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Full text of "Einführung in das Studium der altfranzösischen Sprache zum Selbstunterricht für den Anfänger"

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KARL   VORETZSCH 


ALTFRANZÖSISCHE 
SPRACHE 


Verlag  von  Max  Niemeyer,  Halle 


KMlUl.^bKl 


w 


SAMMLUNG  KURZER  LEHRBÜCHER 


DEB 


ROMANISCHEN  SPRACHEN 

UND  LITERATUREN 


I 

EINFÜHRUNG  IN  DAS  STUDIUM 

DER 

ALTFRANZÖSISCHEN  SPRACHE 


HALLE  A.  S. 
VERLAG  VON  MAX  NIEMEYER 

1918 


EINFÜHRUNG  IN  DAS  STUDIUM 


DER 


ALTFRANZÖSISCHEN  SPRACHE 


ZUM  SELBSTUNTEREICHT  FÜR  DEN  ANFÄNGER 


VON 


De.  CARL  VORETZSCH 

O.  PROFESSOR  DER  ROMANISCHEN  PHILOLOGIE  AN  DER  UNIVERSITÄT  HAXJLK 


FÜNFTE  AUFLAGE 


HALLE  A.  S. 

VERLAG  VON  MAX  NIEMEYER 

1918 


2215 
19/^ 


Seinem  verehrten  Lehrer 

Herrn  Prof.  Dr.  Fritz  Neiimann 

in  Dankbarkeit  und  Treue 

gewidmet 

Tom  Verfasser. 


Alle  Rechte, 

besonders  das  der  Übersetzung  in  fremde  Sprachen, 

vorbehalten. 


Aus  dem  Vorwort  zur  ersten  Auflage. 


Das  vorliegende  lehrbuch  ist  aus  praktischen  Übungen 
hervorgegangen.  Seine  Veröffentlichung  verfolgt  den  zweck, 
dem  anfänger,  welchem  sich  solche  elementare  Übungen  nicht 
bieten,  dieselben  zu  ersetzen  und  ihm  diejenigen  kenntnisse 
mitzuteilen,  vermöge  deren  er  einer  systematischen  Vorlesung 
über  altfranzösische  oder  historische  grammatik  oder  einer  text- 
interpretation  mit  besserem  Verständnis  zu  folgen  vermag  als 
es  ohne  solche  Vorkenntnisse  möglich  wäre. 

Die  hierfür  angewante  methode  ist  nicht  neu.  Ein  lite- 
rarisches Vorbild  hat  sie  an  Zupitzas  bekannter  und  beliebter 
'Einführung  in  das  Studium  des  Mittelhochdeutschen',  die  ich 
selbst  als  angehender  germanist  mit  lust  und  liebe  studiert  und 
schätzen  gelernt  habe.  Speciell  für  das  altfranzösische  aber 
sehwebten  mir  als  freilich  unerreichtes  vorbild  die  Übungen 
vor,  mit  denen  seinerzeit  —  es  war  im  sommer  1887  zu  Frei- 
burg i.  B.  bei  der  lektlire  von  Alexius  und  Aucassin  —  mein 
verehrter  lehrer,  dessen  name  das  vorangehende  widmungsblatt 
schmückt,  Herr  Professor  Dr.  Fritz  Neumann,  mich,  wie  vorher 
und  nachher  so  viele  hunderte  von  jungem  der  romanischen 
Philologie,  in  das  Studium  des  altfranzösischen  eingeführt  hat. 
Wie  ich,  werden  sie  alle  mit  vergnügen  dieser  anregenden 
stunden  gedenken  und  ihrem  lehrer  für  die  sozusagen  spielend 
erworbenen  kenntnisse  dankbar  sein.  Es  ist  mir  eine  freudige 
genugtuung,  ihm,  der  mich  nicht  nur  in  das  Studium  unserer 
Wissenschaft  eingeführt,  sondern  auch  mein  interesse  und  meine 
begeisterung  für  dieselbe  so  wesentlich  gefördert  hat,  dies  buch 
als  äusseres  zeichen  meiner  dankbarkeit  widmen  zu  dürfen. 

Wie  sehr  solche  praktischen  einführungen  den  wünschen 
des    Studenten    entgegenkommen,   habe  ich   seitdem  als   aka- 


VIII  Vorwort. 

demischer  lehrer  selbst  zu  erproben  gelegenheit  gehabt.  Be- 
greiflicherweise aber  ist  es  dem  einzeln en  Vertreter  unseres 
faches  nicht  möglich,  diese  Übungen  so  oft  zu  wiederholen  als 
sie  im  Interesse  der  anfänger  notwendig  wären.  Mancher 
dozent  auch  mag  von  vornherein  auf  die  abhaltung  solcher 
elementarUbungen  verzichten.  Das  privatstudium  einer  syste- 
matischen grammatik  vermag  nach  mannigfachen  beobachtangen 
diese  tibuogen  beim  anfanger,  dem  alle  notwendigen  vorbegrijQfe 
der  sprachlichen  entwicklang  fremd  sind,  nicht  zu  ersetzen. 
So  erschien  es  mir  nützlich,  dem  anfänger  ein  buch  in  die 
band  zu  geben,  das  wirklich  nichts  anderes  voraussetzt  als  das 
latein  und  französisch,  das  er  auf  der  schule  gelernt  hat,  ein 
buch,  das  geeignet  sein  soll,  ihn  mit  einer  anzahl  häufig  ge- 
brauchter wortformen  und  sonstiger  eigentümlich keiten  des 
altfranzösischen  vertraut  zu  machen,  ihn  in  die  grundbegriffe 
sowie  in  die  haupttatsachen  der  sprachliehen  entwicklung 
einzuführen  und  zum  Verständnis  eines  leichteren  altfranzö- 
sischen textes  anzuleiten.  Die  gelegentlichen  hinweise  auf  die 
italienischen  und  provenzalischen  formen  sollen  zunächst  die 
entstehung  der  entsprechenden  französischen  erklären  helfen, 
zugleich  aber  den  blick  über  die  grenzen  des  altfranzösischen 
hinauslenken  und  das  bewusstsein  dafür  wecken,  dass  das 
Studium  desselben  seine  ergänzung  und  erfUllung  in  dem  weiten 
rahmen  der  romanischen  philologie  findet. 

Bei  der  Übertragung  dieser  mündlich  zweifellos  bewährten 
praktischen  Übungen  in  die  form  eines  gedruckten  lehrbuches 
war  freilich  mancherlei  zu  beachten.  Es  handelte  sich  dabei 
nicht  um  eine  blosse  kopie  des  gesprochenen  Wortes.  In  den 
Übungen  kann  frage  und  antwort  eingreifen,  kann  repetition 
und  erläuterung  nach  bedürfnis  nachhelfen.  Im  lehrbach  muss 
alles  so  formuliert  sein,  dass  der  autodidakt  einer  weiteren 
nachhilfe  nicht  bedarf,  er  soll  in  den  stand  gesetzt  werden, 
sich  schliesslich  selbständig  die  einzelnen  worte  und  formen 
sowie  den  sinn  des  textes  zu  erklären.  Daher  im  anfang  die 
ausführliehe,  wort  für  wort  systematisch  erklärende  erläuterung 
mit  interlinear  Version,  Wiederholungen  und  verweisen,  statt 
dessen  später  der  blosse  text  mit  den  notwendigsten  bemerkungen. 
So  zufällig  die  reihenfolge  der  an  die  einzelnen  textworte  ge- 
knüpften  regeln   und   erläuterungen   zu  sein  scheint,   so  muss 


Vorwort.  IX 

doch  auch  hier  ein  fortschreiten  vom  leichteren  zum  schwereren 
stattfindeD.  Durch  die  Vereinigung  von  analyse  und  Synthese 
hoflFe  ich  auch  dem  einwand  zu  begegnen,  als  ob  diese  induktive 
methode  nur  dazu  gut  sei,  einen  häufen  uugeordneter  und  zu- 
fällig vereinigter  regeln  vor  äugen  zu  führen. 

Besonders  habe  ich  mein  augenmerk  darauf  gerichtet,  nicht 
nur  die  regel  aus  dem  gegebenen  beispiel  zu  abstrahieren, 
sondern  auch  die  weiteren  beispiele  soweit  als  möglich  aus 
dem  text  selbst  zu  nehmen,  in  erster  linie  aus  dem  hier  ab- 
gedruckten teil,  in  zweiter  aus  dem  reststück  der  Karlsreise 
(letztere  beispiele  sind  durch  einklammern  der  verszahlen 
kenntlich  gemacht),  nur  im  notfall,  bei  seltneren  regeln  und 
mangel  an  beispielen,  habe  ich  auch  aussenliegende  heran- 
gezogen. Der  vorteil  liegt  darin,  dass  die  gleichen  worte  und 
formen  dem  lernenden  immer  wieder  vor  äugen  geführt  und 
von  einer  neuen  seile  beleuchtet  werden,  so  dass  sie  oft  schon 
völlig  erklärt  sind,  wenn  sie  im  text  selbst  an  die  reihe 
kommen.  Zugleich  wird  der  lernende  dadurch  mit  einem  nicht 
zu  umfangreichen  material  mehr  und  mehr  vertraut  und  gewinnt 
so  eine  feste  basis  für  weitere  Studien. 

Möge  das  buch,  dessen  allmähliches  werden  und  dessen 
definitive  abfassung  mir  selbst  viele  freude  gemacht  hat,  seinen 
zweck  erfüllen  und  dazu  beitragen,  das  Interesse  für  das 
wissenschaftliche  Studium  des  französischen  anzuregen  und 
das  Verständnis  für  weitergehende  Vorlesungen  bei  den  Jüngern 
unserer  Wissenschaft  vorzubereiten. 

Tübingen,  Pfingsten  1901. 

Der  Verfasser. 


Aus  dem  Vorwort  zur  zweiten  Auflage. 


Als  ich  vorliegendes  buch  zum  erstenmal  hinausgab,  war 
ich  mir  wol  trewusst,  dass  es  ein  methodisches  experiment  war. 
Der  erfolg  hat  gezeigt,  dass  es  tatsächlich  den  bedürfnissen 
vieler  entgegenkam.    In  dieser  hinsieht  haben  mich  besonders 


X  Vorwort. 

die  Zuschriften  verschiedener  —  persönlich  mir  meist  gan« 
unbekannter  —  benutzer  des  buches  interessiert  und  gefreut. 
Auch  bei  den  fachgenossen  und  namhaften  kritikern  hat 
sich  das  buch  einer  durchaus  wohlwollenden  aufnähme  zu  er- 
freuen gehabt,  und  manche  der  letzteren  haben  durch  wert- 
volle einzelbemerkungen  zur  Verbesserung  des  buches  hei- 
mgetragen. Besonderen  dank  schulde  ich  in  dieser  beziehung 
den  anzeigen  der  herren  A.  Walle nsköld,  A.  Tobler, 
H.  Suchier,  K.  Vossler  und  B.  Röttgers  (siehe  das  Verzeichnis 
der  recensionen  im  anhang).  Die  kollegen  E.  Levy  und 
0.  Schultz -Gora  haben  mir  eine  reihe  berichtigungen  und 
bemerkungen  brieflich  zur  Verfügung  gestellt,  wofür  ihnen  auch 
an  dieser  stelle  freundlichst  gedankt  sei.  Die  anzeige  der 
neuen  aufläge  von  Koschwitzens  ausgäbe  der  Karlsreise  durch 
E.  Herzog  (Januarnummer  des  Literaturblattes  1903)  kam  mir 
für  einige  lesarten  noch  zu  statten. 

Die  'Sammlung  kurzer  Lehrbücher  der  Romanischen 
Sprachen  und  Literaturen'  ist  entstanden  als  ein  gegenstück  zu 
der  vor  mehreren  decennien  begründeten  und  im  selben  verlag 
erscheinenden  'Sammlung  kurzer  Grammatiken  Germanischer 
Dialekte'.  Dass  wir  bei  der  Romanischen  Sammlung  von  vorn- 
herein auch  die  literatur  mit  einschlössen,  ergab  sich  aus  dem 
plane  meines  altfranzösischen  lehrbuchs.  Im  übrigen  war  unsere 
Sammlung  von  anfang  an  auf  das  gesamtgebiet  des  romanischen 
berechnet.  Die  'Handbücher'  bilden  ein  charakteristisches  dement 
unseres  Unternehmens.  Auch  die  einzelnen  bände  werden  sich 
voraussichtlich  von  solchen  ähnlichen  titeis  nach  auswahl  und 
anläge  des  stoflFes  mehr  oder  weniger  unterscheiden. 

Tübingen,  Ostern  1903. 

Der  Verfasser. 


Vorwort  zur  dritten  Auflage. 

Auch  der  zweiten  aufläge  ist  wie  der  ersten  freundliche 
aufnähme  bei  den  fachgenossen  und  eifrige  benutzung  durch 
die  studierenden  zuteil  geworden.    Durch  das  Verzeichnis  der 


Vorwort.  XI 

über  beide  auflagen  erschienenen  reeensionen  im  anbang  hoffe 
ich  manchem,  der  dieser  oder  jener  kontroverse  genauer  nach- 
gehen möchte,  einen  gefallen  zu  erweisen.  Eifrige  benutzer 
und  benutzerinnen  des  baches  haben  manchen  druckfehler 
berichtigt  oder  durch  ihre  anfragen  auf  erkläruogs bedürftige 
punkte  aufmerksam  gemacht. 

Vor  allem  aber  schulde  ich  aufrichtigen  dank  für  eine 
reihe  von  kritischen  bemerkungen  und  hinweisen  meinem  hoch- 
verehrten lehrer  Fritz  Neumann  selbst,  dem  das  buch 
gewidmet  ist.  Diesem  sind  dadurch  im  einzelnen  zahlreiche 
direkte  Verbesserungen  erwachsen,  und  auch  da,  wo  ich  der 
meinung  des  verehrten  lehrers  nicht  ganz  beipflichten  konnte, 
hat  er  mich  durch  seine  bemerkungen  doch  zu  einer  erneuten 
Prüfung  oder  präciseren  fassung  meiner  eigenen  formulierung 
veranlasst.  Für  alle  mir  auch  bei  dieser  gelegenheit  bewiesene 
gute  spreche  ich  ihm  meinen  herzlichen  dank  aus,  und  es  ist 
mir  ieine  besondere  freude,  ihm  diese  neue  aufläge  zum  fünf- 
undzwanzigjährigen Jubiläum  seiner  beruf ung  als  professor  der 
romanischen  philologie   nach   Freibarg   darbringen  zu  können. 

Meine  eigene  arbeit  hat  sich  auch  diesmal  nicht  auf  die 
durchprUfung  und  Verwertung  der  neuen  grammatischen  literatur 
beschränkt.  So  habe  ich  u.  a.  den  allgemeinen  abschnitt  über 
die  lautgesetze  durch  eine  chronologische  Übersicht  erweitert. 
Da  mein  buch  eine  einführung  in  das  altfranzösische  sein  und 
zu  weiterer  lektüre  und  grammatischen  Studien  anregen  soll, 
habe  ich  im  anhang  die  wichtigsten  handbücher  und  die  für 
den  anfänger  brauchbarsten  textausgaben  zusammengestellt, 
damit  dieser  sich  nach  dem  Studium  meines  buches  im  notfall 
auch  selber  weiterhelfen  kann.  Eine  zusammenhängende  biblio- 
graphie  der  grammatischen  einzelfragen  scheint  mir  auch  jetzt 
noch  nicht  im  rahmen  eines  elementarbuches  zu  liegen.  Um 
aber  meinen  kritikern  und  solchen  benutzern,  welche  gern 
selbst  nachprüfen,  rechenschaft  über  die  von  mir  gemachten 
aufstellungen  abzulegen  und  ihnen  zeitraubendes  suchen  zu 
ersparen,  habe  ich  da,  wo  es  angezeigt  schien,  besonders  bei 
entlegeneren  fundsteilen  oder  Publikationen  neueren  datums, 
die  bibliographischen  verweise  hinzugefügt.  Die  beifUgung 
einer  phonetischen  transscription  der  I.  laisse  im  Zusammen- 
hang (s.  177)  sowie  des  diplomatischen  abdrucks  (s.  306)  ent- 


XII  Vorwort. 

spricht  dem  wünsche  eines  recensenten  des  buches  (Kanzler), 
es  wird  dem  studierenden  dadurch  eine  bequeme  vergleichung 
und  ein  vorläufiger  einblick  in  das  Verhältnis  des  kritischen 
textes  zur  Überlieferung  ermöglicht. 

Tübingen,  Ostern  1907. 

Der  Verfasser. 


Vorwort  zur  vierten  Auflage. 

Auch  für  die  neue  aufläge  habe  ich  mich  bemüht  die 
ergebnisse  der  einzelforschung  nutzbar  zu  machen.  Die  in 
recensionen  niedergelegten  kritischen  bemerkungen  und  wünsche 
habe  ich  ebenso  wie  die  von  benutzern  des  buehes  vorgelegten 
fragen  und  beobaebtungen  sorgfältig  geprüft  und  nach  mög- 
lichkeit  berücksichtigt.  So  habe  ich  auf  wünsch  von  Jeanroy 
und  Röttgers  ein  alphabetisches  Sachverzeichnis,  wenigstens 
für  die  allgemeinen  kategorien,  beigefügt,  für  die  einzelheiten 
bieten  die  beiden  systematischen  teile  und  das  glossar  hin- 
reichende verweise.  Durch  hinzufügung  eines  fünften  teiles 
'Proben  aus  den  ältesten  französischen  Sprachdenkmälern',  den 
ich  im  wesentlichen  aus  meiner  'Einführung  in  das  Studium 
der  altfranzösischen  Literatur'  übernommen  habe,  glaube  ich 
nicht  nur  diese  zu  entlasten,  sondern  auch  das  voliegende  buch 
zu  bereichern,  da  der  ertrag  dieses  teiles  mehr  der  Sprach- 
geschichte als  der  literaturgeschichte  zu  gute  kommt. 

Beim  korrekturlesen  stand  mir  in  dankenswerter  weise 
herr  cand.  phil.  Max  Krüger  zur  seite. 

Kiel,  3.  August  1911. 

Der  Verfasser. 


Vorwort.  xiii 

Vorwort  zur  fünften  Auflage. 

Vorbereitung  und  drueklegung  der  neuen  aufläge  während 
des  krieges  begegnete  manchen  Schwierigkeiten.  Der  wünsch, 
dem  Vaterlande  in  dieser  grossen  und  schweren  zeit  mit  der 
waffe  zu  dienen,  hat  mich  der  Wissenschaft  länger  als  drei 
jähre  fern  gehalten.  Jedoch  hoffe  ich  nichts  wesentliches 
tibersehen  zu  haben.  Die  wissenschaftlichen  Veröffentlichungen 
aus  den  uns  bekriegenden  Staaten  blieben  mir  freilich  un- 
zugänglich. 

Vermehrt  habe  ich  die  aus  Jonasfragment,  Passion  und 
Leodegar  ausgewählten  stücke,  um  eine  genauere  Vorstellung 
von  ihrer  sprachlichen  und  stilistischen  eigenart  zu  geben. 
Die  diplomatischen  abdrücke  habe  ich  sämtlich  mit  den  licht- 
druckwiedergaben der  handschriften  im  'Album'  der  Sociöt^ 
des  anciens  textes  neu  verglichen. 

Halle,  Ostern  1918. 

Der  Verfasser. 


Inhalt 


Seite 


Einleitung 1—4 


Erster  Teil. 

1.  Vers    . 

2.  „      . 


Text:  Erklärung  der  I.  Laisse  (Vers  1—31) 


Metrische  Bemerkung  . 

8.  Vers 73 

9.  „ 

10.  „ 

11.  « 

12.  „ 

13.  „ 

14.  „ 

15.  „ 


5 

16. 

Vers 

23 

17. 

n 

38 

18. 

n 

50 

19. 

n 

58 

20. 

n 

62 

21. 

n 

66 

22. 

n 

71 

23. 

n 

73 

24. 

w 

77 

25. 

n 

86 

26. 

n 

88 

27. 

n 

93 

28. 

n 

98 

29. 

» 

102 

SO. 

n 

106 

31. 

n 

5—139 

108 

110 

112 

116 

119  .. 

122 

124 

126 

128 

129 

130 

131 

134 

135 

136 

138 


Zweiter  Teil.     Systematisehe  Übersicht  über  die  bisher  be- 
handelten Lautgesetze 140 — 176 

Allgemeines:  Lautgesetze.  Chronologie  der  Lautgesetze. 
Analogie.  Lehnworte.  Metathesis,  Assimilation,  Dis- 
similation     140 

A.  Konsonantismus 147 

I.   Konsonanten  im  Wortanlaut 147 

IL   Konsonanten  im  Wortauslaut 149 

lU.   Konsonanten  in  intervokaler  Stellung 151 

IV.  Intervokale  Konsonanten  mit  Hiatns-M  oder  -i  .    .    .153 
V.   Zusammengesetzte  Konsonanten 156 

B.  Accent 160 

I.   Die  Art  des  Accents 160 

IL   Die  AccentabstufuDg 160 

III.   Der  Hauptaccent  und  seine  Stelle 163 


Inhalt.  XT 

Seite 

C.    Vokalismus 165 

I.   Allgemeines  über  die  haupttonigen  Vokale    ....  166 
II.   Die  einzelnen  haupttonigen  Vokale 168 

III.  Die  nebentonigen  Vokale 172 

IV.  Die  schwach  tonigen  Vokale 174 

Übersicht  über  die  gebrauchten  Zeichen      ....  176 

DritterTeil.    Text :  Karls  Pilgerfahrt  nach  Jerusalem  (Laisse  II 
bis  XV,  Vers  32  —  258)  und  die  Heimkehr  von  Kon- 


st 

antinopel  (Laisse  1 

L-LIV, 

Vers  802—870)      ....  177—239 

Umschrift  der  I.  Laisse     .    . 

.  179 

XIL  Laisse  (V.  204—213)  227 

II. 

Laisse 

(V.  32— 42)   .    . 

.  180 

XIIL       „       („  214—225)  228 

III. 

n 

(  „  43-52)    .     . 

.  190 

XIV.       „        (  „  226— 2;{2)  230 

IV. 

« 

(  „  53-57)    .     . 

.  197 

XV.       „        ( „  233-258)  230 

V. 

n 

(  ,  58—75)    .     . 

.  199 

Inhalt  von  Laisse  XVI— IL  233 

VI. 

n 

(  .  76-97)    .     . 

.  206 

L.  Laisse  (V.  802—815)  234 

VIL 

n 

(„  98-111).     . 

.  211 

LL      „        (  „   816—831»)  235 

VIIL 

n 

(„  112-122)     . 

.  215 

LIL      „        (  „  831—848)  236 

LX. 

n 

(„  123-166)     . 

.  219 

LIII.      „        (  „  849—857)  238 

X. 

n 

(„  167-183)     . 

.  224 

LIV.       „        (  ,  858—870)  238 

XI. 

n 

(  „  184-203)     . 

.  226 

Vierter  Teil.    Systematische  Übersicht  über  Lautstand,  Formen- 
stand und  syntaktische  Verhältnisse  der  Karlsreise  .    .  240 — 284 

I.  Lautstand 241 

A.  Konsonantismus 242 

1.  Die  dentalen  Reibelaute 242 

2.  Die  dental-palatalen  Reibelaute 243 

3.  Die  labialen  Reibelaute 243 

4.  Der  Hauchlaut 244 

5.  Die  dentalen  Verschlusslaute 244 

6.  Die  labialen  Verschlusslaute 245 

7.  Die  Velaren  (palatalen)  Verschlusslaute 245    - 

8.  Die  Nasale 245 

9.  Die  Liquiden 246 

10.  Die  Halbvokale 247 

B.  Vokalismus 247 

1.  Die  einfachen  Vokale 248 

2.  Die  Diphthongen 250 

3.  Die  schwachtonigen  Vokale 253 

II.  Formenstand 254 

A.   Das  Nomen 254 

Kasus,  Deklination,  Geschlecht 254 

1.  Der  Artikel 256 

2.  Das  Substantiv 256 

3.  Adjektiv,  Komparation,  Adverb 25& 


XVI  Inhalt. 

Seit« 

4.  Zahlwörter 261 

5.  Pronomina 262 

B.   Das  Verbnm 265 

Konjugationsarten,  Genera,  Tempora  und  Modi, 
Endungen,  Stamm 265 

1.  Das  Perfektam  und  die  zugehörigen  Formen  .    .    .  267 

a)  Die  schwachen  Perfekta 267 

b)  Die  starken  Perfekta 268 

Übersicht  über  die  starken  Verba 269 

2.  Das  Präsens  und  die  zugehörigen  Formen       .    .     ,271 

3.  Verba  verschiedener  Stämme  {aler  —  estre)     .    .    .  271 
in.  Syntaktisches 273 

A,  Die  Redeteile 273 

B.  Der  Satz 276 

Fünfter  Teil:  Proben  aus  den  ältesten  französischen  Sprach- 
denkmälern      285—307 

I.   Die  ältesten  Glossare 285 

II.   Die  Strassburger  Eide 287 

III.  Die  Eulaliasequenz 291 

IV.  Das  Jonasfragment 296 

V.   Die  Passion  Christi       297 

VI.  Das  Leodegarlied 303 

Bibliographischer  Anhang 308—326 

A,  Einzelliteratur  zur  Karlsreise  S.  308.  —  B.  Literatur 
zu  den  ältesten  Denkmälern  S.  311,  — ;  C.  Auswahl  alt- 
französischer Ausgaben  S.  312.  —  D.  Encyclopädisehe 
und  grammatische  Hilfsmittel  S.  313.  —  E.  Lexikalische 
Hilfsmittel  S.  315.  —  F.  Altfranzösische  Literatarge- 
schichten S.  316.  —  G.  Bibliographische  Erläuterungen 
zu  Einzelheiten  der  Eintührnng  S.  317. 

Anhang  zum  Text:  I.  Laisse  nach  der  Handschrift    ....  326 — 327 

Wörterbuch 328-346 

Alphabetisches  Sachverzeichnis 347 — 350 

Berichtigungen  und  Nachträge 351 


Einleitung. 


Unter  altfranzösisch  versteht  man  im  allgemeinen  die 
französische  spräche  des  mittelalters  von  der  zeit  an,  wo  sie 
uns  zuerst  in  sichtbarer  gestalt  entgegentritt,  bis  zum  ausgang 
des  mittelalters.  Das  älteste  zusammenhängende  Sprachdenkmal 
des  französischen  sind  die  Strassbnrger  Eide  aus  dem  jähre 
842,  das  älteste  literaturdenkmal  die  sequenz  auf  die  heilige 
Eulalia  aus  den  achtziger  jähren  desselben  Jahrhunderts.  Die 
beiden  folgenden  Jahrhunderte  haben  im  wesentlichen  nur 
einige  denkmäler  der  geistlichen,  besonders  der  erzählenden 
geistlichen  literatur  hinterlassen.  Die  blütezeit  der  alt- 
französischen literatur  fällt  in  das  12.  und  13.  Jahrhundert. 
Die  folgenden  Jahrhunderte,  bis  zur  mitte  des  16.  Jahrhunderts, 
bringen  verfall  und  ausgang  der  altfranzösischen  literatur,  zu- 
gleich aber  auch  die  keime  der  neuen  entwicklung,  welche  zur 
französischen  renaissance  führt. 

Die  sprachlichen  Veränderungen,  welche  für  das  französische 
gegenüber  den  übrigen  romanischen  sprachen  charakteristisch 
sind,  waren  mit  beginn  der  literarischen  periode  bereits  grossen- 
teils  vollzogen.  Bis  zur  blütezeit  und  in  deren  verlaufe  tritt 
eine  reihe  weiterer  Veränderungen  ein,  welche  die  spräche 
mehr  und  mehr  dem  modernen  französisch  nähern.  Eine  scharfe 
grenze  zwischen  alt-  und  neufranzösisch  lässt  sieh  überhaupt 
nicht  ziehen,  ebensowenig  wie  zwischen  dem  latein  und  den 
romanischen  sprachen.  Es  handelt  sich  vielmehr  um  eine 
fortlaufende  entwicklung  von  der  Umgangssprache  der  alten 
Römer,  dem  sog.  Vulgärlatein,  bis  herab  auf  das  moderne 
französisch.  In  dieser  entwicklung  bildet  das  altfranzösische, 
vom  sprachlichen  wie  vom  literarischen  Standpunkt  aus,  eine 
wichtige  stufe. 

Voretasoh,  Studium  d.  afrz.  Sprache.    5.  Aufl.  l 


2  EiDleitung. 

Wie  das  heutige  französisch  war  bereits  auch  das  alt- 
französische in  mundarten  zerfallen,  die  man  fn  der  regel  nach 
den  alten  landschaften  bezeichnet:  im  Zentrum  das  francische 
(nach  der  Isle  de  France),  westlieh  davon  das  normannische, 
nördlich  das  pikardische  und  wallonische,  östlich  das  cham- 
pagnische  und  lothringische,  im  Süden  das  burgundische,  die 
mittel-stidfranzösischen  mundarten  (Orleans,  Berry  usw.),  weiter- 
hin die  sog.  südwestlichen  (Poitou,  Angoumois,  Saintonge,  Aunis) 
und  nordwestlichen  mundarten  (Touraine,  Anjou,  Maine,  franz. 
Bretagne).  Eine  grosse  zahl  von  literaturdenkmälern  sind  in 
pikardischer,  wallonischer,  champagnischer  mundart  geschrieben, 
nicht  wenige  auch  in  der  sog.  anglonormannischen  oder  anglo- 
französischen  mundart,  welche  sich  in  England  nach  der  er- 
oberung  durch  die  Normannen  herausgebildet  hatte. 

Bis  tief  in  die  blütezeit  hinein  herrscht  die  mundartliche 
dichtung.  Allmählich  beginnt  eine  bewegung  zu  gunsten  der 
mundart,  welche  sich  in  der  herrschenden  provinz  und  besonders 
in  der  hauptstadt  entwickelt  hatte:  der  francischen  oder 
pariser i sehen.  So  bemüht  sich  Gautier  von  Arras  schon  in 
seinem  bald  nach  1164  verfassten  roman  vom  Kaiser  Heraclius 
die  heimatlichen  pikardismen  zu  vermeiden  und  francisch  zu 
V  schreiben.  Der  aus  dem  gebiet  von  Lyon  stammende  Aimon 
von  Varennes  dichtet  1188  seinen  roman  von  Florimont  (gross- 

Ivater  Alexanders  des  grossen)  in  francischer  mundart,  und  dass 
um  dieselbe  zeit  auch  schon  der  hof  gelegentlich  seinen  einfluss 
geltend  macht,  zeigt  das  beispiel  des  pikardischen  lyrikers 
Conon  de  B^thune,  welcher  beim  vertrag  seiner  lieder  am 
königshof  zu  Paris,  um  1180,  von  der  königinmutter  Alix 
wegen  seiner  nichtfrancischen  ausspräche  getadelt  wird.  Im 
13.  und  14.  Jahrhundert  gewinnt  das  francische  in  der  literatur 
mehr  und  mehr  die  oberhand,  und  am  ausgang  des  mittel- 
alters  ist  diese  mundart  als  allgemeine  Schrift-  und  literatur- 
sprache  anerkannt. 

Das  moderne  französisch  hat  sich  also  aus  dem  alt- 
francischen  dialekt  entwickelt.  Dieser  bildet  demgemäss  die 
historische  mittelstufe  zwischen  latein  und  neufranzösisch,  und 
somit  ist  das  hier  behandelte  gedieht  von  der  'Karlsreise', 
das  in  oder  bei  Paris  entstanden  ist,  zur  einführung  in  die 
historische   grammatik   besonders  geeignet.     Seine  spräche  ist 


Einleitung.  3 

schriftfranzösisch  auf  einer  älteren  stufe.  Überliefert  ist  es 
allerdings  in  einer  in  England  geschriebenen,  also  anglo- 
normannische  spraehformen  zeigenden  handsehrift,  aber  eine 
genaue  Untersuchung  der  spräche  auf  grund  der  durch  reime 
und  versmessung  gesicherten  formen  ergibt  als  spräche  des 
dichters  das  fraocische,  das  wie  in  der  ausgäbe  von  Kosch- 
witz  80  auch  hier  wiederhergestellt  und  durchgeführt  ist. 

Das  gedieht  von  der  Karlsreise  steht  noch  am  eingang 
der  literarischen  blütezeit,  es  ist  etwas  jünger  als  das  am  an- 
fang  des  12.  Jahrhunderts  verfasste  Rolandslied,  vermutlich  erst 
nach  1108  (nach  einftihrung  des  sog.  endit  von  Saint- Denis 
und  des  damit  verbundenen  Jahrmarkts)  verfasst.  Seiner  dichte- 
rischen form  nach  gehört  es  zu  den  sog.  chansons  de  geste, 
den  beiden-  oder  nationalepen,  unter  denen  es  freilich  durch 
seine  Verbindung  des  religiösen  und  des  profanen,  des  ernsten 
und  des  komischen  eine  besondere  Stellung  einnimmt. 

Das  heldenepos  oder  volksepos,  wie  man  es  auch  genannt 
hat,  feiert  die  beiden  der  nationalen  Vergangenheit,  vor  allem 
Karl  den  grossen  und  die  beiden  seiner  zeit,  während  der 
später  auftretende  höfische  roman  den  bretonischen  könig  Artus 
und  seinen  Sagenkreis  verherrlicht.  Von  dieser  und  anderen 
erzählenden  gattungen  unterscheiden  sich  die  chansons  de 
geste  auch  durch  ihre  eigentümliche  form  und  Vortragsweise. 
Sie  wurden  nicht  vorgelesen,  sondern  vorgesungen  nach  einer 
einfachen,  etwa  alle  zwei  verse  sich  wiederholenden  melodie. 
Die  Strophe  war  demgemäss  an  eine  bestimmte  verszahl 
nicht  gebunden,  ihr  umfang  wechselt  von  3  bis  zu  20,  30, 
40,  ja  in  späteren  dichtungen  bis  zu  100  und  mehreren 
hundert  versen.  Man  pflegt  diese  art  Strophen  als  laissen 
oder,  mit  einem  neueren  wort,  als  tiraden  {laisses,  tirades 
monorimes)  zu  bezeichnen.  Der  reim  beschränkt  sich  in  der 
älteren  zeit,  wie  auch  in  unserem  epos,  auf  den  gleichklang 
der  vokale  (assonanz),  erst  in  späteren  dichtungen  tritt  dafür 
der  vollreim,  die  Übereinstimmung  der  betonten  vokale  und 
der  darauf  folgenden  laute,  ein.  Der  vers  des  heldenepos 
ist  in  älterer  zeit  in  der  regel  der  zehnsilbner,  daneben,  und 
in  späterer  zeit  sogar  tiberwiegend,  der  zwölfsilbner  (alexan- 
driner),  nur  in  zwei  epen  der  achtsilbner.  Unser  epos  ist  das 
älteste,  welches  den  alexandriner  verwendet. 

1* 


4  Einleitung. 

Der  Inhalt  des  gedichtes  setzt  sich  aus  zwei  verschiedenen 
Stoffen  zusammen.  Der  erste  teil,  bis  etwa  vers  258,  erzählt 
die  Pilgerfahrt  Karls  des  grossen  nach  Jerusalem,  eine  auf 
historischen  dementen  beruhende  legende.  Karl  hatte  mannig- 
fache beziehungen  zum  orient,  nicht  nur  zu  den  kaisern  von 
Konstantinopel,  sondern  auch  zu  Harun  al  Raschid,  welcher 
das  heilige  grab  unter  Karls  gewalt  stellte,  und  zum  Patri- 
archen von  Jerusalem,  von  dem  der  kaiser  im  jähre  800  den 
Schlüssel  zum  heiligen  grabe  sowie  eine  anzahl  reliquien  erhielt. 
Diese  reliquien  wurden  später  in  St.  Denis  aufbewahrt  und  dem 
Volke  an  der  alljährlich  stattfindenden  grossen  messe  aus- 
gestellt. So  konnte  sich  leicht  eine  tradition  herausbilden  — 
und  schon  im  jähre  1000  ist  diese  in  der  chronik  Benedicts 
vom  berg  Soracte  niedergelegt  —  dass  Karl  der  Grosse  selbst  in 
Jerusalem  gewesen  wäre  und  von  dort  die  reliquien  mit- 
gebracht hätte. 

Der  zweite  teil  des  gedichtes,  von  den  prahlereien  der 
Frankenhelden  am  hofe  zu  Konstantinopel  und  von  Karls  fried- 
lichem sieg  über  seinen  rivalen  Hugo,  geht  wol  auf  eine  alte 
fränkische  sage  zurück.  Dass  ein  könig  mit  seinen  beiden 
auszieht,  um  sich  mit  einem  weithin  gerühmten  fremden  könig 
zu  messen,  begegnet  in  der  deutsehen  dichtung  im  'Grossen 
Rosengarten'  wie  in'Biterolf  und  Dietleib'  wieder.  Auch  für  die 
Prahlereien,  welche  für  die  handlung  an  und  für  sich  ein  neben- 
moment  bilden,  lassen  sich  parallelen  aus  deutscher  sage  und 
dichtung  sowie  aus  märchen  verschiedener  Völker  anführen. 
Hinter  der  gestalt  kaiser  Hugos  des  Starken  von  Konstantinopel 
verbirgt  sich  vielleicht  der  Merowingerkönig  Chlodovech,  der 
in  der  späteren  sage  Huga  heisst  und  im  deutschen  epos  als 
Hagdietrich  von  Konstantinopel  bekannt  ist.  Ein  streit  zwischen 
könig  und  königin  über  den  besten  ritter  findet  sich,  mit 
ähnlichen  begleitumständen  wie  hier,  später  in  einem  roman 
des  13.  Jahrhunderts  'Rigomer'  wider,  wo  Artus  mit  seiner 
gattin  Ganievre  streitet,  ob  Gauvain  oder  Lancelot  der  beste 
ritter  sei,  sich  zu  drohungen  gegen  die  königin  hinreissen  lässt, 
aber  die  entscheidung  bis  zu  seiner  rückkehr  aufschiebt. 


Erster  Teil. 

Text: 

Erklärung  der  I.  Laisse  (Vers  1     31). 

1.  Vers. 
ün  jorn  fut  li  reis  Charles  al  saint  Denis  mostier. 

Eines   tages   war   der  könig  Karl   in   der  kirche  des  heiligen 

Dionysius. 

Un:  lies  ü  (nicht  ö  wie  nenfranzösiseh  un),  aus  lat.  ünum. 

1.  Regel:  Auslautendes  m  und  n  in  unbetonten 
endsilben  und  Worten  fällt  ab. 

Dies  ist  einer  der  ältesten  lautwandel,  er  fällt  noch  in  alt- 
lateinisehe  zeit  und  wirkt  demgemäss  in  allen  romanischen 
sprachen.  Schon  die  ältesten  lateinischen  inschriften  lassen 
das  auslautende  m  häufig  ganz  weg.  Auf  schwache  artikulation, 
wenn  nicht  auf  vollständiges  verstummen  des  m  deutet  auch 
die  lateinische  prosodie:  in  dem  hexameter  Et  breviter  Trojae 
suprem{um)  audire  Idborem  erfährt  die  endung  -um  dieselbe 
behandlung  wie  rein  vokalischer  ausgang,  z.  b.  in  desert(o) 
in  litore. 

Weitere  beispiele: 
V.  1    jof^n-t—diurnum^)  2   prise<—prehensam 

mostier  •*~monasterium       '  sa^—suam 


*)   Es  bedeutet  jorn  •*—  diurnum ;  jorn  entstanden  aus  diumvm ;  um- 
gekehrt diurntim—>-jorn:  diurmim  geworden  zu  jorn. 


Erster  Teil:  Text. 


3     or-r~  aurum 
mier^—merum 
moillier  -«—  mulier  em 
33    ja  -f^jam. 


V.  2    corone  t— coronam 
croiz  -*—  crucem 
3     ceinte  ■«—  cinctam 
espee  *—  spatham 

Desgleichen  -n: 

12    ne-*—non 
106    fium  -«—  flumen 
151     nom<—nomen. 

IL  Wandel  des  w.  Lateinisch  lang  w  hat  geschlossenen 
klang,  während  lat,  ü  dem  o  ähnlich  klingt  (offenes  u).  Dieser 
unterschied  zwischen  geschlossener  und  offener  ausspräche 
findet  sich  fast  bei  allen  vokalen  wieder  und  wird  im  druck 
mit  punkt  und  offenem  häkchen  bezeichnet,  also: 

M= geschlossen  u  (lat,  ü)  —  vgl.  deutsch  mut 
u  =  offen  u  (lat.  ü)  —  vgl.  deutsch  my,tter. 

Ebenso: 

6:=  geschlossen    e    (lat.    habere,    frz.    aime,    deutsch    gehn 

sSele,  kurz  in  südd.  lett,  beste); 
§  =  offen  e  (lat.  t^rra,  frz.  t^rre,  deutsch  wäre,  toller,  wählen). 

Ahnlich  unterscheidet  man  o  (lat.  o)  und  ^  (lat.  ö),  i  (lat.  i) 
und  i  (lat.  i).  In  der  regel  ist,  hier  im  latein  wie  im  neu- 
hochdeutschen, geschlossene  ausspräche  mit  länge  des  vokals, 
offene  mit  kürze  verbunden.  Nur  bei  a  entspricht  im  latein 
dem  unterschied  in  der  quantität  kein  unterschied  der  Qualität 
(klangfarbe):  lat.  ä  und  ä  werden  gleich  behandelt. 

ßegel:  Geschlossen  u  (lat.  ü)  wird  zu  ü  (frz.  u 
geschrieben). 

Vgl.  lat.  plus -^  plus  V.  6  Judicium -^jiuse  35 

nüllum—*-nul  9  mütare—^muer  44 

jürare—*-jurer  35  Jüdaeus—^Juieus  129; 

ebenso  ü  in  germanischen  Worten: 

drüt—^drut  21 
Hugo  -un—^Hue,  Huon  —  Hugon  46 
bük—*-buc  55. 


1.  Laisse.     1.  Vers:  Un.  < 

Vgl.  ferner  irascut,  perdut,  veut,  vertut  v.  53  ff.,  entsprechend 
den  lat.  endungen  -utum,  -ütem. 

Dieses  lautgesetz  ist  jedenfalls  jünger  als  das  vorige, 
gemeinromanische  gesetz  (vgl.  ital.  uno  gegen  franz.  und  prov- 
ün).  Es  darf  im  wesentlichen  als  ein  galloromanisches 
bezeichnet  werden,  sein  gebiet  beschränkt  sich  —  von  ver- 
einzelt liegenden  teilen  abgesehen  —  auf  französisch,  proven- 
zalisch  und  die  benachbarten  dialekte  des  italienischen  (die 
sog.  gallo-italischen  mundarten).  Man  hat  diesen  wandel  daher 
auf  den  einfluss  der  Kelten  zurückgeführt,  welche  den  laut 
des  ü  nicht  gekannt  und  durch  das  ihnen  geläufigere  ü  er- 
setzt hätten.  Allerdings  ist  das  ü  für  u  in  manchen  teil- 
gebieten  allem  anschein  nach  erst  in  nachkeltischer  zeit,  in 
kleinen  einzelgebieten  überhaupt  nicht  eingetreten,  so  dass 
statt  des  lautersatzes  (lautsubstitution)  auch  vom  keltischen 
unabhängige  allmähliche  lautverschiebung  (spontaner  lautwandel, 
wie  z.  b.  bei  betontem  a  in  freier  silbe:  mare—>mer)  in 
betracht  kommen  könnte.  Den  lautwandel  ü-^ü  als  einen 
ursprünglich  bedingten,  durch  i-umlaut  hervorgerufenen  zu 
erklären  ist  sehr  gewagt,  da  die  formen  mit  nachfolgendem 
*  die  weitaus  selteneren  sind:  nülH  gegen  nüllus,  -um,  -os,  -a, 
•as;  bei  jüro  und  anderen  verben,  bei  Hugo,  plus  usw.  kommen 
i-formen  überhaupt  nicht  in  betracht.  Bemerkenswert  ist  auch, 
dass  der,  wandel  ü—yü  nicht  nur  in  offener  (auf  vokal  aus- 
gehender) silbe  {ü-num),  sondern  auch  in  geschlossener  (mit 
konsonant  schliessender:  nül-lum)  eintritt,  dass  er  nicht  nur 
die  tonsilben,  sondern  auch  die  nebentonigen  silben  ergreift 
(vgl.  jurer.  juise,  muer,  Hugön),  während  sonst  der  umlaut  wie 
die  übrigen  unter  dem  hauptton  in  offener  silbe  eintretenden 
lautveränderungen  ausschliesslich  für  die  vokale  solcher  silben 
charakteristisch  und  nur  in  diesen  möglich  sind.  Das  spricht 
durchaus  gegen  die  annähme  eines  «-umlauts  und  zugleich  für 
lautsubstitution  oder  allenfalls  spontanen  lautwandel. 

III.  Der  endvokal:  das  auslautende  u  fällt  ab. 
Vgl.  noch: 


diurnum-^jorn  1 

aurum—>or  3 

monasterium  — »■  mostier 

merum-*mier 

Caput  — ►  Chief  2 

bellum,  melius-^  hei,  mich 

/ 


Erster  Teil:  Text. 


Ebenso  finden  wir  aber  auch  für: 
lat.  i:  V.  4  out  (habuit),  7  prist  {*prensit^)  für  prehendit), 
lat.  e:  v.  2  croi£!  (crucem),  3  dont  {de  unde),  4  barons  (barones), 
lat.  o:  V.  4  Chevaliers  {caballarios)\ 
hingegen  für  lat.  a:  v.  2  prise  (prehensam),  corone  (coronam), 
3  ceinte  (cinctam),  espee  {spatham). 
Daraus  ergibt  sieh  die  regel: 

Die  vokale  der  unbetonten  endsilben  ver- 
stummen ausser  a,  das  als  e  erhalten  bleibt. 
Wie  die  beispiele  lehren,  ist  es  gleichgiltig,  ob  der  vokal 
im  auslaut  steht  oder  ob  noch  ein  konsonant  folgt.  Die  Voraus- 
setzung des  verstummens  ist  die  schwache  betonung  der  end- 
Silbe  (hervorgerufen  vielleicht  durch  eine  verstärkte  betonung 
der  tonsilbe  oder  durch  rasches  Sprechtempo).  Der  vokal  a 
ist  voller,  schallstärker  als  die  übrigen,  daher  er  keinen  voll- 
ständigen ausfall,  sondern  nur  eine  verdumpfung  erfährt. 

Das  gesetz  wirkt,  ähnlich  wie  das  vorhergehende,  im  fran- 
zösischen, provenzalinchen  und  in  den  gallo-italischen  mundarten. 
Verstummen  von  endvokalen  untör  bestimmten  bedingungen 
(nach  gewissen  konsonanten)  ist  in  verschiedenen  romanischen 
sprachen  und  mundarten  zu  beobachten. 

IV.  Die  nasalierung  und  die  entwicklung  der  aus- 
spräche im  neufranzösischen.  Es  ist  unsicher,  wann  die 
vokale  vor  nasal  {n  oder  m)  nasalen  klang  bekamen'  doch  ist 
es  vom  lautphysiologischen  Standpunkt  aus  wahrscheinlich, 
dass  die  nasalierung  bei  allen  vokalen  gleichzeitig  eintrat. 
Die  nasale  ausspräche  hatte  teilweise  auch  eine  Veränderung 
der  klangfarbe  (wie  en-^ä)  zur  folge,  jedoch  ist  diese  Ver- 
änderung bei  den  einzelnen  nasalvokalen  zu  sehr  verschiedenen 
Zeiten  eingetreten.  Jedenfalls  wurde  in  der  lautgruppe  un  zur 
zeit  unseres  gedichtes  wirklich  ü  und  nicht  ö  gesprochen,  wie 
die  assonanzen  v.  744  flf.  {lui — bruns — jus)  mit  Sicherheit  lehren. 
Doch  schliesst  dies  nicht  aus,  dass  der  vokal  schon  eine 
nasalierte  färbung  hatte  und  etwa  wie  ü  (oder  noch  mit  nach- 
folgendem nasalkonsonaut  üng,  wie  noch  in  neuprovenzalischem 
un)  lautete.     Erst  nachdem   die  nasalierung  eingetreten  war 


1)  Mit  *  pflegt  man   die  erschlossenen,    in   der  schriftlichen  Über- 
lieferung nicht  belegten  worte  und  formen  zu  bezeichnen. 


I.  Laisse.    1.  Vers:  Un,  jom.  9 

und  eben  unter  der  Wirkung  dieser  hat  der  vokal  die 
neigung  zur  oflfoeren  (helleren)  ausspräche  angenommen.  Die 
heutige  ausspräche  ö  ist  erst  im  16.  Jahrhundert  durch- 
gedrungen. 

Regel:  Vokal  vor  nasal  (n.m)  wird  nasaliert. 
Darnach  in  lat.  geschlossener  silbe: 

sanctum—*- Saint = satt  (satngt)  1 
unquam  +  s  — >•  onques  =  ökes  (ongJces)  9 ; 
in  lat.  offener,  franz.  geschlossener  silbe: 
unum--*un  =  ü  (üng) 
bonos— *-bons  =  lös  (böngs)  22; 
in  lat.  und  franz.  offener  silbe: 

coronam—*-corone  =  coröne  (coröngne)  2 
plenam—>pleine  =  pleine  (plefngne)  8. 
Die    daraus   folgenden   Veränderungen  der  klangfarbe  jedoch 
gehören  meist  (ausser  en-*ä)  erst  der  neufranzösischen  periode 
an.     Die   nasalierung   an    und    für  sich   wurde  nach   Suchier 
bereits  im  9.  Jahrhundert  durchgeführt. 

jorn:  lies  disorn  (d  +  stimmhaftes  seh,  wie  in  nfr.  jour). 
Aus  lat.  diurnum  (ursprünglich  adjektiv,  aber  schon  lateinisch 
in  bestimmter  bedeutung  substantiviert)  an  stelle  von  dies,  das 
noch  neufranzösisch  in  midi  und  in  den  namen  der  Wochen- 
tage, altfranzösisch  auch  noch  als  simplex  (kasus  rektus  dis, 
obliquus  di)  erhalten  ist. 

I.   Abfall  des  -m  in  lat.  zeit  wie  un  I. 

IL  Der  tonvokal:  lat.  w,  der  klangfarbe  nach  offener  als 
das  ü  in  unum,  dem  tiefen  ö  ähnlich  klingend.  Vergleiche  etwa: 

unum        diy.rnum       höra 
mit  deutsch    mut  m\(tter  ton. 

Regel:     Lat.   kurzes  (offenes)  u  wird   zu   ge- 
schlossenem 0. 

Beispiele : 

crucem—*croi0  2  süpra—>sor{e)  16 

de  ünde-*dönt  3  mültum—*molt  17 

de  sübtus~*desois  7,  9  tUrrem—*-tor  36. 

unquam-^  onques  9 


/SB— Ä  *fiii^  (ifc 


Betoates  lal  m  (^  wt  f«l^B4eM  t  wird 
ZV  «  (i-mmla«t)u 

Orüe 


«■i  kÖMB  artikel  (igl. 


(tue  ver  4er  fcTaie^ 


1.  V«:  M,  I, 

n.  Der  Tokal  der  erkaltemea  silke  wdhm  e  ae^ea  ^ie^ 
/t  setzt  daher  (ebeam  wie  die  fc««yttpi 
ä  fi&i  *d)  ein  i  im  der  endn^  vtnuM:  iÜL  Diem  i 
Tonekinlefle  weise  erklärt:  m  «■§  i— Mg ^Ri WiImImi  «4« 
erweiterten  formen  wie  üOüe  (üle  +  Uc)  «der  dKe  (aBn);  «m 
dafi^ksten  Tielleicht  anf  aariogiaekeB  w^e  dar^  «akildaag 
nach  dem  relativproiMMMa  (fraaz.  aaek  ftag>.pioaMira)  ^iL 
Vgl  daza  aneh  oben  *tnmi  (frx.  Im),  das  ak  aaalogkMda^g 
nach  dem  fra^pronomen  emi?  (uuk  aad«r^  aas  ttli  Ätnc) 
«klärt  wird. 


III.  Nenfranz5sisch  U  geht  nicht  anf  dea  kasas  lektas 
U,  gondem  anf  den  obliqans  le  {lo)  xnrfiek.  d«-  aas  lat  iWwai 
in  der  proklise  entstanden  ist,  wie  {<  ans  tITl.  und  ftlr  die 
nominatirform  eintritt,  wie  beim  unbestimmte  artikel  «m 
(mmmw)  ftlr  MJis  (tuMtö)  nnd  beim  snbstaatiT  jomr  (<•— dmniMN) 
(fb  jomrs  (^—dimnms), 

reis:  lat  rfjc. 

L    Lat  X  bezeichnet  einen  snsammengesetxtea  lant:  c  4-  ^ 
Regel:  Lat  x  {^=cs)  wird  sa  is  (ror  vokal  «»  geaekr.  rar 
bezeichnung  des  stimmlosen  v<f-lautes). 
Weitere  beispiele: 

frttxinmm—^frmsme  80 
*exivenmt  (fftr  exiv€runt)-*eissireni  100 
*axaUm  (von  ajcem)—*'a%ssitl  (285) 
uxorem—^oissor  (880). 

Ebenso  entwickeln  sich  ähnliche  konsonantengrnppen  (c^, 
net,  er): 

et-*ii:  facta -*fuite  59 

ociaginta—^oitante  96 
lacte  (sn  lae)-*'ktity  daxn  aUtit4xt  187 

nodem-^nmt  237,  246 
eoHiraetus-os-*€ontrmä  193,  258 
nct—*'iHt:  sanctum—t-sqint  1 

cinctam-^cetHte  3 
pinctum-^print  113 
cr—^ir:         sacramentum—^sairement  35 
fac(e)re-*  fuire  198. 


12  Erster  Teil:  Text.    ^ 

fo  '*—*foet  -*—  fuit    zeigt    an    stelle    der    aogenommenen    Ver- 
schmelzung regelrecht  verlast  des  endvokals. 

So  bleibt  kaum  et^as  anderes  übrig  als  das  m  durch  Um- 
laut, durch  den  einfluss  des  folgenden  z,  zu  erklären,  das  der 
ersten  und  zweiten  person  eigen  ist:  fm—*-füi,  *fü(t)sti  (für 
fuisti,  nach  füi,  füit) —*- füst.  Das  lat.  ü  =  romanisch  o  erhält 
zur  lippenwölbung  des  labialvokals  die  zungenstellung  des  i 
und  wird  so  zum  mittellaut  ü. 

Vgl.  noch:  cui—>cui  (672) 

*illui  (für  dativ  üli)—*-lui  77- 
Höttl  (für  töd)->tuit  203. 

Regel:   Betontes  lat.  m  (p)  vor  folgendem  *  wird 
zu  ü  (2-umlaut). 

Da  nur  geschlossenes  i  (lat.  *),  nicht  aber  (zu  e  werdendes) 
offenes  i  umlaut  bewirkt,  muss  in  den  übrigen  4  formen  von 
fui  das  ü  lautgerecht  zu  o  werden,  wie  es  durch  die  altproven- 
zalischen  formen  bestätigt  wird  und  auch  für  die  vorliterarischen 
formen  des  französischen  vorausgesetzt  werden  muss: 

Prov.  fuiy  fust,  fo,      fom,       fotz,       foron 

Vorlit.  Franz.    fui,  jus,    *fot,  *fomes,  *fostes,  *forent 
Altfranz.  fui,  fus,    fut,    fumes,    fustes,    furent. 

Sein  auslautendes  t  hat  fut  schon  im  12.  Jahrhundert,  in 
einzelnen  dialekten  sogar  schon  im  11.  Jahrhundert  verloren. 

li :  lat.  nie  {Uli). 

I.  Das  latein  kennt  von  haus  aus  keinen  artikel  (vgl. 
dagegen  das  griechische  und  deutsche).  Dieser  findet  sieh  zuerst 
bei  konkreten  im  nom.,  erst  später  im  akk.  und  bei  abstrakten. 
Ursache  ist  das  bestreben,  bestimmte  und  unbestimmte  form 
auseinanderzuhalten  (lat.  rea;  sowohl  der  könig  als  ein  könig). 
Hierzu  bietet  sich  von  selbst  das  demonstrativpronomen  dar 
(vgl.  deutsch  der,  die,  das):  ille  rex,  illa  Corona.  Von  der  ur- 
sprünglich demonstrativen  bedeutung  [ille  rex  j^ner  kö'nig)  zum 
blossen  artikel  herabgesunken  {ille  rex  der  kö'nig),  verliert 
das  pronomen  seinen  selbständigen  accent,  es  wird  proklitisch: 
daher  die  Verkürzung  durch  Verlust  der  ersten  silbe. 


I.  Laisse.     1.  Vers:  fut,  li,  reis.  13 

IL  Der  vokal  der  erhaltenen  silbe  sollte  e  zeigen  (Je\ 
U  setzt  daher  (ebenso  wie  die  haupttonige  form,  das  pronomen 
il  für  *eZ)  ein  i  in  der  endung  voraus:  Uli.  Dieses  i  wird  auf 
verschiedene  weise  erklärt:  so  aus  zusammengesetzten  oder 
erweiterten  formen  wie  illhic  {ille  -\-  hie)  oder  illic  (ilUce);  am 
einfachsten  vielleicht  auf  analogischem  wege  durch  Umbildung 
nach  dem  relativpronomen  (franz.  auch  fragepronomen)  qul. 
Vgl.  dazu  auch  oben  *dlui  (frz.  lui),  das  als  analogiebildung 
nach  dem  fragepronomen  cui?  (nach  anderen  aus  Uli  huic) 
erklärt  wird. 

III.  Neufranzösisch  le  geht  nicht  auf  den  kasus  rektus 
li,  sondern  auf  den  obliquus  le  (lo)  zurück,  der  aus  lat.  illum 
in  der  proklise  entstanden  ist,  wie  li  aus  Uli,  und  für  die 
nominativform  eintritt,  wie  beim  unbestimmten  artikel  un 
{unum)  für  uns  {unus)  und  beim  Substantiv  jour  {-*--  diurnum) 
für  jours  (-«—  diurnus). 

reis:  lat.  rsx. 

I.    Lat.  X  bezeichnet  einen  zusammengesetzten  laut:  c  +  s. 
Regel:   Lata?  (=  es)  wird  zu  is  (vor  vokal  iss  geschr.  zur 
bezeichnung  des  stimmlosen  s-lautes). 
Weitere  beispiele: 

fraxinum—*- fraisne  80 
*ex{verunt  (für  exivSrunt)-*  eissirent  100 
*axalem  (von  axem)-^  aissiel  (285) 
uxorem-*oissor  (330). 

Ebenso  entwickeln  sich  ähnliche  konsonantengruppen  {et, 
nct,  er): 

ct—t-it:  facta— *- faxte  59 

octaginta—^oitante  96 
lade  (zu  lac)-^lait,  dazu  alaitat  187 

noetem-^nuit  237,  246 
eontraetus  -  OS -^  eontrais  193,  258 
nct—*int:  sanctum—^  sqint  1 

einetam—*- ceinte  3 
pinetum—*ptint  113 
cr—^ir:         saeramentum—* sairement  35 
fac{e)re-^  faire  198. 


14  Erster  Teil:  T«xt. 

IL  Der  ton  vokal:  e^,  von  natur  lang  (vgl.  regem)  und 
dementsprechend  geschlossen.    Vgl.  un  IL 

Der  vokal  befindet  sich  in  gedeckter  Stellung,  d.  i.  in  ge- 
schlossener Silbe,  und  erfährt  in  dieser  keine  Veränderung 
seiner  qualität.  Mit  dem  folgenden  i  verbindet  er  sich  zum 
diphthongen  ei,  also:  r§is. 

IIL  Neufranzösisch  roi:  gesprochen  roa,  rud  mit  kon- 
sonantischer ausspräche  des  ersten  bestandteils  des  diphthongen, 
daher  neuerdings  vielfach  durch  rwa  bezeichnet.  Die  form 
entspricht  sprachgeschichtlich  nicht  dem  rektus  reis,  sondern 
dem  obliquus  rei:  wie  beim  artikel  hat  auch  beim  eubstantiv, 
wie  überhaupt  in  der  ganzen  deklination,  die  akkusativform 
die  funktion  des  nominativs  übernommen. 

Lautlich  zeigt  roi  die  entwicklung  des  diphthongen  ei 
zu  oi  (12.  jahrh.)  und  weiter  durch  6e — o4  hindurch  zu  od 
{ud,  wo).  Die  ausspräche  od  für  o4  ist  in  der  gebildeten  gesell- 
schaft  erst  seit  der  grossen  revolution  herrschend  geworden, 
in  der  Pariser  Volkssprache  (vereinzelt  auch  in  der  höflings- 
sprache)  ist  sie  schon  seit  dem  16.  Jahrhundert  belegt.  Die 
Schreibung  ist  seit  dem  12.  Jahrhundert  gleich  geblieben. 

Charles:  lies  tsarles  (mit  ts  =  tsch),  aus  dem  deutschen 
namen  Karl  mit  latein -romanischer  endung  -us  oder  -os:  Karlos, 
Carlos.  Das  mittelalterliche  Carölus  ist  gelehrte  form  (ganz 
verkehrt  ist  die  modern  häufige  betonung  Carölus,  Carola). 

I.  Der  tonvokal:  das  a  steht  hier  in  einer  silbe,  die 
auf  konsonant  ausgeht,  in  sogen,  geschlossener  silbe  oder  in 
gedeckter  Stellung  (häufig  durch  a]  bezeichnet). 

Eegel:  Betontes  a  in  geschlossener  silbe  bleibt 

als  a  erhalten. 
Beispiele : 


sanctum—>  Saint  1 
zu  germ.  warden  —  reguardet  5 
tantum  — *■  tant  10 


quando —>  quant  15 — 17 
dlta -ehalte  36 
contra  vallem—> contreval  37. 

Anders  entwickelt  sieh  a  in  offener  silbe  oder  freier 
Stellung  (worüber  unter  espee  in  vers  3).  Diese  Unterscheidung 
ist  für   die   entwicklung  der  meisten  vokale  sehr  wesentlich: 


I.  Laisse.     1.  Vers:  reis,  Charles.  15 

in  freier  Stellung  unterliegen  die  vokale  stärkeren  Veränderungen 
als  in  gedeckter.  Man  spricht  auch  kurz  von  freien  und  ge- 
deckten vokalen  (frz.  libre  —  entrav^,  engl,  free , —  checked). 

II.  Der  anlautende  konsonant:  germ.  yfc,  das  vor  a  mit 
lat.  c  vor  a  gleich  klang  und  demgemäss  wie  dieses  be- 
handelt wurde. 

Regel:    c  vor  a  wird  zu  ts  (geseh rieben  ch). 

Die  ausspräche  tl  {tsch)  legt  sich  nicht  nur  durch  sprach- 
geschichtliche erwägungen  nahe,  sondern  sie  wird  auch  be- 
wiesen durch  die  wiedergäbe  altfranzösischer  lehnwörter  im 
deutschen  (mhd.  tschastel,  tschastellan  =  chastel,  chastelain; 
alemannisch  tsckappel=  chapel)  und  englischen  {chief,  chantu.a.). 

Weitere  beispiele: 


camelos -^  chameilz  73 
cantavit—*- chantat  115 
capillos -^  chevels  181 
camisia-^chemise  189. 


Caput— schief  2 
cdballarios  — *■  Chevaliers  4 

carum -achter  24 
*incalciare  —*■  enchalcier  29 
cadere-*cadire-^che'ir  31 

III.  Der  vokal  der  endsilbe:  dieser  sollte  nach  der 
regel  zu  un  III  fallen,  bleibt  aber  wegen  der  vorausgehenden 
konsonantengruppe  erhalten. 

Regel:   Der    endsilbenvokal    bleibt    zu    e   ge- 
schwächt als  sogenannter  Stützvokal 
nach     einigen     ohne     vokal     schwer 
spreehbaren   konsonantengruppen  er- 
halten. 
Nach  zwei  ungleichen  liquiden: 
rl:  Karlum—*-Charle 
Ir:  melior -^  mieldre 
nasal  -\-  liquida: 

ml:  insemel—*' ensemble  20 
mr:  marmor —*  marbre  113 
nr:  tener —*•  tendre 
l  -f  nasal: 

Im:  d.  helm—*helme 

d.  Wüihelm-^Guillelme 
In:  alnum-^alne 


16  Erster  Teil:  Text. 

nach  zwei  UDgleichen  nasalen: 

mn:  dammun-^damno  (Eide),  daneben  dam 
somnum  — »•  somne 
dental  +r: 

tr:  vostrum—^vostre  50 
Petrum -^  Piere  181 
labial  4-  r: 

pr:  piper—^peivre  211 
br:  febrem—t'ßevre 
labial  + 1: 

pl:  duplum—* döble 
fl:  inflo—^-enfle 
konsonant  +  Zischlaut: 

bi:  *sabium-^sage 

mni:  somnium-^ songe 

M^ :  *riMium  -^  Hohe. 

IV.  Neufranzösisch  Charles  hat  die  ausspräche  sarl. 
Der  ^Vorschlag  ist  schon  um  die  wende  des  12.  und  13.  jahrhs. 
verstummt,  nicht  viel  später  das  auslautende  s,  erst  in  neu- 
franz.  zeit  das  e  der  endsilbe. 

In  nfr.  Charles  ist  nicht  wie  in  roi  (vgl.  oben)  die  form 
des  obliquus  {Charle  130),  sondern  die  des  rektus  bewahrt. 
Bei  Personennamen  und  überhaupt  bei  persönlichen  begriffen 
trägt  häufig  die  rektusform  den  sieg  über  die  des  obliquus 
davon,  weil  jene  bei  solchen  worten  im  allgemeinen  häufiger 
gebraucht  wird  als  diese  und  altfranzösisch  namentlich  auch 
in  der  anrede  steht  (vgl.  nfr.  fi,ls=-filius,  sceur  =  soror). 

al:  die  präposition  a  (lat.  ad)  mit  der  enklitischen  akkusativ- 
form des  artikels,  al80  =  a  le,  d.  i.  ad  illu{m)  oder  ad  illu{d). 

I.   ad—*a. 
Regel:   Lateinisch  auslautendes  d  verstummt. 

Auslautendes  d  ist  schon  im  lateinischen  selten  und  zum 
teil  bereits  vor  dem  eintritt  des  lautgesetzes  auf  analogischem 
wege  beseitigt  worden.  So  wurden  die  pronominalbildungen 
illud,  aliud  durch  angleichung  an  die  regelmässigen  neutra  der 
II.  deklination   zu  illu{m\  aliu{m)  oder  *alu  (afr.  el),  so  auch 


I.  Laisse.    1.  Vers:  Charles,  al.  17 

das  mit  seiner  enduug  isoliert  stehende   Substantiv   caput  zu 
capu{m)  umgestaltet. 

Lautlich   regelrechten   abfall  des  -d  zeigen  ausser  ad— ►«: 

konj.  quod  —  quid  —*-  que  30,  38,  43  u.  ö. 
pronomen  quid—*-quei  (305). 

Das  d  fällt  vor  folgendem  konsonantischen  anlaut  früher 
als  vor  vokalischem:  a  grant  honestet  neben  ad  une  spede, 
que  por  nos  neben  qued  ele  (Eulaliasequenz,  ende  9.  jahrhs.)- 

II.  Die  artikelform.  Die  unverkürzte  form  lautet  le 
(neben  lo  in  ältester  zeit),  die  sich  unter  der  Wirkung  der 
proklise  regelrecht  aus  illum  {iUud)  entwickelt  hat  wie  li  aus 
ilH  (vgl,  oben  li).  Der  endvokal  muss  im  einsilbigen  wort  als 
silbenträger  notwendig  erhalten  bleiben. 

Beispiele  für  die  volle  obliquusform  siehe  7  le  poin, 
39  le  rei. 

In  Verbindung  mit  gewissen  präpositionen  wird  die  so 
entstandene  artikelform  enklitisch,  d.  h,  sie  giebt  ihren  aecent 
an  die  vorausgehende  präposition  ab,  verschmilzt  mit  dieser  zu 
einem  wort  (vgl,  deutsch  am,  im,  zum)  und  verliert  dann  wie 
andere  mehrsilbige  worte  nach  der  regel  un  III  den  endvokal. 
So  entwickeln  sich: 

ad  illo—*a  le—>al,  vgl.  noch  v.  6,  134,  135 
de  illo-^de  le—*-del,  vgl.  del  rei  4ö,  165,  187 
in  iUo—>en  le—*el,  vgl.  el  chief  10,  96,  99. 

In  ähnlicher  weise  verschmelzen  mit  denselben  prä- 
positionen auch  die  pluralformen  des  artikels: 

a  les-^als-^as:  as  piee  31,  as  muh  89 
de  les—>dels-^des'.  des  clous  175,  des  chevels  181 
en  les—>els-^es:  es  chies  20. 

Ausser  en  sind  es  also  die  vokalisch  auslautenden  einsilbigen 
Präpositionen,  welche  eine  leichte  Verschmelzung  gestatten. 
Präpositionen  hingegen,  welche  mehrsilbig  sind  oder  auf  r,  s 
usw.  ausgehen,  wirken  nicht  enklitisch: 

par  le  poin  7,  sor  le  huc  55. 

Der  weibliche  artikel  la  behält  auch  in  der  Zusammen- 
setzung   mit   den   genannten   präpositionen   seine   volle   form, 

Voretzsoh,  Studium  d.  afrz.  Sprache.    .0.  Aufl.  2 


18  Erster  Teil:  Text. 

die  sich  in  der  enklise,   weil  unbetont  stehend,  eigentlich  zu 

le  entwickeln  sollte   (vgl.  un  III).     Die  mit  dem   masculinum 

gleichlautende    pluralform    les   unterliegt    natürlich   denselben 

Veränderungen  wie  dieses: 

de  la  plus  halte   tor  36,  90  —  de  les— *■  des  {kaltes  tors) 

a  la  sale  60,  107  —    a  les-*as    {herber ges)  111 

en  la  terrt  74  —  en  les -^  es  {chaieres)  121. 

III.  Neu  französisch  au.  Altfrz.  al  entwickelte  sich  vor 
konsoDant  unter  vokalisierung  des  l  zu  au  (wie  caballos-^ 
chevals —>  chevaus  —  chevaux,  aUerum-^altre~-*-autre).  Vor 
folgendem  vocal  blieb  al  (wie  in  Chevaliers,  devaler,  so  auch 
in  ä  Vautre,  ä  Phomme  u.  ä.). 

mostier:  lat.  *monisterium  für  tnonasteriumt—grieQh. 
fiovaoxrjQiov.  Die  wortbildungsendung  -asterium  wurde  durch 
die  weit  häufigere  enduug  -isterium  ersetzt  nach  dem  muster 
von  baptisterium,  ministerium  u.  ä.  Monasterium  hätte  den 
unbetonten  vortonvokal  a  nicht  verlieren  dürfen. 

I.  Dasgenus.  Das  lat.  neutrum  hat  sich  französisch  nur 
in  pronomen  und  adjektiv  erbalten.  Die  substantivneutra 
sind  in  der  regel  maskulina  geworden,  mit  denen  sie, 
zumal  in  der  IL  deklination,  in  vielen  formen  übereinstimmten. 
Vgl.  im  folgenden:  chief-t—caput  2,  ponx<—pomum  +  5  3, 
or<—aurum  3. 

IL  Die  endung  ^rium.  Diese  wird  über  -eriu  (siehe 
un  I)  -erio  (jorn  II,  III  a)  zu  -ier  (vgl.  zum  endvokal  un  III). 
Die  diphthongierung  des  ?  zu  ie  erklärt  sich  wahrscheinlich 
durch  die  einwirkung  des  folgenden  i.  Das  zu  erwartende  ie'/- 
(mit  jotaziertem  r)  -ieir  wurde  zu  -ier  reduziert,  weil  von  zwei 
benachbarten  gleichen  lauten  leicht  der  eine  differenziert  wird 
(wie  r  in  peregrinum—>pelerin)  oder  völlig  beseitigt  wie  hier  * 
(dissimilation). 

III.  Der  ausfall  des  unbetonten  vortonvokals  i. 
Gehen  wir  von  dem  grundwort  *monisterium  oder  ^monisterip 
aus,  so  liegt  der  hauptaccent  oder  hochton  auf  der  silbe  -ste{r)-: 
*monisterio.  Die  beiden  silben  mo-ni  stehen  vor  der  tonsilbe 
und  können  als  vortonsilben  bezeichnet  werden,  die  vokale 


I.  Laisse.    I.Vers:  al,  mostier.  19 

dieser  silben  als  vortonvokale.  Geht  der  tonsilbe  nur  eine 
vqrtoDsilbe  voraus,  so  trägt  diese  den  nebeuaccent  und  bleibt 
unverkttrzt:  cörönam  —  corone,  signavit  —  seignat  (typus  — — x)» 
Wir  können  solche  silben  als  nebentonige  vortonsilben 
bezeichnen.  —  Gehen  dem  hauptton  zwei  silben  voraas,  so 
hat  notwendigerweise  nur  die  eine,  und  zwar  die  von  der 
tonsilbe  am  weitesten  entfernte  silbe  den  nebenaccent,  sie  ist 
nebentonig*  wie  in  unserem  falle  die  silbe  mo-:  *mönisterio. 
Die  zwischen  nebenton  und  haiiptton  eingeschlossene  silbe  -ni- 
ist  infolgedessen  die  schwächst  betonte:  sie  lässt  sich  als  un- 
betonte vortonsilbe  bezeichnen  (typus  _lx-x)-  Der  vokal 
dieser  silbe  steht  also  unter  ähnlichen  Verhältnissen  wie  der 
vokal  der  unbetonten  eudsilbe  und  wird  dementsprechend  be- 
handelt:-*monisterio—**monsUer.  Dem  unbetonten  vorton- 
vokal  folgende  oder  vorausgehende  schwere  konsonanten- 
gruppen  hindern  naturgemäss  den  ausfall  des  vokals. 

Regel:  Die  unbetonten  vortonvokale  vor 
leichter  konsonanz  fallen  ausser  a, 
das  als  e  erhalten  bleibt. 

Beispiele: 

* adrationare—** adräiiondre  — >•  araisnier  8 
dvitdtes -weites  11 
j  fbrtimente—* forment  31 

"^bärordtus-^harnez  50 
saper e  haheo—*-*üäperdip—>savrai  51 
"^mentitionea  —**mentii^önia  —>  mengonge  52 
prendere  habeo-^*prenderdio—*prendrai  57 
öfferenda  — >  ofrende  59. 
Beispiele  für  a: 

bella  mente-*bellamente—>belement  16 
portare  habemus —>*pbrtaremus —>  porterons  20 
•       mandare  habeo—>*mändardj^o—*manderai  22 
säcramentum-^sairement  35. 

Das  gesetz  ist  speciell  galloromanisch,  ist  jedoch  schon 
TOr  den  Slrassburger  Eiden  eingetreten  (prindrai).  Man  nennt 
es  häufig  nach  Ars^oe  Darmesteter,  der  es  zuerst  formuliert 
hat,  das  Davmesteter'sche  gesetz.    Unter  engeren  bedingungen 

2* 


20  Erster  Teil:  Text. 

(besonders  bei  l,  r,  n,  aber  auch  sonst)  gilt  es  auch  für  das 
italienische:  vgl.  cittä,  harnagio  {■*^'^baronaticum),  saprö,  ami%tä 
mit  den  entsprechenden  formen  oben. 

IV.  Das  verstummen  des  n:  "^monstier-^mostier. 

Regel:   Lat,  n  vor  s  verstummt  unter  dehnung 
des  vorausgehenden  vokals. 

Vgl.  noch: 

prehensam  -^prensam  -^prise  2 
perf.  prehendit~^*prensit-^prist  7,  8 

Constanünopolim  — >  Costantinoble  47 

trans-^tres  102  {detres  81) 
menses-^meis  204 
insula—*-isle  (ile),  monstrare-^mostrer  usw. 

Das  gesetz  tritt  bereits  in  gemeinromanischer  (lateinischer) 
zeit  ein  (vgl.  ital.  preso,  mese,  isolä),  ist  also  an  sich  älter 
als  das  vorige,  hat  aber,  wie  die  beispiele  zeigen,  auch  in 
späterer,  französischer  zeit  noch  gewirkt. 

V.  Neufranzösisch  ist  mostier  regelrecht  zu  montier  ge- 
worden:  s  vor  stimmlosem  konsonant  verstummt  am  ende  des 

12.  jahrbs.  (wie  espee  S-^epee,  prist  7-^prit,  ve'istes  9—*-vUes, 
respondiet  12— >repondit,  dist  13—*'dit)j  während  es  vor  stimm- 
haften konsonanten  (vgl.  fraisne  80,  meismes  139,  hisdos  [384], 
isle)  schon  früher,  jedenfalls  vor  der  eroberung  Englands  1066 
durch  die  Normannen,  verstummt  ist,  wie  die  englischen  lehn- 
wörter  isle,  hideous,  dine,  hlame  gegenüber  estate,  feast,  tempest 
lehren. 

Freies  o  (p  oder  q)   in   nebentoniger  vortonsilbe  wird  im 

13.  jahrh.  zu  u  (=  nfr.  o^t  wie  corone  2-^couronnc,  coronee  6 
—*■  couronnee,  poez  \^—*pouvez). 

Die  form  montier  ist  heutzutage  veraltet,  aber  noch  in 
Ortsnamen  —  Marmoutier  <— Mauri  monasterium  —  vorhanden. 
Das  dafür  eingetretene  monastere  ist  wieder  aus  dem  lateinischen 
entlehnt,  es  findet  sich  zuerst  in  texten  des  14.  jahrhs. 

Saint  Denis:  sanctum{-6)  Dionysmm{-o)  für  sancti  Dionysii 
=  des  heiligen  Dionysius. 


I.  Laisse.     1.  Vers:  mostier,  saint  Denis.  21 

I.  Der  akkusativ  für  den  genetiv.  Diese  konstruktion 
ist  in  der  ältesten  zeit  (bis  ende  des  12.  jahrhs.)  bei  eigen- 
und  personennanien  durchaus  üblich  und  jedenfalls  weitaus 
häufiger  als  die  Umschreibung  mit  de.  Historisch  erklärt  sie 
sich  am  wahrscheinlichsten  aus  dem  lat.  dativ,  der  in  dieser 
Verwendung  zunächst  als  dativus  finalis  erscheint  —  vgl.  pa- 
bulum  ovibus,  suhsidia  dominationi,  custos  saluti,  seditioni 
duces,  rector  juveni  — ,  bei  personennamen  aber  leicht  in  den 
possessiven  sinn  tibergeht:  administer  dis  magnis,  legatus 
fratri,  adjutores  triumviriSf  Sejano  fautores,  Druso  proavus. 
Im  franz.  wird  die  konstruktion  meist  im  sinne  des  lat.  gene- 
tivus  subjectivus  gebraucht,  kann  aber  auch  im  sinne  des  gen. 
objectivus  gebraucht  werden,  wie  die  beispiele  zeigen: 

por  amor  JDeu  32  —  um  der  liebe  Gottes  (zu  Gott)  willen 
la  terre  Damne-Deu  69  —  das  land  Gottes 
a  Damne-Deu  comant  91      1       f  h  f  hl  r  t+ 
al  comant  Damne-Deu  252  j 

del  tresor  Vamiral  (432)  —  vom  schätze  des  emirs 
par  le  comant  Charlon  (494)  —  auf  befehl  Karls 
la  gent  le  rei  Hugon  (559)  —  das  volk  des  königs  Hugo 
lez  la  fille  le  rei  (714)  —  neben  der  tochter  des  königs 
fil  le  conte  Aimeri  (739)  —  Sohn  des  grafen  Aimeri 
Dieus  i  fist  grant  vertut  por  amor  Charlemaigne  (791)  — 
aus  liebe  zu  Karl  d.  gr. 

Saint  Denis  könnte  freilich  ebensogut  sancti  Dionysii  wie 
sancto  Dionysio  sein,  aber  die  namensformen  Dieu,  Charlon^ 
Hugon,  auch  le  rei,  le  conte  lassen  sich  nicht  auf  genetivformen 
wie  De«,  Uugonis,  regis  zurückführen.  Rein  formell  könnte 
freilich  auch  der  akkusativ  in  betracht  kommen,  den  man 
früher  in  dieser  konstruktion  verborgen  glaubte,  der  aber 
syntaktisch  unmöglich  ist.  Reine  akkusativformen  wie  die  des 
artikels  le  =  illum  (nicht  Uli)  in  le  rei,  le  conte  sprechen 
nicht  dagegen,  sie  sind  einfach  nach  dem  muster  der  eigen- 
namen  gebildet,  deren  ursprüngliche  dativform  mit  der  akkusativ- 
form zusammenfiel  und  kurzweg  als  obliquus  empfunden  wurde. 
Spuren  dieses  gebrauchs  im  nfr.  sind  bildungen  wie:  Hotel- 
Dieu,  Fete-Dieu,  la  (sc.  fete)  Saint-Jean,  eglise  Saint  Pierre, 
auch  de  par  {de  parte)  le  roi  u.  ä. 


22  Erster  Teil:  Text. 

Meist  folgt  dieser  obliquus  dem  regierenden  wort.  Er 
kann  jedoch  auch,  wie  hier  in  unserem  falle,  vor  das  regierende 
nomen  treten  (vgl.  noch  pro  deo  amur  in  den  Strassburger 
Eiden  mit  dem  oben  aus  v.  32  citiertem  beispiel).  Hierbei 
kann  das  regierende  nomen  den  artikel  verlieren:  a  JDamne- 
Deu  comant  91,  seltener  der  abhängige  obliquus  (en  la  rei 
prison  =  en  la  prison  le  rei). 

Der  gebrauch  dieses  genetivs  beschränkt  sich  schon  im 
altfranzösischen  auf  solche  fälle,  wo  der  als  genetiv  dienende 
obliquus  eine  pergon  bezeichnet.  Mit  sächlichen  begriffen 
findet  sich  eine  ähnliche  konstruktion  nur  nach  einigen 
akkusativen,  welche  in  Wirklichkeit  die  bedeutung  einer  prä- 
position  oder  eines  präpositionalen  ausdrucks  haben:  destre 
pari  la  citet  (264)  =  rechter  band  von  der  stadt,  par  som 
(d.  i.  per  summum)  Talhe  (239,  248  etc.)  =  bei  beginn  der 
morgenröte. 

IL    Saint:  lies  sa%{n)t,  aus  lat.  sanctum. 
Abfall  des  -m  wie  un  I. 
Abfall  des  endvokals  wie  un  III. 
nct—t-int  siehe  reis  I. 

Neufranzösisch  saint  =  s§.  Das  auslautende  -t  war  hier, 
in  Verbindung  mit  vorausgehendem  nasal,  gestützt,  also  fester 
als  z.  b.  das  isolierte  t  in  fut,  und  hat  sich  allgemein  bis  ins 
13.  Jh.,  vor  vokal  und  in  pausa  (am  satzende)  bis  ins  16.  jh. 
gehalten;  in  liaison  ist  es  noch  heute  hörbar  {le  saint  homme). 
Der  nasale  diphthong  ain  fällt  seit  der  mitte  des  12.  jahrhs. 
mit  ein  zusammen,  wird  aber  erst  im  17.  jahrh.  zum  mono- 
phthongen  ^. 

III.  Denis.  Der  name  Dionysius  ist  ein  heiligenname, 
ist  als  solcher  erst  in  späterer  zeit  in  die  Volkssprache  auf- 
genommen worden  und  entzieht  sich  daher  der  regelmässigen 
entwieklung.  Der  anlaut  müsste  sich  unter  normalen  Ver- 
hältnissen wie  in  diurnum — jorn  entwickeln.  Wahrscheinlich 
wurde  der  name  über  Deonysius  (vgl.  prov.  Daunis)  zu  Denynius, 
woraus  dann  durch  abfall  der  enduug  regelrecht  Denis  wurde. 

Griech.  v  wird  in  älteren  lehnworten  des  latein  zu  u — p: 
d-vQöoq-^torsus  vgl.  trosseg  73,  in  jüngeren  zu  ^ — e:  jiQBqßvteQov 


I.  Laisse.    1.  Vers:  saint  Denis,  Wortstellung.  —  2.  Vers:  Rout.       23 

—^preshUerum-^preveire,  in  der  jüngsten  schielit  zu  i:  (laQzvQiov 
—*-martirie  107. 

Wortstellung:  Beachte  die  in  Version  des  Subjekts: 
Un  jorn  fut  lis  reis  Charles  . . .  Diese  tritt  im  selbständigen 
aussagesatz  regelmässig  ein,  wenn  dieser  durch  ein  adverb 
oder  sonst  eine  nähere  bestimmung  eingeleitet  wird.   Vgl.  noch: 

Ore  entent  la  reine  43 

Ne  fut  itels  harnez  50 

Et  si  prist  il  la  soe  88 

Df^  or  s^en  irat  Charles  91 

Tant  chevalchet  li  reis  93 

As  herherges  repairent  les  fieres  compaignies  111. 

Desgleichen  in  eingeschobenen  Sätzen  (auch  bei  substanti- 
vischem Subjekt): 

'Emperere'  dist  ele  26 
'Par  ma  feil'  dist  li  reis  53 
'Seignor'  dist  V emperere  67. 

In  nicht  eingeleiteten  Sätzen  ist  die  Stellung  des  Subjekts 
vor  dem  verbum  die  regel: 

Charles  li  emperere  reguardet  sa  moillier  5 
Ele  fut  coronee  6. 

Jedoch  findet  sich  auch  in  diesem  fall  inversion  häufig  bei  in- 
transitiven oder  objektlosen  transitiven  verben  (namentlich  bei 
den  verben  des  sagens): 

Chevalchet  V emperere  102,  254 
Respont  li  patriarche  162. 


2.  Vers. 

Rout  prise  sa  corone,  en  croiz  seignat  son  chief. 

Wiederum  hatte  er  seine  kröne  genommen,  im  kreuzeszeichen 
bezeichnete  er  sein  haupt. 

Bont:    aus    re  -\-  hdbuit.      Die   simplexform    out-tr-hdbuit 
findet  sich  z.  b.  in  v.  4,  sie  bedarf  zunächst  der  erklärung. 


24  Erster  Teil:  Text. 

I.  Der  anlaut. 
Regel:   Anlautendes  lat.  h  verstummt. 

Dies  verstummen  ist  allen  romanischen  sprachen  gemeinsam, 
lässt  sich  auch  durch  Zeugnisse  schon  für  die  vorchristliche 
zeit  erhärten  und  wird  (wie  das  verstummen  des  auslautenden  m) 
durch  die  lateinische  prosodie  bestätigt  (vgl.  den  hexameter: 
Quamquam  animus  meminisse  horret  luctuque  refugit). 

Beispiele: 

habet— >at  3,  hdbetis -^  avez  54 
hostem—>ost  29 
*ha  hora  (für  hac  'hora)-^ore  43,  137  und  oft 
hospitale—*-  ostel  237. 

Hier  und  da  wird  das  h  zwar  geschrieben,  z.  b.  huem  122 
(homo),  herbe  212  (herba),  honor  (367,  honorem),  in  anlehnung 
an  die  entsprechenden  latein.  worte.  Einen  lautwert  hat  aber 
dieses  h  nicht,  wie  die  elision  des  artikels  zeigt:  Vhuem, 
Vhonor,  l'herbe.  Die  üblichen  Schreibungen  übrigens  sind  Vuem^ 
l'onor,  Verbe. 

Wie  im  anfang  des  Wortes  fällt  h  auch  im  inlaut  zwischen 
vokalen,  wie  prchendere— * pr ender e  lehrt  (vgl.  prise);  ebenso 
auch  in  Verbindung  mit  konsonanten  (ch,  ph,  th:  c,  p,  t)  wie 
colaphum-^colp  (colper  42). 

IL  Regel:  Das  unbetonte  u  vor  vokal  (hiatus-w) 
wird  konsonantisch  (halbvokal  u). 

Es  ist  dieselbe  regel,  die  wir  früher  bereits  für  das  hiatus-« 
festgestellt  haben  (vgl.  diurnum  III  a).  Das  u  verliert  also 
seinen  silbenwert,  das  wort  wird  um  eine  silbe  verkürzt: 
a-hu-it-^  ab-uit.  Derartige  formen  werden  in  einer  reihe  von 
Worten  vorausgesetzt,  wo  das  u  entweder  nicht  mehr  als  silben- 
bildender vokal  erseheint  oder,  wie  in  der  regel  nach  mehr- 
facher konsonanz,  ganz  ausgefallen  ist. 

Beispiele:      mortua—*-moriua—*morte  52 

annuales -^  annuales —*■  anvels  126     • 
tenmt-->tenult-^tint  180 
-       quattuor -^  quatiuor —*  quatre  204 

battuo —^  battuo —>  bat{s),  wonach  batre  {Q68). 


I.  Laisse.    2.  Vers:  Ront.  25 

III.   Die  lautgrnppe  h  +  hiatus-w. 

Regel:    Einfacher  verschlusslaut  vor  folgendem 
hiatus-M  assimiliert  sich  zu  u. 
Es  entsteht  demnach  tiberall  uu  {w),  gleichgiltig  ob  stimm- 
hafter oder  stimmloser,  labialer,  ve^arer  oder  dentaler  verschluss- 
laut vorausgeht. 


b: 

debui—*-*deuui—*'dui,  vgl.  deüsseiz  56 

p: 
c: 

r- 

*recipuit—>  *receuuit  — >  xegut  107 
sapuit-^*sauuit—>sout  (386) 
placui-**pluuui-^ploi,  vgl.  ploüst  (405) 
aqua—*-*aüün-^ewe  106,  256 

t: 
d: 

potuit—>*pouuit—>pout  (387) 
vidua  —>*veuua  — >  veuve. 

IV.  Der  Stammvokal. 

Regel:    Betontes    a    vor     silbenschliessendem 
labial   wird   zu  o  und  verschmilzt  mit 
u  zum  diphthongen  ou  (p  +  m). 
Beispiele:   vgl.  die   eben   citierten  beispiele  ^sanuit—^-sout 
(386),   placüU—*'*plauuit—*plout,    wonach   placuisset—* ploüst 
(405),  auch  clavum  {clau)-^clou  175  (gegen  clavem  —  clef). 

V.  Der  unbetonte  vokal  der  endsilbe  fällt  nach  un  III. 

VI.  re-hahuit-^rout 

Regel:    In    zusammengesetzten    worten    fällt 
ein  auslautendes  e  des   ersten   Wortes 
vol*   vokalisehem    anlaut   des    zweiten 
aus. 
Beispiele:  de  unde—*-dont  3 

conquaerere  (h)abeo —*- conquerrai  11 
portare  {]i)ahemus —* porterons  20 
mandare  {h)abeo -*  manderai  22 
re-intrare  —*■  rentrtr  (793). 
In  einfachen  worten  (sowie  in  alten  ableitungen)  entsteht 
in  diesem  falle  i  und  weiterhin  hiatus-*.     Vgl.  jorn  Illa. 

VII.    Neufranzösisch  etti  für  0M<.    Dieser  wandel  erklärt 
sich  nicht  durch   lautliche   entwicklung,   sondern   durch   ana- 


26  Erster  Teil:  Text. 

logische  Übertragung.    Das  altfranz.  paradigma  des  perfektums 
lautete  nach  den  entsprechenden  lateinischen  formen: 

hdbui   hahuisti  hdbuit  hahüimus  hdbuisüs     *hdbuerunt 
oi  oüs  out        oümes        oüstes         ourent 

später     oi         eüs         out        eümes        eüstes         ourent 
16.  jh.     {e)ü{s)  {e)ü{s)     {e}ü{f)    {e)üme{s)   {e)ü{s)te{s)  {e)üre{nt). 

Man  sieht  leicht,  dass  die  formen  mit  betontem  Stamm- 
vokal (die  stammbetonten  formen)  nach  denen  mit  unbetontem 
und  nachher  geschwächtem  Stammvokal  (nach  den  endungs- 
betonten formen)  umgebildet  sind,  neben  welchen  noch  das 
Partizipium  eü  (*habütum)  und  die  konjunktivformen  ßässe 
(Äa6MW5em),ew5Äes  usw.  mitgewirkt  haben  mögen.  Das  unmittelbar 
vor  dem  tonvokal  stehende  e  war  schon  im  15.  jahrh.  verstummt 
{e-ü—*'ü,  wie  ve-ü—>vü,  meür—*-niür),  ist  aber  zur  deutlicheren 
bezeichnung  der  form  in  der  schritt  beibehalten  worden. 

Das  kompositum  ravoir  ist  neufranzösisch  nur  noch  als 
defektivum  üblich  in  den  formen  ravoir  und  raurai  mit  der 
bedeutung  'wieder  haben,  wieder  bekommen',  nicht  mehr  als 
hilfsverbum  wie  hier,  wo  rout  prise  =  out  reprise  ist. 

prise:  lat.  prensam.  Schon  lateinisch  finden  sich  neben 
den  vollen  formen  prehendo,  prehendi,  prehensum,  prehendere 
die  formen  mit  ausfall  des  intervokalen  h  und  kontraktion  der 
beiden  e  im  e  (vgl.  rout  I).  Wir  dürfen  daher  ohne  weiteres 
von  der  form  prensam  ausgehen. 

I.    Auslautendes  m  fällt  nach  un  1  {prBnsa). 

IL   Lat.  w  vor  s  fällt  nach  mostier  [pr^sa). 

III.  Unbetontes  a  der  endsilbe  zu  e  nach  un  III  (pr^se). 

IV.  Der  tonvokaL  Dieser  zeigt  keine  regelmässige  ent- 
wicklung.  Das  geschlossene  (lange)  e  in  offener  silbe  sollte 
zu  ei  diphthongiert  werden  wie  in  plena  zu  pleine  (siehe  v.  8), 
mensem-mese  zu  meis.  Das  i  ist  übertragen  aus  anderen 
formen,  wo  es  sich  regelrecht,  durch  umlaut  vor  folgendem  *, 
entwickelt  hatte,  wie  in  pris  "r-^prest. 

V.  Das  in ter vokale  s.  Lat.  s  ist  in  jeder  Stellung 
stimmlos  (hart).  Diese  ausspräche  behält  es  in  Verbindung  mit 
konsonanten,   im   anlaut  und  im   auslaut.     Zwischen   vokalen 


I.  Laisse.    2.  Vers:  Roat,  prise,  sa.  27 

hingegen  nimmt  es  die  stimmhaftigkeit  der  umgebenden  laute 
an.  Dieser  wandel  gelangt  in  der  Orthographie  nicht  zum 
ausdruck.  In  der  wissenschaftlichen  transskription  pflegt  man 
das  stimmhafte  s  mit  ^,  das  stimmlose  mit  s  zu  bezeichnen, 
daher  auch  das  stimmhafte  frz.  j  mit  /  (altfrz.  d^),  das  stimm- 
lose ch  mit  s  (altfr.  ts). 

Regel:    Lat.  s  zwischen  vokalen  wird  stimmhaft. 

Beispiele : 

44  oset  (oser)'*^*atisat  (zu  audeo-ausum) 

112  presenz  zu  presenter  <—praesentare 

171  posez  {poser)<—pausatus  (pausare) 

220  pose-t—pausa. 

Wie  das  beispiel  prise  <~pre(n)sam  zeigt,  ist  die  erweichung 
des  intervokalen  s  erst  nach  verstummen  des  n  vor  s  eingetreten. 
Das  spanische  hat  z.  b.  das  intervokale  5  bis  heute  als  stimmlos 
bewahrt  [presentar,  posar  usw.). 

sa:  latein.  suam. 
1.   Fall  des  auslautenden  m  wie  im  I. 

IL  Mit  dem  substantivum  verbunden  wird  das  Possessiv- 
pronomen wie  der  artikel  (siehe  vers  1  li)  proklitisch,  d.  h.  es 
verliert  seinen  accent  an  das  folgende  Substantiv  und  wird 
selbst  tonlos  {suam  coronam).  Alsdann  erhalten  wir  in  suam 
und  ebenso  in  suum,  tuum  ein  unbetontes  u  vor  vokal,  ein 
hiatus-w,  das  der  regel  nach  (siehe  rout  II)  zu  u  wird:  suam, 
suum,  tuam,  tuum,  und  unter  einwirkung  der  proklise  völlig 
schwindet:  sa,  son,  ia,  ton. 

Sonst  verstummt  u  nach  mehrfacher  konsonanz: 
mortua  — >  mortua  —>  morie  52 
quattuor  —>  quattuor  — ►  quatre  204 

hattuo-*hat{s)  (dazu  latre  668); 
zwischen  konsonanten: 

tenuit—>*tenvt—*'tint  180,  voluit-^voU; 

sowie  im  auslaut  nach  konsonant: 

sanguem  — ►  sangii{e)  — >  sanc  65. 

Regel:  Hiatus-  u  schwindet  nach  mehrfacher 
konsonanz,  zwischen  zwei  konsonanten 


28  Erster  Teil:  Text. 

oder  im  auslaut  nach  konsonant^  sowie 
in  der  proklise. 

III.  Unbetontes  oder  nebentoniges  a  bleibt  in  ein- 
silbigen Worten  erbalten.  Es  handt-lt  sieh  dabei  natur- 
gemäss  nur  um  proclitiea  und  etwa  adverbia,  die  im  satze 
unbetont  oder  nebentonig  werden  können. 

Beispiele : 

präp.  ad—*a  (siehe  v.  1  al  I) 

der  weibliche  artikel  illa(m)-^la:  la  corone  10  u.  o. 
das  unbetonte  pronomen  ülam-^la:  U  la  pristpar  le poin  7 

la  prist  a  araisnier  8 
jam—*ja  33. 

Soweit  diese  worte  im  zusammenhange  des  satzes  auch 
betont  vorkommen,  entwickeln  sie  daneben  eine  zweite  form 
nach  den  regeln  der  betonten  Wörter.  So  wird  illa  als  demon- 
stratives oder  absolutes  pronomen  zu  ele  (v.  6),  mit  regelrechter 
Schwächung  des  unbetonten  a  zu  e. 

corone :  lies  corone  —  lat.  coronam. 

I.  Der  älteste  wandel  in  diesem  wort  ist  der  abfall  des 
auslautenden  m.  Dadurch  fielen  in  der  lateinischen  ersten 
deklination  im  Singular  nominativ  und  akkusativ,  also  die 
beiden  einzigen  im  französischen  erhaltenen  kasus,  vollständig 
zusammen.    So  ist: 

reine  =  regina  und  =  reginam 
femme  =  femina  und  =  feminam. 

IL  Das  unbetonte  a  der  endsilbe  zu  e,  siehe  un  III. 

III.  Der  tonvokal:  Lat.  langes,  d.  h.  seiner  qualität  nach 
geschlossenes  o. 

Regel:  Betontes  ö  in  offener  silbe  bleibt  ö  (vor  nasal  o). 
Beispiele:       pomum  -f-  s—^-ponz  3 
*prodis—*proz  28 
amorem-^amor  32 
illorum—^lor  78 
dolorosam-*  dolor  ose  92 
colores -^  colors  124. 


I.  Laisse.    2.  Vers:  sa,  corone.  29 

Vor  nasal  (corone,  ponz)  entwickelt  sich  p,  das  weiter- 
bin zu  Q  wird,  während  orales  ö  im  12.  jahrh.  über  ou  zu  eu, 
nfr.  ö,  wird  {preu,  leur,  -eus — eux). 

IV.  Der  anlautende  konsonant:  lat.  c  (=Ä). 

Regel:    Anlautendes  c  vor  dunkeln  vokalen 
(o  und  u)  bleibt  als  c  (k)  erhalten. 

Beispiele:  colaphum—>colp,  dazu  colper  42 

cor -^  euer  118 
colores —*- colors  124 
*cuminitiare-^  comencier,  comencat  130 
cultellum—>coUcl  180, 
Das  gleiche  gilt  von  c  vor  konsonant:  croü  2  (crucem), 
crigne  823  (crinea),  croissir  194  (germ.  ^^krostjan). 
Vgl.  dagegen  c  vor  a  zu  ts  unter  Charles  IL 

V.  Der  vor  ton  vokal.  Wir  haben  einen  einzigen,  also 
nebentonigen  vortonvokal  (s.  mostier  III),  der  an  und  für  sich 
erhalten  bleiben  mass.  In  diesem  falle  handelt  es  sich  um  ein 
lateinisch  kurzes  ö,  also  offenes  o,  in  offener  vortonsilbe. 

Regel:  Vortoniges  q  in  offener  silbe  wird  o. 
Diese  Veränderung  ergibt  sich  nicht  aus  der  altfranzö- 
sischen Schreibung  selbst,  wo  q  und  o  in  der  regel  beide  durch 
0  bezeichnet  werden  (normannisch  jedoch  o  durch  u),  wird  aber 
durch  die  weitere  entwicklung  zu  u  (geschr.  ou)  vorausgesetzt 
und  durch  dialektische  (normannische  und  anglonormannische) 
Schreibungen  bestätigt. 

Beispiele :  cgrona  — >  corone  —>■  couronne 

*PQtetis  (fttr  potestis) -^ poez  IS-^pouvez 

dglorosam  — >  dolorose  92  — >  douloureuse 
wie  dolorem  — >  dolorem  —*-  douleur. 
Es  fällt  also  in  dieser  Stellung  ö  und  o  zusammen.    Vgl.  1 
mostier  V. 

VI.  Neufranzösisch  couronne  aus  altfranz.  corone  er- 
klärt sich  im  wesentlichen  aus  dem  vorhergehenden.  Der  ton- 
vokal p  entwickelt  sich  vor  nasalen  kon^onanten  (w,  w)  nicht 
wie  in  /or,  dolor,  proz  zu  eu,  sondern  ist  selbst  nasal  und 
geht   als   solcher    allmählich    in    die   offene   ausspräche  über 


30  Erster  Teil:  Text. 

corone  ~>  cour^ne.  Während  aber  am  scbliisse  des  Wortes  oder 
vor  konsonant  der  nasalvokal  geblieben  ist  (nfr.  harons  =  harö, 
bon  =  bö,  enfant  =  äfä),  ist  die  nasalierung  des  vokals  in 
offener  silbe  wieder  verloren  gegangen,  hat  jedoch  ihre  nach- 
wirkuog  in  der  offenen  qualität  des  o  sowie  in  der  doppel- 
schreibung  des  nasalkonsonanten  zurückgelassen:  nfr.  couronne 
—  curgn,  honne=bQn  mit  offenem  g. 

en:  lies  ä  {an),  aus  lat.  in. 

Es  sind  in  diesem  worte  von  einander  zu  scheiden  die  Ver- 
änderung des  lat.  *  überhaupt  und  die  behandlung  desselben 
vor  nasal  im  besonderen.  Es  handelt  sich  um  das  kurze^ 
offene  (dem  e  ähnliche)  i. 

I.  Regel:   Lateinisch    kurzes    i    wird    zu    ge- 
schlossenem e. 

Dieser  Übergang  vollzieht  sich  ganz  allgemein,  ob  nun  * 
in  offener  oder  geschlossener,  in  betonter  oder  unbetonter 
silbe  steht.  Er  ist  gemeinromanisch,  insofern  nur  ein  ver- 
einzeltes, kleineres  gebiet  (das  sardische)  sich  diesem  wandel 
entzieht,  und  ist  daher  noch  in  ziemlich  frühe  zeit  (etwa  in 
das  3.  jahrh.  n.  Chr.)  zu  setzen.  Die  Verschiebung  des  *  zu  ? 
entspricht  derjenigen  des  ü  zw  o  (siehe  jorn  II),  muss  aber 
früher  eingetreten  sein  als  diese,  da  das  rumänische  das  ü 
noch  bewahrt,  das  *  hingegen  zu  §  werden  lässt. 

Beispiele:  signavit—* seignat  s.  unten 

cinctam—^ceinte  8 
dominium  +  s  — >  demeines  4 
iUa—>ele  6 
ecce  illa-^cele  12 
mittit—*met  16 
consiliarios—*  conseilliers  21, 

Durch  dieses  lautgesetz  fällt  lateinisch  «  der  qualität  nach 
mit  lateinisch  5  zusammen  und  bleibt  nur  durch  den  unterschied 
in  der  quantität  von  diesem  geschieden. 
Man  vergleiche: 

miUere—*m^tre  mit  habere 
fMe{m)—*ßde  mit  plenam. 


I.  Laisse.        2.  Vers:  en,  croiz.  31 

II.  Regel:   en   oder   em  wird  infolge  der  nasa- 
lierung des  vokals  zu  ä. 

Es  ist  die  allgemeine  regel  von  der  nasalierang  der  vokale 
vor  n  oder  m,  die  bereits  oben  s.  8  f.  unter  un  IV  erwähnt 
worden  ist.  Aber  während  dort  der  vokal  in  seiner  qualität 
zunächst  unverändert  bleibt,  nimmt  er  hier  schon  im  altfranzö- 
sischen eine  breitere,  hellere  ausspräche  an:  en  wird  zu  ^n 
und  dieses  zu  an.  In  der  schrift  kommt  diese  qualitive  Ver- 
änderung nur  teilweise  zum  ausdruck  {en  und  an  werden  noch 
in  der  heutigen  Orthographie  von  einander  geschieden),  auch 
ist  sie  in  den  verschiedenen  mundarten  zu  verschiedenen  Zeiten 
eingetreten  (in  einigen,  wie  besonders  in  der  pikardischen,  gar 
nicht).  Für  unser  gedieht  wird  die  gleichheit  der  ausspräche 
von  en  und  an  bewiesen  durch  die  assonanzen,  in  welchen  wir 
(wie  z.  b.  V.  76  ff.)  gent,  argent,  mit  devani,  hlans  u.  ä.  gebunden 
finden:  also  dzät,  ardzät,  devät,  blas. 

Die  regel  gilt  für  betonte  wie  für  nebentonige  und  unbetonte 
Silbe.   Wie  en,  em  wird  natürlich  auch  das  dem  a  weit  näher- 
liegende ^n,  ^m  zu  ä:  mente —*■  mät,  *folla  mente—*  folemät. 
Weitere  beispiele: 

imperator —>  emperere  5   =  aperere 
inde-^en  14  =  ä 

intra—^entre  15        =  ätre 
intendit—*  entent  17      =  ätät 
insemel—>  ensemhle  20  =  ä^ähle 
femina—^femme  33      =  fäme. 

croiz :  lies  croits,  lat.  crücem  (=  hrÜkem).  In  lateinischer 
zeit  wurde  c  überall,  vor  konsonant  und  vokal,  vor  e  und  i 
ebenso  wie  vor  a,  o,  u  als  Je  gesprochen. 

I.    -m  fällt  nach  un  I:  cruce. 

II.   Latein.  w—>p  nach  ^'orw  II:  croce. 

III.   Der  inlautende  konsonant. 

Regel:  Lat.  c  (h)   zwischen   vokalen  wird  vor 

den  palatalen  vokalen  (e  und  i)  assibi- 

liert  {tsi)  und  stimmhaft  (dzf),  hieraus 

.  vor  erhaltenem  vokal  zu  ^>  {i  4-  stimm- 


32  Erster  Teil:  Text. 

haft  s),   vor  konsonant  und  im  auslaut 
zu  its  (geschr.  «>). 
Beispiele:  vicem—>feie  71 

placet—>*plaitst—*' piaist  68,  160. 
Vgl.  Doch:  nucem-^noiz,  vocem—*'Voiz, 
dagegen  placere—>plaisir  (592),   licere—*-leisir  (445),   vicinum 
—*■  veisin. 

IV.  Der  Stammvokal  o  verbindet  sich  mit  dem  folgenden 
i  aus  c  zum  diphthoogen  oi. 

V.  Neufranzösisch  croix:  der  diphthong  oi  hat  sieh 
über  oe  —  o?  zu  oä  {wo)  entwickelt,  genau  so  wie  das  aus  ei 
entstandene  oi  (siehe  reis  III),  hat  aber  die  alte  Schreibung 
beibehalten. 

Das  auslautende  ts  {z)  wurde  ende  des  12.  jahrhs.  zu  s 
vereinfacht,  also  croiz —*- crois,  foiz—>fois,  voiz—*vois  {*plaitst 
wurde  schon  früher  zu  piaist  vereinfacht  wegen  der  schwierigen 
ausspräche   der   konsonantengruppe  tst).     Auslaut-s  verstummt. 

Die  Schreibung  croix  für  crois  hat  mit  einer  Veränderung 
der  ausspräche  nichts  zu  tun  und  erklärt  sich  lediglich  als 
eine  Schreibergewohnheit,  vgl.  nfr.  cheveux,  chevaux  für  älteres 
cheveus  {•*—  chevels),  chevaus  {■*— chevals).  Bei  Worten  wie  croix, 
voix,  noix,  paix  mochte  dabei  das  Vorbild  der  lateinischen 
formen  crux,  vox  etc.  mitwirken. 

seignat:  lies  seüdt,  latein.  stgnavit  (neben  class.  lat.  sTgnare, 
Signum  bestand  slgnare,  Signum,  vgl.  ital.  segno,  segnare,  prov. 
senh,  senhar). 

I.    Der  Stammvokal  t-^e,  siehe  en  I. 

IL    Die  inlautende  konsonantengruppe  gn{=g  +  n). 

Regel:  gn  zwischen  vokalen  wird  zu   mouil- 
liertem (jotaziertem)  n  (ü,  geschrieben  gn, 
ign). 
Beispiele:  insignatis—*-  enseigniee  19 

magnus -^*- maignes  158 
agntllum-^agnel  —  agneau. 

IIL  Die  endung:  avit-^aut-*at.  Schon  für  das  Vulgär- 
latein haben  wir  teilweise  verkürzte  perfektendungen  in  der 


I.  Laisse.    2.  Vers :  seignat,  son.  33 

I.  koDJügation  anzunehmen,  welche  den  ausgangspunkt  der 
romanischen  und  somit  auch  der  französchen  formen  gebildet 
haben: 


klass.  lat. 

vulg.-lat. 

franz. 

•avi 

-ai 

-ai 

-avisti,  -asü 

-asü 

-as 

-avit 

-aut,  -ät 

-at 

-avimus 

-ammus 

-ames 

-avistis,  -astis 

-astis 

-astes 

averunt,  -arunt 

-arunt 

■erent. 

Zum  teil  bestehen,  wie  die  vergleichung  zeigt,  die  kurzen 
formen  schon  im  klassischen  latein  neben  den  vollen  formen. 
Aus  den  vulgärlateinischen  formen  entwickeln  sich  die  fran- 
zösischen meist  regelmässig.  Die  endung  -aut  sollte  -ot  ergeben 
(vgl.  it.  amo,  span.  amö),  hat  aber  ihren  vokal  sichtlich  den 
beiden  ersten  formen  -ai  und  -as,  vielleicht  unter  mitwirkung 
von  ai,  as,  at  (=  habeo  etc.),  angeglichen.  Nach  Suchier  ist 
-ät  neben  -aut  schon  im  älteren  latein  mehrlach  belegt. 

IV.  Neufranzösisch  {en)seigna  (das  simplex  seigner 
ist  nicht  mehr  gebräuchlich)  zeigt  gegen  die  hier  gebrauchte 
form  verstummen  des  auslautenden  t,  was  hier  schon  im 
12.  jahrh.  vor  sich  ging,  tibergang  des  e  vor  palatalem  n  zu 
?  und  Verlust  der  nasalierung  in  offener  silbe  (vgl.  3  corone  VI). 

son:  lies  sö{n),  aus  lat.  suum. 

I,  Wir  haben  hier  die  neutrale  d.  h.  maskuline  form  des 
Possessivpronomens  vor  uns,  welche  im  wesentlichen  so  wie 
das  vorhin  besprochene  suam  —  sa  behandelt  wird.  Das  wort 
steht  proklitisch,  gibt  seinen  accent  an  das  folgende  Sub- 
stantiv ab  und  wird  somit  selbst  tonlos.  In  dieser  Stellung 
entwickelt  sich  das  unbetonte  hiatus-w  zu  u  und  fällt  schliess- 
lich aus.    Vgl.  rout  II  und  sa  II. 

IL   Das  zweite,  silbebildende  u  wird  o  nach  jorn  II. 

III.  Das  auslautende  m.  Nach  un  I  fällt  das  in  un- 
betonten endHÜben  und  Worten  stehende  auslautende  m  früh- 
zeitig ab.  Darnach  verlieren  die  im  satz  unbetont  stehenden 
einsilbigen  werte  ihr  -m: 

Voretzsch,  Studium  cl.  afrz.  Sprache.    5.  Aufl.  3 


34  Erster  Teil:  Text. 

jam—^ja  33,  34,  42  u.  Ö. 
quem-^que  112,  180,  189  u.  ö. 

Ebenso  die  ursprünglich  zweisilbigen,  auf  eine  silbe  reduzierten 
proklitika  (vgl.  oben  sua): 

suam—>sa  2,  5  16  u.  ö. 

meam-^ma  22,  53,  56  u.  ö. 

illam—*la  7,  8  (verbundenes  pronomen), 

ebenso  25,  36  (artikel) 
illum—^lo  —  le,  siehe  v.  1  al. 

Hingegen  behalten  einsilbige  worte,  welche  im 
Zusammenhang  des  satzes  den  hauptton  tragen,  ihr -m 

als  -n: 

rem-^rien  247  u.  ö. 
meum-^mien  139, 185  (als  absolutes  oder  sonst 
betontes  pron.). 

Ebenso  süum—*-suen  50,  tüum-^tuen  (während  die  feminina 
me-am,  tü-am,  sü-ani  zweisilbig  bleiben  und  regelrecht  das  in 
unbetonter  endsilbe  stehende  -m  verlieren:  meie,  töe,  söe  88). 

Die  verbundenen,  vor  dem  Substantiv  stehenden  Possessiv- 
pronomina stehen  proklitisch,  also  unbetont,  und  sollten  darnach 
sämtlich  das  -m  verlieren:  so  regelrecht  suam  —  sa,  desgl.  ta, 
ma.  Die  entsprechenden  maskulinformen  sollten  also  *mo,  *^o, 
*50  lauten,  heissen  jedoch  immer  mon,  ton,  son.  Vermutlich 
standen  ursprünglich  antevokalische  w-formen  {mon,  *man)  und 
antekonsonantische  w-lose  formen  {*mo,  ma)  nebeneinander,  wie 
z.  b.  in  der  tonlosen  negationspartikel  nen  —  ne  {nen  est,  aber 
ne  fut).  Den  ausschlag  zu  gunsten  von  mon  einerseits  und 
ma  andererseits  gaben  dann  die  betonten  formen,  wo  sich 
regelrecht  männliche  formen  mit  n  und  weibliche  ohne  n  ent- 
wickelt hatten:  mien,  tuen,  suen  gegen  meie,  toe,  soe. 

IV.  Die  neu  franz.  ausspräche  so  zeigt  nasalierung  des 
Vokals  mit  Verlust  des  nasalkonsonanten  (wie  un  v.  1)  und  im 
Zusammenhang  damit  offene  qualität  des  o  (vgl.  oben  corone). 

Chief:  lies  Uief,  aus  lat  cäput. 

I.  Endung  und  geschlecht.  Die  in  der  substantiv- 
deklination   vereinzelt  dastehende   endung   -ut  wurde   in   der 


I.  Laisse.    2.  Vers:  son,  chief.  35 

vülgärsprache  beseitigt  und  durch  -um,  richtiger  -u  (un  I),  er- 
setzt, indem  man  das  unregelmässig  erscheinende  neutrum 
Caput  an  die  zahlreichen  neutra  der  lateinischen  IL  und  IV. 
deklination  anglieh  (vgl.  oben  s.  16  al  I).  Wir  haben  also  für 
das  weitere  von  *capu  (vgl.  ital.  capo)  auszugehen.  Wie  fast 
alle  lateinischen  neutra  singularis  erscheint  auch  dieses  im 
französischen  als  maskulin  (vgl.  mostier). 

IL  Der  inlautende  konsonant.  Das  in  dem  französischen 
wort  auslautende  f  ist  aus  dem  inlautenden  labial  erst  ent- 
standen, als  dieser  in  den  auslaut  trat.  Vorher  hatte  der  labial 
aber  noch  eine  zwischen  vokalen  eintretende  erweichung  durch- 
gemacht.   Es  ist  daher  zweierlei  zu  scheiden: 

a)  Regel :  Lateinisch^»  zwischen  vokalen  (oder 
zw.   vokal   und   r)   wird    durch    b   hin- 
durch zu  V. 
D.  h.  der  stimmlose  verschlusslaut  wird  zwischen  den  an  und 
fHr  sich  stimmhaften  vokalen  zum  stimmhaften  verschlusslaut 
und    dann    zum    stimmhaften   reibelaut.     Es   findet  also   eine 
assimilation  des  konsonanten  an   die  umgebenden  laute  statt. 
Beispiele : 


capillos-^chevels  181 
piper—^peivre  211 
recipere—* receivre  220 
sapitis  —*■  savez  226 


^deseperati—*-  desevret  253 

supinum—*- sovin  (389) 

capra  — >  chievre. 


b)  Regel:  Ein  im  alt  französischen  in  den  aus- 
laut tretendes  v  wird  zu  f. 
D.  h.    es  verliert  den  stimmton,   die  stimmhafte   ausspräche. 
Dieser  Vorgang   erklärt  sich  leicht  dadurch,   dass  im  auslaut 
(ohne   darauffolgenden    vokal)    ein    stimmloser    konsonant    be- 
quemer zu  sprechen  ist  als  ein  stimmhafter. 
Beispiele : 
nervi— >nerf  IM  \  nivem—*'neif{S7S) 


suave~>soef  (Sil,  S77) 
vivi—>vif{dl4:) 


cervum  ->  cerf. 


IIL    Anlautend   c   vor    a   wird    ch   {=  ts)    nach    v.    1 
Charles  IL 


36  Erster  Teil:  Text. 

IV.  Der  tonvokal:  lateinisch  kurzes  a  in  offener  sübe. 
Dieses  bat  nacheinander  zwei  lautveränderungen  erfahren,  eine 
quantitative  in  gemeinromanischer  zeit,  eine  qualitative  in 
französischer  zeit.  Der  wandel  von  a  zu  ic  setzt  länge  des 
vokals  voraus. 

a)  Eegel:  Betonter  kurzer  vokal  in  offener 

silbe  wird  lang. 
Infolgedessen    fällt  in   offener  silbe   a  mit  a  zusammen   und 
nimmt  dieselbe  entwieklung  wie  dieses: 
cä[pu  ^)  — >  cäpu  — »"  Chief 
wie  cäru{m) —^  chier  24 
spä[tham--^spätham—*-espee  3 
wie  coronätam —*- coronee  6. 
Dieses  gesetz  gilt  auch  von  allen  anderen  vokalen,  welche 
untereinander  gleiche  qualität  haben.   So  wird  kurz  q  in  offener 
silbe   zu   f  und  fällt  mit  ?<— ae  zusammen,   freies  kurzes  e  (i) 
mit  e,  freies  kurzes  o  (ü)  mit  ö.    Auf  der  dehnung  und  dadurch 
bewirkten   länge  des   betonten  vokals  beruht  im  wesentlichen 
die   eigentümliche  entwieklung  der  betonten  vokale  in  offduer 
silbe,  besonders  die  diphthongierung. 

Umgekehrt  ist  es  mit  langem  vokal  in  gedeckter  Stellung: 

Regel:  Betonter  langer  vokal  in  geschlossener 
silbe  wird  kurz. 
Hierdurch  erklärt  es  sich,  dass  selbst  ursprünglich  langer  vokal 
in    geschlossener    silbe    nicht    diphthongiert,    überhaupt    nicht 
dieselben  Veränderungen  erleidet  wie  in  offener  silbe. 

Vgl.  z.  b.  quaerere-^ querere— * qu^r-re—*- querre  72 

gegen  caelum-^c^lu  —  c^-lo  —*ciel  9. 

Man    nennt   dieses    gesetz   von   der  dehnung  der  kurzen 

vokale   in   freier  Stellung   und   der  kürzung  langer  vokale  in 

gedeckter  Stellung  nach  Ten  Brink,  der  es  zuerst  aufgestellt, 

häufig  das  Ten  Brink'sche  gesetz. 

b)  Regel:  Betontes   a  in  offener  silbe  wird 

nach  c  wie  nach  den  übrigen  pala- 

^)  Das  zeichen  [  wird  zur  bezeichnung  der  freien  Stellung  des  voraus- 
gehenden vokals  verwendet  wie  entsprechend  ]  zur  bezeichnung  der  ge- 
deckten (vgl.  oben  s.  14). 


I.  Laisse.    2.  Vers:  chief.  37 

talen  konsonanten  und  konsonanteu- 
gruppen  zum  diphthongen  ie. 

'cJiier  24 
'Chiet  132 
-chieent  (537) 
'Colchiez  171 
'preechiet  173 
'inangier  180 
'preiiet  865 
-paiier 
-paiiens  224 
'enchalcier  29 
'preisier  13 
'esleecier  174 
'araisnier  8 
*correciez  17 
'Congiet  216 
'Songiet  71 
'enseignies  19 
'taillier,  entailUee  179 
'■espleitiet  167 
'dlaiüer  {alaitat  187). 

Innerhalb  dieses  diphthongen  liegt  der  aecent  auf  dem 
zweiten  vokal:  ie.  Da  dieses  «e  sowol  mit  dem  aus  -^nw  ent- 
standenen ie  (v.  1  mostier)  als  auch  mit  dem  aus  ?  hervor- 
gegangenen ie  (v.  3  mierfr-m^rum)  reimt,  so  hatte  das  e  wol 
helle,  offene  ausspräche:  i^.  Indes  lassen  sich  auch  gründe 
für  geschlossene  ausspräche  anführen  (z.  b.  lässt  das  in  Eng- 
land gesprochene  französisch,  das  sog.  anglonormannische,  das 
ie  in  ?  übergehen). 

Wo  intervokales  c  wegen  vorausgehendem  dunkeln  vokal 
(w,  o)  spurlos  ausfällt,  unterbleibt  auch  die  durch  palatal  be- 
dingte diphthongierung:  jocare-^joer  32,  avocatum-^  avoet. 

V.  Der  unbetonte  endvokal  fällt  nach  un  III.  Dieser 
abfall  trat  erst  ein,  nachdem  ä  in  offener  silbe  zu  a  und  nach- 
dem intervokales  jö  zu  v  erweicht  worden  war,  aber  ehe  v  zn  f 
wurde.  Der  letzte  wandel  beruht  eben  darauf,  dass  der  folgende 
endvokal  abfiel. 


Beispiel« 

y.                   cärum 

cädit  -^*cädet 

cädant-^cädant 

coUocatus 

predicatum 

manducare 

precatum 

pacare 

nach  g: 

paganos 

ci- 

Hncalciare 

ti: 

*pretiare 

*exlaetitiare 

*adrati{o)nare 

pti- 

'^corruptiatus 

mmj,: 

commeatum 

mni : 

somniatum 

gn — ü: 

insignatis 

ir- 

taliare  (zu  talea) 

et: 

*explic(i)tatum 

*adlactare 

38  Erster  Teil:  Text. 

VI.  Neufranzösisch  cÄe/"= /e/[  Der  ^ Vorschlag  ist  seit 
ende  des  12.  jahrhs.  verstummt  (siehe  v.  1  Charles  IV).  —  Der 
diphtboDg  ie  wurde  ende  des  15.  Jahrhunderts  nach  Zischlauten 
{ch  =  s  und  g  =  i)  lautgesetzlich  zu  e  (je  nachdem  ?  oder  ^) 
reduziert:  chef,  eher,  couche  (aber  nicht  vor  nasal:  chien),  manger, 
songer,  conge;  nach  anderen  konsonanten  auf  analogischem 
wege,  namentlich  in  den  infinitiven  und  partizipien  der  I.  lat 
konj.:  chausser,  priser,  allaiter  usw. 


3.  Vers. 

Et  at  ceiiite  s'espee  dont  li  pouz  fut  d'or  mier. 

Und    er    hat    umgegürtet    sein    schwert,    dessen    knaaf   von 
lauterem  gold  war. 

E(t).    Das  auslautende  t  ist  schon  im  lateinischen  ausser- 
halb der  konjugation  wenig  vertreten  (über  caput  siehe  oben) 

Regel:  Auslautendes    isoliertes     t    in    unbe- 
tonter silbe  ist  im  laufe  des  11.  jahrhs. 
verstummt  (wie  -d:  siehe  al  I). 
Beispiele:  aut-^o  35,  42,  150  (stets  so  geschrieben) 

et—^e  (zuweilen  noch  mit  t  geschrieben) 
Allem    anschein    nach    ist   das   -t   zuerst   vor   folgendem 
konsonant  verstummt,  daher  sich  einzelne  beispiele  für  e  =  et 
schon  aus  früherer  zeit  nachweisen  lassen. 

,  Hiernach  sollte  auch  das  auslautende  -t  in  der  3.  pers. 
sing.  präs.  der  latein.  L  konjugation  abfallen:  reguardt{t)  5, 
porte{t)  15,  chevalehtit)  93,  torne{t)  94.  Es  wird  in  unserem 
text  in  der  regel  noch  geschrieben,  auch  wird  das  dem  -t 
vorausgehende  -e-  vor  folgendem  vokal  in  mehreren  fällen 
nicht  elidiert,  aber  an  einigen  anderen  stellen  ist  elision  des 
-e-  möglich  und  daher  verstummen  des  -t  auch  hier  wahrschein- 
lich. Unser  gedieht  verhält  sich  ähnlich  wie  das  Rolandslied. 
Unter  anderen  als  den  in  unserer  regel  angenommenen 
bedingungen  fällt  das  im  lateinischen  auslaut  stehende  t  erst 
im  laufe  des  12.  jahrhs.  und  später:  im  12.  jahrh.  nämlich, 
wenn  es  in  der  tonsilbe  steht  {at  s.  unten,  fut  1,  repentit  31, 
conreatll,  irat9l,  entrat  HS);  erst  ausgangs  der  afr.  periode, 


I.  Laisse.    'S.  Vers:  Et,  at.  39 

wenn  es  nicht  isoliert,  sondern  fest,  d.  h.  mit  anderen  kon- 
sonanten  verbunden  oder  aus  einer  Verbindung  mit  anderen 
konsonanten  hervorgegangen  ist  (vgl.  oben  s.  22  saint,  ferner 
out  4:<r-habuit,prist7'*—*prensit,  seist  IQ-r-sedisset,  respondiet  12 
<~^rPspondedit,  dist  l^  *— dixit,  met  lö-^r-mütit,  siet  W<~sedet, 
entent  11  -t—intendit,  est  18=:lat.  est).  In  pausa  (am  versende 
oder  vor  stärkerer  interpunktion)  sind  diese  t  bis  ins  17.  Jahr- 
hundert, in  liaison  {saint  Jiomme,  dit-il)  noch  jetzt  laut. 

at.:  lat  habet. 

Die  französische  form  lässt  sich  nicht  direkt  auf  habet  oder 
abet  (nach  routT)  zurückführen,  das  *et  geben  müsste.  Viel- 
mehr haben  schon  im  Vulgärlatein  neben  den  vollen  formen  des  in 
mehrfacher  Verwendung  gebrauchten  verbums  sog.  kurzf  ormen 
(schwächer  betonte,  kürzer  gesprochene  formen)  bestanden,  welche 
sich  namentlich  bei  dem  gebrauch  des  wortes  als  hilfszeitwortes 
von  selbst  einstellen  mussten  und  auf  welchen  die  altfranzösischen 
beruhen.     Die  in  betracht  kommenden  paradigmen  lauten: 

vulgärlat.  vollformen  vulgärlat.  kurzformen     j      altfranz. 


abio 

aio 

ai 

dbes 

as 

as 

abet                    ! 

at 

at 

abemus 

abemus 

avons 

abetis 

abetis 

avez 

ahent  —  *abunt 

*aunt 

ont. 

Man  vergleiche  noch  die  italienischen  formen  ho  und  ha  (aus 
a{i)o  und  at)  mit  den  (poetischen)  vollformen  aggio  und  ave 
(aus  abj,o  und  abet).  Bei  dem  gleichfalls  als  hilfözeitwort  wie 
als  selbstständigem  verbum  (in  der  bedeutung  'da  sein, 
existieren')  gebräuchlichem  esse  —  estre  haben  wir  teilweise 
im  franz.  selbst  noch  voll-  und  kurzformen  nebeneinander: 
präs.  ind.  2.  p.  ies  —  es,  impf,  iere  —  ere,  fut.  ier  —  er. 

Neufranzösisch  a  —  at.  Aus  at  entwickelt  sich  schon 
im  altfranz.  regelrecht  a  (siehe  oben  et).  Dieses  verstummen 
des  t  trat  zuerst  vor  folgendem  konsonant  ein,  während  es  vor 
vokal  sich  zunächst  erhielt  und  hier  erst  auf  analogischem 
wege  beseitigt  wurde:  at  il,  at  ele—>a  il,  a  ele  nach  il  a  dit, 


40  Erster  Teil:  Text. 

ele  a  vu  u.  ä.  Die  nfr.  formen  a-t-il,  a-t-elle  gehen  daher 
allem  anschein  nach  nicht  direkt  auf  die  altfr.  formen  at  il, 
at  ele  zurück,  welche  zunächst  (wenigstens  in  der  schrift) 
durch  a-il,  a-ele  ersetzt  werden,  sondern  auf  das  vorbild  von 
ont-üs,  est-il,  sont-üs  (mit  'festem'  t)  u.  s.  w. 

ceinte;  lies  tseinte,  aus  lat.  cinctam. 

I,  Aus  der  konstruktion  at  ceinte  s'espee  =  habet  cinctam 
suam  spatham  ergiebt  sich  deutlich  die  art  und  weise,  wie 
das  französische  parfait,  zur  bezeichnung  einer  in  der  gegen- 
wart  vollendeten  handlung,  entstanden  ist.  Man  vergleiche 
dazu  lateinische  konstruktionen  wie  habere  civitates  sibi  ob- 
strictas,  hostem  clausum  habere,  equitaium  coactum  habere,  sibi 
spem  victoriae  propositam  habere,  persuasum  sibi  habere,  cognitum 
habere.  Dem  gebrauch  von  habet  —  at  mit  prädikativem  partizip 
für  die  gegenwart  entspricht  für  die  dauer  in  der  Vergangen- 
heit habebat — aveit  mit  partizip  und  für  die  einmal  oder  vor- 
übergehend gedachte  handlung  in  der  Vergangenheit  habiiit 
—  out  mit  partizip  (wie  rout  prise  in  v.  2). 

Aus  dieser  entstehung  ergiebt  sich  auch  ohne  weiteres, 
dass  von  haus  aus  das  partizip  in  Übereinstimmung  mit  dem 
objekt  gewesen  sein  muss,  wie  in  unseren  beiden  fällen.  Vgl. 
noch  V.  52  se  mengonge  avez  dite;  v.  59  out  faite  s^ofrende; 
ebenso  v.  61  usw.  Doch  finden  sich  daneben  auch  in  unserem 
gedieht  bereits  entgegenstehende  fälle,  wie  v.  59  ai  molt  o'it 
parole;  v.  142  out  mandet  ses  clers  usw.  Aus  diesem  schwanken 
hat  sich  der  in  der  nfr.  Schriftsprache  übliche  gebrauch  heraus- 
gebildet, bei  vorausgehendem  objekt  (pronomen,  fragesatz) 
rektion  des  partizips  eintreten,  sonst  aber  das  partizip  unver- 
ändert zu  lassen.  Die  —  seither  wieder  aufgehobene  —  be- 
stimmung  der  'Simplification  de  l'enseignement  de  la  syntaxe 
fran^aise'  von  1900,  welche  auch  nach  vorausgehendem  feminin- 
oder  plural- Objekt  unverändertes  partizip  gestattete,  war  ein 
Zugeständnis  an  die  gesprochene  rede. 

IL  -m  fällt:  cincta. 

III.  *  wird  e:  cencta. 

IV.  Der  anlautende  konsonant:  lat.  c  =  Ä  (wie  vor 
a,  0,  u). 


I.  Laisse.    S.Vers:  ceiute,  s'.  41 

Regel:  Anlautendes  c  vor  e  und  i  wird  zu  ts 
(geschrieben  c). 
Es  ist  im  wesentlichen  dieselbe  entwicklung  (assibiliernng) 
wie  die  des  intervokalischen  c  in  crucem,  nur  dass  sich  natur- 
gemäss  im  anlaut  kein  i  entwickeln  kann. 

Beispiele:  caelum—>ciel  9 

civitates-^citez  11  (sing,  citet  36) 
ecc{e)  illa—>cele  12 
ecc{e)  nie -^  eil  19 
ecce  hoc-^go  39 
ecc{e)  {h)ic-^ci  49 
centum  +  s-*cenz  73. 

Dasselbe    gilt    auch    für    inlautenden    silbenanfang    nach 

konsonant: 

mercedem-^mercit  32 
principale{m) —> principel  59 
dulcem,  dulces—*dolz  (425). 

Der  vergleich  mit  Charles  v.  1,  corone  und  croiz  v.  2  lässt 
nunmehr  die  verschiedene  behandlung  des  anlautenden  c  je 
nach  dem  folgenden  laut  deutlich  erkennen: 

1.  e  vor  0,  u,  kons,  bleibt:  corone,  croiz. 

2.  c  vor  a  wird  <s:  Charles,  chief,  trencherai. 

3.  c  vor  e,  i  wird  i^5:  ceinte,  mercit. 

V.  wc^:  m^,  siehe  v.  1  reis  I.  Der  ton  vokal  e  bildet  mit 
dem  folgenden  *  den  diphthongen  ei  (vgl.  ebenda  II),  der  vor 
dem  folgenden  nasal  zu  e%  wird. 

VI.  Der  unbetonte  endvokal  a  zu  e:  siehe  v.  1  un  III. 

VII.  Neufranzösisch  ceinte  =  s'^t:  der  ^-Vorschlag  geht 
wie  bei  ts  {Charles  IV)  am  ende  des  12.  jahrhs.  verloren;  der 
nasal -diphthong  et  wird  über  ?f  zu  e  kontrahiert;  das  aus- 
lautende e  verstummt  im  17.  jh. 

s'  =  sa:   die  entwicklung  von  sa-*~suam  siehe  v.  2  sa. 

Das  altfranzösische  setzt  die  regelrechte  femininform  sa 
vor  allen  femininen  ohne  rücksicht  auf  den  anlaut.  Vor  vokal 
wird   das   auslautende   a  elidiert  genau  wie  beim  artikel:  sa 


42  Erster  Teil:  Text. 

espee-^s'espee   wie   la  espee-^Vespee,  ebenso   ma  amistiet-*- 
m'amistiet  54,  sa  escrepe-^  s'escrepe  86. 

Seit  anfaog  des  13.  jahrhs,  (in  lothringischen  denkmälern 
schon  seit  dem  12.  jahrh.)  erscheinen  vereinzelt  vor  vokalisch 
anlautenden  femininen  auch  die  männlichen  pronominalformen. 
Da  das  altfianzösische  elidierte  und  damit  den  hiatus  tat- 
sächlich beseitigte,  kann  der  grund  für  einführung  der  männ- 
lichen formen  nicht  wol  in  der  absieht  gesucht  werden  den 
hiatus  zu  vermeiden.  Man  hat  nun  die  erklärung  in  dem  Vor- 
bild des  adjektivs  gesucht,  wo  antevokalisch  maskulin-  und 
femininform  gleichzulauten  pflegen:  hon  ami  —  6o««wie  (geschr. 
honne  amie),  bei  ami  —  helamie  {helle  amie);  danach  habe  auch 
das  possessivum  ausgeglichen  zwischen  mon  (oncle)  und  m\äme) 
und  zwar  zu  gunsten  des  im  allgemeinen  stärkeren  maskulinums. 
Dieser  Vorgang  ist  recht  wohl  möglich.  Indes  wäre  das  Vor- 
bild des  artikels  wohl  näher  gelegen  und  nach  V oncle  —  Vdme 
eher  ein  ausghich  m'oncle  —  m'äme  zu  erwarten  gewesen. 
Auch  liegen  Vorbilder  wie  hei  —  helle  zu  fern,  es  käme  wohl 
nur  das  ähnlich  klingende  hon  —  honne  in  betracht,  welches 
zwar  häufiger  als  andere  adjektiva  ist,  aber  allein  kaum 
imstande  war  die  pronominalformen  zu  beeinflussen. 

Am  einfachsten  geht  man  daher  von  solchen  vokalisch  an- 
lautenden Worten  aus,  welche  wegen  bedeutung  oder  form  zu- 
gleich als  maskulina  und  feminina  gebraucht  wurden:  art, 
omhre,  enfant,  hoir  (^—Jieres),  später  auch  amour.  Hier  standen 
schon  früh  formen  wie  son  art  und  s'art  nebeneinander.  Auch 
an  analogie  nach  synonymen  kann  man  denken:  s'ire-^son  ire 
nach  son  corroz,  s'aie—^son  die  nach  son  secors.  Bei  einigen 
Worten  wird  man  gerade  die  Verbindung  mit  mon,  ton,  son 
statt  ma  ta  sa  als  erste  belege  für  den  geschlechtswechsel  an- 
zusehen haben. 

Reste  des  ursprünglichen  gebrauchs  im  neufranzösischen 
sind:  ma  mie  =  m'amie    <—mea  amica 

mamour  =  m* amour  ■<—  meani  amoreni 
(lat.  amorem  ist  im  altfranzösischen  wie  die  übrigen  abstrakta 
auf  -or  zunächst  feminin  geworden). 

espee:  lat.  spatham  von  grieeh.  ajiäd^. 
I.  -m  fällt  ab. 


