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EINFÜHRUNG
IX DIE
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ENTWICKLUNGSGESCHICHTE
(ENTWICKE LUXGSMEOHANIK)
VON
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Dr. OTTO MAAS,
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MIT 135 FIGUR EX IM TEXT.
WIESBADEN.
VERLAG VON J. F. BERGMANN.
1903.
Verlag von J. F. BEL' UM ANN in Wiesbaden.
Handatlas
der
Hirn- und Rückenmarksnerven
in ihren sensiblen und motorischen Gebieten.
Zum Gebrauch für praktische Aerzte und Studirende.
Von
Prof. Dr. C. Hasse,
Geh. Med.-Rath und Direktor der Kgl. Anatomie zu Breslau.
Zweite vermehrte Auflage. Vierzig Farbentafeln.
Preis geb. M. 12.60.
Ein ganz ausgezeichnetes Werk, das jedem Arzte zur rascheu Orientirung
über das Verbreitungsgebiet peripherer Nerven hochwillkommen sein dürfte.
Durch die Anwendung von Farbendrucken (es sind sämmtliche Tafeln kolorirt)
ist die Uebersichtlichkeit der Abbildungen eine ganz vorzügliche.
Der Handatlas verdient die weiteste Verbreitung.
Die Ausstattung des Werkes ist mustergiltig.
Hermann Schlesinger (Wien)
in Centralblatt f. d. Grenzgebiete d. Medizin u. Chirurgie.
Vorlesungen
über die
Zelle und die einfachen Gewebe
des
thierischen Körpers.
Mit einem Anhange:
Technische Anleitung zu einfachen histologischen Untersuchungen.
Von
Dr. R. S. Bergb,
Dozent der Histologie und Embryologie an der Universität Kopenhagen.
Mit 13S Figuren im Texte.
Preis: M. 7.
EINFÜHRUNG
IN DIE
EXPERIMENTELLE
ENTWICKLUNGSGESCHICHTE
(ENTWICKELUNGSMECHAN1K).
EINFÜHRUNG
IN DIE
EXPERIMENTELLE
ENTWICKLUNGSGESCHICHTE
(ENTWICKE LUNGSMECHANIK)
VON
Dr. OTTO MAAS,
a. o. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN.
MIT 135 FIGUREN IM TEXT.
WIESBADEN.
VERLAG VON J. F. BERGMANN.
1903.
Alle R echte vorbehalten.
Nachdruck verboten.
Übersetzungen, auch in's Ungarische, vorbehalten.
Druck von Carl Ritter in Wiesbaden.
Vorwort.
Die neue Richtung der Entwicklungsgeschichte , die mit so
grossem Erfolg das Experiment zur Ermittelung von Entwickelungs-
faktoren eingeführt hat, ist derart gewachsen, dass ihre Ergebnisse
nicht mehr in blossem Anschluss an die allgemeine oder vergleichende
Entwickelungslehre behandelt werden können, sondern einer beson-
deren Darstellung bedürfen. Das vorliegende Buch ist aus Vor-
lesungen hervorgegangen, die zu diesem Zweck seit einigen Jahren
für Studierende der Medizin und Naturwissenschaften vom Verfasser
an hiesiger Universität gehalten wurden. Es soll, wie der Name
sagt, eine »Einführung« sein; es sucht daher an Bekanntes anzu-
schliessen unter Rücksicht auf die beschreibende Entwicklungs-
geschichte, und es kann nicht, wie ein Handbuch, alles enthalten,
was auf diesem Gebiet geleistet wurde, sondern nur, was dem Ver-
fasser aus didaktischen Gründen zum Vortrag geeignet erschien.
Gleichwohl dürfte von den Tatsachen und Experimenten, die
sich auf die eigentliche Entwickelung, vom befruchteten Ei
ab beziehen, nichts Wesentliches ausgelassen oder unerörtert geblieben
sein; die Fragen der allgemeinen Biologie dagegen, soweit sie nicht
mit der Entwickelung direkt zusammenhängen, konnten nur kürzere
Behandlung finden. Besondere Beschränkung hat sich der Verfasser
in der Darstellung reiner Theorien auferlegt, zum Teil weil hier die
Forscher untereinander, sogar die gleichen Forscher in verschiedenen
Arbeitsperioden sehr divergieren, zum Teil weil Theorien schon über-
genug Erörterung in eigenen Publikationen gefunden haben.
[Y Vorwort.
Dennoch ist versucht worden, die verschiedenen Experimente
nicht nur äusserlich aneinander zu reihen, sondern der Darstellung
einen inneren Zusammenhang zu geben und auch scheinbar entlegene
Gebiete der Entwickelungsphysiologie mit einander zu verknüpfen.
Die einzelnen Abschnitte sind darum nicht trennbar, sondern die
späteren Kapitel bauen auf Folgerungen und operieren mit Begriffen,
die in früheren gewonnen wurden. Selbsttätige Forscher und Theore-
tiker der Entwickelungsphysiologie werden im vorliegenden Buch
kaum Neues finden, höchstens dass ihnen die Art der Verknüpfung
und manche gelegentliche Bemerkung Anlass zu weiterem Experi-
mentieren oder — zum Widerspruch bietet. Der Verfasser wird für
Anregungen jeder Art dankbar sein, die ihm in dieser Hinsicht von
Fachgenossen zukommen.
München, im März 1903.
Inhaltsübersicht
Einleitung.
Seite
I. Kapitel. Die verschiedenen Richtungen in der Entwickelungs-
geschichte und die Entstehung der sog. Entwickelungs-
mechanik oder der experimentellen Richtung.
Physiologische und morphologische Betrachtungsweise in der Ent-
wickelungsgeschichte. Rückschlag auf die phylogenetische Richtung.
Einführung des Experiments und Beanspruchung causaler Erklärung.
„Entwickelungsmechanik", Entwickelungsphysiologie und experimentelle
Embryologie 1
I F. Kapitel. Die Bedeutung des biologischen Experiments im
Vergleich zur Beobachtung.
Unterschied des Organismus vom Anorganischen im Verhalten nach
Eingriffen. Ausnutzung der vergleichenden Methode zur Erklärung der
Form. Gegenseitige Unterstützung der vergleichenden und experi-
mentellen Methode 5
III. Kapitel. Die Möglichkeiten des Experimentieren s. Äussere
und innere Faktoren der Entwickelung.
Eingriffe an der Umgebung des Entwickelungs-Objekts und am Objekt
selbst. Äussere, innere und „ spezifische" Faktoren der Entwickelung
und deren ungleiche Bedeutung für den Entwickelungsverlauf .... 9>
IV. Kapitel. Die Entwicklungstheorien und deren Anregungen
zum Experiment.
Die evolutionistische oder Zerlegungstheorie von Weismann. Quali-
tativ ungleiche Kernteilung. Mosaikarbeit nach R o u x. Die epigenetische
Theorie nach 0. Hertwig, Driesch. Vermittelungsmöglichkeit zwischen
den Extremen. Die entscheidende Bedeutung des Experiments zwischen
den Theorien. Stoffeinteilung des vorliegenden Buches 12
7379;
VI Inhaltsübersicht.
Praktische Vorbemerkungen.
Seite
Y. Kapitel. Die verschiedenen Phasen und Arten der Entwicke-
ln n g und ihre Beziehung zum Experiment.
Sonderung des Entwickelungsverlaufs in Einzelprozesse. Termino-
logie. Direkte und larvale Entwickelung. Technik des Eingriffs. Bevor-
zugte Objekte; das Froschei und das Seeigelei und deren normale Ent-
wickelung 17
Darstellung der Experimente.
A. Spezifische und innere Paktoren der Entwickelung.
VI. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien. A. Eier mit
späterer und fakultativer Regulation.
Historisches. Isolierung und Verlagerung der Blastomeren. Experi-
mente an S e e i g e 1 e i e r n bis zur animal-vegetativen Scheidung. Prin-
zipieller oder gradueller Unterschied? Experimente an Amphibien -
eiern. Gegensätzliche Resultate und deren Deutung. Wichtigkeit der
plasmatischen Substanzen und ihrer Verteilung. Die Begriffe der pro-
spektiven Bedeutung und der prospektiven Potenz 23
VII. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien, Fortsetzung.
B. Eier mit sofortiger und absoluter Regulation.
Experimente an Meduseneiern. Einstellung der Plasmasubstanzen.
Experimente an Amphioxuseiern. Allmähliche Einschränkung der
Wertigkeit der Furchungszelle. Experimente an Knochenfisch-
eiern. Doppelbildungen bei meroblastischen Eiern 42
VIII. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien, Fortsetzung.
C. Eier mit beschränkter und unbestimmter Regulation
und Eier ohne Regulation.
Experimente an As ci dien eiern. Verlagerung und Isolierung der
Blastomeren bei C t e n o p h o r e n e i e r n. Die Plasmaverteilung und deren
Starrheit. Die determinierte Normalfurchung bei Anneliden und Mol-
lusken. Experimente an Mollusken- und Anneliden eiern . . . 52
IX. Kapitel. Die Experimente am ungefurchten Ei und die Frage
der Eistruktur.
Die Bedeutung des Eibaues für die Entwickelung. Die sog. organ-
bildenden Keimbezirke und die sog. Isotropie des Eies. Experimente der
Plasmaentnahme am ungefurchten Ei in verschiedenen Tiergruppen. Nach-
weis eines verschiedenen Eibaues. Der Eibau und die Verteilung plas-
matischer Substanzen eine „spezifische" Eigenschaft. Eiorganisation,
Furchung und Bau des Erwachsenen in ihrem event. Causaluexus.
(Theoretisches, Kern und Plasma, und Unzulänglichkeit der Zelltheorie) 64
Inhaltsübersicht. VII
Seite
X. Kapitel. Die Versckmelzungsexperiniente und das Problem
der v i t a 1 i s t i s c h e n Proportionalität.
Die Bedeutung der Verschmelzung für die Fragen der Differenzierung
und des Eibaues. Natürliche Verschmelzung bei Ascaris, künstliche bei
Seeigelkeimen. Verschiedener Grad der Einheit. Die Proportionalität
der Zeilenzahl in Doppel-, Einfach-, Halb-, Viertels- etc. Bildungen.
Nötigung zu einer vitalistischen Erklärung? 76
XI. Kapitel. Das Differenzierungsproblem und die E xperimente
auf späteren Stadien.
Die Keime als aequipotentielle Systeme. Die allmähliche Einengung
der prospektiven Potenz, a) Experimente bei Echiniden, Urdarm,
Wassergefässsystem etc. b) bei Amphibien, Ectoderm, Medullarplatte.
(Einschaltung der Born'schen Transplantationsversuche.) Die Zerlegung
des Entwickelungsgangs in „celluläre Elementarprozesse ". Begriff der
dadurch entstehenden primären, sekundären etc. Elementarorgane und
deren Verhältniss zur Keimblätterlehre 84
XII. Kapitel. Die Experimente der Materialentnahme am aus-
gebildeten Körper und die Regeneration.
Verschiedene Fassung des Begriffs Regeneration. Das Wieder-
inkrafttreten der prospektiven Potenz. A. Herkunft des regene-
rierenden Materials. Experimente an "Würmern, Seesternen,
Fischen, Amphibien. Die histologische Ausbildung des Regenerats.
Gleiches aus Gleichem? Die Regeneration der Tritonlinse. Regeneration
und Keimblatt, Regeneration und Elementarorgan 98
XIII. Kapitel. Die typische Regeneration und die Experimente
der Heteromorphose.
B. Ausgestaltung des regenerierenden Materials. Abhängig-
keit vom Ganzen. Korrelative Einflüsse. Unvollkommene Regeneration.
Experimente bei Medusen, Reptilien, Vögeln. Atypische Regene-
ration (Heteromorphose). Experimente bei Würmern, Amphibien.
Mehrfachbildungen. Die Augen resp.Antennenneubildungbei Crustaceen.
Die Heteromorphosen bei der Linsenneubildung. Regenerationstheorien 113
B. Innere Faktoren der Entwickelung\
XIV. Kapitel. Die Korrelation der Teile und die Experimente
an funktionierenden Organen. (A. Chemische Korrelationen).
Die Regeneration von Leber, Niere, Blutkörperchen. Die Wirkung
der Experimente an der Schilddrüse auf den Körper. Die Sexualorgane
und ihre Wirkung auf den Gesamtorganismus. Folgen der Kastration . 130
VIII Inhaltsübersicht.
Seite
XV. Kapitel. Weitere gegenseitige Beeinflussungen der Teile.
(B. Mechanische Korrelationen). Die „funktionelle Struktur"
und ihre Abänderung durch Natur und Experiment.
Die direkte und indirekte mechanische Beeinflussung von Geweben.
Struktur des Bindegewebes und der Knochen bei Wirbeltieren. Die
Hartgebilde bei niederen Tieren. Das Skelett der Spongien . . 139'
XVI. Kapitel. Die Korrelationen von Zellen und Zellkomplexen
(Organanlagen) auf frühen Stadien der Entwickelung und
ihre gestaltende Wirkung. Experimente und Theorie der
formativen Reize.
Die Reiztheorie und ihr Verhältnis zur abhängigen und Selbstdifferen-
zierung. Experimente in der späteren Entwickelung der Echinodermen-
larven und Amphibienembryonen. Weitere innere Faktoren der Ent-
wickelung: Oberflächenspannung, ungleiches Wachstum, Faltenbildung,
Zellteilung 152
C. Äussere Faktoren der Entwickelung1.
XVII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
der Entwickelung. a) Die physikalischen Vorbedingungen.
Die Schwerkraft. Der osmotische Druck. (Osmose und Wachstum.)
Das Licht. Die Temperatur. (Maximum, Minimum, Optimum.) (Gestalt-
bildender Einfiuss oder Energiequelle.) 16(>
XVIII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
der Entwickelung (Fortsetzung), b) Die chemischen Vorbeding-
ung e n.
Die notwendigen Gase (embryonale Atmung). Embryonale Nahrungs-
aufnahme. Die im Wasser, besonders im Seewasser notwendigen Stoffe 184
Literaturverzeichnis.
Das Verzeichnis enthält diejenigen Schriften, auf welche im Text Bezug ge-
nommen ist. Noch ausführlichere Litteraturangaben finden sich in den Driesch'schen
Referaten (1899 und 1902). über einzelne Abschnitte (Regeneration) bei Przibram.
über andere Kapitel bei Korscheit und Heider. Eine grosse Menge der ein-
schlägigen Litteratur ist in dem von Roux 1895 gegründeten Archiv für Entwicke-
lungsmechanik publiziert.
I. Schriften allgemeinen und theoretischen Inhaltes, Referate, Lehrbücher etc.
Bergh, R. S. Über den Begriff der Heteromorphose. Arch. f. Entw. Mech. III. 1896.
Bütschli. O. Bemerkungen über die Airwendbarkeit des Experiments in der Ent-
wiekeluugsmechanik. Ibid. V. 1897.
— Mechanismus und Vitalismus. Leipzig 1901.
Delage, Y. La structure du protoplasma et les theories sur l'heredite et les grands
problemes de la biologie generale. Paris 1895.
Driesch, EL Analytische Theorie der organischen Entwickelung. Leipzig 1894.
— Die Maschinentheorie des Lebens. Biol. Centr. 16. 1896.
— Über den Wert des biologischen Experiments. Arch. f. Entw. -Mech. V. 1897.
Die Lokalisation morphogenetischer Vorgänge, ein Beweis vitalistischen
Geschehens. Ibid. 8. 1899.
— Die organischen Regulationen. Leipzig 1901.
Kritisches und Polemisches. Biol. Centr. 22. 1902. I— III.
Fischel, A. Entwickelung und Organ differenzierung. Arch. f. Ent. -Mech. XV. 1903.
Haacke, W. Grundriss der Entwickelungsmechanik. Leipzig 1893.
Hahn, H. Anatomische und physiologische Folgeerscheinungen der Kastration.
Sitzungsber. Ges. Morph, u. Phys. München 1902.
Heider, K. Das Determinationsproblem. Verb. Deutsch. Zool. Ges. 1900.
Herbst, C. Über die Bedeutung der Reizphysiologie für die causale Auffassung
von Vorgängen in der tierischen Ontogenese. I. u. IL Biol. Centr. 14 u. 15.
1894/1895.
— Formative Reize in der tierischen Ontogenese. Leipzig 1901.
Hertwig, O. Zeit- und Streitfragen der Biologie. I. Präfoimation oder Epigenesis.
Jena 1894. II. Mechanik und Biologie. Jena 1897.
— Die Zelle und die Gewebe. II. Theil. Jena 1897.
— Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwickelungslehre der
Wirbeltiere. Einleitung. Jena 1901.
X Literaturverzeichnis.
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Hertwig, R. Furchungspr ozess. Jena 1903.
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Leipzig 1875.
— Über mechanische Grundvorgänge tierischer Formbildung. Arch. Anat. Phys.
Anat. Abt. 1894.
— Das Prinzip der organbildenden Keimbezirke und die Verwandtschaft der
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Korscheit, E. und Heider, K. Lehrbuch der vergleichenden Entwickelungs-
geschichte der wirbellosen Tiere. Allg. Teil I. Jena 1902.
Loeb, J. On some facts and principles of physiological Morphology. Biol. Lect.
Woods Holl 1893/94.
Morgan, T. H. Regeneration. New-York und London 1901.
Naegeli, C. Mechanisch -physiologische Theorie der Abstammungslehre. München
und Leipzig 1884.
Przibram. H. Regeneration. Ergeb. Phys. I. Jahrg. Wiesbaden 1902.
— Experimentelle Biologie der Seeigel. Aus Bronn, Classen und Ordnungen
IL Bd. III. Abt. Echinod. Leipzig 1902.
Rabl, C. Homologie und Eigenart. Verh. Deutsch, path. Ges. 1900.
Reinke. F. Grundzüge der allgemeinen Anatomie. Wiesbaden 1901.
Roux, W. Gesammelte Abhandlungen überEntwickelungsmechanik. Leipz. 1895. (s. u.)
Über die Selbstregulation der Lebewesen. Arch. f. Entw.-Mech. XIV. 1902.
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Zur Strassen, O. Über das Wesen der tierischen Formbildung. Verh. Deutsch.
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Weismann, A. Das Keimplasma. Jena 1892.
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Wolff, G. Mechanismus und Vitalismus. Leipzig 1902.
II. Spezielle Arbeiten.
Albrecht. E. Ein Fall von Pankreasbildung in einem Meckel'schen Divertikel.
Sitzungsber. Ges. Morph. Phys. München 1901.
Barfurth, D. Experimentelle Untersuchungen über die Regeneration der Keim-
blätter bei den Amphibien. Anat. Hefte 3. 1893.
— Die experimentelle Regeneration überschüssiger Gliedmalsenteile bei Amphibien.
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Bataillon, E. Evolution de la fonetion respiratoire chez les embryons d'Amphibiens
et de Teleosteens. C. R. et Mein. Soc. Biol. 1896.
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Boveri, Th. Über die Polarität des Seeigeleis. Verh. phys. Ges. Würzburg.
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Zool. Jahrb. Abt, f. Anat. 14. 1901.
Über mehrpolige Mitosen als Mittel zur Analyse des Zellkerns. Verh. phys.-
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Bunge, H. S. Weitere Untersuchungen zur Atmung der Würmer. Zeitschr. f.
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Chun, C. Die Dissogonie. Festschrift für Leuckart. 1892.
Colasanti, G. Über den Einfluss der Kälte auf die Entwickelungsfähigkeit des
Hühnereis. Arch. Anat. Phys. 1875.
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Entw.-Mech. 3. 1896.
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Davenport, C. B. The role of water in growth. Proc. Bost. Soc. Nat. Hist. 28. 1897.
Driesch, H. Entwickelungsmechanische Studien. I. Der Wert der beiden ersten
Furchungszellen in derEchinodermenentwickelung. Zeitschr. wiss. Zool. 53. 1891.
II. Über die Beziehungen des Lichtes zur ersten Etappe der tierischen
Formbiklung. Ibid.
III. Die Verminderung des Furchungsmaterials.
IV. Experimentelle Veränderungen des Typus der Furchung.
V. und VI. Ibid. 55. 1892.
VII. Exogastrula und Anenteria.
VIII. Über die Vertretbarkeit der Anlagen von Ektoderm und Entoderm.
X. Über einige allgemeine entwickelungsmechanische Ergebnisse. Mitt.
Zool. Stat. Neapel 11. 1893.
— Von der Entwickelung einzelner Ascidienblastomeren. Arch. f. Entw.-Mech. 1. 1895.
— Zur Analysis der Potenzen embryonaler Organzellen. Ibid. IL 1895.
— Die taktische Reizbarkeit der Mesenchymzellen von Echinus microtuberculatus.
Ibid. III. 1896.
— Betrachtungen über die Organisation des Eis und ihre Genese. Ibid. IV. 1896,
— Von der Beendigung morphogener Elementarprozesse. Ibid. VI. 1898.
— Die Verschmelzung der Individualität bei Echinidenkeimen. Ibid. X. 1900.
— Die isolirten Blastomeren des Echinideneis. Ibid.
— Neue Ergänzungen zur Entwickelungsphysiologie des Echinidenkeims. Ibid.
XIV. 1902.
— und Morgan. T. H. Zur Analysis der ersten Entwkkelungsstadien des
Ctenophoreneis. Ibid. IL 1895.
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Anat. 47. 1896.
— Experimentelle Untersuchungen am Ctenophorenei. 1 u. 2. Arch. f. Entw.-Mech.
6. 1897.
do. 3. L Ibid. 7. 1898.
— Über die Regeneration der Linse. Anat. Hefte 15. 1900.
Weitere Mitteilungen über die Regeneration d. Linse. Arch. f. Ent.-Mech. XV. 1902.
F 1 e m m i n g , W. Über den Einfluss des Lichts auf die Pigmentierung der Salamander-
larve. Arch. Mikr. Anat. 48. 1896.
Fraisse, P. Die Regeneration von Geweben und Organen bei Wirbeltieren.
Kassel und Berlin 1885.
Godlewski, E. Über die Einwirkung des Sauerstoffs auf die Entwickelung von
Rana temporaria etc. Arch. f. Entw.-Mech. XL 1901.
Goette, A. Die Entwickelungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875.
Gur witsch, A. Über die formative Wirkung des veränderten chemischen Mediums
auf die embryonale Entwickelung. Arch. f. Ent.-Mech. III. 1*96.
Ha e ekel, E. Zur Entwickelungsgeschichte der Siphonophoren. Utrecht 1869.
Heider, K. Über die Bedeutung der Furchung gepresster Eier. Arch. f. Entw.-
Mech. V. 1897.
Herbst, C. Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss der veränderten
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der Tiere. I. Versuche an Seeigeleiern. Zeitschr. f. wiss. Zool. 55. 1892.
Experimentelle Untersuchungen etc. II. Weiteres über die morphologische
Wirkung der Lithiumsalze und ihre theoretische Wirkung. Mitt. Zool. Stat.
Neapel 11. 1*93.
Experimentelle Untersuchungen etc. III. — VI. Arch. f. Entw.-Mech. IL 1896.
— Über die Regeneration von antennenähnlichen Organen an Stelle von Augen.
Ibid. IL 1896. III. und IV. Ibid. IX. 1899.
Über die zur Entwickelung der Seeigellarven notwendigen organischen Stoffe,
ihre Rolle und ihre Vertretbarkeit. I. Die zur Entwickelung notwendigen
Stoffe. Ibid. V. 1897.
— IL Die Vertretbarkeit der notwendigen Stoffe durch andere ähnlicher chemischer
Natur. Ibid XL 1901.
— Über das Auseinandergehen von Furchungs- und Gewebszellen im kalkfreien
freien Medium. Ibid. IX. 1900.
Herlitzka, A. Contributo allo studio della capacitk evolutiva dei due primi
blastomeri nell' uovo di tritoni. Arch. f. Entw.-Mech. 2. 1895.
Sullo sviluppo di embryoni completi da blastomeri isolati di uova di tritoni.
Ibid. IV. 1897.
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Biol. 35. 1901.
Hertwig, O. Experimentelle Studien am tierischen Ei, vor, während und nach
der Befruchtung. Jen. Zeitschr. 24. 1*90.
Über den Wert der ersten Furchungszellen für die Organbildung des Embryo.
Arch. f. mikr. Anat. 42. 1893.
— Beiträge zur experimentellen Morphologie und Entwickelungsgeschichte. I. Die
Entwickelung des Froscheis unter dem Einfluss stärkerer und schwächerer
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wickelung von Rana fusca und R. esculenta. Ibid. 51. 1898.
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Froscheis hervorgerufene Veränderungen. Ibid. 53. 1898.
— 0. und R. Über den Befruchtungs- und Teilungsvorgang des tierischen Eies
unter dem Einfluss äusserer Agentien. Jen. Zeitschr. 20. 1897.
Hertwig, R. Über Correlation von Zell- und Kerngrösse und ihre Bedeutung für
die geschlechtliche Differenzierung und die Teilung der Zelle. Biol. Centr.
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Jen. Zeitschr. 30. 31. 1896 und 1898.
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— Die Entstehung des Dottersacksentoblasts und die Furchung bei Belone acus.
Ib. 18. 1901.
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Journ. Morph. VII. 1892.
— Über die Entwickelung von Fischembryonen ohne Kreislauf. Pf lüger 's Arch.
51. 1893.
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— Untersuchungen über die physiologischen Wirkungen des Sauerstoffmangels.
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— Über den Einfluss von Alkalien und Säuren auf die embryonale Entwickelung
und das Wachstum. Arcb. f. Entw.-Mech. VII. 1898.
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Einleitung,
I. Kapitel.
Die verschiedenen Richtungen in der Entwickelungsgeschichte und
die Entstehung der sog. Entwickelungsmechanik oder experimen-
tellen Richtung.
Physiologische und morphologische Betrachtungsweise in der Entwickelungsgeschichte.
Rückschlag auf die phylogenetische Richtung. Einführung des Experiments und
Beanspruchung kausaler Erklärung. ^Entwickelungsmechanik" . Entwickelungs-
physiologie und experimentelle Embryologie.
Man pflegt in den biologischen Wissenschaften eine Scheidung
zwischen physiologischen und morphologischen Disziplinen zu machen,
also zwischen solchen, die die Lebensäusserungen der Organismen
erforschen, und solchen, die ihre Formausprägung beschreiben und
eventuell erklären. Die Entwickelungsgeschichte fügt sich dieser
Scheidung nicht, sondern lässt sich je nach der Betrachtungsweise
bald zur einen, bald zur anderen Seite rechnen. Wie ein Organismus
einen neuen hervorbringt, wie dieser unfertige Organismus sich
beständig ändert, wächst, das ist eine Lebenstätigkeit im aus-
gezeichnetsten Sinne, und somit wäre die Entwickelungsgeschichte
den physiologischen Disziplinen einzureihen. Auf der anderen Seite
legt man aber besonderen Wert auf die For m zustände, die während
der Entwickelung durchlaufen werden, und die man miteinander und
mit dem erwachsenen in Beziehung zu bringen sucht ; die »gestaltende
Tätigkeit der Entwickelung wird Gegenstand der Forschung, und
die Entwickelungsgeschichte somit eine morphologische Disziplin.
Je nach der allgemeinen oder individuellen Forschungsrichtung
ist bald die eine, bald die andere Seite bevorzugt worden. In
früheren Zeiten war naturgemäss die physiologische Betrachtungs-
weise im Vordergrund; die im Laufe der Einzelentwickelung zu
Maas, Einführung in die experimentelle Entwickelungsgeschichte. \
2 I. Kapitel. Die verschiedenen Richtungen in der Entwickelungsgeschichte
Tage tretende Lebenstätigkeit, das beständige Geschehen an sich
erregte Interesse, und schon damals suchten Forscher, »jede einzelne
Stufe der Entwickelung als Folge der vorangegangenen zu begreifen«.
Je mehr aber sich die entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen
über das ganze Tierreich ausdehnten, um so mehr gewann die
morphologische Seite an Interesse. Die verschiedenen Gestalten
der Entwickelungsstufen in einzelnen Tierklassen schienen ent-
sprechende Verschiedenheiten zu zeigen, wie die Erwachsenen und
so die Typenlehre C u vi er s , die Idee verschiedener Baupläne im
Tierreich zu stützen. Als nachher wieder umgekehrt die Idee einer
allgemeinen Blutverwandtschaft der Tiere zur Vorherrschaft gelangte,
und die Deszendenzlehre, gestützt auf Darwins Begründung, ihren
letzten gewaltigen Vorstoss machte, da war es wieder die morpho-
logische Seite der Entwickelungsgeschichte, die Beweismaterial zu
liefern hatte. Die verschiedenen For m zustände , welche der
Organismus in seiner Entwickelung zu durchlaufen hatte, wurden
für geschichtlich bedeutsam erklärt, und der Parallelismus, der sich
zwischen der Einzelentwickelung und der Stammesgeschichte zeige,
von Haeckel als biogenetisches Grundgesetz proklamiert. Manche
Larvenformen wurden geradezu als Rekapitulationen von Vorfahren-
tieren angesehen, und aus Einzelentwickelungen wurden nach Aus-
scheidung des »Unwesentlichen« oder »Gefälschten« ganze Stamm-
bäume der betreffenden Tiergruppen konstruiert. Das Studium der
Einzelentwickelung schien also nur dazu zu führen, Verwandtschafts-
beziehungen zwischen einzelnen Tiergruppen festzustellen, und die
Entwickelungsgeschichte war dadurch zu einer blossen Hilfswissen-
schaft geworden.
