal)  ein  anderer  Mkroorganismus  gefunden  wurde, 
den  zuerst  A.  Fraenkel  rein  cultivirte,  und  den  Weichselbaum 
als  „  D  i  p  1 0  c  0  c  c  u  s  pneumoniae"  bezei ebnet.  Aber  auch  der 
letztere  stellt  einen  ganz   constanten  Befund  nicht  dar. 

Es  kommt  übrigens  bezüglich  des  Bakterienbefimdes  ganz  darauf 
an,  ob  die  Pneumonie  eine  genuine,  primäre,  oder  ob  sie  eine 
acci  den  teile,  secundäre  ist.  Während  bei  der  ersteren  in  den 
allermeisten  Fällen  (wenn  auch  nicht  constant)  der  D  i  p  1  o  c  o  c  c  u  s 
pneumoniae  gefunden  wird,  so  triflPt  man  bei  den  secundären 
Pneumonien  ausser  dem  D  i  p  1  o  c  o  c  c  u  s  pneumoniae  und  ausser 
dem  Bacillus  pneumoniae  unter  Umständen  auch  den  Strepto- 
coccus p3'0genes,  ja  sogar  den  Staphj^lococcus  p3rogenes 
aureus   an. 

Ein  einheitlicher  Bakterienbefund  existirt  also  bei  der  Pneu- 
monie nicht. 

Ausserdem  ist  auch  die  Eolle  des  am  häufigsten  gefundenen 
Organismus,  des  Diplococcus  pneumoniae,  mit  dem  Vorkommen 
bei  der  Pneumonie  durchaus  nicht  erschöpft.  Man  hat  ihn  z.  B.  bei 
Otitis  media  (ZaufaT^),  Weichselbaum),  bei  epidemischer  Cerebro- 
spinalmeningitis  (Foä  und  Bordoni-Uffreduzzi^),  Weichsel- 
baum) wie  auch  bei  sporadischer  eitriger  Meningitis  (Weichselbaum'*), 

1)  Verh.  d.  3.  Congr.  f.  inn.  Med.  1884.  —  Zeitschr.  f.  kl.  Med.  Bd.  10.  1886. 
p.  401  ff.;   Bd.   11.     1886.    p.  437  ff". 

-)  Wiener  med.  Jahrbücher.     1886. 

^)  Prager  med.  Wochenschr.     1889.     No.  6—10,  12. 

^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  4.     1888. 

■')  Fortschr.  d.  Med.  1887.  No.  18,  19.  —  In  dieser  Mittheilung  berichtet 
Weichselbaum  über  8  untersuchte  Fälle  von  sporadischer  acuter  Menin- 
gitis cerebrospinalis.  2  von  den  Fällen  waren  bedingt  durch  den  Diplococcus 
pneumoniae;  die  anderen  6  waren  veranlasst  durch  einen  bis  dahin  unbekannten 
Mikroorganismus,  den  ,, Diplococcus  intracellularis  meningitidis".  Die 
Zellen  des  letzteren  erinnern  in  ihrer  Gestalt  sowie  in  ihrer  Eigenschaft,  meist  inner- 
halb von  Zeilen  zu  liegen,  an  den  Gonococcus.  Nach  Gram  entfärben  sie  sich. 
Ihre  Cultur  gelang  Weichselbaum.  —  Nach  neueren  Untersuchungen  von  Jäger 
(Zeitschr.  f.  Hvg.  Bd.  19.  1895.  p.  368) '  wird  auch  die  eigentliche  Meningitis 
epidemica  gewöhnhch  durch  den  Weichselbaum'schen  Diplococcus  intra- 
cellularis veranlasst. 


Die  Bakterien  der  Pneumonie.  387 

Ortmann ^),  Zörkendörfer-)),  bei  ulceröser  Endocarditis  (We ich  sei- 
fe auni''))  nachgewiesen;  und  es  ist  Weichselbaum  auch  gelungen, 
bei  Kaninchen  nach  vorhergehender  Verletzung  der  Herzklappen  (cf. 
p.  380j  durch  intravenöse  Einverleibung  des  Diplococcus  pneumoniae 
Endocarditis  experimentell  hervorzurufen.  Auch  bei  primärer  mul- 
tipler Gelenkentzündung  ist  der  genannte  Mikroorganismus  gefunden 
worden  (BouUoche^)). 

Der  Diplococcus  pneumoniae  wird  auch  bei  einzelnen  ganz  ge- 
sunden Menschen  ganz  constant  in  der  Mundhöhle  angetroffen ; 
es  giebt  Menschen,  deren  Mundflüssigkeit,  Kaninchen  subcutan  mjicirt, 
die  Thiere  an  derselben  Septicaemie  („Sputumsepticaemie")  zu 
Grunde  gehen  lässt,  die  nach  Injection  virulenter  Reincultur  des  Diplo- 
coccus pneumoniae  (cf.  p.  389)  entsteht.''^) 

Aus  dem  Dargelegten  geht  hervor,  dass  von  einer  völligen  Klar- 
heit hinsichtlich  der  Entstehungsursache  der  Pneumonie  keine  Rede 
ist.  Besonders  fehlen  auch  überzeugende  Thierversuche ,  welche  die 
Pneumonie  veranlassende  Eigenschaft  des  einen  oder  des  an- 
deren Mikroorganismus  darthun,  noch  völlig. 

Der  Diplococcus  pneumoniae  sowohl  wie  der  Bacillus 
pneumoniae  sind  im  Uebrigen  für  Thiere  pathogen. 

Wir  wollen  in  Folgendem  die  Eigenschaften  beider  Organismen 
in  Kürze  darstellen. 

a.   Der  Diplococcus  pneumoniae. 

Der  Diplococcus  pneumoniae  (Pneumoniemikrococcus 
A.  Fraenkel,  Mikrococcus  der  Sputumsepticaemie,  Diplococcus 
lanceolatus,  lanzettförmiger  Diplococcus,  Meningococcus  %  Streptococcus 
lanceolatus  Pasteuri)  wird   häufig   in  dem  pneumonischen  Lungensafte, 


1)  Vircb.  Arch.     Bd.   120.     1890.     p.  109  ff. 

'^)  Prager  med.  Wochensclir.     1S93.     No.  IS. 

4  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  2.     1887.     No.  S. 

^)  Arch.  de  med.  exper.  et  d'anat.  pathol.  t.  3.  1891.  p.  252  ff.  — An  die  Ge- 
lenkentzündung scbloss  sich  in  dem  Falle  secundär  eine  Pneumonie  an. 

■')  W.  D.  Miller  (The  human  mouth  as  a  focus  of  infection.  Dental-Cosmos. 
Sept.  —  Nov.  1891)  unterscheidet  vier  verschiedene  (für  weisse  Mäuse  pathogene)  Arten 
von  „Micrococcus  of  Sputum  Septicaemia",  die  in  der  Mundhöhle  gesunder  Menschen 
gefunden  wurden.  —  Bezüglich  der  anderen  in  der  menschlichen  Mundhöhle  vor- 
kommenden pathogenen  Bakterienarten  verweise  ich  auf  das  Werk  von  Miller:  Die 
jVIikroorganismen  der  Mundhöhle.     Leipzig  (Gr.  Thieme).    2.  Aufl.    1892.    p.  293  ff. 

")  Der  Name  stammt  von  Foä  und  Bordoni-Uffreduzzi  (cf.  p.  386). 
Foä  unterscheidet  zwischen  „Pneuraococcus"  und  „Meningococcus"  (siehe  den  Schluss 
dieses  Abschnittes). 


388  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

femer  bei  Affectionen,  welche  sich  secundär  an  eme  bestehende 
Pneumonie  anschliessen  (Pleuritis,  Pericarditis,  Peritonitis,  Meningitis, 
Endocarditis  etc.)  angetroffen.  Im  pneumonischen  Sputum  findet  er 
sich  gewöhnlich;  er  kommt  aber  auch  im  normalen  Sputum  ganz  ge- 
sunder Menschen  vor.^) 

Der  Diplococcus  pneumoniae  ist  vielleicht  nicht  eigentlich  zu  den 
Miki'ococcen  zu  rechnen.  Seine  meist  zu  zweien  zusammen  auftretenden 
Individuen  sind  gewöhnlich  etwas  in  die  Länge  gezogen  und  an  den 
Enden  deutlich  lanzettförmig  zugespitzt  (cf.  das  typische  Photogramm-) 
Fig.  68  auf  Taf.  XU);  gelegenthch  findet  sich  der  Organismus  auch 
in  kürzeren  oder  längeren  Ketten  angeordnet.-^) 

Der  Diplococcus  pneumoniae  ist  unbeweglich.  Im  Gewebe 
liegend  (in  der  pneumonischen  Lunge  des  Menschen  oder  in  den  Or- 
ganen von  Versuchsthieren)  zeigt  sich  der  Diplococcus  von  einer  deut- 
lichen Kapsel  (p.  385)  umgeben.  In  künstlichen  Culturen  zeigt  der 
Organismus  keine  Kapseln. *) 

Der  Diplococcus  pneumoniae  wächst  auf  den  künstlichen  Nähr- 
böden, aber  nur  bei  höherer  Temperatur.  Unter  22^0.  kommt 
ein  Wachsthimi  nicht  zu  Stande.  Am  besten  wächst  er  bei  etwa 
35*^  C.  Die  Nährböden  müssen  schwach  alkalisch  sein.  Auf 
der  Oberfläche  von  Agar  und  von  Blutserum  bildet  der  Diplo- 
coccus pneumoniae  äusserst  feine,  me  aus  einzelnen  Thautröpfchen 
zusammengesetzt  erscheinende  Ueberzüge,  welche  an  Erysipelcoccen- 
cultm-en  erinnern  (cf.  oben  p.  374).  Agarculturen  sterben  gewöhnhch 
schon  in  wenigen  Tagen  ab,  nachdem  sie  zunächst  ihre  pathogenen 
Eigenschaften  für  Thiere  (siehe  weiter  unten)  verloren  haben.  Etwas 
haltbarer  sind  Bouillonculturen.  Ln  angetrockneten  Auswurf  des 
Pneumonikers  bleibt  der  Diplococcus  pneumoniae  lange  Zeit  lebens- 
fähig imd  virulent.''^) 

Der  Diplococcus  pneumoniae  ist  für  unsere  Yersuchsthiere,  nament- 


^)  Die  erste  derartige  Mittheilung  (aus  dem  Jahre  1880)  stammt  von  Stern- 
berg (cf.  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  12.    1892.    p.  53). 

-)  Vergl.  p.  385,  Anm.  5. 

^)  Kruse  und  Pansini  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  11.  1892.  p.  283)  finden,  dass 
bezüglich  der  Form  des  Diplococcus  pneumoniae  alle  Uebergänge  von  der  typischen 
Gestalt  des  Diplococcus  lanceolatus  bis  zu  der  des  Streptococcus  pyogenes  vorkommen. 

^)  Eine  Ausnahme  machen  nach  Ortmann  (Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharmak. 
Bd.  24.  1888.  p.  304)  Culturen  in  Blutserum;  hier  sind  die  Organismen  mit 
Kapseln  zu  finden.  Nach  Paulsen  (cf.  p.  390,  Anm.  1)  werden  auch  bei  der 
Cultivirung  in  Milch  Kapseln  gebildet. 

^)  cf.  Bordoni-Uffreduzzi,  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  10.  1891.  No.  10; 
auch  Archivio  per  le  scienze  med.     vol.  15.     1891. 


Die  Bakterien  der  Pneumonie.  389 

lieh  für  Kaninclien,  aber  auch  für  Meerschweinchen  und  Mäuse, 
pathogen.  Macht  man  einem  Kaninchen  mit  einer  frischen  viru- 
lenten Bouilloncultur  eine  Injection  unter  die  Haut,  sü  geht  das  Thier 
in  1  bis  2  Tagen  an  einer  typischen  Septicaemie  (cf.  oben  p.  200) 
zu  Grunde.  Die  Mlz  ist  stark  geschwollen.  Ratten  sind  wenig 
empfänglich  für  die  Infection,  Hühner  und  Tauben  unempfänglich: 
ebenso  fanden  Kruse  und  Pansini^)  ein  Schaf  und  ein  Pferd  un- 
empfänglich. 

lieber  Immunisirung  der  so  hoch  empfänglichen  Kaninchen 
gegen  die  Infection  hat  zuerst  Foä-)  berichtet;  die  Immunisirung 
gelang  durch  Einverleibung  der  löslichen  Culturproducte  des  Diplo- 
coccus.  Emmerich  und  Fowitzky^)  erreichten  eine  complete 
Immunität  der  Kaninchen  durch  intravenöse  Injection  stark  verdünnter 
vollvirulenter  Culturen  des  Diplococcus.  Mit  den  Körpersäften  so  im- 
munisirter  Kaninchen  vermochten  die  Autoren  bei  der  Maus  Heilung 
der  speciflschen  Infection  zu  bewirken.  Gr.  und  F.  Klemperer*) 
haben  eine  ganze  Reihe  von  Methoden  angegeben,  mit  Hülfe  deren 
man  Kaninchen  gegen  die  Infection  mit  dem  Diplococcus  pneumoniae 
zu  immunisiren  vermag.  In  dem  Blutserum  genesener  Pneumoniker 
wiesen   die  Autoren  thierimmunisirende  Stoffe  nach  (cf.  oben  p.  216). 

Der  Diplococcus  pneimioniae  färbt  sich  mit  den  gewöhnlichen 
wässerig- alcoholischen  Farbstoff lösungen ;  hier  wird  der  Protoplasma- 
körper dunkel  gefärbt,  während  die  Kapsel  nur  eine  ganz  geringe 
Färbung  anninmit.  Der  Organismus  färbt  sich  auch  nach  der  G-ra mi- 
schen Methode  (p.  108  ff.);  bei  der  letzteren  bleibt  aber  nur  der 
Protoplasmakörper  gefärbt,  während  sich  die  Kapsel  vollständig 
entfärbt. 

Oben  (p.  386,  387)  wurde  schon  mitgetheilt,  dass  der  Diplo- 
coccus pneumoniae  sich  gelegentlich  bei  Meningitis  findet,  'und  dass 
Foä  und  Bordoni-Uffreduzzi  aus  Anlass  dieses  Befimdes  den 
Namen  „Meningococcus"  gebildet  haben.  Es  ist  nun  zu  bemerken, 
dass  Foä'^)  die  beiden  „Varietäten"  „Meningococcus"  und  „Pneu- 
mococcus"    streng  von   einander   geschieden   wissen   will:   Beide    er- 


^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  11.     1S92. 

'-)  Accad.  di  med.  di  Torino.  6  dicembre  1890.  —  D  Policiinico.  1890. 
No.  18.     p.  547. 

")  Münch.  med.  Wocbenschr.     1891.     No.  32. 

■*)  Berl.  klin.  Wocbenschr.     1891.     No.  34,  35. 

■^)  La  Riforma  medica.  1891.  No.  60.  p.  709;  Zeitscbi-.  f.  Hyg.  Bd.  15.  1893. 
p.  375,  376. 


390  B-    Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

zeugen,  subcutan  auf  Kaninchen  verimpft,  Septicaemie;  bei  dem 
Meningococcus  entsteht  dabei  keinerlei  locales  Oedem,  die  Thiere 
sterben  2  bis  3  Tage  nach  der  Impfung  und  zeigen  harten,  fibri- 
nösen Milztumor;  der  Pneumococcus  hingegen  erzeugt  immer 
Oedem  und  tödtet  das  Thier  in  24  Stunden,  es  findet  sich  weicher, 
dunkler  Milztumor. 

b.  Der  Bacillus  pueumouiae. 

Der  Bacillus  pneumoniae  (Pneumoniemikrococcus  [Pneumo- 
coccus] Friedlcänder)  wird  in  seltenen  Pällen  bei  der  menschlichen 
Pneumonie  gefimden,  und  zwar  hier  entweder  allein  oder  mit  anderen 
Mikroorganismen  zusammen.  Er  ist  auch  bei  anderen  Affectionen  (bei 
Schnupfen  im  X  a  s  e  n  s  e  c  r  e  t ,  bei  Otitis  media  acuta)  gefunden 
worden. 

Der  Bacillus  pneumoniae  unterscheidet  sich  sofort  durch  seine 
erheblichere  Grösse  von  dem  Diplococcus  pneumoniae.  Man  ver- 
gleiche hierzu  die  beiden  Photogramme  Fig.  68  und  Fig.  69  (Taf.  XII), 
die  beide  bei  lOOOfacher  Yergrösserung  aufgenommen  sind.  Fig.  69 
entstammt  einem  Präparate,  welches  von  dem  Pleurasafte  einer  nach 
intrapleuraler  Infection  mit  dem  Bacillus  pneumoniae  gestorbenen  Maus 
hergestellt  wurde.  Man  sieht  an  dem  Bilde  sehr  schön  die  aus- 
geprägte Kapselbildung  bei  diesem  Organismus.  Uebrigens  werden 
die  Kapseln  auch  hier  {vde  bei  dem  Diplococcus  pneumoniae)  nur 
innerhalb  des  thierischen  (resp.  menschlichen)  Organismus,  nicht  in 
der  künstlichen  Cultur,  gebildet.^)  Die  Länge  des  Bacillus  ist  ver- 
schieden.    Eigenbewegung  ist   nicht   vorhanden. 

Der  Bacillus  pneumoniae  wächst  auf  den  gewöhnlichen  bakterio- 
logischen Xährböden,  und  zwar  sowohl  bei  Zimmertemperatur  wie  bei 
Brüttemperatur. 

Auf  der  Gelatineplatte  bilden  sich  weisse  Colonien,  welche, 
an  die  Oberfläche  des  Nährbodens  gelangend,  sich  als  dicke,  halb- 
kugelige, porcellanartig  glänzende  weisse  Knöpfchen  über  der  Gelatine 
erheben.  Die  Gelatine  wii'd  nicht  verflüssigt.  In  der  Stich- 
cultur  kommt  in  der  gesammten  Ausdehnung  des  Impfstiches  Wachs- 
thum  zu  Stande ;  es  bildet  sich  eine  weisse  Wucherung,  die  sich  auf 
der  Oberfläche  (ähnlich  wie  bei  der  Plattencultur)  besonders  kräftig 
entwickelt  und  hier  als  dicker,  halbkugeliger,  nagelkopfähnlicher  („Xagel- 


0  Xach  Paulsen  (Physiol.  Verein  zu  Kiel.  29.  Mai  1893;  cf.  Centralbl.  f. 
Bakt.  Bd.  14.  p.  2.51)  bildet  der  Bacillus  pneumoniae  (wie  der  Diplococcus  pneu- 
moniae; cf.  p.  3Sb,  Anm.  4)  bei  der  Cultivirung  in  Milch  Kapseln. 


Der  Bacillus  des  Ehinoscleroms.  391 

cultiir"  Fr ie  dl  ander),  glänzend  weisser  Belag  erscheint.  Alte 
Gelatineciüturen  zeigen  die  Gelatine  etwas  braun  gefärbt. 

Auf  der  Agar  ob  er  fläche  bildet  sich  ein  weisslicher  Belag. 
Auf  Kartoffeln  entwickeln  sich  gelblich -weisse  Auflagerungen,  in 
denen,  namentlich  bei  Brüttemperatur,  Gasblasenbildung  auftritt. 

Trauben  zuck  er  lösungen  werden  durch  den  Bacillus  unter 
Entbindung  von  Kohlensäure  und  Wasserstoff  vergohren.  Hierbei 
entsteht  namenthch  Essigsäure  und  Aethylalcohol.  ^) 

Sporenbildung  ist  nicht  beobachtet. 

Die  Culturen  des  Bacillus  pneumoniae  sind  viel  dauerhafter  als 
die  des  Diplococcus  pneumoniae.  Noch  nach  Monaten  zeigen  sie  sich 
lebensfähig. 

Der  Bacillus  pneumoniae  ist  für  Mäuse,  ferner  auch  für  Hunde, 
weniger  für  Meerschweinchen,  pathogen.  Für  Kaninchen  ist  er  (zum 
Unterschiede  von  dem  Diplococcus  pneumoniae)  nicht  pathogen.  Brachte 
Friedländer  empfänglichen  Thieren  die  Cultur  intrapleural  (cf. 
oben  p.  197,  Anm.  5)  oder  intraabdominell  bei,  oder  Hess  er  die 
Thiere  verstäubte  Cultur  inhahren,  so  gingen  sie  zu  Grunde.  Es 
zeigte  sich  starke  Vermehrung  der  eingeführten  Bakterien  in  der 
Pleurahöhle  resp.  in  der  Bauchhöhle;  femer  waren  die  Organismen 
im  Blute  und  in  den  inneren  Organen  zu  finden.  In  einzelnen  Fällen 
bildeten  sich  auch  pneumonische  Processe  aus. 

Der  Bacillus  pneumoniae  färbt  sich  nicht  nach  der  Gram'- 
schen  Methode  (p.  108  ff.).  Im  Uebrigen  verhält  er  sich  hinsichtlich 
der  Färbbarkeit  seines  Protoplasmakörpers  und  seiner  Kapsel  wie  der 
Diplococcus  pneumoniae  (cf,  p.  389). 


25.    Der  Bacillus  des  Rhinoscleroms. 

Das  „Rhinosclerom"  wurde  zuerst  von  Hebra  (1870)  als  selb- 
ständiges Krankheitsbild  beschrieben;  v.  Frisch^)  wies  (1882)  zuerst 
das  constante  Vorkommen  von  Bacillen  in  den  rhinosclerotischen 
Partien  nach.  Cornil  und  Alvarez^^)  entdeckten  (1885)  „Kapsel- 
bildung" an  diesen  Bacillen. 

Paltauf  und  v.  Eiselsberg^)  züchteten  die  „Rhinosclerom- 


1)  cf.  Brieger,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.    Bd.  S.    1SS4.    p.  310;    Bd.  9. 
1SS5.    p.   5. 

"-)  Wien.  med.  Wochenscbr.     1882.     No.  32. 

'^)  Arcli.  de  phys.  normale  et  path.    t.  6.    1885.    p.   11. 

•*)  Fortschr.  d.  Med.     ISSC.     No.  19  u.  20. 


392  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

bacilleu"  in  Eeinciütiir.  Dieselben  sind  sowohl  in  dem  Cultur- 
verhalten  wie  in  dem  Verhalten  gegen  Versuchsthiere  dem  Pried- 
1  ä  n  d  e  r '  sehen  Bacillus  pneumoniae  sehr  ähnlich.  ^)  I^ur  die 
Virulenz  erschien  bei  den  Ehinosclerombakterien  etwas  geringer  als 
bei  den  Frie  dl  an  der 'sehen.  Rhinosclerom  experimentell  damit  zu 
erzeugen  gelang  nicht. 


26.    Der  R.  Pfeiffer'sche  Kapselbacillus. 

R.  Pfeiffer-)  fand  in  der  Bauchhöhle  eines  spontan  gestorbenen 
Meerschweinchens  ein  zähes  eiterartiges  Exsudat,  welches  sich  mikro- 
skopisch aber  nicht  aus  Eiterzellen  bestehend  erwies,  sondern  die  Rein- 
cultur  eines  Bacillus  darstellte,  der  sich  auch  lq  dem  Blute  der 
Leiche  vorfand.  Es  ist  dies  ein  plumper  Bacillus  mit  abgerundeten 
Enden,  der  schöne  ovale  Kapseln  besitzt  („Bacillus  Capsu- 
la t  u  s  "). 

Der  Bacillus  ist  ohne  Eigenbewegung.  Er  wächst  auf  den  ge- 
meinen Nährböden,  bei  Brüttemperatur  besser  als  bei  Zimmertemperatur, 
bildet  bei  dem  Einstich  in  Gelatine  glänzend  weisse  „Nagelculturen" 
wie  der  Friedländer 'sehe  Bacillus  (cf.  p.  390).  Der  Bacillus  ist 
facultativ  anaerob,  bildet  innerhalb  der  Gelatine  (geruchloses)  Gas. 
Die  Gelatine  wird  nicht  verflüssigt. 

Auf  der  Agar  ob  er  fläche  bilden  sich  dicke,  saftige,  weisse, 
fadenziehende  Ueberzüge,  auf  der  Kartoffel  gelblich -weisse,  faden- 
ziehende Beläge. 

Sporenbildung  wurde  nicht  constatirt. 

Für  weisse  Mäuse  und  Hausmäuse  ist  der  Bacillus  sehr  pathogen. 
Nach  subcutaner  Impfung  sterben  die  Thiere  innerhalb  von  2  bis  3  Tagen. 
Die  ]\Iilz  der  gestorbenen  Thiere  ist  stark  geschAvollen.  Ueberall  im 
Blute  und  in  den  Organen  finden  sich  die  Bacillen,  mit  schönen  Kapseln 
versehen.  Meerschweinchen  und  Tauben  sowie  Kaninchen  sind  eben- 
falls empfänglich  für  die  Infection.  Meerschweinchen  und  Tauben  lassen 
sich  aber  nur  vom  Peritoneum  aus,  Kaninchen  nur  durch  intravenöse 
Einverleibung  grösserer  Mengen  der  Cultur  inficiren.  Die  Körper  der 
gestorbenen  Thiere  verfallen  rascher  postmortaler  Zersetzung.  Das  Blut 
und  die  Gewebssäfte  sind  fadenziehend. 


^)  Die  Ehinosclerombacilleu  sollen  sich  im  Gegensatz  zu  den  Friedländer'- 
schen  Organismen  nach  der  Gram 'sehen  Methode  {p.  ]  OS  ff.)  färben  lassen  (Zagari, 
Dittrich,   V.  Babes). 

'-)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  6.     1&S9. 


Der  E.  Pfeiffersche  Kai^selbacillus.  —  Der  Influenzabacillus.  393 

Der  Bacillus  färbt  sich  nicht  nach  der  Gram  "sehen  Methode 
(p.  108  ff.),  verhält  sich  sonst  hinsichthch  der  Färbbarkeit  seines  Proto- 
plasmakörpers imd  seiner  Kapsel  wie  der  Diplococcus  pneumoniae 
(p.  389). 


27.    Der  Influenzabacillus. 

Bei  Gelegenheit  der  Influenzaepidemie  des  Winters  1891/92 
hat  R.  Pfeiffer^)  an  einem  grösseren  Krankenmaterial  den  Nachweis 
geführt,  dass  der  katarrhalischen  Influenza,  d.  h.  derjenigen 
Form  der  Influenza,  bei  der  in  erster  Linie  die  Luftwege  erkrankt 
sind,  eine  bestimmte  wohlcharacterisirte  Bacillenart  eigenthümlich 
ist.  Diese  Bacillenart,  „Influenzabacillus",  findet  sich  constant 
und  ausschliesslich  bei  Influenza;  der  Bacillus  darf  deshalb  als  der 
Erreger  der  katarrhalischen  Influenza  angesehen  Averden.-) 

Wir  haben  uns  die  katarrhalische  Influenza  als  einen  sich  p  r  i  m  ä  r 
in  den  Luftwegen  abspielenden  Krankheitsprocess  vorzustellen. 
In  leichten  Fällen  kann  diese  locale  Affection  die  Schleimhaut  des 
Nasenrachenraumes  allein  betreffen;  der  Process  geht  aber  gewöhnlich 
auf  die  Trachea  und  die  Bronchien  über  und  kann  in  schwersten 
Fällen  zu  der  (lobulären)  Influenzapneumonie  fuhren.  In  jedem  Falle 
findet  man  in  dem  die  erkrankte  Schleimhaut  bedeckenden  Secret  die 
specifischen  Stäbchen.  Dieselben  hegen  in  fiischen,  fiebernden  Fällen 
meist  frei  im  Schleim;  in  der  Reconvalescenz  zeigen  sie  sich  vielfach 
im  Innern  von  Eiterzellen  eingeschlossen.  Bei  der  Vermehrung  der 
Stäbchen  an  Ort  und  Stelle  wird  ohne  Zweifel  ein  Gift  gebildet, 
welches  in  den  Körper  hineingelangt  und  die  schweren,  der  Influenza 
eigenthümlichen  AllgemeinsjTnptome  verursacht.  Die  Stäbchen  finden 
sich  in  dem  ( gelbgrünhchen ,  zähschleimigen)  Sputum  der  Influenza- 
kranken; sie  sind  um  so  mehr  von  begleitenden  Bakterien  frei,  aus 
je  tieferen  Stellen  der  Luftwege  das  Sputiun  stammt.     Bei  der  Section 


')  Pfeiffer,  Deutsche  med.  Wochenschr.  1892.  No.  2;  Pfeiffer  und  Beck, 
ebenda  1892.    No.  21;    Pfeiffer,  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  13.    1893. 

'■^)  Ueber  die  Aetiologie  der  „gastrischen"  und  der  „nervösen"  Influenza  ist 
noch  wenig  Sicheres  ermittelt.  Nauwerck  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1895. 
p.  395)  hat  in  einem  Falle  von  apoplectischer  Encephalitis  (bei  der  die  Nase 
[Schnupfen]  wahrscheinlich  als  Eingangspforte  für  die  Bakterien  gedient  hatte)  in 
der  Veutrikelflüssigkeit  durch  Cultur,  in  dem  encephalitischen  Herde  mikroskopisch 
Bacillen  nachgewiesen,  die  mit  Wahrscheinhchkeit  als  Inüuenzabacillen  anzusprechen 
sind.  —  Vergl.  auch  die  Mittheilungen  von  A.  Pfuhl  (Berl.  khn.  Wochenschr. 
1S92.     No.  39,  40). 


394  B-  Diß  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

von  Fällen,  die  auf  der  Höhe  der  Krankheit  verstorben  sind,  findet 
man  die  Influenzastäbchen  in  dem  Inhalte  der  erkrankten  kleinen 
Bronchien  in  Eeincultur. 

Der  Influenzabacillus  ist  ein  sehr  kleines,  dünnes  Stäb- 
chen (kürzer  und  dünner  als  der  Bacillus  der  Mäusesepticaemie)  mit 
abgerundeten  Enden.  Eigenbewegung  fehlt.  Die  Stäbchen 
liegen  meist  einzeln  oder  zu  zweien  mit  einander  verbunden  (Theilungs- 
vorgänge).  In  gefärbten  Präparaten  zeigen  sich  häufig  die  Endpole 
der  Stäbchen  gefärbt,  während  die  Mitte  ungefärbt  ist. 

Der  Bacillus  ist  streng  aerob.  Er .  lässt  sich  künstlich  bei 
B  r  ü  1 1  e  m  p  e  r  a  t  u  r  züchten ;  das  Temperaturminimum  liegt  bei  etwa 
26  bis  27^  C,  das  Temperaturmaximum  bei  42«  C. 

Der  Bacillus  wächst  auf  den  gewöhnlichen  bakteriologischen  Nähr- 
böden durchaus  gar  nicht;  dagegen  erhält  man  einen  ausgezeichneten 
Nährboden  für  diesen  Organismus,  wenn  man  frisches  Blut  auf  die 
Agarfläche  aufstreicht  („Blut-Agar";  cf.  oben  p.  128).  Es 
eignet  sich  zu  diesem  Zwecke  Blut  von  Menschen,  Kaninchen,  Meer- 
schweinchen, Tauben,  Fröschen.  Ein  ganz  besonders  üppiges  Wachs- 
thum  erhält  man  auf  Taubenblut-Agar.^) 

Ueberträgt  man  das  bronchiale  Sputum  des  Influenzakranken  oder 
den  bei  der  Section  entnommenen  Inhalt  der  erkrankten  Bronchien  — 
am  besten,  nachdem  man  das  Material  zunächst  mit  Bouillon  zu  einer 
dünnen  Aufschwemmung  verrieben  hat  —  auf  Blutagar,  so  bilden  sich 
binnen  24  Stunden  im  Brütschrank  Colonien  des  Influenzabacillus. 
Dieselben  erscheinen  als  dicht  gedrängt  stehende,  wasserhelle  Tröpf- 
chen; meist  sind  sie  so  klein,  dass  man  behufs  ihrer  deutlichen  Er- 
kennung die  Loupe  zu  Hülfe  nehmen  muss.  Mikroskopisch  erscheinen 
die  Colonien  structurlos.  Andere  Nährböden  (gewöhnhches  Agar, 
Glycerin-Agar,  Blutserum  etc.),  welche  man  in  derselben  Weise  beimpft, 
bleiben  (bei  ausschliesslicher  Anwesenheit  von  Influenzabacillen)  durch- 
aus steril.  Die  Eigenschaft,  ausschliesslich  auf  h  ä  m  o  g  1  o  b  i  n - 
h a  1 1 i g e n  Nährböden  zu  wachsen,  ist  dem  Influenzabacillus 
eigenthümlich  und  kann  zur  Unterscheidung  desselben  von  anderen 
Bakterienarten  benutzt  werden.  Mikroskopisch  ist  eine  Differential- 
diagnose  von    ähnlichen  Bakterienarten   nicht  mit   Sicherheit  möglich. 

Auf  dem  Blutagar  lassen  sich  die  Influenzabacillen  in  beliebig 
vielen   Generationen   fortzüchten.     Die    einzelnen   Culturen    bleiben 


^)  Die  mit  dem  Blut  bestrichenen  Agarröhrchen  stellt  man  vor  der  Aufimpfung 
des  Influenzamaterials  zweckmässig  24  Stunden  lang  in  den  Brütschrank,  um  sie 
auf  ihre  Sterilität  zu  prüfen. 


Der  Bacillus  der  Bubonen-Pest.  395 

Ibis  ZU  mehreren  Wochen  lebensfähig.  Durch  die  wiederholte  Um- 
züchtimg  verlieren  die  Influenzabacillen  ihre  Eigenschaft,  ausschliess- 
lich auf  Blutagar  zu  gedeihen,  nicht. 

Im  Blut  des  Influenzakranken  wurden  die  Influenzabacillen  mikro- 
skopisch von  C  a  n  0  n  ^)  festgestellt.  Sie  scheinen  sich  aber  ganz  ausser- 
ordentlich selten  und  spärlich  im  Blute  vorzufinden.^) 

Gegen  Austrocknung  (und  ebenso  gegen  andere  schädigende 
Einflüsse)  ist  der  Influenzabacillus  ganz  ausserordentlich  empfindhch. 
Im  feuchten  Zustande,  z.  B.  in  Influenzasputum ,  welches  vor  Aus- 
trocknung bewahrt  bleibt,  kann  er  wahrscheinlich  wochenlang  entwicke- 
lungsfähig  bleiben.     Sporenbildung  existirt  nicht. 

Von  Versuchsthieren  hat  sich  nur  bei  Affen  eine  der 
katarrhalischen  Influenza  des  Menschen  ähnliche  Affection  (durch 
intratracheale  Injection  der  Reincultur)  erzielen  lassen.  Gegen  das 
specifische  Gift,  welches  in  den  Culturen  enthalten  ist,  zeigen  sich 
Kaninchen  sehr  empfindlich.  Die  Thiere  bekommen  nach  der  Ein- 
verleibung desselben  Dyspnoe  und  lähmungsartige  Schwäche  der 
Musculatur. 