I.  Laisae.    3.  Vers:  s",  espee.  43 

IL  Der  inlautende  konsonant:  dentaler  verschlusslaut 
mit  aspiration  =  f  (etwa  wie  deutsches  t  vor  vokal).  Derselbe 
wird  im  lat.  zu  einfachem  t  und  wird  dann  behandelt  wie 
dieses.    Es  ergeben  sich  darnach  zwei  regeln: 

a)  Die  aspirierten  konsonanten  verlieren 
ihre  aspiration  und  werden  zu  den 
entsprechenden    einfachen   kon- 
sonanten. 

Oder:  die  mit  h  zusammengesetzten  konsonanten  verlieren  ihr 
h,  ebenso  wie  dieses  im  anlaut  der  silbe  oder  zwischen  vokalen 
verloren  geht  {habuit-^out  siehe  rout  v.  2,  prehensam-* 
prensam  siehe  prise  ebenda).  Es  handelt  sich  bei  diesen  laut- 
verbindungen  {th,  ph,  ch)  meist  um  worte  griechischer  herkunft. 
d^f]öavQ6g-^thesaurus—**tesauros—>  iresors  222 
xöXa<pog—>colaphus—>*colapos—*'Colp{s),  dazu  colper  42 
ägxisjriöxojtog  —>  archiepiscopus  —>*arcepiscopos 

—*  arcevesque{s)  64 
bracchium  —>*braccium  ->  bras  1 63 
Xqlötoc—* Christus— >Cristos-^CriZy  Crist, 

dazu  crestieniet  225. 
Erst  in  später  entlehnten  Worten  erscheint  griech.  (p=ph 
als   f,   gemäss    der    veränderten   ausspräche    des    (p   {orphelin 
<~*orphaninnm  <~  OQcpavog,  phiole  <—  g)tdXif). 

b)  Intervokales  t  wird  erweicht  zu  cZ  und 
verstummt  ende  des  11.  jahrhs.  völlig. 

Das  heisst,  der  stimmlose  dental  assimiliert  sich  den  um- 
gebenden vokalen  und  erhält  den  stimmton  wie  diese:  er  wird 
zu  dem  entsprechenden  stimmhaften  dental  d.  Vermutlich  hat 
er  sich  dann  vom  stimmhaften  verschlusslaut  zum  stimmhaften 
reibelaut  (etwa  englisches  stimmhaftes  th)  entwickelt,  worauf 
er  ganz  ausgefallen  ist. 

Beispiele:  coronata —*- coronee  6 

*potetis  (für  potestis) —*•  poes  13 
mutare—^muer  4:4: 
seta—>seie  85. 
Ebenso  wie  zwischen  vokalen  wird  t  zwischen  vokal  und 
r  behandelt: 


44  Erster  Teil:  Text. 

imperator  ->* imperatro  — >  emperere  5 
jteTQa—>  petra—>piere  179 
patrem —> pere  826. 

III.  Die  anlautende  konsonantengruppe.  Derartige 
Verbindungen  von  s  +  konsonant  (s  impurum:  sp,  st,  sc)  machten 
der  ausspräche  Schwierigkeiten,  wenn  noch  ein  konsonant  hinzu- 
trat, d.  h.  wenn  im  zusammenhange  des  satzes  das  voraus- 
gehende wort  mit  konsonant  schloss.  In  diesem  falle  ent- 
wickelte das  s  einen  vokalischen,  silbebildenden  laut  aus  sich, 
der  zuer!?t  i  lautete  und  darum  i  protheiicum  genannt  wird, 
im  französischen  aber  zu  e  geschwächt  wurde.  Die  formen 
mit  anlautendem  vokal,  d.  h.  also  die  nachkonsonantischen, 
haben  im  französischen  die  formen  ohne  e,  die  nachvokalisehen, 
allmählich  ganz  verdrängt,  aber  das  alte  Verhältnis  ist  z.  b.  in 
dem  um  die  mitte  des  11.  jahrs.  gedichteten  Alexiuslied  noch 
deutlich,  wo  neben  ad  espos  noch  la  spose,  ta  spose  zu  finden 
ist  (vgl.  ital.  la  scuola  neben  in  iscuola). 

Regel:  Anlautendes  s  impurum   {sc,  sp,  st  — 
sm,  sn)  wird  zu  esc-,  esp-,  est-,  -esm,  -esn. 

Diese  entwicklung  reicht,  wie  die  Übereinstimmung  mit 
anderen  romanischen  sprachen  zeigt,  noch  in  gemeinromanische 
zeit  zurück,  auf  der  anderen  seite  nehmen  aber  auch  die  aus 
dem  germanischen  übernommenen  worte  noch  daran  teil. 

Beispiele :     sp :  lat.  speciem  — >  espice  211 

germ.  speot—*-€spiet  11 
germ.  spiha—>esp'ie  (651) 
st:  Isit  Stare -bester  74 

lat.  statum  — >  estct 
sc:  lat.  scutum  +  s—*escuz  79 

l&t  scuteUa—>escuele  178 
lat.  sc{h)ola  — >  escole 
germ.  skerpa—^escrepe  80. 

Erst  mit  den  germanischen   Worten  kommt  zu  den  alten 
i'-verbindungen  sp,  st,  sc  noch  anlautendes  sm-  und  sn-  hinzu: 
zu  germ.  *smaU  (schmelz)  gehört  esmail  (429), 
germ.  snel  ergibt  isnel  (613),  mit  bewahrung  des  ur- 
sprünglichen i. 


I.  Laisse.    3.  Vers :  espee.  45 

Nach  einer  neueren  erklärung  waren  bei  diesem  vorgang- 
vorbildlich die  lat.  mit  vokal  anlautenden  worte,  die  nach 
vokalischem  ausgang  des  vorhergehenden  wortes  ihren  eigenen 
anlautvokal  im  Vulgärlatein  verloren  {acstate,  i(n)strumentu  — 
aber  illa  'state,  illo  'stru7nentu)  und  so  zu  illa  Stella  ein  nach- 
konsonantisches istella  hervorriefen.  Man  begreift  aber  bei 
dieser  lautlichen  aoalogie  nicht  recht,  weshalb  in  den  neu- 
gebildeten fällen  tiberall  derselbe  vokal  i  (frz.  e)  konsequent 
eintritt,  während  die  Vorbilder  bald  i,  bald  e,  selbst  a  und  o 
aufweisen:  istriimentu,  isola  {insula)  —  escusare,  esUnguerc 
(•♦—  excusare,  extinguere)  —  aestate,  aestimare  —  aspectu,  astro- 
logia  —  ostendere,  ostentare. 

IV.  Der  tonvokal:  ä  in  offener  silbe.  Nach  dem  Ten 
Brink'schen  gesetz  (chief  IV  a)  wird  kurzer  vokal  in  offener 
silbe  lang,  also  spätha  zu  späiha,  wie  cäpu  zu  cäpu. 

Regel:  Betontes  a  in  freier  silbe  wird  zu  e, 
ausser  nach  palatalen  (siehe  chief <—caput) 
und  vor  nasalen  (vgl.  lointain  QS<—*longi~ 
tanum)  oder  palatalen  (plaga—>plaie). 

Beispiele: 
Imperator  —  ^imperatro—^emperere  5,  13,  26  u.  ö, 
coronata—*coronee  6 
civitates —*  citez  11,  sing,  ciiet  30 
jocare—*joer  33 
commandatis—*- comandez  34 
jurare,  portare—>jurer,  porter  35. 
pensatum-^penset  38 
coronatus —>  coronez  58 
principale—^principel  59 
nati—*net  66 
Dieses   lautgesetz  trifft  nicht  nur  eine  grosse  menge  von 
einzelnen,  häufig  gebrauchten  Worten  {eniperere,  citet,  pere  u.  a.), 
sondern    namentlich    auch    die    endungen  'der   ausgebreiteten 
I.  lateinischen  koujugation  in  der  2.  plur.  ind.  präs.,  im  infiuitiv, 
im  part.  perf.,  dazu  zahlreiche  ableitungssilben  (wie  -atum—*et, 
■atem-*et,  -alem—^el).     Es  ist  dies   lautgesetz   daher  seiner 
materiellen  ausdehnung  nach  als  eines  der  wichtigsten  in  der 
französischen  Sprachgeschichte  zu  bezeichnen.    Es  scheidet  eine 


46  Erster  Teil:  Text. 

reihe  von  Worten  und  formen  des  französischen  von  den  ttbrigen 
romanischen  sprachen,  welche  hier  a  bewahrt  haben.  So  pflegt 
man  das  französische  namentlich  gegen  das  provenzalische 
Sprachgebiet  aaf  grund  dieses  lautgesetzes  sprachgeographisch 
abzugrenzen.  Soweit  a  in  freier  silbe  zu  e  und  nach  palatal 
zu  ie  wird  {porter  —  cJiief) ,  reicht  das  französische  Sprach- 
gebiet. Wo  auf  gallischem  bode'n  in  beiden  fällen  das  a 
erhalten  bleibt  (portar  —  cap  oder  chajy) ,  haben  wir  proven- 
zalisehes  Sprachgebiet;  wo  a  bleibt,  aber  nach  palatal  zu  ie  wird 
{portar  —  chief),  franco-provenzalisches  gebiet  (franz.  Schweiz, 
Franche-Comt^,  Savoyen,  Lyonnais,  nördl.  Dauphin^). 

V.  Der  unbetonte  endvokal  a  wird  e,  wie  in  prise, 
corone.    Siehe  un  III. 

VI.  Neufranzösisch  epee  gegen  altfr.  espee  zeigt  ver- 
stummen des  s  vor  konsonant  (12.  jh.,  vgl.  1  mostier  V)  und 
in  der  endsilbe  verstummen  des  unbetonten  e  (13.  jh.). 

dont :  lies  d5{n)t,  lat.  de  unde  =  von  woher. 

I.  Der  begriff  der  richtung  ist  eigentlich  zweimal  aus- 
gedrückt. Ähnliches  findet  sich  auch  sonst  noch,  teils  weil 
die  Worte  ihre  bedeutung  abschwächten  und  zur  Verdeutlichung 
des  sinues  einer  Verstärkung  bedurften,  teils  weil  sich  die 
formen  zu  stark  abschliffen  und  verkürzten  und  dadurch  un- 
deutlich wurden.  So  sinkt  einfaches  ille  vom  demonstrativ 
zum  Personalpronomen  oder  artikel  herab,  das  wirkliche  demon- 
strativ wird  durch  eine  Verstärkung  ausgedrückt:  ecce  ille 
—>cil,  ebenso  ecce  hoc-^go  (ce)  gegenüber  einfachem  o*—hoc 
oder  Zö,  le<—illü{d).  Rein  formelle  Verstärkung  zeigen  namentlich 
viele  adverbia  und  präpositionen,  wie  intus-* ens,  mit  de  zu 
denz  und  mit  einem  weiteren  de  zu  dedtnz  —  dedans  (dans). 
Einfaches  unde  begegnet  im  prov.  als  on,  im  altfr.  als  ont  in 
der  bedeutung  *wo'  ^uch  'wohin').  Diese  verschobene  bedeutung 
wird  wol  die  mittelstufe  zwischen  lateinisch  unde  und  der  neuen 
komposition  de  unde  gebildet  haben. 

IL  In  Zusammensetzungen  verstummt  auslautendes  e 
des  ersten  Wortes  vor  anlautendem  vokal  des  zweiten: 
siehe  v.  2  rout  VI. 


I.  Laisse.    3.  Vers:  espee,  dont,  ponz.  47 

III.  ü:  o:  siehe  v.  1  Jörn  II.  Betreffs  der  nasalierung  vgl. 
V.  1  un  IV. 

IV.  Der  endvokal  fällt:  un  III. 

V.  Das  in  den  auslaut  tretende  d  verliert  seinen 
stimmton  und  wird  t 

Beispiele:  quando -^ quant  15  u.  o. 

rigidum—>reit  (593) 
viridem  — >  vert. 
Dasselbe  gilt  unter  gleichen  bedingungen  auch  von  andern 
koDSonanten : 

g—>c:  sanguem—>  sanc  165 

longum—>lonc  860 
v~*f:  suave—>soef  {311  u.  ö.) 

*chievo—> Chief  (siehe  v.  2  chief  IIb). 
Daraus  ergibt  sich  die  allgemeine  regel: 

Die  im  altfranzösischen  in  den  aus- 
laut tretenden  stimmhaften  konso- 
nanten,  mit  ausnähme  der  liquiden, 
werden  stimmlos. 

VI.  Neu  französisch  dont  ==  dö  (döt)  zeigt  noch  ver- 
stummen des  auslautenden  konsonanten  (ausser  in  der  liaison) 
sowie  völlige  nasalierung  des  vokals  und  aufgäbe  des  nasal- 
konsonanten;  der  vokal  ist  unter  Wirkung  der  nasalierung  offen 
geworden.    Vgl.  noch  v.  2  corone  VI. 

li:  siehe  v.  1  U. 

ponz:  lies  pots  (pönts),  Isd. pomum -\- s,  baumfrucht  —  apfel, 
schwertkoauf. 

I.  Da8genus:l  mostier  I.  —  Die  form  pomus  begegnet 
im  lat.  als  feminin  im  sinne  von  fruchtbaum,  tibertragen  auch 
baumobst. 

IL  Der  Stammvokal:  betontes  9  in  offener  silbe  vor 
nasal  zu  q,  siehe  2  corone  III. 

III.  Die  endung:  pomum  wird  durch  abfall  des  m  und 
nachher  des  endvokals  zu  pom,  mit  s  zu  poms—*-pons-->pon3. 


48  Erster  Teil:  Text. 

a)  Regel:  m  vor  dental  (s,  t)  wird  zum  dentalen 

nasal  n. 

Beispiele:   somniatum-^* somgiet—^  songiet  71 
com(i)tes—>  cöntes  137. 

b)  Der  ttbergangslaut: 

Regel:    Nach  n  und   l  wird  auslautendes   s 

ZVL   ts  (ß), 

d.  h.  es  wird  ein  die  ausspräche  erleichternder  übergangs- 
laut eingeschoben. 

Beispiele  für  n:       sine -{- s -*  sens  50 

annos—*am  74 

für  l:  melius -^midz  6 

camelos  ~>  chameüz  73 
*faldastolium  +  s—>faldestueh  85 
oculos —>  uel0  (504). 

Da  in  der  declination  die  mehrzahl  der  übrigen  worte 
nie  ^  annimmt  [chevaliers  4,  corones  20,  chies  20  u.  a.),  wird 
das  ^  auch  bei  n  und  l  nicht  streog  durchgeführt  (daher 
harons  4,  üds  50,  anderwärts  auch  «ws,  chameils). 

IV.  Neufranzösisch  nur  als  diminutiv  pommeaw  (*— *^ö- 
mellum)  erhalten.  Pomme  apfel  kommt  vom  kollektivischen 
plural  poma. 

fut:  siehe  v.  1  fut. 

d'  =  de:  die  lat.  präposition  de,  mit  Verkürzung  des  vokals 
infolge  der  unbetonten  Verwendung  des  Wortes  im  satze.  De 
'über,  in  bezug  auf  hat  sein  anwendungsgebiet  im  französischen, 
überhaupt  im  romanischen,  erweitert.  Vor  allem  wird  es  zum 
ersatz  des  lat,  genetivs  verwendet,  dann  wie  hier  zur  bezeich- 
nung  der  masse,  aus  der  etwas  gefertigt  ist,  oder  des  ganzen, 
wovon  ein  teil  genommen  ist. 

Sämtliche  präpositiouen  regieren  im  franz.  den  einfachen 
obliquus  (akkusativ).  In  zahlreichen  fällen  ergab  sich  auch 
hier  rein  formell  ein  zusammenfall:  da  auslautendes  -m  schon 
in  frühlateinischer  zeit  abfällt  und  fernerhin  ü  fast  noch 
gemeinromanisch  zu  o  wird,  so  war  de  auro  mero  schon  längst 


I.  Laisse.    3.  Vers:  ponz,  d',  or.  49 

mit  einem  etwaigen  *£Ze  aurum  merum  gleichlautend  geworden, 
d.  h.  der  ursprüngliche  ablativ  wurde  als  einfacher  obliquus 
empfunden. 

Vor  folgendem  vokalischen  anlaut  wird  das  unbetonte  e 
wie  in  allen  ähnlichen  (proklitischen)  worten  {le,  me  etc.) 
elidiert. 

or:  lat.  aurum  (auro). 
I.  Der  tonvokal. 

Regel:  Lateinisch    au  wird   in    betonter   und 
unbetonter  Stellung  kontrahiert  zu  (>. 
Beispiele: 

parauln  {<— parabola) —> parole  8,  46 
* au{c)toricare  habeo —>  otreierai  23 
*ausat  (zu  ausus  sum)—*-oset  44 

pausatus—^posez  171 
pausa—*pose  218 
laudatum-^loet  235 
auricula—^  or  etile  (davon  oreillier  426) 
causa  ~>ckose  (666) 
laus— > los  807. 

Die  offene  klangfarbe  des  q  ergibt  sich  aus  dem  hellen 
a-laut.  Demgemäss  reimt  dies  o  auch  mit  dem  lat.  (kurzen, 
offenen)  q,  wie  v.  43ff.  mit  estgräre  {*  extörquere),  vgstre,  mgrte. 

Vor  unmittelbar  folgendem  vokal  wird  das  aus  au  ent- 
standene Q  haupttonig  und  nebentonig  zu  g  (nfr.  ou): 

atidiverunt—*'  o'irent  18 
audiium—>oit  46 
alauda-^aloe,  dazu  aloete. 

IL   Der  endvokal  fällt:  1  un  IIL 

IIL  N  e  u  f  r  a  n  z  ö  s  i  s  c  h  or  zeigt  keinerlei  Veränderung  gegen 
die  alt  französische  form  und  ausspräche.  Der  vokal  hat  seine 
offene  ausspräche  bewahrt  vor  liquiden  (pr,  pargle  —  nebentonig 
greille),  vor  dentalen  wird  er  zu  geschlossenem  g  {chgse,  pgse 
—  pgser,  gser),  vor  vokalen  zu  ou  {louer,  omr,  alouette,  des- 
gleichen haupttonig  aloue,  ü  loue  etc.). 

Voretzsc h,  Studium  d.  afrz.  Spraohe.    3,  Aufl.  4 


50  Erster  Teil:  Text. 

mier:  lies  mier,  von  lat.  m^ru{m). 

I.  Der  tonvokal:  kurzes  offenes  e  in  freier  Stellung. 
Nach  dem  Ten  Brink'schen  gesetz  (2  chieflYa)  wird  der  kurze 
vokal  in  dieser  Stellung  lang,  und  das  lange  ?  diphthongiert 
alsdann  zu  ie.    Daraus  ergibt  sich  die  regel: 

Lat.  kurzes  offenes  e  in  freier  Stellung 
wird  lang  und  diphthongiert  zu  ie. 
Beispiele: 

*respondMif  (für  respöndit) —>  respondiet  12 
s'^det—t-siet  16 
b^ne—>bien  23 
p^des—*pie3  31 
t^net—^tient  48 
f^ras -öfteres  111. 
Da  der  lat.  diphthong  ae  zu  §  kontrahiert  wird,  entsteht 
hier  derselbe  vokal,  wie  dort  nach  dem  Ten  Brink'schen  gesetz 
aus   dem   kurzen   ?,   und  es  tritt  daher  auch  hier  die  gleiche 
entwicklung  ein  wie  dort: 

caelum—^ciel  9. 
IL   Der  end vokal  fällt. 

IIL  Neu  französisch  ist  mier  untergegangen  (dafür  in 
diesem  sinne  pur). 

Bemerkung.  Von  hier  ab  werden  die  allerhäufigsten  lautver- 
änderuDgen  bei  den  einzelnen  worten  nicht  mehr  erwähnt,  ausser  wo  eine 
abweichende  entwicklung  eine  erklärung  notwendig  macht.  Diese  laut- 
veränderungen  sind: 

1.  Abfall  des  auslautenden  m  nnd  n  in  unbetonter  endsilbe. 

2.  Wandel  von  i,  zn  (,  ü  zn  o. 

3.  Verstummen  des  anbetonten  vokals  in  der  endsilbe. 


4.  Vers. 

Dus  i  out  et  demeiues,  barous  et  Chevaliers. 

Herzöge  gab  es  da  und  herren,   barone  und  ritter. 

Dus :  lies  düs,  aus  lat.  düces. 

Das   wort   zeigt   nicht  die  regelmässige  lautentwicklung. 
Wie  crücem  zu  croü  (siehe  v.  2),  sollte  dücem  zu  *doi0,  ebenso 


I.  Laisse.    3.  Vers:  mier.  —  4.  Vers:  Dus,  i,  out.  51 

düces  zu  *£?o«>  werden.  Der  wandel  von  ü—>o  tritt  aber  nicht 
ein,  weil  das  wovt  erst  in  späterer  zeit  aus  der  lateinischen 
Schriftsprache  in  die  Volkssprache  übernommen  wurde,  nicht 
in  der  allgemeinen  bedeutung  des  lateinischen  Wortes,  sondern 
in  der  technischen  bedeutung  als  bezeichnung  des  ranges  oder 
amtes.  Das  ü  erhielt  in  solchen  lehn-  oder  fremdworten 
die  ausspräche  ü,  weil,  wie  heute,  schon  damals  das  einzige 
im  französischen  vorhandene  u  wie  ü  gesprochen  wurde  (vgl. 
1  im  II);  noch  heute  spricht  der  Franzose  das  u  in  lat.  und 
fremden  werten  als  ü  aus  (omnibus,  sinus,  hiatus).  —  Gegen- 
über den  lehnworten  zeigen  die  sog.  erbworte  die  lautgesetz- 
liche entwicklung. 

Regel:  In  lehnworten  erscheint  lat.  ü  als  ü  (geschr.  u). 

Es  ergeben  sich  demnach  für  das  französische  ü  drei  quellen : 

U  (1  un  II), 

betontes  u  vor  folgendem  l  (1  fut\ 

ü  in  lehnworten. 

i :  lat.  Mc  oder  zM. 

Aus  lat.  Mc  ergibt  sich  i  regelrecht  wie  si  (20)  aus  sie. 
Das  anlautende  Ji  verstummt  nach  2  rout  I.  Auch  ici,  ci  geht 
nach  allgemeiner  annähme  auf  ecce  Mc  zurück. 

Lat.  thJ  ist  zunächst  zu  ivi  geworden  (vgl.  italienisch  ivi, 
vi),  mit  erweichung  des  intervokalen  b  zu.  v  wie  Chevaliers 
(s.  u.).  Die  Verkürzung  des  Wortes  und  namentlich  der  ausfall 
des  V  müsste  sich  durch  die  unbetoutheit  und  daher  raschere 
ausspräche  des  wortes  im  Satzzusammenhang  erklären. 

Neufranzösisch  y  unterscheidet  sich  von  dem  alten  i  nur 
durch  die  Schreibung,  die  übrigens  auch  schon  altfranzösisch 
neben  i  üblich  ist. 

out:  lat.  habuit. 

I.    Die  erklärung  der  form  siehe  unter  rout  in  v.  2. 

IL  Das  unpersönliche  verbum  bedarf  ebensowenig  wie  das 
persönliche  (siehe  3  rout  prise)  eines  pronomens  zur  bezeich- 
nung des  Subjekts,  dieses  ist  wie  im  latein  im  verbum  mit- 
enthalten, 

4* 


52  Erster  Teil:  Text. 

et:  siehe  v.  3. 

demeines:  lies  dBmelnes,  lat.  dominium  +  s. 

I,  Lat.  dominium,  zu  dommuB,  bedeutet  herrschaft,  gewalt 
über  etwas,  woraus  die  bedeutung  herrscbergewalt,  herrscher, 
gebieter,  sieh  leicht  entwiekelo  konnte  (in  übertragenem  sinn 
auch  schon  im  lat.  gebraucht,  vgl.  auch  die  bedeutungs- 
entwicklung  von  'herrschaft,  herrschaften'  im  deutschen.)  Das 
wort  ist,  wie  die  übrigen  neutra  singularis,  maskulin  geworden. 
(Nach  anderer  erklärung  aus  dominicus  entstanden  wie  moine 
aus  monachus  —  *monicus.) 

IL  Auch  dies  wort  ist  wie  dus  aus  der  lat.  buchsprache 
in  die  franz.  Volkssprache  übernommen.  Zwar  ist  das  betonte  t 
regelrecht  zu  e  gewandelt,  aber  die  erhaitung  des  unbetonten 
vokals  stimmt  nicht  zur  regel,  und  auch  n  -\~  hiatus-a-  ist 
nicht  in  Übereinstimmung  mit  anderen  fällen  gleicher  art  ent- 
wickelt {fi  zwischen  vokalen,  in  im  auslaut).  Das  wort  sollte 
als  erbwort  entwickelt  *demem  lauten. 

IIL  Der  vortonvokal  (im  nebenton):  dieser  zeigt  eine 
Schwächung  von  o  zu  e.  die  aber  nur  vor  folgendem  n  oder  m 
eintritt. 

Regel:  Vortoniges  (nebentoniges)  o  vor  nasal 
wird  zu  e. 

Beispiele: 

truncare  —  troncare-^trenchier;  dazu  trencherai  25 
Buncias  valles  —  Ronce,svals—*- Bencesvals. 

Vgl.  auch  (mit  unbetontem  vortonvokal): 
voluntarie  -|-  s—*- volenti ers  44 
*  calumniari(-re)  —*■  clialengier. 

Trenchier  =  trätsler  wie  ew— *-a  nach  2  en  II. 

Die  regel  wird  häufig  gekreuzt  durch  analogisehe  beein- 
flussungen,  so  in  der  Wortbildung  honte  wegen  hon,  im  verbum 
emhronchies  (v.  18)  nach  den  stammbetonten  formen  em- 
hrönchet  etc.,  songiet  (71)  nach  sönget,  sönge  etc.  Namentlich 
behält  auch  die  als  selbständiger  teil  empfundene  vorsilbe 
con  stets  ihr  o:  conquerrai  11,  conseillier  21,  comparres  24. 
Demeine  <— domeine  analogisch,  durch  sog.  scheinbaren  präfix- 


rf 


I.  Laisse.    4.  Vers:  demeines,  barons.  53 

tausch,   zu  erklären,  geht  nicht  an,   da  do-  sonst  nicht  präfix 
ist  und  eine  begriffliche  beziehung  des  Wortes  zu  de  fehlt. 

IV.  Neufranzösisch  domaine  (=  dornen)  ist,  wie  be- 
deutung  und  form  zeigen,  nicht  die  direkte  fortsetzung  dieses 
afr.  demeine  =  herr,  sondern  kommt  von  domeine  herrengut, 
eigentum,  das  sein  o  wol  der  angleiehung  an  das  lat  gruodwort 
verdankt.  Die  kontraktion  des  diphthongen  ei  vor  nasal  zu  ? 
ist  regelrecht,  wie  auch  pleine  (v.  8)  nfr.  =  pl^n. 

barons:  lies  barös  (baräns),  vulgärlat.  *&ayowe5. 

I.  Herkunft  und  bedeutungsentwicklung.  Lat.  baro 
bedeutet  einen  einfältigen  menschen,  tölpel,  bauernlümmel,  un- 
geschlachten menschen,  daher  gelegentlieh  auch  einen  starken 
mann  oder  athleten.  Von  hier  aus  wäre  ein  bedeutungsUbergang 
zu  'kriegsmann,  held,  baron'  denkbar.  Jedoch  liegt  das  deutsche 
baro  (vgl.  mhd.  bar  =  mann,  freier  mann)  seiner  bedeutUDg  nach 
näher.  Möglicherweise  haben  deutsches  und  lateinisches  wort 
sich  miteinander  gekreuzt. 

IL  Der  ton  vokal:  lat.  ö  in  offener  silbe  bleibt  erhalten, 
siehe  2  corone  III,  wird  aber  nach  1  un  IV  nasaliert. 

III.  Der  vortonvokal.  Dieser  ist,  da  es  sich  nur  um 
eine  vortonsilbe  handelt,  nebentonig. 

Regel:    Vortoniges  a   unter   dem    nebentou 
bleibt,   in  freier  wie  gedeckter   Stel- 
lung, erhalten. 
Beispiele: 

parabola — paraula-^parole  8 

mandare  habeo —*' manderai  22 

Jiabeüs -^  avez  24,  habere —>■  aveir  27 
*aciarium  — >  acier  25 

battualia—^bataille  29 
*incalciare—> enchalcier  29. 

IV.  Der  anlautende  konsonant. 
Regel:  Anlautend  b  bleibt  erhalten. 

Beispiele:  belkim-^bel  6,  dazu  belementlQ 

bonos —^bons  22,  ebenso  bene—*bien  23 


54  Erster  Teil:  Text. 

battualia  — >  hataüle  29 
*baronatus-^barne2  50 
germ.  büc  (nhd.  bauch) -^buc  55. 

Im  anlaut  sind  die  konsonanten  überhaupt  am 
festesten.  Wie  b  bleiben  auch  die  meisten  übrigen  kon- 
sonanten in  anlautstell ung  bewahrt. 

Beispiele: 

p:  prehensam — prise  2,  pomum — pom  3,  plus — plus  Q. 
f:   fuit  —  fut  1,  3  u.  ö.,  *follamentc  —  fohmentV2i,  facit  — 

fait  14. 
v:   vidistis  —  ve'istes  9,    vos  =  vos  26,    vidit —  vit  30, 

vostrum  —  vostre  50. 
t:    tantum  —  tant  10,  tenetis  —  tenez  45,  Hotta  —  tote  4c^. 
d:  de  =  de  3 ,  de  unde  —  dont  3 ,  duces  —  dus  4,  domina 

—  dame  9. 

s :   sanctum  —  samt  1,  suam  —  sa  2,  signavit  —  seignat  3. 
m :    monasterium  —  mostier  1,  merum  —  mier  3,  mulierem 

—  moiUier  5. 

n :   nullum  —  nul  9,  nee  —  ne  10,  non  —  ne  26,  nominatis 

—  nomes  39. 

l:   Heviarius  —  legiers  14,  laxavisset  —  laissast  44,  *longi- 

tanum  — .  lointain  68. 
r :    rex  —  reis  1 ,    rehabuit  —  rout  2 ,    *respondedü  —  re- 

spondiet  12. 

Dasselbe  gilt  auch  von  den  vela flauten  (c  und  g  vor 
konsonanten  und  dunkeln  vokalen,  sowie  q): 

corone  2,  crois  2\  q—>Tc  siehe  quant  15. 

Hingegen  die  palatale  (c  und  g  vor  hellen  vokalen,  j,  di) 
werden  assibiliert: 

Charles  1,  ceinte  2;  jorn  1. 

Ebenso  wie  im  wortanlaut  werden  die  konsonanten 
im  allgemeinen  auch  im  Innern  des  Wortes  im  silben- 
anlaut  behandelt,  wenn  ein  konsonant  die  vorher- 
gehende silbe  schliesst: 

emperere  5,  portet  15,  manderai  22,  mentit  24,  trencherai 
25,  penset  38  ete.    Vgl.  noch  3  ceinte  IV. 


I.  Laisse.    4.  Vers:  barons,  Chevaliers.  55 

V.  Neufranzösisch  harons  =  harö  zeigt  verstummen 
des  auslautenden  s  und  in  Zusammenhang  mit  der  nasalierung 
offene  Qualität  des  tonvokals. 

et:  siehe  v.  3. 

cheTaliers:  lies  tsevaliers,  lat.  cdballarios,  zu  caballus  pferd. 

I.    Regel:   Die   endung   -arius,   -arium  wird 
zu  -iers,  -ier. 

Über  die  Ursache  dieses  wandeis  sind  die  meinungen  geteilt. 
Man  sollte  zunächst  -airs,  -air  erwarten,  da  worte  mit  stamm- 
haftem a  wie  varius  -a,  paria,  area  regelrecht  vairs  vaire, 
paire,  aire  ergeben.  Das  suffix  -arius  muss,  um  -ier  werden 
zu  können,  im  franz.  und  prov.  auf  irgend  eine  weise  zu  -^rius 
geworden  sein.  Die  hypothese,  dass  die  weit  seltenere  lat- 
griech.  endung  -erium  (vgl.  oben  mostier)  hierbei  von  einfluss 
gewesen  sei,  ist  heutzutage  von  den  meisten  gelehrten  auf- 
gegeben. Eine  andere  erklärung  geht  von  denjenigen  Worten 
aus,  welche  vor  der  endung  -arius  ein  i,  c  oder  sonst  einen 
palatal  hatten  (consiliarius ,  *aciarium,  ^vaccarius)  und  nach 
2  Chief  IV  b  ihr  a  zu  ie  hätten  wandeln  müssen,  und  nimmt 
dann  eine  analogische  Übertragung  dieses  lautlich  bedingten  -ier 
auf  alle  übrigen  mit  -arius  endenden  Wörter  an:  diese  erklärung 
reicht  aber  nicht  für  das  provenzalische  aus,  wo  voraus- 
gehender palatal  keine  Veränderung  des  folgenden  a  hervor- 
ruft {caput-^cap  chap,  *pretiare-^ prekär)  und  wo  man  dann 
entlehnung  der  endung  -ier  aus  dem  franz.  annehmen  mtisste. 
Daher  denkt  A.  Thomas,  dem  sich  auch  Suchier  anschliesst, 
an  beeinflussung  des  galloromanischen  Suffixes  -arius  durch  das 
germanische  (vielleicht  selbst  auf  lat.  -arius  zurückgehende) 
suffix  -äri  —  ceri.  Aus  diesem  -erius  wäre  dann  ebenso  -iers  ent- 
standen wie  aus  dem  lat.  suffix  -§rium  (siehe  1  mostier  II)  -ier. 

Beispiele:  olivarium-*  olivier  7 

Heviarius  — >•  legier  s  1 4 
consiliarios  —*■  conseillitrs  21 
*aciarium—>acier  25 

denarios —*  deniers  27. 


56  Erster  Teil:  Text. 

IL   Der  inlautende  labial. 

Regel:  Stimmhafter  labialer  verschlusslaut 
(&)  zwischen  vokalen  wird  zu  dem  ent- 
sprechenden stimmhaften  reibelaut  (v). 

Beispiele:  habetis —* avez  24,  habere—*- aveir  27 

ab  ante-^avant  (261),  hierzu  devant  81 
caballicat-^  chevalchet  93 
gubernat-^  governet  97. 

Da  auch  intervokales  p  zu  v  wird  (siehe  v.  2  chief  Da), 
so  fallen  demnach  p  und  h  zwischen  vokalen  zusammen.  Wie 
bei  p  tritt  die  erweichiiog  auch  hier  zwischen  vokal  und  r  in 
gleicherweise  ein:  ebrium  {-ii)-^ivre  (650,  685),  labra—>levre. 

III.   Die  doppelkonsonanz. 

Regel:  II  wird  im  inlaut  und  auslaut  ver- 
einfacht zu  l. 

Beispiele:  illa-^ele  6,  ecce  illa-^cele  12 

nullum—^nul  9 
*follamente  — »•  folement  12 
bellamente  —*■  belement  16 
mille—^mil  66. 

Dasselbe  gilt  auch  von  den  meisten  übrigen  konsonanten, 
soweit  diese  überhaupt  verdoppelt  vorkommen: 

pp:  oppellat  —  apelet  94 
tt:  mittit  —  met  16,  Septem  —  nette  —  set  74 
dd:  adduratum  —  aduret  62,  ad  denies  —  adens  (389) 
mm:  nom(i)natis  —  nommes  —  nomez  39,  hom(i)nes  — 

homme{s)  —  home{s)  2v8 
nn:  annuales  —  anvels  126; 
rr  nur    am    ende   des   wortes   vereinfacht:    ferrum  —  fer 
(552  u,  ö.);  im  inneren  bleibt  es:  ftrratos  —  ferrejs  80, 
terra —  terre  69; 
6's  bleibt  meist  in  der  schrift   zur  bezeichnung  des  ton- 
losen (scharfen)  s:  debuissetis  —  deüsseijs  56. 

Regel:  Doppelkonsonanten  werden  im  in- 
und  auslaut  vereinfacht  ausser  in- 
lautendem rr. 


I.  Laisse.    4.  Vers:  Chevaliers.  57 

Die  neufranzösische  orthograpbie  zeig:t  hier  vielfach  wieder 
doppelten  buehstaben  in  anlehnuDg  an  die  lateinischen  etyma 
(meitre  nach  lat.  miitere  für  altfr.  metre)  oder,  bei  den  nasalen, 
als  äusseren  rest  phonetischer  vorgäoge  {nomer —> nömer -^ 
nommer  wie  couronne-*—coröne  2). 

IV.  Der  anlautende  konsonant:  c  vor  a  wird  ts,  siehe 
V.  1  Charles  II. 

V.  Die  vokale  der  vortonsilben.  Nach  1  mostier  III 
ist  von  den  beiden  silben  die  erste,  ca-,  nebentonig,  die  zweite, 
-hol-,  schwachbetont. 

a)  Kegel:    Nebentoniges,  in  offener  silbe 

stehendes«  wird  nach  voraus- 
gehendem c  (g)  zu  e. 

Wir  haben  es  hier  also  nicht  mit  einer  Schwächung  wie 
bei  dem  a  der  endsilbe  (1  tm  III)  oder  der  unbetonten  vorton- 
silbe  (2  mostier  III)  zu  tun,  sondern  mit  einer  qualitativen 
Veränderung  unter  einfluss  des  vorausgehenden  palatals. 

Beispiele: 

*cadire  (für  cddere) -*  che'ir  31 

cdballicat-^  chevolchet  93 
capülos-^chevels  181 
camisia  —*  chemise  189 
camhium  — >  chemin  24 1 
gal{l)ina—*gelme. 

In  geschlossener  silbe  hingegen  ist  a  fest :  cantavit  — 
chantat  115,  cappellum  —  chapel  146,  *carricare  —  chargier, 
carnalem  —  charnel.  Ein  ähnlicher  unterschied  zwischen  oflPener 
und  geschlossener  silbe  besteht  auch  für  das  betonte  a,  vgl. 
die  beispiele  1  Charles,  2  chief  und  3  espee. 

Nebentoniges  a,  dem  kein  c  vorausgeht,  bleibt  in  offener 
und  geschlossener  silbe  unverändert:  vgl,  barones  —  barons  4, 
parahola  —  parole  8,  mandare  habeo  —  manderai  22  (vgl. 
barons  III). 

b)  Das  a  der  unbetonten  vortonsilbe  {-bal-):  dieses 
wird  nur  in  freier  Stellung  zu  e  geschwächt  (beispiele  siehe 
1  mostier  III),   in    gedeckter    Stellung    bleibt   es   fest   (ebenso 


58  Erster  Teil:  Text. 

wie  unter   dem   hauptton,   siehe  1  Charles  I,   und   unter  dem 
nebenton). 

VI.  Neufranzösisch  Chevaliers  (chevalier)  zeigt  wie 
Charles  v.  1  verstummen  des  ^-Vorschlags  und  des  aus- 
lautenden s,  ausserdem  verstummen  des  auslautenden  r,  das  nur 
in  den  infinitiven  auf  -ir  und  -oir  und  einer  anzahl  anderer 
formen  laut  bleibt,  und  endlieh  tibergang  des  e  der  ersten  silbe 
in  stummes  e. 


5.  Vers. 

Charles  li  emperere  reguardet  sa  moillier. 
Karl  der  kaiser  blickt  seine  frau  an. 

Charles:  siehe  v.  1. 
li:  ebenda. 


* 


emperere:   lies  aperere,  lat.  Imperator,  woraus  vulgärlat. 
imperatro. 


I.  Die  m  e  t  a  t  h  e  8  i  8  tor  —  tro  wird  für  das  romanische 
von  allen  auf  diese  endung  ausgehenden  werten  vorausgesetzt. 
So  wird  *tropator —>  trovere ,  *incantator-^enchantere  (733), 
vgl.  prov.  trobaire,  emperaire  usw.  (mit  Übergang  von  tr :  ir). 
So  erklärt  sich  auch  frz.  quatre  (v.  204)  aus  lat.  quattuor,  das 
nach  2  rout  II  und  sa  11  zu  quattuor  —  *quattor  werden  musste 
und  dann  dieselbe  metathesis  erfuhr.  Auch  sonst  sind  solche 
Umstellungen  von  vokal  und  konsonant,  namentlich  in  un- 
betonten Silben,  häufig  und  in  endungen  mit  r  oder  l  sogar 
die  regel  {insemel  —  ensemble  20,  pro — por  29,  32,  semper 
—  sempre). 

Zur  erklärung  des  Vorgangs  könnte  man  auch  daran  denken, 
dass  zuerst  der  unbetonte  endvokal  gefallen  und  infolgedessen 
das  ursprünglich  konsonantische  r  zum  silbebildenden  r  ge- 
worden wäre,  das  dann  seinerseits  wider  einen  sog.  Stützvokal 
entwickelt  hätte:  sem-per ~^*sem-pr  {r  wie  in  deutsch  vatr, 
negr  =  vater,  neger) —*  sempre.  Das  ist  aber  darum  wenig  wahr- 
scheinlich, weil  auch  solche  sprachen,  welche  das  gesetz  über 


I.  Laisse.    5.  Vers :  emperere,  reguardet.  59 

den  fall  der  endsilbenvokale  nicht  kennen,  dasselbe  ergebnis 
aufweisen  und  sogar  die  alten  vokal  unterschiede  bewahren: 
vgl,  itai.  sempre,  span.  siempre;   ital.  quattro,  span.  cuatro  etc. 

II.  Intervokales  oder  zwischen  vokal  und  r  stehendes  t 
wird  zu  d  and  fällt  ganz  aus:  siehe  v.  3  espee  IIb. 

III.  Der  tonvokal:  betontes  a  in  freier  Stellung  wird  e, 
siehe  espee  IV. 

'  IV.  Der  vokal  der  unbetonten  vortonsilbe  (impem^ro) 
sollte  nach  1  mostier  III  fallen.  Wahrscheinlich  haben  wir  es 
mit  einem  lehnwort  zu  tun,  das  erst  in  verhältnismässig  später 
zeit  (etwa  nach  Karls  d.  gr.  kaiserkrönung)  aus  der  lat.  buch- 
sprache  in  das  volk  gedrungen  ist,  als  das  gesetz  vom  ausfall 
der  unbetonten  vortonvokale  nicht  mehr  wirkte.  Möglicher- 
weise ist  auch  an  einfluss  des  r  zu  denken,  das  als  sonant 
einerseits  selbst  silbenträger  sein,  d.  h.  den  vokal  aufsaugen, 
andererseits  aber  auch  einen  neuen  vokal  aus  sich  ent- 
wickeln kann  (vgl.  oben  I). 

V.  Die  anlautende  silbe:  lat.  un  —  vulgärlat.  em  wird 
wie  m  —  en  zu  ä.    Vgl.  2  en. 

VI.  Neufranzösiseh  empereur  =  äpr^r  geht  nicht  auf 
den  rektus,  sondern  auf  den  obliquus  {imperatorem  —  empereor) 
zurück. 

reguardet:  vulgärlat.  *reguardat,  kompositum  zu  *guardare, 
vom  germanischen  stamm  ward-  (vgl.  althochd.  warten  =  spähen, 
neuhd.  warten). 

I.   Regel:   Anlautendes  germanisches  w  wird 
im  romanischen   zu  gu  (das  im  frz. 
im  12.  jahrh.  zu  g  vereinfacht  wird). 
Beispiele: 
gQTJR.werpan  {nhd.  werfeu) -^  guerpir,  dazu  guerpirent  100 
germ.  tvarnjan—*- guarnir,  dazu  guarnit  240, 
guarnement  84 
germ.  wUan  (nhd.  weiäeu) —>  guier  245 
germ.  wad--^guet  256 
germ.  werra  — >  guerre,  wtsa  — >-  guise. 


60  Erster  Teil:  Text 

Das  germanische  w  war  bilabial -velarer  halbvokal,  d.h. 
mit  beiden  lippen  und  mit  hebung  der  zunge  gegen  das  ganmen- 
segel  gesprochen  (vgl.  englisch  w),  das  romanische  v  zur  zeit 
der  Übernahme  dieser  germanischen  worte  bereits  ein  mit  der 
unteren  lippe  und  der  oberen  zahnreihe  hervorgebrachter 
reibelaut  (/"  stimmhaft  gesprochen,  vgl.  das  moderne  franz.  v). 
Hingegen  besassen  die  Romanen  einen  dem  germanischen  «# 
ähnlichen  laut  in  dem  labialen  halbvokal,  welcher  in  Verbindung 
mit  g  und  q  erscheint  (linguom,  sanguem  —  qnaninm^  quod). 
Der  gutturale  verschlusslaut  konnte  sich  bei  der  nachahmung 
des  germ.  w  leicht  einstellen,  wenn  zwischen  zungenrticken  und 
gaumeosegel  nicht  eine  blosse  annäheriiug  (engebildung),  sondern 
völlige  berührung  (verschluss)  stattfand. 

IL  Der  tonvokal:  am  geschlossener  silbe  bleibt,  siehe 
1  Charles  I. 

III.  Neufranzösisch  regarde,  garder  zeigt  wie  die 
übrigen  mit  gu  oder  qu  beginnenden  worte  nur  noch  den  an- 
lautenden guttural  ohne  den  ursprünglich  folgenden  halbvokal. 
Dieser  schwund  ist  bei  qu  noch  vor  der  entstehung  unseres 
gedichtes,  bei  gu  erst  im  12.  jahrhucdert  eingetreten.  In  der 
Schrift  wird  jedoch  das  u  vor  den  hellen  vokalen  beibehalten, 
um  die  gutturale  ausspräche  des  g  zu  bezeichnen  {guerre,  guise 
gegen  gent,  gilet). 

sa :  siehe  v.  2. 

moillier:  lies  moiier  (^  =  jotaziertem  Z),  von  lat.  mulierem. 

I.  Der  accent.  Die  entwicklung  von  lat.  mulierem—* 
altfr.  moillier  setzt  eine  accentverschiebung  voraus. 

a)  Soweit  die  bisher  behandelten  worte  erkennen  lassen, 
zeigt  der  französische  accent  im  allgemeinen  keine  Veränderung 
der  accentstelle  gegenüber  dem  lateinischen.    Vgl.: 

Dionysium  — >  Denis 
monasterium  — >  mostier 
Corona  — >■  eoröne 
caballänos  — *■  Chevaliers 
Imperator— >-  emperere  usw. 


I.  Laisse.    3.  Vers;  reguardet,  moUier.  61 

Ebenso  im  folgenden: 

corondia-^  coronee  6 
desühtus  ^^  desoz  7  (nfr.  dessous) 
olivdrium  — >•  ollvier 
pardbola-^pardiila—>paröle  8  usw. 

Daraus  die  regel: 

Der  lateinische  aceent  bleibt  im  fran- 
zösischen auf  derselben  silbe,  welche 
ihn  schon  im  lateinischen  trug, 
b)  Abweichungen  von  dieser  regel  bedürfen  einer  besonderen 
erklärung.    In  unserem  falle  ist  schon  im  Vulgärlatein  eine  Ver- 
schmelzung der  beiden  unmittelbar  aufeinander  folgenden  vokale 
zum  diphthongen  und  dann  innerhalb  desselben  eine  Verlegung 
des  aecents  von  dem  i  auf  das  vollere,  schallstärkere  e  erfolgt 
(ebenso   wie    die   ursprünglich   fallenden  altfranz.  diphthongen 
4e,  üo,  üe  sich  zu  den  steigenden  diphthongen  ie,  ue  entwickeln: 
hten,  üom-üem-^bien,  uem): 

muU-erem  —*■  midierem  — >  mulierem. 

Ahnlich  noch: 

parietem  — >  parietem  ( paretem)  —^parei  --^paroi 
aviolum  — >■  aviölam  —*■  aiuel  —*■  aieul 
filzolum  — >•  ßiiölum  —*-  ßlluel  — >  fiUeul 
capreolum  —*■  capreölum  — >  cheoruel  —*■  chevreuil  (599). 
Ebenso  erklärt  sich  ital.  parete,  ßgluölo,  span.  mujer,  pared  usw. 
Regel:   Beim   unmittelbaren   zusammentreffen 
von   betontem  i  mit  folgemdem  e  oder 
0  sowie  von  emit  o  geht  der  aceent 
auf  den  zweiten  vokal  über. 

n.   Infolge   der   aceentverschiebung  verliert  das  i  seinen 
*ccent   und   wird,   unmittelbar    vor    betontem    vokal   stehend, 
Kum  hiatus-i  (vgl.  v.  1  jorn  III  a). 
Kegel:   l  -f-  hiatus-i  wird  zu  mouilliertem  l 
(jotaziertes   ? : -?,   im   altfr.  durch   ill,   il,   II 
bezeichnet). 
Ebenso:  consiliarlos —*- conseüliers  21 

*voleo  (für  vold)-*vueil  70 
ßlia->fille  823. 


62  Erster  Teil:  Text. 

III.  Der  tonvokal  ?  in  freier  silbe  wird  lang  und 
diphthongiert  zu  ie,  siehe  v.  3  mier  1. 

IV.  Neu  französisch  ist  moillier  nicht  mehr  gebräuchlich, 
sondern  durch  femme  und  epouse  ersetzt.  —  Das  mouillierte  l  (i) 
hat  im  neufranz.  den  Z-laut  ganz  verloren  und  nur  den  ^"-laut 
noch  bewahrt  (ßlle  =  ßj). 


6.  Vers. 

Ele  fut  coronee  al  plus  bei  et  al  mielz. 

Sie  war  gekrönt  aufs  schönste  und  aufs  beste. 

Ele:  lat.  illa. 

I.    Das  wort  entwickelt  sich  nach  bekannten  regeln: 

a)  Ton  vokal  ^  zu  ^,  siehe  v.  2  en. 

b)  II  :l,  siehe  v.  4  Chevaliers  III. 

c)  Unbetontes  a  der  endsilbe  zu  c,  siehe  1  un  III. 

IL  Neu  französisch  eile  zeigt  II  nur  in  der  Schrift;  e  ist 
verstummt.    Wandel  von  ö"  zu  ^  schon  im  12.  jh. 

fut:  siehe  v.  1. 

coronee:  lat.  coronata. 

L  Die  entwieklung  des  Wortes  deckt  sich  in  mehreren 
punkten  mit  der  des  Stammwortes  Corona-^  corone—^hfr. 
couronne  (v.  2):  siehe  dort  über  die  bewahrung  des  anlautenden 
konsonanten,  über  die  behandlung  des  nebentonigen  g  in  der 
ersten  silbe,  über  die  neufranzösiBcbe  gestaltung.  Eine  wesent- 
liche Verschiedenheit  aber,  abgesehen  von  der  endung,  besteht 
in  der  betonung:  cbröna  zeigt  die  zweite  silbe  als  haupttonig, 
coronata  diese  silbe  zwischen  nebenton  und  hauptton,  also  als 
unbetonte  vortonsilbe. 

IL  Der  vokal  der  unbetonten  vortonsilbe  sollte 
nach  dem  gesetz  über  die  unbetonten  vortODVokale  (v.  1 
mostier  III)  fallen,  bleibt  aber  durch  die  macht  der  analogie 
erhalten.    Je  nachdem  der  accent  auf  dem  stamme  oder  der 


I.  Laisse.    6.  Vers:  Ele,  coronee,  al,  plas,  bei.  63 

enduDg  liegt,  sollten  wir  in  diesem  verbum  verschiedene  formen 
bekommen: 

stammbetont:  endungsbetont: 

coröno  —*■  coron 


Coronas  —>  corones 
corönat  — >  Coronet 


corönant  — >•  coronent 
corönem-^  coron  etc. 


corondmus  -^*cornons 
corondtis  -**cornez 


corondre—*-*corner  etc. 


Die  stammbetonten  formen  haben  die  endungsbetonten  ver- 
drängt oder  überhaupt  in  ihrer  rein  lautliehen  entwicklung 
gar  nicht  aufkommen  lassen  (stammausgleich).  Zum  tiber- 
wiegen der  stamm  betonten  formen  mag  auch  das  gleichfalls 
stammbetonte  grundwort  corone  mit  beigetragen  haben. 

III.  Das  inter vokale  t~^d,  siehe  v.  3  espee  IIb. 

IV.  Ton  vokal  a— >e,  siehe  ebenda  IV. 

al:  lat.  ad  illu  {illud),  siehe  v.  1  al. 

Die  Verbindung  der  präposition  a  mit  dem  Superlativ  dient 
zur  Umschreibung  des  adverbs.  (Neufranz.  U  mieux,  doch  vgl. 
mit  ä  ausdrücke  wie  au  moins,  au  surplus  usw.) 

plus:  lat.  plus.  Lateinisch  ü  wird  in  jeder  Stellung,  in 
offener  und  geschlossener  silbe,  unter  dem  hauptton  oder 
nebenton,  zu  ü.    Vgl.  v.  1  un  IL 

bei:  von  lat.  bellus,  -a,  -um,  welches  das  sehriftlateinische 
wort  pulcher  in  der  Volkssprache  ganz  verdrängt  hat. 

I.   Der  tonvokal:  lat.  e  =  Q. 

Regel:  Betontes  kurzes  offenes  e  in  ge- 
schlossener silbe  bleibt  (ausser  vor 
nasal)  als  q  erhalten. 

Beispiele:  testa—*- teste  16,  25 

est  =  est  19,  estis— bestes  52 


64  Erster  Teil:  Text. 

terra— ^terre  69 
auch  germ.  $:  heriberga—*herberge{s)  109,  111. 

Vor  nasalen  wird  $  wie  die  übrigen  vokale  (vgl.  1  un  IV) 
nasaliert  und  dadurch  auch  in  seiner  klaogfarbe  verändert 
{en  zu  ä).  In  offener  silbe  wird  das  ^  gedehnt  und  zu  ie 
diphthongiert,  vgl.  merum-^mier  v.  3. 

II.  Neufranzösisch  hei  als  adverb  noch  in  den  redens- 
arten  hei  et  beau,  hei  et  hien,  als  adjektiv  nebenform  (vor 
vokal)  zu  heau.  Diese  zweite  form  entsteht  durch  die  im  laufe 
des  12.  jahrhs.  vor  sich  gehende  auflösung  des  l  (vgl.  1  al  III) 
und  die  bei  vorausgehendem  ?  eintretende  entwickiung  eines 
"übergangslautes  a:  htllos—^hels-^heaus,  novellos —*■  novels —* 
noveaus,  woraus  nfr.  heaiix  =  ho,  nouveaux  — >  nuvo.  Vor  vokal 
tritt  die  vokalisierung  nicht  ein;  daher  fem.  stets  htle  (nfr.  helle) 
und  im  maskulin  hei  komme,  hingegen  heau  monde  etc.  Ahn- 
liche doppelformen  sind  noch:  nouveau  —  nouvel,  fou  —  fol, 
mou  —  mal,  vieux  —  vieil. 

et:  siehe  v.  3. 

al:  siehe  vorige  seite. 

mielz:  lat.  melius. 

I.  Die  mittelsilbe.  Das  unbetonte,  vor  vokal  stehende 
hiatus-i  wird  konsonantisch  (i,  siehe  v.  1  jorn  III  a)  und  ver- 
bindet sich  mit  vorausgehendem  l  zu  mouilliertem  l  (i,  vgl. 
V.  5  moillier  II):  *m^tos  (vgl.  ital.  meglio  =  meto). 

II.  Der  tonvokal.  Betontes  offenes  ?  vor  folgendem 
mouillierten  l  {Ij,  —  l)  diphthongiert  zu  ie,  indem  der  z-laut 
bereits  für  die  tonsilbe  vorausgenommen,  diese  also  teilweise 
an  den  folgenden  i-laut  angeglichen  wird. 

Beispiele : 

melier— t-mieldre  198  (hingegen  mit  nebentonigem  ?: 
meliöres  — >  meillors  1 69) ; 

ebenso  vor  rj,,  namentlich  in  der  endung  -eriii  (und  dem- 
gemäss  auch  -ariu,  vgl.  4  Chevaliers  I) : 


I.  Laisse.    H.  Vers:  mielz.                                    65 

*monisterium—>mostier  1; 

vor  rtj,: 

tertium—^tierz  173; 

vor  dj,: 

medium— >*miei->mi  {parmi  102,   ew/wi  117); 

vor  tj,: 

*pretiat~>*prieiset-*priset  (363),  wo   der  diph- 

I 


thoDg  ie  mit  dem  darauffolgenden  i  (aus  ti-dzi) 
zum  triphthongen  zei  verschmilzt  und  dieser  zu  / 
kontrahiert  wird; 

ebenso  vor  palatalgruppen,  welche  sich  zu  mouillierten 
konsonanten  entwickeln  (vgl.  1  reis  I): 

despectum  -^*despieit  — >  despit  227 
lectum—>*lieit—>lit{'i26). 

Es  ist  also  gleiehgiltig,  ob  der  vokal  in  offener  oder  ge- 
schlossener Silbe  steht.  Diese  diphthongierung  ist  bedingt 
durch  die  natur  der  folgenden  laute,  also  eine  bedingte 
diphthongierung,  während  die  diphthongierung  des  freien 
(langen)  ?  in  mier  ohne  rüeksicht  auf  die  folgenden  laute  ein- 
tritt und  sich  jener  gegenüber  als  spontane  diphthongierung 
bezeichnen  lässt. 

Wie  ^  wird  unter  gleichen  bedingungen  auch  g  behandelt, 
das  zu  uo  —  ue  diphthongiert: 

*faldastolium—> faldestueil  (mit  plural-s  faldestuelz  85) 
*voleo  {für  volo)—*'Vueil  (==  vuei)  70,  161 
oc{u)lum—>'Ueil  (=  uei). 

Mit  folgendem  i  entsteht  der  triphthong  uoi  (uei)  und 
daraus  ui: 

podium-^*puoi—*'pui  (puis  104) 
noctem—**nuoit—>nuit  237. 

Regel:  Betontes  offenes  e  wird  vor  mouil- 
lierten lauten  zu  ie  diphthongiert, 
ebenso  offenes  q  zu  uo,  woraus  we; 
mit  folgendem  i  entsteht  iei~^i  und 
uoi—>ui. 

III.  Beim  fall  des  endvokals  tritt  das  mouillierte  l  un- 
mittelbar vor  das  endungs-5,  was  weitere  veränderungea 
bedingt. 

VoTctzBch,  Studium  d.  »frz.  Sprache.     5.  Aufl.  5 


66  Erster  Teil:  Text 

a)  Mouilliertes  l  wird  im  laufe  der  entwieklung  ver- 
schieden behandelt,  je  nachdem  es  intervokal  bleibt  oder  vor 
konsonant  tritt  oder  in  den  auslaut  kommt. 

Regel:   Mouilliertes  l  verliert  vor  konsonant 
die  mouillierung. 

Vgl.  noch:  , 

*faldastolium-->  faldestueil,  dazu  fdläestuelz  85 
filia—^-fille  (=  ßie),  aber  filius-*fih. 

b)  Der  tibergangslaut:  nach  l  und  n  wird  auslautendes 
s  zu  ts  {z),  siehe  3  ponz  III  b. 

IV.  Neufranzösisch  mieux  =  mio.  Inlautendes  l  vor 
konsonant  wird  im  12.  jahrh.  zu  u  aufgelöst  (vgl.  oben  hei  II), 
eu  {ieu)  wird  sodann  zu  ö  (?ö)  kontrahiert.  Auslautendes  z  ist 
noch  im  altfranz.  (ende  des  12.  jahrhs.)  zu  s  geworden  (vgl.  2 
croiz  VI).  Die  auslautenden  konsonanten  verstummen  im  all- 
gemeinen gegen  ende  der  altfranz.  periode,  das  neufranz.  x 
für  s  ist  lediglich  eine  orthographische  eigenttimlichkeit  (vgl.  2 
erois  V). 

7.  Vers. 

II  la  prist  par  le  poiu  desoz  un  olivier. 

Er  nahm  sie  bei  der  band  unter  einem  olivenbaum. 

II :  lat.  nie  (illi). 

I.  Wir  haben  es  hier  mit  demselben  lat.  wort  zu  tun,  das 
den  ausgangppunkt  für  die  artikelform  li  (v.  1)  gebildet  hat. 
Dort  stand  ille  in  proklitischer,  tonloser  Stellung  und  wurde 
darum  verkürzt.  Hier  steht  es  als  Subjekt  des  satzes,  in  be- 
tonter Stellung,  und  entwickelt  sich  daher  nach  den  allgemeinen^ 
für  die  betonten  worte  geltenden  regeln.  Das  lat.  ille  hat  in 
dieser  Verwendung  seine  ursprüngliche  demonstrative  bedeutung 
viel  getreuer  bewahrt  als  dort,  es  ist  auch  noch  nicht  wie  im 
neufranz.  zum  reinen  personalpronomen  herabgesunken:  das 
altfranzösische  verbum  bedarf  beim  fehlen  eines  substantivischen 
Subjekts  nicht  unbedingt  eines  personalpronomens,  wie  die 
beispiele  in  den  versen  2 — 4,  9,  13  etc.  zeigen  (*  out  =  nfr. 


I.  Laisse.    6.  Vers:  mielz.  —  7.  Vers:  IL  67 

ü  y  eut,  veistes  ==  nfr.  vous  viies),  das  pronomen  ist  zunächst 
nur  zur  hervorhebung  oder  Eäheren  bezeicbnung  des  Subjekts 
notwendig  (wie  vers  13  dist  ele  für  einfaches  dist  zur  Unter- 
scheidung von  dist  il).  Unser  gedieht  gehört  der  Übergangs- 
periode an,  wo  das  verbum  das  pronominalsubjekt  noch  ent- 
behren kann,  es  aber  auch  schon  in  vielen  fällen  zeigt,  wo  ein 
besonderer  grund  zur  ausdrücklichen  bezeicbnung  des  Subjekts 
nicht  ersichtlich  ist. 

IL  Wie  die  artikelform  li  setzt  auch  das  Personalpronomen  il 
eine  grundform  mit  i  in  der  endung  voraus.  Dies  angenommen, 
ergibt  sich  folgendes  paradigma  für  die  betonten  formen  des 
männlichen  pronomens: 

sing,  rektus:      ilU—*il  plur.  rektus:     illi-^il 

obliquus:  illum—>*el  obliquus:  illos—*-els. 

Die  obliquusform  des  Singulars  selbst  ist  im  französischen 
nicht  erhalten,  sie  wurde  durch  lui  {*~iUui)  ersetzt.  —  Die 
entsprechenden  weiblichen  formen  lauten:  eU't—iUa  für  den 
rektus  singularis  (vgl.  v.  6),  li  {■<—*iUaei,  wie  lui<—illui)  für 
den  obliquus,  eles<—iUas  für  den  plural  (rektus  und  obliquus). 

III.  Der  i-umlaut  Es  gilt  noch  die  lautliche  entwicklung 
der  form  iUi~->il  zu  erklären,  welche  im  paradigma  dem 
rektus  singularis  wie  pluralis  eignet.  Das  lateinische  kurze  * 
wird  zunächst  zu  e,  wie  auch  in  illos  —  eis  —  nfr.  eitx.  Be- 
tontes geschlossenes  e  aber  (aus  lat.  e  oder  *)  wird  -zu  i,  wenn 
darauf  ein  i-laut  folgt.  Da  lat.  t  auch  in  den  endungen  überall 
zu  e  geworden  war,  handelt  es  sich  hier  zunächst  nur  um 
lat.  *,  das  als  i  erhalten  blieb.  Wieweit  auch  hiatus-»,  das 
zu  i  wurde  und  vielfach  mit  dem  vorausgehenden  konsonanten 
verschmolz,  umlaut  bewirken  kann,  ist  nicht  ganz  klar,  zumal 
hier  der  vorausgehende  konsonant  je  nach  seiner  beschafFenheit 
sehr  verschiedenartige  entwicklung  des  i  zur  folge  hat.  Sicher 
scheint  aber  der  umlaut  vor  liquida  +  i,  wo  der  konsonant 
selbst  jothaltig  wurde  und  die  jotazierung  länger  als  andere 
konsonanten  bewahrte. 

Der  Vorgang  beruht  also  auf  einer  vollständigen  assimilation 
des  tonvokals  an  einen  folgenden  e-laut  (während  der  umlaut 
des  ÜYortzvLÜ,  oben  s.  llf.,  oder  der  deutsche  umlaut  des  a 

5* 


68  Erster  Teil:  Text. 

vor  i,  z.  b.  lamhir—^leinhir,  wegen  der  allzustarken  Verschieden- 
heit in  der  klangfarbe,  nur  teilweise  assimilation  zeigt). 

Regel:  Betontes  geschlossenes  e  (lat.  e  und  i) 
wird  vor  folgendem  ?  (teilweise  auch 
vor  *)  zu  i  (der  sogenannte  /-u miaut). 

Beispiele: 

vBni  (dafür  '^venui)—*-vin  154 
ebenso  '^ienui  (für  f§nui)—>tin,  feci—*fis,  *pre(n)si—>prts 
dlium,  nnlium,  tiUum—^cil  {sourcil),  mil,  til  (tilleul) 
ebrii  (ebenso  ehrium) —>  ivre  (650). 

Wie  im  deutschen  (vgl.  pluralformen  wie  wägen,  kragen 
u.  ä.)  wird  der  «-umlaut  auch  im  französischen  auf  analogischem 
weg  weiter  verbreitet.  Nach  vin  {<—'^venui<—vent)  bildet  man 
auch  die  3.  person  vint  (für  vent-(—*venuit)  v.  93  u.  ö.,  nach 
fis  (feä)  auch  fist  191  für  '^ feist  {ftcU)  und  ßrent  115  für 
'*feirent  (aus  fecerunt  für  fecenmt),  nach  der  1.  person  pris 
auch  die  dritte  prist  für  *preist  (aus  *prenstt)  und  schliesslich 
auch  das  partizipium  pris — prise  (aus  prensum — prensam), 
vgl.  2  prise,  109  porprises. 

la:  lat.  illam. 

Die  in  Verbindung  mit  dem  verbum  gebrauchte  proklitisehe 
form  des  ureprünglichen  demonstrativpronomens  entwickelt  sich 
unter  den  gleichen  bedingungen  wie  als  artikel  vor  dem  Sub- 
stantiv. Proklitisch  geworden  gibt  sie  ihren  accent  an  das 
folgende  verbum  ab,  wird  selbst  schwachtonig  und  verliert  so 
die  erste  silbe.    Vgl.  noch  li  v.  1  und  5a  v.  2. 

prist:   lat.  *prensit. 

Das  mit  dem  präsens  zum  teil  gleichlautende  latein.  per- 
fektum  prehendit — prendit  (vgl.  v.  2  prise  und  rout  I)  ist 
schon  früh  zu  *prensit  umgestaltet  worden,  nach  dem  vorbild 
der  sehr  zahlreichen  5-perfekta  und  zugleich  unter  ein  Wirkung 
von  partizipium  und  supinum,  die  von  haus  aus  5  hatten.  Man 
bildete  *prensi  zu  prensum,  prendo,  wie  man  laesi  zu  laesum, 
laedo,  divisi  zu  divisum,  divido  u.  a.  hatte.  Das  n  vor  s  fällt 
nach  V.  1  mostier  IV.    Die  1.  person  *presi  gibt  mit  «-umlaut 


I.  Laisse.    7.  Vers:  II,  la,  prist,  par,  le,  poin.  69 

regelrecht  pris,  die  3.  person  *presit,  vulgärlateinisch  *preset, 
tibernimmt  den  Stammvokal  i  aus  der  1.  person.  Siehe  oben 
il  IlL 

Nfr.  prit  =  pri:  s  vor  stimmlosem  konsonant  verstummt 
ende  des  12.  jahrhs.  (vgl.  1  mostier  V,  3  espee  VI)  unter  dehnung 
des  vorausgehenden  tonvokals,  auslautendes  (festes)  t  ausgangs 
der  afr.  periode  (vgl,  v.  1  saint,  s.  22).  Der  vokal  ist  jetzt,  wie 
im  allgemeinen  die  vokale  im  unmittelbaren  auslaut,  halblang. 

par :  das  wort  per  ist  zu  par  geworden,  sowohl  als  selb- 
ständige Präposition  als  auch  in  Zusammensetzungen: 

per  medium — parmi  102,  ^perfunde  {für  profunde) — par- 
font  146,  perdonare — pardoner  869,  pardon,  parterre,  par- 
semer  etc. 

Dieser  wandel  setzt  unbetonte  (oder  nebentonige)  silbe 
voraus  und  findet  sich  am  häufigsten  vor  liquiden  und  nasalen. 
Vgl.  noch  damey.9,  mercatum-^marchiet,  dazu  marcheant  eia. 
(aber  mercedem  — >  mercit  32 ,  vermutlich  lehnwort  aus  der 
kirchensprache). 

le:   lat.  illum  {illud). 

Le  ist  die  obliquusform  des  männlichen  artikels.  Wie  üle 
(Uli)  verliert  auch  illum  in  der  proklitischen  Stellung  als  artikel 
den  ton  an  das  folgende  Substantiv,  wird  schwachtonig  und 
so  um  die  erste  silbe  verkürzt  (vgl.  oben  il,  la  und  v.  1  li). 
So  wird  aus  illum  regelrecht  lo,  die  in  den  ältesten  literatur- 
denkmälern  übliche,  ursprünglich  nebentonig  gebrauchte  form 
{lö  nöm),  und  le,  die  gewöhnliche,  ursprünglich  unbetonte 
form  (par  le  nöm  —  enklitisch  Z,  siehe  1  al);  ebenso  aus  illos 
die  formen  los  und  les.  Die  formen  des  männlichen  artikels 
lauten  also: 

sing,  rektus:  li  (für  le)  plur.  rektus:  li 

obliquus:  lo  —  le  obliquus:  los  —  les. 

poiu;  lies  pö^n  (mit  o-i  als  diphthong),  aus  IsLtpügnum, 
zu  pugnus. 

I.  Inlautendes  gn  wird  zu  mouilliertem  n  (n),  vgl.  v.  2 
seignat    Während   aber  fl  hier  intervokal   bleibt  und  sieh  in 


70  Erster  Teil:  Text. 

dieser  stellnng  als  ü  erhält,  tritt  es  in  pugnum  infolge  abfalle 
des  endvokals  in  den  anslaut  und  wird  zu  in:  jßugnum-^*pofio 
—*poifi—^poin,  d.  h.  der  jothaltige  und  im  auslaut  schwer 
sprechbare  teil  des  n  tritt  als  i  in  den  stamm.  Dasselbe  tritt 
auch  vor  folgendem  konsonanten  ein: 

cognita -^'^•coü{i)ta  — >  cointe  (7 16) 
insignet-^*ensenet  —*■  enseint; 

desgleichen  bei  n,  das  aus  intervokalem  ng  (vor  e  oder  *)  oder 
aus  n  -}-  hiatus-*  entstanden  ist: 

disjungit—*-*desjofiet—*desjoint  (317) 
longe-^*lofie—>loin  (386) 
Hongitanum  — >  lointain  58 
tesiimonium—>*testemofto  — >  tesmoin. 

Regel:  Mouilliertes  n  (aus  lat.  gn^  nj,  oder  ng 
vor  e,  i)  wird  im  auslaut  oder  vor 
konsonant  zu  in. 

IL  Neufranzösisch  poin=po^  zeigt  die  (schon  alt- 
französische)  Verschiebung  des  diphthongen  oi  {o  -f-  i)  zu  Of 
und  reinen  nasaldiphthongen  unter  aufgäbe  des  nasalkonsonanten. 
Die  nasalierung  des  vokals  war  schon  in  altfranzösischer  zeit 
eingetreten  (s.  1  un  IV). 

desoz:  lies  desots,  aus  lat.  de  +  subtus. 

I.   Lat.  subtus  gibt  regelrecht  afr.  sp^  —  nfr.  sous. 

ßegel:    ht  und  pt  wird  assimiliert  zu  tt  und 
dann  (wie  sonst  die  doppelkonsonanten)  zu 
t  vereinfacht. 
Dasselbe  gilt  auch  von  den  durch  vokalausfall  entstandenen 
konsonantengruppen  gleicher  art. 
Beispiele : 

Septem— *■  Seite  (vgl.  ital.  sette)—*set  73 

sapit-^set  219 
corruptiatus  -->*corrottiatos  —*-  correciez  17 
*adcaptare-^accattare  (so  itsd.) -*  acheter. 
Ton  vokal  ü—>o,  ausfall  des   unbetonten  vokals  der  end- 
silbe  nach   den  bekannten  regeln.    Infolgedessen  tritt  t  und  s 


I.  Laisse.    7.  Vers:  poin,  desoz,  olivier. —  Metrische  Bemerkung.     71 

zusammen  und  gibt  s.  Das  im  kompositum  inlautende,  im 
Simplex  aber  anlautende  5  ist  stimmlos,  dieses  wird  aber  im 
altfr.  nicht  immer  ausdrücklich  bezeichnet,  zumal  nicht  in 
kompositis. 

IL  Neu  französisch  sous  und  dessous  entwickelt  sieh 
regelrecht  aus  den  altfr.  formen:  s  wird  zu  s,  auslautend  s 
verstummt;  o  wird  ou,  wie  in  mouiier  (v.  1)  und  couronne  (v.  2), 
nach  dem  gesetz  über  die  nebentonigen  silben,  da  präpositionen 
den  hauptton  nicht  zu  tragen  pflegen;  als  adverb  ist  dessous 
stark  betont,  das  resultat  muss  aber  auch  hier  der  vokal  ou 
sein,  vgl.  jorn-^jour  (v.  1).  Die  Schreibung  ss  bezeichnet  keine 
Verdopplung,  sondern  nur  das  stimmlose  s  (vgl.  noch  ressembler, 
ressauter,  aber  auch  mit  einfachem  s  bezeichnet:  resonner). 

un:  siehe  v.  1. ' 

olivieri):  lat.  olivarium  vom  adjektiv  olivarius,  mit  der- 
selben bedeutung  wie  das  grundwort  oliva. 

Die  endung  -arium  wird  -ier,  siehe  v.  4  Chevaliers  I.  Durch 
die  erhaltUDg  des  unbetonten  vortonvokals  kennzeichnet  sich 
das  wort  als  fremdwort:  bliväriu  sollte  nach  mostier  III  den 
vokal  der  zwischen  nebenton  und  hauptton  stehenden  silbe, 
das  i,  verlieren. 

Metrische  Bemerkung. 

Der  vers  unserer  dichtung  ist  der  aus  dem  klassischen 
drama  der  Franzosen  bekannte  zwölfsilbner  oder  alexandriner. 
Wie  die  übrigen  französischen  verse,  ist  er  bestimmt  durch  die 
zahl  der  silben,  und  zwar  ist  sein  normalmass  zwölf  silben, 
wie  in  dem  eben  gelesenen  beispiel.  Genau  in  der  mitte,  nach 
der  sechsten  silbe,  findet  sich  eine  cäsur:  , 

12  3  4         5  6  7      8         9     10  11     12 

II  la  prist  par  le  poin        desoz  un  oUvier. 

*)  Solche  Situationen  'unter  einer  pinie,  unter  einem  heckenrosen- 
strauch'  u.  ä.  sind  typisch  in  den  chansons  de  geste.  Die  wähl  der  baum- 
art  wird  häufig  durch  das  vers-  und  reimbedürfnis  bestimmt.  Der  Ölbaum 
findet  sich,  wenigstens  heutzutage,  nur  im  südöstlichen  teile  von  Süd- 
frankreich (d6p.  Arri6ge  bis  d6p.  Isöre),  aber  nicht  in  Paris  und  Saint-Denis. 


72  Erster  Teil:  Text. 

Diese  eäsur  endigt  hier  auf  betonte  silbe,  auf  sog.  stumpfen 
oder  männlichen  ausgang.  Sie  kann  aber  auch  klingend  oder 
weiblich!)  enden,  wie  in  den  versen  1—6: 

ün  jorn  fut  li  reis  Charles      dl  saint  Denis  mostier, 
JRout  prise  sa  coronc      en  croiz  seignat  son  chief . . . 

Der  vers  hat  dann  dreizehn  silben,  im  übrigen  wird  an 
dem  bau  des  verses  nichts  geändert;  die  cäsur  steht  immer 
nach  der  sechsten  betonten  oder  siebenten  unbetonten  silbe. 

Ebenso  kann  der  endausgang  des  verses  weiblich  sein, 
wie  in  der  dritten  Strophe  (v.  43flf.): 

44    Volentiers  le  laissast,      mais  que  muer  nen  öset. 

Endlich  kann  sowohl  die  cäsur  als  auch  der  endreim 
weiblich  sein: 

43     Ore  entent  la  reine       que  ne  se  puet  estörtre. 

Der  alexandriner  bewegt  sich  also  tatsächlich  innerhalb 
der  grenzen  von  12—14  silben:  in  Strophen,  die  auf  männliche 
assonanz  ausgehen,  zählt  er  12  oder  13  silben,  in  solchen  mit 
weiblicher  assonanz  13  oder  14  silben.  Das  Schema  des 
alexandriners  wäre  demnach: 

1(X)    i      l(x). 

Die  gliederung  innerhalb  der  beiden  vershälften  wechselt. 
Auf  der  letzten  vollen  silbe  vor  der  cäsur  und  auf  derselben 
vor  dem  versende  ruht  immer  ein  starker  accent.  Ausserdem 
hat  jede  vershälfte  wenigstens  noch  einen,  zuweilen  auch  zwei 
accente,  oft  einen  starken  accent  {—)  und  einen  nebenaccent  (1). 
Die  Stellung  dieser  accente  wird  nach  gewöhnlicher  annähme 
durch  den  grammatischen  accent  bestimmt.  Die  bisher  be- 
sprochenen verse  wären  dann  etwa  so  zu  lesen: 

Un  Jörn  fut  li  reis  Charles      al  samt  Denis  mostier, 
Rout  prise  sä  coröne,      en  cröis  seignat  son  chief 
Et  at  ceinte  s^espee     dont  li  pönz  fut  d'ör  mier. 
Düs  i  out  et  demeines,    baröns  et  Chevaliers. 


J)  Die  bezeichnuDgen  männlich  und  weiblich  für  reime  auf  betonte 
und  auf  betonte  +  unbetonte  silbe  sind  von  dem  typus  der  männlichen 
und  weiblichen  flexionsendung  hergenommen :  bon  —  bonne. 


I.  Laisse.    Metrische  Bemerkung.  —  8.  Vers:  pleine.  73 

Charles  li  emperere      regudrdet  sä  moillier: 
Ele  fut  cbronee      al  plus  hei  et  al  mielz. 
11  la  jirist  par  le  pöin      desbs  un  blivier. 

Eine  auf  dem  princip  des  regelmässigen  wechseis  von 
unbetonten  und  betonten  silben  (_1_^_1  ||  _1_ -!_-!-)  be- 
ruhende rhythmische  gliederung  des  alexandriners,  die  in  der 
tat  in  zahlreichen  versen  vorhanden  ist.  sucht  Saran  in  seinem 
'Rhythmus  des  französischen  Verses'  (Halle  1904)  s.  338fiF.  ge- 
rade an  der  Kailsreise  durchzuführen.  Im  übrigen  ist  nicht  zu 
vergessen,  dass  diese  epen  gesungen  und  der  versrhythmus 
durch  die  melodie  bestimmt  wurde. 

Die  einzelnen  verse  innerhalb  der  Strophe  sind  durch  blosse 
assonanz  (gleichklang  des  betonten  vokals)  miteinander  ver- 
bunden, erst  in  späteren  epen  tritt  an  stelle  der  assonanz  der 
vollreim  (gleichklang  des  betonten  vokals  und  der  darauf- 
folgenden laute).  Die  assonanz  ie  reicht  bis  vers  31,  diese 
31  verse  bilden  also  die  erste  strophe  (frz.  laisse,  tirade 
monoritne).  Mit  vers  32  beginnt  ein  neuer  assonanzvokal  (e) 
und  damit  eine  neue  strophe.  Die  epische  Strophe  oder  laisse 
konnte  unbeschadet  der  melodie  (vgl.  oben  s.  3)  beliebig  lang 
gemacht  werden,  während  in  der  lyrischen  poesie  die  melodie 
die  ganze  etrophe  umfasste  und  demnach  in  einem  und  dem- 
selben gedieht  jede  strophe  gleich  der  andern  gebaut  sein 
musste.  Die  kürzeste  laisse  in  unserem  epos  (v.  226  ff)  hat 
3  verse,  die  längste  (v.  123  ff.)  44,  der  durchschnitt  beträgt 
16  verse  (ähnlich  auch  im  Rolandslied).  In  den  späteren  epen 
werden  die  Strophen  erheblich  länger. 


8.  Vers. 

De  sa  pleine  parole  la  prist  a  araisuier. 

Mit  seiner  vollen  stimme  begann  er  sie  anzureden. 

De:  siehe  v.  3  dont. 

sa:  siehe  v.  2. 

pleine:  lies  pleine,  lat.  pUna{m). 


74  Erster  Teil:  Text. 

I.  Der  tonvokal. 

Regel:    Betontes  geschlossenes  e  (lat.  e  und  %) 
in    offener  silbe   diphthongiert  zu   ei. 
Beispiele  für  €:      habere —*  aveir  27 
se—>sei  61 
me-^mei  71 
camelos—*chameih  73 
seta-^seie  85. 
Ebenso  t,  das  nach  2  en  I  zu  0  und  in  offener  silbe  nach 
dem  Ten  Brink'schen  gesetz  (vgl.  v.  2   chief  IVa)  lang  wird 
(0),  also  mit  ursprünglichem  e  zusammenfällt: 
ftdem—>feit  53 
vtdent-^veient  108. 

II.  Neufranzösisch  pZeiwe  =  j9Z?w  zeigt  ausser  verstummen 
des  auslautenden  e  kontraktion  des  diphthongen  ei  zu  ?  und 
entnasalieruDg  des  vokals  (wie  2  eorone).  Die  afr.  nasalierung 
war  die  Ursache,  dass  ei  zu  dem  offneren  ^i  verschoben  und 
dann  zu  ^kontrahiert  werden  konnte  (plein — pl^tn — pl§,  ebenso 
pleine — pl^ine — pV^ne,  woraus  wieder  pl^n),  während  ei  sich 
sonst  weiter  zu  oi  —  o?  —  ua  entwickelte  (vgl.  nfr.  avoir,  foi). 

parole:  lat.  pardbola{m)  aus  grieeh.  jcaQaßoX?j: 
I.  Das  wort  erscheint  als  parabole  schon  bei  lat.  autoren 
des  ersten  jahrhs.  n.  Chr.,  später  wurde  es  ganz  an  die  lat.  erste 
deklination  angeglichen:  parabola.  Die  betonung  griechischer 
lehnwörter  wird  dem  lateinischen  accentsystem  angepasst,  vor 
allem  werden  die  im  lat.  keine  parallelen  findenden  oxytona 
beseitigt:  jtagaßoXr/  wird  dementsprechend  zu  parabole.  Aus 
der  ursprünglichen  bedeutung  'gleichnis'  hat  sich  im  romanischen 
die  allgemeinere  bedeutung  'rede  —  wort'  entwickelt.  —  Die 
griechischen  lehnworte  des  altfranzösischen  sind  diesem  zumeist 
durch  das  latein  vermittelt  worden,  d.  h.  sie  waren  bereits  in 
das  latein  tibergegangen,  ehe  dieses  sich  in  die  einzelnen 
romanischen  sprachen  gespalten  hatte. 

IL  Dieendung-aöwZaist  schon  vulgärlat.  zu  -aula  ge- 
worden, vermutlich  durch  die  zwischenformen  -avula  —  avla 
hindurch,  mit  erweichung  des  intervokalen  b  vor  dem  labial- 
vokal u  (o)  zu  V  und  Verkürzung  des  proparoxytonons  um  den 


I.  Laisse.    8.  Vers:  pleine,  parole,  la  prist  a  araisnier.  75 

vokal  der  unbetonten  mittelsilbe  G<XXX~*"X><X?  ^S^-  domina-^ 
domna  —  dame  v.  9).  So  wird  auch  tabula  in  der  vulgär- 
spraehe  regelrecht  zu  taula  (nfr.  iöle  eisenblech),  fäbula  zu 
faula  (prov.  faula)  entwickelt;  table  und  fable  sind  als 
fortsetzung  der  in  der  hoehsprache  daneben  gebliebenen  voU- 
forraen  tabula,  fabula  oder  direkt  als  fremdworte  zu  betrachten. 
Für  das  romanische  ist  also  von  paraula  auszugehen. 

Ebenso  wird  im  latein  die  gruppe  avi-  mit  ausfall  des 
unbetonten  i  und  auflösung  des  v  zu  au,  wie  avica—>auca  — 
frz.  oie,  avicelhim-^  aucellum  —  oisel  (v.  346)  —  nfr.  oiseau. 
Vielleicht  hängt  damit  auch  die  gestaltung  der  dritten  person 
sing,  per  f.  der  I.  konjugation  zusammen:  signavit  —  aut  —  at 
(vgl.  V.  2  seignat  III). 

III.  Der  tonvokal:  au  wird  p,  siehe  v.  3  or  I. 

IV.  Neufranzösisch  parole  =paröl  zeigt  verstummen 
des  aus  dem  lat.  endungs-a  entstandenen  dumpfen  e  und 
ktirzung  des  ursprünglich  langen  tonvokals  vor  dem  folgenden  l. 

la  prist  a  araisnier. 

I.   Die  einzelnen  worte  siehe:  la  v.  7,  prist  ebenda,  a  v.  1  al. 

IL  Konstruktion  und  bedeutung.  Wörtlich  bedeutet 
der  satz  nach  Toblers  erklärung:  „er  nahm  sie  vor,  nahm  sie 
lum  ziele  der  anrede".  Ebenso  v.  134:  prist  Ven  a  aparler. 
Vgl.  dazu  V.  215:  Le  patriarche  prist,  si  Ven  at  apelet.  La  ist 
also  direktes  objekt  zu  prist,  der  infioitiv  mit  a  bezeichnet  den 
zweck.  Dem  sinne  nach  entspricht  diese  redewendung  dem 
deutschen  'beginnen  etwas  zu  tun',  daher  wir  tibersetzen 
dürfen:  „er  begann  sie  anzureden". 

Neufranzösisch  ist  die  konstruktion  nicht  mehr  üblich, 
jedoch  vergleiche  se  prendre  ä  faire  qch. 

araisnier:  lat.  *adrationare,  zu  ratio  berechnung,  belehrung, 
denkweise,  rede,  vgl.  altfr.  metre  alcun  a  raison  =  anreden. 

I.  Hiatus-i  zu  j,  (j),  siehe  v.  1  jorn  III a,  also  adraij,onare. 

IL  Der  unbetonte  vortonvokal.  Das  zwischen  neben- 
ton und  hauptton  stehende  o  fällt:  xxxxx~*xxxx-  Siehe 
V.  1  mostier  III. 


76  Erster  Teil:  Text. 

III.  Der  jotazierte  konsonant.  Dieser  entwickelt  sich 
wahrscheinlich  über  tj,  —  dzj, — zj,  zu  iz,  das  zwischen  vokalen 
(und  wahrscheinlich  auch,  wie  hier,  vor  stimmhaftem  konsonant) 
mit  stimmhaftem  s  (z),  vor  anderen  konsonanten  und  im  aus- 
laut  mit  stimmlosem  s  erscheint. 

a)  rationem—*- raison  |  vgl.  hierzu  die  nfr. 
orationes -^  oraisons  864  i  formen  mit  stimm- 
*pretiare—*preisicr  \         haftem  5. 

*pretiat-^*prieiset  — priset  (363). 

b)  *pretio—*-*prieis—*'pris  (696)  —  nfr.  prise  mit 

analogischem  e 
subst.  pretium—>^prieis -* ptris  —  nfr.  prix 
palaüum—* palais  830. 

Regel:  Lateinisch  intervokales  ti  {tj)  wird  zu 
is,  mit  stimmhaftem  5  vor  vokal  oder 
stimmhaftem  konsonant,  stimmlos  vor 
anderen  konsonanten  oder  im  auslaut. 

Falls  s  vor  n  tatsächlich  stimmhaft  war,  musste  es  nach 
1  mostier  V  um  diese  zeit  bereits  verstummt  sein. 

IV.  Der  tonvokal:  es  handelt  sich  hier  um  a  in  freier 
Stellung,  dem  eine  jotazierte  oder  palatale  konsonanz  (tjn  —  sjn) 
vorausgeht.  In  diesem  fall  wird  a  nicht  zu  e  (wie  spaiham  — *■ 
espee  v.  4),  sondern  ie:  siehe  v.  2  chief  IV  b. 

V.  Die  anlautende  silbe:  das  wort  ad  (vgl.  1  all),  das 
sich  in  Zusammensetzungen  ebenso  wie  als  selbständiges  wort 
zu  a  entwickeln  muss:  dental  zwischen  vokal  und  r  wird  be- 
handelt wie  zwischen  zwei  vokalen  und  fällt  demgemäss  aus. 
Vgl.  V.  3  espee  IIb,  v.  5  emperere  II,  v.  9  vtistes  III. 

VI.  Neu  französisch  ist  araisnier  nicht  erhalten,  wol 
aber  das  simplex  raisonner.  Dieses  ist  eine  unmittelbare  ab- 
leitung  von  dem  Substantiv  raison,  wodurch  sich  die  lautliche 
gestaltung  des  wortes  (statt  *raisnier)  erklärt. 


I.  Laisse.    S.Vers:  arraisnier.  —  Q.Vers:  Satzverbindung.         77 


9.  und  10.  Vers. 

Barne,  yeistes  onques  rei  niil  dedesoz  ciel, 
Herrio,  habt  ihr  jemals  irgend  einen  könig  unter  dem  himmel 

gesehen, 

Tant  bien  seist  espee  ne  la  corone  el  chief? 

Dem  so  gut  gestanden  hätte  ein  schwert  oder  die  kröne 
auf  dem  haupt? 

Satzverbindung.  Vor  tant  ist  das  relativpronomen  {cui) 
zu  ergänzen.  Dasselbe  kann  fehlen  nach  regierenden  Sätzen 
verneinenden  Inhalts  (auch,  wie  hier,  in  der  form  der  frage); 
sofern  der  inhalt  des  abhängigen  satzes  nur  als  angenommen 
hingestellt  werden  soll,  steht  das  verbum  in  diesem  im  kon- 
junktiv.  Zuweilen  ist  in  solchen  Sätzen  statt  des  relativums 
die  konjunktion  que  zu  ergänzen:  so,  wenn  es  in  unserem  bei- 
spiele  etwa  hiesse  Hant  bien  lui  seist  espee\    Vgl.  noch: 

169  Donrai  vos  tels  reliques,  meülors  n'en  at  soz  ciel. 
(vgl.  186  Donrai  vos  tels  reliques  qui  feront  granz  vertus) 
256  QuHl  ne  vienent  a  ewe,  n^en  partissent  li  guet, 

Ne  fi'encontrent  avuegle,  ne  seit  renlumines. 
812  Franceis  les  esguarderent,  n'i  out  un,  n'en  parolt. 
815  Ja  ne  vendrons  en  terre,  nostre  ne  seit  li  los. 

Die  erscheinung  erklärt  sich,  wie  auch  die  beispiele  zeigen, 
aus  ursprünglich  parataktischem  Satzgefüge.  Dasselbe  liegt 
zugrunde  auch  in  den  übrigen  fällen,  wo  die  konjunktion  que 
fehlen  kann: 

nach  den  verben  sentiendi  und  declarandi: 

196  Or  veit  li  patriarche,  Dieus  i  fait  grans  vertuz] 

in  Sätzen  mit  konsekutivem  sinn: 

131  Tant  out  fier  Je  visage,  ne  Vosat  esguarder; 

in  Sätzen,  die  einen  wünsch  oder  einen  befehl  ausdrücken: 
806  prez  sui,  la  meie  (sc.  corone)  port. 
(683)  ne  puis  laissier,  nel  {=  ne  le)  die. 


78  Erster  Teü:  Text. 

Dame:   lies  däme,  lat.  dömina. 

I.  Der  vokal  der  pänultima.  Wir  haben  es  in  domina 
mit  einem  proparaxytonon  oder  sogenannten  gleitewort  (ital. 
parola  sdrucciola)  zu  tun,  bei  welchem  auf  die  tonsilbe  noch 
zwei  nac'htonsilben  folgen:  typus  xxx-  ^i^  ^^i  den  vortonsilben 
hat  auch  hier  im  allgemeinen  die  am  weitesten  vom  hauptaccent 
entfernte  nachtonsilbe  den  stärkeren  ton  von  beiden,  die  zwischen 
haupt-  und  nebenton  stehende  pänultima  den  schwächeren, 
d.  h.  sie  trägt  gar  keinen  accent.  Sie  ist  unbetont  wie  die 
zwischen  nebenton  und  hauptton  stehende  unbetonte  vortonsilbe 
und  wird  behandelt  wie  diese:  der  vokal  fällt  aus  (vgl.  oben 
s.  74  parole).  Es  hängt  aber  von  den  umgebenden  konsonanten 
ab,  ob  der  ausfall  früher  oder  später  eintritt  (am  frühesten 
neben  liquiden  und  nasalen). 

Die  ältesten  beispiele  finden  wir  schon  im  klassischen 
latein:  valde  {■<—*valide)  neben  validus,  caldus  neben  calidus, 
domnus  neben  dominus,  postus  neben  jposi^M5.  Augenscheinlich 
handelt  es  sich  zunächst  um  kurzformen  (in  rasch  gesprochener 
rede),  neben  denen  die  alten  vollformen  weiter  bestehen  bleiben. 
In  vereinzelten  fällen  ist  die  form  mit  vokal  die  jüngere 
{periculum  gegenüber  älterem  periclum,  femina  gegenüber 
etymologischem  *femna),  doch  ist  es  zweifelhaft,  ob  man  die 
romanischen  formen  direkt  auf  die  altlateinischen  zurückführen 
darf.  Jedenfalls  brauchte  das  Vulgärlatein  die  synkopierten 
formen  in  Verbindungen  wie: 

l  oder  r  +  konsonant  {calidu  —  caldu  —  chaut,  calamu  — 
calmu  —  chaume,  viride  —  verde  —  vert,  horridu  —  ordu  —  ort), 

m  +  n  (dotninu  —  domnu,  domina  —  domna,  femina  — 
femna), 

dental  +  dental  u.  ä.  {nitidu  —  nittu  —  net,  putida  — 
putta  — pute,  frigidu  —  frigdu  —  freit  —  froid), 

guttural,  dental  oder  r  -{-  l  {ocuhi  —  oclu  —  ueil,  vetulu  — 
^veclu  —  vieil,  parabola  s.  o.)  usw. 

Eine  jüngere  schiebt  ist  nur  dem  provenzalischen  und 
französischen  eigen  {^ridere-^rire,  facere  —  faire),  eine  anzahl 
nur  diesem  {tepidum—* frz.  tiede  gegen  prov.  tthe,  jüngere-^ 
joindre  prov.  jonher,  vincere -^  veintre  vaincre  prov.  vencer). 
Auch  innerhalb  des  französischen  ist  eine  ältere  schiebt,  vor 


I.  Laisse.    9.  Vers:  Dame.  79 

erweichung  der  intervokalen  explosivlaute  {debita  — ►  dete  — 
dette),  von  einer  jüngeren,  nach  der  erweichung  {rapidu  — 
*rabidu  —  rade,  cuhitu — ^cuhidu  —  coude)  zu  unterscheiden. 

Beispiele  aus  unserem  text: 
femina-^femme  33 
germ.:  *hauni])a-^  honte  38 
*ext6rquere—*estortre  43 
*regalimen-^rcialme  68 
"^requaerere-^requerre  69 
quaerere—*-  querre  72 
bessere  (für  esse) —*■  estre  97 
enduDg  -aticum-^age:  visage  131,  lenguage  209 
feretrum—*  ßertre  198 

facere-^  faire  198,  ebenso  dire,  lire,  ceindre. 

In  dieser  Stellung  fällt  auch  a,  das  in  endsilben  und 
unbetonten  vortonsilben  verschont  bleibt  (vgl.  v.  1  un  III, 
mostier  III): 

colopJium —>  colp  (586) 
Sequana  — >  Seine. 

Regel:    In  der  unbetonten   nachtonsilbe  (pän- 
ultima)  fallen  sämtliche  vokale  aus. 

IIL  Die  nasalgruppe:  mn  vs^ird  assimiliert  zu  mm 
und  dann  zum  einfachen  laut  reduziert  {mn—>mm~^m, 
aber  wegen  des  nasalvokals  häufig  mm  geschrieben). 

Vgl.  femina-^femme  (=  fäme)  33 
nominatis—^nomez  39 
homines —>home{s)  208. 

IV.  Der  tonvokal.  Das  nach  dem  ausfall  des  vor- 
letzten Vokals  in  geschlossener  silbe  stehende  p  sollte  vor  dem 
folgenden  nasal  zu  o  werden  wie  in  pons  (siehe  v.  3). 

Der  wandel  von  p  zu  a  in  dieser  Stellung  ist  nur  diesem 
wort  (sowie  auch  dem  zugehörigen  maskulin:  rektus  danz  — 
obl.  dan,  damne  und  den  ableitungen)  eigen  und  ist  ursprüng- 
lich wohl  da  eingetreten,  wo  das  wort  nebentonig,  proklitisch 
stand,  was  vor  eigennamen  der  fall  war:  domina  Maria—* 
dame  Marie  [dominus  Alexius  — >  danz  Alexis).  In  solcher 
Stellung  und  betonung  werden  die  worte  stärker  verkürzt  und 


80  Erster  Teil:  Text. 

namentlich  die  vokale  anders  behandelt  (in  der  regel  ge- 
schwächt) als  unter  dem  hauptton  (vgl.  noch  provenzaliseh 
en  Bertrans  =  dominus  Bertrandus,  na  Guiscarda  =  domina 
Guiscarda).  Einmal  vorhanden,  ist  die  form  dann  auch  in 
anderen  fällen  verwant  worden,  wo  der  volle  ton  darauf  fiel; 
die  hier  eigentlich  zu  erwartende  form  dorne  (daneben  done) 
erseheint  nur  in  wenigen  texten.  Möglicherweise  trat  erst  eine 
Schwächung  von  o  zu  e  (nach  4  demeines  IIIj  und  darnach  eine 
Verschiebung  von  e  zu  a  ein  (wie  per—>par,  siehe  v.  7).  —  Die 
nasalierung  ist  im  neufrz.  wieder  verloren  gegangen  (s.  2  corone). 
Dame  zur  bezeichnung  der  vornehmen  frau  in  der  anrede 
entspricht  in  bedeutung  und  Verwendung  genau  dem  mittel- 
hochdeutschen frouwe.  Wie  dieses  wird  es  auch  gegenüber 
unverheirateten  angewendet,  wie  z.  b.  nachher  Oliver  die  tochter 
des  kaisers  Hugo  mit  Dame  anredet. 

veistes:  lat,  vidistis. 

I.  Der  ton  vokal:  lat.  ^.  Dieses  sollte  der  allgemeinen 
regel  nach  (v.  2  en  I)  zu  e  werden.  Das  i  der  endung  -stis  ist 
kurz,  also  gleichfalls  zu  e  geworden  und  kann  keinen  umlaut 
bewirken.  Hingegen  tritt  in  der  2.  sing,  vor  dem  langen  i  der 
endung  regelrecht  ^-umlaut  ein:  *videsil—* ve'is{t),  und  hiernach 
ist  auch  die  entsprechende  form  des  plurals  ^vid^stes  zu  ^vidistes 
—  veistes  umgestaltet  worden.  Ebenso  in  sämtlichen  hierher- 
gehörigen perfektbildungen: 

*prensisti~*presis,  darnach  presistes 
fecisti-^fesis,  darnach  feststes 
misisti-^mesis,  darnach  mesistes. 

IL  Der  vokal  der  Stammsilbe:  }  =  i  (lat.  perfekt- 
bildung  mit  stammdehnung:  vtdeo  —  vidi).  Der  vokal  trägt 
hier  nur  einen  nebenton,  während  der  hauptton  auf  der  endung 
liegt,  wie  in  vidisti  (gegenüber  vidi,  vidit). 

a)   Nebentoniges  ?  bleibt  als  i  erhalten: 

civitates —>  cites  11 
iratus—^irez  —  iriez  30 
dlcere  habetis —*  direz  41 
fidantia—^fiance  52. 


I.  Laisse.    9.  Vers:  Dame,  veYstes.  81 

b)  Dasselbe  wird  zu  e  vor  einem  folgenden  hoeh- 
betonten  i: 

*dlmedium-am  —*-  demi-e  (264) 

dlxistis —*  desistes  (675),  deistes  (646) 
vlcinu—*veisin. 

Man  pflegt  einen  solchen  Vorgang,  bei  dem  (zunächst  wohl 
infolge  eines  verspreehenp)  von  zwei  gleichen  naehbarlauten 
sich  der  eine  von  dem  anderen  eben  wegen  des  lautlichen 
gleicbklangs  entfernt,  als  dissimilation  zu  bezeichnen  (ähulich 
auirh  bei  anderen  vokalen:  honorem  —  onor — enor,  augustum — 
*agustu — aost;  ebenso  auch  bei  konsonanten,  bes.  liquiden  und 
nasalen:  peregrinum — pthrin  95,  paraveredum — paltfroi). 

III.  Der  intervokale  konsonant. 
Regel:   Lat.  d  zwischen  vokalen  fällt  aus. 

Beispiele:  sedisset—*- seist  10 

audiverun  t  — »•  o'irent  1 8 
cadere — *cadire—*chtir  31 
Judicium— ^juise  35. 

Ebenso  ursprüngliches  t,  das  zunächst  zu  d  erweicht  wird 
und  dann  die  gleiche  entwicklung  nimmt  wie  das  lat.  d  (vgl. 
v.  3  espt-e).  Wahrscheinlich  wurde  der  stimmhafte  dentale  ver- 
sehluHslaut  d  zuerst  zum  stimmhaften  dentalen  reihelaut  (f,  ehe 
er  vollständig  ausfiel.  Noch  das  Alexiuslied  (mitte  des  ll.jahrhs.) 
hat  den  intervokalen  dental  nicht  verstummen  lassen. 

IV.  Die  endung.  Die  erhaltung  des  endvokals  in  der 
2.  plur.  perf.  ist  allen  konjugationen  gemein:  chantasies,  par- 
tistes,  oüstes  etc.  Dasselbe  ist  auch  in  der  1.  plur.  der  fall: 
chaniames,  pariimes,  ve'imes  etc.  Das  provenzalische  hingegen 
hat  in  allen  diesen  fällen  die  lautgesetzlicben  formen:  partim 
partitz  etc.  Die  erhaltung  des  vokals  in  den  französischen 
formen  steht  mit  dem  gesetz  von  dem  fall  der  endsilbenvokale 
(v.  1  un  III,  vgl.  auch  noch,  wegen  der  lautgruppe  -stes^  v.  80 
fuü t— füstes)  nicht  in  einkiang  und  muss  sich  sonach  aus  irgend 
einer  annlogischen  ein  Wirkung  erklären.  Eine  völlig  befriedigende 
erklärung  ist  noch  nicht  gefunden. 

Voretzsch,  Studium  d.  afrz.  Spiacha.    5.  Anfl.  Q 


82 


Erster  Teil:  Text 


afr. 

nfr. 

vi  137 

vi{s) 

vt'is 

vi{s) 

Vit  30 

vi{t) 

ve'imes 

vim{es) 

vtistes 

vtl{es) 

virent  104 

vir{ent) 

V.    Das   vollständige   paradigma    lautet   altfr.  nebst   den 
entsprechenden  lat.  und  neufr.  formen: 
lat. 
vidi 
vidisti 
vidit 
*vidimus 
vidistis 
*vi  ierunt 
(für  klass.  vidSrunt) 

Das  s  vor  konsonant  {ve'istes  :  veites)  verstummt  noch  in 
altfr.  zeit  nach  v.  1  mostier  V.  —  Unbetontes  e  vor  folgendem 
ton  vokal  ist  noch  vor  ausgang  der  altfr.  periode  geschwunden: 
veü  —  vis,  vti{s)tes  —  vi{s)tes.  —  Die  endkonsonanten  sowie 
auslautendes  dumpfes  e  verstummen  wie  in  früher  besprochenen 
fällen. 

onques:  lies  öJces  (önJces),  aus  lat.  unquam. 

I.  Abfall  des  -m,  wandel  von  ü  zu  o,  Schwächung  des  un- 
betonten a  zu  e,  nasaliernng  nach  den  bekannten  regeln:  o{n)que. 

II.  Das  silbenanlautende  qu  wird  nach  konsonant 
behandelt  wie  im  anlaut  (vgl.  4  barons  IV). 

Regel:  Anlautendes  qti  wird  unter  verlust  des 
halbvokalsMzu/c  (geschrieben  qu,  seltener 
q,  c  oder  k,  vereinzelt  ch). 

Der  Vorgang  entspricht  der  späteren  Vereinfachung  von  gu- 
(<— germ.  w)  zu  g-  (5  reguardct).  In  der  schrift  kommt  die  Ver- 
änderung nicht  immer  zum  ausdruck,  da  hier  wie  in  vielen 
anderen  fällen  (vgl.  1  un,  3  ceinte  usw.)  die  alten  zeichen  auch 
für  den  veränderten  laut  beibehalten  oder  längst  verstummte 
laute  noch  geschrieben  werden.  Aber  die  handsehrift  unseres 
textes  schreibt  z.  b.  kant  (kaunt)  neben  quant  für  lat.  quando 
und  so  auch  gerade  an  unserer  stelle  unkes.  Chi  für  lat.  qui 
findet  sich  schon  im  Eulalialied  (ende  9.  jhs.),  so  dass  also  für 
den  walloDischen  dialekt  in  jener  zeit  der  Übergang  feststeht. 
In  anderen  dialekten  kann  der  Übergang  frUber  oder  später 
stattgefunden  haben.    Möglicherweise  war  für  das  frühere  oder 


I.  Laisse.    9.  Yers:  veYstes,  oaques,  rei.  83 

spätere  verstummen  des  u  aach  die  natnr  des  folgenden  vokals 
massgebend.    Vgl.  noch: 

*conquaerere  habeo —*- conquerrai  \1  =  conkerrai 
qui—>qui  14  =  ki 
quando —*■  quant  15  =  Jcant 
quare~>car  19 
quod—^que  SO  =  Jce 
quomodo  — >  come,  com  50,  58,  95  u.  ö. 
qualem-^quel  219  =  kel. 

IIL  Das  auslautende  s  ist  analogischer  natur,  nach  dem 
muster  solcher  adverbia,  welche  ein  solches  s  (oder  ^)  besassen 
oder  regelrecht  entwickelten: 

plus  —  plus  Q,  mngis  —  mais  28,  ja  mais  57,  foris  —  fuers 
ifors  594,  präpos.  dt  fürs  334),  *postius  —  puis  231;  melius  — 
mieh  6,  *adsdtis  —  assez  78,  intus  —  em  (415),  laenz  114, 
gaenz  (756),  dedens  808. 

Das  5  war  also  für  eine  reihe  von  adverbien  (auch  prä- 
positionen),  zumal  zeitlicher  oder  örtlicher  oder  auch  allgemeiner 
bedeutung,  charakteristisch,  und  so  glich  man  auch  andere 
bildungen  diesem  typus  an: 

voluntarie  —  volentier —>  volentiers  44,  wo  das  s  zugleich 
zur  Unterscheidung  des  adverbs  vom  adjektiv  dienen  konnte; 
sine  -[-  s-^senz  h()\  *ha  hora  —  ore  43  {or  9S)-^ores.  Zum  teil 
kommen  die  formen  mit  und  ohne  s  noch  nebeneinander  vor 
wie  gerade  bei  onque,  ore,  zum  teil  ist  die  neugebildete  form 
die  einzige  vorhandene  wie  bei  sens,  das  schon  alt  ist  und 
auch  im  provenzalischen  als  sens,  ses  erscheint.  , 

IV.  Neufranzösisch  wird  onc  onques  (mit  verstummtem 
endkonsonanten)  nur  selten  gebraucht,  es  ist  ersetzt  durch 
jamais  (das  ursprünglich  nur  von  der  zukunft  gilt). 

rei:  lat.  r^gem.    Vgl.  v.  1  reis'*r—r^. 
I.    Der  intervokale  konsonant. 
Regel:   Lat.  g  zwischen  hellen  vokalen  (a,  e,  i) 
wird  zum  halbvokal  (i)  oder  reibelaut 
(j)  und  bleibt  als  solcher  in  der  regel 
erhalten. 

6* 


84  Erster  Teil:  Text. 

Beispiele:  regalem —> reial  (415) 

*regalimen  — >  reialme  68 
ligare-^leiitT  201 
paganos —*■  paiiens  224. 

Ebenso:  nach  hellen  vokalen  c  vor  a: 

precatum—*-preiiet  865 
pacare  — ►  paiier. 

Mit  benachbartem  *  verschmilzt  i,  d.  h.  es  fällt  auB: 

regina—* reine  30 
witca-^mie  28. 

II.  Zur  deklination.  Nominativ  und  akkusativ  sind  im 
allgemeinen  die  beiden  einzigen  lat.  kasus,  welche  im  franz. 
erbalten  bleiben,  daher  wir  im  altfranz.  das  sogenannte  zwei- 
kasns-system  finden.  Die  formen  des  altfr.  nominativs  (rektus) 
und  akkusativs  (obliquus)  entwickeln  sich  im  allgemeinen  regel- 
recht aus  den  entsprechenden  lateinischen  (vgl.  1  reis  III,  dazu 
semperere  VI).  Jedoch  verlieren  im  rektus  pluralis  die  maskulina 
der  lat.  III.  deklination  nach  dem  muster  der  II.  {domini, 
servi,  anni)  ihr  -s,  so  dass  die  flexion  von  rex  sich  altfranz. 
wie  folgt  gestaltet: 

sing.  j  plur. 

rektus:  reis  1        |  rei 

obliquus:  rei  9  j  reis  152. 

Im  neufr.  gibt  es  für  jeden  numerus  nur  noch  eine  kasus- 
form und  zwar  hat  in  der  regel  die  des  obliquus  den  sieg 
über  den  rektus  davongetragen:  li  rois  wurde  durch  le  roi 
verdrängt,  die  form  mit  s  am  ende  durch  die  s-lose  form  (vgl. 
1  jorn,  aber  auch  Charles).  Im  plural  siegte  gleichfalls  der 
obliquus,  der  hier  tiberall  «-formen  zeigt:  illos  reges ■-*■  les  rois, 
duces-^dus,  caballarios —*- Chevaliers ,  barones —*' barons  (v.  4). 
So  erklärt  es  sich,  dass  sich  im  nfr.  der  plural  vom  singular 
in  der  regel  durch  ein  s  (auch  x  geseh rieben)  unterscheidet. 

III.  Wegen  rei— *- roi  vgl.  v.  1  reis  III  und  v.  8  pleine  IL 

nnl:   lies  nül,  aus  lat.  nüllum  (ü  wegen  kontraktion  aus 

ne-ullum). 


I.  Laisse.    9.  Vers :  rei,  nal,  dedesoz,  ciel.  85 

I.  Lat  i*  wird  in  jeder  Stellung  zu  ü,  siehe  v.  1  un  II, 
6  plus. 

IL  Das  wort  bedarf,  im  gegensatz  zur  lateinischen  be- 
deutung,  der  negation  ne,  um  die  ursprüngliche  bedeutung 
'kein'  auszudrücken,  ohne  diese  ist  es  indefinitum:  'irgend 
einer'. 

III.  Die  gewöhnliche  Stellung  von  nul  ist  diejenige  vor 
dem  Substantiv. 

dedesoz:  de  4-  desoz,  dieses  aus  de  +  suhtus,  siehe  v.  7. 

Das  wort  ist  eine  blosse  erweiterung  oder  Verstärkung 
von  deso2,  vgl.  ebenso  dedens  =  de  +  denz,  dem  =  de  -\-  intus. 

ciel :  lies  tsiel,  ans  lat  caelum  =  kailum. 

I.  Der  anlaut:  lat  c  (=  Ic)  vor  e  und  i  zu  ts,  siehe 
3  ceinte  IV. 

IL  Der  tonvokal.  Im  lat.  war  ae  wirklich  ein  diphthong, 
etwa  wie  unser  ai  {ei)  gesprochen:  man  vergleiche  in  der 
1.  deklination  die  lateinischen  formen  mit  den  entsprechenden 
griechischen  {deae  mit  9-eal),  auch  Schreibungen  der  ältesten 
insehriften  {aidilis  u.  a.).  Auch  althochdeutsch  keisar  (nhd. 
kaiser)  aus  lat.  caesar  setzt  diese  diphthongische  ausspräche 
voraus. 

a)  Lat.  ae  wird  zu  offenem  langem  e  (?)  contrahiert 
(etwa  im  2.  jahrh.  n.  Chr.,  jedenfalls  erst  nach  Übernahme  des 
Wortes  Caesar  =^  keisar  durch  die  Germanen). 

b)  Betontes  ?  (in  freier  Stellung)  wird  zu  ie  diph- 
thongiert: 

caelu  — >  c^lu  — >■  ciel 
laetus-*mus—*-liez  123,  203 
quaero —>  qu^ro —>  quier  (724). 

Durch  die  kontraktion  von  ae  zu  ?  einerseits  und  durch 
die  dehnung  von  freiem  ^  andrerseits  fallen  altes  ae  und  g  in 
offener  silbe  in  dem  laut  f  zusammen  und  nehmen  die  gleiche 
entwieklung: 

m^rum-^m^ru—^mier  3. 


86  Erster  Teil:  Text. 

Man  kann  also  die  regel  ganz  allgemein  fassen: 
Betontes    offenes    e    (lat.    ae    oder   e) 
wird  in  freier  Stellung  zu  ie  diph- 
thongiert. 

IIL   Neufranzösiseh  ciel  =  siel  nach  3  ceinte  VII. 

Tant:  lies  tat  (tänt),  lat.  tantum,  aus  dem  adjektivpronomen 
neu  abgeleitet  (nicht  aus  lat.  tantum  =  nur). 

I.  Abfall  des  m  und  des  endvokals  nach  den  bekannten 
regeln.  Der  Stammvokal  hatte  zur  zeit  unseres  denkmals  jeden- 
falls schon  nasalen  klang  (etwa  tänt). 

IL  Neufranzösiseh  tant  =  tä  mit  Verlust  des  nasal- 
konsonanten  und  des  auslautenden  t,  in  liaison  =  tat. 

bien:  lies  bis  (bigng),  lat.  bene. 

I.  Der  tonvokal  ^  in  freier  silbe  zu  ie  nach  v.  3  mier, 
mit  nasalierung  wie  v.  1  un.  Der  noch  hörbare  nasalkonsonant 
war  hier,  im  auslaut,  vermutlich  guttural  (»  =  w^).i) 

IL  Neufranzösiseh  bien  =  biS  mit  verlust  des  nasal- 
konsonanten  wie  tant. 

seist:  lat.  sedisset. 

I.  Der  lat.  konjunktiv  imperfecti  ist  untergegangen 
und  in  den  romanischen  sprachen  durch  den  konjunktiv  plus- 
quamperfecti  ersetzt  worden: 

deüsseis  56  =  debuissetis 
tenisse  (327)  =  tenuissem 
fussent  (374)  =  fuissent 
ploüst  (450)  =  placuisset 
oüst  (451)  =  habuisset. 

Zuweilen  haben  die  formen  noch  im  altfranz.  plusquam- 
perfektische bedeutuog  wie  hier  oder  v.  56. 

IL  Der  tonvokal  sollte  e  lauten,  wie  in  ^le-fr-üla  v.  6- 
Der  betonte  vokal  der  lat.  konjunktive  plasquamperfecti  auf 


•)  Im  folgenden  wird  der  nasalkonsonant  in  der  ausspracheangabe 
nicht  mehr  ausdrücklich  bezeichnet:  also  bie,  äcore,  cdkerrai  usw. 


10.  Vers:  Tant,  bien,  seist.  87 

-tssem  (II.  und  III.  lat.  konjugation)  ist  auf  analogischem  wege 
allgemein  zu  i  geworden,  teils  nach  dem  muster  der  dazu  ge- 
hörigen perfektformen  mit  *-umlaut  (sedisti  —  se'is,  vidisti  — 
ve'is,  wonach  st'ides,  vt'istes  9),  teils  unter  einfluss  der  lat. 
IV,  konjugation,  welche  aus  -tssem  (kontrahiert  aus  -wissem) 
regelrecht  «-formen  entwickelt. 

IIL    Nebentonig  f(^)  bleibt  als  e: 

regina-^ reine  30 
debuissetis —>  deüssei^  56 
de  +  morari{-re)  —*■  demorer  14: 
signaüit—*-  seiynat  2. 

IV.  Die  en düng.    Das  vollständige  paradigma  lautet: 

-  sing.  j  plur. 

1.  se'isse  \  1.  st'issons 

2.  Sb'isses  i  2.  st'isseiz 

3.  seist  3.  se'issent. 

Hier  fällt  besonders  das  -e  der  1.  und  2.  sg.  gegen- 
tiber  si'ist  auf.  Lautgesetzlich  sollten  alle  drei  formen  das  e 
verlieren:  also  *se'is,  *st'is,  st'ist.  Nach  dem  muster  der  präsen- 
tischen koDJunktive  auf  -am  (IL — IV.  konj.)  aber  wird  schon 
in  alter  zeit  (die  ältesten  beispiele  aus  der  Eulaliasequenz: 
perdesse,  awisset  neben  amast)  in  allen  drei  personen  das  -e 
eingeführt,  daher  die  endungen:  1.  -e,  2.  -es,  3.  -et.  Iq  der  3. 
person  wird  das  -e  wider  beseitigt  unter  eiüfluss  der  viel- 
gebrauchten konjunktivformen  des  hilfsverbums  esse:  1.  seie, 
2.  seies,  3.  seit.  Bei  diesem  verbum  erklärt  sich  die  Verschieden- 
heit regelrecht  durch  mischung  zweier  verschiedener  vulgärlat. 
Paradigmen:  sim,  sis,  sit,  davon  3.  p.  seit,  und  *siam,  *sias, 
*siat,  davon  1.  p.  seie,  2.  p.  seies. 

V.  Neufranzösisch  wird  seoir  als  simplex  nur  noch  in 
einzelnen  formen  gebraucht.  Unsere  form  hier  ist  im  kompositum 
erhalten;  qu'il  s'assit,  mit  verstummen  des  s  vor  konsonant 
(v.  1  mostler),  des  auslautenden  konsonanten  und  des  e  vor 
betontem  vokal  {vt'istes  9).  Seance  und  seant  mit  bewahrtem 
e  sind  erstarrte  formen  des  gerichtsstils. 


88  Erster  Teil:  Text. 

espee:  spatha,  siehe  v,  3. 

Das  wort  erscheint  hier  als  Subjekt  in  derselben  form  wie 
in  V.  3  als  objekt:  durch  den  ab  fall  des  auslautenden  m  waren 
nominativ  und  akkusativ  singularis  in  der  ersten  lat.  deklination 
schon  früh  gleichlautend  geworden.    Vgl.  2  corone  I. 

ne:  lat.  nee. 

Das  unbetont  verwendete  nee  verliert  sein  auslautendes  c 
(gegen  betontes  ab  hoc  —  avuec  138)  und  wird  ne,  unter  weiterer 
Wirkung  der  unbcToatheit  ni.  Es  steht  hier  für  et  oder  o 
(=  aut),  weil  der  satz  von  einem  hauptsatz  mit  negativem  sinn 
abhängig  ist  und  selbst  negativ  gedacht  ist. 

la:  lat.  illa. 

Die  femininform  des  artikels,  aus  proklitisehem  illa  L. 
wie  1  U-*—illi  _L,  7  le-*—iUum  1;  dasselbe  aus  dem  akkusativ 
illa{m):  la  teste  2b'*--iUam  testam.  Es  ergibt  sich  also  hier 
die  gleiche  form  wie  unter  denselben  Verhältnissen  aus  illam 
als  verbundenem,  daher  proklitisehem  und  schwach  betontem 
Personalpronomen:  la  prist  7  =  illam  ^prensit. 

corone:  lat.  corona,  wie  v.  2  corone  =  coronam.   Vgl.  espee. 

el:  aus  en  le  =  in  illu{m),  siehe  v.  1  al. 

Chief:  siehe  v.  3. 


11.  Vers. 
Eucore  conquerral  citez  od  mon  espiet. 

Noch  werde  ich  erobern  städte  mit  meinem  speer. 

Encore:  lies  äcore,  eine  Zusammensetzung  mit  lat.  hora. 

I.  Die  tonsilbe.  Altfr.  encore  hat  ebenso  wie  einfaches 
ore,  or  offenes  o  (p),  während  höra  regelrecht  ore  gibt.  Das  p 
würde  sich  durch  kontraktion  aus  a  -{■  o  erklären,  und  so  ist 
ore  wol  auf  *aora'^ha  hora  (für  hac  hora)  zurückzuführen. 


I.  Laisse.    10.  Vers:  espee,  ne,  la.  —  11.  Vers:  Encore,  conqnerrai.  89 

IL  Der  erste  bestandteil.  Dieser  wird  verschieden 
erklärt:  lianc  ad  horam  könnte  weder  im  franz.  encore,  noch 
im  ital.  ancora  (statt  *ancadord)  ergeben;  richtiger  ist  es  daher 
wol  an  eine  Zusammensetzung  mit  dem  von  Gröber  angenommenen 
*antque  (für  lat.  atque,  mit  n  nach  unqwim,  donec)  zu  denken 
(vgl.  ital.  anche  ==  auch).  Das  vortonige  a  mtisste  dann  im  franz. 
zunächst  eine  Schwächung  zu  e  erfahren  haben. 

III.  Neufranzösiseh  encore  =  äcor  zeigt  nur  ver- 
stummen des  auslautenden  e. 


conquerrai:  lies  cökerrai,  lat.  con  ■+•  quaerere  +  habeo. 

I.  Das  kompo8itum*cow^Maerere.  Lat.  cowg'Miro  würde 
conquir,  covqinrere  würde  conquirre  ergeben.  Altfr.  conquerre, 
neufr.  conquerir  kann  nur  von  *conquaerere  ausgegangen  sein; 
man  hat  das  kompositum  conquiro  wieder  in  Übereinstimmung 
mit  dem  simplex  quaero  gebracht  oder  aus  con  und  quaera 
ein  neues  kompositum  *conquaero  für  das  ursprüngliche  conquiro 
gebildet.  Daher  der  ausdruck  rekomposition  (weniger 
treffend  dekomposition,  Zerlegung  des  kompositums  in  seine 
bestandteile).  Dieser  Vorgang  spielt  eine  grosse  rolle  in  der 
entwicklung  des  romanischen  verbums  (weniger  des  nomens). 
So  erklären  sich: 

requirere  ~*-*requaerere  — »•  requerre  69 
remanet—*-*remdnet-*remaint  92 
vendidit—**vendMit—>vendlet,  wonach  respondUt  12 
deficere  —*-*defacere  — >  de  faire 
perfectum  -^* per  factum  -^parfait 
dimidium  -^*dimedium  ~*  demi  (264). 

IL  Die  futurbildung.  Die  lat.  futurbildungen  sind  (mit 
ausnähme  von  ^ro,  das  als  ier,  iert,  ierent  [463  u.  ö.]  neben  dem 
neugebildeten  serai  [325]  noch  vorkommt)  untergegangen  und 
durch  eine  Zusammensetzung  des  infiuitivs  mit  haheo  ersetzt 
worden.  Man  vergleiche  zur  bedeutungsentwicklung  neu- 
französische Wendungen  wie  fai  une  course  ä  faire,  avoir  une 
lettre  ä  ecrire,  wo  der  begriflF  des  müssens  die  Zukunft  der 
handlung  einschliesst. 


so  Erster  Teil:  Text. 

Beispiele : 

portare  hahemus —* porterons  20 
mandare  haheo—*manderai  22 
*auctoricare  habeo —>  otreierai  23 

truncare  habeo  — >•  trencherai  25 
*excondicere  habeo -^  escondirai  34. 
Das  vollständige  paradigma  würde  lauten: 


porterai 
porteras 
porierat 


porterons  (f.  *porteravons) 
porkrex  (f.  *porteraves) 
porteroni. 


Die  Verkürzung  in  den  zwei  ersten  personen  des  plurals 
erklärt  sich  durch  angleichung  an  die  übrigen  einsilbigen 
endungen.  Dasselbe  tritt  auch  ein  im  imperfectum  futuri 
(conditionalis),  das  mit  habebam  —  ame  zusammengesetzt  wird: 
*porteraveie—> portereie  (nfr.  porierais). 

IIL  Lautlich  entwickelt  sich  das  wort  regelmässig. 
Durch  verstummen  des  h  sowie  des  unbetonten  antevokalischen 
e  in  Zusammensetzungen  (nach  v.  2  rout)  entsteht  *conquaererabeo 
oder  unter  entwickluog  der  kurzform  von  habeo  (siehe  v.  3  at) 
*conquaererajo.  Der  Stammvokal,  der  diphthong  ae,  wird  zu  § 
kontrahiert  (v.  9  ciel  I),  das  hier  aber  nicht  diphthongiert,  da 
es  hier  nicht,  wie  in  ciel  oder  mier  (v.  3),  unter  dem  hauptton 
steht.  Der  unbetonte  vortonvokal  in  der  silbe  -rer-  fällt  nach 
V.  1  mosüer  III  aus.  '^Äjo  entwickelt  sich  durch  abfall  des 
end Vokals  zu  ai.    Silbenanlautendes  qu  wird  zu  h  (9  onques  11). 

IV.  Neufranzösisch  conquerrai  zeigt  noch  die  gleiche 
Schreibung,  aber  teilweise  veränderte  ausspräche:  auslautendes  ai 
ist  im  laufe  des  13.  Jahrhunderts  zu  ?  kontrahiert  und  weiterhin 
zu  e  entwickelt  worden. 

citez:  lies  tsiUts,  lat.  clvttdtes. 

I.   Das  wort  entwickelt  sich  zumeist  nach  bekannten  regeln : 

a)  Anlautendes  c  vor  e,  i  zu  ts  nach  v.  3  ceinte  IV. 

b)  Nebentoniges  l  in  der  anlautenden  silbe  bleibt  als  <, 
siehe  v.  9  vt'istes  IIa. 

c)  Unbetonter   vortonvokal   {civitdtes)   fällt   nach   v.  1 
mostier  III:  also  *civtates. 

d)  Betontes  a  in  freier  silbe  zu  e,  siehe  v.  3  espee  IV. 

e)  Der  endvokal  fällt  (1  un  III)  und  t  +  s  wird  s. 


I.  Laisse.     11.  Vers:  conquerrai,  citez,  od.  91 

II.  Die  zu  erwartende  form  *civtes  wird  zu  citez.  Vgl, 
V.  7  SOS.     Die  dort  gegebene  regel  lässt  sich  erweitern: 

Labialer    konsonant    {p,    h,    v)    vor 
folgeudem    dental    {d,    t,   s)   schwindet 
(vermutlich    durch     die    mittelstufe     einer 
assimilation). 
Beispiele:  subtus—*-*sottos—*sos  7 

Septem-^ Seite— > Set  72 
capu  +  s—**chievos-^chies  20. 

Ein  solcher  dental  wird  ebensowenig  wie  ursprünglicher 
doppeldental  (siehe  v.  6  ele)  erweicht,  da  die  erweichung  nur 
intervokale  konsonanten  betrifft  (vgl.  v.  3  espee  II  b). 

III.  Neufranzösisch  cites  {=sife),  mit  wandel  von  ts 
im  anlaut  und  auslaut  zu  s  und  darauffolgendem  verstummen 
des  auslautenden  konsonanten. 

od:  lat.  apud. 

I.  Die  wahrscheinlichen  Zwischenstufen  in  der 
entwicklung  waren:  *abod — *avod  (jp:6:i;nach  capu  —  chief 
v.  2;  vgl.  noch  138  avuec  =  ab  hoc)  —  *aud  —  od  (vgl.  oben 
V.  8  parole  II,  auch  v.  2  seignat  III).  Die  präpositionen  sind 
gegenüber  dem  folgenden  wort  nebentonig,  daher  haupttonige 
entwicklung  des  a  (v.  3  espee  IV,  v.  2  Bout  IV)  nicht  in  be- 
tracht  kommt. 

Der  auslautende  dental  wird  regelmässig  geschrieben  und 
wurde  damals  wol  auch  noch  gesprochen,  da  es  sog.  gestütztes, 
aus  einer  konsonantenverbindung  (vd)  hervorgegangenes  d  ist 
und  dieses  sich  länger  hält  als  isoliertes  t  (vgl.  v.  3  et).  Ge- 
sprochen wurde  d  aber  wohl  nur  vor  vokal,  sonst  t,  ent- 
sprechend der  stimmlosigkeit  der  auslautenden  konsonanten 
(v.  2  chief  II  b  —  3  dont  V).  In  der  folgezeit  verstummt  auch 
dies  d  und  od  wird  o,  was  mit  au<—al  nicht  zu  verwechseln 
ist  {la  dame  o  le  der  vis  =  od  =  apud).  —  Die  bedeutungs- 
entwicklung  von  'bei'  zu  'mit'  ist  leicht  verständlich. 

II.  Neufranzösisch  nur  noch  mundartlich  erhalten;  in 
der  Schriftsprache  seit  dem  15.  jahrh.  in  abgang  gekommen 
und  meist  durch  avec  (-<— aö  hoc),  z.  t.  durch  ä  ersetzt. 


92  Erster  Teil:  Text. 

mon:  lat.  meum. 

Die  schwach  betonte  (verbundene)  form  des  Possessiv- 
pronomens: aus  meum  L  wie  son-t—suum  L  (siehe  v.  2).  Mtum 
wird  in  dieser  Verbindung  proklitisch  und  unbetont;  das  hiatus-e 
verstummt  wie  dort  das  hiatus-w;  w  sollte  fallen  wie  in  un- 
betonten suam  L-*sa,  statt  des  zu  erwartenden  *mo  haben 
wir  aber  mon,  wie  statt  *so  ein  son,  worüber  v.  2  son  zu 
vergleichen. 

espiet:  lies  espiet,  zu  germanisch  spqot  (deutsch  spiess). 
etwa  ^apeutu. 

I.   Prothetischer  vokal  wie  v.  3  espee  III. 

IL   Der  tonvokal. 

a)  In  dem  germanischen  diphthong  eo  —  eu  wird  ?  zu  ie 
wie  in  offener  silbe  (me-ru-^mier  v.  3).    Vgl.  noch: 

feh{u)dd—>fieti  —  ßef  (13.  jh.). 

Aber  ebenso  wird  auch  der  romanische  diphthong  eu  aus 
lat.  zweisilbig  ^  -f  m  behandelt: 

me-um-^meum—^mien  139,  185 
de-um-^deum—^dieu  69,  daneben  d^u  32  und  df. 

Eine  dehnung  des  $,  wie  sie  in  merum,  Mne  usw.  voraus- 
gesetzt wird,  kann  hier  kaum  in  betracht  kommen,  von  einem 
freien,  d.  h.  eine  silbe  schliessenden  ?  ist  hier  nicht  die  rede. 
Wir  haben  hier  eine  bedingte  diphthongierung  wie  in  miele  v.  6. 

Regel:  ?  (lat.  und  germ.)  diphthongiert  vor 
folgendem  u  zu  ie.  Es  entsteht  also  der 
triphthong  ieu. 

b)  Die  zu  erwartende  form  *espi€ut  (vgl.  prov.  espieut, 
espiaut)  wurde  zu  espiet  umgestaltet,  wol  durch  Vereinfachung 
des  triphtbongen  in  geschlossener  silbe  (vgl.  *wtew« -> wien, 
auch  ß,ed  neben  ^u). 


I.  Laisse.    lt.  Vers:  mon,  espiet.  —  12.  Vers:  Cele,  ne  —  pas.      93 

12.  Vers. 

Cele  iie  fut  pas  sage,  folement  respondiet. 

Diese  war  nicht  klag,  töricht  antwortete  sie. 

Cele:  lies  ts^le,  aus  lat.  ecee  illa. 

I.  Das  wort  ist  aus  dem  ursprünglichen  lat.  demonstrativ 
gebildet  mit  einer  verstärkenden,  den  demonstrativen  begrifi' 
hervorhebenden  partikel.  Lautlich  entwickelt  sich  das  wort 
regelmässig:  ecce  illa—*eccilla  nach  v.  2  rout  VI,  c  vor  e, 
i--*ts  nach  v.  3  ceinte  IV,  das  übrige  nach  bekannten  regeln. 
Zu  erwarten  wäre  demnach  *ecele,  das  mit  Schwächung  des 
vorton vokals  als  icele  erscheint: 

icele  pari  119,  dazu  das  maskulin  icil  {-t—ecce  Uli  für  ecce 
nie),  obliquus  icel  {t—ecce  illum). 

Daneben  steht  die  (ursprünglich  unter  dem  nebenton,  als 
kurzform,  entstandene)  form  eil  (v.  19),  obliquus  cel  (v.  137), 
feminin  cele,  wie  hier,  und  die  nach  lui  —  li  gebildeten  dativ- 
formen celui  und  fem.  celi\  dazu  plural  mask.  rektus  eil  (■*—ecce 
Uli),  obl.  cels  {■*r-ecce  illos),  fem.  celes  {*-tcct  illns)  für  beide 
kasus.  Diese  kürzeren  formen  sind  von  anfang  an  die  häufigeren; 
die  formen  mit  anlautendem  /-  verschwinden  im  laufe  des 
14.  jahrhs. 

IL  Neu  französisch  celle  (=  sei)  zeigt  die  üblichen 
Veränderungen;  das  doppel-Z  für  altfr.  einfaches  l  hat  keinen 
lautwert.  Im  maskulinum  ist  für  cel  die  vollere  und  nach- 
drücklichere form  celui  (ursprünglich  dativ,  aber  bald  auch 
als  akkusativ  verwendet)  eingetreten,  während  das  fem.  celi 
untergegangen  ist.  —  Im  plural  ist  ceux  {=  so)  die  regelrechte 
fortsetzung  von  afr.  cels  —  ceus,  wie  Celles  von  afr.  celes. 

ne  —  pa8:  lat.  non  passum. 

I.  Lat.  non  entwickelt  sieh  je  nach  dem  ton  im  satz 
verschieden: 

a)  ötarkbetont  (in  isolierter  Stellung,  vor  einem  nomen 
oder  an  herv^orragender  satzstelle)  nach  den  gesetzen  der  ton- 
silben:  mit  be Währung  des  o  wie  in  corone  v.  3,  barons  4  und 


94  Erster  Teil:  Text. 

mit  erhaltüüg  des  auslautenden  nasals  wie  in  mien,  rien  (siehe 
V.  2  son  III).    So  in  v.  39:  Non  fer€Z\  so  noch  neufranzösiseh. 

b)  Schwachbetont  (als  gewöhnliche  negation  beim 
verhnm):  mit  Schwächung  des  vokals  zu  e  (wie  in  den  end- 
silben  Charles  v.  1,  demeines  4,  oder  in  den  si-hwacbtonigen 
les  mes  ses  etc.)  und  mit  verlust  des  auslautenden  n,  das  in  un- 
betonter silbe  behandelt  wird  wie  auslautendes  m.  Vgl.  dazu 
noch  nomen—>nom  151,  158. 

Daneben  erscheint  vor  vokalen  noch  die  form  nen: 
nen  oset  44  —  meiUors  nen  at  169. 

Das  auslautende  n  jSel  demnach  ursprünglich  nur  vor 
konsonant,  vor  vokal  blieb  es  erhalten.  Später  wurde  diese 
zweite  form  von  der  antekonsonantiseben  ganz  verdrängt  (vgl. 
V.  28  n'tst  mie,  49  n'at,  57,  79  etc.).    Vgl.  noch  2  son  III. 

IL  Lat.  passum  entwickelt  sich  regelrecht  zu  pas:  be- 
tontes a  in  geschlossener  silbe  bleibt  (v.  1  Charles). 

III.    Die   zusammengesetzte   negation:    der   negative 
begriff  steckt  in   dem   ne,   und   dieses   allein  gentigt  in  alter 
zeit  zum  ausdruck  der  negation,  vgl.  noch: 
ne  vos  en  correciez  26 
ja  nel  (=  ne  le)  puis  je  trover  40 
ne  se  puet  estortre  43. 
Noch   neufranzösisch   genügt  in  bestimmten  Verbindungen 
das   einfache  ne:  je  ne  sais  que  faire,  je  ne  puis  Vaider  usw. 
Pas  zu  ne  bedeutet   von   haus   aus  nur  eine  Verstärkung 
der   negation:   non  passum  =  nicht  einen   sehritt.     Ahnliche 
verbiiiduDgen   sind:   non  W2ca(w)  =  nicht  ein  krümchen  —  ne 
mie  28,   non  punctum  —  ne  point.    Auch  die  sogenannte  aus- 
drucksweise der   übertriebenen   Verkleinerung   {ne  —  un  gant^ 
ne  —  un  vent,  ne  —  un  uef  u.  a.)  gehört  hierher. 

sage:  lies  sadze,  aus  vulgärlat.  *sapia  oder  *sabia  zu 
*sapius  (für  sapidus)  —  *sabius  von  saper e. 

I.  *Sopia  mit  stimmlosem  labial  mtisste  sich  genau  so 
entwickeln  wie  der  konjunktiv  sapiam,  der  zu  sache  wird,  mit 
stimmlosem  zisöhlaut.  Es  ist  daher  für  das  vulgärlat.  eine 
form    *sabius  —  *sabia    vorauszusetzen,    welche    auch    durch 


I.  Laisse.     12.  Vers:  ne  —  pas,  sage,  folement.  95 

italieniscli  saggio  und  die  aoderen  romanischen  sprachen  ge- 
fordert wird,  an  und  für  sich  aber  noch  der  erklärung  bedarf 
(vgl.  noch  lat.  pipionem  —  ital.  piccione  mit  franz.  pigeon,  das 
SLuf  *pibionem  deutet).  —  Durch  die  entwicklung  des  unbetonten 
i  vor  vokal  zu  hiatus-»  (j)  wird  die  Stammsilbe  geschlossen, 
a  daher  nicht  gedehnt  und  nicht  zu  e  verschoben. 