Der Rückschlag hierauf konnte nicht ausbleiben ; man wurde
sich wieder bewusst, dass die Entwickelung auch ein »um seiner
selbst willen« zu studierendes Problem sei, und dass man in die
physiologischen Abhängigkeiten ihres Geschehens näher eindringen
könne und solle. Hauptsächlich kam das zum Ausdruck auf dem
rein physiologischen Gebiet der Entwickelungsgeschichte, nämlich in
der Lehre von Zeugung und Befruchtung, die zur morphologischen
Vergleichungs- und Verwandtschaftslehre niemals Beziehungen haben
konnte, weil ja diese Vorgänge im ganzen Tierreich prinzipiell gleich
verlaufen. Hier wurden durch die Brüder Hertwig, Boveri.
Wilson u. A. bedeutsame Entdeckungen gemacht, und bei diesen
Entdeckungen hatte nicht nur die blosse Beobachtung, sondern, wie
in der Physiologie, auch das Experiment eine Rolle gespielt. Diese
und die Entstehung der sog. Entwickelungsmechanik. 3
Betrachtungsweise und Methodik begann dann auch bei den »ge-
staltenden« Wirkungsweisen der Entwickelung, bei den embryonalen
Wachstumsvorgängen etc. Eingang zu finden, und so entstand, schon
früher durch W. Roux inauguriert, jetzt von ihm programmartig
festgelegt, eine bewusst ent wickelungsphysiologische und
experimentelle Richtung, die sich immer mehr ausgebreitet und
schon fast zu einer ebenso grossen Menge von Einzelarbeiten geführt
hat wie vorher die vergleichende Richtung. Als Hauptvertreter sind,
ausser Roux selbst, H. Driesch, O. Hertwig, die Amerikaner
E. B. Wilson, H. T. Morgan u. A. zu nennen.
Diese moderne Richtung der Entwickelungsgeschichte beansprucht,
im Gegensatz zur früheren descriptiven, kausal zu sein, d. h. den
Ursachen nachzugehen, welche den Entwickelungsprozess bewirken,
sie sucht Abhängigkeitsfaktoren in demselben zu ermitteln und
bedient sich hierzu des Experiments, indem sie solche Abhängigkeits-
faktoren in bewusster Weise variiert resp. ausschaltet. Die End-
absicht wäre die Zerlegung des Entwickelungsvorganges in immer
einfachere Komponenten, die Zurückführung der Vorgänge auf die
im Bereiche des Anorganischen erkannten Wirkungsweisen, so dass
ein immer geringerer Rest von »Lebens «-Vorgängen unerklärt zurück-
bliebe. Ob und in wie weit dies möglich ist, darüber gehen selbst
unter den Vorfechtern der neuen Richtung die Ansichten sehr aus-
einander. Die einen sind der Ansicht, dass auch die gestaltenden
Wirkungsweisen des Organismus, wie sie sich in der Entwickelung
äussern, in letzter Instanz, wenn auch heute noch nicht, so doch
später und theoretisch, durch die Kräfte der Physik und Chemie
erklärt werden könnten; dieser Anschauungsweise scheint das zuerst
für die neue Richtung geprägte Wort »Entwickelungsmechanik«
seinen Ursprung zu verdanken. Auf der andern Seite wird die
Ansicht vertreten, dass dieses Ziel überhaupt nicht erreichbar ist,
sondern selbst nach Abzug von wirklich als physikalisch-chemisch
erkannten Vorgängen die Prozesse im Bereich der lebenden Natur
ihre Besonderheiten hätten, die sich im Anorganischen nicht wieder-
fänden. Diese Ansicht ist als Lehre von der »Autonomie der Lebens-
vorgänge« oder als Neovitalismus bezeichnet worden.
Bei solcher Divergenz der Meinungen ist an Stelle des Wortes
Entwickelungsmechanik das neutralere Entwickelungsphysiologie
vorgeschlagen worden. Allein auch dieser Ausdruck erscheint zu
weitgehend, da er ein viel grösseres Verständnis der komplizierten
Vorgänge und zahlreichen ineinandergreifenden Komponenten des
4 I. Kapitel. Die verschiedenen Richtungen in der Entwicklungsgeschichte.
Entwickelungsprozesses voraussetzt, als uns einstweilen, selbst nach
Annahme und Abzug einer vitalen Komponente möglich ist. In
vielen Fällen können wir nur die eine oder die andere keimen
lernen und manchmal nicht einmal dies, sondern nur Zeit und
Lokalisation ihres Eingreifens feststellen. Daher empfiehlt es sich,
den indifferenten Ausdruck »Experimentelle Ent wi ckelungs-
ge schichte« anzuwenden und damit alle die Ergebnisse zusammen-
zufassen, die durch das Experiment an sich entwickelndem
Material gewonnen wurden. Die Anwendung des Experiments
ist das wesentliche Kennzeichen der neuen Richtung.
In das Bereich der Untersuchungen, die organisches Geschehen in einfachere
Komponenten zu zerlegen suchen, gehören auch solche, die von der anorganischen
Seite aus an die Fragen herantreten und durch chemisch-physikalische Versuche
gewisse .Strukturen und Vorgänge des Organismus verständlich zu machen suchen.
Diese wichtigen Bestrebungen einer „ Zellmechanik" oder „ Protoplasmamechanik "
haben jedoch zur Entwicklung keine direkten Beziehungen und können darum hier
nur gelegentliche Erwähnung finden. Auch fallen ausserhalb dieses Rahmens die-
jenigen Experimente, die sich auf die Vo rentwickelung. auf die Zeugung und Be-
fruchtung, beziehen und die mit gestaltender Wirkung nur gelegentlich in Verbindung
treten. Dagegen bieten die Vorgänge der Regeneration, also Experimente am
Erwachsenen, mit „Wiederentwickelung" von Material, zu den Experimenten während
der Embryonalentwickelung so vielfache Beziehungen (s. p. 127), dass sie von einer
Entwickelungsphysiologie untrennbar sind und hier mitbehandelt werden.
Trotz der erwähnten Beschränkungen haben die experimentell
entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen schon bis jetzt zur Auf-
klärung zahlreicher biologischer Probleme beigetragen, andere Probleme
wesentlich modifiziert und neue Fragestellungen gegeben. Es werden
dadurch nicht nur Anatomie und Zoologie, sondern auch Physiologie
und Pathologie, wie auch naturphilosophische Fragen sehr wesentlich
berührt. Aber auch von Folgerungen abgesehen, sind zahlreiche der
gewonnenen Tatsachen, wie auch die Art des Experimentierens selbst
für den Naturforscher, Arzt und weitere Kreise von Interesse.
II. Kapitel. Die Bedeutung des biologischen Experiments. 5
II. Kapitel.
Die Bedeutung des biologischen Experiments im Vergleich zur
Beobachtung.
Unterschied des Organismus vom Anorganischen im Verhalten nach Eingriffen.
Ausnutzung der vergleichenden Methode zur Erklärung der Form. Gegenseitige
Unterstützung der vergleichenden und experimentellen Methode.
Das Experiment am lebenden Organismus, also die Hervorrufung
anormaler Zustande zur Erkenntnis des normalen Geschehens, wird
sehr verschieden beurteilt; denn ein Organismus verhält sich bei
einem Eingriff nicht wie die anorganische Natur, sondern kann und
wird Ausgleichsvorrichtungen in Kraft treten bissen, um sich mit
den veränderten Verhältnissen abzufinden. Solche Vorgänge des
Ausgleichs, ganz allgemein »Regulationen« genannt, können ein-
treten, ob der Eingriff in der äusseren Umgebung des Organismus
oder am Organismus selbst erfolgt ist, und es fragt sich, ob dieses
Geschehen dann noch dem unter gewöhnlichen Verhältnissen ver-
gleichbar ist. Es ist dann zwar nicht mehr absolut normal, aber
doch, wenn nur solche Faktoren dabei eine Rolle spielen, die auch
in der ungestörten Entwickelung wirken. ; gesetzlich normal« und zu
Schlüssen auf das Normale geeignet. Es ist jedoch klar, dass die
Entscheidung darüber, was dabei ein Faktor der ungestörten Ent-
wickelung ist und was nicht, eine schwierige ist, und in der Tat
sind auch bei einer Reihe selbst grundlegender Experimente, z. B.
bei der Eiteilung, die Forscher in der Deutung auseinandergegangen.
Vor allem ist hierbei eine möglichst genaue Kenntnis der normalen
Entwickelung Bedingung.
Angesichts dieser kritischen Betrachtung und problematischen
Bedeutung des Experiments wird auf der andern Seite für die be-
schreibende Forschung durch geeignete Methodik eine höhere Bedeu-
tung erstrebt. Dieser Gedanke ist bereits von Cuvier ausgesprochen
worden; er hat die Naturwissenschaften nach dem Grad der Exakt-
heit in drei Stufen eingeteilt: »sciences de calcul«, hierzu rechnet er
Mathematik, Astronomie und einen Teil der Physik (Dynamik); »sciences
d'experiment«, hierzu zählen bei ihm Chemie und der übrige Teil
der Physik; »sciences d' Observation«, die beschreibenden Naturwissen-
schaften. Cuvier sagt nun, dass man auch die letzteren durch
geeignete Methode, nämlich durch den Vergleich, einen Grad höher
in dieser Stufenreihe erheben und zu einer science d'experiment
6 II. Kapitel. Die Bedeutung des biologischen Experiments
machen könne. So wie der Physiologe im Laboratorium, so habe
auch die Natur ihre Tiere in verschiedene Bedingungen gebracht,
die einen in helles Licht, die andern in beständige Dunkelheit, die
einen unter starken, die andern unter geringen atmosphärischen
Druck etc., und so wie der Physiologe ein oder das andere Organ
verkürze oder wegnehme, so sei beim einen Tier dies, beim andern
jenes Organ stärker ausgebildet oder ganz verkümmert. Es lägen also
von der Natur vorbereitete »especes d'experiment« vor, und es bedürfe
nur des Vergleichs mit Berücksichtigung der verschiedenen Lebens-
bedingung und Funktion, um daraus die geeigneten Schlüsse zu ziehen.
Diese Art der Vergleichung ist natürlich grundverschieden von
dem morphologischen Vergleich, den die Entwickelungsgeschichte
früher, selbst bei weit auseinander stehenden Formen, im Dienst der
Verwandtschaftslehre betrieb. Als beispielsweise bei Wirbeltieren,
Mollusken, Echinodermen, Coelenteraten u. a. in der Entwickelung
ein ähnliches Stadium gefunden wurde, bestehend aus zwei Lagen,
einer äusseren und inneren, da diente dies zum Beweis der gemein-
samen Abstammung aller dieser Tiergruppen, ja zur Rekonstruktion
eines Vorfahrentiers. Nach einer rein physiologischen Betrachtungs-
weise jedoch kehren gewisse Formzustände in der Entwickelung ver-
schiedener Tiere nur deshalb mit so grosser Konstanz wieder, weil
»sie unter allen Verhältnissen die notwendigen Vorbedingungen liefern,
unter denen sich allein die folgende höhere Stufe der Ontogenese
hervorbilden kann«. Nach der Cu vi einsehen Methodik müssten zu-
nächst eine Reihe von sehr nahe stehenden Tieren in Bezug auf ihre
geringen Verschiedenheiten der Organisation untersucht werden, und
erst wenn durch den Vergleich ein Einblick in die Gesetzlichkeit der
Verschiedenheit gewonnen ist, sollte zu weiter auseinander stehenden
Gruppen geschritten werden.
Wir können die Methodik, die Cuvier für die ausgebildeten
Tiere anriet, in der Entwickelungsgeschichte anwenden, sei es, um
direkt entwickelungsphysiologische Aufschlüsse zu erhalten, sei es in-
direkt, um die Schlüsse aus wirklichen Experimenten gegen die
früher erwähnten Bedenken sicherer zu machen. Wir haben uns
dabei aber von dem beim morphologischen Vergleich oft gemachten
Fehler zu hüten, zu weit auseinander stehendes in Beziehung zu
bringen. Wir dürfen zu solchen physiologischen Folgerungen nicht
zwischen zwei Tiertypen, z. B. Mollusken und Wirbeltieren vergleichen,
sondern müssen innerhalb der einen Gruppe z. B. der Mollusken
bleiben und uns hier noch weiter, z. B. auf die Lamellibranchier
im Vergleich zur Beobachtung. 7
beschränken. Wenn wir bei einer Reihe von Muscheln gefunden
haben, dass sie einen, deren Eier eine andere Quantität und Ver-
teilung von Dottermaterial besitzen sich auch anders entwickeln, oder
dass solche, die sich im süssen Wasser befinden, bestimmte Abweich-
ungen des Entwickelungsganges von den im Meer lebenden /.eigen,
so wird geschlossen werden dürfen, dass im letzteren Fall der Unter-
schied im umgebenden Medium, im ersteren der in der Eistruktur
an den beobachteten Unterschieden des Entwickelungsganges schuldig
oder mitschuldig ist.
Noch bedeutsamer in anderer Hinsicht wird diese Methode der
beobachtenden Entwicklungsgeschichte, wenn sie nicht mehrere Arten
ins Auge fasst, sondern die Verschiedenheiten der Entwickelung
zwischen Individuen ein und derselben Art feststellen kann, wie sie
in zahlreichen Fällen auch ohne experimentelle Störung im Ent-
wickelungsgang vorkommen können. Auch hier experimentiert die
Natur gewissermafsen selbst, und es sind, wie man sich zutreffend
ausgedrückt hat, »die Endprodukte der individuellen Entwickelung
konstanter als die Arten ihrer Herstellung«. Namentlich bei niederen
Tieren, z. B. Medusen, hat man solche weitgehenden Schwankungen
innerhalb des normalen Entwickelungsganges kennen gelernt; aber
auch bei hoch organisierten Wirbeltieren treten sie noch zu Tage. Ihr
Studium, das bis jetzt noch etwas vernachlässigt ist, kann wesentlich
zur Aufklärung darüber beitragen, was nach einem Experiment noch
mit den gewöhnlichen Mitteln der Ontogenese reguliert (s. o. p. 5) wird,
und so die aus dem Experimentverlauf zu ziehenden Schlüsse be-
deutend festigen. Auf diese Weise stehen sich vergleichend-deskriptive
und experimentell-kausale Entwickelungsgeschichte nicht so gegen-
sätzlich gegenüber, wie es nach den Auslassungen mancher Forscher
scheint, sondern können sich zu gemeinsamem Endziel in die Hände
arbeiten.
Trotzdem werden beide nicht ganz gleichwertig erscheinen, son-
dern es wird, wenigstens für die Ermittelung kausaler Abhängigkeits-
verhältnisse, das Experiment einen grösseren Wert haben, während
die vergleichende Beobachtung, wie die obigen Ausführungen zeigen,
mehr helfend dazutritt, sei es vorbereitend oder nachträglich sichernd.
Manche Forscher gehen soweit den rein deskriptiven Untersuchungen
die Berechtigung zu positiven Aussagen überhaupt abzusprechen; sie
vermöchten »höchstens ein Negatives zu leisten, nämlich zu zeigen,
dass ein angeblich gefundenes Allgemeingesetz nicht allgemein ge-
wesen sei« und auch das nur »bei relativ einfachen Dingen«.
8 II. Kapitel. Die Bedeutung des biologischen Experiments.
Dies scheint uns zu weit gegangen, namentlich wenn wir an
den Vergleich verschiedener normaler Entwickehui^si Möglichkeiten bei
derselben Art denken. Es kommt z. B. bei Crustaceen vor, dass die
gleiche Spezies einen verschiedenen Entwickelungsgang einschlägt, je
nachdem sie sich im Seewasser oder im Brackwasser entwickelt.
(Palaemonetes varians nach Boas.) Der Schluss, dass also der Salz-
gehalt die Ursache dieser Verschiedenheit sei, ist wohl erlaubt. Durch
das Experiment kann dies gesichert und nachgewiesen werden, dass
dieses nicht nur die Mit- Ursache, sondern die bestimmende oder
alleinige Ursache der betreffenden Veränderung war. Darin scheint
uns die erhöhte Bedeutung des Experiments zu liegen, wie sie noch
mehr bei Änderungen im Entwickelungsobjekt selbst zu Tage tritt. Wir
sehen z. B. bei Amphibieneiern den Nahrungsdotter am vegetativen
Pol reichlicher angehäuft, wie am animalen ; die Furehungsteilungen
gehen am animalen Pol schneller vor sich wie am vegetativen, wo
die Teilstücke grösser bleiben, aber doch wird das Ei total gefurcht.
Fier. 1.
r— h
-d
Froschei, durch den Einfluss der Centrifugalkraft während der Entwickelung gesondert
in eine Keimscheibe und eine unentwickelt gebliebene Dottermasse (d), h = Furchungs-
höhle. Nach 0. Hertvvig.
Bei den Knochenfischen ist der Unterschied im Dottergehalt zwischen
animaler und vegetativer Seite des Eies noch grösser; hier kommt
es auch nur zu einer partiellen Furchung, indem sich am animalen
Pol eine Keimscheibe ausbildet und der vegetative Pol ungefurcht
zurückbleibt, Die vergleichende Methode, die nicht im Dienst der
Deszendenzlehre sondern der physiologischen Erklärung arbeitet, wird
den Schluss ziehen, dass die verschiedene Quantität und Verteilung
des Dotters Schuld an der Verschiedenheit beider Furchungsarten sei.
Doch könnten bei den komplizierten Bedingungen noch weitere Ur-
sachen in Frage kommen. Durch das Experiment, nämlich durch Ein-
wirkung der Zentrifugalkraft auf das sich entwickelnde Froschei (s. p. 170)
III. Kapitel. Die Möglichkeiten des Experimentierens. \)
können dessen Dottermengen noch mehr nach dem vegetativen Pol
zu verlagert, also diT Gegensatz zwischen animaler und vegetativer
Hälfte vergrössert werden, ähnlich wie beim Fischei; und das Froschei
furcht sich alsdann nicht total wie sonst, sondern partiell wie ein
Fischei (s. Fig. 1). Damit ist die ausschlaggebende Bedeutung der
Dotterverteilung für den Verlauf der Furchung sicher erwiesen.
Die Bedeutung des Experimentes liegt also darin, dass es in
bestimmter Weise gerichtet ist, dass es einen bestimmten
Faktor der Entwicklung, der schon durch die Beobachtung auffiel,
umändert resp. ausschaltet. Planlos angestellte Experimente dagegen,
wie sie bei dem Anschwellen der neuen Richtung ebenfalls vorkommen,
werden in ihrer Bedeutung für die kausale Erkenntnis der Ent-
wickelungsvorgänge noch hinter der einfachen Beobachtung zurück-
bleiben. Vielfach haben auch die planmässigen Experimente dazu
geführt, die vorherige Fragestellung ganz zu verändern und neue
Probleme aufzustellen, an die man vorher, ohne experimentellen Ein-
griff gar nicht gedacht hatte.
III. Kapitel.
Die Möglichkeiten des Experimentierens. Äussere und innere
Faktoren der Entwickelung.
Eingriffe an der Umgebung des Entwickelungs - Objekts und am Objekt selbst.
Äussere, innere und „spezifische" Faktoren der Entwickelung und deren ungleiche
Bedeutung für den Entwickelungsverlauf.
Die bisher erwähnten Beispiele, sowohl von »Naturexperimenten«,
wie von bewusst angestellten Eingriffen, sind mit Absicht doppelt
gewählt worden, um von vornherein auf die zwei verschiedenen
Möglichkeiten hinzuweisen, die das Experiment in der Embryologie
einschlagen kann. Dasselbe kann sich erstens auf die Umgebung
des sich entwickelnden Objekts erstrecken, auf die äusseren Faktoren
oder Vorbedingungen der Entwickelung, zweitens auf das sich ent-
wickelnde Objekt selbst. Man kann im ersten Fall beispielsweise die
Temperatur um das Entwiekelungsobjekt verändern oder die Wirkung
10 III. Kapitel. Die Möglichkeiten des Experimentierens.
der Schwerkraft modifizieren, oder, wenn es sich z. B. um ein Meerestier
handelt, die chemische Zusammensetzung des umgebenden Seewassers
variieren; im zweiten Fall kann man Teile des sich entwickelnden
Objekts aus ihrer normalen Lage bringen, so z. B. den Furchungs-
y.ellen andere Lagebeziehungen geben, oder man kann dieselben ganz
isolieren und einzeln zur Entwickelung zu bringen suchen, oder man
kann mehr oder minder entwickelte Teilstücke verschmelzen und
noch vieles andere.
Für die Ermittelung von Gesetzlichkeiten der Entwickelung sind
beide Klassen von Experimenten verwendbar, jedoch von sehr ver-
schiedener Bedeutung. Die Experimente an der Umgebung des
Objekts richten sich auf die äusseren Faktoren der Entwickelung.
Letztere sind, wie man sich ausgedrückt hat, nur Vorbedingungen,
die zwar für das Entwickelungsgeschehen als solches unerlässlich sind,
aber keine wirklich gestaltende Wirkung ausüben. Schon ein »Natur-
experiment« beweist dies. Wir sehen im selben Meerwasser zahlreiche
Eier sich unter den gleichen Bedingungen von Wärme, Licht, Salz-
gehalt etc. nebeneinander entwickeln, Eier, die sich äusserlich sogar
sehr ähnlich sehen können, wie z. B. die verschiedener Medusen oder
Echinodermen, und doch entwickeln sich ganz bestimmte spezifische
Tierformen aus den einen und aus den andern.
Noch besser wird dies durch den Verlauf wirklicher Experimente
erläutert, Man kann z. B. durch Änderungen der Schwerkrafts-
einwirkung oder durch Pressung beim Froschei wohl die Lage der
ersten Furchungsebenen, überhaupt den Zellteilungsmodus, verändern,
aber dennoch entsteht ein regulärer Embryo der betreffenden Frosch-
spezies. Oder man kann durch Temperaturerniedrigung den Ent-
wicklungsgang verlangsamen resp. völlig sistieren; wenn man dann
aber wieder die geeigneten Temperaturen eintreten lässt, so erfolgt
die Weiterentwickelung zur bestimmten Art. Wenn wirklich Ab-
weichungen durch Änderung solch äusserer Faktoren hervorgebracht
werden, so sind sie teratologi scher, nicht formbildender Natur.
Man kann durch Substituierung von Salzen im Meerwasser, z. B.
indem man das Natrium der verschiedenen Salze durch Lithium er-
setzt, die Entwickelung der Seeigel wesentlich beeinflussen und erhält
dann charakteristisch veränderte sog. »Lithiumlarven«, aber diese
sind Lithiumlarven der betreffenden Spezies.
Im Organismus selbst, und schon in seinem ersten Stadium,
dem Ei, müssen also die »spezifischen Ursachen« für den Entwickelungs-
Äussere und innere Faktoren der Entwickelung. 1 1
gang gelegen sein. Wir sagen absichtlich im Organismus und
nicht Ei allein, weil wir diesen für das Wichtigere und Über-
geordnete zu halten berechtigt sind. Dass die spezifischen Ursachen,
wie Natur- und willkürliche Experimente lehren, schon im Ei enthalten
sind, ist eine notwendige Folge davon, dass die Eizelle auf dieser Stufe
den gesamten Organismus darstellt, Die Eizelle als solche muss also
in einer für uns einstweilen unbekannten AYeise eine Beschaffenheit
besitzen, vermöge deren sie Träger der Arteigenschaften ist und die
für jede Spezies verschieden sein muss. Ob für diese Beschaffenheit
auch eine besondere innere Struktur des Eies anzunehmen ist, ist
eine Frage eigener Art, die ebenfalls zum Experiment Anlass bietet
und noch besondere Besprechung finden wird. Ebenso ist es fraglich,
ob die ganze Zelle oder nur ihr Kern vermöge der unbekannten Be-
schaffenheit Träger der Arteigenschaften ist. Auch hier hat wieder
das Experiment zur Entscheidung wesentlich beigetragen.
Da also die Eizelle die Fälligkeit, oder wie gesagt werden könnte,
die Tendenz in sich trägt, bei entsprechenden äusseren Vorbeding-
ungen den erwachsenen Organismus zu liefern, so stellt sich der
Entwicklungsgang am Objekt selbst dar als ein »Sichtbarwerden der
vorher unsichtbaren Arteigenschaften« (0. Hertwig), oder als ein
Eintreten »wahrnehmbarer Mannigfaltigkeit« (Roux). Wie dies
jedoch im Entwickelungsgang bewirkt wird, darüber existieren zwei
ganz entgegengesetzte Theorien, die hier eine Darstellung erfordern,
sowohl weil sie von weiter tragender biologisch-philosophischer Be-
deutung sind, als auch, weil sie in besonders reichem Mafs Veran-
lassung zum Experimentieren gegeben haben.
12 IV. Kapitel. Die Entwickelungstheorien und
IV. Kapitel.
Die Entwickelungstheorien und deren Anregungen zum Experiment.
Die evolutionistische oder Zerlegungstheorie von Weismann. Qualitativ ungleiche
Kernteilung. Mosaikarbeit nach Roux. Die epigenetische Theorie nach 0. Hertwig.
Driesch. Vermittelungsmöglichkeit zwischen den Extremen. Die entscheidende
Bedeutung des Experiments zwischen den Theorien. Stoffeinteilung des vorliegenden
Buches.
Wenn sich der Entwickekmgsgang, ganz allgemein gesprochen,
als ein Eintreten wahrnehmbarer Mannigfaltigkeiten am sich ent-
wickelnden Objekt darstellt, so fragt es sich, auf welche Weise - - die
Arteigenschaften der Zelle immer vorausgesetzt - - diese Mannigfaltig-
keiten zu Stande kommen. Nach der einen Ansicht, die besonders
von Weis mann durchgeführt worden ist, sind die Verschiedenheiten,
die während des Entwickelungsgangs am Objekt auftreten und sich
nach und nach als Anlage besonderer Bildungen zu erkennen geben,
schon von allem Anfang vorhanden, nur eben noch nicht sichtbar.
Die verschiedenen Qualitäten sind im Ei und zwar in dessen Kern
vereinigt und werden im Lauf der Entwicklung nur zerlegt, indem
die Qualitäten für vorn und hinten, rechts und links, für die ver-
schiedenen Organs}rsteme und für die verschiedenen Gewebsarten auf
die verschiedenen Zellen resp. Zellkerne verteilt werden. Es setzt
dies eine qualitativ ungleiche Kernteilung voraus, trotzdem wir in
der Ontogenese stets quantitativ genaue Karvokinesen eintreten sehen
(abgesehen von wenigen für Keimzellen konstatierten Fällen), und
ferner, dass die Beschaffenheit und Leistung einer Zelle von ihrem
Kern beeinnusst resp. regiert wird. Wenn sich also im Lauf der
Ontogenese gewisse Zellen oder Zellgruppen von andern unterscheiden
und nach und nach zu besonderen Organen etc. werden, mit anderen
Worten, wenn »D i f f e r e n z i e r u n g e n« eintreten, so hätten wir eine
durch das Wesen der Zellen selbst, durch die Beschaffenheit ihres
Kerns begründete Verschiedenheit, eine »Selbstdifferenzierung« vor
uns. Die ersten Stadien der Ontogenese, die Zerlegung des Eies in
eine Anzahl von Zellen, die Furchung, hätte dann schon eine für das
erwachsene Tier bestimmende oder »determinierende« Bedeutung;
jede Zelle wäre ein Baustein mit festgelegtem Schicksal und die
Furchung demnach, nach Roux 's treffendem Ausdruck, »Mosaik-
Arbeit«.
deren Anregungen zum Experiment. 13
Eine völlig entgegengesetzte Ansicht vom Wesen des Entwicke-
lungsprozesses wird von O. Hertwig, Driesch (bis 1900) u. A.
vertreten. Danach sind die Mannigfaltigkeiten, die im Lauf der Ent-
wickelung immer mehr hervortreten, nicht von allem Anfang an
vorhanden, sondern werden erst durch den Entwicklungsgang
selbst erzeugt. Schon durch den Vermehrimgsprozess an und für
sich werden immer zahlreichere und verwickeitere Beziehungen
zwischen den einzelnen Zellen untereinander und mit dem Ganzen
hervorgebracht; es ergeben sich neue und verschiedenartige Be-
rührungsflächen und freie Flächen u. s. w., kurz, die Zellen geraten
unter ungleiche Bedingungen, räumlich und zeitlich (0. Hertwig).
