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REFERENCE HAMDBOOK
OF THE MEDICAL SCIErJCES
revi8ed edition
Dr. Albert H. Bück, Editor
No. 48, West 40th Street
New York
William Wood and Company, Publishers
Einfülirung in das Studium
der
Bakteriologie
mit besonderer Berücksichtigung
der
mikroskopischen Technik.
Für Aerzte und Studirende
bearbeitet von
Dr. med. Carl Günther,
Privatdocent an der Universität, Custos des Hygiene - Museums zu Berlin.
Vierte, vermehrte und verToesserte Auflage.
Mit 72 iiacli eigenen Präparaten vom Verfasser hergestellten
Photogrammen.
o®c=»
LEIPZIG.
Verlag- von Georg Thieme.
1895.
Alle Eechte vorbehalten.
7W
Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.
Vorwort.
Mit der Herausgabe der vorliegenden vierten Auflage seines
Buches verbindet der Verfasser — wie es auch bei den früheren Auf-
lagen*) der Fall war — die Absicht, dem Mediciner, und zwar dem
Studirenden ebenso wie dem Arzte, eine kurzgefasste, das Wesentliche
vollständig bringende Einführung in das praktische Studium der Bak-
terienwissenschaft zu geben; der Wissenschaft, mit welcher fast jeder
einzelne Zweig der Medicin mehr oder weniger nahe Berührungspunkte
besitzt, und über deren Bedeutung für die Medicin heute wohl nicht
mehr zu streiten sein dürfte.
Wie in den früheren Auflagen, so hat auch in der jetzigen die
mikroskopische Technik ganz besondere Berücksichtigung ge-
funden; lehrt doch die Erfahrung, wie viel Mühe dem Anfänger
speciell der Gebrauch des Mikroskopes, und zwar gerade die elemen-
tare, manuelle Technik, macht.
Die neue Auflage ist gegen die vorige nicht unwesentlich ver-
ändert. Der Text ist sorgfältig revidirt worden; eine Reihe von Ab-
schnitten sind von Grund aus umgearbeitet, andere neu eingefügt
worden ; fast auf jeder Seite des Textes finden sich Ergänzungen und
Verbesserungen. Eine erhebliche Erweiterung des Textes hat sich
dabei nicht vermeiden lassen.
Bei der Revision der photographischen Tafeln hat der Verfasser
Veranlassung gefunden, von den 72 Photogrannnen der dritten Auf-
lage 14 wegzulassen und durch ebenso viel neue, zweckentsprechendere
Aufnahmen zu ersetzen.
Berlin, im August 1895.
Dr. Carl Günther.
*) Die erste Auflage erschien im Juli 1890, die zweite im März 1891, die
dritte im August 1893.
Inhalts-Uebersicht.
Seite
Einleitung 1
A. Allgemeines 5
I. Allgemeine Morphologie und Systematik der Bakterien 7
IL Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. Desinfection. Sterili-
sation. Antiseptik. Aseptik 20
IIL Allgemeine Lebensäusserungen der Bakterien 40
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung 47
1. Die Ausrüstung des Arbeitstisches 47
2. Beobachtung der Bakterien im lebenden Zustande. Der hängende
Tropfen. Wirkungsweise des A b b e 'sehen Beleuchtungsapparates 52
3. Das gefärbte Deckglas -Trockenpräparat. Die Anilinfarben. Das
Princip der maximalen Beleuchtung Hl
4. Beobachtung der Bakterien in Schnitten. Allgemeines über Schnitt-
behandlung 86
5. Allgemeines über Färbung und Entfärbung. Leicht und schwer
färbbare und entfärbbare Objecto 97
6. Die Gram'sche Methode der Kernentfärbung 108
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung 116
1. Einleitendes 116
2. Die Darstellung der wichtigsten bakteriologischen Nährböden.
Nährgelatine, Nähragar, Nährbouillon, Blutserum, Kartoffel, Ei,
Brotbrei etc 119
3. Die wichtigsten Methoden der Bakteriencultur 139
4. Anhang: Die Methoden der bakteriologischen Luft-, Wasser- und
Boden -Untersuchung und ihre wichtigsten Ergebnisse . . . . 171
a. Luftuntersuchung 171
b. Wasseruntersuchung 174
c. Bodenuntersuchung 181
B. Die Bakterien als Krankheitserreger 185
I. Einleitendes 187
n. Die wichtigsten pathogenen Bakterienarten im Speciellen 226
1. Der Milzbrandbacillus 226
2. Der Bacillus des malignen Oedems 237
VI Inhalts -Uebersicht.
Seite
3. Der TetanusbaciUus 240
4. Der Eauschbrandbacillus 246
5. Der Tuberkelbacillus (Bacillus der Säugethiertuberculose) . . . 249
6. Der Bacillus der Hiihnertuberculose (Geflügeltuberculose) . . . 272
7. Bakterien bei „Pseudotuberculose" 276
.8. Der LeprabaciUus 278
9. Bacillen bei Syphilis. SmegmabaciUen 280
10. Der Eotzbacillus 281
11. Der Typhusbacillus 284
12. Der Bacillus der Mäusesepticaemie und der Bacillus des Schweine-
rotlilaufs 294
13. Der Diphtheriebacillus 297
14. Die Bacillen der Septicaemia haemorrhagica 308
Hühnercholera 309
Kaninchensepticaemie 310
Deutsche Schweineseuche, amerikanische Schweineseuche . . . 311
Einder- und Wildseuche 312
BüfFelseuche, Frettchenseuche, Mäusetyphus 313
15. Der Bacillus des grünen oder blauen Eiters 315
16. Der KommabaciUus der Cholera asiatica (Vibrio cbolerae asiaticae) 317
17. Der Vibrio Metschnikoff 348
18. Wasservibrionen 352
Spirillum marinum, Massaua-Vibrio 352
Eenon's Vibrio, Vibrio Danubicus, Vibrio aquatiHs .... 353
Vibrionen von Kiessling, Loeffler, Weibel, Bujwid,
Fokker, E. Koch 354
Vibrio Berolinensis 355
Vibrio von Bonhoff, von Dunbar 356
Vibrionen von Blachstein, Sanarelli, Wernicke . . . 357
Vibrionen von E. Pfeiffer, Kutscher 358
19. Vibrionen anderer Herstammung 358
Vibrio von Finkler und Prior (Vibrio Proteus) 359
Deneke's Vibrio 360
Vibrionen von Miller, Bleisch, B. Fischer (Vibrio heiko-
genes), Vogler 362
Vibrio von Zörkendörfer, Vibrio Eomanus, Vibrio terrigenus,
Vibrio von Wolf, Lissaboner Vibrio 363
Vibrionen von Brix, von Kutscher 364
20. Das Bacterium coli commune 364
21. Der Gonorrhoecoccus 369
22. Der Streptococcus des Erysipels 373
23. Die Eitermikrococcen (pyogene Coccen) 375
a. Der Staphylococcus pyogenes aureus 378
b. Der Staphylococcus pyogenes albus 380
c. Der Streptococcus pyogenes 381
24. Die Bakterien der Pneumonie 385
a. Der Diplococcus pneumoniae 387
b. Der Bacillus pneumoniae 390
25. Der Bacillus des Ehinoscleroms 391
Inhalts -Uebersicht. YII
Seite
26. Der R. Pfeiffer 'sehe Kapselbacillus 392
27. Der Influenzabacilhis 393
28. Der Bacillus der Bubonen-Pest 395
29. Der Micrococcus tetragenus 397
30. Die Spirochaete des Recurrensfiebers 398
31. Der Actinorayces 399
Anhang 403
Die pathogenen Schimmelpilze 403
Die pathogenen Protozoen 406
Saprophytische (nicht pathogene) Bakterienarten 411
1. Kartoffelbacillen 413
a. Bacillus mesentericus vulgatus 413
b. Bacillus mesentericus fuscus 414
c. Bacillus liodermos 414
d. Bacillus raultipediculus 415
e. Bacillus mesentericus ruber 415
2. Der Heubacillus 415
3. Der Wurzelbacillus 417
4. Bacillus Megaterium 418
5. Die Proteusarten Hauser's 419
a. Proteus vulgaris 419
b. Proteus mirabilis 420
c. Proteus Zenkeri 420
6. Bacterium termo 420
7. Der Hueppe'sche Milchsäurebacillus 421
8. Die Bakterien der Buttersäuregährung 423
a. Der Bacillus butyricus Prazmowsky 423
b. Der Bacillus butjTicus Hueppe 424
c. Der Bacillus butyricus Botkin 424
9. Bakterien der Essiggährung 425
10. Die Milchkothbakterien Esche rieh 's 425
a. Das Bacterium lactis aerogenes 425
b. Das Bacterium coli commune 425
11. Die Bakterien der ammoniakalischen HarnstofFgährung 425
a. Der Micrococcus ureae Leube 426
b. Der Micrococcus ureae liquefaciens Flügge 426
c. Der Bacillus ureae Leube 426
12. Bakterien der Mundhöhle 426
a. Leptothrix buccahs innominata 426
b. Bacillus buccalis maximus 426
c. Leptothrix buccahs maxima 427
d. Jodococcus vaginatus 427
e. Spirillum sputigenum 427
f. Spirochaete dentium 427
Leptothrix gigantea ; Jodococcus magnus; Jodococcus parvus . 427
13. Der Bacillus der blauen Milch 427
14. Bacillus violaceus 429
15. Bacillus ruber Indiens 429
Vni Inhalts -üebersicht.
Seite
16. Bacillus prodigiosus 430
17. Microcoecus agilis 430
18. Spirillum rubrum Esmarch 431
19. Chromogene Sarcinen 432
20. Fluorescirende Bakterienarten aus Wasser 432
21. Bacillus fluorescens liquefaciens 433
22. Phospborescirende Bakterien 433
a. Bacillus pbospborescens 433
b. Bacterium pbospborescens 434
c. Der einbeimiscbe LeucbtbaciUus ....434
23. Spirülum concentricum Kitasato 434
24. Einige andere sapropbytiscbe Bakterienarten 435
a. Bacillus tremulus Kocb 435
b. Spirillum Undula 435
c. Spirocbaete plicatUis 435
d. Bacterium Lineola 436
e. Bacillus Ulna 436
f. Vibrio Eugula 436
g. Vibrio serpens 436
h. Spirillum tenue 436
i. Spirillum volutans 436
An bang 437
Schimmelpilze . . 437
Hefen 437
Register 439
Vorbemerkung zu den Tafeln 459
Druckfehlerberichtigung 461
Einleitung.
Unter der Bezeiclmimg „Bakterien" fasst man eine Gruppe
kleinster einzelliger organischer Wesen zusammen, welche, ihrer grossen
Mehrzahl nach, in physiologischer Beziehung den Pilzen nahe stehen
und sich durch Theilung des Einzelindinduums in zwei Individuen,
durch Spaltung, vermehren. Man spricht deshalb auch von Spalt-
pilzen, Schizomyceten, und gebraucht diese Ausdrücke sjiion}^!!
mit dem Ausdrucke Bakterien. Auch die Bezeichnungen Mikro-
organismen, Mikrobien, sind, im engeren Sinne verstanden, fiir
diese Gebilde vielfach in Gebrauch. Die ausserordentliche Verbreitung
derselben in der Natur hat die Aufmerksamkeit der Forscher schon
frühzeitig auf sie gelenkt. Der Erste, welcher die uns geläufigen
Bakterienformen gesehen und abgebildet hat, war Leeuwenhoek in
Delft (Holland) 1683. Der geniale Beobachter sah diese „Thierchen"
mit Hülfe stark vergrössernder einfacher Linsen, die er sich selbst
geschliffen hatte, in seinem Zahnbelage und in anderen Flüssigkeiten.
Seit jener Zeit und dann namentlich seit den dreissiger Jahren unseres
Jahrhunderts, nachdem das Mikroskop gewaltige Verbesserungen er-
fahren hatte, hat man den kleinsten Lebewesen die Aufmerksamkeit
zugewendet.^)
Aber erst die letzten Jahrzehnte sind es gewesen, welche ein
fruchtbringendes Studium dieser Gebilde in grösserer Ausdehnung er-
möglicht haben; erst seit dieser Zeit können wir von einer bakterio-
logischen „Wissenschaft" sprechen. Um das recht zu verstehen,
müssen wir uns den jetzigen und den früheren Zustand vergegen-
wärtigen. Jeder, nicht bloss der Arzt, sondern jeder Laie, spricht jetzt
von Tuberkelbacillen , von Milzbrandbacillen. Li diesen Worten liegt
ohne Weiteres die Ueberzeugung, dass damit von einander ver-
*) Bezüglich der Geschichte der Bakterienlehre verweise ich auf das aus-
gezeichnete Werk Fr. Loeffler's: Vorlesungen über die geschichtliche Entwickelung
der Lehre von den Bakterien. I. Theil. Bis zum Jahre 1S7S. Leipzig ISST.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 1
2 Einleitung.
schiedene Bacillenarten gemeint seien, dass der Tiiberkelbacilliis
seine specüischen Eigenschaften habe, nnd dass diese von den speci-
fischen Eigenschaften des Milzbrandbacillus verschieden seien; es liegt
darin die üeberzeugung, dass das Geljiet der kleinsten Organismen
ebenso aus einzelnen, je durch charakteristische constante Merkmale
gekennzeichneten Species zusammengesetzt ist, wie das in allen
übrigen Abtheilungen der lebenden Natur der Fall ist. Die Erkennt-
niss dieser so einfach, so selbstverständlich erscheinenden Thatsache
hat aber erst ernmgen werden müssen. Wenn man daran denkt, dass
wenig mehr als drei Jahrzehnte uns von dem Zeitpunkte trennen, wo
ernste wissenschaftliche Männer eine Entstehung der Bakterienvege-
tationen in unseren Gefässen durch Urzeugung, durch Generatio
aequivoca, noch ftir möghch hielten, wo es erst bewiesen werden
musste, dass ohne das Vorhandensein von entwickelungsfähigen Keimen
Bakterienvegetationen nie auftreten, wenn wir dies bedenken, so wird
es uns nicht Wunder nehmen, dass noch vor zwanzig Jahren von
mehreren berühmten Seiten i) auf Grund experimenteller Untersuchungen
die Existenz verschiedener Species bei den Bakterien direkt m Abrede
gesteift resp. die Abgrenzung derselben in einzelne Species nicht für
zwingend erachtet wurde. Dass dieses möghch Avar, erklärt sich aus
folgendem: Man hatte zwar optische Hülfsmittel, die Bakterien zu
sehen: man kannte die Formen, unter denen sie auftreten, sehr gut;
man verstand aber nicht, aus einem Bakteriengemenge das einzelne
Individuum, die einzelne Zelle herauszunehmen und für sich, isolirt,
in ihrer Weiterentwickelung und in ihrem gesanunten Verhalten zu
studiren.
Dem genialen Blicke Robert Ivoch"s war es vorbehalten, die
Schwierigkeiten in diesem Pimkte zu beseitigen. Durch Einführung
einer neuen, überaus einfachen Methodik gelang es Koch, die einzelne
Bakterienzelle zu isohren und das Verhalten der isolirten Bakterien-
zelle unter den verschiedensten äusseren Bedingungen weiter zu ver-
folgen. Hierbei wurde sofort die Erkenntniss gewonnen, dass unter
gleichen Bedingungen nicht alle Bakterienzellen sich gleich verhalten,
sondern dass es sich bei den Bakterien um eine grosse Reihe von
einander verschiedener Arten handelt, deren jede dm-ch ein ihr eigen-
thümliches, specifisches Verhalten charalvterisirt ist. Diese Erkenntniss
') cf. Th. Billroth, Untersuchungen über die Vegetationsforraen von Cocco-
bacteria septica etc. Berlin 1S74. — C. v. Nägeli, Die niederen Pilze in ihren
Beziehungen zu den Infektionskrankheiten und der Gesundheitspflege. München 1877.
p. 20.
Einleitung. 3
ist der Grundstein, auf dem allein sich eine wissenschaftliche Erforschung
des Gebietes aufbauen konnte. Nur die I s o 1 i r u n g der einzelnen Art
ermöglichte es, ihre Eigenschaften festzustellen, ihre Lebensbedingungen,
ihre Lebensäusserungen kennen zu lernen.
Die glänzenden Entdeckungen, welche dieser erste Schritt aus dem
Dunkel in das Helle zur unmittelbaren Folge hatte, namentlich die
Entdeckungen auf medicinischem Gebiete, haben das allgemeine Interesse
der Gebildeten der Bakteriologie zugewandt. Für das erspriessKche
Wirken des modernen Arztes aber ist es eine conditio sine qua non
geworden, sowohl sich mit den Lebenseigenschaften der Bakterien im
Allgemeinen vertraut zu machen, wie auch die speciellen Bakterien-
arten, die bei der Entstehung von Krankheiten eine Kolle spielen, des
Näheren kennen zu lernen. Denn auf der ersteren Kenntniss beruhen
die Avichtigsten Theile unserer modernen Hygiene im Allgemeinen, auf
ihr beruhen Desinfection und Antiseptik, beruht die chirurgische Aseptik
mit ihren glänzenden Resultaten ; die Kenntniss der speciellen Lebens-
eigenschaften der Krankheitserreger aber weist uns allein mit Sicher-
heit den Weg, den eine rationelle Prophylaxis gegen die einzelnen
Seuchen zu beschreiten hat.
Mit diesen Punkten ist jedoch der praktische Nutzen der Bakterio-
logie nicht erschöpft. Die Entdeckungen der letzten Jahre Aveisen mit
Sicherheit darauf hin, dass die Bakterienwissenschaft berufen ist, auch
für die Heilkunde im engeren Sinne, fiir die Therapie, von grösster
Bedeutung zu werden.
Die folgenden Blätter stellen sich die Aufgabe, den medicinischen
Leser in das Gebiet der modernen Bakterienwissenschaft, soweit deren
Kenntniss für ihn ein unumgängüches BedürMss ist, einzuführen; dem
Bedürfnisse des Arztes entsprechend soll die mikroskopische
Technik hierbei besonders berücksichtigt werden. Wir werden uns
zunächst mit der allgemeinen Morphologie und S^^stematik
der Bakterien, mit der allgemeinen Betrachtung ihrer Lebens-
bedingungen und L e b e n s ä u s s e r u n g e n zu beschäftigen haben,
irni uns dann der allgemeinen Untersuchungsmethodik zu-
zuwenden. Dann werden wir das Gebiet der krankheitserregen-
den Bakterien im Allgemeinen und im Anschlüsse daran die
wichtigeren einzelnen pathogenen Bakterienarten zu
betrachten haben; anhangswTise sollen auch die pathogenen Faden-
pilze und die pathogenen Protozoen Erwähnung finden. Endlich
Averden wir auch einige der bekannteren nicht pathogenen
Arten behandeln.
A. Allgemeines.
Morphologie, Systematik, Lebensbedingungen und
Lebensäusserungen der Bakterien.
Beobachtungs- und Züchtungsmethoden.
I.
Allgemeine Morphologie und Systematik
der Bakterien.
Hiin natürliches System der Bakterien anfzustellen ist bisher
nicht gelungen. Diese Aufgabe bleibt einer späteren. Zeit vorbehalten.
Ein natürliches System ordnet die einzelnen Species nach den natür-
lichen Verwandtschaften, wie sie sich aus der vergleichenden Betrach-
tung sämmtlicher Eigenschaften der einzelnen Arten ergeben ; ein
künstliches System greift ein einzelnes in die Augen fallendes Merk-
mal heraus und gruppirt danach. Da nun die Bakterienkunde eine
noch junge Wissenschaft ist, und da demgemäss die Eigenschaften auch
der wichtigsten Bakterienarten bis jetzt nur unvollkommen bekannt
sind, so müssen wir uns vor der Hand noch mit einer künstlichen
Classificirung begnügen. Ferdinand Cohn griff, als er 1872 sein
System^) der Bakterien aufstellte, das Merkmal der Form heraus;
nach der Form der Einzelzellen und nach der Form der Verbände, in
denen diese Einzelzellen auftreten, theilte er die Bakterien ein. Diese
Art der Eintheilung ist auch heute noch die allgemein gebräuchliche.
Wir unterscheiden danach drei grosse Gruppen: Kugelbakterien
(IVIikrococcen, Coccen), Stäbchen bakterien (Bacillen) und S c h r a u-
b e n b a k t e r i e n (Spirillen).
Die Kugelbakterien, Mikrococcen, stellen in einem ge-
wissen Entwickelungsstadium (d. h. unmittelbar nach vollendeter Theilung
der Mutterzelle) kugelrunde Zellen dar; die Stäbchenbakterien,
Bacillen, sind Cylinder von kreisförmigem Querschnitt, deren Längs-
achse den Querdurchmesser an Ausdehnung übertrifft; die Schrauben-
bakterien, Spirillen, sind schraubenartig, korkzieherförmig ge-
wundene Gebilde. Xach de Bary") lassen sich die drei Formtypen
^) Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. 1. Heft 2. 1S72. p. 1-lü.
^) A. de Bary, Vorlesungen über Bakterien. 2. Aufl. 1877. p. 8.
8 A. Allgemeines.
am Tbesten veranschaulichen durch bezw. eme Billardkugel, emen Blei-
stift und einen Korkzieher. Auf Taf. I, Fig. 1, ist ein Bakteriengemisch
dargestellt, welches Bakterien aus der Mundhöhle zeigt. Man findet
hier Angehörige jedes der drei Fornitypen durchemander gemengt.
Das Bild ist bei lOOOfacher Yergrösserung hergestellt; bei derselben
Vergrösserung sind auch die folgenden Photogramme aufgenommen :
die Bilder lassen also eine unmittelbare Grössenvergieichung der dar-
gestellten Bakterien zu. Es fällt an diesen Bildern ohne Weiteres
auf, dass es lange und kurze, dicke und schmale Bakterien giebt. Im
Allgemeinen kann man sagen, dass die Dicke der Bakterienzellen sich
nach Zehntausendsteln eines Millimeters bemisst, die Länge nach Tau-
sendsteln. Es giebt aber nicht seltene AusnaJmien, in denen die Dicke
einer Bakterienzelle ^I^^Q^mm, 1 fx (Mkron), überschreitet.^) Beispiele
davon sehen wir z. B. auf Taf. III, Fig. 1 6 ; die Dicke der hier dar-
gestellten Bakterienzellen beträgt auf dem Bilde i,6 — 1,7mm, d.h. in
dem Präparate selbst 1,6 — 1,7 jll Der Dickendurchmesser der Bakterien
bleibt aber stets erheblich zurück hinter demjenigen der Zellen von
Sprosspilzen (Hefen) und von Schimmelpilzen (Fadenpilzen), die wir
bei bakteriologischen Untersuchungen nicht selten zu Gesicht bekommen.
Auf Fig. 5 (Taf. I) sehen wir (in dem rechten unteren Quadranten
dieser Figur) Gebilde, die man ihrer Form nach für Bacillen halten
könnte. Betrachten mr jedoch die anderen Theile dieser Figur, so
finden wir, dass es sich um einen zweigbildenden Organismus, um einen
Fadenpilz handelt, der an einzelnen Stellen in kürzere, bacillenartig
geformte Theile auseinander gefallen ist. Die Dicke der Zellen beträgt
auf dem (1000 fach vergrösserten) Photogramm 2— 5 mm, d. h. in
Wirklichkeit 2 — 5 /*. Ein derartiger Dickendurchmesser kommt bei
Bakterien nicht vor. Ein anderes Beispiel eines Fadenpilzes zeigt
Taf. Xn, Fig. 72. Hier ist der Herpes tonsurans -Pilz bei 240facher
Vergrösserung dargestellt. Die Zellen sind im Bilde 1,3 — 1,8 mm,
d. h. in Wirklichkeit 5,4—7,5 fi, fhck. Auf Taf. I, Fig. 6, ist ein (in
Sprossbildung begriffener) Sprosspilz (Hefepilz) dargestellt, dessen Zellen
etwa 6 fi dick sind. Die Dickenverhältnisse der Zellen
lassen dieBakterien von den eigentlichen Pilzen jedes-
mal mit Leichtigkeit sofort unterscheiden.
Die Bakterienzelle setzt sich zusammen aus einem (nach
') Unter dem Mikroskope misst man die Grösse der Bakterien ebenso
wie die irgend welcher anderen Objecto bekanntlich so, dass man die in Frage
kommenden Ausdehnungen des Bildes vergleicht mit den Bildausdehnungen eines
unter denselben Bedingungen mikroskopisch betrachteten Objectes von bekannter
Grösse (0 b j e ctm i k r o m e ter).
I. Allgemeine Morphologie und Systematik der Bakterien. 9
neueren Untersuclmngen mit hoher Wahrscheinlichkeit als Kern auf-
zufassenden) Protoplasmakörper, welcher von einer Membran
(Plasmahülle) umschlossen ist. Das Bakterien-Protoplasma
färbt sich wie andere protoplasmatische Körper durch Jod gelb bis
braun, es lässt sich ebenso wie jene mit Carmin und mit Anilinfarben
tingiren. Die Membran, ihrer chemischen Natur nach nicht bei
allen Arten gleich^), geht nach aussen hin unmittelbar über in eine
schleimige, in Wasser mehr oder weniger quellbare Hülle. Während
diese meist eine nur geringe Ausdehnung besitzt und uns nicht be-
sonders auffällt, erreicht sie in anderen Fällen eine im Vergleich zu
dem Protoplasmakörper sehr erhebliche Ausdehnung. Man spricht dann
von Kapsel bakterien (Grioeococcus). Ein derartiges Beispiel
zeigt Taf. XII, Fig. 69. Wir sehen hier den Friedländer'schen so-,
genannten Bacillus pneumoniae, dessen Protoplasmakörper durch
Fuchsin intensiv dunkel tingirt ist, während die Hülle oder Kapsel
sich als weniger intensiv gefärbte Masse kenntlich macht. Der Proto-
plasmakörper der Bakterien ist bei weitaus den meisten Arten farblos,
chlorophj'lllos. Die Bakterien stellen sich in diesem Punkte und den
daraus resultirenden physiologischen Eigenschaften den Pilzen nahe.
(^Nur bei einzelnen wenigen Bakterienarten sind dem Chlorophyll nahe-
stehende Farbstoffe (z. B. das als echtes Chromophyll aufzufassende
sogenannte Bacteriopurpurin) nachgewiesen a Hier weichen dem-
gemäss auch die physiologischen Eigenschaften von den gewöhnlich zu
beobachtenden ab. Auch können sich mehrere derartige Farbstoffe
gleichzeitig neben einander vorfinden (Bütschli)-). Handelt es sich
hier um Farbstoffe, mit deren Anwesenheit wichtige physiologische
Functionen verbunden sind, so werden andererseits von sehr vielen
(.,c h r 0 m 0 g e n e n") Bakterienarten Farbstoffe producirt, die wahrschein-
lich nur als Stoffwechselproducte aufzufassen sind. Die hierhergehörigen
Arten fallen in ihren Culturen ohne Weiteres durch die meist lebhafte
Färbung derselben auf. Der I'arbstoff wird in diesen Fällen gewöhn-
lich ausserhalb der Bakterienzellen liegend angetroffen; die Zellen
selbst sind ungefärbt, f Das Bakterienprotoplasma zeigt bei einer Reihe
von Arten Stärke- (oder richtiger Granulöse-) Gehalt: mit
wässeriger Jodlösung färbt es sich hier dunkel indigoblau.\ Bei einzelnen
^) Die Membran wird meist aus einer celluloseartigen Substanz gebildet; bei
einzelnen Arten jedoch besteht sie — wahrscheinlich — aus einem eiweissartigen
Körper, (cf. A. de Bary. Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze etc.
Leipzig. 1884. p. 493.)
") lieber den Bau der Bakterien und verwandter Organismen. Leipzig. 1S90.
p. 10.
10 A. Allgemeines.
Arten finden sich (kiystallinische) stark lichtbrechende Schwefel-
körnchen in dem Protoplasma vertheilt (Schwefelhakterien);
andere zeigen Eisenoxyd in ihrer Hülle eingelagert (Eisen-
hak t e r i e n ).
Die Bakterienzelle als Ganzes ist hei manchen Arten ge'\nss ein
relativ starres Gebilde ; hei anderen Arten ist dies jedoch sicher nicht
der Fall. Es ist mir öfters begegnet, dass ich bewegliche Bacillen,
welche in der Flüssigkeit als gerade Stäbe umherschwanunen, sich
durch enge Hindernisse hindurchdrängen sah. Hierbei verengerten sich
die verschiedenen Stellen des Bakterienleibes der Reihe nach, dem
HindeiTiisse entsprechend, und in schlangenartigen Windungen entwand
sich die Zelle dem Engpasse, auf der anderen Seite als gerades Stäbchen
weiterschwimmend.
Bei Zutritt von bestinnnten Flüssigkeiten zu Bakterienzellen be-
obachtet man, wie das bei den Zellen höherer Pflanzen längst bekannt
ist, einen eigenthümlichen, als „Plasmolyse" bezeichneten Vorgang.
Der Protoplasmakörper, welcher vorher der Membran dicht anlag, zieht
sich von der Membran zurück und contrahirt sich nach dem Centrum
hin. Hier nimmt er je nach der Gestalt und dem Bau der Zelle ver-
schiedene Gestalt an. Nur lebende Zellen lassen sich „plasmolysiren".
Am besten eignen sich ^/^ bis 10 proc. Kochsalzlösungen. Bringt man
die plasmolysirte Zelle in AVasser zurück, so tritt wieder die ursprüng-
liche Gestalt ein.^)
Die Bakterien vermehren sich (abgesehen von der nur unter
besonderen Bedingungen auftretenden sogenannten Sporenbildung) durch
Theilung, durch Spaltung der einzelnen Zelle in zwei Zellen.
Dies geht so vor sich, dass die Zelle in die Länge wächst, und dass
sie sich dabei in der Mitte der Quere nach einschnürt. Ist die Ein-
schnürung vollendet, so ist damit die ursprüngliche Zelle in zwei Zellen
zerfallen, deren jede ebenso aussieht wie die Mutterzelle vor dem Be-
ginne des Theilungsvorganges. Tafel H, Fig. 11, zeigt grosse' Mkro-
coccen, die z. Th. in Theilung begriffen sind. Man sieht da ausser
rein kugelförmig gestalteten Zellen solche, die in die Länge gezogen
und deutlich eingeschnürt sind (Biscuit- oder Semmelform). Aber
ausserdem bemerkt man auch vereinzelte, zwar von der Kugelform
abweichende, längliche Gebilde, die aber noch keine deutliche Ein-
^) cf. A. Fischer, Ber. d. K. Sachs. Ges. d. Wisseusch. Math.-phys. Classe.
2. März 1891. — Durch 10 proc. Milchsäurelösung lassen sich die plasmolytischen
Erscheinungsformen fixiren, so dass che Zellen resp. der Protoplasmakörper nachher
in dieser Form gefärbt werden können. — Vergl. auch A. Fischer. Untersuchungen
über Bakterien. Jahrb. f. wiss. Botanik. Bd. 27. 1894.
I. Allgemeine Morphologie und Systematik der Bakterien. 1 1
schnünmg zeigen. Diese Gebilde stellen das erste Stadium des Thei-
limgsvorganges dar ; sie zeigen zugleich , dass ein Miki'ococcus nicht
unter allen Umständen rein kugelförmig aussieht. Nur ein bestimmtes
Stadium, näniKch das der eben vollendeten Theilung, bringt die Kugel-
gestalt rein zum Ausdruck, und an dieses Stadium muss man sich
halten, wenn es sich im gegebenen Falle darum handelt, zu entscheiden,
ob man eine bestimmte Bakterienart als Mikrococcus , d. h. Kugel-
bacterium, oder als Bacillus, d. h. Stäbchenbacterium, bezeichnen soll.
Die Figuren 2—4, 7, 8, 10—13 (Taf. I— m) zeigen eine Reihe von
Bacillen- und von Mikrococcenformen ; auf jedem Bilde findet man eine
Anzahl von Zellen, welche in Theilung begriffen sind.
Die Richtung, in welcher die Verlängerung der sich zur Theilung
anschickenden Zelle geschieht, entspricht bei den Bacillen und Spirillen
der Längsrichtung des Individuums; bei den Mikrococcen entspricht
sie in der Regel der Richtung, in welcher die Verlängerung bei dem
vorhergehenden Theilungsprocesse erfolgte. Dies letztere gilt jedoch
nicht ohne Ausnahme. Es giebt Mki-ococcenarten , bei denen nach
erfolgter Theilung der Zelle die beiden Tochtermiki-ococcen sich in
einer Richtung theilen, die senkrecht auf der Richtung der ersten
Theilung steht; es entstehen dann vier im Quadrat gruppirte Mila'o-
coccen. Ein Beispiel hierfür zeigt Taf. XE, Fig. 67. Man bezeichnet
solche ^Formen als Merismopedia (d. h. Tafelcoccen) oder als
Tetragenus.) Haben wir hier eine Theilung nach zwei Richtungen
des Raumes vor uns, so giebt es andererseits Mkrococcenarten, bei
denen die Theilung in allen drei Richtungen des Raumes vor sich
geht. Es entstehen so packetförmige Zusammenlagerungen von je acht
Coccen. Solche Ai'ten bezeichnet man als Sarcina (cf. Taf. III, Fig. 14).
Sehen wir von diesen Ausnahmen ab7"so findet bei den Bakterien
die Theilung stets in der Richtung statt, in der die vorhergehende
Theilung stattfand. Ist die Theilung vollendet, su können die Tuchter-
zellen aneinander hängen bleiben und so ketten artige Verbände
bilden, die zunächst aus zwei, dann aus vier, acht u. s. w. Individuen
bestehen. Taf. I, Fig. 3, zeigt solche Kettenbildung bei einer Art
grosser und dicker Bacillen ( „Wurzelbacillen" ) ; Taf. VI, Fig. 33, zeigt
dieselbe Erscheinung bei den Mlzbrandbacillen. Auf Taf. in, Fig. 13,
sind Mikrococcenketten zu sehen. Mkrococcenarten, welche eine der-
artige kettenförmige Anordnung der Incüviduen zeigen, nennt man
Streptococcus (öT^sTira = Halskette ) ^). Handelt es sich hier mn
^) Synonym mit „Streptococcus" wird, jedoch selten, das Wort „Torula"'
gebraucht. Diese Bedeutung des Wortes Torula ist nicht die gewöhnliche; ge-
wöhnlich bezeichnet „Torula" Hefe.
12 -A.. Allgemeines.
VerlDände, die gewöhnKch aus einer grösseren Reihe von Einzelzellen
zusammengesetzt auftreten, so giebt es andererseits Bakterienarten (be-
sonders ]\likrococcen ) , deren Zellen gewöhnlich zu zweien vereinigt,
l^aarweise auftreten. Man spricht dann von Diplococcen. Beispiele
derart zeigen Taf. XI, Fig. 65, und Taf. XH, Fig. 68. Bleiben Mkro-
coccen nach der Theilung nicht aneinander hängen, fallen sie aus
einander, so kommen keine Kettenverbände zu Stande, sondern die
Einzelzellen lagern sich, wie es der Zufall bringt, nebeneinander ; solche
Arten bezeichnet man als Staphylococcen {oracpvXr] = TrsLuhe)
nach den unter dem Mikroskop oft weintraubenartig erscheinenden
Bildern, die derartig gelagerte Mkrococcen darbieten (cf. Taf. ü, Fig. 1 2).
Bei den Bacillenarten spricht man je nach der Grestalt der
Zellen resp. nach dem Verhältnisse ihres Längsdurchmessers zum
Querdurchmesser von plumpen, von schlanken Bacillen, von Kurz-
stäbchen, von Langstäbchen (cf. Taf. I, Fig. 2 und 4; Taf. H,
Fig. 7 und 8). Es ist hier zu bemerken, dass von einigen Autoren
synon3'm mit dem Begriffe Kurzstäbchen der Begriff „Bacte-
riuni'' gebraucht wurde und noch wird. Gegen diesen Gebrauch ist
nichts einzuwenden, wenn man sich nur stets dabei denkt, dass das
Wort .,Bacterium" hier im engeren Sinne angewendet wird, dass man
eine bestimmte Form damit meint, während man unter Bakterien
im Allgemeinen die ganze grosse, oben näher definirte Gruppe niederster
Pflanzen versteht, die die verschiedensten Coccen-, Bacillen- und Spi-
rillenformen umfasst. Es giebt Bacillenarten, deren Einzelindividueu
sich nach der Theilung voneinander trennen, andere, deren Glieder
nach der Theilung kettenförmig aneinander hängen bleiben. Bezüghch
dieser Gruppirungsverhältnisse kommt es nmi häufig sehr auf die
äusseren Bedingungen an, unter denen das Wachsthmn erfolgt. Be-
trachten wii- beispielsweise den Mlzbrandbacillus. Innerhalb des in-
ficii-ten Thierkörpers (cf. Taf. V. Fig. 27—29) treffen wir die Stäbchen
entweder einzeln oder zu kleinen Kettenverbänden angeordnet. In der
künstlichen Cultur hingegen (cf. Taf. VI, Fig. 31—33, 36; Taf. YH,
Fig. 37) finden wir den Mlzbrandbacillus stets zu langen, manchmal
gewiss Tausende von Gliedern umfassenden Ketten oder Fäden aus-
gewachsen. Derartige Beobachtungen kann man bei vielen Bacillen-
arten machen. Es giebt nun aber Bacillenarten, die stets in längeren
Fäden verbunden (auch „ S c h e i n f ä d e n " genannt) auftreten. Hierhin
gehören z. B. die in der Mundhöhle vegetirenden, als Mj'cothrix,
L e p 1 0 1 h r i X , S t r e p t o t h r i x bezeichneten Bacillenarten (cf. Taf. r\^
Fig. 21).
Was die Abtheilung der Spirillen (Beispiele auf Taf. I, Fig. 1;
I. Allgemeine MorjAoIogie und Systematik der Bakterien. 13
Taf. m, Fig. 15 und 16; Taf. XII, Fig. 70) angeht, so ist zu be-
merken, dass auch die als „Komniabacillen" bezeichneten Gebilde
in diese Abtheilung gerechnet werden müssen. Die Komniabacillen
(Beispiele auf Taf. X; ferner Taf. HI, Fig. 18) sind gelallmmte Stäb-
chen; die Krümmung liegt jedoch nicht in einer Ebene, sondern sie ist
thatsächlich ein Bruchtheil einer Schrauben- oder Korkzieher\nndung.
Unter gewissen Umständen (in älteren Culturen) bleiben die Komnia-
bacillen nach der Theilung aneinander hängen und bilden dann wirk-
liche Spirillen. Ein Beispiel sieht man auf Taf. X. Hier zeigt Fig. 55
die gewöhnliche kommaförniige Erscheinungsweise der Cholerabacillen,
Fig. 56 zeigt dieselben Organismen zu Spirillen ausgewachsen.^) Für
die Kommaorganismen ist auch der Ausdruck „Vibrionen" in
Gebrauch.
Bezüglich der Anordnung der Bakterienverbände ist im Allgemeinen
noch zu bemerken, dass man, besonders in wässerigen Flüssigkeiten,
in welchen Bakterien wuchern, die letzteren häufig in voluminösen,
relativ zähen, schleimigen Verbänden angeordnet findet. Hierher ge-
hören z. B. die sogenannten K a h m h ä u t e , welche man auf faulenden
Infusen etc. häufig antrifft. Mkroskopisch constatirt man in solchen
Fällen die Gallerthüllen der Einzelzellen miteinander verquollen, die
Protoplasmakörper der Zellen durch die Gallerthüllen auseinander ge-
halten und in meist regelmässiger Anordnung in der Gallertmasse
vertheilt. Solche Bakterienmassen bezeichnet man als Z o o g 1 o e a oder
Palme IIa. Ein Beispiel zeigt Taf. 11, Fig. 9.
Beobachtet man Bakterien im lebenden Zustande in der Flüssigkeit,
in der sie gewachsen sind, oder in einem anderen flüssigen Medium,
welches ihre Weiterexistenz zulässt, so bemerkt man, dass die Zellen
sich bewegen. Die Bewegungen, die man beobachtet, smd aber
zweierlei verschiedener Art. Erstens zeigen die Bakterienzellen die
Brown 'sehe Bewegung oder Molekularbewegung, wie sie kleinsten,
in Flüssigkeiten suspendirten Körperchen stets zukommt. Die Zellen
tanzen hin und her, auf und ab; die Bewegung jedes einzelnen Indi-
viduums steht in Beziehung zu der des Nachbars. Ausserdem koiimit
aber eine Eigenbewegung bei den Bakterien vor. Die Eigen-
bewegung ist nicht allen Arten eigenthümlich, sondern auf bestimmte
Arten beschränkt. Sie findet sich zunächst ganz allgemein, ohne Aus-
nahme, bei den Spirillen und Kommabacillen (Vibrionen).
Ferner findet sie sich bei einer grossen Reihe von B a c i 1 1 e n a r t e n ,
^) Umgekelirt trifft man in jungen Culturen wirklicher „Spirillen "-Arten
ganz gewöhnlich zahlreiche kommaförniige Individuen an.
14 A. Allgemeines.
während die ü])rigeii Bacillenarten ohne Eigenbewegung sind. Bei den
Mikrococcen kennt man Eigenhewegung nm* hei wenigen Arten. ^) Um
eine beobachtete Bewegmig von Bakterien als Eigenbewegung an-
zusprechen, ist es nöthig, den Nachweis zu führen, dass das sich be-
wegende Individuum mit den Bewegungen der Nachbarn in keinem
Zusammenhange stehende Ortsveränderungen ausführt. Dies ist manch-
mal gar nicht so sehr leicht zu entscheiden. Die Eigenbewegung kann
zwar eine sehr lebhafte sein. Besonders bei Spirillen und Vibrionen,
aber auch bei Bacillen, findet man nicht selten so lebhafte Bewegungen,
dass es recht schwer wird, sich ohne ^Yeiteres ein deutüches Bild der
Gestalt der Zellen zu verschaffen; die Schrauben oder Stäbchen schiessen
pfeilschnell durch das Gesichtsfeld, um nur für kurze Augenl)licke hier
oder da auszuruhen. Auf der anderen Seite aber konmien (bei Bacillen)
so matte und träge Eigenbewegimgen vor, dass es oft nicht leicht
wkrd, dieselben von Molekularbewegungen zu unterscheiden.
^- Die Eigenbewegung der Bakterienzellen wii'd (nach Ermittelungen
von Koch und von Loefflerj stets durch sogenannte Geissei-
fäden vermittelt, feinste fadenförmige Gebilde, welche meist an den
Enden der Zelle angebracht sind und durch die von ihnen ausgeführten
flimmeiTiden Bewegungen Ortsveränderungen der Zelle veranlassen.
Spirillen und Bacillen mit Geisselfaden zeigt Taf. ni, Fig. 15 ; grosse
Vibrionen mit ihren Geissein sieht man auf Fig. 18 derselben Tafel.
Taf. X, Fig. 57, zeigt die Kommabacillen der Cholera asiatica mit ihren
Geisseifäden. Findet man bei diesen Beispielen die an den Enden der
Bakterienzelle angehefteten Geisseifäden in der Einzahl, so giebt es
andererseits zahlreiche Fälle, in denen ein regelrechter Büschel von
Geisseifäden an dem Ende der Zelle angebracht ist. So zeigt Taf. HI,
Fig. 16, grosse Spirillen, Fig. 17 grosse Bacillen mit endständigen
Geisselbüscheln. Die Länge und Gestalt der Geissein sind bei den
verschiedenen Bakterienarten verschieden. Die Anheftimgsstelle der
Geissein liegt, wie wir bereits sagten, meist an dem Ende der Zelle:
es sind jedoch eine Reihe von Bacillenarten aufgefunden worden, bei
denen jedes Individuum eine ganze (mitunter ausserordenthch grosse)
Anzahl von Geisseifäden trägt, die von seinen Seitenwänden aus-
gehen.-) Ein Beispiel hierfür bildet der Typhusbacillus (cf. Taf. VHI,
Fig. 46).
^) Die erste eigenbewegliche Mikrococcenart , deren Keinzüclitung gelang, und
die genau studirt worden ist, wurde von Ali -Cohen (Centralbl. f. Bakt. Bd. 6.
ISSil. p. 33) in Trinkwasser aufgefunden („Micrococcus agilis").
-) Die erste derartige Beobachtung haben C. Fränkel und R. Pfeiffer
(Mikrophot. Atlas der Bakterienkunde. Lief. 5 18S9. Tafel 24) publicirt.
I. Allj^emeine Morphologie und Systematik der Bakterien. 15
Wir hatten oben gesehen, dass die Vermehrung der Bakterien
durch Spaltung jeder einzelnen Zelle in zwei Zellen geschieht. Denken
wir uns irgend eine Bakterienart unter günstigen äusseren Bedingungen,
denken wir uns den Nährboden möglichst günstig zusammengesetzt,
die Temperaturverhältnisse günstig, und denken wir diese Bedingungen
ungeändert in gleicher Weise fortbestehen, so wäre kein Grund ein-
zusehen, weshalb die Bakterien sich nicht in infinitum in gleicher
Weise weiter theüen sollten. Nun liegen aber die Verhältnisse in
Wirklichkeit nie derartig. Jeder Organismus lebt von gewissen Nähr-
substanzen ; er verbraucht diese Nährsubstanzen ; bei semem Stoffwechsel
bilden sich gewisse Abfallproducte, welche er nicht weiter zu verwenden
vermag. Auch der günstigste Nährboden, auf welchem Bakterien
wachsen, wird in kürzerer oder weiterer Frist erschöpft an nothwen-
digen Nahrungsstoffen, er wird ausserdem mehr oder weniger beladen
mit Stoffwechselproducten der Bakterien. Höchstens im kreisenden
Blute eines inficirten Thieres könnten sich dort vegetirende Bakterien
für gewisse Zeit in einem Zustande befinden, der den oben supponirten
idealen Verhältnissen ähnlich ist; sie würden jeden Augenbück neue
Nahrung erhalten, und ihre Abfallproducte würden ebenso ständig ent-
fernt vv erden. Gemeinhin aber liegen die Dinge so, dass mit fort-
schreitendem Bakterienwachsthum der Nährboden sich verschlechtert.
Die letzten Consequenzen davon würden die sein, dass die Bakterien
auf dem Nährboden nicht mehr zu leben vermögen und zu Grunde
gehen, absterben. Das geschieht nun in der That sehr häufig. (^Wir
sehen dann an den Bakterienzellen zunächst sogenannte Absterbe-
erscheinungen, Involutionserscheinungen auftreten.) Die
Zellen blähen sich auf, werden voluminöser, Mssbildungen, Schnörkel-
formen der mannichfachsten Gestaltung bilden sich aus, das Protoplasma
durchsetzt sich mit „Vacuolen", verhext seine normalen chemischen
Eigenschaften (z. B. färbt sich lückenhaft und schlecht mit 'Anilin-
farben), der Contour der Zellen wird undeutlicher; und dann smd die
Zellen nicht mehr fähig, sich weiter zu vermehren, selbst wenn sie
auf frischen Nährboden übertragen werden: sie sind abgestorben. In-
volutionsformen bei Milzbrandbacillen zeigt Taf. VI, Fig. 34; auf Taf. X,
Fig. 56, sieht man Formen, wie sie bei der beginnenden Involution
der Choleravibrionen auftreten.
Unter gemssen Bedingungen aber giebt die Verschlechterung des
Nährbodens resp. die Erschöpfung desselben an Nahrungsstoffen Ver-
anlassung zu der Bildung eigenthümlicher Fruchtformen, welche,
teleologisch betrachtet, die Bestimmung haben, das Weiterbestehen der
Art, solange die ungünstigen äusseren Verhältnisse andauern, zu ver-
16 A. Allgemeines.
mittein. Es ist dies die Bildung der Sporen (Dauersporen). ^)
/Die Bildung von Dauersporen kommt fast ausschliesslich bei Bacillen
vor; sie ist aber nur einer Anzahl von Bacillenarten eigenthümlich,
während sie bei den anderen Bacillenarten fehlt.J Sie ist femer aus-
nahmsweise beobachtet bei ganz vereinzelten Spirillenarten ; sie soll
auch bei Sarcinen'-) vorkommen können. Die Sporenbildung tritt aber
bei den sporenbildenden Ai'ten nicht ohne Weiteres jedesmal ein, wenn
der Nährboden sich verschlechtert; es gehören hierzu noch ganz be-
sondere Bedingungen, die für die verschiedenen Arten verschieden sind.
Der Vorgang bei der Sporenbildung ist im Allgemeinen der, dass
zunächst eine kleine Stelle des Bacillenleibes anfängt stärker licht-
brechend zu werden, dass dann diese Stelle an Ausdehnung zunimmt
und sich dm-ch eine feste, eigene Membran abschliesst gegen das übrige,
unveränderte Bacillenprotoplasma. Es findet sich dann an der ge-
nannten Stelle ein homogenes, ölartiges, das Licht stark brechendes,
bei hoher Einstellung des Miki'oskoptubus stark glänzend, bei tiefer
Einstellung dunkel erscheinendes, meist länglichrund gestaltetes Kör-
perchen, welches von der erwähnten Membran mnschlossen vnvd. (Vgl.
hierzu Taf. VI, Fig. 36 : Lebende Milzbrandbacillenfäden mit Sporen.)
Vor der Sporenbildung kommen übrigens die eigenbeweglichen Bacillen-
individuen stets zur Ruhe, Ist die Spore in der geschilderten Weise
fertig gebildet, so beginnt der übrige Bacillenleib zu zerfallen, und die
Spore ist dann isolirt; sie bleibt dann unverändert, bis sie nach
längerer oder kürzerer Zeit wieder auf einen günstigen Nährboden
geräth. Dort keimt dann die Spore zu einem Bacillus aus, welcher
sich durch Zweitheüung in der bekannten Weise weiter vermehrt. Die
Sporen bezeichnet man als Dauerformen oder reproductive
Formen gegenüber den sich zweitheilenden Formen, die man als
vegetative oder als W u c h s f o r m e n bezeichnet. Die Auskeimung
der Spore, die Sporenkeimung, geht bei den verschiedenen Bacillen-
arten in verschiedener Weise vor sich. Bei dem Milzbrandbacillus
z. B. verlängert sich die Spore in ihrer Längsachse, der Inhalt verliert
sein glänzendes Aussehen, die Sporenmembran verwandelt sich ohne
W^eiteres in die Bacillenmembran, der Bacillus ist fertig. Bei anderen
Bacillenarten kommt der Bacillus durch ein Loch in der Membran der
^) Die Thatsacbe, dass bei Bakterien Sporenbildung vorkommt, wurde 1872
von F. Cobn entdeckt. (Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 1. Heft 2. 1872. p. 145,
17G; Heft 3. 1S75. p. ISS.)
-') G. Hauser, Ueber Lungensarcine. (Sitz.-Ber. Pbys.-Med. Soc. Erlangen
18S7. [Müncben ISSS.] p. 20.)
I. Allgemeine jMorpbologie und Systematik der Bakterien. 17
Spore aus der letzteren heraus, die Sporeumembran kann dem jungen
Bacillus wie eine Kappe aufsitzen etc. ^)
Die Sporenbildung- kann in der Mitte des Bacillus auftreten
(mittel ständige Sporen), oder sie kann an einem Ende des Ba-
cillus auftreten (end ständige Sporen). In dem letzteren Falle
kommt es dann, wenn die Bacillen einzeln liegen, zur Bildimg soge-
nannter Köpfchenbakterien, Bacillen mit Köpfchensporen,
Trommelschläger formen. Bei manchen Bacillenarten , welche
mittelständige Sporen bilden, kommt es bei der Sporenbildung zu einer
dem Sitze der Spore entsprechenden stärkeren Auftreibung des Stäb-
chens in der Mitte ; sind nun die Enden des Stäbchens zugespitzt , so
resultirt eine deutliche Spindelform. Solche Formen bezeichnet man
als Clostridium {^ot7]Q =- Spindel). Auf Taf. VI, Fig. 36, und
auf Taf. VII, Fig. 37, "sind mittelständige Sporen (Milzbrand), auf
Taf. Vn, Fig. 40, endständige Sporen (Tetanus) dargestellt. Man sieht
auf Fig. 37 und 40 das Bacillenprotoplasma dm'ch die angewandte
Anilinfärbung tmgirt (dunkel), während die Sporen mehr oder weniger
ungefärbt (hell) geblieben sind. Diesell)e Erscheinung sieht man auch
auf Taf. IV, Fig. 19 (Bacillus subtilis mit Sporen), sowie an den sporen-
haltigen Leptothrixfaden, welche auf Taf. IV, Fig. 21, dargestellt sind.
Es hängt dieses diflferente Verhalten des Bacillenprotoplasma und des
Sporenleibes gegen Farbflüssigkeiten auf das Engste zusammen mit
der Verschiedenheit der phjsiologischen Eigenschaften dieser beiden
Dinge im Allgemeinen. Die Bacillensporen sind echte Dauerformen.
^Sie sind durch eine Membran gegen die Aussenwelt abgeschlossen.
welche von einer solchen Resistenz gegen äussere Einwirkungen ist,
wie man sie sonst in der organischen Natur nicht wieder findet, und
die speciell mit der Resistenz des Bacillenkörpers gegen äussere An-
griffe gar nicht zu vergleichen ist.^ So sehen wir auch die Farbflüssig-
keit in den Bacillenkörper eindringen, von der Sporenmembran dagegen
zurückgehalten werden.
Die besprochene Art der Sporenbildung bezeichnet man als die
endogene Sporenbildung, die Sporen als endogene Sporen, die
'Batterfeharten, bei denen diese Bporenbildung auftritt, als e n d o s pore
Bakterienarten. Einzelne Autoren , namentlich d e B a r y und
H u e p p e , nehmen daneben noch eine andersartige Sporenbildung an :
die Art hrospor enbil düng (arthrospore Bakterien). Sie kommt
nach de Bary allen den Bakterienarten zu, welche nicht endospor
sind. Hier sollen einzelne Zellen, die sich zunächst in nichts von ihren
^) Vergl. A. Koch, Bot. Ztg. 18SS. No. 18—22.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage.
18 A. Allgemeines.
Geschwistern unterscheiden, entweder ohne Aenderung der Form, oder
nachdem sie sich etwas vergTÖssert haben und event. etwas derhwandiger
geworden sind, ohne Weiteres Sporenqualität annehmen: d. h. diese
Zellen dienen, wähi'end die übrigen absterben, zum Ausgangspunkte
einer späteren neuen Bakterienvegetation. Von einer ähnlichen Resistenz,
wie sie die endogenen Sporen gegen äussere Angriffe zeigen, scheint
bei den „Arthrosporen" („Gliedersporen") nicht die Rede zu sein.
Die „Arthrosporen" können deshalb auch nicht als Dauerformen in
dem Sinne der den endogenen Sporen zukommenden Eigenschaften an-
gesehen werden, und die ganze Frage nach den Arthrosporen hat mehr
theoretische als praktische Bedeutung. Von Wichtigkeit ist es dagegen
stets, zu Avissen, ob eine bestinmite Bakterienart wirkliche Dauer-
fornien, d. h. mit besonderer Resistenz ausgestattete Gebilde, zu
produciren vermag; diese Eigenschaft aber findet sich nur bei den
endo Sporen Arten.
Die Bakterien, soweit wir deren allgemeine Morphologie bisher be-
trachtet haben, zeigen in ihren Formverhältnissen die übereinstimmende
Eigenthümliclikeit, dass eine jede einzelne Species eine bestimmte, stets
wiederkehrende Form der Einzelzelle aufweist. Handelt es sich mn
eine Bacillenspecies , bei der das Individuum abgestumpfte Enden hat,
so kehren diese abgestumpften Enden bei der weiteren Vermehrung
der Art stets imverändert wieder; ein Miki-ococcus von bestinnnter
Grösse bildet bei seiner weiteren Vermehrung stets wieder Miki'ococcen
derselben Grösse etc. C Mit einem Worte: eine jede Bakterienart hat
die Eigenschaft der Formconstanz.y Oben haben wir schon gesehen,
dass während des Theilungsprocesses die Individuen sich verlängern,
und dass unter ungünstigen äusseren Verhältnissen sich Formände-
rungen, sogenannte Involutionsformen, auszubilden vemiögen. Die
Eigenschaft der Formconstanz gilt also nur ftir das Stadium der eben
abgeschlossenen Theilung und für im Uebrigen normale, günstige
äussere Verhältnisse. ^)
Man hat nun, und dieser Standpunkt Arä'd namentlich von Zopf
vertreten, gegenüber den Bakterien mit constanter Wuchsform auch
sogenannte pleomorphe Bakterien arten statuirt. Hierhin ge-
hören besonders 'die im Wasser vorkommenden Gattungen Cladothrix,
Beggiatoa und Crenothrix. Dieselben treten in Fäden auf, welche
in ihrer Dicke z. Th. etwa dicken Bacillenarten entsprechen, z. Th.
^) Für die diagnostische Beurtheüimg bestimmten vorliegenden Bakterienmaterials
wichtig ist die Thatsache, dass eine und dieselbe Form der Einzelzelle verschiedenen
Bakterienspecies zukommen kann. Man darf also aus der Form, der Einzelzelle
nicht ohne Weiteres auf die Art schliessen.
I. Allgemeine Mori^hologie und Systematik der Bakterien. 19
allerdings eine erheblich gi'össere Dickenausdehnung- besitzen. UClado-
thrLx ist durch Z^veigbildung ausgezeichnet, /Beggiatua zeigt Schwefel-,
könichen im Protoplasma eingelagert, '■ Crenothrix besitzt eine eisenoxjd-
haltige Hülle. Alle drei Gattungen zeigen in ihren Fäden *emen
deutlichen Gegensatz von Basis und Spitze : sie sind durch Spitzen-
wachsthum ausgezeichnet. In den Entwickelungskreislauf aller drei
sollen die verschiedensten Formen (Stäbchen, Coccen etc.) gehören.
Die Koch'sche Schule rechnet diese Gattungen nicht zu den Bak-
terien, sondern zu den niederen Algen. ^) Auf Taf. IV, Fig. 22, findet
man eine Cladothrix (Cladothrix dichotoma Cohn?) bei
lOOOfacher Vergrösserung, auf derselben Tafel, Fig. 24, eine Gelatine-
plattencolonie desselben Organismus bei lOOfacher Vergrösserung ab-
gebildet.") Taf. IV, Fig. 23, zeigt eine Crenothrix-^) bei 250facher
Vergrösserung; die braunen Eisenoxydhydrat-Einlagerungen erscheinen
auf dem Photogramm dunkel.
^) Was speciell Cladothrix angeht, so kann diese zweigbildende Art
logischer Weise schon deshalb nicht zu den Bakterien gestellt werden, weil wir Bak-
terien als „Spaltpilze", als durch Spaltung, durch Zweitheiluug (cf. oben
p. 10) sich vermehrende einzellige Organismen definiren, eine Zweigbüdung aber vor-
aussetzen würde, dass sich an der Zweigstelle aus einer Zelle nicht zwei, son-
dern drei Tochterzellen bildeten, oder aber, dass an dieser Stelle sich
ausser der Zweitheilung eine Sprossung etabhrte.
-) Diese Cladothrix, welche ich seit einer ganzen Eeihe von Jahren häufig in
Berliner Leitungswasser angetroffen habe , wächst in Nährgelatine und auf Agar bei
Zimmertemperatur gut, verflüssigt die Gelatine sehr langsam, färbt die Nährböden
im Umkreise der Colonien braun.
■ •^) Diese Crenothrix wurde gelegentlich in Spreewasser gefunden. Sie wächst
auf unseren künstlichen Nährböden nicht.
2*
IL
Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien.
Desinfeetion. Sterilisation. Antiseptik. Aseptik.
Die Bedingungen, welche vorhanden sein müssen, damit
Bakterienwachsthum ermöghcht werde, sind je nach den verschiedenen
Bakterienarten verschieden. Im Allgemeinen ist zunächst ein gewisser
Wassergehalt des Nährbodens erforderlich, ohne den ja überhaupt
organisches Leben imdenkbar ist; femer erfordern die allermeisten
Bakterienarten einen Gehalt des Nährbodens an höheren organischen
Verbindungen, da sie ihres Chlorophjdlmangels wegen nicht im Stande
sind, aus der Kohlensäure der Luft ihren Kohlenstoff])edarf zu ent-
nehmen. Es bilden jedoch, wie bereits oben angegeben, einzelne Arten
hierin eine Ausnahme ; diese besitzen Chromophjdl und vermögen Kohlen-
säure resp. Carbonate zu zerlegen. ^) Diese wenigen ChromophA'll
führenden Bakterienarten sind auf Licht angewiesen ; ^) für die übrigen
Arten jedoch, also für die grosse Mehrzahl der Bakterien, ist das Licht
durchaus kein wachsthmnsbegünstigender , sondern durchgängig ein
wachsthumsschädigender, nnd zwar sehr erheblich schädigender Factor.^)
Alle Bakterien sind wegen des Stickstoffgehaltes ihres Protoplasma-
körpers auf stickstoffhaltigen Nährboden angewiesen: am- besten
^) Hueppe und Heraeus (60. Vers. Deutscher Naturf. u. Aerzte. Wies-
baden 1887. — ref. Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. p. 419) haben die wichtige
Thatsache festgestellt, dass bei Bakterien auch eine „Chlorophyll Wirkung
ohne Chlorophyll" vorkommt. D. h. es giebt chromophyllfreie Bakterien, welche
ihren Kohlenstoffbedarf durch Assimüirung von Kohlensäure (in Form von Aramonium-
carbonat geboten) decken. Winogradsky (x\.nn. de l'Inst. Pasteur 1890) hat eine
derartige Bakterienart reincultivirt und (wegen ihrer nitrificirenden [Oxydation des
Ammoniaks] Eigenschaften) als ,,Nitromonas" bezeichnet. (Siehe den nächsten Ab-
schnitt bei „Nitrification").
-) cf. Th. W. Engelmann. Die Purpurbakterien und ihre Beziehungen zum
Licht. (Bot. Ztg. 1888. Nr. 42—15).
') cf. weiter unten, Schluss dieses Abschnittes.
IL Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 21
eignen sich als stickstoffhaltiges Nährmaterial Eiweissstoffe ; jedoch
scheinen für viele Arten selbst die einfachsten Stickstoffverbindungen,
namentlich Ammomaksalze, als Stickstoffquellen zu genügen.^) Der für
den Aufbau der Körpersubstanz der Bakterien nothwendige Schwefel
wird nach den Ermittelungen von Eubner''^) ganz allgemein orga-
nischen Schwefelverbindungen entnommen. Die Existenz der sogenannten
„Schwefelbakterien" (cf. oben p. 10) ist an die Gegenwart freien
Schwefelwasserstoffs gebunden, den diese Organismen durch einen Oxy-
dationsprocess zunächst in Schwefel, dann in Schwefelsäui-e überführen;'^)
die „Eisenbakterien" (cf. oben p. 10) bilden das in ihrer Hülle
eingelagerte Eisenoxyd durch einen bei ihrem Lebensprocesse stattfinden-
den Oxydationsvorgang aus Eisenoxydul, welches in dem Wasser ihrer
Umgebung gelöst ist.*)
Bekanntlich sind viele Bakterienarten Krankheitserreger,
d. h. sie vermögen, in einen passenden Thierorganismus gelangt, auf
Kosten des lebenden Materiales dieses Organismus sich zu vermehren.
Man bezeichnet solche Bakterienarten als pathogene oder para-
sitische gegenüber den nicht pathogenen oder sapro-
phytischen Arten, welche nur auf todtem Materiale leben. Unter den
parasitischen Arten giebt es nun solche, die in der Natur, unter ge-
wöhnlichen Verhältnissen, nur im Körper des lebenden Thieres resp.
bestimmter Thierspecies , nicht auf todtem Materiale, zu gedeihen ver-
mögen. Diese bezeichnet man als obligate (strenge, echte)
Parasiten gegenüber den facultativen (gelegentlichen) Pa-
rasiten, die sowohl im lebenden Thierkörper wie auch auf todtem
Nährboden zu wachsen vermögen. Von den obligat-parasitischen Bak-
terienarten lassen sich manche auf bestimmten, künstlich zubereiteten
Nährböden cultiviren ; bei anderen obligaten Parasiten ist die künstliche
Cultur bis jetzt ül)erhaupt nicht gelungen.
Ferner ist die chemische Reaction des Nährbodens für das
G-edeihen der Bakterien von erheblichem Belang. Die meisten patho-
genen Arten wachsen am besten bei leicht alkalischer Eeaction des
Nährbodens. Gegen Säuren sind die Bakterien im All2:emeinen mehr
^) Ueber eine neuerdings vielfach angewendete eiweissfreie Nährlösung für Bak-
terien, die sog. „Uschinsky'sche" Lösung, siehe hinten Abschnitt V, 2. — Ueber
die Pixirung freien atmosphärischen Stickstoffs durch Bakterien, wie
sie in den Wurzelknöllchen der Leguminosen stattfindet, vgl. die zusammen-
fassende Uebersicht von Stutzer (Centralbl. f. Bakt. Abth. II, Bd. 1. 1895.
p. 68 ff.).
'^) Arch. f. Hjg. Bd. l(j. 1892.
•■') Winogradsky, Bot. Ztg. 1887. No. 31—37.
*) Winogradsky, Bot. Ztg. 1888. No. 17.
22 A. Allgemeines.
oder weniger empfindlich; jedoch verhalten sich, wie in allen übrigen
Lehensbedingungen, anch hierin die einzelnen Arten verschieden von
einander. Während z. B. der Choleranbrio schon durch sehr geringe
Mengen freier Säure im Nährboden in seiner Ent^nckelung gehenunt
wird, verträgt der T3^3husbacillus erheblich grössere Mengen der freien
Säure.
Ganz ausserordentlich verschieden verhalten sich die Bakterien zu
dem freien Sauerstoff. Yiele Ai-ten wachsen nur bei fortwährender
ungehinderter Sauerstoffzufrihr (obligate Aeroben), bei anderen
wird im Gegentheil durch die geringste Spur freien Sauerstoffs die
Entwickelung sofort sistirt (obligate Anaeroben),^) eine dritte Ab-
theilung nimmt eine Mittelstellung ein (f a c u 1 1 a t i v e A n a e r o b e n). '-)
Zu den letzteren, den facultativen Anaeroben, gehören die meisten
pathogeneu Bakterienarten. Es giebt aber mehrere wichtige pathogene
Arten, welche obligate Anaeroben sind.
Von ausserordentlicher Bedeutung für das Bakterienwachsthum
sind femer die Temperaturverhältnisse. Auch hier zeigen
wieder die verschiedenen Species verschiedenes Verhalten. Zunächst
hat jede Art eine untere und eine obere Temperatm-grenze (Tempe-
raturminimum, Temperaturmaximum), innerhalb deren über-
haupt ein Wachsthum möglich ist. Die günstigste Temperatur fifr die
Vemiehrung einer Bakterienart bezeichnet man als ihr Temperatur-
optimum. Im Allgemeinen findet Bakterienwachsthum statt zwischen
') Nach Beyerinck (Centr. f. Bakt. Abth. II. Bd. 1. 1S95. p. 109. Aiim.)
giebt es zwei Klassen von echten Anaeroben. Die eine Klasse vermag die
letzten Spuren freien Sauerstoffs aus den Nährmedien zu absorbiren, wobei die mor-
phologisch so characteristische „Sauerstoffform" auftritt (Die Butylalkoholgährung.
Amsterdam. 1893. p. 27). Die zweite Klasse besitzt eine solche Sauerstoffform nicht
und fordert absolute Abwesenheit des freien Sauerstoffs, um zur Entwickelung zu
kommen.
Aerobe sowohl wie anaerobe Bakterien nehmen bei ihrem "Wachsthum Sauer-
stoff auf: die aeroben entnehmen ihn aus der atmosphärischen Luft, die anaerobeu
spalten ihn aus dem Nährboden ab. Alle Bakterien , soweit untersucht , geben bei
ihrem Wachsthum Kohlensäure ab (cf. W. Hesse, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 15. 1893.
p. 17 ff.).
2) Beyerinck (Centralbl. f. Bakt. Bd. 14. 1893. No. 25) hat Methoden
angegeben, ,,Athmungsfiguren" beweglicher Bakterien darzustellen ; diese Figuren
(welche dadurch entstehen, dass die in Wasser etc. vorhandenen resp. in dasselbe
eingebrachten Bakterienzellen die ihnen bezüglich der Sauerstoffspannung günstigste
Stelle der Flüssigkeit aufsuchen und dort sichtbare Anhäufungen Ijüden) zeigen ohne
Weiteres das grössere oder geringere Bedüi-fniss nach freiem Sauerstoff, welches der
untersuchten Bakterienart zukommt. Beyerinck unterscheidet unter den Athmungs-
figuren drei Typen: den ,,Aerobentypus", den „Anaerobentypus" und den zwischen
beiden stehenden „Spii'iUentypus".
II. AUgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 23
Temperaturen von etwa 5^ C. imd etwa 45*^ C. Die Saprophyten
wachsen im Allgemeinen besser bei niedrigerer, die Parasiten besser
bei höherer Temperatur. Das Temperaturoptimum für die ersteren liegt
gemeinhin um 20*^ C. herum, das der letzteren bei Körpertemperatur.^)
Einzelne Bakterienarten jedoch fallen bezüglich ihrer Temperatur-
ansprüche vollständig aus dem vorstehend gezeichneten Rahmen heraus.
Globig-) hat in den oberflächKchen Bodenschichten in weitester Ver-
breitung das regelmässige Vorhandensein verschiedener Bacillenarten
nachgewiesen, welche sich bei Temperaturen von 50 — 70^ C. zu ent-
wickeln vermögen,'^) und Forst er hat Bakterienarten entdeckt, die die
Eigenschaft haben, bei 0*^ C. sich zu vermehren.'^)
Bezüglich der Bedingungen, welche die Bakterien an den Nähr-
boden resp. an die Aussenverhältnisse stellen, ist im Allgemeinen noch
darauf aufmerksam zu machen, dass man bei vielen Arten eine all-
mählich zu Stande kommende Gewöhnung (Anpassung) an
einen der Art Anfangs nicht zusagenden Nährboden resp. an nicht zu-
sagende äussere Verhältnisse beobachtet hat. Besonders bei zahlreichen
pathogenen Arten hat man ein derartiges Verhalten constatirt. Freihch
sind damit stets gewisse Aenderungen auch in den Lebensäusserungen
verknüpft, die manchmal den Verlust sehr wichtiger, für die Art ur-
sprünglich characteristischer Eigenschaften bedeuten. Bezüglich der
Anpassungsvorgänge ist sehr wichtig die von D i e u d o n n e ^) neuerdings
^) Das gilt nicht nur für solche Bakterien, die für Warmblüter pathogen sind.
So fanden Emmerich und Weibel als Erreger einer Forellenseuche eine
Bakterienart, deren Temperaturoptimum zwischen 10*^ und IS*' C. liegt (Arch. f. Hyg.
Bd. 21. 1S94. p. 9).
■-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 3. ISST.
") Weitere Mittheilungen über solche bei hohen Temperaturen wachsende,
,,thermophile" Bakterienarten lieferten Miquel (Ann. de micrographie 188S) so-
wie Macfadyen und Blaxall (Journ. of pathol. and bacteriology. Bd. 3. 1894),
ferner Rabin owitsch (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 20. 1895). Es handelt sich um
Bacillenarten, die sich im Boden, im Fluss- und Seewasser, ferner im Darm der
Thiere ganz regelmässig vorfinden , die facultativ anaerob , nicht pathogen sind, und
«.lie sämmthch ganz ausserordentlich widerstandsfähige Sporen (cf. p. 28) bilden.
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. p. 340. — Auch Fischer (Centralbl.
f. Bakt. Bd. 4. 1888. No. 3) fand, und zwar im Kieler Hafen und Boden, eine
Eeihe von Bakterienarten, die bei O*' C. zu wachsen vermögen. — Fernere Unter-
suchungen von Forst er über den Gegenstand (Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892.
No. 13) haben ergeben, dass in unserer Umgebung (Wasser, Boden, Strassenschmutz,
Milch etc.) sigh gewöhnhch zahlreiche Keime finden, welche bei 0** C. zu gedeihen
vermögen ; dieselben gehören nur wenigen Arten zu. Sie finden sich nicht etwa nur
im Winter, sondern auch im Sommer.
'') Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 9. 1894.
24 -Ä-- Allgemeines,
festgestellte Thatsache, dass bestimmte Bakterienarten unter Umständen
dadurcli an T e m p e r a t ii r y e r li ä 1 1 n i s s e , die ihnen a priori nicht
zusagten, gewöhnt werden können, dass man eine grössere Eeihe
von Umzüchtungen Yornimmt mit ganz allmählich geänderten
Temperaturbedingungen.
Vorstehend haben wir Yersucht, die wichtigsten Punkte, auf die
es für das Bakterienwachsthimi im Allgemeinen ankommt, zu skizziren.
Eine jede Art stellt bezüglich jedes einzelnen Punktes ihre besonderen
Ansprüche. Sind die Bedingungen resp. eine oder mehrere derselben
ungünstig, so kommt es auf den Grad des MissYerhältnisses an be-
züglich der daraus resultirenden Folgen. Bei minder ungünstigen
Verhältnissen Avird das Wachsthum nur Yerzögert oder auch inhibirt
( E n t w i c k e 1 u n g s h e m m u n g ) , die weitere Vermehrungsf ähi gkeit
aber noch nicht aufgehoben: bei längerer Andauer der ungünstigen
Verhältnisse resp. wenn die Qualität der Verhältnisse eine noch un-
günstigere wird, kann auch die fernere Vermehrungsfähigkeit endgültig
aufgehoben werden (Vernichtung).
Was speciell ungünstige Temperatureinflüsse angeht,
so ist darüber im Allgemeinen folgendes zu sagen: Setzt man eine
Bakterienart Temperaturen aus, die ausserhalb der für ihr Wachsthum
noch geeigneten Grenztemperaturen liegen, so tritt zunächst eine
Sistirung der Entwickelung ein. Die weiteren Wirkungen sind jedoch
ganz Yerschieden, je nachdem die einwirkende Temperatur unterhalb
des Temperaturminimums oder oberhalb des Temperaturmaximums der
Art liegt. Selbst die niedrigsten künstlich zu erzeugenden Temperaturen
Yermögen im Allgemeinen auch bei längerer Einwirkung die fernere
Entwickelungsfähigkeit der Bakterien nicht aufzuheben, während andrer-
seits bei Temperaturen you 55" bis 60« C. die YegetatiYen Formen
der Bakterien im Allgemeinen in kurzer Zeit sicher getödtet werden.
Ganz anders freilich Yerhalten sich die Bacillen s p o r e n , zu deren Ver-
nichtung stets ganz erheblich höhere Temperaturen erforderlich sind.
Liegen die Bedingungen, und zwar nicht nur die Temperatur-
bedingungen, sondern die gesammten Lebensbedingungen, in einem
gegebenen Falle zufällig so, dass in jedem einzelnen Punkte die An-
sprüche auf das Beste erfüllt sind, so ist das Wachsthum das üppigste,
schnellste, das überhaupt möglich ist. Gewöhnlich liegen die Bedingungen
aber nicht in allen Punkten so günstig. Es ist nun in dieser Beziehmig
äusserst interessant, dass ungünstige Bedingungen des einen Punktes
durch günstige emes anderen Punktes compensirt werden können. Zum
besseren Verständniss dieser wichtigen Thatsache will ich einige Bei-
spiele anführen. Der CholeraYibrio wächst auf geeignetem Nährboden
IL Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 25
bei Zimmer- sowohl wie bei Brüttemperatm-: bei der letzteren wächst
er aber stets erheblich besser. Der Cholera\ibrio wächst ferner am
besten auf einem leicht alkalischen Nährboden ; gegen geringste Mengen
fi'eier Säure zeigt er sich empfindlich. Bringt man ihn nun auf die
(leicht sauer reagirende) gekochte Kartoffel, so wächst er bei Zimmer-
temperatur hier nicht; er wächst aber auf diesem ihm recht wenig
zusagenden Nährboden, wenn man denselben in den Brütschrank stellt.
Es ist hier also die ungünstige chemische Beschaffenheit des Nährbodens
compensirt worden durch die sehr günstigen Temperaturverhältnisse.
Etwas Analoges beobachtet man z. B. auch bei den Milzbrandbacillen.
welche ebenfalls sowohl bei Zimmer- wie bei Brüttemperatur, bei der
letzteren aber stets erheblich besser, gedeihen. Bringt man diese
Organismen in eine Nährgelatine (cf. weiter unten), der so viel Sublimat
zugesetzt ist, dass 400 000 Theile des Nährbodens 1 Theil Sublimat
enthalten, so wachsen hier die Milzbrandbacillen bei Zimmertemperatur
(16 — 18^ C.) durchaus nicht. Bringt man die Sublimatgelatine aber
in den Brütschrank, so gedeihen nun die Milzbrandbacillen auf ihr.
Bei Brüttemperatur (36^ C.) wirkt entmckelungshemmend auf IMilz-
brandbacillen erst etwa das Zehnfache von demjenigen Gehalt des Nähr-
bodens an Sublhnat, der bei Zimmertemperatur das Wachsthum ver-
hindert (B e h r i n g)})
Veränderungen m den Culturbedingungen haben ausnahmslos eine
Veränderung auch der Lebensäusserungen zur Folge. Die
letzteren können geringfügiger Natur sein, sich auf Aenderung m der
Schnelligkeit des Wachsthums etc. beschränken. Sie können jedoch
auf der andern Seite auch sehr wesentlicher Natm* sein und wichtige
Umänderungen in dem gesammten Lebensprocesse der Art bedeuten.
So wächst z. B. der Bacillus prodigiosus am besten bei Zimmer-
temperatur. Er producirt hier auf den Nährböden einen intensiv rothen
Farbstoff; Hand in Hand damit geht die Production von Trimethylamin
(Geruch nach Heringslake). Züchtet man den genannten Bacillus bei
Brüttemperatur, so bleibt sowohl die Farbstoffproduction wie auch die
Bildung von Trimethylamin vollständig aus. Im Uebrigen ist das
Wachsthum ein sehr gutes bei der Brüttemperatur.
Im Anschluss an die geschilderten allgemeinen Lebensbedingungen
der Bakterien möge hier ein Kapitel kurz berührt werden, welches
in seinen Grundlagen mit den Bedingungen für das Leben und Sterben
der Bakterien auf das Engste verknüpft ist: das Kapitel der Des-
infection.
') Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 9. ISyu. p. 39S.
26 A. Allgemeines.
Wenn ii-gend welche Gegenstände desinficirt werden sollen, so
heisst das so viel, als: es sollen die an oder in ihnen befindlichen
ki-ankheitseiTegenden organischen Keime getödtet werden, ohne dass,
falls die zu desinficirenden Gegenstände Gebrauchsgegenstände sind,
diese selbst erheblich geschädigt resp. unbrauchbar gemacht werden.
Der letztere Punkt, d. h. die Eücksichtnahme auf die fernere Brauch-
barkeit der zu desinficirenden Gegenstände, ist aber von untergeordneter
Bedeutung gegenüber dem anderen Punkte: der Nothwendigkeit der
endgültigen Vernichtung der pathogenen organischen Keime. Wir
haben bereits gesehen, dass die Bakterienkeime von sehr verschiedener
Kesistenz gegen äussere Einwirkungen sind, je nachdem es sich um
vegetative Formen oder um Sporen handelt. Ein Desinfectionsverfahren,
welches allgemeine Anwendbarkeit für jedwede Form von In-
fectionski'ankheit haben soll, muss demnach so eingerichtet sein, dass
durch dasselbe die widerstandsfähigsten Sporen, welche wir bei ki'ank-
heitserregenden Bakterien kennen, getödtet werden. Handelt es sich
um ein Desinfectionsverfahren, welches nur für die Zerstörung ganz
bestimmter Krankheitskeime, nur für die einer einzelnen Infections-
k rankheit, bestmimt ist, so braucht dasselbe natürlich nur auf die
specielle Natur der in Frage kommenden Krankheitserreger Ftücksicht
zu nehmen.
Ein dem Begriffe der Desinfection sehr nahestehender Begriff ist
der der Sterilisation; man versteht hierunter das Keimfrei- (Steril-)
machen irgend welcher Instrumente, Apparate, Nährböden etc., wobei
man nicht speciell an krankheitserregende Keime, sondern an Keime
von Organii^men überhaupt denkt.
Die Tödtung von Bakterienkeimen kann nun hauptsächlich
auf zweierlei Art geschehen : durch hohe Temperaturen und durch
chemische Mittel (Desinfection smittel). Wenn wir unsere
Messer, Scheeren, Platindrähte etc. zum Zwecke der Benutzung bei
bakteriologischen Arbeiten keimfrei haben wollen, so werden dieselben
in der Flamme des Bunsen'schen Gasbrenners oder in der Spiritus-
flamme „ausgeglüht" resp. bis in die Nähe der Glühhitze gebracht.
Die den Instrumenten anhaftenden Bakterienkeime werden dabei sämmt-
lich augenblicklich zerstört. Wenn wir Leichen von Versuchsthieren
resp. die in ihnen befindlichen Bakterien unschädlich machen Avollen,
so verbrennen wir die Leichen im Ofen. Diese einfachen Mani-
pulationen, bei denen sehr hohe Temperaturen zur Bakterienvemichtimg
in Anwendung kommen, sind nicht überall am Platze. Man hat sich
deshalb mit niedrigeren Temperaturen zu behelfen gesucht und (früher)
mit stark erhitzter (trockener) Luft „desinficirt".
II. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 27
Die grandlegenden Versuche von R. Koch und WolffhügeP)
haben nun aber gezeigt, dass die trockene heisse Luft ein höchst
unzweckmässiges Desinfectionsmittel ist. Damit alle Bakterienkeime
getödtet werden, ist dreistündige Einwkung einer Temperatur Ton
140*^ C. nothwendig, und hierbei werden „fast alle Stoffe, welche der
Hitze -Desinfection zugänglich sind, mehr oder weniger beschädigt".-)
Nichts desto weniger bedienen wir uns in gewissen Fällen auch heute
noch der Einwirkung von heisser trockener Luft zum Zwecke der
Desinfection, oder besser Sterihsation, wobei aber noch erheblich höhere
Temperaturen als 140*^ C. zur Anwendung kommen. Es geschieht
dies, wenn wir im Laboratorium trockene leere Glasgefässe oder Metall-
instrumente, die ohne Schaden zu nehmen derartigen Temperaturen
ausgesetzt werden können, steril, keimfrei machen wollen. Sie werden
dann in den Trockenschrank oder Heissluftsterilisations-
apparat^) gebracht, einen doppelwandigen Kasten von Schwarzblech,
dessen Lmeres mit Hülfe einer untergestellten kräftigen Gasflamme,
und zwar durch die den Zwischenraum zwischen den Wandungen durch-
streichenden Heizgase der letzteren, in wenigen Mnuten auf 160 — 170*^0.
erhitzt werden kann. Die Bakterienkeime werden durch derartig hohe
Temperaturen in etwa einer Stunde sämmtlich sicher vernichtet.
Viel energischer als die trockene heisse Luft mrkt der heisse
Wasserdampf auf Bakterien ein. Die grundlegenden Versuche von
Pt. Koch, Gaffky und Löffler*) haben in dem strömenden,'^)
ungespannten Wasserdampfe von 100*^ C. ein ebenso bequemes,
überall leicht anzuwendendes, wie in der Sicherheit seiner Wirkung
kaiun mit irgend einem anderen vergleichbares Desinfectionsmittel
kennen gelehrt.
Die resistentesten Krankheitskeime, welche wh kennen, sind
die Milzbrandbacillensporen. Unter diesen giebt es wiederum je nach
der Provenienz des Materiales, wie v. Esmarch*^) gefanden hat,
schwächer und stärker widerstandsfähige.^) Die am stärksten wider-
1) antth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. ISSl. p. 301 ff.
■-) 1. c. p. 312.
^) Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 47.
*) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 322 ff.
^) D. h. frei in die Atmosphäre ausströmenden, unter dem gewöhnlichen Atmo-
sphärendrucke stehenden.
«) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 5. 1888.
') Aehnlich ist es auch mit anderem Bakterienmateriale. Grub er (7. int.
Congr. f. Hyg. u. Demogr. London 1891. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. p. 115)
constatirte erhebliche Differenzen in der Eesistenz von Staphylococcus aureus-Culturen
verschiedener Provenienz.
28 -Ä-- Allgemeines.
standsfälligen Milzbrandbacillensporen hielten es allerdings in einem
einzigen der sehr zahlreichen v. Esmarch'schen Versuche bis zu
zwölf Minuten in dem strömenden Dampfe von 100^ C. aus, ohne ver-
nichtet zu werden: die Mehrzahl der Sporen zeigt sich jedoch bereits
nach fimf Minuten veniichtet. In dem strömenden Wasserdampfe von
100*^ C. haben wir denmach ein für alle Zwecke der Praxis ge-
nügendes, absolut zuverlässiges Desinfectionsmittel. Die modernen
Desinfectionsanstalten, wie sie von Gemeindeverwaltungen zum
öffentlichen Gebrauche in den Städten eingerichtet werden, wenden
fast ausschliesslich den strömenden Wasserdampf an. Im Laboratoriimi
bedient man sich für die Zwecke der Desinfection resp. Sterilisation
durch Dampf des sog. Dampftopfes, eines mit Filz oder Asbest
umkleideten, unten geschlossenen, oben offenen und hier mit einem
Deckel versehenen Zinkblechcylinders , dessen Imieres durch einen im
unteren Drittel angebrachten Eost in zwei Abtheilungen eingetheilt ist,
von denen die untere zum Theile mit Wasser gefüllt wd. während
die obere zur Aufnahme der zu sterihsirenden Gegenstände dient; das
Wasser wird durch die Flamme eines unter den Kupferblechboden des
Cjlinders gestellten starken Gasbrenners in's Kochen gebracht.
Noch erheblich stärker keimtödtend als der strömende, ungespannte
Dampf von 100*^ C. wirkt der gespannte AVass er dampf von
höherer Temperatur. Globig^) fand bei Gelegenheit seiner
Studien über im Erdboden vorkommende, bei hohen Temperaturen
wachsende Bacillenarten (cf. oben p. 23) einen eigenthümlichen, durch
rothe Färbung seiner Colonien ausgezeichneten, übrigens nicht pathogenen
Bacillus („rother Kartoffelbacillus"), dessen Sporen eine ganz ungewöhn-
liche Widerstandsfähigkeit zeigen. Die letztere geht bei Weitem über die
der Milzbrandbacillensporen hinaus; eine grössere Widerstandsfähigkeit
organischer Keime ist überhaupt nicht bekannt. Diese Sporen wurden
im strömenden Dampfe von lOO^C. erst nach 5^2 — 6 Stunden vernichtet.
„ gespannten „ „ 109 — 113*^ C. lebten sie nach 45 Min. noch,
„ „ „ 113— 116^ C. wurden sie in 25 ]\Iin. vernichtet,
„ 122-1230 C. „ „ ,. 10 „
„ „ „ „ 126 C. „ ,. ,. 3 ,. ,,
1270 c. „ „ „ 2 „
,, „ „ „ ISO^C. .. ,. augenblickl. zerstört.
Aus der vorstehenden Tabelle sieht man, dass mit steigender Tem-
peratur die Desinfectionskraft des (gespannten) Wasserdampfes zunimmt,
') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 3. ISST. p. 331.
n. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 29
und es liegt deshalb sehr nahe, daran zu denken, dass an Stelle der
niit strömendem Dampfe arbeitenden Apparate \iel besser die mit ge-
spanntem Dampfe arbeitenden Apparate (Autoclav, Digestor) zu
benutzen wären. Zweierlei steht jedoch der allgemeinen Einführung
der letzteren entgegen. Wenn ein Desinfectionsapparat mit gespanntem
Dampfe arbeiten soll, so setzt dies einen hermetisch verschliessbaren
Raum voraus, in welchem die Dämpfe entwickelt werden. Es ist aber,
bevor der genannte Raum geschlossen wird, unumgänglich nothwendig,
dass auch die letzten Spuren atmosphärischer Luft aus demselben ent-
fernt werden, dass nur Dampf in ihm enthalten ist. Denn erhitzte
Luft ist ein sehr unzuverlässiges Desinfectionsmittel, wie wir oben ge-
sehen haben, und es würde durch das Zurückbleiben von Luft in dem
Apparate der Erfolg der Desinfection ein zweifelhafter werden. Der
Zeitpunkt aber, in welchem alle Luft entfernt ist, ist gar nicht ganz
leicht festzustellen; es erfordert dies jedenfalls ein besonders geschultes
Personal. Der zweite Grund, welcher der Einführung derartiger Apparate
entgegensteht, ist der der Explosionsgefahr. Zur Aufstellung derselben
bedarf es stets besonderer polizeilicher Genehmigung. Beide Punkte
kommen nicht in Betracht bei den gebräuchlichen, mit ungespanntem
Dampfe von 100"^ C. arbeitenden Desinfectionsapparaten. Jeder Damjjf-
desinfectionsapparat sollte übrigens so constrairt sein, dass der Dampf
an der obersten Stelle des Desinfectionsraumes in den letzteren ein-
geleitet wird, und dass er an der untersten Stelle desselben wieder aus-
tritt. Da der Dampf specifisch leichter ist als die atmosphärische Luft, so
kommt nur bei dieser Anordnung eine möglichst schnelle Verdrängung
der Luft durch den Dampf zu Stande.
Man hat übrigens daran gedacht, inigespannten Wasserdampf von
100 0 Q, üijer stark erhitzte Metallflächen streichen zu lassen, um ihm
dadurch eine höhere Temperatur zu verleihen,^ ohne dass dabei seine
Spannung eine höhere würde. Solcher ungespamiter strömender über-
hitzter Dampf verhält sich aber, vde Versuche von v. Esmarchi)
gezeigt haben, in seiner keimtödtenden Kraft genau wie erhitzte trockene
Luft, d. h. er ist für die Zwecke der Desinfection im Allgemeinen
ebenso unbrauchbar wie heisse, trockene Luft.
Die Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, welche in den
Desinfectionsanstalten mit strömendem Wasserdampfe behandelt werden,
vertragen im Allgemeinen diese Procedur ausgezeichnet. Kleider, Wäsche,
Betten, Bücher kommen aus dem Apparate unversehrt hervor. Sie
trocknen an der Luft in kürzester Frist und sind dann wieder ge-
0 Zeitsebrift f. Hygiene. Bd. :^. 188^
30 A. Allgemeines.
brauch sfäliig. ISTur Leder macht hierin eine Ausnahme. Leder wird
durch die Dampfbehandhmg in eine starre, brüchige, absolut unbrauch-
bare Masse verwandelt.
Die im Vorhergehenden geschilderten Methoden der Desinfection
durch höhere Temperaturen verwenden HitzegTade von 100^ C. oder
darüber. Gelegentlich der Besprechung der Bereitung der bakterio-
logischen Nährböden werden wir eine Methode kennen lernen, welche
eine sichere Sterilisirung für gewisse Zwecke bei erheblich niediigeren
Temperaturen (um c. 56^ C.) ermöglicht (cf. Sterilisirung des Blut-
serums).
An dieser Stelle sei das sogenannte Pasteurisiren erwähnt.
Man versteht darunter eine, speciell für Milch (und Bier) angewendete,
Methode des Haltbarermachens flüssiger Nahrungsmittel durch kurz-
dauernde Erhitzung auf 70 — 75'' C. und nachfolgende Abkühlung.
Selbstverständlich werden vorhandene Sporen durch das Pasteurisiren
nicht beeinflusst.
Ausser durch hohe Temperaturen kann nun eine Sterilisirung
oder Desinficirung auch durch chemische Mittel bewirkt werden.
Es giebt eine ganze Reihe von Körpern, welche, in flüssiger Form
mit Bakterienkeimen kürzere oder längere Zeit in Berührung gebracht,
die letzteren mehr oder weniger schädigen resp. tödten. Durch grund-
legende Versuche R. Koch's^) wurde der Nachweis erbracht, dass
solche Körper i n W a s s e r gelöst sein müssen, damit sie auf
die Bakterienzelle einwirken können. Oelige oder alkoholische Lösungen
haben eine desinflcirende oder keimtödtende Wirkung nicht. Koch
fand, dass, wie dies für die Desinfection durch Hitze gilt, so auch
einem jeden chemischen Desinfectionsmittel gegenüber sich Dauerformen
und vegetative Formen dm-chaus verschieden verhalten. Die letzteren
werden stets erheblich leichter vernichtet als die Sporen.
Die vegetativen Formen der Bakterien haben im Allgemeinen die
Eigenschaft, dass sie die völlige Wasserentziehung, das Austrocknen,
nur kürzere Zeit ertragen. Ln Allgemeinen werden Bakteriem^mchs-
formen durch wenige Tage langes Trockenliegen resp. durch wenige
Tage lang andauernde Wasserentziehung getödtet. Einzelne Species
sind ausserordentUch leicht durch Austrocknen zu vernichten. Hierhin
gehört z. B. der Choleravibrio, Avelcher nach mehrstündigem (etwa
dreistündigem) \m-klichem Austroclmen 2) nicht mehr keimfähig, d. h.
1) Mitth. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 1. ISSl. p. 250, 251.
-) Ein wirkliches Austrocknen ist in kürzester Zeit nur dann zu erreichen,
wenn die bacillenartige Flüssigkeit in dünnster Schicht angetrocknet wird (z. B. am
Deckglase).
IL Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 31
todt ist. Die Dauerformen der Bakterien hingegen werden, soweit
unsere Erfahrungen reichen, durch auch noch so lange Wasserentziehung
nicht beeinflusst.
Die Kenntniss dieser Verhältnisse ist nothwendig, wenn man das
Verhalten von bestimmten chemischen Mitteln Bakterien gegenüber zu
prüfen hat. Als Koch^) z. B. die Einwirkung von 5proc. Carbolöl
(Olivenöl) auf Milzbrandbacillen (nicht Sporen) studirte, fand er, dass
die Bacillen nach sechstägigem Aufenthalte in dem Carbolöl todt waren.
Genau dasselbe Resultat erhielt er mit 1 proc. Carbolöl, genau dasselbe
auch mit reinem Olivenöl. Alle diese Körper wii'kten, ebenso wie eine
5 proc. alkoholische Carbolsäurelösung, auf Milzbrandsporen auch
bei monatelanger Berührung nicht im mindesten ein.-) Früher schon
hatte R. Koch^) nachgewiesen, dass in dünnen Schichten angetrocknete
sporenfreie Milzbrandbacillen durch das Austrocknen in 12 — 30 Stunden
ihre Keimfähigkeit verlieren. In den eben geschilderten Versuchen
mit den öligen Flüssigkeiten haben die letzteren also nicht nm* nicht
irgendwie die Tödtung der Bacillen beschleimigt , sondern sie haben
, höchst wahrscheinlich sogar etwas conservirend auf die Bacillen gewii'kt,
da dieselben sich erst nach sechs Tagen abgestorben zeigten. Es ist
dies \ielleicht dadurch zu erklären, dass die öligen Flüssigkeiten das
völlige Austrocknen etwas verzögerten.
Die oben citirten Koch'schen Desinfectionsversuche haben eine
Reihe von grundlegenden Daten festgestellt. Koch*) wies die völlige
Unwirksamkeit von Alkohol, von Olycerin, Chloroform,
Schwefelkohlenstoff, Benzol auf Milzbrandsporen nach. Er
fand andererseits, dass frisch bereitetes Chlor wasser, Bromwasser
(2:100), Jod wasser gute Desinficientia sind. Dieselben vernichteten
Milzbrandsporen innerhalb eines Tages. Dasselbe that 1 proc. wässerige
Osmiumsäurelösung sowie Iproc. wässerige Kaliumperman-
ganatlösung. Terpentinöl brauchte fünf Tage, 5proc. wässerige
Eisenchloridlösung sechs Tage, 2proc. wässerige Salzsäure-
lösung zehn Tage, Aether dreissig Tage, um dieselbe Wirkung
auszuüben. Besonders interessant waren die Ergebnisse für wässerige
C a r b 0 1 s ä u r e 1 ö s u n g e n. Eine 1 proc. sowohl wie eine 2 proc. Lösung
1) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 251.
2) Wie Teu scher (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9, 1890. p. 510) gefunden hat,
bleiben sehr widerstandsfähige Mlzbrandsporen in reinem crystalUsirten Phenol
(Carbolsäure) , welches im Brütschrank flüssig gehalten wird, bis zu 4^/,> Tagen ent-
wickelungsfähig.
=) Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 187(3. p. 291.
*) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 263 ff.
32 ^- Allgemeines.
wirkten nicht mit Sicherheit auf Milzbrandsporen ; eine Sprue. l)raiichte
sieben Tage, eine 4proc. drei Tage, eine 5proc. zwei Tage, mn Milz-
brandsporen zu vernichten. Die letzteren Zahlen gelten jedoch nicht
für Milzbrandsporen jedweder Provenienz. Nach den oben (p. 27)
citirten Ermittelungen von E. v. Esmarch giebt es Milzbrandsporen,
welche die Einwirkung 5proc. wässeriger Carbolsäurelösung länger als
vierzig Tage ohne Schädigung ertragen.
Als das mächtigste chemische Desinfectionsmittel ergab sich bei den
Koch 'sehen Versuchen das Quecksilberchlorid (Sublimat).
Durch eine ^/-^^proc. wässerige Lösung dieses Körpers zeigten sich
Milzbrandsporen innerhalb weniger Minuten vernichtet. Die Milzbrand-
sporen wurden bei diesen Versuchen , an kurzen S e i d e n f ä d e n
angetrocknet, dem Desinfectionsmittel ausgesetzt. Nach gewisser
Zeit wurden die Seidenfäden aus der Sublimatlösung herausgenommen,
mit Wasser und (zur Entfernung der letzten Reste des in Wasser
schwer löslichen Sublimats) mit Alkohol abgespült und dann zur Unter-
suchung der Keimfähigkeit auf künstlichen Nährboden oder in den
Körper eines für ]\Iilzbrand empfänglichen Versuchsthieres gebracht.
Ein Ausbleiben der Entwickelung von Milzbrandbacillen in den Culturen
resp. das dauernde Gesundbleiben des Thieres wurde als beweisend
angesehen für die gelungene Sporenvemichtung.
Später hat jedoch Geppert^) gezeigt, dass das Ausbleiben des
Auskeimens und der weiteren Entwickelung der Milzbrandsporen unter
den geschilderten Umständen nicht jedesmal mit Sicherheit als end-
gültige Vernichtung der Sporen aufgefasst werden darf. Geppert
wies nach, dass den Sporen, welche mit Sublimatlösung behandelt, mit
Wasser und Alkohol abgespült sind, immer noch geringe Reste von
Sublimat anhaften, und dass diese Reste es sind, welche die fernere
Ent\nckelung der Sporen auf den geeignetsten Nährböden verhindern.
Durch kürzere oder längere Behandlung der Sporen mit Schwefel-
amnioniuni oder mit anderen Quecksilber ausfällenden Lösungen Hessen
sich diese Sublimatreste aus den Sporen entfernen, und dann waren
die Sporen wieder fähig, auf künstlichen Nährböden oder im Thierkörper
auszukeimen, d. h. Culturen zu bilden resp. Lifection zu veranlassen.
Die Versuche von Geppert haben gezeigt, dass im Durchschnitt eine
20 Stunden lange Einwirkung der ^loP^'^c Sublimatlösung auf die
Milzbrandsporen erforderlich ist, um dieselben so weit zu schädigen,
dass sie (nach erfolgter Ausfällung des Sublimats) keine Infection mehr
^) Berl. klin. AVocheiischr. 1SS9. No. 36, 37. — Deutsche med. Wochenschr.
1891. No. 37.
n. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 33
veranlassen. Die so geschädigten Sporen geben aber immer noch zu
Cultiu-en auf künstlichem Nährboden Veranlassung. Erst nach drei
Tage langer Beeinflussung der Sporen durch die Sublimatlösung erlischt
die Fähigkeit der Auskeimung auf künstlichem Nährboden.^) Geppert
stellte übrigens seine Versuche nicht mit Seidenfäden, an denen Sporen
angetrocknet sind, an; diese Seidenfäden setzen dem Eindringen des
Desinfectionsmittels immer einen gewissen Widerstand entgegen; er
stellte sich vielmehr eine dünne Aufschwemmung isolirter Sporen in
Wasser dar und schuf dadurch die denkbar günstigsten Bedingungen
für die Einwirkung der Desinfectionsflüssigkeit auf die Sporen.
Sublimatlüsungen sowohl wie Carbolsäurelösungen gewinnen durch
Zusatz von Säuren ganz erheblich an keimtödtender Kraft. Ausser-
dem hat der Zusatz von Säure (^/g ^Jq Salzsäure oder Weinsäure) zu
Sublimatlüsungen noch den Vortheil, dass sich die letzteren selbst bei
Benutzung gewöhnlichen Wassers dauernd unzersetzt halten, was ohne
diesen Zusatz nur bei Anstellung der Flüssigkeit mit reinstem destil-
lirtem Wasser und Aufbewahrung im Dunkeln der Fall ist. Statt der
Säure kann auch Kochsalz als Zusatz genommen werden.-)
Die sogenannte rohe Carb Ölsäure, ein in Wasser unlösliches
Gemisch verschiedener Phenole, harziger Stoffe und anderer Körper,
vermochte Laplace^) durch Vermischen mit roher Schwefelsäure in
eine wasserlösliche Substanz („rohe Schwefelcarb Ölsäure")
überzuführen, die sehr erhebliche desinficirende Eigenschaften hat.
C. Fraenkel^) hat gefunden, dass diese Eigenschaften noch wesent-
lich zunehmen, wenn die Mischung nicht, wie es Laplace that, bei
höherer Temperatur, sondern im Gegentheil unter energischer Abküh-
lung durch Eis, vorgenommen wird. In der resultirenden Flüssigkeit
sind durch den Säurezusatz die höher (bei 185 — 205" C.) siedenden
Homologen des Phenols, die Methylphenole oder Kresole, welche in
der rohen Carbolsäure in unlösHchem Zustande vorhanden waren,
wasserlöslich geworden; diese Körper, die Kresole, sind mit ganz
hervorragenden keimtödtenden Eigenschaften ausgestattet.
An dieser Stelle mag auch das englische (Pearson"sche,
Jeyes'sche) Creolin erwähnt werden, welches ein Gemisch von Seife,
Kohlenwasserstoffen, Pyridinen und Phenolen ist, und welches unter
^) Wie weit für dieses Stadium der Sporenschädigung „der bisher übliche Be-
griff der Abtödtung" zutrifft, lässt Geppert dahingestellt.
^) cf. Angerer, Centr. f. Chir. 1887. Xo. 7. — Laplace, Deutsche med.
Wochenschr. 1887. No. 40. — Michaelis, Zeitschrift für Hyg. Bd. 4. 1888.
*) Deutsche med. Wochenschr. 1888. No. 7.
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1889.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 3
34 A. Allgemeines.
Umständen, nämlich wenn es in eiweissfreien Lösungen auf Bakterien-
keime einwirkt, ein vortreffliches Desinfectionsmittel ist (Behring).^)
Das Lysol,") ein Präparat, welches wasserlöslich gemachte Kresole'^)
enthält, ist dem Creolin an desinficirender Kraft noch überlegen
(Schottelius*), Gerlach^j).
Als brauchbares Desinfectionsmittel hat sich femer der A e t z k a 1 k
herausgestellt: namentlich für Faeces, für Abortgruben verdient der-
selbe Empfehlung (E. Pfuhl ^)). Für denselben Zweck ist auch das
Saprol^), ein oeliges, auf Wasser schwimmendes, an Phenol mid
Kresolen reiches Präparat, im Gebrauch. ^)
Schimmelbusch erkannte in der kochenden Iproc. wäs-
serigen Sodalüsung ein äusserst kräftig wirkendes Desinfections-
mittel ; dasselbe zerstört sehr resistente Milzbrandsporen in 2 Minuten. ®)
Gasförmige Desinfectionsmittel haben sich im All-
gemeinen nicht als zuverlässig erwiesen. Ein wichtiger hierher ge-
höriger Körper, auf den sich neuerdings die Aufmerksamkeit mehr
gelenkt hat, ist der Forma Idehyd. Über seine bakterienschädigen-
den Eigenschaften hat zuerst L o e w ^^) berichtet. Der Formaldehyd ist
in etw^a 40proc. wässriger Lösung („Formal in ")^^) im Handel zu
haben. Das Formalin wird (nach den Empfehlungen von Haus er
[siehe hinten Abschnitt V, 3] ) in der bakteriologischen Praxis besonders
zur Conservirung von Bakterienculturen verwendet.
An dieser Stelle mag auch das Jodoform erwähnt sein. Dieser
Körper verdankt die Bedeutung, welche er für die praktische Chirurgie
hat, nicht bakterientödtenden Eigenschaften in dem gewöhnlichen Sinne.
Das Jodoform entfaltet nur dann antiseptische Wirksamkeit, wenn es
zersetzt wird; dies geschieht z. B. , wenn das Jodoform in inficii'te
^) Deutsche militärärztl. Zeitschr. IS 88. Xo. 8.
^) Erzeuger : S c b ii 1 k e & M a y r , Hamburg.
^) Das Verfabren der Darstellung stebt unter Patentschutz.
*) Müncb. med. Wochenschr. 1890. No. 19, 20.
") Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891.
«) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6 und 7. 1889; Deutsche med. Wochenschr. 1892.
p. 879.
') Erzeuger: Dr. H. Xördlinger in Bockenheim bei Frankfurt a. M.
«) cf. Laser, Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. p. 229; A. Pfuhl, Zeitschr.
f. Hyg. Bd. 15. 1893. p. 192.
ö) Arb. a. d. chir. Klin. d. K. Univ. Berbn. b. Theil. 1891. p. 78.
1*») Ges. f. Morph, u. Phys. zu München. 1. Mai 1888; offic. Protokoll Müncb.
med. Wochenschr. 1888. p. 412.
^^) cf. Prosi^ect der „Chem. Fabr. auf Actien (vorm. E. Schering)" vom
März 1893.
II. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 35
Wunden gebracht wird. Mit den Stoffwechselproducten der Bakterien
geht das Jodoform wechselseitige Zersetzungen ein, wodurch antiseptisch
Avirkende, lösliche Jodverbindungen entstehen (Behring^)).
Wenn vni hier die wichtigsten chemischen keimtödtenden Mttel
kurz betrachtet haben, so wollen wir andererseits darauf verzichten,
die vielerlei anderen chemischen Körper, welche auf ihre keimtödtenden
Eigenschaften untersucht worden sind , zu berühren. - ) Es sei aber
auf eine Eeihe wichtiger principieller Punkte hingewiesen, die bei
Prüfung chemischer Körper auf ihre desinficirenden
(b a k t e r i e n s c h ä d i g e n d e n ) Wirkungen zu beachten sind. ^) Zu-
nächst kommt es sehr an auf die chemische Beschaffenheit
des Desmfectionsobjectes, d. h. des Mediums, in welchem das Mittel
auf die Bakterien einwirkt. Wie Behring fand, werden z. B. Milz-
brandbacillen, die in Wasser vertheilt sind, schon in wenigen Minuten
durch einen Subhmatgehalt von 1 : 500 000 sicher getödtet, in Bouillon
erst durch einen Gehalt von 1:40 000, während in Blutserum, wenn
die Desinfection in wenigen ]\Iinuten erfolgen soll, ein Sublimatgehalt
von 1:2000 noch nicht immer ausreicht. Boer^j fand, dass bei ein-
zelnen Bakterienarten die Widerstandsfähigkeit gegen Desinfections-
mittel eine verschiedene ist je nach der chemischen Eeaction
des Mediiuns, in welchem sie sich befinden. Ferner gilt der Desinfec-
tionswerth, den ein bestimmtes Mittel der einen Bakterienart gegen-
über besitzt, durchaus nicht ohne Weiteres für das Verhalten des
Mittels gegen jede beliebige andere Bakterienart. Femer kommt es,
wie das bereits aus den oben (p. 31 j cith-ten Koch'schen Desinfec-
tionsuntersuchungen hervorgeht, an auf die Dauer der Einwirkung
des Desinfectionsmittels. Je kürzere Zeit ein Mittel eimvirkt, in desto
stärkerer Lösung muss es vorhanden sein, damit derselbe Effect er-
zielt wird. Ein weiterer, ausserordentlich wichtiger Punkt ist, -wie
A. H e n 1 e ^) gefunden hat , die T e m p e r a t u r , bei welcher das Des-
inüciens einwirkt. Je höher die Temperatur, um so energischer der
1) cf. Behring, Deutsche med. Wochenschr. 1SS2. p. 147; 1887, p. 422.
^) Eine ausführliche Darstellung des derzeitigen Standes der Frage der Des-
infection durch chemische Älittel findet man bei Behring (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9.
1890), ferner in dem Buche „Bekämpfung der Infectionskrankheiten. Infection und
Desinfection. Leipzig (G. Thieme) 1894" desselben Autors.
•^) In den nachfolgenden Zeilen lehne ich mich an die eben citirten Arbeiten
Behring's an. — Bezüglich des praktischen Vorgehens bei Desinfec-
tionsprüfungen siehe p. 36, Anm. 6.
*) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9. 1890.
•') Arch. f. Hyg. Bd. 9. 1889.
3*
36 -Ä- Allgemeines.
Desinfectionseffect. ' ) Auch kommt es , wie zuerst (unabhängig von
einander) Buchner-) und Nissen'^) betont haben, auf die Zahl
der Bakterienzellen an, welche im gegebenen Falle abzutödten sind.
Eine grössere Anzahl erfordert eine grössere Menge des Mttels. Ferner
muss man die Prüfung auf die eventuell erfolgte Ab-
tödtung der Bakterien, oder, was dasselbe ist, die Prüfmig, ob ihre
Keimfähigkeit erhalten geblieben ist, einwandsfi'ei einrichten. Es
kommt vor, dass Bakterien, die der Einwirkung eines Mittels unter-
worfen wurden, bei der nachfolgenden Prüfung ihrer Entwickelungs-
fähigkeit, wenn dieselbe bei einer der Art weniger zusagenden Temperatur
vorgenommen wird, nicht wachsen, während sie dagegen sofort sich
weiter entwickeln, wenn sie in möglichst günstige Temperaturverhält-
nisse gebracht werden. Man muss deshalb die Prüfung stets bei dem
Temperaturoptimum der zu dem Versuche benutzten Bakterienart
anstellen. Endlich hat Gruber^) darauf aufmerksam gemacht, dass
(da nach der Ein^virkung des Desinfectionsmittels die Auskeimung häufig
verlangsamt istj es nothwendig ist, die B e o b a c h t u n g s z e i t bei
der Prüfimg der event. erhaltenen Keimfähigkeit möglichst lange
auszu dehne n.'^) ^)
1) Heider (Centralbl. f. Batt. Bd. 9. 1891. p. 221 und ArcL. f. Hyg.
Bd. 15. 1892) theilt mit, dass JMilzbrandsporen , die durch 36tägige Einwirkung
von 5proc. Carbolwasser bei Zimmertemperatur nicht vernichtet wurden, bei 55*^0.
in 1 — 2 Stunden durch dasselbe Desinfectionsmittel zerstört wurden. Bei 75" C.
waren 3 Minuten erforderhch ; 3 proc. Carbolwasser tödtete dieselben Sporen bei dieser
Temperatur in 15 Minuten, Iproc. Carbolwasser in 2 — 2^1^ Stunden. — Nocht
(citirt nach Behring, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9. 1890. p. 448 und „Bekämpfung
der Infectionskrankheiten. Infection und Desinfection. Leipzig (G. Thieme) 1894."
p. 120) fand, dass eine bestimmte Sorte von Milzbrandsporeu bei 37,5** C. abgetödtet
wurde durch 5 proc Carbolwasser in 3 Stunden, durch 4 proc. in 4 Stunden, durch
3 proc. in 24 Stunden, während durch 2 proc. Carbolwasser bei 37,5** C eine Ab-
tödtung nicht erfolgte. — Für Seifenlösungen hat J oll es (Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 19. 1895. p. 136 und 138) festgestellt, dass sie (auf Typhusbaeillen und Bact.
coH commune) bei 4 — 8** C. bedeutend stärker abtödtend wirken als bei 18** resp.
30" C. Hier ist also der Desinfectionseffect bei der niedrigeren Temperatur grösser
als bei der höheren.
•-) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. p. 10.
») Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1889. p. 495.
') 7. int. Congr. f. Hyg. u. Demogr. London 1891. — Centralbl. f. Bakt.
Bd. 11. p. 116.
■^) So sah Grub er Milzbrandsporen, die 24 Stunden in ^I^qI^toc. Sublimat-
lösung gelegen hatten, manchmal erst nach 7 Tagen auskeimen, obwohl sie im
Uebrigen weiter nicht geschädigt und insbesondere noch voUvirulent waren.
**) Liegt in der Praxis die Aufgabe vor, eine chemische Substanz resp.
deren Lösung auf ihre desinficirenden Eigenschaften zu prüfen, so
II. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 37
Es sei noch auf eine interessante allgemeine Beziehung hin-
gewiesen, die zwischen der Giftigkeit chemischer Körper für Bakterien
und ihrer Giftigkeit für den thierischen Organismus zu hestehen scheint.
Behring^) fand für eine ganze Anzahl von hakterienschädigenden
(antiseptischen) Stoffen, dass die tödtliche Dosis derselben für ein
Kilo Kaninchen oder Maus ziemlich genau ein Sechstel beträgt von
derjenigen Dosis, welche in einem Kilo Blutserum das Wachsthum
verfährt man zu diesem Zwecke im Allgemeinen so, dass man znnäcbst die Einwirkung
dieser Substanz auf Milzbrandsporen untersucht. Man stellt sich eine sporen-
haltige Milzbrandcultur dar (siehe hinten unter Milzbrandbacillus) , mit der man in
folgender Weise verfahrt: Nach dem Vorgange von Koch (cf oben p. 32) tränkt
man kurze (etwa l^/.j cm lange) Seiden fäden, die man zunächst durch stunden-
lange Erhitzung im Dampftopf sicher sterilisirt hat, mit einer Aufschwemmung der
Milzbrandsporen in (durch längeres Auskochen) sterihsirtem Wasser. Nachdem die
Fäden dann aus der Sporensuspeusion entfernt sind, lässt man sie (unter Vermeidung
von Verunreinigungen) trocknen. Es kommt nun zunächst darauf an, die Eesistenz
des verwendeten Sporenmaterials (cf oben p. 27) gegen Beeinflussung
mit bekannten Desinfectionsmitteln, nämlich Wasserdampf von lOO'^C.
und (bei Zimmertemperatur einwirkendem) 5proc. Carbolwasser, kennen zu lernen:
Man hängt eine Reihe von Fäden — einzeln in kleine, aus (im Dampf) sterihsirtem
Fliesspapier gebildete, Packetchen eingeschlagen — in den Dampftopf hinein, nimmt
dann Minute für Minute je einen Faden heraus, um ihn — mit Hülfe einer durch
Ausglühen sterilisirten Pincette — in je em Reagenzglas mit Nährbouillon einzutragen,
das in den Brütschrank gestellt wird. Man erfährt auf diese Weise weiterhin, an
welchen von den Fäden die anhaftenden Milzbrandsporen abgetödtet sind, an welchen
nicht; man weiss dann ohne Weiteres, wieviel IVIinuten der Beeinflussung durch den
strömenden Wasserdampf nothwendig sind, um die verwendeten Sporen zu tödten.
In ähnlicher Weise geht man auch bei der Bestimmung der Resistenz gegen das
5proc. Carbolwasser vor. Nur wird man hier nicht Minute für Minute, sondern
immer in Zwischenräumen von mehreren Tagen je einen Sporenfaden aus der Carbol-
lösung nehmen (Einschlagen in Papiersäckchen ist hier selbstverständlich nicht noth-
wendig), der dann zunächst in sterilisirtem Wasser abgespült und hinterher in Nähr-
bouillon gebracht wird. Hat man sich so eine Anschauung von der Resistenz seines
Sporenmaterials verschafft, so kann man nun Seidenfäden, welche mit gleichwerthigem
Sporenmaterial getränkt sind, verwenden, um die Wirkung der zu prüfenden chemischen
Substanz auf dieses Material festzustellen ; man bekommt auf diese Weise Aufschluss
darüber, wie sich die Wirkung der zu prüfenden Substanz resp. einer bestimmten
Lösung derselben im Vergleich zu der Wirkung des strömenden Dampfes resp. des
5proc. Carbolwassers stellt. — Häufig wird es gar nicht darauf ankommen, dass ein
so resistentes Material, wie es Milzbrandsporen sind, durch ein bestimmtes Desinfec-
tionsmittel vernichtet wird. Dies wird z. B. der Fall sein, wenn das Mittel speciell
für die Desinfection von Choleraausleerungen etc. gebraucht werden soll. In solchem
FaUe nimmt man als Testmaterial keine JMilzbrandsporen , sondern anderes, dem
jeweihgen Falle entsprechendes Bakterienraaterial , welches man in zweckmässiger,
ebenfalls dem specieUen Falle angepasster Weise mit der zu prüfenden chemischen
Substanz in Berührung bringt.
') cf Zeitschr. f Hyg. Bd. 6. 1SS9. p. 475 ff.
38 A. Allgemeiues.
der ]\Iilzbranclbacillen verhindert. Behring nennt diese Beziehimg
die „relative Giftigkeit" und sagt: die relative Giftigkeit von
Carbolsäure, Sublimat, Jodtrichlorid, Creoün u. s. w. ist gleich 6. Für
den thierischen Organismns nngiftige Antiseptica werden sich wohl
kaum auffinden lassen.
Allgemein bekannt ist die grosse Bedeutung, welche die Verhält-
nisse, die bei der künsthchen Vernichtung der Bakterien, speciell der
Vernichtung durch chemische Mittel, in Frage kommen, für die operative
Medicin, für Chirurgie und Geburtshülfe haben. Der moderne Chirurg
kommt relativ seltener in die Lage , antiseptisch vorgehen zu
müssen; dagegen ist es stets seine erste Sorge, „aseptisch" zu
arbeiten, d. h. mit keimfreien Fingern, keimfreien Instrumenten, keim-
freien Verbandstoffen zu operiren. Fürbringer.^) welcher sich bemüht
hat, ein möglichst sicheres Verfahren zur Desinfection der Hände
zu finden, wendet nach einander, je eine ]Vlinute lang, an: Seife mit
Bürste und warmem Wasser, Alkohol (mindestens 80 procentig), 2promill.
Sublimatlösung. Diese Methode hat bereits eine grosse Verbreitung
gefunden. — Die Verbandstoffe werden jetzt meist im strömenden
Wasserdampfe sterilisirt und in dadurch geschaffenem keimfi-eien Zu-
stande ohne Zusatz antiseptischer Substanzen verwendet. Zur Sterili-
sirung chirurgischer Metallinstrumente verfährt man nach
Ermittelungen von Schimmelbusch-) am besten so, dass die In-
strumente zunächst mechanisch sorgfältig gesäubert, dann in 1 proc.
wässeriger Sodalösung (cf oben p. 34) 5 Mnuten lang gekocht werden.
Die so sicher sterihsirten Instrumente werden bis zum Gebrauch in eine
wässerige Lösung gelegt, die l ^/^ Soda und 1 ^/^ Carbolsäure enthält.
Am Schlüsse dieses Kapitels wollen wir noch auf die mächtigen
Wirkungen hinweisen, die dem Lichte'^) den Bakterien gegenüber
zukommen (cf. p. 20). Durch directes Sonnenlicht werden ]Milz-
brandsporen in Bouillon binnen wenigen Stunden vernichtet (Arloing).^)
Aber auch das zerstreute Tageslicht hat deutlich bakterien-
schädigende Eigenschaften. Cultaren der Tuberkelbacillen sterben,
wenn sie dicht am Fenster aufgestellt sind, in 5 — 7 Tagen ab (Koch). •'^j
^) Untersuchungen und Vorschriften über die Desinfection der Hände des
Arztes etc. Wiesbaden. 1888.
2) Arbeiten a. d. chir. Klinik d. K. Univ. Berhn. 5. Theü. 1S91. p. 46 ff.
^) Die Literatur über diesen Gegenstand findet man bei Kaum (Zeitschr. f.
Hyg. Bd. 6. 1889), bei Janowski (Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. 1890. p. IGT ff.),
ferner bei Dieudonne (Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 9. 1894. p. 412).
*) Arch. de phys. norm, et pathol. t. 7. 1886.
°) 10. internat. med. Congress. Berlin, 1890; Verhandlungen Bd. 1. p. 42.
II. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. 39
Unter den das weisse Licht zusammensetzenden Strahlen scheinen be-
sonders den blauen und violetten, d. h. den stärker brechbaren Strahlen,
bakterienschädigende Eigenschaften zuzukommen. Die Thatsache wurde
bereits (1877) von Down es und Blunt,^) welche die erste Ent-
deckung bezüglich der bakterienschädigenden Wirkung des Lichtes
machten, ermittelt. Ebenso erkannten diese Autoren bereits die grosse
Bedeutung, welche der freie Sauerstoff bei der Belichtung des
Bakterienmaterials hat. Ohne die Gegenwart freien Sauerstoffs scheint
Bakterienschädigung durch Licht nicht einzutreten. Durch Richard-
son^) sowie durch Dieudonne.-") ist später festgestellt worden, dass
die Belichtung von bakterienhaltigen Flüssigkeiten resp. Culturen bei
Sauerstoffanwesenheit die Production von Wasserstoffsuperoxyd
veranlasst, welches seinerseits als kräftiges Desinfectionsmittel die Bak-
terienschädigung bewirkt. Santori**) sowie Kruse '^) stellten fest,
dass die bakterienschädigende Wirkung des Lichtes um so grösser ist,
je höher die begleitende Temperatur. Eine einfache Methode, den
schädigenden Einfluss des Lichtes zu demonstriren (theilweise Belich-
tung dichtbesäeter Agarplatten vor der Auskeimung) hat H. B u c h n e r *^)
beschrieben.
In den letzten Jahren ist auch mehrfach über bakterienschädigende
Wirkungen der Electricität berichtet worden. ' ) Selbstverständlich hat
man bei der Beurtlieilung solcher Wirkungen auf die rein chemische
Wirkung eventuell durch Electrolyse gebildeter Körper stets Rücksicht
zu nehmen.
') Proceed. of the Royal Soc. of London, vol. 2(i.
'-) Journ. ehem. Soc. 1893. 1. 1109—1130; ref. Ber. d. Deutsch. Chem. Ges.
26. Jahrg. Bd. 4. p. 823.
") Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 9. 1894.
*) cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. 1890. p. 738.
'') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 19. 1895. p. 324.
«) Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 7/8; Arch. f. Hyg. Bd. 17. 1893.
') Die Literatur über diesen Gegenstand siehe bei Spilker und Gottstein
(Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1891. No. 3/4) sowie bei S. Krüger (Zeitschr. f.
klin. Med. Bd. 22. 1893).
III.
Allgemeine Lebensäusserungen der Bakterien.
IJei dem Wachsthuni und der Vermehrung der Bakterien treten
eine gTosse Eeihe Aon Erscheinnngen zu Tage, die in letzter Linie
meist darauf zurückzuführen sind, dass durch den Lebensprocess der
Bakterien die complicirten Verbindungen, aus denen der Nährboden
zusammengesetzt ist, in einfachere übergeführt werden. So wie aber
eine jede einzelne Art ihre eigenen specifischen Lebensbedingungen
hat, so sind auch die Processe, welche mit dem Bakterienwachsthum
verknüpft sind, und die Erscheinungen, welche durch dasselbe ver-
anlasst werden , die L e b e n s ä u s s e r u n g e n , für die einzelnen Arten
verschieden.
Was die chemischen Processe betrifft, die bei dem Wachs-
thum der Bakterien in die Erscheinung treten, so können hierbei (als
Stoffwechselproducte) die einfachsten chemischen Verbindungen
gebildet werden: Kohlensäure, Wasserstoff, Methan, Schwefelwasserstoff,^)
^) Nach Untersuchungen von Petri und Maassen (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11.
1892. No. 9/10; Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 8. 1893. p. 326, 338 ff.)
sowie nach Untersuchungen von Stagnitta-Balistreri, die im Eubner 'sehen
Institut ausgeführt wurden (Arch. f. Hyg. Bd. 16. 1892), ist die Schwefelwasser-
stoffbildung eine weit verbreitete Eigenschaft der Bakterien. Stagnitta con-
statirte, dass die Zusammensetzung des Nährbodens von wesentHcher Bedeutung
bezüghch des Zustandekommens der Schwefelwasserstoffbildung und bezüglich der
Quantität des gebildeten Schwefelwasserstoffs ist. Eubner (Arch. f. Hyg. Bd. 16.
1892) hat nachgewiesen, dass der zur Bildung des Schwefelwasserstoffs noth wendige
Schwefel ganz allgemein aus organischen Schwefelverbindungen des Nähr-
bodens entnommen wird. — Der Nachweis der Schwefelwasserstoffbildung bei Bak-
terienculturen wird sehr bequem durch Einhängung eines mit Bleizuckerlösung
getränkten Fliesspapierstreifchens in das Culturgefäss geführt. Bei Schwefelwasser-
stoffentwickelung tritt Schwärzung (Bildung von Schwefelblei) ein (cf. Schrank,
Wien. med. Jahrbücher. 1888. p. 313). Auch kann die Schwefelwasserstoffbildung
dadurch nachgewiesen werden , dass man bei dem Anstellen der Cultur das untere
Ende des die Cultur verschliessenden Wattepfi'opfs mit Bleizuckerlösung tränkt.
Fromme (Diss. Marburg 1891. — Eef. Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. p. 274) stellt
III. Allgemeine Lebensäusseriuigen der Bakterien. 41
Ammoniak u. dgi. Ferner kommt es bei den Zersetzmigen des Nähr-
bodens zm- Bildung der verschiedenartigsten Fermente^) oder Enzyme.
So giebt es Bakterienarten, welche dia statische Fermente bilden
(d. h. solche, die Stärke in Tranbenzucker umwandeln); andere bilden
invertirende Fermente (Umwandlung von Rohrzucker in Trauben-
zucker) ; andere Bakterienarten bilden j) e p t o n i si r e n d e Fermente, d. h,
solche, die geronnenes Eiweiss, erstarrte Gelatine lösen (peptonisiren);
andere Bakterien bringen durch Production von Labferment Mich
zur Gerinnung (Ausfällung des Caseins).
Ferner werden durch Bakterien die verschiedenartigsten Gäh-
rungen^) zu Stande gebracht. Unter Gährung versteht man die
Zerlegung organischen Materials unter Gasentwickelung.-') Eine Anzahl
von Arten vergährt Zucker"') unter Bildung von Milch säur e'^j (Milch-
säur e g ä h r ü n g) ; andere vergähren Stärke und Zucker unter Bildung
von B u 1 1 e r s ä u r e (B u 1 1 e r s ä u r e g ä h r u n g) ; l)ei den beiden Arten
der Gährung wird zugleich Kohlensäure, bei der Buttersäuregährung
ausserdem Wasserstoff gebildet. Weitere Arten der Gährung sind die
besonders in Wein auftretende schleimige oder M a n n i t g ä h r u n g,
welche durch Bildung einer fadenziehenden, schleimigen Gummiart und
von Mannit imd Kohlensäure aus Traubenzucker characterisirt ist;
sich behufs des Schwefelwasserstoffnaehweises eine Eisengelatine her (Zusatz von
3**/o Eisentartarat oder Eisensaccharat zu Nährgelatine). Dieser Xährboden zeigt
durch Schwarzfarbung (Bildung von Schwefeleisen) Schwefelwasserstoffbildung an. —
Neben der Schwefelwasserstoffbildung ist auch die Production von (Methyl-) Mer-
captan eine weit verbreitete Eigenschaft der Bakterien (Nencki und Sie her,
Monh. f. Chemie. Bd. 10. 18S9. p. 526 ff.; Eubner, Arch. f. Hyg. Bd. 19. 1893.
p. 184; Pe'tri und Maassen, Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 8. 1893. p. 498).
^) cf. Flügge, Die Mikroorganismen. 2. Aufl. Leipzig 1886. p. 466 ff.
-) cf. Flügge, 1. c. p. 483 ff.
^) Dies ist die Definition der Gährung im engeren Sinne. Man fasst jedoch
den Begriff der Gähi-ung heutzutage vielfach etwas weiter und versteht auch solche
Zerlegungen darunter, bei denen Gasentwickelung fehlt.
■*) Verschiedene Zuckerarten verhalten sich gegenüber den Bakterien verschieden.
Es giebt zahlreiche Bakterienarten, welche zwar Traubenzucker (Dextrose, Glycose),
aber nicht Milchzucker anzugreifen vermögen, während es wiederum andere Ai'ten
giebt, die sowohl Traubenzucker wie Milchzucker vergähren,
^) Nencki (Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1891. p. 304) hat darauf aufmerk-
sam gemacht, dass von differenten Bakterienarten differente (isomere) Milchsäuren
gebildet werden können, und dass die durch diese Isomerien bedingten physikalischen
und chemischen Unterschiede unter Umständen zur Differentialdiagnose einander ähn-
licher Spaltpilzarten benutzt werden können. — Pere (Ann. de Tlnst. Pasteur 1893.
p. 739, 740) fand, dass die Ai-t der gebildeten IVIilchsäure bei einer und derselben
Bakterienart und bei einer und derselben Zuckerart verschieden sein kann je nach
der verschiedenen Stickstoffnahrung, die den Bakterien geboten wird.
42 -^- Allgemeines.
ferner die Essiggährung (Verwandlung des Aethylalkohols durch
Oxydation in Essigsäure). Eeraer ist hier zu nennen die ammonia-
kalische Harnsto f f g ä h r u n g (Spaltung des Harnstoffs in Kohlen-
säure und Ammoniak).
Zu den Gährungen gehören auch die verschiedenartigen Fäul-
nis s p r o c e s s e /) d. h. die Zersetzungen stickstoffhaltiger organischer
Massen unter Enthindung stinkender Producte (Eiweissgährung).
Im Allgemeinen hat man zwei verschiedene Arten der Zersetzung der
complicirten stickstoffhaltigen organischen Verbindungen, der Eiweiss-
stoffe, durch Bakterien zu unterscheiden. Die eine ist die F ä u 1 n i s s ,
die andere die Verwesung. Die Fäulnis s (unter der wir, wie
eben gesagt, die Zersetzung des Eiweissmoleküls unter Auftreten stin-
kender Producte verstehen) findet fast immer unter Abschluss von
Sauerstoff^) statt. Sie wird bedingt durch den Lebeusprocess
anaerober Bakterien ; sie stellt einen R e d u c t i o n s p r o c e s s ^j dar.
Im Gegensatz dazu bildet die Verwesung einen Oxydations-
pro c e s s ; ^) sie findet statt unter der Mitwirkung von atmosphärischem
Sauerstoff.
Die Fäuluissprocesse gehen selbstverständlich um so schneller vor
sich, je günstiger che Temperaturverhältnisse für das Wachsthum der
betheiligten Bakterien hegen. Mau kann deshalb Objecte (Fleisch etc.),
welche leicht in faulige Zersetzung tibergehen, durch Halten bei niedriger
Temperatur einigermassen conserviren. Dass aber selbst bei 0*^ C.
Fäulniss stattfindet (wenn auch relativ langsam) hat Forst er, dem
wir (cf. oben p. 23 j die Entdeckung bei 0" wachsender Bakterienarten
verdanken, nachgewiesen.'^)
Bei der Fäulniss werden nie so einfache Verbindungen gebildet
wie bei der Verwesung, aus der schliesslich die allereinfachsten anorga-
nischen Verbindungen, Mtrate, Sulfate, Kohlensäure, hervorgehen.
^) cf. Flügge, 1. c. p. 493 S.
-} In Ausnahmefcällen können auch bei Sauerstoffanwesenheit stin-
kende Producte bei der Zerlegung der Eiweisskörper durch Bakterien entstehen.
'^) Nach Behring sind mit der stinkenden Fäulniss regelmässig energische
Eeductionsprocesse verbunden. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. p. 185.)
■*) Bei der Verwesung beerdigter Körpertheile im Boden kommt es zu erheb-
lichen Temperatursteigerungen im Innern der verwesenden (resp. faulenden) Organe,
die besonders dann beträchtlich werden, wenn es sich um Organe handelt, die von
(gewissen) Infectionskrankheiten herstammen, (cf. Schottelius, Centralbl. f. Bakt.
Bd. 7. 1890. No. 9; Karlinski, ebenda Bd. 9. 1S91. No. 13.)
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. p. 434. — In Fleischbrei, welcher bei
0" C. gehalten wurde, fand Forster nach 16 Tagen (neben unzähligen Bakterien)
etwa ebensoviel Zersetzungsproducte wie in dem gleichen Fleische, welches 6 — 7 Tage
bei 7 — 9** C. oder 2 Tage bei Zimmertemperatur gehalten worden war.
III. Allgemeine Lebensäusserungen der Bakterien. 43
Pa stein-, welcher diese Vorgänge bekanntlich zum Gegenstande
umfassender, grundlegender Untersuchnngen gemacht hat, hat dadiu'ch
zuerst Aufklärung gegel)en über die wichtige allgemeine Rolle, die den
Bakterien in dem Haushalte der Natur zugewiesen ist. Das organische
Leben producirt fortlaufend Massen von complicirten stickstoffhaltigen
Verbindungen. Den Bakterien fällt die Aufgabe zu, diese complicirten
Verbindungen in. einfachere, in einfachste, anorganische, für die höhere
Pflanzenwelt assimilii-bare Verbindungen überzuführen ; die Pflanzenwelt
sorgt dann ihrerseits im Verein mit der Thierwelt wieder für den Aufbau
des complicirt zusammengesetzten Eiweissmoleküls aus diesen einfachsten
Verbindungen. So dienen die Bakterien als Vermittler organischen
Sterbens und Lebens; durch ihre Mtwh'kung wird es ermöglicht, dass
die organische Welt im Gleichgewichte bleibt.
Von ganz besonderer Bedeutung sind die geschilderten Verhältnisse
für die L an dwirth schaff. Wenn das Feld gedüngt ist, so müssen
die complicirten organischen Verbindungen, welche der Dünger enthält,
zunächst durch einen durch Bakterien bedingten Verwesungsvorgang
in die einfachsten, für die Pflanzen assimilirbaren Verbindungen über-
geführt werden. Dies kann, wie erörtert, nur unter Sauerstoffzutritt
geschehen; und es ist deshalb eine Auflockerung des Erdreiches resp.
eme grobporige Bodenbeschaffenheit erforderlich, damit nicht nur an
der Oberfläche des Bodens, sondern auch mehr m die Tiefe hinein der
Sauerstoff Zutritt hat. Em gewisser Wassergehalt des Bodens ist zum
Zustandekommen der Verwesungsprocesse natürhch erforderlich; denn
ohne Wasser können Bakterien nicht wachsen ; ein zu grosser AVasser-
gehalt aber würde die Bodenporen verschliessen und die Entstehung
von Fäulniss im Boden bedingen. M Der wichtigste Theil des Ver-
wesungsvorganges im Boden wd durch die sogenannte „Nitrification"-)
dargestellt. Man versteht darunter die Oxydirung des (organischen)
Stickstoffs resp. Ammoniaks zu Salpetersäure. Schlösing und Müntz
wiesen (1877) zuerst nach, dass die Nitrification im Boden von der
Lebensthätigkeit organischer Wesen abhängig ist. Nach Winogradsky")
setzt sich der Nitrificationsprocess aus zwei verschiedenen Perioden zu-
sammen, nämlich 1) der Periode der Nitritbildung und 2) der der Nitrat-
bildung. Jede Periode spielt sich ab unter dem Einflüsse specifischer,
für die beiden Perioden verschiedener, organisirter Fermente (Bakterien).
^) pf. E. Wollny, Ueber die Beziehungen der Miki-oorganismen zur Agricultur.
Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. No. 15— IG.
-) Vergl. hierüber auch das Sammelreferat von Burri (Centralbl. f. Bakt.
2. Abth. Bd. 1. 1895. p. 22 ff.).
ä) Ann. de Tlnst. Pasteur. 1891. p. 599.
44 A. Allgemeines.
Die Entwickelimg und Wirkung der Mtritl)ildner (ferments nitreux) ist
auf Gegenwart von Ammoniak angewiesen: diese Organismen oxj'^diren
das Ammoniak zu Nitrit. Die Nitratbildner (ferments nitriques) können
in Gegenwart von Ammoniak nicht existiren; sie oxjdiren Nitrite zu
Nitraten.^)
Auf der anderen Seite kommen in der Natur auch in weiter Ver-
breitung Bakterienarten vor, welche Nitrate zu reduciren vermögen. 2)
lieber ein in der Natur weit verbreitetes „Sulfidferment", eine Bakte-
rienart, welche die Fähigkeit hat, Sulfate zu reduciren, hat jüngst
B e y e r i n c k ■='j berichtet.
Unter den bei dem Wachsthum von Bakterien gebildeten Stofl-
wechselproducten nehmen einzelne, chemisch leicht nachweisbare, Körper
wegen des Umstandes, dass sie von manchen Arten gebildet werden,
von anderen nicht, in Bezug auf die Differentialdiagnose der Bakterien-
arten eine wichtige Stellung ein. Hierher gehört z. B. das Indol,*)
ein Product der Eiweisszersetzung.
Die chemische Keaction des Nährbodens vdid durch Bakte-
rienwachsthum fast stets geändert. Man kann danach die Bakterien in
solche eintheilen, Avelche Säuren, und in solche, welche Alkalien
produciren.'^j
^) Die künstliche Reinzüchtung der „Nitro bakterien" gelingt nach W i n o -
gradsky (Ann. de l'Inst. Pasteur. 1891. No. 2) auf einem festen Nährboden,
welcher aus einer Lösung von Wasserglas (Natriumsilicat) unter Zusatz verschiedener
Salze hergestellt wird. — Die Kieselsäure als Nährboden für Mikroorganismen
wurde zuerst von W. Kühne (Zeitschr. f. Biol. Bd. 27. 1890) angegeben. Siehe
über die Bereitung derartiger Nährböden auch Sleskin (Centralbl. f. Bakt. Bd. 10.
1891. No. 7).
-) Eine einfache Methode, Salpeter reducirende Arten zu isoliren, hat neuer-
dings Beyerinck (Centralbl. f. Bakt. 2. Abth. Bd. 1. 1895. p. 58. Anm. 2)
angegeben. Vgl. über nitratreducirende Bakterien auch die Arbeit von Burri und
Stutzer (Centralbl. f. Bakt. 2. Abth. Bd. 1. 1895. No. 7—12).
3) Centralbl. f. Bakt. 2. Abth. Bd. 1. 1895. No. 1—3. — Diese Art,
„Spirillum desulfuricans", ist in Grabenschlamm stets zu finden; sie gedeiht
am besten bei etwa 25*^ C, wächst nur unter absolutem Abschluss des Sauerstoffs
(cf. oben p. 22. Anm. 1).
"*) Kitasato (Zeitschr. f. Uyg. Bd. 7. 1889. p. 519), ferner Lewandowsky
(Deutsche med. Wochenschr. 1890. p. 1186) haben eine Reihe der wichtigsten Bak-
terienarten auf ihre Fähigkeit, ludol (resp. Phenol) zu bilden, geprüft.
•') cf. J. Petruschky, Bakterie -chemische Untersuchungen. (Centralbl. f.
Bakt. Bd. 6. 1889. No. 2.3—24, Bd. 7. 1890. No. 1—2.) Der Autor stellte seine
Untersuchungen an einer neutralen Lackmusmolke (mit Lackmus gefärbtes Milch-
serum) an. (Der Lackmuszusatz zu bakteriologischen Nährböden behufs Erkeimung
der Aenderung der chemischen Reaction des Nährbodens ist von H. Buchner [Arch.
f. Hyg. Bd. 3. 1885] zuerst angegeben.) Es kommt bezüghch der unter dem
in. Allgemeine Lebensäusserungen der Bakterien. 45
Unter den chemischen Körpern, welche (als Stoffvvechselproducte)
l)ei dem Lebensprocesse der Bakterien entstehen, nehmen eine besondere
Stellung ein die sogenannten Fäulnissalkaloide, complicirte stickstoff-
haltige Verbindungen basischer Natur, die zum Theil giftig, zum Theil
ungiftig sind. Diese Körper werden (nach Selmi) als „Ptomaine"
(nTcojua = Leichnam) bezeichnet, da sie zunächst namentlich in ge-
faulten Leichentheilen gefunden wurden. Nencki war (1876) der
Erste, welcher einen derartigen Körper in reinem, krystallinischem Zu-
stande darstellte und seine chemische Zusammensetzung ermittelte. In
der Folge hat sich um die Erforschung dieses Grebietes l^esonders
L. Brieger^) verdient gemacht. Eine ganze Reihe von Körpern,
welche hierher gehören, sind von B rieger sowohl aus künstlichen
Culturen bestimmter (meist pathogenerj Bakterienarten wie auch aus
Thierorganismen , welche mit bestimmten Bakterienarten inficirt waren,
dargestellt worden. Für die giftigen Ptomaine hat Brieger den
Namen „Toxine" emgeführt. Eine Gruppe anderer giftiger Stoff-
wechselproducte pathogener Bakterienarten, welche keine Alkaloide, son-
dern Eiweisskörper sind und als Toxalbumine bezeichnet werden,
haben Brieger und C. Fraenkel'-^) entdeckt.
Die genannten giftigen StoflFwechselproducte spielen eine wesent-
liche Rolle bei jeder durch Bakterien veranlassten Infectionskrankheit.
Auf die durch sie bedingte Intoxication des thierischen Organismus sind
namentlich die allgemeinen klinischen Symptome, welche bei Infections-
krankheiten beobachtet werden, zu l)eziehen. Wir werden dieses Gebiet
weiterhin noch zu betrachten haben.
Es ist aber hier gleich zu bemerken, dass bei dem Wachsthimi
der Bakterien nicht nur giftige Stoff wechselpro du cte, sondern
Einflüsse von Bakterienwachsthum sich ausbildenden Eeaction die ursprüngliche
Zusammensetzung des Nährbodens sehr in Betracht. Kleine Mengen vou
Traubenzucker im Nährboden geben häufig, auch bei alkahbildenden Bakterienarten,
zu einem primären Auftreten von freier Säure Veranlassung. (Behring, Zeitschr.
f. Hyg. Bd. 7. 1S89. p. 178.) Ebenso bilden viele Bakterienarten auf glycerin-
haltigen Nährböden mehr oder weniger beträchth che Mengen von Säure (v. Somma-
ruga, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 15. 1893. p. 305). Auf den gewöhnhchen, mit Pepton-
bouillon hergestellten, zucker- und glycerinfreien Nährböden bilden von bekannten
Arten nur der Mlzbrandbacillus , der IMicrococcus tetragenus, der Wurzel- und der
Heubacillus Säure, die übrigen Alkali (v. Sommaruga, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12.
1892. p. 277, 278). — Ueber Fettspaltung (Ohvenoel und Einderfett) durch
Mikroorganismen hat v. Sommaruga (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894. p. 441 ff.)
systematische Untersuchungen angestellt.
') Untersuchungen über Ptomaine. Berlin (Hirsch wald). 1. u. 2. Theil 1885,
3. Theil 1886.
-) Berl. khn. Wochenschr. 1890. No. 11-12.
46 A.. Allgemeines.
auch andere giftige Körper entstehen. Es sind dies solche Körper,
welche sich nicht Avie die Stoff^^echselproducte ausserhalb der Bakterien-
zellen in den Nährsubstraten gelöst befinden, sondern die im Innern
der Bakterienzellen selbst vorhanden sind, ohne Zweifel einen
wesentlichen Theil der Zelle ausmachen und gewöhnlich nur durch
ganz besonders eingreifende chemische Manipulationen (durch die die
Zelle jedesmal abgetödtet wird) aus der Zelle extrahirt werden können.
Man bezeichnet diese (eiweissartigen) Körper als „Bakterienproteine".
Zu den Lebensäusserungen der Bakterien gehört auch die Pro-
duction von Farbstoffen (cf. oben p. 9), welche z. Th. von ausser-
ordentlicher Schönheit sind. Man nennt die Farbstoff producirenden
Bakterienarten chromogene Arten (Pigmentbakterien). Andere
Arten lassen den (durchsichtigen) Nährboden prachtvoll fluoresciren:
wieder andere leuchten in ihren Cultm-en im Dunkeln (phosphores-
ciren).
lieber W ä r ni e e n t w i c k e 1 u n g durch Bakterien hat kürzlicb
F. Cohn^) berichtet.
Zu den Lebensäusserungen der Bakterien gehört endhch die Eigen-
thümlichkeit vieler Ai'ten, hn Thier- (oder Pflanzen-) Körper Krank-
heitsprocesse hervorzurufen. Wir werden die hierher gehörigen
Verhältnisse zum Gegenstande einer besonderen eingehenden Betrach-
tung- machen.
^) „Ueber thermogeue Bakterien" (Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1893; ref. Cen-
tralbl. f. Bakt. Bd. 15. p. 424).
IV.
Allgemeine Methodik der Bakterienbeobaehtung.
1. Die Ausrüstung des Arbeitstisches.
Wenn man sich mit Bakterienuntersuchimgen beschäftigen will,
so braucht man zunächst eine Reihe von Instrumenten, unter denen
das Mikroskop das wesentlichste ist.
Das Mikroskop besteht aus einem optischen und einem me-
chanischen Theile. Von diesen ist der optische Theil der wichtigere,
und man wird daher bei der Beschaffung eines Mikroskopes zunächst
auf eine zweckentsprechende Beschaffenheit dieses Theiles zu sehen
haben. Der optische Theil des Miki'oskopes setzt sich aus einem
Beobachtungsapparat, bestehend aus Objectiv und'Ocular, und
aus einem Beleuchtungsapparat , bestehend aus Beleuchtungs-
spiegel und Condensorsystem, zusammen. Die genannten opti-
schen Stücke werden durch das sogenannte Stativ in Verbindung
mit einander gebracht. Ihre Stellung zu einander kann durch beson-
dere mechanische Einrichtungen, welche sich an dem Stative vorfinden,
je nach dem vorliegenden Bedürfnisse modificirt werden. Es ist nun
zwar richtig, dass auch mit einem mangelhaften Stative, falls nur der
optische Theil des Mikroskopes gut ist, gearbeitet werden kann. Wer
geschickt ist, kann sich für bestimmte Zwecke vorübergehend mit einem
derartig mangelhaften Instrumente behelfen. Wer aber nicht nur vor-
übergehend mit dem Mikroskope arbeiten, wer Freude am mikroskopi-
schen Arbeiten haben will, wer ein universell anwendbares Instrimient
braucht, der darf nicht bloss auf den optischen Theil des Mikroskopes
Rücksicht nehmen, sondern er muss darauf sehen, dass auch das Stativ
den modernen Anforderungen genüge. Beiden Bedingungen, nämlich
den optischen sowohl wie den mechanischen, genügen nur die Mikro-
48 A. Allgemeines.
skope leistungsfähigster Werkstätten, sogenannter „erster Firmen".^) Man
lasse sich nicht durch den niedrigeren Preis verleiten, ein JVIikroskop
zu kaufen, an welchem man hinterher beim Grehrauch einen Fehler
nach dem anderen entdeckt.
Bei der Anschafiung eines ]\Iikroskopes , welches zu Bakterienunter-
suchungen bestimmt ist, sind mm eine Eeihe von speciellen Punkten
zu berücksichtigen. Von Objectiven braucht man mindestens zwei,
nämlich ein schwaches (Zeiss AA, Leitz 3) und ein starkes (Zeiss
Oel-Immersion 2mm oder ^l^^'^ Leitz Oel-Immersion ^/la")» ^on Ocu-
laren ebenfalls zwei (Zeiss 2, 4, Leitz 1, 4). Man hat so schwache
Vergrösserungen von ca. 50 — 100 und starke von ca. 500 — 1000
zur Verfügung. Sehr angenehm ist daneben noch der Besitz eines
mittleren Objectives (Zeiss DD, Leitz 7), welches ca. 200 — 450fache
Vergrösserung giebt. Der Tubus soll sowohl durch groben Trieb wie
durch Miki'ometerschraube verstellbar sein. Der Objecttisch darf
nicht zu klein sein, so dass man Culturplatten bequem untersuchen
kann. Das Condensorsystem, welches zur Beleuchtung der Objecto
dient, soll nach der von Abbe (cf. weiter unten) angegebenen "Weise
construh't und auf- und abwärts (am besten durch Trieb) verschiebhch
sein ; der Beleuchtungsspiegel soll in seinem Durchmesser den des
Abbe'schen Beleuchtungskörpers etwas überschreiten. Sehr nothwendig,
kaum zu entbehren für Bakterienuntersuchungen, ist eine Vorrichtung
zum schnellen und bequemen Wechseln der Objective (Revolver).
Das wesentlichste und bedeutendste Stück des gesammten Mikro-
skopes ist das „Oel-Immersions-System", das Objectivs3^stem,
welches wir stets benutzen, wenn es sich um eine möglichst stark ver-
grösserte Darstellung des Objectes handelt. Bei diesem System wird
die Oberfläche des Deckglases des Präparates mit der Fi'ontlinse des
Objectivs stets verbunden durch ein Tröpfchen emes Oeles (Cedeniöl),
welches dasselbe Brechungsvermögen für das Licht (denselben Brechungs-
*) Allen voran schreitet die Firma Carl Zeiss in Jena. Diese Firma lässt
sich die höchsten Preise bezahlen ; sie liefert aber auch das Beste. Die sogenannten
„Apochr omat-Objective" von Zeiss sind das Vollendetste, was von Objectiven
existirt. Ebenso wird die Firma hinsichthch der übrigen optischen Theile der Mikro-
skope sowie hinsichthch der Stative von keiner anderen Firma übertroffen. In
Berlin sind die Zeiss 'sehen Instrumente vorräthig bei „Carl Zeiss Geschäfts-
stelle Berlin, früher G. König", N.W., Dorotheenstrasse 29.
Neben Zeiss sind ferner zu nennen Ernst Leitz in Wetzlar (die äusserst
preiswerthen Instrumente dieser Firma, welche sich in der Form an die Z e i s s 'sehen
anlehnen, werden für die Zwecke bakteriologischer Untersuchung sehr viel verwendet),
W. & H. Seibert in Wetzlar, Dr. E. Hartnack in Potsdam, C. Eeichert
in Wien und Andere.
IV. Allgemeine Methodik der Baktenenbeobachtung. 49
Exponenten) besitzt wie das Glas. Es wird also zwischen Deckglas
und Objectivfrontlinse durch das dazwischen gebrachte Cedernöl eine
optisch homogene Verbindung hergestellt („Homogene Immersion")
Die von dem Objecte ausgehenden Strahlen gelangen ohne irgend
welche Ablenkung in das Objectiv. Es gelangt also ein viel grösserer
von dem Objecte ausgehender Strahlenkegel zur Wirkung, als es ohne
die Zwischenlage des Cedemöles der Fall sein würde ; d. h. das Leis-
tungsvermögen eines solchen Objectivs (das Abbildungs- oder Auf-
lösungsvermögen^)) muss viel grösser sein als das Leistungs-
vermögen eines Systems von derselben Vergrösserung, bei welchem sich
zwischen Deckglas und Objectiv eine Luftschicht befindet („Trocken-
system"); das Leistungsvermögen muss auch grösser sein als das
eines Systems, welches nur Wasser als Immersions-Flüssigkeit ver-
wendet („Wasser-Immersions-System"). '•^) Die Immersions-
^) Man versteht hierunter die Fähigkeit mikroskopischer Objective, feine Struc-
turen, Details innerhalb der Objecte zur Darstellung zu bringen. Das Abbildungs-
vermögen hat seinen Sitz einzig und allein in der Function der Oeffnung des
Objectivsystems. Es steht unter allen Umständen in geradem Verhältnisse
zu der numerischen Apertur (siehe die folgende Anmerkung).
^) Die in ein Objectivsystem tretende Strahlenmenge wird gemessen durch den
Oeffnungs Winkel des Systems. Der Üeffnungswinkel hat seinen Scheitel im
Brennpunkte des Systems ; seine Schenkel werden gebildet durch zwei einander gegen-
überliegende ManteUinien des von dem Brennpunkte ausgehenden, in das System
eintretenden Strahlenkegels. Der Oeffnungswinkel kann naturgemäss niemals den
Grenzwerth von ISO*' erreichen. Die Brechungsverhältnisse, welche bei Benutzung
eines Trockensystems an der Oberfläche des Deckglases statthaben, bringen es nun
mit sich, dass einem von dem Deckglase ausgehenden, die Luft durchsetzenden
Strahlenkegel von bestimmter (beispielsweise von ISO**) Weite ein erhebhch engerer
ursprünglich von dem Objecte ausgehender, das Deckglas durchsetzender Strahlen-
kegel entspricht; der letztere würde, den Brechungsexponenten des Glases zu 1,52
gerechnet, in unserem Beispiele nur 82** 17' Weite haben. Da nun bei der homo-
genen Immersion eine jede Ablenkung der Strahlen zwischen Object und Objectiv
wegfäUt, so nimmt ein Oel-Immersions-System mit einem Oeffnungswinkel von 82° 17'
genau dieselbe Sti'ahlenmenge auf wie ein ideales (übrigens praktisch unmöghches)
Trockensystem mit einem Oeffnungswinkel von 180**. Die blosse Angabe des Oeffnungs-
winkels eines Systems ohne Angabe, ob es sich um ein Trockensystem, um Wasser-
oder Oel-Immersion handelt, giebt also keinen Ausdruck für die Leistungsfähigkeit des
Systems. Aus diesem Grunde hat Abbe den Begriff der „numerischen Apertur"
geschaffen. Derselbe berücksichtigt zu gleicher Zeit den Oeffnungswinkel und den
Brechungsexponeuten des zwischen Deckglas und Objectivfrontlinse befindlichen Me-
diums. Man erhält die numerische Apertur, wenn man den genannten Brechungs-
exponenten mit dem Sinus des halben Oeffnungswinkels multipHcirt. Der maximale
Grenzwerth der numerischen Aperturen beträgt, wie sich aus dem Gesagten leicht
ableiten lässt, für Trockensysteme 1,0, für Wasser -Immersionen 1,33, für homogene
Immersionen 1,.52.
Güntlier, Bakteriologie. 4. Auflage. 4
50 A. Allgemeines.
Methode ist von Amici, die homogene Immersion von Stephen-
son erfunden. Die ersten derartigen Ohjective wurden von Abbe^j
und Z e i s s construii't.
Ausser dem Mkroskope brauchen wir für die Bakterienbeobachtung
resp. für die Darstellung von Bakterienpräparaten eine Reihe von
Utensilien, deren nothwendigste etwa folgende sind :
Objectträger. Dieselben sollen von Aveissem Glase, etwa
1,2 mm (jedenfalls nicht über 1,5 mm) dick sein. Das gangbarste
Format ist das sogenannte englische (26:76 mm).
Objectträger mit hohlem Ausschlifi" (hohlgeschliffene Object-
träger).
Deckgläser. Man benutzt am bequemsten quadratische Deck-
gläser von 18 mm Seitenlänge. Die Dicke soll etwa 0,15— 0,17 mm
betragen. Sind die Deckgläser mehrere Hundertstel Millimeter dicker,
so gelingt es oft bei Schnitten nicht mehr, das Object mit starken
Objectiven in allen seinen Theilen einzustellen; sind sie dünner, so
zerbrechen sie zu leicht beim Reinigen-) etc.
Flaschen, Glasschälchen, Glastrichter von verschie-
dener Grösse.
Weite Standgefässe von Glas mit eingeschliffenem Stöpsel
zum Härten von Organstücken.
Kleine Glas f laschen mit weitem Hals und übergreifendem,
lose aufsitzendem glockenförmigem Verschluss zur Aufnahme von C e-
dernöl und Canadabalsam. Xach Abnahme des Verschlusses
sieht ein kleiner, frei m der Flasche stehender Glasstab zur Flaschen-
öffaung heraus, mit Hülfe dessen die genannten Flüssigkeiten tropfen-
weise herausgenommen werden können.
Zwei Glasmensuren von 10 und 100 ccm Inhalt.
^) Abbe: Ueber Stephenson's System der homogenen Immersion bei Mikroskop-
Objectiven. (Sitz.-Ber. d. Jenaischen Gesellsch. f. Med. u. Xaturwiss. 10. Januar 1879.)
^) Die Deckgläser werden von Staub etc. am besten so gereinigt, dass man
sie. (in grösseren Mengen) zunächst mit Alkohol übergiesst, den man dann von den
einzelnen Gläschen mit dem Lappen wegwischt. GewöhnMch bleiben auf den Deck-
gläsern auch bei dieser Behandlung mit Alkohol noch Spuren von Fett zurück; die-
selben werden am besten durch Erhitzen der Gläser in der nicht leuchtenden Flamme
des Bunsen 'sehen Brenners entfernt. Das Fett lässt sich auch so entfernen, dass
man die sauber geputzten Deckgläser (in grösseren Mengen) in den Trockenschrank
(cf. oben p. 26) bringt und dort längere Zeit auf hohe Temperaturen erhitzt. —
Alte, gebrauchte Deckgläser, die mit Canadabalsam etc. beschmutzt sind, reinige
ich auf die Weise, dass ich sie kurze Zeit in kochender Sodalösung halte, dann
mit Wasser abspüle, durch Salzsäure von dem anhaftenden Calciumcarbonat befreie,
■wiederum in Wasser und schliesslich in Alkohol gebe, aus dem sie dann heraus-
genommen werden, um mit dem Lappen abgetrocknet zu werden.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 51
Uhrschälchen von c. 60 mm Durchmesser.
Mehrere, kleinere und grossere, nicht zu stark federnde ') Pin-
cetten.
Eine sich auf Druck öfliiende (sogenannte Cornet'sche) Deck-
glaspincette.
Skalpells, Scheren.
Feine Nähnadeln, Xadelh alter.
Ein kleiner Messingspatel, dessen Ebene man etwa 2 cm
vom Ende entfernt stmnpfwinklig imibiegt.
Platindrähte, nicht zu dümi, etwa 60 — 70 mm lang, an
Glasstäben angeschmolzen, z. Th. mit ösenförmig gebogenem Ende.
B n n s e n b r e n n e r oder S p i r i t u s 1 a m p e.
Fliesspapier, Tuschpinsel, Leinwandlappen, Präpa-
ratenetiketts, Cartons resp. Kästchen zur Aufoahme von
Präparaten u. s. w.
Sehr angenehm ist es ferner, ein gutes Mikrotom zur Hand
zu haben. Hier sind besonders die Instrumente der Firmen J u n g in
Heidelberg, Schanze in Leipzig, Becker in Göttingen zu nennen.
Die von Schanze (Weigert'sches Mkrotom) sind die compen-
diösesten nnd für unsere Zwecke gebräuchlichsten. Der wichtigste
Theil des Miki'otoms ist das Messer, auf dessen Listandhaltung man
die gi-üsste Sorgfalt verwenden muss. Bei dem Mangel eines Mikro-
toms kann man sich auch mit einem guten Rasirmesser, dessen
Klinge auf der einen Seite plan geschliffen ist, behelfen.
Ausserdem brauchen wir eine Reihe von Chemikalien, deren
wichtigste nachstehend aufgeführt sind:
Destillirtes Wasser. Jodkalium.
Alcohol absolutus. Glycerin.
Äther. Anilin (Anilinöl).
Chloroform. Carbolsäure (Phenol).
Xylol. Cedemöl.
Officinelle Salz-, Salpeter- und ^^elkenöl.
Schwefelsäure. Canadabalsam.
Eisessig (Essigsäure). Gmmni arabicum.
Kali aceticum. Celloidin.
Kali- oder Xatronlauge. Yaselin.
Ammoniak. Verschlusslack.
Jod.
^) Mit stark federnden Pincetten ist das Arbeiten, speciell das Halten der
Deckgläser etc., ein ausserordentüch unbequemes.
4*
52 A. Allgemeines.
Farbstoffe: Carniin, Pikrinsäure, Eosin, Meth}^!- oder Gentiana-
Tiolett, Fuclisin, Methylenblau, Bismarckbrami (Vesiivin).
Die Chemikalien, namentlich die flüssigen, bewahren wir in Glas-
flaschen mit Glasstöpsel auf.
Der Arbeitstisch, an welchem wir mikroskopiren, entsimcht
in seiner Höhe einem gewöhnlichen Schreibtische. Der Arbeits-
stuhl soll so hoch sem, dass "nir, auf demselben sitzend, bequem
in das vertikal aufgestellte Mkroskop hineinsehen können. Die
modernen besseren Mkroskope sind zwar sämmtlich mit Einrichtimg
zum „Umlegen" versehen. Von dieser Einrichtung wird speciell
fiir mikrophotographische Zwecke ein ausgedehnter Gebrauch gemacht.
Hier stellt man den Tubus des Miki'oskopes gewöhnlich horizontal.
Eine geringe Schrägstellung des Mki'oskoptubus ist sehr angenehm
für die Beobachtung; sie kann aber in der Regel nur dann zur An-
wendung gelangen, wenn es sich um die Durchmusterung fertiger,
fester Präparate handelt. Während des eigentlichen mikroskopischen
Arbeitens, wo es sich stets um mehr oder weniger flüssige resp. ver-
schiebliche Objecto handelt, Avird man den Objecttisch stets in horizon-
taler, den Tubus also in vertikaler Stellung belassen müssen.
2. Beobachtung der Bakterien im lebenden Zustande.
Der hängende Tropfen. Wirkungsw^else des Abbe'schen
Beleuchtungsapparates.
Wenn es sich darum handelt, irgend welche Bakterien zu unter-
suchen, so muss man sich zunächst, wenn es irgend ausführbar ist,
ein Bild von dem Aussehen derselben im frischen, lebenden
Zustande zu verschaffen suchen. Denn nur am lebenden Material
kann man Aufschluss erhalten über die Fi'age, ob Eigenbewegung da
ist oder nicht, nur im ftischen Zustande koimnen etwaige Unter-
schiede in dem Lichtbrechungsvermögen verschiedener Theile der
Bakterienzelle zimi Ausdruck, nur im frischen Zustande kann man
über die Ai't der Zusammenlagerung der Bakterien in gTÖsseren Ver-
bänden (Zoogiöen etc.) Genauestes erfahren. Ausgeschlossen ist freihch
die Beobachtung lebender Bakterien in situ in Schnitten thierischer
Organe. Wir werden weiterhin noch sehen, dass man zur Sichtbar-
machung ungefärbter, in situ befindlicher Bakterien in Schnitten die
letzteren so eingreifenden Manipulationen unterwerfen muss, dass von
einem weiteren Fortbestande des Lebens der Bakterien dabei keine
Rede sein kann. Will man die in thierischen Organen enthaltenen
Bakterien lebend untersuchen, so muss man Theilchen der fi-ischen
TV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobacbtung. 53
Organe mit "Wasser oder indifferenten Flüssigkeiten (0,75 proc. Kocli-
salzlösung, Bouillon) zen'eiben, um dadurch die Bakterien, von den
Körperzellen isolirt, in der Flüssigkeit suspendirt zu erhalten.
Die mikroskopische Beobachtung lebender Bakterien ist also auf
bakterienhaltige Flüssigkeiten beschränkt, die entweder bereits
fertig vorliegen, oder die man sich durch VeiTeibung bakterienhaltigen
Materials in wässrigen Flüssigkeiten erst herstellt. Will man sich
zunächst übungsweise mit diesen Dingen beschäftigen, so empfiehlt es
sich, Scheiben gekochter Kartoffeln, welche in der weiter unten (Ab-
schnitt V, 2) zu besprechenden Weise hergestellt sind, einige Stunden
der Luft auszusetzen und dann in der feuchten Kammer einige Tage
lang bei Zimmertemperatm- stehen zu lassen. Es haben sich dann
aus den einzelnen Keimen, w^elche aus der Luft auf die Kartoffel
nieder gefallen sind, Colonien von Bakterien entwickelt, welche als an
Höhe, Flächenausdehnung, Farbe mehr oder weniger verschiedene
Häufchen erscheinen. Ein jedes Häufchen zeigt sich dann aus
Individuen einer bestimmten Art resp. Fonn zusammengesetzt. Durch
Yerrühren kleinster Quantitäten solcher Bakteriencolonien in einem
Tröpfchen Wasser oder Aehnlichem lassen sich dann ftir die miki'o-
skopische Beobachtung geeig-nete Objecte herstellen. Weiter empfiehlt
es sich, etwas Heu, Keis, Erbsen, Brot, Fleisch oder Aehnliches mit
Wasser zu versetzen und die resp. Infuse mehrere Tage lang an einem
warmen Orte stehen zu lassen. Es entwickelt sich dann in den Infusen
ein mehr oder weniger reiches Bakterienleben, und jedes Tröpfchen
solcher Flüssigkeiten bietet ein ausgezeichnetes Object für das Studium
von Bakterien im lebenden Zustande.
Die Methode, deren man sich zur mikroskopischen Untersuchung
lebender, in Flüssigkeiten suspendirter Bakterien fast ausschliesslich
bedient, ist die des hängenden Tropfens. Um ein derartiges
Präparat anzufertigen, nimmt man zunächst einen hohlgeschliffenen
Objectträger, dessen Höhlung man mit gelbem Vaselin mittels eines
Tuschpinsels imizieht, und den man dann vorläufig bei Seite legt.
Kun wird ein reingeputztes (cf. p. 50) Deckglas horizontal auf den
Tisch gelegt und mittels der Platinöse ein klemes Ti'öpfchen der
bakterienhaltigen Flüssigkeit auf die Mitte des Deckglases gebracht;
hat man keine bakterienhaltige Flüssigkeit, sondern mehr consistente
Cultm-en oder frische Thierorgane etc. vor sich, so bringt man, wie
ol)en bereits besprochen, zunächst ein Tröpfchen reines Wasser,^)
^) Das destillirte Wasser, wie es in den Laboratorien vorrätbio; gebalten wird,
ist, besonders wenn es bereits eine Reibe von Wocben bei Zimmertemperatur ge-
54 A. Allgemeines.
Kochsalzlüsimg oder Bouillon mit der Platiiiöse auf das Deckglas und
verreibt dann (am besten mittels eines gerade endenden Platindrahtes)
in dem Tröpfchen eine Spur der Bakterienmasse resp. des Organs,
um eine Suspension der Bakterien in der Flüssigkeit zu erhalten.
Hierbei sehe man darauf, dass man möglichst wenig, wirklich nur
Spuren der Bakterienmasse etc. in der Flüssigkeit vertheilt, weil es
sonst sehr schwer, häufig unmöglich Avird, die Individuen miki'oskopisch
isolirt zu Gesicht zu bekommen und sich von ihrer Form etc. ein Bild
zu verschaffen.
Nachdem der Tropfen hergestellt ist, wird der hohlgeschliffene
Objectträger, die Höhlung nach unten gekehrt, mittels des Yaselins
so auf das Deckglas geklebt, dass das bakterienhaltige Tröpfchen genau
in der Mitte des Ausschliffs hegt. Nun wird der Objectträger rasch
(um ein Zerfliessen des Tröpfchens zu veraieiden) umgekehrt, und das
Präparat ist dann zur Beobachtung fertig. Das Tröpfchen hängt, zur
Beobachtung bereit, vor Verdunstung geschützt, fi'ei am Deckglase.
Die Platindrähte werden vor und nach jedesmaligem Oe-
brauche ausgeglüht; bevor man sie nach dem Ausglühen anwendet,
muss man sie wieder erkalten lassen.
Um den hängenden Tropfen mikroskopisch zu untersuchen, ver-
fährt man am besten so, dass man zunächst mit schwachem Objectiv-
system den Rand des Tropfens aufsucht, um diesen Rand nach-
her der Beobachtung bei starker Vergrösserung zu unterwerfen. Sehr
bequem und fast imentbehrlich hierfür ist die zum schnellen Wechseln
der Objective bestimmte, oben Q). 48) erwähnte Revolvervorrichtung,
welche den besseren Mkroskopen heutzutage als integTirender Bestand-
theil stets beigegeben wird. Den Rand des Tropfens wählt man zur
Untersuchung mit starken VergTösserungen einestheils deshalb, weil
der Tropfen am Rande am dünnsten ist, und sich Objecte, die eine
möglichst dünne Schicht repräsentiren, zm- Untersuchung mit stark
vergTösseniden Objectiven naturgemäss am besten eignen; anderntheils
bietet der Rand des Tropfens wegen seiner Dünne den einzelnen
Bakterienindividuen keinen so weiten Spielraum zum Durcheinander-
schwirren etc. wie die übrigen Theile des Tropfens; man wird also
am Rande die Formen, um die es sich handelt, gewöhnlich zum Theil
standen hat, für diesen Zweck nicht zu empfehlen, da es gewöhnlich zu zahlreiche
Bakterien enthält. Auch das reinste destillirte Wasser, welches wir herstellen können,
enthält noch Nährstoffe genug, um manchen Bakterienarten eine ausgiebige Ver-
mehrung zu gestatten (cf. Bolton, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1886. p. 98, 99).
Im Gegensatz dazu ist gutes Leitungs- oder Brunnenwasser sehr arm an Keimen
und deshalb für den vorUegenden Zweck sehr gut zu brauchen.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 55
in Euhe liegen sehen, während man, nach der Mtte des Tropfens zu
weitergehend, das Bakterienleben allmählich immer mehr in dem
natürlichen, dm'ch die Capillaritätsverhältnisse des Randes nnbeeinflussten
Lagernngs- und Bewegungszustande erblickt.
Dem Anfänger nicht geringe Schwierigkeiten verursacht nun das
Einstellen des Präparates. Es handelt sich dabei um dreierlei
verschiedene Dinge: erstens soll die richtige Stelle des Ob-
jectes zur Einstellung gelangen; zweitens soll das Bild des Objectes
dem Auge scharf erscheinen, d. h. das Objectiv des Mikroskopes soll
den richtigen Abstand vom Objecte haben; drittens soll die
Beleuchtung des Objectes die richtige, zweckentsprechende sein.
Die ersten beiden Punkte sind relativ leicht zu erledigen. Man
muss den mittleren Abstand der verschiedenen Objective vom Objecte
ungefähr kennen ; man stellt die Objectebene dann zunächst mit
schwachem Objectiv unter Benutzung des groben Tubustriebes ein und
rückt das Präparat dann mit der Hand so, dass die zu untersuchende
Stelle, in unserem Falle also eine Stelle des Tropfenrandes, genau in
die Mitte des Gesichtsfeldes kommt. Mt Vortheil wird man sich
hierbei eines schwachen Oculars bedienen. Ist die richtige Stelle des
Präparates centrisch eingestellt, so geht man mit dem Tubus unter
Benutzung des groben Triebes etwas nach oben, wechselt dann unter
Benutzung des Revolvers das schwache System gegen das Immersions-
S3"stem um, bringt auf das Deckglas centrisch einen kleinen Tropfen
Cedernöl und schraubt nun mit Hülfe des groben Triebes den Tubus
so lange abwärts, bis die Frontlinse des Immersionssystems in das
Oel eintaucht. Dies letztere beobachtet man von der Seite her; man
muss dazu die Augen etwa in Höhe des Objecttisches bringen. Ist die
Oelverbindung zwischen Deckglas und Objectiv hergestellt, so schraubt
man den Tubus wieder etwas in die Höhe, ohne jedoch die Oel-
verbindung zu zerreissen, und bringt nun das Auge wieder über das
Ocular. Man schraubt nun (am besten, indem man beide Hände an
die Schraube des groben Triebes bringt), während man in das Mikro-
skop hineinsieht, den Tubus ganz langsam und vorsichtig nach abwärts,
bis das Bild erscheint; in diesem Augenblick lässt man den groben
Trieb los und bewirkt nun die feinere Einstellung mit Hülfe der
Mikrometerschraube, i)
^) Von vornherein gewöhne man sich, das Auge, welches beim mikro-
skopischen Sehen unbetheiligt ist, während des Mikroskopirens offen zu
halten. Nur ganz zu Anfang wird man durch das von diesem Auge percipirte Bild
etwas gestört; bei einiger üebung kommt Einem dieses Bild gar nicht mehr zum
Bewusstsein. Es ist aber ein nicht hoch genug anzuschlagender Vortheil mit der
56 A. Allgemeines.
Die genannten Manipulationen, welche die richtige Einstellung
des Präparates und des Objectives zuni Zwecke haben, setzen jedoch
eine richtige, zweckmässige Beleuchtung voraus. Ohne dass man die
Beleuchtung, wenigstens annähernd, zunächst regulirt hat, sind diese
Manipulationen z. Th. gar nicht ausführbar. Wir müssen uns deshalb
mit der Beleuchtung etwas eingehender beschäftigen.
Der Beleuchtungskörper des modernen Mikroskopes besteht, wie
bereits erwähnt, aus einem Spiegel, welcher die Strahlen der Licht-
quelle auffängt, und aus einem Linsensj'stem (Abbe" scher Beleuchtungs-
apparat), in welches hinein- die Strahlen von dem Spiegel aus geworfen
werden, um schliesslich auf einer relativ kleinen Stelle des Objectes
concentrirt zu werden. Es ist nun, wie uns Kob. Kochi) gelehrt
hat, das erste Erfordemiss zum Zustandekommen eines guten Bildes —
dies gilt für jeden einzelnen Fall, wie auch die Verhältnisse im Uebrigen
liegen mögen — , dass die von der Lichtquelle ausgehenden Strahlen
in der Objectebene vereinigt werden, d. h. dass ein mög-
lichst scharfes Bild der Lichtquelle in der Objectebene
entsteht. Wenn ich mit schwachem Systeme das Object scharf ein-
gestellt habe, so muss ich also den Beleuchtungskörper meines
Mki-oskopes so disponiren, dass ich ausser dem körperlich vorhandenen
Objecte noch das (reelle) durch den Beleuchtungskörper in das Object
projicirte Bild der Lichtquelle erblicke. Ist die Lichtquelle vom
Mikroskope weiter entfernt, wird sie z. B. durch weisse Wolken dar-
gestellt, so liegt der Vereinigungspunkt ihrer Strahlen näher an der
oberen Linse des Abbe' sehen Apparates, als Avenn die Lichtquelle
näher am Mikroskope steht, z. B. durch die Flamme einer auf dem
Tische stehenden Petroleimilampe ^) repräsentirt wd. In dem ersteren
Falle muss also der Abbe' sehe Apparat höher, dem Präparate näher.
Befolgung dieses Käthes verbunden. Beim mikroskopischen Sehen soll nämlich,
damit das Auge von unnützer Anstrengung möghchst frei, das Arbeiten ein mög-
lichst bequemes sei, die Accommodation völlig erschlafft sein; das Auge soll auf die
Ferne eingestellt sein. Eine völlige Erschlaffung der Accommodation ist aber nur
dann zu erreichen, M^enn die gesammte Augenmuskulatur sich im Zustande der
Euhe befindet, wenn also auch der SchHessmuskel des anderen Auges ausser Thätig-
keit ist.
1) Cohn"s Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1877. p. 410.
-) Als Lichtquelle benutzt man bei Tage am besten eine helle Stelle des
Himmels (weisse Wolken etc.). Directes Sonnenlicht ist für die Zwecke der Beob-
achtung nie zu benutzen. Bei Abend benutzt man als Lichtquelle am besten eine
gewöhnliche Peü'oleumlampe (Studirlampe). Ein auf die obere Ocularhnse gelegtes
oder im Blendungsträger angebrachtes schwach blaues (Cobalt-) Glas dämpft die
gelben Strahlen der Flamme und erleichtert das Mila-oskopiren bei Lampenlicht sehr.
TV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobacbtiuig. 57
im zweiten muss er tiefer, von dem Präparate weiter entfernt stehen.
Diese Ueberlegung erweist die Notliwendigkeit, dass der Abbe 'sehe
Apparat verschiebüch sei.^)
Es ist an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, dass der
Brennpunkt des Abbe' sehen Apparates für parallel eintretende (d. h.
z. B. von einer entfernten Wolke herkommende) Strahlen sehr nahe
(in etwa 2 nun Entfernung) an seiner oberen Linse liegt.-) Damit die
Strahlen aber Avirklich parallel in den Abbe'schen Apparat eintreten,
ist es nothwendig, dass wir die Strahlen der Wolke mit einem Plan-
spiegel auffangen und sie dann in den Abbe'schen Aj^parat schicken.
Das IVIikroskop trägt nun in seiner Spiegelfassung gewöhnlich zwei
Spiegel, nämlich einerseits einen Plan-, andrerseits einen Hohlspiegel.
Würden wir den letzteren in unserem Falle anwenden, so würden wir
dem Abbe'schen Apparate nicht parallele, sondern convergirende
Strahlen zuschicken, und der Brennpunkt derselben würde naturgemäss
dann noch viel näher an der oberen Linse des Abbe'schen Apparates
liegen, d. h. so nahe, dass an ein Zusammenfallen dieses Brennpunktes
mit der Objectebene — da doch unsere Objectträger eine gewisse
Dicke haben müssen — nicht mehr zu denken wäre. Es ergiebt sich
aus dieser Betrachtung ohne Weiteres die oS^othwendigkeit , bei Be-
nutzung des Abbe'schen Beleuchtungsapparates stets den Plan-
spiegel, nie den Concavspiegel anzuwenden.")
^) Im Nüthfalle kann das Abbe'sche Beleucbtungssystem durch eine unter
der Tischöffnung angebrachte halbkughge Linse, deren plane Seite nach oben ge-
kehrt ist, und die, in einer Hülse gefasst, auf- und abwärts verschiebbar ist, ersetzt
werden.