IL  Der  konsonant:  das  b  steht  nun  nicht  mehr  inter- 
vokal, sondern  bildet  mit  i  eine  konsonantische  gruppe,  in 
welcher  sich  j  zunächst  entwickelt  wie  im  wortanlaut,  d.  h. 
zu  d2  (vgl,  V.  1  jorn  II).  Der  vorausgehende  labial  assimiliert 
sich  dem  folgenden  dental  {^saddze),  woraus  durch  Verein- 
fachung des  doppeliautes  die  hier  vorhandene  form  entsteht. 
Vgl.  noch: 

rabiem  (—>*rabiam)—*-rage 

rubeimi  —*■  roge  —  rouge 
Eusebium  — >  Osege. 

Ebenso  wird  v  +  i  zu  dz  (g): 

*leviarius—*legiers  14 
cavea  -^  cage 

Hingegen  entsteht  aus  stimmlosem  labial  +  ^  (pj)  stimm- 
loser Zischlaut  {is  =  ch): 

*adpropiat—>aprochet  119 
sapiat—*- Sachet  (491). 

Regel:   Stimmhafter  labial  +  hiatus-*  (bj,  vj) 
wird  zu  dz  (g),  stimmloser  (pj)  zu  is  (ch). 

IIL  Neufranzösisch  sage  =  saz.  Wie  die  ähnlichen 
verbindano-en  ts  {ch)  und  ts  (c,  z)  hat  auch  dz  {g,  j)  am  ende 
des  12.  jahrhs.  den  dentalen  Vorschlag  verloren,  im  inneren 
des  Wortes  sowol  wie  im  anlaut  (vgl.  v.  1  jorn  V). 

folement:  lies  folemät,  aus  *folla  mente.  Das  zu  gründe 
liegende  vulgärlat.  adjektiv  *foUis  (vgl.  ital.  folle)  —  gallo- 
romanisch  *foUus  —  pflegt  man  von  lat.  foUis  schlauch,  blase- 
balg  herzuleiten,  indem  man  'aufgeblasener  mensch,  hohler  köpf 
als  Übergangsbedeutung  annimmt. 

I.  Die  lat.  adverbialbildung  auf  -ter  ist  vollständig,  die 
auf  -e  bis  auf  einige  wenige  reste  {bien  10,  mal  [390],   hin 


96  Erster  Teil:  Text. 

[386],  volentiers  44  usw.)  untergegaDgen.  Die  neubildung  ge- 
schieht durch  umschreibuDg  mit  dem  ahlativus  modi:  impia 
mente,  sana  mente,  hella  mente  {belement  IG),  forti  mmte  {for- 
ment  31).  Die  Verbindung  von  adjektiv  und  Substantiv  ist  so 
eng,  dass  sie  im  französischen  als  ein  wort  empfunden  und 
gebraucht  wird  (anders  als  im  provenzalisehen). 

Aus  dem  geschlecht  von  mente  erklärt  sich  die  moderne 
bildung  des  adverbs  aus  der  femininform  durch  anfUgung  von 
-nunt  Das  neufranz.  bat  aber  häufig  neubildungen  auf  grund 
sekundärer  femininbildungen  vorgenonomen.  So  ist  fort "r-lsit 
forttm  ursprünglich  in  mask.  und  fem.  gleich  und  bildet  daher 
regelrecht  fbrtimente  —  fortment  —  forment  mit  ausfall  des  un- 
betouten  vortonvokals ,  später  wird  nach  dem  muster  der 
adjektiva  auf  -us,  -«,  -um  ein  neues  feminin  forte  (wie  bele  = 
hella  zu  hei  =  bellum)  und  dazu  ein  neues  adverb  fortement 
gebildet.  So  sind  auch  die  anscheinend  unregelmässigen  ad- 
verbia  prudemment  {=  prudentl  mente),  constamment  (constanti 
mente)  u.  a.  durchaus  regelmässig  gebildet,  hingegen  formen 
wie  presentement,  loyalement  sind  neubildungen. 

IL  Die  tonsilbe:  ?»,  ^m  vor  konsonant  oder  im  auslaut 
wird  wie  ßn,  ßm  zu  ä.    Vgl.  2  en. 

III.  Die  vortonsilben.  Das  a  der  unbetonten  vorton- 
silbe  wird  zu  e  geschwächt  nach  1  mostier  III,  Das  neben- 
tonige Q  bleibt. 

Kegel:   Nebentoniges  p  in  geschlossener  silbe 
bleibt  als  q  erhalten. 

Beispiele: 

*portaremus  —*-porterons  20 

fortimente—*-  forment  31 
*col{a)phare —*■  coJper  4:2, 

In  offener  silbe  hingegen  wird  es  zu  p,  neufr.  ou  (vgl  1 
mostier  VI  und  2  corone  V). 

IV.  Doppel-Z  wird  vereinfacht  zu  l  (4  Chevaliers  III). 

V.  Neufranzösisch  follement  =  folmä  zeigt  nur  noch 
verstummen  des  auslautenden  -t  sowie  des  aus  a  entstandenen 
unbetonten  vorton -e.  Die  doppelschreibung  des  l  ist  be- 
deutungslos. 


L  Laisse.    12.  Vers:  folement,  respondiet. 


97 


respondiet:  lies  respödief. 

1.  Die  formbildang.  Die  lat.  perfektform  respondit 
würde  auf  rein  lautlichem  wege  dasselbe  wie  das  präsens 
respondet  ergeben:  respont  (repond).  Die  statt  dessen  ge- 
bräuchliche form  respondiet  ist  nach  dem  muster  von  dedit 
und  dessen  kompositis  gebildet.  Das  simplex  selbst  ist  im 
franz.  nicht  erhalten  (vgl.  aber  ital.  dare,  diede  usw.).  Die 
komposita  wurden  schon  in  vulgärlat.  zeit  auf  dem  wege  der 
rekomposition  (siehe  v.  11  conquerrai  I)  umgestaltet:  vendidit 
nach  dedit  zu  *vendtdit,  ebenso  ^perdSdit,  *rendedit.  Diese 
formen  entwickeln  sich  regelrecht  (vgl.  v.  3  mier -*— merum)  zu 
vendiet,  perdiet,  rendiet,  die  dazu  gehörigen  übrigen  personen 
mit  einigen  analogischen  ausgleichungen  {vend^di-^^oend^iusidh. 
amai)  zu  dem  folgenden  altfr.  paradigma,  das  allmählich  ganz 
in  die  «-konjugation  tibergeführt  worden  ist: 


vulgärlat. 

altfranz. 

analogisch 

*vend4i 

*vendiei  —  vendi  1 

vendi 

*vend4sti 

*vendies                 |   ^^^  * 

6  mieU) 

vendis 

*vend4dit 

vendiet 

vendit 

vendq  {di)mus 

*vendiemes 

vendimes 

*vend4stis 

*vendestes  —  *vendiestes 

(nach  d. 

vendistes 

*vend4{de)runt 

vendierent 

[sing.) 

vendirent. 

Die  perfekta  vendiet,  rendiet,  perdiet  stellen  somit  einen 
ganz  neuen  typus  dar,  der  für  eine  anzahl  anderer  verba 
vorbildlich  geworden  ist,  zunächst  für  solche,  die  ähnlichen 
Stammausgang  wie  die  hier  genannten  hatten  (nd:  defendiet, 
respondiet,  entendiet),  dann  auch  für  andere  {rompiet,  vesquiet, 
benesquiet  177  u.  a.).  Diese  perfekta  bilden  eine  besondere 
klasse,  in  welcher  wie  bei  den  a-perfekten  (siehe  v.  2  seignat) 
und  «-perfekten  (v.  18  oirent)  der  accent  tiberall  auf  der  endung 
liegt.  Man  bezeichnet  diese  klasse  daher  als  die  dritte 
schwache  perfektbildung  oder  einfach  als  dritte  schwache 
konjugation. 

Immerhin  waren  diese  perfekta  nicht  allzu  zahlreich.  Die 
erste  person  stimmte  von  haus  mit  jener  der  «-konjugation 
{audivi—>o'i)  tiberein,  und  so  wurden  allmählich  auch  die 
übrigen  personen   an   diese  angeglichen.    Einige  formen  sind 

Voretzsch,  Studium  d.  afrz.  Sprache.   5.  Aufl.  7 


98  Erster  Teil:  Text. 

uns  schon  aus  dem  altfr.  nur  in  der  analogisch  neugebildeten 
gestalt  überliefert. 

IL  So  wird  aaeh  respondiet  durch  respondit  ersetzt,  dem  im 
neufr.  regelrecht  repondit  =  repödi  entspricht.  Das  wort  wurde, 
trotz  Untergang  des  siniplex,  wegen  seiner  bedeutung  wol 
stets  als  kompositum  mit  re-  empfunden,  daher  das  unbetonte 
vorton -0  nicht  zu  e  geschwächt.  Das  t  verstummt  im  laufe 
des  12.  Jahrhunderts,  das  s  vor  konsonant  ende  des  12.  Jahr- 
hunderts. 


13.  Vers. 

*Emperere'  dist  ele  'trop  tos  poez  preisier. 

Kaiser',  sprach  sie,  'allzusehr  vermögt  ihr  euch  zu  schätzen 
(=  ihr  überschätzt  euch  gewaltig)'. 

Emperere:  lat.  imperator  s.  v.  5  emperere.  Der  vokativ 
ist  im  altfranzösischen  der  form  nach  gleichlautend  mit  dem 
nominativ,  also  niciit  nur  dame  9  =  doinina,  seignor{s)  67  = 
seniores,  sire  135  \AS&.  =  senior,  sondern  auch  bels  sire  216, 
251  =  htllus  senior  für  helle  senior,  amis  279  =  aniicus,  bels 
nie-i  Uollanz  (469)  =  hellus  nepos  Botlandus,  sire  arcevesques 
(493)  =  senior  archiepiscopus. 

dist:  lat.  dlxit 

I.  Der  tonvokal:  von  natur  lang,  weil  schon  dtco,  e-dUo, 
also  i  —  j. 

Regel:  Betontes  geschlossenes  (langes)  i  bleibt 
erhalten  in  geschlossener  wie  auch  in 
offener  silbe. 

Beispiele  für  gedecktes  i: 

zu  germ.rlJcja  (althd.  rihJii)  —  riche{s)  27 
dictum  (für  klass.  dictum) -*dit  38,  fem.  dite  52 
mllle—*mil  66 
tillani—*'Vile  204 
parilssent-^partissent  256. 


I.  Laisse.    13.  Vers:  Emperere,  dist,  trop.  99 

Beispiele  für  freies  r. 

*audtoerunt—*oirent  18 
dlcunt-^  dient  23 
meniJtum—y mentit  24 
feiire-^ferir  29 
vldit—*vit  30 
regina—*- reine  30. 
Auch    nebentonig  bleibt   dieses  f  bewahrt:   vgl.  citez  «♦— 
clvitates  v.  11   und  die  weiteren  unter  ve'istes  v.  9  genannten 
beispiele. 

II.  CS  (x) :  is.    Vgl.  V.  1  reis  I. 

Das  aus  es  sieh  entwickelnde  i  verschmilzt  mit  dem 
vorausgt^henden  tonvokal  i  zu  einem  einzigen  i.  Vgl.  hierzu 
noch  dit  v.  38,  dite  v.  52.  —  Mit  ausfall  des  endsilbenvokals 
also  dist. 

III.  Die  neufranzösische  form  dit  zeigt  gegenüber 
der  hier  entwiekelten  altfranzösischen  Schwund  des  s  vor  kon- 
scnant  und  verstummen  des  auslautenden  konsonanten,  ausser 
in  liaison:  dit-il,  vgl.  v.  3  at. 

ele:  s.  v.  6. 

trop:  wird  aus  dem  germ.  ])orp  (unser  dorf)  hergeleitet, 
wofür  die  bedeutungen  'menge,  trupp,  herde'  nachgewiesen 
sind.  Aus  dena  begriff  'menge'  würde  sich  die  bedeutung  'viel' 
entwickelt  haben.  Bemerkenswert  ist  allerdings  der  Wechsel 
von  der  substantivischen  zur  adverbialen  Verwendung. 

I.  Die  lautliche  entwicklang  macht  keine  Schwierigkeiten. 
Der  den  Romanen  in  dieser  Stellung  unbekannte  germ.  reibe- 
laut  ih  {]))  wird  von  ihnen  im  anlaut  der  aus  dem  germanischen 
entlehnten  worte  regelmässig  durch  den  am  nächsten  stehenden 
laut  t  ersetzt,  vgl.: 

])iudlsJc—*'Tieis  (Niederfranke,  Niederdeutscher) 
Peodrik—*  Tierri 
J^arrjan  (dörren)— >tornV. 
Regel:   Germanisch  ^  wird  im  anlaut  zu  t. 

IL  Die  Umstellung  *torpu:  *troppu  (vgl.  noch  prov.  trop, 
ital.  troppo)  gehört  einer  auch  aus  den  alten  sprachen  unter  dem 


100  Erster  Teil:  Text. 

namen  metathesis  bekannten  erscheinung  an,  die  am  häufigsten 
bei  dem  für  die  ausspräche  schwierigen  r-laute  vorkommt  und 
sich  demgemäss  am  einfachsten  durch  wiederholtes  versprechen 
erklärt.  Eine  regel  hierüber  gibt  es  nicht,  da  die  natur  des 
Vorganges  ein  regelmässiges  eintreten  nicht  bedingt.  Doch 
vgl.  noch  por  18  (neufr.  pour)  für  lat.  pro  sowie  das  zu  v.  5 
emperere  I  gesagte.  Die  metathesis  in  ])orp  selbst  begegnet 
auch  in  germanischen,  namentlich  westgermanischen  dialekten: 
vgl.  angelsächsisch  2>^op  neben  ^lorp,  ferner  troppus  'herde' 
in  den  Leges  Alamannorum  und  vor  allem  Ortsnamen  wie 
Geldrop,  Herrentrup,  Ohrdruf,  Wilsdruff.  Wahrscheinlich  gehen 
also  die  romanischen  formen  bereits  auf  eine  germanische 
form  ])rop  zurück. 

vos:  lat.  vös. 

Die  einzelnen  laute  des  lat.  Wortes  bleiben  bis  zum  alt- 
französischen unverändert.  Das  o  des  altfr.  wortes  ist  ge- 
schlossen (p),  entsprechend  der  länge  des  vokals  im  latein. 
Im  laufe  der  weiteren  entwicklung  wird  es  zu  u  {ou\  wie 
das  erste  o  in  afr.  corone  —  nfr.  couronne.  Es  ist  die  un- 
betonte form  des  pronomens,  die  sich  im  altfr.  wie  im  nfr.  er- 
halten hat.  Das  s  ist  mit  den  übrigen  auslautkonsonanten  in 
späterer  zeit  verstummt. 

poez :  lies po-e2  (zweisilbig),  aus  vulgärlat.  *potetis  fUr potestis. 

I.  Die  stamm  Umbildung.  In  der  vorliegenden  form 
erscheint  das  verbum  an  die  regelmässige  konjugation  an- 
geglichen, es  ist  nicht  mehr  als  kompositum  von  esse  —  estis 
kenntlich.  Auszugehen  ist  wol  von  der  2,  sing,  potes,  die  dem 
typus  der  lat.  II.  konjugation  ähnelte  und  ein  *potet  (vgl.  43 
puet)  für  potest  hervorrief,  wie  neben  debes  ein  debet  stand, 
weiter  *potemus  {poons — pouvons),  *potent  {pueent  —  peuvent\ 
*potere  {poeir  —  pouvoir),  *potebam  (poeie  —  pouvais)  usw. 

Die  ersetzung  der  seltneren,  als  unregelmässig  erscheinenden 
formen  durch  die  regelmässigen  flexionsformen  beruht  darauf, 
dass  dem  sprechenden  in  der  Vorstellung  diese  vorschweben 
und  jene  beeinflussen.  Vermittelt  wird  diese  Übertragung 
durch  solche  formen,  welche  beiden  typen  angehören  (wie  potes) 


I.  Laisse.    13.  Vors:  trop,  vos,  poez,  preisier.  101 

und  sozusagen  das  tertium  comparationis  bilden.  Dieser 
formenausgleich  spielt  in  der  fiexion  eine  grosse  rolle,  häufig 
stört  er  die  rein  lautliche  entwicklung.  Man  vergleiche  hierzu 
die  oben  besprochenen  formen  prise  2,  prist  7  für  *preise, 
*preist  nach  priS'*r-*prensi,  coronee  6  für  *cornee,  seist  10  für 
*se^st  nach  den  konjunktiven  auf  -ist-t—lsset,  ve'istes  9  usw. 
Man  bezeichnet  diesen  faktor  der  sprachlichen  entwicklung 
kurz  als  analogie. 

IL  Die  endung.  Auf  demselben  Vorgang  beruht  der  aus- 
gleich  der  personalendungen  zwischen  den  verschiedenen  kon- 
jugationen.  Es  sollte  -atis—>e3,  -etis—>ei3,  %tis—>iz  werden. 
Wir  finden  aber  in  allen  konjugationen  -ez,  d.  h.  die  endung 
der  so  zahlreich  vertretenen  a-konjugation  hat  auf  dem  wege 
der  analogie  schon  frühzeitig,  ausser  in  den  östlichen  mund- 
arten,  diejenige  der  übrigen  konjugationen  verdrängt:  amatis—> 
amez,  danach  devez,  vendez,  partez,  finissez.  So  wird  *potetis 
zu  poez  statt  *poeiz. 

III.  Das  intervokale  t  fällt  aus:  3  espee  IIb. 

IV.  Neufranzösisch  pouvez  zeigt  den  regelrechten 
Wandel  des  nebentonigen  o  in  offener  silbe  zu  ou  (2  corone), 
das  verstummen  des  auslautenden  konsonanten  und  schliesslich 
den  zwischenlaut  v,  der  als  tibergangslaut  zwischen  den  beiden 
hiatusbildenden  vokalen  eintritt  und  vielleicht  durch  Vorbilder 
wie  mouvoir,  prouver,  trouver  mit  bestimmt  wurde. 

preisier:  vulgärlat.  *pr^tiare,  zu  pr^tium. 

I.  Der  intervokale  konsonant. 

a)  Hiatus -i   wird    i   (j),   *pretiare   also    dreisilbig.    Vgl. 

1  jorn  III  a. 

b)  ti  zwischen  vokalen  wird  iz  (is).  Vgl.  8  araisnier.  Das 
i  verbindet  sich  mit  dem   Stammvokal  ?  zum  diphthongen  ?i. 

II.  Betontes  a  nach  palataler  konsonanz  wird  ie,  siehe 

2  Chief  IN  h. 

III.  Neufranzösisch  priser  zeigt  analogische  reduktion 
des  diphthongen  ie  zu  e  (vgl.  2  chief  VI)  in  der  betonten  end- 
silbe  und  analogische  Übertragung  des  Stammvokals  aus  den 


102  Erster  Teil:  Text. 

stammbetonten  formen:  *prQHat—>'*prieiset—*-priset  (nach  6 
mith  II),  ^pr^tio—^-pris,  ebenso  das  Substantiv  pr^tium—t-pris. 

trop  TOS  poez  preisier:  Stellung  des  objekt- 
pronomens.  Dieses  würde  nach  modernem  Sprachgebrauch 
vor  dem  Infinitiv  stehen,  von  dem  es  abhängt.  Es  steht  alt- 
fianz.  aber  vor  dem  hilfsverbum,  das  mit  dem  Infinitiv  als 
einheit  gedacht  wird.  Auch  wo  der  Infinitiv  von  dem  hilfs- 
verbum durch  de,  a  oder  ein  frage  wort  getrennt  ist,  tritt  diese 
Wortfolge  ein.    Vgl.  noch: 

ja    nel  (=  ne  le)  puis  je  trover  40 
•     0  je  vos  ftrai  ja  cele  teste  colper  42 

ne  se  puet  estortre  43 

Nel  (=  ne  le)  deasseis  penser  56 

ne  Vosat  esguarder  131 

vos  vienent  visiter  140 

si  s'en  vait  conreer  141 

Que  vos  en  ai  je  mais  lonc  plait  a  aconter  ?  860 

ne  s'a  de  quoi  reconforter  =  n'a  de  quoi  sei  reconforter. 

Neu  französisch  nur  noch  bei  einfachem  infioitiv  (ohne  prä- 
position  u.a.)  nach  laisser,  faire,  entendre,  voir  üblich:  Je  le 
lui  ai  fait  connaitre  (für  je  lui  ai  fait  le  connaitre)  —  On  vous 
Va  laisse  ignorer  (für  on  vous  a  laisse  Vignorer)  —  Je  le  lui 
ai  entendu  dlre  (für  je  lui  ai  entendu  le  dire).  Beste  auch  noch 
in  Wendungen  wie  ctla  se  peut  =  cela  se  peut  faire,  on  le  veut 
dire,  je  Virai  voir  u.  ä.  —  Im  älteren  neufranzösisch  noch 
weitergehende  spuren  des  altfranz.  gebrauchs:  Vous  Ved-on  venu 
dire?  (Molifere);  Votre  amour  le  vient  d^outrager  (Racine)  u.  ähnl. 


14.  und  15.  Vers. 

Encore  en  sal  je  uu  qni  plus  se  fait  legiers, 

Noch  weiss  ich  ihrer  einen,  der  schmucker  sich  ausnimmt, 

Quant  il  portet  corone  entre  ses  Chevaliers. 

Wann  er  kröne  trägt  unter  seinen  rittern. 

Kncore:  siehe  v.  11. 
en:  lies  ä,  aus  lat.  inde. 


I.  L&isse.  1 3.  Vers :  trop  vos  poez  preisier.  — 14.  Vers :  en,  sai,  je.      103 

I.Die  verweDdung  dieses  en  an  stelle  eines  pronomi- 
nalen geoetivs  erklärt  sich  leicht  aus  seiner  lokalen  bedeutung. 
Vgl.  lat.  ßlii  duo,  inde  (=  ex  iis)  hunc  adoptavi  (Terenz). 

IL  Das  dnreh  den  abfall  des  endvokals  in  den  auslaut 
tretende  d  fällt  in  dem  stets  unbetont  gebrauchten  wort  ab 
(vergleiche  dagegen  de  unde—^dont  3,  quando —*- quant  15fiF., 
grandem-^  grant  106).  Infolgedessen  fällt  dies  en  mit  dem 
aus  in  entwickelten  en  lautlich  völlig  zusammen.  Die  ur- 
sprüngliche form  ent  begegnet  noch  in  den  ältesten  Sprach- 
denkmälern und  auch  später  noch  in  pikardischer  mundart. 

sai:  lat.  sapio. 

I.  Wie  haheo  —  *ajo  zu  ai  entwickelt  sieh  auch  sopio  zu 
sai:  also  eine  kurzform,  die  sich  gerade  bei  der  häufig  in  die 
rede  eiogeschobenen  und  daher  dann  nebentonig  entwickelten 
1.  person  dieses  verbums  leicht  erklären  würde  (vgl,  ital.  so). 
Nach  anderen  ist  *sajo  —  sai  einfach  analogie  nach  *ojo  —  ai; 
nach  Neumann  wiederum  regelrecht  volltonige  entwickluog 
(in  den  auslaut  tretendes  pi,  bi  zu  ^,  inlautend  bleibendes  zu 
t§,  dz,  daher  haheo,  sapio -^ai,  sai,  aber  sapiam,  rabiem-am 
-* sacke,  rage).  —  Durch  abfall  des  endvokals  entsteht  regel- 
recht sai  (mit  diphthong  a-i),  das  im  laufe  des  13.  jahrhs. 
zu  SQ  kontrahiert  wird.  Die  Übrigen  personen  entwickeln  sich 
im  ganzen  regelrecht:  sapis~*ses,  sapit -^ set,  sapimus—*- savons, 
sapitis—^savez,  *sapunt  (für  sapiunt) —* sevent 

II.  Neufranzösisch  sais  zeigt  das  analogisehe,  für  die 
ersten  personen  charakteristische  s  (nach  *p6>S5^o — puis,  *nasco 
—  nais  u.  ä.),  das  aber  bei  sais  erst  seit  dem  17.  jh.  erscheint; 
ferner  Verengung  des  auslautenden  ?  zu  e  (vgl.  11  conquerrai  IV, 
chantai  =  sätp,  chanterai  =  sätdre).  Die  2.  und  3.  peri^on  haben 
sich  in  der  Schreibung  der  1.  angeglichen  [sais,  sait),  die  3.  plur. 
savent  zeigt  angleichung  an  savons,  savez,  savoir. 

je:  lies  dze,  aus  lat.  ego. 

I.  Lat.  ego  hat  nach  dem  tibereinstimmenden  zeugnis  der 
romanischen  ppraehen  sein  inlautendes  g  früh  verloren  und  ist 
dann  einsilbig  geworden:   eo  —  eu,  vgl.  ital.  io,  span.  yo  (mit 


104  Erster  Teil:  Text. 

verschobenem  accent),  prov.  eu  —  ieu,  ferner  eo  —  io  in  den 
Strassburger  Eiden.  Da  das  pronominale  Subjekt  im  lateinischen 
und  altromanischen  im  verbum  enthalten  ist  und  nur  bei  aus- 
drücklicher hervorhebung  gesetzt  wird,  muss  sich  ego  —  eo  zu- 
nächst als  haupttoniges  wort  entwickeln,  also  zu  ieu  werden 
wie  deus-^dieus  (vgl.  11  espiet).  Aus  ieu  entwickelt  sieh  (nach 
Rydbergs  annähme)  einerseits  io  — ^  io  —  jo,  das  besonders  im 
pikardischen  und  wallonischen  sowie  im  anglonormannischen 
zuhause  ist,  andererseits  ieu  —  ieu,  mit  tibergang  des  anlauten- 
den i  zu  di  (vgl.  1  jorn)  zu  jieu,  gieu,  woraus  durch  Verein- 
fachung des  triphthongen  (vgl.  *mieun~^mien)  das  bes.  cham- 
pagnische  und  ostfranz.  gie  (vgl.  reime  wie  gie:pie,  congie) 
und  weiterhin  das  francische  und  westfranzösische  ge,  j^  =  ds^ 
(vgl.  oben  s.  92  Bieu  — »>  De).  Die  ursprüngliche  haupttonigkeit 
des  Wortes  erklärt  es  auch,  dass  in  der  älteren  zeit  ge,  je  vor 
vokal  im  allgemeinen  keine  elision  erfährt:  vgl.  noch  v.  51  fo 
savrai  je  encore,  151  Sire,  je  ai  nom  Charles. 

II.  Im  12.  jh.  erfährt  das  wort  in  vereinzelten  Stellungen, 
besonders  unmittelbar  nach  dem  verbum  {sai  je  etc.),  wo  es 
enklitisch  und  daher  schwachtonig  wurde,  eine  Schwächung 
von  je  zu  je  =  die  (mit  kurzem,  dumpfem  e),  worauf  unter  Verlust 
des  öJ-vorschlags  die  neufranzösische  form  je  =  Z9  zurückgeht» 
die  tatsächlich  nur  noch  in  unbetonter  Stellung  gebraucht  wird. 
Haupttonig  tritt  dafür  der  obliquus  moi  ein  (rest  des  alten 
gebrauchs  noch  in  je  soussigne  neben  moi  soussigne). 

un:  unum,  hier  als  zahlwort,  in  der  form  gleich  dem  un- 
bestimmten artikel  (siehe  v.  1). 

qni:  lies  ki,  aus  lat.  qm. 

Wegen  qu—t-k  vgl.  v.  9  onques  IL  Der  endvokal  bleibt 
in  einsilbigen  werten  erhalten,  ausser  in  enklitisch  und  proklitisch 
gebrauchten  werten.  Lat.  l  bleibt  als  i  erhalten,  siehe  v.  13  dist  I. 

pIns:  siehe  v.  6. 

se:  lat.  se. 

Nach  den  gesetzen  für  die  haupttonsilben  muss  sich  s0  zu 
sei  entwickeln  (vgl.  v.  8  pleine).    Diese  form  hat  das  wort  tat- 


I.  Laisse.    14.  Vers:  je,  un,  qui,  se,  fait,  legiers.  105 

sächlich,  wenn  es  haupttonig  steht,  wie  z.  b.  nach  präpositionen 
(Rollant  et  Olivier  en  at  ot  sei  menez  v.  61)  oder  vor  dem 
infinitiv  {yont  sei  entrebaisier  147,  253). 

Vor  dem  verbum  finitum  aber  steht  es  wie  die  übrigen 
pronomina  {la  prist  7,  la  met  16,  li  siet  16,  le  m'enseigniez 
19  usw.)  proklitisch  und  daher  sehwachtonig.  Das  e  bleibt, 
wird  aber  aus  e  zu  e  (nfr.  dumpfem  e  =  »)  geschwächt, 

fait:  lies  fait,  aus  lat.  facit. 

I.  Die  form  ist  nicht  regelmässig.  Das  c  vor  i  (vulg.-lat.  e) 
musste  assibiliert  werden  (vgl.  3  ceinte),  ehe  der  end vokal  fiel. 
Wir  sollten  *faitst,  mit  Vereinfachung  der  schweren  konsonanz 
ist*faist  eTwarten,  wie  piaist  t~placet,  tazst^—tacet.  Hingegen 
entwickelt  sich  das  gleitewort  facere  über  *facre  (siehe  9 
dame  I)  regelrecht  zu  faire,  wie  factum  zu  fait.  Die  3.  person 
ind.  präs.  ist  demnach  eine  neubildung  aus  dem  infinitiv  faire, 
wie  man  in  der  regelmässigen  konjugation  zu  escrire,  metre, 
rire  ein  escrit,  met,  rit  besass.  Ebenso  wird  dicit  —  *dist  um- 
gestaltet zu  dit,  ducit  zu  duit.  Hingegen  blieben  piaist  und 
taist  erhalten,  weil  hier  ursprünglich  als  Infinitive  nicht  plaire, 
taire,  sondern  plaisir  t^placere  (vgl.  Substantiv  plaisir)  und 
taisir^—tacere  daneben  standen. 

II.  Die  kontraktion  des  diphthongen  ai  zu  f  vollzieht  sich 
allmählich  im  laufe  des  12.  jhs.,  zuerst,  schon  im  ersten  drittel 
des  jhs.,  vor  schwerer  konsonanz  (maistre—> mestre,  paistre—*- 
pestre  schon  bei  Philipp  von  Thaon,  um  1120),  bis  zur  mitte  des 
jhs.  auch  vor  leichter  konsonanz  {fait— >f et,  ait—>et  bei  Crestien 
von  Troyes);  endlich  auch  in  offener  silbe  {faite  —  feite— >fete, 
faire  —  feire~*fere);  zuletzt  und  wahrscheinlich  erst  im  laufe 
des  13.  jhs.  im  auslaut,  wo  ?  alsbald  zu  f  wird  {sai-*SQ—>s^, 
conquerrai—^ conquerr^,  vgl.  oben  v.  11).  —  Unter  verstummen 
des  auslautenden  t  (vgl.  7  prist)  wird  fet  zu  nfr.  /"?  (geschr.  fait). 

legiers:  ledziers,  vulgärlat.  Heviarius  (zu  levis). 

I.  *Leviarius  — ►  leviarius  nach  1  jorn  III  a.  —  Die  endung 
-arius  zu  -iers,  vgl.  4  Chevaliers  I.  —  Inlautend  vj  zu  dz,  siehe 
12  sage  IL 


106  Erster  Teil:  Text. 

II.  Vortoniges  q  unter  dem  nebenton  bleibt: 

bellamente  -*  helement  16 

denarios—* dmiers  27 

ferire—*-ferir  29 

ienetis —*  tenez  45. 

III.  Neufranzösisch  legers — leger  =  lezß  zeigt  Verlust 
des  d-vorschlags  (I  jorn  V),  das  mit  gewippen  ausnahmen  regel- 
recht eintretende  verstummen  des  auslautenden  r,  reduktion 
des  diphtliongen  ie  nach  zisjchlauten  zu  e  (wie  2  chief)  und  ge- 
schlossene ausspräche  des  durch  verstummen  der  endkonsonanten 
in  den  auslaut  tretenden  ?. 

IV.  Die  rektion  des  prädikatsnomens.  Wir  sollten 
an  stelle  von  legiers  ^=*leviarius  vielmehr  legier  =  *levi avium 
erwarten,  da  das  prädikatsnomen  zweifellos  auf  das  ohjekt  zu 
beziehen  ist  {se  facit  *kviarium).  Der  nominativ  erklärt  sich 
durch  einmischen  solcher  redensarten  in  die  Vorstellung  des 
sprechenden,  wo  das  prädikatsnomen  im  nominativ  erschien: 
paraistre,  devenir,  estre  usw.  Gerade  die  reflexiven  verben 
haben  meist  eine  solche  nebenbedeutung,  romanisch  se  facere 
ersetzt  ja  ursprunglich  das  lat.  fieri.  Die  beziehung  des  prä- 
dikatsnomens bei  den  reflexiven  auf  den  nominativ  ist  demnach 
im  afr.  ganz  gewöhnlich  {plus  se  fait  fitrs  =  ferus,  se  senti 
navree  =  -atus),  findet  sich  aber  auch  sonst  bei  ähnlichen  Ver- 
bindungen, wie  z.  b.  sei  apptler,  avoir  nom: 

Sire,  je  ai  nom  Charles  151 
Äies  nom  Charles  Maignes  158. 

Sogar  nach  präpositionen  kann  dieser  auf  das  Subjekt 
bezogene  nominativ  stehen:  il  fat  tenus  a  sages  {=*sahius), 
je  rri'fn  dui  por  fols  {=  *follus)  tenir,  se  tenoit  chascuns  a 
paites  {=  pacatus)  —  vgl.  provenzaliseh  ieu  mi  tenc  per  pagatz. 

Qutant:  lies  cät,  lat.  quando. 

Vgl.  vers  1  Charles  I,  3  dont  V,  9  ofiques  II,  wegen  des 
nasals  1  un  IV.  Das  auf  konsonant  folgende  auslaut-^  ver- 
stummt, wie  in  saint  1,  prist  7,  vor  konsonantischem  anlaut 
seit  dem  13.  jh  ;  vor  vokal  ist  es  bis  ins  16.  jh.,  und  bei  enger 
Verbindung   wie   hier    (quand   il,   quand  eile,   quand  on)   bis 


L  Laisse:  14.  Vers:  legiers.  —  15.  Vers:  Qnant,  portet,  entre,  ses.     107 

heute  laut  geblieben.  Die  neufranzösisehe  Schreibung  mit  d 
ist  rein  orthographisch  (nach  dem  lat.  etymon  in  der  renaissance- 
zeit  wieder  eingeführt),  wie  auch  die  moderne  ausspräche  zeigt 
(quand  il  porte  =  kä-tü  port). 

il:  siehe  v.  7. 

portet:  lies  porte{t),  lat.  portal 

1.   Der  tonvokal:  Lat.  kurzes,  romanisch  also  offenes  o. 

Regel:  Betontes  offenes  o  in  gedeckter  Stel- 
lung bleibt  Q  (ausser  vor  nasal,  wo  p  ein- 
tritt, und  vor  j :  6  mieh  II). 

Beispiele:  hostem—*-ost  29 

*exi6rquere  — >■  estortre  43 
*folla-^fole  45 
vostrum  (=  vestrum)  —>  vostre  50 
mortua—>morte  52. 

IL  Das  auslautende  -t  in  unbetonter  silbe  war  damals 
bereits  im  verstummen  (vgl.  v.  3  Et).  Das  e  der  endsilbe  ver- 
stummt erst  im  17.  jahrh. 

corone:  siehe  v.  2. 

entre:  lies  ätre,  lat.  intra. 

intra—^entra—* entre-* Bntre-^äntre  nach  bekannten  ge- 
setzen.    Nfr.  entre  =  ätr(d). 

ses:  lat.  suos. 

I.  Das  Possessivpronomen  in  proklitisehem  gebrauch:  wie 
2  sa*—suam,  son*—suum.  Darnach  entwickelt  sich  suos 
zunächst  zu  sos.  Dieses  wird  unter  Wirkung  der  tonlosigkeit 
zu  ses  geschwächt,  wie  die  artikelformen  lo  {*—illum)  und 
los  (t—illos)  zu  le,  les  (vgl.  7  le  poin,  39  le  rei  —  81  les  destriers^ 
82  les  muh),  wie  das  Personalpronomen  lo  {-t—illum,  illud)  zu 
le  (vgl.  23  Se  Franceis  le  me  dient),  los  {-r-illos)  zu  les  (vgl. 
143  //  les  fait  revestir).  Ursprünglich  sind  die  o-formen  wol 
die  nebentonigen  {lö  rei,  sbs  hömts),  die  e-formen  die  schwach- 
tonigen  {pär  le  rei,  avuec  ses  hömes)  gewesen  (vgl.  7  le). 


108  Erster  Teil:  Text. 

Wie  suos  zu  sos  —  ses,  wird  tuos  zu  tos  —  tes,  meos  zu 
mos  —  mes.  Vgl.  de  mes  bons  Chevaliers  22,  je  manderai  mes 
homes  229. 

II.  Neufranzösisch  mes,  tes,  ses  =  me,  t^,  s^  {m^,  t^, 
s^),  in  liaison  meiz-,  tez-,  sez-,  sind  regelrecht  entwickelt. 

Chevaliers:  siehe  v.  4. 


16.  Vers. 

Quant  la  met  sor  sa  teste,  plus  belement  li  siet*. 

Wenn  er  sie  auf  sein  haupt  setzt,  steht  sie  ihm  viel  besser'. 

Quant:  siehe  den  vorigen  vers. 
la:  siehe  v.  7. 

met:  we^-t— lat.  mittit. 

Die  schon  im  klassischen  latein  häufige  bedeutung  'werfen, 
rasch  wohin  bringen,  legen'  führt  zu  der  französischen  be- 
deutung 'legen,  setzen'. 

I.  Die  entwicklung  geht  nach  bekannten  regeln  (vgl. 
2  en  l,  4  Chevaliers  III).  Lat.  mitter e  gibt  darnach  mßtre. 
Das  auslautende  doppel-^  in  dem  zu  erwartenden  *mett  wird 
naturgemäss  zu  t  vereinfacht. 

IL  1^ eufr anzösiach  mettre  =  mQtr(d).  Die  etymologi- 
sierende doppelschreibung  des  t  ist  ohne  bedeutung  für  die 
ausspräche.  Wichtig  hingegen  ist,  dass  altfr.  geschlossenes  e 
in  gedeckter  Stellung  zu  offenem  e  übergeht:  Utteras—^lßtres 
—>lQttres,  firmat-^fermet—>f§rme  usw.  Dieser  tibergang  voll- 
zieht sich  bereits  im  12.  jahrh.  Somit  fallen  in  geschlossener 
Silbe  ursprüngliches  e  (=  lat.  t)  und  ?  (=  lat.  g)  zusammen. 

sor:  lat.  süpra  (prov.  sohra,  ital.  soprä). 

I.  Nach  den  regeln  (v.  1  Jörn  II,  v.  2  chief  II  a)  ergibt 
sich  zunächst  sovre,  das  in  der  proklise,  als  präposition,  zu 
sore  und  weiter  zu  SQr  (norm.  Schreibung  sur)  wird. 


L  Laisse.    16,  Vers:  met,  sor,  teste,  belement,  li,  siet.  10& 

IL  Neufranzösisch  sur  =  sür  erklärt  sich  am  ein- 
fachsten als  eine  kreuzung  von  sor,  seit  13.  jh.  seur,  mit  dem 
ursprünglich  nur  als  adverb  üblichen,  seit  13.  jh.  aber  auch 
als  Präposition  gebrauchten  sus -»r- sursum  (v.  195). 

sa:  siehe  v.  2. 

teste:  aus  lat.  testatn  (geschirr,  seherbe,  schale),  das  in 
der  Volkssprache  die  bedeutung  'hirnschale,  köpf  angenommen 
hat.  Im  altfr.  erscheint  daneben  noch  chief •*— caput  in  seiner 
eigentlichen  bedeutung  (so  v.  2,  10,  20  u.  ö.),  während  es  heut- 
zutage fast  nur  noch  in  übertragener  bedeutung  üblich  ist. 

Kurzes  oflFenes  e  in  geschlossener  tonsilbe  bleibt:  siehe 
Y.  6  hei.  —  Neufranz.  Ute  =  m  hat  die  qualität  des  tonvokals 
bewahrt,  zeigt  diesen  aber  infolge  des  verstummens  von  s 
vor  konsonant  gedehnt  (vgl.  1  mostier  VI,  7  prist,  9  veistes  V). 

plus:  siehe  v.  6. 

toelement:  lies  b^lemät,  vulgärlat.  bella  mente. 

Vgl.  V.  12  folement,  wegen  des  nebentonigen  §  v.  14  legiers 
IL  —  Nfr.  bellement  =  belmä  (lautlich  wie  follement  =  folmä) 
nur  noch  selten  gebraucht  (in  der  bedeutung  '  sachte,  gemach'). 

li:  aus  lat.  üli. 

Einer  der  wenigen  reste  des  lat.  dativs.  Als  proklitisches 
Personalpronomen  mit  verlast  der  ersten  silbe  aus  Uli  ent- 
standen wie  oben  la  aus  illam.  Das  i  bleibt  als  *  erhalten, 
vgl.  13  dist,  14  qui.  Ihrer  herkunft  gemäss  wird  die  form  als 
maskulin  und  als  feminin  gebraucht. 

Nfr.  ist  die  unbetonte  form  li  durch  die  ursprünglich  nur 
in  betonter  Stellung  gebräuchliche  form  lui  verdrängt  worden. 

siet:  lat.  sMet 

Vgl.  V.  3  mier,  wegen  des  auslautenden  t  oben  met  — 
Nfr.  sied  mit  etymologisierender  Schreibung.  Vgl.  noch  v.  10 
seist  V. 


110  Erster  TeU:  Text. 

17.  Vers. 

Quant  TentPüt  li  reis  Charles,  molt  en  est  correciez. 

Als  der  könig  Karl  es  hört,  ist  er  darüber  sehr  erzürnt. 

Quant:  siehe  v.  15. 

V  =  le:  lat.  illu{d). 

Das  neutrum  des  vor  dem  verbum  stehenden  unbetonten 
pronomens  (vgl.  li  im  vorigen  vers).  Während  das  neutrum 
im  substantivum  völlig  untergegangen  ist,  Lat  es  sieh  im 
pronomen  in  zahlreichen  formen,  ebenso  auch  im  adjektivum, 
bis  aufs  neufraniösisehe  bewahrt. 

entent:  älät,  aus  lat.  intendit 

Vgl.  V.  2  en,  12  folement,  16  met  —  Nfr.  enfend  mit  d 
teils  etymologische,  teils  analogische  schreibang  (nach  entendonSj 
entendeZy  entendre). 

li  reis  Charles:  siehe  v.  1. 

Qnant  l'entent  li  reis  Charles:  Wortstellung. 
Wie  in  eingeleiteten  hauptsätzen  (vgl.  v.  1),  kann  auch  in 
nebensätzen  inversion  des  suhjrkts  eintreten.    Vgl.  noch: 
Quant  go  vit  la  rc'ine  30 
Quant  Vot  li  patriarche  141. 
Indes  ist  hier  die  Wortfolge  Subjekt  —  verbum  die  weitaus 
häufigere,  im  relativsatze  (wo  das  neufranz.  mehr  freiheit  lägst) 
sogar  die  regel.    Vgl.: 

s'espee  dont  li  ponz  fut  d'or  mier  3 
Quant  il  portet  corone  15 
Quant  Franceis  ont  mangiet  849. 
Im   übrigen   sind   nebensätze  in  dem  epiaeh-einfaehen  stil  der 
Karlsreise  überhaupt  nicht  übermässig  häufig,  das  parataktisehe 
Satzgefüge  wird  durchaus  vorgezogen. 

molt:  wolt,  aus  lat.  multum. 

Lat.  muUus,  multi  als  adjektiv  ist  im  ital.  und  prov.  er- 
halten, im  französischen  nur  bis  ins  12.  jahrh.,  sonst  als  adverb 


I. Laisse.  17.  Vers:  Quant,  entent,  Wortstellung,  molt,  correciez.       111 

wie  hier.  Die  lautliche  entwicklung  ist  rogelrecht.  —  Später, 
mit  auflösung  des  l  vor  konsonant  (6  hol  11),  mout,  auch  mouU 
geschrieben.  —  Seit  dem  17.  jahrh.  nicht  mehr  gebräuchlich. 

en:  ä,  lat.  inde,  'von  da,  in  bezug  darauf,  infolgedessen'. 
Vgl.  V.  14. 

est:  lat.  est  ohne  Veränderungen.  Verstummen  des  s  vor 
konsonant  und  des  auslautenden  t  erst  später. 

correciez:  lies  corretsiets •*—*corruptiatus  zu  *corrvptiare, 
von  corruptiim  {corrumpere),  also  eigentlich  'verderbt  machen, 
verderben',  woraus  dann  'ärgern,  betrüben'.  Dieser  nicht  un- 
waiir-cbeinüche,  aber  doch  auffällige  bedeutungswandel  hat 
Oaston  Paris  zur  herleitung  des  Wortes  aus  cor  ruptum  (ital. 
corfoito,  afr.  prov.  corrot  schmerz,  trauer)  veranlasst. 

I.  Nach  1  jorn  III  a  und  7  deso^  entsteht  zunächst  die 
form  *corrotii,afos.  Zwischen  konsonant  uod  der  sehvreren 
konsonantengruppe  tfj  bleibt  der  unbetonte  vortonvukal  erhalten 
(1  mostkr  111),  wird  aber  zu  e  geschwächt:  vgl.  dazu  sus- 
pectionem-* sofipetlione—*- sospegon,  soupegon  (erst  sekundär  zu 
soupgon  synkopiert). 

II.  Die  palatale  konsonantengruppe  tt^. 

Regel:    tj^  nach  konsonant  (ausser  s)  wird  zu  ts 
(gesc-hr.  c,  z),  vorausgehende  explosiv- 
laute    schwinden    auf   dem    wege   der 
assimilation. 
Beispiele : 

*ßdantia—*'fiance  52 
fortia—*-  furce  152 
*ment{i)tionea-^mevgonge  52 
*directiare—* drecier  (680) 


tertium-^tierz  173 
nuntiare—*  noncier  237 
ni(pti.as—>noces 
*pettia-*piece. 


Vergleiche  dagegen  die  entwicklung  des  intervokalen  ti 
(in  raison  und  araisnier  v.  8)  zu  -iz-  und  -is. 

111.  Neben  correciez  kommt  correciez  vor,  nach  den  stamm- 
betonten formen  gebildet:  *corrüptiat—*- corröcet  usw.  Ferner 
erscheint  häutig  einfaches  r  {coreciez,  corociez),  vielleicht  unter 
einfluss  der  vortonigkeit  und  der   daraus   folgenden  kürzeren 


112  Erster  Teil:  Text. 

ausspräche  (vgl.  aber  ferrez  80).  Infolgedessen  auch  wandel 
des  nunmehr  freien  q  zu  p,  nfr.  ou  (wie  2  coroneN-^couronne). 
Nfr.  courroucer  nebst  dem  Verbalsubstantiv  courroux  nur 
noch  in  gehobener  spräche.  Die  Schreibung  rr  ist  rein  etymo- 
logisch und  für  die  ausspräche  ohne  bedeutung. 


18.  Vers. 

Por  Franceis  qui  l'oi'rent,  molt  en  est  enbronchiez. 

Um  der  Franken  willen,  die  es  hörten,  ist  er  darüber  sehr  betrübt. 

Por:  lat.  pro. 

Die  form  por  entsteht  durch  die  gerade  bei  r  häufige 
metathese  (vgl.  5  emperere -t—Hmperatro ,  13  trop  II).  Vor- 
tonig 0  wird  neufr.  M  (pu):  siehe  1  mostier  YI,  2  coroneY. 

Franceis:  lies  frätseis,  von  deutsch  frankislc  {Franciscos). 

I.  Die  behandlung  von  inlautendem  sc  geht  im  all- 
gemeinen parallel  der  entwicklung  des  einfachen  c  im  anlaut,  da 
die  konsonanten  im  inneren  silbenanlaut  nach  vorausgehendem 
konsonant  dieselbe  entwicklung  wie  im  wortanlaut  zu  nehmen 
pflegen  (vgl.  4  harons  IV).  So  wird  sc  vor  a  zu  sis,  *frisca 
(von  deutsch  frisJc) -^  fresche  (fraiche),  francisca—^francescJie, 
wie  Kariös-^  Charles  v.  1.  Vor  folgendem  e  und  i  tritt  assi- 
bilierung  ein  (vgl.  crwcem— >crm>  2,  cinctam—^ceinte  3),  daher 
cognoscit—*  conoist,  francisci-* franceis.  Vor  o  und  u  bleibt  c 
(vgl.  2  corone  IV),  es  wären  also  aus  *friscum,  Franciscum,  cognosco 
die  formen  *fresc,  *Francesc,  *conosc  zu  erwarten,  statt  dessen 
erscheinen  freis,  Franceis,  conois. 

Gehen  wir  von  der  hier  vorauszusetzenden  form  franciscos 
aus,  so  entsteht  durch  den  ausfall  des  endvokals  die  form 
*francescs,  aus  dieser  die  vorliegende  form  franceis. 

Regel:   Die   durch   vokalausfall  entstandene  gruppe 
scs  entwickelt  sich  zu  is. 

Vgl.  noch:  *boscos—>bois  103 

*friscus  -OS— *■  fr  eis 
Peodiscus  -os—^Tieis. 

Über  die  natur  des  Vorgangs  sind  die  ansichten  geteilt. 
Nach  den  einen  wird  scs  —  wie  sts—>ts  {hostis,  tristis,  Chrisim 


I.  Laisse.    18.  Vers:  Franceis,  qui,  oirent.  113 

—»-oe,  triz,  Oriz)  —  durch  Vereinfachung  der  tripelkonsonanz  zu  es, 
das  sich  dann  wie  primäres,  lateinisches  es  (siehe  v.  1  reis-*— 
rex)  zu  is  entwickelt  hätte;  aus  nom.  sing.,  acc.  plur.  und  dem 
gleichfalls  regelrecht  auf  -eis  endigenden  nom.  plur.  (francisd—*' 
franceis  s.  o.)  wäre  dann  die  endung  -eis  auf  die  isoliert 
stehende  form  des  acc.  sing,  übertragen  worden:  franceis  für 
*francesc.  Nach  anderen  hätte  sich  *francescs  zu  *frances{s) 
entwickeln  müssen  und  franceis  wäre  auf  franciscum,  d.  h.  auf 
eine  durch  metathesis  daraus  entstandene  form  *francicsum 
zurückzuführen;  erst  aus  dem  acc.  sing,  wäre  die  endung  -eis 
dann  auf  nom.  sing,  und  acc.  plur.  tibertragen  worden.  Diese 
ausschliesslich  französische  (weder  italienisch  noch  provenzalisch 
vorhandene)  metathesis  des  sc  zu  es  speziell  vor  u  (da  -sea  ja 
seha  gibt  und  sei  zu  is  der  annähme  einer  metathesis  nicht 
bedarf)  ist  nicht  sehr  wahrscheinlich.  Aber  auch  die  übrigen 
erklärungen  {*'boscos  schon  vor  dem  fall  der  endvokale  durch 
dissimilation  zu  *bocos  und  weiter  zu  *bocs  —  bois,  oder  *boscum 
über  boscu  —  bo^cu,  mit  palatalisierten  s  und  c,  zu  bo^  —  bois) 
befriedigen  nicht  völlig. 

Neben  dem  lautgesetzlichen  feminin  francescJie  erscheint 
schon  früh  die  analogische  neubildung  franceise  —  frangoise 
nach  dem  muster  der  adjektiva  zweier  endungen  (bon  —  bone, 
bei  —  bele),  wol  nach  dem  der  adjektiva  auf  -eis  =  lat.  ensem^ 
die  zum  teil  schon  in  galloromanischer  zeit  im  feminin  die 
analogischen  formen  mit  a,  franz.  e,  zeigen  (zu  cortem  —  cort 
ein  cortensem  —  prov.  cortes  cortesa  —  franz.  corteis  corteise). 

IL  Das  fehlen  des  artikels.  Im  altfr.  werden  völker- 
namen  (und  in  ähnlicher  Verwendung  gebrauchte  worte  wie 
paiiens,  crest'iiens)  im  plural  meist  ohne  artikel  gebraucht. 
Vgl.  noch  23  Se  Franceis  le  me  d'ient,  224  mais  que  de 
Sarazins  et  paiiens  nos  gardez,  849  Quant  Franceis  ont 
mangiet  —  dagegen  bei  näher  bestimmendem  zusatz  237  La 
nuit  le  fait  noncier  as  Franceis  os  osteis. 

III.  Neufranzösisch  frangais  =  fräs§  ist  durch  die 
Übergangsstufen  frangois  —  frangoes  —  frangoes  hindurch- 
gegangen. Es  ist,  bis  zu  dieser  letzten  form,  dieselbe  ent- 
wicklung  wie  in  rei  —  roi  —  röe  —  roe  —  roa  (s.  o.  1  reis). 
Die  ausspräche  o?  für  den  diphthongen  oi  herrschte  bis  in» 

Voretzsoh,  Studium  d.  afrz.  Sprache.    6.  Aufl.  c 


114  Erster  Teil:  Text. 

18.  jahrh.  —  Bevor  aber  die  Verschiebung  des  diphtbongen 
0^  zu  oa  —  ua  eintrat,  d.  h.  schon  im  16.  jahrh.,  hatte  ein  teil 
der  Worte  (darunter  namentlich  alle  imperfekta  und  kondi- 
tionalia:  avois,  aurois)  das  o\  zum  monopht bongen  §  entwickelt 
(ar$,  or^  =  avais,  aurais).  Frangois  erscheint  als  fräsua  im 
eigennamen  Frangois. 

qui:  lies  M,  aus  lat.  nom.  plur.  qui.  Die  lautliehe  ent- 
Wicklung  wie  in  der  singularform  (siehe  v.  14). 

oi'rent:  lat.  audivemnt,  vulgärlat.  *audirunt. 

I.  Der  aecentwechsel.  Die  3.  plur.  ind.  perf.  hat  sich  in 
allen  konjugationstypen  an  die  betonung  der  1.  und  3.  sing, 
angeglichen:  so  hdhwrunt  —  ourent  (siehe  v.  2  rout)  nach 
hdhui,  hdhuit;  fü{e)runt  —  furent  (siehe  v.  1  fat)  nach  fai,  fait, 
fuimus;  Hderunt  —  virent  (siehe  v.  9).  *vendeiJerunt  —  vtndierent 
(siehe  v.  12  respondiet).  Zum  teil  waren  die  für  das  romanische 
vorausgest-tzten  formen  schon  im  klassischen  latein  vorhanden, 
so  in  der  1.  konjugation  amarunt,  signarunt  —  amerent,  seignie- 
rent  (siehe  v.  2  seignat). 

II.  Der  Stammvokal.  Lat.  au-*Q,  vor  vokal  zu  g:  siehe 
3  or  I. 

III.  Der  endsilbenvokal.  Dieser  bleibt  in  der  endung 
-unt  —  ent  stets  erbalten  wegen  der  folgenden  schweren  kon- 
sonantengruppe,  die  sonst  mit  dem  vorausgehenden  konsonanten 
znsammenstossen  würde. 

Vgl.:  dicunt-^ dient  23 

*montarunt—*  monier  ent  89 
habuerunt —*  ourent  89. 

Dazu  die  unter  I  aufgeführten  beispiele. 

III.  Der  konjugationstypus.  Die  verba  auf -«Vc  bilden 
die  zweite  klasse  der  sog.  schwachen  perfekta;  auch  hier 
steht  im  perfektum  der  accent  in  allen  formen  auf  der  endung 
(vgl.  seignat  2.  respondiet  12).  Die  endungen  selbst  erscheinen 
Bchon  im  klassischen  latein,  teils  infolge  ausfalls  des  v  {audlstif 
•istis),  teils  unter  analogischer  einwirkung  (nach  perf.  ti,  uty 
ierunt)  auch  in  verkürzter  gestalt.    Das  Vulgärlatein  hat  z.  1 


I.  Laisse.    18.  Vers:  qui,  oYrent,  enbroncbiez. 


115 


die  alten  kurzformen  weitereDtwickelt,  z.  t.  die  alten  vollformen 
neu  gekürzt  {audloi,  'lüit—>audz,  -U). 


klass.  lat 

vulgärlat. 

altfranz 

audlni  'du 

audl 

Ol 

audivisti  -disti 

audlsti 

ois 

audio d  -dilt 

audit 

oit 

audvnmus 

audlmus 

o'imes 

audivistis  -dtstis 

audlstis 

distes 

auduerunt  -diemnt 

audlrunt 

oirent. 

Da  in  den  vulgärlateinisehen  formen  in  der  ton^ilbe  tiberall  i 
vorliegt,  erhalten  wir  in  dem  französischen  paradigma  durch- 
gehends  i  (vgl.  13  dist). 

IV.  Im  neufranzösiscben  hat  sieh  das  paradigma  der 
t-klasse  rt^gelrecht  entwickelt,  mit  verstummen  des  s  vor  kon- 
ßonant,  der  auslautenden  konsonanten  und  der  endsilben  -e. 
Hierbei  ist  in  der  3.  plur.  nicht  nur  das  t,  sondern  auch  das 
vorausgehende  n  verstummt,  vermutlich  infolge  der  auirh  in 
unbetonten  endsilben  eintretenden  nasalierung  des  vokals.  Die 
erste  person  hat  nach  dem  muster  der  starken  perfekta  auf 
-is  ißs,  pris,  dis)  ein  s  bekommen  (das  aber  erst  im  18.  jahrh. 
allgemein  wird,  also  nachdem  das  auslaut-s  in  der  ausspräche 
längst  verstummt  war). 

Das  verbum  o'ir  —  neufr.  ouir  wird  nur  nocb  defektiv 
gebraucht.  Das  vor  vokal  stehende  q  wird  zu  o  (ou),  vgl. 
3  or  1  und  III. 

molt  cn  est:  siehe  vorigen  vers. 

enbronchiez:  lies  ähröfsiets,  zum  keltischen  stamm  hrogno- 
brugno-  (irisch  bron,  cymrinch  hrwyn  trauer,  kummer).  Davon 
das  frz.  adjektiv  enbronc  (^bekümmert)  und  das  verbum  enbronchier. 
Für  unsere  form  ist  von  *m-broncatus  auszugehen. 

I.  Die  lautliche  entwicklung  ist  regelrecht.  Zur  ton- 
silbe  vgl.  2  chitf  III — IV  und  4  burons  IV  schluss. 

IL  Neu  französisch  nicht  mehr  vorhanden.  Broncher 
straucheln  und  enibroncher  aufeinanderreihen  scheinen  zu  lat. 
pronus  (davon  *pronicare  nach  vorn  neigen)  zu  gehören. 


8* 


116  Erster  Teil:  Text. 

19.  Vers. 

'E,  dame,  ou  est  eil  reis?  Car  tost  le  m'enseiguiez! 

*Ha,  Herrin,  wo  ist  dieser  könig?   Nennt  mir  ihn  doch  gleich. 

E:  auch  eh  oder  he  gesehrieben  —  nfr.  he,  dasselbe  auch 
in  helas  {=he,  las!  ach,  ich  unglücklicher!). 

dame:  siehe  v.  9. 

ou:  lies  u  (wie  nfr.  ou),  aus  lat.  üM. 

Die  romanischen  formen  gehen  nicht  auf  übt,  sondern  auf 
uM  zurück:  vgl.  ital.  ove,  das  als  die  gemeinromanische  form 
betrachtet  werden  kann.  Der  interv^okale  konsonant  schwindet 
unter  der  Wirkung  der  schwachtonigkeit,  die  namentlich  für 
die  relativische  Verwendung  des  Wortes  in  betracht  kommt 
(auch  das  prov.  o  zeigt  keine  spur  des  lat.  b).  Neben  dem  so 
entstandenen  o  steht  ziemlich  früh  schon  ou,  d.  h.  das  ge- 
schlossene 0  hat  sich  unter  dem  einflusse  der  proklise  (oder 
enklise)  zu  u  vertieft  (wie  später  allgemein  vortoniges  o  und 
in  offener  silbe  stehendes  q,  vgl.  1  mostier  VI  und  2  corone  V). 

est:  siehe  v.  17. 

eil:  lies  tsil  (verkürzt  aus  icil),  aus  ecce  Uli  (für  ecce  ille, 
siehe  7  «7)  wie  12  cele  aus  ecce  illa.  —  Das  neufranzösische 
bewahrt  die  nominativform  nicht,  an  die  stelle  der  obliquus- 
form  cel  ist  jedoch  celui  getreten  (vgl.  12  cele  II).  Nfr.  nur 
noch  substantivisch  gebraucht. 

reis:  siehe  v.  1. 

ou  est  eil  reis:  Wortstellung  im  fragesatz. 

Wie  im  eingeleiteten  aussagesatz  ist  im  fragesatz  Inversion 
des  Subjekts  die  regel,  auch  wenn  dieses  ein  Substantiv  ist. 

Vgl.  noch: 
Amis,  ou  est  li  reis?  (279) 
Sire  .  .  .  ne  serat  ja  mais  el  [■=  al(i)ud]?  (396) 
que  fönt  Franceis  et  Charles  al  fier  vis?  (623) 
Que  vos  en  ai  jß  mais  lonc  plait  a  aconter?  (860) 


I.  Laisse.    19.  Vers:  E,  ou,  eil,  Wortstellung,  ear,  tost.  117 

Desgleichen  im  abhäogigen  fragesatz: 
Ne  sai  ou  est  U  reis  (277). 

Die  nenfr.  konstiuktion,  das  substantivsiibjekt  nicht  zu 
invertieren,  sondern  als  pronomen  hinter  dem  verbum  zu 
wiederholen,  findet  sich  vereinzelt  schon  in  der  älteren  zeit, 
häufiger  jedoch  erst  seit  dem  ende  des  13.  jahrhs.  Die  afr. 
Wortstellung  kann  auch  heute  noch  angewant  werden  nach 
interrogativen  adverbien  oder  pronomina  sowie  im  abhängigen 
fragesatz:   Oü  est  le  roi?  —  Je  ne  sais  oü  est  le  roi. 

car:  lat.  qua  re. 

1.  Das  wort  erscheint  im  altfr.  in  zwei  verschiedenen  Ver- 
wendungen: einmal  —  wie  noch  neufr.  —  zur  einleitung  eines 
kausakatzes  (so  unten  v.  206,  209),  dann  aber  auch  bei  im- 
perativ, Optativ,  konditioualis  im  sinne  des  nfr.  donc  (vgl.  noch 
V.  327  car  la  tenisse  en  France  =  hätte  ich  sie  doch  in  Frank- 
reich!); nur  vereinzelt  im  sinne  von  que  (dass).  Die  zweite, 
auch  an  unserer  stelle  zutreffende  bedeutung  von  car  wird  aus 
dem  interrogativen  gebrauch  von  quare  hergeleitet:  aus  dem 
fragesatz  ^car  ne  viens?  (==  quare  non  venis?y  wurde  dieses 
car  in  den  sinnverwandten  positiven  ausruf  übertragen :  car  vien 
=  komme  doch!  Ahnlich  wird  das  kausale  car  aus  einem 
abgekürzten  fragesatz  erklärt.  Ein  satz  wie  206  Demeinent 
grant  barnage,  car  Vemperere  est  riches  ist  darnach  ursprünglich 
gleichbedeutend  mit  dem  folgenden:  Demeinent  grant  barnage. 
Car  (=  qua  re  warum)?  L'emperere  est  riches. 

IL  Die  form  car  ist  die  regelrecht  unter  dem  nebenton 
entwickelte,  wo  a  als  a  erhalten  bleibt  (vgl.  4  barons  III); 
anlautend  qu-^c  nach  9  onques  IL  Daneben  besteht  im  afr. 
eine  zweite  form  quer  =  Jcer  mit  behandlung  des  freien  a  wie 
in  espee  (v.  3),  die  also  haupttonig  {quare  =  warum?)  ent- 
wickelt ist,  aber  in  den  überlieferten  denkmälern  syntaktisch 
von  car  nicht  unterschieden  wird.  Das  qu  ist  hier  in  der 
Schreibung  beibehalten  worden,  da  die  der  Schreibung  car  ent- 
sprechende form  cer  zu  missdeutungen  (c  =  ts)  hätte  verleiten 
müssen. 

tost:  lies  tgst,  aus  lat.  tostum,  zu  torrer e  dön-en. 


118  Erster  Teil:  Text. 

Die  lautliche  entwicklung  ist  regelrecht.  —  Aus  der  be- 
deutung  'gebacken,  geröstet'  eiitwirkelo  sieh  in  vergeh,  roman. 
mundarten  die  bedeutungen  'hart,  fest,  frisch,  munter',  daraus 
'rasch,  bald,  soglt^ich',  —  Neufranz,  tot  =  to  (hientöt,  ausaitöt, 
tantöt)  mit  Übergang  des  in  den  auslaut  tretenden  g  zu  g. 

le  m'enseigniez:  lies  le  mästüiets. 

I.  Die  personalendung.  Die  2.  plur.  imp.  ist  in  allen 
konjugationen  mit  der  entsprechenden  form  des  ind.  präs. 
identisch,  hat  daher  s  (mit  t  also  z)  am  sehluss:  chantez,  tenez, 
vendez,  partes.    Vgl.  13  poez  II. 

II.  Die  laut  form  ist  regelrecht.  Vgl.  2  en,  seignat,  chief. 
Ebenso  nfr.  enseignez  =  ästfie. 

III.  Die  pronomina:  le  me  =  illud  me  (für  mihi). 

Es  sind  die  vor  dem  verbum  stehenden  vortonigen  formen. 
Lat.  mg  erscheint  demgemäss  mit  eiufachem  vokal,  während  es 
hoch  betont  mei  (v.  71)  ergilit  (nach  plena-*pleine  S).  Dieses 
me  steht  für  dativ  und  akkui*ativ,  da  lat.  mihi  —  afr.  mi  nur 
in  einzelnen  dialekten,  go  im  pikardisehen,  erhalten  bleibt. 

IV.  Die  Wortstellung.  Im  afr.  können  die  pronomina 
wie  im  aussagesatz  (siehe  beispiele  v.  7,  8,  13  ff)  so  auch  beim 
positiven  imperativ  vor  dem  verbura  stehen,  wenn  er  durch 
ein  anderes  wort  eingeleitet  ist.    Vgl.  noch: 

39  le  rei  me  nomez 
67  nn  petä  m^entendez 

216  vo.stre  conyiet  . . .  me  donez 

855  Car  m'en  portt^z  en  France. 
Vgl.  noch  nfr.  bei  vorausgehen  eines  anderen  Imperativs:  Du 
moins  contente-toi  de  l'aooir  etonnee  —  Et  me  laisse  achever 
cette  qrande  journee  (Corneille,  Horace);  Fmissons  et  me  dites 
(Molifere,  l'Avare);  Courage,  dit  sa  mere  —  Ouore  ton  aile  au 
vent  —  Ouvre-la-toute  entiere  —  Et  felance  en  avant  (Rambert, 
La  petite  hirondelle). 

Der  akkusativ  des  pronomens  der  3.  person  pflegt  vor 
dem  dativpronomen  der  1.  oder  2.  person  zu  stehen  wie  hier. 
Vgl.  noch  V.  23  Se  Franceis  le  nie  üunt,  v.  41  orendreit  lern 
direz.  Nfr.  ist  die  folge  akkusativ  —  dativ  nur  noch  bei  lui 
und  leur  gestattet. 


I.  Laisse:  19,  Vers:  le  m'enseigniez.  —  20.  Vers:  Si.  119 

20.  Vers. 

Si  poiterons  ensemble  les  corones  es  cliies. 

So  werden  wir  zusammen  die  krönen  auf  den  häuptern  tragen. 

Si:  lat  Sic. 

I.   Lat.  ?  bleibt  als  i  nach  14  qui  und  11  citez. 

IL  Der  auslaut. 
Regel:  c  im  lateinischen  auslaut  fällt  in 
schwach  tonigen  Silben  und  Worten, 
unterm  hauptton  bleibt  es  nach  o,  u 
als  c,  nach  hellen  vokalen  als  i  (das 
mit  vorausgehendem  i  verschmilzt). 

Beispiele: 

opud  hoc-^avuec  138 
pro  (por)  hoc—*poru€C 
sine  hoc—^senuec 
illac  {batoüt) —*- lai 

fuc-*fai  (677) 
die-*  dt  (623) 

Hiervon  zu  scheiden  sind  diejenigen  fälle,  wo  c  erst  nach 
abfall  des  vokals  in  den  auslaut  tritt  und  von  nachbarJauren 
in   seiner  entwicklung  beeiuflusst  wird  (vgl.  cructm-^crois  2). 

Neumaon  erklärt  die  c-losen  formen  nicht  aus  schwach- 
toniger  Stellung,  sondern  aus  gewissen  stehenden  Verbindungen, 
in  denen  c  lautgesetzlich  schwinden  musste  [hoc  q>ioä—*-o  que, 
sie  quod—t-si  que,  ilfae  uhi—*laou)  und  nach  denen  dann  die 
formen  ohne  c  verallgemeinert  worden  wären. 

III.  Ausser  in  seiner  eigentlichen  bedeutung  wird  si  häufig 
zur  einleitung  eines  nachsat/^es  (wie  i>o  im  deutschen)  oder 
überhaupt  eines  hanptpat/.es  verwendet,  wobei  ilim  von  haus 
aus  eine  hinzeigende,  rUckweisende  bedeutuug  zukommt:  Si 
porterons  =  so,  unter  die:<en  umständen,  d.  i.  wenn  ihr  ihn  mir 
genannt  habt  {nttr  tost  me  Vtnstigniez).  Zuweilen  wird  es  so  zur 
blossen  anknlipfiingspartikel:  'und  so,  und  dann,  und'  —  wie 
gleich  in  der  folgenden  zeile.  In  demselben  sinne  wird  auch 
et  si  gebraucht,  vgl.  z.  b.  v.  48. 


nee- 

-*ne 

10 

ecce  hoc- 

-^go 

30 

ecee  hie 

-*ci 

49 

illae 

->Za  232 

ecce  hac-*ga  {gaenz  756) 


120  Erster  Teil:  Text. 

porterons :  lies  pgrteros,  aus  portare  habemus. 

I.  Wegen  der  lautliehen  entwicklung  vgl.  15  porttt, 
12  folement  III,  1  mostier  III,  wegen  der  futurbildung 
11  conquerrai  II. 

II.  Die  endung:  -ons,  für  avons  (siehe  11  conqiierrai). 
Wie  -ez  für  die  zweite  person  (siehe  13  poes),  ist  -ons  die  in 
allen  konjugationen  giltige  form  fttr  die  erste  person  pluralis 
geworden.  Aber  weder  aus  -amus  noch  aus  -emus,  -zmus,  -imus 
lässt  sich  -ons  auf  lautgesetzlichem  wege  entwickeln  (jedoch 
nimmt  Suchier  lautlichen  tibergang  von  -amus— > ons  nach 
labial  an,  wie  z.  b.  in  amahamus,  und  von  da  aus  analogische 
weiterverbreitung  dieses  -ons).  Gewöhnlich  erklärt  man  -ons 
als  angleichuDg  an  die  entsprechende  form  des  hilfsverbums 
estre:  aus  lat.  sümus  entwickelt  sich  regelrecht  soms  —  sonSj 
neben  welchem  som{m)es  nur  eine  ne benform  ist,  deren  ent- 
stehung  noch  nicht  genügend  erklärt  ist,  die  aber  später  die 
ursprüngliche  form  ganz  verdrängt  hat.  Auffällig  bleibt  freilich 
die  weite  und  früh  schon  vollzogene  ausdehnnog  der  zwar 
häufig  gebrauchten,  aber  doch  isoliert  stehenden  form  sons, 
weshalb  immer  wider  neue  lösuugen  gesucht  werden. 

ensemble:  lies  äsähle,  lat.  ins^mel  oder  insimul. 

I.  Etymologie.  Für  das  französische  würde  insimul 
sowol  als  das  gleichfalls  belegte  insemel  genügen.  Italienisch 
insieme  mit  dem  diphthong  ie  und  dem  auslautenden  e  weist 
in  erster  linie  auf  insemel. 

II.  Der  endvokal  erklärt  sich  entweder  durch  metathesis 
(vgl.  5  emperere  I)  oder  dadurch,  dass  beim  verstummen  des 
endsilbenvokals  für  die  sonst  schwer  sprechbare  konsonanten- 
gruppe  ein  sogenannter  Stützvokal  nötig  wurde  (vgl.  noch 
1  Charles  III). 

III.  Der  übergangslaut.  Durch  den  ausfall  von  vokalen 
(oder  auch  durch  metathesis)  entstehen  neue  konsonantenver- 
bindungen,  welche  dem  romanischen  oder  dem  galloromanischen 
munde  ungewohnt  waren  und  deren  ausspräche  daher  erleichtert 
oder  vereinfacht  wurde.  Zum  teil  geschieht  dies  durch  Ver- 
einfachung z.  b.  einer  dreifachen  konsonanz  zu  einer  zweifachen 
(vgl.  oben  Franceis),  zum  teil  durch  assimilation,  zum  teil  durch 


I.  Laisse.    20.  Vers :  porterons   ensemble,  les.  121 

eingcbieben  von  ttbergangslauten,  die  sich  übrigens  auch  sonst 
bei  lauten,  die  einander  nicht  allzufern  liegen,  einstellen  (vgl. 
6  mieh,  dazu  an^  u.  a.).  Hauptsächlich  handelt  es  sich  dabei 
um  Verbindungen  von  nasal,  liquida  oder  dentaler  spirans  (m, 
n  —  l  —  5)  mit  l  oder  r.  Hinsichtlich  des  letzten  ist  zu  be- 
achten, dass  es  ursprünglich  dental  (zungenspitzen-r)  war,  wie 
noch  heute  im  italienischen,  auch  in  franz.  und  vielen  deutschen 
mundarten,  nicht  das  heutzutage  im  sehriftdeutschen  und 
französischen  meist  gesprochene  gutturale  r  (gaumen-r).  Im 
einzelnen  entwickelt  sich: 

m  4-  l-^mhl  wie  hier,  vgl.  noch  tremulare-^trembler  130 
m  +  r—>mbr:  camera  — >  chambre  (421) 

marmor  —*'*marmhre  — >  marbre  113 
numerum  —>  nombre 
»  +  r  — >  ndr :  tenerum  — *•  tendre 

ven{i)re  habemus -*  vendrons  815 
ten(e)re  habeo —>  tendrai  (500) 
vgl.  griech.  dv^g-avögog,  deutsch  fähndrieh  u.  ä. 
l  -\-  r~^ldr:  *vol{e)re  habent—>  voldront  223,  840 

melior  —  *meiro  — ►  mieldre  198 

molere  -^  moldre  —  moudre 
s  +  r—^-str:         *ess(e)re  {f^r  esse) —*- estre  97,  168 
e~\-r—*£:dr:  *cös(ue)re  (zu  c6nsuo)—*cosdre  —  coudre. 
Regel:   Beim  zusammentreffen  von  nasalen 
mit  liquiden   oder  von  l  und  s-lauten 
mit  r  tritt  als  übergangslaut  b,  d  oder 
t  ein  (zwischen  m  —  l,  r  ein  6,  zwischen  n, 
l,  3  —  r  ein  d,  zwischen  s  —  r  ein  t). 
IV.   Entwicklung  der  nasale  wie  gewöhnlich. 

les:  lat.  illas. 

Bei  dem  proklitisch  gebrauchten  wort  wäre  las  zn  er- 
warten, wie  im  Singular  illa  zu  la  wird  (vgl.  10  la  corone). 
Auch  im  maskulinum  tritt  eine  Schwächung  des  vokals  ein, 
hier  aber  im  singular  wie  im  plural:  le,  les  für  lo,  los.  Im 
Possessivpronomen  masc.  gen.  stehen  neben  den  singularformen 
mon,  ton,  son  (vgl.  2  son)  mit  erhaltenem  0  die  pluralformen 
mes  (22),  tes,  ses  (vgl.  15  ses)  mit  geschwächtem  vokal;  auch 
hier  haben  wir  im  feminin,  wie  beim  artikel,  im  singular  die 


122  Erster  Teil:  Text. 

vollen  formen  ma  (22),  to,  sa  (2),  im  plural  die  gescbwäcbten 
mes  tes  ses.  Bei  diesen  versehiedeDheitfn  spielt  die  wechselode 
betonung  dieser  worte  im  Satzzusammenhang  mit  (vgl.  7  Ze, 
16  ses).  Einzelne  dialekte  wie  z.  b.  der  pikardisebe,  wandeln 
folgeriebtig  aueb  das  a  des  Singulars  zu  e,  also  /e,  me,  te,  se 
für  franeisüh  la,  ma,  ta,  sa. 

corones:  regelrecbt  aus  lat.  Coronas  (vgl.  2  corone). 

Die  so  entstandene  obliqiiusform  gilt  aueb  für  den  kasus 
rektus.  Schon  im  Vulgärlatein  wurde  der  nominativ  pluialis 
der  feminina  der  1.  deklination  an  den  akkusativ  angeglichen: 
coronae  wurde  ersetzt  durch  Coronas.  Mustergebend  war  dabei 
einerseits  der  siugular  der  1.  deklination,  wo  durch  das  ver- 
stummen des  auslautenden  m  nominativ  und  akkusativ  zusammen- 
gefallen waren  (vgl.  2  corone),  andererseits  die  feminina  der 
lat.  3.  deklination,  bei  denen  der  plural  von  anfang  an  nur 
eine  form  {cmiintes  —  citez,  vgl.  v.  11)  hatte.  Die  leminina 
der  lat.  1.  deklination  haben  demnach  zuerst  von  allen  Sub- 
stantiven die  heute  im  französischen  herrschende  eiukasusfl.xion 
durchgeführt  (während  die  feminina  der  lat.  3.  deklination, 
d.  b.  die  konsonantisch  ausgebenden  feminina,  sekundär,  im 
12.  Jb.,  ein  s  im  rektus  sing,  annehmen:  dttz,  corz,  tors  gegen 
obl.  citet,  cort,  tor). 

es:  en  (in)  mit  enklitifsebem  artikel  les  (los)  vgl.  1  al  II, 
dazu  die  entspreebende  singularform  el  chuf  10.  Neufranzösiscb 
noch  in  erstarrten  lormeln  wie  es  mains  de  qn.,  docteur  es  letires, 
es  sdtnces. 

cLies:  lies  tsies,  aus  lat.  capu  +  s.  Vgl  2  chief  und  11  citesH. 

21.  Vers. 

Si  i  avrat  Toz  druz  «t  toz  voz  conseilliers. 

Und  dort  wird  es  geben  (werden  sein)  eure  vertrauten 
und  alle  eure  ratgeber.^) 


')  Kaiser  Karl  will  einerst^its  die  vertrauten  der  kaiserin  (v.  21), 
andrerseits  die  ritter  seines  eigenen  hof&taats  (v  22)  euibieten,  um  sie 
darüber  entscheiden  zu  lassen,  üb  er  oder  der  fremde  küuig  sich  mit  der 
krune  stattliuher  ausnimmt. 


I.  Laisse.    20.  Vers:  corones,  es.  —  21.  Vers:  voz,  toz.  123 

Si:  siehe  vorigen  vers. 

i:  siehe  v.  4. 

avrat:  hahere  habet  —  vulg:ärlat.  *aberdt.  Vgl.  2  rout, 
3  at,  4  Chevaliers  II,  1  mostitr  III. 

toz:  vostroSy  zu  voster,  ursprünglich  altlat.  form  des 
possessivs,  im  1.  jh.  v.  ehr.  lautgesrtzlirh  (wie  vortere,  vorsus 
'-*■  vertere,  versus)  zu  vester  geworden,  im  vulgärlat.  nach  nos  — 
noster  zu  vos  wieder  neu  gebildet. 

Die   formen   voster,  vostrum,  vostri  entwickeln  sich  nach 
1  Charles  regelrecht  zu  vostre  mit  aus'aiiteüdem  e  wegen  des 
vorausgehenden  tr:  vgl.  50  vostre*— vostrum.    Vostros  \\\  hanpt- 
toniger  Stellung  ergibt  danach  vo.stres  (nfr.  Jes  vötres).    Schwach- 
tonig    hingegen    (vor    dem    Substantiv)    wird    es    verkürzt    zu 
*oosts  —  vots  —  voz  (das  sekundär  auch  als  hauptlouige  form 
verwendet  wird).    Zu  dieser  redukiiou  vgl.  noch: 
fü'itts-^fvz  80 
hostis-*oz  (vgl.  ost  29) 
Christus— *Cnz.  ' 

Kegel:   Die  lautgruppe  sts  wird  zu  ts  (z)  ver- 
einfacht. 
Später,  mit  dem  Übergang  von  auslautendem  z  in  s,  wird 
voz  zu  vos  (ofr.  vos  amis,  vos  consedlitrs)^  wozu  dann  dialektisch 
(besonders  pi kardisch)  ein  neuer  nom.  plur.  und  akk.  sing,  vo 
gebildet  wird. 

druz:  zu  fränkisch  drüt,  mhd.  trüt,  nhd.  traut.  Germanisch 
ß  wird  wie  lat.  ü  zu  ü,  vgl.  1  un  II. 

toz:  lat.  iöttos  für  iötos. 

Lat.  igtos  würde  zwar  altfr.  regelrecht  auch  tos  geben,  aber 
nfr.  teas^  und  das  fem.  tota,  mit  ausfall  des  iuter vokalen  t, 
*loe  —  neufr.  *teue.  Es  heisst  indes  tote  (siehe  v.  48)  —  neufr. 
toute.  Die  erhaltung  des  intervokalen  t  weist  auf  gestutztes 
oder  doppeltes  t  (vgl.  4  Chevaliers  III  gegen  3  e>p-e  IIb),  die 
entwicklung  des  touvokals  zu  nfr.  o>i  auf  gesehU»ssene  silbe 
(vgl.  jorn—>-jour  1),  also  auf  iötta,  töttum,  das  bei  Consentius 


124  Erster  Teil:  Text. 

(5,  jahrh,,  Gallien)  belegt  ist  und  gewöhnlich  aus  einer  Ver- 
dopplung des  Wortes  {*tottotum)  erklärt  wird.  Solche  neben- 
forraen  begegnen  aber  auch  sonst  {cuppa  —  coiApe  neben  cüpa, 
*glutto  —  glouton  neben  glütö). 

Aus  iöttum  erklärt  sich  afr.  tot  (v.  54),  nfr.  tout,  regel- 
mässig, ebenso  tos-*— töttos,  tote-t—tötta. 

conseilliers:  lies  cösetiers,  lat.  eonsiUarios. 

Vgl.  5  moillier  II,  4  Chevaliers  I.  Die  erhaltung  des  n  vor  s 
scheint  das  wort  als  lehnwort  zu  kennzeichnen.  Allerdings 
blieb  die  vorsilbe  con-  in  zahlreichen  anderen  Zusammensetzungen 
erhalten  {conduire,  conquerre,  compaignt)  und  konnte  darnach 
in  einem  erbwörtlichen  *coseillier,  *coseil  (oder  mit  z-umlaut 
*cosil,  vgl.  s.  67  f.)  analogisch  wieder  hergestellt  werden,  aber 
das  fehlen  eines  simplex  seil  (sil),  seillier  neben  *coseil  musste 
doch  die  ursprüngliche  Zusammensetzung  mit  der  vorsilbe  con- 
verdunkeln,  und  dazu  wird  uns  die  echt  erbwörtliche  form 
des  Wortes  auch  in  keiner  der  übrigen  romanischen  sprachen 
überliefert. 

Die  ausspräche  des  mouillierten  l  als  j  (i)  ist  erst  neu- 
französischen  Ursprungs:  cösej^,  ebenso  fij-*—fi,ie<—filia,  hataj 
-t—hataie  29 <~hattualia. 


22.  Vers. 

Je  manderai  ma  cort  de  nies  bons  Chevaliers. 

Ich  werde  entbieten  meinen  hofstaat  von  meinen  guten  rittern. 

manderai:  lies  mäderai,  aus  mandare  haheo.  Vgl.  1 
mostier  III,  3  at,  11  conquerrai  II. 

ma:  lat.  meam,  in  schwach  toniger  (proklitischer)  Ver- 
wendung.   Vgl.  2  sa,  11  mon,  20  les. 

cort:  vulgärlat.  corteni't—lait  cöhörtem  gehege,  hof,  gefolge. 

Das  intervokale  h  fällt  nach  3  espee  IIa,  die  beiden  o 
werden  zu  ö  kontrahiert,  das  ö  in  geschlossener  silbe  nach 
dem   Ten  Brink'schen   gesetz  verkürzt,  daher  kurz   o  wie  in 


I 


I.  Laisse.    21.  Vers:  conseilliers.  —  22.  Vers:  cort,  bons.        125 

jorn  -^r-  diurnum:    altfr.  cpr^  — »•  neufr,   cour   wie    altfr.  forn-^ 
neufr.  jour. 

Auffällig  ist  nur,  dass  die  beiden  kurzen  (offenen)  8  zu 
einem  langen  geschlossenen  o  werden.  Es  scheint,  dass 
die  wenigen  in  früh  lateinischer  zeit  entstandenen  p  (dies  war 
wohl  das  nächste  ergebnis  aus  ö  -{-  ö)  sich  mit  p  vereinigt 
haben.  Dies  trifft  sogar  für  g  aus  o  +  a  zu:  *coagito—>cogito, 
*coapula  — >  copula  (couple). 

mes:  lat.  meos. 

Die  proklitische  (genauer  enklitische)  form  des  Possessiv- 
pronomens der  1.  person:  vgl.  oben  ma,  15  ses,  20  les. 

bons:  lies  bos,  aus  lat.  bonos. 

Der  ton  vokal:  lat.  ö  —  valgärlat.  q  in  offener  silbe.  Es 
muss  also,  nach  dem  Ten  Brink'schen  gesetz,  dehnung  eintreten 
und  schliesslich,  entsprechend  der  behandlung  des  ?  in  der 
selben  Stellung  (3  mier,  9  ciel),  diphthongierung. 

Regel:  Lat.  betontes  kurzes  (offenes)  o  in  freier 
Stellung  wird  lang  und  diphthongiert 
zu  uo,  das  weiterhin  zu  ue  wird. 

Beispiele : 

*volet  (für  vuU)-*vueU  31,  213 
volunt-^vuelent  225 
*potet  (vgl.  13  poe^  l)-*puet  43 
homo-*huem  122 
*ah  oc{u)lo -^  avuegle  257. 
Darnach  gibt  auch  bonum  regelrecht  buen.    Daneben  findet 
jsich  jedoch  häufig  die  hier  gebrauchte  monophthongische  form, 
die  jedenfalls  in  proklitischer,  schwachtoniger  Verwendung  ent- 
standen  ist   (vgl.  bonhömme  u.  ä.).     8o    gibt    auch  homo  als 
schwachtoniges  pronomen  om  ow  =  man,  neben  dem  hoehbetonten 
huem  Omen)  =  mensch.    Während   sich   hier   beide   worte  in 
ihrer  ursprüaglichen  Verwendung  und  dementsprechender  form 
(huem  neufr.  als  obliquus  komme  =  hominem)  erhalten  haben, 
ist  bei  buen  —  bon  die  haupttonige  form  allmählich  ganz  durch 
die  schwaehtonige  verdrängt  worden. 

Chevaliers:  siehe  v.  4. 


^^^  Erster  Teil:  Text. 

23.  Vers. 
Se  Fr«nceis  le  me  diVnt,  donc  Potreierai  bien. 

Wenn  die  Franken  mir  es  sagen,  dann  werde  ich  es  gewiss 

zugeben. 
Se:  latsi. 

Nach  11  citr^,  14  qui  wäre  si  zu  erwarten.  Se  weist  auf 
eine  nebenform  *.r,  wie  auch  ital.  ..,  prov. ..  (neben  sA  Im 
französischen  finden  wir  neben  se  auch  si,  das  im  neulr.  den 
sieg  über  se  davongetragen  hat. 

Franceis:  die  Franken.  Ebenso  im  Rolandslied  dient 
fra^ceis  (^.192)  Francets  se  taisent  (263),  Dimt  paiien 
(450)  usw.    Vgl.  oben  v.  18. 

le  me:  vgl.  19  le  m'enseigniez. 

dient:  lies  di-ent  (zweisilbig),  aus  lat.  dicunt. 

L  Der  endvokal:  dieser  bleibt  vor  dem  folgenden  «i 
erhalten,  vgl.  18  oirent  III. 

IL   Der  intervokale  velar  {c  vor  dunkelm  vokal). 
Regel:   Intervokales  c  und  g  vor  dunkeln 
vokalen  (ü,  ü,  o)  fällt  aus. 
Beispiele: 


amicum~*-ami 
*  trau  cum —*■  trou 


securum~*s€ür  (stür) 
avgustum-*ao6t  (aoüt) 


III.  Neufranzösiseh  disent  =  diz  ist  analogiebildunff 
nach  disoit<~dicibat,  disant <~ dicenttm  usw. 

donc:  lies  dök,  aus  lat.  domgne,  der  älteren  form  von  doneo 
(vgl.  alitr.  donque,  dortques~val  dunque). 

Die  lautlicbe  entwieklung  ist  regeln.ässig.  Der  vokal  der 
panultima  fiel  schon  in  romanischer  zeit,  wie  der  vergleich 
mit  den  übrigen  romanischen  sprachen  (prov.  donc,  itaL 
dur,que  u«w.)  zeigt.  Vulgärlat.  *dof.q,e  blieb  im  franz.  zunächst 
als  dovque,  verlor  dann  den  endvokal  und  infolgedessen  auch 
aas  in  den  auslaut  tretende  u  (vgl.  2  sa  II). 


I.  Laisse.    23.  Vers:  Se,  Franceis,  dYent,  done,  otreierai.  127 

Nach  dem  muster  von  onque  (siehe  v.  9)  —  onc  (ursprÜDg- 
lich  antevokalische  oder  vortonige  form)  wird  zu  donc  ein 
donque,  mit  adverbialem  s  (9  onques  III)  dunques  gebildet. 

Auffällig  ist  der  tibergang  von  der  konjunktionalen  ver- 
wenduDg  (so  lange  als)  in  die  adverbiale  (dann,  alsdann), 
welche  schon  vulgärlateinisch  üblich  gewesen  sein  muss.  Man 
nimmt  gewöhnlich  bedeutungsmischung  mit  deniqiie  oder  tunc 
an,  während  Tobler  als  grundform  a  tunc  'von  da  ab'  betrachtet, 
welches  regelrecht  zu  adonc  geworden  sein  a  als  bedeutungslos 
eiobü-iste  und  nach  dem  muster  von  onc  —  onques  zu  donques 
erweitert  wurde. 

1»  =  le,  vgl.  V.  17. 

otreierai:  lies  otrej,eräi,  aus  *autoricare  hdbeo. 

I.  Wegen  der  futurbildung  siehe  11  conquerrai. 

II.  Lautentwicklung:  auctor  erscheint  schon  im  lat. 
auch  als  autor,  dazu  ein  verbum  au{c)töro  verbürgen,  be- 
kräftigen, bestätigeo.  Hiervon  ist  vulgärlat.  *au{c}ioricure  eine 
Weiterbildung.  Daraus,  mit  schwinden  des  einen  der  beiden 
unbetonten  vortonvokale,  *autrecare  —  otreiier  (vgl.  prov.  autor- 
gar —  autreiar,  katalanisch  antorgar,  span.  otorgar).  Vgl.  über 
AM— >"0  3  or,  intervokales  c  vor  a  9  rei,  betontes  a  nach  palatal 
zu  ie  2  Chief.  Im  futurum  *autrecordjo  steht  das  in  der 
reinen  infinitivform  haupttonige  a  vortonig,  wird  also  (nach 
1  mostier  III)  zu  e  geschwächt:  otreierai. 

III.  Neufranzösiseh  octroyer  =  octrunj^.  Das  et  für 
das  alte  t  ist  etymologische  Schreibung  (nach  uuctorare,  auctor)^ 
die  dann  auch  die  ausspräche  beeinflusst  hat.  Die  endung 
zeigt  die  regelrechte  furtentwicklung  von  ßi  zu  oi — ua,  welche 
in  vortoniger  wie  in  haupttoniger  silbe  eintritt  (vgl.  1  reis  III). 

bien:  siehe  y.  10. 


128  Erster  Teil:  Text. 

24.  Vers. 

Se  TOS  m'avez  mentit,  vos  le  comparrez  chier. 

Wenn  ihr  mir  gelogen  habt,  werdet  ihr  es  teuer  bezahlen. 

Se:  siehe  vorigen  vers. 

vos:  hier  als  betontes  pronomen  (gegen  vos  in  13).  Die 
entwicklung  ist  in  beiden  fällen  die  gleiche,  da  ö  altfranz. 
auch  in  der  tonsilbe  als  o  bewahrt  bleibt. 

Hingegen  sollte  später,  d.  h.  vom  12.  jh.  ab,  wo  betontes  ö  zu 
ou — eu  wird  (vgl.  2  corone  III,  oben  s.  29),  das  betonte  pronomen 
*veus  {*neus)  und  nur  das  unbetonte  vous  (nous)  lauten.  Diese 
letzte  form  ist  verallgemeinert  worden. 

m'avez:  lies  mavits,  für  me  (vgl.  19)  avez  (vgl.  3  at, 
12  poez  II,  21  avrat). 

mentit:  lies  mätit,  regelrecht  aus  mentitum.  Vgl.  13  dist, 
12  folement 

comparrez:  lies  coparr^ts,  aus  comparare  habetis. 

Compardre  ergibt  regelrecht  comperer  mit  Schwächung  des 
unbetonten  vorton-a  zu  e.  Hingegen  wird  comparare  habetis 
über  *  comparare'tis  zu  comparerez.  Daneben  erscheint  comparrez 
mit  ausfall  des  zwischen  den  beiden  r  stehenden  e.  Diesen 
ausfall  eines  schwachtonigen  aus  a  entstandenen  e  finden  wir 
am  häufigsten  noch  zwischen  nasal  und  r,  überhaupt  neben  r, 
das  wegen  seiner  eigenschaft  als  Sonorlaut  den  silbenvokal 
leicht  aufsaugen,  ja  selbst  als  silbenträger,  an  stelle  eines 
Vokals,  auftreten  kann  (vgl.  deutsch  vater  =  fa-tr,  bäcker  = 
be-Tif,  ähnlich  vogel  =  fogl). 

Weitere  beispiele: 

minari{-e)  habetis -^menerez-^menrez  73 

donare  habeo~>donerai—*'donrai  169,  186, 

woraus  weiterhin,  mit  assimilation  des  n  an  das  r,  die  be- 
sonders in  anglonormannischen  handschriften  gebräuchlichen 
formen  merrez,  dorrai  (durrai)  entstehen. 


I.  Laisse.    24.  Vers:  comparrez,  chier. —  25.  Vers:  Trencherai  vos.     129 

So  erscheint  auch  schon  im  altfranz.  neben  dem  regelrecht 
entwickelten  sairement  (db) -*— sacramentum  seitdem  13. jahrh. 
die  synkopierte  form  serment. 

chier:  lies  tsier,  aus  dem  lat,  neutrum  cärum  (vgl.  ital. 
caro)  im  sinne  des  adverbs. 

Wegen  der  lautlichen  entwicklung  vgl.  1  Charles  II  und 
2  Chief  IN  h.  Das  a  von  carum  ist  von  natur  lang  und  bedarf 
nicht  erst  der  dehnung  wie  das  a  in  cäpu  —  cäpu. 


25.  Vers. 

Trencherai  vos  la  teste  od  m'espee  d'acier'. 

Abschneiden  werde  ich  euch  das  haupt  mit  meinem  schwert 

,   von  stahl'. 

Trencherai:  lies  tratserai,  aus  truncare  hdbeo. 

Vgl.  11  conquerrai  II,  1  mostier  III,  1  Charles  II,  wegen 
nebentonigem  vorton  -o— >e  siehe  4  demeines  III.  Das  so  ent- 
standene en  wird  wie  ursprüngliches  en,  em  (2  en,  5  emperere, 
12  folement)  zu  ä.  —  Nach  anderer  erklärung  *trinicare 
{=  dritteln),  wobei  aber  die  entwicklung  des  Stammvokals 
Schwierigkeiten  macht. 

vos:  lat.  vos,  dient  im  franz.  zugleich  als  akkusativ  und 
als  dativ. 

Trencherai  vos:  Stellung  des  pronomens. 
Die  pronominalobjekte   (nähere  oder  entferntere)   können 
ebensowohl   dem  verbum  finitum  folgen  als  ihm  vorausgehen. 
Das  letzte  ist  allerdings  das  häufigere.    Jedoch  ist  nachstellung 
des  Objektpronomens   die   regel,   wenn   es   sonst  an  die  spitze 
des  Satzes  treten  würde,  da  (ausser  im  fragesatz)  kein  tonloses 
Objektspronomen  den  satz  einleiten  darf.     Vgl.  noch: 
169  (=  186)  Donrai  vos  tels  reliques. 
Voldrent  la  veintre  li  JDeo  inimi  (Eulalia). 

la:  siehe  v.  10. 

teste:  siehe  v-  16. 

VoretzBob,  Studium  d.  afrz.  Sprache,    i.  Anfi.  ,    9 


130  Erster  Teil:  Text. 

od:  lat.  apud,  siehe  v.  11. 

m'espee:    für    ma   espee-t—meam  spatham.    Vgl.  2  son^ 
3  s'espee. 

d'acier:  lies  datsier^  aus  de  *aciario. 

Wegeo  de  siehe  v.  8. 

*Äciarium  ist  eine  Weiterbildung  von  acies.  Die  endung 
-arium  entwickelt  sieh  zu  -ier,  vgl.  4  Chevaliers.  Das  vor- 
tonige a  unter  dem  nebenton  bleibt  a,  vgl.  4  harons.  Be- 
sondere bespreehuDg  verdient  nur  der  inlautende  konsonant, 
der  sieh  mit  dem  folgenden  hiatus-i  zu  cj  verbindet:  *aciario. 
ßegel:  ci  wird,  nach  voeal  wie  nach  konsonant, 
za.  ts  (geschrieben  c,  z). 

Beispiele: 


*incalciare—> enchalcier  29 
lancea—^lance  79 


Graecia-^Grice  47 
bracc{h)ium—>hrai3  163 
faciat—*-facet  (496) 
Neufranz.  acier  =  asiß  zeigt  die  schon  im  altfr.  eintretende 
Vereinfachung  des  ^5  zu  s  (vgl.  2  croiz,  3  ceinte)  sowie  das  ins 
IG.jahrh.  fallende  verstummen  des  auslautenden  r. 


26.  Vers. 

*Einperere'  dist  ele  *ne  vos  en  correciez. 

'Kaiser',  sprach  sie,  'erzürnet  euch  nicht  darüber. 

Emperere,  dist  ele:  siehe  v.  13. 

ne:  siehe  v.  12. 

tos:  siehe  v.  13. 

en:  siehe  v,  14. 

correciez:  2.  plur.  imp.,  aus  *corrupüatis  für  * corruptiate. 
Vgl.  19  enseigniez  und  17  correciez. 


I.  Laisse.    25.  Vers:  d'acier.  —  26.  Vers.  —  27.  Vers:  riches.        131 

27.  Vers. 

Plus  est  riches  d'aveir  et  d'or  et  de  deniers. 

Reicher  ist  er  au  habe  und  an  gold  und  an  geld. 

Plus:  siehe  v.  6. 

est:  siehe  v.  19. 

riches:  lies  rHses,  znm  deutschen  stamm  rihja,  ahd.  rihhi, 
etwa  galloromanisch  *rlkkius. 

I.  Der  Stammvokal  l  bleibt  als  i.    Vgl.  13  dist 

II.  Die  inlautende  konsonanz:  Mk)i.  Lat.  c  vor  e  und  i 
war  bereits  assibiliert,  als  die  hauptmasse  der  germaniscben 
lehnwörter  in  die  romanischen  ppraehen  aufgenommen  wurde, 
Das  germanische  k  vor  e,  i  war  daher  nicht  mehr  mit  lat.  c 
vor  e,  i,  sondern  mit  lat.  c  vor  a  gleichlautend  und  wurde  wie 
dieses  behandelt.  So  wird  *shirnjan  zu  eschernir  escharnir  (626) 
spotten,  skella—*eschiele  glöckchen  (gegen  cinctam  =  ceinte  3 
und  in  früher  zeit  übernommenes  Francisci  —  Franceis  23). 
So  wird  auch  c%  [kx)  nicht  wie  in  acier  25,  enchalder  29  zu  ts, 
sondern  zu  is,  d.  h.  das  hiatus-«  (j)  wurde  nach  dem  voraus- 
gehenden k  behandelt  wie  nach  p,  b  (vgl.  12  sage  II),  es  wurde 
zu  is,  dem  sich  der  vorausgehende  explosivlaut  assimilierte: 
also  *rikjo  —**rikiso  —*-  ritso  — >  ritse  {rieht). 

Regel:    Germanisches  k  vor  e,  i  sowie  ki  wird 
in  der  regel  zu  ts. 

Nur  in  den  ältesten  germanischen  lehnworten  wird  k  vor 
c,  *  zu  ts  {Franceis),  in  noch  später  entlehnten  bleibt  es  als  k 
{trinken  —  trinquer). 

III.  Der  endvokal  bleibt  nach  konsonant  +  Zisch- 
laut erhalten.    So  auch: 

*sahium-*snge  (daher  =  dem  fem.  sage  12 -^r-^sabia) 
somnium  —*■  songe. 

Andere  fälle  von  erhaltung  des  endvokals  nach  bestimmten 
konsonanzen  siehe  1  Charles  III. 

9* 


132  Erster  Teil:  Text. 

IV.  Neufranzösisch  riche  =  ris:  ts  zu  s  mit  verlast  des 
t  wie  im  anlaut  (1  Charles  IV)  oder  wie  dz-^z  siehe  1  jorn 
V,  12  sage  III).  —  Auch  beim  adjektiv  ist  die  nominativform 
riches  durch  die  akkusativform  riche  verdrängt  worden  (vgl. 
jorn  u.  a.). 

Plus  est  riches:  Stellung  des  adverbs. 

Im  altfr.  können  adverbien  oder  adverbiale  bestimmungen 
jeder  art  an  die  spitze  des  satzes  treten,  sei  es  zur  anknüpfung 
an  das  vorhergehende  (so  namentlich  bei  temporalen  und 
lokalen  bestimmungen),  sei  es  zur  emphatischen  hervorhebuag 
(bei  adverbien  des  modus,  der  Intensität,  auch  des  orts  und 
der  zeit).    Vgl.: 

trop  vos  poez  preisier  13 

Volentiers  le  laissast  44 

un  petit  m'entendez  67 

En  un  lointain  reialme,  se  JDieu  piaist,  en  irez  68 

De  la  citet  eissirent  90. 

Dies  auch  bei  den  zusammengesetzten  Zeiten,  wo  nach 
unserm  empfinden  das  adverb  zum  partizip  gehört: 

molt  en  est  correciez  17 

molt  en  est  emhronchifz  18 

molt  m'avez  irascut  53 

Assez  lor  at  donet  entre  or  fin  et  argent  78. 

So  endlich  auch  io  der  Verbindung  von  copula  mit  prädikats- 
nomen:  auch  hier  werden  beide  teile  des  prädikats  als  zu- 
sammengehörig, als  einheit  aufgefasst.    Vgl.  noch: 

Molt  est  genz  U  presenz  112 

Molt  fut  liez  U  reis  Charles  123 

Sire^  molt  estes  her  156 

Molt  fut  liez  et  joios  Charlemaignes  li  her  858 

trop  i  out  grant  hontage  (659). 

Voranstellung  des  adverbs  und  ähnlicher  bestimmungen  hat 
Inversion  des  Subjekts  zur  folge,  siehe  v.  1: 

XJn  jorn  fut  li  reis  Charles. . . 


I.  Laisse.    27.  Vers:  Pins  est  riches,  aveir,  deniers.  133 

Sonst  können   adverbien  noch   zwischen  Subjekt  und  verbum 
finitum  stehen  (wie  noch  nfr.  en  und  y). 

ayeir:  aus  lat.  habere. 

Die  regelrecht  entwickelte  form  des  infinitivs,  hier  in  der 
Verwendung  als  Substantiv  (das  haben  —  die  habe).  Vgl.  wegen 
h—^v  4:  Chevaliers  II,  wegen  ^—^ei  8  pleine  I,  wegen  neben- 
tonigem a  4  barons  III.  Der  diphthong  ei  wird  im  12.  jahrh. 
zu  oi,  nfr.  oa-ua,  vgl.  1  reis  III  (dazu  18  Franceis  III),  aber 
nicht  vor  nasal  (vgl.  3  ceinie  VII,  8  pleine  II). 

or :  siehe  v.  3. 

deniers:  aus  lat.  denarios. 

Zur  lautlichen  entwicklung  vgl.  4  Chevaliers  I,  14  legiers. 

Der  denar  war  ursprünglich  eine  römische  silbermtinze  zu 
10,  später  zu  16  römischen  as,  ca.  6V2  silbergroschen.  In 
Frankreich  ist  daher  der  silberdenar  eine  der  ältesten  geprägten 
münzen  („heller",  „pfennig"),  an  wert  12  denare  =  1  sol  (solidus), 
240  d.  =  1  livre  {libra\  daher  der  Judaslohn  französisch  irente 
deniers  =  dreissig  silberlinge.  Im  rechtswesen  beträgt  der  von 
den  minderfreien  zu  entrichtende  kopfzins  4  denare.  Darnach 
zahlen  in  der  dichtung  unterworfene  fremde  könige  einen  tribut 
von  4  denaren  als  zeichen  ihrer  abbängigkeit  an  den  kaiser 
In  diesem  Zusammenhang  und  auch  sonst  werden  auch  gold- 
denare  erwähnt.  Die  gewöhnlichen  denare  werden  seit  dem 
13.  jh.  aus  einer  legierung  von  silber  und  kupfer,  aus  billon, 
hergestellt,  erst  seit  ende  des  16.  jhs.  ganz  aus  kupfer. 

Das  vorherrschen  des  denars  als  Zahlungsmittels  iü  älterer 
zeit  erklärt  den  tibergang  des  plurals  deniers  (und  darnach  auch 
des  sing,  denier)  in  die  bedeutung  'geld',  wie  hier.  Die  hier 
gegebene  Zusammenstellung  begegnet  wörtlich  auch  im  Rulands- 
lied  V.  1148  (von  Ganelon  gesagt):  Pris  en  at  or  et  aveir  et 
deniers.  In  Verbindung  mit  der  negation  dient  denier  zum  aus- 
druck  der  übertriebenen  Verkleinerung  {ne  te  pris  un  denier 
=  ich  achte  dich  nicht  im  geringsten). 


134  Erster  Teil:  Text. 


28.  und  29.  Vers. 

Mais  n'est  mie  si  proz  ne  si  bons  cheyaliers 

Aber  nicht  ist  er  so  tapfer  oder  ein  so  guter  ritter 

Por  ferir  en  bataille  ne  por  ost  enchalcier'. 

Um  zu  schlagen  in  der  schlaeht  oder  um  ein  beer  zu  verfolgen'. 

Mais:  latein.  magis  'mehr,  in  höherem  grade',  altfranz. 
'mehr',  auch  im  sinne  des  lat.  und  nfr.  plus  (z.  b.  en  as  tu 
mais?  hast  du  mehr  davon?).  Die  bedeutung  'aber'  erhält  mais 
zunächst  nach  negativen  Wendungen,  um  eine  einschränkung  des 
vorhergehenden  auszudrücken  {d  n'est  point  riche,  mais  sain), 
dann  auch  nach  positiven  Wendungen  oder  Sätzen,  wie  hier. 

Die  lautliche  entwicklung  würde  sich  völlig  in  einklang 
mit  den  französischen  lautgesetzen  erklären:  intervokales  g 
zwischen  hellen  vokalen  zu  i  wie  in  regem  —  rei  9,  ausfall 
des  endsilbenvokals  nach  dem  bekannten  gesetz.  Indessen 
lehrt  ein  vergleich  mit  denjenigen  romanischen  sprachen,  welche 
das  gesetz  vom  fall  der  endsilben vokale  nicht  kennen,  dass 
auch  für  diese  eine  einsilbige  form  vorausgesetzt  werden  muss: 
vgl.  Span,  mais  —  mas,  ital.  mai  —  ma,  runiän.  mai  —  ma.  Wir 
haben  also  bereits  von  einer  vulgärlateinisehen  einsilbigen  form 
mais  auszugehen,  welche  hier  noch  unverändert  vorliegt  und 
sich  erst  in  der  zweiten  hälfte  des  12.  jahrhs.  zu  m^s,  später 
zu  m^  entwickelt. 

n'est  mie:  lat.  non  est  mica{m). 

I.   Zu  est  vgl.  V.  17. 

IL  Zu  non  —  nen  —  ne  vgl.  12  ne — pas.  Das  apostro- 
phierte n'  ist  die  aus  ne  entstandene  antevokalische  form,  die 
sich  neben  der  ursprünglichen  antevokalisehen  form  nen  ent- 
wickelt hat. 

III.  Micam  —  mie  dient  zunächst  zur  Verstärkung  der 
Verneinung:  'nicht  ein  krümchen',  wie  dort  passum — pas, 
wie  punctum  —  point,  denarium  —  denier  (s.  o.)  u.  a.  Lautlieh 
entwickelt  sich  mie  regelrecht  nach  13  dist  I,  9  rei  I. 


I.  Laisse.    28.  und  29.  Vers:  Mais,  n'est  mie,  proz,  bataille,  ost.      135 
si:  siehe  20  si 

proz:  lies  prots,  aus  vulgärlat.  *prödi3  (vgl.  ital.  prode\ 
zum  stamme  prod-,  wozu  auch  lat.  prodesse. 

I.  Zur  lautlichen  entwickluDg  ist  nichts  zu  bemerken  (vgl. 
2  corone  III).  Das  nach  ausfall  des  endvokals  unmittelbar  vor 
s  tretende  d  wird  hier  in  dieser  Verbindung  natürlich  stimmlos, 
also  t  -{■  s  =  2. 

IL  J^h.  preux  =  pro:  altfr.  betontes  ö  (aus  lat.  ö  oder  ü 
in  offener  silbe)  wird  regelrecht  zu  ou  und  weiterhin  zu  eu  (so 
schon  im  12,  jabrh.),  daraus  durch  kontraktion  ö,  teils  mehr 
offen  (namentlich  vor  r),  teils  geschlossen  (so  vor  dental  oder 
im  auslaut).  Vgl.  illorum  —*-  lor  78  -*  leur  ->  lör,  dolorem  —*- 
dolor  — >  douleur  — »•  dulör;  dolorosa  —*-  dolorose  92  — >  douloureuse 
— >  duluröz. 

ne:  lat.  wcc,  im  negativen  satz  für  'und,  oder'.   Vgl.  v.  10. 

bons:  lies  lös,  aus  bonus,  wie  aus  bonos  22. 

cheyaliers:  lies  tsevaliers,  aus  caballarios.    Vgl.  v.  4. 

Por:  siehe  v.  18.  Die  Verbindung  mit  dem  Infinitiv  erklärt 
sich  leicbt  aus  der  präpositionalen  bedeutung:  'um  des  schlagens 
willen,  zum  schlagen'. 

en:  siehe  v.  2. 

bataille:  lies  hatate,  aus  baUualia  (zu  hattuo). 

TiXJiX  lautlichen  entwicklung  vgl.  2  sa  II,  5  moilUer  II,  4 
barons  III. 

Nfr.  bataille  =  bafaj  zeigt  das  übliche  verstummen  des  -e 
und  die  nfr.  ausspräche  des  i  (vgl.  21  conseilliers). 

ost:  aus  lat.  ho  dem  'feind'  —  romanisch  'beer'  (vgl.  ital. 
oste  mask.,  prov.  ost  fem.). 

I.  Bedeutung  und  geschlecht.  Schon  spät-  und  mittel- 
latein  kennen  hostis  im  sinne  von  exerciius,  auch  schon,  neben 
dem  ursprünglichen  maskulinen  gebrauch,  als  feminin  (wohl  in 


136  Erster  Teü:  Text. 

anlehnung  an  begriffsverwante  worte  wie  acies,  congregatio). 
Afr.  ost  hat  ebenso  beide  geschlechter,  aber  mit  vorwiegen  des 
feminins. 

IL.  Betontes  ö  in  geschlossener  silbe  bleibt,  vgl.  15  porteL 

III.   Nfr.  ersetzt  durch  armee. 

enchalcier:  lies  ätsaltsier,  aus  incalciare  (zu  calcem  ferse). 

Vgl.  1  Charles  II,  2  en,  2  cMef  IV  b,  25  aäer. 
Nfr.  nicht  mehr  üblich  (dafür  poursuivre  u.  a.). 


30.  und  31.  Vers. 

Qnaut  90  Vit  la  reine  que  Charles  est  iriez. 

Als  die  königin  sah,  dass  Karl  erzürnt  ist, 

Forment  s'en  repentit,  vuelt  li  cheir  as  piez. 

Bereute  sie  es  gar  sehr,  zu  füssen  will  sie  ihm  fallen. 

Qaant:  siehe  v.  15. 

90:  lies  tsQ,  aus  ecce  hoc  (für  klassisch  Jiöc). 

Eine  Verstärkung  des  neutralen  demonstrativs,  aber  auch 
(wie  hier)  nebentonig  verwendet.  Daher  behandlung  des  Q 
wie  in  nebentoniger  (vortoniger)  silbe,  d.  h.  ohne  diphthongie- 
rung  (vgl.  12  folement  III)  und  mit  abfall  des  c  (vgl.  si  20). 

Später  Verlust  des  ^Vorschlags  wie  in  ceinte  3  und  unter 
Wirkung  der  schwachtonigkeit  Schwächung  des  0  zu  e:  nfr. 
ce  =  sd  (mit  dumpfem  e). 

Vit:  aus  vldit  (vgl.  13  dist  I,  16  met,  17  entent,  dazu 
9  veistes). 

la:  siehe  v.  10. 

rei'ne:  lies  reine,  aus  rßglna. 

Vgl.  13  dist  I,  9  rei  I,  10  seist  II. 

Ausgangs  der  altfranz.  periode  (14./15.  jh.)  wird  dreisilbiges 
reine  zu  zweisilbigem  reine  (mit  diphthong  ei)  kontrahiert  (wi« 


I.  Laisse.    30.  Vers:  50,  reine,  que,  iriez.  137 

häine,  traitre-^heine,  treitre,  fuir—*-fuir),  im  16.  jahrh.  zu 
monophthongischem  reine  =  r§ne  (haine,  traitre  =  "^ne,  tr^tre) 
und  endlich,  seit  dem  17.  Jahrb.,  durch  Verlust  des  endvokals 
(3  ceinte  VII)  und  der  nasalierung  (2  corowe  VI),  zu  r^n  (reine) 
entwickelt. 

que:  lies  ke  (vgl.  ital.  che,  prov.  span.  que  =  he  usw.). 

Im  gpätlatein  tibernimmt  nach  den  verben  sentiendi,  de- 
clarandi,  volendi  u.  ä.  quod  allmählich  die  funktion  des  lat. 
aecusativum  cum  inftnitivo,  des  lat.  ut  und  cum,  wobei  die  verba 
der  gemtitsbewegUDg,  nach  denen  quod  sowohl  in  kausalem  als 
in  aussagendem  sinne  verstanden  werden  konnte,  das  Vorbild 
abgaben.  Der  lautbildung  nach  weisen  jedoch  die  romanischen 
formen  nicht  auf  quod  (das  allenfalls  im  französischen  qued  —  que 
geben  konnte,  vgl.  3  Et,  aber  nicht  ital.  che,  span.  que  usw.), 
sondern  auf  eine  lat.  form  mit  t  oder  e,  nach  Diez  und  anderen 
auf  das  interrogativ  quid  (so  in  den  Strassburger  Eiden),  nach 
einer  neueren  ansieht  auf  das  relativ  quem — que,  das  sich  zunächst 
zum  allgemeinen,  unveränderlichen  relativ  verallgemeinert  und 
dann  mit  der  konjunktion  quod  verschmolzen  hätte. 

Charles:  siehe  v.  1. 

iriez:  lies  iriets  (zweisilbig),  aus  lat.  iratus. 

Aus  iratus  wird  zunächst  regelrecht  irez  (vgl.  3  espee  IV^ 
9  ve'istes  IIa).  Dieses  wort  erschien  seiner  form  nach  identisch 
mit  dem  partizip  der  lat.  I.  konjugation  {coronez,  amez  usw.). 
Hier  wechselt  aber  mit  der  endung  -ez  häufig  die  endung  -iez, 
die  sich  regelrecht  nach  palatal  einstellt  (vgl.  z.  b.  17  correcieZy 
18  embronchiez)  und  gerade  bei  r  {*~j  -\-  r,  r  -\-  i)  häufig 
ist  (empeiriez,  repairiez<—impcjoratus,  repatriatus).  So  wurde 
nach  solchen  mustern,  vielleicht  nach  dem  begriffsverwanten 
correciez  (v.  17),  eine  nebenform  iriez  gebildet. 

Ein  vom  präsens  aus  völlig  neugebildetes  partizip  irascut 
findet  sich  v.  53.  Der  zu  diesen  partizipien  gehörige  Infinitiv 
lautet  iraistre  (von  *irascere  statt  irasci).  —  Im  neufr.  ist  das 
ganze  verbum  nicht  mehr  gebräuchlich,  auch  das  Substantiv 
ire  ist  veraltet  (dafür  colere,  se  mettre  en  coVere  usw.). 


138  Erster  Teil:  Text. 

Forment:  lies  formät,  aus  fortimente. 

Lautlich  regelrecht  entwickelt  (v^l.  12  folement):  forti- 
mente—*- fortment,  mit  Vereinfachung  der  schweren  konsonanz 
rtm  zu  rm  forment. 

Nfr.  fortement  ist  eine  neubildung  zu  dem  analogisch  (nach 
hei  —  hele,  hon  —  hone)  neugebildeten  feminin  forte  (an  stelle 
von  fort  =  fortem).    Vgl.  12  folement  I. 

s'en  repentit:  lies  sä  repäiit,  zu  lat.  paenitet. 

Den  tibergang  vom  impersooale  zum  persönlich  gebrauchten 
verbum,  sowie  den  von  der  e-  zur  ^-konjugation  zeigt  auch 
italienisch  ripentlrsi  und  provenzalisch  se  en  repentir.  Des- 
gleichen gehört  auch  der  fall  des  vocals  in  der  pänultima 
{paenitet— ** pentet)  der  gemeinromanischen  periode  an.  Sonst 
bietet  die  lautliche  entwicklung  nichts  bemerkenswertes.  Wegen 
des  auslautenden  t  vgl.  1  fut  und  3  Et. 

vuelt:  lies  vuelt  (einsilbig),  aus  vulgärlat.  *völet  für  vult. 

Die  unregelmässigen,  alleinstehenden  formen  sind  am  ehesten 
der  ausgleichenden  Wirkung  der  analogie  ausgesetzt:  so  sind 
vis  vult  vtlim  velle  sämtlich  durch  neubildungen  nach  der 
regelmässigen  konjugatiou  ersetzt  worden.  Hierbei  bot  sich 
als  nächstliegendes  muster  die  zweite  lat.  konjugation:  nach 
hahui  habeham  habere  bildete  man  zu  volui  volebam  ein  *volere, 
dazu  *voleo  (vueil  =  vuei  70),  *voles,  *volet,  *üoleam.  In 
offener  Silbe  stehendes  q  wird  lang  und  zu  uo  diphthongiert, 
das  nur  in  den  ältesten  denkmälern  erscheint  und  dann  zu  ue 
gewandelt  wird  (vgl.  22  bans).    Also  aus  *völet  regelrecht  vuelt. 

Mit  auflösung  des  l  vor  konsonant  wird  daraus  später 
*vueut  —  veut  =  vö.  Der  diphthong  ue  wird  wie  eu  (vgl, 
28  pros)  zu  ö  kontrahiert,  daher  nfr.  die  Schreibung  eu  für 
ursprüngliches  ue  {peut  =puet  4S,  nenf  =  afr.  nuef).  Wie- 
weit die  Vereinfachung  des  triphthongen  ueu  zu  eu  (ue)  auf 
rein  lautlichen  Vorgängen,  wieweit  auf  analogie  (etwa  nach 
puet,  muet  und  ähnlichen)  beruht,  ist  unsicher. 

li:  vgl.  V.  16. 

chei'r:  lies  iseir  (zweisilbig),  aus  *cadire  für  cadere. 


I.  Laisse.    31.  Vers:  Forment,  s'en  repentit,  vuelt,  cheYr,  piez.     139 

Lat.  cadere  bietet  ein  bemerkenswertes  beispiel  für  den 
tibergang  von  einer  konjagation  zur  anderen  (konjugations- 
tausch).  Als  ein  solcher  kann  schon  die  angleiehung  der  sog. 
unregelmässigen  verba  an  die  regelmässigen  konjugationstypen 
betrachtet  werden  (vgl.  das  bei  vuelt  gesagte,  ferner  13  poee  = 
*potetis  für  potestis,  estre  =  essere  für  esse).  Vermittelt  wird 
dieser  tibergang  durch  einzelne  formen,  welche  sowol  der  einen 
wie  der  anderen  klasse  angehören  können  {-eham  II.  und 
III.  konjugation,  -iebam  III.  und  IV.,  -io  III.  und  IV.);  dazu 
kommt,  dass  infolge  der  vulgärlateinischen  vokalverschiebungen 
eine  reihe  endungen,  die  früher  unterschieden  waren,  zusammen- 
fallen oder  einander  ähnlich  werden  (teneo —*- ttnio  wie  fugio, 
audio;  tenes  cadis  audis,  tenet  cadit  audit).  So  wurde  cadere 
schon  gemeinromanisch  (vgl.  ital.  cadere,  prov.  cazer)  nach 
dem  Imperfekt  cadeham  und  dem  neugebildeten  perfekt  *cadui 
(ital.  caddi)  umgebildet  zu  cadere,  daraus  altfranz.  cheoir  (nfr. 
echoir,  dechoir).  Daneben  bildet  das  französische  noch  einen 
neuen  typus  nach  der  i-konjugation  aus:  *cadire  —  cJmr. 

Zur  lautlichen  entwicklung  vgl.  13  dist,  4  Chevaliers  Va. 

as:  aus  a  les  {ad  illos),  vgl.  1  al. 


piez:  lies  piets,  aus  pedes. 

Vgl.  3  mier  I,  28  pro2. 

Der  Singular  pedem  gibt  zunächst  piet,  dann  mit  fall  des 
t  regelrecht  pie,  mit  etymologischer  Schreibung  pied,  darnach 
auch  der  plural  im  nfr.  pieds  geschrieben  (aber  gesprochen 
regelrecht  piß,  mit  Vertiefung  des  auslautenden  §). 

Zur  konstruktion:  vuelt  li  che'ir  as  piez  vgl.  unser 
deutsches  'sie  will  ihm  zu  füssen  fallen'.  Dagegen  nfr.  eile 
veut  tomher  ä  ses  pieds. 


Zweiter  Teil. 

Systematische  Übersicht 
über  die  bisher  behandelten  Lautgesetze. 


Die  vorausgehende  erläuteiurg  der  einzelnen  worte  nach 
ihrer  etymologischen  und  lautgeschiebtlichen  seite  hat  eine 
reihe  von  lauterscheinungen  zur  spräche  gebracht,  die  in  den 
verschiedensten  Worten  gleicbmässig  wirken,  die  regelmässig 
oder  sozusagen  gesetzmässig  eintreten  und  darum  als  laut- 
regeln oder  lautgesetze  bezeichnet  zu  werden  pflegen.  Über 
diese  allgemeinen  gesetze  soll  hier  eine  zusammenfassende 
Übersicht  gegeben  werden.  Sie  beziehen  sich  zum  teil  auf 
die  Veränderungen  der  konsonanten,  zum  teil  auf  die  der 
vokale;  ausserdem  kommt  in  einer  solchen  historischen  laut- 
lehre  noch  der  accent  in  betracht,  sowol  an  und  für  sich  als 
auch  wegen  seiner  bedeutucg  für  die  vokalische  entwicklurg. 

Die  vokale  entwickeln  sich  zum  teil  unter  dem  einfluss 
des  accents  (dehnung  und  diphthoDgierung  unter  dem  bauptton, 
erhaltung  unter  dem  nebenton,  Schwächung  oder  schwund  unter 
dem  schwachton);  zum  teil  unter  solchem  von  nachbarlauten, 
von  vorausgehenden  oder  folgenden  konsonanten  (nasalierung 
der  vokale  vor  n,  m  —  freies  betontes  a  zu  e,  vor  n  zu  a«, 
nach  c  zu  ie)  oder  auch  von  folgenden  vokalen  (umlaut, 
dissimilation);  unter  Wirkung  der  freien  oder  gedeckten  Stellung 
(espee  gegen  Charles,  mier  gegen  teste,  vnelt  gegen  portet). 

Die  konsonanten  ihrerseits  unterliegen  sowol  dem  ein- 
fluss anderer  konsonanten  (assimilation,  ausfall)  als  auch  dem 
von  vokalen  (stimmhaftwerden  von  intervokalen  konsonanten); 
der  accent  spielt  nur  insofern  eine  rolle,  als  namentlich  das 


Allgemeines:  Lautgesetze.    Chronologie.  141 

verstummen  gewisser  konsonanten  in  tonlosen  silben  eher  oder 
leichter  einzutreten  pflegt  als  in  betonten.  Auch  ist  es  nicht 
unwesentlich,  ob  im  Zusammenhang  des  satzes  ein  vokalisch 
oder  ein  konsonantisch  anlautendes  wort  folgt:  gewisse  er- 
scheinungen,  die  im  letzten  falle  ohne  weiteres  eintreten, 
besonders  verstummen  auslautender  konsonanten,  begegnen  im 
ersten  weit  später  oder  gar  nicht. 

Die  hier  behandelten  lautgesetze  verteilen  sich  ihrem 
eintritt  nach  auf  den  ganzen  Zeitraum  vom  latein  bis  zum 
altfranzösisehen  der  Karlsreise,  vom  3.  jahrh.  vor  Chr.  bis  zum 
12.  jahrh.  nach  Chr.  Die  einen  sind  früher,  die  anderen  später 
eingetreten,  und  es  ist  für  das  Schicksal  eines  Wortes  sehr 
wesentlich,  ob  und  welche  älteren  lautgesetze  beim  eintreten 
eines  neuen  lautgesetzes  schon  an  ihm  gewirkt  haben,  welche 
form  es  zur  zeit,  als  ein  neues  lautgesetz  in  Wirkung  tritt, 
bereits  angenommen  hat. 

Eine  reihe  von  solchen  Veränderungen  gehören  noch  der 
lateinischen  oder  gemeinromanischen  periode  an: 

so  noch  dem  3.  jh.  vor  Chr.: 

das  verstummen  von  auslautendem  m  in  unbetonter  endsilbe: 

unum—*-unu; 
das  schwinden  von  n  vor  s:  mensem—>mese; 

dem  1.  jh.  vor  Chr.  etwa  die  folgenden: 

das  verstummen  des  h:  habere —t- abere; 

die  accentverlegung  in  i-e-^ie,  i-o—^iö,  e-o-^eö:  muUerem—*- 

mullere,  filiolum—*- ßliölu,  capreolum —* capreölu; 
der  Wandel  von  hiatus-i  und  -u  zu  halbvokalen:  diurnum--> 

dj,urnu,  Jiabuit  —*-  abuit ; 
teilweise  die  Verkürzung  der   gleiteworte  (besonders  bei  l,  r, 

nasal,  s-t):  valde,  virdis,  oclu,  domnu,  postu; 
die  Vereinfachung  von  x  vor  konsonant  zu  s:  dexter —>  dester\ 

dem  2.  jh.  nach  Chr.: 

die  kontraktion  der  diphthongen  ae  {==  ai)  zu  ?,  oe  (=  o%)  zu  f: 

caelum—*c^lu,  poena—*-pSna; 
die  entstehuDg  des  *  (e)  protheticum:  spatha—t-ispata,  statu—*- 

istatu; 


142  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

dem  3.  jh.  nach  Chr.: 

der   Wandel   von  m  zu   p  und  von  t  zu   e:   diurnu-^dj^orno, 
in  — >  f  w ; 

dem  5. — 6.  jh.  nach  Chr.: 
die  dehnung  der  betonten  kurzen  vokale  in  freier  Stellung  und 
die  ktirzuDg  der  betonten  laugen  vokale  in  gedeckter  Stellung: 

Caput -^cäpo,  fßde—^fede,  gola-^güla\  djxi—*d^xi,  scrjptu 

—>■  iscritio ; 

dem  6.  jh.  nach  Chr. : 
die  assibilierung  des  c  (k)  vor  e,  i:  cincta  —  ceinte,  caelu  —  ciel; 

dem  6. — 7.  jh.  nach  Chr.: 
die   erweichung    der    intervokalen    (stimmlosen)    konsonanten: 
coronata-* coronada,    capiUos-**cabellos,   pacare—*-pagare. 

Die  periode  der  gemeinromanischen  entwicklurg  darf  mit 
dem  6.  Jahrhundert  im  wesentlichen  als  abgeschlossen  gelten. 

Andere  jüngere  erscheinungen  erstrecken  sich  nur  über 
das  gebiet  des  französischen  und  provenzalischen  und 
einzelne  nachbargegenden  (z.  t.  gallo-italisehe,  z.  t.  räto-roma- 
nische  mundarten): 

der  Wandel  von  ü  zu  ü:  uno—>-ün,  nullo—*nül; 

der  «-Umlaut:  *pre{n)si—*pris,  füi~^füi; 

die  diphthongierung  von   $,   q  vor  ü  und  i:    melius —*- mielz, 

Deus  —*  Dieus,  *voleo  — »-  vueil ; 
der    fall    der    endsilbenvokale   und   unbetonten   vortonvokale: 

uno  —*- un,  cruce -> croiz  (corona-* corone)  —  civitates  —*- dtes; 
die    Vereinfachung    der    doppelkonsonanten:    opptUat—^apele, 

annuules  — >  anvels ; 
das  stimmloswerden  der  in  den  auslaut  tretenden  stimmhaften 

konsonanten:  quando—* quant,  vivu-^vif; 
der  tibergang  von  ca  (und  germanisch  Jce,  Jfi)  zu  isa  (fse,  ist): 

copu—*- Chief,    Karlos —* Charles,   skirpjan—^-eschernir   (mit 

aufnähme  der  nördlichsten  und  südlichsten  striche,  pikardisch 

und  südprovenzalisch). 

Diese  dem  provenzalischen  und  französischen  gemeinsamen 
Veränderungen  können  z.  t.  noch  in  der  vorhergehenden  periode 
begonnen  haben,  reichen  aber  über  das  10.  jh.  nicht  hinab. 


Allgemeines:  Chronologie  der  Lautgesetze.  143 

Viele  Veränderungen  endlich  sind  nur  dem  französisehen 
eigen  und  demgemäss  im  allgemeinen  als  die  jüngsten  zu 
betrachten,  wenn  auch  im  einzelnen  manche  erscheinung  noch 
in  die  vorhergehende  periode  fallen  mag.    Hierzu  gehören: 

die  kontraktion  des  lat.  diphthongen  au  zu  o:  aurum—*-or; 

die  auf  der  romanischen  vokaldehnung  beruhende  diphthongierung 
von  ?  (c'e)  und  g  (öö)  zu  ie  und  wo  —  ue:  m^ro—*mier,  h^no 
—*-buon  —  buen; 

die  diphthongierung  von  ^  zu  ei  (und  später  auch  ö  zu  ou)t 
pJenam-^pleine  {proz~*-prouz)\ 

der  Wandel  von  ö  zu  ^  (nach  palatal  zu  ie)\  civitate —*■  citet^ 
{cavo  —>- Chief); 

die  reduktion  der  triphthongen  iei  und  uoi  (uet)  zu  i  und  ui: 
despedu  —  despieit—*- despit,  nocte  —  nuoit  {■  eit) —> nuit\ 

die  nasalierung  der  vokale  vor  w,  m  und  der  tibergang  von 
Sn  zu  an:  un—*ün,  corone-^coröne,  emperere-^ ämperere. 

Die  Chronologie  der  lautgesetze  ist  daher  für  die 
entwicklung  der  worte  und  deren  Verständnis  von  wesentlicher 
bedeutuiig.  So  setzt  die  entwii-klung  des  f  in  chief-t—caput 
die  vorhergehende  erweichung  des  p— *-}}-* v  voraus,  da  aus 
einem  in  den  auslaut  tretenden  p  oder  h  kein  f  entsteht.  Die 
erweichung  des  p—^h—^v  muss  ferner  eingetreten  sein,  als 
der  auslautvokal  noch  vorhanden  war:  nur  in  intervokaler 
Stellung  werden  die  labialen  explosivlaute  erweicht  (vgl.  capillos 
-^chevels  181  gegen  *cappdum-^ chapel  146  oder  Septem-^ 
sei  73).  Es  ergibt  sich  also  aus  der  inneren  lautgeschichte 
selbst  die  folgende  relative  Chronologie  der  betreffenden 
lautgesetze:  p~-*-b-*v  —  darnach  fall  des  endvokals  —  als- 
dann auslautendes  v—*f. 

In  anderen  fällen  kommen  uns  Zeugnisse  aus  inschriften,^ 
handpchriften,  dicbtwerken  oder  vergleiche  mit  den  übrigen 
romanischen  sprachen  zu  hilfe,  um  sogar  eine  absolute 
Chronologie  der  lautgesetze  zu  ermöglichen.  Auf  diese  weise 
lassen  sich  die  alten  vulgärlateiuischen  lautveränderungen 
zeitlich  grossenteils  fixieren.  So  liefert  uns  innerhalb  des 
französischen  das  ins  ende  des  9.  jahrhs.  fallende  Eulalialied 
mit  den  formen  buona,  ruovet  den  beweis,  dass  um  jene  zeit 


144  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

—  wenigstens  in  dem  dialektgebiet  des  Eulalialiedes  —  das 
betonte  freie  q  schoo  zu  uo  diphtongiert,  aber  noeii  nicht  bis 
zum  diphthongen  ue  fortgeschritten  war,  den  wir  um  1100 
bereits  im  Rolandslied  und  in  der  Karlsreise  finden.  So  lässt 
sich  durch  Verwertung  der  relativen  und  absoluten  lautehronologie 
mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  die  reihen  folge  der  lautgesetze 
und  die  art  ihrer  Wirkung  auf  die  einzelnen  worte  feststellen. 

Die  meisten  lautgesetze  wirken  nur  innerhalb  eines  be- 
stimmten, mehr  oder  weniger  beschränkten  Zeitraums.  Einige 
erstrecken  ihre  Wirksamkeit  auf  längere  zeit  oder  wiederholen 
sich  im  laufe  der  entwicklung.  So  gehört  die  Verkürzung  der 
gleiteworte  den  verschiedensten  schichten  an  (vgl.  9  dame  I). 
So  fällt  n  vor  s  in  dem  in  christlicher  zeit  übernommenen 
monasterium  —  * mon{i)sterium  ebenso  wie  in  den  altlateinischen 
consul  —  cosol,  insula  —  isola.  Die  abneigung  gegen  die 
häufung  von  konsonanten  hat  das  französische  von  anfang  an 
bis  heute  bewahrt. 

Die  Wirkung  der  lautgesetze  kann  gehindert  oder  rück- 
gängig gemacht  werden  durch  die  macht  der  analogie, 
Namentlich  beeinflussen  sich  sehr  leicht  verschiedene  formen 
desselben  Stammes  (nach  Hermann  Paul  „stofifliche  analogie- 
gruppen"),  sei  es  innerhalb  der  deklination,  sei  es  innerhalb 
der  konjugation  oder  auch  doch  kreuzung  beider.  So  wird 
*pre(n)sit  —  *ßreist  unter  dem  einfluss  der  ersten  person 
*pre(n)si — pris  umgestaltet  zu  prist,  die  2.  pluralis  vidistis  = 
*videstes  nach  der  2.  singularis  vidisil  —  *vidist  —  vt'is  zu 
vidistes  —  ve(d)lites;  nach  den  lautgesetzlich  umgelauteten 
formen  füi,  füst  ('*—fm,  füisil)  erhalten  sämtliche  formen  des 
perfekts  und  des  conj.  imperf.  den  Stammvokal  ü.  In  der 
I.  lat.  deklination  fallen  durch  verstummen  des  akkusativ  m 
nomioativ  und  akkusativ  zusammen  {corone  =  Corona  und 
coronam),  und  nach  diesem  muster  wird  dann  auch  in  den 
pluralformen  Übereinstimmung  hergestellt  und  der  nominativ 
coronae  zu  Coronas  umgebildet.  Das  partizip  coronata  sollte 
zu  *cornee  werden,  der  unbetonte  vortonvocal  bleibt  aber 
bewahrt  (coronee)  unter  einwirkung  der  stammbetonten  formen 
{Coronet-*— cor onat  usw.)  sowie  des  Substantivs  corone. 