Eine besondere Art der Kernqualitäten für die verschiedenen Zellen,
eine qualitativ ungleiche Teilung wird hierbei nicht angenommen,
sondern jede Zelle, auch in ihrer weitgehendsten Differenzierung, ist
mit ihrem Kern Trägerin der gesamten Arteigenschaften. Wenn
also im Lauf der Entwickelung sich Verschiedenartigkeiten unter
den Zellen und Zellgruppen geltend machen, »Differenzierungen«
eintreten, so sind diese durch die verschiedenen Verhältnisse bedingt,
in die die Zellen geraten sind: wir haben eine »abhängige Diffe-
renzierung« vor uns. Auf die ersten Stadien des Entwickelungs-
prozesses angewandt, bedeutet dies: die Furchimg ist nur eine einfache
Zellteilung, eine Verkleinerung des Eies in gleichwertige Stücke, denen
für den erwachsenen Zustand keine besondere Bestimmung zukommt,
Oder anders ausgedrückt, das Schicksal, »die prospektive Bedeutung« der
einzelnen Blastomere ist eine Funktion ihrer Lage im Ganzen (Driesch).
Es ist einleuchtend, dass zwischen diesen beiden grundver-
schiedenen Ansichten das Experiment eine gewisse Entscheidung
treffen resp. vermitteln kann. Wenn man ein Ei im zweiteiligen
Stadium halbiert und mit Sorgfalt zur Weiterentwickelung bringt, so
wird bei Richtigkeit der ersten Ansicht von der Selbstbestimmung
der Zellen daraus nur ein halber Embryo hervorgehen; bei Richtig-
keit der zweiten Ansicht von der Zerlegung in gleichwertige Stücke
wird eine verkleinerte Ganzbildung entstehen. Dieses nicht ganz
einwandsfreie Raisonnement (s. u. pag. 32) hat den ersten Anlass zu
den zahlreichen Experimenten über die Eifurchung gegeben, die von
Roux am Froschei inauguriert und dann an diesem Objekt sowohl,
wie in vielen anderen Tiergruppen mittelst der verschiedenartigsten
Technik angestellt wurden.
Es muss gleich gesagt werden, dass die Ergebnisse dieser Experi-
mente zu keiner generellen Übereinstimmung geführt haben, sondern
14 IV. Kapitel. Die Eutwickelungstheorien und
dass zwischen einzelnen Tiergruppen sowohl wie zwischen einzelnen
Stadien derselben Tierform recht beträchtliche Unterschiede in der
Gleichwertigkeit der Zellen bestehen. Man könnte annehmen, dass
dies auf einer schrittweisen Einengung der Tätigkeit der Blasto-
meren beruht, so dass die Ontogenie mit fortschreitender Furchung
mehr und mehr den Charakter der Mosaikarbeit annimmt (Wilson),
oder, es könnte sein, dass hierin die ersten allgemeinen Stadien
der Ontogenese sich prinzipiell von den späteren der Organ-
bildung unterscheiden, dass also die erste Herstellung der Anlage
eines Organs durch abhängige Differenzierung bewirkt werde, die
weitere Ausbildung desselben dagegen auf Selbstdifferenzierung be-
ruhe (D r i e s c h , H e i d e r). Aber auch dies erscheint bei ver-
schiedenen Tiergruppen verschieden, so dass die Frage vielleicht gar
nicht generell gestellt werden darf, und das ganze Problem
anders formuliert werden muss. Diese weiteren Fragen sollen noch
ausführliche Erörterung finden, wenn wir von dem reichen Tatsachen-
material von Experimenten Kenntnis genommen haben, das in fast
allen Tiergruppen gewonnen worden ist.
Es erscheint danach nicht geraten, die beiden erörterten theo-
retischen Richtungen mit den Schlagwörtern Evolution und Epigenese
zu bezeichnen ; diese haben in der Geschichte der Entwickelungslehre
früherer Jahrhunderte einen andern und viel schrofferen Sinn gehabt,
indem die Evolutionisten in der Entwickelung nur ein »Aufrollen«,
Grösserwerden von schon in der betreffenden Gestalt Vorhandenem
erblickten, die Epigenetiker dagegen eine völlige Neubildung an einem
vorher unorganisierten Stoff. Die obengenannte sog. evolutionistische
Richtung von Weismann und Roux nimmt keineswegs an, dass
die im Keim vorausgesetzten Mannigfaltigkeiten bereits eine bestimmte
Form zeigen, ebensowenig, wie die sog. epigenetische verkennt, dass
die Eizelle eine Organisation besitzt. Ja, die Gegensätze sind noch
weiter überbrückt. Auch diejenigen Epigenetiker, die im ganzen
Entwicklungsgang nur eine abhängige Differenzierung sehen, rechnen
mit den im Organismus der Zelle enthaltenen Faktoren; »denn die-
selben spielen ja schliesslich bei allem, was im Organismus geschieht
die Hauptrolle.« (O. Hertwig.) Und auch die »Neoevolutionisten«
können nicht verkennen, dass im Entwicklungsgang selbst gegebene
Beziehungen der Teile untereinander wie zum Ganzen auf das
Schicksal der Teile resp. der Zellen bestimmend einwirken, so dass
nach Roux selbst das Wirken einer abhängigen oder korrelativen
Differenzierung neben der Selbstdifferenzierung möglich ist.
deren Anregungen zum Experiment.
15
Praktisch ergibt sich für uns hieraus die Notwendigkeit, die
inneren, am Objekt selbst zu ermittelnden Ursachen schärfer zu
sondern und ausser den spezifischen Ursachen innere Ursachen
im engeren Sinn zu unterscheiden, d. h. solche, die nicht schon
im Ei vorhanden, sondern sich aus Beziehungen zwischen den ein-
zelnen Teilen erst während der Entwickelung ergeben. In der Eizelle
sind sie als solche noch nicht vorhanden, resp. von den spezifischen
Ursachen nicht trennbar, auch auf frühen Stadien des Entwicklungs-
prozesses oft nur schwer zu erkennen, werden aber dann immer
deutlicher wirksam und sind im erwachsenen Zustand als Bezieh-
ungen zwischen einzelnen, auch entfernten Teilen des Organismus
schon lange bekannt und als »Korrelationen« beschrieben.
Aus dieser Unterscheidung von 1. spezifischen, '2. inneren
und 3. äusseren Ursachen des Entwickelungsprozesses ergibt sich
auch eine, allerdings etwas gewaltsame Einteilung unseres Stoffes.
Es werden zunächst die Experimente an Blastomeren, also frühen
Furchungsstadien zu besprechen sein. Diese betreffen sowohl spezi-
fische wie innere Ursachen, führen aber auch zu weiteren Problemen
und stellen ein besonderes Gebiet dar, in das auch noch gewisse Experi-
mente an späteren Entwickelungsstadien einzuschliessen sind. Diesem
Gebiet reihen sich auch die Versuche über Regeneration beim Er-
wachsenen an. nicht etwa, als ob die Vorgänge nach Blastomeren-
entnahme ebenfalls als Regeneration anzusehen wären, sondern weil
bei der Regeneration dieselben Probleme in Frage kommen, einerseits
die Wirkung der spezifischen, im Zellmaterial selbst liegenden Faktorei
und die Möglichkeit einer Selbstdifferenzierung, andererseits die inneren)
Faktoren, die durch die Lage des Regenerats im ganzen gegeben sind,
also die abhängige Differenzierung. Es wird dann versucht werden,
in diese Wirkung des Geizen auf die Teile, der Teile auf einander,
also in die inneren Faktoren, eine Einsicht zu gewinnen, indem sie
zunächst am Erwachsenen betrachtet werden. Das Studium dieser
Korrelationen führt zu den Reizwirkungen, die von Teil zu Teil, sowohl
direkt, als auch indirekt durch die Funktion ausgeübt werden. Dabei
wird die Roux'sche Anschauung von der funktionellen Anpassung
und die Herb st 'sehe Theorie der formativen Reize Erörterung finden.
Vom erwachsenen Zustand wird dann in der Ontogenese rückwärts
gegangen und dann an die früher erörterten inneren Faktoren, also
die, welche sich durch den Entwicklungsgang selbst ergeben, auf
Grund der Reiztheorie angeknüpft und so der Anschluss an die
Experimente in Furchungs- und späteren Stadien hergestellt. Bei
^
16 IV. Kap. Die Entwicklungstheorien u. deren Anregungen zum Experiment.
der allgemeinen Fassung, die man dem Begriff »Reiz« geben kann,
lassen sich hier diejenigen Wirkungen anreihen, die nach Änderung
der äusseren Ursachen, also der Umgebung des Objekts eintreten.
Diese äusseren Faktoren müssen aber, da die zahlreichen Experimente
zu anderen Fragen und Disziplinen in Beziehung stehen, gesondert
behandelt werden.
Die vielfachen Einflüsse, die die entwickelungsphysiologischen
Experimente auf allgemein biologische Fragen wie Keimblätterlehre,
Deszendenztheorie, das Lebensproblem gehabt haben, sollen dagegen,
um Theoretisieren zu vermeiden, nicht in einem eigenen Abschnitt,
sondern jeweils im Anschluss an die betreffenden Tatsachen kurz
erörtert werden.
Praktische Vorbemerkungen .
V. Kapitel.
Die verschiedenen Phasen und Arten der Entwickelung in ihrer
Beziehung zum Experiment.
Sonderung des Entwickelungsverlaufs in Einzelprozesse. Terminologie. Direkte und
larvale Entwickelung. Technik des Eingriffs. Bevorzugte Objekte : das Froschei
und das Seeigelei und deren normale Entwickelung.
Bei allen Eingriffen in den normalen Gang der Entwickelung,
mögen dieselben an den äusseren Bedingungen oder am Objekt selbst
stattfinden, ist die Entwickelungs p h a s e , in der das Objekt gerade
steht, von grosser Bedeutung für den Verlauf des Experiments. Es
sind daher einige Vorbemerkungen über die verschiedenen Stadien
zu machen, welche in jeder Entwickelung unterschieden werden
können. Vom Standpunkt der reinen Entwiekelungsphysiologie, die
jedes Stadium als notwendige Folge des vorhergehenden zu begreifen
sucht, ist eine solche Scheidung eine künstliche zu nennen; dennoch
aber macht sich in jedem Entwicklungsgang eine solche Scheidung
in aufeinander folgende Einzelprozesse nach besonders markanten
Stadien bemerkbar, ob man darin einfach einen »Entwickelungs-
rhythmus« oder einen Hinweis auf die Stammesgeschichte sieht, und
schon aus praktischen Gründen, um eine kurze Terminologie für
einzelne Zeitpunkte der Entwickelung zu gewinnen, müssen sie unter-
schieden werden.
Die erste Phase ist notwendigerweise eine fortschreitende Zell-
teilung, die Zerlegung des Eis in einzelne Teilstücke, die sogenannte
Furchung, ein Ausdruck, der noch aus der Zeit herrührt, bevor
die Zellenlehre aufgestellt war. Das Ende dieses ersten Abschnittes
ist schwer zu definieren, da es sich mit den Anfängen des zweiten
durchdringt, und ist in verschiedenen Tiergruppen früher oder später
Maas, Einführung in die experimentelle Entwicklungsgeschichte. 2
18 V. Kapitel. Die verschiedenen Phasen und Arten der
zu legen. Es wird als Keimblasenstadium oder Blastula bezeichnet,
ein Name, der indifferent auch da anzuwenden ist, wo keine Blasen-
form vorliegt .
Die /.weite Periode kennzeichnet sich durch die Anordnung des
gefurchten Materials in verschiedene Schichten, die sog. Keimblätter,
eine Bezeichnung, die ebenfalls aus einer Zeit lange vor Entdeckung
der Zelle stammt, da man das Blatt als ein Ganzes ansehen musste und
wo man vom Hühnchen her die Anlage nur in blattförmig ausgebreiteter
Gestalt kannte. Diese Schichten, die sonst übrigens in den seltensten
Fällen die Form von Blättern haben, zeigen zu einander wie zur
Aussenwelt verschiedene Lagebeziehungen und werden als äusseres
Keimblatt, Ectoderm, und inneres Keimblatt, En toder m, unter-
schieden. Das betreffende Stadium heisst mit einem für uns in-
differenten Namen Gastrula. Schon vor dessen Erreichung kann
sich eine mittlere Schicht, Me so denn, anlegen, sei es in einzelnen
Zellen zwischen die ersten beiden Schichten wandernd und dann als
Mesenchym bezeichnet, sei es als Ganzes Schicht- resp. blattartig sich
abhebend. Wenn man in der Entwickelung einfach eine Folge von
Vorgängen zur Erreichung des fertigen Zustandes sieht, so sind diese
verschiedenen Schichten nur eine Vorbereitung der nunmehr folgenden
Anordnung des Zellmaterials für die verschiedenen Organsysteme.
Als selbständiger Komplex kann eine Summe von solchen Organ-
anlagen noch vor der Organdifferenzierung auftreten, »zusammen-
gesetzte Primitivanlage« ; diese kann mit dem zusammenfallen, was
wir Keimblatt nennen, braucht es aber nicht zu tun (Meisenheimer).
Ebenso können umgekehrt die Anlagen eines und desselben Organ-
systems in topographisch verschiedenen Schichten stehen. Es wird
uns der Keimblattbegriff noch nach Kenntnisnahme von Experimenten
zu beschäftigen haben (s. p. 97 und 112).
Das folgende Stadium ist das der Organbildung und zwar müssen
wir hier die blosse Anlage, die organologische Sonderung, und
die weitere Ausbildung bis zum geweblich differenzierten Zustand, die
histologische Sonderung, trennen. Diese Unterscheidung ist
mit der Roux 'sehen vom embryonalen Leben, der organ b i 1 d enden
Periode, im Gegensatz zum funktionellen Leben nicht ganz identisch,
sondern es fallen die organologische und histologische Sonderung
meistens noch beide unter den Roux 'sehen Begriff des embryonalen
Lebens. Nur in den wenigsten Fällen wird nach Sonderung des
Zellmaterials die Funktion allmählich einsetzen und damit die histo-
logische Ausprägung Hand in Hand gehen; meistens wird die histo-
Entwickelung in ihrer Beziehung zum Experiment. 19
logische Ausprägung schon sehr weit gediehen sein, ehe die Funktion
eintritt und eintreten kann. Für die Betrachtung von gestaltenden
Wirkungen der Funktion in der Ontogenese und die hierher ge-
hörigen Experimente ist dies von Wichtigkeit.
Am weitesten ist die gewebliche Ausprägung vor Einsetzen der
Funktion bei denjenigen Tieren gediehen, die sich innerhall) des
mütterlichen Körpers entwickeln, also bei der sog. direkten oder
zusammengedrängten Entwickelungsweise, während bei Tieren, die
schon in sehr frühen Stadien oder sogar schon vom Ei an frei
werden und ihre Lebenstätigkeiten ausüben müssen, die Funktion so
früh wie möglich eintreten wird. Allerdings ist dieselbe dann meist
weder qualitativ noch quantitativ der beim Erwachsenen gleich, wie
denn im Jugendstadium auch meist sich besondere Formausprägungen
geltend machen, die vom Erwachsenen verschieden, wieder rückgängig-
gemacht werden. In diesem Fall ist noch eine weitere Phase der
Entwickelung, das Larvenleben, zu unterscheiden. Dies wird
immer dann eintreten, wenn die Jugendstadien unter anderen
äusseren Bedingungen leben wie die Erwachsenen. Diese äusseren
Verhältnisse zeigen sehr mannigfache Abstufungen der Verschieden-
heit, so z. B. bei Larven und Imagines der Insekten oder bei den
Amphibien; bei vielen Meerestieren z. B. Echinodermen bestehen die
Verschiedenheiten darin, dass die Jugendstadien eine sehwebende,
planktonische Lebensweise führen, die Erwachsenen dagegen am
Grund sitzen oder kriechen. Die Jugendzustände bilden dabei ver-
schiedene Vorrichtungen für diese schwebende Lebensweise aus, die
nachher wieder eingehen. Bei der Betrachtung etwaiger gestalten-
der Wirkungen der äusseren Bedingungen sind solche larvalen,
adaptiven Formverhältnisse von denen der eigentlichen Organisation
begrifflich zu unterscheiden ; dies ist z. B. bei der Verwertung der
Herb st 'sehen Befunde über die Einwirkung äusserer Bedingungen
an Seeigellarven wohl zu berücksichtigen. Auch ist, was Larven und
Larvencharakter genannt wird, in verschiedenen Tiergruppen nicht
immer dasselbe und bei der Deutung von Experimenten auseinander
zu halten.
An Tieren mit sog. direkter Entwickelung ist im allgemeinen
weniger Gelegenheit zum experimentellen Eingriff geboten. Wenn
sie sich innerhalb einer festen Hülle entwickeln, so kann wenigstens
noch Veränderung der äusseren Faktoren, wie der Temperatur, ein-
wirken, z. B. bei Vogeleiern ; der Eingriff am Objekt selbst ist da-
gegen wesentlich erschwert. Nahezu oder ganz unmöglich wird
20 V". Kapitel. Die verschiedenen Phasen und Arten der
derselbe, wenn die Entwickelung vollständig innerhalb des mütterlichen
Körpers vor sich geht, wie bei Säugetieren. Immerhin sind auch bei
deren schon geborenen Jungen nicht alle Organsysteme voll ent-
wickelt: ein wichtiges System, die Geschlechtsorgane und was mit
ihnen zusammenhängt, sind noch weit zurück und hier ist in der
Tat noch Gelegenheit zu sehr wichtigen Eingriffen gewesen (s. p. 136).
Im ganzen wird sich aber die experimentelle Embryologie an
solche Objekte halten, die in jeder Phase einen Eingriff gestatten,
also an die mit freier, meist larvaler Entwickelung, wie sie in allen
Tiergruppen in einzelnen Vertretern vorkommen. Einige dieser
Objekte werden aber ganz besonders bevorzugt, sind sozusagen zu
»Versuchskaninchen der Entwickelungsphysiologie« geworden, nämlich
das Frosch ei und Seeigele i. Es spielen hierbei zunächst rein
äusserliche Gründe mit, nämlich dass Material von beiden in ver-
schiedenen Spezies leicht und in grosser Menge erhalten werden
kann, sowie dass die normale Entwickelung hier aufs beste bekannt ist.
Ausserdem sind aber auch innere Gründe mafsgebend, die den Ent-
wickelungsgang bei diesen Formen dem Experiment und das Experi-
ment der Deutung zugänglicher machen.
Das Froschei ist von ansehnlicher Grösse (bei Rana fusca
von etwa 1,5 mm Durchmesser) und besitzt eine ziemlich reichliche
Einlagerung von Dottermaterial in Form kleiner Plättchen besonders
nach dem vegetativen Pol zu. Dadurch werden die Teilstücke der
Furchung am animalen Pol merklich kleiner und zahlreicher als am
vegetativen (vergl. Fig. 2 — 4) ; jedoch ist der Unterschied nicht so
beträchtlich, dass es zur Bildung einer gesonderten kleinen und
schwer angreifbaren Keimscheibe käme, sondern noch das ganze Ei
tritt in Furchung ein. Eine sehr starke braune Pigmenteinlagerung
kennzeichnet die animale Seite bis weit nach der vegetativen Seite
hin; diese selbst bleibt rein weiss. Die Gastrulaeinstülpung rindet
an einer schon dadurch leicht kenntlichen Stelle (Fig. 5 w), am Über-
gang der animalen in die vegetative Hälfte, der sog. Randzone statt.
Damit ist dann auch die Richtung für die Chorda gegeben und ferner
die Lage für Rückenrinne und Hirnplatte. Dies schafft Verhältnisse,
die bei und nach einem Eingriff gut zu übersehen sind. Auch der
allmähliche Schluss des Nervenrohrs, der Zusammenhang mit dem
Urmund ist in dieser Hinsicht für den Experimentator von Bedeutung,
ebenso wie das ausgezeichnete Heilungsvermögen, das noch auf
späteren Stadien ausgeschnittene Stücke besitzen.
Das Seeigelei (verschiedener Spezies) ist klein und verhältnis-
mässig durchsichtig ; es lässt daher vieles schon im Leben ohne Auf-
Fig. 2.
Entwickelung in ihrer Beziehung zum Experiment. . 21
Fig. 3. Fig. 4.
Fig. 2, 3, 4. Normale Furchung des Froscheis {Bona fusca). Nach 0. Schultz e.
Fig. 2. Einschneiden der ersten Furche. Ei in der Ansicht von vorn.
Fig. 3. Ei in normaler Acht-teilung (dritte Furche) Ansicht von vom.
Fig. 4. Vorgeschrittene Teilung. Ansicht von hinten.
Fig. 5.
Fig. 6.
m
Fig. 5 Sagittalschnitt des Ei nach beendeter Furchung mit beginnender Urmund-
einstülpung (»), Furchungshöhle (f) (nach 0. Schultze).
Fig. 6. Kückenfläche eines normalen Froschembiyos mit noch auseinanderstehenden
Medullarwülsten Im) nach Koux.
Fisr. 7.
Fie:. 8.
in
m
P
Fig. 7. Ahgefurchtes Seeigelei (Strongylocentrotus Jiridus) nach Boveri. Die
Polarität spricht sich im Pigmentring Qj) aus.
Fig. 8. Schnitt durch ein späteres Stadium (nach Boveri). Bildung des primären
Mesenchyms {m) aus den unpigmentierten Zellen des vegetativen Pols.
•22 V. Kapitel. Die verschiedenen Phasen und Arten der Entwicklung.
hellungs- und Färbungsmittel sehen und nach einem Experiment
kontrolieren. An der Blastula mit weitem Hohlraum macht sich eine
Einwanderung von Mesenchynizellen ins Innere bemerkbar, die bald
eine charakteristische Anordnung einnehmen. Die primäre Urdarm-
einstülpung ist zeitlich gesondert von dem folgenden Prozess der
Abspaltung von Wassergefässsystem und Leibeshöhle. Besonders be-
merkenswert sind die Larvenanhänge, die durch Skeletstäbe aus
kohlensaurem Kalk gestützt werden und bei den einzelnen Spezies
eine charakteristische Form haben. Diese Kalkstäbe entwickeln sich
sehr früh ; es lassen sich also an ihnen leicht Einwirkungen erkennen,
besonders nach Änderung der chemischen Zusammensetzung des
Meerwassers ; ausserdem geben sie durch Zahl und Anordnung einen
Anhalt zur Beurteilung der Individualität bei Halb-, Viertel- und
Doppelbildungen etc. Auch die Weiterentwickelung bietet durch die
frühe Ausprägung des Wassergefässsystems und dessen Dreiteilung
gut zu übersehende Verhältnisse.
Fi?. 9.
Fig. 10.
-'h—ha
w
IV
Fig. 9 u. 10. Normale Pluteuslarven von Echinus microtitherciilatii* nach Seeliger.
Fig. 9. Nach 2 Tagen Prohlansicht.
Fig. 10. Nach 4 Tagen, Ansicht von vorn. Tca = Kalkstäbe, m = Mesen-
chynizellen, iv = Winiperschnur an den Armen, d — Darm.
So sind diese beiden Objekte zum Experiment besonders taug-
lich, und wenn auch natürlich nach und nach sehr zahlreiche und
verschiedenartige Tiergruppen zur Verwendung kamen , so haben
doch bei Aufstellung neuer Fragen Froschei und Seeigelei stets
wieder zuerst herhalten müssen.
Darstellung der Experimente.
A. Spezifische und innere Faktoren der
Entwickelung.
VI. Kapitel.
Die Experimente an Furchungsstadien.
A. Eier mit späterer und fakultativer Regulation.
Historisches. Isolierung und Verlagerung der Blastomeren. Experimente an See-
ige leiern bis zur animal-vegetativen .Scheidung. Prinzipieller oder gradueller
Unterschied? Experimente an Amphibieneiern. (Gegensätzliche Resultate und
deren Deutung. Wichtigkeit der plasmatischen Substanzen und ihrer Verteilung.
Die Begriffe der prospektiven Bedeutung und der prospektiven Potenz.
Den Experimenten an Furchungsstadien kommt, wie schon ein-
leitend erörtert, eine besondere Bedeutimg zu, insofern als sie mit
prinzipiellen Fragen und Theorien der Entwickelungsgesehiehte nahe
verknüpft sind. Wenn während des Entwickelungsganges die im Ei
vorhandene Erbmasse nach Qualitäten auf die verschiedenen Zellen
verteilt wird, so wird ein Teilstück, ein Elastomer, wenn es isoliert
wird, weil nur mit begrenzten Fähigkeiten ausgestattet, nur einen
bestimmten Teil (x 2, 14 etc.) des Embryo liefern können. Wenn
aber alle Zellen zunächst gleichwertig sind, und das Schicksal der-
selben nur durch die Lage bestimmt wird, so muss sich ein isoliertes
Blastomer, weil es sich ja dann nicht in Beziehung zur Xachbarhälfte
resp. zu Xachbarzellen entwickelt, sondern allseitig frei als Ganzes,
zu einem ganzen, nur verkleinerten Embryo ausbilden. Ferner muss
bei Richtigkeit dieser Ansicht die Lage der Teilstücke zu einander
wesentlich verschoben werden können, ohne dass, wenn sie wirklich
gleichwertig sind, eine Abnormität als Endresultat eintritt. Man hat
also zweierlei Methoden um die Wertigkeit der Blastomeren zu prüfen;
man kann sie 1) isolieren, entweder einzeln, im 2., 4. und mehrteiligen
2 I VI. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien.
Stadium oder in Gruppen (I s o 1 i e r u n g s e x p e r i m e n t e) oder 2) man
kann ihre gegenseitige Lage ändern, ihren Verband lockern (Ver-
lagerungsexperimente). Da die ersteren Versuche wegen der
dem Organismus zukommenden Ergänzungsfähigkeit öfters sehr ver-
schiedenartigen Deutungen ausgesetzt ist, so bildet die zweite eine
notwendige Ergänzung dazu.
Solche Isolierungsexperimente können in einzelnen seltenen
Fällen von der Natur selbst angestellt werden. Es ist bei Medusen-
eiern wiederholt bemerkt worden, dass während der Furchung sich
Zellen soweit vom Verband der übrigen entfernten, bis eine völlige
Continuitätstrennung eintrat, ohne dass allerdings das Endresultat
dieser freiwilligen Trennung zur Beobachtung kam. Bei einer an-
deren Tiergruppe, den Ctenophoren, hat die Natur gelegentlich einem
Forscher die Resultate solcher Isolationen unter die Augen gebracht,
zu einer Zeit allerdings, wo die oben erwähnten Entwicklungs-
theorien noch nicht in dieser Schärfe formuliert waren. Chun fand
im Plankton Keime der Eucharis von nur halber Normalgrösse
und mit nur 4 anstatt 8 Rippenanlagen. Er war schon damals der
Meinung, dass solche Keime nur der Hälfte des Blastomerenmaterials
ihre Entstehung verdankten, und dass Brandung und Wellenschlag
die Ursache solcher Blastomerentrennung sein könnten. Er hat deren
Einfluss künstlich nachzuahmen versucht, indem er die gefurchten
Eier schüttelte, und ist dadurch — von ganz gelegentlichen Eingriffen
Haeckels bei Siphonophoreneiern abgesehen — der erste erfolgreiche
Experimentator am tierischen Ei gewesen. Die von ihm angewandte
Technik, die Schüttelmethode, ist dann auch bei vielen anderen
marinen Tieren mit Erfolg geübt worden.
Versuche an Seeige leiern.
Es sind besonders die Eier der Seeigel, die aus den früher aus-
führlich erörterten Gründen hier zum bevorzugten Objekt geworden
sind. Driesch hat mit verschiedenen Methoden deren Blastomeren
zur Isolation gebracht, durch Wärme, durch Schütteln im Reagens-
glas, am besten aber nach einem durch Herbst entdeckten Ver-
fahren (s. p. 193) durch Übertragung in kalkfreies Seewasser. Nach
dessen Einwirkung werden die isolierten Blastomeren wieder heraus-
gefischt und in gewöhnlichem Seewasser zur Weiterzucht gebracht,
Die isolierten Blastomeren (von Echinus microtuberculatus) setzten
darauf ihre Zellteilungen in reger Weise fort, lieferten aber zunächst
Produkte, an denen die Unvollkommenheit des Ausgangsmaterials
A. Eier mit späterer und fakultativer Regulation.
25
O/2' V-i *) etc- Blastoiner) noch deutlich zu erkennen war. In be-
sonders ausgesprochenen Fällen war das Endresultat der Furchung
eine halbe Blastula, also eine offene Halbkugel von Zellen ; in anderen
Fällen zeigte sich nur anfangs eine mehr oder minder deutliche Defekt-
furchung (Fig. 13). Stets aber wurde der Defekt wieder nachträglich
ausgeglichen, indem sich die Zellen einander näherten und einen
vollkommenen Schluss der Öffnung herstellten. Das Eintreten dieses
Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 13.
Fig. 11 u. 12. Auseinandergehen der Furchungszellen von Echinus in Ca freiem
Medium (nach Herbst). Fisj. 11 vierzelliges, Fig. 12 achtzelliges Stadium.