'-) Die Firma C. Z e i s s fertigt drei verschiedene Condensorsysteme an ; die-
selben unterscheiden sich in der Brennweite sowie in der numerischen Apertur
(cf. oben p. 49, Anm. 2) von einander. Die oben im Text gemachte Angabe bezieht
sich auf den Condensor mit der Apertur 1,20; ausserdem wird ein Condensor von
1,40 num. Ap. und von etwas kürzerer Brennweite als der des vorhergehenden, end-
lich ein (achromatischer und centrirbarer) Condensor von 1,0 num. Ap. angefertigt.
Der letztere dient hauptsächlich mikro photographischen Zwecken, während
die beiden erstgenannten hauptsächlich beim gewöhnlichen mikroskopischen Arbeiten
benutzt werden. Für Arbeiten bei Lampenlicht ist im Allgemeinen der Condensor
von 1,20 num. Ap. dem von 1,40 num. Ap. vorzuziehen. — Ganz neuerdings hefert
die Firma C. Zeiss die Mikroskope auch mit ,, herausklappbarem Conden-
sor"; d. h. es ist eine Einrichtung getroffen, den Abbe'schen Condensor, welcher
— streng genommen — nur für den Gebrauch mit stark vergrössernden Objectiv-
systemen construirt ist, bei Benutzung schwacher Systeme leicht entfernen (zur Seite
herausldappen) zu können.
^) Nur beim Beobachten mit ganz schwachen Objectiven, wo der Planspiegel
— l}esonders bei Verwendung von Lampenhcht — oft nicht das ganze Sehfeld
58 A. Allgemeines.
Die Beleuchtung ist also, wenn wir zunächst mit schwachem
Objective das Präparat betrachten, so einzurichten, dass wir den Plan-
spiegel benutzen und den Abbe'schen Apparat in eine solche Höhe
bringen, dass wir mit dem Bude des scharf eingestellten Objectes zu-
gleich ein möglichst scharfes Bild der Lichtquelle erblicken.
Kun bleibt aber noch ein sehr wesentlicher Punkt bezüglich der
Beleuchtung zu berücksichtigen, d. i. die richtige Disponirung der
unterhalb des Abbe'schen Condensorsjstems , zwischen diesem und
dem Beleuchtungsspiegel, befindlichen Blendungsvorrichtung.
Wenden wir den Abbe'schen Apparat ohne jede Abbiendung an
(„offener Condensor"). so kommt die ganze Menge der in die
untere Linse desselben eintretenden Lichtstrahlen zur Wirkung auf das
Object. Die kleine Stelle des Objectes, in welcher sich diese Licht-
strahlen vereinigen, ^m-d dann mit Licht überschüttet, welches von
allen einzelnen Punkten der obersten Linsenfläche des Abbe'schen
Apparates herkonmit. Da nun diese Linsenfläche eine ziemliche Aus-
dehnung hat und dem Vereinigungspunkte der von ihr ausgehenden
Strahlen sehr nahe liegt, so besitzt der in das Object gelangende
Strahlenkegel einen sehr stumpfv\^inkligen Scheitel. Die Kandstrahlen
dieses Kegels sind also den ihnen gegenüberliegenden Kandstrahlen
nahezu entgegengesetzt gerichtet und paral^^siren dieselben in ihren
Diffractions\räkungen nahezu vollständig. Handelt es sich nun um die
Darstellung solcher Objecttheile, die sich nur dm'ch Differenzen in
dem Licht brechungsver mögen, nicht durchDi f f e r e n z en
in der Färbung von ihrer Umgebung unterscheiden, die also über-
haupt nur durch Difft-actionserscheinungen, welche an ihren Grenzen
zu Stande kommen, sichtbar werden können, so ist naturgemäss der
volle, u nah geblendete Abbe'sche Condensor nicht am Platze.
Derselbe verhindert das Zustandekommen der Diffractionserscheinungen,
d. h. er macht die ungefärbten Objecte mehr oder weniger unsichtbar.
Wollten wir uns dagegen solche Objecttheile vor Augen fähren, die
sich durch die Färbung von ihrer L'mgebung unterscheiden, so wür-
den diese gefärbten Dinge, die für ihre Sichtbarkeit irgend welcher
Diffractionserscheinungen nicht bedürfen, bei der geschilderten Be-
leuchtung in Folge der gleichzeitigen Auslöschung der Contouren der
ungefärbten Objecttheile ganz besonders deutlich, isolirt, zur Erscheinung
gelangen.
Der Erste, welcher diese Verhältnisse erkannt, scharf definirt und
gleiclamässig zu beleuchten erlaubt, ist es gestattet, den Hohlspiegel zu verwenden,
„welcher ausschliesslich für diesen Zweck am Apparat angebracht ist". (C. Zeiss,
Gebrauchsanweisung für den Abbe'schen Beleuchtungsapparat.)
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobaehtung. 59
für die Zwecke der praktischen Mikroskopie brauchbar gemacht hat,
war Rob. Koch.^) Die Beleuchtung mit vollem Abbe"-
schen Condensor vernichtet das „Structurbild", isolirt
das „Farbenbild". Diese Beleuchtung wird also überall da am
Platze sein, wo es sich um Darstellimg gefärbter Theile des Objectes
gegenüber ungefärbten handelt, z. B. bei der miki'oskopischen Dar-
stellung von gefärbten Bakterien, die in Schnitten thierischer Organe
enthalten sind. Hier werden Avir den vollen Abbe'schen Condensor,
zumal wenn es sich um relativ (d. h. gegenüber den Gewebszellen)
sehr kleine Bakterien handelt, nicht entbehren können; denn allein
diese Beleuchtung löscht die Contouren der ungefärbten Gewebstheile
(die, wenn sie sichtbar sind, kleine gefärbte Bakterien sehr gut ver-
decken können) aus und lässt die gefärbten Theile dafür desto deut-
licher hervortreten.
Wollen wir aber ungefärbte Objecto oder Objecttheile zur
Anschauung bringen, so dürfen wir- den vollen Abbe" sehen Condensor
nicht anwenden. Wir bringen dann ein Diaphragma mit ziemlich enger
centraler Oefinung (gewöhnlich einfach „enge Blende" genannt)
unter den Abbe "sehen Beleuchtungsapparat. Es werden so die Eand-
strahlen abgeblendet, und es kommt dann auf das Object nur eine
relativ kleine Menge centraler Lichtstrahlen, ein sehr spitzwinkliger
Strahlenkegel, zm- Wii'kung; dieser unterscheidet sich in seiner Wir-
kung nicht wesentlich von einem Bündel paralleler Lichtstrahlen und
lässt die Contouren ungefärbter Objecttheile deutlich zur Anschauung
kommen.
Kehren wir nun zu unserem hängenden Tropfen zurück,
so haben wiv hier eine Flüssigkeit (Wasser etc.) vor uns, in welcher
Bakterien suspendirt sind. Die Flüssigkeit sowohl wie die Bakterien
sind ungefärbt. Die Darstellung der letzteren erfordert es also, die
Beleuchtungsverhältnisse so einzurichten, wie sie zur Sichtbarmachung
des „Stru et Urbildes" nothwendig sind; d. h. wir dürfen bei der
Beobachtung des hängenden Ti'opfens nicht den vollen Abbe'schen
Condensor anwenden, sondern müssen denselben durch eine enge
Blende abblenden.^)
^) Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig.
1878. p. 32 ff.
-) Die „enge Blende" hat für verschieden starke Objectivsysteme verschiedene
Weite. Da nämlich der maximale Beleuchtungskegel, den ein schwaches Objectiv
aufzunehmen vermag, ein engerer ist als der, den ein stärkeres System aufzunehmen
vermag, so ist der Abbe'sche Condensor für ein schwaches System bereits als
„offen", als unabgeblendet zu betrachten bei Anwendung einer Blendenweite, die, bei
60 A. Allgemeines.
Das Verfahren der mikroskopischen Einstellung des hängen-
den Tropfens würde sich also folgendermassen gestalten:
1) Abbiendung des Condensors mit enger, etwa stecknadelkopf-
grosser, ^) Blende.
2) Scharfe, centrale Einstellung des Tropfenrandes mit schwachem
System und Planspiegel.
3) Regulirung der Stellung des Abbe'schen Apparates (Ein-
stellung des Bildes der Lichtquelle in die Objectebene).
4) Centrirung des Bildes der Lichtquelle durch Regulirung der
Spiegelstellung.
5) Hochschrauben des Tubus und Auswechseln des schwachen
Sj^stems gegen das Immersionssystem.
6) Erweiterung der Blende bis zu etwa ErbsengTösse. -)
7) Bringen eines Tropfens Cedemöl auf das Deckglas.
8) Vorsichtiges Mederschrauben des Tubus mit Hülfe des groben
Triebes bis zum Eintauchen des Systems in das Oel. Zurückschrauben
des Tubus, ohne die Oelverbindung zu zerreissen.
9) Vorsichtiges, langsames Mederschrauben des Tubus mit Hülfe
des groben Triebes bis zum Erscheinen des Bildes im Mikroskope.
10) Loslassen des groben Triebes und letzte Regulirung der Ein-
stellung dm"ch die Mikrometerschranbe.
11) Sollte das Gesichtsfeld sich nicht au allen Stellen gleich-
massig beleuchtet zeigen, so kann man diesen Fehler durch minimale
Verstellung des Spiegels ohne Weiteres beseitigen.
Es möge hier ein für alle Mal darauf hingewiesen werden, dass
man sich bei der mikroskopischen Betrachtung eines jeden Objectes
— besonders wenn starke Objective zur Verwendung kommen — zu-
einem stärkeren System in Anwendung gebracht, hier nicht dem voUen Beleuchtungs-
kegel, sondern nur einem centralen Theile dessell^en den Durchtritt gestattet. Ob bei
einer bestimmten mikroskopischen Beobachtung der für das gerade benutzte Objectiv-
system „volle" Beleuchtungskegel in Wirkung ist (ob „die Apertur des Systems
[cf. p. 49, Anm. 2] voll ausgenutzt" ist), prüft man am besten so, dass man das
Ocular aus dem Tubus entfernt und dann in den Tubus central hineinsieht. Er-
scheint die obere Linse des Objectivsystems in ihrer ganzen Ausdehnung von licht
erfüllt, so ist der volle Beleuchtungskegel in Wirkung. Ist der Beleuchtungskegel
mehr oder weniger reducirt, so findet man nur eine kleinere oder grössere centrale
Partie der oberen Objectivhnse von Licht erfüllt. — Die „enge" Blende hat bei
schwachem Trockensystem (Zeiss A, Leitz 3) zweckmässig etwa Stecknadelkopf-
grösse, bei Oelimmersionssystemen zweckmässig etwa Erbsengrösse.
^) cf, die vorige Anmerkung.
-) cf. die vorletzte Anmerkung.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. ßl
nächst stets eines möglichst schwachen Oculars bedient. Das
schwache Ocular hat dem starken gegenüber eine grosse Menge Vor-
theile: Das Bild ist lichtstärker und schärfer; die Schärfe wird weniger
von geringen Verschiebungen der Mikrometerschraube beeinfiusst; das
Gesichtsfeld umfasst einen grösseren Theil des Objects; alles in allem:
das Arbeiten mit schwachem Ocular ist leichter, angenehmer und be-
quemer als mit starkem. Speciell auch das Durchmustern eines
Präparates ist bei Anwendung eines schwachen Oculars erheblich
leichter. Es ist also eine feststehende Regel, dass man zunächst
immer das schwache Ocular benutzt. Stösst man dann auf eine Stelle,
die man bei stärkerer Vergrösserung betrachten möchte, so wechselt
man die Oculare aus, greift aber sofort wieder auf das schwache Ocular
zurück, wenn man weitere Theile des Präparates betrachten will.
Will man nach der Beobachtung des hängenden Ti-opfens das am
Deckglas hängende Bakterienmaterial vernichten, so geht
man zu diesem Zwecke am besten in folgender Weise vor : Man dreht
das auf dem hohlgeschliffenen Objectträger mit Vaselin angeklebte
Deckglas unter Zuhülfenahme zweier Finger so weit um seinen Mittel-
punkt, bis eine Ecke des Deckglases über die Objectträgerkante herüber-
ragt. Der hängende Tropfen selbst muss hierbei dauernd in der Mitte
des Objectträgerausschliffs bleiben und darf den Objectträger selbst
nicht berühren. Dann erfasst man das Deckglas an der hervor-
ragenden Ecke und hebt es langsam vom Objectträger ab. Das Deck-
glas mit dem Bakterienmaterial wird in ein Gefäss mit Desinfections-
flüssigkeit versenkt, der vaselinirte Objectträger kann ohne Weiteres
für einen neuen Versuch verwendet Averden.
3. Das gefärbte Deckglas-Trockenpräparat. Die Anilinfarben.
Das Princip der maximalen Beleuchtung.
Haben wir uns durch die Untersuchung des hängenden Tropfens
über das Aussehen eines Bakteriengemisches im lebenden Zustande
informii't, haben wir uns, wenn es sich um eine bestimmte Bakterien-
art handelt, durch die genannte Methode von eventuell bestehender
Eigenbewegung etc. überzeugt, so gehen wir daran, uns ein Dauer-
präparat für unsere Sammlung anzufertigen. Ein solches Dauer-
präparat hat aber nicht nur den Zweck, eine dauernde Erinnerung
an resp. einen dauernden Beleg für einen bestimmten Befund zu
bilden oder als ein unveränderliches Demonstrationsobject zu dienen.
Wir sind vielmehr für manche Zwecke direct gezwungen, uns ein solches
62 A. Allgemeines.
Präparat anzufertigen. Wenn wir z. B. Bakterien pliotographiscli ab-
bilden wollen, so müssen wir sie (in der Regel) aus dem beweglichen
Zustande, in welchem sie zunächst vorhanden sind, in einen fixü-ten
Zustand überführen, sie dauernd festlegen. Wenn wir feststellen wollen,
ob ein Sputum Tuberkelbacillen enthält oder nicht, so bedürfen wir
hierzu eines Verfahrens, in welchem die dauernde FLxirimg des Unter-
suchungsobjectes einen wesentlichen Punkt bildet.
Die Methode, welche wir anwenden, um bakterienhaltige resp. auf
Bakterien zu untersuchende Flüssigkeiten in die Form des Dauer-
präparates zu bringen, stammt von E. Koch. ^) Koch fand, dass
Bakterien, die in dünner Schicht am Deckglase angetrocknet werden,
in ihren Formen sehr gut erhalten bleiben und sich dann, am Deck-
glase fixirt, färben und ausgezeichnet conserviren lassen. Zur Her-
stellung eines solchen „Trockenpräparates" taucht man den eben
ausgeglühten und wieder erkalteten Platindraht mit der Spitze in die
bakterienhaltige resp. zu untersuchende Flüssigkeit (Blut, Eiter, Sputum,
Gewebssaft, bakterienhaltiges Pfianzeninfus, Faulflüssigkeit etc.) ein und
streicht das am Drahte hängen gebliebene Material in möglichst dünner
Schicht auf einem rein geputzten-) Deckgiase'^) aus. Es empfiehlt
sich hierbei, nicht nur die wirkliche Spitze des Drahtes zmn Ausstreichen
zu benutzen, sondern das Ende des Drahtes in Länge von etwa 1 cm
flach auf das Deckglas aufzulegen und dieses letzte Stück des Drahtes
in seiner ganzen Ausdehnung zum (quer gerichteten) Ausstreichen der
Flüssigkeit zu verwenden. Haben ^vii- consistenteres Material zu unter-
suchen, z. B. Colonien von der Kartoffel etc., so müssen wir dieses
Material, ähnlich wie dies auch bei der Herstellung des hängenden
Tropfens geschah, zunächst in flüssige Form bringen. Wir bringen zu
dem Zwecke zunächst (mit Hülfe des Platindrahtes) ein kleinstes
Ti'öpfchen reines Wasser auf das Deckglas und verreiben nachher in
diesem Wasser und mit demselben ein kleinstes Partikelchen des zu
1) Cohn's Beitr. z. Biol. cl. Pfl. Bd. 2. 1S77. p. 401 ff. — Mitth. a. d.
Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 18S1. jx 5.
-) cf. p. 50, Anm. 2.
*^) Manche Praktiker pflegen das Material behufs späterer Färbung und Unter-
suchung nicht auf dem Deckglase, sondern auf dem Objectträger aus-
zustreichen. Diese Praxis hat sich vielfach, einestheils um Deckgläser zu sparen,
anderntheils um die Arbeit abzukürzen, eingebürgert. Die richtige ,,Fixirung" (siehe
p. 63) des so disponirten Materials ist etwas schwieriger als die Fixirung des auf dem
Deckglase ausgestrichenen Materials. Nach der Färbung, Abspülung und Trocknung
(siehe weiter unten) solcher Objectträgerpräparate wird das Immersionsöl (ohne
Zwisehenlage eines Deckglases) direct auf die gefärbte Schicht gebracht. Die Methode
ist zuerst von Neisser (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 4. 1888. p. 174) angegeben.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 63
imtersiiclienden Materials, indem wir für möglichste Flächenausbreitmig
desselben in möglichst dünner Schicht Sorge tragen.^)
Ist das Material auf dem Deckglase vertheilt, so kommt der
zweite Act des Verfahrens: das Trocknen des vertheilten Materials.
Dasselbe soll bei gewöhnKcher Temperatur an der Luft geschehen,
nicht unter Erhitzung in der Flamme.") Gewöhnlich sind nur Bruch-
theile einer Minute dazu erforderlich, das Präparat „lufttrocken"
werden zu lassen.
Ist das Präparat lufttrocken geworden, so kommt Punkt 3 an die
Reihe: das Fixiren der Schicht. Wir wollen nämlich die Bakterien-
schicht hinterher färben ; zum Zwecke der Färbung muss aber die
Schicht mit wässerigen Farbstofflösungen und dann mit Wasser
bespült werden ; und dabei werden, wenn man nicht besonders für eine
Fixirung der Schicht gesorgt hat, sehr häufig — es braucht dies nicht
immer zu geschehen, geschieht aber oft — Theile dieser Schicht
hermitergespült. Um das zu vermeiden, wird die Schicht durch Er-
hitzung fixirt, d. h. es werden die schleimigen Hüllen der Bakterien,
vermöge deren dieselben am Glase festgeklebt sind, in Wasser weniger
quellbar gemacht, so dass die Bakterien nun fester am Glase haften.
Koch führte diese Erhitzung ein nach dem Vorgänge von Ehrlich ,•")
welcher dieselbe speciell für Blutpräparate als ein zweckmässiges
Fixirungsmittel gefunden hatte. Man kann zum Zwecke der Fixirung
die Deckgläser 2—10 Minuten in einen auf 120—130^ C. erwärmten
Trockenschrank bringen. Es genügt jedoch für die allermeisten Fälle
eine viel einfachere Methode: Das mit der Pincette^) gefasste, horizontal
gehaltene Deckglas wird, mit der Schicht nach oben gekehrt, dreimal
hintereinander durch die nicht leuchtende Flamme des B uns en" sehen
Gasbrenners oder durch eine kräftige Spiritusflamme gezogen. Man
beschreibt dabei mit der Hand unter stetiger Bewegung dreimal emen
vertikal gestellten Ki-eis, der einen Fuss im Durchmesser hat, und den
die Hand jedesmal in einer Secunde zurücklegt. Diese genaue Angabe
^) Wenn wir wässeriges Material vor uns haben, so gelingt eine gieich-
inässige Ausbreitung nur dann, wenn das Deckglas vollkommen rein, namentlich
vollkommen fettfrei, ist. Das Letztere wird am schnellsten und besten durch
Erhitzen des Gläschens in der Flamme erreicht (cf. p. 50, Anm. 2).
-) Eine ganz leichte Erwärmung zum Beschleunigen des Trocknens ist gestattet.
Man darf das Präparat z. B. in der erwärmten Luft, welche sich etwa 60 cm über
der Flamme des Bunsenbrenners befindet, trocknen.
ä) Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 1. 1880.
■*) Für diese sowie für die folgenden Manipulationen empfiehlt sich sehr die
Anwendung der oben (p. 51) bereits erwähnten sogenannten Com et 'sehen Pincette-
64 A. Allgemeines.
der Geschwindigkeit der Bewegung stammt von John e, ^) welcher die-
selbe in seinen Erinnerungen an die ersten ,,Choleracm-se" im Koch"-
schen Institute aufgezeichnet hat.
Man könnte versucht sein, eine derartig genaue Vorschrift für
die Schnelhgkeit, mit der man das Deckglas durch die Flanmie zu
ziehen hat, für* überflüssig zu halten. Dieselbe ist jedoch nichts weniger
als überflüssig. Erhitzt man das Präparat bei dem „Fixiren"
zu stark, so büssen die Bakterien an ihrer Fähigkeit,
Farbstoffe aufzunehmen, ein, und zwar um so mehr, je weiter
die Erhitzung gegangen ist. Vor allem hat man sich vor einem, wenn
auch noch so kurzen, Verweilen des Präparates in der Flamme zu
hüten. Die Bewegung soll stetig sein; nm' ganz vorübergehend soll
die höhere Temperatur einwirken. Steht man einen Moment in der
Flamme still, so ist die weitere Brauchbarkeit des Präparates verscherzt.
Auf der anderen Seite soll aber das Präparat wrkhch „fixirt" werden;
und dazu gehört ein bestimmter Grad der Erhitzung. Man hat also
bei dieser Manipulation eine gewisse (für verschiedene Untersuchungs-
objecte übrigens etwas verschiedene) Mittelstrasse einzuhalten, die durch
die obige Angabe im Allgemeinen ziemlich genau bestimmt wird.
Ist das Trockenpräparat fixirt, so ist es zur Färbung fertig. Die
Färbung wird auf die Weise ausgeführt, dass man eine geeignete
Farblösung auf die angetrocknete Schicht brmgt und den Ueberschuss
der Farblösung nach kürzerer oder längerer Zeit mit geeigneten Flüssig-
keiten (meist Wasser) herunterspült. ^) Vor der Färbung kann man
das Trockenpräparat durch kürzeres oder längeres Eintauchen in eine
Sublimatlösung desinficiren; man wird dies z. B. dann thun, wenn
Einem daran liegt, pathogenes Material möglichst bald unschädlich zu
machen. Die Länge der Einwirkung der Sublimatlösung, welche dazu
nothwendig ist, variirt je nach der Beschafienheit des zu desinficirenden
Materiales. Die Färbbarkeit der Bakterienzellen -nird nach meinen Er-
fahrungen auch durch stundenlange Einwirkung der gebräuchlichen
SalzsäuresubKmatlösung (1 Sublimat, 5 Salzsäure, 1000 Wasser) nicht
verändert. ^)
^) Ueber die Koch 'sehen Reinculturen und die Cbulerabacillen. Leipzig.
1S85. p. 19.
'-) Die Färbung des Präparates braucht nicht sofort nach der Antrocknung und
Fixirung des Materials zu geschehen ; man kann das fixirte Präparat, vor Feuchtigkeit
geschützt, vor der Färbung beliebig lange aufbewahren.
'') Es möge hier bemerkt werden, dass, obgleich manchen Anilinfarben eine
hohe bakterienschädigende Wirkung zukommt, doch nicht etwa jede Bakterien-
zelle durch die Aufnahme von Farbstoff abgetödtet wird.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 65
Als Farbstoffe verwendet man zur Bakterienfärbung fast aus-
scbliesslicli gewisse Anilinfarben. Es ist zwar richtig, dass sich
Bakterien auch mit anderen Farbstoffen, z. B. Haematoxylin, Carmin,
tingiren lassen ; jedoch ist die Intensität solcher Färbimgen mit den
durch Anilinfarben hervorgebrachten nicht zu vergleichen. Der Erste,
welcher Anilinfarben zum Färben von Bakterien verwendete, war
Weigert. ^J
Es ist hier der Ort, einige Bemerkungen über das Wesen der
Anilinfarben im Allgemeinen und über ihre Verwendbarkeit in der
mikroskopischen Technik zu machen. Die Anilinfarben leiten sich in
letzter Linie ab von den beiden Körpern Anilin und Toluidin,
welche ihrerseits aus den beiden (in dem Steinkohlentheer enthaltenen)
Kohlenwasserstoffen Benzol resp. Toluol durch Eintritt einer NH,-Gruppe
(AmidogTuppe) an Stelle eines Wasserstoffatoms in den Benzolkern
entstanden sind. Aus dem Anilin oder dem Toluidin oder aus beiden
zusammen lassen sich nun solche Körper herleiten, welche basische,
und solche, die sam-e Eigenschaften haben. Und man kann die Anilin-
farben als Salze auffassen, welche entweder dadurch entstehen, dass
sich ein solcher basischer Körper mit irgend einer Säure verbindet,
oder dadurch, dass einer der sauren Abkömmlinge mit irgend einem
anderweitigen basischen Körper eine Verbindung eingeht. In dem
ersteren Falle ist das färbende Princip des entstehenden Salzes
offenbar basischer Natur, während in dem letzteren Falle der saure
Bestandtheil des Salzes den färbenden Antheil darstellt. Ehrlich^)
unterscheidet so „basische" Anilinfarbstoffe und „saure"
Anilinfarbstoffe.
Es hat sich nun gezeigt, dass in der Wirkungsweise dieser beiden
Gruppen sehr erhebliche Unterschiede bestehen. Bringt man beispiels-
weise von zwei gleichen Schnitten thierischen Gewebes den einen in
eine Farbflüssigkeit, welche mit einem basischen Anilinfarbstoffe her-
gestellt ist, den anderen in die Lösung eines sauren Anihnfarbstoffes,
so findet man in der Färbung der nach weiterer zweckmässiger Be-
handlung resultii'enden Präparate die erheblichsten Differenzen. Der
saure Farbstoff hat das Gewebe diffus, in allen seinen Theilen
gleichmässig gefärbt; der basische Farbstoff hat vor Allem die Kerne
des Gewebes gefärbt, die anderen Bestandtheile haben weniger Farbstoff
aufgenommen. Die basischen Anilinfarbstoffe sind also durch
^) Ueber eine Mykose bei einem neugeborenen Kinde. — Schles. Gesellsch. f.
vaterl. Cultur. Breslau. 10. Dec. 1875. (Jahresbericht, p. 229.)
-) Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 1. 18S0. p. 556.
Günther, Bakteriologie. 4, Auflage. 5
66 A. Allgemeines.
eine besondere Affinität zu den Kernen des thierischen Gewebes
ausgezeichnet, und man bezeichnet sie daher auch als kernfärbende
Anilinfarbstoffe, während man die sauren auch als diffus färbende
bezeichnet.
Die am häufigsten angewandten basischen (k e r n f ä r b e n d e n)
Anilinfarbstoffe sind:
Fuchsin (Rubin, Magenta) [rother Farbstoff].
Gentianaviolett, Methjdviolett (Dahlia).
Methylenblau.
Bismarckbraun (Vesuvin).
Zu den sauren (diffus färbenden) Anilinfarbstoffen
gehören unter Anderem Eosin, Pikrinsäure.
Die Kerne des thierischen Gewebes und die Protoplasmakörper
der Bakterienzellen zeigen nun gewisse Analogien in ihren Eigenschaften,
die unter Anderem auch in dem Verhalten der beiderseitigen Dinge
gegen Farbstoffe zum Ausdrucke kommen. So wie die Gewebskeme durch
eine besondere Affinität zu den basischen Anilinfarbstoffen ausgezeichnet
sind, so sind dies auch die Bakterien. "\Vii- brauchen deshalb zur
Bakterienfärbung ausschliesslich die basischen (kernfärbenden)
Anilinfarbstoffe.
Zm* Herstellung der Färbungsflüssigkeiten verfährt
man, je nach dem Farbstoff, den man verwenden will, verschieden. Bei
den beiden Violetten, dem Fuchsin, dem Methylenblau empfiehlt
es sich, gesättigte Lösungen in absolutem Alcohol
(welcher das ausgezeichnetste Lösungsmittel für diese Farbstoffe ist)
anzustellen, die als Stammflüssigkeiten dienen, zum Färben jedoch
an sich nicht verwendet werden können. Diese gesättigten alcoholischen
Lösungen werden dann zum Gebrauche mit etwa dem zehnfachen
Volumen Wasser verdünnt. Die schliesslich anzuwendenden Farb-
lösungen müssen stets wässerige sein resp. einen hervorragenden
Wassergehalt besitzen. Der Grund, weshalb man nicht die unmittelbar
gebrauchsfähigen wasserhaltigen Farblösungen von vornherein in gTÖsseren
Quantitäten anstellt, ist der, dass die mit Wasser versetzten Lösungen
gewöhnlich nur eine beschränkte Haltbarkeit besitzen. Eine
nach obiger Vorschrift durch Vermischen der gesättigten alcoholischen
Lösung mit der zehnfachen Wassermenge hergestellte Violett- oder
Fuchsinlösung wirkt , frisch bereitet, ausserordentlich schön ; bald
jedoch, spätestens nach mehreren Wochen, neigen diese Flüssigkeiten
dazu, Niederschläge ausfallen zu lassen; sie färben dann weniger in-
tensiv und bedecken das Präparat gern mit grösseren oder kleineren,
mitunter sehr dicht gesäeten Fleckchen, welche als „Farbstoff-
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 67
niederschlage" bekannt sind und das Präparat häufig unbrauchbar
machen. Dies gut für die violetten und die Fuchsinlösungen. Den
Methylenblaulösungen kommt etwas derartiges nicht zu. Me-
thj^lenblaulösungen sind unbeschränkt haltbar.
Wir werden also, wenn wir Bakterien violett oder fuchsinroth
färben wollen, uns im Allgemeinen frisch bereiteter, durch Vermischen
gesättigter alcoholischer Stammlösungen mit Wasser hergestellter Farb-
lösungen bedienen. Was noch das Bismarckbraun im Speciellen an-
geht, so empfiehlt es sich, diesen Farbstoff in gesättigter wässeriger
Lösung anzuwenden.^)
In der Wirkungsweise der verschiedenen genannten
Farbstoffe auf die Präparate sind übrigens ganz bestimmte Unter-
schiede vorhanden. Das Bismarckbraun, welches fiäiher, namentlich
für die Zwecke der Mki'ophotographie , unentbehrlich war, wird jetzt
(wenigstens für Deckgiastrockenpräparate) nur verhältnissmässig wenig
noch angewendet, weil wü- einerseits gelernt haben auch anders als
braun gefärl)te Bakterien zu photographiren , und weil das Bismarck-
braun manche Bakterienarten (wie z. B. die Tuberkelbacillen) schlecht
oder gar nicht färbt. Am intensivsten färben und von ganz allgemeiner
Anwendbarkeit für alle Bakterienarten sind die violetten Farbstoffe
und das Fuchsin. Das Methylenblau^) färbt zarter und lässt
in dem Bakterienleibe oft noch feine Differenzen des Inhalts nach der
Färbung erkennen, die bei Anwendung der Violette oder des Fuchsins
vollstäudig verschwinden, in der Totalfärbmig des Bakterienkörpers
untergehen. Für Trockenpräparate von eiweisshaltigem Material
(Blut, Eiter etc.), welches auf Bakterien untersucht werden soll,
empfiehlt sich vor Allem die Methylenblaufärbung, weil bei dieser
das Plasma des Blutes, Eiters etc. nel weniger gefärbt wird, als wenn
Fuchsin oder Violett zur Verwendung gelangt, und weil somit die
Bakterien, Leukocj-ten etc. viel besser zur Darstellung kommen.
1) R. Koch (Cohns Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1S77. p. 406) empfahl
seiner Zeit eine concentrirte Lösung des Bismarckbrauns in einem Gemisch von Wasser
und Glycerin zu gleichen Theilen.
-) In Trockenpräparaten, welche mit Methylenblau gefärbt sind, findet man
häufig einzelne Dinge röthlich gefärbt, während andere eine rein blaue Farbe an-
genommen haben. Man erklärt dies dadurch, dass das Methylenblau gewöhnlich kein
chemisch reiner Körper ist , sondern noch andere , rothe und violette , Farbstoffe
enthält. In Ausstrichpräparaten der Milz von Milzbrandmäusen, die mit Methylen-
blau behandelt wurden, habe ich häufig die Milzbrandbacillen röthlich, die Kerne der
Leukocyten rein blau gefärbt angetroffen. — Die Kapseln der MilzbrandliacUlen (siehe
weiter unten unter „Milzbrandbacillus") erscheinen in Methylenblau trockenpräparaten
häufig hellröthlich im Gegensatz zu dem blau gefärbten Protoplasmakörper.
68 A. Allgemeines.
Kehren wir nun zu unserem Deckglas-Trockenpräparate
zurück, welches wir, zur Färbung bereit, verlassen hatten. Wir fassen
das Präparat mit einer kleinen, in der linken Hand gehaltenen gewöhn-
lichen Pincette (oder mit der Corne tischen Pincette [cf. oben p. 51])
so in. horizontaler Lage, dass die angetrocknete Schicht nach oben
sieht; wir bringen dann einige Tropfen wässeriger Farblösung auf diese
Schicht (am besten mit Hülfe einer kleinen Pipette, welche aus der die
Farblösung enthaltenden Flasche heraussieht), wir lassen die Farblösung
einige Secmiden einwirken und spülen dann mit Wasser den Ueber-
schuss ab. ^) Die Schicht muss sich dann gefärbt zeigen. Mit Hülfe
eines Glasrohres oder auch ohne ein solches blasen wir dann das über-
schüssige Wasser von der gefärbten Schicht herunter, wischen die andere
Deckglasseite mit einem Leinwandläppchen oder mit Fliesspapier trocken,
ziehen eventuell das Deckglas mit nach oben gerichteter Schicht noch
einige Male durch die Flamme, um es vollständig zu trocknen, und
sind nun mit der Färbung fertig.
r Um recht saubere Präparate zu erhalten , empfiehlt es sich nach
memen Erfahrungen sehr häufig, das gefärbte und abgespülte, noch
nasse Präparat für eine Secunde in ganz dünne Essigsäure (1 Eisessig
-j- 200 Wasser) zu tauchen, es dann sofort mit viel Wasser abzuspülen
und hinterher mögKchst schnell zu trocknen.'^ Diese Essigsäure-
behandlung, welche weiter nichts bedeutex als eine ganz leichte
Entfärbungsprocedur (cf hinten, Abschnitt Vs, 5), befreit sehr häufig
die gefärbten Bakterienzellen von zufälKg anhaftenden, aus dem Nähr-
boden etc. stammenden, mitgefärbten verunreinigenden Anhängseln.
Nach der Färbung wird das Präparat auf den Objectträger auf-
gekittet (zur Conservirung „eingeschlossen"). Wir verwenden zu
diesem Zwecke fast ausschliesslich Canadabalsam.-j Der Canada-
balsam ist ein von bestimmen Coniferen stammendes terpentinähnliches
Harz, welches in äusserst zähflüssigem Zustande im Handel erscheint
^) Hierbei hat man darauf zu achten , dass auch die etwa zwischen den
Pincettenl^ranchen angesammelte Farbflüssigkeit durch Aussi^ülen der Branchen ent-
fernt werde.
") Nur selten werden andere Einschlussmittel verwandt. Mit Bisniarckbraun
gefärbte Präparate können auch in Glycerin, violett- oder fuchsingefärbte Präpa-
rate können auch in essigsaurem Kali (1 Theil auf 2 Theile Wasser) conservirt
werden (E. Koch, F. Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1877. p. 407). (Solche
Präparate müssen dann mit einem Lackrahmen versehen werden, welcher die
Conservirungsflüssigkeit nach aussen abschliesst. Am besten eignet sich Asphalt-
lack für diesen Zweck [eine Lösung von Asphalt in Leinöl und Terpentin]. Der
Lackverschluss mrd mit Hülfe eines Pinsels in der Weise hergestellt, dass sowohl
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 69
imd für unsere Zwecke erst verdünnt werden muss. Die Verdünnung
wurde früher hauptsächlich mit Terpentinöl oder mit Chloroform bewirkt.
Es hat sich aber gezeigt, dass diese beiden Körper sich gegen gefärbte
Objecte, namentlich gegen mit Anilinfarben gefärbte Bakterien, durch-
aus nicht gleichgültig verhalten. Sie wirken allmählich entfärbend.
Als durchaus indifferenter Körper hat sich jedoch in dieser
Hinsicht das Xylol erwiesen, und dieses würde ich deshalb ganz allein
zur Verdünnung des Balsams empfehlen. Das Xjdol, ein Dimeth}^-
benzol, ist eine leicht bewegliche, in ihrem Gerüche zwischen Benzol
und Bittermandelöl stehende Flüssigkeit, die, ohne Rückstand zu hinter-
lassen, verdunstet. (Zum Verdünnen des Balsams nimmt man die Hälfte
seines Volumens bis zum gleichen Volumen Xylol je nach dem Zwecke,
dem der verdünnte Balsam dienen soll.^ Für Deckglastrockenpräparate
braucht man einen dünneren, zum Conserviren von Schnitten einen
dickeren „Xylol-Balsam". )
Das Aufkitten des Trockenpräparates mit dem Xylol-Balsam auf
den Objectträger (oder das „Ein schli essen" des Präparates) wird
so ausgeführt, dass man auf die Mitte des reingeputzten Objectträgers
ein kleines Tröpfchen des Balsams^) bringt und dann, vorsichtig
und langsam, das Deckglas, mit der gefärbten Schicht nach unten, mit
einer feinen Pincette gefasst, mitten auf den Objectträger, d. h.
auf das Balsamtröpfchen legt. Benutzt man zu der letzten Manipulation
nicht die Pincette, sondern nur die Finger, so ist man genöthigt, im
letzten Moment das Deckglas fallen zu lassen; und es kommt dann
der Eand des Deckglases wie die angrenzenden Theile des Objectträgers von dem
bestreichenden Pinsel getroffen werden.) — Handelt es sieht nicht um Conservirung,
sondern nur um mikroskopische Besichtigung der gefärbten Deckglaspräparate, so
kann man auch Cedernöl oder (jedoch viel weniger zweckmässig) Wasser als
Einschlussmittel verwenden. — In einzehien seltenen Fällen kann es auch zweck-
mässig sein, die Präparate in Luft einzuschliessen (cf. weiter hinten in diesem Ab-
schnitt die Darstellung der Geisseifäden).
^) Der Balsam wird am besten Ln den (p. 50) beschriebenen kleinen weithal-
sigen Fläschchen mit (lose aufsitzender) ül)ergreifender Kappe aufbewahrt. In dem
Fläschchen steht permanent ein dünnes Glasstäbchen mit rund verschmolzenen Enden,
welches nach Abhebung der Kappe aus dem Fläschchen heraussieht , und mit Hülfe
dessen der Tropfen Balsam herausgehoben wird. Ganz unbrauchbar sind die (für
andere Keagentien ganz brauchbaren) sogenannten Cobaltflaschen für unseren Zweck;
sie ähneln den beschriebenen Flaschen, unterscheiden sich von denselben aber da-
durch, dass der Glasstab durch einen eingeschliffenen, nach unten in die Flasche
hinein verlängerten Stopfen ersetzt ist. Man wird diese Gefässe nach kurzem Ge-
brauche verwerfen; denn es ist bei ihnen nicht za vermeiden, dass der Balsam über
den Maschenrand herausquillt und die Aussenwand des Gefässes , den Tisch eto.
beschmutzt und verschmiert.
70 A. Allgemeines.
häufig zur Bildung kleiner Blasen^) innerhalb des Balsams, welche
unter Umständen geeignet sind, die Beobachtung des Präparates zu
stören. Unter dem Deckglase breitet sich der Balsam je nach seiner
Consistenz rascher oder langsamer aus und bildet schliesslich eine
Verbindung des Deckglases in seiner ganzen Ausdehnung mit dem
Objectträger. Man hüte sich übrigens, zu viel des Balsams auf den
Objectträger zu bringen. Begeht man diesen Fehler, so quillt der
Balsam unter den Eändem des Deckglases hervor, kommt dann bei der
nachherigen mikroskopischen Betrachtung eventuell mit dem Oel des
Immersionssystems zusammen, vermischt sich mit demselben, verändert
den Brechungsexponenten der Immersionsflüssigkeit, und man muss
sich dann der Mühe unterziehen, das Immersionssystem sowohl wie die
Oberfläche des Deckglases sauber (am besten mit Benzol oder Xylol)
abzuputzen, den überflüssigen Balsam zu entfernen, und kann dann
die Beobachtung von Keuem begiimen. Ein weiterer Verschluss des
aufgekitteten Präparates ist nicht nothwendig. Innerhalb weniger Tage
ist der Balsam ziemlich fest, innerhalb einer Reihe von Wochen an
den Eändem steinhart, und das Präparat ist dann ein echtes, wirkliches
Dauerpräparat. Die Färbung hält sich, wenn man die Präparate
im Dunkeln aufbewahrt, dauernd unverändert.
Es ist selbstverständlich, dass man unmittelbar nach der Herstellung
des Präparates dasselbe mit einer genauen Bezeichnung (am besten
wird dieselbe auf einem aufgeklebten Etikett^) angebracht) versieht,
welche die näheren Daten über die Herstammung des Materiales und
namentlich auch Datum imd Jahreszahl der Herstellung angiebt.
Will man übrigens ein Ti'ockenpräparat, welches vor längerer Zeit
gefärbt und in Canadabalsam eingeschlossen wurde, wieder von dem
Objectträger herunternehmen, z. B. um es auf einen anderen
Objectträger aufzukitten oder es mit einer anderen Farbe zu färben
(es „umzufärben") etc., so braucht man nur den Objectträger von
unten her über der Flamme leicht (nicht zu stark '^j) zu erwärmen.
Der Balsam wird sofort wieder etwas flüssiger, und man kann dann
mit einem kleinen Hölzchen oder Aehnlichem das Deckglas von dem
^) Bemerkt man in dem Balsamtropfen Blasen, bevor man das Deck-
glas auflegt, so kann man dieselben leicht dadurch entfernen, dass man sie mit
der Spitze des soeben in der Flamme erhitzten, noch heissen Platindrahtes berührt.
^) Man mache es sich (aus nahehegenden Gründen) zur Kegel, im bakterio-
logischen Laboratorium die aufzuklebenden Etiketts nicht anzulecken, sondern
sie auf irgend eine andere Weise mit Wasser anzufeuchten.
^) Es sei hier bemerkt, dass in Balsam eingeschlossene Bakterienpräparate, die
stark (etwa bis zu beginnender Blasenbildung des Balsams) erhitzt werden, die
Färbung hierbei verlieren.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtuiig. 71
01)jectträger herunterschieben und es ohne Weiteres mit einem neuen
Tröpfchen Balsam auf einen anderen Objectträger aufkitten. Beabsichtigt
man eine Umfärb ung, so wird das heruntergeschobene Deckglas
längere Zeit (am besten für 24 Stunden) in Xylol, das man zweck-
mässiger Weise mehrmals erneuert, gebracht, bis der Balsam vollkommen
heruntergelöst ist. Dann kommt das Deckglas in absoluten Alcohol
zur Entfernung des Xylols, dann in eine der weiter unten zu be-
sprechenden Entfärbungsflüssigkeiten, wird nach erfolgter Entfärbung
in Wasser abgespült und kann nun mit beliebiger Farblösung wieder
gefärbt, dann abgespült, getroclmet und wieder aufgekittet werden.
Nach dieser Abschweifung wollen wir uns unserem Trocken-
präparate wieder zuwenden, welches wir gefärbt, in Balsam ein-
geschlossen und damit zur Beobachtung fertig gemacht hatten.
Während wir zur mikroskopischen Betrachtung des hängenden Tropfens
aus genauer erörterten Gründen darauf angewiesen waren, uns zunächst
eine bestimmte Stelle des Präparates (nämlich den Rand des Tropfens)
aufzusuchen, um diese zu untersuchen, haben wir es zum Zwecke der
genaueren mikroskopischen Prüfung des gefärbten Trockenpräparates
nicht nöthig, eine solche bestimmte Stelle aufzusuchen. Das Trocken-
präparat stellt ein sehr dünnes, in horizontaler Ebene ausgebreitetes
Object dar, dessen einzelne Theile mehr oder weniger gieichwerthig
sind; und es ist deshalb gleichgültig, welche Stelle des Deckgiäschens
wir zunächst unter die Linse bringen, falls nur überhaupt an dieser
Stelle Theile der gefärbten Schicht vorhanden sind. Gewöhnlich legt
man deshalb das Präparat so auf den Objecttisch, dass die obere Linse
des Abbe'schen Apparates und das Deckglas concentrisch über einander
liegen, dass also die optische Axe des Mikroskopes durch die Mitte des
Deckgläschens geht. Dann wird ein Tröpfchen Cedernöl ^) auf die IVIitte
des Deckgiäschens gebracht und, ohne dass erst eine Beobachtung mit
schwachem System erfolgt, das Lnmersionssystem in der oben (p. 55)
beschriebenen Weise unter Benutzung des groben Tubustriebes in das
Oel hineingesenkt. Nachdem die Berührung der Linse mit dem Gel
erfolgt ist, wird, wie dies bei der Einstellung des hängenden Tropfens
^) Es sei gestattet, an dieser Stelle ein Wort über den Modus der Entfer-
nung des Cedernöls vom frischen Präparate nach der abgeschlos-
senen mikroskopischen Beobachtung zu sagen: Am besten begnügt man
sich zunächst damit, durch ein auf das Deckglas aufgelegtes Stückchen Eliesspapier
den flüssigen Ueberschuss des Oels herunterzunehmen. Der auf dem Deckglas ver-
bleibende Rest des Oels wird nach einigen Wochen, wenn der Balsam völlig fest
geworden ist und das Deckglas also fest am Objectträger haftet, mit einem in Benzol
oder Xylol getauchten Läppchen entfernt.
72 A. Allgeraeiues.
geschah, der Tubus Avieder etwas in die Höhe geschraubt, ohne dass
die Oelverbindung dabei auseinander reisst. Dann bringt man das Auge
über das Ocular und regulirt nun zunächst provisorisch die Spiegel-
stellung so, dass das Gesichtsfeld, in welchem zimächst ein Bild noch
nicht sichtbar ist, überhaupt nur eine gewisse HelKgkeit zeigt. Dann
wird durch vorsichtiges und langsames Herunterschrauben des Tubus
mit Hülfe des groben Triebes das Bild zum Erscheinen gebracht und
in dem Momente des Erscheinens der grobe Trieb verlassen und die
weitere feinere Einstellung des Bildes mit der Mikrometerschraube
vollzogen.
Nim ist zwar das Objectiv resp. der Tubus in die richtige Stellung
zum Objecte gebracht; das Bild wird aber nur in Ausnahmefällen sich
jetzt schon so zeigen, me wir es definitiv zu sehen "nünschen. Ein
wichtiger Punkt ist noch zu erledigen: die endgültige ßegulirung der
Beleuchtung. Wir hatten die Beleuchtung zunächst nur so ein-
gerichtet, dass überhaupt Strahlen der Lichtquelle, von dem Spiegel
reflectirt, durch das Abbe 'sehe Condensorsystem in das Objectiv ge-
langten. Es kommt jetzt noch darauf an, die Stellung des auf- imd
abwärts verschieblichen Abbe 'sehen Apparates so zu regulii'en, dass
der Vereinigungspunkt der aus ihm heraus in das Ob-
ject eintretenden Lichtstrahlen in dem Objecte selbst
liegt. Denn dies ist, Avie wir oben (p. 56) hervorgehoben haben,
zum Zustandekommen eines möglichst guten Bildes stets erforderlich.
Um diese zweckmässigste Stellung des Beleuchtungskörpers zu
finden, kann man sich entweder des Verfahrens bedienen, das wir oben
bei der Einstellung des hängenden Tropfens anwandten, und das darauf
beruht, dass man, indem man das Object mit schwachem Objectiv
ansieht, den Abbe'schen Apparat so stellt, dass das Bild der Licht-
quelle in der Objectebene direct sichtbar wird. Will man aber das
schwache Objectiv umgehen (und dies pflegt man bei der Betrachtung
gefärbter Trockenpräparate gewöhnlich zu thun), so findet man jene
zweckmässigste Stellung des Beleuchtimgskörpers auf eine etwas andere
Weise. Hat man nämlich zimächst, wie erörtert, überhaupt bei irgend
welcher Beleuchtung das Bild mit dem Lnmersionssj^stem möglichst
scharf eingestellt, so bringt man nun das Princip der maximalen
Beleuchtung zur Anwendung; d. h. man regulirt Abbe- und
Spiegelstellung gleichzeitig so, dass das Centrimi des Gesichtsfeldes
resp. das Object sich möglichst hell beleuchtet zeigt. Es ist klar,
dass dies Letztere nur dann zu Stande kommen kann, wenn die von
der Lichtquelle ausgehenden Strahlen sich genau in dem Objecte oder
in der Objectebene vereinigen. Das Princip, die Beleuchtung
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 73
maximal zu machen, ist also identisch mit dem Prin-
cipe, das Bild der Lichtquelle in das zu beobachtende
Object zu projiciren; und ich darf daher das Princip der
maximalen Beleuchtung, welches übrigens zuerst von mir ^) in
dieser Fassung aufgestellt resp. definirt worden ist, ganz allgemein für
das mikroskopische Arbeiten empfehlen.
N^och ein Wort über das rein manuelle Vorgehen bei dem Ein-
stellen dieser maximalen Beleuchtung: Vorausgesetzt, wir hätten
das Object mit dem Immersionssystem bei irgend welcher Beleuchtung
zunächst möglichst scharf eingestellt, so würden wir weiterhin nur an
der Spiegelstellung und an der Stellung des Abbe 'sehen Condensors
eventuelle Aenderungen vorzunehmen haben. Wir bringen dann die
linke Hand an den Trieb des Abbe'schen Apparates, die rechte an
die Spiegelfassung, richten den Spiegel zunächst so, dass die Mtte des
Gesichtsfeldes oder das Gesichtsfeld überhaupt möglichst stark beleuchtet
ist, mid schrauben nun den Abbe' sehen Apparat auf- oder abwärts,
je nachdem die Lichtstärke in der ersten oder in der zweiten Bewegungs-
richtung zunimmt, bis wir zum Maximum der Lichtstärke gekommen
sind. An der Spiegel Stellung nehmen wii- nur dann in den einzelnen
Momenten dieser Eegulirung der Abbe-Stellung Veränderungen vor,
wenn die Beleuchtung aus dem Gesichtsfelde herausgehen resp. nicht
centrisch bleiben sollte. Bei einem ideal construirten Mikroskope ist
dies allerdings nicht der Fall ; die meisten, auch die besten Instrumente,
zeigen aber Fehler in der Centrirung des Abbe'schen Condensors,
und diese werden durch geringe Aenderungen der Spiegelstellung
corrigirt. Nun würde noch feinste Einstellung der Bildschärfe mit der
Mikrometerschraube erfolgen; und dann ist die gesammte Disposition
des Mikroskopes die zweckmässigste , die unter den gegebenen Be-
dingungen möglich ist.
Man kann die maximale Beleuchtung noch auf eine andere Weise
einstellen: Nachdem man nämlich mit Hülfe des Immersionssystems
das Object zunächst bei irgend welcher Beleuchtung möghchst scharf
eingestellt, d. h. dem Objectiv die richtige Entfenmng vom Objecte
gegeben hat, entfernt man das Ocular aus dem Tubus (ohne den letz-
teren zu verstellen), blickt dann central in den Tubus, hinein und
disponii-t nun die Spiegelstellung und die Stellung des auf- und ab-
wärts verschieblichen Abbe'schen Beleuchtungskörpers so, dass die
obere Objectivlinse möglichst hell leuchtend erscheint, und dass der
Mittelpunkt der leuchtenden Partie mit dem Centrimi der Linse zu-
0 1. Auflage dieses Buches. 1S90. p. 56.
74 A. Allgemeines.
sammenfällt. Die hierzu nothwendigen Stellungen des Spiegels und
des A b 1d e ' sehen Apparates findet man durch Ausprobiren (Hin- und
Herschieben etc.) sehr leicht in wenigen Secunden. Bringt man nun
das Ocular in den Tubus zurück, so hat man nur noch event. die
letzte feine Einstellung der Bildschärfe an der Mkrometerschraube
vorzunehmen, um die zweckmässigste Disponirung des Mikroskopes für
den gegebenen Fall erreicht zu haben.
Dass wir bei der Einstellung des gefärbten Präparates keine
Abbiendung des Abbe' sehen Condensors vornehmen, sondern den-
selben voll zur Wirkung kommen lassen, ist nach den oben (p. 58)
über die Functionen des Abbe' sehen Apparates gegebenen Erörterungen
selbstverständlich. ^)
Das Verfahren der mikroskopischen Einstellung des
gefärbten T r o c k e n p r ä p a r a t e s wüi'de sich also folgendermassen
gestalten :
1) Position des Präparates auf dem Objecttisch so, dass etwa die
Glitte des Deckgläschens in der optischen Axe liegt.
2) Bringen eines Tropfens Cedemöl central auf das Deckglas.
3) Vorsichtiges Niederschrauben des Tubus mit Hülfe des gToben
Triebes bis zum Eintauchen des Immersionssystems in das Oel. Zurück-
schrauben des Tubus, ohne die Oelverbindung zu zerreissen.
4) Entferaung jeder Blendung unterhalb des Abbe'schen Apparates.
Stellung des Planspiegels so, dass das Gesichtsfeld (irgendme) beleuchtet
erscheint.
5) Vorsichtiges, langsames Xiederschrauben des Tubus mit Hülfe
des groben Triebes bis zum Erscheinen des Bildes.
6) Loslassen des groben Triebes und möglichste Scharfstellung
des Bildes mit Hülfe der jMikrometerschraube.
7) Herstellung der maximalen Beleuchtung durch Regulu'ung der
^) Arbeitet man bei Lampenlicht, so ist das Mkroskopiren bei der ge-
schilderten Beleuchtung, namenthch wenn man sch'^'ache Oculare verwendet, für ein
normales Auge höchst unangenehm. Das Auge wird durch die Fülle der Licht-
strahlen erheblich geljlendet. Man mache es sich, wenn man seine Augen lieb hat,
zur Eegel, bei der Beobachtung mit Lampenlicht und vollem Condensor stets
blaue Gläser zu benutzen (cf. p. 56, Anm. 2). Es ist nicht statthaft, das Licht
dadurch abzustumpfen, dass man den Condensor abblendet, oder dass man durch
vertikale Verschiebung des Condensors von dem Principe der maximalen Beleuchtung
abweicht. Denn in den beiden letzteren Fällen würde man mit engerem Beleuch-
tungskegel arbeiten, Diffractionssäume an den Contouren der Objecte erzeugen und
ein Zustandekommen des gewünschten (und für die meisten Zwecke unumgänglich .
nothwendigen) reinen Farbenbildes (cf. p. 59) vereiteln.
IV. Allgemeine Methodik der Batterienbeobachtung. 75
Abbe- und Spiegelstellmig nach einer der oben Q). 73) angegebenen
Methoden.
Hat man auf diese Weise eine Stelle des Präparates eingestellt,
so unterwirft man dieselbe der Besichtigung und kann dann, die eine
Hand am Präparate, die andere an der Mikrometerschraube, durch
Verschiebung des Präparates sich beliebige weitere Stellen des Präparates
zur mikroskopischen Anschauung bringen. An der Beleuchtung braucht
man währenddessen naturgemäss nichts zu ändera.
An einem solchen gefärbten Trockenpräparate zeigen sich nun
die einzelnen Bakterien, und zwar der Protoplasmakörper der-
selben, mehr oder weniger intensiv gefärbt. Sind die Hüllen
(cf. p. 9) stärker entwickelt, so kommen sie als weniger intensiv oder
auch als kaum gefärbter den Protoplasmakörper imigebender Hof deut-
lich zur Erscheinung (vgl. Taf. V, Fig. 27 ; Taf. XH, Fig. 67 und 69).
Häufig finden mr in einem gefärbten Trockenpräparate (und
dasselbe gilt auch fiir die später zu besprechenden Schnittpräparate)
nicht alle Indinduen (die zu derselben Art gehören) gieichmässig ge-
färbt. Neben solchen, deren Protoplasmakörper sich gieichmässig
intensiv tingirt hat, sehen wir andere, die unregelmässig, blass,
lückenhaft gefärbt erscheinen. Beispiele hierfür sieht man auf
Taf. n, Fig. 9, femer auf Taf. VI, Fig. 34. Es handelt sich hier mn
Individuen, die in D e g e n e r a t i o n begriffen oder vollständig degenerirt
sind, und deren Protoplasma damit die Fähigkeit verloren hat, sich
in der normalen Weise mit Fai'bstoffen zu beladen. Der Verlust der
Färbbarkeit lässt mit Sicherheit auf eingetretenen Tod schhessen
(R. Koch^)); andererseits ist es aber nicht statthaft, aus der erhalten
gebliebenen Färbbarkeit den Schluss zu ziehen, dass das Individuum
vor der Präparation noch völlig lebenski'äftig war, wie Untersuchungen
von B a u m g a r t e n und B r a e m -) gezeigt haben. — Wir haben hier
von unregelmässiger, lückenhafter Färbung gesprochen und dieselbe auf
Degeneration beziehen dürfen. Nicht zu verwechseln damit ist eine
andere färberische Erscheinung, welche man bei mannichfachen Bakterien-
arten, und zwar bereits bei jungen Reinculturen derselben, in denen
von einer Degeneration sicher keine Eede ist, beobachten kann:
Während (bei kurzer Behandlung des Präparates mit unseren Farb-
lösungen bei Zimmertemperatur, wie oben geschildert) \ie\e Bakterien-
zellen den Farbstoff kräftig aufgenommen haben und sich intensiv
gefärbt zeigen, sind andere, gleichgestaltete Zellen äusserst schwach
*) Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfections-Krankheiten. Leipzig.
1878. p. 53.
-) cf. Centralbl. f. klin. Med. 1888. No. 29.
76 A. Allgemeines.
gefärbt. Von einer lückenhaften, ungleichmässigen Auf-
nahme des Farbstoffs sieht man hier nichts. Ein Beispiel dafür
(junge T3-])husbacillencultur) zeigt Taf. YIII, Fig. 45. Es handelt sich
in solchen Fällen nicht um den Unterschied zwischen lebenskräftigen
Zellen einerseits und degenerirten andererseits, sondern es handelt sich
um lebenskräftige Zellen verschiedener Resistenz: die
blassgefärbten Zellen sind resistenter als die intensiv gefärbten. Be-
handelt man nämlich derartiges Material mit intensiver wirkenden
Färbungsproceduren (cf. weiter unten, Abschnitt IV, 5), so färben sich
die Zellen sämmtlich gleichmässig intensiv. Etwas Derartiges ist bei
degenerirtem Material niemals der Fall; hier ist eben die normale
Färbbarkeit verloren gegangen, und — mr mögen Färbungsproceduren
anwenden, welche wir wollen — es resultiren stets lückenhaft, un-
regelmässig oder auch gar nicht gefärbte Zellen.
Sind in dem Trockenpräparate Bacillen vorhanden, welche aus-
gebildete Sporen enthalten, so zeigen sich die letzteren als un-
gefärbte Körper innerhalb des Bacillenleibes, der im Uebrigen noch
ganz noraial gefärbt sein kann (cf. Taf. IV, Fig. 19 und 21; Taf. VE,
Fig. 37 und 40). Man hüte sich aber davor, jede ungefärbte Stelle in
einem gefärbten Bacillus als „Spore" anzusprechen. Die ausgebildete
Spore hat eine resistente Membran (cf. oben p. 16). welche auch dem
Eindringen von Farbstofflösungen einen sehr erheblichen AYiderstand
entgegensetzt. Aus diesem Grunde erscheinen im gefärbten Ti'ocken-
präparat die Sporen gewöhnlich ungefärbt; aber es können innerhalb
von Bacillen Stellen auch aus anderen Gründen ungefärbt bleiben"
z. B. wenn (wie wir eben auseinandergesetzt haben) das Protoplasma
bei beginnender Degeneration hier und da seine Färbbarkeit eingebüsst
hat. Ferner kommt es auch, wie Büchner^) gezeigt hat, vor, dass
bei dem Zutritte der Farblösung das Bacillenprotoplasma sich inner-
halb der Bacillenmembran etwas contrahirt-) und so eine ungefärbte
vacuolenartige Stelle entsteht. Zur sicheren Diagnose einer
„S p 0 r e" ist ausser der Beobachtung des Färbimgsverhaltens vor Allem
der iS'achweis der Keimfähigkeit des Gebildes nothwendig.
Hat man Blut auf Bakterien zu untersuchen, so kann man sich
mit Yortheil der geschilderten Methode der Darstellmig des gefärbten
Trockenpräparates bedienen. -"j Bei richtiger Erhitzung des Präparates
(gelegentlich der Fkirung) zeigen sich dann die Bakterien am inten-
1) Centralbl. f. Bakt. Bd. 4. ISSS. No. 1-2—13.
-) Vergl. oben p. 10 „Plasmolyse".
•*) Vergl. p. 67 (Empfehlung des Methylenblaus für die Untersuchung eiweiss-
haltiger Flüssigkeiten).
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 77
sivsten gefärbt, die rothen Blutkörperchen iii ihrer Gestalt erhalten
und weniger intensiv gefärbt, das Plasma wenig gefärbt. Mitunter
stört aber die Färbung der Blutkörperchen und des Plasma die Bakterien-
färbung resp. Bakterienbeobachtung, und es ist dann mit Vortheil ein
Verftihren anzuwenden, welches ich^) ursprünglich zur Färbung von
Recurrensspirillen in Blutpräparaten angegeben, dann aber zur Darstel-
lung von Bakterien in Blutpräparaten überhaupt^) empfohlen
habe. Dies Verfahren beruht darauf, dass durch Abspülen der getrock-
neten und fixirten Blutpräparate mit dünner (1 — 5 procentiger) wässe-
riger Essigsäurelösung das Haemogiobin aus den Blutscheiben extrahirt
und ein grosser Theil des Plasma von dem Griase heruntergewaschen
wird, ohne dass die Fixirung der Bakterien dabei leidet. Ti'ocknet man
hinterher die Schicht wieder, so kann man sie nun wie gewöhnlich
färben, und man erhält so eine ziemlich isolirte Färbung der
Bakterien; die Blutkörperchen erscheinen nur noch wie blosse
Schemen und stören das Bild der gefärbten Bakterien nicht mehr.
Fig. 70 auf Tafel Xu (Recurrensspirillen in Blut) ist nach einem auf
die beschriebene Weise hergestellten Präparate aufgenommen. Die eben
geschilderte Methode lässt aber manchmal im Stich, wenn die Blut-
schicht bereits vor sehr langer Zeit am Deckglas angetrocknet und das
Präparat in diesem Zustande aufbewahrt wurde. Das Plasma ist dann
so fest am Deckglase angetrocknet, dass es nicht gelingt, dasselbe mit
Essigsäurelösimg abzuspülen. Hier habe ich^) mit Erfolg folgenden
Kunstgriff angewendet: Ich behandelte so eingetrock-nete Schichten mit
2 — 3proc. wässeriger Pepsinlösung. Das Plasma wurde in km-zer
Zeit peptonisirt, die Bakterien blieben wohl erhalten und Hessen sich
hinterher gut färben.
Eine Doppelfärbung von Blut-Trockenpräparaten, die
Bakterien enthalten, erreicht man durch Behandeln der Präparate mit
einer Farblösung, die ein Gemisch von Methylenblau und Eosin dar-
stellt (Chenzinsky'sche'^j Eosin-Methylenblaulösung). Man
nimmt zweckmässig^) ein ganz frisch bereitetes Gemisch von
2 — 3 Vol. gesättigter wässeriger Methylenblaulösung,
1 Vol. ^/gproc. Eosinlösung in 70 bis 75proc. Alcohol,
2 Vol. Wasser.
^) Fortschritte d. Medicin. 18S5. p. 755.
-) Deutsche med. Wochenschr. 1887. No. 22.
") Deutsche med. Wochenschr. 1887. No. 22.
^) Chenzinsky (Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 15) hat (Uese Mischung
zuerst, und zwar zur Färbung von Malariablut-Präparaten, angegeben.
^) cf. die Arbeiten von Plehn (Aetiologische und klinische Malariastudien.
BerUn 1890) und von Canon (Virch. Arch. Bd. 131. 1893. p. 404).
78 A. Allgemeines.
Auch die weiterhin noch zu besprechende Gram' sehe Methode
lässt sich bei geeigneter Xatur der Objecte für Deckglastrockenpräparate
(speciell auch für Bhitpräparate) verwenden.
Zur mikroskopischen Darstellung von Mikroorganismen im
Hörn ge webe hat Unna\) folgende Methode angegeben: Die be-
treffende Hornschuppe (Kruste, Comedo etc.) wii'd auf einen Objectträger
gelegt und mit einem Tropfen starker Essigsäure befeuchtet. Ein zweiter
Objectträger wii'd auf den ersten gelegt, und es wird durch Drücken
und Reiben der beiden Objectträger gegen einander das in der Essig-
säure aufquellende Material zu einem Brei zerrieben. Die Objectträger
werden dann von einander gehoben und zur Verdunstung der Essig-
säure rasch über der Flamme getrocknet. Die ziemlich abgekühlten,
aber noch warmen Objectträger werden, nach einander, mit etwas
Aether-Alcohol-jMischung begossen, welche das Fett aus dem angetrock-
neten Materiale extrahirt; die ablaufende fetthaltige Flüssigkeit wird
von einem Handtuche aufgesogen, mit Hülfe dessen man den Object-
träger zwischen den Fingern hält. Das entfettete Material wird mit
Methylenblaulösung '^j unter gelinder Erwärmung gefärbt, mit Wasser
abgespült, mit dünner Essigsäurelösung (oder anderen passenden Mitteln)
differenzirt % mit Wasser oder Alcohol oder beiden abgespült, über der
Flamme getrocknet*) imd in Balsam eingeschlossen. Unna nennt so
hergestellte Präparate „ D r u c k p r ä p a r a t e".
Den folgenden Abschnitten vorgreifend wollen wir hier schon
darauf aufmerksam machen, dass eine jede Färbung bei höherer
Temperatur schneller vor sich geht und unter Umständen überhaupt
bessere Resultate giebt als die Färbung bei niedrigerer Temperatur. '")
Von dieser Thatsache kann man manchmal bei der Darstellung von
Trockenpräparaten Gebrauch machen. Findet man nämhch, dass sich
ein bestimmtes Material (cf. oben p. 76 die Bemerkungen über resis-
tentere Zellen) bei der gewöhnlichen geschilderten Behandlung nur
massig färl)t, dass die Bakterienzellen sich im Allgemeinen oder z. Th.
^) Die Färbung der Mikroorganismen im Horngewebe. Hamburg und Leipzig.
1891.
-) Unna vera'endet folgende Lösung : Borax und Methylenblau ana 1,0, destil-
lirtes Wasser 100,0.
^) Ueber „Differenzirung" der Färbung siehe weiter unten (Abschnitt IV, 4).
*) cf. hierzu das über ,,Antrockuungsmethode" im nächsten Abschnitt (IV, 4)
Gesagte.
^) Dies entspricht der oben (p. 35) erwähnten wichtigen Thatsache, dass ein
jedes chemische Desinfectionsmittel bei höherer Temperatur energischer wirkt als bei
niedrigerer. So wie das Desinfectionsmittel l^ei der höheren Temperatur schneller in
die BakterienzeUe eindringt, so thut dies auch der Farbstoff.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 79
nur schlecht mit Farbstoff beladen, so kann man oft ganz gute Bilder
erzielen, wenn man das mit der Pincette gehaltene, fixirte und mit
Farbstofflösung bedeckte Deckgläschen für wenige Secunden mitten in
die Gas- oder Spiritusflamme bringt. Die Farbflüssigkeit fängt dann
an zu dampfen und wird, ehe sie einzutrocknen beginnt, mit Wasser in
der gewöhnlichen Weise heruntergespült.
Durch die bisher geschilderten Methoden, gefärbte Trockenpräparate
darzustellen, wii'd, wie bereits besprochen, das Bakterienprotoplasma
gefärbt; auch die Hülle nimmt oft in gewisser Weise Färbung an.
Ungefärbt hingegen bleiben fast ausnahmslos^) die Geis seif ä den, die
Bewegungsorgane der eigenbewegiichen Bakterienarten (cf. oben p. 14).
Methoden, Geisseifäden an Bakterien zur Anschauimg zu bringen,
wurden zuerst von E. Koch angegeben. Koch wies diese Gebilde zu-
nächst an einigen Spirillen- und Bacillenarten nach, die, am Deck glase
angetrocknet, ungefärbt und ohne Zusatz einer Einschlussmasse
bei bestimmter Beleuchtung die Geisseifäden sehr deutlich erkennen
liessen.2) Durch eigene Versuche habe ich mich davon überzeugt, dass
es bei solchen Bakterienarten, welche nicht zu zarte, sondern relativ
kräftige Geissein besitzen, ein Leichtes ist, die letzteren im ungefärbten
Präparate zm* Anschauung zu bringen. Die in AVasser suspendirten
Bakterien werden in dünnster Schicht auf dem Deckglase ausgebreitet ;
man lässt die ausgebreitete Wasserschicht verdunsten und befestigt
das Deckglas dann so auf einem Objectträger , dass es, die Bakterien-
schicht nach unten gekehrt, nüt seinem Bande auf einem Rähmchen
von dünnem Papier ruht, welches mit dem Objectträger sowohl wie mit
dem Deckglas durch Canadabalsam verbunden wii'd. Auf diese Weise
stellt man sich leicht Dauerpräparate her, bei denen das am Deckgiase
haftende Bakterienmaterial in einer (nach aussen hin abgeschlossenen)
Luftschicht eingeschlossen ist. Bei Anwendung von Oelimmersion,
Abbe'schem Condensor und mittelweiter Blende sieht man dann bei
passendem Material (siehe oben) ohne Weiteres die Geisseifäden. Ein
Beispiel zeigt Fig. 1 5 auf Taf. IH. Das Präparat, aus faulendem Stroh-
^) Eine Ausnahme in dieser Beziehung machen solche Bakterieuarten , die
ausserordenthch kräftige, nach den specifischen Geisselpräparationsmethoden unter
allen Umständen leicht darstellbare GeisseLn besitzen. Hierhin gehört z. B. Spirillum
Undula, dessen Geissein auf Taf. III, Fig. 15 und 16, dargestellt sind. Diese Art,
im Trockenpräparate mit einer gewöhnlichen wässerig-alcoholischen Farbstofflösung
behandelt, zeigt sehr häufig (nicht in jedem Präparate) die Geissein ohne Weiteres
gefärbt. Neuerdings hat Bessert (Centralbl. f. Bakt. Bd. 16. 189-1. p. 346) über
gelungene Geisseifärbung bei einfacher Anwendung wässerig-alcoholischer Farblösungen
auch bei anderen Bakterienarten (mit zarteren Geissein) berichtet.
2) F. Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pü. Bd. 2. 1877. p. 404, 416—417.
80 A. Allgemeines.
infus hergestellt, zeigt Spirillum Undula und grosse Bacillen mit Geissei-
fäden bei lOOOfaclier Yergrössernng.
Einschalten möchte ich hier, dass es nur — bei sehr grossen
Spirillen mit sehr ki'äftigen Geissein — mehrmals gelungen ist, die
letzteren im hängenden Wassertropfen zu sehen. Diese Beob-
achtung, welche, soviel mir bekannt, von anderer Seite bisher nicht
gemacht worden ist, zeigt, dass die Substanz der Geisseifäden bei den
in lYage kommenden Arten ein Lichtbrechungsvermögen besitzt, welches
das des Wassers erheblich übertrifft. Im Allgemeinen sind die Geissei-
fäden — selbst bei ki-äftiger Ausbildung — bei der Beobachtung des
Materials im hängenden Tropfen unsichtbar; ohne Zweifel deshalb,
weil sie sich in ihrem Brechungsvermögen von dem Wasser meist nur
ganz unerheblich unterscheiden.
Eine Methode, Geisseifäden zu färben, wurde ebenfalls zuerst
von R. Koch ermittelt. Die Färbung gelang mit gesättigter wässe-
riger Lösung von Ex tr actum campechianum^); mit Anilinfarben
färbten sich die Geisseifäden nicht. -j Lmnerhin hat man mit Hülfe der
von Ko-ch angegebenen Methoden nur bei wenigen Arten beweglicher
Bakterien Geisseifäden nachzuweisen vermocht.
Ln Jahre 1889 ist dann von Loeffler'^j ein Verfahren gefimden
worden, welches die Geissein der Färbung mit Anilinfarben
ganz allgemein zugänglich gemacht und eine ganz universelle Darstell-
barkeit dieser Gebilde ermöglicht hat. Loeffler behandelt die Trocken-
präparate zunächst mit einer Beize; dadm'ch werden die Geissein
befähigt, Anilinfarbstoflfe aufzunehmen.
Das Loeffler 'sehe Gei s s elf ärbungs verfahren, welches
der Autor später^) noch verbessert hat, gestaltet sich in dieser ver-
besserten Form folgendermassen : Das Bakterienmaterial wird, möglichst
frei von schleimigen oder eiweisshaltigen Beimengungen und möglichst
frei von anhaftender Gelatine, mit Hülfe eines Tröpfchens reinen Wassers
in recht dünner Schicht mittels des Platindrahtes auf dem absolut
sauberen Deckglase •^) ausgebreitet. Man lässt die Schicht luft-
trocken werden und fixirt das Präparat in der gewöhnlichen Weise, indem
1) Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1877. p. 419.
") cf. hierzu p. 79, Anm. 1.
3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. No. 8/9.
*) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. No. 20.
'") Am besten erreicht man diese Beschaffenheit des Deckglases, wenn man,
wie bereits oben (p. 50, Anm. 2) angegeben, das mit Alcohol abgeputzte und dann
getrocknete Deckglas in der Flamme stark erhitzt. Nach dem Erkalten kann es
dann benutzt werden.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 81
man es drei Mal durch die Flamme zieht (p. 63). Zu starkes Erhitzen
hat man hierbei sorgfältig zu vermeiden. Darauf filtrirt man auf das
mit einer Pincette horizontal gehaltene Deckglas so viel einer (weiter-
hin noch zu besprechenden) Beizflüssigkeit auf, dass das ganze
Gläschen davon bedeckt ist, und lässt diese Flüssigkeit kurze Zeit
(^/.2 bis 1 Mnute) auf das Bakterienmaterial einwirken. ^) Dann spült
man mit reinem Wasser (am besten unter dem dünnen Strahle der
Wasserleitung) das Deckgiäschen sorgfältigst ab. Nun bläst man das
an der Schicht noch anhaftende Wasser heruntör (cf. p. 68) und trocknet
das Grläschen in der gewöhnhchen Weise, als ob man es in Balsam ein-
schliessen wollte. Darauf fasst man das Gläschen wiederum mit der Pin-
cette und bringt einige Tropfen einer passenden-) Farblösung auf
die zu färbende Schicht. Es folgt leichte Erwärmung über der Flamme
(bis die Farblösung Dämpfe zu entwickeln beginnt); nach mehreren
Minuten spült man die Farbflüssigkeit mit AVasser sorgfältig ab, trocknet
das Präparat in gewohnter Weise und schliesst es in Xylolbalsam ein.
Zur Herstellung der Beize löst man (unter Erwärmen) 2 g
Tannin in 8 ccm Wasser und setzt der Lösung 5 ccm einer kalt
gesättigten wässerigen Ferrosulfat- (Eisenvitriol-) Lösung und 1 ccm
einer gesättigten alcohoHschen Fuchsinlösung hinzu. Nach dem Um-
schütteln ist die Beizflüssigkeit ohne Weiteres"') gebrauchsfähig, und
') Loeffler hat angegeben, dass die Beize unter massiger Erwärmung
einwirken soll: Man hält das Deckglas in einiger Entfernung über die Flamme, bis
die Flüssigkeit schwach zu dampfen beginnt. Nach meinen Erfahrungen kann man
die Erwärmung der Beize völlig entbehren. Die bei Zimmertemperatur ein-
wirkende Beize giebt eben so gute Eesultate wie die ganz massig erwärmte.
Auf jeden Fall hat mail sich vor zu starker Erhitzung der Beize auf das Sorgfältigste
zu hüten, weil sonst die Präparate unweigerhch verdorben werden.
') Vergl. die über diesen Punkt im Text oben weiter folgenden Bemerkungen.
^) Loeffler (1. c.) hat angegeben, dass die so bereitete Beize wohl für manche
Bakterienarten ohne Weiteres zu gebrauchen sei, dass aber die meisten Arten
noch eines Zusatzes zur Beize bedürften, der die chemische Eeaction der letz-
teren verändert: einzelne Ai-ten erforderten eine sauer reagirende Beize, andere eine
alkalisch reagirende, damit ihre Geissein fähig würden Anihnfarbstotfe aufzunehmen.
Ich habe mich von der Stichhaltigkeit dieser Forderung nicht überzeugen köimen.
Es scheint mir auf die Eeaction der Beize nicht in der von Loeffler ausgesprochenen
Weise anzukommen. An den nach Loeffler so ausserordentlich empfindlichen
Typhusbacillen z. B., behufs deren Geisseharbung ein ganz bestimmter, tropfenweise
abgestimmter Zusatz von 1 proc. Natronlauge zur Beize nothwendig sein sollte, gelang
es mir (3. Aufl. dieses Buches. 1893. p. 76) ohne Weiteres mit einer durch Schwefel-
säure kräftig angesäuerten Beize die Geissein darzustellen. Auch Luksch (Centralbl.
f. Bakt. Bd. 12. 1892. p. 430) hat diese Erfahrung gemacht. Offenbar kommt es
zum GeHngen der Geisseifärbung im Allgemeinen auf andere Dinge viel mehr an
als auf die Eeaction der Beize. (Siehe oben im Text weiter.)
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. (i
82 A. Allgeraeines.
sie hält sich dann "Wochen und Monate lang in diesem gehranchs-
fähigen Zustande. ^)
Damit die Geisseifärbung nach der geschilderten Methode gelingt,
hat man noch eine Eeihe von wesentlichen Punkten zu beachten. Der
wichtigste, allerwesentlichste Punkt, auf den es zum Gelingen der
Geisseifärbung ankommt, ist die passende Beschaffenheit des
Bakterienmaterials. Wenn wir eine eigenbewegiiche Bakterien-
art cultinren und die Cultm* in verschiedenen Stadien ihres AVachs-
thums untersuchen, so finden wir durchgehend, dass die Bakterienzellen,
so lange die Cultur noch sehr jung ist, mehr oder weniger lebhafte
Eigenbewegung zeigen, und dass mit zunehmendem Alter der Cultur
diese Eigenbewegung allmähhch träger wird. Femer bemerkt man, dass
in der ganz jungen Cultur die Eigenbewegung ein Attribut aller oder
der meisten Zellen ist, während bei dem Aelterwerden der Cultur all-
mählich immer mehr und mehr Zellen die Eigenbewegiichkeit verlieren
und dann nur noch hier und da einzelne Zellen diese Eigenbewegung
darbieten. Schliesslich kommt dann ein Zeitpunkt, wo die Eigenbewegung
überhaupt völhg erloschen ist. Das braucht aber durchaus noch nicht
zu bedeuten, dass die Cultur abgestorben ist. Ohne Zweifel handelt
es sich hier nur um die ersten Zeichen der Degeneration; eine Ueber-
tragung auf fiischen Nährboden hat in diesem Zeitpunkte gewöhnlich
wieder die Entwickelung einer frischen, lebenskräftigen, eigenbewegiichen
Cultur zur Folge. Für das praktische Vorgehen bei der Herstellung
eines Geisseipräparates ergiebt sich aus dem Vorhergehenden, dass es
ausserordentUch darauf ankommt, in welchem Zeitpunlrte eine bestimmte
Cultur zm- Präparation verwendet wird. Denn wir werden nur dann
erwarten dürfen, im mikroskopischen Präparate die Geisseifäden gut zu
Gesicht zu bekommen, wenn dieselben überhaupt in lebenskräftigem
Zustande vorhanden sind. Bestimmte a 1 1 g e m e i n e Vorschriften lassen
sich bezüglich des für die Präparation passenden Zeitpunktes nicht geben:
denn die eine Bakterienart wächst (ceteris paribus) schneller als die
andere ; bei der ersteren werden degenerative Zustände also auch früher
eintreten als bei der letzteren. Es giebt aber ein sehr einfaches
^) Bunge (Fortschr. d. Med. 1S94. No. 12, 17, 24) hat (im Institut von
Eberth) die Loeffler'sche Beize in folgender Weise modificirt: Er vermischt
3 Theile gesättigter wässeriger Tanninlösung mit 1 Theil einer wässerigen Ver-
dünnung (1:20) von Liquor ferri sesquichlor. Zu je 10 ccm der Mischung giebt er
1 ccm einer gesättigten wässerigen Fuchsinlösung. Zu einem kleinen Quantum der
(einige Tage alten) Flüssigkeit werden (1. c. p. 933) einige Tropfen Wasserstofl-
superoxydlösung gegeben bis zur Eothbraunfärbuug. Die so fertig gestellte Beize
wird gut umgeschüttelt und dann auf die Präparate filtrirt.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 83
Mittel, sich davon zu überzeugen, ob eine vorliegende Cultur momentan
für die Präparation der Geisseifäden geeignet ist, d. h. ob sie gerade jetzt
lebenskräftige Geissein aufweist: die Untersuchung des Materials im
hängenden Tropfen. Finden wir hierbei die Bakterien in frischer,
lebendiger Bewegung, so ist das ein Zeichen dafür, dass lebenski'äftige
Geissein vorhanden sind; ist die Bewegung eine matte und träge, so
sind bereits degenerative Zustände vorhanden, und wir brauchen in
diesem Falle gar nicht erst den Versuch der Geisseifärbung zu machen.
Im Allgemeinen eignen sich also, wie aus dem Gesagten hervorgeht,
möglichst junge Cultur en relativ am besten für die Darstellimg
der Geisseifäden. Ferner ist, wie ich gefunden habe, auch das Alter
des zur Herstellung der Cultur benutzten Nährbodens nicht gleich-
gültig: Je älter der Nährboden, d. h. je mehr eingetrocknet derselbe
ist, desto weniger energisch ist (ceteris paribus) das Wachsthum der
darauf ausgesäeten Bakterien, desto weniger lebensln-äftig verhalten sich
die einzelnen Individuen. Die zu benutzenden Nährböden sollen
also möglichst frisch hergestellt sein.
Ein zweiter wichtiger Punkt, auf den übrigens Loeffler gleich
von Anfang an hingewiesen hat, ist der, dass das Bakterienmaterial in
möglichst dünner Schicht und in möglichst reinem Zustande
auf dem Deckglase ausgebreitet wird. Anhaftende schleimige oder
eiweissartige Beimengungen, anhaftende Gelatine etc. färben sich stets
mit und machen dadurch die Präparate unbrauchbar. Aus diesem
Grunde empfiehlt es sich gewöhnlich nicht, das Material aus Gelatine-
culturen zu entnehmen. Auch Bouillonculturen sind nicht zu gebrauchen,
wenn man saubere Präparate hal)en will. Dagegen eignen sich vortrefflich
Agar-Oberflächenculturen; das Material lässt sich von diesen leicht
ohne Verletzung des Nährbodens entnehmen, und man bekommt hier die
Bakterienzellen so rein, wie es überhaupt möglich ist.
Was die Wahl der Farblösung angeht, die man nach der
Beizung des Materials anzuwenden hat, so ist im Allgemeinen zu sagen,
dass sich unsere kemßirbenden Anilinfarbstoffe sämmtlich zur Geissei-
färbung benutzen lassen, und dass auch alle Lösungen dieser Farb-
stoffe, die man sonst für die Zwecke der Kern- (resp. Bakterien-) Färbung
anwendet, ^ ) zum Zwecke der Geisseifärbung zu gebrauchen sind. Man
wird natürlich in jedem Falle, wenn man zwischen zwei Farblösvmgen
zu wählen hat, der intensiver färbenden den Vorzug geben. Loeffler
hat als besonders geeignet für den vorliegenden Zweck gesättigte
Lösungen der Violette (cf. p. 66j oder des Fuchsins in
') cf. weiter hinten ' Abschnitt IV, 5.
G*
84: ^^- Allgemeines.
xlnilinwasser^) empfohlen. Ich finde, dass sich auch die gewöhn-
lichen wässerig-alcoholischen Farbstofflösungen (cf.
oben p. 66), sofern sie nur ganz frisch hergestellt sind, vor-
trefflich für die Färbung der Geisseifäden eignen. Die besten Resul-
tate bekam ich stets mit der mit Fuchsin hergestellten Lösung.-)
Fassen wir das über die Loeffler'sche Greisseifärbung
Gesagte in der Form eines kurzen Eeceptes zusammen, so würde sich
die Herstellung eines Geisseipräparates in folgender Weise
gestalten :
1) Das event. zu benutzende Material (welches am besten von
ganz jungen Agar - Oberflächenculturen , die auf frisch hergestelltem
Nährboden angelegt wurden, entnommen wird) wird im hängenden
Tropfen geprüft. (Nur im Falle vorhandener lebhafter Beweglichkeit
der Bakterienzellen eig-net sich dasselbe für die Geisseifärbung.)
2) Das bei der Untersuchung im hängenden Tropfen als geeignet
befundene Material wird in möglichst dünner Schicht und in möglichst
reinem Zustande (cf. oben p. 83) auf dem absolut sauberen Deck-
glase (cf. oben p. 50, Anm. 2) ausgebreitet. Man geht hierzu, falls es
sich um eine A g a r r e i n c u 1 1 u r handelt, am besten so vor, dass man
auf das Deckglas mit Hülfe des Platindrahtes oder der Platinöse zu-
nächst ein kleines Tröpfchen frischen, reinen Leitungswassers giebt. Li
das Tröpfchen hinein tupft man (unter einmaliger kurzer Berührung)
die Spitze des mit dem Bakterienmaterial versehenen Platindrahtes.
Man glüht den am Drahte hängen gebliebenen Bakterienüberschuss
aus, lässt den Draht erkalten und benutzt ihn dann zum Ausbreiten
der Bakteriensuspension auf dem Deckglase (cf. p. 62). Handelt es
sich nicht um Eeinculturen, sondern um b a k t e r i e n h a 1 1 i g e I n f u s e ,
die man präpariren will, so ist die Verdünnung des Materials mit
Wasser gewöhnlich überflüssig.
3) Man lässt das Material antrocknen und fixirt das Präparat,
^) Die Darstellung des Anilinwassers ist weiter unten in Abschnitt IV, 5
beschrieben. Zu 100 ccm Anilin wasser giebt man 4 — 5 g des gepulverten Farb-
stoffes. Man schüttelt dann öfters um und erhält so in kurzer Zeit die gewünschte
Farblösung. Eventuell kann man zu der letzteren noch eine geringe Menge Natron-
lauge (1:1000) zufügen. — Beim Gebrauche werden diese Lösungen, da sie dazu
neigen, ,, Farbstoffniederschläge" (cf oben p. 66) auf die Präparate ausfallen zu lassen,
auf die letzteren auffiltrirt.
") Das Fuchsin (crystallisirtes salzsaures Eosanüin) ist ein sQhr reiner, stets
in derselben gleichmässigen Beschaffenheit im Handel zu habender Farbstoff. Anders
verhalten sich die Violette, welche in den verschiedensten Sorten vorkommen ; ich
habe gelegentlich Proben angetroffen, bei deren Anwendung gute Geisseifärbung
überhaupt nicht zu bekommen war.
IV. AUgemoinc Methodik der Bakterienbeobachtung. 85
indem man es (nnter Vermeidung zn starker Erhitzung [cf. oben p. 81])
drei Mal durch die Flamme zieht.
4) Man tiltrirt einige Tropfen der Loeffl er 'sehen Beize (cf. oben
p. 81) auf das horizontal gehaltene Deckglaspräparat und lässt die
Beize 1/2 ^^i^ ^ Minute einwirken. Erwärmung ist hierbei nicht nöthig,
event. sogar schädlich {cf. p. 81, Anm. 1).
5) Man spült die Beize, am besten mit dem dünnen Strahle der
Wasserleitung, sorgfältig ab und trocknet das Präparat in der gewöhn-
lichen Weise durch Abblasen etc. (cf. oben p. 68).
6) Entweder: Man filtrirt einige Tropfen einer gesättigten
Lösung von Violett oder Fuchsin in Anilinwasser (cf. oben p. 84,
Anm. 1) auf das horizontal gehaltene Deckgiaspräparat
oder: Man giebt mit Hülfe der Pipette (ohne Filtration) einige
Ti"opfen einer fiisch hergestellten wässerig-alcoholischen Fuchsinlösung
(cf. p. 84) auf das Deckglas
und ei'wärmt das letztere dann über einer Flamme massig bis zu be-
ginnender Dampfbildung. Man lässt die warme Farblösung noch
c. 1 Minute einwirken und spült sie dann mit Wasser sorgfältig ab.
7) Man trocknet das Präparat schnell und schliesst es in Xylol-
balsam ein.
Nach der geschilderten Methode sind die Präparate gefärbt, welche
den Photogramnien Taf. III, Fig. 16 (Spirillum Undula mit Geissei-
büscheln), Taf. ni, Fig. 17 (grosse Bacillen mit Geisseibüscheln).
Taf. ni, Fig. 18 (grosse Vibrionen mit Geissein), Taf. Vni, Fig. 46
(Typhusbacillen mit Geissein), Taf. X, Mg. 57 (Choleravibrionen mit
Geissein) zu Grunde liegen.
Zu bemerken ist, dass die geschilderte Loeffler'sche Geissel-
färbungsmethode, wenn man auch alle von uns erörterten Cautelen be-
rücksichtigt, sich in der Praxis immerhin als ein difficiles, in den
Resultaten nicht ganz sicheres Verfahren darstellt. Vor Allem gelingt
es nur ganz ausnahmsweise, ein Präparat so herzustellen, dass alle
einzelnen Stellen desselben das durchmusternde Auge befriedigen; auf
der anderen Seite ist es allerdings ebenfalls eine Seltenheit, dass ein
sorgfältig hergestelltes Präparat gar keine „guten Stellen" enthält.
Die Loeffler'sche Geisselfärbungsmethode färbt nicht nur die
Geissein der Bakterien und ihren Protoplasmakörper, sondern sie
färbt überhaupt die gesammte Bakterienzelle in allen ihren einzelnen
Theilen. Während bei der gewöhnlichen Behandlung der Präparate
mit basischen Anilinfarbstoffen nur der Protoplasmakörper (der Kern)
der Bakterienzelle gefärbt wird, die Hülle nur in seltenen Fällen ganz
leichte Färbung annimmt, so tingirt sich bei der Behandlung mit der
86 A. Allgemeines.
Loeffler' sehen Methode stets auch die Membran, die Hülle der Bak-
terienzelle, und zwar meist (aber nicht immer) in gleich intensiver
Weise wie der Protoplasmakörper. Ist bei einem bestimmten Bakterien-
material die Färbung von Hülle und Protoplasmakörper gleich intensiv
ausgefallen, so resultiren füi- das Auge dickere Bakterienzellen, als sie
erhalten werden, wenn das Material mit den einfachen, gewöhnhchen
Färbungsmethoden behandelt wird. (Eine Illustration des Gesagten
giebt ein Vergleich der Figuren 55 und 57 auf Taf X. In Fig. 55
haben wir CholeraA-ibrionen , welche einfach mit Fuchsin gefärbt sind.
Hier ist also nur der Protoplasmakörper, der Kern der einzelnen Zellen
gefärbt. In Fig. 57 haben wir dieselben Organismen, nach der
L 0 ef f 1er' sehen Geisselfärbungsmethode behandelt: hier ist die Hülle
mitgefärbt. Dieselben Organismen erscheinen in Fig. 57 also dicker
als in Fig. 55.) Häufig findet man aber, dass die Hülle der Bakterien-
zellen bei der Loeff er 'sehen Geisselfärbungsbehandlung sich nicht
mit gleicher Intensität vne der Protoplasmakörper, sondern erheblich
schwächer färbt. Man erhält in solchen Fällen oft ausserordentlich
schöne, die Hülle von dem Kern der Bakterienzellen dif-
ferenzirende, Bilder.
Eine von der Loeffl er 'sehen im Prineip verschiedene Methode
der Darstellung der Geisseifäden hat (1893) van Erm engem ^) an-
gegeben.
4. Beobachtung der Bakterien in Schnitten. Allgemeines
über Schnittbehandlung.
Will man Bakterien in Schnitten thierisehen Gewebes
zur Darstellung bringen, so werden die Schnitte am besten gewissen
Methoden der Färbung unterworfen. Wie wir sehen werden, gelingt
es so stets, im Gewebe vorhandene Bakterien nachzuweisen. Un-
gefärbt lassen sieh die Bakterien in Schnitten nur sehr schwer naeh-
*) Travaux du laboratoire d'hygione et de bacteriol. de l'üniversite de Gand.
t. 1. 1S93; ref. Centralbl. f. Bakt. ' Bd. 15. p. 969. — Diese Methode behandelt
das Material zunächst mit einer Beize, welche Osmiumsäure und Tannin enthält
(„Bain fixateur") , dann, nach Spülung mit Wasser und Alcohol, mit schwacher
Silbernitratlösung („Bain sensibilisateur") , darauf, ohne vorherige Abspülung, mit
einer Lösung von Gallussäure, Tannin und Kaliumacetat („Bain reducteur et ren-
for^ateur"), endlich wiederum mit Silbernitratlösung; schliesslich werden die Präparate
abgespült, getrocknet und in Balsam eingeschlossen. Die Geissein färben sich bei
dieser Behandlung dunkelbraun. (Nähere Details siehe an der citirten Stelle.)
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobacbtung. 87
weisen. Die Bakterien sind im natürlichen Zustande ebenso ungefärbt
wie die Gewebstheile; durch die Contouren der letzteren werden die
Contouren der Bakterien verdeckt, und es gelingt, auch bei den grössten
Formen, nie, in einem ungefärbten Schnitte Bakterien zu sehen, ohne
dass derselbe eingreifenden Proceduren durch Einwirkung
besonderer Reagentien unterworfen wird. Die Bakterien sind
mm im Gegensatz zu dem thierischen Gewebe durch eine erhebliche
Resistenz gegen Säuren u n d A 1 k a 1 i e n ausgezeichnet, und man
kann daher dadurch, dass man die Schnitte mit derartigen Reagentien
behandelt, d. h. dass man die Gewebstheile mehr oder weniger zer-
stört, Bakterien zu sehen bekommen. Am besten eignet sich als
Reagenz verdünnte Kalilauge, in der der Schnitt (unter dem
Deckglase) stark erwärmt wird. Die Gewebstheile werden hierbei zer-
stört, die Bakterien treten hervor. Immerhin sind diese Manipulationen
umständlich und führen doch nur sehr bedingungsweise zu einem
Resultat. Man kann auf solche Weise wohl grosse Formen (z. B. Milz-
brandbacillen) sichtbar machen, auch grosse zusammenhängende Mikro-
coccenhaufen zur Darstellung bringen; aber „manche, namentlich sehr
kleine Bakterien werden durch diese Reagentien ebenso zerstört oder
verändert wie die thierischen Gewebe, und auch in letzteren finden
sich oft unbestimmbare Körnchen, die durch Säuren und Alkalien nicht
beseitigt werden" (R. Koch^)). Ausserdem macht die bei den ge-
nannten Proceduren unvermeidliche Schädigung des Gewebes
eine Beurtheilung der Lageverhältnisse der Bakterien im Gewebe voll-
ständig unmöglich.
Man wird daher, wenn es sich um den Nachweis von Bakterien
in Schnitten handelt, stets die F ä r b u n g der Bakterien in Anwendung
bringen müssen.
Die Schnitte stellt man sich am besten mit Hülfe des Mikro-
toms (cf. p. 51) her. Um die Organe m schnittfähige Con-
sistenz zu bringen, überträgt man dieselben, am besten in nicht zu
grossen Stücken, aus der Leiche etc. direct in absoluten Alcohol,
welcher fast ausschliesslich zur Härtung für unsere Zwecke benutzt
wird. Der absolute Alcohol ist ein ausserordenthch wassergieriger,
hygroskopischer Körper. Er extrahirt aus den Organen das Wasser,
bringt die Theile zum Schrumpfen und verleiht ihnen dabei eine derbere
Consistenz (härtet sie). Das extrahirte Wasser resp. der in der Um-
gebung der eingelegten Organstücke sich bildende wasserreiche Alcohol
^) Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfections-Krankheiten. Leipzig.
1S7S. p. 29.
gg A. Allgemeines.
ist mm specifisch erheblich schwerer als der al)solute Alcuhol und
sinkt infolgedessen in dem Härtungsgefässe zu Boden. Um das zu
härtende Stück dauernd unter dem Einflüsse absoluten Alcohols zu
belassen, muss man dasselbe also in die oberen Schichten des
Alcohols placii-en. Man hält es hier fest am besten durch schwim-
mende Korkstücke, an deren unterer Seite das zu härtende Stück mit
Hülfe von Stecknadeln festgesteckt wii'd, oder man bringt in die
unteren Partien des Alcohols resp. auf den Boden des Gefässes zu-
nächst einen grösseren Bausch Fliesspapier, auf welchem dann das zu
härtende Stück ruht.^)
Ist das zu untersuchende Organ entwässert (gehärtet), so
schneidet man sich kleine Stücke von etwa 5 mm Höhe und 1 qcm
Grundfläche davon mit scharfem Messer ab, die nun auf die glatte
Querschnittfläche eines Flaschenkorkes aufgeklebt werden. Das
Aufkleben geschieht bequem mit einer dicken wässerigen Lösung
von Gummi arabicum. Man verfährt dabei so, dass man das auf-
zuklebende Stück zunächst etwa eine halbe ]\Iinute an der Luft liegen
lässt, um den oberflächlich anhaftenden Alcohol verdunsten zu lassen,
imd dass man es dann mit der Pincette fasst und es mit einer der
(getrockneten) Breitseiten in einen Ti'opfen der Gmnmilösung, welchen
man auf der Korkfläche ausgebreitet hat, hmeindrückt. Man giesst
dann zunächst einige Tropfen Alcohol über das gesammte aufgeklebte
Stück, Avelche an den Seiten desselben abfliessen und die äusseren .
Partien der hervorgequollenen Gummilösung durch Wasserentziehung
erhärten. Dadurch wird es dann ermöglicht, den Kork in umgekehrter
Lage '(das aufgeklebte Stück nach unten) in ein Gefäss mit absolutem
Alcohol zu übertragen, ohne dass das Stück sich vom Korke loslöst.
In dem Alcohol wird dasselbe dann belassen, bis das Wasser aus allen
Theilen der Gimimilösung entfernt ist, was in zwei bis sechs Stimden
der Fall ist. Dann ist zwischen dem aufgeklebten Stücke und dem
Korke eine sehr feste, steinharte Verbindung hergestellt ; und der Kork
kann nun in der Ivlenmie des Mikrotoms fest eingespannt werden, das
aufgeklebte Stück kann (unter Benetzung des Messers mit absolutem
^) Unter Umständen kann man auch ohne vorhergehende Alcoholhärtung Mikro-
tomschnitte herstellen, die sich für nachfolgende Fäi-bungsbehandlung eignen. So
ge^vinnt W. D. Miller (Verhandlungen der Deutschen Odontolog. Gesellsch. Bd. 6.
1894. — cf. auch Centralbl. f. Bakt. Bd. 16. p. 450) aus frischen erkrankten
Zahnpulpen Schnitte mit HüKe des Gefrier mikrotoms. Die einzelnen, zarten
Schnitte werden, auf einem 6—8 mm dicken Glasstabe ruhend, zunächst in 30proc.,
dann in 50-, 70 proc, schliesslich in absoluten Alcohol gebracht und können dann,
immer auf dem Glasstabe ruhend, beliebigen Färbungsproceduren unterworfen werden.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienljeobacbtuiig. 89
AlcühoiJ gescliuitten werden. Man hat hierbei daranf zu achten, dass
die Schärfe des Messers nicht mit den harten Gunmiitheilen in Collision
geräth, da sie sonst leiden würde. Hervorgequollene Gmnmitheile
müssen, deshalb (mit einem Messer) vor dem Mikrotomiren entfernt
werden.
Statt des Gummi arabicum kann auch Fischleim zur Auf-
klebung der Organstücke auf Kork genommen werden. C. Fraenkel')
empfiehlt zu dem Zwecke eine JVIischung von 1 Gelatine, 2 "Wasser,
4 Gljcerin.
Will man dünne Objecte, die sich nicht zum Aufkleben eignen
(z. B. Darm), mit dem Mkrotom zerlegen, so empfiehlt es sich, die-
selben zwischen Stücken von gut gehärteter Ani^doidleber zu placiren
und mit diesen in die Klammer des Mikrotoms einzuspannen. Die
Leber wdrd dann mit dem Darm etc. zugleich geschnitten.
Für Gewebe, welche Hohlräume enthalten und sich deshalb
an und für sich weniger gut zum Zerlegen in zusammenhängende
Schnitte eignen, kann man mit Vortheil die Schiefferdecker'sche
Celloidinmethode-) anwenden. Man härtet zu dem Zwecke die
kleinen, zurechtgeschnittenen Stücke erst gut in absolutem Alcohol und
bringt sie dann aus dem letzteren in eine dicke Celloidinlösung (das
Celloidin ist ein collodiumähnlicher Körper, welcher sich in absolutem
Alcohol sowohl wie in einer Mischung von Alcohol und Aether löst).
Hier bleiben die Stücke einen bis mehrere Tage bis zur völligen Durch-
tränkung mit der Celloidinlösmig. Sie werden dann mit der Pincette
herausgenommen und, mit einer Schicht der dicken Lösung noch um-
hüllt, mit Hülfe der letzteren direct auf die Korkfläche geklebt. Xach
einigen Mnuten kommt das Präparat mit dem Kork in 60proc. Alcohol,
in welchem es Avieder einen bis mehrere Tage verbleibt. Hier nimmt
das Celloidin und mit ihm das ganze Präparat Schnittconsistenz an.
Dann wird der Kork, wie oben angegeben, eingespannt, und das Prä-
parat lässt sich nun mit dem Mkrotom (unter Benetzung des Messers
mit 60proc. Alcohol) sehr schön in zusammenhängende Schnitte zer-
legen. Jeder der Schnitte ist von einem „Celloidinmantel" umhüllt,
die Hohlräume des Schnittes Averden ebenfalls von Celloidin ausgefällt.
Das Celloidin bleibt dann während der folgenden Färbung etc. mit dem
Schnitte in stetiger Verbindung. Das Celloidin färlit sich mit Anilin-
farben.
Zimi Herstellen feinster Schnitte, die allerdings zum Zwecke der
^) Grundriss d. Bakterienk. 3. Aufl. 1S90. p
-) Arcb. f. Anat. 1SS2.
90 A. Allgemeines.
Untersuchung des Gewebes auf Bakterien kaum je nöthig werden
dürften, muss man die Organe in Paraffin einbetten. Es ist aber,
um an den Paraffinschnitten eine Bakterienfärbung vornehmen
zu können, durchaus nothwendig, das Paraffin zunächst (dm'ch Xylol)
vollständig zu entfernen und die Schnitte dann durch Alcohol (zur
Extrahirung des Xvlols) gehen zu lassen. Nur in den seltensten Eällen
dürfte aber, wie gesagt, die Anwendung der Paraffinmethode für unsere
Zwecke nöthig werden.
Dünner als 0,02 mm braucht man die jMikrotomschnitte föi* Bak-
terienuntersuchungen nicht zu machen; derartige Schnitte lassen sich
bei guter Härtung des Objectes und bei gutem Zustande des Messers
stets erreichen. Aber auch mit dickeren Schnitten (0,03 — 0,05 mm)
kann man oft noch auskommen. Während des Schneidens wird (bei
den mit Gummi oder Gelatine aufgeklebten und bei den zwischen
Amyloidleberstücken eingeklemmten Organen) das Mkrotommesser stets
mit absolutem Alcohol befeuchtet erhalten. Die Schnitte werden mit
einem Pinsel von der Klinge herunter genommen und in ein Schälchen
mit absolutem Alcohol übertragen.
Um die Schnitte nun zu färben, brmgt man sie zunächst auf
kurze Zeit in Wasser, von da in die Earblösung. Als Earbflüssig-
keiten kann man alle jene Flüssigkeiten verwenden, die wir oben
(p. 66) zur Färbung des Trockenpräparates verwandt haben. Wir
müssen nur stets darauf sehen, dass wir eine wässerige resp. stark
wasserhaltige Flüssigkeit zur Anwendung bringen. Besonders zu
empfehlen ist für Schnittpräparate die Loeffler'sche alkalische
Methylenblaulösung, ^) ein Gemisch von
30 ccm gesättigter alcoholischer Meth3'lenblaulösung und
100 ccm wässeriger Kalihydratlösung (1:10 000).
Die Loeffler'sche Meth^ienblaulösung ist, wie Meth^^lenblaulösungen
überhaupt (cf. oben p. 67), dadurch vor anderen Farbflüssigkeiten aus-
gezeichnet, dass sie ganz unbeschränkt haltbar und von ganz
unveränderlicher Gebrauchsfähigkeit ist. Diese Farblösung soll auf
unserem Arbeitstische nie fehlen. Benutzt man (wässerig-alcoholische)
Fuchsin- oder Violettlösungen zm- Schnittfärbung, so hat man sorg-
fältig darauf zu achten, dass diese Lösungen frisch hergestellt sind;
denn sonst läuft man Gefahr, dass sich die Oberfläche des Schnittes
mit Farbstoffiiiederschlägen bedeckt (cf. p. 66). Ln ftischen Zustande
aber smd die genannten Lösungen ausgezeichnet für Schnittfärbungen
zu verwenden.
') Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1SS4. p. 439.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 91
Wenn man nun einen Schnitt aus einem thierischen Organ in eine
der genannten Farbflüssigkeiten bringt und denselben nach einer Reihe
von Minuten wieder herausnimmt und in Wasser abspült, so ^nrd man
in der Regel nichts weiter zu sehen bekommen als eine intensiv
und gleichmässig gefärbte Masse, in der Details nicht oder
kaum zu erkennen sind: das Gewebe hat sich zunächst in allen seinen
Theilen mit dem Farbstoffe vollgesogen und beladen. Erst eine weitere
Behandlung des Schnittes mit gewissen (weiterhin zu besprechenden)
Flüssigkeiten, welche die Fähigkeit haben, den Farbstoff mehr oder
weniger aus dem Schnitte zu extrahiren, lässt einzelne gefärbte Partien
in dem Präparate vor anderen weniger gefärbten hervortreten. Liesse
man solche Flüssigkeiten genügend lange Zeit auf den Schnitt ein-
wirken, so würden sie allmählich eine vollständige Entfärbung des
Schnittes zu Wege bringen. Lässt man sie aber nur kurze Zeit ein-
wirken, überwacht man ihre Wirkung, so erhält man Präparate, in
denen nur die Zellkerne und die (cA^entuell vorhandenen) Bak-
terien noch gefärbt sind, während die Intercellularsubstanz und
auch das Zellprotoplasma wieder entfärbt sind.
Man findet so, dass die verschiedenen Bestandtheile, aus denen
sich das thierische Gewebe zusammensetzt, keine principi eilen
Unterschiede in dem Verhalten gegen die basischen Anilinfarbstoffe
zeigen. Nicht der eine Bestandtheil wird gefärbt, während der andere
der Färbung widersteht; wohl aber bestehen quantitative Unter-
schiede in der Färbbarkeit der einzelnen Componenten des Gewebes,
die sich darin äussern, dass, bei einem bestimmten Grade der Ein-
wirkung farbstoffextrahirender Flüssigkeiten, unter den ursprünglich
gleichmässig gefärbten verschiedenen Bestandtheilen der eine den auf-
genommenen Farbstoff noch festhält, während ein anderer ihn voll-
ständig oder beinahe vollständig wieder verloren hat. Man kann so
die verschiedenen Gewebsbestandtheile in eine Färbbarkeitsscala
bringen, welche, wenn man mit denjenigen, die am leichtesten den
Farbstoff wieder loslassen, beginnt, sich folgendennassen gestaltet :
Intercellularsubstanz,
Zellprotoplasma,
Zellkerne,
Bakterien (wenn sie vorhanden sind).
Die farbstoffextrahirenden Flüssigkeiten (als solche kommen be-
sonders Säm-en zur Verwendung) bezeichnet man als „Entfär-
bungsmittel". Durch sie wird eine „Differenzirung" herbei-
geführt, d. h. einzelne Theile (Kerne, Bakterien) des Schnittes treten
92 A. Allgemeines.
in isolirter Färbung vor anderen Theilen, die die Färbung verloren
haben, hervor.
Ist der zuerst diffus gefärbte Schnitt genügend „entfärbt",
„differ enzirt", so ist er eigentlich fertig; da wir ihn aber schliess-
lich in Canadabalsam zur Conservirung einschliessen wollen, der Balsam
sich aber mit irgendwie wasserhaltigen Flüssigkeiten nicht vermischen
lässt, so muss zunächst aller und jeder Wassergehalt aus dem
Schnitte entfernt werden; und dies geschieht durch Behandlung
des Schnittes in absolutem Alcohol. Der Schnitt macht also
noch ein Mal eine Entwässerung oder Härtung durch. Aber auch mit
Alcohol lässt sich Balsam nicht mischen. Wir müssen deshalb den
Schnitt aus dem Alcohol in eine Flüssigkeit bringen, welche auf der
einen Seite die Fähigkeit hat, sich mit Alcohol zu vermischen, auf
der anderen Seite aber sich auch mit Canadabalsam resp. dem von
uns stets angewandten Xylol-Balsam (cf. p. 69) mischt. Derartige
Körper (auch „Aufhellungsmittel" genannt) giebt es nun eine
ganze Keihe. Besonders ölige Flüssigkeiten sind mit den ge-
wünschten Eigenschaften ausgestattet. Am meisten verwandte man
fi-üher das Nelkenöl zu diesem Zwecke, aber auch Terpentinöl,
Cedern-, Origanum-, Zinimet-, Bergamott-, Anis-Oel,
Phenol, Anilin^) waren und sind hierzu im Gebrauch. Ich möchte
für imsere Zwecke ganz ausschliesslich einen anderen, ebenfalls seit
Langem gebräuchlichen, Körper empfehlen: das Xylol (cf. p. 69).
Das Xylol ist ein Köi^jer, der sich gegen mit basischen Anilinfarben
gefärbte Kerne und Bakterien vollständig indifferent verhält und
sich in dieser Hinsicht sehr rühmlich von verschiedenen der oben ge-
nannten Flüssigkeiten, speciell auch von dem Nelkenöl, unterscheidet,
und der ohne jeden Eückstand verdunstet und nicht verharzt und
schmiert, wie es z. B. ebenfalls das Nelkenöl thut. Wir behandeln
den gefärbten, dann „entfärbten" und entwässerten Schnitt also mit
Xylol.
Mit dem Xylol durchtränkt sich der Schnitt sehr schnell, und er
wird dann mit Hülfe eines Spatels auf die Glitte des reingeputzten
0 b j e c 1 1 r ä g e r s übertragen.
Nachdem das überschüssige Xylol von dem Schnitte durch vierfach
zusammengefaltetes Fliesspapier, welches man in Berührung mit dem
^) Das Phenol und das Anilin haben auch die Fähigkeit, geringe Mengen
Wassers aufzulösen. Bei der (weiterhin noch zu besprechenden) Gram-Weigert'-
schen Methode Avird das Anilin als Entwässerungsmittel verwandt. Dem Xylol
kommt, wie gegentheiUgen , gelegentlich zu findenden Angaben gegenüber hier aus-
drücklich bemerkt sein mag, irgend welche Fähigkeit, Wasser aufzunehmen, nicht zu.
Der Schnitt
wird aus ei-
nem Uhr-
schälchen in
das andere
mit der Na-
del über-
trafen.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobacbtung. 93
Schuittrand gebracht hat, abgesogen ist, wird ein Tropfen Balsam
(Xylol-Balsam ; cf. p. 69) auf den Schnitt gebracht, auf diesen mit der
Pincette (cf. p. 69) das Deckglas gelegt, unter welchem sich dann der
Balsam ausbreitet.^)
Will man eine genaue Vorschrift für die praktische Ausführung
des geschilderten Verfahrens der Schnittfärbung und -Conservirung
(welches übrigens im Principe mit dem alten Weigert' sehen Ver-
fahren-) völlig übereinstimmt) haben, so wird man eine solche in
folgendem Schema finden :
1. Uebertragen der Schnitte aus Alcohol in Wasser für
1 Minute.
2. In eine passend zusammengesetzte (cf. p. 90) Farblösung
2—5 Minuten.
3. Wasser 5 Minuten.
4. Dünne Essigsäure (etwa 1 : lOOO'^)) l Minute.
5. Absoluter Alcohol (Schnitt gut ausbreiten!) ^o Minute.
6. Absoluter Alcohol ^-2 J^Jjn^^te.
7. Xylol Vo dünnte.
8. Uebertragen auf den Objectträger mit dem Spatel.
9. Abtupfen mit Fliesspapier.
10. Aufbringen eines Tropfens Xylol-Balsam.
11. Auflegen des Deckglases (mit der Pincette).
Zu diesem Schema ist noch zu bemerken: Wir benutzen zur
Aufnahme unserer Flüssigkeiten, in die die Schnitte kommen sollen,
am besten Uhrschälchen (cf. oben p. 51). Dieselben kommen stets
rein geputzt und trocken zur Anwendung. Die Schnitte übertragen
wir stets mit der Nadel aus einer Flüssigkeit in die andere, nicht
mit dem Spatel, weil wir möglichst wenig Flüssigkeit mit übertragen
wollen. Erst wenn die Schnitte aus dem Xylol auf den Objectträger
kommen sollen, benutzen wir den Spatel. Der stumpfwinklig gebogene
Spatel (cf. oben p. 51) wird in der linken Hand gehalten und unter
den iQ dem Xylol liegenden Schnitt flach hinuntergefiihrt ; man nimmt
hier die in der rechten Hand gehaltene Nadel zu Hülfe, mit welcher
man den Schnitt auf die Spatelfläche hinaufschiebt. Indem man dann
den Schnitt mit Hülfe der Nadel an dem Spatel etwas festdrückt, hebt
\) Wie beim Trockenpräparat, so wird man sich natürlich auch hier aus den
oben (p. 70) angeführten Gründen hüten müssen , zu viel des Balsams zu nehmen.
•2) cf. Virch. Arch. Bd. 84. 1S81. p. 275 ff.
3) Ich halte mir eine etwa 5proc. wässerige Essigsäurelösung vorräthig, von
der ich einige Tropfen auf ein Uhrschälchen mit Wasser gebe.
94 A.. Allgemeines.
man den Spatel horizontal, d. h. mit dem Schnitte und einer
Quantität Xjlol beladen (das man nicht abfliessen lässt), aus der
Flüssigkeit heraus und legt ihn sofort auf den Objectträger auf, auf
den man nun mit Hülfe der Kadel den Schnitt von dem Spatel hin-
überschiebt oder zieht. Die mitübertragene Menge Xylol erleichtert
ein glattes Hinübergleiten des Schnittes auf den Objectträger sehr.
Bei dem folgenden Abtupfen des Xylols von dem Schnitte muss man
darauf sehen, dass der Schnitt nicht etwa zu trocken wird, weil er
sonst nach dem Einschlüsse in Balsam Luftblasen einschhesst, die die
Beobachtung sehr stören können. Es soll also nur der sichtbare
flüssige Ueberschuss des Xylols mit dem Fliesspapier entfernt werden.
Den Alcohol giesst man sich in seine Schälchen ein erst unmittel-
bar bevor man ihn gebraucht. Der Alcohol ist ein Entwässermigs-
mittel. Wir müssen ihn deshalb zmn Gebrauche möglichst wasserfrei
haben. Wenn man aber den Alcohol eingiesst imd ihn erst in einer
Yiertelstunde benutzt, so hat man keinen Alcohol mehr, sondern ein
Gemisch von Alcohol und Wasser, welches letztere der Alcohol aus
der Luft angezogen hat, und welches vollständig genügt, um den
Alcohol unfähig zu machen, die gewünschte Entwässerung herbei-
zuführen. Wenn wir aber den Schnitt in Xylol bringen wollen, so
muss er zuvor wirklich völlig wasserfrei gemacht werden: ein Schnitt,
der noch Spuren von Wasser enthält, scheidet dieses Wasser im Xylol
sofort aus, und diese Wasserausscheidungen, welche dem Schnitt
dann dauernd anhaften, machen das schönste Präparat oft unbrauch-
bar. Aus diesem Grunde habe ich in dem obigen Schema den Alco-
hol auch zwei Mal hinter einander angeführt: die Entwässerung soll
vollständig sein.
Zum Gelingen einer guten Schnittfärbung ist es stets nothwendig,
dass die einzelnen Theile des Schnittes gleichmässig der
Einwirkung der verschiedenen Flüssigkeiten ausgesetzt werden. Der
Schnitt soll also sowohl in der Farblösung wie in den übrigen Flüssig-
keiten möglichst glatt, ohne Falten zu schlagen, liegen. Denn jede
Falte bedingt einen ungleichmässigen Zutritt der einwirkenden Flüssig-
keit an der gefalteten Stelle und damit auch ein mehr oder weniger
unerwünschtes Resultat. Ganz besonders hat man auf eine möglichst
glatte Ausbreitung des Schnittes zu sehen in dem Augenblicke, in
welchem derselbe aus der Essigsäure in den ersten Alcohol gelangt.
Der Schnitt ist hier in den ersten Secunden noch dehnbar und lässt
sich mit zwei Nadeln sehr gut glatt ausbreiten. Versäumt man dies
aber, lässt man den Schnitt in zufälhg zu Stande gekommener Faltung
liegen, so wird er durch den Alcohol in dieser Lage fkii-t und lässt
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeoltachtuug. 95
sich nachher auf keine Weise wieder glatt ausbreiten. ^) D i e F o r m ,
die der Schnitt in dem ersten Alcohol annimmt, behält
er weiterhin unverändert bei.
Was bezüghch der Einwirkung der Reagentien auf gefaltete Schnitt-
stellen gilt, das gilt natürlich ebenso für Zusammenlagerungen von
mehreren Schnitten. Behandelt man eine Anzahl von Schnitten
gleichzeitig in demselben Schälchen, so ist es ein Zufall, wenn
man gute Resultate erhält; denn die Schnitte lagern sich gern zu-
sammen und gestatten den Flüssigkeiten an dieser Stelle mehr, an jener
weniger Zutritt. So müssen ungleichmässige Resultate zu Stande
kommen. Mau mache es sich deshalb zur Regel, die
Schnitte einzeln, individuell zu behandeln.
Auch bei Schnitten findet übrigens wie bei Trockenpräparaten
(cf. p. 78) die Färbung schneller statt und wird intensiver bei höherer
als bei niedrigerer Temperatur. Man darf aber nur ganz massig
erhöhte Temperaturen zu Schnittfärbungen verwenden, höchstens Tem-
peraturen von 40 — 50^ C. (R. Koch-)). Bei höheren Temperaturen
schrumpfen die Schnitte ein mid werden unbrauchbar.
Bei den hier geschilderten Methoden der Schnittbehandlung wird
der Schnitt behufs der Conservirung in Canadabalsam stets in Alcohol
entwässert und gelangt dann durch einen mit Alcohol sowohl wie mit
Canadabalsam mischbaren Körper hindurch (Xylol) in den Balsam.
Für bestimmte Zwecke (speciell zur Conservirung von Lepraschnitten)
hat Unna') eine erheblich abweichende Methode der Schnittbehand-
lung angegeben, welche er „Trockenmethode" oder auch „An-
trocknungsmethode" genannt hat. Die Schnitte gelangen dabei
nach der Färbung und Difierenzirung nicht in Alcohol, sondern in
Wasser, werden von hier mit dem Spatel auf den Objectträger über-
tragen, mit Fliesspapier abgetrocknet und dann über der Flamme schnell
bis zu vollständiger Trockenheit erhitzt. Nach dem Abkühlen wird
^) Streng genommen ist dies nicht ganz richtig. Ein Mittel, einen solchen
in gefalteter Lage fixirten Schnitt wieder glatt zu machen, giebt es doch: Man
bringt den gefalteten Schnitt aus dem Alcohol wieder in eine wässerige Flüssigkeit
resp. in reines Wasser zurück. Er begiebt sich hier, da er mit dem specifisch leich-
teren Alcohol getränkt ist, sofort an die Oberfläche und breitet sich gleichzeitig aus:
in den allermeisten Fällen bekommt man auf diese einfache Weise einen untadelhaft
glatten Schnitt, den man nachher von Neuem zur Entwässerung in Alcohol etc. über-
tragen muss. Es ist jedoch zu beachten, dass der Schnitt bei dem geschilderten
Zurückbringen in Wasser jedesmal etwas von seiner Färbung verliert.
■') Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1S81. p. 10.
^) Monatshefte f. praet. Dermatologie. Ergänzungsheft. 1885. — Centralbl.
f. Bakt. Bd. 3. 1888. p. 3U.
96 -■^- Allgemeines.
mit einem Tropfen Balsam das Deckgiäsclien aufgeldttet. Wir werden
Gelegenheit haben, diese für manche Zwecke ganz ausgezeichnete
Methode noch zu besprechen.
Auch bei der weiterhin noch zu nennenden Weigert' sehen
Modification des Gram' sehen Verfahrens wird die Differenzirung und
Entwässerung des Schnittes auf dem Objectträger vorgenommen.
Was nun die mikroskopische Betrachtung der gefärbten
Schnittpräparate angeht, so ist es anzuempfehlen, stets zunächst eine
Durchmusterung des Präparates mit schwachem System vor-
zunehmen. Xur auf diese Weise wird man unter Umständen etwa
vorhandene Bakterien mit Sicherheit auffinden können. Es giebt zwar
genuo- Fälle, in denen wir die Bakterien an jeder Stelle des Schnittes
antreffen; in anderen Fällen aber treten die Bakterien in einzelnen
zerstreuten Herden auf, und diese können, wenn man a priori mit
starkem Objectiv untersucht, sehr leicht sich der Auffindung entziehen.
Im Uebrigen gelten für die Einstellung des Präparates die oben (p. 59
und 72) bezüglich der Beleuchtung gegebenen Grundsätze : Da es sich
um gefärbte Objecte handelt, die wir betrachten wollen, so nehmen
wir den vollen Abbe' sehen Condensor; den Trieb des Condensors
stellen wir so ein, dass die Beleuchtung maximal ist.
Ein nach der angegebenen Methode angefertigtes, gut gelungenes
Präparat zeigt Bakterien und Gewebskerne gefärbt, die übrigen
Theile mehr oder weniger ungefärbt. Die eigenthümliche Form der
Bakterien, ihre Grössenverhältnisse, ihre Gruppirung zu kleineren oder
grösseren Verbänden oder Haufen macht eine Verwechselung der Bak-
terien mit gefärbten Theilen des thierischen Gewebes kaum möglich.
Anlass zu Verwechselungen in dieser Hinsicht haben die von Ehrlich')
entdeckten, in normalem und pathologischem Gewebe vorkommenden
„Mastzellen" gegeben. Diese Zellen besitzen einen (bei der Fär-
bung mit Anilinfarbstoffen ungefärbt bleibenden) Kern, um den
herum ein Haufen intensiv färb bar er Körner gruppirt ist. Diese
Körner sind häufig für Mikrococcen gehalten worden. „Doch sind
die Körnchen gewöhnlich von ungleicher Grösse. Dieses letztere Ver-
halten, das Vorhandensein eines Kernes und der Vergleich mit anderen
ebensolchen Zellen sichern indessen leicht ihre Diagnose." (Koch.-))
Gelegentlich findet man die Mastzellen auch in Trockenpräparaten
(Ausstrichpräparate von Organen); in solchen Präparaten sind die
Mastzellen dann häufig zerquetscht, die Körner zexstreut. Derartige
') Arch. f. raikroskop. Anatomie. Bd. 13. 1S77. p. 263.
'-) Unters, üb. d. Aetiol. d. Wundinfect.-Krankheiten. Leipzig. 1878. p. 38.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobacbtiing. 97
Befunde könnten noch leichter als Mastzellen in Schnitten zur Ver-
wechselung mit Mikrococcen Veranlassung geben. Aber auch hier ist
nach meinen Erfahrungen die richtige Beurtheilung unter Benutzung
der angeführten Kriterien nicht schwer.
Selbstverständlich erscheinen bei der mikroskopischen Betrachtung
eines jeden Schnittpräparates diejenigen Gewebstheile und speciell auch
diejenigen Bakterien dem Auge am besten und klarsten, welche in den
obersten Schichten des Schnittes liegen. Für Demonstrations-
zwecke, ferner zum Zwecke der photographischen Darstellung etc. wird
man möghchst dementsprechend gelegene Stellen auszusuchen haben.
5. Allgemeines über Färbung und Entfärbung. Leicht und
sch^ver färbbare und entfärbbare Objecte.
In den vorhergehenden Abschnitten haben wir gesehen, dass die
Bakterien ganz im Allgemeinen die Eigenschaft haben, aus geeigneten
Lösungen basischer Anilinfarbstoffe den Farbstoff aufzunehmen, sich zu
färben ; wir sahen weiter, dass dieselbe Eigenschaft auch den Zellkernen
des thierischen Gewebes zukommt. Es machte bezüglich des principiellen
Vorgehens bei der Färbung auch keine Unterschiede, ob die Bakterien
am Deckglase angetrocknet oder ob dieselben im Gewebsschnitt ver-
theilt gefärbt werden sollten. Die anzuwendenden Lösungen waren die-
selben, und hier wie dort erfolgte die Färbung in kürzester Zeit. Dass
Trockenpräparate sich im Allgemeinen schneller färben als Schnitte,
liegt nicht etwa an einer principiellen Verschiedenheit der zu färbenden
Objecte selbst, sondern nur an der verschiedenen Art der äusserlichen
Disponii'ung dieser Objecte. Das Ti'ockenpräparat stellt eine dünne,
trockene Schicht dar, welche beim Benetzen mit wässerigen Flüssig-
keiten, also auch beim Benetzen mit den Farbstofflösungen, aufquült
und sich in dem letzteren Falle begierig mit der Farbstofflösung voll-
saugt. Beim Schnitte hingegen haben wir eine grössere Gewebsmasse
vor uns, welche mit Alcohol oder Wasser durchtränkt ist. Diese
durchtränkenden Flüssigkeiten müssen dann l)eim Einbringen des
Schnittes in die Farblösung erst durch Diffusion entfernt werden.
Die eigentliche „Färbung" der einzelnen Bakterienzellen erfolgt also,
gleichgültig ob ein Schnitt oder ein Trockenpräparat vorhegt, im All-
gemeinen in kürzester Zeit — vorausgesetzt, dass man passende Farb-
lösungen anwendet. Mehrmals haben wir bereits betont, dass diese Lö-
sungen wässerige sein müssen. Es lässt sich nun leicht nachweisen, ^)
^) Diesen (oben im Text folgenden) Nachweis habe ich 1S90 (1. Auflage dieses
Buches p. 71) geführt.
Güutlier, Bakteriologie 4. Auflage. 7
98 -^- Allgemeines.
dass rein alcoholische Lös ii n g eu, d. li. Lösungen der Farb-
stoffe in absolutem Alcohol, überhaupt nicht die Spur
bakterien- und kernfärbender Eigenschaften haben.
Man stelle sich irgend welches Trockenpräparat durch Verreiben
von Bakterienmaterial auf dem Deckglase, durch Ausstreichen von Blut,
Eiter etc. auf demselben, dar. Man fixire es in der gewöhnlichen
Weise. Das absolut trockene Deckglas fasse man mit absolut trockener
Pincette und gebe nun auf die angetrocknete Schicht mehrere Tropfen
einer gesättigten Lösung eines basischen Anilinfarbstoflfes in absolutem
Alcohol. Nach einigen Secunden spüle man das Deckglas mit absolutem
Alcohol ab. Die Schicht ist vollständig ungefärbt geblieben.
Die Bakterien resp. die Kerne der Eiterzellen etc. haben nicht ver-
mocht aus der alcoholischen Lösung Farbstoff aufzunehmen, trotzdem
dass diese Lösung procentisch so viel Farbstoff enthält wie keine auf
irgend welche sonstige Weise darstellbare Lösung. Ich mll bemerken,
dass man, nach dem Aufbringen der Farblösung auf das Präparat,
dasselbe, um die Färbung eventuell zu beschleunigen, in die Flamme
halten kann, so dass die Farblösung anfängt zu brennen. Entfernt
man dann das Präparat aus der Flamme und spült es nach dem Aus-
blasen der brennenden Farblösung mit absolutem Alcohol ab, so ist
das Resultat dasselbe wie vorher: die Schicht ist ungefärbt gebheben.
Nun könnte zwar Jemand einwerfen, durch das Abspülen mit
Alcohol, der das beste Lösungsmittel dieser Farbstoffe ist, werde die
zu Stande gekommene Färbung vernichtet, der Farbstoff werde wieder
extrahirt. Zur Entki'äftung dieses Einwandes stelle man folgenden
Versuch an: Ein beliebiges Trockenpräparat färbt man mit der wässe-
rigen resp. stark wasserhaltigen Lösung eines basischen Anilinfarbstoffes ;
man spült die Lösung darauf mit Wasser ab und macht das Präparat
durch Abblasen etc. in der gewöhnlichen Weise trocken, als ob man
es in Balsam conserviren wollte. Das Präparat ist jetzt gefärbt. Nun
legt man das absolut trockene, mit absolut trockener Pincette gefasste
Deckglas in absoluten Alcohol. Der Alcohol wird nicht die Spur von
Farbstoff zu extrahii-en vermögen. Erst nach längerem Liegen an der
Luft, wenn der Alcohol Wasser aufgenommen hat, beginnt eine ganz
leichte, allmählich stärker werdende Extraction des Farbstoffes. Der
absolute Alcohol ist unfähig, dem gefärbten Präparate
Farbstoff zu entziehen.^)
^) An dieser Stelle möchte ich bemerken , dass (was nach dem Vorstehenden
eigentUch selbstverständlich ist) der absolute Alcohol auch aus gefärbten
Geissein den Farbstoff nicht zu extrahiren vermag. Wenn man diese
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobacbtung. 99
Und was von Ti-ockenpräparaten gilt, das gilt von Schnittpräpa-
raten ganz ebenso. Nur ist es viel schwerer, sich wirklich absolut
trockene Schnitte herzustellen. Ich habe zur Ivlarstellung dieser wich-
tigen principiellen Fi-agen Schnitte aus Alcohol mit Hülfe des Spatels
auf den Objectträger gebracht. Dort habe ich sie an der Luft an-
trocknen lassen und nun noch über der Flamme den Objectträger
leicht erwärmt, um möglichst jede Spur h3'groskopisch anhaftenden
Wassers zu entfernen. Nach dem Erkalten wurden die Schnitte mit
gesättigter, rein alcoholischer Farblösung Übergossen und nach wenigen
Secunden mit absolutem Alcohol abgespült. Auch hier derselbe Effect:
Ausbleiben jeder Färbung. — Dann habe ich Schnitte in wässerigen
Lösungen längere Zeit gefärbt, aus der Farblösung direct auf den Object-
träger gebracht, durch Aufpressen von Fliesspapier abgetrocknet und
dann lufttrocken werden lassen, event. unter leichter Erwärmung. Dann
sprangen die Schnitte leicht vom Glase ab oder Hessen sich leicht ab-
ziehen. Der trockene Schnitt wurde dann in absoluten Alcohol versenkt.
Ganz, ganz allmählich kam hier eine Extraction des Farbstoffes zu
Stande, die dann mit wachsendem Wassergehalt des Alcohols, wie oben,
allmählich zunahm.
Kein alcoholische Lösungen der basischen Anilin-
farbstoffe sind also vollständig unfähig, Bakterien
sowohl wie thierisches Gewebe zu färben, und anderer-
seits ist der absolute Alcohol unfähig, den Farbstoff
aus gefärbten Bakterienzellen und aus gefärbten Zel-
len thierischen Gewebes zu extrahiren.
Wenn trotzdem gerade der absolute Alcohol als „Ent-
färbungsmittel" zum „Differenziren" von gefärbten Schnitten
empfohlen wird (speciell durch Weigert),^) so ist diese Wirkung des
Alcohols darauf zurückzuführen, dass er hier auf Gewebe einwirkt,
welche mit wässeriger Flüssigkeit (Farblösung) durchtränkt sind, dass
der Alcohol hier also thatsächlich nicht als absoluter, sondern als mit
Wasser verdünnter Alcohol zur Wirkung kommt. Der mit
Wasser in gewissem Grade verdünnte Alcohol ist aber ein aus-
gezeichnetes Mittel, die Anilinfarbstoffe aus den Zellen zu extrahiren.
Es kommen hier zwei Eigenschaften desselben zur Geltung: erstens
der Wassergehalt, welcher die Flüssigkeit befähigt, die Bakterien oder
thierischen Zellen etc. zum Aufquellen zu bringen, und zweitens der
Thatsaohe demonstriren will, so ist es noth wendig , das der Geisseifärbung (cf. oben
p. 80 ff.) unterworfene Deckglaspräparat in trockenem Zustande zunächst in absoluten
Alcohol, aus demselben dann in Xylol zu bringen und dann in Balsam einzuschhessen.
^) Virch. Arch. Bd. 84. ISSl. p. 275 ff.
\
100 -Ä.. Allgemeines.
Alcoholgehalt, welcher die Flüssigkeit so viel geeigneter zur Lösung
der Farbstoffe macht, als es das Wasser selbst ist.
Und was für den Alcohol als Entfärbungsmittel gilt, das gilt auch
für den Alcohol als Constituens von Farblösungen. Einen
wässerig durchtränkten Schnitt können wir auch in einer rein alcoho-
lischen Farblösung färben, aber nicht weil die letztere an und für sich
färbende Eigenschaften hätte, sondern weil sich bei dem Zutritt der-
selben zu dem Schnitte eine verdünnte alcohoKsche Farblösung bildet,
die die Färbung bewirkt. Ebenso können wir ein trockenes Trocken-
präparat mit rein alcoholischer Farblösung färben, wenn wir zum
Abspülen der Farblösung nicht Alcohol, sondern Wasser nehmen. Die
im Momente des Abspülens sich bildende verdünnte alcoholische Lösung
be\\ärkt die Färbung.
Hinsichtlich der hier aufgestellten principiellen Eigenschaften des
absoluten Alcohols ist zu bemerken, dass einerseits bereits Weigert')
darauf aufmerksam gemacht hat, dass man die Schnitte „über eine
Stimde (bei intensiver Färbung noch länger) in Alcohol lassen kann,
ohne dass sie die Kern- und Bakterienfärbung abgeben", und dass
andererseits Friedländer-) betont hat, dass „ein grösserer Zusatz
von Alcohol als etwa 10 ^/^ zu der Farblösung das Färbungsvennögen
derselben beeinträchtigt". Dass aber der Alcohol als solcher gar
keine entfärbenden und rein alcoholische Farblösungen
gar keine färbenden Eigenschaften haben, ist, so viel ich weiss,
zuerst von mir ausgesprochen worden. Wir werden derartige Eigen-
schaften des Alcohols und alcoholischer Lösungen nur durchaus ver-
ständlich finden müssen. Die Bakterienzelle ebenso wie die thierische
Gewebszelle ist nur in Wasser quellbar, nie in absolutem Alcohol.
Damit die Zelle aber aus irgend welcher mit ihr in Berührung kom-
menden Flüssigkeit Bestandtheile in sich aufzunehmen vermag, muss sie
in der Flüssigkeit zunächst in gewissem Grade aufzuquellen vermögen.
Wir sehen hier sehr enge Analogien zwischen den Vorgängen, die
sich bei der Färbung einer Zelle abspielen, und denjenigen, die bei
der Einwirkung antiseptischer Flüssigkeiten auf die Zelle
in Frage kommen.'^) Wie wir bereits oben (p. 31) mittheilten, fand
E. Koch,*) dass eine alcohohsche Lösung von Carbolsäure nicht die
geringste Einwirkung auf die Keimfähigkeit von Milzbrandsporen hat.
') Vircb. Arch. Bd. 84. 1881. p. 280.
■-) Mikroskopische Technik. 3. Aufl. Berlin 1886. p. 47.
^) Auch noch in anderer Hinsicht bestehen Analogien zwischen diesen beiden
Arten von Vorgängen (cf. p. 78, Anra. 5).
') Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 251.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobaclitung. 101
während wässerigen Lösungen derartige Einwirkungen sehr wohl zu-
kommen.
Nach Erledigung dieser principiell wichtigen Angelegenheit wollen
wir uns mit den verschiedenen Punkten beschäftigen, Avelche
von allgemeiner Bedeutung bei der Bakterienfärbung
sind. Es sind dies drei Punkte:
1) die Qualität der Earblösung,
2) die Temperatur, bei der die Färbung vorgenommen Anrd,
3) die Zeitdauer der Einwirkung der Earblösung.
Bezüglich des 2. resp. 3. Punktes gilt es ganz allgemein, dass
die Färbung um so schneller vor sich geht, je höher die Temperatur
ist, und dass sie desto intensiver wird, je länger wir die Farblösung
auf das Object einwirken lassen. Bezüglich des 1. Punktes haben wir
bereits erörtert, dass sich rein alcoholische Lösungen gar nicht zur
Färbung eignen, dass sich aber Gemische aus emeni Theile derartiger
Lösungen und etwa 10 Theilen Wasser (cf, p. 66) ausgezeichnet zur
Färbung eignen. Wir haben ferner gesehen, dass die Loeffler'sche
Methylenblaulösung (cf. p. 90), welche ebenfalls eine wässerig- alco-
holische ist, aber einen ganz geringen Zusatz von kaustischem
Kali enthält, sich ganz besonders gut zu Färbungen eignet. — Es
hat sich nun gezeigt, dass das Färbungsvermögen der wässerig- alco-
hülischen Lösungen überhaupt durch bestimmte Zusätze sehr erheblich
gesteigert werden kann. Mehrere solcher intensiv färbenden
Tinctionsflüssigkeiten sind seit Jahren in Gebrauch und haben sich sehr
bewährt. Dahin gehört an erster Stelle die Ehrlich"sche Lösung,
welche mit Fuchsin oder mit den Violetten hergestellt werden kann,
imd die ursprünglich zur Färbung der Tuberkelbacillen construirt wurde,
ferner die Ziehl'sche Lösung, Avelche mit Fuchsin hergestellt wii"d.
Die Ehrlich'sche Lösung') ist eine Mischung einer gesättigten
wässerigen Anilinlösung mit gesättigter alcoholischer Farbstofflösung.
Sie wird folgendermassen dargestellt:
4 ccm Anilin (Anilinöl) werden mit
100 ccm Wasser
geschüttelt. Hierbei wird die grösste Menge des Anilins gelöst. Man
filtrirt nun durch ein mit Wasser vollständig angefeuchtetes
Filter (angefeuchtet deshalb, damit die ungelösten öligen Anilintröpfchen
auf dem Filter zurückgehalten werden) und setzt dann zu dem klaren
Filtrate („Anilinwasser")
^) cf. Deutsche med. Wochenschr. 1SS2. p. 270.
102 A. Allgeraeines.
11 ccm gesättigte alcoholisclie Fuchsin- (oder Gentianaviolett-
oder Methylviolett-) Lösung.
Die Mischung -nird geschüttelt. Diese Ehrlich'schen Lösungen setzen
in den ersten Stunden nach ihrer Bereitung Farhstolfiiiederschläge ab.
Schnitte, die unmittelbar nach der Herstellung der Flüssigkeit mit der-
selben behandelt werden, zeigen, gleichgültig ob man die Farbmischung
filtrirt oder imiiltrii-t zur Anwendung gebracht hat, ihre Oberfläche
mit kleinsten Farbstofihiederschlägen bedeckt, die zu entfernen (ohne
die Färbimg im Uebrigen zu schädigen) es kein Mittel giebt. Nach
24 Stunden jedoch hat die Lösung sich geklärt, und nun stellt sie
ein sehr gutes, allgemein anwendbares Färbungsmittel dar. Die Ehr-
lich'sehen Lösungen werden mit Vortheil, wie bereits bemerkt, zur
Färbung von T u b e r k e 1 b a c i 1 1 e n angewendet. Handelt es sich hier-
bei um Deck g last rockenpräpa rate (die von S p u t u m her-
gestellt sind), so bringt es die Nachbehandlung dieser Präparate mit
sich, dass für diesen Zweck die Ehrlich'schen Lösungen auch
ganz frisch, eben dargestellt, gebraucht werden können; zur Dar-
stellung von Tuberkelbacillen in Schnitten aber muss man 24 Stun-
den alte Lösungen vei"wenden. Die Ehrl ich 'sehen Lösungen halten
sich eine Reihe von Tagen bis Wochen brauchbar. Allmählich jedoch
wird eine derartige Lösung missfarbig, hell; der Farbstoff setzt sich als
schmieriger Belag auf dem Boden und an der Wand des Gefässes ab,
und die Flüssigkeit muss dann verworfen und durch neue ersetzt werden.
Die Ziehl'sche Lösung') ist eine Mischung von 5procentiger
wässeriger Carbolsäurelösung mit alcoholischer Fuchsinlösung. Man
stellt sie dar durch inniges Verreiben von
1 g Fuchsin mit
100 ccm 5proc. wässeriger Carbolsäurelösung unter alimäh-
lichem Zusätze von
10 ccm Alcohol.
Die ZiehTsche Carbolsäure-Fuchsinlösung hat ebenfalls ein
ausserordentliches Tinctionsvermögen , kommt aber darin den Ehr-
lich'schen Lösungen sicher nicht gleich. Die ZiehTsche Lösung
ist dauernd haltbar. In diesem Punkte, durch den sich die
Ziehl'sche Lösung von den Ehrlich'schen Lösungen wesentlich
unterscheidet, liegt übrigens gerade ein Grund des geringeren Färbungs-
vermögens der Ziehl "sehen Lösung gegenüber den Ehrlich"schen.
TJnna"^) hat nämlich auf das allgemein gültige Gesetz aufmerksam
^) cf. Deutsche med. Wochenschr. 1SS2. p. 4.51.
2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1SS8. p. 254.
lY. Allgemeine Methodik der Bakterienl)eobachtung. 103
gemacht, dass diejenigeu Farblösungeu am intensivsten färl)en, in denen
der Farbstoff am schlechtesten gelöst ist, ohne jedoch ausgefällt zu
werden. Unna hat diesen Zustand einer Farblösung mit dem Aus-
druck der „Schwebefällung" belegt. Bei den Ehr lieh 'sehen
Lösungen ist dieser Zustand der Schwebefällung vorhanden, bei der
Ziehl'schen Lösung nicht. Ich würde deshalb überall da, wo es
darauf ankommt, eine möglichst intensive Färbung zu erreichen, die
Ehrlich'schen Lösungen verwenden und eventuell die Mühe nicht
scheuen, mir dieselben fiisch darzustellen; nur im Nothfalle würde ich
als Ersatz zu der ZiehTschen Lösung greifen, die immer vorräthig
und jederzeit gebrauchsfertig im Laboratorium gehalten werden kann.^)
Einen noch höheren Grad des Färbungsvermögens hat Loeffler^)
den Ehrlich'schen Lösungen dadurch verliehen, dass er den Alcohol
bei ihrer Zusammensetzung ganz wegliess und etwas Natronlauge zu-
fügte. Loeffler setzte sich zur Färbung der Geissein an Bakterien,
die zunächst mit einer Beize behandelt waren, die Farlilösung ursprüng-
lich folgendermassen zusammen (cf. oben p. 83) :
Zu 100 ccm gesättigtem Anilinwasser ^) wird
1 ccm 1 procentige Natriumhydratlösung zugefügt.
Das Gemisch wird mit
4 — 5 g festem Fuchsin (oder Methylviolett oder Methylen-
blau) tüchtig geschüttelt.
Diese Farbflüssigkeit dürfte an Litensität des Färbungsvennögens
von keiner der bekannten Farblösungen übertroffen werden. Man sieht
ohne Weiteres, dass hier ein noch höherer Grad der Unna'schen
„Schwebefällung" bestehen muss als bei den Ehrlich'schen Lösungen,
^) Manche Praktiker gebrauchen die (unveränderte oder mit Wasser verdünnte)
Ziehl'sche Lösung mit Vorliebe und regelmässig, und zwar nicht nur in solchen
Fällen, in denen die Anwendung einer besonders stark färbenden Flüssigkeit indicirt
ist, sondern auch dort, wo eine wässerig-alcoholische Lösung vollständig ausreichen
würde. Der Grund für diese allgemeine BeUebtheit der ZiehLschen Lösung ist
ihre Haltbarkeit. Der Verf. möchte diese Lösung für die geschilderten Zwecke
durchaus nicht empfehlen, da sie die sehr wenig angenehme Eigenschaft besitzt, die
Präparate mit grösseren oder kleineren rundlichen Inseln von Farbstoff zu bedecken,
die sich durch Abspülen mit Wasser nicht entfernen lassen: die Präparate werden
mehr oder weniger unsauber. (Diese letztere Thatsache wird von vielen Praktikern
allerdings ruhig hmgenommen.) Die Farbstoffinseln stammen nicht (wie es z. B.
bei den Farbstoffausscheidungen älterer wässerig-alcoholischer Fuchsinlösungen [cf.
p. 66] der FaU ist) aus dem Innern der Flüssigkeit, sondern von ihrer Oberfläche,
auf der — während die Flüssigkeit selbst dauernd klar bleibt — sich kleinste ölige
Färb Stofftröpfchen schwimmend vorfinden.
-) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. p. 213.
■^) Dargestellt wie bei der Bereitung der Ehrlich'schen Lösungen.
104 A. Allgemeines.
da ja der Zusatz des Alcohols, des ausgezeichnetsten Lösungsmittels
unserer Farbstoffe, fehlt.
Unerwähnt will ich übrigens nicht lassen, dass H. Kühne i) als
Univer salbakterienf ärbungsmittel eine C a r b o 1 m e t h y 1 e n b 1 a u 1 ö s u n g
(dargestellt aus 1,5 g Methjdenblau , 10 ccni Alcohol und 100 ccm
5 procentigem Carbolwasser) angegeben und empfohlen hat.
In dem quantitativ verschiedenen Färbungsvermögen der citirten
Farblösungen einerseits, andererseits in der verschiedenen Zeitdauer
der Einwirkung dieser Lösungen auf das Object und in der verschieden
hohen Temperatur, bei der dies geschieht, haben wir die Momente,
welche für die Intensität der zunächst resultirenden Färbung von Be-
deutung sind.
Es hat sich nun die wichtige Thatsache herausgestellt, dass sich
nicht alle Bakterienobjecte einer und derselben Farblösung gegenüber
gleichartig, der Färbung gleichmässig zugängig, verhalten. Verfeinerte
Methoden werden ohne Zweifel in dieser Beziehung vielfache Differenzen
zwischen den verschiedenartigen Objecten auffinden, die uns heute
noch unbekannt sind. Wie die Dinge heute stehen, kann man im
Allgemeinen nur unterscheiden zwischen solchen Objecten, die den
Farbstoff leicht aufiiehmen, und solchen, die ihn schwer aufnehmen;
oder anders ausgedrückt : wir haben zu unterscheiden zwischen leicht
färb baren Objecten und schwer färbbaren Objecten. „Leicht
färbbar" wollen wir solche Objecto nennen, die, mit wässerig-alco-
holischen Farbstofflösungen bei gewöhnlicher Temperatur behandelt,
im Trockenpräparat die Färbung innerhalb weniger Secunden, im
Schnitte innerhalb weniger Minuten annehmen, „schwer färbbar"
solche, die unter denselben Bedingungen die Färbung noch nicht an-
nehmen, zu deren Färbung es intensiver wöi'kender Methoden bedarf.
Ganz allgemein gilt es ferner, dass diejenigen Objecto, die den
Farbstoff leicht annehmen, denselben auch leicht wieder abgeben, dass
andererseits diejenigen, die ihn nur bei intensiverer Behandlung mit
der Farblösung aufnehmen, ihn auch energischer festhalten, weniger
leicht abgeben. Wir können das auch so ausdrücken: Die leicht
färbbaren Objecto sind auch leicht entfärbbar, die
schwer färbbaren auch schwer entfärbbar. Oben haben
wir definirt, was wir imter „leicht färbbar", „schwer färbbar" verstehen.
Was verstehen wir aber unter „leicht entfärbbar", „schwer entfärbbar"?
Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns über die Mittel,
') Praktische Anleitung zum mikroskopischen Ncachweis der Bakterien im
thierischen Gewebe. Leipzig. 1S8S.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobacbtung. 105
die uns zur Entfärbung der gefärbten Zelle zu Gebote stehen,
informiren.
Absoluter Alcohol extrahirt, wie auseinandergesetzt, den Farbstoff
aus der gefärbten, trockenen Zelle nicht. Wird der Alcohol aber mit
Wasser verdünnt, so tritt eine Extraction des Farbstoffes ein. Dieselbe
erfolgt aber nicht momentan, sondern langsam und allmählich. Wir
können gefärbte Schnitt- sowohl wie Trockenpräparate ihres Farbstoff-
gehaltes allmählich vollständig berauben, wenn wir sie in verdünnten
Alcohol legen und darin liegen lassen. Die Gründe für die in dieser
Beziehmig verschiedene Wirkung des absoluten und des verdünnten
Alcohols haben wir oben (p. 99) auseinandergesetzt. Der mit Wasser
verdünnte Alcohol ist also ein Extractionsmittel für den Farbstoff,
ein Entfärbungsmittel. Sehr energisch wirkt im Vergleich zu
dem verdünnten Alcohol der öfters wiederholte Wechsel zwischen
absolutem Alcohol und Wasser. Man wird wohl nicht fehl-
gehen, wenn man die intensiven Diffusionsströme, die hier in und an
dem Objecte auftreten müssen, für die Extractionswirkung wesenthch
mit verantwortlich macht.
Die stärksten Entfärbungsmittel aber bilden die S ä u r e n. Schon
eine ganz verdünnte Essigsäure hat intensiv entfärbende Eigen-
schaften. Verdünnte Salz-, Salpeter-, Schwefelsäure oder
mit Säure versetzter Alcohol wirken noch stärker. Ganz be-
sonders stark entfärbende, durch nichts zu übertreffende Einwirkungen
erzielt man, wenn man abwechselnd wässerige Säurelösungen
und Alcohol auf die gefärbten Objecte einwirken lässt, oder wenn
man angesäuerten Alcohol mit Wasser abwechseln lässt.
Die bei dem jedesmaligen Wechsel auftretenden Difftisionsströme (cf.
auch den vorigen Absatz) sind es ohne Zweifel, welche hier die starke
Entfärbungswirkung zu Wege bringen.')
^) Sehr schön lässt sich die ausserordentlich kräftig entfärbende
Wirkung des Wechsels zwischen Wasser und Alcohol in Gegenwart
von Säure durch folgenden Versuch, den ich seit Jahren in meinen Cursen vor-
führe, demonstriren : Mit Hülfe irgend einer Fuchsin- oder Violettlösung macht man
sich an der Volarseite eines Fingers einen Farbfleck. Man versucht vergebens diesen
Fleck durch Bespülen mit Wasser zu entfernen; nach dem sorgfältigen Abtrocknen
des Wassers versucht man ebenso vergeblich Alcohol, dann einen Alcohol, welchem
i^jo Salzsäure zugesetzt sind, zu diesem Zwecke. Der Fleck ist nach wie vor un-
verändert vorhanden. Träufelt man nun aber (ohne dass irgendwie an dem Finger
gerieben wird) einige Tropfen des genannten Salzsäure-Alcohols auf den Fleck, spült
dann mit Wasser ab, träufelt wiederum Salzsäure - Alcohol auf, spült wieder mit
Wasser ab und wiederholt diesen AVechsel in derselben Weise eine Anzahl von Malen
hinter einander, so sieht man, wie der Fleck nun in kürzester Frist spurlos ver-
schwindet.
lOQ A. Allgemeines.
Für unseren Arbeitstisch möchte ich als stets voiTäthig zu haltende
Entfärbimgsmittel empfehlen :
1) öprocentige wässerige Essigsäurelösung. Dieselbe
kann ohne Weiteres verwendet, aber auch mit mehr oder weniger
Wasser verdünnt zur Anwendung gebracht werden.
2) 20 pro centige wässerige Salpetersäurelösung.
3) 3procentigen Salzsäure-Alcohol (100 Alcohol abso-
lutus, 3 Salzsäure).
Von manchen Seiten Avird auch Salpetersäure -Alcohol empfohlen.
Ich möchte dieser Empfehlung weniger das Wort reden; denn die
Salpetersäure bewirkt sehr leicht Oxydationen des Alcohols, und man
hat dann im gegebenen Ealle häufig ein undefinirbares Gemisch ver-
schiedener Aether etc. an Stelle der Alcohol -Salpetersäuremischung.
Der Salzsäure-Alcohol jedoch ist unverändert haltbar.
Unter „leicht entfärbbaren" Objecten verstehe ich nun
solche, welche die Färbung bei der Behandlung mit 20procentigem
Salpetersäurewasser oder mit 3procentigem Salzsäure-Alcohol in kür-
zester Zeit (Secunden bis Minuten) verlieren; unter „schwer ent-
färbbaren" solche Objecte, die die Färbung unter diesen Bedingungen
behalten.
Man kann folgende Sätze aufstellen:
1) Leicht färbbar und leicht entfärbbar sind (es färben
sich in wässerig-alcoholischen Farbstofflösungen bei gewöhnlicher
Temperatur in kürzester Zeit, und es entfärben sich in 20proc.
Salpetersäurewasser und ebenso in 3proc. Salzsäure-Alcohol in
kürzester Zeit) :
a) Bakterien (excl. Tuberkel- [und Lepra-] Bacillen und excl.
Bacillensporen).
b) Zellkerne.
2) Schwer färbbar und schwer entfärbbar sind (es färben
sich nur bei Anwendung intensiver wirkender Methoden, und es
entfärben sich, einmal gefärbt, nicht bei kurzer Einwirkung von
20proc. Salpetersäurewasser oder 3proc. Salzsäure-Alcohol):
Tuberkel- (und Lepra-) Bacillen und Bacillensporen.
Worin die intensiver wirkenden Methoden bestehen, er-
giebt sich von selbst, wenn wir die oben (p. 101) dargelegten Momente
in Ei-wägung ziehen, welche für die Litensität der Färbung in Betracht
konunen. Um intensiv färbend einzuwirken, werden wir uns zu-
nächst solcher F a r b 1 ö s u n g e n bedienen müssen, denen besonders
grosse Tinctionskraft zukommt, d. h. also der Ehrlich'schen
Lösungen, event. auch der Zieh!' sehen Lösung; hiermit werden wir
IV. Allgemeine ^Methodik der Bakterienbeobachtung. 107
in den meisten Fällen das Ziel erreiclien. Kommt es auf ganz be-
sonders intensive Einwirkung an, so werden wir uns die von Loeffler
(cf. p. 103) angegebenen alkalischen Anilinwasserfarblösungen, die alco-
holfrei sind, darstellen müssen. Diese intensiv wirkenden Lösungen
werden wir dann, und das ist das zweite Moment, nicht bei gewöhn-
licher Temperatur, sondern bei höherer Temperatur auf das Object
einwirken lassen, und wir werden (dritter Punkt) nicht kurze, sondern
längere Zeit die Einwirkung andauern lassen. Berücksichtigen wir
im gegebenen Falle alle drei Punkte, die Qualität der Farblösung, die
Temperatur und die Zeit, so wird die Intensität der Färbung ihr
Maximum erreichen. Gewöhnlich aber genügt es, die intensiv färbende
Flüssigkeit bei höherer Temperatur kürzere Zeit oder bei gewöhnlicher
Temperatur längere Zeit einwirken zu lassen. Das erstere wird sich
besonders für Ti'ockenpräparate, das letztere besonders für Schnitte
empfehlen. Deckglastrockenpräparate können wir, ohne dieselben zu
schädigen, mit kochender Farbstofflösung behandeln, so lange wir Avollen.
Schnitte vertragen, wie oben (p. 95) gesagt, höchstens Temperaturen
bis etwa 40—50 o C.
Die schwer färbbaren Bakterienobjecte, die Tuberkel- (und
Lepra-) Bacillen und die Bacillensporen, verhalten sich nun hinsichtlich
der Zugängiichkeit für den Farbstoff verschieden. Die Leprabacillen
setzen dem Eindringen des Farbstoffes den geringsten Widerstand ent-
gegen. Sie können sich sogar manchmal, wenigstens in einzelnen
Exemplaren, wie leicht färbbare Bakterien verhalten, und es ist diese
Eigenschaft von B a u m g a r t e n ^) zu einer mikroskopischen Differential-
diagnose zwischen Lepra- und Tuberkelbacillen vei'wandt worden. Die
Tuberkelbacillen verhalten sich erheblich resistenter gegen das Ein-
dringen des Farbstoffes. Am resistentesten verhalten sich die Bacillen-
sporen. Die letzteren bedürfen also zum Zustandekommen der Färbung
der relativ intensivsten Behandlung. Sind die genannten Objecte ein-
mal gefärbt, haben sie den Farbstoff einmal aufgenommen, so geben
sie denselben an die Entfärbungsmittel, wie erwähnt, nicht leicht
wieder ab, während andere Theile des Präparates, denen die Eigenschaft
der leichten Färbbarkeit zukommt, sich bei derartiger Behandlung mit
Entfärbungsmitteln wieder entfärben. Es resultirt dann naturgemäss
eine isolirte Färbung der vorhandenen schwer färbbaren Objecte;
und damit ist dann auch die Möglichkeit gegeben, die wieder ent-
färbten, leicht färbbaren Theile secundär mit einer gegen die Färbung
der schwer färbbaren 01)jecte contrastirenden Färbung, mit einer
^) Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie. Bd. 1. 1884.
108 A. Allgemeines.
Contrast- (Gregen- oder Grund-) Färbung, zu versehen. Man
kann so Präparate mit Doppelfärbung herstellen. Bei primärer
Fuchsinfärbung wählt man als Gegenfarbe Meth^'lenblau , bei
primärer Violettfärbung als Gegenfarbe Bismarckbraun oder Carniin.
Wir können auf diese Weise z. B. in einem Tuberkelbacillenschnitt-
präparate die Tuberkelbacillen fuchsinroth, die Kerne des Gewebes
meth3denblau färben; wir können ims Ti-ockenpräparate von tuberculösem
Sputum herstellen, in welchen die Tuberkelbacillen violett, die übrigen
vorhandenen Bakterien und die Kerne der Eiterzellen etc. bismarckbraun
gefärbt sind ; wir können sporenhaltige JMilzbrandfäden so färben , dass
die Sporen fuchsinroth, das Bacillenprotoplasma methjlenblau erscheinen.
Auf die Sporenfärbung werden wir bei Gelegenheit der Be-
trachtung des Mlzbrandbacillus , auf die Tuberkelbacillenfärbung
bei Geleo'enheit des Tuberkelbacillus des Näheren eino-ehen.
6. Die Gram'sche Methode der Kernentfärbung.
Wie wir gesehen haben, lassen sich Bakterien, welche in Schnitten
thierischen Gewebes enthalten sind, durch die Färbung mit basischen
Anilinfarbstoffen sehr leicht der Beobachtung zugänglich machen. Wir
brauchen einen solchen Schnitt nur in eine der angegebenen Farb-
lösungen zu legen und hinterher abzuwaschen und mit schwachen Ent-
färbungsmitteln zu behandeln, um die Bakterien gefärbt zu Gesicht zu
bekommen. Freilich sind die Kerne des Gewebes stets mitgefärbt.
Würden wir auf den gefärbten Schnitt stärkere Entfärbungsmittel ein-
wirken lassen, z. B. 3proc. Salzsäure- Alcohol , oder würden wir die
schwächeren Entfärbungsmittel längere Zeit einwirken lassen, so würden
allerdings die Kerne ihre Färbung verlieren; zu gleicher Zeit aber
wüi'den auch die Bakterien ihre Färbung abgeben und verblassen.
Wollen wir also in einem Schnitte die Bakterien gefärbt haben,
so müssen wir eine Kern färb ung mit in den Kauf nehmen; es sei
denn, dass es sich um die schwer färb- und entfärl)])aren Tuberkel-
(oder Lepra-) Bacillen handelte; die specifischen Eigenthümlichkeiten
dieser Bakterien bringen es mit sich, dass wn- sie in isolirter Färbung
darstellen können.
Aus dem Schema der bisher betrachteten Färbungsmethoden fällt
nun vollständig heraus ein eigenthümliches Verfahren der färberischen
Behandlung bakteriologischer Präparate, welches der dänische Forscher
Christian Gram^) im Jahre 1884 zu Berlin entdeckte. Gram
Fortscbr. d. Med. 1SS4. No.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobacbtuny. 109
gelangte durch Zufall zu dieser Entdeckung. Er hatte nämlich, wie
er angiebt, 0 versucht, in pathologisch veränderten Merenschnitten eine
Doppelfärbung dadurch herzustellen, dass er dieselben zunächst in
Ehrlich 'scher Anilinwassergeutianaviolettlösung und darauf in Jod-
jodlvaliumlüsung behandelte. Die Kerne sollten violett, die Harncjdinder
braun gefärbt werden. Als er nun die so behandelten Schnitte in
Alcohol behufs der Differenzirung und Entwässerung brachte, beob-
achtete er, dass die Schnitte sich vollständig und schnell entfärbten,
d. h. dass die sonst in Alcohol verbleibende Kernfärbung verschwand.
In dem Schnitte vorhandene Bakterien hatten sich aber hierbei nicht
mit entfärbt; im Gegentheil: sie zeigten sich äusserst intensiv, dunkel
tingirt. Gram hatte also ein Verfahren gefunden, die Gewebskerne
zu entfärben, ohne die Bakterienfärbung anzutasten.
TDas Gram' sehe Verfahren ist also kein eigentliches Färbungs-
veriahren, sondern es ist ein Entfärbungs verfahren, und zwar ein
Kernentfärbungs verfahren.^ Hiermit war viel gewonnen. Es
war die Möglichkeit eröffnet, jede beliebige Bakterienart in isolirter
Färbung im Schnitte darzustellen und nach Belieben auch eine Gegen-
färbung der Kerne eintreten zu lassen. Gram fand aber sofort, dass nicht
alle Bakterienarten bei der geschilderten Entfärbungsmethode ihre Fär-
bung behalten, sondern dass es Bakterienarten giebt, welche sich bei der
geschilderten Behandlung ebenso wie die Kerne des Gewebes entfärben.
Die ursprüngliche Gram' sehe Vorschrift war nun die, dass die
Schnitte aus Alcohol in die E h r 1 i c h ' sehe Anilinwassergentianaviolett-
lösung für mehrere Minuten gelangen. Hierauf werden sie in eine
Jodjodkaliumlüsung (l Jod, 2 Jodkalium, 300 Wasser) für mehrere
Minuten, darauf in Alcohol gebracht. Während sich der Schnitt in
der Jodlösung glänzend schwarz gefärbt hat, giebt er in dem Alcohol
sofort eine purpurrothe Farbstoffwolke ab. Wird kein Farbstoff mehr
ausgezogen, so kommt der Schnitt in Nelkenöl; hier verliert er eventuell
noch etwas Farbstoff. Darauf wird er in Balsam eingeschlossen.
Befolgt man diese ursprüngliche G r a m ' sehe Vorschrift genau, so
wird man meist gute Resultate erzielen; mitunter aber führt diese
Behandlung nicht zu einer genügenden Entfärbung der Kerne. Es
gelingt jedoch durch bestimmte kleine Abänderungen das Verfahren so
zu gestalten, dass es unter allen Umständen zu dem gewimschten
Ziele führt.
Im Jahre 1886 habe ich'-) zuerst eine Modilication des Gram'-
1) Fortschr. d. Med. 1884. No. (5. p. 186.
-) In der mikroskopischen Technik von C. Friedländer, 3. Aufl. p. 50 — 51
(nach brieflicher Mittheilung an Fr.) angegeben.
110 A. Allgemeines.
sehen Verfahrens angegel3en, die ich dann im folgenden Jahre aus-
führlich publicirt habe. ^) Diese Modification, welche unter der Be-
zeichnung des „Gram-Günther' sehen" Verfahrens bekannt geworden
und der ursprünglichen Methode gegenüber vielfach mit Vortheil an-
gewendet worden ist, unterscheidet sich dadurch von dem ursprimg-
lichen Verfahren, dass nicht nur Alcohol, sondern daneben
auch 3proc. Salzsäure- Alcohol zur Extraction des Farbstoffes
benutzt wii-d; wesenthch ist aber, dass der Säurealcohol nur ganz
vorübergehend zur Anwendung gelangt. Eine zweite Abweichung
von der ursprünglichen Gram' sehen Vorschrift liegt darin, dass nicht
Nelkenöl (welches bei Gram eventuell noch zur Extraction des Farb-
stoffes diente), sondern Xylol zur Verwendung gelaugt.
Das Gram-Günther' sehe Verfahren gestaltet sich mm im
Speciellen folgendermassen :
1) Der Schnitt gelangt aus Alcohol in (eben filtrirte) Ehrlich' sehe
Amlinwassergentiana\iolett- (oder MethyMolett-) Lösung auf 1 — 2 Mi-
nuten.-) (Die Farblösung muss mindestens 24 Stimden alt sein [cf.
p. 102]. Sie darf aber nicht zu alt sein. Ist sie bereits eine gi'össere
Reihe von Tagen alt, so hat sie zuviel von ihrem Farbstoff bereits
abgegeben; die Färbimg wird dann wenig intensiv, die Resultate
werden ungenügend. Aus diesem Grunde muss auch streng darauf
gesehen werden, dass zur Bereitung der Lösung [cf. p. 101] wirklich
gesättigte alcoholische Farbstoff lösung verwandt wird.)
2) Herausnehmen des Schnittes mit der Nadel, Abtupfen der über-
schüssigen Farblösung auf Fliesspapier und Einbringen des Schnittes
in Jodjodkaliumlösung (1 Jod, 2 Jodkalimn, 300 Wasser) auf 2 Mnuten.
(Der Schnitt liegt dabei, gut ausgebreitet, auf dem Grunde des
Schälchens.)
3) In Alcohol auf V-. ^linute.
4) In 3proc. Salzsäure-Alcohol auf genau 10 Secunden.
5) ]\Iit Ablauf der 10 Secunden sofortige Uebertragung in neuen,
bereits vorher bereit gestellten reinen Alcohol auf mehrere Minuten.
6) Noch ein oder mehrere Male (in nicht zu langen Pausen)
TJebertragung in frischen Alcohol bis zu maximaler Entfärbung
(es darf sich schliesslich keine Farbstoffwolke mehr von dem Schnitte
abheben).
7) In Xylol. Hier kann der Schnitt beliebig lange liegen. Er
') Deutsche med. Wochenschr. 1887. No. 22. p. 474.
^) Eine Ausnahme machen Tuberculose- und Lepraschnitte. Die letz-
teren werden V2 Stunde, die ersteren 12—24 Stunden gefärbt.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtimg. Hl
hält sich in dem Xylol unbegTeuzt lauge unverändert. Jedoch kann
er, mit Xylol durchtränkt, sofort, d. h. spätestens ^/^ Minute nach
dem Einlegen in Xylol, übertragen werden
8) mit dem Spatel auf den Objectträger.
9) Xach Abtupfen des Xylolüberschusses wird ein Tropfen Xylol-
Balsam aufgebracht und auf diesen das Deckglas gelegt.
Will man eine Gegenfärbung der Kerne erzielen, so kann
man, wie das Gram that, die in Alcohol entfärbten Schnitte auf einen
Augenblick in w ä s s e r i g e B i s m a r c k b r a u n 1 ö s u n g tauchen, dann
wieder in Alcohol entwässern und nach der Passage durch Xylol in
Balsam einschliessen. Mitunter bekommt man so ganz gute Eesultate.
Häufig aber verlieren die Bakterien bei dieser Manipulation etwas von
der Präcision ihrer Färbung, und bei Erysipel- Schnitten werden
die Coccen, wie ich gefunden habe, bei dieser Gelegenheit sogar voll-
ständig entfärbt. Es empfiehlt sich also die nachträgliche Grund-
färbung mit Bismarckbraun im Allgemeinen durchaus nicht.
Ein anderes Verfahren der Grundfärbung bei der
Gram' sehen Schnittbehandlung ist jedoch für alle Fälle durchaus
zu empfehlen. Bei diesem Verfahren wird die Kernfärbung
vor der Bakterienfärbung vorgenommen. Die ungefärbten
Schnitte gelangen hier aus dem Alcohol
1) in Wasser auf mehrere Minuten, darauf
2) in soeben filtrirte Picrocarminlösung ^) 2 — 5 JVIinuten.
3) Sie werden darauf in vier- bis fünfmal erneuertem Wasser aus-
gewaschen und dann
4) in Alcohol gebracht.
Die Schnitte haben nun eüie wundervolle Kemfärbung (Carmin) an-
genommen. In dem Alcohol hönnen sie behebig lange, ohne sich zu
verändern, aufbewahrt werden. Man kann sie dann zu beliebiger Zeit
^) Die Lösung stellt man sich nach Friedländer (Mikroskopische Technik.
3. Aufl. 1SS6. p. 35) so dar, dass man eine Lösung von Carmin in Ammoniak
(1 Carmin, 1 Ammoniak, 50 Wasser) zurecht macht und zu dieser soviel gesättigte
\vässerige Picrinsäurelösung zusetzt, bis der entstehende Niederschlag (Carmin) beim
Umrlüu'en nicht mehr gelöst wird. Eine Spur Ammoniakzusatz löst den Niederschlag
wieder auf. Diese Vorschrift hat sich mir stets bewährt. — Filtration der Picro-
carminlösung kura vor dem Gebrauche ist deshalb nothwendig, weil diese Lösimg,-
wenigstens die im Handel käufliche, gewöhnlich lebende Mikroorganismen (ich fand
namentlich HefezeUen häufig) enthält, die zunächst — durch die Filtration — ent-
fernt werden müssen, wenn man nicht sehr störende Beimengungen im Präparate
haben wiU. Zur Verhinderung des Wachsthums von IMikrooi'ganismen in der Picro-
carminlösung giebt man der letzteren nach Friedländer's Empfehlung auf je
100 ccm einige Tropfen Phenol zu.
112 ^- Allgemeines.
der Gram' sehen resp. G r a m - G ü n t h e r ' sehen Behandlung unter-
werfen, die genau so ausgeführt wird, als wenn es sieh um vollständig
ungefärbte Schnitte handelte. Die Carminfärbung der Kerne wird durch
die G r a m ' sehe Behandlung in keiner Weise alterirt.
Wie wir oben schon angaben, bleiben bei der Kementfärbung nach
der Gram' sehen Methode eine Reihe von Bakterienarten gefärbt; eine
andere Eeihe von Arten theilen das Schicksal der Kerne und entfärben
sich. Man sagt von den ersteren auch: „Sie färben sich nach der
Gram 'sehen Methode", von der anderen „sie färben sich nicht nach
der Gram' sehen Methode". Man sagt auch einfach „sie färben sieh
nach Gram" resp. „nicht nach Gram". Es ist aber zu betonen, dass
eüie jede Bakterienart sich entweder auf die eine oder auf
die andere Seite stellt. Eine Zwischenstufe in dem
Verhalten giebt es nicht.
Von den pathogenen Bakterienarten färben sieh nach
Gram (d. h. bleiben gefärbt, während sieh die Kerne entfärben) :
der ]VIilzbrandbacillus,
der Tuberkelbaeillus,
der Leprabacillus,
der Diphtheriebaeillus,
der Bacillus der Mäusesepticaemie und des Schweinerothlanfs,
der Tetanusbacillus,
die Streptococcen (Erysipel, Pyaemie, Phlegmone),
der Staphylocoeeus pyogenes aureus.
der Diplococcus pneumoniae A. Fraeukel,
der Mcrocoeeus tetragenus.
Ausserdem gehört in diese Gruppe
der Actinomyees bovis s. hominis.
Es färben sich nicht nach Gram (d. h. entfärben sieh zusammen
mit den Kernen) :
der Tj^phusbaeillus,
der Rotzbaeillus,
der Bacillus des malignen Oedems,
der Rauschbrandbacillus,
der Bacillus der Septicaemia haemorrhagica (Hühnercholera,
Kaninchensepticaemie, Sehweineseuehe, Binder- und Wildseuchej,
der Kommabaeillus der Cholera asiatica,
der Bacillus pneumoniae Frie dl ander,
der Gonorrhoecoecus,
die Spirochaete des Recurrensfiebers.
Haben wir oben angegeben, dass in Schnitten, die sich für die
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobachtung. 113
Gram' sehe Beliaudlung eig-nen, die Kerne sich bei dieser Behandlung
entfärben und allein die Bakterien gefärbt zurückbleiben, so müssen
wir dieser Angabe jetzt eine gewisse Einschränkung auferlegen. Es
giebt, von den Bakterien abgesehen, bestimmte Bestandtheile des Ge-
webes, welche bei der Gram' sehen Entfärbung die einmal angenommene
Färbung stets beibehalten. Dies sind:
1) die sogenannten Kerntheilungsfiguren,
2) die Mastzellenkörner (cf. p. 96),
3) die Hornschicht der Epidermis.
Ferner halten auch die serösen Ueberzüge der Organe und die an-
grenzenden Zonen der letzteren der Gram' sehen Behandlung gegen-
über die Färbung ausserordentlich fest.
Es ist hier zu bemerken, dass von pflanzlichen Objecten nicht
etwa nur bestimmte Bakterienarten bei der Gram' sehen Entfärbung
gefärbt bleiben, sondern auch andere Dinge, z. B. Hefezellen etc.
Die Gram' sehe Methode ist übrigens nur auf ganz bestimmte
Farbstoffe beschränkt. Mit Fuchsin, mit Methylenblau, mit Bismarek-
braun wird man nie Eesultate bekommen. Einzig und allein anwend-
bar sind die sogenannten Pararosaniline. Wir verdanken diese
Kenntniss Unna, welcher die bei der Gram 'sehen Methode in Be-
tracht kommenden Verhältnisse zum Gegenstande einer ausführliehen
Studie!) gemacht hat. Den Pararosanilinen, zu denen Methyl-
violett, Gentianaviolett und Victoriablau gehören, stehen
die ßosaniline gegenüber. Beide Gruppen leiten sich ab von dem
aus dem Methan CH^ abgeleiteten Triphenylmethan C(CeH.).3H,
aus dem durch Einführung dreier Amidogruppen und einer Hydroxyl-
gruppe das farblose Pararosanilin oder Triamidotriphenyl-
karbinol C(CeH^ -NH^).. OH wird. Das salzsaure Salz des letzteren
ist eins der färbenden Pararosaniline und hat die Zusammen-
setzung C(Cy H^ • NH2)2 • C(jH^ • NH2 Gl. Die R 0 s a n i 1 i n e unter-
scheiden sieh dadurch von den Pararosanilinen, dass statt einer der
drei Phenylgruppen eine ToluylgTuppe (statt CgHg also CgH^ • CH3) in
das Methan eintritt. Wie gesagt, sind nur die Pararosanilin-
verbindungen (Methylviolett, Gentianaviolett, Victoriablau) für die
Behandlung nach Gram anwendbar. Der Grund hierfür ist nach
Unna die starke Verwandtschaft, welche diese Farbstoffe zu dem Jod
besitzen.
Die genannten Farbstoffe muss man aber stets in Ge«talt der
^) Die Eosaniliae und Pararosaniline. Eine bakteriologische Farbenstudie.
(Monatsh. f. prakt. Dermat. Ergänzungsheft 1. 1S87.)
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 8
114 A. Allgemeines.
Ehrlich* sehen Lösung, d. h. in iV n i 1 i n w a s s e r gelöst, zur An-
wendung bringen ; sonst hekonmit man weniger befriedigende Resultate.
Man kann übrigens , wie ich gefunden habe , die G r a m ' sehe
Methode resp. meine Modification dieser Methode auch mit der oben
(p. 95) bereits erwähnten U n n a ' sehen A n t r o c k n u n g s m e t h o d e
eombiniren. Speciell für Lepraschnitte habe ich dies mit Yortheil
gethan. Die Schnitte werden zu dem Zwecke, nach der maximalen
Entfärbung in Alcohol, nicht in Xylol, sondern (entweder cürect oder
nach vorheriger Behandlung mit Wasser) mit dem Spatel auf den
Objectträger gebracht, dort dann nach der Unna" sehen Yorschrift an-
getrocknet und dann in Balsam eingeschlossen.
Auch für D e c k g 1 a s p r ä p a r a t e kann mau die G r a m ' sehe
Methode verwenden. Doppelfärbungen, in der oben (p. 111) angegebenen
Weise unter Anwendung von Picrocarmin hergestellt, geben hier (bei
Ausstrichpräparaten von Gewebssaft etc.) oft die schönsten Bilder.
Man geht bei der Färbung von Deckglaspräparaten nach Gram am
besten so vor, dass man das (event. mit [vorher filtrirtem ; cf. p. 111,
Anm. 1] Picrocarmin vorgefärbte, dann mit Wasser abgespülte und
wieder getrocknete) Präparat e. V-2 ^'^finute mit Ehrlieh' scher
Gentiana^iolettlösung, dann (ohne es abzuspülen) c. 1 Minute mit
der Jodjodkaliumlösung, dann (am besten unter Bewegen) eine Reihe
von Minuten — Ins zu maximaler Entfärbung — in Alcohol be-
handelt; dann wii"d das Präparat schnell unter dem Strahl der
Wasserleitung abgespült, abgeblasen, getrocknet und in Xylolbalsam
eingeschlossen.
Die Gram' sehe Behandlung bringt bei den Bakterien nur den
Protoplasmakörper, nie die Kapseln, gefärbt zur Anschauung.