Ebenso  köunen  sich  aber  auch  gleiche  oder  ähnliche 
formen  verschiedener  stamme  gegenseitig  beeinflussen  (Pauls 


Allgemeines:  Analogie.  —  Lehnworte.  145 

„formale  gruppen").  So  werden  die  seltenen  neutralendnngen 
■ut,  -ud  {ciqmt,  illud)  durch  die  endung  der  regelmässigen 
neutra  auf  u{m)  ersetzt.  So  erhalten  die  zu  maskulinen  ge- 
wordenen neutra  auf  -u{m)  im  nom.  sing,  und  akk.  plur.  ein  s 
nach  dem  muster  der  maskulina  der  lat.  II.  deklination.  Kaeh 
demselben  muster  verlieren  die  maskulina  der  lat.  111.  deklination 
im  nom.  plur.  ihr  -s  (homines —> homine-ni  nach  domini).  Eine 
anzalil  ursprünglich  vokalisch  oder  auf  verschiedene  konsonanten 
auslautender  adverbia  erhält  ein  s  angefügt  nach  plus,  mais 
(onques,  sempres,  auch  sine-^sens  —  serns  gehört  hierher). 
Besonders  stark  sind  diese  beeiLflussungen  in  der  entwicklung 
des  verhums  zu  beobachten.  So  haben  unter  den  starken 
perfektbildungen  die  auf  -si  und  -ui  fast  alle  übrigen  ver- 
drängt i^prensi  für  prehendi,  *movui  und  *cognovui  für  movi, 
cognovi,  *vtnui  für  veni),  unter  den  schwachen  perfekten  hat 
dMit  mit  seinen  kompositis  {vendiet,  perdiet,  rendiet)  eine 
ganze  klasse  neu  hervorgerufen  {respondiet,  rompiet  usw.).  Im 
ind.  präs.  haben  die  formen  auf  -o,  -io,  -eo  sich  gegenseitig 
beeinflusst,  im  infinitiv  ist  unter  Wirkung  bestimmter  muster 
-ere  zu  -gre  (ridere-*ridere—*rire)  oder  -Ire  {tenSre—*tenir), 
umgekehrt  -ere  zu  Sre  {sapere—* saper e-* saveir)  oder  auch  zu 
~ire  {rädere-* cadire-*cht'if)  geworden.  In  der  regel  wird 
die  angleichung  des  einen  typus  an  den  andern  durch  schon 
vorhandene  übereinstimmende  formen,  durch  gewisse  tertia 
comparatlonis,  unterstützt:  wie  zu  meire,  escrire,  lire  ein  met, 
escrtt,  lit  gehört,  bildet  man  zu  dire  ein  dit,  zu  faire  ein  fait 
(für  lautgesetzliches  *dist,  *faist).  Wie  neben  debeham,  debui 
präs.  deüeo,  -es,  et  und  infinitiv  dthere  steht,  bildet  man  zu 
volebam,  volui  ein  *ooleo,  -es,  -et,  volcre,  zu  potes,  potui  ein 
*potet,  *potttis,  poiSre. 

Eine  scheinbare  ausnähme  von  den  lautgesetzen  bilden  auch 
solche  Worte,  welche  erst  in  späterer  zeit  aus  der  kirchen- 
oder  gelehrtensprache  oder  auch  aus  fremden  Idiomen 
übernommen  sind.  Sie  lassen  in  der  regel  diejenigen  laut- 
veränderuDgen  vermissen,  deren  Wirkung  bereits  der  Ver- 
gangenheit angehört.  So  nimmt  das  lehnwort  ducem  —  due 
an  dem  gemeinromanischen  wandel  von  u  zu  o,  sowie  an  der 
assibilierung  des  c  nicht  teil.  Dominium  —  demeine  bewahrt 
regelwidrig    den    unbetonten    cndsilbenvokal,    caltce -*— cälicem 

Vor  et  cscb,  Studium  d.  afrz.  li'piaohe.    5.  Aufl.  10 


146  Zweiter  Teil:  Die  Lantgesetze. 

ausserdem  den  vokal  der  unbetonten  pänultima  unter  Ver- 
schiebung des  aceents  sowie  das  c  vor  a  (statt  ch).  Man 
bezeichnet  solche  worte  gegenüber  den  erbworten  als  lehn- 
Worte. 

Ausser  den  lautgesetzen  sind  noch  einige  lautver- 
änderungen  zu  konstatieren,  die  nicht  mit  derselben  regel- 
mässigkeit eintreten,  weil  sie  nicht  auf  derselben  Ursache,  der 
allgemeinen,  durchgreifenden  Veränderung  in  der  ausspräche 
eines  lautes  an  sich,  sondern  auf  anderen  Ursachen,  gelegent- 
lichem versprechen  und  dergleichen  beruhen.  Hierher  gehört 
vor  allem  die  sogenannte  metathesis,  die  Umstellung  von 
lauten,  am  häufigsten  bei  den  liquiden,  deren  ausspräche  schon 
beim  erlernen  der  spräche  Schwierigkeiten  macht  und  auch 
später  noch  häufig  Störungen  hervorruft.  Man  pflegt  einfache 
und  reciproke  metathesis  zu  unterscheiden.  Bei  der  einfachen 
metathesis  handelt  es  sich  um  Versetzung  eines  einzelnen  lautes 
(wie  z.b.  des  r  in  lat.  temperare—>  frz.  tremper),  bei  der  reciproken 
um  die  wechselseitige  vertauschung  zweier  laute.  So  kann 
zwischen  vokal  und  konsonant  metathesis  eintreten,  wie  bei 
pro—>por,  imperator —*Smperatro ,  ])orp —*■  trop ,  ebenso  aber 
auch  zwischen  zwei  vokalen,  wie  in  lat.  meduUa-^meole-* 
moele  —  moelle  =  mual,  oder  zwischen  zwei  konsonanten,  wie  in 
lat.  scintilla  — ►  *stinciUa  — >  estencele  —  etincelle.  Auch  gewisse 
assimilations-  und  dissimilationserscheinungen 
bei  liquiden  und  nasalen  gehören  hierher,  so  die  assimilation 
der  vortonsilbe  an  die  tonsilbe  in  thesaurus —>  tresors  (222)  mit 
r,  so  die  dissimilation  eines  r  neben  einem  zweiten  r  zu  Z  in 
peregrinum—^pelerin  (95),  paraveredum—*-palefroi  usw.).  Im 
folgenden  werden  lautveränderungen  solcher  art  nicht  mit 
berücksichtigt.  *) 


1)  Hingegen  sind  der  Vollständigkeit  wegen  noch  einige  wenige  lant- 
gesetze, welche  im  text  erst  später  erwähnnng  finden,  mit  verweisen  auf 
die  betreffenden  beispiele  herangezogen. 


Allgemeines:  Metathesis  usw.  —  A.  Konsonantismus:  I.  Anlaut.     147 

A. 

Konsonantismus. 


Für  die  entwicklung  der  koDSonanten  ist  es  wesentlich, 
ob  sie  im  aolaut,  inlaut  oder  auslaut  stehen,  ob  sie  isoliert 
oder  mit  anderen  konsonanten,  mit  hiatus-«  oder  -u  verbunden 
sind.  Es  ist  daher  am  besten  nach  anlaat,  auslaut,  inlaut  zu 
scheiden  und  innerhalb  des  letzten  den  zusammengesetzten 
konsonanzen  sowie  den  hiatusverbindungen  eine  besondere  be- 
trachtung  zu  widmen. 

I.    Konsonanten  im  Wortanlant. 

Die  regeln  für  den  wörtanlaut  gelten  auch  für  den  silben- 
anlaut,  wenn  ein  anderer  konsonant  vorausgeht  und  die  vorher- 
gehende Silbe  schliesst:  das  j)  in  Imperator  —  emperere  bleibt 
wie  in  pugnus  — poinz  als  p,  das  c  vor  a  in  truncare  —  trenchier 
wird  zu  ts  wie  in  caput  —  chief,  das  c  vor  palatalvokal  in 
mercedem  —  mercit  zu  ts  wie  in  civitatem  —  ciiet. 

1.  Im  wörtanlaut  bleiben  die  meisten  konsonanten 
unverändert  (vgl.  4  barons  IV). 

So  bleiben  (teils  isoliert,  teils  mit  folgendem  konsonant), 
die  labiale  jp  6  V /",  die  dentale  tds,  die  gutturale  c  und 
g  vor  0,  u  oder  konsonant,  endlich  die  nasale  und  liquiden 
m  n  l  r.  Also:  pugnum  — poin,  plenam  — pleine,  bellum  —  bei 
vidistis  —  vbistes,  fuit  —  fut;  tantum  —  tant,  truncare  — 
trenchier,  de  —  de,  sanctum  —  saint;  coronam  —  corone,  curam 
—  eure,  crucem  —  croiz,  gubernat  —  governet,  grandem  —  grant; 
merum  —  mier,  nullum  —  nul,  Heviarium  —  legier,  regem  —  rei. 

2.  Lateinisches  h  verstummt  (vgl.  2  Bout  I)  : 

habuit—*  out. 
In  der  schrift  teilweise  beibehalten:  homo—^huem  122. 

Germanisches  li  (vor  vokal)  hingegen  bleibt  bewahrt: 
*haunipa~^  honte  38. 

10* 


148  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

Vor  konsonant  teilweise  andere  entwicklung  (vgl.  *Hlnpawig—¥-  Lolis, 
Cloevin,  dazu  "Hlupaiüinff—*-  Floovent).  Die  verschiedenheitea  der  formen 
wird  durch  die  veräcbiedene  zeit  der  aufnähme,  z.  t.  auch  durch  bach- 
wüitliche  entlehauDg  bediogt. 

3.  Palatallaute  werden  assibiliert. 

Lateinisch  c  vor  e,  i  wird  zu  is  (geschrieben  c  —  ygL 

3  ceinte  IV): 

cinctam—^ceinte,  caelum—t-ciel. 

Germanisch  Jz  vor  e,  i  wird  zu  ts  (geschrieben  ch  —  vgl 

27  riches  II): 

slcirnjan  — >  eschernir. 

Lateinisch  oder  germanisch  c  vor  a  wird  zu.  tä  {ch  — 
vgl.  1  Charles  II): 

Caput  ->  cJiief,  Karlos  — ►  Charles. 

Lateinisch  oder  germanisch  ff  vor  e,  i,  a  wird  zu  dz  (ge- 
schrieben g,  j): 

argenium—*'argent7S,  gentem—*-gent7Q,  Germ— ►  Gm w  63; 
gaudia-^joie  118,  gard---*jardin. 

Lat.  j  oder  dfj  {di-  vor  vokal)  wird  vor  allen  vokalen  zu 
dz  (geschrieben  j  —  vgl.  1  Jörn  III  b): 

jam—*-ja,  diurnum—*jorri. 

4.  Lat.  qu  wird  unter  verlast  des  halbvokals  zu  Ic 
(geschrieben  qu,  seltener  q,  c  oder  h,  vereinzelt  ch  —  vgL 
9  onques  II): 

qui-*ld  {qui,  chi),  qu,ant-*1cant  (quant);  don{i)que—*'donc. 

5.  Die  (ursprünglich  griechischen)  aspi raten  werden  zu 
den  entsprechenden  tenues  (th,  ph,  ch-^t,  p,  c  —  vgl.  3 
espee  IIa): 

ihesaurum  — >•  tresvr,  colaphum  ->  colp,  Christum  —*-  Crist. 

Ebenso  im  inneren  des  Wortes,  wo  alsdann  die  gleiche  behandlung 
wie  bei  den  ursprünglichen  tenunis  eintritt  (vgl.  3  espce  IIb).  —  Erst  in 
lungeren  lehnworten  ph—*-f  {oryhdin,  philoHophie). 

6.  Der  germanische  reibelaut  p  wird  zur  entsprechenden 
tenuis  (vgl.  13  irop  I): 

piudish—t-tieis. 


A.  Konsonantismus:  I.  Anlaut.  —  IL  Auslaut  149 

Germanisches   w   wird    zu   gu   (später   g  —  vgl.   5   re- 
guardet  I): 

*warden  — >  guarder,  wisa  — >  guise. 

7.  Lat.  oder  germ. «  im  purum  entwickelt  i  (e)  protheticum 
(vgl.  3  espee  IIIj: 

spaiham-^espee,  siare-^ester,  schola—*-escole; 
skirnjan  —*■  eschernir,  smalt-  — >  esmail. 


II.  Konsonanten  im  Wortauslaut. 

Es  ist  zu  scheiden  zwischen  solchen  konsonanten,  die  schon 
im  lateinischen  im  auslaut  standen,  und  solchen,  die  erst  im 
galloromanischen  oder  französischen  in  den  aii^laat  traten.  Bei 
diesen  letzten  sind  die  Wandlungen  zu  berticksichtigen,  welche 
sie  bereits  vor  dem  fall  der  endvokale  erlitten  haben. 

1.   Lateinischer  auslaut. 

Die  zahl  der  im  lateinischen  auslaut  vorhandenen  kon- 
sonanten ist  beschränkt.  Einige,  wie  h,  kommen  in  dieser 
Stellung  nur  vereinzelt,  andere,  wie  p,  g,  q,  f,  v,  s  überhaupt 
nicht  vor. 

Im  lateinischen  auslaut  stehende  r,  l,  8  bleiben 
im  altfranzösischen  erhalten: 

Chevaliers,  citez,  vos,  ve'istes;  cor— *  euer,  mel—^-miel  (mit 
metathesis  in  imperator-^emperere,  insemtl -*  ensemhlt). 

Lat.  m  und  n  fallen  in  unbetonter  endsilbe  oder  in  un- 
betonten einsilbigen  Worten  ab  (vgl.  1  un  I): 

unum—*-un,  jam~*ja\ 
nomen—*nom  {non)\  non-^ne. 

In  betonten  einsilbigen  bleibt  m  und  n  als  n  (vgl.  2  son): 

rem—>rien,  non  (betont) —> wow. 

Vor  vokal  bleibt  ursprünglich  das  n  auch  in  tonlosen  Worten  erhalten: 
daher  ven  neben  ne.  Ferner  nur  en-4 — in,  wubl  Verallgemeinerung  der 
antevokalischeu  form;  ähnlich  mon,  ton,  son,  vermutlich  analogisch  (vgl. 
3  8on  lU). 


apud  hoc—* 

'  avuec 

fac—* 

fai 

sie-* 

■si. 

150  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

Lat.  c  verstummt  in  unbetonten  endsilben  und  Worten;  in 
haupttonigen  bleibt  es  nach  dunkeln  vokalen  als  c,  nach  hellen 
als  i,  nach  i  seh  windet  dieses  (vgl.  20  si  II): 

ecce  hoc—>QO 

illac-^la 

nec—*-ne 

Nach  Neumann  erklärt  sich  la  aus  illac  ubi,  o  (fo)  aus  hoc  quod  usw., 
vgl.  s.  119. 

Lat.  d  und  (isoliertes)  t  in  unbetonten  endsilben  und 
Worten  verstummen  (erst  im  laufe  des  11.  jahrhs.  —  vgl.  1 
dl  I,  3  JEt): 

ad-*a;  et—*e  (z.  t.  gesehr.  et,  cd),  portal ■-*porte(t). 

Eine  anzahl  d  und  t  in  der  nominalflexion  sind  schon  in  gemein- 
romanischer  zeit  auf  analogischem  wege  beseitigt  worden  (ülud-^Hllu, 
Caput— >*capu,  vgl.  1  al  II,  2  chief  l).  —  Vor  konsonant  hat  das  ver- 
stummen früher  begonnen  als  vor  vokal  (a  cels  dis,  aber  ad  une  spede 
i.  d.  Ealalia).  —  Uumittelbar  auf  den  tonvokal  folgendes  J  (fut,  seignat, 
irat,  partit,  vendiet)  verstummt  erst  im  12.  jahrh.  —  Gestütztes  t  (prist, 
dist,  dient)  bleibt  bis  ins  13.,  in  pausa  bis  ins  16.  jh.,  in  liaison  bis  heute 
(z.  t.  analogisch  übertragen,  siehe  3  at). 

2.   Französischer  auslaut. 

Bevor  die  galloromanisehen  vokalischen  auslautgesetze 
wirkten,  war  intervokales  t  zu.  d  ((f),  ebenso  p  und  b  zu  v,  c 
und  g  (soweit  nicht  ausgefallen)  zu  i  (j)  geworden.  Diese  formen 
sind  daher  vorauszusetzen,  nicht  die  lateinischen. 

Die  im  altfranzösischen  in  den  auslaut  tretenden 
stimmhaften  konsonanten  werden  stimmlos  (vgl.  2  chief 
nb,  3  dont  V): 

de  unde—^dontj  mercedem—^mercit, 

pensatum  — "^pensado-^  penset; 

vivum  — >  vif,  caput  — *cabo  — *cavo  —*■  chief;  longum  —*-  lonc. 

Stimmlose  konsonanten  bleiben  als  solche  erhalten: 

sanctum—*- Saint,  multum—^moU,  s€pt€m—*-*sette—>-set, 
colapih)um—>colp,  versus— >vers. 


A.  Konsonantismus :  II.  Auslaut.  —  III.  Intervokale  Konsonanten.     15 1 

Ebenso  bleiben  die  liquiden  unverändert: 
aurum—>or,  ferire—*ferir,  belhim~>bel,  talem—*tel. 

n  nach  konsonant  bleibt:  jorn. 

n  nach  vokal   bewirkt  dessen  nasalierung  und  bleibt  zu- 
nächst (wohl  als  'a  =  ng)  erhalten: 

unum  — >•  ajw  — >  ün ; 

ebenso  m  nach  vokal: 

nomen—>nom-^nöm  (vgl.  1  un  IV  und  sonst). 

In  der  schrift  erscheint  neben  m  bald  auch  n  {nom  —  non,  flum  —  fiun, 
uem  —  uen),  vermutlich  fielen  -m  und  -w  in  »  zusammen. 

III.   Konsonanten  in  intervokaler  Stellung. 

1.  Hauch-  und  reibelaute. 

Lat.  und  germanisches  h  verstummt  (vgl.  2  Rout  I,  2  prise, 
3  espee  IIa): 

prehendere-^prendre,  miM—*-mi;  speJidn—t-espier. 
Lat.  s  wird  stimmhaft  {2,  gesehrieben  s  —  vgl.  2  prise  Y): 
pre{n)sam—*- prise,  dolorosam  —* dolorose. 

Ebenso  germ.  s,  soweit  dasselbe  nicht  schon  stimmhaft  war:  wisa—*- 
guise  usw. 

2.  Dentale. 

Der  stimmlose  verschlusslaut  t  wird  stimmhaft  [d)  und 
fällt  aus  (vgl.  3  espee  IIb): 

coronata  ->  coronee,  spatha  — *spata  — ►  espee; 
*imperatro  — >  emperere. 

Desgleichen  fällt  ursprüngliches  d  (vgl.  9  vtistes  III): 
vidistis  — >  vtistes;  cathedra  — »•  chaiere. 

Das  intervokale  d  (t)  ist  erst  nach  dem  fall  der  anslautvokale  ver- 
stummt, daher  in  den  auslaut  oder  vor  s  ireteudes  d  als  t  (oder  als  reibe- 
laut  p)  erhalten  bleibt  und  mit  8  zu  ts  (z)  verschmilzt:  pensatum—*- 
*pensado — *■  pennet  28,  civitates — >-citez. 

Dem  ausfall  vor  r  scbeint  assimilation  vorausgegangen  zu  sein:  teil- 
weise findet  sich  noch  doppel-r:  petra —*■  pierre  neben  piere  179,  videre 
habeo — *ved{e)rajo—^verrai  (verrez  281)  neben  *vid(e)runt—*-virent  104. 


152  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

3.  Labiale. 

Der  stimmlose  verschlnpslaut  jp  wird  stimmhaft  (&)  und 
alsdaDn  znm  reibelaut  v  (vgl.  2  c/wf/"IIa): 

sapetis  -^  savez,  capillos  —*■  chevels ;   recipere  -*receivre. 

Der  stimmhafte  verschlopslaut  b  wird  zum  entsprechenden 
reibelaut  v  (vgl.  4  Chevaliers  II): 

*  caballarios  —*■  Chevaliers,  habere  — >  aveir. 

Ausfall  von  b  in  dem  proklitlschen  ubi  —  o,  ou  (wegen  ibi  siehe  4  i). 

Da  ursprüngliches  v  bleibt  (levatum—*-levet  128),  so  fallen  _p,  6,  r 
in  intervokaler  Stellung  zusammen. 

In  den  auslaut  tretendes  v  jeden  »irsprnngs  wird  f  (s.  o,). 

4.  Palatale  und  velare  (gutturale). 

Die  Buchstaben  c  und  g  bezeichnen  je  nach  der  vokalischen  Umgebung 
mehr  am  vorderen,  harten  gaumen  hervürgebrachte  laute  (palatale)  oder 
am  hinteren,  weichen  gaumen,  am  gaumensegel  (velum)  bervorgebrüchte 
laute  (velare,  auch  gutturale).  Vor  o,  u  sind  c  und  g  velar,  vor  ^,  i  palatal 
(vgl.  oben  die  entwicklung  im  anlaut),  vor  a  mittelpulatai;  hier  ist  der 
vorausgebende  vokal  für  das  Schicksal  des  konsonanten  mitbestimmend. 
J  ist  seiner  ausspräche  nach  stets  palatal. 

j  bleibt  vor  allen  vokalen  als  i: 

Maium-*Mai  (383),  2??jms  {{\Xx  psjns)-^*pieis—*'pis. 

g  zwischen  hellen  vokalen  (a,  e,  i)  wird  zu  i  (vgl.  9  rei  I): 
regem-^rei,  paganum—>paiien. 

g  vor  dunklon  vokalen  (o,  u)  fällt  aus  (vgl.  23  dient  II): 
augustum  — ►  ao&  t 

c  vor  dunkeln  vokalen  fällt  aus  (vgl.  23  dient  II): 
dicunt—*- dient]  securum—*seür. 

Ebenso  wird  nach  gewöhnlicher  annähme  c  auch  zwischen  dankelm 
Tocal  und  folgendem  a  behandelt:  jocare—*joer  33.  Doch  zeigen  einige 
Wörter  i  (auca-^oie  neben  oue  u.  a.):  vgl.  die  anm.  zu  joiir  33. 

c  zwischen  vorausgehendem  hellen  vokal  (a,  e,  i)  und 
folgendem  a  wird  i  (vgl.  9  rei  I): 

*au{c)toricare—*-otreiier,  pacare—t-paiier. 


A.  Eonsonantismas :  IV.  Konsonanten  mit  Hiatas-u  oder  -i.  153 

e  Tor  e,  i  wird  über  ids  zu  ü  (geschr.  «5  = »  +  tönend  s\ 
im  auslaut  zu  üs  (geschr.  tjs  —  vgl.  2  croü  II): 

placere  —^plaisir,  vicinum  — >•  veisin; 
crucem  — *  croie. 

Unter  umständen  können  also  auch  hier  wie  bei  p,  b,  »  (s.  o  )  stimm- 
loser verschlnsslaut,  stimmhafter  verschlusslaut  und  reibelant  in  ihrem  end- 
ergebnis  (t)  zusammeufallen. 

Aus  c  oder  g  entstandenes  i  wird  von  nebenstehendem  vokalischen  i 
aufgesogen  (vj;.  9  m  I):  micaw — *-nne.,  regina — *■  reine.  In  einigen  nicht 
ganz  klaren  fällen  verstummt  es  auch  vor  e:  8iyUlum—*-seel  (1J7  seelee). 

Wegen  placet-->'2'iaist  und  facit—^fait  vgl.  14  faii. 


IV.   Konsonanten  mit  Hiatns-t«  oder  -i. 

Im  hiatus,  d.  h.  unmittelbar  vor  einem  anderen  vokal 
stehende  unbetonte  vokale  werden  zum  halbvokal  {%  u),  im 
weiteren  laufe  der  entwieklung  teilweise  sogar  ganz  kon- 
sonantisch, zum  labialen  oder  palatalen  reibelaut  (spirans): 
V — j.  Nach  mehrfacher  konsonanz  ist  v  früh  verstummt. 
Gewisse  konsonanten  gehen  mit  diesen  halbvokalen  oder  ihren 
Produkten  keine  engere  Verbindung  ein,  alsdann  entwickeln 
sich  diese,  da  sie  im  silbenanlaut  nach  konsonant  stehen,  ebenso 
wie  im  wortanlaut:  v  bleibt  r,  j  wird  d^.  Versehlusslaute 
pflegen  sich  an  folgendes  v  oder  dz  zu  assimilieren  und  dann, 
wie  bei  anderen  doppelkonsonanten,  auszufallen.  Eine  reihe 
konsonanten  jedoch  verschmelzen  von  anfang  an  mit  dem 
folgenden  halbvokal,  speziell  mit  %,  und  ergeben  dann  jota- 
zierte (mouillierte)  konsonanten,  die  sich,  je  nach  ihrer  natur 
sowie  nach  ihrer  Stellung  vor  vokal,  vor  konsonant  oder  im 
auslaut,  sehr  verschieden  entwickeln. 

1.   Konsonant  +  hiatus-w. 

Hiatus-M  verstummt  nach  mehrfacher  konsonanz,  zwischen 
konsonanten  und  im  auslaut  nach  konsonant  (vgl.  2  sa  II): 

mortua—*- morie;  tenuit—*'*tenvt-* tint\ 
sanguem  — >•  sanc. 

In  der  proklise  schwindet  jf  ähnlich  wie  b  —  v  in  ubi — o,  <m  (s.  o): 
«IKtm— >8a,  ijfMm— >8on. 


154  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

Einfacher  verschlusslaut  vor  folgendem  hiatus-w 
(soweit  dieses  nicht  vorher  verstummt)  assimiliert  sich  zu  u  und 
fällt  aus  (vgl.  2  rout  III): 

Jiabuit  — >  *  auuit  — >  out,  *  recipuit  -^  regut; 
placuit—*-*plauuit—*'plout,  aqua->ewe  106; 
vidua  — ►  veuve,  potuit  —>pout 

Nach  n  und  l  bleibt  u  als  v,  ausser  wenn  es  vor  konsonant 
oder  in  den  auslaut  zu  stehen  kommt  (vgl.  2  Bout  III): 

annuales—>anvels  126         1  tenuit—^tint  180 

januarium-^janvier  |  tenui-^tin. 

2.  Palatal  und  dental  +  hiatus-«. 

c  +  I  wird,  nach  vokal  wie  nach  konsonant,  zu  ts  (gesehr. 
€,  £  —  Vgl.  25  acier): 

*aciarium  —*-  acier,  *incalciare  — >  enchalcier. 

t  -\-  i  nach  konsonant  (ausser  s)  wird  zu  ts  (c,  z\  voraus- 
gehende explosivlaute  schwinden  auf  dem  wege  der  assimilation 
(vgl.  17  correciez  II): 

corrupiiatus  —*-  *  corroitiatos  — ►  correciez,  fidantia  —*-  fiance, 
*redirectiant—*redrecent  258. 

t  -\-  i  zwischen  vokalen  wird  zu  is  mit  stimmhaftem  s  vor 
erhaltenem  vokal  oder  stimmhaftem  konsonant,  mit  stimmlosem  s 
vor  anderen  konsonanten  oder  im  auslaut  (vgl.  8  araisnier): 

rationem  -^  raison,  *  adra  tionare  —*-  araisnier ; 
palatium-^palais. 

«  +  I  wird  zu  is  {s  vor  vokal  stimmhaft,  vor  konsonant 
und  im  auslaut  stimmlos): 

iasiare-^haisier  {entrebaisier  147). 

SS  +  i,  st^,  sei  werden  zu  iss,  im  auslaut  is  {s  stets 
stimmlos): 

* adhassiare -* dbaissier  (615),  *postius—*puis  122, 
*  piscionem -^  peisson  127. 


A.  Konsonantismus :  IV.  Konsonanten  mit  Hiatns-w  oder  -i.  155 

^  -^  h  9  +  i  wird  zu  i  (wie  einfaches  j,  s.  o.): 
podium—*-pm  104,  medium— >*miei-^mi  102,  117, 
fugiendo —*- fuiant  132. 

3.  Liquida  und  nasal  -+-  hiatus-i. 

l  -h  i  wird   zu  mouilliertem   l  {t  —  vgl.  5   moilUer  II). 
Dieses  bleibt  vor  vokal  und  im  auslaut: 
eonsiliarios —*■  conseilliers ,   consilium-^conseil    (663)  =    cösei. 

Es  verliert  vor  konsonant  die  mouillierung  und  wird  zu  l 
(vgl.  6  miels  III  a): 

melius  -*  *  mieis  — >  mieh. 

r  -\-  i  wird  zu  mouilliertem  r  (/)  und  hieraus  zu  ir: 

repatriant-^repairent  111,  gloria —*■  gloire  (405), 

corium—>cuir  (550). 

In  einer  reilie  von  worten  und  formen  schwindet  i,  namentlich  im 
verbum,  auf  analogischem  wege,  in  der  endung  -erium  {-arium) — >--ier 
statt  -ieir  —  ir  durch  dissimilation  (vgl.  s.  18  zu  mostier  II). 

n  -\-  i  wird  zu  mouilliertem  n  {fi  —  vgl.  7  poin  I,  dazu 
2  seignat  II). 

Dieses  bleibt  ft  zwischen  vokalen: 

seniores  — > seignors,  *montanea  — >  montaigne; 
es  wird  zu  in  vor  konsonant  und  im  auslaut: 
testimonium—*  tesmoin. 

Wie  vj,  auch  ndi:  Burgundia—*- Borgoigne  100  wie  Hispania—*- 
Espaigne,  und  ngy.  *exlongiare  —>'  esloignier.  Vgl.  auch  unten  V  4  über 
gn  und  ng. 

4.  Hiatus-«  verschmilzt  nicht  mit  dem  voraus- 
gehenden konsonant,  sondern  wird  wie  anlautendes  j 
zu  d0. 

Das  ist  der  fall  nach  sämtlichen  labialen  (p,  b,  v),  auch 
nach  dem  nasalen  labial  (m),  ferner  nach  n  in  lehnworten 
sowie  nach  c  (k)  in  germanische d  worten.  Vorausgehender 
labial  und  palatal  assimiliert  sich  und  fällt  aus;  die  nasale 
bleiben,  m  unter  assimilation   an  den  folgenden  dental  als  n. 


156  Zweiter  Teil:  Die  Lantgesetze. 

jp  -f  ^  wird  zu  is  (vgl.  12  sage  II): 

.    *adpropiat  — ►  aprochet. 

h  -\-  i,  V  -\-  i  wird  zu  dz  (vgl.  ebenda): 

*sabia-^sage;  *leviarium—>  legier. 

Habeo  — »>  ai  erklärt  sich  als  kurzform,  danach  auch  habeam  — >  aif, 
sapio — *-8ai  gleichfalls  als  kurzfurm  oder  als  analogie  nach  ai.  Hingegen 
betrachtet  Neumann  den  Übergang  eines  in  den  auslaut  tretenden  pj.,  bi 
%a  i  als  laurgesetzlich  (s.  o.  s.  103  zu  14  sai). 

m  -\-  i  wird  über  mdz  zu  ndz: 

somniatum-^  songiet  71,  commeatum-^  congiÜ  216. 

n  +  ;^'  in  lehnworten  wird  zu  ndz: 

*mentUionea—*'mef) gonge  52,  extraneum-^estrange  861. 

Germ.  U  +  {  wird  über  ct§  zu  is  (vgl.  27  riches): 

stamm  rlkja- —*- riche. 


T.  Znsammen gesetzte  Konsonanzen. 

Zwei  oder  mehr  unmittelbar  aufeinander  folgende  kon- 
sonanten  sind  je  nach  ihrer  eigenart  und  komposition  ver- 
schiedene nschicksalen  ausgesetzt.  Im  allgemeinen  sind  die  ver- 
bundenen konsooanten  fester  als  die  isoliert  stehenden,  gewisse 
konsonantengruppen  (konsonanzen)  wie  st,  ,^p,  rt,  rd,  rl  ver- 
ändernsich,  wenigstens  bis  zur  zeit  unseres  gedichtes,  überhaupt 
nicht.  Soweit  Veränderungen  eintreten,  handelt  es  sieh  grossen- 
teils  um  assimilation,  Vereinfachung,  ausfall.  Hierbei  kommen 
sowol  lateinische  als  auch  romanische  und  galloromanische 
(durch  den  ausfall  von  zwischenstehenden  vokalen  neuent- 
standene)  konsonantengruppen  in  betracht.  Einander  verwante 
laute  pflegen  sich  zu  assimilieren,  bei  grösserer  differenz  tritt 
ausfall  des  einen  konsonanten  oder  zur  erleiehterung  der  aus- 
spräche ein  übergangslaut  ein.  Verbindungen  mit  palatallauten 
(c,  g)  führen  meist  zu  jotazierten  lauten. 

1.   Ausfall  von  konsonanten. 

n  vor  s  fällt  unter  dehnung  des  vorausgehenden  vokala 
(vgl.  1  mostier  IV): 

prensam  —>prise,  *mon{i)sterium  — ►  mostier. 


A.  Konsonantismas:  Y.  Zasammengesetzte  Konsonanzen.         157 

Desgleichen  r  vor  s: 

sursum-*sus  195,  dorsum-^dos. 

8  vor  stimmhaften  konsonanten  wird  selbst  stimmhaft  und 
Terstummt  (im  ll.jahrh.  —  vgl.  1  mostier  Y): 

*adrationare  — >  arai{s)nier,  fraxinum  — >  frai(s)ne. 
Hingegen  vor  stimmlosen  konsonanten  erst  im  12.  jh.:  siehe  1  moatierY. 
Schwere  konsonantengruppen  werden  vereinfacht: 
X  vor  konsonant  wird  schon  vulgärlateinisch  zu  s: 
*ext6rquere—*-estortre  43^  dextrarium-^ destrier  81. 

8tS   ZU    tSl 

fust{e)s—*'fuz  (vgl.  9  ve'isfes  IV,  21  voz). 
res  zu  rs,  ncs  zu  ns: 

cler{i)cos--*'*clercs--*'Clers  142;  *blan]cos-->hlans  85. 
ms  zu  rs  (rs): 
diurn{u)s—>'*jorns—*-*jornz—*'jors  (vgl.  1  jorn  V). 

rtm  zu  rm: 

fort{i)mente  -^  forment  31. 
ptm—*-Um  zu  w: 

sepi{i)mana  — >  semaine. 

2.  Doppelkonsonanten  werden  im  in-  und  auslaut  ver- 
einfacht ausser  inlautendem  rr  (vgl.  4  Chevaliers  III): 

cahallarium  — ►  Chevalier,  mittere  — >  metre;  terra  —*■  terre. 

Dies  gilt  auch  für  die  durch  vokalausfall  and  assimilation  entstehenden 
doppelkoosonanten  (s.  u.). 

3.  Assimilation  des  vorhergehenden  an   den  folgenden 
konsonanten  oder  umgekehrt: 

p,  b,  V  vor  t,  d,  s  assimiliert  sich  und  fällt  (vgl.  7  desoz  I 
U  ätez  II): 

Septem  —*-*sette  —*  set,  desuhtus  —**desottos  —►  desos, 
civ(i)taies  — ►  citez;  psalterium  — *•  saltier. 

c  {q)  und  g  zwischen  zwei  r  wird  zu  t  and  d: 
*exiörquere—*'*estorcre—>estortre  43,  surgere —> sordre. 


158  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

m  vor  folgendem  dental  wird  n  (vgl.  3  ponz  III a): 
pomus  —i-pons  —  pon^,  somniaium ~^*somgiet~-> songiet. 
mn  wird  mm->m  (vgl.  9  dame  II): 

dom(i)na  — >  dame,  nom{i)naüs-^nome3. 

Hierher  gehören  anch  eine  reihe  von  oben  besprochenen  erscheinnngen: 
»tj.,  8ci—*ssj,—>%siii);  pij.,  ci%—>tij.~>ts;  pi  und  germ.  c),—>ii;  bj^ 
vj  — >  di  u.  a. 

4.  Palatalverbindungen:  c  und  g  +  dental  oder  liquida, 
sc,  gn,  ng. 

Meist  entstehen  auch  hier  (wie  bei  denselben  lauten  mit 
hiatu8-i)  mouillierte  laute,  aber  in  weit  späterer  zeit  und  nur 
teilweise  zu  denselben  ergebnissen  führend  wie  jene.  Ob  factum 
tlbrigens  durch  allmähliche  er  weichung  des  c  (ähnlich  wie  in 
intervokaler  Stellung)  über  fu^io  —  fajto  zu  fait  wird  oder  ob 
das  palatale  c  das  folgende  t  zu  einem  palatalen  (jotazierten) 
t  umgestaltet  {fact'o—^fatt'o  —  fait),  ist  noch  eine  umstrittene 
frage.  Im  einzelnen  entwickeln  sich  die  lautverbindungen 
wie  folgt: 

et  wird  zu  it  (vgl.  1  reis  I): 

facta  — >  faite,  octoginia  —>  oiiante. 

Desgleichen  gd  zu  id  (im  auslaut  -it): 

rig(i)  da  — >  reide,  rig{i)dum  — >  reit. 

nct  zu  int  (siehe  ebenda): 

sanctum-^  Saint  1. 

CS  wird  zu  iss  —  is  (siehe  ebenda): 

*exiverun  t  -*  eissiren  t,  rex  — >  reis. 

Vor  konsonant  ist  x  schon  früher  zu  s  vereinfacht  worden  (s.  o. 
unter  nr.  1). 

Desgleichen  scs  zu  iss  —  is  (vgl.  18  Franceis): 
Franciscos  — ►  Franceis. 

sc  zu  iss  —  is,  vor  a  zu  si§: 

Frandscum  — >  Franceis,  Francisca  ->  Francesche, 
cognoscitis—*  conoissiez. 
Wie  weit  bei  sc  vor  u,  o  rein  lautliche,  wie  weit  analogische  entwicklung 
vorliegt,  ist  unsicher  (vgl.  18  Franceis). 


A.  Konsonantismus:  V.  Zusammengesetzte  Konsonanzen.        159 

er,  gr  wird  zu  ir  (vgl.  1  reis  I): 

sacramentum  — >  sairement;  nigrum -^  neir. 

cl,  gl  wird  zu  mouilliertem  l  und  weiter  wie  /-*— Z^  ent- 
wickelt: 

mac{u)lam -Emaille,  oc{u)lum-*ueil  —  mit  s:  ueU; 
vigilare  — >  veilUer. 

So  auch  *veclum  (ans  *vetlu-<~vetulum)  zu  vieil  =  viel,  mit  s  vielz, 
*vecla  — >■  vieille. 

gn  sowie  ng  vor  e,  i  wird  zu  mouilliertem  n  und  weiter 
wie  ü-t—ni  entwickelt  (vgl.  2  seignat  II,  7  poin  I): 
signavit  — >  se(i)gnat      pugnum  — >  2?om 
pungendo—^po{i)gnant      longe—>loin,  lointain. 
ng  vor  a  wird  zu  w(?/: 

Zow^ra— »-Zow^re. 
w(^  vor  0,  M  bleibt  (im  auslaut  nc): 

angustia  -*  angoisse,  longum  —>  lonc. 

Ahnlich  entwickelt  sich  nc:  vor  a  zu  «f§,  vor  o,  «  bewahrt  als  nc, 
aber  vor  e,  i  zu  «fs:  intncare  —  tretichier;  truncum —*■  tronc;  ancilla 
— ►  ancele. 

5.  Übergangslaute.  Solehe  entstehen  zwischen  zwei 
mehr  oder  weniger  untereinander  verschiedenen,  unmittelbar  auf- 
einander folgenden  koosonanten  (vgl.  3  ponz  III  b,  20  ensemble) 

t  zwischen  l  und  s,  n  und  s,  s  und  r: 

pomus -* ponjz,  melius -^*miels-^mieh,  ess[e)re—>estre. 
Nur  so  erklären  sieh  neubildungen  wie  Normant  (-and),  obl.  zum 
rektus  Normanz  {•*— Normanmis) ,  romant  zum  rektus  romanz  (ursprüng- 
lich adverb.  romanice). 

d  zwischen  ^r  und  r,  n  und  r,  l  und  r: 
consuere  — *c6s{e)re  — >  cosdre,  ven{i)re  habemus  — *■  vendrons, 
vol{e)re  }iabent—>voldront 
Auch  zwischen  n  und  r,  daher  cingere — *cenere—>ceindre,  plangere 
—*' plaindre. 

b  zwischen  m  und  l,  m  und  r: 
insemel  — *ensemle  — >  ensemble,  cam{e)ra  —>  chambre. . 

6.  Prothetischer  vokal  aus  anlautendem  s  impurum:  siehe 
oben  1,7. 


160  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

B. 

Accent. 


I.  Die  Art  des  Accents. 

Der  lateinische  wortaecent  war  in  historischer  zeit  ex- 
piratorisch (dynamisch),  d.  h.  er  beruhte  auf  der  tonstärke  wie 
im  deutschen,  nicht  auf  der  touhöhe  (musikalischer,  chro- 
matischer accent,  wie  er  bei  uns  z.  b.  in  der  frage,  ausserdem 
mundartlich  sehr  viel  begegnet).  Die  auf  musikalischen  accent 
deutende  terminologie  des  lateinischen  ist  einlach  aus  dem 
griechischen  entlehnt  (accenius  —  zu  canere  —  ist  =  jcQoacpdla, 
acutus  =  o^t'e,  gravis  =■  ßaQvg). 

Der  expiratorische  accent  scheint  im  laufe  der  entwicklung 
eine  Verstärkung  (vielleicht  durch  keltischen  oder  germanischen 
einfluss)  erfahren  zu  haben,  worauf  wenigstens  der  gerade  im 
französischen  und  provenzalischen  fo  aupgedt-hnte  ausfall  der 
unbetonten  vokale  deutet:  die  verstäikung  der  tonsilben  hatte 
die  schwächere  betonung  der  nebensilben  zur  folge  und  trug 
dadurch,  zumal  bei  raschem  sprechen,  zum  ausfall  jener  vokale 
mit  bei. 

Neben  dem  wortaecent  und  zum  teil  unabhängig  von  ihm 
besteht  in  den  modernen  sprachen  der  satzaccent.  Welcher 
art  dieser  in  den  alten  und  mittelalterlichen  sprachen  ge- 
wesen und  welche  rolle  er  in  ihnen  gespielt,  wissen  wir  nicht 
Im  modernfran/ösischen  tritt  im  gesprochenen  satz  der  wort- 
aecent gegenüber  dem  satzaccent  sehr  in  den  hintergrund:  da 
die  unbetonten  silben  meist  verstummt  sind,  bleibt  eine  reihe 
mehr  oder  weniger  gleicbmässig  accentuierter  silben  übrig. 
Expiratorischer  wortaecent  und  musikalischer  satzaccent  fallen 
durchaus  nicht  immer  zuFanimen,  sondern  kreuzen  einander 
häufig.  So  kann  in  dem  satz  Je  connais  cette  maison  die 
Silbe  mai-  die  höchste  musikalische  note,  die  silbe  -son  den 
stärksten  expiratorischen  accent  haben. 

II.  Die  Accentabstnfang. 

Im  mehrsilbigen  wort  finden  wir  neben  der  tonsilbe,  d.  h. 
derjenigen,  die  den  accent  im  gewöhnlichen  sinne  des  Wortes, 


B.  Accent:  I.  Art.  —  II.  Abstufung.  161 

den  hauptaccent,  trägt,  ooch  andere  silben,  welche  schwächer 
betont  sind  als  jene,  untereinander  aber  sich  noch  durch  ver- 
schiedene tonstärke  unterscheiden  können. 

Im  zweisilbigen  wort  gibt  es  eine  haupt-  und  eine  end- 
silbe:  cdput  crücem  prensam  cinctam  usw.  Die  auf  den  ton- 
vokal folgende  endsilbe  ist  nur  schwachbetont,  ihr  vokal 
wird  geschwächt  oder  geht  ganz  verloren:  chief  croiz  Charles 
prise  ctinte.  Dagegen  trägt  eine  dem  tonvokal  vorausgehende 
einzelne  silbe  einen  stärkeren  ton  als  die  schwaehtonige  naeh- 
tonsilbe:  sie  ist  nebentonig.  Ihr  vokal  bleibt  daher  meist 
in  seiner  ursprünglichen  lautung  erhalten,  d.  h.  er  wird  weder 
gedehnt  und  diphthongiert  wie  unter  dem  hauptton  noch  ge- 
schwächt oder  beseitigt  wie  unter  dem  schwachton  (vgl.  coronam 
— ►  corone,  baronem  —*■  baron). 

Wenn  dem  hauptton  zwei  silben  vorausgehen  oder  folgen, 
hat  von  den  beiden  vorton-  oder  nachtonsilben  immer  die  am 
.weitesten  vom  hauptton  entfernte  silbe  den  stärkeren  accent, 
die  zwischen  ihr  und  dem  hauptton  stehende  silbe  ist  schwach- 
tonig  und  wird  ähnlich  behandelt  wie  die  unmittelbar  auf  den 
ton  vokal  folgende  endsilbe  {fortimenie-^forment,  femina-^ 
*femna  — ►  femme). 

Auch  bei  diesen  silben  zeigt  sich,  dass  bei  sonst  gleichen 
Verhältnissen  die  nachtonsilben  schwächer  betont,  vom  haupt- 
ton stärker  gedrückt  sind  als  die  silben  vor  dem  ton. 
So  fällt  in  der  pänultima  der  gleiteworte  auch  das  a  aus 
{colaphum—>colp),  in  der  schwachtonigen  vortonsilbe  wird  es 
nur  zu  e  geschwächt  {btllamente—*belement)  wie  in  der  end- 
silbe. Die  erste  von  zwei  vortonsilben  hat  den  vollen  neben- 
accent  wie  die  einzige  vortonsilbe  {cörondta-^coronee  wie 
Corona— *- corone),  die  letzte  von  zwei  nachtonsilben  hat  bloss 
einen  schwachen  nebenaccent,  ihre  vokale  werden  geschwächt. 

Am  schwächsten  betont  sind  also  die  pänultimasilben  in 
gleiteworten  {colaphum—> colp),  demnächst  die  endsilben vokale 
unmittelbar  nach  dem  hauptton  {unum—^un,  unam—>une)  und 
die  unbetonten  (auf  den  nebenaccent  folgenden)  vortonvokale 
{*V€nirajo—*vendrai,  *portarajo—>porterai).  Dies  sind  die  so- 
genannten Schwundstufen,  welche  meist  völligen  Verlust  des 
Vokals  erleiden.  Einen  schwachen  nebenaccent  haben  die  end- 
silben in  gleiteworten  {facere-^  faire  mit  erhaltenem  endvokal 

Vorctzsch,  Stadium  H.  afrz.  Sprache,    6.  Aufl.  \\ 


162  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

gegen  nigrum —*  neir,  aber  mit  Schwächung  von  w,  o  zu  e: 
numerum—^nomhre,  auch  a:  femina  —  *femna—*femme);  starken 
nebenaccent  hat  die  einzige  vortonsilbe  (cöröna)  und  die  erste 
von  zwei  vortonsilben  {cbrondta).  Stärker  als  alle  ist  die 
haupttonsilbe. 

Ahnliehe  abstufungen  finden  sich  auch  innerhalb  des 
Satzes  bei  gewissen  Worten,  die  bald  stark,  bald  schwächer 
betont  im  satzzusammenhaog  erscheinen  oder  sieh  teils  an 
vorausgehende,  teils  an  folgende  worte  aolehnen.  So  haben  die 
pronomina  meist  eine  starkbetonte  und  eine  nebentonige 
oder  schwachtonige  form  nebeneinander  entwickelt:  mei,  tei, 
sei  neben  me,  te,  se  (nebentonig)  und  enklitisch  m  t  s  (Schwund- 
stufe); meie,  toe,  soe  neben  ma,  ta,  sa;  il,  ele,  eis  neben  le,  la^ 
les,  dazu  die  artikelformen  li,  le,  la,  les,  und  enklitisch  Z,  {l)s 
in  del,  dl,  des,  as,  nel  =  ne  le,  nes  =  ne  les,  quis  =  qui  les  usw. 
Ahnlich  stehen  bei  den  adverbien  und  konjunktionen  neben- 
einander lai  —  la,  quer  —  car,  non  —  ne{n).  % 

Besonders  der  artikel  steht  im  Verhältnis  zum  folgenden 
Substantiv  an  und  für  sich  nebentonig,  daher  zunächst  mask. 
li,  lo,  los,  fem.  la,  las  mit  bewahrung  des  ursprünglichen  vokals. 
Vorausgehende  präposition  zieht  den  nebenton  an  sich,  daher 
lo,  los  zu  le,  les  geschwächt  werden,  bei  völliger  Verschmelzung 
mit  der  präposition  unter  verlust  des  vokals  wie  in  unbetonter 
vortonsilbe;  der  rektus  li  behält  naturgemäss  sein  i  wie  sonstige 
nebentonsilben  {citez  u.  ä.)  stets  ohne  Schwächung.  Die  feminin- 
formen sollten  nach  präpositionen  zu  le  les  werden,  aber  wir 
finden  diese  schwachtonige  form  nur  im  plural,  wo  sie  auch 
im  nominativ  und  präpositionslosen  akkusativ  an  stelle  de» 
nebentonigen  las  erscheint,  während  im  Singular  die  neben- 
tonige form  la  die  schwachtonige  form  le  verdrängt  hat 
(welche  hingegen  im  picardischen  dialekt  durchgedrungen  ist). 
Auf  ähnliche  weise,  durch  entstehung  von  doppelformen  und 
sekundäre  ausgleichung  zu  gunsten  der  einen  von  beiden, 
erklären  sich  vermutlich  auch  die  Verschiedenheiten  in  der 
entwicklung  der  Possessivpronomina:  nebentonig  mon,  ton, 
son,  ma,  ta,  sa  neben  sohwachtonig  mes,  tes  ses  (dialektisch 
auch  men,  ten,  sen,  me,  te,  se).  Endlich  finden  sich  solche 
vollentwickelte  langformen  und  schwachbetonte  kurzformen 
auch  in  Substantiv  und  verb:  in  jenem  dans  —  dan  für 


B.  Accent:  III.  Stelle  des  Hanptaccents.  163 

dom(n)es  —  dom(n)e  (vgl.  9  domina) ,  sieur  (monsieur)  neben 
seigneurtr— senior em\  in  diesem  es  neben  ics  (lat.  &),  ai  as 
at  (habeo  -es,  -et)  für  *age,  *es,  *et  (vgl.  2  at),  vat  neben  vet 
(vadit). 

Auf  die  konsonantische  entwieklung  wirkt  die  aecent- 
abstufung  insofern  ein,  als  auslautende  koDSOuanten,  die  un- 
mittelbar nach  dem  hauptton  erhalten  bleiben,  in  unbetonter 
Silbe  fallen  (wie  rem-^rien  gegen  unum-^un,  apud  hoc—^avuec 
gegen  nec—>ne)  oder  als  solche  konsonanten  in  unbetonter 
Silbe  früher  fallen  als  in  betonter  [jwrtat -oportet  =  porte 
gegen  portavit  —  *portaut—> portdt).  Durch  den  schwächeren 
accent  und  die  damit  zusammenhängende  kürzere  ausspräche 
erklärt  sich  auch  der  ausfall  von  sonst  festen  konsonanten  in 
proklitischen  werten:  h  in  ubi—*-o  ou,  l  in  dels-^ des,  als—*-as, 
eis -^  es,  qui  les  —  quils—>qiiis  97. 


in.   Der  Hauptaccent  und  seine  Stelle. 

Im  lateinischen  herrscht  das  sogenannte  dreisilbengesetz, 
d.  h.  der  hauptaccent  tritt  nicht  über  die  drittletzte  silbe 
zurück.  Er  ruht  in  mehrsilbigen  werten  auf  der  pänultima, 
wenn  sie  lang  ist,  auf  der  antepänultima,  wenn  jene  kurz  ist. 
Zweisilbige  werte  haben  den  accent  auf  der  pänultima. 

Diese  Verhältnisse  haben  im  französischen  nur  scheinbar 
eine  Verschiebung  erfahren.  Durch  den  ausfall  unbetonter 
vokale  in  der  letzten  und  vorletzten  silbe  sind  eine  reihe  von 
barytonischen  werten  zu  oxy tonischen  geworden  {monasterium 
—*mostier,  ratwnem—> raison,  civitatts—>citez  usw.).  In  allen 
diesen  fällen  aber  hat  der  lateinische  accent  seine  stelle  nicht 
verändert. 

Eine  accentverschiebung  findet  sich  in  verschiedenen  fallen, 
die  ihre  erklärung  teils  in  phonetischen  Ursachen,  teils  und 
zu  allermeist  in  der  analogie  finden.  Nachdem  so  infolge  der 
regelmässigen  entwieklung  die  oxytonierenden  werte  das  Über- 
gewicht erlangt  hatten,  ist  es  erklärlich,  dass  neu  in  die 
spräche  aufgenommene  worte  diesem  betonungpprinzip  angepasst 
wurden.  Daraus  erklärt  sich,  dass  gerade  die  lehn  und  fremd- 
worte  häufig  eine  abweichung  von  dem  ursprünglichen  accent 
zeigen. 

11* 


164  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

1.  Der  lateinisclie  accent  behält  in  erbwörtern 
«eine  stelle  (vgl.  5  moillier  1*): 

diurnum~*jorn,  nionasterium—*mosüer,  coronam-^corone. 

2.  Aecentverlegung    infolge    lautlicher    Vorgänge. 

a)  In  den  aus  betontem  %  (e)  und  unmittelbar  fol- 
gendem e  oder  p  entstehenden  diphthongen  ie  und  io 
(eo)  rtiekt  der  accent  auf  den  zweiten,  volleren  vokal 
(vgl.  5  moillier  1^): 

muUerem  —*■  *mutierem  — >  moillier 
fiUolum  —>  ßliölum  — >•  ßlluel 
capreolum  — >  capreölum  —*-  chevruel. 

Diese  rein  phonetische  accentverschiebang  ianerhalb  eines  diphthongen 
ist  im  laufe  der  entwicklung  noch  öfter  anzunehmen:  so  in  e — >ie.--^ie, 
p —*■  üo —*■  üe —*■  ue,  üi—*-ui  u.a.  Dasselbe  wiederholt  sich  später:  vgl. 
rei—*-r6i-^röe—*-tob  —  rod.  —  Nicht  hinreichend  erklärt  ist,  weshalb 
parietem  geschlossenes  e  entwickelt:  *panete—*-parti — paroi  (gegen 
mulifrem  —  moillier). 

b)  In  gleiteworten,  deren  letzte  silbe  mitmuta  -{-  r 
anlautet,  rtiekt  der  accent  auf  die  pänultima: 

cathedra— >  cathedra—*- chaier  6  116 
tonitru  -^  tonitru  — »■  toneire  (359) 
integrum  —*■  integrum-^  entier. 

Nach  Neumann  liegt  der  grund  darin,  dass  r  silbisch  wurde  und 
einen  vokal  aus  sich  entwickelte  {inteyxum —*- integerum)  und  die  nun- 
mehr auf  der  viertletzten  silbe  betonten  worte  dem  dreisllbengesetz  an- 
gepasst  wurden.  Es  scheint  jedoch,  dass  die  betonung  auf  der  pänultima 
von  haus  aus  die  natürliche,  volksmässige,  die  auf  der  antepänultima  die 
auf  der  prosodischen  messung  beruhende  betonung  der  gebildeten 
spräche  war. 

3.  Aecentverlegung  infolge  analogiseher  Vorgänge. 

a)  Die  3.  plur.  perf.  wird  an  die  1.  und  3.  sing,  an- 
geglichen (vgl.  18  o'irent): 

hdhuerunt  nach  hdbui,  hdbuit,  daher  öurent. 

b)  Angleichung  an  das  simplex  (rekomposition  —  ygl. 
11  conquerrai  I,  12  respondiet): 

vendidit—>vendedit  nach  dedit,  daher  vendiet. 


ß.  Accent :  III.  Stelle  des  Hanptaccents.  —  C.  Vokalismus.  165 

e)  Übergang  in  andere  konjugationsklassen  (konju- 
gationstauseh  —  vgl.  31  chtir): 

cader  e  — >  cadsre  — >  cheeir 

cader  e  — >■  *cadire  — >  che'ir 

extorquBre  — >•  *ext6rquere  —*■  estortre. 

Diese  aoalogisehe  accentverlegung  ist,  wie  die  angeführten  fälle 
aeigen,  meist  die  folge  anderer  vorgäüge,  die  mit  dem  accent  an  und  für 
sich  nichts  zu  tun  haben.  Es  ist  in  habaerunt  nicht  der  accent  von  dem 
e  auf  das  a  verlegt  worden,  sondern  man  hat  zu  hdbifi,  hd^^it  eine  neue 
3.  plur.  häby,erunt  gebildet,  ebenso  zu  füi  ein  fü{i)sti,  fü(i)stu,  zu  bdtt^o, 
e6ni'\io  neue  Infinitive  bdttuere,  cönsuere,  zu  cadis,  cadit  —  cades,  cad^t  ein 
cadsre  (wie  zu  hab^s,  habet  ein  hab^ie  vorhanden  war). 

4.    Aceentverlegung  in  lehn-  und  fremdwörtern: 
fiaQrvQ{a)  —  mdrtyr  -^  martirs  165 
cdlicem—^calice  177 
rüsticum —*- rustique  (gegen  ruiste  254) 
v6lucrem—>volücre  127. 


C. 

Vokalismus. 

Die  entwieklung  der  vokale  hängt,  wie  schon  aus  dem 
vorigen  abschnitt  hervorgeht,  im  wesentlichen  vom  accent  ab. 
Dieser  entscheidet  in  erster  linie  über  schwinden  oder  ver- 
bleiben, dehnung  oder  kürzung  eines  vokals.  Demnächst 
kommt  silbensehluss  und  art  der  umgebenden  laute  in  betracht. 
Unbetonte  vortonvokale  fallen  leichter  vor  einfacher  als  vor 
zusammengesetzter  konsonanz,  desgleichen  bleiben  endsilben- 
vokale vor  -nt  sowie  nach  gewissen  ohne  vokal  schwer  sprech- 
baren konsooanzen  bestehen.  Nebentonige  vortonvokale  ver- 
ändern sich  an  und  für  sich  nicht,  wol  aber  unter  eioflass 
eines  vorausgehenden  oder  folgenden  konsonanten  oder  auoh 
eines  folgenden  tonvokals.  Silbenschliessende  haupttonvokale 
endlich  behalten  ihre  länge  oder  werden  lang,  haupttonvokale 
in  konsonantisch  schliessender  silbe  bleiben  kurz  oder  werden 
gekürzt.    Die  kurzen  vokale  behalten  dabei  meist  ihre  qualität, 


166  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

die  langen  werden  zweigipflig  (doppelteilig:  da,  ob,  ee)  und 
differenzieren  ihre  beiden  glieder  meist  zu  diphthongen. 

Neben  den  spontanen,  nur  von  accentstärke,  silbensehluss 
und  Vokalquantität  abhängigen  lautwandel  der  vokale  tritt, 
namentlich  bei  den  ton  vokalen,  seltener  bei  den  nebenton- 
vokalen,  der  bedingte,  von  den  umgebenden  konsonanten  oder 
vokalen  beeinflusste  lautwandel:  freies  ^  zu  ei  {plena—> pleine), 
vor  l infolge  umlauts  zu  i  {*prensi—*'pris), nach  c,  gmi {mercedem 
—>mercit);  ei  in  der  späteren  entwicklang  zu  oi—*-ua,  vor  nasal 
aber  als  ^  —  ?  geblieben  (plein,  pleine);  unterm  nebenton 
freies  a  erhalten,  nach  c  palatalisiert  zu  e  (baron  —  Chevaliers). 

Einige  änderungen  gehen  die  vokale  verschiedenartig  be- 
tonter Silben  an.  Der  nahezu  gemeinromanische  Übergang  von 
t  in  den  nächstverwanten  laut  ß  und  ebenso  von  ü  zu  o  voll- 
zieht sich  allgemein,  in  haupttoniger  wie  in  nebentoniger  silbe, 
und  so  auch  in  der  schwachtonigen,  wo  das  französische  jedoch 
den  neuen  laut  entweder  zu  e  verdumpft  oder  ganz  beseitigt 
hat.  Der  galloromanische  wandel  von  ü  zu  ü  tritt  in  haupt- 
toniger wie  in  nebentoniger  silbe  ein  (schwachtonige  kommt 
wegen  Untergangs  der  lat  IV.  deklination  nicht  in  betracht). 
Die  franzöisische  (teilweise  auch  provenzalische)  nasalierung 
der  vokale  vor  nasal  betrifft  wiederum  die  silben  aller  accent- 
stärken. 

I.   Allgemeines  über  die  haupttonigen  Vokale. 

1.  Lat.  «  und  u» 

Lat.  kurzes  (offenes)  i  wird  in  freier  wie  in  gedeckter 
Stellung  zu  geschlossenem  e  (vgl.  2  en): 

cinctam  — >  cenda  — ►  cßinte,  ßdem  -^  fßde  —>  feit. 

Lat.  kurzes  (offenes)  u  wird  in  freier  wie  in  gedeckter 
Stellung  zu  geschlossenem  o  (vgl.  1  jorn  II): 

diurnum  ->  jgrn,  gula  — >  gole 

2.  Die  Quantität  der  tonvokale. 

Kurzer  vokal  in  offener  silbe  wird  lang,  langer  vokal  in 
geschlossener  silbe  wird  kurz  (Ten  Brink'sches  gesetz  —  vgl. 
2  Chief  IVsi): 


C.  Vokalismus:  I.  Allgemeines  über  die  haupttonigen  Vokale.       167 

Caput  — >  cäpo  —  Chief  quaerere  —  qu^r(e)re  — >  quqrre 

fidtm  — >  f^de  —  feit  dsbita  —  deh{i)ta  — >  dette. 

Betonte  einsilbige  worte  haben  stets  langen  vokal,  auch  vor  kon- 
sonantischem silbenschluss :  irans  —  träs  — *•  tres^  rem  —  r^m  — >  rien,  cor  — 
c^r  — >■  euer. 

3.  Die  spontane  diphthongierung. 

Die  ursprünglich  langen  oder  nach  2)  gelängten  vokale 
neigen  zur  zweigipfligen  ausspräche,  deren  ergebnis  in  den 
meisten  fällen  die  diphthongierung  oder  sonst  eine  qualitative 
Veränderung  des  vokals  ist.    So  wird 

vulgärlat.  g  zu  uo  —  ue:*völet  —  *vglet—*'VuoU  —  vuelt 
„         ?  zu  ie:  merum  —  m^ro—^-mier 
„         f  zu  ei:  plenam—* pleine. 

Die  diphthongiernng  beruht  auf  der  länge  und  der  daraus  hervor- 
gehenden Zweigipfligkeit  des  vokals.  Dieser  braucht  also  zur  zeit,  als 
die  diflFereDzieruug  des  6b  zu  wo,  e'e  zu  ie  eintritt,  nicht  mehr  in  freier  silbe 
zu  stehen :  daraus  erklärt  sieh,  dass  ö,  welches  in  unserem  text  noch  als  ö 
erhalten  ist  {proz,  lor,  color),  noch  im  12.  jabrh.  zu  ou  —  eu  diphthongieren 
kann.  Die  beim  eintreten  des  galloromanischen  endvokalgesetzes  vor- 
handenen vokallängen  bleiben  erhalten,  sie  fallen  nicht  mehr  unter  das 
viel  ältere,  gemeinromanische  gesetz  von  der  kürzung  der  langen  vokale 
in  gedeckter  Stellung. 

4.  Der  Umlaut. 

Vor  folgendem  «  wird  geschlossenes  e  (lat.  e  oder  i)  zu  i, 
geschlossenes  o  (lat.  ü  oder  ö)  zu  ü  (vgl.  1  fuf,  7  il): 

iUi—>il  {  füi—>fm 

'*pre{n)si—>pris  j  tötti—*tüit_ 

Wie  weit  auch  folgendes  hiatus-i  umlaut  wirkt,  ist  noch  strittig, 
doch  scheint  der  umlaut  gesichert  bei  H,  ry.  cilium — >  cü,  ^brium — ►iwre 
(65u>,  auyünum  — *■  tür.  In  andern  fällen  war  das  hiatus-i  schon  in  dem 
vorangehenden  konsonanten  aufgegangen,  ehe  der  i-umlaut  eintrat. 

5.  Die  bedingte  diphthongierung. 

Unter  einfluss  eines  folgenden  i  (l,  %  jothaltige  konss.) 
oder  M  werden  die  offenen  vokale  q  und  q  zu  ie  und  uo  —  ue 
diphthongiert  (vgl.  6  mielz  II,  11  espitt  II): 


168 


18 

Zweiter  Teil:  Die 

Lautgesetze. 

melius—^ 
speot— i 

-  mieU 

-  espieut 

—  espiet 

*voleo-io  — > 
corium  — > 

■  vuoil—^ 
■ *cuoir  - 

.  vueil 
—  cuir. 

Diese  diphthongierung  beruht  nicht  auf  der  länge  des  vokals,  sie 
tritt  daher  auch  in  geschlossener  silbe  ein.  Die  ausspräche  des  u  in  diesem 
diphthong  uo  —  ue  war  vermutlich  ü. 


6.   Die  nasalieruDg. 

Die  nasalieröDg  der  vokale  vor  n  oder  m  tritt  altfranzöaiseh 
in  offener  wie  geschlossener  silbe  ein,  wenn  sie  auch  in  der 
letzten  vermutlich  älter  ist.  Sie  betrifft  alle  vokale.  Doch 
werden  nur  ß  und  ^  zugleich  auch  in  der  klangfarbe  verändert, 
die  übrigen  vokale  behüten  ihre  vorherige  qualität  (gedecktes  p 
vor  nasal  ist  schon  früher  zu  g  geworden). 

Also: 

unum  —  ün  — >  ü,  una  — >  üne  — >•  üne; 

de  unde — dont  ■—*■  dqt,  Corona  — »•  corone,  mgntat — montet  —>  motet; 

tantum  —  tant—^tät,  sanctum—>saU,  longitanum—>lo%ta%; 

plena-^pltine,  cincia—>ceUe,  flnem—^ft; 

aber :  -m^nte  —  ment  —> mät,  in  —  en—* ä; 

fem(i)na  — >■  ßme  — >  fäme. 

Die  nasalierung  ging  von  den  folgenden  nasalkonsonanten  n  und  m 
ans:  die  zu  deren  ausspräche  nutwendige  luckerung  des  gaumensegels 
wurde  bereits  bei  der  ausspräche  des  vorausgehenden  vokals  voraus- 
genommen. In  der  ältesten  zeit  wurde  jedenfalls  auch  der  nasalkonsonant 
noch  gesprochen:  en  =  än  —  äv  (mit  -vg  am  ende),  plein  =  pletn  —  pleXv, 
ebenso  wie  a,nch  in  offauer  aUhe  pleine  =  plrtne,  corone  =  coröne.  Im  laufe 
der  zeit  ist  er  in  geschlossener  silbe  verloren  gegangen,  nur  der  nasalvokal 
ist  übrig  geblieben  (S),  während  in  offener  silbe  die  nasalierung  des  vokals 
seit  dem  17.  jahrh.  wieder  verloren  ging  und  nur  der  nasalkonsonant  er- 
halten blieb  (pleine  =  pl^n).  —  lua  folgenden  ist  die  nasalierung  nur  bei 
denjenigen  vokalen  besonders  berücksichtigt,  welche  zugleich  qualitative 
Veränderungen  erlitten  haben. 


IL  Die  einzelnen  hanpttonigen  Vokale. 

ü  wird  in  freier  und  gedeckter  Stellung  zu  ü  (vgl.  1  un): 
ünum~>un  (ü),  nüUum—>nul;  drüt-—>drut. 


C.  Vokalisnins:  ü.  Die  einzelnen  haupttonigen  Vokale.  169 

ü  wird  in  gedeckter  stellnng  zu  kurzem  o  (vgl.  1  jorn  II): 
diürnum-^jorn,  unquam—^cnque  (oke), 

in  freier  Stellung  zu  p  (wie  ursprüngliches  ö,  vgl.  2  corone  III): 

güla  —f  göle, 
vor  I  (i)  in  freier  oder  gedeckter  Stellung  zu  ü  (vgl.  1  fut): 

füi-^  für,  augürium  — >  eür, 
mit  sekundärem  (aus  mouillierten  konss.  entstandenem)  i  zu 
öl  (vgl.  2  cro«>,  7  jpom): 

crucem  —> croiz,  pugnum—t'poin, 
in  lehn  Worten  zu  ü  (vgl.  4  dus): 

ducem—*duc. 

ö  wird  in  gedeckter  Stellung  zu  kurzem  o  (vgl.  22  cort): 

cohortem  —  cörtem  — ►  cgrt  (wie  oben  jorn), 

bleibt  in  freier  stellang  als  ö  (vgl.  2  corone  III): 

Corona— »-coröne  {corone),  *prodis-*prüz, 

wird  vor  I  (^^  zu  i*  wie  oben  m: 

tötti  — >•  ^tti^, 

mit  sekundärem  i  zu  pi: 

co^wosci^— >  cowpjs^. 

Vor  folgendem  labialkonsonant  ist  geschlossenes  o  (lat.  ti  und  9)  zu 
offenen  o  geworden  und  entwickelt  sich  wie  dieses:  Stttm— >"püM— »-«e/, 
)ttucw«m  —^jgvene  —^juevne. 

o  bleibt  in  gedeckter  Stellung  als  g  (vgl.  15  portet  I): 
portat  -oportet, 

wird  vor  gedecktem  oder  auslautendem  nasal  zu  p  —  ö: 

*mgntat—^mö{n)tet  133,  com{i)tes —*- co(n)tes  137, 
hom{i)nes—>-homes  —  hgtnes  208, 

diphthongiert  in  freier  Stellung  über  wo  zu  üe  (vgl.  22  &o«5): 
*i;oZe<  — >-  vuelt,  bonum  -*  &Mew, 

diphthongiert  in   freier  oder  gedeckter  Stellung  vor  mouil- 
lierten konsonanten  zu  uo  —  ue  (vgl.  6  mielz  II): 
*voleo  — >  vueil, 


170  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

mit  sekundärem  i  zu  uoi  —  ui: 

*postms  — >■  *puois  —  puis,  noctem  — >  *  nuoit  —  nuit. 

Domina— >dame  9  erklärt  sich  als  nebentonige  form.  —  Deo{r)8um 
(746,  vgl.  8.  11)  wird  unter  einfluss  von  su(r)tium  —  sus  za  jus  (vgl.  ital.  giü). 

au  wird  zu  offenem  o  (vgl.  3  or): 

aurum  —*■  or, 
mit  folgendem  i  zu  Qi: 

gaudia~->jgie  118. 
So  auch  -abula—>-aula-^*--Qle:pardbola~-*'parole^\  ha* hora-->-gre,fr. 

u  in  gedeckter  Stellung  bleibt  (vgl.  1  Charles  I): 

Karlo —> Charle,  *sabium—*sage\  tantum-^tant, 
mit  folgendem  i  zu  ai: 

facta— *faite,  sanctum—*- saint, 

in  freier  Stellung  (ausser  nach  palatal  oder  vor  palatal  oder 
nasal)  zu  f  (vgl.  3  espee  IV): 

spaiham  -^  esp^*' ;  tra{n)s  -^  tres, 
in  freier  Stellung  nach  palatal  zu  ie  (vgl.  2  chief  IV  b): 

Caput—* Chiefs  * pretiare-^ preisier, 
in  freier  stelluog  vor  palatal  bleibt  a: 

pacat  —  paiet,  plaga  —  plaie, 
in  freier  Stellung  vor  nasal  zu  ai  —  aV. 

*longitanum-^lointuin,  68,  *remdnet—>rema%nt  92, 
vor  silbenschliessendem  labial  zu  g  (vgl.  2  Rout  IV): 
habuit  —  auuit-^out,  clavum  —  clau—>clou. 

Der  Übergang  von  freiem  a  za.  e  beroht  auf  der  länge  oder  dehnuog 
des  a  in  freier  stei  ung  (vgl.  s,  166  f.  unter  12,  3)  ebenso  wie  die  diph- 
thongierung  von  freiem  f,  p,  f,  p,  führt  also  möglicherweise  durcu  eine 
diphthongische  Vorstufe  hindurch  (da — äb  —  ee — e).  —  Die  endung  -arium, 
-ariam,  nimmt  eine  besondere  entwicklung:  vgl.  4  chevaUers  I. 

ae  wird  kontrahiert  zu  ^  (vgl.  9  ciel  II): 
daraus  in  freier  Stellung  der  diphthong  ie: 

caelum—*-c^lo  — >  ciel, 
in  gedeckter  Stellung  kurz  ?: 

quaerere  — >  qu^r(e)re  -^  querre. 


C  Vokalismns:  IL  Die  einzelnen  haupttonigen  Vokale.  171 

c  in  gedeckter  Stellung  bleibt  (vgl.  6  hei  I): 

hellum—^hel, 

wird  vor  auslautendem  oder  gedecktem  nasal  über  S  zu  ä 
(vgl.  2  en  II,  12  folement  II): 

*  follamente—*'  folement  =  folemät, 

diphthongiert  in  freier  Stellung  zu  ie  (3  mier  II): 

merum-^mier,  bene~*bien  (biS), 

diphthongiert,  frei  oder  gedeckt,  vor  mouillierten  konsonanten 
oder  vor  u  zu  ie  (vgl.  6  mieh  II,  11  espiet  II): 

melius— *-mielj3,  monasterium—*-mo stier, 
mit  sekundärem  i  zu  iei,  reduziert  zu  i: 

despecium  —>  *despieit—*  despit, 
mit  u  zu  ieu,  gewöhnlich  zu  ie  reduziert: 

deum  — »•  dieu,  speot—*  espieuf  — ►  espiet 
Wegen  1)(m  und  Dp  vgl.  v.  32. 

e  in  gedeckter  Stellung  wird  gekürzt  zu  ^: 

deb{i)ta-^d$te, 
mit  sekundärem  i  zu  ei  (vgl.  1  reis  II): 

rex  — >■  re«5,  directum  — »•  cJreiY, 
vor  gedecktem  oder  auslautendem  nasal  über  ^  —  ^  zu  « 
(vgl.  2  ew  II): 

prendit— *  prent  =  prät  86,  prendent,  prendre, 
diphthongiert  in  freier  Stellung  zu  ei  (vgl.  8  pleine): 
plenum  —yplein,  plenam  —> pleine ;  tres  — ►  treis, 
wird  nach  palatal  in  freier  Stellung  zu  i: 
mercedem-^mercit  32, 

frei  oder  gedeckt,  vor  folgendem  t  (i)   umgelautet   zu   i 
(vgl.  7  iiy. 

*pre{n)si—*-pris,  ebrium—^ivre. 

t  in  gedeckter  Stellung  wird  zu  ^  (vgl.  2  ««  I): 

mittit-^m^t, 


172  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

mit  sekundärem  i  zu  d: 

nigrum—*-neir;  cinctam—*'Ceinte, 
vor  gedecktem  oder  auslautendem  nasal  ebenso  wie  e  zu  ä 
(vgl.  2  en  II): 

intra—> entra—^ entre  =  ätre,  in—*'en  =  Ä, 
in  freier  Stellung  lang  ($)  und  diphthongiert  zu  ßi  (wie  lat.  e): 

fidem—t-f^it;  quid  (betont) ->g«f^, 
frei  oder  gedeckt,  vor  folgendem  ?  (i)  umgelautet  zu  *: 
illi—*-il,  cilium—^cii. 

i  bleibt,  frei  oder  gedeckt,  als  i  erhalten  (vgl.  13  dist  I): 
vidit  -r*  vit,  dixit  — >  dist 

III.  Die  nebentonigen  Vokale. 

(Vokale  in  nichthaupttonigen  anlautsilben.) 

ü  wird  wie  unter  dem  haupttqn  zu  ü  (vgl.  1  un  II): 
jurare  —^jurer,  Hugonem  — >  Hugon. 

ü,  ö  wird  in  freier  wie  in  gedeckter  Stellung  zu  p  (nfr.  ou): 
*diurnata  -^jornee,  *monistermm  — >•  möstier  —>  mgstier. 

o  bleibt  in  gedeckter  Stellung  (nfr.  o  —  vgl.  12  folement  II): 

*follamente  — >  fglement, 

wird  in  freier  Stellung  zu  o  (nfr.  ou  —  vgl.  2  corone  V): 

Corona  —>  corone. 

Ö,  ö,  u  vor  nasal,  frei  oder  gedeckt,  zu  e  (vgl.  4  demeines  III): 
dominium  —*■  demeine,  truncare  — >  trenchier. 

au  wird  wie  unter  dem  hanptton  zu  q  kontrahiert,  vor  vokal 
zu  0  (nfr.  ou  —  vgl.  3  or  I,  18  ouent): 
*au{c)toricare  — *•  gtreiier;  audiverunt—*-  mrent 

Vor  folgeEdem  betonten  u  wird  au  durch  dissimilation  zu  a:  auffustum 
— >•  *agti8tum  — >  aost,  nugurium  — >  *agurium  — >•  *aür  —  dir. 


C.  Vokalismus:  III.  Die  nebentonigen  Vokale.  173 

a  bleibt  in  gedeckter  Stellung  stets  erhalten  (vgl.  4  harons  III): 
incalciare  —*■  enchalcier,  mandare  — >  mander, 
in  freier  stellang  (ausser  nach  c  und  g)  erhalten: 

*  baronem  — >-  baron, 

« 

wird  in  freier  stellang  nach  c,  g  zu  e  (vgl.  4  Chevaliers  Va): 
caballarios  —*■  Chevaliers,  gal(l) ina  — > geline. 

Vor  unmittelbar  folgendem  betonten  ü  (nach  ausfall  dazwischen- 
«tehender  konsunaaten)  wird  a  zu  e:  a{u,)gurium  —  *aür — *-eür,  maturvm 
—  *maür—*-meür.  —  Zu  ca-  vgl.  noch  73  chameilz,  116  chaieres. 

ae  wird    frei    und    gedeckt   zu   e  kontrahiert    (vgl.  11   con- 

querrai  III): 
conquaerere  +  habeo -^ conquerrai,  ^exlaetitiare—*- esleecier  174. 

e  bleibt  frei  und  gedeckt  als  e  (14  legiers  II): 

*  leviarium  ->  legier. 

e,  *  bleibt  frei  und  gedeckt  als  e  (vgl.  2  ew  I,   10  5m^  III): 

ssdisset  — >•  seis^,  signavit  — >  seignat. 

Die  qualität  dieser  aus  ae,  e,  e,  ?  entstandenen  e  ist  nicht  sicher, 
vielleicht  war  sie  zunächst  bei  allen  die  gleiche.  —  Vor  r  (vereinzelt  auch 
vor  l  oder  nasal)  wird  e  zu  a:  mercatum  — >•  marchiet,  per  — ►  par,  parmi  usw. 
Vorsilbe  ra-  für  re-  ist  auch  sonst  häufig  (raneiet  Eulalia,  ramtiSr, 
ratenir  usw.). 

♦  bleibt  frei  und  gedeckt  als  i  (vgl.  9  veistes  IIa): 
cloitates —>  citez, 
wird  zu  ß  vor  folgendem  haupttooigen  *: 

vi(nnum—>'veisin,  vidisti  —  *vedist--*'Vets. 

Nasal  vokale.  Vor  nasal  entstehen  bei  sämtlichen  vokalen 
die  entsprechenden  nasal  vokale: 

Imperator  — >  emperere  ==  aperere 

repentit  (zu  paenitere)  =  repätit 

manderai  =  mäderai 

truncare  — ►  trenchier  =  tr achter  s.  o. 

*respondedit  — »■  respödiet,  longitanum  — >  loitai. 


174  Zweiter  Teil:  Die  Lautgesetze. 

Diphthongen.  Mit  sekundärem  i  (ans  mouillierten  kon- 
sonanten)  entstehen  die  entsprechenden  diphthongischen  Ver- 
bindungen: 

*adrationare  —*-  araisnier  8 
*pretiare—*-preisier  13 
gaudiosum  — ►  joios  858. 

Eine  eigentliche  diphthongierung  findet  in  nebentoniger  silbe  nicht 
statt,  sie  ist  an  die  haupttunsilbe  gebunden.  Daher  edeecier  gingen  litt  •*— 
laetum,  volons  voleir  gegen  vuelt,  meillor  gegen  mieldre  mielz,  preisier 
gegen  *prieiset  — priset. 


IV.   Die  schwachtonigen  Yokale. 

1.  Hiatusvokale. 

Unmittelbar  vor  vokal  stehendes  unbetontes  u  oder  i 
(oder  e)  wird  zum  halbvokal  {u — j,),  später  teilweise  ganz 
konsonantisch  {v — j). 

Wegen  der  einzelheiten  vgl  oben  den  konsonantismus,  abschnitt  IV. 
Aus  verschlnsslaut  +  U  entstandenes  im  wird  je  nach  den  umgebenden 
lauten  verschieden  behaudelt  (wichtig  namentlich  die  «t-perfekta,  deren 
entwlcklung  freilich  manche  Schwierigkeit  bietet).  —  Hiatus-i  lallt  nur 
nach  qu  {quietum — >coit)  sowie  in  *paij.etem  (vgl.  5  moillier  Ib) — *-paroi, 
sonst  verschmilzt  es  mit  den  vorausgehet) den  konsonanten  zu  mouillierten 
Verbindungen,  worüber  konsonantismus  IV  zu  vergleichen. 

2.  Die  pänultima  in  gleiteworten. 

In  der  unbetonten  pänultima  fallen  sämtliche  vokale,  aneh  o, 
ans  (vgl.  9  dame  1): 

domina  -^*domna  — >  dame,  colaphum  — ►  colp. 

Der  Vorgang  beginnt  bereits  in  lateinischer  zeit  und  setzt  sich  bis 
in  die  französische  sonderperiode  fort.  Formen  wie  cewdre  =  cingere 
(prov.  cenhtr),  juevne  =juvenem  (prov.  joven)  sind  nur  französisch. 

3.  Unbetonte  vortonvokale. 

Die  vokale  der  zwischen  nebenton  und  hauptton  stehenden 
vortonsilben  verstummen  vor  leichter  konsonanz,  ausgenommen  a, 
das  als  e  erhalten  bleibt  (vgl.  1  mostier  IV): 

*monisterium  —*  mostier ,  *baronatus  — >  barnez; 
})ellamente—*-helement. 


C.  Vokalismus:  IV.  Die  schwachtonigen  Vokale.  175 

Vor  schwerer  konsonanz  werden  die  vokale  ausser  a  zu  e 
geschwächt  (vgl.  17  corrtciez  I): 

*corruptiatus  — *  correciez;  caballarios  ->  Chevaliers. 

Sekundärer  ausfall  eines  aus  a  entstandenen  e  neben  r: 
comparare  habetis — >compartrez — *-coniparrez  (siehe  v.  24). 

Erhaltung  des  vortonvokals  unter  analogiscbem  einfluss: 
coronee  statt  *cornee  nach  Coronet  coröne  (siehe  v.  6). 

Erhaltung  des  vortonvokals  in  lehnworten: 

Imperator— >emperere  (siehe  v.  5j,  peregrinum—>pelerin. 

4.   Die  vokale  der  endsilben. 

Die  vokale  der  unbetonten  endsilben  fallen  ausser  a,  das 
als  e  erhalten  bleibt  (vgl.  1  un  III): 

unum—>un,  habuit—^ont; 
prensam-^prise,  portal— oportet. 

Die  unbetonten  endsilbenvokale  bleiben,  in  der  regel  zu  e 
geschwächt,  in  folgenden  lallen  erhalten: 

a)  vor  mehrfacher  konsonanz  {nt  —  vgl.  18  öirent)'. 

audiverunt  —*■  ouent. 

b)  nach  gewissen  ohne  vokal  schwer  spreehbaren  kon- 
sonantengruppen  (zwei  angleichen  liquiden  oder  nasalen,  nasal 
-f  liquida,  l  -f  nasal,  dental  +  r,  labial  +  r  oder  l,  konsonant 
+  Zischlaut,  vgl.  1  Charles  III,  27  riches  III) : 

somnum  —*  somn e,  insemel  —*■  ensemhle, 
d.  helm—^helme,  pntrem—*-pere,  febrem—^fievre, 
*sabiuni  —*  sage. 

Also  nicht  nach  r  +  nasal  (diurnum—^jorn,  vermem—>verm),  palatal 
+  r  (nigrum—>neir),  palatal  +  l  {periclum—>-peril,  vigilo—>veil). 

c)  von  den  gleiteworten  verlieren  die  in  alter  zeit  redu- 
zierten auch  den  end vokal:  plac{i)tum-*plait  860;  die  später 
reduzierten  behalten  ihn  (wol  wegen  des  darauf  liegenden 
schwachen  nebentons):  fac{e)re-*  faire. 

d)  auslautendes  u  oder  i  verschmilzt  mit  vorausgehendem 
tonvokal  zum  diphthongen:  de-um-^deu  —  dieu,  fu-i—>  fui {etwa 
deüj  dieü,  f'üi  genprochen); 

so  auch  bei  früher  gefallenem  zwischenlaut: 

paucum-^pou,  locum~>*lou-^lieu,  habui—*'*auui—*'Oi. 


176  Übersicht. 


* 


Übersicht  der  gebrauchten  Zeichen. 

geworden  zu 

entstanden  aus  (s.  5) 

erschlossene,  in  der  schriftliehen  tlberlieferung  nicht  belegte 

Worte  oder  formen  (s.  8) 
[  freie  Stellung  des  vokals  (in  einer  mit  vokal  scbliessenden 

Silbe) 
]  gedeckte   Stellung    des    vokals    (in    einer    mit    konsonant 

scbliessenden  silbe)  (s.  14  u.  36) 
Punkt  {?  0  i  u)  bezeichnet  geschlossene  ausspräche  eines  vokals 
Häkchen  {§  q  \  ^)  bezeichnet  offene  ausspräche  (s.  6) 
iu  bez.  konsonantische,  nicht  silbenbildende  i  und  v,  (s.  10) 
ä  ^  1 5  ü:  nasaliertes  a  e  i  o  ü  (s.  8) 
»:   gutturaler  nasalkonsonant  (ng) 
ie:  einsilbige  (diphthongierte)  ausspräche 
ie:  zweisilbige  ausspräche 
■$:    stimmloses  s,  s:  stimmloses  seh 
01    stimmhaftes  s,  z:  stimmloses  seh  ^^ 

c',  <'u8w.:  mouilliertes  (jotaziertes)  et  usw. 
t'.   mouilliertes  l 
^:  mouilliertes  n 

l  f.  sonantisches  (silbebildendes)  l,  r  (s.  58) 
Eingeklammerte  verszahlen,  wie  (371),  bez.  verse  aus  dem  hier 

nicht  behandelten  teil  der  Karlsreise. 


Dritter  Teil. 

Text: 

Karls  Pilgerfahrt  nach  Jerusalem 

(Laisse  II— XV,  Vers  32—258) 

und  die  Heimkehr  von  Konstantinopel 

(Laisse  L-LIV,  Vers  802—870). 

Der  vorausgehende  abschnitt  gibt  auf  grund  der  im  text 
«ich  bietenden  beispiele  und  regeln  eine  zusammenhängende 
Übersicht  über  die  wichtigsten  lautwandlungen  des  altfran- 
zösischen. Es  kann  daher  im  folgenden  auf  eine  systematische 
betrachtung  der  einzelnen  worte  in  der  bisherigen  art  ver- 
zichtet werden.  Jedoch  wird  tiberall  da  eine  erläuterung  ge- 
geben, wo  die  bisher  behandelten  regeln  zur  erklärung  des 
betreffenden  Wortes  nicht  ausreichen.  Die  Wortbedeutung  siehe 
im  Wörterbuch. 

Zur  bequemeren  tibersieht  wird  hier  die  I.  laisse  im  Zu- 
sammenhang wiederholt,  mit  der  phonetischen  Umschrift,  wie 
sie  im  einzelnen  oben  festgestellt  worden  ist.  Stumme  oder 
vermutlich  stumme  sowie  zu  elidierende  laute  sind  in  klammern  ( ) 
gesetzt. 


Yorctzach,  Studiii  u  d.  afr.  Sprache.    5.  Aufl.  ]2 


178  Dritter  Teü:  Text. 

I.  Laisse. 
Vers  1 — 31. 

(Assonanzvokal  ie.) 

1  Un  jorn  fut  li  reis  Charles  al  Saint  Denis  mostier.. 
Rout  prise  sa  corone,  en  eroiz  seignat  son  Chief. 
Et  at  ceinte  s'espee  dont  li  ponz  fut  d'or  mier. 
Dus  i  out  et  demeines,  barons  et  Chevaliers. 
5  Charles  li  emperere  reguardet  sa  moillier, 
Ele  fut  coronee  al  plus  bei  et  al  mielz. 
II  la  prist  par  le  poin  desoz  un  olivier, 
De  sa  pleine  parole  la  prist  a  araisnier: 
'Dame,  veistes  onques  rei  nul  dedesoz  ciel, 

10  Tant  bien  seist  espee  ne  la  corone  el  chief? 
Encore  conquerrai  citez  od  mon  espi^t.' 
Cele  ne  fut  pas  sage,  folement  respondi6t: 
'Emperere'  dist  ele  'trop  vos  poez  preisier. 
Encore  en  sai  je  un  qui  plus  se  fait  legiers, 

15  Quant  il  portet  corone  entre  ses  Chevaliers: 

Quant  la  met  sor  sa  teste,  plus  belement  li  siet'. 
Quant  l'entent  li  reis  Charles,  molt  en  est  correciez^ 
Por  Franceis  qui  l'o'irent,  molt  en  est  enbronchiez: 
'E,  dame,  ou  est  eil  reis?    Car  tost  le  m'enseigniez! 

20  Si  porterons  ensemble  les  corones  es  chies, 
Si  i  avrat  voz  druz  et  toz  voz  conseilliers. 
Je  manderai  ma  cort  de  mes  bons  Chevaliers. 
Se  Franceis  le  me  dient,  donc  l'otreierai  bien. 
Se  vos  m'avez  mentit,  vos  le  comparrez  chier: 

25  Trencherai  vos  la  teste  od  m'espee  d'acier'. 
'Emperere'  dist  ele  'ne  vos  en  correciez! 
Plus  est  riches  d'aveir  et  d'or  et  de  deniers, 
Mais  n'est  mie  si  proz  ne  si  bons  Chevaliers 
Por  ferir  en  bataille  ne  por  ost  enchalcier'. 
Quant  90  vit  la  reine  que  Charles  est  iriez, 

31  Forment  s'en  repentit,  vuelt  li  eheir  as  piez.. 


I.  Laisse  (Vers  1—31).  179 


1  Üd  dzörn  ftit  li  reis  tsarles  al  saint  denis  mostier, 
Rout  prize  sa  corone,  äü  croits  senat  söd  tsief, 
E(t)  at  tseite  sesp^e  dönt  li  pönts  ftit  dor  mier. 
Dtig  i  out  e  demeines,  barons  e  tsevaliers. 
5  Tsarles  li  ämperere  reguarde(t)  sa  moiier, 
Ele  füt  corönee  al  plüz  b^l  e(t)  al  mielts. 
II  la  prist  par  le  poiD  desots  ün  olivier, 
De  sa  pleine  parQle  la  prist  a  arai(z)nier: 
•Dame,  veistes  ODkes  rei  ntil  dedesöts  tsiel 

10  Tänt  biea  seist  espee  ne  la  coron(e)  el  t§ief? 
ÄöCQre  eönkerrai  tsitets  od  mön  espiet'. 
Tsele  ne  füt  pas  sadze,  folemänt  respöndi^t: 
'Ämperere'  dist  ele  'trQp  vos  poets  preizier. 
ÄDeQr(e)  ä  sai  dze  Ud  ki  plus  se  fait  ledziers, 

15  Cänt  il  pQrte(t)  coröae  äntre  ses  tsevaliers: 
Cänt  la  met  sor  sa  t^ste,  plüz  belemänt  li  siet'. 
Cänt  läntänt  li  reis  tsarles,  molt  an  est  corretsiets, 
Por  fräntseis  ki  loirent,  molt  an  est  ämbröntsiets: 
'E,  däm(e),  u  est  tsil  r^is?    Car  tQst  le  mänseniets! 

20  Si  porteröns  änsämble  les  corSnes  es  tsies, 
Si  i  avrat  vots  drüts  e  tots  vots  cöseliers, 
Dze  mänderai  ma  cort  de  mes  bons  tsevaliers. 
Se  fräntseis  le  me  dient,  donc  lotreierai  bieu. 
Se  vos  mavets  mäntit,  vos  le  eömparrets  tsier: 

25  TräDtserai  vos  la  t^ste  od  mespee  datsier'. 
•Ämperere'  dist  ele  'ne  vos  äD  corretsiets! 
•Plüz  est  ritses  dav^ir  e  d^r  e  de  deniers, 
Mais  n'est  mie  si  pröts  ne  si  böns  tsevaliers 
Por  ferir  äo  batale  ne  por  Qst  äntsaltsier'. 

30  Cänt  tsQ  Vit  la  rtioe  ke  tsarles  est  iriets, 
Formänt  sän  repäntit,  vuelt  li  tseir  as  piets. 

12* 


180  Dritter  Teil:  Text. 

II.  Laisse. 
Vers  32 — 42. 

(Assonanzvokal  g  =  e  -<—  ä.) 

32  'Emperere'  dist  ele  'mercit  por  amor  Den! 

33  Ja  sui  je  vostre  femme,  si  me  cuidai  joer. 

34  Je  m'eseondirai  ja,  se  vos  le  comandez, 

35  A  jurer  sairement  o  juise  a  porter: 

36  De  la  plus  halte  tor  de  Paris  la  eit^t 

37  Me  larrai  eontreval  par  creant  devaler 

38  Qae  por  la  vostre  honte  ne  fut  dit  ne  penset'. 

39  'Non  ferez'  90   dist   Charles  'mais  le  rei  me  nomez!' 

40  'Emperere'  dist  ele  'ja  nel  puis  je  trover'. 

41  'Par  mon  chief  90  dist  Charles  'orendreit  lern  direz. 

42  0  je  vos  ferai  ja  eele  teste  colper'. 

Erläuterungen. 

32  mercit:  lies  mertsit,  lat.  mercedem. 

Nach    der   allgemeinen   regel   (9  pleine  I)    wird   freies  e 

zu  ei.  Unter  einfluss  eines  vorausgehenden  palatals  (c.  g — i) 
wird  es  aber  zu  i.    Vgl.  noch: 

Saracenos—*- Sarazins  224 
licere-^leisir  (445) 
placere—^plaisir  (592) 
page{n)se —*  pazs  861 
cera  —>  cire. 

Regel:  Freies  e  nach  palatal  wird  zu  i  (vgl.  s.  171). 
Mercit  „gnade!'*,  hier,  in  ihrer  gefährlichen  läge,  von  der 
königin  im    eigentlichen    sinn  gebraucht,   sonst  meist  in  ab- 
geschwächtem sinn  zur  einleitung  der  rede:  „mit  verlaub". 

por  amor  Deu; 

I.  Wegen  der  konstruktion  vgl.  v.  1  al  saint  Denis  mostier. 

IL  Amor  lautet  neufranzösisch  amour,  nicht  ameur,  wie 
nach  douleur,  honneur,  leur,  douloureux  -euse  zu  erwarten 
wäre  (vgl.  2  corone  III).    Man  nimmt  gewöhnlich  an,  dass  das 


II.  Laisse  (V.  32-7-42):  mercit,  por  amor  Deu.  181 

adjektiv  amoureux,  wo  das  vortonige  o  regelrecht  zu  ou  wurde, 
auf  den  tonvokal  des  Stammwortes  eingewirkt  hat.  Immerhin 
bleibt  es  auffällig,  dass  hier  ein  vielgebrauchtes  Substantiv 
durch  ein  keineswegs  häufiger  gebrauchtes  adjektiv  beeinflusst 
wird  und  dass  in  ähnlichen  fällen,  wie  douleur  —  douloureux, 
die  beinflussung  nicht  wirksam  ist.  Daher  vermutet  Neumann 
hier  provenzalischen  einfluss.  Schon  altfranz.  steht  amor  neben 
doleur,  grandeur  u.  a.,  und  amor  gerade  ist  „das  hauptwort, 
der  hauptbegriff  der  altfranzösischen  lyrischen  diehtung.  Und 
wie  sich  diese  im  wesentlichen  an  das  provenzalische  muster 
anlehnt,  so  tibernimmt  sie  auch  von  daher  das  in  frage  stehende 
wort.  Mit  dem  Import  der  neuen  sache,  des  neuen  begriffs 
der  höfischen  minne,  amor,  ist  zugleich  das  wort  dafür  nach 
dem  norden  gekommen."  Man  kann  diese  erklärung  noch 
durch  den  hinweis  stützen,  dass  auch  zwei  andere  werte, 
welche  in  dem  begriffskreise  des  minnedienstes  und  der  minne- 
lyrik  zu  den  häufigst  gebrauchten  werten  gehören,  dieselbe 
ersch einung  zeigen:  ^aZos — jaloux,  espos  —  epoux  stsiit  *jaleux, 
*epeux.  Schon  bei  Crestien  von  Troyes,  dem  ältesten  Vertreter 
der  höfischen  lyrik  in  Nordfrankreicb,  bilden  diese  worte  eine 
ausnähme  [jalos,  espos  gegen  angoisseus,  honteus,  perilleus) 
sind  also  wol  als  provenzalische  lehnworte  oder  wenigstens  als 
beinflusst  durch  die  entsprechenden  prov.  formen  anzusehen. 
Amor,  afr.  feminin  (vgl.  oben  s.  42),  ist  unter  einfluss  des 
lat.  etymons  (besonders  des  eigennamens  Amor)  wieder  mask. 
geworden. 

III.  Deu-t—Deum.  Lat.  deum  erscheint  im  altfr.  als  dieu 
(diu),  deu,  De  (lies  dieu  —  diu,  dßü,  de).  Alle  drei  formen 
gehen  auf  vulgärlat.  einsilbiges  deu  zurück:  auslautendes  u 
verschmolz  mit  unmittelbar  vorhergehendem  tonvokal  zum  diph- 
thongen,  daher  in  dieser  Verbindung  ursprüngliches  endungs-w 
beim  fall  der  endsilbenvokale  als  teil  der  tonsilbe  erhalten 
blieb.  Vgl.  noch  metis ~^*mieus  (wozu  das  pikardische  fem. 
miue  gehört). 

Nach  der  regel  diphthongiert  q  vor  u  zu  ie,  also  deum 
—>dieu.  Daneben  finden  sich  d^u,  das  wohl  als  lehnform  zu 
betrachten  ist,  und  De  (dieses  nur  als  eigenname),  das  aus 
jener  als  nebentonige  oder  kurzform  entstanden  ist.    In  beiden 


182  Dritter  Teil:  Text. 

formen  wird  ?  zu  c  vertieft  (beide  reimen  mit  ^-^—ä),  wie  in 
den  übrigen  lehnworten  ähnlichen  Charakters  (Ändreu,  Maheu, 
Ebreu,  Jud^u  u,  a.). 

33  sui:  lies  süi,  aus  lat.  sum. 

Lat.  süm  wurde  stark  betont  (als  selbständiges  verbum 
oder  bei  nachdrücklicher  betonung  auch  als  kopula)  zu  son 
mit  erhaltenem  nasal  wie  rem-^rien  (vgl.  ital.  50wo),  schwach 
betont  (als  kopula)  zu  so.  Diese  form  liegt  dem  prov.  soi,  sui 
und  dem  franz.  stii  zu  gründe.  Nach  dem  muster  von  habeo  — 
^ajo  —  ai  wurde  so  zu  soi  (wie  ital.  son  nach  amo,  temo,  vendo 
zu  sono).  Soi  (im  prov.  vorhanden)  wurde  unter  einfluss  der 
1.  perfektform  fui  franz.  und  prov.  zu  sui. '  (Nach  Suchiers  er- 
kläruDg  wurde  so  nach  dem  muster  von  amo,  vendo  usw.  zu 
soo,  unter  Verschmelzung  der  beiden  vokale  zum  diphthongen 
zu  einsilbig  suo,  mit  i  nach  fui  zu  *suoi  —  sui.)  —  Nfr.  suis 
(seit  dem  16.  jabrh.)  hat  das  für  alle  ersten  personen  ind.  präs. 
(ausser  der  a-klasse  und  ai<~haheo)  charakteristische  s  (nach 
puis,  nais,  fais  usw.)  erhalten. 

femme:  lies  fäme,  aus  lat.  femina. 

Wie  domina  (siehe  9  dame)  verlor  auch  femina  früh  den  vokal 
der  pänultima:  femna^  woraus  durch  assimilation  des  zweiten 
nasals  femma  und  durch  Vereinfachung  der  doppelkonsonanz 
(vgl.  4  Chevaliers  III)  ferne  wurde.  Wie  in-en-^ä  (v.  2)  wird 
ferne  durch  die  nasalierung  des  tonvokals  über  fSme  zu  fäme. 
zur  bezeichnung  des  nasalen  a  häufig  fenme,  femme,  auch  fanme 
(daneben  fame,  ferne)  geschrieben.  —  Durch  die  im  17.  Jahr- 
hundert einsetzende  entnasalierung  in  offener  silbe  (vgl. 
2  corone  VI)  wird  fäme  zu  fame  —  fam. 

me  cnidai:  lies  cüiddi,  aus  cogitavi. 

I.  Ursprüngliches  *coagito  wurde  schon  im  lat.  über  cggito 
zu  CQgito  (vgl.  22  cort).  Hieraus  wäre  zunächst  *cögido  — 
"^cojdo  —  *coit  (inf  *cogidare  —  *coidier)  geworden.  Ob  in  den 
stammbetonten  formen  das  i  (j)  einen  umlaut,  also  regelrecht  cuit 
(s.  u.  V.  55)  Guides  cuidet,  hervorrufen  konnte,  ist  sehr  zweifel- 
haft. Jedenfalls  finden  wir  weder  im  franz.  noch  im  prov. 
eine  nebentonige  form  mit  o,  während  andrerseits  auch  solche 


II.  Laisse  (V.  32—42) :  sui,  femme,  me  cuidai,  joer,  juise.  183 

romanisclie  sprachen,  welche  den  i-umlaut  nicht  kennen,  u 
zeigen.  Daher  ist  wol  eine  vulgärlat.  form  *cügito  anzusetzen^ 
deren  U  im  franz.  und  prov.  regelrecht  zu  ü  wurde,  in  den 
übrigen  romanischen  sprachen  als  u  blieb. 

II.  me  cuidai:  ich  gedachte  bei  mir,  mit  reflexivem  datir 
(vgl.  se  mourir  u.  ähnl.).  Me  vertritt  im  francischen  den  dativ 
und  akkusativ,  mi  =  lat.  mihi  gehört  anderen  dialekten  an. 

Cuider  findet  sich  im  nfr.  noch  bei  La  Fontaine,  jetzt  ist 
es  veraltet  ausser  in  den  ableitungen  outrecuidant,  outrecuidance. 

joer:  lies  dzo-er,  aus  jocare. 

Das  intervokale  c  (g)  vor  a  wird  hier  anders  behandelt 
als  in  den  unter  9  ml  aufgeführten  beiepielen  {pacare—^pai- 
iei',  precatum—>preiiet,    *regalimen—>reialme).     Wie   in  joer 
verstummt  der  palatale  explosivlaut  in: 
carruca-^charrue  (283) 
locare-^loer  {aloez,  Alexius  78) 
advocatum-^avoet  (Roland  136) 
auca  — >  oe 
ruga  — *  nie. 

Regel:    Intervokales    c    und   g   vor   a   verstummen    nach 
vorausgehendem  gutturalvokal.    Vgl.  oben  s.  152,  Nr.  4. 

In  manchen,  besonders  in  südliehen  mundarten  des  franz. 
entwickelt  sich  auch  in  diesem  falle  i  (joiier,  loiier,  oie  usw.). 
Die  in  der  francischen  mundart  begegnenden  «-formen  erklären 
sich  z.  t.  durch  dialektische  einflüsse,  z.  t.  durch  analogie 
{vocalem  —  voel--*-voiiel  nach  vocem  —  voie). 

35  jni'se:  lies  dmise,  aus  Judicium. 

Das  wort  ist  lehnwort.  Die  form  der  endung  entspricht 
nicht  den  lautgesetzen ,  nach  welchen  *jüets  (jues)  entstehen 
müsste  (wegen  inter vokalem  d  vgl.  ^aciarium—^acier,  fadem  und 
fadam-^face,  glaciem—* glace).  Wahrscheinlich  wurde  die 
endung  an  die  der  feminina  justise,  franchise,  richise  u.  a.  an- 
geglichen, wo  ■ise—*'Uia  teils  lautgesetzlich  (nach  palatal:  wie 
32  mercit,  so  frank-  +  -itia—*-  franchise,  rikj-  +  -itia-*  richise), 
teils  analogisch  (wie  in  justise  statt  "^ justeise)  ist.  Die  endungs- 
formen  -ece.  -ice  (proece,  Service)  sind  lehnwörtlich. 


184  Dritter  Teil:  Text. 

36  Lalte:  lat.  altam  mit  unorganischem  h. 

Das  anlautende  h  wurde  tatsächlicli  gesprochen,  noch  im 
nfr.  ist  es  h  consonne.  Die  aspirierten  h  des  französischen 
gehen  meist  auf  germanisch  h  zurück,  das  in  das  französische 
eindrang,  nachdem  lat.  h  längst  verstummt  war,  und  zunächst 
als  echter  hauchlaut  erhalten  blieb.     Vgl.  noch: 

*hauni])a-*  honte  38,  dazu  honir  (721),  hontage  (491) 

hatjan  —*■  ha'ir,  dazu  part.  perf.  fem.  haie  105 
heriberga-^  herber ge{s)  109,  dazu  herber  gier  (483) 
stamm  hast — *■  haste  142,  hastif,  haster. 

Regel:  Anlautendes  germanisches  //-  bleibt  als  h 

(hauchlaut)  erhalten.     Vgl.  oben  s.  147,  nr.  2. 
Im   nfr.  ist  h  verstummt,   wirkt  aber  noch  in  der  nicht- 
elision  eines  vorausgehenden  tonlosen  vokals  nach. 

Das  h  in  halt  wird  erklärt  durch  einwirken  des  begrifl's- 
gleichen  deutschen  hoch,  fränkisch  *hauh. 

37  larrai. 

Dieses  futurum  (nebenformen  larai,  lairai)  gehört  zu  dem 
häufig  vorkommenden  infinitiv  lauer,  dazu  noch  der  conditionalis 
lairoie,  das  perf.  3.  p.  lata  sowie  die  präsensformen  lais,  lait 
nebst  dem  imperativ  lai.  Es  liegt  nahe,  an  deutsch  lassen, 
germ.  laijan,  got.  letan,  nieder!  taten,  zu  denken.  Indes  würde 
latan  frz.  laer,  *latjan  frz.  lair  (vgl.  haijan~*hau)  ergeben. 
Daher  hat  Thomas  germ,  lagjan  (neuhd.  legen)  als  passendes 
etymon  aufgestellt,  das  der  bedeutung  'lassen'  nicht  zu  fern 
liegt  und  formell  ^laür  oder  nach  der  I.  konjug.  lauer  ergeben 
musste.  Die  präsensformen  lais,  lait,  imp.  lai  ebenso  wie  das 
futurum  würden  lantlich  besser  zum  infinitiv  *laiir  stimmen, 
der  aber  nicht  belegt  ist. 

Das  gewöhnliche  wort  für  *  lassen'  ist  schon  im  altfrz. 
laissiert—laxare  (=  schlaff  machen,  lösen,  nachlassen,  vgl.  44 
laissast^—laxässet),  nfr.  laisser.  Meyer-Lübke  versucht,  laiier 
mit  laissier  in  Verbindung  zu  bringen,  indem  er  den  imperativ 
Im  als  kurzform  aus  laisse  betrachtet  und  darauf  alle  übrigen 
formen  aufbaut. 


II.  Laisse  (V.  32— 42):  halte,  larrai,  ne— ne,  dit,  penset,  Nön,  ferez.     185 

Lauer  ist  nfr.  nicht  melir  vorhanden  (das  futurum  lairray 
imd  cond.  lairrois  waren  bis  ins  17.  jahrh.,  z.  b.  noch  in  den 
älteren  stücken  von  Corneille,  im  gebrauch). 

38  ne — ne :  das  erste  ne  =  non,  das  zweite  =  nee  (vgl.  v.  28). 

dit:  aus  analogischem  dictum  (nach  dico)  entstanden ^ 
während  dictum  —  deit  (vgl.  ital.  detto)  nur  in  heneeit  (name 
Beneeit  —  Benoit)  erhalten  ist. 

pensät:  lies  päset^  lat.  pensatum. 

Die  erhaltung  des  n  vor  s  kennzeichnet  das  wort  als  lehn- 
wort.  In  erbwörtlicher  entwicklung  gibt  lat.  pensare  vielmehr 
2)eser  =  wägen,  wiegen,  drücken  (auch  in  übertragener  be- 
deutung),  in  den  stammbetonten  formen  mit  ei  wie  me{n)sem-^ 
nieis  (häufig  die  redensart  ce  peiset  mei  das  bekümmert  mich). 

39  Non :  die  haupttonige  form  der  negationspartikel  (gegen 
nen  —  ne),  im  nfr.  nur  noch  vor  nominalen  oder  partikelhaften 
begriffen  oder  absolut  stehend  in  der  antwort  gebräuchlich. 
Im  afr.  kann  non  auch  noch  vor  verben  gebraucht  werden, 
wenn  es  stark  betont  ist,  d.  h.  in  der  antwort,  namentlich  wie 
hier  bei  faire  (vereinzelt  noch  im  älteren  neufranz.:  Non  ferai 
Molifere). 

ferez,  dazu  42  ferai. 

Der  Infinitiv  fac{e)re  gibt  regelrecht  faire.  Ein  davon 
abgeleitetes  futurum  würde  *fairai  lauten  (wie  sacramentum 
-^sairement,  fragrare —>  flairier).  Der  vergleich  mit  den 
übrigen  romanischen  sprachen  zeigt  jedoch,  dass  neben  der 
vollen  infinitivform  fac{e)re  schon  in  vulgärlat.  zeit  eine  kürzere 
nebenform  *fare  dagewesen  sein  muss  (vgl.  ital.  fare,  prov.  far 
neben  faire,  catalanisch  far,  altspanisch  fare),  die  gerade  im 
futurum  ihre  daseinsberechtigung  hatte,  wo  der  Infinitiv  vor- 
tonig steht  {facere  hdbeo —*- fare  hdbeo).  Das  so  gebildete 
futurum  ^farajo  lautet  regelrecht  im  italienischen  farö,  im 
provenzalischen  farai,  hingegen  im  französischen  ferai  mit  e 
statt  a  in  der  nebentonigen  vortonsilbe.  Man  könnte  an  ein- 
wirkung  der  infinitivform  denken:  *fare  musste  franz.  zu  */er 
werden   wie   amare—*amer.    Aber  die  reine  infinitivform  *fer 


186  Dritter  Teil:  Text. 

ist  im  franz.  nicht  belegt,  und  so  erklärt  G.  Paris  ferai  statt 
farai  durch  satzphonetische  entwicklung:  in  si  faräi,  je  fardi 
musste  sich  das  unbetonte  vorton-a  wie  in  chantarai — chanterai 
zu  e  entwickeln,  so  dass  hier  ferai  lautgesetzlich  entstehen  und 
schliesslich  die  parallelform  farai  ganz  verdrängen  konnte, 
überhaupt  wäre  die  entstebung  einer  kurzform  ferai  gerade 
bei  diesem  verbum  nicht  auffällig,  das  noch  im  neufranz.  kurz- 
forraen  wie  faisons,  faisais,  faisant  (mit  9  statt  ^)  entwickelt: 
anglonorm.  und  pikardische  texte  sind  sogar  bis  zu  frai  fräs 
frat  vorgeschritten.  Sehr  beachtenswert  ist  aber  auch  eine 
neue,  von  einem  Schüler  Neumanns  gegebene  erklärung,  nach 
welcher  ferai  für  farai  eine  analogische  angleichung  an  serai, 
esterai  wäre  (wobei  besonders  die  lautlich  tibereinstimmenden 
präsensformen  fönt  —  sont,  estont  als  analogiefördernd  in  be- 
tracht  kommen). 

le  rei  me  nomez:  Stellung  des  Objekts.     Vgl.  noch: 
Por  ferir  en  bataille  ne  por  ost  enchalcier  29 
0  je  vos  ferai  ja  cele  teste  colper  42 
M'  amistiet  et  mon  gret  en  avez  tot  perdut  54 
La  crois  et  le  sepulcre  vueil  aler  aorer  70 
Et  irai  im  rei  querre  dont  ai  o'it  parier  72 
Set  cens  chameiU  menrez  d^or  et  d'argent  trossez  73 
Les  destriers  fönt  ferrer  et  detres  et  devant  81. 

Das  heisst:  das  substantivobjekt  kann  im  altfranz. 
aussagesatz  vor  das  verbum  treten.  Beispiele  sind  sehr 
häufig,  aber  die  nfr.  regelrechte  Stellung  verbum  —  objekt  über- 
wiegt doch  auch  schon  im  altfranz.  Wie  im  aussagesatz,  so 
auch  —  wie  in  unserem  fall  —  beim  imperativ.    Vgl.  noch: 

Vostre  congiet,  hels  sire,  se  vos  piaist,  me  donez  251. 

Auch  in  dem  durch  eine  konjunktion  eingeleiteten  nebensatz: 
Se  mengonge  avez  dite  52. 

Vorausstellung  des  objekts  an  die  spitze  des  satzes  hat 
(wie  sonst  eingeleiteter  satz,  vgl.  v.  1  Un  jorn  fut  li  reis  Gh.) 
inversion  des  Subjekts  zur  folge: 

Les  mulz  et  les  somiers  afeltrent  li  servant  82 
granz  vertuz  i  fait  Dens  255. 


II.  Laisse  (V.  32— 42):  Wortstellung,  nel,  puis.  187 

40  nel:  für  ne  le. 

Wie  die  formen  des  artikels  nach  den  präpositionen  de, 
a,  en  (vgl.  1  al,  10  el)  können  auch  die  formen  des  unbetonten 
(verbundenen)  pronomens  zu  vorausgehenden  Worten  in  das 
Verhältnis  der  enklise  treten:  hauptsächlich  zu  vokalisch 
endigenden  pronominal  formen  oder  partikelo  wie  ne,  que,  si. 
Dabei  verlieren  die  encliticae,  wie  die  unbetonten  endsilben 
und  wie  die  artikelformen,  ihren  vokal,  die  pluralform  les 
auch  noch  das  nach  ausfall  des  vokals  unmittelbar  vor  das  s 
tretende  l  (vgl.  des,  as,  es).  Im  übrigen  wird  die  enklise  im 
altfranzösischen  bei  weitem  nicht  so  häufig  angewendet  wie 
z.  b.  im  provenzalischen.    Vgl.  noch: 

lern  direz  =  le  me  d.  41 

Nel  deüsseis  penser  =  Ne  le  d.  56 

Qms  conduit  et  governet  =  Qui  les  c.  97 

Altresil  fait  torner  com  arbre  de  molin  =  Altresi  le  f.  (372) 

lA  reis  Uugue  li  Forz  Charlemaigne  apelat, 

Lui  et  les  dose  pers,  sis  trait  a  une  pari  =  si  les  tr.  (419  f.) 

mais  quel  sacket  li  reis  =  m.  que  le  s.  l.  r.   *  wofern  der 

könig  es  wüsste'  (491). 
Die    französische    Schriftsprache    hat    überall    die   vollen 
formen  wieder  hergestellt.    Die  Umgangssprache  hingegen  ver- 
wendet die  enklise  in  ziemlich  ausgedehntem  masse. 

puis:  lies  püis,  an  stelle  des  lat.  possum. 

Lat.  pössum  müsste  französisch  *pos  geben.  Die  bisher  zur 
erkläruDg  des  diphthongen  ui  gemachten  annahmen  sind  teils 
nicht  in  einklang  mit  der  lautgeschichte,  teils  in  der  annähme 
hypothetischer  formen  zu  willkürlich.  Poteo,  zu  potes  gebildet 
wie  *potef,  *potetis  (vgl.  13  poes)  und  gelegentlich  im  spät- 
latein  belegt,  könnte  wol  *puois — puis  geben,  aber  der  zu- 
gehörige konjunktiv  *pjoteam  müsste  *puise  (mit  stimmhaftem 
s),  nicht  puisse  ergeben.  Die  von  anderen  angenommene  ent- 
wicklungsreihe  *potsum  —  *potso  —  *pocso  lässt  den  Übergang 
von  *potso  zu  *pocso  unerklärt.  Das  nach  gewöhnlicher  annähme 
zugrunde  liegende  *posco  ist  nur  aus  dem  prov.  posc  puosc 
erschlossen,  das  an  die  incohativa  angeglichen  ist  (auch  konj. 
posca,  puosca),  und  könnte  im  franz.  weder  im  ind.  yuis  noch 


188  Dritter  Teil:  Text. 

im  konj.  puisse  ergeben  (statt  dessen  wäre  ^'posc  und  '^;posche 
zu  erwarten);  man  mtisste  dazu  wieder  die  oben  (s.  113)  wider- 
legte hypothese  von  der  metathesis  sc-*  es  zu  hilfe  nehmen. 

Lat.  possum  wurde  vulgärlat.  regelrecht  zu  posso  (vgl. 
ital.jpo5So),  dieses  wurde  vermutlieh  zu  ^possio,  vielleicht  unter 
einfluss  des  neugebildeten  regelmässigen  konjunktivs  *possiam 
ftlr  klassisch  possim.  Offenes  o  vor  i  oder  mouillierten  kon- 
sonanten  wird  zu  uo  —  ue  wie  e  vor  i  zu  ie:  *volio—*vuei 
(gesehr.  vueil)  70,  '^faldastolium—>faldesiueil  85,  der  germa- 
nische stamm  urgoli- —>  orgueil.  Mit  folgendem  i  entsteht  der 
triphthoDg  uoi,  daraus  der  diphthong  ui:  noctem-**nuoit-->- 
nuit  237,  *postius-**puois—*puis,  so  anah  ^possio—**puo?s-^ 
puis,  *possiam  —-  *puoisse  —* puisse. 

Nfr.  peux  neben  regelmässigem  puis  erklärt  sich  als 
analogiebildung  nach  der  2.  und  3.  person:  potes—pues—peux^ 
'^potet — puet — peut  (mit  eu  für  ö,  vgl.  22  hons,  31  vuelt). 

trover :  vulgärlat.  Hropare  oder  lat,  turbare. 

Diez  nahm  als  grundwort  turhare  in  der  bedeutung  'durch- 
einanderwerfen, sichten,  snchen'  an.  Neuerdings  ist  dieses 
grundwort  von  H.  Schuchardt  in  einer  reihe  von  artikeln  ver- 
treten und  speziell  als  terminus  teehnicus  der  fischersprache 
geltend  gemacht  worden:  'das  wasser  nach  fischen  durch- 
stöbern —  fische  erstöbern  —  finden'.  Da  jedoch  alle  roma- 
nischen sprachen  die  metathesis  turbare  zu  Hrohare  als  gemein- 
romanisch und  daher  als  alt  voraussetzen,  mtisste  das  6  auch 
im  provenzalischen  zu  v  geworden  sein,  hier  aber  heisst  das 
wort  trohar.  Auch  mtisste  turhare  o,  nicht  g  ergeben  (trueves, 
truevet).  Man  wird  also  mit  Thomas  an  einer  grundform  Hropare 
festhalten  müssen  (belegt  sind  die  composita  contropare  =  ver- 
gleichen, schätzen  und  attropare  =  per  tropologiam  loqui  aut 
scrihere).  Nach  Baist  wäre  dies  *tropare  die  latinisierung  des 
griechischen  zQojcoXoyslv  im  sinne  von  'allegwisch  deuten,  um- 
schreiben, dichten,  erfinden  —  finden';  nach  G.  Paris  wäre  es 
eine  ableitung  von  tropus  {rQOjcog)  'melodie',  entweder  in  der  be- 
deutung 'eine  melodie  variieren,  componieren,  erfinden  —  finden' 
oder  (vgl.  Baists  erklärung)  'figtirlich  nehmen,  dichterisch  ge- 
stalten, erfinden  —  finden'. 


II.  Laisse  (V.  32—42):  trover,  orendreit,  cele  t.  c,  assonanzvokal.     189 

41  orendreit:  zusammengesetzt  aus  or  (siehe  11  Encore) 
und  endreit  ==  in  directo. 

In  der  Wortzusammensetzung  m  dtrecto  ist  das  vortonige  7 
schwach  betont  und  muss  ausfallen  wie  in  *vemrajo—*'vendrw 
—  vicndrai  oder  wie  t  in  *momstcnum -^  mostier.  Das  i  fällt 
aber  auch  in  dem  alleinstehenden  directum  — >  dreit,  d.  h.  auch 
wenn  es  nebentonig  ist.  Man  könnte  an  beeinflussung  durch 
endreit,  orendreit  denken,  aber  so  wie  ausfall  eines  aus  a  ent- 
standenen vorton-e  (vgl.  24  comparrez)  findet  sich  auch  solcher 
eines  nebentonigen  e  oder  i  gerade  neben  r :  vgl.  die  vorhin 
erwähnten  formen  frai  fräs  für  ferai  feras.  ferner  H'eraium 
— >  verai  — >  vrai. 

42  cele  teste  colper. 

Zur  Wortstellung  vgl.  oben  39  le  rei  me  nomez. 

colper  ist  ableitung  von  colp-*~colaphum*—xöXag)ov  (ygl.3 
espee  IP,  9  dame  I). 

cele  teste:  den  köpf  da,  euren  köpf.  Gel  bezeichnet  die 
vom  sprechenden  entferntere  person,  sache,  zeit,  ort,  cest  die 
näherliegende:  vgl.  12  Cele  ne  fut  pas  sage  (jene),  19  ou  est 
eil  reis  (jener  könig).^  mit  149  Onques  nen  osat  huem  en  cest 
mosiier  entrer,  800  Ne  de  ceste  semaine,  Roland  47  Par  ceste 
meie  destre.  Daher  geht  cest  leicht  in  die  bedeutung  des 
artikels  über:  Et  paissent  par  cez  prez  amont  par  les  coltures 
(318),  Cez  degrez  de  la  sale  vint  al  palais  errant  (335). 

Der  assonanzvokal  und  seine  qualität. 

Sämtliche  in  der  assonanz  befindlichen  e  ausser  in  Deu 
gehen  auf  lat.  a  zurück.  Dieses  e<—a  hatte  eine  besondere 
klangfarbe,  es  reimt  nicht  mit  e-vokalen  anderer  herkunft  (ab- 
gesehen von  einzelf allen  wie  hier  Deu  —  De,  eret  —  ert  =  lat. 
erat).  Lat.  e  kommt  überhaupt  kaum  in  betracht:  in  ofTener 
Silbe  wird  es  zum  diphthoogen  ei  {plena —*■  pleine) ,  in  ge- 
schlossener gekürzt  zu  ^  {dir^ctiat-*dr0cet,  dß{i)ta—*-dSte), 
häufig  mit  folgendem  i  zu  ei  verbanden  {rex—>reis,  directum 
-^  dreit).  Lat.  e  diphthongiert  in  offener  silbe  zu  ie,  in  ge- 
schlossener bleibt  es  als  ?:  vgl.  mier  gegen  teste.    Endlich  lat. 


190  Dritter  Teil:  Text. 

i  teilt  in  offener  silbe  das  Schicksal  von  lat  e,  in  geschlossener 
bleibt  es  als  kurzes  geschlossenes  e:  vgl.  feit  gegen  de,  met. 
Es  waren  also  ausser  e*-a  im  altfr.  vorhanden  f  und  0. 
Schon  im  12.jahrh.  wird  ^  zu  T  {wßre-^m^tre),  das  infolge 
der  kontraktion  von  ai  zu  e  {faire~>f^re)  qualitativ  mit  diesem 
neuen  §  zusammenfällt.  Das  e-^a  hingegen  fällt  nicht  mit 
^<—m  zusammen,  pere<—pa(rem  reimt  nicht  mit  f§ret~  faire: 
et—a  war  also  nicht  offen,  sondern  geschlossen.  Diese  ge- 
schlossene ausspräche  hatte  es  vermutlich  schon  zur  zeit 
unseres  gedichtes,  wenngleich  die  entwicklung  von  a  zu  ge- 
schlossenem e  über  offenes  e  geführt  haben  muss:  ä—^^—^e. 
Die  lange  quantität  dieses  e  hinderte  den  zusammenfall 
mit  ^<—t 

Heutzutage   ist   altfr.    e<— lat.   a   geschlossen   im  auslaut 
{epee,  aime,  aimer),  offen  vor  konsonant  (pere,  tel,  nef). 


III.  Laisse. 
Vers  43 — 52. 

(Assonanzvokal  p-e.) 

43  Ore  entent  la  reine  que  ne  se  puet  estortre, 

44  Volentiers  le  laissast,  mais  que  muer  nen  oset 

45  'Emperere'  dist  ele  'ne  me  tenez  a  fole: 

46  Del  rei  Hugon  le  Fort  ai  molt  oft  parole, 

47  Emperere  est  de  Grice  et  de  Costantinoble 

48  Et  si  tient  tote  Perse  tresques  en  Capadoce. 

49  N'at  taut  bei  Chevalier  de  ci  en  Antioche, 

50  Ne  fut  itels  barnez  com  le  suen  senz  le  vostre . 

51  'Far  mon  chief  §o  dist  Charles  '90  savrai  je  eneore. 

52  Se  mengonge  avez  dite,  a  fiance  estes  morte'. 

Erläuterungen. 

43  Ore:  ha{c)  hora,  vgl.  11  eneore,  dazu  9  onques. 

pnet:  *pötet  fftr  potest,  vgl.  13  poe^i. 


IL  Laisse:  assonanzvocal.  —  IIL  Laisse  (V.  43-52):  estortre.     191 

estortre:  *ext6rquere  für  extorquere,  zu  extorqueo  —  ex- 
torquio  (vgl.  1  ^orw.  Illa)  gebildet  nach  capio  —  capere  u.  ähnl. 
Ein  konjugationstauseh  wie  cadere-^*cadire-*che'ir  31. 

I.  Die  lautliche  entwicklung.  Das  hiatus-w  nach  q 
schwindet,  desgleichen  der  vokal  der  unbetonten  pänultima, 
also  *extorcre.  Der  velarlaut  c  assimiliert  sich  den  umgebenden 
dentalen  liquiden  (zungenspitzen-r)  und  wird  zum  entsprechenden 
dentalen  explosivlaut  f.    Vgl.  noch: 

vinc{e)re  — >  veintre. 
Aus  stimmhaftem  guttural  entsteht  stimmhafter  dental: 

surg{e)re  —*■  sordre 

ader(i)go  —  *aderg{e)re  — >  aerdre  (anfassen) 

terg{e)re  —*■  terdre. 

Regel:  Velarer  oder  palataler  verschlusslaut  zwischen 
zwei  r  wird  zum  entsprechenden  dental  (t 
—  d).    Vgl.  oben  s.  157  nr.  3. 

In  extorquere  war  nach  ausweis  der  übrigen  romanischen 
sprachen  das  u,  vermutlich  auf  analogischem  wege,  schon  früh 
verstummt  (vgl.  prov.  estorcer,  ital.  storcere).  Der  ursprüngliche 
velar  war  daher  vielleicht  bereits  zum  palatal  geworden,  ehe 
der  pänultimavokal  ausfiel:  es  wäre  dann  von  *esior^ere  (viel- 
leicht schon  von  estorthre),  ebenso  von  sor^ere  —  sord'ere 
auszugehen.  Möglich  ist  aber  auch,  dass  im  französischen  die 
pänultima  ihren  vokal  schon  vor  der  assibilierung  des  c  und  ^ 
verloren  hatte.  Das  ergebnis  musste  in  beiden  fällen  das- 
selbe sein. 

IL  Die  Vorsilbe.  Lat.  ^x-  entwickelt  sich  unter  gewöhn- 
liehen umständen  (nach  1  reis-^—rex)  zu  eis{s)-,  in  betonter 
silbe  unter  diphtboogierung  des  ?  (vgl.  6  mieh  II)  zu  ieis(s)-, 
so  exire—>eissir,  *exiverunt—>- eissirent  90,  sexaginta—^seissante 
{soixante),  aber  exeunt-**ieissent—*'issent  827,  s§x—**sieis—*- 
sis  (six).  Die  mouillierung  des  es  tritt  jedoch  nicht  ein  vor 
konsonant,  die  hier  entstehende  dreifache  konsonanz  ist  schon 
in  latein.  zeit  durch  assimilation  oder  ausfall  zu  s  -j-  konsonant 
vereinfacht  worden,  gleichgiltig  ob  in  betonter  oder  un- 
betonter  silbe: 


192  Dritter  Teil:  Text. 

dext{e)ra-^destre  (264) 
dextrarios  — >  destriers  8 1 
extraneum-^estrange  861 
juxta  —  *juxtare  -^joste  —  joster. 
Regel:   Lat.  x  vor  konsonant  wird  zu  s  vereinfacht. 
Vgl.  oben  s.  157. 

44  volentiers:  volimtarie  -\-  s.  Vgl.  17  correcies  1  und 
9  onques  III. 

45  tenez:  vgl.  19  enseigniez  und  13  po'ez  II. 

46  del:  vgl.  1  al.  —  Mi{  auflösung  des  l  ergibt  del  im 
francischen  zunächst  deu  —  dou^  das  dann  merkwürdigerweise 
durch  die  pikardisch-normannische  lautform  du  verdrängt  wird. 

Hugon :  zu  deutsch  Hugo,  akk.  Hügon  -un.  Germanische 
namen  dieser  art  wurden  ebenso  wie  die  entsprechenden 
appellativa  an  den  nächstliegenden  lateinischen  typus  -o  —  onem 
{pulmo- onem,  carho-onem,  *companio-onem)  angeglichen:  günd- 
fano-on-^gonfanön,  gero-on-^gerön  853,  wdso-on-^  gason. 
hdro-on-^  her  156  —  haron  4,  ebenso  auch  Hugo-un —*-  Hugo 
—  Hugöne{m),  Fülco  —  Fülcun  -^  Fülco  —  Fulcönem,  daher 
obliquus  Hu(g)on,  Folcon,  Naimon  62,  ja  nach  dieser  ana- 
logie  selbst  Gharlon  838,  857.  Ebenso  ergeben  die  weiblichen 
namen  germanischer  herkunft  auf  a  —  ane  im  franz.  e  —  ain : 
Berta  —  Bertane  —>  Berte  —  Bertain,  darnach  auch  Fve  —  Evam. 
none  —  nonain. 

Einen  typus  Hugus  —  Hugonem  braucht  man  für  das 
galloromannisehe  nicht  anzunehmen,  vielmehr  weisen  die  pro- 
venzalischen  formen  Uc  —  Ugon,  Folque  ~-  Folcon  auf  eine  gallo- 
romanische  flexion  Hugo  —  Hugonem  zurück.  Das  nominativ-s 
der  franz.  formen  beruht  also  auf  jüngerer,  erst  franz.  an- 
gleichung  an  die  alten  -W5- namen  wie  Petrus  —  Pierres  (so 
Folqu{e),  Hu{e)  — >  Folques,  Hues). 

Zu  erwarten  wäre  (nach  23  dient)  Huon,  welches  in  der 
tat  die  sonst  übliche  form  des  namens  im  französischen  ist. 
Zu  dieser  obliquusform  würde  der  lektuB  Htc  <— Hugo  gehören, 
der  indes  nach  dem  muster  von  Charles  u.  ähnl.  zu  Hue,  Hues 
umgestaltet   worden    ist.     In  unserem  gedieht  haben   wir  zu 


111.  Laisse  (V.  43— 52):  del,  Hugöö,  Örice  —  Antioche,  tresques.     19S 

Hugon  die  entsprechende  nenbildung,  den  nominativ  Hugue 
(810  flF.).  Die  namensformen  mit  erhaltenem  ^r  erklären  sich  wol 
durch  einwirken  der  aus  den  lateinischen  Chroniken  geläufigen 
formen  Hugo  —  Hugonem. 

ai  molt  oi't  parole :  zur  rektion  des  partizips  vgl.  3  at 
ceinte  s'espee. 

47—49  (xrice,  Costantinotole,  Perse,  Capadoce,  Antioche. 

Fremde  namen  spielen  in  der  spräche  grossenteils  die  rolle 
von  lehn-  oder  fremdworten.  Nur  die  wenigsten  von  ihnen 
zeigen  die  regelmässige  lautentwicklung,  weil  solche  namen 
meist  erst  in  späterer  zeit  in  die  Volkssprache  aufgenommen 
wurden,  ja  vielfach  in  dieser  überhaupt  nicht  volkstümlich 
waren.  So  zeigt  Antioche  (=  Antiochia)  bewahrung  eines 
hiatus-^  als  eines  vollen,  silbebildenden  vokals,  dazu  Ver- 
wandlung des  griechischen  x  i^  ^^j  während  es  in  den  alten 
Worten  zu  c  vereinfacht  wird  und  dann  der  entwicklung  des 
ursprünglichen  c  folgt  (vgl.  3  espee  IIa).  —  Capadoce  bewahrt 
anlautendes  c  als  c  (Ä),  unbetontes  vorton -a,  sowie  inter- 
vokales d.  —  Costantinohle  lässt  n  vor  s  zwar  verstummen, 
bewahrt  aber  unbetontes  vorton -^,  noch  dazu  als  i,  inter- 
vokales p  als  b.  —  Graecia  erscheint  im  französischen  in  ver- 
schiedenen formen,  in  mehr  erbwörtlicher  und  mehr  fremd- 
wörtlicher gestalt:  als  Grece  (vgl.  25  acier)  und  als  Grice. 
Das  i  dieser  form  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  erklären,  viel- 
leicht hat  Grieu,  Griu  (<— Graecum)  eingewirkt. 

et  si:  vgl.  20  si. 

tote:   aus  tötta,  vgl.  21  to^. 

tresques:  lat.  trans~>tras~*tres  nach  der  regel  über  die 
konsonantisch  auslautenden  einsilbigen  Wörter  (s.  o.  s.  167 
nr.  2).  In  der  ursprünglichen  bedeutung  'jenseits*  , hinüber' 
erscheint  es  hier  mit  que  (nach  dem  muster  von  usque,  {in)deusque 
— jusque)  'bis  hin  nach',  als  konjunktion  'bis  dass'  in  vers  57. 
Sonst  dient  es  zur  Verstärkung  vor  adjektiven  und  adverbien 
(209  trestote,  302  tres  volentiers  —  nfr.  tres)  und  sonst  (102 

Vor«tzich,  Studium  d.  afrz.  Spraoh«.   6.  Aufl.  j[3 


1Ö4  Dritter  Teil:  Text. 

tres  parmi  =  gerade  hindurch).  —  Tresques  neben  tresque  wie 
9  onques  neben  onque. 

ci:  verkürzt  aus  ici  =  ecce  hie,  vgl.  12  cele,  20  si. 

50  itels:  verstärkte  nebenform  zu  tels<~talis,  nach  dem 
vorbilde  von  icil  —  cil^  icist  —  eist,  igo  —  f o.  Nach  anderen 
aus  aeque  talis  herzuleiten. 

com :  lat.  quomodo,  das  jedoch  schon  im  gemeinromanischen 
eine  kurzform  entwickelt  sowie  eine  bedeutungserweiternng 
erfahren  haben  muss:  vgl.  ital.  como  —  später  come,  span. 
portug.  como  usw.  Es  ist  also  von  einer  gemeinromanischen 
form  *quomo  —  como  auszugehen,  die  im  franz.  regelrecht  zu 
com  werden  musste.  Come  (nfr.  comme)  ist  eine  jüngere, 
analogisch  gebildete  form  (nach  dem  muster  von  or  —  ore, 
onc  —  onque). 

le  suen:  die  betonte  form  des  Possessivpronomens.  Wie 
das  reflexivum  (vgl.  14  se  —  61  sei)  und  das  Personalpronomen 
(me  —  mei,  te  —  tei)  hat  auch  das  Possessivpronomen  eine 
starkbetonte  und  eine  schwachbetonte  form.  Beispiele  für  die 
letzte  sind  für  das  mask.  sing,  mon  11,  son  2,  für  das  fem. 
sing,  sa  2,  für  den  plural  mes  22,  ses  15,  vo0  21.  Sind  die 
possessiva  starkbetont,  so  entwickelt  sich  der  vokal  nach  den 
regeln  über  die  haupttonigen  silben.  So  wird  süa  zu  sö-e  88 
gegen  schwachbetontes  sa  2.  In  der  entsprechenden  maskulinen 
form  suum—*-suen  ist  der  diphthong  ue  anstelle  eines  lat.  ü — p 
auffällig.  Dies  ue  weist  vielmehr  auf  lat.  q  zurück  (vgl.  31 
vueU*—*volet,  dazu  22  bons).  Wahrscheinlich  trat  in  lat.  süum 
dissimilation  der  beiden  unmittelbar  nebeneinander  stehenden  ü 
ein  (vgl.  auch  juvenem—*-  jgvenem  s.  169),  es  entstand  *sgum 
—  *suoun  —  swow  —  suen  mit  diphthongierung  des  g  vor 
folgendem  u  (p)  wie  das  ?  in  meum  —  *mieun  —  mien  (vgl. 
11  espiet).  Auslautendes  m  bleibt  in  hoehbetonten  einsilbigen 
Worten  regelrecht,  und  zwar  als  n,  bewahrt  (vgl.  2  son). 