Fig. 13. Defektfurchuug des Seeigeleis (nach Driesch) aus 1/0 Elastomer gezogen.
8 Zellen (halbes 1/16 Stadium). Vgl. Fig. 22.
Fiff. 14.
Fi?. 15.
Fig. 14. Unvollkommene Blastula (aus Halbbildung), die sich aber zu schliessen
beginnt (nach Driesch).
Fig. 15. Vollkommen geschlossene, nur verkleinerte Ganzblastula aus V2 Blastemen
Ausgleichs kann zeitlich sehr verschieden, früher oder später, er-
folgen ; manchmal sind die Zellen schon zu einer kompakten Gesamt-
form zusammengeglitten, lange ehe die Furchung zu Ende ist. Diese
Regulationsfähigkeit hängt, wie Driesch beobachtet hat, mit der
Saison und Reifezeit zusammen, wo für jede Spezies ein entsprechendes
Optimum wahrzunehmen ist, und ist ausserdem auch bei verschiedenen
x) XJ2 Blastomer bedeutet eine der Blastomerem im Zweizellenstadium der
Furchung, 1/4 Blastomer eine der Blastomeren im Vierzellenstadium, 2/s Blastomer
zwei zusammenhängende Blastomeren des achtteiligen Stadiums u. s. w.
26 VI. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien.
Spezies verschieden; so z. B. ist bei Sphaerechinus granularis der
Furchungszellenhaufen, auch bei Halbprodukten, von vornherein
kompakt und geschlossen. Allen Formen aber gemeinsam ist die
mit resp. nach Zusammenschluss erfolgende reguläre Weiterbildung.
Die verkleinerten Blastulae (Fig. 15) erhalten ihren Urdarm, und die
aus 7a un(l aus lU Material gezogenen gelangen auch noch zu einem
ganz normalen, nur entsprechend verkleinerten Pluteusstadium.
Analoge Resultate ergeben sich bei resp. trotz willkürlich ver-
ändertem Ablauf der Furchung. Ein solcher kann nach E. B.Wilson
z. B. durch vorübergehende Einwirkung von Äther auf die befruchteten
Eier erfolgen. Die dabei enstehenden Furchungsbilder sind von den
normalen ganz verschieden, brauchen nicht die reguläre Verteilung
in zwei Kränze (wie Fig. 22) zu zeigen, sondern können eine ganz
unregelmässige Zahl und Lagerung der Mikromeren aufweisen (Fig. 16),
und doch entstehen aus diesen irregulären Zellhaufen bei nachheriger
Übertragung in gewöhnliches Seewasser normale Larven.
Fi??. 16.
Fig. 16. Verlagerung der Furchungszellen durch Aethereinwirkung(nachE.B. Wilson).
Eine andere Methode, um die Furchungszellen schon von vorn-
herein in eine atypische gegenseitige Lagerung zu bringen, hat
Driesch angewandt, indem er die Furchung vom Ei ab unter
Druckwirkung vor sich gehen liess. Dies kann einfach auf dem
Objektträger unter dem Deckglas geschehen, das durch eine Borste
am völligen Aufliegen verhindert wird ; der Verdunstung muss durch
Einschluss der Präparate in eine feuchte Kammer (der mit Wasser-
dampf gesättigte Raum einer Glasglocke) während der Entwicklung
entgegengewirkt werden. Noch besser geschieht die Einwirkung des
Druckes in dem Ziegler 'sehen Durchströmungskompressorium, das
eine stete Zufuhr frischen Seewassers und Regulierung des Druckes
erlaubt. Durch den Druck kann man alsdann bewirken, dass die
A. Eier mit späterer und fakultativer Regulation. -_>7
Zellen sich vermöge der Einstellungsrichtimg ihrer Spindeln (s. p. 164)
so teilen, dass sie nicht in mehrere Kränze, sondern von vornherein
in eine Ehene zu liegen kommen. Das 8- und das 16 -Zellenstadium
repräsentiert dann eine Platte von Zellen, bei denen also »dasjenige,
was unten hin gehört, seitlich liegt, sowie ferner das, was zusammen
gehört, getrennt liegt«. Wenn man nun den Druck zeitig genug
wieder aufhebt, nämlich noch im 16 -Zellenstadium, so entwickeln
sich aus diesen 16 von der Normalentwickelung so verschieden ge-
lagerten Zellen dennoch normale Larven.
Fig. 17. Fig. 18.
Fig. 17 u. 18. Änderung der Lage der Furehungszellen durch Pressung (nach Drie seh)
im 4- und S-Zellen-Stadium ; Zellen in einer Ebene.
Diese prägnanten Resultate hat man natürlich zur Entscheidung
zwischen den eingangs erwähnten Entwicklungstheorien zu verwerten
versucht. Daraus dass man »die Konstituenten des gefurchten Keims
beliebig verlagern kann, ohne die Erzielung normaler Endprodukte
zu stören«, wird geschlossen, dass keine Verteilung der Fähigkeiten
auf verschiedene Zellen resp. deren Kerne stattfindet, sondern dass
die Furehungszellen zunächst gleichwertig sind; ebenso weist darauf
hin, dass eine Zelle von zweien oder vieren, unter die Bedingungen
als Ganzes gebracht, auch fähig ist, ein Ganzes zu liefern. Zur
Erklärung dieser Tatsachen muss die entgegengesetzte Ansicht, die
von der ungleichen Kern- und Qualitätenteilung, besondere Hilfs-
hypothesen von Reservefähigkeiten machen, die im Idioplasma ent-
halten sind und nur in besonderen Fällen zu Tage treten. Diese
Anschauung legt besonderes Gewicht auf die zuerst noch erkennbare
»Halbheit« der Produkte, sowie darauf, dass die Fähigkeit der Ganz-
bildung keine absolute ist.
Bis zu welcher Etappe der Teilung den einzelnen Furehungs-
zellen noch die Möglichkeit der Ganzbildung innewohnt, kann eben-
falls experimentell geprüft werden durch sorgfältige Aufzucht von
1/2 und J/4, x/8, 1/16, 1/32 Blastomeren, die auf eine möglichst schonende
Methode isoliert wurden, wie es Driesch mit kalkfreiem Seewasser
28 VI. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien.
gelang. Es ergab sich, dass kleinere Teilstücke wie lji Elastomere
es nicht mehr zur Pluteuslarve bringen konnten; die x/8 Blastomere
lieferten noch Gastrulae mit Darmgliederung und Andeutung von
Skelet, die 1j16 Blastomere noch in günstigen Fällen eine Gastrula,
aber ohne Darmteilung, die 1/32 Blastomere brachten es meist nur
zur Blastula, und noch kleinere Teilstücke vollführen nach der
Isolierung nur noch einige Zellteilungen aus, ehe sie eingehen.
Es fragt sich, ob diese Unterschiede der Entwickelungsfähigkeit
nur quantitativ begründet sind, indem die Produktion einer ganzen
Pluteuslarve nicht unter einer Minimalquantität von Plasma möglich
wäre, oder ob wirkliche Unterschiede vom vierzelligen Stadium ab
zwischen den Blastomeren (s. Fig. 21) eintreten, ohne dass man des-
wegen an eine qualitativ ungleiche Kernteilung zu denken brauchte.
Die Normalentwickelung, sowie verschiedene weitere Experimente
geben hierüber Aufschluss.
Das Seeigelei (Strongylocentrotus lividus) zeigt nach den neue-
sten Ermittelungen von Boveri von allem Anfang eine polare
Struktur, die auch äusserlich sich in einem Pigmentring an der
vegetativen Seite bemerkbar macht, der den Pol selbst freilässt
(Fig. 19). Im Vierzellenstadium, das durch zwei meridionale, also
den Axenverhältnissen entsprechende, Teilungen entsteht, sind alle
vier Zellen noch gleichmäfsig mit Plasma- und Pigmentverteilung
bedacht (Fig. 20); das Achtzellenstadium dagegen entsteht durch
eine Querfurche, so dass Pigment etc. fast ausschliesslich auf die
vegetative Seite entfallen (Fig. 21). Die vier animalen Zellen teilen
sich nun noch einmal meridionai, so dass ein Kranz von acht Zellen
entsteht, die vier vegetativen dagegen so, dass ein kleiner pigment-
loser polarer Teil zu einer besonderen Zelle wird (Fig. 22). Diese
vier Mikronieren kennzeichnen also im Gegensatz zur bisherigen
Ansicht den vegetativen Pol. Sie vermehren sich weiter und bilden
durch Einwanderung das Mesenchym (Fig. 24) ; die pigmentierten
Zellen liefern den Urdarm und seine Derivate, die animale Hälfte
den Ektoblast und seine Differenzierungen (Fig. 25).
Es ist danach verständlich, wie auch abgesehen von der Plasma-
menge durch die Plasma Verteilung eine Verschiedenheit der 1/s-
Blastomere, von der ^-Blastomere entsteht. So wenig wie an eine quali-
tativ verschiedene Kernteilung braucht dabei an eine dem Erwachsenen
entsprechende Mikrostruktur des Eies gedacht zu werden ; auch nicht
daran, dass die Plasmasubstanzen in den beiden Ei- resp. Furchungs-
hälften prinzipiell und absolut verschieden seien, sondern nur
A. Eier mit späterer und fakultativer Regulation.
29
Fig. 19.
Piff. 20.
Fig. 21.
Fiff. 22.
Fig. 23.
Fig. 24.
m
P
m
Fig. 25.
- in
ha
P
Fig. 19 — 25. Entwicklungsstadien des Strongylocentrotus lividus (nach Boveri), um
die vom Ei herrührende Polarität zu zeigen, die sich in der Lage des
Pigmentrings (p) ausspricht.
Fig. 19. Befruchtetes Ei.
Fig. 20. 4-Zellenstadium.
Fig. 21. 8-Zellenstadium (obere animale, untere vegetative Hälfte).
Fig. 22. 16-Zellenstadium mit den Mikromeren am vegetativen Pol.
Fig 23. Junge Blastula (in der Zellgrösse spricht sich die Polarität
nicht mehr aus, wohl aber im Pigmentring).
Fig. 24. Bildung des primären Mesenchyms m.
Fig. 25. Gastrula mit den Skeletanlagen ha und sekundärem Mesenchym.
30
VI. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien.
daran, dass von der einen Protoplasma- oder Deutoplasmaart mehr
in der einen, von der anderen mehr in der anderen Hälfte liegt.
Dass es kein prinzipieller, sondern nur ein gradueller Unterschied ist,
geht aus weiteren Isolierungs versuchen, die ebenfalls Driesch ange-
stellt hat, hervor.
Man muss sich fragen, ob bei den ^-Blastomoren, die es, wie
oben erwähnt, bis zur Gastrula mit Darmgliederung und Skelett-
andeutung bringen können, ein Unterschied hervortritt, je nachdem
solche der animalen oder vegetativen Hälfte zur Aufzucht verwandt
werden. Dies ist in der Tat der Fall. Bei den Produkten der vege-
tativen Hälfte herrscht eine viel grössere Sterblichkeit, die über-
lebenden aber gastrulieren fast sämtlich und zwar normal; die aus
den animalen Blastomeren gezogenen Blastula sind zwar langlebiger,
aber bringen es viel seltener zur Gastrula, bleiben auch öfters ohne
Fig. 26.
Fig. 27.
Fig. 26. Echinusgastrula. Aus einer animalen Zelle des Achterstadiums gezogen.
Mit nur 2gliederigem Darm, ohne Mesenchym. Lange Wimpern am einen
Pol (nach Driesch.)
Fig. 27. Gastrula aus Makromere des i/ie Stadiums gezogen mit Mesenchym und
Dreistrah lern.
Mesenchym ; meistens verbleiben sie als Blastula mit klaren Zellen und
langen Wimpern, ohne einen Urdarm auszubilden. Der Unterschied
ist sonach zwar kein absoluter, in dem sowohl die animalen wie die
vegetativen Achterblastomeren es bis zur Gastrula bringen können,
ist aber doch merklich vorhanden, indem die einen eine viel grössere
Neigung zur animalen Betätigung (Ausbildung langer Wimpern), die
anderen zur vegetativen (Gastrulation etc.) zeigen.
Die Ermittelung dieser Verhältnisse hat nicht in der geschilderten Reihenfolge,
zuerst Erforschung der Normalentwicklung, dann Experiment stattgefunden, sondern
umgekehrt; es ist dies ein gutes Beispiel dafür, wie die experimentelle Entwicklungs-
geschichte die Kenntnis der Normalentwickelung fördern kann. Es galt bis vor
A. Eier mit späterer und fakultativer Regulation. 31
kurzem als ausgemacht, dass die Mikromerenbiklung, gerade weil sich hier zahl-
reichere kleinere Zellen zuerst zeigten, den animalen Pol kennzeichnete. Dies war
war von Selenka beschrieben und in alle Lehrbücher mit Abbildungen über-
gegangen. Da es ohne Widerspruch geblieben war. so musste auch noch Driesch
dies annehmen und im Gegensatz zur obigen Darstellung beschreiben, dass die
animalen Zellen besser gastrulieren. die vegetativen vorwiegend nur Langwimper-
blastulae bilden. So verwunderlich dies ihm schien. Hess er sich doch bei der Zahl
und Genauigkeit seiner Experimente in seinem Befund nicht irre machen und sprach
die Ansicht aus. im Gegensatz zu Selenka 's herrschender Angabe, dass der Mikro-
merenpol der wahre vegetative, d. h. darmbildende sei. Dies ist dann von Boveri
in einer ausgezeichneten Untersuchung der Normalentwickelung bestätigt und weiter
ausgeführt worden.
Driesch hat damals aus seinen Versuchen geschlossen, dass
eine »gewisse Differenz des Eiplasmabaus in animal-vegetativer Rich-
tung besteht, welche der Sonderentwickelung einzelner
Elemente derselben Widerstände verschiedener Intensität entgegen-
setzt«. Boveri war geneigt eine durch die stoffliche Verteilung im
Ei begründete (s. u. p. 69) prinzipielle Verschiedenheit der animalen
und vegetativen Blastomeren anzunehmen; er hat hervorgehoben,
dass Zoja aus animalen Blastomerenhaufen von Strongylocentrotus
niemals Gastrulae erzielt habe, und Driesch aus einem einzelnen
animalen Blastomer nur höchst selten. Driesch hat darum seine
Versuche etwas abgeändert, indem er neuerdings ganze animale
Gruppen, im Achter- und Sechszehnerstadium zur Entwicklung
zu bringen suchte und damit ein günstigeres Resultat erzielte als mit
einzelnen: von 21 Fällen verblieben 15 Langwimperblastulae,
6 aber gastrulierten und 5 davon brachten es noch bis zum Pluteus.
Er schliesst also, dass der Unterschied zwischen animaler und vegetativer
Hälfte kein prinzipieller sein könne, sondern dass das Stehenbleiben
isolierter Einzelzellen auf früherem Stadium mehr auf allgemeinem
Zellmangel als auf ihrer exklusiv animalen Natur beruht. Er er-
kennt den Einfluss der stofflichen Verschiedenheit im Plasma an, be-
tont aber, dass diese unter normalen Umständen wohl »determinierend«,
aber nicht absolut »fixierend« auf das Schicksal der Zellen wirke.
Auch wirkliche Verlagerung ganzer Zellen und Zellgruppen
beweist einerseits eine grosse Vertauschungsfähigkeit, also eine grosse
Gleichwertigkeit der Konstituenten, andererseits aber doch eine gewisse
Einschränkung dieser Gleichmässigkeit in späteren Stadien. Frühere
Experimente von Driesch ergaben, dass man z. B. im Achtzellen-
stadium, das normaler Weise in zwei Ebenen zu je vier Zellen ge-
lagert ist (s. Fig. 21), durch Schütteln diesen Verband lockern und
32 VI. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien.
das Furch ungsbild wesentlich verändern kann; die auftretenden
kleinen Zellen am vegetativen Pol zeigten dann eine abweichende
Lagerung; das Endresultat war aber dennoch eine normale Larve.
In Rücksicht auf die Ergebnisse an Strongylocentros und
die dort erscheinende Bedeutung der »stofflichen Sonderheit« hat
Driesch diese Lockerungsversuche auf späteren Stadien bei Echinus
erneuert. Wenn im entsprechenden Stadium die vegetativen Achter-
zellen auseinander gedrängt wurden und in dieser anormalen Lage
verblieben, so ergaben sich Larven mit zwei Därmen und zwei
Skeleten, also partielle Doppelbildungen, ähnlich wie bei Amphioxus
und den Fischen (s. p. 50). Wenn der animale Teil sehr verzerrt
wurde, der entgegengesetzte Mikromerenpol aber zusammenblieb,
so entstand zwar zunächst eine sehr unregelmässige äussere Form,
aber doch eine Einheitsbildung des Darms und aller Teile und
schliesslich ein normaler Pluteus.
Es ergeben sich also bei den Echinodermen zwar keinerlei An-
zeichen für eine qualitativ ungleiche Verteilung des Kernmaterials
in den ersten Stadien der Entwickelung, aber doch Verschiedenheiten,
die weiterhin zwischen den Blastomeren nach und nach eintreten;
diese sind ohne eine solche Hypothese, lediglich aus der Verschieden-
heit der vom Ei übernommenen stofflichen Verteilung abzuleiten. Ob
das prinzipiell und für alle folgenden Phasen der Entwickelung giltig
ist, wird noch bei Experimenten an späteren Stadien zu erörtern sein.
Versuche an Amphibieneiern.
Die Experimente an Amphibien eiern lassen sich, weil bei
ihnen gewisse Verschiedenheiten in der Verteilung plasmatischer Sub-
stanzen eine augenfällige Rolle spielen, am besten hier anschliessen,
obschon sie, wenigstens die von Roux am Froschei, zeitlich voran-
gegangen sind. Bei letzterem war auch Gegenstand der Fragestellung,
ob durch die ersten Ebenen der Furchung bereits bestimmte Rich-
tungen des Embryo festgelegt werden. Die erste Ebene kann, wie
die Beobachtung des normalen zeigt, in den meisten Fällen mit der
Medianebene des zukünftigen Tieres zusammenfallen, so dass die
beiden ersten Blastomeren das Material für rechts und links dar-
stellen, m u s s es aber nicht. Diese Frage steht in engem Zusammen-
hang mit der Frage von der Wertigkeit der Blastomeren, ist aber
nicht mit ihr identisch, was zu manchen Missverständnissen Ver-
anlassung gegeben hat; denn auch bei Annahme einer Qualitäten-
verteilung würden bei einem symmetrischen Bau rechte und linke
A. Eier mit späterer und fakultativer Regulation.
33
Körperhälfte, also im obigeD Fall die beiden ersten Furchungskugelu
noch mit gleichen Qualitäten ausgestattet sein, und eine qualitative
Scheidung erst darnach eintreten, wenn vorn und hinten oder dorsal
und ventral festgelegt würde.
Roux hat eine Alleinentwickelung eines Blastomeren beim
Froschei dadurch herbeizuführen gesucht, dass er im zweizeiligen
Stadium eine der beiden Blastomeren mit einer heissen Nadel anstach,
tun sie durch diese Schädigung an der weiteren Entwickelung zu
hindern. Da es möglich ist, dass durch die Hitze hierbei auch die
andere Blastomere geschädigt wird, so wurde dieselbe Nadel, ohne
sie wieder zu erwärmen, zur Kontrole noch in mehrere andere Eier ge-
bohrt. In der Tat zeigten sich dreierlei Möglichkeiten des Experiment-
verlaufs: einmal konnten beide Blastomeren so verletzt sein, dass die
Entwickelung überhaupt unterblieb, ein anderes Mal, wie gewünscht.
Fig. 28.
Fig. 29.
x
— in
Fig. 28. Halbe Blastula am Frosch im Querschnitt, durch Anstechen einer Furchungs-
kugel des zweiteiligen Stadiums erhalten (nach Roux). f = Furchuugshöhle.
Fig. 29. Halbembryo auf gleiche Weise erzielt, in Kückeiiansicht. Vgl. Fig. 6.
in = Medullarwulst, x = geschädigte Hälfte.
nur eine, und in dritten Fällen konnte auch die angebohrte sich an
der Entwickelung wie die normale beteiligen. Hier kommt nur der
mittlere Fall in Betracht. Die allein gebliebene Blastomere entwickelte
sich ungestört weiter und zwar so, wie wenn die andere noch intakt
dabei läge, es kam zu einer halben Morula, einer halben Gastrula
etc. ; Bildungen, die stets einer medianen Hälfte entsprechen und
schliesslich auch zu einem halben Embryo (s. Fig. l,(.»), »Hemi-
embryo lateralis <. Solche Embryonen verbleiben aber, wie Roux
Maas, Einführung in die experimentelle Entwickelungsgeschiehte. 3
:;i
VI. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien.
selbst weiter beobachtet hat, nicht in ihrer Halbheit, sondern ergänzen
sich nach und nach aus verschiedenen Quellen, sowohl durch Ver-
wendung der »abgestorbenen« Eihäute wie durch Hinüberwachsen
der entwickelten Partie zu einem ganzen Tier. Dabei wird nach der
Roux 'sehen Auffassung gewissermafsen die fehlende Hälfte an die
schon vorhandene nachträglich angesetzt, ein Prozess, den Roux
»Postgeneration« benennt.
Ganz andere Deutungen nicht nur, sondern auch teilweise andere
Resultate ergaben sich am gleichen Material für 0. Hertwig. Er
hat ebenfalls eine der beiden ersten Blastomeren abzutöten gesucht,
sowohl mittelst der heissen Nadel als auch mittelst des galvanischen
Stroms. Nach dem Experiment zeigten seine Eier eine freiwillige
Drehung derart, dass die unverletzte Hälfte anstatt seitlich nach
Fig. 30.
Fisj. 31.
/'
//
,- m
Fig. 30 u. 31. Verkleinerte Ganzbiidungen, trotz Anstichs einer Furchungskugel
(nach 0. Hertwig). Das Ei hat sich so gedreht, dass die unverletzte
Furchun°;shälfte nach oben gelagert ist
Fig. 30. Auf dem Blastulastadium.
Fig. 31. Gastrulastadium (Sa?ittalschnitt).
f= Furchungshöhle, x = geschädigte Hälfte, u = Urmund.
oben zu liegen kam. O. Hertwig beobachtete niemals Halbbildungen,
sondern erhielt als Endresultat stets Embryonen, die zwar mitunter
untergeordnete Defekte aufwiesen, aber doch nur als Ganzembryonen
aufgefasst werden konnten. Die Prozesse, die diese Ganzbildung
bewirken, sind in seinen Augen kein nachträgliches Ansetzen der
fehlenden Körperhälfte, sondern von vornherein die der normalen Onto-
genese unter bedeutenden Materialumlagerungen und Regulationen.
A. Eier mit späterer und fakultativer Regulation. 35
Da bei der Beurteilung dieser Vorgänge die Zeitfolge eine
grosse Rolle spielt, der Entwickelungsgang in der unberührten und
die Ergänzungen in der geschädigten Hälfte aber nur auf Schnitt-
serien studiert werden können, so ist es klar, dass hier der Inter-
pretation ein grosser Spielraum geöffnet ist, und dass das, was als
»Postgeneration«, und das, was als »direkte Entwickelung mit Ura-
Laererung« anzusehen ist, sehr verschieden beurteilt werden kann.
Damit sind aber die Verschiedenheiten der Resultate selbst nicht
aufgeklärt; denn einerseits ist die Möglichkeit der Ganzbildung,
wie man auch immer den Prozess dabei benennen mag, erwiesen;
andererseits aber ist auch die Möglichkeit des Eintretens einer Halb-
bildung unzweifelhaft, und letztere ausser von Roux noch von
Barfurth, Walter und Endres beobachtet worden. 0. Hertwig
hat darum die Ansicht ausgesprochen, dass bei Roux u. A. der
Halbembryo deshalb zu Stande gekommen sei, weil auch die geschädigte
Hälfte noch vorhanden ist, und darum die überlebende wie im Verband
des Ganzen sich entwickelt, Wenn es gelänge, diese Halbheit aufzu-
heben, so müsste von vornherein eine Ganzbildung eintreten. Beim
Froschei ist aus mechanischen Gründen eine wirklich völlige Isolierung
der beiden Blastomeren nicht möglich, da sie auseinander gebracht
beide kollabieren. Auch 0. Hertwig musste darum die »getötete«
Hälfte am Ei belassen und es fragt sich daher aufs neue, warum
bei seinen Versuchen die Halbheit aufgehoben war. Die Drehung,
die er an seinen Eiern nach Eintritt des Versuchs beschreibt, sowie
weitere Experimente von anderer Seite geben hierzu einige Auf-
klärung.
0. Schultze hat Froscheier zwischen horizontalen Glasplatten
gepresst und nach der ersten Furchungsteilung umgedreht. Es
machte sich dann in beiden Furchungszellen das Bestreben geltend,
die Teilchen wieder in die normale, der Schwerkraft entsprechende
Lage zu bringen, also die pigmentierten Teile wieder nach oben,
die Dottermenge mehr nach unten. Nach kurzer Zeit waren so,
ähnlich wie bei den Versuchen von Wetzel, s. u. (Fig. 32) die
beiden Furchungszellen in ihrem Verband etwas auseinander gerückt,
was sich durch Scheidung der pigmentierten Partie in zwei Teile
ausspricht, zwischen die sich ein weisser Streifen Dottermasse trennend
hineinschiebt. Aus diesen Eiern gingen dann Doppelblastulae und
Gastrulae und sodann Zwillinosembrvonen von halber Grösse hervor
(Fig. 33). In dieser komplizierten und sinnreichen Versuchsanordnung
ist schliesslich nur eine Methode zur möglichst besten Isolierung der
.'!('> VI. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien.
Blastomeren zu sehen, wie sie auf andere Weise beim dotterreichen
Froschei nicht zustande zu bringen ist. Der eine Teil bildet für den
anderen gewissermafsen den heilenden Schluss einer nicht durchgreifend
gemachten Wunde; es besteht zwischen den beiden Teilen nur mehr
eine äusserliche Verbindung, so wie bei den Experimenten von Born
mit künstlich aufeinander gesetzten Stücken, die sich innerlich un-
abhängig von einander weiter entwickeln (s. p. 95). Ebenso sind hier
die Teilchen innerlich von einander getrennt, indem, wie Wetzel näher
beobachtet hat, eine Umordnung aus dem ursprünglich halbseitigen
Lageverhältnis in ein doppelseitiges eintritt (Fig. 32), und also nicht mehr
gleichartige Protoplasmapartien in beiden Blastomeren neben einander
Fig. 32. Fig. 33.
Fig. 3*2. Doppelblastula des Frosches. Schnitt durch ein komprimirtes und nach
Beginn der ersten Furche gedrehtes Ei (nach Wetzel).
Fig. 33. Doppelbildung (nach 0. Schultze) mit offenen Medullarwülsten.
liegen. Bei den Roux'schen Versuchen mit Halbembryonen ist also
wahrscheinlich die ursprüngliche Lagerung der Plasmateilchen im Ei
der beiden Blastomeren zu einander erhalten geblieben, während bei den
0 H er twig 'sehen mit Ganzbildung, wie die Drehung schon an-
deutet, eine Umordnung eingetreten ist, und sich dadurch das über-
lebende Blastomer als Ganzes von dem daneben liegenden zerstörten
abgeschlossen hat, Ahnliches beweisen Experimente von Morgan,
der nach Schädigung einer Blastomere eine Anzahl solcher Eier um-
gekehrt, die anderen zur Kontrole in der Lage belassen hat. Die
ersteren entwickelten sich dann zu einer ziemlich vollkommenen
Ganzbildung wie bei 0. Her twig, die letzteren dagegen zu Halb-
embryonen wie bei Roux; im letzteren Fall war die Anordnung der
Plasmateilchen die gleiche geblieben, wie im ungestörten Ei, im
ersteren Fall war durch die Schwerkraft eine Umordnung eingetreten,
A. Eier mit spätere]- und fakultativer Regulation. 37
so dass die gesunde Blastomere ihre innere Beziehung zu der ge
schädigten aufgegeben hatte.1)
Es geht aus allen diesen Versuchen hervor, abgesehen von der
Gleichwertigkeit der beiden Blastomeren, dass das Ei eine bestimmte
polare Anordnung der plasmatischen Substanzen besitzt, und dass
wenn Verschiedenheiten im Schicksal der Zellen eintreten, diese durch
verschiedene Verteilung und Einstellung der plasmatischen Substanzen
bewirkt werden.
Ronx ist nun in seinen Experimenten über das Zweizellenstadiuin
hinausgegangen, das doch schliesslich nur symmetrische, aber gleich-
wertige Hälften bietet, und hat auch nach der zweiten Furche, also
im Vierzellenstadium, Teilentwickelungen versucht, wo sich im Normal-
fall vordere und hintere Hälfte scheiden. Seine Ergebnisse hier sind
nicht so präzis und zahlreich ; einmal wurde nach Abtütung einer von
4 Blastomeren ein '■'' 4 Embryo erhalten, in andern Fällen aus 2 Blas-
tomeren von 4 ein Hemiembryo anterior; ein Hemiembryo posterior
aus den beiden andern Blastomeren gelangte nicht zur Beobachtung.