Ausser meiner Modification der G r a m " sehen Methode sind noch
mehrere andere Modificationen angegeben worden, unter denen besonders
die oben (p. 96) bereits erwähnte Weigert" sehe „Methode zur
Färbung von Fibrin und von M i k r o o r g a n i s m e n" i) sieh
bewährt und ausgedehnte Anwendung gefunden hat. Weigert färbt
den Schnitt in E hr lieh' scher Anilinwassergentianaviolettlösung, spült
ihn in Wasser oder Kochsalzlösung ab, bringt ihn dann mit dem
Spatel auf den Objectträger, tupft ihn mit Fliesspapier ab, behandelt
ihn darauf mit der oben genannten Jodjodkaliumlösung, tupft ihn Avieder
ab, betropft ihn mit Anilin (Anilinöl), welches die Diflerenzirimg bewirkt
und den Schnitt zugleich entwässert (cf. p. 92, Anm. 1).
Dann wird das Anilin mit Xylol entfernt und der Schnitt in Balsam
1) Fortschr. d. Med. ISST. No. 8.
IV. Allgemeine Methodik der Bakterienbeobacbtung-. 115
eingeschlosseu. Das Fibrin, Hj^^lin etc. werden bei dieser Behandlung-
intensiv blau, die Mkroorganisnien dunkelviolett.
U n n a ^j bat empfohlen, die ursprüngliche Gram' sehe Vorschrift
dahin abgeändert anzuwenden, dass man das Jod nicht als solches der
Jodkaliumlösung zusetzt, sondern dass man dasselbe mit Hülfe von
Wasserstoffsuperox}' d, welches der Jodkaliumlösung zugefügt
wurde, in die Gewebe einführt.
^) Die Eosaniline und Pararosaniline. (Monatshefte f. prakt. Dermatol. Er-
gänzungsheft 1. ISS 7.)
V.
Allgemeine Methodik der Bakterienzüehtung-.
1. Einleitendes.
VV eim es sicli darum handelt, Genaueres über irgend welche
Bakterien zu erfahren, die sich in der Natur ii-gendwo uns darbieten,
sei es innerhalb des erki'ankten Thierkörpers , sei es innerhalb eines
bestimmten Trinkwassers oder an irgend einem anderen Orte, so wird
man sich in der Regel nicht damit begnügen dürfen, die Bakterien
mikroskopisch zu untersuchen; man würde so weiter nichts feststellen
können als ihre Form und ihr Verhalten zu Farblösungen und sonstigen
Reagentien. Es würde vielmehr durchaus nothwendig werden, den
Versuch zu machen, die Bakterien zur Vermehrung zu bringen, sie zu
züchten, zu cultiviren. Erst die Cultur lässt bei vielen mor-
phologisch gleichen oder sehr ähnlichen Arten Unterschiede der Arten
hervortreten, und für die Diagnosticirung einer bestimmten Art
ist die Cultur gewöhnlich gar nicht zu umgehen.
Es kann nun vorkommen, dass die Xatur ims im gegebenen
Falle die Bakterien bereits in Rein cultur darbietet, d. h. dass sich
an dem Fundorte nur einer einzigen Bakterienart angehörige Indivi-
duen, unvermischt mit Indi\dduen anderer Arten, vorfinden. In diesem
Falle würden wir nichts weiter zu thim haben, als beliebige Theile
dieser natürlichen Reincultur auf einen passenden keimfreien, natür-
lichen oder künstlichen Nährboden zu übertragen; auf diesem Nähr-
boden würde sich die eingesäete Art vermehren, und wir hätten dann
durch beliebige Variation der Culturbedingungen Gelegenheit, das Ver-
halten der Art unter den verschiedensten äusseren Verhältnissen, mit-
hin ihre Eigenschaften nach allen Richtungen hin, zu studiren. Dieser
Fall findet sich z. B. häufig dann, wenn es sich um Thierkrankheiten
handelt, die durch die Einwanderung einer bestimmten Bakterienart
in den Thierkörper und durch die Vermehrung dieser Art im Blute
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzücbtung. 117
des Thieres bedingt sind. Ein jeder Blutstropfen wird dann eine Rein-
ciütui- der bestimmten Bakterienart enthalten.
In den meisten Fällen liegen jedoch die Dinge so. dass die Xatur
nicht eine Reincultur, sondern ein Gemisch verschiedener
B a k t e r i e n a r t e n darbietet. Wollen wir dann Grenaueres über diese
Arten erfahren, so müssen wir die Arten von einander zu trennen,
die einzelnen Arten von einander isolirt in Reincultur zu gewinnen
suchen. Ein methodisches, zielbewusstes Vorgehen in dieser Richtung
ist erst durch Rob. Koch ermöghcht worden. Koch's Methoden
der Reincultivirung der Bakterien smd derart construirt, dass wir
jedesmal die verschiedenen Bakterienarten, die sich in einem be-
stimmten Bakteriengemische vorfinden, in isolirten Reinculturen zu
ge\\äQnen im Stande sind, falls nur diese Arten auf dem zur Anwendung
gebrachten Nährboden und unter den sonstigen bestehenden Bedingungen
überhaupt zu gedeihen vermögen.
Die Zeit vor Koch arbeitete fast ausschliesslich mit flüssigen
Nährböden. Koch schuf den durchsichtigen, festen Nähr-
boden. ^In dieser Umwandlung liegt die Basis de r m o d e r n e n
Bakteriologie. "^
Ist die Aufgabe gestellt, mit Hülfe eines flüssigen Nähr-
bodens die verschiedenen Arten, welche sich in einem Bakterien-
gemische vorfinden, von einander zu sondern, in isolii'ten Reinculturen
zu gewinnen , so kann dies ' nur so geschehen , dass man aus dem
Bakteriengemische eine einzelne Bakterienzelle herausnimmt
und diese, unvermischt mit andern Zellen, in ein beliebiges Quantum
des vorher keimfrei gemachten flüssigen Nährbodens überträgt. Hat
man wirklich nur eine einzelne Zelle übertragen, ist der Nährboden
sicher keimfi-ei gewesen, so muss jetzt, falls der Nährboden überhaupt
passend ist, eine Reincultur gelingen. Aber wie überträgt man eine
einzelne Zelle? Man hat dies durch weitgehende Verdünnungen
des Bakteriengemisches mit sterilisirtem Wasser zu ermöglichen gesucht.
Man ging mit der Verdünnung so weit, dass auf eine abmessbare
Menge der Flüssigkeit der Schätzung nach nur ein einzelner Keim
kam. Uebertrug man nun diese Menge der Flüssigkeit, so entstand
mit Wahrscheinlichkeit eine Reincultur, da man mit Wahrscheinlich-
keit nur einen einzelnen Keim übertragen hatte. Wie aber war eine
Controle darüber möglich, dass wirklich nur ein einzelner Keim über-
tragen war, dass ihm nicht mechanisch andere anhingen? Wie war
es möglich, die Entwickelung der Cultur aus dem einen Keime mikro-
skopisch zu verfolgen und es so über alle Zweifel zu erheben , dass
man es wirklich mit einer Reincultur zu thun hatte? Alle diese Dinge
llg A. Allgemeines.
boten so imencUiche Schwierigkeiten, dass an eine nniverselle Anwend-
barkeit dieser Methode znm Zwecke der Eeincnltur nicht gedacht
werden konnte. L i s t e r i) war übrigens der Erste, welcher mit Hülfe
der beschriebenen Verdünnungsmethode^) eine Bakterienremcnltur
erzielte, nachdem dieselbe vorher schon von Brefeld für Schimmel-
pilze mit Erfolg angewendet worden war.
R. Koch hatte bei seiner ersten, grundlegenden Arbeit über die
Actio logie des Milzbrandes^) ebenfalls nur flüssige Nähr-
böden zur VeiTVTndung. Es gelang ihm hier, mit Hülfe des flüssigen
Nährbodens die Entwickelungsgeschichte des Milzbrandbacillus lückenlos
darzulegen und an der Hand sicherer Reinculturen seine Pathogenität
zu erweisen. Immerhin gehörte das ausserordentliche Geschick eines
Koch dazu, die Unzulänglichkeiten des flüssigen Nährbodens zu über-
winden und denselben in einwandsfreier Weise dem erstrebten Ziele
dienstbar zu machen.
Der fundamentale Unterschied zwischen dem flüssigen und dem
festen Nährboden ist der, dass der flüssige Nährboden die verschiedenen
Bakterienvegetationen, die sich in oder auf ihm bilden, in uncontrolir-
l)arer Weise durch einander gerathen lässt, während dieselben, in
festem Nährboden wachsend, vermöge der Consistenz des letzteren
an Ort und Stelle isolirt von einander fixirt bleiben.
Ist nun der feste Nährboden nebenbei noch durchsichtig, so ist eine
makroskopische und mikroskopische Controle der verschiedenen Vegeta-
tionen in jedem Augenblicke ermöglicht, und damit die Erzielung von
Reinculturen eigentlich vollendet. Wir werden uns deshalb zur
Isolirung der Bakterien stets des festen Nährbodens bedienen;
flüssige Nährböden können nur in Frage kommen, wenn wir bereits
Reinculturen vor uns haben.
Zur Isolirung der Bakterien, zur methodischen Herstellung
von Reinculturen sind also feste, durchsichtige Nährböden er-
forderlich. Solche Nährböden erhält man nach Koch's Vorgang
durch Zusatz von gelatinirenden Substanzen zu passenden Nähr-
lösungen. Da die Bakterien je nach den Arten aber verschiedene
Ansprüche an den Nährboden stellen, so wird man sich nicht auf
^) Jos. Li st er. On the lactic fernientation etc. (Patb. Societj' of London
Deo. 18. 1877; Transactions 1877/78.) Dort p. 447 beschreibt Lister die Ver-
diinnungsmethode, die er anwandte, um aus Milch die säuernde Bakterienart, das
„Bact. lactis" reinzuzüchten.
') xVusfiihrlicheres hierüber findet man in Hu eppe 's „Methoden der Bakterien-
lorschung". 5. Auil. Wiesbaden. 1891. p. 306 ff.
") Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1876. p. 277 ff.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung-. HO
eine einzige Nährlösung beschränken dürfen, sondern man muss die
Znsammensetzung der Nährlösung je nach dem Bedürfnisse varüren.^)
Koch-) construirte sich so verschiedene „Nährgelatinen" durch
Zusatz von Gelatine zu Heuinfus, Weizeninfiis, Humor aqueus, Fleisch-
extract- und Peptonlösung, Fleischinfus und Peptonlösung, Blutserum.
Zur Cultivirung von Pilzen sehr geeignet erwiesen sich mit
PÜaumendecoct oder Pferdemistdecoct hergestellte Nährgelatinen.
Zur Züchtung von pathogenen Organismen ganz besonders
geeignet fanden Koch und Loeffler'^) eine Nährlösung, welche
aus Fleischinfus mit Pepton- und Kochsalzzusatz be-
steht, und die durch Natriumphosphat oder Natriumcarbonat schwach
alkalisch gemacht wird. Diese Pepton -Kochsalz -Bouillon bildet die
Basis der wichtigsten Nährböden, welche in dem bakteriologischen Labo-
ratorium heutzutage angewendet werden. In Verbindung mit Gelatine
bildet sie den gewöhnlich einfach als „Koch' sehe Nährgelatine"
bezeichneten Nährboden; in Verbindung mit Agar bildet sie das weiter-
hin noch zu besprechende „Nähragar"; ohne Zusatz mrd sie als
„ N ä h r 1) 0 u i 1 1 0 n " angewendet.
2. Die Darstellung der -wichtigsten bakteriologischen
Nährböden. Nährgelatine, Nähragar, Nährbouillon, Blutserum,
Kartoffel, Ei, Brotbrei etc.
Die „Nähr gel atine" wird folgendermassen dargestellt: Man
übergiesst
500 g fettfreies gehacktes oder geschabtes Eindfleisch
1 1 destillirtem Wasser
^) Eine Methode, die Bedürfnisse an Nährsubstanzen für einen gegebenen Fall
zu ermitteln, hat Beyerinck 1SS9 (cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1S90. p. 347)
angegeben. Er vertheilt eine Eeincultur der Bakterien- (oder Hefen- etc.) Art, deren
Bedürfnisse ermittelt werden sollen , in geschmolzener Gelatine oder in Agar , denen
die nothwendigen Nährsubstanzen zunächst noch nicht zugesetzt sind, giesst die so
beschickte (Jelatine resp. das Agar auf eine Platte etc. aus , lässt das Ausgegossene
erstarren und bringt nun auf die Oberfläche der erstarrten Gelatine resp. des Agars
an verschiedenen Stellen Tröpfchen von Lösungen verschiedener einzelner Nährsub-
stanzen. Die Stoffe diffundiren in die erstarrte Gelatine etc. hinein, und es kommt
dort zu dem ausgiebigsten Wachsthum, wo (wie z. B. event. in dem gemeinsamen
Diffusionsfeld differenter Tröpfchen) die Nährsubstanzen in der günstigsten Zusammen-
setzung vorhanden sind. Es entsteht auf diese Weise eine Entwickelungsfigur auf
der Platte, welche Beyerinck „Auxanogramm" nennt; die Methode bezeichnet
er als „ Auxanographie". ' •
'-) Mitth. aus d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 27, 28.
•') Mitth. aus d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 27 und 109.
120 -^- Allgemeines.
und lässt das Gemisch, nachdem man das Fleisch möghchst gleich-
massig in dem Wasser vertheilt und hinterher noch mehrmals um-
gerührt hat, 12 — 24 Stunden an einem kühlen Orte stehen. Ln
Sommer empfiehlt sich hierzu der Eisschrank. Dann giesst man das
Gemisch auf ein reines leinenes Tuch, welches über einen grossen
Glastrichter hinweggelegt ist, und lässt das „Fleischwasser" hin-
durchlaufen. Ist die ganze Menge aufgegossen, so kann man die Zipfel
des Tuches zusammennehmen und nun durch vorsichtiges Drücken
imd Pressen des Tuches mit der Hand das Durchfliessen der Flüssig-
keit beschleunigen. Man presst so lange, bis man 1 1 Fleischwasser
erhalten hat. Das Fleischwasser ist eine Lösung der löshchen Sub-
stanzen des Muskels; es reagirt in Folge seines Gehaltes an Mlch-
säure stark sauer. (Anstatt des Fleischwassers kann auch eine Fleisch-
extract-Lösung als Constituens der Xährgelatine benutzt werden;
man ninunt 10 g Liebig'sches Fleischextract auf 1 1 Wasser. Die
resultirende Nährgelatine ist bräunlich gefärbt, während bei der Ver-
wendung von Fleischwasser ein ungefärbter Nährboden erhalten wird).
In das Fleischwasser (resp. (üe Fleischextractlösung) hinein wird
nun gegeben:
100 g Gelatine (107o),
10 g Pepton (Peptonum siccum) (l^o)'
5 g Kochsalz (VaX)-
(Es giebt im Handel viele verschiedene Sorten von Gelatine. Wir ver-
wenden fiii- unsere Zwecke die gute weisse Speisegelatine der Küche,
die eine gute Erstarrungsfähigkeit besitzt.) Das Gemisch lässt man
zunächst etwas stehen, damit die Gelatine aufquillt, und bringt das-
selbe dann bei massiger Erwärmung (durch Einstellen in 40 — 50^0.
warmes Wasser) zur Lösung. Die Erwärmung soll hierbei niemals
so weit gehen, dass das Muskeleiweiss beginnt ausgefällt zu werden.
Ist die ganze Menge der Gelatine und des Peptons gelöst, so
nimmt man das Neutralisiren des Gemisches vor. Man bedient
sich dazu einer gesättigten wässerigen Lösung von Natriumcarbouat,
die,. zuerst in grösserer Quantität, dann vorsichtiger, tropfenweise, mit
Hülfe einer Pipette so lange zugesetzt wird, bis das Lackmuspapier i)
schwache, aber deuthche alkalische Reaction anzeigt.
Dann kommt das, am zweckmässigsten in einem gi'ossen Glas-
kolben befindliche, Gemisch (dem man — behufs der sichereren Klärung
^) Phenolphtalein oder Eosolsäure sind als Indicatoren hierbei nicht zu be-
nutzen. Eine in der Eeaction richtig gestellte, auf Lackmus schwach alkaUsch
reagirende Nährgelatiiie zeigt, mit einem der erstgenannten Körper geprüft, saure
Eeaction.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 121
bei dem nachfolgenden Erhitzen — jetzt noch das Weisse emes [guten,
frischen!] Hühnereies zusetzen kann, welches mit der Flüssigkeit ge-
hörig durchgeschüttelt wird) in das kochende Wasserbad oder
in den Dampftopf (cf. oben p. 28), wo es 1 bis l^o Stunden i) der
Erhitzung durch den 100*^ C. heissen Wasserdampf ausgesetzt wird.
Hierbei werden die aus dem Muskel stammenden (event. auch das zu-
gesetzte Hühnereiweiss repräsentirenden) fällbaren Eiweisskörper aus
dem Gemische ausgefällt; sie finden sich dann an den Wänden des
Gefässes und auf der Oberfläche der Flüssigkeit schwimmend als zu-
sammenhängende Massen vor, während die Flüssigkeit selbst klar
erscheint.
Die letztere braucht nun nur noch filtrirt zu werden. Das
Filtriren geschieht durch eine doppelte Lage gutes Filtrirpapier hin-
durch. Man lässt die Flüssigkeit in gut gereinigte sogenannte Erlen-
meyer'sehe Kölbchen hineinlaufen. Die Gelatine ist jetzt eventuell
(siehe nachher) fertig. Sie muss klar durchsichtig erscheinen und darf
sich beim Auf kochen nicht trüben; sie muss schwach, aber deutlich
alkalisch reagiren.
Nur in seltenen Fällen wird, wenn man die Gelatine genau nach
dem vorstehenden Recept angefertigt hat, die chemische Reaction
jetzt schon eine zufriedenstellende sein. Hat man nämlich nach der
Lösung der Gelatinetafeln und des Peptons in dem Fleischwasser die
Reaction des Gemisches auch auf das Sorgfältigste richtig gestellt, so
erlebt man es doch ausserordentlich häufig, dass nach dem Kochen
die Reaction wieder eine neutrale oder selbst leicht saure geworden
ist. Dieses „iST ach säuern" der Nährgelatine beim Kochen scheint
bei der einen Gelatinesorte in höherem, bei der anderen in geringerem
Grade aufzutreten. Auf jeden Fall darf man sich daher niemals damit
zufrieden geben, dass man die Reaction ein Mai richtig gestellt hat,
sondern es ist durchaus nothwendig, die Reaction nach dem
Kochen wiederum zu prüfen. Am zweckmässigsten ist es, diese
Prüfung und event. erneute Richtigstellung vor dem Filtriren vor-
zunehmen. Nach der Richtigstellung der Reaction wäre dann erneut
kurze Zeit (i/o Stunde etwa) zu kochen, dann zu filtriren.
Dass die Nährgelatine die richtige, d. h. eine deutlich alka-
lische Reaction zeigt, ist ein g a n z hervorragend wichtiger
Punkt; und man darf denselben bei der Darstellung dieses Nähr-
^) Die angegebene Zeit bezieht sich auf den Fall, dass man (wie oben an-
genommen) 1 1 des Nährbodens zurecht macht. Handelt es sich um die Darstellung
grösserer Quantitäten, so muss, da die Erhitzung hier langsamer vor sich geht, ent-
sprechend länger gekocht werden.
122 -•^- Allgeineiues.
bodeiis uie aus den Augen lassen. Die Bakterien verlangen ganz im
Allgemeinen, wie das schon oben (p. 21) gesagt ^vurde, alkalische
Nährböden. Manche Arten, speciell z. B. der Choleravibrio, sind ganz
ausserordentlich empfindlich in dieser Beziehung. Falls man daher
eine Nährgelatine dargestellt hat, die die vorschriftsmässige Keaction
nicht zeigt, so darf man sich nachher nicht wundem, wenn der
Choleravibrio nur höchst kümmerlich oder auch gar nicht auf diesem
Nährboden gedeiht, der letztere demnach für Cholerauntersuchungen
nicht zu brauchen ist.
Bezüglich der Bereitung der Nährgelatine ist aber darauf auf-
merksam zu machen, dass es sich nicht empfiehlt, die chemische
Reaction gleich im Anfange (vor dem Ausfällen der Eiweisskörper) zu
stark alkahsch zu stellen. Man wüi'de dadurch nämlich bewirken, dass
der nachfolgende lüärungsprocess (beim Kochen) sehr unvollkommen
imd schlecht vor sich ginge. Je weniger alkalisch die Fleischwasser-
Gelatiue-Pepton-Kochsalz-Lösung ist, desto schneller und besser klärt sie
sich bemi Kochen. Im Allgemeinen würde es sich also empfehlen, in
dieser Beziehung eine Mittelstrasse einzuschlagen; h. h. man macht
zunächst (vor dem Kochen und Klären) die Flüssigkeit nur neutral
resp. ganz schwach alkalisch, dann kocht man, und erst nach
dem Kochen und der Klärung wird die Reaction deutlich alkalisch
eingestellt. Erneutes kurzes Kochen (siehe oben) und darauf folgendes
Filtriren würde dann die Operation abschliessen.
Genügt die Gelatine den in Vorstehendem ausfiihrUch auseinander
gesetzten Anforderungen (erscheint sie nach dem Filtriren klar durch-
sichtig, trübt sie sich beim Aufkochen nicht, zeigt sie die richtige
Reaction), so kann sie in Reagenzgläschen eingefüllt werden,
in welchen sie dann vorläufig, bis wir sie in Gebrauch nehmen, ver-
bleibt. Nach der ursprünglichen Koch'schen Vorschrift
werden die zu benutzenden Reagenzgläschen zunächst sauber mit "Wasser
und Bürste gereinigt, dann an der Luft getrocknet und nun mit je
einem Wattepfropf,^) der in die Oeffnung fest eingedreht wird,
und durch den ein „pilzdichter" Verschluss des Gläschens herbeigeführt
werden soll, versehen. Die Gläschen gelangen dann in einen in den
Heissluft- oder Trocken schrank (cf. p. 27) passenden Einsatz
von Drahtgeflecht („Draht korb"), welcher in den Trockenschrank
^) Auf die Herstellung des "Wattepfropfs hat man gehörige Sorgfalt zu
verwenden. Es genügt nicht, irgendwie ein Stückchen Watte in den Hals des Röhr-
chens zu stopfen, sondern man muss dazu ein zusammenhängendes Stück "Watte
nehmen ; die äussere Fläche des fertigen Wattepfropfs muss (an den Seiten und unten)
eine möglichst continuirliche Schicht bilden.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüclitung. 123
gestellt wird. Hier werden die Gläschen ^/g bis "^/^ Stunden einer
Temperatur von etwa 150^ C. ausgesetzt. Sie werden hierbei sammt
dem Wattepfropf, der bei dieser Procedur eine leicht bräunliche
Färbung (beginnende Verkohlung) annimmt, gründlich sterilisirt. Nach
der Erhitzung lässt man die Gläschen erkalten. Sie sind nun gebrauchs-
fertig. Man nimmt Gläschen für Gläschen in die Hand, entfernt den
Wattepfi'opf, dessen innerhalb des Röhrchens befindlich gewesenen Theil
man sorgfältig vor Berührung mit den Händen und anderen Dingen
schützt, und giesst aus dem E r 1 e n m e 3?^ e r ' sehen Kölbchen die flüssige
Gelatine in einer Menge von je etwa 10 ccm in das vertikal gehaltene
Reagenzröhrchen so, dass eine Benetzung des oberen Theiles der Wand
des Röhrchens sorgfältig vermieden wird. Verfehlt man dies, so klebt
nachher der Wattepfropf an der Wand an und muss dann später los-
gerissen werden, was immer Unannehmhchkeiten mit sich führt. Nach
dem Eingiessen der Gelatine "v^nrd der Pfropf wieder aufgesetzt resp.
eingedreht, und das Gläschen dann zunächst in das Reagenzglasgestell
bei Seite gestellt.
Nach dem Vorgange mehrerer anderer Autoren habe ich (ab-
weichend von der vorstehend angegebenen ursprünglichen Koch "sehen
Vorschrift) das Sterilisiren der Reagenzgläser vor dem
Einfüllen der Gelatine seit Jahren ganz weggelassen. Ich
stelle mir die gut gereinigten und getrockneten Gläschen neben ein-
ander auf das Reagenzglasgestell, fülle sie nach der Reihe mit Gelatine,
versehe erst jetzt jedes einzelne mit einem (unsterilisirten) Wattepfropf
und behandle sie dann, wie folgt, weiter. ^)
Sind alle Gläschen (unter Befolgung der ursprüngHchen Koch'-
schen Vorschrift oder der angegebenen Modification) mit Gelatine be-
schickt, so kommen sie zusammen in den Einsatz des Dampftopfes
und njit diesem für 15 — 20 Minuten in den Dampf von 100 0 C.
Dann werden sie aus dem Dampftopf entfernt, zur Abkühlung hin-
gestellt, bis zum nächsten Tage stehen gelassen, und gelangen nun
von Neuem auf 15 — 20 Minuten in den Dampftopf. Dies wird dann
auch noch ein drittes Mal, 24 Stunden später, wiederholt. Bei dieser
Behandlung wird die Gelatine sterilisirt.-) Der Grund dieser
^) Ebenso verfahre ich bei der Agarbereitung und bei der Bouillonbereitung,
ebenso auch , wenn es sich um Kartoffelculturen im Keagenzglase handelt. Für
Blutserumröhrchen ist dieses abgekürzte Verfahren nicht anwendbar; denn die (bei
den anderen Nährböden nach der EinfiÜIung folgende) Sterilisirung im Dampftopf
ist bei Blutserum nicht angängig.
-) Hat man die Gelatine in vorher nicht sterilisirte Gläschen eingefüllt, so
wird bei dieser Behandlung im Darapftopf auch das Gläschen und der Wattepfropf
sterilisirt.
124 A. Allgemeines.
mehrmaligen, miterbrochenen, „discontinuir liehen" Erhitzmig ist
folgender: In der Gelatine sind zunächst Keime vorhanden, welche
zerstört werden sollen. Die Keime können z. Th. in Form vegetativer
Zellen, z. Th. in Form von Dauersporen vorhanden sein. Die ersteren
sind durch Erhitzung schnell und leicht zu tödten, die letzteren aber
würden zu ihrer Tödtung eines viele Stunden fortgesetzten Kochens
benöthigen. Eine so lange auf Siedetemperatm- gehende Erhitzung
verträgt aber die Gelatine nicht. Die Gelatine hat die Eigenthüm-
lichkeit, durch langdauemdes Erhitzen ihre Erstarrungsfähigkeit mehr
und mehr eiuzubüssen. Wir ^vürden also, wollten wir die Gelatine
durch einmaliges Kochen sicher sterilisiren, einen flüssigen IS^ährboden,
und. nicht einen festen, den wir haben wollen, erzielen. Man begnügt
sich daher zunächst damit, die vegetativen Formen abzutödten. Bis
zum nächsten Tage sind dann in der wieder abgekühlten Gelatine die
vorhandenen Sporen ausgekeimt, und es sind also jetzt keine Sporen
mehr da, sondern nur vegetative Formen, die durch erneutes kurzes
Erhitzen wieder leicht und sicher zu tödten sind. Um ganz sicher zu
gehen, erhitzt man auch noch ein drittes Mal in dieser Weise. Dann
hat man sicher keimfreie Gelatine, i) Das Princip dieser ,, d i s c o n -
tinuir liehen Sterilisation" wurde von Tyndall erfunden.
Die angegebene Nährgelatine kann man als die „ N ä h r g e 1 a t i n e
p a r e X c e 1 1 e n c e" bezeichnen : spricht man von „Nährgelatine" schlecht-
hin, so meint man stets diesen Nährboden, Oben (p. 119) haben wir
schon angegeben, dass bereits Koch sich für bestimmte Zwecke anders
zusammengesetzte Nährgelatinen hergestellt hat; und in der Folge,
nach den ersten Koch' sehen Arbeiten , hat es sich als nothwendig
erwiesen, auch für die Züchtung von pathogenen Bakterien, für die ja
die gewöhnliche Koch' sehe Fleischwasser-Pepton-Kochsalzgelatine im
Allgemeinen ganz besonders geeignet ist (cf. p. 119), die Zusammen-
setzung der Nährgelatine gelegentlich etwas abweichend zu gestalten.
Es handelt sich hier hauptsächlich um gewisse Zusätze, die man der
gewöhnlichen Nährgelatine in der Praxis für den einen oder den anderen
Zweck giebt. In Folgendem seien die am häufigsten angewandten,
hierhin gehörigen Modificationen der Koch' sehen Nährgelatine an-
gegeben.
T r a u b e n z u c k e r - G e 1 a t i n e. Man setzt der fertig hergestellten.
^) Unter Umständen können — allerdings sind das sehr seltene Aus-
nahmen — an den Gelatinetafehi des Handels äusserst widerstandsfähige Keime
vorhanden sein, welche es verursachen, dass eine sichere Sterilisirung der Nähr-
gelatine nach der geschilderten Methode nicht gelingt, (cf. Heim, Centralbl. i.
Bakt. Bd. 13'. 1893. No. 20.)
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 125
bereits filtrirten, aber noch nicht in Reagenzgiiischen eingefüllten,
Nährgelatine 2 ^j^ Tranbenzucker zu (d. h. auf 1 1 Gelatine 20 g),
löst auf, füllt in Reagenzgläschen ein und sterilisirt im Dampftopf, wie
oben angegeben.^)
Milchzucker- Gelatine. Sie wird genau so dargestellt wie
(üe Ti-aubenzucker-Gelatine. Man nimmt 2 ^j^ Milchzucker, welchen
man der fertigen Nährgelatine zusetzt.
3proc. Kochsalz-Gelatine. Man stellt sich eine Nähr-
gelatine genau in der Weise, wie oben (j). 119 ff.) geschildert, her; nur
nimmt man 3 ^J^ Kochsalz anstatt ^/^ ^Iq-')
Die vorstehend genannten, mit 10 ^/^ Gelatine hergestellten Gelatine-
Nährböden haben die Eigen thümlichkeit, bei etwa 24 "^ C. weich zu
werden und bei etwas höherer Temperatur zu schmelzen. Man kann
sie deshalb nur bei „Zimmertemperatur", d. h. höchstens bei
einer Temperatur von 22 ^ C. zu Culturzwecken verwenden, will man
sich nicht des Vortheils des festen Nährbodens begeben. Dadurch nun,
dass man den Gelatinezusatz bei der Bereitung des Nährbodens erhöht,
die Nährgelatine also concentrirter macht, gehngt es Nährböden her-
zustellen, die erheblich höhere Temperaturen (bis zu 30 ^ C.) aushalten,
ohne ihre feste Consistenz zu verlieren. Solche Nährgelatmen (bei deren
Herstellung resp. Sterihsirung alle und jede nicht absolut nothwendige
Erhitzung streng vermieden werden muss, da die Gelatine, je mehr
erhitzt, desto mehr an Erstarrungsvermögen einbüsst [cf. oben p. 124])
haben Pane^) (1892) sowie Eisner*) (1894) angegeben.
Die Darstellung des Nähr -Agar erfordert ein von der
') Es empfiehlt sich nicht den Traubenzucker gleich zu Anfang, d. h. mit dem
Pepton imd Kochsalz zusammen, der Flüssigkeit zuzusetzen; denn bei dem nach-
folgenden längeren Kochen wird der Traubenzucker, wie bekannt, allmählich immer
mehi- und mehr verändert, und es wird dadurch der Zweck, einen Nährboden von
bestimmtem Traubenzuckergehalt zu bekommen, vereitelt.
^) Die 3proc. Kochsalz - Gelatine findet besonders zur Züchtung von Leucht-
bakterien Verwendung. Braucht man nur einige Eöhrchen derartiger Gelatine, welche
man sich aus bereits vorhandener gewöhnlicher Nährgelatine herstellen will, so kann
man zweckmässig 'so verfahren , dass man etwas Kochsalz in einem leeren Eeagenz-
glas über der Bunsenflamme stark erhitzt, so dass es seinen Wassergehalt verliert
und sterilisirt wird. Zu gleicher Zeit erhitzt man auch das Eeagenzglas m allen
seinen einzelnen Theilen stark, um es völlig steril zu machen. Man hat dann weiter
nichts zu thun, als von dem sterihsirten Kochsalz eine kleine Quantität in ein Gläs-
chen mit Nährgelatine, dessen offenes Ende man nach Entfernung des Wattepfropfs
in der Flamme stark erhitzt hat, überzugiessen, um es (nach Aufsetzung des Watte-
pfropfs) in der dann geschmolzenen Gelatine gleichmässig zu vertheilen.
^) cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 16. p. 229. Anm.
^) Hjg. Rundschau 1894. p. 296; Arch. f. Hyg. Bd. 21. 1894. p. 140.
126 A. Allgemeines.
Darstellung der Xährgelatine etwas abweichendes Vorgehen. Das
Agar odor Agar-Agar ist eine Pflanzengallerte, von verschiedenen
Arten ostindischer Meerestange stammend. Das Agar kommt in Form
von Streifen oder von Pulver oder auch von grösseren vierkantigen
Stücken, die aus lose zusammenhängender dünner Agarmasse bestehen,^)
in den Handel. Das Agar quillt in Wasser auf, schmilzt aber im
Gegensatz zur Gelatine, welche gewöhnlich bereits zwischen 25 ^ und
30 ^ C. flüssig wird, erst bei Temperaturen, die der des kochenden
Wassers nahe kommen. Die geschmolzene Agarlösung erstarrt dann
bei etwa 40 ^ C. wieder. Zur Darstellung des N^ähr-Agar
geht man wieder von dem Fleischwasser aus, welches man sich
in derselben Weise, wie oben (p. 119) bei der Bereitung der Nähr-
gelatine angegeben, darstellt. (Statt des Meischwassers kann man, wie
bei der Herstellung der IS'ährgelatine, auch eine 1 proc. Lösung von
Liebig' schem Fleischextract nehmen.) Man setzt dann zu 1 1
Fleischwasser 10 g Pepton (1%) und 5 g Kochsalz (Vs^/o)-
Diese ^Mischung bringt man nun zunächst, ohne sie vorher zu neutrali-
siren, etwa für eine Stunde in den Dampftopf: hier werden die fäll-
baren Eiweisskörper ausgefällt. Man filtrirt die Flüssigkeit dann
durch Filtrirpapier. Zu der Flüssigkeit, welche nun frei ist von durch
Hitze ausfällbaren Eiweisskörpern, setzt man 10 bis höchstens 20 g
Agar (1 bis höchstens 2 *^/o)-) entweder in Pulverform oder in kleinen
Stückchen, die man durch Zerschneiden der Streifen etc. gewonnen
hat, und bringt nun das Gemisch aufs Keue in den Dampf topf
oder auch über die offene Flamme, bis sämmtliches Agar ge-
schmolzen ist. Die homogene Flüssigkeit wird nun mit Hülfe von
gesättigter Sodalösimg (wie dies [oben p. 120] bei der Gelatine ge-
schah) auf leicht alkalische Eeaction gebracht") Dann wird
noch einmal gründhch gekocht, am besten mehrere Stunden lang, und
dann wird die Masse durch eine doppelte Lage Filtrirpapier, oder, was
^) Diese vierkantigen Stücke sind das reinste und daher am meisten zu
empfehlende Präparat.
-) Gewöhnlich nimmt man iVa'^/o-
'■'} Zu diesem Zwecke ist gewöhnlich ein viel geringerer Sodazusatz nothwendig,
als es bei der Nährgelatine der Fall ist; der Grund ist der, dass die käufliche
Gelatine an sich sauer reagirt, das Agar aber nicht. Uebrigens kommt es bei der
Nähi-gelatine (die zur Züchtung pathogener Bakterien Verwendung finden seil) viel
mehr darauf an, die Reaction richtig einzustellen, als bei dem Xähragar. Auf dem
Nähragar nämlich züchten wir die pathogenen Bakterien gewöhnlich bei Brüttemperatur,
d. h. bei ihrem Temperaturoptimum, während wir die Gelatinecultureu bei Zimmer-
temperatur, d. h. bei Temperaturgraden, die den pathogenen Arten weniger günstig
sind, halten müssen. Sind aber die Züchtungsbedingungen in mancher Hinsicht (im
V. AJlgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 127
sehr zweckmässig ist, durch Flanell filtrirt. Hierzu wird man sich stets
des Heisswassertrichters ') bedienen müssen. Man kann auch die Fil-
tration ganz und gar im Dampftopf geschehen lassen. Das Agar-
filtriren ist aber ein mühsames Geschäft, da die Agannasse sehr lang-
sam durch das Filter läuft: und man hat sich deshalb auf andere
Weise möglichst klare Agarlösungen zu verschaffen gesucht. ^) Vielfach
angewendet wird ein (von A. Fränkel") angegebenes) einfaches Ver-
fahren, welches darauf beruht, dass man die Agarlösung in ein hohes
Cylindergefäss giesst und das letztere so disponirt, dass sich die Lösung
nur ganz allmählich abkühlen kann. Recht gut erreicht mau dies,
wenn man die aus dem Dampftopf kommende, 100 o C. heisse, Agar-
lösung, nachdem man sie in ein derartiges Gefäss gebracht hat, mit
demselben in den Dampftopf zurückstellt, den man nun, ohne ihn
weiter zu heizen, der allmählichen Abkühlung überlässt. Es senken
sich dann in der Lösung die in ihr suspendirten Präcipitate zu Boden,
während die darüber befindliche Lösung mehr und mehr klar Avird.
Man findet dann nach dem Erstarren eine feste Agarmasse, die in
ihren unteren Theilen die Präcipitate einschüesst, während die oberen
klar sind. Die Masse wird nun, eventuell dm'ch leichtes Erwärmen
des Glases, aus dem letzteren mi Ganzen herausgeholt; die trüben
Theile des Agarcylinders werden durch einen Messerschnitt von den
klaren getrennt, die letzteren zerkleinert, wieder geschmolzen, und es
wird dann der so gewonnene fertige Nährboden in einzelne Reagenz-
letzteren Falle also, was die Temperaturverhältnisse angeht) weniger günstig, so
muss darauf gesehen werden, dass im Uebrigen die Ansprüche der zu cultivirenden
Art mögUchst erfüllt werden (cf. auch die Beispiele auf p. 24, 25 oben). Zu diesen
Ansprüchen gehört aber bei den pathogenen Bakterien im Allgemeinen eine leicht
alkalische Eeaction des Nährbodens.
1) Unna (Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1891. No. 23) hat einen „Dampf-
trichter" zum Agarfiltrireu construirt. Derselbe arbeitet bei Temperaturen etwas
über lOO** C. ; die Agarlösung ist während des Filtrirens dauernd von Dampf um-
geben. Man kommt mit dem vierten Theil der Zeit aus, die man sonst zum Agar-
filtrireu braucht.
-) Tischutkin (cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1S91. p. 208) hat empfohlen,
das Agar (vor der Lösung) in dünner (.öproc.) Essigsäure einzuweichen, dann in
Wasser zu waschen und darauf erst in die BouiUon behufs der Auflösung zu bringen.
Die Lösung geht dann schnell vor sich, und auch die Filtration des so hergestellten
Nährbodens geschieht schnell und leicht. Wie jedoch N. K. Schultz (Centralbl.
f. Bakt. Bd. 10. 1891. p. 58) hervorhebt, gewinnt man durch diese Methode nichts.
Das Erstarrungsvermögen des Agar wird nämlich durch die Einwirkung der Säure
herabgesetzt und kann auch durch nachträgliches Neutralisiren nicht wiedei' her-
gestellt werden.
3) Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 10. lSb6. p. 415, Anm.
128 A. Allgemeines.
gläschen, wie dies bei der Gelatinebereitimg geschah, eingefüllt. Darauf
erfolgt das Sterilisiren der gefüllten Eeagenzgläschen , welches man
zweckmässig genau wie das der Gelatineröhrchen, d. h. durch je
1 5 — 20 Minuten lange Behandlung im Dampftopf an drei auf einander
folgenden Tagen, bewerkstelligt. — Zur Klärung der Agarlösung hat
neuerdings Haegler^) die Centrifuge vorgeschlagen.
Für manche Zwecke ausgezeichnet ist ein Zusatz von etwa 6 ^/^
G 1 y c e r i n zu dem Xähragar. Einzelne pathogene Bakterienarten, z. B.
Diphtheriebacillen, Streptococcen, gedeihen besser auf dem glj'cerin-
haltigen Nährboden als auf dem glycerinfi-eien ; und die Tuberkel-
bacillen wachsen sogar auf dem glycerinhaltigen Agar (gewöhnlich
einfach „Glycerin-Agar" genannt) ausgezeichnet, während sie auf
gewöhnlichem Agar nur äusserst kümmerlich wachsen. Das Glycerin
setzt man bei der Agarbereitung am besten dem filtrirten resp. ge-
klärten Nährboden vor der Einfüllung m die Gläschen zu ; im Uebrigen
verfährt man dann, wie oben angegeben.
Ferner ist füi' manche Zwecke (z. B. zur Cultivirung von Anaeroben
[siehe weiter unten], zur Züchtung von Hefen etc.) ein Zusatz von etwa
2 °/o Traubenzucker zu dem Nähragar sehr zu empfehlen („Trauben-
zucker-Agar"). In ähnlicher Weise kann man auch Milchzucker-
Agar herstellen; auch hier ninmit man zweckmässig 2^0 des Zuckers
als Zusatz. Selbstverständlich ^m-d man — genau wie bei der Her-
stellung der Zucker-Gelatinen (cf. p. 124) — auch bei der Herstellung
der Zucker-Agar-Nährböden den Zucker erst dann den resp. Nähr-
flüssigkeiten zusetzen, wenn die letzteren im Uebrigen fertig und
namentlich auch bereits filtrirt sind.
Auch Mischungen von Blutserum und Agar werden gelegentUch
zu Culturzwecken verwendet („Blutserum-Agar"). -) Auch kommt
für manche Zwecke Agar zur Verwendung, welches mit frischem Blut
bestrichen ist („Blut-Agar"). ■^)
Das Nähragar imterscheidet sich in mehreren Beziehungen sehr
wesentlich von der Nährgelatine. Während die Nährgelatme schon bei
Temperaturen wenig über 25 *^ C. flüssig wird, zu Züchtungen bei
Brüttemperatur also nicht gebraucht werden kann, eignet sich das
Nähragar für diese Züchtungen ganz vortrefflich. Ein zweiter wesent-
') Centralbl. f. Bakt. Abth. 1. Bd. 17. 1895. p. 55S. — Der Autor centri-
fugirt die Agarlösung in einem schüsseiförmigen Gefäss. Das Centrifugiren mnss
so lange fortgesetzt werden, bis die Masse erstarrt ist.
-) Siebe hierüber den nächsten Abschnitt (V, 3.): Verwendung von Blutserum
zu Plattenculturen, sowie die dem Gonorrhoecoccus gewidmete Besprechung.
^) Siehe hierüber hinten die Besprechung des Influenzabacillus.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 129
licher Unterschied ist der, dass das Agar kein Eiweisskörper ist wie
die Gelatine, sondern ein den Kohlehydraten nahestehender Körper.
CDas Agar ist also nicht peptonisirbar wie die Gelatine ; es wird
durch Bakterien, welche die Gelatine verflüssigen (cf. oben p. 41)
nicht verflüssigt."^
Die (mit Nährgelatine oder mit Nähragar beschickten) Reagenz-
gläschen lässt man nach vollendeter Sterilisirung entweder in vertikaler
Stellung abkühlen, oder aber, und dies empfiehlt sich besonders bei den
Agarröhrchen, man lässt dieselben in schräger Lage abkühlen, so dass
der Nährboden mit einer Oberfläche erstarrt, die mit der Längsachse
des Gläschens einen sehr spitzen Winkel bildet („Schräg erstarrter
Nährboden"). Man hat dann eine möglichst ausgedehnte Oberfläche
des Nährbodens für Oberflächenimpfungen zur Verfügung. Beim Er-
starren presst das Nähragar Wasser aus („Condensationswasser"),
welches sich später in den abhängigen Theilen des Röhrchens ansammelt.
Die Nährbouillon wird in der Weise dargestellt, dass man zu
1 1 Fleischwasser, welches, wie oben (p. 120) angegeben, dar-
gestellt ist, oder zu 1 1 einer 1 proc. Fleischextractlösung (cf. p. 120),
10 g Pepton (1 ^/J und 5 g Kochsalz ('/-2 ^/o) zusetzt und nach
der Auflösung dieser Zusätze die Reaction des Gemisches mit ge-
sättigter Natriumcarbonatlösung schwach alkalisch i) macht. Hierauf
wird (event. nach Zusatz des Weissen eines Hühnereies) 1 — 2 Stunden im
Dampf topf gekocht, filtrirt, die fertige Bouillon dann in einzelne
Reagenzgiäschen zu je etwa 10 ccm eingefüllt. Die Gläschen Averden
darauf, genau wie dies bei Gelatine und bei Agar geschah, sterilisirt.
Wie bei der Nährgelatine und bei dem Nähragar, so ist auch bei
der Nährbouillon der Zusatz von Glycerin (6 ^/o) resp. von Trauben-
zucker (2 ^Iq) oder von Milchzucker (ebenfalls 2 "/q) für manche Zwecke
vortheilhaft. Man setzt auch hier die genannten Köii^er der Flüssigkeit
erst zu, nachdem die letztere fertig hergestellt und namentlich auch
filtrirt ist. Man erhält so eine .,Glycerin-Bouillon", eine
„T r a u b e n zu c k e r - B 0 u i 1 1 0 n'', eine „M i 1 o h z u c k e r - B o u i 1 1 o n".
Die mit Zucker versetzte Bouillon gelangt hauptsächlich dann zur
Verwendung, wenn es sich um die Feststellung des Gährungsvermögens
einer bestimmten Bakterienart handelt. Der flüssige Nährboden wird
^) Man hüte sich ja davor, die Eeaction der Nährbouillon zu stark alkalisch
zu stellen; in solchem Falle nämlich wird es fast zur Unmöglichkeit, einen klaren
Nährboden zu erhalten (cf. p. 122). Uebrigens steht es bezüglich der chemischen
Eeaction, die die Nährbouillon haben soll, genau so wie beim Agar (cf. p. 126,
Anm. 3): Bei den beiden genannten Nährböden ist es viel weniger streng erforderlich,
die Reaction in ganz bestimmter Weise einzustellen, als bei der Nährgelatine.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 9
130 ^- Allgemeines.
in solchen Fällen am besten nicht in Eeagenzgiäschen , sondern in
sogenannte Gährungskölbchen eingefüllt. Diese Kölbchen, welche
in physiologisch-chemischen Laboratorien seit langer Zeit in Grebrauch
sind, wurden in die bakteriologische Praxis dnrch Th. Smith i) ein-
geführt. Sie besitzen einen offenen Schenkel, durch Avelchen sie ge-
füllt und geimpft werden, und einen geschlossenen, in welchem sich
bei der Cultur die durch die Gährung gebildeten Gase ansammeln.
Will man ein Gährungskölbchen für bakteriologische Zwecke zurecht
machen, so füllt man es durch den offenen Schenkel mit Zuckerbouillon,
indem man durch Neigen die Luft aus dem geschlossenen Schenkel
verdrängt und sie durch den flüssigen Nährboden ersetzt. Man ver-
schliesst dann den offenen Schenkel mit einem Wattepfi'opf und bringt
das Kölbchen ziu' Sterilisirung an drei auf einander folgenden Tagen
für je 15 — 20 Mümten in den Dampftopf (in derselben Weise, wie
dies bei den zu sterilisirenden Reagenzgläsern geschieht).-)
Zum Zwecke der Bereitung des Blutserums als Nährboden für
Mikroorganismen verfährt man am besten so, dass man das Blut aus
den Adern des Thieres direct in grössere sterile Gefässe (sterilisirte
Glasc3dinder) strömen lässt. Es gelingt dann häufig, das Blut ganz
keimfrei aufzufangen.'^) Man lässt nun das Blut an einem kühlen
Orte stehen. Nachdem sich dann das Serum von dem Blutkuchen
getrennt hat, wird das Serum mit sterilisirter Pipette abgehoben und
in Eeagenzgiäschen (zu je etwa 10 ccm) eingefüllt, die vorher sammt
dem Wattepfi-opf gut sterilisirt wurden (cf. p. 122). Darauf werden die
gefüllten Gläschen in einen doppelwandigen Kasten von Zinkblech ge-
legt, dessen Boden nicht horizontal, sondern etwas gegen die Horizontale
geneigt ist, und in welchem der Zwischenraum zwischen den beiden
Wandungen durch Wasser ausgefüllt ist. Die Gläschen liegen hier so,
dass das Blutserum mit seiner Oberfläche einen sehr spitzen Winkel
mit der Längsachse des Gläschens bildet. Li dieser Lage wird nun
das Blutserum zur Erstarrung gebracht, und zwar geschieht dies
bei einer Temperatur von 65—68 ^ C, die man durch Erhitzung des
Wassers von der Bodenfläche des Kastens her erreicht. Bei dieser
Temperatur erstarrt, wie Koch") fand, das (Rinder-) Blutserum zu einer
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1S90. :No. 16.
") Nach der ersten Erhitzung muss man darauf sehen, dass die Luftblase,
welche sich in dem geschlossenen Schenkel angesammelt hat (dieselbe repräsentirt
die in dem Nährboden gelöst gewesene Luft, die durch die Erhitzung ausgetrieben
wurde) durch Neigen des Kölbchens entfernt werde.
^) R. Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 47.
^) 1. c. p. 47, 48.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüclitung. 131
durchsichtigen homogenen Masse. Geht man mit der Temperatur höher,
über 70 *^ C, so kommt keine klare, durchsichtige, sondern eine trübe
Masse zu Stande. Die fertigen Gläschen werden nun auf ihre Sterilität
dadurch geprüft, dass man sie mehrere Tage bei Brüttemperatur stehen
lässt. Zeigen sie dann keine Entwickelung von Bakteriencolonien, so
sind sie steril und gebrauchsfähig. Man gebraucht diese Blutserum-
röhrchen zu Oberflächenhnpfungen. Aus diesem Grunde liess man sie
auch in schräger Lage erstarren; das Blutserum bietet so eine mög-
lichst grosse Oberfläche dar. — Für manche Zwecke, besonders zur
Anlegung sogenannter Blutserumplatten (siehe den nächsten
Abschnitt), ist es nothwendig, das Blutserum nicht iii erstarrtem,
sondern in flüssigem Zustande aufzubewahren. Die mit dem Serum
beschickten Röhrchen werden zu diesem Zwecke, ohne dass man sie
vorher der Erstarrungstemperatur aussetzt, behufs Prüfung der Sterilität
in den Brütschrank gestellt. Haben sie die Probe bestanden, so sind
sie zu jederzeitigem Gebrauche fertig A^orbereitet. — Hat man keine
Sicherheit, dass das Blutserum bei der Entnahme aus dem Thierkörper
steril aufgefangen wurde, so muss man es, nachdem es zur Erstarrung
gebracht \mrde, oder auch vorher, besonders sterilisiren. Dies
geschieht nach K o c h , i) indem man die Röhrchen 6 bis 8 Tage lang
täglich ein bis zwei Stunden einer Temperatur von etwa 56 ^ C. aus-
setzt. Es findet hier nach demselben Prmcipe, welches wir bei der
Gelatine, bei Agar und Bouillon angewendet haben, eine SteriHsirung statt.
Auch das Blutserum wird unter Umständen mit Zusätzen versehen,
z. B. Glycerin. Koch-) empfahl auch eine Blutserum-Gelatine zu
Culturzwecken.
In seltenen Fällen wii'd menschliches Blutserum als Nähr-
boden nothwendig. Nach Bumm's Vorgang gewinnt man dasselbe
zweckmässig aus Placenten. ■^)
Die bis jetzt besprochenen Nährböden haben wii- nach der Be-
reitung in Keagenzgiäschen eingefüllt und können sie nun aufbewahren,
bis wir sie benutzen wollen. Der Wattepfropf verhindert das Hinein-
gelangen von Bakterien- und sonstigen Keimen in den steril ge-
machten Nährboden, und der letztere bleibt uns also dauernd zur
Verfügung — bis er durch Austrocknen, was ganz allmählich erfolgt,
unbrauchbar wird.
In ähnlicher Weise kann man sich nun auch die (für Züchtung
1) 1. c. p. 48.
2) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881.
■^) Deutsche med. Wochenschr. 1S85. p. 910.
132 A. Allgemeines.
von Bakterien zuerst von Schröter') benutzte) gekochte Kar-
toffel als Nährboden füi- bakteriologische Zwecke vorräthig halten.
Wir werden die hierzu angegebenen Methoden noch besprechen (cf.
p. 134).
Nach der ursprünglichen Methode von Koch macht man die
Kartoffel immer erst kurz vor dem Gebrauche zurecht. Man ver-
fährt hierbei so, dass man die Kartoffel-) unter dem Strahle der
Wasserleitung mit einer harten Bürste, sog. Kartoffelbürste, zu-
nächst mechanisch von allem äusserhch anhaftenden Schmutz, von
Erdpartikelchen u. s. w. gründlich befreit. Die Kartoffel stammt aus
der Erde, und in der Erde sind, wie wir bereits früher (p. 28) mit-
getheilt haben, Bakterienkeime von ganz ausserordentlich grosser
Resistenz vorhanden. Diese müssen also zunächst möglichst beseitigt
werden. Die so mit der Bürste gereinigte Kartoffel ^Wrd dann einer
genaueren Inspection unterzogen; und es werden hierbei mit Hülfe
eines gewöhnlichen, in der Küche gebräuchlichen Kartoffelschälmessers
(„Kartoff elmesser") die Vertiefungen der Kartotfeloberfläche, die
„Augen" der Kartoffel, sowie alle etwa schadhaft erscheinenden Theile
der Oberfläche ausgekratzt. Man benutzt hierbei die Spitze des Messers,
welches man mit seiner Ebene senkrecht zur Kartoffeloberfläche auf
die letztere aufsetzt. Wir müssen hierbei soviel der Augen resp. der
schadhaften Stellen entfernen, dass von der Kartoffel nur gesundes
Gewebe und gesunde Epidermis zurückbleibt. Erstrecken sich grössere
krankhafte Stellen in die Kartoffel hinein, so ist die Kartoffel zu ver-
werfen. Man hüte sich, zu tief in die Kartoffel hinein zu schneiden,
weil die Kartoffel hinterher in Sublimatlösung gelegt wird, und ein-
dringendes Sublimat die Kartoffel für Xährzwecke ungeeignet macht.
Auch schone man die gesunde Epidermis möglichst. Ist die Kartoffel
mit dem Messer gesäubert, so gelangt sie nach Abspükmg mit Wasser
auf ^/g bis 1 Stunde in eine 7ioP^'***^^'^%^ Säuresublimatlö sung
(1 Sublimat, 5 Salzsäure. 1000 Wasser)") (cf. oben pag. 33). Dann
1) F. C oh n 's Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 1. Heft 2. ls72. p. 111.
'-) Nicht alle Kartoffelsorten sind für Culturzwecke gut zu verwenden. Man
wählt am besten sogenannte ,,Salatlcartoffeln", die beim Kochen nicht platzen und,
in gekochtem Zustande durchschnitten, keine ,, mehlige",, sondern eine feste, glänzende
Schnittfläche zeigen.
") Zweckmässig hält man sich als Stammflüssigkeit eine mit Salzsäure her-
gestellte 20procentige Sublimatlösung (2(1 g Sublimat, gelöst in Salzsäure bis zum
Gesammtvolumen von 100 ccm) vorräthig. Von dieser Stammflüssigkeit nimmt man
5 com und füllt dieselben mit Leitungswasser bis zu 1 1 auf: So erhält man die
Vio procentige Lösung für den Gebrauch. — Zur Prüfung darauf, ob eine Sublimat-
lösung genügende Quantitäten Sublimat gelöst enthält, bedient man sich nach E. Koch
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 133
wird die Kartoffel aus der Subliniatlösmig lieraiisgenommen und,
nachdem sie in den Einsatz des Dampftopfes gelegt worden ist, mit
demselben auf ^2 ^i^ '7* Stunden in den Dampf topf gebracht.
Hier wird die Kartoffel gar gekocht und zugleich endgültig steriKsirt.
Nun wird der Einsatz aus dem Dampftopf herausgenommen und zu-
nächst zur Abkühlung hingestellt. Ist die Abkühlung einigermassen
erfolgt, so werden die einzelnen Kartoffeln mit 2 oder 3 Fingern der
mit Seife gut gewaschenen und dann in Subhmatlösung getauchten
linken Hand aus dem Einsatz herausgenonmien und mit Hülfe eines
in der rechten Hand gehaltenen, zunächst „ausgeglühten" (cf p. 26)
und darauf wieder erkalteten Kartoffelmessers durchschnitten,
um dann sofort in eine (noch zu beschreibende) feuchte Kammer ge-
legt zu werden. Bei dem Herausnehmen der Kartoffeln mit Hülfe der
„ Sublimat finger" aus dem Einsatz des Dampftopfes hat man zu-
nächst darauf zu sehen, dass die Kartoffeln nicht mehr als nöthig mit
Sublimatlösung beträufelt werden. Dann ist zu beachten, an Avelchen
Stellen die Kartoffel ergriffen werden soll: Wir wollen die Kartoffel
nachher durchschneiden, und die hierbei entstehenden Schnitthälften
sollen sich gut so hinlegen lassen, dass die Schnittflächen nach ol)en
sehen ; die Kartoffel muss also, wenn wir auf ihre gewöhnlich eUipsoide
Gestalt die für die Erde gebräuchlichen Bezeichnungen anwenden,
äquatorial durchschnitten, also an den Polen mit den
Fingern angefasst werden. Die durchschnittene Kartoffel wird
nun mit der linken Hand in die feuchte Kammer so gelegt, dass
die beiden Schnitthälften von einander getrennt und die Schnittflächen
nach oben gerichtet sind. Die feuchte Kammer besteht aus einem
Paar geräumiger Griasschalen (Doppelschale), deren obere über
die untere hinübergreift und als kappenartiger Deckel dient. Die
untere hat c. 20 cm lichten Durchmesser und etwa 6 cm Höhe. Der
Boden der inneren, unteren Schale ist mit einem kreisförmigen Stück
Fliesspapier bedeckt, welches mit 7io P™^- Sublhnatlösung befeuchtet
ist. Nach dem Einlegen der Kartoffeln wird die Deckelschale auf-
gelegt; man lässt die Kartoffeln gründlich abkühlen und kann sie
dann in der weiterhin zu besprechenden Weise impfen.
Will man gekochte Kartoffeln zu Culturzwecken vorräthig
(Mitth. a. d. Kais. Ges.-Anite. Bd. 1. 1881. p. 278) sehr bequem der Kupfer-
Eeaction. Ein mit Schmirgelpapier blank geputztes Streif chen Kupferblech wird
in die zu prüfende Lösung hineingebracht. Bildet sich innerhalb einer halben Stunde
ein deutlicher Queksilberüberzug, so enthält die Lösung mindestens 1:5000 Subli-
mat. Eine Vio procentige Lösung giebt die Eeaction schon innerhalb einer Minute
deutiich.
134 A. ALgemeiues.
halten , so kann man nach y. E s m a r c h i) so verfahren , dass man
die rohen Kartoffeln schält, abspült, in Scheiben schneidet, nnd dass
man diese Scheiben lq kleine gläserne Doppelschälchen (von 5 bis
6 cm Durchmesser) legt, die zuvor im Trockenschrank sterüisirt-) sind.
Die so armirten Schälchen werden auf etwa "/^ Stunden in den Dampf-
topf gestellt, dann herausgenommen und bis zur späteren Benutzung
aufbewahrt.
Andere Methoden bereiten die Kartoffel innerhalb des mit AVatte-
pfi'opf verschlossenen Reagenzglases zur Cultur vor. Auf solchen
Kartoffeln angelegte Culturen sind vor Verunreinigungen durch fremde
Keime ganz sicher geschützt, während dies nicht von Kartoffelculturen
gilt, die nach den zuerst besprochenen Methoden angestellt werden.
Methoden der Kartoffelcultur im Reagenzglase haben Bolton"),
Globig^), Roux'^) angegeben. Globig und Roux verwenden
Kartoifelkeile, welche durch diagonale Durchschneidung von Kartoflfel-
cy lindem hergestellt werden, die man mit dem Korkbohrer aus der
Kartoffel aussticht. Gr lobig verwendet bereits gekochte, Roux rohe
Kartoffeln. In beiden Fällen gelangen die Kartoffelkeile dann, mit
dem breiten Ende voran, in ein Reagenzglas, welches durch einen
Wattepfropf verschlossen wird. Da sich bei dem nachfolgenden Kochen
resp. Sterihsiren Condensationswasser bildet, so lässt Roux die Kar-
toffel auf einer in der Nähe des Bodens des Reagenzglases befind-
lichen verengerten (eingezogenen) Stelle der Wand des Glases aufruhen,
während H u e p p e '^) hierzu ein Stück Watte benutzt, welches auf den
Boden des (in gewöhnlicher Weise geformten) Reagenzglases gebracht
wird. Durch beide VoiTichtungen mrd die Berührung der Kartoffel
mit dem Condensationswasser verhindert. Ich ') benutze zu diesem
Zwecke kleine, kurze Glasröhrchen, auf denen der Kartoffelkeil semen
Stützpunkt findet. Hat man bereits gekochte Kartoffeln für die ge-
nannte Methode in Verwendung gebracht, so folgt nach dem Verschluss
des Glases mit Watte die Sterilisii'ung, welche wie bei der Gelatine- etc.
') Centralbl f. Bakt. Bd. 1. 1S87. No. 1.
^) Diese vorherige Sterilisirung der Doppelschälchen im Trockenschrank ist
nicht dringend nothwendig; es empfiehlt sich aber, falls man nicht steriiisirte
Schälchen verwendet, die mit den Kartoffeln beschickten Schälchen an drei auf ein-
anderfolgenden Tagen im Dampftopf zu erhitzen, und zwar am ersten Tage c. ' .3 Stunde,
an den beiden folgenden Tagen je 15 Minuten.
'0 Med. News. 1SS7. vol. 1. No. 12.
*) Zeitschr. f. Hjg. Bd. 3. 1887. p. 298.
'') Annales de l'Inst. Pasteur. 1888. No. 1.
®) Die Methoden der Bakterienforschung. 4. Aufl. 1SS9. p. 234.
'') Deutsche med. Wochenschr. 1889. No. 20.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 135
Bereitung vorgenommen wird. Hat man rohe Kartoffeln verwendet,
so müssen die Kartoffelkeile erst gekocht, dann noch gründlich sterili-
sirt werden. Zu dem Zwecke stellt man die Grläschen zunächst für
30 Minuten in den Dampftopf und wiederholt die Dampf behandlung
an den beiden nächstfolgenden Tagen je 15 — 20 Minuten lang. —
Bei der Verwendung von rohen Kartoffeln sieht man sehr häufig, dass
die Oberfläche der Kartoffel während der Dampfbehandlung resp.
Sterilisirung eine dunklere Farbe annimmt und zugleich erheblich
trockener wii'd. Die Kartoffelfläche ist dann recht wenig zweckmässig
für Bakterienculturen. Um diese Verfärbung und Eintrocknung zu
vermeiden, empfiehlt es sich sehr, die zu benutzenden rohen Kartoffel-
keile vor dem Einbringen in die Röhrchen zunächst sorgfältig in
Wasser abzuspülen, und dann, nach dem Einbringen, noch einige
Ti-opfen Wasser in jedes Röhrchen einlaufen zu lassen, die sich am
Grunde des Röhrchens sammeln. 0
Die Kartoffel hat gewöhnlich eine leicht saure Reaction.
Für gewisse Zwecke ist es nothwendig, die Kartoffeloberfläche (z. B.
durch 15 Minuten langes Einlegen in 1 proc. Sodalösung vor der
Sterilisirung) schwach alkalisch zu machen.
Eine Methode, frische Eier als Nährboden für Miki'oorganismen
zu verwenden, hat Hueppe'-) angegeben: Die frischen Eier werden
äusserlich sorgfältig (mit Hülfe von Seife, Wasser und Bürste) ge-
remigt ; dann wird die Schale mit Sublimatlösung sterilisirt, mit steri-
lisirtcm Wasser abgespült und mit steriler Watte abgetrocknet. Nun
wird an der Spitze des Eies mit ausgeglühter Nadel eine feine Oeff-
nung gemacht; durch die letztere hindurch wii'd mit Hülfe des Platin-
drahtes die Infection des Eies bewirkt. Darauf bedeckt man die Oeff-
nung mit einem kleinen Stück sterihsirten Seidenpapiers und befestigt
das letztere mit Hülfe von Collodium fest an der Eischale, sodass die
Oefihung luftdicht verschlossen wii'd.^) — Ich gehe behufs der Ei-
^) Dieses sehr zweckmässige Verfahren stammt von Herrn Scholz (Hygienisches
Institut, Berlin).
'-) Centralbl. f. Bakt. Bd. 4. 1888. No. 3. — Nach Hueppe 's Ansicht ist
das Wachsthum der Bakterien innerhalb des Eies ein wesenthch anaerobes. Von
vollständiger Anaerobiose kann aber sicher keine Rede sein, da der atmosphärische
Sauerstoff durch die Schale in das Innere des Eies hineindiffundirt. Die im Ei aut-
tretenden, das spontane Verderben der Eier bewirkenden Bakterienarten sind sammt
mid sonders Aeroben (cf. Schrank, Wien. med. Jahrb. 1888. p. 320; Zörken-
dörfer, Arch. f. Hyg. Bd. 16. 1893. p. 398; W. Hesse, Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 15. 1893. p. 25).
") Hammerl (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894. p. 155) sowie Sclavo (Della
cultura del diplococco etc. Eoma. 1894) verschhessen das Ei sehr einfach mit einem
Tropfen brennenden Siegellacks.
136 A. Allgemeines.
inficirimg so vor, dass ich, nachdem das Ei an der Spitze mit Seife
und Bürste gereinigt, mit gewöhnlichem Wasser (ohne Sublimat) ab-
gespült und wieder getrocknet ist, das glühende Ende eines Kartoffel-
messers oder Scalpells flach auf die Spitze des Eies auflege. Es ent-
steht eine oberflächKch verkohlte, d. h. also sicher sterilisirte, Stelle,
in welche mitten hinein mit geglühter und wieder erkalteter Is^adel
unter drehenden Bewegungen ein Einstich gemacht wird, der sich
leicht soviel erweitem lässt, dass der Platindraht oder die Platinöse
eingeführt werden kami. Den Verschluss kann man dann entweder
mit Collodium und sterilisirtem Papier oder, einfacher, mit brennendem
Siegellack ') bewerkstelligen.
Um die Ei Substanz für sich, von der Eischale entblösst, zu
Culturzwecken zu verwenden, verfährt Zörkendörfer-) auf folgende
Weise: Das frische Ei wird aufgeschlagen, und das Eiweiss mrd in
der in der Küche üblichen Weise (nämlich indem man den Dotter
mehrmals aus einer Schalenhälfte in die andere überfüllt) in ein (vor-
her im Trockenschrank steriüsiites) Erlenmeyer'sches Kölbcheu
eingefüllt. Dann wird der ganze Dotter auf die Mündung des Kölb-
chens gelegt, und das letztere wird darauf in Eiswasser gestellt. Der
Luftdruck presst nun den Dotter meist ohne Weiteres in das Kölb-
ehen; event. hilft man durch Blasen etwas nach. Man hat dann das
ganze Ei mit unverletztem Dotter hn Kölbchen: das letztere wird mit
dem zugehörigen (sterilisirten) Wattepfi'opf verschlossen und dann zur
sicheren Sterilisirung des Eies eine Reihe von Tagen je 1 — 2 Stunden
einer Temperatur von 56 '^ C. ausgesetzt. Man verfährt also genau so
wie bei der Sterihsirung des Blutserums (cf. oben p. 131).
Ein wichtiger Nährboden für bakteriologische Zwecke ist die steri-
lisirte Milch. Man füllt zur Herstellung dieses Nährbodens Reagenz-
gläschen in der gewöhnlichen Weise zu etwa einem Drittel voll frischer,
eben umgeschüttelter Milch, versieht sie mit Wattepfropfen und macht
nun den Nährboden durch Erhitzen steril. Das Letztere ist aber
keine leichte Aufgabe; unsere gewöhnlich zum Zwecke der Sterili-
sirung von Nährböden im Laboratorium geübten Methoden versagen
fast stets, wenn es sich um die Sterilisirung von ]\Iilch handelt. Es
hat dies einfach darin seinen Grund, dass in der Mich, und zwar in
jeder, auch der frischesten Milch, zahlreiche Keime von ganz ausser-
ordentlicher Widerstandsfähigkeit vorhanden sind. Auf jeden Fall
braucht man, wenn man nicht sehr hohe Temperaturen (im Auto-
^) cf. die vorige Anmerkung.
■2) Arch. f. Hyg. Bd. 16. 1S93. p. 3S0.
V. Allt,'emeine Methodik der Bakterienzücbtung. 137
claveu; cf. p. 29) anwenden will, oder wenn man die Milch nicht
ganz aussordentlich lange Zeit (eine grössere Eeihe von Stunden) im
Dampftopf erhitzen will (wobei die Milch immer sehr erheblich ver-
ändert wird), die discontinnirliche Sterihsirung. Es kommt aber
da nicht allein darauf an, wie lange Zeit die Milch jedes einzelne Mal
erhitzt wird, sondern auch darauf, bei welcher Temperatur sie in der
Zwischenzeit zwischen den einzelnen Erhitzungen gehalten wird. Xach
meinen Erfahrungen erhält man einen sicher sterilen Nährboden, wenn
man die Milch an drei aufeinander folgenden Tagen je eine
Stunde lang im Dampftopf hält und in der Zwischen-
zeit jedesmal bei c. 21® C. stehen lässt. Die Milch nimmt
bei dieser Methode der Sterilisirung eine ganz leicht hellbräunliche
Färbung an.
Eine besondere Stellung unter den für die Zwecke der Bakterien-
cultur gebrauchten Nährböden nehmen diejenigen ein, welche eiw eiss-
frei sind. Es hat damit folgende Bewandtniss: Bereits im Jahre 1858
zeigte P a s t e u r 1) bei seinen Untersuchungen über die Emährungs-
bedingungen von Hefepilzen, dass diese Organismen zu ihrem Wachs-
thum keine Eiweisskörper brauchen, sondern dass sie, me die grünen
Pflanzen, den für den Auf bau ihres Leibes nothwendigen Stickstoff
a u s A m m 0 n i a k zu entnehmen vermögen. P a s t e u r benutzte bei
seinen Versuchen eine eiweissfi-eie Nährflüssigkeit („Pasteur'sche
Flüssigkeit"), auf welcher sich Hefepilze völlig normal entwickeln
und vermehren können, und die besteht aus 100 Gew.-Th. destillirtem
Wasser, 10 Th. reinstem Candiszucker, 1 Th. weinsaurem Ammoniak
und der Asche von 1 Gew.-Th. Hefe (etwa 0,075 Gew.-Th.). Der
Zucker diente in der Pasteur'schen Flüssigkeit den Hefepilzen als
Kohlenstoffquelle, das weinsaure Ammoniak als Stickstoffquelle; ausser-
dem waren zur Ernährung dieser Mkroorganismen noch ]\Iineral-
substanzen nothwendig, welche durch die Hefenasche repräsentirt wurden.
Die Pasteur'sche Flüssigkeit, welche, wie sich in der Folge zeigte,
auch für Bakterien ein ausgezeichneter Nährboden ist, wm'de von
A. Mayer'-) dahin modificii-t, dass anstatt der Hefenasche die in der-
selben enthaltenen -wirksamen Salze zur Herstellung der Nährlösung
genommen wurden. Im Anschlüsse an die Ermittelungen der vor-
genannten Autoren construirte dann (1872) Ferd. Cohn'^) seine
„normale Bakterien-Nährflüssigkeit", welche
1) Citirt nach F. Cohn, Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 1. Heft 2. 1872. p. 191 ff.
'^) Untersuchungen über die alcoholische Gährung. 1870 (citirt nach F. Cohn.
1. c. p. 195).
3) F. Cohn, Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 1. Heft 2. 1872. p. 195, 196.
138 -^- Allgemeines.
0,1 g phosphorsaures Kali,
0,1 g cryst. schwefelsaure Magnesia,
0,01 g dreibasisch phosphorsauren Kalk auf
20 com dest. Wasser enthielt: in der Flüssigkeit wurde
ferner aufgelöst
0,2 g weinsaures Ammoniak.
In dieser Cohn" sehen Nährlösung ist das Ammoniak die Stick-
stoff-, die Weinsäure die Kohlenstoffquelle der Bakterien. Aus weiteren
Versuchen über die Ernährung der (von ihm untersuchten) Bakterien
zog r. Cohn^) den Schluss, „dass die Bakterien in völlig normaler
Weise und in grösster Ueppigkeit sich vermehren, sobald sie die er-
forderlichen Aschenbestandtheile in Lösung vorfinden und ihren Stick-
stoff aus Ammoniak oder Harnstoff, wahrscheinlich auch aus Salpeter-
säure, ihre Kohle aus irgend einer organischen Kohlenstoff\-erbindung,
entnehmen können". Der Vergleich eiweissfreier und eiweisshaltiger
Nährböden führte Cohn-) zu dem Ergebniss, dass mit grosser Wahr-
scheinlichkeit die Assimilationsprocesse bei den Bakterien die nämKchen
seien, möge ihnen der Stickstoff in Form von Ammoniak oder in Form
von Eiweisskörpem geboten werden. Einen weiteren Fortschritt in der
Kenntniss der Ernährungsverhältnisse der Mikroorganismen verdanken
wir dann C. v. Nägeli,'^) welcher ermittelte, dass der Stickstoff aus
seinen Verbindungen am leichtesten assimilirt wird, wenn er als NH.,
vorhanden ist, weniger leicht, wenn als NH, noch weniger leicht, wenn
als NO vorhanden.
Ueberblickt man die vorstehend referirten Ermittelungen, so er-
scheint es nicht auffällig, dass es kürzlich U s c h i n s k y ■*) gelungen ist,
einen ei w eissfreien Nährboden herzustellen, auf dem eine grosse
Reihe von pathogenen Bakterienarten gut gedeihen. Die „Uschinskj-
sche Lösung" besteht aus
Wasser 1000 Mag-nesiimisulfat 0,2—0,4
Gljcerin 30—40 Dikaliumphosphat 2—2,5
Chlomatrium 5 — 7 Ammonium lacticum 6 — 7
Chlorcalcium 0,1 Natrium asparaginicum '') 3,4.
^) 1. c. p. 202.
'-) 1. c. p. 210.
■') C. V. Nägel i. Untersuchungen über niedere Pilze. München und Leipzig.
1882. p. 5.
*) Centralbl. f. Bakt. Bd. 14. 181)3. p. 316.
^) Ueber die Verwendbarkeit des Asparagins zur Ernährung von Spaltpilzen
siehe C. v. Nägeli, 1. c. (1882) p. 29 etc.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 139
C. FränkeP) hat die „TTscliinsky 'sehe Lösung" in folgender
Weise vereinfacht: Er nimmt
Kochsalz 5 g
Kaliimibiphosphat 2 g
Ammonium lacticum 6 g
käufl. Asparagin 4 g
Wasser 1000 g und setzt dazu
verdünnte Natronlauge bis zu deutlich alkalischer
Reaction.
Auch auf dieser Lösung Avachsen, wie C. Fränkel festgestellt hat,
eine gTOsse Reihe von saprophytischen sowohl wie von pathogenen
Bakterienarten. -)
Die genannten eiweissfreien Nährlösungen werden ebenso steri-
lisirt, wie es bei der Gelatine, dem Agar etc. geschieht, d. h. sie
werden, in mit Wattepfropf versehenen Gelassen eingeschlossen, an
drei aufeinander folgenden Tagen je 15 bis 20 IVIinuten im Dampftopf
gehalten.
Zur Züchtung von Schimmelpilzen benutzt man mit Yortheil
Brotbrei. Um denselben herzustellen, füllt man getrocknetes und
zerriebenes Brot in Reagenzgläser bis etwa zur Höhe von 3 bis 4 cm
(oder noch besser in Erlenmeyer'sche Kölbchen, etwa 1 cm hoch)
ein. Man giebt dann so viel Wasser hinzu, dass das Brot völlig
durchfeuchtet wird, verschliesst das Röhrchen resp. Kölbchen mit
einem Wattepfropf und erhitzt nun behufs der Sterilisation an drei
auf einander folgenden Tagen je 15 bis 20 Minuten im Dampftopf.
Der Brotbrei reagirt sauer, ist also für Bakterien kein passender
Nährboden.
3. Die wichtigsten Methoden der Bakteriencultur.
Zur Isolirung der einzelnen Arten aus einem Bakteriengeniische
bedient man sich jetzt fast ausschliesslich der Koch" sehen Platten-
culturmethode.'^) Diese Methode setzt einen gelatinirenden Nähr-
1) Hyg. Rundschau. 1S94. p. 772.
■-) Kein Wachsthum zeigte auf diesem Nährboden unter Anderem der Tu-
berkelbacillus (vergl. hinten das dem Tuberkelbacillus gewidmete Kapitel); da-
gegen wuchs dieser Mikroorganismus rasch und üppig, sobald der obigen Nährlösung
.3 — 4^/o Glycerin zugesetzt wurden.
^) Das Princip dieser Methode hat Koch zuerst angegeben in den Mitth. aus
d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 18S1. p. 27. Zeüe 25—29 und p. 36. Zeile U — 14.
140 A. Allgemeines.
boden voraus, der ini flüssigen Zustande mit dem Bakterieimiaterial
so beschickt wird, dass sich die einzelnen Keime möglichst gleichmässig
in ihm vertheilen, der dann auf einer möglichst grossen Fläche aus-
gebreitet und dort zur Erstarrung gebracht wii'd. Dann sind die em-
gesäeten Keime örtlich fixirt und kommen zu isolii'ter Entwickelung.
Als Nährboden kommt meist die gewöhnliche Xährgelatine (cf. oben
p. 119) zur Verwendung. Nach der ursprünglichen Koch* sehen Vor-
schrift verfährt man hierbei folgendermassen :
Es wird ein Eeagenzglas, welches c. 1 0 ccm sterilisirte Kährgelatine
enthält („Gelatineröhrchen") , genommen und sein unterer Theil über
der Flamme (oder in c. 40^ C. warmem Wasser) leicht erwärmt, so
dass die Gelatine schmilzt. Ist bei der Erwärmung über der
Flamme die Gelatine zu heiss geworden, so muss sie bis etwa zur
Handwärme wieder abgekühlt werden. Xun wird das Gläschen in die
rechte Hand genommen, der verschliessende Wattepfropf wird mit den
Fingern der hnken Hand erfasst, dm'ch Drehen zunächst gelockert und
dann herausgezogen. Dann bring! man das schräg gehaltene Köhrchen
mit seiner Mündung mehrere Secunden lang in die Bunsenflamme,
indem man es dm'ch Bewegen mit den Fingern mn seine Längsachse
rotiren lässt. Dabei wird der E a n d des Gläschens „abgeglüht",
die dort befindlichen, aus der Luft zufällig aufgefallenen Keime werden
,.abgebrannt". (IVir müssen dies thun einerseits, um zu vermeiden,
dass bei dem nachfolgenden Lnpfen des Eöhrchens von den genannten
fremden Keimen etwas mit in das Eöhrchen hinein gelangt, anderer-
seits auch, um zu vermeiden, dass, bei dem weiterhin folgenden Aus-
giessen der geimpften Gelatine auf die Culturplatte, diese fremden
Keime mit auf die Platte hinübergerissen werden.) Dann wii'd das
Gläschen so zwischen Daumen und Zeigefinger der mit dem Hand-
teller nach oben gerichteten ausgestreckten linken Hand gesteckt, dass
seine Mündung nach oben sieht. Der Wattepfropf ^vird z-oischen den
zweiten und dritten Finger der linken Hand so geklenmit, dass der
im Glase befindlich gewesene Theil des Pfropfes von den Fingern nicht
berührt wird.
Xun wird die Gelatine „inficirt". Das luficiren geschieht
mit Hülfe eines Platindrahtes, welcher etwa 6 — 7 cm lang, nicht
zu dünn, und an einem etwa 20 cm langen Glasstabe angeschmolzen
ist. Von derartigen Platindrähten hält man sich mehrere vorräthig.
Einzelne sind geradlinig gestreckt; bei anderen ist das Ende zu einer
etwa 2 mm im Durchmesser haltenden ki'eisförmigen Oese gebogen
(„Platin Öse"). Je nachdem man nun ein Material vor sich hat,
welches ausserordentlich reich au Bakterien ist (wie z. B. die Kahm-
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. - 141
haut auf der Oberfläche eines faulenden Pflanzenmfuses), oder welches
weniger reich an Bakterienkeimen ist (wie z. B. käufliche rohe Mich),
nimmt man entweder mit der Spitze oder mit der Oese etwas von
dem zu untersuchenden Material und bringt es in die Gelatine. An
der Spitze nämlich bleiben stets erheblich geringere Quantitäten des
Materials haften als an der Oese. Bevor man die Platindrähte be-
nutzt, werden sie in dem Flammenmantel des Bunsenbrenners oder
in der Spiritusflamme ausgeglüht, dann wieder erkalten gelassen. Der
inficirte Platindraht resp. die Platinöse werden in das Gelatineröhrchen
so eingeführt, dass man eine Berührung der Wand des Gläschens mit
dem Bakterienmateriale oberhalb der Gelatine möglichst vermeidet.
Das ganze Material soll in die Gelatine gelangen und nicht etwa zu
einem grösseren oder geringeren Theile am Glase hängen bleiben.
Das Material wird dann durch Agitiren mit dem Platindrahte möglichst
gleichmässig in der Gelatine vertheilt. Hat man consistenteres Material
vor sich, welches sich nicht so leicht gleichmässig vertheilen lässt, so
empfiehlt es sich, dasselbe dicht oberhalb der Gelatine an der Glas-
wand unter Zuhülfenahme kleiner Mengen Gelatine mit Hülfe des
Platindrahtes zu zerreiben und dann durch Bewegen des Röhrchens
in die Gelatine hineinzuspülen.
Auf jeden Fall kommt es also immer darauf an, das zu unter-
suchende Material in möglichst vertheiltem Zustande mit
der Nährgelatine zu vermischen. Es giebt Fälle, in denen die hierzu
nothwendige Zertheilung und Zerkleinerung des Materials auf dem
geschilderten Wege nicht gelingt. Wenn wir z. B. ein Stückchen einer
frischen Fawsborke mit Hülfe des Platindrahtes in die geschmolzene
Nährgelatine eintragen würden, so würde uns die nothwendige Zer-
kleinerung dieses Materials durch Agitiren etc. in keiner Weise ge-
lingen, r In solchen Fällen habe ich mir auf folgende Weise geholfen :
Ich improvisirte mir eine sterilisirte Reibschale und ein steri-
lisirtes Pistill: erstere, indem ich ein reingeputztes Uhrschälchen
über der Flamme stark erhitzte und dann erkalten liess; letzteres, in-
dem ich ein leeres, trockenes, reingeputztes Reagenzglas an seinem
geschlossenen Ende in der Flamme stark erhitzte und dann erkalten
hess. Dann wurde etwas sterile Bouillon m das sterile Uhrschälchen
gegossen, das zu zerkleinemde Material (Favusborke etc.) hineingegeben
und mit Hülfe des „Reagenzglaspistills" fein zerrieben. Hat
man sich derartiges, mehr oder weniger zähe zusammenhängendes,
Material auf die geschilderte Weise zertheilt und zerkleinert, so nimmt
man dann eine Platinöse voll der das zerkleinerte Material ent-
haltenden Bouillon heraus, trägt die Oese in die geschmolzene Gelatine,
142 A.. Allgemeines.
die zui- Plattencultur verwendet werden soll, ein, und es ist dann ein
Leichtes, das Material gieichmässig in der Gelatine zu vertheilen."^
Wir haben nun eine Portion Gelatine inficirt, wir haben das
Keimgemisch, welches wir untersuchen wollen, möglichst sorgfältig in
der Gelatine zer- und vertheilt, so dass die einzelnen Zellen möglichst
von einander entfernt liegen. Wir könnten nun, ^\ie das nachher auch
geschehen soll, die inficirte Gelatine auf eine sterile Glasplatte in
möglichst dünner Schicht ausgiessen, und wir -würden dann nach der
Erstarrung der Gelatine, d. h. also nach der örtlichen Fimamg der
einzelnen Keime, aus diesen einzelnen Keimen isolirte Colonien ent-
stehen sehen. Nun aber bringt es die Kleinheit der Bakterien mit
sich, dass auch die kleinste Menge des Bakteriengemisches, die wir mit
Hülfe des Platindrahtes in die Gelatine übertragen, gewöhnlich noch
Tausende und aber Tausende von Zellen enthält. Es würden auf
unserer Platte also ebenso viele Colonien zur Entwickelung gelangen,
und diese würden dann so dicht gedrängt liegen müssen, dass kaum
von einer isolh'ten Beobachtung derselben die Eede sein könnte, ge-
schweige denn von einer weiteren Manipulation mit den einzelnen
Colonien. Aus diesem Grunde begnügt man sich nie mit dem einen
inficirten Glase, sondern man macht ohne Weiteres von diesem Glase
„Verdünnungen". Zu dem Zwecke bringt man ursprünglich (cf.
p. 140) nicht nur in einem, sondern gleich in drei Gelatine-
röhrchen die Gelatine zum Schmelzen. Ist das erste Köhrchen
(„Original") mit der Bakterienmasse inficirt, so nimmt man sofort
ein zweites, noch steriles Röhrchen, entfernt seinen Wattepfropf, glüht
seinen Rand ab (cf. p. 140) und stellt es neben das erste Röhrchen,
also ebenfalls zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand.
Den Wattepfi"opf klemmt man nun zwischen dritten und vierten Finger
der linken Hand. Man überträgt dann eine Anzahl Platinösen (ge-
wöhnlich drei) der inficirten Gelatine des Originalgiases in das zweite
Glas („Erste Verdünnung"). Nach gehöriger Vertheilung
dieser drei Oesen in der Gelatine des zweiten Gläschens (die Ver-
theilung erleichtert man event. durch Hin- und Hemeigen des Gläschens)
wird das Originalglas mit dem zugehörigen Wattepfropf verschlossen,
beiseite gestellt, und es werden dann aus dem zweiten Gläschen
wiederum drei Oesen Gelatine in das dritte, noch sterile Gläschen
übertragen („Zweite Verdünnung").
Vorher bereits hat man sich die drei Platten, auf die man die
Gelatine der drei Gläschen ausgiessen will, zurecht gelegt. Die Platten
sind von nicht zu dickem Glase, rechteckig und messen etwa 8:13 cm.
Sie müssen sorgfältig sterilisirt sein, ehe sie zur Benutzung kommen.
V. Allgemeine Methodik der Balvterienzücbtung. 143
Das S t e r i 1 i s i r e n bewirkt man am besten in dem Trocken-
schrank (cf. p. 27). Die Platten werden zu dem Zwecke, rein ge-
putzt und getrocknet, in grösserer Anzahl auf einander gelegt und in
eine Tasche von starkem Eisenblech, die mit übergreifendem Deckel
versehen ist („P lattentasch e") geschoben. Diese Tasche wird dann
während etwa ^j^ Stunden in dem Trockenschranke einer Temperatur
von 160 0 C. oder darüber ausgesetzt. Nach dem Abkühlen^)
werden drei von den Platten, die man aber nur an den Kanten
berühren darf, aus der Tasche herausgenommen und nun über
einander auf eine horizontal eingestellte Platte von starkem Glase
gelegt, welche die Bedeckimg einer mit AVasser und Eisstücken voll
angefüllten Glasschale bildet (Koch 's Gies sapparat). Das Eis-
wasser kühlt die Glasplatten ab. -) lieber die Platten wird eine Glas-
glocke gestülpt, welche das Auffliegen von Luftkeimen auf die Platten
verhindert. Verfügt man über einen Trockenschrank nicht, so kann
man die Platten auch sehr bequem dadurch sterilisiren, dass man
sie, indem man sie mit den Fingern an den Kanten festhält, beiderseits
in der Gas- oder Spiritus flamme stark erhitzt. Man lässt
sie dann unter einer Glasglocke abkühlen.
Wir gehen jetzt daran, unsere drei inficii'ten Gelatineröhrchen auf
die zurechtgelegten, durch Eis abgekühlten Platten auszugiessen. Zu
dem Zwecke nehmen wir zunächst das „Original"- Röhrchen in die
rechte Hand, entfernen den Wattepft'opf, den wir sofort in eine Schale
mit Desinfectionsflüssigkeit'^) werfen, und glühen (wie oben,
p. 140, beschrieben) den Rand der Mündung des Röhrchens von Xeuem
in der Flamme ab. Nachdem der Rand des Gläschens wieder ab-
gekühlt ist, wird der über die Platten gestülpte Deckel (die Glas-
glocke) des Giessapparates mit der linken Hand in die Höhe gehoben,
und es wird nun die inficirte Gelatine des Originalglases in einem
Zuge auf die Mitte der obersten Platte ausgegossen. Unmittelbar
darauf sorgt man für möglichste Flächenausbreitung der Gelatine da-
durch, dass man dieselbe mit dem Rand des Röhrchens direct auf der
^) Das Abkühlen muss sehr langsam, am besten innerhalb des nach Ab-
stellung der Heizung erkaltenden Trockenschrankes, geschehen, weil sonst die Platten
gewöhnlich entzwei springen.
-) ßubner (Arch. f. Hyg. Bd. 11. 1890. p. 367) legt die Platten behufs der
Abkühlung auf einen Kupferblechkasten, dessen horizontal gestellte obere Wand von
unten her durch einen Aetherspray abgekühlt wird.
•^) Hierzu eignet sich besonders gut eine etwa Sprocentige wässerige Lösung
der oben (p. 33) angegebenen rohen Schwefelcarbolsäure; auch die bereits (p. 132)
genannte Salzsäuresublimatlösung lässt sich verwenden.
144 A. Allgemeines.
Platte ausstreicht und vertheilt. Die Gelatine soll hierbei überall etwa
1 cm vom Rande der Platte entfernt bleiben; denn den Eand resp.
die Kanten der Platte haben ^v^: mit den Fingern berührt und werden
wir weiterhin noch berühren. Diese Theile sind also nicht als steril
zu betrachten ; sie würden uns fi*emde Keime auf unsere Platte bringen.
Nun wird der Deckel -wieder auf den Giessapparat aufgesetzt; das
seiner Gelatine entledigte Röhrchen kommt in die Desinfectionsfiüssig-
keit (s. oben).
Innerhalb des Bruchtheils einer Minute ist dann die Gelatine
erstarrt. Die Platte wird nun nach Lüftung des Deckels, indem
man sie an den Kanten erfasst, von den darunter liegenden Platten
abgehoben und in querer Lage auf ein etwa 5^.^ cm breites, 14 cm
langes Glasbänkchen gelegt, welches aus einer Glasplatte von den
angegebenen Dimensionen und zwei imter die Enden derselben mit
Siegellack festgekitteten vierkantigen Glasklötzchen (von etwa 51/2 cm
Lcänge, 1 cm Breite, 7 mm Höhe) hergestellt ist. Zwischen Glas-
bänkchen und Platte legt man einen Papierzettel, welcher die genaue
Bezeichnung des Platteninhaltes und das Datum enthält. Man hat
sich gewöhnt, die Originalplatte mit „0", die erste Verdünnung mit
„I", die zweite mit „IE" zu bezeichnen. Das Bänkchen wird dann mit
der Platte in die feuchte Kammer gestellt, die man sich ebenso
herstellt, wie wii* es oben (j). 133) für die nach der ui'sprünglichen
Koch" sehen Methode hergestellten Kartoffelculturen angegeben haben.
Nun wird das zweite Röhrchen, die erste Yerdünnung, auf die zweite
auf dem Giessapparate liegende Platte, in derselben Weise me vorher
das Originalröhrchen , ausgegossen, dann nach dem Erstarren der
Gelatine die Platte auf ein bezeichnetes Bänkchen gelegi und das
letztere auf das Bänkchen der Originalplatte in die feuchte
Kammer gestellt. In derselben Weise wird auch das dritte Röhrchen
behandelt, und das dritte Bänkchen schliesslich auf das zweite Bänk-
chen in die feuchte Kammer gestellt. Die letztere bleibt nun bei
Zimmertemperatur stehen. Am günstigsten ist im Allgemeinen für die
Gelatineculturen eine Temperatur von 18 — 20 ^ C.
Haben die Plattenculturen 24 Stunden bei den angegebenen
Temperaturen gestanden, so zeigt die Originalplatte gewöhnlich schon
bei der Betrachtung mit blossem Auge eine mehr oder weniger auf-
fallende Träbung; und bei schwacher Yergrösserung sieht man dann
gewöhnlich äusserst zahlreiche, sehr kleine, mehr oder weniger rund-
liche, dichtstehende dunkle Flecken, von denen jeder eine Colonie
repräsentirt, die aus einem einzelnen Keime hervorgegangen ist. An
den Verdünnungsplatten sieht man zu dieser Zeit gewöhnlich m a k r 0 -
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 145
s k 0 p i s c h noch nichts ; aber in den nächsten Tagen, wenn das Wachs-
thrnn mehr vorgeschritten ist, kommen hier die isohrten Colonien
schon makroskopisch zur Geltung. Man sieht dann oft ohne Weiteres
schon mit blossem Auge, dass man es nicht mit einer einzigen Bakterien-
art zu thun hat, sondern dass auf der Platte verschiedenartige Keime
zur Entwickekmg gelangt sind. Denn ein ceteris paribus verschieden-
artiges Aussehen der Colonie berechtigt natürlich ohne Weiteres
zu dem Schlüsse, dass es sich um verschiedene Arten handelt.
Wir sehen hier z. B. eine Colonie, die als weisses Häufchen erscheint,
welches auf der Gelatineoberfläche aufsitzt; eine andere Colonie
characterisirt sich als ein mehr flächenhaft ausgebreitetes irisirendes
Häutchen, welches die Oberfläche der Gelatine überzogen hat. Dann
fällt uns eine andere Colonie durch ihre lebhafte (z. B. gelbe oder
rosa) Färbung auf. Alle diese Colonien haben die umgebende Gelatine
intact gelassen. Andere haben die Gelatine an der Stelle ihres
Wachsthums verflüssigt; bei der einen Colonie ist diese Verflüssigung
stärker, bei der anderen weniger stark ausgesprochen. So finden wir
schon makroskopisch hier und da Unterschiede der verschiedenartigen
Organismen, welche zur Entwickelung auf der Platte gelangt sind.
Wir werden uns aber nicht begnügen, die Untersuchung maki'oskopisch
vorzunehmen; wir legen vielmehr unsere Platte auf den Objecttisch
des Mikroskopes und mustern sie mit schwachem System. Nach
den oben (p. 56 ff.) gegebenen Auseinandersetzungen über die mikro-
skopische Beleuchtung werden wir hierbei den Abbe' sehen Apparat
durch enge Blende abblenden müssen. ^)
Bei der mikroskopischen Betrachtung der Platte kommen
nun morphologische Eigenschaften der Colonien zu miserer Kenntniss,
von denen wir vorher nichts gesehen haben. Zunächst ist ein all-
gemeiner Unterschied zwischen solchen Colonien zu machen, welche
innerhalb der Gelatine liegen, und solchen, die sich an der
Oberfläche befinden oder bei ihrem Wachsthum die Oberfläche er-
reicht haben. Während die ersteren sich meist als mehr oder weniger
rundliche Gebilde darstellen, zeigen die letzteren eine viel grössere
Mannichfaltigkeit iu ihrer Gestalt. ') Abgesehen von der verschiedenen
^) Während wir bekannthch (cf. oben j). 57) bei Benutzung des Abbe'schen
Condensors im AJlgemeineu stets den Planspiegel anwenden, ist es für schwache
Vergrösserungeu (also auch für den vorliegenden Fall) , speciell bei Verwendung von
Lampenhcht, angängig, den Hohlspiegel zu gebrauchen (cf. p. 57, Anm. 3).
-) Es ist an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, dass unter den
Colonien, welche einer und derselben Bakterienart angehören, mitunter
ganz ausserordentliche Unterschiede in dem Aussehen sich bemerkhch machen, je
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 10
146 A. AUgemeiües.
räumlichen Ausdehnimg sehen wir z. B. characteristische Unterschiede
der Colonien in der Gestaltung des Bandes. Die einen haben einen
ganz glatten, die anderen einen mehr buckeligen, unregelmässig ge-
kerbten Rand. Andere zeigen eine deutlich lockenförmige Gestaltimg
des Randes, gebildet von in zierlichen Windungen neben einander her-
laufenden Zügen von Bacillenfäden ; andere senden weite, fadenförmige
Ausläufer aus ; bei anderen erscheint der Rand der kreisrunden Colonie
wie mit feinsten Stacheln besetzt. Und wie in der Gestaltung des
Randes, so zeigen die Colonien auch in ihrem Inhalte erhebliche
Differenzen unter einander. Die einen zeigen ein grobkörniges, andere
ein feinkörniges, fast homogenes Gefüge. So giebt es die mannich-
fachsten Unterschiede in der Gestaltung und dem Aussehen, und jeder
Unterschied deutet sofort auf eine Verschiedenartigkeit der Keime, aus
denen die Colonien entstanden sind. Das Letztere gilt, wie bereits oben
(p. 145) angedeutet, selbstverständlich nur für den Fall, dass die Be-
dingungen, unter denen die mit einander in Vergleich gezogenen
Colonien sich entwickelt haben, genau die gleichen waren. Unter
differenten äusseren Bedingungen lassen Keime derselben Art ge-
wöhnlich different erscheinende Colonien entstehen. IS^amentlich kommen
hier Temperaturverhältoisse in Frage. Je höher die Temperatur ist,
bei der die Culturplatte steht, desto geringer ist die Consistenz der
Gelatine, desto leichter kommen — namentlich bei beweglichen Bakterien-
arten und bei solchen Ai'ten, die die Gelatine verflüssigen — Variationen
in der Gestaltung der Colonien, namenthch was den Rand betrifft
(Anhängsel, Ausläufer etc.), zu Stande.
Auf eine von mir beobachtete, allerdings nicht allzu häufige, Er-
scheinung möchte ich an dieser Stelle, quasi in Parenthese, auf-
merksam machen: Man sieht nämlich gelegentlich bei der Betrach-
tung einer CultuiiDlatte mit schwacher Vergrösserung — und zwar
betrifft diese Erscheinimg nur solche Platten, die nicht allzu dicht
besäet sind — , dass die einzelnen, relativ grossen Colonien von
je einem ganzen Heer kleiner Colonien umgeben sind.
Man constatirt bei der Dm-chmusterung solcher Platten ganz deuthch,
dass jeder Haufen kleiner Colonien zu einer ganz bestimmten grossen
Colonie gehört; eme Verbindung der grossen Colonie mit den dazu
nachdem die Colonien in der Tiefe der Gelatine oder an ihrer Ober-
fläche liegen. So erscheinen z. B. die tief hegenden Colonien des Bact. coli unter
allen Umständen als kleine, über Stecknadelknopfgrösse kaum hinausgehende, rund-
liche Gebilde, während die oberflächlichen Colonien derselben Art häutige üeberzüge
auf der Gelatine darstellen, die häufig eine nach Centimetem zu bemessende Aus-
dehnung erreichen.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 147
gehörigen kleinen oder der kleinen Colonien unter einander ist im
Uebrigen nicht zu erblicken. Diese Erscheinung, welche nur bei be-
weglichen Bakterienarten vorkommt, hat man sich folgendermassen zu
erklären: Auf der Platte haben sich zunächst von einander isolirte
Colonien bis zu einer bestimmten Grössenausdehnung entwickelt. Dann
ist die Platte vorübergehend (z. B. dadurch, dass sie an einen Ort
gestellt worden war, auf welchen vorübergehend Sonnenschein triflft)
zu warm geworden; die Gelatine ist dadurch zeitweilig weicher oder
selbst halbfiüssig geworden. Während dieser Zeit haben eine Anzahl
der die einzelne Colonie zusammensetzenden beweglichen Bakterien-
zellen Gelegenheit gefunden, von der Colonie weg in die Umgebung
auszuschwärmen. Dann hat sich die Platte wieder auf die normale
niedere Temperatur abgekühlt, und dadurch sind die ausgeschwärmten
Zellen an Ort und Stelle, in der Umgebung der Colonie, festgehalten
worden. Aus jeder derartigen Zelle ist dann eine secundäre
Colonie entstanden; und diese secundären Colonien imigeben dann
in ihrer Gesammtheit die ursprüngliche, primäre Colonie.
Wenden wir uns jetzt der Betrachtung der Culturplatte im All-
gemeinen wieder zu, so ist bezüglich des Aussehens der Colonien
noch Folgendes hervorzuheben: Stellt man bei der Besichtigung der
Platte mit schwachem Mkroskopsystem eine bestimmte Colonie ein, so
macht man ganz regelmässig die Beobachtung, dass die Colonie ein
verschiedenes Aussehen darbietet, je nachdem die Einstellung eine
„hohe" oder eine „tiefe" ist. Da nämlich die Bakteriencolonie ein
relativ dickes Gebilde ist, so ist es nicht möglich, sie gleichzeitig in
allen einzelnen Theilen scharf einzustellen. Eine innerhalb der
Gelatine liegende Colonie wird in ihrer äusseren Begrenzung natur-
gemäss bei einer mittleren Einstellung am schärfsten erscheinen. Ver-
ändert man nun die Einstellung, geht man aus der mittleren Stellung
mit dem Tubus mehr nach oben oder mehr nach unten, so beobachtet
man nicht nur eine Abnahme der Schärfe der äusseren Begrenzung
der Colonie, sondern man sieht, dass auch die Helligkeitsverhältnisse
der inneren Theile der Colonie sich verändern. Colonien, welche
innerhalb der Gelatine liegen, zeigen bei hoher Einstellung ein hell-
glänzendes Innere; bei tiefer Einstellung erscheint das Innere dunkel.
Es hat das einfach darin seinen Grund, dass die die Colonie zusammen-
setzende Bakterienmasse ein höheres Lichtbrechungsvermögen besitzt
als die umgebende Gelatine, und dass deshalb die rundliche Colonie
wie eine kleine Convex linse wirkt. Es giebt aber auch Colonien,
die wie Concavlinsen wirken, und die dementsprechend bei tiefer
Einstellung glänzen und bei hoher dunkel erscheinen; das sind aus-
10*
148 -^- Allgemeines.
nahm sl OS verflüssigende Colonien, die an der Ober-
fläche der Gelatine sitzen. Wo nämlich an der Oberfläche der Gela-
tineplatte eine verflüssigende Colonie sich entwickelt, da kommt es
stets zu emem sichtbaren Defect des Nährbodens, zm' Bildung ebier
Emsenkung, einer Delle, und zwar einfach aus dem Grunde, weil die
verflüssigte Gelatine mehr Wasser durch Verdunstung abgiebt als die
benachbarte fest gebhebene Gelatine. Mit der Ausbildung einer solchen
oberflächüchen Einsenkung ist aber ohne Weiteres die Concavlinse
fertig gestellt.
Betrachten wir die in unseren Tafeln dargestellten Plattencolonien,
so zeigt zunächst Fig. 25 auf Taf. V eine Stelle aus einer Platten-
cultm", welche mit Heustaub angelegt ^vurde, nach zweitägigem Wachs-
thum, bei 25facher Vergrösserimg. Wir sehen da hnks oben mehrere
kleinere Colonien, die als dunkle Flecken erscheinen; mehr nach rechts
hinüber liegen mehrere grössere Colonien von ähnlichem Aussehen, die
sich z. Th. decken; alle diese Colonien gehören wahrscheinlich Bak-
terien an. Dazmschen aber sehen wir zwei Schiimneipilzcolonien ihre
zarten Mycelien aussenden. AVii- sehen diesen Colonien es ohne
Weiteres an, dass sie nicht Bakterien, sondern Fadenpilzen angehören;
denn mr können hier bei 25facher Vergrösserung (das Pbotogramm
wird man zweckmässig mit der Loupe betrachten) bereits die beiden
Contouren der überall gleich starken Mycelfäden deutlich
unterscheiden. Diese Gebilde sind '\'iel dicker, als ein einzelner Bacillen-
faden es sein würde; und, zögen mehrere oder viele Bacillenfäden neben
einander her, die in ihrer Gesanmitdicke einem solchen Pilzmycelfaden
entsprechen würden, so würden wir an einzelnen Stellen dünnere, an
anderen Stellen dickere Gebilde (je nach der Menge der zusammen-
liegenden Bacillenfäden verschieden) sehen müssen. Die doppelt-
contourirten, überall gleich starken Fäden, welche wir
bereits bei so schwachen Vergrösserungen deutlich sehen,
lassen stets mit Bestimmtheit auf Fadenpilze schhessen.
Plattenculturen bei schwacher Vergrösserung zeigen femer Fig. 31,
Taf. VI (Milzbrandbacillus), Fig. 49, Taf. ES (Tyi)husbacillus), sowie
Fig. 61 und 62, Taf. XI ( Cholerabacillus). Die erste ist bei 43facher,
die anderen sind bei lOOtächer Vergrösserung dargestellt. Man sieht
das fundamental verschiedenartige Wachsthum dieser Organismen in
der Plattencolonie. Auf Taf. IV, Fig. 24, ist eine Plattencolonie der
von mir öfters im Berliner Leitungswasser gefimdenen (cf. p. 19)
Cladothrix bei lOOfacher Vergrösserimg abgebüdet.
Will man eine Colonie bei stärkerer Vergrösserimg (mit starkem
Trockensystem oder mit der Inunersion) dii-ect untersuchen, so muss
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 149
man auf die Platte ein Deckglas auflegen und die Platte nun wie ein
gewölinliches mikroskopisches Präparat behandeln. Auf die spätere
weitere Benutzung der Colonie zur Entnahme von Material hehufs der
Weiterzüchtung etc. muss man dann allerdings verzichten. Auf Taf XII,
Fig. 72, ist ein auf diese Weise mit starkem Trockensystem gewonnenes
Bild dargestellt.
Ist das Wachsthum der Plattencultur noch nicht zu weit vor-
geschritten, so gelingt es meist, sich recht schöne Situ sbil der der
oberflächlichen Colonien dauernd zu fixiren in Form der sogenannten
Klatschpräparate (Contactpräparate).^) Verflüssigende Arten eignen
sich hierzu allerdings nur so lange, als die Verflüssigimg noch nicht
augenfällig geworden ist, so lange die Gelatine in dem Bereiche der
Colonie noch nicht eigentlich verflüssigt ist, höchstens etwas weicher
zu werden beginnt. Ueberhaupt eignen sich junge Colonien
besser als alte für diese Präparation. Um sich ein solches Klatsch-
präparat darzustellen, legt man ein rein geputztes Deckglas mit der
Pincette auf die Platte auf, lässt es einen Augenblick los und nimmt
es dann mit Hülfe der Pincette von der Gelatiaeoberfläche wieder
herunter. Man hat dann einen Abklatsch der oberflächlichen
Colonien auf dem Deckglase. Nachdem man ein solches Präparat
recht sorgfältig hat lufttrocken werden lassen, fixirt man es in ge-
wohnter Weise in der Flamme, färbt es wie ein gewöhnliches Trocken-
präparat und schliesst es in Balsam ein. Man bekommt so nicht
allein dauernde Bilder von der Lagerung der Organismen zu
einander innerhalb der Colonie, man erhält so überhaupt
die klarsten, distinctesten Bilder der einzelnen Bak-
terienzellen. Die diesem Buche beigegebenen Photogramme sind
zimi Theil nach solchen „Klatschpräparaten" hergestellt. Speciell will
ich auf Fig. 33 (Taf. VI) aufmerksam machen. Hier haben wir ein
Klatschpräparat von Milzbrandbacillenfäden bei lOOOfacher Vergrösse-
rimg. Das Präparat stellt den Abklatsch einer Plattencultur dar,
welche in Fig. 32 bei 40 facher Vergrösserung abgebildet ist. (Diese
Plattencultur ist nach Strichimpfting des Bacillenmaterials auf sterile,
auf die Platte ausgegossene und dann erstarrte Gelatine [cf unten
p. 160] entstanden). Die feinen Locken der Cultur Fig. 32 lösen sich
in Fig. 33 in die deutlich gegliederten Bacillenfäden auf
Kehren wir nun zu unserer Plattencultur, in welcher sich aus
den in der Gelatine vertheilten Keimen einzelne, isohi-t liegende Colo-
nien entwickelt haben, zurück. Würden wü- dieselbe sich selbst über-
^) cf. R. Koch. Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 5-1.
150 -^- Allgemeines.
lassen, so würden niit weiterschreitendem Waclisthum die Colonien
allmählich mit ihren Grenzen an nnd in einander gerathen, und dann
wäre es mit der Isolirung der Colonien vorbei. So sehen wir denn
auch auf den Originalplatten, wo die Colonien gewöhnlich äusserst
dicht gedrängt liegen, derartige Zustände in der Kegel eintreten. Eine
solche Platte bietet nach wenigen Tagen bereits ein undefinii'bares
Chaos von Bakteriencolonien dar. Sind dann verflüssigende Arten
unter den eingesäeten Bakterien, so fliesst die Grelatine gewöhnlich
nach mehreren Tagen vom Glase herunter: „Die Platte ist verflüssigt"
und damit definitiv unbrauchbar. Die Verdünnungen aber lassen wir
so weit nicht kommen. Nachdem wir die Colonien zunächst bei
schwacher VergTÖssermig untersucht, uns dann von der oder jener
Colonie ein Präparat im hängenden Tropfen resp. ein gefärbtes Trocken-
präparat angefertigt haben, mn uns durch Betrachtung bei starken
Vergrösserungen weitere Aufschlüsse über die Colonien zu holen, be-
nutzen wir diejenigen Colonien, die uns aus irgend welchem Grunde
interessii-en, so lange sie noch isolirt in der Gelatine liegen, dazu, von
ihnen Material zu entnehmen, um dieses in geeigneter Weise weiter
zu züchten. Da die Colonie auf der Platte eine Reincultur war, so
müssen jetzt auch die davon weiter gezüchteten Culturen Rein-
en 1 1 u r e n repräsentii'en.
Die Weiterzüchtungen werden gewöhnlich im Reagenz glase
vorgenommen („Reagenz glas culturen"). Hat man das Material
einmal in reinem Zustande auf den im Reagenzglase befindlichen Nähr-
boden gebracht, so sorgt dann der Watteverschluss des Glases dafür,
dass die Cultur rein bleibt. Die Reagenzgiasculturen eignen sich also
vor Allem dazu, eine Sammlung lebender Bakterienreincul-
turen dauernd im Stand zu erhalten.^)
^) Zu diesem Zweck ist es selbstverständlich nothwendig, dass die einzelnen
Culturen zu rechter Zeit, d. h. ehe sie (durch eintretenden Nahrungsmangel, durch
Austrocknen etc.) abgestorben sind, auf neuen Nährboden übertragen, „umgezüchtet"
werden. Im Allgemeinen empfiehlt es sich , die Culturen in Zwischenräumen von
etwa 4 bis 6 Wochen auf neuen Nährboden zu übertragen. — Es sei an dieser
Stelle bemerkt, dass es sich bei dem Oeffnen einer Reagenzglascultur (behufs der
Entnahme von Material) stets empfiehlt, nach der Entfernung des Wattepfropfs den
Rand der OefFnung des Gläschens abzuglühen (in derselben Weise , wie es bei dem
Anlegen von Plattenculturen [cf. oben p. 140] geschieht). Man vermeidet dadurch
fast mit absoluter Sicherheit das Hineingelangen von verunreinigenden Stäubchen,
die an der OefFnung des Glases hafteten, in die Cultur. Ebenso würde ich ganz
allgemein empfehlen, auch jedes Reagenzglas, in welches hinein eine Uebertragung
geschehen soll, nach Entfernung des Wattepfropfs an der Oeffnung durch Ausglühen
zu sterilisiren. Ich beobachte diese Vorsichtsmassregeln seit Jahren und habe seit
dieser Zeit fast nie die Verunreinigung einer Reagenzglascultur
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 151
Die gebräuchlichste Form der Reagenzgiascultiir ist che Gelatine-
Stichcultiir. Um eine solche Cultur mit dem Material einer be-
stimmten Plattencolonie anzulegen, verfährt man auf folgende Weise :
Es wird zunächst die Colonie unter dem Mikroskope bei schwacher
Vergrösserung, wie oben (p. 145) auseinandergesetzt, eingestellt. Man
überzeugt sich, dass die Colonie auch thatsächlich isolirt liegt, dass
sie ein homogenes, concentrisch gewachsenes G-anzes re-
präsentirt, dass nicht etwa eine Nachbarcolonie ihre Grenzen ganz in
die Nähe vorgeschoben oder gar Theile der Colonie verdeckt hat. A"on
einer Colonie, die die letzteren Charactere zeigt, dürften wir nichts zur
Weiterzüchtung entnehmen, da hier keine Bürgschaft für die Ueber-
tragung thatsächlich reinen Materials vorhanden wäre. Haben wir
aber eine Colonie gefunden, diö genügend isolirt innerhalb der klar
durchsichtigen, d. h. sterilen, Gelatine liegt, so suchen wir nun (nach-
dem wir den Tubus etwas in die Höhe geschraubt haben, ohne an der
Lage der Platte auf dem Objecttische das Geringste zu ändern) mit
blossen Augen festzustellen, welches die eingestellt gewesene Colonie
ist. Es gelingt dies stets ohne Schwierigkeiten, wenn man central
über der oberen Linse des Abbe 'sehen Beleuchtungsapparates die
dort vorhandenen Colonien mit dem Auge aufsucht, ihre gegenseitige
Lagerung, ihre Grössenverhältnisse etc. berücksichtigt. Man geht dann
mit einem ausgeglühten und wieder erkalteten Platindraht (mit gerade
endender Spitze) auf die Colonie zu und entninunt von ihr, aber nur
von ihr, eine Spur mit der Spitze des Platindrahtes, i) Dieses Ent-
nehmen des Materiales von der Platte bezeichnet man als „Fischen".
Man nimmt nun ein Reagenzglas mit erstarrter Nährgelatine, bringt
es zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand
so, dass die Oeffhung des Glases nach der Volarseite hin gerichtet
ist, entfernt durch Drehen den Wattepfropf, bringt ihn in der oben
^) Wenn die Colonien ziemlich dicht zusammenliegen, so hat die sichere isolirte
Entnahme des Materials von der central eingestellten Colonie naturgemäss ihre
grossen Schwierigkeiten. Für solche Fälle hat Unna (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11.
1892. p. 278) ein besonderes Instrument, die „Bakterienharpune" angegeben
(von C. Zeiss in Jena zu beziehen): Nachdem man die Colonie mit schwachem
System central eingestellt hat, hebt man den Tubus, schraubt das Objectiv ab und
an seiner Stelle die Bakterienharpune (welche das Objectivgewiude trägt) an. Senkt
man nun den Tubus wieder, so trifft eine an dem genannten Instrumente genau in
der optischen Achse angebrachte Nähnadel mit ihrer (vorher ausgeglühten) Spitze
genau die vorher central eingestellte Colonie. — Freymuth undLickfett (Deutsche
med. Wochenschr. 1893. p. 457) haben die Bakterienharpune in der Weise modiflcirt,
dass sie statt der Nähnadel eine an ihrem unteren Ende quer abgeschliffene Pravaz-
Canüle anwenden, welche locheisenartig wirkt und die Colonie cürect aussticht.
152 ^- Allgemeines.
(p. 140) geschilderten "Weise zAvischen 2. und 3. Finger der linken
Hand und sticht nun, während man das Gläschen mit der Oeffinung
nach unten gekehrt hält, den inficirten Platindraht unter vorsichtiger
Vermeidung der Berührung der Griaswandungen central in die Gelatine
hinein, bis nahe an den Boden des Glases.^) Man geht dann auf
demselben Wege wieder aus der Gelatine heraus, glüht den Draht aus,
stellt ihn bei Seite, bringt den Wattepfropf wieder auf das Reagenz-
glas und bezeichnet nun das letztere dm*ch ein Etikett, welches —
etwa 4 cm von der Oeffiiung des Glases entfernt — angeklebt wird,
und welches die näheren Daten über das „eingestochene" Material und
das Datmn augiebt. Nun überzeugt man sich durch Herunterschrauben
des Tubus und nochmalige miki-oskopische Einstellung der vorher ein-
gestellt gewesenen Plattenstelle davon., dass auch wirklich Material
von der in der optischen Achse liegenden Colonie entnommen wurde.
Dieselbe muss einen deutlich sichtbaren Defect zeigen. Die ISTachbar-
colomen müssen unverletzt sein.
Die Verschiedenheiten der Form, welche wir- bei den Plattencolonien
gefunden haben, zeigen sich nun auch in entsprechender Weise bei
der Form der S t i c h c u 1 1 u r e n wieder. Auch hier haben wir wieder
die Unterschiede zwischen solchen Arten, die die Gelatine solide lassen,
und solchen, die sie verflüssigen. Unter den ersteren finden wir solche,
die im ganzen Bereiche des „Impf st ich es" gleich kräftig wachsen,
andere, die besonders in den oberen Theilen desselben gedeihen. Die
eine Art bildet halbkugelige Häufchen, nimmt nur einen kleinen Theil
der Gelatineoberfläche in Anspruch; die andere hat die Tendenz, sich
oberflächlich gleich in gTÖsserem Masse auszubreiten, ein dünnes Häut-
chen zu bilden. Unter den verflüssigenden Arten verflüssigen
') Ist die Gelatine in dem Eöhrchen, in welches hinein der Einstich geschieht,
nicht mehr ganz ft-isch, sondern bereits vor einigen Wochen hergestellt, so ist die
Oberfläche des Nährbodens gewöhnhch etwas eingetrocknet (unter Ausbildung
einer coucaven Einziehung), und das hat dann zur Folge, dass bei dem Emstechen
des Platindrahtes die Gelatine in der Weise aus einander klafft, dass sich eine
(grössere oder kleinere) keilförmige Lücke bildet. Dieses Yorkommniss ist ausser-
ordenthch störend; die characteristischen Eigenthümlichkeiten, welche viele Bakterien-
arten in ihrer Stichcultur darbieten , kommen an derartig beschaffenen Culturen so
gut wie gar nicht zur Ausbildung. Man kann sich, wenn man für die Anlage einer
Stichcultur fi-isch hergestellte Gelatine gerade nicht zur Verfügung hat, einigermassen
dadurch helfen, dass man, bevor man den Einstich macht, das Gläschen unter
schnellem Drehen um seine Längsachse wenige Secunden so in (Ue Flamme bringt,
dass die obersten Partien der Gelatine etwas erwärmt werden. Hierbei löst sich die
Gelatine an den eingetrockneten Partien vom Glase los , und ein Klaffen bei dem
folgenden Einstich tritt nun nicht mehr ein.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 153
die einen sehr langsam und allmählich die Gelatine, andere schneller,
noch andere ausserordentlich rasch. Farbstoffproducirende
Arten zeigen manchmal im ganzen Verlaufe des Impfstiches ebenso
wie an der Oberfläche der Gelatine Farbstoffproduction ; andere Arten
bilden nur an der Oberfläche der Gelatine Farbstoff, wachsen im ganzen
Impfstiche farblos; noch andere endlich wachsen an der Oberfläche
farblos, während sie im Impfstiche Farbstoff produciren. In den Stich-
culturen findet man also das verschiedenartigste Verhalten, ebenso wie
es auf der Platte der Fall war. Zu nennen ist hier ferner die Eigen-
thümlichkeit vieler Arten, Gas zu produciren. Auf der Platte
kommt diese Eigenschaft kaum zum Ausdruck; an der Stichcultur
aber können wir dieselbe meist sehr deutlich constatiren: die Gelatine
bekommt mehr oder weniger ausgedehnte Risse, welche von dem
Impfstiche ausgehen. Wenn die Risse klein sind, so haben sie meist
linsenförmige Gestalt. ^)
Gelatine -Stichculturen sind abgebildet auf Taf. VI, Fig. 35;
Taf. IX, Fig. 54; Taf. XI, Fig. 63; man bemerkt hier ohne Weiteres
die augenfälligen Unterschiede in der Gestaltung der Stichcultur bei
den verschiedenartigen Organismen.
Eine andere Form der Reagenzglasculturen ist die 0 b er fläche n -
Strichcultur. Hier wird das Material nicht in die Gelatine ein-
gestochen, sondern oberflächlich, gewöhnlich in einem einzigen, sehr
dünnen Striche, auf den Nährboden aufgestrichen („Impf strich").-)
^) Die „gasbildenden" Bakterienarten zeigen die Eigenschaft der
Gasbildung am besten auf solchen Nährböden, welche gährungs fähigen Zucker
(am besten Traubenzucker) enthalten; in Gelatinestichculturen kommt die Gasbildung
also namentlich dann zu unserer Kenntniss, wenn es sich um T r au benzucke r-
Gelatine (cf. oben p. 124) handelt, in welche hinein der Einstich geschah. Nach
Th. Smith (The fermentation tube. The wilder Quarter - Century Book. 1893.
p. 197. — cf. auch das Autorreferat über diese Abhandlung im Centralbl. f. Bakt.
Bd. 14. p. 864) kommt Gasbildung nur bei Anwesenheit von Zucker (oder Kohle-
hydraten) im Nährboden vor; tritt bei Benutzung von Nährböden, welche keinen
derartigen Zusatz erhalten haben, Gasbildung auf, so handelt es sich um Muskel-
zucker, welcher in dem zur Herstellung des Nährbodens benutzten Fleisch wasser
enthalten war. Das Gas, welches bei der Zuckervergährung durch Bakterien ent-
steht, und welches besser als in Stichculturen in den bereits oben (p. 130) erwähnten
„Gährungskölbchen"-Culturen beobachtet wird, ist gewöhnhch ein Gemisch
von Wasserstoff und Kohlensäure; es hat, wie Th. Smith (1. c.) festgestellt hat,
nicht immer eine und dieselbe Zusammensetzung; Smith hat verschiedene Typen
der Gasbildung gefunden.
-) Selbstverständlich hat man bei jeder Uebertragung für eine innige Verbin-
dung des Impfmaterials mit dem Nährboden zu sorgen. Bei frischen (normal
wasserhaltigen) Nährböden und frischem (feuchten) Bakterienmaterial ist diese innige
154 -A- Allgemeines.
Am besten bedient man sich dazu solcher Eöhrchen, in denen der
^Nährboden (Glelatine, Agar, Blutserum) in schräger Lage
zur Erstarrung gebracht worden ist (cf. oben p. 129), Ferner eignen
sich hierzu die steriKsirten Kartoffelkeile, welche in Reagenz-
gläschen eingeschlossen sind (cf. oben p. 134). Hat man nicht ver-
flüssigende Arten vor sich, so kann man sie auf schräg erstarrter
Gelatine oder auf Blutserum ausstreichen. Bei verflüssigenden
Arten empfiehlt sich dies natürlich nicht; man nimmt hier zweck-
mässig den nicht zu verflüssigenden Agar-Nährboden oder die Kar-
toffel.
Ebenso wie auf festen iSTährboden kann man natürlich auch auf
flüssige sterile Nährböden, die im Reagenzglase unter Watte-
verschluss enthalten sind, das reine Material der Plattencolonie über-
tragen. Speciell empfiehlt sich für pathogene Organismen hierzu die
oben (p. 129) erwähnte Nährbouillon. Man wählt die „Bouillon-
cultur" besonders gern dann, wenn es sich um die Darstellung
grösserer Mengen reinen Culturmaterials handelt, die für irgend welche
Zwecke gebraucht werden sollen. (An entwickelten Bouillonculturen
hat man verschiedene Dinge von allgemeiner Wichtigkeit zu beob-
achten. Zunächst kommt hier die Frage in Betracht, ob die Haupt-
masse der Nährboiüllon klar geblieben ist, oder ob sie sich getrübt
hat. Ist sie klar geblieben, so finden wir die zur Entwickelung ge-
langte Bakterienmasse in Form eines pulverigen oder wolkigen oder
flockigen Sediments am Boden des Röhrchens; es handelt sich in
solchen Fällen stets um eine unbewegliche Bakterienart. Hat man da-
gegen eine eigenbeweghche Bakterienart in die Bouülon eingeimpft, so
findet sich, nachdem die Cultur zm- Entwickelung gelangt ist, der
iSTährboden stets zunächst gleichmässig getrübt, und erst später tritt
dann eine Sedimentirung der Bakterienzellen ein. Ausser der Fi'age
nach der eventuellen Trübung der Bouillon und der Beschaffenheit des
event. vorhandenen Sediments hat man bei Bouillonculturen ferner die
Frage zu berücksichtigen, ob sich an der Oberfläche des Nährbodens
ein Häutchen entwickelt hat oder nicht; es giebt eine Reihe von Arten,
welche ein solches Häutchen gewöhnhch zur Erscheinung kommen
lassen, während anderen Arten diese Eigenschaft abgeht.)
Auch in Reagenzgläser mit sterihsii-ter Milch (cf. oben p. 136),
Verbindung durch blosses Aufstreichen ohne Weiteres hergestellt. Hat man trockenes
Material (Pilzmycehen etc.) zu verimpfen, so empfiehlt es sich stets, der Oberfläche
des Nährbodens zunächst kleine Verletzungen (durch Anstechen mit dem Platindraht)
beizubringen und in diese hinein dann das Material sorgfältig einzubringen oder
einzureiben.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzücbtung. 155
mit sterilisirtem Urin, mit bestimmten chemisclien Nährlösnngen (cf.
p. 137 ff.) etc. kann man das Material aus der Plattencolonie übertragen.
So wie man diese Weiterzüchtungen aber im Reagenzglase vor-
nehmen kann, so kann dies natürlich auch in beliebiger anderer Weise
geschehen, z. B. auf den nach der ursprünglichen Koch' sehen oder nach
der Esmarch'schen Methode präparirten Kartoffeln (cf. p. 132, 134).
Solche Kartoffeln inficirt man am besten mit Hülfe eines Skalpells,
welches ausgeglüht wurde und wieder erkaltet ist, und mit dessen in
das Bakteriemnaterial getauchter Spitze man das Material in die Kar-
toffelfläche eim-eibt. Die nach Koch 'scher Weise präparirte Kartoffel
wird hierbei mit „Sublimatfingern" (cf. p. 133) festgehalten. Bei
dem Inficiren der Kartoffel bleibt man mit dem inficirenden Skalpell
gern 1 cm vom Eande der Kartoffel entfernt, da Verum-einigungen der
Cultur, die von der Kartoffel selbst ausgehen, gewöhnlich am Rande
der Kartoffel sich zuerst zeigen. Hierher gehören z. B. die die Kar-
toffelculturen so oft verderbenden „Kartoffelbacillen", welche aus
Sporen entstehen, die der Kartoffel äusserlich anhafteten und bei der
Sterihsirung derselben nicht getödtet wurden.
Ferner kann die Uebertragung von der Platte in einen hängen-
den Tropfen (von Bouillon oder von Gelatine) hinein geschehen, der
ebenso präparii't wii'd, wie oben (p. 53) angegeben, nur dass man ein
steriles Deckglas (durch Erhitzen^) in der Flamme sterihsirt) und
steriles Material für den Tropfen selbst wählt. Die sich entwickelnde
„Cultur im hängenden Tropfen" gestattet, die Wachsthumserschei-
nungen der Bakterien unter dem Mikroskope cürect zu verfolgen.^)
Die ursprüngliche Koch 'sehe Plattenculturmethode ist nunmannich-
fach modificirt worden. Zunächst ist hier ein Verfahren zu nennen.
^) Das Erhitzen soll hierbei nicht so weit gehen, dass, wie dies z. B. bei der
Herstellung zu färbender Trockenpräparate oft nothwendig ist (cf oben p. 63, Anm. 1),
das Deckglas völlig entfettet wird. Auf einem völlig entfetteten Deckglase nämlich
lässt sich ein Bouillon t r o p fe n kaum herstellen: Der Tropfen zerläuft auf dem Glase,
sobald er darauf gebracht worden ist, und breitet sich als gleichmässige Flüssigkeits-
schicht aus. Es muss also noch eine spurweise Fettschicht zur Herstellung des
Culturtropfens vorhanden sein. Man kann nun nachweisen, dass sich durch Erhitzung
in der Flamme leicht eine sterile, aber doch nicht vollkommen fettfi'eie Deckglas-
fläche herstellen lässt : Behufs der Sterilisirung sind niedrigere Temperaturgrade aus-
reichend als behufs der vollständigen Entfettung.
-) Bei solchem Material, welches bei Körpertemperatur besser wächst als bei
Zimmertemperatur, wird das iVIikroskop zu diesem Behufs am besten so disponirt,
dass der Objecttisch und das auf ihm liegende Culturpräparat in einem auf Körper-
temperatur erwärmten Räume stehen (cf unten im Text: Besprechung des Brut-
schrankes).
156 ^- Allgemeines.
welches manche Yortheile vor dem m-sprünghchen Koch' sehen Ver-
fahren darbietet, und welches von Petri^) stammt. Petri nimmt
keine Glasplatten als Träger des Nährbodens, sondern an Stelle dieser
runde Glasschälchen von 10 — 11 cm Durchmesser und 1 — 1,5 cm
Höhe. Jedes Glasschälchen wird durch ein etwas grösseres, als Deckel
dienendes ähnliches Schälchen vor Staub etc. geschützt. Die Doppel-
schälchen werden, rein geputzt, auf einander gestellt, im Ti'ockenschrank
sterilisirt (cf. p. 143) und können nach dem Erkalten benutzt werden.
Ein besonderer „Giessapparat" wie bei dem Koch' sehen Verfahren ist
hier nicht nöthig. Die Gelatine wird einfach eingegossen, die Schale
zugedeckt, etikettii't und dann sich selbst überlassen. Diese Methode
wird jetzt sehr viel, häufiger als die ursprüngliche Koch" sehe, an-
gewandt. Es ist aber zu bemerken, dass die mikroskopische Unter-
suchung-) derartiger Schälehenculturen etwas weniger bequem ist als
die der Koch 'sehen Platten.
Eine andere Modification der ursprünglichen Koch' sehen Platten-
methode hat V. Esmareh") angegeben. Die Gelatine wii'd hierbei
weder auf Platten noch in Schälchen ausgegossen, sondern an der
Innenwand des Keagenz röhrchens, in dem sie sich befindet,
direct ausgebreitet. Man bewerkstelligt dies so, dass man nach
der Inficiiimg der geschmolzenen Gelatine den Wattepfifopf in das
Pvöhrchen soweit hineinstösst, dass er vollständig im Glase verschwindet,
dass man dann eine Gummikappe über die Oeähung des Röhrchens
herüberzieht, die einen wasserdichten Abschluss bewirkt, und dass
man nun das Eöhrchen horizontal auf die Oberfläche sehr kalten (event.
Eis-) Wassers legt und dann das Eöhrchen mit den Fingern in (möglichst
schnelle) Rotation versetzt.*) Die Gelatine wird dann bald fest und
1) Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. No. 9.
^) Man kann diese Schälehenculturen mit schwachem System sowohl von oben
her (nach Abhebung der Deckelschale) wie auch durch den Schälchenboden hindurch,
also von der Unterseite her, mikroskopisch ansehen; in dem letzteren Falle braucht
die Deckelschale selbstverständhch nicht entfernt zu werden. Ist die Oberfläche des
Schälchenbodens an der unter dem Mikroskope liegenden SteUe so uneben, dass eine
wesentUche Verzerrung des Bildes bei der Mikroskopirung durch diesen Boden hin-
durch zu Stande kommt, so kann man sich dadurch helfen, dass man auf das Glas
an dieser Stelle einen Tropfen Cedernöl und auf diesen ein Deckglas bringt. Man
verleiht auf diese Weise dem Schälchen eine ebene Oberfläche, und die Bilder der
hier liegenden Colonien erscheinen nun ohne jede Verzerrung.
«) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1886.
*) Bei diesem Drehen des Röhrchens geht man am besten so vor, dass man
das Eöhrchen nur an dem einen Ende, dort wo der Wattepfropf sich befindet,
mit den Fingern (der rechten Hand) berührt. Während der bei der Drehung ein-
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 157
Überzieht das Glas an seiner Innenfläche mehr oder weniger gieich-
mässig. Nachher wird das Köhrchen aus dem Wasser herausgenommen,
die Gummikappe entfernt, das Röhrchen etikettirt und zur Entwickelung
der Colonien hingestellt. Diese „RoUröhrchen", „Rollplatten"
sind am besten von allen Plattenculturen gegen die Verunreinigung
durch fremde Keime geschützt. Haben sich die isolirten Colonien mner-
halb der „ausgerollten" Gelatine entwckelt, so kann man sie so-
wohl mikroskopisch untersuchen (durch die Glaswand hindurch),^) als
auch, unter Benutzung eines an der Spitze gekilimmten Platindrahtes,
von ihnen Material zm* Anlage weiterer Culturen entnehmen. Eine
derartige Rollplatte (oder wenigstens einen Theil von ihrj zeigt Fig. 26
auf Taf V. Dieselbe wurde mit Gartenerde angelegt. Man sieht hier
im Centrum mehrerer Colonien noch die schwarzen Erdbröckelchen,
von denen das Wachsthum ausgegangen ist.
Die bis jetzt genannten Methoden der Plattencultur haben alle
das Gemeinsame, dass sie zur Anlage einer jeden einzelnen Cultur
ein besonderes Gelatmeröhrchen brauchen. Kommt es Einem im ge-
gebenen Falle auch nur auf die die Verdünnungen enthaltenden Cultur-
platten an, so ist man doch genöthigt, zunächst ein „Original" -Röhr-
chen zu inficiren, um von diesem wieder Verdünnungsröhrchen anzu-
legen. Eine Methode, welche Soyka^) angegeben hat, vereinfacht die
Procedur und spart Material. S^o^ka empfiehlt Doppelschälchen zur
Anlage der Plattenculturen, welche den Pe tri 'sehen im Allgemeinen
ähnlich sind, sich aber dadurch von ihnen unterscheiden, dass in die
untere 7 bis 8 oder mehr Vertiefungen (wie bei den hohl-
geschliffenen Objectträgern) eingeschliffen sind. In jede der Ver-
tretenden kurzen Pausen, in denen die Finger das Eöhrchen nicht berühren, sorgt
dann jedesmal die Gravitation dafür, dass das Eöhrchen horizontal eingestellt wii-d.
"Vor der Drehung thut man gut, zunächst alle Theile der Gefässwand mit der
flüssigen Gelatine zu befeuchten; hierbei hat man darauf zu achten, dass nicht die
ganze untere Fläche des Wattepfropfs, sondern nur die wandständigen TheUe des-
selben mitbefeuchtet werden, weil anderenfalls — bei der folgenden Abkühlung des
Eöhrchens im Eiswasser — im oberen Theile des Eöhrchens zahlreiche Luftblasen
sich ansammeln.
^) Um das mikroskopische Bild bei dieser Gelegenheit besser zu gestalten, als
es die geki-ümmte Aussenfläche des Eeagenzglases an und für sich zulässt, habe ich
(cf. auch p. 156, Anm. 2) an der zu untersuchenden Stelle einen Tropfen Cedernöl
auf die Glaswand gebracht und auf diesen ein Deckglas, dessen freie Oberfläche in
senkrechte Eichtung zur optischen Achse des Mikroskopes gebracht wird. Man be-
kommt so naturgemäss vortreffüche Bilder der Colonien. — Einen zweckmässigen
Eea gen z glashalt er für die EoUplatten zum Aufsetzen auf den Objecttisch hat
V. Sohlen (Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie. Bd. 7. 1890) angegeben.
-) Deutsche med. Wochenschr. 1888. No. 43.
158 A.- Allgemeines.
tiefluigen kommt eine kleine abgemessene Quantität geschmolzener
Gelatine. Die Gelatine in einer der Vertiefungen wird dann mit dem
in das Ausgangsmaterial getauchten Platindraht inficirt, und die wei-
teren Verdünnungen werden dann durch Uebertragung von Material
immer aus einer Vertiefung in die nächstfolgende bewerkstelligt. (Nach
jeder einzelnen Uebertragung muss der Platindraht ausgeglüht werden.)
Die Gelatine lässt man dann erstarren. Man hat so auf einer
Platte alle Verdünnungen und hat sehr an Material gespart.
Diesem sehr zweckmässigen S o y k a ' sehen A'erfahren schliesst sich
ein Verfahren an, welches der Verf. zur Eeincultivirung, zur Isolirung
von Bakterien häufig benutzt, und welches ebenfalls darauf gerichtet
ist, Gelatine zu sparen resp. einen möglichst geringen Apparat für
den einzelnen Versuch nothwendig zu haben. Ich bringe mir zunächst
auf eine sterile Glasfläche (einen stark erhitzten und wieder
erkalteten Objectträger oder die Innenfläche des Deckels eines steriü-
sirten Pe tri 'sehen Schälchens, welches nachher für die Plattencultur
zur Veiivendung kommen soll) 4 — 5 einzelne, isolirt liegende
Tropfen steriler Bouillon oder sterilen Wassers, inficire dann den
ersten Tropfen mittels des Platindrahtes mit dem zu untersuchenden
Materiale, glühe den Draht aus, tauche ihn nach dem Erkalten in den
ersten Tropfen wieder ein und übertrage die kleine anhaftende Menge
in den zweiten Tropfen. Von diesem aus inficire ich (mit vorher aus-
geglühtem Drahte) auf dieselbe Weise den dritten, von diesem den
vierten, und ebenso auch eventuell einen fünften Tropfen je nach dem
Bakterienreichthum des Ausgangsmateriales. Von dem letzten Tropfen
übertrage ich dann eine Oese in ein Eöhrchen geschmolzener Nähr-
gelatine und giesse die letztere dann, wie oben (p. 143) beschrieben,
in ein Petri'sches Schälchen aus. Habe ich die Innenfläche des
Deckels des Schälchens zur Anlage der Verdünnungen benutzt, so
hat derselbe während dieser Zeit umgekehrt auf dem Schälchen ge-
legen und so das Schälchen vor dem etwaigen Hineingelangen von
Luftkeimen behütet. Die während der Entwickelung der Cultur an
dem Deckel hängenden Ti'opfen schaden der Cultur natürlich durch-
aus nichts.
Anstatt der Gelatme kann man auch Agar zu Plattencul-
tur en benutzen; und bei Organismen, welche erheblich besser und
schneller bei Brüttemperatur wachsen als bei Zimmertemperatur, wird
man mit Vorliebe zu dem Agar greifen. Nur ist hier ein besonders
geschwindes Operiren durchaus geboten. Wie wir oben (p. 126) be-
reits erwähnten, schmilzt das Nähr-Agar erst bei Temperaturen, die der
Siedetemperatur des Wassers nahe liegen. Geschmolzen muss aber
- 1
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüclitung. 159
jeder Nährboden werden, mit welchem wir eine Platte anlegen wollen.
Nach dem Schmelzen wird das Agar abgekühlt bis etwas über 40*^ C.
Man stellt das Röhrchen zu dem Zwecke am besten in ein entsprechend
warmes Wasserbad ein. Bei dieser Temperatur ist das Agar gerade
noch flüssig und doch schon kühl genug, dass man Bakterien ohne
Gefahr für ihre weitere Entwickelungsfähigkeit einsäen kann. Nun
muss man möglichst schnell das Material eintragen, vertheilen und
dann die Verdünnungen machen, um hinterher den Nährboden gleich in
P e t r i ' sehe KSchälchen ^) auszugiessen. Diese Schälchen werden in eine
feuchte Kammer (p. 133) und mit dieser in den Brütschrank gestellt.^)
Will man das Agar zu Rollplatten (cf. oben p. 157) ver-
wenden, die in den Brütschrank gestellt werden sollen, so darf man
nicht das gewöhnliche 1 i/o procentige , sondern muss 2 procentiges (cf
oben p. 126) Agar verwenden, weil nur bei dieser Concentration die
Agarschicht auch bei längerem Aufenthalt im Brütschrank an den
Wandungen des Glases sicher haftet (C. Fränkel*^)). v. Esmarch*)
setzt zur Verhütung der Ablösung der Agarschicht dem li/^proc.
Agar mehrere Ti'opfen einer sterilisirten dicken Lösung von Gummi
arabicum zu.
^) Cxiesst man das inficirte Agar auf gewöhnliche Koch'sohe Platten aus,
so dürfen diese Platten nicht wie bei der Anlage von Gelatinei^latten möglichst stark
abgekühlt (cf. p. 143) sein, sondern die Spiegelplatte des Giessapparates muss für
diesen Zweck sogar durch lauwarmes Wasser etwas angewärmt sein. Je schneller
nämlich das Agar auf den Platten erstarrt, desto weniger gut haftet es am Glase.
Auf die so angewärmten Platten trägt man vor dem Aufgiessen des Agars zweck-
mässig noch je mehrere Tropfen Siegellack auf, welche das Abgleiten der Agarschicht
vom Glase nach der Erstanning verhüten.
") Häufig erlebt man es, dass nach 24 Stunden die gesammte Oberfläche der
Agarschicht in den Schälchen sich mit einer gleichmässigen Bakterienwucherung be-
deckt zeigt. Es handelt sich hier um die Eigen thümlichkeit des Agars, beim Er-
starren Wasser auszupressen (cf. p. 129); die Oberfläche überzieht sich zunächst
mit einer Schicht derartigen ,,Condensationswassers", und diese Wasserschicht wird
dann sehr leicht zu einem Vermehrungsort von Bakterien. Selbstverständlich ist
unter solchen Umständen die Platte zur Isohrung der eingesäeten Keime nicht mehr
zu brauchen, der eigentliche Zweck des Versuches also verfehlt. Um dieser un-
angenehmen Eventualität zu entgehen, hat Zabolotny (Deutsche med. Wochenschr.
1893. p. 1353) vorgeschlagen, die Agarschalen nicht horizontal, sondern schräg ge-
neigt aufzustellen: das Condensationswasser sammelt sich bald in den abhängigen
Theileu der Schale, und die Hauptmasse des Nährbodens wird von dem flüssigen
Oberflächenbelage befreit. Freudenreich (Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1894.
p. 643) sowie Miller (ebenda p. 895) stellen die Agarschalen aus denselben Grün-
den umgekehrt (den Deckel nach unten gerichtet) auf.
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. ■ p. 767.
*) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1886. p. 301.
160 A-. Allgemeines.
Auch für Agarplatten hat sich mir meine, der Soyka'schen
nachgebildete Verdünnungsmethode fcf. p. 158) bewährt.
Eine Methode, Blutserum für Plattenculturen zu ver-
wenden, hat Hueppe^) angegeben. Das flüssige, steril aufgefangene
oder (im flüssigen Zustande) sterilisirte (cf. p. 131) Blutserum wird
auf c. 40*^ C. erwärmt und mit dem zu untersuchenden Bakterien-
materiale beschickt, welches gieichmässig darin vertheilt wird. Event,
werden von dem so hergestellten Originalröhrchen Verdünnungen (wie
bei der Gelatineplattencultur, p. 1 42) hergestellt. Inzwischen ist 2 pro-
centiges Nähr- Agar geschmolzen und auf 42*^ C. wieder abgekühlt
worden. Das inficii'te Serum wird nun mit etwa der gleichen Quan-
tität Agar sorgfältig vermischt; das Gemisch wird in Schälchen aus-
gegossen, in welchen es erstarrt, und che dann in den Brütschrank
kommen.
Ehe Koch seine Plattenmethode erfand, benutzte er die Nähr-
gelatine in etwas anderer Weise zur Isolirung der Keime. Er inficirte
nämlich den Platindraht und strich denselben dann mit der Spitze
über die Oberfläche von Nährgelatine, welche auf einem sterilisirten
Objectträger in dünner Schicht ausgegossen war. Neben einander
wurden so eine Anzahl „Impf striche" gemacht. Die Mehrzahl
der dem Draht anhaftenden Keime blieb natürlich schon beim ersten
Striche an der Gelatine hängen, der zweite Strich erhielt schon weniger
Keime ; und bald kam bei den nächstfolgenden Strichen ein Zeitpunkt,
wo nur hier und da ein einzelner Keim sitzen blieb. Die Object-
träger wurden dann in die feuchte Kammer gestellt. Mit Hülfe dieser
„Objectträgerculturen" erzielte Koch die ersten isolirten Rein-
cultm-en aus Bakteriengemischen. -) Eine Plattencultur , welche nach
dem genannten Principe angelegt wurde, zeigt Taf. VI, Fig. 32 (cf. oben
p. 149). Dieses Princip der Isolirung von Keimen durch Anlegung
einer Reihe von Oberflächen- Strichculturen wendet man in der bakterio-
logischen Praxis sehr häufig — wenn auch in einer von der Objecto
trägermethode abweichenden Form — an, und zwar zum Zwecke der
Isolirung patho gener Keime aus Material, welches dii'ect aus dem
erkrankten Körper stammt. Der mit dem Originalmaterial (Blut, Eiter,
diphtherische Pseudomembran etc.) inficirte Platindraht wird hinter
einander auf der Oberfläche des (schräg erstarrten [p. 129]) Nähr-
bodens von 4 bis 6 bis 8 Reagenzröhrchen (Agar, Glj^cerinagar, Blut-
serum etc.) ausgestrichen. Die inficirten Röhrchen kommen in den
1) Centralbl. t. Bakt Bd. 1. 1887. p. 610.
•-) Mtth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 161
Brutschrank. In den letzten Röhrclien kommen isolirte Colonien zm-
Entwickelung. ^)
Will man Bakteriencnlturen conserviren, so geht man
gewöhnlich so vor, dass man, sobald das Wachsthnm eine gewisse
Höhe erreicht hat, die Culturgefässe gegen die Atmosphäre luftdicht
abschliesst. Das Letztere geschieht entweder durch sorgfältiges Ver-
kitten der Deckel etc. mit Paraffin oder durch Zuschmelzen der Oeff-
nungen der G-efässe. Das Zuschmelzen lässt sich aber gewöhnlich nur
bei Reagenzgiasculturen bewerkstelligen. Durch den luftdichten Ver-
schluss des Culturgefässes wird eine Verdunstung der in dem Nähr-
boden enthaltenen Feuchtigkeit sowie die Möglichkeit der Verunreinigung
dauernd ausgeschlossen. Ausserdem wird der weiteren Entwickelung
der Cultm* durch den luftdichten Abschluss meist bald ein Ziel ge-
setzt (Abschluss von Sauerstoff). Um den Ausbau der hierher ge-
hörigen Conservirungsmethoden haben sich besonders verdient gemacht
Soyka^), Soyka und Kral"), Kräl'^), Czaplewski.^) Man
kann sich nach diesen Methoden sehr schöne Sammlungen bakterio-
logischer Culturen anlegen („bakteriologische Museen"). Die Culturen
behalten unter luftdichtem Verschluss sehr lange Zeit ihre Uebertrag-
barkeit bei.
Eine von dem geschilderten Princip abweichende Methode der Con-
servirung von Bakteriencnlturen hat Häuser**) angegeben. Hauser
benutzt zu diesem Zwecke Formaldehyddämpfe. Der Formaldehyd,
welcher in c. 40proc. Lösung unter dem Namen „Formalin" im Handel
zu haben ist, ist bekannthch (cf. oben p. 34) em ziemlich energisch
bakterientödtendes Mittel. Werden Bakteriencnlturen den Dämpfen des
Formalins ausgesetzt, so erfolgt zunächst Entwickelungshemmung, dann
Abtödtung der Culturen. Sehr mchtig ist nun die Thatsache, dass,
obgleich eine Abtödtung des Bakterienmaterials erfolgt, der Eindruck,
den die Cultur dem Auge gewährt, völlig erhalten bleibt ; eine fernere
wichtige Thatsache ist die, dass Grelatine, die durch Bakterienwachsthmn
verflüssigt worden ist, unter dem Einflüsse der Formalindämpfe wieder
^) Selbstverständüch kann man zum Zwecke der Isolirung pathogeuer Keime
nach diesem Princip auch Agar verwenden, welches geschmolzen, dann in Schälchen
ausgegossen und dort zur Erstarrung gebracht wurde. Wegen der Aufstellung solcher
Schälchen im Brütschrank vgl. p. 159, Anm. 2.
-) Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. No. 18.
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 4. 188S.
*) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 5. 1889.
^) Centralbl. f, Bakt. Bd. 6. 1889. No. 15.
•^) Münchener med. Wochenschr. 1893. No. 30.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 11
162 A. Allgemeines.
vollständig fest wird/) dass aber auch hierbei der optische Eindruck
der flüssigen Gelatine völlig erhalten bleibt. Bezüglich des praktischen
Vorgehens bei der Fornialinmethode hat Hause r folgende Vorschriften
gegeben: Plattengüsse in Schälchen, die conservirt werden sollen,
erhalten unter dem Deckel eine Einlage von Filtrü-papier, auf welches
man 10 — 15 Tropfen Formalin träufelt; hierauf bringt man die ge-
schlossenen Schalen in eine mit stark angefeuchtetem Fliesspapier aus-
gekleidete feuchte Kammer (grosse Doppelschale Q). 133]); in diese
stellt man noch ein offenes Schälchen, in welches man etwas Watte
legt, die mit Formalin angefeuchtet wird. Zu conservirende Reagenz-
glasculturen werden mit losem Wattepft-opf, der am unteren Ende
mit 8 — 10 Tropfen Formalin angefeuchtet wird, geschlossen, dann in
ein cylindrisches, luftdicht zu verschliessendes Grefäss eingestellt, auf
dessen Boden sich Watte, die mit Formahn befeuchtet ist, befindet;
täghch werden hier einige Tropfen Formalin zugegossen. — Die For-
maUnmethode eignet sich vortrefflich dazu, Bakterienculturen für
kürzere Zeit (z. B. zu Demonstrationszwecken) zu conserviren. Selbst-
verständlich ist auch hier, wenn man wirkliche Dauei-präparate wünscht,
ein luftdichter Abschluss, der das allmähliche Vertrocbien verhindert,
nicht zu entbehren.
Man hat auch versucht, Culturen in festem Nährboden in Form
des mikroskopischen Präparates zu conserviren. Handelt
es sich um Plattenculturen, so muss die zu conservirende Stelle
mit dem Messer umschnitten und dann zwischen Objectträger und Deck-
glas (in Glycerin z. B.) eingeschlossen werden. Derartige Methoden
haben Garre^), Plaut''), Lipez^), Jacobi'^) sowie der Verf.*^)
angegeben. Haus er') hat gefunden, dass sich auch für diesen Zweck
ganz besonders gut die (vorstehend besprochene) Formalinmethode
eignet: Die Culturplatte wird zunächst durch Formalindämpfe ge-
härtet; dann wii-d die zu conservirende Stelle mit einem Messer um-
schnitten, vorsichtig von dem Glase abgelöst, auf den Objectträger
gelegt, mit geschmolzener Gelatine eingeschlossen und mit einem Deck-
^) Auch durch Erhitzen lässt sich solche „Formahn -Gelatme", wie Hauser
weiterhin (Münch. med. Wochenschr. 1893. No. 35) festgestellt hat, nicht mehr
flüssig machen.
■-) Fortschr. d. Med. 18S6. No. 12.
-) Fortschr. d. Med. 18S6. No. 13.
*) Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. No. 13.
•^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 17.
•*) Deutsche med. Wochenschr. 1889. No. 20.
') Münch. med. Wochenschr. 1893. No. 35.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 163
glase bedeckt. Hierauf stellt man das Präparat noch etwa 24 Stunden
in die Fomialinkammer, wo die zum Einschluss benutzte Gelatine eben-
falls erstarrt mid unlöslich wird. Zum Schlüsse wird das Präparat
durch einen Lackrahmen (cf. p. 68, Anm. 2) vor Eintrocknung ge-
schützt. — Handelt es sich um Eeagenzglasculturen, die in
Form des mikroskopischen Präparates conservirt werden
sollen, so muss die die Cultur enthaltende Gelatine zimächst gehärtet
und dann in Schnitte zerlegt werden. Solche Methoden haben FischP)
und Neisser^) publicirt.
Die bisher besprochenen Culturmethoden , speciell die Platten-
methode, gehen von der Voraussetzung aus, dass wir solche Organismen
zu untersuchen haben, welche an der Luft zu wachsen ver-
mögen. Wir haben nun früher bereits (p. 22) gesehen, dass es eine
gTOsse Eeihe von Bakterienarten giebt, denen dies Vermögen abgeht,
die im Gegentheil durch die Gegenwart freien Sauerstoffs in ihrer Ent-
wickelung gehemmt werden. Es sind dies die sogenannten Anaeroben
(auch „obligate", „strenge" Anaeroben genannt). Haben wir
solche Organismen zu züchten, so kann dies natüi'lich nicht in. der ge-
wöhnhchen Weise auf der Platte geschehen; denn der atmosphärische
Sauerstoff, welcher zu der Platte ungehinderten Zutritt hat, würde ein
jedes Wachsthum von vornherein iahibiren. Will man derartige Or-
ganismen zum Wachsthum, zur Vermehrung briagen, so muss man
den atmosphärischen Sauerstoff von dem Orte, an dem das Wachsthum
geschehen soll, sorgfältigst fernhalten.
Nach verschiedenen Principien kann dies geschehen. Man kann,
wie dies zuerst (1878) Pasteur, Joubert und Chamberland'^)
thaten, den inficirten Nährboden in einen Raum bringen, der nachher
luftleer gepumpt wii'd;^) oder man kann, nach Büchner,'^) aus
^) Fortschr. d. Med. 1887. No. 20.
2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 16.
^) Comptes rendus de l'Acad. des sciences. Paris, t. 86. 1878. p. 1038 ff.
*) Gruber (Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. No. 12) benutzt zu diesem
Zwecke lange, im oberen Drittel verengte Keagenzgläser, welche — nach der Be-
schickung der in ihnen befindlichen Näkrgelatine mit dem Bakterienmaterial — mit
der Luftpumpe in Verbindung gesetzt und nach dem Evacuiren an der verengten
Stelle luftdicht abgeschmolzen werden. Dann wird die Gelatine in ihnen nach der
Esmarch' sehen Methode (oben p. 156) ausgerollt. — Einen einfachen Apparat
für die Anstellung von Culturen im luftleeren Eanme, der auch zur Herstellung einer
Wasserstoffatraosphäre (cf. oben im Text weiter) zu benutzen ist, hat Novy (Cen-
tralbl. f. Bakt. Bd. 14. 1893. p. 592 und Bd. 16. 1894. p. 566) angegeben. —
Einen ähnlichen Apparat gab bereits vorher (1892; Virch. Arch. Bd. 128) Nico-
laier an (cf. Centralbl.. f. Bakt. Bd. 15. 1894. p. 227).
ö) Cenü-albl. f. Bakt. Bd. 4. 1888. No. 5.
11*
Jß4 -^- Allgemeines.
dem Eaume, in welchem der inficirte Nährboden resp. das Cnltur-
gefäss (z. B. eine nach Esmarch angelegte Rollplatte) steht, den
Luftsauerstoff fortschaffen durch alkalische Lösung von Pyro-
gallol (1 g Pn-ogallol, 1 ccm Liqu. Kai. caust., 10 ccm Wasser),
welche bekanntlich ein ausserordenthch sauerstoffgieriges Medium ist. i)
Man kann aber den Luft.sauerstoff resp. die atmosphärische Luft auch
entfernen, indem man in den den Nährboden umgebenden Raum ge-
nügend lange Zeit reinen Wasserstoff^) einleitet, indem man
eventuell sogar dm'ch den Nährboden selbst (bei Gelatine vor der Er-
starrung) Wasserstoff durchleitet. Wird nachher ein sicherer Verschluss
nach aussen hin hergestellt (durch Zuschmelzen der Glasgefässe, durch
Verkitten der Oeflhungen mit Paraffin), so gedeihen die Anaeroben in
ausgezeichneter Weise in dieser Wasserstoffatmosphäre. ■^)
^) Diese vortreffliche Buchner'scbe Methode ist später von Nikiforoff
(Zeitschr. f. Hyg. Bd. 8. 1890) zur Cultivirung der Anaeroben im hängen-
den Tropfen verwendet worden. Nikiforoff umstreicht die Höhlung des hohl-
geschüffenen Objectträgers wie gewöhnlich (cf. oben p. 53) mit Vaselin und drückt
dann das mit dem geimpften (inficirten) Tropfen versehene Deckglas (cf. oben p. 155)
so auf diesen Objectträger, dass die Höhlung des letzteren an einer Stelle nicht
vöUig vom Deckglase verschlossen wird. Diese freigelassene Stehe wird nun an
ihrem einen Ende mit starker wässeriger PyrogaUoUösung (mit Hülfe einer Platin-
öse) betupft, während an das andere Ende ein Tröpfchen Kalilauge gebracht wird.
Sodann wird durch Verschiebung des Deckgläschens die Höhlung des Objectträgers
vöUig verschlossen. Es mischen sich dann die beiden Eeagentien mit einander; sie
bleiben an der BerührungssteUe von Objectti'äger und Deckglas hängen, kommen
mit dem Culturtropfen nicht in Berührung.
^) Der aus „reinem" Zink und „reiner" Schwefel- oder Salzsäure bereitete
Wasserstoff wird (nach C Fränkel; Centralbl. f. Baki:. Bd. 3. 1888. p. 768) be-
hufs der Eeinigung von eventuellen Verunreinigungen am besten durch 3 Wasch-
flaschen geleitet, welche der Eeihe nach enthalten 1) alkalische Bleilösung (zur Ab-
sorption etwaiger Schwefelwasserstoffspuren), 2) Silbernitratlösung (zur Absorption
etwaigen Arsen Wasserstoffs), 3) alkahsche PyrogaUoUösung (zur Absorption etwaigen
Sauerstoffs).
^) BezügHch der vielfachen hierfür angegebenen Methoden, um deren ersten
Ausbau sich namentUch H. und E. Buchner, Hauser, Liborius, Eoux (1885
bis 1887) verdient gemacht haben, verweise ich im Allgemeinen auf Hueppe's
„Methoden der Bakterienforschung", 5. Aufl. 1891. p. 361 ff. — Kitasato (Zeitschr.
f. Hyg. Bd. 7. 1889. p. 227) gab zur Anlegung von Plattenculturen flache
Glasgefässe an, durch welche Wasserstoff hindurch geleitet wird, und die dann luft-
dicht zugeschmolzen werden. — Gabritschewsky (Centralbl. f. Bakt. Bd. 10.
1891. p. 249) hat (sehr empfehlenswerthe) Culturschalen für Wasserstoffdurchleitung
und gleichzeitige Sauerstoffabsorption durch Pyrogallol angegeben, bei welchen eine
Zuschmelzung nicht vorgenommen zu werden braucht. — Aehnliche Schälchen, bei
denen aber nur Wasserstoffdurchleituug , nicht Pyrogallol zur Verwendung gelangt,
hat Kamen (Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 9) beschrieben. — Eine höchst
V. Allgeiueine Methodik der Bakterienzüchtung. 165
Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass man nicht
etwa Kohlensäure zur Verdi'ängung des Luftsauerstoffs benutzen
darf. Es hat sich, besonders durch umfassende Untersuchungen, die
C. Eränkel^) angestellt hat, gezeigt, dass die Kohlensäure, wie für
andere Organismen, so auch für die Bakterien im Allgemeinen
ein Gift ist, und dies sowohl für- Aeroben wie Anaeroben.-) Der
Wasserstoff ist jedoch, wie für andere Organismen, so auch für die
Bakterien ein völlig indifferentes Gas.
Von Plattenculturen kann man den Luftsauerstoff nach
Koch'') dadurch fernhalten, dass man auf die Gelatine etc. ein dünnes
Glimmerplättchen, welches vorher durch Ausglühen sterilisirt
wurde, auflegt. Dasselbe muss natürlich eine grössere Ausdehnung
besitzen. Unter demselben kommen die Anaeroben zur Entwickelung.
Das geschilderte Verfahren lässt sich auch sehr gut zur Prüfimg des
Sauerstoffbedürfnisses bestimmter neu aufgefimdener Arten benutzen.^)
Ganz besonders gut für den letztgenannten Zweck eignen sich auch
die bereits oben (jd. 130, 153) erwähnten Gährungskölbchen.^)
einfache Methode der Wasserstoffbenutzung hat Fuchs (Dissert. Greifswald. 1890)
angegeben. Siehe hierüber Loeffler (Centr. f. Bakt. Bd 7. 1890. No. 20. p. 635):
„Die Methode besteht darin, dass das besäete Köhrchen umgedreht, und, nachdem
einige Minuten hindurch Wasserstoff mit einem Glasrohr eingeleitet worden ist.
mit einem Gummistopfen von unten her fest verschlossen wird. Der Gummistopfen
kann zur Vorsicht noch paraffinirt werden." — Blücher (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 8.
1890) cultivirt Anaeroben auf der Platte (Petri'sches Schälchen), auf Kar-
toffeln etc. unter einer Glasglocke, in welche Wasserstoff eingeleitet wird, und
deren Inneres durch eine wässerige Glyceriulösung (1 Glycerin + 3 bis 4 Wasser)
gegen die äussere Luft abgesperrt wird. — Botkin (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9. 1890)
hat ein ähnliches Verfahren angegeben, bei welchem Paraffin um liquidum als
Absperrflüssigkeit verwandt wird.
1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 5. 1888.
^) Das gilt jedoch nicht ohne Ausnahme. Es giebt Anaeroben, welche ganz
gut in der Kohlensäureatmosphäre gedeihen.
^) Deutsche med. Wochenschr. 188-1. p. 502.
■*) Nach neueren Mittheilungen von Braatz (Centralbl. f. Bakt. 1. Abth.
Bd. 17. 1895. p. 741) ist das Letztere nicht der Fall.
^) Allerdings gilt dies nur für den Fall, dass die zu untersuchende Art eigen-
beweglich ist. Hat man kurz vor der Impfung des Gährungskölbchens dafür ge-
sorgt, dass der in der Nähi-flüssigkeit enthaltene fi-eie Sauerstoff durch Erhitzung
des Kölbcheus im Dampftopf entfernt wurde, so findet man, sobald man eine streng
Sauerstoff bedürftige Art einimpft, dass eine Vermehrung der Bakterien nur in der
Kugel des Gährungskölbchens, d. h. in demjenigen Theile desselben, der mit dem
freien atmosphärischen Sauerstoff in dauerndem Contact ist, eintritt; die Flüssigkeit
in dem aufsteigenden (geschlossenen) Schenkel des Kölbchens bleibt in solchen Fällen
absolut klar. Umgekehrt sieht man bei solchen Arten, die auch unter Abschluss
von freiem Sauerstoff zu gedeihen vermögen (die meisten pathogenen Arten verhalten
IQQ A. Allgemeines.
Sehr bequem zur Züchtung der Anaeroben, wenn auch zur Iso-
lirung der Keime aus emem Gemische weniger brauchbar, ist eine
andere Methode, bei welcher der Sauerstoif der atmosphärischen Luft
von der Cultur durch da rüber geschichtetes festes Nährsubstrat
abgeschlossen wird.i) Nach diesem einfachen Principe kann man z. B.
aus Keinculturen von Anaeroben Stichculturen in jedem Grelatineröhr-
chen anlegen. Man sticht das Material in der gewöhnlichen Weise
mit dem Platindraht tief in die Gelatine ein und sieht nachher in den
tieferen Schichten der Gelatine, zu denen der atmosphärische Sauer-
stoff keinen Zutritt hat, bis etwa 1 '/2 cm von der Gelatineoberfläche
entfernt, von dem Impfstiche das Wachsthum der anaeroben Cultur
ausgehen, während in den oberen Schichten der Gelatine, die mit dem
atmosphärischen Sauerstoff in Berührung sind, jedes Wachsthum unter-
bleibt. Man kann auch das Bakterienmaterial in geschmolzener Gelatine
vertheilen und die Gelatine dann wieder erstarren lassen. Man beob-
achtet dann in den unteren Partien der Gelatine die Entwicklung
mehr oder weniger von einander isolirter Colonien. Eine solche Cultur
zeigt z. B. Fig. 39 auf Taf. VII. Kommt es Einem darauf an, von
derartigen, isolirten Colonien Abimpfungen zu machen (um das Material
in reinem Zustande zu erhalten), so ist es vielleicht das Zweckmässigste,
das Eöhrchen etwas zu erwärmen, so dass die gesammte Masse des
Nährbodens aus dem Röhrchen herausgleiten kann. Dann ist es leicht,
einzelne Colonien behufs isoKrter Abimpfung mit dem Platindraht zu
treffen. ^)
Es empfiehlt sich zur Cultur anaerober Organismen den Nähr-
böden gewisse reducirende Substanzen zuzusetzen.
Das Wachsthum erfolgt dann schneller. Liborius") fand einen Zu-
sich ja so [cf. p. 22]) , dass auch in dem aufsteigenden , d. h. von der Atmosphäre
abgeschlossenen, Schenkel des Kölbchens Vermehrung der Bakterien, d. h. Trübung
der Nährlösung, eintritt. — Beyerinck hat die Gährungskölbchen auch dazu be-
nutzt, um streng anaerobe Bakterienarten aus Bakteriengemischen rein zu cultivireu.
Von dem genannten Autor angegebene (Centralbl. f. Bakt. Abth. II. Bd. 1. 1S95.
p. 104 ff.) raodificirte Gährungskölchen (sog. „Trennungskölbchen") gestatten,
die in dem geschlossenen Schenkel entwickelten strengen Anaeroben von anderem,
mitcultivirtem, aerobem Materiale zu trennen.
^) Diese Methode wurde zuerst von W. und E. Hesse (Deutsche med. Wochen-
schrift. 1885. No. 14) angegeben, dann von Liborius (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1.
1886. p. 119 ff.) weiter ausgebildet.
2) Sanfelice (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1S93. p. 346) benutzt diese Methode
zur behebigen Herstellung von Eeinculturen anaerober pathogener Bakterienarten,
und zwar unter Verwendung von Agar.
») Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1S86. p. 168.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 167
satz von 2°/^ Traubenzucker zu der Xährgelatine wachsthums-
beschleunigend ; K i t a s a t o und W e y 1 ^) haben später für den gleichen
Zweck einen Zusatz von 0,3 — 0,5 ^/q ameisensaurem Natron zu
Nähragar empfohlen. Kurz vor der Benutzung sollen die zur Anaeroben-
cultur zu verwendenden Nährböden stets kurz aufgekocht werden (zur
Austreibung gelösten Sauerstoffs), sodann sollen sie schnell abgekühlt
werden.
Die Cultm-en der Bakterien, aerober sowohl -wie anaerober, können
nun, mag es sich um Platten- oder Reagenzglasculturen oder um
Kartoffelculturen in der feuchten Kammer handeln, bei den verschie-
densten Temperaturen gezüchtet werden. Die gebräuchlichsten
sind die Zimmertemperatur (18 — 22*^ C.) und die Brüt-
(Blut-) Temperatur (c. 35 — 38 ^C). Gelatineculturen eignen sich
natürlich nicht zur Züchtung bei Brüttemperatm-, da die Gelatine schon
bei 25^ C. sehr weich und bei wenig höherer Temperatur flüssig
wird. Bei 22^ C. kann man dagegen die Gelatineculturen noch sehr gut
halten. Und bei dieser Temperatur zeigen auch fast alle diejenigen
Organismen, die am besten bei Brüttemperatur gedeihen, d. h. die für
Warmblüter pathogenen, noch Wachsthmn. Für Züchtungen bei Brüt-
temperatur nimmt man Agar, Bouillon, Blutserum, Kartoffeln etc.
Die Nährböden kommen hierbei am besten in Reagenzröhrchen resp.
in Petri'schen Schälchen (bei Agarplatten) eingeschlossen zur Ver-
wendung; denn irgend welche Verunreinigungen der Cultur machen
sich bei Brüttemperatur gleich in viel ausgedehnterem Masse geltend
als bei Zimmertemperatur, und die genannten Dispositionen schützen
die Nährböden am besten vor Verimreinigungen. Ist das Wachsthum
der zu züchtenden Art ein sehr langsames, so ist ein langer Aufenthalt
in dem künsthch auf Brüttemperatur erwärmten Räume (Brütschrank,
Brütofen) nothwendig, und dabei trocknen dann die Nährböden ge-
wöhnlich ziemlich schnell ein. Besonders ihre Oberfläche wird dann
bald so wasserarm, dass sie das Bakterienwachsthum nicht mehr ge-
stattet. Man muss in solchen Fällen die Züchtung in Reagenzgläsern
vornehmen und von vornherein für einen luftdichten Verschluss
derselben sorgen. Nothwendig wird dies z. B. bei der künstlichen
Züchtung der Tuberkelbacillen auf Blutserum, auf Glycerinagar. Man
überzieht dann die Oeffnung des Reagenzglases, nachdem man den
Wattepfropf tief hineingestossen hat, mit einer Gummikappe. Würde
man dies aber ohne besondere Vorsichtsmassregeln thun, so würden
sich die an dem Wattepfropf aussen aufsitzenden, aus der Luft stani-
1) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 8. 1890. p. 43.
Ißg A. Allgemeiues.
menclen Keime in der geschaffenen feuchten Kammer baldigst zu ent-
wickeln beginnen, und es würden mm namentlich die Pilzmycehen die
Poren des Pfropfs durchwuchern und die Cultur, deren Züchtung wir
beabsichtigten, verderben resp. gar nicht zu Stande kommen lassen.
Deshalb geht man in solchen Fällen so vor, dass man den mit der
Pincette gefassten Wattepfi'opf zunächst äusserlich in der Flamme
abbrennt, um alle anhaftenden Keime zu vernichten, dann ihn in den
erhitzten Hals des Röhrchens hineinschiebt und schliessHch eine
Gummikappe überzieht, welche stundenlang in Sublimatlösung ge-
legen hat.
Der Brütschrank, dessen man sich zu Culturzwecken bedient,
(Brütofen, Wärmeschrank, Vegetationskasten, Thermo-
stat) kann verschieden construirt sein. Wesentlich ist ein abgeschlos-
sener, gegen Wärmeabgabe nach aussen möglichst gesicherter Raum,
dessen Inneres auf constanter Temperatur erhalten wii'd. Meist
sind fiii- diesen Zweck doppelwandige , aussen mit Filz oder Asbest
bekleidete Kästen von starkem Kupferblech \) in Gebrauch, die mit
einer vom angebrachten Doppelthür versehen sind. Zwischen den
beiden Wandungen des Kastens befindet sich Wasser, in welchem auf
der einen Seite ein aussen ablesbares Thermometer, auf der
anderen ein (noch zu besprechender) Thermoregulator steht.
Der ganze Kasten steht auf einem Vierfussgestell und wfrd erwärmt
durch eine besondere Siehe rheits- (Gas-) Lampe, zu der das
Gas durch den Thermoregulator hindurch gelangt. Die Lampe ist so
eingerichtet, dass bei zufälligem Verlöschen der Flamme (durch vor-
übergehendes Absperren der Leitung etc.) der Hahn automatisch ge-
schlossen wird.
Man hat auch Brütschränke construirt, in welche das Mikro-
skopstativ so eingesetzt werden kann, dass der Objecttisch und
seine Umgebung, speciell das auf dem Objecttisch befindliche Präparat
mit dem (lebenden) bei Brüttemperatur zu beobachtenden Object,
innerhalb des Brütraumes, das Ocularende des Tubus aber, femer die
Mikrometerschraube ausserhalb des Brütraumes befindlich sind. Solche
Brütapparate gestatten die continuirliche Beobachtung lebender Objecte,
z. B. Culturen im hängenden Tropfen (cf. oben p. 155) etc., bei Brüt-
temperatur. Unter den für derartige Zwecke constnürten Vorrich-
tungen möchte ich speciell die von Friedrich'-) angegebene „Heiz-
*) Die früher gebräuchlichen Brütschränke aus verbleitem Eisenblech sind nicht
zu empfehlen. Sie rosten sehr leicht und erfordern dann fortwährend Reparaturen.
'-) Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. S. 1S92.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 169
vorriclitiing des Mikroskopes zu bakteriologischen Untersuchungen''
empfehlen.
Der Thermoregulator kann nach verschiedenen Principien
construirt sein. Am zuverlässigsten sind und am genauesten wirken
die electrischen Thermoregulatoren. Bei diesen steht innerhalb
des Wassermantels des Thermostaten ein sogenanntes Contactthermo-
meter, d. h. ein Quecksilberthermometer, dessen Quecksilbersäule bei
der Erreichung einer bestimmten, bei jedem einzelnen Instrumente von
dem Verfertiger ein für alle Mal fest eingestellten, Temperatur mit
einem Platindraht in Contact tritt. Dadurch wird dann ein galva-
nischer Strom geschlossen, welcher seinerseits einen Electromagneten
in Thätigkeit setzt, der die Gaszufuhr zur Heizflamme des Thermo-
staten absperrt oder vielmehr auf ein Minimum reducii't. Wenn dann
der Wassermantel sich wieder unter die genannte Temperatur abgekühlt
hat, so wird der Contact aufgehoben, der Electromagnet tritt ausser
Thätigkeit, die Heizflamme erlangt ihre ft'ühere Grösse u. s. f. Mit
Hülfe der electrischen Thermoregulatoren kann man die Brütschrank-
temperaturen bis auf Zehntel Grade genau einstellen.
Weniger strengen Anforderungen, aber immerhin den meisten
Bedürfnissen des bakteriologischen Laboratoriums, genügen die, im
Principe von Bunsen und Lothar Meyer stammenden, Thermo-
regulatoren, bei welchen der Gaszufluss zur Heizflamme bei Erreichung
der gewünschten Temperatur durch Quecksilber abgesperrt mrd.
Diese Regulatoren sind — im Gegensatz zu den electrischen — vom
Gasdruck abhängig: sie lassen bei höherem Gasdruck mehr Leuchtgas
durch als bei niedrigerem. Ganz besonders möchte ich das von
H. Rohrbeck^) verfertigte Modell empfehlen. Dasselbe besteht aus
einem starkwandigen , c. 14 mm weiten, c. 34 cm langen, vertikal
stehenden Glasrohr, welches unten geschlossen und in der Mitte durch
eine horizontale gläserne Scheidewand abgetheilt ist, die central eine
enge, nach unten sich in ein offenes Glasrohr fortsetzende Oeffnung
besitzt. Der Raum unterhalb der Scheidewand ist beinahe vollständig
mit Quecksilber angefüllt, welches durch das erwähnte Glasrohr in
den oberen Raum gelangen kann. Auf dem unteren Quecksilberhori-
zont schwimmen mehrere Tropfen Aether. Der ganze Apparat steht
in dem auf bestimmte Temperatur zu erwärmenden Wassermantel des
Thermostaten. Je mehr mm durch die Elanime das Wasser erhitzt
wird, desto mehr dehnen sich die Aetherdämpfe aus; dabei wird das
Quecksilber mehr und mehr aus dem unteren Räume in den oberen
') Berlin N.W., Karlstrasse 24.
J70 ^- Allgemeines.
Raimi liinaiifgedrückt. Das Leuchtgas tritt mm in den oberen Eaiun
hinein durch ein vertikal stehendes, dünnes, eisernes, in einer Stopf-
büchse verschiebbares Rohr, welches (in verstellbarer Höhe) über dem
oberen Quecksilberhorizonte mündet. Es tritt aus, um zu der Flamme
zu gelangen, seitlich neben dem eisernen Eohre aus der Wand des
Instrumentes. Erreicht nun mit zunehmender Erwärmung das obere
QuecksilbeiTiiveau das Ende des eisernen Rohres, so wird die Oefl&iung
desselben verschlossen, und die Flamme würde sofort verlöschen, wenn
nicht ein feiner vertikaler Schlitz in dem Rohre noch ein wenig Gas
durchtreten liese. Die Flamme wird also nur erheblich reducirt. Hat
sich dann das Wasser wieder etwas abgekühlt, so tritt das Quecksilber
wieder zurück, lässt das Gas wieder voll ausströmen u. s. f. Da das
eiserne Rohr verstellbar ist, so kann man den Apparat auf beliebige
Temperaturen (natürlich in gewissen Grenzen) einstellen, die dann
constant^) bleiben.
Hat man keine Gasleitung und keinen Thermoregulator zur Ver-
fügung, so kann man seinen Brütap parat sehr gut mit einer
Petroleumlampe heizen, deren Flammenhöhe empirisch, der ge-
wünschten Temperatur entsprechend, eingestellt wird. Koch ^j, welcher
bei seinen ersten, grundlegenden Untersuchungen über Milzbrand sich
dieser Methode bediente, empfiehlt dieselbe auf das Wärmste. Man
hat neuerdings übrigens auch sehr exact arbeitende Wärmeregulatoren
für Petroleumheizung hergestellt.
Am Schlüsse dieses Kapitels seien noch einige Worte der Frage
gewidmet, auf welche Weise am zweckmässigsten verfahren wird, wenn
es sich darum handelt, Bakteriencultur en zu vernichten.
In den Laboratorien werden die Gefässe, welche die zu vernichtenden
Culturen enthalten, gewöhnlich zunächst in ^/^ßproc. Säuresublimat-
lösung (cf. p. 132) gethan, in der sie eine Reihe von Tagen verbleiben.
Man sorgt dabei selbstverständlich dafür, dass die Desinfectionsflüssig-
keit alle Theile der Cultur auch wirklich trifft. In der Regel ^vii'd
man auf diese Weise innerhalb weniger Tage das Bakterienmaterial
vernichtet haben. Sicherer jedoch geht man in jedem Falle, wenn man
sich auf die Wirkung der Sublimatlösung nicht verlässt, sondern die
Vernichtung durch Hitze, d. h. durch Auskochen, bewirkt. Da wir
pathogenes Material, welches eine halbstündige Erhitzung im strömen-
^) Die Temperaturschwankungen betragen bei Anwendung des beschriebenen
Eegulators im Allgemeinen nicht über 0,5^ C.
•-) F. Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1S76. p. 282.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtnng. 171
den Wasserdampf oder ebenso langes Kochen unbeschädigt vertrüge,
nicht kennen, so dürfte es das Zweckmässigste sein, die Vernichtung
von Culturen pathogener Bakterien ganz im Allgemeinen dadurch zu
bewirken, dass man die resp. Gefässe 30 Minuten lang in siedendes
Wasser oder in den Dampftopf bringt.