Die  natürliche  Infection  des  Menschen  geschieht  bei  der 
katarrhalischen  Influenza  ohne  Zweifel  durch  Inhalation  der  Erreger. 

Der  Influenzabacillus  färbt  sich  mit  den  gewöhnlichen  Farbstoff- 
lösungen. Nach  der  Gram 'sehen  Methode  (p.  108  ff'.)  färbt  er  sich 
nicht. 


28.    Der  Bacillus  der  Bubonen-Pest. 

Im  Sommer  1894  hatte  Y  er  sin  Gelegenheit  bakteriologische 
Untersuchungen  über  die  Entstehungsursache  der  Pest  in  Hongkong 
vorzunehmen.  Der  Autor  hat  als  Ursache  der  Krankheit  einen  specifi- 
schen  Bacillus  ermittelt.^) 

Die  Pest  ist  eine  epidemisch  auftretende  Krankheit,  welche  unter 
einer  Bevölkerungsgruppe  fast  nur  den  ärmeren,  in  hygienisch  schlech- 
ten Verhältnissen  lebenden  Theil  befällt.  Nach  4^/._,  bis  ßtägiger 
Incubationszeit  tritt  plötzlich  allgemeine  Erschlaffung  und  Prostration 
auf;  meist  in  der  Weichengegend  zeigt  sich  eine  geschwollene  Lymph- 


1)  Deutsche  med.  Wochenschr.     1892.    No.  2;    Virch.  Arch.    Bd.  131.    1893. 

2)  Chiari  (Prag.  med.  Wochenschr.  1893.  p.  632)  fand  —  durch  das  Cultur- 
verfahren  —  in  einem  SectionsfaUe  von  Influenza  die  Pfeiffer 'sehen  Bacillen  in 
der  geschwollenen  Milz. 

3)  Yersin,  Annales  de  l'Inst.  Pasteur.  1894.  No.  9.  p.  662  fi".;  Yersin, 
Calmette  und  Borrel,  Ann.  de  l'Inst.  Pasteur.    1895.    No.  7.    p.  589  ff. 


396  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

drüse,  welche  bald  Hülinereigrösse  erreicht.  48  Stunden  nach  Beginn 
der  Erkrankung  oder  auch  früher  erfolgt  der  Tod.  Etwa  95^/q 
der  Erkrankten  sterben.  Bevor  die  Epidemie  die  Menschen  ergreift, 
pflegt  sie  unter  den  Mäusen,  Ratten,  Büffeln  und  Schweinen  zu 
herrschen. 

In  der  Pulpa  der  geschwollenen  Lymphdrüsen  (Pestbeulen) 
findet  sich  stets  in  grossen  Mengen  ein  kurzer,  dicker  Bacillus 
mit  abgerundeten  Enden,  ohne  Eigenbewegung;  im  Blute  findet  sich 
derselbe  nur  bei  sehr  schweren,  rapide  tödtlichen  Fällen.  Bei  der 
Behandlung  mit  basischen  Anilinfarbstoflfen  nimmt  der  Bacillus  die 
Färbung  an  den  Enden  stärker  auf  als  in  der  Mitte ;  nach 
der   Gram 'sehen  Methode  (j3.   108  ff.)  färbt  er  sich  nicht. 

Auf  der  Agar  Oberfläche  bildet  der  Pestbacillus  weissgraue  trans- 
parente Colonien  mit  irisirenden  Rändern;  besser  als  auf  gewöhnlichem 
Agar  gedeiht  er  auf  Glycerin-Agar. 

Die  Bouillonculturen  des  Pestbacillus  haben  Aehnlichkeit  mit 
Streptococcenculturen :  die  Culturflüssigkeit  selbst  erscheint  klar;  an 
den  Wänden  und  auf  dem  Grunde  des  Culturglases  finden  sich  Klümp- 
chen  von  Bakterienmasse.  Der  beste  flüssige  Nährboden  wird  durch 
eine  alkalische  2proc.  Peptonlösung  gebildet,  die  einen  Zusatz  von 
1  —  2%  Gelatine  erhielt.  Die  in  den  flüssigen  Nährböden  sich  ent- 
wickelnden Bakterienanhäufimgen  stellen  mila-oskopisch  Ketten  dar,  die 
aus  kurzen  Bacillen  bestehen. 

Mäuse,  Ratten,  MeerschAveinchen,  Kaninchen  sind 
durch  subcutane  Einverleibung  des  Bacillus  leicht  zu  inficiren; 
Mäuse  gehen  nach  1  —  3  Tagen,  Meerschweinchen  nach  2  —  5  Tagen 
zu  Grunde.     Tauben  verhalten  sich  refractär. 

Bei  Meerschweinchen  entwickelt  sich  schon  wenige  Stunden 
nach  der  subcutanen  Infection  ein  locales  Oedem;  zugleich  schwellen 
die  benachbarten  Lj^nphdrüsen  an.  Nach  24  Stunden  findet  man  die 
Thiere  mit  gesträubten  Haaren  dasitzen.  Plötzlich  fällt  das  Thier 
dann  auf  die  Seite;  wiederholte  lü'ampfanfälle  stellen  sich  ein,  in 
deren  Verlauf  der  Tod  eintritt.  Bei  der  Section  constatirt  man 
Hämorrhagien  der  Bauch  wand,  ausgebreitetes  blutiges  Oedem  um  die 
Infectionsstelle  herum.  Die  benachbarten  L3mphdrüsen  sind  ver- 
grössert  und  mit  den  specifischen  Bacillen  erfüllt.  Der  Darm  ist  oft 
h}q3erämisch,  die  Leber  ist  gross  und  blutreich;  die  Milz  ist  stark  ge- 
schwollen und  zeigt  häufig  eine  Eruption  kleiner  miliarer  Knötchen. 
Milz  und  Leber  sind  sehr  reich  an  den  Bacillen;  auch  im  Blute  sind 
die  letzteren  zahlreich  vorhanden.  Im  Pleura-  und  Peritonealraum 
findet   sich   wenig   seröse    Flüssigkeit,    die   die   Bacillen   enthält.     Bei 


Der  Micrococcus  tetragenns.  397 

etwas  längerer  Kranldieitsdaiier  können  sich  auch  Ahscesse  der  Bauch- 
wand bei  den  Meerschweinchen  finden. 

Durch  Passage  von  Meerschweinchen  zu  Meerschweinchen  lässt  sich 
die  Virulenz  des  Bacillus  steigern.  Durch  Passage  von  Kaninchen 
zu  Kaninchen  wird  die  Virulenz  für  diese  Thierspecies  erhöht;  zugleich 
nimmt  aber  die  Virulenz  für  Mäuse  ab.  Bei  der  Züchtung  des  Bacillus 
auf  künstlichen  Nährböden  (Agar)  nimmt  die  Virulenz  bald  ab;  Hand 
in  Hand  damit  geht  eine  Zunahme  der  Wachsthunisenergie  auf  dem 
künstlichen  Nährboden. 

Filtrirte  (von  den  Bakterienzellen  beft-eite)  Culturen  des  Pest- 
bacillus  zeigen  sich  wirkungslos  gegenüber  Versuchsthieren. 

Vom  Magen  aus  sind  Hatten  mit  dem  Bakterienmaterial  ziem- 
lich leicht,  Mäuse  schwerer  zu  inficiren.  Bei  der  Autopsie  der  nach 
Infection  vom  Magen  aus  gestorbenen  Ratten  findet  man  die  Bacillen 
in  Blut,  Leber,  Milz  und  Lymphdrüsen  wieder.  Die  spontan,  während 
der  Epidemie,  an  der  Krankheit  gestorbenen  Ratten  zeigen  fast  stets 
die  specifischen  Bakterien  in  grossen  Mengen  in  ihren  Organen;  bei 
vielen  derartigen  Thieren  finden  sich  wirkliche  Bubonen.  Die  Ratten 
scheinen  die  hauptsächlichsten  Verbreiter  der  Krankheit  zu  sein.  Auch 
Fliegen  können  zur  Verbreitung  der  Krankheit  beitragen:  es  gelang 
Ter  sin,  den  specifischen  Bacillus  (durch  Thierimpfung)  in  dem  Körper 
todt  aufgefundener  Fliegen  nachzuweisen. 

Kaninchen,  Meerschweinchen,  auch  Pferde  lassen  sich,  wie  Y  er  sin, 
Calmette  und  Borrel^)  nachgewiesen  haben,  gegen  die  deletäre 
Wirkung  des  Pestbacillus  künstlich  immunisiren.  Das  Serum  der 
künstlich  immunisirten  Thiere  („serum  antipesteux")  hat  die  Fähigkeit 
die  Lnmunität  auf  normale  Lidividuen  zu  übertragen. 


29.    Der  Micrococcus  tetragenus. 

Der  Micrococcus  tetragenus  wurde  von  R.  Koch  -)  (1884) 
in  einer  phthisischen  Lungencaverne  entdeckt.  Gaffky"^)  studirte  ihn 
näher  und  constatirte  seine  pathogenen  Eigenschaften  für  manche 
Versuchsthiere.  Der  Organismus  wurde  dann  von  Biondi"^)  auch  in 
normalem  menschlichen  Speichel  vorgefunden. 

Der  Coccus   bietet,    aus  dem  thierischen  Organismus  entnommen. 


^)  1.  c.    (cf.  oben  ]).  395,  Anm.  3). 

2)  Mittb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Auite.    Bd.  2.    1S84.    p.  33. 

^)  Laugenb.  Arcb.     Bd.  28. 

^)  Zeitscbr.  f.  Hyg.    Bd.  2.     1SS7. 


398  B-  l^ie  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

die  Eigenthümlichkeit  dar,  dass  er  meist  in  Gnippinmgen  zu  je  vier 
Exemplaren  auftritt ,  die  von  einer  gemeinsamen  Hülle,  Kapsel, 
umgeben  sind.  In  Figur  67  auf  Taf.  XII,  welche  nach  einem  Aus- 
strichpräparate des  IMilzsaftes  der  an  der  Tetragenus-Infection  gestor- 
benen Maus  aufgenommen  ist,  sieht  man  diese  Gruppirung  und  auch 
die  Hüllenbildung  deutlich. 

Der  Micrococcus  tetragenus  gedeiht,  am  besten  liei  S  a  u  e  r  s  t  o  f  f - 
anwesenheit,  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden.  Auf  der  Gelatine- 
platte werden  weisse,  glänzende,  über  die  Oberfläche  kuppenförmig 
prominirende  Colonien  gebildet.  Die  Gelatinestichcultur  ent- 
wickelt sich  sowohl  längs  des  Impfstiches  wie  auf  der  Oberfläche:  es 
bilden  sich  weisse,  auf  der  Oberfläche  glänzende  Wucherungen.  Die 
Gelatine  wird   nicht   verflüssigt. 

Auf  Agar  entstehen  weisse  TJeberzüge;  auf  der  Kartoffel 
bilden  sich  schleimige,  fadenziehende  Beläge. 

Der  Micrococcus  tetragenus  ist  für  weisse  Mäuse  und  Meer- 
schweinchen pathogen;  graue  Mäuse  und  Feldmäuse  verhalten  sich 
fast  stets  immun,  Kaninchen  und  Hunde  sind  nicht  zu  inficiren. 
Die  empfänglichen  Thiere  erkranken  nach  subcutaner  Einverleibung 
und  gehen  (Mäuse  nach  3 — 6 — 8  Tagen)  an  einer  Septicaemie 
(cf.  p.  200)  zu  Grunde.  Wahrscheinlich  vermag  der  Micrococcus 
tetragenus  auch  in  der  menschlichen  Pathologie,  speciell  als 
Eiterungserreger,  eine  Rolle  zu  spielen.^) 

Der  Micrococcus  tetragenus  färbt  sich  nach  der  G r a m ' - 
sehen  Methode  (p.  108  ff.).  Im  üebrigen  verhält  er  sich  hinsichtlich 
der  Färbbarkeit  seines  Protoplasmakörpers  und  seiner  Kapsel  wie  der 
Diplococcus  pneumoniae  (cf.  p.  389). 


30.  Die  Spirocliaete  des  Recurrensüebers. 

Bei  dem  Eückfallfieber  (Typhus  recurrens)  wurde  durch  Ober- 
meier^)  (1873)  das  constante  Vorkommen  sehr  beweglicher  Spirillen 
(Spirochaete  Obermeieri)  im  Blute  festgestellt.  Die  Spirillen 
(cf.  Taf.  Xn,  Fig.  70).  welche  ziemlich  grosse  Gebilde  mit  spitz 
zulaufenden  Enden  sind,  finden  sich  nur  während  der  Fieber- 
anfälle, nicht  während  der  Apyrexie.     Kur  ein  einziger  Fall  ist  (von 


^)  cf.  Steinhaus,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  5.  1SS9;  Kapp  er,  Wien.  med. 
Presse.    1890.    No.  27;    Viquerat,  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.   IS.     1S94.    p.  411. 

-)  Centralbl.  f.  d.  med.  Wissensch.  1873.  No.  10.  —  Berl.  kHn.  Wochenschr. 
1873.     No.  35. 


Die  Spiroebaete  des  Eecurrensfiebers.  —  Der  Actinomyces.  399 

N  a  u  n  y  11  ^))  beschrieben,  in  welchem  sich  auch  während  der  fieberfreien 
Stadien  Spirillen  im  Blute  vorfanden  (wenn  auch  spärlicher  als  während 
des  Fiebers). 

Die  Spirillen  des  Eückfallfiebers  künstlich  zu  züchten  ist  bis  jetzt 
nicht  gelungen.  Sporenbildung  ist  nicht  bekannt.  Wie  Pasternatzky-) 
fand,  halten  sich  die  Recurrensspirillen  in  dem  Körper  des  bei  0^  C. 
gehaltenen  Blutegels^)  bis  zu  10  Tagen  lebend. 

Von  Versuchsthieren  hat  sich  nur  der  Affe  für  die  Infection 
mit  Febris  recurrens  zugängig  gezeigt.  Der  Affe  erkrankt,  wie  Koch*) 
und  Carter'^)  festgestellt  haben,  nach  Einimpfung  spirillenhaltigen 
Recm'rensblutes  an  typischer  Recurrens.  Die  Incubationsdauer  beträgt 
beim  Affen  durchschnittlich  3^2  Tage.  Der  Affe  bekommt  nur  einen 
Fieberanfall ;  Rückfälle  wie  beim  Menschen  werden  bei  der  Recurrens- 
infection  des  Affen  nicht  beobachtet.*^)  Auch  beim  Menschen  hat  sich 
nach  Einimpfung  spirillenhaltigen  Recurrensblutes  Recurrens  künstlich 
erzeugen  lassen. 

Das  Recurrensspirillum  zeigt  sich  der  Färbung  mit  den  gebräuch- 
lichen basischen  Anilinfarben  zugänglich.  Nach  der  Gr  r  a  m '  sehen 
Methode  (p.  108  ff.)  färbt  es  sich  nicht.  Eine  fast  isolirte  Fär- 
bung der  Recurrensspirillen  in  Blutpräparaten  erhält  man  mit  Hülfe 
einer  speciell  für  diagnostische  Zwecke  zu  empfehlenden  Methode,  die 
der  Verf.')  1885  angegeben  hat,  und  die  bereits  oben  (p.  77)  be- 
sprochen wurde. 


31.  Der  Actinomyces. 

Der  Actinomyces  (Actinomyces  bovis  s.  hominis,  Strahlenpilz)*) 
wurde  (beim  Menschen)  im  Jahre  1845  in  Kiel  von  B.  v.  Langenbeck 

^)  Mitth.  a.  d.  med.  Klinik  zu  Königsberg  i.  Pr.     1S8S. 

-)  Wratscb.  1890.  —  cf.  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.  10.    p.  198. 

■^)  Der  Bhitegel  wird,  nacbdem  er  sieb  an  dem  fiebernden  Eecurrenskrankcn 
vollgesogen  hat,  auf  Eis  gelegt. 

*)  Deutsche  med.  Wocbenschr.  1879.  No.  25.  p.  327.  —  Mitth.  a.  d.  Kais. 
Ues.-Amte.    Bd.  1.    1881.    p.  167—168. 

^)  ef.  Deutsche  med.  Wocbenschr.     1879.     No.  16.     p.  189. 

")  Entmilzte  Affen  gehen  an  der  Infection  in  circa  7  bis  8  Tagen  zu  Grunde 
und  zeigen  erstaunhebe  Mengen  von  Spirillen  im  Blut  (Soudakewitch,  Ann.  de 
rinst.  Pasteur.  1891.  No.  9).  —  Nach  Tictin  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  1894. 
p.  844)  können  entmilzte  Affen  nach  der  Infection  auch  leben  bleiben;  sie  über- 
winden aber  die  Infection  jedesmal  schwieriger  als  normale  Thiere. 

')  Fortschr.  d.  Med.     1885.     p.  755. 

^)  Die  Bezeichnung  ,, Actinomyces"  stammt  von  dem  Münchener  Botaniker  Harz. 


400  B-  I^iö  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

entdeckt.  Die  Entdeckimg  wurde  zugleich  mit  den  Langenbeck'- 
schen  Zeichnungen  erst  im  Jahre  1878  durch  James  Israel^) 
pubhcirt,  dem  das  Verdienst  gebührt,  den  Strahlenpilz  zuerst  als  einen 
selbständigen,  für  den  Menschen  pathogenen  Organismus  erkannt  zu 
haben. 

Der  Actinonnces  ist  beim  Rind  zu  Hause.  Beim  Rind  wm'de 
der  Pilz  zuerst  (1877)  von  B ollin ger-)  gesehen.  Der  Pilz  giebt 
hier  Veranlassung  zur  Entstehung  in  der  Kiefergegend  sitzender  Ge- 
schwülste, welche  die  Tendenz  haben  zu  abscediren.  Auf  dem  Durch- 
schnitt zeigen  diese  Geschwülste  grössere  oder  kleinere  Hohlräume,  in 
welchen  kleine  gelbe  Körner  enthaltender  Eiter  vorhanden  ist.  Diese 
Körner  zeigen  miki'oskopisch  gewöhnlich  eine  strahlige,  di'usige 
Structur  („Strahlenpilz").  Die  einzelnen  Strahlen  zeigen  an  den  Enden 
häufig  eine  keulenförmige  Anschwellung.  Das  Photogi'anmi  Taf.  XII, 
Fig.  71,  giebt  ein  Bild  einer  solchen  Druse.  Damit  ist  aber  die 
mikroskopische  Erscheinungsweise  des  Actinomyces  nicht  erschöpft. 
Man  findet  auch  fädige,  an  Bacillenfäden  erinnernde  Bildungen, 
ferner  „Coccenhaufen";  kurz:  ein  sehr  pleomorphes  Bild.  Ob 
alle  diese  Dinge  genetisch  zusammengehören,  müssen  erst  noch  weitere 
Untersuchungen  lehren;  es  ist  diese  Zusammengehörigkeit  jedoch  nicht 
unwahrscheinhch. 

Der  Actinomj^ces  ist  auf  den  Menschen  leicht  übertragbar. 
Er  siedelt  sich  unter  Anderem  gern  in  hohlen  Zähnen  an,  kann  dann 
zm:  Entstehung  von  abscedii'enden  Kiefergeschwülsten  Veranlassung 
geben,  aber  auch  zu  Actinomj'kose  innerer  Organe  (Lunge,  Pleura, 
Peritoneum,  Leber,  Nieren,  Darm,  Herz,  Gehirn)  führen.  Die  Er- 
krankung der  Organe  kann  eine  primäre  und  eine  metastatische  sein. 
Sie  führt  häufig  zum  Tode. 

Die  Infection  scheint  in  zahlreichen  Fällen  —  und  zwar  sowohl 
beim  Rinde  wie  beim  Menschen  —  durch  Getreide grannen  ver- 
mittelt zu  werden,  welche  (in  noch  unbekannter  Weise)  draussen  in 
der  Natur  mit  dem  Pilze  inficirt  werden. 

C  u  1 1  u  r  V  e  r  s  u  c  h  e  mit  dem  Actinomyces  sind  von  verschiedenen 
Seiten  unternommen  worden.  Speciell  gelang  es  J.  Israel  und 
M.  Wolff  =^j  Culturen  des  Pilzes  auf  Agar  (ausschhesslich  unter  Sauer- 
stoffabschluss)  ^)  und  innerhalb  von  ruhen  oder  gekochten  Hühner-  und 


')  Virch.  Arch.     Bd.  74.     1S7S. 
-)  Centralbl.  f.  d.  med.  Wiss.     1877.    Xo.  27. 

■'')  19.   Congr.    d.    Deutschen    Gesellsch.    f.    Chirurgie.     Berlin,  April  ISUO.  — 
Virch.  Ai-c-h.     Bd.  126.     1891. 

■*)  Nach   anderen  Autoren   wächst   der  Actinomyces   auch  bei  Sauerstoffzutritt. 


Der  Actinomyces.  401 

Taiibeneiern  zu  erhalten,  dieselben  in  verschiedenen  Generationen  weiter 
zu  züchten  und  durch  Uebertragung  der  so  erhaltenen  Culturen  Ver- 
suchsthiere  erfolgreich  mit  Actinomj^kose  zu  inficiren.  Die  Ueber- 
tragungsfähigkeit  der  Culturen  bleibt  viele  Monate  lang  erhalten. 

Auf  der  A g a r Oberfläche  bildet  der  Actinomyces  nach  Israel 
und  Wolff  kleine,  langsam  wachsende,  meist  bis  höchstens  steck- 
nadelknopfgross  werdende,  nicht  confluirende,  thautropfenähnliche 
Knötchen,  welche  aus  kurzen  Bacillen  ähnlichen,  geraden  oder  leicht 
gekrümmten  Gebilden  zusammengesetzt  sind.  In  Eiern  bilden  sich 
gewöhnlich  prachtvolle  lange  Fadennetze  aus.  In  Bouillon  ist  das 
Wachsthum  nicht  sehr  ergiebig.  Niemals  werden  auf  künstlichen 
Nährsubstraten  Drusen  mit  keulenartigen  Gebilden  beobachtet. 

Die  Uebertragung  der  Stäbchenculturen  in  die  Bauchhöhle  von 
Kaninchen  (und  auch  von  Meerschweinchen)  giebt  nach  Israel  und 
AVolff  Veranlassung  zur  Entwickelung  typischer  Actinomycesdrusen, 
welche,  eingebettet  in  Lagern  von  Eundzellen,  in  hirsekorn-  bis 
pflaumengrossen ,  den  verschiedensten  Organen  der  Bauchhöhle  auf- 
sitzenden Tumoren  liegen.  Die  Versuchsthiere  (welche  zur  Feststellung 
der  geschilderten  pathologischen  Veränderungen  getödtet  werden  müssen) 
erscheinen  intra  vitam  nicht  auffallend  krank. 

Ob  der  Actinomyces  zu  den  Bakterien  zu  rechnen  ist,  ist  noch 
nicht  mit  Sicherheit  ausgemacht.^) 

Der  Actinomyces  färbt  sich  sehr  gut  nach  der  Gram 'sehen 
Methode  resp.  nach  der  vom  Verf.  angegebenen  Modification  dieser 
Methode  (p.  108  ff.).  Damit  die  Darstellung  der  actinomykotischen 
Gebilde  in  Schnitten  nach  der  Gram'  sehen  Methode  gelingt ,  ist  es 
aber  dm'chaus  nothwendig,  dass  zur  Herstellung  der  Anilinwasser- 
Gentianaviolettlösung  wirklich  gesättigte  alcoholische  Violettlösung 
verwandt  werde  [cf.  p.  110  unter  1)]. 

Mit  dem  vorstehend  besprochenen  Actinomyces  bovis  s.  hominis 
nicht  identisch  ist  ein  eigenthümlicher  Parasit,  welcher  in  ähn- 
lichen strahligen  Formen  auftritt  wie  der  genannte  Actinomyces, 
welcher  aber  ausschliesslich  im  Schweinemuskel  gefunden 
wird.  Derselbe  wurde  1884  von  Duncker-)  entdeckt.  Er  hat  den 
Namen  „Actinomyces  musculorum  suis"  erhalten.  Es  ist 
aber  bis  jetzt  noch  nicht  mit  Sicherheit  entschieden,  ob  dieser  Parasit 


^)  J.  Israel   und  M.   Wolff    rechnen   ihn   zu   den    ,, pleomorphen   Bakterieu- 
arten". 

'-)  Zeitschr.  f.  Mikrosk.  u.  Fleischheschau.     1884.     No.  3. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  26 


402  B.  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

in    irgend   welchen    \^erwandtschaftlichen  Beziehungen    zu  dem  Actino- 
myces  bovis  s.  hominis  steht. 

Ueber  einen  dem  Actinom^xes  bovis  sehr  ähnlichen,  für  Kaninchen 
pathogenen  und  bei  diesen  Thieren  häufig  auch  actiuomycesähnliche 
Drusen  erzeugenden  Mikroorganismus,  „Microm3'Ces  Hofmanni", 
hat  Gruber^)  berichtet. 


')  7.  internat.  Congr.  f.  Hvg.  u.  Deraogr.  London  1S91.  —  Centralbl.  f.  Bakt. 
Bd.  10.     p.  64S. 


Anhang. 


Ausser  den  Bakterien  treten  auch  anderen  Mikroorganismen- 
gruppen angehörige  Gebilde,  sowohl  pflanzliche  wie  thierische,  als 
lü'ankheitserreger  auf.  Unter  diesen  wollen  wir  einestheils  die  patho- 
genen  Schimmel-  oder  Fadenpilze,  andemtheils  die  pathogenen 
Protozoen  noch  einer  kurzen  Betrachtung  unterwerfen. 

Die  pathogenen  Schimmelpilze. 

Was  die  Schimmel-  oder  Fadenpilze  anlangt,  so  kennt  man 
bereits  eine  Anzahl  Arten,  welche  das  Vermögen  haben,  sich  innerhalb 
des  thierischen  Körpers  und  auf  Kosten  desselben  zu  vermehren.  Hier- 
her gehören  vor  Allem  mehrere  Aspergillus-  und  Mucor-Arten,\) 
ferner  einige  Arten  aus  der  Gruppe  der  Oidien. 

Botanisch  unterscheiden  sich,  wie  hier  kurz  bemerkt  sein  mag, 
die  genannten  Pilzgattungen  durch  die  Art  und  Weise  der  Fructification 
(Sporenbildung).  Während  nämlich  bei  den  Mu  cor  arten  der  sich 
aus  dem  Mycelgeflecht  erhebende  Fruchtträger  (die  Fruchthyphe)  eine 
besondere  Kapsel,  ehi  „Sporangium",  trägt,  in  welchem  sich  die 
Sporen  (Conidien)  entwickeln,  bildet  sich  bei  den  Asper gillus- 
arten  an  dem  Ende  des  Fruchtträgers  eine  kolbige  Verdickung,  auf 
deren  Oberfläche  durch  Vermittelung  kleiner  Zwischenfruchtträger 
(Sterigmen)  die  Sporenreihen  befestigt  sind;  bei  den  Oidium arten 
werden  die  Sporen  direct  an  dem  Fruchtträger  (der  Fruchthyphe)  ohne 
Dazwischentreten  eines  besonderen  Fruchtkopfes  abgegliedert.-) 


^)  Vergl.  die  grundlegenden  Arbeiten  von  Licbtheim  (Ueber  pathogene 
Schimmelpilze.  I.  Die  Aspergillusmykosen,  Berl.  Min.  Wocbenschr.  1882.  No.  9  und 
10;  Ueber  pathogene  Mucorineen  und  die  durch  sie  erzeugten  Mykosen  des  Kanin- 
chens, Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  7.  1SS4.  p.  140  ff.)  sowie  von  Siebenmann 
(Die  Fadenpüze  etc.,  Wiesbaden.  18S3). 

')  „Aspergillus"  ist  übrigens  keine  selbständige  Gattung;  es  hat  sich 
herausgestellt,    dass   die  Aspergillusform   nur  eine   besondere  Fructificationsform  der 


404  B.  Die  Bakterien  als  KrankheitseiTeger. 

Unter  den  zu  den  Gattungen  Aspergillus  und  Mucor  ge- 
hörenden Pilzen  sind  für  Thiere  pathogen  vor  Allem  der  Aspergillus 
fumigatus,  dann  der  Aspergillus  flavescens,  ferner  der 
Mucor  corymbifer  und  der  Mucor  rhizopodiformis.  Die 
intravenöse  Injection  (cf.  p.  197,  Anm.  3)  einer  Sporenaufschwem- 
mimg  einer  jeden  dieser  Arten  hat,  wenn  nicht  zu  wenig  Sporen  ein- 
gebracht wurden,  bei  Kaninchen  Erkrankung  und  Tod  in  einigen 
Tagen  zur  Folge.  Man  findet  dann  in  den  Organen,  besonders  in  den 
Nieren,  vielfache  Herde  von  Pilzmycelien,  die  sich  aus  den  Sporen  ent- 
wickelt haben.  Ebenso  kann  bei  Vögeln^)  durch  Inhalation  von 
Sporen,  speciell  des  Aspergillus  fumigatus,  eine  pneumonische 
Erkrankung  (P n  e  u  m  o  n  o  m  y  c  o  s  i  s  a  s  p  e  r  g  i  1 1  i  n  a)  entstehen.  Beim 
Menschen  sind  Aspergilluswucherungen  speciell  im  äusseren  Gehörgange, 
in  einem  Falle  auch  in  der  Hornhaut,  beobachtet  worden;  auch  über 
Xieren-  sowie  über  Lungenerkrankungen  beim  Menschen,  die  dm-ch 
Infection  mit  Aspergillus  hervorgerufen  waren,  ist  berichtet  worden. 

Alle  die  genannten  pathogenen  Schimmelpilze  lassen  sich  künst- 
lich züchten ;  sie  gedeihen ,  ihren  für  Warmblüter  pathogenen  Eigen- 
schaften entsprechend  (cf.  p.  23),  am  besten  bei  Körpertemperatur. 
Als  Nährboden  eignet  sich  besonders  sterilisirter  Brotbrei  (cf. 
p.  139).  Nach  Siebenmann  erhält  man  Colonien  von  pathogenen 
Aspergilleen  leicht  dadurch,  dass  man  Schwarzbrot  zunächst  der 
Luft  aussetzt  und  es  dann  bei  Brüttemperatur  hält. 

Zur  mikroskopischen  Untersuchung  der  Schimmelpilze 
geht  man  zweckmässig  so  vor,  dass  man  ein  kleines  Stück  des  zu 
untersuchenden  Materials  auf  den  Objectträger  in  ein  Tröpfchen  Gly- 
cerin-)  bringt  und  es  dann  mit  zwei  Nadeln  in  kleinste  Partikelchen 
zerzupft.  Man  kann  dann  nach  dem  Auflegen  eines  Deckglases  die 
Ilitersuchung  vornehmen,  die  am  vortheilhaftesten  mit  starkem  Trocken- 
system  geschieht.     Will   man   das   Präparat   conserviren,    so   umzieht 


(zu  der  Ordnung  der  Ascomyceten  gehörigen)  Gattung  Eurotium  ist.  —  Ebenso 
ist  „Oidium"  keine  selbständige  Gattung,  sondern  nur  die  Conidienform  von  Arten, 
welche  zu  der  Gattung  Erysiphe  (ebenfalls  aus  der  Ordnung  der  Ascomyceten) 
gehören. 

^)  Vergl.  auch  oben  p.  2TS,  Anm.  4  (Pseudotuberculose,  veranlasst  durch  den 
Aspergillus  fumigatus). 

-)  Mit  Wasser  benetzen  sich  die  Schimmelpilze  gewöhnlich  nicht  gut.  Man 
erhält  deshalb,  wenn  man  die  Pilzmasse  in  Wasser  zerzupft,  ganz  gewöhnlich  Luft- 
blasen, welche  die  Beobachtung  erschweren.  Auch  in  Glycerinpräparaten  bekommt 
man  häufig  störende  Luftblasen.  Nach  Unna  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  11.  1892. 
p.  7)  leistet  jedoch  eine  Flüssigkeit  von  folgender  Zusammensetzung  gute  Dienste: 
Gelatine  1,0,  Spiritus,  Liqu.  Ammon.  caust.  ana  25,0,  Glycerin  15,0,  Aqua  dest.  35,0. 


i 


Die  pathogenen  Schimmelpilze.  405 

man  das  Deckglas  in  bekannter  Weise  mit  einem  Eing  vun  Asphalt- 
lack  (cf.  oben  p.  68,  Anm.  2). 

Eine  Färbung  ist  bei  der  Untersuchung  der  Schimmelpilze  ge- 
wöhnlich völlig  überflüssig.  Man  untersucht  diese  Organismen  am 
besten  ungefärbt.  Eine  Methode,  Pilzfäden  innerhalb  von 
]S"ähragar  gefärbt  darzustellen,  hat  Unna^)  angegeben.  Die  in 
Celloidin  (cf.  oben  p.  89)  eingebetteten  Stücke  der  Agarcultur  werden 
mit  Hülfe  des  Mikrotoms  in  feine  Schnitte  zerlegt.  Die  (mit  Aether 
und  Alcohol)  wieder  von  dem  Celloidin  befi-eiten  Schnitte  werden  zu- 
nächst 1  Min.  in  5proc.  Kalilauge,  dann  (nach  Abspülung  in  Wasser) 
5  Min.  in  eine  5proc.  Essigsäurelösung  gebracht,  dann  auf  dem  Object- 
träger  angetrocknet  (cf.  oben  p.  263),  mit  einigen  Tropfen  einer  kräftig 
färbenden  Anilinfarbstofflösung  bedeckt  und  etwas  erwärmt.  Die  Farb- 
lösung  wird  dann  mit  Wasser  abgespült,  der  Schnitt  leicht  mit  Fliess- 
papier abgetupft,  mit  Anilinöl  entwässert  (cf.  oben  p.  92,  Anm.  1  und 
p.   114),  mit  Xylol  durchtränkt  und  in  Balsam  eingeschlossen. 


Unter  den  pathogenen  Schimmelpilzen  sind  speciell  für  den 
Menschen  einige  (zu  den  Oidien  gehörende)  Arten  als  Derma- 
tophyten,  als  Hautpilze,  von  Bedeutung,  nämlich  der  Favuspilz, 
der  Pilz  des  Herpes  tonsurans  und  der  Pilz  der  Pityriasis 
versicolor.  Vielleicht  gehört  auch  der  Soorpilz  zu  den 
Oidien. 

Der  Favuspilz  (Achorion  Schönleinii)  wurde  1839  von  Schön- 
lein entdeckt.     Er  findet  sich  in  den  bekannten  Favusborken. 