Roux schliesst immerhin aus seinen Befunden, dass eine qualitative
Scheidung des Materials während der Furchung stattfindet und dass
die Entwickelung von der zweiten Furche an »Mosaikarbeit« ist.
Dementgegen sin« 1 a ueh hier V e r 1 a g e r u n g s e x p e r i m ente
zu erwähnen, die O. Hertwig angestellt hat. Es wurden Froscheier
zu Beginn der Furchung durch Druck von Glasplatten dorsoventral
oder seitlich zusammengepresst und dadurch sehr verschiedenartige,
von der normalen Scheidung abweichende Bilder bis zu späteren
Stadien hervorgerufen. Wenn nun wirklich eine qualitative Scheidung
des Materials stattfände, und die Erbmasse sich auf verschiedene
Kerne verschieden verteilte, so müssten aus solchen Furchungsab-
normitäten auch ganz absonderlich zusammengestückte Embryonen
hervortreten. Dies ist aber durchaus nicht der Fall; vielmehr tritt,
wenn die Pressung zeitig wieder aufgehoben wird, eine ganz normale
Endbildung ein. Wenn also Verschiedenheiten in den Fähigkeiten
Vi Durch eine sinnreiche Variierung des S chultz e 'sehen Experiments hat
neuerdings Moszkowski trotz der Drehung in Zwangslage nach der Zwei- resp.
Vierteilung noch normale Einzellarven erzielt. Er liess die Entwickelung bei sehr
erniedrigter Temperatur vor sich gehen : dadurch werden die Teilungen sehr ver-
zögert, und es können sich in den Blastomeren die leichteren und schwereren Teile
dem normalen entsprechend anordnen, ehe weitere Furchen eintreten. So wird als-
dann ein normales Ganzes als Endprodukt erzielt (vergl. auch die Experimente über
die Schwerkraft p. 169).
38 VI. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien.
der einzelnen Zellen oder Zellcomplexe sich geltend machen, so
können dieselben nicht durch eine qualitativ ungleiche Scheidung,
spez. des Kernmaterials bedingt sein, sondern durch ungleiche Plasma-
verteilung erklärt werden. Diese ist schon vom Ei ab vorhanden,
und die einzelnen Zellen werden je nach dem Verlauf der Furchung
verschiedenartig bedacht. Im Zusammenhalt des Ganzen, der ja bei
den erwähnten Druckexperimenten erhalten bleibt, ist diese Ungleich-
heit der einzelnen Elemente ohne Bedeutung ; es zeigt sich dies auch
darin, dass die Normalentwickelung vielfach in Verlauf und Anord-
nung der Furchen variiren kann, wie besonders Kopsch durch
photographische Festlegung verschiedener Stadien bewiesen hat; ein-
zelne Zellen oder Zellenkomplexe aber werden sich verschieden
verhalten, je nachdem sie durch die Furchen verschiedenartig mit
Plasmasubstanzen ausgestattet sind.
Eine Bestätigung dieser Anschauungen und Ergänzung in mancher
Hinsicht bieten Experimente, die an Tritoneiem (Triton taeniatus)
von verschiedenen Forschern angestellt worden sind. Hier ist im
Gegensatz zum Froschei Isolirung von Blastomeren unter besonderen
Cautelen möglich. Dieselbe ist Endres dadurch gelungen, dass er
in der Richtung der ersten Furchungsebene eine feine Schlinge an-
brachte, diese allmählich zuschnürte und dann die letzte Substanz-
brücke, die beide Blastomeren verband, mit der heissen Nadel durch-
stach. Herlitzka hat die Durchschnürung ohne Schädigung dadurch
bewirkt, dass er eine Schlinge aus desinfiziertem Frauenhaar an einem
Apparat anbrachte, der eine allmähliche und gleichmässige Zuziehung
erlaubte. Man kann sich nach dem über die Plasmaverteilung beim
Froschei gesagten vorstellen, dass bei den Experimenten hier eine
Umordnung der plasmatischen Substanzen während des Schnürens
eintritt, derart, dass sich an der frei werdenden Fläche eine Art
Rindenplasma ausbildet, während das freigelegte Plasma ins Innere
tritt und so das Blastomer nach der inneren Anordnung ein isoliertes
Ganze wird (vergl. auch die Maas'schen Versuche an Medusen). Die
Produkte der Versuche von Herlitzka und Endres waren nicht
immer gleich. Eine Weiterentwickelung trat zwar stets an beiden
Teilprodukten ein. vielfach wurden auch beide Blastomeren zu nor-
malen Embryonen, in andern Fällen aber nur der eine, während die
andere Hälfte wenig über die Gastrulation hinaus kam.
Diese Unterschiede hat Spemann durch weitere besonders
sorgfältig angestellte Experimente aufzuklären gesucht. " Er hat
nicht nur in frühen Stadien, sondern auch noch bei der Blastula
A. Eier mit späterer und fakultativer Regulation. 39
•Gastrula etc. Durchschnürungen vorgenommen. Dazu ist es nötig, die
Schlinge bereits bei der ersten Furche sanft anzulegen, um sie erst
im späteren gewünschten Stadium zuzuziehen und eine vollkommene
Sonderung herbeizuführen. Auf diese Weise gewinnt die Ligatur
eine neue Bedeutung, sie wird zu einer Marke, die die
erste Furche so festlegt, dass sie noch am Xervenrohrstadium
und Embryo in ihrem Verhältnis zu den Achsen kontroliert werden
iann. Es hat sich in der Mehrzahl der Fälle gezeigt, dass beim
Piff. 34.
Fig. 34. Ei von Triton unter mittelstarker frontaler Schnürung (nach Spemann).
An der dorsalen Hälfte Urmundeinstülpung, an der ventralen Abgrenzung
des Dotterfeldes.
Triton die erste Furche nicht gleichwertige symmetrische Hälften
scheidet, sondern vorn und hinten trennt, indem die Längsaxe des
Embryo quer zur Ligatur fiel; in anderen Fällen allerdings lag
auch hier, wie beim Frosch, die erste Furche in der Symmetrieebene
des Embryo. Aus diesen Variationen der Normalentwickelung würden
sich die Unterschiede in den experimentellen Ergebnissen sehr einfach
erklären. Wenn der Ausgangspunkt des Versuchs wie im letzten Fall
gelagert war, also die Furchungszellen symmetrisch, gleichwertig
waren, so konnten aus beiden kleine (Tanzembryonen erzielt werden ;
wenn aber wie in den meisten Fällen der Normalentwickelung die
erste Furche eine ungleiche Scheidung vornimmt, so konnte nur ein
Teilstück zur Ganzbildung kommen ; das andere entwickelte sich zwar
auch weiter, gelangte aber, analog den Versuchen an Seeigeln mit
ungleichen Blastomeren, nicht bis zur gleichen Phase. Nach den
neuesten sehr eingehenden Ermittelungen Spemann s entspricht diese
•erste resp. . zweite Furche, durch welche wirklich ungleichwertiges
40
VI. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien.
IVIaterial gesondert wird, nicht der Scheidung in vorn und hinten,,
sondern in Rücken und Bauchhält'te. Das Resultat ist aber das ent-
sprechende, nämlich dass nur eine I lallte einen verkleinerten Ganz-
embryo hervorbringt, die andere dagegen eine Bildung mit merklichen
Defekten. Spemann schliesst darauf neuerdings auf eine ver-
schiedene Fälligkeit der beiden Blastomeren. Rieh. Hertwig
dagegen hält trotzdem beide Blastomeren für gleich potent und glaubt,
dass nur in der einen Hemmungen eintreten durch die Verhältnisse
des Nahrungsdotters, der in der unteren Hälfte sich im Vergleich
zum üblichen Zellmaterial reichlicher aufstaut.
Für. 35.
Fig. 36.
Fig. 35 u. 36. Halbembryomen von Triton nach Spemann aus , verschieden weitigen *
Furchungskugeln erhalten.
Fig. 35. Embryo von etwa halber Grösse und normalen Proportionen,
entstanden aus der dorsalen Keimhälfte.
Fig. 36. In mehrfacher Beziehung defekter Embryo, entstanden aus der
ventralen Keimhälfte.
Es kommt also für das Schicksal der einzelnen Elastomere,,
sowohl in der Normalentwickelung, als nach Isolation, wesentlich in
Betracht, in welcher Weise durch die Furchen das protoplasmatische
Material verteilt wird. Diese Verteilung ist morphologisch nicht immer
genau festgelegt und kann ohne das Endresu ltat zu stören sowohl
in der normalen Entwickelung erheblich variieren, als auch durch
Experiment (Druck s. o., Schwerkraft s. p. 167) erheblich abgeändert
A. Hier mit späterer und fakultativer Regulation. 41
werden. Schon daraus geht hervor, dass es sieh nicht um prinzi-
pielle qualitative Unterschiede zwischen den Furchungszellen handeln
kann. Wie man sieh die quantitativ verschiedene Verteilung ver-
schiedener Substanzen im Ei und in den Blastomeren vorzustellen
hat, das bildet den (legenstand vielfacher Diskussion und weiterer
Experimente, die noch an besonderer Stelle zu besprechen sind.
Als ganz allgemeines Ergebnis sämtlicher bisher erwähnter Ex-
perimente ist noch hervorzuheben, dass die Leistung, die die einzelne
Furchungszelle unter besonderen Umständen ausführen kann, durch-
aus nicht gleich zu setzen ist der Leistung in der ungestörten Ent-
wicklung, sondern letztere meist erheblich übertrifft. Man hat, nach
Driesch, um einen kurzen und treffenden Ausdruck zu haben, das
Schicksal einer Zelle in der Normalentwickelung als ihre «prospek-
tive Bedeutung , das alles aber, was unter besonderen Umständen
( Isolierung etc. ) aus ihr werden kann, als ihre «prospektive Potenz»
bezeichnet. Auch diese ist, wie die letzterwähnten Experimente be-
weisen, Einengungen unterworfen, die in gewisser Proportion zum
normalen Schicksal, zur prospektiven Bedeutung stehen. Diese Ver-
hältnisse sind in den einzelnen Tiergruppen verschieden; daher sind
vor ihrer Erörterung noch die Furchungsexperimente zu besprechen,
die in zahlreichen andern Tiergruppen angestellt worden sind.
42 VII. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
VII. Kapitel.
Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
B. Eier mit sofortiger und absoluter Regulation.
Experimente an Meduseneiern. Einstellung der Plasmasubstanzen. Experimente
an Amphioxus eiern. Allmähliche Einschränkung der Wertigkeit der Furchungs-
zelle. Experimente an K n o ch e n f i s c h e i e r n. Doppelbildungen bei meroblastischen
Eiern.
Versuche an Meduseneiern.
Die Eier der Medusen bieten für Isolierungsversuche günstige
Objekte, da sie schon im natürlichen Zustand eine gewisse Neigung
zum Auseinandergehen der Blastomeren und danach wieder eine grosse
Abrundungs- und Regulierfähigkeit zeigen. R. Zoja hat bei einer
Reihe von Medusenarten, deren Eier dazu gross genug waren, Ver-
suche der Durchtrennung mit einer scharfen lanzettförmigen Nadel
gemacht. Dadurch ist natürlich eine bessere Möglichkeit zur willkür-
lichen Erzielung von Teilstücken bestimmter Kleinheit, (',2, V4, Vs — Viu)
gegeben, als bei den Zufällen der Schüttelmethode. Aus grösseren
Teilstücken wurden von Zoja durchaus normale Larven erzielt, die
die Fähigkeit zum Ansetzen hatten. Die isolierten Blastomeren
rundeten sich sofort ab, auch die Furchungsstadien zeigten keine Halb-
heit oder Defekte, sondern einen allseitigen Zusammenschluss der
Zellen. Interessante Unterschiede ergaben sich in der Fähigkeit der
Weiterentwickelung zwischen grösseren und kleineren Teilstücken bei
verschiedenen Arten. Bei Clytia flavidula entstand aus 1/g, ^4» Vs U1K^
noch Vir, Blastomer eine Planulalarve, die sich ansetzte und zur
Hydroidbildung anschickte, bei Laodice cruciata gelangte noch
V16 Blastomer bis zum Larvenstadium, jedoch nicht zum Ansetzen,
dagegen brachte es das V8 Stadium noch bis zum Hydroiden. Bei
Mitrocoma annae gelangte nur das 1/8 und V4 Stadium bis zur
Larve; bei Liriope mucronata, einer Meduse, die keinen Hydroid-
polypen ausbildet, sondern direkt wieder zur Meduse wird, gelangte
das V4 Blastomer nur zum zweiblättrigen Stadium, das Va Material
bildete aber eine vollkommene, nur verkleinerte Meduse. Es besteht
also hier wie bei Echinodermen, eine Abnahme in der Fähigkeit der
■Ganzbildung, je nach der Grösse des Blastomers. Dass diese Abnahme
B. Eier mit sofortiger und absoluter Regulation. 43
bei verschiedenen Medusen- Arten verschieden und nicht an eine be-
stimmte Teilung gebunden ist, weist auch hier darauf hin. keinen
prinzipiellen Unterschied anzunehmen, sondern plasmatische Ver-
teilungen verantwortlich zu machen.
Darüber, wie über die Ursache der guten Regulierungsfähigkeit
hat Maas Versuche bei einer andern Meduse, Äegineta ftavescens, an-
gestellt, deren auffallend grosse Eier leichtes Manipulieren, be-
sonders Verlagerungen gestatten. Die bei Echinodermen und Am-
phibien erwähnten Versuche einer Uniordnung der Furchungsteilungen
in Folge von Pressung der Eier sind in ihrer Deutung nicht ganz
einwandfrei. Man könnte vom Standpunkt der qualitativ ungleichen
Kernteilung sich vorstellen, dass hier ebenfalls die Qualitäten zerlegt
werden, nur in einer anderen Folge und nach einem anderen Schema
wie in der Normalentwickelung, aber dennoch mit ähnlichem Resultat.
Das ist wohl eine künstliche Hilfsannahme, die aber doch nicht ganz
al »zuweisen ist: die Furchung geschieht ja hier von vornherein unter
Druck; von einer wirklichen Verlagerung »einer beliebige Vertauschung
der Furchungskugeln« kann nur dann die Rede sein, wenn bereits
gebildetes Blastomerenmaterial auseinander geschüttelt wird, und solche
Versuche haben ja auch bei Echinodermen keine einheitliche Ergebnisse
geliefert (s. p. 32). Bei den Furchungsstadien von Äegineta ist eine totale
Verlagerung leicht zu bewerkstelligen, indem man die Eier mehrmals
in eine weite Pipette herein saugt und mit einiger Kraft unter Wasser
wieder herausspült. Es lassen sich alsdann alle möglichen Abweich-
ungen von der normalen Lage hervorbringen, im extremen Fall
sogar eine Kette hintereinanderliegender Zellen, wie bei einer Faden-
alge (Fig. 37). Die Zellteilung schreitet aber ruhig weiter vorwärts,
und indem sieh kleinere Teilstücke um die grösseren herumlegen,
tritt allmählich Absonderung und Zusammenschluss ein l). Wenn die
einzelnen Kerne hier besondere Qualitäten enthielten, müsste aus
derartig wirklich durcheinandergeschütteltem Material gar nichts oder
eine Monstrebilduug hervorgehen ; statt dessen werden aber Medusen
mit Gallerte, Schirmrand und Tentakeln erzielt (Fig. 38), die kaum
irgendwelche Unregelmässigkeit erkennen lassen.
i) Dem von Driesch und Fischel gemachten Einwand gegenüber, dass mög-
licherweise da die Zellen in eine der natürlichen Lagerung ähnliche Position zurück-
kehren, möchte ich bemerken, dass die Experimente so zahlreich und die Verlagerungen
und nachfolgenden Teilungen so verschiedenartig sind, dass es nach aller Wahr-
scheinlichkeitsrechnung fast ausgeschlossen ist, dass auch nur in einigen Fällen
eine Normallagerung wieder hergestellt wurde.
44 VII. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
Fig. 37.
Fig. 38.
1 KA ( P
-
nw
ent
Fig. 37. Verlagerung der Blastomeren der Meduse Aegineta zu einer einzigen Zell-
reihe (nach Maas).
Fig. 38. Schnitt durch die daraus gezüchtete normale Meduse (nach Maas).
Fig. 39 u. 40.
Fi?. 41.
Fig. 39, 40, 41. Furchungsstadien der Meduse Aegineta, um die verschiedene Ein-
stellung des Exoplasmas, je nach freier Fläche und Berührungsfläche zu
zeigen. (Nach Maas.)
B. Eier mit .sofortiger und absoluter Regulation. 4ö
Bei diesen Umlagerungen machen sich an den ein/einen Blasto-
meren auch Veränderungen in der Verteilung der plasmatischen Sub-
stanzen geltend. Jedes Blastomer zeigt wie das Ei an seiner freien
Aussenfläche eine dicke Schicht von Rinden- oder Exoplasma, im
Innern dagegen ein Endoplasma von anderem chemischem und
optischem Verhalten,, das nur von einem feinen Exoplasmanetz durch-
zogen wird (Fig. 40); ebenso ist auch die Beschaffenheit der einem anderen
Blastomer zugekehrten Fläche. Wenn nun diese Flächenberührung
durch Verlagerung aufgehoben wird, so bekleidet sich die dadurch
entstehende freie Fläche sehr schnell mit einer ansehnlichen Schicht
von Rindenplasma; umgekehrt zieht sich dies, wenn wieder nach-
träglich ein Kontakt zweier Zellen eintritt, von der Grenzfläche zurück,
und das Endoplasma dringt wieder vor. Auch in der normalen Ent-
wickelung, wo die Zellen während ihrer Teilungen oft weit von
einander geraten, können solche Plasmaverschiebungen im Leiten wie
an fixiertem Material beobachtet werden (Fig. 40, 41 u. 42). Ähnliche
Vorgänge hat man sich jedenfalls auch beim Tritonei vorzustellen, wenn
infolge der Durchschnürung eine freie Fläche geschaffen wird, nur
dass da die Verteilungsänderung nicht so prompt eintritt; beim Froschei
tritt sie noch schwerer und nur unter besonderer Nachhilfe ein, in
anderen Fällen gar nicht, (s. p. 59).
Dieser schnellen Plasmaregulierung ist jedenfalls hier die Ab-
rundung der verlagerten Furchungsstadien zu danken; ebenso ist sie
bei Isolierungsversuchen wirksam. Maas hat seine Isolierungen derart
angestellt, dass er auf dem 4 teiligen Stadium die Blastomeren zu je
2 und 2, auf dem 8 teiligen zu je 4 und 4 mit der geschliffenen Nadel
von einander trennte. Im ersteren Fall resultierten stets Ganzbildungen.
im zweiten P^all hing dies davon ab, ob die beiden Teilhälften von
je 4 Blastomeren gleich gross waren. In der Normalentwickelung
variirt dies ; es kann die dritte Furche entweder das eine oder das
andere Bild liefern. Waren die 4 Blastomeren in beiden Kränzen
gleich, so resultierten nach der Zerschneidung aus beiden Hälften Ganz-
bildungen in einem überraschend guten Prozentsatz der Aufzucht;
waren aber 4 grosse und 4 kleine Blastomeren vorhanden, so waren
die Zuchtprodukte aus beiden verschieden. Aus den kleineren gingen
nur Zellplatten hervor, die nach einiger Zeit abstarben ; aus den
grösseren jedoch entstanden nach einer sehr unregelmässigen Weiter-
furchung Larven; allerdings in einem viel ungünstigeren Prozentsatz
der Zucht, wie oben.
46
711. Kapitel. Die Experimente an Furrliungsstadien. (Fortsetzung.)
Auch diese Unterschiede hängen jedenfalls mit Unterschieden in
der Plasmaverteilung zusammen. Die kleinereu Zellen, die zudem
noch kugelig abgerundet sind, enthalten zu wenig Endoplasma im
Verhältnis zu ihrer Oberfläche und zum Gesamtvolumen, um die
Entodermbildung auszuführen ; die grossen enthalten im Verhältnis
etwas zu viel, daher wird die Teilung unregelmässig und es bleiben
oft und lange im Inneren grosse deutoplasmahaltige Stücke zurück ;
manche gehen zu Grunde, aber die Entwickelung ist immerhin möglich.
Der Fall hier bietet Analogien zu dem Unterschied der Entwickelungs-
fähigkeit der ljs Stücke bei Echinodermen, je nachdem diese aus der ani-
malen oder vegetativen Hälfte stammen (s. p. 30). Hier können die Hälften
nicht als animale und vegetative bezeichnet werden, und der Unter-
schied ist kein prinzipieller, sondern ein quantitativer, was vielleicht
auch für die Verhältnisse bei Echinodermen einen Hinweis gibt,
Versuche au Amphioxuseiern.
Die Eier von Amphioxus zeigen ähnliche weitgehende Fähigkeiten
der einzelnen Blastomeren ; die Experimente haben aber ihre besondere
Bedeutung dadurch, dass der normale Furchungsmodus hier nicht
variiert, sondern ein ganz bestimmtes und genau bekanntes Bild liefert,
sodass von vornherein schon in den ersten Stadien der Furchung
gesagt werden kann, ob sich ein isoliertes Stück wie ein Ganzes ver-
hält oder als ob es im Verband geblieben wäre. Die Normalfurchung
wie der Experimentverlauf ist von E. B. Wilson beobachtet worden.
Fig. 42.
a
Fig. 42. Gastrulae am Amphioxus, aus dem ganzen Ei und aus der J/2, 1U nnd Vs
Blastomere gezüchtet (nach Wilson).
Die isolierten 1j2 Blastomere furchen sich sofort so weiter, wie
es ein ganzes Ei tut und zeigen keine Andeutung einer Halbbildung.
Sie entwickelten sich zu kleinen Larven, die, abgesehen von kleinen
Unregelmässigkeiten am Schwanzende, vollkommen normal waren.
B. Eier mit sofortiger und absoluter Regulation.
47
Die l/4 Blastomeren variieren etwas in ihrer Furchimg, die Mehrzahl
furcht sich ebenfalls noch wie ein Ganzes, andere aber zeigen Teil-
furchung, um sich erst später abzuschliessen und zu regulieren. Sir
gelangten dann noch über das Gastrulastadium hinaus, aber nur in
einem Fall bis zur Larve. Wenn die beiden ersten Furchungszellen
nicht völlig getrennt, sondern nur etwas verlagert werden, so entstehen
Furchungsbilder am einzelnen Blastomer, die zwischen Ganzbildung
und Teilfurchung in der Mitte stehen und schliesslich entwickeln sich
Doppelbildungen, die teilweise zusammen hängen. Die Orientierung
der Zwillinge hing von der Lage ab, die die auseinandergedrängten
Blastomeren eingenommen hatten. Wir haben somit eine unvoll-
kommene Isolierung, ähnlich wie bei den Amphibienversuchen von
Wetzel und Schultz e vor uns und ebenfalls einen Abschluss durch
andere plasmatische Substanz. In solcher schneller und regulierender
Abschliessung ist auch jedenfalls der Grund zu suchen, warum hier
von vornherein die Furchung der isolierten Stücke wie ein verkleinertes
Ganzbild darstellt.
Fig. 43.
Fig. 44.
Fig. 45.
Fig. 43. Verlagerung der Blastomeren des Amphioxus (nach Wilson). In diesem
16er Stadium sind zwei Hälften, jede aus 8 Zellen im annähernden Bilde
einer Ganzf'urchung zu sehen.
Fig 44 u. 45. Aus solchen Verlagerungen hervorgegangene Doppelgastrulae (nach
Wilson).
Noch kleinere Teilstücke, ';s Blastomeren, zeigten sehr verschiedene
Furchungsbilder, aber immer der Teilfurchung zuneigend. Das Resultat
variierte von einer Zellplatte bis zu einer Blastula. ein Gastrulastadium
kam Wilson dabei nie zu Gesicht, soll jedoch von Driesch noch
mitunter erzielt worden sein. Die Vie Stücke bildeten meist nur ge-
krümmte Zellplatten, seltener mehr geschlossene Blastulae.
Es ist bemerkenswert, dass hier trotz so grossen Regulierungs-
Vermögens eine so rasche Abnahme der Entwickelungsfähigkeit,
besonders vom l/4 bis zum 7s Blastom erenstadium eintritt. Dies kann
verschieden gedeutet werden, je nachdem man der einen oder anderen
48 VII. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
Entwickelungstheorie zuneigt. Der Unterschied, der während der Fur-
chung hervortritt, konnte hierein prinzipieller sein, nach Weismann 's
Anschauungen, indem die 2, resp. 4 ersten Blastomeren noch gleich-
wertig sind, dann aber eine Scheidung der Fähigkeiten (Idioplasmen),
also Selbstdifferenzierung einträte. Wilson selbst hat sich dahin
ausgesprochen, dass die Furchung in späteren Stadien den Charakter
einer Mosaikarbeit annehme, also jedes Teilstückchen seine Be-
stimmung in sich trage. »In frühen Stadien mag die morphologische
Bedeutung einer Zelle durch ihre Lage bestimmt sein, in späteren
Stadien trifft dies weniger zu, und am Ende kann die Zelle mehr
oder minder völlig unabhängig von ihrer Lage werden, indem ihre
Substanz sich endgiltig und dauernd geändert hat.« Schon aus diesen
Worten geht hervor, dass auch Wilson dabei keine prinzipielle
Scheidung der Kernqualitäten im Sinn von Weismann im Auge gehabt
hat, sondern eine Determinierung der Zelle durch die Einwirkungen des
Entwickelungsganges selbst auf die schon vom Ei an vorhandenen
Eigenschaften. Er betont auch, dass die Abweichungen von der Normal-
furchung, welche 1/2 — ^/16 Blastomeren bei der Einzelentwickelung
zeigen, schrittweise zunehmen, fast proportional dem Alter (resp.
der Kleinheit) der Ausgangsform. Es ist somit anzunehmen, dass
auch die Unterschiede in der Entwickelungsf ähigkeit keine prin-
zipiellen sind, sondern graduelle, die durch verschiedene Plasmaver-
teilung genügend erklärt werden können. Dass sich die 1/8 Blasto-
meren in den Experimenten von Wilson und Driesch etwas ver
schieden verhalten, rührt vielleicht daher, dass sie von verschiedenen
Teilhälften stammen, die in dieser Hinsicht, ähnlich wie bei Echino-
dermen und Medusen erläutert, verschieden bedacht worden sind.
Auch hat Driesch an dem Achtzellenstadium von Am/phioxus noch
eine Verlagerung der Zellen in eine Ebene ausführen können, ohne
dadurch die Bildung normaler Larven zu stören. Wilson hat auch
zuerst darauf hingewiesen, dass die Teilung, nach welcher ein solcher
Unterschied in der Entwickelungsfähigkeit der Blastomeren eintrete,
bei verschiedenen Tiergruppen früher oder später stattfindet; schon
dadurch also ist ein Hinweis gegeben, keinen plötzlichen prinzipiellen
Unterschied anzunehmen.
Versuche an Eiern von Fischen.
Die Experimente, die an Eiern der Teleostier, spez. an Fundulus
heteroclitus, von Morgan gemacht wurden, zeigen ebenfalls eine grosse
Regulierungsfähigkeit und Ersatzmöglichkeit der Einzelzellen. Sie sind
B. Eier mit sofortiger und absoluter Regulation. I'.i
darum besonders zu erwähnen, weil es sich um meroblastische Eier
handelt, also solche, bei denen durch die grosse Menge des Dotter-
plasmas sich dieses vollständig von dem sich furchenden Keim scheidet,
der wie eine Kappe darüber Heul. Die heisse Nadel schädigt hier,
wohl wegen der Dünne der Plasrnaschicht, beide Anfangsblastomeren ;
man kann aber hier auch durch blosses Anstechen und nachfolgenden
Druck das Protoplasma zum Ausspritzen bringen und dadurch eine
Elastomere isolieren. Deren Grenzfläche nach dem verschwundenen
Blastomer zu rundet sich dann sofort ab, und die Furchungsteilungen
gehen an dem Teilstück von vornherein vor sich an einem Ganzen;
auch wird ein normaler, nur etwas kleinerer Embryo daraus geliefert.
Die durch das Experiment übrig gebliebene Elastomere hat die Auf-
gabe, den ganzen Dotter zu umwachsen, was ihr auch gelingt; der
•entstehende Embryo ist dadurch auch bedeutend grösser wie ' ., normal.
Fig. 46.
Furchung eines Fundultts nach Abtötung einer Blastomere des 2 - Zellenstadiums.
Im 8-Zellenstadium begriffen nach sofortiger Abrundung (nach Morgan).