4. Anhang: Die Methoden der bakteriologischen
Luft-, Wasser- und Boden -Untersuchung und ihre
Avichtigsten Ergebnisse.
a. Luftiiutersiichung-.
In der uns umgebenden Luft finden wir stets Keime von Mikro-
organismen, Es finden sich da sowohl Bakterienkeime wie Keime
von Schimmelpilzen und von Hefen. Dieselben gelangen dadurch
in die Luft, dass sie von dem Substrate, auf welchem sie sich ent-
wickelt haben, durch Luftströmungen entfernt werden. Natürlich kann
dies nur geschehen, wenn die Cultur eingetrocknet ist. So lange der
Nährboden und die Cultur feucht sind, ist gewöhnlich keine Möglich-
keit vorhanden, dass sich Theilchen der Cultur in die Luft erheben.
Die geringen Lebensansprüche vieler Bakterienarten bringen es nun
mit sich, dass allenthalben in der Natur, wo etwas Feuchtigkeit vor-
handen ist, Bakterien zu wachsen vermögen. Vertrocknet eine Bakterien-
colonie, wird sie durch zufällige Berührungen zerkleinert, in Staub
verwandelt, so genügt der geringste Luftstrom, die Stäubchen davon-
zufahren, um sie an irgend welchem anderen Orte abzusetzen.
Die für die Untersuchung der Luft auf Bakterien angegebenen
Methoden siad sehr zahlreich. Will man nur qualitative Auf-
schlüsse über die Keime haben, kommt es Einem nur darauf an, zu
ermitteln, welchen Arten die in einer bestimmten Luft enthaltenen
Keime angehören, so empfiehlt sich die zuerst von Koch^) geübte
„Absitzmethode". Man bedeckt den Boden eines sterilisirten
Glasschälchens mit geschmolzener Nährgelatine und lässt nach der
Erstarrung der Gelatine das Schälchen offen an dem Orte stehen,
dessen Luft man untersuchen will. Die Keime setzen sich dann auf
der Gelatineoberfläche ab. Nach bestimmter Zeit wird dann das
Schälchen geschlossen , und die Keime müssen sich nun oberflächlich
auf der Gelatine entwickeln, sofern sie überhaupt fähig sind, auf diesem
Nährboden und in Gegenwart des Luftsauerstoffs zu wachsen. Koch
1) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. ISSl. p. 33.
"172 A. Allgemeines.
setzte die Schälclien auf den Grund eines cj-linderförmigen Glasgefässes
und mit diesem erst der Luft aus. Die Luft innerhalb des Cylinders
ist von den äusseren Luftströmungen mehr oder weniger unabhängig,
und so konnten wenigstens einigermassen auch quantitativ vergleich-
bare Kesultate zwischen den an verschiedenen Orten ausgeführten
Untersuchungen erhalten werden. Als Nährboden zeigte sich Weizen-
infusgelatine am zweckmässigsten.
Eine Methode, welche bezüglich der Quantität der in einem
bestimmten Luftvolumen enthaltenen Keime erheblich mehr leistete,
wurde dann von W. Hesse ^) erfunden. Hesse saugt vermittels
eines Aspirators das zu untersuchende Luftquantum durch ein
horizontal liegendes, ca. 70 cm langes, 3,5 cm weites Glasrohr,
dessen Innenwand mit Nährgelatine ausgekleidet ist. Die Keime setzen
sich dabei aus der Luft auf der Gelatine ab. Xatm'gemäss muss die
Geschwindigkeit des Luftstromes sich in gewissen Grenzen halten, weil
sonst Keime aus der Röhre wieder austreten könnten, ohne sich auf
der Gelatine abgesetzt zu haben.
Ein bequemeres und leistungsfähigeres Verfahren der quanti-
tativen Luft Untersuchung auf Mikroorganismenkeime
wurde dann von Petri") ausgearbeitet. Das Verfahren ist wohl das
beste der überhaupt existirenden. Petri saugt die Luft mit Hülfe
einer Handluftpumpe, die einen m ihrem Volumen geaichten
Kolben besitzt imd dm'ch eine Kurbel in Bewegung gesetzt wird, durch
ein Sandfilter, in welchem die Keime zurückgehalten werden. Das
mit den Keimen beladene Filter wird in ein „Petri"sches Schälchen"
(cf. oben p. 156) gebracht, der Sand wird dann mit geschmolzener
Xährgelatine vermischt und gründlich darin vertheilt. Die sich nach
dem Erstarren der Gelatine entwickelnden Colonien können dann
gezählt und weiter untersucht werden. Der Sand hat eine Kom-
grösse von 0,25 — 0,5 mm imd wird vor der Verwendung ausgeglüht.
Derselbe wird in zwei dm'ch kleine Drahtnetze gestützten Schichten
von je 3 cm Länge und 1,5 — 1,8 cm Durchmesser in ein 8 — 9 cm
langes Glasrohr eingebracht und in dieser Anordmmg zum Filtriren
der Luft verwendet. Mcht mehr als 5 — 10 Liter Luft pro Minute
werden durch das Filter gesaugt, so dass die Geschwindigkeft' des
Luftstromes im Filter 0,7 m pro Secunde nicht übersteigt. Bei
den einzelnen Bestimmungen werden 50 — 100 Liter Luft zur Unter-
suchung filtrirt.
1) Mitth. a. d. Kais. aes.-Amte. Bd. 2. 1S84.
-) Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1SS7. Xo. 5—6. — Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 3. ISST.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzücbtung. 173
Petri bftt bei den zahlreichen Luftuntersuchungen, die er nach
seiner Methode anstellte, und bei denen er stets Controluntersuchungen
nach der Absitzmethode unternahm, gefunden, dass bei der Filtrir-
methode relativ mehr Pilzsporen, bei der Absitzmethode relativ mehr
Bakterienkeime gefunden werden. Jedenfalls ist hierfür das ver-
schiedene specifische Gewicht der Keime verantwortlich zu machen.
Die Pilzsporen sind nämlich sehr leicht, die bakterientragenden
Stäubchen specifisch viel schwerer; die letzteren werden sich also
leichter zu Boden senken als die ersteren. Ein weiterer interessanter
Befund, der sich aus den Petri' sehen Versuchen ergeben hat, ist
der, dass die an einem und demselben Stäubchen anklebenden Bak-
terienkeime relativ selten verschiedenen Arten zugehören. Mehr als
drei Species entwickelten sich niemals an der Absatzstelle eines ein-
zelnen Luftstäubchens.
In Franki'eich bedient man sich für Luftuntersuchungen immer
noch des (fi-üher allgemein üblichen) flüssigen Nährbodens. Miquel,
welcher im Observatorium des Montsouris zu Paris fortlaufende Luft-
untersuchungen anstellt, saugt den Luftstrom durch sterilisirtes Wasser
und vertheilt nachher das mit den Keimen beladene Wasser zu gleichen
Portionen in eine grössere Anzahl von Gefässen mit steriler Bouillon.
Von diesen muss dann mindestens ein Drittel ohne Entwickelung von
Organismen bleiben, d. h. sich als keimfi-ei herausstellen. Man darf
dann annehmen, dass in den Gefässen, in denen Entwickelung zu
Stande kommt, diese nur von einem einzigen Keime ausging, und
hat damit die Anzahl der in der durchgesaugten Menge Luft enthalten
gewesenen Keime.
Die Mkroorganismen , welche bei Luftuntersuchungen gefunden
werden , sind erstens die verschiedenartigsten Schimmelpilze , ferner
eine Anzahl Hefen, endlich Bakterien. ') Die Mehrzahl der Bakterien-
keüne gehört den Mikrococcen an; speciell finden sich ganz regel-
mässig eine Anzahl Sarcinearten. Die Colonien verflüssigen
ihrer grossen Mehrzahl nach die Gelatine nicht. Viele ehr o mö-
gen e Arten (cf. p. 46) finden sich. Die meisten Keime gehören sapro-
phytisehen Arten an; es sind aber hier und da auch pathogene Keime
gefunden worden.
Ln Allgemeinen zeigen die auf den Luftplatten sieh entwickelnden
Bakterieneolonien ein sehr langsames Wachsthum, offenbar aus dem
^) Welz (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1891) bat eine gTÖssere Eeihe von Mikro-
organismenarten, die er in der Luft (in Freiburg) fand, übersicbtlicb , in Tabellen-
form, beschrieben.
174 -A-- Allgemeines.
Grunde, weil die an den Luftstäubclien angetrockneten Bakterienzellen,
aus denen die Colonien hervorgehen, gewöhnlich bereits längere Zeit
der Lehensthätigkeit entzogen waren und die zu einer kräftigen Ver-
mehrung nothwendige Energie erst wieder gewinnen müssen.
Je mehr Staub in der Luft enthalten ist, desto mehr Keime
findet man bei der Untersuchung. „Die Zahl der in der fi-eien Atmo-
sphäre geftmdenen Keime schwankt, zwischen 100 — 500 — 1000 und
mehr pro 1 cbm; im Mttel 500 — 1000 Keime, und darunter 100 bis
200 Bakterien" (Flügge^)). Fast keimfi-ei oder auch vollständig
keimfrei hat sich die Luft draussen auf hoher See in weiter Ent-
fernung vom Lande ei*wiesen. Auch auf den Spitzen schneebedeckter
Berge ist die Luft sehr arm an Keimen.
1). Wasser unter suchung.
Um den Bakteriengehalt eines bestimmten Wassers festzustellen,
verfährt man nach Koch 's ^) ursprünglichem Vorgang so, dass man
eine bestimmte Menge des Wassers (gewöhnhch nimmt man 1 ccm
oder '/2 com oder auch [zur gegenseitigen Controle der Versuche]
beides) mit sterilisirter Pipette in ein Röhrchen mit geschmolzener
Nährgelatine •^) vertheilt und die Gelatine dann auf eine sterile Platte^)
ausgiesst. Nach dem ErstaiTen der Gelatine ent\Aickeln sich dann die
^) Grundriss d. Hygiene. 3. Auflage. Leipzig. 1S94. p. 148.
-) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte Bd. 1. 1881. p. 36.
^) Die Nährgelatine muss zum Zwecke der Wasseruntersuchung eine be-
stimmte chemische Eeaction besitzen; denn es hat sich gezeigt, dass Nähr-
gelatinen, welche in dieser Beziehung unter einander diiferiren, aus einem bestimmten
Volumen eines und desselben Wassers verschieden viel Colonien aufgehen lassen. Am
günstigsten für die Entwickelung der Wasserbakterien hat sich im Allgemeinen eine
Nährgelatine erwiesen, welche einen Gehalt von etwa 0,15''/o Natriumcarbonat (dem
neutralen Nährboden zugesetzt) hat. Jlit einer solchen Nährgelatine erhält man im
Allgemeinen das Maximimi an Colonien aus einer bestimmten Wasserprobe. Jedoch
scheinen sich verschiedene Wässer in dieser Beziehung etwas verschieden zu ver-
halten (cf. Eeinsch, Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. 1891. No. 13; Bd. 16. 1894.
p. 883). — B. Fischer (Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1894. p. 659) imdet, dass
manche Meeresbakterien erhebhch besser als auf den gewöhnlichen Nährböden
auf solchen Nährböden wachsen, die mit Seewasser hergestellt sind. Zur Bereitung
des Fleisch Wassers , als Constituens der Nährböden, gebraucht Fischer hier kein
Rindfleisch, sondern das Fleisch grüner Heringe.
^) Es empfiehlt sich, zu diesen Untersuchungen stets Platten, nicht Pe tri 'sehe
Schälchen, zu nehmen. Nur auf Platten zeigt nach dem Erstarren die Cultur-
gelatine überall gleichmässige Dicke; das Letztere ist aber nothwendig, wenn man
(siehe oben im Text weiter) , zum Behufe der Zählimg der entwickelten Colonien,
aus einem Theile der Platte auf die ganze Platte schliessen will.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüclitung. 175
emgesäeten Keime in isolii-ten Colonien, deren Anzahl in der weiterhin
zu besprechenden Weise festgestellt werden kann. Ist das zu unter-
suchende Wasser ausserordentlich reich an entwickelungsfähigen Keimen,
so ist es zur Erzielung brauchbarer Culturplatten nothwendig, das-
selbe auf das 10 bis 20 fache Volumen mit sterilisirtem Wasser zu
verdünnen.
Die Feststellimg der Anzahl der auf der Platte zur Entwickelung
gekommenen Colonien geschieht am besten mit Hülfe eines zu diesem
Zwecke (von WolffhügelJ construirten Zählapparates. Der
letztere besteht aus einer horizontalen schwarzen Tafel, auf welche
die Culturplatte aufgelegt wird. In einiger Entfernung darüber wird
eine Glasscheibe gelegt, in welche ein Gitterwerk von gleich grossen
Quadraten mit dem Diamanten eingerissen ist. Auf dieser Platte
steht eine dreibeinige Loupe, durch die hindurch man zugleich das
Gitterwerk und die Colonien sieht. ^) Man bestimmt nun für eine
Reihe von Quadraten durch directe Zählung die Anzahl der in jedem
liegenden Colonien, nimmt daraus das Mittel und multiplicii't die ge-
wonnene Zahl mit der Anzahl der Quadrate, die auf die ganze Platte
kommen.
Ist die Zahl der auf der Platte zur Entwickelung gekommenen
Colonien sehr gross, oder, was dasselbe sagt, hegen die Colonien sehr
dicht neben einander, so gelingt es häufig gar nicht die Anzahl der-
selben mit Hülfe des beschriebenen Zählapparates zu bestimmen. In
solchen Fällen kann man die Zählung sehr bequem unter de m
Mikroskope^) vornehmen. Zu dem Zwecke bestimmt man sich
zunächst, unter Zuhülfenahme eines Objectmikrometers, für sein In-
sti-ument — und zwar für ein bestimmtes, schwaches System, für ein
bestimmtes Ocular und für eine bestimmte Tubuslänge — ein für alle
Mal den Flächeninhalt des Gesichtsfeldes. Man bringt dann die
Cultui-platte unter diesen Bedingungen unter das Mikroskop und zählt
') Durch Mio (Hyg. Eundschau. 1S94. p. 294) ist der Wolffhügel'sche
Apparat in sehr zweckmässiger Weise dahin modificirt worden, dass das Gitter-
werk auf der unteren, schwarzen Tafel angebracht ist, und dass die obere Glasscheibe
nur dazu benutzt wird, die Stehloupe zu tragen. Die Wirkung der ParaUaxe, welche
bei dem ursprünglichen Wolffhü gel 'sehen Apparate — in Folge der ziemüch be-
deutenden Differenz der Entfernungen , die die Culturplatte einerseits und die Mess-
platte andererseits vom Auge des Untersuchers haben — eine recht erhebliche war
und gelegentlich zu mehr oder weniger fehlerhaften Auszählungen Veranlassung geben
musste, ist bei dem Mio 'sehen Apparate, der die Cultur- und die Messplatte nahe
an einander bringt, auf ein Minimum reducirt.
-) cf. Bu ebner, Longard und Ei edlin (Centralbl. f. Bakt. Bd. 2.
1887. p. 3).
176 ^- Allgemeines.
eine gTÖssere Reihe (20 bis 40) beliebig ausgewählter Gesichtsfelder
bezüglich der Colonienanzahl aus; selbstverständlich berücksichtigt man
dabei jedesmal (unter Benutzung des groben Tubustriebes) die Gelatine-
schicht in ihrer gesammten Dicke. Aus der sich daraus ergebenden
Durchschnittszahl und aus dem Yerhältniss der Grösse der ganzen
Gelatineplatte zur Grösse des einzelnen Gesichtsfeldes lässt sich dann
leicht die Anzahl der Colonien berechnen, welche auf die ganze Platte
kommen. Unter Umständen, nämhch wenn die Anzahl der Colonien
ganz ausserordentlich gTOss ist, führt auch dieses Verfahren noch nicht
ohne Weiteres zum Ziele ; es kommen dann nämüch so zahlreiche
Colonien auf jedes Gesichtsfeld, dass ihre dii'ecte Auszählung uimiöglich
wird. Dann hilft man sich in der Weise, dass man jedesmal mu' einen
bestimmten, in seiner Ausdehnimg vorher (mit Hülfe des Objectmikro-
meters) ausgemessenen, Theil des Gesichtsfeldes auszählt. Diesen
Theil des Gesichtsfeldes grenzt man durch Linien ab, die auf einem
Glasplättchen angebracht sind, welches auf das Diaphragma des Oculars
gelegt wird. Bei der mikroskopischen Beobachtung sieht man die
Linien dieses „Ocular-Netzmikrometers" ) gleichzeitig mit den
mikroskopisch betrachteten Colonien. Ausgezeichnet eignen sich für
diesen Zweck auch die von Ehrlich angegebenen, in das Ocular
einzulegenden Blenden, -) welche (verschieden gTosse) quadi'atische Oeff-
nungen besitzen und das abzuzählende Gesichtsfeld ganz beliebig ein-
zuschränken gestatten. ■^)
Zum Zwecke der bakteriologischen Untersuchung wird das Wasser
am Orte der Entnahme in sterile Gefässe (z. B. Erlenme}- er'sche
Kölbchen) eingefüllt, die mit sterilisirtem Watteverschluss versehen
und dann unverzüglich in das Laboratorium gebracht werden. Die
entnommenen Proben sollen möglichst sofort in der oben an-
gegebenen Weise zur Einsaat in Gelatine kommen. Das Letztere soll
jedenfalls nicht später als etwa eine Stunde nach der Entnahme ge-
schehen, weil die veränderten Bedingungen eine Veränderung des
Bakteriengehaltes sowohl hinsichtlich der absoluten Quantität der Keime
wie hinsichtlich der relativen Menge der verschiedenartigen Keime zur
Folge haben. Unmittelbar vor der Einsaat in die Gelatine ist das zu
untersuchende Wasser umzuschüttein, damit etwa zu Boden gegangene
^) Die aiif p. 48 genannten mikroskoj^iscben Firmen führen derartige In-
strumente.
") Von Carl Zeiss, Jena, zu beziehen.
^) Dass — namentlich bei dicht besäeten Platten — die mikroskopische
Zählung im Allgemeinen richtigere Werthe giebt als die Loupenzählung , hat
M. Neisser (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 20. 1895) nachgewiesen.
V. Allgemeine Meth(xUk der Bakterienziichtung. 177
Keime aufgerührt werden und eine gleiclimässige Vertheilung der Keime
in der Probe erzielt wird.^)
Die im Wasser gefundenen Bakterien gehören meist der Gruppe
der Bacillen an.-) Vorwiegend kommen verflüssigende Arten zur Ent-
wickelung. Man nennt die Bakterien, welche sich mit Vorliebe im
[i'luss-, See-, Meer- •^)] Wasser aufzuhalten pflegen, „Wasserbakte-
r i e n ". Pathogene Bedeutung kommt denselben nicht zu. P a t h o g e n e
Arten sind selten im Wasser gefunden worden. Die wichtigsten
hierhergehörigen Befunde sind die Befunde von Choleravibrionen
in verschiedenen Wässern bei Gelegenheit von Choleraepidemien, ^)
ferner zahlreiche Einzelbefunde von T y p h u s 1) a c i 1 1 e n in dem Wasser
durch Typhusdejectionen verunreinigter Brunnen.
Im Allgemeinen gehen pathogene Bakterien, die in gewöhn-
liches Wasser eingebracht werden, in kurzer Zeit zu Grunde; sie
werden von den Wasserbakterien überwuchert. Jedoch
scheint in dieser Beziehung die Temperatur des Wassers eine grosse
Rolle zu spielen; höhere Temperatur (hohe Sommertemperatur) scheint
begünstigend auf die Vermehrung pathogener Bakterien zu wirken.'^)
^) Die Sediinentirung spielt, wie hier in unseren Gefässen, so auch in
der Natur eine wichtige EoUe bezüglich des Bakteriengehaltes des Wassers. Grosse
Wasserbecken mit langsamer Strömung, welche zunächst ein bakterienreiches Wasser
aufnehmen , wirken stets als Kläranlagen. Sie lassen in sehr kurzer Zeit den aller-
grössten Theil der suspendirten Bakterienzellen zu Boden gehen ; die letzteren häufen
sich in Form einer zusammenhängenden schleimigen Masse auf dem Grunde an.
(cf. auch Eubner, Arch. f. Hyg. Bd. 11. 1890.)
-) Eine Eeihe von Bacillenarten, die im Wasser regelmässig vorkommen, haben
G. C. Frankland nnd P. F. Fr an kl and (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1889) be-
schrieben. Tils (ebenda Bd. 9. 1890) hat eine grössere Eeihe von Bakterienarten,
die er im (Freiburger) Leitungswasser fand, übersichtlich, in Tabellenform, beschrieben.
Lustig (Diagnostik der Bakterien des Wassers. Jena und Turin. 2. Aufl. 1893.
128 Seiten) hat sich die Mühe genommen, die in der Literatur zerstreuten Angaben
über Wasserbakterien zu sammeln und tabellarisch zu ordnen.
>*) Nach B. Fischer (Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1S94. p. 0(34, 665) zeigen
die im Meerwasser vorkommenden Bakterienarten (,,Halibakterien") sämmt-
lich Eigenbewegung; regelmässig kommen bei den einzelnen Arten schraubig ge-
krümmte Formen vor (Aehnlichkeit mit Kommabacillen) ; nach Gram sind die
Meeresbakterien nicht färbbar; viele von ihnen wachsen schon bei 0" C.
^) Der erste derartige -Befund stammt von E. Koch. Koch fand die Cholera-
vibrionen in einem Tank in der Nähe von Calcutta. (K o c h ' s Bericht aus Calcutta
vom 4. März 1884. — Deutsche med. Wochenschr. 1884. p. 222.)
') cf. Hueppe, Berl. klin. Wochenschr. 1893. p. HO. — Auch eine Zu-
nahme des Kochsalzgehaltes im Wasser wirkt begünstigend auf die Vermehrung
pathogener Bakterien.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 12
178 A-. Allgemeines.
In sterilisirtem Wasser können sich patliogene Arten lange Zeit lebend
erhalten.
Bezüglich des Keimreichthums verschiedener Wässer macht
Flügge ^J folgende Angaben: „In der Regel beobachtet man in reinem
Leitnngs- nnd Quellwasser 2 — 50 Bakterien in 1 ccm, in reinen
Pumpbrunnen 100 — 200 — 500, in filtrirtem Flusswasser 50 — 200,
in unfiltrirtem Wasser rein gehaltener Flüsse 6000 — 2000 0, in ver-
unreinigten Brunnen bis zu 100 000, ebensoviel bei Störung des Filter-
betriebes in Flusswasserleitungen; im Kanalwasser oder in stark ver-
unreinigten Flussläufen 2 — 40 Millionen Bakterien in 1 ccm." In
grossen Wasserbecken , constatirte K a r 1 i n s k i -) eine Abnahme der
Bakterienzahl nach der Tiefe zu. H. Büchner-^) hat den Nachweis
geführt, dass das Licht (namentlich das directe Sonnenlicht) auf im
Wasser suspendirte Bakterien einen gewaltig schädigenden Einfluss
ausübt.
Selbstverständlich ist in hygienischer Beziehung die Frage,
wie viele Keime in einem Cubikcentimeter eines bestimmten Wassers
enthalten sind, von ganz untergeordneter Bedeutung gegenüber der
Frage, av eichen Arten die vorhandenen Keime angehören, speciell
ob p a t h 0 g e n e Keime in dem zu untersuchenden Wasser vorhanden
sind oder nicht. TJm die letztere Frage im Einzelfalle zu entscheiden,
ging man früher ausschliesslich so vor, dass man eine Quantität des
Wassers mit Kährgelatine vermischte, zur Platte ausgoss, und dass
man dann unter den entwickelten Colonien auf pathogene (speciell
kommen hier Cholera- und Typhusbakterien in Betracht) fahndete.
Die Feststellung vereinzelter Colonien pathogener Bakterien auf der
Platte neben einer grossen Ueberzahl nicht pathogener Colonien hat
aber sehr grosse Schwierigkeiten, und nur in seltenen Fällen hat die
Plattenaussaat zur Feststellung pathogener Keime in dem untersuchten
Wasser geführt (cf. p. 177). Die sichere Beantwortung der Frage, ob
ein bestimmtes Wasser gesundheitsschädlich ist oder nicht, ist also
mit Hülfe der geschilderten Methode kaum zu geben : und auch die
Untersuchung der chemischen Beschaffenheit des Wassers kann
diese Frage nicht ausreichend beantworten, da die Krankheitserreger
nicht todte chemische Körper, sondern lebende Wesen sind.
Was die Untersuchung speciell auf C h o 1 e r a b a k t e r i e n angeht,
') Grundriss d. Hygiene. .3. Auflage. Leipzig. 1894. p. 192.
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 7/8.
«) Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 25; Arcb. f. Hyg. Bd. 17. 1893.
p. 202.
y. Allgemeine Methodik der Balvterienzücbtung. 179
SO sind in den letzten Jahren von verschiedenen Seiten \) yerl)esserungen
des Verfahrens der bakteriologischen Wasseruntersuchung- angegeben
worden, die darauf beruhen, dass man dem zu prüfenden Wasser zu-
nächst bestimmte für das Wachsthmn der Cholerabakterien günstige
Zusätze giebt und dasselbe dann eine gewisse Zeit bei einer für
die Cholerabakterien sehr günstigen, für die Wasserbakterien weniger
günstigen Temperatur stehen lässt. Man erzielt so bei dem Vorhanden-
sein von Cholerakeimen in dem Wasser eine Vermehrung derselben;
und eine dann folgende Plattenaussaat bietet viel mehr Chancen für
das Auffinden der Cholerakeime, als es die Plattenaussaat des ur-
sprünglichen Wassers gethan hätte. Mit diesem verbesserten Verfahren
hat z.B. Koch während der Winterepidemien 1892/93 in einer Reihe
von Fällen Cholerabacillen im Wasser nachgewiesen. Für die Unter-
suchung des Wassers auf T y p h u s b a c i 1 1 e n haben ^vir derartige ver-
besserte Methoden bis jetzt nicht. Hier sind wir auf die primäre
Plattenuntersuchung des ursprünglichen Wassers angewiesen.
Xoch in anderer Hinsicht aber ist die bakteriologische Wasser-
untersuchung von grosser Bedeutung für die Hygiene. Wenn es sich
darum handelt, ein gi'össeres Gemeinwesen mit einer centralen Wasser-
versorgung zu versehen , so sind wir , Avenn nicht Q u e 1 1 w a s s e r
oder das unter normalen Verhältnissen keimfreie (cf. unten p. 1 82)
Grundwasser in ausgiebigem Masse zm' Verfügung stehen, darauf
angewiesen, Oberflächenwasser (Fluss-, Seewasser) zu nehmen.
Das Oberflächenwasser ist nun (cf. oben p. 178) schon an und für
sich fast ausnahmslos reich an organischen Keimen; und zu Zeiten
von Cholera- oder Tj-phusepidemien liegt die Gefahr ausserordentlich
nahe, dass in dieses Wasser hinein die entsprechenden Krankheits-
keime gelangen und dann durch die Wasserleitung überall hin ver-
schleppt werden. Es ist also ein hygienisches Gebot ersten Ranges,
dass das für die Wasserversorgung bestimmte Oberflächenwasser zu-
nächst von den in ihm eventuell vorhandenen Infectionskeimen befreit
werde. Das kann aber nur so geschehen, dass man die im Wasser
vorhandenen organischen Keime überhaupt entfernt. Das beste Mittel,
Wasser von organischen Keimen zu l)efreien, ist selbstverständlich das
Kochen desselben resp. das Sterilisiren durch Erhitzung. Dies lässt
sich aber nur im Ivleinen ausführen. Soll im Grossen möglichst keim-
freies Wasser hergestellt werden, so muss das Wasser durch Filtration
von den Keimen befreit werden. Am besten geschieht dies durch die,
^) Näheres hiei-über siehe weiter hinten hei Gelegenheit der Besprechung des
Choleravibrio.
12*
180 A. Allgemeines.
in vielen Städten bereits eingeführte, San dfil trat i(3 n. i) Die
bakteriologische Prüfung des Wassers vor und nach
der Filtration gewährt uns nun ein unfehlbares, durch nichts
Anderes zu ersetzendes ilittel , den genannten Filtrationsprocess
zu controliren. Hierin liegt mit der Hauptwerth der bakterio-
logischen Wasseruntersuchung. - )
Bei der künstlichen Filtration des Wassers durch Sand werden
übrigens nicht alle Keime, sondern nur der allergTösste Theil der-
selben, aus dem Rohwasser entfernt. Die in dem filtrirten Wasser
vorhandenen Keime stammen zum allergrössten Theile nicht aus dem
Rohwasser, sondern aus den unteren (Stein-, Kies- und Sand-) Schichten
der Sandfilter, welche letzteren sich im Laufe der Zeit mit Bakterien-
vegetationen überziehen. Diese Filterbakterien sind harmlose
Wasserbewohner ohne pathogene Bedeutung,
Kleinfilter, d. h. Wasserfilter für den Hausgebrauch, sind
im Allgemeinen nicht zu empfehlen. Wir kennen keine einzige Con-
struction, die für längere Zeit mit Sicherheit keimfreies Wasser fördert.
Bezüglich der Art und Weise, wie die in dem filtrirten Wasser auf-
tretenden Keime dahinein gelangen, ist sehr wichtig die Thatsache,
dass ein a priori, d. h. zu Anfang der Benutzung, durchaus keim-
dichtes Filter^) gewöhnlich im Laufe der Benutzung, oft schon binnen
wenigen Tagen, von Bakterien durchwachsen wii'd: die Bakterien-
^) Indem bezüglich genauerer Daten über Sandfiltration auf die Arbeiten
von Plagge und Proskauer (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. 1887), C. Fränkel
und Piefke (ebenda Bd. S. 1S90), E. Koch (ebenda Bd. 14. 1893), Piefke
(ebenda Bd. 16. 1894) verwiesen wird, soll hier nur auf folgende für die Sand-
filtration wichtigen Punkte aufmerksam gemacht werden: Das eigentlich Fil-
trirende in den Sandfiltem ist nicht der Sand selbst, sondern die Schlammdecke,
welche sich durch Sedimentirung der in dem Wasser suspendirten Bestandtheile auf
der Sandoberfläche ansammelt. Es kommt darauf an, dass diese Schlammschicht
sich zunächst regelrecht bildet. Nach ihrer Bildung kann die Filtration vor sich
gehen. Die Filtrationsgeschwindigkeit soll über ein Maximum von 100 mm in der
Stunde nicht hinausgehen. Die sich allmählich verdickende und damit dem AVa.sser
immer mehr Widerstand bietende Schlamm schiebt soll zu rechter Zeit entfernt wer-
den. Die Sandschicht soll stets mindestens 30 cm hoch bleiben. Jedes einzelne
Filter eines Filterwerks soll mit einer Einrichtung versehen sein, die es gestattet,
das filtrirte Wasser zu entnehmen, um es bakteriologisch auf seinen Keimgehalt zu
untersuchen. Die Untersuchung hat möglichst oft zu geschehen. Es muss an jedem
Filter eine Emrichtung vorhanden sein, die es ermöglicht, das ungenügend gereinigte
Wasser zu entfernen, ohne dass es sich mit dem gut filtrirten Wasser mischt.
-) cf. R. Koch, 10. Internat, med. Congr. Berlin 1890. Verhandl. Bd. 1. p. 44.
^) Hierhin gehören die Pa ste ur-Ch am berl and 'sehen Porcellanfilter (Por-
ceUankerzen) , ferner die aus gebrannter Infusorienerde bestehenden sogenannten
„Berkefeld" -Filter und andere.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 181
Zellen Ijilden Ansiedelungen in den Porenräumen des Filters, durch-
wucliern diese und gelangen so bald in das filtrirte Wasser hinein.
Dabei braucht das Filter von seiner Bakteriendichtigkeit durchaus gar
nichts einzubüssen: wird ein solches Filter wieder zweckmässig ge-
reinigt und sterilisirt, so kann ein zunächst vollständig normal fünc-
tionirendes Filter Aviedererhalten werden.
lieber die filtrirende Wirkung des Erdbodens vergl.
den nächsten Abschnitt (p. 182).
c. Bodenuutersucliuiig.
Um den Gehalt einer bestimmten Bodenprobe an Mikroorganismen
zu untersuchen, verfährt man nach C. Fraenkel,^) dem wir eine der
besten Arbeiten über diesen Gegenstand verdanken, so. dass man eine
abgemessene Quantität des Bodenmaterials in ein Reagenzröhrchen mit
geschmolzener Gelatine einfüllt, das Material dann gründüch in der
Gelatine vertheilt und die Gelatine nachher an den Wandungen des
Eöhrchens nach der Esmarch'schen (cf. p. 156) Methode ausrollt.
8o behält man das gesammte Material innerhalb des Eöhrchens, wäh-
rend l)eini Ausgiessen der Gelatine auf eine Platte etc. ein Theil der
Keime, an Erdbröckelchen anhaftend, im Glase zurückbleiben würde,
und das Eesultat dadurch ein unsicheres werden würde. Fig. 26 auf
Taf. V zeigt ein solches Eöhrchen, welches mit Gartenerde beschickt
wurde (cf. oben p. 157). C. Fraenkel hat ein besonderes, sinn-
reich eingerichtetes Bohrinstrument -) construirt, welches gestattet, Erd-
proben aus beüebiger Tiefe ohne jede Verunreinigung zur Untersuchung
heraufzuholen.
Uebrigens muss (me bei Wasseruntersuchungen [p. 176]) auch bei
Bodenuntersuchungen die Einsaat des Materials in die Gelatine mög-
lichst bald nach der Entnahme desselben aus dem Boden geschehen,
da sonst in Folge der veränderten Bedingungen (veränderte Temperatur,
veränderte Zusammensetzmig der umgebenden Luft) eine uncontrolir-
bare Vermehrung einzelner Mikroorganismenarten in dem Materiale
selbst stattfindet.
Bei den Bodenuntersuchungen hat sich nun ergeben, dass die
oberen Schichten des Bodens überall , sowohl bei bebautem
wie bei jungfräulichem Terrain, sehr keimreich sind. ,.Es finden
sich im Durchschnitt selbst im sogenannten jungfräulichen, unbebauten
Boden ca. 100 000 Keime in 1 ccm Boden, oft noch erheblich mehr"
') C. Fraenkel, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. ISS"
-) 1. c p. 535.
182 -•^- Allgemeines.
(Flügge).^) Dieser Keiim-eichthiun erleidet nach der Tiefe zu eine
Abnahme ; und zwar ist diese Ahnahme eine allmähliche bis etwa zur
Tiefe von l^^ m. Dort wd die Abnahme plötzlich eine sehr
rapide, so dass schon wenige Decimeter tiefer der Boden häufig völlig
keimfrei angetroffen wird. Die Schicht des Grundwassers ist ge-
wöhnlich vollständig keimfrei. Die geschilderte Vertheilung der
Bakterienkeime im Boden ist so zu deuten, dass die Keime von aussen,
durch die Luft oder mit Dungstoflfen etc., auf die Oberfläche und in
die obersten Schichten des Bodens gelangen, dass sie dann, eventuell
nachdem in dem einen oder anderen Falle eine Vermehrung statt-
gefunden hat, mit dem in den Boden einsickernden Regen- etc. Wasser
mehr in die Tiefe gespült werden. Während aber das Wasser seinen
Weg durch den porösen Boden hindurch bis in das Grundwasser hin-
ein weiter findet, bleiben die Bakterien als feste Theile z\Aischen den
Partikelchen des Bodens hängen, so dass also, je nach der Boden-
beschaffenheit in wechselnder Tiefe, das Wasser der vorher beigemischten
Bakterien entledigt ist. Es findet hier dieselbe filtrirende Wir-
kung der E r d p a r t i k e 1 c h e n statt, wie wir sie bei den Sandfiltern
der Wasserleitung (cf. oben p. 180) künstlich herstellen. Xur ist die
natürliche filtrirende Wirkung des Bodens der filtiirenden Wirkung der
künstlichen Sandfilter ganz ausserordenthch überlegen, und zwar ein-
fach aus dem Grunde, weil die Filtrationsgesch\Aindigkeit im Boden
eine so sehr viel langsamere ist als in den künstlichen Filtern.
Da das Grundwasser in der Regel keimfi-ei ist, so liefern die
Röhrenbrunnen dann wirklich keimfreies Wasser, wenn
das Rohr selbst frei von Keimen ist. Durch einfaches Aus-
bürsten des Brunnenrohres gelang es C. Fraenkel'-) in einem be-
stimmten Falle, das Brunnenwasser, welches vorher recht keimreich
gewesen war, für eine Reihe von Tagen völlig steril zu machen. Die
Kesselbrunnen, welche Verunreinigungen von aussen fortgesetzt
preisgegeben sind, lassen sich natürlich nicht in dieser Weise säubern.
Die im Boden vorkommenden Bakterienarten ■^) gehören meist zu
den Bacillen. Vorwiegend fand Koch*) bei seinen ersten orientirenden
Untersuchungen den Heubacillus und den „würz eiförmigen-'
Bacillus. Beide sind nicht pathogen. Colonien des „wurzeiförmigen"
') Grundriss der Hygiene. 3. Auflage. Leipzig. 1S94. p. 17.5.
-) Zeitschr. f. Hyg.' Bd. 6. 18S9.
") FüUes (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891) hat eine grössere Eeihe von
Bakterienarten, welche er im (Freiburger) Boden fand, übersichtlich, in Tabellenforni,
beschrieben.
*) Jlitth. a. d. Kais. Ges.-Amter Bd. 1. Ibbl. p. 35.
V. Allgemeine Methodik der Bakterienzüchtung. 183
Bacillus sieht man übrigens auch in dem Taf. V, Fig. 26, dargestellten,
mit Gartenerde angelegten Culturrohrchen. Die Colonien sind durch
die feinen von ihrer Peripherie ausgehenden Ausläufer kenntlich. Den
„wurzeiförmigen" Bacillus, auch „Erdebacillus" genannt, findet man
fest ausnahmslos in jeder Bodenprobe. Von pathogenen Bakterien
kommt in den oberen Culturschichten des Erdbodens weit verbreitet
der Bacillus des malignen Oedems vor (R. Koch')). Der-
selbe wird in gedüngter Gartenerde fast stets gefimden. Hier kommt
auch der Tetanusbacillus vor.
Im Uebrigen gehen pathogene Bakterien, welche in den Boden
eingebracht werden, in kürzerer oder längerer Frist zu Grunde. -)
') Ebenda p. 5().
■-) cf. unter Anderem: C. Fraenkel, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. ISST. p. 579
bis 581; E. v. Esmarch, ebenda Bd. 7. 1S89; Fe tri, Arb. a. d. Kais. Ges.-
Amte. Bd. 7. 1891.
B. Die Bakterien als
Krankheitserreger.
I.
Einleitendes.
V on einer ganzen Reihe von Bakterienarten hat man nach-
gewiesen, dass ihnen die Fähigkeit zukommt, in den leidenden thieri-
sehen Körper einzudringen und denselben zur Erkrankung zu bringen.
Man hat sich das so vorzustellen, dass der lebende thierische Körper
hierbei den Bakterien in ähnKcher AVeise zum Nährboden dient,
wie dies sonst todtes organisches Substrat thut. In l)eiden Fällen
Avachsen die Bakterien und vermehren sich auf Kosten des Nähr-
bodens; in dem einen Falle wird das todte Nährmaterial dabei in
bestimmter Weise verändert, in dem anderen Falle ist es die Sub-
s t a n z des 1 e 1) e n d e n K ö r p e r s , welche d u r c h d a s B a k t e -
rienwachsthum verändert wird. Die Veränderungen, welche
der lebende Körper auf diese Weise erleidet, kommen in ihrer Ge-
sammtheit als Erkrankung des Körpers zum Ausdruck; und man
bezeichnet ganz im Allgemeinen solche Krankheiten, die durch die
Vermehrung in die Körpersubstanz eingedrungener organischer Keime
hervorgerufen werden, als ..Infectionskrankheiten". Das Ein-
dringen der Keime in den Organismus bezeichnet man als .,Infec-
tion'' desselben. Diese organischen Keime brauchen nicht stets
Bakterien zu sein. Wir kennen auch andere, pflanzliche sowohl wie
thierische, Mikroorganismen, welche in analoger Weise krankhafte Ver-
änderungen des thierischen Körpers veranlassen können.
Diejenigen Mikroorganismen, welchen derartige krankheits-
erregende Eigenschaften zukommen, bezeichnet man als Para-
siten gegenüber denjenigen, die auf todtem organischen Material
vegetiren , und die man S a p r o p h y t e n nennt. Die durch die para-
sitischen Bakterien hervorgerufenen Krankheiten sind je nach den
verschiedenen Bakterienarten verschieden, und jede hierher gehörige
Infectionskrankheit hat ihren speci fischen Erreger. Ein jeder
dieser Erreger vermag aber nur bei ganz bestimmten (je für die
188 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
verschiedenen Bakterienarten verschiedenen) Thierspecies Erkrankung
zu veranlassen, während die anderen Thierspecies durch ihn nicht be-
einflusst werden: Für jede hierher gehörige Parasitenart existiren be-
stimmte „empfängliche" Thierspecies. Auch kann die nach
der Einverleibung eines bestimmten Erregers in den Organismus ein-
tretende Erkrankung eine verschiedene sein, je nachdem die
befallenen Thiere verschiedenen empfänglichen Arten, oder so-
gar je nachdem sie verschiedenen Altersstufen einer und der-
selben Thierart angehören.
Es giebt unter den parasitischen Bakterienarten manche, die be-
hufs ihrer Entwickelung des lebenden Organismus als Nähr-
bodens durchaus bedürfen, die ausserhalb dieses lebenden Organismus
in der Xatur sonst nicht existiren können. Diese nennt man obligate
(echte, strenge) Parasiten. Auf der anderen Seite giebt es
parasitische Bakterienarten, welche gewöhnlich ein saprophytisches Da-
sein führen, draussen in der Natur an geeigneter Stelle die Bedingungen
für ihre Existenz finden, und die die Invasion des lebenden Organis-
mus nur als gelegentlichen Abstecher betrachten, dessen sie zu ihrer
Existenz durchaus nicht bedürfen. Diese Arten nennt man facul-
tative (gelegentliche) Parasiten. Zu dem Begriffe des Para-
sitismus gehört aber immer, dass die Bakterien nicht bloss auf oder
in dem lebenden Organismus vegetiren, sondern dass sie von der
Substanz des Organismus selbst ihre Existenz bestreiten, die
lebende Substanz also verändern. So sind z. B. die Milliarden von
Bakterien, die in dem Inhalte unseres Darmes stets gefunden werden,
keine Parasiten , sondern Saprophjten : denn sie ernähren sich nicht
von der lebenden Substanz unseres Darmes, sondern von dem todten
Materiale, welches innerhalb desselben vorhanden ist. Würde der Fall
eintreten, dass die in dem Darmlumen auf dem todten Materiale vege-
tirenden Bakterien giftige Stoffwechselproducte bildeten, die, von den
Organen der Darmwand aufgesogen, in den Körper überträten und
denselben zur Erki-ankung brächten, so würde man ebenfalls nicht von
„Parasiten"', von einer „Infection", reden können, sondern man müsste
einen derartigen Vorgang als „Intoxication" bezeichnen, A^eranlasst
durch die Resorption bestimmter, durch saproph}i:ische Bakterien im
Darmkanal gebildeter chemischer Zersetzungsproducte./' Zu einer „In-
fectiun" gehört stets, dass die lebende Substanz des Körpers
von den Mikroorganismen befallen wird, und dass die letzteren sich
auf Kosten der lebenden Substanz vermehren. 31
Wenn wir nun bei einem bestimmten Krankheitsfalle Bakterien,
oder ganz im Allgemeinen IVIikroorganismen, im Körper aufgefunden
I. Einleitendes. Igg
haben, smd Avir dann berechtigt, dieselben als Erreger der Krankheit
anzusprechen? Durchaus noch nicht. Zu einem derartigen Urtheile
gehört mehr als der blosse Befund, womöglich der Befund in ver-
einzelten Fällen der Krankheit. Zunächst ist der Nachweis zu führen,
dass in allen Fällen der betreffenden Krankheit, die uns irgend
zur Untersuchung zugänglich sind, der Befund wiederkehrt, dass wir
es mit einem Consta nten, nicht vereinzelten Befunde zu thun
haben. Weiter darf sich dieser Befimd bei keiner anderen
Krankheit zeigen, er muss etwas für die untersuchte Krankheit
Speci fisch es darstellen.
Ist ein constanter speciiischer Bakterienbefund oder überhaupt ein
constanter specifischer Befund von Organismen bei einer bestimmten
Ivrankheit festgestellt, so ist damit bereits ausserordentlich viel ge-
wonnen. Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass
dieser Punkt erst erledigt sein muss, ehe an irgend etwas Weiteres
gedacht werden kann. So konnte z. B. der (jetzt verlassene) aus der
Luft von Malaria gegenden gezüchtete „Malariabacillus" von vornherein
keine Aussicht auf definitive Anerkennung haben, Aveil im Körper des
Malariakranken überhaupt niemals ein parasitirender Bacillus gefunden
worden ist. Wenn man das Gebäude der Feststellung der Aetiologie
einer bestimmten Infectionskrankheit aufrichten will, so darf man, wie
uns die logische Art des Vorgehens R. Koch 's eindringlich gelehrt
hat, nicht mit dem Dach beginnen, sondern muss mit dem Fundamente
den Anfang machen. Das Fundament aber ist der con staute
Nachweis der Parasiten im erkrankten Körper, und zwar
der mikroskopische Nachweis.
Wie man es anfängt, Bakterien mikroskopisch nachzuweisen,
haben wir oben (p. 47 ff.) ausführlich erörtert. Es soll hier nur auf
Täuschungen, denen man dabei eventuell ausgesetzt sein könnte,
hingewiesen werden.^) Man wird sich zunächst hüten müssen, etwaige
Färb stoffnieder schlage (cf. oben p. 66), die sich im Präparate
finden, für Bakterien zu halten. Die Beschränkung dieser Nieder-
schläge auf die Oberfläche des Schnittes, die verschiedene Grösse und
Gestalt derselben lässt hier Verwechselungen nicht leicht zu. Ebenso
wird man sich hüten, die Kömer der M a s t z e 1 1 e n für Mikrococcen an-
zusprechen (cf. p. 96). Hat man wirklich Bakterien vor sich, so könnten
dieselben aus den Farblösungen oder sonstigen benutzten Reagentien
stammen. Sie könnten dahinein durch irgend welchen Zufall gerathen
*) cf. E. Koch, Untersucliimgen über die Aetiologie der AVundinfectionsirank-
heiten. Leipzig. ISTS. p. 37.
190 B- Diß Bakterien als Krankheitserreger.
sein, sich Gventiiell sogar darin vermehrt haben, um nachher auf dem
in der Farblösung etc. behandelten Schnitt (ebenfalls oberflächlich)
sich festzusetzen. Hat man diese Täuschungen vennieden, hat man
wirklich Bakterien vor sich, die innerhalb des Schnittes hegen,
so muss der Einwand ausgeschlossen werden, dass es sich eventuell
um Fäulnissbakterien handeln könnte, welche post mortem in das
Organ hineingelangt sind. „Jedesmal, wenn einzelne Bakterien nur in
den oberflächlichen Schichten von Organen gefunden werden, ist zu
vermuthen, dass es sich um beginnende Fäulniss handelt" (Koch^)).
Es ergiebt sich hieraus die Regel, die Section zu untersuchender
Leichen stets möglichst bald nach dem Tode vorzunehmen und die
Organe möglichst sofort in Alcohol einzulegen.
Findet man aber die Bakterien im Innern von Organen in Lage-
verhältnissen , die nur während des Lebens zu Stande kommen
können, „oder ist gar der unverkennbare Einfluss der Mikroorganismen
auf das von ihrer Livasion betroffene Gewebe, z. B. Nekrose der in
einem gewissen Bereich gelegenen Zellen, Anhäufimg von Rundzellen
in der Nachbarschaft, Eindringen der ft-emden Organismen in die
Zellen u. s. w. zu constatiren, dann müssen solche Mikroorganismen
als pathogen angesehen werden; mindestens müssen sie verdächtig er-
scheinen und zur weiteren Untersuchung und Aufklärung des Befundes
auffordern" (Koch -)).
Eine besondere Berücksichtigung verdienen die Oberflächen der
äusseren Haut und der Schleimhäute (namentlich des Darmes),
an denen normaler Weise harmlose Bakterien schmarotzen, die nicht
für pathogene gehalten werden dürfen.
Uebrigens werden Anr uns mit dem Nachweise von „Sporen" im
Gewebe nie begnügen dürfen. Es liegt in der Natur der Sache, dass
die im thierischen Körper sich vermehrenden Bakterien, hier also im
Speciellen die Bacillen, in ihren vegetativen Formen vorhanden
sind. Das schliesst nicht aus, dass unter Umständen, speciell bei den
anaeroben Bacillenarten, auch sporentragende Stäbchen gefunden werden
können. Das isolirte Vorkommen von „Sporen" im Gewebe aber,
das übrigens einwandsfi'ei nüki'oskopisch kamii nachzuweisen sein dürfte,
ist bisher nicht beobachtet und auch wohl unmöglich ; und ein solcher
vermeintlicher Nachweis muss deshalb stets mit der grössten Reserve
aufgenonnuen werden und darf jedenfalls nicht als Beweis für das
Vorhandensein von Bakterien im Gewebe gelten.
1) Ebenda.
-) Mittb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. ISSl.
I. Einleitendes. 191
Hat man die constante Anwesenheit bestimmter Bakterienformen
in allen Fällen einer bestimmten Krankheit sowie ihr Fehlen bei
anderen Krankheiten mikroskopisch nachgewiesen, so kann man daran
denken, die aufgefundenen Bakterien künstlich zu züchten. Zu
diesem Zwecke müssen wir aus den von den Bakterien befallenen
Organen Material entnehmen und dies unter möglichster Vermeidung
von Verunreinigungen auf künstliche sterile Nährböden bringen. Man
säubert dann bei der Section die zu durchschneidende Haut der auf
dem Sectionsbrett fixirten Thiere äusserlich durch sorgfältiges Ent-
haaren und Abwaschen mit Sublimatlösung unter nachheriger eventueller
Kachspülung mit Alcohol und Aether. Die zu benutzenden Messer,
Scheren, Pincetten etc. werden in durch Ausglühen sterilisirtem Zu-
stande angewendet. Die so in möglichst originalem Zustande ent-
nommenen Organe werden mit sterilem Messer durchschnitten; und
es werden nun mit sterilem Instrumente Partikelchen aus dem Organ
herausgenommen und davon Plattenculturen angelegt, um die in
dem Organ vorhandenen Bakterienkeime zu isoliren und ihre Eigen-
schaften in sicheren Eeinculturen weiterhin prüfen zu können. Man
wird sich hierbei natürlich nicht mit der Nährgelatine begnügen dürfen,
sondern wird jedenfalls auch Agarplatten anzulegen haben, um die
Züchtung der Colonien bei Brüttemperatur vornehmen zu können.
Ausser durch die Plattencultur erreicht man die sichere Isolirung der
einzelnen Keime bekanntlich auch durch Oberflächen-Strich-
culturen, welche man auf durchsichtigem festem Nährboden anlegt
(cf. oben p. 160). Da die verschiedenen Bakterienarten verschiedene
Ansprüche stellen, und es speciell manche pathogene Arten giebt, die
WTder auf der Gelatine noch auf dem Agar wachsen, so muss man
daneben noch andere Nährböden, wie Glycerin - Agar , Traubenzucker-
Agar, erstarrtes Blutserum, Blutserum - Agar , Blut -Agar etc. bereit
haben, um die Züchtung darauf zu versuchen. Auch darauf wird
man im gegebenen Falle Eücksicht zu nehmen haben, dass die zu
züchtenden Bakterien den obHgaten Anaeroben angehören könnten.
Es ist jedenfalls zunächst immer danach zu streben, eine Iso-
lirung der Keime zu erreichen. Denn gar häufig ist es der Fall,
dass nicht nur eine einzige Bakterienart, sondern mehrere Arten in
dem zu untersuchenden Organe vorhanden sind, von denen der einen
die wesentliche Bedeutung zukommt, während die andere nur einer
Zufälligkeit ihre Anwesenheit verdankt. Sorgt man nun nicht für eine
Isolirung der Keime bei der Anlage der Cultur, sticht man z. B. mit
dem in das Material getauchten Platindrahte in feste Gelatine ein,
legt „primär eine Stichcultur" an, so wird häufig nur diej.enige Bak-
192 B- l^iß Bakterien als Krankheitserreger.
terieuart zur Entwickelung kommen, welche m dem Nährboden die
besten Lebensbedmgungen findet, während die andere, vielleicht gerade
che wesentliche Art, durch das Wachsthum der ersteren erdrückt wird.
Man hegiebt sich so jeder Uebersicht über tue ursprünglich vorhandenen
Keime.
Bei manchen Krankheiten, bei denen man bestimmte, unzweifelhaft
parasitäre Organismen constant findet, ist die künstliche Züchtung
der letzteren bisher nicht gelungen. Solche Krankheiten sind z. B. das
Eecurrensfieber und die intermittirenden (Malaria-) Fieber. Hier sind
wir vorläufig auf den constanten specifischen Befund allein angewiesen.
Ist die Reinzüchtung einer bestimmten im Körper gefimdenen Art
gelungen, so müssen wir die Cultur zunächst durch eine grössere
Eeihe von Generationen hindiu-ch von einem Nährboden auf den an-
deren fortpflanzen. Unser schliessUches Ziel ist es nämlich, durch
TJebertragung der reingezüchteten Bakterienart auf ein empfäng-
liches Versuchsthier ihre Pathogenität sicher zu stellen. Es
wäre jedoch, wollten wir von der ersten Culturgeneration die TJeber-
tragung auf das Thier bewirken, der Einwand berechtigt, dass wir mit
den Bakterien zugleich irgend welche direct aus dem Ausgangsthiere
stammenden anderweitigen Dinge auf das neue Thier übertragen hätten,
und dass nicht die Bakterien, sondern diese anderen Dinge die even-
tuelle Erkrankung des Thieres herbeigeführt haben könnten. TJeber-
tragen wir dagegen Material aus einer späteren Culturgene-
ration, so ist ein derartiger Einwand natürhch hinfällig.
Finden wir nun, dass durch die Uebertragung des aus einer
späteren Culturgeneration stammenden Materiales auf ein Versuchs-
thier eine Krankheit bei diesem Thiere — nicht in einem Falle,
sondern in allen Fällen, in denen wir den Versuch wiederholen —
entsteht, die der Ausgangskrankheit gleicht, erheben wir bei diesen
Thieren denselben Bakterienbefund wie bei dem Ausgangsthiere, so ist
die Kette des Beweises geschlossen, dass die reingezüchteten Bakterien
das ätiologische Moment der untersuchten Krankheit darstellen.
Handelt es sich um eine Thierkrankheit, so ist das emp-
fängliche Versuchsthier ohne Weiteres gegeben; handelt es
sich dagegen um eine specifische Krankheit des Menschen, so ge-
Kngt es häufig gar nicht ein empfängliches Versuchsthier zu finden.^)
') Der Mangel einer empfänglichen Thierspecies macht sich besonders in
solchen Fällen fühlbar, wenn es sich darum handelt, zu entscheiden, ob eine Bak-
terienart, die man irgendwo in der Natur, ausserhalb des menschlichen Körpers, ge-
funden hat, mit einer bestimmten für den Menschen pathogenen Art identisch ist
oder nicht. Wenn z. B. bei Gelegenheit einer Typhusepidemie in dem infections-
I. Einleitendes. 193
Es hat sich aber ergeben, „dass in allen den Fällen, in welchen es
gelungen ist, bei einer Infectionskrankheit das regelmässige und aus-
schliessliche Yorkommen von Bakterien nachzuweisen, letztere sich
niemals wie zufällige Schmarotzer, sondern wie die bereits sicher als
pathogen erkannten Bakterien verhielten. Wir sind deshalb wohl jetzt
schon zu der Behauptung berechtigt, dass, wenn das regelmässige und
ausschliessliche Vorkommen des Parasiten nachgewiesen wurde, damit
der ursächliche Zusammenhang zwischen Parasit und Krankheit auch
vollgültig bewiesen ist" (R. Koch^)).
Auf der anderen Seite kommt es auch vor, dass empfängliche
Yersuchsthiere existiren, ohne dass eine Züchtung der Erreger auf
künstlichen Nährböden bis jetzt möglich gewesen ist ; dies ist bei dem
Recurrensfieber der Fall, für welches der Affe empfänglich ist.
verdächtigen Brunnenwasser eine bestimmte typhusbacillenäbnlicbe Bakterienart ge-
funden ist; welcbe Kriterien giebt es, die die sichere Entscheidung, ob der Typhus-
bacillus vorliegt oder nicht, ermöglichen? Wir können ganz im Allgemeinen sagen,
dass wir in derartigen Fällen, in denen es sich um für den Menschen speci-
fisch pathogene Arten handelt, die, ausserhalb des erkrankten mensch-
lichen Körpers oder ausser Zusammenhang mit einem bestimmten
entsprechenden Kr ankheits falle aufgefunden, identificirt werden sollen, fast
jedesmal auf ein negatives Urtheil angewiesen sind. Wir müssen nämlich in
solchen Fällen — bei dem • Mangel einer empfänglichen Thierspecies — uns noth-
gedrungen damit begnügen, die Wachsthums- und Lebenserscheinungen der zu be-
stimmenden Bakterienart auf den verschiedensten künstlichen Nährböden und unter
den verschiedensten sonstigen äusseren Bedingungen zu studiren (am besten unter
ständiger Vergleichung mit einer authentischen, d. h. aus dem erkrankten mensch-
lichen Körper resp. der Leiche gewonnenen, Cultur der entsprechenden pathogenen
Art). Finden wir dann keinerlei Differenzen zwischen den Eigenschaften der zu be-
stimmenden Art vmd denen der authentisch festgestellten, so können wir zwar aus-
sprechen, dass wir die Identität der beiden Arten für höchst wahrscheinlich
halten; aber mit Bestimmtheit können wir die Identität nicht aussprechen.
Wir sind im Wesen thchen darauf angewiesen, zu sagen, dass der heutige Stand der
Wissenschaft nicht ermöglicht, Unterschiede festzustellen.
Ganz ausserordentlich anders liegen die Dinge, wenn die zu prüfenden und zu
bestimmenden Bakterien innerhalb des erkrankten menschlichen Kör-
pers (z. B. in der frischen Leiche) oder überhaupt in unmittelbarem Zu-
sammenhange mit dem Krankheitsfalle (z. B. in fiisch entleerten Fäces
des Erkrankten) gefunden werden. Hier haben wir ausser den festzustellenden
Cultureigenthümlicbkeiten vor allem das wichtige Kriterium für die Beurtheilung,
dass die fragliche Bakterienart sich innerhalb des menschlichen Körpers, und zwar
in einem klinisch in bestimmter Weise characterisirten Falle, entwickelt und ver-
mehrt hat. Handelt es sich um Befunde in Organen der frischen Leiche, so
kommt dazu noch die mikroskopisch feststellbare Localisirung der Bakterien in dem
<;)ewebe. Auf diese Weise ist die Diagnosticirung der gefundenen Bakterien häufig
«ilnie AVeitiTcs mit Bestimmtheit möglich.
') 10. Internat, medic. Congr. 1890. Verhandl. Bd. 1. p. 40.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 13
194 ^- Di^ Bakterien als Krankheitserreger.
Bezüglich der Weiterübertragung der Culturen pathogener Bak-
terien von einem Nährboden zum anderen ist übrigens noch Folgendes
zu bemerken: AVir sehen gar nicht selten, dass eine bestimmte Art
auf dem künstlichen Nährboden zunächst nur kümmerlich wächst,
während sie bei weiteren Uebertragungen allmählich an Wachsthums-
energie zunimmt und schliesslich sehr gut auf dem künstlichen Nähr-
boden fortkommt. Man bezeichnet dies Vorkommniss als Anpassung
an den künstlichen Nährboden. Damit ist nun gewöhnlich eine Ab-
nahme der pathogenen Eigenschaften oder auch ein vollständiges Ver-
schwinden derselben verbunden. Der Parasit hat sich an das sapro-
phytische Dasein gewöhnt. Hierauf hat man bei den anzustellenden
Thierversuchen zu achten. Bei einzelneu Arten sieht man auch, dass
sie auf dem künstlichen Nährboden bald absterben. Während sapro-
phy tische Organismen gewöhnlich Monate lang übertragbar l)leiben,
verlieren einzelne pathogene Arten ihre Uebertragbai'keit schon nach
wenigen Tagen.
Als Prototyp einer Infectionskrankheit, deren Aetiologie nach den
vorstehend gezeichneten, von R. Koch geschaffenen Principien ermittelt,
und zwar mit unanfechtbarer Sicherheit ermittelt wurde, kann der
Milzbrand gelten. Nach denselben Principien haben später Koch
sowohl wie auch andere Autoren, die sich seine Methoden zu eigen
machten, die Entstehungsursache einer Eeihe weiterer Infectionskrank-
heiten klargelegt. Die erste, durch Bakterien veranlasste Infections-
krankheit, deren Aetiologie ermittelt wurde, war aber der Milzbrand.
Es ist leicht einzusehen, weshalb Koch gerade diese Krankheit zum
ersten Objecte seiner Untersuchungen machte. Man Avusste bereits
längere Zeit, dass im Milzbrandblute Stäbchen gefunden Averden: diese
Stäbchen waren relativ gross, eigneten sich also zur Beobachtung
besonders; femer waren, falls es gelang, die Stäbchen künstlich in
Reinculturen zu züchten, empfängliche Versuchsthiere sicher vorhanden,
da es sich ja um eine Thierkrankheit handelte. Die Sch^vierigkeiten
der Forschung waren beim Milzbrande also noch relativ gering: und
die streng logische Art des Vorgehens Rob. Koch 's spricht sich bereits
darin deutlich aus, dass er sich zunächst relativ leichter zu lösende
Aufgaben stellte, um später, mit immer mehr vervollständigter und
ausgebauter Methodik, an so schwierige Aufgaben heranzutreten, wie
sie sich z. B. in der Erforschung der Ursache der Tuberculose dar-
stellten.
Nicht bei allen infectiösen Krankheiten hat man bisher die Er-
reger zu ermitteln vermocht. Von den acuten Exanthemen (Masern,
Scharlach, Fleckt^^phus , Pocken etc.) wissen wir noch gar nichts be-
I. Einleitendes. 195
züglich ihrer Entstehungsursache ; auch über die Krankheitserreger
der Himdswiith, des Keuchhustens, des Trachoms, des Gelbfiebers, der
Einderpest, der Lungenseuche und mancher anderer unzweifelhafter
Infectionskrankheiten wissen wir noch gar nichts. Und doch müssen
hier parasitäre Organismen existiren, die die Erkrankung veranlassen.
Ob diese Parasiten zu den Bakterien gehören, ist allerdings höchst
zweifelhaft. Bakterienbefunde sind bei allen diesen Krankheiten er-
hoben worden, nicht selten mit dem Ansprüche, dass hiermit der Er-
reger gefunden sei. Es handelt sich in allen diesen Fällen um logische
Fehler in der Art und Weise, aus Beobachtungen Schlüsse zu ziehen.
Nicht die Thatsche allein, dass man in dem und jenem Falle einer
Lifectionskrankheit Bakterien findet, berechtigt dazu, dieselben für die
Erreger der lü'ankheit anzusehen. Dazu gehören, wie wir gesehen
haben, zwingendere Beweisgründe. Die gefundenen Bakterien können
rein nebensächliche Befunde darstellen, sie können eventuell der Aus-
druck einer zu der ursprünglichen, primären Infection in dem einen
oder anderen Krankheitsfalle dazugekommenen „secundären In-
fection" sein. Man bezeichnet solche Combinationen auch als
„ M i s c h i n f e c t i 0 n e n". ^)
Die acuten Exantheme sind exquisit „ c o n t a g i ö s ", d. h. von
Fall zu Fall ansteckend und übertragbar. Es mag an dieser Stelle
auf den Unterschied zwischen Infectiosität und Contagiosität
hingewiesen Averden. Eine jede durch specifische Parasiten hervor-
gerufene Krankheit ist „infeclLöJ-". Man „inficirt" sich mit Cholera,
mit Pocken, mit Malaria. Dabei wird auf irgend welche Weise der
^) Der Begriff der Mischinfection (,, gemischte Infection") ist zuerst von
Ehrlich (Charite-Annalen. 7. Jahrgang. 18S2. p. 223) aufgestellt worden. Vergl.
auch Ehrlich und Brieger (Berl. klin. Wochenschr. 1882. No. 44). — Nencki
(cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 8) hat gezeigt, dass unter Umständen
bei gleichzeitiger Einwirkung zweier Mikroben auf ein Nährsubstrat ein neues (che-
misches) Stoffwechselproduct entstehen kann , welches keiner der beiden Spaltpilze
für sich allein zu bilden vermag. Sterile Traubenzuckerlösung, mit zwei bestimmten
Spaltpilzarten gleichzeitig inficirt, wurde, wie Nencki beobachtete, viel rascher und
energischer zersetzt als durch jeden der beiden Spaltpilze allein. Andererseits be-
obachtete Nencki, dass Reinculturen zweier Mikroben, von denen jeder z. B. Ei-
weiss energisch zersetzte, wenn sie gleichzeitig in dieselbe Eiweisslösung eingeimpft
wurden, in ihrer Gährtüchtigkeit sich gegenseitig abschwächten. Nencki spricht
die Vermuthung aus, dass Analogien zwischen diesen Vorgängen und denen im in-
ficirten Thierkörper möglicherweise häufig statthaben. — Hier mag eine von Frhr.
V. Dungern (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894. p. 182) gemachte Beobachtung Er-
wähnung finden: Die gleichzeitige locale Verimpfung des Milzbrandbacillus und des
Bac. pneumoniae in den Kaninchenorganismus verhinderte das Zustandekommen einer
allgemeinen Milzbranderkrankung.
13*
196 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
jedesmalige Iiifectionserreger in den Körper aufgenommen. „Con-
t a g i ö s " nennt man aber nur solche Krankheiten , während deren
VerTauf normaler Weise der Lifectionserreger in infectionstüchtigem
Zustande aus dem Körper des Erkrankten ausgeschieden wird, so dass
die Möglichkeit gegeben ist, dass er durch die Yermittelung der Luft
(wie bei den Pocken) oder an bestimmten Gegenständen haftend und
durch A^ermittelung dieser übertragen (wie bei der Cholera) in einen
neuen Organismus gelangt und diesen iiificirt. Nicht contagiös
ist z. B. die Malaria : denn hier findet eine Ausscheidung infections-
tüchtiger Parasiten aus dem erkrankten Körper nicht statt; bei der
Malaria liegt die Möglichkeit der natürlichen „Ansteckung" eines Falles
dui'ch den anderen nicht vor. Nur auf besondere künstliche Weise
kann bei den nicht contagiösen Krankheiten die Uebertragung des Er-
regers von dem Kranken auf den Gesunden, die Inficii'ung eines Falles
direct durch einen anderen, geschehen. Bei der Malaria kann man
dies dadurch bewerkstelligen, dass man Blut des Erla-ankten dem Ge-
sunden einverleibt. ' )
Bei den Infectionskrankheiten kann die Einwanderung des Erregers
in den Organismus, die Infection, auf verschiedenen Wegen erfolgen.
Handelt es sich um „natürliche Infection", so können die Bak-
terien durch den Mund in Magen und Darm gelangen und von
dort aus in den Organismus einwandern, oder sie können mit der
Athmungsluft in die Lunge aufgenommen v.erden und dann weiter
in den Körper eindringen, oder sie können durch Verletzungen
der Haut'^) oder der Schleimhäute'^) in den Körper gelangen
und dann auf dem Wege der Ljonph- und Blutgefässe sich weiter
verbreiten. Eine dieser drei Infectionsarten trifft bei der allergrössten
Mehrzahl der natürlichen Lifectionen zu. In Ausnahmefällen giebt es
auch noch andere Infectionspforten; und wenn wir im Labo-
ratorium Versuchsthiere *) künstlich inficiren, so benutzen wir
ausser den oben angeführten drei Wegen in der That häufig noch andere.
^) Eingehenderes über Contagiosität siehe bei Flügge (Die Mikroorganismen,
Leipzig 1886. p. 596 ff. und Zeitschr. f. Hjg. Bd. 14. 1893. p. 170).
-) Unter Umständen können Bakterien auch durch die unverletzte Haut
in den Körper emdringen. Nach Garre (Fortschr. d. Med. 188.5. p. 173) nimmt
z. B. beim Furunkel die Staphylococcen -Infection ihren Weg gewöhnlich durch die
Ausführungsgänge der Hautdrüsen hindurch.
'') So bilden nachgewiesener Massen die Tonsillen sehr häufig die Eingangs-
pforte für infectiöse Mikroorganismen, (cf. Buschke, Deutsche Zeitschr. f. Chir.
1894. — ref. Centralbl. f. Bakt. 1. Abth. Bd. 17. p. 370.)
•*) Die am meisten benutzten Species sind Mäuse (weisse und graue Haus-
mäuse, Feldmäuse), Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen, Tauben.
I. Einleitendes. I97
Die verschiedenen Infeotionsmudi, die künstlich zur An-
wendung gelangen, sind: die cutane Einverleibung des Materials
(„Impfung" im engeren Sinne), die subcutane'), intramuscu-
lare-). intravenöse'^), intraoculare^), intrapleurale'^), in-
^) Mäuse kann man ohne Assistenz sehr bequem in folgender Weise subcutan
inficiren: Man disponirt zunächst das dem Thiere einzubringende Culturmaterial so,
dass man es nachher bequem mit der rechten Hand allein erlangen kann. Dann
nimmt man die Maus mit 1er „Mäusezange" (modifieirte Tiegelzange) aus dem Käfig
am Schwänze (Feldmäuse an den Ohren) heraus und setzt sie auf ein Tuch, in
welches man nun die Maus so einhüllt, dass nur der Schwanz und der angrenzende
Theil des Kückens heraussieht. Nun bringt man das Tuch mit der Maus in die
linke Hohlhand, indem man die Schwanzwurzel fest zwischen linkem Daumen und
Zeigefinger fixirt. Der untere, freie Theil des Mauserückens liegt dann in dem von
Daumen und Zeigefinger umschlossenen Eaum frei zu Tage. Diesen Theil des
Mauserückens benutzt man als Operationsfeld. Man entfernt hier mit einer Schere
die Haare und kann nun, indem man eine Stelle der Haut zwischen die Scheren-
branchen klemmt, mit der Schere leicht einen klemen Hautdefect herstellen, der
dann mit einer ausgeglühten, nicht zu spitzen Pincette zu einer Hauttasche erweitert
Avird. In die letztere wird das Impfmaterial eingetragen. Nach beendeter Operation
fasst mau die Maus mit der Zange am Schwanzende, zieht sie aus Tuch und Hand
heraus und setzt sie in den Käfig zurück.
'-) Dieser Infectionsmodus wird speciell bei der Impfung von Vögeln (Tau-
ben etc.) gewöhnlich angewandt; man bringt den Thieren das Infectionsmaterial mit
HüKe der Injectionsspritze in den grossen Brustmuskel hinein.
'•^) Bei grösseren Thieren (grossen Kaninchen z. B.) verfährt man behufs der
intravenösen Einverleibiuig sehr bequem so, dass man (nach dem Vorgange von
Aufrecht) das Material mit Hülfe einer feinspitzigen Pravaz-Canüle in eine
Ohrvene injicirt, die man vor dem Einstich durch einen Gehülfen central compri-
miren lässt und so zur Anschwellung bringt. Die zu injicirende Bakterienaufschwem-
mung muss vorher (zur Entlernung gi-öberer Partikel) durch feine Gaze filtrirt werden
(cf. E. Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1S84. p. 73). — Die genannte
Pravaz-Canüle bildet das Ansatzstück der Injectionsspritze, welche steriüsirbar sein
muss (cf. p. 198).
^) Die künstUche intraoculare Infection (Einbringung des Materials in die vor-
dere Augenkammer) ist von Cohnheim angegeben worden. Die Operation wird
meist bei Kaninchen vorgenommen. Man kann so vorgehen, dass man am oberen
Eande der Cornea einen mehrere Millimeter langen Einschnitt macht und durch
diesen hindurch das Impfmaterial (Bröckchen einer Cultur etc.) einbringt, oder dass
man mit einer sehr feinen und scharfen Canüle einen Einstich durch die Cornea in
die Vorderkammer hinein macht und dann direct ein Tröpfchen der Bakterienauf-
schwemmung injicirt (cf. E. Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884.
p. 68). Die intraoculare Infection ist deshalb von besonderem Werthe, weil man
die an die Infection sich anschüessenden pathologischen Veränderungen durch die
Cornea hindurch direct beobachten und verfolgen kann.
^) Hat man kleine Thiere (z. B. Mäuse) intrapleural zu inficiren, so muss mau
die rechte Seite wählen, weil man links gewöhnhch das Herz trifft.
J98 B- Di® Bakterien als Krankheitserreger.
traperitoneale^) Einverleibung, die Einverleibung in den Magen,-)
in das Duodenum, die Einbringung durch Inhalation, die in-
tratracheale, intrapulmonale Injection, die intracranielle
(sub durale) Einverleibung (Application des Materials nach Tre-
panation unter die Dura),'^) die Injection in grosse Nerven hinein.
Ist mit der künstlichen Einverleibung des Infectionsmateriales in den
Thierkörper eine Verletzung der Gewebe verbunden (und das ist, wenn
man die Einverleibung in den Magen und die Einbringung durch In-
halation ausnimmt, stets der Fallj, so muss man selbstverständlich so
operiren, dass das Eindringen anderer Infectionskeime streng vermieden
wird. Die Operationsstelle wird deshalb zunächst von eventuell vor-
handenen Haaren befreit, dann mit Sublimatlösung, hinterher mit
Alcohol und dann mit Aether abgewaschen. Alle zur Operation ge-
brauchten Instrumente werden in durch Hitze desinficirtem Zustande
angewendet. Flüssiges Material (Culturaufschwemmungen in sterihsirtem
Wasser etc.) bringt man am besten mit Hülfe einer aus Glas und
Metall construirten, mit feiner Canüle versehenen, durch Hitze sterili-
sirbaren'') Spritze, wie sie in verschiedener Construction von R. Koch'^)
und Anderen angegeben ist, in das Innere der Gewebe hinein.
Soll die Pathogenität einer bestimmten reingezüchteten Bakterien-
art sicher gestellt werden, so muss man bei dem Thierversuche zunächst
möglichst wenig von dem Bakterienmaterial in den Organismus
^) Wichtig ist es, bei dieser Operation eine Verletzung der Därme zu
vermeiden. Bei Meerschweinchen, Katten, Mäusen, Katzen gelingt dies nach E. Koch
(Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 71) leicht, wenn man die Canüle
langsam durch die Bauchdecken treibt. Kaninchen sind wegen des stark gefüllten
Blinddarms für die Operation weniger geeignet. — E. Pfeiffer (Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 18. 1894. p. 27) verfährt, um Verletzungen der Därme mit Sicherheit zu ver-
meiden, so: Nach Durchschneidung der Haut wird eine stumpfe Canüle an-
gewendet, die sich dann leicht durch die Muskehi und das Peritoneum hindurch-
schieben läset.
-) Bei Meerschweinchen lässt sich das Infectionsmaterial mit Hülfe eines feinen
elastischen Katheters , der durch einen durchbohrten , zwischen den Zahnreihen des
Thieres eingeklemmten Knebel hindurch geschoben wird, leicht in den Magen ein-
^} Diese Methode wird bei experimentellen H u n d s w u t b infectionen häufig
angewendet.
■*) Die Sterilisirung der Spritze wird jedesmal sowohl vor dem Gebrauch als
auch nach demselben vorgenommen, und zwar am besten so, dass man mehrmals
kochendes Wasser durch die Canüle und den Cylinder der Spritze zieht, event. auch
die Spritze mit den genannten Theilen in ein passendes Gefäss (z. B. ein Reagenz-
glas) für einige JVIinuten hineinbringt, in welchem Wasser im Sieden erhalten wird.
5) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 17; Bd. 2. 1884. p. 60;
Deutsche med. Wochenschr. 1890. No. 46 a. p. 1029.
I. Einleitendes. 199
des Versuchthieres übertragen; denn es ist gar nicht zu vermeiden,
dass mit den Bakterienzellen zugleich chemische Substanzen übertragen
werden, die theils in dem Leibe der Bakterien selbst, theils in der
die Bakterienzelleu umgebenden Culturflüssigkeit enthalten sind. Unter
diesen chemischen Substanzen befinden sich häufig Körper von
hoher Giftigkeit (giftige Ptoma'ine [Toxine] und andere giftige
[Eiweiss- etc.] Körper), \) die, in grösseren oder geringeren Mengen
dem Thierorganismus einverleibt, Vergiftungen veranlassen und
dann das Resultat des Thierversuches sehr stören, eventuell auch zu
den fehlerhaftesten Schlussfolgerungen Veranlassung geben können, in-
dem man nämlich die Erkrankung des Thieres als Folge einer Infection
ansieht, während sie doch der Ausdruck einer Intoxication war.
Es ist hier darauf aufmerksam zu machen, dass es, man kann wohl
sagen mit jedweder beliebigen, auch der unschuldigsten Bakterienart —
d. h. mit einer solchen, die unter gewöhnlichen Verhältnissen, spontan,
nie und nimmer Krankheitserscheinungen bei irgend welcher Thier-
species hervorbringt — gelingt, ki-ankhafte Erscheinungen oder auch
den Tod des Versuchsthieres zu veranlassen, wenn man sehr grosse
Culturdosen in den Thierorganismus einführt. Eine Infection aber
ist nur dann vorhanden, oder, was dasselbe sagt, die eingeführten
Bakterien sind nur dann als pathogene zu betrachten, wenn sie
sich auf Kosten des Organismus vermehren.
Es liegt jedoch in der Natur der Sache , dass wohl mit jeder
Infection eine Intoxication verbunden ist. Man könnte
sich allerdings Infectionskrankheiten denken, bei denen eine so massen-
hafte Vermehrung der Bakterien im Blute stattfindet, dass die Bak-
terien schliesshch ein physikalisches Hindemiss für den Blutumlauf
abgeben, dass das Thier rein und ausschliesslich an der Vermehrung
der Bakterien stirbt. Ob eine solche Vermehrung aber in der That
möglich ist, ohne dass dabei auf das Thier irgendwie schädlich ein-
wirkende und den Verlauf der Erki'ankung beeinflussende Stoffvvechsel-
producte gebildet werden, ist sehr die Frage. In den allermeisten
Fällen von Infection tragen die giftigen chemischen Körper, welche
die Bakterien bei ihrem Wachsthum im Thierkörper bilden, sehr wesent-
lich das Ihrige zu der gesammten Erkrankung bei. Immerhin ver-
halten sich die pathogenen Bakterien bezüglich ihrer Giftwirkung
ganz verschieden unter einander. Es giebt Bakterienarten — und zu
diesen gehören z. B. der Tetanusbacillus und der Diphtheriebacillus — ,
die Gifte von so fabelhafter, so ungeheurer Wirksamkeit produciren,
') cf. oben p. 45, 46.
200 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
dass in den entsprechenden Krankheiten die Wirkung dieser Gifte auf
den Organismus das Krankheitsbild völlig bestimmt. Die Bakterien
selbst finden sich in Tetanus- und in Diphtheriefällen gewöhnlich nur
an einer kleinen, circimiscripten Stelle im Körper (der Infectionsstelle)
in Vermehrung. Hier werden die furchtbaren specifischen Gifte ge-
bildet, die dann in den Körper hinein resorbii't werden und die
schweren Allgemeins3mptome der genannten Krankheiten bedingen.
Man bezeichnet derartige Bakterienarten als „toxische Bakterien"
im Gegensatz zu den oben genannten Arten, welche wesentlich dm'ch
ihre Vermehrung als solche wirken, und die man auch Avohl als
„infectiöse" Bakterien im engeren Sinne oder als. ,. s e p t i -
cae mische" Bakterien bezeichnet.
Wie schon gesagt, zeigen sich die Bakterien bei den verschiedenen
Infectionskrankheiten im Körper des Thieres verschiedenartig localisirt.
Auch bei einer und derselben Krankheit kann je nach dem verschiedenen
Modus der Infection, der verschiedenen Lage der Infectionspforte , die
Localisation der Bakterien im Körper, und damit auch der Ki'ankheits-
verlauf, verschieden sein. Wählen die Bakterien das Blut als den Ort
ihrer Vermehrung, sind sie bei der Section in den Blutgefässen und,
abgesehen von den besonderen Veränderungen der Infectionsstelle und
der ersten Verbreitungswege, überall im Blute und nur im Blute zu
finden, so bezeichnet man eine solche (schnell tödtlich verlaufende)
Erkrankung nach D a v a i n e und K o c h ^) als „ S e p t i c a e m i e ". -)
Bei der Septicaemie finden sich Herdbildungen, Metastasen, nicht.
In anderen Fällen schnell verlaufender allgemeiner Infection des
Körpers kommt es in Folge der Vermehrung der Bakterien im Blute
zur Bildung (eitriger) Herde in den inneren Organen, zur Meta-
stasenbildung. Dann bezeichnet man den Process als „Pyaemie".
Kach Koch'^) hat man sich die erste Entstehung der Herde so vor-
zustellen, dass die im Blut sich vermehrenden Bakterien in grösseren
Haufen zusammenhängen bleiben und, mit Blutkörperchen zusammen-
kle])end, EmboHsirung enger Blutgefässe und Throml)enbildung ver-
anlassen.
Diesen Fällen allgemeiner Verbreitung des Infectionserregers
1) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. ISSl. p. 84.
^) Durch Untersuchungen von Petruschky (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17. 1894.
p. 110) ist festgestellt, dass bei der septischen Infection des Menschen
der Nachweis von pyogenen Coecen im Blute (cf. hinten unter „Streptococcus pyo-
genes") nicht jedesmal eine letale Prognose begründet.
^) Pyaemie bei Kaninchen. Untersuchungen über die Aetiologie der Wund-
infections-Krankheiten. Leipzig 1S78. p. 54 ff.
I. Einleitendes. 201
im Körper gegenüber stehen andere Fälle, in denen die Verbreitung
der Bakterien auf gewisse Gebiete oder Organe des Körpers
beschränkt ist. So finden wir z. B. bei der Cholera die Erreger nur
im Darme und in der Darmwand, sonst nirgends, bei dem Wund-
starrkrampf (Tetanus), bei der Diphtherie finden ^nr sie (wie bereits
oben angeführt) nur an der Infectionsstelle und in ihrer nächsten Um-
gebung. Es ist klar, dass die schweren Allgemeinsj-mptome dieser
Krankheiten nicht directe Folge der Bakterienvermehrung sein können,
sondern dass die durch die Bakterien gebildeten giftigen chemischen
Körper es sind, welche, von der Yermehrungsstelle der Bakterien aus
in den Körper eingedrungen, diese Symptome veranlassen. Bleiben die
Bakterien localisirt, so kann, wie bei den eben genannten Krankheiten,
eine Genesung des Körpers eintreten. Bei manchen localen In-
fectionen ist der Ausgang in Genesung die Regel; dies sehen wir
z. B. an den in unserer Haut so oft auftretenden Furunkelbildungen,
die ihre Entstehung einer localen Hautinfection durch Bakterien ver-
danken. ^) Bei Ueberschwemmung der gesammten Blutbahn mit den
Infectionserregern ist Genesung sehr selten.
Die nahen Beziehungen zwischen Infection und In-
toxication lassen übrigens eine Thatsache erklärlich erscheinen, die
man ohne die Kenntniss dieser Beziehungen schwer verstehen könnte.
Es hat sich nämlich gezeigt, dass unter Umständen zwar, bei gewissen
Infectionskrankheiten und bei bestimmten Thierspecies , die kleinste
Quantität des Infectionsmaterials, eine einzige Bakterienzelle, genügt,
imi die Infection zu bewerkstelligen. In anderen Fällen genügt dies
durchaus nicht; man muss, um die Infection zu erzielen, grössere
Quantitäten des infectiösen Materials dem Thierkörper einverleiben.
Ohne Zweifel sind in solchen Fällen die in den Körper zugleich mit
einverleibten giftigen chemischen Körper wesentlich mitbetheiligt an
^) Zu den localen Infectionen gehört auch die Zahncaries, welche nach den
Ermittelungen von W. D. Miller (Die Mikroorganismen der Mundhöhle. Leipzig
1889; 2. Aufl. Leipzig 1892) dadurch zu Stande kommt, dass zunächst eine Ent-
kalkung des Schmelzes resp. des Zahnbeins durch saure Flüssigkeiten (saure Gährungs-
producte) eintritt, und dass dann das entkalkte Zahnbein, die leimgebende Grund-
substanz desselben, von (verflüssigenden) Bakterien befallen wird, welche die Er-
weichung und Zerstörung derselben bewirken. LTeber die Bakterien arten , welche
hierbei eine Rolle spielen, cf. die Inaug.-Diss. von C. Jung, Berlin 1S92. Yergl.
auch die zusammenfassende Darstellung desselben Autors über das Wesen der Zahn-
caries im Centralbl. f. Bakt. Bd. 16. 1894. p. 624 ff. und p. 688 ff'. — Ueber die
„Bakterio-Pathologie der Zahnpulpa" hat W. D. Miller (Verhandl. d.
Deutschen Odontologischen Ges. Bd. 6. 1894. [Orig.-Eef. Centralbl. f. Bakt. Bd. 16.
p. 447 ff".]) ausführliche Untersuchungen publicirt.
202 B- Die Baliterien als Krankheitserreger.
dem Zustandekonmien der Infection, indem sie die — von Xatiir, wie
wir weiterhin noch sehen werden, äusserst bakterienfeindlichen — Ge-
webssäfte des Körpers schädigen und weniger widerstandsfähig machen
gegen die eindringenden Bakterien. ^)
Es ist hier der Ort, auf die Verhältnisse einzugehen, weiche für
das Zustandekommen resp. das Ausbleiben der Erki-ankung nach der
Einführung von Infectionserregern in den Thierkörper wesentlich be-
stimmend sind. Wir Averden besonders die auf Immunität und
Schutzimpfung bezüglichen Fragen einer Betrachtung zu unter-
werfen haben.
Wenn ein thierischer Organismus für eine bestimmte Infections-
krankheit unempfänglich ist, so nennt man ihn „imniun" gegen diese
Krankheit. Man sagt auch, er verhalte sich refractär gegen die
Einverleibung des bestimmten Infectionserregers. Die Immunität
gegen eine bestimmte lü-ankheit kann, wie wir bereits oben (p. 188)
angedeutet haben, eine allgemeine Eigenschaft aller Mtglieder der
betreffenden Thierspecies sein; man spricht in diesem Falle von der
natürlichen Immunität der Species. Sie kann aber auch einzelne
Individuen einer im Uebrigen für die bestimmte Infectionski-ankheit
empfänglichen Thierspecies betreffen. In dem letzteren Falle handelt
es sich um individuelle I m m u n i t ä t.
Die individuelle Immunität kann unbekannte Ur-
sachen haben ; sie kann aber auch — auf natürhche oder künstliche
Weise — erworben sein. Wenn ein Kind Scharlach überstanden hat,
so ist es in der Regel für das weitere Leben gegen eine erneute Schar-
lacherkrankung gefeit. Hier haben mr es mit einer zufälligen,
natürlichen Immunisirung zu thun. Die Immunisirung kann
aber auch absichtlich, künstlich zu Stande gebracht werden,
und zwar durch Einverleibung eines bestimmten, je nach den ver-
schiedenen Krankheiten verschiedenen Impfstoffes, eines „Vaccin",
in den Organismus.
Bekanntlich wird seit beinahe himdert Jahren die (von Jenner
^) Hiermit in Einklang steht die wichtige Entdeckung von A. Gottstein
(Deutsche med. Wochenschr. 1890. No. 24), dass unter Umständen Thiere, die sich
gegen einen bestimmten Krankheitserreger unter normalen Verhältnissen vollständig
refractär verhalten , durch Einverleibung blutkörperchenzerstörender Substanzen für
diesen Erreger empfänglich gemacht werden können. — Hierhin gehört auch die
häufiger gemachte Beobachtung, dass eine bestimmte einzelne pathogene Bakterienart,
in kleiner Quantität dem Thierkörper einverleibt, die Infection nicht zu Wege bringt,
dass die letztere aber sofort erfolgt, wenn daneben noch eine bestimmte andere Art,
die durchaus nicht pathogen zu sein braucht, mit einverleibt wird.
I. Einleitendes. 203
eingeführte) Schutzimpfung gegen die Menschenpocken geübt.
Es handelt sich hier um eine rein empirische Sache. Man hatte
beobachtet, dass Menschen, die sich mit dem Inhalte der Kuhpocken
inficirten, eine leichte locale Erkrankung bekamen, und dass das
Feberstehen dieser leichten Erkrankung Immunität verlieh gegen die
Infection mit den Menschenpocken. Es liegt hier eine merk^nirdige,
aber uns leider noch völlig dunkle Beziehung zwischen zwei von
einander verschiedenen Krankheiten vor. Wir wissen nur, dass diese
Beziehung existirt. Wir erzeugen bei der Kuh oder beim Kalb durch
Impfung absichtlich eine Infectionskrankheit ; wir entnehmen von dem
kranken Thiere Krankheitsstoflf und impfen denselben dem menschlichen
Organismus ein: wir sehen, dass der letztere danach erkrankt; aber
wir sehen diese Erkrankung sehr gern, weil wir wissen, dass das Ueber-
stehen derselben den Organismus schützt vor einer weit gefährlicheren
Krankheit. Wir thun dies Alles, trotzdem wir weder den Erreger der
Kuhpocken noch den der Menschenpocken kenneu, und trotzdem alle
Anstrengungen der letzten Jahre, dieser Erreger, die doch sicher exi-
stiren, habhaft zu werden, bisher gescheitert sind (cf. p. 194). Wie
dem aber auch sei, jedenfalls ist hier die Immunität gegen die eine
Krankheit durch das lieber stehen einer anderen — mit der
ersten vielleicht nahe verwandten — Krankheit, die durch künst-
liche Impfung erzeugt wurde, hervorgebracht worden.
In anderen Fällen, und zwar, wie wir weiter sehen werden, bei
einer Reihe von Infectionski'ankheiten, deren Erreger wir genau kennen,
geschieht die Immunisirung nach dem Vorgange von Pasteur durch
Einverleibung des Erregers derselben Krankheit, gegen
die wir den Organismus schützen wollen. Die Eigenschaften des in
den Organismus einzubringenden Krankheitserregers müssen hier jedoch
in der Weise abgeändert sein, dass eine verderbenbringende Infection
nicht etwa durch die Lnpfung selbst schon erfolgt.
Die erste Entdeckung auf diesem Gebiete wurde 1880 von Pasteur
gemacht. Pasteur fand, dass Hühner — welche bekanntermassen
für die Infection mit den „Hühnercholerabakterien" im höchsten
Grade empfänglich sind und nach der Einverleibung dieser Bakterien
in ihren Körper ausnahmslos an einer schweren Allgemeinerkrankung,
der Hühnercholerasepticaemie, sterben — nur local und vorübergehend
erkranken, wenn man ihnen solche Hühnercholerabakterien unter die
Haut bringt, die in den künstlichen Culturen bereits längere Zeit (eine
Reihe von Monaten) sich selbst überlassen gestanden haben. Nach
dem Ueberstehen dieser localen Erkrankung zeigten sich die Hühner
gegen die Impfung mit den wirksamsten, frischesten Hühnercholera-
204 t*- üif Bakterien als Krankheitserreger.
bakteriell immun. Durch das längere Stehen der ursprünglich so ver-
derbeiibringenden Bakterienculturen haben dieselben demnach an ihrer
Giftigkeit für den Organismus des Huhns, an ihrer „Virulenz", er-
heblich eingebüsst.
Man nennt so veränderte Cultiu-en, so veränderte Bakterien ab-
geschwächt; und es hat sich in der Folge gezeigt, dass eine solche
Abschwächung , ein solcher Verlust der Virulenz ursprünglich
virulenter Bakterien nicht allein bei den Erregern der Hühnercholera,
sondern bei den meisten pathogenen Bakterienarten beobachtet werden
kann. Ebenso hat es sich weiterhin auch gezeigt, dass die Impfung
mit abgeschwächtem Material bei einer ganzen Reihe von Infections-
krankheiten Immunität hervorbringt gegen die Impfung mit virulentem
Material.
Durch welche Einflüsse werden aber virulente Bakterien ab-
geschwächt? Was diese Frage angeht, so giebt es eine ganze Anzahl
Methoden, mit Hülfe deren man virulente Bakterien abzuschwächen
vermag. In dem vorher erwähnten Falle der Hühnercholera war es
das längere Stehen der Culturen, welches die Abschwächung
zu Wege brachte; und Pasteur war der Ansicht, dass der lange
dauernde Einfluss des atmosphärischen Sauerstoffs wesentlich dabei
betheiligt sei.
Ausserdem ist es eine bei vielen pathogenen Bakterienarten ge-
machte Beobachtung, dass die Virulenz geschädigt wird, wenn die
Bakterien längere Zeit auf künstlichem Nährboden weitergezüchtet
werden, ohne den Thierkörper zu passiren.^)
Femer giebt es eine Reihe von chemischen Körpern (sehr
dünne Losungen von Kaliumbichromat, von Schwefelsäure, von Carbol-
säure etc.), die, mit virulenten Bakterienculturen längere oder kürzere
Zeit in Berührung, dieselben abschwächen.
Auch ein längeres Austrocknen kann abschwächend i^irken.
Von ganz besonderer Bedeutung aber haben sich in dieser Be-
ziehung thermische Einflüsse gezeigt. Eine kurz dauernde Erwär-
mung auf höhere Temperaturgrade (bei Mlzbrandbacillen z. B., wie
Toussaint 1880 fand, 10 IMinuten langes Erwärmen auf 55" C.)
Avirkt unter Umständen abschwächend ein. Noch sicherer wirkt m
^) Es ist deshalb im Laboratorium behiils der Erhaltung der Virulenz bei
pathogenen Bakterienculturen die Regel, dieselben — in nicht zu langen Zwischen-
pausen — ab und zu durch den Körper empfängUcher Versuchsthiere zu schicken.
Dadurch erhält sich nicht allein die Virulenz; sie wird sogar häufig gesteigert.
Und wenig virulente Culturen können auf diese Weise gelegentlich wieder zur vollen
Virulenz zurückgebracht werden.
I. Einleitendes. 205
manclien Fällen (z. B. beim Milzbrandbacillus) die C ii 1 1 i v i r ii n g der
Bakterien bei Temperaturen, die zwar erheblich niedriger als die eben
genannten sind, aber doch nahe an der Grenze liegen, imterhall) deren
die betreffende Bakterienspecies überhaupt noch zu wachsen vermag.
Ausserdem beobachtet man eine Ahschwächung mitunter auch
dann, wenn man die Bakterien durch einen für sie wenig ge-
eigneten Thierkörper passiren lässt. Pasteur hat z. B.
gefunden, dass die Schweinerothlaufbacillen, welche für junge Schweine
edler Kassen ein äusserst gefährliches infectiöses Material bilden, die
Virulenz für Schweine verlieren, wenn man sie zunächst Kaninchen
einimpft, und dann aus dem Kaninchenkörper weiter cultivirt.
Alles in Allem pflegen Ab seh wach ungs Vorgänge also dann
einzutreten, wenn man virulente Bakterien in Aussen-
Verhältnisse versetzt, welche ihnen ungünstig sind und
ihrer eigentlichen Natur wenig entsprechen.
Was ist nun das Wesen der Ahschwächung? Wie unter-
scheiden sich abgeschwächte Bakterien, abgesehen von der Veränderung
der Virulenz, von gleichnamigen virulenten Bakterien? Durch umfang-
reiche Versuche, welche Smirnow^) in dem Institut von Flügge
angestellt hat, hat sich als ziemlich allgemein zutreffend die Thatsache
herausgestellt, dass der Verlust der Virulenz mit einer allgemeinen
Degeneration der Bakterien verbunden ist. Die abgeschwächten
Bakterien wachsen auf dem künstlichen Nährboden im Allgemeinen
langsamer als die virulenten, die sporenbildenden unter ihnen zeigen
sich in der Sporenhildung verlangsamt, die abgeschwächten Culturen
sind in jeder Beziehung weniger ki'äftig als die virulenten Culturen.
Es muss jedoch bemerkt werden, dass das genannte Gesetz ganz
allgemein gültig doch nicht ist. So befinden sich, wie Behring 2)
mitgetheilt hat, im Koch'schen Institute Milzbrandbacillenculturen,
welche l)ei erheblichster Ahschwächung ihrer Virulenz in ihren son-
stigen Fähigkeiten, in der Schnelligkeit des Wachsthums, der Sporen-
bildung etc. sich wie die ki-äftigsten . virulentesten Milzbrandculturen
verhalten.
Es ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass eine einmal eingetretene
Ahschwächung sich bei fortgesetzten Uebertragungen in immer frischen
Nährboden hinein entweder dauernd-^) oder doch für längere oder
») Zeitschr. f. Hyg. Bd. 4. 1SS8.
-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1SS9. p. 137.
^) Damit die Abschwäcbimg eine dauernde bleibt, ist es nach Roux (7. inter-
nat. Congr. f. Hyg. u. Demogr. London 1891. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 10.
p. 649) nothwendig, dass der Abschwächungsprocess langsam vor sich geht.
206 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
kürzere Zeit zu erhalten pflegt: d. h. die einmal durch ungünstige
äussere Verhältnisse modificiiien Bakterien erlangen hei Wiederher-
stellung günstigster Culturhedingungen ihre früheren normalen Eigen-
schaften durchaus nicht sofort, mitunter sogar überhaupt nicht, "wieder.
Durch die Impfung mit abgeschwächten Infections'
Stoffen hat man nun gegen eine ganze Reihe von Ivi'ankheiten künst-
liche Immunität zu erzeugen vermocht. Ausser der Hühner-
cholera war es zunächst der Milzbrand, gegen den eine künstliche
Immmiisirung durch Einimpfen in bestimmter Weise künstüch zu-
bereiteter Vaccins ermöglicht wurde. Toussaint erhielt (cf. p. 204}
durch 10 Minuten lange Erwärmung virulenter ]\Iilzbrandbacillen (Blut
von Milzbrandthieren) auf 55 o C. Vaccins. Pasteur stellt sich seine
Vaccins dar durch Cultivirang der Mlzbrandbacillen in Bouillon bei
einer Temperatur zwischen 42 und 43^ C. (cf. p. 205). Auch für den
Rauschbrand, eine in vielen Gegenden häufig vorkommende Ki'ank-
heit der Rinder, wurde, und zwar durch Arloing, Cornevin und
Thomas, eine künsthche Immunisirung aufgefunden. Die genannten
Autoren erhitzten das getrocknete, sehr infectiöse Fleisch der an Rausch-
brand verendeten Thiere auf 100« C. und erzielten dadurch emen
Vaccin. Gegen den Schweinerothlauf kann man nach der Ent-
deckung Paste ur's Schweine dadurch immmiisiren, dass man ihnen
Schweinerothlauf bacillen einverleibt, die in der oben (p. 205) an-
gegebenen Weise durch das Passh'en des Kaninchenkörpers abgeschwächt
wurden. Endhch kann man auch, wie ebenfalls Pasteur gefunden
hat, gegen die Hundswuth, deren Erreger wir im Uebrigen noch
ganz und gar nicht kennen, Hunde durch Einimpfimg abgeschwächten
Infectionsmaterials innnunisii'en. Die Abschwächung wird in diesem
Ealle dadurch bewerkstelhgt, dass man kleine Stücke der nervösen
Centralorgane an Hundswuth verendeter Thiere, in welchen das noch
unbekannte Gift der Hundswuth enthalten ist, längere oder kürzere
Zeit in trockener Luft der Austrocknung (cf. p. 204) überlässt.
Fassen wir nun diejenigen Krankheiten ins Auge, deren Erreger
bekannt sind, und bei denen durch Einimpfung der abgeschwächten
Bakterien eine künsthche Immunisirung des Thierkörpers gegen die
Infection mit virulenten Bakterien erfolgt, so drängen sich uns mehrere
Fragen auf: Was wird im Thierkörper aus den demselben eingeimpften
abgeschwächten Bakterien? Welche Veränderungen erleidet der Thier-
körper bei dem Immmiisirungsacte ? Wodurch wird er in den Stand
gesetzt, die Einimpfung virulenten Materials schadlos zu ertragen?
Was geschieht mit den dem immunen Thiere eingeimpften virulenten
Bakterien ?
I. Einleitendes. 207
Stellen wir uns behufs der Beantwortung dieser Fragen zunächst
eine Vorfrage: Was wird überhaupt aus irgend welchen Bakterien,
die dem Thierkörper einverleibt werden? Vermag der Organismus die
Bakterien etwa auf dem Wege der ^'ieren, des Darms, der Haut etc.
auszuscheiden? Nun, dies ist im Allgemeinen nicht der Fall. '^) Wenn
es sich um solche Bakterien handelt, welche für die betreffende Thier-
species nicht pathogen, also unschädlich sind, so verschwinden die-
selben nach dem Einbringen in den Thierkörper in kürzester Frist
spurlos. Sie werden von den Säften des Körpers direct abgetödtet
(cf weiter unten) und dann, eventuell unter Vermittelung gewisser Zellen
(Gefässendothelien in Milz, Leber und Knochenmark), aufgelöst und end-
gültig vernichtet. Handelt es sich hingegen um Bakterien, die für die
betreffende Thierspecies pathogen sind, so beobachtet man zunächst zwar
auch eine gewisse Schädigung der Bakterien im Thierkörper; dann
jedoch gelangen die Bakterien zur Vermehrung; d. h. das Thier er-
krankt, um schliesslich an der Infection zu Grunde zu gehen, der
Uebermacht der Bakterien zu erliegen.-)
Die Frage, was denn aus abgeschwächten Bakterien werde, die
dem für die gleichnamigen virulenten Bakterien empfänglichen Thier-
körper einverleibt werden, ist nun ebenso leicht zu beantworten wie
die andere Frage, was denn aus den virulenten Bakterien werde, die
dem künstlich gegen die Infection immun gemachten Thierkörper ein-
geimpft werden. In beiden Fällen nämlich tritt in kürzester Zeit eine
vollständige Vernichtung des eingeführten Bakterienmateriales ein. Das-
selbe verschA\ändet spurlos.'^)
Anders jedoch steht es mit der Beantwortung der Frage, in
welcher Weise der Thierkörper bei der Immunisirung verändert wird;
welche Vorgänge schliesslich der Grund sind, dass der Körper die
spätere Einführung virulenten Infectionsstoffes unbeschädigt übersteht.
Es sind zur Erklärung dieser Dinge eine ganze Reihe von Hjqjothesen
aufgestellt worden. Die „Erschöpfungshypothese" von Klebs
und Pasteur, eine Hypothese, welche heute wohl völlig verlassen ist,
nahm an, dass bei der Immunisirung eine Erschöpfung des Körpers
an gewissen für die Bakterien nothwendigen Nährstoffen eintritt, und
dass in Folge dieser Erschöpfung die späterhin in den Körper ein-
dringenden virulenten Bakterien in demselben nicht zu gedeihen ver-
^) In einzelnen Fällen ist Ausscheidung pathogener Bakterien durch Nieren,
Darm, Haut etc. beobachtet.
-) cf. Flügge und Wyssoko witsch. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1SS6.
3) cf. Flügge und Bitter, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 4. 1888. p. 299 ff. —
Emmerich und di Mattei, Fortschr. d. Med. 1888. No. 19.
208 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
mögen. Eine andere Hypothese, die „E etentionshypothese"
Chanveau's, nimmt an, dass bei der Immnnisirung gewisse Stoff-
wechselproducte der Bakterien in dem Thierkörper znrückgehalten
werden, die eine spätere Ansiedelimg virulenter Bakterien verhindern.
Wir werden sehen, dass diese Hypothese der Sache viel näher kommt.
Eine dritte Hjqjothese, welche Metschnikoff auf seine „Phago-
cytentheorie" gegründet hat, nimmt an, dass gewisse Körperzellen,
nämlich die weissen Blutkörperchen und gi'össere Organzellen (Phago-
cyten), denen die Phagocytentheorie überhaupt die Fähigkeit zuspricht,
Bakterien activ anzugreifen und „aufzufressen", bei dem Immunisii'ungs-
acte sich in der Bakterienvemichtung an den abgeschwächten Bakterien
üben und hierdurch die Fähigkeit erlangen, die später in den Körper
eindringenden virulenten Bakterien ebenfalls zu vernichten.^)
Die genannten H^^pothesen waren sämmtlich aufgestellt worden
zur Yerständlichmachung der Vorgänge, die bei der künstlichen Im-
munisirung durch Einverleibung abgeschwächten Bakterienmaterials
in den Körper statthaben. Ganz neue Gresichtspunkte aber wurden
geschaffen durch die Entdeckung von Salmon und Smith'-) (1887),
dass eine Inmiunisirung auch möglich ist ohne die Mitwirkung lebenden
Bakterienmaterials, d. h. dass es eine Immunisirung auf rein
chemischem Wege giebt. Den genannten Autoren gelang es,
Tauben gegen Hog- Cholera (amerikanische Schweineseuche) zu inmiu-
nisiren durch Einverleibung der bakterienfreien, gelösten Stoflfwechsel-
producte-^) von Hog-Choleraculturen, Diese Entdeckung, welcher eine
^) H. Büchner, welcher (cf. hinten unter „Eiterniikrococcen'') an einer
grösseren Reihe von Bakterienarten nachgewiesen hat, dass die in der Bakterienzelle
vorhandenen Eiweisskörper (Proteine; cf. vorn p. 46) Leukocyten-anlockend (positiv
chemotactisch) wirken, denkt sich die phagocj'ti sehen Vorgänge so: Je stärker
ein Mikroorganismus durch die Körpersäfte des betreffenden Thierorganismus ge-
schädigt (cf. weiter unten) wird, um so mehr kommt es zur Proteinausscheidung und in
Folge dessen zur Anlockung von Leukocyten (7. Internat. Congr. f. Hyg. u. Demogr.
London 1891. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. p. 713). Die Ausscheidung plasma-
tischer Inhaltsbestandtheile aus der Bakterienzelle beginnt nach Buchner's An-
sicht (Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. 1891. p. 7.35) sofort, wenn die Bakterien in un-
günstige Lebensbedingungen gerathen.
^) D. E. Salmon und Th. Smith, Experiments on the production of
immunity by the hypodermatic injection of sterilized cultures. (Medic. Congress
Washington, 6. Sept. 1887. — Med. News. 1887. vol. 2. No. 12. p. 343.)
•^ Die bakterienfreien Stoff'wechselproducte werden dadurch erhalten, dass man
die Bakterieneulturen unter Druck durch (unglasirtes) Porcellan filtrirt (Pasteur-
Ch amber lan dusche Porcellaufilter , Porcellankerzen) , wobei die Bakterien als feste
Theile zurückbleiben, oder dass man die Culturen durch stärkere Erhitzung von den
lebenden Bakterien befreit. — Einfache Apparate, bei welchen die Filtration (unter
I. Einleitendes. 209
Reihe analoger Beobachtungen von anderen Seiten^) sehr bald folgten,
warf mit einem Schlage die ganze Frage der künstlichen Immunisirung
auf das chemische Gebiet hiaüber. Es war durch diese Entdeckimgen
der sichere Nachweis erbracht, dass — wenigstens in den beobachteten
Fällen — eine chemische Veränderung der Säfte des Körpers
bei resp. nach dem Inimunisirungsacte stattfindet, welche den Körper
resistent macht gegen den Angriff des räulenten Bakterienmaterials.-)
Fast zu gleicher Zeit mit der Entdeckung der chemischen Lii-
munisirung wurden Thatsachen bekannt, die sich zwar lediglich auf
die normalen, unveränderten Körpersäfte bezogen, die aber doch die
Ermittelungen über die Möglichkeit der chemischen Immunisirung nur
zu stützen geeignet waren. Es wurde nämlich — die erste derartige
Beobachtung stammt von Fodor-^j (1887) — constatirt, dass die
Säfte des normalen lebenden Körpers, speciell das Blut,
bakterienvernichtende Eigenschaften besitzen. Der Vorgang,
den man experimentell beobachten kann, ist im Allgemeinen der,
dass das Bakt-erienmaterial, welches in frisch aus der Ader entnommenes
Thierblut eingebracht wird, zunächst erheblich geschädigt wird in der
Weise, dass ein grosser Theil der Bakterienzellen abgetödtet wird.
Erst nach einer Eeihe von Stunden lässt die bakterientödtende Kraft
des Blutes nach ; und dann vermögen sich die event. entwickelungs-
fähig gebliebenen Bakterienzellen auf Kosten des unwirksam gewordenen
Zuhülfenabme einer Wasserstrahl -Luftpumpe durch Porcellan (Thon) geschieht, con-
struirten unter Anderen Kitasato (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891. p. 269) sowie
Eeichel (Sitz.-Ber. d. Phys.-Med. Gesellsch. zu Würzburg. 1891. p. 44). Der
letztere Apparat wird von E. Muencke in Berlin fabricirt. — Bitter (Zeitschr.
f. Hyg. Bd. 10. 1891) hat die aus gebrannter Infusorienerde bestehenden sog.
„Berkefeld"-Filter für diesen Zweck empfohlen. — Ferner sind gegenwärtig viel-
fach die PukalTschen hartgebrannten Filter aus porösem Thon (Ber. Deutsch.
Chem. Ges. Jahrgang 26. 1893. Bd. 1. p. 1159) in Gebrauch. — Yergl. über
bakteriendichte Filter im Allgemeinen auch oben p. 180.
^) In demselben Jahre 1887, in welchem Salmon und Smith ihre Ent-
deckung machten, gelang eine Immunisirung auf rein chemischen Wege Foä und
Bonorae bei Kaninchen und Fröschen gegen Infection mit Proteus vulgaris
und Proteus capsulatus; ferner gelang eine derartige Immunisirung gleichzeitig
Chamberland und Roux bei Pferden, Eseln, Hammeln und Hunden gegen
malignes Oedem, Roux bei Meerschweinchen gegen Eauschbrand.
'^) Damit in Uebereinstimmung steht auch die Entdeckung von Wooldridge
(Arch. f. Anatomie und Physiologie. 1888), dass sich aus dem normalen Thierkörper,
ohne irgend welche Mitwirkung von Bakterien, Eiweiss- (Fibrinogen-) Lösungen her-
stellen lassen, deren Einverleibung Immunität gegen Infection mit virulentem Milz-
brand hervorruft.
^) cf. Deutsche med. Wochenschr. 1887. No. 34.
Güuther, Bakteriologie. 4. Auflage. 14
210 B- r>ie Bakterien als Krankheitserreger.
(todten) Blutes zu vemiehren. Um die experimentelle Feststellung der
bakterienfeindlichen ( „ b a c t e r i c i d e n ", „ m i c r o b i c i d e n ") Eigen-
schaften der normalen thierischen Körpersäfte, speciell des Blutes,
haben sich ausser F o d o r besonders N u 1 1 a 1 1 ^) (im Flügge' sehen
Institut), Behring-) und H. Büchner^) verdient gemacht. Es
wurde hierbei gleichzeitig constatirt, dass die bakterienschädigende
Eigenschaft des Blutes auch dem daraus gewonnenen Blutserum
zukommt; und Buchner*) emiittelte (1889), dass im (zellenfreien)
Blutserum enthaltene Eiweisskörper — von Buchner später'^)
„ A 1 e X i n e " '') genannt — der Ti'äger dieser Eigenschaft seien. Gleich-
zeitig wurde aber auch constatii't, dass nicht das Blut einer jeden
. Thierspecies auf jede beliebige Bakterienart schädigend einwirkt, sondern
dass in manchen Fällen bactericide Vorgänge völlig vermisst werden. ')
Die Entdeckung dieser Thatsachen, der Nachweis, dass sich in
den noiinalen thierischen Körpersäften Substanzen gelöst vorfinden.
«) Zeitschr. f. Hyg-. Bd. 4. 1S88.
•■^) Centralbl. f. kün. Med. 1888. No. 38.
3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 5. 1889. No. 25; Bd. 6. 1889. No. 1 und 21;
Arch. f. Hyg. Bd. 10. 1890.
*) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. p. .562. Wie Buchner bei diesen
Untersuchungen fand, verliert das Serum durch Dialysiren gegen destillirtes Wasser
(nicht durch Dialysiren gegen physiologische Kochsalzlösung) , ferner durch ein-
stündiges Erwännen auf 55"^ C. oder durch sechsstündiges Erwärmen auf 52" C.
seine Wirksamkeit. (Die Untersuchungen wurden an Kaninchen- und Hundeblut mit
Typhusbacillen angestellt.) Wie Bu ebner (Arch. f. Hyg. Bd. 17. 1893. p. 139
und 142) weiter fand, bekommt das Serum, welches durch Wasserzusatz seine Acti-
vität verloren hat, dieselbe wieder durch Zusatz von Chlornatrium, ebenso auch
durch Zusatz anderer Neutralsalze. Ferner stellte Bu ebner (1. c. p. 149) fest, dass
die Zugabe von Amnioniumsulfat (auch andere Neutralsalze thun es, aber Sulfate,
namentlich Ammoniumsulfat, wirken am besten) zu dem verdünnten Serum die Ee-
sistenz desselben gegen Erhitzung um etwa 10 Temperaturgrade steigert.
(In dieser Beziehung ähnlieh verhalten sieh, wie bereits vorher durch Biernacki
[Zeitschr. f Biol. Bd. 28. 1891. p. 53] im Laboratorium von W. Kühne gefunden
wurde, Enzyme und, wie Buchner fand [Arch. f. Hyg. Bd. 17. 1893. p. 165, 169],
auch das Tetanus- und Diphtheriegift sowie IVIilzbrandsporen. Von allen diesen Dingen
konnte nachgewiesen werden , dass ihre Kesistenz gegen Erhitzung durch Anwesen-
heit von Salzen [namentlich Ammoniumsulfat] gesteigert wird).
■^) Münchener med. Wochenschr. 1891. p. 437.
^) Hergeleitet von uli^nv (= abwehren). Diese Alexine oder Abwehrstoffe sind
nach Buchner (Centralbl. f. Bakt. Bd. 14. 1893. p. 729) als Producte ge-
wisser zelliger Elemente des Organismus, und zwar speciell der Leuko-
cyten (Müneh. med. Wochenschr. 1894. p. 719), aufzufassen.
') Buchner (Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. p. 9) constatirte, dass, während
Kaninchen- und Hundeserum Typhusbacillen vernichtet, Einder- und Pferdeserum
typhusbacillenvernichtendc Eigenschaften nicht besitzt.
I. Einleitendes. 211
die für Bakterien Gifte sind, für den tliierischen Körper aber nicht ^),
war — so ausserordentlich wichtig er principiell auch war — an und
für sich noch nicht geeignet, den Zustand der Immunität zu er-
klären. Wenn nämlich die Immunität eines Individuums gegen eine
bestinmite Infectionski'ankheit auf dem Gehalt seiner Körpersäfte an
Substanzen beruht, welche die eindringenden specifischen virulenten
Bakterien schädigen und zerstören, so müssen diese bakterienschädigen-
den Substanzen in dem Körper eines empfänglichen Individuums fehlen.
Eine derartige Beobachtung wurde allerdings, und zwar von Behring")
(1888), gemacht. Behring fand, dass das Blut der (von Natur
gegen Milzbrand unempfänglichen) Ratte und das daraus hergestellte
Serimi milzbrandbacillenvernichtende Eigenschaften besitzen, während
(las Blut und das Serum der (für Milzbrand empfänglichen) Mäuse,
Meerschweinchen, Kaninchen, Hammel und Rinder milzbrandbacillen-
vernichtende Fähigkeiten nicht im Geringsten besitzen, sondern einen
guten Nährboden für den Milzbrandbacillus abgeben. Während nun
in diesem Einzelbeispiele der Zustand der Immunität gegen eine be-
stimmte Infectionskrankheit mit dem Vorhandensein von Substanzen
im Blutserum zusammenfällt, die auf die entsprechenden Bakterien
schädigend wirken, andererseits der Zustand der Empfänglichkeit mit
dem Mangel derartiger Substanzen im Blutserum verbunden ist, so
hat sich eine derartige Beziehung zwischen Immunität und Eigenschaft
des Blutserums durchaus nicht etwa als allgemein und gesetzmässig
herausgestellt. Im Gegentheil : Die oben geschilderte Beobachtung
von Behring beim Milzbrand hat sich als eine Ausnahme erwiesen,
der nur ganz vereinzelte gleichnamige an die Seite gestellt werden
können.'^) Bactericide Eigenschaften des Blutes resp.'
des Blutserums können demnach für die Erklärung
^) Ganz richtig ist dies nicht. Das normale Serum besitzt bluttörperchen-
zer stör ende („globulicide") Eigenschaft gegenüber den Blutkörperchen einer
anderen Thierspecies. Hundeblutserum vernichtet z. B. Kaninchenblutkörper. Durch
Erhitzen auf 50 — 60 ^ C. geht die globulicide Fähigkeit (wie die bactericide [cf. oben
p. 210, Anm. 4]) des Blutserums verloren (cf. Daremberg, Acad. des sciences. Paris.
19 oct. 1891; Arch. de med. exper. et d'anat. pathol. 1891). Die globulicide Wirk-
samkeit des Blutserums erstreckt sich übrigens auch auf fremde Leukocyten
(Buchner, Münch. med. Wochenschr. 1892. p. 119).
-) Centralbl. f. kUn. Med. 1888. No. 38.
^) Charrin und Roger (cf. Bouchard, 10. Internat, med. Congr. Berlin
1890. — Verhandl. Bd. 1. p. 54) fanden, dass das Serum des gegen die Infection
mit Bac. pyocyaneus immunisirten Kaninchens schädigend wirkt auf den Bac. pyo-
cyaneus , während das Serum des normalen Kaninchens einen guten Nährboden fin-
den genannten Mikroorganismus darstellt. — Behring und Nissen (Zeitschr. f.
14*
212 B- Die Bakterien als KrankheitseiTeger.
des Zustandes der Immunität im Allgemeinen nicht
herangezogen werden.
Weitere Studien auf diesem Gebiete, die zunächst Behring und
seinen Mitarbeitern zu danken sind, haben jedoch eine ganz gesetz-
mässige Eigenschaft des Blutserums von Individuen, die
auf irgen.d welche Weise Immunität gegen eine be-
stimmte In fectionsk rankheit erworben haben, erkennen
lassen: Ist ein Individuum (durch Ueberstehen einer spontan auf-
tretenden oder durch künstliche Impfung herbeigeführten Erkranlvung)
gegen eine bestimmte Infectionskrankheit imimmisirt worden, so hat
sein Blut und ebenso das daraus dargestellte Serum damit die Fähig-
keit erlangt, den Zustand der Immunität auf ein für dieselbe
Infectionski'ankheit empfängliches Individuum (beliebiger Species), in
dessen Organismus es — in genügender Quantität — eingebracht wird,
zu übertragen (Behring'sches Gesetz).
Die erste Beobachtung, welche in dieses Gebiet hineingehört,
wurde (1888) von Hericourt und Riebet^) gemacht, die zweite
(1889) von Babes und Lepp. -) Immerhin haben diese vereinzelten
Beobachtungen zu einem weiteren Ausbau des in Eede stehenden Ge-
bietes keine Veranlassung gegeben ; das ist erst durch die syste-
matischen Arbeiten B e bring' s und seiner IMitarbeiter geschehen.
Die erste Behring' sehe Mittheilung ^) (1890) bezog sich auf
den Tetanus. Es war Behring und Kitasato gelungen, Kanin-
chen gegen Tetanus zu immunisiren. Das Blutserum der gegen Te-
tanus immunisirten Kaninchen, den (für Tetanus ausserordentlich emp-
fänglichen) Mäusen einverleibt, machte die letzteren unempfängUch für
Tetanus. Der Tetanusbacillus gehört, wie bereits oben (p. 199, 200)
auseinandergesetzt Avurde, zu den toxischen Bakterienarten. Dringen
Hyg. Bd. 8. 1S90) constatirten, dass das Serum des gegen die Infection mit Vibrio
Metschnikoff immunisirten Meerschweinchens den Vibrio Metschnikofif kräftig ab-
tödtet, während das Serum normaler Meerschweinchen keine Spur von schädigender
Einwirkung gegenüber dem Vibrio Metschnikoff besitzt.
^) Comptes rendus de l'Acad. des sciences. Paris, t. 107. 18SS. p. 750. Den
Autoren gelang es, den Zustand der Immunität von Hunden, welche künstlich gegen
die Infection mit dem „Staphjlococcus pyosepticus" immunisirt worden waren, da-
durch auf Kaninchen zu übertragen, dass den letzteren das Blut der Hunde intra-
peritoneal einverleibt wurde: „II tious semble donc assez probable que le sang des
chiens inocules precedemment avec le Staph. pyosepticus, puis absolument gueris,
confere une immunite plus complete que le sang des chiens intacts."
^) Ann. de Tlnstitut Pasteur. 1889. No. 7. Den Autoren gelang es, mit den
Säften gegen Hundswuth refractär gemachter Thiere andere Thiere zu immunisiren.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1890. No. 49.
I. Einleitendes. 213
Tetanus k e i ni e m einen empfänglichen Körper ein, so vermehren sie
sich an der Infectionsstelle ; hier, an der Vermehrungsstelle der Bak-
terien, wird das furchtbare Tetanus gif t gebildet, welches in den Körper
aufgesogen wird imd dann seine deletären Allgemeinwirkungen ent-
faltet. Das Tetanusgift wird aber, ebenso wie hier im Körper, auch
ausserhalb desselben, in der künstlichen Cultur des Tetanusbacillus
gebildet. Befreit man eine künstliche Cultur von den lebenden Bacillen-
keimen (durch Filtration), so hat das bakterienfi-eie , giftige Filtrat, in
der passenden Dosis dem Thierkörper einverleibt, die Erki-ankung des
Thieres an Tetanus ebenso zur Folge wie vorher das Eindringen der
Tetanuskeime. In dem ersten Falle haben wir zunächst eine Tetanus-
infection: die Keime dringen in den Körper ein und vermehren
sich; im Anschlüsse daran entsteht eine Intoxication: die von.
den sich vermehrenden Keimen gebildeten Gifte werden resorbirt und
wirken. In dem zweiten Falle hingegen haben wir sofort, primär, eine
Intoxication: das fertige Tetanus gif t als solches, als gelöster
chemischer Körper, dringt in den Organismus ein und wirkt. Beh-
ring und Kitasato stellten nun in der citirten Arbeit die wichtige
Thatsache fest, dass die Einverleibung des Senmis künstlich gegen
Tetanus immunisirter Thiere tetanusempfängliche Thiere nicht allein
gegen die Tetanusinfection, sondern auch gegen die
primäre Intoxication schützt. Den Autoren war es ferner
gelungen, tetanuserkrankte Thiere, d. h. Thiere, in deren
Körpersäften das Tetanusgift bereits wirksam kreiste, durch Einverlei-
bung des Blutserums immunisirter Thiere zu heilen. Die erwähnten,
von Behring und Kitasato experimentell festgestellten Thatsachen
documentiren ohne Weiteres, dass die immunität- resp. heilungbringende
Wirkung des Serums tetanusimmunisirter Thiere auf giftwidrigen
(„an ti toxi sehen") Eigenschaften dieses Serums beruht, welche es
dem Tetanusgift gegenüber entfaltet, und dass sie nicht etwa mit bak-
terienschädigenden (bactericiden , antibacteriellen) Eigenschaften zu-
sammenhängt. Die antitoxische Fähigkeit des immunisii'enden resp.
heilenden Serums wurde von Behring und Kitasato als eine
directe Giftzerstörung, als Neutralisirung des Giftes im che-
mischen Sinne, aufgefasst. Wir werden weiterhin sehen, dass später
entdeckte Thatsachen in gewichtiger Weise gegen die Zulässigkeit einer
derartigen Auffassung sprechen.
Die citirten Entdeckungen bei Tetanus sind der Ausgangspimkt
einer grossen Reihe von Untersuchungen geworden, welche sich darauf
bezogen, in wie weit das Blutserum künstlich immunisirter Individuen
bei Infectionskrankheiten für Heilzwecke verwendbar sei. Specielle
214 ^- Die Bakterien als Krankheitserreger-
Rücksichtnahme erheischte natürlich die Frage, oh in Erkrankungs-
fällen des Menschen diese „Blutsernmtherapie"^) anwendbar
nnd aussichtsvoll sei. Bei diesen Untersuchungen hat sich nun zu-
nächst ergeben, dass das B ehr Ingusche Gesetz überall zutreffend ist.
In jedem Einzelfall von erworbener Immunität, der bisher daraufhin
untersucht wurde, hat sich das Blutserum fähig erwiesen, die Immu-
nität auf empfängliche Individuen zu übertragen. Diese Fähigkeit ist
selbstverständlich stets eine specifische ; d. h. die Imnmnität wird nur
für diejenige Krankheit durch die Uebertragung geschaffen, gegen
welche das Ausgangsindividuum immunisirt war. -) Femer hat sich
dm'chgängig die Thatsache als zutreffend erwiesen, dass Individuen,
welche von Natur immun sind gegen eine bestimmte Infections-
ki-ankheit, in ihrem Blutserum keine immunisirenden Sub-
stanzen haben. Diese Substanzen sind also niemals von Natur aus
in einem Individuum vorhanden, sondern sie müssen immer erst ge-
bildet werden; und zwar geschieht dies bei der Lnmunisirung. Für
das Verständniss der natürlichen Immunität fehlt uns vorläufig
noch jeder Anhalt.
Unter den bisher imtersuchten Ki'ankheiten hat sich in den ge-
nannten Beziehungen dem Tetanus am nächsten gestellt die Diph-
therie.^) Auch hier haben wir eine Krankheit, die dm'ch toxische
Bakterien (cf. oben p. 200) veranlasst wird; auch hier sind die All-
gemeins}Tnptome der Krankheit auf Intoxication zu beziehen; auch
hier hat sich das Blutserum künstlich immunisirter Individuen durch
seine antitoxischen Eigenschaften wirksam erwiesen. Man kann
den Vorgang der Immunisirung gegen Tetanus und gegen Diphtherie,
dem Wesen dieser Krankheiten entsprechend, auch als Giftfestigung
*) cf. Behring, Die Bhitserumtherapie. I. Leipzig, G. Thieme. 1892. p. fi.
^) Ganz ohne Einschränknng gilt dies allerdings nicht. Wie Eoux (Annales
de l'List. Pasteur. 1894. No. 10. p. 726) fand, wirkt die Einverleibung des Serums
tetanusimmunisirter Thiere in den Körper anderer Individuen nicht allein
gegen die Tetanusintoxication, sondern auch gegen die Intoxication mit Schlangen-
gift. (Umgekehrt aber ist das Serum schlangengiftimmunisirter Thiere, welches
nach den Feststellungen von Calmette, sowie von Phisalix und Bertrand
gegen die Schlangengiftintoxication schützt [cf. Calmette, Ann. de l'Inst. Pasteur
1894. p. 284] gegen Tetanus nicht wirksam.) Ebenso wirkt nach Eoux das Serum
hundswuthimmunisirter Kaninchen in hohem Grade schlangengiftwidrig.
Vergl. über diese Verhältnisse auch die Mittheilungen von Calmette (Ann. de
ITnst. Pasteur 1895. p. 241 ff.)
^) Nachdem Behring die auf die Diphtherie bezüglichen Verhältnisse bereits
1890 angedeutet hatte (Deutsche med. Wochenschr. 1890. No. 49), ist von Beh-
ring und W ernicke (1892) eine grundlegende Arbeit über diesen Gegenstand er-
schienen, welche unten genauer citirt werden soll (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892).
I. Einleitendes. 215
bezeichnen. Ehrlich^) hat nun den wichtigen Nachweis geführt, class
das Behring' sehe Gesetz auch für Giftfestigungen gegen andere als
durch Bakterien gebildete Gifte gilt. Ehrlich gelang es, Mäuse
gegen Ei ein (einen ausserordenthch giftigen, in den Ricinussamen
enthaltenen Eiweisskörper) sowie gegen Abrin (das Toxalbuniin der
Jequiritybohne) dadurch zu immunisiren , dass er langsam steigende
Dosen der resp. Gifte an die Thiere verfütterte. Das Blut der „ricin-
festen" Thiere zeigte dann die Fähigkeit, die Ricinfestigkeit auf nor-
male Thiere zu übertragen. Die Versuche mit den „abrinfesten" Thieren
hatten entsprechende Resultate. Calmette, sowie Phisalix und
Bertrand^) fanden, dass das Blutserum von gegen Schlangen-
giftintoxication immunisirten Thieren andere Thiere gegen die
Intoxication mit Schlangengift zu schützen vermag.
Unter den Infectionskrankheiten hat sich auch überall da das
Behring' sehe Gesetz als zutreffend erwiesen, wo man bei der Im-
munisirung nicht von Giftfestigung sprechen kann; es gilt z. B. ftir
alle Fälle von Septicaemien (cf. p. 200), die bisher in dieser Be-
ziehung untersucht wurden.'^) Ja, selbst bei Infectionskrankheiten,
deren Erreger uns noch völlig unbekannt sind, und bei denen wir
auch über eventuelle Gifte noch gar nichts Genaueres wissen, wie
z. B. bei der Hundswuth,^) gilt das Behring'sche Gesetz: Das
Blutserum künstlich ünmunisirter Individuen vermag die Lnmunität
auf normale Individuen zu übertragen.
Die LQ Rede stehenden Untersuchungen haben auch auf die Vor-
gänge bei der spontanen Heilung von Infectionskrank-
heiten ein Licht geworfen. Dieselbe scheint ganz im Allgemeinen
so zu erfolgen, dass sich in dem erkrankten Organismus, und zwar im
Blute, Körper bilden, welche die die Infectionskrankheit veranlassen-
den SchädUchkeiten paralysiren. Ist die Krankheit dann überstanden,
so finden sich diese „Antikörper",'^) „Antitoxine" im Blute
weiterhin vor; ihnen verdankt der Organismus in denjenigen Fällen,
in welchen das Ueberstehen der Ki'ankheit Immunität erzeugt, diese
^) Deutsche med. Wochenscbr. 1891. No. 32 und 44.
2) cf. oben p. 214, Anm. 2.
*) cf. z. B. die Mittheilungen von Lorenz über Schweinerothlauf (Centralbl.
f. Bakt. Bd. 13. 1893. No. 11/12 und Bd. 15. 1894. No. 8/9). Kitt (cf. Cen-
tralbl. f. Ballt. Bd. 14. 1893. p. 869) fand, dass Hühner durch die Impfung mit
der Substanz von Eiern Hühnercholera-immunisirter Hennen gegen Impf hühnercholera
geschützt werden können.
^) cf oben p. 212, Anm. 2.
">) cf. Ehrlich, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 184,
216 B- r)ie Balvterien als Krankheitserreger.
Eigenschaft der Immunität. Bei Menschen, welche Pneu m u n i e / )
Typhus,^) Cholera,'^) Diphtherie*) überstanden haben, hat
sich das Blutserum von immunisirender Einwii'kung gegenüber Ver-
suchsthieren erwiesen.
Was die Anwendung der Blutserumtherapie bei dem
erkrankten Menschen angeht, so kommt bisher in dieser Be-
ziehung fast ausschliesslich die Diphtherie'^) in Frage. Zwar ist
auch bereits bei einer ganzen Anzahl von Tetanus fällen die Blut^
Serumbehandlung zur Anwendung gelangt;") jedoch liegen die Ver-
hältnisse für die Tetanusbehandlung noch nicht so, dass sichere Erfolge
erzielt werden könnten.
Was die Diphtherie betrifft, so wiu'den die ersten genaueren
Mittheilungen über die schützende resp. heilende Fähigkeit des Blutes
immunisirter Thiere von Behring und Wernicke') (1891) gemacht.
Die Autoren zeigten, dass das extravasculäre Blut diphtherieimmuni-
sirter Meerschweinchen die Fähigkeit besitzt, normale Meerschweinchen
gegen Diphtherie zu immunisiren, wenn es ihnen intraabdominell
eingespritzt wird, und dass sich diphtherieinficirte Meerschweinchen
durch Einverleibung solches Serums heilen lassen; auch das Blut
(liphtherieimmunisirter Kaninchen konnte zur Immunisiruug resp. Hei-
lung der Meerschweinchen benutzt werden. Weitere Mittheilungen
über die Immunisirung resp. Heilung von Versuchsthieren bei Diph-
therie machten dann Behring und Wernicke^) 1892. Es
war den Autoren gelungen, auch grössere Thiere (Hammel) gegen
Diphtherie zu immunisiren; in dem Blute dieser Thiere und dem
daraus dargestellten Serum fanden die Autoren ein sicher wirkendes
Immun isirungs- und Heilmittel gegen die Diphtherieinfection der Ver-
suchsthiere. Sie fanden weiter, dass man zur Erziel ung von
Heileffecten grössere Mengen von Serum braucht als
1) (1. und F. Kl em per er, Berliner Min. Wochenschr. 1891. No. 34, 35.
'^) Stern. Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 37.
'^) Lazarus, Berüner khn. Wochenschr. 1892. No. 43, 44.
*) Klemensiewicz und Escherich, Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893.
No. 5/6. Siehe über diese Verhältnisse auch weiter hinten das Kapitel „Diphtherie-
hacillus".
■'') Ueber die ' praktische Anwendung der Blutserumtherapie bei
Diphtherie vgl. hinten das Kapitel „Diphtheriebacillus".
'^) Eine Aufzählung der behandelten Fälle findet man unter Anderem bei Ee-
mesoff und Fedoroff (Centralbl. f. Bakt Bd. 15. 1894. p. 119. Anm.)
') 7. Internat. Congr. f. Hyg. u. Demographie. London. August 1891. —
Deutsche med. Wochenschr. 1891. No. 52.
^) Zeitschr. f. Hygiene. Bd. 12. 1892.
r. Einleitendes. 2 1 7
für die Imm im i sirun g. Ferner fonden sie, dass zur Erreich ung
von Heilerfolgen um so grössere Dosen des Serums nothwendig
sind, je später die Behandlung der inficirten Thiere begonnen
wird.') Das Serum fanden die Autoren desto wirksamer, je höher der
künstlich erzeugte Immunitätsgrad des blutliefernden Thieres war; es
schien hierbei auf die Differenz zwischen dem durch die Imniu-
nisirung erreichten und dem ursprünglich vorhanden gewesenen
Immunitätsgrad '■^) anzukommen. (Später [siehe weiter unten] hat
allerdings diese letztere Ansicht erheblich modificirt werden müssen,
da es sich zeigte, dass hochgradig immunisirte Individuen nicht immer
hochwirksames Serum zu liefern brauchen.) Den Immunisirungs-
werth des Blutserums bestimmten Behring und Wernicke in
der citirten Arbeit") durch diejenige Zahl, welche angiebt, wieviel
Gramm Versuchsthier ein Gramm Serum gegen die sicher tödt-
liche Minimaldosis des Giftes zu schützen vermag.^) Das aus dem
Blute immunisirter Thiere gewonnene Serum bezeichneten Behring
und Wernicke als „Heilserum"; sie fanden, dass es sich durch
Zusatz von ^/^ % Carbolsäure conserviren lasse („Carbolheil-
serum").'')
Was die Herstellung des Heilserums, und speciell des
Diphtherieheilserums , angeht , so macht stets die grössten Schwierig-
keiten die primäre Immunisirung der Thiere, aus deren
Blut das Serum hergestellt werden soll. Das zmn Zwecke der primären
Immunisirung zur Anwendung kommende Princip beruht — wie auch
das specielle Vorgehen in dem Einzelfalle sich gestalten möge — stets
darauf, dass das zu immunisirende Individuum, welches zunächst eine
mehr oder weniger hohe Empfindlichkeit gegen virulente Culturen resp.
gegen das in denselben enthaltene Gift besitzt, allmählich an das Virus
^) 1. c. p. 19; cf. auch Kitasato (Heilversuche an tetanuskranken Thieren),
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892.
^) Der Immunitätsgrad resp. der Grad der Giftfestigkeit wird nach
dem Vorgange von Ehrlich (Deutsche med. Wochenschr. 1891. p. 977) durch
eine Zahl ausgedrückt, welche angiebt, das Wievielfache der für normale Individuen
(gleichen Körpergewichts) sicher tödthchen Minimaldosis des Giftes das immunisirte
Individuum noch verträgt, ohne daran zu Grunde zu gehen.
3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 16, 17.
*) Behring und Knorr (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893. p. 417) haben
darauf aufmerksam gemacht, dass bei dieser Prüfung des Immunisirungswerthes des
Serums das Gift 24 Stunden nach der Serumapplication einzuverleiben ist, da das
schützende Serum gewöhnlich erst eine Eeihe von Stunden nach seiner Einverleibung
in den Organismus seine volle Wirksamkeit entfaltet.
'") Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 18.
218 B- r)'e Bakterien als Krankheitserreger.
gewöhnt wird. Zu diesem Zwecke wird dem Thiere zmiächst Material
einverleibt, welches qualitativ und quantitativ so beschaffen ist, dass
das Thier auf die Einverleibung nicht mit dem Tode, sondern nur mit
voriibergehenden krankhaften Erscheinungen reagirt. Ist die krankhafte
Reaction überstanden, so hat das Thier damit die Fähigkeit gewonnen,
ein Material, welches qualitativ resp. quantitativ dem. zuerst einverleibten
ül)erlegen ist, zu vertragen; auch diese zweite Einverleibung wird dann
nur mit emer vorübergehenden kTankhaften Reaction beantwortet. Li
dieser Weise gelingt es, durch öfters wiederholte, in der Virulenz stets
steigende Einverleibungen dem ursprünglich mehr oder weniger hoch
empfänglichen Thiere einen mehr oder weniger hohen Grad von Inmiu-
nität dem vollvirulenten Materiale gegenüber beizubringen. — Speciell
für Tetanus und Diphtherie sind eine ganze Reihe von Immu-
nisirungsmethoden angegeben worden.^) Zur Erreichung sehr
hoher Immunitätsgrade ist es stets nothwendig, das zu immunisirende
Individuum (nach Erreichung eines gewissen Immunitätsgrades) mit
V 0 1 1 V i r u 1 e n t e m Materiale zu behandeln , welches in immer
grösser werdenden Dosen einverleibt wird. Dieses Princip der
Immunitätssteigerung stammt von Ehrlich,^) welcher es bei seinen
Untersuchungen über Ricin- und Abriiünununität zuerst anwandte.
Bei der künstlichen Immunisirung der Thiere beobachtet man
jedesmal nach der Application des Impfstoffes eine Reaction des
Organismus, welche sich z. B. bei Pferden, die gegen Tetanus
immunisirt werden, •'^) in Temperatursteigerung, Abnahme des Körper-
gewichts und in einer bestimmten Veränderung der Blutbeschaffenheit
äussert. Die letztere besteht in einer veränderten Art der Serum-
ausscheidung des Aderlassblutes: das Serum wird viel langsamer als
bei dem Impfthiere ausserhalb der Reactionsperioden und als bei nor-
malen Pferden ausgeschieden; das ausgeschiedene Serum umspült den
Blutkuchen nicht ft-ei beweglich, sondern hängt in einem Netz von
Eibrinfäden. Während einer jeden Reaction speriode ist der Zustand
der Immunität des Impfthieres und demgemäss auch der Immimisirungs-
Averth seines Blutserums ein niedrigerer als vor der Einverleibung
des Impfstoffes. Nach der Reactionsperiode jedoch, d. h. nach dem
Ablauf der Impf ki-ankheit , zeigt sich der Immunisirungswerth des
Blutserums gegenüber dem Zustande vor der Impfung jedesmal ge-
^) Eine Aufzählung der Methoden der Immunisirung gegen Diphtherie
findet man weiter hinten in dem Kapitel „Diphtheriebacillus".
") Deutsche med. Wochensohr. ISyi. p. 978.
^) cf. Behring und C asper (Behring, Die Blutserum therapie. H. Leipzig,
G. Thieme, 1892. p. 105).
I. Einleitendes. 219
steigert.^) Wie B rieger und Ehrlich^) (an Ziegen, die gegen Teta-
nus inununisii-t wurden) gefunden haben, folgt auf diesen Anstieg des
Inununisirungswerthes secundär wieder ein massiger Abfall, worauf dann
der Immunisirungswerth eine constant bleibende (den Zustand vor der
Impfung überragende) Höhe behält. Zum Behufe möglichst schneller
und ausgiebiger Steigerung der Immunität soll jede neue Impfung zu
deijenigen Zeit vorgenommen werden, wo der Immunitätsgrad nach der
vorhergehenden Reactionsperiode seine höchste Höhe erreicht hat
(Brieger und Ehrlich). Jedenfalls muss die Reactionsperiode
jedesmal völlig überwimden sein: das Thier muss wieder ganz gesund
sein. Das Letztere gilt natürlich auch für die Wahl des Zeitpunktes,
an welchem dem immunisirten Thiere Blut znm Zwecke der Gewinnung
von Heilserum entzogen werden soll; denn, so lange die Reactions-
periode andauert, sind die giftigen Imj)fstoffe noch nicht völlig aus
dem Blute verschwunden.'^)
Was den Wirkungswerth des Blutserums immunisirter
Thiere (den I m m u n i s i r u n g s - resp. H e i 1 u n g s w e r t h des Serums)
angeht, so waren, wie bereits oben (p. 217) erwähnt, Behring und
Wer nicke zunächst der Ansicht, dass es zm* Erreichung möglichst
hoher Werthe jedesmal darauf ankomme, den Immunitätsgrad des blut-
liefemden Thieres möghchst hoch zu treiben, die Differenz zwischen
dem durch die Immunisirung erreichten und dem ursprünglich vor-
handen gewesenen Immunitätsgrad möglichst gross zu gestalten. Wie
jedoch später Behring^) fand (bei tetanusimmunisirten Schafen),
kann das Antitoxin bei den immunisirten Thieren allmählich aus dem
Blute verschwinden, ohne dass die Immunität aufhört ; es kommt zum
Zwecke der Heilserumgewinnung nicht darauf an, die Immunität mög-
lichst hoch zu treiben, sondern darauf, die Thiere in einem solchen
Zustande zu erhalten, dass sie auf die Einführung des Virus mit einer
krankhaften, vorübergehenden Reaction antworten; ausschliesslich
diese krankhaften Reactionen sind mit Antitoxinproduction
^) Eine Steigerung der Immunität bei einem bestimmten Thier ist so lange
möglich, so lange es noch gehngt, durch die Impfungen Reactionen hervorzurufen
(Behring und Knorr, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1S93. p. 414).
«) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893. p. 336 ff.
") Behring und Knorr (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893. p. 414) entnehmen
Blut von tetanusimmunisirten Pferden zur Heilserumgewinnung erst dann, wenn die
Thiere normales allgemeines Aussehen darbieten, wenn Temperatur und Puls normal
sind, wenn das normale (vor der Impfung vorhandene) Körpergewicht wiedergekehrt
ist und die Gerinnung des Aderlassblutes (cf. oben p. 218) wieder normalen Ab-
lauf zeigt.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 48.
220 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
verbuncleu. Auch bei Thierspecies übrigens, welche gewöhnKch als
natürlich immun gegen eine bestimmte Infection resp. Intoxication
gelten, hat man auf die Einfährung grosser Dosen des Virus Antitoxin-
production beobachtet. So fand Vaillard,^) dass bei dem (gegen
Tetanus von Natur immunen) Huhn durch subcutane Einspritzimg
grosser Dosen filtrirter Tetanuscultur das Blutserum immunisirende
Eigenschaften bekommt. Aronson^) fand, dass für die (gegen Diph-
therie natürlich immune) weisse Ratte dasselbe bezüglich der Diphtherie
gilt. Ohne Zweifel sind diese Thatsachen so zu verstehen, dass in den
genannten Fällen die sogenannte „natürhche Immunität" keine absolute
ist, d. h. dass durch sehr gTosse Dosen des Virus krankhafte Eeactionen
(welche dann zm- Antitoxinproduction führen) ausgelöst werden können.
Bei der Bestimmung des Immunisirungswerthes gingen Behring
und Wernicke, wie bereits oben (p. 217) mitgetheilt, ursprünglich
so vor, dass sie diejenige Zahl ermittelten, welche angiebt, wie\iel
Gramm Versuchsthier ein Gramm Serum gegen die sicher tödtliche
Minimaldosis des Giftes zu schützen vermag. Später hat Behring'^)
den Begriff „Normalserum" eingeführt. Er nennt „Normal-
diphtherieserum" ein solches Serum, von welchem 0,1 ccm — gemischt
mit der 10 fachen Menge der für 300 — 400 g schwere Meerschweinchen
tödtlichen jMinimaldosis gelösten (bakterienfi-eien) Diphtheriegiftes —
genügt, um den Eintritt von Ki'ankheitserscheinungen nach der Ein-
spritzung des erwähnten Serum - Gift - Gemisches in den Körper der
Thiere zu verhüten. Zur Prüfung des Wirkungswerthes eines vor-
liegenden Serums wird nach Ehrlich, Kossei und Wasser-
mann^) die 10 fache Menge der tödtlichen Minimaldosis des Giftes mit
verschiedenen Quantitäten des Serums gemischt, die Mischungen werden
mit Hülfe von physiologischer Kochsalzlösung je auf 4 ccm gebracht
und dann je einem Meerschweinchen subcutan injicirt; aus dem Auf-
treten oder Nichtauftreten localer Infiltrationen, femer aus dem Ver-
halten des Körpergewichtes der Thiere, ist am zweiten Tage nach der
Injection eia sicheres Urtheil darüber möglich, ob die Giftwirkung
paralysirt ist oder nicht."^ Zeigt es sich bei einer derartigen Prüfung,
dass geringere Quantitäten des Serums als 0,1 ccm genügen, die
10 fache Minimaldosis Gift unschädlich zu machen, so wird das Serum
als „ faches Normalserum" bezeichnet: oenüsen z. B. 0,05 ccm, so
^) Annales de Tlustitut Pasteur 1892. No. 4.
-) Berl. klin. Wochenschr. 1893. p. 625.
") Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 390; Behring und Boer, Deutsche
med. Wochenschr. 1894. No. 21.
■') Deutsche med. Wochenschr. 1894. No. 16.
I. Einleitendes. 221
handelt es sich um ein zweifaches Normalsemm, genügen schon 0,Oül
ccm, so liegt ein lOOfaches Normalsenim vor. 1 ccm 1 faches Normal-
serurn enthält 1 „Immunisirungseinheit", 1 ccm lOOfaches
Normalserum enthält 100 Immunisirungseinheiten.^ Bezüglich der Prü-
fung des Wirkungswerthes des Serums ist es von principieller Bedeu-
tung, dass fertiges Diphtherie gif t und nicht etwa lebendes Diphtherie-
bacillenmaterial zur Verwendung gelangt ; denn gegen Intoxication
verhält sich die Wirkung eines bestimmten Serums quantitativ ganz
anders als gegen Infection. Zum Schutze gegen die Infection
mit der tödthchen Minimaldosis Cultur — bei der, nach Massgabe der
Vermehrung der lebenden Bakterien im Körper, das Gift im Körper
erst gebildet wird — genügen stets erheblich geringere Quantitäten
des Serums als zum Schutze gegen die Intoxication mit der tödt-
lichen Mnimaldosis bereits fertigen Giftes (Behring und Boer^)).
Oben (p. 213) wurde mitgetheilt, dass die bei ihrer ersten Publi-
cation von Behring und Kitasato^) ausgesprochene Ansicht, die
Wirkung des Heilserums beruhe auf directer Giftzerstörung, auf
Neutralisirung des Giftes im chemischen Sinne, durch später entdeckte
Thatsachen erheblich hat modificirt werden müssen. Diese Thatsachen
sind folgende: Zunächst fand Büchner,^) dass eine bestimmte Mischung
von Tetanusgift und Tetanusantitoxin, welche für Mäuse unschädlich
ist, bei Meerschweinchen noch giftige, tetanuserzeugende Eigenschaften
entfalten kann. Dann fand Behring*) (bei Versuchen über Tetanus-
immunisirung), dass unter dem Einflüsse der Giftbehandlung gleichzeitig
mit der Antitoxinanhäufung im Blute eine „lieber empfindlichkeit"
des lebenden Organismus gegen das Gift resultiren kann: Ein tetanus-
giftbehandeltes Pferd „kann in 1 ccm seines Blutes genug Antitoxin
besitzen, lun eine solche Giftmenge für normale Pferde unschädlich zu
machen, von welcher ein Bruchtheil genügt, um das antitoxinliefernde
Pferd zu tödten". Die genannten Thatsachen lassen eine Deutung der
Vorgänge bei der Serumtherapie im Sinne einer Zerstörung, einer Neu-
tralisirung des Giftes durch das antitoxische Heilserum, kaum noch zu;
sie haben Büchner'^) veranlasst, das Wesen jener Vorgänge als
„rascheste Immun isirung aller noch nicht von der specifischen
^) Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 416.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1890. No. 49.
''^) Vortrag im Aerztl. Verein zu München am 7. Juni 1893 (Münchener med.
Wochenschr. 1893. No. 24, 25).
^) Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 1254. — Vergl. auch Wladimiroff
(Zeitschr; f. Hyg. Bd. 15. 1893. p. 417—419.)
■') Berhner kliu. Wochenschr. 1894. p. 26.
222 ^>- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Giftwirkimg ergriffenen Zellterritorien" zu deuten. Bemerkt muss aber
werden, dass Behring^) nach wie vor an der Annahme der Grift^
Zerstörung festhält. — Handelt es sich bei den oben genannten, gegen
die Giftzerstörung sprechenden Thatsachen um Vorgänge, welche den
Tetanus betreffen, so haben später Roux und Martin auch bei der
Diphtherie Beobachtungen gemacht, welche sich mit der Annahme einer
Zerstörung des Giftes durch das antitoxische Serum schwer vereinbaren
lassen.-)
lieber die chemische Xatur der in dem antitoxischen Serum
vorhandenen wirksamen Substanzen (Antitoxine, Antikörper, Heilkörper)
ist bis jetzt wenig Sicheres bekannt. Behring und Knorr'^) haben
gefimden, dass die „Tetanusheilkörper" sehr widerstandsfähig gegen
physikalische, chemische und atmosphärische Einflüsse sind, dass sie
bei der Dialyse des Serums in das Dialysat übergehen, und dass sie
in dem letzteren die characteristischen Eiweissreactionen durchaus ver-
missen lassen.
Zum Zwecke der Gewinnung von Heilserum, welches für die Be-
handlung des diphtheriekranken Menschen Verwendung finden soll,
werden jetzt fast ausschliesslich Pferde der Inmiunisirung unter-
zogen; aber auch Kühe, Schafe, Ziegen sind zu diesem Zwecke
verwendet worden;^) die Herstellung grösserer Mengen Serums er-
fordert selbstverständlich stets die Verwendung grosser Thier-
individuen (die leicht die Entziehung einer grösseren Quantität
Blutes vertragen).
Das Heilserum lässt sich, wie bereits oben (p. 217) erwähnt, nach
dem Vorgange von B e h ring und W e r n i c k e durch einen Zusatz
von 0,5^/0 Carbolsäure haltbar machen. Die Carbolsäure kann
zweckmässig mit Chloroform combinirt werden in der Weise, dass
^) Deutsche med. Wochenschr. 1894. p. 251.
'^) Annales de l'Institut Pasteur 1894. No. 9. — Die Autoren fanden, dass
Meerschweinchen, die zunächst (durch Einspritzung von anderweitigen Mikroorganis-
men oder deren Producten) künsthch in ihrer Eesistenz gegen das Diphtheriegift
geschädigt waren, durch dieselbe Antitoxinmenge, welche normale Meerschweinchen
gegen die tödthche Dosis des Giftes schützte, nicht mehr gegen diese Dosis zu
schützen waren. — Und was den Tetanus angeht, so fand Eoux (Ann. de l'Inst.
Pasteur 1894. p. 725), dass eine bestimmte Mischung von Tetanusgift und Tetanus-
antitoxin , welche normale Meerschweinchen nicht zu beeinflussen vermag , solche
Meerschweinchen an Tetanus erkranken lässt, welche vorher gegen die Infection mit
dem Massaua -Vibrio (cf. weiter hinten im Text) immunisirt wurden.
•'') Behring, Die Blutserumtherapie. I. Leipzig, G. Thieme. 1S92. p. 52.
*) cf. Behring, Bekämpfung der Infectionskrankheiten. Infection und Des-
infection. Leipzig, G. Thieme. 1894. p. 231; Eoux et Martin, Annales de
l'Institut Pasteur 1894. No. 9.
I. Einleitendes. 223
man — wie es zuerst Behring und Knorr^j zum Zwecke der Con-
servirung des Tetanusheilserums thaten — das Serum in eine Masche
bringt, deren Boden mit Chloroform bedeckt ist, und dass man nach
mehrtägigem Aufbewahren der Flüssigkeit im Eisschrank das Serum
von dem Chloroform abhebt, in kleinere Fläschchen füllt und mit
^/a ^/o Carbolsäure versetzt. Letzteres Verfahren zum Zwecke der Con-
servirung des Diphtherieheilserums empfahlen Behring und B o e r. -)
A r 0 n s 0 n conservirt seine „Diphtherie-Antitoxinlösung- Schering" durch
Zusatz von 0,2 ^/^ Tritoesol. ^) Eoux und Martin"*) fügen ihrem
Diphtherieserum nichts weiter als ein Stückchen Campher zu und finden,
dass es sich dann, in sterilen, vollständig gefüllten Flaschen, im
Dunkeln aufbewahrt, vortrefflich hält.
Was die Herkunft der Antitoxine angeht, so sieht sie die
allgemeine Meinung (Behring, Koux) als Producte des thierischen
Körpers an, welche auf den durch das eingeführte Gift ausgeübten Beiz
hin entstehen. Zwischen der Quantität des dem Körper einverleibten
Giftes und der des producirten Antitoxins besteht keine Proportionali-
tät. Bei Anwendung kleiner, vielfach wiederholter Giftdosen bekommt
man stärker wirksames Serum als bei Einführung von nur wenigen,
grossen Dosen. Roux^), welcher diese Thatsache feststellte, kommt zu
der Ansicht, dass das Toxin wie ein Excitans auf die Körperzellen ein-
wirkt, welche das Antitoxin secerniren. Im Gegensatz zu Behring
und Roux sieht Bu ebner die Antitoxine nicht für Producte der
Eeaction des thierischen Organismus an, sondern für^') Bakterien-
producte, für Bestandtheile des specifischen Bakterienplasma; sie sind
nach ihm wahrscheinlich^) „modificirte, umgewandelte, entgiftete Pro-
ducte der specifischen Bakterienzelle" und sind „als im Körper mo-
dificirte und seinem Chemismus angepasste Bakterienzellsubstanz zu
betrachten"; die Blutserumtherapie ist nach Büchner^) nur „eine
besondere Modification der bisheris-en Immunisiruno-smethoden".
^) Behring, Die Blutserumtberapie. IL Leipzig-, (1. Thieme. 1S92. p. 63;
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893. p. 411.
-) Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 415.
^) Prospect der „Chemischen Fabrik auf Aktien (vorm. E. Schering)" vom
15. März 1894.
*) Annales de l'Institut Pasteur 1894. No. 9. p. 624.
^) Ann. de l'Institut Pasteur 1894. No. 10. p. 724.
•*) Vortrag im Aerztl. Verein zu München am 7. .luni 1893. MüncJiener med.
Wochenschr. 1893. No. 24, 25.
'') Vortrag im Aerztl. Verein zu München am 23. Mai 1894. Münchener med.
Wochenschr. 1894. p. 470, 471.
*) Berl. khn. Wochenschr. 1894. p. 75.
224 B- Diß Bakterien als Krankheitserreger.
Streng hat man sich davor zu hüten, die Antitoxine, wie sie
bei der Immiinisiriing in dem thierischen Organismus entstehen,
mit den Alexinen (cf. oben p. 210), welche dem normalen Blut-
serum seine bactericiden und giobuliciden Fähigkeiten verleihen, zu
confundiren. Die Antitoxine sind haltbare, resistente Körper; die
Alexine dagegen (cf. oben p. 210, Anm. 4) sind äusserst labile, leicht
zu zerstörende Dinge.
Durch Ehrlich^) ist der Nachweis geführt worden, dass die
Antitoxine in die Milch überzugehen vermögen, und dass
durch Säugung Lnmunität hervorgerufen werden kann. Grleichzeitig
hat Ehrlich festgestellt, dass Immunität resp. Giftfestigung durch
die Mutter, aber nicht durch den Vater, auf die Nach-
kommenschaft übertragen wird. Bei der Vererbung der künst-
lichen Immunität kommen nach den Ermittelungen Ehr lieh's
zwei differente Factoren in Betracht: erstens die Versorgung des fötalen
Blutes mit immunisirenden Substanzen aus dem mütterlichen Blute,
und zweitens die durch die Säugung bedingte Vemiehrung dieser Sub-
stanzen im Organismus des Ivindes. — Wie Ehrlich und Wasser-
mann'-) feststellten, ist der Gehalt der Milch an wirksamen Sub-
stanzen ganz erheblich geringer als der des Blutes des milchliefemden
Thieres; bei Diphtherie uud Tetanus verhielten sich die Immunisirungs-
werthe der Milch und des Blutes wie 1:15 bis 1:20 bis 1:30.
Eine Reihe von Autoren haben sich bemüht, die in dem Blut-
serum resp. in der Mich immunisiiier Individuen enthaltenen Anti-
toxine in concentrirterer Form zu gewinnen.-^) Zu prak-
tisch in ausgedehnterem Masse lirauchbaren Ergebnissen halben diese
Versuche bisher nicht geführt.
^) Versuche an ricin festen (siehe oben p. 215) Mäusen (Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 12. 1892. p. 183 fif.). Vergl. auch Brieger u. Ehrlich, ebenda Bd. 13. 1893.
2) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894. p. 248.
^) Die hierher gehörigen Arbeiten sind: Tizzoni und Cattaui (Centralbl.
f. Bakt. Bd. 9. 1891. No. 21; Bd. 10. 1891. No. 2/3: Versuche mit dem Serum
tetanusimmunisirter Hunde). Emmerich und Tsuboi (Die Natur der Schutz-
und Heilsubstanz des Blutes. Wiesbaden. Bergmann. 1892). Emmerich,
Tsuboi und Steinmetz (Centralbl. f. Baki;. Bd. 12. 1892. No. 11/12—14).
Brieger und Ehrlich (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893: Versuche an Milch teta-
nusimmunisirter Tliiere). Brieger und Cohn (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 15. 1893:
Versuche an Milch tetanusimmunisirter Tliiere). Aronson (Berl. klin. Wochenschr.
1894. p. 454: Versuche an Diphtherieserum. Vergl. hierzu auch Aronson, Berl.
med. Gesellsch. 25. Juli 1894 [Deutsche med. Wochenschr. 1894. Vereinsbeilage.
p. 77]). Wassermann (Zeitschr. f. H3'g. Bd. 18. 1894. p. 235 ff. : Versuche an
Milch diphtherieimmunisirter Thiere).
I. Einleitendes. 225
Bezüglich der Dauer, der Haltbarkeit der künstlichen
Immunität hat man die beiden verschiedenen Arten, nach denen
Immunität erworben werden kann, scharf aus einander zu halten. Ist die
Immunisirung eine „iLüliiij;^", ^) d. h. vollzieht sie sich durch Ueber-
stehen einer Impfkrankheit, muss der Organismus die bei der Impfung
eingedrungenen giftigen Substanzen selbst überwinden, und schafft er
sich so selbst eine Resistenz gegen ähnliche Invasionen giftiger Sub-
stanzen, so ist die aus diesem Kampf des Körpers mit den
Schädlichkeiten resultirende Immunität eine relativ feste, relativ
lange Zeit andauernde. War die Immunisirung hingegen eine ,jpa__s-
sive", d. h. wurde dem Organismus die Immunität verliehen durch
Einführung von Blut, Blutserum, Milch eines immunisirten Individuums,
wurden also die immunisirenden Substanzen dem Organismus fertig ge-
bildet überliefert, so ist die Dauer der auf diese Weise mühelos er-
langten Immunität eine relativ kurze, über eine Reihe von Wochen
wahrscheinlich nicht hinausgehende. -)
1) Ehrlich, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1S92. p. 1S9.
-) Ehrlich, ebenda.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 15
IL
.Die wichtigsten pathogenen Bakterienarten im
Speeiellen.
1. Der Milzbrandbacillus.
JJer Milzbrandbacillus (Bacillus authracis, bacteridie du
charbon) wurde im Blute milzbrandkranker Thiere zuerst 1849 von
Peilender^) gesehen. Der Befund wurde dann von verschiedenen
Seiten bestätigt, und namentlich war es Davaine,-) welcher (1863)
auf Grand experimenteller Untersuchungen zu der Ueberzeugung ge-
langte, dass durch die in dem Blute milzbrandkranker Thiere vor-
handenen Stäbchen die Mlzbrandkrankheit erzeugt werde. Aber Robert
Koch war es vorbehalten, das Letztere schlagend zu beweisen. Koch"^)
gelang es, die Stäbchen künstlich zu züchten, ihren Entwickelungsgang
in allen Einzelheiten darzulegen, nachzuweisen, dass die Stäbchen unter
Umständen Dauerformen (Sporen) produciren, dass die letzteren viel
resistenter sind als die Stäbchen selbst, und dass die Infectiosität
milzbrandigen Materiales eine ganz verschiedene Haltbarkeit besitzt, je
nachdem das Material Sporen enthält oder nur Stäbchen. So erklärte
Koch die Differenzen in den Erfolgen der fi-üheren Impfversuche,
welche ein abschliessendes Urtheil über die Bedeutung der im Blute
gefundenen Stäbchen bis dahin nicht ermöglicht hatten.^) Als eins
^) (Casper's) Vierteljahrsschrift für gerichthche und öffentUche Medicin. Bd. 8.
18.55. p. 112. (Mikroskopische Untersuchung des Blutes von an Milzbrand gestorhenen
Kühen im Herbst 1849.)
^) Davaine, Kecherches sur las iufusoires du sang dans la maladie connue
sous le nom de sang de rate (Coraptes rendus de Tacad. des sciences. Paris,
t. 57. 186.3).
3) F. Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1876.
*) lieber diese Differenzen vergl. z. B. Fes er, Der Milzbrand auf den ober-
bayerischen Alpen. München 1877. p. 103.
Der IVIilzbrandbacillus. 227
der Hauptergebnisse seiner Untersuchungen bezeichnete Koch^) den
Kachweis, „dass nur solche Substanzen ]\iilzl)rand hervorriefen, aus
welchen bei den gleichzeitig angestellten Culturversuchen sich sporen-
haltige Fäden entwickelten und umgekehrt". Hiermit war bewiesen,
dass die Uebertragbarkeit des Milzbrandes an das Vorhandensein lebens-
fähiger Bacillenkeime geknüpft ist.
Der Milzbrandbacillus ist 1 — 1,5 /^ breit und 3 — 6 — 10 //
lang. Er findet sich im Blute milzbrandiger Thiere, und zwar ent-
weder in einzelnen Exemplaren oder in kleinen Verbänden, 2, 3, 6 bis
10 Stäbchen zu einem Faden vereinigt. Die einzelnen Stäbchen zeigen
im gefärbten Präparate stets scharf abgeschnittene (nicht
abgerundete) Enden; die Endflächen können in solchen Präparaten
gelegentlich — das ist aber durchaus nicht immer der Fall — ganz
wenig concav eingezogen erscheinen, so dass in den Fäden zwischen
den zusammenstossenden Enden je zweier Stäbchen eine Trennungs-
stelle entsteht, die eine kleine Anschwellung in der Mitte besitzt.
Diese Gliederung der IVIilzbrandbacillenfäden, welche sich bei anderen
Bacillenarten nicht findet, konmit aber, wie gesagt, nur im gefärbten
Präparat, und auch da nicht immer, zmn Ausdruck. Am Deutlichsten
zeigt sie das von R. Koch 1877 veröffentlichte Programm,-) welches
nach einem mit Anilinbraun gefärbten, in Glycerin eingelegten Ti'ocken-
präparate von Milzsubstanz der Milzbrandmaus aufgenommen war. Im
hängenden Tropfen betrachtet bietet der Milzbrandbacillus keine
scharf abgeschnittenen, sondern abgerundete Enden dar.
Nicht selten sieht man in gefärbten Präparaten des Milzbrand-
bacillus, die mit Material hergestellt sind, welches direct aus dem
Thierkörper stammt, an den Bacillen hier und da — d. h. nicht an
allen Bacillen — den Kern der Bakterienzelle und die Hülle deut-
lich von einander differ enzirt.'^) So sieht man z. B. auf dem
Bilde Taf. V, Fig. 27, an einzelneu der dargestellten Bacillen diese
Differenzirung ziemlich deutlich. Das diesem Photogramm zu Grunde
liegende Präparat (Deckglasausstrich von Milzsubstanz der an Milz-
brand gestorbenen Maus) ist in der gewöhnlichen Weise, und zwar
mit Fuchsin, gefärbt; das gefärbte und getrocknete Präparat wurde in
der gewöhnlichen Weise in Balsam eingeschlossen.'^) — Jüngst hat
^) F. Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfi. Bd. 2. 1870 p. -m.
•-) F. Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 2. Taf. XVI, Fig. .5.
^) Die Hüllen oder Kapseln der MilzbrandbaciUen wurden zuerst von Serafini
cf. Baumgarten's Bakteriol. Jahresber. 1888. p. 102) beobachtet.
*) Ein ähnliches Präparat reproducirte ich 1893 in der 3. Auflage dieses
Buches (Taf. V, Phot. 2.5). Oben (p. 67, Anra. 2) wurde bereits mitgetbeilt, dass
1.5*
228 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
nun Johne uns eine besondere Art der Behandlung der-
artiger Präparate gelehrt, welche es gestattet, an Milzbrand-
hacillen, die aus dem Thierkörper stammen, unter allen Um-
ständen die Existenz wohl ausgebildeter und scharf von dem Kern
differenzirter Hüllen oder Kapseln nachzuweisen. Johne^)
ist der Meinung, dass die genannte Eigenthümlichkeit des Milzbrand-
bacillus (die sichere Darstellbarkeit einer wohl entwickelten Kapsel)
diesen Mikroorganismus ohne Weiteres von allen übrigen Bakterien-
arten unterscheidet, welche bei der Untersuchung von Thierleichen
möglicher Weise Anlass zur Verwechselung mit dem Milzbrandbacillus
geben könnten. Um die Kapseln darzustellen, verfährt man nach
Johne-) folgendermassen: Das vde gewöhnlich auf dem Deckglas aus-
gestrichene, dann getrocknete und in der Flamme fixirte Präparat
wird zunächst mit einer 2proc. wässerigen Violettlösung unter ganz
schwacher Erwärmung gefärbt, dann einen Moment in Wasser, dann
6 — 10 Secunden in 2 proc. Essigsäurewasser gespült; sodann wird das
Präparat in Wasser ausgewaschen und — ein ausserordentlich wesent-
licher Punkt — in Wasser e i n g e s c h 1 o s s e n und so mikroskopisch
angesehen (d. h. also nicht in Balsam eingeschlossen). Die
Johne' sehe Behandlungsmethode bringt die Kapseln der Milzbrand-
bacillen nach meinen Erfahrungen in geradezu idealer Weise") zum
Ausdruck; nimmt man aber, nachdem man sich an einem solchen
Präparate von der Existenz der schönen Kapseln überzeugt hat, das
Deckglas von dem Objectträger herunter, trocknet man dann das Prä-
parat und schliesst es in Balsam ein. so geht die ideale Erscheinungs-
weise der Kapseln sofort verloren ; man überzeugt sich auf diese Weise,
dass der Umstand des Wasser ein Schlusses bei der Johne "sehen
Behandlung eine ausserordentlich wesentliche Bolle spielt; vielleicht
ist dies überhaupt der wesentlichste Punkt des ganzen Verfahrens.
Offenbar sind die Kapseln in dem einschliessenden Wasser in ge-
quollenem Zustande vorhanden und werden dadurch deutlich, während
sie bei dem Trocknen des Präparates Behufs des Einschlusses in
Balsam zusammenschrumpfen und somit ihre deutliche Sicbtl)arkeit
in derartigen Präparaten, wenn sie mit Metliylenblau gefärbt sind, die Hüllen der
Milzbrandbacillen gewöhnlich hellröthlieh erscheinen im Gegensatz zu dem blau ge-
färbten Kern.
') Deutsehe Zeitschr. f. Thierraed. u. vergl. Patb. Bd. 19. lS!t.3. p. 244 ff.:
Bd. 20. 1S94. p. 426 ff.
-) Deutsche thierärztliche Wochenschr. 1894. Xo. 3.5.
■') Vergl. anch die Johne's'chen Photograrame, Deutsche Zeitschr. f. Thier-
rae<l. Bd. 19. 1S93. Taf. VI.
Der Milzbrandbacillus. 229
verlieren. — Oben sagten wir schon, dass die Kapseln der Milzbrand-
bacillen sich an solchem Material darstellen lassen, welches aus dem
Thiorkörper stammt. Stammt das Material dagegen aus künstlichen
Culturen , so finden sich deutlich ■ ausgebildete Kapseln gewöhnlich
nicht; sie kommen hier jedoch, wie Haase^) feststellte, vereinzelt A^or;
eine Ausnahme in dieser Beziehung machen, wie weiherhin Johne-)
fand, Culturen des Milzbrandbacillus in flüssigem Blutserum; hier
findet man die Kapseln von derselben Schönheit und Regelmässigkeit
wie im Thierkörper. — Uebrigens finden sich die Kapseln des Milz-
brandbacillus nicht nur in Trockenpräparaten; es ist mir") gelegentlich
auch an Schnittpräparaten, die mit Methylenblau gefärbt und in der
gewöhnlichen Weise in Balsam eingeschlossen wurden, gelungen Kap-
seln zu constatiren.
Der Milzbrandbacillus besitzt keine Eigen bewegung. Er
wächst bei Sauerstoifanwesenheit auf den gewöhnlichen bakteriologischen
Nährböden, bei Brüttemperatur besser als bei Zimmertemperatur. Unter
15^ C. findet kein Wachsthum statt. Zwischen 15 und 18*^ C. ist
«lasselbe sehr kümmerlich. Die obere Grenze ist etwa 45*^ C. Die
Gelatine wird massig schnell verflüssigt. Der Impfstich der
Gelatine Stiche ultur zeigt häufig, aber nicht stets, feine faden-
förmige Ausläufer (Taf. VI, Fig. 35); auf der Gelatineplatte zeigt
die Colonie häufig einen zierlich gelockten Rand. Taf. VI, Fig. 31,
zeigt eine solche Colonie bei schwacher (43facher) Vergrösserung. Die
Luckenbildung ist, wenn man sie beobachtet, für den Milzbrandbacillus
characteristisch insofern, als sie bei keiner anderen pathogenen Bak-
terienart beobachtet wird. Häufig aber erscheinen die Colonien auf der
Gelatineplatte ohne diesen gelockten Rand ; sie bilden dann mehr oder
weniger kugelförmige Knäuel, an deren Rändern man bei schwacher
Vergrösserang aber stets ein fädiges Gefüge constatiren kann. Die
Colonie auf der Platte zeigt auch nicht selten fädige Ausläufer, welche
in die Umgebung hineinwachsen, also ähnliche Bildungen, wie wir sie
l)ei der Stichcultur sahen. Solche Colonien mit Ausläufern zeigt die
auf Taf. VI, Fig. 32, bei 40facher Vergrösserung dargestellte Platte,
welche übrigens nicht durch Vertheilung von Milzbrandmaterial in der
flüssig geinachten Gelatine, sondern durch oberflächliches Aufstreichen
des Materials mit der Spitze des Platindrahtes auf die erstarrte sterile
Gelatine (cf. p. 160) erhalten wurde. Fig. 33 zeigt ein Klatschpräparat
1) Deutsche Zeitschr. f. Thiermed. Bd. -20. 1S94. p. 429.
-) Ebenda. Bd. 21. 1894. p. 142.
■') 3. Auflage dieses Buches. 1893. p. 19().
230 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
von dieser Platte bei lOOOfacher YergTössemng. Die zierlichen fädigen
Windungen der Fignr 32 lösen sich hier in die deutlich gegliederten
Bacillenfäden auf.
Auf Kartoffeln bildet der Bacillus einen weissen, trockenen
Belag. Auf der Agar ob er fläche wächst derselbe in Gestalt eines
gTauen, mattgiänzenden Ueberzuges. In Bouillon bildet der Milz-
brandbacillus flockige Zusammenhäufungen, welche am Boden des Cultur-
gefässes liegen, während die darüber befindliche Culturflüssigkeit klar
durchsichtig und vollkommen frei von Bacillen bleibt.
Ueberall auf den lainstlichen Is'ährböden wächst der Mlzbrand-
bacillus zu langen Fäden aus, die viele Hunderte und vielleicht
Tausende von Gliedern enthalten können.
Ist der Nährboden in gewisser Beziehung erschöpft, so tritt in
den Fäden Sporenbildung (cf. oben p. 16) ein; und zwar bildet sich
in der Mtte jedes einzelnen Bacillus eine Spore. Die Sporenbildung
ist aber noch an zwei weitere Bedingungen geknüpft: Erstens muss
freier Sauerstoff vorhanden sein, und zweitens muss eine bestimmte
Temperatur (zwischen 18 und etwa 40" C.) herrschen. Am
schnellsten geht nach meinen Erfahrungen die Sporenbildung bei einer
Temperatur von etwa 28" C. vor sich. Bei dieser Temperatur be-
obachtet man häufig bereits 24 Stunden nach Anstellung der Cultur
schön und regelmässig in den Fäden entwickelte Sporen (siehe Taf. VI,
Fig. 36: Hängender Bouillontropfen mit lebenden sporenhaltigen Mlz-
brandfäden). Bei 37" C. tritt die Sporenbildung nicht mit solcher
Präcision und Regelmässigkeit ein. Die Milzbrandspore besteht nach
Koch 1) „aus einem stark lichtbrechenden Tröpfchen , vielleicht einem
Oel, welches von einer dünnen Protoplasmaschicht eingehüllt ist. Letztere
ist die eigentliche entwickelungsfähige Zellsubstanz, während ersteres
vielleicht einen bei der Keimung zu verbrauchenden Reservestoflf bildet."
— Sind übrigens bei der Erschöpfung des Nährbodens die übrigen
Bedingungen für die Sporenbildung nicht vorhanden, so kommt es zum
Absterben der Bacillen; es bilden sich dann, wie fi'üher (p. 15) dar-
gelegt, Involutionsformen (siehe Fig. 34 auf Taf. VI).
Sind die Sporen fertig gebildet, so zerfällt, wie wii* oben (p. 16)
dargelegt haben, der Bacillenfäden; die Sporen werden aus dem Ver-
bände ausgelöst, liegen fi-ei da und verändern sich nun nicht mehr,
bis sie wieder auf einen passenden Nährboden gelangen. Hier keimen
sie, bei Brüttemperatur schon innerhalb weniger Stunden, wieder zu
Bacillen hi der AVeise aus, dass die länglich rund gestaltete Spore sich
>) F. Cohn's Beitr. z. Biol. d. PH. B<1. 2. 1ST6. p. 2S9.
Der ]\Iilzbrandbacillus. 231
in der Eiclitimg ihres grössten Durcliinessers verlängert, dabei an Glanz
abnimmt und schliesslich den sich durch Zweitheilung weiter vermehren-
den Bacillus repräsentirt.
Die Resistenz der Milzbrandsporen gegen äussere Ein-
wirkungen ist, wie wir bereits oben (p. 27, 32) erwähnten, nach den
Ermittelungen von E. v. Esmarch nicht immer die gleiche. Es giebt
Milzbrandsporen, die durch 5 proc. Carbolsäurelösung bereits in 2 Tagen,
durch strömenden Dampf von 100^ C. in 3 Minuten abgetödtet werden,
während es andere giebt, die die Einwirkung derselben Flüssigkeit
länger als 40 Tage, des strömenden Dampfes länger als 12 Minuten
ertragen. Das Material hat je nach seiner Provenienz eine
verschiedene Resistenz. Die Gründe dafür sind noch unbekannt.
P. F. Frankland^) hat die wichtige Entdeckung gemacht, dass bei
18 — 20 0 C. gebildete Milzbrandsporen viel widerstandsfähiger (zunächst
gegen den schädigenden Einfluss des Lichtes [cf oben p. 38]) sind als
bei 35—38" C. gebildete.
Chamberland und Roux-) fanden 1883, dass Milzbrand-
bacillen die Fähigkeit verlieren können, Sporen zu bilden („asporo-
gener Milzbrand"), ohne dass dabei die Virulenz geschädigt zu
werden braucht. Solcher asporogener Milzbrand wurde erhalten durch
Cultivirung von Milzbrandbacillen in Nährbouilion mit einem Zusatz
^^^^ ^/•2ooo ^i^ Vöooo Kaliumbi Chromat. K. B. Lehmann-^) fand später,
dass Milzbrandculturen , die in langer Reihe von Gelatine zu Gelatine
weiter gezüchtet waren, asporogen geworden waren. Behring*) hat
dann nachgewiesen, dass die genannte Erscheinung als Ausdruck einer
gewissen Degeneration anzusehen ist, die (wie bereits Chamber-
land und Roux fanden) durch gewisse für die Bacillen nicht zweck-
mässige Zusätze zu den Nährböden künstlich veranlasst werden kann.