Der  Favuspilz  ist  ein  specifischer  Pilz,  welcher  sich  künstlich 
leicht  züchten  lässt,  und  dessen  Biologie  von  Grawitz,  von  Quincke, 
von  Unna  und  von  anderen  Autoren  studirt  worden  ist. 

Remculturen  des  Favuspilzes  erhält  man  leicht,  wenn  man  ein 
Stückchen  einer  Favusborke  in  sterilem  Wasser  oder  Bouillon  (z.  B. 
nach  meiner  oben,  p.  141,  beschriebenen  Methode)  fein  zerreibt  und 
aus  einer  Oese  der  gewonnenen  Suspension  Agarplatten  herstellt,  die 
dann  im  Brütschrank  bei  etwa  30°  C.  gehalten  werden.  Schon  nach 
24  Stunden  sieht  man  dann  die  kleinen  fädigen  Pilzcolonien  entstehen. 

Der  Fa\-uspilz  gedeiht  bei  Zinmier-  und  bei  Brüttemperatur;  das 
Temperaturoptimiun  scheint  bei  c.  30°  C.  zu  liegen.  Auf  Agar  ge- 
züchtet bildet  der  Pilz  schneeweisse ,  von  unten  her  gesehen  gelb  er- 
scheinende,  Wucherungen.     Gelatine   wird   langsam   verflüssigt. 


')  Centralbl.  f.  Bakt.    Bd.   11.    1892.    p.  42  und  43. 


406  B'  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Quincke  hat  zuerst  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  es  mehrere 
Arten  von  Favuspilzen  gieht,  d.  h.  mehrere  Pilzarten,  welche 
die  klinischen  Erscheinungen  des  Favus  hervorhrüigen.  Unna  vertritt 
neuerdings  diesen  Standpimkt  ebenfalls. 

Der  Herpes  tonsurans -Pilz  (Trichophyton  tonsurans)  wurde 
1845  von  Gruby  imd  Malm  st  en  entdeckt.  Sein  mikroskopisches 
Aussehen  gleicht  dem  Fa^iispilze  sehr.  Ebenso  haben  die  künst- 
lichen Culturen  beider  Pilze  grosse  Aehnlichkeiten.  Die  Gelatine 
ward  verflüssigt.  Um  die  Erforschung  der  Biologie  haben  sich 
Grawitz  und  Quincke  verdient  gemacht.  Auf  Taf.  XII,  Fig.  72, 
ist  eine  Stelle  aus  einer  fructificirenden  (d.  h.  sporenbildenden)  Agar- 
cultur  des  Herpes  tonsurans -Pilzes  bei  240facher  Vergrösserung  dar- 
gestellt. 1) 

Der  Pilz  der  Pityriasis  versicolor  (Microsporon  furfiir) 
wurde  1846  von  Eichstedt  entdeckt.  Er  ist  auf  festen  Nährböden 
noch  nicht  gezüchtet  worden. 

Der  Soorpilz  (Oidium  albicans)  wurde  von  Robin  entdeckt. 
]\Iit  der  Erforschung  seiner  Biologie  haben  sich  namentlich  Grawitz 
und  Plaut  beschäftigt.  Plaut  hält  den  Pilz,  speciell  auch  auf  Grund 
von  vergleichenden  Thierversuchen,  mit  Monilia  Candida  Bonorden 
für  identisch.  Der  Soorpilz  lässt  sich  künstlich  reincultiviren ;  er  ist 
streng  aerob,  wächst  am  besten  bei  Brüttemperatur.  Die  Gelatine 
wird  nicht  verflüssigt.  Klemperer  hat  gezeigt,  dass  durch  intra- 
venöse Einverleibung  der  Eeincultur  in  den  Kaninchenkörper  allgemeine 
Soormykose  hervorgerufen  wii'd. 


Die  pathogenen  Protozoen. 

In  den  letzten  Jahren  hat  man  einer  besonderen  Gruppe  von 
Organismen  grössere  Aufmerksamkeit  zugewendet,  welche  allem  An- 
scheine nach  eine  verbreitete  Rolle  in  der  Pathologie  des  Menschen 
und  der  Thiere  spielen:  den  Protozoen,  der  niedersten  Gruppe 
der  Thierwelt.  Zu  den  Protozoen  gehören  unter  Anderem  eine  ganze 
Anzahl  von  morphologisch  mehr  oder  weniger  eingehend  studirten 
Gebilden,   welche  man  in  dem  Blute  der  verschiedensten  Wirbelthiere, 


^)  Das   Material   stammt  aus   der  Klinik   des   Herrn   Prof.    Dr.    Lassar;   die 
Cultur  wurde  auch  in  dem  Laboratorium  des  Herrn  Prof.  Lassar  gezüchtet. 


Die  pathogenen  Protozoon.  407 

ferner  in  den  Muskelzellen,  ja  sogar  in  den  Kernen  des  Darm-  und 
Nierenepithels  schmarotzend  angetroffen  hat.  Scheinen  diese  Gebilde 
zum  Theil  eine  erhebliche  pathogene  Bedeutung  nicht  zu  haben,  so 
giebt  es  andererseits  Protozoen,  denen  sehr  beträchtliche  pathogene 
Eigenschaften  zukommen.  ^) 

Die  für  die  menschliche  Pathologie  wichtigsten  und  zugleich  die 
bestgekannten  pathogenen  Protozoen  sind  diejenigen,  welche  bei  den 
Malariafiebern  aufgefunden  worden  sind,  und  die  höchst  wahr- 
scheinlich als  die  Ursache  dieser  Fieber  anzusehen  sind. 

Im  Jahre  1882  hat  zuerst  Laveran  (in  Algier)  im  Blute 
M  a  1  a  r  i  a  k  r  a  n  k  e  r  eigenthümliche  Gebilde  constatirt,  die  dann  nament- 
lich von  Marchiafava  und  Celli  in  Rom  (1883)  einem  genaueren 
Studium  unterzogen,  in  dem  Malarialjlute  constant  aufgefunden,  bei 
anderen  Krankheiten  vermisst  wurden,  und  die  von  den  letztgenannten 
xlutoren  1885  mit  dem  Namen  „Plasmodium  Malariae"  belegt 
wurden.  Dann  hat  sich  um  die  weitere  Erforschung  dieser  Gebilde 
und  besonders  um  die  Aufdeckimg  ihrer  näheren  Beziehungen  zu  dem 
Verlaufe  der  Malariafieber  namentlich  Golgi  in  Pavia  (1886)  grosse 
Verdienste  erworben. 

Wenn  man  Blut  des  Intermittenskranken  untersucht,  am  besten 
zu  Beginn  des  Fieberanfalles,  so  findet  man  innerhalb  der  rothen 
Blutkörperchen,  und  zwar  bei  einer  mehr  oder  weniger  gTOssen 
Anzahl  derselben,  kleine,  rundliche,  sich  von  der  Substanz  des  Blut- 
körperchens wenig  abhebende  Gebilde,  die  mehr  oder  weniger  lebhafte 
amöboide  Bewegungen  ausführen.  Im  Trockenpräparate  lassen 
sich  diese  Gebilde  mit  Methylenblau  färben-)  und  dadurch  deutlicher 
machen.  Nimmt  man  etwas  später  wiederum  eine  Blutuntersuchung 
vor,  so  sieht  man  diese  kleinen,  endoglobulären  Gebilde,  die  Plasmodien, 
etwas  vergrössert,  gewachsen,  und  in  ihrem  Innern  kleinste  Körnchen 
schwarzen  Pigmentes  angehäuft.  Zugleich  erscheint  das  einschliessende 
Blutkörperchen  blasser  geworden.  „Das  Hämoglobin  ist  durch  das 
parasitäre  Gebilde  in  schwarzes  Melanin  umgewandelt  worden." 
Diese  Pigment- (Melanin-)  Bildung  ist  die  Ursache  der  bei  der  Malaria 
zu   beobachtenden    Melanaemie.     Weitere    Untersuchungen    zeigen 


^)  Zur  Orientirung  über  den  heutigen  Stand  unserer  Kenntnisse  von  den  patho- 
genen Protozoen  empfehlen  sich  die  Werke:  L.  Pfeiffer,  Die  Protozoen  als 
Krankheitserreger.  Jena.  Fischer.  2.  Aufl.  1891;  M.  Braun,  Die  thierischeu 
Parasiten  des  Menschen.     Würzburg.    Stuber.    2.  Aufl.    1894. 

-)  Sehr  gut  eignet  sich  zu  diesem  Zwecke  auch  die  oben  (p.  77)  angegebene 
Eosin-Methylenblaulösung,  welche  die  Parasiten  blau,  die  Blutkörperchen- 
substauz  rotb  färbt. 


408  B-  I^ie  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

dann,  dass  das  Plasmodium  an  Grösse  weiter  zunimmt,  sich  mehr 
mit  Pigment  belädt,  und  dass  dabei  das  Blutkörperchen  mehr  und 
mehr  entfärbt,  vernichtet  wird. 

Die  letzteren  Vorgänge  spielen  sich,  wie  Golgi  gezeigt  hat,  be- 
sonders in  der  Zeit  zwischen  je  zwei  Fieberanfällen  ab.  Kurz  vor 
dem  Beginne  des  nächsten  Anfalles  beobachtet  man  dann  eine  höchst 
interessante  Erscheinung  an  den  Plasmodien,  die  als  eine  Art  Sporu- 
lation,  Maturation  aufgefasst  wird.  Diese  Erscheinung  tritt  ge- 
wöhnlich so  auf,  dass,  während  sich  das  Pigment  in  die  centralen 
Theile  des  Plasmodiums  zusammengezogen  hat,  der  übrige  Theil,  der 
Piandtheil  des  Plasmodiums,  in  eine  grössere  Anzahl  (6  bis  10  oder 
mehr)  sectorenförmige  Theile  gespalten  wird,  die  durch  radiär  gestellte 
Grenzen  von  einander  getrennt  sind.  Es  kommt  so  zur  Bildung  sehr 
zierlicher  rosettenförmiger  Eiguren  (Segmentation). 

Nach  Golgi  kann  man  aus  dem  Befunde  solcher  segmentirter 
Plasmodien  im  Blute  mit  Sicherheit  auf  den  unmittelbar  bevorstehenden 
Anfall  schliessen.  Untersucht  man  nämlich  etwas  später  das  Blut 
wieder,  so  findet  man  diese  segmentirten  Formen  nicht  mehr.  Die 
aus  der  Segmentation  des  Plasmodiums  hervorgegaugenen ,  den  Piand 
der  Rosette  bildenden  kleinen  Körperchen  sind,  nachdem  sie  runde 
Gestalt  angenommen  haben,  fi'ei  geworden.  Man  findet  sie  nun  z.  Th. 
frei  im  Blute,  z.  Th.  aber  sind  sie  schon  wieder  in  neue  Blutkörperchen 
eingedrungen,  um  dort  wieder  zu  wachsen,  Pigment  zu  bilden,  sich 
später  von  Neuem  zu  theilen  etc.  Man  hat  also  in  der  Segmentation 
die  Bildung  junger  Plasmodien  zu  erblicken.  Das  Freiwerden 
derselben  und  das  massenhafte  Befallenwerden  rother  Blutkörperchen 
seitens  derselben  ist  zeithch  mit  dem  Beginne  des  neuen  Fieber- 
anfalles verknüpft. 

Golgi  hat  es  wahrscheinlich  gemacht,  dass  es  zwei  ver- 
schiedene Arten  von  Malariaplasmodien  giebt;  die  einen  sind  die 
der  Febris  tertiana,  die  anderen  die  der  Febris  quartana. 
Die  ersteren  vollenden  ihren  (regelmässigen)  Entwickelungs  -  C3^clus 
in  zwei  Tagen,  die  letzteren  m  drei  Tagen.  Quotidianfieber  kommen 
durch  combinirte  Infection  mit  verschiedenen  Plasmodiengenerationen 
zu  Stande.  AYährend  die  eine  Generation  heute  in  das  Stadium 
der  Segmentation  tritt,  bildet  sich  die  Segmentation  bei  der  anderen 
Generation  erst  morgen  aus. 

Diese,  durch  einen  regelmässigen  Entwickelungsc^'clus  aus- 
gezeichneten Plasmodien  reagh-en  sofort  auf  Chinin  gaben.  Das 
Chinin  lässt  die  Plasmodien  spurlos  aus  dem  Blute  verschA\inden. 
Klinisch    sind    die   von  Plasmodien   mit   regelmässigem  Entwickelungs- 


Die  pathogenen  Protozoon.  409 

cYcliis  begieiteten  Fieber  durch  den  tj-pischen  Verlauf,  den  regel- 
mässigen Eintritt  der  Anfälle,  die  zwischen  den  Anfällen  eintretende 
wirlvliche  I  n  t  e  r  m  i  s  s  i  o  n  und  das  prompte  Reagiren  auf  Chinin 
characterisirt.  Diese  Fälle  werden  auch  fast  stets  zur  Heilung  ge- 
bracht. Die  Frühlingsfieber  in  Rom  tragen  meist  diesen  gut- 
artigen Character. 

Es  giebt  aber  andere  Fieber,  atj-pische,  perniciöse  Fieber 
(Sommer-  und  Herbstfieber  Rom 's),  bei  denen  die  Anfälle  nicht 
regelmässig  kommen,  bei  denen  die  Temperatur  keine  Intermissionen, 
sondern  nur  unregelmässige  Remissionen  macht ,  die  gar  nicht 
oder  schlecht  auf  Chinin  reagiren,  und  die  häufig  zu  der  gefürchteten 
M  a  1  a  r  i  a  c  a  c  h  e  X  i  e  führen.  Hier  ist  auch  der  Plasmodienbefund  ein 
anderer.  Man  findet  zwar  auch  die  oben  genannten  Formen,  aber 
ausserdem  sichel-  und  halbmondförmige  („Laverania") 
sowie  ovale  Körperchen,  deren  Xaturgeschichte  noch  wenig  bekannt 
ist.  Die  Segmentationsformen  findet  man  bei  diesen  perniciösen 
Fiebern  weniger  im  peripherischen  Blute  als  im  Blute  innerer  Organe 
(Milz,  Gehirn). 

Auch  geis seitragende  Formen  finden  sich  bei  den  Malaria- 
fiebern im  Blute. 

Die  künstliche  Züchtung  der  Malariaplasmodien  ist  bisher 
nicht  gelungen.^)  Durch  intravenöse  Einverleibung  von  Aderlassblut 
des  Malariakranken  in  den  Körper  des  gesunden  Menschen  hat  man 
die  Krankheit  zu  übertragen  vermocht  (cf.  p.  196).  Ist  das 
letztere  Experiment  für  die  specifische  pathogene  Bedeutung  der  Plas- 
modien natürlich  durchaus  nicht  beweisend,  so  ist  andererseits  jedoch 
damit  nachgewiesen,  dass  der  Erreger  der  Malaria  im  Blute  des 
Kranken  vorhanden  ist.  Nimmt  man  nun  die  Thatsache  dazu,  dass 
in  diesem  Blute  mikroskopisch  constant  Gebilde  zu  finden  sind,  an 
denen  man  einen  Entwickelungscyclus  verfolgen  kann,  die  also  als 
selbständige  Organismen  aufgefasst  werden  müssen ,  berück- 
sichtigt man  andererseits  die  Thatsache,  dass  sich  diese  Gebilde  aus- 
schliesslich bei  der  Malaria,  sonst  aber  bei  keiner  anderen  Krank- 
heit vorfinden,  so  ist  der  Schluss  kaum  abzuweisen,  dass  wir  es  hier 
mit  parasitären  Organismen  zu  thun  haben,  die  der  Malaria 
eigenthümlich    sind,  d.  h.  dass  wir  in  den  Plasmodien   des 


')  Sacharo  ff  (Wratsch.  1890  [ref.  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  10.  p.  199]; 
Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  1894.  p.  158  ff.)  fand,  dass  die  Malariaparasiten  in  dem 
Körper  des  abgekühlten  Blutegels  (nach  der  für  Eecurrensspirillen  von  Paster- 
natzky  [cf.  oben  p.  399]  angegebenen  Methode)  eine  ganze  Reihe  von  Tagen  lebend 
conservirt  werden  können. 


410  B-  Die  Bakterien  als  Krankheitserreger. 

Malariablutes    die    wirklichen    Erreger    der    Malaria- 
fieber  vor   uns   haben. 

Den  Erregern  der  Malaria  ähnliche  Organismen  („Polymitus") 
hat  man  auch  im  Blute  gewisser  Vogelarten  als  endoglobuläre 
Parasiten  aufgefunden  (Danilewsky).  Es  handelt  sich  hier  um 
einen  ziemlich  häufigen  Befund,  bei  dem  die  Thiere  gewöhnlich  nicht 
krank  erscheinen. 

Auch  bei  der  „Hemoglobinurie  microbienne  des  boeufs" 
(Y.  Babes)  imd  bei  der  „ Texas fieberseu che  des  Rindes" 
(Smith)  scheint  es  sich  um  Parasiten  zu  handeln,  die  denen  der 
menschlichen  Malaria  nahe  verwandt  sind.^) 

Es  sei  an  dieser  Stelle  kurz  der  sogenannten  „Dysenterie- 
Amöben"  Erwähnung  gethan.  Zuerst  im  Jahre  1875  fand  Loesch 
in  Petersburg  in  dem  übelriechenden  Stuhle  eines  Falles  von  ulcera- 
tiver  Dickdarmentzündung  beim  Menschen  massenhafte  Amöben. 
Es  handelt  sich  um  20  bis  35  [x  grosse,  rundlich  oder  unregelmässig 
gestaltete  Körper,  welche  die  Fähigkeit  haben  Fortsätze  auszustrecken 
und  wieder  einzuziehen,  und  die  in  ihrem  Innern  einen  blassen  rimden 
Kern  und  mehrere  Vacuolen  von  wechselnder  Gestalt  und  Grösse 
besitzen,  die  ferner  ganz  gewöhnhch  fremde  Körper  (rothe  Blut- 
körperchen, Eiterzellen,  Bakterien,  Blutpigment)  im  Innern  ein- 
geschlossen enthalten  („Amoeba  coli").  Durch  Uebertragung  des 
amöbenhaltigen  Stuhles  per  os  und  per  anum  auf  Hunde  vermochte 
Loesch  —  wenigstens  bei  einem  seiner  Yersuchsthiere  —  eine 
ulcerative  Entzündung  des  Rectums,  welche  sich  durch  Aniöben- 
ansiedlung  bedingt  zeigte,  hervorzurufen. 

In  den  letzten  Jahren  haben  eine  grössere  Reihe  von  Autoren  — 
namenthch  Kartulis  —  bei  sogenannter  „tropischer  Dysen- 
terie" des  Menschen  derartige  Amöben  nachgewiesen.-)  Eine  künst- 
liche Reincultur  dieser  Parasiten,  deren  pathogene  Bedeutung  noch 
nicht  ganz  sichergestellt  ist,  ist  bisher  nicht  gelungen.  Die  gewöhn- 
liche Dysenterie  zeigt  übrigens  keine  Amöben. 


')  Zur  Orientirung  über  die  genannten  Parasiten  sowie  über  die  (verwandten 
Parasiten)  der  Schaf k rankheit  „Carceag"  (Babes)  cf.  die  vergleichende  Zusammen- 
stellung von  Starcovici  (Centralbl.  f.  Pakt.    Bd.  14.    1893.    p.  1). 

-)  Die  Literatur  siehe  in  der  ausführlichen  Ai'beit  von  Kruse  und  P  a  s  q  u  a  1  e 
(Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  16.    1894)  über  den  Gegenstand. 


C.  Saprophytische 

(nicht  pathogene) 

Bakterienarten. 


In  Folgendem  sollen  einige  der  bekannteren  und  wichtigeren 
saprophytischen  Bakterienarten  kurz  besprochen  werden.  Die  Gesichts- 
punkte, welche  uns  bei  der  Auswahl  aus  der  sehr  grossen  Zahl  der 
überhaupt  bekannten  und  beschriebenen  Arten  zu  leiten  haben,  sind 
etwa  folgende :  Es  werden  solche  Arten  zu  berücksichtigen  sein ,  die 
sehr  verbreitet  in  der  Natur  vorkommen,  die  uns  eventuell  auch  häufig 
als  spontane  Verunreinigungen  unter  die  Culturen  gerathen,  ferner 
solche,  die  häufiger  vorkommende  specifische  Gährungen  veranlassen, 
und  solche,  die  m  unserem  eigenen  Körper  constant  als  Schmarotzer 
gefunden  werden.  Sodann  sind  auch  solche  Arten  zu  betrachten,  welche, 
ohne  specifische  Gährungen  zu  veranlassen,  durch  besonders  auffallende 
sonstige  Functionen  ( Farbstoff bildung,  Fluorescenz,  Phosphorescenz)  aus- 
gezeichnet sind,  oder  die  durch  ihre  Form  auffallen. 

1.    KartofTelbacillen. 

Mit  dem  Namen  „Kartoffelbacillen"  bezeichnet  man  eine 
Reihe  von  sporenbildenden  Bacillenarten ,  welche  in  der  Erde  vor- 
kommen, und  die  auch  den  von  uns  zu  Culturzwecken  benutzten  Kar- 
toffeln —  in  Form  ihrer  Sporen  —  äusserlich  stets  anhaften.  Die 
Sporen  der  „Kartoffelbacillen"  sind  durch  eine  ausserordentlich  grosse 
Resistenz  gegen  alle  möglichen  Beeinflussungen  ausgezeichnet;  sie 
widerstehen  deshalb  häufig  den  bei  der  Zubereitung  der  Kartoffel  für 
unsere  Zwecke  angewendeten  Sterilisirungsmethoden ,  und  es  zeigen 
sich  dann  später  auf  der  Kartoffel  spontan  auftretende,  aus  Bacillen 
bestehende  Ansiedlungen :  die  aus  den  nicht  vernichteten  Sporen  hervor- 
gegangenen Wucherungen  (cf.  p.   155). 

Nach  Flügge  ^)  handelt  es  sich  hauptsächhch  um  folgende  Arten : 

a.  Bacillus  mesentericus  vulgatus  Flügge.  Gemeiner 
Kartoffelbacillus.  auch  als  „Kartoffelbacillus"  schlechthin  bezeichnet. 

^)  Die  Mikroorganismen.     Leipzig.    Vogel.     2.  Aufl.    1SS6.    p.  321  ff. 


414  C.    Saprophytische  (nicht  patbogene)  Bakterienarten. 

Die  erste  Mittheilimg  über  diesen  Organismus  stammt  von 
E.  Koch/)  welcher  spontan  auf  der  Kartoffel  entstehende  Bacillen- 
colonien  beobachtete,  die  in  Form  eines  kleinen  nassen  Fleckes  (am 
Rande  der  Kartoffel)  entstehen  und  bald  in  eine  schleierartig  gefaltete 
Membran  übergehen,  die  einen  zähen,  fadenziehenden  Schleim  repräsentirt. 

Der  Bacillus  bildet  grössere  Stäbchen,  die  einzeln,  zu  zweien 
oder  in  kleinen  Verbänden  auftreten.  Der  Bacillus  zeigt  (wackelnde) 
Eigenbewegung;  er  trägt  an  seinen  Enden  Geisseifäden.  Der 
Bacillus  Avächst  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden  bei  Sauerstoff- 
anwesenheit.  Er  wächst  bei  Zimmer-  sowohl  wie  bei  Brüt- 
temperatur. Er  bildet  mittelständige  Sporen.  Die  Gelatine 
wird  schnell  verflüssigt.  Auf  der  Platte  entstehen  ki-eisrundc 
Colonien.  Auf  der  Agar  ob  er  fläche  bildet  der  Bacillus  einen 
dicken,  runzehgen,  mattweissen  Belag  (C.  Fraenkel-)). 

Xach  Hueppe-^)  hat  der  Bacillus  auf  Stärke  sehr  energisch 
diastatische  Wirkimg  und  veranlasst  derselbe  in  sterilisirter  Milch 
zuerst  eine  Ausscheidung  des  Caseins,  dann  eine  Verflüssigung  des 
ausgeschiedenen  Caseins.  Ein  gi'össerer  Piest  desselben  bleibt  hierbei 
aber  intact.  Zwischen  dem  Casein  und  der  Eahmschicht  bildet  sich 
allmählich  eine  gelbliche,  schwach  alkalisch  werdende  Flüssigkeit 
mit  starker  Pepton  reaction.  Diese  Flüssigkeit  ist  nicht  fadenziehend, 
während  die  Eahmschicht  in  eine  schmierige,  schleimige,  fadenziehende 
Masse  verwandelt  wird  („Schleimige  Milch"). 

b.  Bacillus  mesentericus  fuscus  Flügge.  Brauner  Kar- 
toffelbacillus. 

Kleine,  kurze,  oft  zu  2  oder  4  an  einander  hängende,  lebhaft 
eigenbewegliche,  sporen bildende  Bacillen.  Auf  der  Gela- 
tine platte  werden  gelbbraune  verflüssigende  Colonien  gebildet. 
Auf  Kartoffeln  entstehen  zunächst  glatte  gelbliche  Auflagerimgen, 
deren  Oberfläche  aber  sehr  bald  faltig,  nmzelig  und  rauh  wird,  und 
die  sich  rasch  über  die  Kartoffelfläche  ausbreiten. 

c.  Bacillus  liodermos  Flügge.  Glatthautbildender  Kartoffel- 
bacillus. 

Kleine,  kurze,  äusserst  lebhaft  eigenbewegliche  Bacillen 
mit  abgerundeten  Enden.  Auf  der  Gelatine  platte  entstehen  un- 
regelmässig begrenzte  Colonien,    die   als  kleines  weisses  Häutchen  auf 


0  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     ISSl.     p.  23. 

-)  Grundriss  der  Bakterienkunde.   Berlin.  Hirschwald.  3.  Aufl.  1S90.  p.  237. 

=5)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     1884.     p.  367. 


Kartoff elbacillen.  —  Der  Heubacillus.  4  [  5 

der  Oberfläche  der  schnell  verflüssigten  Gelatine  schwimmen.  Auf 
Kartoffeln  entsteht  zunächst  ein  glatter,  glänzender  Ueberzug,  der 
sich  rasch  über  die  ganze  Fläche  verbreitet  und  dieselbe  wie  mit  gelb- 
lich-weissem  Sjrup  überstrichen  erscheinen  lässt.  Erst  nach  mehreren 
Tagen  wird  die  glatte  Oberfläche  trübe  und  leicht  gerunzelt,  ohne  dass 
es  aber  zu  tieferer  Faltenbildung  kommt. 

d.  Bacillus  multipediculus  Flügge.  Bacillus  mit  in secten- 
ähnlichen  Colonien. 

Lange,  schlanke,  unbewegliche  Bacillen.  Die  Colonien  auf 
der  Gelatine  platte  erscheinen  bei  schwacher  Vergrösserung  als  runde 
oder  ovale,  scharf  contourirte  dunkle  Scheiben,  A^on  deren  Peripherie 
aus  an  einzelnen  Stellen  kleine,  relativ  breite  Fortsätze  ausgehen; 
letztere  sind  gegliedert,  bestehen  aus  aneinander  gereihten  und  sich 
allmähhch  verjüngenden  runden  Ballen  und  verlaufen  meist  radiär. 
Nach  mehrtägigem  Bestände  der  Colonien  sind  die  Fortsätze,  welche  der 
Colonie  ein  insectenähnliches  Aussehen  verleihen,  mit  blossem 
Auge  sichtbar.  Auf  Kartoffeln  bildet  der  Bacillus  schmutziggelbe, 
massig  ausgedehnte  Beläge  mit  glatter  Oberfläche;  die  Kartoffel  färbt 
sich  in  der  Umgebung  des  Belages  dunkler. 

Ausser  den  genannten  4  Arten  von  Kartoffelbacillen  ist  noch  eine 
fünfte  Art  von  Bedeutung,  welche  (1887)  von  Globig^j  entdeckt 
wurde : 

e.  Bacillus   m  e  s  e  n  t  e  r  i  c  u  s  ruber.     Kother  Kartoifelbacillus. 
Es  handelt  sich  um  einen  am  besten  bei  45^  C.  wachsenden  (cf. 

oben  p.  23)  Bacillus,  welcher  durch  niedrige,  feine  und  dichtgedrängte 
Falten  des  Kartoffelbelages,  durch  eine  röthlichgelbe,  oft  rosenrothe 
Farbe,  welche  er  der  Kartoffeloberfläche  ertheilt,  und  durch  einen  eigen- 
thümlichen,  an  gekochten  Schinken  erinnernden  Geruch  sich  kenn- 
zeichnet. Der  Bacillus  bildet  Sporen  von  ganz  ungewöhnlicher  Wider- 
standsfähigkeit. Sie  werden  durch  ^/^(,proc.  Sublimatlösung  erst  in 
90  Minuten  getödtet.  Bezüglich  ihrer  Eesistenz  gegen  heissen  Wasser- 
dampf  vergi.  oben  p.  28. 


2.  Der  Heubacillus. 

Der   Heubacillus    (Bacillus    subtilis   Ehrenberg)   ist   ausser- 
ordentlich verbreitet  in  der  Natm'.    Er  kommt  in  der  Luft,  im  Staub, 


1)  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  3.    ISST.    p.  331. 


416  C.  Saprophvtische  (nicht  patbogene)  Bakterienarten. 

speciell  im  Heustaiib,  im  Boden,  in  Fäces  etc.  vor.  An  diesem  Orga- 
nismus entdeckte  F.  Cohn^)  (1872)  die  Sporenbildung  bei  den  Bacillen. 

Der  Bacillus  bildet  grosse  Stäbchen,  ähnlich  den  Milzbrand- 
bacillen;  die  Enden  der  Stäbchen  sind  abgerundet,  abgestutzt.  Der 
Bacillus  ist  (zum  Unterschiede  von  dem  Milzbrandbacillus)  eigen- 
beweglich. Die  Eigenbewegung  des  Heubacillus  geschieht  in  einer 
ganz  characteristischen  Weise :  die  meist  zu  zweien  an  einander 
hängenden  Bacillen  „wackeln"  durch  das  Gesichtsfeld,-)  in  dem  sich 
der  von  den  Längsachsen  der  beiden  Bacillen  gebildete  Winkel  fort- 
während verändert. 

Der  Bacillus  wächst  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden  bei  Sauer- 
stoffanwesenheit. Er  gedeiht  sowohl  bei  Zimmer-  wie  bei  Brüt- 
temperatur. Auf  der  Gelatineplatte  zeigen  sich  die  Heubacillen 
in  ganz  jungen  Colonien  zu  längeren  Fäden  ausgewachsen.  Sobald  sie 
sich  aber  weiter  entwickeln,  was  unter  schneller  Verflüssigung 
der  Gelatine  stattfindet,  dann  sieht  man  sie  nur  in  Form  von  be- 
weglichen Stäbchen  den  Innenraum  der  Colonie  erfüllen  und  am 
Bande  derselben  in  ganz  regelmässigen,  senkrecht  gegen  die  Peripherie 
gerichteten  Massen  sich  in  die  noch  feste  Gelatine  einbohren,  so  dass 
die  Colonie  so  aussieht,  als  sei  sie  von  einem  Strahlenkranze 
umgeben  (Koch'^)).  In  Gelatine stichculturen  kommt  es  nach 
eingetretener  Verflüssigung  der  Gelatine  zur  Bildung  einer  oberfläch- 
lichen weissen  Kahmhaut.  Auf  Kartoffeln  bilden  die  Heubacillen 
sehr  kräftige  Culturen,  die  einen  weisslichen,  rahmartigen  Ueberzug 
darstellen  (Koch*)).  Auf  Agar  bilden  sich  steife,  leicht  ablösliche, 
runzelige  und  faltige  Ueberzüge,  dem  Aussehen  nach  dem  Wachsthum  des 
Kartofifelbacillus  auf  Kartoffeln  (p.  414)  vergleichbar  (Eisenberg'^)).  Der 
Bacillus  bildet  endogene  Sporen  von  1,2  /t  Länge  und  0,6  /*  Breite, 
welche  ausserordentlich  resistent  sind.  Taf.  R^  Fig.  19,  zeigt 
ein  Präparat  von  sporenhaltigen  Heubacillen  bei  lOOOfacher  Ver- 
grösserung;  die  Färbung  geschah  hier  mit  Hülfe  von  kurz  einwirkender 
wässerig-alcoholischer  Farbstofflösung,  die  Sporen  sind  hierbei  nicht 
gefärbt  worden  (cf.  p.  76).  Fig.  20  zeigt  dasselbe  Material,  nach  der 
Sporenfärbungsmethode  behandelt  (cf.  oben  p.  236).  —  Bei  der  Kei- 
m  u  n  g  verlässt  das  Keimstäbchen  die  Spore  in  der  Mitte  ihrer  Längs- 


^)  cf.  oben  p.  16,  Anm.  1. 

-)  cf.  C.  Fränkel,  Grundriss  d.  Bakterienk.    3.  Aufl.    1S90.    p.  238. 
")  Mittb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.    Bd.  1.    ISSl.    p.  29. 
*)  Ebenda,    p.  23. 

•')  Bakteriologische  Diagnostik.     Hamburg  und  Leipzig.    Voss.    3.  Aufl.    1S91. 
p.  128. 


Der  Wurzelbacillus.  417 

Seite  diircli  einen  sich  in  der  Sporeumembran  bildenden  Eiss  und 
tritt  in  zu  der  Längsrichtung  der  Spore  senkrechter  Richtung  aus 
( P  r  a  z  m  0  w  s  k  3^ ). 


Zweifel  eine  Reihe  von  verschiedenen  Bacillenarten,  die  die  Form  der 
Zelle,  das  aerobe  Wachsthum,  das  Aussehen  der  Gelatineplattencolonie, 
die  eigenthümliche  Art  der  Eigenbewegung,  die  Sporenbildung  mit 
einander  gemein  haben.  So  hat  z.  B.  L.  Klein^)  mehrere  Bacillen- 
arten beschrieben,  die  sich  mit  Sicherheit  eigentlich  nur  dm-ch  die 
Art  der  Sporenkeimung  von  dem  oben  geschilderten  „Heubacillus" 
unterscheiden  lassen,  und  die  der  Autor  als  „falsche"  Heupilze  be- 
zeichnet. 