Vom  akk.  sing,  suen  aus  sind  die  übrigen  formen  neu- 
gebildet worden:  nom.  sing,  suens  (für  *sues -*— süus),  nom.  plur. 
suen,  akk.  plur.  suens.    Ebenso  entwickelt  sich  das  pronomen 


in.  Laisse  (V.  48—52):  itels,  com,  le  stten,  savrai,  mengonge.      195 

der  zweiten  person:  mask.  sing*,  tuens  —  tuen,  plur.  tuen  —  tuens, 
fem.  sing,  to-e  (toue),  plur.  io-es  (toues). 

hsitm^mn  entwickelt  sich  regelrecht  zu  mien  (siehe  oben), 
hiogegen  das  feminin  rn^a  über  m^a  (vielleicht  angleicbung  an 
mg)  zu  meie.  Seit  dem  13.  jh.  begegnet  man  den  neufianzösischen 
aus  mien  neugebildeten  formen:  fem.  mienne  (nach  hon  —  honne 
u.  ä.),  2.  person  tien  —  tienne,  3.  person  sien  —  sienne. 

Syntaktisch  wäre  der  rektus  li  suens  (auf  das  Subjekt 
bezogen)  zu  erwarten,  der  auch  altfr.  durchaus  korrekt  wäre. 
Nach  com  kann  aber  der  obliquus  für  den  rektus  eintreten 
(vgl.  im  Bestiaire  Philipps  von  Thaon  v.  1782:  Cume  mort  se 
girat  'wie  ein  toter  wird  er  daliegen';  Aiol  6245:  Jesus  vous 
commanda  com  Tiome  corporel  'als  leiblicher  mensch'. 

senz  le  vostre:  'ohne  die  eure,  ausgenommen  die  eure'. 

51  sayrai:  p  oder  h  zwischen  vokal  und  r  wird  behandelt 
wie  zwischen  vokalen  (vgl.  die  beispiele  zu  2  chief  und  4 
Chevaliers),  daher  auch  habere  habeo—>avrai  57,  ebenso  debere 
habeo—^devrai,  reciperc  habeo ■-* recevrai.  Merkwürdig  ist  der 
Übergang  von  afr.  avrai,  savrai  (daneben  dialektisch  arai,  sarai) 
zu  nfr.  aurai  —  ore,  saurai — sor^  (seit  16.  jh.),  mit  wandel  des 
vr  zu  ur,  den  Suchier  durch  provenzalischen  einfluss  zu  erklären 
sucht  (Neumann  hält  hingegen  Übergang  des  vortonigen  p,b-i-r 
zu  ur  für  lautgesetzlich  und  daher  aurai,  saurai  für  die  regel- 
rechten afr.  formen,  devrai,  recei;ra'/ u.  ä.  für  analogiebildungen). 

52  meii^vOnge:  eine  ableitung  von  mentiri  —  mentitum 
wozu  zunächst  ein  Substantiv  *mentitionem  (vgl.  prov.  mentizo) 
gebildet  wurde.  Hierzu  eine  adjektivische  bildung  *mentitioneus 
'lügnerisch',  die  im  neutrum  pluralis  *mentitionea  zum  Sub- 
stantiv wurde,  das  entsprechend  der  endung  in  das  weibliche 
genus  überging  und  erst  im  nfr.  unter  anlehnung  an  le  songe 
(somnium)  maskulin  geworden  ist. 

Der  unbetonte  vortonvokal  fällt  regelrecht  (gegen  *cor- 
riipfiatus  —  *corrottiatos  —  correcies,  wo  schwere  konsonanz  den 
ausfall  hindert).  Hingegen  wäre  in  der  endung  statt  -onge 
vielmehr  oüe  {-ogne,  oigne)  zu  erwarten,  da  n  +  {  sich  wie 
gn  (oder  ng  vor  e,  i)  zwischen  vokalen  zu  mouilliertem  n  ent- 

13* 


106  Dritter  Teil:  Text. 

wickelt,  z.  b.  seniores —"  S€ignor{s)  67,  *crinea-^crigne  823, 
veniat-^viegnet,  teneat-^tiegnet.  Das  n-\-i  entwickelt  sich 
hier  vielmehr  ähnlich  wie  ng  vor  a  (longa— ^longe  =  londze) 
oder  wie  m  +  %  {simia-* singe,  vgl.  somniatum—* songiet  71). 
Ahnlich  entwickeln  sich  noch  extraneum-^estrange  861, 
lineum—*linge,  laneum—* lange.  Man  nimmt  an,  dass  wir  hier 
fremdwörtliche  bildungen  vor  uns  haben.  Es  sind  lauter  ver- 
hältnismässig junge  ableitungen,  in  denen  zwar  das  hiatus-e 
sich  noch  zu  i — i  entwickelte,  aber  nicht  mehr  mit  dem  voraus- 
gehenden n  zum  moullierten  n  verschmolz  und  infolgedessen 
wie  silbenanlautendes  j  zu  d^  wurde. 

Nach  einer  anderen  erkläritng  geht  mewfow^e"  gemeinsam  mit  prov. 
messorga  auf  *mentitionica  zurück,  in  welchem  das  intervokale  c  vor  dem 

ausfall  des  i  z\x  g  erweicht  worden  sein  müsste  {*mentitioniga onga, 

prov.  -orga,  frz.  -onge).  Dagegen  spricht  jedoch  die  abweichende  behandlung 
der  endung  -^ca  in  anderen  fällen:  manica  wird  über  *manca  zu  manche. 

flance:  *fidantia.  Zu  ftdus  wird  ein  neues  verbum  *fidare 
(an  stelle  des  klassischen  fidere)  gebildet,  hierzu  das  partizip 
fidans  und  dazu  (wie  zu  infans  infantia,  zu  prudens  prudentia) 
das  Substantiv  *ßdantia. 

Nfr.  ersetzt  durch  confiance. 

estes:  lat.  estis. 

Auffällig  ist  die  bewahrung  des  auslautvokals,  es 
wäre  vielmehr  zu  erwarten  *ests  und  daraus,  nach  21  voz,  ein 
*ets  —  *es!  (so  im  provenzalischen:  etz).  Wie  hier  bleibt  der 
endvokal  auch  in  der  entsprechenden  perfektform  fustes  (gegen 
prov.  fotsi),  überhaupt  in  sämtlichen  perfekten:  chantastes,  par- 
tistes,  oiistes  (siehe  2  Eout),  veistes  (siehe  9),  auch  in  der 
1.  person  fumes,  chantames  usw.  Man  erklärt  estes  als  analogie 
nach  der  1.  plur.  esmes  (■*^*esmus,  vom  stamm  es-),  die  neben 
sons  und  somes  begegnet.  Nach  estes  könnte  das  perf.  fustes, 
darnach  dann  chantastes  usw.  gebildet  sein. 

Neufranzösisch  etes  =  ?t  ist  regelmässig  aus  der  alt- 
französischen  form  entwickelt. 


III.  Laisse:  fianee,  estes.  —  IV.  Laisse  (V.  53— 57):  irascut.       197 

IV.  Laisse. 

Vers  53—57. 

(Assouanzvokal  ü.) 
63    'Par  ma  feit'  dist  li  reis  'molt  m'avez  iraseut, 

54  M'amistiet  e  mon  gret  en  avez  tot  perdut. 

55  Encor  euit  qu'en  perdrez  la  teste  sor  le  buc. 

56  Nel  detisseiz  penser,  dame,  de  ma  vertut. 

57  Ja  n'en  prendrai  mais  fin  tresque  l'avrai  vetit'. 

Erläuterungen. 
53  irascut:  eine  partizipiale  neubildung  zu  irascor — irasci 
(vulgärlat.    *irasco  —  *«Vascere— »altfr.  irais  —  iraisire)    neben 
dem  gleichfalls  erhaltenen  partizip,  richtiger  adjektiv  iratus  — 
ire0,  iriez  (v.  30). 

I.  Die  partizipialbildungen  auf  -ütum  sind  im  latei- 
nischen nicht  allzu  zahlreich,  haben  sich  aber  im  romanischen 
ausserordentlich  ausgedehnt.  Nach  mustern  wie  statui  — 
statutuni,  minui  —  minukim.,  consui  —  consutum,  acui — acutum 
bildete  man  zu  iw-perfekten  wie  habui,  dehui,  tenui  die  fehlenden 
partizipia  und  supina  ^häbutum,  *debutum,  *tenutum,  dann 
auch  zu  anderen  stammen  wie  video  vidi  —  '^vidutum,  perdo 
perdidi  —  *perdutum,  vendo  vendidi  —  *vendutum  (vgl.  ital. 
veduto,  perduto,  venduto).  Vor  allem  wurden  defektive  verba 
auf  diese  weise  ergänzt,  zum  teil  aber  auch,  wie  in  unserem 
beispiel,  doppelformen  geschaffen  (vgl.  noch  ital.  perso  und 
perduto  nebst  Substantiv  perdita  zu  perdere)  oder  die  alten 
formen  durch  neubildungen  völlig  verdrängt  (vtsum  —  vtdutum 
-^veü).  Wie  die  beispiele  zeigen,  gehen  die  späteren  bildungen 
meist  direkt  vom  präsensstamm  aus:  frz.  veüt,  ital.  veduto 
weisen  auf  '^vidutum,  nicht  vldutum  zurück.  —  Diese  bildungs- 
weise greift  naturgemäss  auch  beim  defektiven  deponens  platz: 
lat.  iratus  ist  ein  vom  Substantiv  ira  abgeleitetes  adjektiv 
(vgl.  das  wort  v.  30),  als  perfekt  wird  succensui  gebraucht, 
und  so  bildet  man  vom  präsensstamm  irasc-  das  fehlende 
partizip  *irascutum. 

IL  Diedeponentia  sind  entsprechend  ihrer  meist  akti- 
vischen   (aus    der    ursprünglichen    —    reflexivischen    —    ab- 


198  Dritter  Teil:  Text. 

geschwächten)  bedeutung  sämtlich  in  die  form  des  aktivs  über- 
getreten. Schon  das  latein  kennt  eine  reihe  von  doppelformen: 
mereor  —  mereo,  adulor — adulo  n.a.  Das  romanische  hat  die 
deponentia  durchweg  beseitigt.  So  wird  irascitur  zu  *irascit 
~->iraist,  irasd  zu  '*'irascere—*iraistre,  ebenso  nascitur~-*naist, 
nasci-^naistre,  moritm- —>  muert    Vgl.  noch  aus  unserem  text: 

24  avez  mentit  zu  lat.  mentiri 
73  menres,  206  demeinent  zu  minari 
74  demorer,  218  ai  demoHt  zu  morari. 

Wie  hier  im  deponens  gehen  die  entsprechenden  formen 
auch  im  passiv  unter,  d.  h.  sie  werden  durch  Umschreibungen 
ersetzt:  amor  durch  amatus  sum,  amahar  durch  amatus  eram. 

III.  *Irascere  erscheint  im  franz.  teils  absolut,  als  iraistre, 
teils  reflexiv,  als  sei  iraistre.  Das  partizip  irasciit  bedeutet 
'ein  erzürnter',  daher  das  verbum  mit  avoir  zusammengesetzt 
eine  kausative  bedeutung  gewinnt:  m'aves  irctscut  =  ihr  habt 
mich  als  einen  erzürnten,  ihr  habt  mich  zornig  gemacht. 
Desgleichen  begegnet  in  der  alten  spräche:  il  Va  mort  =  er 
hat  ihn  als  einen  toten,  hat  ihn  getötet.  Aus  dieser  erklärung 
ergibt  sich,  dass  die  kausative  bedeutung  auf  die  zusammen- 
gesetzten Zeiten  beschränkt  ist. 

54  m'amisti^t:  vgl.  v.  3  ^espec. 

55  buc:  rümpf,  leib,  von  deutseh  hük  =  bauch. 

56  Sinn:  'Nicht  hättest  du  es  von  meiner  macht  denken 
sollen'  (nämlich  das,  was  du  gedacht  hast,  dass  sie  geringer 
wÄre  als  die  kaiser  Hugos). 

deüsseiz:  dehuissetis.  Dßbui  gibt  im  francisehen  düi, 
wo  sich  der  auffällige  wandel  des  betonten  f  zu  ü  wol  zu- 
nächst durch  Umlaut  {b  vor  *  zu  i  wie  7  il)  und  dann  durch 
einwirken  des  mm  erklärt:  dBdm-**deum~>'*diuui-*düi.  Dar- 
nach  analogisch  dehuit-^düt,  *debucrunt  zu  dürent  Für  die 
endnngsbetonten  formen  ist  im  francisehen  von  der  im  aceent 
an  die  1.  plnr.  debüirmis  angeglichenen  2.  sing.  *d€büisti  {*debüstl) 
auszugehen,  welche  mit  »-umlaut  {-wie  ^ßtsti-^fust)  und  YerXnsi 


IV.  LaiBse:  bnc,  detJsseiz.  —  V.  Laisse  (V.  58—76).  199 

des  labials  vor  ü  (wie  ^häbutum—feü,  *sopuium—*'Seü)  regel- 
recht deüs  ergibt.  Hiernach  werden  an  alogisch  nengebildet  die 
1.  pl.  deümes,  2.  pl.  deüstes  nnd  der  conj.  impf,  deüsse,  deüsses,  deüst, 
deüssons,  deüssew,  deüssent  Vgl.  auch  die  ähnliche  entwicklung 
von  hdbui~*oi,  *hahusU~*oüs  usw.,  conj.  impf,  oüsse  (8.26). 
Die  lautgesetzlich  entwickelte  endung  -eist^stis  hat  sich 
in  konjunktivformen,  ebenso  wie  im  futur  {crendreie  718), 
länger  erhalten  als  im  ind.  präs.,  wo  sie  schon  früh  durch 
-eet-r-atis  ersetzt  wurde  (s.  13  po'ez  II). 

57  ayrai:  vgl.  savrai  v.  51. 


V.  Laisse. 
Vers  58  —  75. 

(Assonanzvokal  B  wie  in  laisse  II.) 

58  L'emperere  de  France,  com  il  fut  coronez 

59  Et  out  faite  s'ofrende  a  l'alter  principel, 

60  A  la  sale  a  Paris  si  s'en  est  retornez. 

61  Rollant  et  Olivier  en  at  ot  sei  menez 

62  Et  Guillelme  d'Orange  et  Naimon  l'aduret, 

63  Ogier  de  Danemarche,  Gerin  et  Berengier, 

64  L'arcevesque  Turpin,  Ernalt  et  Aimer 

65  Et  Bernart  de  Brusban  et  Bertran  le  membr^t 

66  Et  tels  mil  Chevaliers  qui  sont  de  France  net. 

67  'Seignor'  dist  l'emperere  'un  petit  m'entendez: 

68  En  un  lointain  reialme,  se  Dieu  piaist,  en  irez 

69  Jerusalem  requerre,  la  terre  Damne-Deu. 

70  La  croiz  et  le  sepulcre  vueil  aler  aorer, 

71  Je  Tai  treis  feiz  songi^t,  mei  i  covient  aler,^) 

72  Et  irai  un  rei  querre  dont  ai  oit  parier. 


')  Hiervon  war  bisher  uicht  die  rede:  mau  kauu  hier  die  uaohträg- 
liche  /insammenfUgaDg  der  zwei  verschiedenen  erzäblnngsstoffe  noch  deutlich 
beobachten.  Die  vision  mit  aufforderung  zur  pilgerfahrt  erinnert  an  den 
eingang  des  sog.  Pseudo-Tiupin,  der  Historia  Caroli  Magni  et  Botholandi 


200  Dritter  Teil:  Text. 

73  Set  cenz  ehameilz  menrez  d'or  et  d'argent  trossez 

74  Por  set  anz  en  la  terre  ester  et  demorer. 

75  Ja  ne  m'en  tornerai  tresque  l'avrai  trovet.' 

Erläuterungen. 

58  L'emperere :  für  li  emperere  (so  v.  5  Charles  li  emperere, 
98  Or  vait  li  emperere,  159  Et  dist  li  emperere  usw.).  Das  i 
des  männlichen  artikels  sing,  zählt  in  den  ältesten  texten  (so 
noch  im  Alexius  mitte  des  11.  jahrhs.)  stets  als  silbe,  wird 
also  auch  vor  vokal  nicht  elidiert  oder  verschliffen.  Später 
wird  dieses  die  regel:  1%  emperere  oder  l'emperere  viersilbig. 
Unser  gedieht  folgt  teils  dem  ursprünglichen,  teils  dem  jüngeren 
brauch  (vgl.  als  beispiele  für  diesen  noch  v.  76,  120,  145,  214, 
233  usw.).  —  Das  i  der  pluralform  li  wird  stets  als  silbe 
gezählt  (vgl.  V.  194,  208). 

59  principel:  lehn  wort,  aus  lat  principale.  Das  inter- 
vokale p  müsste  bei  erhaltung  des  vorausgehenden  vokals  zu 
V  werden,  das  i  der  unbetonten  mittelsilbe  ausfallen  oder 
wenigstens  zu  e  werden.  In  der  endung  zeigt  das  wort  die 
form  der  regelmässig  entwickelten  worte  auf  -alem  —  el.  — 
Nfr.  prindpal  ist  wieder  an  die  lat.  endung  angeglichen. 

60  sale:  wäre  deutsch  säla  vor  der  gemeinromanischen 
vokaldehnung  (Ten  Brink'sches  gesetz)  ins  romanische  auf- 
genommen worden,  so  wäre  es  zu  *säla  —  *sBle  geworden  wie 
pätrem  zu  *pätrem  —  pßre.  Es  kam  jedoch  erst  später  ins 
romanische  und  machte  dann  natargemäss  nicht  die  entwick- 
lung  der  Wörter  mit  langem,  sondern  mit  kurzem  ton-a  mit, 
d.  h.  das  ä  in  sala  wurde  behandelt  wie  lat.  a  in  geschlossener 
silbe,  es  blieb  unverändert.  —  Nfr.  salle  weicht,  abgesehen 
von  dem  stummen  e,  nur  in  der  Schreibung  ab. 

si:  auf  die  unmittelbar  vorausgehende  Ortsbestimmung  wie 
v.  20  auf  einen  ganzen  satz  zurückweisend:  'Nach  dem  palast 
nach  Paris,  so,  d.i.  dahin,  kehrte  er  zurück.' 

s'en  est  retornez:  zu  torner,  lat.  tornare,  tornus,  griech. 
tOQVsvco,  roQvog  (dreheisen). 


V.  Laisse:  L'emperere,  priücipel,  sale,  retornez,  menez,  die  12  pers.    201 

Retorner  ist  wie  das  simplex  tomer  von  haus  aus  transitiv; 
reflexives  s'en  retorner  bedeutet  also  regelrecht  'sich  von  dort 
umwenden',  wie  sei  esloignier  'sich  entfernen'.  Die  reflexiven 
verba  können  im  altfranzösischen  in  den  zusammengesetzten 
Zeiten  sowohl  habere  —  aveir  als  auch  esse  —  estre  haben,  meist 
jedoch  ist  das  zweite  der  fall  und  heutzutage  die  regel.  Dieser 
eigentümliche  gebrauch  erklärt  sich  durch  die  misehung  ver- 
schiedener ausdrucksweisen:  neben  ü  s'a  esloignie  stand  das 
ursprünglich  passivische  il  est  esloignier  (er  ist  ein  entfernter), 
beide  formen  können  als  perfektum  zum  präsens  il  s'esloigne 
gelten.  Es  lag  daher  nahe,  das  reflexiv  nach  dem  muster  von 
il  s'esloigne  auch  in  il  est  esloignier  einzuführen:  il  s'est  es- 
loignier, das  nunmehr  gleichbedeutend  mit  altem  il  s'a  esloignie 
vsdrd.  Ahnlich  liegt  die  sache  bei  tornare  —  torner,  nur  dass 
hier  schon  früh  neben  der  ursprünglichen  transitiven  bedeutung 
(wenden,  umwenden)  die  intransitive  (sich  wenden  —  retorner 
umkehren)  erscheint. 

Aus  dieser  entstehungs weise  erklärt  es  sich  auch,  dass 
das  partizip  der  reflexiven,  mit  estre  zusammengesetzten  verben 
im  altfr.  auf  das  Subjekt,  nicht  auf  das  objekt  bezogen  wird 
{il  s'est  esloigniez  ==  *exlongiatus  gegen  il  s'a  esloignie  = 
*exlongiatum).    Vgl.  auch  14  se  fait  legiers. 

61  menez:  zu  lat.  minari  drohen. 

Schon  im  lat,  bestand  ein  aktivisches  verbum  minare  mit 
der  besonderen  bedeutung  'das  vieh  durch  drohungen  antreiben', 
woraus  sich  in  den  romanischen  sprachen  'lenken,  leiten, 
führen'  entwickelt  hat. 

Der  Stammvokal  dieses  verbums  zeigt  unter  dem  hauptton 
nach  8  pleine  den  diphthongen  ei  {meinent  [341],  demeinent 
206,  830),  unter  dem  nebenton  e  {menrez  73,  demener  814( 
ein  beispiel  für  die  sogenannte  Stammabstufung.  Im  nfr. 
ausgleich  zugunsten  der  endungsbetonten  formen  (vgl.  das  um- 
gekehrte in  altfr.  coroner  v.  6). 

61—65  ßollaut,  Olivier,  Gnillelme  usw. 

Die  hier  genannten  beiden  sind  die  hervorragendsten 
paladine  Karls  d.  Gr.,  die  zwölf  pers  (lat.  pares),  wie  sie 
nachher,  v.  121,  205,  232),  ausdrücklich  genannt  werden.    Es 


202  Dritter  Tefl;  Text 

ist  der  begriff  der  germanischen  gefolgschaft,  der  sich  in  dieser 
persgenossenschaft  spiegelt.  Auch  die  zwölfzahl  stammt  ver- 
mutlich aus  germanischer  Überlieferung:  so  scharen  sich  um 
Siegfried,  so  um  Dietrich  von  Bern  je  zwölf  beiden.  Das  christ- 
liche beispiel  der  zwölf  apostel  kommt  für  die  älteste  fränkisch- 
französische  sage  kaum  in  betracht.  Die  Übereinstimmung  in 
der  zahl  bietet  unserm  dichter  nachher  gelegenheit  zu  der 
prächtigen  szene  in  der  kirche  zu  Jerusalem  (v.  112  ff.).  Die 
namen  der  hier  genannten  zwölf  pers  sind  sämtlich  germanischen 
Ursprungs,  da  der  adel  in  dem  von  den  Merowingern  auf  dem 
boden  des  alten  Galliens  begründeten  Frankenreich  fränkischer 
herkunft  war. 

Ausser  der  zwölfzahl  standen  jedenfalls  nur  die  namen 
der  berühmtesten  beiden  fest,  die  der  übrigen  wurden  von 
den  einzelnen  dichtem  zum  teil  nach  g*utdttnken  ergänzt.  Von 
den  hier  genannten  erseheinen  im  ßolandslied  nur  Roland, 
Olivier,  Berengier,  Gerin  unter  den  zwölf  pers,  die  übrigen 
acht  pers  tragen  dort  andere  namen  (Gerier,  Aton,  Samson, 
Engelier,  Ivon,  Ivoire,  Anseis  der  Alte,  Girart).  Turpin, 
Naimon,  Ogier  erscheinen  gleichfalls  im  Rolandslied,  aber 
nicht  als  pers.  Die  übrigen  hier  genannten  beiden  (Guillelme, 
Ernalt,  Aimer,  Bernart  de  Brusban  und  dessen  söhn  Bertram) 
gehören  weder  im  Rolandslied  noch  sonst  zu  den  zwölf  pers, 
sie  bilden  in  der  späteren  epik.  eine  besondere  geste,  die  des 
Wilhelm  von  Orange  oder  die  nach  dem  angeblichen  Stamm- 
vater so  genannte  geste  des  Garin  de  Monglane.  Dieser 
Zyklus  von  Wilhelmsdichtungen  hat  sich  erst  allmählich  ent- 
entwickelt, in  der  älteren  epik  gibt  es  keine  derartige  Scheidung: 
in  dem  Courotmement  Louis  tritt  Wilhelm  selbst,  in  dem  so- 
genannten Haager  Fragment  (einem  auf  ein  französisches  epos 
zurückgehenden  lat.  prosafragment)  treten  seine  brüder  neben 
Karl  d.  Gr.  auf. 

Dass  in  dem  namen  Berengier  {Berädsier  —  nfr.  Berauger) 
der  diphthong  ie  (vgl.  I.  laisse)  mit  e  reimt,  erklärt  sich  wohl 
durch  die  reimnot  des  dichters,  welcher  die  zahlreichen  namen 
nicht  alle  im  inneren  des  verses  unterbringen  konnte. 

Ö7  8eiguor:  vokativ,  in  der  form  gleich  dem  nomiuativ 
(vgl  1  Charles  IV,  13  emperere). 


V.  Laisse:  Selgnor,  petit,  loiutain,  se  Dieu  piaist.  20B 

Von  den  Substantiven  der  lat.  IIL  deklination  sollten  die 
beiden  kasns  des  plurals,  entsprechend  den  lateinischen  formen, 
ursprÜDglieh  gleich  lauten:  peres,  seignors  =  patres ,  seniores. 
Indessen  schliessen  sich  die  maskulina  dem  Vorbild  derjenigen 
der  lat.  IL  deklination  an,  welche  den  obliqnus  vom  rektus 
durch  5  unterscheidet :  cäballarü  — ►  Chevalier,  caballarios  — > 
Chevaliers,  dementsprechend  peres,  seignors  nur  als  obliquus, 
im  rektus  hingegen  pere,  seignor.  Vgl.  82  servant,  208  home^ 
dazu  s.  145. 

petit:  dies  wort  ersetzt  in  einigen  romanischen  sprachen 
das  lat.  parviis.  Es  ist  keltischer  herkunft  und  gehört  zu 
demselben  stamme  ))etf-,  auf  den  frz.  piece  zurückgeht:  ein 
romanisches  '^peUlttmm  oder  *petitttum  (in  stücke  geteilt,  zer- 
kleinert) fuhrt  zu  ital.  pitetto  (für  petitto),  prov.  frz.  petit. 

68  lointain:  von  *longitanum. 

Vor  nasal  entwickelt  sich  lat.  betontes  freies  a  nicht  zu 
e,  sondern  zu  ai  (siehe  Vokalismus  II  unter  a,  s.  170): 

renianet  —  ^^remdnet  — »•  remaint  92 
planum— *■  piain  93 
de  mane-^demain  (489), 

dazu  aparnimnes  163 
sanibS—^-sains  195 
clamant~*-claiment  208 
manum-*main  823. 

Nfr.  zu  ?  wie  ain  in  saint<-sanctum,  in  offener  silbe  zu 
?»  (plaine,  saine,  lointaine  usw.). 

se  Dieu  piaist:  vgl.  dagegen  ploiist  al  rei  de  gloire  (405). 

Im  altfr.  kann  bei  personenbezeichnungen  und  persönlich 
gedachten  begriffen  (wie  cglise,  loi,  tiernamen  u.  ähnl.)  der 
blosse  obliquus  (d.  h.  der  alte  lat.  dativ  statt  des  neuen  mit 
ad  gebildeten:  Deo  statt  ad  Beum)  stehen.    Vgl.  noch: 

L'arcevesque  Turpin  comandet  son  conduit  202 
E  por  0  fut  presentede  Maximien  (Eulalia  11) 
Dieu  lo  covit  (er  begehrte  ihn  für  Gott:  Leodegw  17). 


204  Dritter  Teü:  Text. 

irez:  dazu  irai  72,  iras,  irat  91,  irons,  iront  849. 

Das  lat.  ire  lebt  nur  in  diesen  vom  infinitiv  abgeleiteten 
futurformen  fort.  Für  den  ind.  präs.  werden  zum  teil  formen 
von  vadere  verwendet  (sg.  1.  vois  153,  2.  vas,  3.  vait  98,  pl.  3. 
vont  147).  Die  übrigen  personen  des  präsens  und  seine  ab- 
leituDgen  werden  von  aler  gebildet  (vgl.  aler  70,  alerent  77, 
ale0  135,  part.  alejs  144  u.  o.). 

69  Jerusalem  requerre:  zur  voranstellung  des  Objekts 
hier  wie  in  den  folgenden  versen  70,  72,  73,  77  vergleiche 
v.  39  le  rei  me  nomes. 

70  sepulcre:  lehn  wort  {p  statt  v,  ü  zu  ü  wie  in  duc). 

aler:  das  in  den  Schulbüchern  gewöhnlich  als  etymon 
angegebene  amhulare  gibt  lautrecht  ambler  (vgl.  89  amhlane), 
nicht  al{l)er.  Nach  Meyer -Ltibke  Hesse  sich  jedoch  aler  als 
eine  zunächst  im  imperativ  entstandene  kurzform  von  amhulare 
{ambulatis.'-^ales!)  denken.  Die  sonst  aufgestellten  etymo- 
logieen  sind  sehr  zahlreich.  Sehr  erschwert  wird  die  frage 
durch  die  danebenstehenden  formen  der  übrigen  romanischen 
sprachen :  prov.  catalanisch  anar,  ital.  andare,  span.  port.  andar. 
Es  erscheint  nicht  möglich,  alle  diese  formen  aus  derselben 
Wurzel  (etwa  ambitare  oder  ähnl.)  herzuleiten.  Im  besonderen 
das  französische  aler  weist  auf  einen  stamm  al-,  möglicherweise 
ist  dieser  aus  dem  keltischen  entnommen. 

71  feiz:  lat.  mcem  —  mces  (vgl.  2  croiz  III). 

Der  tibergang  des  anlautenden  v  zn  f  (das  prov.  behält 
V :  vete)  ist  nicht  hinreichend  erklärt.  Die  erklärung,  dass  in 
Verbindung  mit  zahlworten  in  den  weitaus  meisten  fällen 
stimmloser  konsonant  vorausgehe  (dos,  treis,  eine,  sis,  set  usw.) 
und  sich  das  folgende  stimmhafte  v  assimiliert  habe,  stösst 
sich  daran,  dass  solche  assimilation  im  franz.  nicht  vorwärts, 
sondern  rückwärts  zu  wirken  pflegt:  fraxinum-^fraisne  = 
frakne  (vgl.  oben  s.  20  zu  mostier  V),  Strassburg—*- Strasbourg 
==  strazbur,  Lisbonne  =  lizbon,  avec  vous  ==  avegvu,  je  passe 
devant  =  zd  pazdevä;  obtenir  =  optenir,  au-dessous  =  ostu, 
rue  de  Seine  =  rüts^n.    Die  neue  erklärung  durch  einwirkung 


V.  Laisse  (V.  58 — 75):  irez,  aler,  feiz,  acc.  c.  inf.,  ehameilz.      -05 

des   deutschen   fart  in  der  bedeutHDg  'mar  (mhd.  iuscni  vart 
=  tausendmal)  ist  wenig  wahrscheinlich. 

mei  i  coTient  aler:  mei  ist  accusativ,  das  ganze  also  die 
konstruktion  des  accusativus  cum  infinitivo  im  altfranz.  Vgl. 
844  nos  en  covient  aler,  oder,  mit  unzweideutiger  pronominal- 
form: Mors  fu;  morir  le  covenoit  (Crestien,  Cliges  2392). 
Daneben  begegnet  der  infmitiv  mit  a:  tei  covenist  helme  e 
brunie  a  porter  (Alexius  411).  Der  acc.  c.  inf.  erscheint  im 
afr.  nach  ähnlichen  impersonalen  verben:  estuet  (217  En  France, 
a  mon  reialme,  m'en  estuet  retorner),  loist  (licet)  u.  ä.;  nach 
verben  der  sinnlichen  Wahrnehmung:  veeir,  entendre,  dir  (369 
Devers  les  porz  de  mer  oit  un  vent  venir);  nach  den  verben 
des  machens,  befehlens,  zulassens  (Eulalia  4:  Voldrent  la  faire 
diaule  servir). 

Das  neufranz.  hat  die  zahl  der  afr.  a.  c.  i.,  besonders  bei 
den  impersonalen,  vermindert  {ü  convient  hat  das  objekt  jetzt, 
wie  z,  t.  schon  afr.,  im  dativ  neben  sich),  andrerseits  den  a.  c.  i. 
durch  einführung  gelehrter  bildungen  bereichert  {II  se  trouva 
devenir  la  propriete  des  creanders  de  son  pere;  le  grand  patriote 
que  tous  savaient  n'avoir  jamais  existe). 

73  ehameilz:  lies  tsameiU,  aus  camelos,  neben  chameh 
-<—  camellos. 

Nach  der  regel  4  Chevaliers  Va  wäre  *chemeiU  zu  er- 
warten. Die  abweichung  erklärt  sich  durch  den  lehnwörtliehen 
Charakter  des  wertes:  es  wurde  erst  in  die  spräche  auf- 
genommen, nachdem  die  nebentonige  vortonsilbe  ca-  zu  che- 
ge worden  war,  nur  wurde  das  anlautende  c  vor  a,  welches 
der  Volkssprache  jener  zeit  durchaus  ungeläufig  war,  durch 
das  geläufigere  cJia  (t§a)  ersetzt.  So  werden  noch  öfter  lehn- 
worte  an  erbworte  teilweise  angeglichen,  weil  ihre  laut- 
verbindungen  dem  volksttimliehen  Sprachgefühl  oder  richtiger 
bewegungsgefühl  nicht  entsprechen.  So  wird  lat.  castus  zu 
chaste:  lehn  wort  wegen  erhaltung  des  auslautvocals  und  des  s 
vor  t,  aber  mit  anpassung  des  c  vor  a  an  die  gewohnte  laut- 
verbindung;  capitulus  zu  chapitre:  lehnwort  wegen  erhaltung 
des  intervocalen  p,  des  ^,  des  a  nach  palatal,  auch  wegen  der 
endung  (vgl.  *vetulu  —  *veclu  —  vieil),   aber   wie   chaste   mit 


206  Dritter  Teil:  Text. 

anlautendem  ch-.    Hingegen  bleibt  in  dem  rein  gelehrten  wort 
calice  177  das  c  sogar  als  c  (h)  erhalten. 

argent:  lies  ard^ät,  aus  lat.  argentum. 

Anlautendes  g  vor  e,  i  wird  schon  in  gemeinromaniseher, 
vor  a  erst  in  französischer  zeit  assibiliert  und  dann  zu  di 
(vgl.  oben  s.  148): 

gentem-^gent  76 
genituS'OS-^gens  112,  gentes  95,  gentement  77,  87 

gaudia-^joie; 
auch  germ.  g: 

Gerin— > Gerin  63 
gero-on -*  geron  853 
*giga->gigue  (geige). 

trossez;  zu  trosser,  von  trosse  bündel,  das  man  zu  thyrsus 
<— gr.  d^vQöog  (der  mit  epheu  und  weinranken  umwundene 
baechusstab)  zu  stellen  pflegt. 

Griech.  v  wird  in  den  lat.  lehnwörtern  alter  zeit  regelrecht 
zu  u,  romanisch  o:  vgl.  ßvQöa—>hürsa~^lorse  (nfr.  bourse), 
xQVJiT?]  —*■  crupta--> crote  (nfr.  grgtte  nach  ital.  grotta),  Jtv^ig- 
i6i.g—>buxida-^boiste  {nfr.  boUe).   Vgl.  im  übrigen  8.22  Denis. 

74  demorer:  zu  demörari — *demörare{ygl.5Sirascutll). 

Nfr.  demeurer  statt  demourer  (nebentonig  g  in  freier  Stel- 
lung zu  o—*-ou  wie  in  corone  —  couronne)  erklärt  sich  durch 
einfluss  der  stammbetonten  formen:  '^dew^rat  (mit  rekomposition) 
gibt  afr.  demueret  —  nfr.  demeure.  Noch  im  16.  jahrh.  sind 
formen  wie  demourer,  demourant  zu  finden.  —  Altfranz,  be- 
gegnet auch  die  umgekehrte  analogie:  stammbetont  demgret 
(z.  b.  Roland  2021)  nach  demoröns  usw. 


VI.  Laisse. 
Vers  76 — 97. 

(Assonanzvocal  ä.) 

76  L'emperere  de  France  fait  conreer  sa  gent: 

77  Geis  qui  od  lui  alerent  conreat  gentement. 


V.  Laisse.  -  VI.  Laisse  (V.  n-^Ql):  od  loi,  ©ntre.  2^7 

78  Assez  lor  at  don^t  entre  or  fin  et  argent. 

79  N'i  oat  escuz  ne  lanees  ne  espees  trenchanz, 

80  Mai8  fuz  ferrez  de  fraisne  et  escrepes  pendanz. 

81  Les  destriers  fönt  ferrer  et  detr^s  et  devant. 

82  Les  mulz  et  les  somiers  afeltrent  li  servant 

83  Et  fönt  pleines  les  males  entre  or  fin  et  argent, 

84  De  vaissels,  de  deniers  et  d'altre  guarnement. 

85  Faldestuelz  d'or  i  portent  et  tres  de  seie  blans, 

86  A  Saint  Denis  de  France  li  reis  s'escrepe  prent: 

87  L'areevesques  Turpins  li  seignat  gentement. 

88  Et  si  prist  il  la  soe  et  Franceis  ensement, 

89  Et  monterent  as  mulz  qu'il  ourent  tost  amblanz, 

90  De  la  cit^t  eissirent,  si  s'en  tornent  brochant. 

91  Des  or  s'en  irat  Charles  a  Damne-Deu  comant, 

92  La  reine  remaint  dolorose  et  plorant.  — 

93  Tant  chevalehet  li  reis  qu'il  vint  en  un  piain  grant. 

94  A  une  part  s'en  tornet,  si  apelet  Bertram: 

95  'Vez  com  gentes  compaignes  de  pelerins  erranz: 

96  Oitante  milie  sont  el  premier  chief  devant! 

97  Quis  conduit  et  governet,  bien  deit  estre  poanz.' 

Erläuterungen. 

77  od  lui:  bei  der  Verbindung  von  präposition  und  pro- 
nomen  ist  jene  der  schwächer,  dieses  der  stärker  betonte  teil, 
daher  altfr.  wie  neufr.  die  betonte  form  des  pronomens  steht: 
vgl.  noch  avuec  eis  138,  od  lui  203,  ot  sei  61,  232.  Vgl.  auch  präp. 
fors  neben  Sidv.  fuers,  beide -«—/"^m;  per—*par,  ad~-*-a  u.a. 

78  entre  or  fln  et  argent:  der  gebrauch  von  entre  . . .  et 
in  distributivem  sinne  'sowol  —  als  auch'  lässt  sieh  als  gemein- 
romanisch bezeichnen.  Inter  in  dieser  bedeutung  findet  sich 
schon  in  lateinischen  Urkunden  vom  7.  jahrh.  ab  {inter  aurum 
et  argentum  solidos  mille),  vgl.  italienisch  tra  con  parole  e  con 
atti  (sowol  mit  werten  als  geberden),  span.  fablaron  entre  el  y 
ella  (sie  sprachen  miteinander,  er  und  sie),  altfr.  Entre  Bembalt 
e  Hamon  de  Galice  —  Les  guieront  (Raimbalt  und  Hamon  zu- 
sammen werden  sie  führen,  Rol.  3013  f.).  Die  sache  erklärt 
sich  wol  zunächst  aus  jenen  fällen,  wo  —  wie  in  den  beiden 
letzten  beispielen  —  die  beiden  teile  das  Subjekt  bildeten  und 


206  Dritter  Teil:  Text. 

intra  —  entre  ein  reeiprokes  Verhältnis  (intra  se)  andeutete. 
Nachdem  sich  aus  solchen  fällen  tatsächlich  das  geftihl  ent- 
wickelt hatte,  dass  die  beiden  substantiva  von  entre  abhängig 
seien   (nicht  niehr  subjekt  des  satzes,  weshalb  auch  Bembalt 

—  Hamon,  nicht  Rembah  —  Haimes),  konnte  diese  ausdrucks- 
weise auch  auf  das  objekt  übertragen  werden,  wie  hier,  oder 
auf  andere  kasusverhältnisse,  wie  v.  83,  wo  dieselbe  Wendung 
einen  genetiv  vertritt.  Vereinzelt  noch  nfr.:  Entre  pieces  de  cinq 
francs  et  pieces  de  vingt  francs  ü  y  avait  dans  cette  bourse 
deux  Cents  francs  (s.  Littr6,  Dict.  entre  9). 

Zu  80 — 83:  die  beiden  rüsten  sich  zu  einer  friedlichen 
Pilgerfahrt  aus,  mit  pilgerstab  {fust)  und  pilgertasche  (escrepe). 
Die  erwähnung  der  streitrosse  {destriers)  neben  den  maultieren 
(muh)  ist  daher  wenig  am  platze,  im  folgenden  ist  von  ihnen 
nirgends  die  rede,  auch  die  ausländischen  bearbeitungen  des 
gedichts  kennen  den  vers  81  nicht.  Er  ist  wohl  durch  einen 
gedankenlosen  kopisten  hinzugefügt.  —  Wegen  des  s  in  fraisne  80 
vgl.  s.  19  zu  mostier  V,  s.  204  zu  71  feiz. 

82  Wortstellung:  Inversion  des  Subjekts  infolge  von  vor- 
anstellung  des  objekts,  vgl.  39  le  rei  me  nomez. 

somiers:  grieeh,  adyna  (das  aufgepackte,  der  saumsattel) 
ist  in  das  vulgärlat.  als  sauma  (ital.  salma  —  soma,  prov.  sauma) 
übergegangen,  woraus  frz.  some  'last',  dazu  somier  'lasttier', 

servant:  nom.  plur.  servientes  mit  Übergang  zur  jotlosen 
flexion  {*serventes)  und  analogischem  verlust  des  nominativ-s 
(wie  67  seignor).    Lat.  servientem  ergibt  serjant  —  sergent. 

Die  lat.  participia  präsentis  sind  grossenteils  zu  adjektiven 
(wie  schon  lat.  sap{i)entem  —  savant,  wie  unten  v.  97  potentem 

—  poant)  oder  Substantiven  (wie  hier  servant,  auch  savant  u.  a.) 
geworden.  In  verbaler  bedeutung  finden  wir  solche  partizipien 
z.  b.  in  den  vorausgehenden  versen  79  (espees  tranchanz)  und 
80  {escrepes  pendanz),  weiter  unten  v.  95  pelerins  erranz. 
Grossenteils  aber  ist  das  pari  präs.  in  verbalem  sinne  durch 
das  lat.  gerundium  ersetzt  worden  oder  mit  ihm  zusammen- 
gefallen (gerade  im  franz.  musste  amantem  und  amando  auch 
lautlich  zusammenfallen  in  amant).    Vgl.  noch  unten  v.  90  si 


VI.  Laisse  (V.  76—97):  Wortstellung,  somiers,  servant  nsw,       209 

^en  tornent  hrochant  =  sie  se  inde  tornant  *broccando,  92  La 
reine  remaint  .  .  .  plorant  =  plorando. 

85  Wortstellung:  bei  mehrteiligem  objekt  wird  häufig  nur 
das  erste  vorausgenommen,  die  folgenden  nachgesetzt.   Vgl.  noch: 

Dus  i  out  et  demeines,  barons  et  Chevaliers  4 
Lohereigne  traversent,  Baiviere  et  Honguerie  101. 

faldestuelz:  germ.  faldastgl  ('faltstuhl',  stuhl  zum  zu- 
sammenlegen, zu  altsäehs.  siöl,  ahd.  stuoT),  lautgerecht— */aWe- 
stuel,  mit  s  faldestuelz  (vgl.  6  mieh  II,  III).  Die  übliche  form 
faldestueil  {-uel)  erklärt  sich  wol  durch  sulfixtausch  {-oliu  für  -olu). 

tres:   plural  zu  tref^^—trahem  wie  chies  20  zu  chief  2. 

86  Wortstellung:  Subjekt,  objekt,  verbum. 

Auch  diese  reihenfolge  ist  in  der  alten  spräche  nicht 
selten.    Vgl.  noch: 

Li  patriarche  en  at  Charlemagne  apelet  250 
Li  reis  Hague  li  Forz  at  Charlon  apelet  838 
Quant  il  at  Dieu  preiiet  865. 
Wie  die  beispiele  lehren,  pflegt  in  den  zusammengesetzten 
■Zeiten  das  objekt  zwischen  hillsverbum  und  partizip  zu  treten. 

87  li  seignat  genteme.it:  ergänze  la. 

Beim  zusammentreflFen  zweier  pronominalobjekte  (dat.  li, 
lor,  vos  usw.  mit  acc.  le,  la,  les)  kann  im  altfr.  das  akkusativ- 
objekt  wegbleiben.    Vgl.  noch: 

191  Cd  li  ßst  aporter  =  C.  les  li  f.  a.  (sc.  les  reliques) 
Eoland  1996  tot  li  detrenchet  =  t.  le  li  d.  (sc.  Veline). 
Schon  das  lat.  kannte  in  gewisser  beschränkung  (bei  den 
Verben  des  sagens,  hörens,  zeigens)  die  auslassung  des  pro- 
nominalen akkusativs.  Im  altfr.  aber  geht  die  erscheinung, 
wie  unsere  beippiele  zeigen,  viel  weiter.  Auch  sonst  ist  hiei 
auslassung  eines  pronomeos  in  manchen  fällen  möglich,  wo  sie 
nfr.  nicht  mehr  gestattet  wäre:  chascuns  Vama  et  (erg.  li) 
porta  fei;  il  lor  dona  armes  et  (erg.  les)  apareilla  honorablement 

88  ensement:  eine  Weiterbildung  von  ensi  (ainsi),  das  man 
aus  aeque  sie  zu  erklären  pflegt  (die  lautliche  entwicklung  ist 

Voretzaoh,  Studium  d.  afrz.  Sprache.    5.  Aufl.  14 


210  Dritter  TeU:  Text. 

nieht  ganz  klar).  Von  ensi  ist  ensement  nach  dem  muster  der 
adverbia  auf  -ment  (vgl.  12  folement,  16  helement)  gebildet, 
wie  auch  comment  zu  com  (von  quomodo,  vgl.  y.  50). 

90  brochaiit:  zum  keltischen  stamm  brocc-  (spitz)  —  frz. 
hroche  (spiess,  nadel),  broch{i)er  (stechen,  spornen),  hrochure  usw. 

91  des:  nach  älterer  erklärung  de  ex,  entwickelt  wie  ex 
vor  konsonant  (vgl.  43  estortre,  gegen  exiverunt-^eissirent  100, 
vgl.  1  reis);  richtiger  (nach  Tobler)  de  ipso  (sc.  illo  tempore  u.  ä.), 
das  regelrecht  (ps-^ss  —  s  wie  pt-^tt  —  t)  zu  des  werden 
musste. 

95  vez:  häufig  gebrauchte  kurzform,  entweder  aus  vides 
(haupttonig  veü),  eigentlich  'siehst  du?',  dann  ' siehe  1';  oder 
aus  veeztr-videtis  (für  videte,  vgl.  19  enseigniez).  Zweisilbiges 
veez  in  unserm  gedieht:  Veez  ici  Guillelme  (739),  Veez  ici 
Bernart  (764). 

pelerins:  lat.  peregrinos,  mit  dissimilation  des  ersten  r 
gegen  das  zweite;  christliches  lebnwort,  mit  erhaltung  des  un- 
betonten vorton  Vokals,  spurlosem  verschwinden  des  g  vor  r 
(gegen  nigrum—>neir). 

96  oitante:  beztigl.  des  Stammvokals  die  regelrechte  fort- 
setzung  von  octoginta  (während  odo  mit  betontem  p  *uoit  —  uü, 
huit  gibt).  Die  endung  ist  an  quadraginta  —  quarante  u.  a. 
angeglichen  (mittelform  *quadrdinta).  Daneben  schon  altfranz. 
quatre-vint  (ebenso  in  alter  zeit  treis  vint,  acc.  treis  vinz,  sis 
vint,  acc.  sis  vinz  usw.).  Nfr.  huitante  (mit  angleichung  des 
Stammvokals  an  huit)  ist  veraltet  ebenso  wie  nonante<—nona- 
ginta.  Dialektisch  noch  gebräuchliches  octante  sowie  septante 
(mit  lautem  c  und  p!)  beruht  auf  gelehrter  Umbildung  oder 
entlehnung. 

97  qnis:  flir  qui  les.    Vgl.  1  äl,  40  nel,  dazu  s.  163. 

poanz:  die  regelrechte  fortsetzung  des  lat.  potentem  mit 
nominativ-5,  das  schon  im  lat.  zum  adjektiv  geworden  ist. 
Poissant — puissant  ist  eine  zu  den  oben  (v.  40)  besprochenen 
formen  puis,  puisse  gehörige  neubildung  {■*—*possientem),  es  ist 


VI.  Laisse  (V.  76—97).  —  VII.  Laisse  (V.  98  —  111).  211 

gleichfalls  zum  adjektiv  geworden.  Neufr.  pouvant  endlich  ist 
das  aus  pouvons,  pouves,  pouvoir  neugeschaffene  partizip 
und  gerundium  mit  rein  verbaler  bedeutung. 


VII.  Laisse. 
Vers  98—111. 

(Assonanz  i-e.) 

98  Or  vait  li  emperere  ot  ses  granz  compaignies, 

99  Devant  el  premier  chief  furent  oitante  milie. 

100  II  eissirent  de  France  et  Borgoigne  guerpirent, 

101  Lohereigne  traversent,  Baiviere  et  Honguerie. 

102  Chevalchet  l'emperere  tres  parmi  Crobatie, 

103  Les  bois  et  les  forez,  et  sont  entret  en  Grice. 

104  Les  puis  et  les  montaignes  virent  en  Romanie, 

105  Les  Turs  et  les  Persanz  et  cele  gent  haie. 

106  La  grant  ewe  del  flum  passerent  a  Laiice,  i) 

107  Et  brochent  a  la  terre  ou  Dieus  rcQut  martirie, 

108  Veient  Jerusalem,  une  cit^t  antive. 

109  Li  jorz  fut  bels  et  clers,  herberges  ont  porprises, 

110  Et  vienent  al  mostier,  lor  ofrendes  ont  mises. 

111  As  herberges  repairent  les  fieres  compaignies. 

Erläuterungen. 

98  vait:  lat.  vadit  ergibt  (hochbetont)  regelrecht  vet,  an 
dessen  stelle  jedoch  meist  va  und  vait  erscheinen.  Wie  bei 
habere  haben  sich  auch  bei  dem  häufig  als  hilfsverb  und  daher 
schwachtonig  gebrauchten  verbum  vadere  im  romanischen  kurz- 
formen  entwickelt,  in  denen  d  fiel  und  einsilbige  formen  ent- 
standen: 

*vao  (ital.  vo,  prov.  vau  vauc)  —  frz.  *voi  vois 
vas  (ital.  vai,  prov.  vo^)  —  frz.  vas 
vat  (ital.  va,  prov.  va  vai)  —  frz.  vat 
^vaunt  (ital.  van  vanno,  prov.  vaun  van)  —  frz.  vont. 


*)  Laiice  ist  Laodicea  in  Phrygien,  der  grosse  flnss  der  Lykos. 

14* 


212  Dritter  Teü:  Text. 

Die  drei  letztgenannten  frz.  formen  erklären  sich  regelrecht 
aus  den  vulgäilat.  kurzformen.  Die  1.  person  *vao  (vau)  sollte 
zunächst  *vo  ergeben  (wie  aurum-*or  3).  Wir  finden  indes 
nur  die  erweiterte  form  vois  mit  analogischem  i  (nach  dem 
muster  von  ai'*—*ajO'*—habeo  und  sui'*r-sum,  das  sich  schon 
früh  an  ai  angeschlossen  hat,  Tgl.  v.  33)  und  weiter  mit  ana- 
logischem s  (nach  puis^-^possio,  siehe  v.  40),  wonach  auch 
eine  anzahl  anderer  erster  personen  umgebildet  worden  sind 
(truis  =  *tropo,  ruis  =  rogo  —  *roguo,  estois  =  sto  —  *stao). 

Neben  vois  fiadet  sich  auch  vai,  das  zu  vas  vat  gebildet 
ist  nach  ai  as  at;  umgekehrt  nach  vai  2.  person  vais  und  3.  vaii, 
wobei  auch  Vorbilder  wie  fais  fait  mitgewirkt  haben  können. 
Die  verschiedenen  formen,  lautgesetzliche  und  analogische,  be- 
stehen nebeneinander,  auch  die  zweiten  sind  verhältnismässig 
alt  {vait  schon  im  Alexiuslied  neben  vat). 

compaigoies:  lies  cöpaUies.  Stammwort  ist  *companio 
der  'brotgenosse'  {pams\  woraus  altfr.  compain,  obliquas  com- 
pa(i)gnon,  der  gefährte.  Dazu  das  kollektivum  compaigne 
gefolgschaft  (oben  v.  95,  sonst  auch  'gefährte')  und  nach  dem 
muster  der  ursprüaglich  griechischen  worte  auf  -ia  compaignie 
(gefolgschaft  —  gefährte),  endlich  das  verbum  compaignier  — 
accompagner. 

100  guerpirent:   zu  fränkisch  werpan  werfen. 
In  der  regel  gehen  die  germanischen  verba  auf  -jan  zur 
»-konjugation,  die  übrigen  zur  e-konjugation  (lat.  a)  über.    Vgl.. 
hatjan—^hair  105  j       ^warden—^guarder^v^l.Y.^ 

*Jcrostjan—*'Croissir  194      j  witan—*- guier  245 

warnjan—> guarnir  240      !  warön—> guarer. 

Von  werpan  siud  keine  germanischen  ^'-formen  bekannt 
(got.  wairpan,  ahd.  werfan,  altsächs.  werpan,  ags.  weorpan,  alt- 
nord.  verpa);  es  hat  sich  gleichwohl  den  i-verben  angeschlossen. 
Der  bedeutungswandel  'werfen'— >•' verlassen'  ist  ähnlich  wie  ii 
lat.  abjicere  'wegwerfen'— >' aufgeben,  verloren  geben,  verlassen'. 

100 — 107  Karls  weg:  dieser  führt  offenbar  in  der  haupt- 
sache  zu  lande  nach  Jerusalem  —  ob  nun  gerade  über  Kon- 
stantinopel, das  die  beiden  erst  auf  dem  rück  weg  besuchen. 


VII.  Laisse:  compaignies,  guerpirent,  ewe,  regut.  213 

wird  oicbt  gesagt.  Bomanie  bezeichnet  für  gewöhnlich  das 
oströmische  reich  oder  dessen  europäischen  teil,  an  unserer 
stelle  aber  wohl  den  asiatischen  teil,  also  Kleinasien,  da  Grice 
TOiher  besonders  genannt  wird.  Die  Vorstellungen  des  dichters 
vom  Orient  sind  Überhaupt  nicht  sehr  bestimmt,  er  verarbeitet 
hier  nur,  was  er  vom  hörensagen  durch  Jerusalempilger  weiss 
(vgl.  unten  s.  218,  228).  So  wird  man  auch  den  Widerspruch, 
daes  Karl  durch  das  byzantinische  reich  zieht,  ohne  dass  des 
kaisers  Hugo  von  Konstantinopel  gedacht  wird,  nicht  zu  schwer 
nehmen  dürfen. 

106  ewe:  aqua  ergibt  zunächst  *auua,  wird  aber  nicht 
wie  (bei  silbeschliessendem  u)  plouuit-^plout,  davum—^clou 
(vgl.  2  Botit  IV)  weiter  entwickelt,  sondern  lässt  a  wie  sonst  in 
freier  silbe  zu  e  werden.  Nach  anderer  annähme  entstand  aus 
aqua  zunächst  aive,  daraus  eve,  wobei  aber  ai  früher  als  in 
anderen  werten  zu  e  kontrahiert  worden  sein  mtisste.  —  Wie 
ewe  zu  taue  —  eaue  wird,  ist  noch  nicht  befriedigend  erklärt, 
doch  zeigt  ?  vor  l  eine  ähnliehe  entwicklung  (6e?5—»-&eaw5). — 
Unmittelbar  auf  den  ton  vokal  folgendes  auslaut-e  beginnt  seit 
dem  13.  jh.  zu  verstummen,  was  in  der  schrift  nur  teilweise 
zum  ausdruck  kommt  {estoie  —  oi  —  ois,  avoie  —  oi — ois,  auroie 
—  oi  —  ois,  eaue  —  eau  gegen  vie  =  vi,  epee  =  epß).  —  Der 
triphthong  eau  wurde  im  16.  jh.  zum  diphthongen  ep,  im  17.  jh. 
zu  60  —  0  (wie  beau—^beQ-^beo-^bo). 

107  re^ut:  vulgärlat.  ^recepuit  oder  *re(^puit  für  lat 
recSpit 

Während  die  perfektbildung  auf  -evi  im  gegensatz  zu  -avi 
und  -ivi  (vgl.  2  seignat,  18  o'irent)  ganz  untergegangen  ist,  hat 
die  daneben  in  der  lat.  II.  konjugation  und  ebenso  in  der  111. 
und  IV.,  vereinzelt  auch  in  der  I.  vorhandene  bildung  auf  -ui 
eine  weit  grössere  ausdehnung  gewonnen  als  im  latein.  Fehlende 
perfekta  wurden  nach  diesem  verbreiteten  typus  ergänzt,  vor- 
handene darnach  umgebildet:  go  wird  bibi—**bibui  —  bui, 
movi-->*niovui  —  mui,  crevi—**crevui  —  crui,  veni—^-^venui  — 
vin,  so  auch  recspi-^*recspui  —  regui.  Auch  eine  vom  praesens 
aus  neugebildete  form  *recipul  müsste  dasselbe  ergeben. 

Das  vollständige  paradigma  dieses  verbums  würde  lauten 
regui,  receus,  regut,  receumes,  receustes,  regurent 


214  Dritter  TeU:  Text. 

Im  wesentlichen  ist  die  entwicklung  wie  bei  debui-^dui 
(vgl.  56  deüsseis)  vor  sich  gegangen:  '^recepiii-^rcQui,  darnach 
regut,  regurent;  ^'■recepu[i)sU-*regeus,  darnach  regmmes,  regeustes. 

Starke  perfektbildung.  In  der  1.  und  3.  person  sing, 
sowie  in  der  3.  plur.  dieser  verba  ruht  der  accent  auf  dem 
Stammvokal,  nur  in  den  drei  übrigen  formen  auf  der  endung, 
während  bei  den  a-  und  *- perfekten  sowie  bei  denen  auf  -iet 
(vgl.  12  respondiet)  überall  die  endung  den  accent  trägt.  Im 
gegensatz  zu  perfekten  der  zweiten  art,  die  man  als  schwache 
perfekta  bezeichnet,  nennt  man  perfekta  wie  regui  starke 
perfekta.  Zu  ihnen  gehören  ausser  den  meisten  wi-perfekten 
noch  die  auf  -si  (13  disf)  sowie  die  wenigen,  welche  die  lat. 
perfektbildung  mit  Stammdehnung  beibehalten  haben  (9  ve'istes, 
30  Vit),  endlich  auch  das  in  sämtlichen  sechs  formen  stamm- 
betonte fui  (siehe  1  fut). 

109  jorz:  vgl.  über  die  entstehung  des  ^  6  mieU  III  b 
und  Konsonantismus  V,  5.  Ende  des  12.  jahrhs.  wird  jorz-* 
jors,  wozu  alsdann  der  neue  obliquus  jor — jour  gebildet  wird 
(vgl.  1  jorn  V). 

110  vienent:  aus  "^venunt  für  veniunt,  das  *viegnent  er- 
geben müsste.  Die  formen  auf  -io  und  -iunt  sind  auf  ana- 
logischem wege  grossenteils  durch  solche  auf  -o  und  -unt 
ersetzt  worden.  So  erklärt  sich  auch  venio -^^^veno —>  vien 
—  nfr.  viens,  sentio  -^'^sento  —*■  sent  —  nfr.  sens,  sentiunt —*- 
^sentunt  — >■  sentent,  sapiunt  —*  '^sapunt  — >  sevent  —  nfr.  savent 
(vgl.  14  sai)  u.  a. 

mises:  fem.  plur.  von'^part.  perf.  mis  {zu  mgtre'*—miUere), 
statt  mes  (missum),  nach  analogie  des  perf.  mis<—'*misi  (nicht 
aus  klass.-lat.  misi,  wie  prov.  mis,  3.  p.  mes  lehrt). 

111  repairent:  aus  ^repatriant,  mit  regelrechtem  ver- 
stummen des  t  zwischen  vokal  und  r  und  Wandlung  von  r% 
zu  ir  (vgl.  noch  *inclaustreum-*encloistre  821).  Dazu  das 
Verbalsubstantiv  repaire  wohnsitz,  Zufluchtsort  (auch  als  name 
in  Beaurepaire).  Nfr.  patrie  ist,  wie  lautgestaltung  und  be- 
tonung  zeigen,  lehnwort. 


VII.  Laisse:  starke  perfektbildung.  —  VIII.  Laisse  (V.  112—122).    215 

VIII.  Laisse. 
Vers  112—122. 

(Assonanz  g-e,  wie  in  laisse  III.) 

112  Molt  est  genz  li  presenz  que  li  reis  Charles  ofret. 

113  Entrat  en  un  mostier  de  marbre  peint  a  volte, 

114  Laenz  at  nn  alter  de  sainte  Paternostre: 

115  Dieus  i  chantat  la  messe,  si  firent  li  apostle, 

116  Et  les  doze  chaieres  i  sont  totes  encore, 

117  La  trezime  est  enmi,  bien  seelee  et  elose. 

118  Com  Charles  i  entrat,  bien  out  al  euer  grant  joie. 

119  Com  il  vit  la  chaiere,  icele  part  s'aproehet, 

120  L'emperere  s'assist,  im  petit  se  reposet, 

121  Li  doze  per  es  altres,  environ  et  en  eoste. 

122  Ainz  nen  i  sist  nuls  huem  ne  onques  puis  encore. 

Erläuterungen. 

112  gen/:  adj.  'vornehm,  kostbar',  obl.  gent,  fem.  gente, 
komp.  gen&or  -sor,  aus  lat.  part.  perf.  genitus  in  prägnantem 
sinn  'edelgeboren'.  Weniger  wahrscheinlich  ist  eine  neuere 
erklärung  aus  dem  Substantiv  gens,  d.  h.  aus  einem  spätlat. 
genetivus  qualitatis  Qiomo  gentis  'ein  mann  von  familie'),  der 
aber  schon  früh  zum  adj.  *gentis-e  nnd  weiterhin  zum  drei- 
gesehlechtigen  gentus-a-um  umgedeutet  worden  sein  mtisstej,  da 
für  franz.  prov.  span.  die  femininform  genta  als  gemeinsame 
grundform  vorausgesetzt  wird. 

115  flrent:  vulgärlat.  *fecerunt  für  lat.  fecerunt  Hieraus 
unter  fall  des  pänultimavokals  *fecrunt,  das  im  franz.  *feireni 
geben  sollte  wie  fac(e)re  faire  (vgl.  noch  prov.  feiron).  Die 
tonsilbe  wird  an  die  1.  sing.  fis*-feci  (vgl.  7  II,  prist)  an- 
geglichen, ebenso  wie  die  3.  sing.  *  feist,  die  zu  fist  wird.  Andere 
formen  —  wie  fistrent,  fisent  —  sind  analogisch. 

Die  bedeutung  von  firent,  ebenso  von  chantat,  ist  hier 
die  des  plusquamperfekts:  Gott  hatte  hier  die  messe  ge- 
sungen, so  hatten  die  apostel  getan.  Das  lat.  Plusquamperfekt 
ist  nicht  spurlos  verschwunden,  sondern  in  den  ältesten  denk- 


216  Dritter  Teil:  Text. 

malern  in  einer  reihe  von  formen  erhalten  und  allmählich  im 
perfekt  aufgegangen,  mit  dem  es  formal  in  der  3.  pl.  zu- 
sammenfiel: vgl.  perf.  S.sg.fut,  3.  pl. /"«rewif  mit  plupquamperf. 
3.  p.  füret,  3.  pl.  furent.  So  könnte  auch  firent  ebensogut  auf 
*fecerant  wie  auf  *fecerunt  zurückgehen.  Das  Eulalialied  zeigt 
eine  reihe  von  plopquamperfektformen  {auret,  füret,  voldret  u.  a.), 
meist  schon  im  sinne  des  perfekts,  wodurch  der  zusammenfall 
beschleunigt  wurde. 

116 — 117  doze  —  trezime:  lies  dodse  —  tredzime  (mit 
d  +  stimmhaft  s).  In  diesen  wie  den  ähnlich  gebildeten  zahl- 
worten  wurde  das  intervokale  c  im  romanischen  assibiliert 
(vgl.  ital.  dodici,  tredici  =  doditsi,  trediisi)  und  im  franz. 
erweicht,  ehe  der  vokal  der  pänultima  ausfiel:  daher  duodedm 
—*■  * dodetSe  —*■  *  dodedke  — >  dp(d) dze ,  "  tredecim  — >•  tr^{d)dze  mit 
stimmhaftem  s  (2"),  desgl.  onze  =  ondse,  quatorze,  quinze,  seze 

—  später  mit  dem  üblichen  verlast  des  d  vor  z,  onse  =  öz{e% 
douz{e)  usw.  wie  im  nfr. 

Diese  entwicklung  war  nur  möglich,  wenn  der  vokal  der 
pänultima  sich  hier  länger  hielt  als  in  den  ähnlich  gestalteten 
pollicem — polz  811,  polce  (nfr.  pouce),  pulicem — pulce  ipuce)^ 
romanice  —  romanz:  augenscheinlich  worden  die  werte  noch  als 
komposita  von  decimum — dime,  decem — ^dieis — dis  empfunden 
und  durch  diese  beeinflusst.  Unwahrscheinlich  hingegen  ist 
nach  allen  parallelvorgängen ,  dass  das  -d-  nach  fall  des 
pänultimavokals  das  folgende  stimmlose  -ts-  stimmhaft  gemacht 
hätte  (^dodetse-*^dodtse—>doddze):  vergleiche  radicina—^racine, 
*pertusiare~*percier,  debita~-*dete,  dazu  oben  s.  204  feiz. 

Für  die  erklärung  der  Ordinalzahlendung  -ime  ist  von 
deeimus  und  den  zugehörigen  formen  auszugehen.  Decimum 
ergab  *dieime  —  dime  (ohne  s,  vgl  fadmus-^faimes,  dicimus 
—t-dimes),  das  unter  eiofluss  der  kardinalzabl  dis  auch  als  disme 
erscheint  (wie  lautgesetzlich  setme  <— septimum  neben  set<~ 
Septem  steht).  Ebenso  musste  undecimum  zu  *ondime,  duodecimum 
zu  *dodime  werden,  die  sich  nach  den  kardinalzahlen  onze  und 
doze  zu  onzime  und  dozime  umgestalteten.    So  erschien  in  onze 

—  onzime,  doze — dozime  -ime  als  die  charakteristische  ordinal- 
endung,  wonach  zu  treze,  quatorze,  quinze,  seze  die  ordinalia 
trezime,  quatorzime,  quinzime,  sezime,  für  dis  e  setme  ein  dis  e 


VIII.  Laisse:  doze  —  trezime,  chaieres,  seelee,  euer,  joie.        217 

setime,  endlich  auch  zu  dis  ein  disime  und  zu  den  einerzahlen 
sis,  sei  usw.  sisime,  setime  usw.  gebildet  wurden.  —  Neben  -ime 
{-isme)  erseheint  dialektisch  und  gerade  in  hervorragenden 
denkmälern  der  normannischen  und  der  südlich  angrenzenden 
mundarten  -ieme  (iesme),  entsprechend  der  entwicklung  von  ?  -H « 
in  diesen  gebieten  {lectum-^liet  gegen  francisch  *lieit  —  lit). 
Diese  ursprünglich  westfranz.  endung  hat  die  zentralfranz. 
form  -ime  verdrängt  und  das  nfr.  -ieme  (troisieme,  dixierm, 
treisieme  usw.)  ergeben. 

chaieres:  lies  tsa-ieres,  aus  cathedras  —  xad-iögac. 

Der  griechische  aecent  ist  vermutlich  in  der  volkstüm- 
lichen ausspräche  bewahrt  geblieben  (vgl.  s.  164).  Cathedra 
entwickelt  sich  regelrecht  zu  chaiere:  vortoniges  a  nach  palatal 
bleibt  vor  vocal  erhalten,  wie  in  catena  —  chaeine  (statt  che- 
wie  in  Chevaliers),  ebenso  wie  in  einzelnen  noch  nicht  be- 
friedigend erklärten  fällen  vor  liquiden  oder  nasalen  (vgl. 
V.  73  chameiU,  dazu  s.  173  per-*par  u.a.).  —  Nfr.  chaise 
(neben  chaire  kanzel,  lehrstuhl)  verdankt  seine  form  einer  im 
16.  jahrh.  entstandenen,  aber  nicht  durchgedrungenen  lautver- 
änderung  (intervokales  r  zu  z,  wie  damals  auch  pere-^pese  u.  a,). 

seelee:  se-e-le-e  (viersilbig,  mit  elision  des  auslaut-e  vor 
et),  vgl.  s.  153. 

118  euer:  einsilbiges  cor —*- cgr —*■  euer ,  mit  behandlung 
des  Q  wie  in  offener  silbe.    Vgl.  oben  s.  167. 

joie:  lies  dzgie,  aus  gaudia  (nicht  gaudium). 

Da  g  nur  vor  e,  i,  a  zu  dS,  c  nur  vor  a  zu  ^  wird,  muss 
die  assibilierung  des  c  und  g  vor  a  begonnen  haben,  ehe  au 
zu  Q  kontrahiert  wurde  (vgl.  noch  causa— *■  causa— *-chose). 
Diese  koutraktion  ist  im  franz.  verhältnismässig  jung  (etwa 
8.  jahrh.);  sie  findet  sich  zwar  in  anderen  romanischen  sprachen 
(it.  godio,  oro  —  span.  oro  usw.),  aber  nicht  im  provenzalischen, 
ist  also  keine  gemeinromanische  erscheinung  wie  etwa  die 
koutraktion  des  ae  {ai)  zu  ?. 

Die  lat.  neutra  pluralis  werden  ihrer  endung  (und  z.  t 
kollektiven  bedeutung)  entsprechend  im  franz.  meist  zu  femininen 


218  Dritter  Teil:  Text. 

sing.:  hattualia-^la  hataille  29,  859,  folia-^la  fueille  —  feuille 
(neben  mask.  fueil<—folium),  vgl.  52  mengonge. 

120  s'assist:  se  *assesit  für  assedit. 

Nächst  der  m-bildung  hat  im  romanischen  die  5-bildung 
des  perfekts  am  meisten  an  ausdehnung  gewonnen.  Zum  teil 
bot  das  zugehörige  s-partizipium  den  ausgangspunkt:  wie  misi 
zu  missum  mitter q,  risi  zu  risum  ridere,  bildete  man  *sesi  zu 
sessum  sedere,  *prensi  zu  prensum  prendere  (vgl.  2  prise, 
7  prist);  zum  teil  auch  das  < - partizipium  wie  *punxi  zu 
punctu7n  pungere  nach  junxi  junctum  jüngere  u.  a.  —  Aus 
*sesi  wird  mit  i-umlaut  sis,  darnach  3.  pers.  sist  122,  157  (für 
'^ seist),  3.  plur.  sistrent,  pari  sis  157  (für  *seis  wie  pris  für 
''"'preis). 

122  Ainz:  wird  von  den  einen  auf  ante  id,  von  den 
anderen  auf  ^antius  (eine  komparativische,  der  bedeutung 
entsprechende  bildung  zu  ante  wie  *postius — puis  zu  post) 
zurückgeführt.  In  beiden  fällen  macht  der  diphthong  ai 
Schwierigkeiten,  da  ti  nach  konsonant  kein  i  zu  entwickeln 
pflegt  (besonders  für  ntj,  vgl.  '^fidantia  —  fiance,  dazu  s.  154). 

Ains  bedeutet  'früher,  vorher',  mit  ne  'niemals',  von  der 
Vergangenheit  gesagt  (gegensatz  ne  onques  puis  =  niemals 
seither,  nie  mehr  später).  Aus  der  temporalen  bedeutung  ent- 
wickelt sich  im  12.  jahrh.  die  modale  'eher,  in  höherem 
masse',  so  dass  es  dann  nach  negativen  Wendungen  geradezu 
, sondern'  bedeuten  kann.  Vgl.  auch  die  bedeutungsentwicklung 
von  magis  —  mais  v.  28. 

Die  hier  und  im  folgenden  gebotene  beschreibung  der 
kirche  beruht  offenbar  auf  ungenau  wiedergegebenen  pilger- 
berichten. Da  Karl  ausdrücklich  auszieht,  um  das  hl.  Kreuz 
und  das  hl.  Grab  anzubeten  (v.  70),  ist  bei  der  hier  geschilderten 
kirche  zunächst  wol  an  die  kirche  des  hl.  Grabes  zu  denken. 
Der  angeblich  in  dieser  kirche  befindliche  altar  zum  Pater- 
noster scheint  eine  erinnerung  an  die  ausserhalb  der  Stadt, 
auf  dem  Ölberg,  gelegene  kirche  zum  Paternoster  zu  sein, 
welche  dem  ort  geweiht  war,  wo  der  Heiland  die  jünger 
sein  gebet  gelehrt  haben  soll.    In  Wirklichkeit  handelt  es  sich 


VIII.  Laisse:  s'assist,  Ainz.  —  IX.  Laisse  (V.  123—166).          219 

ursprünglich  um  den  ort,  wo  er  vor  seiner  gefangennahnae 
zum  Herrn  betete,  um  den  garten  Gethsemane;  erst  nachträg- 
lieh wurde  dieser  mit  dem  ort  gleichgesetzt,  wo  er  das  Pater- 
noster gelehrt  hat  Endlich  mischt  sich  in  die  Vorstellung 
des  dichters  noch,  wie  v.  115—117  zeigt,  die  erinnerung  an 
die  Abendmahlskirche  auf  dem  berge  Zion,  wo  auch  der  tisch 
des  hl.  Abendmahls  gezeigt  wurde. 


IX.  Laisse. 


(Assonanzvokal  B  wie  in  II  und  V.) 
123    Molt  fut  liez  li  reis  Charles  de  cele  grant  beltet: 

Vit  de  cleres  colors  le  mostier  peintur^t, 
125    De  martirs  et  de  virgenes  et  de  granz  majestez, 
Et  les  cors  de  la  lune  et  les  festes  anvels, 
Les  volueres  par  aire  et  les  peissons  par  mer. 

124  cleres  colors:  lat.  colorem  ist,  wie  amorem  (vgl.  oben  s.  42), 
dolorem,  honorem,  calorem  und  die  übrigen  abstrakta  auf  -orem,  zum  feminin 
geworden,  da  die  überwiegende  zahl  der  abstrakta  im  lat.  weiblichen 
geschlechts  war  (vgl.  namentlich  die  auf  -a,  -as,  -es).  Einige  derselben 
wie  amour,  honneur  sind  unter  gelehrtem  einfluss  später  wieder  zu 
maskulinen  geworden  (vgl.  s.  181). 

Cleres  ist  die  regelrechte  fortsetzung  des  lat.  ciaras.  Vor  konsonanten 
neigt  das  e<—a  später  zur  hellen  ausspräche,  wodurch  die  Schreibung 
clair  =  cl^r  (seit  14.  jh.),  nach  dem  muster  von /aire  =  fere,  lait  =  let  u.a., 
möglich  wird.  Bevorzugt  wurde  diese  Schreibung  wegen  der  anlehnung  an 
lat.  clarus,  wie  auch  afr.  per  und  ele  im  nfr.  als  pair  und  alle  erscheinen. 

125  virgenes:  lies  virdznes,  zweisilbig,  wie  der  vers  lehrt;  das  e 
steht  nur,  um  die  dental-palatale  ausspräche  des  g  (wie  in  gent,  argent  u.  ä.) 
zu  bezeichnen.  Im  übrigen  ist  das  wort  (wie  auch  martir)  ein  kirchliches 
lehnwort.  Durch  anpassung  an  die  oxytonale  betonung  des  frz.  wird  es 
verkürzt  zu  virge,  woraus  mit  entwicklung  eines  übergangslautes  vierge, 
wie  aus  dem  gleichfalls  fremdwörtlichen  cirge  ein  cierge. 

majestez:  majestet  wird  zunächst  von  der  herrlichkeit  Gottes  ge- 
braucht, daher  es  in  konkretem  sinne  'bild  von  göttlichen  personen  oder 
dingen',  vielleicht  auch  * heiligenbild '  bedeuten  kann.  Da  die  eigentlichen 
'heiligen',  die  martirs  und  virgenes,  daneben  ausdrücklich  genannt  werden, 
wird  man  die  erste  bedeutung  vorziehen,  also  kurz  'heilige  bilder'. 

127  mer:  während  die  übrigen  neutra  sing,  (auch  die  der  III.  dekl.) 
zu  maskulinen  geworden  sind,  ist  mare  im  franz.  zum  feminin  geworden, 
wol  in  anlehnung  an  terra  (ebenso  prov.  la  mar,  dagegen  ital.  il  mare). 


220  Dritter  Teil:  Text. 

Charles  out  fier  le  vis,  si  out  le  ehief  lev^t. 
Uns  Juieus  i  entrat,  qui  bien  l'out  esguard^t. 

130     Com  il  vit  le  rei  Charle,  comeD^at  a  trembler: 
Tant  out  fier  le  visage,  ne  l'osat  esguarder. 
A  pou  que  il  ne  chiet,  fuiant  s'en  est  tornez, 
Et  si  montet  d'eslais  toz  les  marbrins  degrez, 
Et  vint  al  patriarche,  prist  Ten  a  aparler: 

135    'Alez,  sire,  al  mostier  por  les  fonz  aprester 


Worte  wie  mer,  ciel,  enfer  u.  ä.  werden,  als  den  eigennamen  gleich- 
stehend, häufig  ohne  artikel  gebraucht. 

131  visage:  aus  *visaticum,  zu  visum.  Die  endung  -aticum  wird 
allgemein  zu  -age  (vgl.  206  barnage,  2(i9  lenguage,  ferner  folage,  eage  u.  a.). 
Sowol  t  als  c  müssen  erweicht  worden  sein,  ehe  der  vokal  der  pänultima 
ausfiel.-  -adego-->-adejo-->-adjo--^adse,  da  sonst  -at$e  (ache)  hätte  ent- 
stehen müssen. 

132  A  pou  que  il  ne  chiet:  um  weniges,  dass  er  nicht  fällt  =  bei- 
nahe  wäre  er  gefallen.  Diese  und  ähnliche  Wendungen  (a  bien  pou  que^ 
por  pou  que,  par  un  petit  que,  pres  ke  oder  noch  kürzer  ohne  que:  pres, 
por  un  pou,  a  pou)  erklären  sich  als  ellipsen  anstelle  vollstäijdiger  haupt- 
sätze  mit  unpersönlichem  subjekt:  a  pou  (ce)  va  (geschiebt  es)  que  il  ne 
chiet.  Da  der  nebensatz  den  tatsächlichen  nichteintritt  der  handlong  meldet, 
steht  folgerichtig  der  Indikativ. 

Ppw,  aus  paucum  wie  lou  (lieu)-*r—locum  (s.  175),  scheint  die  im 
francischen  ursprünglich  heimische  form  zu  sein  (ähnlich  im  champagnischen 
po).  Daneben  begegnet  poi,  das  zunächst  wohl  in  mundarten  zu  hause 
ist,  die  auca  — >  oie,  pauca—^poie  entwickelten  (s.  v.  32  joer)  und  hieraus  eine 
neue  adverbform  poi  ableiten  konnten.  Nfr.  peu  geht  über  eine  mittel- 
stufe  pQu  auf  pgu  zurück. 

fuiant:  fugiendo  se  (=  sibi)  inde  est  tornatus.  Fuiant  ist  gerundium, 
daher  unveränderlich.    Vgl.  v.  82  zu  servant. 

1^3  eslais:  von  sei  eslaissier  {*exlaxare)  'sich  stürzen,  rennen'  ab- 
geleitetes Verbalsubstantiv.    D'eslais:  in  hast,  eiligst. 

134  patriarche:  lehnwort  wegen  der  behandlung  von  tri  (vgl.  111 
repairent).  Die  maskulina  der  lat.  I.  dekl.  (meist  lehnwörter,  wie  propheta 
— profete,  lat.  patriarcha-* — gr.naxQiaQyrjq)  haben  wie  die  feminina  der- 
selben deklination  rektus  und  obliquus  gleich  (vgl.  v.  141,  148  u.  ö.).  Erst 
später  erhalten  sie  zum  teil  ein  s  im  rektus  nach  dem  muster  der  maskulina 
auf  s  (lat.  -US). 

135  sire:  aus  lat.  senior.  Die  zunächst  zu  erwartende  form  ist 
*8mro  —  sendro  —  sendre,  so  in  den  Strassburger  Eiden  (sendra)  und  ib 
der  Passion  (sendrce).  Sire  ist  die  zunächst  vor  eigennamen  gebräuchliche 
knrzform.  Ebenso  stehen  im  obl.  vollform  seigneur  und  kurzform  sieur 
(mon.sieur)  nebeneinander. 


IX.  Laisse  (V.  123—166):  128—139.  221 

Orendreit  me  ferai  baptizier  et  lever. 
Doze  contes  vi  ore  en  cel  mostier  entrer, 
Avaec  eis  le  trezime,  onc  ne  vi  si  formet: 
139    Par  le  mien  escientre,  qo  est  meismes  Dens 

les  fonz:  lat.  fontem  ist  altfranz.  nur  als  plurale  tantum  erhalten  in 
der  bedeutuDg  'taufbecken'  (ursprünglich  wol  'taufwasser',  vermutlich 
kircbllches  lehn  wort).  In  der  bedeutuug  'quelle'  wird  es  durch  die  weiter- 
bilduDg  fontana  —  fontaine  vertreten. 

136  baptizier:  gleichfalls  lehnwort,  aus  lat.  baptizare  (bapHdiare) 
■*—gr.  ßanzil^eiv,  in  erbwörtlicher  gestalt  als  bateier  —  batoier  überliefert. 
Im  nfr.  ist  das  p  völlig  verstummt. 

137  contes:  lat.  cgmites.  In  comitem  comites  fiel  der  vokal  der 
pänultima  in  gemeinromanischer  zeit,  bevor  der  kurze  tonvokal  lang  wurde 
(vgl.  ital.  eon^e),  daher  dieser  hier  nicht  diphthongiert.  Hingegen  in 
comes,  dessen  endvokal  erst  im  galloromanischen  verstummt,  wurde  o 
lang,  daher  cgmes  —  cuens. 

13S  Avuec:  früher  meist  aus  apud  hoc,  neuerdings  von  Elise  Richter 
aus  ab  hoc  erklärt.  Ob  dieses  ab  nun  freilich  mit  der  lat.  präposition  ab 
gleichzusetzen  ist,  scheint  fraglich,  zumal  wegen  der  Schwierigkeiten  in 
der  bedeutungseutwicklung.  Prov.  ab  lässt  sich,  da  hier  -d  früh  fällt 
{apud—>*abu-->ab,  ap),  ohne  weiteres  auf  apud  zurückführen  (so  auch 
das  ab  der  Strassburgar  Eide).  Diese  entwicklung  war  aber  auch  im 
franz.  möglich  vor  konsonant  {apud^—^'—>*apu—>*abu,  vgl.  v.  3  Et), 
während  sonst  apud  regelrecht  od,  ot  (v.  11)  ergab.  Wie  od,  ot  dann 
auch  vor  konsonant,  konnte  *abu  {*avu)  sekundär  auch  vor  vokal  gebraucht 
werden  und  ergab  mit  hoc  verbunden  *aba  {h)oc  —  aboc  —  avuec.  —  Seiner 
herkunft  nach  ist  dies  wort  zunächst  adverb,  wird  aber  bald  als  präposition 
gebraucht  wie  hier.  Nfr.  avec  hat  nach  dem  labialkonsonanten  v  den 
labialvokal  u  eingebüsst. 

139  Par  le  mien  escientre:  vor  dem  Substantiv  steht  in  der  regel 
die  unbetonte  form  des  Possessivpronomens  (vgl.  v.  2,  3,  5,  8,  11,  15  u.a.). 
Steht  das  betonte  pronomen,  so  muss  es  den  artikel  haben.  Vgl.  noch  3S 
por  la  vostre  honte  (wo  vostre  =  nfr.  vötre  ist),  vgl.  ferner  toz  li  miens 
gram  tresors  222  mit  trentoz  mes  granz  tresors  839. 

Escientre  mit  erhaltung  des  hiatus-i  als  silbebildenden  vokals  ist 
gelehrten  Ursprungs.  Es  wird  auf  das  lat.  adverb  sdenter  zurückgeführt, 
das  dann  freilich  als  Substantiv  oder  infiuitiv  aufgefasst  worden  sein 
müsste.  Daneben  finden  wir  in  gleichem  sinne  a  esc'ient,  a  mon  escient, 
par  le  mien  escietit,  aus  dem  lat.  gernndium  sciendum.  Escientre  könnte 
daher  auch  eine  —  an  die  Infinitive  auf  -re  angeglichene  —  Weiterbildung 
von  escient  sein. 

meismes:  geht  auf  eine  Zusammensetzung  aus  der  partikel  met 
and  dem  pronomen  ipse  zurück  (vgl.  egomet  ipse,  mihimet  ipni).  Dieses 
metipse  ist  im  prov.  als  medeps,  meteis,  mezeis  erhalten.  Die  übrigen 
romanischen  formen  weisen  auf  eine  Weiterbildung  *metip8imus  zurück: 


222  •  Dritter  Teil:  Text. 

140    II  et  li  doze  apostle  vos  vieDent  visiter'. 

Quaot  l'ot  li  patriarche,  si  s'en  vait  conreer, 
Et  out  mand^t  ses  elers  en  haste  en  la  cit^t, 
II  les  fait  revestir  et  chapes  afubler, 
A  graut  procession  en  est  al  rei  alez. 

145     L'emperere  le  vit,  si  'st  eontre  lui  levez 

Et  out  trait  son  ehapel,  parfont  lui  at  elinet. 
Vont  sei  entrebaisier,  noveles  demander. 
Et  dist  li  patriarche:  'Sire,  dont  estes  nez? 
Ooques  nen  osat  huem  en  cest  mostier  entrer, 

150    Se  ne  li  comandai  o  ne  li  oi  rovet' 


ital.  medesimo ,  span.  mismo ,  mesmo,  ]^toy.  medesnie,  mezesme,  afr.  medesme, 
meesme,  mezsme,  nfr.  meme.  Das  i  in  me'isme  (neben  meesme)  ist  noch 
unerklärt. 

140  apostle,  visiter,  144  procession,  160  reliques:  sämtlich 
lehnwörter. 

143  afubler:  lat.  adfibulare.  Der  wandel  i— >m  erklärt  sich  durch 
einwirken  der  umgebenden  labiale  f  und  b,  nach  anderer  annähme  durch 
teilweise  metathesis:  adßbülare—^adfübUare. 

147  Vont  sei  entrebaisier:  in  konstruktionen  dieser  art  (verbum 
finitum  +  Infinitiv  +  objektspronomen)  pflegt  das  pronomen  im  altfr. 
auf  das  verbum  finitum  bezogen  zu  werden  und  zwar  in  der  regel  in 
proklitischer  Stellung  (vgl,  13  trvp  vos  po'ez  preisier),  aber  auch  enklitisch 
(so  vait  le  ferir  oder  vont  s' entrebaisier).  Indes  kann  das  pronomen 
auch  mit  dem  folgenden  infinitiv  verbunden  werden,  muss  aber  dann  die 
hochtonige  form  haben  wie  hier,  —  Die  an  und  für  sich  zulässige  form 
se  vont  entrebaisier  wäre  an  dieser  stelle  ausgeschlossen  (vgl.  z.  25  tren- 
cherai  vos),  hingegen  mit  einleitendem  adverb  durchaus  korrekt:  Or  oder 
Si  se  vont  entrebaisier. 

148  Et  dist  li  patriarche:  ebenso  156,  221,  226  mit  Inversion 
nach  der  konjunktion  et  gleichwie  nach  einleitenden  adverbien  (siehe  v.  1). 
Vgl,  ferner:  Et  dist  li  emperere  159,  252,  841,  847,  Et  montent  li  baron 
241,  ferner  ebenso  nach  si,  et  si:  Si  sont  montet  Franceis  851,  Et  si  prist 
il  la  so'e  88,  Jedoch  ist  nach  et  Inversion  keineswegs  die  regel,  vielmehr 
findet  sich  mindestens  ebenso  häufig  (in  anderen  texten,  z.  b-  im  Koland, 
sogar  weitaus  häufiger)  die  normale  Wortstellung:  Et  les  doze  chaieres  i 
sont  totes  encore  116,  Et  Charles  i  entrat  118,  Et  il  vint  as  apostles  174, 
et  li  reis  les  regut  191,  Franceis  les  esguarderent  812,  818,  Hingegen 
bildet  nach  dem  adverb  si  sowie  nach  et  si  die  Inversion  die  regel,  und 
wol  erst  nach  diesem  muster  ist  Inversion  nach  einfachem  et  eingeführt 
worden. 

150  li  comandai:  für  le  li  comandai,  vgl.  v.  87. 


IX.  Laisse  (V.  123—166):  140—162.  223 

151     'Sire,  je  ai  nom  Charles,  si  sui  de  France  nez. 
Doze  reis  ai  conqnis  par  foree  et  par  barnet, 
Le  trezime  vois  qaerre  dont  ai  oit  parier. 
Vin  en  Jerusalem  por  ramist^t  de  Den, 

155    La  croiz  et  le  sepulcre  sui  venuz  aorer.' 
Et  dist  li  patriarche:  'Sire,  molt  estes  ber. 
Sis  as  en  la  ehaiere  ou  sist  meismes  Dens: 
Aies  nom  Charles  Maignes  sor  toz  reis  coronez.' 
Et  dist  li  emperere:   'Cine  cenz  mereiz  de  Deu! 

160     De  voz  saintes  reliques,  se  vos  piaist,  me  donez. 
Que  porterai  en  France  qu'en  vueil  enluminer.' 
Kespont  li  patriarche:  'A  plentet  en  avrez: 


rov6t:  zu  rover <—]a,t.  rogare.  Schon  das  Eulalialied  des  9.  jahrhs. 
hat  ruovet=^rogat,  roveret  =  rogaverat.  Vermutlich  ist  eine  noch  nicht 
genügend  erklärte  zwischenform  *roguare  anzunehmen. 

151  je  ai  nom  Charles  (ähnl.  158):  vgl.  14  legiers. 

152  conquis:  ebenso  v.  859,  dazu  das  perf.  conquis,  eonquesis,  con- 
quist  usw.,  desgl.  auch  das  simplex  quis,  quesis  usw.,  part.  quis,  ähnlich 
auch  im  prov.  (l.pers.  quis,  3.  ques  oder  quis,  part.  ques  —  quis).  Der 
Wechsel  von  e  xmd  i  in  der  Stammsilbe  weist  auf  geschlossenes  e.  Es 
wurde  zu  den  formen  quaesi(v)isti  —  quaesisti  usw.  wol  zunächst  eine 
stammbetonte  1.  pers.  *quaesii  —  '^quaesi  gebildet  und  diese  dann,  viel- 
leicht nach  presi,  zu  *qu^i  umgestaltet.  Hieraus  mit  i-umlaut  quis,  das 
übrige  analogisch  wie  bei  prist,  prise  (siehe  v.  2,  7). 

force:  lat.  fortia  Hesse  *fuerce  erwarten,  wie  tertium-^tierz.  Force 
ist  vom  verbum  forcier  abgeleitet,  wie  oben  eslais  (v.  153)  von  eslaissier, 
oder  durch  forcier  beeinflusst. 

153  vois:  zu  vado,  vgl.  98  vait. 

154  Vin:  lässt  sich  direkt  aus  lat.  v^ni  erklären,  aber  ebensogut 
ans  der  neubildnng  *vEnui,  die  von  prov.  veno  und  ital.  venni  gefordert  wird. 
Die  mundartliche  (auch  in  unserer  handschrift  an  dieser  stelle  über- 
lieferte) form  vinc  verdankt  ihr  c  wol  dem  präsens  vienc  (neben  vien 
-tr-venio)  und  dieses  sein  c  dem  vorbild  von  cenc<—cingo,  planem— plango, 
esparc  <—  spargo. 

156  ber:  regelrecht  aus  baro,  während  baronem  mit  nebentonigem 
a  obl.  baron  gibt  (vgl.  4  barons,  46  Mugon). 

159  Cinc:  lat.  qulnque  würde  nach  der  regel  quinc  (=  kink)  ergeben. 
Durch  dissimilation  ging  schon  im  vulgärlat.  das  erste  der  beiden  auf- 
einander folgenden  i}  verloren,  also  quin  que— *-*kiv  que  —  *cinque,  daher 
das  erste  q  (k)  entwickelt  wurde  wie  ursprüngliches  c  vor  e,  i:  ital. 
cinque  =  Uinkve,  prov.  frz.  cinc.  Das  ton-i  ist  von  natur  lang,  daher 
überall  als  i  bewahrt. 


224  Dritter  Teil:  Text. 

Le  braz  Saint  Simeon  aparmaines  avrez, 
Le  Chief  saint  Lazaroa  vos  ferai  aporter 
165    Et  del  sane  saint  Estiefne  qui  martirs  fut  por  Deu.' 
Charlemaignes  Ten  rent  galaz  et  aoaistez. 

X.  Laisse. 

(Assonanz  ie  wie  in  I.) 
167    Et  dist  li  patriarehe:  'Bien  avez  espleiti^t. 

Quant  Dieu  venistes  querre,  estre  vos  deit  le  mielz. 
Donrai  vos  tels  reliques,  meillors  nen  at  soz  eiel 

163ff.  le  braz  saint  Simeon,  le  Chiefs.  Lazaron  nsw.:  Tgl. 
1  al  Saint  Denis  motstier. 

164  Lazaron:  Ldzarum  erscheint  zunächst  mit  regelrecht  bewahrtem 
accent  als  Läzere,  Lazre,  Lasdre,  auch  Ladre.  Lazaron  erklärt  sich  am 
einfachsten  als  analogie  nach  dem  mnster  der  namen  auf  -onem  ebenso 
wie  Fieron  neben  Piere,  Estevenon  neben  Estiefne  165  (vgl.  46  Hagon). 
Doch  kann  man  bei  solchen  biblischen,  immer  wieder  von  neuem  aus  der 
kirchensprache  übernommenen  namen  auch  an  fremdwörtliche  Umgestaltung 
der  lat.  form  Ldzarum  zu  Lazarüm  —  Lazaron  mit  oxytonischem  accent 
wie  martir,  calice  n.  a.  denken.  Estiefne.  Lazere  wären  dann  die  erb- 
wörtlichen,  Estevenon,  Lazaron  die  lehn  wörtlichen  gestaltungen.  —  Zu 
diesem  eigennamen  gehören  auch  afr.  prov.  ladre  aassätzig,  ital.  lazzaretto 
kraukenhaus,  lazzarone  bettler. 

165  Estiefne:  Stephanum,  mit  ph—*-f  (gegen  älteres  colaphum  — 
colp),  aber  mit  dehnung  und  diphthongierung  des  Stammvokals.  Aus 
Estiefne  wird  nfr.  Etienne  mit  Verlust  des  labialen  reibelautes  vor  n  wie 
juevne  (juvenem) — >-nfr.  jeune. 

166  l'en  rent:  V  apostrophiert  aus  dem  dativ  li.  Dieser  wird  nur 
vor  en  apostrophiert.  —  Lat.  reddere  wurde  schon  gemeinromanisch  zu 
rendere  nach  dem  muster  der  begriflfsverwanten  Worte  prendere  und  vendere. 

amistez:  amistet  ist  eine  nebenform  zu  lautgerechtem  amistiet, 
gebildet  nach  dem  muster  solcher  feminina  auf  -atem-et,  bei  denen  der 
endnng  kein  palatal  vorausging  (rente<em  —  verfet,  bonitatem  —  hontet). 
Vgl.  eine  ähnliche  analogie  unter  V.  30:  me2^  neben  tVe^.  Im  reime  werden 
die  beiden  formen  nach  bediirfuis  verwendet,  vgl.  182  amistiez  in  einer 
ie-laisse. 

167  espleitiet;  zu  espleitier<—*explic(i)tare,  Weiterbildung  von 
explico  —  explicitum  ins  werk  setzen,  ausführen. 

169  „Da  ihr  in  der  löblichen  Absicht  gekommen  seid  Gott  heimzu- 
suchen, muss  es  euch  um  so  besser  ergehen  (als  wenn  ihr  leichtfertige 
Landfahrer  wäret)."  So  Tobler,  welcher  le  miel  aus  illo  melius  =  eo  melius 
erklärt  und  darin  einen  besonderen  anglonormannischen  Sprachgebrauch 


IX.  Laisse.  —  X.  Laisse  (V.  167—183).  225 

170    Le  suaire  Jhesu  que  il  out  en  son  chief, 
Com  il  fut  al  sepulcre  et  posez  et  colehiez, 
Quant  Juieu  le  guarderent  as  espees  d'aeier 
—  AI  tierz  joru  relevat,  si  com  out  preechidt. 
Et  il  vint  as  apostles  por  eis  esleecier  — 

175    Et  un  des  clous  avrez  que  il  out  en  ses  piez, 
Et  la  sainte  corone  que  Dieus  out  en  son  chief. 
Et  avrez  le  ealiee  que  il  beneisqui^t. 
L'escuele  d'argent  vos  donrai  volentiers, 
Entailliee  est  a  or  et  a  pieres  preciels, 

180    Et  avrez  le  eoltel  que  Dieus  tint  al  mangier, 

De  la  barbe  Saint  Piere,  des  ehevels  de  son  chief.' 
Charlemaignes  Ten  rent  saluz  et  amistiez, 

183    Toz  li  cuers  li  tressalt  de  joie  et  de  pitiet. 


erblickt  und  darum  an  stelle  der  überlielerten  lesart  der  anglononnannischen 
Jiandschrift  ein  estre  vos  en  deit  mielz  für  das  francische  original  vermutet. 

169  donrai:  ohne  übergangslaut,  da  erst  sekundär  aus  donerai  ent- 
standen (vgl.  24  comparrez). 

tels — meillors:  nach  tels  wäre  que  zu  erwarten,  dessen  fehlen  sich 
durch  ursprünglich  parataktische  satzfdgnng  erklärt.    Vgl.  auch  v.  9 — 10. 

170  Jhesu:  daneben  Jesu.  Die  im  mittelalter  häufige  Schreibung 
mit  h  erklärt  sich  aus  einer  missdeutung  der  griechischen  buchstaben 
IHSO  YS,  abgekürzt  IHi:.  =  JHS.  Das  h  hat  daher  keinen  lautwert,  auch 
nicht  als  diakritisches  zeichen. 

173  preechiet:  lehnwort.  Als  erbwort  müsste  es  den  vortonvocal 
verlieren ;  praed(i)care  —  *prechier  oder  *pregier. 

174  por  eis  esleecier:  vor  dem  Infinitiv  steht  im  altfr.  die  betonte 
form  des  pronomens  (gegen  nfr.  pour  les  rejouir).  So  de  moi  desarmer 
fu  adroite;  vos  vueil  prier  de  lui  servir  usw.  Vgl.  auch  anm.  zu 
V.  147  —  Dass  esleecier-*— *exlaetitiare  den  unbetonten  vortonvocal  behält, 
erklärt  sich  entweder  durch  einfluss  der  stammbetonten  formen  esleecet-*— 
*exlaeUtiat,  esleecent  usw.  (vgl,  corone  für  *corne  nach  Coronet)  oder 
durch  direkte  ableitung  des  verbums  aus  dem  Substantiv  leece  —  laetitia. 

177  bene'fsquiet:  gelehrte  form  (für  *6endisi),  mit  metathesis  a;—> sc, 
iti-perf.  (benediscuit)  und  anpassung  an  die  IIL  schwache  konjugation. 

178  l'escuele  d'argent:  die  abendmahlsschüssel.  Diese  spielt 
als  graal  eine  grosse  rolle  in  den  graldichtnngen  des  12.  und  IS.jahrhs., 
wo  sie  mit  der  schale  identifiziert  wird ,  in  welcher  Joseph  von  Arimathia 
das  blut  des  Herrn  auffing.  Sie  besitzt  da  die  gäbe  speise  zu  spenden, 
wunden  zu  heilen  u.  a.  Unserem  gedichte  sind  diese  Vorstellungen  sichtlich 
noch  völlig  fremd. 

179  pieres:  die  gewöhnliche  form  ist  pierres,  vgl.  s.  151. 

183  piti6t:  die  ursprüngliche  (erbwörtliche  oder  frühlehnwörtliche) 

Vorctagoh,  Studium  d.  ate.  Sprache.     5.  Aufi.  15 


226  Dritter  Teil:  Text. 

XL  Laisse. 
(Assonanz  u  =  ü  wie  in  IV.) 

184    Qo  dist  li  patriarche:  'Bien  vos  est  avennt, 
Par  le  mien  escientre,  Dieus  vos  i  aeondaist. 
Donrai  vos  tels  reliques  qui  feront  granz  vertuz: 
Del  lait  sainte  Marie  dont  alaitat  Jhesn, 
Com  fat  primes  en  terre  entre  nos  deseenduz, 
De  la  sainte  chemise  que  ele  aveit  revestut' 

190    Charlemaignes  Ten  rent  amistiez  et  saluz. 
Cil  li  fist  aporter,  et  li  reis  les  reQut. 
Les  reliques  sont  forz,  Dieus  i  fait  granz  vertuz. 
Iluec  jut  uns  contraiz  —  set  anz  out  que  nes  mut  — 
Tuit  li  OS  li  eroissirent,  li  nerf  li  sont  tendut: 

fortsetzTig  des  lat.  pietatem,  wahrscheinlich  mit  entwicklung  eines  hiatus- 
tilgenden j  über  *pijetatem  —  *pijtate,  so  dass  der  ton  vokal  a  infolge  des 
vorausgehenden  palatals  sich  zu  ie  entwickelt.  Daneben  findet  sich 
pietatem  schon  fiüh  in  der  sicher  lehnwörtlichen  form  p'itUt  —  so  noch 
nfr.  nebeneinander  pitie  mitleid  und  piete  frömmigkeit. 

185  aconduist:  regelrecht  aus  ad  +  conduxit  entwickelt.  Nfr. 
conduisit  ist  eine  neubildung  nach  dem  muster  der  schwachen  perfekta. 

Ib7  lait:  nicht  von  lue,  sondern  von  lactis,  lacti,  Hacte-. 

188  primes:  adverb  'zuerst',  Wul  durch  eine  ellipse  zu  erklären: 
primä  seil,  hora,  vice,  woraus  mit  adverbialem  s  (vgl.  9  oriques)  primes 
(prov.  primas).  Ausserdem  erscheint  lat.  primus  im  franz.  nur  noch  im 
Substantiv  prime  (die  erste  hora  =  ca.  6  uhr  vormittags),  als  adjectiv  ist 
es  durch  primarius  —  premiers  ersetzt. 

189  chemise:  das  wort  bezeichnet  ursprünglich,  und  so  meist  noch 
im  mittelalter  'untergewand'  (tnnica  intenor).  Das  gruudwort,  spätlat. 
camisia,  sch-^int  aus  dem  germanischen  zu  stammeii  (urgerm.  *kamitjo-, 
fräuk.  *chamisia,  hd.  hemd) 

191  Cil  li  fist  aporter:  zur  konstruktion  vgl,  v.  87. 

193  Uuec:  lat.  illo  loco  —  Hllgco.  Dabei  tällt  die  verschiedene 
behandlung  der  silbe  -oco  gegenüber  locum — >lieu  auf.  Dieses  scheint 
eine  kurxform  Hgn  (mit  früh  verstummtem  c  und  verschmolzenem  «,  vgl. 
8.  175)  vorauszusetzen.  Aber  auch  in  *illöco  musste  das  c,  wenn  anch 
später,  fallen  (vgl.  23  diient  II).  Man  nimmt  eine  adverbiale  nmbildung 
*iUöque  nach  utroque  u.  ä  an.  Dass  für  das  anlautende  l  nicht  f,  sondern  i 
erscheint,  könnte  auf  einwirkung  der  zaliheicben  mit  i  beginnenden  demon- 
strativpronumina  [icil,  icist,  itels),  vor  allem  aber  des  ortsadverbs  iei 
beruhen. 

jut  —  mut:  *j^cuit  (für  jacuit)  —  *mQvuit  (für  mgvit).  Nach  an- 
lautendem j  ist  a  zu  e  geworden  'mjacBre--*-*jecere—*-*jei8ir  —  gesir  (aber 


XI.  Laisse  (V.  184—203).  —  XU.  Laisse  (V.  204—213).  227 

195    Ore  salt  sus  en  piez,  onques  plus  sains  ne  fut. 
Or  veit  li  patriarche,  Dieus  i  fait  granz  vertuz; 
To8t  fait  le  glas  soner  par  la  cit^t  menut. 
Li  reis  fait  faire  un  fiertre,  onques  mieldre  ue  fut: 
Del  plus  flu  or  d'Arabie  i  out  mil  mars  fondut. 

200    II  l'a  fait  seeler  a  force  et  a  vertut, 

A  graoz  bendes  d'argent  l'a  fait  leiier  meout, 
L'arcevepque  Turpio  comandet  son  conduit. 

203  Charlemaignes  fut  liez  et  tuit  qui  sont  od  lui. 

XII.  Laisse. 
(Assonanz  i-e  wie  in  VII.) 

204  Quatre  meis  fut  li  reis  en  Jerusalem  vile, 
II  et  li  doze  per,  la  chiere  compaignie. 

Demeinent  grant  barnage  —  car  l'emperere  est  riches  — 

prov.  jazer)  und  jactare — >-*jectare — >-*jeitier — jetier,  nfr.  jeter  (prov. 
gitar,  selten  gdar).  Nach  j  scheint  a  und  e  gewechselt  za  haben,  vgl. 
jam—*-ja,  ital.  giä  stets  mit  a,  januarium-^janvier,  aber  ital.  gennajo. 

Aus  *j^cet  erklärt  sich  regelrecht  *jiei(it  —  gist  —  nfr.  git.  J^cuit 
ergab  zunächst  *jftmet,  woraus  vitlleicht  direkt  (wie  dieu  aus  d^utn) 
*ji("UHet  —  *jieut  — jüt  entstanden  ist;  wahrscheinlicher  ist  aber  angleichung 
an  die  1.  person  *jfcul  —  *Jif ^}<i — jüi,  wo  das  folgende  l  jedenfalls 
diphthongierung  des  ton-f  bewirkte.  '''Mgvui  wurde  mit  t-umlaur  zu  müi, 
wonach  3.  pers.  müt  (Cur  *wput);  möglicherweise  ist  auch  von  *mgimi  (vom 
präsensstamm)  auszugehen,  das  sich  in  der  1.  und  3  pers.,  parallel  *jecui 
—  *jecuit,  zu  müi  —  müt  entwickeln  konnte  und  von  prov.  mgc  gestützt  wird. 

Ut5  salt:  fnT*selt-< — fialit.  Muster  für  analugische  neubildung  boten 
hier  nicht  nur  die  endungsbetonten  formen  (salir,  saillant  usw.),  sondern 
auch  die  mit  i  gebildeten  stammbetonten  formen,  in  welchen  a  gedeckt 
war  und  unverändert  blieb:  salio—*-sail  (=  sal),  saliunt -^ saülent 
(=  salfnt),  vgl.  8.  170. 

196  veit— fait:  nach  den  verben  sentiendi  kann  que  fehlen.  Es 
handelt  sich  urpprÜDglich  um  zwei  hauptsätze  ^Orveit  li  patriarche:  Dieus 
i  fait  gravz  vertuz'.    Vgl.  v.  1>^9. 

197  glas:  wird  auf  *cla88um  (für  lat.  classicum)  zurückgeführt,  das 
zunächst  regelrecht  das  {prov.  das,  it.  chiasno)  gibt,  daneben  schon  in 
alten  texten  wie  hier  glns.  Der  eintritt  des  stimmhaften  velars  für  den 
stimmlosen  bedarf  noch  der  erklärung. 

204  en  Jerusalem  vile:  steht  parallel  ausdrücken  wie  dl  saint 
Denis  mostier,  der  städtename  ist  als  personeuname  gedacht,  also  =  e« 
la  vile  de  Jerusalem. 

2U6  car:  zur  bedeutnngsentwicklnng  —  'denn'  aus  qua  re  —  vgl.  19  car. 

15* 


228  Dritter  Teil:  Text. 

Comencent  un  mbstier  qui  'st  de  sainte  Marie. 
Li  home  de  la  terre  la  claiment  la  Latine, 
Car  li  lenguage  i  vienent  de  trestote  la  vile. 

210    II  i  vendent  lor  pailles,  lor  teiles  et  lor  siries, 
Coste,  canele,  peivre,  altres  bones  espices 
Et  maintes  bones  herbes  que  je  ne  vos  sai  dire. 

213    Dieus  est  encore  el  ciel  qui  'n  viielt  faire  justise. 


XIII.  Laisse. 

(Assonanz  ^-<— a  wie  in  II,  V,  IX.) 
214    L'emperere  de  France  i  out  tant  demoret, 
Le  patriarche  prist,  si  Ten  at  apel6t: 
'Vostre  congi^t,  bels  sire,  se  vos  piaist,  me  donez, 
En  Franee,  a  mon  reialme,  m'en  estuet  retorner. 

208  Latine:  es  gab  tatsächlich  in  Jerusalem  eine  solche  auf  Ver- 
anlassung Karls  des  Grossen  erbaute  kirche,  genannt  Sanda  Maria 
Latina,  nebst  einem  hospiz,  das  seinen  namen  trug.  Im  10.  jahrh.  zerstört, 
wurde  die  kirche  im  beginn  des  11.  jahrhs.  von  den  Italienern  wieder  her- 
gestellt. Auch  der  im  folgenden  erwähnte  stoff-  und  spezereimarkt,  wo 
leute  aller  zungen  (li  lenguage)  zusammenkamen,  ist  historisch,  in  einer 
beschrelbung  des  12.  jahrhs.  wird  der  platz  direkt  als  nie  des  herbes 
bezeichnet.  Nur  war  er  nicht  in  der  kirche  selbst,  wie  der  dichter  an- 
nimmt, der  hier  von  anderen  gehörtes  unvollkommen  wiedergibt  und  sich 
über  die  angebliche  entweihung  der  kirche  ereifert  („Gott  ist  noch  im 
Himmel,  der  gericht  darüber  abhalten  wird"  v.  213). 

209  Car:  das  folgende  soll  begründen,  weshalb  die  kirche  la  Latine 
hiess,  was  der  dichter  offenbar  mit  latin  =  spräche  zusammenbrachte  (en 
mon  latin  *in  meiner  spräche',  le  latin  des  oisels  'die  spräche  der  vögel'). 

211  espices:  zu  espiee,  aus  species,  d.h.  an  die  1.  dekl.  angeglichenem 
*specia.  Die  erklärung  des  i  macht  hier  ähnliche  Schwierigkeiten  wie  ia 
Orice  <—  Graecia. 

212  maintes:  zamaint,  nach  älterer  erklärung  vom  deutschen  stamm 
manag-  (menge),  nach  neuerer  von  keltisch  *manti  (grosse  anzahl)  oder 
aus  einem  angenommenen  *manctum  (durch  krenzüng  von  deutsch  nianag- 
und  lat.  tnultus)  herzuleiten.  Völlig  befriedigend  ist  keine  dieser  er- 
klärungen. 

215  prist:  vgl.  v.  S. 

217  estuet:  Impersonale  'es  ist  nötig",  perf.  estut,  iuf.  estoveir, 
vermutlich  (nach  Suchier)  von  unpersönlich  gewordenem  stupere  'starr 
sein',  das  lautlich  zu  estoveir  werden  musste:  vor  labial  wird  betontes  ü, 
0  zu  ofiFen  o  (vgl.  oben  s.  169  5,  anm.),  also  stgjM—^- estuet.    Nach  einer 


Xn.  Laisse.  —  XIII.  Laisse  (V.  214—225).  229 

Pose  at  que  je  n'i  fui,  si  ai  molt  demor^t, 

Et  ne  set  mes  barnages  quel  part  je  sui  tornez. 

220    Faites  cent  mulz  reeeivre  d'or  et  d'argent  trossez'. 
Et  dist  li  patriarche:  'Ja  mar  en  parlerez. 
Toz  li.miens.  granz  tresörs  vos  seit  abandonez, 
Tant  en  pregnent  Franceis  com  en  voldront  porter, 
Mais  que  de  Sarazins  et  paiiens  nos  gardez, 

225     Qui  nos  vuelent  destruire  sainte  crestient^t'. 


von  Tobler  aufgestellten,  aber  zuletzt  von  ihm  selbst  wieder  preisgegebenen 
erklärung  läge  est  opus  zugrunde,  das  sich  zu  es*  ues  entwickelt  und, 
als  einheitliches  wort  {eshies)  empfunden,  das  zeichen  der  dritten  person, 
t,  erhalten  hätte:  estuet.  Von  dieser  form  aus  müssten  dann  die  übrigen 
erst  gebildet  worden  sein.  —  Wegen  der  konstruktion  vgl.  71  covient. 

219  mes:  der  kasus  rektus  des  unbetonten  Possessivpronomens,  aus 
lat.  meus  wie  der  obl.  plur.  mes  aus  meos  (vgl.  22  mes).  Mittelform  war 
in  beiden  fällen  »mos  (vgl.  dazu  noch  v.  15  ses  sowie  s.  162).  In  texten 
und  handschriften  der  westlichen  dialekte  (namentlich  auch  in  anglo- 
normannischen  hss.)  findet  sich  dafür  mis,  an  rektus  plur.  mi-<— lat.  mei 
angeglichen. 

220  Faites  —  reeeivre:  das  subjekt  des  Infinitivs  ist  nicht  be- 
sonders bezeichnet.  Übersetze  'lasset  (eure  leute)  hundert  maultiere  in 
empfang  nehmen'. 

221  mar:  wird  erklärt  als  kurzform  von  malo  augurio,  das  stark- 
tonig  maleür  (nf r.  tnalheur)  gibt,  also  'unter  schlimmem  Vorzeichen  —  zur 
Unzeit,  zum  unglück'.  Nach  anderer  annähme  aus  mala  hora,  was  aber 
lautlichen  bedenken  unterliegt.  Häufig  durch  Umschreibung  wiederzugeben 
wie  hier:  'unglück  —  unrecht  wird  es  sein  davon  zu  reden'.  Gegensatz 
buer  {bono  augurio)  'zu  guter  zeit,  zum  glück'. 

223  pregnent:  aus  prehendant — pr^ndant  (vgl.  2  prise)  wird 
prfndent;  pregnent  ist  daher  analogiebildung  nach  konjunktiven  auf  -eam 
-iam,  wie  veniant  —  viegnent,  teneant  —  tiegnent.  Nfr.  prenne  erklärt  sich 
gleichfalls  durch  analogie:  zu  den  singularformen  prens  prent  (wo  t  nicht 
als  stamm-,  sondern  als  endungs-i  erschien)  bildete  man  im  Indikativ  die 
neuen  pluralformen  prenons  prenez,  pre{n)nent  (s.  u.  v.  242)  für  älteres 
prendons,  prendez,  prendent  —  darnach  auch  die  übrigen  zum  präsens- 
stamm gehörigen  formen  prenne,  prenais,  prenant. 

225  destruire:  von  *destrugere  statt  destruere,  zu  destruxi  destructum 
gebildet  nach  suxi  suctum  sugere,  texi  tectum  tegere,  rexi  rectum  regere. 
Ebenso  auch  zu  traxi  tractum  ein  Hragere  für  trahere,  daher  frz.  traire. 

sainte  erestientet:  wie  eigennamen  ohne  artikel.  Christianitatem 
sollte,  als  lehnwort  entwickelt,  crestiantSt  ergeben,  daher  crestüntSt  wol 
als  ableitung  von  crestiien  zu  erklären  ist. 

XIV.  laisse:  genau  genommen  sind  es  zwei  laissen,  deren  eine  auf  i, 
deren   andere  auf  ei  assoniert.    Die  zweite,  mit  der  anspielnng  auf  die 


230  Dritter  TeU:  Text. 

XIV.  Laisse. 
a.    (AssoDanz  i.) 

226    Et  dist  li  patriarche:  'Savez  dont  je  vos  priV 
De  Sarazins  destruire,  qui  nos  ont  en  despit' 

228  'Volentiers'  90  dist  Charles,  sa  feit  si  Ten  plevit. 

b.    (Assonanz  ei) 

229  'Je  manderai  mes  homes,  quant  qu'en  porrai  aveir. 
Et  irai  en  Espaigne,  ne  porrat  remaneir.' 

Si  (ist  il  puis  encore,  bien  en  guardat  sa  feit, 

232  Qaant  la  fut  morz  RoUanz,  li  doze  per  ot  sei. 

XV.  Laisse. 
(Assonanz  f,  vgl.  XIIL) 

233  L'emperere  de  France  i  out  tant  demor^t, 
De  sa  mollier  li  membret  qu'il  li  oit  parier: 

235    Ore  irat  le  rei  querre  qu'ele  li  out  loet, 

Rolandsschlacht,  wird  als  Interpolation  betrachtet,  da  der  patriarch  von 
Jerusalem  natürlich  kein  besu öderes  Interesse  daran  hatte,  dass  die 
Sarazenen  statt  in  Palästina  in  Spanien  bekämpft  wurden. 

228  si:  deutet  auf  vorhergehendes  zurück,  es  wieder  aufnehmend. 
So  V.  20  u.  ö.  zur  einleitung  eines  hanptsatzes  (wie  unser  deutsches  so) 
in  bezug  auf  einen  ganzen  satz,  der  vorausgeht;  so  auch  in  bezng  auf  einen 
einzelnen  satzteil  (v.  öO),  auch,  wie  hier  und  v.  866,  zur  wideraufnahme 
des  Objekts,  etwa  unserer  widerholung  durch  das  demonstrativpronomen 
entsprechend:  seine  treue,  die  verbürgte  er  ibm  in  bezug  darauf. 

plevit:  zu  plevir,  das  man  wegen  des  aulauts  besser  nicht  aus  lat. 
praebere,  sondern  aus  german.  plegan  herleitet  (niederl.  plegen,  ahd.  pflegan, 
unser  'pflegen'),  das  u.  a.  auch  die  bedeutung  'versprechen,  verbürgen' 
angenommen  hat.    Übergang  zur  i-konj.  wie  bei  100  guerpir. 

2'iO  ne  porrat  remaneir:  'nicht  wird  es  unterbleiben  (eigentl. 
zurückbleiben)  können'. 

232  ot  sei:  für  od  lui.  Nach  präpositionen  tritt  häufig  das 
reflexivpronomen  für  das  pronomen  der  dritten  person  lui,  fem.  li  ein. 
Aber  auch  umgekehrt :  Entre  eis  (==  entre  sei)  en  ont  e  orgueil  e  confort 
(Roland  1941). 

234  wörtlich:  in  bezug  auf  seine  frau  gedenkt  es  ihm,  was  er  sie 
hatte  reden  hören.  Perf.  oU  im  sinne  des  piqpfs  (vgl.  v.  115),  li  für  das 
von  ouir  (voir,  faire  u.  ä)  +  ißf.  abhängige  objektspronomen. 


XIV.  Laisse  (V.  226—232).  —  XV.  Laisse  (V.  283—258).  231 

Ja  n'en  prendrat  mais  fin  tresqu'il  l'avrat  trov^t. 
La  nuit  le  fait  noneier  as  Franceis  as  osteis: 
Com  il  Tont  enteodut,  liez  oot  les  euers  assez. 
AI  raatin  parsom  l'albe,  quant  li  jorz  lor  apert, 
240    Li  mal  et  li  somier  sont  guarnit  et  tross^t, 
Et  moütent  li  baron,  el  ehemin  sont  entret. 
Vienent  en  Jerico,  palmes  preüent  assez, 
'Oltree,  Dieus,  aie!'  eiient  et  halt  et  der. 


239  parsom  l'albe:  'mit  der  morgenröte'.  Parsom  ist  eigentlieh 
wie  pamii  und  enmi  präpositioo  mit  flektiertem  adjektiv,  dann  erstarrt  und 
als  reine  präp.  gebrancht:  pamii  cd  palais  (51i)  =  per  medium  ecceiUud 
palatium,  darnach  aucli  parmi  les  rues  (Alexins  513)  für  per  media 8  illas 
rugas;  parsom  le  venire  (Roland  3922)  =  per  summum  illum  ventrem, 
darnach  auch  parsom  l'albe  für  per  summ  am  illam  albam.  Vgl.  noch 
oben  s.  22.  Das  darchdriagen  der  unflf-ktierten  form  wurde  wohl  durch 
die  danebenstehenden  adverbialen  ausdrücke  enmi  117  {in  media),  parmi, 
parsom  begünstigt. 

apert:  zvi-apareir-t—apparere  (stammabstufung). 

242  Vienent  en  Jerico:  der  gebrauch  von  en  war  in  der  alten 
spräche  viel  ausgedehnter  als  heutzutage.  Es  wurde  namentlich  in  vielen 
fällen  gebraucht,  wo,  wie  hier,  ä  stehen  würde,  aber  auch  für  dans  oder 
sur  (vgl.  el  ehemin  sont  entret  241,  la  corone  el  chief  10,  2i»  u.  ö.). 

Der  brauch  von  Jericho  palmen  mitzunehmen  wurde  im  mittelalter 
viel  geübt,  daher  der  name  palmier — paumier  für  einen  pilger,  der  vom 
hl.  lande  kam. 

243  Oltree,  Dieus,  aie:  Oltree!  war  der  refrain  eines  im  mittel- 
alter viel  gesungenen  piigerliedes.  Das  grundwort  ist  ultrata  (zu  vXtra) 
sc.  itcrra  =:  das  jenseits  des  meeres  gelegene  heilige  land,  das  dann  (wie 
andere  länder-  und  landschaftsnamen)  zum  kriegsgeschrei  wurde  und  eudlich 
in  die  bedeutung  'auf  nach  dem  lande  drüben!'  —  'vorwärts!'  überging. 
Auch  Dtus,  aie!  (Gott  hilf!)  war  ein  alter  piigerrnf. 

Ate  gehört  zu  aidier-* — adjutare.  In  den  endangsbetonten  formen 
fallt  der  schwachtonige  vortonvocal  des  nicht  mehr  als  kompositum 
empfundenen  Wortes  aus:  adjutdre—*'*<ijuddre—*' aidier.  Die  stamm- 
betonten formen  ergeben  zutäcbst:  adjüto  -as  -at  -ant  —  aiü(t)  atü(d)es 
-et  -ent,  adjuta  —  aiüe;  daneben  erscheinen  aide  —  aie,  aident,  vielleicht 
aas  den  lautgesetzlichen  formen  durch  teilweise  angleichuog  an  die  endungs- 
betonten aidier  usw.  entstanden. 

crlent:  zu  crier,  gewöhnlich  von  spätlat.  quiritare  (schreien)  her- 
geleitet, das  schon  in  gemeinromanischer  zeit  zu  kiritare  —  critare  (wie 
directum — >dreit  41)  geworden  sein  miisste  (vgl.  ital.  gridare,  span.  gntar), 
von  Holthausen  auf  germ.  *kntan  (ndl.  krijten,  mhd.  krizen,  nhd.  kreisen 
■=  schreien)  zurückgeführt,  was  nach  lauten  und  betonung  ebenso  gut  passt. 


232  Dritter  Teil:  Text. 

Li  Patriarch  e  montet  sor  un  mul  sojornetj 

245    Tant  com  li  jorz  li  duret,  Tat  conduit  et  gui^t. 
La  nuit  furent  ensemble  li  baron  as  osteis. 
Nule  rien  qu'il  demandent,  ne  lor  est  demor6t. 
AI  matin  parsom  l'albe,  quant  li  jorz  lor  apert, 
Remontent  li  baron,  el  chemin  sont  entret. 

250    Li  patriarche  en  at  Charlemaigne  apelet: 

'Vostre  coDgi^t,  bels  sire,  se  vos  piaist,  me  donez.' 
Et  dist  li  emperere:  'AI  eomant  Damne-Deu.' 
Vont  sei  entrebaisier,  a  tant  sont  desevr^t, 
Chevalchet  l'emperere  ot  son  ruiste  barnet. 

255    Les  reliques  sont  forz,  granz  vertuz  i  fait  Dens, 
Qu'il  ne  vienent  a  ewe,  n'en  partissent  li  guet. 
Ne  n'encontrent  avuegle,  ne  seit  renluminez, 

258    Les  contraiz  i  redrecent  et  les  muz  fönt  parier. 


244  mul  sojorn6t:  mul,  destrier  sojornet  u.  Uhnl.  sind,  zumal  in  der 
epik,  geläufige  bezeiehnungen  für  ein  'ausgeruhtes',  also  frisches  und  gut 
laufendes  tier. 

247  ne  lor  est  demoret:  nichts  ist  ihnen  zurückgeblieben,  aus- 
geblieben, verweigert  worden  (vgl.  oben  v.  230  remaneir). 

nule  rien  —  demoret  (statt  demoree):  „Rien  und  selbst  nule 
rien  wurden  schon  früh  unter  Verkennung  der  ursprünglich  substantivischen 
Natur  und  des  Geschlechtes  von  rien  gebraucht,  gerade  wie  man  heute 
sagt,  |jerso««e  n'est  venu,  obgleich  personne  nebenher  als  weibliches  Nomen 
immer  noch  im  Gebrauche  ist'  (Tobler). 

253  desevret:  zu  desevrer*—*de8eperare(rvir*deseparare,  vgl.  prov. 
sehrar,  it.  sevrare,  sceverare).  —  Vgl.  nfr.  sevrer  entwöhnen.  SSparer  ist- 
junges lehnwort  (14.  jahrh.). 

sont  desevr6t:  wörtlich  'hiermit  sind  sie  getrennte'  =  'hiermit 
sind  sie  voneinander  geschieden '.  Vgl.  ähnlich  noch  unten  (v.  848")  mit 
dativobjekt:  a  Dieu  sont  comandet. 

254  ruiste:  eine  lehnwörtliche  fortbildung  des  la.t.  rusticum  mit  ab- 
geworfener endung.  Wie  *visaticum  zu  visage,  sollte  rusticum  zu  '^rusche 
werden  (mit  stimmlosen  ts  wegen  des  vorausgehenden  8^).  Noch  jüngeren 
Ursprungs  (14.  jahrh.)  ist  rustie  —  rustique  mit  verlegtem  accent  (vgl.  s.  165). 

256 f.:  zur  konstruktion  vgl  v.  9f  Nach  ewe  und  avuegle  ergänze 
que  (qui). 

257  avuegle:  nach  G.  Paris  aus  ab  oeulo  (ohne  äuge),  einer  gelehrten 
Wörtbildung  (ursprünglich  ausdruck  der  gerichtssprache  als  wiedergäbe 
des  griech.  ccTiöfifiatog  —  äno/xfiazovv,  anofifxarl^eiv  der  äugen  berauben, 
blenden).     Während  im   grundwort   oc{ii)lum  das  cl  sich  regelrecht  zu 


XV.  Laisse.  —  Inhalt  der  Laissen  XVI— XLIX.  233 

An  diesen  ersten  teil  des  gedichtes  scLliesst  sich  unmittelbar  der 
zweite,  die  fahrt  znm  kaiser  Hngo  und  der  aufenthalt  in  Konstantinopel. 
Die  helden  treffen  den  kaiser  von  Konstantinopel,  wie  er,  in  prächtiger 
sanfte  sitzend,  mit  goldenem  pflüge  pflügt.  Hngo  bewillkommnet  Karl  und 
die  seinen  aufs  freundlichste  und  führt  sie  nach  seinem  wunderbar  aus- 
gestatteten palast,  der  sich  beim  wehen  des  windes  um  den  grossen  mittel- 
pfeiler  dreht  und  die  hörner  der  an  den  hundert  säulen  des  saales  befind- 
lichen metallenen  kinderfiguren  ertönen  lässt.  Karl  staunt  die  fremde 
pracht  an  und  gedenkt  seines  weibes.  Als  aber  der  palast  sich  zu  drehen 
beginnt,  fällt  er  nebst  den  zwölf  pers  erschreckt  auf  den  boden.  Nachdem 
der  wind  nachgelassen  und  das  drehen  des  palastes  aufgehört  hat, 
setzt  man  sich  zum  mahle  nieder.  Zum  schlafen  wird  den  helden  ein 
grosser  saal  mit  dreizehn  prächtigen  betten  angewiesen,  kaiser  Hugo  sendet 
ihnen  noch  wein,  den  sie  sich  wol  munden  lassen.  Karl  selbst  ist  es,  der 
nun  anfängt  zu  prahlen  (gaber)  und  die  anderen  dazu  auffordert:  er  ver- 
misst  sich,  einen  doppelt  gepanzerten  ritter  kaiser  Hugos  von  oben  bis 
unten  mit  einem  schwerthieb  zu  spalten  und  das  ross,  auf  dem  er  sitzt, 
dazu.  Eoland  will  mit  Hugos  elfenbeinhorn  so  stark  blasen,  dass  in  ganz 
Konstantinopel  die  schwersten  türen  lose  werden  und  aneinanderschlagen, 
der  erzbisch of  Turpin  rühmt  sich  ein  kühnes  jongleurstück  ausführen  zu 
können,  Olivier  vergeht  sich  mit  seinem  gab  sogar  an  der  tngend  der 
kaiserstochter,  und  so  bringt  jeder  der  helden  eine  besondere  prahlerei  vor. 
Alles  das  hört  ein  in  der  mittelsäule  verborgener  späher  und  berichtet  es 
getreulich  dem  kaiser  Hugo,  Dieser,  aufs  äusserste  erzürnt,  fordert  am 
anderen  morgen  die  fränkischen  helden  auf,  ihre  prahlerischen  reden  durch 
die  tat  zu  beweisen,  sonst  würde  er  ihnen  allen  den  köpf  abschlagen. 
Die  entschnldigungen  Karls  helfen  nichts,  drei  der  helden  müssen  ihre 
Prahlereien  in  die  tat  umsetzen,  aber  dank  den  aus  Jerusalem  mitgebrachten 
reliquien  und  der  von  oben  gewährten  hilfe  gelingt  es  den  helden.  Nachdem 
Bernart,  wie  er  sich  gerühmt,  den  fluss  aus  seinem  bett  geleitet  und  die 
ganze  Stadt  damit  überschwemmt  hat,  verspricht  kaiser  Hugo  —  hoch 
vom  türm  herab  —  seine  schätze  auszuliefern  und  Karls  lehnsmann  zu 
werden.  'Volez  en  mais  des  gas,  sire?'  fragt  Karl  der  Grosse,  und  Hugo 
der  Starke  antwortet:  '^e  de  ceste  setnaine'.  Karl  ist  aber  nicht  damit  zu- 
frieden, er  will  nun  auch  noch  feststellen,  ob  seine  frau  recht  hatte  oder 
nicht,  als  sie  sagte,  dass  kaiser  Hugo  sich  mit  der  kröne  stattlicher  aus- 
nehme als  er.  Hiermit  kehrt  die  dichtung  wieder  zu  ihrem  ausgangspunkt 
zurück. 


mouillierten  l  entwickelt  (*oio  —  uel),  ist  cl  hier  nur  zu  gl  erweicht  worden. 
Allmählich  sind  jedoch  durch  diese  neubildung  die  alten  worte  für  blind 
{caecum  —  cieu,  orbum  —  orb)  verdrängt  worden.  Nach  einer  neueren, 
auch  von  ärztlicher  seite  gestützten  erklärung  ist  von  albiim  oculi  aus- 
zugehen, das  den  sog.  grauen  star  bezeichnet  und,  aus  der  ärztesprache 
in  das  volk  gedrungen,  ein  wort  *alboeulus  (mit  dissimilation:  *aboculus) 
—  'am  grauen  star  leidend'  oder  'weissauge'  —  hervorgerufen  hätte. 


234  Dritter  Teil:  Text. 

L.  Laisse. 
(Assonanz  g) 

802  'Sire'  dist  Charlemaignes  al  rei  Hngon  le  Fort 
'Ore  estes  vos  mes  huem  veant  trestoz  les  voz. 
Hui  devons  faire  feste,  barnage  et  grant  deport 

805    Et  porterons  ensemble  les  corones  a  or. 

Per  la  vostre  amisti^t  prez  sui,  la  meie  port.' 
'Et  je,  sire,  la  meie'  dist  Hugae  'al  vostre  los. 
Ferons  procession  la  dedenz  cel  enelos.' 
Charlemaignes  portat  la  grant  corone  a  or, 

810    Li  reis  Hugue  la  soe  plus  bassement  un  pou: 

803  veant  trestoz  les  voz:  'indem  alle  die  eurigen  es  sehen  — 
vor  ihrer  aller  äugen'.  Wir  haben  hier  das  im  altfr.  häufij^e  absolute 
gernndinm  vor  uns,  das  in  seiner  Funktion  dem  lat.  ablativus  absolutus 
entspricht.  Wäre  veant  partizip,  so  müsste  es  natürlich  veanz  lauten. 
Auch  solche  konstruktioneu  sind  im  altfr.  nicht  unerhört,  bilden  aber  die 
ausnahmen.  Regel  ist  das  unflektierte  gerandium  wie  auch  in  ähnlichen 
ausdrücken:  oiant  toz.  Vgl.  noch  soleil  levant,  soleil  colchant  (couchant)  u.  ä. 

Der  form  nach  ist  die  endung  -endum  ebenso  wie  die  participial- 
endnng  -entern  auf  analogischem  wege  meist  durch  die  enduogen  der  lat. 
I.  koDJugation,  -andum,  -antem,  ersetzt  worden:  auch  solche  texte,  in 
welchen  en  nicht  wie  in  dem  unserigen  zu  an  wird,  zeigen  veant. 

les  voz:  voz  ist  von  haus  aus  die  schwachbetonte  form  des  pro- 
nomens  (vgl.  21  voz  druz)  gegenüber  vostres,  wird  aber  häufig  in  sub- 
stantivischer funktion  (wie  das  hochtonige  les  vostres)  verwendet,  was 
sich  leicht  daraus  erklärt,  dass  in  allen  übrigen  formen  des  paradigmas 
zwischen  starktoniger  und  schwachtoniger  entwicklung  kein  unterschied  war. 

8U6  la  meie  port:  abhängig  von  prez  sui,  ergänze  que  (vgl.  oben 
v.  9 — 10).  Port  ist  konjunktiv,  regelrecht  aus  l&t  portem  entwickelt  (wie 
812  parolt-* — *paraulet  gegen  824  paroUt-*r—*paraulat).  Das  konjunktiv-« 
ist  ursprünglich  nnr  bei  den  lat.  konjunktiven  auf -am,  -iam  berechtigt,  in 
der  I.  lat.  konjugation  nur  bei  verben  wie  tremble,  entre,  wo  der  eudvokal 
aus  lautlichen  gründen  erhalten  blieb  (vgl.  s.  175,  nr.  4).  Nach  diesen 
mustern  haben  später  auch  die  übrigen  konjunktive  der  lat.  I.  konj.,  wie 
port,  aim  («mew),  chant,  das  endungs-e  erhalten,  so  dass  dieses  heute 
als  charakteristisches  konjunktivzeichen  gilt. 

807  los:  nicht  aus  laudem  (das  Hot,  im  rektus  loz  geben  müsste), 
sondern  aus  laus,  mit  Übergang  ins  maskulin.  Einer  der  wenigen  fälle, 
wo  von  einem  feminin  der  lat.  III.  dekliuation  direkt  die  nominativform 
erhalten  ist  (sonst  neubildung  aus  dem  akkusativ:  citet  aus  civitatem. 
später  mit  analogische  in  s  citez).  —  Nfr.  nicht  mehr  vorhanden,  dafür: 
louange,  von  louer'*-'laudare,  in  besonderm  sinne  eloge-*r—elogium. 


L.  Laisse  (V.  S02— 815).  —  LI.  Laisse  (V.  816—830).  235 

Charlemaigoes  fut  graindre  plein  piet  et  quatre  polz, 
Franeeis  les  esguarderent,  n'i  out  un,  n'en  parolt: 
*Ma  dame  la  reioe  folie  dist  et  tort: 
Molt  par  est  Charles  ber  por  demener  esforz. 
815    Ja  ne  vendrons  en  terre,  nostre  ne  seit  li  los.' 


LI.  Laisse. 
(Assonanz  Q-e.) 
816    Charles  portet  corone  dedenz  Costantinoble, 
Li  reis  Hugue  la  soe  plus  bassement  encore. 
Franeeis  les  esguarderent,  li  plusor  en  parolent: 
'Ma  dame  la  reine,  ele  dist  molt  que  fole, 

Sil  graindre:  lat.  grand^or  wird  über  *granro  (vgl.  5  emperere  I, 
Burgundia — >  Borgoigne  s.  155)  zu  graindre  (vgl.  1  poin  I,  2ü  ensemble  III). 

812  parolt:  altfr.  stammabstufung  (parol — parlons),  nfr.  ausgleich 
zugansten  der  endungsbetonten  formen,  daher  parle. 

814  Molt  par  est  Ch.  ber:  zur  Wortstellung  vgl.  v.  27,  dazu  v.  147 
Sire,  molt  estes  ber.  Durch  die  adverbia  molt  par  wird  nicht  ber  allein, 
sondern  der  Inhalt  des  ganzen  satzes  gesteigert.  Doch  begegnen  im  afr. 
auch  fälle,  wo  worte  wie  baron,  bachelier,  prodome,  virgene,  mestre  gleich 
einem  adjuktiv  gebraucht  und  mit  si,  bien,  mout,  pliis  u.  ä.  verbunden 
werden :  al  rei  baron  =  dem  mannhaften  könig,  tant  prot  e  bacheler  =  so 
tapfer  und  so  jung,  si  virgene  ==  so  jungfräulich. 