Eine bestimmte Methode, asporogenen Milzbrand zu erhalten (Cultur
in Bouillon mit bestimmtem Phenolzusatz) hat weiterhin Roux^) an-
gegeben. Surmont und Arnould'') haben kürzlich gefunden, dass
sich manche Milzbrandrassen leichter , andere schwerer asporogen
machen lassen.
Die Virulenz der Milzbrandculturen lässt sich auf verschiedene
Art und Weise abschwächen, wie wir oben Q). 204 ff.) bereits er-
1) Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1S94. p. 110.
'-) Compt. rend. de l'acad. des sc. t. 9G.
■') Münch. med. Wochenschr. 1S87. No. 26.
*) Zeitsebr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. p. 172.
■') Annales de l'Institut Pasteur. 1890. No. 1.
") Annales de Tlnstitut Pasteur. 1894. p. 832.
232 B- üie Balvterien als Krankheitserreger.
örtert haben. Der in seiner Virulenz abgeschwächte Milzbrand wächst,
wenn er das A^ersuchsthier noch zu tödten vermag, in den Organen
häufig zu langen, schleifen artig verschlungenen Fäden
aus. Eine Illustration hierzu giebt Fig. 30 auf Taf. V; das Präparat
ist aus der Milz einer Maus hergestellt, welche mit Milzbrandbacillen
inficirt worden war, die längere Zeit im Laboratorium auf künstlichem
Nährboden Aveiter gezüchtet worden waren.
Der virulente Milzbrand producirt auf künstlichen Nähr-
böden Säure, der abgeschwächte Milzbrand bewirkt Keduotion
des Nährhodens (Behring^).
Der jVlilzbrandbacillus ist ein facultativer Parasit. Ohne
Zweifel findet er draussen in der Natur an geeigneten feuchten Stellen
sein Fortkommen und kommt dort auch zur Sporenbildung, um dann
gelegentlich mit dem Futter in den Organismus der Weidethiere,
speciell den Darm derselben, eingeführt zu werden und dann die Er-
krankung an Milzbrand zu veranlassen.
In der Natur ausserhalb des Thierkörpers nachgewiesen ist der
Milzbrandbacillus noch nicht.
Die AVeidethiere (Schafe, Rinder, Pferde) werden fast stets
vom Darme aus inficirt. Der Milzbrand tritt hier zimächst als
Darmmilzbrand auf. Die Infection kann ausserdem auf vielen
anderen Wegen erfolgen; besonders durch cutane Impfung kann
der Infectionsstoff auf empfängliche Thiere leicht übertragen werden.
Ausserordentlich empfänglich für cutane Infection sind Mäuse, ferner
Meerschweinchen und K a n i n c h e n. Diese Thiere können auch
durch Inhalation von Sporen sehr leicht inficirt werden (Buchner)-),
Avährend sie vom Darme aus sehr schwer zu inficiren sind. Bei der
Infection durch Inhalation kommt zunächst Lungenmilzbrand zu
Stande. Als primärer Lungenniilzl)rand ist auch die sogenannte
„Hadernkrankheit" (lüankheit der WoUsortirer , maladie des
trieurs de laine, woolsorters disease) des Menschen aufzufassen, welche
bei Lumpensortirern auftritt und der Einathnumg von Milzbrandsporen,
die den Lumpen anhafteten, ihre Entstehung verdankt. Uebrigens
kommen die meisten Milzbrandfälle beim Menschen durch Infection
von kleinen Hautwunden zu Stande (Pustula maligna)"]. Bei
') Zeitschr. f. Hyg. Bd. (J. ISSÜ. p. 142.
-) Arch. f. Hyg." Bd. b. IbSs.
■') Die IMilzbrandnatur der Pustula maligna des Menschen erkannten (auf Grund
des mikroskopischen Nachweises der .,bacteridies" und auf Grund gelungener Ueber-
tragungen auf Meerschweinchen) zuerst Davainc und Kaimbert (Comptes rendus
de l'acad. des sciences. Paris, t. -59. 186-1. p, 429).
Der Milzbrandbacillus. 233
zweckmässiger Behandlung, und öfters auch ohne diese, bleibt der
Milzbrand beim Menschen local resp. geht nicht über die Lymphdrüsen
hinaus. Auch Fälle von Darmmilzbrand sind beim Menschen be-
kannt geworden.
AVo die Infectionspforte aber auch liegen mag, der Milzbrand
bietet, wenn er sich verallgemeinert und zum Tode führt, stets das
Bild einer t3i)ischen Septicaemie (cf. p. 200) dar: d. h. die Bacillen
finden sich nach dem Tode nur in den Blutgefässen. Das
Photogramm Fig. 29 auf Taf. V zeigt einen Schnitt durch die Lunge
der an Milzbrand gestorbenen Maus bei mittlerer (löOfacher) Yer-
grösserung. Man sieht hier deutlich die Lagerung der Bacillen in
den Blutgefässen; der auf der linken Seite des Bildes liegende durch-
schnittene Bronchialast enthält keine Bacillen. Die grossen Ge-
fässe enthalten nach Koch beim Meerschweinchen viel, beim Kaninchen
weniger, bei der Maus sehr wenig Bacillen. Bei der Maus ist die Milz
ausserordentlich bacillenreich (siehe Fig. 27 u. 28, Taf. Y).
Die Milzbrandbacillen finden sich bei den Yersuchsthieren nicht
sofort nach der Infection innerhalb des Blutkreislaufs, sondern sie sind
hier immer erst in einem späteren Stadium des Krankheitsverlaufes
anzutreffen^). Eine Ausnahme hiervon findet selbstverständlich dann
statt, wenn die Bacillen bei der Impfung des Thieres direct in den
Blutkreislauf hinein gelangen.-)
Niemals werden in der unverletzten Milzbrandleiche sporenhaltige
Milzbrandbacillen gefunden. So lange nämlich das Thier lebt, ist die
zur Einleitung der Sporenbildung nothwendige Erschöpfung des Xähr-
bodens nicht eingetreten; ist das Thier gestorben, so fehlt der zur
Sporenbildung nothwendige Sauerstoff.
Das Schwein-^), der Hund, die meisten Yögel^) verhalten sich
^) G. Frank und Lubarsch (Zeitschr. f. Hyg-. Bd. 11. 1891. p. 270) landen
z. B. bei Meerschweinchen, die mit einer Milzbrandsorte geimpft wurden, welche die
Thiere spätestens nach 34 Stunden tödtet, nie vor der 17. Stunde Bacillen im Blute:
nach der 22. Stunde wurden die Bacillen nie im Blute vermisst (Untersuchung mit
Hülfe der Cultur).
-) Mäuse, die auf dem Eücken oder am Schwänze in frische Wunden
hinein mit Milzbrandbacillen geimpft wurden, zeigten schon ^/a Stunde nach der
Lifection die Milzbrandkeime (durch Cultur nachgewiesen) in Lunge, Leber, Milz und
Nieren. (Schimmelbusch und Eicker, Deutsche med. Wochenschr. 1894. p. 575.)
^) Nach Crookshank (cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. 1890. p. 407) können
Schweine an Milzbrand erkranken.
■*) Canalis und Morpurgo (Fortschr. d. Med. 1890. No. 18) machten
Tauben durch Hungern milzbrandempfänglich. — Junge Tauben sind sehr viel emp-
fänglicher für Milzbrand als ältere Thiere (cf. Czaplewski, Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 12. 1892. p. 379 ff.).
234 B- I^'ö Bakterien als Krankheitserreger.
immun gegen Milzbrand. Die Ratte ^) zeigt sich meist immun. Der
Frosch ist unter gewöhnlichen Umständen immun gegen den Milzbrand ;
bringt man den Frosch aber, nachdem man Milzbrandsporen in seinen
Lj'mphsack eingebracht hat, in den Brütschrank, so geht er an Milz-
brand zu Grunde.-)
Mit den Pasteur'schen, durch Cultivirung von virulenten Milz-
brandbacillen bei Temperaturen zmschen 42 und 43 ^ C. hergestellten
Vaccins (cf. p. 206) lassen sich Thiere, speciell Schafe und Rinder,
gegen Impfmilzbrand immunisiren ; gegen den natürlichen Infections-
modus (primärer Darmmilzbrand) ist die Fast eur" sehe Schutzimpfung
nicht mit Sicherheit zu verwenden, wie durch Koch nachgewiesen
worden ist. Hankin'^) stellte im Koch' sehen Institute aus Milzbrand-
culturen eine giftige Albumose dar, die, in sehr kleiner Dosis
Mäusen und Kaninchen einverleibt, Immunität gegen Milzbrand hervor-
ruft. Wooldridge vermochte durch Einverleibung einer aus dem
normalen Thierkörper ohne Mitwirkung \oi\ Bakterien hergestellten
bestimmten Eiweisslösung Immunität gegen Milzbrandinfection hervor-
zui'ufen (cf. oben p. 209, Anm. 2).
Der Milzbrandbacillus nimmt aus wässerigen Anilinfarbstofflösungen
die Farbe schnell auf; er färbt sich auch nach der Gram" sehen
Methode (p. 108 ff.).
1) Weisse Ratten erliegen nach Metschnikoff (Ann. de Tlnst. Pasteur 1890.
No. 4) wiederholter Milzbrandirapfung stets. — Nach G. Frank (Centralbl. f.
Bakt. Bd. 8. 1890. No. 10) sind weisse Ratten dadurch stets sicher tödthch mit
Milzbrand zu inficiren, dass man ihnen einen Seidenfaden mit angetrockneten Milz-
brandsporen (cf. oben p. 32) in die Bauchhöhle bringt. — Nach Behring und
Nissen (Zeitschr. f. Hyg. Bd. S. 1890. p. 418) sind besonders jüngere weisse
Ratten empfänghch für Milzbrand. Verschiedene Rattensorten verhalten sich ver-
schieden. Ceteris paribus wirkt am sichersten stets die Verimpfung von Blut oder
Organstückchen, weniger sicher die Verimpfung frischer Agarcultur, noch weniger
sicher die Verimpfung von Seidenfäden mit angetrockneten Sporen. — Charrin und
Roger (Soc. de Biol. Paris. 19 janv. 1890) machten weisse Ratten durch Ermüdung
(Gehen in der Tretmühle) milzbrandempfänglich. — Nach Hank in (Centralbl. f.
Bakt. Bd. 11. 1892. p. 722) sind wilde, braune, ausgewachsene Ratten bei Fleisch-
fütterung ziemlich resistent gegen Milzbrand; mit Brot gefüttert bekommen die
Thiere Milzbrandempfänglichkeit. — ^m resistentesten ist nach Kurt Müller (Der
]ililzbrand der Ratten. Fortschr. d. Med. 1893. No. 6 und 8—15) die schwarze
Rasse (1. c. p. 439). Kurt Müller (1. c. p. 527) machte die Ratten durch sub-
cutane Zuführung von Fleischextractlösungen resistenter.
-) Nach Petruschky (Zeitschr. f Hyg. Bd. 7. 1889. p. 79) ist hierzu eine
Aussentemperatur von 31—35*' C. uothweudig. Innerhalb des Körpers von Milz-
brandfi-öschen findet man die ]\Iilzbrandbacülen vielfach zu langen schleifenförmigen
Gebilden (cf. oben p. 232) ausgewachsen.
") Brit. med. Journal. October 1889.
Der Milzbrandbacillus. 235
Wir hatten uns oben (p. 108) vorgenommen, bei Gelegenheit des
Milzbrandbacillus auf die Sporenfärbung einzugehen. Wie wir
bereits (p. 76) sahen, verhalten sich Bacillensporen bei kurzdauernder
Behandlung der Präparate mit der kalten Farblösung so , dass sie die
Färbung hierbei nicht annehmen, während das Bacillenprotoplasma bei
dieser Behandlung ja ohne Weiteres gefärbt wird. Fig. 37 auf Taf. VII
zeigt Milzbrandfäden mit Sporen; das Präparat ist mit kalter Farb-
lösung kurz behandelt. Das Bacillenprotoplasma ist gefärbt ; die Sporen
sind ungefärbt geblieben. Ein ähnliches Präparat (Bac. subtilis, Heu-
bacillus, mit Sporen) ist auf Taf. IV, Fig. 19, dargestellt. Die Methoden,
welche angegeben sind, die Sporen zu färben, kommen nun alle
darauf hinaus, dass man die Präparate mit intensiv färbenden
Lösungen bei höherer Temperatur längere Zeit behandelt,
dass man also alle drei Momente berücksichtigt, die, wie wir sahen
(p. 101), ganz allgemein für die Intensität der Färbung in Betracht
kommen. W^as die Qualität der Farblösung angeht, so würde ich stets
lieber die Ehrl ich' sehe (anilinwasserhaltige) als die Ziehl'sche
(carbolwasserhaltige) Lösung anwenden, da die erstere aus oben (p. 102)
näher dargelegten Gründen intensiver färbt als letztere.
Stets ausgezeichnete Sporenfärbung erhält man, wenn man auf
folgende Weise verfährt: Man macht sich zunächst von dem sporen-
haltigen Material ein Deckglaspräparat in der gewöhnlichen Weise zu-
recht, lässt es lufttrocken werden und fixirt es in der Flamme. Dann
giesst man ein Uhrschälchen bis nahe zum Eande voll frisch be-
reiteter Ehrl ich 'scher Anilinwasser-Fuchsin-Lösung (cf. p. 101), welche
nicht filtrirt zu werden braucht. Nun wirft man das Deckglas so auf die
Farblösung, dass es, mit der Präparatenschicht nach unten, auf der Farb-
flüssigkeit schwimmt. Sollte es untersinken, so schadet das nicht viel.
Nun wird das Uhrschälchen mit der Lösung und dem Präparate
erhitzt. Macht man dieses Erhitzen nicht nach gewissen zweckmässigen
Regeln, so zerspringt Einem das Uhrschälchen sehr häufig; und
das ist der Grund, weshalb viele Praktiker dieses Erhitzen im Uhr-
schälchen verwerfen. Folgendermassen aber vermeidet man das Zer-
springen der Schälchen mit Sicherheit : Man benutzt zum Erhitzen nur
eine sehr kleine Flamme, eine Flamme, die nicht höher als etwa
2 cm ist. Benutzt man den Bunsen' sehen Brenner, so sperrt man
die Luftzufuhr zur Flamme ab und schraubt dann die Flamme bis zur
angegebenen Grösse hinunter i) ; benutzt man die Spüituslampe , so
^) Ausgezeichnet für diesen Zweck sind die sogenannten Mikrobrenner,
kleine Bunsen'sche Brenner mit engem Eohr, bei denen ein Zurückschlagen der
Flamme unmöglich ist.
236 B- Die Bakterien als Kranlcheitserreger.
regulirt man die Grösse der Flamme an dem Dochte. In die kleine
Flamme hinein bringt man nun das mit einer starken Pincette am
Eande erfasste Uhrschälchen so, dass nur seine Mitte erhitzt
wird. Ist das Schälchen etwa 2 bis 3 Secimden in der Flamme ge-
blieben, so bewegt man dasselbe langsam in vertikaler Richtung
bis etwa zur Höhe von 10 cm oberhalb der Flamme. Während dieser
Zeit wird das Schälchen durch die -N'ertikal von der Flamme auf-
steigenden Heizgase erhitzt. Nun geht man sofort wieder in die Flamme
hinunter, bleibt darin wieder einige Secunden, geht wieder in die Höhe,
wieder hinunter, und so fort, bis die Flüssigkeit beginnt Blasen zu
entwickeln. In diesem Moment bricht man die Erhitzung ab, stellt
das Schälchen auf den Tisch und lässt dasselbe eine Minute lang
stehen. Nun erhitzt man wieder von Neuem bis zur Blasenbildung,
lässt dann wieder eine Minute lang stehen. So erhitzt man das
Schälchen etwa 5 Mal und lässt dassell)e eben so oft je eine Minute
lang stehen.
Die Sporen — nicht nur die Milzbrandbacillensporen, sondern über-
haupt vorhandene Bacillensporen — haben nun eine intensive Färbung,
in unserm Falle eine Fuchsinfärbung, angenommen. Man brmgt nun
das Präparat, ohne es in AVasser abzuspülen, aus der heissen Farblösung
in ein Uhrschälchen mit 3proc. Salzsäure-Alcohol (j). 106), und
zwar so, dass die Präparatenseite nach oben gekehrt ist. Hier bleibt
das Pi'äparat etwa eine Minute. Zweckmässig bewegt man es in dieser
Flüssigkeit (mit der Pincette) öfters hin und her. Nun wird das Präparat
mit Wasser abgespült. Dasselbe wird jetzt makroskopisch ziemlich
oder vollständig farblos erscheinen ; denn bei der Einwirkung des stark
entfärbenden Salzsäure - Alcohols haben nur die Sporen die Färbung be-
halten ; alles Uebrige ist entfärbt worden. Nun färbt man das Präparat
noch ganz kurz mit kalter Avässeriger Methylenblaulösung nach, spült
es wiederum mit Wasser ab, trocknet es und kittet es mit Balsam auf
den Objectträger auf.
Betrachtet man das Präparat jetzt mikroskopisch, so findet man
die Sporen wundervoll tiefroth tingirt, während das Bacillenprotoplasma
blau gefärbt ist. Fig. 20 auf Taf. IV zeigt ein solches Sporenpräparat
(Heubacillus, Bacillus subtilis) bei lOOOfacher Yergrösserung. Die tief
dunkelen Stellen entsprechen den fuchsinroth gefärbten Sporen; die
im Photogramm heller erscheinende Bacillensulistanz ist im Präparat
blau gefärbt.
Tafel YII, Fig. 40, zeigt Bacillen mit endständigen Sporen (Tetanus)
bei einfacher, kurz angewendeter Färbung mit kalter Fuchsinlösung;
hier sind die Sporen ungefärbt geblieben, während sich das Bacillen-
Der Bacillus des malignen Oedems. 237
Protoplasma gefärbt hat. In Fig. 41 sind Bacillen mit endständigen
Sporen (Trommelschlägerform, cf p. 17) dargestellt, bei denen in der
oben geschilderten Weise eine Contrastfärbnng der Sporen nnd- der
Bacillensubstanz hergestellt ist.
Statt der Ehrlich 'sehen Fnchsinlösnng kann man übrigens
anch sehr gnt die entsprechende Viele ttlösung (cf. p. 102) zm-
Sporenfärbnng anwenden. Man färbt dann nach der Entfärbung der
Bacillensnbstanz das Präparat mit Bismarckbraun nach.
2. Der Bacillus des malignen Oedems.
Der Bacillus des malignen Oedems (Oedembacillus,
Bacillus oedematis maligni, vibrion septique) wurde zu-
erst 1878 von P a s t e u r , J o u b e r t und C h a m b e r 1 a n d ^) gesehen,
dann (1881) von E. Koch-) genauer studirt. Er kommt in ganz
ausserordentlicher Verbreitung in unserer Umgebung vor. Besonders
in gedüngter Gartenerde (cf. oben p. 183) finden wir ihn regelmässig,
ferner in Schmutz und Staub, in Abwässern der Haushaltung; auch
in dem Darmkanal der Thiere scheint er sich regelmässig vorzufinden.
Der genannte Bacillus ist etwas schmäler als der Miizbrand-
bacillus, ungefähr von derselben Länge wie dieser, hat aber im
Gegensatz zum Milzbrandbacillus nicht scharf abgeschnittene, sondern
abgestutzte, abgerundete Enden. Er zeigt eine schwache Eigen-
beweglichkeit, welche durch Geis sein vermittelt wird, die nicht
nur an den Enden, sondern auch an den Längsseiten des Bacillus in
gTÖsserer Anzahl angeheftet sind (cf p. 14). Die Methode der mikro-
skopischen Darstellung der Geissein ist oben (p. 80 ff.) beschrieben.
Der Bacillus ist ein strenger, obligater Anaerobe. Er wächst
auf den gewöhnlichen Nährböden bei Zimmer- und Brüttemperatur,
aber nur unter Sauerstoffabschluss. (Die Züchtungsmethoden siehe
oben p. 163 ff.) Tafel VIT, Fig. 39, zeigt ein G e 1 a t i n e röhrchen, in
welchem die Gelatine zunächst geschmolzen wurde, um dann mit einer
geringen Menge oedembacillenhaltigen Gewebssaftes der Maus vermischt
zu werden. Man sieht, wie sich in den unteren, d. h. vom Sauerstoff
abgeschlossenen, Theilen der Gelatine eine Anzahl Colonien der
^) Comptes rendus. Acad. des sciences. Paris, t. 86. 1S78. p. 103b ff. —
Es handelt sich um den „vibrion septique", der aus dem Herzblut eben gestorbener
Thiere gewonnen wurde; seine künstliche Cultivirung gelang im luftleeren E-aume
sowie in Kohlenscäureatmosphäre (cf. auch oben p. Ifi3).
-) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. ISSl. p. 53—57. — Cxaffkj,
ebenda p. 84 — 92.
238 ^- Die Batterien als Krankheitserreger.
Oedembacillen entwickelt haben. Dieselben bilden kn^elförmige,
mit Flüssigkeit erfüllte Hohlränme. ^) Der Bacillns des malignen Oedems
yerflüssigt also, wie wir sehen, die Gelatine.
Nach Kitasato") gelingt die Cultui- der Bacillen des malignen
Oedems mit Sicherheit i'edesmal, wenn man die Milz eines an malignem
Oedem gestorbenen Meerschweinchens unmittelbar nach dem Tode
unter Vermeidung von Verunreinigungen in Meerschweinchenbouillon
(Nährbouillon, aus Meerschweinchenfleisch hergestellt)'^) bringt und die
Cultur unter Wasserstoff sich im Brütschrank entwickeln lässt. Die
Bouilloncultur stinkt penetrant.
Der Bacillus des malignen Oedems bildet mittelständige Sporen.
Eine sehr grosse Anzahl von Thierspecies ist für die Infection
mit dem Bacillus empfänglich. Es sind aber zum Zustandekommen
der Infection besondere Bedingungen nöthig. Eine einfache cutane
Impfung, wie sie beim Milzbrand zum Zustandekommen der Infection
genügt, hat hier keinen Erfolg. Der vorhandene Sauerstoff macht eine
Vermehrung des Bacillus unmöglich. Legt man dagegen bei einem
empfänglichen Thiere (besonders Meerschweinchen imd Mäuse eignen
sich dazu) eine subcutane Haut ta sehe an, indem man die Cutis
nach Enthaarung der zu operirenden Stelle durchtrennt und dann
mit der (sterilisirten) Pincette das subcutane Gewebe lockert, und
bringt man dann eine gewisse Quantität des Infectionsstoffes (man
darf nicht allzuwenig nehmen), z. B. eine kleine Messerspitze von
Gartenerde, w^elche Sporen der Oedembacillen enthält, in die subcutane
Tasche hinein, so sieht man nach Verlauf von einem bis zwei Tagen
das Thier zu Grunde gehen. Bei der Section findet man ein all-
gemeines subcutanes Oedem und hierin massenhaft die beschriebenen
Bacillen.^) In dem sauerstoffhaltigen Blute konnten die Bacillen nicht
zur Vermehrung gelangen, sie fehlen deshalb bei der sofort nach dem
Tode vorgenommenen Section im Blute und den inneren Organen: sie
^) Das Ausseben der Culturen wurde zuerst von Liborius (Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 1. 1886. p. 159) besebrieben. Vergl. auch W. und E. Hesse, Deutsche med.
Wochenschr. 1885. p. 214.
-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1SS9. p. 111.
") Die Darstellung siehe Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1889. p. 107.
*) Erfolgte die Infection nicht mit einer Eeincultur der Oedembacillen, sondern
(wie in unserem Beispiel) mit unreinem Material, z. B. Gartenerde, so finden sich
in dem Oedemsaft neben den specifischen Oedembacillen noch andere Batterien.
Lüderitz (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 5. 1888) hat aus dem Körper von Mäusen und
Meerschweinchen, welche nach Infection mit Gartenerde gestorben waren, 5 ver-
schiedene , nicht pathogene , anaerobe BaciUenarten reingezüchtet : 1 . Bacillus
liquefaciens magnus, 2. Bacillus liquefaciens parvus, ?>. Bacillus
Der Bacillus des malignen Oedems. 239
sind lediglich in dem sauerstoffarmen Subcutangewebe zu finden, wo
sie sich haben verniehren können. Bleibt das Thier nach dem Tode
liegen, so dringen nun die Oedembacillen aus dem Subcutangewebe in
den sauerstoffarmen Organismus vor und durchwuchern schrankenlos
alle Organe.
Am allerempfängiichsten für das maligne Oedeni scheint sich die
Maus zu verhalten. Die Maus zeigt bezüglich der Yertheilung der
Bacillen in ihrem Körper ein von dem beschriebenen abweichendes
^'erhalten. Wir finden im Mäusekörper schon bei den ersten Krank-
heitssj'mptomen Bacillen im Blute , namentlich in der Lunge. ^) Die
Bedingungen für die Vermehrung der Bacillen in dem Körper der
Maus scheinen so günstige zu sein, dass gleich von vornherein die
Bacillen in die Organe vordringen und die Gefässe durchbrechen; das
hat dann zur Folge, dass schon frühzeitig die Bacillen durch das
Blut in die Lunge etc. verschleppt werden.-) Fig. 38 auf Taf. YLI
zeigt Oedembacillen im Saft des Meerschweinchens bei lOOOfacher
Yergrösserung.
Fälle von malignem Oedem beim Menschen haben zuerst
B rieger und Ehrlich'^) beschrieben. Es handelte sich um zwei
Typhuskranke, die drei Tage nach der AppHcation einer Moschus-
injection, mit welcher zufälhg Keime des malignen Oedems in das
Unterhautgewebe gebracht worden waren, an malignem Oedem zu
Grunde gingen. Nur unter dem Einflüsse schwächender Momente (in
den citirten Fällen des Tj-phus) scheint der Mensch für die Lifection
mit dem malignen Oedem empfänglich werden zu können. Eine In-
fection gesunder Menschen ist bisher nicht beobachtet.
Einen Fall von Mischinfection von malignem Oedem und
Milzbrand hat Koch^) bei einem Meerschweinchen beschrieben.
Empfänglich sind für die Infection mit malignem Oedem Mäuse,
Meerschweinchen, Kaninchen, Ziegen, Kälber, Schafe, Pferde, Esel,
Schweine, Katzen, Hunde, Hühner, Tauben, Enten. Immun sollen
sich Rinder verhalten. Die Passage durch den Körper der weissen
Ratte soll die Virulenz des Bacillus abschwächen (Cornevin).
radiatus, 4. Bacillus solidus, 5. Bacillus spinosus. Alle 5 Arten
wachsen bei Zimmer- sowohl wie bei Brüttemperatur, bilden in zuckerhaltigen Nähr-
böden Gas. Alle sind eigenbeweglich mit Ausnahme von Bac. liquefaciens parvus:
aUe verflüssigen die Nährgelatine mit Ausnahme von Bacillus solidus.
1) Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. ISSl. p. 54.
■2) cf. C. Fraenkel, Grundriss der Bakterienkunde. 3. Aufl. 1S90. p. 298.
^) Berl. klin. Wochenschr. 1882. No. 44.
^) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 67.
240 B- Uie Bakterien als Krankheitserreger.
Verschiedene Thierspecies können gegen die Infection immnnisirt
werden (cf. p. 209, Anm. 1).
Der Bacillus des malignen Oedems färbt sich mit kalten wässe-
rigen Farbstoff lösungen gut: er färbt sich nicht nach der Gram"-
schen Methode (cf. p. 108 ff.).
Einen „Bacillus oedematis maligni 11" hat (1894)
Novy^) beschrieben. Derselbe ist anaerob, bildet keine Sporen.
(Vergl. auch p. 248, Anm. 1.)
3. Der Tetanusbacillus.
Dass der W u n d s t a r r k r a m p f eine von einem Individuum auf
das andere übertragbare Infectionskrankheit ist, wurde zuerst von
Carle und Rattone-) 1884 festgestellt. In demselben Jahre fand
dann Xicolaier'^) in Göttingen eine Gartenerde, welche, sub-
cutan auf Mäuse, Meerschweinchen. Kaninchen übertragen, die Er-
krankung und den Tod der Thiere an Tetanus veranlasste. Die
Krankheit liess sich, durch Uebertragung des Wundeiters, von Thier
zu Thier weiter fortpflanzen. In der Umgebung der Infectionsstelle
fand sich, und zwar stets in Gesellschaft anderer Mikroorganismen, ein
langer, dünner, borstenförmiger Bacillus mit einer e n d s t ä n d i g e n
Spore (Köpfchenspore). Diesen Bacillus reinzuzüchten gelang nicht.
Dann fand Rosenbach^) 1886 in einem Falle von Frostgangraen
beim Menschen, der sich mit Tetanus complicirte, che Xico laier 'sehen
Stäbchen wieder, constatirte auch die Infectiosität des diese Stäbchen
enthaltenden Materiales für Yersuchsthiere. Eine Reinzüchtung gelang
aber auch Rosenbach nicht. Sie gelang auch vielen anderen Unter-
suchem nicht, die im Uebrigen den characteristischen Bacillenbefund
in ihren Fällen meist bestätigen konnten.
Erst ^itasato'^) ist es (1889) gelungen, die Stäbchen mit den
Köpfchensporen, welche übrigens als exquisit anaerobe Organismen
auch vorher schon erkannt waren, reinzuzüchten, und zwar auf folgende
Weise: Auf schräg erstarrtem Blutserum oder Agar wurde Tetanuseiter
ausgebreitet; die Gläschen wurden bei 36 — 38*^ C. gehalten. ISTach
48 Stunden fanden sich ausser anderen Bakterien auch borstenförmige.
0 Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17. 1894.
^) Giornale deUa E. accad. di med. di Torino. 1884.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1884. No. .52.
*) Langenb. Arch. Bd. 34. 1886.
'") Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9. 1889.
Der Tetauusbacillus. 241
s p 0 r e n tragende Bacillen reichlich. Jetzt kam die Cultur auf ^/^ bis
1 Stunde in das vorher auf 80^ C. erhitzte Wasserbad, wobei die
vegetativen Formen zerstört werden mussten. Nun wurde Nähr-
gelatine mit einer Oese der Cultur gemischt und in Schälchen aus-
gegossen, in welche Wasserstoff geleitet wurde (cf. oben p. 164, Anm. 3).
Diese Schälchen wurden bei 18 — 20*^ C. gehalten. Nach einer Woche
fing hier die Bildung isolirter Colonien an, welche selbstverständlich
Reinculturen darstellten; durch deren subcutane Einbringung bei
Versuchsthieren konnte jedesmal Tetanus erzeugt werden.
Später gelang es Kitt,i) aus Tetanuseiter auch ohne Zuhülfe-
nahme der Erhitzungsprocedur -) sichere Reinculturen des Tetauus-
bacillus zu gewinnen. Das Ausgangsmaterial, welches nicht zu sehr
durch fi-emde Spaltpilze verunreinigt sein darf, wurde mit sterilem
Wasser stark verdünnt, und die Flüssigkeit dann in oberflächlichen
Impfstrichen (cf. p. 160) auf Pferde- oder Schaf blutserum aufgeimpft.
Die Culturen wurden in einer Atmosphäre gehalten, die nach der
Buchner' sehen Methode (p. 163) sauerstofffrei gemacht wurde.
Es möge hier bemerkt werden, dass es vielen Untersuchern bei
Befolgung der Kitasato 'sehen Vorschrift nicht gelungen ist, aus
tetauusbacillenhaltigem Material Reinculturen des Tetauusbacillus dar-
zustellen. Wie Sormani"^) und später auch Nicolai er'') betont
haben, kann die Erhitzimgsprocedur Kitas ato's selbstverständlich
nur dann zum Ziele führen, wenn zufällig neben den Tetanussporen
nicht noch andere widerstandsfähige Sporen in dem zu erhitzenden
Materiale vorhanden sind.''^)
Der Tetauusbacillus resp. seine Dauerform findet sich in grosser
Verbreitung in unserer Umgebung. In Erde, Staub, Kehricht sind
Tetanuskeime anzutreffen:*') auch in Thierexcrementen, namentlich in
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. No. 10.
•-) Kitasato (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891. p. 305) hat es Kitt gegen-
über bestritten, dass die Eeinzüchtung des Tetanusbacillus ohne die Erhitzungs-
procedur mögUch ist. Nach Kitasato gelingt es nur durch die Erhitzung zu-
verlässig, die begleitenden facultativen Anaeroben wegzuschaffen.
^) Verhandl. d. 10. Internat, med. Congr. Berhn 1890. Bd. 5. Abth. 15. p. 153.
') Virch. Arch. Bd. 128. 1892.
^) Nicolaier (Virch. Arch. Bd. 128. 1892) glückte die Eeincultivirung, indem
er die zunächst erhaltenen unreinen Culturen S'/^ Min. lang im strömenden Wasser-
dampf von 100^ C. erhitzte und dann davon Platten anlegte. Auch hier wurde das
Gehngen der Keincidtur nur dem zufälligen Umstände verdankt, dass andere resistente
Sporen in dem zu erhitzenden Materiale felüten.
**) Nach Le Dantec (Ann. d. l'Inst. Pasteur. 1890. p. 716 ff.) stellen sich
die Eingebornen der Neuen Hebriden tetanuserzeugende Giftpfeile dadurch her, dass
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 16
242 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Excrementen von Pflanzenfressern (Pferd, Eind etc.) hat man sie öfters
nachgewiesen. ^)
Der Tetanusba cillus ist etwas kleiner imd dünner als der
Bacillus des malignen Oedems, er liegt oft einzeln; in den Cultm'en
zeigt er sich aber oft zu langen Fäden ausgewachsen. Er hat eine
deutliche, aber wenig lebhafte Eigenbewegung.-) Sporentragende
Stäbchen sind übrigens stets unbeweglich (cf. p. 16). Der Bacillus
ist obligat anaerob.
Er wächst, wenn mau seine anaeroben Eigenschaften berück-
sichtigt, auf den gebräuchlichen Nährböden, bei Brüttemperatur besser
als bei Zimmertemperatur; unter 14^ C. findet kein Wachsthuni statt.
In Gelatine und Agar zeigt die Cultur feine strahlige Ausläufer (feder-
artiges, distelartiges Aussehen). Die Gelatine wird langsam ver-
flüssigt.^) Die Culturen haben einen widerwärtigen Geruch.
Auf Blutserum wächst der Tetanusbacillus schlecht : das Blutserum
wird nicht verflüssigt.*)
Der Bacillus bildet end ständige, kugelrunde Sporen, die
dicker sind als der Bacillus. Dieselben werden bei Brüttemperatur in
etwa 30 Stunden,'^) bei 20—25« C. erst nach 7 Tagen gebildet. Die
Sporen ertragen im feuchten Zustande eine einstündige Erhitzung auf
80*^ C; dagegen werden sie dui'ch einen 5 Minuten langen Aufenthalt
bei 100*^ C. im Dampfapparate getödtet. Unter natürlichen Verhält-
sie die (knöchernen) Pfeilspitzen (unter Zuhülfenahme eines vegetabilischen Klebe-
mittels) mit Sumpfschlamm überziehen.
^) Sormani (Verhandl. d. 10. internat. med. Congr. Berlin 1890. Bd. 5.
Abth. 15. p. 152) tritt lebhaft für die „fäcale Theorie des Tetanus" ein.
Nach dem Autor stammen die virulenten Tetanuserreger stets aus dem Darm von
Thieren resp. aus faeces; und zur Virulenzerhaltung des Tetanusbacülus ist öftere
Passage durch den Darm nothwendig.
-) Schwarz (Lo Sperimentale 1891. No. 18; ref. Centralbl. f. Bakt. Bd. 12.
p. 391) wies die Existenz eines endständigen Geisselfadens an den Stäbchen nach.
^) Wenn die Virulenz der Culturen sehr abgeschwächt ist, so wird die Gelatme
nach Tizzoni und Cattani (Riforma medica 1891. No. 89. p. 158) nicht mehr
verflüssigt.
*) cf. Kitasato, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891. p. 305. — Wenn die
Virulenz der Bacillen sehr gross ist, so vei-flüssigen dieselben nach Tizzoni und
Cattani (Riforma medica 1891. No. 89. p. 158) das Blutserum.
^) Nach einer Angabe von Brieger, Kitasato und Wassermann (Zeit-
schrift f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 150) bilden die Tetanusbacülen, in streng neu-
traler Peptonbouillon unter Wasserstoff im Brütschrank gezüchtet, während der
ersten 30 Stunden, trotz sehr reichUchen Wachsthums, keine Sporen. Derartige,
c. 24 Stunden lang gewachsene Culturen eignen sich (nach den Autoren) vortrefflich,
wenn es darauf ankommt, sporenfreies Tetanusmaterial zu haben.
Der Tetanusbacillus. 243
nissen vermögen die Tetanussporen ihre Keimfähigkeit ausserordentlich
hinge zu erhalten.
Fig. 40 auf Taf. VII zeigt sporeutragende Bacillen, welche aus
einer Agarstichcultur entnommen sind.
Der Tetanusbacillus färbt sich gut bei kurzer Behandlung mit
kalten wässerigen Farblösungen ; er färbt sich auch nach der Gram"-
schen Methode (p. 108 fE'.).
Von Thieren sind für die Tetanusinfection hervorragend empfänglich
das Pferd > ) und das Meerschweinchen , etwas weniger Mäuse , noch
Aveniger Kaninchen, noch weniger Eatten;-) Hammel,^) Hunde, Tauben
sind gering empfänglich; das Huhn ist unempfänglich für Tetanus.^)
Werden die Thiere mit unreinem, ausser Tetanuskeimen noch andere
Keime enthaltenden Materiale (Staub, Erde) inficii-t, wie es bei der
natürlichen Infection die Kegel ist, so findet sich bei der Section an
der Infectionsstelle Eiter, welcher (ausser anderen Bakterien) sporen-
tragende Tetanusstäbchen enthält. Me finden sich die Tetanus-
bacillen an anderen Stellen des Körpers als an der Infectionsstelle
(cf. oben p. 199). Wird die Infection mit einer Kein cultur bewirkt,
so ist nur Hyi^eraemie an der Impfstelle, aber keine Eiterung
vorhanden; und es finden sich in solchen Fällen auch keine Tetanus-
bacillen bei der Section des Thieres: die Bacillen sind, obgleich sie typi-
schen Tetanus veranlasst haben, spurlos im Thierkörper verschwunden. -')
Wie bereits oben (p. 200) ausführlich erörtert wurde, gehört der
Tetanusbacillus zu den toxischen Bakterienarten. Er wirkt deletär
auf den empfänglichen Thierkörper ausschliesslich durch ein furchtbares
specifisches Gift, welches er bei seiner Vermehrung auf dem
(natürlichen oder künstlichen) Nährboden bildet. Dringen Tetanuskemie
in das subcutane Gewebe eines empfänglichen Individuums ein (die
anaerobe Xatur des Tetanusbacillus sestattet, wie das auch beim Ba-
^) Die Incubationsperiode beim Pferd beträgt nach Schütz (Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 12. 1892. p. Sl) 4—5 Tage.
'-) Bezüglich der verschieden hohen Empfindlichkeit unserer gewöhnUchen
Laboratoriurasthiere gegen das Tetanusgift vergl. die Ermittelungen von Wladi-
miroff (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 15. 1893. p. 409).
^) Die Incubationsperiode beim Hammel beträgt nach Schütz (Zeitschr. f.
Hyg. Bd. 12. 1892. p. 81) 2—4 Tage.
*) Ermittelung von Kitasato (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891. p. 301). —
Nach neueren Feststellungen von F. K lern per er (Arch. f. exp. Path. u. Pharm.
Bd. 31. 1893. p. 373) sterben Hühner nach intraperitonealer Injection sehr hoher
Dosen von Tetanuscultur unter Krampferscheinungen, event. auch unter deutlich
tetanischen Symptomen.
^) Kitasato, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. p. 231.
16*
244 B- Die Bakterien als Ivrankheitserreger.
cillus des malignen Oedems [p. 238] der Fall ist, die Infection nur
vom Subcutangewebe aus) , so vermehren diese Keime sich local au
der Infectionsstelle und bilden hier das Tetanusgift, welches dann in
das Innere des Körpers hineingelangt und die AllgemeinsjTnptome der
Tetanuskrankheit bewirkt. Wir haben hier also primär eine Tetanus-
infection (Vermehrung der Keime) und secundär eine daraus resul-
tii'ende Tetanusin toxication. Da das Tetanusgift aber nicht bloss
im inficirten Körper, sondern auch auf künstlichem Nährboden, in der
Cultur, gebildet wird, so kann man auch eine primäre Intoxication
erzielen, und zwar dadurch, dass man dem empfänglichen Thiere eine
künstliche Tetanusbacilleucultur (in zweckmässiger Dosis) einverleibt,
welche auf passende Weise von den lebenden Tetanuskeimen befi'eit
ist, das gelöste Gift aber enthält. Der Erfolg ist, mag die Intoxication
eine secundäre oder eine primäre sein, derselbe: das empfängliche
Thier erki'ankt an Tetanus. Die Tetanusempfänglichkeit ist eine
Empfänglichkeit für die specifische Vergiftung.
Dm-ch ausschliessliche Verimpfung absolut gift-
freier (durch Auswaschung und Erhitzung auf 80^0. von dem ge-
lösten Gifte befreiter) T e t a n u s k e i m e (in nicht allzugrosser Quantität)
gelingt es übrigens, nach Untersuchungen von Vaillard und Vincent '),
nicht, Tetanuserkrankung zu erzeugen. Diese Keime scheinen allein,
ohne fremde Beihülfe, im normalen Körper sich nicht vermehren zu
können. Dagegen erlangen diese Keime, wie die genannten Autoren er-
mittelten, die Fähigkeit der Vermehrung und damit der Tetanus-
'erzeugung, wenn zugleich mit ihnen fremde, die Infectionsstelle schä-
digende Dinge (z. B. etwas Milchsäure, etwas Trimethjlamin, eine Cultur
von Bac. prodigiosus etc.) dem Thierkörper eingeimpft werden, oder
wenn die Impfstelle traumatisch geschädigt wird. Bei der Tetanus-
infection, wie sie unter natürlichen Verhältnissen (durch Eindringen
von Erde, Staub etc. in das verletzte Unterhautgewebe) stattfindet, ge-
langen nie Tetanuskeime allein, sondern stets zugleich andere Bakterien-
keime in den Körper hinein, welche die Vermehrung der Tetanuskeime
begünstigen.-)
1) Annales de l'Inst. Pasteur. 1891. p. 24 ff.
■-) Inficirt man Versuchstbiere (weisse Mäuse, Meerschweinchen etc.) mit tetanus
sporenhaltiger Erde, und überträgt man nach dem Tode des Tbieres von dem eitrigen
Material der Infectionsstelle etwas auf ein neues Thier u. s. f., so gehngt es gewöhn-
hch nicht die Tetanuserkrankung über das dritte Thier hüiaus zu erzeugen. Die
erste, mit Erde geimpfte, Maus stirbt gewöhnhch nicht vor dem 3. bis 4. Tage an
Tetanus ; die Tetanussymptome entwickeln sich bei ihr sehr langsam und sind wenig
characteristisch ; das von dem ersten Thiere geimofte zweite Thier erkTankt gewöhn-
Der Tetanusbacillus. 245
Das specifische Tetaniisgift, welches in lainstlichen Culturen
des Tetanusbacillus gelöst enthalten ist und im tetanuserki'ankten
Körper mit den Säften circulirt,') ist seiner chemischen ISTatur nach
noch ziemlich wenig bekannt. Nach Untersuchungen von Brieger
und Cohn-) ist es kein eigentlicher Eiweissstoif.''^) Durch Erhitzen
Avird das Gift geschädigt. Bereits 5 Minuten lange Erhitzung auf 65*^ C,
20 Minuten lange Erhitzung auf 60^ C, iVcj stündige Erhitzung auf
55^ C. schädigt das Gift sehr erhebhch; zu seiner völKgen Zerstörung
ist allerdings eine intensivere Einwirkung der Hitze nothwendig. Ebenso
wirken auch Austrocknen bei Brüttemperatur, Einfluss des Lichtes, des
Luftsauerstoffs, schädigend auf das Gift.'') Es ist sehr schwer, eine
das Tetanusgift enthaltende Lösung in unveränderter Giftwirkung zu
conserviren. Behring und Knorr'^) fanden am zweckmässigsten
hierfür einen Zusatz von 0,6 ^j^ Carbolsäure und Aufbewahrung in fest
verschlossenen Flaschen.
So wie die Empfänglichkeit für den Tetanus als Empfänglichkeit
für die Vergiftung angesehen werden muss (cf. oben p. 244), so
ist auch (durch Behring und K i t a s a t o ; siehe oben p. 2 1 3 ff.) die
erworbene Immunität gegen den Tetanus als eine Lnmunität gegen
lieh bereits innerhalb 12 Stunden nach der Impfung unter klassischen, schnell sich
steigernden Starrkrampferscheinungen und stirbt gewöhnlich vor Ablauf des ersten
Tages nach der Impfung. Bei weiteren Uebertragungsversuchen von Thier zu Thier
bekommt man, wie gesagt, sehr bald negative Eesultate. Nach Vaillard imd
Eouget (Ann. de Flnstitut Pasteur 1892. p. 428) ist der Grund hierfür der,
dass die Bakterien, deren Mitübertragung die Vermehrung des Tetanusbacillus im
Thierkörper ermöglicht oder begünstigt (siehe das Vorhergehende oben im Text),
von Thier zu Thier eine ..progressive Verminderung an Zahl und Wirksamkeit"
erleiden.
^) Beim Menschen wies zuerst Nissen (Deutsche med. Wochenschr. 1891.
No. 24) das Gift in dem circiüirenden Blute des Tetanischen nach. — Das Tetanus-
gift kann gelegentUch auch in den Harn übergehen. — Mit dem specifischen
Tetanusgift haben nichts zu thun gewisse von Brieger (cf. Deutsche med. Wochen-
schrift. 1887. p. 303, 304) aus Tetanusculturen hergestellte Alkaloide, von denen
namentlich das Tetanin C13H30N2O4 äusserst giftig und starrkrampferregend wirkt.
■-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 15. 1893. p. 8.
^) Der Tetanusbacillus wächst und bildet sein Gift aber nur auf Nährböden,
die Eiweisskörper enthalten (Brieger, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 19. 1895. p. 102).
^) Vergl. Kitasato, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891: Vaillard u. Eouget,
Annales de l'Inst. Pasteur. 1892. No. 6. — Ueber die Eigenschaften des Tetanus-
giftes siehe auch die umfangreiche Experimentalarbeit von Permi und Pernossi
(Zeitschr. f. Hyg. Bd. 16. 1S94; ausführhches Autorreferat findet sich im Centralbl.
f. Bakt. Bd. 15. p. 303).
'') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893.
246 B- Diß Bakterien als Krankheitserreger.
oben (p. 217 ff.) des Näheren auseinandergesetzt, dass es gelingt, tetanns-
empfängliche Thiere künstlich gegen Tetanus zu immunisiren und die
künstliche Immunität künstlich weiter zu steigern ; und wir sahen,
dass das Blut und speciell das Blutserum der künstlich immunisirten
Thiere tetanusgiftwidrige Eigenschaften, antitoxische Fähig-
keiten dem Tetanusgift gegenüber, insofern besitzt, als es einerseits
gelingt, durch Einführung dieses Serums in den Körper eines tetanus-
empfänglichen Individumns dem letzteren Immunität gegen die Tetanus-
vergiftung zu verleihen, andererseits durch Einführung dieses Serums
in den Körper eines bereits an Tetanus erki-ankten Individuums das-
selbe zu heilen. Die letztere Thatsache, d. h. die Möglichkeit der
Heilung an Tetanus erkrankter Individuen, hat sich bisher aller-
dings nur an kleinen Versuchsthieren mit Sicherheit feststellen
lassen, und auch da begegnen derartige Versuche gewissen Schwierig-
keiten. So gelang es zwar K i t a s a t o ^) tetanuskranke Laboratoriums-
thiere (Mäuse, Meerschweinchen) durch intraperitoneale Ein-
verleibung des antitoxischen Serums zu heilen; aber andererseits ver-
mochte Beck'-) bei subcutaner Einführung sehr stark wii'ksamen
Tetanusheilserums Meerschweinchen nie zu retten, sobald die ersten,
auch nur die geringsten Krankheitssymptome bereits vorhanden waren.
Was die Behandlung des tetanuserkrankten Menschen mit dem anti-
toxischen Serum angeht, so sind die Dinge, wie wir bereits oben (p. 216)
sagten, augenblicklich jedenfalls noch nicht so weit gediehen, dass
sichere Erfolge zu erzielen wären.
Die Tetanusheilkörper, d. h. die in dem Blutserum immu-
nisirter Individuen enthaltenen, immunisirend und heilend wirkenden
chemischen Substanzen, sind ihrer chemischen Natur nach noch sehr
wenig erforscht. lieber die hierhergehörigen Ermittelungen von Beh-
ring und Knorr siehe oben p. 222.
4. Der Rauschbrandbacillus.
Vielfach mit Milzbrand verwechselt wurde früher eine Krankheit,
welche zuerst (1875) von. Bollinger^) und (1876) von Feser-*) als
„ßauschbrand" fixirt imd so vom Milzbrande getrennt wurde.
1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 25(5 ff.
■-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 19. 1895.
3) Deutsche Zeitschr. f. Thiermed. u. vergl. Path. Bd. 1. 1875. p. 297.
^) J. Peser, Der Milzbrand auf den oberbayerischen Alpen. München 18'
p. 84.
Der Rauschbrandbacillus. 247
Der Rauschbrand^) (charbon sjmptomatique), auch „Geräusch,
Rauscher, fliegender Brand, Mlzbrandomphysem , St. Antoniusfeuer,
Knotenkrankheit, Plag, Kroser etc."-) genannt, ist eine über die ganze
Erde verbreitete, jedoch immer nur in bestimmten Gegenden heimische,
immer nur sporadisch auftretende, niemals von Fall zu Fall ansteckende,
sehr häufig mit Milzbrand zusammen vorkommende Infectionskrankheit,
die fast nur Rinder, und zwar hauptsächlich junge (1 — 3 Jahre alte)
Individuen, befällt und besonders in den Monaten Juni bis September
auftritt, wo die Thiere auf die Weide getrieben werden. Der Krank-
heitsverlauf ist meist ein sehr stürmischer, fast stets tödtlicher. Die
Thiere erkranken mit unregelmässig begrenzten, beim Ueberstreichen
und Drücken deutlich knisternden („rauschenden", „Rauschbrand") An-
schwellungen der Haut und Musculatur, besonders der Schenkel und
Brust; dabei bestehen Störungen des Allgemeinbefindens und hohes
Fieber, und 36 — 40 Stunden nach dem Beginn der Erkrankung erfolgt
der Tod. Die Cadaver sind stark aufgetrieben. Das Unterhautgewebe,
stellt eine sulzige, gelblich oder blutig gefärbte Masse dar, welche die
morsche, mit Gas durchsetzte, schwarzbraunrothe Musculatur bedeckt.
In dem Gase fand Kitt 76*^/0 Wasserstoff".
In dem erla-ankten Gewebe findet sich ein specifischer Bacillus,
welcher von Feser und Bollinger bereits als Erreger der Krank-
heit angesprochen wurde. Arloing, Cornevin und Thomas er-
hielten ihn in künstlicher Cultur, mit der sie Thiere erfolgreich inficii-en
konnten. Kitasato'^) gelang es den Bacillus in festen Nährböden
sicher rein zu cultiviren.
Der Rauschbrandbacillus (Bacillus sarcophysematos bovis)
ist 3 bis 6 /.< lang, 0,5 bis 0,7 (a, dick. In der Cultur liegen die Stäbchen
meist einzeln. Sie zeigen massig lebhafte Eigenbewegung. Jedes
Exemplar besitzt zahlreiche Geis sein wie der Bacillus des malignen
Oedems (cf. p. 237); dieselben lassen sich nach der Loeffler'schen
Geisselfärbungsmethode (jx 80 ff.) miki'oskopisch darstellen. In Blut-
serumculturen des Rauschbrandbacillus hat Loeffler^) gelegent-
lich seiner Studien über Geisseifärbung eigenthümliche , spiralig
g e d r e h t e , h a a r z 0 p f ä h n 1 i c h e Gebilde von verschiedenster Grösse
angetroffen. Diese Gebilde, welche sich in Präparaten, die nach der
Geisselfärbungsmethode behandelt sind, gefärl)t zeie-en. aber auch un-
^) Die folgende Schilderung lehnt sich zum grossen Theil an die Skizze von
Kitt (Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1SS7. No. 23—25) an.
-) cf. Feser, 1. c. jj. 69.
») Zeitschi-, f. Hyg. Bd. S. 1890.
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. p. 6.36.
248 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
gefärbt im hängenden Tropfen zu sehen sind, bestehen nach Loeffler's
Ansicht aus zusammengedrehten abgerissenen Greissehi.^)
Die Eauschbrandbacillen sind exquisite Anaeroben. Sie wachsen
auf den gewöhnlichen ^Tährböden, unter 14« C. nicht, bei 16 — 18*^ C.
langsam, am besten zwischen 36 und 38^ C. Die Eauschbrandbacillen
verflüssigen die Gelatine; die Colonien erscheinen innerhalb der-
selben als kugelige, mit Flüssigkeit angefüllte Hohlrämiie, von denen
aus die Bacillenfäden strahlig in die Gelatine hineinwachsen. Inner-
halb der festen Nährsubstrate (Gelatine, Agar) findet bei dem Wachs-
thum Gasbildung statt. Bouillonculturen riechen nach ranziger
Butter. Die Kartoff elculturen der Rauschbrandbacillen (in
sauerstofffreier Atmosphäre gezüchtet) haben Aehnlichkeit mit denen
der Tjphusbacillen : man bemerkt nur einen feuchten Glanz auf der
Kartoffelfläche; entnimmt man etwas mit der Platinnadel, so fühlt
man eine dicke, weiche, sich leicht ablösende Masse, die aus den
Organismen besteht. (Blücher.)-)
Der Eauschbrandbacillus bildet ovale Sporen, welche dicker
sind als der Bacillus und dem einen Ende des Bacillus nahe stehen,
so dass derselbe ein kolbenförmiges Aussehen bekommt. Die
Sporen bilden sich in den künstlichen Culturen, bei Brüttemperatur
schneller, bei Zimmertemperatur langsamer. Innerhalb des inficirten
Thierkörpers bilden sich Sporen erst dann, wenn 24 — 48 Stunden
nach dem Tode des Thieres verstrichen sind. Im Körper des kranken
Thieres sowie in künstlichen Culturen werden sehr häufig Involutions-
formen beobachtet; die Bacillen zeigen hier gewöhnlich mittelständige
Auftreibungen, so dass Spindelformen zu Stande kommen.
Die Virulenz der Rauschbrandbacillen bleibt in den Culturen
auf festem Nährboden dauernd erhalten.
Der Eauschbrandbacillus färbt sich gut mit kalten Tarblösungen ;
er färbt sich nicht nach der Gram' sehen Methode Q). 108 ff.).
Auf Menschen ist eine Uebertragimg der Infection noch nicht
beobachtet. Binder, Schafe, Ziegen, Meerschweinchen sind leicht zu
inficiren; Pferde, Esel, weisse Eatten zeigen nur vorübergehend locale
Störungen ; Schweine, Hunde, Katzen, Kaninchen,-^) gewöhnliche Eatten,
^) Aehnliche Gebilde („Riesengeisseln") wurden bei einem „neuen anaeroben
Bacillus des malignen Oedems" von Novy (Zeitsehr. f. Hyg. Bd. 17. 1894. p. 213ff.;
ebenda Taf. I und II mit mikrophotographiscben Darstellungen der Gebilde) constatirt.
2) Zeitsehr. f. Hyg. Bd. 8. 1890. p. 503.
^) Roger (Acad. des sc. Paris. 1889) fand, dass die natürliche Immunität
des Kaninchens gegen Rauschbrand durch gleichzeitig mit der Rauschbrandimpfung
erfolgende Einverleibung der StofFwechselproducte von Bac. prodigiosus, Staphylo-
coccus aureus und von anderen Bakterienarten künstlich aufgehoben werden kann.
Der Tuberkelbacillus. 249
Enten, Hühner, Tauben erscheinen nahezu immun; Mäuse sind wenig
empfänglich. Frösche sterben an der Infection, wenn sie bei 22*^ C.
gehalten werden (Arloing, Cornevin und Thomas). Die In-
fection wird stets nur durch subcutane Application veranlasst (wegen
der anaeroben Natur des En-egers [cf. p. 238]).
Meerschweinchen, Schafe und Kinder können künstlich
gegen Kauschbrandgift immunisirt werden (cf. p. 209, Anm. 1).
Kitt^) fand, dass getrocknetes Rauschbrandfleisch durch 6 stündige
Erhitzung im strömenden Dampfe von 100^ C. in einen zur Immu-
nisirung brauchbaren Impfstoff verwandelt wird.
5. Der Tuberkelbacillus (Bacillus der Säugethiertuberculose).
Der Erste, welcher durch Einbringung tuberculösen Materiales
experimentell Tuberculose bei Thieren erzeugte, war Klencke'-)
(1843). Weiterhin kam dann auf Grund planmässiger Experimente
Tille min") (1865) dazu, die Tuberculose mit Sicherheit als Infections-
krankheit anzusprechen. Durch C o h n h e i m und S a 1 o m o n s e n ^)
(1877), welche die Impfimg in die vordere Augenkammer (cf. p. 197)
des Kaninchens (und Meerschweinchens) einführten, wurde an der Hand
dieses Infectionsmodus der sichere Nachweis geführt, dass ausschhess-
lich die Uebertragung tuberculösen Materiales Tuberculose hervorruft.
War durch die Untersuchungen von Villemin und von Cohnheim
der infectiöse Character der Tuberculose auch so gut wie sichergestellt,
so sollte es doch K.Koch vorbehalten bleiben, die Aetiologie der
Tuberculose festzustellen.
Durch die Arbeiten K. Koch's''^) wurde zunächst festgestellt,
dass eine bestimmte Art von Bacillen, welche sich durch ein ganz
specifisches Färbungsverhalten von den übrigen bekannten Bakterien-
arten unterscheidet, regelmässig und ausschliesslich bei
der Tuberculose gefunden wird, ferner, dass diese Bacillen örtlich
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 18—19.
-) Untersuchungen und Erfahrungen im Gebiete der Anatomie , Physiologie,
Mikrologie, wissenschaftüchen Medicin. Von Prof. H. Klencke. Leipzig, Fe st 'sehe
Verlagsbuchhandhmg. 1843. Bd. 1. p. 123. (Citirt nach Waidenburg, Die Tuber-
culose, die Lungenschwindsucht und Scrophulose. Berlin [Hirschwald] 1869. p. 198).
*) Acad. de med. Paris. 4 dec. 1865. (Erfolgreiche Impfungen der Tuberculose
von Menschen auf das Kaninchen.)
^) Schles. Ges. f. vaterl. Cultur. 13. Juli 1877. (Jahresber. p. 222.)
■^) Vortrag in d. physiolog. GeseUsch. zu BerHu am 24. März 1882. (Berl. klin-
Wochenschr. 1882. No. 15.) — Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884.
250 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
und zeitlich allen der Tuberciilose eigenthümlichen Veränderungen voran-
gehen, und dass ihre Anzahl, ihr Erscheinen und Verschwinden in
directem Verhältniss zum Verlauf der Tuberculose steht.^) Weiter ge-
lang es Koch die für die Tuberculose specifischen Bacillen künst-
lich zu züchten, die Tollkommenste Uebereinstimmnng der von
dem verschiedensten Ausgangsmateriale gewonnenen künstlichen Cul-
turen darzuthun und dm-ch TJebertragung der durch beliebig viele
Culturgenerationen hindm'chgegangenen Bacillen in den Körper empfäng-
licher Thiere mit Sicherheit den Xachweis zu führen, dass die Tuberkel-
bacillen die Ursache der Tuberculose sind. Aus seinen Gesammtunter-
suchungen aber konnte Koch-) den stolzen Schluss ziehen, „dass die
Tuberkelbacillen nicht bloss eine Ursache der Tuberculose, sondern die
einzige Ursache derselben sind, und dass es ohne Tuberkel! )acillen keine
Tuberculose giebt".
Die Tuberkelbacillen finden sich, wie schon gesagt, bei
jedem tuberculosen Process, mag derselbe nun als miliare Tuberculose,
Lungenschwindsucht ■^) oder Damiphthisis, Tuberculose einzelner Organe,
Scrophulose der Drüsen, fungöse Entzündung der Gelenke, Lupus auf-
treten. Und wie bei der Tuberculose des Menschen, so finden sich
die Tuberkelbacillen auch bei der Tuberculose der Thiere : bei der Perl-
sucht des Rindes, der Tuberculose des Pferdes, des Schweines, der Ziege,
des Schafes, des Affen, Meerschweinchens, Kaninchens etc. „Am sicher-
sten trifit man die Bacillen dort an, wo der tuberculose Process im
ersten Entstehen oder im raschen Eortschreiten begriffen ist."*)
Bei der Hühner- (Geflügel-) Tuberculose finden sich
Bacillen, die in ihrem Aussehen und in ihrem Verhalten gegen Anilin-
farben mit den gewöhnlichen Tuberkelbacillen vollkommen überein-
') cf. Mitth. aus d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1SS4. p. 46.
-) Ebenda p. 76.
') Die ulceröse Lungenphthisis ist stets eine Mischinfection, bei
der ausser Tuberkelbacillen noch andere Bakterienarteü , am häufigsten Strepto-
coccen, betheiligt sind (cf. Kitasato, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1892. p. 444;
Cornet, Wiener med. Wochenschr. 1892. No. 19—20; Petruschky, Deutsche
med. Wochenschr. 1893. No. 14). Die bei der Phthisis die Tuberculose complicirende
secundäre Streptococceninfection kann zu einer Ueberschwemmung des gesammten
Organismus mit Streptococcen, zu einer richtigen Septicaemie, führen. Koch be-
zeichnet (cf. Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 317) die Curve des hektischen
Fiebers als „Streptococcencurve". — Ortner (Die Lungentuberculose als Misch-
infection. Wien 1893; ref. Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. p. 490) findet bei Lungen-
tuberculose neben dem Tuberkelbacillus meist einen Coccus, der in seiner Form alle
Variationen vom typischen Streptococcus pyogenes bis zum typischen Diplococciis
pneumoniae zeigt, und den er „Micrococcus pneumoniae" nennt.
') Koch, Mitth. aus d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 17.
Der Tuberkelbacillns. 251
stimmen, und die von Koch znnäclist mit den letzteren fiir identisch
angesehen wnrden. Es haben sich jedoch späterhin (Maffucci,
Koch) Unterschiede zwischen den Hühnertuberculosebacillen und den
gewöhnlichen Tuberkelbacillen ergeben, die namentlich in dem Aus-
sehen der künstlichen Culturen hervortreten: und Koch^) hat dem-
nach die Ansicht ausgesprochen, dass die Bacillen der Hühnertuberculose
eine fiir sich bestehende, aber den echten Tuberkelbacillen (den Bacillen
der Säugethiertuberculose) sehr nahe verwandte Art darstellen.-) Wir
werden die Bacillen der Geflügeltul)erculose zum Gegenstande einer
besonderen Betrachtung machen.
Koch hatte die Ansicht ausgesprochen, dass bei der Entstehung
der Tuberkel im Gewebe hauptsächlich Wanderzellen betheiligt seien,
die die Verschleppung der Bacillen von einem Orte zum anderen be-
wirkten. Durch den Eeiz, welchen der Bacillus auf die Zelle ausübt,
wird die letztere bald unfähig, ihre Wanderung weiter fortzusetzen.
Es entsteht aus ihr eine epithelioide' Zelle und daraus dann die tuber-
culöse Kiesenzelle. Damit ist das Centrum für den Tuberkel geschaffen.
Baumgarten'^) ist nach seinen Untersuchungen zu der Ueberzeugung
gelangt, dass bei der ersten Entstehung des Tuberkels die fixen Ge-
webszellen, namentlich die Bindegewebszellen, wesentlich mitbetheiligt
sind. Aus ihnen werden durch Karyokinese junge Zellen neugebildet,
welche epithelioiden Character haben. Die Bacillen brauchen nicht
durch Wanderzellen verschleppt zu werden, sondern es genügt zur
Weitertransportirung der Bacillen (welche ohne Eigenbewegung sind)
der Saftstrom in Verbindung mit der Wachsthumsbewegung der Tuber-
kelbacillen. Der histologische Befund bei der Tuberkelbildung ist
übrigens ein ganz verschiedener je nach der Art des die Infection be-
wirkenden Materiales und je nach dem Ort, an dem sich der Tuberkel
^) 10. Inteniat. med. Congr. Berlin 1890. Verhandlungen. Bd. 1. p. 39.
^) Neuere Arbeiten von Fischel (Untersuchungeu über die Morphologie und
Biologie des Tubereulose -Erregers. Wien und Leipzig. Braumüller. 1893; ferner
Berl. khn. Wochenschr. 1893. No. 41), von Courmont und Dor (cf. Semaine
medicale 1893. p. 420, 421) und von anderen Autoren haben es wieder fraglich ge-
macht, ob eine strenge Artunterscheidung zwischen dem Bacillus der Säugethier-
tuberculose und dem der Gefiügeltuberculose durchzuführen ist. So ist Fischel
an der Hand seiner Untersuchungen zu dem Schlüsse gelangt, dass die Säugethier-
und die Hühnertuberkeibacillen nur Ernährungsanpassungen einer und derselben Art
darstellen, und Courmont hat gefunden, dass die Hühnertuberculosebacillen um
so mehr ihre specifische Virulenz fiir Vögel verlieren, d. h. um so leichter Säuge-
thiere zu inficiren vermögen, je länger sie auf künstlichem Nährboden fortgezüchtet
werden.
") cf. Lehrbuch der pathol. Mykologie. Bd. 2. 1890. p. 555 ff.
252 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
entwickelt. Die bei der Tuberkelbildung auf die Neubildung von Zellen
stets folgende centrale Verkäsung ist als Neki'ose der Zellsubstanz
(Weigert's Coagulationsnekrose) aufzufassen, die durch den deletären
Einfluss der Bacillen zu Stande kommt. Die tuberculösen Kiesen-
zellen, welche sich bekanntlich durch randständige Kerne auszeichnen,
sind nach Weigert 's Ermittelungen partiell (central) verkäste (nekro-
tisch gewordene) Zellen.
Die Tuberkelbacillen sind feine Stäbchen von 1 ,6 bis 3,5 ^
Länge, welche übrigens bei der Färbung mit Methylenblau dünner, mit
Gentiana^iolett oder Fuchsin gefärbt cücker erscheinen und häufig eine
Ghederung (ungefärbte Stellen im gefärbten Bacillus) erkennen lassen.
Sie sind gewöhnlich nicht ganz gerade gestreckt, sondern zeigen leichte
Biegungen und Krünmiungen. Sie liegen im Gewebe meist einzeln.
In künstlichen Culturen und auch dort, wo sie im Thierkörper sich
unbeemflusst von lebenden Zellen entwickeln können (in vollständig ab-
gestorbenem Gewebe) kommt es ^ir Bildung tj^iisch gestalteter Grup-
pirungen der Bacillen. Man sieht dann bei schwachen Vergrösserungen
besonders S-förmig geschwungene, in der Mitte spindelförmig verdickte,
an den Enden zugespitzte Figuren, welche aus zusammengelagerten
Bacillen gebildet sind.
Eigenbeweglichkeit geht den Tuberkelbacillen vollständig ab.
Die Tuberkelbacillen wachsen, wie Koch fand, vortrefflich auf
erstarrtem Blutserum, welches man sich in der oben (p. 130) be-
schriebenen Weise präpariit Die Cultivirung der Tuberkelbacillen
ist eine sehr schwierige Aufgabe. „Am sichersten gelingen die Rein-
culturen, wenn zur Aussaat ein bacillenreicher Tuberkel oder ebensolche
Substanz aus dem Innern von noch wenig verkästen Lymphdrüsen
eines getödteten tuberculösen Meerschweinchens genommen wird. ^)
Damit die Cultur aber glückt, ist die Vermeidung irgend welcher Ver-
nm-einigungen durchaus nothwendig. Die Section des Cadavers, aus
dem das Material entnommen werden soll, muss möghchst bald nach
dem Tode vorgenommen werden. Die Haut wird, nach äusserlicher
Durchfeuchtung mit Sublimatlösung, mit ausgeglühter, noch heisser
Schere dm-chschnitten ; es werden darauf mit anderen durch Ausglühen
sterilisirten Instrumenten die tuberculösen Organe blossgelegt und
mit wiederum neuen sterilen Instrumenten einzelne Tuberkelknötchen
herauspräparirt. Nachdem ein solches Tuberkelknötchen zwischen ste-
rilen Skalpellen zerdrückt ist, wird die zerdrückte Masse mit starkem
Platindraht auf das Blutserum ausgestrichen oder Aielmehr in die
') Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Arate. Bd. 2. 1S84. p. 49.
Der TuberkelbaciUus. 253
Oberfläche desselben eingerieben. Solcher Röhrchen werden immer
gleich eine grössere Anzahl inficirt, weil das eine oder das andere
derselben durch fremde Keime, welche trotz aller Vorsicht sich ein-
geschlichen haben könnten, eventuell verloren sein könnte. Derartige
Verunreinigungen wachsen stets schneller als die Tuberkelbacillen : und
es ist demnach behufs der Anlegung einer künstlichen Cultur von
Tuberkelbacillen aus dem Thierkörper stets durchaus nothwendig, von
einer bereits bestehenden (natürlichen) Reincultur auszugehen und die-
selbe ohne Verunreinigungen auf den sterilen Nährl)oden zu übertragen.
Die in der beschriebenen Weise beimpften Blutserumröhrchen
werden dann (wie wir bereits oben p. 167 auseinandergesetzt haben)
mit frisch abgebranntem Wattepfropf verschlossen; über die Oeffinmg
des Eöhrchens wird eine (zunächst 30 Min. im Dampftopf und dann
stundenlang in Sublimatlösung gehaltene) Gummikappe gezogen, welche
einen luftdichten Abschluss bewirkt und den Nährboden bei
dem nun folgenden Aufenthalte im Brütschrank vor Verdunstung und
Austrocknung bewahrt.
Die Tuberkelbacillen gedeihen unter 29^ C. nicht; ebenso wachsen
sie nicht mehr bei 42^ C. Das Optimum der Temperatur liegt
bei 37 — 38 ^ C. Bei der letzteren Temperatur erscheinen auf dem
Blutserum miki-oskopisch bereits nach 5 — 6 , makroskopisch erst
nach 10 — 15 Tagen kleine, trockene, weisse, der Oberfläche des er-
starrten Serums lose auf hegende Schüppchen von starrer, brüchiger
Consistenz, welche ganz aus aneinander klebenden Bacillen bestehen.
Ist die Cultur aus vereinzelten Keimen hervorgegangen, so zeigen die
Colonien, bei schwacher Vergrösserung betrachtet, die oben erwähnte
S-förmige, spindelartige Gestalt. Das Blutserum wird nicht ver-
flüssigt. Als Blutserum eignet sich zur Cultur am besten solches
vom Hammel, Rind oder Kalb.
Auch auf Bouillon gedeihen die Tuberkelbacillen, ebenso auf ge-
wöhnlichem Nähr-Agar, wenn auch nicht so gut wie auf Blutserum.
Auf dem Agar kommt es zur Bildung compacter unförmlicher Massen.
Nocard und Roux^) haben gefunden, dass ein Zusatz von
6 — 8°/o Glycerin"^) zu Bouillon und zu Agar dieselben viel ge-
eigneter zum Nährboden für Tuberkelbacillen macht, als sie es ohne
diesen Zusatz sind. Auf der Oberfläche von Glycerin-Agar bildet
der TuberkelbaciUus voluminöse warzenförmige weisse Wucherungen.
^) Annales de Tlnst. Pasteur. 1S87. No. 1.
-) Nach den Untersuchungen von Hammerschlag (Centralbl. f. klin. Med.
1881. No. 1. p. 15) brauchen die Tuberkelbacillen (im Gegensatz zu allen übrigen
bekannten Bakterienarten) Kohlehydrate oder Glycerin nothwendig zum Wachsthum.
254 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Auf Glycerin-Bouillon, wie überhaupt auf flüssigen Nährböden,
entwickelt sich der Tuberkelbacillus — seinem starken Sauerstoff-
bedürfniss entsprechend — nur oberflächlich: es bilden sich dicke
faltige Häute, die auf der Oberfläche des Nährbodens schwimmen.
Nach Aronson^) gelingt die Züchtung im Innern des flüssigen Nähr-
bodens, wenn man denselben permanent mit Sauerstoff durchlüftet:
der Tuberkelbacillus wächst dann in Glj'cerin- Bouillon in Form von
kleinen, warzenförmigen, am Boden des Culturgefässes haftenden Ge-
bilden. Bonhoff-J hat gefunden, dass sich zur Ciütur der Tuberkel-
bacillen ganz besonders eine aus gesunder Kalbslunge hergestellte, mit
4°/o Griycerin versetzte Bouillon eignet. Dieser Nährboden scheint ein
kräftigeres Wachsthum der Tuberkelbacillen zu gestatten als alle
anderen bekannten künstlichen Nährböden.
Pawlowskj"^) gelang es die Tuberkelbacillen auch auf der
Kartoffel zu cultiviren. Später hat Sander*) die Cultivii-ung der
Tuberkelbacillen auf pflanzlichen Nährböden überhaupt zum
Gegenstande eingehender Studien gemacht. Sander fand, dass auf
einer ganzen Eeihe derartiger Nährböden die Züchtimg der Tuberkel-
bacillen leicht gelingt, dass aber ihre Virulenz dabei stets geschädigt
wird. Ausserordentlich üppig wachsen nach den Ermittelungen des
Autors die Tuberkelbacillen auf einer (sauren) mit 4 «/^ Gltcerin ver-
setzten Kartoöelbrühe. ■'')
Auch auf eiweissfreien Nährböden (cf oben p. 137ff.) ge-
deihen die Tuberkelbacillen; nm* müssen derartige Nährböden einen
gewissen Gehalt an Glycerin besitzen, um für den Tuberkelbacillus
tauglich zu sein. *^)
Koch') hat eine Methode angegeben, die Tuberkelbacillen dir e et
1) Berl. kliu. Wochenscbr. 1894. No. 18. p. 426. Anm.
-) Hjg. Eundschau. 1892. No. 23.
^) Annales de linst. Pasteur. 1888. No. 6.
^) Arch. f. Hyg. Bd. 16. 1893.
^) 100 g zerriebene Kartoffel werden mit 300 ccm Wasser versetzt und über
Nacht in den Eisschrank gestellt. Aus dem Gemische werden (durch ein Seihtuch
hindurch) 300 ccm Kartoffelsaft ausgepresst; der letztere wird 1 Stunde lang auf
dem Wasserbad gekocht, darauf filtrirt, mit i'^j^ Glycerm versetzt, sterihsirt und
ist dann zum Gebrauehe fertig.
«) cf. W. Kühne, Zeitschr. f. Biol. Bd. 30. 1893. p. 2.50; Proskauer imd
Beck, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894.
') Durch Kitasato publicirt (Zeitschi-, f. Hyg. Bd. 11. 1892). — Bei dieser
Gelegenheit fand Kitasato, dass die in phthisischem Sputum vorhandenen Tuberkel-
bacillen gewöhnlich zum grössten Theile abgestorben sind, wenn sie sich auch noch
in normaler Weise färben lassen.
Der Tuberkelbacillus. 255
aus phthisiscliem Sputum zu cultiviren. Da das Sputum
stets noch andere Bakterien enthält, so kommt Alles darauf an, diese
letzteren möglichst zu entfernen. Koch lässt zu diesem Zwecke den
Kranken nach sorgfältiger Reinigung der Mundhöhle in ein sterilisirtes
Petri'sches Schälchen aushusten. Die ausgehustete Schleimfiocke
wird dann in oft erneuertem sterilisirten Wasser ausgewaschen; und
es wird mm — nach geschehener miki'oskopischer Prüfung — ein
mit sterilisirten Instrumenten aus der JMitte der Flocke entnommenes
Partikelchen auf Glycerin - Agar oder Blutserum ausgestrichen. Die
Culturröhrchen kommen nach luftdichtem Abschluss Q). 253) in den
Brütschrank. Gelingt der Versuch, so entwickeln sich binnen 2 Wochen
Colonien von Tuberkelbacillen auf der Oberfläche des Nährbodens, welche
zmiächst gewisse Differenzen von den Colonien, welche bei der Culti-
virung der Tuberkelbacillen aus dem Thierkörper entstehen, darbieten:
die Colonien stellen kreisrunde, rein weisse, feucht glänzende, glatte,
undurchsichtige Flecken dar. Später verwischen sich die Differenzen
in dem Aussehen der so erhaltenen Colonien von dem der aus dem
Thierkörper gezüchteten.
Ein anderes Verfahren, Tuberkelbacillen direct aus Sputum zu
cultiviren, hat Pastor^) angegeben. Das möglichst ohne Verunreini-
gungen (wie oben bei dem Koch 'sehen Verfahren) gewonnene, in
sterilisirten! Wasser abgespülte Sputum wird durch Schütteln in steri-
lisirtem Wasser zu einer feinen Suspension aufgeschwemmt; die Auf-
schwemmung wird in geschmolzener Xährgelatine vertheilt, und die
letztere wird zur Platte ausgegossen. Nach 3 — 4 Tage langem Stehen
bei Zimmertemperatur werden auf der Platte die durchsichtig ge-
bhebenen Stellen, d. h. die Stellen, an denen sich keine Colonien (die
nur verunreinigenden Bakterien zugehören können) entwickelt haben,
aufgesucht; diese Stellen werden mit steriKsirtem Messer ausgeschnitten,
auf Blutserum gebracht, und das letztere wird in den Brütschrank
gestellt. In etwa lOo/^ der geimpften E öhrchen entwickeln sich Rein-
ciilturen von Tuberkelbacillen.
Die Tuberkelbacillen bewahren bei der fortlaufenden Züchtung auf
künstlichem Nährboden-) ihre Eigenschaften sehr hartnäckig. Koch"^)
züchtete Reinculturen seit mehr als neun Jahren im Reagenzglase fort;
diese Culturen, die seitdem nie wieder in einen lebenden Körper ge-
langten, hatten sich bis auf eine geringe Abnahme der Virulenz voll-
kommen unverändert erhalten.
') Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 8.
ä) Auf pflanzlichen Nährböden (siehe p. 254) wird die Virulenz geschädigt.
'') 10. internat. med. Congr. Beriin 1890. Verhandlungen. Bd. 1. p. 39.
256 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Die Cultiiren der Tuberkelbacillen müssen, wenn ihre ITebertrag-
barkeit erhalten bleiben soll, sorgfältig vor Licht geschützt
werden. Durch directes Sonnenlicht werden Tuberkelbacillen je nach
der Dicke der Schicht, in welcher sie dem Sonnenlichte ausgesetzt
werden, in wenigen Minuten bis einigen Stunden getödtet. Das zer-
streute Tageslicht übt, wenn auch entsprechend langsamer, dieselbe
Wirkung aus: die Culturen der Tuberkelbacillen sterben, wenn sie
dicht am Fenster aufgestellt sind, in 5 — 7 Tagen ab (Koch).^)
Nach seinen ersten Untersuchungen war Koch der Ansicht, dass
der Tuberkelbacillus — sowohl in der künstlichen Cultur wie im Thier-
körjDer — Sporen bildet: Die sporentragenden Stäbchen sind analog
den sporenhaltigen Milzbrandfäden gebaut, sie sind nur viel kleiner.
Der Bacillus zeigt hierbei eine deuthche Gliederung (cf. p. 252). Es
sind in jedem Bacillus 2 bis 6 Glieder vorhanden, welche je eine stark
glänzende, eiförmige Spore enthalten.-) Ob diese Gebilde aber in der
That als „Sporen" anzusprechen sind, ist später wieder zweifelhaft ge-
worden.'^) Die Tuberkelbacillen sind als solche, d. h. in ihrer rein
vegetativen Form, bereits durch eine viel grössere Resistenz"^) gegen
äussere Einflüsse ausgezeichnet, als sie sonst vegetativen Bakterien-
zellen zukommt. Diese Resistenz findet auch in der (weiterhin aus-
führlich zu besprechenden) Eigenschaft des Tuberkelbacillus, aus Farb-
lösungen erst bei intensiver Behandlung mit den letzteren (cf. p. 106)
Farbstoff in sich aufzunehmen, deutlichen Ausdruck. Aus der Resi-
stenz tuberkelbacillenhaltigen Materials gegen äussere Angriffe kann
also nicht auf das Vorhandensein von Sporen geschlossen werden; diese
Resistenz las st sich ungezwungen aus den genannten Eigenschaften der
Bacillensubstanz an sich erklären. Die Frage, ob Sporenbildung bei
dem Tuberkelbacillus besteht, würde erst dann definitiv in positivem
Sinne entschieden werden können, wenn es gelänge an den fraglichen
Gebilden eme Auskeimung zu beobachten.
Jedenfalls ist es also bis auf Weiteres nicht mehr statthaft, die
^) 10. intemat. med. Congr. Berlin 1890. Verhandlungen. Bd. 1. p. 42.
2) Soch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 22.
^) cf. C. Fraenkel, Grundriss d. Bakterienk. .3. Aufl. 1890. p. 308.
*) Während vegetative Bakterienzellen im Allgemeinen (cf. oben p. 24) durch
Erhitzung auf c. 56** C. in kurzer Zeit vernichtet werden, werden Tuberkelbacillen
ia Eeinculturen erst durch 10 Min. langes Erhitzen auf 70** C. getödtet (Ter sin,
Ann. de Tlnstitut Pasteur. 1888. No. 2; Bon hoff, Hyg. Eundschau. 1892. No. 23;
Forster und de Man, Hygienische Eundschau. 1893. p. 670 [auch Ai'ch. f. Hyg.
Bd. 18. 1893]). — In 3 Jahre lang eingetrocknetem phthisischen Sputum fand
Stone (Amer. Journ. of the Med. Sciences. March 1891) die Tuberkelbacillen nicht
allein von normaler Färbbarkeit, sondern auch von nur wenig abgeschwächter Virulenz.
Der Tuberkelbacillus. 257
in gefärbten Präparaten in den Tuljerkelbacillen so häufig anfzufinclen-
den nngefärbten Lücken (p. 252) als „Sporen" anzusprechen.
Wie bereits mehrfach mitgetheilt, unterscheiden sich die Tuberkel- •
bacillen in ihrem Färbungs verhalten dadurch von allen anderen
Bakterienarten, dass sie die Färbung durch basische Anilinfarbstoffe
schwerer annehmen, und dass sie dementsprechend, wenn sie einmal
gefärbt sind, sich auch Entfärbungsmitteln gegenüber schwerer zugäng-
lich verhalten als andere Bakterienarten. Wenn man Tuberkelbacillen
färben will, so muss man deshalb die Farbstoffe besonders intensiv
einwirken lassen; man hat aber in diesem speci fischen Ver-
halten der Tuberkelbacillen ein Mittel, dieselben mit Sicher-
heit nachzuweisen. Der Praktiker, der die Methoden zur Dar-
stellung der Tuberkelbacillen im gefärbten Präparate beherrscht, hat
damit die Fähigkeit, im gegebenen Falle zu entscheiden, ob es
sich um Tuberculose handelt oder nicht.
Die ursprüngliche Methode, welche Koch zur Sichtbar-
machung der Tuberkelbacillen anwandte, war folgende:') Der Schnitt
oder das Trockenpräparat kam auf 20 — 24 Stunden bei Zimmer-
temperatur (auf ^/g bis 1 Stunde bei 40*^ C.) in eine Mschung von
200 ccm dest. Wasser,
1 ccm gesättigter alcohol. Meth3^1enblaulösung,
0,2 ccm lOproc. Kalilauge.
Das dann dunkelblau gefärbte Präparat vnnde in Wasser abgespült
und gelangte für 15 Minuten in eine gesättigte wässerige Lösung von
Vesuvin (Bismarckbraun). Dann wurde das Präparat in Wasser ab-
gespült und in der gewöhnlichen Weise weiter behandelt, um zur
Untersuchung in Balsam eingeschlossen zu werden. Die Tuberkel-
bacillen erscheinen dann l)lau, die übrigen Bakterien uud die Kerne
des Gewebes braun.
Ehrlich'-) erreichte eine erheblich schnellere und intensivere
Färbung der Tuberkelbacillen durch Anwendung seiner bereits
oben (p. 101) besprochenen Anilinwasser - Farbstofflösungen.
Ferner fand Ehrlich die schon mehrfach erwähnte Thatsache, dass
die Tuberkelbacillen, einmal gefärbt, sich gegen starke Entfärbungs-
mittel (verdünnte Säuren) resistent verhalten.
Das von Ehrlich construirte und von Koch acceptirte Färbungs-
verfahren resp. Darstellimgsverfahren der Tuberkelbacillen gestaltet sich
1) Berl. kliii. Wochenscbr. 18S2. No. 15. — Mittb. a. d. Kais. Ges.-Amte.
Bd. 2. 1SS4. p. 5.
-) cf. Deutscbe med. Wochenscbr. 1882. p. 270.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. IT
258 B- Die Bakterien als Krankbeitserreg-er.
danach folgendermassen :^) Die Objecte (Schnitte oder Deckglaspräparate)
kommen füi- mindestens 12 Stunden hei Zimmertemperatur (oder kürzere
Zeit hei höherer Temperatur) in die Ehrlich' sehe Lösung, werden
dann einige Secunden mit 25proc. Salpetersäurewasser behandelt, dann
einige Minuten in 60 proc. Alcohol gespült und hinterher in verdünnter
Bismarckhraun- resp. Methylenblaulösung (je nachdem die erste Färbung
mit Violett oder Fuchsin vorgenommen wurde) nachgefärbt. Dann
nochmaliges Spülen in 60 proc. Alcohol, Entwässern in absolutem Alcohol,
Aufhellen in Cedemöl. IS^un kommt die mikroskopische Untersuchung
des Präparates. Dasselbe wird zum Schluss in Balsam eingelegt, wenn
es conser\irt werden soll.
Ziehl") empfahl dann seine oben (p. 102) angegebene Carbol-
säurefuchslnlösung zur Färbung der Tuberkelbacillen.
B. Fraenkel"'') empfahl, bei Deckglaspräparaten die Entfärbung
und die Xachfärbung gleichzeitig vorzunehmen. Das mit Anilüiwasser-
fuchsin gefärbte Deckglaspräparat gelangt in eine Flüssigkeit, welche
aus 50 Wasser, 30 Alcohol, 20 Salpetersäure und Methylenblau bis
zur Sättigung besteht. Wenn das Präparat blau erscheint, wird es in
Wasser abgespült und dann in Wasser untersucht.
Der Verf. wendet seit Jahren zur Darstellung der Tuberkel-
bacillen in Deckglastrockenpräparaten folgendes Verfahren*) an: Das
mit Sputum etc. auf die bekannte Weise (cf. p. 62) hergestellte, an
der Luft getrocknete und zur Fixirung 3 Mal durch die Flamme ge-
zogene Deckglaspräparat bringt man
1) (mit der Präparatenschicht nach unten) auf die Oberfläche
frisch bereiteter Ehrlich 'scher Anilinwasser - Fuchsinlösung
(p. 101), welche in. ein Uhrschälchen gefüllt ist (Filtriren ist nicht
nothwendig) und das Schälchen fast vollständig erfüllt. Sinkt das
Gläschen in der Flüssigkeit unter, so schadet dieses nichts.
2) Das Schälchen wird mit starker Pincette am Rande erfasst und
über kleiner Flamme in der oben (p. 235) geschilderten
Weise bis zur Blasenbildung der Flüssigkeit erhitzt.
3) Das Schälchen wird jetzt hingestellt und bleibt eine Minute
lang ruhig stehen.
4) Das Deckglas wird mit kleiner Pincette aus der Farbe ge-
^) Mitth. a. (1. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1SS4. p. 10.
^) cf. Deutsche med. Wochenschr. 18S2. p. 451.
'^) Berl. klin. Wochenschr. 1884. No. 13.
^) Dies Verfahren ist durchaus zuverlässig. Damit soll aber nicht ge-
sagt sein, dass es in diesem Punkte vor den anderen citirten Metboden etwas vor-
aus hätte.
Der Tuberkelbacillus. 259
iiommeu, umgedreht (so dass die Präparatenschicht nach oben sieht)
und in ein Uhrschälchen mit 3proc. Salzsäm-e - Alcohol (cf. p. 106) ge-
legt ; hierin wird das Deckglas eine Minute lang hin und her, auf und
ab bewegt.
5) Das Deckglas wird nüt der Pincette aus dem Säure -Alcohol
genommen, und es wird nun durch einen Wasserstrahl (jede Wasser-
flasche kann man dazu benutzen) zunächst die Flüssigkeit zwischen
den Branchen der Pincette weggespült, dann das Gläschen sel1)st beider-
seitig abgespült.^)
6) Aufträufeln weniger Tropfen verdünnter wässeriger (oder
wässerig- alcohoUscher) Methylenblaulösung mit der Pipette. Die Färbung
soll hier nur ganz gering werden, damit die Bacillenfärbung nicht hier
und da dm*ch die Grundfärbung verdeckt werde.
7) Abspülen in AVasser. (Zunächst werden wieder die Pincetten-
branchen ausgespült.)
8) Das Deckglas wird mit den Fingern erfasst, die Präparaten-
seite kräftig abgeblasen, die leere Seite mit Hülfe eines Läppchens
abgemscht.
9) Xach dem Trocbien drei- bis zehnmaliges Ziehen durch die
Flamme.
10) Auf kitten mit Xylol-Balsam auf den Objectträger.
Das Präparat ist nun zur Untersuchung fertig. Die Methode ist
eine absolut zuverlässige. Sämmtliche gefärbte Tuberkelbacillen
sind stets intensiv, und mit gleicher Intensität, gefärbt.
Daraus folgt, dass es nicht möglich ist, dass bei dieser Behandlung
Tuberkelbacillen ungefärbt bleiben; denn sonst müsste man hier und
da auch Exemplare finden, die, als Uebergänge zwischen den intensiv
gefärbten und den gar nicht gefärbten Bacillen, nur wenig intensiv
gefärbt wären. Diese Betrachtung ist nicht überflüssig; denn wir
wissen durch Untersuchungen von Ehrlich,") dass die in einem und
demselben Präparate vorhandenen Tuberkelbacillen sich gegen eine
und dieselbe Farbstofiflösung durchaus nicht gleichartig zu verhalten
brauchen.
Das unter Xummer 9 aufgeführte Ziehen des Präparates
durch die Flamme vor dem Einschlüsse in Balsam bezweckt die
^) Diese Abspülung soll möglichst schnell geschehen, der Salzsäure-
Alcohol soll in möglichst kurzer Zeit durch das abspülende Wasser verdrängt wer-
den. Anderenfalls nämlich können sich zu lange Zeit andauernde Diffusionsströme
an dem Präparate etabhren, welche eine zu energische Entfärbung veranlassen (cf.
oben p. 105, Anm,).
■-) Charite-Annalen. 1SS6.
17*
260 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
Erreichung einer dauernden Haltbarkeit der Färbung der
Tuberkelbacillen. Wie nämlich bereits Koch fand, entfärben sich die
gefärbten Tuberkelbacillen im Präparate sehr leicht und gern wieder.
Manchmal bereits nach mehreren Stunden sieht man die Bacillen ver-
blassen und dann unsichtbar werden. Unna^) hat den Nachweis
geführt, dass die im Präparat zurückgebliebenen Spuren der zu der
Entfärbimg der Kerne etc. benutzten Säure es sind, welche diese
Entfärbung bewirken ; und er begTÜndete auf diese Erkenntniss eine
neue Methode der Darstellung resp. Conservirung von gefärbten Prä-
paraten, die sich zunächst auf Leprabacillen und auf Schnittpräparate
bezog. Die Leprabacillen theilen nämlich die Eigenschaft, sich in den
Präparaten gern zu entfärben, mit den Tuberkelbacillen. Unna bringt
bei seiner „ A n t r o c k n u n g s m e t h o d e " (cf. oben p. 9 5) die Schnitte
nach der Entfärbung in Wasser, wäscht sie dort gründlichst aus, über-
trägt sie nun nicht in Alcohol, sondern gleich aus dem Wasser auf
den Objectträger und trocknet sie dort an. Darauf erhitzt er den
Objectträger von unten, bis der Schnitt anfängt leicht glänzend zu
werden. Bei diesem ziemlich starken Erhitzen werden die letzten
Spuren Säure aus dem Schnitte entfernt. Der Schnitt wird dann nach
dem Abkühlen mit einem Tropfen Xylol- Balsam beträufelt und mit
dem Deckglas bedeckt. Die Bacillenfärbimg ist in solchen Präparaten
dauernd haltbar.
Dasselbe Princip der Erhitzung nach der Entfärbung
hat sich mii--) auch bei Tuberkelbacillenschnitten und weiter auch bei
Tuberkelbacillendeckglaspräparaten sehr bewährt. Die Bacillenfärbung
bleibt unverändert haltbar.
Hat man in der Praxis eine bestimmte Sputumprobe auf Tuberkel-
bacillen zu untersuchen, so fertigt man sich von verdächtigen Theilen
des Sputums mehrere Deckglastrockenpräparate durch Ausstreichen des
Materiales in möglichst dünner Schicht (wozu man ein Scalpell oder
einen starken Platindraht benutzen kann) an und behandelt dieselben
nach einer der oben angegebenen Färbungsniethoden. Man wird die
Bacillen zunächst in den eitrigen Theilen des Sputums zu suchen
haben und namentlich auf kleine käsige Bröckchen zu fahnden
haben, welche oft dii-ect von der Wand einer Caveme stammen, und
in denen man die Bacillen am zahlreichsten findet.
Wenn es sich dann um die Untersuchung des fertigen Prä-
parates imter dem Mikroskope handelt, so muss man nach roth
^) Monatshefte f. pract. Dermatol. Ergänzungsheft 1SS5.
~) Deutsche med. Wochenschr. 1887. No. 22. p. 474.
Der Tuberkelbacillus. 261
gefärbten Bacillen suchen.^) Hat man wirklich fuchsingefärbte
Stäbchen vor sich, so können diese nichts Anderes sein als Tuberkel-
bacillen. Man muss sich aber sicher davon überzeugen, dass man es
auch wirklich mit Stäbchen zu thun hat. Nicht Alles, was in einem
solchen Präparate roth erscheint, bedeutet Tuberkelbacillen. Roth
erscheint in einem solchen Präparate ganz im Allgemeinen Alles, was
sich der Entfärbimg durch den Säure-Alcohol widersetzt hat. Zunächst
können solche Stellen des Präparates, in denen das ausgestrichene
Material dickere Schichten bildet, einen röthlichen bis rothen
Farbenton behalten haben. Diese grösseren, meist rundlichen Stellen
wird Niemand mit Bacillen verwechseln. Auch Schimmel pilz-
sporen, ferner Bacillensporen unter Umständen, treten in
solchem Präparate roth gefärbt auf. Ihre runde Gestalt sichert sie
ebenfalls vor der Verwechselung mit Tuberkelbacillen. Dann kommt
es z. B. auch vor, dass in einem Haufen von Mikrococcen (die in
jedem Sputum anzutreffen sind) einzelne Zellen, einzelne Coccen, eine
röthliche Farbe zeigen, während die anderen, gleichgestalteten Zellen
rein blau erscheinen. Die röthlichen Zellen haben ohne Zweifel dem
Eindringen des Entfärbungsmittels einen grösseren Widerstand ent-
gegengesetzt als die blauen ; sie sind als resistentere Zellen aufzufassen.
Ihre Gestalt sichert sie vor der Verwechselung mit Bacillen. Endlich
zeichnen sich auch Fragmente von Haaren, Fragmente von ver-
hornten Epidermisz eilen, die zufällig in das Präparat gelangt
sind, dadurch aus, dass sie die einmal angenommene Rothfärbung dem
Entfärbungsmittel gegenüber energisch festhalten. Alle diese Dinge
Avird aber Niemand mit Bacillen verwechseln. Zu Verwechselungen
Anlass könnten dagegen kleine Fettcrystallnadeln (Cholesterin)
geben, welche in solchen Präparaten ebenfalls roth erscheinen; aber
doch nur dem ganz Ungeübten könnte diese Verwechselung begegnen.
Die Tuberkelbacillen haben eine so typische Form (cf. p. 252), dass
diese zusammen mit dem typischen Verhalten bei der Färbung eine
Verwechseluno- dieser Gebilde mit etwas Anderem unmöglich macht.
^) Damit dies geschehen kann, d. h. damit man im Staude ist die Farbe
sicher zu erkennen, ist es vor Allem nothwendig, die Beleuchtung so zu
wählen, dass jede Spur eines „Structurbüdes", jede Spur von Diffractionserschei-
nungen an den Grenzen der Objecte, vermieden wird. Zu dem Zwecke ist also (cf.
p. 59, 72) mit völlig offenem Condensor zu arbeiten und der letztere in eine
solche Entfernung von dem Objecte zu bringen, dass die Beleuchtung maximal
ist. Namentlich für Untersuchungen bei Lampenlicht beherzige man diese Mahnung,
wenn man nicht gelegentlich in die gröbsten Irrthümer verfallen will. Erscheint
die Lampenlichtbeleuchtung zu blendend, so kann die HeUigkeit durch blaue Gläser
(cf. p. 74, Anm.) gemindert werden.
262 B- Die Bakterien als Ki-ankheitserreger.
Taf. Vin, Fig. 43, zeigt ein Sputiimpräparat niit Tiiberkelbacillen bei
1 000 facher Vergrösserung.
In Vorstehendem haben wir immer von r o t h gefärbten Tuberkel-
bacillen gesprochen. Wir setzten dabei voraus, dass das Präparat zu-
nächst mit Fuchs in lösung behandelt war. SelbstverständUch kann
man als primäre Farbflüssigkeit auch die Ehrlich'sche Violett-
lösung nehmen; die Nachfärbung geschieht dann nicht mit Methylen-
blau, sondern mit Bismarckbraun.
Um eine leichte Verständigung über die ungefähre Menge der in
einem bestimmten Sputum vorhandenen Tiiberkelbacillen zu ermöglichen,
hat Gaffky^) eine Tabelle construirt, Avelche den verschiedenen Reich-
thum der Sputa an Tuberkelbacillen mit verschiedenen Nummern be-
zeichnet. Gaffky untersucht die fertigen Präparate mit Zeiss'schem
Oelinimersionssystem ^/^o" und Ocular 2 und zählt resp. schätzt dann
die Anzahl der in jedem Gesichtsfelde oder auch der in dem ganzen
Präparate vorhandenen Tuberkelbacillen. Danach wird dann das unter-
suchte Sputum in eine der Nummern 1 — 10 der Tabelle einrangirt.-)
Um ganz vereinzelte Tuberkelbacillen im Sputum auf-
zufinden, hat Biedert "^ ) empfohlen, das Sputum zunächst mit Wasser
zu verdünnen, dann mit Natronlauge zu versetzen und zu kochen, bis
eine ganz gleichmässige , homogene Flüssigkeit entstanden ist. Diese
lässt man dann absetzen. Die specifisch relativ schweren Bakterien
sammeln sich im Bodensatze an, und hier sind dann etwa vorhandene
Tuberkelbacillen ebenfalls zu finden. (Biedert' sehe S e d i m e n -
tirungsmethode.) — ■ Eine ähnliche Methode hat Spengler*)
angegeben; bei dieser Methode wird das Sputiun zunächst alkaüsirt
und mit Pankreatin versetzt, dann 12 — 24 Stunden bei Brüt-
temperatur der Verdauung überlassen; nach dieser Zeit finden sich
dann Zellkerne und Bakterien (und mit den letzteren auch die etwa
vorhandenen Tuberkelbacillen) unverdaut im Sediment.
Gabritschewsky^) hat eine von Ad. Schmidf') angegebene
') Älitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 18S4. p. 126.
■^) In der Gaffky 'sehen Tabelle bedeutet z. B. No. 1, dass im ganzen Prä-
parate nur 1 — 4 Bacillen zu finden waren ; No. 3 , dass durchschnittlich in jedem
Gesichtsfelde etwa 1 Bacillus; No. 5, dass durchschnittlich in jedem Gesichtsfelde
etwa 4 — 6 Bacillen vorhanden waren u. s. w.
") Berl. kün. Wochenschr. 1886. No. 42—43.
*) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894. p. 344. — Detaillirtere Angabe: Deutsche
med. Wochenschr. 1895. p. 244.
■') Deutsche med. Wochenschr. 1891. No. 43.
'0 Centralbl. f. klin. Med. 1891. No. 25.
Der Tuberkelbacillus. 263
Methode — welche behufs der mikroskopischen Untersuchung das Sputum
in Alcohol härtet und dann m Schnitte zerlegt, die weiterhin ge-
färbt etc. werden — zur Untersuchung des Sputums auf Tuberkel-
bacillen (und auf Riesenzellen) empfohlen.
Wie im Sputum, so lassen sich natürlich auch im Darminhalt
(bei phthisischen Diarrhöen) die Tuberkelbacillen durch die Färbung
nachweisen. Die erste derartige Beobachtung machte Lichtheim.^)
Auch im Urin lassen sich vorhandene Tuberkelbacillen (im Sediment) -)
durch die Färbung auffinden.
Will man Tuberkelbacillen in Schnitten darstellen, so kann
man nach der oben (p. 257) angegebenen Ehrlich- Koch' sehen
Methode verfahren. Man bekommt auf diese Weise Präparate, in denen
die Tuberkelbacillen mit ausserordenthcher Präcision und Deutlichkeit
erscheinen, und in denen die vorhandene Kernfärbung auch über die
histologische Structur vollen Aufschluss ertheilt. Leider sind die Prä-
parate, oder vielmehr ist die Tuberkelbacillenfärbimg, wenig haltbar.
Um haltbare Schnittpräparate herzustellen, kenne ich
nur einen Weg: dieselben nach der Unna' sehen Antrocknungs-
methode (cf. oben p. 95) zu behandeln. Die Schnitte werden
zunächst in 24 Stunden alter (cf. oben p. 102), eben filtrirter Ehrlich'-
scher Anilinwassergentianaviolett- (oder -Methylviolett- oder -Fuchsin-)
Lösung bei Zimmertemperatur 12 bis 24 Stmiden (oder im Brütschrank
bei c. 35^ C. 1^2 Ws 2 Stunden) gefärbt, dann etwa 10 Minuten in
Wasser zum vorläufigen Auswaschen überflüssigen Farbstoffes gelegt,
dann in 20proc. Salpetersäurewasser auf etwa 2 Mnuten gebracht.
Sie kommen darauf in absoluten Alcohol, in welchem sie etwa eine
halbe Minute lang hin und her bewegt werden. Darauf gelangen sie
in 3 bis 4 Mal erneuertes Wasser, wo sie ziemlich farblos werden.
Wenn sie hier gut (etwa 10 Minuten lang) ausgewaschen sind, werden
sie mit dem Spatel auf den Objectträger übertragen. Man geht hierbei
am besten so vor, dass man zunächst eine Quantität Wasser mit dem
Spatel auf die Mitte des Objectträgers bringt und in dieses Wasser
hinein den Schnitt nachher überträgt. Dann neigt man langsam den
Objectträger, lässt das Wasser abfiiessen, ohne dass der Schnitt mit
herunter geht, und tupft dann das noch auf und neben dem Schnitt
stehende Wasser mit Fliesspapier ab. Nun erhitzt man, wie oben
(p. 260) angegeben, den Objectträger, bis der Schnitt leicht glänzend
wird, lässt abkühlen und kittet mit Xylol- Balsam ein Deckglas auf.
1) Fortschr. d. Med. 1883. No. 1.
-) cf. Kir stein (Deutsche med. Wocbensclar. 1886. No. 15).
264 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
ISTacli einem derartig haltbar hergestellten Präparat ist das Photo-
gramm 44 auf Taf. ^TII (Meningealtuberculose ) aufgenommen. — Die
Unna' sehe Methode ist ganz ausgezeichnet zu brauchen, wenn es sich
darum handelt, die in einem Schnitte vorhandenen Tuberkelbacillen
mit Sicherheit nachzuweisen und gleichzeitig die Präparate so zu ge-
stalten, dass sie sich dauernd halten. Andererseits ist diese Methode
sehr wenig zu empfehlen, wenn man über die histologische Structur
des Schnittmaterials etwas Genaueres erfahren will. Bei Gelegenheit
der starken Erhitzung nämlich, welche ja den wesentlichsten Theil der
Unna 'sehen Behandlung darstellt, wird die Structur des Gewebes
jedesmal mehr oder weniger geschädigt; es empfiehlt sich aus diesem
Grunde gewöhnlich nicht, das Unna' sehe Verfahren mit einer Kern-
färbung zu verbinden.
Zu bemerken ist, dass sich die Tuberkelbacillen auch nach der
G r a m ' sehen Methode (p. 108 ff.) färben lassen. Die Präparate müssen
selbstverständüch auch hierbei erheblich intensiver als andere Bakterien-
objecte mit der Farblösung behandelt werden (cf. oben p. HO, Anm. 2).
Mit Bismarckbraun ist eine Färbung der Tuberkelbacillen bisher
nicht gelungen.
Eine Methode, Tuberkel- (und besonders Lepra-) Bacillen im Ge-
Avebe mit Jod braun zu färben, hat Unna^) angegeben.
Die früher (cf. p. 256) als „Sporen" der Tuberkelbacillen ge-
deuteten Dinge zu färben ist bisher auf keine Weise gelungen.
Für die Infection mit dem Tuberkelbacillus (Bacillus der Säuge-
thiertuberculose) sehr empfänglich sind von Versuchsthieren vor
Allem Meerschweinchen, ferner Kaninchen, Katzen, Feldmäuse. Viel
weniger empfänglich sind weisse Mäuse, Hunde,-) Ratten, Hühner,
Kanarienvögel. Durch subcutane Einführung der Tuberkelbacillen,
durch Einführung in die vordere Augenkammer (cf oben p. 197), in
die Bauchhöhle, in Venen, ferner durch Inhalation erreichte Koch
bei seinen grundlegenden Arbeiten die tuberculöse Infection. Ganz
besonders promjDt reagiren Meerschweinchen auf die Einver-
leibung tuberculösen Materiales. Bringt man einem solchen Thiere
tuberkelbacillenhaltiges Material in eine am Bauch angelegte Unter-
hauttasche, so stirbt es in 4 bis 8 bis 11 Wochen =^) an Tuberculöse,
die sich besonders im IS^etze, in Milz und Leber, weniger in der Lunge
localisirt zeigt.
^) Monatsh. f. pract. Dermatol. Bd. 12. 1S91. p. 477.
-) Nach Maffucci (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1S92. p. 4.52) erkranken Hunde
nach intravenöser Einverleibung des Tuberkelbacillus an allgemeiner Miliartuberculose.
^) cf. Kitasato, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1S92. p. 321.
Der Tuberkelbacillas. 265
Beim Menschen ist bekanntlich meist die Lunge Sitz der
primären Erkrankung. Die Tuherkelbacillen gelangen durch Inhalation
in die Luftwege. Die Eingangspforte kann aber auch von der Darm-
schleimhaut oder anderen Schleimhäuten oder von der äusseren Haut
gebildet werden. Ebenso kann der menschliche Foetus im Mutterleibe
vom mütterlichen Organismus her durch die Placenta hindurch mit
Tuherkelbacillen inficirt werden; eine ganze Keihe von Fällen un-
zweifelhafter congenita 1er Tuberculose sind bereits beim Men-
schen (und ebenso auch bei Thieren) ^) beobachtet. -)
Die durch Inhalation in die menschlichen Luftwege aufgenommenen
Taberkelbacillen werden häufig in den Bronchialdrüsen zurückgehalten,
ohne eine weitere Infection des Körpers hervorzurufen. Sie scheinen
sich hier ausserordentlich lange Zeit in lebensfähigem und infections-
tüchtigem Zustande halten zu können. Viele ganz gesunde Menschen
tragen in ihren Bronchialdrüsen Tuherkelbacillen mit sich herum. ^) —
Mcht selten bilden Traumen die Veranlassung zum Ausbruch tuber-
culöser Herderkranlmngen.^)
Dass die u 1 c e r ö s e L u n g e n p h t h i s e eine Complication ver-
schiedener Processe, das Product einer gemischten Infection, darstellt,
ist bereits oben (p. 250, Anm. 3) betont worden.
Die ausserordentliche Häufigkeit der Lungenschwindsucht und die
erhebUchen Quantitäten tuberkelbacillenhaltigen Sputums, welche täg-
lich von den Phthisikern ausgeworfen werden, hatten den Gedanken
nahegelegt, dass tuberculose Keime überall, wo Menschen wohnen, an-
zutreffen sind, dass wir sie womöglich mit jedem Athemzuge in uns
aufnehmen, und dass es nur dem Mangel an „Disposition" zuzu-
^) Der erste sicher constatirte Fall von congenitaler Tuberculose (bei einem
Kalbsfoetus) wurde von .Johne (Fortscbr. d. Med. 18S5. p. 198) pubhcirt.
'■^) Bezüglich der experimentellen Erzeugung congenitaler Tuberculose vergl. die
Arbeit von Gärtner (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893).
3) Pizzini (Zeitschr. f. Min. Med. Bd. 21. 1892) hat bei der Untersuchung
der Leichen von 30 Personen, die an acuten Krankheiten oder Unglücksfällen ver-
storben waren und im Leben keine Spur von Tuberculose gezeigt hatten, in 42*^/0
der Fälle (durch Meerschweincheninfection) Tuberkelbacillen in den Lymphdrüsen
nachgewiesen ; am meisten waren die Bronchialdrüsen befallen. — Aehnliche Befunde
(bei Kindern) hat Spengler (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893) beschrieben: Miki'o-
skopischer Nachweis der Tuberkelbacillen in Schnitten der Bronchialdrüsen, während
die Lungen sowohl wie die Cervical- und Mesenterialdrüsen frei waren. — Ueber
die ausserordentliche Häufigkeit tuberculöser Veränderungen in menschlichen Leichen
vergl. auch die Arbeit von Schlenker (Virch. Arch. Bd. 134. 1893. p. 149).
') Eine sorgfältige Zusammenstellung der Arbeiten über Inoculations- und
Cont u sio n st u bereu lose hat Guder (Vierteljahrsschr. f. ger. Med. u. öff.
San.-Wesen 3. Folge. Bd. 7. 1894) geliefert.
266 B- I*ie Bakterien als Krankheitserreger.
schreiben ist, wenn die Mehrzahl der Menschen nicht tuberculös wird.
Diese Auffassung musste nothwendig im Gefolge haben, dass Jeder,
dem sein Leben lieb ist, den Phthisiker zu fliehen hatte. Ton Seiten
der Aerzte aber konnte nichts weiter geschehen, als dass man sich
stiller Eesignation ergab.
Wir verdanken Cornet^) eine totale Umgestaltung dieser An-
schauungen. Com et hat (im Koch "sehen Institute) mehrere Jahre
daran gearbeitet, die Orte, wo der Tuberkelbacillus ausser-
halb des Körpers zu finden ist, zu ermitteln. Er untersuchte
in allen nur erdenklichen Localitäten, in Wohnungen, Krankenhäusern,
in Gefängnissen, auf der Strasse etc. Staub, der sich an den Wänden,
auf Möbeln, auf Gesimsen, auf dem Fussboden etc. angesammelt hatte,
auf seinen Gehalt an Tuberculosekeimen. Als Eeagens diente das
Meerschweinchen, dem der Staub (in steriler Bouillon vertheiltj in die
Bauchhöhle eingebracht wurde. Es geht aus den Cornef sehen Unter-
suchungen mit grösster Sicherheit hervor, dass von einer Ubiquität
des Tuberkelbacillus keine Eede ist. Derselbe findet sich
n u r dort im Staub resp. in der Luft, wo p h t h i s i s c h e s Sputum
Gelegenheit hat anzutrocknen und dann zu verstäuben. Die
Gelegenheit findet sich aber fast ausschliesslich dann, wenn das Sputum
auf den Boden oder in das Taschentuch gespuckt wird.
Com et sieht daher mit Recht in der allgemeinen Einführung und
Benutzung des Spuck na pf es, welcher ein Fortschafi'en und Un-
schädlichmachen des Sputums, bevor es vertrocknen kann, ennögiicht,
das mächtigste Mittel, die Tuberculose prophylactisch einzuschränken.
In einer besonderen statistischen Arbeit'-) hat übrigens Com et
den Xachweis gehefert, dass der dauernde Verkehr mit unrein-
lichen Phthisikem selbst die ki'äftigsten Menschen aus den ge-
sündesten Famihen, bei denen von einer besonderen Anlage zur
Schwindsucht sicher keine Eede ist, der Tuberculose überantwortet.'')
Am 4. August 1890 machte Koch*) die ersten ]\Iittheilungen
über He ilungs Vorgänge, die er bei tuberculösen Thieren
1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 5. 1S88.
■-) Die Sterbliclikeitsverhältnisse in den Krankenpflegeorden. Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 6. 1SS9.
^) Straus (Arch. de med. exper. et d'anat. path. Bd. 6. 1894) fand virulente
Tuberkelbacillen in den Nasenhöhlen gesunder Menschen (Wärter etc.), die sich bei
tuberculösen Kranken aufhielten; diesen Befund zeigten 9 von 29 untersuchten der-
artigen Personen.
^) 10. Internat, med. Congr. Berlin 1S90. Verhandlungen. Bd. 1. p. 46.
Der Tviberkelbacillus. 267
beobachtet hatte: Koch hatte Substanzen gefunden, welche nicht
allein im Reagenzglase (wie so viele andere chemische Substanzen),
sondern auch im Thierkörper das Wachsthum der Tuberkelbacillen
aufzuhalten im Stande sind. Koch theilte mit, „dass Meerschweinchen,
wenn man sie der Wirkung einer solchen Substanz aussetzt, auf eine
Impfung mit tuberculösem Virus nicht mehr reagiren, und dass bei
Meerschweinchen, welche schon in hohem Grade an allgemeiner Tuber-
culose erkrankt sind, der Krankheitsprocess vollkommen zum Stillstand
gebracht werden kann, ohne dass der Körper von dem Mittel etwa
anderweitig nachtheilig beeinflusst wird."^)
In einer weiteren Mittheilung-) (vom 13. November 1890) be-
richtete Koch über Versuche, die mit dem Mittel am tuberculösen
Menschen angestellt waren, und die — soweit sich bei der geringen
Zahl der Versuche und der Kürze der Beobachtungszeit urtheilen
liess — gezeigt hatten, dass auch beim Menschen der tuberculöse
Process durch die Behandlung mit dem Mittel zum Stillstand gebracht
werden kann. Koch betonte femer die specifische Wirkung des
Mittels auf tuberculöse Processe und damit seine Bedeutung für die
Diagnosticirung zweifelhafter Fälle.^)
In einer dritten Mittheilung ^) (vom 15. Januar 1891) gab Koch
die Principien der Herstellung des Mittels und den Weg an, auf
welchem er zu seiner Entdeckung gelangt warr^) Koch hatte beob-
achtet, dass sich gesunde Meerschweinchen nach der Impfung mit
einer Reincultur von Tuberkelbacillen ganz anders verhalten als bereits
tuberculöse Meerschweinchen, an welchen dieselbe Impfung vorgenommen
wird. Bei den gesunden Thieren verklebt nach der Tuberkelbacillen-
impfung in der Eegel die Impfwunde und scheint in den ersten Tagen
zu verheilen ; erst im Laufe von 10 — 14 Tagen entsteht ein hartes
Knötchen, welches bald aufbricht und bis zum Tode des Thieres eine
ulcerirende Stelle bildet. Bei bereits tuberculösen Thieren verklebt
die kleine Impfwunde auch Anfangs; aber es bildet sich kein Knötchen,
^) Eine complete dauernde Heilung der Tuberculöse tritt bei derartig beban-
delten Meerscb weineben , wie wir weiter unten (p. 269) seben werden, nicbt ein.
Die Tbiere geben, wenn aucb später als nicbt bebandelte, an Tuberculöse zu Grunde.
'") Deutscbe med. Wocbenscbr. 1S90. No. 46a. Extra-Ausgabe.
") Die diagnostiscbe Bedeutung des Kocb 'seilen Mittels bat sieb in der Praxis
durcbaus bewäbrt. Speciell in der Tbiermedicin leistet dasselbe — zur Erkennung
der Tuberculöse intra vitam beim Einde — unscbätzbare Dienste. (Vergl. bierüber
das zusammenfassende Eeferat von Eber, Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1S92. No. 9/10.)
^) Deutscbe med. Wocbenscbr. 1891. No. 3.
'") In der folgenden Scbilderung halte icb mich meist würtbcb an die Kocb"-
scben VeröffentUcbungen.
268 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
sondern schon am nächsten oder zweiten Tage wird die Impfstelle
und dann auch die nächste Umgehung derselben hart und dunkler
V gefärbt; und es stellt sich dann in den nächsten Tagen immer deut-
licher heraus, dass die so veränderte Haut nekrotisch ist; sie wird
schliesslich abgestossen, und es bleibt dann eine flache Ulceration
zurück, welche gewöhnlich schnell und dauernd heilt, ohne dass die
benachbarten Lymphdrüsen inficirt werden. So wie sich aber die
gesunden und die bereits tuberculösen Thiere nach der Impfung mit
lebenden Bacillen verschieden von einander verhalten, so verhalten
sie sich auch nach der Injection abgetödteter Tuberkelbacillen-
reinculturen in verschiedener Weise. Gesunden Meerschweinchen
können wässerige Aufschwemmungen von durch Hitze oder auf andere
Weise abgetödteten Tuberkelbacillenculturen in grosser Menge unter
die Haut gespritzt werden, ohne dass etwas Anderes als eine locale
Eiterung^) entsteht. Tuberculöse Meerschweinchen dagegen werden
schon durch Injection von sehr geringen Mengen solcher aufge-
schwemmten Culturen getödtet (je nach der Dosis in 6 bis 48 Stunden).
Eine Dosis, welche eben nicht mehr ausreicht das Thier zu tödten,
kann eine ausgedehnte Nekrose im Bereiche der Injectionsstelle be-'
wirken. Wird die Aufschwemmung noch weiter verdünnt, dann bleiben
die Thiere nach der Injection am Leben; werden die Injectionen mit
ein- bis zweitägigen Pausen fortgesetzt, so zeigen die Thiere bald eine
merkliche Besserung ihres Zustandes. Die (ijrimäre) ulcerii-ende Impf-
wunde verkleinert sich und vernarbt schliesshch, was ohne eine der-
artige Behandlung niemals der Fall ist ; die geschwollenen L3'mphdrüsen
verkleinern sich; der Ernährungszustand wird besser, und der Krank-
heitsprocess kommt, wenn er nicht bereits zu weit vorgeschritten ist und
das Thier an Entkräftung zu Grunde geht, zum Stillstand. — „Damit
war die Grundlage für ein Heilverfahren gegen Tuberculöse gegeben."
Koch fand dann weiter, dass ein mit SOprocentiger Gljeerin-
lösung hergestellter Auszug aus Tuberkelbacillenculturen in derselben
Weise zu heilenden Injectionen gegen Tuberculöse benutzt werden
kann wie die Aufschwemmung abgetödteter Culturen. Mit diesem
Glycerinextract, -) dem später die Bezeichnung „Tuberculinum
') Die Eiterung wird veranlasst durch eine in den Bacillen selbst vorhandene
chemische Substanz, welche sich künstlich nur schwierig aus diesen Zellen extra-
hiren lässt. Vergi. auch unten den Abschnitt „Eitermiki-ococcen".
^) Genauere Angaben über die Herstellung hat Koch in einer vierten Mit-
theilung (vom 22. October 1891; Deutsche med. Wochenschr. 1891. No. 43)
gemacht. Daselbst wird auch über Versuche berichtet, das wirksame Princip aus
dem Mittel zu isoliren.
Der Tuberielbacillus. 269
Kochii"^) beigelegt \nirde, wird das Koch'sche Heilverfahren aus-
geübt. Der in das Glycerinextract übergehende wirksame Körper ist
in absolutem Alcohol unlöslich; er ist nach Koch mit Wahrschein-
lichkeit ein Derivat von Eiweisskörpern und steht diesen nahe,
ist aber kein „Toxalbumin" (cf. p. 45), da er hohe Temperaturen (Siede-
temperaturen) erträgt und im Dialj^sator leicht und schnell durch die
Meml)ran geht.
Spätere Arbeiten, welche aus dem Koch'schen Institute hervor-
gegangen sind, haben die genauere Angabe gebracht, dass die in
Vorstehendem geschilderte Heilung der Tuberculose des Meer-
schweinchens nicht als eine definitive Heilung des gesammten tuber-
culösen Processes, der sich in dem Meerschweinchenkörper (nach der
Impfung des Thieres am Bauche) abspielt, aufgefasst werden darf.
Pfuhl") theilt mit, dass tuberculose Meerschweinchen durch die Be-
handlung mit dem Tuberculin bis zu 19 AVochen nach der Infection
am Leben erhalten werden können, während nicht behandelte Thiere
im Durchschnitt 63 Tage nach der Infection zu Grunde gehen. Während
aber die unbehandelten Thiere an einer hauptsächlich in den Unter-
leibsorganen (Leber, Mlz) localisirten (cf p. 264) Tuberculose sterben
und eine nur wenig vorgeschrittene Lungentuberculose darbieten, so
zeigt sich bei der Obduction der behandelten Thiere die Unterleibs-
tuberculose und die Tuberculose der Impfstelle günstig beeinflusst (in
Rückgang begriffen),'^) die Lungentuberculose aber so erheblich vor-
geschritten, dass sie für den Tod der Thiere wohl in erster Linie ver-
antwortlich gemacht werden muss. Die Lungentuberculose des Meer-
schweinchens scheint durch das Koch'sche Mittel gar nicht beeinflusst
zu werden.*) Ebenso wie Pfuhl constatirte auch Kitasato'^) nur
eine Verlängerung der Lebensdauer der tuberculösen Meerschweinchen
durch die Tuberculinbehandlung.
In seiner zweiten Mittheilung") hatte Koch bereits betont, dass
das neue Mttel nicht etwa die Tuberkelbacillen tödtet, sondern dass
^) Das Wort „Tuberculin" wurde zuerst von Pobl-Pincus (18S4) ge-
braucht; cf. Deutsche med. Wocbenschr. 1884. No. 7. p. 108.
-) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 11. 1891.
^) Nach Bauragarten, Czaplewsky und Roloff (cf. die Bauni-
garten'scben Ausfülirungen im Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1894. p. 371) wird
die Nierentuberculose der Meerschweineben nicht zurückgebildet, sondern sie
bleibt zurück unter dem Einflüsse der Tuberculinbehandlung.
^) Vergl. hierüber auch die Koch'sche Veröffenthchung vom 22. Oct. 1891
(Deutsche med. Wochenschr. 1891. No. 43).
5) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 12. 1892.
«) Deutsche med. Wochenschr. 1890. No. 46a.
270 B. Die Bakterien als Kraukheitserreger.
es lediglich das tuberciüöse Gewebe, und zwar das lebende tuber-
culöse Gewebe, zum Absterben bringt. lieber die Art und
Weise, wie wir uns die specifiscbe Wirkung des Mittels auf das tuber-
culöse Gewebe vorzustellen haben, hat Koch^) folgende H3T^)othese
aufgestellt: Die Tuberkelbacillen produciren bei ihrem Wachsthum in
den lebenden Geweben ebenso wie in den künstlichen Culturen gewisse
Stoffe, welche die lebenden Elemente ihrer Umgebung, die Zellen, in
verschiedener Weise, und zwar nachtheilig, beeinflussen. Darunter be-
fmdet sich ein Stoff, welcher in einer gewissen Concentration lebendes
Protoplasma tödtet und so verändert, dass es in den von Weigert
als Coagulationsnekrose (cf. oben p. 252) bezeichneten Zustand über-
geführt wird. In dem nekrotisch gewordenen Gewebe findet der Ba-
cillus dann so ungünstige Emährungsbedingimgen, dass er nicht weiter
zu wachsen vermag, unter Umständen selbst schliesslich abstirbt. Auf
grosse Entfernung vermag der einzelne Bacillus Nekrose nicht zu be-
wirken; denn sobald die Nekrose eine gewisse Ausdehnung eiTeicht hat,
nimmt das Wachsthum des Bacillus und damit die Production der
nekrotisirenden Substanz ab, und es tritt so eine Art von gegenseitiger
Compensation ein. Würde man nun künstlich in der Umgebung des
Bacillus den Gehalt des Gewebes an nekrotisirender Substanz steigern,
dann würde sich die Neki-ose auf eine gi'össere Entfernung ausdehnen,
und es würden sich damit die Emährungsverhältnisse für den Bacillus
viel imgünstiger gestalten, als dies gewöhnlich der Fall ist. Theils
Avürden alsdann die in gi'össerem Umfange nekrotisch gewordenen
Gewebe zerfallen, sich ablösen und, wo dies möglich ist, die ein-
geschlossenen Bacillen mit fortreissen und nach aussen befördern:
theils wüi'den die Bacillen so weit in ihrer Vegetation gestört, dass
es viel eher zu einem Absterben derselben kommt, als dies unter ge-
wöhnlichen Verhältnissen geschieht. Gerade in dem Hervorrufen solcher
Veränderungen besteht wahrscheinlich die Wirkung des Mttels.
Das Glyceiinextract enthält von der wirksamen Substanz nach der
Schätzung Koch"s Bruchtheile eines Procentes. Von dem Glycerin-
extract kann eiaem gesunden Meerschweinchen eine Dosis bis
zu 2 ccm subcutan beigebracht werden, ohne dass es merklich dadurch
beeinflusst wü'd. Der gesunde erwachsene Mensch ^x\Iä bereits
durch eme Dosis von 0,25 ccm intensiv beeinflusst. Auf Körpergewicht
berechnet ist also Visoo "^'^^ ^^^ Menge, welche beim Meerschweinchen
noch keine merkliche Wirkung hervorbringt, für den Menschen sehr
stark wirkend. Koch schildert die Wirkung einer Dosis von 0,25 ccm,
') Deutsche med. Wocbenschr. 1891. No. 3.
Der Tuberkelbacillus. 271
die er sich selbst am Oberarm subcutan injicirte, folgendermassen :
„Drei bis vier Stunden nach der Injection Ziehen in den Ghedern,
Mattigkeit, Xeigung zum Husten. Athenibeschwerden , welche sich
schnell steigerten ; in der fünften Stunde trat ein ungewöhnlich heftiger
Schüttelfi-ost ein, welcher fast eme Stunde andauerte; zugleich Tebel-
keit, Erbrechen, Ansteigen der Körpertemperatur bis zu 39,6^: nach
etwa 12 Stunden liessen sämmtliche Beschwerden nach, die Temperatur
sank und erreichte bis zum nächsten Tage wieder die normale Höhe;
Schwere in den Gliedern und Mattigkeit hielten noch einige Tage an,
ebenso lange Zeit blieb die Injectionsstelle ein wenig schmerzhaft und
geröthet."
Die untere Grenze der Wirkung des Gl}- cerinextracts liegt für den
gesunden Menschen ungefähr bei 0,01 ccm. Die meisten Personen
reagirten in den Koch' scheu Versuchen auf diese Dosis nur noch mit
leichten Gliederschmerzen und bald vorübergehender Mattigkeit. Bei
einigen trat ausserdem noch eine leichte Temperatursteigerung ein
bis zu 38^ oder wenig darüber hinaus. Ganz anders reagiren Tuber-
culöse (Erwachsene), wenn ihnen eine derartige Dosis ^) injicirt wird;
bei diesen tritt sowohl eine starke allgemeine wie auch eine örtliche
Reaction ein. Die allgemeine Reaction besteht in einem, in der Regel
4 bis 5 Stunden nach der Injection eintretenden, mit Schüttelft-ost be-
ginnenden, 12 bis 15 Stunden dauernden Fieberanfall , welcher mit
Gliederschmerzen, Hustenreiz, grosser Mattigkeit, öfters auch mit Uebel-
keit und Erbrechen verbunden ist. Die örtliche Reaction kann am
besten an solchen Kranken beobachtet werden, deren tuberculöse
Affection zu Tage liegt, also z. B. bei Lupuskranken. Einige Stunden
nach der (an einer entfernten Körperstelle gemachten) Injection fangen
die lupösen Stellen an zu schwellen und sich zu röthen. Die Schwellung
und Röthung, welche gewöhnlich bereits vor dem Beginne des Frost-
anfalles eintritt, wird während des Fiebers stärker und kann zur
Nekrose des lupösen Gewebes führen, welches dann später abgestossen
wird. In ähnlicher Weise tritt eine örtliche Reaction bei allen
im Körper vorhandenen Tube reu lösche r den, aber nur
bei diesen, auf.
Was die therapeutische Anwendung des Koch "sehen
Tuberculins bei dem tuberculösen Menschen angeht, so lassen sich
die seit dem Bekanntwerden des IVIittels gesammelten Erfahrungen im
Wesentlichen dahin zusammenfassen, dass erstens (wie das Koch
^) Bei Pbthisikern muss man mit viel geringeren Dosen arbeiten; bier sind
die Eeactionen am allerbeftigsten.
272 B- l^ie Bakterien als Krankheitserreger.
Übrigens gleich Anfangs betont bat) nicht jeder Fall von Tuberculose
sich für die Tuberculinbehandlung eig-net; es sind einer günstigen
Beeinflnssung durch Tuberculin nur Fälle von beginnender, und im
Speciellen nur von uncomplicirter Tuberculose zugängig. ^)
Fälle von complicirter Tuberculose (cf. p. 250, Anm. 3 ; p. 265) eignen
sich nicht. Zweitens sind stürmische Eeactionen nach den einzelnen
Injectionen weder erforderlich noch wünschenswerth. Sie sind durch-
aus zu vermeiden.-) • Wesentlich ist, die specifische Reizbarkeit des
tuberculösen Gewebes möglichst lange zu erhalten und sie nicht, wie
das bei grossen Dosen und schnellen Steigerungen der Fall ist, vor-
zeitig zu vernichten.'^)
6. Der Bacillus der Hühnertuberculose (Geflügel-
tuberculose).
Die spontan bei dem Geflügel (Hühner, Enten, Fasanen etc.)
auftretende Tuberculose zeigt sich bedingt durch einen Bacillus,
welchen Koch^) bei seinen Tuberculosestudien zunächst mit dem bei
Säugethieren gefundenen Tuberkelbacillus für identisch hielt. Spätere
Untersuchungen jedoch, namentlich von Rivolta'^) und von Maf-
fucci,^) haben den Nachweis geliefert, dass ganz bestimmte Unter-
schiede zwischen den Eigenschaften des Bacillus der Hühner-
tuberculose (Geflügeltuberculose) und denen des Bacillus
der Säugethiertuberculose , des Tuberkelbacillus par excellence, be-
stehen. Ob es sich hier um zwei verschiedene Arten oder nur um
Varietäten einer Art handelt, ist heute noch nicht mit Sicherheit
entschieden; vergl. über diese Frage oben p. 251.
Die Bacillen der Hühnertuberculose sind morphologisch denen
*) cf. Petrus chky, Deutsche med. Wocbenschr. 1893. No. 14.
^) Ueber die ernsten Gefahren, welche stürmische Eeactionen mit sich
führen köimen, vergl. die von Yirchow in der Berliner medicinischen Gesellschaft
am 7. Januar 1891 und in den sich anschhessenden Sitzungen gemachten Mitthei-
lungen. Es ist durch dieselben zur hohen Wahrscheinlichkeit erhoben worden, dass
bei dem Auftreten stürmischer Eeactionen eine Verbreitung der Tuberkelbacillen von
dem beeinflussten tuberculösen Herde aus in den Körper hinein und im Anschlüsse
daran die Entwickelung miliarer Tuberculose erfolgen kann.
^) cf. Ehrlich, 7. Internat. Congr. f. Hyg. u. Demogr. London 1891. (Cen-
tralbl. f. Bakt. Bd. 10. 1891. p. 811).
') Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 41.
•^) cf. Baumgarten's Bakt. Jahresber. 1889. p. 313.
*') La Eiforma medica. 1890. No. 119—120. — Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1892.
Der Bacillus der Hühnertuberculose. 273
der Säugethiertuberciüose sehr ähnlich, erscheinen aber gewöhnlich
etwas länger und dünner als die letzteren.
Sie lassen sich künstlich züchten: und zwar wachsen sie
auf Blutserum, auf Agar, auf Bouillon. Die genannten Nähr-
böden sind sowohl ohne Zusatz von Glycerin oder Traubenzucker als
auch mit diesen Zusätzen zu gebrauchen. Das Wachsthum ist im
Allgemeinen ein etwas schnelleres als das der Bacillen der Säuge-
thiertuberculose. Auf Kartoffeln gedeihen die Hühnertuberculose-
bacillen nicht.
Die T e m 13 e r a t u r b e d i n g u n g e n für die Züchtung sind von
denen der Säugethiertuberculosebacillen etwas verschieden. Während
nämlich (cf. oben p. 253) die letzteren bei 42^ C. nicht mehr gedeihen,
so wachsen die Bacillen der Hühnertuberculose bei 42^ bis 43^ C.
noch vortrefflich, und zwar ebenso gut wie bei 37° C. Im Allgemeinen
hndet Wachsthum statt zwischen 35*^ und 45*^ C. Die Züchtung bei
43 0 C. hebt die Virulenz durchaus nicht auf. Die genannten Unter-
schiede zwischen den Temperaturansprüchen der Bacillen der Hühner-
und der Bacillen der Säugethiertuberculose sind bei der verschiedenen
Höhe der normalen Körpertemperatur der VögeP) und der Säuge-
thiere ohne Weiteres verständlich.
Die künstlichen Culturen der Hühnertuberculosebacillen
unterscheiden sich in ihrem Aussehen in ganz bestimmter, characte-
ristischer Weise von denen der Bacillen der Säugethiertuberculose.
Auf festem Nährboden (erstarrtes Blutserum etc.) bemerkt man
makroskopisch zuerst nach 6 bis 8 bis 10 Tagen Wachsthiun. Es bilden
sich kleine weissliche Colonien, wie Flecken oder Punkte von weissem
Wachs aussehend. Die Colonien nehmen an Dicke und Flächenaus-
dehnung mehr und mehr zu und fhessen nach etwa einem Monat mit
einander zusammen, einen weissen speckigen Feberzug auf dem Nähr-
boden bildend. Ueberträgt man Material von dieser primären Cultur
auf neuen Nährboden, so bilden sich nicht mehr kleine isolirte Colonien,
sondern es entsteht gleich a priori ein weisser Streifen, der die Tendenz
zeigt sich über den Nährboden auszubreiten, und der dabei auch an
Dickenausdehnung zunimmt. Bei der Entnahme von Theilen der Cultur
mit dem Platindraht macht die Cultur stets einen weichen, feuchten
Eindruck gegenüber der Cultur der Säugethiertuberculose, welche stets
resistent und trocken erscheint. Mit zunehmendem Alter nimmt die
Cultur der Hühnertuberculose einen gelblichen Farbenton an und wird
schleimig und faserig.
^) Die normale Eectaltemperatar der Vögel beträgt 41,5° bis 42,5*' C,
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 18
274 ^- Diß Batterien als Krankheitserreger.
Auf flüssigen Nährböden (Bouillon, flüssiges Blutserum)
gezüchtet erscheint die Cultur als ein sehr feines weissliches Pulver,
welches sich an den Wänden des Cultunöhrchens festsetzt und auch
Grund und Oberfläche des Nährbodens (letztere als gleichmässig weisses
Häutchen) überzieht. Das obei-flächliche weisse Häutchen ist leichter
zerreiblich als der entsprechende Ueberzug, welchen die Bacillen der
Säugethiertuberculose auf den flüssigen Nährböden bilden.
Die Hühnertuberculosebacillen scheinen eine etwas grössere Re-
sistenz gegen die Erwärmung auf höhere Temperaturgrade
zu besitzen, als sie den Bacillen der Säugethiei"tuberculose zukommt.
Durch 2 stündige Erhitzung auf 65 ^ C. werden sie (im Gregensatz zu
den letzteren) nicht yemichtet; so beeinflusste Cultui-en zeigen aber
hinterher ein verlangsamtes Wachsthmn. Durch 15 Minuten lange
Erhitzung auf 70 ^' C. werden die Bacillen der Hühnertuberculose ge-
tödtet (cf. oben p. 256, Anm. 4).
Die künstlichen Culturen scheinen sich sehr lange Zeit lebens-
fähig und unverändert "virulent erhalten zu können. Maffucci er-
hielt mit Culturen, die seit 2 Jahren nicht umgezüchtet waren, in
beiden Eichtungen positive Resultate. Auch vertragen die Culturen
monatelanges Austrocknen ohne Schädigung. In den genannten
Beziehungen verhalten sich also die Bacillen der Hühnertuberculose
dauerhafter als die der Säugethiertuberculose.
Sporenbildung hat man bei dem Bacillus der Hühnertuber-
culose bisher ebenso wenig zu statuiren vermocht wie bei dem Bacillus
der Säugethiertuberculose (cf. p. 256).
Für die Infection mit dem Hühnertuberculosebacillus zeigen sich
ganz im Allgemeinen Vögel^) empfänglich. Die spontane Ge-
flügeltuberculose, welche mitunter jahrelang unter dem Geflügel
eines Hofes herrscht, scheint sich fast ausschliesslich durch con ge-
nitale üebertragung fortzupflanzen (Baumgarten-^)). Die
Hauptlocaüsation findet sich stets in der Leber: nie tritt die spontane
Geflügeltuberculose primär in der Lunge oder in der Darmschleimhaut
auf; die tuberculösen Hühner producii-en weder tuberculöses Sputum
noch tuberculösen Koth. Characteristisch füi- die Geflügeltuberculose
ist (im Gegensatz zur Säugethiertuberculose) der sehr langsame, chro-
nische Verlauf und die geringe Veränderlichkeit, welche die tuber-
^) Eine grosse Eeibe von Vogelspecies, bei denen Geflügeltuberculose beobachtet
ist, findet man bei Sibley (cf. Bau mg arten 's Bakt. Jahresber. 1S90. p. 324)
aufgezählt.
-) Arb. a. d. path.-anat. Inst, zu Tübingen. Bd. 1. 1S92. p. 320 und 336 ff.
Der Bacillus der Hiibnertuberculose. 275
ciüösen Bildungen in späteren Stadien zeigen. Die tuberculösen Bil-
dungen sind ganz enorm reich an Bacillen ; auch hierin unterscheidet
sich die Geflügeltuherculose von der Säugethiertuberculose. Riesen-
zellen, welche in dem Säugethiertuberkel fast stets gefimden werden,
sind bei der Geflügeltuberculose erheblich spärlicher, fehlen aber
nicht vollständig. ^ ) Die centrale Zellnekrose des Tuberkels erfolgt bei
der Hühnertuberculose nicht (wie bei der Säugethiertuberculose) unter
Bildung feinkörniger käsiger Massen, sondern unter Bildung einer
glasigen Substanz (Cadiot, Gilbert und Eoger-)).
Die künstliche Infection des Geflügels mit dem Bacillus
der Hühnertuberculose lässt sich durch Einverleibung des Mate-
rials in das Unterhautgewebe, in die Bauchhöhle, die Lunge, den Blut-
strom erreichen. Vom Verdauungstractus aus scheint die Infection
nicht zu gelingen. Die durch die künstliche Infection tuberculös ge-
machten Thiere sterben nach einem bis mehreren Monaten an Tuber-
culose, die sich hauptsächhch in Leber und Milz localisirt zeigt; die
Lunge bleibt meist verschont. Tuberculöse Hühner übertragen die
Krankheit auf den Enibr3^o. — Gegen Säugethiertuberculose
verhalten sich im Gegensatz dazu erwachsene Hühner so gut wie un-
empfänglich; Hühnerembr Jonen zeigen eine ganz minimale Empfäng-
lichkeit.
Von Säugethieren hat sich bisher nur das Kaninchen empfäng-
lich für die Infection mit Hühnertuberculose erwiesen, Nach
subcutaner Impfung zeigen sich zunächst locale Abscedirungen, denen
später Knötchenbildung hauptsächlich in den Lungen folgt. Hier ist
also die Localisation eine andere als bei dem Geflügel.
Das für die Säugethiertuberculose so hervorragend emp-
fängliche Meerschweinchen zeigt sich gegen die Infection mit
Hühnertuberculose völlig refractär. Nach der Einverleibung der
Hühnertuberculoseculturen in den Körper dieses Thieres beobachtet
man keine Vermehrung, sondern ein Absterben der eingeführten Ba-
cillen; bei dieser Gelegenheit kommt aber ein in den Hühnertuber-
culoseculturen enthaltenes (dem Gift der Säugethiertuberculosebacillen
sehr ähnhches) Gift zur Wirkung auf den Meerschweinchenkörper,
welches interstitielle Entzündungen und Atrophien der mneren Organe
*) Den ersten Nachweis von Riesenzellen bei Hühnertuberculose lieferte Weigert
(Deutsche med. Wochenschr. 18S5. p. 599). Die Literatur über die weiteren hier-
hergehörigen Befunde (Johne; Cadiot, Gilbert und Roger; Pfand er) siehe
bei Pfander (Ärb. a. d. Gebiete d. path. Anat. u. Bakt. a. d. path.-anat. Institut
zu Tübmgen. Bd. 1. 1S92. p. 317).
-) Soc. de Biol. Paris. IS oct. 1890.
18*
276 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
veranlasst und stets einen gewissen chronischen Marasmus hinterlässt. —
Das Huhn wird viel weniger durch dieses Gift beeinflusst.
Ebenso wie das Meerschweinchen ist auch der Hund imempfäng-
lich für die Infection mit Hühnertuberculose , selbst bei intravenöser
Einverleibung, die, mit Säugethiertuberculose ausgeführt, bei dem
Hunde stets die Entwickelung miliarer Tuberculose zur Folge hat (cf.
p. 264, Anm. 2).
Durch (längere Zeit hindurch fortgesetzte) Züchtung des Hühner-
tuberciüosebacillus auf künstlichem Nährboden verhert der Bacillus —
nach den Ermittelimgen von Courmont^) — allmählich seine Eigen-
thümlichkeit, nur für die Klasse der Vögel pathogen zu sein. Er
nähert sich dann in seinen pathogenen Eigenschaften dem Bacillus der
Säugethiertuberculose.
Ob der Mensch für die Infection mit Hühnertuberculose emp-
fänglich ist, ist noch eine offene Frage.
Der Bacillus der Hühnertuberculose zeigt in seinem Färbungs-
verhalten ähnliche Eigenschaften wie der Tuberkelbacillus par
excellence. Er soll aber die Farbstoffe etwas leichter aufnehmen als
der letztere. Gegen Entfärbungsmittel (Säuren) zeigt er dieselbe Re-
sistenz wie der Bacillus der Säugethiertuberculose.
7. Bakterien bei „Pseudotuberculose"
der allgemeineu Bezeichnung „Ps endo tu
versteht man solche Krankheitsprocesse, bei denen sich Veränderungen
im Thierkörper ausbilden, welche pathologisch-anatomisch mit den der
Tuberculose eigenthümlichen Veränderungen mehr oder weniger grosse
Aehnlichkeit haben, bei denen jedoch keine Tuberkelbacillen, sondern
andere (höhere oder niedere) Mkroorganismen vorhanden sind.
Eiue ganze Reihe von „Pseudotuberculosen" sind bereits bekannt
geworden. Die erste Mittheilimg über durch Bakterien veranlasste
Pseudotuberculose (1883) stammt von Malassez und Vignal^);
die Autoren bezeichneten den (durch Uebertragung menschhchen Krank-
heitsmaterials auf Meerschweinchen erzeugten) lü'ankheitsprocess als
„Tuberculose zoogleique"; bei demselben ■\^airden Mkrococcen
gefunden. Eine weitere Mittheilung (1885) machte Eberth-^), welcher
bei der Section eines abgemagerten Kaninchens eine ausgebreitete
^) Vergl. oben p. 251, Anm. 2.
-) Archives de physiol. norm, et path. 1S83.
^) Fortschr. d. Med. 1SS5. No. 22; Yireh. Arch. Bd. 103. ISSf..
Baliterien bei Pseudotuberculose. 277
tnberciüoseähnliclie Erkrankung beobachtete und in den Knötchen
einen kurzen Bacillus („Bacillus der Pseudotuberculose des
Kaninchens") nachmes, der als die Ursache der Erkrankimg an-
gesehen wird. Dann beobachtete Chantemessei) (1887) eine
„Tuberculose zoogleique" bei Meerschweinchen mit zoogioeabildenden
Coccen ; Chantemesse hält die von ihm studirte Affection für iden-
tisch mit den von den vorgenannten Autoren studirten Krankheits-
processen.
Weitere Mittheilungen über Pseudotuberculose (bei Nagethieren)
stammen von C harr in und Roger-), von Dor-^), ferner von
A. Pfeiffer'^). Der letztgenannte Autor sah zwei Meerschweinchen,
die mit Material von einem wegen ßotzverdachts getödteten Pferde
geimpft worden waren, 8 — 9 Tage nach der Impfung (d. h. viel zu
früh für eine Eotzünpfung) sterben. Die Section der Thiere zeigte
makroskopisch die Merkmale des Impfrotzes, d. h. es fand sich Knöt-
cheneruption in den Organen; die bakteriologische Untersuchung aber
ergab keine Rotzbacillen , sondern einen anderen, plumpen Bacillus
(„Bacillus pseudotuberculosis"), der die Gelatine nicht ver-
flüssigt, keine Sporen bildet, sich nach der Gram'schen Methode nicht
färbt. Mit Reinculturen dieses Bacillus geimpfte Meerschweinchen
starben 3 Wochen nach der Impfung. Ausser dem Meerschweinchen
fand A. Pfeiffer graue und weisse Hausmäuse, Kaninchen, Hamster,
Feldhasen empfänglich ; Pferd, Ziege, Hund, Katze, Igel, Ratte, Fleder-
maus, Wühlmaus, Huhn, Taube, Feldmaus zeigten sich unempfänglich.
Ferner haben N o c a r d und M a s s e 1 i n '^) , C o u r m o n t '') , Z a -
gari'), isTocard^), Grancher und Ledoux-Lebard •'), Kitt^*^),
Parietti^^). Vincenzi^^), Preisz und Guinard^"), Hayem^*),
1) Annales de TList. Pasteur. IS 87. No. 3.
-) Comptes rendus. Acad. des sciences. Paris, t. 106. ISSS. i^. 868.
'') Ebenda p. 1027.
*) Ueber die bacilläre Pseudotuberculose bei Nagethieren, Leipzig. G. Tbieme.
1889.
■') Soc. de Biologie. Paris. 9 mars 1889.
*^) Soc. de Biologie. Paris und Acad. des sciences. Paris. 1889.
') La Eiforma medica. 1889. No. 258.
-) Soc. de Biologie. Paris. 26 octobre 1889.
'') Arch. de med. exper. et d'anat, path. 1889 und 1890.
1») Monatshefte f. prakt. Thierheilk. Bd. 1. 1890.
") Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. 1890. No. 19.
1'-) Giomale della R. Accad. dl med. di Torino. 1890.
^^) Journ. de med. veter. t. 42. 1891.
^^) La Seraaine niedicale. 1891. p. 285.
278 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
du Cazal und Yaillard^), Preisz'-), Kutscher-^) über Pseudo-
tuberciilose, diircli Bakterien'*) hervorgerufen, bericlitet.
8. Der Leprabacillus.
Bei der Lepra (Aussatz) wurden zuerst durcli Armauer
Hansen'^) stäbchenförmige Organismen festgestellt. Durch Neisser'^')
\nu'de diese Entdeckung bestätigt. Die Leprabadllen liegen in den
leprösen Neubildungen , und zwar gewöhnlich innerhalb der Gewebs-
zellen („ L e p r a z e 1 1 e n ").
Die Leprabacillen sind in ihren Eigenschaften den Tuberkel-
bacillen ausserordentlich ähnlich und stellen jedenfalls nahe Verwandte
derselben dar. Sie erscheinen meist etwas kürzer als die Tuberkel-
bacillen. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass man nicht
selten (in tuberculösem Sputum z. B.) Zusammenlagerungen von
Tuberkelbacillen antriöt, die durch die Kürze der einzelnen Exemplare
lebhaft an Leprabacillenzusammenlagerungen erinnern.
Die Leprabacillen haben keine Eigenbewegung.
üeber künsthche Züchtung der Leprabacillen hat namentlich
Bordoni-Uffreduzzi") berichtet. Es gelang ihm im Januar 1887
gelegentlich eines Leprasectionsfalles in Turin in zwei mit dem Knochen-
mark der leprösen Leiche geimpften Peptongij-cerinblutserum-Eöhrchen
bei Brüttemperatur m sieben Tagen die ersten Entwickelungsspuren
eigenthümlicher Colonien zu erhalten, die aus verschieden langen, an
den Enden meist keulenförmig angeschwollenen Bacillen bestanden.
Die Endkeulen sah Bordoni-Uffreduzzi als vermuthliche Dauer-
form (Arthrospore) an. Baumgarten ist der Ansicht, dass es sich
hier wohl um eine Livolutionserscheinung handelt. Die Strichculturen
Bordoni-Uffreduzzi 's bildeten bandartige, mit zackigen Bändern
versehene Colonien. Uebrigens scheint es später nicht wieder geglückt
zu sein die Leprabacillen künstlich zu cultiviren.
1) Annales de l'Inst. Pasteur. 1891. No. 6.
-) Annales de Tlnst. Pasteur. 1894. No. 4.
3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894.
^) Pseudotuberculöse Processe können auch durch thierische Parasiten hervor-
gerufen werden (cf. Kitt, Bakterienkunde und pathol. Mikroskopie für Thierärzte.
2. Aufl. Wien. M. Perles. 1893. p. 278); auch die Infection mit pathogenen
Schimmelpilzen kann Pseudotuberculöse erzeugen (cf. Chantemesse, 10. intern,
med. Congr. Berün 1890. Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. p. 775: Pseudotuberculöse,
hervorgerufen bei jungen Tauben durch Aspergillus fumigatus).
5) Virch. Arch. Bd. 79. 1880.
«) Virch. Arch. Bd. 84. 1881.
') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 3. 1887.
Der Leprabacillus. 279
lieber die Fi'age der Sporenbildung der Leprabacillen lässt
sich etwas Bestimmtes noch nicht sagen.
Die Leprabacillen lassen sich, wie in mancher anderen Hinsicht,
auch in ihren färberischen Eigenschaften den Tuberkelbacillen
vergleichen (cf oben p. 106). Sie sind aber nicht so schwer färbbar
wie die Tuberkelbacillen ; sie nehmen zwischen den letzteren und den
übrigen Bakterien eine Mittelstellung ein (cf. p. 107). Ebenso geben
sie die Färbung an Entfärbungsmittel etwas leichter ab als Tuberkel-
bacillen. Hat man Leprabacillen im Trockenpräparat zu färben.
so Avird man sich mit Vortheil der oben (p. 257 fi".) zur Färbung von
Tuberkelbacillen-Deckglaspräparaten angegebenen Methoden bedienen.
Hat man Schnitte von Leprabacillen zu tingiren, so genügt eine etwa
halbstündige Einwirkung einer der Ehrl ich "sehen Lösungen (p. 101)
auf den Schnitt bei gewöhnlicher Temperatur. Die Leprabacillen sind
dann intensiv gefärbt. Behufs der Conser^drung der Schnitte emptieblt
es sich sehr, dieselben nach der bei Grelegenheit der Tuberkelbacillen-
färbung (p. 260) besprochenen Unna 'sehen Antrocknungsmethode zu
behandeln.
Die Leprabacillen färben sich auch nach der Gram "sehen Me-
thode (p. 108 ff.)
Als Unterscheidungsmerkmal der Leprabacillen von
den Tuberkelbacillen ist von B a u m g a r t e n ^) das verschiedene
Verhalten dieser Organismen bei der Behandlung mit einfachen wässe-
rigen Fuchsinlösungen angegeben worden. Die Leprabacillen färben
sich hier (wenigstens in einzelnen Exemplaren [cf oben p. 107]) in
kurzer Zeit bei Zimmertemperatur, während sich die Tuberkelbacillen
bei dieser Behandlung noch nicht färben.
Melcher und Ortmann-) haben über erfolgreiche Ueb er-
tragung von Lepra auf Kaninchen berichtet. Die Autoren impften
Lepraknotenstückchen in die vordere Augenkammer zweier Thiere.
Dieselben gingen 4 resp. 4^/^ Monat später zu Grunde und zeigten
ausser anderen Metastasen eine Knoteneruption im Darme, besonders
in der Wand des Coecums, die die Autoren als Lepra deuteten.
Tedeschi'^) berichtete über Vermehrung der (in Lepraknotenstückchen)
unter die Dura des Rückenmarks eines Affen eingebrachten Lepra-
bacillen.
Im Uebrigen ist über Thierinfectionen mit Lepra wenig berichtet:
') Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie. Bd. 1. 1SS4. p. 368, 369.
-) Berl. klin Wochenschr. 1886. No. 9.
3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 14. 1893. p. 113 fr.
280 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
imd auch die Modi, die bei der Infection des Menschen hauptsäch-
lich in Fi-age kommen, sowie die ganze Art und Weise des Zustande-
kommens der leprösen Veränderungen sind noch wenig bekannt.
Ein Photogi-amm von Leprabacillen bei lOOOfacher Yergrösserung
(Ausstrichpräparat eines leprösen Hautknotens ^)) zeigt Taf. YII, Fig. 42.
Das Photogramm giebt ein t^^pisches Bild von der ausserordentlichen
Menge von Bacillen, welche sich bei der Lepra in den einzelnen Zellen
anorehäuft finden.
9. Bacillen bei Syphilis. Smegmabacillen.
Im Jahre 1885 machte Lustgarten") in Wien eine Aufsehen
erregende Mittheilung von Bacillenbefunden in syphiliti-
schen GcAveben. Lustgarten war es gelungen, in Schnitten
syphilitischen Grewebes mit Hülfe einer specifischen Färbungsmethode
Bacillen nachzuweisen, welche, geM'öhnlich nur in wenigen Exemplaren,'
innerhalb von Zellen hegend angetroffen wurden. Die specifische
Färbungsmethode beruht darauf, dass die in der Ehrlich' sehen Anilin-
wassergentianaviolettlösung gefärbten und in Alcohol ausgewaschenen
Präparate in einer Lösung von Kaliumpermanganat entfärbt werden.
Bei dieser Entfärbung bleiben die Lustgarten 'sehen Bacillen ge-
färbt. Der sich auf den Präparaten bildende Niederschlag von Mangan-
hyperoxyd wird dann durch Eintauchen der Präparate in eine wässerige
Lösung von schwefliger Säure entfernt. Mit derselben Methode konnte
Lustgarten auch in S3^hihtischen Secreten (d. h. in Deckgiastrocken-
präparaten) ebenso gestaltete Bacillen nachweisen. Die Lustgarten"-
schen Bacillen ähneln in ihrer Form den Tuberkelbacillen.
Nach dieser Methode gelang es vielen Untersuchern nicht sich
die Lust garten 'sehen Bacillen zur Anschauung zu bringen. Dies
gelang besser mit einer anderen Methode, die von de Giacomi-^) für
Trockenpräparate angegeben, von A. Gottstein^) auch für Schnitt-
präparate empfohlen wurde. Die de Giacomi"sche Methode beruht
darauf, dass die Präparate in Ehrlich "scher Anilinwasserfuchsin-
lösung gefärbt und dann nüt Eisenchloridlösung nachbehandelt werden.
Aber auch mit dieser Methode ist es nicht gelungen die Lust-
^) Das dem Präparate zu Grunde liegende Material verdanke ich Herrn Prof.
Dr. L a s s a r.
-) Wien. Med. Jahrb. 18S5. — Vorläufige Mittheilung: Wiener med. Wochen-
schrift. 1884. No. 47.
■') Con-esp.-Bl. f. Schweizer Aerzte. 1SS5. No. 12.
') Fortscbr. d. Med. 1885. No. 16.
Bacillen bei Syphilis. Smegmabacilleu. 281
gart eil 'sehen Bacillen in s}7)hilitischen Geweben constant nach-
zuweisen.
Dagegen fanden Alvarez und TaveP) sowie Matterstock-)
im normalen Smegma praeputiale, ferner zwischen den grossen und
kleinen Labien und am Anus gesunder Menschen bestimmte Bacillen-
formen (,,Smegmabacillen"), die den Lustgarten 'sehen Bacillen
im Aussehen gleichen und auch dieselben färberischen Eigenthümlich-
keiten darbieten.'^) Die Bedeutung der Lustgarten'schen Bacillen,
deren Imnstliche Züchtung übrigens nicht gelungen ist, ist dadurch
sehr in Erage gestellt worden.
Für die specüische Bedeutung der Lustgarten'schen Bacillen
ist übrigens seinerzeit die geAvichtige Autorität von C. Weigert^) in
die Schranken getreten.
10. Der Rotzbacillus.
Als Ursache der Kotzkrankheit (Malleus), einer speciell
bei Pferden und verwandten Thieren in Epizootien auftretenden In-
fectionskrankheit, die aber l3ekanntlich auch auf den Menschen ■') über-
tragbar ist, wurde 1882 durch Loeffler und Schütz*^) ein speci-
hscher Bacillus, der „Rotzbacillus", ermittelt. Loeffler hat
dann seine umfangreichen Studien über die Rotzkrankheit in einer
ausführlichen Arbeit ' ) niedergelegt.
Der Rotzbacillus ist ein sehr kleines Stäbchen ohne Eigen-
bewegung. Der Bacillus lässt sich auf den gewöhnlichen bakterio-
logischen Nährböden, bei Temperaturen zwischen 25 und 40^ C. und
bei Sauerstoifanwesenheit , künstlich züchten. Auf der Agar-
oberfläche erscheinen die Culturen als feuchtglänzende weissliche Be-
läge; besonders gut eignet sich als Nährboden Glycerin-Agar.^) Auf
Blutserum bildet der Rotzbacillus helldurchscheinende, zerstreute, tropfen-
^) Arcb. de pbysiol. norm, et pathol. 1885. No. 7.
2) Verh. d. Würzb. phys.-med. Gesellsch. Juni 1885.
*) Doutrelepont (Deutsche med. Wochenschr. 1885. p. 321) hat eine be-
sondere Färbungsmethode angegeben, die zwar die bei Syphilis vorkommenden Bacillen,
aber nicht die Smegmabacillen gefärbt zur Anschauung bringen soll.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1885. p. 885.
•^) Auch beim Menschen kann der Eotz gelegentlich in grösserer Verbreitung
auftreten (cf. Dävalos, Crönica medico-quin'irgica de la Habana. 1893; ref. Cen-
tralbl. f. Bakt. Bd. 15. p. 870: Der Eotz in Habana).
«) Deutsche med. Wochenschr. 1882. No. 52.
') Arbeiten a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1886.
^) Kranzfeld, Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. p. 274.
2S2 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
förmige Aiiflagerimgen, die später zusammenfliessen. Das Blutserum
wird nicht verflüssigt.
Sehr characteristisch ist das Wachsthum der Eutzbacillen auf
Kartoffeln. Es bildet sich auf der Oberfläche der bei Brüttempe-
ratur gehaltenen Kartoffel im Verlauf von etwa 2 Tagen zunächst ein
gelblicher honigähnlicher Belag, der dann allmählich dunkler, braun-
roth bis dunkelroth wird; die den Belag umgebenden Theile der
Kartoffel Oberfläche färben sich gelbgrünlich.
Ob der Rotzbacillus Sporen bildet oder nicht, wurde von LoefflerM
unentschieden gelassen; heute kann es wohl mit Bestimmtheit ausgespro-
chen werden, dass Sporenbildung bei dem Eotzbacillus nicht existirt.-)
Werden die künstlichen Culturen der Rotzbacillen auf Pferde oder
auf andere empfängliche Thiere verimpft, so erzeugen sie das typische
Bild der Rotzkrankheit. Empfänglich sind von Hausthieren — ausser
Pferden und Eseln — Ziegen und Katzen, weniger empfänglich
sind Schafe und Hunde, •^) Schweine noch weniger; Rinder erscheinen
immun. Aus der Gruppe der Nagethiere sind hervorragend
empfänglich die Feldmaus und, wie Kitt^) festgestellt hat, die Wald-
maus und die Wühlmaus, fem er das Ziesel;'^) etwas weniger empfäng-
lich sind Meerschweinchen, viel weniger Kaninchen. Ganz unempfäng-
lich sind Haus- und weisse Mäuse *') sowie Ratten. Der Igel ist sehr
empfänglich für die Infection. ')
^) Loeffler beobachtete eingetrocknete Eotzbacilleu , die drei Monate ihre
Uebertragbarkeit und ihre Virulenz behielten; diese Thatsache schien Loeffler für
die Anwesenheit von Dauersporen zu sprechen. Baumgarten und Kosenthai
(Centralbl. f. Bakt.- Bd. 3. 1888. No. 13) sind dann auf Grund gelungener „Sporen-
färbung" bei den Rotzbacillen (cf. oben p. 235 ff.) für die Existenz der Sporen-
bildung eingetreten Das einzig und allein mit Sicherheit in dieser Frage ent-
scheidende Kriterium, nämlich der Nachweis der Keimfähigkeit (cf. oben p. TG),
ist jedoch für die als „Sporen" gedeuteten Gebilde noch nicht geliefert worden.
-) Flügge (Grundriss d. Hyg. 1889. p. 54) spricht sich mit Sicherheit
gegen die Bildung „echter Sporen" aus. Auch Boer, welcher im Koch 'sehen
Institute arbeitete, hat (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9. 1890. p. 481) angegeben, dass er
in zahlreichen Versuchen die Sporenbildung bei den Rotzbacillen stets vermisst hat.
'^) Junge Huude sind sehr empfänglich (Flügge, Grundriss d. Hygiene.
1889. p. 54).
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. No. 9.
■') Kranzfeld, Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. No. 10.
") Leo (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. 1889) fand, dass die weissen Mäuse ihre
natürhche Immunität gegen Rotz verlieren, wenn sie mit Phloridzin gefüttert
werden. Die Thiere scheiden nach der Phloridzindarreichung (wie der Mensch und
der Hund) Zucker aus, und diese künstlich diabetisch gemachten Thiere sind für
die Rotzinfection empfänglich.
"') Kitt (cf. Fortschr. d. Med. 1^^9. p. 392).
Der Rotzbacillus. 283
Bei fortgesetzter Züchtung auf künstlichen Nährböden verliert
der Eotzbacillus seine Virulenz bald; künstliche Culturen können
deshalb nur dann dauernd mulent erhalten werden, wenn sie von
Zeit zu Zeit durch einen empfänglichen Thierkörper geschickt werden
(cf. oben p. 204, Anm.).
Die Infection geschieht unter natürhchen Umständen wohl aus-
schliesslich von kleinen Verletzungen der Haut, vielleicht auch
der angrenzenden Schleimhäute, aus. Es bilden sich zunächst locale
Schwellungen, die gern abscediren, und denen sich Schwellungen der
Lymphgefässe und Lymphdrüsen mit eventueller Abscedirung an-
schliessen; dann kommt es zu allgemeiner Verbreitung der Krankheit
in den Körper, zur Bildung von metastatischen, an die Tuberkel er-
innernden sulraiiliaren Knötchen in den Organen. Die rotzig veränderten
Gewebstheile haben grosse Neigung zur Nekrose, zum Zerfall.
Bei Pferden ist die Prädilectionsstelle für die Eotzgeschwüre
die Nasenschleimhaut. Ob hier in jedem Falle auch die primäre Infection
stattfindet, oder ob die Affection der Nasenschleimhaut häufig eine
metastatische ist, ist noch unentschieden.
Meerschweinchen gehen nach der künstlichen subcutane)i In-
fection im Verlaufe mehrerer Wochen, Feldmäuse schon nach 3 bis
4 Tagen zu Grunde. Bei männlichen Meerschweinchen entstehen wäh-
rend des Krankheitsverlaufs (besonders rapide bei intraperitoneaier In-
fection) ganz characteristische, durch den Eotzbacillus veranlasste Hoden-
anschwellungen, die weiterhin zu einer Vereiterung der Hoden führen.
Aus Eotzbacillenculturen haben zuerst Kalning in Dorpat und
unabhängig von ihm Preusse in Danzig eine Kotzlymphe („Mallein")
hergestellt, welche — analog dem Tuberculin bei Tuberculose (cf. oben
p. 267, Anm. 3j — als diagnostisches Hülfsmittel bei rotzverdächtigen
Thieren benutzt werden kann. Eotzkranke Pferde antworten auf die
Injection mit Temperatursteigerung. ^ )
Die Eotzbacillen finden sich in den specifischen Gewebsneu-
bildungen, namentlich in den Centren der Knötchen; sie sind in
Gewebsschnitten nicht leicht darstellbar. Am besten gelingt die Dar-
stellung noch an ganz frischem Material, während man bei älterem
Material oft vergeblich versucht die Bacillen durch die Färbung sicht-
bar zu machen. Besonders empfohlen hat Loeffler zur Färbung
^) Vergl. das zusammenfassende Eeferat über diesen Gegenstand von Eber
(Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 1). — Die Ansichten über den diagno-
stischen Werth des Malleins sind getheilt. So hält z. B. Schütz (Arch. f. wiss. u.
prakt. Thierheilk. Bd. 20. 1894. p. 469) das Mallein als diagnostisches Mittel für
unzuverlässig.
284 B- Die Bakterien als Kranklieitserreger.
seine alkalisclie Metlwlenblaulösimg (cf. oben p. 90). Im Uebrigen
muss man die Schnitte nach der oben (p. 93) angeführten Weigerf-
schen Methode behandeln und eine Kernfärbiing in den Kauf nehmen.
Eine Methode der isolirten Färbung der Eotzbacillen im Gewebe ist
bisher nicht aufgefunden. Nach der G r a m ' sehen Methode (p. 108 ff.)
färben sich die Bacillen nicht.
Taf. IX, Fig. 50, zeigt einen Schnitt durch die Lunge der inficirten
Feldmaus. Man sieht hier am Schnittrande, genau in der Mitte des
Bildes, eine Zelle, welche eine Anzahl Eotzbacillen enthält.
11. Der Typhusbacillus.
Die bei dem menschlichen Abdominaltyphus constant vor-
kommenden Bacillen, die „Typhusbacillen", wurden (in den in-
neren Organen von Tj^husleichen) zuerst von E b e r t h ') gesehen.
Die fast zur selben Zeit von Klebs bei Abdomina 1 typ hu s in
den nekrotischen Darmpartien aufgefimdenen Bacillen'-) hält Koch'')
nach der Klebs 'sehen Beschreibung ihres Aussehens nicht für Typhus-
bacillen, sondern für andersartige Bacillen, die nur eine secundäre Be-
deutung hatten. Koch*) hat die T^^phusbacillen etwa zu derselben
Zeit wie Eberth gesehen und zuerst photographisch dargestellt.
Gaffky'') hat dann den Typhusbacillus auf künstlichen Nährböden
cultivirt und seine Eigenschaften einem eingehenden Studium unter-
worfen.
Der Typhusbacillus ist ein kurzes, plumpes Stäbchen mit
abgerundeten Enden, welches im Gewebe gewöhnlich einzeln liegt, in
künstlichen Culturen aber häufig zu langen Fadenverbänden auswächst.
Auf Taf. Vm, Fig. 45, ist ein Klatschpräparat von einer Gelatine-
plattencultur bei lOOOfacher Vergrösserung dargestellt; hier sieht man
sowohl einzeln liegende wie auch in längeren Verbänden angeordnete
Bacillen. Der T3q3husbacillus hat lebhafte Eigenbewegung,
w^elche durch Geisseifäden bewirkt wird. Die letzteren sind dem
einzelnen Bacillus, und zwar nicht nur den Enden, sondern auch den
Seitenwandungen desselben, in grosser Zahl angeheftet. Jeder einzelne
Bacillus trägt etwa 8 — 12 Geissein. Die mikroskopische Darstellung
') Virch. Arcb. Bd. Sl. ISSO und Bd. SS. 1S81.
■-) Archiv f. exp. Path. n. Pbarmak. Bd. 12. 1880. p. 233. — Abbildung
der Bacillen im Darmscbnitt ebenda Bd. 13. 1881. p. 399.
*) Mittb. a. d. Kais. Ges.-Anite. Bd. 1. 1881. p. 45.
-') Ebenda, Taf. IX und X.
") Mittb. a. d. Kais. Ges.-Amto. Bd. 2. 1884.
Der Tjphusbacillus. 285
dieser Gebilde (nach der Loeffler 'sehen Methode) ist oben (p. 80 ff.)
besprochen. ^) Auf Taf. VIII, Fig. 46, ist ein nach der genannten Methode
dargestelltes Präparat bei lOOOfacher Vergrösserung wiedergegeben.
Man findet hier mehrere einzeln hegende Bacillen mit ihren Geissein.
Der Ty])hnsbacillus gedeiht bei Sauerstoffanwesenheit sowohl wie
bei Sanerstoffabschluss. Er wächst auf den gewöhnlichen bakterio-
logischen Nährböden (selbst bei leicht saurer Reaction derselben [cf.
oben p. 22]): am besten gedeiht er ])ei Brüttemperatur; er kommt
aber auch bei Zimmertemperatur fort.
Die Gelatine wird nicht verflüssigt. Auf der Gelatine-
platte haben die Colonien ein ganz verschiedenes Aussehen, je nach-
dem sie sich in der Tiefe oder an der Oberfläche des Nährbodens
entwickeln. Die tiefliegenden Colonien stellen sich als kleine, über
Stecknadelkopfgrösse kaum hinausgehende, weissgraue, kugelförmige
Gebilde dar; entwickelt sich die Colonie jedoch an der Oberfläche der
Nährgelatine, so bleibt sie nicht von der beschriebenen geringen Grösse,
sondern breitet sich nach allen Seiten aus, indem sie einen dünnen,
häutchenförmigen, buchtig begrenzten, blattartig gezeichneten Ueberzug
auf der Gelatineoberfläche bildet. Wird die Colonie in ihrer seitlichen
Ausbreitung nicht durch benachbarte Colonien gehemmt, d. h. kann
sie sich ungestört entwickeln, so erreicht der Oberflächenbelag in
5 Tagen bei Zimmertemperatur einen Durchmesser von c. 5 mm.
Fig. 49 auf Taf IX zeigt eine oberflächliche und mehrere tiefliegende
Colonien des Tjphusbacillus nach 2tägigeni Wachsthum, bei lOOfacher
Vergrösserung. Die tiefUegenden Colonien sind auf dem Bilde nicht
scharf eingestellt; an der (schaif eingestellten) oberflächlichen Colonie
sieht man die oben erwähnte buchtige Begrenzung sowie die blatt-
artige Zeichnung. Ausserdem erbhckt man an dieser Colonie, und
zwar in dem rechten oberen Theile derselben, ein kleines rundes,
dunkler erscheinendes (d. h. in Wirklichkeit weniger durchsichtiges)
Gebilde, eine Art Nabel; es ist dies diejenige Stelle, an welcher die
Colonie zuerst (im Innern der Gelatine) entstand, um sich dann später,
nachdem sie die Oberfläche der Gelatine erreicht hatte, auf derselben
flächenhaft auszubreiten. Ein derartiger „Nabel" lässt sich an jeder
oberflächlichen Plattencolonie des T3^phusbacillus feststellen. Impft
man den Typhusbacillus strich förmig auf die Gelatineoberfläche, so
bildet sich sofort ein häutiger Oberflächenbelag, welcher von dem
Impfstriche ausgehend den Nährboden überzieht. In der Gelatine-
Stichcultur wächst der Typhusbacillus längs des ganzen Impf-
^) Vergl. uaraentlich Anm. 3 auf p. Sl.
286 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
Stiches als grauweisser Taden : au der 01)erfläche bildet sich auch
hier der häutchenförmige Ueberzug.
Auf der Oberfläche von Nähr-Agar wächst der Typhusbacillus
bei Brüttemperatur in Gestalt eines grauweissen, feuchten Belages.
Säet man den T3q)husbacillus in Nährbouillon ein, die bei Brüt^
temperatur gehalten wird, so tritt zunächst (innerhalb von 24 Stunden)
eine allgemeine Trübung der Culturflüssigkeit ein ; weiterhin beginnen
dann die oberen Partien der Bouillon sich zu klären, indem die Bak-
terienmasse mehr und mehr sedimentirt. ,
Wie G-affk}' ermittelte, bildet der Typhusbacillus auf der Kar-
toffel fläche ( bei Brüttemperatur) makroskopisch unsichtbare
dünne Ueberzüge. Die inficirten Kartoflfelflächen lassen „im Laufe der
folgenden Tage für das blosse Auge nur sehr geringe Veränderungen
erkennen. Die besäeten Flächen scheinen wohl ein etwas gleich-
massigeres und feuchteres Aussehen anzunehmen ; doch sieht man
makroskopisch von emem Wachsthum nichts. Versucht man
aber — etwa nach 48 Stunden — mit der Platinnadel von der Ober-
fläche eine geringe Menge zur mikroskopischen Untersuchung zu ent^
nehmen, so erhält man den Eindruck, als ob die ganze Fläche in eine
zusammenhängende resistentere Haut verwandelt wäre, ohne dass sich
von Eintrocknung auch nur eine Spur wahrnehmen liesse. Von welcher
Stelle der Oberfläche man aber auch ein minimales Kartoffelstückchen
entnehmen mag, überall, auch an den nicht besäeten Partien, findet
man bei der mikroskopischen Untersuchung in ganz überraschenden
Mengen die verimpften Bacillen, meist von der gewöhnlichen Länge,
zum Theil aber auch in Form längerer Scheinfäden. Die ganze Ober-
fläche schemt fast nur aus den Bacillen zu bestehen."^) Allerdings
kommen von dem genannten „typischen" Aussehen der Kartoffelcultur
auch Abweichungen vor. E. F r a e u k e 1 und S i m m o n d s -) hal)en
zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass die Typhusbacillen auf
manchen Kartoffel Sorten graue, in ihren Grenzen
deutlich erkennbare, schmierige Beläge bilden. Zum
Zustandekommen der „typischen", von Gaffky beschriebenen Er-
schemungsweise der Kartoffelcultur scheint die normale, leicht saure
Reaction der Kartoffel unerlässlich zu sein.'^)
') Wörtlich aus der Arbeit Gaffky's, 1. c. p. 388, 389.
'^ Zeitschr. f. Hygiene. Bd. 2. 1887.
■') Dass nicht bloss der Typhusbacillus, sondern auch andere, in gewisser AVeise
typhusbacillusähnliche , Bakterienarten bezüglich des Wachsthums auf der Kartoffel
von der chemischen Eeaction dieses Nährbodens abhängig sind, hat Fr emiin
(Arch. f. Hyg. Bd. 19. 1893. p. 30fi) festgestellt.
Der Typhusbacillus. 287
Die Kart off elcultnr wurde seinerzeit A^on Graffky benutzt,
um den Typhusbacillus von solchen Bakterienarten zu
unterscheiden, welche durch andere Culturmerkmale nicht mit
Sicherheit von ihm zu unterscheiden waren; aus den vorstehend über
die Kartoflfelcultur gegebenen Erörterungen geht jedoch hervor, dass
die Kartoffelcultur ein absolut sicheres, zuverlässiges
Unterscheidungsmerkmal nicht darstellt. Liegt die Aufgabe
vor, irgend eine Wasser- oder Bodenprobe, eine bestimmte Milch etc.
auf den Typhusbacillus zu untersuchen, d. h. festzustellen, ob sich
dieser Mikroorganismus in dem Materiale vorfindet oder nicht, so kann
das nur so ausgeführt werden, dass man zunächst Gelatineplatten von
der zu untersuchenden Probe herstellt, und dass man dann unter den
entstehenden Colonien auf typhusähnlich wachsende fahndet. Es giebt
nun im Wasser, im Boden, in Faeces, in der Mich etc. zahlreiche
Arten von Bakterien, welche auf der Gelatineplatte in ähnlicher Weise
gedeihen wie der Typhusbacillus, die also durch das Aussehen der
Plattencolonie nicht ohne Weiteres von dem Typhusbacillus unter-
schieden werden können. Haben Avir in einem solchen Falle „t3'phus-
verdächtige" Colonien gefunden, so kommt es also darauf an, dieselben
weiter zu prüfen. Sehr einfach würde die Sache liegen, wenn wir
eine bestimmte Versuchsthierspecies zur Verfügung hätten, welche in
specifischer Weise auf die Einverleibung des Typhusbacillus reagirte;
alsdann würde es nur nothwendig sein, das zu bestimmende Bakterien-
material dem Thiere einzuverleiben und den Erfolg abzuwarten. Eine
derartige Thierspecies haben wir aber leider nicht. Wir sind also auf
die Prüfung des fraglichen Materials durch M i k r o s k o p und künst-
liche Cultur angewiesen (cf oben p. 192, Anm. 1).
Diejenigen Bakterienarten, die auf der Gelatineplatte dem
Typhusbacillus ähnlich wachsen, werden von vielen Autoren
als „typhusähnliche Bakterienarten" bezeichnet : zu be-
merken ist hierzu, dass diese Bezeichnimg durchaus gar keine andere
Aehnlichkeit im Sinne hat als die auf der Gelatineplatte documentirte,
d. h. dass sie nur ein einziges, in der gesammten Biologie des Typhus-
bacillus recht untergeordnetes Kriterium berücksichtigt. Zu den
,.typhusähnlichen" Bakterienarten gehört auch das (in unserem Darme
constant vorhandene) Bacterium coli commune, und auf die
Unterscheidung gerade dieser Art von dem Typhusbacillus beziehen
sich ausserordentlich viele Arbeiten, welche seit der Gaffky 'sehen
Publication über den Typhusbacillus entstanden sind.