Auf  der  Resistenz  der  (unter  Anderem  auch  im  Heustaub  ge- 
wöhnlich vorhandenen)  Sporen  des  Heubacillus  beruht  ein  von  Roberts 
und  Buchner-)  angegebenes  Verfahren,  den  Heubacillus  aus  Heu 
rein  zu  erhalten:  Das  Heu  wird  mit  möglichst  wenig  Wasser  Über- 
gossen und  bei  36 ^^  C.  4  Stunden  stehen  gelassen.  Das  Extract  wird 
abgegossen  und  bis  zmn  spec.  Gew.  1,004  mit  Wasser  verdünnt,  dann 
mit  Soda  neutraUsirt.  500  ccm  der  Flüssigkeit  werden  in  einem  mit 
Watte  verschlossenen  Kolben  bei  geringer  Dampfentwickelung  eine 
Stunde  lang  gekocht;  dann  bleibt  die  Flüssigkeit  bei  36*^  C.  stehen. 
Binnen  24  Stunden  beginnt  sich  eme  Kahmhaut  zu  entwickeln,  welche 
die  Heubacillen  rein  enthält. 


3.  Der  Wurzelbacillus. 

Der  zuerst  (1881)  von  R.  Koch-')  beschriebene  wurzeiförmige 
Bacillus  (Wurzelbacillus,  Bacillus  mycoides,  Erdebacillus)  ^)  wird  fast 
in  jeder  Bodenprobe  angetroffen,  die  man  in  Gelatine  einsäet. 

Er  bildet  grosse  Stäbchen,  etwas  dicker  als  Mlzbrandbacillen, 
die  dadurch  ausgezeichnet  sind,  dass  sie  auf  der  Gelatine-  (und  Agar-) 
Platte  Colonien  bilden,  die  wie  ein  weitausgreifendes,  vielfach  ver- 
schlungenes Wurzel  geflecht  aussehen.  Auf  Taf.  I,  Fig.  3,  ist  eine 
Stelle  aus  einem  Klatschpräparat  von  der  Gelatineplatte  bei  1 000  fa eher 


1)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  6.     1889.     p.  316. 

'-)  cf.  W.  Zopf.     Die  Spaltpilze.   Breslau.   Trewendt.    3.  Aufl.  1885.  p.  74. 

3)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  1.     1881.     p.  29,  35. 

*)  Der  von  G.  C.  und  P.  F.  Frankland  (Zeitsclir.  f.  Hyg.  Bd.  6.  1889. 
p.  388)  in  Wasser  regelmässig  aufgefundene  ,, Bacillus  ramosus"  ist  mit  dem 
Wurzelbacillus  wahrscheinlich  identisch. 

Günther,  Bakteriologie.     4.  Auflage.  27 


418  C.  Sapropliytische  (nicht  pathogene)  Bakterienarten. 

Vergrösserung  dargestellt.  Der  Bacillus  ist  eigenbeweglich;  er 
Avächst  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden  bei  Sauerstoffanwesenheit. 
In  Gelatinestichculturen  geht,  entsprechend  dem  Wachsthiun  auf  der 
Platte,  zunächst  die  Bildung  eines  zierlichen  Greflechtwerks  vor  sich, 
welches  von  allen  Theilen  des  Impfstiches  in  die  Gelatine  hineinwächst. 
Die  Gelatine  "vnrd  dann  schnell  verflüssigt.  Auf  Kartoffeln  bildet 
sich  ein  weisslicher,  mattglänzender  Belag.  Der  Bacillus  bildet  endo- 
gene Sporen. 


4.  Bacillus  Megaterium. 

Der  Bacillus  Megaterium  wurde  von  de  Bary^)  gefunden, 
und  zwar  zuerst  auf  gekochten  Kohlblättern.  Er  stellt  ein 
grosses,  2,5 /^  dickes,  leicht  bogig  gekrümmtes,  wenig  leb- 
haft eigenbewegliches  Stäbchen  dar,  welches  endogene  Sporen 
bildet.  Die  Eigenbewegung  wii'd  nach  Messea-)  yermittelt  durch 
4 — 8  seitlich  stehende  Geis  sein.  Die  Sporenbildung  und  Sporen- 
keimung hat  de  Bary  an  diesem  Bacillus  ganz  besonders  eingehend 
studirt:  Bei  der  Sporenbildung  tritt  meist  dicht  an  einer  Endfläche 
in  dem  Protoplasma  ein  kleiner,  rundlicher,  stark  lichtbrechender 
Körper  auf.  Dieser  nimmt  an  Volumen  zu,  während  die  ihn  um- 
gebende Protoplasmamasse  successive  sch\^Tndet.  Xach  wenigen  Stunden 
(bei  20^)  ist  er  herangewachsen  zu  einem  länglich  cvlindrischen 
Körper,  der  stark  lichtbrechenden,  bläulich  glänzenden  Spore.  Bei  der 
Sporenkeimung  verschwindet  zunächst,  während  die  Spore  an 
Volumen  zmiimmt,  ihr  starker  Glanz.  Hat  die  Spore  die  normale 
Stäbchenbreite  erreicht,  so  „hebt  sich  in  vielen  Fällen  mit  einem  Male 
eine  quer  oder  schräg  zwei  klappig  aufgerissene  zarte  Membran  von 
der  Oberfläche  ab,  und  aus  dieser  gleitet  die  zart  umschriebene  Zelle 
hervor"  (de  Bary).  Der  Bacillus  wächst  auf  den  gewöhnlichen  Nähr- 
böden, am  besten  bei  20*^  C.,  aber  auch  bei  Brüttemperatur.  Der 
Bacillus  hat  ausgesprochenes  Sauerstoffbedürfniss.  Die  Gelatine 
wird  verflüssigt.  Auf  der  Agar  Oberfläche  entstehen  graue, 
schleimige  Ueberzüge.  Auf  Kartoffeln  bilden  sich  dicke,  schleimige, 
saftig  glänzende,  gelblich-  bis  grauweisse  Beläge. 

Die  Eigenschaft  des  Bac.  Megaterium,  in  seinen  Culturen  schlei- 
mige Massen  zu  bilden,  ist  darauf  zurückzuführen,  dass  sich  die  ein- 


^)  A.  de  Bary,  Vergleichende  Morphologie  und  Biologie  der  Pilze,  Mycetozoen 
und  Bakterien.     Leipzig.    Engel  mann.    1884.     p.  499. 
'^)  cf.  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  9.     1891.     p.  lOP,. 


Bacillus  Megaterium.  —  Die  Proteus-Arten  Hausers.  419 

zelnen  Zellen  des  Bacillus  gern  mit  ausgedehnten  Gallertkapseln 
umhüllen,  welche  dann  mit  einander  verkleben.  Nach  den  Beobach- 
tungen des  Verf.  sieht  man  im  gefärbten  Präparat  diese  Gallert- 
kapseln gewöhnlich  ohne  Weiteres;  der  Bacillus  gehört  also  zu  den- 
jenigen Bakterienarten,  welche  man  als  „Kapselbakterien"  bezeichnet 
(cf.  oben  p.  9). 


5.  Die  Proteus-Arten  Hauser's. 

In  faulenden  Substanzen  hat  G.  Häuser^)  (1885)  drei 
Arten  von  facultativ  anaeroben  Fäulnissbakterien  häufiger  angetroffen, 
welche  er  Proteus  vulgaris,  Proteus  mirabilis  und  Proteus 
Z  e  n  k  e  r  i  nennt.  Diese  Arten  sind  nach  H  a  u  s  e  r  pleomorph.  Sie 
sind  Päulnisserreger ,  erzeugen  bei  ihrem  Wachsthum  StofFwechsel- 
producte  (Alkaloide),  welche  auf  Thiere  giftig  wirken.-) 

a.  Die  am  häufigsten  vorkommende  Art  ist  Proteus  vulgaris. 
Dieser  Organismus  bildet  Stäbchen  von  0.6  /<  Breite  und  ver- 
schiedener Länge,  welche  lebhaft  eigenbeweglich  sind,  auf  den 
gewöhnlichen  Nährböden,  am  besten  bei  20 — 24*^  C,  wachsen.  Jedes 
Stäbchen  trägt  nach  Messea^)  äusserst  zahlreiche  (60 — 100)  seitlich 
stehende  Geis  sein,  welche  in  gelungenen,  nach  Loeffler  (cf.  oben 
p.  80  fl".)  gefärbten  Präparaten  dem  Bacillus  das  Aussehen  eines  Feder- 
bartes  verleihen.     Die  Gelatine  wird  schnell   verflüssigt.     Auf 


^)  Ueber  Fäulnissbakterien  und  deren  Beziehungen  zur  Septicaemie.  Leipzig. 
Vogel.     1885. 

-)  Gelegentlich  scheinen  die  Proteusarten  auch  spontan  als  Erreger  specifischer 
Krankheiten  auftreten  zu  können.  Die  erste  derartige  Mittheüung  stammt  von 
Bordoni-Uffreduzzi  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  3.  1SS7).  Der  Autor  fand  in  zwei 
Sectionsfallen  von  Menschen,  die  nach  ganz  kurzer  mehrtägiger  Krankheit  starben, 
und  bei  denen  Blutreichthum  der  inneren  Organe  und  Hämorrhagien  in  der  Luft- 
röhren- resp.  der  Darmschleimhaut  vorgefunden  wurden,  im  Blute  und  in  den  Or- 
ganen einen  an  die  Haus  er  "sehen  Proteusarten  erinnernden  Mikroorganismus,  den 
er  „Proteus  hominis  capsulatus"  (cf.  oben  p.  209,  Anm.  1)  nannte.  Mäuse 
und  Hunde  waren  sehr  erapiänglich  für  die  Infection,  die  sowohl  durch  subcutane 
und  intravenöse  Einverleibung  wie  durch  Einverleibung  vom  Darme  her  erfolgte. 

Jäger  (Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  12.  1892)  in  Ulm  hat  mehrere  Fälle  von  Weil'- 
scher  Krankheit  beim  Menschen  (fieberhafter  Icterus  mit  Milztumor  und  Nephritis) 
beschrieben ,  in  welchen  sich  in  den  Organen  eine  Proteus-ähnliche  Bakterienart 
(„Bacillus  Proteus  fluorescens")  vorfand.  Dieselbe  Proteusart  wies 
Jäger  auch  als  Erreger  einer  in  der  Nähe  Ulm's  spontan  auftretenden  Geflügel- 
seuche nach. 

3)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  9.     1891.     p.  106. 

27* 


420  ^-  Saprophytiscbe  (nicht  pathogene)  Bakterienarten. 

der  Gelatineplatte  (6proc.  Gelatine)  setzt  sich  der  verflüssigte 
Bezirk  häufig  (nicht  immer)  in  eigenthümlichen ,  die  wunderlichsten 
verschlimgenen  Figm-en  („Schwärmende  Inseln")  bildenden  Ausläufern 
in  die  solide  Gelatine  hinein  fort  („Bacillus  figurans").  Auf  der 
Agaroherfläche  konmit  es  zur  Bildung  von  grauen,  feuchtglänzenden 
IJeherzügen.  Auf  Kartoffeln  bildet  der  Bacillus  schmierige  Beläge. 
Sporenbildung  ist  nicht  vorhanden. 

b.  Der  Proteus  mirabilis  bildet  Stäbchen  von  0,6  jli  Breite 
und  wechselnder  Länge.  Die  Culturen  auf  der  Gelatine  platte 
bilden  in  der  Tiefe  des  Nährbodens  wunderbar  gestaltete,  gewundene 
Zoogloeamassen ;  auf  der  Oberfläche  bilden  sich  gelegentlich  „schwär- 
mende Inseln"  wie  bei  Proteus  vulgaris.  Die  Gelatine  wird 
sehr   langsam   verflüssigt. 

c.  Der  Proteus  Zenkeri^)  bildet  Bacillen  von  0,4 /i  Breite 
und  im  Mittel  1,6  /u  Länge.  Die  Gelatine  wird  nicht  ver- 
flüssigt. Es  bilden  sich  gelegentlich  „schwärmende  Inseln"  wie  bei 
Proteus   mirabilis.  -) 


6.  Bacterium  termo. 

Unter  der  Bezeichnung  „Bacterium  termo"  wurden  fi-üher, 
als  man  noch  nicht  verstand  mit  Eeinculturen  zu  arbeiten,  Bakterien 
verstanden,  die  man  in  faulenden  Flüssigkeiten  antraf,  und  die 
man  als  die  Erreger  der  Fäulnis s  ansah.  Bacterium  termo 
waren  kurze,  meist  zu  zweien  auftretende,  lebhaft  bewegliche  Stäbchen. 
Heutzutage  kann  die  Bezeichnung  „Bacterium  termo"  nur  als 
Sammelname  für*  ein  inconstantes  Gemenge  von  Arten  angesehen 
werden;  und  die  Bezeichnung  ist  deshalb  überhaupt  fallen  zu  lassen 
(Flügge=^)). 

^)  Nach  der  Vermuthung  von  Czaplewski  (Centralbl.  f.  Bakt.  2.  Abth. 
Bd.  1.  1895.  p.  186,  Anra.  1)  ist  Proteus  Zenkeri  identisch  mit  Bacterium 
Zopfii  (eifler  zuerst  von  Kurth  [Dissert.  BerUn.  1883]  aus  Darminhalt  des  Huhns 
gewonnenen,  nicht  pathogenen  Bakterieuart). 

-)  Haus  er  hat  später  (Münch.  med.  Wochenschr.  1892.  No.  7.  p.  105)  die 
Ansicht  ausgesprochen,  dass  die  drei  vorstehend  beschriebenen  Organismen  nicht  als 
verschiedene  Arten  anzusehen  sind,  sondern  dass  die  drei  Formen  einer  ein- 
zigen Species  angehören.  Er  schliesst  dies  aus  mit  der  Zeit  eintretenden  Ver- 
änderungen, die  er  an  seinen  Culturen  beobachtete. 

**)  Die  Mikroorganismen.    2.  Aufl.    Leipzig.  1S86.    p.  312. 


Bacterium  termo.  —  Der  Hueppe'sche  IMüchsäurebacillus.  421 

7.    Der  Hueppe'sche  Milchsäurebacillus. 

Ueberlässt  man  rohe  Kuhmilch  bei  höherer  Zimmertemperatur 
sich  selbst,  so  tritt  im  Verlaufe  von  einem  bis  mehreren  Tagen  unter 
starker  Säuerung  der  Milch  Gerinnung  des  Milchcaseins  ein.  In  der- 
artiger, sauer  gewordener  Milch  hat  Hueppe^j  (1884)  eine  bestimmte 
Bakterienart  constant  nachgewiesen,  welche  die  Fähigkeit  hat  den 
Mlchzucker  der  Milch  —  und  ebenso  auch  den  Milchzucker  (und  auch 
den  Traubenzucker)  künstlicher  Nährböden  —  unter  Bildung  von  Milch- 
säure zu  zerlegen.  Dieser  Hueppe'sche  „Milchsäurebacillus"  (Ba- 
cillus a c i d i  1  a c t i c i)  ist  ohne  Zweifel  identisch  mit  dem  „Bac- 
terium 1  actis",  welches  Jos.  Lister ^)  (1877)  aus  Mich  isolirte. 
Impft  man  eine  Reincultur  des  Milchsäurebacillus  in  sterilisirte 
Mich  (cf.  oben  p.  136)  ein,  so  tritt  Säuerung  und  Gerinnung  dieser 
]\Iilch  in  derselben  Weise  ein,  wie  wir  es  an  der  rohen  Mich  beob- 
achten, die  sich  selbst  überlassen  bleibt. 

Zur  Eeincultivh'ung  der  säurebildenden  Bakterien  aus  Milch  geht 
man  (nach  einem  von  Beyer inck^)  angegebenen  Princip,  welches 
der  Verf.  nach  eigenen  Untersuchungen*)  als  sehr  zweckmässig  emp- 
fehlen kann)  am  besten  so  vor,  dass  man  von  spontan  sauer  gewordener 
Mich  mit  Hülfe  einer  Nährgelatine,  welche  gährungsfahigen  Zucker'') 
enthält,  Plattenculturen  anlegt,  dass  man  aber  der  geimpften  Gelatine 
vor  dem  Ausgiessen  zu  Platten  einen  Zusatz  von  (sterilisirtem'^)) 
Calciumcarbonat  bis  zu  ziemlich  starker  Trübung  giebt.  Dieser 
„Kreideboden".  (Beyerinck)  eignet  sich  deshalb  so  gut  zur  Auf- 
findung der  säurebildenden  Bakterien,  weil  jede  Colonie  derartiger  Bak- 
terien, die  auf  der  Platte  entsteht,  —  in  Folge  der  Diffusion  der  ge- 
bildeten  Säure   in   die  Umgebung  —  zur   Auflösung   der   die  Colonie 


^)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.  Bd.  2.  1SS4.  p.  309  ff.;  Deutsche  med. 
Wochenscbr.    1884.    p.  778. 

-)  cf.  oben  p.  118,  Anm.   1. 

")  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  9.     1891.     p.  782. 

■*)  Vergl.  die  in  Gemeinschaft  mit  H.  Thierfelder  vom  Verf.  ausgeführte 
Arbeit,    die   spontane   Milchgerinnung  betreffend,  im  Arch.  f.  Hyg.    Bd.  25. 

■''')  Nach  den  Erfahrungen  des  Verf.  eignet  sich  gewöhnliche  2proc.  Trauben- 
zucker- oder  Milchzuckergelatine  (cf.  oben  p.  124,  125)  vortrefflich  für  diesen  Zweck. 
Beyerinck  (I.e.)  benutzte  eine  Hefewasser-Traubenzuckergelatine,  welche  folgender- 
massen  gewonnen  wird:  20  g  Hefe  werden  in  100  ccm  Leitungswasser  gekocht,  8  g 
Gelatine  (oder  ^/^  g  Agar)  und  5  —  10g  Traubenzucker  zugefügt.  Nach  neuem 
Kochen  wird  filtrh't. 

*^)  Eeine  Schlämmkreide  wird  in  "Wasser  gegeben  und  mit  dem  letzteren  längere 
Zeit  gekocht. 


422  C.  Sapropbj'tische  (nicht  pathogene)  Bakterienarten. 

umgebenden  Kreidetrübung  fübrt :  Nach  der  Entwickelimg  der  Colonien 
ist  jede  säurebildende  Colonie  von  einem  klar  durcbsichtigen  Feld 
umgeben. 

Der  ]\Iilclisäm-ebacillus  stellt  kleine,  etwa  1,0//  lange,  0,5  —  0,6 /t 
dicke,  an  den  Enden  meist  lanzettförmig  zugespitzte  Stäbchen  ohne 
Eigenbewegung  dar,  die  meist  zu  zweien  mit  einander  verbunden  sind, 
aber  auch  in  kleinen  Ketten  angeordnet  vorkommen  (cf.  das  Photo- 
granun  No.  7  auf  Taf.  ü):  hier  und  da  bilden  die  Stäbchen  auch 
haufenartige  Congiomerate.  Nach  Hueppe  bilden  die  Stäbchen  in 
Zuckerlösungen  Sporen.^) 

Die  Entwickelung  geht  sowohl  in  Gegenwart  wie  imter  Abschluss 
von  freiem  Sauerstoff  vor  sich.  Unter  10*^  C.  findet  keine  Entwicke- 
lung  statt.  Das  Temperatur  Optimum  liegt  nach  Hueppe 
zwischen  35  und  42  ^  C.-)  Auf  Gelatine  platten  entstehen  bei 
Zimmertemperatur  weisse,  makroskopisch  punktförmig  erscheinende, 
bei  oberflächlichem  Wachsthum  über  die  Gelatineoberfläche  promi- 
nirende  Colonien,  die  in  zuckerfreier  Gelatine  einen  Dm'chmesser  von 
0,5  mm  fast  nie  überschreiten,  in  traubenzucker-  oder  milchzucker- 
haltiger Gelatine  etwas  gi'össer  werden.  Die  Gelatine  wii'd  nicht 
verflüssigt.  In  zuckerfi-eier  Nährbouillon  tritt  eine  nur  ganz 
massige  Ti'übung  ein;  Traubenzucker-  oder  Milchzucker-Bouillon  trübt 
sich  imter  starker  Säuerung  intensiv.  Bei  der  Cultivirung  in  Gährungs- 
kölbchen,  die  mit  zuckerhaltiger  Bouillon  beschickt  sind,  wii'd  Gas- 
bildung nicht  beobachtet.  Auf  Kartoffeln  scheint  nur  sehr 
spärliches  Wachsthum  zu  erfolgen.  Auf  der  A  g  a  r  Oberfläche  bilden 
sich  —  und  zwar  auf  zuckerhaltigem  Nährboden  etwas  kräftiger  als 
auf  zuckerfi-eiem  —  zarte  durchsichtige  Beläge,  welche  wie  aus  feinsten 
Thautröpfchen  gebildet  erscheinen. 

Die  bei  der  Cultur  in  sterilisirter  Milch  gebildete  Säure 
ist  die  rechtsdrehende   Modification  der  Milchsäure.'^) 

Der  beschriebene  Milchsäurebacillus  lässt  sich  nach  der  Gram'- 
schen  Methode  (cf.  p.  108  ff.)  sehr  gut  färben.  Behufs  seines  mikro- 
skopischen Nachweises  in  saurer  Milch  geht  man  (wie  überhaupt 
zum  Zwecke  des  mikroskopischen  Nachweises  von  Bakterien  in  Milch) 
am  zweckmässigsten  so  vor,  dass  man  das  auf  das  Deckglas  aus- 
gestrichene und  in  der  Flamme  fixirte  Material  zunächst  durch  Ueber- 


1)  Bei  den   von   Thierfelder   und  dem  Verf.   ausgeführten  rntersiichuugen 
(1.  c.)  konnte  Sporenbildung  nicht  constatirt  werden. 

-)  Thierfelder  und  der  Verf.  fanden  etwa  28"  C.  als  Temperaturoptimum. 
ä)  cf.  Günther  und  Thierfelder,  Hyg.  Eundschau.     1S94.     p.  1105. 


Die  Bakterien  der  Buttersäurogäbrung.  423 

spülen  mit  A  e  t  h  e  r  von  dem  Milchfett  befreit,  dami  mit  Wasser  spült 
und  schliesslich  mit  Methylenblau  färbt.  Den  letzteren  Farbstoff 
wählt  man  deshalb,  weil  es  sich  um  eiweissreiches  Material  handelt 
(cf.  oben  p.  67). 

Der  Hueppe'sche  Mlchsäurebacillus  ist  nicht  die  einzige  Bak- 
terienart, welche  Mlchzucker  in  Milchsäure  umwandelt;  es  giebt  sehr 
zahlreiche  Arten,  welche  diese  Eigenschaft  haben.  Der  H  u  e  p  p  e '  sehe 
(resp.  Li  st  er 'sehe)  Milchsäurebacillus  ist  aber  dieienige  Bakterienart, 
welche  ganz  gewöhnlich  (vielleicht  stets)  die  Ursache  der  spon- 
tanen Milchs'erinnuuff  ist. 


8.    Die  Bakterien  der  Buttersäuregährung. 

Es  giebt  eine  grosse  Eeihe  von  Bakterienarten,  welche  die  Eigen- 
schaft haben,  aus  Kohlehydraten  Butt  er  säure  zu  bilden.^)  Be- 
reits 1861  wurde  von  Pasteur-)  ein  (anaerobes)  Buttersäureferment 
beschrieben.  Genauer  studirt  sind  weiterhin  eine  Reihe  .hierher- 
gehöriger Bakterienarten,  von  denen  einige  in  Folgendem  kurz  er- 
wähnt seien: 

a.  Der  Bacillus  butyrieus  Prazmowsky  (Clostridium  butyri- 
cum,  Bacillus  amylobacter)  findet  sich  in  ausserordentlicher  Verbreitung 
in  der  Natur.  Er  stellt  grosse  Stäbchen  von  etwa  1  /,t  Breite  und 
wechselnder  Länge  dar,  die  öfters  Ketten  bilden.  Der  Bacillus  ist 
lebhaft  eigenbeweglich.  Er  bildet  Sporen,  die  meist  mittel- 
ständig sind,  und  während  deren  Bildung  das  Stäbchen  in  der  JVIitte 
anschwillt,  so  dass  eine  Spindelform,  eine  Clostridiumform  (cf. 
p.  17)  entsteht.  Die  Sporen  können  aber  auch  am  Ende  des  Stäb- 
chens auftreten.  Die  Sporen  sind  1  //  breit  und  2 — 2,5  /*  lang.  Wenn 
die  (frei  gewordene)  Spore  auskeimt,  so  geschieht  das  so,  dass  aus 
einem  endständigen  Riss  der  Sporenmembran  das  Keimstäbehen  hervor- 
tritt; die  Sporenmembran  sitzt  dann  weiterhin  dem  jungen  Bacillus 
wie  eine  Kappe  auf.  Der  Bacillus  wächst  nur  bei  Sauerstoff- 
absehluss.  In  Lösungen  von  Stärke,  Dextrin,  Zucker,  milchsauren 
Salzen  bildet  er  grosse  Mengen  von  Butt  er  säure  unter  gleich- 
zeitiger Entwickelung  von  Kohlensäure  und  Wasserstoff.  Dieselbe  Gähr- 
thätigkeit   entfaltet  der  Bacillus  in  alter  Milch ,  deren  Milchzucker 


^)  Vergl.    liierüber   aucli   die   zusammenfassende   Uebersicht    von  Baier   (Cen- 
tralbl.  f.  Bakt.    2.  Abth.    Bd.  1.    1895.    p.  17  if.). 

-)  Comptes  rendus  de  l'acad.  des  sciences.     Paris,    t.  52.     1S61.    p.  342. 


424  C.  Sapropliy tische  (nicht  pathogene)  Bakterienarten. 

aber  zunächst  dm-ch  ]\Iilclisäuregälirung  in  ]\Iilchsänre  übergeführt  sein 
muss.  Auch  geronnenes  Casein  vermag  der  Bacillus  langsam  zu  lösen. 
Unter  gewissen  Umständen,  namentlich  bei  der  Cultivirung  des  Bacillus 
auf  stärkehaltigem  Nährboden ,  zeigt  das  Protoplasma  des  Bacillus 
Granulose-Gehalt.  Mt  wässeriger  Jodlösung  färbt  sich  das  Proto- 
plasma hier  ganz  oder  theilweise  tiefindigoblau  bis  schwarzviolett  (cf. 
p.  9).  Davon  hat  der  Bacillus  den  Xamen  ,,Bac.  amylobacter" 
erhalten.  —  Xach  Grub  er  ^)  verbergen  sich  unter  der  Bezeichnung 
Clostridium  1)utyricum  mehrere  Arten. 

b.  Der  Bacillus  but^ricus  Hueppe  wm'de  von  Hueppe-) 
aus  'Milch  isolii-t.  Derselbe  bildet  grosse,  schlanke,  häufig  zu  zweien 
verbimdene  Stäbchen,  welche  in  Gegenwart  von  Sauerstoff 
auf  den  gemeinen  Xährböden  (bei  Zimmer-  sowohl  wie  bei  Brüt- 
temperatur) gedeihen  und  mittelständige  Sporen  bilden. 
Die  Gelatine  wird  schnell  verflüssigt.  Auf  der  Agar  ober- 
flache  bildet  der  Bacillus  feuchte,  gelbliche  Ueberzüge.  In  steri- 
lisirter  Milch  veranlasst  der  Bacillus  (am  besten  bei  Brüttemperatm-) 
zimächst  labähnliche  Gerinnung  des  Caseins.  ohne  dass  dabei  die 
amphotere  Reaction  der  Milch  geändert  wird.  Dann  wird  das  aus- 
gefällte Casein  Avieder  gelöst  und  in  Pepton  und  einige  weitere  Spal- 
tungsproducte  ül)ergeführt ;  unter  diesen  tritt  Anmioniak  auf.  Zugleich 
macht  sich  ein  bitterer  Geschmack  bemerkbar.  Aus  milchsauren 
Salzen  bildet  der  Bacillus  B  u  1 1  e  r  s  ä  u  r  e. 

c.  Der  Bacillus  butyricus  Botkin  wiu'de  (1892)  von  S.  Bot- 
kin^)  aus  Milch,  Wasser,  Erde,  Staub  isolii-t  und  genauer  studirt.  Es 
handelt  sich  um  einen  streng  anaeroben,  dem  von  Prazmowsky 
beschriebenen  Bacillus  but3'ricus  nahestehenden,  gTossen,  sporenbildeu- 
den  Bacillus,  der  nach  Flügge^)  „geradezu  allverbreitet"  ist.  Er 
findet  sich  m  fast  jeder  ]\Iilch,  sobald  man  grössere  Portionen  in  Unter- 
suchung nimmt, '')  in  fast  jedem  Brunnenwasser,  in  der  Erde,  im  Staub, 
stets  in  den  Fäces  (auch  in  solchen  von  nur  wenige  Tage  alten ,  nur 
mit  Frauenmilch  genährten  Säuglingen). 


1)  Cenü-albl.  f.  Bakt.     Bd.  1.     1SS7.     p.  370. 

2)  Mitth.    a.   d.  Kais.    Ges. -Amte.     Bd.    2.     1SS4.     p.    35.3;    Deutsche    med. 
Wochenschr.     1884.     p.  796. 

^)  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  11.     1892.     p.  421  ff. 
4  Zeitschr.  f.  Hyg.     Bd.  17.     1894.     p.  289. 

^)  Uie  Prüfung  auf  das  Vorhandensein  von  Sporen  des  Botkin'schen  Bacillus 
erfolgt  nach  Flügge  (1.  c)  am  besten  durch  Einsaat  des  zu  untersuchenden  Mate- 


Bakterien  d.  Essiggähriing.  Milchkotlibakterien.   Ammoniakal.  Harnstoffgährung.    425 

9.    Bakterien  der  Essiggährung. 

Der  Bacillus  aceticus  (Bacteriiim  aceticum,  M3^coclerma 
aceti,  Essigpilz)  hat  das  Vermögen,  den  Alcohol  gegohrener  Gretränke 
(in  Gegenwart  von  freiem  Sauerstoff)  in  Essigsäure  zu  verwandeln. 
Er  bildet  auf  derartigen  Flüssigkeiten,  am  besten  bei  etwa  33^  C, 
oberflächliche  Kahmhäute,  während  die  Flüssigkeit  selbst  trübe  und 
stark  sauer  wird.  Die  Bacillen  stellen  Kurzstäbchen  dar,  die  gewöhnlich 
zu  lang-en  Ketten  verbunden  sind. 


10.  Die  Milchkotlibakterien  Eschericli's. 

Im  normalen  Darme  des  Säuglings  hat  Escherich^) 
(1885)  zwei  Bakterienarten  constant  vorgefunden  (obligate  Milchkoth- 
bakterien).  Die  erste  ist  das  Bacterium  1  actis  aerogenes. 
Dasselbe  bewohnt  die  oberen  Darmpartien;  weiter  nach  unten  im 
Darme  wird  diese  Art  immer  seltener  und  macht  der  zweiten  Art 
Platz,  dem  Bacterium   coli   commune. 

a.  Das  Bacterium  lactis  aerogenes  ist  ein  plumpes 
Kurzstäbchen  von  0,5  ^i  Breite,  welches  Eigenbewegung 
nicht  besitzt.  In  Zuckerlösungen  scheinen  sich  endständige 
Sporen  zu  bilden.  Das  Culturverhalten  ist  ähnlich  dem  des  Hueppe"- 
schen  Milchsäurebacillus  Q).  421).  Auf  Kartoffeln  bilden  sich  aber 
weissgelbliche,  rahmartig  zerfliessende,  von  Gasblasen  durchsetzte  Colo- 
nien.  Der  Milchzucker  wird  durch  das  genannte  Bacterium  ver- 
g obren  zu  Milchsäure  und  besonders  Essigsäure  (A.  Ba- 
ginsky).     Dabei   bildet   sich   Kohlensäure,   Wasserstoff  und   Methan. 

b.  Das  Bacterium  coli  commune,  welches  auch  im  Darm 
des  Erwachsenen  zu  finden  ist  und  auch  bei  Thieren  vorkommt,  haben 
wir  oben  (p.  364  ff.)  ausführlich  betrachtet. 


11.    Die   Bakterien    der    ammoniakalischen  Harnstoffgährung. 

Eine   Anzahl   Bakterienarten    haben    die   Fähigkeit,   Harnstoff 

in  Ammoniumcarbonat   umzuwandeln.     Hierher  o-ehören  unter 


riales   in   sterile  Milch,    dann  Erhitzen    der  Milch  30  Minuten   auf  lOO*'  C,    darauf 
Einstellen   der   luftdicht   verschlossenen   Flasche  in    den    auf  35  —  37*^  C.    geheizten 
Brütofen.     Binnen  24  Stunden  ist  die  Älilch ,  wenn  Sporen  des  Bacillus  in  der  Ein- 
saat vorhanden  waren,  in  voller  Buttersäuregährung. 
1)  Fortschr.  d.  Med.     1885.     No.  16,  17. 


426  C.    Saprophytische  (nicht  pathogene)  Bakterienarten. 

Anderem  der    Micrococcus    ureae    Leube ,    der    Micrococcus 
ureae    liquefaciens    Flügge,    der    Bacillus    ureae    Leube. ^) 

a.  Der  Micrococcus  ureae  Leube  ist  ein  Coccus  von  0,8 — 1,0  /,t 
Durcbmesser,  der  einzeln,  zu  zweien,  in  Tetraden  oder  Ketten  auftritt, 
auf  der  Gelatine   ohne   Verflüssigung   oberflächlich  wächst. 

b.  Der  Micrococcus  ureae  liquefaciens  Flügge  hat 
1,25  —  2  jj,  Durchmesser,  kommt  vereinzelt  oder  in  kleinen  Ketten 
oder  unregelmässigen  Gruppen  vor  und  verflüssigt  die  Gelatine 
langsam. 

c.  Der  Bacillus  ureae  Leube  bildet  plumpe  Stäbchen 
von  1  fx  Dicke  mit  abgerundeten  Enden,  welche  auf  der  Gelatine 
oberflächlich  wachsen,  ohne  dieselbe  zu   verflüssigen. 


12.  Bakterien  der  Mundhöhle. 

Um  die  Erforschung  der  in  der  Mundhöhle  des  Menschen 
vorkommenden  Bakterien  hat  sich  besonders  W.  D.  Miller-)  verdient 
gemacht.  Stets,  in  jeder  Mundhöhle,  zu  finden  sind  folgende  Bakterien 
(„eigentliche  Mundpilze"):  Leptothrix  buccalis  inno- 
minata,  Bacillus  buccalis  maximus,  Leptothrix  buc- 
calis maxima,  Jodococcus  vaginatus,  Spiriljum  sputi- 
g  e  n  u  m ,  S  p  i  r  o  c  h  a  e  t  e  d  e  n  t  i  u  m  (d  e  n  t  i  c  o  1  a).  Sämmtlich 
haben  sie  sich  bisher  den  Versuchen,  sie  künstlich  zu  züchten, 
widersetzt. 

a.   Leptothrix   buccalis   innominata   bildet   0,5  —  0,8 /* 
breite,   vielfach    gewundene    und    verschlungene,   bewegungs- 
lose Fäden ,  welche  sich  mit   J  o  d  j  o  d  k  a  1  i  u  m  1  ö  s  u  n  g   gelb   färben. 
Eine  LeptothrLxart   aus   der  Mundhöhle    ist  auf  Fig.  21  (Taf  IV) 
dargestellt. 

b.  Bacillus  buccalis  maximus  erscheint  in  Büscheln 
parallel  laufender,  1  — 1,3  /^  breiter  Fäden,  welche  sich  mit  Jod- 
j  0  d  k  a  1  i  u  m  1  ö  s  u  n  g  b  1  a  u  v  i  o  1  e  1 1  färben  (cf  p.  9 :  Granulose- 
reaction). 