81 H — 820:  diese  verse  enthalten  im  wesentlichen  dasselbe,  was  in  der 
vorhergehenden  laisse  in  v.  810  — 15  gesagt  war.  Auf  ähnliche  weise 
sind  nachher  laisse  LH  und  LUX  und  weiter  vorn  laisse  VI  und  VII  ver- 
bunden. Diese  Wiederholungen  oder  rekapitulationen  bilden  eine  eigen- 
tümlichkeit  des  epischen  stils  im  altfranzösischen.  Sie  dienen  zunächst 
nur  daza,  die  neue  laisse  inhaltlich  an  die  vorausgehende  anzuknüpfen, 
wie  in  zahlreichen  franz.  Volksliedern  die  folgende  Strophe  an  die  vorher- 
gehende. Später  aber  nehmen  diese  wiederhuliingen  einen  immer  grösseren 
umfang  an,  so  dass  zwei  oder  drei  aufeinanderfolgende  laissen  sich  inhalt- 
lich zuweilen  vollständig  oder  nahezu  vollständig  decken  (wiederholungs- 
laissen,  couplets  similaires). 

818  plusor:  zu  plures  wurde  durch  anfügen  der  komparativendung 
*pluriores  gebildet,  unter  anlehnung  an  plus  zu  *plusiores  umgestaltet, 
woraus  plu(i)sor — plus(i)eurs. 

819  ele  dist  molt  que  fole:  'sie  sprach  sehr  als  törin'.  Diese 
im  altfr.  häufige  ausdrucksweise  erklärt  sich  durch  eine  ellipse:  dist  que 
fole  dit  =  sie  sprach,  was  eine  törin  spricht  oder  zu  sprechen  pflegt. 
Noch  bei  La  Fontaine  (Fables  V,  2);  Celui-ci  s'en  excusa,  —  Disant  qu^ü 
feroit  que  sage  —  De  garder  le  coin  du  feu. 


236  Dritter  Teil:  Text. 

820    Que  preisat  cel  barn^t  si  bien  come  le  nostre.' 
Si  fönt  procession  dedenz  en  eel  encloistre. 
La  femme  al  rei  Hugon,  qui  sa  corone  portet, 
Par  la  main  tient  sa  fiUe,  qui  at  la  crigne  bloie. 
Ou  que  veit  Olivier,  volentiers  i  parolet, 

825     Fait  li  contenant  gent  et  amistiet  li  portet, 
Volentiers  le  baisast,  mais  por  son  pere  n'oset. 
II  entrent  el  mostier,  com  issent  de  l'eneloistre. 
L'arcevesques  Turpins,  qui  maistre  fut  des  ordres, 
II  lor  chantat  la  messe,  et  li  barnez  i  ofret. 

830  Puis  vienent  al  palais,  si  meinent  grant  baldorie. 

LH.  Laisse. 
(Assonanz  e.) 

831  Franceis  sont  el  palais,  toz  fut  prez  li  disners, 
Les  tables  sont  dreciees,  si  sont  mangier  aMt. 

822  La  femme  al  rei  Hugon:  'die  dem  könig  Hugo  gehörige  frau' 
=  'die  frau  des  k.  H.'.  Zur  bezeichnung  des  besitzers  beim  Substantiv 
kann  im  altfr.  auch  der  dativ  verwendet  werden.  Vgl.  noch  v.  852  la  fille 
al  rei  Hugon.  Die  konstruktion  steht  der  oben  unter  al  saint  Denis 
mostier  besprochenen  durchaus  parallel,  sie  geht  mit  ihr  auf  denselben 
lateinischen  typus  zurück.  Am  klarsten  wird  die  enge  beziehung  zwischen 
den  beiden  konstruktionen  in  apposition eilen  Wendungen  wie  fizErne'is,  a  utt 
duc  franc  =  söhn  des  E.,  eines  fränk.  herzogs  (Isembart  und  Gormont 
V.  12). 

823  bloie:  gehört  zu  germanisch  blaudi,  nhd.  blöd,  eigentlich 
'schwach,  kraftlos'  (in  südd.  dialekten  heutzutage  noch  'durchsichtig, 
dünn',  von  abgenützten  stoflfen)  —  im  altfr.  schwachfarbig,  hell,  blond. 
Wie  dies  wort  stammen  noch  eine  reihe  anderer  franz.  farbenbezeich- 
nungen  aus  dem  germanischen:  blanc,  bleu,  brun,  gris  usw.,  wahrscheinlich 
auch  blond,  trotzdem  dieses  in  den  altgermanischen  dialekten  nicht  nach- 
weisbar ist.  —  Zu  blaudi  —  bloi  gehört  auch  frz.  eblouir. 

828  ordres:  kirchliches  lehnwort  mit  assimilation  des  n  {ordene  — 
ordne)  an  das  vorhergehende  r  oder  mit  anlehnung  der  endung  an  mnster 
wie  prestre,  maistre  u.  ä. 

830  baldorie:  zu  westgerm.  bald  kühn,  wie  auch  balt  —  baidos 
kühn,  baldor  kühnheit,  esbaldir  übermütig  sein;  endung  lehnwörtlich. 

831  disners:  ein  substantivierter  infinitiv,  aus  disner.  Als  etymon 
wird  bezeichnet  *disjunare  für  '^disjejunare)  das  fasten  brechen,  daher 
die  ursprüngliche  bedeutnng  'morgenmahlzeit',  wie  hier. 


LI.  Laisse.  —  LH.  Laisse  (V.  831—848).  237 

Nule  rien  qu'il  demandent  ne  lor  fut  demor^t. 

Assez  ont  venaison  de  eerf  et  de  sengler, 
835    Et  ont  grues  et  jantes  et  paonz  empevrez, 

A  espandant  lor  portent  le  vin  et  le  clar^t, 

Et  chantent  et  vielent  et  rotent  eil  jogler. 

Li  reis  Hugue  li  Forz  at  Charlon  apel^t: 

'Trestoz  mes  granz  tresors  vos  seit  abandonez, 
840    Tant  en  pregnent  Franceis  com  en  voldront  porter.' 

Et  dist  li  emperere:  'Tot  90  laissiez  ester. 

Ja  ne  prendront  del  vostre  un  denier  moneet. 

Ja  ont  il  tant  del  mien  qu'il  nel  pueent  porter. 

Donez  nos  le  congi^t,  nos  en  eovient  aler.' 
845    Et  dist  Hague  li  Forz:  'Je  nel  vos  os  veer.' 

835  jantes:  gantae  nannten  die  Germanen  nach  Plinius  (Naturalis 
Historia  X.  52)  eine  art  gänse.  Das  wort  muss  also  germanisch  sein, 
trotzdem  es  in  dieser  form  bei  den  Germanen  nicht  nachzuweisen  ist. 
Doch  vgl.  niederl.  gent  gänserich,  ags.  gandra  gänserich,  ganot  schwan. 
Deutsch  gans,  lat.  unser,  griech,  y^i^r  gehen  mit  diesen  auf  dieselbe  wurzel 
zurück. 

paonz:  lat.  pavones.  Ausfall  eines  labialkonsonanten  findet  ver- 
schiedentlich neben  labialvokal  infolge  von  dissimilation  statt.  Vgl. 
*tabonem  (für  tabänum)  — >  taon.  In  vivenda  — >  viande  wirkt  voraus- 
gehendes V  dissimilierend. 

836  A  espandant:  widerum  ein  rest  des  lat.  gerundiums  (vgl.  132 
fuiant,  803  veant),  das  hier  die  stelle  eines  von  einer  präposition  ab- 
hängigen infinitivs  übernimmt  (ad  expandendum  =  'mit  ausbreiten',  unter 
Übergang  in  die  adverbiale  bedeutung  =  'reichlich').  Auch  mit  anderen 
Präpositionen,  par,  en  u.a.,  kann  das  gerundium  verbunden  werden,  vgl. 
noch  nfr.  die  konstruktion  mit  en:  en  croyant  =  in  credendo,  en  voyant 
=  in  videndo.  In  Wendungen  wie  a  escient  =  ad  seiendum,  par  le  mien 
esc'ient  ist  das  lat.  gerundium  in  substantivische  Verwendung  übergegangen; 
einzelne  formen  sind  völlig  zu  Substantiven  geworden  wie  oben  825  con- 
tenant  ('*—contenendo)  =  haltung,  simulando  —  semblant  =  miene,  pendendo 
—  pendant  =  abhang. 

837  vielent  et  rotent:  die  viele  war  ein  geigenähnliches  bogen- 
instrument,  die  rote,  in  der  form  der  heutigen  violine,  ursprünglich  ein 
Zupfinstrument,  später  ein  bogeninstrument. 

838  Charlon:  deutsch  Karl  flektiert  vulglat.  regelrecht  nach  dem 
muster  der  lat.  II.  dekl.  Karins  (vgl.  span.  Carlos)  —  Karlum,  daraus 
franz.  Charles  (siehe  v.  1)  —  obl.  Charle.  Charlon  ist  eine  neubildung 
nach  Htion,  Folcon,  Pieron  u.  ä.  (s.  oben  v.  46).  Später  dazu  ein  neuer. 
rektus  Charlons. 


238  Dritter  Teil:  Text. 

Les  DQülz  et  les  somiers  lor  tint  Ton  as  degrez 
Et  dist  li  emperere:  'Si  com  vos  comaodez.' 
848    Vont  sei  entrebaisier,  a  Dien  sont  comand^t. 


LIII.  Laisse. 
(Assonanz  o.) 

849    Quant  Franceis  ont  m angibt,  des  ore  s'en  iront 
Lez  mulz  et  les  somiers  lor  tint  Ton  as  perrons, 
Si  Pont  mont^t  Franceis  qui  a  joie  s'en  vont. 
La  fiile  al  rei  Hugon  i  cort  tot  a  bandon, 
La  QU  veit  Olivier,  sil  prent  par  son  geron: 
'A  vos  ai  je  torn^t  m'amistiet  et  m'amor  — 

855     Car  m'en  portez  en  France,  si  m'en  irai  od  vos.' 
'Bele'  dist  Oliviers  'm'amor  vos  abandon. 

857  Je  m'en  irai  en  France  od  mon  seignor  Charlon.' 

LIV.  Laisse. 
(Assonanz  s.) 

858  Molt  fut  liez  et  joios  Cbarlemaignes  li  ber, 
Qui  tel  rei  at  conquis  senz  bataille  cbampel. 

846  Nach  diesem  vers  sind  allem  anschein  nach  einige  verse  aus- 
gefallen, da  Karls  rede  v.  847  nicht  zum  vorhergehenden  passt. 

l'on:  die  nebentonige  form  von  honio  (gegen  haupttoniges  ÄMPm  121, 
149)  im  sinne  des  indefinitums  wie  unser  'man'  (=  mann).  Im  gleiches 
sinne  einfaches  on  oder  auch  Vem,  l'en,  kurzfurm  aus  l'uem. 

848  sont  comand^t:  die  hs.  hat  sunt  cumandfz,  was  auch  s'ont 
comandez  bedeuten  könnte.  Das  reflexiv  mit  avoir  begegnet  noch  in  einer 
reihe  von  texten,  in  der  Karlsreise  ist  jedoch  ein  unzweideutiges  beispiel 
nicht  nachzuweisen. 

8"i2ff.:  In  späteren  bearheitungen  erscheint  die  baiserstochter  unter 
dem  nam-tn  Jacqueline.  Aus  ihrer  Verbindung  mit  Olivier  geht  ein  soha 
namens  Galien  hervor,  dem  eine  besondere  dichtung  {Gnliens  li  resioies, 
d.  i.  der  neu  erstandene  Galien)  gewidmet  ist.  In  dieser  bildet  eine  be- 
arbeitung  der  Karlsreise  die  eiuleitnng,  den  weiteren  inlialt  die  Schicksale 
des  beiden  und  besonders  seine  teilualme  an  der  Rolaiidsschlacht,  die  im 
acschluss  an  das  Rolandslied  aiisfüirlich  geschildert  wiid.  Gaiitn  trifft 
noch  rechtzeitig  auf  dem  Si  hlachtfdd  ein,  um  unter  den  sieben  über- 
lebenden Frankenhelden  seinen  lange  gesuchten  vater  zu  finden  und  mit 
Karl  räche  au  den  feinden  zu  nehmen. 


Lin.  Laisse  (V.  849—857).  —  LIV.  Laisse  (V.  858—870).  239 

860    Qne  vos  en  ai  je  mais  Iodc  plait  a  aconter? 

II  passent  les  pais,  les  estranges  regnez, 

Venut  sont  a  Paris,  a  la  bone  cit^t, 

Et  vont  a  saint  Denis,  el  mostier  sont  antrat. 

Charlemaignes  se  eoichet  a  oraisons,  li  ber.. 
865    Quant  il  at  Dien  preii^t,  si  s'en  est  relevez, 

Le  clou  et  la  corone  si  at  mis  sor  l'alter. 

Et  les  altres  reliques  depart  par  son  regnet. 

Iluee  fut  la  reine,  al  piet  li  vuelt  aler. 

Son  maltalent  li  at  li  reis  tot  pardon^t 
870    Por  l'amor  del  sepulere  que  il  at  aor^t. 

861  estranges:  wegen  der  lautlichen  entwicklang  vgl.  52  mewpon^c. 

regnez:  lies  renets  oder  ränets.  Lat.  regnum,  afr.  regne,  und  seine 
ableitnngen  sind  im  franz.  nicht  erbwörtlich  entwickelt  (dafür  reialme  68  — 
royaume):  regnum  müsste  nach  pugnum — pgri  —  poin  *ren  —  rein,  regnatum 
reniet  —  reigniet  ergeben.  Es  reimt  hier  aber  mit  ?««— a.  Der  voraus- 
gehende konsonant  war  nicht  mouilliert.  Vgl.  die  assonanz  regne :  France, 
gründe,  aimet  u.  a.  (787,  797)  und  den  reim  regne :  femme. 

865  at  Dieu  preiiet:  Dieu  steht  für  a  Dieu  wie  in  Den  piaist  68. 
Preiier  'beten  zu  jem.'  regiert  in  der  alten  spräche  den  dativ,  vgl.  Et 
prlet  a  Jhesu  (79i');  auch  in  der  bedeutnng  'bitten'  begegnet  der  dativ 
■eben  den  sonst  üblichen  konstruktionen  (prier  qn.  de  qch.  oder  qn.  que): 
Tgl.  tuit  li  pr'ient,  tant  li  preiierent  in  anderen  texten. 

869  maltalent  —  pardonet:  pardoner  hat  in  der  alten  spräche 
oft  den  sinn  des  mhd.  vergeben:  'weggeben,  aufgeben,  unterlassen'.  Hier: 
'er  hat  fiir  sie  seinen  zorn  aufgegeben,  fahren  lassen'. 


Vierter  Teil. 

Systematische  Übersicht  über  Lautstand, 

Formenstand  und  syntaktische  Verhältnisse 

der  Karlsreise. 


Durch  das  wirken  der  lautgesetze  haben  die  im  lateinischen 
vorhandenen  laute  und  lautverbindungen  derartige  Verände- 
rungen erfahren,  dass  wir  im  altfranzösischen  teils  die  latei- 
nischen lautzeichen  in  ganz  anderer  Verwendung,  teils  völlig  neue 
laute  und  lautgruppen  finden:  wir  haben  anstelle  des  alten, 
lateinischen  einen  neuen,  französischen  lautstand.  Schon 
hierdurch  erhalten  die  einzelnen  worte  und  wortformen  eine 
wesentlich  veränderte  gestalt  gegenüber  ihren  lateinischen  Vor- 
bildern. Dazu  tritt  aber  in  der  flexion  als  weiterer  faktor 
die  analogie,  welche  teils  den  stamm,  teils  die  endungen  be- 
einflusst.  Schliesslich  gehen  von  den  alten  lateinischen  formen 
und  typen  viele  ganz  unter,  andere  verschieben  ihre  Verwendung 
oder  bedeutung,  auch  neue  werden  gebildet.  So  gesellt  sich 
zu  dem  neuen  lautstand  auch  ein  neuer,  in  eigentlichem  sinn 
französischer  formenstand.  Endlich  bleiben  auch  die  syn- 
taktischen Verhältnisse  nicht  die  gleichen  wie  im  lateinischen. 
Einzelne  redeteile  verändern  ihre  funktion,  die  Wortstellung 
wird  mehr  gefestigt,  das  entstehen  neuer  flexionsformen  hat 
zum  teil  auch  neue  syntaktische  konstruktionen  zur  folge.  So 
bildet  sich  parallel  dem  neuen  laut-  und  formenstand  auch 
eine  eigene  französische  syntax  heraus,  deren  folgerichtige 
Weiterentwicklung  die  modernen  Verhältnisse  darstellen. 

Im  folgenden  soll  für  diese  verschiedenen  gebiete  eine 
Übersicht  über  die  altfranzösischen  Verhältnisse  gegeben  werden, 


I.  Lantstand:  A.  Eonsonantisrnns.  241 

soweit  sie  in  der  Karlsreise  in  erscheinung  treten.  Hierbei 
wird  auch  die  herkunft  der  altfranzösischen  laute  sowie  ihr 
weiteres  Schicksal  im  anschluss  an  die  früheren  einzel- 
erörterungen  kurz  wiederholt  werden.  Ein  besonderer  ab- 
schnitt über  den  accent  ist  in  dieser  lautlehre  tiberflüssig: 
infolge  der  Verkürzung  der  gleiteworte,  infolge  des  falls  oder 
der  Schwächung  der  endsilbenvokale  liegt  schon  im  altfranzö- 
sischen der  hauptaccent  überall  auf  der  letzten  vollen  silbe, 
d.  h.  der  wort-  und  formenschatz  besteht  lediglich  aus  oxytonis 
und  paroxytonis.  Diese  letzten  sind  durch  verstummen  des 
auslaat-e  im  neufr.  meist  zu  oxytonis  geworden  {prise-^prie, 
sage-^sa^,  porte—>port). 

Die  formenlehre  hebt  die  wichtigsten  deklinations-  und 
konjugatioEStypen  hervor,  mit  verweisen  auf  die  früher  ge- 
gebenen erkiärungen  über  ihre  entstehung  und  ihre  Weiter- 
bildung im  nfr.  Aus  der  syntax  werden  die  im  einzelnen 
bereits  erwähnten  erscheinungen  zusammeogestellt,  welche  für 
das  altfr.  dem  latein  oder  dem  neufranzösischen  gegenüber 
charakteristisch  sind. 


I.  Lautstand. 


Das  französische,  genauer  francische,  besass  um  1100  die 
folgenden  einfachen  oder  zusammengesetzten  laute: 
konsonanten: 

reibelaute  oder  fricative:  s  ts  z  dz  —  {s  z)  ts  dz  —  fvw 

dazu  den  hauchlaut  h 
verschlusslaute  oder  explosivae:  t^d  —  p  h  —  c  g 
nasale:  m  n  {^)  fi 
zitterlaute  oder  liquidae:  r  l  i 
halbvokal:  i  u  ü 
vokale  und  nasal  vokale: 

ü  5  ä  i 

'VoretBioh,  Studium  d.  afr.  Sprache.    6.  Aufl.  \% 


242  Vierter  Teil:  Lantstand,  Formen  stand,  Syntax. 

diphthongen  und  nasaldiphthoDgen: 
ue  (üe)    üi    gi    gi    gu    ai    p    ßi    pu    ie  (ieu) 
uS  iüi)    gi  äi  ßi  iB 


A.   Konsonantismns. 
1.  Die  dentalen  Reibelaute. 

s  (stimmlos,  geschrieben  5,  ss),  entstanden  im  an  laut  ans 
lat.  s  {saint  1,  en-seigniez  19,  de-soz  7)  —  im  inlaut  aus 
lat.  SS  {deusseiz  66),  s  vor  konsonant  {teste  16,  auch  aus 
ursprüDglich  intervokalem  s:  prist  7),  x  vor  konsonant 
(estortre  43);  mit  i  aus  x  vor  vokal  {eissirent  100),  ur- 
sprünglich inter vokalem  ij,  im  auslaut  (palais  830),  ssj.^ 
sei,,  sti,  scs,  sc  vor  e  und  i,  c{e)t  und  c{i)t  (peisson,  conois- 
siez,  amistiet,  piaist)  —  im  auslaut  aus  lat.  s  (plus), 
labial  +  s  (chies),  x  und  ähnlichen  Verbindungen  {reis, 
puis,  Franceis). 

s  bleibt  im  anlaut  sowie  im  inlaut  zwischen  vokalen 
als  stimmloses  s  {ss),  verstummt  ende  des  12.  jahrhs.  vor 
konsonant  {mostier  l,  mit  dehnung  des  tonvokals:  prist  7) 
sowie  allmählich  im  auslaut  {Charles  1), 

ts  {t  +  stimmloses  s,  geschrieben  c  oder  z)  entsteht  im 
anlaut  aus  lat.  c  vor  c,  i  (ceinte  3,  germ.  Je  in  Franceis) 
—  im  inlaut  aus  ci  sowie  aus  i^  nach  konsonant  {acier  25, 
correciez  17)  —  im  auslaut  aus  c  vor  e,  i  {croiz  2),  t  oder 
d  +  s  {citez  11,  proz  28),  st  -\-  s  {voz  21),  nach  n  und  l 
aus  tibergangslaut  t  +  s  {ponz  3,  mielz  6); 

wird  vom  12.  aufs  13.  jahrh.  au  allen  stellen  des 
Wortes  zu  s  vereinfacht  (nfr.  c,  z,  s  geschrieben). 

s  (stimmhaftes  5,  geschrieben  s  oder  z)  entsteht  aus  lat 
intervokalem  5  {prise  2);  aus  s  vor  stimmhaftem  konsonant 
{meume);  mit  *  aus  intervokalem  si  {entrebaisier) ,  -c  vor 
e,  i  {plaisir),  -ti  {raison,  araisnier); 

verstummt  im  11.  jahrh.  vor  konsonant  (mct<we,  arais- 
nier),  bleibt  sonst  überall  als  stimmhaftes  s  erhalten,  auch 
wenn  der  auslautende  vokal  verstummt  (prise  =  pri^, 
rose  =  roz). 


I.  Lantstand :  A.  Eonsonantismus.  243 

de  {d  +  stimmhaftes  s,  gesehrieben  z)  erscheint  nur  in  den 
Zahlworten  ome  bis  seze  (nfz.  seize)  und  den  entsprechenden 
Ordinalzahlen  onzime  usw.;  es  entsteht  hier  aus  der  gruppe 
-d^c-  vor  folgendem  e  (z)  und  verliert  den  d-vorschlag  um 
dieselbe  zeit  wie  der  entsprechende  stimmlose  laut  1^5. 


2.   Die  dental-palaialen  Reibelaute. 

§  (der  stimmlose  Zischlaut)  und  z  (der  stimmhafte  Zischlaut) 
erscheinen  altfranzösisch  nur  in  Verbindung  mit  t  und  d 
{is—dz). 

is  (geschrieben  ch)  entsteht  im  anlaut  aus  lat,  oder  germ.  c 
vor  a  {Charles  1,  chief  2)  sowie  aus  germ.  c  (k)  vor  e,  i, 
(eschernir)  —  im  inlaut  aus  pi  {aprochet  119)  und  germ. 
^  {riches  27); 

wird  an  allen  stellen  des  Wortes  um  die  wende  des 
12.  und  13.  jahrhs,  zu  s  {Charles,  riche). 

de  (geschrieben  ^,  j)  entsteht  im  anlaut  aus  j  oder  dj.  {ja  33, 
jorn  1,  je  14),  g  vor  e,  i,  a  {argent  73,  janies  835)  —  im 
inlaut  aus  1%  vj,  {sage  12,  legier  14),  aus  hiatus-*  nach  mn, 
m  {songiet  71)  sowie  in  lehn  Wörtern  nach  n  {mengonge  52); 
verliert  wie  is,  is,  dz  den  d- vorsehlag  {jour  =  zur, 
sage  =  saz). 

3.   Die  labialen  Reibelaute. 

f  (stimmlos,  geschrieben  f)  entsteht  aus  griech.  <p  in  späteren 
lehnworten  {Esiiefne,  orfelin)  —  im  anlaut  aus  f  {fut), 
vereinzelt  aus  v  in  feiz  71  —  im  inlaut  (lat.  nur  in  com- 
positis)  aus  f  {profundum — profont,  lehnwort  für  älteres 
parfoni^-perfundum)  —  im  auslaut  aus  lat.  v  oder  inter- 
vokalem h,  p  {nerf,  chief); 

bleibt  nfr.  im  anlaut  und  inlaut,  in  der  regel  auch 
im  auslaut  {chef,  vif),  verstummt  aber  hier  vor  folgendem 
konsonant  {chef  d'ceuvre)  sowie  sonst  in  einzelnen  fällen 
{clef,  nerf,  vermutlich  analogisch  nach  den  pluralformen). 

V  (stimmhaft,  labiodental  wie  f,  geschrieben  v,  in  den  hand- 
sehriften  meist  u)  entsteht  im  anlaut  aus  lat.  v  {vtistes)  — 

16* 


244  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

im  in  laut  aus  lat.  v  (lever),  inter  vokalem  b  oder  p  {chevaliers 
—  chevels),  hiatus-M  nach  n  (anvels)  —  im  auslaut  dafür  /"; 

bleibt  im  nfr.  als  v  {annuel  ist  neueres  lehnwort). 
w     (stimmhaft,   bilabial)  entsteht  inlautend  aus  lat.  qu  (ewe); 

wird  vokalisch  {eaue  —  eau),  erscheint  nfr.  wieder  in 
diphthongen  {oi,  oui)  und  fremdworten. 

4.  Der  Hauchlaut. 
h  erscheint  als  hörbarer  laut  altfr.  nur  in  Worten  germanischer 
herkunft  (honte  38,  vgl.  auch  halte  36),  während  es  in 
solchen  lateinischen  Ursprungs  stumm  ist,  selbst  wenn  es 
geschrieben  wird  (l'huem,  Vhonor  —  aber  la  honte).  Nfr. 
ist  auch  germ.  h  verstummt,  kennzeichnet  sich  aber  als 
h  aspir^e  (consonne)  gegenüber  h  muette  durch  niehtelision 
des  vorhergehenden  vokals. 

5.   Die  dentalen  Verschlusslaute. 

t  entsteht  im  anlaut  aus  t  (tant),  griech.  &  (tresor),  germ.Ji 
(trop)  —  im  inlaut  aus  tt  oder  gestütztem  t  (metre  —  sei; 
faite),  aus  c  oder  q  zwischen  zwei  r  (estortre),  als  tiber- 
gangslaut  zwischen  s  und  r  (estre),  l  oder  n  und  s  (vgl. 
oben  ts)  —  im  auslaut  aus  isoliertem  oder  gestütztem  t 
{seignat  — prist,  o'irent),  aus  lat.  inlautendem  d  {feit,  dont, 
reit-*—rigidum); 

im  anlaut  und  inlaut  bleibt  t  nfr.  unverändert  —  im 
auslaut  war  es  isoliert  in  unbetonter  silbe  schon  zur  zeit 
unseres  gedichts  verstummt  oder  im  verstummen  (wol  als 
reibelaut  ^,  daher  die  wechselnde  Schreibung  mit  t,  d,  th, 
in  den  handschriften),  nach  betontem  vokal  schwindet 
isoliertes  auslaut-^  im  12.  jahrh.,  festes  oder  gestütztes  t 
verstummt  erst  vom  13.  jahrh.  ab,  zuerst  vor  konsonant 
(in  pausa  noch  jetzt  bewahrt  in  set,  fait  u.  a.). 

d  entsteht  im  anlaut  aus  d  (dus)  —  im  inlaut  aus  dd  oder 
gestütztem  d  {adures  —  reide),  aus  gestütztem,  ursprünglich 
intervokalem  t  {aidier  <— adjutare) ,  aus  g  zwischen  zwei  r 
{sordre,  vgl.  estortre),  als  übergangslaut  zwischen  ^,  l  oder 
w  und  r  [cosdre,  vendrai,  voldrai)  —  im  auslaut  dafür  t; 
bleibt  nfr.  in  allen  Stellungen  als  d  erhalten. 


I.  Lantstand:  A.  Konsonantismus.  245 

6.   Die  labialen  Verschlusslaute. 

p  entsteht  im  anlaut  ansp  (poin),  im  ursprünglichen  silben- 
anlaut  aus  griech.  95  {col{a)pJium -* colp)  —  im  Inlaut 
aus  pp  (chapel)  oder  aus  ursprünglich  gestütztem  p  {escrepe 
tr-esTcerpe,  eskarpe)  —  im  auslau t  aus  ursprünglich  silben- 
anlautendem oder  gestütztem  p  (vgl.  oben  colp,  ferner 
trop)\ 

bleibt  nfr.  im  anlaut  und  inlaut,  verstummt  im  auslaut, 
ausgenommen  in  fremdworten:   cap,  julep  u.  a. 

l      entsteht  im  anlaut  aus  b  (jbarons)  —  im  inlaut  aus  hh 
oder  gestütztem  b  (abe),  als  übergangslaut  zwischen  m  und 
l  oder  r  (ensemble,  nombre)  —  im  auslaut  nicht  vorhanden 
(nur  Job  u.  ähnl.); 
bleibt  nfr.  als  b. 

7.   Die  Velaren  (palatalen)  Verschlusslaute. 

^  (geschrieben  c,  qu,  7c,  vereinzelt  ch)  entsteht  im  anlaut 
aus  c  vor  0,  u  oder  konsonant  {corone,  crois),  aus  qu  {quanf, 
car,  qui — Jci — cht)  —  im  inlaut  aus  cc  vor  0,  u  —  im 
auslaut  aus  c  nach  betontem  0,  ü  (avuec),  aus  ursprüng- 
lich silbenanlautendem  qu  oder  gu  (onc  —  sanc),  aus  g 
nach  konsonant  {lonc); 

bleibt  nfr.  im  anlaut  und  inlaut,  verstummt  im  auslaut 
(aber  döc  neben  dö,  löc  neben  lö,  dazu  fremdwörter). 

g^     entsteht  im  anlaut  aus  g  vor  0,  u  oder  konsonant  (ßole 

*~gula,  grant),  germ.  g  vor  a  in  später  entlehnten  Wörtern 

{gab,  gaber),  g  mit  u  aus  germ.  w  (guarder,  guise)  —  im 

inlaut  aus  gg  vor  0,  u  —  im  auslaut  nicht  vorhanden; 

bleibt  im  nfr.  überall  als  g. 

8.   Die  Nasale. 

m     entsteht  im   anlaut  aus  m  (mier)  —  im  inlaut  aus  ein- 
fachem m,  mm  oder  m(i)n  {demeines,  dame)  —  im  aus- 
laut ersetzt  durch  »,  geschr.  m,  n  {rien,  flum); 
bleibt  im  nfr.  als  m,  schwindet  im  auslaut. 


246  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

n  entsteht  im  an  laut  aus  n  {nuT)  —  im  inlaut  aus  n  {corone\ 
nn  (anvel),  aus  m  oder  mn  vor  dental  {ponz,  songiet)  — 
im  auslaut  aus  lat.  auslautendem  «,  m  oder  ursprÜDglieh 
inlautendem  n  {non  =  non,  bon-—bonum,  rien^—rem), 
auch  aus  einem  in  den  auslaut  tretenden  ^  {poin,  loin) 
anlautend  und  inlautend  bleibt  n  im  nfr,,  vor  konsonant 
und  im  auslaut  (nach  vokal)  war  es  schon  altfr.  zu  «  ge- 
worden (s.  u.),  nach  konsonant  (r)  schwindet  auslautendes 
n  analogisch  {jorn — jour). 

«    (etwa  deutsch  ng^  geschrieben  n,  m)  entsteht  aus  n  oder 
m  vor  konsonant  und  im  auslaut  aus  w,  m,  fi  nach  vokal 
{tant,  emperere,  un,  non,  rien,  huem,  poin); 
ist  im  nfr.  völlig  verstummt. 

fi  (mouilliertes  n  —  geschrieben  gn,  ign,  auch  ingn)  erscheint 
nur  inlautend  aus  gn  (seignat),  ni,  ndi  {seignor,  Borgogne), 
ng  vor  e,  i,  ngj,  (jpoignant'*—pungentem,  esloignier tr--*ex- 
longiare) ; 

bleibt  nfr.  als  fl  erhalten. 

9.  Die  Liquiden. 

r  entspricht  im  anlaut,  inlaut,  auslaut  altem  r  (reis,  jorn, 
euer,  mit  metathesis  in  por,  escrepe),  im  auslaut  auch 
einem  rr  (fer)  —  entsteht  durch  assimilation  in  tresor 
-^thesaurum,  lehn  wörtlich  für  n  in  ordre; 

bleibt  nfr.  im  anlaut  und  inlaut  erbalten,  wird  ver- 
einzelt zu  0  (chaise  neben  chaire),  bleibt  in  der  regel  auch 
im  auslaut  (cceur,  tresor,  pour,  avoir,  punir),  verstummt 
aber  in  den  Infinitiven  auf  -er  und  den  meisten  Substan- 
tiven und  adjektiven  auf  -ier  und  -er. 

Altfr.  rr  geht  auf  iutervokales  rr  (terre),  z.  t.  auch  auf 
tr,  dr  zurUck  (pierre  neben  piere)  —  wird  im  17.  jahrh.  zu 
r  vereinfacht  {terre=  tqr  usw.,  aber  mour-rai,  conquer-rai). 

l  entspricht  im  anlaut,  inlaut,  auslaut  altem  l  {legier,  vuelt, 
miel),  im  inlaut  oder  auslaut  auch  altem  II  {chevahers,  bei), 
vor  konsonant  auch  mouilliertem  l  {mielz)  —  geht  infolge 
von  dissimilation  vereinzelt  auf  n  oder  r  zurück  (prphelin 
'^*orphamnum,  pelerin-'—peregrinuTn) ; 


I.  Lautstand:  A.  Konsonantismus.  247 

bleibt  nfr.  im  anlaut  und  intervokal en  Inlaut  erhalten 
—  wird  vor  konsonant  im  12.  jahrh.  aufgelöst  zu  u  {hau% 
mieus,  heaus)  —  bleibt  im  duslaut  {miel,  cheval),  erscheint 
hier  aber  vielfach  als  u  gemäss  der  antekonsonantischen 
entwicklung  {beau,  fou  neben  bei,  fol)  oder  unter  ana- 
logischem einfluss  (cheveu,  chäteau  nach  dem  plural  cheveux, 
chäteaux). 

(geschrieben  ü,  ill,  II)  entsteht  im  inlaut  intervokalisch  oder 
im  auslaut  aus  U  {conseülier,  conseil,  fblle),  cl  (maille,  ueil, 
aus  ursprünglichem  t{u)l  in  vieil*—vetulum),  gl  (veilUer); 
bleibt  mouilliertes  l  bis  ins  18.  jahrh.,  verliert  dann 
den  l-\a.üt  vollkommen  und  erscheint  seitdem  als  ein- 
faches j:  cösej^,  cösej. 


10.    Die  Halbvokale. 

i  (geschrieben  i,  j)  entsteht  aus  inlautendem  j  (Mai),  d%  oder 
gi  (put,  fuiant),  g  zvs^ischen  hellen  vokalen  (m),  c  zwischen 
hellem  vokal  und  a  (otreiier),  verschmilzt  mit  voraus- 
gehendem einfachen  vokal  in  der  regel  zum  diphthong 
{Mai,  rei),  mit  vorausgehendem  diphthong  zum  triphthong 
und  wird  von  da  aus  zum  diphthong  {podium  —  *puoi  — 
*puei~>pui)  oder  monophthong  (p^jus  —  *pieis—>pis); 

als  bestandteil  eines  diphthongen  teilt  es  im  nfr.  die 
Schicksale  dieser  diphthongen  {octroyer  =  octruaie,  payer 
=  p^ip,  aber  paien  =  pal^). 

u — ü  (geschrieben  u)  entsteht  aus  lat.  hiatus-M  nach  q  oder  g 
[quant,  lengunge),  mit  g  aus  germ.  w  {guarder,  guise),  ist 
aber  um  1100  nach  q  bereits  verstummt  und  schwindet 
im  12.  jahrh.  auch  nach  g. 

Vor  den  palatalvokalen  e  und  i  hatte  u  vermutlich 
die  ausspräche  ü  (etwa  wie  im  nfr.  nuü,  lui). 


B.  Tokalismns. 

Da  in  den  nebentonigen  silben  zum  teil  dieselben  vokale 
und  diphthongen  entstehen  wie  in  den  haupttonigen ,  ist  eine 


248  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

grnndsätzliclie  Scheidung  zwischen  hauptton  und  nebenton  nicht 
notwendig.  Es  werden  demnach  die  einzelnen  vokale  und 
diphthongen  im  Zusammenhang  betrachtet,  zugleich  mit  be- 
rücksichtigung  der  nasalvokale.  Einer  besonderen  besprechung 
bedürfen  nur  die  schwachtonigen  vokale,  die  im  altfranz.  fast 
überall  als  e  erscheinen. 


1.  Die  einfachen  Vokale. 

ü      (geschrieben  u)  entsteht  unter  haupt-  oder  nebenton  aus 

freiem  oder  gedecktem  u  {drut,  nul,  muer),  aus  haupt- 

tonigem  ü,  ö  vor  l,  teilweise  auch  vor  i  [fui,  eür),  aus  ü  in 

lehnwörtern  {dus,  sepulcre),  vereinzelt  aus  *  in  a/w&Zer  143; 

bleibt  nfr.  überall  als  ü  bewahrt. 

ü    entsteht  in  denselben  fallen  vor  nasal  {un,  une); 

""  es  wird  in  freier  Stellung  entnasaliert  zu  ü  {une  =  ün), 

in  gedeckter  im  16.  und  17.  jahrh.  allmählich  über  ö  zu  p 

{un  =  ö). 

Q     (geschrieben  o,  anglonormannisch  u)  erscheint  kurz  oder 
""     lang: 

kurz  0  entsteht  haupttonig  oder  nebentonig  aus  ge- 
decktem u  oder  ö  {jorn,  cort  —  corrant),  aus  au  vor  vokal 
{aloe — oirent),  aus  griech.  v  {borse,  trosser  73),  neben- 
tonig aus  freiem  ö,  ö  {plorer,  corone); 

wird  nfr.  u  (geschrieben  ou:  jour,  couronne). 

lang  p  entsteht  haupttonig  aus  freiem  ü  oder  ö  {gole 
— projs,  dolor); 

wird  im  12.  jahrh.  zu  ou  —  eu,  weiter  zu  ö  (geschrieben 
eu:  gueule,  preux  —  wegen  sor~^sur  vgl.  s.  109). 

0     entsteht  vor  nasal  aus  altfr.  gedecktem  oder  freiem  tt,  ö 
""     sowie  aus  gedecktem  p  {dont — ponis — corone;  Jiome); 

wird  nfr.  zu  p,  in  freier  silbe  entnasaliert  {baron  — 
couronne). 

p     (stets  0  geschrieben)  entsteht  haupt-  oder  nebentonig  aus 

~     gedecktem  p  {portet,  folement),  aus  au  {or,  chose  —  otreiier, 

vgl.  auch  somiers  82),  haupttonig  aus  a -\-  u  {out,  clou); 


I.  Lantstand:  B.  Vokalismas.  249 

erscheint  nfr.  in  der  regel  als  p  (porte,  porter),  neben- 
tonig teilweise  als  ou  (pourceaut—porcellum),  im  auslaut 
sowie  vor  dentalen  als  o  (chose,  oser),  mit  folgendem  u 
als  u  (clou). 

a  entstellt  haupttonig  aus  gedecktem  a  (Charles)  —  neben- 
tonig aus  freiem  oder  gedecktem  a  (baron,  parier),  aus  e 
vor  liquiden  und  nasalen  (par)  oder  o  vor  nasal  (dame), 
aus  au  vor  haupttonigem  u  {aost)\ 

nfr.  überall  als  a  bewahrt,  nur  vor  unmittelbar  folgendem 
vokal  verstummt  {aoüt). 

ä  (geschrieben  an,  am,  en,  em)  entsteht  haupttonig  oder 
nebentonig  aus  gedecktem  a,  e,  e,  i  vor  nasal  (tant, 
mander  —  folement,  femme  —  prent,  prendrai  —  en,  em- 
perere),  nebentonig  auch  aus  o  vor  gedecktem  nasal 
[trenchier  —  dame)\ 

nfr.  vor  freiem  nasal  entnasaliert  {femme,  dame),  sonst 
tiberall  als  ä  bewahrt. 

^  entsteht  haupttonig  aus  gedecktem  e  oder  ae  (bei,  teste  — 
querre)', 

erscheint  nfr.  als  ^  oder  ?  (bei  —  tete). 

i     entsteht  haupttonig  aus  gedecktem  g^  oder  %  (dete  —  metre)', 
wird   im   12.  jahrh.   zu  ^,  fällt  also   mit  altfr.   ?  zu- 
sammen. 

e      entsteht  aus  freiem   a,  dem  kein  palatal  vorausgeht  und 

kein  nasal  oder  palatal  folgt  (espee),  ausserdem  aus  ^  vor  u 

in  den  gelehrten  oder  nebentonigen  formen  Leu  —  De  u.  ä.; 

nfr.  im   auslaut   f,  vor   konsonant  ?  (atme,  aimer  — 

amer,  tel). 

e  nebentonig  (unsicher  welcher  klangfarbe)  entsteht  aus 
freiem  oder  gedecktem  e,  ?  (seist,  seignat),  e,  ae  {legier, 
conquerrai),  aus  freiem  a  nach  palatal  {chevdliers),  a  vor 
unmittelbar  folgendem  ü  (eur,  meur*—maturum),  aus  freiem 
0  vor  nasal  (demeine),  aus  i  protheticum  (espee),  durch 
dissimilation  aus  l  (veis'^vldisti)  oder  o  (enor-*— honorem, 
neben  onor)', 


250  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

bleibt  im  nfr.  als  e  (in  verschiedenen  klangfarben), 
ausser   im   hiatus,   wo  ausfall   oder   kontraktion   eintritt 

(s'assit  —  malheur). 

€    erscheint  in  den  westlichen  dialekten,  ist  aber  im  francischen 
unserer  periode  bereits  zu  ä  geworden  (siehe  dieses). 

i  entsteht  unterm  haupt-  und  nebenton  aus  freiem  oder  ge- 
decktem %  {dist,  vit  —  cite^,  wegen  iluec  vgl.  v.  193),  unterm 
hauptton  aus  e,  t  vor  folgenden  *  oder  %  (ü,  pris  —  cü), 
aus  freiem  e  nach  c,  g  (mercit,  paus),  aus  ?  +  jot  (despit), 
ferner  unterm  haupt-  und  nebenton  aus  lat.  *  und  grieeh.  v 
in  lehnwörtern  {principel,  religues  —  martir) ; 
bleibt  nfr.  in  allen  Stellungen  als  i. 

%    (geschrieben  in,  ing,  im)   entsteht  aus  denselben  quellen 
vor  nasal  {veisin,  Sarasin,  fin  —  ßne); 

wird  im  16.  und  17.  jahrh.  über  f  zu  f  (ßn  =  /f),  in 
freier  Stellung  entnasaliert  (ßne  =  ßn). 


2.  Die  Diphthongen. 

Diphthongen  entstehen  unter  dem  hauptton  durch  spontane 
oder  bedingte  diphthongierung,  unter  haupt-  oder  nebenton 
durch  Verbindung  eines  vokals  mit  folgendem  jot  oder  v  [j, — 
m),  ausserdem  haupttonig  ai  unter  Wirkung  eines  folgenden 
nasals,  ie<—a  unter  Wirkung  eines  vorausgehenden  palatals. 
Vor  nasal  ergeben  sich  die  entsprechenden  nasalen  diphthongen, 
die  teilweise  eine  andere  entwicklung  nehmen  als  die  ent- 
sprechenden oralen  diphthongen. 

u£  (geschrieben  ue  oder  oe)  entsteht  haupttonig  aus  freiem  Ö 
(vuelt),  freiem  ö  oder  ü  vor  labial  {uef,  juevne  s.  169), 
freiem  oder  gedecktem  ö  vor  j.  oder  mouillierten  kon- 
sonanten  (fueille,  vueil  —  hier  vermutlich  üe  zu  lesen); 

wird  im  13.  jahrh.  kontrahiert  zu  ö,  fällt  also  mit 
lat.  freiem  ö  in  dolor  —  douleur  usw.  zusammen  und  wird 
demgemäss  mit  eu  bezeichnet  {veut,  feuille,  mit  etymo- 
logischem 0  in  oeuf,  coeur,  oeuvre). 

w£  (geschrieben  uen,  uem)  entsteht  aus  ue  vor  altfr.  gedecktem 
oder  freiem  nasal  {uem- uen,  cuens,  buen,  buene,  neben 
bon,  bone); 


I.  Lantstand:  B.  Vokalismus.  251 

nfr.  ö  (in  freier  stellang  ö),  jedoch  sind  die  hierher- 
gehörigen formen  meist  analogisch  beseitigt  worden. 

üi  (ü  -|-  {)  entsteht  haupt-  oder  nebentonig  aus  ü  -{•  j  (früctum 
—»■fruit,  cuidier  33),  haupttonig  aus  ü  oder  ö  +  i  {fui, 
tuit,  mui<—*inovui),  aus  Q  +  i  oder  j  {nocui—^nut, 
noctem—i'nuit),  aus  ^,  e  oder  ^  +  -uul  (wi-perfekta:  regui^ 
dui,  jui  193); 

wird  im  12.  jahrh.  zu  ui  (vgl.  dagegen  in  unserem 
gedieht  acondülst  und  condült  in  der  w-laisse  184  flF.  sowie 
den  reim   lüi  zu  hruns  s.  8)  —  jetzt  ui  mit  halbvocal  ü. 

oi  entsteht  haupt-  oder  nebentonig  aus  ü  oder  ö  -{-  j  {croin, 
conois  —  conoissieis); 

wird  über  öe  im  13.  jahrh.  zu  o4,  woraus  nfr.  oa  —  ua 
(croix)  oder  q  (connait). 

oi    ebenso  vor  n  {poin<~pugnum); 
nfr.  0^. 

^i     entsteht  haupt-  oder  nebentonig  aus  au  -{•  j  (joie — joioSj 

vgl.  vois  98),  haupttonig  aus  a  +  -wwi  {oi<—habui,  soi,  toi); 

wird  über  de  zu  o4,  woraus  nfr.  oa  und  ^,  wie  bei  qi. 

(Ji*  entsteht  haupttonig  aus  a  +  silbeschliessendem  u  (clou, 
Hout  2)  oder  au  -\~  u  {pou<—paucum,  trou<~traucum)\ 

wird  nfr.  zu  u  (geschrieben  ou:  clou,  trou)  —  aber 
peu  =  pö. 

di  entsteht  haupt-  und  nebentonig  aus  a  +  ;  {ai,  faire  — 
sairement); 

wird  im  12,  und  13.  jahrh.  allmählich  über  ?i  zu  ?, 
zuerst  vor  schwerer  konsouanz  {maistre,  naistre),  dann  in 
einfacher  gedeckter  Stellung  (fait),  schliesslich  in  freier 
Stellung  {faite,  faire),  zuletzt  im  auslaut  {ferai,  amai),  wo 
^  zu  ß  wird  (gesehrieben  ai:  maitre.,  faire,  aimai  — 
seltener  e:  serment). 

äi     entsteht   aus    denselben    quellen    vor    nasal   (saint)  sowie 

haupttonig  aus  freiem  a  vor  nasal  {faim,  piain  — plaine); 

wird  im  12.  jahrh.  ^i,  im  17.  jahrh.  l  {saint  =  sq,  piain 

=  pU),  vor  ungedecktem  nasal  entnasaliert  {plaine  =plQn). 


252  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

?f  entsteht  nur  in  nebentoniger  silbe  aus  lat.  e  +  j  {preisier 
-t—^pretiare,  neuer-*— necare); 

wird  zu  oi  —  oa  {noyer;  priser  ist  analogiseh). 

fi  entsteht  haupttonig  aus  freiem  e  oder  l  (aveir,  feit),  haupt- 
oder  nebentonig  aus  e  oäeTt-{-j  (reis,  franceis — reialme\ 
vereinzelt  unterm  nebenton  aus  ursprüDglichem  *  +j  (veisin 
—vicinum,  vgl.  s.  173  unter  ?); 

wird  über  öi  zu  oi  —  o^  —  oa,  ua  (gesehrieben  oi: 
foi,  roi,  Frangois)  oder  ?  (geschrieben  ai\  Frangais,  frais). 

Es  fallen  also  ßi  ^i  gi  oi  in  ihrer  weiteren  entwicklung 
zusammen,  und  zwar  zuerst  ei  (sowie  das  nur  im  nebenton 
erscheinende  $i)  mit  Qi,  dann  mit  gi. 

Si  erscheint  unter  denselben  bedingungen  vor  nasal  (ceint, 
plein — pleine); 

wird  hier  im  12.  jahrh.  zu  §i  und  fällt  daher  mit  altem 
airt  (s.  0.)  zusammen  (nfr.  plein  =pl^,  pleine  =  pl^n). 

fu     erscheint    nur    in    den    kurz-    oder   lehnwortformen   D§u 
""     Mathßu  u.  ä.  (vgl.  v.  32). 

ie  entsteht  nur  haupttonig  aus  freiem  a  nach  palatal  {chief), 
aus  freiem  e  oder  ae  (mier  —  del),  aus  gedecktem  ^  vor 
mouillierten  konsonanten  oder  ü  {mielz  —  aus  triphthong 
ieu  reduziert  in  espiet,  mien),  aus  a  {§)  vor  j  in  der  endung 
-arium  (chevalier); 

wird  nach  Zischlauten  (s,  i)  im  13.  jahrh.  zu  e  reduziert 
[cJief —  aprocher,  aber  chien),  desgleichen  auf  analogischem 
wege  bei  den  übrigen  verben  der  I.  konjugation  (laissier 
—>-laisser),  während  es  sonst  als  ie  erhalten  bleibt  {ciel 
=  si^l,  Chevalier)  —  wie  das  aus  a  entstandene  e  lautet 
auch  dieses  e  oder  ie  nfr.  ofiFen  vor  konsonant,  geschlossen 
im  auslaut  {chi^f,  ci^l  —  aprocher,  chevalier). 

iS  entsteht  unter  ähnlichen  bedingungen  vor  nasal  (paiien  — 
bien); 

bleibt  nfr.,  mit  offenem  e. 

Hierher  gehört  auch  der  triphthong  ieu  aus  e  -\-  ver- 
schmolzenem u  (Dieu,  Juieu),  in  einzelnen  nicht  ganz  klaren 
fallen  auch  ans  ö -\- u  (liew—locum,  jieu^-jocum)  —  nfr.  zu 


I.  Lantstand:  B.  Vokalismns.  253 

iö  (Dieu,  lieu)  wie  eu-*ö;  in  verschiedenen  hierhergehörigen 
Worten  ist  reduktion  des  ieu  zu  ie  eingetreten  (espiet,  mien). 
Daneben  erseheint  altfr.  iu  {Diu,  Juiu),  auch  in  francischen 
texten  (so  geht  nfr.  Juif  auf  diese  form,  genauer  —  wegen 
des  auslautenden  f  —  auf  eine  neubildung  aus  dem  fem. 
Juive  -«—  Juieue,  zurück). 

Andere  triphthongen  wie  uei,  iei  sind  schon  in  vorlitera- 
rischer zeit  zum  diphthongen  oder  monophthongen  vereinfacht 
worden:  vgl.  oben  ui  und  i. 

Eine  reihe  neuer  diphthongen  und  triphthongen  mit  u  als 
zweitem  bestandteil  entsteht  im  12.  jahrh.  durch  auf  lösung  des 
l  zu.  u:  so  au  {haut*— halt),  eau  {heau*—hels) ,  eu  {cheveus 
•t—chevels),  ieu  {mieus •*— miels) ,  qu  {fQus*—fols),  ou  (mout-*— 
molt);  ferner  im  14.  und  15.  jahrh.  durch  Verschmelzung 
zweier  unmittelbar  aufeinander  folgender  vokale  wie  ui*-u'i 
(einsilbiges  fuir*—a\th:  fu-ir),  ei^—t'i  {reine*— reine)  oder-«— ai' 
{haine*—hame),  woraus  im  16.  jahrh.  teilweise  monophthongen 
werden  (nfr.  reine  =  rqn,  haine  =  qn). 

Wie  die  nfr.  ausspräche  zeigt,  sind  diese  neuen  diphthongen 
und  triphthongen  analog  den  alten  entwickelt,  d.  h.  in  der 
regel  zu  monophthongen  oder  diphthongen  vereinfacht  worden 
(während  beim  zusammentreffen  von  e  oder  a  mit  folgendem 
tonvokal  in  der  regel  ausfall  des  ersten  eintritt:  asseist—*- assit, 
veeir — veoir^-voir,  eage—*'äge,  meür—*mür\  aost-^aoüt). 


•  3.   Die  schwachtonigen  Vokale. 

Die  schwachtonigen  vokale  sind  im  altfranzösischen  ent- 
weder ganz  verschwunden  oder,  gleichgiltig  welchen  Ursprungs, 
zu  e  geworden  (ausser  gedecktem  vorton-a,  vgl.  s.  175).  Er- 
weitert wird  die  zahl  der  schwachtonigen  vokale  durch  die 
Wirkung  der  analogie:  so  bei  den  femininen  der  adjektiva  auf 
lat.-*5,  die  nach  dem  muster  jener  auf  -a  {bon  —  bone)  sämtlich  e 
bekommen,  wie  schon  a^r.grande  neben  grant,  corteise  [f Vir  corteis), 
s^Mer  prudente,  teile,  forte  u.a.m.;  so  in  der  konjugation,  wo  -e 
auch  in  der  lat.  I.  kennzeichen  des  konjanktivs  wird  (vgl.  806 
port)  ebenso  wie  in  der  1.  person  des  Indikativs  (chante,  aime  für 
ursprüngliches    chant,    aim  —  ain).      Dazu    treten    noch    eine 


254  Vierter  Teil:  Lautstand,  FonnenBtand,  Syntax, 

reihe  lehn-  und  fremdwörter  wie  fideJe  für  altes  feeil,  utile, 
facile  u.  a. 

Das  e  der  endsilben  ist  allmählich  ganz  verstummt:  die 
ersten  spuren  weisen  Doch  in  das  mittelalter  selbst  (im  13  jabrh. 
nach  vokal:  eaue  —  eau,  avoie  —  avoi  —  avoü),  im  16.  jabrh. 
wurde  das  auslautende  e  nur  noch  schwach  artikuliert,  im 
17.  jabrh.  ist  es  völlig  verstummt. 

In  den  schwachtonigen  vortoDsilben  ist  e  (entstanden 
aus  a  oder  vor  schwerer  konsonanz  aus  anderen  vokalen)  neben 
liquiden  vereinzelt  scbon  altfranz.  verstummt  {menrez  73,  donrai 
169  —  später  serment),  in  grösserem  umfang  jedoch  erst  in 
nfr.  zeit:  folement^folmä,  douc{t)ment,  chev{t)lure  {ohtv  pnnirai 
wegen  punir,  aimerai  wegen  aimer  osw.).  Im  übrigen  sind 
im  nfr.  teils  infolge  der  analogie,  teils  durch  fremdwörter  und 
neue  ableitungen  eine  grosse  zahl  neuer  vortonvokale  ein- 
gedrungen, die  als  solche  naturgemäss  erhalten  bleiben  {nour- 
riture,  ddigence,  crudiie  u.  a.). 


IL    Formenstand. 


A.  Das  Nomen.  ♦ 

Die  hauptsächlichsten  Veränderungen  im  nomen  beruhen 
auf  der  Vereinfachung  des  kasussystems.  Es  bleiben  nur 
nominativ  und  akkusativ  (vgl.  9  rei).  Der  erste  vertritt  auch 
den  Vokativ  (vgl.  13  emperere),  die  übrigen  kasus  werden 
durch  Umschreibung  gebildet.  Genetiv  und  dativ  bleiben  nur 
in  einigen  pronominalformen  erhalten. 

Durch  diese  Vereinfachung  wird  auch  der  zusammenfall 
der  deklinationstypen  erleichtert.  Bei  den  femininen  der 
lat.  V.  deklination  stehen  scbon  im  latein  vielfach  formen  der 
I.  deklination  daneben  (luxuries  —  Ivxuria,  darnach  rahies  — 
rabia,  fades  —  ia):  soweit  diese  worte  erhalten  sind,  fallen  sie 


IL  Formenstand:  A.  Nomen.  255 

daher  der  I.  deklination  zu,  das  maskulin  dies  diem  —  dis  di 
hingegen  der  IL  Ebenso  vereinigen  sich  die  worte  der  lat. 
IV.  deklination  {-us,  -um)  mit  der  lat.  IL,  so  dass  wir  es  im 
wesentlichen  mit  den  ersten  drei  lat.  deklinationen  zu  tun  haben. 

Teilweise  steht  mit  diesen  Vorgängen  auch  der  geschlech  ts- 
weehsel  von  Substantiven  in  Zusammenhang.  Die  neutra  der 
IL  und  IV.  deklination  stimmten  in  wesentlichen  formen, 
namentlich  im  obliquus  sing.,  mit  den  maskulinen  der  IL  und 
IV.  tiberein  (vgl.  auru{m)  mit  cdballariu(m),  cornu  mit  fructu{m) 
u.  a.),  desgleichen  fallen  die  entsprechenden  formen  im  adjektiv, 
teilweise  auch  im  pronomen  zusammen,  und  so  erscheinen  die 
substantiva  neutrius  generis  im  romanischen  als  maskulina,  ein- 
geschlossen die  neutra  der  III.  deklination  wie  chief-*—caput, 
cors —>- corpus ,  tenstr-tempus,  lau -»r-lacte-  (vergleiche  hierzu 
mostier  I).  Die  neutra  pluralis  werden  ihrer  endung  ent- 
sprechend zu  femininen  singularis:  vgl.  bataille  29,  mengonge  52, 
joie  118.  —  Erhalten  bleibt  das  neutrum  im  pronomen  und 
beim  unpersönlichen  gebrauch  im  adjektiv. 

In  anderen  fällen  war  nicht  die  form,  sondern  die  be- 
deutung  für  den  geschlechtswechsel  massgebend:  so  bei  den 
abstrakten  auf  -or  (vgl  colors  124),  so  bei  mare  —  mer  (fem. 
nach  terra).  Im  nfr.  zeigen  sich  im  einzelnen  ähnliche  Ver- 
schiebungen: mensonge  wird  maskulin  nach  songe,  amour  ebenso 
unter  gelehrtem  einfluss. 

Die  deklination  im  neufranzösischen.  Schon  im 
altfr.  der  späteren  zeit  tritt  die  entwicklung  vom  zweikasus- 
system  zum  einkasussystem  ein,  das  im  14.  jahrh.  durchgeführt 
ist.  Wie  bei  der  I.  deklination  von  anfang  an,  wird  auch  bei 
den  übrigen  deklinationen  für  jeden  numerus  nur  eine  form 
gebraucht  und  zwar  in  der  regel  die  des  häufiger  gebrauchten 
obliquus.  Da  nun  der  obliquus  im  plural  überall,  im  Singular 
nirgends  (ausser  bei  den  indeklinabeln)  ein  s  hat,  so  erscheint 
dieses  von  jetzt  ab  als  kennzeichen  des  plurals.  Vgl.  1  reis^ 
9  rei,  5  emperere). 

Eine  anzahl  von  persönlichen  begriffen  bewahrt  den  rektus 
als  singularform  (siehe  1  Charles). 

Wie  im  Substantiv,  tritt  auch  in  artikel,  pronomen,  adjektiv 
überall  der  obliquus  an  die  stelle  des  rektus  (vgl.  1  li,  19  eil, 
27  riches). 


256  Vierter  Teil:  Laatsttand,  Formenstand,  Syntax. 

1.  Der  Artikel. 

Der  bestimmte  artikel  entwickelt  sich  aus  proklitisehem 
nie  (vgl.  li  al  1,  la  10,  les  20,  dazu  s.  162): 

Maskulin  Feminin 

sing,  rektus  li  1  la  10 

obliquus  le  39  la  25 

plur.  rektus  li  82  les  111 

obliquus  les  81  les  20 

dazu  als  genetiv:  sing,  del  46  de  la  36 

plur.  des  175  des 

als  dativ:  sing,  al  1  a  la  60 

plur.  as  31  as  111 
mit  en  die  formen:  el  10  —  C5  20      en  la  —  es. 

Vor  folgendem  vokalischen  anlaut  wird  der  vokal  von  le 
und  la  elidiert:  Valter  59  —  Valbe  238.  Sing,  li  elidiert  in 
älterer  zeit  nicht,  in  unserem  text  schwankt  der  gebrauch  (li 
emperere  und  Vemperere,  vgl.  v.  58). 

Der  unbestimmte  artikel  ist  identisch  mit  dem  Zahl- 
wort un: 

Maskulin  Feminin 

sing,  rektus  uns  129  une 

obliquus  un  1  une  94. 

Die  entsprechenden  pluralformen  un — uns,  unes  begegnen 
beipluraliatantum  (wo  nfr.  der  teilungsartikel  stehen  würde): 
unes  fo{u)rches  ein  galgen,  oder  im  sinne  von  'irgend  welche': 
unes  estaches  einige  säulen  (761). 

2.  Das  Substantiv. 

Die  deklinationsverhältnisse  des  lateinischen  haben,  wie 
schon  bemerkt,  hinsichtlich  der  deklinationstypen  durch  das 
verschwinden  der  IV.  und  V.  deklination  eine  grosse  Ver- 
einfachung erfahren.  Aber  auch  innerhalb  der  verbliebenen 
drei  deklinationen  haben  noch  mancherlei  Verschiebungen  statt- 
gefunden. 

Für  die  I.  lat.  deklination  in  ihrer  französischen  gestaltung 
war  charakteristisch  die  einheitliche  form  für  den  rektus  und 


II.  Formenstand:  A.  Nomen.  257 

obliquus  im  siagular  (corone  =  Corona  und  coronam,  vgl.  v.  2 
und  10)  sowie  im  plural  (corones,  vgl.  v.  20).  Ausser  den 
femininen  auf  -a  gehören  hierzu  von  haus  aus  auch  die 
abstrakta  der  lat.  III.  deklination,  welche  im  Singular  die 
nominativform  zu  gunsten  der  akkusativform  aufgeben  und 
dadurch  gleichförmig  werden  {amör  für  lat.  amor  und  amorem, 
citet  für  lat.  dvitas  und  civitatem,  plural  regelrecht  amors  und 
citez)\  erst  im  12.  jahrh.  werden  diese  worte  durch  anftigung 
eines  s  im  rektus  sing,  {amors,  citez)  der  lat.  IL  deklination 
angepasst.  Von  maskulinen  gehören  hierher  die  wenigen 
meist  lehnwörtliehen  auf  -a  (patriarche,  profete)  sowie  die 
gleichförmigen  der  lat.  III.  deklination  {pere  =  pater  und 
patrem,  im  plural  jedoch  mit  verlust  des  s  im  nominativ:  pere 
gegen  obl.  peres). 

Die  lat.  II.  deklination  hat  im  französischen  als  kenn- 
zeichen  das  s  im  kasus  rektus  des  Singulars  gegenüber  dem 
obliquus  und  im  obliquus  des  plurals  gegenüber  dem  rektus: 
Chevaliers  =  caballarius  und  cdballarios,  Chevalier =caballarium 
und  cdballarii.  Diesem  typus  schliessen  sich  auch  solche 
konkreta  der  lat.  III.  deklination  an,  welche  ursprünglich  im 
nominativ  s  haben,  wie  reis  —  rei  aus  rex  —  regem;  bei  den 
sachbegriflFen  ist  der  nominativ  aus  dem  akkusativ  neugebildet 
wie  bei  or'ienz  -*—  orientem  -\-  s,  vgl.  auch  oben  rektus  citet 
-*— civitatem.  Die  pluralformen  werden  dem  vorbild  der  lat. 
IL  angepasst,  d.  h.  der  nominativ  verliert  sein  s  {li  rei). 
—  Im  12.  jahrh.  treten  hierzu  die  bisher  zur  I.  deklination 
gehörigen  feminina  auf  konsonant,  welche  im  nominativ  sing. 
s  erhalten  {amors,  citez),  aber  im  plural  gleichförmigkeit 
bewahren. 

Von  der  lat.  III.  deklination  verbleiben  darnach  als  be- 
sondere Masse  noch  die  ungleichförmigen  worte,  welche 
nominativ  und  akkusativ  durch  verschiedene  betonung  oder 
sonst  verschiedene  Stammform  unterscheiden:  imperdtor-* 
emperere,  imperatorem—*emper'eor\  hdro--*-ber,  baronem—*' 
baron\  homo-^huem,  hominem-^-home.  Es  sind  persönliche 
begriffe,  welche  zu  dieser  klasse,  der  franz.  III.  dekliuation, 
gehören,  darunter  nur  ein  femininum:  l&t  soror —*- ^uer,  sororem 
-^seror.     Auch  bei  diesen  Worten  erscheint  der  rektus  des 

Voretzsoh,  Studium  d.  afrz.  Sprache.    5.  Aufl.  ^7 


258 


Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand.  Syntax. 


IL 

III. 

Chevaliers  28 

her  156 

Chevalier  49 

haron 

Chevalier 

baron  241 

Chevaliers  4 

harons  4 

plurals  ohne  s:  empereor,  haron,  home  gegenüber  den  obliqnus- 
formen  empereors,  harons,  homes. 

Nach  alledem  erhalten  wir  folgende  drei  deklinationstypen: 


sg.  rektus  corone  v.  10 

obl,  corone  2 

pl.  rektus  corones 

obl.  corones  20 


Dazu  kommen  dann  noch  eine  anzahl  indeklinabilia  (meist 
neutra  der  lat.  III.  deklination):  tens,  cors,  giens  {t—genus)^ 
auch  croisf,  voiz  u.  a. 

Zur  I.  klasse  gehören  in  unserem  texte  noch  espee,  dame, 
reine,  teste,  hataille,  femme,  honte,  parole,  mengonge,  fiance  u.  a., 
von  maskulinen  patriarche  und  pere,  von  femininen  der  lat. 
III.  dekl.  moillier,  citet  (36,  plur.  citez  11),  cort,  mercit  (32^ 
dazu  plur.  merciz  159),  amor,  tor  u.  a.,  von  der  lat.  V.  feit.  — 
Seit  dem  12.  jahrh.  erscheinen  im  rekt.  sing,  bei  femininen  der 
letzten  art  sowie  bei  maskulinen  die  analogischen  5- formen: 
patriarches,  peres,  corz,  amors,  tors  u.  a. 

Zur  IL  klasse  gehören  in  unserem  texte  von  ursprünglichen 
maskulinen  reis,  dus,  Chevaliers  u.  a.,  von  namen  Estiefne  165, 
von  ehemaligen  neutren  jorn  (rektus  jors  109),  mostier,  chief, 
ponz,  or,  demeine  u.  a.    Sie  ist  die  zahlreichste  von  allen. 

Die  III.  klasse  ist  ausser  durch  her  (s.  o.)  durch  folgende 
Worte  vertreten: 


sg.  r.  emperere  5 

sire  135  (sendre) 

huem  122 

cuens 

0.  empereor 

seignor  857 

home 

conte 

pLr.  empereor 

seignor  67 

home  208 

conte 

0.  empereors 

seignors 

homes 

contes  137 

von  eigennamen  durch: 

r.  Hugue  810 

Naime(s) 

Charles  1 

Laz{a)res 

0.  Hugon  46 

Naimon  62 

Charlon  838 

Lazaron  164. 

Wegen  der  bildung  anf  -on  bei  eigennamen  vgl.  46  Hugon  und  164 
Lazaron  (während  165  Estiefne  regelrechtem  Stephanum  entspricht),  unter 
46  Hugon  auch  wegen  der  yerwanten  weiblichen  bUdungen  auf  -ain  (nacb 


IL  Formenstand:  A.  Nomen. 


259 


palatalen  -ien):  Evain,  nonain  zu  Eve,  none;  Mariien,  Blanchien  zu  Marie, 
Blanche.  Ihrer  bildung  nach  gehören  diese  worte  in  die  III.  klasse  der 
feminina,  die  sonst  nur  durch  suer  —  seror  vertreten  wird. 

Durch  den  eintritt  des  einkasussystems  (siehe  oben) 
werden  in  späterer  zeit  diese  alten  deklinationsunterschiede 
völlig  verwischt.  Im  nfr.  handelt  es  sich  nur  noch  um  unter- 
schiede des  geschlechts  und  der  pluralbildung:  wie  weit 
das  plural-5  den  vorausgehenden  stammauslaut  beeinflusst 
und  in  welcher  weise.  Häufig  sind  neubildungen  des  plurals 
aus  dem  Singular  {chefs  für  afr.  chies  nach  chef),  teilweise 
nur  in  der  schreibuog  {ceufs  =  ö).  Die  Schreibung  einer  anzahl 
pluralformen  mit  x  entbehrt  jeglicher  lautlichen  bedeutung 
(vgl.  2  croi^  V). 


3.  Adjektiv,  Komparation,  Adverb. 

Da  das  neutrum,  soweit  erhalten,  mit  dem  maskulin 
tibereinstimmt  {honu{m),  forte{m)  —  forte),  können  sich  im 
franz.  nur  adjektiva  zweier  endung  und  solche  einer  endung 
bilden:  die  ersten  aus  denen  auf  -us  -a  -um,  die  letzten 
aus  den  adjektiven  der  lat.  III.  deklination.  Soweit  die 
adjektiva  auf  -us  den  auslautvokal  aus  lautlichen  gründen 
bewahren,  werden  auch  sie  in  maskulin  und  feminin  (obliquus) 
gleichförmig.  Die  deklination  dieser  verschiedenen  typen  ge- 
staltet sich,  im  wesentlichen  entsprechend  der  lautlichen  ent- 
wicklung,  im  afr.  wie  folgt: 

I. 

mask.  sing.  rekt.  bons  28 
obl.  hon 
plur,  rekt.  bon 

obl.  bons  22 
fem.  sing.  rekt.  obl,  bone  862 
plur.  rekt.  obl.  bones  211 

Die  lat.  komparation  ist  nur  in  wenigen  Worten  bewahrt 
geblieben:  mieldre  {-^—melior),  graindre  {■*— grandior),  dazu  in 
anderen  texten  pire  (p^or),  maire  (major)  und  einige  andere. 
Zur  flexion  vergleiche: 

17* 


II. 

III. 

riches  27 

granz  222 

riche 

grant  93 

riche 

grant 

riches 

granz 

riche 

grant  106 

riches 

granz  98 

260  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

Maskulin  Feminin 

sing.  rekt.  mieldre  198  meillor 

obl.  meillor  meillor 

plur.  rekt.  meillor  meillors 

obl.  meillors  meillors  169. 

Ahnlich  graindre  811  —  graignor  (508)  —  graignors,  pire  — 
peior  — peiors,  maire  —  maior  —  maiors.   Vgl.  noch  plusor  818. 

Sonst  wird  der  komparativ  mit  plus  gebildet:  plus  legiers 
14,  plus  riches  27,  plus  sains  195. 

Der  Superlativ  ist  mit  dem  komparativ  in  der  form 
identisch  oder  wird  aus  diesem  mit  vorsetzen  des  artikels 
gebildet:  de  la  plus  halte  tor  36,  del  plus  fin  or  d'Ärabie  199. 
Lateinische  Superlative  sind  so  gut  wie  nicht  erhalten:  ausser 
pesme  im  sinne  des  positivs  'schlimm,  bös'  u.  ähnl.  begegnen 
nur  gelehrte  bildungen  wie  sairiUsme,  haltisme. 

Die  adverbia  gehen  teils  auf  urspriingliehe  bildungen, 
teils  auf  ableitungen  aus  adjektiven  zurück.  Zu  den  ersten 
gehören  aus  unserem  texte:  hie  (ibi)  —  «4,  unquam  —  onques  9, 
ubi  —  ou  19,  sie  —  si  20,  donique  (a  tunc)  —  donc  23,  jam  — 
ja  33  u.  a.  m. 

Von  den  lateinischen  ableitungen  sind  die  meisten  bildungen 
—  auf  -ter,  -im  uäw.  ganz,  die  auf  -e  bis  auf  wenige  reste  — 
untergegangen  {bene  —  hien  10,  vgl.  12  folement  I).  Eine  anzahl 
adverbia  gehen  auf  neutralformen  zurück,  die  teilweise  schon 
im  lat.  mit  dem  adverb  identisch  sind:  plus  6,  tantum  —  tant 
10,  multum  —  malt  17,  carum  —  chier  24;  einige  auf  lateinische 
oder  romanische  Zusammensetzungen:  quare  —  car  19,  206, 
ha{c}  hora  —  ore  43,  encore  11. 

In  vortoniger  Stellung,  vielleicht  auch  vor  vokalischem 
anlaut,  entstehen  bei  den  auf  -e  ausgehenden  adverbien  ver- 
kürzte formen  {ore  —  or),  die  meist  auch  vor  konsonant  ge- 
braucht werden  {Or  vait  li  emp.  98).  Bei  vokalischem  wie 
konsonantischem  auslaut  kann  nach  dem  muster  ursprünglicher 
s-adverbien  ein  s  antreten  (v^gl.  9  onques  III). 

Die  bildung  neuer  adverbien  erfolgt  durch  Zusammen- 
setzung der  femininform  mit  mente'.  vgl.  * follamente -*  folement 
12.    Adjektiva  der  lat.  III.  verlieren  dabei  gemäss  dem  gesetz 


11.  Formenstand:  A.  Nomen, 


261 


über  die  schwachtonigen  vortonvokale  den  end-  oder  mittel- 
vokal: fortimente  —  forment  31.  Auf  grund  der  analogisch 
gebildeten  femininformen  werden  in  späterer  zeit  teilweise  auch 
neue  adverbia  gebildet:  fortement  zu  forte  (vgl.  oben  s.  253), 
Der  komparativ  wird  auch  hier,  soweit  nicht  die  lateinischen 
formen  erhalten  sind  {mieh  168),  mit  plus  gebildet  {plus 
helement  16,  plus  hassement  817),  der  Superlativ  gleich  dem 
komparativ  oder  mit  le  (vgl.  al  mielz  6). 


4.   Zahlwörter. 

Die  afr.  kardinalzahlen  entwickeln  sich  im  ganzen  regel- 
recht aus  den  eotsprechenden  lateinischen.  Bis  auf  die  zahlen 
1 — 3  sind  sie  indekliDabel.  Un  (vgl.  14,  175,  812)  ist  in  seiner 
flexion  identisch  mit  dem  unbestimmten  artikel.  Duos  gibt 
dos  —  dous,  dazu  als  neuer  nominativ  dui  (für  duo\  fem.  do'es. 
Tres  gibt  treis  (71),  daraus  nach  dem  muster  der  zweiten 
deklination  ein  s- loser  nominativ:  trei.  Die  folgenden  zahlen 
lauten: 


quatre  204,  811 

ow^e(vgl.  116- 

-117) 

trente  (510) 

eine  159 

doze  116,  121 

usw. 

quarante  (514) 

sis 

treee 

cinquanie 

set  73,  74,  193 

quatorze 

seissante 

{h)uit 

quinze 

setante 

nuef 

seze  (vgl.  116- 

-117) 

oitante  96,  99 

dis 

dis  e  set,  huit, 

nuef 

nonante 

vint  (267) 

Cent,  pl.  eenz  74 
mil  66,  pl.  milie  96 

Neben  seissante  begegnet  irei{s)  vint  —  obl.  treis  vinz,  neben 
oitante  ebenso  quatre  vint  —  quatre  vinz. 

Die  Ordinalzahlen  flektieren  regelrecht  nach  hons  und 
riches.  Sie  entwickeln  sich  zunächst  lautgerecht  aus  den  lat. 
formen  (wie  tierz <— tertius,  quarz-*— quarius  usw.),  werden  aber 
z.  t.  durch  die  kardinalzahlen  heeinüuBst  {dime-^disme  na.ch. 
dis)  und  vielfach  auf  analogischem  wege  neu  gebildet.  So  wird 
nach  dem  muster  von  set  —  setme,  dis  —  disme  zu  sis,  huit,  nuef 
gebildet:  sisme,  huitme,  nuefme,  auf  der  anderen  seite  nach 
onze — onzime,  doee —  dozime  auch  treeime,  qu^torzime,  quinzime, 


262  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

se^ime,  dis  e  setime  usw.,  später  auch  disime  und  die  einerzahlen 
sisime,  huitime  usw.  (vgl.  116 — 117  dose  —  trezime). 
Die  formen  der  älteren  zeit  lauten: 

1.  Premier  <— primarium    (für    prim-tr-primum,    vgl    188 
primes),  daneben  premerain; 

2.  altre,  daneben  gelehrt  secont — segont; 
8  —  5.    tiers  178,  quart,  quint; 

6.   siste,  analogiseh  sisme; 

7 — 9.   setme,  darnach  uiime  (für  lat.  octavum  —  dialektisch 
oitief),  nuefme  für  nonum  (aber  la  none  als  tageszeit); 

10.   dime  —  disme\ 

llflF.  onzime,  dozime,  trezime  117  u.ö.,  quatoreime,  quimime, 
sezime,  ebenso  vintime,  trentime  usw. 

Neben  -ime  erscheint  -isme  und,  namentlich  in  westfranz. 
texten,  -ieme  —  iesme,  woraus  nfr.  -ieme  {onzieme,  douzieme,  ving- 
tieme  usw.).    Die  einerzahlen  werden  meist  schon  im  altfr.  mit 

der  endung  -ime ieme  aus  den  kardinalformen  neugebildet: 

sisi{s)me  —  sisi€{s)me,   seU{s)me  —  setie{s)me  usw.,  später  auch 
troisieme,  deuxieme  zu  trois,  deux. 

5.   Die  Pronomina. 

Die  pronomina  entwickeln  sich  je  nach  ihrer  Verwendung 
entweder  gemäss  den  gesetzen  über  die  haupttonigen  oder 
denen  über  die  nebentonigen  silben,  teilweise  (namentlich  in 
der  enklise)  auch  nach  denen  der  schwachtonigen.  Vgl.  darüber 
s.  162,  dazu  die  bemerkungen  zu  den  einzelnen  formen  an  den 
stellen,  wo  sie  zuerst  vorkommen. 

a)   Personalpronomina, 
haupttonig  nebentonig 

1.  und  2.  person. 
sing.  rekt.  je  807      tu 
obl.  mei  71     tei 
plur.  rekt.  nos  vos 

obl.  nos  188    vos  854  f. 

Die  obliquusformen  gelten  für  dativ  und  akkusativ.  Die 
reflexiven  formen  sind  identisch  mit  den  hier  angegebenen 
(vgl.  me  38,  34,  37,  75  usw.).  —  Enklitisch  erscheint  me  als 


je  14,  22 

tu 

me  23,  45 

te 

nos 

vos  24,  803 

nos  224,  225 

vos  13,  25. 

II.  Formenstand:  A.  Nomen. 


263 


m:   lern  dir  es  41. 
m'enseigniez  19. 


Vor  folgendem  vokal  wird  e  elidiert:   le 
3.  person. 


haupttonig 

nebentonig 

mask. 

fem. 

mask.                   fem. 

sing.  rekt.  il  140,  205 

ele 

(il)  7,  15u.ö.    (ele)  6,  13  u.  8 

dat.  lui  146 

li 

li  16,  31  u.  ö.     li 

akk.  lui  77,  203 

li 

Zel9,  40f.n.ö.    la  7  f.,  16  u.  8 

plur.  rekt.  il 

eles 

(il)                     {eles) 

dat.  lor 

lor 

Zor  78,  239  u.  6.  lor 

akk.  eis  138,  174 

eles 

les  143,  812       les  191 

reflexiv  sei  61,  147  u 

.  ö. 

se  14,  43,  60  u.  8. 

Dazu  als  neutrum  betont  rekt.  il  (nach  dem  mask.  ge- 
bildet), nebentonig  obl.  le  19,  23,  24  u.  o.; 

ferner  als  nebentonige  genetivform  für  alle  genera  und 
numeri  ew-*— lat.  inde  (vgl.  v.  14,  dazu  17,  18,  26,  31  u.  o.). 

Lui  geht  auf  illui  (aus  Uli  huic  oder  analogisch,  nach  dem  frage- 
pronomen  cui,  umgebildetes  Uli)  zurück,  haupttoniges  li  (fem.)  auf  Hll^i 
{'t—Hllaece  oder  illae  +  ei),  nebentoniges  li  auf  Uli,  lor  auf  den  genetiv 
illorum  (in  genetivischer  bedeutung  noch  als  Possessivpronomen  s.  u.).  — 
Auslautvokale  (ausgenommen  bestandteile  von  diphthongen  wie  t  in  lui) 
werden  vor  folgendem  vokal  elidiert:  vgl.  für  mask.  le  v.  57,  75,  129, 
131  usw.,  für  neutrum  le  18,  23,  71,  141  usw.;  i  in  li  nur  vor  cn  166,  182, 
190  usw.  —  Wegen  der  enklitischen  formen  l  =  le,  8  =  les  und  se  vgl. 
die  beispiele  zu  v.  40.  —  Die  oben  eingeklammerten  formen  gehören  ur- 
sprünglich in  die  andere  reihe.    Vgl.  unten  s.  274. 


haupttonig 

einzahl: 
mask.  fem. 

sg.  rekt.  miens  222       meie 

obl.  mien  139, 185  meie  806 
pl.  rekt.  mien  meies 

obl.  miens  meies 


b)  Possessiva. 

nebentonig 
1.  person. 

mask.  fem. 

mes  219  u.6.  ma  813,  819 

mon  11,  41  u.6.  wa 22, 25 u.6. 

mi  mes 

mes  22  mes 


sg.  rekt.  suens 
obl.  suen  50 

pl.  rekt.  suen 
obl.  suens 


einzahl:  2.  und  3.  person. 


soe 

soe  88 
soes 
soes 


ses 

son  2, 146  u.  8. 

si 

ses  15, 142  u.  6. 


sa 

sa  2,  5  u.  8. 

ses 
ses  98. 


264 


Vierter  Teil:  Lautstanä,  Formenstand,  Syntax. 


Ebenso  wie  suens  flektiert  die  2.  person:  tuens,  toe  —  tes. 

ta 

usw. 

mehrzahl:  1.  und  2.  person. 

haupttonig 

nebentonig 

mask.           fem. 

mask.                      fem. 

sg- 

lekt.  nostre  81  b    nostre 

nostre                       nostre  (33) 

obl.  nostre  820    nostre  (38) 

nostre  (216,  251)     nostre 

pl. 

rekt.  nostre          nostres 

nostre                       noz 

obl.  nostres         nostres 

noz  (21)                  noz  (160). 

Ebenso  flektiert  vostre:  vgl.  im  paradigma  die  in  klammern 
stehenden  verszahlen,  dazu  betontes  m.  f.  vostre  50, 806 f.  Substan- 
tiviert erscheinen:  les  voz  803,  del  vostre  842  (wie  del  mien  843). 

Die  mehrzahl  der  dritten  person  lautet  in  allen  Ver- 
wendungen lor,  aus  illorum  als  genetivus  possessivus,  daher 
unveränderlich.  Nebentonig  sollte  sich  nfr.  lour  neben  haupt- 
tonigem  leur  entwickeln,  die  letzte  form  hat  jene  verdrängt 

Ma,  ta,  sa  werden  vor  vokal  elidiert:  vgl.  s'espee  3,  dazu 
59,  86,  m'espee  25,  dazu  54,  854,  856. 

c)   Demonstrativa. 
Die  lat.  demonstrativa  sind  im  franz.  in  dem  ursprünglichen 
demonstrativen  sinne  nur  in  Zusammensetzungen  erhalten:  ecce 
ille-*icil  (jener,  dieser,  solcher,  zur  bezeichnung  des  ferner- 
stehenden), ecce  iste-^icist  (dieser,  zur  bezeichnung  des  dem 
Subjekt  näherliegenden,  vgl.  42  cele  teste),  ecce  hoc—^-igo,  daraus 
die  ursprünglich  nebentonigen  formen  eil,  eist,  go.    In  der  flexion 
ist  zwischen  den  vollen  und  kurzen  formen  kein  unterschied. 
eil  —  icil. 
mask. 
sg.  rekt.  eil  19, 191 

obl.  ceZ137u.ö. 
pl.  rekt.  eil  837 
obl.  cels  77 

Dazu  im  obl.  sing,  die  ursprünglichen  dativformen  (vgl. 
oben  lui  —  li):  mask.  celui  —  cestui,  tem.  celi,  cesti;  ferner  die 
neutra  cel  —  cest. 

Lat.  hoc  erscheint  haupttonig  entwickelt  in  avuec,  poruec 
(s.  0.  8. 150),  nebentonig  in  got—ecce  hoc  (dieses  selbst  als  haupt- 
tonig empfunden  und  gebraucht,  vgl.  unten  s.  277). 


dst- 

-  icist. 

fem. 

mask. 

fem. 

cele  12 

eist 

ceste 

ce?e42u.ö. 

cest  149 

ceste  s.  233 

celes 

eist 

cez 

celes 

cez 

cez 

II.  Formenstand:  A.  Nomen.  265 

d)   Relativum. 
Für  beide  gesehlechter  und  numeri: 
nom.  qui  14,  18,  66  u.  ö. 
gen.  dont  3,  72  u.  ö.  —  cui 
dat.  cui 

akk.  que,  qu^  89,  112,  161  u.  ö.  —  cui. 
Dazu  als  neutrum  que  819  —  haupttonig  quei. 

e)  Interrogativum. 
Rektus  qui  —  obliquus  cui  —  neutrum  que  234  —  quei. 
Adjektivisch  quei  219  —  mask.  rekt.  sg.,  obl.  pl.,  fem.  pl.  quels. 

r 

f)   Indefinita. 

Nul  9  —  nule  247,  833,  alcun  —  alcune,  chascun  —  chascune 

wie  bon  —  hone;  tot  —  tote  48,  pl.  rekt.  mask.  tuit  203  —  obl. 

to2  21;   tel  —  itel  wie  grant;  altre  wie  nostre.     Zu   bemerken 

die  analogischen  formen  nului,  altrui.    Vgl.  auch  plusor  818. 


B.  Das  Yerbum. 

Die  lateinischen  konjugationsunterschiede  beruhen  auf  dem 
Stammauslaut,  auf  der  Verschiedenheit  des  auslautenden  vokals 
oder  konsonanten.  Diese  unterschiede  werden  im  romanischen 
durch  zusammenfall  einer  reihe  von  endungen  verwischt,  wo- 
durch der  tibertritt  eines  verbums  zu  einer  anderen  konjugation 
befördert  wird:  der  sog.  konjugationstausch  (vgl.  31  cheir, 
43  estortre,  dazu  respondre,  plaire,  saveir  u.  a.,  siehe  auch 
s.  165). 

Ahnliche  angleichungen  finden  auch  sonst  in  den  tempora, 
modi  und  personalendungen  statt,  so  dass  die  lat.  konjngations- 
einteilung  auf  die  altfranzösischen  Verhältnisse  nicht  mehr 
zutrifft.  Charakteristischer  als  infinitiv  und  präsensformen 
sind  hier  die  perfektformen,  welche  darum  der  neueinteilung 
im  altfranzösischen  (und  überhaupt  im  romanischen)  zu  gründe 
gelegt  werden.  Und  zwar  unterscheidet  man  nach  dem  muster 
der  deutschen  grammatik  schwache  perfekta,  für  welche  die 
endung  charakteristisch  ist,  die  hier  überall  den  accent  trägt, 
und   starke   perfekta,   welche   den  stamm   verändern  und 


266  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenatand,  Syntax. 

wenigstens  in  drei  formen  —  1.  3.  sing.,  3.  plur.  —  den  accent 
auf  diesen  legen  (vgl.  107  regut,  dazu  2  Rout  VI,  56  deusseiz). 
Zu  den  schwachen  perfekten  (verben)  gehören  die  zur  lat. 
I.  und  IV.  konjugation  gehörigen  verba  {seigndt  2  —  oü  18) 
sowie  die  aus  dedit  neugebildeten  perfekta  {respondiet  12),  zu 
den  starken,  die  mit  dehnung  des  Stammvokals  {vldit  —  vit  30), 
die  mit  s  gebildeten  (prist  7)  und  die  auf  -ui  (Rout  2). 

Genera,  tempora  und  modi.  Völlig  untergegangen  sind 
die  einfachen  (nicht  zusammengesetzten)  formen  des  lat.  passivs, 
welche  durch  Umschreibungen  mit  estre  ersetzt  werden,  ebenso 
die  deponentialformen,  für  welche  die  aktivischen  eintreten 
(vgl.  53  irascut  II).  Durch  Umschreibung  neu  gebildet  wird 
das  futurum  nebst  imperfektum  futuri  (siehe  11  conquerrai  II); 
neu  geschaffen  wird  ein  perfektum  präsens  mit  den  dazu  ge- 
hörigen ableitungen,  welche  den  lat.  konjunktiv  perfekti  sowie 
ind.  und  konj.  plusquamperfekti  ersetzen  (siehe  3  at  ceinte); 
der  letzte  hat  seinerseits  die  function  des  konj.  imperfekti 
übernommen  (siehe  10  seist). 

Endungen.  In  diesen  hat  starker  ausgleich  stattgefunden. 
Im  ind.  präsens  lautet  die  1.  plur.  überall  -ons,  wol  nach  sonst— 
sumus  (siehe  20  porter  ons),  die  2.  plur.  überall  -ez  nach  der  lat. 
I.  konj.  (siehe  13  poe0  —  im  osten  bleibt  -etis  als  -eiz  -oiz). 
Im  ind.  imperf  ist  das  vorbild  der  lat.  IL  (III.)  konj.  überall 
durchgedrungen:  debebam—*- deveie,  vendebam-^vendeie,  darnsieh. 
parteie,  porteie  (im  normannischen  dialekt  bleibt  portabam  als 
portoue — portoe).  Der  konj.  imperf.  hat  von  anfang  an  ana- 
logisches -e  in  der  1.  und  2.  sing,  (portasse,  portasses,  aber 
portast).  Die  2.  plur.  im  imperativ  ist  gleich  der  entsprechenden 
form  des  ind.  präs.:  vgl.  enseigniez  20,  tenez  45.  In  partizip 
präs.  und  gerundium  ist  -entern,  -endum  durch  -antem,  -andum 
(-ant)  ersetzt  worden:  vgl.  veant  803.  Im  perfektum  ist  be- 
merkenswert die  bewahrung  des  vokals  der  endsilbe  in  der 

1.  und  2.  plur.  (vgl.  9  ve'istes  IV),  sowie  bei  den  starken  per- 
fekten die  Übertragung  des  umlaut-*  aus  der  2.  sing,  in  die 

2.  plur.  (siehe  9  veistes  I,  vgl.  auch  1  fut). 

Stammvokal.  Der  Stammvokal  zusammengesetzter  verba 
hat  zum  teil  schon  im  Vulgärlatein  eine  änderung  erfahren 
durch  die  sog.  rekomposition  (siehe  12  respondiet). 


II.  Formenstand:  B.  Verbum, 


267 


Verseliiedene  behaudlung  des  Stammvokals  innerhalb  des- 
selben verbums  erfolgt  unter  der  Wirkung  des  aceents.  Man 
vergleiche  die  haupttonige  mit  der  nebentonigen  entwieklung 
im  folgenden: 

freies  ß:  (de)meinent  206,  830  —  menrez  73,  demener  814 

$  vor  palatal:  issent  827  —  eissirent  90,  100 
freies  a:  apert  239  —  apareir 
freies  a  vor  nasal:  claiment  208  —  clamer 
freies  q:  puet 43  — poe^i  13,  vuelt  31  —  voleir  {voldront  223); 
haupttonige  mit  schwaehtoniger  entwieklung: 

o-^—au:  parolt  812,  parolet  824  — parier  72,  parlerez  221. 
Vgl.  ferner  demorer  74,  die  243. 

Zum  teil  ist  diese  Stammabstufung  schon  altfranzösisch 
auf  analogischem  wege  beseitigt  worden  (vgl.  195  sali  für  *selt^ 
auch  6  coronee  für  *cornee),  zum  teil  erst  später  (Je  parle  für 
parol(e),  demeurer  für  demourer,  aimer  für  amer),  zum  teil  be- 
steht sie  noch  heute  {conquiert  —  conquerons,  meurt  —  mourons). 


1.   Das  Perfektum  und  die  zugehörigen  Formen. 

a)  Die  sehwachen  perfekta. 

Die  lat.  typen  sind  -avit,  -ivit,  -dedit.    Vgl.  2  seignaf,  12 

respondiet,  18  o'irent.    Zur  vergleichung  diene  folgende  über- 
sieht: 

I.                                   IL  III. 

parti  vendi 

partis  (vendis) 

partit  vendiet 

partimes  (vendimes) 

partistes  (vendistes) 

partirent  vendierent. 

Hierher  gehört  auch  der  konj.  im  per  f.  (vom  lat.  konj. 
plusquamperf.): 

portasse,  portasses,  portast,  portissons,  portisseü,  portassent; 
ebenso  partisse,  partisses  usw.,  sowie  vendisse.    Wegen  der 
endung  vgl.  s.  87  zu  säst  IV. 


sg.  1.  portal 

2.  portas 

3.  portat 
pl.  1.  portames 

2.  portastes 

3.  porterent 


268 


Vierter  Teil:  Lautstand,  Fonnenstand,  Syntax. 


Die  pari  per  f.  gehen  regelrecht  auf  die  lat.  oder  vulgär- 
lat.  grundformen  zurück: 

poriet'*—portatum,  partit-*—partiium,  vendut-*—*venduium. 

Zu  der  neugebildeten  dritten  klasse  gehören  in  unserem  texte  die 
folgenden  verba  (nebst  der  entsprechenden  3.  p.  sing,  perf.): 
beneistre:  beneüsquiet  177. 

descendre:  descendiet  —  part.  perf.  descendut  188. 
entendre  17,  43,  67:   entendiet  —  part.  perf.  entendut  238. 
fondre:  fondiet  —  part.  perf.  fondut  199. 
pendre:  pendlet  —  part.  präs.  pendant  80. 

perdre:  perdiet  —  fut.  pl.  2.  perdrez  55.  —  part  perf.  perdut  54. 
rendre:  rendiet  —  präs.  ind.  3.  rent  166. 
respondre:  respondiet  12  —  präs.  ind.  3.  respont  162. 
tendre:  tendiet  —  part.  perf.  tendut  194. 
vendre:  s.  o.  paradigma  —  präs.  ind.  pl.  3.  vendent  210. 


b)    Die  starken  perfekta. 

Vgl.  ve'istes  9,  firent  115;  dist  13,   s'assist  120;  rout  2, 
deusseiz  56,  regut  107,  jut  mut  193. 

Als  mustertypen  mögen  lat.^?^d^,  dm  (=dtc-s«),Äa&m' dienen: 


I. 

vidi 
sg.  1.  vi  187  f. 

2.  veis  (vgl.  9) 

3.  Vit  30  U.Ö. 
pl.  1.  vt'imes 

2.  ve'istes  9 

3.  virent  104 


IL  III. 

dlxi  habui 

dis  (718)  oi  150 

desis  oüs 

dist  13, 26  u.ö.  out  4,  59  u.ö. 

desimes  (666)  oümes  (665) 

desistes  (675)  oüstes 

distrent  (632)  ourent  89. 

In  allen  formen  stammbetont  ist  fui  (siehe  1  fut). 
Die  entsprechenden  konj.  imperf.  (lat.  konj.  plusquamperf.) 
lauten: 

vetsse,  veisses,  ve'ist  usw.,  desisse,  oüsse,  fasse 

mit  derselben  abwandlung  wie  die  schwachen  verba. 

Die  participia  perfecti  entsprechen  den  lateinischen 
formen  (wie  dit-*— dictum  38,  f.  dite  52)  oder  vulgärlateinischen 
neubildnngen  (wie  veü'*—*vidutum  57  und  eüt—>*habutumy 
Vgl.  wegen  der  partizipialbildung  auf  -utum  53  irascut  L 


II.  Formenstand:  B.  Verbum.  269 

Übersieht 
über  die  im  text  vorkommenden  formen  starker  verba.^) 

I.  klasse. 

faire:  inf.  198,  213,  804  —  präs.  ind.  sg.  3,  fait  14,  76,  143  u.  ö.,  pl.3.  fönt 
81,  83,  258,  821  —  futurum  sg.  1.  ferai  42,  136,  164,  pl.  1.  ferona 
808,  2.  fertz  39,  3.  feront  186  —  perf.  sg.  fis,  3.  fid  191,  231, 
pl.  3.  firent  115  —  part.  perf.  fait. 

veeir:  präs.  ind.  sg.  3.  veit  196,  824,  853,  pl.  3.  veient  108  —  part.  präs. 
(gerundium)  veant  (803)  —  perf.  vi  s.  paradigma. 

venir  (vgl.  aber  zur  perf ektklasse  v.  154):  präs.  ind.  sg.  1.  vien,  3.  covient 
71,  844,  pl.  3.  vienent  110,  140  u.  ö.  —  fut.  vendrai,  pl.  1.  vendrons 
815  —  perf.  vin  (vinc)  154,  3.  vint  93,  134,  174,  pl.  2.  venistes 
168  —  part.  perf.  venut  155,  avenut  184. 


IL  klasse. 

aconduire:  siehe  conduire. 

asseeir:  siehe  seeir. 

ceindre:  perf.  ceins  —  part.  perf.  ceint,  f.  ceinte  3. 

clore:  perf.  dos  —  part.  perf.  dos,  f.  dose  117. 

conduire:  präs.  ind.  3.  conduit  97  —  perf.  conduis,  3.  aconduist  185  — 

part.  perf.  condwii  245, 
conquerre:  siehe  guerre. 
desfrwirc:  inf.  225,  227  —  perf.  destruis. 
dire:  inf.  212  —  präs.  ind.  pl.  3.  dient  23  —  fut.  dirai,  escondirai  34, 

pl.  2.  direz  41  —  perf.  s.  paradigma  —  part.  perf.  dit  38,  dite  52. 
escondire:  wie  dire. 
eatortre:  inf.  43  —  perf.  estors. 

metre:  präs.  ind.  3.  met  16  —  perf.  mis  —  part.  perf.  mis  866,  f.  mise  110. 
jjciwdre:  perf.  peins  —  part.  perf.  peint  113. 
prendre:  präs.  ind.  3.  prent  86,  853,  pl.  Z.prenent  242  —  konj.  pl.  Z.pregnent 

223,  840  —  fut.  prendrai  57,  3.  prendrat  236,  pl  3.  prendront  842 

—  perf.  ^ris,  3.  ^risf  7,  88  usw.  —  part.  perf.  pris  — prise  2. 
querre  {conquerre,  requerre):   inf.  69,  72  usw.  —  fut.  conquerrai  11  — 

perf.  conquis  (vgl.  152  part.  conquis)  —  part.  perf.  conquis,   -ise 

152,  859. 
remaneir:  inf.  230  —  präs.  ind.  3.  remaint  92  —  perf.  remes. 
seeir  (asseeir):  präs.  ind.  3.  siet  16  —  perf.  sis,  3.  sist  122,  157,  s^aasis 

120  —  konj.  imperf.  3.  seist  10  —  part.  perf.  sis  157. 
traire:  (vgl.  225  destruire):  perf.  trais  —  part.  perf.  trait  146. 


^)  Hinzugefügt  sind  die  im  text  fehlenden  1.  personen  des  perfekts. 


270  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 


III.  klasse. 

apareir:  präs.  Ind.  3.  apert  248  —  perf.  aparui. 

aveir:  inf.  229  —  präs.  ind.  ai  46,  71  f.  usw.,  2.  as  157,  3.  at  3,  49  usw., 

pl.  1,  avons,  2.  avez  52  f.  usw.,  3.  ont  79,  109  f.  usw.  (vgl.  v.  3  at)  — 

konj.  8g.  aie,  2.  aies  158,  3.  ait,  pl.  aiiens,  aiiez,  aient  —  int.  avrai 

57,  75,  3.  avrat  21,  236,  pl.  2.  avrez  162  f.  usw.  —  perf.  s.  o.  para- 

digma,  dazu  s.  26  —  part.  perf.  eut. 
corre:  präs.  ind.  3.  cort  852  (s.  anm.)  —  perf.  coruL 
deveir:  präs.  ind.  3.  deit  97,  168,  pl.  1.  devons  804  —  perf.  dui  (vgl.  56 

diusseiz)  —  konj.  imperf.  plur.  2.  deusseiz  56  —  part.  perf.  dSut 
estoveir  (impers.):  präs.  ind.  estuet  217  —  perf.  estut. 
gesir:  präs.  ind.  3.  gist  (vgl.  193)  —  perf.  jwi,  3.  jut  193. 
moveir:  perf.  mui,  3.  mut  193. 
plaire:  präs.  ind.  3.  piaist  68,   160  usw.   (vgl.  2  croiz  EU)  —  perf.  plo% 

3.  ^Joui  —  konj.  imperf.  ploüst  (vgl.  v.  68). 
poeir:  präs.  ind.  1.  puis  40,  2.  p«es,  8.  puet  43,  pl.  1.  poons,  2.  jpo^z  13, 

3.  p^eent  843  —  fnt.  porrai  229,  3.  porrat  230  —  perf.  ^oi,  3.  j?OMf, 

pl.  3.  fourent  —  part.  perf.  peu. 
receivre:   inf.  220  —  perf.  regui  (vgl.  107),  3.  regut. 
saveir:  präs.  ind.  sai  14,  212,  3.  set  219,  pl.  2.  savez  226  —  konj.  sacÄe 

(vgl.  12  sage  II)  —  fut.  savrai  51  —  perf.  soi  usw.  (wie  oi). 
f  e»ir:  präs.  ind.  3.  tient  48,  823  —  imp.  pl.  tenez  Ab  —  perf.  tin,  3.  tint 

180,  846,  850. 
venir:  s.  oben  I.  klasse. 
voleir:  präs.  ind.  1.  vueil  70,  161,  2.  v«eZs,  3.  vweZ«  31,  213,  868,  pl.  1. 

volons,  2.  volez  s.  233,  3.  vuelent  225  —  fut.  voldrai,  pl.  3.  i7oMrowf 

223,  840  —  perf.  voll,  voliis,  volt  —  voldrent  (daneben  nach  kl.  11. 

vols,  volsis  usw.). 

Die  ui-perfekta  nehmen  je  nach  Stammvokal  und  stammauslaut  eine 
verschiedene  entwicklung,  teilweise  spielt  auch  die  analogie  herein.  Be- 
tontes a  -)-  -unl  wird  oi  (vgl.  2  Rout  II  und  III),  betontes  f  und  p,  ^  und 
P  +  -W^  wird  (wie  es  scheint  unier  kombinierter  Wirkung  von  umlaut  oder 
bedingter  diphthongierung  mit  folgendem  im)  zu  ü:  d(bui—*-dui,  *movui 
—*-mui,  *cogngvui—*-conui,  *jfcui—^jui,  ngcui—^nui.  Von  den  be- 
tonten formen  aus  wird  der  vokal  teilweise  auch  auf  die  unbetonten  über- 
tragen: oüs,  ploüst  (nach  ploi<—placui)  usw.  Umgekehrt  scheint  bei  voil 
•< — volui,  poi< — potui  einfluss  der  endangsbetonten  formen  vorzuliegen.  — 
Einzelne  perfekta  haben  die  ursprünglich  stammbetonten  formen  völlig 
nach  den  endungsbetonten  umgebildet,  so  dass  sie  nur  noch  endnngsbetonte 
formen  aufweisen  und  tatsächlich  zur  schwachen  bildung  übergetreten  sind, 
so  namentlich  die  auf -i  und -r:  voul{u)8  für  altes  roii  und  voi»,  valu{8)-*— 
valui,  couru(8)-*r-*currui,  mouru{s)'*~*morui,  dazu  cheü(3)  oder  chei{8) 
für  *cadui. 


II.  Formenstand :  B.  Verbum. 


271 


2.   Das  Präsens  und  die  zugehörigen  Formen. 

Eine  Verschiedenheit  zwischen  starken  und  schwachen 
verhen  besteht  hier  nicht.  Es  gentigt,  ein  verbum  der  lat 
a  -  konjugation  und  ein  konsonantisch  ausgehendes  neben- 
einander zu  stellen. 


Präs.  ind. 


Präs.  konj. 


porto 
sg.  1.  port 

2.  partes 

3.  portet  15 
pl.  1.  portons 

2.  partes 

3.  portent  85 


vendo 
vent 
venz  . 
vent 
vendons 
vendez 
vendent210 


portem 
port  806 
porz 
port 
portons 
porteiz 
portent 


vendam 

vende 

vendes 

vendet 

vendons 

vendez 

vendent 


Imperativ:  porte — portez,  vent  —  vendez. 

Imperf.    ind.:    porteie,    porteies,    porteit,  portiiens,  portiiez^ 

porteient  —  ebenso  vendeie. 
Imperf.  konj.  siehe  unter  1. 
Part,  präs.:  portant,  vendant. 
Infinitiv:  porter  35,  vendre. 
Futurum:  porterai  161,  porteras,  porterdt,  porterons  20,  porte- 

reiz-ez,  porteront  —  ebenso  vendrai. 
Imperf.  Fut. :  porter eie,  porter eies,  portereit,  porteriiens,  porteriiez, 

portereient  —  ebenso  vendreie. 

Die  a-verba  mit  vorausgehendem  palatal  entwickeln  bei 
freiem  ton-a  ie  statt  e:  enseigniez  19,  laissiez  841,  laissier, 
laissiet. 

Die  ^-verba  gehen  wie  vendre:  pari  (t—^parto),  parz,  pari 
— parteie  usw.  Ein  teil  jedoch  wird  nach  dem  muster  der 
inkohativa  umgebildet:  finlsco  —  fenis,  fenis,  fenist,  fenissons, 
fenissez,  fenissent  —  konj.  fenisse  —  imperf.  fenisseie  —  part. 
präs.  fenissant;  im  übrigen  flektieren  sie  wie  jene. 


3.  Verba  verschiedener  Stämme. 

aler  —  estre. 
Äler    (vgl.    V.  70)    flektiert    im    allgemeinen    nach    der 
I.  schwachen  konjugation;  perf.  alai  —  alerent  77,  pari  perf. 


272  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

alet  144  u.  o.,  koDJ.  jedoch  mit  i:  aille,  ailles  usw.  (analogisch 
auch  alge,  dlges  usw.). 

Dazu  von  vadere  die  indikativformen:  sg.  1.  vois  153, 
3.  vait  98,  141,  pl  3.  vont  147,  253,  848  (vgl.  noch  die  zu 
98  vait  besprochenen  formen),  nach  vois  analogischer  kon- 
junktiv  voise. 

Endlich  von  lat.  ire  das  fut.  irai  72,  irat  91,  235,  ires  68, 
iront  849  (siehe  68  irejs). 

Estre  (von  *essere  statt  esse)  ist  schon  im  latein  mischverb. 
Zu  den  aus  den  lat.  entwickelten  formen  treten  noch  neu- 
bildungen  aus  dem  inünitiv  *essere  —  estre  (fut.  serai  —  imperf. 
esteie).  Dazu  kommen  die  beiden  von  stare  abgeleiteten  par- 
tizipien.    Im  ganzen  gestaltet  sich  die  flexion  wie  folgt: 


Präs.  ind. 
sum 
sg.  1.  sui  33  u.  ö. 

2.  ies  —  es 

3.  est  17  f.  u.  0. 
pl.  1.  sons  —  somes 

2.  estes  52  u.  ö. 

3.  sont  66  u.  ö. 


Präs.  konj. 

*siam  —  Sit 
seie 
seies 

seit  222,  257,  815 
seiiens 
seiiez 
seient. 


Imperativ:  sg.  seies,  pl.  seiiez. 
Infinitiv:  estre. 

Imperfektum  ind.:  a)  lat.  eram:  iere  —  ßre,  ieres  —  ^res,  ier{e)t 
—  ^r{e)t  usw. 
b)  zu  est  —  estre:  esteie,  -eies,  -eit  usw.  wie 
porteie. 
Futurum:  a)  lat.  ero:  ier  —  ^r,  iers  —  ßrs,  iert  —  ßrt  usw. 

b)  zu  *essere  (habeo):  serai,  seras  usw.  wie  11  con- 
querrai. 
Imperf.  fut:  sereie,  -eies,  -eit  usw. 
Part.  präs.  (ger.):  estant. 
Part,  perf.:  estet. 

Perfektum:  fui,  fus,  fut,  fumes,  fustes,  furent  (vgl.  v.  1). 
Imperfektum  konj.:  fasse,  fusses,  fusset  und  fast  (327 — 361, 
374),  fussons,  fusseiz,  fussent. 


IIL  Syntaktisches:  A.  Redeteile.  273 


III.    Syntaktisches. 


I 
I 


A.   Die  Redeteile. 

1.  Artikel. 

Der  gebrauch  des  bestimmten  artikels  ist  im  wesent- 
lichen derselbe  wie  im  nfr.  Wie  bei  eigennamen  fehlt  er  bei 
werten  ähnlichen  sinnes  [dedesoz  ciel  9,  jaar  mer  127,  en  terre 
188);  nach  präpositionen  auch  sonst  {en  bataiUe  29);  ferner  in 
der  regel  bei  völkernamen  im  plural  (por  Franceis  18,  aber 
as  Franceis  as  osteis  237). 

Der  unbestimmte  artikel  ist  nicht  obligat:  vgl.  espee  10, 
por  ost  enchalcier  29,  jurer  sairement  35,  se  mengonge  avez 
dite  52,  aber  üblich  bei  zeitbestimmuDgen  (un  Jörn  1),  in  der 
apposition  (Jerusalem,  une  citet  antive  108),  bei  Substantiv 
mit  adjektiv  {en  un  lointain  reialme  QS,  en  un  piain  grant  93) 
und  auch  sonst  häufig  {desoz  un  olivier  7,  a  une  pari  94). 

Der  teilungsartikel  ist  altfranz.  im  allgemeinen  selten, 
er  begegnet  zuerst  hauptsächlich  bei  den  verben  des  gebens, 
nehmens,  habens  wie  hier  bei  der  aufzählung  der  reliquien: 
de  voz  saintes  reliques,  se  vos  piaist,  me  donez  160,  del  sanc 
Saint  Estiefne  165,  de  la  barbe  saint  Piere,  des  chevels  de  son 
Chief  181,  del  lait  sainte  Marie  187,  de  la  sainte  chemise  189. 
Sonst  steht  das  einfache  Substantiv  ohne  nähere  bezeichnung: 
dus  i  out  et  demeines  4,  conquerrai  citez  11,  n'i  ont  escuz  ne 
lances  ne  espees  trenchanz  79. 

2.   Substantiv. 

Gewisse  substantiva  können  in  adjektivischem  sinne  ge- 
braucht und  demgemäss  mit  anderen  Substantiven  oder  mit 
adverbien  verbanden  werden:  rei  baron,  si  virgene.    Vgl.  814. 

Substantiva  können  zu  anderen  Substantiven  —  ohne  rlick- 
sicht  auf  das  sonstige  Satzgefüge  —  in  beziehung  d.  h.  ab- 
hängigkeit  treten  in  der  form  des  dativs  oder  des  obliquus. 

Der  dativ  wird  nur  zur  bezeichnung  des  besitzers  ver- 
wendet: la  ßlle  al  rei  852  (vgl.  nfr.  sa  fiUe  ä  lui). 

Voretzsch,  Stadium  d.  afrz.  Sprache.   6.  Aufl.  |g 


274  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

Auf  dieselbe  weisie,  d.  h.  als  ursprünglicher  dativ,  ist  auch 
der  im  sinne  eines  genetivus  possessivus  oder  (seltener)  eines 
genetivus  ohjeetivus  gebrauchte  obliquus  von  eigennamen  oder 
personenbezeichnungen  zu  erklären:  vgl.  1  al  saint  Denis  mostier, 
ferner  le  hras  saint  Simeon  163 ff.,  auch  bei  städtenamen:  en 
Jerusalem  vile  204;  als  gen.  obj.  por  Vamor  Charlemaigne 
(791),  vgl:  auch  por  amor  Deu  32.  Der  abhängige  obliquus 
kann  vor  das  regierende  nomen  treten,  das  dann  den  artikel 
verlieren  kann:  al  Saint  Denis  mostier  1  —  a  Damne  Deu 
comant  91. 

3.    Pronomen. 

Die  meisten  pronomina  haben  eine  haupttonige  und  eine 
nebentonige  form  (vgl.  s.  262  ff.). 

Die  personal  pronomina  stehen  haupttonig  nach  prä- 
positionen:  ot  sei  61;  vor  Infinitiv:  por  eis  esleecier  174,  vgl.  147; 
desgleichen  vorm  partizip;  in  absoluter  Stellung  (wie  nfr.),  ver- 
einzelt auch  sonst  (mei  i  covient  aler  71,  vgl.  unten  B4). 

Das  Subjektspronomen  ist  an  und  für  sich  entbehrlieh 
(vgl.  Bout  2,  i  out  4),  steht  daher  ursprünglich  nur,  wo  ein 
besonderer  nachdruck  darauf  liegt,  und  hat  demgemäss  die 
haupttonige  form.  Diese  behält  es  auch  später,  als  der  gebrauch 
des  Subjektspronomens  sich  verallgemeinert  wie  schon  in  unserem 
gedieht,  daher  il  la  prist  par  le  poin  —  'Emperere',  dist  ele. 
In  dieser  Verallgemeinerung  ist  das  Subjektspronomen  neben- 
tonig, behält  aber  die  ursprünglich  haupttonige  form. 

Das  reflexivum  kann  für  das  personale  der  dritten  person 
eintreten  nach  präpositionen:  Quant  la  fut  mors  Rollanz,  li 
doze  per  ot  sei  232  (umgekehrt  auch  das  personale  für  das 
reflexiv  bei  präpositionen  oder  beim  präpositionalen  Infinitiv: 
Entr'  eis  en  ont  e  orgoill  e  confort  Roland  1941,  De  lui  (=  sich) 
vengier  jamais  ne  li  iert  sez  Rol.  1906. 

Das  Possessivpronomen  steht  nebentonig  vor  dem  Sub- 
stantiv ohne  artikel  {sa  corone  —  son  chief),  haupttonig  in 
absoluter  Stellung,  als  prädikatsnomen  oder  vor  dem  Substantiv 
(meist  mit  artikel):  par  le  mien  esctentre  139,  toz  li  miens  granz 
tresors  222. 


III.  Syntaktisches:  A.  Redeteile.  275 

4.   Präpositionen. 

Die  Präpositionen  regieren  sämtlich  den  akkusativ,  den 
einzigen  verbliebenen  obliquen  kasus  (vgl.  d!or  mier  3).  Wegen 
abweichenden  gebrauchs  in  gewissen  redensarten  nnd  Wendungen 
siehe  unten  B  7. 

Einen  eigentümlichen  gebrauch  zeigt  entre  . . .  et  . . .  mit 
der  bedeutung  'sowol  —  als  auch',  vgl.  entre  or  fin  et  argent  78. 

En  wird  altfranzösisch  in  vielseitiger  Verwendung  gebraucht, 
für  nfr.  ä,  dans,  sur  usw.,  vgl.  vienent  en  Jerico  242. 

5.  Verbum. 

Die  reflexiven  verba  transitiver  bedeutung  werden  ur- 
sprÜDglich  mit  avoir,  infolge  einer  kreuzung  mit  passivischen 
oder  intransitiven  ausdrücken  aber  schon  im  afr.  in  der  regel 
mit  estre  konstruiert:  vgl.  60  s'en  est  retornes.  —  Das  reflexiv 
kann  ersetzt  werden  durch  eine  anscheinend  intransitive,  ur- 
sprünglich passivische  ausdrucks weise:  sont  desevret  253.  — 
Eine  grosse  zahl  neuer  reflexiva  hat  das  romanische  durch 
hinzufügen  eines  reflexiven  dativs  (dativus  ethicus  oder  d.  com- 
modi)  geschaffen:  s'en  repentit  31,  me  cuidai  joer  33. 

Das  lat.  Partizipium  präsentis  ist  grossenteils  mit 
dem  gerundium  zusammengefallen  oder  durch  dieses  ersetzt 
worden:  echte  partizipien  siehe  v.  79 f.,  gerundien  132  fuiant, 
803  veant  trestoz  les  voz,  836  a  espandant,  dazu  die  an  den 
beiden  letzten  stellen  verzeichneten  beispiele  (vgl.  zu  dem 
gerundium  ohne  präposition  lat.  konstruktionen  wie  ridendo 
dicere  verum). 

6.   Negation  und  Adverb. 

Die  unbetont  vor  dem  verbum  stehende  negation  ist  ne 
■«—lat.  non,  vor  vokalisehem  anlaut  nen  oder  n': 

ne  vos  en  correciez  26  —  muer  nen  oset  44; 

verstärkt   durch  ein  Substantiv  der  kleinheit  ne  —  pas,  ne  — 
mie,  ne — point  usw.: 

cele  ne  fut  pas  sage  12  —  n'est  mie  si  proz  28. 

18* 


276  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

Haupttonig,  vor  nomen  oder  verbum,  bleibt  non: 
Non  ferez  39. 

Nul  bedarf  zum  ausdruek  des  negativen  'kein'  der  ne- 
gationspartikel: 

ainz  nen  i  sist  nuls  huem  122,  nule  rien  ne  lor  fut 
demoret  247; 

sonst  bedeutet  es  'irgend  einer':  veistes  ongues  rei  nul  dedesoe 
ciel?  9. 

Zur  wiederaufnähme  vorausgegangener  Satzteile  dient  das 
adverb  si  (lat.  sie): 

A  la  sale  a  Paris  si  s'en  est  retornez  60 
sa  feit  si  l'en  plevit  228. 

B.   Der  Satz. 

1.   Wortstellung  im  allgemeinen. 

Die  genau  geregelte  wortstelluDg  des  heutigen  französisch 
hat  sich  erst  in  späterer  zeit  allmählich  entwickelt.  Das  afr. 
besitzt  demgegenüber  noch  viele  freiheit  und  steht  darin  dem 
lateio,  genauer  dem  Vulgärlatein,  noch  nahe.  Das  Vulgärlatein 
liebt  es  im  allgemeinen,  das  regierte  wort  dem  regierenden, 
das  determinierende  dem  determinierten  voranzustellen:  also 
das  verbum  vor  das  Subjekt,  das  objekt  vor  das  verbum,  den 
abhängigen  obliquus  vor  das  regierende  nomen  (vgl.  oben 
a  Damne-Deu  comant  u.  a.),  das  adjektiv  vor  das  Substantiv 
(vgl.  folement  =  *folla  mente,  forment  =  forti  mente).  Dem 
vulgärlat.  gebrauch  gegenüber  zeigt  das  afr.  bereits  wesent- 
liche abweichungen,  andrerseits  hat  es  noch  manche  freiheit 
bewahrt,  die  dem  nfr.  abgeht. 

Die  reihenfolge  der  drei  wichtigsten  Satzteile  ist 
schon  im  afr.  am  häufigsten  diejenige,  welche  für  das  nfr.  als 
regel  gilt:  Subjekt  —  verbum  —  objekt.  Sehr  häufig  ist  auch 
die  umgekehrte  Ordnung,  mit  Voranstellung  des  Objekts  und 
Invertierung  des  Subjekts:  objekt  —  verbum  —  subjekt.  Andere 
Ordnungen  sind  möglich,  aber  nur  unter  bestimmten  ein- 
schränkungen  zulässig  und  jedenfalls  weitaus  seltener  als  die 
eben  genannten. 


m.  Syntaktisches:  B.  Satz.  277 

Eingeleitet  werden  kann  der  aussagesatz  im  altfr.  durch 
Subjekt,  Objekt,  verbum,  adverb,  konjunktion,  aber  nicht  durch 
ein  tonloses  pronomen  oder  ein  hilfsverbum.   Vgl.  anm.  v.  147. 


2.   Stellung  des  Subjekts. 

Die  normale  Stellung  des  Subjekts  im  selbständigen 
aussagesatz  ist  diejenige  vor  dem  verbum  d.  h.  an  der  spitze 
des  Satzes: 

Charles  U  emperere  reguardet  sa  moillier  5, 

Ele  fut  coronee  6,  II  la  prist  par  le  poin  7  usw. 

Inversion  des  Subjekts  ist  afr.  häufig  und  in  folgenden 
fällen  regel  (vgl.  v.  1): 

a)  wenn  der  satz  durch  ein  adverb  oder  sonst  eine  nähere 
bestimmung  eingeleitet  wird: 

Un  jorn  fut  li  reis  Charles  al  saint  Denis  mostier. 

Nach  et  ist  die  normale  Wortfolge,  nach  si,  et  si  die  Inversion  häufiger. 
Vgl.  148  Et  dist  li  patriarche. 

b)  wenn  das  objekt  vorausgenommen  ist  (vgl.  39  Ze  rei 
me  nomez): 

Lez  mutz  et  les  somiers  afeltrent  li  servant  82. 

Für  beide  fälle,  a)  und  b),  lassen  sich  vereinzelte  ausnahmen  auf- 
zeigen, wo  das  Subjekt  nicht  invertiert  ist. 

c)  daher  auch  in  eingeschobenen  Sätzen,  wo  das  voraus- 
gehend gesprochene  das  objekt  bildet: 

'Emperere'  dist  ele  13  —  'Seignor'  dist  Vemperere  67. 

Ausser  den  genannten  fällen  findet  sich  Inversion  häufig 
bei  intransitiven  oder  objektlosen  transitiven  verben  (namentlich 
verben  des  sagen s): 

Chevalchet  Vemperere  102  —  Respont  li  patriarche  162. 

Hingegen  ist  Inversion  im  aussagesatz'  nicht  gestattet,  wenn  durch 
diese  ein  tonloses  pronomen  oder  ein  hilfsverbum  an  die  spitze  des  satzes 
treten  würde  (vgl.  oben  unter  1).  ^o  gilt  nicht  als  tonlose  form,  daher 
^0  dist  li  patriarche  184  (vgl.  s.  264). 

Im  fragesatz  tritt  wie  im  nfr.  inversion  ein,  jedoch  auch 
bei  substantivischem  Subjekt  nur  einfache  inversion  (während 
der  nfr.  brauch  —  vorausstellung  des  substantivsnbjekts  und 


278  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

Wiederholung   desselben   hinter   dem  verbum   durch   ein  pro- 
nomen  —  afr.  nur  vereinzelt  begegnet): 

E,  dame,  ou  est  eil  reis  9  19. 

In  nebensätzen  ist  Inversion  gestattet,  aber  nicht  die 
regel  (vgl.  17): 

Quant  l'entent  li  reis  Charles  17 
Quant  Franceis  ont  mangiet  849. 

In  relativsätzen  wie  in  indirekten  fragesätzen  wird  nicht 
invertiert: 

Et  brochent  a  la  terre  ou  Dieus  regut  martirie  107 
Et  ne  set  mes  harnages  quel  pari  je  sui  tornez  219. 


3.   Stellung  des  Substantivobjekts, 

Schon  im  altfr.  ist  die  Stellung  des  objekts  hinter  dem 
verbum  die  häufigere: 

Rout  prise  sa  corone,  en  croiz  seignat  son  chief  2 

Et  a  ceinte  s'espee  3 

Charles  li  emperere  reguardet  sa  moillier  5. 

Jedoch  kann  das  objekt  dem  verbum  (und  meist  zugleich 
auch  dem  subjekt)  ohne  einschränkung  vorausgeschickt 
werden  (vgl.  39  le  rei  me  nomez): 

M'amistiet  et  mon  gret  en  aves  tot  perdut  54; 

mit  besonderer  Vorliebe  bei  unpersönlichen  ausdrücken: 
Bus  i  out  et  demeines,  barons  et  Chevaliers  4, 

sowie  bei  infinitivkonstruktionen,  wobei  das  objekt  entweder 
zwischen  verbum  finitum  und  Infinitiv  tritt  oder  jenem  vor- 
ausgeht: 

La  croiz  et  le  sepulcre  vueil  aler  aorer  70 
Et  irai  un  rei  querre  dont  ai  o'it  parier  72. 

Wie  im  aussagesatz,  so  auch  beim  imperativ: 
mais  le  rei  me  nomez  39; 

desgleichen  im  nebensatz: 

se  mengonge  avez  dite  52,  se  Dieu  piaist  68. 


m.  Syntaktisches:  B.  Satz.  279 

Bei  mehrgliedrigem  objekt  wird  häufig  nur  das  erste 
vorausgestellt,  die  übrigen  folgen  dem  verbum  (vgl.  85): 
Dus  i  out  et  demeines,  barons  et  Chevaliers  4 
Loher  eigne  traversent,  Baivier  e  et  Honguerie  101. 

Nicht  selten  ist  endlich  auch  die  Stellung  des  Objekts 
zwischen  Subjekt  und  verbum  (vgl.  86): 

Ä  Saint  Denis  de  France  U  reis  s'escrepe  prent  86, 

bei  zusammengesetzten  verbalformen  dann  zwischen  hilfsverb 
und  partizip: 

Li  patriarche  en  at  Charlemagne  apelet  250. 

4.   Stellung  der  objektspronomina. 

Die  objektspronomina  gehören  zum  verbum,  stehen  ent- 
weder proklitiseh  oder  enklitisch  zu  diesem  und  haben  daher 
die  schwachbetonte  (konjunktive)  form. 

Die  gewöhnliche  Stellung  ist  die  proklitische,  vor  dem 
verbum: 

II  la  prist  par  le  poin  7,  Quant  la  met  sor  sa  teste  16, 
L'arcevesgues  Turpins  li  seignat  gentement  87. 

Statt  der  schwachbetonten  kann  zur  hervorhebung,  am  satzanfang, 
auch  aus  metrischen  gründen,  die  betonte  form  stehen:  mei  i  covient 
aler  71.    Ohne  ersichtlichen  grund:  par  fönt  lui  at  clinet  146. 

Seltener  enklitisch  (bei  nicht  eingeleitetem  aussagesatz 
jedoch  regel): 

Trencherai  vos  la  teste  25. 

Beim  nicht  eingeleiteten  positiven  imperativ  ist  die 
regel  enklitische  Stellung,  beim  eingeleiteten  oder  negativen 
imperativ  proklise  (vgl.  v.  19  und  26): 

Donez  nos  le  congiet  844 

Gar  tost  le  m'enseigniez  19,  mais  le  rei  me  nomez  39 

ne  vos  en  corredez  26,  ne  me  tenez  a  fole  45. 

Beim   zusammentreffen  von   dativ-  und  akkusativ- 
pronomen   steht   das  letzte  voran,  auch  wenn   ein  dativ  der 
1.  und  2.  person  folgt  (vgl.  5  Gar  tost  le  m'enseigniez  19): 
orendreit  lern  dires  41. 


280  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

Auch  bei  infinitivkonstruktionen  wird  das  vom  in- 
finitiv  abhängige  pronomen  zum  verbum  finitum  gezogen,  dem 
es  in  der  regel  vorangeht  (vgl.  v.  13  und  147): 

trop  vos  poe0  jpreisier  13,  ja  nel  puis  je  trover  40  — 

seltener  folgt: 

vait  le  ferir. 

Im  letzten  fall  kann  in  beziehnng  auf  den  folgenden  infinitiv  auch 
die  betonte  form  stehen: 

vont  sei  entrebaisier  147. 

Beziehung  des  pronomens  auf  das  verbum  finitum  findet  auch  bei 
präpositionalem  oder  von  einem  fragesatz  abhängigem  Infinitiv  statt: 

pensez  vos  d'aprester  (=  pensez  ä  vous  preparer), 

ne  s'a  de  quoi  reconforter  (=  il  n'a  pas  de  quoi  «e  reconforter). 


5.  Stellung  des  adverbs. 
Adverbia  oder  adverbiale  bestimmungen  können  dem  ver- 
bum  sowol  folgen   wie  im  nfr.  als  auch  vorangestellt  werden 
(vgl.  27): 

trop  vos  poez  preisier  13,  molt  en  est  correciez  17, 
A  la  sdle  a  Paris  si  s'en  est  retornez  60; 

auch  bei  adjektivischem  prädikatsnomen  oder  gleichwertigem 
Substantiv  (indem  im  altfr.  nicht  dieses  allein,  sondern  der 
ganze  verbalbegriflF  oder  der  ganze  satz  durch  das  adverbium 
näher  bestimmt  wird): 

Flus  est  riches  d'aveir  27 

Malt  par  est  Charles  her  814. 

6.    Auslassung  beim  objekt. 

a)  Das  dativobjekt  kann  ohne  a  stehen  und  die  form  des 
blossen  obliquus  annehmen,  wenn  es  personen  oder  persönlich 
gedachte  begriffe  (tiernamen  u.  ä.)  bezeichnet: 

se  Dieu  piaist  68. 

b)  Das  pronominale  akkusativobjekt  (?e,  la,  Zes)  kann 
wegbleiben,  wenn  es  mit  einem  dativpronomen  (me,  te,  li,  lor 
usw.)  zusammentrifft: 

Varcevesques  Turpins  {la)  li  seignat  87. 


III.  Syntaktisches:  B.  Satz.  281 

7.  Kongruenz. 

a)  Das  Prädikatsnomen  richtet  sich  nach  dem  Subjekt, 
daher  auch  das  partizip  bei  den  mit  estre  konstruierten  reflexiven 
Verben  (siehe  oben  A5)  mit  dem  Subjekt  übereinstimmt: 

A  la  sale  a  Paris  si  s^en  est  retornez  60. 

b)  Ebenso  wird  auch  das  adjektivische  prädikatsnomen 
bei  reflexiven  ausdrücken  wie  se  faire  in  den  rektus 
gesetzt: 

qui  plus  se  fait  legiers  14  (vgl.  ebenda); 

auch  nach  präpositionen  (bei  reflexiven  oder  passivischen  aus- 
drücken): 

il  se  tint  a  paiies  —  il  fut  tenus  a  sages. 

e)  Das  von  avoir  abhängige  partizip  richtet  sich  ur- 
sprünglich nach  dem  objekt  ohne  rücksicht  auf  dessen  Stellung 
im  satz: 

Et  at  ceinte  s'espee  3  (vgl.  ebenda). 

Doch  begegnet  ebenso  oft  auch  die  unflektierte  form  (siehe 
die  beiepiele  unter  v.  3),  hier  und  da  wol  mit  rücksicht  auf 
silbenzahl  und  reim: 

De  la  sainte  chemise  que  ele  aveit  revestut  189. 

d)  Nach  com  =  'wie'  kann  das  mit  dem  Subjekt  ver- 
glichene Domen  im  akkusativ  stehen: 

Ne  fut  itels  harnez  com  le  suen  seng  le  vostre  50. 

8.  Gerundium. 

Das  lateinische  gerundium  hat  sich  in  verbaler  Ver- 
wendung teils  als  ehemaliger  ablativus  modi  (plorando, 
fugiendo),  teils  in  Verbindung  mit  praepositionen  (per  creden- 
dum,  ad  expandendum,  in  fugiendo)  erhalten  und  ist  in  beiden 
fällen  unveränderlich  (vgl.  82  servant,  132  fuiant,  836  a  espan- 
dant) : 

de  la  citet  eissirent,  si  s^en  tornent  brochant  90 
La  reine  remaint  dolor  ose  et  plorant  92 
Me  larrai  contreval  par  creant  devaler  37 
A  espandant  lor  portent  le  vin  et  le  claret  836. 


282  Vierter  Teil:  Lautstand,  Formenstand,  Syntax. 

Absolut  steht  das  gerundium,  entsprechend  dem  lat. 
ablativus  absolutus,  wenn  es  sich  auf  keinen  Satzteil  bezieht. 
Das  Subjekt  steht  im  obliquus,  das  gerundium  bleibt  auch  hier 
unverändert: 

veant  trestos  les  voz  803. 

Zum  Übergang  des  gerandiums  in  nominale  Verwendung  vgl.  82  servant, 
836  a  espandant. 


9.   Der  zusammengesetzte  satz. 

Der  zusammengesetzte  satz  (mehrfacher  satz,  periode) 
entsteht  durch  zusammenfügung  mehrerer  sätze  zu  einem 
grammatischen  ganzen,  wobei  der  eine  satz  als  regierender 
oder  hauptsatz,  die  übrigen  als  untergeordnete  oder  neben- 
sätze  erscheinen. 

a)  Der  hauptsatz  kann  durch  ein  si,  et  si  oder  et  ein- 
geleitet werden  (vgl.  20  si,  48  et  si,  auch  60  si),  sei  es  in 
bezug  auf  einen  vorausgehenden  nebensatz: 

La  ou  veit  Olivier,  sil  prent  par  son  geron  853; 

sei  es,  bei  parataktischem  Satzgefüge,  in  beziehung  auf  einen 
vorausgehenden  hauptsatz  (hier  meist  durch  unser  'und'  wieder- 
zugeben): 

Charles  out  fler  le  vis,  si  out  le  chief  levet  128 

Emperere  est  de  Grece  et  de  Costantinohle 

Et  si  tient  tote  Ferse  tresques  en  Capadoce  47—48. 

b)  Der  nebensatz.  Die  zur  einleitung  am  häufigsten  ver- 
wendete konjunktion  ist  que.  Sie  geht  in  ihrer  funktion  auf 
lat.  quod  in  seiner  spätlat.  Verwendung,  in  ihrer  form  auf  lat. 
quid  (nach  anderer  annähme  auf  quem)  zurück.    Vgl.  30  que. 

In  ausgedehnterem  umfang  als  im  nfr.  kann  que  im  afr. 
zur  einleitung  von  Sätzen  verwant  werden,  welche  einen  das 
im  hauptsatze  ausgesagte  begleitenden  Sachverhalt  vorführen, 
im  sinne  von  'unter  den  umständen  dass,  in  der  art  dass, 
währenddem  dass'.  Vgl.  im  nfr.  sätze  wie:  je  lui  parlai  qu'il 
etait  encore  au  lit.  Infolgedessen  bekommt  que  —  ne  ('unter 
den  umständen,  dass  —  nicht'),  zumal  nach  negativem  hauptsatz, 


in.  Syntaktisches:  B.  Satz.  283 

häufig  den  sinn  des  nfr.  sans  que  'ohne  dass,  ohne  zu':  nfr.^'e 
ne  m'en  irai  point  que  vous  ne  venies  avec  moi.  Vgl.  dazu  die 
beispiele  unten  mit  weglassuug  von  que. 

c)  Fehlen  von  que.  In  bestimmten  fällen  kann  die  kon- 
junktion  que  (je  nachdem  auch  das  relativpronomen)  wegbleiben 
(vgl.  9—10).  Teilweise  handelt  es  sich  hier  um  ursprünglich 
para taktische  satzfügung.    Die  ellipse  ist  gestattet: 

1.  nach  den  verben  sentiendi: 

Or  veit  li  patriarche,  Dieus  i  fait  granz  vertue  196. 

2.  in  konsekutiven  Sätzen: 

Tant  out  fier  le  visage,  ne  l'osat  esguarder  131. 

3.  in  Sätzen,  die  ein  näheres  merkmal  bezeichnen  (vgl.  oben), 
namentlich  wenn  der  sinn  des  ganzen  negativ  ist: 

Donrai  vos  iels  reliques,  meillors  nen  at  soz  ciel  169 

n'i  out  un,  n'en  paroU  812 

Ja  ne  vendrons  en  terre,  nostre  ne  seit  li  los  815,  dazu  256  ff. 

4.  in  wünsch-  oder  befehlssätzen: 

prez  sui,  la  meie  port  806 
ne  puis  laissier,  nel  d'ie  (683). 

d)  Accusativus  cum  infinitivo  statt  des  nebensatzes 
erscheint  (vgl.  71  covient): 

1.  nach  verben  der  sinnlichen  Wahrnehmung: 
Devers  les  porz  de  mer  o'it  un  vent  venir  (369). 

2.  nach  verben  des  machens,  befehlens,  zulassens: 

Me  larrai  contreval  par  creant  devaler  37 
Voldrent  la  faire  diaule  servir  Eulalia  4. 

3.  nach  impersonalen  verben  wie  covient,  estuet,  avient, 
miele,  vient,  leist,  faut  (dieses  erst  seit  13.  jh.  in  diesem  sinn): 

mei  i  covient  aler  71. 

Statt  des  acc.  begegoet  schon  altfranz.  aach  der  dativ  (Si  lor  estut 
le  champ  guerpir),  statt  des  reinen  infinitivs  praeposition  mit  Infinitiv  (tei 
covenist  keime  e  brunie  a  porter). 


284      Vierter  Teil:  Lautstand  usw.  —  III.  Syntaktisches:  B.  Satz. 

10.   Ellipse  des  verbums. 

Das  verbum  des  hauptsatzes  wird  meist  unterdrückt  in 
den  Wendungen,  welche  'beinahe'  bedeuten  {a pou,  jpor  pou, pres 
sc.  va,  ce,  va  —  que,  vgl.  132): 

Ä  pou  que  il  ne  cJiiet  132. 

Ebenso  sind  anch  fälle  zu  beurteilen,  wo  ein  satz  mit  que  an  adverbiale 
ausdrücke  der  versicheruog,  der  Verneinung  u.  ä.  angeknüpft  wird:  Mon 
esctent  que  vos  amez  —  Certes  que  trettot  qo  fait  ai. 

Das  verbum  des  nebensatzes  kann  unterdrückt  werden, 
wo  es  das  des  hauptsatzes  wiederholt  oder  sonst  leicht  zu 
ergänzen  ist: 

ele  dist  moU  que  fole  (dit)  819. 


Fünfter  Teil. 

Proben  aus  den  ältesten  Sprachdenkmälern. 