Von Chante messe und W i d a 1 ^) wurde (1887) angegeben,
^) Arcb. de physiol. norm, et path. 18S7. No. 3.
288 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
dass der Tj-phusbacillus eine grössere Resistenz gegen geringe Mengen
A'on Carbolsäure (die dem Nährboden zugesetzt wird) besitze als
andere Bakterienarten; und es wurde diese Eigenschaft des Typhus-
bacillus zur Differentialdiagnose und zur Trennung von anderen Arten
empfohlen. Spätere Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass eine
zur differentiell- diagnostischen Yerwerthung ausreichende Resistenz des
T3ijhusbacillus gegen Carbolsäure nicht besteht.^)
Diagnostisch verwerthbar dagegen ist nach den Ermittelungen von
Kitasato neben der Kartoffelcultur das Verhalten der Bouillon-
cultur-) beim Zusatz von Kaliumnitrit und Schwefelsäure^) (d.h. beim
Zusatz von salpetriger Säure). Während nämlich bei manchen dem
Typhusbacillus ähnlichen Bakterienarten (z. B. bei dem Bacterium coli)
nach diesem Zusätze eine Rothfärbung eintritt (Indolreaction),
bleibt diese Rothfärbung in den Typhusbacillusculturen aus. Die
Typhusbacillen produciren, zum Unterschied von vielen
sonst ähnlichen Arten, kein Indol.^)
Femer ist von grosser diagnostischer Bedeutung die Gährungs-
probe. Th. Smith'') hat (1890) angegeben — und diese Angabe
hat sich durchaus bestätigt — dass der T}i)husbacillus bei seinem
Wachsthum in 2proc. Traubenzucker -Bouillon (cf. oben p. 129) keine
Gasbildung hervorruft, während ähnliche Bakterienarten, speciell auch
das Bacterium coli commune, Gasbildung bewirken. Eine Säue r u n g
der Traubenzucker -Bouillon wird, wie Th. Smith später*^) mitgetheilt
hat, sowohl durch den Typhusbacillus wie auch durch das Bacterium
coli commune hervorgerufen.'^) Die Gährungsprobe wird am besten in
den oben (p. 130 und p. 153, Anm. 1 1 bereits erwähnten Gährungs-
k ü 1 b c h e n angestellt.
^) So fand z. B. Dun bar (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1S92. p. 506), dass
dem Bacterium coli commune eine grössere Eesistenz gegen Carbolsäure zukommt
als dem Typhusbacillus.
-) Zur Anstellung dieser Probe darf (nach meinen Erfahrungen) nur zucker-
freie Bouillon genommen werden.
*) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. 1889. — Zu 10 ccm der Cultur wird 1 ccm
einer VaoProc wässerigen Lösung von reinem Kaliumnitrit zugegeben; dann werden
einige Tropfen concentrirte Schwefelsäure zugefügt (1. c. p. 518).
^) Ueber Indolbildung durch Bakterien vergl. auch oben p. 44.
•') Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. No. 16. p. 504.
*■) Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. p. 367.
') Eohrzucker i\ird nach Th. Smith durch keine der beiden Alien vergohren.
In Milchzuckerbouillon macht nur das Bacterium coli kräftige Säuerung, nicht der
Typhusbacillus.
Der Typhusbacillus. 289
^N^ach den eigenen Erfahrungen des Verf. ^) ist die Cultivirung
in Gährungskölbchen mit 2proc. Traiibenzuckerbouillon,
die bei 37 "^ C. gehalten werden, die beste Methode, die es
giebt, um in irgend einem Falle der Praxis zu entscheiden, ob eine
bestimmte, typhusverdächtige Bakterienart von dem Tj'phusbacillus ver-
schieden ist, oder ob es event. in Frage konmien könnte, dass sie mit
dem Tjphusbacillus identisch wäre. Was zunächst die in dem Wasser
vorkommenden Bakterienarten angeht, welche auf der Gelatineplatte
ein Wachsthum zeigen, das mit dem des Typhusbacillus Aehnlichkeit
hat, so sieht man ganz gewöhnlich, dass diese Bakterienarten nach
der Einsaat in Traubenzuckerbouillon, die bei 37*^ C. gehalten wird,
überhaupt gar nicht zm- Entwickelung kommen: stellt man jedoch die
geimpften Kölbchen bei Zimmertemperatur auf, so erfolgt ohne Wei-
teres ergiebiges Wachsthimi. Selbstverständlich ist eine Bakterienart,
die zwar bei Zimmer-, aber nicht bei Brüttemperatur wächst, hier-
durch sofort als verschieden von dem T3'phusbacillus erwiesen. Femer
constatirt man bei den genannten „tjqjhusähnlichen" Wasserbakterien,
dass sie in den Gährungskölbchen, die man vor der Impfung sorg-
fältig luftfi-ei gemacht hat (cf. oben p. 165, Anm. 5), ausschliesslich
in der Kugel, d. h. in Contact mit dem atmosphärischen Sauerstoff,
zu wachsen vermögen : die Bouillon in dem aufsteigenden Schenkel
des Kölbchens bleibt absolut klar. Auch dieser Punkt unterscheidet
diese „tjphusähnlichen" Bakterien ohne Weiteres mit Sicherheit von
dem Typhusbacillus: der letztere trübt unter allen Umständen die
Flüssigkeit in dem ganzen Gährungskölbchen zunächst gieichmässig,
und erst nach weiterem Stehen der Cultur findet eine Sedimentirung
der suspendii'ten Bakterienzellen statt, womit dann eine allmähliche
lüärung der Culturflüssigkeit in dem aufsteigenden Schenkel des Kölb-
chens verbunden ist. AehnKche Balvterien, wie wir sie eben als in
dem Wasser vorkommend kennen gelernt haben, kommen z. B. auch in
der Milch gelegentlich vor. Ebenso ist es auch mit Faeces; auch
hier findet man gelegentlich auf den zunächst angelegten Gelatine-
platten (neben Colonien, die weiterhin mit Sicherheit als Bacterium coli
zu bestimmen sind) solche Colonien, welche zunächst typhus- resp. Bac-
terium coli -verdächtig erscheinen, die dann aber mit Hülfe der Gährungs-
kölbchen-Cultur ohne Weiteres als fi'emdartige , weder dem Tj^hus-
bacillus noch dem Bacterium coli angehörige, Dinge erkannt werden.
^) Vergl. hierüber meine Notizen über Untersuchung des Spreewassers auf
Typhusbacillen (Arch. f. Hyg. Bd. 21. 1894. p. 99), sowie die auf meine An-
regung entstandene Arbeit von de! Rio (Arch, f. Hyg. Bd. 22. 1895).
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 19
290 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Der Typliusbacillus, in (luftfrei gemachte) Gähriingskölb-
chen übertragen, die mit 2prüc. Traubenzuckerboiiillon
gefüllt sind, und die dann bei 37*^ C. gehalten werden,
trübt binnen 24 Stunden die gesammte Culturf lüssig-
k e i t ; die letztere wird dabei stark sauer; Gasbildung
findet dabei nicht statt. (Das Bacterium coli wächst unter den
genannten Umstcänden genau so wie der Tj-phusbacillus, mit dem ein-
zigen Unterschiede, dass sich in dem geschlossenen Schenkel des
Kölbchens Gas ansammelt.) Eine Bakterienart, welche auf der Gela-
tineplatte in ihren oberflächlichen Colonien häutchenförmig
( „typhusähnlich" ) wächst, sich bei der Untersuchung im h ä n g e n d e n
Tropfen als eigenbewe glich es Stäbchen erweist und bei
der Cultur in Gährungskölbchen mit luftfreier 2proc.
T r a u 1) e n z u c k e r b 0 u i 1 1 0 n 1) e i 37^ C. innerhalb von 2 4 Stunden
die gesammte Cultur flüssigk ei t unter Säuerung und
ohne Gasbildung trübt, ist bis jetzt nur in dem Typhus-
bacillus gefunden worden. Damit soll selbstverständlich nicht ge-
sagt sein, dass nicht vielleicht in der Zukunft gelegentlich irgendwo
eine neue Bakterienart gefunden werden wird, die dieselben Charactere
zeigt ; in solchem Falle wird man dann nach anderweitigen Differenzen
suchen müssen; es soll damit vielmehr nur gesagt sein, dass die
Entscheidung, ob eine bestimmte, auf der Gelatineplatte gefundene
Colonie dem Typhusbacillus zugehören kann, in der Praxis
gewöhnlich viel leichter zu erledigen ist, als es in den meisten diesen
Gegenstand behandelnden Arbeiten dargestellt wird.
Bezüglich der Culturdifferenzen , welche speciell zwischen dem
Typhusbacillus und dem Bacterium coli commune bestehen, seien hier
noch einige Punkte erwähnt, zunächst das Verhalten der beiden Or-
ganismen bei der Cultivirung in steriler Milch: Der Typhusbacillus
bewirkt eine geringe Säuerung, aber, selbst bei Monate langem Stehen
bei Brüttemperatur, keine Gerinnung der Milch, während das Bac-
terium coli bei 37 ^ C. bereits in 24 bis 48 Stunden starke Säuerung
und Gerinnung der Milch hervorruft, i) (Damit in Uebereinstimmung
steht auch die [bereits 1889] von Petruschky-) festgestellte That-
sache, dass der Typhusbacillus auf neutraler Molke [Milchserum] sehr
geringe Mengen Säure bildet [in Volumprocenten der zur Xeutralisirung
verbrauchten ^/^^ Nonnalnatronlauge ausgedrückt 2 — S^/J, während
^) cf. Cbantemesse und Widal (Soc. de Biol. Paris. 7 nov. 1891), ferner
Dunbar (Zeitsclir. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 491).
-) Centralbl. f. Bakt. Bd. ß. 1889. p. 062.
Der Typhusbacillus. 291
das Bacterium coli auf demselben Nährboden erheblich grössere Mengen
[7 — S^Iq] Säure bildet.) Ein fernerer, sehr wesentlicher Culturunter-
schied zwischen dem Tj^^husbacillus und dem Bacterium coli commune
ist der, dass bei Cultiviruug der beiden Organismen bei Zimmer-
temperatur auf irgend welchem Nährboden das Bacterium coli
commune stets ganz erheblich viel schneller wächst als der Typhus-
bacillus; (bei Brüttemperatur sind die Wachsthumsschnelligkeiten der
beiden Arten einander gleich).
Was die Diagnosticirung resp. Identificirung des Typhusbacillus
im üebrigen angeht, so sei auf die oben (p. 192, Anm. 1) gegebenen
allgemeinen Erörterungen über die Identificirung von Bakterienarten,
die specifisch für den Menschen pathogen sind, hingewiesen: Stanunt
das zu bestimmende Material unmittelbar von einem verdächtigen
Krankheitsfalle, oder ist es der frischen Leiche entnommen, so macht
die Diagnose in der Regel keine Schwierigkeiten; das Kriterium des
unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Krankheits-
falle beschränkt das Gebiet, in das hinein die aufgefundenen Bakterien
gehören können, sofort in ganz bestimmter Weise. Stammt das Material
dagegen aus irgend einer anderen Quelle, aus Wasser, aus dem Boden,
aus älteren Fäces etc., so sind ^rir — bei dem Mangel eines empfäng-
lichen Versuchsthieres — lediglich darauf angewiesen, die Culturmerk-
male der aufgefundenen Bakterien auf das Sorgfältigste nach allen
Eichtungen hin zu untersuchen (cf. die oben p. 287 ff. über diesen
Punkt gegebenen Vorschriften). Stimmen die Culturmerkmale in allen
Beziehungen mit denen einer authentischen Typhusbacillencultur über-
ein, so sind wir vollberechtigt, auszusprechen, dass die zu bestimmen-
den Bakterien mit dem Typhusbacillus höchstwahrscheinlich
identisch seien. Eine absolute Sicherheit in der Diagnose (wie
sie z. B. bei der Identificirung des Milzbrandbacillus, des Rotzbacillus,
des Schweinerothlaufbacillus etc. durch die Thierimpfung ohne Weiteres
erreicht wrrd) ist hier nicht möglich.
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass jüngst R. Pfeiffer^)
zum Zwecke der sicheren Identificirung des Typhusbacillus das Princip
seiner speci fischen Im munitätsreaction^) empfohlen hat.
Gaffky war durch seine Untersuchungen zu dem Schlüsse ge-
führt worden, dass die TAq)husbacillen (endständige) Sporen bilden,
die sich bei Brüttemperatur in den Culturen innerhalb 3 bis 4 Tagen
1) Deutsche med. Wochenschr. 1S94. p. 898.
-) Vergl. über dieses Princip die weiter unten bei der Besprechung des Cholera-
vibrio (p. 331 ff.) gegebenen Erörterungen.
19*
292 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
entwickeln. Es fehlen diesen „Sporen" jedoch wesentliche Charactere,
welche man an endogenen Sporen nicht zu vermissen gewohnt ist, vor
Allem die Eesistenz gegen die Einwirkung höherer Temperaturen.
Besonders durch Büchner^) ist später auf Grund experimenteller
Untersuchungen die Sporenbildung bei den Typhusbacillen lebhaft be-
stritten worden. Es unterliegt jetzt keinem Zweifel mehr, dass Sporen-
bildung bei dem T373husbacillus nicht existirt.
Aus Culturen der Typhusbacillen auf Rindfieischbrei hat Brieger-)
ein giftiges Alkaloid, ein „Toxin", isolirt, welches die Zusammen-
setzung C^ H^^ NO2 hat. In Organen der menschlichen Typhusleiche
haben Brieger und Wassermann'^) giftige Eiweisskörper nach-
gewiesen.
Der T3^)husbacillus ist auf Thiere nicht übertragbar.
Von mehreren Seiten^) wurden in den Jahren 1885 und 1886 an-
gebhch gelungene Thierversuche publicirt; es hat sich aber feststellen
lassen, dass es sich in den Fällen mit anscheinend positivem Ergeb-
nisse um Intoxicationen mit den giftigen Stoffwechselproducten
der Tirphusbacillenculturen gehandelt hat, und dass die Typhusbacillen
im Körper der Versuchsthiere sich nicht zu vermehren vermögen.'^)
Durch Einverleibung allmählich steigender Dosen (lebender) T,yphus-
bacilluscultur erreichten Beumer und Peiper'^') eine gewisse Gift-
festigung bei Mäusen. Chantemesse und Widal^) erreichten
dasselbe auch mit Culturen, die durch Erhitzung auf 120" C. abgetödtet
waren. Uebrigens haben Brieger, K i t a s a 1 0 und Wasser m a n n ^)
darauf aufmerksam gemacht, dass die Giftigkeit verschiedener T3-])hus-
culturen für Mäuse von Hause aus sehr verschieden ist.
Bei der Infection des Menschen bildet der Darm stets die
Eingangspforte. Man findet in der Typhusleiche die Bacillen innerhalb
der Darmwand, in den Mesenterialdrüsen, ferner besonders in Milz,
1) Centralbl. f. Bakt. Bd. -1. ISSS. No. 12—13.
-) Berl. klin. Wochenschr. 1886. No. 18. p. 283.
») Charite-Annalen. 17. Jahrgang. 1892. p. 822 ff.
*) E. Fränkel und Simmonds, Centralbl. f. klin. Med. 1885. No. 44;
Die ätiologische Bedeutung des Typhusbacillus. Hamburg und Leipzig. 1S86. —
C. Seitz, Bakteriologische Studien zur Typhusaetiologie. München. 1886.
■^) Eine begrenzte Vermehrung der Typhusbacillen findet nach Petruschky
(Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 269) bei Mäusen, denen das Material intraperi-
toneal injicirt wird, statt, aber nur auf der Oberfläche des Bauchfells; eine Ansied-
lung der Bacillen in den Organen kommt nicht zu Stande.
'') Zeitschr. f. Hygiene. Bd. 2. 1887.
') Annales de Tlnst. Pasteur. 1888. p. 56,
") Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 166.
Der Typbusbacillus. 293
Leber und Nieren. In den letztgenannten Organen treten die Bacillen
stets in grösseren oder kleineren Anhäufungen, Herden, auf; und
zwar liegen dieselben innerhalb der Blutgefässe. (Diese Bacillenherde
innerhalb der Organe sind in ihrer mikroskopischen Erscheinungsweise
für den T3'phus abdominalis durchaus characteristisch ; dieser mikro-
skopische Befund kommt beim Menschen sonst nicht vor.) Auf Taf. VIII,
Fig. 48, ist ein Herd aus einer Typhusleber bei 200facher Ver-
grösserung dargestellt; Fig. 47 zeigt einen Theil dieses Herdes bei
500facher Yergi-össerung ; die Mitte der Figur 47 entspricht genau
der Mitte der Figur 48. — Nach Quincke^) finden sich die Typhus-
bacillen auch in dem Knochenmark der Typhusleiche constant vor.
Beim lebenden Typhuskranken fand zuerst A. Pfeiffer-)
die Typhusbacillen im Stuhl. Dieser Befimd ist jedoch kein con-
stanter ; '^) im Gegentheil : der Typhusbacillus findet sich ganz ausser-
ordentlich selten im Stuhl des Typhuskranken. Dann wies Neu-
hau s s '^) den Typhusbacillus im peripherischen Blute (im Blute
der Roseolen) des Typhuskranken nach. Andere Autoren haben ihn
dann auch im Fingerblute gefunden. Jedoch sind alle diese Be-
funde nur vereinzelt; die Untersuchungen sind oft mit negativem Er-
gebniss wiederholt worden. In einer Anzahl von T3'phusfällen findet
man den Typhusbacillus auch im Urin.
Der Tj'phusbacillus kann sich längere Zeit, eine ganze Reihe von
Monaten, im Körper des Menschen lebend erhalten und Veranlassung
zu posttA^^hösen Eiterungen (Knocheneiterungen etc.) geben.
Im Blutserum von T3Tjhusreconvalescenten wies Stern'^) (durch
Versuche an Mäusen) Körper nach, Avelche gegen die Typhusintoxi-
cation immunisirend wirken (cf. oben p. 216).
In der Literatur finden sich zahlreiche Angaben, welche den ge-
lungenen Nachweis des Typhusbacillus im Trinkwasser, besonders
in verunreinigtem Brunnenwasser, betreffen. In einer Anzahl dieser
Fälle ist es nicht unwahrscheinlich, dass es sich in der That um den
Typhusbacillus gehandelt hat; ebenso ist es wahrscheinlich, dass die
natürlichen Infectionen des Menschen mit Abdominaltyphus häufig
durch den Genuss von bacillenhaltigem Trinkwasser vermittelt werden.
Die Typhusbacillen färben sich nicht nach der Gra mischen
1) Berl. Min. Wochenschr. 1894. p. 352.
-) Deutsche med. Wochenschr. 1885. No. 29.
3) Nach Karlinski (cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. p. 83) ist der Typhus-
bacillus vor dem 9. Krankheitstage nie im Stuhl zu finden.
^) Berl. klin. Wochenschr. 1886. No. 6 u. 24.
'"') Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 37.
294 B' l^ie Bakterien als Krankheitserreger.
Methode (p. 108 ff.). Sie nehmen ferner die Färbung mit Anilinfarl)en
überhaupt etwas schwieriger an als andere Bakterienarten. Färbt man
ein Trockenpräparat, welches man sich aus einer Typhusbacillencultur
hergestellt hat, mit einer gewöhnlichen wässerigen Farblösung in der
gewöhnlichen Weise, so findet man viele Exemplare der Bacillen nicht
intensiv, sondern nur blass gefärbt; vergi. das Photogramm Taf. Ym,
Fig. 45. Es empfiehlt sich deshalb, falls man überall intensive Färbung
wünscht, die Färbung unter leichter Erwärmung (cf p. 78) zu bemrken.
12. Der Bacillus der Mäusesepticaemie und der Bacillus des
Schweinerothlaufs.
Die Mäusesepticaemie ist eine experimentelle Infections-
krankheit, welche R. Koch bei seinen „Untersuchungen über die
Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten" ') entdeckte. Haus- und
weisse Mäuse, denen faulendes Blut, faulendes Fleischinfus subcutan
eingebracht wurde, gingen an einer Septicaemie zu Grunde.-) Die
inneren Organe zeigten sich makroskopisch im Allgemeinen unverändert;
nur bestand beträchtliche Milzschwellung. Die Ki-ankheit liess sich von
einer Maus auf die andere durch cutane Impfung mit den geringsten
Mengen von Blut der gestorbenen Thiere übertragen.
Ueberall im Blut fand Koch sehr kleine Stäbchen,
0,8 — 1,0 fji lang, 0,1 — 0,2 /t dick. Dieselben liegen fast stets einzeln,
d. h. nicht zu Fadenverbänden vereinigt; sie finden sich häufig (und
zwar meist in ausserordentlicher Anzahl bei einander) in Zellen ein-
geschlossen; vergl. das Photogramm Fig. 53, Taf IX.
Ob die Stäbchen Eigenbewegung haben, erscheint noch
zweifelhaft.
Der Bacillus der Mäusesepticaemie (Bac. murisepticus) zeigt ein
ganz characteristisches Wachsthum in der i^ährgelatine.
Auf Platten erscheinen im Verlaufe einiger Tage hellgraue, durch-
scheinende, nebel-, schleier-, wolkenartige runde Flecken. In der
Gelatine st ichcultur beobachtet man um den Impfstich herum
die Ausbildung horizontal gestellter, schichtweise über einander liegen-
^) Leipzig. 1878. p. 40—45.
•-) Loeffler (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. p. 130) hat den in Eede
stehenden Bacillus auch als spontanen Erreger einer epidemischen Erkrankung
unter in Gefangenschaft gehaltenen weissen Mäusen beobachtet. Bei dieser Epidemie
wurde die Krankheit höchst wahrscheinlich durch Aufnahme des Erregers in den
Digestionstr actus übertragen.
Der Bacillus der Mäusesepticaemie und der Bacillus des Schweinerotblaufs. 295
der wolkiger Trübungen (siehe Taf. IX, Fig. 54). Die Gelatine wird
ganz langsam verflüssigt, und dementsprechend kommen sowohl
auf den Gelatineplatten wie in den Stichculturen Verdunstungserschei-
nungen des Nährbodens, dellenartige resp. tulpenförmige Einziehungen
der Gelatine, zu Stande.
Auf der A g a r Oberfläche bildet der Bacillus äusserst zarte, kaum
sichtbare, in feinsten Tröpfchen angeordnete XJeberzüge.
Auf Kartoffeln wächst der Bacillus nicht.
Milch wird durch das Wachsthum des Bacillus makroskopisch
nicht verändert; in Traubenzuck erb ouil Ion entsteht keine
Gährung. ^)
Ln hängenden Tropfen bei Brüttemperatur wächst der Ba-
cillus nicht, wie man das sonst bei Bacillen häufig sieht, zu langen
Fäden aus, sondern vermehrt sich zu dichten Haufen. In einigen
Fällen hat Koch Sporenbildung beobachtet.
Haus- und weisse Mäuse sind für die Infection sehr empfäng-
lich; sie sterben 40—60—80 Stunden nach der Impfung. Man
findet sie, was für die Krankheit ganz specifisch ist, nach
dem Tode in sitzender Stellung mit stark gekrümmtem Rücken. Feld-
mäuse sind vollständig immun, ebenso Hühner und Meerschweinchen.
Der Mäusesepticaemiebacillus färbt sich leicht mit wässerigen
Farblösungen; ebenso färbt er sich auch nach der Gram'schen Me-
thode (p. 108 ff.).
Auf Taf. IX, Fig. 53, ist ein Ausstrichpräparat von dem Leber-
saft einer an Mäusesepticaemie verendeten Maus bei lOOOfacher Ver-
grösserung dargestellt.
Dem Mäusesepticaemiebacillus in seinem gesammten Verhalten
höchst ähnlich, vielleicht mit demselben identisch, ist der Bacillus des
S c h w e i n e r 0 1 h 1 a u f s.
Der Schw^einerothlauf (rouget des porcs) ist eine, besonders
unter den edleren Schweinerassen in den ersten Lebensjahren epi-
zootisch auftretende, unter dem Bilde einer Septicaemie verlaufende
schwere Infectionskrankheit. Den veranlassenden Bacillus fand zuerst
Loeffler^) (1882) in dem Blute und den Organen der Thiere. Er
züchtete bereits 1882 diesen Bacillus rein und erkannte seine Patho-
') Nach Moore; cf. das Eeferat von Th. Smith, CentralbL f. ßakt. Bd 12.
1892. p. 732.
•-) Arbeiten a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1S86.
296 ^- Diö Bakterien als Krankheitserreger.
genität für Mäuse und Kaninchen. ^) Er fand damals auch , dass
Kanmchen durch einmahges Ueberstehen der Infection immun werden
gegen eine neue Infection. Schweine zu inficiren gelang Loeffler
nicht; wie sich nämhch später herausgestellt hat, sind die gemeinen
Landrassen so gut wie unempfänglich für die Krankheit. Namentlich
dm'ch Schütz-) ist dann der Schweinerothlauf genauer studirt und
seine Aetiologie sicher festgestellt worden.'^)
Schütz hält die Identität der Erreger der Koch' sehen Mäuse-
septicaemie und des Schweinerothlaufs für wahrscheinlich. Durch
Kitf*) ist festgestellt, dass auch insofern eine Uebereinstimmung be-
steht, als der Eothlaufbacillus, wie der Mäusesepticaemiebacillus, zwar
für Haus- und weisse Mäuse, nicht aber für Feldmäuse pathogen ist.
Eefractär sind gegen Schweinerothlauf Rinder, Schafe, Pferde,
Maulesel, Esel, Hmide, Katzen, Meerschweinchen, Feldmäuse, Wald-
mäuse, Hühner, Gänse, Enten. Auch auf den Menschen ist eine Ueber-
tragimg nicht beobachtet.
Die Virulenz des Bacillus wii-d bei der wiederholten Yerimpfuug
von Kaninchen zu Kaninchen abgeschwächt (Pasteur, Kitt).
Durch Impfung mit dem abgeschwächten BaciUus lassen sich, wie
Pasteur (cf. oben p. 206) gefunden hat, Schweine immun machen
gegen die Infection mit dem virulenten Bacillus."^)
Die Infection der Schweine mit Schweinerothlauf scheint unter
^) Kaninchen erkranken nach cutaner oder subcutaner Impfung gewöbuhch
nur local und vorübergehend (heftige rothlaufartige Entzündung: Röthung und
Schwellung), Mährend sie nach intravenöser Einverleibung des Bakterienmaterials
in 3 bis 6 Tagen an Septicaemie zu Grunde gehen (Kitt, Bakterienkunde und
pathol. Mikrosk. f. Thierärzte. 2. Aufl. Wien 1893. p. 2S6).
'-) Arbeiten a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. l8S(i.
■') Nach C. 0. Jensen (Kopenhagen) tritt der Schweinerothlauf in folgenden
verschiedenen (sämmtüch durch den specifischeu Bacillus veranlassten) wohlcharacte-
risirten Formen auf (zwischen denen jedoch ab und zu Uebergangsformen vorkommen) ;
1) „Eouget blanc"; seltenere, schnell verlaufende, ohne Eothfärbung der Haut ein-
hergehende Form, 2) Rothlauf im engeren Sinne, 3) diffuse nekrotisirende Haut-
entzündung (trockener Hautbrand), 4) Nesselfieber, Urticaria (dänisch Kmulerosen
== Knotenrothlauf), 5) Eudocarditis verrucosa bacillosa. (Deutsche Zeitschr. f. Thicr-
med. u. vgl. Bath. Bd. 18. 1892. p. 298.)
') cf. das Autorreferat im Ceutralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. No. 23.
•') Neuerdings hat Lorenz in Darmstadt (Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893.
No. 11 12; ferner ebenda Bd. 15. 1894. No. 8/9 und Deutsche Zeitschr. f. Thier-
med. Bd. 20. 1893) ein Schutzimpfungsverfahren für Schweine angegeben, welches
mit Hülfe des Blutserums von Schweinen ausgeführt wird, die gegen Schweineroth-
lauf immunisirt sind, und die kurze Zeit vor der Blutentnahme eine neue Injection
virulenter Cultur erhielten. Vergl. auch oben p. 21.5, Anm. 3.
Der Dipbtheriebacillus. 297
natürlichen Verhältnissen durch die Aufnahme der sehr \iruleuten
Excroniente erkrankter Schweine mit der Xahrung in den Darmkanal
zu erfüllen.
13. Der Diphtheriebacillus.
Die bei der menschlichen Diphtherie vurkomnienden Bakterien
wurden zuerst von Loeffler^) einer eingehenden Untersuchung mit
Hülfe der modernen bakteriologischen Methoden unterworfen. Loeffler
constatirte das ziemlich constante Vorkommen einer bestimmten, künst-
lich züchtbaren Bacillenart-), mit der es zwar zunächst nicht ge-
lang bei Thieren echte Diphtherie hervorzurufen, der aber doch Thieren
gegenüber eine erhebhche Giftigkeit zukam. Freilich fand Loeffler
dieselbe Bacillenart auch einmal in der Mundhöhle eines gesunden
Kindes ; und er hat sich deshalb sehr reservirt bezüglich der etwaigen
8pecifität der gefundenen Bacillen für die Diphtherie ausgesprochen.
Weitere Untersuchungen von Loeffler'^) sowie von Roux und
Yersin^), von Zarniko'^), von E scherich*'j, von Brieger und
C. Fraenkel') und von anderen Autoren haben nun gezeigt, dass
der L oeffler'sche „Diphtheriebacillus" allerdings ein ganz con-
stantes Vorkommnis s bei der Diphtherie ist. Ferner sind eine
Reihe von Thatsachen bezüglich des Verhaltens dieses Bacillus gegen-
über Versuchsthieren ermittelt worden, die keinen Zweifel mehr lassen,
dass wii- in dem Loeffler'schen Bacillus 'den Erreger der
menschlichen Diphtherie^) vor uns haben.
1) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884.
-) Mikroskopisch waren diese Bacillen vor Loeffler bereits von Klebs
(2 Congr. f. inn. Med. Wiesbaden. April 1883) gesehen worden.
«) Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. No. 4.
*) Annales de l'Inst. Pasteur. 1888. No. 12; 1889. No. 6; 1890. No. 7.
'") Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. No. 6—8.
«) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. No. 1.
') Berl. klin. Wochenschr. 1890. No. 11 — 12.
^) Man muss unterscheiden zwischen 1) „Diphtherie", d. h. der siiecifischen
uralten contagiösen Krankheit, und 2) pathologisch-anatomisch diphtherie-ähnlichen
Affectionen. Die letzteren bezeichnet man zur Unterscheidung von der echten , ge-
nuinen Diphtherie auch als ,,Diphtheritis". So spricht man z. B. von ,, Schar-
lach diphtheritis", einer Affection, welche, wie bereits Breton neau 1821 über-
zeugend ausführte, ätiologisch mit der echten Diiihtherie gar nichts zu thun hat,
und bei der auch Loeffler (und ebenso die späteren Untersucher) die bei der
echten Diphtherie vorkommenden Stäbchen stets vermissten. (Siehe die Eingangs
citirte Arbeit von Loeffler, p. 449, 4.50.) Bei der Scharlachdiphtheritis findet
sich ganz regelmässig der Streptococcus pyogen es, welcher übrigens auch die
298 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Der Diphtheriebacillus ist ein Stäbchen, welches etwa die Länge
des Tuberkelbacinus besitzt, aber etwa doppelt so breit wie dieser ist.
Das morphologische Verhalten wechselt aber. Häufig finden sich leicht
gekrümmte Exemplare; auch bizarre Formen mit kolbig verdickten,
knotig aufgetriebenen Enden sind häufig (Involutionserscheinungen).
Im gefärbten Präparate zeigt der Diphtherieliacillus ganz gewöhnlich
ein segmentirtes Aussehen. Fig. 52 auf Taf. IX zeigt ein Ausstrich-
präparat einer Agarcultur, welches das geschilderte morphologische Ver-
halten deutlich zur Anschauung bringt.
Der Bacillus findet sich gewöhnlich ausschliesslich in den diphthe-
rischen Pseudomembranen, sonst nirgends im Körper des Erkrankten.^)
Die schweren Allgemein Symptome der Diphtherie l)eruhen auf Intoxi-
cation des Körpers durch die am Orte der Infection von dem Bacillus
gebildeten höchst giftigen StoflFwechselproducte. Auf Taf. IX, Fig. 51,
sieht man einen Durchschnitt durch eine diphtherische Pseudomembran
mit Stäbchenhaufen. -)
Nicht nur während des Verlaufs der Diphtherieerla'ankung, son-
dern häufig auch noch wochenlang nach dem Verschwinden der Beläge,
während der Reconvalescenz, sind (infectionstüchtige ) Diphtheriebacillen
in der Mundhöhle der Patienten nachweisbar. =^)
genuine Diphtherie sehr häufig complicirt. — Dass die sehr schweren Diphtheriefälle
(sog. „septische Diphtherie") der Mehrzahl nach nicht auf einer Mischinfection
(mit Streptococcen) beruhen, sondern durch den Diphtheriebacillus allein bedingt
sind, hat Genersich (Jahrb. f. Kinderhlk. Bd. 38. 1894. p. 254) nachgewiesen.
*) Es kommt aber auch, wie neuere Untersuchungen gezeigt haben, gar nicht
selten vor, dass der Diphtheriebacillus — durch das Culturverfahren — in den
inneren Organen nachweisbar ist. Frosch (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1892) hat in
10 von 15 zur Section gekommenen Diphtheriefällen den Diphtheriebacillus durch
die Cultur in den inneren Organen nachzuweisen vermocht. Am regelmässigsten
fanden sich die Bacillen in pneumonischen Herden , in der Milz , in Cervical- und
Bronchiallyraphdrüsen. Auch Canon (Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 1039)
fand den Diphtheriebacillus häufiger in Leichenblut ; daneben fauden sich sehr häufig
Streptococcen, seltener Stai^hylococcen. Kutscher (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894.
p. 175) vermochte den Diphtheriebacillus in 8 von 9 untersuchten Sectionsfällen von
Diphtherie in Lungenschnitten mikroskopisch nachzuweisen.
-) Dass sich häufig neben den Diphtheriebacillen noch andere Mikroorganismen,
namentlich Streptococcen, in den Pseudomembranen finden, haben wir oben (p. 297,
Anm. 8) bereits erwähnt. Den Streptococcen kommt ohne Zweifel nur eine seeundäre
Bedeutung zu.
") Auf dem 10. Internat, med. Congress 1890 hat Loeffler (cf. Centralbl. f.
Bakt. Bd. 8. p. 664) einen Diphtheriefall mitgetheilt, in welchem er aus dem Eachen
des Erkrankten bis zum 24. Tage nach dem Beginn der Erkrankung (fieberlos war
der Kranke seit dem 5. Krankheitstage) infectionstüchtige Diphtheriebacillen zu
züchten vermochte. — Tobiesen (Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 17) hat
Der Dipbtheriebacillus. 299
In einer ganzen Anzahl von Fällen ist der Diphtlieriebaciilus
neuerdings als Ursache von Rhinitis fibrinosa nachgewiesen wor-
den; femer kommen nicht selten Fälle von Conjunctivitis vor,
bei denen die Entzündung durch Infection mit dem Diphtheriebacillus
veranlasst resp. complieirt ist. Auch echte W u n d d i p h t h e r i e ^)
(mit Nachweis von Diphtheriebacillen) ist neuerdings häutiger fest-
gestellt worden.
Der Diphtheriebacillus ist u n b e w e g 1 i c h. Er wächst bei Tempe-
raturen zwischen 20 und 42 ^ C, und zwar bei Sauerstoffanwesenheit.-)
Er wächst sowohl in Gelatine wie auf anderen Nährböden. Die Nähr-
böden müssen stets leicht alkalisch sein. Besonders eignet sich das
„Loeffler'sche Blutserum" (3 Theile Rinder- oder Hammelserum ver-
mischt mit einem Theile einer Rinderbouillon, der 1 o/^ Pepton, ^/o^o
Kochsalz und 1 ^/^ Traubenzucker zugesetzt ist) , ferner das Gljcerin-
Agar'^) (cf. oben p. 128) zur Cultivirung. Zum Zwecke der Isolirung
des Bacillus aus dem erkrankten Körper streicht man nach dem Vor-
gange von Loeffler^) ein sehr kleines, an der Platinöse haftendes
»Stückchen der Pseudomembran hinter einander auf der Oberfläche des
Nährbodens von 6 — 8 Blutserum-'^) oder Glycerinagar- Röhrchen (schräg
erstarrt; cf. oben p. 129) aus. Die Röhrchen werden dann in den
Brütschrank gestellt. In den letzten Röhrchen kommen isolirte Colo-
nien zur Entwickelung (die dann mikroskopisch untersucht und event.
weiter verimpft werden ). Nach R o u x und Y e r s i n ") erhält man auf
46 geheilte Dipbtberiepatienten bei ibrer Entlassung aus dem Krankenbause auf die
Anwesenbeit von Dipbtberiebacillen im Scblunde untersucht und bei 24 von ihnen
(am 4. bis 31. Tage nach dem Verschwinden der Beläge) mit Sicherheit Diphtberie-
bacillen nachzuweisen vermocht. — Abel (Deutsche med. Wochenscbr. 1S94. No. 35)
beobachtete einen leichten Fall von Eachendipbtberie , bei dem sich (9 Tage nach
dem VerschAvinden der Beläge) eine — durch die Infection mit den Diphtherie-
bacillen bedingte — fibrinöse Ehinitis entwickelte; in diesem Falle Hessen sich bis
zum 65. Tage nach dem Ablauf der Rachendiphtherie virulente Dipbtberiebacillen
in der Nasenhöhle nachweisen.
') Der erste derartige Fall wurde von Brunn er (Berl. kUn. Wochenscbr.
1S93. No. 22—24) mitgetheilt. Die Literatur über Wunddiphtberie findet man zu-
sammengestellt bei Schottmüller (deutsche med. Wochenscbr. 1895. p. 273).
"-) Nach W. Hesse (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894. p. 503) ist der Diphtherie-
bacillus obligat aerob ; in Wasserstoffatmosphäre venuehrt er sich nicht.
^) Feststellung von Kitasato (Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. p. 105, Anm.).
•*) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 461, 462.
•^) Nach Frosch (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1892. .p. 52) wachsen die Dipb-
tberiebacillen auf Agar, welches mit menschlichem Blut bestrichen ist,
ebenso gut wie auf Blutserum.
'■') Ann. de ITnst. Pasteur. 1890. No. 7. p. 389.
300 ^- Diß Bakterien als Krankheitserreger.
diese Weise, wenn es sich überhaupt um echte Diphtherie handelt,
fast stets ohne Weiteres grosse Mengen von Diphtheriebacillencolonien.
Die letzteren erscheinen (nach 18 — 2 4 stündiger Cultur bei Brüt-
temperatur) als runde, mehrere Millimeter im Durchmesser haltende,
weissgraue, mattgiänzende flache Häufchen: sie unterscheiden sich in
dem Aussehen ohne Weiteres von den (fast stets daneben zur Ent-
Avickelung kommenden) ^Streptococcencolonien, welche als kleinste, durch-
sichtige, thautröpfchenähnliche Gebilde erscheinen. — Neben den ge-
nannten Nährböden wird neuerdings ein von De3^cke^) empfohlener
Nährboden, welcher mit Hülfe von aus Kalbfleisch hergestelltem Alkali-
albuminat bereitet Avird-), zum Zwecke der Isolirung des Diphtherie-
bacillus häufiger angewendet. Die Diphtheriebacillen entwickeln sich auf
diesem Nährboden sehr üppig, Streptococcen ausserordentlich kümmerlich.
Hat man in der Praxis mit Hülfe eines der vorstehend genannten
Nährböden isolirte Colonien erhalten, die man auf ihre Diphtherienatur
weiter prüfen Avill, so ist zunächst die mikroskopische Untersuchung
nothwendig: man stellt sich ein gefärbtes Ausstrichpräparat her und
findet dann, wenn es sich um Diphtheriebacillen handelt, Stäbchen
von dem oben (p. 298) beschriebenen Aussehen. Das Gesammtbild,
welches ein solches Präparat darbietet, ist für den Diphtheriebacillus
durchaus characteristisch und entscheidet die Diagnose.'^)
Auf dem Loeffler'schen Serum (cf. p. 299) bilden tue Bacillen
bei 37^ C. in 2 Tagen einen dicken, weisslichen, glänzenden Ueberzug.
Die Beläge auf Agar haben ein weissliches, mattgiänzendes Aussehen.
Auf der Gelatineplatte bildet der Diphtheriebacillus (bei
etwa 22 — 24^ C.) rundliche, die Gelatine nicht verflüssigende
Colonien, welche dauernd klein bleiben. In der Stich cultur bilden
sich kleine, weisse, kugelförmige Colonien längs des Impfstiches.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1894. No. 25.
•-) Kürzlich hat Deycke (Centralbl. f. Bakt. 1. Abth. Bd. 17. 1S9.5. p. 241)
mitgetheilt, dass sein Alkahalbuminat von E. Merck in Darmstadt hergestellt wird
und käuflich zu beziehen ist. Zur Bereitung des Nährbodens setzt man (1. c. p.
242) 10 Alkahalbuminat, 10 Pepton, 5 Kochsalz, 20 Agar, 50 Glycerin mit 1000
dest. Wasser an. Die alkalisch reagirende Mischung wird durch troplenweisen Zu-
satz von reiner Salzsäure genau neutralisirt , und es wird dann zu derselben 1 ^j^)
einer Sodalösung zugesetzt, die aus 1 Theil Soda und 2 Theilen Wasser besteht.
Die nunmehr fertige Nährmischung lässt man mehrere Stunden bei Zimmertemperatur
quellen und bringt sie dann für 1 Stunde in den Dampftopf, filtrirt sie schliesslich
durch Watte.
") Will man die Virulenz der gewonnenen Culturen feststellen, so muss man
den Thierversuch (sucutane Impfung von Meerschweinchen; cf. unten p. 302) an-
schliessen. — Was den sog. ,,Pseud(»dipLtheriebacillus"' angeht, vergl. unten p. 308.
Der DiphtheriebaciUus. 301
Bei der Züchtimg in Bouillon giebt der DiphtheriebaciUus zu
ganz massiger allgemeiner Trübung des Xährbodens Veranlassung;
femer bilden sich Meine krümelige, bröckelige, aus Bacillen bestehende
Conglomerate , welche besonders den Wandungen des Culturgefässes
ansitzen und bei dem Bewegen der Flüssigkeit sich ablösen und zu
Boden sinken.
Auf der Kartoffel wächst der Bacillus nur, wenn die Ober-
fläche derselben alkalisch gemacht wird. Die Milch ist ein günstiger
Xährboden für den Bacillus.
Sporenbildung schemt nicht zu existiren.
Im getrockneten Zustande (in Stückchen von Pseudomembranen
z. B.) bleibt der DiphtheriebaciUus 3 — 4 Monate lang entwickelungs-
fähig.^) Niedrige Temperatur, feuchte Luft und Dunkelheit schützen
ihn am besten vor dem Absterben (Flügge-)).
Der DiphtheriebaciUus gehört zu den exquisit toxischen Bak-
terienarten (cf. oben p. 199). Er bildet — sowohl in künstlichen
Culturen wie im Körper des Diphtherieki-anken — ein specifisches
Gift,-^) über dessen Natur noch wenig Sicheres bekannt ist. Ausser-
ordentlich wichtig ist die von Guinochet^) festgestellte Thatsache, dass
das specifische Diphtheriegift auch bei der Cultivirung des Diphtherie-
baciUus in sterihsirtem Urin gebildet wird, und dass die resultirende
giftige Culturflüssigkeit keinerlei Eiweissreaction liefert. Das specifische
Diphtheriegift gehört hiernach nicht zu den Eiwei sskörpern.
Die schweren Allgemeinsymptome, welche bei der chphtherischen
Erki'ankung des Menschen auftreten, sind auf die Wirkung des — an
der Infectionsstelle von den sich vermehrenden Diphtheriebacillen ge-
bildeten und von dort aus in den Körper hineingelangenden — spe-
cifische n Diphtherie g i f t e s zu beziehen.
Bei der Verbreitung der Diphtherie unter den Menschen spielt
') Abel (Centralbl. f. Bakt. Bd. 14. li>93. No. 23) stellte in einem Falle
der Praxis fest, dass sich der üiphtberiebacillus (an Spielsachen [Baukasten]) an-
getrocknet 6 Monate lebensfähig halten kann.
-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17. 1894. p. 405.
^) Diese Thatsache wurde zuerst (18S8) von Eoux und Yersin (Ann. de
rinst. Pasteur. 1888. No. l-# p. 642 ff.) und (ebenfalls 1888) unabhängig von diesen
Autoren auch von Loeffler (Deutsche med. Wochenschr. 1890. p. 109) festgestellt.
— Um sehr stark giftiges Material zu erzielen, legt Aronson (Berl. klin. Wochen-
schrift. 1894. p. 426) Oberflächenculturen des DiphtheriebaciUus auf Nähr-
bouillon an. Es bildet sich eine zarte, durchsichtige schleierartige Haut, welche
auf der Nährflüssigkeit schwimmt. Ab und zu lösen sich Theile der Haut ab und
sinken unter.
') Arch. de med. exper. t. 4. 1892. p. 494.
302 ß- Die Bakterien als Krankheitserreger.
die individuelle Disposition allem Anscheine nach eine erhebliche Rolle
(Flügge 1)).
Das Diphtheriegift resp. gifthaltige Culturen der Diphtheriehacillen
wirken auch auf eine grosse Reihe von T h i e r e n in specifischer Weise.
Meerschweinchen, welche ganz besonders empfänglich sind, sterben
nach subcutaner Einverleibung der kleinsten Mengen innerhalb 24 bis
72 bis 96 Stunden bis 1 bis 2^/2 Wochen. '-) Sie zeigen emen für die
Diphtherieintoxicatiou ganz characteristischen Sectionsbefund, ^) nämlich
Schwartenbildung an der Infectionsstelle (nur bei sehr schnell ver-
laufender Krankheit findet sich statt der Schwartenbildung Oedem-
flüssigkeit) , Pleura- (zuweilen auch Pericardial-) transsudat, Blut-
überftillung der Bauchorgane und VergTÖsserung und Rothfärbiuig der
IS'ebennieren. Ebenso sind Hammel sehr empfänglich für die Diph-
therieintüxication (Behring und Wer nicke). Kaninchen, Tauben.
Hühner sind weniger empfänglich als die genannten Species. Junge
Hunde verhalten sich sehr empfänglich. Yerimpft man virulente Cultur
auf die Vagina von Meerschweinchen, so entsteht nekrotisirende Schleim-
hautentzündung. Auf der eröfl&ieten Trachea von Meerschweinchen und
Kaninchen entwickelt sich nach der Impftmg eine echte Diph-
therie^) (Brieger und C. Fraenkel). Sehr wichtig ist die ganz
sicher constatirte Thatsache (Roux und Y er sin, Brieger und
C. Fraenkel), dass sich bei längerer Krankheitsdauer bei den Ver-
suchsthieren häufig echte diphtherische Lähmungen entwickeln.
Mäuse ■'^) und Ratten sowie Rinder verhalten sich refractär.
Oben (p. 218) wurde bereits erwähnt, dass es gelingt diphtherie-
empfängiiche Thiere künstlich gegen die specifische Infection resp.
Intoxication zu festigen. Der Erste, welcher über gelungene Diph-
therie immunisirung berichtet hat, war Ferrän'') (April 1890).
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17. 1894. p. 409.
-) cf. auch Aronson (Berl. klin. Wochenschr. 1S93. No. 2.3 — 2.5; ..Berliner
Klinik". Heft 63. 1893. p. 15).
■^) cf. Behring, Deutsche med. Wochenschr. 1890. p. 114.5; Behring
und Wernicke, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 17.
*) Es kann da zu mächtigen, die ganze Wand der Trachea auskleidenden, bis
hinab in die grossen Bronchien fortschreitenden Auflagerungen kommen (cf. C.
Fraenkel, Deutsche med. Wochenschr. 1895. p. 176).
•') Nach V. Babes (Virch. Arch. Bd. 119. 1890. p. 468) sind junge weisse
Mäuse für die (subcutane) Infection mit DiphtheriebacUlen ziemlich empfängUch.
'') Nota sobre la vaccinaciön contra el envenenamiento difterico agudo experi-
mendal. Barcelona 1890. (Citirt nach C. Fraenkel, Deutsche med. Wochenschr.
1894. p. 984.)
Der Diphtheriebacillus. 303
In demselben Jahre publicirten ancli C. FraenkeP) sowie Behring^)
eine Reihe von Methoden, mit Hülfe deren Versnchsthiere gegen
Diphtherie immnnisirt werden können. Weitere Methoden der künst-
lichen Diphtherieimmunisirung vonThieren sind von Behring und Wer-
nicke ISOT") und 1892,*) von Brieger, Kitasato und Wasser-
mann,'^) ferner von Wem icke'') 1892, von Aronson 1892,')
^) Berl. klin. Wochenschr. 1890. No. 49. — C. Fraenkel gelang es Meer-
schweinchen dadurch zu immunisiren, dass den Thieren 1 Stunde lang auf 65
bis 70" C erhitzte, 3 Wochen alte Diphtheriebouillonculturen subcutan injicirt
wurden.
-) Deutsche med. Wochenschr. 1890. No. -50. — Die von Behring publi-
cirten Methoden waren 1) die Vorbehandlung von Meerschweinchen mit jodtrichlorid-
behandelten Diphtlieriebouillonculturen, 2) die Vorbehandlung von Meerschweinchen
mit Körpersäften diphtheriekranker und diphtherieverendeter Thiere, 3) (unter Mit-
wirkung von Boer gefunden) die Heilung diphtherieinficirter Meerschweinchen durch
Localbehandlung mittels verschiedener chemischer Agentien, 4) die Vorbehandlung
von Meerschweinchen und Kaninchen mit Wasserstoffsuperoxj'd (was die Kaninchen
angeht, unter Mitwirkung von Lübbert gefunden). (Vergl. über diese Methoden
auch Behring, Die Geschichte der Diphtherie. Leipzig. G. Thieme. 1893.
p. 152.)
•') 7. Internat. Congr. f. Hyg. u. Demogr. London, August 1891. (Deutsche
med. Wochenschr. 1891. No. 52): Vorbehandlung von Meerschweinchen mittels einer
combinirten Methode zum Zweck der Erreichung hoher Immunitätsgrade, bei welcher
zuerst die Behandlung mit abgeschwächten Culturen und hinterher mit in der Virulenz
allmählich gesteigerten Culturen resp. mit nicht abgeschwächtem Diphtheriegift vor-
genommen wird.
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 15. — Die Autoren fanden, dass sich
Kaninchen durch subcutane Impfung mit einem erhitzten diphtheriegifthaltigen Kalk-
niederschlag (aus BouiUonculturen gewonnen nach der von Eoux und Yersin
[Ann. de Tlnst. Pasteur. 1889. No. 6] angegebenen Methode) immunisiren lassen,
ferner, dass durch Fütterung mit Diphtheriegift bei Meerschweinchen, Kaninchen
und Hunden Immunität hervorgerufen wird.
•'') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 164, 165. — Methode der Diphtherie-
immunisirung der Meerschwemchen : Die Autoren züchteten virulente Diphtherie-
bacülen in einer Bouillon, welche aus Thymusextract hergestellt war. Sie erhitzten
die Thymus-Diphtherie-Bouillon (welche sich bereits an sich erheblich weniger giftig
erwies als gewöhnliche Diphtheriebouillon) 15 Älinuten lang auf 65 — 70^' C. und
injicirten sie dann den Thieren intraperitoneal.
'*) Vortrag in der Deutschen Gesellsch. f. öff. Gesundh.-Pfl. am 19. Dec. 1892.
(cf. Behring, Geschichte der Diphtherie. Leipzig. G. Thieme. 1893. p. 153):
Verfahren, Hunde gegen Diphtherie zu immunisiren, welches darauf beruht, dass die
Thiere mit steigenden Dosen eines nicht abgeschwächten Diphtheriegiftes und mit
nicht abgeschwächten Diphtheriebouillonculturen behandelt werden.
') Beri. med. Gesellsch. 21. Dec. 1892; Verhandlungen. Bd. 23. 1. Theil.
p. 281. — Dem Autor gelang es Hunde dadurch zu immunisiren, dass er sie sub-
cutan mit allmähhch steigenden Dosen wenig virulenter Cultur behandelte.
304 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
1893^) und 1894,"-) von Eoux imd Martin") 1894 angegeben
worden.
Die Thatsache, dass das Blut und speciell das Blutserum diph-
therieimmunisirter Thiere die Fähigkeit besitzt, normale Indi\iduen
gegen die Diphtherieinfection und -intoxication zu schützen resp. von
der entsprechenden Erkrankung zu heilen, ist bereits oben (p. 2l4fF.)
berichtet worden. Zu erwähnen ist hier noch die von Wernicke^)
im Verein mit Behring (1893) festgestellte wichtige Thatsache, dass
die in den Körpersäften diphtherieimmunisirter Thiere vorhandenen anti-
toxischen Stoffe, ohne Alteration zu erfahren, vom Verdauungskanal auf-
genommen werden''): Hunde, die mit dem Fleische diphtherieimmunisirter
Schafe gefüttert wurden, erlangten dadurch eine gewisse Immunität.*^)
Die erste thatsächliche Feststellung der Möglichkeit der Heilung
diphtherieerkrankter Versuchsthiere durch Einverleibung
des Serums diphtherieimmunisirter Individuen geschah
(1891/92) durch Behring tmd Wem icke") (cf. oben p. 216): den
') Berl. med. Gesellsch. 31. Mai 1S93; Berl. klin. Wocbenscbr. 1S93. No. 25,
26. — Immunisirung von Thieren mit Hülfe von Culturen, die durch Formaldehyd
abgeschwächt sind.
'^) Berl. kUn. Wochenschr. 1S94. p. 425. — Methode der Diphtherieimmu-
nisirung verschiedener Species grosser Thiere: Aronson injicirt den Thieren zu-
nächst Bouillonculturen , die kurz dauernder Erhitzung ausgesetzt wurden (zunächst
kommen Culturen zur Verwendung, die 1 Stunde auf 70*^ C. , dann solche, die
1 Stunde auf 62*' C'. erhitzt sind.) Nach Erreichung einer gewissen Widerstands-
föhigkeit werden die Thiere mit Culturen weiter behandelt, in denen durch Zusatz
von 0,3 "/o Trikresol die Bakterien abgetödtet sind.
■') Ann. de l'List. Pasteur. 1894. p. 612. — Die Autoren benutzen zur Diph-
therieimmunisirung ihrer für die Heilserumgewinnung bestimmten Pferde Diphtherie-
gift, welches zunächst in mit Jodjodkaliumlösung versetztem Zustande den Thieren
beigebracht wird. (Die Beeinflussung der Toxine mit Jod zum Zwecke der Immu-
nisirung wurde zuerst von Eoux und Vaillard bei dem Tetanus angewendet.)
Nach Erreichimg eines gewissen Immunitätsgrades wird dann, in steigenden Dosen,
unverändertes Diphtherietoxin zu den Injectionen genommen. (Das hier angewendete
Princip der Immunitätssteigerung durch Einverleibung immer grösser werdender
Giengen vollgiftigen Materials stammt von Ehrlich [cf. oben p. 218]).
*) Vortrag in der Physiol. Gesellsch. zu Berlin, 3. Februar 1893 (citirt nach
dem Sep.-Abdr. aus den „Verhandlungen"). Siehe auch Wer nicke, Arch. f. Hyg.
Bd. IS. 1893.
■^) Die Thatsache, dass Antitoxine überhaupt vom Darmkanal aus unverändert
in den Körper resorbirt werden können, hat Ehrlich (bei seinen Versuchen über
Eicinfestigkeit; cf. oben p. 224) entdeckt (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 183 ff.).
'^) Die letztere liess sich dadurch steigern, dass zunächst alte, wenig virulente
Diphtherieculturen , schliesslich voUvirulente Culturen den Thieren subcutan ein-
gebracht wurden.
■) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892.
Der DipLtberiebacillus. 305
Autoren gelang es, künstlich mit Diphtherie inticirte und danach er-
krankte Meerschweinchen mit dem Serum zu heilen. Handelte es sich
bei der Diphtherie der Meerschweinchen von Behring und Wernicke
um eine Krankheit, die durch subcutane Einverleibung des Diph-
therievirus zu Stande gekommen war, so haben neuerdings Roux und
Martin^) festgestellt, dass mit dem antitoxischen Diphtherieserum die
Rettung auch solcher Thiere (Meerschweinchen und Kaninchen) gelingt,
bei denen künstlich primäre Schleim ha utdiphtherie erzeugt
wurde. [Durch leichte thermische Cauterisirung der Vaginalschleim-
haut und folgende Application virulenter Diphtheriecultur lässt sich,
wie die Autoren fanden, die Infection von Meerschweinchen leicht be-
wirken. Die Thiere bekommen Pseudomembranen am Ort der primären
Infection und sterben nach 2 — 3 Tagen an allgemeiner Diphtherie-
intoxication. Ebenso gehen Kaninchen, denen nach vorgenommener
Tracheotomie die Schleimhaut der Luftröhre mit dem Platindraht
erodirt und darauf mit Diphtheriebacillen beimpft wird, in 3 — 5 Tagen
an allgemeiner Diphtherieintoxication zu Grunde, die sich an die Aus-
bildung ausgedelmter intratrachealer Pseudomembranen anschliesst. ^)]
Werden die vaginal oder tracheal inficirten und darauf erkrankten
Thiere mit genügenden Quantitäten antitoxischen Diphtherieserums be-
handelt, so können sie dadurch voller Genesung entgegengeführt werden.
Bei Gelegenheit dieser Versuche haben Roux und Martin'^) auch
festgestellt, dass die Krankheit, welche bei den Versuchsthieren durch
die Infection von den Schleimhäuten aus mit einer Mischung von
Diphtheriebacillen und Streptococcen hervorgerufen wird, schwerer
durch das antitoxische Serum zu heilen ist als die allein dui'ch Diph-
theriebacillen verursachte.^) Dieselbe Thatsache (allerdings nicht für
die Infection von den Schleimhäuten, sondern für die Infection
vom subcutanen Gewebe der Versuchsthiere aus) wurde vor der
Publication von Roux und Martin bereits von Funck^) ermittelt.
Die ersten orientirenden Versuche über die Anwendung der
„Serumtherapie'"^) bei dem diphtherieerkrankten Menschen da-
^) Ann. de l'Inst. Pasteur. 1894. No. 9. p. H24 ff.
'-) Vergl. auch oben p. 302.
^0 Ann. de l'Inst. Pasteur. 1894. No. 9. p. 031.
*) Dass ein Gemiscb von Diphtheriebacillen und Streptococcen auf tUe Ver-
suchsthiere viel perniciöser wirkt als die Diphtheriebacillen allein, haben bereits
früher Roux und Yersin festgestellt.
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17. 1894.
*^) Bezüglich der für das Gebiet der Blutserumtherapie priucipiell wich-
tigen Facta siehe die oben (p. 212 ff.) gegebene Darstellung.
Güather, Bakteriologie. 4. Auflage. 20
306 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
tiren aus den Jahren 1891 und 1892.^) Ueber die weitere Anwen-
dung des ,, D i p h t h e r i e li e i 1 s e r u m s " beim Menschen vergi. nament-
lich die Statistiken von H. Kossel'-), Heubner''), Ehrlich, H. Kossei
und Wassermann^), A. Baginsky'), femer die vonRoux, Mar-
tin und Chaillou*^).
In Deutschland haben die „Farbwerke vorm. Meister Lucius
& Brüning" zu Höchst am Main die Herstellung von .,Behring's
Diphtherieheilmittel" übernommen : diese Firma verkauft das
liir die Behandlung des erkrankten Menschen bestimmte Diphtherie-
heilserum seit dem 1. August 1894. Auch die „Chemische Fabrik
auf Aktien (vorm. E. Schering)" zu Berlin stellt das antitoxische
Diphtherieserum dar (cf. oben p. 223). In Paris wird das Präparat
durch Roux dargestellt.
Ueber den Werth, welchen die durch Behring inaugurirte Blut-
serumtherapie der Diphtherie für den diphtherieerkrankten Menschen
hat, kann selbstverständlich nur durch sehr lange Erfahrung definitiv
entschieden werden. Vorläufig lautet das allgemeine Urtheil günstig
für die neue Behandlungsmethode. Soweit die bisherige Statistik")
Schlüsse zulässt, wird die Diphtheriemortalität durch die Verwendung
des Heilserums herabgedrückt. Ungünstige Nebenwirkungen des Serums,
welche dauernden Xachtheil mit sich brächten, hat man bisher
nicht beobachtet.'^)
^) von Bergmann'sche Klinik in Berlin (cf. Behring, Deutsche med.
Wochenschr. 1893. p. 390); He noch 'sehe Kinderstation in der Charite zu Berlin
(cf. Berl. med. Gesellsch. 21. Dec. 1892. — Berl. klin. Wochenschr. 1893. p. 101);
Heubner'sche Universitätskinderklinik in Leipzig sowie Krankenabtheilung des In-
stituts für Infectionskrankheiten zu Beriin (cf. Behring, Deutsche med. Wochen-
schrift. 1893. p. 389).
2) Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 392 ff.; Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17.
1894; ,,Die Behandlung der Diphtherie mit Behriug's Heilserum." Berlin.
S. Karger. 1894.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1894. p. 331; Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 38.
1894. p. 221 fP.
') Deutsche med. Wochenschr. 1894. No. 16.
•') cf. Katz, Berl. klin. Wochenschr. 1894. No. 29; A. Baginsky, Berl.
med. Gesellsch. 25. Juli 1894. (Deutsche med. Wochenschr. 1894. Vereinsbeilage
No. 10. p. 77): A. Baginsky, „Die Serumtherapie der Diphtherie etc." Berlin.
Hirschwald. 1895.
'*) Annales de l'Inst. Pasteur. 1894. No. 9.
•) Vergl. auch meine zusammenfassende historische Uebersicht über die Blut-
serumtberapie gegen Diphtherie in der „Hyg. Eundschau". 1895. No. 1—3.
■*) Fest steht, dass sehr häufig eine Reihe von Tagen nach den Seruminjectionen
sich Urticaria ähnlicher Hautausschlag einstellt; diese Erscheinung hat,
wie aus Untersuchungen von Behring (Behring, Bekämpfung der Infections-
Der Diphtheriebacillus. 307
Zur localen Behandlung der Diphtherie hat Loeffler^)
ein Gemisch empfohlen, bestehend aus Alcohol 60 Vol., Toluol 36 Vol.,
Liqu. ferri sesquichlor. 4 Vol., dessen therapeutisches Vermögen auf der
energischen Wirkung in die Tiefe und auf seiner ausserordentlich stark
wasserentziehenden Eigenschaft, welche den wirksamen Substanzen das
Eindringen in die Tiefe gestattet, beruht.
So wie sich bei Versuchsthieren, die eine Diphtherieerkrankung
überstanden haben, immunisirende Substanzen im Blute finden, so ist
dies auch beim Menschen der Fall. Der erste derartige Nachweis
stammt von Klemensiewicz und Esche rieh-): die Autoren fanden,
dass das Blutserum von Diphtheriereconvalescenten meerschwemchen-
inmiunisirende Eigenschaften besitzt. Nach den Ermittelungen von
Abel'^) finden sich diese Eigenschaften nicht unmittelbar nach dem
Ueberstehen der Diphtherie, sondern erst eine Reihe von Tagen (8 — 11)
später; sie verschwinden auch bald wieder. Wichtig ist die sicher
constatirte Thatsache (Abel^). Wassermann^), Es eher ich und
0 r 1 0 w s k i *') ), dass auch Individuen (namentlich Erwachsene), die nie
eine Diphtherieerkrankung durchgemacht haben, diphtherieinununi-
sirende Substanzen in ihrem Blute haben können, während andere der-
artige Individuen keine Spur derartiger Substanzen aufweisen. Dass
jedoch das Ueberstehen einer Diphtherieerki-ankung beim Menschen
solche schützenden Substanzen im Blute entstehen lässt, ist durch
Es che rieh'') direct nachgewiesen worden.
Aus Diphtheriebacillenculturen stellten Brieger undC. Fraenkel^)
krankheiten. Infection und Desinfection. Leipzig. G. Thieme. 1894. p. 237) her-
vorgebt, mit dem Antitoxin selbst nicht das Mindeste zu thun; sie beruht auf dem
Gehalt des benutzten Serums an „irritirenden Stoffen" (sog. „Acria"), von denen
Behring (ebenda p. 238) angiebt, dass sich ihre Eliminirung ermöglichen lässt.
Nach H. Kos sei (Deutsche med. Wochenschr. 1894. No. 51) tomrat bezüghch der
Eventualität des Auftretens der Urticaria wahrscheinhch auch die Thierart in Frage,
von welcher das Serum stammt: Hammelserum ruft z. B. häufiger Urticaria hervor
als Ziegen- und Kuhserum. Ausser der Urticaria kommen aber auch schwerere
Affectionen nach Anwendung des Serums zur Beobachtung (polymorphe Erytheme,
mit Fieber und Gelenkaffectionen verbunden). Dauernde Schädigung ist durch diese
Zufälle bisher nicht beobachtet worden.
') Deutsche med. Wochenschr. 1894. p. 802.
•') Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. No. 5/6.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1894. p. 902.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1894. p. 936.
•^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 19. 1895. p. 415.
•*) Deutsche med. Wochenschr. 1895. p. 401.
') Ebenda Anmerkung.
■'*) Berl. khn. Wochenschr. 1890. No. 11, 12.
20*
308 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
einen überaus giftigen Eiweisskörper (kein Alkaloid) dar, welcher
in die Gruppe der von diesen Forschem entdeckten „Toxalbumine"
(cf. oben p. 45) gehört. Dieser giftige Eiweisskörper ist nach den
oben über die Natur des specifischen Diphtheriegiftes gegebenen Er-
örterungen mit dem letzteren nicht identisch.
Der Diphtheriebacillus färbt sich mit wässerigen Farbstofllösungen,
besonders gut mit der Loeffler'schen Meth3'lenblaulösung (p. 90);
er färbt sich auch nach der Gram' sehen Methode (p. 108 ff.).
In der Mimd- und Eachenhöhle findet sich nicht ganz selten ein
dem Loeffler'schen Diphtheriebacillus morphologisch mid in der
Cultur sehr ähnhcher, aber (für Yersuchsthiere) nicht virulenter
Bacillus, der „Pseudodiphtheriebacillus"'). Derselbe wurde
zuerst von Loeffler-) gesehen, dann auch von v. Hofmann-^)
studirt. Dieser Pseudo diphtheriebacillus lässt sich dadm'ch
von dem echten Diphtheriebacillus miterscheiden , dass er, in alka-
lischer Bouillon gezüchtet, die Eeaction derselben unverändert lässt.
Der echte Diphtheriel)acillus hingegen macht die ursprünglich leicht
alkahsche Bouillon zunächst sauer; später, oft allerdings erst nach
Monaten*), Avird die Reaction wieder alkalisch. Ueber das Yerhältniss
des Pseudodiphtheriebacillus zmn Diphtheriebacillus gehen die Mei-
lumgen der Autoren noch aus einander. Nicht unmöglich ist es, dass,
wie Roux und Ter sin ■^) annehmen, der Pseudodiphtheriebacillus nur
eine nicht pathogene Varietät des echten Diphtheriebacillus darstellt.
14. Die Bacillen der Septicaemia haemorrhagica.
Unter der Bezeichnung „Septicaemia haemorrhagica"
hat Hueppe") eine Eeihe von (nicht auf den Menschen übertrag-
baren) Thierkrankheiten zusammengefasst, welche durch Bakterien
veranlasst Averden, die einander sehr nahe verwandt sind, wenn sie
auch nicht direct als identisch betrachtet werden dürfen.
^) Der „Pseudodiphtheriebacillus" soll etwas kürzere und dickere Formen bilden
und auf den Nährböden etwas üppiger gedeihen als der echte Diphtheriebacillus.
Xach Gram färbt er sich wie dieser.
2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. ISST. No. 4.
^) Tagebl. d. 60. Vers, deutsch. Naturf'. u. Aerzte. Wiesbaden ISST. p. IHt
bis 120.
^) Escherich, Berl. khn. Wochenschr. 1S93. yi. 520.
^) Ann. de l'Inst. Pasteur. 1890. No. T. p. 413, 414.
'^) Beri. klin. Wochenschr. 1SS6. No. 44—46.
Die Bacillen der Septicaemia haemorrbagica. 309
Es gehören hierher die Hühnercholera, die experimentelle und
die spontane Kaninchensepticaemie, die deutsche Schweineseuche, die
amerikanische Schweineseuche, die dänische Schweinepest, die Mar-
seiller Schweineseuche, die Rinder- und Wildseuche, die itahenische
Büffelseuche, die Frettchenseuche, der Mauset jphus und nelleicht noch
einige andere Thierseuchen.
Die Huhn er Cholera (Geflügelcholera, cholera des poules, Ge-
fiügelpest, Geflügeltyphoid) ist eine unter dem Geflügel des Hofes oft
epizootisch auftretende, mit Diarrhöen einhergehende, hei Hühnern in
1 — 2 Tagen tödtlich endende Infectionskrankheit.
Durch Perroncito^), dann besonders durch Pasteur'-), wau'den
in dem Blut und den Organen der Thiere sowie in dem Darminhalt
derselben constant vorkommende, eigen thümlich gestaltete Bakterien
nachgewiesen, die durch Pasteur (1880) reingezüchtet wurden, und
deren specifische pathogene Bedeutung durch erfolgreiche Uebertragung
auf gesunde Thiere durch Pasteur festgestellt wurde.
Die Huhne rcholerabacillen (Bacillus cholerae gallinarum
Flügge, Bacterium avicidum Kitt), sind kurze, plumpe Stäbchen mit
etwas abgerundeten Enden, die häufig einzeln, aber auch zu mehreren
verbunden angetroffen werden und sich bei der Färbung mit Anihn-
farbstoffen dadurch vor anderen ähnKchen Stäbchen auszeichnen, dass
sie sich nur an den Endpolen färben, während ihre Mitte
ungefärbt bleibt.
Die Hühnercholeral)acillen sind u n b e w e g 1 i c h.
Sie wachsen auf den gewöhnlichen Xährböden bei Zimmertem-
peratur sowohl wie bei Brüttemperatur; auf Kartoffeln findet nur
bei Brüttemperatur Wachsthum statt, und zwar auch da nur massiges.
In Gelatinestichculturen kommt die Entwickelung sowohl
im Verlaufe des Impfstiches wie auch auf der Oberfläche zu Stande:
auf der Oberfläche bildet sich ein zarter, weissgrauer Belag. Die
Gelatine wird nicht verflüssigt.
Auf Agar und Blutserum bilden sich glänzende, weissliche
Beläge.
Sporenbildung existirt bei den Hühnercholerabacillen nicht.
Unter natürlichen Yerhältnissen wird die Infection der
Hühner, wie sicher nachgewiesen ist, dadurch vermittelt, dass die
Excremente der kranken Thiere, welche sehr reich an den Bacillen sind.
^) Arch. f. wiss. u. prakt. Thierbeilk. 1879.
■^) Comptes rendus. A.cad. des sciences. Paris, t. 90. 1880: t. 92. 1881.
310 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
von den gesunden Thieren mit der Nahrung in den Darmkanal auf-
genommen werden. Die experimentelle Erzeugung der Krankheit
durch Infection per os erfordert stets die Einführung sehr grosser
Mengen des specifischen Bakterienmaterials/) während durch cutane
oder subcutane oder durch intramusculare '^) Einverleibung die Infection
mit den kleinsten Quantitäten des Infectionsmaterials gelingt.
Die Hühner zeigen ausser der Septicaemie vor Allem hämorrha-
gische Enteritis; der Darminhalt ist reich an den specifischen Bak-
terien. Neben Hühnern sind Gänse, Tauben, Sperlinge, Mäuse und
Kaninchen empfänglich. Meerschweinchen erscheinen fast un-
empfänglich. Auf Taf. XI, Fig. 64, ist ein Ausstrichpräparat des
Herzblutes einer Taube dargestellt, welche an der Infection zu Grunde
gegangen war. Man sieht hier, zwischen den rothen Blutkörperchen
(von denen nur die Kerne deutlich hervortreten), die in characteristischer
Weise an den Endpolen gefärbten kleinen Stäbchen liegen.
Bekanntlich ist die Hühnercholera diejenige Krankheit, bei der
zuerst eine Abschwächung der Virulenz pathogener Bakterien
(durch Pasteur 1880; cf. oben p. 203) festgestellt wurde. Pasteur
fand, dass künstliche Culturen der Hühnercholerabakterien bei ein-
fachem längeren Stehen an der Luft ihre Fähigkeit verloren hatten,
Hühner tödtlich zu inficiren. Die geimpften Thiere erkrankten nur
örtlich und zeigten sich nachher immun gegen Infection mit viru-
lenten Culturen.
Der Hühnercholerabacillus färbt sich mit wässerigen Farbstoff-
lösungen; er färbt sich nicht nach der Gram'schen Methode (p. 108 ff.).
Die Kaninchen septicaemie. Durch subcutane Injection
von Pankewasser (die Panke ist ein in Berlin mündendes Neben-
flüsschen der Spree) in den Kanin chenkörper erhielt Gaffky'^) zuerst
diese experimentelle Infection skrankheit. Die Kaninchen gehen
innerhalb 16 — 20 Stunden nach der Impfung zu Grunde und zeigen
überall im Blut und in den Organen Organismen (Bacillus cunicuhcida
Flügge), welche in ihrem gesammten Verhalten (Morphologie,
Cultur, Thierpathogenität) den Hühnercholerabakterien gleichen.
Von dem Bacillus der experimentellen Kaninchen septicaemie (und
damit auch von dem Hühnercholerabacillus) abweichend verhält sich
0 cf. Schönwerth, Arch. f. Hjg. Bd. 17. 1893.
^) Nach Schönwerth (1. c.) genügt bei intramuscularer Einverleibung wahr-
scheinlich schon ein einziger Bacillus zur erfolgreichen Infection.
■') Mitth. a. d. 'Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 102, 104.
Die Bacillen der Septicaemia haemorrhagica. 311
der Erreger der „ s p o u t a n e n " K a n i n c h e ii s e p t i c a e m i e , welcher
von Eber th imd Mandry^) beschrieben worden ist. Es handelt
sich um einen eigenbeweglichen Bacillus, der in den Cultur-
merkmalen sich nicht wesentlich von dem Hühnercholerabacillus unter-
scheidet; dagegen finden sich bedeutende Unterschiede in den patho-
genen Eigenschaften. Sperlinge, Mäuse, Kaninchen verhalten sich
ziemlich empfänglich, Tauben und Meerschweinchen weniger; Hühner
verhalten sich auch sehr grossen Dosen gegenül)er ganz refractär.
Die (deutsche) S c h w e i n e s e u c h e. Dieselbe ist eine früher mit
Schweinerothlauf (s. oben p. 295) zusammengeworfene Krankheit, welche
jedoch von Loeffler") als selbständige Krankheit erkannt wurde.
Loeffler fand 1882 in der Halshaut und den Organen eines an-
geblich an Rothlauf verendeten Schweines sehr kleine ovoide Bakterien,
welche mit den Hühnercholerabakterien die grösste Aehnlichkeit hatten.
Loeffler cultivirte die Schweineseuchebakterien auch bereits rein.
Schütz-^) hat dann später die Schweineseuche eingehend studirt und
mit den reingezüchteten Bakterien Schweine erfolgreich inficirt.
Pathologisch - anatomisch ist die deutsche Schweineseuche der
Hauptsache nach eine multipel-lobulär auftretende nekrotisirende Pneu-
monie; der Verlauf der Krankheit ist meist sehr acut (wenige
Stunden, •/, bis 2 Tage) (Kitt).
FAn Unterschied zwischen den Hühnercholerabakterien und den
Erregern der Schweineseuche besteht insofern, als die letzteren für
Hühner und Tauben ffist völlig indifferent, für Meerschweinchen aber
sehr virulent sind. Hühnercholerabakterien verhalten sich gerade ent-
gegengesetzt. Im Uebrigen aber sind irgendwie durchgreifende Unter-
schiede nicht zu verzeichnen.
Die amerikanische S c h w e i n e s e u c h e wiu'de bezüglich
ihrer Aetiologie zuerst studirt von Salmon*) und von Billings. ^)
Salmon ist dafür eingetreten, dass es zwei ätiologisch von einander
verschiedene Schweineseuchen in Amerika giebt: „Hog Cholera"
'^ Virch. Arch. Bd. 121. 1S90.
-) Arbeiten a. d. Kais. Ges.-Arate. Bd. 1. 1SS6, p. 51 ff.
") Ebenda p. 376 ff.
■*) cf. Baumgarten's Bakteriol. .Jahresber. 1SS6. p. 1.50, 151; 1SS7. p. 127
bis 129; 1888. p. 128.
■') cf. Baumgarten's Bakteriol. .Jahresber. 1887. p. 130; 1888. p. 129;
1889. p. 178.
312 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
und ,. S w i n e Plague ". Kacli neueren Untersucliungen ^) nimmt
man nur eine amerikamsclie Schweineseuche an, die Hog-Cholera.
Die pathologischen Veränderungen bei der amerikanischen Schweine-
seuche sind fast immer auf den D a r m beschränkt : der Verlauf der
Krankheit ist acut (5 — 8 Tage) oder chronisch (mehrere Wochen)
(Kitt).
Von dem Erreger der deutschen Schweineseuche sind die Bak-
terien der amerikanischen Schweineseuche leicht zu unterscheiden.
Die letzteren zeigen (zum Unterschiede von den Bakterien der deut-
schen Schweineseuche) Eigenbewegung, sie wachsen femer gut
auf Kartoffeln.
Den Bakterien der amerikanischen Schweineseuche in seinem ge-
sammten Verhalten sehr nahe steht ein Bacterium, welches von Se-
iander ^) als Erreger der dänischen Schweinepest (Svinpest)
nachgewiesen wurde.
Eine ähnliche Bakterienart vraiäe von Riet seh. Jober t und
Martin and"') als Ursache einer 1887 in Marseille beobachteten, von
Afrika eingeschleppten Schweineepidemie (Mar seiller Schweine-
s e u c h e ) aufgefimden.
Die Binder- und Wild seu che. Dieselbe ist eine ft-üher
häufig mit Milzbrand verwechselte, dann von Bo Hing er als selbst-
ständige Krankheit erkannte, epizootisch auftretende Infectionskrankheit,
welche Roth- und Schwarzwild, aber auch Pferde und Rinder
spontan befällt und je nach dem Infectionsmodus in einer cutanen
(septicaemi sehen), einer pectoralen (pneumonischen) und einer intesti-
nalen Eorm auftritt. Die bei der Wildseuche vorkommenden speci-
fischen Bakterien wurden zuerst von Kitt^) gesehen; durch Kitt
und durch Hueppe'^) ist dann die Ki-ankheit genauer studirt und
durch den letzteren Forscher ihre Zugehörigkeit zu der in Besprechung
stehenden Gruppe von lü-ankheiten, für che Hueppe, wie bereits er-
wähnt, die Bezeichnung „Septicaemia haemorhagica" schuf,
festgestellt worden.
') Frosch, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9. 1890: Th. Smith, Centralbl. f. Bakt.
Bd. 9. 1891. p. 253 ff.; Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891; Centralbl. f. Bakt. Bd. IH.
1894. p. 231 ff.
-) Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 12.
=0 Acad. des sciences. Paris. 23 janvier et 9 avril 1888. (Compt. rend. t. 106.
p. 296 et 1096).
*) Sitzungsber. d. Ges. f. Morph, n. Physiol. zu München. 10. Xov. 1885.
") Beri. klin. Wochenschr. 1886. No. 44—46.
Die Bacillen der Septicaemia baemorrhagica. 313
Die (italienische) Büffels euch e („Barbone dei bufali"). Die
Aetiologie der Krankheit wurde zuerst von Oreste und Armanni^)
genauer studirt. Der Barbone ist eine in Italien heimische, vornehmlich
die jungen Büffel im Sommer befallende, mit hohem Fieber, Störung
des Allgemeinbefindens und localen entzündlichen Oedemen, namentlich
der Kehlgegend, einhergehende, meist innerhalb von 12 bis 24 Stunden
tödtlich endende Infectionskrankheit , die epidemisch auftritt und oft
viele Opfer fordert.
Im Blute und in dem Exsudate der localen Schwellungen fanden
die genannten Autoren einen dem Erreger der (deutschen) Schweine-
seuche in hohem Grade ähnlichen Organismus, mit dessen Reinculturen
an einer Anzahl von Thierspecies Impfungen mit positivem Erfolge
ausgeführt werden konnten. Ein junger Büffel, ein junges Schwein,
ein junges Pferd, eine junge Kuh, ein Schaf, ferner Mäuse, Ratten.
Kaninchen, Meerschweinchen, Tauben, Hühner zeigten sich empfänglich.
Die Frettchenseuche. Diese gelegentlich spontan in Epide-
mien auftretende Infectionskrankheit wurde bezüglich ihrer Aetiologie
von E b e r t h und Schi mmelbu seh ^) studirt. Makroskopisch fand
sich bei der Krankheit besonders Pneumonie und Milztumor. Mikro-
skopisch wurde im Blut und in den Organen ein kurzer, facultativ
anaerober, mit lebhafter Eigenbewegung begabter Bacillus gefunden,
welcher im Uebrigen grosse Aehnlichkeit mit dem Hühnercholera-
bacillus besitzt. Derselbe ist namentlich für Sperlinge pathogen, bei
denen er nach subcutaner Im])fung einen localen Eiterherd und den
Tod durch Septicaemie veranlasst. Hühner aber verhalten sich re-
fractär.
Der Mäusetyphus. Im Jahre 1890 beobachtete Loeffler'^)
unter den im hygienischen Institut zu Oreifswald gehaltenen weissen
Mäusen eine Epidemie, welcher in kurzer Zeit 69 ö/^ der Thiere er-
lagen. Die Krankheit, welche sich dadurch fortpflanzte, dass die todten
Thiere von den gesunden angefressen wurden, zeigte sich bedingt durch
einen specifischen, bis dahin unbekannten Bacillus (Bacillus des Mäuse-
typhus, Bac. typhi muri um).
Es handelt sich um kurze Bacillen mit lebhafter Eigen-
bewegung. Die letztere wird bedingt durch seitenständige Geissein.
') cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. p. 50—56.
-) Fortschr. d. Med. 1888. No. 8; Virch. Arch. Bd. 115. 1889 u. Bd. 116. 1889.
3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 5.
314 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
Künstliche Züchtung gelingt auf den gewöhnlichen iS'^ährböden bei
Zimmer- sowohl ^vie bei Brüttemperatur. Die Gelatine wird nicht
verflüssig t. Auf der Platte bilden die oberflächlichen Colonien
häutchenartige Ausbreitungen, in ähnlicher Weise wie es beim T^phus-
bacillus der Fall ist, oder auch dickere Flecken. Im Bereiche der
Colonien trübt sich die Gelatine leicht. Auf der A g a r Oberfläche
entstehen grauweisse Beläge, auf der Kartoffel weissliche Auf-
lagerungen, in deren Umgebung sich die Kartolfel schmutzig graublau
färbt. In Peptonzuckerbouillon findet unter starker Trübung
Säurebildung und Gasentwickelung statt. Milch wird sauer, ihr Aus-
sehen nicht verändert. Sporenbildung wurde nicht beobachtet.
Der beschriebene Bacillus ist für eine ganze Reihe von Thier-
species pathogen; bei Verfütterung des Infectionsmateriales
zeigen sich jedoch ausschliesslich die (weisse und graue) Haus-
maus (Mus musculus) und die Feldmaus (Arvicola arvalis) emp-
fänglich ; und zwar ist die Feldmaus empfänglicher als die Hausmaus ; i)
die graue Hausmaus ist etwas widerstandsfähiger gegen die Infection
als die weisse.^) Nach der spontanen Infection der weissen Mäuse
während der oben erwähnten Epidemie verflossen gewöhnlich 1 bis
2 Wochen bis zum Tode. Die gestorbenen Thiere zeigten Milztumor,
Hämorrhagien der Magen- und Dünndarmschleimhaut, Eöthung der
Peyer"schen Plaques, geschwollene und von Hämorrhagien durchsetzte
Mesenterialdrüsen. Ueberall in den Organen, speciell in der Leber
und den Mesenterialdrüsen, ferner in der Milz, in manchen Fällen
auch im Herzblut, fanden sich, und zwar in den Gefässen Liegend, die
beschriebenen Bacillen. Häufig waren herdförmige Anordnungen der
Bacillen in den Organen wie beim menschhchen Abdominaltyphus: die
Bacillen waren oft in Zellen eingeschlossen.
Nach der künstlichen Infection per os gingen Feld-
m ä u s e in 6 bis 8 bis 12 Tagen zu Grunde : die s u b c u t a n e In-
fection tödtete diese Thiere innerhalb 2 bis 4 Tagen.
Katzen, Ratten, Brandmäuse (Mus agrarius), kleine Vögel, Tauben,
Hühner, Meerschweinchen, Kaninchen, Ferkel zeigten sich bei Ver-
fütterung des Infectionsmateriales unempfänglich. Durch sub-
cutane Einverleibung Hessen sich kleine Vögel, Ratten, Tauben,
Meerschweinchen inficiren; Kaninchen zeigten sich dabei wenig emp-
fänglich.
Mit Hülfe des Mäusetyphusbacillus hat Loeffler im April 1892
V cf. Lunkewitsch, Centralbl. f. Bakt. Bd. 1.5. 1S94. p. S46.
■-) Loeffler, Centralbl. f. Bakt. Bd. 1."^. 1S93. p. 64S.
Der Bacillus des grünen oder blauen Eiters. 315
die Feldmaiisplage in ThessaKen erfolgreich bekämpft. ^) Es ist bei
dieser Gelegenheit auch erwiesen worden, dass der genannte Bacillus
für den Menschen (per os einverleibt) unschädlich ist.-) — Auch an
anderen Orten, z. B. in Oesterreich •^) , sind praktische Versuche, be-
treffend die Vertilgung von Mäusen mit Hülfe des Loeffler "sehen
Bacillus, angestellt worden.
Einen dem Mäusetjphusbacillus äusserst ähnlichen, jedenfalls mit
demselben nahe verwandten Bacillus hat Laser^) im Februar 1891
als Erreger einer Epide;nie, die unter den Feldmäusen des hygienischen
Instituts zu Königsberg auftrat, ermittelt. Dieser Bacillus hat auch
das Gemeinsame mit dem Mäusetyphusbacillus , dass er bei der Ein-
verleibung per OS nur die Hausmaus und die Feldmaus zu tödten
vermag.
Der Laser' sehe Bacillus tödtet die Thiere im Allgemeinen in
etwas kürzerer Zeit als der Loeffler'sche. ■^)
15. Der Bacillus des grünen oder blauen Eiters.
Der Bacillus des grünen oder blauen Eiters (Bacillus
pyocyaneus, Bacteritim aeruginosum) ist die Ursache des öfters zu
beobachtenden spontanen Grün- oder Blauwerdens des
Eiters und der Verbandstoffe in Krankenanstalten. Aus derartigem
Eiter kann er durch das Plattenverfahren leicht in Reincultur ge-
wonnen werden.
Der Bacillus pyocyaneus \nirde zuerst von Gessard*') (1882)
gesehen.
Der Bacillus ist ein kleines, schlankes Stäbchen von der
Länge des Mäusesepticaemiebacillus , aber etwas dicker als dieser
(Flügge), welches einzeln oder in kleinen Verbänden auftritt und
lebhafte Eigenbewegung besitzt. Das Stäbchen trägt eine ein-
zige Geis sei (Loeffler), welche sich nach der oben (p. 80 ff.)
besprochenen Geisselfärbungsmethode mikroskopisch darstellen lässt.
1) Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1S92. No. 1.
•-) Ebenda p. 12.
3) cf. Kornauth, Centralbl. f. Bakt. Bd. Kl. 1894. p. HO.
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. No. 6/7. — Ebenda Bd. 13. 1893. No. 20.
•^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. p. 649.
^) Comptes rendus. Acad. des sciences. Paris, t. 94. 1882. — Die wichtigste
Literatur über den Bac. pyocyaneus siehe bei Jakowski (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 15.
1893. p. 474—479).
316 B- Die Bakterien als KrankheitseiTeger.
Der Bacillus ist facultativ anaerob. ^) Er wächst auf den
gewöhnlichen Nährböden, und zwar l)ei Zimmertemperatur sowohl Avie
bei Brüttemperatm-.
Auf der Gelatineplatte bilden die Colonien unregelmässio-
begrenzte, flach ausgebreitete Beläge, in deren Bereich die Gelatine
massig schnell verflüssigt wird, während die Umgebung sehr bald
eine grüne Fluor escenz annimmt. Dementsprechend gestaltet sich
auch das Wachsthum der Stichcultur. Auch hier tritt lebhafte
grüne Fluorescenz ein.
Nährbouillon, die mit dem Bac. p3roc3'aneus beimpft wird,
trübt sich und zeigt, zuerst an der Oberfläche, schön gelbgrüne
Färbung. -)
Auf der A g a r Oberfläche bildet der Bacillus weissliche Beläge,
unter denen der Nährboden grün gefärbt wird. Glj^cerin-Agar,
mit dem Bacillus beimpft, färbt sich zunächst schön blau, wird dann
allmählich immer dunkler, fast undurchsichtig.
Auf Kartoffeln entstehen dicke, gelbgrüne bis bräunliche
Ueberzüge, in deren Umgebung die Kartoffel sich grün färbt.
Der Bacillus vermag mehrere Farbstoffe zu l)ilden; die wichtigsten
sind das blaue PvocA-anin und ein fluorescirender ") grüner Farb-
stoff. Die Natur des im Einzelfalle gebildeten Farbstoffes ist von der
jeweiligen Zusammensetzung des Nährbodens abhängig: andererseits
bildet der Bacillus., pyocyaneus auch Varietäten, welche sich in
der Farbstoffproduction von einander unterscheiden. '') Zuerst durch
P. Ernst ■^) wurden Varietäten des Bacillus pyocyaneus („Bac. pyoc. a"
und „Bac. p3^oc. /?") statuirt. Die a-Varietät producirt einen gelbgrünen
Farbstoff, verflüssigt die Gelatine langsam und lässt die ganze, auch
die unverflüssigte Gelatine grün fluoresciren; die /5- Varietät producirt
einen blaugrünen Farbstoff', verflüssigt die Gelatine schnell und hat
sehr wenig fluorescirende Kraft.
Sporenbildung existirt bei dem Bacillus pyocyaneus nicht.
Der Bacillus bildet giftige 8 toffwechselproducte. Er
^) Das Wachsthum bei Sauerstoffzutritt ist aber besser als das bei Saiierstoff-
abschluss. Bei Züchtung unter Abschluss von Sauerstoff bleibt die Farbstoffproduc-
tion aus (.Jakowski, 1. c. p. 4SI).
-) cf. Jakowski, 1. c. p. 482.
^) Zur Bildung des grünen fluoresciren den Farbstoffs ist es nöthig, dass
der Nährboden eine gewisse Menge phosphorsauren Salzes enthält (Gessard,
Annales de l'Inst. Pasteur. 1S92. p. SlO, Sil).
*) cf. Gessard, Ann. de Tlnst. Pasteur. 1891. No. 2.
•^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. 1887.
Der Bacillus des grünen oder blauen Eiters. 317
vermag auch, wie die Untersuchungen vun Ledderhose') und von
Charrin^) gezeigt haben, im Körper empfänglicher Thiere sich zu
vermehren. Am intensivsten wirkt die intravenöse Einverleibung,
weniger intensiv die intraperiteneale oder subcutane. Besonders emp-
fänglich sind Kaninchen und Meerschweinchen. Nach subcutaner In-
jection nicht zu kleiner Mengen frischer Bouilloncultur gehen die Thiere
unter Entwickelung localer eitriger Entzündung bald zu Grunde ;
bei intraperitonealer Einverleibung entsteht eitrige Peritonitis,
Bei fortgesetzten Uebertragungen von Thier zu Thier scheint die
Virulenz des Bacillus zuzunehmen.
Durch Einverleibung kleiner Culturmengen sowie durch Ein-
verleibung der bakterienfiTien Stofifwechselproducte des Bacillus lassen
sich Kaninchen gegen die Pyocyaneus-Infection immun isiren. Das
Blutserum des immunisirten Kaninchens hat (im Gegensatz zu dem
Serum normaler Kaninchen) bactericide Eigenschaften dem Bacillus
pyocyaneus gegenüber (Bouchard-^)).
Auch für den Menschen scheint der Bacillus pyocyaneus unter
Umständen pathogen werden zu können.^)
16. Der Kommabacillus der Cholera asiatica (Vibrio
cholerae asiaticae).
Im Jahre 1883 wurde durch Bob. Koch ermittelt, dass in allen
Fällen von Cholera asiatica eine ganz bestimmte Bakterienart
gefunden wird, und dass diese Bakterienart ausschliesshch bei Cholera
asiatica vorkommt. Man findet in den Ausleerungen von Cholerala'anken
kommaförmig gekrümmte, lebhaft bewegliche Bakterien („Kommabacillen
der Cholera", „Choleravibrionen", „Cholerabacillen") ; in der frischen
Choleraleiche findet man dieselben ebenfalls im Darminhalt, ferner in
dem Gewebe der Darmwand, sonst jedoch — in bei Weitem der grössten
Mehrzahl der Fälle — nirgends im Körper.'^)
>) Deutsche Zeitschr. f. Chir. Bd. 28. 1888.
'-) La maladie pyocyanique. Paris 1889.
^) cf. oben p. 211, Anm. 3.
*) Bezüglich der Literatur über diese Frage cf. H. Kos sei (Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 16. 1894. p. 368).
°) In vereinzelten Fällen sind Cholerabakterien auch in anderen Organen ge-
funden worden. So berichtet z. B. V. Babes (6. Internat. Congr. f. Hyg. u. Demogr.
Wien 1887. Verhandlungen Heft 18. p. 78), dass er die Cholerabakterien öfters
in der Niere von Choleraleichen angetroffen habe. Aehnliche Befunde sind auch
von anderen Seiten publicirt worden.
318 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Der C h 0 1 e r a V i b r i 0 ist ein koinmaförmig gekrümmtes Stäbchen,
welches in seiner Länge die Hälfte bis zwei Drittel eines Tnberkel-
bacillns erreicht, aber dicker als dieser ist. Die Organismen werden
meist einzeln angetroffen, und zwar (wenn sie sich in lebensfrischem
Zustande befinden) in lebhafter Bewegung. In künstlichen Cul-
turen, besonders wenn der Nährboden bereits anfängt erschöpft zu
werden, kommt es — und zwar dadurch, dass die Kommabacillen nach
der Theilung nicht mehr aus einander fallen — auch zm- Bildung
Spirillen förmiger Gebilde. Taf. X, Fig. 55 und 56, zeigen Cholera-
vibrionen aus Grelatineculturen. Auf Fig. 55 sieht man die Vibrionen
einzeln liegend; auf Fig. 56 sind Spirillen abgebildet, welche sich in
der erwähnten Weise gebildet haben. Die Spirillenbildung fasst man
als eine Involutionserscheinung auf. Eine Yergieichung der
beiden genannten Photogramme, die bei gleicher Vergrösserung her-
gestellt sind, zeigt auch deutlich, dass die Spirillen dicker sind als die
noch frisch vegetii'enden Kommabacillen; die Anschwellung des Bak-
terienleibes bei der Involution hatten wir aber als eine gewöhnliche
Erscheinung kennen gelernt (cf. oben p. 15). Die „Spirillen" trifft
man, wie gesagt, in künstlichen Culturen häufig. In dem Darm-
gewebe der Choleraleiche sind sie, soviel bekannt, nur ein einziges
Mal, durch H. Kühne,^) gefunden worden.
Bei der Betrachtimg des Photogramms Fig. 55 auf Taf. X fällt
es ohne Weiteres auf, dass nicht alle abgebildeten Bakterienzellen die
typische Kommaform besitzen. Es ist das eine Beobachtung, die man
bei jedem einzelnen Präparate, welches man sich von Cholerabakterien
herstellt, machen wird. Immer wird man — in dem einen Falle mehr,
in dem anderen weniger — Zellen finden, die von der typischen
Kommaform abweichen und sich der Gestalt gerade gestreckter
Stäbchen nähern. Hat man künstliche Culturen vor sich, so findet
man im Allgemeinen die Kommaform um so ausgeprägter, je jünger
und lebensfrischer die Cultur ist, je weniger bereits Erschöpfung des
Nährbodens eingetreten ist.
Durch Loeffler'-) sind an dem Choleravibrio endständige Geis-
sein nachgewiesen worden; jedes Komma besitzt eine einzige
Geissei , welche an dem einen Ende angeheftet ist. ■^) Die mikro-
skopische Darstellung der Geissein ist oben (p. 80 ff.) ausführlich be-
^) cf. A. Pfeiffer, Deutsche med. Wochenschr, 18ST. No. 11.
-) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. p. 218.
") Von einzelnen Autoren (Nie olle und Morax, Ann. de Tlust. Pasteur.
1893. p. 559; Gruber, Arch. f. Hyg. Bd. 20. 1894. p. 128; Kluczenko und
Kamen, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 16. 1894. p. 497 u. ebenda Taf. XIH, Phot. 4;
Der Kommabacillus der Cholera asiatica. 319
sprochen. Auf Taf. X, Fig. 57, ist ein nach der Loeff 1er' sehen
Methode hergestelltes Präparat von Choleravibrionen dargestellt, welches
die Geissein deutlich erkennen lässt. Die Choleravibrionen erscheinen
in dem Photogramm Fig. 55 (in gewöhnlicher Weise gefärbtes Präparat)
erheblich dünner als in der Fig. 57 (nach der Loeffler" sehen Geissel-
färbungsmethode behandeltes Präparat). Der Grund dafür ist, wie wir
bereits oben (p. 85, 86) erörterten, der, dass in dem ersteren Präparate
nur der Protoplasmakörper, der Kern der Bakterienzellen gefärbt ist,
während in dem letzteren Präparate auch die Hülle, die Membran der
Zeilen die Färbung angenommen hat.
Der Choleravibrio wächst auf den gewöhnlichen bakteriologischen
Nährböden ; er wächst bei Zimmertemperatur sowohl wie bei Brüt-
temperatur, bei letzterer aber erheblich schneller. Er wächst am
besten in Gegenwart von Sauerstoff, kann aber auch Sauerstoffinangel
ertragen.
Oben (p. 122) haben wir schon erwähnt, dass der Choleravibrio
stets eine alkalische Reaction des künstlichen Nährbodens be-
ansprucht. Vor Allem kommt dieser Punkt bei Nährgelatine,
welche für Cholerauntersuchungen verwendet werden soll, in Betracht.
Verschiedene Nährgelatinen, die sich — bei im TJebrigen gleicher Zu-
sammensetzung — in der chemischen Reaction von einander unter-
scheiden, zeigen stets ein differentes Wachsthum der eingesäeten
Choleravibrionen. Im Allgemeinen giebt es ein Optimum der Al-
kalescenz, einen Alkalescenzgrad , bei welchem der Choleravibrio
am besten gedeiht.^) Entfernt sich die chemische Reaction der Gela-
latine von diesem Optimum, wird die Alkalescenz geringer, so wächst
der Choleravibrio langsamer;'-) und bei neutraler oder gar schwach
Bange, Fortschr. d. Med. 1894. p. 930) ist das gelegentliche Vorkommen von
mehreren Geisseifäden an den einzelnen Zellen des Choleravibrio angegeben
worden.
1) Dahmen (Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 18. p. 620) findet, dass
der beste Alkalescenzgrad dadurch erreicht wird, dass man der kochenden, zunächst
(unter Verwendung von Lackmuspapier) genau neutralisirten Gelatine auf 100 ccm
1 g crystalhsirtes kohlensaures Natron zusetzt. — Flügge (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14.
1893. p. 195) giebt folgende Vorschrift für die Alkalisirung der Nährböden: Zu
einem Liter Bouillon sind 35 ccm, zu einem Liter Nährgelatine 55 ccm einer Soda-
lösung zuzufügen, welche 10,6"/o durch Glühen von Natriumbicarbonat her-
gestellte Soda enthält. — Grub er (Arch. f. Hyg. Bd. 20. 1894. p. 130) ver-
wendet eine 10 proc. Nährgelatine, die eben bis zum Eintritt der Rosolsäurereaction
alkalisirt ist.
^) Natürlich ist dann auch die eintretende Verflüssigung eine verzögerte (cf.
E. Fränkel, Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 46).
320 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
saurer Keaction des Nährbodens wird das Wachsthum ein mininiales
oder kann selbst gänzlich ausbleiben.^)
Auf der Grelatineplatte bildet der Cholera vibrio zunächst rund-
lich gestaltete, nicht glatt, sondern etwas unregelmässig, höckerig be-
grenzte Colonien, deren Inhalt ausgesprochen grobkörnig ist: bei
lOOfacher VergTösserung erscheinen die Colonien „wie mit kleinen
Glasstückchen bestreut" (Koch). Die Colonien sind zunächst im
Ganzen hell, werden dann, in Folge der Vermehrung der Organismen,
in der Mtte etwas undurchsichtiger, in der Durchsicht also dunkler,
und zeigen sich in späteren Stadien ihrer Entwickelung am Rande
häufig wie mit einem Kranze sehr feiner radiär gerichteter Spitzen
besetzt. Auf Taf. XI, Fig. 61 und 62, sind Plattencolonien des Cholera-
vibrio bei lOOfacher Vergrösserung dargestellt. Fig. 61 zeigt eine
Platte nach 30 stündigem Wachsthum bei Zimmertemperatur. Man
sieht hier an den scharf eingestellten Colonien deuthch das grobkörnige
Gefüge und den unregelmässigen Rand. Auf Fig. 62 sind 2 Colonien,
die eine nach 48 stündigem, die andere nach 72 stündigem Wachsthum,
dargestellt; die letztere zeigt den mit feinen Spitzen besetzten Rand.
Hand in Hand mit dem Wachsthum geht eine, nicht sehr schnelle,
Verflüssigung der Gelatine. Die Platte zeigt dann an dem
Orte der einzelnen Colonien leichte, trichterförmige Einsenkungen, welche
das Zeichen dafür sind, dass an diesen Stellen mehr von dem Wasser-
gehalt der Gelatine durch Verdunstung verloren gegangen ist als an
den übrigen Stellen, d. h. dass hier Verflüssigung der Gelatine ein-
getreten ist (cf. oben p. 148). Oben sahen wir schon, dass auf der
einen Gelatine die Choleravibrionen schneller wachsen und demgemäss
auch schneller Verflüssigung bewirken als auf der anderen. Geht nun
die Verflüssigung der Gelatine sehr energisch vor sich, so sieht man
häufig bereits am zweiten oder dritten Tage die Colonien am Rande
ganz imregelmässig zerklüftet, mit feinen Anhängseln versehen etc.
Diese Erscheinung, welche besonders bei hoher Aussentemperatur beob-
achtet wird, ist einfach so zu deuten, dass die (eigenbeweglichen)
Cholerabakterien in die die Colonie lungebende Gelatine, welche durcli
den Verflüssigungsprocess weicher zu werden beginnt, hier und da
activ hineinwandem und sich dort dann weiter vermehren. In diesem
Sinne ist auch eine Erscheinung zu deuten, die man an sehr dicht
^) Deycke hat unter Verwendung von Alkalialbuminaten eine Nährgelatine
hergestellt, welche sich ganz besonders gut als Nährboden für Cholerabakterien
(ebenso wie für Diphtheriebacillen) eignet, während andere Bakterienarten auf diesem
Nährboden im Wachsthum zurückbleiben. Die Darstellung dieser Nährgelatine ist
oben (p. 300, Anra. 2) angegeben.
Der Kommabacillus der Cholera asiatica. 321
besäeten Choleraplatten (und auch an Platten anderer eigenbeweghcher
verflüssigender Bakterien), und zwar ebenfalls besonders bei hoher
Sonunertemperatur , häufig beobachtet: Man sieht nach 24 stündigem
Wachsthum die Platte bei mikroskopischer Betrachtung von sehr kleinen,
äusserst dicht liegenden, ganz unregelmässig gestalteten, nicht rund
geformten, sondern meist mit feinen spitzen zipfelartigen Ausläufern
versehenen Colonien erfüllt; diese Colonien sind deshalb in so un-
regelmässiger Weise gewachsen, weil die durch den Verflüssigungs-
process, event. auch durch die hohe Aussentemperatur , in ihrer
Consistenz geschädigte Gelatine den eigenbeweglichen Bakterienzellen
beliebige Ortsveränderungen gestattet.
Das Wachsthum der Choleravibrionen in der Gelati nestich-
cultur ist ein dem Wachsthum auf der Platte entsprechendes. Man
findet auch hier eine (in der Regel langsame) Verflüssigung, namentlich
der obersten Theile des Stiches. In dem obersten Theile des Impf-
stiches kommt es sehr bald zur Bildung einer trichterförmigen Ein-
senkung der Gelatine; von der Seite her betrachtet sieht man den
Impfstich an dieser Stelle erweitert, die Gelatine schliesst hier eine
mit der äusseren Luft communicirende runde Luftblase ein. Xach
imten zu geht der Trichter über in den nur wenig erweiterten, nur
wenig verflüssigten Stichkanal, der den grössten Theil der in der Cultur
gewachsenen Bakterienmasse in Form eines zierlich aufgedrehten Fadens
enthält. (Eine Stichcultur von t3rpischer Gestalt zeigt Fig. 63 auf
Taf. XL) Später wird dann allmählich die gesammte Gelatine verflüssigt.
Auf der Agar ob er fläche wachsen die Choleravibrionen in
Form eines grauweissen, saftig glänzenden Ueberzuges. Auf A gar-
platten oberflächlich aufgeimpfte Choleravibrionen wachsen zu runden
Colonien aus, welche ein eigenthümlich hellgraubraunes, transparentes
Aussehen haben (Koch).^)
In Bouilloncultm'en bilden die Choleravibrionen ausser einer
allgemeinen Trübung der Flüssigkeit häufig (aber nicht immer) ober-
flächliche Kahmhäute. Das Letztere kann man auch in älteren Gela-
tinestichculturen beobachten.
In T r a u b e n z u c k e r - B 0 u i 1 1 0 n wächst der Choleravibrio unter
Bildung von linksdrehender Milchsäure.-)
ij Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 330.
"') Nach Untersuchungen, die im Eubn er 'sehen Institut von Kuprianow
(Arch. f. Hyg. Bd. 19. 1893. p. 288) und von Gosio (ebenda Bd. 21. 1894. p. 120)
ausgeführt wurden. Wie Gosio (ebenda Bd. 22. 1894. p. 11) constatirte, entsteht
bei der Zerlegung des Traubenzuckers durch den Choleravibrio neben der Links-
milchsäure noch Essigsäure und Buttersäure.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 21
322 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
Blutserum wird diu-cli die Vibrionen langsam verflüssigt.
Auf Kartoffeln wachsen die Cholera Vibrionen bei Temperaturen
unter 21 bis 22 ^ C. gewöhnlich nicht. Bei 22 » C. bildet sich ein
weissgelblicher bis bräunlichgelber, honigähnlicher, saftig glänzender
Belag. Dasselbe Aussehen hat auch die bei Brüttemperatur gezüchtete
Kartoffelcultur : nur geht hier das Wachsthum schneller vor sich. Auf
manchen Kartoffelsorten scheint der Choleravibrio schlecht oder über-
haupt nicht zu wachsen. Hier hat man mit Vortheil die Alkalisirung
der Kartoffelfläche mit Hülfe von Sodalösung angewandt ; ein vor-
trefflicher Nährboden für den Cholera\ibrio wird auch erzielt, wenn
man die Kartoffelstücke mit einer etwa 3 proc. Kochsalzlösung imprägnirt
oder noch besser sie damit kocht. ^)
Ueber das Verhalten der Cholerabakterien in (sterilisirter) M i 1 o h
lauten die Angaben der Autoren einander widersprechend.
Dauerformen sind bei den Choleravibrionen nicht bekannt.
Die von Hueppe'-) statuirte .,Arthrosporenbildung" hat mit der Bil-
dung irgendwie besonders resistenter Fruchtformen jedenfalls nichts zu
thun (cf. oben p. 17). In alten Culturen findet man häutig kleine
Kömchen, Kugeln, ferner allerhand Missbildungen. Diese Dinge sind
samrnt und sonders als Involutionsformen aufzufassen (vergl.
Fig. 56, Taf. X).
Die Choleravibrionen verlangen, wie bereits wiederholt hervor-
gehoben wurde, zu ihrem Gedeihen einen schwach alkalischen
Nährboden: gegen die geringsten Mengen freier Säure (namentlich
Mineralsäure) verhalten sie sich sehr empfindlich. Ein Zusatz von
0,07 bis 0,08 *^/o Salz- oder Salpetersäure zmn neutralen Nährboden
hemmt bereits die Entwickelung (Kitasato")). Diese Empfind-
lichkeit gegen Säuren ist der Grund, weshalb die Cholera-
vibrionen den normalen Magen des Menschen gewöhnlich nicht lebens-
fähig zu passiren vermögen. Dasselbe gilt auch, wie wir sehen werden,
für Versuchsthiere.
Ausser gegen Säuren verhalten sich die Choleravibrionen auch
gegen alle übrigen chemischen Desiufectionsmittel,-*) ferner
gegen höhere Temperaturen und gegen das Austrocknen
') cf. Voges, Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. No. 17; B. Fischer,
Deutsche med. Wochenschr. 1893. j). 542.
■-) Fortschr. d. Med. 1885. No. 19.
3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 3. 1888.
•*) Nach Forst er (Hyg. Eundschaii. 1893. p 722) tödtet eine w<ässerige
Subliniatlösung vom Gehalte 1 : 3 000 000 Cholerabakterien in 5 Minuten, eine Lösung
vom Gehalte 1:30 000000 dieselben in 10 Minuten ab.
Der Kommabacillus der Cholera asiatica. 323
ausserordentlich empfindlich. Sie sind stets leicht zu vernichten.^)
Wir erwähnten bereits oben (p. 30), dass ein drei Stunden langes wirk-
liches Trockenliegen die Choleravibrionen tödtet. Im feuchten Zustande,
z. B. in künstlichen ßeinculturen (namentlich auf der Agaroberfläche),
kann man die Choleravibrionen mehrere Monate lang lebensfähig erhalten.
Die Choleravibrionen sind facultative, gelegentliche Para-
siten. Sie finden ohne Zweifel draussen in der Natur an geeigneten
Stellen die Bedingungen für ihr Fortkommen. Dies gilt namentlich
für die Länder, in denen die Cholera endemisch ist.
Koch fand (cf. oben p. 177, Anm. 4) die Choleravibrionen 1884
in dem Wasser eines ostindischen Tank. Weitere Befunde von
Choleravibrionen in Wasser sind von Koch und anderen Autoren ge-
legentlich späterer Epidemien, namentlich der des Jahres 1892, gemacht
worden.-) Im Allgemeinen aber kommen die Choleravibrionen in ge-
wöhnlichem Wasser nicht gut weiter. Sie werden (cf. oben
p. 177) von den Wasserbakterien bald überwuchert und unterdrückt.
Dagegen ist sterilisii'tes, keimfreies Wasser — und zwar Wasser jed-
weder Herkunft — ein Medium, in welchem sich die Choleravibrionen
Wohlbefinden, und in dem sie sich nicht unbeträchtlich vermehren
können. Ferner ist die Möglichkeit natürlich nicht ausgeschlossen, dass
^) Zur Desiiifection von Cbolerastühlen empfiehlt das preussische Cultusmiuiste-
riuni (cf. E. Pfuhl, Deutsche med. Wochenschr. 1892. p. 879) Kalkmilch (vergl.
oben p. 34). Dieselbe wird aus 1 Liter zerkleinerten reinen gebrannten Kalkes und
4 Liter Wasser hergestellt und zu ungefähr gleichen Theilen mit den Dejecten ver-
mischt. Das Gemisch soll dann mindestens 1 Stunde stehen bleiben, ehe es als
unschädlich beseitigt werden darf.
-) Cholerabakterien wurden im Hafenwasser von Marseille, ferner in einem
Wasserbehälter in Montevideo, aus dem an Cholera erkrankte Soldaten ihr Wasser
entnommen hatten, aufgefunden (cf. Flügge, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. p. 166).
Ferner fanden Cholerabakterien: C. Fränkel (Deutsche med. Wochenschr. 1892.
No. 41) im Wasser des Duisburger Zollhafens, Biernacki (Deutsche med. Wochen-
schrift 1892. No. 42) in Brunnenwasser m Lublin, Lu barsch (Deutsche med.
Wochenschr. 1892. No. 43) im Wasser des Kielraumes eines Elbschleppdampfers,
der von Hamburg kam, Loeffler (Greifswalder med. Verein. 3. Dec. 1892. —
Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. p. 383) in Brunnenwasser in Demmin, Koch (Zeitschr.
f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 337 und 417) gelegentlich der Winterepidemien 1892/93
im Hamburger Eibwasser , in einem Brunnen in Altona und in dem Wasser inner-
halb des dortigen Filterwerks, auf den Kieselfeldern der Provinzial-Irrenanstalt Niet-
leben bei Halle a. S. , in dem Saalewasser daselbst und in dem Leitungswasser der
Anstalt, van Ermengem (Acad. de med. de Belgique 27 mai 1893. — Semaine
medicale 1893. p. 272) in verschiedenen Trinkwässern in Belgien bei Gelegenheit
einer Choleraepidemie, Spronck (Ned. Tijdschrift voor Geneeskunde. 1893. Deel IL
p. 653 ff.) in mehreren Gewässern in Holland im Herbst 1893, B. Fischer (Deutsche
med. Wochenschr. 1894. p. 580) im Wasser des Nordostseekanals, — u. s. w.
21*
324 B- Die Bakterien als KrankheitseiTeger.
sie gelegentlich — bei Epidemien — auch auf andere Nährboden,
auf zubereitete Speisen etc., gelangen und sich dort vermehren.
Die ersten Versuche Koch's, für die Cholera empfängliche Ver-
suchsthiere zu finden, hatten keinen Erfolg. Nicati und Rietsch^)
gelang es dann Meerschweinchen erfolgreich dadurch zu inficii-en,
dass sie nach Unterbindung des Ductus choledochus den Thieren die
Reincultur direct in das Duodenum injicirten. Es ^YUl•de auf diese
Weise erstens die deletäre Einwirkung des sauren Magensaftes auf die
Cholerabakterien umgangen und zweitens durch Absperrung der Galle
die Darmperistaltik herabgesetzt. Der letztere Punkt ist von wesent-
licher Bedeutung für die Ermöglichmig der Ansiedelung der Cholera-
bakterien im Meerschweinchendarme. Koch -) erreichte dann eine
erfolgreiche Infection der Meerschweinchen vom Magen aus da-
durch, dass er den Thieren zunächst den Mageninhalt mit Sodalösung
neutralisirte (er brachte denselben 5 ccm 5proc. Sodalösung mit Hülfe
der Schlundsonde '^j in den Magen), dass er einige Zeit nachher (um
die Cholerabakterien nicht unmittelbar in die Sodalösung zu bringen)
10 ccm einer Bouilloncultur von Cholerabakterien in den Magen ein-
flösste, und dass er schliesslich den Thieren — zur Herabsetzung der
peristaltischen Darmbewegungen — eine kleine Quantität Opiumtinctur
(1 ccm auf je 200 g Körpergewicht) in die Bauchhöhle injicirte. So
behandelte Meerschweinchen gingen nach etwa 2 Tagen zu Grunde
imd zeigten bei der Section einen Befund, der mit dem der mensch-
lichen Cholera übereinstimmt. Es fand sich starke Röthung des Dünn-
darmes; derselbe war mit wässeriger Flüssigkeit gefüllt, welche reich
an Kommabacillen war. Erbrechen oder Diarrhoe zeigten die Meer-
schweinchen nicht, aber lähmungsartige Schwäche der Hinterextremitäten,
schwache und verlangsamte Respiration, Temperaturerniedrigung, Herz-
schwäche — also S3'mptome, welche lebhaft ah die menschliche Cholera
erinnerten. So inficirte Thiere gehen, ebenso wie es bei dem an der
natürUchen Cholerainfection sterbenden Menschen der Fall ist, an der
Vergiftung durch die im Darme bei der Vermehrung der Vibrionen
gebildeten giftigen chemischen Körper zu Grunde (cf. p. 201).
Kaninchen lassen sich nach Thomas*) leicht von der Blut-
bahn aus inficiren: die Thiere bekommen nach intravenöser'')
^) cf. Deutsche med. Wocbenscbr. 18S4. j). fi34.
'-) Conferenz zur Erörterung der Cliolerafrage. Zweites .Jahr. 1SS.5. Deutsche
med. Wochenschr. 1885. No. 37 A. p. 5, 6.
") Bezüglich des manuellen Vorgehens hierbei cf. oben p. 198, Anra. 2.
^) Ai-cb. f. exp. Path. u. Pbarmak. Bd. 32. 1893. p. 38 ff.
^) Bezüglich der Technik dieser Operation cf. oben p. 197, Anm. 3.
Der Kommabacillus der Cholera asiatica. 325
Einveiieibimg des Infectionsmaterials typische Choleraerscheinimgen,
und es finden sich dann stets Choleravibrionen in dem Darminhalt. ^)
Wegen des Verhaltens des Choleravibrio bei der Verimpfung auf
Tauben vergl. weiter unten den Abschnitt „Vibrio Metschnikoff".
Beim Menschen geschieht die natürliche Infection ohne
Zweifel vom Darmkanal aus. Es ist dazu nothwendig, dass die
Vibrionen, die mit der Nahrung, mit Trinkwasser etc. eingeführt werden,
den Magen in entwickelungsfähigem Zustande passiren. Ist der Magen
nur massig gefüllt, sein Inhalt sauer, so dürften die Cholerabakterien
die Barriere des Magens wohl selten überschreiten können (cf. oben
p. 322).
Beim Menschen sind bereits eine Reihe von Fällen von Cholera-
infection durch — theils unabsichtliche, theils absichtlich vorgenommene
— Einverleibung künstlicher Reincultur der Choleravibrionen in den
A'erdauungskanal bekannt geworden. Der erste dieser Fälle -) (un-
absichthche Infection) betraf einen Arzt, welcher an einem der ersten
von Koch abgehaltenen Choleracurse theilnahm. Weitere Fälle sind
die von v. Pettenkofer und von Emmerich,"') welche sich den
Infectionsstoff absichtlich beibrachten. Einen vierten Fall (unabsicht-
liche Laboratoriumsinfection eines Laboratoriumsdieners) haben Frey-
muth und Lickfett^) publicirt. Ferner hat Hasterlik^') Cholera-
infectionsversuche am Menschen angestellt, auch Metschnikoff®)
hat über derartige Versuche berichtet. Fälle von (unabsichtlicher)
Laboratoriumsinfection mit Cholerabakterien publicirten weiter Ren-
vers ') sowie K 0 1 1 e. ^ ) Alle diese Fälle sind in Genesung aus-
gegangen. Ueber einen Fall von (unabsichtlicher) Laboratoriums-
infection mit tödtlichem Ausgange hat Reincke'"') berichtet.
^) Issaeff und Kolle, welche diese Thomas 'sehen Ermittelungen be-
stätigen, fügen hinzu, dass sich die Darmcholera des Kaninchens durch subcutane
und durch intraperitoneale Einverleibung des Infectionsmaterials nicht er-
zeugen lässt (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894. p. 41).
'-) Koch, Conferenz zur Erörterung der Cholerafrage. Zweites Jahr. 1885.
Deutsche med. Wochenschr. 1885. No. 37 A. p. 7.
^) Münchener med. Wochenschr. 1892. No. 46.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1893. Xo. 19.
•^) K. K. Ges. d. Aerzte in Wien. 24. Febr. 1893. (Offic. Protokoll Wien,
klin. Wochenschr. 1893. p. 167): 6 Versuche an 4 Personen.
") Ann. de linst. Pasteur. 1893. No. 7.
') Deutsche med. Wochenschr. 1894. p. 52. Der Fall betraf einen Arzt.
«) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894. p. 44, 45: Zwei Fälle, die Mitarbeiter am
Koch 'sehen Institut E. Pfeiffer und Pfuhl betreffend.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1894. p. 795. Der Fall betraf Dr. 0er gel,
Assistent des Hygienischen Institutes zu Hamburg.
326 ^- l^ie Bakterien als Krankheitserreger.
Die Incubationsdauer betrug bei den Fällen von v. Petten-
kofer und Emmerich 1 bis 2 Tage, in einem der von Met sehn i-
koff^) publicirten Fälle von absichtlicher Infection 12 Stunden. In
8 Fällen natürlicher Cholerainfection, welche Banti-) 1886 in Florenz
beobachtete, und bei denen die Incubationsdauer mit grosser »Sicherheit
bestimmt werden konnte, betrug sie 36 bis 45 Stunden.
lieber die Bedingungen, welche vorhanden sein müssen, damit
die Einführung des Choleravibrio in den menschlichen Darmkanal (üe
Entwickelung des klinisch typischen Choleraanfalles zur Folge hat,
wissen wir so gut wie noch gar nichts. Zweifellos wii'd bei Gelegen-
heit von Choleraepidemien die Infection häutig durch ganz minimale
Mengen der Vibrionen zu Wege gebracht ; damit aber diese minimalen
Mengen die Infection veranlassen können, sind jedenfalls besondere
Hülfsmomente nothwendig. Es kommen hier wahrscheinlich persön-
liche Immunitätsverhältnisse, ferner der Zustand der Verdauungs-
organe etc. in Frage. ■^) Eine besondere Bedeutung für die Ver-
breitung der Cholera sowohl, wie — in nelen Fällen — vielleicht
auch für das Zustandekommen der Infection in dem einzelnen Falle
haben die Beziehungen des Menschen zum Wasser. Bei
Gelegenheit der grossen Hamburger Epidemie im Herbst 1892 z. B.
hat sich mit Sicherheit nachweisen lassen, dass das (Hamburger)
Leitungswasser der Träger des Infectionsstoffes war. *)
lieber che Xatur des specifischen Choleragiftes, d.h. des von
den Cholerabakterien bei ihrer Vermehrung producirten giftigen Kör-
pers, dessen Einwirkung auf den Organismus die schweren Symptome
^) Annales de Tlnstitut Pasteur. 1S93. p. 5S1.
'-) Lo Sperimentale 1887; siehe auch Deutsche med. Wochenschr. Ib92. p. S41.
^) cf. K. Koch (19. Vers. d. Deutsch. Vereins f. öff. Ges.-Pfl. zu Magdeburg,
21. Sept. 1894. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 16. p. 1050).
'') Hamburg wurde mittels seiner Wasserleitung mit unfiltrirtem Eibwasser
versorgt, während die Nachbarstadt Altena, die unmittelbar an Hamburg grenzt,
eine vorzüglich geleitete Sandfilter anläge hatte. Altona bUeb so gut wie frei von
der Cholera. An einer zu Hamburg gehörenden, an der Grenze der beiden Städte
liegenden Häusergruppe (am sog. Hamburger Platz) wurde nun Folgendes beobachtet:
,,Die erwähnte von Arbeiterfamilien dicht bewohnte Häusergruppe gehört zu Ham-
burg, wird aber von Altona mit Wasser versorgt; und sie blieb von Cholera voll-
kommen frei, während ringsherum auf Hamburger Gebiet zahlreiche Erkrankungen
und Todesfälle vorkamen. Hier haben wir es also mit emer Art von Experiment
zu thun, das sich an mehr als hunderttausend Menschen vollzogen hat, aber trotz
seiner gewaltigen Dimensionen alle Bedingungen erfüllt, welche man an ein exactes
und vollkommen beweisendes Laboratoriumsexperiment stellt. In zwei grossen Be-
völkerungsgruppen sind alle Factoren gleich , ein einziger ist verschieden , nämlich
ilie AVasserversorgung" (E. Koch, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 395).
Der Kommabacillus der Cbolera asiatica. 327
der Choleraerkrankung bedingt, ist noch wenig Sicheres bekannt.^)
(Nach der Ansicht von E. Pfeiffer-) ist dieses Gift in dem Zellleibe
der Choleravibrionen selbst enthalten | cf. oben p. 46]). Ganz besonders
empfänglich für die Vergiftung mit Choleraculturen haben sich Meer-
schweinchen erwiesen. Bereitet man sich von einer fiischen Agar-
cultur sehr virulenter Choleravibrionen eine Aufschwemmung in
sterilisirter Bouillon, und injicirt man diese Aufschwemmung in passen-
der Dosis einem Meerschweinchen intra peritoneal, so treten
wenige Stunden nach der Injection Vergiftungserscheinungen auf. ^)
Unter rapidem Sinken der Kürpertemperatur wird das Thier schlaff
und hinfällig, es liegt mit lähmungsartiger SchM^äche der Hinter-
extremitäten platt auf dem Bauche ; fibrilläre Zuckungen treten von
Zeit zu Zeit auf; das Thier fühlt sich kalt an und geht meist 12 bis
16 Stunden nach der Injection, mitunter auch später, zu Grunde
(R. Pfeiffer). Bei der Section findet man in der Bauchhöhle ge-
wöhnlich geringe Mengen einer hellgelben serösen Flüssigkeit, in
welcher sich (nach Untersuchungen von Grub er und Wiener^))
die eingebrachten Choleravibrionen in der Regel stark vermehrt zeigen.
Ebenso enthält auch die (mitunter vorhandene) die Injectionsstelle
umgebende subcutane Oedemflüssigkeit, ferner das intramusculare Binde-
') Hueppe (Berl. klin. Wochenscbr. 1S94. No. 17, 18) hat als der Erste
einen giftigen, den Peptonen nabestehenden Eiweisskörper im menschlichen Cholera-
stuhl nachgewiesen.
■-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1S92. — E. Pfeiffer stellte seine Unter-
suchungen über das Choleragift an dem sog. Massana-Vibrio (einem von Pas-
quale [Giornale del E. Esercito e della E. Marina. 1S91 ; cf. Riforma medica. 1892.
vol. I. p. 310] aus Brunnenwasser in Massaua cnltivirten, auf Versuchsthiere sehr
deletär wirkenden Mikroorganismus) an , welcher in vielen Beziehungen von dem
Choleravibrio abweicht, und von dem später auch E. Pfeiffer selbst (cf. E. Pfeiffer
und Issaeff, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17. 1894. p. 394) zugegeben hat, dass er von
dem Choleravibrio verschieden ist. Nichtsdestoweniger können die Ergebnisse
der Pfeiffer 'sehen Untersuchungen als auch für den Choleravibrio geltend an-
gesehen werden. Wie weitere Untersuchungen (siehe oben weiter im Text) nämlich
ergeben haben, zeigen eine grosse Eeihe der verschiedensten Bakterienarten genau
dieselben Wirkungen auf (intraperitoneal inficirte) Meerschweinchen, wie sie E. Pfeiffer
bei dem Massaua -Vibrio constatirte; und zu diesen Bakterienarten gehört auch der
echte Choleravibrio. Selbstverständlich aber darf man diese Wirkungen auch bei
dem echten Choleravibrio nun nicht auf das „specifische Choleragift" beziehen, da
sie ja durch alle möglichen Bakterienarten hervorgerufen werden.
■') Die Thatsaehe, dass nach intraperitonealer Einverleibung von Choleraculturen
beim Meerschweinchen sich schnell Vergiftungssymptome einstellen, wurde bereits
18S.5 von E. Koch constatirt. (Conferenz zur Erörterung der Cholerafrage. Zweites
Jahr. 1885. — Deutsche med. Wochenscbr. 1885. No. 37 A. p. 6.)
') Wien. klin. Wochenscbr. 1892. No. 38; Arch. f. Hyg. Bd. 15. 1892.
328 B- Diß Bakterien als Krankheitserreger.
gewebe der Baiichwand und des Zwerchfells, endlich auch das mitunter
anzutreffende pleuritische Exsudat (nach den Ermittelungen der letzt-
genannten Autoren) Vibrionen. Nach E. Pfeiffer und Wassermann^)
findet man nur dann die intraperitoneal in den Meerscliweinchenkörper
injicirten Choleravibrionen vemiehrt, wenn mehr als die tödtliche Mini-
maldosis der Cultur eingebracht wurde.
Dieselben Vergiftungserscheinungen wie nach intraperitonealer Ein-
verleibung beobachtet man bei den Meerschweinchen auch nach intra-
pleuraler Einverleibung des Materials (Kolleg).
Bei derartigen Thierversuchen zeigt sich nun die Virulenz ver-
schiedener Choleraculturen ganz ausserordentlich verschieden. Erstens
scheint in diesem Punkte die Provenienz eine grosse Eolle zu spielen;
und zweitens zeigen sich nach Gruber und Wiener*^) ceteris paribus
junge Culturen stets virulenter als ältere. Das Letztere geht sogar
so weit, dass in einer und derselben Agarcultur die Randzonen (die
die relativ jüngsten Theile der Cultur repräsentiren) nachweislich viru-
lenter sind als die mittlere Zone (welche die ältesten Theile der Cultur
enthält). Die A'irulenz einer künstlichen Choleracultm- geht stets sehr
schnell zurück. Im Uebrigen ist, wie Bonhoff*) fand, die A^irulenz
bei Bouillon- und Agarculturen ganz ausserordentlichen, ohne irgend
welche erkennbare Ursache auftretenden Schwankungen unterworfen. —
G r u b e r und Wiener ermittelten, dass eine wenig wirksame Cholera-
cultur durch Züchtung auf frischem H ü h n e r e i w e i s s ■'')
virulenter gemacht werden kann.")
1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. lbi):i.
') Zeitschr. f. Hyg. Bd. Iß. 1S94. p. 349.
«) Arch. f. Hyg. Bd. 1.5. 1892.
*) Arch. f. Hyg. Bd. 22. 1S94. p. 40.
■') Diese Enuittelung ist nicht zu identificiren mit der früheren Angabe von
Hueppe (Centralbl. f. Bakt. Bd. 4. 1888. No. 3), dass die Cholerabakterien, im
Innern des Hühnereies gezüchtet, sehr energisch und schnell giftige Körper
produciren; Hueppe machte für diese „Toxinbildung" die im Ei herrschende
Anaerobiose verantwortlich. Oben (p. 135, Anm. 2) haben wir bereits darauf hin-
gewiesen, dass von einer vollständigen Anaerobiose im Hühnerei sicher keine Eede
sein kann, und dass die spontan in Eiern vorkommenden Bakterien strenge Aeroben
sind. Grub er und Wiener haben die oben citirte Virulenzsteigerung erhalten
durch Cultivirung der Choleravibrionen auch auf dem Eiweiss in Contact mit
der atmosphärischen Luft, also unter aeroben Bedingungen; sie sind der
Ansicht, dass für die Virulenzsteigerimg die Cultivirung auf nativem Eiweiss
das AVesentliche ist. — Dass der Cholera vibrio thatsächhch an aerob zu wachsen
vermag, haben Hueppe und Fajans (Arch. f. Hyg. Bd. 20. 1894. p. 372 ff.)
direct nachgewiesen.
") Nach Blachstein (Berl. klin. Wochenschr. 1S94. p. 400 ff.) ist die
Virulenz des Choleravibrio überhaupt eine Function des Nährbodens.
Der Kommabacillus der Cholera asiatica. 329
Die einer bestimmten Cholera ciütiir mangelnde Virulenz für Meer-
schweinchen spricht übrigens, wie Metschnikoff fand, nicht ohne
Weiteres dafür, dass die Cultur auch für den Menschen unschädlich ist. i)
Wie wir bereits oben (p. 327, Anm. 2) mittheilten, stellen die
nach der intraperitonealen Einverleibung von Cholera\äbrionen
bei Meerschweinchen auftretenden Erscheinungen nichts für Cholera
Typisches dar, • Klein -) ermittelte nämlich, dass dieselben S3Tnptome
bei den Thieren und dieselben anatomischen Veränderungen auch dm'ch
intraperitoneale Inj ection anderer Bakterienarten (Vibrio Einkler,
Bacterium coli, Typhusbacillus, Bacillus prodigiosus, Proteus etc.) her-
vorgerufen werden. ^) Durch S o b e r n h e i m *) , G r u b e r '') , B o n -
hoff^') wurden diese Klein'schen Ermittelungen bestätigt.
Auf subcutane Impfung mit Choleraculturen reagiren Meer-
schweinchen nur mit vorübergehender Temperatursteigerung. ■^)
Gegen die deletäre Wirkung der intraperitonealen Ein-
verleibung virulenter Choleracultur lassen sich Meerschweinchen
dadurch schützen, dass man ihnen vorher Choleraculturen intra-
peritoneal einverleibt, die durch Erhitzung geschädigt wurden (B rieger
und Wassermann,^) G. Klemp erer^)), oder dass man ihnen
virulente Cultur in solcher Menge einverleibt, dass nicht der Tod,
sondern nur eine vorübergehende Allgemeinerkrankung erfolgt (Wasser-
mann^*')). Die so bewii-kte Immunisirung der Meerschweinchen ist
') Metschnikoff (Ann. de Tlnst. Pasteur. 1893. p. 581) beobachtete
des: Ein 19 jähriger Manu nahm zunächst (zur Neutralisirung des Magensaftes)
Natriumcarbonat , dann eine für Meerschweinchen unschädliche Choleracultur ein.
9 Stunden später bekam er KoKkschraerzen , .3 Stunden darauf den ersten dünnen
Stuhl; und es entwickelte sich ein typischer, in Genesung ausgehender Choleraanfall.
•') Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. No. 13.
^) Auch die Injection von Culturen, die durch Erhitzung abgetödtet sind,
bewirkt, wenn grosse Dosen genommen werden, den Tod der Thiere unter Ver-
giftungserscheinungen; bei Anwendung kleinerer. Dosen werden die Thiere nur vor-
übergehend krank (Klein).
^) Hygienische Rundschau 1893. No. 22.
'') Arch. f. Hyg. Bd. 20. 1894. p. 141.
«) Arch. f. Hyg. Bd. 22. 1894. p. 87.
') cf. E. Pfeiffer, Zeitschr. f. Hyg. Bd. Iti. 1894. p. 281. — Wie Voges
(Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17. 1894. p. 478) angegeben hat, bringt die subcutane In-
jection von 2 ccm sterilen destillirten Wassers bei Meerschweinchen bereits eine
Temperaturerhöhung von mehreren Graden hervor; man muss also bei der Bakterien-
einverleibung mögUchst wenig Flüssigkeit mit einspritzen.
*) Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 31.
■') Berl. klin. Wochenschr. 1892. No. 32.
'«) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893.
330 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
nach E. Pfeiffer und Wassermann^) nicht als Giftfestigung-
(cf. p. 214) zu betrachten, sondern als eine Erhöhung der bakterien-
schädigenden Eigenschaften der Körpersäfte der Thiere; eine „Gift-
festigung" der Thiere, ein Unempfänglichmachen gegen beliebige Düsen
giftiger Choleracultur, ist bisher nicht gelungen.
Nach den Ermittelungen von Klein'-) gelingt der künstliche
Impfschutz der Meerschweinchen gegen intraperitoneale
Einverleil)ung virulenter Choleracultur nicht nur durch Einbringung
(durch Erhitzung geschädigter) C h o 1 e r a bakterien , sondern es lassen
sich eine ganze Reihe anderer Baktenenarten (z. B. Vibrio Finkler,
Bacterium coli, Bacillus prodigiosus) ebenfalls zu diesem Zwecke ge-
brauchen. °) Meerschweinchen, die nach der intraperitonealen Ein-
verleibung der Cultur einer derartigen Bakterienart (die zunächst 10 bis
15 Min. auf 62 — 65^ C. erhitzt wurde) nur vorübergehend erkranken
(man darf nicht zu grosse Dosen nehmen : cf. oben p. 329, Anm. 3 ),
zeigen sich nach dem TJeberstehen dieser Impf krankheit gefestigt gegen
die intraperitoneale Einverleibung sonst letal wirkender Dosen virulenter
Choleracultur; ebenso zeigen sie sich auch gefestigt gegen die intra-
peritoneale Einverleibung letaler Dosen irgend einer der anderen ge-
nannten Bakterienarten. Und umgekehrt gewährt auch die intra-
peritoneale KSchutzimpfung, die mit Cholerabakterien vorgenommen wird,
Impfschutz gegen die intraperitoneale Beibringung letaler Dosen irgend
einer der anderen genannten Bakterienarten. — Durch .Sobernheim^)
wurden diese Kl ein" sehen Ermittelungen bestätigt.
R. Pfeiffer und Issaeff'') haben dann darauf aufmerksam ge-
macht, dass die künstliche Schutzimpfung gegen die intraperitoneale
Injection von Cholerabakterien bei Meerschweinchen durch vorgängige
intraperitoneale Einverleibung der verschiedensten (sterilen)
Substanzen gelingt : Blutserum von Menschen " ) und Thieren,
1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14.. 1893.
■-) Centralbl. f. Bakt, Bd. 13. 1893. No. 13.
''^) Nicht alle Bakterienarten sind hierzu zu brauchen. Wie nämlich Klein
später (Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1894. No. 16) mitgetheilt hat, eignen sich z. B.
der Milzbrandbacillus , der Diphtheriebacillus , der Hühnercholerabacillus nicht für
den vorliegenden Zweck. Die Meerschweinchen wurden nach intraperitonealer Ein-
verleibung — selbst grosser Dosen — der (durch Erhitzung) abgetödteten Zellsubstanz
dieser Bakterienarten nicht krank ; sie bekamen in Folge dessen auch keine Resistenz.
^) Hygienische Rundschau 1893. No. 22.
•^) Zeitschr. f. Hygiene. Bd. 16. 1894. p. 282, p. 291 ff.
") Dass das Blutserum normaler Menschen (die keine Choleraerkrankung über-
standen haben) Meerschweinchen gegen die intraperitoneale Einverleibung von Cholera-
bakterien immunisiren kann, hat zuerst (i. Klemperer (Berl. klin. Wochenschr.
Der Konimabacillus der Cholera asiatica. 331
Büuillun, Harn, Nuclemsäurelösungen, Tuberculin. physiologische Koch-
salzlösung lassen sich hierzu gebrauchen. Alle diese Substanzen (eben-
so wie Bakterienzellsubstanz im Allgemeinen) haben, wie R. Pfeiffer
und Issaeff hervorheben, die Eigenschaft, bei ihrer intraperitonealen
Einverleibung eine locale, im Peritoneum sich abspielende Leukocytose
bei den Thieren zu erzeugen ; und diese letztere ist es , welche bei
der folgenden Einverleibung sonst letaler Dosen Bakteriencultur die
Resistenz gegen diese Einverleibung bedingt. 24 Stunden nach der
Schutzimpfung ist die Schutzwirkung am stärksten; nach einer Reihe
von (etwa 10 — 15) Tagen, wenn die Leukocytose verschwunden ist,
ist auch die Resistenz verschwimden. Die genannten Autoren wollen
streng unterschieden wissen zwischen dieser vorübergehenden,
auf Phagocytose beruhenden, Resistenz und einer dauernden
Immunität, welche — falls die Schutzimpfung mit bestimmtem
Bakterienmaterial ausgeführt wurde — nach dem Verschwinden der
genannten Resistenz zurückbleibt, und welche (wie R. Pfeiffer und
Issaeff^) weiter angegeben haben) nur gegen die Infection mit der-
jenigen Bakterienart gilt, mit der die Schutzimpfimg ausgeführt wurde.
Der letztere Punkt, dessen Stichhaltigkeit — wie hier gleich be-
merkt sein mag — bisher durchaus nicht von allen Seiten'-) zu-
gegeben wird, würde also, wenn er thatsächlich zuträfe, die Möglichkeit
eröfihen, Meerschweinchen gegen die intraperitoneale Einverleibung der
verschiedensten Bakterienarten specifisch zu immunisiren: so
würde es demnach auch gelingen die Thiere gegen die Wirkung authen-
tischer, d. h. von menschhchen Cholerafällen stammender, Cholera-
bakterien specifisch zu festigen, und ein solches Thier würde sich dann
ausgezeichnet dazu eignen, festzustellen, ob eine bestimmte, irgendwo
in der Natur (im Wasser etc.) aufgefundene Bakterienart mit dem
Choleravibrio identisch wäre oder nicht. Wir hätten also in der speci-
fischen Immunisirung ein hochwichtiges diagnostisches Kri-
terium, ein Kriterium, welches uns über die grossen Schwierigkeiten
der diagnostischen Beurtheilung in einem solchen Falle (cf. die Aus-
einandersetzungen über diese Frage weiter unten) mit einem Schlage
hinwegsetzen würde. R. Pfeiffer und Issaeff'^) vertreten nun
1S92. p. 970) nachgewiesen. Auch Metschnikof f (Annales de Flnstitut Pasteur
1893. p. 411) hat diese Thatsache festgestellt. Klemperer prüfte die Thiere
12 Stunden nach der Serumeinverleibung auf ihre Resistenz, Metschnikoff
24 Stunden danach.
1) Deutsche med, Wochenscbr. 1894. p. 305; Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17. 1894.
-) cf. weiter unten p. 333.
■') cf. die zuletzt citirten Mittheilungen.
332 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
allerdings diesen Standpunkt. 8ie benutzen ihre specifisch gegen
Cholera immunisirten Meerschweinchen nicht allein in der Weise zur
diagnostischen Beurth eilung zu prüfenden Bakterienmaterials, dass sie
das letztere den Thieren — in sonst letal wirkenden Dosen — intra-
peritoneal einspritzen und den Erfolg abwarten, sondern sie gehen
weiter : sie entnehmen den specifisch gegen Cholera immunisirten Meer-
schweinchen Blut und benutzen dann das ausgeschiedene specifisch
„choleraimmune" Blutserum — welches nachdem Behring'-
schen Gesetz (cf. oben p. 212) die Eigenschaft hat die Immunität auf
normale Indinduen zu übertragen — dazu, um quasi jeden Augen-
blick specifisch choleraimmune Thiere herstellen und an ihnen die
eventuelle Choleranatur irgend welcher zu bestimmender Bakterien-
arten prüfen zu können. Die genannten Autoren geben an, dass man
bei Meerschweinchen, die zunächst subcutan mit choleraimmunem Se-
rum vorbehandelt werden, und die 24 Stunden später eine intraperi-
toneale Injection (in passender, d. h. bei normalen Thieren letal wir-
kender Dosis) von authentischer Cholera cultur bekommen, die injicirten
Vibrionen in dem Peritonealsack während weniger Stunden oder in
noch kürzerer Zeit zu Grunde gehen sieht, ^) während nach der Ein-
verleibung einer andersartigen — wenn auch sonst ähnlichen — Bak-
terienart kein Zugrundegehen der Bakterienzellen stattfindet, sondern
die letzteren sich im Gegentheil weiter entwickeln und bis zum Tode
des Thieres vermehren. Wurde nicht Serum von einem choleraimmu-
nisirten Thier, sondern von einem Thier genommen, welches gegen eine
andere Bakterienart immunisirt war, so zeigt sich ein Zugrundegehen
der Bakterienzellen im Meerschweinchenperitoneum in entsprechender
Weise nur dann, Avenn diese Bakterienart eingebracht Avurde.
E. Pfeiffer-) hat dann die ganze Prüfungsprocedur mit Hülfe solches
„specifisch immunen" Serums dadurch vereinfacht, dass er die zu
prüfende Bakteriencultm' direct mit dem (mit Bouillon verdünnten)
Serum mischt und che Mischung normalen Meerschweinchen in den
Peritonealsack einspritzt.-^) W'urde hierbei choleraimmimes Serum
*) Mit Hülfe eines Capillarröhrchens wird von Zeit zu Zeit ein Ideiner Tropfen
des peritonealen Exsudates hervorgeholt (Zeitschr. f. Hjg. Bd. 17. 1S94. p. 386j.
Das Zugrundegehen der Vibrionen documentirt sich durch wirklichen sichtbaren
Zerfall der Zellleiber; es bilden sich aus den Vibrionen Kügelchen und „Granula'',
bis bald auch diese Trümmer verschwunden sind. Phagocytische Vorgänge (Eiu-
schluss in Leukocyten; cf. oben p. 208) werden dabei nicht beobachtet.
-) Zeitschr. V. Hyg. Bd. 18. 1894.
') Ueber die Einzelheiten des Vorgehens hierbei, die zu beachtenden Cau-
telen etc., hat E. Pfeiffer besondere Mittheilungen gemacht (Zeitschr. f. Hyg.
Bd. U). 1895).
J
Der Koraraabacillus der Cholera asiatica. 333
angewendet, so findet ein Zugrundegehen der (in sonst letal wirkender
Dosis eingebrachten) Bakterienzellen nur dann statt, wenn es sich wirk-
lich nm authentische Cholerabakterien handelte.
Oben bereits (p. 331) sagten wir, dass die Kichtigkeit des von
K. Pfeiffer aufgestellten Princips der specifischen Choleraimmuni-
sirung durchaus nicht von allen Seiten zugegeben wird. Namentlich
ist es Bonhoff ^), welcher auf Grund eingehender Versuchsreihen zu
der Ansicht gekommen ist, dass die nach der intraperitonealen Vor-
behandlung eines Meerschweinchens zurückbleibende dauernde Immu-
nität (cf oben p. 331) nicht nur gegen die bestimmte, bei der Vor-
l)ehandlung benutzte Bakterienart Grültigkeit hat, sondern auch gegen
andere Bakterienarten. Auch von anderen Autoren ^) ist die Stichhaltig-
keit des E. Pfeiffer"schen Princips bestritten worden, während an-
dererseits auch Bestätigungen desselben vorliegen.'^)
An dem Blutserum geheilter menschlicher Cholerapatienten wies
Lazarus'*) meerschweinchenschützende Eigenschaften nach (^cf oben
p. 216). Diese Eigenschaften des Blutserums treten, wie Wasser-
mann'^) fand, beim Menschen nicht sofort nach dem Ueberstehen der
Choleraerkrankung auf, sondern erst einige Wochen danach. Sie sind
noch nach Monaten deutlich nachzuweisen. '^)
Künstliche Choleravibrionenculturen in peptonhaltigen Xährböden
zeigen eine bestimmte chemische Eeaction („Cholerareac-
tion"). Versetzt man nämlich eine derartige Cultur mit chemisch
reiner Salz- oder Schwefelsäure, so nimmt sie eine leichte Bosa- bis
intensive Burgunderrothfärbung an. Es bildet sich hierbei ein be-
stimmter Farbstoff („Choleraroth"). Die Eeaction gelingt mit
peptonhaltiger Fleischbrühe, in welcher die Vibrionen 24 Stunden lang
bei Brüttemperatur gewachsen sind : besser aber nimmt man als Nähr-
flüssigkeit eine einfache 1 proc. wässerige Peptonlösung,
1) Hygienische Kundschau 1894. No. 21; Arch. f. Hyg. Bd. 22. 1894. p. 87,
88; ebenda Bd. 22. 1895. p. 390.
■^) cf. z. B. Kumpel, Berl. klin. Wochenschr. 1895. No. 4.
^) cf. z. B. Wesbrook, Hygienische Kundschau. 1894, p. 823.
*) Berl. klin. Wochenschr. 1892. No. 43, 44.
•') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893.
•«) Nach Issaeff (Zeitschr. f. Hyg. Bd. l(i. 1894. p. 316) sowie nach Sobern-
heim (Hyg, Kundschau. 1895. p. 152) treten bei Menschen, die einen schweren
Choleraanfall überstanden haben, die Schutzstoffe im Blute etwa 2 — 3 Wochen nach
der Erkrankung auf und sind in der 6. Woche sehr kräftig wirksam vorhanden.
Bei leichten Fällen hat (nach Sobernheim) die schützende Wirkung des Blutes
ihren Höhepunkt bereits um die 2. — 3. Woche erreicht; das Blut zeigt sich hier in
der fi, Woche wieder von normaler Beschaffenheit.
334 ^- Die Bakterien als Krankheitserreger.
welche 1 ^/^ Kochsalz enthält, und die event. (durch Sodalösung) alka-
lisch gemacht wurde.^) Zur Beschleunigung der Reaction kann man
die Flüssigkeit nach dem Säurezusatz etwas erhitzen. Die genannte
Reaction wurde von drei verschiedenen Autoren, die unabhängig von
einander arbeiteten, aufgefunden. Zuerst wurde sie mitgetheilt von
Poehl-) (1886), dann von Bujwid=^) (1887) und in demselben Jahre
auch von Dunham.*) Poehl fand die Reaction an Gelatinestich-
culturen, B u j w i d und D u n h a m fanden sie an Culturen auf flüssigen
Nährböden. Von manchen Seiten wurde die genannte Reaction als
für die Choleravibrionen specifisch hingestellt; von anderen Seiten
jedoch wurden gegen die Specifität der Reaction Einwände erhoben:
man behauptete, dieselbe käme auch anderen Kommabacillenarten zu,
die zwar morphologisch den Choleravibrionen ähnlich sind, sonst aber
nichts mit ihnen zu thun haben. Durch Salkowski^) ist die Frage
endgültig entschieden worden. Salkowski hat den Nachweis ge-
liefert, dass die Cholerareaction weiter nichts ist als die gewöhnhche
Nitr OSO -Indol reaction'^) (Indol -j- Salpetrige Säure = Rothfär-
bung). Es giebt eine grosse Reihe von Bakterienarten, denen die Eigen-
thümlichkeit zukommt, aus den Eiweisskörpern des Nährbodens Indol
zu produciren (cf. oben p. 44), während anderen Bakterienarten diese
Fähigkeit abgeht. Zu den indolproducirenden Arten gehört nun auch
der Choleravibrio; es gehören dazu ferner mehrere (weiterhin noch zu
besprechende) andere Arten von Kommabacillen, nämlich der Komma-
bacillus von Finkler, der Kommabaciilus von Deneke, der Vibrio
Metschnikoff, der Vibrio Berolinensis etc. Setzt man zu der Bouillon-
oder Peptoncultur einer dieser Arten salpetrige Säure oder, was auf
dasselbe hinauskommt, eine Gemenge von Kaliumnitrit und Schwefel-
säure, so tritt Rothfärbung ein. Nun hat aber der Choleravibrio (und
1) Siehe E. Koch, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 326. — Die Thatsache,
dass reine Peptonlösungen eine gute Vermehrung der Cholerabakterien gestatten, und
dass solche Choleraculturen die oben genannte Eeaction besser als Bouillonculturen
zeigen, wurde von Dunham (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. 1887. p. 340) ermittelt.
-) Ber. d. Deutschen ehem. Ges. 19. Jahrgang. 1886. p. 1162.
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. 1887.
^) Ebenda.
'") Virch. Arch. Bd. 110. 1887.
'*) Vor der Öalkowski'schen Veröffentlichung hat bereits Poehl (1. c.) an-
gegeben, dass der bei Säurezusatz zu Choleraculturen sich bildende rothe Farbstoff
ein Skatolderivat ist, und dass er von Amylalcohol aufgenommen wird. Brieger
(ebenfalls vor Salkowski) isolirte (Deutsche med. Wochenschr. 1887. No. 15) das
Choleraroth aus Choleraculturen. Er erkannte dasselbe (ebenda 1887. No. 22) als
I n d 0 1 d e r i V a t.
Der Kouimabacillus der Cholera asiatica. 335
der Vibrio Metschnikoflf' sowie der yi])rio Berolinensis theilen diese
Eigenschaft) die fernere Eigen tliümlichkeit, die geringen Mengen von
Nitraten, welche sich in dem Nährboden stets vorfinden, zu Nitriten
zu reduciren,^) während dem Finkler'schen und dem Deneke"schen
Kommabacinus diese Eigenschaft abgeht. In Cholera ciüturen , in
Culturen des Vibrio Metschnikofi" und in Culturen des Vibrio Beroli-
nensis sind also stets Indol und Nitrite vorhanden. Wird nun
reine Salz- oder Schwefelsäure zugesetzt, so wird salpetrige Säure frei,
welche die characteristische Nitrosoindolreaction veranlasst, während bei
den Finkler "sehen und den Deneke'schen Kommabacillen bei dem
Zusatz reiner (salpetrigsäureft'eier) Mineralsäuren die genannte Re-
action selbstverständUch ausbleiben muss.
Die vorhergehende Darstellung trifft auf die Verhältnisse, wie man
sie gewöhnlich beobachtet, zu ; es darf aber nicht verschwiegen werden,
dass man im Laboratorium häufig auch bei den authentischen Finkler-
und D e n e k e - Culturen nach Zusatz von reiner Schwefelsäure Roth-
färbung beobachtet ; ohne Zweifel spielen hier Modificationen des Nähr-
bodens eine Rolle, die wir nicht beherrschen. Aus diesen Thatsachen
sowie aus der weiteren, bereits erwähnten Thatsache, dass eine Reihe
von Vibrionenarten die genannte Reaction ganz regelmässig zeigen,
geht hervor, dass die Nitrosoindolreaction nur einen höchst be-
schränkten diagnostischen Werth besitzt. Man würde den
letzteren, was den Cholera vibrio angeht, nur so fassen können, dass
eine Vibrionencultur in Peptonwasser (cf. p. 333), die die genannte
Reaction nicht giebt, nicht als Choleracultur angesehen werden darf.
Aus dem positiven Ausfall der Reaction würde bezüglich der eventuellen
Choleranatur der geprüften Bakterienart nichts geschlossen werden können.
Die Bedingungen, unter welchen die Nitrosoindolreaction in Pepton-
lösungen am besten zu Stande kommt, sind von Blei seh-) zum
Gegenstande einer besonderen Untersuchung gemacht Avorden. Nach
Blei seh gehört ein bestimmter Gehalt der Peptonlösung an Nitraten
dazu: schon ein geringer Ueberschuss von Nitraten verhindert die
Reaction. •')
1) cf. Petri, Centralbl. f. Bakt. Bd. 5. 1SS9. No. 17—18.
-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893.
'■'') Im Handel kommen ganz verschiedene Peptonsorten vor. Ist man
im Besitze eines absolut nitrat freien Peptons, so beträgt nach Blei seh (I.e.
p. 112, 114) der zwectmässigste Zusatz auf je 100 ccm der 1 proc. Lösung dieses
Peptons 30 bis 5Ü Tropfen einer 0,08 proc. Lösung reinen Kaliumnitrats. Durch
Ausprobiren hat man jedesmal festzustellen, ob die gerade vorliegende Peptonsorte
den zweckentsprechenden Nitratgehalt besitzt.
336 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Die Mtrosoindolreaction lässt sich übrigens nicht nur an Culturen
in flüssigen Nährböden, sondern auch an solchen auf festen Nähr-
böden anstellen. Ausgezeichnet eignen sich nach den Erfahrungen
des V e r f. ^) dazu Oberflächenstrichculturen auf Agar. Man setzt zu
der entwickelten Cultur sehr verdünnte reine Schwefel- oder Salzsäure,
und zwar so viel, dass die Oberfläche des Nährbodens völlig davon
bedeckt wird, und sieht dann im Falle des positiven Resultates nicht
allein die Bakterienmasse sich rosa bis roth färben, sondern auch die
angrenzenden Theile des Nährbodens eine derartige Farbe annehmen.
Auch Kartoffelculturen eignen sich nach meinen Erfahrungen zur An-
stellung der Reaction.
Der Choleravibrio färbt sich mit wässerigen AnilinfarbstofF-
lösungen. Nach der Gram'schen Methode (p. 108 ff.) färbt sich der
Choleravibrio nicht.
Die genaue Kenntniss der in Vorstehendem dargestellten morpho-
logischen und biologischen Eigenschaften des Choleravibrio ermöglicht
es nun, in verdächtigen Ki'ankheitsfällen (z. B. ersten Fällen einer
Epidemie) seine Anwesenheit oder Abwesenheit festzustellen und damit
darzuthun, dass es sich um Cholera asiatica handelt, resp. dass es
sich nicht darum handelt. Denn der Choleravibrio findet
sich con staut und ausschliesslich bei Cholera asia-
tica: die Diagnose dieser Krankheit steht und fällt
mit seinem Nachweise.
Die in der heissen Jahreszeit nicht selten auftretenden Fälle
von sogenannter „Cholera n o s t r a s " (Brechdurchfall) , die mit-
unter nach kurzem Verlaufe tödtlich enden, können der Cholera asia-
tica klinisch und pathologisch -anatomisch völlig gleichen, die Aus-
leerungen eines solchen Falles können denjenigen echter Cholerafälle
makroskopisch und mikroskopisch völlig identisch sein — nur der
bakteriologische Befund ist ein anderer: in dem „Cholera nostras"-
Falle findet sich irgendwelche specifische Mikroorganismenart nicht;
in dem Falle von Cholera asiatica findet sich der Koch" sehe Vibrio.
Bei der sogenannten „Cholera nostras" handelt es sich nach Allem,
was wir bisher darüber wissen, jedenfalls nicht um eine specifische
Ursache; die schweren Darmläsionen (Desquamation des Epithels
[Flocken der Reiswasserstühle]), welche wir bei „Cholera nostras" in
genau derselben Weise finden können wie bei der echten Cholera asia-
tica, sind ohne Zweifel genau so auf Schädigungen durch giftige Körper
') Deutsche med. Woehenschr. 1S92. p. 1125.
Der Kommabacillus der Cholera asiatica. 337
ZU beziehen, wie das bei der Cholera asiatica der Fall ist. Während
aber bei der letzteren Krankheit das Gift ein specifisches ist, ge-
bildet bei der Vermehrung einer bestimmten, speci fischen
Mikroorganismenart innerhalb des Körpers, so sind die bei der „Cholera
nostras" in Betracht kommenden Gifte wahrscheinlich in verschiedenen
Fällen verschieden, und es ist auch durchaus noch nicht ausgemacht,
dass diese Gifte in allen Fällen durch Mikroorganismen gebildet wer-
den, und, wo das Letztere der Fall, dass sie innerhalb des von der
Ivrankheit befallenen Körpers producirt werden. Es ist ein gewaltiger
Unterschied bezüglich der im Interesse des Allgemeinwohls zu ergreifen-
den hygienischen Massregeln, ob der vorKegende unter ver-
dächtigen Erscheinungen acut zu Grunde gegangene Fall Cholera asia-
tica oder „Cholera nostras" ist: Im Falle der Cholera asiatica ist eine
Krankheitsursache vorhanden, die die Fähigkeit hat sich ausserhalb
und innerhalb des menschlichen Körpers zu vermehren und so die
Krankheit zu reproduciren; im Falle der „Cholera nostras"
handelt es sich um Schädlichkeiten, die nach Allem, was wir darüber
wissen, die Fähigkeit der Vermehrung und der Eeproduction nicht
besitzen.
Wie gestaltet sich nun das praktische Vorgehen bei der bakterio-
logischen Untersuchung eines verdächtigen Falles? Obenan ist hier
stets die Forderung zu stellen, dass das Material so frisch wie
nur irgend möglich untersucht wird, dass es in möglichst
originalem Zustande, möglichst in dem Zustande, in welchem
es im Körper des Erki-ankten vorhanden war, zur Prüfung herangezogen
wird. Handelt es sich um einen verdächtigen Todesfall, so muss die
Section so bald wie möglich nach dem Tode vorgenommen werden,
damit der Dünndarminhalt zur Untersuchung entnommen werden kann:
handelt es sich um einen lebenden Kranken, so müssen die Dejec-
tionen möglichst bald nach der Entleerung aus dem Körper untersucht
werden. Die Forderung, das Material in jedem Falle möglichst frisch,
möglichst original zu untersuchen, ist deshalb von so ausserordent-
licher Bedeutung, weil der von dem Kranken entleerte resp. nach dem
Tode in der Leiche stagnirende Darminhalt, je mehr Zeit verfliesst,
desto mehr Veränderungen erleidet; es tritt Vermehrung der einen.
Absterben der anderen Mikroorganismen ein, und es ist durchaus nicht
unmöglich, dass die heute in dem Material vorhandenen und mit
Leichtigkeit nachweisbaren Cholerabakterien morgen oder gar über-
morgen nicht mehr vorhanden und also auch nicht mehr nachweisbar
sind. Besonders bei Sommertemperatur treten solche Verschiebungen
der bakteriologischen Beschaffenheit des Materiales sehr leicht und
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 22
338 ß- ^^^ Bakterien als Krankheitserreger.
schnell ein. Lässt es sich nicht ermöglichen, die bakteriologische
Prüfung desselben sofort in Angriö" zu nehmen, muss es z. B. zur
Untersuchung erst an ein mehr oder weniger entferntes Institut ver-
schickt werden, so ist das Material (Dejection des Kranken resp. doppelt
unterbundene Dünndarmstücke der Leiche) — selbstverständlich ohne
Zusatz von Desinfectionsmitteln — in gut verschliessbare Glasgefässe
zu füllen, und die letzteren sind, am besten in Eis verpackt, auf dem
kürzesten Wege an den Bestimmungsort zu befördern. Da es auch in
diesem Falle vorkommen kann, dass das Material sich in der oben
angedeuteten Weise verändert, so würde ich stets rathen, dass der zu
dem Falle zugezogene Arzt neben der Sorge um möghchst schnelle
und zweckmässige Expedirung des Materials noch die Herstellung
einer Reihe von Ausstrichpräparaten aus demselben übernimmt.
Diese Präparate werden mit dem übrigen Materiale zugleich an die
Untersuchungsstelle eingesandt, um dort mikroskopisch geprüft
zu werden. Es handelt sich hier nicht etwa um die Herstellung
fertiger mikroskopischer Präparate von Seiten des mit Berufs-
geschäften ohnehin überhäuften Arztes, sondern nur um die Fixirung
des momentan noch unverändert vorliegenden Krank-
heitsmateriales auf einer Glasfläche zum Zwecke der
dauernden Festlegung in diesem originalen Zustande.
Mit irgend einem passenden MetalKnstrument, z. B. einer kleinen Pin-
cette (die nach dem Gebrauch durch Ausglühen desinficirt Avird) oder
Aehnlichem, wird aus dem verdächtigen Material eine Schleimflocke
entnommen und auf eine durch Abwaschen etc. gut gesäuberte, trockene
Glasfläche (im Nothfalle genügt ein Stück Fensterglas etc.) so unter
Aufdi'ücken ausgestrichen, dass Schleim- etc. Theilchen in dünner Schicht
an der Glasfläche hängen bleiben. Man lässt die Schicht, ohne weiter
(durch Ivratzen etc.) an ihr zu manipuliren, lufttrocken werden und
legt dann die so vorbereiteten Glasstückchen, in reines Schreibpapier
einzeln eingeschlagen, dem abzusendenden Untersuchungsmateriale bei.
Sind mikroskopische Deckgläser zur Stelle, so wird man natürlich diese
für den genannten Zweck gebrauchen.
Die auf die angegebene Weise — von frischem, originalem Ma-
terial — hergestellten Ausstrichpräparate sind von gar nicht hoch
genug anzuschlagendem Werthe. In einer solchen angetrockneten
Schicht bleibt die Morphologie des aufgestrichenen Materiales dauernd
völlig unverändert: und dem Untersucher, welcher nachher diese Prä-
parate in der gewöhnlichen Weise des Trockenpräparates mit Anilin-
farben färbt und mikroskopisch untersucht, ist damit wenigstens ein
Einblick in die originalen morphologischen Verhältnisse
Der Kommabacillus der Cholera asiatica. 339
ermöglicht und gesichert, wenn auch in dem flüssigen Untersuchungs-
materiale s o 1 c h e Veränderungen vor sich gegangen sein sollten, dass
ein sicheres Ilrtheil allein nach der (mikroskopischen und Cultur-)
Untersuchung des letzteren sehr schwer oder auch gar nicht mög-
Kch ist.
Die mikroskopische Untersuchung des frischen
M a t e r i a 1 e s kann in positiven Fällen die Diagnose der
Cholera asiatica ohne "Weiteres entscheiden. Das ist
nicht etwa so zu verstehen, dass, wenn man verdächtiges Material im
Mschen Zustande mikroskopisch untersucht, der Befund von komma-
förmig gekrümmten Organismen ohne Weiteres zur Diagnose „Cholera"
berechtigte. Vereinzelte konimaförmig gekrümmte Bakterien kann man
in jeder beliebigen Fäcesprobe antreffen. Zur mikroskopischen Diagnose
„Cholera" gehört vielmehr stets der Nachweis, dass Kommabacillen
in sehr grossen Mengen, in das ganze Bild beherrschender
Anzahl vorhanden sind. Ein derartiger. Befund ist bisher bei keiner
anderen Krankheit und ebenso wenig beim normalen Menschen gemacht
worden: er ist für Cholera asiatica characteristisch. Auch füiden sich
die Vibrionen, wie das Koch bereits 1884 beschrieben und abgebildet^)
und neuerdings wieder in Erinnerung gebracht^) hat, in den bei der
Präparation fadenförmig ausgezogenen Stellen des Schleims häufig in
characteristisch geformten Gruppen liegend: „Sie bilden nämlich Häuf-
chen, in denen die einzelnen Bacillen sämmtlich dieselbe Richtung
haben, so dass es so aussieht, als wenn ein kleiner Schwann der-
selben, wie etwa Fische in einem langsam fiiessenden Gewässer, hinter
einander herziehen." Dieses Bild im Besonderen ist für Cholera asia-
tica durchaus characteristisch. Es sei aber nochmals betont, dass diese
Sicherheit der mikroskopischen Choleradiagnose ausschliesslich für die
Untersuchung des absolut frischen, originalen Materials gilt,
und dass sie nur gilt für den positiven, zweifellosen Befund.
Wird das Material nicht frisch untersucht, oder trifft man bei fiischem
Material die Vibrionen nicht in überwiegender Anzahl oder auch gar
nicht an, so ist aus solchem Befunde nie ein Urtheil zu ziehen. Hier
sind wir bezüglich des letzteren ausschliesslich auf die Cultur unt er-
suchung angewiesen. So viel ist aber sicher, dass ein gutes, von
dem frischen Materiale hergestelltes mikroskopisches Präparat unter
Umständen die Diagnose ermöglichen kann, wo sie aus den veränderten
und verdorbenen Dejectionen nicht mehr zu stellen ist.
1) Deutsche med. Wochenschr. 1S84. No. 32. p. 501.
2) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 324.
22^
340 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Selbstverständlich wird, wo dies irgend angängig ist, die mikru-
skopische Untersuchung dui'ch die Culturuntersuchung ergänzt.
Es ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass sich in den Dejectionen
echter Cholerafälle (neben den Koch 'sehen Kommabacillen ) , nnd
ebenso auch in den Dejectionen von „Cholera nostras" - Fällen , nicht
selten spirillenförmige Gebilde vorfinden. Es handelt sich bei
diesen spirillenfürmigen Gebilden höchst wahrschemlich um zwei von
einander difierente Formen. Die am häufigsten beobachteten hierher
gehörigen Dinge haben die Gestalt der gewöhnlichen Zahnspiro-
chaeten (cf. Taf. I, Fig. 1. rechts und links am Rande des Bildes):
feine, schwach färhbare, mit unregelmässigen flachen Windungen und
mit zugespitzten Enden versehene Spirillen. Viel seltener scheint eine
andere hierher gehörige Form zu sein: ziemlich grosse, mit
mehreren regelmässigen Windungen versehene, aber hier und da auch
Kommaform zeigende Gebilde, welche ebenfalls zugespitzte Enden be-
sitzen. (Ueberträgt man auf die Gestalt dieser letzteren Gebilde die
für die Durchschnittszeichnung einer Welle gebräuchlichen Bezeich-
nungen, so handelt es sich mn schön gieichmässig geformte, hohe
und weite Wellenberge und mn entsprechend gestaltete Thäler.) Beide
Spirillenformen sind schon nach ihrer Gestalt nicht mit Cholera-
l)akterien zu verwechseln: die Cholerabakterien sind plumper, kürzer
und dicker als die fi-aglichen Gebilde; die letzteren haben ausserdem
(wie bereits erwähnt) zugespitzte Enden, während die Enden der
Cholerabakterien stumpf abgerundet sind. Die Herstammung dieser
Spirillen imd die Bolle, welche ihnen eventuell zukommt, ist noch
vöUig zweifelhaft; übrigens lassen sich beide Spirillenformen künstlich
nicht züchten. Auf das Vorkommen der fi-agiichen Gebilde in De-
jectionen von Cholera asiatica resp. von „Cholera nostras" hat zuerst
(1884) Escherich ^) aufmerksam gemacht: dann wurden die Ge-
bilde (1886) von de Giaxa und Lustig-), ferner (1887) von Gruber^^)
sowie von V. Babes^), dann (1892) von Für bring er •^), \ielleicht
•) Münch. ärztl. Intell.-Bl. 1884. No. 51. p. 562 links; der Autor bemerkt
liier, dass sich „Zahnspirochaeten" in Cholerastühlen in grosser Häufigkeit
-) Wien. med. Wochenschr. 1886. p. 424, 425. Gute Zeichnung daselbst
p. 425; nach der letzteren handelt es sich um die zahnspirochaeten-förmigen Gebilde.
") Wien. med. Wochenschr. 1887, p. 225.
^) 6. Internat. Congr. f. Hyg. u. Demogr. Wien 1887. Verhandlungen Heft 18.
p. 80 und 118, 119.
°) Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 34. p. 768. Hier handelte es
sich um die schön regelmässigen, grossen Spii'illen bei einem Falle von „Cholera
nostras".
Der Kommabacillus der Cholera asiatica. 341
auch von M. Kirchner^), gesehen; neuerdings hat Kowalski-)
wiederum die Aufmerksamkeit auf diese Grebilde gelenkt, und eine
Keihe anderer Autoren-') haben über entsprechende Befunde berichtet.
Behufs der Cultur unter suchung verdächtigen Materials geht
man so vor, dass man von den Dejectionen oder von dem Darminhalt
der Leich(}, und zwar am besten von einer Schleimflocke, in bekannter
Weise Gelatineplatten anlegt (cf. oben p. 139 ö".). Zu diesem
Zwecke zerreibt und vertheilt man das Material in einem Röhrchen
geschmolzener Nährgelatine (passender Beschaffenheit; cf. oben p. 319),
legt Verdünnungen an und giesst die so inficirte Gelatine auf Platten,
in Schälchen etc. aus. Die Platten (oder Schälchen etc.) sollen bei 22^ C.
aufbeAvahrt werden. Bei dieser Temperatur sind die aus den event.
vorhandenen Cholerabakterien entstehenden Colonien in 18 — 24 Stunden
so weit gediehen, dass sie eine sichere Beurtheilung gestatten.*) Ent-
wickelte Platten von Choleradejectionen bieten nun schon makroskopisch
ein von anderen Fäcesplatten differentes Bild. Während nämlich auf
Fäcesplatten im Allgemeinen — im Gegensatz zu der enormen An-
zahl der mikroskopisch in dem Aussaatmaterial nachweisbaren Bakterien
— gewöhnlich nur relativ spärliche Colonien bei Zimmertemperatur
zur Entwicklung gelangen, so findet man Platten von Choleradejec-
tionen gewöhnlich mit Colonien übersäet, deren grösste Mehrzahl dem
Choleravibrio angehört: Der Choleravibrio unterscheidet sich von der
Mehrzahl der sonst in Fäces vorkommenden Bakterien schon dadurch,
dass er auf der Gelatineplatte gut zur Auskeimung gelangt. Findet
man nun bei der Untersuchung der Platte mit schwacher Vergrösse-
rung die den Choleracolonien zukommenden Merkmale (cf. p. 320).
^) Berl. klin. Wochenschr. 1892. p. 1074: sehr lange und zierliche, künstUch
nicht züchtbare Spirillen bei 2 Fällen von „Cholera nostras".
-) K. K. Ges. d. Aerzte in Wien. 1. Dec. 1893. — Offic. Protokoll Wien,
klin. Wochenschr. 1893. p. 888.
'^) Abel, Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1894. No. 7; Aufrecht, ebenda
No. 12; Eechtsamer, ebenda No. 21; Grassberger, Wien. klin. Wochenschr.
1894. No. .50. p. 943; Pestana und Bettencourt, Centralbl. f. Bakt. 1. Abth.
Bd. 17. 1895. p. 522.
^) Benutzt man Nährgelatinen, welche höheren Temperaturen — etwa 28 "C. —
ausgesetzt werden können, ohne zu schmelzen, so kann man (wenn man die Culti-
virung bei der genannten Temperatur vornimmt) schon in 9—10 Stunden Culturen
erhalten, welche eine sichere Diagnosestellung ermöglichen. Solche Nährgelatinen
construirten Pane sowie Eisner (cf. oben p. 125). Vergl. auch die der Arbeit
von Eisner (Arch. f. Hyg. Bd. 21. 1894) beigegebenen Photogramme von Platten-
colonien. — Bezüglich der Quahfication von Nährgelatine für den Zweck der Cholera-
untersuchung überhaupt vergl. auch das oben (p. 320, Anm. 1) über den Deycke'-
schen Nährboden Gesagte.
342 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
lind constatirt man l)ei der Abimpfimg der fraglichen Colonien und
Untersuchung des Abgeimpften mit starker Vergrösserung , dass die
Colonien aus kommaförmigen Organismen bestehen, so ist die Diagnose
„Cholera asiatica" sichergestellt.
Es muss an dieser Stelle betont werden, dass diese sichere Diagnose
aus dem Plattenbefunde nur dann möglich ist, wenn — was wir vor-
aussetzten — die Platte mit solchem Material angelegt ist, welches
unmittelbar von dem erkrankten Menschen stammt. Ln
immittelbaren Zusammenhange mit dem Krankheitsfalle ist ein der-
artiger Plattenbefimd fiir Cholera asiatica durchaus specifisch; er ist
sonst nirgends erhoben worden. Auf der anderen Seite ist der blosse
Plattenbefund ohne das Kriterium des Zusammenhanges mit dem
Krankheitsfalle — z. B. der' Befund einer mit choleraYerdächtigem
Trinkwasser angelegten Platte — wemi die vorhandenen Colonien auch
noch so grosse Aehnlichkeit mit Choleracolonien haben, fiir die Dia-
gnosticirung des Choleravibrio nicht ohne Weiteres zu verwerthen.
Selbst wenn die verdächtigen Colonien aus kommaförmigen Bakterien
zusammengesetzt sind, ist die sichere Beurtheilung nicht ohne Weiteres
möglich; denn wir kennen von dem Choleravibrio diflferente Komma-
1)acillenarten, deren Plattencolonien in gewissen Entwickelungsstadien
genau so aussehen wie die Colonien des Choleravibrio ; wir wissen auch,
dass derartige Kommabacillenarten im Wasser vorkommen können.
Auf der andern Seite aber wissen w- mit Sicherheit, dass im mensch-
lichen Darme vorkommende Kommabacillen, die zur Entstehung cholera-
ähnlicher Colonien auf der Platte Yeranlassung geben, nur Cholera-
vibrionen sein können.^)
Neuerdings hat Koch") neben der Gelatineplattencultur auch
die A g a r p 1 a 1 1 e n c u 1 1 u r zur Choleradiagiiose empfohlen. Man lässt
das geschmolzene, in Doppelschalen ausgegossene sterile Agar zunächst
erstarren und dann (zum Zwecke der Verdunstung der ausgepressten
oberflächlichen Flüssigkeitsschicht) mehrere Tage im Brütschrank stehen.'^)
Auf die Oberfläche des so vorbereiteten Nährbodens breitet man das
zu untersuchende Material mit einer Platinöse aus. Bei 37^ C. ent-
stehen dann aus Cholerabakterien schon nach 8—10 Stunden relativ
grosse Colonien, die allerdings in ihrem Aussehen nicht sehr characte-
ristisch sind (cf. oben p. 321). Die Colonien muss man dann abimpf en
^) Vergl. bezüglich der vorhergehenden Auseinandersetzung die oben (p. 192,
Anra. 1) gegebenen Ausführungen.
•-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 330.
^) Auch andere Manipulationen eignen sich zur Entfernung der oberflächhchen
Flüssigkeitsschicht (cf. oben p. 1.59, Anm. 2).
Der Koramabacillus der Cholera asiatica. 343
und auf kommaförmige Organismen untersuchen. Findet man Komma-
bacillen, und stammte das Material unmittelbar von dem erkrankten
Menschen, so kann es sich nur um Choleravihrionen handeln. — Die
Agarplattencultur kann zur Beschleunigung der Diagnose-
stellung verwandt werden. In jedem Falle wird man sich auf sie
allein — bei dem wenig characteristischen Aussehen der Colonien und
bei den vorkommenden Schwankungen in der Form der Einzelzellen
des Choleravibrio (cf. p. 318) — nicht verlassen, sondern daneben
stets auch Gelatineplatten anlegen, welche ein viel sichereres, wenn auch
nicht so schnell zu erhebendes, Urtheil gestatten.
Zur weiteren, wenn nicht Sicherung, so doch Bestätigung der
Diagnose kann neben der Gelatine- und der Agarplattencultur auch
die (mit hergestellten Reinculturen , am besten in Peptonlösung [cf.
oben p. 333], anzustellende) Nitro soindolreaction sowie der
Thier versuch (intraperitoneale Injection von Reinculturen bei Meer-
schweinchen [cf. oben p. 327]) ausgeführt werden.
Alle diese Kriterien, das mikroskopische Bild, die Gelatine-, die
Agarplatte, die Indolreaction und der Thierversuch , geben — wenn
das Material wirklich von einem Cholerafalle stammt und frisch zur
Untersuchung kommt — gewöhnhch übereinstimmende Resultate. Das
Resultat der mikroskopischen Untersuchung kann (siehe oben p. 339)
mitunter zweifelhaft sein, während die übrigen diagnostischen Hülfs-
mittel ein völlig sicheres, übereinstimmendes, unzweideutiges Resultat
ergeben.