^)  cf.  Flügge,  Die  Mikroorganismen.     2.  Aufl.     18S6.     p.  1G9  und  314. 

*)  Siehe  Miller 's  Hauptwerk:  Die  Mikroorganismen  der  Mundhöhle.  Leipzig. 
G.  Thieme.  2.  Aufl.  1892.  —  BeziigKch  speciell  der  pathogenen  Mundpilze 
vergl.  oben  p.  201,  Anm.  1  und  p.  387,  Anm.  5. 


Bakterien  der  Mundhöhle.  —  Der  Bacillus  der  blauen  Milch.  427 

c.  L  e  p  1 0 1  h  r  i  X  b  ii  c  c  a  1  i  s  m  a  x  i  m  a  hat  in  der  Form  und  An- 
ordnung die  grösste  Aehnlichkeit  mit  dem  Bacillus  buccalis  maximus, 
färbt  sieb  aber  mit  J  o  d  1  ö  s  u  n  g   gel  b. 

d.  Jodococcus  vaginatus  kommt  in  Ketten  von  4 — 10 
Zellen  vor,  welche  in  einer  Scheide  stecken.  Die  Verbände  haben 
eine  Dicke  von  0,75  //.  Die  eigentlichen  Zellen  färben  sich  mit  Jod- 
lösung b  1  a  u  V  i  0 1  e  1 1 ,  die  Scheide  nimmt  dabei  schwach  gelbe 
Färbung  an. 

e.  Spirillum  sputigen  um  bildet  komm  aförmige,  leb- 
haft bewegliche  Stäbchen,  welche  auch  zu  zweien  zusammengelagert 
sind  und  dann  S- Formen  bilden.  Ein  Photogramm  dieses  JVIikroorga- 
nismus  findet  man  auf  Taf.  X,  Fig.  59. 

f.  Spirochaete  dentium  (Sp.  denticola,  Zahnspiro- 
chaete)  findet  sich,  wie  die  vorige  Art,  unter  dem  Zahnfleischrande; 
sie  bildet  8  —  25  fi  lange  Schrauben  (cf.  Taf.  I,  Fig.  1,  ferner  den 
Rand  der  Figur  59  auf  Taf.  X).  Sie  hat  zugespitzte  Enden; 
dies  hat  sie  mit  der  Recurrensspirochaete  (p.  398)  gemein,  und  beide 
unterscheiden  sich  dadurch  von  anderen  Spirillen  (R.   Koch). 

In  dem  Zahnbelage  eines  an  Pyorrhoea  alveolaris  leidenden 
Hundes  fand  Miller  einen  Spaltpilz  von  riesigen  Dimensionen: 
Leptothrix  gigantea.  Derselbe  liess  sich,  wie  die  bisher  ge- 
nannten Arten,  künstlich   nicht   züchten. 

Die  künstliche  Reinzüchtung  gelang  Miller  unter  An- 
derem bei  folgenden  Mundpilzen :  Jodococcus  magnus  (grosse 
Coccen,  die  sich  mit  Jodjodkaliumlösung  blamiolett  färben),  Jodo- 
coccus parvus  (kleine  Coccen,  die  ebenfalls  die  Grranulosereaction 
geben),  ferner  bei  einem  Coccus,  der  mit' Jod  schön  rosaroth  wird. 

Ausser  den  genannten  giebt  es  eine  grosse  Anzahl  von  ün  Munde 
gelegentlich  zu  findenden  Arten,  deren  Reinzüchtung  gelimgen  ist, 
die  aber  mit  wenigen  Ausnahmen  noch  nicht  ausführlicher  studirt 
worden  sind. 


13.  Der  Bacillus  der  blauen  Milch. 

Der    Bacillus     der    blauen    Milch    (Bacillus    cyanogenus, 
Bacterium  sjTicyanum)  ist  die  Ursache   des  häufiger  zu  beobachtenden 


428  C.  Saprophytisehe  (nicht  pathogene)  Bakterienarten. 

spontanen  Blauwerdens  der  Milch.  Zuerst  von  Fuchs^)  (1841) 
wurde  die  Ursache  dieses  Blauwerdens  Bakterien  zugeschrieben ;  später 
wurde  der  veranlassende  Bacülus  besonders  von  Neelsen^)  und  von 
Hueppe'^),  femer  von  Scholl"*),  von  Heim'^)  und  von  Gessard'"') 
genauer  studii-t. 

Der  Bacillus  cyanogenus  ist  ein  kleines,  etwa  0,4  /t 
dickes,  schlankes  Stäbchen,  welches  häufig  zu  zweien  grui)pirt 
auftritt  und  lebhafte  Eigenbewegung  besitzt.  Die  letztere  wird 
vermittelt  durch  zahlreiche  Geissein,  die  wie  beim  Tj^husbacillus 
(cf.  p,  284)  den  Seitenwandungen  des  Individuums  angeheftet  sind. 
Die  Frage,  ob  der  Bacillus  Sporen  bildet,  war  von  Hueppe  in 
positivem  Sinne  entschieden  worden;  nach  neueren  Untersuchungen 
jedoch  (Scholl)  muss  die  Frage  als  eine  noch  offene  angesehen  werden. 

Der  Bacillus  gedeiht  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden,  am  besten 
bei  Zimmertemperatur,  und  bildet,  am  besten  auf  leicht 
sauren  Nährböden,  ein  schönes  blaues  Pigment.  Bei  B r ü t - 
temperatur  wächst  der  Bacillus  langsamer  als  bei  Zimmertemperatur ; 
hier  bleibt  die  Pigmentbildung  aus  (Heim). 

Auf  der  Gelatine  ist  das  Wachsthum  vorzugsweise  ein  ober- 
flächliches (der  Bacillus  ist  aerob).  Es  bildet  sich  in  der  Stich- 
en Itur  ein  schmutzig-weissgrauer  Belag  auf  der  Oberfläche,  während 
die  Gelatine  selbst,  besonders  um  die  oberen  Theile  des  Impfstiches 
herum,  eine  mehr  und  mehr  dunkel  werdende,  bläulich- violette  bis 
braune  Färbung  anninmit.  Je  alkalischer  die  Gelatine  ist,  desto  brauner 
wird  die  Färbung. 

In  sterile  Milch  eingeimpft  bewirkt  der  Bacillus  weder  Ge- 
rinnung noch  Säuerung;  sondern  die  ]\Iilch  wird  schwach  alkalisch 
und  färbt  sich  zugleich  schiefergrau.  Durch  Säurezusatz  geht  dieses 
Grau  in  intensives  Blau  über.  Impft  man  den  Bacillus  in  rohe 
Milch,  so  konmit  a  priori  (in  Folge  der  durch  die  Mlchsäurebakterien 
hervorgebrachten  Säuerung  der  Milch)  Blaufärbung  zu  Stande. 

Auf  der  Agar  ober  fläche  bildet  der  Bacillus  einen  schmutzig- 
grauen  Belag;    der  Nährboden   selbst   färbt   sich   in    ähnlicher  Weise, 


^)  Gurlt's  und  Hertwig's  Mag.  f.  d.  ges.  Thierheilk.  Bd.  7.  2.  (citirt  nach 
Flügge). 

2)  F.  Cohn's  Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.     Bd.  3.     1880. 

^)  Mitth.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.     Bd.  2.     1SS4.     v.  355  ff. 

^)  Fortschr.  d.  Med.     1889.     No.  21,     p.  8ul  ff. 

"0  Arb.  a.  d.  Kais.  Ges.-Amte.  Bd.  5.  —  cf.  Ceutralbl.  f.  Bakt.  Bd.  8. 
1890.    p.  46. 

«)  Ann.  de  l'Inst.  Pasteur.     1891.     l^o.  12. 


Bacillus  violacens.  —  Bacillus  ruber  Indicus.  429 

wie  dies  die  Gelatine  thut.  Anf  Kartoffeln  bildet  sicli  ein  dicker, 
schmieriger  Belag,  in  dessen  Umgebung  sich  die  Kartoffel  schwarz- 
blau färbt. 

Sehr  schön  gedeiht  der  Bacillus  auf  t  r  a  u  b  e  n  z  u  c  k  e  r  -  oder 
glycer inhaltigen  Nährböden  (z.  B.  Traubenzucker- Agar  etc.). 
In  steriler  Milch,  der  2%  Traubenzucker  zugesetzt  sind,  oder  in 
2proc.  Traubenzuckerbouillon  bildet  der  Bacillus  cj^anogenus  prachtvoll 
blauen  Farbstoff  und  Milchsäure  (Gessard^)).  Milchzucker  da- 
gegen -wird  durch  den  Bacillus  nicht  angegriffen. 

14.   Bacillus  violaceus. 

Der  Bacillus  violaceus")  (violetter  Bacillus  aus  Wasser ) -^ ) 
wird  häufig  in  Fluss-  und  Leitungswasser  (Spree,  Themse)  angetroffen. 

Er  ist  ein  kleines,  schlankes,  lebhaft  eigenbeweg- 
liches Stäbchen,  welches  einzeln,  aber  auch  zu  längeren  Fäden  ver- 
bunden, vorkommt.  Der  Bacillus  gedeiht  auf  den  gewöhnlichen  Nähr- 
böden und  bildet,  am  schönsten  auf  Agar  und  auf  Kartoffeln, 
einen  intensiv  dunkel-schwarz  violetten  Farbstoff.  Die  Gela- 
tine wird  verflüssigt.  Auf  Kartoffeln  ist  das  Wachsthum  ein 
langsames. 

r 

15.   Bacillus  ruber  Indicus. 

Der  Bacillus  Indicus  (Bacillus  ruber  Indicus)  wamle  von 
R.  Koch   in  Indien  aus  dem   Mageninhalt   eines   Affen  isolirt. 

Er  stellt  einen  sehr  kleinen,  eigenbeweglichen  Bacillus 
dar ,  welcher  bei  S  a  u  e  r  s  t  o  f  f  a  n  w  e  s  e  n  h  e  i  t  auf  den  gewöhnlichen 
Nährböden  wächst  und  dabei  einen  ziegelrothen  Farbstoff  pro- 
ducirt.  Die  Gelatine  wii'd  energisch  verflüssigt.  Das  Tem- 
peraturoptimum liegt  bei  etwa  35"  C.  Auf  Agar  sieht  die  Cultur 
zunächst  weiss  aus,  färbt  sich  aber  bald  roth.  Auf  Kartoffeln  bilden 
sich  ziegelrothe  Auflagerungen,  die,  mit  Ammoniak  betupft,  dunkelroth, 
nach  Essigsäurezusatz  aber  wieder  ziegelroth  werden  (Eisenberg'^)). 
Der  Bacillus  bildet  giftige  Stoffwechselproducte. 


1)  1.  c.  p.  745. 

'^)  cf.  Plagge  und  Proskauer,  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  2.  1887.  p.  463,  464; 
G.  C.  und  P.  F.  Frankland,  Zeitschr.  f.  Hyg.    Bd.  6.     1889.    p.  394. 

^)  Ein  Verzeichniss  der  überhaupt  beschriebenen  Wasserbakterien,  die  einen 
(blauen  oder)  violetten  Farbstoff  produciren,  findet  sich  bei  Voges  (Centralbl.  f. 
Bakt.    Bd.  14.     1893.    No.  10). 

^)  Bakteriologische  Diagnostik.     3.  Aufl.     1891.     p.  79. 


430  C.  Saprophj'tische  (nicht  pathogene)  Bakterienarten. 

16.  Bacillus  prodigiosus. 
Der  Bacillus  prodigiosus  (Mcrococcus  prodigiosus,  Monas 
prodigiosa  Ehrenberg)  findet  sich  (selten)  in  der  Luft  und  ist  schon 
frühzeitig  aufgefallen  durch  die  intensiv  blutrothe  Färbung,  welche 
er  manchen  Cultui'substraten  verleiht  (blutende  Hostie,  blutendes 
Wunder). 

Der  Bacillus  stellt  ein  sehr  kleines,  in  jungen  Culturen  deut- 
lich eigenbewegliches  Kurz  Stäbchen  dar  (siehe  Taf.  ü, 
Fig.  8),  welches  bei  Zimmertemperatur  sowohl  wie  bei  Brüttemperatur 
auf  den  gewöhnhchen  Nährböden  wächst  und  bei  Zimmertemperatur 
einen  mehr  oder  weniger  intensiv  rothen  Farbstoff  producirt.  Bei 
Brüttemperatur  wächst  der  Bacillus  farblos,  in  weissen  Cul- 
turen (Schott elius^)).  Hand  in  Hand  mit  der  Farbstofifproduction 
geht  die  Production  von  Trimethylamin  (Geruch  nach  Herings- 
lake; cf.  p.  25).  Am  schönsten  wird  der  Farbstoff  auf  Kartoffeln 
gebildet;  hier  ist  er  tief blutroth ;  auf  Agar  spielt  der  Farbstoff  mehr 
in  das  Carmoisim-oth  hinüber.  Der  auf  Kartoffeln  gebildete  blutrothe 
Farbstoff  wird,  mit  Essigsäure  betupft,  heller,  ziegelroth;  nach  Ammoniak- 
zusatz bildet  sich  wieder  das  ursprüngliche  Duukelroth  (Eisenberg-)). 
Der  Farbstoff  des  Bacillus  prodigiosus  besteht  aus  kleineren 
und  grösseren  Pigmentkörnchen,  welche  nicht  innerhalb,  sondern 
ausser hallb  der  Bakterienzellen  liegen.  Um  sich  von  dieser 
Thatsache  zu  überzeugen,  verfährt  man  folgendermassen :  Man  stellt 
sich  zunächst  (z.  B.  von  einer  Kartoffelcultur)  mit  Hülfe  von  etwas 
Wasser  einen  hängenden  Tropfen  in  der  gewöhnlichen  Weise  her.  Mau 
stellt  das  Präparat  in  der  gewöhnlichen  Weise  mit  Immersionss3^stem 
und  enger  Blende  ein  (cf.  p.  60)  und  sieht  nun  die  Bakterienzellen 
(Structurbild).  OeÖhet  man  jetzt  den  Condensor  vöUig,  so  verschwindet 
das  Bild  der  Bakterienzellen  fast  vollständig,  und  nun  sieht  man  die 
dunkelschwarzrothen  Pigmentkömchen  (Farbenbild). 

Die    Grelatine   wii'd   durch   den  Bacillus   prodigiosus    energisch 
verflüssigt. 

17.    Micrococcus  agilis. 
Im  Jahre  1889  wurde   von   Ali-Cohen'^)   aus   Trinkwasser   ein 
Micrococcus    („Micrococcus    agilis")   reingezüchtet,    dem   —    im 


^)  Biologische    Untersuchungen    über    den    Micrococcus    prodigiosus.      Leipzig. 
Engelmann.  1SS7.    (Sonderabdruck  aus:  Festschrift  für  Albert  von  Kölliker). 
-)  Bakteriologische  Diagnostik.     3.  Aufl.     1891.     p.  b5. 
'■')  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  G.     18S9.     p.  33. 


Bcacillus  prodigiosus.  —  Micrococcus  agilis.  —  Spirillura  rubrum.  43 1 

Gegensatz  zu  allen  bis  dahin  bekannt  gewordenen  Coccenarten  —  die 
Eigenschaft  der  Eigenbeweglichkeit  („agilis")  zukam  (cf.  p.  14). 

Der  Micrococcus  agilis  kommt  fast  immer  als  Diplococcus,  seltener 
in  kurzen  Kettenverbänden,  bisweilen  in  Tetradenform  zm-  Beobachtung. 
Der  Durchmesser  des  Coccus  beträgt  1  fx.  Der  Coccus  hat  lebhafte 
Eigenbewegung,  welche  vermittelt  wii'd  durch  sehr  lange,  ausser- 
ordentlich feine  Geis  sein,  die  gewöhnlich  in  der  Einzahl  vorhanden 
sind,  aber  auch  zu  mehreren  an  einem  Individuum  angebracht  vor- 
kommen (Loeffler^)). 

Der  Micrococcus  agilis  lässt  sich  auf  den  gewöhnlichen  Nähr- 
böden leicht  züchten:  er  wächst  bei  Zimmertemperatur,  nicht 
aber  bei  Brüttemperatur.  Auf  allen  Substraten  (Gelatine,  Agar,  Kar- 
toffel etc.)  wird  ein  rosenrothes  Pigment  gebildet.  Die  Gela- 
tine wii-d  langsam  verflüssigt.  Nach  der  Gram' sehen  Methode 
(p.  108  ff.)  färbt  sich  der  Coccus. 

Eine  weitere  eigenbewegliche  Mcrococcenart  („Micrococcus 
agilis   Citren s")  hat  Menge'-)  beschrieben. 

Loeffler'^)  hat  ebenfalls  gelegentlich  einen  eigenbeweglicheu 
Micrococcus  gefimden,  cultivirt  und  kurz  beschrieben. 


18.    Spirillum  rubrum  Esmarch. 

Das  Spirillum  rubrum  Esmarch  wurde  von  E.  v.  Es- 
march^j  aufgefunden  in  dem  Cadaver  einer  an  Mäusesepticaemie 
verendeten  Maus,  der  zur  Gewinnung  von  Fäulnissbakterien  mit  Lei- 
tungswasser hingestellt  worden  war  und  3  Monate  später  vertrocknet 
gefimden  wurde. 

Das  Spirillum  bildet  einen  schönen  rothen  Farbstoff,  aber 
nur  bei    Sauerste  ff  ab  Wesenheit. 

Das  Spirillum  wächst  bei  Zimmer-  und  bei  Brüttemperatur,  am 
besten  bei  37"  C.  Es  lässt  sich  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden 
züchten.  In  der  Gelatine  kommt  es  bei  Zimmertemperatur  nur 
sehr  langsam  zur  Entwickelung.  In  der  Stiche ultur  bildet  sich 
nur  im  Verlauf  des  Impfstiches,  nicht  an  der  Oberfläche,  rother 
Farbstoff"  (siehe  oben).     Die  Gelatine  wird  nicht  verflüssigt. 


^)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  6.     1S89.     p.  219;  Bd.  7.     1S90.    p.  634,  637. 

2)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  12.     1892.     No.  2/3. 

»)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  7.     1890.     p.  637. 

^)  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  1.     1887.     No.  S.     p.  225  ff. 


432  C.  Sapropby tische  (nicht  pathogene)  Bakterienarten. 

Auf  festen  [N'ährböden  bilden  sich  nur  kurze  (3  —  4  Win- 
dungen umfassende),  aber  lebhaft  bewegliche  Spirillen;  Loeff- 
ler^)  hat  an  ihren  Enden  kurze  Geisseibüschel  nachgewiesen. 
In  flüssigen  Nährböden  kommt  es  zm-  Ausbildung  sehr  langer 
(30  —  40  und  mehr  Windungen  umfassender)  unbeweglicher 
Schrauben. 

Bezüglich  etwaiger  Sporenbildung  ist  Sicheres  noch  nicht 
bekannt. 

Das  Spirillum  rubrum  ist  das  erste  wirkliche  Spirillum,  dessen 
künstliche  Eeinzüchtung  gelungen  ist. 

19.    Chromogene  Sarcinen. 

In  der  Luft  kommen  ganz  gewöhnlich  Sarcinekeime  vor,  die  sich 
gelegenthch  auf  unseren  Nährböden,  Gelatineplatten,  Kartoffeln  etc., 
niederlassen  und  dort  zur  Entstehung  von  Colonien  Veranlassung  geben, 
die  (meist)  durch  ihre  Färbung  auffallen. 

Die  häufigsten  sind  —  nach  meiner  Beobachtung  —  eine  (die 
Gelatine  sehr  schnell  verflüssigende)  citronen g e  1  b e  Sarcine,  ferner 
eine  weisse  (langsam  verflüssigende);  femer  beobachtete  ich  öfters 
eine  gelb  grüne  Sarcine  (ohne  jedes  Yerflüssigungsvermögen) ; 
seltener  kommt  eine  orange  Sarcine  vor,  die  ausserordentlich 
langsam  wächst  und  die  Gelatine  nicht  verflüssigt.  Dies  dürften  wohl 
die  hauptsächhchsten  der  in  der  Luft  gewöhnlich  Vorkommenden  Sarcine- 
arten  sein.-)  Ein  Photogramm  der  gelbgrünen  Sarcine  findet  man 
auf  Taf.  in,  Fig.  14. 

20.    Fluorescirende  Bakterienarten  aus  Wasser. 
Im  Wasser  kommen  Bakterienarten  vor,   welche,   in  Gelatine  ge- 
züchtet,  derselben  eine  prachtvolle    grüne   fluorescirende   Fär- 
bung verleihen.     C.  FränkeT^)  beschreibt  deren  zwei: 

a.  Bacillus  fluorescens.  Derselbe  ist  ein  kleiner,  feiner 
Bacillus  ohne  Eigen bewegung.     Er  wächst  bei  Zimmertemperatur 

')  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  6.     1889.     p.  216. 

2)  Hierzu  möchte  ich  bemerken,  dass  sicher  nicht  Alles,  was  in  Lehrbüchern 
unter  dem  Namen  „Sarcine"  beschrieben  ist,  wirklich  hierher  gehört.  Man  darf 
nicht  jeden  Micrococcus,  bei  dem  man  gelegentlich  (oder  auch  häufiger)  Anhäufungen 
zu  je  vier  Zellen  sieht,  als  „Sarcine"  bezeichnen.  Nur  das  würde  ich  als  „Sarcine" 
gelten  lassen,  was  die  typische,  oben  (p.  11)  beschriebene  und  auf  Taf.  HI,  Fig.  14, 
abgebildete  Packe tform  aufweist. 

»)  Grundriss  der  Bakterienkunde.     3.  Aufl.     1S90.     p.  253. 


Bacillus  fluorescens  liquefaciens.  —  Phosphorescirende  Bakterien  arten.      433 

auf  der  Gelatine,  und  zwar  fast  ausschliesslich  oberflächlich,  in  Gestalt 
einer    zarten,    grauen,    blattartig    gezeichneten    Haut.     Die    darunter 
liegende  Gelatine   fluorescirt   prachtvoll   hellgrün. 
Die  Gelatine  wird   nicht   verflüssigt. 

b.  Bacillus  erythrosporus.  Derselbe  ist  viel  grösser 
als  der  vorhergenannte,  ist  eigenbeweglich  und  bildet  grosse 
mittelständige  Sporen,  welche  einen  eigen thünilichen  rothen 
Glanz  („erythrosporus")  besitzen   sollen. 

Die  Gelatine  wird  nicht  verflüssigt.  Das  Wachsthum  ist 
nicht  auf  die  Oberfläche  beschränkt  wie  bei  dem  vorigen  Bacillus.  Die 
Gelatine  fluorescirt  ebenso  schön  wie  bei  dem  vorigen  Bacillus. 

21.    Bacillus  fluorescens  liquefaciens. 

Der  Bacillus  fluorescens  liquefaciens  (verflüssigender 
fluorescirender  Bacillus)  findet  sich  häufig  in  faulenden  Flüssigkeiten; 
er  kommt  gelegentlich  auch  im  Wasser  vor. 

Der  Bacillus  bildet  kurze,  eigenbewegliche  Stäbchen, 
zu  zweien  verbunden.  Die  Gelatine  wird  verflüssigt  und  zeigt, 
namentlich  in  den  noch  nicht  verflüssigten  Theilen,  grünlich- 
gelbe riuorescenz.  Auf  Kartoffeln  bilden  sich  bräunliche 
Beläge   (Flügge^)). 

22.    Phosphorescirende  Bakterienarten. 

Eine  Reihe  von  Bakterienarten  hat  die  Eigenschaft,  in  ihren  Cul- 
turen  im  Dunkeln  zu  leuchten.  Mit  dem  Studium  derartiger  Bak- 
terien haben  sich  Pflüger-),  B.  Fischer^),  Forster*),  Katz'') 
und  andere  Autoren  beschäftigt. 

Hier  seien  drei  Arten  aufgeführt,  die  von  B.  Fischer  entdeckt 
resp.  genauer  studirt  worden  sind. 

a.  Bacillus  phosphorescens.  Derselbe  wurde  von  Fischer 
bei  der  Insel  S.  Croix  im  Meerwasser*^)  gefunden.     Er  stellt  kleine, 


')  Die  Mikroorganismen.     2.  Aufl.     1886.     p.  289. 

^)  Arch.  f.  d.  ges.  Physiologie.     Bd.  10  und  11. 

3)  Zeitschr.  f.  Hyg.  Bd.  2.  1887.  p.  54  ff.;  Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  3.  1888. 
No.  4—5;  ebenda    Bd.  15.    1894.    p.  660,  661. 

*)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  2.     1887.     No.  12.     p.  337. 

^)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  9.     1891.     p.  157  ff. 

ö)  Wie  Fischer  (Centralbl.  f.  Bakt.  Bd.  15.  1894.  p.  666)  mitgetheüt  hat, 
kommen  auf  hoher  See  Leuchtbakterien  selten  vor;  häufig  sind  sie  in  den  Küsten- 
regionen und  Binnenmeeren. 

Günther,  Bakteriologie.    4.  Auflage.  28 


434  C-  Saprophy tische  (nicht  pathogene)  Bakterienarten. 

dicke,  e  i  g  e  n  b  e  w  e  g  1  i  c  h  e  Stäbchen  dar,  welche,  am  besten  zwischen 
20  und  30°  C,  auf  den  Nährböden  wachsen  und  die  Gelatine  ver- 
flüssigen; Sporen  werden  nicht  gebildet.  Auf  Kartoffeln 
ist  das  Wachsthum  ein  geringes.  Unter  10°  C.  findet  überhaupt  kein 
Wachsthum  statt. 

Die  Culturen  leuchten  (am  besten  bei  Temperaturen  zwischen 
25  und  30°  C.)  im  Dunkeln  mit  mildem,  weissem,  einen  bläu- 
lichen Schimmer  zeigenden  Lichte,  aber  nur  bei  Sauerstoff- 
anwesenheit.  Zusatz  geringer  Mengen  von  Chlormag-nesium  oder 
Mag-nesiumsulfat  zu  leuchtenden  Culturen  verstärkt  das  Leuchten. 
Den  günstigsten  Nährboden  für  den  Bacillus  bilden  gekochte  Fische, 
die  prachtvoll  leuchtend  werden. 

b.  Bacterium  phosphorescens.  Dasselbe  stammt  von 
todten  Fischen  aus  der  Ostsee,  die  bei  einfachem  Liegen  (im 
Keller)  häufig  von  selbst  leuchtend  werden.  Es  bildet  kurze, 
plumpe,  oft  zu  zweien  zusammenhängende,  aerobe  Stäbchen  ohne 
Eigenbewegung,  welche  auf  der  Gelatine  ohne  Verflüssigung, 
hauptsächlich  oberflächlich,  auf  Kartoffeln  nicht  wachsen. 

Das  Temperaturoptimum  für  das  Leuchten  liegt  erheblich  niedriger 
als  bei  dem  vorigen  Bacillus.  Das  Leuchten  ist  etwas  stärker  als 
bei  dem  vorigen  Bacillus  und  zeigt  einen  grünlichen  Schimmer. 

c.  Der  einheimische  Leuchtbacillus,  von  Fischer  im 
Wasser  des  Kieler  Hafens  gefunden.  Derselbe  stellt  kurze, 
dicke,  lebhaft  eigenbewegliche,  aerobe  Stäbchen  dar,  die 
auf  der  Gelatine  am  besten  bei  3  0/^  Kochsalzzusatz ^)  wachsen,  auf 
Kartoffeln   nicht  gedeihen.     Die  Gelatine  wird  verflüssigt. 

Das  Wachsthum  und  Leuchten  findet  schon  bei  5  — 10°  C, 
ebenso  aber  bis  gegen  25°  C.  hin,  statt.  Die  Farbe  des  Lichtes  ist 
keine  grünliche,  sondern  eine   bläu  lieh- weisse. 

lieber  die  von  Kutscher  entdeckte  Phosphorescenz  bei  Vibrio- 
nen siehe  oben  p.  357. 

23.    Spirillum  concentricum  Kitasato. 

Aus  faulendem  Rinderblut  züchtete  Kitasato-)  (1888) 
eine    Spirillenart  rein   („Spirillum   concentricum").     Das    Spi- 


^)  Ueher  die  Herstellung  solcher  Koch  salz -Gelatine  cf.  oben  p.  125. 
')  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  3.     1888.     No.  3.  p.     73. 


Spirillum  concentricum.  —  Einige  andere  saprophytische  Bakterienarten.     435 

rilluni  wächst  auf  Gelatine  bei  Zimmertemperatur,  ohne  die 
Gelatine  zu  verflüssigen,  und  bildet  auf  der  Platte  eigen- 
thümliche,  aus  concentrischen  Ringen  zusammengesetzte  Colo- 
nien.  In  der  Stichcultur  findet  hauptsächhch  ein  oberflächliches 
Wachsthum  statt.  Das  Temperatur  Optimum  liegt  zwischen  20 
und  23^  C.     Auf  Kartoffeln  gedeiht  der  Organismus  nicht. 

Mikroskopisch  stellt  das  Spirillum  kurze,  2  —  3  Windungen  um- 
fassende, lebhaft  bewegliche  Schrauben  dar.  In  Bouillon 
kommt  es  zur  Bildung  von  langen  (5  —  20  Windimgen  zeigenden) 
Schrauben.  Die  Dicke  der  Organismen  ist  etwas  grösser  als  die  der 
Cholera  Vibrionen.  Sporenbildung  wurde  nicht  constatirt.  Das 
Spirillum  trägt  an  den  Enden  kurze   G  e  i  s  s  e  1  b  ü  s  c  h  e  1  (L  0  e  f  f  1  e  r  \)). 


24.    Einige  andere  saprophytische  Bakterienarten. 

Einige  in  ihrer  Form  auffällige,  häufiger  vorkommende  Bakterien- 
arten sollen  in  Folgendem  noch  aufgeführt  werden,  obgleich  man  die- 
selben in  Reinculturen  noch  nicht  studirt  hat: 

a.  Bacillus  tremulus  Koch.-)  Derselbe  findet  sich  oft  an 
der  Oberfläche  von  faulenden  Pflanzenaufgüssen,  und  zwar 
in  solcher  Menge,  dass  er  eine  ziemlich  dicke,  schleimige  Haut  auf 
denselben  bildet.  Er  hat  eine  eigenthümliche  zitternd  rotirende  Be- 
wegmig.  Beide  Enden  des  Bacillus  tragen  eine  Geis  sei,  welche  eine 
feine,  regelmässig  gestaltete  Wellenlinie  bildet.  Er  bildet  Sporen, 
welche  dicker  werden  als  der  Bacillenkörper. 

b.  Spirillum  Undula.'^)  Es  kommt  sehr  häufig  in  allen 
möglichen  faulenden  Flüssigkeiten  vor ;  namentlich  in  Stroh  aufgüssen 
habe  ich  es  gewöhnlich  gefunden.  Es  bildet  grosse,  mit  kräftigen 
Geissein  oder  mit  Geisseibüscheln  an  den  Enden  versehene  Spirillen 
(siehe  Taf.  in,  Fig.  15  und  16;  vergl.  auch  oben  p.  80). 

c.  Spirochaete  plicatilis.  Von  Koch'')  häufig  in  Riim- 
steinen,  im  Stadtgraben  von  Wollstein,  im  Schlamm  am  Rande  des 
Wollsteiner  Sees  während   des  ganzen   Sommers  gefunden.     Diese  Art 


1)  Centralbl.  f.  Bakt.     Bd.  6.     1889.     p.  216. 

^)  E.  Koch,  Cohn's  Beitr.  zur  Biol.  d.  Pfl.   Bd.  2.    1877.   p.  417,  ferner  da- 
selbst Taf.  XIV,  Phot.  6,  und  Taf.  XV,  Phot.  3. 

^)  cf.  E.  Koch,  ebenda  p.  416,  ferner  daselbst  Taf.  XIV,  Phot.  3. 
-•)  Ebenda  p.  420,  ferner  daselbst  Taf.  XIV,  Phot.  7. 

28* 


436  C.  Saprophytische  (nicht  pathogene)  Bakterienarten. 

ist  durch  eine  zweifache  Wellenlinie,  d.  h.  durch  grössere  pri- 
märe und  kleinere  secundäre  Windungen,  ausgezeichnet.  Sie  bewegt 
sich  ausserordentlich  schnell. 

Ausserdem  seien  als  hierher  gehörig  noch  genannt  d.  Bac- 
terium  Lineola;^)  e.  Bacillus  Ulnar)  f.  Vibrio  Rugula;-^) 
g.  Vibrio  s  e  r  p  e  n  s ;  *)  h.  S  p  i  r  i  1 1  u  m  t  e  n  u  e ;  '*)  i.  S  p  i  r  1 1 1  u  m 
volutans.*^) 


^)  F.  Cohn,  Untersuchungen  über  Bakterien.  (Beitr.  z.  Biol.  d.  Pfl.  Bd.  1. 
Heft  2.  1872.)  Daselbst  Taf.  HI,  Fig.  11,  12. 
-)  Ebenda.  Fig.  15. 
3)  Ebenda.  Fig.  16. 
*)  Ebenda.  Fig.  17. 
°)  Ebenda.  Fig.  19. 
6)  Ebenda.     Fig.  21. 


Anhang. 


Ausser  den  saprophytischen  Bakterien  haben  auch  manche 
saprophytische  Schimmelpilze  und  auch  manche  Hefen  für 
uns  ein  Interesse,  weil  sie  sich  gern  als  ungebetene  Graste  auf  unseren 
Bakterienculturen  einzufinden  pflegen. 

Unter  den  Schimmelpilzen  sind  es  namentlich  manche  Mucor-, 
Penicillium-,  Aspergillus-  und  Oidiumarten,  welchen  wir  öfters  be- 
gegnen. Oben  (p.  403)  haben  wir  bereits  die  für  die  Gattungen 
Mucor,  Aspergillus  und  Oidium  characteristische  Art  und  Weise  der 
Sporenabschnürung  kennen  gelernt.  Bei  Penicillium  ist  diese 
wiederum  abweichend.  Die  Fruchthyphen  zeigen  hier  pinselartige  Ver- 
zweigungen, auf  denen  die  Sporen  reihenweise  abgeschnürt  werden. 