Die  Karlsreise  gehört  zu  den  ältesten  epischen  diehtungen 
in  französischer  spräche,  aber  diesen  selbst  gehen  noch  eine 
reihe  geistlicher  französischer  gedichte  voraus  und  diesen 
wiederum  die  ältesten  denkmäler  für  die  Verwendung  des 
französischen  überhaupt.  Das  Studium  dieser  ältesten  Sprach- 
denkmäler —  die  zum  teil,  wie  Eulaliasequenz,  Passion,  Leo- 
degar,  zugleich  literatur denkmäler  sind  —  ist  um  so  lehrreicher, 
als  sie  verschiedenen,  nichtfrancischen  mundarten  des  fran- 
zösischen angehören. 

Die  ältesten  spuren  eigenen  französischen  Wortschatzes 
und  auch  schon  französischer  lautformen  treten  uns  in  den 
glossaren  des  8.  und  9.  Jahrhunderts  entgegen,  in  denen 
Worte  des  hochlatein  durch  romanische  worte  erläutert  oder 
lateinische  worte  in  teilweise  volkssprachlicher  form  wieder- 
gegeben werden.  Das  älteste  zusammenhängende  Sprachdenkmal 
sind  die  StrassburgerEide  (842),  das  älteste  literatur- 
denkmal  die  Eulaliasequenz  (um  882).  Es  folgen  im 
10.  Jahrhundert  das  bruchstUck  einer  predigt,  das  sog.  Jonas- 
fragment, und  die,  beiden  teilweise  in  provenzalische  spraeh- 
formen  umgeschriebenen  gedichte  von  der  Passion  Christi 
und  dem  Leben  des  heiligen  Leodegar.  Schon  in  die 
mitte  des  11.  Jahrhunderts  führt  das  (hier  nicht  berücksichtigte) 
Alexiuslied,  in  das  ende  des  11.  oder  den  anfang  des  12.  Jahr- 
hunderts die  ältesten  epen  (Roland,  Isembart  und  Gormont, 
Chan9on  de  Guillelme,  Karlsreise,  Ludwigs  krönung). 

I.   Die  ältesten  Glossare. 

Das  sog.  Reichenauer  glossar  (handschrift  ursprünglich 
im  kloster  Reichenau  am  Bodensee,  jetzt  in  Karlsruhe),  im 
8.  Jahrhundert,  spätestens  anfang  des  9.  jhs.  geschrieben,  enthält 
im  ersten  teil  eine  präparation  zur  Vulgata  (von  der  Genesis 


286  Fünfter  Teil:  Älteste  Sprachdenkmäler. 

bis  zu  den  Psalmen),  im  zweiten  teil  ein  alphabetisch  geordnetes 
glossar,  in  welchem  eine  anzahl  hoehlateinischer  worte  und 
Wendungen  durch  die  in  der  vulgären  Umgangssprache  üblichen 
umschrieben  werden:  so  vulnera  durch  plaga  (vgl.  frz.  plaie), 
meridiem  durch  diem  medium  (midi),  aridam  und  are facta 
durch  sic{c)am-a  (seche),  ebenso  is  —  ille  (li,  le),  id  —  hoc  (o,  auch 
in  go  —  ce),  orta — nata  (riee),  optimos — meliores  (meilleurs), 
ita  —  sie  (si),  gratis — sine  pretio  {sans  prix  =  sans  recompense), 
peperit — infaniem  Jiahuit  {eile  eut  un  enfant);  auch  worte 
germanischer  herkunft  begegnen  in  den  Umschreibungen,  wie 
brunia  für  thorax,  helmus  für  galea,  auch  bei  namen,  wie 
Langobardia  für  Italia,  Frantia  für  Gallia.  Auch  lautliche  Ver- 
änderungen lassen  sich  beobachten,  so  fall  unbetonter  vokale: 
rit  {rede),  manaces  {minacias),  colpus  {colaphus),  cuhet  {collocet — 
cuUzet),  carcati  {carricaii);  erweichung  intervokaler  konsonanten: 
eastradus  {castratus),  brogas  {bracas);  gelegentlich  auch  formale 
Verschiebungen:  caderunt  {ceciderunt),  fugire (fugere), geschlechts- 
wechsel:  pontus  {punctum),  vestimenta  regalis  {v.  regalia),  oder 
syntaktisches:  gerundium  in  equiiando  (für  equitans  oder  equi- 
tantes).  Darüber  dass  dies  glossar  seinem  wesentlichen  bestand- 
teil  nach  dem  nordfranzösischen  Sprachgebiet  angehört,  besteht 
kein  zweifei. 

Ein  zweites,  gleichfalls  aus  Reichenau  stammendes  und 
jetzt  in  Karlsruhe  befindliches  glossar  des  8.  Jahrhunderts  er- 
läutert in  ähnlicher  weise  eine  anzahl  lateinischer  bibelworte. 

Aus  dem  9.  Jahrhundert  stammen  die  Kasseler  glossen 
(früher  in  Fulda),  welche  ein  systematisch  angelegtes  latein- 
romanisches Vokabular  mit  deutscher  Übersetzung  enthalten 
und  dadurch  zugleich  bedeutung  für  die  deutsche  Sprach- 
geschichte gewinnen.  So  werden  nacheinander  behandelt:  teile 
des  menschlichen  leibes,  haustiere,  haus  und  was  dazu  gehört, 
Meldung,  hausrat  u.  ä.  und  eine  anzahl  sätze.  Auch  hier  sind 
die  romanischen  Wörter  möglichst  dem  schriftlateinischen  typus 
angeglichen,  wie  die  unromanischen  endungen  -um,  -em,  -am, 
-ibus  zeigen.  Daneben  macht  sich  in  der  Schreibung  ger- 
manischer einfluss  bemerkbar  wie  f  für  v,  c  für  g,  p  für  b 
{fidelli,  callus,  parba  für  videlli,  gallus,  barba),  was  wol  auf 
rechnung  eines  deutschen  kopisten  kommt,  der  auch  den 
sehlussteil  des  glossars  mit  dem  bairischen  selbstlob  zugefügt 


I.  Glossare.  —  II.  Die  Strassburger  Eide.  287 

haben  mag:  stulii  sunt  Romani,  sapienti  sunt  paioari  —  tole 
sint  uualha,  spähe  sint  peigira.  Mehr  aber  als  in  den  Reichenauer 
glossen  kommt  hier  romanische  und  besonders  französische 
laut  form  zum  Vorschein.  So  ist  fehlen  des  endvokals  häufig: 
cälamel  (lat.  calamellus  v.  calamus)  =  frz.  chalumeau,  hanap 
(deutsch  hnap  —  napf),  vestid  (lat.  vestitum),  mantun  (lat.  *mew- 
tonem  v.  mentum)  =  nfr.  menton.  Man  vergleiche  ferner  die 
erweichung  des  intervokalen  t  in  fidelli  (aus  lat.  vitelli  für  vituli) 
=  afr.  veel  nfr.  veau,  pridias  (lat.  parietes)  =  frz.  paroi,  sedella 
{*sitella  für  situla  eimer)  —  vgl.  frz.  seel  —  seau,  desgleichen 
des  b  in  cavallus  f.  cahallus]  auch  rein  vulgäre  formen  wie  va 
=  lat.  vade  sind  vereinzelt  zu  finden.  Lautform  und  Wort- 
schatz weisen  auch  dies  glossar  nach  Nordfrankreich.  Ein 
versuch,  das  glossar  dem  rätoromanischen  Sprachgebiet  zu- 
zuweisen, ist  nicht  als  gelungen  zu  betrachten. 

IL  Die  Strassburger  Eide.») 

Die  sog.  Strassburger  Eide  wurden  im  jähre  842  zwischen 
Ludwig  dem  Deutschen  und  Karl  dem  Kahlen  behufs  eines 
bündnisses  gegen  Lothar  gewechselt.  Zuerst  schwor  Ludwig 
seinen  eid  in  französischer,  darnach  Karl  denselben  eid  in 
deutscher  spräche  (damit  jeder  der  beiden  von  dem  volk  des 
andern  verstanden  würde);  endlich  schworen  die  vornehmen 
des  beiderseitigen  heeres  einen  eid,  diejenigen  Karls  auf  fran- 
zösisch, diejenigen  Ludwigs  auf  deutsch.  Diese  Eide  sind  uns 
in  dem  gesehichtswerk  Nithards  (eines  enkels  Karls  des  Grossen), 
in  den  Historiarum  libri  tres,  tiberliefert.  Für  die  mundart 
der  französischen  Eide  kommen  nur  südliehe,  dem  proven- 
zalischen  benachbarte  gebiete  in  betracht:  am  ehesten  das 
von  Lyon,  d.  h.  das  sogenannte  franco-provenzalische,  dem 
auch  die  erhaltung  des  betonten  a  in  offener  silbe  als  a 
(fradre,  saluar,  returnar)  eigen  ist. 

Die  sonstigen  eigentümlichkeiten  der  Eide  erklären  sich 
teils  durch  das  hohe  alter  des  denkmals,  das  von  der  Karls- 
reise durch  mehr  als  zweieinhalb  Jahrhunderte  getrennt  ist, 
teils    durch    die    Schwierigkeit,    welche    der    Verfasser    oder 

*)  Hier  und  im  folgenden  verweise  auf  oben  gegebene  erklärongen 
unter  KR  (Karlsreise)  und  verszahl. 


288 


Fünfter  Teil:  Älteste  Sprachdenkmäler. 


Schreiber  hatte,  um  die  ausspräche  der  bisher  schriftlich  nicht 
niedergelegten  vulgärsprache  genau  widerzugeben.  So  be- 
zeichnet er  mit  i  nicht  nur  das  auch  sonst  als  i  erseheinende 
geschlossene  i  (wie  in  di  =  tag),  sondern  auch  das  kurze  ge- 
schlossene e  (in  =  ^n,  ist  eist  =  est  cQst,  quid  =  qued,  int  =  ent 
lat.  inde)  sowie  das  lange  geschlossene  e,  das  später  als  ei  (oi) 
erscheint  {sauir  podir  =  saveir  po{d)eir  lat.  *sapere  *potSre, 
dift  =  dei{f)t  lat.  dehet,  mi  =  mei  lat.  me,  sit  =  seit  lat.  sU) 
und  hier  vielleicht  noch  als  e*  zu  lesen  ist,  jedenfalls  noch 
vom  diphthongen  ei  aus  ß  +  jot  geschieden  war,  wie  die 
Schreibung  dreit  =  lat.  directum  zeigt.  Die  bezeichnung  des 
geschlossenen  o  durch  u  {amur,  dunat,  cum  usw.)  ist  auch  später 
in  franz.  (zumal  anglonorm.),  auch  in  prov.  hss.  vielfach  üblich. 
Als  altertümlichkeit  ist  hervorzuheben  die  erhaltung  des  inter- 
vokalen t  als  d  (dh)  sowie  die  qualitative  Verschiedenheit  der 
(nach  dem  eintreten  der  vokalischen  auslautpgesetze)  erhalten 
gebliebenen  endvokale,  von  denen  lat.  ü  fast  ausschliesslich 
durch  0,  lat.  a  regelmässig  durch  a  (einmal  —  nach  palatal,  in 
fazet  —  durch  e),  lat.  e  durch  e  (einmal  a)  wiedergegeben  wird. 
Der  von  den  beiden  fürsten  geschworene  eid  lautet  (links 
in  sog.  diplomatischem  abdruck,  daneben  in  hergerichteter, 
zur  erleichterung  des  Verständnisses  bestimmter  Schreibung, 
rechts  auf  deutsch,  d.  h.  rheinfränkisch): 


Pro  d.5  amnr  & 
$xplan  poblo  &  nrö 
cüinun  saluament.  dist  di 
en  anant :  inquantds 
saair  &  podir  medti- 
nat  .  sisalaaraieo.  eist 
meon  fradre  karlo  .  &  in 
ad  iudba  &  in  cad  hu- 
na  cosa  .  sicü  um  p  dreit. 
son  fradra  saluar  dist  .  I 
no  quid  ilinialtre  si  faz&  . 
E  t  abludher  nul  plaid  nü- 
qnä  prindrai  qui  meon 
uol  eist  meon  fradre  karle 
in  damno  sit.^) 


Por  Deo  amor  et  por 
Christian  poblo  et  nostro 
commnn  saluament  d'est  di 
en  anant,  en  quant  deus 
sane^r  et  pode'r  me  donat, 
si  salvarai  eo  cest 
meon  fradre  Karlo  et  ea 
aiudba  et  en  cadbu- 
na  cosa  si  com  om  per  dreit 
son  fradre  saiaar  deUt,  en  o 
qned  il  (el)  me'  altresi  fazet. 
Et  ab  Ludher  nul  plaid  non- 
qua  preodrai  qui  meon 
vol  cest  meon  fradre  Karlo 
en  damno  sf'i.*) 


In  godes  minna  ind  in 
thes  christiaoes  foluhes  ind 
unser  bedhero  gehaltnissi, 
fon  thesemo  dage  fram- 
mordes,  so  fram  so  mir  got 
geuuizci  indi  mahd  furgibit, 
so    haldih    thesan    minan 

brnodher  soso  man  mit 
rebtu  sinan  bruodber  scal, 
in  thiu  thaz  er  mig  so  sama 
dao,  indi  mit  Ladberen  in 
nohheiniathiognegegaogo, 
the  minan  willon  imo 
ce  scadhen  werdhen.») 


^)  Die  kürzungen  sind  die  auch  sonst  üblichen,  schon  im  lat.  ge- 
bräuchlichen.   Der  strich  oder  geschweifte  längsstrich  wie  in  du  =  deo, 


IL  Die  Strassburger  Eide.  289 

Der  zweite  eid  lautet  folgendermassen: 

Silodhunigs  sagrament.  j       SeLodhovigssagrament 
qu^  son  fradre  karlo  iu-   qne  son  fradre  Karlo  JU' 


rat  conseruat  .  Et  karlus  |  rät,    conservat   et   karlus 


Oba  Karl  theo  eid,  then 
er  slnemo  bruodher  Lu- 
dhunige  gesuor,  geleistit, 


nro  =  nostro,  cü—cum  ist  allgemeines  kürzUDgszeichen,  um  anzudeuten, 
dass  überhaupt  eine  auslassung  vorgenommen  wurde,  am  häufigsten  ge- 
braucht zur  bezeichnung  eines  fehlenden  n  oder  m  (wie  noch  heute  bei 
unserem  doppel-w  und  -m).  Ein  pnnkt  unter  einem  buchstaben  macht 
diesen  ungültig:  so  hat  der  Schreiber  adiudha  zu  aiudha,  en  zu  in 
gebessert,  ein  beweis,  wie  sorgfältig  er  seine  vorläge  kopiert  hat.  Der 
i-punkt  erscheint  in  den  alten  hss.  noch  nicht,  später  zuerst  als  schräger 
strich,  dann  als  punkt.  Häufig  ist  es  daher  in  alten  hss.  ungewiss,  ob 
drei  grundstriche  nebeneinander  als  m,  in  oder  ni  zu  lesen  sind.  Vgl. 
auch  den  abdrnck  der  ersten  laisse  der  Karlsreise  nach  der  handschrift 
im  anhang. 

2)  Zur  erläuterung  im  einzelnen:  Pro  für  Por  ist  ein  blosser  latinismus 
der  Schreibung;  das  gleich  darauf  folgende  zeichen  p  wurde  in  der  lat. 
kurzschrift  für  pro  und  demgemäss  im  französischen  auch  für  por  gebraucht, 
daher  ein  ^  des  Originals  leicht  mit  pro  aufgelöst  werden  konnte.  —  Deo: 
soviel  wie  Deu  (daneben  später  Dieu),  im  sinne  des  genetivs  (im  deutschen 
text  in  godes  minna):  vgl.  KR  1  al  Saint  Denis  montier;  ebenso  nachher 
chriatian  poblo.  —  Christian:  lehn  wort.  —  poblo:  vielleicht  pöbblo 
oder  pooblo  zu  lesen,  vgl.  das  oben  über  savir  et  podir  gesagte.  —  est 
aus  lat.  istum,  im  franz.  nur  noch  vereinzelt  zu  belegen,  sonst  durch 
icest,  cest  (ecce  istuni)  ersetzt.  Zum  ganzen  ausdruck  d'est  di  en  auant 
vgl.  nfr.  dorenavant  =  rf'ore  en  avant  {de  ha{c)  hora  in  ab  ante).  —  i  o : 
wechselt  in  der  Schreibung  mit  eo  (lat.  ego);  der  accent  lag  daher  wol 
auf  dem  o,  wie  auch  lyonesisch  jo  und  die  schriftfranz.  entwicklung  zu 
je=^dii  vermuten  lässt.  —  et  en  aiudha  et  en  cadhuna  cosa: 
„sowol  bei  (etwa  notwendig  werdender)  hilfeleistung  als  auch  in  jeder 
(anderen)  sache*  —  fehlt  im  deutschen  text.  —  per:  wie  für  pro  hatte 
das  lat.  kurzschriftsystem  auch  für  ^er  eine  kürzung,  nämlich  j5,  die  im 
franz  meist  mit  ^par,  iu  den  südl.  dialekten  ebenso  wieiin  prov.  mit  j3<'r  aufzu- 
lösen ist.  —  dist  —  deift:  an  eine  form  disf  =  lat.  decet  ist  nicht  zu  denken, 
hiügegen  ein  verschreiben  dist  für  dift  bei  der  ähnlichkeit  des  langen  s 
mit  /',  zumal  bei  folgendem  t,  sehr  leicht  oiöglich  {debet — >devet — >de*vt 
—>  deift —*■  dtit  —  doit.  —  en  o  qned:  wörtlich  in  hoc  quid  (=  quod) 
'unter  der  bedingung  dass'.  —  il:  kann  nach  der  Orthographie  des  Schreibers 
sowol  echtes  i  (wie  in  di)  oder  p  sein  (wie  in  est,  cest).  Im  ersten  fall 
wäre  es  die  im  franz.  übliche  umgelautete  form  aus  Uli,  im  zweiten  die  im 
provenzalischen  und  in  franz.  nachbardialekten  regelrecht  aus  iiZe  entwickelte 
form  et.  —  fazet:  ist  hier  wie  so  oft  sog.  verbum  vicarium,  als  welches 
es  in  die  koustruktion  des  von  ihm  vertretenen  verbums  (hier  salvar) 
eintritt,  daher  mei  akkusativ  ist,  wie  auch  die  entsprechende  deutsche 
Wendung  mig  duo  (=  mich  tue,   d.  i.  mich  schütze)  lehrt.  —  ab:   die 

Voretzaoh,  Studium  d.  afrz.  Sptache.    5.  Aufl.  19 


290 


Fünfter  Teil:   Älteste  Sprachdenkmäler. 


meossendra    desno    partn 

lostanit  .  si  ioreturnar 
non  lint  pois  .  neio  ne- 
neuls  cui  eo  returnar 
int  pois  .  in  nnlla  a  iu^ha 
contra  lodhuuuig  nunli 
iuer.  ^) 


meos  sendra  de  sua  part 
lo  fraint  —  se  io  retnrnar 
non  l'ent  pois  —  ne  io  ne 
neuls  cui  eo  returnar 
ent  pois,  en  nnlla  aiudha 
contra  Lodhouig  non  lui 
ier.  *) 


indi  Ludhuuig  min  herro 
then  er  imo  gesuor  for- 
brihchit,  ob  ih  inan  es 
irwenden  ne  mag,  noh  ih 
noh  thero  nohhein  the  ich 
es  irwenden  mag,  widhar 
Karle  imo  ze  foUusti  ne 
wirdhit. 


provenzalische  form  der  lat  präp.  apud  (frz.  od  —  ot),  begegnet  aber 
auch  in  den  franz.  grenzdialekten  von  Poitou  und  Burgund.  Vgl.  v,  138 
(s.  221).  —  nüquä:  aufgelöst  nunquam,  ist  latinismus  oder  Schreibfehler 
fürnüqua  =  nunqua.  —  meon  vol:  „adverbialer  akkusativ  des  Substantivs 
vol,  entsprechend  dem  deutschen  minan  willon,  auch  später  noch  sehr 
üblich,  aber  auch  mit  vorgesetzter  präposition  gebraucht:  ä  mon  vuel, 
au  mien  voll"  (Diez).  —  cest  meon  fradre:  obliquus  für  den  dativ  bei 
personenbegriflfen,  vgl.  KR  68. 

^)  Im  deutschen  text  der  hs.  finden  sich  einige  Schreibfehler  und 
versehen ,  die  oben  gebessert  worden  sind :  gealtnissi  —  madh  —  tesan  — 
bruher  —  luheren  —  soso  ma  (f.  so  sama)  —  werken. 

')  Erläuterungen:  si  (wenn)  kann  nach  der  vom  Schreiber  angewanten 
Orthographie  sg  oder  si  zu  lesen  sein.  Beide  formen  sind  altfr.  gebräuch- 
lich, die  erste  allerdings  häufiger,  vgl.  KR  23.  —  sagrament:  das 
fehlen  des  artikels  ist  weniger  altertümlichkeit  als  latinismus;  sagrament 
mit  gr  statt  ir  (sairement)  ist  gewiss  lehnw örtlich,  da  in  plaid<—plac(i)tum 
lat.  d  bereits  als  id  —  it  erscheint.  —  que:  §  dient  im  mittelalter- 
lichen latein  meist  als  Vertreter  des  lat.  ae  und  ist  hier  wol  nur  ein 
schreibversehen.  —  son  fradre  Karlo:  dativ  wie  oben  cest  meon 
fradre  Karlo.  —  jurat:  perfekt  (lat.  juravit),  wie  das  deutsche  gesuor 
zeigt.  —  sendra:  daneben  sendre  {sendrce  in  der  Passion  Christi),  die 
regelrecht  entwickelte  vollform  aus  lat.  senior,  entsprechend  dem  obliquus 
seignor  (seigneur)  <—  seniorem.  Rektns  sire  und  obl.  sieur  (monsieur)  sind, 
zunächst  im  gebrauch  vor  eigennamen  entwickelte,  kurzformen.  —  suo: 
zweifellos  verschrieben  für  sua.  —  non  lostanit:  muss  dem  sinne  nach 
bedeuten  'ihn  bricht'  (vgl.  deutsch  forbrihchit)  oder  'ihn  nicht  hält'.  Eine 
entsprechende  form  von  tenere  —  teneir  lässt  sich  aber  nicht  herausdeuten, 
sie  müsste  tient,  allenfalls  t6{b)nt  lauten,  daher  man  stanit  als  verschrieben 
für  franit  ==  frant  oder  für  fraint  (lat.  frangit)  nimmt  (vgl.  oben  dist  = 
dift)  und  das  überflüssige  non  als  gedankenlosigkeit  eines  kopisten  auffasst, 
der  nach  dem  vorangegangenen  ein  non  conservat  im  sinne  hatte.  —  ent: 
die  ältere  und  vollere  form  des  lat.  inde,  später  noch  so  im  pikardischen, 
sonst  en.  —  pois:  die  undiphthongierte  form  von  vulglat.  *possio,  sonst 
*puois — puis.  —  neuls:  nebenform  von  nuls  (nüllus),  aas  ne{c)  ullus, 
vgl.  niule  kose  in  der  Enlalia  (s.  u.),  —  nun  li  iuer:  Diez  erklärte  non 
U  iv  er  =  non  Uli  ibi  ero,  wobei  iv  eine  mittelstufe  zwischen  lat.  ibi  und 
frz.  i  (y)  darstelle  (vgl.  ital.  vi),  also  'ich  werde  ihm  darin  nicht  (zu  hilfe) 
sein'.    Diese  erklärung  lässt  sich  auch  heute  noch  halten,  trotzdem  die 


IL  Strassburger  Eide.  —  III.  Eulaliasequenz.  291 

IIL    Die  Enlaliasequenz. 

Die  Sequenz  war  eine  besonders  in  der  lateinisch  -  christ- 
liehen literatur  ausgebildete,  aus  dem  kirehengesang  hervor- 
gegangene dichtform.  Die  französische  Eulaliasequenz  ist  in 
der  tat  metrisch  nach  dem  Vorbild  einer  in  derselben  hand- 
schrift  tiberlieferten  lateinischen  Eulaliasequenz  gebaut,  während 
sie  den  Inhalt,  den  märtyrertod  der  spanischen  heiligen  Eulalia, 
im  wesentlichen  einem  lateinischen  hymnus  von  Prudentius 
(4.  jahrh.)  entnimmt.  Verfasst  wurde  das  gedieht  bald  nach 
881  im  wallonischen  Sprachgebiet. 

Die  sprachliehen  eigenttimliehkeiten  dieses  textes  gegen- 
über der  francischen  Schriftsprache  der  'Karlsreise'  erklären 
sich  teils  durch  den  älteren  sprachzustand,  teils  durch  den 
abweichenden  dialekt,  teils  als  latinismen  des  Schreibers  oder 
des  dichters.  Zu  diesen  letzten  gehören  jedenfalls  völlig 
lateinische  Schreibungen,  wie  anima,  rex,  dementia,  Christus 
(neben  Krist)  für  an{e)me,  reis,  clemence,  halb  latinisierte  wie 
Corps  für  cors,  auch  regiel  und  pagiens  für  reiiel  und  paiiens, 
die  bewahrung  des  endungs-a  in  huona,  pulcella  usw.,  des 
doppel-Z  in  pulcelle,  polle,  eile  u.a.  Das  i  für  e  in  inimi, 
domnizelle,  in  ist  möglicherweise  nur  bezeichnung  für  ge- 
schlossen ^  (vgl.  die  Eide)  oder  lehnwörtlich  wie  in  virginitet. 
—  Als  altertümliche  züge  erseheinen  uo-^—^  für  späteres  ue 
in  huona,  suon,  ruovet;  bewahrung  des  intervokalen  d  {t)  in 
presentede\  die  plusquamperfektformen  (im  sinne  des  Prä- 
teritums) auret,  pouret,  füret,  voldret,  roveret  aus  hahuerat, 
potuerat,  fuerat,  voluerat,  rogaverat.  —  Dialektisch  (besonders 
wallonisch  und  lothringisch)  ist  das  unterbleiben  der  bedingten 
diphthongierung  bei  4  und  p:  melz  für  mieh,  lei  für  Hiei  —  li, 
wol  auch  Beo  für  Bleu  (neben  Deu)\  coist <— coxit  (fou  für 
*fuou  auch  francisch  infolge  von  dissimilation).  Auch  die 
formen   auret,  auuisset  mit  au  (gegen  francisch  out,  ourent, 


form  iv  {(v)  singulär  bleibt.  Aber  auch  Lückings  erklärung  non  lui  ier 
('nicht  werde  ich  ihm  sein')  ist  nicht  von  der  hand  zu  weisen,  zumal 
dabei  das  schwierige  iv  wegfällt.  Das  betonte  pronomen  lui  wäre  syn- 
taktisch hier  ebenso  zulässig  wie  das  nebentonige  li,  vgl.  KR  146  sowie 
unten  Leodegar  v.  222,  232;  lat.  ero  wird  ursprünglich  starktonig  zu  ier, 
nebentonig  zu  er. 

19* 


292 


Fünfter  Teil:  Älteste  Sprachdenkmäler. 


oüst)  gehören  dem  ostfraozösischem  gebiet.  Cose  kann,  ebenso 
wie  ehielt,  cJiief,  mittelstufe  sowol  für  westliches  (pikardisch, 
normannisch)  Jcose,  kielt,  kief  wie  für  östliches,  überhaupt 
gemeinfranzösisches  cJwse  (=  i§ose),  ehielt,  chief  sein.  Ebenso 
muss  auch  unentschieden  bleiben,  ob  c  in  ciel  und  celle  ts  wie 
im  wallonischen  und  francischen  oder  ts  wie  im  pikardischen 
bedeutet.  —  Za  beachten  bleibt  noch:  die  bezeiehnuog  des  o 
durch  ou  {hellezour,  souve),  des  mouillierten  stimmhaften  ^ 
(später  -«>-)  durch  einfaches  z  {bellezour,  domniselle),  des  ent- 
sprechenden stimmlosen  lautes  (später  -iss-)  durch  zs  {laszier), 
sowie  das  schon  in  diesem  denkmal  häufige  vorkommen  des 
analo^ischen  konjanktiv-e  {raneiet,  degnet;  perdesse,  auuisset, 
vgl.  KR  10  seist).  Auffällig  ist  das  fehlen  des  auslautenden  t 
in  den  konjunktivformen  perdesse,  arde  (im  letzten  fall  aller- 
dings vor  titost)',  sonst  ist  es  regelmässig  geschrieben. 

Der  literarhistorisch  und  sprachlich  so  wichtige  text  folgt 
hier  zunächst  in  sogenanntem  diplomatischen  abdruck,  d.  h. 
in  der  Orthographie,  Silbentrennung  und  Interpunktion  der 
handschrift,  daneben  in  einem  regulierten  text  mit  wort- 
trennung,  Interpunktion,  auflösung  der  abkürzungen,  Scheidung 
von  i  und  j,  u  und  v,  von  grossen  und  kleinen  anfangsbueh- 
staben  usw.,  sowie  mit  bezeichnung  der  versakzente  (nach 
M.  Enneccerus).  Ein  sogenannter  kritischer  text  findet  sich  in 
Koschwitz'  'Textes  critiques'. 


I  Biiona  pulcella  fut  eulalia. 

Bei  auret  Corps  bellezour  anima 
II  Uoldrent  laueiütre  li  dö  laimi. 

Uoldrent  lafairo  diaule  seruir 


1    Biiona  pulc61a  fat  Ealalia, 
Bei  auret  cörs,  bölezour  aaimä. 

3   Völdreat  la  veiatre  li  Deo  inioii, 
Völdrent  la  faire  diävle  servir. 


Bemerkungen  im  einzelnen.  Vers  2  auret  corps:  für  das 
fehlen  des  artikels  in  dieser  redensart  lassen  sich  noch  andere  beispiele 
aus  altfraozösischen  uüd  provenzalischen  deakinälern  beibringen  (s.  Diez).  — 

3  Deo:  einsilbig,  gleich  dem  sonst  üblichen  deu  (dieu).  Der  obliquns 
hier   im    sinne    des    genetivas    ohjectivns,     vgl.   KR    1    Saint   Denis.    — 

4  diavle:  lehn  wort  wie  fraacisch  diable  wegen  erhaltang  des  dt""'' 
anstatt  j  (dreisilbig:  diade  zu  lesen),  sowie  wegen  behaadliing  der  silbe 
-abolum  (vg].  tabula— ff  öle) ,  aber  mit  dialektischem  (nordostfranzösischem) 
Wandel  des  b  vor  l  zu  v  (neawallonisch  dial).  Der  artikel  kann  bei 
diable  in  der  älteren  spräche  fehlen  wie  regelmässig  bei  Deu,  Dieu,  vgl. 
auch  V.  6  en  ciel  und  ähnl.  (vgl.  KR  127).  —  servir:  in  der  älteren 
spräche  mit  dativ  wie  im  lat.,  daher  hier  diavle  für  a  diavle  steht,  vgl.  KR  68. 


•    III.  Eulaliasequenz.  293 

III  Elle  nont  eskoltet  les  mals        5  Ele  nönt  esköltet  les  mäls  con- 

conselliers. 

.  BUS  en  ciel. 

Quelle  du  raneiet  chi  maent. 

IV  Ne  por  or  .  ned  ar  gent .  ne- 

paramenz. 
Por  manatce  regiel  nepreie- 

ment. 
V    Niule  cose  non  lapouret  omq, 

pleier. 
La  poUe  sempre  ü  amast  lo 

(Jö  ^  menestier 

VI  E  poro  fut  psentede  maxi- 
miien. 


seli^rs, 
Qu'elle  D6o  raneiet  chi  mäent 
BUS  en  ci61, 
7   Ne  por  ör  ned  arg^at  n6  para- 
m6nz, 
Por  manätce  regi61   ne   preie- 
m6nt. 
9   Neule  cöse  non  la  pöaret  onque 
plei[i]dr, 
La  pole  sempre  non  amäst  lo 
D6o  menestifir. 
11   E  por  ö  fut  present^de  Mäxi- 
miidn, 


5  nont:  =  no'nt  für  no  ent  (=non  inde):  „Sie  hört  darum  nicht 
auf  die  schlechten  ratgeber  (sc.  li  Deo  inimiY.  —  eskoltet:  lat.  aus- 
cultare — >*ascultare  (wie  augustum — *-*agustum  —  aost—  aoüt,  oben  s.  172), 
dieses  zu  *escoltare  nach  dem  muster  der  zahlreichen  mit  es-  (ex-)  be- 
ginnenden Wörter.  —  6  raneiet:  abgesehen  vom  analogischen  e  der 
endung  wäre  ans  renegd  (mit  rekomposition;  oben  s.  89)  *renieiet  —  reniet 
wie  im  francischen  zu  erwarten,  da  hier  ^  schon  durch  spontane  diph- 
thoDgieruDg  zu  ie  werden  musste;  möglicherweise  liegt  einfluss  der  eudungs- 
betonten  formen  (renegdre  —  reneiier  usw.)  vor.  Vortoniges  e  zu  a  wie  in 
per—>par  (oben  s.  173,  vgl.  auch  unten  v.  8  manatce  =  t'ia.ß<i.  menace).  — 
chi:  das  h  als  diakritisches  zeichen  bedeutet,  dass  nicht  ci  =  tsi  zu  lesen 
ist,  also  jedenfalls  ki,  welche  Schreibung  auch  sonst  neben  qui  zu  finden 
ist.  —  maent:  soviel  wie  maint,  aus  manet.  Das  wort  wird  oft  gerade 
von  Gott  in  diesem  sinne  gebraucht  (vgl.  unten  Passion  v.  509).  — 
7  ned:  analogische  neubildung  zu  ne  nach  et  —  c  11,  gued  14,  27  —  que 
26;  die  ersten  sind  die  antevokalischen,  die  letzten  die  antekonsonan- 
tischen  formen  (vor  vokal  aber  auch  schon  que  mit  elision:  6  qu'elle).  — 
paramenz:  kostbare  gewänder  (sonst  auch  kirchenscbmuck);  das  wort 
zeigt  sonst  lautgerecht  die  form  paremenz,  daher  das  a  der  pänultima 
hier  wol  nicht  als  fremdwörtlich,  sondern  als  latinismus  zu  betrachten  ist.  — 
9  Niule:  =  ngwZe  (dreisilbig)  •*—we{c)Mna,  im  sinne  von  nule  {*—nulla) 
=  irgend  ein,  daher  niule  cose.  non  =  nichts.  Wie  im  nfr.  bedarf  nul 
(neul)  in  negativem  sinn  auch  schon  im  afr.  der  negation.  —  10  polle: 
nfr.  poule,  eigentlich  'junges',  bes.  'junges  tier',  von  pulla,  zu  pullus, 
also  eng  verwant  mit  puella  mädchen.  Das  deminutiv  püUicella,  dessen  ü 
(aus  Me)  ursprünglicher  scheint  als  das  ü  von  pullus,  gibt  pulcele  —  nfr. 
pucelle.  —  sempre:  hier  noch  in  der  alten  bedentung  'immer',  sonst 
'sogleich,  alsbald'.  —  Über  das  fehlen  von  que  vor  dem  nebensatz  vgl. 
oben  s.  283.  Diez  übersetzt;  'Nichts  konnte  sie  dahin  bringen,  dass  sie 
nicht  stets  den  Dienst  Gottes  liebte'.  —  11  por  o:  daneben  poruec<—pro 
hoc  wie  avuec-^—apud  hoc;  -uec  ist  die  hochbetonte,  o  die  nebenbetonte 


294 


Fünfter  Teil:  Älteste  Sprachdenkmäler. 


vn 


Chi  rex  eret  acels  dis  soure 

pagiens 
Uli   en  ortet  dont  lei  nonq, 


ehielt. 
Qned  eile  fuiet  lo  nom  xpiien. 
VIII   Ellent  adunet  lo  suon  element. 
Melz  sostehdreiet  les  empede- 
mentz 
IX   Quelle  pdesse  sa  uirginitet. 
Porös    füret  morte  a  grand 
honestet. 
X  Enz  enl  fou  lo  getterent  com 
arde  tost. 

.  nos  coigt. 

Elle  colpes  fi  auret  poro 


Ki  r6is   eret  a  c61s  dis  sövre 
pagi6ns. 
23   II  li  enörtet     dont  16i  nonque 
chielt- 
Qued  ele  füiet  lo  nöm  chrestiien. 
15   El'ent  adunet  lo  suon  element. 
M6Iz  sostendreiet  les  empede- 
m6nz 
17  Qu'ele  perd63se[t]  sa  virginit6t. 
Per   o  s  fiiret  mörte  a  gränd 
honestet. 
19   Enz   enl  föu   la  getörent  com 
arde[t]  tost: 
Ele  cölpes  non  äuret,  por  o  no  s 
cöist. 


form  von  hoc  (vgl.  oben  s.  119  zu  si).  —  Maximiien:  für  a  M.,  vgl. 
oben  4  servir.  —  12  pagiens:   ohne  artikel,  vgl.  KR  18  Franceis  II.  — 

13  li  enortet:  enorter  mit  dativ,  während  nfr.  exhorter  nur  mit  acc.  — 
lei:  die  betonte  form  des  weibl.  pron.  der  3.  person,  vermutlich  aus 
*ülae-\-ei — Hll^i  oder  einer  ähnlichen  analogiebildung,  während  li  dem  un- 
betonten lat.  Uli  entspricht,  daher  auch  das  mask.  vertritt.  Im  franc.  mussten 
Uli  —  li  und  Hll^i  —  *liei  —  li  lautlich  zusammenfallen,  daher  dort  li  zu- 
gleich als  betontes  pronomen  des  fem.  erscheint.  —  nonque:  'niemals',  hier 
verallgemeinert  'in  keiner  weise'.  —  ehielt:  Impersonale  *es  kümmert',  zu 
chaloir,   lat.  calere,   vgl.  ital.  noncalere,  nfr.  nonchalant,  nonchalance.  — 

14  chrestiien:  die  abkürzung  xpiien,  desgl.  xp(s)  =  ChrisHus),  er- 
klärt sich  ähnlich  wie  Jh  in  Jhesu  (vgl,  KR  170),  aus  falscher  auf- 
fassung  der  griechischen  buchstaben:  XPISTO^,  gekürzt  ZP=lat.  XP 
{xp).  —  15  lo  suon  element:  suon  ist  die  betonte  form  des  Possessiv- 
pronomens, francisch  suen  (analogisch  sien).  Sinn;  „sie  sammelt  darum 
ihr  element,  ihre  kraft"  Jedoch  ist  element  in  dieser  bedeutung  sonst 
nicht  zu  belegen,  daher  Boehmer  vorschlägt:  lo  suon  e  la  ment  =  „sie 
vereinigt  davon,  vom  Christennamen,  den  Klang  und  den  Sinn".  — 
16  empedementz:  lehn  wort  der  form  nach;  sinn:  die  hindernisse,  die 
folterqualen.  —  17  Qu':  que  =  quam  'als  dass';  das  zweite  que  =  quod 
bleibt  in  dieser  Verbindung  weg.  —  18  s  füret  morte:  se,  an  voraus- 
gehenden vocal  (o)  inkliniert,  verliert  den  vokal  (vgl.  KR  97  quis). 
Morirse  mit  dativus  ethicus,  wie  im  ital.  (oben  s.  275),  Füret  morte:  starb 
(vgl.  oben  anm.).  —  19  Enz  enl  fou:  hinein  in  das  feuer.  Solche  Ver- 
bindungen von  adverb  +  präposition  auch  sonst  häufig  (dedenz  en  usw.)  — 
enl:  ans  enlo{le),  mit  enklise;  nachher  e2,  noch  später  ot*.  —  lo:  Schreib- 
fehler für  la.  —  com  arde(t)  tost:  com  =  com  si  „als  ob  sie  sogleich 
brennen  sollte";  ardeir  (ardre)  sonst  meist  transitiv.  —  20  nos:  no(n) 
mit  enklitischem  se.  Negation,  auch  unbetont,  ist  in  diesem  denkmal 
durchgängig  non  —  no  (nicht  nen,  ne,  n').  —  coist:  coxit  mit  reflexiv- 


III.  Ealaliasequenz. 


295 


XI  Aczo  DOS  noldret  con  creidre 
li  rex  pagiens. 

tolir  lo  Chief 

Ad  nne  spede  li  roueret  . 
XII  La  domnizelle  cellekose  n 
contredist. 

.  krist 

Uolt  lo  seule  lazsier  si  rnouet. 
Xni  Infigure  de  colomb  uolat  aciel, 

Tait  oram  quepornos  degnet 
preier. 
XVI  Quedanuissetdenosxpsmercit. 

Post  la  mort  &  alai  dos  laist 
nenir. 
Par  souue  dementia. 


21    A  go  no  s  völdret  concröidre  li 
r6is  pagi6ns, 
Ad  une  spede  li  roveret  toHr 
lo  chiöf. 
23    La   domuezele    cele    cöse   nön 
contredist, 
Volt  lo  seule  lassier:  si  rüovet 
krist. 
25   En  figüre  de  colömb  völat  a  cifel. 
Tuit  oräm  qua  por  nös  d6gnet 
prei[i]6r 
27   Qaed  annisset  de  nös  Christas 
mercit 
Post  la  mört  et  a  liii  nös  laist 
venir 
Par  söuve  dementia. 


pronomen  „sie  brannte  sich  nicht,  sie  brannte  nicht  an".  —  21  A  go  nos 
voldret  concreidre:  dem  wollte  er  sich  nicht  anvertrauen,  d.  i.  darein 
wollte  er  sich  nicht  ergeben.  —  22  Ad  une  spede:  lat.  ad,  mit  er- 
haltenem d  vor  vokal  (wie  et,  qued),  hier  in  instrumentalem  sinn  wie  ä 
häufig.  —  une  spede:  nicht  un'espede,  da  i  protheticum  ursprünglich  nur 
nach  konsonant  eintritt  (vgl.  KR  3  espee).  Noch  in  späteren  hss.  liest 
man  häufig  la  spee.  —  roveret:  aus  rogaverat.  Zum  v  vgl.  KR  150.  — 
23  cele  cose  non  contredist:  auch  in  diesem  fall,  wo  nfr.  ä  stehen 
würde,  zieht  das  afr.  den  acc.  vor.  —  24  Volt:  voluit,  da  *volet  in  der 
spräche  unseres  denkmals  vtwlt  geben  müsste.  —  si  ruovet  krist: 
entspricht  einem  sie  rogat  Christus.  Die  schwere  konsonantenfolge  sts 
in  *Chri8ts  wird  sonst  vereinfacht  zu  Criz,  wie  hosti8—>-oz;  Crist  ist  wol 
jüngere,  lehn  wörtliche  form.  —  26  oram:  falls  die  form  nicht  als  latinismus 
zu  betrachten  ist,  hätten  wir  hier  einen  rest  der  endung  -amus  des  ind. 
präs.  der  I.  lat.  konjugation,  die  sonst  durch  -ons  ersetzt  wird.  Oram  ist 
jedenfalls  der  imperativ  in  der  form  des  Indikativs  (vgl.  allons).  —  27 
auuisset:  wahrscheinlich  awisset  zu  lesen,  mit  einem  dem  germanischen 
w  ähnlichen  laut  (aus  lat.  -by,-).  Beachte  den  konj.  imperf.  trotz  oram, 
degnet  und  28  laist.  —  28  Post:  nur  hier,  daher  möglicherweise  latinismus; 
sonst  durch  puis  {*po8tius)  und  aprös  ersetzt.  —  lui:  für  reflexives  sei 
(vgl.  oben  8.274),  das  älteste  beispiel  aus  dem  franz.  —  29  souve: 
francisch  sge,  lat.  sua.  Dem  francischen  o  entspricht  hier  ou  (vgl.  bellezour), 
also  8o(u)ue  oder  so(u)ve.  Die  anwendung  der  haupttonigen  form  an  stell© 
der  syntaktisch  zu  erwartenden  nebentonigen  (sa)  erklärt  sich  wol  durch 
den  starken  emphatischen  akzent,  der  hier  auf  dem  wort  liegt. 


296  Fünfter  Teil:  Älteste  Sprachdenkmäler. 

IV.   Das  Jonasfragment. 

Gleichfalls  in  das  wallonische  Sprachgebiet  gehört  das 
sog.  Jonasfragment,  das  wegen  seines  lückenhaften  zustandes 
nur  als  Sprachdenkmal  gelten  kann:  es  war  wie  so  mancher 
mittelalterliche  text  in  späterer  zeit  als  bueheinband  ver- 
wendet worden  und  ist,  zumal  auf  der  Vorderseite  (recto), 
nur  teilweise  lesbar.  Inhaltlich  ist  es  ein  predigtentwurf 
zum  text  des  propheten  Jonas,  halb  in  französisch,  halb  in 
latein,  beides  z.  t.  in  tironischen  noten,  d.  i.  in  der  von  Ciceros 
freigelassenem  Tiro  erfundenen  Stenographie  des  altertums  ge- 
schrieben, für  deren  anwendung  im  mittelalter  unsere  handschrift 
das  letzte  zeugnis  bildet  (abgesehen  von  bestimmten  kürzungen, 
die  erhalten  blieben  und  auch  auf  die  vulgärsprachliehen  formen 
tibertragen  wurden,  wie  oben  s.  288 ff.).  Der  Verfasser  gibt 
zuerst  in  freiem  anschluss  an  die  Vulgata,  teilweise  auch  an 
des  Hieronymus  commentar  zum  Jonas  den  lat.  text,  dann  die 
französische  paraphrase  und  die  texterklärung,  am  schluss  des 
ganzen  die  moralische  nutzanwendung  für  seine  zuhören  Als 
beispiel  folgen  die  Zeilen  verso  6 — 12,  welche  dem  bibeltext 
cap.  IV5 — 6  entsprechen  •),  unter  auflösung  der  abkürzungen 
(durch  kursivdruck  bezeichnet),  beifügung  von  accenten  und 
ergänzung  des  fehlenden  in  eckigen  klammern.  Die  zeilen- 
anfänge  sind  durch  ||,  unter  beifügung  der  Zeilenzahl  am  rande, 
bezeichnet.  2) 

6  .  ...  Et  egressMS  est  Jonas   de  ciuitate  et  sedit  [contra  orientem 

7  ciuitatis  ||  donec]   uideret   quid  accideret  ciuitati.     dune  co  dicit:   cum 
Jonas  profeta   cel  populum   habuit   preti6t   e    conuersei    [et]    en    cele 

8  [civitate  ||  log-]i6t,  si  escit  foers  de  la  ciuitate  e  si  sist  contra  Orienten» 

9  ciuitatis  e  si  auardeuet  cum  deus  per  seren ||  astreiet  u  ne 

fereiet.     et  preparauit  dominus  ederam  super  caput  Jone  ut  faceret  ei 


*)  Der  Vulgatatext  lautet:  IV  5.  Et  egressns  est  Jonas  de  civitate 
et  sedit  contra  orientem  civitatis  et  fecit  sibimet  umbraculum  ibi  et  sede- 
bat  subter  illnd  in  umbra,  donec  videret,  quid  accideret  civitati.  6.  Et 
praeparavit  Dominus  Deus  hederam,  et  ascendit  super  caput  Jonae,  ut 
esset  umbra  super  caput  ejus,  et  protegeret  eum  (laboraverat  enim),  et 
laetatus  est  Jonas  super  hedera,  laetitia  magna. 

*)  Die  lat.  worte  im  franz.  text  erklären  sich  dadurch,  dass  in  der 
hs.  dafür  die  üblichen  lateinischen  abkürzungen  stehen,  —  Im  einzelnen: 
7  dunccodicit(=  dit)  sc.  li  Uwes,  l'escriture  =  das  sagt  also  die  schrift, 


IV.  Jonas.  —  V.  Passion  Christi.  297 

umbram.     laborauerat    [enim.   dune]   ||    co  dicit:    Jonas  profeta  habebat  10 
mult  labor6t   e  malt  pen^t  a  cel  populum  e  faciebat  grant  iholt.    et  eret 
malt  las  [et  fecit  ||  deus]  im  edre  sore  sen  ebene  quet  umbre  li  fesist  e  11 

repanser  s'i  podist.     et  letatus  est  Jonas  super  ederam ||   mult  12 

letattis.    CO  dicit,  porque  detis  cel  edre  li  donat  a  sun  soveir  et  a  snn 
repaMsement  li  donat. 

T.   Passion  Christi. 

Die  beiden  gedichte  von  der  Passion  Christi  und  vom 
Leben  des  hl.  Leodegar  sind  in  derselben  handsehrift  (aus 
Clermont-Ferrand  in  der  Auvergne,  10.  jahih.)  tiberliefert,  wo 
sie  in  die  leergebliebenen  stellen  eines  lateinischen  glossars 
eingetragen  sind.  Beide  gedichte  sind  ursprünglich  in  einer 
französischen  mundart  abgefasst  und  durch  provenzalische 
kopisten  teilweise  in  das  provenzalische  umgesetzt  worden.    Die 


das  heisst  also  (stehende  redensart  mit  ellipse  des  snbjekts) ;  co  =go  (nfr. 
ce).  —  preti6t:  für  prediiet,  lehnwörtlich  ans  lat.  praedicare  (sonst 
preechier,  prechier);  mit  akkusativ  der  person  wie  nfr.  precher.  —  8  si:  so, 
zur  einleitung  des  nachsatzes  (vgl.  oben  s.  282).  —  escit:  allem  anschein 
nach  die  mittelform  zwischen  vulgärlat.  exivit  (für  exiit)  und  afr.  eissit, 
etwa  essjit  zu  lesen.  —  foers:  die  regelrechte  entwicklang  von  föris  als 
adverb,  d.  i.  haupttonig,  gegen  nebentoniges  fors  als  präposition.  — 
&VLSiTde\xet  =  atvardevet:  wäre  francisch  aguardeit  (aorm. -out)  =  esguar- 
deii(-out).  Die  endnog  -evet<—ht  -abat  ist  dem  osten,  die  bewahrnng 
des  germ.  w  {warden)  als  v  dem  nordosten  des  französischen  Sprach- 
gebietes eigentümlich.  —  8 — 9  seren  —  astreiet  —  fereiet:  die  ergänzung 
des  unvollkommen  tiberlieferten  satzes  ist  unsicher  (sinn  nach  Kosciiwitz 
„ob  Gott  nach  seinem  Worte  die  Stadt  vernichten  oder  ob  er  barmherzig 
sein  und  es  nicht  tun  würde");  astreiet  ist  conditionalis  zu  estre,  nord- 
östliche form  für  sonstiges  estreiet  (neben  gewöhnlichem  sereiet);  fereiet 
condit.  zu  faire,  vgl.  KR  v.  39  ferez.  —  10  iholt:  ih  (jh)  ist  wohl  be- 
zeichnung  des  vor  a  palatalisierten  c  (etwa  c'  =  kj  oder  t'  =  tj),  wieder- 
holt in  zeile  15  {si  vint  gravcesmes  ihoU),  daneben  ch  (11  cheue),  das 
später  das  aus  c  vor  a  entstandene  /§  bezeichnet  (vgl.  ehalt  —  chaud);  a  vor 
l--*-o  ist  mandartlicbe  Verschiebung  des  a  vor  dem  vermutlich  velar  ge- 
sprochenen l.  —  11  edre:  lat.  hedera,  franz.  als  baumname  mask.  geworden. 
Nfr.  lierre  aus  l'ierre,  mit  agglutiniertem  arlikel.  —  sen:  eigentlich  die 
schwachtonige  form  (vgl.  KR  15  ses  und  20  les),  daneben  auch  sun  (s.  u.).  — 
cheue:  merkwürdige  Schreibung,  vielleicht  nm  die  ausspräche  t'ev  —  kiev 
zu  bezeichnen  (francisch  chief).  —  podist:  ostfranz.  form,  aus  lat.  potuisset 
(francisch  poüst).  —  12  porque:  sonst  jjor  ce  que  darum  dass,  weil.  — 
soveir:  wohl  für  *sovir -«— lat.  sopire  einschläfern,  hier  intransitiv  'ein- 
schlafen, schlaf'  (vgl.  assouvir,  assoupir). 


298  Fünfter  Teil:  Älteste  Sprachdenkmäler. 

Passion  zeigt  —  z.  t.  durch  assonanzen  gestützte  —  mundart- 
liche Züge  des  Ostens  (imperf.  I  auf  -evet:  189  eswardevet:  Pedre), 
des  Westens  (157  og-ot :  vol-voU,  gegen  ostfr.  aut)  neben  über- 
wiegenden provenzalismen  (z.  t.  selbst  in  der  assonanz:  perf.  I 
auf  '§t  wie  73  mostred  ijudeus).  Da  eine  alle  diese  eigentüm- 
lichkeiten  vereinigende  mundart  nicht  nachgewiesen  ist,-  muss 
das  gedieht  nacheinander  durch  angehörige  verschiedener  mund- 
arten  abgeschrieben  und  z.  t.  umgearbeitet  worden  sein. 

Eine  reihe  von  eigentümlichkeiten  des  folgenden  textes 
erklären  sich  als  provenzalische  lautformen.  So  von  den  be- 
tonten vokalen:  1.  a  =  lateinisch  freiem  a  an  stelle  des 
französischen  ^  (remembrar,  saluad,  carnals,  uoluntaz  usw.)  oder 
des  ie  nach  palatal  (peccad,  pitad)  oder  des  ai  vor  nasal 
{man  •«—  manet).  —  2.  f  =  lateinisch  freiem  e,  i  für  französisch 
ei  {uera,  tres,  lez  =  leist)  oder  für  i  nach  palatal  (mercet).  — 
3.  ?  (vor  nasal  e)  =  lateinisch  freiem  ?  für  französisch  ie 
(ben  507).  —  4.  p  (vor  nasal  o)  =  lateinisch  freiem  q  gegen 
französisch  uo-ue  {hom  8,  uol  Ih-r-'^volet).  Von  den  unbetonten 
vokalen  ist  namentlich  a  =  lat.  a  gegen  französisch  e  hervor- 
zuheben (Hora,  uera,  trenta,  terra,  sua  usw.),  von  den  kon- 
sonantischen eigenheiten  die  erhaltung  des  c  nach  «  im 
prov^enzalischen  auslaut  {die  gegen  französisch  di  wie  amic 
gegen  ami),  das  verstummen  des  auslautenden  t  {es,  fu,  pres 
=  prist,  fez  =  fist,  lez,  redenps)  ausser  im  schwachen  perfekt 
{ohr4d'*~operavit),  endlich  der  wandel  von  intervokalem  tr 
{dr)  zu  ir  {patrem  ~* paire).  Mouillierung  wird  (wie  im 
prov.  Boethiuslied)  nicht  ausdrücklich  bezeichnet  {Ion  505  = 
lofi,-*r-longe,  französisch  loin\  uol  d  =  voi <—*voleo,  französisch 
vuoil  —  vueil;  sans  517  =  saus  t^  sanctus ,  französisch  sainz). 
Wie  in  der  Eul.  begegnen  auch  hier  ganze  oder  teilweise 
latinismen:  uerus  {deus),  adducere,  fili,  ßnimunz,  gratiae  u.  a. 

Unter  den  formen  ist  als  provenzalisch  die  frühzeitige 
Übertragung  des  nominativ-5  auf  die  feminina  der  lat. 
III.  deklination  {morz,  passiuns,  redemptions),  das  festhalten 
der  lateinischen  konjugationsunterschiede  sowie  das  fehlen 
des  s  in  der  1.  plur.  präs.  {avem,  aiam,  devem,  fagam,  guerpissem), 
das  1.  schwache  perf.  auf  -§i,  -iest,  -qt  (s.  o.)  gegen  frz.  -ai,  -as, 
-at,  und  das  Ä-perfektum  in  den  wi-verben  {sosteg  =  sostenc 
<—sustinuit,   wie    venc -t—^venuit)    hervorzuheben;    regelrecht 


V.  Passion  Christi. 


299 


gegenüber  analogischem  fist  prist  im  franz.  sind  prov.  die  un- 
umgelanteten  3.  personen  perf.  fez,  pres  sowie  das  part.  perf. 
mespres  (gegen  franz.  mespris).  —  Unter  den  inflexibeln  rede- 
teilen  ist  zu  bemerken:  per  =  französisch  par,  ab  =  französisch 
ot  {apud),  vgl.  dazu  oben  s.  289f;  non  hoch-  und  nebentonig 
=  französisch  non,  ne  und  nen. 

In  der  folgenden  herstellung  sind  die  reinen  provenzalismen 
beseitigt,  c  vor  a  aber  beibehalten  (vor  ie  als  ch),  da  es  in  der 
urdichtung  möglicherweise  noch  nicht  zu  ts  geworden  war  (vgl. 
oben  JousiS  jhoU  und  cheue,  auch  das  zur  Eulalia  gesagte).  Freies  q 
ist  durch  uo  wiedergegeben,  da  die  assonanz  v.  355  f.  ngus :  om 
(prov.  und  franz.  =  om)  sich  nur  durch  nuos :  uom  erklärt; 
demgemäss  auch  freies  ^  durch  ie.  Monophthongen  assonieren 
mit  diphthongen,  a  mit  ai,  $  mit  ie\  e  aus  a  hatte  noch  offene 
klangfarbe  (vgl.  oben  s.  190),  assoniert  daher  mit  lat.  e.  Vgl. 
auch  den  kritischen  text  von  Lticking,  Die  ältesten  franz. 
Mundarten  s.  49 — 63,  aach  bei  Koschwitz,  Les  plus  anciens 
monuments  de  la  langue  fran^aise,  Textes  critiques  s.  11 — 37, 
und  die  besserungsvorschläge  im  Altfranz.  Übungsbuch  von 
Foerster  und  Koschwitz. 


Überlieferter  text: 

I  Hora  uos  die  uera  raizan. 
de  Jesu  xpi  passiun. 

lossos .  affanz  .  uol  remembrar 
per  qa§  cest  mund  tot  asaluad :, 

II  Trenta.  tres.  ant.  et  al  ques.  plus 
des  qne  carn  pres.  in  terra  fu. 
per  tot  obred  que  uerus  deus 
per  tot  sosteg  qu§  hom  carnals. 


Französische  herstellung: 

1    Ore  vos  di  veire  raizon 
De  Jesu  Christi  passion: 
Les  snons  ahanz  vaoil  remembrer, 
Per  que  cest  mont  tot  at  salv6t. 

5   Trente  treis  anz  et  alques  plus 
Des  que  carn  prist,  en  terre  fut: 
Per  tot  ovrat  que  verais  deus, 
Per  tot  sostint  que  huom  carnels. 


Vers  2  X p i  :=  Christi ,  vgl.  Eul.  14.  —  3  los  sos  affanz:  sos  ist 
im  provenzalischen  gewöhnlich  die  schwachtonige  form  des  pronomens 
(entsprechend  französisch  sos  —  ses),  ursprünglich  aber  auch  die  regelrecht 
entwickelte  haupttonige:  son  —  sos,  fem.  soa  —  soas  gegen  französisch 
stton  —  suons  (später  suen  —  suews),  fem.  so^  —  soes;  als  haupttonige  wird 
sie  jedoch  bald  durch  eine  analogiebildnng  nach  der  1.  person  (meu  mieu 
•<— mewm),  durch  sew  sie«  ersetzt.  —  5  alques:  l&temisch.  aliquid —>■  alque, 
mit  adverbialem  s  alques  'etwas,  ein  wenig'  (häufig  im  sinne  des  nfr.  un 
peu,  quelque  chose  gebraucht).  —  7,  8  obred  que  —  sosteg  que:  zu 
dieser  elllpse  vgl.  KR  819. 


300 


Fünfter  Teil:  Älteste  Sprachdenkmäler. 


III  Peccad  negun  .  nnqu^  non  fez 
per  eps  los  nostres  .  fa  aucis 
la  sua  morz  uida  dos  rend. 
sa  passians  toz  nos  redepns. 

rV  Cum  aproismed  sapassians 
cho  fa  nfä  redeuptioos. 
apismer  nol  alaciutat 
afanzperno  susteg':  [m'lt  granz] 

V  Cum  el  pneing  abet  fage 
uües  desoz  mont  oliuer 
anant  dels  sos  dos  enueied 
unasn§  addacere  seroned., 

VI  Cum  cel  asnez  fn  amenaz 
delor  mantelz  ben  lant  parad 
d<»lor  mantelz  delor  uestit. 
bell  aprestunt  ossassis; 

VII  Per  sua  grand  bnmilitad! 

iesus  rex  magnes  sns  monted 
sicam  propbetes  anz  mulz  dis 
canted  aueien  de  iesu  erist. 

Vm  Anz  peti«  dis  que  cho  fus  fait 
ihs.  lo  lazer  suscitet 


9   Pechi6t  neul  onque  non  fist, 
Par  e(p)8  los  nostres  fnt  ocis. 
La  soe  mort  vide  nos  rent, 
Sa  passiun  toz  nos  redenst. 

13   Com  aproismat  sa  passion  — 
^o  fut  nostre  redemption, 
Ahanz  sostint  per  nos  salver  — 
Aproismier  volt  a  la  cit6t. 

17   Com  il  parvint  a  Beffage  — 
Vile  est  desoz  mont  Oliver  — 
Avant  dels  suons  dos  enveiat, 
Un  asne  aduire  se  rovat. 

21   Com  eil  asnes  fut  amenez, 
De  lor  mantelz  bien  l'ont  par^t, 
De  lor  mantelz,  de  lor  vestiz, 
Bien  li  aprestent  o  s'assist. 

25   Par  soe  grant  humilitöt 

Li  reis  magnes  est  sus  montez, 
Si  com  prophete,  anz  at  e  dis, 
Dit  aveiet  de  Jesu  Crist. 

29  Anz  petiz  dis  que  §o  fut  fait, 
Jesus  lo  lazre  suscitat, 


9  negun:  aus  nee  unutn,  dafür  altfr.  meistens  nSul  niul-*—nee 
ullum  (vgl.  Eul.)  und  nul  •«—  nullum.  —  10  eps:  lateinisch  ipse  —>■  eps 
—  es  ist  im  französischen  ausser  in  Zusammensetzungen  {meesme  < — 
*metipsimum,  eneslepas •*— in  ipso  illo  passu)  seifen,  häufig  aber  im  pro- 
venzalischen  als  eps  —  eis  und  namentlich  im  italienischen  (esso,  stesso  etc.) 
sowie  in  anderen  romanischen  sprachen.  —  11  La  sua  morz:  der 
artikel  mit  dem  haupttonigen  possessivum,  vgl.  KR  139.  —  12  redepns: 
Eweifellos  Schreibfehler  für  redevps-* — redempsit. —  15  uol-volt:  perfekt 
(volt  < —  voluit),  nicht  praesens,  wie  die  perfekta  aproismed,  susteg, 
parueing  lehren.  —  15  — 16  Umstellung:  v.  IV^  gehört  zu  v.  IV'',  den 
er  erläutert.  —  16  lesart  m'lt  granz:  am  rande  hinzugesetzt,  die  letzten 
buchstaben  nicht  sicher  zu  deuten.  —  18  mont  oliuver:  kann  montem 
olivarum  sein  (vgl.  Marcus  XI  1  Et  cum  appropinquarent  Jerosolymae  et 
Bethaniae,  ad  Montem  olivarum),  ist  aber  wahrscheinlicher  mont  Olivä, 
(vgl.  Matth.  XXI  1  Bethphage  ad  Montem  Oliveti,  Lucas  XIX  37  ad  des- 
censum  Moniis  Oliveti),  da  r  und  t  der  handscbrift  sich  ähneln  und  es 
später  (v.  465 ff.)  heisst:  Sus  en  u  mont  donches  montet  —  que  Holivet 
numnat  vos  ai).  —  27  anz  at  e  dis:  'vor  jähr  und  tag',  zur  bezeichnung 
einer  langen  zeit.  —  28  Dit:  vgl.  Matth.  XXI  4  . . .  ut  adimpleretur,  quod 
dictum  est  per  Prophetam  ...  —  30  lo  lazer:  den  aussätzigen,  nach 


V.  Passion  Christi. 


301 


chi  qna  tre  dis  enmoniment 
iagud  aveie  toz  pudenz., 

IX  Cam  CO  andid  tota  lagent. 
qne,  ihs  ue  loreis  poden  z 
chi  eps  lomorz  fai  se  reuiuere 
agrand  honor  eN  coa  traxirent 

X  al    quaat   dels   palmes    pren- 
dent  rams 
dels  oliaers  aIaquaNt  las 
branches 
encontral  rei  qui  fez  locel 
issid  lodii  le  poples  lez, 

XI  Ganten  ligran  elipetit 
fili  dauit  fiti  dauit 
paus  uesiit  paus  mantenls 
dauant.  extendent  assos  pez, 

XII  Gran  folcs  aredre  graN  dauaN. 
gran  epetit  den  uan.  laudant 
ensobre  tot  petiz  eufan 
osanna  semp  uaa  clamant. 


Qui  quatre  dis  en  monument 
jeiit  aveiet  toz  pudenz. 

33   Com  qo  odit  tote  la  gent 

Qae  iesus  vient  li  reis  podenz, 
Qui  eps  los  morz  fait  sei  revivre, 
A  grant  honor  encontre  eissireut 

37  Alqaant  prendent  les  rains  dels 
palmes, 
Alqaant  dels  oliviers  les 

branches, 
Encontre  al  rei  qui  fist  lo  ciel, 
Eissit  lo  di  li  poples  liez. 

41    Cantent  li  grant  e  li  petit: 
„Fili  David,  fili  David!" 
Palies,  vestiz,  peliz,  mantels 
Davant  estendent  a  sos  piez. 

45   Granz  folcs  ariedre,  granz  dauant, 
Grant  e  petit  Deu  vont  lodant, 
Eüsuvre  toz  petit  enfant, 
Osanna  sempre  vont  clamant. 


Auf  die  leidensgeschichte  Christi  folgt  höllenfahrt,  auf- 
erstehuug,  himmelfahrt,  ausbreituog  des  glauben«  durch  die 
apostel.  An  ihren  märtyrertod  knüpft  der  dichter  seine 
schkssstrophen  (CXXVI— CXXIX)  an: 


dem  Lazarus  Lucas  XXVI  20flf.;  gemeint  ist  aber  Lazarus  von  Bethanien: 
vgl.  Joh.  XI  und  XII  1  (Jeius  ergo  ante  sex  dies  Puschae  venu  Bethaniamf 
ubi  Lazarus  fuerat  mortuus,  quem  siiscitaoit  Jesus),  Vgl.  KK  164.  — 
36  eissirent,  40  eissit:  zur  staminabstufung  vgl.  oben  s.  267.  Das 
enconfra  ^xirent  der  hs.  zeigt  eine  im  prov.  vorkomuiende  aphärese  des 
anlantvukals  (vgl.  neuprov.  la  gleiso  mit  frz.  Veglise).  —  37  palmes:  vgL 
KR  242.  —  43  peliz:  sonst  fem.  pelice  ■* —  lat.  pellicia,  und  masc.  pdigon.  — 
45  folcs:  afr.  u  prov.  folc,  wegen  dfS  p  nicht  aus  deutsch  rö/c,  sundern 
aus  altnordisch  fö  k  (leute,  heerhaufe)  herzuleiten.  —  Zu  37  — 4b  vgl. 
Matth.  XXI  b— 9:  Flurima  autein  turba  straverunt  vestimenta  sua  in  via: 
alii  autem  caedebant  ramos  de  arboribus  et  sternebant  in  via.  —  Turbae 
autem,  quae  praecedebant  et  quie  sequebantur,  clamabant  dicentes:  Hosanna 
filio  David!  Benedict us  qui  venit  in  nomine  Domini!  Hosanna  in 
altissimis!  Johannes  XII,  13:  Acceperunt  ramos  palmarum  et  processerunt 
obviam  ei,  et  clamabant:  Hosanna,  benedictus,  qui  venit  in  nomine 
Domini,  rex  Israel.    Ähnlich  Marcus  XI,  8 — 10. 


302 


Fünfter  Teil:  Älteste  Sprachdenkmäler. 


Nos  cestes  pngnes  non  aue. 
contra  nos  eps  pugnar  deuS 

frainde  dene  nostrae  uoluKtaz 
que  part  aiam  ab  nos  den  fidels ; 

Quar  finimunz  nones  mult  Ion 
&  regnü  den  fort  ment  es  prob 

drontre  nos  lez  facä  lo  beN 
gnrpisse  mund  &  som  peccad; 


Xps  ihs  qui  maN  eK  sus 

merc&  aias  depechedors 
entals  raizon  siam  mespraes 
ptapitad  lö  p  dones; 


Te  pos  che  r&  drse  gfae 
dauaNt  to  paire  glorise 
sanz  spm  posehe  laudar 
&  nunc  ptot  in  scla.  AMHN. 


501 


505 


509 


513 


Nos  cestes  pugnes  non  aveins: 
Contre  nos   e(p)s  pugner  de- 

veins, 
Fraindre  deveins  noz  volontez 
Qa'aiiens  part  od  los  Deu  fidels. 

Quar  finimonz  non  est  molt  loin 
Et  regnes  Den  for(t)ment  est 

prof. 
Dontre  nos  leist,  fagiens  le  bien, 
Guerpisseins  mont  et  son  pe- 

chi6t! 

Cristus,  qui  mains  en  sas  toz 

jorz, 
Mercit  aies  de  pechedors. 
Se  ont  mespris  en  tels  raizons, 
Par    ta    pitiet    lo    [lor]    par- 

dons. 


Puisse  te  rendre  gratiae 
Davant  ton  pedre  gloriae! 
Puisse  Sa(i)nt  Spiritum  loder 
516    Nunc  et  in  saecula!    Amen. 


504  fidels:  lehnwort,  daher  tonvokal  als  e  bewahrt.  —  507  drontre: 
verschrieben  für  dontre  =  domentre <— dum  interim  'so  lange  als'.  — 
509  man:  vgl.  Eni.  v.  6.  —  509  —  510  sus  —  pechedors:  der  reim 
ist  verloren  gegangen.  Lücking  vermutet:  Qui  mains  en  sus,  o  Jesu 
Crist  —  de  pechedors  aies  mercit.  Einfacher  ist  es,  den  vers  510 
unangetastet  zu  lassen  und  509  entsprechend  anzupassen.  —  511  am 
mespraes:  „für  an  m.  durch  Assimilation"  (Diez).  Prov.  an,  ant 
ist  =  lat.  *habunt,  franz.  ont.  Subjekt  die  pechedor.  —  512  lö:  ist  un- 
sicher, ob  lo  oder  lor  zu  lesen.  Liest  man  pardons  (konj.  =  lat.  perdones), 
so  ergibt  sich  die  lesart  lo  lor  p.  von  selbst ;  nach  lo  konnte  lor  leicht 
vom  Schreiber  übersehen  werden.  Der  assonanzvokal  war  sichtlich  o 
(G.Paris:  Si  an  mespres  en  tal  raizon,  Fer  ta  pited  perdone  lo  ou  lor; 
Lücking:  Sed  ont  mespris  en  tels  raizons,  per  ta  pitiet  perdone  lor).  — 
513  Puisse:  Subjekt  ist  der  redende,  d.  h.  der  dichter  selbst.  —  516  Wenn 
Amen  (nach  Boehmer)  das  reimwort  bildet  (was  wahrscheinlich,  da  saecula 
nicht  passt),  so  ist  partot,  allenfalls  nunc  et  zu  streichen.  —  AMHN 
(Amen)  =  griech. 'JiWfliV  (vgl.  KR  170).  —  Beachte  die  vielen  latinismen 
in  der  schlussstrophe. 


V.  Passion  Christi.  —  VI.  Leodegarlied. 


303 


Tl.   Das  Leodegarlied. 

Das  gedieht  vom  heiligen  Leodegar  behandelt  das  leben 
des  historischen  bisehofs  Leodegar  von  Autun,  der,  zuerst  abt 
von  Saint -Maixent,  dann  bisehof  von  Autun,  auch  in  die 
politischen  geschicke  Frankreichs  verwickelt  war  und  678 
auf  befehl  seines  alten  gegners  und  nebenbuhlers  Ebroin  ge- 
blendet und  dann  enthauptet  wurde.  Sein  leben  wurde  bald 
nach  seinem  tode,  681  gelegentlich  seiner  translatio  nach 
Saint- Maixent,  von  einem  mönch  dieses  klosters  in  einer 
lateinischen  vita  beschrieben;  eine  jüngere  bearbeitung  dieser 
vita  durch  den  prior  Ursinus  von  Ligugd  bildet  die  quelle 
unseres  gedichts. 

Suchier  hat  den  sicheren  nachweis  erbracht,  dass  die 
mundartlichen  formen  des  Originalgedichts  nach  dem  norden, 
in  das  wallonische  gebiet,  gehören;  die  zu  gründe  liegenden 
assonanzen  und  reime  lassen  sich  meist  ohne  Schwierigkeit 
wieder  herstellen.  Bezeichnend  ostfranzösische  formen  in  den 
folgenden  versen  sind:  imperf.  L  schw.  koDJ.  regnevet  15 
(vgl.  oben  s.  297  u.  298)  gegen  francisch  (analogisches)  -eit, 
normannisch  -outj  -ot\  die  -M»-perfekta  reciut  21,  27,  237 
{^rec^pui-**reciuui~^reciu),  aut  25,  227,  229,  aurent  4,  225, 
plusqpf.  auret  8,  216  (vgl.  Eulalia  auret,  auuisset)  gegen 
franeiseh  requt  (1.  p.  regui),  out,  ourent  (vgl.  oben  s.270).  Wegen 
der  provenzalismen  vgl.  das  zur  Passion  bemerkte.  Ob  es  in 
der  mundart  des  dichters  devem(p)s  oder  *deveins  oder  schon 
devons  hiess,  ob  sant  (=  saut)  oder  saint:  solche  und  ähnliche 
fragen  lassen  sich  nicht  entscheiden.  In  diesen  fällen  ist  im 
hergestellten  text  möglichst  die  Schreibung  der  handschrift 
beibehalten.  Wegen  c  vor  a  {cantoms)  vgl.  Eulalia,  Jonas  (zu 
iholt,  cheue),  Passion  und  unten  die  form  queu  229. 

Zu  den  folgenden  textproben  vergleiche  den  kritischen 
text  von  Gaston  Paris  (Romania  2,  273  ff.),  auch  bei  Koschwitz, 
Les  plus  anciens  monuments  (s.  o.)  s.  39  —  51,  und  die 
besseruDgsvorschläge  im  Afr.  Übungsbuch  von  Foerster  und 
Koschwitz. 


Überlieferter  text: 

I  Domine  dea  deuemps  lauder. 
et  asos  sancz  honor  porter. 


Hergestellter  text: 

1   Domine  Deu  deveins  loder 
Et  a  SOS  sa(i)nz  honor  porter; 


304 


Fünfter  Teil:  Älteste  Sprachdenkmäler. 


insuamor  cantomps  delsanz 
quae  por  lai  aogreNt  granz  aanz. 
etores  temps  etsiest  biena. 
quaenos '  cantumps  desant  leth- 
gier. 

II  Primos  didraiuos  dels  honors 
quae  il  aunret  abdaos  seniors- 
apres  ditrainos  dels  ääuz. 
que  li  siios  corps  sustiog  si  granz. 
&  euuruins  eil  deu  meotiz 
quelui  a  grand  torment  occist: 

III   Quant  infans  fud  donc  a  ciels 
temps. 
alrel  lo  döistrent  soi  parent. 
quidonc  regneuet  aciel  di. 


13 


En  soe  amor  cantoms  dels  sa(i)nz 
Qui  pur  lui  aarent  granz  aanz. 
Et  or  est  temps  et  si  est  biens 
Que  nos  cantoms  de  sa(i)nt  Led- 
gier. 

Primes  dirai  vos  dels  honors 
Que  11  anret  od  dous  seinors; 
Apr^s  dirai  vus  dels  aanz 
Que  li  suos  cors  sostint  si  granz, 
Et  d  Evro'in  cel  Den  mentit, 
Qai  lui  a  grand  torment  ocist. 

Quant  enfes  fut,  donc  a  cels 

tems 
AI  rei  lo  duistrent  si  parent 
Qui  donc  regnevet  a  cel  di: 


Vers  3  En  soe  amor:  beim  Substantiv  kann  das  attributive  pro- 
nomen  in  der  liaupttonigen  oder  nebentooigen  form  stehen,  nur  nach  dem 
artikel  muss  die  haupttouige  stehen.  —  4  quae  — qui:  quae  ist  blosse 
Schreibung  für  que  (wie  in  zeile  6),  das  als  konjunktion  „weil,  denn" 
einen  passenden  sinn  gibt.  Da  aber  im  prov.  que  auch  den  nominativ  des 
relativums  vertritt,  kann  es  wol  für  französisch  qui  eingetreten  sein.  ^ 
augrent:  rein  prov.  agron\  zu  aurent  vgl.  unten  v.  8  auuret  sowie  in  der 
Eulalia  auret,  powet.  —  7  primos:  vermutlich  für  primes  verschrieben; 
vgl.  noch  KR  188.  —  didrai  (9  ditrai):  wird  zu  dictare  (dichten)  gestellt, 
das  aber  im  futur  diterai  ergeben  müsste,  im  übrigen  altfranzösisch  als 
ditier  erscheint.  —  II  Deu  mentit:  erscheint  auch  sonst  als  D(i)eu 
mentit,  ähnlich  foi  mentit,  zu  vergleichen  einerseits  Deu  fidda  (Passion 
504),  andrerseits  ausdrücke  wie  fervesti,  ferarme.  „Es  sind  Participien 
Passivi  mit  activer  Bedeutung  und  die  Nomina  sind  Accusative,  die  von 
den  Verben  regiert  sind"  (Foerster  zu  Aiol  857).  Vgl.  noch  Tobler,  Verm. 
Beitr.  z.  franz.  Gram.  1«  146-60,  und  E  Herzog,  26.  Beiheft  zur  ZrP  (l9lü) 
129  —  35  —  13  infans  —  enfes:  infans  ist  latinismus,  prov.  müsste  es 
tnfas  (efas)  lauten.  Das  wort  gehört  zur  111.  afr.  deklinationsklasse  (obl. 
etifdnt-*~irifantein  —  nfr.  evfant).  —  ciels:  ebenso  lö,  20,  23,  25  ciel  mit 
diphthoDg  ie  für  gedecktes  lateinisches  f  (li),  vgl.  auch  23  savier •*—*sopSre, 
24  fi^'d  •* —  fldem  mit  freiem  f,  sowie  seruier  für  servir.  Der  prov  kopist, 
dem  die  diphthongen  ie  für  freies  f  und  ei  für  freies  f  nicht  gt-läufig  waren 
(prov.  fer  gegen  franz.  fier,  prov.  fe  gegen  franz.  feit),  hat  allem  anschein 
nach  diphthongen  auch  da  eingesetzt,  wo  sie  ursprünglich  nicht  hin- 
gehörten, ebenso  wie  er  andererseits  diphthongische  furmen  durch  mono- 
phthongische ersetzt  (6en  21  für  bien  5,  i3,  bvna  24  für  buone)  —  14  soi: 
erscheint  im  prov.  als  nebentonige  form,  wofür  im  franz.  si  {*—sui,  wie 
sa<r—sun)  —  15  regnevet:  osifranzösische  form,  vgl.  oben  atüOfdeuenm 
Jonas,  daza  s.  298  eswardeuet  Passion. 


VI.  Leodegarlied. 


305 


cio  fud  lothiers  fils  baldequi. 
ille  amat  deu  .  lo  couit. 
roaatq;  litteras  apresist. 

IV  Didun  lebisq:  depeitieus. 
lailcomandat  ciel  reis  lothiers. 
illo  reciut  tamben  enfist. 
ab  0  magis  tre  semprel  mist. 
qnil  lo  doist  bien  deciel  sanier 
dondeu  seraier  por  bona  fied: 

V  Et  cum  illaut  doit  deciel  art. 
rendel  quilui  lo  comandat. 
il  lo  reciu  bien  lo  non  rit. 
cio  fud  lonx  tiemps  obse  losting. 
dens  lexaltat  cui  el  seruid 
desanct  MAXENZ  abbas  diuint; 


Qo  fud  Lodiers  fils  Baldequi. 
II  renamat,  Den  lo  covit, 
Rovat  qua  letres  apresist. 

19  Didon  l'evesque  de  Peitieus, 
Luil  comandat  eil  reis  Lodiers. 
II  lo  reciut,  tant  bien  en  fist: 
Od  nn  magistre  semprel  mist, 
Qui  lo  doist  bien  de  cel  saveir 
Dont  Deu  servir  par  buone  feit. 

25   Et  com  il  Taut  doit  de  cele  art, 

Eendel  qni  lui  lo  comandat. 

II  lo  reciut,  bien  lo  nodrit. 

Qo  fud  loncs  tems,  ot  sei  lo  tint. 

Dens  l'exaltat  cui  il  servit: 
30  De  sant  Maxenz  abes  devint. 


16  Lodiers  fils  Baldequi:  der  dichter  vermischt  hier  Chlothar IL 
(unter  dem  L.  an  den  hof  kam)  mit  Chlothar  III.,  söhn  Chlodwigs  IL 
und  der  Baldechildis  (unter  dem  er  bisehof  von  Autun  wurde).  Bal- 
dequi zeigt  lehnwörtliche  (d.  h.  aus  der  lateinisch -chronistischen  form 
gebildete)  gestaltung,  erbwörtlich  entsteht  Baldehelt  —  Baudeheut  (•*—  Bal- 
dahild)  oder  Baltelt  —  Bauteut  {<— Baldhild).  —  17  ille  amat:  das 
unbetonte  pronomen  heisst  sonst  lo  in  unserem  denkmal,  daher  le 
wol  für  U  =  len,  d.  i.  l'en,  verschrieben  ist.  —  Deu  lo  couit: 
couit  zu  covir  ■<—  *cupire  ■*—  cupere,  provenzalisch  cobir,  französisch 
sonst  encovir.  Sinn:  'er  begehrte  ihn  für  Gott'  (vgl.  KR  6S).  — 
19  Didon:  wieder  akkusativ  für  dativ.  —  l'ebisque:  die  form  mit  b 
ist  vereinzelt,  auch  prov.  heisst  es  evesque,  ebenso  ital.  vescovo.  — 
Peitieus:  das  lautliche  ergebnis  von  Pictavis  wie  Angieus  von  Andegavis, 
woraus  erst  Feitiers  —  Poitiers  und  Anglers  —  Angers  durch  suffixtausch 
entstanden  sind.  Poitou  und  Anjou  gehen  auf  Pictavum  Andegavum 
zurück  wie  clou  auf  clatum.  Vgl.  Förster  zu  Aiol  v.  890.  —  23  doist: 
aus  *docsit  für  docuit,  francisch  duist,  ebenso  25  doit <~ doctum.  —  24  Dont 
Deu  servir:  'in  dem  wissen,  vermittels  dessen  (oder:  auf  welche  weise) 
in  rechter  treue  Gott  zu  dienen'  (ergänze  om  suelt  'man  pflegt',  deveit 
'er  sollte'  od.  ähnl).  Blosser  Infinitiv  im  abhängigen  fragesatz  oder  relativ- 
satz  (il  ne  sait  oü  s' adresser  —  il  n'a  pas  de  quoi  vivre).  —  25  l'aut 
doit:  'nachdem  er  (bisehof  Dido)  ihn  hatte  unterrichten  lassen'.  Zu  aut 
vgl.  oben  v.  4  sowie  Eulalia.  —  26  Rendel  —  comandat:  'gab  er  (der 
bisehof)  ihn  (Leodegar)  dem  (ergänze  a  cel)  zurück,  der  ihn  ihm  an- 
befohlen hatte  (d.  i.  dem  könig)',  vgl.  oben  v.  20.  Bendel  assimiliert  aus 
rendet  1(6).  —  28  9 o  —  tint:  'das  war  eine  lange  zeit,  dass  (die)  er  ihn 
bei  sich  behielt'.  Wegen  des  fehlens  von  que  vgl.  oben  s.  283.  — 
tiemps:  vgl.  oben  v.  13  ciels. 

VoretzBob,  Stadium  d.  afrz.  Sprache.    6.  Aufl.  20 


306 


Fünfter  Teil:  Älteste  Sprachdenkmäler, 


Der  sehluss  erzählt  leiden  und  sterben  Leodegars,  den  die 
wunder  des  himmels  schon  zu  seinen  lebzeiten  als  heiligen 
kennzeichnen: 


XXXVI  tnit  liomnedeeiel  pais. 

trestuitapresdreNtauenir. 
etso.  1,  lisprediat. 
dne  denilles  lucrat. 
rendet  ciel  fruit  spiritiel. 
quaedeus  liaur&  pdonat. 

XXXVII  Et  euuruins  cü  illaudit. 
credere  nelpot  antro  qael- 

uid. 
eil  biens  quel  fist  cillipesat. 
occidere  locommandat. 
qaatrom  n  es  itr  amist  afm  ez. 
que  lui  alessunt  decoller. 

XXXVIII  Litres  uindrent  asc  .1. 

ius  se  giterent  asospe  z 
de  lor  pechietz  que  aurent 

fliz 
illos  absola  etpdonet. 
loquarz    uns    fei   nom 

auadart 
ab  UN  inspieth  lo  decoUat 

XXXIX  Et  cü  illaud  toUut  loqueu. 
locorps  esterasobrelspiez. 


211    Tuit  li  omne  de  cel  paYs 

Trestuit  §a  prisdrent  a  venir. 
Et  sa(i)nz  Ledgiers  les  prediat. 
Domine  Üeu  il  les  lucrat. 
Rendiet  cel  fruit  espiritel 
Que  Dens  li  auret  pardon6t. 

217   Et  Evruins  com  il  l'odit, 

Creidre  nel  pot  entroquel  vit. 

Cil  biens  qu'il  fist,  eil  li  pesat, 
A  ocidre  lo  comandat: 
Qnatre  omnes  i  tramist  armez 
Qui  lui  alassent  decoler. 

223  Li  trei(8)  vindrent  a  sa(i)nt 
Ledgier, 

Jus  se  giterent  a  sos  piez. 

De  lor  pecbiez  que  aurent 
faiz, 

II  los  asolst  et  pardonat. 

Li  quarz,  uns  fei,  nom  aut 
Vadart, 

Od  un  espi6t  lo  decolat. 

229  Et  com  il  aut  tolut  lo  quiev, 
Li  cors  estevet  sovrels  piez: 


212  (a)presdrent:  prov.  preiron  prez^ron,  frz.  prisdrent  pristrent 
prirent.  Der  lautgerechte  übergangslaut  ist  d,  vgl.  oben  s.  159  (cosdre). 
Späteres  pristrent  analogisch  nach  distrent  (mit  t  wie  estre),  prirent  nach 
firent.  —  213  les  prediat:  zu  lautform  und  konstruktion  vgl.  oben 
Jonas  7  pretiet.  —  214:  zur  konstruktion  vgl.  oben  v.  17  covit.  —  218: 
credere:  latinismus.  —  219:  pesat:  vgl.  KR  38  penset.  —  220:  comander 
kann  den  reinen  Infinitiv  wie  den  inf.  mit  a  regieren,  vgl.  oben  s.  2S3.  — 
223  treis:  über  den  analogisch  gebildeten  rektus  trei  vgl.  oben  s.  261.  — 
226  pardonat:  wegen  des  fehlens  von  lor  vgl.  die  beispiele  zu  87  li 
seignat.  —  228  inspieth:  beim  decoler  würde  man  zunächst  nicht  espiet, 
sondern  espede  erwarten,  das  aber  durch  den  versbau  ausgeschlossen  ist 
Dass  aber  mit  dem  speer  auch  gehauen  und  geschnitten  werden  konnte, 
zeigt  eine  stelle  in  Isembart  und  Gormont  (v.  390 ff.):  Encontremont 
drecha  l'espiS,  —  Si  l'at  fem  parmi  le  chief  —  Que  le  heaume  ad  detrenchi6 
—  E  de  l'haubert  le  chapelier,  —  Gesqu'al  braiel  le  porfendie  —  Qu'en 
pr6  en  chieent  les  meitiez  —  En  terre  en  cola  li  espies.  —  229  quea: 


VI.  Leodegarlied. 


307 


cio  fad  lonxdis   quenon 

cadit. 
laisaprosmat  quelüifirid : 
entro  litalia  los  pez  deius. 
locorps  stera  sempresus. 

XL  Delcorps  asaz  lauez  audit. 
et  dels  flaiels   quegrand 

sustint. 
lanima    reciant     domine 

deus. 
als  altres  sanz  ennai  encel. 
il  DOS  aind  ob  ciel  senior, 
porcui  sustinc  tels  pas- 

sioDS. 
FINIT.     FINIT    FINIT 
LUDENDO  DICIT; 


Qo  fad  loncs  dis  que  ne  cadit. 

Lai  s'aprosmat  qui  lui  ferit: 
Entro  taillat  les  piez  dejus, 
Li  cors  estevet  senapre  sus. 

235   Del  cors  assez  l'aveiz  odit 
Et  dels  flaiels  que  granz  so- 

stint. 
L'an(e)me  reciut  domin  es  Dieus, 

Als  altres  sa(i)nz  en  vait  en  cieL 
II  nos  aiut  ot  cel  seignor 
240   Por  cui  sostint  tels  passions! 


vgl.  Jonas  cheue,  beide  vermutlich  mit  k'ev,  zwischenform  zwischen  c'avo 
und  Uief  (vgl.  oben  s.  143)  zu  interpretieren,  daher  auch  225  pechietz  == 
pekiets  (6.  Paris  pequiez),  nicht  =  petSiets  zu  setzen.  —  230:  e stera: 
prov.  est^ra  ist  ursprünglich  Plusquamperfekt  ('*-~*staverat),  das  in  der 
bedeutung  des  conditionalis  verwendtt  wird.  Franz.  würde  das  der  be- 
deutung  nach  hier  wol  mögliche  plusqpf.  (vgl.  oben  Eulalia,  dazu  KR  115) 
vermutlich  esturet  {•*—*stetuerat  f.  steter at)  lauten,  wie  perf.  estui-<—*8tetui. 
Estevet  ist  die  regelrechte  ostfranz.  entwicklung  von  stabat  (vgl.  oben 
V.  15  regnevet)  und  konnte  von  dem  prov.  kopisten  leicht  in  estera  um- 
gedeutet werden.  Ebenso  v.  234.  —  232  ferit:  'geschlagen  hatte',  vgl. 
KR  115.  —  233  Entro:  aus  inter  hoc,  eigentlich  adverb  {entro  en  ciel 
bis  in  den  Himmel),  hier  =  entro  que  (vgl.  oben  v.  21b)  'bis  dass'.  — 
235  aveiz:  -eiz  die  ursprüngliche,  im  ostfranz.  auch  späternoch  bewahrte 
lautform  von  -Etis.  Vgl.  auch  KR  56  deüsseiz.  —  239  aiut  ot:  aiut  zu 
aidier,  vgl.  KR  243  aie;  ot  *bei',  vgl.  die  bitte  am  schluss  der  Enlalia- 
sequenz. 


20* 


Bibliographischer  Anhang. 


Vorbemerkung.  Die  häufiger  vorkommenden  verlagsorte  sind 
gekürzt  wie  folgt:  B.  =  Berlin,  Ha.  =  Halle,  Hei.  =  Heidelberg,  L.  = 
Leipzig,  P.  =  Paris,  Str.  =  Strassburg.  —  Die  für  einige  Zeitschriften 
gebrauchten  kürzungen  s.  unten  s.  3 1 3  f.  Sonstige  kürzungen :  DL  =  Deutsche 
Literaturzeitung,  LC  =  Literarisches  Centralblatt,  Zs.  =  Zeitschrift.  —  Die 
Exponenten  %^,*  bezeichnen  die  aufläge. 

A.  EinzeHiteratur  zu  dem  Gedicht  ron  Karls  des  Grossen 
Reise  nach  Jerusalem  und  Eonstantinopel. 

I.   Ausgaben,  Bearbeitungen,  Übersetzungen. 

Chariemagne.  An  anglo-norman  poem  of  the  twelfth  Century  now  first 
pnblished  with  an  introduction  and  a  glossarial  index  by  Francisque 
Michel.    London  u.  P.  1836. 

Karls  des  Grossen  Eeise  nach  Jerasalem  und  Constantinopel.  Ein  alt- 
französisches Heldengedicht,  herausgegeben  von  Eduard  Koschwitz 
(Altfranz.  Bibliothek,  hgg.  von  Prof.  Dr.  Wendelin  Foerster.  II.  band). 
Heilbronn,  Gebr.  Henninger  1880  (ausgegeben  1879). 

Vgl.  dazu  die  recensionen:  Zs.  f.  d.  öst.  Gymnasien  1879,  XXXI 195 
—200  (Adolf  Mussafia).  —  LC  1880,  Nr.  26  (Sg.).  —  Taalstudie.  Tjid- 
schrift  voor  de  Studie  der  nieuwe  Talen  III  22 — 24  (L.  M.  B.)  —  Revue 
des  Langues  Romanes  Ille  serie,  IV  196  (A.  Boucherie).  —  Academy 
1881,  19.  febr.  s.  139f.  (H.  Nicol).  —  Magazin  für  die  Literatur  des 
Auslands  18S0.  Nr. 9  (icp.).  —  Archiv LXIII 451.— ZrP  4(1880)401— 15 
(Hermann  Suchier).  —  LgrP  2  (1881)  sp.  286  (Edmund  Stengel).  — 
Nordisk  tidskrift  for  filologie  1881,  V  171  (Nyrop). 

—  Zweite,   vollständig   umgearbeitete   und   vermehrte   Auflag«.     Heil- 
bronn 1883. 

Vgl.  dazu  die  recensionen:  DL  1883,  sp.  1808  (Morf).  —  LgrP  4 
(1883)  429  (E.  Stengel).  —  Romania  13  (18S4)  126—33  (Gaston  Paris).  — 
Revue  critique  1884,  Nouvelle  s6rie  XVIII  149  (A.  Darmesteter).  — 
Revue  des  Lang.  Rom.  lUe  s6rie,  XI  98  (C.  C).  —  American  Journal 
of  Philology  IV  501  (H.  C.  G.  von  Jagemann). 

—  Dritte  Auflage.    L.,  Reisiand  1895. 


Bibliographischer  Anhang.  309 

Karls  des  Grossen  Reise  nach  Jerusalem  und  Constantinopel. 
Vierte,  verbesserte  Auflage.  L.  1900  (ausgegeben  ende  1901,  nach 
erscheinen  der  „Einführung"). 

Vgl.  dazu  die  recension  von  Eugen  Herzog,  LgrP  23  (1902)  sp.  16 — 19. 

—  Fünfte,  verb.  Auf  läge,  besorgt  von  Gustav  Thurau.    L.  1907. 

—  Sechster,  unveränderter  Abdruck  der  fünften  Auflage,  besorgt  von 
Dr.  Gustav  Thurau,  L.  1913. 

Bruchstücke  in  den  Chrestomathien  (s.  n.  s.  312)  von  Bartsch 
(v.  435  —  628),  Bartsch  und  Horning  (v.  1—166),  C16dat  (v.  106 
—166,  335—483),  Constans  (v.  453  — 633). 


Galiens  li  restor^s.  Schlnssteil  des  Cheltenhamer  Guerin  de  Monglane 
unter  Beifügung  sämtlicher  Prosabearbeitungen  zum  ersten  Male  ver- 
öffentlicht von  Edmund  Stengel.  Marburg,  El  wert  1890  (Ausgaben  u. 
Abhandlungen  z.  rom.  Phil.  Nr.  84).    Vgl.  anm.  zu  KR  852. 

II  viaggio  di  Carlo  Magno  in  Ispagna  pubblicato  per  cura  di  A. 
Cernti.  Bologna  1871,  2  volumi.  Scelta  di  cnriositä  letterarie  inedite 
o  rare,  dispensa  123  e  124.    (Die  italienische  bearbeitung  des  Gallen). 

Eduard  Koschwitz,  Sechs  Bearbeitungen  des  altfranzösischen  Gedichts 
von  Karls  des  Grossen  Reise  nach  Jerusalem  und  Constantinopel. 
Heilbronn,  Gebr.  Henninger  1879.  (Enthält  3  franz.  prosafassungen, 
die  kymrische,  altnordische  und  faröische  bearbeitung). 


Adelbert  (von)  Keller,  Altfranzösische  Sagen.  2  bände,  Tuebingen 
1839—40.    2.  aufl.  in  1  bd.    Heilbronn  1876,  s.  19—42. 

K.  M  er  wart,  Reckenspässe.  Eine  heitere  Märe.  Mit  Benutzung  einer 
altfranzösischen  Sage.    L.,  Literarische  Anstalt  1896  (vergriffen). 

Anatole  France,  Le  gab  d'Olivier,  in:  Les  Contes  de  Jacques  Tourne- 
broche,  P.  1907,  s.  1—21. 

IL  Abhandlungen  allgemeinen  Inhalts. 

Amaury  Duval,  Anonyme  auteur  du  Voyage  de  Charlemagne  ä  Jeru- 
salem.   In:  Histoire  litt^raire  de  la  France  t.  XVIII,  704 — 14. 

Paulin  Paris,  Notice  sur  la  chanson  de  geste  intitul6e:  Le  voyage  de 
Charlemagne  ä  Jerusalem.    Jahrb.  f.  rom.  u.  engl.  Litt.  I  (1859)  198—211. 

Gaston  Paris,  Histoire  po6tique  de  Charlemagne.  P.  1865.  S.  54—58, 
337—44. 

,  La  Chanson  du  P^lerinage  de  Charlemagne.    Romania  9  (1880)  1 — 50. 

,  La  po6sie  du  moyen-äge.  I.  P.  1885  (seitdem  öfter  neu  auf- 
gelegt) s.  119—149  (z,  t.  identisch  mit  dem  Romaniaartikel). 

L6on  Gautier,  Les  6pop6es  fran^aises.  Etudes  sur  les  origines  et 
l'histoire  de  la  litterature  nationale.    II,  260ff.,  "HI,  270—315. 

Heinrich  Morf,  Etüde  sur  la  date,  le  caractöre  et  l'origine  de  la  chanson 
du  P61erinage  de  Charlemagne.    Romania  13  (1884)  185—222. 


310  Bibliographischer  Anhang. 

Cristöforo  Nyrop,  Storia  dell'  epopea  francese  nel  medio  evo.    Tra- 

duzione  di  Egidio  Gorra.    Torino  1888.    S.  115—120. 
Gustav  Gröber,  Französische  Literatur  in:  Grundriss  der  romanischen 

Philologie  II,  1.  abteilung  s.  4H5f. 
Hermann  Suchier,   Geschichte  der  französischen  Literatur  (mit  Birch- 

Hirschfeld).    L.    Bibliographisches  Institut  1907,  21913.    S.  26— 28. 
Jules  Coulet,  Etudes  sur  l'aacien  poeme  franQais  du  Voyage  de  Ghar- 

lemagne  en  Orient.   Montpellier  1907  (Publications  de  la  Soci6t6  pour 

l'Etude  des  Langues  romanes). 

III.   Sprache  und  Textkritik. 

Vgl.  die  zur  ausgäbe  angeführten  recensionen,  namentlich  die  aus- 
führlichen von  Mnssafia,  G.  Paris,  Sachier,  Herzog. 
Eduard  Koschwitz,  Über  die  Chanson  du  voyage  de  ^Dharlemagne  ä 

Jerusalem.    Rom.  Siud.  2, 1—60  (1875),  s.  1  — 18  gleichzeitig  als  Breslauer 

Diss.  erschienen. 
,  Überlieferung  und  Sprache  der  Chanson  du  voyage  de  Charlemagne 

ä  J6r.  et  ä  Const.    Eine  kritische  Untersnchung.    Heilbronn  1876. 
E.  J.  Groth,  Vergleich  zwischen  der  Rhetorik  im  altfranzösischen  Rolands- 

liede  und  in  Karls  Pilgerfahrt,  Archiv  69  (1883)  391—418. 
Hermann  Suchier,  La  XIV^  laisse  du  Voy.  de  Ch.,  in  Le  moyen  äge 

1888,  s.  lOf. 
Joseph  Heitmann,  Die  Pronomina  in  dem  altfranzösischen  Epos  »Karls 

d.  Gr.  Reise  nach  Jer.  und  Const".    Progr.  d,  Realschule  Krefeld  1891. 
Ovidiu  Densusianu,  Romania  25  (1886)  481 — 96  (s.u.). 
Hugo  Andresen,  Zur  Karlsreise.   ZrP  25  (1901)  110-112,  26  (1912)  228f. 
Gottfried  Baist,  Variationen  über  Roland  2074,  2165  (Beiträge  zur  Rom. 

u.  Engl.  Phil.    Festgabe  für  W.  Foerster.    Ha.  1901.    S.  221,  anm.  2 

zu  v.  101  ff.). 
Antoine  Thomas,  Sur  un  vers  du  Pelerinage  de  Charlemagne  (v.  406). 

Romania  32  (1903)  442—44. 
Franz  Saran,  Der  Rhythmus  des  französischen  Verses.    Ha.  1904,  s.  338 ff. 
Wendelin  Foerster,  Der  Pflug  in  Frankreich  und  Vers  296  in  Karls  des 

Grossen  Wallfahrt  nach  Jerusalem.    ZrP  29  (1905)  1—18. 
Georg  Steffens,  Zur  Karlsreise  (v.  261  und  263).    ZrP  30  (1906)  286—94. 

IV.  Sagengeschichtliches. 

Gustav  Gröber,  ZrP  4  (1880)  469f.  (zu  G.Paris'  Romaniaartikel). 

Pio  Rajna,  Origini  dell'  epopea  francese.    Firenze  1884.    S.  404 ff.,  414ff. 

Rudolf  Thurneysen,  Keltoromanisches.    Ha.  1884.    S.  18— 20. 

G.  Osterhage,  Anklänge  an  die  germanische  Mythologie  in  der  alt- 
französischen Karlssage.    IL  ZrP  11  (1887)  208—11. 

Ovidiu  Densusianu,  Ay  meri  de  Narbonne  dans  la  Chanson  du  Pelerinage 
de  Charlemagne.  Romania  25  (1896)  481—96.  Vgl.  dazu  G.  Gröber, 
ZrP  21  (1879)  575. 


Bibliographischer  Anhang.  311 

CarlVoretzsch,  Epische  Studien  I  (Ha.  1900)315  (Hngon=Chlodovech). 
Joseph  Bedier,  Legendes  6piqaes  IV  (Paris  1913)  119— 75  (L'abbeye  de 
Saint  Denis  et  les  chansons  de  geste). 

Zum  ritterbrauch  des  prahlens: 
Adolf  Tobler,  ZrP  4  (1880)  80ff.  —  Proverbe  au  vilain,  L.  1895,  s.  130. 
Erhard  Lommatzsch,  Archiv  134  (1916)  14—27. 


B.  Literatur  zu  den  ältesten  Denkmälern. 

Photographien  und  Faksimiles: 

Gaston  Paris,  Album  de  la  Soci6t6  des  anciens  textes.  P.  1885  (Eide, 
Eulalia,  Passion,  Leodegar,  Jonas). 

Ernesto  Monaci,  Facsimili  di  antichi  manoscritti,  Eom  1881—92 
(Kasseler  Glossen,  Eul.,  Passion  v.  290—421,  Leodegar  v.  13—150, 
die  letzten  drei  nach  G.Paris'  'Album').  —  Facsimili  di  documenti 
per  la  storia  delle  lingne  e  delle  letterature  romanze.  I.  II.  1911  u. 
1913  (115  blätter  in  kleinerem  forraat,  in  mappe  I:  Kasseler  glossen, 
Eide,  Eul.,  Jonas,  Leod.,  Passion). 

Ausserdem  Eide,  Eulalia,  anfang  von  Passion  und  Leodegar  bei  Ko sch- 
witz (s.u.),  dieselben  nebst  Jonas  bei  Foerster  und  Koschwitz 
(s.  u,),  einzelnes  in  literaturgeschichten  und  in  einzelausgaben. 

Ausgaben: 
Friedrich   Diez,    Altromanfsche    Sprachdenkmale.     Bonn  1846   (Eide, 

Eulalia,  prov.  Boethius).  —  Zwei  altromanische  Gedichte.    Bonn  1852, 

^1S76   (Passion  und  Leodegar).  —  Altromanische  Glossare  berichtigt 

und  erklärt.    Bonn  1865. 
Eduard    Koschwitz,    Les    plus    anciens    monuments    de   la   langue 

fraoQaise.    Heilbronn  1879,  Leipzig '' 1907  (Textes  diplomatiques),  dazu 

Textes  critiques  et  glossaire.    Leipzig  21907. 
Wendelin    Foerster    und    Eduard   Koschwitz,    Altfranzösisches 

Übungsbuch  (Die  ältesten  Sprachdenkmäler  mit  einem  Anhang),    Heil- 

broun  J8S4,  4.  Aufl.  Leipzig  1911. 
Edmund   Stengel,    Die   ältesten  franz.   Sprachdenkmäler   (Marburger 

Ausgaben  und  Abhandlungen  8).    Marburg  1884.  ^1901. 
Ernesto    Monaci,    I    piü    antichi    monumenti    della   lingua   francese. 

Rom  1894. 
Giulio  Bertoni,  Testi  antichi  francesi  per  uso  delle  scuole  di  filologia 

romanza,  Roma-Milano  1908. 

Erläuterungsschriften : 

Gustav  Lücking,  Die  ältesten  franz.  Mundarten.  Eme  sprachgeschicht- 
liche Untersuchung.    B.  1877. 

Ed.  Koschwitz,  Commentar  zu  den  ältesten  franz.  Sprachdenkmälern  I 
(Eide,  Eulalia,  Joüas,  Hohes  Lied,  Stephansepistel).  Heilbronn  1886 
(10.  Band  der  Altfranz.  BibUothek). 


812  Bibliographischer  Anhang. 

E.  Stengel,  Wörterbuch  zu  den  ältesten  franz.  Sprachdenkmälern  (Mar- 
bnrger  Ausgaben  und  Abhandlungen  I  2).    Marburg  1882. 

Weitere  einzelliteratur  ist  am  ausführlichsten  verzeichnet  im  Übungs- 
buch von  Foerster  und  Koschwitz,  4.  Aufl.  (zu  beachten  die  nach- 
trage s.  273  flf.).  Zu  den  poetischen  denkmälern  vgl.  noch  die 
Einführung  in  das  Studium  der  altfranzösischen  Literatur;  zu  den 
Reichenauer  Glossen:  Wend.  Foerster,   ZrP  36  (1912)  47—71. 


C.   Auswahl  altfranzösischer  Ausgaben  zum  weiteren 
Selbststudium. 

Mit  rücksicht  auf  die  bedürfnisse  des  anfängers: 
6.  Paris,  Extraits  de  la  Chanson  de  Roland,  Paris,  Hachette.   10.  Aufl.  190& 

(mit  grammatik,  anmerkungen,  glossar). 
0.  Schultz- Gora,  Zwei  altfranzösische  Dichtungen.    Mit  Einleitungen, 

Anmerkungen   und   Glossar.    Halle   1899,   ^1916   (bes.   anmerkungen 

syntaktischen  Inhalts). 
H.  Suchier,  Ancassin  et  Nicolette.  Texte  critique  accompagn6  deparadigmes 

et  d'un  lexique,  8^  6d.  Paderborn  1913  (zugleich  zur  einführung  in 

die  pikardische  mundart  dienlich). 

Textstücke    nebst    formenlehre    und   Wörterbuch   bei   Bartsch, 

Chrestomathie  de  l'ancien  fran^ais  (lOe  ed.  p.  Leo  Wiese,  L.  1911),  mit 

laut-  und  formenlehre  nebst  glossar  bei  Bartsch  et  Horning,  La 

langue   et  la  litterature  franQaises  depuis  le  9^  jusqu'au  14«  si^cle 

(Pa.,  Str.  1887).  

Ausgaben  mit  reichhaltigem  Wörterbuch: 

Chanson  de  Roland  p.  p.  Leon  Gautier.  Edition  classique,  Tours 
1872  u.  ö.  (in  anglonorm.  sprachformen,  mit  nfr.  übers,  und  sachkom- 
mentar),  p.  p.  L6on  C16dat,  P.  *1887  (in  francischer  mundart). 

Wendelin  Foersters  Crestienausgaben  in  der  Romanischen 
Bibliothek  {Ha.,  1888flf.):  Christian  von  Troyes,  Cligös  1888,  »1910, 
Yvain  1891,  *1912,  Erec  1896  »1909.  Dazu  Foersters  grosse  Crestien- 
ausgaben mit  kritischem  apparat  und  anmerkungen  (CligSs  1S84, 
Yvain  1887,  Erec  1890,  Lancelot  und  Wilhelm  1899).  Foersters 
Wörterbuch  zu  sämtlichen  Werken  (Rom.  Bibl.  21,  1914)  und  das 
Yvainglossar  von  Alfred  Schulze,  Berlin  1902.  Über  die  cham- 
pagnische  mundart  s.  Foerster  im  Clig6s  und  im  Wörterbuch. 

Ausfiihrliche  Wörterbücher  bieten  auch  die  meisten  bände  der  von  Suchier 
hgg.  Bibliotheca  Normannica  (Ha.  1879ff.,  8  bände).  Wichtig 
wegen  der  eingehenden  darstellung  der  spräche  (normannisch):  Die 
Fabeln  der  Marie  de  France,  hgg.  von  Karl  Warnke  (1898), 
dazu  die  Lais  derselben  dichterin,  hgg.  von  demselben  (1895,  '»1900). 

Gute  Wörterbücher  mit  etymologien  in  der  Chresthomathie  de  l'ancien 
frauQais  von  L6on  Constans  (1885,  »1905),  in  Koschwitz'  Les  plus 


Bibliographischer  Anhang.  313 

anciens  monnments,  Textes  critiques  (s.  o.),  und  in  der  ausgäbe  des 
lyrikers  Conon  de  Bethune  durch  Axel  Wallensköld  (Helsing- 
fors  1891).  __^___ 

Ausgaben  mit  reichlichen  erläuterungen: 

La  vie  de  St.  Alexis  p.  p.  G.  Paris  et  L.  Pannier,  P.  1872  und  1887 
(wichtig  für  die  principien  der  textkritik). 

Aiol  et  Mirabel  und  Elie  de  St.  Gille  hgg.  von  W.  Foerster,  Heil- 
bronn 1876—82. 

Eduard  Mätzner,  Altfranzösische  Lieder  berichtigt  u.  erläutert.    B.  1855. 

Li  dis  dou  vrai  aniel  (die  Ringparabel)  hgg.  von  Adolf  Tobler,  L. 
1872,  M884. 

Auberee,  Altfranz.  Fabel,  hgg.  von  Georg  Ebeling,  Ha.  1895  (in  den 
letztgenannten  bes.  syntaktisch  wichtige  anmerkungen). 


D.   Encyclopädische  und  grammatisclie  Hilfsmittel. 

Grundriss  der  Romanischen  Philologie,  hg.  von  Gustav  Gröber, 
2  bände  in  4  abteilungen,  Str.  1888  —  1901.  L  Band  (allgemeines  und 
sprachen)  in  2.  aufl.  1906  (für  vorgerückte). 

Gustav  Körting,  Handbuch  der  Roman.  Philologie,  L.  1896  (zur  ein- 
führ ung). 

Fritz  Neumann,  Die  Roman.  Philologie.  Ein  Grundriss,  Leipzig  1886 
(unterrichtet  kurz  sachlich  und  bibliographisch). 

Eduard  Koschwitz,  Anleitung  zum  Studium  der  franz.  Philologie, 
3.  aufl.  von  Gustav  Thurau,  Marburg  1907. 

Kritischer  Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  Roman.  Phil.  hg. 
von  Karl  Vollmöller,  Erlangen  1890ff.   Bisher  13  bände.    Kürzung: 

Jahresbericht. 

Die  bekanntesten  und  auch  unter  G  unten  häufiger  zitierten  Zeit- 
schriften sind: 

Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  und  Literaturen.  Braun- 
schweig 1846 ff.,  hg.  von  Alois  Brandl  und  Oskar  Schultz-Gora. 
Kürzung :  Archiv 

Revue  des  langues  romanes.    Paris  et  Montpellier  1870 flf.  Rdlr 

Romania,  Recueil  trimestriel,  Paris  1872fF.,  p.p.  Paul  Meyer.        Rom. 
Romanische  Studien,  hg.  von  Ed.  Boehmer,  Strassburg,  Bonn,  1875 
—1895,  6  bände.  Rom.  Stud. 

Zeitschrift  für  romanische  Philologie,  Halle  1876ff.,  hg.  von  Eduard 
Hoepffner.  Nebst  jährlichen  bibliographischen  Supplement- 
heften und  zwanglos  erscheinenden  Beiheften.  ZrP 
Romanische  Forschungen,  hg.  von  Karl  Vollmöller,  Erlangen 
1882  ff.  Rom.  Fo. 
Zeitschrift  für  französische  Sprache  und  Literattir,  Oppeln  1880  ff.,  hgg. 
von  Dietrich  Behrens.                                                              ZfSL 


314  Bibliographischer  Anhang. 

Literaturblatt  fiir  germanische  und  ronjanische  Philologie,  hgg.  von 
Otto  Behaghel  und  Fritz  Neumann.    L.  1880ff.  LgrP 

Germanisch  -  romanische  Monatsschrift,  hgg.  von  Dr.  Heinrich 
Schröder,  Heidelberg  1909 flf.  GRM 


Für  die  allgemeine  und  speziell  romanische  Sprachbetrachtung: 

Hermann  Paul,  Principien  der  Sprachgeschichte,  Ha.  1880,  *1909  (vgl. 
dazu  Fr.  Neumann,  Roman.  Phil.  s.  20 ff). 

Eduard  Wechssler,  Gibt  es  Lautgesetze?    Ha.  1900. 

Wilhelm  Meyer-Lübke,  Einführung  in  das  Studium  der  roman.  Sprach- 
wissenschaft, Hei.  1901  (Roman.  Elementarbücher  I,  1),  ^1909. 

Eugen  Herzog,  Streitfragen  der  roman.  Philol.  L    Ha.  1905. 


Romanische  Sprachen: 
Friedrich  Diez,  Romanische  Grammatik,  Bonn  1836 — 1844,  M876 — 77 

(grundlegend  für  die  romanische  Sprachwissenschaft). 
Wilhelm  Meyer-Lübke,  Grammatik  der  romau.  Sprachen,   4  bände, 

L.  1894—1902.    Franz.  Übers.  1890— 19U6,  4  bde. 
Adolf  Zauner,    Die   roman.   Sprachwissenschaft  (Sammlung   Göschen). 

L.  1899,  ^1914  (kurz,  zur  ersten  Orientierung  geeigoet). 
Emile  Bourciez,  Elements  de  linguistique  romane.    P.  1910. 
Georg  Ebeling,  Probleme  der  romanischen  Syntax.    I.    Ha.  1905. 


Latein  und  Vulgärlatein: 

Friedrich  Stolz  und  Schmalz,  Abrfss  d.  latein.  Grammatik,  in  Iwan 
Müllers  Handbuch  d.  klass.  Altertumswissenschaft  II,  2.  Abt.    '•1910. 

Historische  Grammatik  der  lat.  Sprache,  bearbeitetet  von  H.  Blase, 
G.  Landgraf  n.  a,  L.  1894 ff.,  3  bände. 

Raphael  Kühner,  Ausführliche  Grammatik  der  lat.  Sprache,  Hannover 
1877,  2.  aufl.  von  Holzweissig  und  Stegmann,  3  bde.,  1912 — 14. 

W.  M.  Lindsay,  Die  lat.  Sprache,  ihre  Laute,  Stämme  und  Flexionen  in 
sprachgeschichtlicher  Darstellung.     Übers,  von  M.  Nohl,  L.  1897. 

Ferd.  Sommer,  Handbuch  der  lat.  Laut-  und  Formenlehre.  Eine  Ein- 
führung in  das  sprachwiss.  Studium  des  Lateins  (Indogerm.  Lehr- 
bücher I,  3).    Hei.  1902. 

Max  Nieder  mann,  Historische  Lautlehre  des  Lateinischen,  ^1911.  — 
Alfred  Ernout,  Hist.  Formenlehre  des  Lat,  deutsch  von  Hans 
Meltzer,  1913  (beide  Heidelberg,  Indogerman.  Bibliothek  IT,  1  u.  5). 

Wilh.  Meyer-Lübke,  Die  lat.  Sprache  in  den  roman.  Ländern,  in 
Gröbers  Grundriss  I''',  451  ff. 

HugoSchuchardt,  Der  Vocalismus  des  Vulgärlateins.  3  bde.,  L.  1866— 68. 

Emil  Seelmann,  Die  Aussprache  des  Lateins  nach  physiologisch- 
historischen Grundsätzen,  Heilbronn  1885. 


Bibliographischer  Anhang.  315 

Gustav  Gröber,  Sprachquellen  und  Wortquellen  des  lat.  Wörterbuchs, 
in  Wölflflins  Archiv  für  lat.  Lexikographie  I,  35  ff. 

,  Vnlg'ärlat.  Substrate  romanischer  Wörter,  ebenda  I— VI. 

W.  Heraeus  und  H.  Morf,  Sammlung  vulgärlat.  Texte,  Hei.  19ü9ff. 
Ernst  Diehl,  Vulgärlat.  Inschriften,  Bonn  1910. 
Friedrich  Slotty,  Vulgärlat.  Übungsbuch,  Bonn  1918. 

Historische  Grammatik  u.  Geschichte  des  Französischen: 
Hermann  Suchier,   Die   französische   und   provenzalische  Sprache  (in 

Gröbers  Gruudriss,  I.  band,  s.  o.).    Auch  separat,  Str.  1906. 
Ferdinand  Brunot,  Histolre  de  la  langue  fran9aise  des  origines  ä  1900. 
Bisher  3  bände  (I.  Le  moyen  äge,   IL  Le  seizieme  siecle,  III.  La 
formation  de  la  langue  classique,  1600 — 60),  Paris  1901 — II. 
Kristoffer  Nyrop,  Grammaire  historique  de  la  langue  frangaise,  bisher 

4  bände  (I.  Hist.  g6n.  und  Phon6cique  in  2.  aufl.,  II.  Morphologie, 
III.  Formation  des  mots,  IV.  Semantique),  Kopenhagen  lS99ff. 

Arsene  Darmesteter,  Cours  de  gram.  hist.  de  la  langue  frangaise  p.  p. 
Leopold  Sudre,  4  bändchen  (I.  Piionötique,  II.  Morphologie, 
III.  Formation  des  mots  et  vie  des  mots,  IV.  Syntaxe),  P.,  Delagrave, 
oft  aufgelegt  (in  umfang  und  anläge  für  Studenten  und  lehrer). 

Wilhelm  Meyer-Ltibke,  Historische  Grammatik  der  franz.  Sprache. 
I.  Laut-  und  Flexionslehre.    Hei.  1908,  n913. 

Karl  Voss  1er,  Frankreichs  Kultur  im  Spiegel  seiner  Sprachentwicklung. 
Hei.  1913. 

Für  teilgebiete: 
E.  Bourciez,  Pr6cis  historique  de  phon6tique  frangaise.    P.  '1907. 
Gustav  Körting,  Formenlehre  der  französischen  Sprache.    I.  Das  Verbum, 

Paderborn  1893.    IL  Das  Nomen,  ebenda  1S98. 
Adolf   Tobler,    Vermischte    Beiträge    zur   franz.    Grammatik,    Leipzig, 

5  bände:  I  1886,  ''1902,  II  1894,  »190t),  IIE  1899,  ^1908,  IV  1908,  V  1912. 
Josef  Haas,  Französische  Syntax.    Ha.  1916. 

Altfranzösische  Grammatik: 

Schwan-Behrens,  Grammatik  des  Altfranzösischen  (Laut-  und  Formen- 
lehre), von  Ed.  Schwan,  neu  bearbeitet  von  D.  Behrens,  Leipzig, 
10.  verm.  aufl.  1914,  III.  teil  1914  (mundartliche  materialien). 

H.  Suchier,  Altfranzösische  Grammatik.  I.  Ha.  1893  (die  betonten  vokale 
i.  d.  Schriftsprache).    Franz.  Übers.  (Les  voyelles  toniques)  P.  1905. 

Benno  Röttgers,  Die  altfranzösischen  Lautgesetze  in  Tabellen.    L.  1897. 

£.   Lexikalische  Hilfsmittel. 

Mittelalterliches  Latein: 
Du  Gange,  Glossarium  mediae  et  infimae  latinitatis  (zuerst  1678).    Editio 
nova   aucta   pluribus   verbis    aliorum    scriptorum   a  Leopold  Favre, 
Niort  1883,  10  bde.  (bd.  IX:  Glossarium  gallicum). 


316  Bibliographischer  Anhang. 

Romanische  Etymologie: 

Fr.  Diez,  Etymologisches  Wörterbuch  der  romanischen  Sprachen,  2  bände, 
Bonn  1853,  5.  aufl.  (von  Scheler)  1887  (grundlegend  für  die  romanische 
etymologie  überhaupt).    Dazu  index  von  Jarnik,  Prag  1889. 

Gustav  Körting,  Lateinisch-romanisches  Wörterbuch,  Paderborn  1891, 
»1907. 

Wilhelm  Meyer-Lübke,  Romanisches  etymologisches  Wörterbuch, 
Hei.  1911,  10  lieferangen. 

Dazu  zu  vergleichen  die  arbeiten  über  die  fremden  demente  im  roman. 
u.  franz.  Sprachschatz:  Heinrich  Berger,  Die  Lehnwörter  in  der 
französischen  Sprache  in  ältester  Zeit,  L.  1899,  vgl.  dazu  G.Paris, 
Journal  des  Savants  1900,  jetzt  G.  P.,  M61anges  lingnistiqnes,  Paris 
1909,  s.  315flf.  —  Theodor  Claussen,  Die  griechischen  Wörter  im 
Französischen.  Rom.  Fo.  15,  774flf.  —  Rudolf  Thurneysen, 
Keltoromanisches ,  Ha.  1884.  —  Emil  Mackel,  Die  germanischen 
Elemente  in  der  franz.  u.  prov.  Sprache,  Heilbronn  1887  (Franz. 
Studien  VI,  1).  —  Gottfried  Baist,  German.  Seemannsworte  in  der 
franz.  Sprache,  Str.  1903  (Zeitschr.  f.  Deutsche  Wortforschung  IV).  — 
Werner  Kalbow,  Die  german.  Personennamen  des  altfranz.  Helden- 
epos und  ihre  lautliche  Entwicklung,  Ha.  1913. 


Altfranzösische  Wörterbücher: 

Fred6ric  Godefroy,  Dictionnaire  de  l'ancienne  langue  frangaise  et  de 
tous  ses  dialectes  du  IX«  au  XV  siecle.    P.  1881—1902,  10  bände. 

Fr.  Godefroy,  Lexique  de  l'ancien  frangais  p.  p.  les  soins  de  MM.  J. 
Bonnard  et  Am.  Salmon,  P.  1901. 

Adolf  Toblers  Altfranzösisches  Wörterbuch,  ans  dem  Nachlass  hgg. 
von  Erhard  Lommatzsch  1915flf.    Bisher  3  lieferungen  (a—apartenir). 

Gute  dienste  leisten  auch  die  Wörterbücher  zu  den  Chrestomathien 
von  Bartsch,  Bartsch-Horning,  Constans  (s.  o.  s.  312),  sowie  ge- 
legentlich die  älteren  Wörterbücher  von  Du  Gange  (Glossarium 
gallicum  s.o.)  und  La  Curne  de  Sainte-Palaye  (Dictionnaire 
historique  de  l'ancien  langage  frangois,  1756,  gedruckt  1882).  —  Für 
das  ältere  Neufranzösisch:  Dictionnaire  gSn^ral  de  la  langue 
franQaise  p.  MM.  Adolphe  Hatzfeld,  Arsene  Darmesteter  et 
Antoine  Thomas  (mit  etymologien),  P.,  2  bde. 


F.    Altfranzösische  Literaturgeschichten. 

Histoire  litteraire  de  la  France,  bisher  32  quartbände,  1735ff., 
jetzt  von  der  Acad.  des  Inscriptions  et  Beiles -Lettres  in  Paris  hgg. 
(Die  umfangreichste  darstellung  der  afr.  literaturwerke). 

Onstav  Gröber,  Französische  Literatur,  in  Gröbers  Grundriss  II.  band, 
1.  abt.,  s.  433— 1247. 


Bibliographischer  Anhang.  317 

Für  weitere  kreise: 

Sachier  und  Birch- Hirschfeld,  Geschichte  der  franz.  Litteratur  (Mittel- 
alter von  Suchier),  L.  1900,  '1913,  2  bde.  (mit  zahlreichen  faksimiles 
n.  ä.). 

Histoire  de  langue  et  de  la  litt^ratnre  frangaises,  pnbliSe  soas 
la  direction  dePetitde.Tulleville,  8  bände,  P.  1895—99  (gleich- 
falls mit  faksimiles  usw.).    Bd.  I — II  mittelalter,  III  16.  jahrh. 


Kompendien  für  den  gebrauch  des  studierenden: 

Gaston  Paris,  La  litt6ratnre  fran§aise  au  moyen  äge  (XI«— XIV*  siecle), 
P.  1888,  4.  aufl.  (v.  P.Meyer  und  J.  B6dier)  1909.  Nach  gattungen 
dargestellt. 

Gaston  Paris,  Esquisse  historique  de  la  litt6rature  frangaise  au  moyen 
äge  (depuis  les  origines  jnsqu'ä  la  fin  du  XVe  siecle),  P.  1907  (hg.  v. 
P.  Desjardins  u.  P.  Meyer).    Darstellung  in  chronologischer  Ordnung. 

Carl  Voretzsch,  Einführung  in  das  Studium  der  altfranz.  Literatur. 
Im  Anschluss  an  die  Einführung  in  das  Studium  der  altfranzösischen 
Sprache.    Ha.  1905,  21913. 

Ph.  Aug.  Becker,  Grundriss  der  altfranz.  Literatur.  I.  Teil:  Älteste  Denk- 
mäler.   Nationale  Heldendichtung  Hei.  1907  (Elementarbücher  II.  1, 1). 


G.  Bibliographische  Erläuterungen  zu  einzelnen  Kegeln 
und  Angaben  der  yorliegenden  Einführung. 

Systematische  bibliographien  zur  grammatik  siehe  in  den  grammatischen 
darstellungen  von  Meyer- Lübke,  Suchier,  ßrunot,  Nyrop,  Schwan- 
Behrens,  dazu  die  referate  in  Vollmöllers  Kritischem  Jahresbericht. 
Einzelnes  auch  in  den  reiensionen  und  anzeigen  dieses 
buches,  auf  die  im  folgenden  gelegentlich  bezug  genommen  ist: 

I.Auflage:  K.  Vossler,  LgrP  (s.o.)  22  (1901)  sp.  284ff.  —  Lit.  Beüage 
zur  Köln.  Volkszeitung  1901,  No.  32,  s.  242.  —  Wallensköld,  Neu- 
philol.  Mitteilungen  (Helsingfors)  1901,  No.  15.  Sept.  — 15.  Oct.  — 
S.  de  Grave,  Museum  (Groningen)  1901,  No.  8,  s.  218flF.  — 
B.  Röttgers,  Neue  Phil.  Rundschau  1902,  no.  5,  s.  108 ff.  — 
E.  Bourciez,  Revue  critique  1902,  no.  17,  s.  329ff.  —  LG  1902, 
no.  24,  sp.  809f.  —  A.  Tob  1er,  Archiv  108  (1902)  255ff.  —  G.Paris, 
Romania  (s.o.)  31  (1902)  s.  476.  —  H.  Suchier,  DL  1902,  no.  40, 
sp.  2528  ff.  —  Wawra,  Zs.  l  d.  Realschulwesen  (1902)  27,  9.  — 
L.  Brandin,  Le  Moyen-äge  15  (1902)  46 ff.  —  Kanzler,  Südwest- 
deutsche Schnlblätter  1903,  s.  190f.  —  Nils  Flaten,  Modern 
Langaage  Notes  18  (1903)  s.  176ff.  —  M.  Friedwagner,  Zs.  f.  d. 
öst.  Gymn.  1903,  6.  heft,  s.  513 ff.  —  E.  Stengel,  Jahresbericht  6 
(1899—1901)  1,  s.  12  n.  319,  G.  Rydberg,  ebenda,  s.  214f. 

2.  Auflage:  K.  Vossler,  LgrP  24  (1903),  sp.  401f.  —  A.  Wallensköld, 
Neuphilol.  Mitteilungen  1904,  no.  1,  s.  23  ff.  —  H.  Morf,  Archiv  111 


318  Bibliographischer  Anhang. 

(1904)  s.  465.  —  B.  Röttgers,  Neue  Phil.  Rundschau  1904,  no.  5, 
8.  113.  —  A.  Jeanroy,  Revue  criiique  1904,  no.  23,  s.  453. 

3.  Auflage:    A.  Wallensköld,    Nenphiiol.    Mitteilungen    1907,    No.  7/8, 

s.  136  f.  —  A.  Jeanroy,  Revue  eritique  1907,  no.  38,  s.  238.  — 
B.  Röttgers,  Neue  Phil.  Rundschau  1908,  no.  12,  s.  277.  —Vgl. 
noch  LgrP  28  (1907)  sp.  262,  Archiv  119  (1907)  s.  267,  LC  1907, 
sp.  1101  (no.  34). 

4,  Auflage:    A.  Wallensköld,    Neuphilol.   Mitteilungen  1911,   No.  7/8, 

s.  184— 87.  —  Meyer-Lübke,  LC  1912,  sp.  22f.  —  J.  Acher, 
Rdir  (s.o.)  56  (1913)  118—23.  —  E.  Herzog,  Zs.  f.  d.  öst.  Gymn. 
64  (1913)  150—52. 


Bibliographische  verweise  (solche  in  eckigen  klammem  ver- 
weisen auf  einzelne  während  der  drucklegung  erschienene  arbeiten): 
I.Teil.  S.  5  zu  I,  Auslaut-m:  Ernst  Diehl,  De  m  finali  epigraphica, 
Jahrbuch  f.  class.  Phil.,  25.  Suppl.-Band  (1899)  1—327  (vgl.  auch  des- 
selben Verfassers  für  eine  reihe  von  erscheinungen  wichtigen  '  Vulgär- 
lateinischen Inschriften'  Bonn  1910).  —  S.  6  zu  II,  ü—>ü:  G.  Gröber 
(s.  Koschwitz,  Überlieferung  u.  Sprache  s.  36);  G.  Paris,  Rom.  7 
(1878)  s.  129 f.;  Gr.  Ascoli,  Una  lettera  glottologica,  1881,  s.  19flF. 
(deutsch  1887,  s.  18f.);  R.  Thurneysen,  Keltoromanisches,  s.  lOf. ; 
H.  Suchier  in  Gröbers  Grundriss  l^llQt;  W.  Meyer-Lübke,  Ein- 
führung« 207 ff.,  Melanges  Wilmotte(19lO)  377 ff.,  ZfSL41  (1913)  Iff., 
44  (1916)  75flf.;  E.  Philipon,  Romania  40  (1911)  IflF.;  E.  Gierach, 
ZfSL  40  (1912—13)  103ff.;  E.  Jacoby,  Zur  Geschichte  des  Wandels 
von  lat.  U  zn  y  im  Galioromanischen,  Diss.  B.  1916.  —  S.  7  zu  III, 
Endvocale:  Shepard,  A  contribution  to  the  history  of  the  un- 
accented  vowels  in  old  French,  Heidelberger  Diss.,  Easton  1897; 
H.  Suchier,  Gröbers  Grnndriss  P  7ö2fif.;  Hugo  Wendel,  Die  Ent- 
wicklung der  Nachtonvokale  aus  dem  Latein  ins  Altprovenzalische, 
Tübinger  Diss.  1906;  H.  Herford,  Die  lat.  Proparoxytona  im  Alt- 
pro venzalischen,  Diss.  Königsberg  1907;  J.  Cornu,  Chute  de  la 
voyelle  finale,  in  M61anges  Chabaneau,  Erlangen  1907,  s.  105 — 117; 
A.  Wallensköld,  Neuphil.  Mitteilungen  (Helsingfors)  1  SOS,  7— 26.  — 
S.  8  zu  IV,  Nasaliernng:  die  hier  gegebene  darstellnng  im  wesent- 
lichen nach  Suchier,  Altfr.  Gram.  s.  63  (vgl.  auch  Grnndriss  I*, 
731  f.).  Anders  G.  Paris,  Vie  de  St.  Alexis,  s.  82 f.,  Extraits  d.  1.  eh. 
d.  Roland,  s.  3  ff.,  Romania  27  (1S9S)  300  ff.  Über  die  Untersuchungen 
von  Uschakoff  (Helsingfors  1S97),  Berghold  (Diss.  L.  1898)  und 
Klahn  (Diss.  Kiel  1898)  vgl.  die  ausführlichen  besprechungen  von 
E.  Herzog,  ZrP  22  (1898)  536ff ,  ZfSL  21  (1899)  160ff.  und  G.  Ryd- 
berg,  Jahresbericht  6  (1899—1901)  I,  229ff.  —  S.  15  zu  Charles  lil, 
Endvokale,  vgl.  anm.  zu  8.7.  —  S.  18  zu  mostier  I:  über  ge- 
schlechtswechsel  des  neutrums  siehe  W.  Meyer(-Lübke),  Die 
Schicksale  des  lat.  Neutrums  im  Romanischen,  Ha.  1883;  E.  Appel, 
De  genere  neutro  intereunte  in  lingua  latina,  Erlangen  1883.    Über 


Bibliographischer  Anhang,  319 

sonstigen  geschlechtswechsel:  H.Sachs,  Geschlechtswechsel  im  Franz., 
Dlss.  Göttingen  1886;  K.  Armbrnster,  Geschlechtswandel  im  Franz., 
Diss.  Hei.  18S8;  P.  Jörfs,  über  den  Genuswechsel  lat.  Maskulina 
und  Feminina  im  Franz.,  Progr.  Ratzeburg  1892.  —  S.  18  zu  mostier  III, 
Darmesteter'sches  gesetz:  A.  Darmesteter,  La  protoniqne  non 
initiale,  non  en  position,  Rom.  5  (1876)  140ff.;  E.  Herzog,  Streitfragen 
s.  lOJfif.  Vgl.  noch  A.  Thomas,  La  loi  de  Darmesteter  en  proveD§al, 
Romania  2!  (1892)  7flF.;  A.  Fröse,  Die  lat.  Vortonvokale  im  Altproven- 
zaliscben,  Diss.  Königsberg  1908;  A.  Stimming,  ZrP  ,37  (1913)  4«6— 71. 
—  S  20  «  vor  s:  F.  Sommer,  Handbach  (s.  o.)  s.  254 flf.  —  S.  20  Saint 
Denis:  vgl.  Alfred  Westholm,  Etüde  historique  sur  la  construction 
du  type  „li  filz  le  rei"  en  fran^ais,  Vesteräs  1899  (Tb^se  de  doctorat, 
Upsala).  A.  Tob  1er,  Vermischte  Beiträge  P,  68 ff.  Zum  lat.  Sprach- 
gebrauch vgl.  Kühner,  Lat.  Grammatik  (s.  o.)  II  l'*  s.  376.  —  S.  24  zu 
Rout  1,  Verstummen  des  h:  G.Paris,  Rom.  11  (1882)  899,  ebenda 
3ü  (1901)  626flf.;  G.  Gröber  in  Commentationes  Wölfiflinianae,  L. 
1891,  s.  169flf.;  F.  Sommer,  Handbuch  s.  2!5flf.  —  S.  24  und  25:  über 
die  entwicklang  von  konsonant  +  hiatus-],*  siehe  Neumannn  in 
Miscellanea  di  filologia  linguislica  in  memoria  di  N.  Caix  e  ü.  A.  Canello, 
Firenze  1886,  s.  167—174.  —  S.26  zu  Rout  VII:  über  Stellung  und 
bedeutung  von  re-  vgl.  Max  Meinicke,  Das  Präfix  Re-  im  Fran- 
zösischen. B.  1904.  —  S.  32:  zur  entwicklung  von  -avi,  avit  vgl. 
Meyer-Lübke,  Rom.  Gram.  II,  §272,  und  Suchier  im  Grund- 
riss  P,  778.  —  S.  34:  über  laut-  und  bedeutungsentwicklung  von  caput 
vgl.  Paul  Friedrich  Bernitt,  Lat.  caput  und  *capum  nebst  ihren 
Wortsippen  im  Franz.,  Diss.  Kiel  1905.  [A.  Stimming,  ZrP  39  (1918) 
129 flf.  erklärt  chieu  lür  das  lautgesetzliche  ergebnis  von  caput,  chief 
für  eine  neubildung].  —  S.  36:  Über  die  romanische  vokaldehnung 
und  -kürzung:  Bernhard  tenBrink,  Dauer  und  Klang  im  Alifranz., 
Str.  1879,  dazu  Suchier,  ZrP  3  (1879)  135—43,  u.  E.  Mackel,  ZrP  20 
(1896)  514—19.  —  S.  88  — 39:  Über  auslautendes  -t  s.  G.Paris, 
St.  Alexis  s.34f;  Suchier,  Reimpredigt  (Blbl.  Norm.  I)  s. XXI f.  —  S  40 
zu  aveir  mit  partizip:  Thielmann,  Archiv  f.  lat.  Lexikographie  2 
(1885)  372flf.,  509 flf.;  J.  Busse,  Die  Kongruenz  des  Part.  Prät.  in  aktiver 
Verbalkonstruktion,  Diss.  Göttingen  18'52;  E.  Herzog,  26.  Beiheft 
zur  ZrP  (1910)  106  ff.  —  S.  42:  über  son  für  sa  nach  ante  vokalischem 
bon  —  bonne  vgl.  E.  Herzog,  ZrP  20  (1896)  84-85,  Jahresbericht 
13  (1911/12)  I  188—90;  P.  Högberg  ZrP  36  (1912)  491  ff  ,  37  (1913) 
382f.,  Voretzsch  ZrP  36,  60of ,  37,  38:if.  —  S.  44  e  protheticum: 
die  neue  erklärung  bei  E.  Herzog,  Streitfragen  (oben  D)  §  31  (s  45)  — 
S.  48  übergangslaut  t  zw.  l,  n — s:  vgl.  H.  Schuchardt,  Romania  3 
(IS74)  2^5,  G.  Gröber,  ZrP  6  (1882)  486,  Koschwitz,  Überlieferung 
(s.  oben  A)  s.  64,  und  Kommentar  zu  den  ältesten  franz.  Sprach- 
denkmälern (Altfranz.  Bibl.  10)  s.  78.  —  S.  60:  über  duc  als  lehnwort 
vgl.  noch  Berger,  Lehnworte  (s.  oben  E). 