Steht das zu untersuchende Material nicht in unmittelbarem
Zusammenhange mit einem verdächtigen Ki'ankheitsfalle , liegen z. B.
Dejectionen vor, die schon eine Reihe von Tagen bei Sommertemperatur
gestanden haben und verfault sind , oder hat man ein des Cholera-
vibrionengehaltes verdächtiges Trink^vasser zu untersuchen etc., so ge-
staltet sich die Diagnose nicht ganz so einfach wie bei frischem, vom
Kranken oder von der Leiche stammenden Material (cf. oben p. 192,
Anm. 1 ). Hat man in solchen Fällen kommaförmige Organismen auf-
gefunden, so muss man sie nach allen Richtungen hin, d. h. durch
Züchtung auf den verschiedensten Nährböden und bei verschiedenen
Temperatm-en , durch Anstellung der Indolreaction und des Thier-
versuches mit echten, authentischen Cholera Vibrionen vergleichen und
kann dann event. das Urtheil abgeben, dass der aufgefundene Or-
ganismus sich mit den heutigen Hiilfsmitteln in keiner Beziehung von
dem Choleravibrio unterscheiden lässt. Auf den Ausfall des Thier-
versuchs wird man in solchen Fällen, bei der schwankenden Virulenz
des Choleravibrio (cf. p. 328), nicht allzu grosses Gewicht zu legen
344 B- Diö Bakterien als Kranldieitserreger.
haben. — Auch das Kriterium der R. Pfeiffer ■gehen specifischen
Immunisirung (cf. oben p. 331 ff.) käme bei dieser Prüfung des frag-
lichen Materials event. in Betracht.
Um in solchen Fällen, wo in den verdächtigen Dejectionen nur
wenige oder gar keine Konmiaformen mikroskopisch auffindbar sind,
die event. vorhandenen Cholerabakterien dennoch der miki'oskopischen
Beobachtung und weiteren Untersuchung zugängig zu machen, hat
Schottelius^) folgendes Verfahren empfohlen: 100 bis 200 ccm der
verdächtigen Dejectionen werden mit 250 bis 500 ccm Nährbouillon
innig vermischt; das Gemisch bleibt 10 bis 12 Stunden in offenem
Gefasse bei Brüttemperatur stehen. Die event. vorhandenen (sauerstoff-
bedürftigen [cf. p. 319]) Cholerabakterien sollen sich währenddessen
an die mit der atmosphärischen Luft in Contact stehende Oberfläche
der Flüssigkeit begeben und sich hier vermehren, so dass man nach
Ablauf der obengenannten Zeit durch mikroskopische Untersuchung
einer Spur der oberflächlichen Schicht der Flüssigkeit ihre Gegenwart
nachweisen kann. Büchner'^) hat ein ähnhches Verfahren der „Vor-
cultur", welches ebenso wie das Schottelius'sche eine relative
Vermehrung der vorhandenen Cholerabakterien anderen Mkroorganismen
gegenüber bezweckt, angegeben: Er sterihsirt eine 7 Tage im Brüt-
schrank gCAvachsene Bouillon- oder Peptoncultur des Choleravibrio durch
Kochen und verdünnt sie dann mit dem 10 fachen Volumen 0,6 proc.
Kochsalzlösung. Der so erhaltene flüssige Nährboden ist für die Cholera-
bakterien nach Buchner viel günstiger als für andere Organismen.
Bringt man kleine Quantitäten des zu untersuchenden Materials in diesen
Nährboden hinem, so sammeln sich etwa vorhandene Cholerabakterien
an der Oberfläche der Flüssigkeit an, vermehren sich hier und bilden ein
Häutchen, welches die Cholerabakterien event. in Reincultur enthalten
kann. An die genannten Methoden der Vorcultur von Schottelius
und von Buchner lehnen sich Verfahrungsweisen an, welche Gruber'^),
Bnjwid*) und Andere angegeben haben. Koch'^) hat später, emp-
fohlen, eine relative Vermehrung der Cholerabakterien in dem zu
untersuchenden Materiale dadurch herbeizuführen, dass man in die
oben (p. 333) angegebene Pepton- Kochsalzlösung, die sich im
Reagenzglase befmdet, eine oder mehrere Platinösen der zu unter-
suchenden Dejection oder einige Schlemiflocken aus derselben einbringt
^) Deutsche med. Woclienschr. 1885. No. 14.
■-) Münch. ärztl. InteU.-Bl. 1885. No. 50.
^) Wiener med. Woclienschr. 1887. No. 7, S.
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 4. 1888. No. Iß. p. 494.
") Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 326 ff.
Der Kominabacillus der Cholera asiatica. 345
und dann die Cultur in den Brütschrank (37^ C.) stellt. Die event.
vorhandenen Cholerabakterien vermehren sich in diesem ihnen ausser-
ordentlich zusagenden (p. 334, Anm. 1) Nährboden sehr schnell und
bilden oft schon nach 6 Stunden an der Oberfläche der Flüssigkeit ein
zusanunenhängendes Häutchen, welches dann miki'oskopisch und durch
Plattencultur weiter untersucht wird.^) — Selbstverständlich wird man
bei Benutzung solcher Vorculturmethoden , solcher Methoden, die den
Zweck haben, das Untersuchungsmaterial an Choleravibrionen „anzu-
reichern", niemals versäumen dürfen, gleichzeitig mit der Yorcultur
Plattenculturen anzulegen; denn es ist nie mit Sicherheit auszuschliessen,
dass in dem Untersuchungsmateriale eine anderweitige Bakterienart
vorhanden ist, die ein ähnliches Sauerstoffbedürfiiiss besitzt wie der
Choleravibrio, und die vermöge ihrer Eigenbeweglichkeit ebenfalls an
die Oberfläche der Flüssigkeit steigt und dort sogar den Choleravibrio
verdrängt. Xatürlich wird diese Möglichkeit der Verdrängung und
Ueberwucherung des Choleravibrio durch eine andere Bakterienart eine
verschiedene sein müssen je nach der Zeitdauer, während der das
Gemisch der Brüttemperatur ausgesetzt wm'de. Koch-) giebt aus-
drücklich an, dass die Untersuchung der Pepton -Vorcultur am besten
6 bis 12 Stunden nach der Aussaat vorgenommen wird, dass später
die Cholerabakterien auch in den oberflächlichen Flüssigkeitsschichten
gewöhnlich von anderen Bakterien übervmchert und verdrängt werden,
so dass also der Fall eintreten kann, dass sie bei einer zu späten Unter-
suchung nicht mehr gefunden werden. Jedenfalls aber ist die Mög-
lichkeit der Ueberwucherung auch in den ersten Stunden der Yor-
cultur im einzelnen Falle a priori nie von der Hand zu weisen, imd
ein bei der Vorcultur sich ergebendes negatives Resultat würde daher
stets mit Vorsicht zu vervverthen sein. Durch gleichzeitige Anlegung
von Plattenculturen aus dem Untersuchungsmaterial (die übrigens Koch
bei Gelegenheit der Empfehlung der Pepton -Vorcultur für die Unter-
suchung von Dejectionen in erster Reihe vorschreibt) sichert man sich
jedenfalls stets die Uebersicht über die ursprünglich vorhandenen Ver-
hältnisse.
') Maassen (Arb. a. d. Kais. Ges.-Arate. Bd. 9. 1894. p. 122) hat ein
anderes Princip der Vorcultur angegeben: Er streicht das Material auf der Ober-
fläche von erstarrtem Blutserum aus. Waren Cholerabakterien in dem Mate-
riale vorhanden, so haben dieselben nach 6—12, spätestens nach 20 Stunden Brüt-
schrankcultur das Blutserum an den entsprechenden Stellen peptouisirt; der Nährboden
erscheint dann wie angefressen, es haben sich Löcher und Kinnen gebildet, in deren
Tiefe die Vibrionen meist in Reincultur zu finden sind.
2) Zeitschr. f. Hjg. Bd. 14. 1893. p. 327.
346 B- Die Bakterien als Kjankheitserreger.
Es muss übrigens darauf liingewiesen werden, dass nicht in jedem
Cholerafalle die Koch "sehen Vibrionen in jeder einzelnen Portion der
Dejectionen vorhanden sind. Sie können gelegentlich während ganzer
Tage aus den Dejectionen verschwinden, um dann wieder aufzutreten.
Aus einer einzelnen Untersuchung mit negativem Er-
gebniss ist also ein bindender Schluss nicht ohne
Weiteres gestattet.^) Im Durchschnitt sind die Cholerabakterien
bis zum 10. Tage nach der Erkrankung im Darminhalt anzutreffen.-)
Bei Gelegenheit der Choleraepidemien 1 S92/93 sind die Cholerabakterien
gelegenthch auch in den Dejectionen scheinbar gesunder
resp. nicht mit allgemeinen Störungen erkrankter Personen, ja selbst
im festen geformten Stuhl, aufgefunden worden.-^) Diese
leichtesten Cholerafälle sind nur unter Gruppen von Menschen be-
obachtet, Avelche gleichmässig der Cholerainfection ausgesetzt waren
und neben den leichten auch schwere Fälle aufwiesen.^) Sie bedeuten
weiter nichts, als dass die individuelle Disposition des Menschen für
die Cholerainfection eine sehr verschiedene ist'^) (cf. auch oben p. 326).
Behufs der Untersuchung von verdächtigem AVasser auf event.
vorhandene Cholerabakterien ging man früher ausschliesslich so vor,
dass man eine geringe Quantität des zu untersuchenden Wassers mit
geschmolzener Nährgelatine vermischte, das Gemisch zur Platte aus-
goss und dann unter den aufgehenden Colonien auf choleracolonien-
ähnlich aussehende fahndete. Findet man bei dieser Gelegenheit der-
artige Colonien, so werden sie abgeimpft, ihr Inhalt Avh^d auf Komma-
bacillen geprüft, und, falls sich Kommabacilien linden, wird das Material
auf seine sonstigen Cultur- etc. Eigenschaften hin (am besten imter
ständiger Vergleichung- mit authentischen Choleravibrionen) untersucht,
um dann event. (mit mehr oder weniger grosser Sicherheit resp. Wahr-
scheinlichkeit) als mit Cholera identisch oder als von Cholera different
erkannt zu werden.*^) Mit Hülfe dieser Gelatineplattenmethode hat
^) Vergl. Kumpel, Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 7.
•-) Vergl. Flügge, Zeitsclir. f. Hyg. Bd. 14. 1S9.3. p. 157. — Die Cholera-
vibrionen scheinen sich gelegentlich lange Zeit in dem Darm des Menschen halten
zu können. Dönitz (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. 1894. p. 49) fand sie in einem
Falle bis zum 46. Krankheitstage, Kolle (ebenda p. 48) in einem Falle bis zum
48. Krankheitstage.
") Vergl. Canon, Lazarus und Pielicke, Berl. khn. Wochenschr. 1892.
No. 48. p. 1216; Eumpel, Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 7.
*) cf. Koch, Zeitschr. l Hyg. Bd. 14. 1893. p. 321.
'") cf. Flügge, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 189ö. p. 158.
") Die Prüfung auf die eventuelle Choleranatur der bei solcher Gelegenheit
gefundenen Kommabacilien hat mit der allergrössten Sorgfalt und unter Berück-
Der Komraabacillus der Cholera asiatica. 347
z. B. Koch (cf. oben p. 177, 323) 1884 in dem Wasser eines Tank
in der Nähe von Calcntta Cholerabakterien nachgewiesen, nnd auch
in einigen späteren Fällen ist der Nachweis von Cholerabakterien im
Wasser auf diese Weise gelungen.
Im Allgemeinen aber hat, me wir bereits ol)en (p. 178) aus-
einandersetzten, die Feststellung vereinzelter Choleracolonien auf der
Celatineplatte neben einer grossen Ueberzahl anderer Colonien — die
sich auf Wasserplatten stets entwickeln — ihre sehr grossen Schwierig-
keiten ; und es ist deshalb ohne Weiteres verständhch, dass die genannte
Methode nur in sehr wenigen Fällen ein positives Resultat gezeitigt
hat. Man hat deshalb nach Verbesserungen der Methode gesucht,
und es sind in neuerer Zeit derartige Verbesserungen mehrfach an-
gegeben und von autoritativen Stellen empfohlen worden. AVir sagten
bereits oben (p. 179), dass die Verbesserungen darauf beruhen, dass
man dem zu untersuchenden Wasser zunächst bestimmte für das
Wachsthum der Cholerabakterien günstige Zusätze giebt, und dass
man das Gemisch dann eine gewisse Zeit bei einer für die Cholera-
bakterien sehr günstigen, für die Wasserbakterien weniger günstigen
Temperatur stehen lässt. Man sucht dadurch — in ähnlicher Weise,
wie es die (cf. oben p. 344, 345) von Schottelius und Anderen an-
gegebenen, in modificirter Weise später auch von Koch empfohlenen
„Anreicherungs"- Methoden bei der Untersuchung von Dejectionen be-
zwecken — eine relative Vermehrung der event. vorhandenen Cholera-
bakterien anderen Bakterien gegenüber zu erzielen. In der resultirenden,
im Vergleich zu dem ursprünglichen Wasser an Cholerabakterien so
viel reicheren Flüssigkeit müssen die letzteren selbstverständlich viel
leichter nachweisbar sein als in dem ursprünglichen, an Cholerabakterien
armen Wasser.
Eine derartige Methode wurde meines Wissens zuerst von Pas-
qual e ^) zum Zwecke der Auffindung der Cholerabakterien im Wasser
benutzt. Dann hat Heim-) ein derartiges Verfahren empfohlen (Zu-
satz von 2 ^Iq Pepton und 1 °/q Kochsalz zu dem zu untersuchenden
sichtigung sämmtlicher Kriterien der Artbestimmung zu geschehen; die Wasser-
untersuchungen, die gelegentlich der Choleraei^idemie 1S92 von vielen Seiten aus-
geführt wurden, haben gezeigt, dass im Wasser ganz regelmässig Kommabacillenarten
vorkommen, die in der Form der Plattencolonie, wenn auch unter Um-
ständen nur in gewissen Entwickelungsstadien , mit Cholera grössere oder geringere
Aehnlichkeit aufweisen (cf. weiter unten im Text).
^) cf. oben p. 327, Anm. 2. Pasquale züchtete bei dieser Gelegenheit einen
Wasservibrio rein, welcher. mit dem Cholera vibrio nicht identisch ist (vergl. auch
weiter unten im Text p. 352).
■-) Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. p. 3.53 ff.
348 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Wasser und folgender Aufenthalt im Brutschrank), ferner Loeffler^)
(200 ccm des Wassers werden mit 10 ccm alkalischer Peptonbouillon
versetzt; das Gemisch wird 24 Stunden im Brütschrank gehalten, und
es werden dann von der oberflächKchen Flüssigkeitsschicht Platten an-
gelegt); ähnhch ist auch das Verfahren von Arens.-) Flügge-^) emp-
fiehlt, zu 100 ccm des zu untersuchenden Wassers so \iel concentrirtes
alkalisches Peptonwasser zuzusetzen, dass eine 1 proc. Peptonlösung
entsteht; die Mischung wird 10 Stunden bei 37^ C. gehalten, und
dann werden von der Oberfläche der Flüssigkeit Proben zu G-elatine-
platten verarbeitet oder auf Agar gebracht. Koch"^) setzt dem Wasser
1*^/0 Pepton und 1% Kochsalz zu, hält die Mischung dann bei 37" C
Nach 10, 15, 20 Stunden wird die Oberfläche auf Cholerabakterien
weiter untersucht.
Wenn man derartige Methoden anwendet, so vriid man es
sich stets gegenwärtig halten müssen, dass — ebenso, wie wir es
oben (p. 345) für die entsprechende Behandlung zu untersuchender
Dejectionen entmckelt haben — es nie a priori ausgemacht ist, dass
nicht in dem zu untersuchenden Wasser Bakterien vorhanden sind,
welche bei der geschilderten Behandlung eine ähnliche Vermehrung
erfahren wie die Cholerabakterien, die dabei event. sogar noch günstigere
Bedingungen finden als die Cholerabakterien und die letzteren über-
wuchern und unterdrücken. (Einen Mila'oorganismus, welcher die letz-
teren Eigenschaften besitzt, und der noch dazu ein für Meerschweinchen
pathogener mid die Xitrosoindolreaction gebender Vibrio ist, habe ich'^)
z. B. in dem Vibrio Berolinensis [cf. weiter unten im Text] festgestellt.)
Es ist deshalb stets erforderlich, neben der Vorcultur Platten-
culturen von dem ursprünglichen Wasser anzustellen,
welche allein eine Uebersicht über die originalen Verhältnisse gestatten.
17. Der Vibrio MetschnikofT.
Im Jahre 1888 publicirte Gamaleia*') Untersuchimgen über
eine in Odessa im Sommer epizootisch vorkommende, äusserlich der
Hühnercholera (cf. oben p. 309) sehr ähnliche, Krankheit des
') Greifswalder med. Verein. 3. Dec. 1892. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. p. 384.
-) Müncli. med. AVocbenschr. 1893. No. 10.
') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 167.
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 336.
'•) Arch. f. Hyg. Bd. 19. 1893. p. 221,
'■') Annales de l'Inst. Pasteur. 1888. No. 9, 10.
Der Vibrio Metschnikoff. 349
Geflügels, uamentlicli junger Hühner („Gastro-enterite chole-
riqne"). Pathologisch -anatomisch unterscheidet sich die Krankheit von
der Hühnercholera besonders dadurch, dass die Milzschwellung fehlt,
und dass der Darm einen mehr choleraähnlichen Zustand zeigt. Ga-
maleia führte den Nachweis, dass die genannte Krankheit veranlasst
wird durch eine bestimmte Kommabacillenart („Vibrio Metschni-
kovi"), welche dem Choleravibrio in vieler Beziehung ausserordentlich
ähnlich ist.
Eine genauere Kenntniss des Vibrio Metschnikoff verdanken
wir R. Pfeiffer^) und Nocht. Die Autoren haben sich im Koch'-
schen Institute eingehend mit dem genannten Mikroorganismus be-
^^chäftigt.
Der Vibrio Metschnikoff ist ein gekrümmtes Stäbchen, ein
Kommabacillus. Seine Zellen sind etwas kürzer und (gewöhnlich) er-
heblich stärker gekrümmt als die des Choleravibrio (cf. Taf. X, Fig. 58).
Der Organismus ist lebhaft eigenbeweglich. Die Bewegung wird
vermittelt durch einen langen, sehr feinen Geisselfaden, welcher, wie
beim Cholera^äbrio , dem einen Ende der Zelle angeheftet ist. Die
Geissein lassen sich nach der oben (p. 80 ff.) beschriebenen Loeffler'-
schen Methode gut darstellen. In künstlichen Culturen zeigen sich
häufig (ähnlich wie beim Choleravibrio) Spirillenbil düngen.
Der Vibrio Metschnikoff ist facultativ anaerob. Er wächst
auf den gewöhnlichen bakteriologischen Nährböden bei Zimmer- sowohl
wie bei Brüttemperatur; bei letzterer wächst er schneller.
Auf der Gelatineplatte zeigen nicht alle Colonien des Vibrio
M. identisches Aussehen. Während eine Reihe von Colonien in ihrer
Gestalt, der Schnelligkeit ihres Wachsthums und der Verflüssigung
der Gelatiae von Colonien des Ein kl er 'sehen Kommabacillus (cf.
weiter unten) makroskopisch sowohl wie miki'oskopisch kaum zu unter-
scheiden sind, zeigen andere Colonien derselben Platte in den ge-
nannten Beziehungen ausserordentliche Aehnlichkeit mit dem Cholera-
vibrio. Der Vibrio M. neigt also sehr dazu, Spielarten zu bilden. In
der Gelatinestichcultur zeigt sich die Wachsthumsschnelligkeit
des Vibrio M. etwa der des Deneke "sehen Kommabacillus (cf. Aveiter
unten) entsprechend. Im Uebrigeu sind Gelatinestichculturen des
Vibrio M. von entsprechend älteren Choleraculturen in ihrem Aussehen
nicht zu unterscheiden.
Auf der A g a r Oberfläche bildet der Vibrio M. Beläge, welche
denen des Choleravibrio gleichen.
1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. 1889.
350 B- Diö Bakterien als Krankheitserreger.
Bouilloncultureu des YiMo M. zeigen allgemeine Trübung und
event. auch oberflächliche Kahmhautbildung, genau wie Choleraculturen.
Durch Zusatz von salpetrigsäiu'efreien Mineralsäuren erhält man Roth-
färbung (Nitrosoindolreaction) genau wie bei Choleraculturen
(cf. oben p. 333).
Auf Kartoffeln wächst der Vibrio M. (wie dies auch der
Choleravibrio thut) nur bei Brüttemperatur und bei hoher Zinuner-
temperatur (21 — 22^ C). Das Wachsthum ist etwas ki-äftiger als das
des Choleravibrio; die auf den Kartoffeln entstehenden Beläge gleichen
im Uebrigen denen des Choleravibrio (cf. p. 322).
Sporenbildung ist bei dem Vibrio M. nicht nachgewiesen.
Leicht und mit Sicherheit von dem Choleravibrio zu unterscheiden
ist der Vibrio Metschnikoff durch den Thierversuch.
Tauben (die der Cholerainfection kaum zugänglich^) sind) bilden
geradezu ein Reagens auf den Vibrio M. Impft man einem solchen
Thiere eine minimale Menge der Cultur in den Brustmuskel, so geht
das Thier innerhalb von 20 Stunden zu Grunde. Es findet sich eine
ausgedehnte gelbliche Verfärbung und Nekrose des geimpften Muskels:
derselbe ist von einem blutigen Oedem durchtränkt, in welchem die
Vibrionen massenhaft zu finden sind. (Auf Taf. X, Fig. 58, ist ein
Ausstrichpräparat des Muskelsaftes der Taube bei 1000 fa eher Ver-
grösserung dargestellt. Man bemerkt hier neben zwei rothen Blut-
körperchen, deren Kerne intensiv gefärbt hervortreten, eine Menge
der characteristisch gekrümmten Vibrionen.) Ebenso finden sich die
Vibrionen in ungeheuren Mengen im Herzblut. Die Lungen zeigen
sich blutreich, Leber und Milz anaemisch und schlaff. Der Darm ist
blass, mit mehlsuppenartiger Flüssigkeit in massigem Grade erfüllt.
Hier finden sich Vibrionen nur in geringerer Anzahl. Vom Magen
aus sind Tauben kaum zu inficii-en. Junge Huhne r verhalten sich
genau wie Tauben. Nur fmden sich in ihrem Herzblut nicht so un-
geheure Mengen der Vibrionen wie bei Tauben.
^) Diese Angabe über das Verhalten der Tauben gegen Impfung mit Cholera
stammt von E. Pfeiffer und Nocht (h c). Salus hat, in Bestätigung früherer
Angaben von Gamaleia, kürzlich (Arch. f. Hyg. Bd. 19. 1S93. j). 342) darauf
hingewiesen , dass Tauben auch mit dem Cholera vibrio septicaemisch zu in-
ticiren sind; es gehören nur virulente Culturen dazu. (Die Virulenz der Cholera-
culturen ist bekanntlich sehr wechselnd und schwankend; cf. oben p. 32S). Ebenso
constatirte Weibel (Arch. f. Hyg. Bd. 21. 1894. p. 34 und 41) die Möghchkeit
der Infection von Tauben durch den Choleravibrio. Seine — zunächst wenig viru-
lenten — Culturen machte sich Weibel dadurch stärker virulent und damit pathogen
für Tauben, dass er sie in den Körper der weissen Maus einbrachte und von Maus
zu Maus in Passagen weiter verimpfte.
Der Vibrio Metsclinikoff. 351
Mäuse sind wenig empfänglich, Kaninchen unempfänglich.
Sehr empfänglich sind dagegen Meerschweinchen. Diese
Thiere lassen sich sowohl subcutan wie vom Magen aus tödtlich infi-
ciren; in dem letzteren Falle muss man (wie bei der experimentellen
Erzeugung der Meerschweinchencholera [cf. p. 324]) den Mageninhalt
vorher mit Sodalösung alkalisch machen und durch intraperitoneale
Einverleibung von Opiumtinctur die Darmperistaltik eliminiren.
Die Yertheilung der Vibrionen in dem Körper der an der Infec-
tion zu Grunde gegangenen Thiere hat^ R. Pfeiffer veranlasst, den
iSTamen „Vibrionen septicaemie'' für die durch den Vibrio M. ver-
anlasste Krankheit vorzuschlagen.
Meerschweinchen und Tauben lassen sich durch Einverleibung
sterilisirter Culturen gegen die Infection mit lebenden Culturen im-
mun isiren. ^) Das Blutserum immunisirter Meerschweinchen besitzt
(im Gegensatz zu dem Blutserum normaler Meerschweinchen) bacteri-
cide Eigenschaften dem Vibrio M. gegenüber (Behring und Nissen;
cf. oben p. 211, Anm. 3).
Aeltere Bouillonculturen des Vibrio M. reagiren stark alkalisch.
Dieselben enthalten einen auf die empfänglichen Versuchsthiere äusserst
giftig einwii-kenden chemischen Körper gelöst. Neutralisirt man die (vor-
her im Dampftopf bei 100^ C. sterilisirten) Bouillonculturen mit Salz-
säure, so bleibt die Giftigkeit derselben ungeändert ; die Neutralisation
mit Schwefelsäure hingegen schwächt die Giftwirknng erhebUch ab.
Der Vibrio Metschnikoff färbt sich mit kalten Farblösungen:
er färbt sich nicht nach der Gram 'sehen Methode (j). 108 ö*.).
E. Pfuhl'-) fand (im Sommer 1893) im Wasser des „Nordhafens"
zu Berlin einen Vibrio („Nordhafen- Vibrio") , den er nach allen seinen
Eigenschaften mit dem Vibrio Metschnikoff für identisch hält. Kutscher '^)
hat angegeben, dass er (im Herbst 1894) den Vibrio Metschnikoff in
dem Wasser der Lahn miterhalb von Giessen gefunden hat.
^) Gamaleia (1. c) hatte angegeben, dass der Vibrio M. sich benutzen lässt,
um Thiere gegen die Infection mit dem Cholera vibrio zu immunisiren, und dass um-
gekehrt auch mit Hülfe des Choleravibrio Thiere gegen Infection mit dem Vibrio
M. immun gemacht werden können. R. Pfeiffer und Nocht (1. c.) bestritten die
Möglichkeit der Erzielung dieser wechselseitigen Immunität. Salus (Arch. f. Hyg.
Bd. 19. 1893. p. 346) ist neuerdings zu dem Eesiütat gekommen, dass die Angabe
von Gamaleia zu Recht besteht.
2) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17. 1894.
3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 19. 189.5. p. 476.
352 B- Die Balvterien als Krankheitserreger.
18. Wasservibrionen.
Unter der Bezeichmmg „Wasservibrionen" versteht man
solche Kommabacillenarten, die sich in öffentlichen Wasserläufen finden,
und die bei Gelegenheit von bakteriologischen Untersuchungen des
Wassers aufgefunden werden. Vor der grossen Hamburger Cholera-
epidemie des Jahres 1 892 waren derartige Mikroorganismen so gut wie
unbekannt. Erst die regelmä^sigeren bakteriologischen Wasserunter-
suchimgen, welche aus Anlass dieser Epidemie vorgenommen wurden,
und die sich die Aufgabe stellten, dem Cholera\äbrio in den Wasser-
läufen nachzuspüren, haben solche Bakt-erienarten öfters auffinden lassen.
Die Zahl der auf diese Weise ermittelten Wasservibrionenarten ist jetzt
schon eine recht beträchtliche, und von Zeit zu Zeit kommen immer
neue derartige Befunde zu unserer Kenntniss. Die Wasservibrionen
haben fiir den Bakteriologen ein besonderes Interesse deshalb, weil
ihre Unterscheidung von dem Choleravibrio mit den uns zu Gebote
stehenden Hülfsmitteln vielfach (das gilt aber durchaus nicht für alle
Arten) eine recht schwierige ist, weil diese Befunde uns also lehren,
dass man bei der Diagnose des Choleravibrio, sofern das zu beurthei-
lende Bakterienmaterial aus W^asser stammt, ausserordentlich vorsichtig
sein soll (cf. oben p. 346, Anm. 6). Anderntheils erwecken viele von
den in Rede stehenden Arten an sich schon unser Interesse, da es sich
dabei um Bakterienarten handelt, die fiir unsere Versuchsthiere eine,
z. Th. nicht unbeträchtliche, Pathogenität besitzen.
Die wesentlichsten dieser Befunde sind — chronologisch geordnet
— folgende:
„Spirillum marinum." Dieser Vibrio wurde im Jahre 1891
von Russell^) im Wasser des Golfs von Neapel gefunden; er zeigte
sehr kräftiges Wach sthum auf Kartoffeln, Avuchs bei Brüttemperatur nicht.
„Massaua-Vibrio." Pas quäle-) fand diesen Mikroorganis-
mus im Jahre 1891 in Brunnenwasser in Massaua. Der Vibrio wächst
bei Brüttemperatur und ist durch eine hohe Pathogenität lür Meer-
schweinchen ausgezeichnet. Der Massaua -Vibrio unterscheidet sich
durch eine Reihe von Merkmalen beträchtlich von dem Choleravibrio:
seine Zellen sind gewöhnlich gerade gestreckt, zeigen sehr selten
Kommaform, die Beläge auf Agar sind schleimig und fadenziehend,
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1891. p. 198.
'^) cf. oben p. 327, Anm. 2.
Wasservibrionen. 353
die Rotlifärbimg bei Zusatz von Schwefelsäure zu Peptonwasserculturen
(Mtrosoindolreaction ; cf. oben p. 334) ist eine sehr wenig deutlich
ausgesprochene.
Renon^) fand in Seinewasser (dicht unterhalb der Stadt Paris,
bei Billancourt) einen grossen, nicht pathogenen Vibrio.
„Vibrio Danubicus". Dieser Vibrio wurde ini Jahre 1892
von H e i d e r -) aus dem Wasser des Wiener Donaukanals isolh-t. Der
Vibrio, dessen Colonien in fi-ühen Stadien mit Choleracolonien Aehnlich-
keit haben, giebt die Nitrosoindolreaction (cf. p. 334); er ist für
Meerschweinchen pathogen.
„Vibrio aquatilis". Dieser Vibrio wurde vom Verf.'^) im
Herbst 1892 im Wasser der Oberspree in Berlin aufgefunden. Ein
Ausstrichpräparat dieses Mkroorganismus ist auf Taf. X, Fig. 60, wieder-
gegeben. Der Vibrio aquatilis ist von dem Choleravibrio in den ersten
Tagen des Wachsthums auf der Gelatineplatte durch die Colonienform
mit Leichtigkeit und Sicherheit zu unterscheiden: er bildet kreisrunde,
glattrandige, feingranulirte Colonien. Erst in einem späteren Stadium
der Entwickelung, bei fortschreitender Verflüssigung, tritt eine entfernte
Aehnlichkeit der Colonien mit Cholera auf. Der Vibrio aquatilis unter-
scheidet sich femer von dem Choleravibrio vor Allem durch den stets
negativen Ausfall der Mtrosoindolreaction (cf. p. 334, 335) und durch
den völligen Mangel pathogener Eigenschaften. Seine Culturen riechen
unangenehm nach Schwefelwasserstoff" und Mercaptan. Das Temperatur-
optinmm liegt bei c. 28° C. Der Vibrio aquatilis wuchs ursprünglich
auf flüssigen Nährböden sehr schlecht, bei 37° C. auf diesen Nährböden
gar nicht (auf Agar wuchs er hingegen von vornherein bei 37° C);
im Laufe der Jahre hat er im Laboratorium die Fähigkeit angenommen
in Bouillon bei 37° C. gut zu wachsen.*) Spirillenbildungen, wie
man sie z. B, beim Choleravibrio (cf. p. 318) und auch bei vielen
anderen Vibrionen sieht, habe ich bei dem Vibrio aquatilis nicht
beobachtet.
0 Ann. de l'Inst. Pasteur. 1892. No. 9. p. 629 S.
-) K. K. Ges. d. Aerzte in Wien. 11. Nov. 1892. (Orig.-Ber. Wien. med.
Wochenschr. 1892. p. 1809.) — Ausführl. Mittli. im Centralbl. f. Bakt. Bd. 14.
1893. No. 11.
^) Deutsche Ges. f. öff. Ges.-Pfl., Sitzung v. 28. Nov. 1892. — Deutsche med.
Wochenschr. 1892. No. 49. p. 1124.
*) cf. auch meine Mittheilung im Arch. f. Hyg. Bd. 21. 1S94. p. 97.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 23
354 B- l^iß Bakterien als Kraukheitserregei'.
Einen mit dem Vibrio aquatilis höchstwahrsclieiulich identischen
Vibrio fand (ebenfalls 1892) Kiessling^) in dem Abflusswasser der
Wäscbe des Filtrirsandes des Altonaer Wasserwerkes. Der Befund ist
insofern von besonderem Interesse, als er zunächst zur Verwechselung
mit Cholera A^eranlassung gegeben hat.-)
Im Herbst 1892 fand Loeffler'^) in Peenewasser in Demmin
2 verschiedene Kommabacillenarten. Die erste verflüssigte die Gelatine
schnell, stand in ihrem Verhalten dem Finkl er 'sehen Vibrio (cf.
p. 359) nahe; die andere verflüssigte die Gelatine langsam.
In Münchener Brunnenwasser fand Weibe 1^) im November 1892
eine die Gelatine verflüssigende, in Bouillon bei Brüttemperatur gut
wachsende Vibrionenart. Der Weibel'sche Vibrio stellt sich in
manchen Beziehungen meinem „Vibrio aquatihs" (cf. p. 353) nahe; das
Temperaturoptimum liegt, wie ich constatiren konnte, bei c. 28*^ C. ;
die Culturen haben denselben unangenehmen Geruch wie die des Vibrio
aquatilis.
„Bacillus c h 0 1 e r 0 i d e s " a und ß. — Zwei Arten von Komma-
bacillen,'^) deren eine Bujwid im October 1892 in Warschauer Weichsel-
wasser fand, Avährend die andere von Orlowski, Bujwid' s Assi-
stenten, in dem Wasser eines Brunnens in Lublin gefunden wurde.
Beide Arten scheinen sich dem W e i b e T sehen Vibrio resp. meinem
„Vibrio aquatilis" nahe zu stellen.
Im Herbst 1892 züchtete Fokker*"') aus dem Wasser eines Hafens
in Groningen eine Kommabacillenart , welche die Gelatine rasch ver-
flüssigt, auf flüssigen Nährböden schlecht wächst; die Culturen zeigten
keine Pathogenität für Versuchsthiere.
E. Koch^) hat im Mai 1893 angegeben, dass in seinem Institut
aus Wässern der verschiedensten Herkunft mit Hülfe der Pepton-
^) Discussion im Anschlüsse an meinen oben (p. 353) citirten Vortrag über den
Vibrio aquatilis. — Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 8. 1893.
^) Vergl. hierüber Kiessling (Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 8. 1893.
p. 432, Anm.), ferner Wallichs, Kreisphysikus in Altena (Deutsche med. Wochen-
schrift. 1892. p. 1050 links unten).
3) Greifswalder med. Verein 3. Dec. 1892. — Centralbl. f. ]5akt. Bd. 13. p. 384.
*) Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. p. 117.
5) Centralbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. p. 120.
<*) Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 1G2.
') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 338.
"V^'asservibrionen . 355
vorciütur fcf. p. 347) fast ein Dutzend Arten gekrümmter Bakterien
reincnltivirt seien, die sich alle sehr leicht imd sicher dm-ch das Fehlen
der Indolreaction (cf. p. 334) imd der toxischen Wirkimg auf Meer-
schweinchen von dem Choleravibrio unterscheiden liessen.
„Vibrio Berolinensis". Dieser Organismus wurde im Sommer
1893 von M. Neisser/) der in Eubner's Institut arbeitete, in
Berliner Leitungswasser aufgefunden.
Es handelt sich um einen Kommabacillus, der in der Form der
Einzelzellen, in der Gestalt und Anheftungsweise der Geisseifäden
dem Choleravibrio völlig gleicht. Der Vibrio Berolinensis wächst
bei Zimmer- und bei Brüttemperatur; bei der letzteren wächst er
schneller.
Der Vibrio Berolinensis ist durch die Form der Gelatine-
plattencolonie von dem Choleravibrio ohne Weiteres zu unter-
scheiden. Junge (1 bis 2 Tage alte) Colonien zeigen nicht wie die des
Choleravibrio (cf. p. 320) grobkörniges Gefüge, sondern sind erheblich
viel feinkörniger, in der Durchsicht heller als die des Choleravibrio; der
Rand ist nicht wie der der Choleracolonien unregelmässig höckerig,
sondern meist absolut glatt und ki'eisrund, nur selten ganz wenig un-
regelmässig gestaltet. Mit zunehmendem Alter nehmen die Colonien
(besonders die mehr isolirt liegenden, von einem gi'össeren Bezirke
steriler Gelatine imigebeneu) gewöhnlich ein (heller oder dimkler) bräun-
liches Colorit an und bekommen dabei ein buckeliges, höckeriges, manch-
mal nahezu radiär gelapptes Aussehen; aber auch in diesem Stadium
sind sie von Choleracolonien dadurch mit Sicherheit zu unterscheiden,
dass das Gefüge der Buckel, Höcker und Lappen nicht grobkörnig,
sondern feinkörnig ist. Die Colonien haben die Tendenz, über eine
gewisse geringe Grösse nicht hinauszugehen. Die Gelatine wird ganz
ausserordentlich langsam verflüssigt. Li der Gelatine-
stichcultur zeigt sich Wachsthum längs des ganzen Impfstiches;
von oben her erfolgt ganz allmähliche Verflüssigung der Gelatine.
In der Agar-Oberflächenstrichcultur wächst der Vibrio B. gewöhn-
lich Avie der Choleravibrio. Mitunter (besonders wenn das Wachsthum
von einzelnen dünnen Impfstrichen ausgegangen und die Obei-fläche des
Nährbodens bereits etwas eingetrocknet ist) kommt es auf der Agar-
oberfläche zur Ausbildung voluminöser trockener, runzeliger, an chagrai-
nirtes Leder erinnernder Auflagerungen.
^) Vorläufige Mittbeilung von Rubner, Hyg. Rundschau 1893. No. 16;
ausführliche Arbeit von Neisser, Arch. f. Hyg. Bd. 19. 1893.
23*
356 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Wie Kiiprianow^) in Kubner's Institut ermittelte, bildet der
Vibrio B. bei der Cultur in Traubenzucker -Bouillon (zum Unterschiede
von dem Choleravibrio [cf. p. 321]) optisch inactive Milchsäure.
Ausserordentlich empfindlich sind Meerschweinchen gegen
die Einverleibung des Vibrio B. Bringt man einem Meerschweinchen
von 300 bis 400 g Gewicht die Aufschwemmung einer kleinen Platinöse
frischer Agarcultur des Vibrio intraperitoneal bei, so geht das Thier
unter Temperaturabfall in 1 bis 2 Tagen zu Grunde. Es zeigt dann
einen ganz ähnlichen Befund wie die nach intraperitonealer Einver-
leibung des Choleravibrio gestorbenen Meerschweinchen (cf. p. 327).
Die Nitrosoindolreaction (cf. p. 334) zeigt der Vibrio B.
genau so wie der Choleravibrio.
Xach der Gram 'sehen Methode (p. 108 ff.) färbt sich der Vibrio
B. nicht.
Der Vibrio Berolinensis beansprucht unser Interesse nicht nur aus
dem Grunde, weil er ein Vibrio ist, der den positiven Ausfall der
Nitrosoüidolreaction und die Eigenschaft der Thierpathogenität mit dem
Choleravibrio gemeinsam hat, von dem letzteren jedoch leicht durch
die Gelatineplattencultur zu unterscheiden ist, sondern vor Allem aus
dem Grunde, weil er — wie ich") festgestellt habe — das Vermögen
hat, in der Peptonwasservorcultur bei 37 o C. den Choleravibrio zu über-
^vuchern und zu verdrängen (cf. auch oben p. 348).
Bonhoff'^) beschrieb 1893 einen Vibrio, welchen er aus Wasser
von Stolp in Pommern reincultivii't hatte. Es handelt sich um einen
die Gelatine nicht verflüssigenden, am besten bei Brüttemperatur
wachsenden, Traubenzuckerbouillon unter Gasbildung vergährenden
Kommabacillus, welcher, in Peptonwasser cultivirt, die Nttrosoindol-
reaction (cf. oben p. 334) zeigt, für Meerschweinchen nur wenig pa-
thogen ist.
Dunbar^) beschrieb eine im Juli 1893 in seinem Institut von
0 e r g e 1 aus Eibwasser isolirte Vibrionenart, deren ausgebreitetes Vor-
kommen im Stromgebiet der Elbe darauf von Dunbar festgestellt
wm'de. Es handelt sich um eine dem Choleravibrio sehr ähnliche Art.
Gemeinsam mit dem letzteren hat der Vibrio das üppige Wachsthum
1) Arcli. f. Hyg. Bd. 19. 1S93. p. 293.
4 Arch. f. Hjg. Bd. 19. 1893. p. 221.
3) Arch. f. Hyg. Bd. 19. 1893. p. 252 ff.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 799; Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte.
Bd. 9. 1S94.
Wasservibrionen . 357
bei 37^ C, den positiven Ausfall der Xitrosoindolreaction (cf. p. 334),
das Aussehen der Gelatineculturen, die Pathogenität für Meerschwein-
chen; der einzige Unterschied, der zwischen dem neuen Vibrio und
dem Choleravibrio festgestellt werden konnte, war der, dass die Ent-
wickelungsenergie des Wasservibrio überall eine grössere zu sein schien.
Kutscher^) ist es dann gelungen an dem beschriebenen Vibrio
noch eine weitere Differenz von dem Choleravibrio festzustellen, näm-
lich das Vermögen der Phosphorescenz. Die Culturen des Vibrio —
und zwar eignen sich dazu am besten Culturen auf den gewöhnlichen
rieischwasserpepton-Nährböden — leuchten im Dunkeln; das Tem-
peraturoptimum fiir das Leuchten liegt bei c. 22*^ C. (Kutscher hat
angegeben, dass das Phänomen der Phosphorescenz unabhängig von
ihm auch von 0er gel entdeckt worden sei.)
Der in Eede stehende Vibrio wurde, wie Kutscher mitgetheilt
hat, auch aus den Dejectionen einiger Personen, welche z. Th. an
Diarrhöen erkrankt waren, durch Cultur gewonnen. Er hat also die
Fähigkeit, gelegentlich den menschlichen Darmkanal zu passii-en.
B lach st ein") isohrte 1893 einen Vibrio aus Seinewasser, der
mit dem Choleravibrio Aehnlichkeit hatte, aber feiner granulirte Colo-
nien zeigte.
Sanarelli-^) isolirte 1893 eine ganze Reihe von Vibrionenarten
aus Seine- und Marnewasser, von denen einige die Nitrosomdolreaction
gaben und pathogen für Versuchsthiere waren.
W er nick e^) beschrieb 1894 drei verschiedene Vibrionenarten,
welche er aus Elb- resp. Havelwasser isolirt hatte.
Der „Eibvibrio I" stellt einen nicht pathogenen, grossen
Kommabacillus dar, der am besten bei etwa 23^ C, aber auch bei
37^ C. wächst. Er verflüssigt die Gelatine stärker als der Cholera-
vibrio, ist durch positiven Ausfall der Mtrosoindolreaction (cf. p. 334)
ausgezeichnet.
Der „Eibvibrio D" ist ein sehr kleiner Kommabacillus. Seine
Colonien auf der Gelatineplatte sind verschiedenartig, z. Th. cholera-
ähnlich gestaltet; er verflüssigt die Gelatine langsamer als der Cholera-
vibrio. Er ist durch positiven Ausfall der Nitrosoindolreaction aus-
^) Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 1301.
-) Annales de l'Inst. Pasteur. 1893. p, 691.
^) Annales de l'Inst. Pasteur. 1893. No. 10.
^) Arch. f. Hyg. Bd. 21. 1894.
358 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
gezeichnet und ist ganz ausserordentlich pathogen für Meerschweinchen,
Tauhen, Kaninchen, Mäuse, Feldmäuse.
Der „Havelwasservibrio" ist grösser und dicker als der
Choiera-vdbrio ; er bildet auf der Grelatineplatte Colonien, welche die
Gelatine z. Th. verflüssigen, z. Th. solide lassen; die Nitrosoindol-
reaction giebt er nicht; er ist nicht pathogen.
E. Pfeiffer führt in einer kürzlich publicirten Tabelle^) unter
anderen Vibrionen auch eine Eeihe von Wasservibrionenarten an.
Kutscher"") hat im Herbst 1894 die Gewässer von Giessen
(Lahnfluss) bakteriologisch untersucht und eine grössere Eeihe von
Vibrionenarten daraus isoürt. Es handelt sich 1) um einen gTossen,
die Gelatine nicht verflüssigenden, die Nitrosoindolreaction (cf. p. 334)
nicht gebenden, nicht pathogenen Vibrio ; 2) um zwei grosse, die Gela-
tine langsam verflüssigende, stark gekrünmite Vibrionen, die wenig
pathogen sind und die Nitrosoindolreaction nicht geben; 3) um sechs
in ihren Eigenschaften dem Finkl er 'sehen Vibrio (cf. den nächsten
Abschnitt) nahestehende Ai'ten; 4) um einen Vibrio, der mit dem
Vibrio Metschnikofi" identisch ist (cf. oben p. 351); 5) um neun in
ihren Eigenschaften dem Choleravibrio nahestehende Vibrionenarten.
19. Vibrionen anderer Herstammung.
Nachstehend sollen eine Eeihe von Vibrionenarten kurz erwähnt
werden, welche nicht aus Wasser, sondern aus dem verschieden-
artigsten anderweitigen Material reingezüchtet worden sind. Es giebt
da Vibrionen, welche aus älteren Fäcesproben, aus Käse, aus cariösem
Zahnbein, aus dem Erdboden, aus dem Secret des Cervix bei Endo-
metritis chronica, aus dem Sputum eines Pneumonikers, aus Dünger-
jauche gewonnen sind ; es finden sich aber auch eine Eeihe von Vibrio-
Arten darunter, welche aus fiischen diarrhoischen Ausleerungen, z. Th.
in Fällen von Choleraverdacht, isolii't wurden. Aus den letzteren Be-
funden ersieht man, dass es eine ganze Eeihe von Vibrio -Arten giebt,
welche, wenn sie in den menschlichen Darmkanal hineingelangt sind,
denselben unversehrt zu passiren vermögen, so dass sie nachher aus
den Dejectionen wieder gewonnen werden können. Einer der Befunde
(„Vibrio Eomanus") zeigt im Speciellen, dass unter Umständen sogar
<) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 19. 1S95. p. 93 if.
-) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 19. 1895.
Vibrionen anderer Herstammung. 359
solche Arten den menschlichen Darmkanal unversehrt passiren und
aus den Dejectionen dann isolirt werden können, die gar nicht die
Fähigkeit der Vermehrung hei Körpertemperatur besitzen, bei denen
also von einer eventuellen Vermehrung im Innern des Darmkanals
gar keine Rede ist. Im Gegensatz hierzu steht ein anderer der Be-
funde („Lissaboner Vibrio"). Hier haben wir es mit einem Mikro-
organismus zu thun, von dem es nicht unwahrscheinlich ist, dass er
die Ursache des epidemischen Auftretens einer (gutartigen) Gastro-
enteritis gewesen ist.
Die wichtigsten Befimde, welche in diese Gruppe hinein gehören,
sind, chronologisch geordnet, die Folgenden:
Der Kommabacillus von Finkler und Prior („Vibrio
Proteus"). Mit dem Koch 'sehen Kommabacillus der Cholera
asiatica fiir identisch gehalten wurde von Fink 1er und Prior^)
eine Kommabacillenart, welche diese Forscher (1884) in mehrere
Tage alten, faulenden Dejectionen eines Falles von „Cholera
nostras" fanden. Eine genauere Prüfung des Finkler 'sehen Komma-
bacillus hat ergeben, dass derselbe von dem Choleravibrio total ver-
schieden ist, dass derselbe aber auch mit der „Cholera nostras"
nicht das Geringste zu thun hat.-) Der Finkler 'sehe Vibrio
ist später nie wieder, weder bei „Cholera nostras" noch sonst irgendwo,
einwandsfrei aufgefunden worden (R. Koch^)). Er hat heute niu- noch
historisches Interesse. Seine Culturen werden in den bakteriologischen
Laboratorien von Reagenzglas zu Reagenzglas weitergezüchtet.
Der Finkler' sehe Kommabacillus („Vibrio Proteus") erscheint
etwas grösser als der Cholera vibrio, ist im Uebrigen morphologisch
kamn von dem letzteren zu unterscheiden. Er ist sehr lebhaft beweglich,
wächst in künstlichen Culturen, wie dies auch der Choleravibrio thut,
häufig zu Spirillen aus (beginnende Involution). Die Kommabacillen
tragen je eine Geis sei, die, wie bei den Choleravibrionen, an dem
einen Ende angebracht ist.
Auf künstlichen Nährböden cultivirt unterscheidet sich der
Finkler' sehe Vibrio ausserordentlich von dem Choleravibrio. Er
wächst bei Zimmertemperatur ganz unvergleichlich viel schneller, ver-
^) Tageblatt der 57. Vers, deutscher Naturf. u. Aerzte. Magdeburg. 1884.
p. 216 fr. (Deutsche med. Wochenschr. 1884. p. 632, 657). — Tageblatt d. 58. Vers,
deutsch. Naturf. u. Aerzte. Strassburg. 1885. p. 438 — 440. — Ergänzungshefte z.
Centralbl. f. allg. Ges.-Pfl. Bd. 1. 1885. p. 279 ff.
^) Vergl. das oben (p. 336) über die Aetiologie der „Cholera nostras''
^') Zeitschr. f. Hyg. Bd. 14. 1893. p. 329.
360 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
flüssigt die Gelatine riel energisclier. Auf der Gelatineplatte
bilden sich schnell kreisrunde, schnell an Umfang zunehmende Colonien,
in deren Bereich die Gelatine verflüssigt ist. Auf Agar bilden sich
grauweisse, glänzende Ueberzüge aus. In Bouillonculturen kann
sich gelegentlich, in ähnlicher Weise wie bei dem Choleravibrio, eine
oberflächliche Kahmhaut bilden. Auf Kartoffeln wächst der
F i n k 1 e r ' sehe Vibrio — zum Unterschiede von dem Choleravibrio
(cf. p. 322) — viel schneller ; er gedeiht auf diesem ISTährboden schon
bei niedriger Zimmertemperatur. Er bildet hier grau- bis braungelbe,
saftige, schleimige Beläge.
Der Ein kl er 'sehe Vibrio ist für Meerschweinchen pathogen.
Die Pathogenität für die Meerschweinchen ist eine geringere als die
des Choleravibrio. Man kann die Thiere, ebenso me dies bei dem
Choleravibrio geschah, mit den Finkler 'sehen Kommabaeillen vom
Darmkanal aus inficiren (cf. oben p. 324). Der Darminhalt zeigt —
zum Unterschiede von der Cholerainfection — starken Fäulnissgeruch.^)
Metschnikoff-) hat den Nachweis geführt, dass auch beim Menschen
die experimentelle Einführung von Finkler-Culturen in dem Darm-
kanal Darmstörungen herbeiführen kann.
Die Nitrosoindolreaetion zeigen die Culturen des Finkler'-
sehen Vibrio gewöhnlich nicht; man trifft jedoch gelegentlich Nähr-
böden, bei deren Benutzung Culturen erhalten werden, die die genannte
Reaction geben (cf. über diesen Punkt oben p. 335).
In der menschlichen Pathologie spielt der Fink 1er 'sehe Vibrio
eine Rolle allem Anscheine nach nicht.
Der Deneke'sche Kommabacillus (Vibrio Deneke, Spi-
rillum t3T0genum, Käsesp»iiillum) wurde von Deneke^) im Flügge'-
schen Institut (1885) aus einem längere Zeit aufbewahrten
Käse gezüchtet. Später scheint dieser Vibrio nie wieder aufgefimden
worden zu sein. Seine Culturen werden in den Laboratorien von Glas
zu Glas weitergezüchtet.
Die Einzelzellen des Vibrio Deneke sind vielleicht etwas kleiner
als die des Choleravibrio. Jede Zelle besitzt — me der Choleravibrio
und die übrigen Kommabacillenarten auch — • einen einzigen, dem
einen Ende der Zelle angehefteten, Geisselfaden.
Der Vibrio Deneke ist durch eine Reihe von Cultunnerkmalen
^) Vergl. E. Koch, Conferenz zur Erörterung der Cholerafrage. Zweites Jahr.
1885; Deutsche med. Wochenschr. 1885. No. 37 A. p. 6.
2) Ann. de Tlnst. Pasteur. 1893. No. 7. p. 570.
^) Deutsche med. Wochenschr. 1885. No. 3.
Vibrionen anderer Herstammung. 361
von den übrigen Kommabacillenarten niit Sicherheit zu unterscheiden.
Zunächst gelingt es — wenigstens gilt dies für die meisten ^) der jetzt
in den Laboratorien befindlichen Culturen — nicht ihn bei Brüt-
temperatur (37^ C.) zum Wachsthum zu bringen. Dagegen wächst
er (nach meiner Beobachtung) noch bei 31^ C. Das Temperatur-
optimum scheint bei c. 22'' C. zu liegen.-)
Auf der Gelatine platte sowohl wie in der Gelatinestich-
cultur steht bezüglich der Schnelligkeit des Wachsthums der Vibrio
Deneke zwischen dem Choleravibrio und dem Vibrio Finkler. Die
Gelatine wird verflüssigt. Es bildet sich in den Gelatineculturen
ein intensiv citronen- bis orangegelber Farbstoff. Auf der Oberfläche
der verflüssigten Gelatinestichcultur kommt es — besonders schnell
bei etwa 22*^ C. — zur Bildung einer äusserst kräftigen, üppigen
Kahmhaut, welche nicht selten von solcher Festigkeit ist, dass man
das Culturgefäss umkehren kann, ohne dass sie zerreisst. Die Colo-
nien auf der Gelatineplatte können in gemssen Entwickelungsstadien
täuschende Aehnlichkeit mit Choleracolonien haben. Auf der Agar ober-
flache bildet der Vibrio D. durchscheinende, leicht gelblichgrau gefärbte,
glänzende Ueberzüge. Auf Kartoffeln findet kein Wachsthum statt.
In den Culturen des Deneke' sehen Vibrio bilden sich häufig
kürzere oder längere Spirillenformen aus, welche — wie die ent-
sprechenden Formen anderer Kommabacillenarten (cf p. 13, 318) —
als der Ausdruck beginnender Involution aufzufassen sind.
Für Meerschweinchen zeigt der Deneke 'sehe Vibrio eine
gewisse Pathogenität, die aber noch geringer ist als die des Finkler '-
sehen Vibrio. Die Thiere lassen sich durch Einverleibung der Cul-
turen vom Magen aus (nach Alkalisirung des Mageninhaltes und
intraperitonealer Darreichung von Opium wie bei den Choleraversuchen;
cf. p. 324) mitunter tödtlich inficiren.'^) Auch beim Menschen ver-
1) Metschnikoff (Ann. de l'Inst. Pasteur. 1893. No. 7. p. 567) besitzt
Culturen des Vibrio Deneke, welche, wie er sagt, von den ursprünglichen Original-
culturen Deneke's abstammen, und die bei 36'' C. wachsen. Ob die von Deneke
ursprünglich aus dem Käse erhaltenen Culturen die Fähigkeit des Wachsthums bei
Brüttemperatur gehabt haben, darüber habe ich in der Literatur eine Angabe
nicht zu finden vermocht.
-) Dieudonne (Ai-b. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 9. 1894. p. 496) ist es
gelungen, eine zunächst bei Brüttemperatur durchaus nicht wachsende Cultur des
Vibrio Deneke durch oft wiederholte Umzüchtungen bei ganz allmählich höher wer-
denden Temperaturen dahin zu bringen, dass sie bei 37,-5'' C. üppig wuchs (cf.
oben p. 23).
^) cf. E. Koch, Conferenz zur Erörterung der Cholerafrage. Zweites Jahr.
1885; Deutsche med. Wochenschr. 1885. No. 37 A. p. 6.
362 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
mag, wie Metschnikoff M festgestellt hat, die experimentelle Ein-
fühnmg von Culturen des Yibrio Deneke in den Magen Darmstörangen
zu veranlassen.
Bezüglich, der Mtrosoindolreaction verhält sich der Deneke 'sehe
Vibrio genau so wie der Vibrio von Finkler (cf. oben p. 335, 360j.
In der menschlichen Pathologie spielt der Vibrio Deneke eine
Eolle nicht.
Der Miller 's che Kommabacillus. Im Jahre 1885 isolirte
W. D. Miller-) aus einem cariösen Zahne einen Vibrio, welcher
vielleicht mit dem Vibrio Finkler (cf. oben p. 359) identisch ist.
Bleisch-^) isolirte 1892 aus d^m frischen Darminhalt eines
unter choleraartigen Erscheinungen Verstorbenen ein lebhaft beweghches
Kurzstäbchen, welches — allerdings selten — auch gekrümmte Zellen,
aber nie Spirillenbildungen zeigte. Dasselbe wuchs bei niedrigerer
Temperatur als der Choleravibrio ; überhaupt wuchs es schneller als
der letztere. Die Gelatine wurde verflüssigt.
„Vibrio h e 1 k o g e n e s " ( g e s c h w ü r s 1) i 1 d e n d e r K o m m a -
bacillus). Mit diesem Xamen bezeichnete B. Fischer') eine
Kommabacillenart , welche er im Herbst 1892 aus diarrhoischem
Stuhl reinculti\irte. I'ür Mäuse und Meerschweinchen war der Vibrio
pathogen. Bei den Mäusen gab er nach subcutaner Einverleibung,
falls die Thiere nicht innerhalb der ersten Tage nach der Impfung
eingingen, häufig Veranlassung zur Entstehung ausgedehnter Haut-
geschwüre. Der Vibrio wuchs sehr schnell bei Zimmertemperatur und
verflüssigte die Gelatine sehr rapide. Ausgezeichnet wuchs er auch
bei 37*^ C. ; und auch bei 0*^ C. wurde Wachsthum, wenn auch nur
sehr langsames, beobachtet.
Vogler^) gewann (1893) aus diarrhoischem Stuhl eine
Kommabacillenart, welche die Gelatine verflüssigt, die Xitrosoindol-
reaction (cf. p. 334) nicht giebt, für Versuchsthiere nicht pathogen ist.
*) Ann. de Tlnst. Pasteur. 1S93. No. 7. p. 570.
-) Verein f. inn. Med. 16. Febr. 1SS5. — Deutsche med. Wochenschr. 1SS5.
p. 138. — Siehe auch W. D. Miller, Die Mikroorganismen der Mundhöhle. 2. Aufl.
Leipzig 1892. p. 65 ff".
'^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1892. p. 31 ff.
*) Deutsche med. Wochenschr. 1893. p. 576 ff.
■') Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 35.
Vibrionen anderer Herstammnng. 363
Z ö r k e n d 0 r f e r ^) züchtete aus dem Stuhle emes choleraver-
dächtigeu Falles einen Vibrio rein, der die Nitrosoindolreaction (p. 334)
nicht gieht und für Versuchsthiere nicht pathogen ist.
„Vibrio Romanus". Mit diesem Xamen belegten Celli und
Santori"^) einen Kommabacillus , welchen sie (im Herbst 1893) mit
Hülfe der bei Zimmertemperatur gehaltenen Vorcultur aus dem
Darminhalt einer Reihe von Cholerakranken und -leichen züchteten.
Der Vibrio wuchs absolut nicht bei dl^ C, sondern nur bei Zimmer-
temperatur ; ferner liess er sich in Bouillon sowie auf Peptonagar über-
haupt nicht zum Wachsthum bringen. (Vergl. die Bemerkungen be-
züglich dieses Vibrio oben p. 358.)
„Vibrio terrigenus". In einer Berliner Bodenprobe fand
der Verf. •^) im Sommer 1894 einen Kommabacillus, welcher an beiden
Enden der Zelle Geisseifäden trägt, häufig ganze Büschel von Ceisseln
zeigt. Er verflüssigt die Gelatine gar nicht, gleicht in seinen Gelatine-
plattencolonien vollständig dem Vibrio Berolinensis (cf. oben p. 355).
Der Vibrio ist streng aerob, wächst bei Zimmer- sowohl wie bei Brüt-
temperatur, am besten bei etwa 27 — 28^ C. In Nährbouillon wächst
er gut; die mit Peptonwasserculturen angestellte Mtrosoindolreaction
(p. 334) fällt negativ aus. Auf der Kartoffel wächst der Vibrio bei
Zimmertemperatur in Gestalt gelbweisser bis bräunlicher, glänzender
Beläge. Bei der Cultur in Zuckerbouillon tritt keine Säuerung ein.
Wolf*) fand (1893) im Cervicalsecret eines Falles von chro-
nischer Endometritis einen choleraähnlichen Vibrio, der die Mtrosoindol-
reaction (p. 334) nicht giebt und für Meerschweinchen nicht pathogen
ist. Der Autor hat seinen Vibrio „Bac. choleroides" genannt;
der Name ist aber schon anderweitig vergeben (cf. oben p. 354).
„Lissabon er Vibrio". Im April und Mai 1894 herrschte in
Lissabon eine Epidemie, deren S3^mptomatologie im Grossen imd
Ganzen das Bild einer einfachen, rasch in Genesung ausgehenden
Gastroenteritis darbot, während verschiedene einzelne Fälle aus-
gesprochen choleraartige Erscheinungen zeigten. Etwa 15 000 Menschen
^) Prager med. Wochenschr. 1893. iSTo. 43, 44.
■^) Annali dell' istituto d'igiene sperimentale della E. Universitä di Eoma.
Vol. IV (nuova serie). p. 233 ff. Eoma 1894.
^) Hygienische Emidschau. 1894. No. 16. p. 721 ff.
*) Münch. med. Wochenschr. 1893. p. 694 ff.
364 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
wurden befallen; unter diesen kam nur ein einziger Todesfall (50 jäh-
riger Mann) vor. Bei dieser Epidemie constatirten nun P e s t a n a
und Bettencourt^) das fast constante Vorkommen (etwa 50 Fälle
wurden untersucht) eines bestimmten Vibrio in den Dejectionen
der Erkrankten; in den Entleerungen gesunder oder an anderweitigen
Krankheiten leidender Personen wurde der Vibrio nicht aufgefunden.
Der Vibrio, welcher auch im Leitungswasser der Stadt nachgewiesen
wurde, hat sein Temperaturoptimum bei hoher Zimmertemperatur,
wächst bei 37** C. erheblich weniger gut, giebt die Nitrosoindolreaction
nicht, ist für Meerschweinchen sehr wenig pathogen.
(Der Befimd von Pestana und Bettencourt repräsentirt —
neben der Cholera asiatica — den einzigen bisher bekannt gewordenen
Fall, in welchem man bei einer epidemisch auftretenden Darmerki-ankung
des Menschen einen specifischen Mikroorganismus in den Dejectionen
[in diesem Falle fast constant] nachgewiesen hat. Es ist abzuwarten,
ob sich derartige Epidemien wiederholen werden. Vergi. auch oben
p. 359.)
„Vibrio aus Sputum". Mit diesem Namen hat Brix^) eine
Kommabacillenart belegt, die er (1894) aus dem Sputum eines
Pneumonikers isolirte. Der Vibrio ist aerob; er wächst bei Zimmer-
temperatm- schneller als der Choleravibrio und verflüssigt auch die
Gelatine schneller als dieser; die Verflüssigung geht aber langsamer
vor sich als bei dem F i n k 1 e r ' sehen Vibrio. Auch bei 37 " C. findet
Wachsthum statt. Der Vibrio ist für Versuchsthiere nicht pathogen.
Kutscher-") hat kürzlich (1895) mehrere Vibrionenarten be-
schrieben, welche er aus D ü n g e r j a u c h e rein cultivirte.
20. Das Bacterium coli commune.
In den unteren Partien des normalen Säugiingsdarmes wurde
(1885) von Escherich ■^) eine Bakterienart constant aufgefunden
(„Bacterium coli commune"), die sich später überhaupt als
ein regelmässiger Bewohner des menschlichen Dickdarmes heraus-
gestellt hat, und die in menschlichen Fäces (normalen sowohl wie nicht
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 16. 1894. No. 10/11.
-) Hygienische Eundschau. 1894. ^j. 913.
") Zeitschr. f. Hyg. Bd. 20. 1895. p. 51 ff.
-•) Fortschr. d. Med. 1885. No. 16 u. 17.
Das Bacterium coli commune. 365
normalen) ganz gewölinlich angetroffen wird. Auch in thierischen Fäces
scheint sie ganz gewöhnlich vorhanden zu sein.
Das Bacterium coli commune bildet Kurzstäbchen, welche
eine Breite von etwa 0,8 ij,, eine Länge von 1 — 3 /x haben, ^) bald
einzeln, bald paarweise auftreten und eine massige Eigenbeweglich-
keit besitzen. Die Eigenbewegung wird vermittelt durch G-eissel-
fäden,^) welche meist in der Einzahl an dem einen Ende der Zelle
angebracht sind ; bisweilen finden sich aber auch mehrere (bis etwa
3 bis 4) Geissein an einer Zelle angebracht. Die Geisseifäden lassen
sich nach der Loeffl er 'sehen Methode (p. 80 fi".) mikroskopisch zur
Darstellung bringen.
Das Bacterium coli commune wächst bei Sauerstoflfanwesenheit
ebenso gut wie bei Sauerstoffabwesenheit auf den gewöhnlichen bak-
teriologischen Nährböden. Es wächst bei Zimmertemperatm- und bei
Brüttemperatur, bei letzterer schneller.
Auf der Gelatineplatte (cf. auch oben p. 145, Anm. 2) bilden
die innerhalb der Gelatine liegenden Colonien kleine weissliche
runde Zusammenlagerungen, die in ihrer Ausdehnung über etwa Steck-
nadelknopfgTÖsse nicht hinausgehen. Die an der Oberfläche der
Gelatine liegenden Colonien haben ein ganz anderes, characteristisches
Gepräge: Die Colonie bildet ein der Gelatine aufliegendes, rundlich
gestaltetes, häufig unregelmässig zackig begrenztes, weisslichgraues,
irisirendes Häutchen, welches die Tendenz hat sich weiter über die
Oberfläche des Nährbodens hin auszubreiten. In der beschriebenen
Gestalt der oberflächlichen Colonien auf der Gelatineplatte ist das Bac-
terium coli dem Tjqjhusbacillus sehr ähnlich; ein wesentlicher Unter-
schied in dem Wachsthum der beiden Arten auf der Gelatine besteht
aber insofern, als das Bacterium coli commune auf diesem Nährboden
(d. h. bei Zimmertemperatur) ganz unvergleichlich viel schneller wächst
als der Typhusbacillus (cf. oben p. 291). In der Gelatine stich-
cultur findet Wachsthum im Verlauf des ganzen Impfstiches statt;
an der Oberfläche der Gelatine bildet sich das dünne Häutchen (wie
bei der Plattencultur) , welches bald die ganze ft-eie Oberfläche des
Nährbodens überzieht. Das Bacterium coli verflüssigt die Gela-
tine nicht.
Auf der A g a r Oberfläche bildet das Bacteriimi coli grauweisse,
saftig glänzende Beläge.
In Bouillon bewirkt es allgemeine Trübung der Flüssigkeit;
^) Nach neueren Messungen des Herausgebers.
-) cf. Lukscb, Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. ^. 430.
366 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
gewöhnlich bildet sich dabei ein zartes Häutchen, welches an der Ober-
fläche der Flüssigkeit schwimmt.
Auf Kartoffeln bilden sich gewöhnlich saftige Ausbreitungen
Yon mais- bis erbsengelber Farbe. Es kommt jedoch bezüglich des
Aussehens des Kartoffelbelages auf die chemische Reaction der Kar-
toffel an. Fr emiin ^) fand, dass das Bacterium coli auf Kartoffel-
flächen, die Tor der Sterilisirung durch Einlegen in 1 proc. Essigsäure-
wasser sauer gemacht werden, nur äusserst dünne, makroskopisch kaum
sichtbare, feuchte Ueberzüge bildet, d. h. in einer "Weise wächst, die
an das sog. „typische" Wachsthum des Typhusbacillus auf der Kar-
toffel erinnert (cf p. 286).
Milch wird — bei gewöhnhcher Temperatur langsamer, bei
Brüttemperatur schneller — unter Säurebildung zur Gerinnung ge-
bracht (cf. oben p. 290).
Traubenzuckerbouillon ebenso wie Milchzuckerbouillon
werden durch das Bacterium coli unter kräftiger Säurebildung
und unter Gasent Wickelung vergohren. (Die Gasentwickelung
beobachtet man am besten bei der Cultur in den bereits mehrfach
erwähnten Gährungskölbchen; cf. p. 290.) Das gebildete Gas
besteht zum kleineren Theile aus Kohlensäure, zum gTösseren Theile
ist es brennbar (Wasserstoff).
Auch bei der Cultur in Zuckergelatine sowie in Zucker-
agar kann man die Vergährung des Zuckers resp. die Gasbildung
sehr gut beobachten, sofern man die Einsaat in Form der Stichcultur
macht; man sieht dann, wie der feste Nährboden durch die sich ent-
wickelnden Gasmengen zerrissen wird (cf p. 153).
Auf zuckerhaltigen Nährböden gezüchtet verlieren die (zunächst
sich sehr üppig entwickelnden) Culturen des Bacterium coli stets sehr
bald (binnen wenigen Wochen) ihre weitere Uebertragbarkeit : die Bak-
terienzellen sind durch die bei der Zerlegung des Zuckers entstandene
Säure allmählich abgetödtet worden.
Bei Zusatz von Kaliumnitrit und Schwefelsäure zu Culturen des
Bacterium coli auf peptonhaltigen Nährböden tritt Rothfärbung ein
( N i t r 0 s 0 i n d 0 1 r e a c t i 0 n ; cf p. 288). Die Reaction wii'd am besten
in der oben (p. 288, Anm. 3) beschriebenen Weise angestellt. Sie lässt
sich sehr gut an Culturen in gewöhnlicher Nährbouillon, auf gewöhn-
lichem Nähragar, anstellen; zuckerhaltig dürfen die Nährböden nicht
sein. Auch an Kartoffelculturen gelingt die Reaction. Es ist aber zu
beachten, dass bei dem blossen Zusatz von Schwefelsäure (ohne Kalium-
0 Arch. f. Hyg. Bd. 19. 1893. p. .306.
Das Bacterium coli commune. 367
nitrit) eine Eothfärbimg nicht eintritt: Nitrite finden sich also in den
Calturen des Bacterium coli nicht vor (Unterschied von Cholera- etc.
Culturen; cf. oben p. 333).
Sporenbildung existirt bei dem Bacterium coli commune nicht.
Nach der Gram" sehen Methode (p. 108 ff.) lassen sich die
Stäbchen nicht färben.
Das Bacterium coli commune wurde früher allgemein für einen
Mikroorganismus angesehen, dem keine oder doch nur eine sehr ge-
ringe Pathogenität zukäme. Zwar sah bereits Escherich^) Meer-
schweinchen und Kaninchen nach intravenöser Einverleibung massiger
Culturmengen innerhalb weniger Stunden bis 3 Tagen unter Temperatur-
steigerung und Entwickelung heftiger Diarrhöen zu Grunde gehen;
aber eine ausgedehntere pathogene Eolle, namentlich eine Rolle in der
menschlichen Pathologie, ^Yurde dem Bacterium coli nicht zugeschrieben.
Erst Lamelle-) hat (1889) darauf aufmerksam gemacht, dass diese
Ansicht nicht richtig ist. Lamelle beobachtete zwei Fälle von
Perforationsperitonit s beim Menschen, bei denen er im
Exsudate das Bacterium coli fand; und es gelang dem Autor auch,
bei Thieren durch Einverleibung der Culturen experimentell Peritonitis
zu erzeugen.
Seitdem sind bereits eine ganze Anzahl Fälle von Perforations-
peritonitis beim Menschen bekannt geworden, in denen sich das Bac-
terium coli commune in Keincultur im Exsudat gefunden hat. Das in
solchen Fällen aus dem peritonitischen Exsudate gezüchtete Bacterium
coli hat erheblich viel virulentere Eigenschaften als das aus dem
gesunden Darm gezüchtete. Alex. FränkeP) sah Kaninchen nach
intraperitonealer Lijection derartiger, von menschlichen Krankheitsfällen
stammender Culturen nach 3 bis 4 Tagen (mitunter auch bereits nach
einem Tage) zu Grunde gehen. Man findet bei der Section eine
fibrinös- eitrige Peritonitis; im Exsudat sowohl wie im Herzblut findet
sich Bacterium coli in Eeincultur. Nach dem Vorgänge des genannten
Autors kann man sich ein virulentes Bacterium coli beliebig dadurch
verschaffen, dass man Versuchsthieren einen künstlichen Darmver-
schluss'^) herstellt. Nach dem Tode der Thiere findet sich im peri-
tonitischen Exsudate das virulente Bacterium coli.
') Fortscbr. d. Med. 1SS5. p. 521.
2) cf. Baumgarten's Bakt. Jahresber. 1889. p. 335.
'^) Wien. klin. Wochenschr. 1891. No. 13—15.
^) AI. Fränkel experimentirte an einem Hunde, dem er nach Laparotomie
den Darm unterband. — Yergl. wegen des Darmverschlusses auch Fremlin, Arch.
f. Hyg. Bd. 19. 1893. p. 312.
368 B- Diö Bakterien als Kranlvheitserreger.
Ausser der Perforationsperitonitis vermag das Bacterium coli com-
mime vielleicht auch noch andere krankhafte Processe beim Menschen
hervorzurufen. Bei Pyelonephritis, C^^stitis, eitriger Prostatitis, bei
eitriger Gallengangsentzündung, bei Meningitis, bei Strumitis etc. hat
man das Bacteriimi coli gelegentlich nachgewiesen ;i) in Fällen von
„Cholera nostras" findet es sich nicht selten in ungeheuren Mengen
(viel mehr als in normalen Fäces) in den Dejectionen.
Es ist an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, dass der
Begriff" „Bacterium coli commune" in der bakteriologischen Literatur
recht verschieden und zum Theil recht willkürlich gefasst wird. Es
giebt Autoren, welche jede Colonie auf einer von Fäcesmaterial her-
gestellten Gelatineplatte, die in Form eines oberflächhchen Häutchens
wächst, dem Begriffe „Bacterium coli" zurechnen; andere Autoren
gehen aber noch weiter: sie rechnen Alles unter den Begriff „Bac-
terium coli", was auf Fäcesplatten die Gelatine nicht verflüssigt. Mt
demselben Recht könnte man schhesslich überhaupt alle Colonien zu
„Bacterium coli" rechnen, die auf Fäcesplatten zur Entwickelung
kommen. — Eine derartige Nomenclatur ist aber durchaus unwissen-
schaftlich, weil sie ganz verschiedenartige Dinge, die nur die einen
oder die anderen Eigenthümlichkeiten mit einander gemein haben,
unter einen Art begriff vereinigt. Man sollte — in dem Sinne, wie
dies bereits Gilbert und Lion^) vorgeschlagen haben — nar
solche Bakterien als „Bacterium coli commune" bezeichnen, welche
folgende allgemein anerkannte Eigenschaften zeigen: Eigenbewegiiche
Kurzstäbchen, die die Gelatine nicht verflüssigen, in ihren oberfläch-
lichen Colonien auf der Gelatineplatte häutchenförmig wachsen, Trauben-
zucker- sowie Milchzucker-Bouillon unter Säuerung und Gasbildung
vergähren und in gewöhnhcher, zuckerfi'eier Bouillon Indol produciren. ^)
Mit dem Bacterium coli commune ist ohne Zweifel iden-
tisch der sogenannte „ Emmerich 'sehe Bacillus" („Bacillus
^) Ob das Bacterium coli in allen diesen Fällen — selbst in allen denjenigen,
in denen es in Keincultur in den Krankheitsproducten vorgefunden wurde — auch
wirklich der Erreger der Affection war, kann bezweifelt werden. Beco (Annales
de rinst. Pasteur 1895. No. 3) hat kürzlich festgestellt, dass bei langsam zum
Tode führenden Schädigungen des Körpers (Vergiftungen) von Versuchsthieren Darm-
bakterien, speciell Bacterium coli, in das Innere des Körpers eindringen: „Man darf
deshalb aus der blossen Anwesenheit des Bacterium coli in Blut und Organen nicht
ohne Weiteres schliessen, dass das Bacterium coli die Ursache der Krankheit war."
•-) See. de Biologie. Paris. 18 mars 1893. — Semaine medicale. 1893. p 130.
*) Vergl. bezüghch der Unterscheidung des Bacterium coli von „ähnhchen"
Arten auch oben p. 289.
Der Gonorrhoecoccus. 369
Neapolitaniis"). Derselbe wurde von Emmerich^) (1884) aus
älterem Material von Neapler Choleraleichen cultivirt imd zu-
nächst auf Grund von Thierversuchen als Erreger der Cholera asiatica
proclamirt. Es hat sich in der Folge, namentlich durch gründliche
Untersuchungen von Weisser'-), gezeigt, dass der Emmerich 'sehe
Bacillus, der „Neapler Cholerahacillus", ein Mkroorganismus ist, der
in menschlichen Eäces, normalen sowohl wie nicht normalen, in der
Luft und in faulenden Flüssigkeiten ganz gewöhnlich gefunden wird,
und der nicht das Allergeringste mit der Cholera zu thun hat.
21. Der Gonorrhoecoccus.
Bei den gonorrhoischen Affectionen der Harnröhre und der Con-
junctiva wurden 1879 durch Neisser^) eigenthümhch gestaltete
Mikrococcen im Eiter entdeckt. Dieselben schienen einen für die
Gronorrhoe specifischen Befund darzustellen und wurden von Ne isser
mit dem Namen „Gonococcus" belegt.
Die Beobachtungen von Ke isser wurden vielfach bestätigt. Es
gelang dann hauptsächlich Bumm^), den Gonococcus in sicheren
Eeinculturen zu gewinnen und durch Uebertragung der Reincultm-en
typische Gonorrhoe beim Menschen hervorzurufen. Durch Wert-
heim ■^) sind später die Reinzüchtungsmethoden des Gonococcus er-
heblich vervollkonmmet worden.
Der Gonorrhoecoccus wird im Tiippereiter , und zwar inner-
halb der Eiterzellen, gefunden. Die Coccen, welche in grösserer
oder geringerer Anzahl um die Kerne der Zellen herum gruppirt sind,
erscheinen gewöhnlich im Zustande der Theilung, als Diplo coccen.
Die einzelnen Coccen erscheinen dann gewöhnlich nieren-, semmelförmig;
die Hilen der Nieren sind einander zugekehrt. Fig. 65 auf Taf. XI
zeigt die tj^^Dische Erscheinungsweise der Gonococcen im Trippereiter.
Man erkennt hier unschwer die Umgrenzungen der Eiterzellen, inner-
halb deren die grossen, mehrfachen Kerne hegen, um welche herum
dann die Coccen gruppirt sind.
Die Gonococcen lassen sich , wie bereits gesagt , künstlich
cultiviren. Bumm, welchem die künsthche Cultur zuerst gelang, sah
^) Deutsche med. Wochenschr. 1884. No. 50.
-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1886.
■■') Centralbl. f. d. med. Wiss. 1879. No. 28.
"*) Der Mkroorganismus der gonorrhoischen Schleimhauterkraukungen „Gono-
coccus-Neisser". Wiesbaden. Bergmann. 1885. p. 128 ff.
'") Deutsche med. Wochenschr. 1891. No. 50. — Arch. f. Gyn. Bd. 42. 1892.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 24
370 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
ein "Wachsthimi ausschliesslich auf Blutserum eintreten, und zwar bei
Brüttemperatur, am besten bei 30 — 34*^C. \) Am besten eignete sich
menschliches Blutserum, welches man nach B u m m ' s Vorgang
aus Placenten gewinnen kann (cf. p. 131). Die Cultur bildet auf dem
erstarrten Blutserum sehr zarte, wenig ausgedehnte, durchsichtige, bei
auffallendem Licht graugelblich erscheinende Ueberzüge mit feuchter,
glatter Oberfläche, deren Bänder diffus in die Umgebung übergreifen.
Das Blutserum wird nicht verflüssigt. Die Uebertragung auf
neuen Nährboden muss sehr bald geschehen, da in 3 Tagen etwa die
Cultur bereits abzusterben beginnt.
AVertheim hat später nachgewiesen, dass das menschliche Blut-
serum ein viel weniger günstiger Nährboden für den Gonococcus ist
als eine Mischung von Blutserum und gewöhnlichem
N ä h r a g a r.
Um mit Hülfe des Bluts er um- Agar aus Trippereiter die
Gonococcen auf Platten in isolirten Colonien zu gewinnen, verfährt
man nach Wertheim^) folgendermassen : Mehrere Oesen Tripper-
eiter werden in flüssigem menschlichen Blutserum (im Reagenzglase)
sorgfältig vertheilt, und es werden von dem so inficirten Blutserum
zwei Verdünnungen in neuen Blutserumröhrchen in bekannter Weise
(cf. oben p. 142) angefertigt. Die Röhrchen werden sofort nach der
Beschickung in ein Wasserbad von 40^ C. gestellt, und der Inhalt
eines jeden Röhrchens wird darauf mit etwa der gleichen Menge
2proc. Nähragars (cf. p. 125), welches zunächst geschmolzen und dann
auf 40^ C. abgekühlt wurde, gut gemischt. Die Mischung wird auf
Platten (oder in Schälchen etc.) ausgegossen, welche in den Brütschrank
gestellt werden. Auf so hergestellten Platten zeigen sich bereits nach
24 Stimden isolirte Colonien der Gonorrhö ecoccen. Nach
48 Stunden des Wachsthums findet man auf den Verdünnungsplatten
die tiefliegenden Colonien von weisslichgrauem Aussehen; mikro-
skopisch zeigen sie ein höckeriges Gefiige; nach 72 stündigem Wachs-
thum haben die tiefliegenden Colonien Brombeerform angenommen.
Die oberflächlich liegenden Colonien zeigen mikroskopisch ein
central gelegenes, dunkleres Pünktchen, umgeben von einem sehr
zarten, durchsichtigen, farblosen, feinkörnigen, nach allen Seiten ziem-
lich gleichmässig sich ausbreitenden Oberflächenbelag.
^) Temperaturen über 38** C. vernichten nach Bumm (1. c. p. 132) bei längerer
Einwirkung die Vermehrungsfähigkeit des Gonorrhoecoccus vollständig.
") Deutsche med. Wochenschr. 1891. p. 1351. — Wertheira benutzt hierbei
das von Hueppe (cf. oben p. 160) angegebene Verfahren der Verwendung des Blut-
serums zu Plattenculturen.
Der Gonorrhoecoccus. 371
Ueberträgt man das (zähschleimige , consistente) Material einer
solchen isolirten Plattencolonie auf schräg erstarrtes Blut-
serum-Agar (am besten nimmt man hierzu eine Mischung von
1 Theil menschlichem Blutserum und 2 bis 3 Theilen Nähragar^)) in
Form des oberflächlichen Impfstriches, so beobachtet man
ein ausserordentlich üppiges Wachsthum der Gonococcen. Schon nach
24 stündigem Aufenthalt im Brütschrank sieht man an der Cultur
zahlreiche weisslichgraue Pünktchen aufschiessen, die sich rasch ver-
grössem, zusammenfliessen und bald einen grossen, zusammenhängen-
den, weisslichgrauen, feucht glänzenden, bei der Abimpfung zähschleimig
erscheinenden Rasen bilden, welcher beim weiteren Wachsthum vom
Rande aus einen farblosen, ungemein zarten Belag vorschiebt. Das
Condensationswasser (cf. p. 129) des Röhrchens bedeckt sich mit einer
zusammenhängenden Culturhaut.
Statt der IVIischung von menschlichem Blutserum mit Agar kann
nach Wertheim auch eine Mischung von thierischem Blut-
serum (z. B. Rinderserum) mit Agar zur Cultivirung des Gono-
coccus verwandt werden. Das Wachsthum ist hier allerdings nicht
so üppig wie auf der erstgenannten Mischung; immerhin gedeihen die
Gonococcen auf dem Rinderserum -Agar viel besser als auf mensch-
lichem Serum ohne Zusatz von Agar.^)
Nach Abel'^) kann man ganz gut auch Agarflächen zur Aussaat
des Gonococcus benutzen, die man mit (sterilem menschlichen) Blut
bestrichen hat (cf. oben p. 128: Blut- Agar); man gewinnt das Blut
durch Einschnitt in die eigene (vorher desinficirte) Haut. Die Colonien
bilden hier kleine, thautropfenähnliche, scharfi-andige Colonien.
Ein guter Nährboden ist femer (nach Wertheim*)) ein Gemisch
von flüssigem menschlichen Blutserum mit der doppelten
Menge gewöhnlicher Nährbouillon. Hier zeigt sich nach 24 Stunden
langem Aufenthalte im Brütschrank eine zarte grauweisse oberflächliche
Kahmhaut. Die Flüssigkeit selbst bleibt ganz klar, enthält nur wenige
von der Kahmhaut abgelöste Bröckel.
Die mit den Serummischunsjen herg-estellten Culturen des Gono-
^) Das geschmolzene und auf 40 "^ C. wieder abgekühlte Agar wird mit dem
auf 40** C erwärmten flüssigen Serum gemischt. Nach der Vermischung werden
die Röhrchen in schräger Lage (cf. oben p. 129) der Abkühlung und dabei eintreten-
den Erstarrung überlassen.
-) Wertheim, Arch. f. Gyn. Bd. 42. 1S92. p. 25.
") Greifswalder med. Verein. 3. Dec. 1892. — Deutsche med. Wochenschr.
1893. p. 265.
') Arch. f. Gyn. Bd. 42. 1892. p. 24.
24*
372 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
cocciis zeigen sich — vor Austrocbiiing bewahrt — noch nach 4 bis
6 "Wochen übertragungsfähig und virulent.
Die mikroskopische Prüfung der künstlichen Gonococcenculturen
zeigt die Gonococcen von der typischen, der mikroskopischen Er-
scheinungsweise im Trippereiter entsprechenden, Gestalt.
Bezüglich der künstlichen Cultivirung des Gonococcus muss
übrigens noch bemerkt werden, dass ein minimales Wachsthum
auch auf gewöhnlichem Agar und speciell auf Gl3^cerin-Agar
(p. 128) stattfindet.!)
Nach einer neueren Angabe von T u r r ö ^) wachsen die Gono-
coccen auf sauren Nährböden viel besser als auf den in der her-
gebrachten Weise schwach alkalisch hergestellten Nährböden.
Die TJebertragung der künstlichen Cultur des Gonococcus auf die
normale Urethra des Menschen hat, wie bereits Bumm fand und
Wert he im^) bestätigte, die Entwickelung tj^ischen Hamröhren-
trippers zur Folge.
Bei Thieren lässt sich das tj-pische Bild der Gonorrhoe
durch Yerimpfen gonorrhoischen Materials nicht erzeugen.*) Dennoch
verhalten sich manche Versuchsthiere, wie Wertheim ermittelt hat,
für die Infection mit dem Gonococcus in gewisser Weise empfäng-
lich. Am besten eig-nen sich weisse Mäuse für diesen Zweck, ferner
Meerschweinchen, weniger gut Kaninchen und Ratten; ablehnend ver-
halten sich Hunde. Bringt man nämlich einem empfänglichen Thiere
eine kleine Quantität der Gonococcencultur (und zu gleicher Zeit etwas
^) Diese Tbatsache, welche von verschiedenen Autoren angegeben ist, kann der
Herausgeber dieses Buches bestätigen. Bei früheren, in der Lassar 'sehen der-
matologischen Khnik ausgeführten Untersuchungen konnte ich regelmässig durch
Verimpfung frischen Trippereiters (der sich bei der mikroskopischen Untersuchung
— soweit das eben eine solche Untersuchung feststellen kann — als ausschliesshch
gonococcenhaltig und als frei von anderen IMikroorganismen erwies) auf die Ober-
fläche von Gljcerinagar Culturen erzielen, die sich mikroskopisch aus Mikrococcen
bestehend erwiesen, welche in dem mikroskopischen Bilde die Gestalt der Tripper-
coccen hatten imd sich, nach Gram behandelt, entfärbten. Die Culturen stellten
ganz unscheinbare, dünne, glänzende, ungefärbte Ueberzüge von geringer Flächen-
ausbreitung dar. Es gelang diese Beläge von einem Köhrchen in das andere zu
übertragen. Ich habe damals diesen Befund skeptisch aufgenommen; nach den
Wertheim 'sehen Publicationen zweifle ich nicht mehr daran , dass ich in den
Culturen echte Gonococcen vor mir hatte.
2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 16. 1894. No. 1.
^) Wertheim experimentirte an Paralytikern.
■*) Nach Turrö (1. c.) lassen sich Hunde mit den auf sauren Nährböden
erhaltenen Culturen ohne Weiteres von den Schleimhäuten aus (unverletzte Schleim-
haut der Glans penis) inficiren.
Der Streptococcus des Erysipels. 373
von dem Agarnährboden selbst) in die Baucbhöhle, so beobachtet man
die Entstehmig örtlicher eitriger Peritonitis; den Tod der
Yersiichsthiere hat die Infection nie im Gefolge. ^)
Der Gonococcus färbt sich nicht nach der Gram 'sehen Methode
(p. 108 ff.). Deckgiaspräparate von Trippereiter färbt man am besten
mit einfacher wässerig-alcoholischer Methylenblaulösung (cf. p. 67). Die
Coccen erscheinen dann tief dunkelblau, die Kerne der Eiterzellen
weniger dunkelblau. Der Nachweis der typischen Gestalt der
Coccen in Verbindung mit dem Nachweise der Lagerung inner-
halb der Eiter Zellen berechtigt zur Diagnose „Gonorrhoe".
Was die im Gefolge der ascendirenden Gonorrhoe
auftretenden entzündlichen Vorgänge an den Tuben, den
Ovarien, am Peritoneum, im Gewebe des Ligamentum latum betrifft,
so hat Wertheim^) den Nachweis geführt, dass diese Erkrankungen
sämmtlich ebenfalls durch den Gonococcus bedingt werden.
Frisch") hat nachgewiesen, dass primär auch gonor-
rhoische Geschwüre des Rectums vorkommen.
Der Gonococcus scheint gelegentlich auch echte Bindegewebs-
eiterungen hervorrufen zu können.
22. Der Streptococcus des Erysipels.
Das constante Vorkommen von Streptococcen in der erysi-
pelatösen Haut, und zwar das constante Vorkommen derselben am
Eande des Erysipels und ihre ausschliessliche Anwesenheit in den
Lymphgefässen, wurde zuerst durch R. Koch^) festgestellt.
Fehleisen^) gelang es dann, die bei dem Erysipel gefundenen
Streptococcen künstlich zu züchten und ihre pathogene Bedeutung
durch erfolgreiche Verimpfung der Culturen auf Kaninchen und auf
eine Anzahl von Menschen sicher zu stellen. Die Verimpfungen er-
zeugten t}^isches Erysipel.
Der Streptococcus des Erysipels ist, we der Name sagt,
ein in Kettenform angeordneter Mikrococcus. Die Ketten können
aus wenigen, aber auch sehr vielen einzelnen Coccen bestehen. Der
^) Eine Vermehrung der Gonococcen findet hierbei nicht statt (Finger,
Ghon und Schlagenhaufer, Arch. f. Dermat. u. Syph. Bd. 18. 1894 [Autor-
referat Centralbl. f. Bakt. Bd. 16. 1894. p. 350]).
2) Arch. f. Gyn. Bd. 42. 1892. p. 85.
^) Würzb. phys.-med. Ges. Verhandlungen N. F. Bd. 25. 1891. p. 167 fi".
■*) Mtth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 38, 39 und Tafel I, 11.
•^) Die Aetiologie des Erysipels. Berhn 1883.
374 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
Coccus wächst in künstlichen Culturen bei Zimmer- nncl bei Bilit-
temperatur, bei letzterer schneller.
Auf der Gelatineplatte bildet der Erysipelcoccus kleine pmikt-
förmige Colonien von weisslichgrauer Farbe, welche miki-oskopisch als
undurchsichtige, grobköniige Grebilde erscheinen. Die Colonien er-
reichen einen grösseren Umfang überhaupt nicht. Die Gelatine wii'd
nicht verflüssigt. In der Gelatinestichcultur bilden sich
längs des Impfstiches sehr kleine, weisse, kugelrunde Colonien aus.
Auf der (bei Brüttemperatur gehaltenen) Agarplatte kommt
es zur Entwickelung kleiner punktförmiger Colonien, welche auch hier
eine grössere Ausdehnung nicht erreichen.
Streicht man das Material auf der Oberfläche von Nähr-
gelatine oder von Agar aus, so kommt es auf den besäeten Stellen
des Nährbodens zur Entwickelung kleiner, runder, durchscheinender,
feinsten Thautröpfchen vergleichbarer Häufchen, welche dauernd von
einander isolii't bleiben.
Erheblich besser als auf den genannten festen Nährböden wächst
der Streptococcus des Erysipels in Bouillon. Er bildet hier einen
wolkigen Bodensatz, der sich bei Bewegungen des Culturgefässes in
die Flüssigkeit erhebt. Mikroskopisch findet man den Bodensatz be-
stehend aus schönen langen Ketten.
Auf Kartoffeln scheinen die Erysipelascoccen nicht oder kamn
zu wachsen.^)
Die erfolgi-eiche U e b e r t r a g u n g der Coccen resp. die kimstliche
Erzeugung von Erysipel durch ihre Uebertragung ist, wie oben er-
wähnt, bei Menschen sowohl wie bei Kaninchen gelungen. Nach
der Impfimg am Ohr bekommen die Kaninchen eine von der Lnpf-
stelle aus auf Kopf und Nacken sich ausbreitende, mit Temperatm-
steigerung verlaufende erysipelatöse Hautentzündung, die in etwa 6 bis
10 Tagen ihr Ende erreicht und in Genesung übergeht. In den er-
krankten Partien findet man beim Kaninchen die Coccen genau so an-
geordnet wie bei dem Erysipel des Menschen, so dass es sich in der
That lun tj^Disches Erysipel handelt.-)
1) Nach Czaplewski (Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1S94. p. 319) wachsen
die Streptococcen auf alkalisirten Kartoffeln (cf. oben p. 135) besser als auf
gewöhnlichen.
^) Nach Untersuchungen von Fessler (Khnisch- experimentelle Studien über
chirurgische Infectionskrankheiten. München 1891. — Centralbl. f. Bakt. Bd. 13.
p. 197) bringt die gleichzeitige Verimpfung des Erysipelstreptococcus und des
Bac. prodigiosus auf das Kaninchenohr eine sehr heftige Phlegmone mit
Eiterung und Gewebsbrand hervor.
Die Eitermikrococcen. 375
Bei der natürlichen Infection des Menschen bilden Hautveiietzungen
wohl ohne Zweifel die Eingangspforte für den EiTegerJ)
Die Er^^sipelascoccen färben sich mit wässerigen Farblösungen;
sie färben sich auch nach der Gram'schen Methode (p. 108 fi".; vergi.
speciell p. 111).
Auf Taf. XI, Fig. 66, ist ein Schnitt durch die erysipelatöse Haut
des Menschen bei lOOOfacher Vergrösserung dargestellt. Das nach
meiner Modification der Gram'schen Methode gefärbte Präparat zeigt
deutlich die kettenförmige Anordnung des Er3^sipelcoccus.
Xach neueren Feststellungen von Jordan^) kommen beim Men-
schen typische Erysipelfälle vor, welche nicht durch den besprochenen
Streptococcus, sondern durch andere JVIiki'oorganismen hervorgerufen
werden. Jordan beobachtete zwei Fälle, die durch den Staphylo-
coccus pyo genes aureus (cf. den nächsten Abschnitt) veranlasst
waren. Von diesen Fällen betraf der zweite eine Krankenwärterin,
welche sich offenbar an dem ersten Falle, den sie gepflegt hatte,
inficirt hatte.
23. Die Eitermikrococcen (pyogene Coccen).
Wo wir Eiterungen im Organismus autreffen, da finden sich
auch M i k r 0 0 r g a n i s m e n. Dieser Satz hat für natürliche Verhält-
nisse ganz allgemeine Gültigkeit. Nur auf besonders künstliche Weise
können wir, experimentell, Eiterung erzeugen, ohne dass Mikroorga-
nismen dabei betheiligt sind.^) Unter natürlichen Verhältnissen wird
die Eiterung stets durch Infection mit Miki'oorganismen hervorgerufen.
Speci fisch Eiterung erregende Bakterienarten giebt es nicht.
Eiterung kann durch sehr viele Bakterienarten hervorgerufen werden
(cf. p. 377). Die sog. „Eitermikroorganismen" sind solche Bakterien,
^) Unter Umständen scheint beim Menschen auch eine allgemeine Strepto-
cocceninfection in Folge von Hauterysipel vorkommen zu können, (cf. Pfuhl,
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892.)
2) Arch. f. klin. Chir. Bd. 42. 1891.
^) Scheurlen (Langenb. Arch. Bd. 36. 1887) sah nach Injection von sterilen
Ptomainen Eiterung auftreten; Grawitz und de Bary (Virch. Arch. Bd. 108.
1887) haben gefunden, dass man durch subcutane Injection steriler chemisch reizen-
der Flüssigkeiten , wie 5 proc. Lösung von Argent. nitric, stärkerer Ammoniakfiüssig-
keit, Terpentinöl, bei Hunden Abscesse erzeugen könne; Steinhaus (Die Aetiologie
der acuten Eiterungen. Monographie. Leipzig 1889) wies eiterungserregende Fähig-
keit auch für andere sterile chemische Körper nach.
376 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
deren Wirkungen vornehmlich in der Eitererregung bestehen, und denen
unter allen Mkroorganismen pyogene Eigenschaften am stärksten zu-
kommen.^)
Die verbreitetsten Eit er mikro Organismen sind die („pyo-
genen") Staphylococcen. Dieselben wurden in acuten Äbscessen
mikroskopisch constant zuerst von 0 g s t o n -) gefunden. J. Rosen-
bach^), F. Krause*), Passet"^), Garre'^), Hoffa') und andere
Autoren studirten die Staphylococcen mit Hülfe der modernen Rein-
culturmethoden und wiesen die ausgedehnte Bedeutung derselben in
der menschlichen Pathologie nach.
Es giebt eine ganze Reihe von pyogenen Staphylococcen. Der
verbreitetste , wichtigste, giftigste ist der Staphylococcus pyo-
gene s aureus; der zweitwichtigste ist der Staphylococcus
pyogenes albus. Daneben hat man noch einen Staph. pyog.
citreus, einen Staph. cereus albus und einen Staph. cereus
flavus statuirt. Wir wollen nur die ersten beiden etwas genauer
betrachten.
Ausser den pj^ogenen Staphylococcen haben auch noch andere
Mikroorganismen eiterungserregende Eigenschaft. Unter diesen ist der
Streptococcus pyogenes der bei Weitem ^nchtigste. Auch
diesen werden wir daher besonders zu betrachten haben.
Die Art und Weise, wie durch Mikroorganismen Eiterung veranlasst
wird, haben wir uns nach neueren Untersuchungen von H. Buchner
so vorzustellen, dass gewisse chemische Körper, welche primär
in der Bakterienzelle vorhanden sind, auf die Leukocyten
des Körpers emen anlockenden („positiv chemotactischen"^))
1) cf. Kurt Müller, Centralbl. f. Bakt. Bd. Ib. 1894. p. 807, 814.
'-) Arch. f. Min. CMr. Bd. 25. 1880.
'') Mikroorganismen bei den Wundinfectionskrankheiten des Menschen. Wies-
baden (Bergmann) 1884; cf. auch Vortrag auf der bl. Vers, deutscher Naturf. u.
Aerzte. Magdeburg 1884. (Deutsche med. Wochenschr. 1884. p. 631.)
0 Fortschr. d. Med. 1884. p. 221 ff.
■^) Fortschr. d. Med. 1885. p. 33 ff.
'^) Fortschr. d. Med. 1885. p. 165 ff.
') Fortschr. d. Med. 1886. p. 75 ff.
") Mit dem Ausdrucke „Chemotaxis" hat W. Pfeffer (Ueber chemotac-
tische Bewegungen von Bakterien, Plagellaten und Volvocineen. Unters, a. d. Bot.
Inst. Tübingen. Bd. 2. 1888) gewisse Bewegungserscheinungen belegt, welche durch
die Einwirkung gelöster chemischer Körper auf eigenbewegliche Mikroorganismen
bei den letzteren zu Stande kommen. Pfeffer beobachtete nämlich, dass gelöste
chemische Körper, welche (in einseitig zugeschmolzenen CapiUarröhrchen disponirt)
mit dem die beweglichen Mikroorganismen enthaltenden Wassertropfen in Contaet
Die Eitermikrococcen. 377
Einfluss ausüben. Biichner^) hat für eine grosse Reihe von Bakterien-
arten den Nachweis geführt, dass ihre eitenmgserregende Fähigkeit an
chemische, in der Bakterienzelle vorhandene Substanzen gebunden ist.^)
Liess Buchner durch Hitze sterilisirte Culturaufschwemniungen
wochenlang stehen, so war, nachdem sich die Bakterienzellen zu Boden
gesetzt hatten, nur der aus den Zellen bestehende Bodensatz eiterungs-
erregend, nicht die Flüssigkeit. Die in der Bakterienzelle vorhandenen,
eiterungserregenden chemischen Substanzen gehören, wie Buchner
nachgewiesen hat, zu den Bakterienproteinen-') (cf. p. 46). Diese
chemotactisch wirksamen (Näheres hierüber siehe oben p. 208, Anm. 1).
Eiweisskörper scheinen eine hochgradige Beständigkeit zu haben. Selbst
stundenlange Erhitzung auf 120^0. im Dampfkessel vernichtet ihre
eiterungserregende Fähigkeit nicht. Durch Einverleibung dieser Pro-
teine in den Kaninchenkörper wird (aseptische) Eiter an Sammlung
bewirkt; bringt man den Thieren diese Substanzen intravenös bei, so
entsteht, wie Buchner und Roemer*) feststellten, starke Vermeh-
rung der Leukocyten im Blute (Leukocytose). Uebrigens hat Buch-
gebracht werden, entweder attractiv, anziehend, oder repulsiv, abstossend, auf die
Organismen einwirken. In dem ersten Falle dringen die Organismen in das Eöhr-
chen ein (,,positive Chemotaxis"); in dem zweiten fliehen sie von ihm hin-
weg („negative Chemotaxis"). Die chemotactische Wirkung ist je nach der
verschiedenen Art und Concentration der gelösten Körper, ferner je nach dem ver-
schiedenen Organisraenmaterial eine verschiedene.
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 8. 1890. No. 11.
-) Für den Tuberkelbacillus hat E. Koch (cf. oben p. 268, Anm. 1)
die Anwesenheit einer eiterungserregenden chemischen Substanz in der Bakterien-
zelle nachgewiesen.
^) Zur Extrahirung dieser chemotactisch wirksamen Körper aus den Bakterien-
zellen ging Bu ebner ursprünghch so vor, dass er die Culturen mit 0,5proc. Kah-
lauge behandelte; die entstandene Lösung wurde dann mit Säuren gefällt. Die
Präcipitate wurden wieder mit Kalilauge gelöst, wieder mit Säuren gefällt; und diese
Procedur wurde so mehrmals wiederholt. Die so aus der Bakterienzelle extrahirten
Eiweisskörjjer (Proteine) wurden von Buchner (Münch. med. Wochenschr. 1891.
No. 49) als ,, Alkaliproteine" bezeichnet. Eine erheblich grössere Ausbeute an
Proteinen erzielte Bu ebner (ebenda) auf folgende Weise: Die von dem Nährboden
abgestreifte Bakterienmasse wird bei 38" C. mehrere Tage lang getrocknet, dann
mit dem 10 fachen Gewicht (der ursprünglichen feuchten Bakterienmasse) heissem
Wasser verrieben, dann auf dem Sandbad mit Rückflusskühler eine Stunde lang ge-
kocht, endlich durch Kieseiguhr filtrirt und nachher eingeengt. Durch absoluten
Alcohol werden dann die Proteine ausgefällt. Dieselben machen c. 25 bis 40*^/0
der angewandten trockenen Bakterienmasse aus. Die so dargestellten Proteine sind
leicht löslich in Wasser und werden durch schwaches Ansäuern der Lösung (im
Gegensatz zu den „Alkahproteinen") nicht gefällt.
*) Berl. klin. Wochenschr. 1890. No. 47. p. 1087.
378 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
ner^) gefunden, dass ausser den Bakterienproteinen auch andere
Eiweisskörper (Glutencasein, Alkalialbuminat, Leim etc.) eiterungs-
erregend (positiv cliemotactiscli auf Leukocyten) wirken.
Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung derjenigen Bakterieuarten,
welche am häufigsten als Erreger spontaner Eiterungen auftreten.
a. Der Stapliylococcus pjogenes aureus.
Der Staphylococcus p jungen es aureus wurde zuerst (aus
Ahscessen) von J. Eosenbach-) reincultivirt. Der Coccus tritt als
Kügelchen von durchschnittlich 0,7 /< Durchmesser auf. Die Kügel-
chen gruppiren sich gern zu weintrauhenähnlichen (cf. p. 12) Zu-
sammenlagerungen ; daher der Name „Staphylococcen" ■^). Auf Taf. H,
Fig. 12, ist ein Präparat von Staphylococcus aureus dargestellt, welches
die „Weintrauben" gut erkennen lässt.
Der Staphylococcus aureus wächst auf den gewöhnlichen Nähr-
böden, bei Brüttemperatur besser als bei Zimmertemperatur.
Auf der G-elatineplatte bildet er zunächst weisse, dann orange-
gelb werdende, runde Colonien, die eine nur massige Grösse erreichen
und die Gelatine massig schnell verflüssigen. Mkroskopisch erscheinen
dieselben als scharfrandige, dunkle, grobkörnige Gebilde. In der Gela-
tine stich cul tu r ist das W^achsthum ein dem entsprechendes. Die
oberen Theile des Impfstiches werden zunächst verflüssigt.
Auf der Agarplatte im Brütschrank bilden sich in 1 bis
2 Tagen Colonien aus, die an der Oberfläche des Nährbodens einen
mehrere Älillimeter betragenden Durchmesser erreichen und als saftige,
orangegelbe Häufchen erscheinen.
Auf der Agar ob er fläche (Strichcultur) bildet der Coccus einen
feuchtglänzenden orangegelben Ueberzug; fand die Züchtung im Brüt-
schrank statt, so erscheinen die Bänder der Cultur häufig weiss.
Auf der Kartoffeloberfläche entwickeln sich saftige gelbe
Beläge.
Der Staphylococcus aureus ist ziemlich resistent gegen das
Austrocknen und gegen die verschiedensten chemisch oder physikalisch
wirkenden Desmfectionsmittel.
Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen sind durch cutane
\) Berl. klin. Wocbenschr. 1890. No. 47.
") Mikroorganismen bei den Wundiiifectionskrankheiten des Menschen. Wies-
baden 1884. p. 19.
^) Dieser Name stammt von Ogston.
Die Eitermikrococcen. 379
Impfung mit dem Coccus nicht zu inficiren; bei subcutaner Ein-
verleibung entstehen gewöhnlich locale Abscesse, welche in Ge-
nesung übergehen. Injicirt man Kaninchen den Coccus in das
Blut, so gehen die Thiere unter Auftreten eitriger Entzündungen,
namentlich der Gelenke, sowie unter Bildung metastatischer eitriger
Herde und Infarcte, namentlich in den Nieren, zu Grunde.
In den so häufig in unserer Haut auftretenden Furunkeln
sowie in den durch Zusammenhäufung mehrerer Furunkel entstehenden
eitrigen Carbunkeln findet sich der Staphylococcus aureus ge-
wöhnlich. Er vermag, me dies G a r r e ^) experimentell an sich selbst
festgestellt hat, durch die unverletzte Haut einzudringen und eitrige
Hautentzündungen zu erzeugen. Nach G a r r e " s Ansicht scheint die
Infection hierbei ihren Weg durch die Ausführungsgänge der Haut-
drüsen zu nehmen. Ausser dem Furunkel resp. Carbunkel verdankt
auch das Panaritium seine Entstehung gewöhnlich der Infection
mit dem Staphylococcus aureus. Damit ist aber die Kolle dieses
Coccus in der menschlichen Pathologie nicht erschöpft. Bei"') den
acuten (heissen) A bscessen sowie den (mehr circumscripten)
Phlegmonen der Haut , bei Impetigo, Sycosis, B 1 e p h a r o -
adenitis, Conjunctivitis phlyctaenulosa findet er sich.
Ferner wird er bei der acuten infectiösen Osteomyelitis"^)
ganz regelmässig gefimden. Dann findet er sich bei Lymphdrüsen-
eiterungen, in Empyemen, bei Gelenk- und Schleimbeutel-
eiterungen, im Tonsillarabscess, in den eitrigen Secret-
pfröpfen bei Angina lacunaris, in Mammaa bscessen, bei
Parotiseiterungen, bei idiopathischer Cerebrospinalmenin-
gitis, bei Strumitis, eitriger Peripleuritis, bei der sym-
pathischen Ophthalmie u. s. w. Zu bemerken ist, dass in den
erwähnten Fällen auch andere Eitercoccenarten , namentlich der
Staphylococcus albus, angetroffen werden können. Häufig sind
Mischbefunde.
Uebrigens entsteht nicht in allen Fällen bei der Vermehrung des
Staphylococcus pyogenes aureus im Körper Eiterung. So fand Gold-
scheider ^) den genannten Miki-oorganismus (wie auch den Strepto-
^) Fortschr. d. Med. 18S5. p. 170, 171.
") Nach Baumgarten, Lehrbuch d. path. Mykologie. Braunschweig 1890.
Bd. 1. p. 297 ff.
^) Bei dieser Erkrankung wurde er zuerst von F. Krause (Fortschr. d. Med.
1884. p. 221 if.) festgestellt.
^) Zeitschr. f. kUn. Med. Bd. 21. 1892. p. .371.
380 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
coccus pyogenes) bei rein seröser Pleuritis. Kurt Müller^)
constatirte bei einem bestimmten Krankheitsfalle, dass dieselben
Stapbylococcen im lüiochenmarke eine eitrige, im Kniegelenk eine
seröse Entzündung erzeugt hatten.
Ausser in Fällen primärer resp. localer Eiterungen wird der
Staphjdococcus aureus auch als Erreger secundärer Eiterungen
angetroffen. Allerdings spielt er in dieser Beziehung eine weniger
hervorragende EoUe als der weiter unten zu betrachtende Strepto-
coccus pyogenes.
Oben hatten wir schon gesehen, dass der Staphylococcus aureus,
Kaninchen in die Blutbahn gebracht, metastatische Eiterungen ver-
anlasst. Orth und Wy ssoko witsch -) fänden dann, dass, wenn
man den Kaninchen vor der Staphylococcusinjection in das Blut eine
Verletzung der Herzklappen macht (durch Einführung eine s
Instrumentes in die Carotis), die Stapbylococcen sich dann in dem
verletzten Endocard ansiedeln und acute ulceröse Endocarditis
veranlassen. Bibbert^) gelang die experimentelle Erzeugung dieser
Affection auch ohne vorherige Klappenverletzung, und zwar gelang
sie dadurch, dass er sehr kleine Kartoffelbröckchen den Thieren injicirte,
die mit Staphylococcuscultm- imprägnirt waren. Diese Thierversuche
wurden angestellt, nachdem man beim Menschen in Fällen von ulceröser
Endocarditis (die [nach Baumgarten] in den meisten Fällen wohl
als Localisation eines von einem anderen Herde eingeleiteten Allgemein-
leidens auftritt) Stapbylococcen in den Klappenwucherungen nach-
gewiesen hatte. Ebenso haben sich Staphjdococcen später auch bei
V e r r u c ö s e r Endocarditis auffinden lassen.^)
Der Staphylococcus aureus färbt sich mit wässerigen Farblösungen;
er färbt sich auch nach der Gram 'sehen Methode (p. 108 ff.j.
b. Der Staphylococcus pyogenes albus.
Der Staphylococcus pyogenes albus (J. Rosenbach ■^))
ist vielleicht nur als Varietät des Staphylococcus am'eus aufzufassen.
Er zeigt weisse, nicht gelbe Culturen, ist etwas weniger giftig fiir
den Thierkörper als der Staph. aureus. Im Uebrigen gleicht er dem
letzteren vollständig. (Siehe über sein Vorkommen auch p. 379.)
') Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1894. p. 805.
•-) Centr. f. d. med. Wiss. 1885. No. 33. — Virch. Arch. Bd. 103. 1886.
3) Fortschr. d. Med. 1886. No. 1.
^) E. Traenkel und Sänger, Virch. Arch. Bd. 108. 1887.
■'') 1. c. (Siehe ,, Staphylococcus aureus").
Die Eitermikrococcen. 381
c. Der Streptococcus pyogenes.
Manche Eiterungen haben die Tendenz, sich auf dem Wege der
Lymph bahnen fortzupflanzen, Lymphangitis, L}Tnphadenitis zu be-
wii'ken. Diese „phlegmonösen" Eiterungen sind es, bei
welchen der (von J. Rosenbach^) zuerst aus Eiter reincultivirte)
Streptococcus pyogenes regelmässig angetroffen wird.
Handelt es sich hier häufig um local bleibende Ansiedlung des
Streptococcus, die bei geeigiieter (operativer) Behandlung oder auch
ohne eine solche gelegentlich zur Heilung gelangt, so findet sich der
Streptococcus pyogenes auf der anderen Seite auch, und zwar
ausserordentlich häufig, als der Vermittler schwerer allgemeiner,
metastatischer, eitriger Processe (Pyaemie), welche gewöhn-
lich mit dem Tode endigen (cf. oben p. 200). So sehen wir bei der
puerperalen Pyaemie den Streptococcus im Blute ^) kreisen, die
Merengefässe embolisiren und dort metastatische Eiterungen ver-
anlassen; wir sehen ihn schwere Gelenkentzündungen bewirken,
schwere acute Endocarditis veranlassen u. s. f. Die Infections-
pforte kann hierbei eine ganz verschiedene sein. Bei der puerperalen
Pyaemie geschieht der Eintritt der Streptococcen durch die offen-
stehenden Uterusgefässe. In vielen Fällen (z. B. bei Scharlach, wo
wir sehr häufig „secundäre" Infectionen durch Streptococcen
auftreten sehen) dürfte die erki-ankte (und dadurch wohl leichter
dm-chgängige) Eachenschleimhaut als Infectionspforte fungii-en.
Der Streptococcus i)yogenes ist in seinem gesammten Verhalten
in künstlichen Culturen und auch Thieren gegenüber
durch nichts unterschieden von dem Streptococcus
des Erysipels, den wir oben (p. 373) betrachteten. Er wird des-
halb mit diesem jetzt ganz allgemein für identisch"^) angesehen. Ein
'■) Mikroorganismen bei den Wundinfectionskrankheiten des Menschen. Wies-
baden (Bergmann) 1884. p. 22.
'-) Petruschky (Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 17. 1894. p. 109) entnimmt zum
Zwecke der bakteriologiscben Untersuchung des Blutes septisch In-
ficirter (cf. oben p. 200, Anm. 2) das Blut mittels sterilisirter Schröpfköpfe. Die
pyogenen Coccen gehen bei der Gerinnung des Blutes in das sich abscheidende
Serum mit über. Das letztere wird dann zur Anlegung von Culturen benutzt, ferner
(m einer Quantität von 0,5 bis 2,0 com) weissen Mäusen in die Bauchhöhle gespritzt.
Sind hochvirulente Streptococcen vorhanden, so sterben die Thiere in kurzer Frist
an Streptococcen -Septicaemie. Bereits vor dem Tode der Thiere können in ihrem
Blute die Streptococcen durch directe Culturaussaat eines Tröpfchens Schwanzblut
nachgewiesen werden.
^) E. Fraenkel hat eine schlagend beweisende Illustration für diese Identität
pubhcirt (Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. No. 25). Er cultivirte aus peritoni-
382 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Photogramm des Streptococcus pyogenes bei lOOOfacherVergTösserung
zeigt Taf. in, Fig. 13.
Streptococcenculturen neigen im Allgemeinen sehr dazu, bei fort-
gesetzter Züchtung auf künstlichen Nährböden zu degeneriren; sie ver-
lieren allmählich die Fähigkeit kräftig zu wachsen, sind schliesslich
gar nicht mehr übertragbar. Nach Erfahrungen von P e t r u s c h k y ^)
kann man die Uebertragbarkeit der Culturen und sogar ihre Virulenz
für Yersuchsthiere (cf. weiter unten) dadurch vortrefflich conserviren,
dass man Stichculturen in Nährgelatine anlegt, dieselben 2 Tage lang
bei 22*^ C. hält und dann im Eisschranke aufbewahrt.-)
Der Streptococcus pyogenes färbt sich (in Ueberein Stimmung mit
dem Streptococcus des Erysipels) auch nach der Gram 'sehen Methode
(p. 108 ff.).
Neuere Untersuchungen über Streptococcen, welche wir nament-
lich V. Lingelsheim^), Kurth^), Behring'^), Knorr''') ver-
danken, haben zu dem Resultat geführt, dass die in der Natur vor-
kommenden Streptococcen doch eine gewisse Classificirung gestatten.
Nicht etwa, dass sich irgend Avelche durchgreifenden Unterschiede
zwischen dem Streptococcus erysipelatos und dem Streptococcus pyogenes
feststellen Hessen; die Unterschiede bestehen in anderer Richtung.
Cultivirt man nämlich Streptococcen in Bouillon, so findet man bei
der mikroskopischen Untersuchung der entstehenden Vegetation meist,
dass dieselbe aus sehr langen, vielgiiedrigen Ketten besteht (cf. oben
p. 374). In seltneren Fällen besteht die Vegetation aus ganz kurzen
Streptococcenketten. v. Lingelsheim und Behring haben hiemach
unterschieden zwischen Streptococcus longus und Strepto-
coccus brevis.
Der letztere, der Streptococcus brevis, scheint in der
Pathologie des Menschen keine oder nur eine sehr geriuge Rolle zu
spielen; auch für Thiere (Kaninchen und weisse Mäuse) zeigt er sich
nicht pathogen. Er ist ausserdem durch makroskopisch sichtbares
tischem Eiter in zwei Fällen Streptococcen, die, auf das Kaninchenohr cutan
verimpft, typisches Erysipel erzeugten.
1) Centralbl. f. Bakt. 1. Abth. Bd. 17. 1895. No. 16.
-) Petruscbky constatirte an derartigen Culturen nach 6 Monate lauger
Aufbewahrung im Eisschranke völlig erhaltene Virulenz.
3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891; Bd. 12. 1892.
■*) Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 7. 1S91.
") Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 6.
"•■) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893.
Die Eitermikrococcen. 383
Wachsthum auf Kartoffeln und ferner dadurch von anderen »Strepto-
coccen unterschieden, dass er die Gelatine etwas verflüssigt.
Der Streptococcus longus hingegen ist es, welcher für die
menschliche Pathologie so ausgedehnte Bedeutung hat. Innerhalb der
Streptococcen, welche zu dem Streptococcus longus gerechnet werden
müssen, eine weitere durchgreifende Differenzirung zu statuiren, hat
sich bisher als unmöghch herausgestellt. Das aber muss betont
werden, dass verschiedene Culturen des Steptococcus longus eine ganz
verschiedene Virulenz besitzen können. Als Reagens hat sich
in dieser Beziehung am brauchbarsten die weisse Maus erwiesen
(cf. auch oben p. 381, Anm. 2). Nach subcutaner Einverleibung kleiner
Quantitäten sehr virulenter Bouilloncultur gehen diese Thiere nach
3—4 — 6 Tagen zu Grunde. Man findet Eiterung an der Infections-
stelle und eine durch die Streptococcen veranlasste Septicaemie; die
Milz ist vergrössert. Ist die Virulenz geringer, so wird die Krankheits-
dauer verlängert, und es können sich dann auch Eiterherde in den
Organen finden. Der Tod. tritt dann manchmal erst nach Wochen
oder sogar Monaten ein. Es hat sich nun durchgehend eine gewisse
Beziehung zwischen dem Virulenzgrade und dem Aussehen der Bouillon-
cultur constatiren lassen : Je mehr der Streptococcus longus die Neigung
zeigt, sich in seinen Vegetationen in der Nährbouillon zu fest
verfilzten Haufen zusammenzuballen, desto mehr viru-
lent ist er für weisse Mäuse. Für die sich fest zusammenballenden,
sehr virulenten Streptococcen hat Kurth^) den Namen „Strepto-
coccus conglomeratus" erfunden. Es muss aber nochmals darauf
hingewiesen werden, dass die letztere Bezeichnung nicht etwa eine für
sich abzugrenzende Art bedeutet.
Für Kaninchen sind die langen Streptococcen ebenfalls pathogen.
Auch hier schwankt die Virulenz ausserordentlich. Bei subcutaner
Einverleibung können die Thiere an schnell (in wenigen Tagen) ver-
laufender Septicaemie sterben, oder aber es kann sich auch ein längerer
Krankheitsprocess an diese Infection anschliessen ; stirbt das Thier
dann nach Wochen , so findet man Eiterherde in den Organen, eitrige
Pleuritis und Pericarditis etc. Bei cutaner Einverleibung bekommen
die Kaninchen meist erysipelatöse Affectionen. Bei geringerer Virulenz
des Impfmaterials kann die Entwickelung des Er^'sipels ausbleiben.^)
^) Kurth fand solche Streptococcen ausschliesslich bei schweren Scharlachfällen.
•^) V. Lingelsheim (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892. p. 317) konnte das
Erysipel in solchen Fällen oft noch dadurch hervorrufen, dass er an der geimpften
SteUe (er benutzte [cf. auch oben p. 374] das Ohr des Kaninchens) Ki'eislauf Störungen
herstellte (Anbringung eines CoUodium- oder H^Hpflasterstreifens).
3S4 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
Es hat sich übrigens herausgestellt, dass eine Cultur, die für Kaninchen
besonders virulent ist, deshalb nicht auch für Mäuse besonders virulent
zu sein braucht, und umgekehrt.
In einer jüngst erschienenen Arbeit aus dem Institut Pasteur zu
Paris hat M a r m o r e k i) über Versuche berichtet, die Behring' sehe
S e r u m t h e r a p i e (cf. oben p. 214 ff.) auf die Streptococcen-
k rankheiten des Menschen anzuwenden. Das Wesentliche der
M a r m 0 r e k ' sehen Ermittelungen ist zunächst das, dass es dem Autor
gelungen ist die Virulenz von Streptococcenculturen bis auf eine
ganz ausserordenthche Höhe zu bringen. Die Virulenzsteigenmg ge-
schah in der gewöhnlichen Weise durch Passageimpfimgen von Thier
zu Thier; wesentüch ist aber, dass zwischen jeder Impfung und der
nächsten das Blut (des gestorbenen Thieres) zunächst auf ein Gemisch
von 2 Theilen menschlichem Blutserum und 1 Theil Pepton-Eleisch-
Bouillon gebracht wurde, um nach der Entmckelung auf diesem
„Bouillon- Serum" wiederum in den Thierkörper zu gelangen.
Als Thiere wurden Mäuse und Kaninchen verwendet. Der genannte
Xährboden hat nach den Angaben des Autors die Eigenschaft, die
momentan bestehende Virulenz einer Streptococcencultur durchaus
zu conserviren, während auf unseren sonstigen Nährböden (cf. p. 382)
die Virulenz und auch die Uebertragbarkeit der Culturen sehr bald
abnimmt resp. erlischt.
Der zweite wesentliche Punkt in der M a r m o r e k ' sehen Ver-
öffentlichung ist der, dass es dem Autor gelang, mit Hülfe der ge-
Avonnenen ausserordentlich vii'ulenten Streptococcenculturen grosse
Thiere (Hammel, Esel, Pferde) zu immunisiren. Die Thiere
sind zunächst gegen die Einverleibung des Virus sehr sensibel, lassen
sich aber in einer Reihe von Monaten allmählich durch Gewöhnung
dahin bringen, dass sie grosse Dosen des Virus vertragen. Das Serum
der immunisirten Thiere hat die Eigenschaft die Immunität auf nor-
male Thiere (Kaninchenversuche) zu übertragen.
Der Autor hat bereits Gelegenheit gehabt die Heilwirkung des
Serums bei dem streptococcenkranken Menschen zu versuchen (Er}^-
sipel, Puerperalfieber etc.) ; die definitive Entscheidung über den Werth
der Serumtherapie gegen die Streptococcenkrankheiten des Menschen
bleibt der Zukunft überlassen.
') Annales de l'Inst. Pasteur. 1S95. No. 7. p. 593 ff.
Die Bakterien der Pneumonie. 385
24. Die Bakterien der Pneumonie.
Die ersten Bakterienbefunde bei der Pneumonie wurden von
Klebs (1875) erlioben;i) dann folgte Ebertli;^) und R Kocli=^)
war dann der Erste, welcher (1881) die in einem Falle von Pneumonie
(nach Recurrens) in den Schnitten der Lunge und der Nieren auf-
gefundenen Bakterien photographisch fixirte. Frie dl ander **) wies
dann in einer Reihe von Fällen croupöser Pneumonie in Schnitten des
erkrankten Lungengewebes constant Coccen nach. In dem mit Hülfe
der P r a V a z ' sehen Spritze dem lebenden Pneumoniker entnommenen
Limgensafte fanden dann Leyden und (eine Reihe von Monaten
früher) der Verf. ebenfalls Mikrococcen. Auf Taf. Xu, Fig. 68, gebe
ich ein Photogramm desjenigen Präparates, welches ich damals (im
Mai 1882) gewann.'^) Friedländer hat später*^) angegeben, dass
ich damals zuerst die „Kapseln" der Pneumoniecoccen gesehen und
(in einer Zeichnung) abgebildet habe. Ich möchte es jedoch für frag-
lich halten, ob die ungefärbten Räume, welche in diesem Präparate
die Bakterien umgeben, für Bakterienhüllen, für Kapseln, angesehen
Averden dürfen; die Möglichkeit ist allerdings nicht direct ab-
zuweisen.
Der Erste, welcher aus der pneimioni sehen Lunge Bakterien in
Reincultur züchtete, war Friedländer. Friedländer
bediente sich der Vortheile, welche der von Koch eingeführte feste
Xährboden bietet, nur halb. Es wurden in seinen Culturversuchen
keine Platten angelegt; überhaupt wurde keine Rücksicht darauf ge-
nommen, dass etwa verschiedene Bakterienarten in dem zu unter-
suchenden Materiale vorhanden sein könnten. Friedländer legte
mit dem aus der kranken Lunge entnommenen Materiale directe Stich-
culturen in Gelatine an und erhielt auf diese Weise Culturen eines
Organismus, den er zwar mit dem Namen „Pneumoniemikro-
coccus" belegte, der aber, wie sich in der Folge gezeigt hat, nur
ganz ausserordentlich selten bei der Pneumonie vorkonunt.
1) Arch. f. exp. Path. Bd. 4.
■-) Deutsches Arch. f. Win. Med. Bd. 2S.
-) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881.
4 Virch. Arch. Bd. 87.
^) Dieses Präparat habe ich im Verein für innere Medicin zu Berhu am 20. Nov.
1882 (Deutsche med. Wochenschr. 1883. p. 52) demonstrirt. Das Photogramm
Taf. Xn, Fig. 68, zeigt genau die damals demonstrirte Stelle.
«) Fortschr. d. Med. 1883. p. 719.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 25
3S6 ß- ^iß Bakterien als Krankheitserreger.
Wie nämlich A. Fraenkel^) und Weichselbaum-) gezeigt
haben, kommt der von Friedländer gezüchtete „Pnemnoniemikro-
coccus", welchen Weichselbaum seiner Form nach als „Bacillus
pneumoniae" bezeichnet hat, nur höchst selten bei der Pneumonie
vor. Weichselbaum fand ihn in 83 Fällen von Pneumonie, in
denen er Culturen anstellte, nur 6 Mal, während in der gTÖssten Mehr-
zahl der Fälle (54 Mal) ein anderer Mkroorganismus gefunden wurde,
den zuerst A. Fraenkel rein cultivirte, und den Weichselbaum
als „ D i p 1 0 c 0 c c u s pneumoniae" bezei ebnet. Aber auch der
letztere stellt einen ganz constanten Befund nicht dar.
Es kommt übrigens bezüglich des Bakterienbefimdes ganz darauf
an, ob die Pneumonie eine genuine, primäre, oder ob sie eine
acci den teile, secundäre ist. Während bei der ersteren in den
allermeisten Fällen (wenn auch nicht constant) der D i p 1 o c o c c u s
pneumoniae gefunden wird, so triflPt man bei den secundären
Pneumonien ausser dem D i p 1 o c o c c u s pneumoniae und ausser
dem Bacillus pneumoniae unter Umständen auch den Strepto-
coccus p3'0genes, ja sogar den Staphj^lococcus p3rogenes
aureus an.
Ein einheitlicher Bakterienbefund existirt also bei der Pneu-
monie nicht.
Ausserdem ist auch die Eolle des am häufigsten gefundenen
Organismus, des Diplococcus pneumoniae, mit dem Vorkommen
bei der Pneumonie durchaus nicht erschöpft. Man hat ihn z. B. bei
Otitis media (ZaufaT^), Weichselbaum), bei epidemischer Cerebro-
spinalmeningitis (Foä und Bordoni-Uffreduzzi^), Weichsel-
baum) wie auch bei sporadischer eitriger Meningitis (Weichselbaum'*),
1) Verh. d. 3. Congr. f. inn. Med. 1884. — Zeitschr. f. kl. Med. Bd. 10. 1886.
p. 401 ff.; Bd. 11. 1886. p. 437 ff".
-) Wiener med. Jahrbücher. 1886.
^) Prager med. Wochenschr. 1889. No. 6—10, 12.
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 4. 1888.
■') Fortschr. d. Med. 1887. No. 18, 19. — In dieser Mittheilung berichtet
Weichselbaum über 8 untersuchte Fälle von sporadischer acuter Menin-
gitis cerebrospinalis. 2 von den Fällen waren bedingt durch den Diplococcus
pneumoniae; die anderen 6 waren veranlasst durch einen bis dahin unbekannten
Mikroorganismus, den ,, Diplococcus intracellularis meningitidis". Die
Zellen des letzteren erinnern in ihrer Gestalt sowie in ihrer Eigenschaft, meist inner-
halb von Zeilen zu liegen, an den Gonococcus. Nach Gram entfärben sie sich.
Ihre Cultur gelang Weichselbaum. — Nach neueren Untersuchungen von Jäger
(Zeitschr. f. Hvg. Bd. 19. 1895. p. 368) ' wird auch die eigentliche Meningitis
epidemica gewöhnhch durch den Weichselbaum'schen Diplococcus intra-
cellularis veranlasst.
Die Bakterien der Pneumonie. 387
Ortmann ^), Zörkendörfer-)), bei ulceröser Endocarditis (We ich sei-
fe auni'')) nachgewiesen; und es ist Weichselbaum auch gelungen,
bei Kaninchen nach vorhergehender Verletzung der Herzklappen (cf.
p. 380j durch intravenöse Einverleibung des Diplococcus pneumoniae
Endocarditis experimentell hervorzurufen. Auch bei primärer mul-
tipler Gelenkentzündung ist der genannte Mikroorganismus gefunden
worden (BouUoche^)).
Der Diplococcus pneumoniae wird auch bei einzelnen ganz ge-
sunden Menschen ganz constant in der Mundhöhle angetroffen ;
es giebt Menschen, deren Mundflüssigkeit, Kaninchen subcutan mjicirt,
die Thiere an derselben Septicaemie („Sputumsepticaemie") zu
Grunde gehen lässt, die nach Injection virulenter Reincultur des Diplo-
coccus pneumoniae (cf. p. 389) entsteht.''^)
Aus dem Dargelegten geht hervor, dass von einer völligen Klar-
heit hinsichtlich der Entstehungsursache der Pneumonie keine Rede
ist. Besonders fehlen auch überzeugende Thierversuche , welche die
Pneumonie veranlassende Eigenschaft des einen oder des an-
deren Mikroorganismus darthun, noch völlig.
Der Diplococcus pneumoniae sowohl wie der Bacillus
pneumoniae sind im Uebrigen für Thiere pathogen.
Wir wollen in Folgendem die Eigenschaften beider Organismen
in Kürze darstellen.
a. Der Diplococcus pneumoniae.
Der Diplococcus pneumoniae (Pneumoniemikrococcus
A. Fraenkel, Mikrococcus der Sputumsepticaemie, Diplococcus
lanceolatus, lanzettförmiger Diplococcus, Meningococcus % Streptococcus
lanceolatus Pasteuri) wird häufig in dem pneumonischen Lungensafte,
1) Vircb. Arch. Bd. 120. 1890. p. 109 ff.
'^) Prager med. Wochensclir. 1S93. No. IS.
4 Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. No. S.
^) Arch. de med. exper. et d'anat. pathol. t. 3. 1891. p. 252 ff. — An die Ge-
lenkentzündung scbloss sich in dem Falle secundär eine Pneumonie an.
■') W. D. Miller (The human mouth as a focus of infection. Dental-Cosmos.
Sept. — Nov. 1891) unterscheidet vier verschiedene (für weisse Mäuse pathogene) Arten
von „Micrococcus of Sputum Septicaemia", die in der Mundhöhle gesunder Menschen
gefunden wurden. — Bezüglich der anderen in der menschlichen Mundhöhle vor-
kommenden pathogenen Bakterienarten verweise ich auf das Werk von Miller: Die
jVIikroorganismen der Mundhöhle. Leipzig (Gr. Thieme). 2. Aufl. 1892. p. 293 ff.
") Der Name stammt von Foä und Bordoni-Uffreduzzi (cf. p. 386).
Foä unterscheidet zwischen „Pneuraococcus" und „Meningococcus" (siehe den Schluss
dieses Abschnittes).
388 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
femer bei Affectionen, welche sich secundär an eme bestehende
Pneumonie anschliessen (Pleuritis, Pericarditis, Peritonitis, Meningitis,
Endocarditis etc.) angetroffen. Im pneumonischen Sputum findet er
sich gewöhnlich; er kommt aber auch im normalen Sputum ganz ge-
sunder Menschen vor.^)
Der Diplococcus pneumoniae ist vielleicht nicht eigentlich zu den
Miki'ococcen zu rechnen. Seine meist zu zweien zusammen auftretenden
Individuen sind gewöhnlich etwas in die Länge gezogen und an den
Enden deutlich lanzettförmig zugespitzt (cf. das typische Photogramm-)
Fig. 68 auf Taf. XU); gelegenthch findet sich der Organismus auch
in kürzeren oder längeren Ketten angeordnet.-^)
Der Diplococcus pneumoniae ist unbeweglich. Im Gewebe
liegend (in der pneumonischen Lunge des Menschen oder in den Or-
ganen von Versuchsthieren) zeigt sich der Diplococcus von einer deut-
lichen Kapsel (p. 385) umgeben. In künstlichen Culturen zeigt der
Organismus keine Kapseln. *)
Der Diplococcus pneumoniae wächst auf den künstlichen Nähr-
böden, aber nur bei höherer Temperatur. Unter 22^0. kommt
ein Wachsthimi nicht zu Stande. Am besten wächst er bei etwa
35*^ C. Die Nährböden müssen schwach alkalisch sein. Auf
der Oberfläche von Agar und von Blutserum bildet der Diplo-
coccus pneumoniae äusserst feine, me aus einzelnen Thautröpfchen
zusammengesetzt erscheinende Ueberzüge, welche an Erysipelcoccen-
cultm-en erinnern (cf. oben p. 374). Agarculturen sterben gewöhnhch
schon in wenigen Tagen ab, nachdem sie zunächst ihre pathogenen
Eigenschaften für Thiere (siehe weiter unten) verloren haben. Etwas
haltbarer sind Bouillonculturen. Ln angetrockneten Auswurf des
Pneumonikers bleibt der Diplococcus pneumoniae lange Zeit lebens-
fähig imd virulent.''^)
Der Diplococcus pneumoniae ist für unsere Yersuchsthiere, nament-
^) Die erste derartige Mittheilung (aus dem Jahre 1880) stammt von Stern-
berg (cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. p. 53).
-) Vergl. p. 385, Anm. 5.
^) Kruse und Pansini (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1892. p. 283) finden, dass
bezüglich der Form des Diplococcus pneumoniae alle Uebergänge von der typischen
Gestalt des Diplococcus lanceolatus bis zu der des Streptococcus pyogenes vorkommen.
^) Eine Ausnahme machen nach Ortmann (Arch. f. exp. Path. u. Pharmak.
Bd. 24. 1888. p. 304) Culturen in Blutserum; hier sind die Organismen mit
Kapseln zu finden. Nach Paulsen (cf. p. 390, Anm. 1) werden auch bei der
Cultivirung in Milch Kapseln gebildet.
^) cf. Bordoni-Uffreduzzi, Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. 1891. No. 10;
auch Archivio per le scienze med. vol. 15. 1891.
Die Bakterien der Pneumonie. 389
lieh für Kaninclien, aber auch für Meerschweinchen und Mäuse,
pathogen. Macht man einem Kaninchen mit einer frischen viru-
lenten Bouilloncultur eine Injection unter die Haut, sü geht das Thier
in 1 bis 2 Tagen an einer typischen Septicaemie (cf. oben p. 200)
zu Grunde. Die Mlz ist stark geschwollen. Ratten sind wenig
empfänglich für die Infection, Hühner und Tauben unempfänglich:
ebenso fanden Kruse und Pansini^) ein Schaf und ein Pferd un-
empfänglich.
lieber Immunisirung der so hoch empfänglichen Kaninchen
gegen die Infection hat zuerst Foä-) berichtet; die Immunisirung
gelang durch Einverleibung der löslichen Culturproducte des Diplo-
coccus. Emmerich und Fowitzky^) erreichten eine complete
Immunität der Kaninchen durch intravenöse Injection stark verdünnter
vollvirulenter Culturen des Diplococcus. Mit den Körpersäften so im-
munisirter Kaninchen vermochten die Autoren bei der Maus Heilung
der speciflschen Infection zu bewirken. Gr. und F. Klemperer*)
haben eine ganze Reihe von Methoden angegeben, mit Hülfe deren
man Kaninchen gegen die Infection mit dem Diplococcus pneumoniae
zu immunisiren vermag. In dem Blutserum genesener Pneumoniker
wiesen die Autoren thierimmunisirende Stoffe nach (cf. oben p. 216).
Der Diplococcus pneimioniae färbt sich mit den gewöhnlichen
wässerig- alcoholischen Farbstoff lösungen ; hier wird der Protoplasma-
körper dunkel gefärbt, während die Kapsel nur eine ganz geringe
Färbung anninmit. Der Organismus färbt sich auch nach der G-ra mi-
schen Methode (p. 108 ff.); bei der letzteren bleibt aber nur der
Protoplasmakörper gefärbt, während sich die Kapsel vollständig
entfärbt.
Oben (p. 386, 387) wurde schon mitgetheilt, dass der Diplo-
coccus pneumoniae sich gelegentlich bei Meningitis findet, 'und dass
Foä und Bordoni-Uffreduzzi aus Anlass dieses Befimdes den
Namen „Meningococcus" gebildet haben. Es ist nun zu bemerken,
dass Foä'^) die beiden „Varietäten" „Meningococcus" und „Pneu-
mococcus" streng von einander geschieden wissen will: Beide er-
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1S92.
'-) Accad. di med. di Torino. 6 dicembre 1890. — D Policiinico. 1890.
No. 18. p. 547.
") Münch. med. Wocbenschr. 1891. No. 32.
■*) Berl. klin. Wocbenschr. 1891. No. 34, 35.
■^) La Riforma medica. 1891. No. 60. p. 709; Zeitscbi-. f. Hyg. Bd. 15. 1893.
p. 375, 376.
390 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
zeugen, subcutan auf Kaninchen verimpft, Septicaemie; bei dem
Meningococcus entsteht dabei keinerlei locales Oedem, die Thiere
sterben 2 bis 3 Tage nach der Impfung und zeigen harten, fibri-
nösen Milztumor; der Pneumococcus hingegen erzeugt immer
Oedem und tödtet das Thier in 24 Stunden, es findet sich weicher,
dunkler Milztumor.
b. Der Bacillus pueumouiae.
Der Bacillus pneumoniae (Pneumoniemikrococcus [Pneumo-
coccus] Friedlcänder) wird in seltenen Pällen bei der menschlichen
Pneumonie gefimden, und zwar hier entweder allein oder mit anderen
Mikroorganismen zusammen. Er ist auch bei anderen Affectionen (bei
Schnupfen im X a s e n s e c r e t , bei Otitis media acuta) gefunden
worden.
Der Bacillus pneumoniae unterscheidet sich sofort durch seine
erheblichere Grösse von dem Diplococcus pneumoniae. Man ver-
gleiche hierzu die beiden Photogramme Fig. 68 und Fig. 69 (Taf. XII),
die beide bei lOOOfacher Yergrösserung aufgenommen sind. Fig. 69
entstammt einem Präparate, welches von dem Pleurasafte einer nach
intrapleuraler Infection mit dem Bacillus pneumoniae gestorbenen Maus
hergestellt wurde. Man sieht an dem Bilde sehr schön die aus-
geprägte Kapselbildung bei diesem Organismus. Uebrigens werden
die Kapseln auch hier {vde bei dem Diplococcus pneumoniae) nur
innerhalb des thierischen (resp. menschlichen) Organismus, nicht in
der künstlichen Cultur, gebildet.^) Die Länge des Bacillus ist ver-
schieden. Eigenbewegung ist nicht vorhanden.
Der Bacillus pneumoniae wächst auf den gewöhnlichen bakterio-
logischen Xährböden, und zwar sowohl bei Zimmertemperatur wie bei
Brüttemperatur.
Auf der Gelatineplatte bilden sich weisse Colonien, welche,
an die Oberfläche des Nährbodens gelangend, sich als dicke, halb-
kugelige, porcellanartig glänzende weisse Knöpfchen über der Gelatine
erheben. Die Gelatine wii'd nicht verflüssigt. In der Stich-
cultur kommt in der gesammten Ausdehnung des Impfstiches Wachs-
thum zu Stande ; es bildet sich eine weisse Wucherung, die sich auf
der Oberfläche (ähnlich wie bei der Plattencultur) besonders kräftig
entwickelt und hier als dicker, halbkugeliger, nagelkopfähnlicher („Xagel-
0 Xach Paulsen (Physiol. Verein zu Kiel. 29. Mai 1893; cf. Centralbl. f.
Bakt. Bd. 14. p. 2.51) bildet der Bacillus pneumoniae (wie der Diplococcus pneu-
moniae; cf. p. 3Sb, Anm. 4) bei der Cultivirung in Milch Kapseln.
Der Bacillus des Ehinoscleroms. 391
cultiir" Fr ie dl ander), glänzend weisser Belag erscheint. Alte
Gelatineciüturen zeigen die Gelatine etwas braun gefärbt.
Auf der Agar ob er fläche bildet sich ein weisslicher Belag.
Auf Kartoffeln entwickeln sich gelblich -weisse Auflagerungen, in
denen, namentlich bei Brüttemperatur, Gasblasenbildung auftritt.
Trauben zuck er lösungen werden durch den Bacillus unter
Entbindung von Kohlensäure und Wasserstoff vergohren. Hierbei
entsteht namenthch Essigsäure und Aethylalcohol. ^)
Sporenbildung ist nicht beobachtet.
Die Culturen des Bacillus pneumoniae sind viel dauerhafter als
die des Diplococcus pneumoniae. Noch nach Monaten zeigen sie sich
lebensfähig.
Der Bacillus pneumoniae ist für Mäuse, ferner auch für Hunde,
weniger für Meerschweinchen, pathogen. Für Kaninchen ist er (zum
Unterschiede von dem Diplococcus pneumoniae) nicht pathogen. Brachte
Friedländer empfänglichen Thieren die Cultur intrapleural (cf.
oben p. 197, Anm. 5) oder intraabdominell bei, oder Hess er die
Thiere verstäubte Cultur inhahren, so gingen sie zu Grunde. Es
zeigte sich starke Vermehrung der eingeführten Bakterien in der
Pleurahöhle resp. in der Bauchhöhle; femer waren die Organismen
im Blute und in den inneren Organen zu finden. In einzelnen Fällen
bildeten sich auch pneumonische Processe aus.
Der Bacillus pneumoniae färbt sich nicht nach der Gram'-
schen Methode (p. 108 ff.). Im Uebrigen verhält er sich hinsichtlich
der Färbbarkeit seines Protoplasmakörpers und seiner Kapsel wie der
Diplococcus pneumoniae (cf, p. 389).
25. Der Bacillus des Rhinoscleroms.
Das „Rhinosclerom" wurde zuerst von Hebra (1870) als selb-
ständiges Krankheitsbild beschrieben; v. Frisch^) wies (1882) zuerst
das constante Vorkommen von Bacillen in den rhinosclerotischen
Partien nach. Cornil und Alvarez^^) entdeckten (1885) „Kapsel-
bildung" an diesen Bacillen.
Paltauf und v. Eiselsberg^) züchteten die „Rhinosclerom-
1) cf. Brieger, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. S. 1SS4. p. 310; Bd. 9.
1SS5. p. 5.
"-) Wien. med. Wochenscbr. 1882. No. 32.
'^) Arcli. de phys. normale et path. t. 6. 1885. p. 11.
•*) Fortschr. d. Med. ISSC. No. 19 u. 20.
392 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
bacilleu" in Eeinciütiir. Dieselben sind sowohl in dem Cultur-
verhalten wie in dem Verhalten gegen Versuchsthiere dem Pried-
1 ä n d e r ' sehen Bacillus pneumoniae sehr ähnlich. ^) I^ur die
Virulenz erschien bei den Ehinosclerombakterien etwas geringer als
bei den Frie dl an der 'sehen. Rhinosclerom experimentell damit zu
erzeugen gelang nicht.
26. Der R. Pfeiffer'sche Kapselbacillus.
R. Pfeiffer-) fand in der Bauchhöhle eines spontan gestorbenen
Meerschweinchens ein zähes eiterartiges Exsudat, welches sich mikro-
skopisch aber nicht aus Eiterzellen bestehend erwies, sondern die Rein-
cultur eines Bacillus darstellte, der sich auch lq dem Blute der
Leiche vorfand. Es ist dies ein plumper Bacillus mit abgerundeten
Enden, der schöne ovale Kapseln besitzt („Bacillus Capsu-
la t u s ").
Der Bacillus ist ohne Eigenbewegung. Er wächst auf den ge-
meinen Nährböden, bei Brüttemperatur besser als bei Zimmertemperatur,
bildet bei dem Einstich in Gelatine glänzend weisse „Nagelculturen"
wie der Friedländer 'sehe Bacillus (cf. p. 390). Der Bacillus ist
facultativ anaerob, bildet innerhalb der Gelatine (geruchloses) Gas.
Die Gelatine wird nicht verflüssigt.
Auf der Agar ob er fläche bilden sich dicke, saftige, weisse,
fadenziehende Ueberzüge, auf der Kartoffel gelblich -weisse, faden-
ziehende Beläge.
Sporenbildung wurde nicht constatirt.
Für weisse Mäuse und Hausmäuse ist der Bacillus sehr pathogen.
Nach subcutaner Impfung sterben die Thiere innerhalb von 2 bis 3 Tagen.
Die ]\Iilz der gestorbenen Thiere ist stark geschAvollen. Ueberall im
Blute und in den Organen finden sich die Bacillen, mit schönen Kapseln
versehen. Meerschweinchen und Tauben sowie Kaninchen sind eben-
falls empfänglich für die Infection. Meerschweinchen und Tauben lassen
sich aber nur vom Peritoneum aus, Kaninchen nur durch intravenöse
Einverleibung grösserer Mengen der Cultur inficiren. Die Körper der
gestorbenen Thiere verfallen rascher postmortaler Zersetzung. Das Blut
und die Gewebssäfte sind fadenziehend.
^) Die Ehinosclerombacilleu sollen sich im Gegensatz zu den Friedländer'-
schen Organismen nach der Gram 'sehen Methode {p. ] OS ff.) färben lassen (Zagari,
Dittrich, V. Babes).
'-) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1&S9.
Der E. Pfeiffersche Kai^selbacillus. — Der Influenzabacillus. 393
Der Bacillus färbt sich nicht nach der Gram "sehen Methode
(p. 108 ff.), verhält sich sonst hinsichthch der Färbbarkeit seines Proto-
plasmakörpers imd seiner Kapsel wie der Diplococcus pneumoniae
(p. 389).
27. Der Influenzabacillus.
Bei Gelegenheit der Influenzaepidemie des Winters 1891/92
hat R. Pfeiffer^) an einem grösseren Krankenmaterial den Nachweis
geführt, dass der katarrhalischen Influenza, d. h. derjenigen
Form der Influenza, bei der in erster Linie die Luftwege erkrankt
sind, eine bestimmte wohlcharacterisirte Bacillenart eigenthümlich
ist. Diese Bacillenart, „Influenzabacillus", findet sich constant
und ausschliesslich bei Influenza; der Bacillus darf deshalb als der
Erreger der katarrhalischen Influenza angesehen Averden.-)
Wir haben uns die katarrhalische Influenza als einen sich p r i m ä r
in den Luftwegen abspielenden Krankheitsprocess vorzustellen.
In leichten Fällen kann diese locale Affection die Schleimhaut des
Nasenrachenraumes allein betreffen; der Process geht aber gewöhnlich
auf die Trachea und die Bronchien über und kann in schwersten
Fällen zu der (lobulären) Influenzapneumonie fuhren. In jedem Falle
findet man in dem die erkrankte Schleimhaut bedeckenden Secret die
specifischen Stäbchen. Dieselben hegen in fiischen, fiebernden Fällen
meist frei im Schleim; in der Reconvalescenz zeigen sie sich vielfach
im Innern von Eiterzellen eingeschlossen. Bei der Vermehrung der
Stäbchen an Ort und Stelle wird ohne Zweifel ein Gift gebildet,
welches in den Körper hineingelangt und die schweren, der Influenza
eigenthümlichen AllgemeinsjTnptome verursacht. Die Stäbchen finden
sich in dem ( gelbgrünhchen , zähschleimigen) Sputum der Influenza-
kranken; sie sind um so mehr von begleitenden Bakterien frei, aus
je tieferen Stellen der Luftwege das Sputiun stammt. Bei der Section
') Pfeiffer, Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 2; Pfeiffer und Beck,
ebenda 1892. No. 21; Pfeiffer, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 13. 1893.
'■^) Ueber die Aetiologie der „gastrischen" und der „nervösen" Influenza ist
noch wenig Sicheres ermittelt. Nauwerck (Deutsche med. Wochenschr. 1895.
p. 395) hat in einem Falle von apoplectischer Encephalitis (bei der die Nase
[Schnupfen] wahrscheinlich als Eingangspforte für die Bakterien gedient hatte) in
der Veutrikelflüssigkeit durch Cultur, in dem encephalitischen Herde mikroskopisch
Bacillen nachgewiesen, die mit Wahrscheinhchkeit als Inüuenzabacillen anzusprechen
sind. — Vergl. auch die Mittheilungen von A. Pfuhl (Berl. khn. Wochenschr.
1S92. No. 39, 40).
394 B- Diß Bakterien als Krankheitserreger.
von Fällen, die auf der Höhe der Krankheit verstorben sind, findet
man die Influenzastäbchen in dem Inhalte der erkrankten kleinen
Bronchien in Eeincultur.
Der Influenzabacillus ist ein sehr kleines, dünnes Stäb-
chen (kürzer und dünner als der Bacillus der Mäusesepticaemie) mit
abgerundeten Enden. Eigenbewegung fehlt. Die Stäbchen
liegen meist einzeln oder zu zweien mit einander verbunden (Theilungs-
vorgänge). In gefärbten Präparaten zeigen sich häufig die Endpole
der Stäbchen gefärbt, während die Mitte ungefärbt ist.
Der Bacillus ist streng aerob. Er . lässt sich künstlich bei
B r ü 1 1 e m p e r a t u r züchten ; das Temperaturminimum liegt bei etwa
26 bis 27^ C, das Temperaturmaximum bei 42« C.
Der Bacillus wächst auf den gewöhnlichen bakteriologischen Nähr-
böden durchaus gar nicht; dagegen erhält man einen ausgezeichneten
Nährboden für diesen Organismus, wenn man frisches Blut auf die
Agarfläche aufstreicht („Blut-Agar"; cf. oben p. 128). Es
eignet sich zu diesem Zwecke Blut von Menschen, Kaninchen, Meer-
schweinchen, Tauben, Fröschen. Ein ganz besonders üppiges Wachs-
thum erhält man auf Taubenblut-Agar.^)
Ueberträgt man das bronchiale Sputum des Influenzakranken oder
den bei der Section entnommenen Inhalt der erkrankten Bronchien —
am besten, nachdem man das Material zunächst mit Bouillon zu einer
dünnen Aufschwemmung verrieben hat — auf Blutagar, so bilden sich
binnen 24 Stunden im Brütschrank Colonien des Influenzabacillus.
Dieselben erscheinen als dicht gedrängt stehende, wasserhelle Tröpf-
chen; meist sind sie so klein, dass man behufs ihrer deutlichen Er-
kennung die Loupe zu Hülfe nehmen muss. Mikroskopisch erscheinen
die Colonien structurlos. Andere Nährböden (gewöhnhches Agar,
Glycerin-Agar, Blutserum etc.), welche man in derselben Weise beimpft,
bleiben (bei ausschliesslicher Anwesenheit von Influenzabacillen) durch-
aus steril. Die Eigenschaft, ausschliesslich auf h ä m o g 1 o b i n -
h a 1 1 i g e n Nährböden zu wachsen, ist dem Influenzabacillus
eigenthümlich und kann zur Unterscheidung desselben von anderen
Bakterienarten benutzt werden. Mikroskopisch ist eine Differential-
diagnose von ähnlichen Bakterienarten nicht mit Sicherheit möglich.
Auf dem Blutagar lassen sich die Influenzabacillen in beliebig
vielen Generationen fortzüchten. Die einzelnen Culturen bleiben
^) Die mit dem Blut bestrichenen Agarröhrchen stellt man vor der Aufimpfung
des Influenzamaterials zweckmässig 24 Stunden lang in den Brütschrank, um sie
auf ihre Sterilität zu prüfen.
Der Bacillus der Bubonen-Pest. 395
Ibis ZU mehreren Wochen lebensfähig. Durch die wiederholte Um-
züchtimg verlieren die Influenzabacillen ihre Eigenschaft, ausschliess-
lich auf Blutagar zu gedeihen, nicht.
Im Blut des Influenzakranken wurden die Influenzabacillen mikro-
skopisch von C a n 0 n ^) festgestellt. Sie scheinen sich aber ganz ausser-
ordentlich selten und spärlich im Blute vorzufinden.^)
Gegen Austrocknung (und ebenso gegen andere schädigende
Einflüsse) ist der Influenzabacillus ganz ausserordentlich empfindhch.
Im feuchten Zustande, z. B. in Influenzasputum , welches vor Aus-
trocknung bewahrt bleibt, kann er wahrscheinlich wochenlang entwicke-
lungsfähig bleiben. Sporenbildung existirt nicht.
Von Versuchsthieren hat sich nur bei Affen eine der
katarrhalischen Influenza des Menschen ähnliche Affection (durch
intratracheale Injection der Reincultur) erzielen lassen. Gegen das
specifische Gift, welches in den Culturen enthalten ist, zeigen sich
Kaninchen sehr empfindlich. Die Thiere bekommen nach der Ein-
verleibung desselben Dyspnoe und lähmungsartige Schwäche der
Musculatur.
Die natürliche Infection des Menschen geschieht bei der
katarrhalischen Influenza ohne Zweifel durch Inhalation der Erreger.
Der Influenzabacillus färbt sich mit den gewöhnlichen Farbstoff-
lösungen. Nach der Gram 'sehen Methode (p. 108 ff'.) färbt er sich
nicht.
28. Der Bacillus der Bubonen-Pest.
Im Sommer 1894 hatte Y er sin Gelegenheit bakteriologische
Untersuchungen über die Entstehungsursache der Pest in Hongkong
vorzunehmen. Der Autor hat als Ursache der Krankheit einen specifi-
schen Bacillus ermittelt.^)
Die Pest ist eine epidemisch auftretende Krankheit, welche unter
einer Bevölkerungsgruppe fast nur den ärmeren, in hygienisch schlech-
ten Verhältnissen lebenden Theil befällt. Nach 4^/._, bis ßtägiger
Incubationszeit tritt plötzlich allgemeine Erschlaffung und Prostration
auf; meist in der Weichengegend zeigt sich eine geschwollene Lymph-
1) Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 2; Virch. Arch. Bd. 131. 1893.
2) Chiari (Prag. med. Wochenschr. 1893. p. 632) fand — durch das Cultur-
verfahren — in einem SectionsfaUe von Influenza die Pfeiffer 'sehen Bacillen in
der geschwollenen Milz.
3) Yersin, Annales de l'Inst. Pasteur. 1894. No. 9. p. 662 fi".; Yersin,
Calmette und Borrel, Ann. de l'Inst. Pasteur. 1895. No. 7. p. 589 ff.
396 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
drüse, welche bald Hülinereigrösse erreicht. 48 Stunden nach Beginn
der Erkrankung oder auch früher erfolgt der Tod. Etwa 95^/q
der Erkrankten sterben. Bevor die Epidemie die Menschen ergreift,
pflegt sie unter den Mäusen, Ratten, Büffeln und Schweinen zu
herrschen.
In der Pulpa der geschwollenen Lymphdrüsen (Pestbeulen)
findet sich stets in grossen Mengen ein kurzer, dicker Bacillus
mit abgerundeten Enden, ohne Eigenbewegung; im Blute findet sich
derselbe nur bei sehr schweren, rapide tödtlichen Fällen. Bei der
Behandlung mit basischen Anilinfarbstoflfen nimmt der Bacillus die
Färbung an den Enden stärker auf als in der Mitte ; nach
der Gram 'sehen Methode (j3. 108 ff.) färbt er sich nicht.
Auf der Agar Oberfläche bildet der Pestbacillus weissgraue trans-
parente Colonien mit irisirenden Rändern; besser als auf gewöhnlichem
Agar gedeiht er auf Glycerin-Agar.
Die Bouillonculturen des Pestbacillus haben Aehnlichkeit mit
Streptococcenculturen : die Culturflüssigkeit selbst erscheint klar; an
den Wänden und auf dem Grunde des Culturglases finden sich Klümp-
chen von Bakterienmasse. Der beste flüssige Nährboden wird durch
eine alkalische 2proc. Peptonlösung gebildet, die einen Zusatz von
1 — 2% Gelatine erhielt. Die in den flüssigen Nährböden sich ent-
wickelnden Bakterienanhäufimgen stellen mila-oskopisch Ketten dar, die
aus kurzen Bacillen bestehen.
Mäuse, Ratten, MeerschAveinchen, Kaninchen sind
durch subcutane Einverleibung des Bacillus leicht zu inficiren;
Mäuse gehen nach 1 — 3 Tagen, Meerschweinchen nach 2 — 5 Tagen
zu Grunde. Tauben verhalten sich refractär.
Bei Meerschweinchen entwickelt sich schon wenige Stunden
nach der subcutanen Infection ein locales Oedem; zugleich schwellen
die benachbarten Lj^nphdrüsen an. Nach 24 Stunden findet man die
Thiere mit gesträubten Haaren dasitzen. Plötzlich fällt das Thier
dann auf die Seite; wiederholte lü'ampfanfälle stellen sich ein, in
deren Verlauf der Tod eintritt. Bei der Section constatirt man
Hämorrhagien der Bauch wand, ausgebreitetes blutiges Oedem um die
Infectionsstelle herum. Die benachbarten L3mphdrüsen sind ver-
grössert und mit den specifischen Bacillen erfüllt. Der Darm ist oft
h}q3erämisch, die Leber ist gross und blutreich; die Milz ist stark ge-
schwollen und zeigt häufig eine Eruption kleiner miliarer Knötchen.
Milz und Leber sind sehr reich an den Bacillen; auch im Blute sind
die letzteren zahlreich vorhanden. Im Pleura- und Peritonealraum
findet sich wenig seröse Flüssigkeit, die die Bacillen enthält. Bei
Der Micrococcus tetragenns. 397
etwas längerer Kranldieitsdaiier können sich auch Ahscesse der Bauch-
wand bei den Meerschweinchen finden.
Durch Passage von Meerschweinchen zu Meerschweinchen lässt sich
die Virulenz des Bacillus steigern. Durch Passage von Kaninchen
zu Kaninchen wird die Virulenz für diese Thierspecies erhöht; zugleich
nimmt aber die Virulenz für Mäuse ab. Bei der Züchtung des Bacillus
auf künstlichen Nährböden (Agar) nimmt die Virulenz bald ab; Hand
in Hand damit geht eine Zunahme der Wachsthunisenergie auf dem
künstlichen Nährboden.
Filtrirte (von den Bakterienzellen beft-eite) Culturen des Pest-
bacillus zeigen sich wirkungslos gegenüber Versuchsthieren.
Vom Magen aus sind Hatten mit dem Bakterienmaterial ziem-
lich leicht, Mäuse schwerer zu inficiren. Bei der Autopsie der nach
Infection vom Magen aus gestorbenen Ratten findet man die Bacillen
in Blut, Leber, Milz und Lymphdrüsen wieder. Die spontan, während
der Epidemie, an der Krankheit gestorbenen Ratten zeigen fast stets
die specifischen Bakterien in grossen Mengen in ihren Organen; bei
vielen derartigen Thieren finden sich wirkliche Bubonen. Die Ratten
scheinen die hauptsächlichsten Verbreiter der Krankheit zu sein. Auch
Fliegen können zur Verbreitung der Krankheit beitragen: es gelang
Ter sin, den specifischen Bacillus (durch Thierimpfung) in dem Körper
todt aufgefundener Fliegen nachzuweisen.
Kaninchen, Meerschweinchen, auch Pferde lassen sich, wie Y er sin,
Calmette und Borrel^) nachgewiesen haben, gegen die deletäre
Wirkung des Pestbacillus künstlich immunisiren. Das Serum der
künstlich immunisirten Thiere („serum antipesteux") hat die Fähigkeit
die Lnmunität auf normale Lidividuen zu übertragen.
29. Der Micrococcus tetragenus.
Der Micrococcus tetragenus wurde von R. Koch -) (1884)
in einer phthisischen Lungencaverne entdeckt. Gaffky"^) studirte ihn
näher und constatirte seine pathogenen Eigenschaften für manche
Versuchsthiere. Der Organismus wurde dann von Biondi"^) auch in
normalem menschlichen Speichel vorgefunden.
Der Coccus bietet, aus dem thierischen Organismus entnommen.
^) 1. c. (cf. oben ]). 395, Anm. 3).
2) Mittb. a. d. Kais. Ges.-Auite. Bd. 2. 1S84. p. 33.
^) Laugenb. Arcb. Bd. 28.
^) Zeitscbr. f. Hyg. Bd. 2. 1SS7.
398 B- l^ie Bakterien als Krankheitserreger.
die Eigenthümlichkeit dar, dass er meist in Gnippinmgen zu je vier
Exemplaren auftritt , die von einer gemeinsamen Hülle, Kapsel,
umgeben sind. In Figur 67 auf Taf. XII, welche nach einem Aus-
strichpräparate des IMilzsaftes der an der Tetragenus-Infection gestor-
benen Maus aufgenommen ist, sieht man diese Gruppirung und auch
die Hüllenbildung deutlich.
Der Micrococcus tetragenus gedeiht, am besten liei S a u e r s t o f f -
anwesenheit, auf den gewöhnlichen Nährböden. Auf der Gelatine-
platte werden weisse, glänzende, über die Oberfläche kuppenförmig
prominirende Colonien gebildet. Die Gelatinestichcultur ent-
wickelt sich sowohl längs des Impfstiches wie auf der Oberfläche: es
bilden sich weisse, auf der Oberfläche glänzende Wucherungen. Die
Gelatine wird nicht verflüssigt.
Auf Agar entstehen weisse TJeberzüge; auf der Kartoffel
bilden sich schleimige, fadenziehende Beläge.
Der Micrococcus tetragenus ist für weisse Mäuse und Meer-
schweinchen pathogen; graue Mäuse und Feldmäuse verhalten sich
fast stets immun, Kaninchen und Hunde sind nicht zu inficiren.
Die empfänglichen Thiere erkranken nach subcutaner Einverleibung
und gehen (Mäuse nach 3 — 6 — 8 Tagen) an einer Septicaemie
(cf. p. 200) zu Grunde. Wahrscheinlich vermag der Micrococcus
tetragenus auch in der menschlichen Pathologie, speciell als
Eiterungserreger, eine Rolle zu spielen.^)
Der Micrococcus tetragenus färbt sich nach der G r a m ' -
sehen Methode (p. 108 ff.). Im üebrigen verhält er sich hinsichtlich
der Färbbarkeit seines Protoplasmakörpers und seiner Kapsel wie der
Diplococcus pneumoniae (cf. p. 389).
30. Die Spirocliaete des Recurrensüebers.
Bei dem Eückfallfieber (Typhus recurrens) wurde durch Ober-
meier^) (1873) das constante Vorkommen sehr beweglicher Spirillen
(Spirochaete Obermeieri) im Blute festgestellt. Die Spirillen
(cf. Taf. Xn, Fig. 70). welche ziemlich grosse Gebilde mit spitz
zulaufenden Enden sind, finden sich nur während der Fieber-
anfälle, nicht während der Apyrexie. Kur ein einziger Fall ist (von
^) cf. Steinhaus, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 5. 1SS9; Kapp er, Wien. med.
Presse. 1890. No. 27; Viquerat, Zeitschr. f. Hyg. Bd. IS. 1S94. p. 411.
-) Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1873. No. 10. — Berl. kHn. Wochenschr.
1873. No. 35.
Die Spiroebaete des Eecurrensfiebers. — Der Actinomyces. 399
N a u n y 11 ^)) beschrieben, in welchem sich auch während der fieberfreien
Stadien Spirillen im Blute vorfanden (wenn auch spärlicher als während
des Fiebers).
Die Spirillen des Eückfallfiebers künstlich zu züchten ist bis jetzt
nicht gelungen. Sporenbildung ist nicht bekannt. Wie Pasternatzky-)
fand, halten sich die Recurrensspirillen in dem Körper des bei 0^ C.
gehaltenen Blutegels^) bis zu 10 Tagen lebend.
Von Versuchsthieren hat sich nur der Affe für die Infection
mit Febris recurrens zugängig gezeigt. Der Affe erkrankt, wie Koch*)
und Carter'^) festgestellt haben, nach Einimpfung spirillenhaltigen
Recm'rensblutes an typischer Recurrens. Die Incubationsdauer beträgt
beim Affen durchschnittlich 3^2 Tage. Der Affe bekommt nur einen
Fieberanfall ; Rückfälle wie beim Menschen werden bei der Recurrens-
infection des Affen nicht beobachtet.*^) Auch beim Menschen hat sich
nach Einimpfung spirillenhaltigen Recurrensblutes Recurrens künstlich
erzeugen lassen.
Das Recurrensspirillum zeigt sich der Färbung mit den gebräuch-
lichen basischen Anilinfarben zugänglich. Nach der Gr r a m ' sehen
Methode (p. 108 ff.) färbt es sich nicht. Eine fast isolirte Fär-
bung der Recurrensspirillen in Blutpräparaten erhält man mit Hülfe
einer speciell für diagnostische Zwecke zu empfehlenden Methode, die
der Verf.') 1885 angegeben hat, und die bereits oben (p. 77) be-
sprochen wurde.
31. Der Actinomyces.
Der Actinomyces (Actinomyces bovis s. hominis, Strahlenpilz)*)
wurde (beim Menschen) im Jahre 1845 in Kiel von B. v. Langenbeck
^) Mitth. a. d. med. Klinik zu Königsberg i. Pr. 1S8S.
-) Wratscb. 1890. — cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. p. 198.
■^) Der Bhitegel wird, nacbdem er sieb an dem fiebernden Eecurrenskrankcn
vollgesogen hat, auf Eis gelegt.
*) Deutsche med. Wocbenschr. 1879. No. 25. p. 327. — Mitth. a. d. Kais.
Ues.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 167—168.
^) ef. Deutsche med. Wocbenschr. 1879. No. 16. p. 189.
") Entmilzte Affen gehen an der Infection in circa 7 bis 8 Tagen zu Grunde
und zeigen erstaunhebe Mengen von Spirillen im Blut (Soudakewitch, Ann. de
rinst. Pasteur. 1891. No. 9). — Nach Tictin (Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1894.
p. 844) können entmilzte Affen nach der Infection auch leben bleiben; sie über-
winden aber die Infection jedesmal schwieriger als normale Thiere.
') Fortschr. d. Med. 1885. p. 755.
^) Die Bezeichnung ,, Actinomyces" stammt von dem Münchener Botaniker Harz.
400 B- I^iö Bakterien als Krankheitserreger.
entdeckt. Die Entdeckimg wurde zugleich mit den Langenbeck'-
schen Zeichnungen erst im Jahre 1878 durch James Israel^)
pubhcirt, dem das Verdienst gebührt, den Strahlenpilz zuerst als einen
selbständigen, für den Menschen pathogenen Organismus erkannt zu
haben.
Der Actinonnces ist beim Rind zu Hause. Beim Rind wm'de
der Pilz zuerst (1877) von B ollin ger-) gesehen. Der Pilz giebt
hier Veranlassung zur Entstehung in der Kiefergegend sitzender Ge-
schwülste, welche die Tendenz haben zu abscediren. Auf dem Durch-
schnitt zeigen diese Geschwülste grössere oder kleinere Hohlräume, in
welchen kleine gelbe Körner enthaltender Eiter vorhanden ist. Diese
Körner zeigen miki'oskopisch gewöhnlich eine strahlige, di'usige
Structur („Strahlenpilz"). Die einzelnen Strahlen zeigen an den Enden
häufig eine keulenförmige Anschwellung. Das Photogi'anmi Taf. XII,
Fig. 71, giebt ein Bild einer solchen Druse. Damit ist aber die
mikroskopische Erscheinungsweise des Actinomyces nicht erschöpft.
Man findet auch fädige, an Bacillenfäden erinnernde Bildungen,
ferner „Coccenhaufen"; kurz: ein sehr pleomorphes Bild. Ob
alle diese Dinge genetisch zusammengehören, müssen erst noch weitere
Untersuchungen lehren; es ist diese Zusammengehörigkeit jedoch nicht
unwahrscheinhch.
Der Actinomj^ces ist auf den Menschen leicht übertragbar.
Er siedelt sich unter Anderem gern in hohlen Zähnen an, kann dann
zm: Entstehung von abscedii'enden Kiefergeschwülsten Veranlassung
geben, aber auch zu Actinomj'kose innerer Organe (Lunge, Pleura,
Peritoneum, Leber, Nieren, Darm, Herz, Gehirn) führen. Die Er-
krankung der Organe kann eine primäre und eine metastatische sein.
Sie führt häufig zum Tode.
Die Infection scheint in zahlreichen Fällen — und zwar sowohl
beim Rinde wie beim Menschen — durch Getreide grannen ver-
mittelt zu werden, welche (in noch unbekannter Weise) draussen in
der Natur mit dem Pilze inficirt werden.
C u 1 1 u r V e r s u c h e mit dem Actinomyces sind von verschiedenen
Seiten unternommen worden. Speciell gelang es J. Israel und
M. Wolff =^j Culturen des Pilzes auf Agar (ausschhesslich unter Sauer-
stoffabschluss) ^) und innerhalb von ruhen oder gekochten Hühner- und
') Virch. Arch. Bd. 74. 1S7S.
-) Centralbl. f. d. med. Wiss. 1877. Xo. 27.
■'') 19. Congr. d. Deutschen Gesellsch. f. Chirurgie. Berlin, April ISUO. —
Virch. Ai-c-h. Bd. 126. 1891.
■*) Nach anderen Autoren wächst der Actinomyces auch bei Sauerstoffzutritt.
Der Actinomyces. 401
Taiibeneiern zu erhalten, dieselben in verschiedenen Generationen weiter
zu züchten und durch Uebertragung der so erhaltenen Culturen Ver-
suchsthiere erfolgreich mit Actinomj^kose zu inficiren. Die Ueber-
tragungsfähigkeit der Culturen bleibt viele Monate lang erhalten.
Auf der A g a r Oberfläche bildet der Actinomyces nach Israel
und Wolff kleine, langsam wachsende, meist bis höchstens steck-
nadelknopfgross werdende, nicht confluirende, thautropfenähnliche
Knötchen, welche aus kurzen Bacillen ähnlichen, geraden oder leicht
gekrümmten Gebilden zusammengesetzt sind. In Eiern bilden sich
gewöhnlich prachtvolle lange Fadennetze aus. In Bouillon ist das
Wachsthum nicht sehr ergiebig. Niemals werden auf künstlichen
Nährsubstraten Drusen mit keulenartigen Gebilden beobachtet.
Die Uebertragung der Stäbchenculturen in die Bauchhöhle von
Kaninchen (und auch von Meerschweinchen) giebt nach Israel und
AVolff Veranlassung zur Entwickelung typischer Actinomycesdrusen,
welche, eingebettet in Lagern von Eundzellen, in hirsekorn- bis
pflaumengrossen , den verschiedensten Organen der Bauchhöhle auf-
sitzenden Tumoren liegen. Die Versuchsthiere (welche zur Feststellung
der geschilderten pathologischen Veränderungen getödtet werden müssen)
erscheinen intra vitam nicht auffallend krank.
Ob der Actinomyces zu den Bakterien zu rechnen ist, ist noch
nicht mit Sicherheit ausgemacht.^)
Der Actinomyces färbt sich sehr gut nach der Gram 'sehen
Methode resp. nach der vom Verf. angegebenen Modification dieser
Methode (p. 108 ff.). Damit die Darstellung der actinomykotischen
Gebilde in Schnitten nach der Gram' sehen Methode gelingt , ist es
aber dm'chaus nothwendig, dass zur Herstellung der Anilinwasser-
Gentianaviolettlösung wirklich gesättigte alcoholische Violettlösung
verwandt werde [cf. p. 110 unter 1)].
Mit dem vorstehend besprochenen Actinomyces bovis s. hominis
nicht identisch ist ein eigenthümlicher Parasit, welcher in ähn-
lichen strahligen Formen auftritt wie der genannte Actinomyces,
welcher aber ausschliesslich im Schweinemuskel gefunden
wird. Derselbe wurde 1884 von Duncker-) entdeckt. Er hat den
Namen „Actinomyces musculorum suis" erhalten. Es ist
aber bis jetzt noch nicht mit Sicherheit entschieden, ob dieser Parasit
^) J. Israel und M. Wolff rechnen ihn zu den ,, pleomorphen Bakterieu-
arten".
'-) Zeitschr. f. Mikrosk. u. Fleischheschau. 1884. No. 3.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 26
402 B. Die Bakterien als Krankheitserreger.
in irgend welchen \^erwandtschaftlichen Beziehungen zu dem Actino-
myces bovis s. hominis steht.
Ueber einen dem Actinom^xes bovis sehr ähnlichen, für Kaninchen
pathogenen und bei diesen Thieren häufig auch actiuomycesähnliche
Drusen erzeugenden Mikroorganismus, „Microm3'Ces Hofmanni",
hat Gruber^) berichtet.
') 7. internat. Congr. f. Hvg. u. Deraogr. London 1S91. — Centralbl. f. Bakt.
Bd. 10. p. 64S.
Anhang.
Ausser den Bakterien treten auch anderen Mikroorganismen-
gruppen angehörige Gebilde, sowohl pflanzliche wie thierische, als
lü'ankheitserreger auf. Unter diesen wollen wir einestheils die patho-
genen Schimmel- oder Fadenpilze, andemtheils die pathogenen
Protozoen noch einer kurzen Betrachtung unterwerfen.
Die pathogenen Schimmelpilze.
Was die Schimmel- oder Fadenpilze anlangt, so kennt man
bereits eine Anzahl Arten, welche das Vermögen haben, sich innerhalb
des thierischen Körpers und auf Kosten desselben zu vermehren. Hier-
her gehören vor Allem mehrere Aspergillus- und Mucor-Arten,\)
ferner einige Arten aus der Gruppe der Oidien.
Botanisch unterscheiden sich, wie hier kurz bemerkt sein mag,
die genannten Pilzgattungen durch die Art und Weise der Fructification
(Sporenbildung). Während nämlich bei den Mu cor arten der sich
aus dem Mycelgeflecht erhebende Fruchtträger (die Fruchthyphe) eine
besondere Kapsel, ehi „Sporangium", trägt, in welchem sich die
Sporen (Conidien) entwickeln, bildet sich bei den Asper gillus-
arten an dem Ende des Fruchtträgers eine kolbige Verdickung, auf
deren Oberfläche durch Vermittelung kleiner Zwischenfruchtträger
(Sterigmen) die Sporenreihen befestigt sind; bei den Oidium arten
werden die Sporen direct an dem Fruchtträger (der Fruchthyphe) ohne
Dazwischentreten eines besonderen Fruchtkopfes abgegliedert.-)
^) Vergl. die grundlegenden Arbeiten von Licbtheim (Ueber pathogene
Schimmelpilze. I. Die Aspergillusmykosen, Berl. Min. Wocbenschr. 1882. No. 9 und
10; Ueber pathogene Mucorineen und die durch sie erzeugten Mykosen des Kanin-
chens, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 7. 1SS4. p. 140 ff.) sowie von Siebenmann
(Die Fadenpüze etc., Wiesbaden. 18S3).