Der  häufigste  aller  Schimmel  ist  das  (zugleich  die  häufigste  aller 
Verunreinigungen  unserer  Culturen,  namentlich  der  Kartofifelculturen, 
bildende)  Penicillium  glaucum  (grüner  Pinselschimmel).  Zu- 
nächst als  kleines,  wenig  ausgebreitetes  weisses  Mycelgeflecht  er- 
scheinend nimmt  seine  Colonie  schnell  an  Flächenausdehnung  zu,  und 
sehr  bald  konunt  es  in  den  mittleren  Partien  derselben  zur  Fructi- 
fication  (Sporenab'schnürung) ;  diese  Theile  sind  durch  grüne  Farbe 
ausgezeichnet. 

In  der  Milch  (besonders  in  saurer),  femer  in  der  Butter  wird 
ganz  gewöhnhch  eine  saprophytische  Oidiumart  („Oidium  lactis") 
angetroffen.  Dieser  Organismus  wächst  auf  der  Grelatine,  ohne 
dieselbe  zu  verflüssigen.^)  Bei  der  Fi-uctification  bildet  er  trockene, 
weisse,  oberflächliche  Rasen.  Das  Temperaturoptimum  für  das  Ge- 
deihen des  Oidium  lactis  liegt  bei  20  <>  C. 

Die  Methoden  der  mikroskopischen  Untersuchung  der 
Schimmelpilze  haben  wir  oben  (j).  404)  erörtert. 

Von  den  Hefen  oder  Sprosspilzen  (einzelligen  Pilzen,  welche 
sich  durch   Sprossbildung,   die  an  den  vegetativen  Zellen  auftritt. 


^)  Sauer  reagireude  Gelatine  kann  verflüssigt  werden. 


43  8  Anbang. 

vermehren  [cf.  Taf.  I,  Fig.  6;  vergl.  auch  oben  p.  8],  die  aber  unter 
Umständen  auch  Sporen  [sog.  Ascosporen]  bilden  können)  kommen 
einige  Arten  sehr  häufig  in  der  Luft  vor,  namentlich  die  sogenannte 
Rosa-Hefe,  welche  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden  wächst  und 
dabei  einen  hellrosa  Farbstoff  producirt.  Die  Gelatine  wird  durch 
diesen  Organismus  nicht  verflüssigt.  Ebenso  verhalten  sich  zwei 
andere  (seltenere),  ebenfalls  in  der  Luft  anzutreffende  Hefearten:  die 
schwarze  und  die  weisse  Hefe.  Sie  sind  nur  durch  die  Farbe 
des  producii'ten  Pigmentes  von  der  Rosa -Hefe  unterschieden.  Ausser- 
ordentlich üppig  wachsen  die  chromogenen  Hefearten  auf  trauben- 
zucker-  und  auf  gljcerinhaltigen  Nährböden. 

An  dieser  Stelle  seien  zwei  weitere  —  in  der  Natur  sehr  ver- 
breitete —  Hefearten  genannt :  die  Bierhefe  (Saccharomyces 
cerevisiae)  und  die  Weinhefe  (Saccharomyces  ellipsoi- 
deus).  Beide  haben  das  Vermögen,  wässerige  Lösungen  der  Zucker- 
arten von  der  Foraael  Cg  H^g  Og  unter  Bildimg  von  Alcohol  und  Kohlen- 
säure zu  vergähren  (Alcoholgährung;  alcoholische  Gräh- 
rung).  —  Hefezellen  aus  dem  Bodensatz  von  Weissbier  sind  auf 
Taf.  L  Fig.  6,  dargestellt. 


Register. 


(Die  Ziffern  ohne  Bezeichnung  bedeuten  die  Seitenzahlen;  der  wichtigste  Nachweis 
steht  meist  an  erster  Stelle.) 


Abbe'scber  Beleuchtungsapparat.  48.  56  ff. 

Abbildungsvermögen.  49. 

Abgestorbene  Bakterien,  Färbung.  75. 

Abimpfung  von  Culturen.  150  ff. 

Abortgruben,  Desinfection.  34. 

Abrin.  215.     . 

Abscesse.  376.  379. 

Abschwächung  virulenter  Bakterien.  204  ff. 

Absitzraethode  171. 

Absterbeerscheinungen.  15. 

Abtödtung    der    Bakterien ,  Prüfung  auf 

dieselbe.  36. 
Achorion  Schönleinii    405. 
Acria  des  Blutserums.  307. 
Actinomyces  bovis  sive  hominis.  399  —  401. 
Taf.  XII,  Fig.  71. 
„  musculorum  suis.  401. 

Aeroben,  obligate,  22. 
Aerobentypus.  22. 
Aether  als  Desinfectionsmittel  31. 
Aetiologie,  Feststellung  derselben.  188  ff. 
Aetzkalk,  s.  Kalk. 
Agar-Agar.   125  ff. 
Agarplatten.  158. 
Agar-Eollplatten.   159. 
Agricultur,    Beziehungen    der  Bakterien 

zur.  43. 
Albumose,  giftige.  234. 
Alcohol,  kein  Desinfectionsmittel.  31. 
„        als  Härtungsmittel.  87. 
,,        als  Entwässerungsmittel.  92  ff. 


Alcohol,  Wirkung     als    Constituens    von 
Farblösungen  und  auf  gefärbte 
Präparate.  9 8  ff. 
als  Entfärbungsmittel.  99.  105. 
„  Vergährung  durch  Bakterien.  42. 

Alcoholgährung.  438. 
Alcoholische  Lösungen,  keine  Desinfections- 
mittel. 30. 
Alexine.  210.  224. 
Algen.  19. 
Alkalescenz  der  Nährgelatine,  s.  Reaction, 

chemische. 
Alkalialbuminatnährboden,  s.  Deycke. 
Alkalien,  Production  durch  Bakterien.  44. 
,,        Eesistenz  der  Bakterien  gegen.  87. 
Alkaliprote'ine.  377. 
Ameisensaures     Natron     als    Zusatz     zu 

Nähragar.  167. 
Ammoniak  als  Stoffwechselproduct.  42. 
„  eiterungserregende   Fähigkeit. 

375. 
Ammoniakalische  Gährung.  425.  42. 
Amoeba  coh.  410. 
Anaeroben.  22. 

„  Fäulniss  durch.  42. 

Cultivirung.  163  ff. 
Anaerobentypus.  22. 
Angina  lacunaris.  379. 
Anilin.  65. 

,,       als  Entwässerungsmittel.  92.  114. 
Anilinfarben.  65  ff. 


440 


Eegister. 


Anilinfarben,  bakterienschädigende  Eigen- 
schaften derselben.  64. 
Anilinfarbstoffe,  basische  und  saure.  65. 
Anilinwasser.  101. 
Anilinwasser- Farbstoff lösungen ,   L  o  e  f f - 

1er' s  alkalische.  103.  83. 
Anüin Wasser -FarbstofiFlösungen,   s.    auch 

Ehrlich. 
Anpassung  an  den  Nährboden.  23.  194. 
„  „  Temperaturverhältnisse.  23. 

361. 
Anreicherungsmethoden,  s.  Vorcultur. 
Ansteckung.   196. 
Antikörper.  215.  222. 
Antisepsis.  38. 
Antiseptica.  37.  38. 
Antitoxine.  213.  215.  221  ff. 
Antitoxinproduction.  219. 
St.  Antoniusfeuer.  247. 
Antrocknungsmethode,  s.  Unna. 
Apertur,  numerische.  49.  60. 
Apochromat-Objective.  48. 
Arbeitstisch.  52. 
Arten,  specifische.  2. 
Arthrosporen.  17.  322. 
Ascomyceten.  404. 
Ascosporen.  438. 
Asepsis.  38. 
Asparagin.   138. 
Aspergillusarten ,    pathogene.    403.    404. 

278. 
Asphaltiack.  68.  405. 
Asporogene  Culturen,  s.  Milzbrandbacillus. 
Athmungsfiguren.  22. 
Aufhellungsmittel.  92. 
Aufkitten  des  Trockenpräparates.  68. 
Aufkleben  gehärteter  Organstücke.  88. 89. 
Auflösungsvermögen.  49. 
Augenkammer,  Impfung  in  dieselbe.  197. 
Ausglühen  der  Instrumente.  26. 
Auskeimung    der    Sporen.    16;    s.    auch 
Sporenkeimung. 
„  verlangsamte,  36. 

Austrocknen.  30.  31. 
Autoclav.  29. 
Auxanogramm,  Auxanographie.  119. 

Bacillen.  7.  12. 
Bacillenfäden.  12. 
Bacillus  aceticus.  425. 


Bacillus  acidi  lactici.  421. 
„        amy  lob  acter.  424. 
,,        anthracis,  s.  MilzbrandbaciUus. 
,,        buccalis  maximus.  426. 
„        butyricus  Botkin.  424. 
„  „  Hueppe.  424. 

„  „  Prazmowsky.  423. 

,,        capsulatus.  392. 
„        cholerae  gallinarum.  309. 

choleroides.  354.  363. 
,,        cyanogenus.  427. 
„        der   Pseudotuberculose    des   Ka- 
ninchens. 277. 
„        des  mahgnen  Oedems,  s.  Malignes 

Oedem. 
„        erythrosporus.  433. 
„        figurans.  420. 
„        fluorescens.  432. 
„  „  Uquefaciens.  433. 

Indiens.  429. 
„        liodermos.  414. 
„        Uquefaciens  magnus  und  parvus. 

238. 
„        Megaterium.  418. 
„        mesentericus  fuscus.  414. 
„  ;,  ruber.  415. 

„  „  vnlgatus.  413. 

„        mit    insectenähnhchen   Colonien. 

415. 
„        multipediculus.  415. 
„        murisepticus.  294. 
,,        mycoides,  s.  AVurzelbaciUus. 
„        Neapolitanus.  369. 
„        oedematis  maügni,    s.  Mahgnes 
Oedem. 
II.  240.  248. 
„        phosphorescens.  433. 

pneumoniae.  390—391.   9.    195. 
386.  Taf.  XII,  Fig.  69. 

prodigiosus.   430.   25.  244.  248. 
329.  330.  374.  Taf.  II,  Fig.  8. 
„        Proteus  fluorescens.  419. 
„        pseudotuberculosis.  277. 
,,        pyocyaneus.  315  -317.  211. 
„        radiatus.  239. 
,,        ramosus.  417. 
,,        ruber  Indiens.  429. 
„        sarcophysematos  bovis.  247. 
„        soHdus.  239. 
„        spinosus.  239. 


Eegister. 


441 


Bacillus  subtilis,  s.  HeubaciUus. 
„        tremulus.  435. 
„        typhi  murium  ,    s.  Mäusetypbus. 

Ulna.  436. 
,,        ureae.  426. 
„        violaceus.  429. 
Bacteridie  du  cbarbon,  s.  Milzbrandbacillus. 
Bacteriopurpurin.  9. 
Bacterium.  12. 

„  aceticum.  425. 

„  aeruginosum.  315. 

„  avicidum.  309. 

„  coli  commune.  364 — 369.  425. 

146.  329.  330. 
„  coli  commune,  Unterscheidung 

von     dem     Typhusbacillus. 
287  flf. 
lactis.  118.  421. 
„  „      aerogenes.  425. 

„  Lineola.  436. 

„  phosphorescens.  434. 

„  syncyanum.  427. 

termo.  420. 
Zopfii.  420. 
Bakterien,  Definition.  1. 
Bakterienbefund,  constanter.   189. 
Bakterienharpune.  151. 
Bakterienproteine.  46.  377.  378. 
Bakterienzelle.  8. 
Bakteriologische  Wissenschaft.  1. 
Barbone  dei  bufali.  313. 
Beggiatoa.  18.  19. 
Bebring'sches  Gesetz.  212.  214ff. 
Beize.  80.  81. 

Beleuchtung,  mikroskopische.   56  fiF.  72  ff. 
261. 
„  Princip      der     maximalen. 

72—74. 
Benzol,  kein  Desinfectionsmittel.  31. 
Beobachtung  der  Bakterien.  47  ff. 
Bergluft,  Keimgebalt.  174. 
Berkefeld-Filter.  209.  180. 
Bewegung  der  Bakterienzelle.  13. 
Bier,    Haltbarermachen    durch  Pasteuri- 

siren.  30. 
Bierhefe.  438. 
Biscuitform.  10. 

Bismarckbraun.  66.  67.  68.  264. 
Blaue   Gläser   zum   Abstumpfen   der  Be- 
leuchtung. 56.  74.  261. 


Blaue  Milch.  427. 
Blauer  Eiter.  315. 

Bleizucker   zum  Nachweis   des   Schwefel- 
wasserstoffs. 40. 
Blende.  59. 

Blenden,  Ehrl  ich 'sehe.  176. 
Blepharoadenitis.  379. 
Blut,  Bakterienverniehtung  durch.  209  ff. 
„     Untersuchung  auf  Bakterien.  76. 
,,     Cultivirung  von  Bakterien  aus.  160. 
Blut- Agar.  394.  128.  299.  371. 
Blutegel    zur    Conservirung    von    Mikro- 
organismen. 399.  409. 
Blutende  Hostie,  blutendes  Wunder.  430. 
Blutpräparate,  Färbung.  67.  76.  77. 
Blutserum,  Vorbereitung  für  Culturzwecke. 
130. 
„         Strichcultur  zur  Isolirung  der 
Keime.  191.  299. 
Platten.  160.   131.  370. 
menschliches.  131.  370ff. 
„  bakterienschädigende      Eigen- 

schaften. 210  ff. 
„  globulicide  Eigenschaften.  21 1 . 

„  an ti toxische  Eigenschaften  .213. 

„  Immunisirung    durch    Einver- 

leibung desselben.  212  ff. 
Blutserum-Agar.  160.  128.  191.  370.  371. 
Blutserum-Bouillon.  371.  384. 
Blutserum-Gelatine .   131. 
Blutserumtherapie.  214  ff.  246.  304  ff.  384. 
Bluttemperatur,  s.  Brüttemperatur. 
Boden,  Verwesung  im.  42.  43. 

,,      filtrirende  Wirkung  desselben.  182. 
„      Bakteriengehalt.  181. 
„      Schicksal     pathogener    Bakterien 
im.  183. 
Bodenbakterien.  23.  182. 
Bodenuntersuchung,       bakteriologische. 

ISlfif.   157. 
Bonhoff 's  Vibrio.  356. 
Boraxmethylenblau.  78. 
Bouillon,  s.  Nährbouillon. 
Bouilloncultur.  154.  155. 
Bouillon-Serum.  384. 
Brom  als  Desinfectionsmittel.  31. 
Brotbrei  als  Nährboden.  139.  404. 
Brown' sehe  Bewegung    13. 
Brütofen.   168. 
Brütschrank.  168. 


442 


Eegister. 


Brütschrank  fiir  das  Mikroskop.  168.  1.55. 
Brüttemperatur,  Cultur  bei.  167  ff. 
Brunnen.  182. 
Bubonen -Pest.  395. 
Büffelseuche.  313. 
Buttersäurebacillen.  423  ff. 
Buttersäureferment  Pasteur's.  423. 
Buttersäuregährung.  423.  41. 

Canadabalsam.  68.  50. 
Carbolheilserum.  217.  222. 
Carbolöl,  Verhalten  gegen  Bakterien.  31. 
Carbolsäure   als   Desinfectionsmittel.    31. 
36. 
„  relative  Giftigkeit.  38. 

rohe.  33. 
„  Kesistenz  des  TyphusbaciUus 

gegen.  288. 
Carbolsäurefuchsinlösung,  s.  Ziehl. 
Carbolsäuremethylenblaulösung ,       siehe 

Kühne. 
Carbonate  als  Kohlenstoffquellen.  20. 
Carbunkel.  eitriger.  379. 
Carceag.  410. 
Caries  der  Zähne.  201. 
Carminfärbuug  der  Bakterien.  9. 
Cedernöl   als   Imraersionsflüssigkeit.     48. 
50. 
„         Entfernung  vom  Präparate.  71. 
CeUoidinraethode.  89. 
Charbon,  s.  Milzbrand. 

„         symptoiuatique,  s.  Kauschbrand. 
Chemikalien  zur  MikToskopie.  51. 
Chemische     Processe     beim     Bakterien- 

wachsthum.  40  ff. 
Chemotaxis.  376. 
Chenzinsky'sche  Lösung.  77. 
Chlor  als  Desinfectionsmittel.  31. 
Chloroform,  kein  Desinfectionsmittel.   31. 
Chlorophyll.  9.  20. 
Cholera  asiatica.  31 7  ff.  216. 
Cholera  des  poules.  309. 
Cholera  nostras.  336  ff.  359. 
CholerabaciUus,  s.  Choleravibrio. 
Cholerareaction.  333—336. 
Choleraroth.  333. 

Cholera  Vibrio.  317—348.    Taf.    X,    Fig. 
55—57;   Taf.   XI,   Fig. 
61—63. 
„  Geschichte,  Fundort.    317. 


Choleravibrio,  Morphologie.  318—319.  13. 

Geisseifäden.      318  —  319. 

14.  86. 

.,  Künstliche  Cultur.  319  bis 

322.  24.   148.  328.  359. 

,,  Dauerformen.  322. 

,,  Involutionsformen.  322.  15. 

„  Verhalten    gegen    Säuren. 

322.  22.   122. 
„  Verhalten   gegen  Desinfec- 

tionsmittel    und    gegen 
Austrocknen.  322.  30. 
„  Vorkommen  ausserhalb  des 

Körpers.  323. 

„  Vorkommen     speciell     im 

Wasser.   323.  326.  177. 

„  Infection     von     Versuchs- 

thieren.    324—325.    327 

bis  329.  350. 

,,  Infection     des     Menschen. 

325—326.  329.  201. 
„  .  Giftbüdung.  326—328. 
„  Immunisirung.     329 — 333. 

344. 
R.    Pfeif- 
fer's    specifisehe.     331 
bis  333. 
„  Cholerareaction         (Indol- 

reaction).  333—336. 
Diagnose.    336—348. 
Vorcultur.  344—345.    347 
bis  348. 
„  Nachweis  im  Wasser.   346 

bis  348.  323.  343.  178. 
„  Färbungsverhalten.  336. 

Cholesterin,  Färbungsverhalten.  261. 
Chromogene  Arten.  9.  46.  153.  173.  432. 

Sarcinen.  432.  173. 
ChromophyU.  9.  20. 
Cladothrix.    18.    19.   148.     Taf.  IV,  Fig. 

22.  24. 
Classificirung.  7. 
Clostridium.  17. 

,,  butyricum.  423. 

Coagulationsnekrose.  252. 
Coccen.  7.  11.  12. 

Cohn's    normale  Bakterien  -  Nährflüssig- 
keit. 137. 
Colonien  auf  der  Platte.   144  ff. 
„        primäre,  secundäre.  147. 


Kegister. 


443 


Condensationswasser.  129. 

,,  Beseitigung-         bei 

Agarschälchenculturen.  159.  342. 
Condensor,  s.  Abbe. 

„  herausklappbarer.  57. 

Conidien.  403.  404. 
Conjunctivitis,  diphtherische.  299. 

,,  phlyctaenulosa.  379. 

Conservirung  von  Culturen.  161  — 163. 
Contactpräparat.  149. 
Contactthermometer.  169. 
Contagiosität.  195.  196. 
Contrastfärbung    108.  111.  237. 
Contusionstuberculose.  265. 
Crenothrix.  18.  19.    Taf.  IV,  Kg.  23. 
Creolin.  33.  38. 
Culturbedingungen.  20  ff. 
Cultumiethoden.  139  ff. 
Cystitis.  368. 

Dahlia.  66. 

Dampf,  s.  Wasserdampf. 
Dampfdesinfectionsapparate.  28.  29. 
Dampftopf.  28. 
Dampftrichter.  127. 

Darm ,    Ausscheidung    pathogener    Bak- 
terien durch  denselben.  207. 
Darmschleimhaut,   Bakteriengehalt.    190. 
Dauerformen.  16.  17.  18. 
Danerpräparat    61.  70.  162. 
Dauersporen.  16. 
Deckgläser.  50. 

,,  Entfettung  und  Sterilisirung. 

155. 
„  Keinigung.  50. 

Deckglaspincette.  51.  63. 
Deckglastrockenpräparat.  61  ff. 

„  Färbung     nach 

Gram.  114. 
Degeneration.  15.  82. 

„  allgemeine     bei     der     Ab- 

schwächung  der  Virulenz.  205. 
Degenerirte  Bakterien,  Färbung.  75. 
Deneke's  Vibrio.  360—362.  335.  349. 
Dermatophyten.  405. 
Desinfection.  25  ff. 

durch  Hitze.  26  ff. 
,,  durch  chemische  Mittel.  30  ff. 

„  Prüfung     der     chemischen. 

35—37. 


Desinfection  der  Hände.  38. 

„  chirurgischer      Instrumente 

und  Verbandstoffe.  38. 
,,  des   Trockenpräparates.  64. 

Desinfectionsanstalten.  28. 
Desinfectionsmittel,  chemische.  30  ff. 

„  gasförmige.  34. 

Desinfectionsprüfung.  35 — 37. 
D  e  y  c  k  e '  s       Alkalialbuminatnährboden. 

300.  320. 
Diagnosticirung    pathogener      Bakterien. 
192. 
,,  des  Typhusbacillus.   287 

bis  291.  192. 
des  Choleravibrio.    336  ff. 
Diastatische  Fermente.  41. 
Dicke  der  Bakterienzellen.  8.  86. 
Differenzirung   der  Färbung.  91.  78.  99. 
Digestor.  29. 
Diphtherie.  297.  214.  216. 

„  und  Diphtheritis.  297. 

,,  septische.  298. 

„  Serumtherapie.       304  —  307. 

214  ff 
locale  Behandlung.  307. 
Diphtherie-Antitoxinlösung-Schering.  223. 
Diphtheriebacülus.   297—308.    199.  201. 
Taf.  IX,  Fig.  51,52. 
„  Geschichte ,    Vorkom- 

men.      297  —  299. 
200. 
„  Morphologie.  298. 

„  Künstliche        Cultur. 

299—301.   160. 
„  Sporenbildung,    Resi- 

stenz. 301. 
Giftbildung.  301. 

308.   199. 
„  Infection  resp.  Intoxi- 

cation ,     Pathologi- 
scher Befund.   301 
bis  302.  305. 
„  Immunisirung      resp. 

Giftfestigung.    302 
bis  304.  214.  216. 
218.  220. 
„  Färbungsverhalten. 

308.  112. 
„  Pseudodiphtherieba- 

cülus.  308. 


444 


Eegister. 


Diphtheriegift ,      Eesistenz     gegen     Er- 
hitzung. 210. 
Diphtherische  Lähmungen.  302. 
Diplococcen.   12. 

Diplococcus    intracellularis     meningitidis. 
386. 
,,  lanceolatus.  387. 

pneumoniae.  387—390.  386. 
Taf.  Xn,  Fig.  68. 
Disposition,   individuelle.   265.  302.  326. 

346. 
Doppelfärbung.  77.  108.  111.  237.  257  ff. 
Druckpräparate.  78. 
Dünger.  43. 

Dun  bar 's  Vibrio.  356. 
Dysenterie,  tropische.   410. 
Dysenterie-Amöben.  410. 

Ehrlich'  sehe  Anilinwasserfarbstoff- 
lösungen. 101—103. 
Blenden.   176. 

Ei  als  Nährboden.  135.  136.  328. 

„   spontanes  Verderben.  135. 

Eigenbewegung.  13. 

Einbettung.  89.  90. 

Einschliessen  des  Trockenpräparates.  68. 
69. 

Einstellen  des   gefärbten  Präparates.    74. 
„  des  hängenden  Tropfens.  55  ff. 

60. 

Eintheilung  der  Bakterien.  7. 

Eisenbakterien.   10.  21. 

Eisenchlorid  als  Desinfectionsmittel.  31. 

Eisengelatine.  41. 

Eisenoxydgehalt    der  Bakterienzelle.    10. 
19. 

Eiter,  blauer,  grüner.  315. 
„       Cultivirung  von  Bakterien  aus.  160. 

Eiterpräparate,  Färbung.  67. 

Eiterung.  375—384.  208.  268.  373. 

Eiterungen,  phlegmonöse.  381.  374. 
„  secundäre.  380. 

Eiterungserregende    Stoffe    in    der    Bak- 
terienzelle. 376.  377.  268. 

Eiweiss,    Peptonisirung  durch  Bakterien. 
41. 

Eiweissfreie  Nährlösungen.  137 ff.  21.  254. 

Eiweissgährung.  41.   195. 

Eiweisshaltiges    Material,     Färbung    im 
Trockenpräparat.  67. 


Eiweisskörper,  bakterienschädigende.  210. 
giftige.  45.  199   292.  308. 
„  eiterungserregende.      208. 

377.  378. 
Eiweisslösungen,  Immunisirung  durch  Ein- 
verleibung derselben.  209.  212  ff.  234. 
Eiweissstoffe  als  Stickstoffquellen.  21. 
Eibvibrio.  357. 

Electricität,  Einwirkung  auf  Bakterien.  39. 
Emmerich's  Bacillus.  368. 
Empfänglichkeit.   188.  192. 
Encephalitis.  393. 
Endocarditis.  380.  381.  387.  388. 
„  nach  Pneumonie.  388. 

,,  veiTucosa       baciUosa      der 

Schweine.  296. 
Endogene  SporenbUdung.  17. 
Endospore  Arten.  17. 
Endständige  Sporen.    17.    Taf.  VH,   Fig. 

40,  41. 
Entfärbung,  Allgemeines.  97  ff. 

nach  Gram.  108  ff. 
Entfärbungsmittel.  91.  105.  106. 
Entwässerung   der  Schnitte.   92.  65.  96. 

114. 
Entwickelungshemmung.  24. 
Enzyme,  s.  Fermente. 

„         Eesistenz  gegen  Erhitzung.  210. 
Eosin.  66.  77. 
Eosin-Methylenblau.  77. 
Epidermis,  Färbung.  113. 
EpidermiszeUenfragmente,   Färbung.  261. 
Erde,  s.  Boden. 
Erdebacillus,  s.  WurzelbaciUus. 
Erkrankung.  187. 
Erschöpfung  des  Nährbodens.  15. 
Erschöpfungshyijothese.  207. 
Erysipelstreptococcus.     373  —  375.     382. 

Taf  XI,  Fig.  66. 
Erysiphe.  404. 
Esmarch's  EoUcultur.    156.  159.    Taf 

V,  Fig.  26. 
Essiggährung.  42.  425. 
Essigpüz.  425. 

Essigsäure  als  Entfärbungsmittel.  105. 
,,  zur      Abspülung       gefärbter 

Trockenpräparate.  68. 
Essigsäurebildung  durch  Bakterien.  425. 

42. 
Essigsaures  Kali  als  Einschlussmittel.  68. 


Register. 


445 


Etikettirung  der  Präparate.  70. 
Eurotium.   404. 
Exantheme,  acute.  195. 

Fadenpilze,  s.  Schimmelpilze. 
Fäces,  Desinfection.  34.  323. 
Fäcesplatten.  341. 

Färbbarkeit,  leichte  und  schwere.    104  ff. 
Färbbarkeitsscala.  91. 
Färbung  des  Protoplasmakörpers.   9.    15. 
66.  75.  114. 

,,         der   Membran,    Hülle,   Kapsel. 
75.  86.   114.  227  ff.  67. 

„         absterbender  Bakterien.  15.  75. 

„         des    Trockenpräparates.     64  ff. 
98  ff 

„         bei  höherer  Temperatur.  78.  95. 

101.  107.  258  ff.  263. 

der  Schnitte.  90  ff.  99  ff. 

„        Allgemeines.  97  ff. 

„         Intensität  derselben.   101  ff. 

„         intensive.  106. 

der  Sporen.  235—237. 

,,        der  Geisseln,  s.  Geisseifärbung, 
nach  Gram.  108  ff. 
Fäulniss.  42. 

postmortale.   190.  42. 
Fäulnissalkaloide.  45. 
Farbenbild.  59. 
Farblösungen.  66.  83.  97  ff. 
Farbstoffe  zum  Färben.  52.  65  ff. 
Farbstoffniederschläge.  66.  189. 
Farbstoffproduction.  9.  25.  46.   153. 
Favuspilz.  405.  141. 
Febris  recurrens.  398. 
Feldmaus,  Infection.  197. 
Feldmausplage.  315. 

Fermente,  Bildung  durch  Bakterien.    41. 
Fettcrystalle,  Färbungsverhalten.  261. 
Fettspaltung  durch  Bakterien.  45. 
Fibrinfärbung.  114. 

Fibrinogenlösungen,  s.  Eiweisslösungen. 
Filterbakterien.  180. 
Filtration  der  Luft.  172. 

„         des  Wassers.  179.  180. 

„         keimfreie  von  Culturen.  208. 
Fütrirende  Eigenschaft  des  Bodens.  182. 
Fingerfleck  versuch.  105. 
Finkler' s  Vibrio.  359—360.  329.  330. 
334.   335.  354.  358.  361.  362. 


Fischen  von  der  Platte.   151. 

Fixirung  des  Trockenpräparates.  63. 

Flecktyphus.  194. 

Pleischextract.  120,  126. 

Fleischinfuspeptonkochsalzlösung.  119. 

Fliegender  Brand.  247. 

Flimmerbewegung.  14. 

Fluorescenz  durch  Bakterien.  46.  432.  433. 

Fluorescirende  Bakterien.  432.  433.  316. 

Forellenseuche.  23. 

Form.  7  ff.  18.  318. 

Formaldehyd.  34.  161. 

FormaUn.  34.  161. 

FormaHnmethode  Hauser' s.   161  ff. 

Formconstanz.  18. 

Formtypen.  7. 

Frettchenseuche.  313. 

F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r '  s    Bacillus ,    s.    Bacillus 

pneumoniae. 
Fruchtformen.   15. 
FrühUngsfieber.  409. 
Fuchsin.  66.  84. 
Furunkel.  379.  196.  201. 

Gährung,  alcohoHsche.  438. 

„         ammoniakahsche.  425. 
Gährungen.  41. 

Gährungskölbchen.    130.    153.  288—290. 
366. 
„  zur  Prüfung  des  Sauer- 

stoff bedürfiüsses.  165. 
,,  zurAnaerobencultur.  166. 

Gährungsprobe.  288. 
Gaffky'sche  Tabelle.  262. 
GaUengangsentzündung,  eitrige.  368. 
GaUerthtiUe.  13. 
Gasentwickelung  bei  Bakterien wachsthum. 

41.  153.  130.  366. 
Geflügelcholera.  309. 
Geflügelpest.  309. 

Geflügeltuberculose,  s.  Hühnertuberculose. 
Geflügeltyphoid.  309. 
Gefriermikrotom.  88. 

Gegenfärbung.  1 08 ;  s.  auch  Doppelfärbung. 
„  bei   der   Gram 'sehen  Me- 

thode. 111. 
Geisseibüschel.  14.  Taf  HI,  Fig.  16,  17. 
Geisseifäden.    14.  Taf.  HI,  Fig.   15—18; 
Taf  VIII,  Fig.  46;  Taf  X, 
Fig.  57. 


446 


Register. 


Geisseifäden,  Darstellung.  79  ff.  103. 
Geisseifärbung  nach  Koch.  80. 

„  „      Loeffler.  80—86. 

„  ,,      vanErmengem.86. 

Geisseipräparate,   Wirkung   des  Alcohols 

auf  gefärbte.  98. 
Gelatine,  Peptonisirung  durch  Bakterien. 

41.   145.   148. 
Gelatinesorten,  verschiedene.  120. 
Gelatinestichcultur,  s.  Stichcultur. 
Gelbfieber.  195. 
Gelenkeiterungen.  379. 
Gelenkentzündungen,  metastatische.  381. 

„  primäre.  387. 

Generatio  aequivoca.  2. 
Gentianaviolett.  66.  113. 
Geräusch.  247. 

Gewöhnung  der  Bakterien  an  den  Nähr- 
boden. 23. 
„  der  Parasiten  an  das  sapro- 

phytische  Dasein.  194. 
„  an     Temperaturverhältnisse. 

23.  361. 
Giessapparat  Koch's.  143. 
Giftfestigkeit,  Grad  derselben.  217. 
Giftfestigung.  214.  215.  292. 
Giftigkeit,  relative.  38. 
Giftpfeile.  241. 

Giftzerstörung.  213.  221—222. 
Glasbänkchen.  144. 
Glasplatten,  s.  Platten. 
Gliedersporen.  18. 
Gliramerplatte ,   Anwendung  bei  Platten- 

culturen.  165. 
Gloeococcus.  9, 

Glycerin,  kein  Desinfectionsmittel.  31. 
Glycerin  als  Emschlussmittel.  68.   404. 
Glycerin- Agar.  128. 
Gly  cerin-B  ouillon .  129. 
Glycerinspaltung  durch  Bakterien.  45. 
Gonococcus,  s.  Gonorrhoecoccus. 
Gonorrhoe.  369. 

,,  ascendirende.  373. 

Gonorrhoecoccus.     369—373.     Taf     XI, 

Fig.  65. 
Gram 'sehe  Methode.  108  ff. 

„  „  für     Deckglasprä- 

parate. 114. 
„  ,,  Weigert's  Modi- 

fication.  114.96. 


Gram 'sehe  Methode,    Unna's     Modifi- 

cation.  115. 
Gram-Günther'sches  Verfahren.  110. 

112. 
Gram- Weigert 'sehe  Färbungsmethode, 

s.  Gram'sche  Methode. 
Granulosegehalt    bei    Bakterien.    9.    424. 

426.  427. 
Grüner  Eiter.  315. 
Grundfärbung,  s.  Gegenfärbung. 
Grundwasser.  179.  182. 

„  Bakteriengehalt.  182. 

Haajfragmente,  Färbungs verhalten.  261. 
Haarzöpfe  der  Eauschbrandbacillen.  247. 
Hadernkrankheit.  232. 
Hämoglobin  im  Nährboden.  394. 
Hände,  Desinfection.  38, 
Hängender  Tropfen.  53  ff. 

„  „        Cultur  in  deBaselben, 

155.  164. 
Häutchenbildung  in  Bouillon culturen.  154. 
Halibakterien.  177. 
Harnstoffgährung.  42.  425. 
Hausfilter.  180. 
Haut,  Bakteriengehalt.  190. 
,,       Infection  durch  dieselbe  hindurch. 

196. 
„       Ausscheidung  pathogener  Bakterien 
durch.  207. 
Hautbrand,  trockener.  296. 
Hautpilze.  405. 
Havel wasservibrio.  358. 
Hefen.  8.  11.  Taf  I,  Fig.  6. 
„       farbige.  438. 
„       in  der  Luft.  173.  438. 
Hefewasser  als  Nährboden.  421. 
Hefezellen,   Verhalten    bei   der   Gram'- 

schen  Färbung.  113. 
Heükörper.  222. 
Heilserum.  217  ff. 