Dies beweist die Abhängigkeit der Grösse von der Gesamtmenge des
Plasmas, nicht nur des gefurchten Materials. Gewöhnlich scheidet die
■erste Furche zwei gleich grosse Hälften; diese sind aber, wie Morgan
durch Markierungsversuche gezeigt hat, durchaus nicht immer den
beiden symmetrischen Hälften des Embryo entsprechend. Für das
Resultat der Halbentwickelung ist diese verschiedene prospektive
Bedeutung der Teilstücke in der Normalentwickelung ohne Einfluss,
anders also wie bei Amphibien (s. p. 40) von Spemann angenommen
wurde; auch kann, wenn die erste Furche ungleich grosse Blasto-
meren geliefert hat, das Experiment mit dem gleichen Endresultat
gemacht, und aus der grösseren sowohl wie der kleineren ein ganzer
normaler Embryo erzielt werden, ebenso nach Zerstörung von 3 der
4 ersten Blastomeren. Ferner können, auch wenn die Furchung
weiter vorgeschritten ist, einzelne Teilstücke in der geschilderten Weise
Maas, Einführung in die experimentelle Entwickelungsgeschichte. 4
50
VII. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
durch Ausfliessen entfernt, also gewissermassen Stückchen des Mosaik-
bildes entfernt werden (vergl. hierzu das ßild der Furchung eines
anderen Fisches, Fig. 47). Es tritt sehr bald ein Zusammenschluss
der Zellen ein und der entstehende Embryo zeigt keinerlei Miss-
Fig. 47.
Fig, 47. Furchung von Betone acus (nach Kopsch).
bildung. Auch sonst können mit diesen Eiern in frühen wie späteren
Stadien sehr beträchtliche Form- und Materialveränderungen vor-
genommen werden, ohne den Ablauf der Entwickelung zu stören^
Einiges daran, wüe die Dotterentnahme am ungeteilten Ei wird noch
in anderem Zusammenhang zu besprechen sein.
Es sind mehrfach Doppelbildungen an meroblastischen Eiern,
sowohl in der Natur, als nach Experimenten beobachtet worden, bei
Forelle, Eidechse, Vögel etc. Dieselben finden zum Teil ihre Erklärung
wohl darin, dass sich das Material zweier Blastomeren, resp. Hälften
gegeneinander verschoben und durch Plasmaveränderungen wie in
den oben erwähnten Fällen experimenteller Erzeugung abgegrenzt hat.
Dadurch ist dann eine unvollkommene Isolierung (s. p. 36) eingetreten,
und jedes der isolierten Stücke versucht eine Ganzbildung.
B. Eier mit sofortiger und absoluter Regulation. .">]
Bei Leuciscus hat Bataillon gelegentlieh von Versuchen über
den osmotischen Druck (s. p. 172) solche Doppelbildungen und über-
haupt monströse Mehrfachbildungen erhalten, wenn er die Eier in
Salz- oder Zuckerlösung von bestimmter Konzentration brachte und
dann zur Weiterentwickelung in gewöhnliches Wasser übertrug. Es
hatte sich dabei offenbar auf frühem Stadium der Verband der
Blastomeren gelockert, und nachher wurden die einzelnen Partien als
verkleinerte Ganzbildungen entwickelt, jedoch zusammengehalten
durch den gemeinsamen Dotter. Es geht dies auch daraus hervor,
dass er bei einem holoblastischen Fischei, wo also die Furchung
völlig die Kugeln trennt, bei Petromyzon planeri, mittelst der gleichen
Methode zwei völlig getrennte Embryonen erhielt. Solche »Blasto-
tomie«, wie es Bataillon nennt, konnte auch mitunter freiwillig zu
Stande kommen, und die Entwickelung der Zwillingslarven von der
ersten Furche bis zum Ausschlüpfen verfolgt werden. Für die Frage
von der Gleichartigkeit des Eibaus (s. p. 65) ist dies natürlich von
besonderer Bedeutung.
Dass Mehrfachbildungen an solchen meroblastischen Eiern auch
noch auf andere Weise und auf späteren Stadien zu Stande kommen,
geht auch aus den Versuchen von Kopsch hervor (s. p. 94); immer
aber ist das gleiche Prinzip zu konstatieren, dass ein Teil, aus seiner
Lagebeziehung als Teil gebracht, sich vermöge seiner Fähigkeiten,
entsprechend der neuen Situation, als ein Ganzes entwickelt.
52 VI J 1 . Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
VIII. Kapitel.
Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
C. Eier mit beschränkter und unbestimmter Regulation und Eier
ohne Regulation.
Experimente an A sei dien eiern. Verlagerung und Isolierung der Blastomeren bei
C t e n o p h o r e n e i e r n. Die Plasmaverteilung und deren Starrheit. Die determinierte
Normalfurchung bei Anneliden und Mollusken. Experimente an Mollusken- und
Annelideneiern.
V e r s u c h e an Ascidieneie r n.
Bei den Aseidien werden schon während der normalen Furchung
ganz bestimmte Teile des Tieres festgelegt; die erste Furche entspricht
der späteren Medianebene, die zweite, die 2 grössere von 2 kleineren
Blastomeren trennt, scheidet vordere und hintere Körperhälfte. Da
sich hier sehr frühzeitig eine charakteristische Larve mit Sinnes-
organen, Schwanz und stützender Chorda ausbildet (Fig. 51), so lag es
nahe, experimentell zu prüfen, ob diese Mosaik der Furchung auch
einer Mosaikverteilung der Fähigkeiten entspräche, oder mit anderen
Worten, ob die Zellen gleichwertig seien und ihr Anteil am Bau des
Körpers durch ihre Lage bestimmt werde, oder ob sie ihr Schicksal,
für alle Fälle bestimmt, in sich tragen. Die bereits früh von Chabry
ausgeführten Experimente schienen der letzteren Ansicht im Sinne
Weismanns Hecht zu geben. Es gelang ihm durch Anstechen
eine Blastomere von zweien abzutöten und daraus nach unvollkommener
Furchung und Gastrulation defekte Larven zu erzielen, die er gerade-
zu als Halbindiyiduen bezeichnet. Diese »Halblarven« verbleiben
innerhall) der Hülle, besitzen eine einreihige, aus wenigen Zellen
zusammengesetzte Chorda, nur eine (von zwei symmetrischen) Cloaken-
öffnungen und eine von drei Haftpapillen ; ferner fehlt von den Sinnes-
organen bald der Otolith und bald das Auge (oc), was auf den Ausfall
des hierzu bestimmten Blastomerenmaterials zurückgeführt wird.
Driesch und später Cr am p ton haben ebenfalls Isolierungen an-
gestellt, aber eine andere Auslegung gegeben. Schon die Furchung ist
nach ihnen keine Halbfurchung, sondern zeigt eine gewisse Regulierung.
Von der eines ganzen Eies mit seinem regelmässigen Teilungsverlauf ist
sie zwar sehr verschieden, aber doch tritt früh ein Zusammenschluss zu
einem »regellos soliden« Typus ein. Die Gastrula ist danach ebenfalls
C. Eier mit beschränkter und unbestimmter Regulation.
53
keine Halbbildung, sondern zeigt einen kreisrunden Blastoporus mit all
mählichem Schluss. Die erste Chordaanlage ist. worauf Driesch
besondere Aufmerksamkeil gelegt hat, mehrschichtig, wie in der
normalen Larve; erst später wird ein nur einreihiger Zellstrang
daraus, was aber auch in der Normalentwickelung der Fall ist, nur
dass hier die Anzahl der ihn zusammensetzenden Zellen entsprechend
geringer ist. Den kleinen Larven fehlen die Haftpapillen entweder
Piff. 48.
Fig. 49.
Fi s. 50.
- ch
St
d
Fig. 51.
oc
Fig. 48. Ascidien - Furchung ; Abtötung einer Blastomere des zweiteiligen Stadiums
mach Chabry).
Fig. 49. Daraus hervorgehende Gastrula, an der zerstörten Eihälfte ansitzend.
Fig. 50. Daraus gezüchtete defekte Ascidienlarve (nach Chabry). ch = Chorda,
d = Darm, st = Stirnpapille, n = Nervenrohr.
Fig 51. Normale Larve zum Vergleich damit.
ganz oder sind nur in Ein- oder Zweizahl vorhanden, der Otolith fehlt
häufig ganz, der Augenfleck ist meistens ausgebildet, wenn auch nicht
so vollkommen wie beim normalen. Driesch hat danach seine
Larven, wie bei Echinodermen, als Ganzbildungen von halber Grösse
gedeutet, denen nur gewisse Organe von minderer Bedeutung fehlen.
Diese Defekte sind nicht durch das Ausbleiben bestimmt qualifizierter
54 VIII. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
Blastomeren im Sinn der qualitativ gleichen Kernteilung zu deuten;
sie können auch hervorgerufen werden, wenn man das ungefurchte
Ei durch Verunreinigung des Wassers oder grelle Belichtung schädigt
und dann zur Weiterentwickelung bringt; sie beruhen demnach auf
plasmatischer Grundlage.
Man wird aber die Eier der Ascidien bezüglich ihrer Fähigkeiten
nicht ohne Weiteres mit denen der Echinodermen zusammenstellen
dürfen. In den ersten Stadien gehen sie bezüglich ihrer Regulierung
darüber hinaus und zeigen, wenn auch keine ganz normale, so doch
keine Defektfurchung und Halbgastrulae, wie die Echinodermen ; später
bleiben sie umgekehrt in ihrem Ausgleichsvermögen weit hinter den
Echinodermeneiern zurück und zeigen zahlreiche Defekte, während
bei Echinodermen trotz Halbfurchung etc. ein ganz normaler Fluteus
mit seiner komplizierten Wimperschnur und all seinen Kalkstäben ent-
steht. Auch wenn die Defekte nicht durch die Mosaiktheorie erklärt
werden dürfen, so sind sie als typisch wiederkehrend doch sicherlich
nicht so bedeutungslos, dass man den Ascidienkeini in allen seinen
Teilen als gleichwertig, »aequipotentiell« bezeichnen dürfte. Hier
müssen jedenfalls noch weitere Experimente angestellt werden, sowohl
an Ascidien selbst, wie an anderen Tiergruppen, die sich bezüglich der
Furchung ähnlich verhalten.
Versuche an Ctenophoreneiern.
Bei den Ctenophoren nimmt die Normalfurchung ebenfalls einen
sehr genau gerichteten Verlauf, indem von allem Anfang bestimmte
Körperebenen und Quadranten festgelegt werden. Die ersten beiden
Furchen schneiden das Ei meridional; die dadurch entstehenden 4
Blastomeren entsprechen den späteren 4 Quadranten des Körpers;
die dritte Furche verläuft ebenfalls meridional, schneidet aber 4 etwas
kleinere und höher gelagerte Blastomeren von den 4 grösseren ab.
Diese 4 kleineren sind in einer Ebene einander paarweise genähert,
in der anderen paarweise durch die grösseren entfernt, so dass hier-
durch die doppelte oder 2 strahlige Symmetrie des Ctenophorenkörpers
bereits angedeutet ist.
Alle S Blastomeren unterscheiden sich mehr durch Lagerung
als durch Volumen und können als Makromeren bezeichnet werden.
Dann aber scheiden sich am Pol durch Querteilung 8 viel kleinere
Mikromeren ab, die eine den Makromeren entsprechende Verteilung
zeigen (Fig. 55). Die Zahl der Mikromeren wird dann sowohl durch
C. Eier mit beschränkter und unbestimmter Regulation. 55
Selbstteilung wie durch weitere Abschnürung aus Makromeren ver-
mehrt. Schon bei der Normalfurch ung muss der geringe Zusammen-
schluss der Blastomeren, die grosse Formselbstständigkeit und Ab-
rundung, die das einzelne Teilstück zeigt, auffallen.
Die Isolierungsversuche, die hier gelegentlich von Chunan Bolina
angestellt worden waren und zu Halbbildungen geführt hatten (s. p. 24),
stehen in ihrem Resultat im Gegensatz zu den (Tanzbildungen bei
Echinodermen und anderen < Mrjekten. Sie wurden deshalb an Beroe ovata
von Driesch und Morgan wiederholt, nicht mit der Schüttelmethode,
sondern indem die Eier mittelst feiner Scheren samt der Hülle in
günstigen Stadien zerschnitten wurden. Es zeigte sich dann während
der Furchung eine ausgesprochene Halbheit, es entstanden nur vier
Mikromeren, die auch bei weiterer Vermehrung eine Halbanordnung
noch beibehielten ; erst später trat eine allseitige Umwachsung der
Makromeren ein, die ebenfalls noch länger ihre Halbanordnimg zeigten.
Das Resultat war eine Larve, die anstatt 8 Wimperplatten nur deren
4 besass, bei der jedoch der Magen nicht halb war. sondern ein ge-
schlossenes Rohr bildete und anstatt der normalen 4 Entodermsäcke
deren 2 und einen kleinen unsymmetrischen zeigte.
Besonders sorgfältige Experimente sind durch Fischel angestellt
worden ; es gelang ihm durch Pinzette und Messer die Isolierung und
sodann auch die Aufzucht isolierter Stücke innerhalb der unver-
letzten Ei hülle; event. konnte sogar die Eihülle selbst an bestimmter
Stelle als isolierende Falte zwischen die Teilstücke geschoben werden.
Es wurden nicht nur auf dem 2-, sondern auf dem 4-, 8- und
16 teiligen Stadium Isolierungen vorgenommen (Fig. 52) und zwar
sowohl in gleich grosse wie in ungleiche Stücke, z. B. 3/8, 2/8, lj8 etc.
Blastomeren. Es konnten so innerhalb einer Eihülle 2, 3 und 4 Lärvchen
zur Entwicklung kommen ; alle aber waren in bezug auf die Ausbildung
der Wimperrippen nur Teilbildungen, und die Zahl der Rippen an allen
Lärvchen zusammen betrug nie mehr wie 8, also die Normalzahl des
einzelnen unverletzten Tieres. In einem Fall z. B. konnten ein Lärvchen
mit vier, eines mit drei und eines mit einer Rippe (Fig. 54), im anderen
Fall zwei mit drei Rippen, eine mit zwei, in wieder anderen Fällen
zwei von je vier Rippen (Fig. 53), oder vier von je zwei Rippen inner-
halb einer Eihülle zur Aufzucht kommen. Bei genauer Verfolgung
des Einzelstückes ist zu konstatieren, dass ' ., Blastomer eine Larve
mit vier, ein ^4 eine Larve mit zwei Rippen und ' 8 eine Larve mit
einer Rippe bildet, Einzelne l/lö Blastomeren konnten nicht gezüchtet
werden, weder von der grossen noch von der kleinen Zellenhälfte; wenn
56 VIII. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
man aber auf diesem Stadium Teilungen so vornimmt, dass immer Makro-
meren und Mikromeren zusammen bleiben, so ergiebt sich immer eine
Larve mit entsprechender Rippenzahl je nach der Anzahl <ler ver-
wendeten Makro- und Mikromeren. Dass die Larve kein halbes,
Fiar. 52.
Fig. 53.
Fig. 52. Auseinanderdrängung des Blastomerenmaterials der Ctenophore Beroe ovata
(nach Fisch el). innerhalb der Eihülle
Fig. 53. Die daraus hervorgehenden Larven, jede mit Dann und Sinnespol, aber nur
je 4 Rippen (nach Fischel).
sondern ein allseitig geschlossenes Magenrohr besitzt, giebt Fischel
zu, betont aber mit Recht dessen Assymmetrie ; die nach der Iso-
lierungsseite zugekehrte Wand bleibt in Dicke wie histologischer Aus-
prägung sehr hinter der normalen zurück und stellt kaum mehr vor
C. Eier mir beschränkter \\\x\ unbestimmter Regulation.
57
als ein verschliessendes Narbengewebe. Dass noch etwas mehr wie
die Hälfte der Entodermtaschen vorhanden ist. kann nach Fischel
rein mechanisch durch andersartige Einstülpung des gleichen Materials
aufgefasst werden, nicht als ein Beweis der gegenseitigen Vertret-
barkeit der entodermalen Zellen. Von F i s c h e 1 und A. wurden daher
diese Versuche als ein Beweis einer durch die Furchung gegebenen
fortschreitenden Spezifikation im Sinne der Mosaiktheorie aufgefasst.
Auch die Anhänger der entgegengesetzten Theorie können liier nicht
von einer »Ganzbildung mit nur untergeordneten Defekten« reden,
Fig. 54,
Fig. 54. Drei aus einem Ei hervorgegangene Larven, die eine mit 4-. die andere
mit 3, die dritte mit 1 Rippe (nach Fischel).
sondern erkennen, wenigstens in den ectodermalen Organen, spez.
den Rippen die ausgesprochene Halbbildung an. Sie erklären die-
selbe aber auf Grund plasmatischer Verschiedenheiten, etwa so dass
schon vom Ei das für die Ausbildung der Rippen besonders not-
wendige Plasma lokalisiert sei und entsprechend gelagert auch auf
die einzelnen vier resp. acht Blastomeren übergehe.
Laut Fischel's Anschauung enthalten dann die von den acht
Makromeren stammenden Mikromeren das Material für die Rippen-
elemente ganz allein und bringen es ganz seihständig, unabhängig
von Ort und Nachbarschaf t zurEntwickelung, als selbständig arbeitende
Mosaikteilchen. Er hat hierzu Verlagerungsversuche angestellt. Im
16 zelligen Stadium wurden die 8 Mikromeren aus ihrer normalen
,")S VIII. Kapitel. Die Experimente an Furchinigsstadien. (Fortsetzung.)
Lage (Fig. 55) heraus auf zwei verschiedene Seiten des Eies ver-
schoben (Fig. 56), und es ergab sich eine Larve, die eine der Ver-
schiebung der Mikromeren ganz analoge Verteilung ihrer Rippen auf-
wies: anstatt in einem Pol liefen die acht Rippen in zwei verschiedene
Sinnespole zu je vier Rippen zusammen (Fig. 57). Auch bei Ver-
lagerung einzelner Mikromeren zeigen sich entsprechende Verschie-
bungen einer Rippe. Wenn man Verschiebungen vornimmt, nachdem
bereits die Mikromeren zahlreicher geworden sind, verlagert man
nicht das Anlagematerial einer ganzen Rippe, sondern nur das einzelner
Elemente. Infolgedessen treten keine Verlagerungen ganzer Rippen
(ausser wenn grosse Gruppen von Mikromeren verschoben wurden) ein,
wohl aber Unregelmässigkeiten an der einzelnen Rippe, Zickzack-
verlauf und andere Unordentlichkeiten.
Fi?. 55.
Fi?. 56.
P
Fig.
P
Fig. 55. Normales lßzelliges Furchungsstadium.
Fig. 56. Dasselbe nach Vorlagerung der Mikromeren (ml) (nach Fischöl).
Fig. 57. Daraus hervorgehende Doppelbildung mit einem Darm und zwei Sinnes-
polen p, von deren jedem 4 Rippen ausgehen (nach Fischel).
Diese Versuche entsprechen also durchaus den Forderungen der
Mosaiktheorie, aus durcheinander gewürfeltem Material einen in ent-
sprechende Unordnung geratenen Keim aufzubauen. Dennoch ist es
nicht nötig, hierfür eine qualitativ ungleiche Kernteilung anzunehmen,
auch nicht eine solche, die erst auf einem späteren Stadium, dem der
Mikromerenbildung, hier also bei den ]/i6 Blastomeren einsetzt.
Die Anhänger der Mosaiktheorie haben ja mehrfach eine Gleich-
wertigkeit der ersten Furchungsstücke noch zugegeben, z. B. wenn
dadurch bilateral-symmetrische Hälften geliefert werden, und die
qualitative Scheidung erst darnach eintreten lassen. Hier bei den
( 'tenophoren sind in diesem Sinne nicht nur die beiden ersten Teil-
hälften, sondern auch noch die vier Quadranten in Bezug auf alle
späteren Organsysteme gleichmässig bedacht, unTl in Bezug auf die
C. Eier mit beschränkter und unbestimmter Regulation. 59
Kippen sind dies sogar noch die acht ersten Blastomeren. Dennoch
aber sind die Blastomeren der Ctenophoren in ihrer Ergänzungsfähig-
keit durchaus beschränkt und diese Beschränkung, die bei anderen
Tiergruppen allmählich eintritt, ist hier schon von allem Anfang an
vorhanden, trotz der viel länger wie bei anderen, den bilateral sym-
tometrischen, Tieren bestehenden innerlichen Gleichwertigkeit des Blas-
merenmaterials. Es können auch nicht die plasmatischen Unterschiede
allein sein, die den Ctenophoren eine Sonderstellung zuerteilen, denn
die zwei, vier, resp. acht Blastomeren sind mit der Verteilung der
plasmatischen Substanzen noch gleichmässig bedacht, sondern es liegen
hier noch besondere Verhältnisse vor. Diese bestehen in der mangelhaften
Ausgleichsfähigkeit der Plasmaverteilung nach Störungen, im Gegen-
satz zum Verhalten der Medusen. Im Hinblick auf die Verschieden-
heiten, die für die Ausgleichsfähigkeit der plasmatischen Substanzen
innerhalb der Amphibien beobachtet sind, hat die Annahme einer der-
artigen Verschiedenheit auch bei Coelenteraten keine Schwierigkeiten
und sie wird auch durch die tatsächliche Beobachtung bestätigt. Es bleibt
auch bei Ctenophoren nach der Isolierung im Gegensatz zur schnellen
Ausgieichsfähigkeit der Medusen die relative Lagebeziehung der ver-
schiedenen Plasmaarten erhalten. Auch in der Normalentwickelung
zeigt jeder Quadrant, Octant eine grössere Unabhängigkeit von der
Nachbarschaft als in anderen Tiergruppen; es kann z. B. in einem
Quadranten die Furchung unregelmässig sein, ohne dass die anderen
Quadranten dadurch betroffen werden; ebenso setzt der Quadrant
oder Octant seine Entwickelung unbeirrt als solcher fort, wenn ihm
die Nachbarschaft genommen und eine freie Fläche gegeben ist.
Natürlich ist diese »Starre« der Plasmaorganisation keine absolute,
ebensowenig wie die Unabhängigkeit der Teile in der Normalent-
wickelung. Aus einem »rippenbildenden« Blastomer des 1ji6 Stadiums
allein ohne das zugehörige Makromer ist noch keine Wimperplatte
erzielt worden, und ebenso wird auch bei Isolierung die entstandene
freie Fläche nach und nach wenigstens etwas ausgeglichen. Aber die
Plasmarinde ist hier sehr dünn im V ergleich zur normal freien Fläche :
die Umwachsung durch die Mikromeren geht hier langsamer und
ungleichmässiger vor sich, und noch an der Larve ist die Defekt-
seite, auch ausser dem Fehlen der Rippen durch die dünne und
mangelhafte histologische Ausprägung der betreffenden Magenwand
gekennzeichnet.
Wenn man demgemäfs bestimmte Plasmaunterschiede und ihr
Verharren an derselben Stelle für die Teilfurchuug und Teilausbildung
(30 VIII. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
der Ctenophoren verantwortlich macht, so darf man doch das Bildungs-
plasma für die Rippen nicht ausschliesslich in den acht ersten Mikro-
meren und vorher an ganz bestimmten Stellen der Blastomeren resp.
des Eies annehmen. Man würde sonst den gleichen Fehler allzu
scharfer Lokalisation machen, den in anderer Weise die Idioplasmen-
theorie begeht. Dass keine so scharfe Begrenzung bestellt, zeigt sieh
schon darin, dass in der Normalentwickelung das Mikromerenmaterial
nicht allein von den acht ersten Mikromeren durch Teilung stammt,
sondern auch durch weitere Abschnürung von den Makromeren aus
vervollständigt wird; ferner sprechen Versuche der Plasmaentnahme
am ungefurchten Ei dagegen, das Rippenmaterial derart lokalisiert
zu denken (s. p. 67). Wie man sich eventuell die Eistruktur vor-
stellen kann, wird im Zusammenhang mit anderen Experimenten,
die an ungefurchten Eiern verschiedener Tierpruppen angestellt
worden sind, noch später zu erörtern sein.
Versuche an Eiern von Mollusken, Anneliden etc.
Bei den Anneliden, Mollusken und anderen verwandten Tier-
gruppen hat die Furchung einen sehr bestimmten Charakter; die
einzelnen Zellen konnten bei sehr vielen verschiedenen Formen in
übereinstimmender Weise von den ersten Teilungen bis zu ihrem
definitiven Schicksal verfolgt werden und besitzen eine ganz scharf
umschriebene »prospektive Bedeutung.« Wir sehen im allgemeinen
vier Mikromeren «, b, c, r/, und vier Makromeren A, B, C, D, auf-
treten, die ersten vermehren sich weiter durch Teilung, die letzteren
geben noch weitere Mikromeren ab, die aber untereinander nicht
gleichwertig erscheinen, je nach dem Makromen, aus dem sie stammen.
Die Abspaltungsprodukte von den drei gewöhnlichen Makromeren A,
B, C (a.,, b2, er, a:i, bA, c3) zeigen nichts auffallendes, sondern reihen
sich den übrigen Mikromeren, res}), ihren Abkömmlingen an ; die
Abspaltungszellen aus dem vierten Makromer (D) dagegen sind in
meist zwei Generationen (d.2 und d4) durch Grösse und Lagerung von
den übrigen verschieden und haben für den Aufbau des Embryo
besondere Bedeutung. Sie werden darum Somatoblasten genannt und
liefern zustimmen die Mehrzahl der ecto- und besonders mesodermalen
Organe (Nervensystem, Exkretionsorgane, Coelom etc.), die Masse der
kleinen Mikromeren bilden die Larvenhaut und deren Organe (Pol-
platte etc.) and die Makromeren A, B, C und was von 1) bleibt, den
Darm und seine Derivate. Die vier ersten Furchungszellen sind also
C. Eier mit beschränkter und anbestimmter Regulation.
61
i>
Fig. "»''S
Fiff. 59.
ß
- <h
d2 = r --
Fig. 60.
b-2 b\ i Oj Cf2
«li
Fig. 61,
Fig. 62
d% = x
C
D
- rh
Fi?. 58, 59, 60, 61. Normale Molluskenfurchung (Dreissensia pölymorphd) nach
Meisenheim er.
Fig. 58. 4zelliges Stadium vom animalen Pol aus. Äfc = Richtungskörper.
Fig. 59. Abschnürung des ersten Mikromers (Übergang zum 5zelligen
Stadium).
Fig. 60. i 16zelliges Stadium (12 Mikro-, 4 Makromeren) vom animalen Pol.
Fig. 61. Dasselbe vom vegetativen Pol aus.
Fi?. 62. Defektfurchung einer Mollusken {Ilyanassa) nach Cr a rapton, aus isolierter
Blastomere hervorgegangen, mit 6 Zellen, also der Hälfte des 12-Zellen-
stadiums entsprechend.
62 VIII. Kapitel. Die Experimente an Furchungsstadien. (Fortsetzung.)
untereinander in der Normal-Entwickelung nicht von gleicher Be-
deutung, da eine derselben durch die Lieferung der Somatoblasten
bedeutend mehr zu leisten hat und sich auch schon durch Grösse
und Gehalt von Deutoplasma vor den drei andern auszeichnet.
Bei vielen Schneckeneiern ist dies schon äusserlich erkennbar,
indem eine lokasierte Dottermenge, nur durch eine Substanzbrücke
mit dem übrigen Plasma zusammenhängend und darum »Dotter-
lappen« genannt, dem Blastomer anhängt (Fig. 63, 64, 65). Dadurch
wird schon bei der ersten Teilung eine Verschiedenheit zwischen den
ersten beiden Blastomeren bedingt, bei der zweiten Teilung bleibt
der Dotterlappen in dem vierten Blastomer D zurück, eben dem,
dessen sich abschnürende Mikromeren eine besondere Bedeutung
haben.
Fig. 63. Fig. 64. Fig. 65.
A A
dl dl
Fig. 63, 64. 65. Frühe normale Furchungsstadien an llyanassa (nach Crampton).
Fig. 63 und 64 zeigen die Einschnürung des Dotterlappens yoi- und
während der ersten Furche und damit die Möglichkeit der
Abtrennungsoperation.
Fig. 65 zeigt den Dotterlappen wieder mit der einen Zelle ganz vereinigt
(so wie später mit D Fig. 61).