') „Aspergillus" ist übrigens keine selbständige Gattung; es hat sich
herausgestellt, dass die Aspergillusform nur eine besondere Fructificationsform der
404 B. Die Bakterien als KrankheitseiTeger.
Unter den zu den Gattungen Aspergillus und Mucor ge-
hörenden Pilzen sind für Thiere pathogen vor Allem der Aspergillus
fumigatus, dann der Aspergillus flavescens, ferner der
Mucor corymbifer und der Mucor rhizopodiformis. Die
intravenöse Injection (cf. p. 197, Anm. 3) einer Sporenaufschwem-
mimg einer jeden dieser Arten hat, wenn nicht zu wenig Sporen ein-
gebracht wurden, bei Kaninchen Erkrankung und Tod in einigen
Tagen zur Folge. Man findet dann in den Organen, besonders in den
Nieren, vielfache Herde von Pilzmycelien, die sich aus den Sporen ent-
wickelt haben. Ebenso kann bei Vögeln^) durch Inhalation von
Sporen, speciell des Aspergillus fumigatus, eine pneumonische
Erkrankung (P n e u m o n o m y c o s i s a s p e r g i 1 1 i n a) entstehen. Beim
Menschen sind Aspergilluswucherungen speciell im äusseren Gehörgange,
in einem Falle auch in der Hornhaut, beobachtet worden; auch über
Xieren- sowie über Lungenerkrankungen beim Menschen, die dm-ch
Infection mit Aspergillus hervorgerufen waren, ist berichtet worden.
Alle die genannten pathogenen Schimmelpilze lassen sich künst-
lich züchten ; sie gedeihen , ihren für Warmblüter pathogenen Eigen-
schaften entsprechend (cf. p. 23), am besten bei Körpertemperatur.
Als Nährboden eignet sich besonders sterilisirter Brotbrei (cf.
p. 139). Nach Siebenmann erhält man Colonien von pathogenen
Aspergilleen leicht dadurch, dass man Schwarzbrot zunächst der
Luft aussetzt und es dann bei Brüttemperatur hält.
Zur mikroskopischen Untersuchung der Schimmelpilze
geht man zweckmässig so vor, dass man ein kleines Stück des zu
untersuchenden Materials auf den Objectträger in ein Tröpfchen Gly-
cerin-) bringt und es dann mit zwei Nadeln in kleinste Partikelchen
zerzupft. Man kann dann nach dem Auflegen eines Deckglases die
Ilitersuchung vornehmen, die am vortheilhaftesten mit starkem Trocken-
system geschieht. Will man das Präparat conserviren, so umzieht
(zu der Ordnung der Ascomyceten gehörigen) Gattung Eurotium ist. — Ebenso
ist „Oidium" keine selbständige Gattung, sondern nur die Conidienform von Arten,
welche zu der Gattung Erysiphe (ebenfalls aus der Ordnung der Ascomyceten)
gehören.
^) Vergl. auch oben p. 2TS, Anm. 4 (Pseudotuberculose, veranlasst durch den
Aspergillus fumigatus).
-) Mit Wasser benetzen sich die Schimmelpilze gewöhnlich nicht gut. Man
erhält deshalb, wenn man die Pilzmasse in Wasser zerzupft, ganz gewöhnlich Luft-
blasen, welche die Beobachtung erschweren. Auch in Glycerinpräparaten bekommt
man häufig störende Luftblasen. Nach Unna (Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892.
p. 7) leistet jedoch eine Flüssigkeit von folgender Zusammensetzung gute Dienste:
Gelatine 1,0, Spiritus, Liqu. Ammon. caust. ana 25,0, Glycerin 15,0, Aqua dest. 35,0.
i
Die pathogenen Schimmelpilze. 405
man das Deckglas in bekannter Weise mit einem Eing vun Asphalt-
lack (cf. oben p. 68, Anm. 2).
Eine Färbung ist bei der Untersuchung der Schimmelpilze ge-
wöhnlich völlig überflüssig. Man untersucht diese Organismen am
besten ungefärbt. Eine Methode, Pilzfäden innerhalb von
]S"ähragar gefärbt darzustellen, hat Unna^) angegeben. Die in
Celloidin (cf. oben p. 89) eingebetteten Stücke der Agarcultur werden
mit Hülfe des Mikrotoms in feine Schnitte zerlegt. Die (mit Aether
und Alcohol) wieder von dem Celloidin befi-eiten Schnitte werden zu-
nächst 1 Min. in 5proc. Kalilauge, dann (nach Abspülung in Wasser)
5 Min. in eine 5proc. Essigsäurelösung gebracht, dann auf dem Object-
träger angetrocknet (cf. oben p. 263), mit einigen Tropfen einer kräftig
färbenden Anilinfarbstofflösung bedeckt und etwas erwärmt. Die Farb-
lösung wird dann mit Wasser abgespült, der Schnitt leicht mit Fliess-
papier abgetupft, mit Anilinöl entwässert (cf. oben p. 92, Anm. 1 und
p. 114), mit Xylol durchtränkt und in Balsam eingeschlossen.
Unter den pathogenen Schimmelpilzen sind speciell für den
Menschen einige (zu den Oidien gehörende) Arten als Derma-
tophyten, als Hautpilze, von Bedeutung, nämlich der Favuspilz,
der Pilz des Herpes tonsurans und der Pilz der Pityriasis
versicolor. Vielleicht gehört auch der Soorpilz zu den
Oidien.
Der Favuspilz (Achorion Schönleinii) wurde 1839 von Schön-
lein entdeckt. Er findet sich in den bekannten Favusborken.
Der Favuspilz ist ein specifischer Pilz, welcher sich künstlich
leicht züchten lässt, und dessen Biologie von Grawitz, von Quincke,
von Unna und von anderen Autoren studirt worden ist.
Remculturen des Favuspilzes erhält man leicht, wenn man ein
Stückchen einer Favusborke in sterilem Wasser oder Bouillon (z. B.
nach meiner oben, p. 141, beschriebenen Methode) fein zerreibt und
aus einer Oese der gewonnenen Suspension Agarplatten herstellt, die
dann im Brütschrank bei etwa 30° C. gehalten werden. Schon nach
24 Stunden sieht man dann die kleinen fädigen Pilzcolonien entstehen.
Der Fa\-uspilz gedeiht bei Zinmier- und bei Brüttemperatur; das
Temperaturoptimiun scheint bei c. 30° C. zu liegen. Auf Agar ge-
züchtet bildet der Pilz schneeweisse , von unten her gesehen gelb er-
scheinende, Wucherungen. Gelatine wird langsam verflüssigt.
') Centralbl. f. Bakt. Bd. 11. 1892. p. 42 und 43.
406 B' Die Bakterien als Krankheitserreger.
Quincke hat zuerst die Ansicht ausgesprochen, dass es mehrere
Arten von Favuspilzen gieht, d. h. mehrere Pilzarten, welche
die klinischen Erscheinungen des Favus hervorhrüigen. Unna vertritt
neuerdings diesen Standpimkt ebenfalls.
Der Herpes tonsurans -Pilz (Trichophyton tonsurans) wurde
1845 von Gruby imd Malm st en entdeckt. Sein mikroskopisches
Aussehen gleicht dem Fa^iispilze sehr. Ebenso haben die künst-
lichen Culturen beider Pilze grosse Aehnlichkeiten. Die Gelatine
ward verflüssigt. Um die Erforschung der Biologie haben sich
Grawitz und Quincke verdient gemacht. Auf Taf. XII, Fig. 72,
ist eine Stelle aus einer fructificirenden (d. h. sporenbildenden) Agar-
cultur des Herpes tonsurans -Pilzes bei 240facher Vergrösserung dar-
gestellt. 1)
Der Pilz der Pityriasis versicolor (Microsporon furfiir)
wurde 1846 von Eichstedt entdeckt. Er ist auf festen Nährböden
noch nicht gezüchtet worden.
Der Soorpilz (Oidium albicans) wurde von Robin entdeckt.
]\Iit der Erforschung seiner Biologie haben sich namentlich Grawitz
und Plaut beschäftigt. Plaut hält den Pilz, speciell auch auf Grund
von vergleichenden Thierversuchen, mit Monilia Candida Bonorden
für identisch. Der Soorpilz lässt sich künstlich reincultiviren ; er ist
streng aerob, wächst am besten bei Brüttemperatur. Die Gelatine
wird nicht verflüssigt. Klemperer hat gezeigt, dass durch intra-
venöse Einverleibung der Eeincultur in den Kaninchenkörper allgemeine
Soormykose hervorgerufen wii'd.
Die pathogenen Protozoen.
In den letzten Jahren hat man einer besonderen Gruppe von
Organismen grössere Aufmerksamkeit zugewendet, welche allem An-
scheine nach eine verbreitete Rolle in der Pathologie des Menschen
und der Thiere spielen: den Protozoen, der niedersten Gruppe
der Thierwelt. Zu den Protozoen gehören unter Anderem eine ganze
Anzahl von morphologisch mehr oder weniger eingehend studirten
Gebilden, welche man in dem Blute der verschiedensten Wirbelthiere,
^) Das Material stammt aus der Klinik des Herrn Prof. Dr. Lassar; die
Cultur wurde auch in dem Laboratorium des Herrn Prof. Lassar gezüchtet.
Die pathogenen Protozoon. 407
ferner in den Muskelzellen, ja sogar in den Kernen des Darm- und
Nierenepithels schmarotzend angetroffen hat. Scheinen diese Gebilde
zum Theil eine erhebliche pathogene Bedeutung nicht zu haben, so
giebt es andererseits Protozoen, denen sehr beträchtliche pathogene
Eigenschaften zukommen. ^)
Die für die menschliche Pathologie wichtigsten und zugleich die
bestgekannten pathogenen Protozoen sind diejenigen, welche bei den
Malariafiebern aufgefunden worden sind, und die höchst wahr-
scheinlich als die Ursache dieser Fieber anzusehen sind.
Im Jahre 1882 hat zuerst Laveran (in Algier) im Blute
M a 1 a r i a k r a n k e r eigenthümliche Gebilde constatirt, die dann nament-
lich von Marchiafava und Celli in Rom (1883) einem genaueren
Studium unterzogen, in dem Malarialjlute constant aufgefunden, bei
anderen Krankheiten vermisst wurden, und die von den letztgenannten
xlutoren 1885 mit dem Namen „Plasmodium Malariae" belegt
wurden. Dann hat sich um die weitere Erforschung dieser Gebilde
und besonders um die Aufdeckimg ihrer näheren Beziehungen zu dem
Verlaufe der Malariafieber namentlich Golgi in Pavia (1886) grosse
Verdienste erworben.
Wenn man Blut des Intermittenskranken untersucht, am besten
zu Beginn des Fieberanfalles, so findet man innerhalb der rothen
Blutkörperchen, und zwar bei einer mehr oder weniger gTOssen
Anzahl derselben, kleine, rundliche, sich von der Substanz des Blut-
körperchens wenig abhebende Gebilde, die mehr oder weniger lebhafte
amöboide Bewegungen ausführen. Im Trockenpräparate lassen
sich diese Gebilde mit Methylenblau färben-) und dadurch deutlicher
machen. Nimmt man etwas später wiederum eine Blutuntersuchung
vor, so sieht man diese kleinen, endoglobulären Gebilde, die Plasmodien,
etwas vergrössert, gewachsen, und in ihrem Innern kleinste Körnchen
schwarzen Pigmentes angehäuft. Zugleich erscheint das einschliessende
Blutkörperchen blasser geworden. „Das Hämoglobin ist durch das
parasitäre Gebilde in schwarzes Melanin umgewandelt worden."
Diese Pigment- (Melanin-) Bildung ist die Ursache der bei der Malaria
zu beobachtenden Melanaemie. Weitere Untersuchungen zeigen
^) Zur Orientirung über den heutigen Stand unserer Kenntnisse von den patho-
genen Protozoen empfehlen sich die Werke: L. Pfeiffer, Die Protozoen als
Krankheitserreger. Jena. Fischer. 2. Aufl. 1891; M. Braun, Die thierischeu
Parasiten des Menschen. Würzburg. Stuber. 2. Aufl. 1894.
-) Sehr gut eignet sich zu diesem Zwecke auch die oben (p. 77) angegebene
Eosin-Methylenblaulösung, welche die Parasiten blau, die Blutkörperchen-
substauz rotb färbt.
408 B- I^ie Bakterien als Krankheitserreger.
dann, dass das Plasmodium an Grösse weiter zunimmt, sich mehr
mit Pigment belädt, und dass dabei das Blutkörperchen mehr und
mehr entfärbt, vernichtet wird.
Die letzteren Vorgänge spielen sich, wie Golgi gezeigt hat, be-
sonders in der Zeit zwischen je zwei Fieberanfällen ab. Kurz vor
dem Beginne des nächsten Anfalles beobachtet man dann eine höchst
interessante Erscheinung an den Plasmodien, die als eine Art Sporu-
lation, Maturation aufgefasst wird. Diese Erscheinung tritt ge-
wöhnlich so auf, dass, während sich das Pigment in die centralen
Theile des Plasmodiums zusammengezogen hat, der übrige Theil, der
Piandtheil des Plasmodiums, in eine grössere Anzahl (6 bis 10 oder
mehr) sectorenförmige Theile gespalten wird, die durch radiär gestellte
Grenzen von einander getrennt sind. Es kommt so zur Bildung sehr
zierlicher rosettenförmiger Eiguren (Segmentation).
Nach Golgi kann man aus dem Befunde solcher segmentirter
Plasmodien im Blute mit Sicherheit auf den unmittelbar bevorstehenden
Anfall schliessen. Untersucht man nämlich etwas später das Blut
wieder, so findet man diese segmentirten Formen nicht mehr. Die
aus der Segmentation des Plasmodiums hervorgegaugenen , den Piand
der Rosette bildenden kleinen Körperchen sind, nachdem sie runde
Gestalt angenommen haben, fi'ei geworden. Man findet sie nun z. Th.
frei im Blute, z. Th. aber sind sie schon wieder in neue Blutkörperchen
eingedrungen, um dort wieder zu wachsen, Pigment zu bilden, sich
später von Neuem zu theilen etc. Man hat also in der Segmentation
die Bildung junger Plasmodien zu erblicken. Das Freiwerden
derselben und das massenhafte Befallenwerden rother Blutkörperchen
seitens derselben ist zeithch mit dem Beginne des neuen Fieber-
anfalles verknüpft.
Golgi hat es wahrscheinlich gemacht, dass es zwei ver-
schiedene Arten von Malariaplasmodien giebt; die einen sind die
der Febris tertiana, die anderen die der Febris quartana.
Die ersteren vollenden ihren (regelmässigen) Entwickelungs - C3^clus
in zwei Tagen, die letzteren m drei Tagen. Quotidianfieber kommen
durch combinirte Infection mit verschiedenen Plasmodiengenerationen
zu Stande. AYährend die eine Generation heute in das Stadium
der Segmentation tritt, bildet sich die Segmentation bei der anderen
Generation erst morgen aus.
Diese, durch einen regelmässigen Entwickelungsc^'clus aus-
gezeichneten Plasmodien reagh-en sofort auf Chinin gaben. Das
Chinin lässt die Plasmodien spurlos aus dem Blute verschA\inden.
Klinisch sind die von Plasmodien mit regelmässigem Entwickelungs-
Die pathogenen Protozoon. 409
cYcliis begieiteten Fieber durch den tj-pischen Verlauf, den regel-
mässigen Eintritt der Anfälle, die zwischen den Anfällen eintretende
wirlvliche I n t e r m i s s i o n und das prompte Reagiren auf Chinin
characterisirt. Diese Fälle werden auch fast stets zur Heilung ge-
bracht. Die Frühlingsfieber in Rom tragen meist diesen gut-
artigen Character.
Es giebt aber andere Fieber, atj-pische, perniciöse Fieber
(Sommer- und Herbstfieber Rom 's), bei denen die Anfälle nicht
regelmässig kommen, bei denen die Temperatur keine Intermissionen,
sondern nur unregelmässige Remissionen macht , die gar nicht
oder schlecht auf Chinin reagiren, und die häufig zu der gefürchteten
M a 1 a r i a c a c h e X i e führen. Hier ist auch der Plasmodienbefund ein
anderer. Man findet zwar auch die oben genannten Formen, aber
ausserdem sichel- und halbmondförmige („Laverania")
sowie ovale Körperchen, deren Xaturgeschichte noch wenig bekannt
ist. Die Segmentationsformen findet man bei diesen perniciösen
Fiebern weniger im peripherischen Blute als im Blute innerer Organe
(Milz, Gehirn).
Auch geis seitragende Formen finden sich bei den Malaria-
fiebern im Blute.
Die künstliche Züchtung der Malariaplasmodien ist bisher
nicht gelungen.^) Durch intravenöse Einverleibung von Aderlassblut
des Malariakranken in den Körper des gesunden Menschen hat man
die Krankheit zu übertragen vermocht (cf. p. 196). Ist das
letztere Experiment für die specifische pathogene Bedeutung der Plas-
modien natürlich durchaus nicht beweisend, so ist andererseits jedoch
damit nachgewiesen, dass der Erreger der Malaria im Blute des
Kranken vorhanden ist. Nimmt man nun die Thatsache dazu, dass
in diesem Blute mikroskopisch constant Gebilde zu finden sind, an
denen man einen Entwickelungscyclus verfolgen kann, die also als
selbständige Organismen aufgefasst werden müssen , berück-
sichtigt man andererseits die Thatsache, dass sich diese Gebilde aus-
schliesslich bei der Malaria, sonst aber bei keiner anderen Krank-
heit vorfinden, so ist der Schluss kaum abzuweisen, dass wir es hier
mit parasitären Organismen zu thun haben, die der Malaria
eigenthümlich sind, d. h. dass wir in den Plasmodien des
') Sacharo ff (Wratsch. 1890 [ref. Centralbl. f. Bakt. Bd. 10. p. 199];
Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1894. p. 158 ff.) fand, dass die Malariaparasiten in dem
Körper des abgekühlten Blutegels (nach der für Eecurrensspirillen von Paster-
natzky [cf. oben p. 399] angegebenen Methode) eine ganze Reihe von Tagen lebend
conservirt werden können.
410 B- Die Bakterien als Krankheitserreger.
Malariablutes die wirklichen Erreger der Malaria-
fieber vor uns haben.
Den Erregern der Malaria ähnliche Organismen („Polymitus")
hat man auch im Blute gewisser Vogelarten als endoglobuläre
Parasiten aufgefunden (Danilewsky). Es handelt sich hier um
einen ziemlich häufigen Befund, bei dem die Thiere gewöhnlich nicht
krank erscheinen.
Auch bei der „Hemoglobinurie microbienne des boeufs"
(Y. Babes) imd bei der „ Texas fieberseu che des Rindes"
(Smith) scheint es sich um Parasiten zu handeln, die denen der
menschlichen Malaria nahe verwandt sind.^)
Es sei an dieser Stelle kurz der sogenannten „Dysenterie-
Amöben" Erwähnung gethan. Zuerst im Jahre 1875 fand Loesch
in Petersburg in dem übelriechenden Stuhle eines Falles von ulcera-
tiver Dickdarmentzündung beim Menschen massenhafte Amöben.
Es handelt sich um 20 bis 35 [x grosse, rundlich oder unregelmässig
gestaltete Körper, welche die Fähigkeit haben Fortsätze auszustrecken
und wieder einzuziehen, und die in ihrem Innern einen blassen rimden
Kern und mehrere Vacuolen von wechselnder Gestalt und Grösse
besitzen, die ferner ganz gewöhnhch fremde Körper (rothe Blut-
körperchen, Eiterzellen, Bakterien, Blutpigment) im Innern ein-
geschlossen enthalten („Amoeba coli"). Durch Uebertragung des
amöbenhaltigen Stuhles per os und per anum auf Hunde vermochte
Loesch — wenigstens bei einem seiner Yersuchsthiere — eine
ulcerative Entzündung des Rectums, welche sich durch Aniöben-
ansiedlung bedingt zeigte, hervorzurufen.
In den letzten Jahren haben eine grössere Reihe von Autoren —
namenthch Kartulis — bei sogenannter „tropischer Dysen-
terie" des Menschen derartige Amöben nachgewiesen.-) Eine künst-
liche Reincultur dieser Parasiten, deren pathogene Bedeutung noch
nicht ganz sichergestellt ist, ist bisher nicht gelungen. Die gewöhn-
liche Dysenterie zeigt übrigens keine Amöben.
') Zur Orientirung über die genannten Parasiten sowie über die (verwandten
Parasiten) der Schaf k rankheit „Carceag" (Babes) cf. die vergleichende Zusammen-
stellung von Starcovici (Centralbl. f. Pakt. Bd. 14. 1893. p. 1).
-) Die Literatur siehe in der ausführlichen Ai'beit von Kruse und P a s q u a 1 e
(Zeitschr. f. Hyg. Bd. 16. 1894) über den Gegenstand.
C. Saprophytische
(nicht pathogene)
Bakterienarten.
In Folgendem sollen einige der bekannteren und wichtigeren
saprophytischen Bakterienarten kurz besprochen werden. Die Gesichts-
punkte, welche uns bei der Auswahl aus der sehr grossen Zahl der
überhaupt bekannten und beschriebenen Arten zu leiten haben, sind
etwa folgende : Es werden solche Arten zu berücksichtigen sein , die
sehr verbreitet in der Natur vorkommen, die uns eventuell auch häufig
als spontane Verunreinigungen unter die Culturen gerathen, ferner
solche, die häufiger vorkommende specifische Gährungen veranlassen,
und solche, die m unserem eigenen Körper constant als Schmarotzer
gefunden werden. Sodann sind auch solche Arten zu betrachten, welche,
ohne specifische Gährungen zu veranlassen, durch besonders auffallende
sonstige Functionen ( Farbstoff bildung, Fluorescenz, Phosphorescenz) aus-
gezeichnet sind, oder die durch ihre Form auffallen.
1. KartofTelbacillen.
Mit dem Namen „Kartoffelbacillen" bezeichnet man eine
Reihe von sporenbildenden Bacillenarten , welche in der Erde vor-
kommen, und die auch den von uns zu Culturzwecken benutzten Kar-
toffeln — in Form ihrer Sporen — äusserlich stets anhaften. Die
Sporen der „Kartoffelbacillen" sind durch eine ausserordentlich grosse
Resistenz gegen alle möglichen Beeinflussungen ausgezeichnet; sie
widerstehen deshalb häufig den bei der Zubereitung der Kartoffel für
unsere Zwecke angewendeten Sterilisirungsmethoden , und es zeigen
sich dann später auf der Kartoffel spontan auftretende, aus Bacillen
bestehende Ansiedlungen : die aus den nicht vernichteten Sporen hervor-
gegangenen Wucherungen (cf. p. 155).
Nach Flügge ^) handelt es sich hauptsächhch um folgende Arten :
a. Bacillus mesentericus vulgatus Flügge. Gemeiner
Kartoffelbacillus. auch als „Kartoffelbacillus" schlechthin bezeichnet.
^) Die Mikroorganismen. Leipzig. Vogel. 2. Aufl. 1SS6. p. 321 ff.
414 C. Saprophytische (nicht patbogene) Bakterienarten.
Die erste Mittheilimg über diesen Organismus stammt von
E. Koch/) welcher spontan auf der Kartoffel entstehende Bacillen-
colonien beobachtete, die in Form eines kleinen nassen Fleckes (am
Rande der Kartoffel) entstehen und bald in eine schleierartig gefaltete
Membran übergehen, die einen zähen, fadenziehenden Schleim repräsentirt.
Der Bacillus bildet grössere Stäbchen, die einzeln, zu zweien
oder in kleinen Verbänden auftreten. Der Bacillus zeigt (wackelnde)
Eigenbewegung; er trägt an seinen Enden Geisseifäden. Der
Bacillus Avächst auf den gewöhnlichen Nährböden bei Sauerstoff-
anwesenheit. Er wächst bei Zimmer- sowohl wie bei Brüt-
temperatur. Er bildet mittelständige Sporen. Die Gelatine
wird schnell verflüssigt. Auf der Platte entstehen ki-eisrundc
Colonien. Auf der Agar ob er fläche bildet der Bacillus einen
dicken, runzehgen, mattweissen Belag (C. Fraenkel-)).
Xach Hueppe-^) hat der Bacillus auf Stärke sehr energisch
diastatische Wirkimg und veranlasst derselbe in sterilisirter Milch
zuerst eine Ausscheidung des Caseins, dann eine Verflüssigung des
ausgeschiedenen Caseins. Ein gi'össerer Piest desselben bleibt hierbei
aber intact. Zwischen dem Casein und der Eahmschicht bildet sich
allmählich eine gelbliche, schwach alkalisch werdende Flüssigkeit
mit starker Pepton reaction. Diese Flüssigkeit ist nicht fadenziehend,
während die Eahmschicht in eine schmierige, schleimige, fadenziehende
Masse verwandelt wird („Schleimige Milch").
b. Bacillus mesentericus fuscus Flügge. Brauner Kar-
toffelbacillus.
Kleine, kurze, oft zu 2 oder 4 an einander hängende, lebhaft
eigenbewegliche, sporen bildende Bacillen. Auf der Gela-
tine platte werden gelbbraune verflüssigende Colonien gebildet.
Auf Kartoffeln entstehen zunächst glatte gelbliche Auflagerimgen,
deren Oberfläche aber sehr bald faltig, nmzelig und rauh wird, und
die sich rasch über die Kartoffelfläche ausbreiten.
c. Bacillus liodermos Flügge. Glatthautbildender Kartoffel-
bacillus.
Kleine, kurze, äusserst lebhaft eigenbewegliche Bacillen
mit abgerundeten Enden. Auf der Gelatine platte entstehen un-
regelmässig begrenzte Colonien, die als kleines weisses Häutchen auf
0 Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. ISSl. p. 23.
-) Grundriss der Bakterienkunde. Berlin. Hirschwald. 3. Aufl. 1S90. p. 237.
=5) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1884. p. 367.
Kartoff elbacillen. — Der Heubacillus. 4 [ 5
der Oberfläche der schnell verflüssigten Gelatine schwimmen. Auf
Kartoffeln entsteht zunächst ein glatter, glänzender Ueberzug, der
sich rasch über die ganze Fläche verbreitet und dieselbe wie mit gelb-
lich-weissem Sjrup überstrichen erscheinen lässt. Erst nach mehreren
Tagen wird die glatte Oberfläche trübe und leicht gerunzelt, ohne dass
es aber zu tieferer Faltenbildung kommt.
d. Bacillus multipediculus Flügge. Bacillus mit in secten-
ähnlichen Colonien.
Lange, schlanke, unbewegliche Bacillen. Die Colonien auf
der Gelatine platte erscheinen bei schwacher Vergrösserung als runde
oder ovale, scharf contourirte dunkle Scheiben, A^on deren Peripherie
aus an einzelnen Stellen kleine, relativ breite Fortsätze ausgehen;
letztere sind gegliedert, bestehen aus aneinander gereihten und sich
allmähhch verjüngenden runden Ballen und verlaufen meist radiär.
Nach mehrtägigem Bestände der Colonien sind die Fortsätze, welche der
Colonie ein insectenähnliches Aussehen verleihen, mit blossem
Auge sichtbar. Auf Kartoffeln bildet der Bacillus schmutziggelbe,
massig ausgedehnte Beläge mit glatter Oberfläche; die Kartoffel färbt
sich in der Umgebung des Belages dunkler.
Ausser den genannten 4 Arten von Kartoffelbacillen ist noch eine
fünfte Art von Bedeutung, welche (1887) von Globig^j entdeckt
wurde :
e. Bacillus m e s e n t e r i c u s ruber. Kother Kartoifelbacillus.
Es handelt sich um einen am besten bei 45^ C. wachsenden (cf.
oben p. 23) Bacillus, welcher durch niedrige, feine und dichtgedrängte
Falten des Kartoffelbelages, durch eine röthlichgelbe, oft rosenrothe
Farbe, welche er der Kartoffeloberfläche ertheilt, und durch einen eigen-
thümlichen, an gekochten Schinken erinnernden Geruch sich kenn-
zeichnet. Der Bacillus bildet Sporen von ganz ungewöhnlicher Wider-
standsfähigkeit. Sie werden durch ^/^(,proc. Sublimatlösung erst in
90 Minuten getödtet. Bezüglich ihrer Eesistenz gegen heissen Wasser-
dampf vergi. oben p. 28.
2. Der Heubacillus.
Der Heubacillus (Bacillus subtilis Ehrenberg) ist ausser-
ordentlich verbreitet in der Natm'. Er kommt in der Luft, im Staub,
1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 3. ISST. p. 331.
416 C. Saprophvtische (nicht patbogene) Bakterienarten.
speciell im Heustaiib, im Boden, in Fäces etc. vor. An diesem Orga-
nismus entdeckte F. Cohn^) (1872) die Sporenbildung bei den Bacillen.
Der Bacillus bildet grosse Stäbchen, ähnlich den Milzbrand-
bacillen; die Enden der Stäbchen sind abgerundet, abgestutzt. Der
Bacillus ist (zum Unterschiede von dem Milzbrandbacillus) eigen-
beweglich. Die Eigenbewegung des Heubacillus geschieht in einer
ganz characteristischen Weise : die meist zu zweien an einander
hängenden Bacillen „wackeln" durch das Gesichtsfeld,-) in dem sich
der von den Längsachsen der beiden Bacillen gebildete Winkel fort-
während verändert.
Der Bacillus wächst auf den gewöhnlichen Nährböden bei Sauer-
stoffanwesenheit. Er gedeiht sowohl bei Zimmer- wie bei Brüt-
temperatur. Auf der Gelatineplatte zeigen sich die Heubacillen
in ganz jungen Colonien zu längeren Fäden ausgewachsen. Sobald sie
sich aber weiter entwickeln, was unter schneller Verflüssigung
der Gelatine stattfindet, dann sieht man sie nur in Form von be-
weglichen Stäbchen den Innenraum der Colonie erfüllen und am
Bande derselben in ganz regelmässigen, senkrecht gegen die Peripherie
gerichteten Massen sich in die noch feste Gelatine einbohren, so dass
die Colonie so aussieht, als sei sie von einem Strahlenkranze
umgeben (Koch'^)). In Gelatine stichculturen kommt es nach
eingetretener Verflüssigung der Gelatine zur Bildung einer oberfläch-
lichen weissen Kahmhaut. Auf Kartoffeln bilden die Heubacillen
sehr kräftige Culturen, die einen weisslichen, rahmartigen Ueberzug
darstellen (Koch*)). Auf Agar bilden sich steife, leicht ablösliche,
runzelige und faltige Ueberzüge, dem Aussehen nach dem Wachsthum des
Kartofifelbacillus auf Kartoffeln (p. 414) vergleichbar (Eisenberg'^)). Der
Bacillus bildet endogene Sporen von 1,2 /t Länge und 0,6 /* Breite,
welche ausserordentlich resistent sind. Taf. R^ Fig. 19, zeigt
ein Präparat von sporenhaltigen Heubacillen bei lOOOfacher Ver-
grösserung; die Färbung geschah hier mit Hülfe von kurz einwirkender
wässerig-alcoholischer Farbstofflösung, die Sporen sind hierbei nicht
gefärbt worden (cf. p. 76). Fig. 20 zeigt dasselbe Material, nach der
Sporenfärbungsmethode behandelt (cf. oben p. 236). — Bei der Kei-
m u n g verlässt das Keimstäbchen die Spore in der Mitte ihrer Längs-
^) cf. oben p. 16, Anm. 1.
-) cf. C. Fränkel, Grundriss d. Bakterienk. 3. Aufl. 1S90. p. 238.
") Mittb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. ISSl. p. 29.
*) Ebenda, p. 23.
•') Bakteriologische Diagnostik. Hamburg und Leipzig. Voss. 3. Aufl. 1S91.
p. 128.
Der Wurzelbacillus. 417
Seite diircli einen sich in der Sporeumembran bildenden Eiss und
tritt in zu der Längsrichtung der Spore senkrechter Richtung aus
( P r a z m 0 w s k 3^ ).
Zweifel eine Reihe von verschiedenen Bacillenarten, die die Form der
Zelle, das aerobe Wachsthum, das Aussehen der Gelatineplattencolonie,
die eigenthümliche Art der Eigenbewegung, die Sporenbildung mit
einander gemein haben. So hat z. B. L. Klein^) mehrere Bacillen-
arten beschrieben, die sich mit Sicherheit eigentlich nur dm-ch die
Art der Sporenkeimung von dem oben geschilderten „Heubacillus"
unterscheiden lassen, und die der Autor als „falsche" Heupilze be-
zeichnet.
Auf der Resistenz der (unter Anderem auch im Heustaub ge-
wöhnlich vorhandenen) Sporen des Heubacillus beruht ein von Roberts
und Buchner-) angegebenes Verfahren, den Heubacillus aus Heu
rein zu erhalten: Das Heu wird mit möglichst wenig Wasser Über-
gossen und bei 36 ^^ C. 4 Stunden stehen gelassen. Das Extract wird
abgegossen und bis zmn spec. Gew. 1,004 mit Wasser verdünnt, dann
mit Soda neutraUsirt. 500 ccm der Flüssigkeit werden in einem mit
Watte verschlossenen Kolben bei geringer Dampfentwickelung eine
Stunde lang gekocht; dann bleibt die Flüssigkeit bei 36*^ C. stehen.
Binnen 24 Stunden beginnt sich eme Kahmhaut zu entwickeln, welche
die Heubacillen rein enthält.
3. Der Wurzelbacillus.
Der zuerst (1881) von R. Koch-') beschriebene wurzeiförmige
Bacillus (Wurzelbacillus, Bacillus mycoides, Erdebacillus) ^) wird fast
in jeder Bodenprobe angetroffen, die man in Gelatine einsäet.
Er bildet grosse Stäbchen, etwas dicker als Mlzbrandbacillen,
die dadurch ausgezeichnet sind, dass sie auf der Gelatine- (und Agar-)
Platte Colonien bilden, die wie ein weitausgreifendes, vielfach ver-
schlungenes Wurzel geflecht aussehen. Auf Taf. I, Fig. 3, ist eine
Stelle aus einem Klatschpräparat von der Gelatineplatte bei 1 000 fa eher
1) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. p. 316.
'-) cf. W. Zopf. Die Spaltpilze. Breslau. Trewendt. 3. Aufl. 1885. p. 74.
3) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 1. 1881. p. 29, 35.
*) Der von G. C. und P. F. Frankland (Zeitsclir. f. Hyg. Bd. 6. 1889.
p. 388) in Wasser regelmässig aufgefundene ,, Bacillus ramosus" ist mit dem
Wurzelbacillus wahrscheinlich identisch.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 27
418 C. Sapropliytische (nicht pathogene) Bakterienarten.
Vergrösserung dargestellt. Der Bacillus ist eigenbeweglich; er
Avächst auf den gewöhnlichen Nährböden bei Sauerstoffanwesenheit.
In Gelatinestichculturen geht, entsprechend dem Wachsthiun auf der
Platte, zunächst die Bildung eines zierlichen Greflechtwerks vor sich,
welches von allen Theilen des Impfstiches in die Gelatine hineinwächst.
Die Gelatine "vnrd dann schnell verflüssigt. Auf Kartoffeln bildet
sich ein weisslicher, mattglänzender Belag. Der Bacillus bildet endo-
gene Sporen.
4. Bacillus Megaterium.
Der Bacillus Megaterium wurde von de Bary^) gefunden,
und zwar zuerst auf gekochten Kohlblättern. Er stellt ein
grosses, 2,5 /^ dickes, leicht bogig gekrümmtes, wenig leb-
haft eigenbewegliches Stäbchen dar, welches endogene Sporen
bildet. Die Eigenbewegung wii'd nach Messea-) yermittelt durch
4 — 8 seitlich stehende Geis sein. Die Sporenbildung und Sporen-
keimung hat de Bary an diesem Bacillus ganz besonders eingehend
studirt: Bei der Sporenbildung tritt meist dicht an einer Endfläche
in dem Protoplasma ein kleiner, rundlicher, stark lichtbrechender
Körper auf. Dieser nimmt an Volumen zu, während die ihn um-
gebende Protoplasmamasse successive sch\^Tndet. Xach wenigen Stunden
(bei 20^) ist er herangewachsen zu einem länglich cvlindrischen
Körper, der stark lichtbrechenden, bläulich glänzenden Spore. Bei der
Sporenkeimung verschwindet zunächst, während die Spore an
Volumen zmiimmt, ihr starker Glanz. Hat die Spore die normale
Stäbchenbreite erreicht, so „hebt sich in vielen Fällen mit einem Male
eine quer oder schräg zwei klappig aufgerissene zarte Membran von
der Oberfläche ab, und aus dieser gleitet die zart umschriebene Zelle
hervor" (de Bary). Der Bacillus wächst auf den gewöhnlichen Nähr-
böden, am besten bei 20*^ C., aber auch bei Brüttemperatur. Der
Bacillus hat ausgesprochenes Sauerstoffbedürfniss. Die Gelatine
wird verflüssigt. Auf der Agar Oberfläche entstehen graue,
schleimige Ueberzüge. Auf Kartoffeln bilden sich dicke, schleimige,
saftig glänzende, gelblich- bis grauweisse Beläge.
Die Eigenschaft des Bac. Megaterium, in seinen Culturen schlei-
mige Massen zu bilden, ist darauf zurückzuführen, dass sich die ein-
^) A. de Bary, Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze, Mycetozoen
und Bakterien. Leipzig. Engel mann. 1884. p. 499.
'^) cf. Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1891. p. lOP,.
Bacillus Megaterium. — Die Proteus-Arten Hausers. 419
zelnen Zellen des Bacillus gern mit ausgedehnten Gallertkapseln
umhüllen, welche dann mit einander verkleben. Nach den Beobach-
tungen des Verf. sieht man im gefärbten Präparat diese Gallert-
kapseln gewöhnlich ohne Weiteres; der Bacillus gehört also zu den-
jenigen Bakterienarten, welche man als „Kapselbakterien" bezeichnet
(cf. oben p. 9).
5. Die Proteus-Arten Hauser's.
In faulenden Substanzen hat G. Häuser^) (1885) drei
Arten von facultativ anaeroben Fäulnissbakterien häufiger angetroffen,
welche er Proteus vulgaris, Proteus mirabilis und Proteus
Z e n k e r i nennt. Diese Arten sind nach H a u s e r pleomorph. Sie
sind Päulnisserreger , erzeugen bei ihrem Wachsthum StofFwechsel-
producte (Alkaloide), welche auf Thiere giftig wirken.-)
a. Die am häufigsten vorkommende Art ist Proteus vulgaris.
Dieser Organismus bildet Stäbchen von 0.6 /< Breite und ver-
schiedener Länge, welche lebhaft eigenbeweglich sind, auf den
gewöhnlichen Nährböden, am besten bei 20 — 24*^ C, wachsen. Jedes
Stäbchen trägt nach Messea^) äusserst zahlreiche (60 — 100) seitlich
stehende Geis sein, welche in gelungenen, nach Loeffler (cf. oben
p. 80 fl".) gefärbten Präparaten dem Bacillus das Aussehen eines Feder-
bartes verleihen. Die Gelatine wird schnell verflüssigt. Auf
^) Ueber Fäulnissbakterien und deren Beziehungen zur Septicaemie. Leipzig.
Vogel. 1885.
-) Gelegentlich scheinen die Proteusarten auch spontan als Erreger specifischer
Krankheiten auftreten zu können. Die erste derartige Mittheüung stammt von
Bordoni-Uffreduzzi (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 3. 1SS7). Der Autor fand in zwei
Sectionsfallen von Menschen, die nach ganz kurzer mehrtägiger Krankheit starben,
und bei denen Blutreichthum der inneren Organe und Hämorrhagien in der Luft-
röhren- resp. der Darmschleimhaut vorgefunden wurden, im Blute und in den Or-
ganen einen an die Haus er "sehen Proteusarten erinnernden Mikroorganismus, den
er „Proteus hominis capsulatus" (cf. oben p. 209, Anm. 1) nannte. Mäuse
und Hunde waren sehr erapiänglich für die Infection, die sowohl durch subcutane
und intravenöse Einverleibung wie durch Einverleibung vom Darme her erfolgte.
Jäger (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892) in Ulm hat mehrere Fälle von Weil'-
scher Krankheit beim Menschen (fieberhafter Icterus mit Milztumor und Nephritis)
beschrieben , in welchen sich in den Organen eine Proteus-ähnliche Bakterienart
(„Bacillus Proteus fluorescens") vorfand. Dieselbe Proteusart wies
Jäger auch als Erreger einer in der Nähe Ulm's spontan auftretenden Geflügel-
seuche nach.
3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1891. p. 106.
27*
420 ^- Saprophytiscbe (nicht pathogene) Bakterienarten.
der Gelatineplatte (6proc. Gelatine) setzt sich der verflüssigte
Bezirk häufig (nicht immer) in eigenthümlichen , die wunderlichsten
verschlimgenen Figm-en („Schwärmende Inseln") bildenden Ausläufern
in die solide Gelatine hinein fort („Bacillus figurans"). Auf der
Agaroherfläche konmit es zur Bildung von grauen, feuchtglänzenden
IJeherzügen. Auf Kartoffeln bildet der Bacillus schmierige Beläge.
Sporenbildung ist nicht vorhanden.
b. Der Proteus mirabilis bildet Stäbchen von 0,6 jli Breite
und wechselnder Länge. Die Culturen auf der Gelatine platte
bilden in der Tiefe des Nährbodens wunderbar gestaltete, gewundene
Zoogloeamassen ; auf der Oberfläche bilden sich gelegentlich „schwär-
mende Inseln" wie bei Proteus vulgaris. Die Gelatine wird
sehr langsam verflüssigt.
c. Der Proteus Zenkeri^) bildet Bacillen von 0,4 /i Breite
und im Mittel 1,6 /u Länge. Die Gelatine wird nicht ver-
flüssigt. Es bilden sich gelegentlich „schwärmende Inseln" wie bei
Proteus mirabilis. -)
6. Bacterium termo.
Unter der Bezeichnung „Bacterium termo" wurden fi-üher,
als man noch nicht verstand mit Eeinculturen zu arbeiten, Bakterien
verstanden, die man in faulenden Flüssigkeiten antraf, und die
man als die Erreger der Fäulnis s ansah. Bacterium termo
waren kurze, meist zu zweien auftretende, lebhaft bewegliche Stäbchen.
Heutzutage kann die Bezeichnung „Bacterium termo" nur als
Sammelname für* ein inconstantes Gemenge von Arten angesehen
werden; und die Bezeichnung ist deshalb überhaupt fallen zu lassen
(Flügge=^)).
^) Nach der Vermuthung von Czaplewski (Centralbl. f. Bakt. 2. Abth.
Bd. 1. 1895. p. 186, Anra. 1) ist Proteus Zenkeri identisch mit Bacterium
Zopfii (eifler zuerst von Kurth [Dissert. BerUn. 1883] aus Darminhalt des Huhns
gewonnenen, nicht pathogenen Bakterieuart).
-) Haus er hat später (Münch. med. Wochenschr. 1892. No. 7. p. 105) die
Ansicht ausgesprochen, dass die drei vorstehend beschriebenen Organismen nicht als
verschiedene Arten anzusehen sind, sondern dass die drei Formen einer ein-
zigen Species angehören. Er schliesst dies aus mit der Zeit eintretenden Ver-
änderungen, die er an seinen Culturen beobachtete.
**) Die Mikroorganismen. 2. Aufl. Leipzig. 1S86. p. 312.
Bacterium termo. — Der Hueppe'sche IMüchsäurebacillus. 421
7. Der Hueppe'sche Milchsäurebacillus.
Ueberlässt man rohe Kuhmilch bei höherer Zimmertemperatur
sich selbst, so tritt im Verlaufe von einem bis mehreren Tagen unter
starker Säuerung der Milch Gerinnung des Milchcaseins ein. In der-
artiger, sauer gewordener Milch hat Hueppe^j (1884) eine bestimmte
Bakterienart constant nachgewiesen, welche die Fähigkeit hat den
Mlchzucker der Milch — und ebenso auch den Milchzucker (und auch
den Traubenzucker) künstlicher Nährböden — unter Bildung von Milch-
säure zu zerlegen. Dieser Hueppe'sche „Milchsäurebacillus" (Ba-
cillus a c i d i 1 a c t i c i) ist ohne Zweifel identisch mit dem „Bac-
terium 1 actis", welches Jos. Lister ^) (1877) aus Mich isolirte.
Impft man eine Reincultur des Milchsäurebacillus in sterilisirte
Mich (cf. oben p. 136) ein, so tritt Säuerung und Gerinnung dieser
]\Iilch in derselben Weise ein, wie wir es an der rohen Mich beob-
achten, die sich selbst überlassen bleibt.
Zur Eeincultivh'ung der säurebildenden Bakterien aus Milch geht
man (nach einem von Beyer inck^) angegebenen Princip, welches
der Verf. nach eigenen Untersuchungen*) als sehr zweckmässig emp-
fehlen kann) am besten so vor, dass man von spontan sauer gewordener
Mich mit Hülfe einer Nährgelatine, welche gährungsfahigen Zucker'')
enthält, Plattenculturen anlegt, dass man aber der geimpften Gelatine
vor dem Ausgiessen zu Platten einen Zusatz von (sterilisirtem'^))
Calciumcarbonat bis zu ziemlich starker Trübung giebt. Dieser
„Kreideboden". (Beyerinck) eignet sich deshalb so gut zur Auf-
findung der säurebildenden Bakterien, weil jede Colonie derartiger Bak-
terien, die auf der Platte entsteht, — in Folge der Diffusion der ge-
bildeten Säure in die Umgebung — zur Auflösung der die Colonie
^) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1SS4. p. 309 ff.; Deutsche med.
Wochenscbr. 1884. p. 778.
-) cf. oben p. 118, Anm. 1.
") Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1891. p. 782.
■*) Vergl. die in Gemeinschaft mit H. Thierfelder vom Verf. ausgeführte
Arbeit, die spontane Milchgerinnung betreffend, im Arch. f. Hyg. Bd. 25.
■''') Nach den Erfahrungen des Verf. eignet sich gewöhnliche 2proc. Trauben-
zucker- oder Milchzuckergelatine (cf. oben p. 124, 125) vortrefflich für diesen Zweck.
Beyerinck (I.e.) benutzte eine Hefewasser-Traubenzuckergelatine, welche folgender-
massen gewonnen wird: 20 g Hefe werden in 100 ccm Leitungswasser gekocht, 8 g
Gelatine (oder ^/^ g Agar) und 5 — 10g Traubenzucker zugefügt. Nach neuem
Kochen wird filtrh't.
*^) Eeine Schlämmkreide wird in "Wasser gegeben und mit dem letzteren längere
Zeit gekocht.
422 C. Sapropbj'tische (nicht pathogene) Bakterienarten.
umgebenden Kreidetrübung fübrt : Nach der Entwickelimg der Colonien
ist jede säurebildende Colonie von einem klar durcbsichtigen Feld
umgeben.
Der ]\Iilclisäm-ebacillus stellt kleine, etwa 1,0// lange, 0,5 — 0,6 /t
dicke, an den Enden meist lanzettförmig zugespitzte Stäbchen ohne
Eigenbewegung dar, die meist zu zweien mit einander verbunden sind,
aber auch in kleinen Ketten angeordnet vorkommen (cf. das Photo-
granun No. 7 auf Taf. ü): hier und da bilden die Stäbchen auch
haufenartige Congiomerate. Nach Hueppe bilden die Stäbchen in
Zuckerlösungen Sporen.^)
Die Entwickelung geht sowohl in Gegenwart wie imter Abschluss
von freiem Sauerstoff vor sich. Unter 10*^ C. findet keine Entwicke-
lung statt. Das Temperatur Optimum liegt nach Hueppe
zwischen 35 und 42 ^ C.-) Auf Gelatine platten entstehen bei
Zimmertemperatur weisse, makroskopisch punktförmig erscheinende,
bei oberflächlichem Wachsthum über die Gelatineoberfläche promi-
nirende Colonien, die in zuckerfreier Gelatine einen Dm'chmesser von
0,5 mm fast nie überschreiten, in traubenzucker- oder milchzucker-
haltiger Gelatine etwas gi'össer werden. Die Gelatine wii'd nicht
verflüssigt. In zuckerfi-eier Nährbouillon tritt eine nur ganz
massige Ti'übung ein; Traubenzucker- oder Milchzucker-Bouillon trübt
sich imter starker Säuerung intensiv. Bei der Cultivirung in Gährungs-
kölbchen, die mit zuckerhaltiger Bouillon beschickt sind, wii'd Gas-
bildung nicht beobachtet. Auf Kartoffeln scheint nur sehr
spärliches Wachsthum zu erfolgen. Auf der A g a r Oberfläche bilden
sich — und zwar auf zuckerhaltigem Nährboden etwas kräftiger als
auf zuckerfi-eiem — zarte durchsichtige Beläge, welche wie aus feinsten
Thautröpfchen gebildet erscheinen.
Die bei der Cultur in sterilisirter Milch gebildete Säure
ist die rechtsdrehende Modification der Milchsäure.'^)
Der beschriebene Milchsäurebacillus lässt sich nach der Gram'-
schen Methode (cf. p. 108 ff.) sehr gut färben. Behufs seines mikro-
skopischen Nachweises in saurer Milch geht man (wie überhaupt
zum Zwecke des mikroskopischen Nachweises von Bakterien in Milch)
am zweckmässigsten so vor, dass man das auf das Deckglas aus-
gestrichene und in der Flamme fixirte Material zunächst durch Ueber-
1) Bei den von Thierfelder und dem Verf. ausgeführten rntersiichuugen
(1. c.) konnte Sporenbildung nicht constatirt werden.
-) Thierfelder und der Verf. fanden etwa 28" C. als Temperaturoptimum.
ä) cf. Günther und Thierfelder, Hyg. Eundschau. 1S94. p. 1105.
Die Bakterien der Buttersäurogäbrung. 423
spülen mit A e t h e r von dem Milchfett befreit, dami mit Wasser spült
und schliesslich mit Methylenblau färbt. Den letzteren Farbstoff
wählt man deshalb, weil es sich um eiweissreiches Material handelt
(cf. oben p. 67).
Der Hueppe'sche Mlchsäurebacillus ist nicht die einzige Bak-
terienart, welche Mlchzucker in Milchsäure umwandelt; es giebt sehr
zahlreiche Arten, welche diese Eigenschaft haben. Der H u e p p e ' sehe
(resp. Li st er 'sehe) Milchsäurebacillus ist aber dieienige Bakterienart,
welche ganz gewöhnlich (vielleicht stets) die Ursache der spon-
tanen Milchs'erinnuuff ist.
8. Die Bakterien der Buttersäuregährung.
Es giebt eine grosse Eeihe von Bakterienarten, welche die Eigen-
schaft haben, aus Kohlehydraten Butt er säure zu bilden.^) Be-
reits 1861 wurde von Pasteur-) ein (anaerobes) Buttersäureferment
beschrieben. Genauer studirt sind weiterhin eine Reihe .hierher-
gehöriger Bakterienarten, von denen einige in Folgendem kurz er-
wähnt seien:
a. Der Bacillus butyrieus Prazmowsky (Clostridium butyri-
cum, Bacillus amylobacter) findet sich in ausserordentlicher Verbreitung
in der Natur. Er stellt grosse Stäbchen von etwa 1 /,t Breite und
wechselnder Länge dar, die öfters Ketten bilden. Der Bacillus ist
lebhaft eigenbeweglich. Er bildet Sporen, die meist mittel-
ständig sind, und während deren Bildung das Stäbchen in der JVIitte
anschwillt, so dass eine Spindelform, eine Clostridiumform (cf.
p. 17) entsteht. Die Sporen können aber auch am Ende des Stäb-
chens auftreten. Die Sporen sind 1 // breit und 2 — 2,5 /* lang. Wenn
die (frei gewordene) Spore auskeimt, so geschieht das so, dass aus
einem endständigen Riss der Sporenmembran das Keimstäbehen hervor-
tritt; die Sporenmembran sitzt dann weiterhin dem jungen Bacillus
wie eine Kappe auf. Der Bacillus wächst nur bei Sauerstoff-
absehluss. In Lösungen von Stärke, Dextrin, Zucker, milchsauren
Salzen bildet er grosse Mengen von Butt er säure unter gleich-
zeitiger Entwickelung von Kohlensäure und Wasserstoff. Dieselbe Gähr-
thätigkeit entfaltet der Bacillus in alter Milch , deren Milchzucker
^) Vergl. liierüber aucli die zusammenfassende Uebersicht von Baier (Cen-
tralbl. f. Bakt. 2. Abth. Bd. 1. 1895. p. 17 if.).
-) Comptes rendus de l'acad. des sciences. Paris, t. 52. 1S61. p. 342.
424 C. Sapropliy tische (nicht pathogene) Bakterienarten.
aber zunächst dm-ch ]\Iilclisäuregälirung in ]\Iilchsänre übergeführt sein
muss. Auch geronnenes Casein vermag der Bacillus langsam zu lösen.
Unter gewissen Umständen, namentlich bei der Cultivirung des Bacillus
auf stärkehaltigem Nährboden , zeigt das Protoplasma des Bacillus
Granulose-Gehalt. Mt wässeriger Jodlösung färbt sich das Proto-
plasma hier ganz oder theilweise tiefindigoblau bis schwarzviolett (cf.
p. 9). Davon hat der Bacillus den Xamen ,,Bac. amylobacter"
erhalten. — Xach Grub er ^) verbergen sich unter der Bezeichnung
Clostridium 1)utyricum mehrere Arten.
b. Der Bacillus but^ricus Hueppe wm'de von Hueppe-)
aus 'Milch isolii-t. Derselbe bildet grosse, schlanke, häufig zu zweien
verbimdene Stäbchen, welche in Gegenwart von Sauerstoff
auf den gemeinen Xährböden (bei Zimmer- sowohl wie bei Brüt-
temperatur) gedeihen und mittelständige Sporen bilden.
Die Gelatine wird schnell verflüssigt. Auf der Agar ober-
flache bildet der Bacillus feuchte, gelbliche Ueberzüge. In steri-
lisirter Milch veranlasst der Bacillus (am besten bei Brüttemperatm-)
zimächst labähnliche Gerinnung des Caseins. ohne dass dabei die
amphotere Reaction der Milch geändert wird. Dann wird das aus-
gefällte Casein Avieder gelöst und in Pepton und einige weitere Spal-
tungsproducte ül)ergeführt ; unter diesen tritt Anmioniak auf. Zugleich
macht sich ein bitterer Geschmack bemerkbar. Aus milchsauren
Salzen bildet der Bacillus B u 1 1 e r s ä u r e.
c. Der Bacillus butyricus Botkin wiu'de (1892) von S. Bot-
kin^) aus Milch, Wasser, Erde, Staub isolii-t und genauer studirt. Es
handelt sich um einen streng anaeroben, dem von Prazmowsky
beschriebenen Bacillus but3'ricus nahestehenden, gTossen, sporenbildeu-
den Bacillus, der nach Flügge^) „geradezu allverbreitet" ist. Er
findet sich m fast jeder ]\Iilch, sobald man grössere Portionen in Unter-
suchung nimmt, '') in fast jedem Brunnenwasser, in der Erde, im Staub,
stets in den Fäces (auch in solchen von nur wenige Tage alten , nur
mit Frauenmilch genährten Säuglingen).
1) Cenü-albl. f. Bakt. Bd. 1. 1SS7. p. 370.
2) Mitth. a. d. Kais. Ges. -Amte. Bd. 2. 1SS4. p. 35.3; Deutsche med.
Wochenschr. 1884. p. 796.
^) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 11. 1892. p. 421 ff.
4 Zeitschr. f. Hyg. Bd. 17. 1894. p. 289.
^) Uie Prüfung auf das Vorhandensein von Sporen des Botkin'schen Bacillus
erfolgt nach Flügge (1. c) am besten durch Einsaat des zu untersuchenden Mate-
Bakterien d. Essiggähriing. Milchkotlibakterien. Ammoniakal. Harnstoffgährung. 425
9. Bakterien der Essiggährung.
Der Bacillus aceticus (Bacteriiim aceticum, M3^coclerma
aceti, Essigpilz) hat das Vermögen, den Alcohol gegohrener Gretränke
(in Gegenwart von freiem Sauerstoff) in Essigsäure zu verwandeln.
Er bildet auf derartigen Flüssigkeiten, am besten bei etwa 33^ C,
oberflächliche Kahmhäute, während die Flüssigkeit selbst trübe und
stark sauer wird. Die Bacillen stellen Kurzstäbchen dar, die gewöhnlich
zu lang-en Ketten verbunden sind.
10. Die Milchkotlibakterien Eschericli's.
Im normalen Darme des Säuglings hat Escherich^)
(1885) zwei Bakterienarten constant vorgefunden (obligate Milchkoth-
bakterien). Die erste ist das Bacterium 1 actis aerogenes.
Dasselbe bewohnt die oberen Darmpartien; weiter nach unten im
Darme wird diese Art immer seltener und macht der zweiten Art
Platz, dem Bacterium coli commune.
a. Das Bacterium lactis aerogenes ist ein plumpes
Kurzstäbchen von 0,5 ^i Breite, welches Eigenbewegung
nicht besitzt. In Zuckerlösungen scheinen sich endständige
Sporen zu bilden. Das Culturverhalten ist ähnlich dem des Hueppe"-
schen Milchsäurebacillus Q). 421). Auf Kartoffeln bilden sich aber
weissgelbliche, rahmartig zerfliessende, von Gasblasen durchsetzte Colo-
nien. Der Milchzucker wird durch das genannte Bacterium ver-
g obren zu Milchsäure und besonders Essigsäure (A. Ba-
ginsky). Dabei bildet sich Kohlensäure, Wasserstoff und Methan.
b. Das Bacterium coli commune, welches auch im Darm
des Erwachsenen zu finden ist und auch bei Thieren vorkommt, haben
wir oben (p. 364 ff.) ausführlich betrachtet.
11. Die Bakterien der ammoniakalischen Harnstoffgährung.
Eine Anzahl Bakterienarten haben die Fähigkeit, Harnstoff
in Ammoniumcarbonat umzuwandeln. Hierher o-ehören unter
riales in sterile Milch, dann Erhitzen der Milch 30 Minuten auf lOO*' C, darauf
Einstellen der luftdicht verschlossenen Flasche in den auf 35 — 37*^ C. geheizten
Brütofen. Binnen 24 Stunden ist die Älilch , wenn Sporen des Bacillus in der Ein-
saat vorhanden waren, in voller Buttersäuregährung.
1) Fortschr. d. Med. 1885. No. 16, 17.
426 C. Saprophytische (nicht pathogene) Bakterienarten.
Anderem der Micrococcus ureae Leube , der Micrococcus
ureae liquefaciens Flügge, der Bacillus ureae Leube. ^)
a. Der Micrococcus ureae Leube ist ein Coccus von 0,8 — 1,0 /,t
Durcbmesser, der einzeln, zu zweien, in Tetraden oder Ketten auftritt,
auf der Gelatine ohne Verflüssigung oberflächlich wächst.
b. Der Micrococcus ureae liquefaciens Flügge hat
1,25 — 2 jj, Durchmesser, kommt vereinzelt oder in kleinen Ketten
oder unregelmässigen Gruppen vor und verflüssigt die Gelatine
langsam.
c. Der Bacillus ureae Leube bildet plumpe Stäbchen
von 1 fx Dicke mit abgerundeten Enden, welche auf der Gelatine
oberflächlich wachsen, ohne dieselbe zu verflüssigen.
12. Bakterien der Mundhöhle.
Um die Erforschung der in der Mundhöhle des Menschen
vorkommenden Bakterien hat sich besonders W. D. Miller-) verdient
gemacht. Stets, in jeder Mundhöhle, zu finden sind folgende Bakterien
(„eigentliche Mundpilze"): Leptothrix buccalis inno-
minata, Bacillus buccalis maximus, Leptothrix buc-
calis maxima, Jodococcus vaginatus, Spiriljum sputi-
g e n u m , S p i r o c h a e t e d e n t i u m (d e n t i c o 1 a). Sämmtlich
haben sie sich bisher den Versuchen, sie künstlich zu züchten,
widersetzt.
a. Leptothrix buccalis innominata bildet 0,5 — 0,8 /*
breite, vielfach gewundene und verschlungene, bewegungs-
lose Fäden , welche sich mit J o d j o d k a 1 i u m 1 ö s u n g gelb färben.
Eine LeptothrLxart aus der Mundhöhle ist auf Fig. 21 (Taf IV)
dargestellt.
b. Bacillus buccalis maximus erscheint in Büscheln
parallel laufender, 1 — 1,3 /^ breiter Fäden, welche sich mit Jod-
j 0 d k a 1 i u m 1 ö s u n g b 1 a u v i o 1 e 1 1 färben (cf p. 9 : Granulose-
reaction).
^) cf. Flügge, Die Mikroorganismen. 2. Aufl. 18S6. p. 1G9 und 314.
*) Siehe Miller 's Hauptwerk: Die Mikroorganismen der Mundhöhle. Leipzig.
G. Thieme. 2. Aufl. 1892. — BeziigKch speciell der pathogenen Mundpilze
vergl. oben p. 201, Anm. 1 und p. 387, Anm. 5.
Bakterien der Mundhöhle. — Der Bacillus der blauen Milch. 427
c. L e p 1 0 1 h r i X b ii c c a 1 i s m a x i m a hat in der Form und An-
ordnung die grösste Aehnlichkeit mit dem Bacillus buccalis maximus,
färbt sieb aber mit J o d 1 ö s u n g gel b.
d. Jodococcus vaginatus kommt in Ketten von 4 — 10
Zellen vor, welche in einer Scheide stecken. Die Verbände haben
eine Dicke von 0,75 //. Die eigentlichen Zellen färben sich mit Jod-
lösung b 1 a u V i 0 1 e 1 1 , die Scheide nimmt dabei schwach gelbe
Färbung an.
e. Spirillum sputigen um bildet komm aförmige, leb-
haft bewegliche Stäbchen, welche auch zu zweien zusammengelagert
sind und dann S- Formen bilden. Ein Photogramm dieses JVIikroorga-
nismus findet man auf Taf. X, Fig. 59.
f. Spirochaete dentium (Sp. denticola, Zahnspiro-
chaete) findet sich, wie die vorige Art, unter dem Zahnfleischrande;
sie bildet 8 — 25 fi lange Schrauben (cf. Taf. I, Fig. 1, ferner den
Rand der Figur 59 auf Taf. X). Sie hat zugespitzte Enden;
dies hat sie mit der Recurrensspirochaete (p. 398) gemein, und beide
unterscheiden sich dadurch von anderen Spirillen (R. Koch).
In dem Zahnbelage eines an Pyorrhoea alveolaris leidenden
Hundes fand Miller einen Spaltpilz von riesigen Dimensionen:
Leptothrix gigantea. Derselbe liess sich, wie die bisher ge-
nannten Arten, künstlich nicht züchten.
Die künstliche Reinzüchtung gelang Miller unter An-
derem bei folgenden Mundpilzen : Jodococcus magnus (grosse
Coccen, die sich mit Jodjodkaliumlösung blamiolett färben), Jodo-
coccus parvus (kleine Coccen, die ebenfalls die Grranulosereaction
geben), ferner bei einem Coccus, der mit' Jod schön rosaroth wird.
Ausser den genannten giebt es eine grosse Anzahl von ün Munde
gelegentlich zu findenden Arten, deren Reinzüchtung gelimgen ist,
die aber mit wenigen Ausnahmen noch nicht ausführlicher studirt
worden sind.
13. Der Bacillus der blauen Milch.
Der Bacillus der blauen Milch (Bacillus cyanogenus,
Bacterium sjTicyanum) ist die Ursache des häufiger zu beobachtenden
428 C. Saprophytisehe (nicht pathogene) Bakterienarten.
spontanen Blauwerdens der Milch. Zuerst von Fuchs^) (1841)
wurde die Ursache dieses Blauwerdens Bakterien zugeschrieben ; später
wurde der veranlassende Bacülus besonders von Neelsen^) und von
Hueppe'^), femer von Scholl"*), von Heim'^) und von Gessard'"')
genauer studii-t.
Der Bacillus cyanogenus ist ein kleines, etwa 0,4 /t
dickes, schlankes Stäbchen, welches häufig zu zweien grui)pirt
auftritt und lebhafte Eigenbewegung besitzt. Die letztere wird
vermittelt durch zahlreiche Geissein, die wie beim Tj^husbacillus
(cf. p, 284) den Seitenwandungen des Individuums angeheftet sind.
Die Frage, ob der Bacillus Sporen bildet, war von Hueppe in
positivem Sinne entschieden worden; nach neueren Untersuchungen
jedoch (Scholl) muss die Frage als eine noch offene angesehen werden.
Der Bacillus gedeiht auf den gewöhnlichen Nährböden, am besten
bei Zimmertemperatur, und bildet, am besten auf leicht
sauren Nährböden, ein schönes blaues Pigment. Bei B r ü t -
temperatur wächst der Bacillus langsamer als bei Zimmertemperatur ;
hier bleibt die Pigmentbildung aus (Heim).
Auf der Gelatine ist das Wachsthum vorzugsweise ein ober-
flächliches (der Bacillus ist aerob). Es bildet sich in der Stich-
en Itur ein schmutzig-weissgrauer Belag auf der Oberfläche, während
die Gelatine selbst, besonders um die oberen Theile des Impfstiches
herum, eine mehr und mehr dunkel werdende, bläulich- violette bis
braune Färbung anninmit. Je alkalischer die Gelatine ist, desto brauner
wird die Färbung.
In sterile Milch eingeimpft bewirkt der Bacillus weder Ge-
rinnung noch Säuerung; sondern die ]\Iilch wird schwach alkalisch
und färbt sich zugleich schiefergrau. Durch Säurezusatz geht dieses
Grau in intensives Blau über. Impft man den Bacillus in rohe
Milch, so konmit a priori (in Folge der durch die Mlchsäurebakterien
hervorgebrachten Säuerung der Milch) Blaufärbung zu Stande.
Auf der Agar ober fläche bildet der Bacillus einen schmutzig-
grauen Belag; der Nährboden selbst färbt sich in ähnlicher Weise,
^) Gurlt's und Hertwig's Mag. f. d. ges. Thierheilk. Bd. 7. 2. (citirt nach
Flügge).
2) F. Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 3. 1880.
^) Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 2. 1SS4. v. 355 ff.
^) Fortschr. d. Med. 1889. No. 21, p. 8ul ff.
"0 Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 5. — cf. Ceutralbl. f. Bakt. Bd. 8.
1890. p. 46.
«) Ann. de l'Inst. Pasteur. 1891. l^o. 12.
Bacillus violacens. — Bacillus ruber Indicus. 429
wie dies die Gelatine thut. Anf Kartoffeln bildet sicli ein dicker,
schmieriger Belag, in dessen Umgebung sich die Kartoffel schwarz-
blau färbt.
Sehr schön gedeiht der Bacillus auf t r a u b e n z u c k e r - oder
glycer inhaltigen Nährböden (z. B. Traubenzucker- Agar etc.).
In steriler Milch, der 2% Traubenzucker zugesetzt sind, oder in
2proc. Traubenzuckerbouillon bildet der Bacillus cj^anogenus prachtvoll
blauen Farbstoff und Milchsäure (Gessard^)). Milchzucker da-
gegen -wird durch den Bacillus nicht angegriffen.
14. Bacillus violaceus.
Der Bacillus violaceus") (violetter Bacillus aus Wasser ) -^ )
wird häufig in Fluss- und Leitungswasser (Spree, Themse) angetroffen.
Er ist ein kleines, schlankes, lebhaft eigenbeweg-
liches Stäbchen, welches einzeln, aber auch zu längeren Fäden ver-
bunden, vorkommt. Der Bacillus gedeiht auf den gewöhnlichen Nähr-
böden und bildet, am schönsten auf Agar und auf Kartoffeln,
einen intensiv dunkel-schwarz violetten Farbstoff. Die Gela-
tine wird verflüssigt. Auf Kartoffeln ist das Wachsthum ein
langsames.
r
15. Bacillus ruber Indicus.
Der Bacillus Indicus (Bacillus ruber Indicus) wamle von
R. Koch in Indien aus dem Mageninhalt eines Affen isolirt.
Er stellt einen sehr kleinen, eigenbeweglichen Bacillus
dar , welcher bei S a u e r s t o f f a n w e s e n h e i t auf den gewöhnlichen
Nährböden wächst und dabei einen ziegelrothen Farbstoff pro-
ducirt. Die Gelatine wii'd energisch verflüssigt. Das Tem-
peraturoptimum liegt bei etwa 35" C. Auf Agar sieht die Cultur
zunächst weiss aus, färbt sich aber bald roth. Auf Kartoffeln bilden
sich ziegelrothe Auflagerungen, die, mit Ammoniak betupft, dunkelroth,
nach Essigsäurezusatz aber wieder ziegelroth werden (Eisenberg'^)).
Der Bacillus bildet giftige Stoffwechselproducte.
1) 1. c. p. 745.
'^) cf. Plagge und Proskauer, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. 1887. p. 463, 464;
G. C. und P. F. Frankland, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6. 1889. p. 394.
^) Ein Verzeichniss der überhaupt beschriebenen Wasserbakterien, die einen
(blauen oder) violetten Farbstoff produciren, findet sich bei Voges (Centralbl. f.
Bakt. Bd. 14. 1893. No. 10).
^) Bakteriologische Diagnostik. 3. Aufl. 1891. p. 79.
430 C. Saprophj'tische (nicht pathogene) Bakterienarten.
16. Bacillus prodigiosus.
Der Bacillus prodigiosus (Mcrococcus prodigiosus, Monas
prodigiosa Ehrenberg) findet sich (selten) in der Luft und ist schon
frühzeitig aufgefallen durch die intensiv blutrothe Färbung, welche
er manchen Cultui'substraten verleiht (blutende Hostie, blutendes
Wunder).
Der Bacillus stellt ein sehr kleines, in jungen Culturen deut-
lich eigenbewegliches Kurz Stäbchen dar (siehe Taf. ü,
Fig. 8), welches bei Zimmertemperatur sowohl wie bei Brüttemperatur
auf den gewöhnhchen Nährböden wächst und bei Zimmertemperatur
einen mehr oder weniger intensiv rothen Farbstoff producirt. Bei
Brüttemperatur wächst der Bacillus farblos, in weissen Cul-
turen (Schott elius^)). Hand in Hand mit der Farbstofifproduction
geht die Production von Trimethylamin (Geruch nach Herings-
lake; cf. p. 25). Am schönsten wird der Farbstoff auf Kartoffeln
gebildet; hier ist er tief blutroth ; auf Agar spielt der Farbstoff mehr
in das Carmoisim-oth hinüber. Der auf Kartoffeln gebildete blutrothe
Farbstoff wird, mit Essigsäure betupft, heller, ziegelroth; nach Ammoniak-
zusatz bildet sich wieder das ursprüngliche Duukelroth (Eisenberg-)).
Der Farbstoff des Bacillus prodigiosus besteht aus kleineren
und grösseren Pigmentkörnchen, welche nicht innerhalb, sondern
ausser hallb der Bakterienzellen liegen. Um sich von dieser
Thatsache zu überzeugen, verfährt man folgendermassen : Man stellt
sich zunächst (z. B. von einer Kartoffelcultur) mit Hülfe von etwas
Wasser einen hängenden Tropfen in der gewöhnlichen Weise her. Mau
stellt das Präparat in der gewöhnlichen Weise mit Immersionss3^stem
und enger Blende ein (cf. p. 60) und sieht nun die Bakterienzellen
(Structurbild). OeÖhet man jetzt den Condensor vöUig, so verschwindet
das Bild der Bakterienzellen fast vollständig, und nun sieht man die
dunkelschwarzrothen Pigmentkömchen (Farbenbild).
Die Grelatine wii'd durch den Bacillus prodigiosus energisch
verflüssigt.
17. Micrococcus agilis.
Im Jahre 1889 wurde von Ali-Cohen'^) aus Trinkwasser ein
Micrococcus („Micrococcus agilis") reingezüchtet, dem — im
^) Biologische Untersuchungen über den Micrococcus prodigiosus. Leipzig.
Engelmann. 1SS7. (Sonderabdruck aus: Festschrift für Albert von Kölliker).
-) Bakteriologische Diagnostik. 3. Aufl. 1891. p. b5.
'■') Centralbl. f. Bakt. Bd. G. 18S9. p. 33.
Bcacillus prodigiosus. — Micrococcus agilis. — Spirillura rubrum. 43 1
Gegensatz zu allen bis dahin bekannt gewordenen Coccenarten — die
Eigenschaft der Eigenbeweglichkeit („agilis") zukam (cf. p. 14).
Der Micrococcus agilis kommt fast immer als Diplococcus, seltener
in kurzen Kettenverbänden, bisweilen in Tetradenform zm- Beobachtung.
Der Durchmesser des Coccus beträgt 1 fx. Der Coccus hat lebhafte
Eigenbewegung, welche vermittelt wii'd durch sehr lange, ausser-
ordentlich feine Geis sein, die gewöhnlich in der Einzahl vorhanden
sind, aber auch zu mehreren an einem Individuum angebracht vor-
kommen (Loeffler^)).
Der Micrococcus agilis lässt sich auf den gewöhnlichen Nähr-
böden leicht züchten: er wächst bei Zimmertemperatur, nicht
aber bei Brüttemperatur. Auf allen Substraten (Gelatine, Agar, Kar-
toffel etc.) wird ein rosenrothes Pigment gebildet. Die Gela-
tine wii-d langsam verflüssigt. Nach der Gram' sehen Methode
(p. 108 ff.) färbt sich der Coccus.
Eine weitere eigenbewegliche Mcrococcenart („Micrococcus
agilis Citren s") hat Menge'-) beschrieben.
Loeffler'^) hat ebenfalls gelegentlich einen eigenbeweglicheu
Micrococcus gefimden, cultivirt und kurz beschrieben.
18. Spirillum rubrum Esmarch.
Das Spirillum rubrum Esmarch wurde von E. v. Es-
march^j aufgefunden in dem Cadaver einer an Mäusesepticaemie
verendeten Maus, der zur Gewinnung von Fäulnissbakterien mit Lei-
tungswasser hingestellt worden war und 3 Monate später vertrocknet
gefimden wurde.
Das Spirillum bildet einen schönen rothen Farbstoff, aber
nur bei Sauerste ff ab Wesenheit.
Das Spirillum wächst bei Zimmer- und bei Brüttemperatur, am
besten bei 37" C. Es lässt sich auf den gewöhnlichen Nährböden
züchten. In der Gelatine kommt es bei Zimmertemperatur nur
sehr langsam zur Entwickelung. In der Stiche ultur bildet sich
nur im Verlauf des Impfstiches, nicht an der Oberfläche, rother
Farbstoff" (siehe oben). Die Gelatine wird nicht verflüssigt.
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1S89. p. 219; Bd. 7. 1S90. p. 634, 637.
2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 12. 1892. No. 2/3.
») Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. 1890. p. 637.
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 1. 1887. No. S. p. 225 ff.
432 C. Sapropby tische (nicht pathogene) Bakterienarten.
Auf festen [N'ährböden bilden sich nur kurze (3 — 4 Win-
dungen umfassende), aber lebhaft bewegliche Spirillen; Loeff-
ler^) hat an ihren Enden kurze Geisseibüschel nachgewiesen.
In flüssigen Nährböden kommt es zm- Ausbildung sehr langer
(30 — 40 und mehr Windungen umfassender) unbeweglicher
Schrauben.
Bezüglich etwaiger Sporenbildung ist Sicheres noch nicht
bekannt.
Das Spirillum rubrum ist das erste wirkliche Spirillum, dessen
künstliche Eeinzüchtung gelungen ist.
19. Chromogene Sarcinen.
In der Luft kommen ganz gewöhnlich Sarcinekeime vor, die sich
gelegenthch auf unseren Nährböden, Gelatineplatten, Kartoffeln etc.,
niederlassen und dort zur Entstehung von Colonien Veranlassung geben,
die (meist) durch ihre Färbung auffallen.
Die häufigsten sind — nach meiner Beobachtung — eine (die
Gelatine sehr schnell verflüssigende) citronen g e 1 b e Sarcine, ferner
eine weisse (langsam verflüssigende); femer beobachtete ich öfters
eine gelb grüne Sarcine (ohne jedes Yerflüssigungsvermögen) ;
seltener kommt eine orange Sarcine vor, die ausserordentlich
langsam wächst und die Gelatine nicht verflüssigt. Dies dürften wohl
die hauptsächhchsten der in der Luft gewöhnlich Vorkommenden Sarcine-
arten sein.-) Ein Photogramm der gelbgrünen Sarcine findet man
auf Taf. in, Fig. 14.
20. Fluorescirende Bakterienarten aus Wasser.
Im Wasser kommen Bakterienarten vor, welche, in Gelatine ge-
züchtet, derselben eine prachtvolle grüne fluorescirende Fär-
bung verleihen. C. FränkeT^) beschreibt deren zwei:
a. Bacillus fluorescens. Derselbe ist ein kleiner, feiner
Bacillus ohne Eigen bewegung. Er wächst bei Zimmertemperatur
') Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. p. 216.
2) Hierzu möchte ich bemerken, dass sicher nicht Alles, was in Lehrbüchern
unter dem Namen „Sarcine" beschrieben ist, wirklich hierher gehört. Man darf
nicht jeden Micrococcus, bei dem man gelegentlich (oder auch häufiger) Anhäufungen
zu je vier Zellen sieht, als „Sarcine" bezeichnen. Nur das würde ich als „Sarcine"
gelten lassen, was die typische, oben (p. 11) beschriebene und auf Taf. HI, Fig. 14,
abgebildete Packe tform aufweist.
») Grundriss der Bakterienkunde. 3. Aufl. 1S90. p. 253.
Bacillus fluorescens liquefaciens. — Phosphorescirende Bakterien arten. 433
auf der Gelatine, und zwar fast ausschliesslich oberflächlich, in Gestalt
einer zarten, grauen, blattartig gezeichneten Haut. Die darunter
liegende Gelatine fluorescirt prachtvoll hellgrün.
Die Gelatine wird nicht verflüssigt.
b. Bacillus erythrosporus. Derselbe ist viel grösser
als der vorhergenannte, ist eigenbeweglich und bildet grosse
mittelständige Sporen, welche einen eigen thünilichen rothen
Glanz („erythrosporus") besitzen sollen.
Die Gelatine wird nicht verflüssigt. Das Wachsthum ist
nicht auf die Oberfläche beschränkt wie bei dem vorigen Bacillus. Die
Gelatine fluorescirt ebenso schön wie bei dem vorigen Bacillus.
21. Bacillus fluorescens liquefaciens.
Der Bacillus fluorescens liquefaciens (verflüssigender
fluorescirender Bacillus) findet sich häufig in faulenden Flüssigkeiten;
er kommt gelegentlich auch im Wasser vor.
Der Bacillus bildet kurze, eigenbewegliche Stäbchen,
zu zweien verbunden. Die Gelatine wird verflüssigt und zeigt,
namentlich in den noch nicht verflüssigten Theilen, grünlich-
gelbe riuorescenz. Auf Kartoffeln bilden sich bräunliche
Beläge (Flügge^)).
22. Phosphorescirende Bakterienarten.
Eine Reihe von Bakterienarten hat die Eigenschaft, in ihren Cul-
turen im Dunkeln zu leuchten. Mit dem Studium derartiger Bak-
terien haben sich Pflüger-), B. Fischer^), Forster*), Katz'')
und andere Autoren beschäftigt.
Hier seien drei Arten aufgeführt, die von B. Fischer entdeckt
resp. genauer studirt worden sind.
a. Bacillus phosphorescens. Derselbe wurde von Fischer
bei der Insel S. Croix im Meerwasser*^) gefunden. Er stellt kleine,
') Die Mikroorganismen. 2. Aufl. 1886. p. 289.
^) Arch. f. d. ges. Physiologie. Bd. 10 und 11.
3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 2. 1887. p. 54 ff.; Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888.
No. 4—5; ebenda Bd. 15. 1894. p. 660, 661.
*) Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887. No. 12. p. 337.
^) Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. 1891. p. 157 ff.
ö) Wie Fischer (Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1894. p. 666) mitgetheüt hat,
kommen auf hoher See Leuchtbakterien selten vor; häufig sind sie in den Küsten-
regionen und Binnenmeeren.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage. 28
434 C- Saprophy tische (nicht pathogene) Bakterienarten.
dicke, e i g e n b e w e g 1 i c h e Stäbchen dar, welche, am besten zwischen
20 und 30° C, auf den Nährböden wachsen und die Gelatine ver-
flüssigen; Sporen werden nicht gebildet. Auf Kartoffeln
ist das Wachsthum ein geringes. Unter 10° C. findet überhaupt kein
Wachsthum statt.
Die Culturen leuchten (am besten bei Temperaturen zwischen
25 und 30° C.) im Dunkeln mit mildem, weissem, einen bläu-
lichen Schimmer zeigenden Lichte, aber nur bei Sauerstoff-
anwesenheit. Zusatz geringer Mengen von Chlormag-nesium oder
Mag-nesiumsulfat zu leuchtenden Culturen verstärkt das Leuchten.
Den günstigsten Nährboden für den Bacillus bilden gekochte Fische,
die prachtvoll leuchtend werden.
b. Bacterium phosphorescens. Dasselbe stammt von
todten Fischen aus der Ostsee, die bei einfachem Liegen (im
Keller) häufig von selbst leuchtend werden. Es bildet kurze,
plumpe, oft zu zweien zusammenhängende, aerobe Stäbchen ohne
Eigenbewegung, welche auf der Gelatine ohne Verflüssigung,
hauptsächlich oberflächlich, auf Kartoffeln nicht wachsen.
Das Temperaturoptimum für das Leuchten liegt erheblich niedriger
als bei dem vorigen Bacillus. Das Leuchten ist etwas stärker als
bei dem vorigen Bacillus und zeigt einen grünlichen Schimmer.
c. Der einheimische Leuchtbacillus, von Fischer im
Wasser des Kieler Hafens gefunden. Derselbe stellt kurze,
dicke, lebhaft eigenbewegliche, aerobe Stäbchen dar, die
auf der Gelatine am besten bei 3 0/^ Kochsalzzusatz ^) wachsen, auf
Kartoffeln nicht gedeihen. Die Gelatine wird verflüssigt.
Das Wachsthum und Leuchten findet schon bei 5 — 10° C,
ebenso aber bis gegen 25° C. hin, statt. Die Farbe des Lichtes ist
keine grünliche, sondern eine bläu lieh- weisse.
lieber die von Kutscher entdeckte Phosphorescenz bei Vibrio-
nen siehe oben p. 357.
23. Spirillum concentricum Kitasato.
Aus faulendem Rinderblut züchtete Kitasato-) (1888)
eine Spirillenart rein („Spirillum concentricum"). Das Spi-
^) Ueher die Herstellung solcher Koch salz -Gelatine cf. oben p. 125.
') Centralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. No. 3. p. 73.
Spirillum concentricum. — Einige andere saprophytische Bakterienarten. 435
rilluni wächst auf Gelatine bei Zimmertemperatur, ohne die
Gelatine zu verflüssigen, und bildet auf der Platte eigen-
thümliche, aus concentrischen Ringen zusammengesetzte Colo-
nien. In der Stichcultur findet hauptsächhch ein oberflächliches
Wachsthum statt. Das Temperatur Optimum liegt zwischen 20
und 23^ C. Auf Kartoffeln gedeiht der Organismus nicht.
Mikroskopisch stellt das Spirillum kurze, 2 — 3 Windungen um-
fassende, lebhaft bewegliche Schrauben dar. In Bouillon
kommt es zur Bildung von langen (5 — 20 Windimgen zeigenden)
Schrauben. Die Dicke der Organismen ist etwas grösser als die der
Cholera Vibrionen. Sporenbildung wurde nicht constatirt. Das
Spirillum trägt an den Enden kurze G e i s s e 1 b ü s c h e 1 (L 0 e f f 1 e r \)).
24. Einige andere saprophytische Bakterienarten.
Einige in ihrer Form auffällige, häufiger vorkommende Bakterien-
arten sollen in Folgendem noch aufgeführt werden, obgleich man die-
selben in Reinculturen noch nicht studirt hat:
a. Bacillus tremulus Koch.-) Derselbe findet sich oft an
der Oberfläche von faulenden Pflanzenaufgüssen, und zwar
in solcher Menge, dass er eine ziemlich dicke, schleimige Haut auf
denselben bildet. Er hat eine eigenthümliche zitternd rotirende Be-
wegmig. Beide Enden des Bacillus tragen eine Geis sei, welche eine
feine, regelmässig gestaltete Wellenlinie bildet. Er bildet Sporen,
welche dicker werden als der Bacillenkörper.
b. Spirillum Undula.'^) Es kommt sehr häufig in allen
möglichen faulenden Flüssigkeiten vor ; namentlich in Stroh aufgüssen
habe ich es gewöhnlich gefunden. Es bildet grosse, mit kräftigen
Geissein oder mit Geisseibüscheln an den Enden versehene Spirillen
(siehe Taf. in, Fig. 15 und 16; vergl. auch oben p. 80).
c. Spirochaete plicatilis. Von Koch'') häufig in Riim-
steinen, im Stadtgraben von Wollstein, im Schlamm am Rande des
Wollsteiner Sees während des ganzen Sommers gefunden. Diese Art
1) Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 1889. p. 216.
^) E. Koch, Cohn's Beitr. zur Biol. d. Pfl. Bd. 2. 1877. p. 417, ferner da-
selbst Taf. XIV, Phot. 6, und Taf. XV, Phot. 3.
^) cf. E. Koch, ebenda p. 416, ferner daselbst Taf. XIV, Phot. 3.
-•) Ebenda p. 420, ferner daselbst Taf. XIV, Phot. 7.
28*
436 C. Saprophytische (nicht pathogene) Bakterienarten.
ist durch eine zweifache Wellenlinie, d. h. durch grössere pri-
märe und kleinere secundäre Windungen, ausgezeichnet. Sie bewegt
sich ausserordentlich schnell.
Ausserdem seien als hierher gehörig noch genannt d. Bac-
terium Lineola;^) e. Bacillus Ulnar) f. Vibrio Rugula;-^)
g. Vibrio s e r p e n s ; *) h. S p i r i 1 1 u m t e n u e ; '*) i. S p i r 1 1 1 u m
volutans.*^)
^) F. Cohn, Untersuchungen über Bakterien. (Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. 1.
Heft 2. 1872.) Daselbst Taf. HI, Fig. 11, 12.
-) Ebenda. Fig. 15.
3) Ebenda. Fig. 16.
*) Ebenda. Fig. 17.
°) Ebenda. Fig. 19.
6) Ebenda. Fig. 21.
Anhang.
Ausser den saprophytischen Bakterien haben auch manche
saprophytische Schimmelpilze und auch manche Hefen für
uns ein Interesse, weil sie sich gern als ungebetene Graste auf unseren
Bakterienculturen einzufinden pflegen.
Unter den Schimmelpilzen sind es namentlich manche Mucor-,
Penicillium-, Aspergillus- und Oidiumarten, welchen wir öfters be-
gegnen. Oben (p. 403) haben wir bereits die für die Gattungen
Mucor, Aspergillus und Oidium characteristische Art und Weise der
Sporenabschnürung kennen gelernt. Bei Penicillium ist diese
wiederum abweichend. Die Fruchthyphen zeigen hier pinselartige Ver-
zweigungen, auf denen die Sporen reihenweise abgeschnürt werden.
Der häufigste aller Schimmel ist das (zugleich die häufigste aller
Verunreinigungen unserer Culturen, namentlich der Kartofifelculturen,
bildende) Penicillium glaucum (grüner Pinselschimmel). Zu-
nächst als kleines, wenig ausgebreitetes weisses Mycelgeflecht er-
scheinend nimmt seine Colonie schnell an Flächenausdehnung zu, und
sehr bald konunt es in den mittleren Partien derselben zur Fructi-
fication (Sporenab'schnürung) ; diese Theile sind durch grüne Farbe
ausgezeichnet.
In der Milch (besonders in saurer), femer in der Butter wird
ganz gewöhnhch eine saprophytische Oidiumart („Oidium lactis")
angetroffen. Dieser Organismus wächst auf der Grelatine, ohne
dieselbe zu verflüssigen.^) Bei der Fi-uctification bildet er trockene,
weisse, oberflächliche Rasen. Das Temperaturoptimum für das Ge-
deihen des Oidium lactis liegt bei 20 <> C.
Die Methoden der mikroskopischen Untersuchung der
Schimmelpilze haben wir oben (j). 404) erörtert.
Von den Hefen oder Sprosspilzen (einzelligen Pilzen, welche
sich durch Sprossbildung, die an den vegetativen Zellen auftritt.
^) Sauer reagireude Gelatine kann verflüssigt werden.
43 8 Anbang.
vermehren [cf. Taf. I, Fig. 6; vergl. auch oben p. 8], die aber unter
Umständen auch Sporen [sog. Ascosporen] bilden können) kommen
einige Arten sehr häufig in der Luft vor, namentlich die sogenannte
Rosa-Hefe, welche auf den gewöhnlichen Nährböden wächst und
dabei einen hellrosa Farbstoff producirt. Die Gelatine wird durch
diesen Organismus nicht verflüssigt. Ebenso verhalten sich zwei
andere (seltenere), ebenfalls in der Luft anzutreffende Hefearten: die
schwarze und die weisse Hefe. Sie sind nur durch die Farbe
des producii'ten Pigmentes von der Rosa -Hefe unterschieden. Ausser-
ordentlich üppig wachsen die chromogenen Hefearten auf trauben-
zucker- und auf gljcerinhaltigen Nährböden.
An dieser Stelle seien zwei weitere — in der Natur sehr ver-
breitete — Hefearten genannt : die Bierhefe (Saccharomyces
cerevisiae) und die Weinhefe (Saccharomyces ellipsoi-
deus). Beide haben das Vermögen, wässerige Lösungen der Zucker-
arten von der Foraael Cg H^g Og unter Bildimg von Alcohol und Kohlen-
säure zu vergähren (Alcoholgährung; alcoholische Gräh-
rung). — Hefezellen aus dem Bodensatz von Weissbier sind auf
Taf. L Fig. 6, dargestellt.
Register.
(Die Ziffern ohne Bezeichnung bedeuten die Seitenzahlen; der wichtigste Nachweis
steht meist an erster Stelle.)
Abbe'scber Beleuchtungsapparat. 48. 56 ff.
Abbildungsvermögen. 49.
Abgestorbene Bakterien, Färbung. 75.
Abimpfung von Culturen. 150 ff.
Abortgruben, Desinfection. 34.
Abrin. 215. .
Abscesse. 376. 379.
Abschwächung virulenter Bakterien. 204 ff.
Absitzraethode 171.
Absterbeerscheinungen. 15.
Abtödtung der Bakterien , Prüfung auf
dieselbe. 36.
Achorion Schönleinii 405.
Acria des Blutserums. 307.
Actinomyces bovis sive hominis. 399 — 401.
Taf. XII, Fig. 71.
„ musculorum suis. 401.
Aeroben, obligate, 22.
Aerobentypus. 22.
Aether als Desinfectionsmittel 31.
Aetiologie, Feststellung derselben. 188 ff.
Aetzkalk, s. Kalk.
Agar-Agar. 125 ff.
Agarplatten. 158.
Agar-Eollplatten. 159.
Agricultur, Beziehungen der Bakterien
zur. 43.
Albumose, giftige. 234.
Alcohol, kein Desinfectionsmittel. 31.
„ als Härtungsmittel. 87.
,, als Entwässerungsmittel. 92 ff.
Alcohol, Wirkung als Constituens von
Farblösungen und auf gefärbte
Präparate. 9 8 ff.
als Entfärbungsmittel. 99. 105.
„ Vergährung durch Bakterien. 42.
Alcoholgährung. 438.
Alcoholische Lösungen, keine Desinfections-
mittel. 30.
Alexine. 210. 224.
Algen. 19.
Alkalescenz der Nährgelatine, s. Reaction,
chemische.
Alkalialbuminatnährboden, s. Deycke.
Alkalien, Production durch Bakterien. 44.
,, Eesistenz der Bakterien gegen. 87.
Alkaliprote'ine. 377.
Ameisensaures Natron als Zusatz zu
Nähragar. 167.
Ammoniak als Stoffwechselproduct. 42.
„ eiterungserregende Fähigkeit.
375.
Ammoniakalische Gährung. 425. 42.
Amoeba coh. 410.
Anaeroben. 22.
„ Fäulniss durch. 42.
Cultivirung. 163 ff.
Anaerobentypus. 22.
Angina lacunaris. 379.
Anilin. 65.
,, als Entwässerungsmittel. 92. 114.
Anilinfarben. 65 ff.
440
Eegister.
Anilinfarben, bakterienschädigende Eigen-
schaften derselben. 64.
Anilinfarbstoffe, basische und saure. 65.
Anilinwasser. 101.
Anilinwasser- Farbstoff lösungen , L o e f f -
1er' s alkalische. 103. 83.
Anüin Wasser -FarbstofiFlösungen, s. auch
Ehrlich.
Anpassung an den Nährboden. 23. 194.
„ „ Temperaturverhältnisse. 23.
361.
Anreicherungsmethoden, s. Vorcultur.
Ansteckung. 196.
Antikörper. 215. 222.
Antisepsis. 38.
Antiseptica. 37. 38.
Antitoxine. 213. 215. 221 ff.
Antitoxinproduction. 219.
St. Antoniusfeuer. 247.
Antrocknungsmethode, s. Unna.
Apertur, numerische. 49. 60.
Apochromat-Objective. 48.
Arbeitstisch. 52.
Arten, specifische. 2.
Arthrosporen. 17. 322.
Ascomyceten. 404.
Ascosporen. 438.
Asepsis. 38.
Asparagin. 138.
Aspergillusarten , pathogene. 403. 404.
278.
Asphaltiack. 68. 405.
Asporogene Culturen, s. Milzbrandbacillus.
Athmungsfiguren. 22.
Aufhellungsmittel. 92.
Aufkitten des Trockenpräparates. 68.
Aufkleben gehärteter Organstücke. 88. 89.
Auflösungsvermögen. 49.
Augenkammer, Impfung in dieselbe. 197.
Ausglühen der Instrumente. 26.
Auskeimung der Sporen. 16; s. auch
Sporenkeimung.
„ verlangsamte, 36.
Austrocknen. 30. 31.
Autoclav. 29.
Auxanogramm, Auxanographie. 119.
Bacillen. 7. 12.
Bacillenfäden. 12.
Bacillus aceticus. 425.
Bacillus acidi lactici. 421.
„ amy lob acter. 424.
,, anthracis, s. MilzbrandbaciUus.
,, buccalis maximus. 426.
„ butyricus Botkin. 424.
„ „ Hueppe. 424.
„ „ Prazmowsky. 423.
,, capsulatus. 392.
„ cholerae gallinarum. 309.
choleroides. 354. 363.
,, cyanogenus. 427.
„ der Pseudotuberculose des Ka-
ninchens. 277.
„ des mahgnen Oedems, s. Malignes
Oedem.
„ erythrosporus. 433.
„ figurans. 420.
„ fluorescens. 432.
„ „ Uquefaciens. 433.
Indiens. 429.
„ liodermos. 414.
„ Uquefaciens magnus und parvus.
238.
„ Megaterium. 418.
„ mesentericus fuscus. 414.
„ ;, ruber. 415.
„ „ vnlgatus. 413.
„ mit insectenähnhchen Colonien.
415.
„ multipediculus. 415.
„ murisepticus. 294.
,, mycoides, s. AVurzelbaciUus.
„ Neapolitanus. 369.
„ oedematis maügni, s. Mahgnes
Oedem.
II. 240. 248.
„ phosphorescens. 433.
pneumoniae. 390—391. 9. 195.
386. Taf. XII, Fig. 69.
prodigiosus. 430. 25. 244. 248.
329. 330. 374. Taf. II, Fig. 8.
„ Proteus fluorescens. 419.
„ pseudotuberculosis. 277.
,, pyocyaneus. 315 -317. 211.
„ radiatus. 239.
,, ramosus. 417.
,, ruber Indiens. 429.
„ sarcophysematos bovis. 247.
„ soHdus. 239.
„ spinosus. 239.
Eegister.
441
Bacillus subtilis, s. HeubaciUus.
„ tremulus. 435.
„ typhi murium , s. Mäusetypbus.
Ulna. 436.
,, ureae. 426.
„ violaceus. 429.
Bacteridie du cbarbon, s. Milzbrandbacillus.
Bacteriopurpurin. 9.
Bacterium. 12.
„ aceticum. 425.
„ aeruginosum. 315.
„ avicidum. 309.
„ coli commune. 364 — 369. 425.
146. 329. 330.
„ coli commune, Unterscheidung
von dem Typhusbacillus.
287 flf.
lactis. 118. 421.
„ „ aerogenes. 425.
„ Lineola. 436.
„ phosphorescens. 434.
„ syncyanum. 427.
termo. 420.
Zopfii. 420.
Bakterien, Definition. 1.
Bakterienbefund, constanter. 189.
Bakterienharpune. 151.
Bakterienproteine. 46. 377. 378.
Bakterienzelle. 8.
Bakteriologische Wissenschaft. 1.
Barbone dei bufali. 313.
Beggiatoa. 18. 19.
Bebring'sches Gesetz. 212. 214ff.
Beize. 80. 81.
Beleuchtung, mikroskopische. 56 fiF. 72 ff.
261.
„ Princip der maximalen.
72—74.
Benzol, kein Desinfectionsmittel. 31.
Beobachtung der Bakterien. 47 ff.
Bergluft, Keimgebalt. 174.
Berkefeld-Filter. 209. 180.
Bewegung der Bakterienzelle. 13.
Bier, Haltbarermachen durch Pasteuri-
siren. 30.
Bierhefe. 438.
Biscuitform. 10.
Bismarckbraun. 66. 67. 68. 264.
Blaue Gläser zum Abstumpfen der Be-
leuchtung. 56. 74. 261.
Blaue Milch. 427.
Blauer Eiter. 315.
Bleizucker zum Nachweis des Schwefel-
wasserstoffs. 40.
Blende. 59.
Blenden, Ehrl ich 'sehe. 176.
Blepharoadenitis. 379.
Blut, Bakterienverniehtung durch. 209 ff.
„ Untersuchung auf Bakterien. 76.
,, Cultivirung von Bakterien aus. 160.
Blut- Agar. 394. 128. 299. 371.
Blutegel zur Conservirung von Mikro-
organismen. 399. 409.
Blutende Hostie, blutendes Wunder. 430.
Blutpräparate, Färbung. 67. 76. 77.
Blutserum, Vorbereitung für Culturzwecke.
130.
„ Strichcultur zur Isolirung der
Keime. 191. 299.
Platten. 160. 131. 370.
menschliches. 131. 370ff.
„ bakterienschädigende Eigen-
schaften. 210 ff.
„ globulicide Eigenschaften. 21 1 .
„ an ti toxische Eigenschaften .213.
„ Immunisirung durch Einver-
leibung desselben. 212 ff.
Blutserum-Agar. 160. 128. 191. 370. 371.
Blutserum-Bouillon. 371. 384.
Blutserum-Gelatine . 131.
Blutserumtherapie. 214 ff. 246. 304 ff. 384.
Bluttemperatur, s. Brüttemperatur.
Boden, Verwesung im. 42. 43.
,, filtrirende Wirkung desselben. 182.
„ Bakteriengehalt. 181.
„ Schicksal pathogener Bakterien
im. 183.
Bodenbakterien. 23. 182.
Bodenuntersuchung, bakteriologische.
ISlfif. 157.
Bonhoff 's Vibrio. 356.
Boraxmethylenblau. 78.
Bouillon, s. Nährbouillon.
Bouilloncultur. 154. 155.
Bouillon-Serum. 384.
Brom als Desinfectionsmittel. 31.
Brotbrei als Nährboden. 139. 404.
Brown' sehe Bewegung 13.
Brütofen. 168.
Brütschrank. 168.
442
Eegister.
Brütschrank fiir das Mikroskop. 168. 1.55.
Brüttemperatur, Cultur bei. 167 ff.
Brunnen. 182.
Bubonen -Pest. 395.
Büffelseuche. 313.
Buttersäurebacillen. 423 ff.
Buttersäureferment Pasteur's. 423.
Buttersäuregährung. 423. 41.
Canadabalsam. 68. 50.
Carbolheilserum. 217. 222.
Carbolöl, Verhalten gegen Bakterien. 31.
Carbolsäure als Desinfectionsmittel. 31.
36.
„ relative Giftigkeit. 38.
rohe. 33.
„ Kesistenz des TyphusbaciUus
gegen. 288.
Carbolsäurefuchsinlösung, s. Ziehl.
Carbolsäuremethylenblaulösung , siehe
Kühne.
Carbonate als Kohlenstoffquellen. 20.
Carbunkel. eitriger. 379.
Carceag. 410.
Caries der Zähne. 201.
Carminfärbuug der Bakterien. 9.
Cedernöl als Imraersionsflüssigkeit. 48.
50.
„ Entfernung vom Präparate. 71.
CeUoidinraethode. 89.
Charbon, s. Milzbrand.
„ symptoiuatique, s. Kauschbrand.
Chemikalien zur MikToskopie. 51.
Chemische Processe beim Bakterien-
wachsthum. 40 ff.
Chemotaxis. 376.
Chenzinsky'sche Lösung. 77.
Chlor als Desinfectionsmittel. 31.
Chloroform, kein Desinfectionsmittel. 31.
Chlorophyll. 9. 20.
Cholera asiatica. 31 7 ff. 216.
Cholera des poules. 309.
Cholera nostras. 336 ff. 359.
CholerabaciUus, s. Choleravibrio.
Cholerareaction. 333—336.
Choleraroth. 333.
Cholera Vibrio. 317—348. Taf. X, Fig.
55—57; Taf. XI, Fig.
61—63.
„ Geschichte, Fundort. 317.
Choleravibrio, Morphologie. 318—319. 13.
Geisseifäden. 318 — 319.
14. 86.
., Künstliche Cultur. 319 bis
322. 24. 148. 328. 359.
,, Dauerformen. 322.
,, Involutionsformen. 322. 15.
„ Verhalten gegen Säuren.
322. 22. 122.
„ Verhalten gegen Desinfec-
tionsmittel und gegen
Austrocknen. 322. 30.
„ Vorkommen ausserhalb des
Körpers. 323.
„ Vorkommen speciell im
Wasser. 323. 326. 177.
„ Infection von Versuchs-
thieren. 324—325. 327
bis 329. 350.
,, Infection des Menschen.
325—326. 329. 201.
„ . Giftbüdung. 326—328.
„ Immunisirung. 329 — 333.
344.
R. Pfeif-
fer's specifisehe. 331
bis 333.
„ Cholerareaction (Indol-
reaction). 333—336.
Diagnose. 336—348.
Vorcultur. 344—345. 347
bis 348.
„ Nachweis im Wasser. 346
bis 348. 323. 343. 178.
„ Färbungsverhalten. 336.
Cholesterin, Färbungsverhalten. 261.
Chromogene Arten. 9. 46. 153. 173. 432.
Sarcinen. 432. 173.
ChromophyU. 9. 20.
Cladothrix. 18. 19. 148. Taf. IV, Fig.
22. 24.
Classificirung. 7.
Clostridium. 17.
,, butyricum. 423.
Coagulationsnekrose. 252.
Coccen. 7. 11. 12.
Cohn's normale Bakterien - Nährflüssig-
keit. 137.
Colonien auf der Platte. 144 ff.
„ primäre, secundäre. 147.
Kegister.
443
Condensationswasser. 129.
,, Beseitigung- bei
Agarschälchenculturen. 159. 342.
Condensor, s. Abbe.
„ herausklappbarer. 57.
Conidien. 403. 404.
Conjunctivitis, diphtherische. 299.
,, phlyctaenulosa. 379.
Conservirung von Culturen. 161 — 163.
Contactpräparat. 149.
Contactthermometer. 169.
Contagiosität. 195. 196.
Contrastfärbung 108. 111. 237.
Contusionstuberculose. 265.
Crenothrix. 18. 19. Taf. IV, Kg. 23.
Creolin. 33. 38.
Culturbedingungen. 20 ff.
Cultumiethoden. 139 ff.
Cystitis. 368.
Dahlia. 66.
Dampf, s. Wasserdampf.
Dampfdesinfectionsapparate. 28. 29.
Dampftopf. 28.
Dampftrichter. 127.
Darm , Ausscheidung pathogener Bak-
terien durch denselben. 207.
Darmschleimhaut, Bakteriengehalt. 190.
Dauerformen. 16. 17. 18.
Danerpräparat 61. 70. 162.
Dauersporen. 16.
Deckgläser. 50.
,, Entfettung und Sterilisirung.
155.
„ Keinigung. 50.
Deckglaspincette. 51. 63.
Deckglastrockenpräparat. 61 ff.
„ Färbung nach
Gram. 114.
Degeneration. 15. 82.
„ allgemeine bei der Ab-
schwächung der Virulenz. 205.
Degenerirte Bakterien, Färbung. 75.
Deneke's Vibrio. 360—362. 335. 349.
Dermatophyten. 405.
Desinfection. 25 ff.
durch Hitze. 26 ff.
,, durch chemische Mittel. 30 ff.
„ Prüfung der chemischen.
35—37.
Desinfection der Hände. 38.
„ chirurgischer Instrumente
und Verbandstoffe. 38.
,, des Trockenpräparates. 64.
Desinfectionsanstalten. 28.
Desinfectionsmittel, chemische. 30 ff.
„ gasförmige. 34.
Desinfectionsprüfung. 35 — 37.
D e y c k e ' s Alkalialbuminatnährboden.
300. 320.
Diagnosticirung pathogener Bakterien.
192.
,, des Typhusbacillus. 287
bis 291. 192.
des Choleravibrio. 336 ff.
Diastatische Fermente. 41.
Dicke der Bakterienzellen. 8. 86.
Differenzirung der Färbung. 91. 78. 99.
Digestor. 29.
Diphtherie. 297. 214. 216.
„ und Diphtheritis. 297.
,, septische. 298.
„ Serumtherapie. 304 — 307.
214 ff
locale Behandlung. 307.
Diphtherie-Antitoxinlösung-Schering. 223.
Diphtheriebacülus. 297—308. 199. 201.
Taf. IX, Fig. 51,52.
„ Geschichte , Vorkom-
men. 297 — 299.
200.
„ Morphologie. 298.
„ Künstliche Cultur.
299—301. 160.
„ Sporenbildung, Resi-
stenz. 301.
Giftbildung. 301.
308. 199.
„ Infection resp. Intoxi-
cation , Pathologi-
scher Befund. 301
bis 302. 305.
„ Immunisirung resp.
Giftfestigung. 302
bis 304. 214. 216.
218. 220.
„ Färbungsverhalten.
308. 112.
„ Pseudodiphtherieba-
cülus. 308.
444
Eegister.
Diphtheriegift , Eesistenz gegen Er-
hitzung. 210.
Diphtherische Lähmungen. 302.
Diplococcen. 12.
Diplococcus intracellularis meningitidis.
386.
,, lanceolatus. 387.
pneumoniae. 387—390. 386.
Taf. Xn, Fig. 68.
Disposition, individuelle. 265. 302. 326.
346.
Doppelfärbung. 77. 108. 111. 237. 257 ff.
Druckpräparate. 78.
Dünger. 43.
Dun bar 's Vibrio. 356.
Dysenterie, tropische. 410.
Dysenterie-Amöben. 410.
Ehrlich' sehe Anilinwasserfarbstoff-
lösungen. 101—103.
Blenden. 176.
Ei als Nährboden. 135. 136. 328.
„ spontanes Verderben. 135.
Eigenbewegung. 13.
Einbettung. 89. 90.
Einschliessen des Trockenpräparates. 68.
69.
Einstellen des gefärbten Präparates. 74.
„ des hängenden Tropfens. 55 ff.
60.
Eintheilung der Bakterien. 7.
Eisenbakterien. 10. 21.
Eisenchlorid als Desinfectionsmittel. 31.
Eisengelatine. 41.
Eisenoxydgehalt der Bakterienzelle. 10.
19.
Eiter, blauer, grüner. 315.
„ Cultivirung von Bakterien aus. 160.
Eiterpräparate, Färbung. 67.
Eiterung. 375—384. 208. 268. 373.
Eiterungen, phlegmonöse. 381. 374.
„ secundäre. 380.
Eiterungserregende Stoffe in der Bak-
terienzelle. 376. 377. 268.
Eiweiss, Peptonisirung durch Bakterien.
41.
Eiweissfreie Nährlösungen. 137 ff. 21. 254.
Eiweissgährung. 41. 195.
Eiweisshaltiges Material, Färbung im
Trockenpräparat. 67.
Eiweisskörper, bakterienschädigende. 210.
giftige. 45. 199 292. 308.
„ eiterungserregende. 208.
377. 378.
Eiweisslösungen, Immunisirung durch Ein-
verleibung derselben. 209. 212 ff. 234.
Eiweissstoffe als Stickstoffquellen. 21.
Eibvibrio. 357.
Electricität, Einwirkung auf Bakterien. 39.
Emmerich's Bacillus. 368.
Empfänglichkeit. 188. 192.
Encephalitis. 393.
Endocarditis. 380. 381. 387. 388.
„ nach Pneumonie. 388.
,, veiTucosa baciUosa der
Schweine. 296.
Endogene SporenbUdung. 17.
Endospore Arten. 17.
Endständige Sporen. 17. Taf. VH, Fig.
40, 41.
Entfärbung, Allgemeines. 97 ff.
nach Gram. 108 ff.
Entfärbungsmittel. 91. 105. 106.
Entwässerung der Schnitte. 92. 65. 96.
114.
Entwickelungshemmung. 24.
Enzyme, s. Fermente.
„ Eesistenz gegen Erhitzung. 210.
Eosin. 66. 77.
Eosin-Methylenblau. 77.
Epidermis, Färbung. 113.
EpidermiszeUenfragmente, Färbung. 261.
Erde, s. Boden.
Erdebacillus, s. WurzelbaciUus.
Erkrankung. 187.
Erschöpfung des Nährbodens. 15.
Erschöpfungshyijothese. 207.
Erysipelstreptococcus. 373 — 375. 382.
Taf XI, Fig. 66.
Erysiphe. 404.
Esmarch's EoUcultur. 156. 159. Taf
V, Fig. 26.
Essiggährung. 42. 425.
Essigpüz. 425.
Essigsäure als Entfärbungsmittel. 105.
,, zur Abspülung gefärbter
Trockenpräparate. 68.
Essigsäurebildung durch Bakterien. 425.
42.
Essigsaures Kali als Einschlussmittel. 68.
Register.
445
Etikettirung der Präparate. 70.
Eurotium. 404.
Exantheme, acute. 195.
Fadenpilze, s. Schimmelpilze.
Fäces, Desinfection. 34. 323.
Fäcesplatten. 341.
Färbbarkeit, leichte und schwere. 104 ff.
Färbbarkeitsscala. 91.
Färbung des Protoplasmakörpers. 9. 15.
66. 75. 114.
,, der Membran, Hülle, Kapsel.
75. 86. 114. 227 ff. 67.
„ absterbender Bakterien. 15. 75.
„ des Trockenpräparates. 64 ff.
98 ff
„ bei höherer Temperatur. 78. 95.
101. 107. 258 ff. 263.
der Schnitte. 90 ff. 99 ff.
„ Allgemeines. 97 ff.
„ Intensität derselben. 101 ff.
„ intensive. 106.
der Sporen. 235—237.
,, der Geisseln, s. Geisseifärbung,
nach Gram. 108 ff.
Fäulniss. 42.
postmortale. 190. 42.
Fäulnissalkaloide. 45.
Farbenbild. 59.
Farblösungen. 66. 83. 97 ff.
Farbstoffe zum Färben. 52. 65 ff.
Farbstoffniederschläge. 66. 189.
Farbstoffproduction. 9. 25. 46. 153.
Favuspilz. 405. 141.
Febris recurrens. 398.
Feldmaus, Infection. 197.
Feldmausplage. 315.
Fermente, Bildung durch Bakterien. 41.
Fettcrystalle, Färbungsverhalten. 261.
Fettspaltung durch Bakterien. 45.
Fibrinfärbung. 114.
Fibrinogenlösungen, s. Eiweisslösungen.
Filterbakterien. 180.
Filtration der Luft. 172.
„ des Wassers. 179. 180.
„ keimfreie von Culturen. 208.
Fütrirende Eigenschaft des Bodens. 182.
Fingerfleck versuch. 105.
Finkler' s Vibrio. 359—360. 329. 330.
334. 335. 354. 358. 361. 362.
Fischen von der Platte. 151.
Fixirung des Trockenpräparates. 63.
Flecktyphus. 194.
Pleischextract. 120, 126.
Fleischinfuspeptonkochsalzlösung. 119.
Fliegender Brand. 247.
Flimmerbewegung. 14.
Fluorescenz durch Bakterien. 46. 432. 433.
Fluorescirende Bakterien. 432. 433. 316.
Forellenseuche. 23.
Form. 7 ff. 18. 318.
Formaldehyd. 34. 161.
FormaUn. 34. 161.
FormaHnmethode Hauser' s. 161 ff.
Formconstanz. 18.
Formtypen. 7.
Frettchenseuche. 313.
F r i e d 1 ä n d e r ' s Bacillus , s. Bacillus
pneumoniae.
Fruchtformen. 15.
FrühUngsfieber. 409.
Fuchsin. 66. 84.
Furunkel. 379. 196. 201.
Gährung, alcohoHsche. 438.
„ ammoniakahsche. 425.
Gährungen. 41.
Gährungskölbchen. 130. 153. 288—290.
366.
„ zur Prüfung des Sauer-
stoff bedürfiüsses. 165.
,, zurAnaerobencultur. 166.
Gährungsprobe. 288.
Gaffky'sche Tabelle. 262.
GaUengangsentzündung, eitrige. 368.
GaUerthtiUe. 13.
Gasentwickelung bei Bakterien wachsthum.
41. 153. 130. 366.
Geflügelcholera. 309.
Geflügelpest. 309.
Geflügeltuberculose, s. Hühnertuberculose.
Geflügeltyphoid. 309.
Gefriermikrotom. 88.
Gegenfärbung. 1 08 ; s. auch Doppelfärbung.
„ bei der Gram 'sehen Me-
thode. 111.
Geisseibüschel. 14. Taf HI, Fig. 16, 17.
Geisseifäden. 14. Taf. HI, Fig. 15—18;
Taf VIII, Fig. 46; Taf X,
Fig. 57.
446
Register.
Geisseifäden, Darstellung. 79 ff. 103.
Geisseifärbung nach Koch. 80.
„ „ Loeffler. 80—86.
„ ,, vanErmengem.86.
Geisseipräparate, Wirkung des Alcohols
auf gefärbte. 98.
Gelatine, Peptonisirung durch Bakterien.
41. 145. 148.
Gelatinesorten, verschiedene. 120.
Gelatinestichcultur, s. Stichcultur.
Gelbfieber. 195.
Gelenkeiterungen. 379.
Gelenkentzündungen, metastatische. 381.
„ primäre. 387.
Generatio aequivoca. 2.
Gentianaviolett. 66. 113.
Geräusch. 247.
Gewöhnung der Bakterien an den Nähr-
boden. 23.
„ der Parasiten an das sapro-
phytische Dasein. 194.
„ an Temperaturverhältnisse.
23. 361.
Giessapparat Koch's. 143.
Giftfestigkeit, Grad derselben. 217.
Giftfestigung. 214. 215. 292.
Giftigkeit, relative. 38.
Giftpfeile. 241.
Giftzerstörung. 213. 221—222.
Glasbänkchen. 144.
Glasplatten, s. Platten.
Gliedersporen. 18.
Gliramerplatte , Anwendung bei Platten-
culturen. 165.
Gloeococcus. 9,
Glycerin, kein Desinfectionsmittel. 31.
Glycerin als Emschlussmittel. 68. 404.
Glycerin- Agar. 128.
Gly cerin-B ouillon . 129.
Glycerinspaltung durch Bakterien. 45.
Gonococcus, s. Gonorrhoecoccus.
Gonorrhoe. 369.
,, ascendirende. 373.
Gonorrhoecoccus. 369—373. Taf XI,
Fig. 65.
Gram 'sehe Methode. 108 ff.
„ „ für Deckglasprä-
parate. 114.
„ ,, Weigert's Modi-
fication. 114.96.
Gram 'sehe Methode, Unna's Modifi-
cation. 115.
Gram-Günther'sches Verfahren. 110.
112.
Gram- Weigert 'sehe Färbungsmethode,
s. Gram'sche Methode.
Granulosegehalt bei Bakterien. 9. 424.
426. 427.
Grüner Eiter. 315.
Grundfärbung, s. Gegenfärbung.
Grundwasser. 179. 182.
„ Bakteriengehalt. 182.
Haajfragmente, Färbungs verhalten. 261.
Haarzöpfe der Eauschbrandbacillen. 247.
Hadernkrankheit. 232.
Hämoglobin im Nährboden. 394.
Hände, Desinfection. 38,
Hängender Tropfen. 53 ff.
„ „ Cultur in deBaselben,
155. 164.
Häutchenbildung in Bouillon culturen. 154.
Halibakterien. 177.
Harnstoffgährung. 42. 425.
Hausfilter. 180.
Haut, Bakteriengehalt. 190.
,, Infection durch dieselbe hindurch.
196.
„ Ausscheidung pathogener Bakterien
durch. 207.
Hautbrand, trockener. 296.
Hautpilze. 405.
Havel wasservibrio. 358.
Hefen. 8. 11. Taf I, Fig. 6.
„ farbige. 438.
„ in der Luft. 173. 438.
Hefewasser als Nährboden. 421.
Hefezellen, Verhalten bei der Gram'-
schen Färbung. 113.
Heükörper. 222.
Heilserum. 217 ff.
„ Conservirung. 217. 222 bis
223.
Heilung, künstliche von Infectionskrank-
heiten. 213 ff.
„ spontane. 215.
der Diphtherie. 216 ff. 304 ff.
„ der Streptococcenkrankheiten.
384.
des Tetanus. 246. 216.
Eegister.
447
Heilung- der Tuberculose. 2(56—272.
Heissluftsterüisationsapparat. 27.
Heiz Vorrichtung für das Mikroskop. 168.
Hemoglobinurie microbienne des boeufs-
410.
Herbstfieber. 409.
Herdbildung. 200.
Herpes tonsurans-Pilz. 406. 8. Taf. XH,
Fig. 72.
Hesse 's Luftuntersuchungsmethode. 172.
Heubacillus. 415. 17. 45. 182. 235.236.
Taf. IV, Fig. 19, 20.
Hog-Cholera. 311. 208.
Homogene Immersion. 49.
Horngewebe, Darstellung von Mikroorga-
nismen im. 78.
Hühnercholera, Schutzimpfung. 203. 215.
310.
Hühnercholerabacillus. 309—310. Taf. XI,
Fig. 64.
Hühnertuberculose. 272—276. 250. 251.
Hülle der Bakterienzelle. 9. 13; s. auch
Kapsel.
,, Färbung, s. Färbung.
Hundswuth. 195. 198. 206. 212. 214.215.
Hyphen. 403.
Immersion. 48. 49. 50.
Immersionsöl. 48.
Immunisirung, künstliche. 202 ff.
„ active, passive. 225.
„ auf chemischem Wege.
208 ff.
Immunisirungseinheit. 221.
Immunisir ungsmethoden. 217 — 218.
„ gegen Diphtherie. 302 ff.
Iramunisirungswerth des Blutserums. 217.
219. 220.
der Mich. 224.
Immunität. 202 ff.
„ Eigenschaft des Blutserums
bei erworbener. 212 ff.
,, natürliche. 214.
,, Vererbung. 224.
Immunitätsgrad. 217.
Immunitätsreaction, specifische E. Pfeif-
fer's. 291.
Immunitätssteigerung. 218.
Impetigo. 379.
Inipfstich. 152.
Impfstoff. 202.
Impfstrich. 153. 160.
Impfung (Schutzimpfung). 203 ff.
Indolbildung durch Bakterien. 44. 288.
334. 335. 350. 356. 360. 362. 366.
Infectiöse Bakterien. 200.
Infection. 187 ff.
„ natürliche. 196.
künstliche. 196—199.
,, gemischte. 195.
,, secundäre. 195. 381.
Infectionskrankheiten. 187.
Infectionsmodi. 197—198.
Infectionspforten. 196.
Influenzabacillus. 393—395.
Infusorienerde, Filter aus. 180. 209.
Injectionsspritze. 198.
Inoculationstuberculose. 265.
Instrumente, chirurgische, Desinfection. 38.
Intoxication. 45. 188. 199. 213.
„ Verwechselung mit Infection.
199. 292.
„ Combination mit Infection.
199. 201. 213.
Invertirende Fermente. 41.
Involutionserscheinungen. 15.
Jod, Färbung des Protoplasmakörpers, 9.
,, als Eeagenz auf Granulöse. 9.
,, als Desinfectionsmittel. 31.
„ Färbung von Tuberkel- und Lepra-
bacillen. 264.
Jodococcus. 427.
Jodoform. 34.
Jodtrichlorid, relative Giftigkeit. 38.
Isohrungsmethoden. 118. 139 ff.
Käsespirillum. 360.
Kahmhäute. 13.
KalbslungenbouiUon. 254.
Kaliumpermanganat als Desinfections-
mittel. 31. (cf. auch die Druckfehler-
berichtigung p. 641).
Kalk als Desinfectionsmittel. 34. 323.
Kaninchen, Infection. 197. 198.
Kaninchensepticaemie. 310.
„ spontane. 311.
Kapselbacillus, E. Pfeiffer' s. 392—393.
Kapselbakterien. 9.
Kapseln, Verhalten bei der Färbung, s.
Färbung.
448
Kegister.
Kapseln, mikroskopische Darstellung spec.
beim Milzbrandbacillus. 227 ff.
67.
„ der Pneumoniebakterien. 385.
388. 389. 390. 391.
Kartoffel, chemische Reaction. 135. 25.
286.
Vorbereitung zu Culturzwecken,
132 ff.
„ alkalisirte. 135.
„ angesäuerte. 366.
Cultur nach Koch. 132—133.
„ „ Esmarcb. 134.
„ Bolton, Globig,
Roux. 134. 154.
„ Impfung. 155.
Kartoffelbacillen. 413—415.
Kartoff elbacillus, brauner. 414.
„ gemeiner. 413.
glatthau tbüdender. 414.
" rother. 415. 28.
Kartoffelbrühe. 254.
Keimung der Spore. 16.
Kern der Bakterieuzelle. 9.
Kernfärbung. 66.
Weigert's. 93.
Kerntheilungsfiguren. 113.
Kesselbrunnen. 182.
Kettenbildung bei Bakterien. 11.
Kettencoccen. 11.
Keuchhusten. 195.
Kieselsäure als Nährboden. 44.
Klatschpräparat. 149.
Kleinfilter. 180.
Knotenkrankheit. 247.
Knotenrothlauf. 296.
Knuderosen. 296.
Koch's Plattenculturraethode. 139 ff.
Kochsalzgelatine, 3proe. 125. 434.
Köpfchenbakterien. 17.
Köpfchensporen. 17.
Körpersäfte , bactericide Eigenschaften
derselben. 209 ff.
Kohlensäure als Kohlenstoff quelle. 20.
„ „ Stoffwechselproduct. 40.
42. 22.
ein Gift für Bakterien. 165.
Kohlenstoffquellen der Bakterien. 20. 138.
Kommabacillen. 13.
„ vereinzelte in Fäces. 339.
Kommabacillen in Wasser. 346 ; s. auch
Wasservibrionen.
Kommabacillus der Cholera; s. Cholera-
vibrio.
„ von Deneke, s. Deneke.
„ „ Finkler und Prior,
s. Finkler.
„ Miller. 362.
Krankheitserregung. 187 ff. 21. 46.
Kreideboden. 421.
Kresole. 33. 34.
Kroser. 247.
K ü h n e 's Carbolmethylenblaulösung. 104.
Kugelbakterien. 7.
Kugelgestalt des Mikroeoccus. 11.
Kuhpockenimpfung. 203.
Kupferreaction zur Prüfung von Sublimat-
lösungen. 133.
Kurzstäbchen. 12.
Ljabfennent. 41.
Laboratoriumsinfection mit Cholera. 325.
Lackmusmolke als Nährboden. 44.
Länge der Bakterienzellen. 8.
Lageverhältnisse der pathogenen Bak-
terien im Gewebe. 190.
Lampenlichtbeleuchtung. 74. 261.
Landwirthschaft, s. Agricultur.
Langstäbchen. 12.
Laser' s Bacillus. 315.
Laverania. 409.
Lebensäusserungen. 40 ff. 25.
Lebensbedingungen. 20 ff.
Leder, Verhalten bei derDampfdesiufection.
30.
Leistungsvermögen des Mikroskopes. 49.
LeprabaciUus. 278— 280. Taf. VII, Fig. 42.
Fundort. 278.
„ Morphologie. 278.
„ künstliche Cultur. 278.
„ Sporenbildung. 279.
„ Färbungsverhalten. 279.1 06.
107. 114.
,, Unterscheidimg vom Tuber-
kelbacülus. 279. 107.
Infection. 279—280.
Leptothrix. 426. 427. 12. Taf. IV, Fig. 21.
,, Sporenbüdung. 17.
buccalis. 426. 427.
„ gigantea. 427.
Register.
449
Leuchtbacillus, einheimischer. 434.
Leuchtbakterien. 433. 46. 125.
Leukocyten, Abtödtimg durch Blutserum.
211.
Leukocjtose. 377.
Licht, Einfluss auf Bakterien. 20. 38. 39.
178. 231. 2.56.
Lissaboner Vibrio. 363. 359.
Li st er 's Verdünnungsmethode. 118.
Localisation der pathogenen Bakterien im
Thierkörper. 200—201.
Loeffler's Methylenblaulösung, s. Me-
thylenblau.
Luft, heisse als Desinfectionsmittel. 26
bis 27.
„ Keimreichthum. 174.
„ als Einschkissmittel. 69. 79.
Luftuntersuchung, bakteriologische. 171 ff.
Lungenschwindsucht. 250. 265.
Lungenseuche. 195.
Lustgarten's Bacillus. 280—281.
Lymphadenitis. 381.
Lymphangitis. 381.
Lymphdriiseneiterungen. 379.
Lysol. 34.
Ifläusesei^ticaemiebacillus. 294—295. Taf.
IX, Fig. 53, 54.
Mäusetyphus. 313.
Mäusezange. 197.
Mageuta. 66.
Maladie des trieurs de laine. 232.
Malaria, Infectiosität. 195. 196. 409.
Malariabacillus. 189.
Malariacachexie. 409.
Malariaprotozoen. 407 — 410. 77.
Malignes Oedem, Bacillus. 237—240. Taf.
Vn, Fig. 38, 39.
Fundort. 237.
183.
,, „ ,, Morphologie.
237.
,, GeisseLfäden.
237.
,, ,, „ künstl. Züch-
tung, Sporen-
bildung. 237
bis 238.
Lifection. 238
bis 239.
Günther, Bakteriologie. 4. Auflage.
Malignes Oedem, Bacillus, Immunisirung.
240. 209.
,, ,, ,, Färb ungs ver-
halten. 240.
Mallein. 283.
Malleus, s. Rotz.
Mararaaabscess. 379.
Mannitgährung. 41.
Masern. 194.
Massaua-Vibrio. 352. 222. 327. 347.
Mastzellen. 96. 189.
„ Färbung nach Gram. 113.
Maturation. 408.
Maus, Infection. 197. 198.
Meeresbakterien. 174. 177.
Meerschweinchencholera. 324. 327 ff.
Melanaemie. 407.
Melanin. 407.
Membran der Bakterienzelle, s. HüUe.
Meningitis. 368.
„ cerebrospinahs. 379. 386.
,, nach Pneumonie. 388.
Meningococcus. 387.
„ und Pneumococcus. 389.
Mercaptan, Bildung durch Bakterien. 41.
Merismopedia. 1 1 .
Messung, mikroskopische. 8.
Metastasenbildung. 200. 381.
Methan als StofFwechselproduct. 40. 425.
Methylenblau. 66. 67.
Methylenblau-Eosin. 77. 407.
Methylenblaulösung, Loeffler's alka-
lische. 90. 101.
Methylphenole. 33.
Methyl violett. 66. 113.
Metschnikoff's Phagocytentheorie. 208.
Micrococcus agilis. 430. 14.
,, ,, citreus. 431.
pneumoniae. 250.
„ prodigiosus, s. Bacillus pro-
digiosus.
tetragenus. 397—398. 11.
45. Taf. Xn, Fig. 67.
ureae. 426.
,, „ hquefaciens. 426.
Micromyces Hofmanni. 402.
Microsporon furfur. 406.
Mikrobien. 1.
Mikrobrenner. 235.
Mikrococcen. 7. 10. 11.
29
450
Eegister.
Mikrocooccen in der Luft. 173.
einzelne resistente Zellen. 2G1.
Mikrometer. 8. 176.
Mikroorganismen. 1.
Mkrophotograpliie. .52. 57. 459 ff.
Mikroskop. 47 ff".
Mkrotom. 51. 88 ff".
Milch als Nährboden. 136. 154.
„ blaue. 427.
Gerinnmig durch Bakterienwachs-
tbum. 41. 290. 366. 421 ff.
„ Haltbarermachen durch Pasteuri-
siren. 30.
saure. 421 ff.
,, schleimige. 414.
., Uebergang der Antitoxine in die-
selbe. 224.
„ mikroskopische Untersuchung auf
Bakterien. 422.
Milchkothbakterien. 425.
Milchsäure, infectionsbegünstigend. 244.
aiüchsäurebacillus. 421. 118. Taf. n,
Fig. 7.
Milchsäuregährung. 41. 421 ff.
]\Iilchsäuren , isomere, durch Bakterien
gebüdet. 41. 356. 321.
IVIilchserum als Nährboden. 44. 290.
Milchzucker, Vergährung durch Bakterien.
41. 288.
Milchzucker-Agar. 128.
Milchzucker-Bouillon. 129.
]^Iilchzucker-Gelatine. 125.
Miller 's Kommabacillus. 362.
IVIilzbrandbacillus. 226—237. Taf. V bis
Vn, Fig. 27—37.
Fundort, Allgemeines.
226—227. 194.
„ Morphologie. 227 bis
229. 11. 12.
Kapseln. 227—229. 67.
Schleifen. 232. 234.
, ,, künstUche Züchtung.
229—230. 148. 149.
118.
., Züchtung auf subHmat-
haltigem Nährbo-
den. 25.
Züchtung auf kaUum-
bichromathaltigem
Nährboden. 231.
Milzbrandbacillus, Verhalten der vegeta-
tiven Formen gegen
Desinfectionsmittel.
31. 35.
,, Sporenbildung. 230 bis
231. 16.
„ Sporenkeimung. 230.
16.
,. Resistenz der Sporen.
231. 27. 31. 32. 33.
36. 37. 38. 210.
„ Verhalten der Sporen
gegen chemische
D esinfectionsm ittel .
31—33. 36.
„ Präparirung der Sporen
für Desinfectionsver-
suche. 32. 33. 37.
Asporogene Culturen.
231.
„ Involutionserscheinun-
gen. 230. 15.
„ Abschwächung der
Virulenz. 23 1.204 ff.
,, Infectionsmodi. 232 bis
234. 195.
„ Pathologisch - anatomi-
scher Befund. 233.
234.
„ Immunität, Schutzimp-
fung. 234. 211.
„ Färbungsverhalten.
234.
„ Sporenfärbung. 235 bis
237.
Säurebildung. 45.
Diagnosticirung. 291.
Milzbrandemphysem. 247.
Mi q u e Ts Luftuntersuchungsmethode.
173.
Mischinfection. 195.
„ bei Tuberculose. 250.
Mttelständige Sporen. 17.
Molekularbewegung. 1 3 .
Molke, s. Milchserum.
Monas prodigiosa. 430.
MonRia Candida. 406.
Morphologie. 7 ff.
Mucorarten, pathogene. 403. 404.
Eegister.
451
Mundliöhle, Bakterien der. 426. 8. 12.
387. Taf. I, Fig. 1.
MimdiJilze. 426.
Muskelzucker im Nährboden. 15.3.
Mycel. 148. 403.
Mycoderma aceti. 425.
Mycothrix. 12.
IVähragar, Darstellung. 125 ff.
Nährboden, fester. 117 ff.
flüssiger. 117. 118.
„ Zusammensetzung. 45.
Nährbouillon, Darstellung. 129. 319.
„ Cultur in, s. Bouilloncultur.
Nährgelatine, Darstellung. 119 ff. 174.
319.
Nährgelatinen, verschiedene. 119. 124 bis
125. 341.
Nährlösungen. 118.
,, eiweissfreie, s. Eiweissfreie
Nährlösungen.
Nagelcultur. 390.
Natur, Eolle der Bakterien im Haushalte
derselben. 43.
Neapler Cholerabacillus. 369.
Nesselfieber. 296.
Nieren, Ausscheidung pathogener Bak-
terien durch. 207.
Nitrate als StofFwechselproducte. 42.
Nitratredueirende Bakterien. 44.
Nitrification. 20. 43.
Nitrobakterien. 44.
Nitromonas. 20.
Nitrosoindolreaction, s. Indolbildung.
Nordhafen-Vibrio. 351.
Normalserum. 220.
Numerische Apertur, s. Apertur.
Obei-flächenstrichcultur. 153. 160. 191.
Oberflächen Wasser. 178. 179.
Objective. 47. 48 ff.
Objectmikrometer. 8.
Objecttisch. 48.
Objectträger. 50.
„ hohlgeschliffene. 50.
., gefärbtes Präparat auf. 62.
Objectträgercultur. 160.
Ocular. 47. 48. 61.
Ocularmikrometer. 176.
Oederabacillus, s. Mahgnes Oedem.
Oeffnungswinkel. 49.
Oehge Lösungen, keine Desinfections-
mittel. 30.
Oelimmersion. 48.
Ohrvene, Injection in dieselbe. 197.
Oidium albicans. 406.
„ lactis. 437. Taf. I, Fig. 5.
Oidiumarten, pathogene. 403. 405.
Olivenöl, Verhalten gegen Bakterien. 31.
Ophthalmie, sympathische. 379.
Osmiumsäure als Desinfectionsmittel 31.
Osteomyelitis acuta. 379.
Otitis media. 386.
Oxydation durch Bakterien. 42. 44.
Packetcoccen. 11. 432.
Palmella. 13.
Panaritium. 379.
Pankreatinverdauung des Sputums. 262.
Paraffinmethode. 90.
Pararosaniline. 113.
Parasiten. 187. 188. 21.
Parasitische Arten. 21.
Parotiseiterung. 379.
Pasquale's Vibrio, s. Massaua- Vibrio.
Pasteur'sche Flüssigkeit. 137.
Pasteur-Chamberland' sehe Filter.
180.
Pasteurisiren. 30.
Pathogene Arten. 226 ff. 21.
Diagnose. 192.
„ Bakterien im Wasser. 177 ff.
„ Boden. 183.
Pathogenität. 198. 199.
PenicilHum. 437.
Pepsin, Anwendung in der miki-oskopi-
schen Technik. 77.
Peptonisirende Fermente. 41.
Peptonsorten, verschiedene. 335.
Peptonwasser als Nährboden. 333. 344. 348.
Perfora tionsperitonitis. 367.
Pericarditis nach Pneumonie. 388.
Peripleuritis. 379.
Peritonitis , eitrige , durch Bacillus pyo-
cyaneus erzeugt. 317.
„ durch Bacterium coli erzeugt.
367.
„ du rch Gonococcen erzeugt. 3 7 3 .
,, nach Pneumonie. 388.
Pestbacillus. 395—397.
29*
452
Eegister.
Pestbeulen. 396.
Petri's Luftuntersuchungsmethode. 172.
,, Schälchenmethode. 156.
E. Pfeiffer ' s Kapselbacillus. 392—393.
,, specifische Immunitätsreac-
tion. 331— 333. 291. 344.
Phagocyten. 208.
Phenol, reines, Verhalten gegen Müz-
brandsporen. 31.
,, als Entwässerungsmittel. 92.
Phenolbildung durch Bakterien. 44.
Phenole. 33.
Phenolphtalein. 120.
Phlegmone, circumscripte. 379.
Phlegmonöse Eiterungen. 381. 374.
Phloridzin. 282.
Phosphorescenz durch Bakterien. 46.
Phosphorescirende Arten. 433. 125.
,, Vibrionen. 357.
Picrinsäure. 66. 111.
Picrocarmin. 111.
Pigmentbakterien. 46.
Pilzcultur. 119. 139. 404.
Pincetten. 51.
Pityriasis versicolor. 406.
Plag. 247.
Plasma (von Blut, Eiter), Verhalten bei
der Färbung. 67.
Plasraahülle. 9.
Plasmodium malariae. 407.
Plasmolyse. 10.
Platindrähte. 51. 140.
Platinöse. 140. 51.
Platten zu Culturzwecken. 142.
Plattencolonien. 144 ff.
Plattenculturmethode. 139 ff. 191.
Plattentasche. 143.
Pleomorphie. 18.
Pleuritis. 380.
,, nach Pneumonie. 388.
Pneumococcus. 390.
Pneumonie. 385. 216.
Pneumoniebakterien. 385—391.
Pneumoniemikrococcus. 385 ff.
Pneumonomycosis aspergillina. 404.
Pocken. 194.
Polymitus. 410.
Porcellanfilter, Porcellankerzen. 208.
Princip der maximalen Beleuchtung. 72
bis 74.
Prophylaxis, Bedeutung der Bakteriologie
für dieselbe. 3.
Prostatitis, eitrige. 368.
Proteine. 46. 208. 377. 378.
Proteus capsulatus. 209.
„ hominis capsulatus. 419.
„ mirabilis. 420.
vulgaris. 329. 419.
„ „ Immunisirung. 209.
Zenkeri. 420.
Protoplasmakörper. 9.
„ Färbung. 9. 75. 76.
Protozoen, pathogene. 406 ff.
PseudodiphtheriebaciUus. 308. 300.
Pseudotuberculose. 276 ff.
,, des Kaninchens. 277.
Ptomaine. 45.
Puk all' sehe Thonfilter. 209.
Purpurbakterien. 20.
Pustula maligna. 232,
Pyaemie. 200. 381.
„ puerperale. 381.
Pyelonephritis. 368.
Pyocyanin. 316.
Quecksilberchlorid, s. Sublimat.
Quellwasser. 178. 179.
Rasirmesser. 51.
Rauschbrandbacülus. 246—249.
,, Allgeraeines, Fundort.
246—247.
„ Pathologisch-anatomi-
scher Befund, Mor-
phologie. 247—248.
,, KünstUche Ciütur. 247
bis 248.
,, Sporenbildung. 248.
„ Involutionsformen, Vi-
rulenz, Pärbungsver-
halten. 248.
„ Infection . Immunisi-
rung. 248-249. 206.
209.
Rauscher. 247.
Reaction, chemische des Nährbodens. 21.
44. 121. 122. 126. 174. 319.
Reagenzgläschen, Vorbereitung. 122. 123.
Reagenzglasculturen. 150 ff.
Reagenzglaspistill. 141.
Eegister.
453
Eecurrensspirochaete. 398—399. 77. Taf.
XIT, Fig. 70.
Eeduction durch Bakterien. 42.
voü Nitraten durch Bakterien.
44.
., von Sulfaten durch Bakterien.
44.
Eefractarität 202.
Eeibschale, sterilisirte. 141.
Eeinculturmethoden Koch's. 117 ff.
139 ff.
Eeincultur, künstliche. 150 ff.
„ natürliche. 116.
Eeproductive Formen. 16,
Eesistenz der Bakterien im Allgemeinen. 1 7.
,, ,, ,, gegen Säuren und
Alkalien. 87.
,. „ Sporen im Allgemeinen. 1 7.
Eetentionshypothese. 208.
Eevolver (Objectivträger). 48.
Ehinitis fibrinosa. 299.
Ehinosclerombacillus. 391—392.
Eicin. 215.
Eiesengeisseln. 248.
Eiesenzelle, tuberculöse. 252. 275.
Einderpest. 195.
Einderseuche. 312.
Eöhrenbrunnen. 182.
Eohrzucker, Umwandlung in Trauben-
zucker. 41.
Eollplatten, Eollröhrchen, s. Esmarch.
Eosa Hefe. 438.
EosaniUne. 113.
Eosolsäure. 120.
Eothlauf. 295 ff.
Eotzbacillus. 281-284. Taf. IX, Fig. 50.
,, Diagnosticirung. 291.
Eotzlymphe. 283.
Eouget blanc. 296.
,, des porcs, s. Schweinerotlüauf.
Eubin. 66.
Saccharomyces cerevisiae. 438.
„ ellipsoideus. 438.
Säugethiertuberculose. 249.
Säugung, Immunität durch. 224.
Säure- Alcohol. 106.
Säuregehalt des Nährbodens. 22.
Säuren als Entfärbungsmittel. 105. 259.
Production dnrch Bakterien. 44.
Säuren. Eesistenz der Bakterien gegen.
87. 22.
„ Zusatz zu Desinfectionsmitteln. 33.
Säuresublimat. 33. 132.
Salzsäurealcohol. 106.
Salzsäure als Desinfectionsmittel. 31.
,, siehe auch Säure.
Sandfilter zur Luftuntersuchung. 172.
Sandfiltration des Wassers. ISO. 182.
Sang de rate. 226.
Saprol. 34.
Saprophyten. 187.
Saprophytische Arten. 413 ff. 21.
Sarcina, Form. 11. 432.
„ Sporenbildung. 16.
Sarcinearten in der Luft. 173. 432.
Sarcine, gelbe, orange, weisse. 432.
gelbgrüne. 432. Taf. III, Fig. 14.
Sauerstoff, Verhalten der Bakterien zu.
22. 39. 42 ff. 163.
Sauerstoffform. 22.
Schälchenmethode, s. Petri.
Scharlach. 194. 381.
Scharlachdiphtheritis. 297.
Scheinfäden. 12.
Schicksale der Bakterien im Thierkörper.
206 ff.
Schimmelpilze, Dicke der Zellen. 8.
„ Aussehen auf der Platte.
148.
pathogene. 403 ff.
,, saprophytische. 437.
Züchtung. 139. 119. 404.
„ Färbung. 405.
Schimmelpilzkeime in der Luft. 173.
Schimmelpilzsporen , Färbungsverhalten.
261.
Schizomyceten. 1.
Schlangengift, Imraunisirung. 214. 215.
Schleimbeuteleiterungen. 379.
Schleimhäute, Bakteriengehalt. 190.
Schleimige Gährung. 41.
Milch. 414.
Scbnittbehandlung. 86 ff.
Schnittdicke. 89—90.
Schottelius' sehe Methode. 344 ff. 347ff.
Schräg erstarrter Nährboden. 129.
Schraubenbakterien. 7.
Schutzimpfung. 203 ff.
SchwebeföUung. 103.
454
Eegister.
Schwefelbakterien. 10. 21.
Schwefelcarbolsäure, rohe. 33. 143.
Schwefelkömchen im Bakterienprotoplas-
ma. 10.
,, bei Beggiatoa. 18.
Schwefelkohlenstoff , kein Desinfections-
raittel. 31.
Schwefelquellen der Bakterien. 21.
Schwefelwasserstoff als Stoffwechselpro-
duct. 40.
Nachweis. 40 — 41.
Schweinepest, dänische. 312.
Schweinerothlauf. 295—297. 215.
Schweiuerothlaufbacillus, Abschwäch ung.
205. 296.
„ Diagnosticirung. 291.
Schweüieseuche, deutsche. 311.
,, amerikanische. 311. 208.
Marseiller. 312.
Section. 191.
Sedimentirung von Wasserbakterien. 177.
Sedimentirungsmethode Biedert's. 202.
Seeluft, Keimgehalt. 174.
Segraentation. 408.
Sehen, mikroskopisches. 55.
Seidenfäden mit angetrockneten Sporen.
37. 32. 33.
Seifeulösungen als Desinfectionsraittel. 36.
Semmelform. 10.
Septicaemia haemorrhagica. 308 — 315.
Septicaemie. 200. 215.
Septicaemische Bakterien. 200.
Septische Infection. 200. 381.
Seröse Ueberzüge, Verhalten bei der
Gram 'sehen Färbung. 113.
Serum, s. Blutserum.
Serumtherapie, s. Blutserumtherapie.
Sicherheitslampe. 168.
Silbernitrat, eiterungseiTegende Fähig-
keit. 375.
Smegmabacülen. 281.
Sodalösung als Desinfectiousmittel. 34. 38.
Sommerfieber. 409.
Soorpilz. 406.
Soyka's Plattenmethode. 157.
Spaltpilze. 1.
Spaltung. 1. 10.
Spatel. 51. 93.
Species. 2.
Spiegel des ]\Iikroskops. 57. 145.
Spindelform. 17.
Spirillen, Form. 7. 12.
„ Sporenbildung. 16.
„ in Stühlen von Cholera asiatica
und von „Cholera nostras".
340—341.
Spirillenarten, Kommaformen dabei. 13.
Spirillenbüdung bei Choleravibrionen. 318.
13.
,, bei dem Vibrio Finkler. 359.
, I)eneke.361.
,, ,, ,, ,, Metschnikoff.
349.
Spirillentypus. 22.
Spirülum concentricum. 434.
,, desulfuricans. 44.
,, marin um. 352.
„ rubrum. 431.
„ sputigenum. 427.Taf.X,Fig. 59.
„ tenue. 436.
„ tyrogenum. 360.
Undula. 435. 79. 80- 85. Taf.
III, Fig. 15, 16.
„ volutans. 436.
Spirochaete dentium sive denticola. 340.
427. Taf. I, Fig. 1.
„ Obermeieri, s. Eecurrensspiro-
chaete.
,, plicatilis. 435.
Sporangium. 403.
Sporen. 16.
„ Verhalten bei der Färbung. 17.
76. 106. 107. 108. 235—237.
„ Verhalten gegen hohe Tempera-
turen. 24. 30.
„ Verhalten bei der Dampfdesinfec-
tion. 28.
„ Verhalten gegen Austrocknen. 31.
„ Diagnose derselben. 76.
„ in Gewebsschnitten. 190.
Sporenbildung. 16.
,, endogene. 17.
,, verlangsamte. 205.
Sporenfärbung. 235—237.
Sporenkeimung. 16. 417.
Sporenmembran. 10.
Spritze, Koch "sehe. 198.
Sprosspilze, Dicke der Zellen. 8.
in der Luft. 173. 437.
Sputumschnitte. 263.
Eegister.
455
Sputumsepticaemie. 387.
Stäbcbenbakterien. 7.
Stärkegebalt bei Bakterien. 9.
Stärke, Umwandlung in Traubenzucker.
41.
„ Vergährung durcb Bakterien. 41.
Stapbylococcen. 12.
,, pyogene. 375 — 380.
„ Infeetion. 196.
Stapbylococcus cereus albus. 376.
„ flavus. 376.
„ pyogenes albus. 380.
„ aureus. 378 bis
380. 375. 386. 248.
Taf. II, Fig. 12.
pyogenes aureus , Resi-
stenz. 27.
„ „ citreus. 376.
,, pyosepticus. 212.
Stativ des Mikroskopes. 47.
Sterigmen. 403.
Sterilisation, Allgemeines. 26 fl".
der Gelatine etc. 123 ff.
discontinuirlicbe. 124.
des Blutserums. 131.
der Milcb. 136—137.
Stichcultur. 151 ff.
Stickstoff, freier, Fixirung durch Bak-
terien. 21.
Stickstoffquellen der Bakterien. 20. 21.
137 ff
Stoffvvechselproducte. 40. 45. 46.
„ Immunisirung durcb
Einverleibung der-
selben. 208. 317.
„ stinkende. 42.
Strablenkegel. 49.
Strahlenpilz. 399—402.
Streptococcen. 11.
„ bei Lungenschwindsucht. 250.
Streptococcencurve. 250.
Streptococcus brevis. 382.
,, conglomeratus. 383.
,, des Erysipels , s. Erysipel.
„ longus. 382.
„ lanceolatus Pasteuri. 387.
„ pyogenes. 381 — 384. 386.
200. 297. 298. 300.
305. Taf. UI, Fig. 13.
Streptothrix. 12.
Strichcultur, s. Oberflächenstricbcultur.
Structurbild. 59.
Strumitis. 308. 379.
Sublimat als Desinfectionsmittel. 32. 33.
35. 36. 64. 132. 143. 322.
,, relative Giftigkeit. 38.
Sublimatlösungen, saure. 33. 132. 143.
„ Prüfung auf Sublimat-
gehalt. 132.
Sulfate als Stoffwechselproducte. 42.
Sulfatreducirende Bakterien. 44.
Sulfidferment. 44.
Svinpest. 312. "
Swine Plague. 312.
Sycosis. 379.
Syphilis, Bacillen bei. 280—281.
System, natürliches, künstliches. 7.
Systematik. 7 ff.
Tafelcoccen. 11.
Temperatur, Einfluss auf die Färbung.
78. 101.
„ Einfluss auf dieDesinfection.
35.
Temperaturen, Desinfection durch hohe.
26 ff.
Temperaturmaximum, -minimum, -Opti-
mum. 22.
Temperaturverhältnisse, allgemeine. 22 ff.
„ Anpassung an.
23. 361.
Terpentinöl als Desinfectionsmittel. 31.
eiterungserregende Eigen-
schaft. 375.
Tetanin. 245.
Tetanus, Heilung. 213. 216. 246.
Tetanusbacillus. 240—246. Taf. VII, Fig.
40.
,, Allgemeines, Fundort.
240—242. 183.
Reincultur. 240—242.
„ Morphologie. 242.
Geissein. 242.
,, Sporenbildung. 242. 17.
236.
„ Färbungsverhalten. 243.
., Infeetion, pathologischer
Befund. 243 - 244.
199. 200. 201. 212
bis 213.
456
Eegister.
TetanusbaciUus, Giftbildung. 243 — 245.
199 ff. 212—213.
,, Immunisirung. 212 bis
214. 218. 219. 220.
245. 246.
Tetanusgift, Eesistenz gegen Erhitzung.
210. ^
Tetanusheilkörper. 246. 222.
Tetragenus. 397. 11.
Texasfieberseuche des Rindes. 410.
Theilung. 1. 10.
Theilungsrichtung. 11.
Therapie, Bedeutung der Bakteriologie
für dieselbe. 3.
Thermogene Bakterien. 46.
Thermophile Bakterien. 23.
Thermoregulator. 169—170.
Thermostat. 168 ff.
Thonfilter. 209. ISO.
Thynuisbouillon. 303.
Tod der BakterienzeUe. 75.
Toluidin. 65.
Tonsillarabscess. 379.
Tonsillen als Infectionspforte. 196.
Torula. 11.
Toxalbumine. 45. 308.
Toxine. 45.
Toxische Bakterien. 200. 212.
Trachom. 195.
Traubencoccen. 12.
Traubenzucker, Bildung durch Bakterien.
41.
„ im Nährboden. 45. 167.
„ Vergährung durch Bak-
terien. 41.
Traubenzucker-Agar. 128.
Traubenzucker-Bouillon. 129.
Traubenzucker-Gelatine. 124.
Trennungskölbchen. 166.
Trichophyton tonsurans. 406. Taf. XII,
Fig. 72.
Trimethylamin, Production durch den Ba-
cillus prodigiosus. 25.
430.
„ infectionsbegünstigend. 244.
Trippercoccus. 369.
Trockenmethode, s. Unna.
Trockenpräparat. 61 ff.
„ Färbung nach Gram.
114.
Trockenschrank. 27.
Trockensystem. 49.
Trommelschlägerform. 17. 237. Taf. VII,
Fig. 41.
Tropfen, hängender, s. Hängender Tropfen.
Tuberculinum Kochii. 268.
Tuberculose, experimentelle. 249. 264 ff.
,, congenitale. 265.
„ Feststellung der Aetiologie.
249—250.
,, Diagnose. 257. 267.
Heilung. 266—272.
„ zoogleique. 276.
Tuberkelbacillus. 249 — 272. Taf. Mll.
Fig. 43, 44.
Fundort. 249—250. 265
bis 266.
„ Verhältniss zum Ba-
cillus der Hühner-
tuberculose. 250 bis
251. 272. 276.
,, Entstehung des Tuber-
kels, Histologie. 251
bis 252.
„ Morphologie. 252.
„ künsthche Cultur. 252
bis 255. 139.
„ Beeinflussung durch
Licht. 256. 38.
„ Sporenbildung. 256.
„ Färbungsverhalten. 257
bis 264. 106. 107.
108. 110.
„ Färbung von Sputum-
trocken Präparaten .
257—262. 102.
„ Zählung im Präparat.
262.
„ Schnittfärbimg. 263 bis
264. 102.
„ Gram 'sehe Färbung.
264. 110.
„ Sporenfärbung. 264.
Infection. 264—266.
Virulenz. 254. 255. 256.
„ Vorkommen ausserhalb
des Körpers. 266.
„ Unterscheidung von dem
Leprabacillus. 107.
279.
Eegister.
457
Tuberkelbacillus, Eiterungserregung. 268,
377.
Typhus abdominalis. 284. 216. 239.
„ recurrens. 398.
Typhusähnliche Bakterienarten. 287.
TyphusbaciUus. 284—294. Taf. VIII bis
IX, Fig. 45—49.
Entdeckung. 284.
Morphologie. 284—285.
Geisseifäden. 284. 14.
81. 85.
künstliche Cultur. 285
bis 291. 148.
saure Nährböden. 22.
Diagnose. 287 — 291.
192—193.
Sporenbildung , Giftbil-
dung. 291—292.
Infection , pathologischer
Befund, Giftfestigung.
292 — 293. 216. 329.
Vorkomraen ausserhalb
des Körpers. 293. 177 ff.
Nachweis im Wasser.
178. 179. 193.
Eärbungs verhalten. 293
bis 294.
Abtödtung durch Blut-
serum. 210.
UeberempfindUchkeit. 221.
Uebertragung der Bakterien auf Ver-
suchsthiere. 192 ff.
Uhrschälchen. 51.
Umfärbung. 70.
Umzüchtung von Culturen. 150.
Unna's Äntrocknungsmethode. 260. 263
bis 264. 95. 279.
„ „ Combinirung mit
der Gram 'sehen
Methode. 114.
,, Modification der Gram' sehen
Methode. 115.
Urin als Nährboden. 155. 301.
Urticaria. 296. 306.
Urzeugung. 2.
Uschinsky'sche Lösung. 138. 21.
Vaccin. 202.
Vacuolen. 15.
Vegetationskasten. 168.
Vegetative Formen. 16.
Verbände der Bakterienzellen. 1 1 ff.
Verbandstoffe, Sterilisirung. 38.
Verbrennen der Cadaver. 26.
Verdünnungen bei der Plattenmethode.
142.
Verdünnungsmethode. 117.
„ Lister's. 118.
,, Soyka's. 157.
Vermehrung. 10.
Vernichtung der Entwickelungsfahigkeit.
24.
,, von Bakterienculturen. 170.
Versuchsthiere. 192. 193. 196 ff.
Verwesung. 42.
Vesuvin. 66.
Vibrio aquatihs. 353. 354. Taf X, Fig.
60.
,, aus Sjjutum. 364.
Berolinensis. 355—356. 334. 335.
348.
„ Danubicus. 353.
,, der Cholera asiatica, s. Cholera-
vibrio.
Deneke, s. Deneke.
„ Finkler, s. Fink 1er.
heikogenes. 362.
Lissaboner. 363. 359.
„ Metschnikoff. 348—351. 212. 334.
358. Taf X, Fig. 58.
Proteus. 359.
Eomanus. 363. 358.
„ Rugula. 436.
„ serpens. 436.
„ terrigenus. 363.
Vibrion septique, s. Malignes Oedem.
Vibrionen. 13.
,, aus Wasser. 352 ff.
,, anderer Herstammung. 358 ff.
,, grosse, aus Heuhifus. 14. 85.
Taf m, Fig. 18.
,, phosphorescirende. 357.
Vibrionensepticaemie. 351.
Victoriablau. 113.
Violette Farbstoffe. 66. 84.
Violetter Bacillus. 429.
Virulenz. 204.
Vögel, Infection. 197.
Vorcultur. 344—345. 347—348. 356.
458
Keo'ister.
Wärmeentwickelung durch Bakterien. 46.
Wärmeregulator. 169.
Wärmeschrank. 168.
Wasser, Keimreichthum. 178.
Reinigung. 179—181. 177.
als Einschlussmittel. 69. 228.
destillirtes, Keimgehalt. 53—54.
Untersuchung auf Typhusbacülen.
293. 179. 287. 289.
„ auf Cholerabakterien.
346—348. 178.
Wasserhakterien. 177.
Wasserdampf alsDesinfectionsmittel. 27 ff.
Wasserentziehung. 30.
Wassergehalt des Nährbodens. 20.
Wasserimmersion. 49.
Wasserstoff als Stoifwechselproduct. 40.
41.
., bei der Anaürobencultur. 164.
163.
Wasserstoffsuperoxyd. 39.
Wasseruntersuchung , bakteriologische.
174—181. 346-348.
Wasserversorgung. 179.
Wasser Vibrionen. 352—358.
Wattepfi-opf. 122
Weigert's Kernfärbung. 93.
„ Modification der Gram'-
schen Methode. 114. 96.
Weil' sehe Krankheit. 419.
Wein, Vergährung durch Bakterien. 41.
Weinhefe. 438.
Weinsäure, s. Säure.
Wildseuche. 312.
Wolffhügel 'scher Colonienzählapparat.
175.
,, ,, von Mie
modificirt. 175.
WoUsortirer, Krankheit der. 232.
Woolsorters disease. 232.
Wuchsformen. 16.
Wunddiphtherie. 299.
Wurzelbacülus. 417. 11. 45. 183. Taf. I,
Fig. 3; Taf. V, Fig. 26.
Wurzeiförmiger Bacillus, s. Wurzel-
bacillus.
WurzelknöUchen der Leguminosen. 21.
Xylol. 69. 92.
Xvlol- Balsam. 69.
Zählapparat zur Wasseruntersuchung. 175.
Zählung der Colonien. 175. 176.
Zahncaries. 201.
Zahnpulpa. 88. 201.
Zahnspirochaete. 340. 427. Taf. I, Fig. 1.
Zelle, s. Bakterienzelle.
Zi ehr sehe Carbolfuchsialösung. 102.
103.
Zoogloea. 13. Taf. 11, Fig. 9.
Zucker, Vergährung durch Bakterien. 41.
195.
Züchtung der Bakterien. 116if.
künstliche pathogener Bakte-
rien. 191 — 192.
Zweigbildende Organismen. 8. 19.
Zweitheilung. 10. 11.
Vorbemerkung zu den Tafeln.
JJie folgenden Photogramme sind der grösseren Mehrzahl nach
mikroskopische VergTÖsserungen.
Was die starken Vergrösserungen, die Vergrösserungen mit dem
Immersionssystem, angeht, so haben die Ermittelungen der letzten
Jahre ergeben, dass etwa eine 1000 fache Vergrösserung die noch mit
Vortheü zu benutzende Maximalleistung unserer besten Instrumente
repräsentirt. Geht man über die 1000 fache Vergrösserung hinaus, so
verliert das Bild an Schärfe und lässt keine Details erkennen, die nicht
auch schon in dem 1000 fach vergrösserten Bilde vorhanden wären.
Die 1000 fache Vergrösserung lässt sich aber nur für solche Präparate
anwenden, die eine sehr dünne ebene Schicht repräsentiren ; d. h. sie
kann bei Bakterienaufnahmen nur für Deckglastrockenpräparate in
Anwendung kommen. Die besondere Natur der Schnitt präpa rate
bringt es mit sich, dass man hier mit Vortheil nicht über eine 500 fache
Vergrösserung hinausgehen kann. ^)
Ein grosser Vortheil der 1000 fachen Vergrösserung ist der, dass
man die wirkliche Grösse der Objecto ohne Weiteres direct
mit dem Millimetermassstab feststellen kann. 1 mm auf dem Bilde
entspricht ^j^^^^mm oder 1 /t in der Wirkhchkeit. Ausserdem fallen
die relativen Grössenverhältnisse der verschiedenen bei
einer und derselben Vergrösserung dargestellten Objecto ohne Weiteres
ins Auge.
^) Unter Umständen können auch Ausnahmen von dieser Eegel vorkommen.
So ist z. B. auf Taf. XI, Fig. 66, ein Schnittpräparat bei 1000 facher Vergrösserung
dargestellt. In diesem Falle erlaubte es che besonders günstige Lagerung der dar-
zustellenden Detaüs (Streptococcenketten), die 1000 fache Vergrösserung mit Vortheü
anzuwenden.
460 Vorbemerkung zu den Tafeln.
Die folgenden, bei lOOOfaclier (Trockenpräparate) und bei 500-
facber Vergrösserung (Scbnittpräparate) aufgenommenen Pbotogramme
sind mit dem Zeiss'scben 2 mm -Apocbromat- System (Apertur 1,40),
dem besten System, welcbes wir heutzutage haben, hergestellt.^)
Ausser diesen sehr starken Vergrösserungen sind auch (je nach
Bedürfniss) schwächere Vergrösserungen benutzt. Fig. 23 auf
Taf. IV (250 fach), Fig. 72 auf Taf XII (240 fach), sowie Fig. 48 auf
Taf. Vni (200 fach) mirden mit Zeiss DD, Fig. 29 auf Taf. V (150-
fach) mit Zeiss CC, Fig. 24 auf Taf. IV, Fig. 49 auf Taf IX, sowie
Fig. 61 und 62 auf Taf. XI (100 fach) mit Zeiss BB, Fig. 31 und
32 auf Taf. VI (43 resp. 40 fach) mit Zeiss AA, Fig. 25 auf Taf. V
(25 fach) mit Zeiss aa aufgenommen.
Die Vergrösserungen sind übrigens sämmtlich zuverlässig
genau (unter Zugrundelegung eines Zeiss'scben Objectmikrometers)
angegeben.
Ferner sind eine Reihe von Culturen in natürlicher Grösse
dargestellt. Diese Aufnahmen wurden theils mit einer gewöhnlichen
achromatischen „Landschaftslinse", theils mit einem Sut er 'sehen
Aplanat hergestellt; beide Instrumente haben c. 17 cm Brennweite.
An den meisten Bildern (namentlich gilt dies für die schwachen
Vergrösserungen) wird man mit schwacher Loupe mehr sehen als mit
blossem Auge.
Die mikroskopischen Aufnahmen wurden z. Tb. bei Petroleum-
beleuchtung, z. Th. bei Beleuchtung mit Auer'schem Gasglüh-
licht gemacht. Nur bei der Aufnahme des Bildes Fig. 36 (Taf. VI)
kam eine intensivere Lichtquelle (Magnesium) zur Verwendung, da
hier die Natur des Objectes (flüssiger Tropfen) die bei den erstgenannten
Lichtquellen nöthige längere Exposition nicht gestattete.
Bei allen mikroskopischen Aufnahmen wurde das oben (p. 72 — 74)
entwickelte Princip der maximalen Beleuchtung zur An-
wendung gebracht.
Die Aufnahmen in natürlicher Grösse wurden bei zerstreutem
Tageslichte hergestellt.
^) Eine Ausnahme macht das Schnittpräparat Taf. XII, Fig. 71, von welchem
die 500 fache Vergrösserung nicht mit dem Immersionssystem, sondern mit einem
starken Trockensystem (Zeiss DD) hergestellt ist. Wenn auch die Contouren
des Objectes (Actinomycesdruse) bei Anwendung der Immersion in der scharf ein-
gestellten Ebene präciser geworden wären, so lag es doch in diesem Falle daran,
eine möghchst grosse ,, Tiefenzeichnung" zu erhalten; und diese ist bekanntlich um
so grösser, je grösser die Brennweite des Objectivs ist.
Vorbemerkung zu den Tafeln. 461
Hervorgehoben sei noch, dass an keinem einzigen Bilde ein Strich
oder ein Punkt Retouche angebracht worden ist. Man wird deshalb
auch an manchen Bildern einzelne Fleckchen finden, die der Geübte
ohne Weiteres als zufällige Verunreinigungen, Plattenfehler etc. erkennt.
Diese sind leider nicht immer zu vermeiden. Ich habe sie aber ohne
Ausnahme stehen lassen, um meinen Photogrammen keine Spur ihrer
Objectivität zu rauben.
Der Verfasser.
Druckfehlerberiehtigung.
Auf Seite 31, Zeile 6 des Textes von unten, muss es statt „Iproc. wässerige
Kaliumpermanganatlösung" heissen ,,5proc. wässerige Kaliumpernianganatlösung"'.
Tafel I.
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liakteriengemisch aus der ilundhöhU-. Deckglas- 2. Grosse Bacillen aus Wasser. Klatschpraparat
trockenpräparat. Cicntinnaviolett. 1000: i. Gelatineplatte. Methylenblau. 1000: i.
Grosse Bacillen (»Wurzelbacillus ) aus Erde. Klatsch- 4. Schmale Bacillen aus Wasser. Klatschpräparat
Präparat von Gelatineplatte. Fuchsin. 1000: i. Gelatineplatte. Fuchsin. 1000: i.
Oidium lactis (Fadenpilzi. Klatschpräparat von
Gelatineplatte. Fuchsin. 1000 : i.
Dr. Carl Günther pliot. Berlin 1893.
Hefe iSprosspilzi aus Weissbier. Ohne Zusatz
lebend photographirt. 1000: i.
Liohtdiuck von Julius Kliiikliardt, LeipÄig.
Tafel II.
7. Hueppe'scher Bacillus der spontanen Milchgerinnung.
Agarcultur. Deckglastrockenpräparat. Fuchsin. 1000:1.
g. Bacillen-Zoogloea aus faulendem Pflanzeninfus.
Deckglastrockenpräparat. Fuchsin. 1000 ;i.
• ,• •• •*•• • • • K •
Grosse Mikrococcen aus Faeces. Klatschpräparat
von Gelatineplatte. Fuchsin. 1000 : i.
Dr. Cai-l Günther phot. Berlin 1895.
Bacillus prodigiosus. Klatschpräparat von Gelatine
platte. Fuchsin. 1000 : i.
10. Grosse Mikrococcen aus Luft. Klatschpräparat
von Gelatineplatte. Fuchsin. 1000 : i.
''•<vV
12. Staphylococcus pyogenes aureus. Agarcultur.
Deckglastrockenpräparat. Fuchsin. 1000 ; i.
Klinkliardt, Leipzig.
Tafel III.
^
ij. StreptücoLLUb p\(i^Lnes in phlegmonüsera Pi^iter. 14. Gelbgrüne Sarcine aus Luft. G.elatiiiecultur. Deck-
IJeckglasaubstriLlipi ip ii it Methylenblau. 1000 : i. glastrockenpräparat, ungefärbt in Wasser eingeschlossen.
#\J
15. Bakteriengeraisch (Spirillum Undula und Bacillen mit 16. Spirillum UnJula mit Geisselbüscheln aus faulendem
Geissein) aus faulendem Strohinfus. Deckglastrocken- Strohinfus. Deckglastrockenpräparat. Gebeizt mit Ferro-
präparat, ungefärbt in Luft eingeschlossen. 1000 : i. tannatfuchsin, gefärbt mit Gentianaviolett. 1000 : i.
17. Bacillen mit Geisselbüscheln aus faulendem St
infus. Dcckglastrockenpräparat. Gcln-izt mit Fi
tannatfuchsin, gefärbt mit Fuchsin. 1000 ; i.
18. Grosse Vibrionen mit Geissein aus Heuinfus. Dcck-
glasausstrichpräparat. Präparaticjn wie bei Fig. 17.
1000 : I.
Tafel IV.
V.
ig. Bacillus subtilis (Hcubacillus) mit Sporen. Agarcultur. 20. Bacillus subtilis (Heubacillus) mit Spuren. Agarcultur.
Declcglastrockenpräparat Fuchsin. (Sporen ungefärbt.) Deckglastrockenpräparat. Die Sporen mit Fuchsin, die
übrige Bacillensubstanz mit Methylenblau gefärbt. 1000 : i.
-^^^Jj^l ^-
!i. Eine Leptothrix- Art aus cariöser Zahnhöhle mit 22. Cladothrix aus Wasser. Gelatinecultur. Deckglas-
5poren. Deckglasausstrichpräparat. Gentianaviolett. trockenpräparat. Fuchsin. 1000 : i.
\
23. Crenothrix aus Wasser. Lebend, in A\'asser ein- 24. Cladothrix aus Wasser. Gelatineplattoncoh
geschlossen, photographirt. 250 : i. 24 Stunden alt. 100 : i.
Dl-. Carl Günther phot. Berlin 189ß.
Lichtdiiak von Julius Kliukliardt, LeiiJzig.
Tafel V.
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25. Gelatineplattencultur, mit Heustaub angelegt. Nach
2 tägigera Wachsthum bei Zimmertemperatur. 25 : i.
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26. Gelatine- Rollröhrchea- Cultur, mit Gartenerde
angelegt. Xach 2 tägigera Wachsthum bei Zimmer-
temperatur. 1:1,
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27. Milzbrand
Fuchsin.
Maus. ^lilz. Deckglasausstrichpräparat. 28. Milzbrand Maus. Milz. Schnitt. Die Kerne mit
(Die Bacillen mit Kapseln.) 1000: i. Picrocarrain , die Bacillen nach Gram- Günther gefärbt.
500 : I.
29. Milzbrand. Maus. Lunge. Schnitt. Methylenblau. 30. Abgeschwächter Milzbrand. Maus. Milz. Deck-
150:1. glasausstrichpräparat. Methylenblau. 1000:1.
Dr. Carl Günther phot. Berliu 1895.
Klinkhardt, Leipzig.
Tafel VI.
;i. Milzbranilbacillen. Gelatineplattencolonii
3 Taj^e alt. 43 : i.
}2. Milzbrandbaiillrii. (irl.
Striclicultur, iS Stin
latten - Oberflächen-
ilt, 40 : I.
:\Iilzbrandbacillen. Rlatschpraparat von der in Fig. 32 34. Milzbrandbacillon. Involutionsforraen. Kartoffeicultur.
darffestc-llten Plattencultur. Fuchsin. 1000 : i. Deckglastrockenpräparat. Gentianaviolett. 1000 : i.
;5. Milzbrandbacillon. Gelatinustichcultur nach
tagigem Wachsthum bei Zimmertemperatur. 1:1.
Dr. Call (iünther pUot. Berlin 1895.
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36. Milzbrandbacillenfaden mit Sp,,i.ii. I.bend. Hangen-
der Buuillontropfen, geimpft mit IWut der !N[ilzbrand-
Maus. Nach 24 stündigem Wachsthum bei 28" C. 500:1.
Lichtdruck von Julius Klinkhaxdt, Leipzig.
Tafel VII.
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j7. Milzbrandbacillenfäden, z. Th. mit Sporen. Agar- 38. Bacillus des malignen Oedems. Meerschweinchen.
cultur. Deckglastrockenpräparat. Fuchsin. 1000 : i. Oederaflüssigkeit. Deckglasausstrichpräparat. Methylen-
blau. 1000 : I.
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39. Bacillen des malignen Oedems. Colonien im Innern 40. Tetanusbacillus mit Sporen. Agarcultur. Deckglas-
von Traubenzuckergelatine, 44 Stunden nach der Ver- trockenpräparat. Fuchsin. 1000 : i.
theilung von Oedemsaft der Maus in dem Nährboden, i : i .
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41.
Bacillu
s mit endständig
en Sporen (Trommelschläger-
form) aus A\
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ur. Deckglastrockenpräparat.
Die
Sporen
111'
1 fii. lisin. .1
e übrige Bacillensubstauz mit
M,
llul.'iil. 1,111 ',
L- färbt. 1000 ; I.
x^^-i
42. Leprabacillen. Mensch. Hautknoten. Deckglas-
ausstrichpräparat. Die Leprabacillen mit P'uchsin, das
Uebrige mit Methylenblau gefärbt. 1000 : i.
phot. Berlin 1895.
Tafel VIII.
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43. Tuberkelbacillen in phthisischem Sputum. Deckg-las-
trockenpräparat. Die Tuberkelbacillen mit Fuchsin, das
Uebrige mit ^lethylenblau gefärbt, jooo : i.
45. Typhusbacillcn. Klatschpräparat von Gclatineplattc.
Fuchsin, looo : 1.
44. Tuberkelbacillen. ^Mensch. Tuberculöse :\Ieningiti;
Schnitt durch die Pia. Gentianaviolett. 500 : i.
\ ^-^
46. Typhusbacilleu mit Geisselu. Agarcultur. Deck-
glastrockenpräparat. Gebeizt mit Ferrotannatfuchsin,
gefärbt mit Gentianaviolett. 1000 : i.
47. Typhusbacilk-n. Mensch. Leber. Schnitt. Fuchsin.
Theil eines Bacillenherdes , der in Fig. 48 im Ganzen
dargestellt ist. 500 : i.
r. (.'arl Günthe
48. Typhusbacilleu. Mensch. Leber. Schnitt. Fuchs
200 : I. (Vergl. Fig. 47.)
Lichtdruck vuu Julius Kliiikliardt, Leipzig.
o
Tafel IX.
49. Eine oberflächliche und mehrere tieferliegende Colu-
nien des Typhusbacillus auf der Gelatineplatte nach
2tägigem Wachsthum bei Zimmertemperatur. 100 : i.
f' ^
50. Rotzbacillen. Feldmaus. Lunge. Schnitt.
Methylenblau. 500 : i.
I
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51. Diphthericbacilk-n. Mensch. Diphtherische Pseudo- 52. Diphtheriebacillen. Agarcultur. Deckglastrocke
membran. Schnitt. Methylenblau. 500 : i, präparat. Fuchsin. 1000 : i.
^
53. Mäusesepticäraiebacillen. :Maus. Leber. Deckghi
ausstrichpräparat. Gram'schc Färbung. 1000 : i.
54. ^L-iusesepticäniirliacillcn. delatinestichcultur nach
6 tägigem AVachstlunn bei Ziiumerteniperatur. 1:1.
Dl-. Carl Günllicr phul. Berli
Lichtdruck vuii Juliu.', Kliiiklmrilt, Lcipzi;;.
Tafel X.
55. Choleravibrionen. Gelatineplatte. Klatsdipräparat.
Fuchsin. 1000 : i.
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56. Choleravibrionen. Involutionsformen. Gelatinecultur.
Deckglasausstrichpräparat. Gentianaviolett. 1000 : i.
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57. Choleravibrionen mit Geissein. Agarcultur. Deck-
glastrockenpräparat. Gebeizt mit Ferrotannatfuchsin,
gefärbt mit alkalischem Anilinfuchsin. 1000 : i.
,9. Kommabacillen (Spirillum sputigenum) aus der ^Mund-
höhle. Deckglasausstrichpräparat. Gentianaviolett.
1000 : I.
58. Vibrio Metschnikoff. Taube. :\ruskelsaft von der
Infectionsstelle. Deckglasausstrichpräparat. Fuchsin.
1000 : I.
)0. Kommabacillen (Vibrio aquatilis) aus Wasser. Agar
cultur. Deckglastrockenpräparat. Fuchsin. 1000 : i.
Dr. Carl Günther phut. Berlin 1893.
Kliukhardt, Leiijzig.
Tafel XI,
^
G m ■
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Ol. Choleravibriunen- Colonien auf der Gelatineplatte 62. Choleravibrionen. Links eine Gelatineplattencolonie
nach 30 stündigem Wachsthum bei Zimmertemperatur. nach 48 stündigem, rechts eine solche nach 72 stündigem
100 : I. Wachsthum bei Zimmertemperatur. Beide 100 : i.
• 0
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63, Choleravibriunen. Gelatinestichcultur nach 9 tägigem 64. Hühnercholerabacillen. Taulie. Herzblut. Deck-
A\"achsthum bei Zimmertemperatur, i : i. glasausstrichpräparat. Fuchsin. 1000 : i.
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5n»
&
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65. Gonorrhuecüccen. I'rippereitcr. Deckglasausstrich-
präparat. Methylenblau. 1000 : i.
ou. Erysipelstreptococcen. .Mensch. Hautschnitt. Die
Kerne mit Picrocarrain, die Coccen nach Gram-Günther
gefärbt. 1000 : i.
Glüutlicr pliut. Belli:
Lichtdruck vuii Ju
Tafel XII.
^ß
•^r'-:
%
•j;;^^'
67. ^licrococcus tetragenus. !Maus. jNIilz. Deckglas- 68. Diplococcus pneumoniae. Durch Punktion mit der
ausstrichpräparat. Gentianaviolett. 1000
Pravaz'schen Spritze entnommener Lungensaft vom leben-
den Pneumoniker. Deckglasausstrichpräparat. Gentiana-
/iolett. 1000 :
•* N
1/
^ ,i^
f V
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'I
oq. Bacillus pneumoniae mit Kapseln. Pleurasaft der 70. Recurrensspirillen. ^lensch. l'.lut. Deckglasaus-
intrapleural inficirten ^Maus. Deckglasausstrichpräparat. Strichpräparat. Mit 5 proc. Essigsäurelösung abge-
Fuchsin. 1000 : i. waschen und mit Fuchsin gefärbt. 1000 : i.
71. Ac'tinomyi-es l)o\is. Diusc Rnul. /angengeschwulst.
Schnitt. Färbung nach Gram-Günthc-r. 500 : i.
Herpcs lonsui-.ins-l'il/. A-,n pl.iUencultur. Mit
•ckglas bedeckt und direct phcitographirt. 240 : i.
Dr. Carl Günlliui- pliol. Berlin 1S05.
Lichtdruck vuii Julius KliiiUIiurdt, Leipzig.
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