„  Conservirung.    217.     222    bis 

223. 
Heilung,  künstliche   von   Infectionskrank- 
heiten.  213  ff. 
„        spontane.  215. 

der  Diphtherie.  216  ff.  304  ff. 
„        der  Streptococcenkrankheiten. 
384. 
des  Tetanus.  246.  216. 


Eegister. 


447 


Heilung-  der  Tuberculose.  2(56—272. 
Heissluftsterüisationsapparat.  27. 
Heiz  Vorrichtung  für  das  Mikroskop.  168. 
Hemoglobinurie   microbienne   des  boeufs- 

410. 
Herbstfieber.  409. 
Herdbildung.  200. 
Herpes  tonsurans-Pilz.   406.  8.  Taf.  XH, 

Fig.  72. 
Hesse 's  Luftuntersuchungsmethode.  172. 
Heubacillus.  415.  17.  45.  182.  235.236. 

Taf.  IV,  Fig.   19,  20. 
Hog-Cholera.  311.  208. 
Homogene  Immersion.  49. 
Horngewebe,  Darstellung  von  Mikroorga- 
nismen im.  78. 
Hühnercholera,  Schutzimpfung.  203.  215. 

310. 
Hühnercholerabacillus.  309—310.  Taf.  XI, 

Fig.  64. 
Hühnertuberculose.    272—276.  250.  251. 
Hülle  der  Bakterienzelle.  9.   13;  s.  auch 
Kapsel. 

,,      Färbung,  s.  Färbung. 
Hundswuth.  195.  198.  206.  212.  214.215. 
Hyphen.  403. 

Immersion.  48.  49.  50. 
Immersionsöl.  48. 
Immunisirung,  künstliche.  202  ff. 
„  active,  passive.  225. 

„  auf     chemischem     Wege. 

208  ff. 
Immunisirungseinheit.  221. 
Immunisir ungsmethoden.  217  —  218. 

„  gegen   Diphtherie.    302  ff. 

Iramunisirungswerth  des  Blutserums.  217. 
219.  220. 
der  Mich.  224. 
Immunität.  202  ff. 

„  Eigenschaft    des    Blutserums 

bei  erworbener.  212  ff. 
,,  natürliche.  214. 

,,  Vererbung.  224. 

Immunitätsgrad.  217. 
Immunitätsreaction,  specifische  E.  Pfeif- 
fer's.  291. 
Immunitätssteigerung.  218. 
Impetigo.  379. 
Inipfstich.   152. 


Impfstoff.  202. 

Impfstrich.   153.   160. 

Impfung  (Schutzimpfung).  203  ff. 

Indolbildung   durch   Bakterien.   44.   288. 

334.  335.  350.  356.  360.  362.  366. 
Infectiöse  Bakterien.  200. 
Infection.  187  ff. 

„         natürliche.  196. 

künstliche.  196—199. 
,,         gemischte.  195. 
,,         secundäre.   195.  381. 
Infectionskrankheiten.   187. 
Infectionsmodi.  197—198. 
Infectionspforten.   196. 
Influenzabacillus.  393—395. 
Infusorienerde,  Filter  aus.  180.  209. 
Injectionsspritze.  198. 
Inoculationstuberculose.  265. 
Instrumente,  chirurgische,  Desinfection.  38. 
Intoxication.  45.  188.  199.  213. 

„  Verwechselung  mit  Infection. 

199.  292. 
„  Combination    mit   Infection. 

199.  201.  213. 
Invertirende  Fermente.  41. 
Involutionserscheinungen.   15. 
Jod,  Färbung  des  Protoplasmakörpers,  9. 
,,    als  Eeagenz  auf  Granulöse.  9. 
,,    als  Desinfectionsmittel.  31. 
„    Färbung   von  Tuberkel-  und  Lepra- 
bacillen.  264. 
Jodococcus.  427. 
Jodoform.  34. 

Jodtrichlorid,  relative  Giftigkeit.  38. 
Isohrungsmethoden.  118.  139  ff. 

Käsespirillum.  360. 

Kahmhäute.  13. 

KalbslungenbouiUon.  254. 

Kaliumpermanganat  als  Desinfections- 
mittel. 31.  (cf.  auch  die  Druckfehler- 
berichtigung p.  641). 

Kalk  als  Desinfectionsmittel.  34.  323. 

Kaninchen,  Infection.  197.   198. 

Kaninchensepticaemie.  310. 

„  spontane.  311. 

Kapselbacillus,  E.  Pfeiffer' s.  392—393. 

Kapselbakterien.  9. 

Kapseln,  Verhalten    bei  der  Färbung,    s. 
Färbung. 


448 


Kegister. 


Kapseln,  mikroskopische  Darstellung  spec. 
beim  Milzbrandbacillus.  227  ff. 
67. 
„        der    Pneumoniebakterien.     385. 
388.  389.  390.  391. 
Kartoffel,  chemische   Reaction.    135.    25. 
286. 
Vorbereitung  zu  Culturzwecken, 
132  ff. 
„         alkalisirte.  135. 
„         angesäuerte.  366. 

Cultur  nach  Koch.  132—133. 
„         „      Esmarcb.  134. 
„      Bolton,  Globig, 
Roux.  134.  154. 
„         Impfung.  155. 
Kartoffelbacillen.  413—415. 
Kartoff elbacillus,  brauner.  414. 
„  gemeiner.  413. 

glatthau tbüdender.  414. 
"  rother.  415.  28. 

Kartoffelbrühe.  254. 
Keimung  der  Spore.  16. 
Kern  der  Bakterieuzelle.  9. 
Kernfärbung.  66. 

Weigert's.  93. 
Kerntheilungsfiguren.  113. 
Kesselbrunnen.  182. 
Kettenbildung  bei  Bakterien.  11. 
Kettencoccen.  11. 
Keuchhusten.  195. 
Kieselsäure  als  Nährboden.  44. 
Klatschpräparat.  149. 
Kleinfilter.  180. 
Knotenkrankheit.  247. 
Knotenrothlauf.  296. 
Knuderosen.  296. 

Koch's  Plattenculturraethode.  139  ff. 
Kochsalzgelatine,  3proe.  125.  434. 
Köpfchenbakterien.   17. 
Köpfchensporen.  17. 
Körpersäfte ,     bactericide     Eigenschaften 

derselben.  209  ff. 
Kohlensäure  als  Kohlenstoff  quelle.  20. 
„  „    Stoffwechselproduct.    40. 

42.  22. 
ein  Gift  für  Bakterien.  165. 
Kohlenstoffquellen  der  Bakterien.  20.  138. 
Kommabacillen.  13. 

„  vereinzelte  in  Fäces.  339. 


Kommabacillen  in  Wasser.    346 ;  s.  auch 

Wasservibrionen. 
Kommabacillus  der  Cholera;    s.  Cholera- 
vibrio. 
„  von  Deneke,  s.  Deneke. 

„  „    Finkler  und  Prior, 

s.  Finkler. 
„    Miller.  362. 
Krankheitserregung.   187  ff.  21.  46. 
Kreideboden.  421. 
Kresole.  33.  34. 
Kroser.  247. 

K  ü  h n  e  's  Carbolmethylenblaulösung.  104. 
Kugelbakterien.  7. 
Kugelgestalt  des  Mikroeoccus.  11. 
Kuhpockenimpfung.  203. 
Kupferreaction  zur  Prüfung  von  Sublimat- 
lösungen. 133. 
Kurzstäbchen.  12. 

Ljabfennent.  41. 

Laboratoriumsinfection  mit  Cholera.  325. 
Lackmusmolke  als  Nährboden.  44. 
Länge  der  Bakterienzellen.  8. 
Lageverhältnisse     der    pathogenen    Bak- 
terien im  Gewebe.  190. 
Lampenlichtbeleuchtung.  74.  261. 
Landwirthschaft,  s.  Agricultur. 
Langstäbchen.  12. 
Laser' s  Bacillus.  315. 
Laverania.  409. 
Lebensäusserungen.  40  ff.  25. 
Lebensbedingungen.  20  ff. 
Leder,  Verhalten  bei  derDampfdesiufection. 

30. 
Leistungsvermögen  des  Mikroskopes.  49. 
LeprabaciUus.  278— 280.  Taf.  VII,  Fig.  42. 
Fundort.  278. 
„  Morphologie.  278. 

„  künstliche  Cultur.  278. 

„  Sporenbildung.  279. 

„  Färbungsverhalten.  279.1 06. 

107.  114. 
,,  Unterscheidimg  vom  Tuber- 

kelbacülus.  279.  107. 
Infection.  279—280. 
Leptothrix.  426.  427.  12.  Taf.  IV,  Fig.  21. 
,,  Sporenbüdung.  17. 

buccalis.  426.  427. 
„  gigantea.  427. 


Register. 


449 


Leuchtbacillus,  einheimischer.  434. 

Leuchtbakterien.  433.  46.  125. 

Leukocyten,  Abtödtimg  durch  Blutserum. 
211. 

Leukocjtose.  377. 

Licht,  Einfluss  auf  Bakterien.  20.  38.  39. 
178.  231.  2.56. 

Lissaboner  Vibrio.  363.  359. 

Li  st  er 's  Verdünnungsmethode.  118. 

Localisation  der  pathogenen  Bakterien  im 
Thierkörper.  200—201. 

Loeffler's   Methylenblaulösung,  s.  Me- 
thylenblau. 

Luft,  heisse    als   Desinfectionsmittel.    26 
bis  27. 
„     Keimreichthum.  174. 
„     als  Einschkissmittel.  69.  79. 

Luftuntersuchung,  bakteriologische.  171  ff. 

Lungenschwindsucht.  250.  265. 

Lungenseuche.   195. 

Lustgarten's  Bacillus.  280—281. 

Lymphadenitis.  381. 

Lymphangitis.  381. 

Lymphdriiseneiterungen.  379. 

Lysol.  34. 

Ifläusesei^ticaemiebacillus.  294—295.  Taf. 

IX,  Fig.  53,  54. 
Mäusetyphus.  313. 
Mäusezange.   197. 
Mageuta.  66. 

Maladie  des  trieurs  de  laine.  232. 
Malaria,  Infectiosität.  195.  196.  409. 
Malariabacillus.   189. 
Malariacachexie.  409. 
Malariaprotozoen.  407 — 410.  77. 
Malignes  Oedem,  Bacillus.  237—240.  Taf. 
Vn,  Fig.  38, 39. 
Fundort.     237. 
183. 
,,  „  ,,         Morphologie. 

237. 
,,         GeisseLfäden. 
237. 
,,  ,,  „         künstl.      Züch- 

tung, Sporen- 
bildung.    237 
bis  238. 
Lifection.     238 
bis  239. 

Günther,    Bakteriologie.     4.  Auflage. 


Malignes  Oedem,  Bacillus,  Immunisirung. 
240.  209. 
,,  ,,  ,,         Färb  ungs  ver- 

halten.   240. 
Mallein.  283. 
Malleus,  s.  Rotz. 
Mararaaabscess.  379. 
Mannitgährung.  41. 
Masern.   194. 

Massaua-Vibrio.  352.  222.  327.  347. 
Mastzellen.  96.  189. 

„  Färbung  nach  Gram.   113. 

Maturation.  408. 
Maus,  Infection.   197.  198. 
Meeresbakterien.  174.  177. 
Meerschweinchencholera.  324.  327  ff. 
Melanaemie.  407. 
Melanin.  407. 

Membran  der  Bakterienzelle,  s.  HüUe. 
Meningitis.  368. 

„  cerebrospinahs.  379.  386. 

,,  nach  Pneumonie.  388. 

Meningococcus.  387. 

„  und  Pneumococcus.  389. 

Mercaptan,  Bildung  durch  Bakterien.  41. 
Merismopedia.   1 1 . 
Messung,  mikroskopische.  8. 
Metastasenbildung.  200.  381. 
Methan  als  StofFwechselproduct.  40.  425. 
Methylenblau.  66.  67. 
Methylenblau-Eosin.  77.  407. 
Methylenblaulösung,     Loeffler's     alka- 
lische. 90.  101. 
Methylphenole.  33. 
Methyl  violett.  66.  113. 
Metschnikoff's  Phagocytentheorie.  208. 
Micrococcus  agilis.  430.  14. 

,,  ,,        citreus.  431. 

pneumoniae.  250. 

„  prodigiosus,  s.  Bacillus  pro- 

digiosus. 
tetragenus.     397—398.     11. 

45.  Taf.  Xn,  Fig.  67. 
ureae.  426. 

,,  „       hquefaciens.  426. 

Micromyces  Hofmanni.  402. 
Microsporon  furfur.  406. 
Mikrobien.  1. 
Mikrobrenner.  235. 
Mikrococcen.  7.   10.  11. 

29 


450 


Eegister. 


Mikrocooccen  in  der  Luft.  173. 

einzelne  resistente  Zellen.  2G1. 
Mikrometer.  8.  176. 
Mikroorganismen.  1. 
Mkrophotograpliie.  .52.  57.  459  ff. 
Mikroskop.  47  ff". 
Mkrotom.  51.  88  ff". 
Milch  als  Nährboden.  136.  154. 
„      blaue.  427. 

Gerinnmig   durch  Bakterienwachs- 
tbum.  41.  290.  366.  421  ff. 
„      Haltbarermachen    durch    Pasteuri- 
siren.  30. 
saure.  421  ff. 
,,      schleimige.  414. 
.,      Uebergang   der  Antitoxine   in  die- 
selbe. 224. 
„      mikroskopische    Untersuchung    auf 
Bakterien.  422. 
Milchkothbakterien.  425. 
Milchsäure,  infectionsbegünstigend.  244. 
aiüchsäurebacillus.     421.    118.    Taf.   n, 

Fig.  7. 
Milchsäuregährung.  41.  421  ff. 
]\Iilchsäuren ,    isomere,    durch    Bakterien 

gebüdet.  41.  356.  321. 
IVIilchserum  als  Nährboden.  44.  290. 
Milchzucker,  Vergährung  durch  Bakterien. 

41.  288. 
Milchzucker-Agar.  128. 
Milchzucker-Bouillon.  129. 
]^Iilchzucker-Gelatine.  125. 
Miller 's  Kommabacillus.  362. 
IVIilzbrandbacillus.  226—237.   Taf.  V  bis 
Vn,  Fig.  27—37. 
Fundort,   Allgemeines. 
226—227.   194. 
„  Morphologie.    227    bis 

229.  11.   12. 
Kapseln.  227—229.  67. 
Schleifen.  232.  234. 
,  ,,  künstUche     Züchtung. 

229—230.  148.  149. 
118. 
.,  Züchtung  auf  subHmat- 

haltigem       Nährbo- 
den. 25. 
Züchtung  auf  kaUum- 
bichromathaltigem 
Nährboden.  231. 


Milzbrandbacillus,  Verhalten    der   vegeta- 
tiven Formen  gegen 
Desinfectionsmittel. 
31.  35. 
,,  Sporenbildung.  230  bis 

231.  16. 
„  Sporenkeimung.      230. 

16. 
,.  Resistenz    der   Sporen. 

231.  27.  31.  32.  33. 
36.  37.  38.  210. 
„  Verhalten    der   Sporen 

gegen        chemische 
D  esinfectionsm  ittel . 
31—33.  36. 
„  Präparirung  der  Sporen 

für  Desinfectionsver- 
suche.  32.  33.  37. 
Asporogene     Culturen. 
231. 
„  Involutionserscheinun- 

gen.  230.  15. 
„  Abschwächung         der 

Virulenz.  23 1.204  ff. 
,,  Infectionsmodi.  232  bis 

234.   195. 
„  Pathologisch  -  anatomi- 

scher Befund.    233. 
234. 
„  Immunität,  Schutzimp- 

fung. 234.  211. 
„  Färbungsverhalten. 

234. 
„  Sporenfärbung.  235  bis 

237. 
Säurebildung.  45. 
Diagnosticirung.  291. 
Milzbrandemphysem.  247. 
Mi  q u  e  Ts    Luftuntersuchungsmethode. 

173. 
Mischinfection.  195. 

„  bei  Tuberculose.  250. 

Mttelständige  Sporen.  17. 
Molekularbewegung.   1 3 . 
Molke,  s.  Milchserum. 
Monas  prodigiosa.  430. 
MonRia  Candida.  406. 
Morphologie.  7  ff. 
Mucorarten,  pathogene.  403.  404. 


Eegister. 


451 


Mundliöhle,  Bakterien  der.    426.    8.    12. 

387.  Taf.  I,  Fig.  1. 
MimdiJilze.  426. 

Muskelzucker  im  Nährboden.  15.3. 
Mycel.   148.  403. 
Mycoderma  aceti.  425. 
Mycothrix.  12. 

IVähragar,  Darstellung.  125  ff. 

Nährboden,  fester.  117  ff. 

flüssiger.  117.  118. 
„  Zusammensetzung.  45. 

Nährbouillon,  Darstellung.   129.  319. 

„  Cultur  in,  s.  Bouilloncultur. 

Nährgelatine,   Darstellung.    119  ff.    174. 
319. 

Nährgelatinen,  verschiedene.  119.  124  bis 
125.  341. 

Nährlösungen.  118. 

,,  eiweissfreie,  s.  Eiweissfreie 

Nährlösungen. 

Nagelcultur.  390. 

Natur,  Eolle  der  Bakterien  im  Haushalte 
derselben.  43. 

Neapler  Cholerabacillus.  369. 

Nesselfieber.  296. 

Nieren,    Ausscheidung   pathogener  Bak- 
terien durch.  207. 

Nitrate  als  StofFwechselproducte.  42. 

Nitratredueirende  Bakterien.  44. 

Nitrification.  20.  43. 

Nitrobakterien.  44. 

Nitromonas.  20. 

Nitrosoindolreaction,  s.  Indolbildung. 

Nordhafen-Vibrio.  351. 

Normalserum.  220. 

Numerische  Apertur,  s.  Apertur. 

Obei-flächenstrichcultur.  153.  160.  191. 
Oberflächen  Wasser.  178.  179. 
Objective.  47.  48  ff. 
Objectmikrometer.  8. 
Objecttisch.  48. 
Objectträger.  50. 

„  hohlgeschliffene.  50. 

.,  gefärbtes  Präparat  auf.  62. 

Objectträgercultur.  160. 
Ocular.  47.  48.  61. 
Ocularmikrometer.   176. 
Oederabacillus,  s.  Mahgnes  Oedem. 


Oeffnungswinkel.  49. 

Oehge    Lösungen,     keine     Desinfections- 

mittel.  30. 
Oelimmersion.  48. 

Ohrvene,  Injection  in  dieselbe.  197. 
Oidium  albicans.  406. 

„       lactis.  437.  Taf.  I,  Fig.  5. 
Oidiumarten,  pathogene.  403.  405. 
Olivenöl,  Verhalten  gegen  Bakterien.  31. 
Ophthalmie,  sympathische.  379. 
Osmiumsäure   als  Desinfectionsmittel  31. 
Osteomyelitis  acuta.  379. 
Otitis  media.  386. 
Oxydation  durch  Bakterien.  42.  44. 

Packetcoccen.   11.  432. 

Palmella.  13. 

Panaritium.  379. 

Pankreatinverdauung   des  Sputums.  262. 

Paraffinmethode.  90. 

Pararosaniline.  113. 

Parasiten.   187.   188.  21. 

Parasitische  Arten.  21. 

Parotiseiterung.  379. 

Pasquale's  Vibrio,  s.  Massaua- Vibrio. 

Pasteur'sche  Flüssigkeit.  137. 

Pasteur-Chamberland'  sehe    Filter. 

180. 
Pasteurisiren.  30. 
Pathogene  Arten.  226  ff.  21. 

Diagnose.  192. 

„  Bakterien  im  Wasser.  177  ff. 

„    Boden.  183. 
Pathogenität.  198.  199. 
PenicilHum.  437. 
Pepsin,    Anwendung  in   der  miki-oskopi- 

schen  Technik.  77. 
Peptonisirende  Fermente.  41. 
Peptonsorten,  verschiedene.  335. 
Peptonwasser  als  Nährboden.  333. 344. 348. 
Perfora tionsperitonitis.  367. 
Pericarditis  nach  Pneumonie.  388. 
Peripleuritis.  379. 

Peritonitis ,    eitrige ,  durch  Bacillus  pyo- 
cyaneus  erzeugt.  317. 

„  durch  Bacterium  coli  erzeugt. 

367. 

„  du  rch  Gonococcen  erzeugt.  3  7  3 . 

,,  nach  Pneumonie.  388. 

Pestbacillus.  395—397. 

29* 


452 


Eegister. 


Pestbeulen.  396. 

Petri's  Luftuntersuchungsmethode.  172. 

,,        Schälchenmethode.  156. 
E.  Pfeiffer ' s  Kapselbacillus.  392—393. 
,,  specifische  Immunitätsreac- 

tion.  331— 333.  291.  344. 
Phagocyten.  208. 

Phenol,    reines,    Verhalten    gegen    Müz- 
brandsporen.  31. 

,,        als  Entwässerungsmittel.  92. 
Phenolbildung  durch  Bakterien.  44. 
Phenole.  33. 
Phenolphtalein.  120. 
Phlegmone,  circumscripte.  379. 
Phlegmonöse  Eiterungen.  381.  374. 
Phloridzin.   282. 

Phosphorescenz  durch  Bakterien.  46. 
Phosphorescirende  Arten.  433.  125. 

,,  Vibrionen.  357. 

Picrinsäure.  66.  111. 
Picrocarmin.  111. 
Pigmentbakterien.  46. 
Pilzcultur.  119.  139.  404. 
Pincetten.  51. 
Pityriasis  versicolor.  406. 
Plag.  247. 
Plasma  (von  Blut,  Eiter),   Verhalten  bei 

der  Färbung.  67. 
Plasraahülle.  9. 
Plasmodium  malariae.  407. 
Plasmolyse.  10. 
Platindrähte.  51.  140. 
Platinöse.  140.  51. 
Platten  zu  Culturzwecken.  142. 
Plattencolonien.  144  ff. 
Plattenculturmethode.  139  ff.  191. 
Plattentasche.  143. 
Pleomorphie.  18. 
Pleuritis.  380. 

,,         nach  Pneumonie.  388. 
Pneumococcus.  390. 
Pneumonie.  385.  216. 
Pneumoniebakterien.  385—391. 
Pneumoniemikrococcus.  385  ff. 
Pneumonomycosis  aspergillina.  404. 
Pocken.  194. 
Polymitus.  410. 

Porcellanfilter,  Porcellankerzen.  208. 
Princip   der  maximalen  Beleuchtung.    72 
bis  74. 


Prophylaxis,  Bedeutung  der  Bakteriologie 

für  dieselbe.  3. 
Prostatitis,  eitrige.  368. 
Proteine.  46.  208.  377.  378. 
Proteus  capsulatus.  209. 

„        hominis  capsulatus.  419. 

„        mirabilis.  420. 

vulgaris.  329.  419. 

„  „         Immunisirung.  209. 

Zenkeri.  420. 
Protoplasmakörper.  9. 

„  Färbung.  9.   75.  76. 

Protozoen,  pathogene.  406  ff. 
PseudodiphtheriebaciUus.  308.  300. 
Pseudotuberculose.  276  ff. 

,,  des  Kaninchens.    277. 

Ptomaine.  45. 

Puk all' sehe  Thonfilter.  209. 
Purpurbakterien.  20. 
Pustula  maligna.  232, 
Pyaemie.  200.  381. 

„         puerperale.  381. 
Pyelonephritis.  368. 
Pyocyanin.  316. 

Quecksilberchlorid,  s.  Sublimat. 
Quellwasser.  178.  179. 

Rasirmesser.  51. 
Rauschbrandbacülus.  246—249. 

,,  Allgeraeines,  Fundort. 

246—247. 
„  Pathologisch-anatomi- 

scher Befund,   Mor- 
phologie. 247—248. 
,,  KünstUche  Ciütur.  247 

bis  248. 
,,  Sporenbildung.  248. 

„  Involutionsformen,  Vi- 

rulenz, Pärbungsver- 
halten.  248. 
„  Infection  .    Immunisi- 

rung. 248-249.  206. 
209. 
Rauscher.  247. 
Reaction,  chemische  des  Nährbodens.  21. 

44.   121.   122.   126.  174.  319. 
Reagenzgläschen,  Vorbereitung.  122.  123. 
Reagenzglasculturen.  150  ff. 
Reagenzglaspistill.  141. 


Eegister. 


453 


Eecurrensspirochaete.  398—399.  77.  Taf. 

XIT,  Fig.  70. 
Eeduction  durch  Bakterien.  42. 

voü  Nitraten  durch  Bakterien. 
44. 
.,  von  Sulfaten  durch  Bakterien. 

44. 
Eefractarität    202. 
Eeibschale,  sterilisirte.  141. 
Eeinculturmethoden     Koch's.      117  ff. 

139  ff. 
Eeincultur,  künstliche.  150  ff. 

„  natürliche.  116. 

Eeproductive  Formen.  16, 
Eesistenz  der  Bakterien  im  Allgemeinen.  1 7. 
,,         ,,  ,,        gegen   Säuren  und 

Alkalien.  87. 
,.         „    Sporen  im  Allgemeinen.  1 7. 
Eetentionshypothese.  208. 
Eevolver  (Objectivträger).  48. 
Ehinitis  fibrinosa.  299. 
Ehinosclerombacillus.  391—392. 
Eicin.  215. 
Eiesengeisseln.  248. 
Eiesenzelle,  tuberculöse.  252.  275. 
Einderpest.  195. 
Einderseuche.  312. 
Eöhrenbrunnen.  182. 
Eohrzucker,    Umwandlung    in    Trauben- 
zucker. 41. 
Eollplatten,  Eollröhrchen,    s.  Esmarch. 
Eosa  Hefe.  438. 
EosaniUne.   113. 
Eosolsäure.  120. 
Eothlauf.  295  ff. 
Eotzbacillus.  281-284.  Taf.  IX,  Fig.  50. 

,,  Diagnosticirung.  291. 

Eotzlymphe.  283. 
Eouget  blanc.  296. 

,,        des  porcs,  s.  Schweinerotlüauf. 
Eubin.  66. 

Saccharomyces  cerevisiae.  438. 

„  ellipsoideus.  438. 

Säugethiertuberculose.  249. 
Säugung,  Immunität  durch.  224. 
Säure- Alcohol.  106. 
Säuregehalt  des  Nährbodens.  22. 
Säuren  als  Entfärbungsmittel.    105.  259. 
Production  dnrch  Bakterien.  44. 


Säuren.  Eesistenz   der  Bakterien   gegen. 
87.  22. 
„       Zusatz  zu  Desinfectionsmitteln.  33. 
Säuresublimat.  33.  132. 
Salzsäurealcohol.  106. 
Salzsäure  als  Desinfectionsmittel.  31. 

,,         siehe  auch  Säure. 
Sandfilter  zur  Luftuntersuchung.  172. 
Sandfiltration  des  Wassers.  ISO.  182. 
Sang  de  rate.  226. 
Saprol.  34. 
Saprophyten.  187. 
Saprophytische  Arten.  413  ff.  21. 
Sarcina,  Form.   11.  432. 

„        Sporenbildung.  16. 
Sarcinearten  in  der  Luft.  173.  432. 
Sarcine,  gelbe,  orange,  weisse.  432. 

gelbgrüne.  432.  Taf.  III,  Fig.  14. 
Sauerstoff,   Verhalten   der  Bakterien   zu. 

22.  39.  42  ff.   163. 
Sauerstoffform.  22. 
Schälchenmethode,  s.  Petri. 
Scharlach.  194.  381. 
Scharlachdiphtheritis.   297. 
Scheinfäden.   12. 
Schicksale  der  Bakterien  im  Thierkörper. 

206  ff. 
Schimmelpilze,  Dicke  der  Zellen.  8. 

„  Aussehen   auf  der  Platte. 

148. 
pathogene.  403  ff. 
,,  saprophytische.  437. 

Züchtung.  139.  119.  404. 
„  Färbung.  405. 

Schimmelpilzkeime  in  der  Luft.   173. 
Schimmelpilzsporen ,     Färbungsverhalten. 

261. 
Schizomyceten.  1. 

Schlangengift,  Imraunisirung.  214.  215. 
Schleimbeuteleiterungen.  379. 
Schleimhäute,  Bakteriengehalt.   190. 
Schleimige  Gährung.  41. 

Milch.  414. 
Scbnittbehandlung.  86  ff. 
Schnittdicke.  89—90. 
Schottelius' sehe  Methode.  344  ff.  347ff. 
Schräg  erstarrter  Nährboden.  129. 
Schraubenbakterien.  7. 
Schutzimpfung.  203  ff. 
SchwebeföUung.  103. 


454 


Eegister. 


Schwefelbakterien.  10.  21. 

Schwefelcarbolsäure,  rohe.  33.  143. 

Schwefelkömchen   im  Bakterienprotoplas- 
ma.  10. 
,,  bei  Beggiatoa.  18. 

Schwefelkohlenstoff ,    kein    Desinfections- 
raittel.  31. 

Schwefelquellen  der  Bakterien.  21. 

Schwefelwasserstoff    als    Stoffwechselpro- 
duct.  40. 
Nachweis.  40 — 41. 

Schweinepest,  dänische.   312. 

Schweinerothlauf.  295—297.  215. 

Schweiuerothlaufbacillus,    Abschwäch ung. 
205.  296. 
„  Diagnosticirung.  291. 

Schweüieseuche,  deutsche.  311. 

,,  amerikanische.  311.  208. 

Marseiller.  312. 

Section.  191. 

Sedimentirung  von  Wasserbakterien.  177. 

Sedimentirungsmethode  Biedert's.  202. 

Seeluft,  Keimgehalt.   174. 

Segraentation.  408. 

Sehen,  mikroskopisches.  55. 

Seidenfäden   mit  angetrockneten   Sporen. 
37.  32.  33. 

Seifeulösungen  als  Desinfectionsraittel.  36. 

Semmelform.  10. 

Septicaemia  haemorrhagica.  308 — 315. 

Septicaemie.  200.  215. 

Septicaemische  Bakterien.  200. 

Septische  Infection.  200.  381. 

Seröse    Ueberzüge,    Verhalten     bei     der 
Gram 'sehen  Färbung.  113. 

Serum,  s.  Blutserum. 

Serumtherapie,  s.  Blutserumtherapie. 

Sicherheitslampe.  168. 

Silbernitrat,     eiterungseiTegende     Fähig- 
keit. 375. 

Smegmabacülen.  281. 

Sodalösung  als  Desinfectiousmittel.  34.  38. 

Sommerfieber.  409. 

Soorpilz.  406. 

Soyka's  Plattenmethode.  157. 

Spaltpilze.  1. 

Spaltung.  1.  10. 

Spatel.  51.  93. 

Species.  2. 

Spiegel  des  ]\Iikroskops.  57.  145. 


Spindelform.  17. 
Spirillen,  Form.  7.  12. 

„         Sporenbildung.  16. 
„         in  Stühlen  von  Cholera  asiatica 
und    von   „Cholera  nostras". 
340—341. 
Spirillenarten,  Kommaformen  dabei.  13. 
Spirillenbüdung  bei  Choleravibrionen.  318. 
13. 
,,  bei  dem  Vibrio  Finkler.  359. 

, I)eneke.361. 

,,  ,,     ,,        ,,    Metschnikoff. 

349. 
Spirillentypus.  22. 
Spirülum  concentricum.  434. 
,,         desulfuricans.  44. 
,,         marin  um.  352. 
„         rubrum.  431. 
„         sputigenum.  427.Taf.X,Fig.  59. 
„         tenue.  436. 
„         tyrogenum.  360. 

Undula.   435.  79.  80-  85.  Taf. 
III,  Fig.  15,  16. 
„         volutans.  436. 
Spirochaete  dentium    sive  denticola.  340. 
427.  Taf.  I,  Fig.  1. 
„  Obermeieri,  s.  Eecurrensspiro- 

chaete. 
,,  plicatilis.  435. 

Sporangium.  403. 
Sporen.  16. 

„        Verhalten   bei   der  Färbung.  17. 
76.   106.   107.  108.  235—237. 
„       Verhalten    gegen  hohe  Tempera- 
turen. 24.  30. 
„       Verhalten  bei  der  Dampfdesinfec- 

tion.  28. 
„       Verhalten  gegen  Austrocknen.  31. 
„       Diagnose  derselben.  76. 
„       in  Gewebsschnitten.  190. 
Sporenbildung.  16. 

,,  endogene.  17. 

,,  verlangsamte.  205. 

Sporenfärbung.  235—237. 
Sporenkeimung.   16.  417. 
Sporenmembran.  10. 
Spritze,  Koch  "sehe.  198. 
Sprosspilze,  Dicke  der  Zellen.  8. 

in  der  Luft.   173.  437. 
Sputumschnitte.  263. 


Eegister. 


455 


Sputumsepticaemie.  387. 
Stäbcbenbakterien.  7. 
Stärkegebalt  bei  Bakterien.  9. 
Stärke,   Umwandlung   in   Traubenzucker. 
41. 
„        Vergährung  durcb  Bakterien.  41. 
Stapbylococcen.  12. 

,,  pyogene.  375 — 380. 

„  Infeetion.  196. 

Stapbylococcus  cereus  albus.  376. 
„       flavus.  376. 
„  pyogenes  albus.  380. 

„         aureus.    378  bis 
380.     375.     386.     248. 
Taf.  II,  Fig.  12. 
pyogenes     aureus ,     Resi- 
stenz. 27. 
„  „  citreus.  376. 

,,  pyosepticus.  212. 

Stativ  des  Mikroskopes.  47. 
Sterigmen.  403. 
Sterilisation,  Allgemeines.  26  fl". 

der  Gelatine  etc.  123  ff. 
discontinuirlicbe.  124. 
des  Blutserums.   131. 
der  Milcb.  136—137. 
Stichcultur.   151  ff. 

Stickstoff,    freier,    Fixirung   durch  Bak- 
terien. 21. 
Stickstoffquellen   der   Bakterien.   20.    21. 

137  ff 
Stoffvvechselproducte.  40.  45.  46. 

„  Immunisirung  durcb 

Einverleibung  der- 
selben. 208.  317. 
„  stinkende.  42. 

Strablenkegel.  49. 
Strahlenpilz.  399—402. 
Streptococcen.   11. 

„       bei  Lungenschwindsucht.  250. 
Streptococcencurve.  250. 
Streptococcus  brevis.  382. 

,,  conglomeratus.  383. 

,,  des  Erysipels ,   s.  Erysipel. 

„  longus.  382. 

„  lanceolatus    Pasteuri.    387. 

„  pyogenes.   381  —  384.  386. 