Bei diesem ausgesprochenen Mosaikcharakter der Normalfurchung
verdienen Isolierungen der Blastomeren erhöhtes Interesse. Crampton
hat bei der Schnecke Ihjanassa u. a. Formen solche dadurch bewirkt,
dass durch einen Wasserstrom im Zuchtaquarium die Teilungsstadien
zum Auseinandergehen gebracht wurden. Wenn im Zweizellenstadium
getrennt wurde, so furchte sich jedes 1/2 Blastomer genau so weiter,
als wenn es im Verband des Ganzen geblieben wäre. Die Furchung
war deutlich nur halbseitig (Fig. 62), und ausserdem zeigte sich ein
wichtiger Unterschied zwischen den beiden Blastomeren, indem nur
das mit dem Dotterlappen versehene die besonders gelagerte und
C. Eier mit beschränkter und unbestimmter Regulation. 63
ausgezeichnete Mesodermmikromere zu liefern vermochte. Bei beiden
trat später stets eine Abrundung und ein kompakterer Zusammen-
schluss der Zellen ein ; doch starben die Produkte vor der Weiter-
entwickelung ab. Isolierte lji Blastomeren zeigten deutliche Viertels-
furchung; die Produkte aus den drei gewöhnlichen Zellen A, B, C
bildeten ihre Mikromeren , die es schliesslich zu einer gewissen
Umwachsung der Mikromeren und sogar zu einer teil weisen Bildung
des Wimperringes brachten; bei dem vierten, mit dem Dotterlappen
versehenen Elastomer ging es ebenfalls zunächst im Sinn der Teil-
furchung weiter; doch reichte Teilungs- und Lebensfähigkeit nicht
aus, um es noch bis zur charakteristischen Generation der Mesoderm-
mikromere zu bringen. -/, und y/4 Blastomeren zeigten entsprechende
Halb- resp. Dreiviertelsbilder der normalen Furchung. Wenn man
im 8 Zellenstadium isoliert, wo also 4 Makromeren und 4 Mikro-
meren vorhanden sind, so furchen sich die 1IS Mikromere als Teile
weiter, gehen aber bald ein, die einzelnen 1/8 Makromere sind
überhaupt nicht mehr teilungsfähig; ein 2/8 Stadium, aus einem
Mikromer und einem Makromer bestehend, verhält sich dagegen wie
im Viertel. Die isolierten 1/16 Zellen sind allesamt nicht mehr teilungs-
fähig; nur dann, wenn nachträglich wieder einige zusammen geraten,
können auch noch weitere Teilungen erfolgen. Hier liegt also von
der allerersten Furche ab eine ganz begrenzte Leistungsfähigkeit der
Blastomeren vor; die Unterschiede, die in den einzelnen Stadien und
Blastomeren zu erkennen sind, zeigen deutliche Beziehung zum
plasmatischen Gehalt, wie dies noch mehr bei Versuchen am ganzen
Ei hervortritt (s. p. 05).
Bei Anneliden ist dies ebenfalls wahrzunehmen. Leider liegt
gerade hier, wo die Normalfurchung geradezu Zelle für Zelle bis
zur Organbildung des Embryo resp. der Larve verfolgt werden
konnte, kein einziger Isolierungs- und nur ein A'erlagerungsversuch
vor. E. B. Wilson liess bei Nereis die Furchung unter Pressung
vor sich gehen und erhielt ein 8 Zellenstadium, bei dein die Blasto-
meren in einer Ebene lagen und nicht 4 Makro- und 4 Mikromeren.
sondern durch Deutoplasmagehalt 8 etwas kleineren Makromeren
entsprachen. Dann wurde die Pressung aufgehoben, und es schnürten
sich 8 Mikromeren von den 8 Makromeren ab. Da das normale
16-zellige Stadium 12 Mikromeren und 4 Makromeren besitzt, die 16
ersten Kerne also sonst 12 Mikromeren- und 4 Makromerenkerne sind,
so schliesst Wilson, dass auch hier von einer qualitativ ungleichen
Kernteilung nicht die Rede sein könne, sondern der Plasmagehall
<34 IX. Kapitel. Die Experimente am ungefurchten Ei
bestimmend wirke. Mit der Aushilfsannahme einer zeitlichen Ver-
schiebung der ungleichen Kernteilung und eines späteren Ausgleichs
(Anachronismus) können deren Anhänger hier nicht durchdringen, da
sich noch in der Larve beim normalen Tier 4, hier dagegen 8 Makro-
nieren erhalten. Die Unterschiede, die Mosaik der Normalfurchung,
sind also auch durch Plasma bedingt und diese »cytoplasmic
localisation« muss schon in der Eizelle vorhanden sein.
IX. Kapitel.
Die Experimente am ungefurchten Ei und die Frage der
Eistruktur.
Die Bedeutung des Eibaues für die Entwickelung. Die sog. organbildenden Keim-
bezirke und die sog. Isotropie des Eies. Experimente der Plasmaentnabme am
ungefurchten Ei in verschiedenen Tiergruppen. Nachweis eines verschiedenen Ei-
baues. Der Eibau und die Verteilung plasmatischer Substanzen eine „spezifische"
Eigenschaft. Eiorganisation. Furchung und Bau des Erwachsenen in ihrem event.
Causalnexus. (Theoretisches, Kern und Plasma, und Unzulänglichkeit der Zelltheorie.)
Die in den vorangehenden Kapiteln geschilderten Versuche an
Furchungsstadien zeigen, dass "sowohl zwischen den einzelnen Tier-
gruppen als auch zwischen verschiedenen Stadien derselben Tierform
beträchtliche Unterschiede in der Wertigkeit der Blastomeren und
der Regulationsfähigkeit zum Ganzen bestehen. Diese Unterschiede
konnten in Beziehung gebracht werden zu Unterschieden in der
Quantität, Verteilung und Ausgleichsfähigkeit von plasmatischen Sub-
stanzen und bis zum Ei selbst zurück verfolgt werden. Es liegt
daher nahe, den Beweis für die Bedeutung des Eibaues in
der Entwickelung, der durch die Furchungsexperimente indirekt
erbracht wurde, auch direkt zu führen durch Experimente der
Plasmaentnahmen und Verlagerungen am ungefurchten Ei, und
dadurch der Frage der Eistruktur näher zu treten.
Wenn man bei vielen Tieren sieht, wie schon im Ei gewisse
Axen- und Symmetrieverhältnisse gegeben sind, die auf die Furchungs-
stadien und dann auf den Embrvo übergehen, so könnte man sich
vorstellen, dass das Ei eine ganz bestimmte, zu den Teilen des er-
wachsenen Tieres in Beziehung stehende Organisation besässe. Natür-
lich nicht im Sinne der Präformationstheorie des 18. Jahrhunderts so,
und die Frage der Eistruktur. t\~>
■dass das Ei nur ein verkleinertes Abbild des Erwachsenen sei, und
die einzelnen Teile nur zu wachsen brauchen, aber doch so, dass
räumlich ganz festgelegte Beziehungen beständen zwischen
Anlagesubstanzen im Ei und den Organen des Erwachsenen.
Diese Anschauung wurde früher von His als Prinzip der
organbildenden Keim bezirke in die Embryologie eingeführt;
sie zeigt Verwandtschaft zu den Anschauungen von Weis mann und
Roux; nur dass die mosaikartige Verteilung der Ungleichheiten nicht
im Kern, sondern im Plasma gedacht wird und schon von vornherein
im Ei vor jeglicher Kernteilung vorhanden ist.
Dass eine solche Lokalisation der Anlagesubstanzen, wenn über-
haupt einmal vorhanden, doch nicht Regel sein kann, wurde schon
früh durch Experimente am ungefurchten Ei bewiesen. Den Brüdern
Hertwig gelang es, durch Schütteln etc. unbefruchtete Echiniden-
eier noch zu zerlegen und kleinere Bruchstücke zu befruchten und
bis zur Gastrulation aufzuziehen; Boveri und später Delage er-
zielten sogar noch Pluteuslarven daraus. Pflüger glaubte beim
Froschei eine völlige Umordnung der Substanzen herbeigeführt zu
haben und schloss daraus, wie aus den obigen Experimenten, auf
eine Gleichwertigkeit aller Teile des Eiplasmas, wofür er den wenig
glücklichen Namen Isotropie des Eies einführte. Es hat sich
später gezeigt, dass bei den Pf lüg er 'sehen Versuchen gar nicht die
vermutete Umordnung der plasmatischen Substanzen eingetreten war
(s. p. 168), und dass auch bei anderen Tiergruppen wie bei Echiniden
selbst nicht eine solche Gleichwertigkeit, sondern nur eine Isotropie
um eine bestimmte Axe herum besteht. Zwischen den beiden zu
extremen Ansichten von der Isotropie einerseits, der Präformation
im Ei andererseits, sind die Experimente in der Lage zu vermitteln.
Bei der Schnecke Ilyanassa, wo die Furchungsexperimente schon
eine gewisse Beziehung zum »Dotterlappen« erkennen Hessen (s. p. 62),
hat Crampton diesen Dotterteil noch vor dem Einschneiden der
ersten Furche abgetrennt, einer Operation, die wegen der schon
normal vorhandenen Einschnürung (s. Fig. 64) leicht gelingt. Das
Makromer D, das sonst diesen Dotteranteil behält, war somit den
übrigen Makromeren gleichgestellt; im normalen Fall bildet dieses
Makromer ein besonders ausgezeichnetes Mikromer, dein die Mesoderm-
bildung obliegt; hier blieb die ganze Mesodermbildung völlig aus.
Nicht dass auch die betreffende Zelle (rf4) ausgeblieben wäre ; dieselbe
unterschied sich jedoch weder durch Lagerung noch Schicksal von
Maas, Einführung in die experimentelle Entwickelungsgeschichte. f>
m
IX. Kapitel. Die Experimente am ungefurchten Ei
den anderen Mi kremieren. Es wurden daraus noch Embryonen mit
Wimperstreifen gezüchtet, die aber vor der Erreichung des Veliger-
stadiums abstarben.
Bei Myzostoma hat Driesch am lebenden Ei eine deutliche
Schichtung des Plasmas in drei durch Färbung und Konsistenz ver-
schiedene Zonen beobachtet, die von der Schwerkraft ganz unabhängig
ist (Fig. 66). Im weiteren Verlauf der Furchung gehen dann in die
durch besonderes Schicksal ausgezeichneten Mikromeren, die »Somato-
blasten« (d2 und #, s. o. p. 60), auch besondere Deutoplasmateile
über, die in die anderen Mikromeren nicht eintreten. Auch mit den
übrigen plasmatischen Substanzen werden die verschiedenen Furchungs-
zellen ungleich bedacht, besonders nach Auftreten der Mikromeren
(Fig. 68, 69). Dies stimmt mit den experimentellen Ergebnissen an
Ilyanassa gut überein, und Driesch, der sich hier ausnahmsweise
mit der blossen Beobachtung des Normalen begnügt hat, spricht
geradezu von >organogenen Substanzen«.
Fisr. 66.
Fig. 67.
Fi£f. 68.
Fi?. 69.
Fig. 66, 67, 68, 69. Furchung von Myzostoma (nach Driesch).
Fig. 66 zeigt die Schichtung- des Eies in drei Zonen, die in ungleich-
massiger Verteilung auf die Blastomeren übergeht.
Fi?. 69.
Nur eine der 4 Blastomeren enthält die sog. Dottersubstanz.
Dass man sich solche Substanzen nicht streng lokalisiert zu
denken braucht, beweisen Experimente der Plasmaentnahme an
Ctenophoreneiern, die zunächst zu einem anderen Zweck angestellt
waren. Um zu zeigen, dass die früher erwähnten Teilbildungen,
die aus einzelnen Blastomeren von Beroe hervorgehen, nicht durch
ungleiche Kernqualitäten bedingt sind, schnitten Driesch und
Morgan solche Eier sofort nach Befruchtung auseinander. Das
kernhaltige Stück teilte sich weiter und lieferte (entsprechend der
Schnittrichtung längs der Eiaxe) eine Teilbildung, trotzdem es ja
den Kern resp. alle dessen Abkömmlinge wie ein normales Ei
enthielt. Asymmetrisch defekte Eier lieferten auch asymmetrisch
defekte Larven mit nur 4 oder 6 Rippen. Diese offenbare Beziehung
der plasmatischen Verteilung im Ei zur späteren Organisation bringt
und die Frage der Eistruktur. l',7
das His 'sehe Prinzip der organbildenden Keimbezirke in Erinnerung;
jedoch kann dies nur in sehr modifiziertem Sinn angewandt werden.
Driesch hat selbst hervorgehoben, dass man von einem bestimmten
»Rippenplasma« nicht reden und sich den Bau des Eies nicht zu
kompliziert vorstellen dürfe. Ziegler hat noch vor dem Durch-
greifen der ersten Furche den unteren Teil des Eies, also die Partie,
aus der laut den bisherigen Untersuchungen die rippenbildenden
Mikromeren entstehen, entfernt. Trotzdem bildeten sich bei solchen
Eiern die betreffenden Mikromeren und dann die normalen 8 Rippen,
so wie ja auch in der Xormalentwickelung ausser den ersten 8 Mikro-
meren noch weitere »Rippenbildner« nicht nur durch Teilung der H
ersten, sondern durch Abschnürung aus den Makromeren dazu-
kommen. Schon dies zeigt, dass eine plasmatische Anlage für die
Rippen im Ei nicht lokal scharf umschrieben ist; Anlagesubstanz
;ils solche ist vorhanden, aber nur im allgemeinsten Sinn. Man
kann vielleicht von einer dem Aufbau eines bestimmten Organ-
systems am ehesten dienlichen Substanz reden, darf sich aber dies
Bildimgsmaterial nur relativ notwendig und nur in Verbindung mit
allen übrigen Substanzen vorstellen, und von einer absoluten Lokali-
sation kann noch weniger gesprochen werden. Man kann sich das
Ei wohl als »ein im Ganzen organisiertes, aber doch nicht wie ein
mosaikartiges Gebilde« denken.
Auch bei Ascidien konnten von Driesch durch Schädigung
des Plasmas ungefurchter Eier gewisse Hemmungen in der Aus-
bildung der Larvenorgane, z. B. des Ütolithen oder Pigmentflecks
oder der Haffpapülen hervorgerufen werden. Bestimmt lokalisierte
Beziehungen des geschädigten Eiplasmas wurden hierbei nicht be-
obachtet,
Dass den so ausgleichsfähigen Eiern der Medusen und Knochen-
tische ein ziemlich einfacher Eibau zukommen muss, wird schon
indirekt durch den Verlauf der Furchungsexperimente bewiesen;
»sonst wären einzelne Blastomeren nicht so schnell zum Ganzen um-
gestaltbar«. Beobachtung und Experiment verlauf weisen bei Medusen
auf eine gleichmässige Verteilung von mindestens 2 Substanzen in
allen Radien hin. Direkte Versuche und Entnahme plasmatischer
Substanzen am ungefurchten Ei sind bei Medusen bisher nicht an-
gestellt worden und bei der Zartheit des Materials wohl auch schwer
ausführbar, wohl aber bei Knochenfischen von Morgan. Hier
konnte bei Fundulus der mächtige Dotter bis fast zu zwei Drittel
seiner normalen Menge reduziert werden und doch entstanden ganze
(58 IX. Kapitel. Die Experimente am ungefurchten Ei
und normale Embryonen, also ein Verhalten, das dem von Ilyanassa
direkt entgegengesetzt ist. Unter eine bestimmte Dottermenge kann
aus mechanischen Gründen nicht herabgegangen werden ; wenn die
Dottermenge nicht mehr grösser ist, wie die darüber liegende eigent-
liche Protoplasmasubstanz, so zeigt letztere keine Furchung; resp.
wenn man die Entfernung des Dotters während der Furchung vor-
genommen hat, hören die Teilungen auf. Auch innerhalb des eigent-
lichen Furchungsplasmas muss bei diesen und wohl auch bei anderen
Fischen die Verteilung der Substanzen eine durchaus gleichmässige
sein, die Furchen schneiden darum in ganz gleichgültiger Weise ein.
Selbst dann, wenn die ersten Blastomeren ausnahmsweise an Grösse
sehr verschieden sind, kann aus jeder derselben ein ganzer Embryo
hervorgehen (s. o. p. 49).
Dass bei den Amphibien eine besondere Eistruktur vorhanden
sein muss, d. h. dass plasmatische Substanzen in bestimmter Weise
um eine Axe und auch bilateral zu einer Symmetrieebense angeordnet
sind, ist schon oben beim Verlauf der Furchungsexperimente erörtert
worden. Die gegenseitige Anordnung dieser Substanzen oder auch
ihre Gesamtlage kann auf verschiedene, später noch zu besprechende
Weise (s. p. 168) verändert werden. Die Furchung, die im normalen
Verlauf durch diese Verteilung bestimmt wird, kann, wie 0. Hertwig
und Born gezeigt haben, durch solche Deformationen des Eies sehr
abweichen, aber die Lage der Medianebene, die Orientierung des
Embryo hängt dann nicht von der ersten Furche und dem weiteren
Furchungsveriauf, sondern auch im deformierten Ei von den
Differenzen der Plasmaverteilung ab.
Bei den Eiern der Seeigel ist eine bestimmte polare Anordnung
verschiedener plasmatischer Substanzen um eine Axe in einer Form
durch direkte Beobachtung am lebenden Objekt vermöge der Färbung
und des optischen Verhaltens der Plasmasorten erkannt, bei anderen
Arten durch das Experiment erschlossen worden. Driesch hat bei
Echt uns befruchtete Eier in Stücke zerschüttelt und die Furchung
solcher Fragmente beobachten können. Dieselbe verlief sehr ver-
schieden, aber stets als Teilfurchung, ungefähr entsprechend der Lage
des Fragments im ganzen Ei. Driesch hat ferner unbefruchtete
Eier im Fragmente zerlegt und solche nachträglich befruchtet, auch
diese zeigten solche Teilfurchung. Es ist daraus zu erschliessen, dass
im Plasma des Eies schon eine bestimmte Ordnung resp. Organi-
sation besteht, und ferner, dass diese nicht erst mit der Befruchtung
durch die Bahn des Spermatozoons eintritt, wie dies Roux bei
und die Frage der Eistruktur. (',()
Amphibien nachzuweisen suchte, sondern schon von vorn herein vor-
handen ist.
Bei Strongylocentrotus hat Boveri diese Polarität in der Anord-
nung der Substanzen bis zur Ovocyte zurückverfolgt. Im Ei sind
(s. p. 28) mindestens drei verschiedene protoplasmatische Substanzen
zu erkennen, deren Anordnung bis zum Pluteus festgehalten wird
(vergl. Fig. 19 — 25). Da durch die Pigmentierung diese Polarität
hier sichtbar ist, so ist ein zu Experimenten sehr geeignetes Objekt
gegeben. Boveri hat durch Pressungs- und Streckungsversuche
dem Ei eine andere geometrische Axe aufgezwungen, die mit der
Struktur axe einen Winkel bildet; die in der Entwicklung ein-
tretenden Differenzierungen richteten sich jedoch nach letzterer. Unter
Umständen wurden auch zwei Urdärme oder zwei Mesenchymringe
erzeugt, je nach der Verlagerung oder Auseinanderziehung der be-
treffenden Zonen im Ei. Die Versuche mit Bruchstücken, sowohl
solchen, die vor, als nach der Befruchtung gewonnen waren, ergaben
meist Teilfurch ung, stimmten also mit den Driesch 'sehen überein
und waren hier durch das die Lage markierende Pigment besonders
instruktiv. Eine Reihe von Fällen ergab auch, wie bei Driesch,
Ganzfurchimg. Driesch hatte sich die Eiorganisation bei den Echi-
niden unter einer polar-bilateralen Orientierung der kleinsten
Teilchen vorgestellt; die Fälle der Ganzfurchung können aber
laut Boveri nur durch eine polar-bilaterale Schichtung des ge-
samten Eiplasmas erklärt werden, indem dann die Schichtung
wieder wie am Ganzen hergestellt wTird, oder die Fragmente schon
durch die Richtung der Bruchlinie die Schichtung des Ganzen auf-
weisen und darum Ganzfurchung lieferten. Dies letztere konnte in
einer Reihe von Fällen tatsächlich nachgewiesen werden ; bei Bruch-
stücken z. B., die durch Dehnung sich in der Richtung der Axe
getrennt hatten und nach Abrundung alle Zonen in gleichem Ver-
hältnis aufwiesen, wie das Ei selbst. War dagegen die Trennung
senkrecht zur Axe erfolgt, so verhielten sich die Bruchstücke ver-
schieden, und die rein animalen, pigmentlosen gelangten nicht bis zur
Gastrulation. Dadurch wird auch die früher geprüfte Gleichwertigkeit
einer animalen und vegetativen Elastomere (s. pag. 30) fraglich, ein
Problem, das noch bei Experimenten an späteren Stadien zu berühren
sein wird.
Andere Echinideneier beweisen durch den analogen Verlauf der
Experimente, dass ihnen die Schichtung, die bei Stnmyijlocentrotiis so
auffällig hervortritt, ebenfalls zukommt, wenn auch nicht äusserlich
70 IX. Kapitel. Die Experimente am ungefurchten Ei
schon sichtbar; der Pigmentring ist es ja nicht, der die Eigenschaften
verleiht, sondern ist ja nur eine Folge und ein Symptom der den
ganzen Plasmakörper durchsetzenden Schichtung. Diese dient laut
Boveri dazu, »die verschiedene Qualität der späteren Primitivorgane
in einfacher Weise vorzubereiten.« Die Furchung ist dabei nicht das
Wesentliche, sondern sie hält sich nur annähernd an die Struktur,
und »die drei ersten Kränze von Furchungszellen entsprechen nur
annähernd aber nicht genau den drei Primitivorganen«. Es besteht
also auch hier bis zu einem gewissen Grad ein Abhängigkeitsverhältnis
der Organbildung von der Eistruktur, aber nicht von der Furchung.
Aus allen erläuterten Experimenten ergeben sich einerseits wich-
tige Beziehungen der Entwickelungsfragen zur Struktur der Eizelle,
andererseits Andeutungen über deren Organisation überhaupt. Wenn
wir auch sonst die A r t eigenschaften der Zelle als etwas Gegebenes
hinnehmen und zugestehen müssen, dass ihre Wirksamkeit sich der
mechanischen Kenntnis entzieht, so können wir doch, gerade auf
Grund der besprochenen Versuchsergebnisse, von diesem Unerklär-
baren einiges abziehen, was sich begrifflich analysieren lässt. Wir
können im Ei eine Reihe von Organisationseigentümlichen erkennen,
die untrennbar von den unanalysierbaren, spezifischen Eigenschaften
sind, und wir können einige von der Wirksamkeit dieser Eigen-
schaften für den Entwickelungsprozess verstehen.
Wir sehen, dass im Plasma, selbst einfach gebauter Eier, mehrere
verschiedene Substanzen vorhanden sein können, die in charakte-
ristischer Weise in der Zelle angeordnet sind. Damit ist nicht allein
das eigentliche Protoplasma und der in vielen Eiern vorhandene
Nahrungsdotter, auch Deutoplasma genannt, gemeint, sondern ver-
schiedene Substanzen, die noch innerhalb des eigentlichen
lebenden Protoplasmas ausser dem Nahrungsdotter enthalten sind
und die auch in Zellen mit geringem und in Zellen ohne jeden
Dottergehalt vorkommen können. Als Nahrungsdotter wären dagegen
chemisch analysierbare, nicht lebende Substanzen zu bezeichnen,
die in mehr oder minder grossen Mengen in der Zelle aufgehäuft
sind, und von den Zellen während der Entwickelung gleichsam ge-
fressen werden, wenn der Embryo Nahrung von aussen nicht auf-
nehmen kann; so bei den Eiern der Vögel, Fische, Cephalopoden
u. s. w. Ihre Anordnung in der Eizelle wird durch mechanische
Ursachen, Schwere, Spannungsverhältnisse etc., bestimmt, wie noch
und die Frage der Eistruktur. 71
zu erläutern sein wird; zur Organisation des erwachsenen Tieres
stehen sie nur in äusserlieher Beziehung. Anders verhalten sich die
oben erwähnten Substanzen des eigentlichen lebenden Protoplasmas,
deren Anordnung von der Schwere und anderen rein physikalischen
Beziehungen unabhängig ist und eine spezifische Organisation der
Zelle selbst darstellt1) Solche Substanzen kommen auch bei Eiern
von Tieren vor, die keinerlei Reservenahrung bedürfen, weil sich so-
gleich eine selbständige sich bewegende und ernährende Larve bildet.
Sie kennzeichnen sich gegenseitig durch verschiedenes optisches
Verhalten, verschiedene Durchsichtigkeit, Konsistenz, Zähigkeit, Be-
wegungsfähigkeit und manchmal auch Pigmentierung. Ihre gegen-
seitige Anordnung ist in einigen Fällen eine sehr labile, so dass
Eibruchstücke und einzelne Blastomeren leicht wieder eine ver-
kleinerte Eiorganisation herstellen, in anderen Fällen ist ein solcher
Ausgleich nur schwer und langsam möglich ; in einzelnen Fällen
ist die Anordnung eine sehr starre, so dass der Ausgleich ganz
unterbleibt.
In den Eiern der Coelenteraten können mindestens zwei, in denen
der Echinodermen mindestens drei verschiedene solcher Substanzen
auseinandergehalten werden, und es ist leicht anzunehmen, dass noch
mehrere, unseren optischen und mikrochemischen Hilfsmitteln einst-
weilen nicht zugängliche Substanzunterschiede vorhanden sind, die
ebenso, wie die schon bekannten, zur Organisation in Beziehung
stehen. Allzu zahlreich wird man sich indessen diese Substanzen
nicht vorstellen dürfen ; es können ja schon sehr viele, verschieden-
artige Kombinationen bei wenig Substanzen durch verschiedenartige
Anordnung zu stände kommen, und bei den einzelnen Spezies wird
man für die Plasmaarten ausserdem immer noch ihre spezifischen,
nicht näher analysierbaren Eigenschaften voraussetzen müssen, sowie
ja z. B. das Hämoglobin des Pferdes ein anderes ist, wie das des
Hundes, oder des Menschen, eine Bindegewebsfaser des Kaninchens
etwas anderes wie die Bindegewebsfaser einer Katze. Auch wenn die
äusseiiiche histologische Ähnlichkeit noch so gross ist, ist immer
noch eine spezifische Verschiedenheit anzunehmen und in vielen
Fällen auch nachweisbar.
]) Auch von F. Lillie wird nach einer Untersuchung der Reifung und
Furchung für das so spezifisch gehaute Molluskenei (Unio) angegeben, dass die
Differenzierungen, die sich erkennen lassen (und zwar lässt sich polare, bilaterale
und anterio-posteriore nachweisen], nichts mit der Dotterverteilung zu tun haben,
sondern im eigentlichen plasmatischen Bau begründet sind.
72 IX. Kapitel. Die Experimente am ungefurchten Ei
Auch die Anordnung selbst wird man sich nicht zu verwickelt
vorzustellen brauchen ; weder unter dem Bild einer Mikrostruktur
des Erwachsenen, noch als strenge Lokalisation bestimmter »organ-
bildender« Substanzen, sondern die spezifischen Plasmaeigen-
schaften vorausgesetzt, wird die einfache, mehr oder minder aus-
gieichsfähige Schichtung von Plasmaarten genügen, die Ergebnisse
in der normalen und experimentellen Entwicklung zu erklären.
Wenn die Substanzen in allen Radien, resp. Axen gleichmäfsig
verteilt sind, wie bei den kugeligen Eiern der Medusen, dann und
nur dann hat man ein wirklich isotropes Ei; in anderen Fällen,
wo eine polare Anordnung festgestellt werden kann, wie bei den
Echinodermen, besteht die Isotropie nur um eine bestimmte
Axe; in weiteren Fällen kommt durch Gestalt des Eies, wie bei
Cepalophoden, oder durch Lagerung der Substanzen, wie bei Am-
phibien, eine bilateral-symmetrische Anordnung zu stände und in
anderen Fällen ist diese Anordnung noch etwas komplizierter (siehe
z. B. Myzostowa).
Sind bei einem isotropen Ei die einzelnen Plasmaarten gegen-
einander ausgleichsfähig, so können auch Teile des Keimes, Eifrag-
mente oder Blastomeren sich zum Ganzen bilden ; dann ist der Keim
äquipotent; ebenso kann bei ausgleichsfähigen Eiern von anderer
Plasmaanordnung eine Aquipotenz um eine bestimmte Axe,
oder nach bestimmten S ym me tri e ebenen vorhanden sein.
Bei der Verwertung dieser Verhältnisse in der Entwickelungs-
geschichte hat man die Bedeutung der nicht lebenden Dotter-
substanzen und die der eigentlichen Protoplasma -Verschieden-
heiten, ferner die frühen Stadien der Entwickelung, die Furchung,
und die später organdifferenzierenden Prozesse auseinander zu halten.
Die Menge und Lage des Dotters übt bekanntermafsen einen
Einfluss auf den Verlauf der Furchung aus, indem dessen nicht
lebende Substanz für das lebende und teilungsfähige Protoplasma
gewissermafsen ein Hindernis bildet. Es wird dadurch die Form
und Grösse der Embryonal zellen entsprechend der Verteilung des-
Dotters im Ei beeinflusst, Wo solche Dottermassen im Ei lagen, da
geht die Furchungsteilung langsamer und schwerer vor sich und es
bleiben grössere dotterbeladene Blastomeren von geringerer Zahl
zurück. Wenn die Anhäufung zu stark ist, kann sogar die Teilung
unterbleiben oder während der Furchung allmählich aufhören, so
dass sich das Ei nur partiell furcht, Die Differenzierung geht bei
und die Frage der Eistruktur. 73
partiell gefurchten Eiern gän/lich innerhalb der dotterfreien Keim-
scheibe vor sich.