S.  52  zu  demeines  III:  vgl.  zum  lautwandel  W.  Foerster,  ZrP  13 
(1889)  533—43;  über  das  grundwort  vgl.  G.  Cohn,  Suffixwandlungen 


320  Bibliographischer  Anhang. 

im  Vulgärlatein  (1891)  s.  169,  Dictionnaire  g6n6ral  (s.  oben  s.  316) 
unter  domaine,  Meyer-Lübke,  Einführung  *241;  annähme  eines 
präfixtausches  bei  Schwan-Behrens"  s.  15.  —  S.  53  zu  ftarons: 
C.  A.  Westenblad,  Baro  et  ses  d6riv6s  dans  les  langues  romanes, 
üpsala  1910  (thöse  de  doctorat);  Fr.  Settegast,  ZrP  37  (1918) 
186 — 95.  —  S.  55:  zum  suffix  -arius  vgl.  über  die  älteren  Unter- 
suchungen von  A.  Zimmermann  (Diss.  Hei.  1895),  H.  Morf 
(Archiv  1895,  bd.  94),  G.  Körting  (ZfSL  1895,  bd.  17),  E.  Staaff 
(Diss.  Upsala  1896)  die  referate  von  Meyer-Lübke,  Jahresbericht  4 
(1895—96)  I,  102flF.,  und  Risop  ebenda  I,  221ff.  Ferner  A.  Thomas, 
Romania  31  (1902)  491  ff.,  und  Suchier,  Grundriss  I",  796f.,  zuletzt 
R.  Haberl,  ZrP  34  (1910)  129ff.  —  S.  60  germ,  w->gu:  vgl.  noch 
Wallensköld,  Rec*  s.  184f.,  J.  Schwarz  ZrP  36  (1912)  236ff.  — 
S,64f.  bedingte  diphthongierung:  vgl.  Voretzsch  in  Forschungen 
z.  Rom.  Phil.,  Festgabe  für  H.  Suchier,  Ha.  1900  (auch  sep.),  s.  575£f., 
Meyer-Lübke,  Sitz.-Berichte  d.  Akad.  d.  Wiss.  B.  1916,  XIII  342 flf.  — 
S.  67  Umlaut  (s.  auch  fut  s.  llf.):  vgl.  W.  Foerster,  ZrP  3  (1879) 
481ff.  Fr.  Neumann  ebenda  8  (1884)  259ff.,  dazu  d'Ovidio  ebenda 
476f.  Ferner  Voretzsch,  Forschungen  z.  Rom.  Phil,  (s.o.)  s.  634  ff.  (60  ff.), 
E.Herzog  ZfSL  23  (1901)  301ff.,  Savj-Lopez,  Dell'  „Umlaut* 
provenzale,  Budapest  1902,  H.  Suchier,  Grundriss  I",  730;  zu 
ebrium—fivre  Meyer-Lübke  ZrP  36  (1912)  230—32.  —  S.  74f.  zu 
-abula — abla:  über  das  nebeneinander  von  synkopierten  und  nicht- 
synkopierten  worten  im  latein  s.  Sommer,  Handbuch  s.  146ff.,  bes. 
über  tabula  Gierach  (s.  folg.  anm.)  s.  81  f.  —  S.'78  dame:  über  den 
fall  der  pänultima  s.  E.  Gierach,  Synkope  und  Lautabstufung, 
24.  Beiheft  zur  ZrP  (1910),  Karl  v.  Ettmayer,  Archiv  128  (1912) 
127 — 42,  [A.  Stimming  ZrP  39, 145ff.],  dazu  die  oben  zu  s.  7  angeführte 
lit.  —  S.  79  entwicklung  vonwn:  Klahn,  Über  die  Entwicklung 
des  lat.  primären  und  secundären  mn  im  Franz.,  Diss.  Kiel  1898.  Vgl. 
auch  anm.  zu  s.  8  nasalierung.  —  S.  88  encore:  über  ore  =  ha(c)  hora 
Suchier,  ZrP  3  (1879)  149,  über  *antque  =  atque  Havet,  Rom.  8 
(1879)  93,  Gröber,  Archiv  f.  lat.  Lexikographie  1,241,  im  übrigen 
vgl.  Körting,  L.-R.  Wb.,  zu  hie  haec  hoc  und  ad  hanc  horam, 
Meyer-Lübke,  REWb  uater  *anque.  —  S.  92  espiet;  über  die 
formen  des  wortes  s.  Suchier,  ZrP  1  (1877)  429—31.  —  S.  94  sage: 
über  das  Verhältnis  zu  sapidus  s.  H.  Schuchardt,  Romanische  Ety- 
mologien, i.  d.  Sitzungsberichten  d.  phil.-hist.  Klasse  d.  Wien.  Akad. 
d.  Wiss.,  bd.  138  (1898)  und  ZrP  27  (1903)  110—12;  Adolf  Horning, 
Die  Behandlung  der  lat.  Proparoxytona  in  den  Mundarten  der  Vogesen 
u.  im  Wallonischen,  Progr.  Str.  1902;  E.  Herzog,  Archiv  109  (1902) 
130  ff.  —  S.  95  folement:  zur  lat.  adverbbildnng  mit  mente  vgl.  noch 
Leo  Wiener,  ZrP  37  (1913)  576—79.  —  S.  99  trop:  über  germ. ^ro^ 
vgl.  Theodor  Braune,  ZrP  22  (1898)  212—15.  —  S.  100  poez  II: 
über  -ez  für  -eiz  vgl.  Meyer-Lübke,  ZfSL  44  (1916)  85—91. 

S.  103  sai:  Neumanns  fassung  der  regel  über  labial  4-i  siehe 
ZrP  14  (1890)  566.  —je:  vgl.  zuletzt  Rydberg,  Zur  Geschichte  des 


Bibliographischer  Anhang.  321 

trauz.  a  il.  4.  Monosyllaba:  lat.  eyo,  Upsala  lUOH.  —  S.  106  fait:  vgl. 
wegen  fait — piaist  H.  Suchier,  Grundriss  I^,  774;  wegen  kon- 
traktion  von  ai  zu  e  W.  Foerster,  Clig6s  1884,  s.  LVIIIff.  — 
S.  106  Objektsprädikatsnomeu  im  rektus  statt  obliqnus: 
vgl.  A.  Tobler,  Dis  dou  vrai  aniel  (oben  unter  C)  zu  v.  147,  dazu 
Verm.  Beitr.  II»,  65ff.  —  S.  109  sor->8ur:  vgl.  Rydberg,  Jahres- 
bericht 6  (1899—1001)  I,  225—27,  auch  Wallensköld  Rec.  1901 
s.  13.  —  li:  vgl.  über  li  und  lui  G.  Rydberg  in  Bausteine  zur  Roman. 
Philologie,  Festgabe  f.  Adolf  Mussafia,  Ha.  1905,  —  S.  111  correciez: 
die  Paris'sche  etymologie  siehe  Romania  28  (1899)  287—89.  Zum 
zwisehenvökal  s.  noch  A.  Stimming  ZrP  37  (1913)  470f.  —  S.  113  meta- 
thesis  von  sc:  diese  erklärung  wird  von  G.Paris,  Romania  18 
(1889)  157,  und  A.  Wallensköld  (in  d.  M^langes  Wahlund,  Mäcon  1895, 
s.  145 flf.)  vertreten.  Vgl.  weiter  G.  Rydberg,  Jahresbericht  6 
(1899  —  1901)  I,235f.  und  Meyer-Lübke,  Eist,  franz.  Gram.  I* 
s.  161  f.  [Gegen  die  metathesis  neuerdings  auch  A.  Stimming 
ZrP  39,  137 ff.,  der  vor  s  früheren  fall  des  endvokals  als  im  auslaut 
annimmt:  lacus —>■  laes —-*' lais,  laeum —*■  lacu -^  *lau].  —  Vhev  Fran- 
ciscum  (nicht  "" Francensem)  als  etymon  von  Franceis  s.  Suchier, 
Grundriss  I,  624,  ^^789  anm.  —  S.  115  zu  otrent  IV  (s  der  1.  person): 
R.  Schubert,  Probleme  der  bist,  franz.  Formenlehre  I,  B.  1906,  s.  1  ff., 
F.  Sandmann,  Zur  Formenlehre  des  Verbums  im  Neufranz.,  Diss. 
Giessen  1909.  —  S.  117  car  bei  auffordernng  oder  wünsch:  vgl.  Diez, 
Roman.  Gram.  III*,  2l4f.,  über  kausales  aar  Tobler,  Verm.  Beitr. 
in,  79, 290,  Meyer-Lübke,  Rom.  Gram.  III  §  585,  Ebeling,  Probleme 
s.  154.  —  8.120  porterons:  über  die  herkunft  der  endung -ons 
s.Meyer-Lübke  und  G.  Paris,  Romania21  (1892)  337ff.,  FranzSette- 
gast,  ZrP  19  (1895)  266  ff.;  F.  G.  Mo  hl,  La  premiere  personne  du  pluriel 
en  galloroman,  Prag  1900,  dazu  G.Paris,  Rom.  30  (1901)  578ff.,  und 
Rydberg,  Jahresbericht  6  (1899—1901)  T,  206 ff.;  zuletzt  H.  Suchier, 
Grundriss  I^  775 f.  —  ensemble:  etymon  inseniel  belegt  von  Hamp, 
Archiv  f.  lat.  Lex.  5,  364,  vgl.  Gröber  ebenda  3,  268  u.  6,  391,  über 
altlat.  s^mol  Meyer-Lübke,  Grundriss  P,  488.  —  S.  123  töttus:  vgl. 
E.  Gier  ach,  Synkope  s.  21f.;  die  ältere  erklärung  aus  Hottotus  bei 
Karsten,  Zur  Gesch.  d.  altfranz.  Konsonantenverbindungen,  Diss. 
Freiburg  1884,  s.  24f.,  und  Gröber,  Archiv  f.  lat.  Lex.  6,  129;  sehr  un- 
wahrscheinlich ist  R.  Haber Is  erklärung  aus  totus  als  lehnwort  (ZrP 
34,  1910,  s.  37 f.).  —  S.  126  donc  aus  a  tunc:  s.  Tobler,  Rec.  s.  258.  — 
S.  129  trencherai  vos:  über  die  Stellung  der  objektsprono- 
mina  in  historischer  entwicklung  s.  Meyer-Lübke,  ZrP  21  (1897) 
313ff.  —  S.  131  riche:  vgl.  noch  Rydberg,  Zur  Gesch.  des  franz. 
9  I,  95.  Durch  Übertragung  aus  dem  feminin  erklärt  die  maskülinform 
H.  Suchier  in  Miscellanea  linguistica  in  onore  di  Gr.  Ascoli,  Torino 
1901  (Estratto  s.  5—7).  —  S.  133  deniers:  vgl.  G.  Beiz,  Die  MUnz- 
bezeichnungen  in  der  altfr.  Literatur,  Diss.  Strassburg  1914.  Zum 
kopfzins  und  tribut:  Rolf  Seyfang,  Quellen  u.  Vorbilder  des  Epos 
Gaufrey,  Diss.  Tübingen  1908,  s.  72—89.  M.  Dreyling,  Die  über- 
VoretzBch,  Studium  d.  afrz.  Sprache.    6.  Aufl.  21 


d22  Bibliographischer  Anhang. 

triebene  Verkleinerung  im  altfr.  Karlsepos,  Diss.  Marburg  1S8&  (Marb. 
Ausg.  u.  Abh.  82).  —  S.  134  Mais:  über  die  bedeutungsentwicklung 
Tobler,  Verm.  Beitr.  III,  68ff.,  bes.  82ff.,  nsff.  a.  93ff.,  dazu 
J.  Melander,  Etüde  sur  Magis  et  les  expressions  adversatives  dans 
les  langues  romanes,  Diss.  Upsala  1916.  —  S.  135  ost:  über  lat.  hostis 
vgl.  Du  Gange,  Glossarium,  über  afr.  ost  Schultz-Gora,  Archiv 
134  (1916)  139—43.  —  S.137  que:  vgl.  zu.  quem  —  que  Jeaujaquet, 
Recherches  sur  l'origine  de  la  eonjonction  que,  Diss.  Zürich  1894; 
vgl.  noch  R.  L.  Graeme  Ritchie,  Recherches  sur  la  syntaxe  de  la 
eonjonction  ,Que"  dans  l'ancien  francais,  These,  Paris  1907. 

II.  Teil.    S.  140fif.:  zu  den  hier  behandelten  allgemeinen  fragen  vgl. 

die  oben  unter  D  aufgeführte  literatur,  über  die  Schicksale  der 
germanischen  und  griechischen  laute  die  unter  E  genannten 
Untersuchungen  von  Mackel,  Baist,  Kalbow,  Claussen.  —  S.  160  flf.  zum 
accent:  G.  Paris,  Sur  le  role  de  i'accent  latin  dans  la  langue  fran^aise, 
P.  1862,  —  S.  164:  zur  accentverschiebung  innerhalb  von 
diphthongen  vgl.  Suchier,  ZrP  2  (1878)  292f.,  Neumann, 
ZrP  14  (1890)  547;  zu  den  gleiteworten  mit  muta  4-  r  Neumann, 
ZrP  20  (1896)  519—22,  G.Paris,  Rom.  26  (1897)  140f.,  Meyer- 
Lübke,  Einführung  -114. 

III.  Teil.  S.  180 :  zum  gebrauche  vonmercit  in"der  anrede  vgl.  H.  S u c h i e r, 
ChanQun  de  Guillelme  (Bibl.  Norm.  VIII)  zu  v.  72.  —  S.  182  zu  v.  33 
sui:  Suchiers  erklärung  aus  sgo  siehe  Altfr.  Gram.  §  33,  Grundriss 
P,  773,  auch  Rec.  (D.  Litz.).  —  cuidai:  cUgito  setzt  Foerster, 
ZrP  2  (1878)  169,  an,  während  er  ZrP  3  (1879)  601  die  formen  cuit  usw. 
als  belege  für  den  nmlaut  anführt,  den  auch  Suchier,  Altfr.  Gram. 
§24,  Gruüdriss  I-,  730  annimmt;  Neumann  vermutet  mit  Paul 
Marchot  (Petite  phonetique  du  frangais  prelitteraire  I,  Fribourg 
1901,  s.  85)  und  Meyer-Lübke  (Rom.  Gram.  I,  s.  140)  anpassnng 
von  *coidier  an  voidier  (*vocitare)  —  vuide;  für  vulgat.  *cügito  auch 
A.Thomas,  Rom.  34  (1905)  332.  Über  die  entwicklung  von  g  —  t 
—>id  s.  Gierach,  Synkope  s.  53 f.  —  S.  183  joer:  vgl.  H.  Suchier, 
Altfranz.  Gramm,  s.  36 f.  (§26);  Fr.  Neumann,  Lat.  aitca —> altfr.  oie, 
oue  und  Verwandtes,  in  Beiträge  z.  rom.  u.  engl.  Phil,  Festgabe  f. 
W.  Foerster,  1902,  s.  247—52  (erklärt  die  formen  mit  i  für  regelrecht, 
dagegen  G.  Paris,  Romania  31  (1902)  617f.);  Meyer-Lübke,  ZrP  26 
(1902)  727—32;  Josef  Bruch,  ZrP  36  (1912)  312—31,  dazu  Ernest 
Langlois,  Rom.  41  (1912)  605—7.  —  S.  184  larrai:  s.  Meyer- 
Lübke,  Rom.  Gram.  II  s.  269  (§  235)  u.  Franz.  Gram.  s.  43  u.  215, 
Thomas,  Essais  de  philologie  frangaise  (Paris  1897)  s.  322  ff.,  Nyrop, 
Gramm.  II  s.  154f.  —  S.  186,  zu  v.  39  Non  bei  verbalformen: 
vgl.  Diez,  Rom.  Gram.  III*  436;  F.  Perle,  ZrP  2  (1878)  Iff.,  bes. 
a.2.  —  ferez:  vgl.  im  allgemeinen  Rydberg,  Le  d6veloppemeut  de 
facere  dans  les  langues  romanes,  these  p.  1.  doctorat,  P.  1893;  wegen 
ferai  s.  G.  Paris,  Rom.  22  (1893)  570,  die  erklärung  von  Neumanns 
Schüler  Friedmann  bei  Frau  Eckardt,  Beitr.  zu  einer  Gesch.  der  Klang- 


Bibliographischer  Anhang.  323 

veräuderungeu  altfr.  Vortonvokale ,  Diss.  Hei.  1904,  s.  47.  —  S.  187 
puls:  die  älteren  erklärungen  siebe  bei  A.  W^allensköld  i.  d. 
M61ange3  Wahlund  (oben  zu  s.  113)  s.  152 f.;  über  *possio  Voretzsch 
in  Forschungen  z.  roman.  Phil.,  Ha.  1900,  s.  605,  so  jetzt  auch  Snchier, 
Grundriss  I'^  773.  —  S.  188  trover:  s.  die  letzten  erörterungen  über 
Hropare  und  turbare  bei  Schuchardt,  Romanische  Etymologien  II, 
Wien  1899  (i.  d.  Sitzungsber.  d.  Kais.  Ak.  d.  W.),  ZrP  27  (1903)  97  ff., 
101  ff.,  28  (1904)  36 ff.,  31  (1907)  5 ff.,  34  (1910)  377 f.;  Baist,  ZrP  24 
(1900)  410;  Meyer-Lübke,  LgrP  22  (1901)  117—19;  Thomas, 
Romania31  (1902)  6ff.,  625ff.;  A.  Kluyver,  Rom.  38  (1909)  137.  — 
S.  189  cele:  vgl.  Charles  E.  Mathews,  Cist  and  CiL  A  syntactical 
study.  Baltimore  1907.  —  S.  192  dcl:  die  richtige  erklärung  des  nfr. 
du  bei  Rydberg,  Jahresbericht  6  (1899—1901)  I,  225—27.  —  Hugon: 
vgl.  G.Paris,  Les  accusatifs  en  -ain,  Rom.  23  (1894)  321—48  (hier 
die  gesamte  ältere  lit),  E.  Philip on,  Les  accusatifs  en  -on  et  en 
-ain,  Rom.  31  (1902)  201—51,  Suchier,  Grundriss  I^  827—29, 
Salvioni,  Rom.  85  (1906)  190 — 257,  zuletzt  und  abschliessend  Jakob 
Jud,  Recherches  sur  la  genese  et  la  diffusion  des  accusatifs  en  -ain 
et  en  -on  I,  Halle  1907.  —  S.  194  v.  50  com:  vgl.  G.  Pirson,  Quo- 
modo  en  latin  vulgaire,  in  Philologische  u.  volksknndliche  Arbeiten, 
Festgabe  für  Karl  Vollmöller,  Erlangen  1908,  s.  164—71.  —  S.  195: 
über  akkusativ  nach  com  siehe  W.  Foerster  zu  Aiol  6245  und 
Ivain  1322  (1327),  E.Herzog,  LgrP  24  (1903)  17,  Suchier,  Changan 
de  Guillelme  s.  XXVII.  —  savrai:  Neumann,  ZrP  14  (1890)  558, 
Foerster,  Cliges^  (Rom.  Bibl.  1)  s.  XLIV,  Suchier,  Grundriss  I^, 
836.  Vgl.  auch  F.  Holle,  Avoir  und  savoir  in  den  altfr.  Mundarten, 
Diss.  Marburg  1900.  —  v.  52:  men gonge:  die  herleitung  aus  *menti- 
tionica  bei  Tobler,  Rec.  s.  258  [dagegen  neuestens  auch  A.  Stimmin g, 
ZrP  39,148].  —  S.  196  estes:  s.  G.Paris,  Rom.  21  (1892)  353ff.); 
auf  lautlichem  wege  will  A.  Wallen sköld,  Nenphil.  Mitteilungen 
1908,  8.  23  ff.,  die  erhaltung  des  -e-  erklären. 

S.  200  V.  65  sale:  vgl.  E.  Mackel,  ZrP  20  (1896)  514ff.  (dazu 
lit.  oben  zu  s.  36).  —  s'en  est  retornez:  über  die  kongruez  des 
particips  bei  reflexiven  verben  siehe  A.  Tobler,  Verm. 
Beitr.  IP,  s.  65ff.  Beispiele  für  avoir  bei  reflexiven  gibt  Tobler, 
Dis  dou  vrai  aniel,  zu  v.  166.  —  menez:  zum  bedeutungswandel  s. 
Meyer-Lübke  ZrP  35  (1911)  242.  —  S.  201:  die  zwölf  pers:  vgl. 
G.  Paris,  Histoire  poötique  de  Charlemagne,  Paris  1865  (1905)  s.  416ff., 
507;  Pio  Rajna,  Origini  dell'  epopea  francese,  Florenz  1884,  s.  417ff.; 
Voretzsch,  Epische  Studien  I,  Halle  1900,  s.  83 ff.  Über  die  zugrunde 
liegenden  germanischen  namen  siehe  W.  Kalbow,  Die  germ. Personen- 
namen des  altfranz.  Heldenepos  und  ihre  lautliche  Entwicklung.  Ha. 
1913.  —  S.20H  petit:  vgl.  über  das  keltische  grundwortT hur neysen, 
Keltoromanisches  s.  71f.  —  S.  204  aler:  über  die  keltische  herleitung 
von  aller  siehe  Thurneysen,  Keltoromanisches  s.  31  ff.,  die  übrigen 
etymologien  siehe  bei  G.  Stucke,  Französisch  aller  und  seine  Ver- 
wandten, Diss.  Hei.  1902,  Körting,  Lat.-rom.  Wörterbuch 3,  Meyer- 

21* 


324  Bibliographischer  Anhang. 

Liibke,  ßoia.  Et.  Wörterbuch  unter  ambulare:  L.  Wieuer,  ZrP  36 
(1912)  385 flf.,  37  (1917)  569  flf.  --  v.  71  feiz:  die  satzphonetische  er- 
klärang  von  F.  Holthausen  s.  ZrP  10  (1886)  292 f.,  die  aus  deutsch 
fart  von  F.  Settegast  ZrP  37  (1913)  197-99.  —  S.  205  mei  i 
covient  aler:  über  den  acc.  c.  inf.  s.  Erwin  Stimmin g,  Der  Accu- 
sativus  cum  infinitivo  im  Französischen,  59.  Beiheft  zur  ZrP,  Halle  1915; 
über  die  impersonalia  Kj eilmann,  La  constructiou  de  Tinfinitif  d6- 
pendant  d'une  locution  impersonelle  en  fran^ais,  Diss.  üpsala  1913.  — 
V.  73  chameilz:  vgl.  über  buchworte  mit  anlautendem  cha-  Meyer- 
Lübke,  Rom.  Gram.  I  §  23,  und  H.  Berger,  Lelinworte  s.  13  u.  78.  — 
S.  207  entre  —  et:  vgl.  Diez,  Roman.  Gramm.  III*  408f.,  Foerster 
zu  Aiol  2167  (s.  462),  Tobler,  Verm.  Beitr.  I^  273f.,  G.  Ebeling, 
Probleme  s.  166flF.  —  S.  209  faldestuelz:  vgl.  E.  Mackel,  Germ. 
Elemente  s.  30.  —  v.  87  li  seignat:  vgl.  Tobler,  Verm.  Beitr.  V  429, 
Ebeling,  Auberee  s.  137  flf.  zu  v.  655,  zum  weiteren  Tobler,  Verm. 
Beitr.  P  111— 13.  —  S.  210  v.  95  vez:  Tobler,  Rec.  s.  258,  W. Foerster, 
Aiol,  Anm.  zu  v.  1428.  —  v.  96  oitante:  über  die  zehnerzahlen 
Rydberg  i.  d.  Melanges  Wahlund  (s.o.)  s.  337flF.,  und  Jakob  Jud, 
Die  Zehnerzahlen  i.  d.  rom.  Sprachen,  Halle  1905  (i.  d.  Festgabe  für 
H.  Morf,  Aus  rom.  Sprachen  u.  Lit.,  auch  separat),  dazu  Morf,  Archiv 
115  (1905)  26 flf.;  die  herkunft  der  gewöhnlich  für  keltisch  erklärten 
zählweise  nach  20  {quatre-vint)  ist  unsicher,  vgl.  Margarete  R Osler, 
Das  Vigesimalsystem  im  Roman.,  26.  Beiheft  zur  ZrP  (1910)  187 ff.  — 
S.  213,  V.  106  etce:  vgl,  über  das  schwierige  wort  Snchier,  Afr. 
Gram,  s.  38,  Brand,  Studien  zur  Geschichte  von  inlautendem  qu  in 
Nordfrankreich,  Diss.  Münster  1897,  Clara  Hürlimann,  Die  Ent- 
wicklung von  lat,  aqua  in  den  romanischen  Sprachen,  Diss.  Zürich  1903, 
Fr.  Frademann,  Die  Entwicklung  der  lat.  Lautverbindung  qu 
(=  k  +  u)  im  Französischen,  Diss.  Kiel  1904,  s.  27 ff.  —  Über  ver- 
stummen des  -e  nach  vokal  s.  Tobler,  Versbau*  39ff.  —  S.  215, 
V.  112  genz:  die  neue  erklärung  von  K.  v.  Ettmayer  s,  Archiv  128 
(1912)  138.  —  V.  115  firent:  vgl.  noch  Adolf  Mussafia,  Rom.  27 
(1898)  290f.  —  S.  216,  v.  116f,  doze-trezime:  zur  entw,  der 
ordinalsuffixe  s,  Paul  Marchot,  ZrP  21  (1897)  102ff,,  und  Erik 
Staaf,  Le  suffixe  -ime,  -ieme  en  frangais,  Stockholm  1S98  (Separat- 
abdruck), dazu  E.  Herzog,  ZfSL  21,  165 ff.,  Rydberg,  Jahres- 
bericht 6  (1899—1901)  I,  279ff.,  vgl.  auch  Thomas,  Rom.  30  (1901) 
398  ff.;  wegen  des^rMeyer-Lübke,  Einführung"  28  f.,  Franz.  Gram. 
§  124,  Gierach,  Synkope  161.  —  S.  219,  zu  v.  127  wer:  zum 
fehlen  des  artikels  überhaupt  vgl.  Tobler,  Verm.  Beitr.  IP 
108 ff.,  Gustav  Humpf,  Beiträge  z.  Gesch.  des  bestimmten  Artikels  im 
Franz., Diss.  Marburg  1904.  —  S. 220,  znv.m  a  pou  que:  vgl.Tobler, 
Verm.  Beitr.  P  57  ff.  Zur  lautentwicklung  s.  die  lit,  zu  v.  32  joir, 
dazu  Haberl,  ZrP  36  (1912)  309  [neuestens  noch  A.  Stimming 
ZrP  39  (1918)  138].  —  S.  221,  zu  v.  138:  avueet—ab  hoc  vertritt 
Elise  Richter,  ZrP  26  (1902)  532ff.,  und  Ab  im  Romanischen, 
Ha.  1904,  s.  103;  dagegen  (mit  anderer  begründung  als  oben)  Gustav 


Bibliographischer  Anhang.  325 

Konkai,  Etymologische  Streifzüge,  Wien  1911,  s.  3 — 6.  —  zu  v.  139 
escientre:  die  erklärung  aussciewferbeiTobler,  Rec.  s.258.  —  S.223. 
zu  150  rovet:  vgl.  Foerster,  ZrP  3  (1879)  259,  Meyer-Lübke 
ebenda  11  (1888)  539.  —  S.  224  zn  166  Ven:  s.  Tobler,  Vers- 
bau* 59.  —  V.  168  le  mielz:  s.  Tobler,  Verm.  Beitr.  Il48flf.,'*  55ff.  — 
S.  228,  zu  V.  212  maintes:  vgl.  Thurneysen,  Keltoromanisches 
s.  Iü5f.,  Dictionnaire  gen^ral  I  unter  maint,  Wallensköld, 
Neuphil.  Mitteilungen  1910  Nr.  1/2  s.  16.  —  zu  v.  217  estuet:  vgl. 
Suchier,  Grundriss  P  8031,  auch  Miscellanea  Ascoli  (oben  zu  s.  131); 
Tobler,  Ztschr.  f.  vgl.  Sprachforschung  23,  421,  dazu  Sitznngsber.  d. 
kgl.  preuss.  Ak,  d.  Wiss.  zu  Berlin  1902,  VIII,  s.  6f.  anm.;  Walberg 
Rom.  40  (1911)  610—17.  —  S.  230,  zu  v.  234  U:  über  den  dativ 
vgl.  Tobler,  Verm.  Beitr.  II,  167 fif.,  ^ 200 ff.  —  zu  v.  239  parsom: 
vgl.  A.  Tobler,  Verm.  Beitr.  V  362f.  über  parmi,  erimi,  enson.  — 
zu  V.  243  aie:  vgl.  Cornu,  Romania  7  (1878)  420ff.,  Foerster, 
ZfSL  20  (1898)  II 113 ff.  [A.  Stimming  ZrP  39,  151  nimmt  eine  gallo- 
romanische  nebenform  attare  an].  —  crient:  vgl.  Körtings  Wb. 
unter  quiritare,  Ferd.  Holtbausen  in  Indogerm.  Forschungen  14 
(1902)  339  ff.;  Meyer- Lübk  es  sprachgeographische  bedenken  (Unter- 
suchungen und  Quellen  z.  germ.  u.  rom.  Püil.,  Joh.  von  Kelle  dar- 
gebracht, Prag  1908,  s.  77 f.)  reichen  allein  nicht  aus,  die  neue 
etymologie  unmöglich  erscheinen  zu  lassen.  —  S.  232,  zu  v.  247  nule 
rien:  vgl.  Tobler,  Rec.  s.  259.  —  zu  v.  253  sont  desevret: 
*8eperare  mit  Wallensköld  Rec.  1911,  s.  186.  —  zu  v,  257  avuegle: 
siehe  Herzog,  ZrP  26  (1902)  732f.,  dazu  0.  Gerloff  ebenda  30 
(1906)  85.  —  S.  234,  zu  v.  803  veant:  über  das  Verhältnis  von 
gerundium  u.  part.  präs.  s.  Tobler,  Verm.  Beitr.  II,  32ff.,  ^36  ff., 
bes.  51  f.  —  zu  V.  807  los:  s.  Tobler,  Rec.  s.  259,  auch  Wallen- 
sköld, Rec.  1901  s.  14.  —  S.  235,  zu  816—20  widerholungs- 
laissen:  vgl.  Einf.  i.  d.  Stud.  d.  altfranz.  Lit.  2i89f.  und  die  dort 
angeführte  lit.  [dazu  W.  Mulertt,  Laissenverbindung  u.  Wiederholungs- 
laissen  im  afr.  Heldenepos,  Diss.  Ha.  1918].  —  S.  237,  zu  v,  837 
viele  —  rote:  vgl.  J.  Levy,  ZrP  35  (1911)  494.  —  S.  238,  zu  v.  848 
avoir  bei  reflexiven:  beispiele  bei  Tobler,  Vrai  aniel,  zu  v.  166.  — 
zu  852  Galien:  s.  die  ausgäbe  oben  unter  A.  —  S.  239,  zu  861 
regnez:  vgl.  Suchier,  Altfr.  Gram.  s.  6,  Berger,  Lehnworte  s.  227 f., 
284.  —  V.  865  at  Dieu  preii6t:  über  die  altfranz.  möglichen  kon- 
struktionen  von  preiier  s,  Ebeling,  Auberöe  s.  62  zu  v.  21. 
IV.  Teil.  S.  255  über  den  genuswechsel  siehe  die  zu  s.  17  (v.  1 
mostier)  citierte  lit.  —  S.  268  über  das  feminin  -s  siehe  Suchier, 
Grundriss  I«  s.  787f.  (anders  Foerster,  Clig^s  1884,  s.  LXXV).  — 
S.  259  zur  komparativbildung:  Eduard  Wölfflin,  Lat.  und 
roman.  Comparation,  Erlangen  1879;  A.  Wallensköld,  La  con- 
strnction  du  complement  des  comparatifs  dans  les  langues  romanes, 
Helsingfors  1909  (Extrait  des  M6moires  de  la  Sociöte  n^ophilo- 
logique  V).  —  S.  264  Demonstrativ-  und  relativpronomina: 
vgl.  noch  Rydberg,  Geschichte  des  franz.  ,>  II  5  (1907),  dazu  oben 


326  Bibliographischer  Anhang. 

zu  8.109  li.  —  S.  273  teilungsartikel:  vgl.  Elsbeth  Appel,  Bei- 
träge zur  Geschichte  der  Teilnngsform  im  Franz.,  Diss.  Münster  1915.  — 
S.  277  Ausnahmen  von  der  inversionsregel  hat  Ebeling, 
ZfSL  25  (1903)  II,  10  f.  zusammengestellt.  Vgl.  noch  Heinrich  R  a  b  e , 
Die  Inversion  des  Subjekts  im  Französischen  des  XIX.  Jahrhunderts, 
Diss.  Tübingen  1910;  W.  Kropmann,  Die  Inversion  des  Subjekts 
im  Franz.,  Diss.  Göttingen  1910. 


Anhang  zum  Text. 


Die  I.  Laisse  nach  der  Handschrift. 

(Diplomatischer  Abdruck.) 
Der  folgende  abdruck  soll  eine  vergleichung  des  hergestellten  kritischen 
textes  (oben  s.  176)  mit  den  sprachformen  und  Schreibarten  der  handschriften 
ermöglichen.  Die  abkürznngen  derselben  sind  beibehalten  (sog.  diplo- 
matischer abdruck),  es  sind  die  auch  in  anderen  hss.  üblichen:  '  =  re 
oder  er;  ä,  e  usw.  =  an,  en  usw.,  mt  =  ment.  —  Vokal  über  der  linie  bez. 
vorausgehendes  r  (p^st  =  prist)  oder  u  (q»nt  =  quant).  —  o  =  us  oder  os 
(pP=plus,  u^  =  vus,  vos);  g  =  con,  com,  co  (gsilers  =  conseilliers); 
p  ==  per,  par;  g  =  por,  pour;  7  (oder  &)  =  et,  ed,  e;  mVt  =  molt.  — 
Zwischen  u  imd  v,  i  und  j  wird  nicht  unterschieden  (uus  =  vits  —  vos, 
iur  =  jur  —  jorn,  vncore  =  uncore).  —  Eigentümlichkeiten  des  anglo- 
normannischen  sind  besonders  m  für  p,  e  für  ie,  aun  für  an,  ca  neben  eh. 

1     Un  iur  fu  karleun  al  seint  denis  muster 

Keout  p'se  sa  eorune  en  eroiz  seignat  sun  chef 
E  ad  ceinte  sa  espee  li  ponz  fud  dormer 
Dux  i  out  7  demeines  e  baruns  e  cheualers 
5    Li  emperes  reguardet  la  reine  sa  muillers 
Ele  fut  ben  eorunee  al  plus  bei  et  as  meuz 
II  la  prist  par  le  poin  desuz  un  oliuer 
De  sa  pleine  parole  la  p'st  areisuner 
Dame  ueistes  unkes  hume  nul  de  desuz  ceil 
10    Tant  ben  seist  espee  ne  la  grone  el  chef 
Uneore  cunquerrei  io  citez  ot  mun  espeez 
Gele  ne  fud  pas  sage  folement  respondeit 
Empere  dist  ele  trop  uus  poez  p'iser. 
Vncore  en  sai  io  un  ki  plus  se  fait  leger 


Bibliographischer  Anhang.  327 

15    Quant  il  porte  corune  ent^  ses  cheualers 

Kaunt  il  la  met  sur  sa  teste  pl9  belemet  lui  set 
Q*nt  lentend  charle  mult  est  curecez 
Pur  f^'nceis  ki  loirent  ml't  est  enbrunchez 
E  dame  u  est  eil  reis  Kar  le  menseinez 

20    Si  porterü  ensemble  les  eorunes  as  cheis 
Si  i  serrünt  uos  druz  e  tuz  uos  9  silers 
Jo  maund'ai  ma  court  de  mes  bons  cheualers 
Si  f'^nceis  le  me  dient  dune  le  ot'  io  ben 
Se  uns  me  auez  iTitid  u^  le  cüpez  eher 

25     Trencherai  u^  la  teste  od  me  espee  daeer 
Empere  dist  ele  ne  u^  en  eurucez 
Plus  est  riebe  de  auer  dor  e  de  deners 
Mais  nest  mie  si  pruz  ne  si  bon  cheualers 
Pur  ferir  en  bataile  ne  pur  encaucer 
Q^nt  ce  out  la  reine  ke  eharles  est  si  irrez 

31     Formt  sen  repent  uuelt  li  chair  as  pez 


Wörterbuch. 


Das  Wörterbuch  enthält  sämtliche  in  den  texten  vorkommenden  Wörter, 
jedoch  sind  die  pronominalformen  sowie  die  verschiedenen  flexionsformen 
von  Verben  und  Substantiven  oben  unter  den  paradigmen  zu  suchen. 
Nomina  sind  hier  lediglich  in  der  form  des  obliquus,  verba  in  der  des 
Infinitivs  aufgeführt.  Starke  verba  sind  mit  st.,  sehwache  mit  sie.  und  der 
nnmmer  der  konjugationsklasse,  substantiva  mit  m.  (mask.)  oder  f.  {fem.), 
die  maskulina  noch  mit  der  nummer  der  deklinationsklasse  bezeichnet. 

Die  zahlen  bedeuten,  wo  nicht  anders  angegeben,  die  verszahl  der 
Karlsreise,  die  fettgedruckten  denjenigen  vers,  wo  das  wort  ausführlicher 
besprochen  wurde.  Belegstellen  aus  den  ältesten  denkmälern  sind  be- 
sonders bezeichnet  [Eide  =  Strassburger  Eide,  Eul  =  Eulaliaseqnenz,  Jon  = 
Jonas,  Pa  =  Passion  Christi,  Leo  =  Leodegarlied]. 


A. 

[ad  Eul  12]  präp.  {lat.  ad),  mit 
artikel  al  1,  as  31:  1.  lokal,  auf 
die  frage  wohin?  60,  89  u.  ö.,  Leo: 
auf,  nach,  zu,  an;  auf  die  frage 
wo?  1.,  59  u.  ö,:  in,  an,  bei,  zu.  — 
2.  zur  bezeichnung  des  entfernteren 
Objekts  237,  802,  848,  854  (vgl. 
68).  —  3.  zur  bezeichnung  des 
besitzers  822,  852.  —  4.  temporal 
173  u.  ö. :  an.  —  5.  zur  bezeich- 
nung des  mittels  oder  begleitenden 
umstandes:  durch,  dadurch  dass, 
mit  35,  179,  201,  Eul  22;  gemäss, 
nach,  auf  91,  252;  unier,  mit 
144,  253,  851  (864).  —  6.  zur  be- 
zeichnung des  Zweckes  864:  zu.  — 

7.  vorm  in  f.  nach  gewissen  verben 

8,  130,  860  u.  ö.:  zu.  —  8.  in 
redensarten:  tenir  a  fol(e)  für 
töricht  halten  45. 


aanz  =  ahanz. 

ab  präp.  (apnd)  mit  Eide,  Pa,  Leo, 
vgl.  avnec. 

abandoner  sw.  I  {zu  deutsch  bann  — 
rom.  bando)  222,  839,  856  über- 
lassen, zurücklassen. 

ab6t  m.  III  (abbatem),  rektus  äbes 
Leo  30. 

absoldre  st.  II  (absolvere)  Leo  226 
Vergebung  der  Sünden  erteilen. 

acier  m.  II  (*aciarium)  25,  172 
stahl. 

aconduire  st.  II  (ad  +  conducere) 
185  herführen. 

aconter  sw.  I  (zu  computare)  860  er- 
zählen. 

ad  =  a. 

adüire  st.  II  (adducere)  Pa  20  herbei- 
führen. 

adnner  sw.  I  (adunare)  sammeln 
Eul  15. 

adurer  sw.  I  (zu  durus)  62  abhärten. 


Wörterbuch. 


329 


afanz  s.  ahanz. 

afeltrer  sw.  I  {zu  germ.  feit  —  filz) 

mit  der  Satteldecke  bekleiden  82. 
afabler  stv.  I  (adfibulare)  anziehen, 

anlegen  143. 
ahanz  afanz  m.  II  (etytn.  unsicher) 

mühe,  plur.  mühen,  leiden  Pa.  3, 

15,  Leo  4,  9. 
aidier  sw.  1  (adjutare)  243,  Leo  239 

helfen. 
AYmer  64   {von  deutsch  Hadamär), 

Aimer,  per  von  Frankreich,  hnider 

Wilhelms  von  Orange. 
ainz  anz  [Pa  29]  adv.  (*antins)  vorher, 

früher  122. 
aiudha  /.  {abl.  v.  aindar -<— adjutare) 

hilfe  Eide, 
aire  m.  II  (aerem)  luft  127. 
alaitier  sw.  I  {zu  lac)  säugen  187. 
albe   /.    (albam,    vo7i    adj.    albus) 

morgendämmerung  239,  248. 
aler  stc.  1 70  {dazu  68, 98,  auchs.  271  f.) 

gehen  71,  77  u.  ö.,  Leo;  zur  Um- 
schreibung mit  in  f.  72  u.  ö.,  mit 

ger.  Pa  46,  48 ;  en  aler  68  u.  ö.,  sei 

en  aler  91  u.  ö.  fortgehen. 
alqnant  pron.  indef.  pl.  (*aliquanti) 

manche,  die  einen  —  die  andern 

Pa  37  f. 
alques    adv.    (aliqnid  +  s)    etwas 

Pa  5. 
alter  m.  II  (altare)  altar  59  u.  ö. 
altre  (alterum)  pron.  u.  adj.  84  n.  ö., 

Leo  238  ander. 
altresi    adv.    (alterum    sie)    ebenso 

Eide, 
ambler  sw.  I  (ambulare)  im  passgang 

gehen,  bequem  gehen  89. 
amener  sw.  I  (ad  +  minari)  herbei- 
führen Pa  21. 
amer  sw.  I  (amare)  lieben  Eul  lü. 
ami8t(i)et  /".   (*amicitatem)   freund- 

schaft,  liebe  54,  154,  166  u.  ö. 
amor  f.  (amorem)  liebe  32,  854  u.  ö. 

{vgl.  3  s',  124  colors). 
an  m.  II  (annum)  jaÄr  74,  193,  Pa  27. 
aneme  /'.  (animam)  seele  Leo  237. 


anima  lat.  f.  seele  Eul  2. 
antif-ive  adj.  (antiquum)  alt  108. 
anvel  adj.  (annualem)  jährlich  126. 
anz  adv.  s.  ainz. 
aorer   sw.  1   (adorare)   anbeten  70 

u.  ö. 
apareir  st.  III  (apparere)  erscheinen 

239,  248. 
aparler  sw.  I  {komp.  von  parier)  an- 
reden 134. 
aparmaines  adv.  {von  mane  od.  manum 

mit  per  und  ad)  sogleich  163. 
apelerstö.  I  (appellare)  anreden  94  u.  ö. 
aporter  sw.  1  (apportare)  herbeiholen 

164,  191. 
apostle   m.   II   (apostolum)  apostel 

115  u.  ö. 
aprendre  s^.  II  (apprehendere)  lernen 

Leo  18. 
apres  adv.   u.  präp.  (ad   pressum) 

nachher,  nach  Leo  9. 
aprester  sw.  I  {zu  praestare)  bereit 

stellen  135. 
aprochier  sio.  I  (*adpropiare)  refl. 

sei  aprochier  sieh  nähern  119. 
aproismier  sw.  I  (approximare)  nahe 

kommen,  sich  nähern  Pa,  Leo. 
Arabie  /.  (Arabia)  119  Arabien. 
araisnier  siv.  I  (adrationare)  8  an- 

reden. 
arcevesque    ni.   II  {aQ^isnlaxoTiov) 

erzbischof  64,  87  u.  8. 
ardeir  sw,  II  (ardere)  brennen,  ver- 
brennen Eul.  19. 
argent  m.  II  (argentum)  silber  73  u.ö. 
ariedre   adv.   (ad  +  retro)    hinten, 

dahinter  Pa  45. 
armer    sw.    I    (armare)    bewaffnen 

Leo  221. 
art  /.  (artem)  kunst  Leo  25. 
asne  m.  II  (asinum)  esel  Pa  20  f. 
asseeir  st.  II  (assidere)  ref..  sei  asseeir 

sich  setzen  120. 
assez  adv.  (*adsätis)  in  menge,  viel 

78  u.  ö.,  genug  Leo  235,  mit  adj. 

sehr  238. 
astreiet,  zu  estre  Jon. 


330 


Wörterbuch. 


auardeaet,    zu   auarder    Jon,    vgl. 

reguarder. 
avant  adv.  u.  präp.  (ab  ante)  voram, 

vor  Pa  19,  en  avant  in  Zukunft 

Eide, 
aveir  st.  III  (habere)  haben,  besitzen 

79, 151  u.ö.  bekommen  163, 175  a  ö. 

—  unpersönlich  a,   i  a  es  gibt  4, 

21  u.  ö.  —  häufig  als  hilfsverbum 

3,  24,  46  u.  ö.  (vgl.  rout  2,  at  3). 
aveir  m.  II  (habere)  die  habe  27. 
avenir  st.  1,  III  (advenire)  geschehen 

184. 
avuec  präp.  (apud-ab  4-  hoc)  138 

mit  {vgl.  10  ne,  20  si). 
avuegle  adj.  blind  257. 

B. 

baisier  sw.  1  (*basiare  v.  *basium  /. 

suavium)  küssen  826. 
Bai  viere  f.  (Bajuvaria)  Baiern  101. 
Baldequi  {d.  Baldechilde)  Baldehilde, 

mutter  Chlothars  III,  Leo  lö. 
baldorie  m.  II  (zu  wgerm.  bald)  830 

freude,  lust. 
bandon  m.  II  (zu  germ.  bann)  gewalt, 

tvillkür  —  eile  852. 
baptizier  siv.  1  (ßamiCsiv)  taufen 

136. 
barbe  f.  (barbam)  181  bart. 
barnage    m.    II   (*baronaticum ,    zu 

baron)  ritterschaft  219;  ritterliche 

art,  ritterlichkeit  206,  804. 
barnet  m.  II  (*baronatum,  zu  baron) 

ritterschaft  50,  254  u.  ö. ;  ritter- 
liches wesen,  r.  tiichtigkeit  152. 
baron  m.  III  (^r.  bar  —  lat.  baro)  held, 

baron  4,  156  u.  ö. 
bassement    adv.    (zu    adj.   bassus) 

niedrig  810,  817. 
bataille  f.  (battualia)  29, 859  schlaeht. 
bei  -e  adj.  (bellum)  6,  49  u.  ö.  schön. 
belement    adv.    (bella    mente)    16 

schön. 
bellezour  adj.  comp.  (*bellatiorem) 

schöner  Eul  2. 


beltet  /.  (*bellitatem)  123  Schönheit, 

pracht. 
bende  f.  (germ.  binda)  201  band. 
beneistre  —  bene"ir  sie   III  (bene- 

dicere)  177  segnen. 
ber  s.  baron. 
Berengier    (g.   Beringer^    Berengar, 

per  von  Frankreich  63. 
Bernart  de  Brasban  (g.  Berinhard) 

Bernhard  v.  Br.,  per  v.  Frankreich, 

bruder  Wilhelms  von  Orenge  65. 
Bertram  (g.  Bertram)  Bertram.,  per  v. 

Frankreich,  söhn  Bernhards  65, 94. 
bien   adv.  (bene)  10,  23  u.  ö.,  Pa 

gut,  wol,  gern,  sehr.  —  subst.  m. 

II  das  gute  Leo  219. 
blanc-che    adj.    (germ.  blank)    85 

weiss. 
bloi  -e  (g.  blauö-)  adj.  823  hellfarbig, 

blond. 
bois  m.  indekl.  (*buscum)  103  busch, 

gehölz,  wald. 
bon  -e  (bönum)  adj.  22,  28  u.  ö.  gut 

[buon  Eul  1,  Leo  24]. 
Borgoigne  /.  (Burgundia)  100  Bur- 

gund  (vgl.  s.  155). 
brauche  f.  (brancam)  zweig  Pa  38. 
braz  m.  indekl.  (bracchium)  163  arm. 
brochier  sw.  I  (kelt.  brocc-)  90,  107 

spornen,  spornstreichs  reiten. 
buc  m.  II  (g.  buk  -  bauch)  56  rümpf. 
buon  s.  bon. 


c. 

ca-  s.  auch  ch-. 

ga  adv.  (ecce  hac)  dorthin  Leo  212. 

cadir  (cadere)  s.  cheir. 

calice  m.  II  (calicem)  177  kelch. 

cadhun  -a  pron  indef.  (cata  [griech. 

xaia]  unum)  jeder  Eide, 
canele  f.  (deminutiv  von  canna  röhr) 

211  zimmet. 
Capadoce  /.  48  Cappadocien. 
car  konj.  (quare)  19,  206  u.  ö.  denn; 

beim  imp.  u.  opt.  wolan,  doch. 
carn  f.  (carnem)  fleisch  Pa  6. 


Wörterbach. 


331 


carnel    adj.    (carnalem)    fleischlich, 

sterblich  Pa  8. 
ceindre  st.  II  (eingere)  3  umgürten. 
cel  —  cele  (ecce  illum-illa)  pronomen 

{siehe  paradigmen  s.  264)  jener. 
Cent  zahlw.  (centum)  73  u.  ö.  hundert. 
eerf  m.  II  (cervum)  834  hirsch. 
cest  —  ceste  (ecce  istum-ista)  pron. 

(siehe  paradigmen  s.  264)  dieser. 
chaiere  /.  (xa&iSQa)  116  u.  8.  stuhi, 

Sessel. 
chaleir  (calere)  unpers.  es  liegt  daran, 

kümmert  [ehielt  Eul  13]. 
chameil  m.  II  (camelnm  —  xäfxrikov) 

73  kameel. 
champel   adj.   {von    campum)    zum 

feld   gehörig,    bataille    eh.    feld- 

schlacht  859. 
chanter  sw.  1  (cantare)  singen  837 

[canter  Pa],  eh.  la  messe  die  messe 

lesen  115,  829. 
chape    f.    {spätlat.    cappa,    eigentl. 

mantel  mit  kapuze)  143  mantel. 
chapel  m.  II  {deminutiv  von  cappa: 

*cappellum)  146  hut. 
Charle  —  Charlon,  rektus  Charles  1, 

17,  30  u.  0.  {vgl.  46  Hugon)  kaiser 

Karl,  könig  von  Frankreich. 
Charlemaigne,  rekt.  -es,  Karl  d.Grosse, 

vom  Patriarchen  v.  1 58  so  genannt 

und  demgemäss  im  folgenden  oft 

so  bezeichnet  166,  182  u.  ö. 
cheir  [cadir  Leo  231]  st.  III  —  sw.  II 

(eadere)  31,  132  fallen. 
ehemin  m.  II  (caminum)  241 ,  249 

weg. 
chemise  f.  (camisia)  189  Unterkleid. 
chevalchier  sw.  I  (caballicare)  93  u.  ö. 

reiten. 
Chevalier  m.  II  (caballarium)  4,  15 

u.  ö.  ritter  {vgl.  par.  s.  258). 
chevel  m.  II  "(capilluiu)  181  haupt- 

haar. 
Chief  m.  II  (caput)  2,  10  n.  ö.  haupt 

[ebene   Jon,   queu  Leo   229];   el 

Premier  chief  96,  99  vom  an  der 

spitze. 


chier  -e  adj.  (carum)  205,  adv.  24 
teuer,  wert. 

chrestiien  adj.  (christianum)  christ- 
lich Eni  14,  Christian  Eide. 

Christian  s.  chrestiien. 

Christus  (X^iorög)  Christus  Eul  27. 

ci  adv.  (ecce  hie)  49  hier. 

ciel  m.  II  (caelum)  9,  169,  213, 
Leo  238  himmel. 

eine  zahlw.  (quinque)  159  fünf. 

cit^t  f  (civitatem)  11,  36  u.  ö. 
Stadt. 

clamer  sw.  1  (clamare)  208,  Pa  48 
rufen,  nennen  {vgl.  s.  267). 

claret  m.  ,11  (spätlat.  claratum)  836 
meth. 

dementia  lat.  f.  grossmut,  gnade 
Eul  29. 

eler  -e  adj.  (darum)  109,  124,  adv. 
243  hell. 

clerc  m.  II  (clericum)  142  geistlicher. 

cliner  sw.  I  (clinare)  intrans.  146 
sich  verneigen. 

clore  st.  II  (daudere)  1 1 7  schliessen, 
verschliessen. 

clou  m.  II  (clavum)  175,  8G6  nagel. 

CO  (ecce  hoc)  pron.  demonstr.  (s.  par. 
s.  259)  dieses  [co  Jon]. 

coist  s.  cuire. 

colchier  sw.  I  (coUocare)  171  nieder- 
legen; refl.  sei  c.  864  sich  nieder- 
werfen (culzet  Gloss.,  s.  286). 

colomb  m.  II  (columbum)  taube 
Eul  25. 

color  f.  (colorem)  124  färbe. 

colpe  f.  (culpam)  schuld  Eul  20. 

colper  siv.  I  {zu  colp  •<—  x6Xa<pog) 
42  abschlagen,  abschneiden. 

coltel  m.  II  (cultellum)  180  messer. 

com,  come  konj.  (quomodo)  50,  58, 
95  u.  ö.  wie  {nach  (i)tel,  si,  tant); 
temporal  58,  119  u.  ö.,  Leo  als; 
bei  adj.  im  ausruf  als  adv.  95  wie, 
welch. 

comander  sw.  I  (komp.  von  mandare) 
34,  150  u.  8.  befehlen,  anvertrauen, 
empfehlen,  mit  a  u.  inf.  Leo  220. 


332 


Wörterbuch, 


comant  m.  II  [ahl.  von  comander) 
91,  252  hefehl,  geheiss. 

come  siehe  com. 

comencier  sw.  I  (komp.  von  initiare) 
130,  207  beginnen,  anfangen. 

commun  adj.  (communem)  gemein- 
sam Eide. 

compaigne  f.  95  gefolgschaft. 

eompaigüie  /'.  {zu  *compaiiio)  98, 
111,  205  gefolgschaft,  geführte. 

eomperer  sw.  I  (comparare)  24  be- 
zahlen, büssen. 

concreidre  (concredere)  st.  III  an- 
vertrauen Eul  2J. 

conduire  sf.  II  (conducere)  97,  245 
führen,  leiten. 

condait  m.  II  (conduetuin)  202  füh- 
rung,  bewährung. 

congiöt  m.  II  (commeatum)  216  u.  ö, 
abschied. 

conquerre  st.  II  (komp.  von  quaerere) 
11  u.  ö.  erobern,  überwinden. 

conreer  sw.  1  (komp.  zu  germ.  redan) 
76  u.  ö.  ausrüsten,  atisstatten,  an- 
kleiden. 

conseillier  m.  II  (consiliarium)  21, 
Eni  5  ratgeber. 

conservar  sw.  I  (conservare)  be- 
wahren,  halten  Eide. 

conte  »u,  III  (comitem)  137  graf. 

contenant  w.  II  (vgl.  a  espandant 
836)  825  miene,  haltung. 

contra  [Eide]  =  contre. 

contrait  adj.  (contractnm)  193,  258 
lahm. 

contre  präp.  (contra)  145  gegen,  ent- 
gegen. 

contredire  st.  II  (contradicere)  wider- 
sprechen Eul  23. 

contreval  adv.  (contra  vallem)  37 
hinab. 

con verser  sw.  I  (conversari)  ver- 
weilen Jon. 

eorone  /".  (corona)  2,  10  n.  ö. 
kröne. 

coroner  sw.  I  (coronare)  6  u.  ö. 
krönen. 


corre  st.  (sw.)  in  (currere)  852  laufen, 

herbeieilen. 
correcier  sw.  1  (*corruptiare)  17,  26 

erzürnen. 
cors  m.  indekl.  (cursum)   126  lauf, 

Wechsel. 
cors  m.  indekl.  (corpus)  körper  Eul  2, 

Leo  230,  234f. 
cort  f.  (eohortem)  22  hof. 
cose  f.  (causam)  sache,  angelegenheit 

Eul  23,  cosa  Eide. 
Costantinoble  f.  (Constantinopolim) 

47  Konstantinopel. 
coste  /'.  (costam)  121  seite. 
coste  /.   (neben  m.  cost  ■«— costum) 

211  gewürz,  eine  art  ingwer. 
covenir  st.  I  (co[n]  venire)  impers.  7 1 , 

844  zukommen,  müssen. 
covir  sw.  II  (cupere  —  *cupire)  be- 
gehren Leo  17. 
creire  [craidre  Leo  218]  st.  III  (cre- 

dere)  glauben,  par  creant  in  dem 

glauben  37. 
crestient6t  f.   (christianitatem)   22,5 

Christenheit. 
crier  sw.  I  243  schreien,  rufen. 
crigne  f.  (crinea  von  adj.  crineus) 

823  haupthaar. 
croissir  sw.  II  (germ.  *krostjan)  194 

krachen. 
croiz  f.  indekl.  (crucem)  2,  70  n.  ö. 

kreuz,  kreuzeszeichen. 
euer  m.  II  (cor)  118,  238  herz. 
cuidier   sw.  II  (*cügitare)  33,    55 

denken,  gedenken. 
cuire    st.   II    (coquere  —  *cocere) 

kochen,  brennen,  sei  c.  verbrennen 

Eul.  20. 

D. 

dame  /.  (domina)  9,  19,  56  u.  ö. 
herrin,  frau. 

Damne  Deu  [Domine  Deu  Leo] 
m.  II  (dominum  deum)  69  u.  ö., 
Leo  Herrgott,  Gott  (vgl.  Deu  32). 

damno  m.  II  (damuum)  schade  Eide. 


Wörterbuch 


333 


davant  adv.  (de  +  ab  +  ante)  vorn  Fa 
44,  45;  präp.  vor  Pa  514. 

de  jjjröp.  (de),  vor  vokal  d'  3,  8, 
25  u.  ö.  1.  lokal,  auf  die  frage, 
tvoher?  36,  49,  90  u.  ö.:  von  .  .  . 
her,  von  .  .  .  aus,  von  .  .  .  herab, 
aus.  —  2.  zur  bezeichnung  der 
herkunft  oder  des  Stoffes  3,  25, 
G2  u.  ö.:  von,  aus.  —  3.  zur  be- 
zeichnung eines  teiles  (teilungs- 
artikel):  von  (oder  deutsch  Sub- 
stantiv ohne  präp.  und  art.)  160, 
165  u.  ö.  —  4.  zur  bezeichnung 
des  geneiivs  95,  106,  114  u.  ö.  — 
5.  kausal,  zur  bezeichnung  der 
Ursache,  des  mittels  oder  loerk- 
zeuges  8,  73,  84  u.  ö.;  von,  infolge- 
von,  mit.  —  6.  temporal :  in,  inner- 
halb s.  233  unten.  —  7.  verall- 
gemeinert: inbezug  auf,  in  betreff, 
über,  an  27,  46,  56  u.  ö. 

decoler  siv.  I  (decollare)  entliaupten 
Leo  222,  228. 

dedenz  präp.  (de  +  denz  =  de  intus) 
816  innerhalb.  —  adv.  808,  821 
drinnen. 

dedesoz  präp.  (de  4-  desoz  =  de 
subtus)  9  unter. 

degnier  sie.  I  (dignari)  würdigen, 
geruhen  Eul  26. 

degr6t  m.  II  (komp.  von  gradus)  133, 
846  stufe  —  pl.  treppe. 

dejus  adv.  (de  +  deorsum)  darunter 
Leo  233. 

demander  sw.  I  (komp.  von  man- 
dare)  147,  247,  833  verlangen  — 
fragen. 

demeiue  m.  II  (dominium)  4 
herr. 

demener  sw.  1  (zu  mener  <—  minari 
-e)  sehen  lassen,  äussern,  beweisen 
206,  814. 

demorer  sie.  I  (demorari)  74,  214, 
247  u.  ö.:  verweilen,  bleiben  —  aus- 
bleiben, versagt  werden. 

denier  m.  II  (denarium)  27  u.  ö. 
denar,  heller,  p fennig,  pl.  gdd. 


Denis  J   (Dionysium),  saint  D.  sG, 

863  Ortsname  St.-Denis. 
Deo  siehe  Dien, 
departir  siv.  II  [komp.  von  partire) 

967  teilen,  verteilen. 
deport  m.  II  (abl.  v.  deporter -«—de- 

portare)  804  belustigung,  freude. 
des  präp.  (de  ipso)  von  —  an,  d.  or(e) 

nunmehr  91,  849.  —  des  que  konj. 

seitdem  Pa  6. 
descendre  sto.  III  (descendere)  188 

herabsteigen. 
desevrer  sw.  I  (komp.  v.  seperare) 

253  trennen,  scheiden. 
desoz  präp.  (de  -|-  snbtus)  7,  Pa  18 

tmter. 
despit  m.  II  (despectnm)  227   Ver- 
achtung, hass. 
destrier  m.  II  (dextrarium)  81  streit- 

ross. 
deetruire  st.  II  (*destrugere)   226, 

227  vernichten. 
detres  adv.  (de  +  trans)  81  hinten. 
Den  siehe  Dien. 
Deumentit  adj.,   subst.  m.  II  (Deo 

mentitum)  Gottesleugnerisch,  Got- 
tesleugner Leo  11. 
devaler  sio.  I  (derivat  von  vallem) 

37  herabfallen. 
devantadv.  (de  +  ab  4-  ante)  81  u.ö. 

vorn. 
deveir  st.  III  (debere)  56,  97  n,  ö. 

müssen,  sollen. 
di  m.  II  (diem)  tag  Eide,  Eni.  12,  Pa 

27  u.  ö.,  Leo  15,  231. 
diavle  m.  II  (dia,holiim  t—  diaßo?.ov) 

teufel  Eul.  4. 
Didon    (Didonem)   Didon,    biachof 

von  Poitiers  Leo  19. 
Dieu  Deu  m.  II  (deum)  32,  68  u.  ö. 

Gott  [Deo  Eide,  Eni], 
dire  st.  II  (dicere)  13,  23  u.  ö.  sagen, 

reden,  nennen  [fut.  didrai  Leo  7]. 
disnerm.  II  (disjejunare)  831  morgen- 

muhlzeit. 
doire  st.  II  (döcere  f.  docere)  lehren 

Leo  23,  25. 


834 


Wörterbuch. 


(ioloros-eücij.(dolorosum)  92  traurig. 
Domiue  Deu  s.  Damne  Deu. 
domnezele /'.  (dominicellam)  mädcÄew, 

fräulein  Eul  23. 
donc  konj.  23  dann,  alsdann  Leo 

13,  15. 
doner  [duiiar  Eide]  sw.  I  (donare) 

78,  160  u.  ö.  geben. 
dont  adv.  interrog.,  pron.  rel.  (de 

unde)    3,    72,    148    u.  ö.    woher, 

wessen,  warum;  dessen,  deren  {vgl. 

par  s.  265). 
dontre  konj.  (dum  interim)  so  lange 

als  Pa  507. 
dous  dos  zahlw.  (duos)  zivei  Pa  19, 

Leo  8. 
do2Q  zahlw.  (duodecim)116ff.  zwölf. 
drecier  sie.  I  (*directiare)  832  richten, 

aufstellen. 
dreit  m.  II  (directum)  recht. 
drut  m.  II  (g.  drüt)  21  vertrauter. 
dne  m.  II  (ducem)  4:  herzog. 
duire  st.  II  (ducere)  führen  Leo  14. 
durer  sir.   I   (dürare)   245   währen, 

dauern. 


E. 

e  interj.  19,  /la,  wolan! 

edre  »n.  II  (hederam)  epÄei*  Jon. 

eissir  sw.  II  (exire)  90,  100,  827  {vgl. 
s.  267)  Jon,  Pa  36,  40  herausgehen, 
ausziehen. 

Clement  m.  II  (elemeutum)  kraft 
Eul  15. 

empedement  m.  II  (impedimentum) 
hindernis  Eul  16. 

empereorm.  III  (imperatorem),  reÄiws 
emperere  5,  13  u.  ö.  kaiser. 

empevrer  siv.l(abl.  v.-pipei)  pfeffern, 
in  pfefferbrühe  zurichten,  835. 

en  präp.  (in)  mit  art.  el,  es  2,  10, 
20  u.  ö.  {vgl.  1  al):  1.  lokal,  auf 
die  frage  wo  ?  29,  74  u.  ö. :  in,  an, 
auf.  —  auf  die  frage  wohin  ?  49, 
68  u.  ö. :  in,  auf,  nach,  bis  nach.  — 
2.  übertragen:   en  croiz  2  mit.  — 


3.  redensarten:  en  coste  121  zur 
Seite,  neben;  en  haste  142  in  eile; 
avoir  en  despit  227  verachten, 
hassen. 

en  [ent  Eide,  Eul]  adv.  pron.  (inde) 
14,  17  f.,  26  u.  ö.:  1.  lokal  60  f., 
68,  75  u.  ö.  von  da,  daraus  {häufig 
pleonastisch  bei  aler,  torner  u.  ähnl.) 
—  2.  kausal  17  f.,  26,  55  u.  ö.:  in- 
folge davon,  deshalb,  darüber.  — 
S.  temporal  IM,  215,  250:  darauf, 
alsdann.  —  4.  zur  bezeichnung 
eines  teiles  14,  162  u.  ö.  davon, 
dessen,  deren,  welche,  solche.  — 
5.  allgemein:  in  bezug  darauf; 
daher  auch  in  Vertretung  des  ge- 
netivs,  als  pron.  {vgl.  par.  s.  263) 
166,  182,  190. 

enamer  sw.  I  (inamare)  liebgewinnen 
Leo  17. 

enbronchier  sw.  I  18  bekümmern, 
betrüben. 

enchalcier  sw.  I  (incalciare)  29  ver- 
folgen. 

encloistre  m.  II  (*inclaustreum)  821, 
827  eingefriedigter  räum  {eines 
klosters). 

-enclos  m.  indekl.  (*inclausum)  ein- 
gefriedigter räum  808. 

encontre  adv.  (in  +  contra)  entgegen 
Pa  36,  39. 

encontrer  sw.  I  (*incontrare)  257  be- 
gegnen. 

encor(e)  adv.  11,  14,  51  u.  ö.  7ioch. 

enfant  m.  III  (infantem)  ki^id  {rektus 
6nfea)  Leo  13. 

enluminer  sw.  I  {abl.  v.  lumen  -inis) 
161  erleuchten,  verherrlichen. 

enmi  adv.  (in  medio)  117  in  der  mitte. 

enorter  sw.  I  (in  +  hortari)  ermahnen 
Eul  13. 

enseignier  sw;.  I  (insignare)  19  nenne7i. 

ensemble  adv.  (insemel)  20,  246, 
805  zusammen. 

ensement  adv.  88  ebenso,  gleichfalls. 

ensovre  präp.  (in  +  supra)  Pa  47 
über,  vor. 


Wörterbuch. 


dSl 


entaillier  siv.  (derivat  von  talea) 
179  einschneiden,  ciselieren. 

entendre  siv.  III  (intendere)  17, 43  u.  ö. 
hören,  merken,  anhören. 

entre  ^j»-äp.  (intra)  15,  188  unter, 
zwischen.  —  adv.  mit  et  78,  83 
soivohl  ...  als  auch. 

entrebaisier  siv.  I  (komp.  von  basiare) 
147  u.  ü.  einander  küssen,  um- 
armen. 

entrer  sw.  I  (intrare)  103,  113  u,  ö. 
eintreten,  betreten,  entrer  el  chemin 
241  sich  auf  den  weg  machen. 

entro  adv.  konj.  (inter  hoc)  Leo  233 
bis,  bis  dass;  entro  que  konj.  bis 
dass  Leo  218. 

enveiier  siv.  I  (*mviare)  Pa  19 
senden. 

environ  adv.  (etym.  imsicher)  121 
rings  herum. 

eps  pron.  (ipsum)  selbst,  gerade 
Pa  10,  35. 

Ernalt  64  Arnalt,  per  von  Frank- 
reich, bruder  Wilhelms  von  Orenge. 

errer  sw.  I  (*iterare  von  iter)  95 
Wandertl. 

escientre  m.  139,  185  das  wissen. 

escolter  sw.  I  (auscultare)  hören 
[eskolter  Eul  5]. 

escondire  st.  II  (komp.  von  dicere) 
34  sich  entschuldigen,  recht- 
fertigen. 

escrepe  f.  {germ.  skerpa  —  skarpa) 
80,  86  pilgertasche. 

escuele  f.  (scütellam)  178  schale, 
Schüssel. 

escut  m.  II  (seutum)  79  schild. 

esforz  m.  indekl.  {abl.  v.  esforcier  ■< — 
*exfortiare)  814  macht. 

esguarder  sw.  (komp.  von  germ. 
warden)  129,  131  etc.  (vgl.  s.  298 
eswardevet)  anblicken,  betrachten. 

eskolter  s.  escolter. 

eslais  m.  indekl.  (abl.  von  es- 
laissier)  133  eile,  d'eslais  eiligst. 

esleecier  st«;.  I  (abl.  v.  laetitia)  174 
erfreuen. 


Espaigne  f.  (Hispaaia)  230  Spanien. 
espandre  sw.  III  (expandere)   aus- 
breiten,   dazu    a   espandant    836 

reichlich. 
espee  f.  {ana^rf)  3,  10  u.  ö.  schwert. 
espice  f.    (speciem)    211    spezerei, 

gewiirz. 
espiet  m.  II  {g.  speot)  11 ,  Leo  228 

Speer. 
espiritel  adj.  (spiritualem)  Leo  215 

geistig. 
espleitier  sw.    I    (*explicitare)    167 

ausführen. 
est  pron.  dem.  (istum)  dieser  Eide, 
estendre  sw.  III  (extendere)  Pa  44 

ausbreiten. 
ester  st.  III  (stare)  74,  841,  Leo  230, 

234  stehen,  bleiben. 
Estiefne  m.  165  (vgl.  164  Lazaron) 

der  hl.  Stephan,  der  erste  blutzeuge. 
estortre    st.    II     (extorquere)    43 

herauswinden,  sei  e.  sich  h. 
estoveir  st.  III  impers.,  estuet  217 

es  ist  nötig. 
estrange  (extraneum)  861  fremd. 
estre  (essere  f.  esse)  irreg.  verbum 

(siehe  par.  s.  272)  sein,  sich  be- 
finden, werden  (meist  hilfsverbum). 
et  konj.  3,  4  u.  o.  und;  zuweilen  zur 

blossen  einleitung  des  hauptsatzes 

148,  221  n.  ö.,  et  si  48,  88,  133  u.o. 

—  entre  ...  et  s.  entre. 
evesque   m.   II    (episcopum  <—  ini- 

oxonov)  Leo  19  bischof. 
Evroin  (Ebruinum)  Leo  11  Ebruin, 

graf,  hausmeier  Lothars  III. 
exalter    sw.    I    (exaltare)    erhöhen 

Leo  29. 
ewe  f.  (aqua)  106,  256  wasser. 

F. 

faire  st.  I  (facere,  vgl.  par.  s.  269, 
dazu  s.  186)  machen,  tun,  ver- 
richten, schaffen  (Pa  39),  bewirken, 
mit  inf.  lassen;  verbum  vicarinm 
Eide. 


336 


Wörterbuch. 


faldeslueil  m.  11  (genu.  Ialda8t(ii+-j^-) 

85  faltstuhl,  lehnstnhl. 
feit  /'.  (fidem)  treite;    par  ma  f.  53 

meiner  treu;  plevir,  gnarder  sa  f. 

228,    231     sem   wort   verbürgen, 

halten. 
feiz  f.  (vicem)  71    indekl.  mal  {bei 

zahlen). 
felon  m.    III   (germ.   fillo)    Schurke 

[rektus  fei  Leo  227j. 
femme  f.   (femina)    33,   S22   frau, 

gattin. 
fefusw.  II  (ferire)  29  Leo  232  schlagen, 

kämpfen. 
ferrer  sw.  I  {abl.  von  ferrum)  80  f. 

mit  eisen  beschlagen. 
feste  f.   (festam  sc.  diem)   126,  804 

festlag,  fest. 
fiance  f.  (fidantia)  62  vertrauen,  ver- 
sprechen, a.  f.  sicherlich. 
fidel  adj.  (fidelem)  treu  Pa  504. 
fier  -e  adj.   (ferum)    111,  128,   131 

kühn,  stolz. 
fiertre  m.  II  (feretrum)  198  schrein, 

reliquicnschrein. 
figure  f.  (figuram)  gestalt  Eul  25. 
fili  =  lat.  Vokativ  filT  söhn  Pa  42. 
fille  f  (filiam)  823,  852  tochter. 
fin  f.  (finem  m.)  57,  236  ende, 
fin  -e   adj.   (*finum)   78   u.  ö.   feiji, 

lauter. 
finimonz    =   finis    muudi    weltende 

Pa  505. 
flaiel  m.  II  (flagellum)  leiden,  quäl 

Leo  236. 
flum  m.  II  (flumen)  106  fiuss. 
foers  adv.  (fÖris)  hinaus  Jon. 
fol  -e  adj.  (*foilam,  v.  12)  45,  819 

töricht,  tor. 
folc  m.  11  (altnord.  folk)  Pa  46  iew^e, 

me«5'c. 
folement  adv.  12  töricht. 
toMef  {zu  fol)  813  for/teif. 
fondre  sjü.  Ill  (fandere)  199  giessen, 

schmelzen. 
fonz  m.  II  ^?Mr.  (fontes)  136  tauf- 

becken. 


force  /;  {abl.  v.  forcier)  162,  200  kraft, 

gewalt. 
forest  f.   (*forestem  zu  foris)    103 

ivald. 
forraent  [fortment  Pa  506]  adv.  (forti 

mente)  81  sehr,  heftig. 
former  sw.  I  (fomiare)  138  bilden, 

gestalten. 
fort  -e  adj.   (fortem)   46,  89   u.  ö. 

kräftig,  stark,  mächtig,  wirksam. 
fou  m.  II  (focum)  feuer  Eul  1 9. 
fradre  -dra  m.   I    (fratrem)    bruder 

Eide, 
fraindre   st.   II   (frangere)    brechen 

Eide,  Pa  503. 
fraisne  m.  II  (fraxinum)  80  esche. 
France  f.  (Francia)  58  u.  ö.  Francien 

{=  Isle  de  France),  Frankreich. 
Franceis  m.  indekl.  {d.  frankisk)  18, 

23  n.  ö.  Franke. 
fruit  m.  II  (früctum)  Leo  215  frucht. 
fu'fr  sw.  II  (fugere  —  *fugire)  132 

fliehen. 
fust  m,  II  (füstem)  80  stab. 

G. 

gab   w.   II   {altnord.  gabb)   s.   233 

Prahlerei,  scherz. 
gent/".  (gentem)  76,  105  volk,  leute. 
gent  -e  adj.  (genitum)  95,  112,  825 

vornehm,  kostbar,  edel,  freundlich. 
gentement  adv.  {zu  gent)  77,  87  edel, 

vornehm,  stattlich,  geziemend. 
Gerin  {germ.  Gerin)  63   Gerin,  per 

von  Frankreich. 
geron  m.  {germ.  gero)  853  zipfel  des 

gewandes. 
gesirsf.  III  (*jecere /«y  jacere)  193, 

Pa  32  liegen. 
geter  giter  sw.  I  (jactare)  werfen 

Eul  19,  Leo  224. 
glas  m.  indekl.  (*classum)  197  glocken- 

zeichen,  glockengeläut. 
governer  sw.  I  (gubernare)  97   be- 
herrschen, 
graindre  siehe  grant. 


Wörterbncli. 


337 


grant  adj.  (grandem)  93,  98  u.  ö.  (vgl. 
par.  s.  259  f.)  gross,  weit,  gewaltig, 
grant  et  petit  gross  u.  klein  Pa  41, 
46  —  komp.  rekt.  sivg.  graindre 
(graodior)  811  grösser. 

gret  ni.  11  (gratum)  54  wolwollen. 

(ince  f.  (Graecia)  47,  103  Griechen- 
land, byzantinisches  reich. 

grue  f.  (*grüam  statt  gruem)  835 
krnnich. 

gnarder  sw.  I  (germ.  wardön)  172, 
221.  2.'M  {vgl.  5  reguardet)  wahren, 
schützen,  beivachen. 

gnarueuaent  m.  II  {zu  guarnir)  84 
ausrüstung. 

gnarnir  sto.  II  (germ.  warnjan  — 
warcofl  =  warnen,  behüten)  240 
ausrüsten. 

guerpir  sw.  II  {d.  werpan)  100  ver- 
lassen. 

guet  m.  II  {germ.  stamm  wad-)  256 
fürt. 

guier  sw.  I  {germ.  wTtaD)  245  weisen, 
führen. 

Ouilielme  d'Orenge  (germ.  Wilihelm 
—  gallorom.  Aureuca  für  Arausio) 
62  Wilhelm  von  Orartge,  so  ge- 
nannt nach  der  eroberung  dieser 
Stadt  {epos:  Prise  d'Orange),  per 
von  Frankreich,  söhn  des  grafen 
Aimeri. 

H. 

hair  stv.  II  (germ.  hatjan)  1 05  hassen. 
halt  -e  adj.  (altum  +  /VA;,  hanh)   36 

hoch:,  adv.  243  hell,  laut. 
haste  f.  (germ.  haist)  142  eile,  hast. 
herbe/,  (heibam)  212  haut. 
herberge  f.  {fränk.  heriberga)   109, 

1 1 1   herberge. 
home  [omue  Leo]  m.  III  (bominem) 

122,  149  u.  ö.,   Leo  211,  221   (vgl. 

par.  s.  258)  mensch,  mann,  vasall, 

pl.  leute. 
honest  6t  f.  (honestatem)  ehrbarkeit 

Eul  18. 
Honguerie/".  (Hungaria)  101  Ungarn. 

Voretzsoh,  Studium  d.  afrz.  Sprache. 


hoDor  f.  (honorem)  ehre,  pl.  ehren- 
stellen Pa  3ß,  Leo  2,  7. 

honte  f.  {germ.  *hanuif'a)  38  schände, 
schimpf. 

Hugon  46,  802  ff.,  s.  233  (vgl.  par. 
s.  258)  könig  Hugo  der  Starke, 
kaiser  von  Konstantinopel. 

hui  adv.  (hodie)  804  heute. 

humilitet/".  (hamilitatem)Pa25  demut. 

I. 

i  adv.  (hie  — ibi)  4,  21,  71  u. ö.  lokal: 
1.  auf  die  frage  wo?  4,  21,19  u.  ö. : 
daselbst,  dort,  darin.  —  2.  auf  die 
frage  wohin?  71,  85  u.  ö.:  dorthin, 
hinein,  hierher. 

iholt  m   11  (caüdum)  Jon  10  wärme. 

iluec  adv.  193,  8ti8  dort. 

iraistre  (*irascere)  53  sich  erzürnen 
(mit  aveir  in  zorn  versetzen). 

iriet  -ee  adj.  (iraturn)  30  erzürnt. 

itel  adj.  pron.  (zu  tel-«— taleai)  50 
80  beschaffen,  solch. 

J. 

ja  adv.  (jam)  33 f.,  40,  42,  57  u.  ö. 

{vgl.  2  son  111)  schon,  nun,  doch; 

mit  ne  doch  nicht,  durchaus  nicht ; 

ne  .  . .  ja  mais  nicht  mehr,  nimmer. 
jante  /.  {germ.  ganta)  835  wilde  gans. 
Jerico  242  Jericho. 
Jerusalem  108,  154,  204  Jerusalem. 
Jesn,  JesuCrist  Pa  2  ff  Jesus  Christus. 
jeüt  part.  per  f.  von  gesir. 
Jhesu  170,  187  Jesus. 
joer  sw.  I  (jocarei  33  scherzen. 
jogier  m.  II  (jucularem)  837  spiel- 
mann. 
joie  f.  (gaudia)  118,  851  freude. 
joios  -6     adj.     (*gaadiosum)     858 

freudig,  vergnügt. 
jorn  m.  II  (diurnum)  1,  109  u.ö,  tag, 

tageslicht. 
Juiea   m.  II  (Judaeum)    129,    172 

Jude. 

5.  Aufl.  22 


338 


Wörterbuch. 


juYse  m.  II  35  gericht,  Strafgericht, 
Gottesurteil,  porter  j.  sich  dem 
Gottesurteil  (durch  tragen  glühen- 
den eisens)  unterwerfen. 

jarar  sw.  I  (jurare)  35  schwören 
Eide. 

jus  adi}.  (deorsnm)  Leo  224  nieder. 

jiistise  f.  (justitijitu)  213  g^rechtig- 
'  keit,  gericht,  faire  j.  gericht  ab- 
halten. 

K. 

Karlo   -e   (d.   Karl),    rektus   Karlus 

Karl  der  Kahle  Eide. 
Krlst   (Christum)   Christus  Eul  24, 

Eide. 

L. 

la  adv.  (illac,  vgl  20  si  II)  232,  808, 
S53  dort,  da. 

laborer  sw.  1  (laborjire)  Jon  ar- 
beiten. 

laenzarZy.  (illac  intus)  114  dort  drinnen. 

lai  adv.  (illäc)  Leo  232  dorthin,  dort. 

lauer  sw.  1  37  lassen. 

laissier  sw.  I  (laxare,  vgl.  37  larrai) 
14,841  lansen,  unterlassen  Eü\  28. 

lait  m.  (lacte-)  187  ruilch. 

Laiice  f.  Iii6  Laodicäa  in  Kleinasien. 

lance  /.  (lanceam)  79  Innze,  speer. 

las-se  adj.  (lassum)  Jon  müde,  vgl. 
19  E. 

Latine  f.  (zu  latin  ■«— la'inum)  208 
L ,  kirche  in  JtruHnlem. 

Lazaron  m.  III  (Lazaruin)  164  La- 
zarus. 

lazre  adj.  (Lazarum)  aussä^^^^  Pa  30. 

Ledgier  m.  II  (Lt-odegarium)  der 
heilige  Leodegar  Leo  (i  ff. 

legier  -e  adj.  (*le7iarium)  14  leicht, 
schmuck. 

leiier  sw.  I  (Ugare)  201  binden,  um- 
winden. 

leisir  sf.  III  (Heere)  Pa  507  erlaubt 
Sfin,  freidfhen. 

lenguage  m.  II  (♦linguaticum)  209 
(vgl.  2ü8)  Zunge,  spräche. 


letre  f.  (litteram)  buchstabe,  schrifty 
plur.  Wissenschaften  Leo.  18. 

lever  sw.  I  (levare)  128,  136,  145 
heben,  aus  der  taufe  heben. 

llet  -ee  adj.  (laetum)  123  u.  ö.,  Pa40 
froh,  fiöldich. 

loder  =  loer. 

Lüdbnii(u)ig  m.  II  (d.  Chlodowich) 
Ludwig  der  Deutliche  Eide. 

Lodier  m.  II  (d.  Chlothari)  König 
Clothar  II.  Leo  16. 

loer  sw.  I  (laudare)  235  rühmen 
[loder  Pa  4K,  515,  Leo  1]. 

logier  8w.  I  (von  löge-« — (i. laubja — 
laube)  wohnen  Jon. 

Lohereigue  f.  inl  Lothringen, 

loinTain  -e  adj.  (*longitanum)  68  ent- 
fernt, 

lou  —  loin  adv.  (longe)  fern,  in  zeitl. 
sinn  Pa  505. 

Ton  s.  on. 

louc  adj.  (longum)  860  lang. 

los  m.  indtkl.  (laus)  807,  815  loh, 
preis. 

lucrer  sw.  I  (lucrari)  Leo  214  ge- 
winnen. 

Ludher  m.  II  (Chlothari)  Lothar, 
söhn  Ludwigs  des  Frommen 
Eide. 

lune  /.  (lunam)  126  mond. 

M. 

magistre  s.  maistre. 

magne  maigne  adj.  (magnum)  Pa  26 

gross,  vgl.  Cliarlemaigne. 
main  /.  (maniuu)  82$  hand. 
maint  -e  adj   212  manch. 
mais  adv.  konj.  imagis)  28,  39,  57  u.  ö. 

mehr,  weiter;   vieUnthr,   sondern, 

aber    —   ja    ne    m.    nicht    mehr, 

nimmer  —  mais  que  44,  224  nur 

dass,  wofern  nur. 
maistre    [ojagistre    Leo    22]    m    I 

(magistrum)  828  meister,  lehrer. 
majesiet  /.  (majestatem)  125  heiliges 

bild. 


Wörterbnch. 


339 


mal  -e  adj.  (malnm)  schlecht,  schlimm 

Eni  5. 
male  f.  (germ.  mahala)  83  reisekoffer. 
malialent    m.   II   (maluui   talentum) 

8H9  Zorn. 
manace    -tce    f.   (minacia)   drohung 

Eul  8. 
maoder  sw.  I  (mandare)  22,  142,  229 

entbieten. 
maneir  st   II  (manere)  wohnen,  sein 

Eul  6,  Pa  509. 
maogier  sw.  I  (manducare)  832,  819 

essen  —  subst  m.  II  1  bO  abmdmakl, 
mantel  m.   II  {dem.  v.  mantum)  Pa 

22,  43  mnntd. 
mar  adv.  221  zur  unzeit,  unrechter 

weise. 
marbre  m.  II  (marmor)  113  {vgl.  20 

ensemble  III)  niarmor. 
marbrin   -e  adj.  (*inarmorinum)  133 

marmorn. 
marc  m.  II  {germ.  marc)  199  mark. 
Marie    f.    187,    "207    Marie,    mutter 

Gottes,  vyl.  Latine  2U8. 
martir  m.   II   {ij.äQtvQ-a)   165  blut- 

zeuge,  märfyrer. 
martirie     m.     II     {uaQzvQiov)     107 

niärtyrtum. 
matin  m.  IlXmatutinum)  239,  248  der 

morgen. 
Maxeuz,  Sant  (St.  Maxentium)  abtei 

St.  M.  Leo  30. 
Maxiiiiiien     m.     II     (Maximianum) 

röinisch<'r  kaiser  M.   Eni  11. 
meillor  komp.   (melioreui)    169,    198 

vgl.    par.    s.    260)    besser;     mielz 

(melius)  neutr.  u.  adv.   6   besser, 

litber  [inelz  Eal  16j,  le  mielz  168 

um  so  besser,  al  m.  6  avf.i  beste. 
meis  m.  indfkl.  (mensem)  20 1  monat. 
meiern:*    adj.    pron.    (*metipsimam) 

189,  157  selbst. 
melz  =  mielz  s.  meillor. 
membrer  uvp.  (memorare)  234  es  ge- 
denkt jem    einer  sache. 
membr6t  part.-adj.' {von  membrum) 

stark  65. 


men gonge  /.  52  lüge. 

mener  sw.   II  (minari)  Gl,   73,   830, 

fuhren,  fortfuhren,  äussern. 
menestier  m.  II  (ministeriam)  dienst 

Eul  10. 
meniir  sw.  II  (mentiri)  24  lügen,  vgl. 

Leo  11 
menut  adv.  (minutnm)  197,  201  oft, 

häufig. 
mer  /.  (mare)  127  meer. 
mercit  /.  (mercedem)  32,  1 59,  Eal  27 

gnade,  eibarmen,  dank. 
mesprebdre  st.  II  {komp.  von  pren- 

dere)  Pa  511  fehlgreifen,  irren. 
messe  f.  (missam)  115,  829  messe. 
metre  st.  II  (uiittere)  16,   lio,   866 

setzen,  niederlegen,  opfern,  bringen 

Leo  22. 
mi  -6  (medium)  adj.  mitten,  im  adv, 

parmi  102,  enmi  117. 
mie  f.  (micam),  nur  in  Verbindung 

mit  He:   durchaus  nicht  28. 
mielz  s.  meillor. 
mier    e  adj.  (merum)  3,    179  rein 

lauter. 
mil,  pl.  milie  zahlw.  (mille  —  milia) 

66,  96  u.  ö.  lausend. 
molllier  f.  (mulierem)  5,   234  frau^ 

gemahlin. 
molt   [uQuIt  Jon,  mulz  Pa  27]   adv. 

(multiim)  17,   18  n.ö.  sehr,   viel, 

lange. 
moneer  sw.  I  {derivat  von  moneta) 

842  prägen. 
mont  m.  II   (mnndum)  weit    Pa  4; 

vgl    finimouz 
mont  m.  II  (inontem)  Pa  18  berg.  — 

mont  Oliver  (Olivaram)  od.  Olivet 

(Oliveti)  Pa  18  ÖLberg. 
montaigne/".  (*montanea)  lOigebirge, 

berg. 
monter  sw.  I  {derivat  von  montem) 

89,  133  u.  ö.,  Pa  26  steigen,  hinauf- 

-  steigen. 
monumeut   [mOniment  Pa  31]  m.  II 

(moDumeutum)  grab. 
morir  st.  [sw.)  111  (*morire  f.  mori)  62, 
22* 


340 


Wörterbuch. 


232  (vgl.  s.  270)  sterben,  part. 
perf.  inort  tot  Eni  1«,  Pa  3i. 

mort  f.  (mortem)  iod  [Eul  28,  Pa  1 1]. 

mostier  m.  11  (*uioiji8teriam)  1,  110 
u.  ö.  mütister,  kitche. 

moveir  st.  III  (movere)  193  bewegen, 
sei  m.  sich  bewegen. 

mner  sw.  I  (mütare)  44  ändern,  rück- 
gängig machen. 

mul  m.  II  (mülnm)  82  n.  ö  maulesel. 

muit  mulz  s.  molt 

mut  -üe  adj.  (mütum)  258  stumm. 

N. 

Naimon  m.  III  (germ.  Namo)  62 
{vgl.  par.  s.  258)  htrzog  Naimes 
von  Baiern,  per  von  Frankreich, 
der  weise  berater  Karls. 

naistre  (*nascere  für  nasci)  geboren 
werden,  imrt.  net  66  n.  ö.  geboren. 

ne  Partikel  (non),  vor  vokalen  nen 
oder  a' :  nicht  12,  26,  40,  43,  45  u.  ö., 
verstärkt  ne  .  .  .  pas  12,  ne  .  .  . 
mie  28. 

ne  ned  [Eul  7]  konj.  (nee),  gebraucht 
in  negativem  satz  oder  solchem 
mit  nfgatioem  sinn  10,  28  f.,  38, 
79  u.  ö.  oder,  noch;  ne  .  .  .  ne 
entweder  .  .  .  oder,  weder  .  .  .  noch. 

negun  pron.  (nee  unum)  Pa  9  =  neul. 

nen  s.  ne. 

nerf  m.  II  (nervum)  194  sehne,  nerv. 

neul  niul  -e  pron.  (nee  nllum)  irgend 
ein,  mit  ne  kein  Eide,  Eul  9,  Pa  9. 

nodrir  sw.  II  (uutrire)  ernähren,  auf- 
ziehen Leo  27. 

nom  m.  II  (nomen)  151,  158  name 
aveir  n   heissen. 

nomer  sw.  I  (nominare)  39  nennen. 

non  part.  (non)  nicht  {statkbetont, 
Eide  und  Pa  auch  schwächt onig). 

noncier  sw.  I  (nuntiare)  237  ver- 
künden, melden. 

nouqua  adv.  (nunquam)  niemals  Eide. 

novele  f.  (novelia  von  adj.  noveilum) 
147  neuigkeit,  nachricht. 


nuit  f.  (noctem)  237,  246  nacht,  la 
n.  des  nachts. 

nnl  -e  adj.  pron.  (nüllum)  9,  122, 
247,  833  irgendein,  ne  .  .  .  nnl 
kein,  ne  .  .  .  nule  rlen  nichts. 


0. 

o  pron.  neutr.   (hoc)  dieses  [por  o 

Eul    11,    en    0    qned   Eide]    vgl. 

s.  264. 
o  adv.  s.  ou. 

o  konj.  (aut)  35,  42,  150  oder. 
ocidre  st.  II  (occTdere)  töten  Leo  12, 

220. 
od  ot  präp.  (apud)  11,  25  n.  ö.,  Leo 

bei,  mit. 
odir  s.  oir. 
ofrir  sw.  II  (*oflFerrire  f.  offerre)  112, 

829  darbringen,  opfern. 
ofrende  f.  (ofiferenda)  59,  110  opf er- 
gäbe. 
Ogier  de  Danemarche  [qerm.  Aude- 

garl  od.  Otgeri  —  Danamarkia)  63 

herzog  Ogier  von  Dänemark,  per 

von  Frankreich. 
oir  [odir  Pa,  Leo]  sw.  II  (andire) 

18,  46  u.  Ö.  hören,  oir  parier  oder 

paroIe  reden,  hören,  vernehmen. 
Oliver  01iv6t  s.  mont. 
oitante    zahlw.    (octoginta)    96,    99 

achtzig. 
olivier  m.  II  (olivarium)   7,  Pa  38 

ö'baum. 
Olivier  {germ.,  vielleicht  Olitguarium) 

61,   824,  85;{,   856,   s.  233  Olivier, 

per  von  Frankreich,  Waffenbruder 

Rolands. 
oltree  interj.  (ultrata)  243  vorwärts! 
ome  omne  s.  home. 
on,  om  Eide  pron.  (homo),  mit  art. 

l'on  816,  850,  Eide  man. 
onc,  onques,  onque  adv.  (unquam) 

9,   1 22  u.  Ö.,  Eul  9  jemals,  o.  ne 

niemals. 
er   m.    II   (anrum)   3,   27,  73  u.  ö. 


gold. 


Wörterbuch. 


341 


or  Ttovj.  siehe  ore, 

oraison  f.  (orationem)  864  gehet. 

ordre  m.  II  (ordinem)  828  {geist- 
licher) Orden. 

ore,  or  korij.  (*ha  hora,  vgl.  11  en- 
core)  43,  9S  n.  ö.  nun,  nunmehr. 

orendreit  adv.  (*ha  hora  +  in  directo) 
41,  136,  auf  der  stelle,  sofort. 

Orenge  siehe  Guillelme. 

orer  sw.  I  (orare)  beten  Eul  26. 

OS  m.  indekl.  (os)  194  knochen. 

Osanna  zuruf  (hehr,  „gib  ihm  heil!") 
Pa  48  Hosianna! 

oser  sw.  I  {abl.  v.  ansum)  44,  131 
u.  ö.  wagen. 

ost  f.-m.  II  (hostem)  29  heer. 

ostel  m.  II  (hospitale)  237,  246 
herberge. 

ot  s.  od. 

otreiier  sw.  1  (autoricare)  23  zu- 
geben. 

ou  0  [Pa  24]  adv.  interrog.  u.  rel. 
(ubl)  19,  107, 157,  853  wo;  on  que 
824  wo  immer,  sobald  als. 

ovrer  sw.  I  (operare)  handeln  Pa  7. 

P. 

paiien  m.  II  (paganuni)  224  heide. 
paiile  palie  [Pa  4:^]  m.  II  (pallium) 

210  Seidenstoff,  kostbares  tuch. 
pais  m.  indekl.  (*pagense)  861,  Leo 

211  land. 

palais  m.  indekl.  (palatiam)  830  f. 
palast. 

palme  f.  (palma)  palme  Pa  37, 
palmzweig  242. 

paon  m.  II  (pavonein)  835  pfau. 

par  [per  Eide]  präp.  adv.  (per)  7, 
37,  41  u.  ö.  1.  lokal  Vn,  i97:  durch, 
hivdwch,  über  .  .  .  hin.  —  2.  tem- 
poral 239,  248:  gegen,  um,,  mit.  — 
3.  instrumental  7,  hl,  152,  823 
Eul  27 :  durch,  vermittels,  mit,  an. 
—  4.  adv.  zur  Verstärkung  von  adj. 
und  adv.:  sehr,  gar,  molt  p.  gar 
sehr  814. 


parament  m.  II  (paramentum)  kost- 
bares gewand,  schmuck  Eul  7. 

pardoner  sw.  1  (perdonare)  869,  Leo 
2H),  226  vergeben,  aufgeben,  ver- 
zeihen, schenken. 

parenz  m.  II  pl.  (parentes)  eitern 
Leo  14. 

parer  sw.  I  (parare)  ausrüsten, 
schmücken  Pa  22. 

parfont  adv.  (*perfunde  -um)  1 46  tief. 

parier  sw.  I  (parabolare,  vgl.  parole, 
dazu  s.  26 "i)  72,  221  u.  Ö.  sprechen. 

parmi  präp.  (per  medium)  102 
mitten  durch. 

parole  f.  {nagaßolrf)  8,  46  rede,  de 
sa  pleiae  p.  8  mit  lauter  spräche, 
stimme. 

parsom  präp.  (per  summum)  239, 
248  oben  auf,  eeitlich  mit. 

part  f  (partem)  94,  119,  219,  Eide, 
Pa  504  anteil,  seite,  richtung,  mit 
demonstr.  oder  interrrg.  pron.: 
dahin,  wohin. 

partir  sw.  II  (partire)  256  scheiden, 
auseinandergehen. 

partot  adv.  (per  tottum)  durchaus, 
überall  Pa  ni6. 

parvenir  st.  I,  III  (pervenire)  ge- 
langen Pa  17. 

pas  m.  (passutti)  12  schritt,  zur  Ver- 
stärkung der  negation  ne  p.  12 
nicht  im  mindesten,  nicht. 

passer  sio.  1  (abl.  v.  passum)  106, 
861  überschreiten,  durchziehen. 

passion  f.  (passionem)  leiden  Pa  2, 
Leo  240. 

Paternostre/".  (Paternoster)  114  Vater- 
unser. 

patriarche  m.  I  (TiarQiccQXV?)  134 
a.  ö.  Patriarch. 

pechedor  m.  III  (peccatorem)  sünder 
Pa  510. 

pechi6t  m.  II  (peccatnm)  Sünde  Pa 
9,  508. 

pedre  s.  pere. 

peindre  st.  II  (pingere)  113  malen, 
bemalen. 


342 


Wörterbuch. 


peintnrer    sw    I    (ahl.    v.    peintnre 

•* — *piücturaa))   124  bemalen. 
peisson  m.  II  (*pisci()Deiii)  127  fisch. 
Peitieus  (Pictavos)  Poitiers  Leo  19. 
peivrrt   m.   II   (piper,   pipere-)    211 

pMer. 
peleriü  m.  II  (peregrintim)  95  pt7^er. 
peliz  m.  indtcl.  (*pellicium  f.  pelli- 

cia)  pelz  Pa  43. 
pendre  aw.  III  (pendere)  80  hängen, 

herabhängen. 
pener  sw.  I  (*poenare)  quälen,  intr. 

sich  abmühen  Joa. 
penser  sw.  I  (pensare)  38,  5fi  denken. 
per  m.  II  (pareiu)  J2l   u.  ö  per,   ii 

doze   per   die  zwö'f  pers,    Karls 

des  Gr.  vornehmste  kämpf  genossen. 
per  präp.  s.  par. 
perdre  sw  III  (perdere)  54,  55,  Eul 

17  volleren. 
pere   m.  I    (patrem)    826,    Pa  514 

(pedie)  Vater. 
perron  m.  II  (abl.  v.  petra  —  nixQo) 

850  steivstufe,  rampe  —  pl  trejjpe. 
Persanz  m  {abl  v.  Perse)  1(J5  Perser. 
Perse  f.  (Pt-rsia)  48  Persien. 
peser  sw   I  (pensare),  mit  dativ  be- 
drücken, bekümmern  Leo  219,  vgl. 

38  penser. 
petit-6   adj    (kelt.  pett)    67,    120, 

Pa  29  klein,  pl.  wenige,  un  p.  ein 

wenig. 
pierc  /'.  (ntXQo)  179  stein,  edelstein. 
Piere  (Petruiu)  181  Petrus. 
piet  m.  II  (pedem)  31  u.  ö.,  Pa,  Leo 

fuHS,  als  maans  81  I. 
piliöt  f  (pietateui)  183  frömmigkeit, 

fromme  rührung,  gnade  Pa  512. 
plaid  s.  plalt. 

piain  m.  II  (plannm)  93  ebene. 
plaire  st.  III  (*pläcere  f.  placere) 

68  u  ö.  gefallen,  belieben. 
plait  [plaid  EideJ  m.  II   (placitum) 

8tiO  Verhandlung ,   vertrag,  erzäh- 

lung. 
pleiier  sw.  I  (plicare)  beugen,  dazu 

bringen  Eul  9. 


plein  -e  adj.  (plennm)  8,  83,  811 
voll,  ganz,  laut. 

plenter  /".  (plenitatem)  1 62  menge,  fülle. 

plfvir  sw.  II  (fZ.  plegan)  228  ver- 
bürgen. 

plorer  sw.  I  (plorare)  92  weinen. 

plus  adv.  (plus)  6,  14,  u.  ö.  mehr,  mit 
adj.  komp.  m.'  superl.  (vgl.  s.  26ii). 

plusor  pron.  818  mehrere,  li  p.  die 
meinten. 

poant  [podent  Pa  34]  adj.  (potentem) 
mächtig  97,  Pa. 

poblo  pople  m.  II  (populum)  volk 
Eide,  Pa  40. 

poeir  st.  III  (*potere)  13,  40,  43  u.  ö. 
(par.  s.  27(1)  können,  mögen,  ver- 
mögen; subst.  vermögen,  macht 
[podir  Eide]. 

poi  s.  pou. 

poin  m.  II  (pngnum)  7  hand. 

poUe  f  (pullam)  mädchen  [Eul.  10]. 

polz  m.  indekl.  (poUicem)  8 1 1  daumen, 
zoll. 

pom  m.  II  (pomum)  3  apfel,  schwert- 
knauf. 

pople  s.  poblo. 

por  präp.  (pro)  18,  29,  32  u.  ö.  um 
.  .  .  willen,  wegen,  aus  —  mit  inf. 
um  zu,  zu\  por  que  konj.  weil 
Jon. 

porprendre  st.  II  {komp.  v.  prendre) 
1U9  nehmen. 

porter  sw.  l  (portare)  15,  20  u.  ö. 
(vgl.  par.  s.  267)  tragen,  forttragen, 
übertr.  hegen,  bezeugen  Leo  2. 

pose  f.  (pausam)  2l8  ruhe,  zeit. 

poser  sw.  I  (pausare)  171  zur  ruhe 
bringen,  niederlegen. 

post  präp-  (post)  nach  Eul  28. 

puu  adv.  (paucum)  132,  810  wenig. 

preciel  adj.  {abl.  von  pretium)  179 
koütbar. 

prediier  Leo  213  =  preechier. 

preecbier  sw.  I  (praedicare)  173  vor- 
hersagen, predigen. 

preiement  m.  II  {von  precari  — 
preiier)  bitte  Eul  8. 


Wörterbuch. 


343 


preiier  sw,  I  (*precare  f.  precari) 
22fi,  865,  Eul  26  bitten,  beten. 

preisier  sw.  I  {abl.  v.  pretium)  13, 
821)  schätzen. 

Premier  zahlw.  (primarium,  vgl.  188) 
9K  u.  ü    erster. 

prendre  st.  II  (prehendere)  2,  7,  8 
u.  ü ,  Pa  37,  Leo  212  nehmen,  er- 
greifen, pr.  fia  aufhören,  ruhen, 
pr.  plaid  vertrag  eivgehn  [Eide], 
prendre  a  mit  itif.  beginnen. 

present  m.  II  (abl.  von  presenter) 
1 1 2  gäbe. 

presenter  sw.  I  (praesentare)  vor- 
stellen, vorfahren  Eul  II. 

prest -e  alj  {zu  adv.  praesto)  806, 
831  fertig,  bereit. 

pretiit-r  Jon  =  preechier. 

primes  adv.  (priuiä  +  s)  188  zuerst, 
vormals. 

principe!  adj.  (prTncipalem>  59  haupt- 
sächlich, alter  pr.  hochaltar. 

procession  f.  (processionem)  144  u.  8. 
feierlicher  umzug,  Umgang. 

prof  adv.  (pr«ipe)  nahe  Pa  506. 

prophete  f.-m.  I  (prophetam)  Pa  27 
proftt. 

prut  -üde  adj.  (*prodem)  28  tapfer. 

pudir  sw.  11  (putere  -*putire)  stinken 
Pa  32. 

pugne  f.  (pugnam)  kämpf  Pa  501. 

pugner  sw.  1  (pugnare)  kämpfen 
Pa  502. 

pai  m.  II  rpodiam)  104  hügel. 

puis  adv.  kovj  (*postiiis  i'ow  post)  122, 
231,  830  später,  nachher,  alsdann. 

pulcella  f.  (*püilicellam)  mädchen 
Eall. 

Q. 

quant  konj.  (quando)  15  ff.,  30  u.  ö. 

wann,  wenn,  als. 
quant  pron  rel.  u.  interr.  (quantum) 

wieviel,    q.    que    2  .'9    soviel    ah 

immer,  en  qumt  sofern  als  Eide, 
quart  zahlw.  (quartum)  Leo  227  der 

vierte. 


quatre  zahlw.  (quattuor)  204,  Pa31, 
Leo  221  vier. 

que  pron.  (quem,  qnod)  s.  pur. 
s.  260  f.  wdihen,  -e,  -es,  was. 

que  [qiied  Eul  14,  quet  Jon]  konj. 
80,  ;i8,  43  u.  ö.  1.  dass,  sodass,  zur 
einleitung  der  abhängigen  aussage, 
des  kousekutivsatzef,  nach  den 
Verben  des  wollens  und  fürchtens. 

—  2.  denn,  weil  820. 

quel  pron.  adj.   (qualem)  welch,   q. 

part  2 19  wohin. 
querre  st.  II  (quaerere)  72,  153,  235 

suchen,  aufsuchen. 
queu  [Leo  229]  s.  chief. 

R. 

raina  m.  II  (ramunj)  Pa  37  ast,  zweig. 

raizon  f.  (rationem)  rede,  erzählung, 
erörterung  Pa  1 ,  511. 

raneiier  sw.  1  (renegare)  verleugnen 
Eul  6. 

raveir  st.  III  (komp.  von  habere)  2 
wieder  haben  {hilfsvet  bum). 

receivre  st.  III  (recipere)  107,  191, 
220,  Leo  21,  27,  237  in  empfang 
nehmen,  erleiden. 

redreeier  sw.  I  {komp.  von  drecier 
■« — *directiare)  258  wieder  auf- 
richten. 

redeuibre  st.  II  (redimere)  loskaufen, 
erlösen  Pa  12. 

redeuaption /".  (redemptionem)  Pa  14 
ertösung. 

regiel  =  reliel  adj.  (regalem)  könig- 
lich Eul  8. 

regne  m   II  (regnum)  reich  Pa  506. 

regnöc  m.  II  (regnatum)  bfil,  867  reich. 

regnier  sw.  1  (reguare)  herrschen 
Leo  15. 

reguarder  sw?.  I  {komp.  von  guarder 

—  germ.  wardeu)  5  anblicken. 
rei  m.  II  (regem)  1,  9  u  ö.,  Pa  könig. 
reialiue   m.  II   (regalimen)    68,    217 

reich. 
re'fne  f.  (reginam)  30,  43  u.  8.  königin. 


344 


Wörterbuch. 


relever  sw.  I  (relevare)  173,  865  auf- 
heben, refl.  sich  erheben,  auf- 
erstehen, sei  r.  aufstehen. 

reliques  f.  pl.  (reliquias)  160  u.  ö. 
reliquien. 

remaneir  st.  II  (remanere)  92,  230 
zurückbleiben,  unterbleiben. 

remembrer  sw.  1  (re-  +  memorare) 
wieder  in  erinnerung  bringen 
Pa3. 

remoüter  sw.  I  {komp.  von  monter, 
zu  moutem)  249  wieder  aufsteigen. 

rendre  sw.  III  (reddere)  166  n.  ö., 
Leo  215  zurückgeben,  erstatten, 
r.  saluz  et  amistiet  seinen  dank 
abstatten. 

renluminer  {komp.  von  enlnminer,  zu 
lumtn)  257  wieder  erleuchten,  das 
augenlicht  wiedergeben. 

repairier  sw.  I  (*repatriare)  111  zu- 
rückkehren. 

repausement  m.  II  (abl.  v.  repauser) 
Jon  ruhe,  erholung. 

repauser  s.  reposer. 

repentir  sw.  II  (paenitet)  31  sei  r. 
bereuen. 

reposer  [repauser  Jon]  sw.  I  {komp. 
von  poser)  I2(i,  sei  r.  ausruhen. 

requerre  st.  11  (*requaerere)  69  auf- 
suchen. 

respondre  sw.  III  (*respöndere)  12, 
162  erwidern,  antworten. 

retorner  sw.  I  (gr.  zoQvog)  60,  217, 
auch  sei  r.  zurückkehren  [retornar 
zurückbringen  Eide]. 

revestir  sw.  II  (komp.  von  vestire) 
143,  189  bekleiden,  anziehen. 

revivre  sw.  III  {komp.  v.  vivere)  Pa  35 
sei  r.  wieder  lebendig  werden. 

riebe  adj.  {d.  rikj-)  27,  206  reich, 
mächtig. 

rien  f.  (rem)  irgend  etwas,  nule  r. 
mit  ne  247,  833  nichts. 

Rollant  {germ.  Kuj^oland)  61,  232, 
s.  2iJ  Roland,  Karls  d.  Gr.  neffe, 
per  von  Frankreich. 

Romanie  f.  104  Bomanien. 


roter  sw.  I  (zu  rote,  kelt.  crwth-crot) 

837  auf  der  rote  spielen. 
raver   sw.  I   (*rognare)  150  bitten^ 

heissen  Eul  22,  Pa  20,  Leo  18, 
ruiste    adj.    (rusticnm)    254    stark, 

tapfer. 

s. 

sage  adj.  (*sabinm)  12  weise,  klug. 

sagrament  m.  II  (sacramentum)  eid, 
schwur  Eide. 

saillir  sw.  II  (salire)  195  aufspringen. 

Saint  -e  adj.  (sanctum)  1,  86  u.  ö. 
heilig  [sanct  saoz  Leo]. 

sairement  m.  II  (sacramentum)  35 
schwur,  eid. 

sale  f.  {d.  säla)  60  saal,  palast. 

Saint  m.  II  (salatem)  166  u.  ö.  gruss, 
dank. 

salvament  m.  II  (salvamentum)  heil 
Eide. 

salver  sw.  I  (saWare)  unterstützen 
[salvar  Eide],  erlösen  Pa  4,  15. 

sanc  m.  II  (sangnem)  165  blut. 

Sarazins  m.  II  224,   226  Sarazenen. 

saveir  st.  III  (*sapere  f.  sapere)  14, 
51,  212  u.  ö.  wissen,  kennen,  er- 
fahren; in  f.  subst.  &d>.wix  das  wissen 
Eide. 

se  konj.  (si)  23  f.,  34  u.  ö.  wenn. 

seeir  st.  II  (sedere)  10,  16,  1 22  u.  ö. 
sitzen,  {von  kleidern  u.  ä)  stehen. 

seeler  sw.  I  (derivat  von  sigillum) 
127,  200  versiegeln,  schliessen. 

seie  f.  (seta)  85  seide. 

seignier  sw.  I  (signare)  2,  87  be- 
zeichnen, segnen. 

seignor  senior  m.  III  (seniorem)  67, 
135  u.  ö.,  Eide,  Leo  8,  239  herr. 

semaine  /.  (septimana)  s.  233  woche. 

sempre  adv.  (semper)  immer,  so- 
gleich Eul  10,  Pa  48,  Leo  22,  234. 

sengler  m.  II  (singularem)  834  eber. 

senz  präp.  (sine  +  s)  50,   859  ohne. 

sepulcre  m.  II  (sepulcrum)  70  u.  6. 
grab. 


Wörterbach. 


345 


servant  m.  II  (*serventem)  82  diener, 

kriecht. 
servir  sw.  II  (servire)  dienen  Eni.  4, 

Leo  24,  29. 
set  zahlw.  (septem)  73  f.  n.  ö.  sieben. 
seule  m.  II  (saecalum)  Eni  24  weit. 
si  konj.  (sTc)  20,  28,  33  n.  ö.  so,  si 

come  so  wie  173. 
SJmeon  (Siuaeon)  163  Simeon. 
sirie  m.  II   (syriam)    210   syrischer 

Stoff. 
sojorner  sw.  1  (derivat  von  diurnam) 

244,  part.  per  f.  ausgeruht,  munter. 
somier  m.  II  (gr.  aäy/xa)  82,  240  u.  ö. 

Saumtier, 
soner  sw.  1  (sonare)  197  läuten. 
songier  sw.  I  (somniare)  71  träumen. 
sor  jpräp.  (supra)  16,  55  u.  ö.    über, 

auf  [>i0vre  Eni  12,  sore  Jod]. 
sostenir  st.  III  (sustinere)  aushalten, 

ertragen  Eul  16,  Pa,  Leo. 
soveir  m.  II  (sopire)  schlaf  Jon. 
sovre  s.  sor. 
soz  präp.  (subtus,  vgl.  desoz)  169 

unter. 
spede  [Eul  22]  =  espee. 
suaire  m.  II  (sndarium)  170  schweiss- 

tuch. 
sus  adv.  (sursum)  195,  Pa  26,  Leo  234 

empor,  hinauf  oben. 
susciter  sw.  I  (suscitare)  auferwecken 

Pa30. 

T. 

table  f.  (tabulam)  832  tisch. 

talier  =  taillier  sw.  1  (taliare)  Leo  233 
schneiden,  abschneiden. 

tant  (tantum)  10,  49  u.  ö.  1.  adj.pron. 
a  tant  253  hiermit,  hierauf.  — 
2.  adv.  so  sehr,  so  viel,  so  lange, 
so  10,  49  n.  ö.  —  3.  konj.  in  zu- 
8am,mensetzungen:  tant  com  soviel 
als  223,  tant  que  so  sehr  dass,  so 
lange  bis  93. 

teile/',  (tela)  210  linnen. 

tel  adj.pron.  (talem)  66,  169  u.  ö.  so 
beschaffen,  solch,  t  mil  etwa  1000. 


temps  =  tens  m.indekl.  (tempns)  zeit 

Leo  5,  13,  28 
tendre  sw.  III  (tendere)  ausdehnen, 

tendut  194  schlaff. 
tenir  st.  III  (tenere)  45,  48,  180  u.  ö. 

halt>'n,  behalten  [Leo  28],    haben, 

besitzen,  t.  a   halten  für. 
terre  f.  (terram)  69  n.  ö.  land. 
teste  f.  (testam)  16,  25  u.  ö.  köpf. 
tierz  -rce  zahlw.  (tertium)  173   der 

dritte. 
tolir   sw.    II    (tollere)     wegnehmen 

Eul  22. 
tor  f.  (tnrrem)  36  türm. 
torment    m.    II    (tormentum)    quäl 

Leo  12. 
torner  sw.  (xoqvoq,  vgl.  60  retorner) 

75,  90  u.  ö.  wenden,  zuwenden,  reß. 

sich  wenden,    sei  t.  sich  wenden 

sich  wegivenden,  umkehren. 
tort  m.  II  (tortum  von  torquere)  813 

unrecht. 
tost   adv.    (tostum  von  torrere)    19, 

S9,  197  EqI  19  rasch,  ahbald. 
tot  -e   adj.  pron.   (tottum)    21,   48, 

116  u.  ö  ,   Eul  26,  Pa,  Leo  ganz, 

jeder,   pl.  alle    —    adv.  tot    852, 

Pa  4  ganz,  völlig. 
traire  st.  11  ('trägere  f.  trahere,  vgl. 

225)  116  ziehen,  abziehen. 
trametre  st.   II    (transuiittere)   Leo 

schicken,  senden. 
traverser  sw.  I  (derivat  von  trans- 

versum)  101  durchqueren,  durch- 
ziehen. 
tref  m.  II  (trabem)  85  zeit. 
treis  zahlw.  (tres)  7 1  drei  Pa  5. 
trembler    sw.     I"    (tremulare)     130 

zittern. 
trenchier   sw.   I   (truncare)   25,    79 

schneiden,  abschneiden. 
trente    Zahlwort    (trigiuta)    dreissig 

Pa5. 
tres  adv.  (trans)  sehr,    t.  parmi  102 

gerade  durch;    tresques  präp.  48 

bis,  bis  nach  —  konj.  57,  75,  236 

bis  dass,  bis. 


346 


Wörterbuch. 


tresor  m.   II   i&^aavQo?)    222,   839 

schätz. 
tresque  siehe  tres. 
Iressaillir  sw.  II   (trans  und  salire) 

IbS  zittern,  beben. 
trestüt  -e  pron.  adj    (trans.  +  tot- 

tum)  2(19,  803,  839,  Leo  21 2  ganz, 

pl.  alle. 
treziine   zahliv.   (tredecim    +   -ime) 

117  u.  0.  der  dreizehnte. 
trop   adv.   (d.  f'orp  —  Jrop)  13  zu 

sehr. 
trosser  sw.  I  (abl.  v.  gr.  d-iQoog)  73, 

220,  240  btladen. 
trover  sw,  I  (*tropare  —  turbare)  40, 

75  u.  ö.  finden,  auffinden. 
Turpin  (Turpinum)  64,  87,  202,  82S, 

s.  233  erzbischof  Turpin  v.Rheims, 

per  von  Fiankreich. 
Turs  105  (zu  sg.  Türe)  Türken. 

u. 

umbre  f.  (umbraoi)  schatten  Jon. 
un  -e  zahlw.  und  unbest.  art.  (unum) 
1,  7,  14  0.  ö.  ein,  irgendein. 

Y. 

Vadart  m,  II  (germ.  wad-  +  hard) 

Vadart,  mörder  Leodegars  Leo  227. 
vaissel  m.  II  (vascellum)  84  gefäss. 
Teer   sw.   1   (vetare)   845  verbitten, 

wehren. 
veeir  st.  1  (videre)  9,  30  a.  ö.,  Leo  218 

{vgl.   s.    2ö8  /.)    sehen    erblicken, 

bemerken. 
veintre  sw.  III,  II  (vlncere)  besiegen 

Eul  3. 


veir  adj.  (verum)  wahr  Pa.  1. 

venaisoa  f.  (venatlonem)  834  wild- 
pret. 

vendre  sw.  III  (vendere)  verkaufen 
210. 

venir  st.  I,  III  (venire)  9.'^,  110  u.  ö , 
Eul  28,  Pa  34,  Leo  212  kommen, 
gelangen. 

verai  adj.  (*verajam)  wahrhaftig 
Pa  7. 

vertut  f  (virtutem)  56,  ISR  u.  ö.  kraft, 
Wunderkraft,  faire  v.  wunder  ver- 
richten, bewirken. 

vestit  m.  II  (vestitum)  Pa  23,  48 
gewand. 

vide  =  vie  f.  (vitam)  leben  Pa   11. 

vieler  sw.  I  (zu  vitula,  vgl.  deutsch 
fiedel)  837  fieddn,  geigen. 

vile  f.  (vTllauj)  204,  209,  Pa  18  Stadt. 

via  m.  II  (viüum)  836  tvein. 

virgene  f.  (virgineni)  125  Jungfrau. 

virginitöt  f.  (virginitateiu)  Jung- 
fräulichkeit Eul  17. 

vis  m.  indekl.  (vTsum)  128  aussehen, 
antlitz. 

visage  m.  II  (vTsaticum)  131  aus- 
sehen, antlitz. 

visiter  sw.  1  (vTsitare)  140  besuchen. 

vol  m.  II  (von  voleir)  wille  Eide. 

voleir  st.  III,  II  (volere  f.  velle)  31, 
70  u.  ö  ,  Eul  3  u  ö.,  Pa  16  wollen. 

volentiers  ado.  (voluatarie  4-  s)  44, 
178  u.  ö.  gern. 

voler  sw.  I  (volare)  fliegen  Eul  25. 

volontet  =  vuient6t  /'.  (voluntatem) 
wille,  wünsch  Pa  503. 

Volte  f.  {abl.  v.  volvere)  H3  ge- 
wölbe,  Wölbung. 

volucre  m.  II  (volucrem)  127  vogel. 
I 


Alphabetisches  Sachregister. 


Die  zahlen  beziehen  sich  auf  die  Seiten,  beigefügter  stern  (*)  bezeichnet 
bibliugraphiscüen  zusatz. 


Accent  'IGOfif.,  241,  abstufung  10, 
18f.,  *78,  HO  ff.,  regelKl,  164,  acc- 
wechsel  60 f.,  *163ff.,  in  griech. 
Worten  74. 

Accusativas  cum  Infinitive 
*-'0.),  2h;}. 

Adverbialbildung  86,  95 f.,  ana- 
log. 127,  13'*,  20H,  mit  -s  83;  be- 
tonung  71,  1^2,  297. 

Analogie  10 1 f.,  14 »f.,  im  Sub- 
stantiv 1 1,  :-5,  52,  84, 12.',  180 f.. 22 4, 
243,  *25T  f.,  adjektiv  9R,  1 1 3,  ad verb 
Si,  9fi,  127,  138,  l.i4,  pronomen 
12 f.,  16,  I94f,  Zahlwort  *2lfi, 
verbum  11  f.,  25 f.,  26,  38,  52, 
62  f.,  68,  87,  97,  100,  101,  103,  Mii5, 
114,  *1 15, +120,  126,  137,138,182, 
185,  *187f.,  191,  *lt6,  197,  19» f., 
211,  214  usw. 

-arius — *'-ier8  *55. 

Artikel  12,  256,  *273,  betonung 
17,  69,  162,   fehlen  22,  11^,  *219. 

Assibilierung  31,  4'if,  148,  152 f. 

Assimilation  25,  35,  146,  15"f, 
vokalische  ass. 'hT,  koüson.  7it,  91, 
12>s,  151,  236,  zw.  2  aufeinander 
folg.  Worten  2ii4. 

Assonanz  3,  73,  189 f.,  229 f.,  298, 
303. 

Aussetzung  des  subjektspro- 
nomens  51,  66,  274. 

Bedeutung:  abschwächnng  4fi, 
Übergang 47,  99,  1U8,  109,*lil,  117, 


118,  *134,'135,  188,  201,  206,,208, 
212,  218. 
Buchsprache  s.  Lehnwort. 

Cäsur  71  f. 

Chronologie  der  lautgesetze  27, 
37,  141  flf. 

Darmestetersches  gesetz  *18. 

Deklination  254fiF.,  vgl.  analogie. 

Defektive  verba  26,  87,  109,  115, 
197  (iat). 

Deponentia  197 f,  201,  2ö6. 

Deutsch  s.  Germanisch. 

Diphthong  2.T0if.,  spontane  d. 
50,  74,  85,  125,  167,  bedingte  d. 
18,  *64f,  92,  167  f.;  d.  aus  triph- 
thong  92,  189,  252  f.,  aus  vokal + 
palatal  1 4,  22,  32,  4 1 ,  169  ff.,  1 74,  aus 
anachpal  36f,  ans  vok.-fw  18,253; 
fallende di. — »-steigenden  di  ol, 251 ; 
moDophthongierung  38,  253. 

Dissimilation  146,  vokalische  18, 
8t,  172,  173,  194,  konsonantische 
116,  223  (eine),  kons.-vokal.  221 
(avuec),  237  (paons). 

Einkasussystem  84,  255,  259, 
lautl.  zusammenfall  28,  ^8,  122,  220 
(v.  134),  obliqiius  für  rektus  13, 
14,  8lf,  116,  li2  (fem  pliir.),  l;»2, 
bei  pers-öul.  begriffen  erhaltung  des 
rektus  16  (des  obliquus  59),  erh. 
des  weibl.  rektus  *2j4. 


348 


Alphabetisches  Sachregister. 


Einsilbige   worte    28,   34,   167, 

217. 
Elision    38,    41,    48,    200,    *224 

(v.  166). 
Endvokale  *7,  37,  167,  175,  *213, 

253 f.,   Stützvokale  15 f.,  114,  120, 

126,    131,     analog.    81,    87,    *196, 

253. 
Enklise    16f.,   1S7,   einzelnes   69, 

116,  122,  162,  222  (v.  147). 
entre  distributiv  *207. 
Erbwörter  50f.,  52,  145,  164. 
Erstarrte     formein     122,     231 

(parsom),  im  gerichtsstil  87. 

Formenstand  254ff. 
Francoprovenzalisch  46,   287. 
Frei  —  gedeckt  s.  Vokale. 
Funktionsverschiebung      117 

(car),   210  {vez) ,  215  (gem);   vgl. 

gerundiam  u.  Plusquamperfekt. 

Gallo-italisch  7,  142. 
Gallo-romanisch   7,    8,    19,    95, 

221. 
Gemeinromanisch  s. Romanisch, 

Vulgärlatein. 
Genus  s.  Geschlechtswechsel. 
Germanische  laute  u.  Wörter  6 

(it),     15    (k),     44     (s    imp.),    59 

(w),  92  (eo),  *131  (kj),  I47ff.,  184 

(h),  *2()0  (ä),  297  (w  =  w-v),  301 

ifolc),  g.  namen  14,  *192,  *201f., 

237,  g.  Schreibung  286. 
Gerundium    208,     220    (v.  132), 

*2U,  237  (v.  836),  275,  281  f. 
Geschlechtswechsel  255,  nen- 

trum  — >  mask.  *18,  34,  47,  — >  fem. 

1P5,   217,   219,   mask. ->  fem.  42, 

*135,  219,  fem.->mask.  181,  195, 

234. 
Gleiteworte   *74f.,    *78f.,    141, 

174,    221    {conte),    accent    *164, 

217. 
Griechische  laute  u.  Wörter  22 

(f),  42  f,  74,  148  (aspiraten),  206(8;), 

208  (aäyfxa),  212  (-/«),  217,  302, 


*316,  accent  74,  217,  gr.  buch- 
staben  falsch  gedeutet  223,  294, 
299. 

Hiatusvokale  10,  *24,  25,  27, 
153  ff.,  175,  253. 

Inversion  des  Subjekts  23,  222, 
*2-7  f. 

i  protheticum  *44,  149. 

Italienische  belege  7,  10,  20, 
39,  95,  110,  116,  120,  126,  134, 
182,  191,  *204,  *207,  211,  216, 
217,  219  (mer),  221  (conte),  221 
(metsmes). 

Kasus:  Untergang  u.  ersatz  lat. 
kasus  11,  48f.,  254,  erhaltung  des 
dativs  *21,  *109,  203,  236,  239, 
305. 

Katalanische  belege  127,  *204. 

Keltische  eiuflUsse  *6f.,  115,  *203, 
*2ü4,  210  (v.  90,  *96),  *228 
{maintes),  *316. 

Klangfarbe  (Qualität)  s.  Vokale. 

Konsonanten  140f,  147ff,  163, 
242 ff,  anlautende  k.  *24,  53 f., 
147  ff,  inlautende  151  ff.,  aus- 
lautende *5,  *3«,  149  ff.,  doppel-k. 
56,  137,  gestützte  k.  22,  91,  150, 
156  ff. 

Konjugation  265 ff.,  vgl  Perfekt. 

Konjugationstausch  138,  139, 
165,  191,  265,  3i'5  (covit). 

Kreuzung  s.  Wortmischung. 

Kurzformen  39,  162,  einzelnes 
*78,  93,  103,  181,  *184,  *185,  194, 
210,  211  f.,  226  (v.  193),  229  (mar), 
260. 

Laisse  (Tirade)  3. 

Lautgesetz,  Lautregel,  Lautwandel 
5,  45,  140ff.,  *314. 

Lautstand  241  ff. 

Lehnwort,  Fremdwort,  Buch-  und 
Kultwort  145,  *316,  accent  165, 
einzelnes  20,  22,  *5ü,  *ö2,  58,  71, 


Alphabetisches  Sachregister. 


349 


124,  181,  183,  185,  196,  200,  204, 
205,  210,  214,  219flF ,  namen  22, 
19:i;  franz.  lehn  Wort  er  im  Deatschen 
15,  im  Eüglischen  15,  20. 

Metathesis  58, 146,  einzelnes *99 f., 
112,  *113,  120,  222  (v.  143),  225 
(v.  177). 

Monophthongierung  lat.  dl- 
phthoDgen  49,  85,  franz.  tri- 
phtbüDgen  65,  franz.  diphthongen 
38,  41,  74,  103,  105,  114,  136f., 
250  ff. 

Mundarten 2,  mundartl. Schreibung 
29,  Anglonormannisch  3,  29,  37, 
82,  104,  224,  229,  248,  326,  Cham- 
pagnisch  104,  Lotbringisch291,  Nor- 
mannisch 29,217,  292,  Ost  fr  mz.  1 04, 
292,  -297,  298,  301,  ^07,  Pikardisch 
103,  104,  118,  122,  123,  181,  2i^2, 
südliche  mundarten  183,  Wallo- 
nisch b2,  104,  291  f.,  303,  West- 
franz.  217,  292,  298. 

Münzwesen  *133, 

Musikinstrumente  237. 

Nasalierung  *8,  70,  168,  173, 
248  ff.,  zeit  d.  nas.  9,  Veränderung 
der  klangfarbe  9,  29,  31,  47,  ent- 
nasalierung  30,  74,  80,  182,  248  ff. 

Negation  93,  134,  *185,  276f. 

Neutrum:  Untergang  9,  *18,  er- 
haltung  im  pron.  u.  adj.  HO. 

Offen  —  geschlossen  s.  Silbe, 
Vokale. 

Pausaformen  39,  150,  244. 
Perfektbilc[ung2ti5flf.,  schwache 

33,    97,    114,    starke    25f.,    213f., 

215,  218,  223  (v.  152). 
Plusquamperfekt  (lat.)  erhalten 

215  f,  291,  303,  307  (v.  230),  nach- 

wirkuDg  im  perf.  2^5,  307  (v.  232). 
Portugiesische  belege  204. 
Proklise    12,    17,    27,   33,   69,   88, 

92,    100,    104,    107,    116,    124,   222 
'    (v.  147)j   bei  Substantiv   79,   220 


(sire),  adjektiv  125,  präposition 
108,  297  (foers). 

Pronomina  *103  O'e),  *109,  162, 
262 ff.  (vgl.  Enklise,  Proklise), 
reflexiv  101,  222,  son  für  sa  *42. 

Proparoxytona  s.  Gleite worte. 

Prosodie,  lat.  5,  24. 

Provenzalisch  297ff.,303ff,  laut- 
liche abgrenzuug  *46,  prov.  ein- 
flüsse  181,  *195,  297 ff.,  303 ff., 
prov.  belege  1 1  f.,  78,  80,  81,  96, 
106,110, 126,127,142, 181,  l82f.,l  87, 
*188,  191,  192,  *l95-f.,  *204,  211, 
214,  215,  217,  *221  (avuec),  222 
(v.  139),  289  f.  (ab). 

Rätoromanisch  142,  287. 
Reim  3,  721". 

Rekomposition  89,  97,  164. 
Rektion    des   partizips   *40,    281, 

des    Prädikatsnomens   *106,    275, 

281,  bei  reflexiven  verben  *20l. 
Romanische    sprachen,     roiuan. 

lautwandel    1,    5,    9,   20,   *24,    30, 

*44,  141  f.,  *3I4. 
Rumänisch  30,  134 

Sardisch  30. 

Satzphonetik:  accent  27,  117, 
121,  123,  125,  I62ff.,  *1S6,  207, 
vgl.  kurzformen;  antevokalisch- 
antekonsonantisch  17,  18,  34,  39, 
64,  94,  106,  108,  134,  150,  *221 
(avuec),  2  0,  nachkonsonautisch 
*44,  assimilation  2a4. 

Satzverbindung  77,  110,  230, 
282  ff. 

Schreibung:  mundartliche  29, 
historische  32  (oi),  etymologische 
24,  32,  107,  108,  112,  127,  139; 
ausgleich  103. 

Schriftsprache  2f,  40,  einfluss 
d.  schr.-spr.  auf  Volkssprache  51, 

Schwabenstreiche  s.  2.s3,  306. 

Silbe:  tonsilbe  usw.  s.  Accent; 
offeu  —  geschlossen  (frei  —  ge- 
deckt) 7,  9,  14,  30,  65,  95,  140. 


350 


Alphabetisches  Sachregister. 


Silbenanlaut  =  wortaDlaut  54,  82, 
95,  147. 

8  im  purum  *44.  149,  159. 

Spauische  beleg«  127,  134,  *201, 
207,  217,  222  (v.  139). 

Staujinabst  ufung  und  -aus- 
gleich  2Rt;f,  eiuzeloes  r>2  f ,  lol, 
191,  2(11,  20rt,  225  (v.  174),  227 
(v.  195),  231  (v.  239,  v.  *243),  235 
(v.  812). 

Substantivierung  von  adjek- 
tiven,  pirtizipien  und  geruudien 
9,  2n8,  2.M7,  prou.  poss.  234, 
iofiuifiven  13i,  2.(6,  297. 

Suftixtausch  18,  209,  236  (v.  828). 

Syntax  273ff.,  *315. 

Tempora   266  ff.,    nntereang   und 

ersarz  86,  zusaujmeiifall215f.,  neu- 

bildiing  >»9. 
ten  Brink'sches  gesetz  36,  50, 

74,  1(6  f.,  *2i»0. 
Tirade  s.  Laisse. 
Tonsilbe  s   Accent. 
Tripbthong    65,     92,     188,     213, 

252  f. 

Übergan  gs laute  r?0f.,  159,  ein- 
zelnes *47,   101,  219  (v.  125). 
Umlaut  12,  *67f.,  80,  167. 

Verbum  vicarium  {faire)  289. 

Vers  3,  71  ff. 

Vokale  141»,  165ff.,  247ff,  klang- 
farbe  oder  qualiiär  (offt-ue  —  ge- 
schlossene ausspräche)  6,  8 f.,  9, 
12,  29  f.  u  ö  ,  Quantität  (länge  — 
kürze)  6,  165  f.,  freie  und  gedeckte 


Stellung  11,  14,  29f.,  165f.  (vglten 

Brink'sches  gesetz). 
Völkernamen   ohne  artikel   113, 

126. 
Volkssprache,   Pariser,   einfluss 

auf  die  gebildete  spräche  14. 
Vulgärlatein    1,   3.i,   39,   78,   94, 

95,  141  f.,  2Süf.,  *314. 

Wortbildung:  Weiterbildung  von 
Substantiven  mit  -arinm  130,  208, 
mit  -ia  '212,  von  adjrktiven  mit 
-nrius  105,  von  verben  127,  224 
(v  167);  adjtktiv  abgeleitet  von 
Substantiv  195,  Substantiv  v  adj. 
2i6  (v.  8:i(i),  von  particip  111, 
220  (v.- l.n),  von  verbum  196, 
214,  220  (V.  i;s3),  223  (v.  152); 
verbum  von  adj.  115,  196,  von 
Substantiv  75,  lOI,  Hl,  136,  188, 
206,  210,  214,  225  (v.  174);  bes. 
fälle  *221  (facte7,tre),  *228  {fstuet); 
•Wortzusammensetzung  46,  76,  88, 
93,  193;  vgl.  adverbialbildung, 
rekompositiiin. 

Wortersatz  9,  ?0,  62,  6.'?,  83,  91, 
i:i6,  Untergang  IM,   112,   115,  183. 

Wortmischung  *53,  *109,  184, 
228  (v.  212). 

Wortstellung  23,  102,  110,116, 
118,  *129,  132,  186,  2u8,  209, 
276ff. 

Zahlwort  *210,  *216f.,  261  f. 
Zweikasussystem  II,  84,  257 f., 

Vokativ  =  rektus    98,    202;     vgl 

Deklination,  Kasus. 


S.    37 

z. 

S.    84 

z. 

S  13; 

z. 

S.  173 

z. 

S.  lag 

z. 

S.319 

z 

Berichtigungen  und  Nachträge.  351 


Berichtigungen  und  Nachträge. 

7  V.  u.  lies  f  statt  f. 
17  lies  5  emperere  statt  semperere. 
9  lies  acciisativns  statt  accusativum. 

7  V.  u.  lies  S:  stimmhaftes  sc/t  statt  stimmloses. 
5  lies  *h'ilni^ti  statt  hnliü4i. 

8  V.  u.  füge  hinzu:  S  4U  n—*-e,  franz.-prov.  Sprachgrenze: 
Tourtoiilon  et  Bringuier,  Etiide  sur  la  iimite  g6os;raphiqiie  de  la 
laiigue  d'oc  et  de  la  laogue  d'uii,  Archives  des  MissioLS  scienti- 
fiques  IIles6rie,  tome  111,  auch  st'p.  P.  1876;  11  Suchier,  ZrP  2 
(187S)  325  — -^7,  Franz.  u.  iTov.  (s.  oben  s.  315)  759  — H2;  Edith 
Blankenstein,  Mitteiluugen  u.  Abhandlungen  aus  d.  Gebiet  d. 
rom.  Phil.,  veröff.  vom  Seminar  f.  rom.  Sprachen  u.  Kultur  in 
Hamburg  UI  (1915)  Iff. 


Druck  von  Ehrhardt  Karras  G.  m.  b.  H,  in  Halle  (Saale). 


PC 

2823 
V67 
1918 


Voretzsch,   Carl 

EinftÜirung  in  das  Studium 
der  altfranzösischen  Sprache 


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