200.      297.      298.     300. 
305.  Taf.  UI,  Fig.  13. 
Streptothrix.  12. 


Strichcultur,  s.  Oberflächenstricbcultur. 
Structurbild.  59. 
Strumitis.  308.  379. 

Sublimat  als  Desinfectionsmittel.  32.  33. 
35.    36.    64.    132.    143.  322. 
,,         relative  Giftigkeit.  38. 
Sublimatlösungen,  saure.  33.   132.  143. 
„  Prüfung  auf  Sublimat- 

gehalt. 132. 
Sulfate  als  Stoffwechselproducte.  42. 
Sulfatreducirende  Bakterien.  44. 
Sulfidferment.  44. 
Svinpest.  312.     " 
Swine  Plague.  312. 
Sycosis.  379. 

Syphilis,  Bacillen  bei.  280—281. 
System,  natürliches,  künstliches.  7. 
Systematik.   7  ff. 

Tafelcoccen.   11. 

Temperatur,   Einfluss    auf   die  Färbung. 
78.  101. 
„  Einfluss  auf  dieDesinfection. 

35. 
Temperaturen,   Desinfection   durch  hohe. 

26  ff. 
Temperaturmaximum,   -minimum,   -Opti- 
mum. 22. 
Temperaturverhältnisse,  allgemeine.  22  ff. 
„  Anpassung      an. 

23.  361. 
Terpentinöl  als  Desinfectionsmittel.  31. 
eiterungserregende         Eigen- 
schaft. 375. 
Tetanin.  245. 

Tetanus,  Heilung.  213.  216.  246. 
Tetanusbacillus.  240—246.  Taf.  VII,  Fig. 
40. 
,,  Allgemeines,      Fundort. 

240—242.   183. 
Reincultur.  240—242. 
„  Morphologie.  242. 

Geissein.  242. 
,,  Sporenbildung.   242.   17. 

236. 
„  Färbungsverhalten.   243. 

.,  Infeetion,  pathologischer 

Befund.  243  -  244. 
199.  200.  201.  212 
bis  213. 


456 


Eegister. 


TetanusbaciUus,  Giftbildung.   243  —  245. 

199  ff.  212—213. 

,,  Immunisirung.    212   bis 

214.    218.    219.    220. 

245.  246. 

Tetanusgift,   Eesistenz   gegen  Erhitzung. 

210.  ^ 
Tetanusheilkörper.  246.  222. 
Tetragenus.  397.  11. 
Texasfieberseuche  des  Rindes.  410. 
Theilung.  1.  10. 
Theilungsrichtung.  11. 
Therapie,    Bedeutung    der   Bakteriologie 

für  dieselbe.  3. 
Thermogene  Bakterien.  46. 
Thermophile  Bakterien.  23. 
Thermoregulator.  169—170. 
Thermostat.  168  ff. 
Thonfilter.  209.  ISO. 
Thynuisbouillon.  303. 
Tod  der  BakterienzeUe.  75. 
Toluidin.  65. 
Tonsillarabscess.  379. 
Tonsillen  als  Infectionspforte.  196. 
Torula.  11. 

Toxalbumine.  45.  308. 
Toxine.  45. 

Toxische  Bakterien.   200.  212. 
Trachom.  195. 
Traubencoccen.  12. 

Traubenzucker,  Bildung  durch  Bakterien. 
41. 
„  im   Nährboden.   45.    167. 

„  Vergährung    durch    Bak- 

terien. 41. 
Traubenzucker-Agar.  128. 
Traubenzucker-Bouillon.  129. 
Traubenzucker-Gelatine.  124. 
Trennungskölbchen.   166. 
Trichophyton  tonsurans.    406.    Taf.  XII, 

Fig.  72. 
Trimethylamin,  Production  durch  den  Ba- 
cillus prodigiosus.    25. 
430. 
„  infectionsbegünstigend.  244. 

Trippercoccus.  369. 
Trockenmethode,  s.  Unna. 
Trockenpräparat.  61  ff. 

„  Färbung   nach   Gram. 

114. 


Trockenschrank.  27. 
Trockensystem.  49. 
Trommelschlägerform.  17.  237.  Taf.  VII, 

Fig.  41. 
Tropfen,  hängender,  s.  Hängender  Tropfen. 
Tuberculinum  Kochii.  268. 
Tuberculose,  experimentelle.    249.    264  ff. 
,,  congenitale.  265. 

„  Feststellung   der  Aetiologie. 

249—250. 
,,  Diagnose.  257.  267. 

Heilung.  266—272. 
„  zoogleique.  276. 

Tuberkelbacillus.  249  —  272.    Taf.   Mll. 
Fig.  43,  44. 
Fundort.  249—250.  265 
bis  266. 
„  Verhältniss     zum     Ba- 

cillus    der    Hühner- 
tuberculose.   250   bis 
251.  272.  276. 
,,  Entstehung  des  Tuber- 

kels, Histologie.  251 
bis  252. 
„  Morphologie.  252. 

„  künsthche   Cultur.    252 

bis  255.  139. 
„  Beeinflussung        durch 

Licht.  256.  38. 
„  Sporenbildung.  256. 

„  Färbungsverhalten.  257 

bis    264.     106.    107. 
108.   110. 
„  Färbung    von    Sputum- 

trocken  Präparaten . 
257—262.   102. 
„  Zählung    im    Präparat. 

262. 
„  Schnittfärbimg.  263  bis 

264.   102. 
„  Gram 'sehe     Färbung. 

264.  110. 
„  Sporenfärbung.  264. 

Infection.   264—266. 
Virulenz.  254.  255.  256. 
„  Vorkommen    ausserhalb 

des  Körpers.  266. 
„  Unterscheidung  von  dem 

Leprabacillus.      107. 
279. 


Eegister. 


457 


Tuberkelbacillus,  Eiterungserregung.  268, 

377. 
Typhus  abdominalis.  284.  216.  239. 

„       recurrens.  398. 
Typhusähnliche  Bakterienarten.  287. 
TyphusbaciUus.   284—294.  Taf.  VIII  bis 
IX,  Fig.  45—49. 
Entdeckung.  284. 
Morphologie.    284—285. 
Geisseifäden.     284.     14. 

81.  85. 
künstliche    Cultur.     285 

bis  291.  148. 
saure  Nährböden.  22. 
Diagnose.        287  —  291. 

192—193. 
Sporenbildung ,     Giftbil- 
dung. 291—292. 
Infection ,  pathologischer 
Befund,   Giftfestigung. 
292  —  293.    216.  329. 
Vorkomraen     ausserhalb 
des  Körpers.  293. 177  ff. 
Nachweis     im     Wasser. 

178.  179.  193. 
Eärbungs  verhalten.     293 

bis  294. 
Abtödtung    durch   Blut- 
serum. 210. 

UeberempfindUchkeit.  221. 
Uebertragung    der    Bakterien    auf    Ver- 

suchsthiere.  192  ff. 
Uhrschälchen.  51. 
Umfärbung.  70. 

Umzüchtung  von  Culturen.  150. 
Unna's  Äntrocknungsmethode.  260.  263 
bis  264.  95.  279. 
„  „      Combinirung       mit 

der  Gram 'sehen 
Methode.  114. 
,,        Modification    der    Gram' sehen 
Methode.  115. 
Urin  als  Nährboden.  155.   301. 
Urticaria.  296.  306. 
Urzeugung.  2. 
Uschinsky'sche  Lösung.  138.  21. 

Vaccin.  202. 
Vacuolen.  15. 


Vegetationskasten.  168. 

Vegetative  Formen.  16. 

Verbände  der  Bakterienzellen.  1 1  ff. 

Verbandstoffe,  Sterilisirung.  38. 

Verbrennen  der  Cadaver.  26. 

Verdünnungen    bei    der  Plattenmethode. 

142. 
Verdünnungsmethode.  117. 

„  Lister's.  118. 

,,  Soyka's.  157. 

Vermehrung.   10. 

Vernichtung   der  Entwickelungsfahigkeit. 
24. 
,,  von  Bakterienculturen.  170. 

Versuchsthiere.  192.  193.  196  ff. 
Verwesung.  42. 
Vesuvin.  66. 

Vibrio  aquatihs.    353.  354.  Taf  X,   Fig. 
60. 
,,       aus  Sjjutum.  364. 

Berolinensis.  355—356.  334.  335. 
348. 
„       Danubicus.  353. 
,,       der  Cholera   asiatica,    s.   Cholera- 
vibrio. 
Deneke,  s.  Deneke. 
„       Finkler,  s.  Fink  1er. 
heikogenes.  362. 
Lissaboner.  363.  359. 
„       Metschnikoff.  348—351.  212.  334. 
358.  Taf  X,  Fig.  58. 
Proteus.  359. 
Eomanus.  363.  358. 
„       Rugula.  436. 
„       serpens.  436. 
„       terrigenus.  363. 
Vibrion  septique,  s.  Malignes  Oedem. 
Vibrionen.  13. 

,,         aus  Wasser.  352  ff. 

,,         anderer  Herstammung.    358  ff. 

,,         grosse,   aus  Heuhifus.    14.   85. 

Taf  m,  Fig.  18. 
,,  phosphorescirende.  357. 

Vibrionensepticaemie.  351. 
Victoriablau.  113. 
Violette  Farbstoffe.  66.  84. 
Violetter  Bacillus.  429. 
Virulenz.  204. 
Vögel,  Infection.  197. 
Vorcultur.  344—345.  347—348.  356. 


458 


Keo'ister. 


Wärmeentwickelung  durch  Bakterien.  46. 
Wärmeregulator.  169. 
Wärmeschrank.   168. 
Wasser,  Keimreichthum.  178. 

Reinigung.  179—181.  177. 
als  Einschlussmittel.  69.  228. 
destillirtes,  Keimgehalt.  53—54. 
Untersuchung  auf  Typhusbacülen. 
293.  179.  287.  289. 
„         auf  Cholerabakterien. 
346—348.  178. 
Wasserhakterien.   177. 
Wasserdampf  alsDesinfectionsmittel.  27  ff. 
Wasserentziehung.  30. 
Wassergehalt  des  Nährbodens.  20. 
Wasserimmersion.  49. 
Wasserstoff  als   Stoifwechselproduct.   40. 
41. 
.,  bei  der  Anaürobencultur.  164. 

163. 
Wasserstoffsuperoxyd.  39. 
Wasseruntersuchung ,       bakteriologische. 

174—181.  346-348. 
Wasserversorgung.   179. 
Wasser  Vibrionen.  352—358. 
Wattepfi-opf.  122 
Weigert's  Kernfärbung.  93. 

„  Modification   der    Gram'- 

schen  Methode.  114.  96. 
Weil' sehe  Krankheit.  419. 
Wein,  Vergährung  durch  Bakterien.    41. 
Weinhefe.  438. 
Weinsäure,  s.  Säure. 
Wildseuche.  312. 


Wolffhügel 'scher  Colonienzählapparat. 
175. 
,,  ,,       von  Mie 

modificirt.  175. 
WoUsortirer,  Krankheit  der.  232. 
Woolsorters  disease.  232. 
Wuchsformen.   16. 
Wunddiphtherie.  299. 
Wurzelbacülus.  417.  11.  45.  183.  Taf.  I, 

Fig.  3;  Taf.  V,  Fig.  26. 
Wurzeiförmiger     Bacillus,      s.     Wurzel- 

bacillus. 
WurzelknöUchen  der  Leguminosen.  21. 


Xylol.  69.  92. 
Xvlol- Balsam.  69. 


Zählapparat  zur  Wasseruntersuchung.  175. 

Zählung  der  Colonien.  175.  176. 

Zahncaries.  201. 

Zahnpulpa.  88.  201. 

Zahnspirochaete.  340.  427.  Taf.  I,  Fig.  1. 

Zelle,  s.  Bakterienzelle. 

Zi ehr  sehe     Carbolfuchsialösung.     102. 

103. 
Zoogloea.  13.   Taf.  11,  Fig.  9. 
Zucker,  Vergährung  durch  Bakterien.  41. 

195. 
Züchtung  der  Bakterien.  116if. 

künstliche    pathogener    Bakte- 
rien. 191  —  192. 
Zweigbildende  Organismen.  8.  19. 
Zweitheilung.  10.  11. 


Vorbemerkung  zu  den  Tafeln. 


JJie  folgenden  Photogramme  sind  der  grösseren  Mehrzahl  nach 
mikroskopische  VergTÖsserungen. 

Was  die  starken  Vergrösserungen,  die  Vergrösserungen  mit  dem 
Immersionssystem,  angeht,  so  haben  die  Ermittelungen  der  letzten 
Jahre  ergeben,  dass  etwa  eine  1000  fache  Vergrösserung  die  noch  mit 
Vortheü  zu  benutzende  Maximalleistung  unserer  besten  Instrumente 
repräsentirt.  Geht  man  über  die  1000  fache  Vergrösserung  hinaus,  so 
verliert  das  Bild  an  Schärfe  und  lässt  keine  Details  erkennen,  die  nicht 
auch  schon  in  dem  1000  fach  vergrösserten  Bilde  vorhanden  wären. 
Die  1000  fache  Vergrösserung  lässt  sich  aber  nur  für  solche  Präparate 
anwenden,  die  eine  sehr  dünne  ebene  Schicht  repräsentiren ;  d.  h.  sie 
kann  bei  Bakterienaufnahmen  nur  für  Deckglastrockenpräparate  in 
Anwendung  kommen.  Die  besondere  Natur  der  Schnitt präpa rate 
bringt  es  mit  sich,  dass  man  hier  mit  Vortheil  nicht  über  eine  500 fache 
Vergrösserung  hinausgehen  kann.  ^) 

Ein  grosser  Vortheil  der  1000  fachen  Vergrösserung  ist  der,  dass 
man  die  wirkliche  Grösse  der  Objecto  ohne  Weiteres  direct 
mit  dem  Millimetermassstab  feststellen  kann.  1  mm  auf  dem  Bilde 
entspricht  ^j^^^^mm  oder  1  /t  in  der  Wirkhchkeit.  Ausserdem  fallen 
die  relativen  Grössenverhältnisse  der  verschiedenen  bei 
einer  und  derselben  Vergrösserung  dargestellten  Objecto  ohne  Weiteres 
ins  Auge. 


^)  Unter  Umständen  können  auch  Ausnahmen  von  dieser  Eegel  vorkommen. 
So  ist  z.  B.  auf  Taf.  XI,  Fig.  66,  ein  Schnittpräparat  bei  1000  facher  Vergrösserung 
dargestellt.  In  diesem  Falle  erlaubte  es  che  besonders  günstige  Lagerung  der  dar- 
zustellenden Detaüs  (Streptococcenketten),  die  1000  fache  Vergrösserung  mit  Vortheü 
anzuwenden. 


460  Vorbemerkung  zu  den  Tafeln. 

Die  folgenden,  bei  lOOOfaclier  (Trockenpräparate)  und  bei  500- 
facber  Vergrösserung  (Scbnittpräparate)  aufgenommenen  Pbotogramme 
sind  mit  dem  Zeiss'scben  2  mm -Apocbromat- System  (Apertur  1,40), 
dem  besten  System,  welcbes  wir  heutzutage  haben,  hergestellt.^) 

Ausser  diesen  sehr  starken  Vergrösserungen  sind  auch  (je  nach 
Bedürfniss)  schwächere  Vergrösserungen  benutzt.  Fig.  23  auf 
Taf.  IV  (250 fach),  Fig.  72  auf  Taf  XII  (240  fach),  sowie  Fig.  48  auf 
Taf.  Vni  (200 fach)  mirden  mit  Zeiss  DD,  Fig.  29  auf  Taf.  V  (150- 
fach)  mit  Zeiss  CC,  Fig.  24  auf  Taf.  IV,  Fig.  49  auf  Taf  IX,  sowie 
Fig.  61  und  62  auf  Taf.  XI  (100  fach)  mit  Zeiss  BB,  Fig.  31  und 
32  auf  Taf.  VI  (43  resp.  40  fach)  mit  Zeiss  AA,  Fig.  25  auf  Taf.  V 
(25  fach)  mit  Zeiss  aa  aufgenommen. 

Die  Vergrösserungen  sind  übrigens  sämmtlich  zuverlässig 
genau  (unter  Zugrundelegung  eines  Zeiss'scben  Objectmikrometers) 
angegeben. 

Ferner  sind  eine  Reihe  von  Culturen  in  natürlicher  Grösse 
dargestellt.  Diese  Aufnahmen  wurden  theils  mit  einer  gewöhnlichen 
achromatischen  „Landschaftslinse",  theils  mit  einem  Sut  er 'sehen 
Aplanat  hergestellt;  beide  Instrumente  haben  c.  17  cm  Brennweite. 

An  den  meisten  Bildern  (namentlich  gilt  dies  für  die  schwachen 
Vergrösserungen)  wird  man  mit  schwacher  Loupe  mehr  sehen  als  mit 
blossem  Auge. 

Die  mikroskopischen  Aufnahmen  wurden  z.  Tb.  bei  Petroleum- 
beleuchtung, z.  Th.  bei  Beleuchtung  mit  Auer'schem  Gasglüh- 
licht gemacht.  Nur  bei  der  Aufnahme  des  Bildes  Fig.  36  (Taf.  VI) 
kam  eine  intensivere  Lichtquelle  (Magnesium)  zur  Verwendung,  da 
hier  die  Natur  des  Objectes  (flüssiger  Tropfen)  die  bei  den  erstgenannten 
Lichtquellen  nöthige  längere  Exposition  nicht  gestattete. 

Bei  allen  mikroskopischen  Aufnahmen  wurde  das  oben  (p.  72 — 74) 
entwickelte  Princip  der  maximalen  Beleuchtung  zur  An- 
wendung gebracht. 

Die  Aufnahmen  in  natürlicher  Grösse  wurden  bei  zerstreutem 
Tageslichte  hergestellt. 


^)  Eine  Ausnahme  macht  das  Schnittpräparat  Taf.  XII,  Fig.  71,  von  welchem 
die  500 fache  Vergrösserung  nicht  mit  dem  Immersionssystem,  sondern  mit  einem 
starken  Trockensystem  (Zeiss  DD)  hergestellt  ist.  Wenn  auch  die  Contouren 
des  Objectes  (Actinomycesdruse)  bei  Anwendung  der  Immersion  in  der  scharf  ein- 
gestellten Ebene  präciser  geworden  wären,  so  lag  es  doch  in  diesem  Falle  daran, 
eine  möghchst  grosse  ,, Tiefenzeichnung"  zu  erhalten;  und  diese  ist  bekanntlich  um 
so  grösser,  je  grösser  die  Brennweite  des  Objectivs  ist. 


Vorbemerkung  zu  den  Tafeln.  461 

Hervorgehoben  sei  noch,  dass  an  keinem  einzigen  Bilde  ein  Strich 
oder  ein  Punkt  Retouche  angebracht  worden  ist.  Man  wird  deshalb 
auch  an  manchen  Bildern  einzelne  Fleckchen  finden,  die  der  Geübte 
ohne  Weiteres  als  zufällige  Verunreinigungen,  Plattenfehler  etc.  erkennt. 
Diese  sind  leider  nicht  immer  zu  vermeiden.  Ich  habe  sie  aber  ohne 
Ausnahme  stehen  lassen,  um  meinen  Photogrammen  keine  Spur  ihrer 
Objectivität  zu  rauben. 


Der  Verfasser. 


Druckfehlerberiehtigung. 

Auf  Seite  31,  Zeile  6  des  Textes   von  unten,  muss  es  statt  „Iproc.  wässerige 
Kaliumpermanganatlösung"    heissen    ,,5proc.    wässerige   Kaliumpernianganatlösung"'. 


Tafel  I. 


\ 


<itS^l 


O       ' 


liakteriengemisch  aus  der  ilundhöhU-.      Deckglas-  2.     Grosse  Bacillen  aus  Wasser.     Klatschpraparat 

trockenpräparat.      Cicntinnaviolett.      1000:  i.  Gelatineplatte.      Methylenblau.      1000:  i. 


Grosse  Bacillen  (»Wurzelbacillus  )  aus  Erde.  Klatsch-         4.     Schmale  Bacillen  aus  Wasser.     Klatschpräparat 
Präparat  von  Gelatineplatte.     Fuchsin.     1000:  i.  Gelatineplatte.     Fuchsin.      1000:  i. 


Oidium  lactis    (Fadenpilzi.      Klatschpräparat   von 
Gelatineplatte.     Fuchsin.      1000  :  i. 

Dr.  Carl  Günther  pliot.  Berlin  1893. 


Hefe  iSprosspilzi  aus   Weissbier.     Ohne  Zusatz 
lebend  photographirt.      1000:  i. 


Liohtdiuck  von  Julius  Kliiikliardt,  LeipÄig. 


Tafel  II. 


7.    Hueppe'scher  Bacillus  der  spontanen  Milchgerinnung. 
Agarcultur.     Deckglastrockenpräparat.    Fuchsin.    1000:1. 


g.     Bacillen-Zoogloea  aus  faulendem  Pflanzeninfus. 
Deckglastrockenpräparat.     Fuchsin.     1000  ;i. 


•  ,•  ••      •*••  •  •  •  K  • 


Grosse  Mikrococcen   aus   Faeces.     Klatschpräparat 
von  Gelatineplatte.     Fuchsin.     1000  :  i. 


Dr.  Cai-l  Günther  phot.  Berlin   1895. 


Bacillus  prodigiosus.    Klatschpräparat  von  Gelatine 
platte.     Fuchsin.     1000  :  i. 


10.     Grosse  Mikrococcen  aus  Luft.     Klatschpräparat 
von  Gelatineplatte.     Fuchsin.     1000  :  i. 


''•<vV 


12.     Staphylococcus  pyogenes  aureus.     Agarcultur. 
Deckglastrockenpräparat.     Fuchsin.     1000  ;  i. 


Klinkliardt,  Leipzig. 


Tafel  III. 


^ 


ij.     StreptücoLLUb  p\(i^Lnes  in  phlegmonüsera  Pi^iter.  14.     Gelbgrüne  Sarcine  aus  Luft.    G.elatiiiecultur.    Deck- 

IJeckglasaubstriLlipi  ip  ii  it      Methylenblau.     1000  :  i.  glastrockenpräparat,  ungefärbt  in  Wasser  eingeschlossen. 


#\J 


15.    Bakteriengeraisch  (Spirillum  Undula  und  Bacillen  mit         16.    Spirillum  UnJula  mit  Geisselbüscheln  aus  faulendem 

Geissein)    aus    faulendem    Strohinfus.     Deckglastrocken-         Strohinfus.  Deckglastrockenpräparat.   Gebeizt  mit  Ferro- 

präparat,  ungefärbt  in  Luft  eingeschlossen.      1000  :  i.  tannatfuchsin,  gefärbt  mit  Gentianaviolett.     1000  :  i. 


17.     Bacillen  mit  Geisselbüscheln   aus   faulendem  St 
infus.      Dcckglastrockenpräparat.       Gcln-izt    mit    Fi 
tannatfuchsin,  gefärbt  mit   Fuchsin.      1000  ;  i. 


18.     Grosse  Vibrionen  mit  Geissein  aus  Heuinfus.     Dcck- 

glasausstrichpräparat.        Präparaticjn     wie    bei     Fig.     17. 

1000  :  I. 


Tafel  IV. 


V. 


ig.   Bacillus  subtilis  (Hcubacillus)  mit  Sporen.  Agarcultur.         20.    Bacillus  subtilis  (Heubacillus)  mit  Spuren.  Agarcultur. 
Declcglastrockenpräparat      Fuchsin.    (Sporen  ungefärbt.)         Deckglastrockenpräparat.     Die  Sporen  mit  Fuchsin,  die 

übrige  Bacillensubstanz  mit  Methylenblau  gefärbt.  1000 :  i. 


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!i.     Eine    Leptothrix- Art    aus    cariöser   Zahnhöhle   mit         22.     Cladothrix  aus  Wasser.     Gelatinecultur.     Deckglas- 
5poren.       Deckglasausstrichpräparat.       Gentianaviolett.  trockenpräparat.     Fuchsin.     1000  :  i. 


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23.     Crenothrix    aus    Wasser.      Lebend,    in    A\'asser    ein-  24.     Cladothrix  aus   Wasser.      Gelatineplattoncoh 

geschlossen,  photographirt.     250  :  i.  24  Stunden  alt.     100  :  i. 


Dl-.  Carl  Günther  phot.  Berlin  189ß. 


Lichtdiiak  von  Julius  Kliukliardt,  LeiiJzig. 


Tafel  V. 


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25.     Gelatineplattencultur,  mit  Heustaub  angelegt.    Nach 
2  tägigera  Wachsthum  bei  Zimmertemperatur.      25  :  i. 


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26.     Gelatine- Rollröhrchea- Cultur,  mit  Gartenerde 
angelegt.     Xach  2  tägigera  Wachsthum  bei  Zimmer- 
temperatur.    1:1, 


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27.     Milzbrand 
Fuchsin. 


Maus.    ^lilz.    Deckglasausstrichpräparat.         28.     Milzbrand      Maus.     Milz.    Schnitt.     Die  Kerne  mit 
(Die  Bacillen  mit  Kapseln.)     1000:  i.  Picrocarrain ,  die  Bacillen  nach  Gram- Günther   gefärbt. 

500  :  I. 


29.     Milzbrand.    Maus.     Lunge.     Schnitt.    Methylenblau.         30.     Abgeschwächter     Milzbrand.     Maus.     Milz.     Deck- 
150:1.  glasausstrichpräparat.     Methylenblau.     1000:1. 


Dr.  Carl  Günther  phot.  Berliu  1895. 


Klinkhardt,  Leipzig. 


Tafel  VI. 


;i.     Milzbranilbacillen.     Gelatineplattencolonii 
3  Taj^e  alt.     43  :  i. 


}2.     Milzbrandbaiillrii.     (irl. 
Striclicultur,   iS   Stin 


latten  -  Oberflächen- 
ilt,     40  :  I. 


:\Iilzbrandbacillen.   Rlatschpraparat  von  der  in  Fig.  32  34.   Milzbrandbacillon.  Involutionsforraen.  Kartoffeicultur. 

darffestc-llten  Plattencultur.     Fuchsin.     1000  :  i.  Deckglastrockenpräparat.     Gentianaviolett.      1000  :  i. 


;5.     Milzbrandbacillon.      Gelatinustichcultur    nach 
tagigem  Wachsthum  bei  Zimmertemperatur.     1:1. 


Dr.  Call  (iünther  pUot.  Berlin  1895. 


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36.  Milzbrandbacillenfaden  mit  Sp,,i.ii.  I.bend.  Hangen- 
der Buuillontropfen,  geimpft  mit  IWut  der  !N[ilzbrand- 
Maus.    Nach  24  stündigem  Wachsthum  bei  28"  C.    500:1. 

Lichtdruck  von  Julius  Klinkhaxdt,  Leipzig. 


Tafel  VII. 


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j7.     Milzbrandbacillenfäden,    z.  Th.  mit   Sporen.     Agar-        38.     Bacillus   des   malignen  Oedems.     Meerschweinchen. 
cultur.     Deckglastrockenpräparat.     Fuchsin.     1000  :  i.  Oederaflüssigkeit.    Deckglasausstrichpräparat.   Methylen- 

blau.    1000  :  I. 


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39.    Bacillen  des  malignen  Oedems.     Colonien  im  Innern         40.     Tetanusbacillus  mit  Sporen.    Agarcultur.     Deckglas- 
von   Traubenzuckergelatine,  44    Stunden   nach   der  Ver-  trockenpräparat.     Fuchsin.     1000  :  i. 

theilung  von  Oedemsaft  der  Maus  in  dem  Nährboden,   i  :  i . 


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41. 

Bacillu 

s  mit  endständig 

en  Sporen  (Trommelschläger- 

form)  aus  A\ 

ass 

•r.    A-.ir,:ult 

ur.  Deckglastrockenpräparat. 

Die 

Sporen 

111' 

1    fii.  lisin.    .1 

e  übrige  Bacillensubstauz  mit 

M, 

llul.'iil. 1,111    ', 

L- färbt.     1000  ;  I. 

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42.     Leprabacillen.      Mensch.      Hautknoten.      Deckglas- 
ausstrichpräparat.    Die    Leprabacillen   mit   P'uchsin,  das 
Uebrige  mit  Methylenblau  gefärbt.     1000  :  i. 


phot.  Berlin  1895. 


Tafel  VIII. 


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43.    Tuberkelbacillen  in  phthisischem  Sputum.    Deckg-las- 

trockenpräparat.    Die  Tuberkelbacillen  mit  Fuchsin,  das 

Uebrige  mit  ^lethylenblau  gefärbt,     jooo  :  i. 

45.     Typhusbacillcn.    Klatschpräparat  von  Gclatineplattc. 
Fuchsin,     looo  :  1. 


44.    Tuberkelbacillen.    ^Mensch.    Tuberculöse  :\Ieningiti; 
Schnitt  durch  die  Pia.     Gentianaviolett.     500  :  i. 


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46.     Typhusbacilleu    mit    Geisselu.     Agarcultur.     Deck- 
glastrockenpräparat.      Gebeizt    mit    Ferrotannatfuchsin, 
gefärbt  mit  Gentianaviolett.     1000  :  i. 


47.     Typhusbacilk-n.    Mensch.    Leber.    Schnitt.    Fuchsin. 

Theil    eines   Bacillenherdes ,    der   in  Fig.  48   im    Ganzen 

dargestellt  ist.     500  :  i. 


r.  (.'arl  Günthe 


48.    Typhusbacilleu.    Mensch.    Leber.    Schnitt.    Fuchs 
200  :  I.     (Vergl.  Fig.  47.) 


Lichtdruck  vuu  Julius  Kliiikliardt,  Leipzig. 


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Tafel  IX. 


49.  Eine  oberflächliche  und  mehrere  tieferliegende  Colu- 
nien  des  Typhusbacillus  auf  der  Gelatineplatte  nach 
2tägigem  Wachsthum  bei  Zimmertemperatur.     100  :  i. 


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50.      Rotzbacillen.      Feldmaus.      Lunge.      Schnitt. 
Methylenblau.     500  :  i. 


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51.    Diphthericbacilk-n.     Mensch.    Diphtherische  Pseudo-         52.     Diphtheriebacillen.     Agarcultur.      Deckglastrocke 
membran.     Schnitt.     Methylenblau.     500  :  i,  präparat.     Fuchsin.     1000  :  i. 


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53.     Mäusesepticäraiebacillen.     :Maus.    Leber.    Deckghi 
ausstrichpräparat.     Gram'schc  Färbung.     1000  :  i. 


54.     ^L-iusesepticäniirliacillcn.      delatinestichcultur    nach 
6  tägigem  AVachstlunn  bei   Ziiumerteniperatur.      1:1. 


Dl-.  Carl  Günllicr  phul.  Berli 


Lichtdruck  vuii  Juliu.',  Kliiiklmrilt,  Lcipzi;;. 


Tafel  X. 


55.     Choleravibrionen.    Gelatineplatte.    Klatsdipräparat. 
Fuchsin.     1000  :  i. 


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56.    Choleravibrionen.  Involutionsformen.  Gelatinecultur. 
Deckglasausstrichpräparat.     Gentianaviolett.     1000  :  i. 


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57.     Choleravibrionen  mit  Geissein.    Agarcultur.    Deck- 
glastrockenpräparat.      Gebeizt    mit    Ferrotannatfuchsin, 
gefärbt  mit  alkalischem  Anilinfuchsin.     1000  :  i. 


,9.    Kommabacillen  (Spirillum  sputigenum)  aus  der  ^Mund- 

höhle.     Deckglasausstrichpräparat.     Gentianaviolett. 

1000  :  I. 


58.     Vibrio   Metschnikoff.     Taube.     :\ruskelsaft   von    der 

Infectionsstelle.       Deckglasausstrichpräparat.       Fuchsin. 

1000  :  I. 


)0.  Kommabacillen  (Vibrio  aquatilis)  aus  Wasser.   Agar 
cultur.     Deckglastrockenpräparat.     Fuchsin.     1000  :  i. 


Dr.  Carl  Günther  phut.  Berlin  1893. 


Kliukhardt,  Leiijzig. 


Tafel  XI, 


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Ol.     Choleravibriunen- Colonien    auf    der   Gelatineplatte         62.     Choleravibrionen.    Links  eine  Gelatineplattencolonie 
nach    30  stündigem  Wachsthum    bei    Zimmertemperatur.         nach  48  stündigem,  rechts  eine  solche  nach  72  stündigem 
100  :  I.  Wachsthum  bei  Zimmertemperatur.     Beide  100  :  i. 


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63,    Choleravibriunen.  Gelatinestichcultur  nach  9  tägigem         64.     Hühnercholerabacillen.     Taulie.      Herzblut.     Deck- 
A\"achsthum  bei  Zimmertemperatur,     i  :  i.  glasausstrichpräparat.     Fuchsin.     1000  :  i. 


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65.     Gonorrhuecüccen.    I'rippereitcr.    Deckglasausstrich- 
präparat.    Methylenblau.     1000  :  i. 


ou.     Erysipelstreptococcen.     .Mensch.     Hautschnitt.    Die 

Kerne  mit  Picrocarrain,  die  Coccen  nach  Gram-Günther 

gefärbt.     1000  :  i. 


Glüutlicr  pliut.  Belli: 


Lichtdruck  vuii  Ju 


Tafel  XII. 


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67.     ^licrococcus    tetragenus.     !Maus.     jNIilz.     Deckglas-         68.     Diplococcus   pneumoniae.     Durch  Punktion  mit  der 


ausstrichpräparat.     Gentianaviolett.     1000 


Pravaz'schen  Spritze  entnommener  Lungensaft  vom  leben- 
den Pneumoniker.    Deckglasausstrichpräparat.    Gentiana- 
/iolett.     1000  : 


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oq.     Bacillus   pneumoniae   mit    Kapseln.     Pleurasaft  der         70.     Recurrensspirillen.      ^lensch.      l'.lut.     Deckglasaus- 
intrapleural  inficirten  ^Maus.     Deckglasausstrichpräparat.  Strichpräparat.      Mit    5  proc.     Essigsäurelösung    abge- 

Fuchsin.     1000  :  i.  waschen  und  mit  Fuchsin  gefärbt.     1000  :  i. 


71.     Ac'tinomyi-es  l)o\is.   Diusc     Rnul.   /angengeschwulst. 
Schnitt.     Färbung  nach  Gram-Günthc-r.     500  :  i. 


Herpcs    lonsui-.ins-l'il/.        A-,n  pl.iUencultur.        Mit 
•ckglas  bedeckt  und  direct  phcitographirt.     240  :  i. 


Dr.  Carl  Günlliui-  pliol.  Berlin  1S05. 


Lichtdruck  vuii  Julius  KliiiUIiurdt,  Leipzig. 


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