Für die Ausprägung der Organsysteme ist diese Dotterverteilung
und die ihr folgende Furchung also ohne besondere Bedeutung. Anders
verhält es sich dagegen mit den besprochenen Substanzunterschieden
innerhalb des lebenden Protoplasmas; bei ihnen ist in der normalen
wie in der experimentell abgeänderten Entwicklung eine bestimmte
Beziehung zur Organausbildung gegeben, ob man nun diese Plasma-
substanzen direkt als Ursachen der Differenzierung oder nur indirekt
als Material auffasst, das zur weiteren Ausbildung der eigenen (Selbst-)
Differenzierung am dienlichsten ist. Die drei Zonen des Echinodermen-
eies entsprechen den drei Primitivorganen der Larve, der sog. Dotter-
lappen des Schneckeneies ist notwendig zur Ausbildung des Mesoderni^.
ein bestimmtes Rindenplasma des Ctenophoreneies ist notwendig, wenn
die Wimperrippen ausgebildet werden sollen; kurzum ein Abhängig-
keitsverhältnis der späteren Organisation von der Schichtung der
lebenden Substanzen im Ei ist mehr oder minder deutlich erkennbar.
Dagegen ist bei diesen Substanzen eine Abhängigkeit des Furchungs-
modus nicht notwendig. Die Furchung kann diese Substanzen in
durchaus gleich gültiger resp. gleichartiger Weise auf die einzelnen
Blastomeren verteilen, wie z. B. bei Teleostieren, oder sie kann, wie bei
Echinodermen u. a. zunächst die einzelnen Zellen gleichmässig aus-
statten, dann aber eine annähernde Scheidung der Substanzen herbei-
führen, oder sie kann, wie bei Anneliden, Mollusken etc. von vornherein
ganz bestimmte Substanzen dieser oder jener Zelle zuerteilen. In
den seltensten Fällen ist die Scheidung der Substanzen so exklusiv :
bei Echinodermen, wo die späteren Teilungen drei Zellenkränze von
ungleichem Material liefern (s. Fig. 22), hat Boveri betont, dass
diese drei Kränze nur annähernd, nicht genau den drei Primitiv-
organen entsprechen. Die Furchung steht also in keiner direkten
Beziehung zur Organbildung. Beide Vorgänge, Furchungsverlauf
und Lokalisation der Organbildung, sind zwei Folgen einer gleichen
Ursache, der Eiorganisation, die aber unter sich in keiner
Beziehung ste-hen. Man hat sich also davor zu hüten, aus der
zeitlichen Folge: Eiorganisation, Furchung, Organausbildung auf
einen Kausalzusammenhang aller drei Vorgänge zu schliessen.
Derselbe kann indirekt vorhanden sein, nämlich dann, wenn die
Furchung den Plasmaverteilungen, die im Ei gegeben sind, ent-
sprechend folgt; er muss aber nicht vorhanden sein, da die
Furchung auch ganz anders verfahren kann, und doch die Organ-
74 IX. Kapitel. Die Experimente am ungefurchten Ei
differenzierung ihren Zusammenhang mit der Eiorgauisation nicht
verleugnet, Für die Beurteilung der Furchungsexperimente ist die
scharfe Scheidung dieser drei ursächlichen Verhältnisse von besonderer
Wichtigkeit (s. p. 84).
Man hat auch weiterhin das Zustandekommen dieser Organi-
sation oder Struktur des Eies zu ermitteln gesucht und in der Periode
der Reifung und Vorentwickelung des Eies, so lange sich dasselbe
noch im Ovarialzusammenhange befindet, mancherlei Momente ge-
funden, die für die Verteilung von Plasmasubstanzen verantwortlich
gemacht werden können. Bei den Echinodermen entspricht die Rich-
tung der Polarität des Eies der Lage der werdenden Eizelle im Keim-
epitbel; die nach der Stützlamelle der Ovarialwand aufsitzende Seite
entspricht dem animalen, die ins Lumen gerichtete Seite dem vege-
tativen Pol (Boveri). In anderen Fällen kann die Richtung, aus
welcher die heranreifende Eizelle ihre Nahrung bezieht, von Einfluss
auf die Plasmaverteilung sein (Korschelt). Aber dies erklärt nicht
alles, sondern es verbleiben noch spezifische Eigentümlichkeiten zurück,
die wir eben nur mit der spezifischen Natur der betreffenden Eizelle
erklären können. Die Eizellen in der Form, wie sie zur Fortpflanzung
bereit sind, sind ebenso wie die anderen Organe des Tierkörpers ein
endgültiges Differenzierungsprodukt (»ultimäres Organ« Driesch,
s. pag. 97) in der Entwickelung der betreffenden Tierart, das ebenso
wie alle anderen ultimären Organe, wie die Mundwerkzeuge einer
Insektenspezies, das Hörepithel eines Wirbeltieres etc., die bestimmten
spezifischen Eigentümlichkeiten der betreffenden Tierart ausgeprägt
erhält, Sowie das Hämoglobin, die Bindegewebsfaser, die Linsenzelle
einer jeden Spezies verschieden ist, ebenso sind es auch die Geschlechts-
zellen. Schliesslich gehen also die auf Grund der Experimente analy-
sierten Eigenschaften der Eizelle in die spezifischen, die wir einstweilen
-als etwas gegebenes hinnehmen müssen, über.
Bei dieser Anschauungsweise sind die spezifischen Eigentümlichkeiten von
Plasma und Kern nicht auseinandergehalten ; die Eizelle ist ein Ganzes, Eikern und
Plasma gehören zusammen, wie denn auch in der Natur niemals eine lebende Zelle
ohne Kern oder ein Kern ohne Plasma (auch beim Spermatozoon nicht) vorkommt.
Plasma und Kern stehen während des ganzen Lebens in beständiger Wechsel-
beziehung und in Substanzaustausch, der sich unter Umständen sogar optisch
sichtbar macht, und in vielen Stadien des Zelllebens ist das, was dem Kern und das,
was dem Plasma angehört, nicht auseinanderzuhalten.
Wenn nach einer anderen Anschauung der Kern (oder sogar nur bestimmte
Teile desselben, das Chromatin) alleinige Träger des die Art repräsentierenden
Plasmas sind, so ist es bei Annahme einer Selbstdifferenzierung nur die straffe
und die Frage der Eistruktur. 75
Konsequenz dieser Anschauung, dass man im Kern auch den Sitz für alle qualitativen
Veränderungen während der Entwickelung sieht, wie es Weismann, Roux etc. tun.
Diese qualitativ ungleiche Kernteilung ist am nachdrücklichsten von 0. Hert-
wig bekämpft worden; für ihn enthält jede Zelle in jedem Stadium das ganze
Idioplasma der betreffenden Art; aber auch für ihn liegt der Sitz dieses Idioplasmas
nur im Kern. Die Verschiedenheiten, die in der Entwickelung und durch dieselbe
eintreten, müssen demzufolge ihren Sitz ausschliesslich im Plasma haben. Wenn
beim Beginn der Entwickelung nur der Kern von Ei resp. von Sammelzelle der
Träger der Arteigenschaften ist, so wird damit für ihn das Plasma im befruchteten
Ei eine nebensächliche „Form, der sicn der werdende Embryo besonders auf den
Anfangsstadien der Entwickelung in vielfacher Beziehung anpassen muss". „Die in
der sich entwickelnden Stoffmasse enthaltenen Richtungen gehen einfach von dem
einen Stadium auf das nächste über."
Eine vermittelnde Ansicht für die Bedeutung von Kern und Plasma ist jüngst
von Boveri ausgesprochen worden. „Die Struktur des Eiplasmas besorgt das Pro-
morphologische, gibt die allgemeinste Grundform, den Rahmen, innerhalb dessen
alles Spezifische vom Kern ausgefüllt wird". Dem Protoplasma kann man weder be-
liebiges nehmen, noch verlagern. „Das ganz eigentümliche Ineinandergreifen des einfach
gebauten, sich differentiell teilenden Protoplasmas und des kompliziert strukturierten,
sich in seiner T otali tat vervielfältigenden Kerns" kann die Differenzierung,
die im Verlauf der Entwickelung eintritt, erklären.
Die geringe Bewertung des eigentlichen Plasmas im Gegensatz zum Kern trifft
wohl bezüglich der nicht lebenden Dottersubstanzen zu; hier sehen wir in der Tat, wie
0. Hertwig hervorhebt, dass nahe verwandte Tiere sehr differieren und „dass die im
Dottermaterial enthalteneu Anlagen der Eizelle im Hinblick auf die Endform, die
erreicht werden soll, als untergeordnete Faktoren zu bezeichnen sind." In bezug aber
auf die eigentliche Struktur des Eies, die Verteilung bestimmter anderer lebender plas-
matischer Substanzen, sehen wir. dass sich grosse Gruppen des Tierreichs über-
raschend einheitlich verhalten und dass dies Verhalten trotz grosser Verschieden-
heit im Dotter gleichartig sein kann. Dies zeigen Beobachtung und Experiment an
Echinodermen, Mollusken, Anneliden etc. Bei diesen Substanzen gehört die Ver-
teilung zu ganz spezifischen Eigenschaften der Eizelle, die also darnach nicht allein
im Kern enthalten sind. Die Übereinstimmung des Embryo mit der Verteilung im
Ei ist nicht eine einfache Anpassung, sondern umgekehrt, die Eiform- und Eiorgani-
sation ist ein Resultat der spezifischen Form.
Die allzu geringe Beachtung der Eistruktur ist wohl auf eine Überschätzung
der Zellentheorie zurückzuführen, der neuerdings mehrfach, so von Whitman, die
Unzulänglichkeit der Zellentheorie " für die Entwickelungslehre entgegengehalten
worden ist. Selbst wenn man das befruchtete Ei mit allen spezifischen Eigen-
schaften ausgestattet -denkt und alle weiteren äusseren und inneren Bedingungen
dazu kommen lässt, um den Entwickelungsgang zu inscenieren, so genügt dies nicht
zu der Erklärung der Entwickelung, sondern es beherrscht die Spezifität des
Organismus die Formbildung auf jedem Stadium. Man muss sich nur voi-stellen.
dass nicht nur das fertige Tier, sondern jedes einzelne Stadium der Entwickelung
die Spezies repräsentiert, bis zum Ei zurück. Auf diesem Stadium stellt sich also
der Organismus vorübergehend als Zelle dar; aber nicht dieses Ei. diese Zelle,
bildet den Organismus, sondern der Organismus bildet Zellen.
76 X. Kapitel. Die Verschmelzungsexperimente und das
Das Hauptproblem der Entwickelung, die Frage nach den Ur-
sachen der Differenzierung, wird sonach durch die Experimente am
Ei im Furchungsstadien noch nicht einheitlich beantwortet, wohl
aber geklärt und vereinfacht, indem mehrere lösbare Sonderprobleme
von ihm abgetrennt werden können, und sich seine Beziehung zur
allgemeinen Frage vom Wesen der Organisation ergibt. Auch noch
einige andere, hier anzuschliessende Experimente an frühen Ent-
wickelungsstadien werden versuchen, dieser Frage vom Wesen der
Organisation und vom Charakterischen der Lebensvorgänge näher zu
treten.
X. Kapitel.
Die Verschmelzungsexperimente und das Problem der vitalistischen
Proportionalität.
Die Bedeutung der Verschmelzung für die Fragen der Differenzierung und des Ei-
baues. Natürliche Verschmelzung bei Ascaris, künstliche bei Seeigelkeimen. Ver-
schiedener Grad der Einheit. Die Proportionalität der Zellenzahl in Doppel-, Einfach-,
Halb-, Viertels- etc. Bildungen. Nötigung zu einer vitalistischen Erklärung?
Seit man Isolierungsexperimente vorgenommen hat, um dem
Problem der Differenzierung in der Entwickelung näher zu treten,
hat man auch zu gleichem Zweck sich bemüht, die Verschmelzung
zweier Keime zu stände zu bringen. Der Ausgangsgedanke dabei war:
wenn die einzelne Zelle ihr Schicksal in sich trägt, so müssen aus
einem solchen Vereinigungsprodukt Doppelembryonen von normaler
Grösse hervorgehen; wenn aber die Lage im Ganzen das Schicksal
bestimmt, so muss oder kann sich wenigstens ein einheitlicher
Embryo von doppelter Grösse entwickeln. Nachdem man durch
die verschiedenartigen Ergebnisse der Furchungsexperimente erkannt
hatte, welche Rolle die Art der Zerlegung des Plasmas bei letzteren
spiele, und wie dadurch die Deutung kompliziert wurde, war man nun
eifriger bemüht, dieser Frage am unzerlegte n Ei durch Ver-
schmelzung zweier Individuen näher zu treten, denn es war durch
dies Experiment auch Aufschluss über die Eistruktur zu hoffen.
Viele Versuche in verschiedenen Tiergruppen waren indessen ver-
geblich, und auch bis heute ist das Experiment der Verschmelzung
Problem der vitalistiscben Proportionalität. 77
noch nicht ganz einwandfrei, wenigstens nicht auf dem erwünschtesten
Stadium, zu stände gebracht worden.
Schon früher hatte Metschnikoff bei einer Meduse, Mitrocoma
Annae, die Verschmelzung mehrerer Blastulae zu einer, und die
Entwicklung des Verschmelzunsproduktes zu einer grossen Larve
beobachtet ; da aber bei den Hydromedusen sich aus der Planulalarve
ein Hvdrorhizastock bildet, der sich verzweigt und auch im normalen
Fall verschiedene Hydranthen bildet, mithin also die Individualität
der Larve wie des sich festsetzenden Stadiums sehr wenig aus-
gesprochen ist, so ist hier kein entscheidendes Ergebnis über
Doppelindividuen zu erlangen.
Bei Würmern, nämlich dem wegen seiner Kernverhältnisse so
vielfach untersuchten Nematoden Ascaris megaloc&phala . kommen
gelegentlich sogenannte Rieseneier vor, die besonders Zur Strassen .
näher untersucht hat. Dieselben haben eine etwa doppelte Plasma-
menge, ihre Schale ist eingebuchtet, sanduhrförmig, die Zahl ihrer
Chromosomen beträgt das Doppelte oder Anderthalbfache des Nor-
malen (8 oder 6 bei Uvalens anstatt 4). Es liegt hier gleichsam ein
Verschmelzungsexperiment vor, das die Natur angestellt hat ; es wurde
geschlossen, dass die Rieseneier mit 8 Chromosomen verschmolzene
Eizellen darsteilen, die auch doppelt befruchtet seien, resp. zwei nach
der Befruchtung verschmolzenen Eizellen entsprechen, und die mit
6 Chromosomen zwei vorher verschmolzenen Eizellen, die nur einmal
befruchtet sind. Aus den ersteren entwickelten sich zusammen-
hängende Doppelbildungen, aus den letzteren Einheitsbildungen von
doppelter Grösse.
Das Problem ist mit diesem Naturexperiment aber nicht gelöst.
Was aus der Beobachtung hervorgeht, ist, wie Zur Strassen und
Driesch hervorheben, dass »eine im einzelnen spezifizierte Ei-
struktur«, eine strenge Lokalisierung von Keimbezirken, eine Mikro-
struktur, nicht vorhanden ist. Aber der Wunsch, aus zwei Keimen,
die alle Bedingungen zu zwei Individualitäten in sich tragen, einen
einheitlichen Embryo zu erreichen, ist nicht erfüllt, da die
Objekte, die im Plasma wie im Kern die Vorbedingungen zu zwei
Individuen enthielten, auch Zwillingsbildungeu lieferten; die einheit-
lichen Riesenembryonen gingen aber von einem Ei aus, das einen
allerdings übernormalen Kern besass. Man könnte hier höchstens
sagen, dass zwei Eier dem Plasma nach die Rolle von Blastomeren
gespielt hätten, nicht nach dem Kern. Aber auch dies ist noch zu
viel gesagt, da ja die Eier schon auf dem Ovocytenstadium ihre
78
X. Kapitel. Die Verschmelzungsexperimente und das
Individualität aufgegeben haben und zu einer völligen Verschmelzung
ihres Plasmaleibes gelangt sind, so dass wir ein Rieseneivor uns
haben, das nur in der Menge seiner Teile von einem gewöhnlichen
verschieden ist. Auch im inneren Bau muss eine völlige Regulierung
zu einem vergrösserten Ganzen und eine Schichtung wie im normalen
Ei von vornherein stattgefunden haben. Dies zeigt sich im Verlauf
der Furchimg, die im normalen Fall sehr eigentümlich determiniert
ist. Die Rieseneier furchen sich genau auf die gleiche Weise als
vergrössertes Ganzes, trotz der Hindernisse, die ihnen die mitunter
nicht ganz ausgeglichene doppelte Eischale bietet (Fig. 70, 71, 72).
Fig. 70.
Fig. 71.
Fig. 72.
Fig. 70, 71, 72. Furchung eines sog. Kieseneis von Ascaris megalocephala (nach
Zurstrafsen). Aus Verschmelzung zweier Ei-Individuen entstanden.
Trotz der Grösse und des Hindernisses der eingeschnürten Schale geht die
Furchung wie an einem Einzelindividuum vor sich.
Bei Seeigeln ist Driesch nach vielfachen Versuchen endlich
eine Vereinigung zweier wirklicher Individuen geglückt, allerdings
auf einem späteren Stadium, als für die einwanclsfreie Auslegung
wünschenswert wäre. Wenn man kalkfreies Seewasser alkalisch
macht, so gelingt ein gewisses Zusammenheften vorher schon mecha-
nisch etwas geschädigter Keime. Diese Methode wurde auf geschüttelte
Eier und Furchungsstadien von Echinus und Sphaerechinus angewandt,
und man erhielt dadurch im Blastulastadium Verschmelzungen. Zu-
erst zeigte sich noch die Zusammensetzung aus zwei Individuen in
der biskuitförmigen Gestalt der Blastula, dann aber wurde diese Ein-
schnürung, offenbar durch die osmotischen Verhältnisse, ausgeglichen.
Die Weiterentwickelung dieser grossen, anscheinend einheitlichen
Blastulae bot sehr instruktive Verschiedenheiten. In manchen Fällen
resultierten vollkommene Doppelbildungen, zwei aneinander hängende
Pluteuslarven, jede mit dem charakteristischen Kalkskelet, der Wimper-
schnur und dem dreigeteilten Darm (Fig. 73). In anderen Fällen
Problem der vitalistischen Proportionalität.
79
Fig. !'■'>.
-- sk
"d
d
Fi ff. 74.
Fig. 75.
..</
d
—^sh
d
sk
Fig. 78. 74, 75. Aus verschmolzenen Echinidenkeimen (Sphaerechinus) entstandene
Pluteuslarven. in verschiedener Regulation (nach Driesch).
Entwickelung eines Verschmelzungsprodukts zum Zwillings-
pluteus ohne Eegulation.
Aus drei Blastulis gebildetes Yerwachsungsprodukt zum Pluteus.
Drei Därme (dj sind vorhanden (zwei davon rudimentär und
mundlos); die Gesamtform mit Arm und Skelet (sk) ist ziemlich
einseitlich.
Aus zwei Blastulae entstandener, innerlich und äusserlich ein-
zig.
Fig.
74.
Fig. 75.
seitlicher grosser Pluteus.
80 X. Kapitel. Die Verschmelzungsexperimente und das
prädominierte ein Individuum, zwei Därme, aber nur ein Mund, ein
grosses und ein rudimentäres Kalkskelet waren vorhanden. Sehr
interessant war der Fall, dass es ausser lieh zu einer völligen Ein-
heitsbildung kam; der Pluteus zeigte seine normalen Fortsätze, Kalk-
stäbe, alles nur in vergrüssertem Mafsstab; innerlich waren aber
mehrere Därme (Fig. 74) vorhanden. Manchmal konnten zwei ge-
trennte Darmanlagen noch nachträglich verschmelzen. Das bemerkens-
werteste Resultat war jedoch das, dass in nicht wenigen Fällen von
vornherein Einheitsbildung auftrat, dass eine Gastrula mit nur
einem, nur entsprechend vergrössertem Urdarm erschien, eine
einheitliche, nur doppelt so starke Mesenchymbildung und endlich
ein grosser, vollkommen proportionaler Einheitspluteus (Fig. 75).
Das Ziel einer Verschmelzung zweier Indivuen ist damit wirklich als
erreicht anzuerkennen, selbst dann, wenn man nicht allen Stadien
den gleichen Grad von Individualität zuerkennen will und im
normalen Hänfen von Furchungszellen eine ähnliche Vereinigung
von mehreren »Zellindividuen« sehen will, wie hier bei der Ver-
schmelzung; dann wäre nur das Ei und der Pluteus Individuen,
ehe zwischenliegenden Stadien aber teilbar. Die Bedeutung des
Experiments für die Frage der abhängigen Differenzierung wird
durch diese Betrachtungsweise nicht gemindert.
Die Verschiedenheit der Ergebnisse der Verschmelzungsexperimente
findet durch die im Strongylocentrotus-Eii beobachtete und bei Echinus
und Sphaerechinus ebenfalls anzunehmende Schichtung des Plasmas
ihre vollkommene Erklärung. Die Schichtung geht vom Ei auf die
folgenden Stadien, auf die Blastula über. Wenn die Axen zweier
Keime bei der Verklebung annähernd parallel stehen, so ist die Ein-
heitsbildung zu erwarten ; stehen sie im scharfen Winkel, die Doppel-
bildung. Dazwischen sind Übergangsfälle denkbar; die vegetativen
Pole stehen weiter auseinander, die animalen etwas genähert oder
umgekehrt; dann wird je nachdem eine bessere Regulierung der
einen oder anderen entsprechenden Organe möglich sein; dies zeigen
die Fälle mit einheitlichem Skelet aber mehreren Därmen. Auch die
neuesten Verlagerungsversuche auf späteren Stadien, die Driesch
vorgenommen hat und die unter Umständen partielle Doppelbildungen
ergeben (s. p. 32), stimmen mit dieser Erklärung überein, wonach
dem vegetativen Pol eine gewisse allgemein (wenn auch nicht absolut)
determinierende Wirkung zukommt.
Für die eingangs gestellte Frage von der Selbstbestimmung oder
der abhängigen Differenzierung der Teile ist dieses Verschmelzungs-
Problem der vitalistischen Proportionalität. 81
•experiment zweier Keime von grosser Wichtigkeit. Beim entgegen-
gesetzten Fall des Ausgleichs, wo aus halben Keimen und weniger
noch Ganzbildungen entstehen, konnte vom Standpunkt der Weis-
mann'sehen Lehre noch die künstliche Annahme von Reserve -
idioplasmen im Kern gemacht werden; diese hätten dann bei
Störungen die nötig werdenden Mehrleistungen zu übernehmen. Wie
man sieh aber die festgelegte Rolle des Idioplasmas zu denken hätte,
im vorliegenden Fall bei Wenigerleistung, darüber bringt kaum eine
Hilfshypothese hinweg, während die Lage im ganzen und die Be-
ziehung der Plasmateile zu einander den Prozess genügend erklärt.
Auch noch in anderer Beziehung ist das Verschmelzungs-
experiment von grosser Bedeutung und vielfach diskutiert worden,
nämlich für die Frage von der Besonderheit der vitalen Vorgänge.
Die Verschmelzungsprodukte zeigen nämlich in ihren einzelnen Teilen
unter einander wie in ihrer Beziehung zum Ganzen eine geradezu
»wunderbare« Proportionalität, Der Darm eines solchen Einheits-
pluteus ist bedeutend grösser wie der normale, hat aber zur Gesamt-
form das gleiche Verhältnis wie ein normaler, ebenso die vergrösserten
Skeletstäbe. Die einzelnen Zellen, die die Larve zusammensetzen,
sind von gleicher Grösse wie im normalen Tier, aber in der doppelten
Zahl vorhanden. Die Mesenchymzellen sind unschwer zählbar; im
normalen Fall sind es bei Sphaerechinus 30 — 35, hier entstehen aus
der verschmolzenen Blastulawand 60 — 65; ähnliche Verhältnisse, so-
weit sie der Schätzung zugänglich, zeigen die Zellen der anderen
Elementarorgane, des Darms etc.
Die gleiche merkwürdige Proportionalität tritt bei den Halb- und
Viertelsbildungen hervor. Alle Teile sind in ganz entsprechendem
Verhältnis zur Zwergbildung verkleinert, Darm, Kalkstäbe etc. am
richtigen Ort und in richtiger Proportion vorhanden. Auch hier ist
die Zellengrösse dieselbe, wie im normalen Tier, die Zahl dagegen
die halbe u. s. w. Bei Sphaerechinus zeigen die Halblarven zwischen
14- — 1 7 Mesenchymzellen anstatt 30- — 35, und im Darm, der halben
wie der Viertelslarven, lässt sich eine ähnliche Verminderung ersehen.
Ein besonders günstiges Objekt für die Zählung der Zellen
bildet die Chorda der Ascidienlarve durch die Grösse und einfache
Anordnung der Elemente. Auch hier konnte Driesch bei Halb-
larven die halbe Zahl zusammensetzender Zellen mit überraschender
Genauigkeit feststellen, ebenso mehr oder minder genau bei Echino-
dermenlarven anderer Gattungen, Echinus, Asterias u. s. w. Auch
bei aus eine m Ei erhaltenen Doppelbildungen von Triton hat
Maas, Einführung in die experimentelle Entwickelungsgeschichte. (;
82 X. Kapitel. Die Verschmelzunfesexperimente und das
Herlitz ka eine entsprechend verminderte Zellenzahl im Darm und
in den Muskelsegmenten beobachtet. Rabl hat gezeigt, dass die
Linsen kleinerer Individuen desselben Wirbeltieres nicht etwa kleinere,
sondern weniger Zellen von normaler Grössse besitzen.
Die Grösse und Beschaffenheit der Zelle ist also etwas für
die betreffende Tierart ganz spezifisches, auch für jedes Stadium
bestimmtes.
Die Furchung stellt ein bestimmtes Verhältnis von Zell- und
Kerngrösse für die Elementar organe her, das für jede Spezies konstant
ist, und wenn dies Verhältnis erreicht ist, ist der Furchungsprozess
zu Ende.
Die Zellen, die den Ausgangspunkt für die Kalkausscheidung
bilden, haben eine ganz bestimmte Grösse, ebenso die Zellen, die den
Urdarm bilden etc. Ist der Ausgangspunkt der Entvvickelung nur das
Halb- oder Viertelmaterial, so wird dennoch die spezifische Zellgrösse
für jedes Entwickelungs- und Differenzierungsstadium beibehalten;
es müssen also dementsprechend in diesen Fällen Zellteilungen
ausbleiben , im anderen Fall , bei der Materialverschmelzung mehr
Zellteilungen stattfinden, um die spezifische Zellbeschaffenheit für
das betreffende Stadium zu erreichen. Dieses Festhalten an der be-
stimmten spezifischen Zellgrösse für bestimmte Stadien trotz ver-
schiedener Quantität von Ausgangsmaterial ist schon an und für
sich merkwürdig; noch mehr wird es dies im Zusammenhang mit
der genauen Proportionalität aller Teile, aller örtlichen Abstände,
wo sich Differenzierungen einstellen. Der Mund der Echinodermen-
larven ist eine durch Darmdurchbruch erfolgende Neubildung
an einer ganz bestimmten Ortlichkeit ; bei den Halblarven erfolgt
dieser Durchbruch in ganz entsprechendem Abstand. Der Darm der
Larve zeigt ferner eine charakteristische Dreiteilung (Fig. 78, p. 91);
diese vollzieht sich, ohne dass in den Zellen vorher irgend welche
Änderungen oder Anreizungen gesehen werden können, in ent-
sprechend vergrössertem oder verkleinertem Mafsstabe an den Doppel-
oder Halblarven (Fig. 79). Die betreffenden Larven sind aus der
vegetativen Hälfte einer Asterias-g&struia, erzielt (s. u. p. 90). Sie
haben also als Bildungsmaterial für ihren Darm das volle Entoderm
wie die Ganzlarven gehabt; dennoch ist ihr Darm nur von halber
Grösse und ungefähr halber Zahl der zusammensetzenden Zellen,
entsprechend der um die Hälfte kleineren Gesamtform, und auch
seine drei einzelnen Abschnitte sind entsprechend verkleinert. Für
Problem der vitalistischen Proportionalität. 83
die Organgrösse gilt also das Gleiche bezüglich der strengen
Proportionalität wie für die Zellgrösse.
Trotzdem sich also die Differenzierung nach der verschiedenen
Quantität des Ausgangsmaterials, einer variablen Grösse, richten
niuss, richtet sie sich zu gleicher Zeit auch nach der Zellengrösse
und den Proportionen der betreffenden Art, also einer konstanten
Grösse; und in dieser Thätigkeit des Organismus sieht Driesch
einen Vorgang, der nur durch besondere im leitenden Organismus
wirkende, in der anorganischen Natur nicht bestehende Gesetzlich-
keiten erklärt werden kann, einen Beweis für die »Autonomie
der Lebens Vorgänge«. Diese Auffassung ist von vielen Seiten
bekämpft und besonders scharf von Roux als eine »einseitige
Ausdeutung des zur Zeit noch Unbekannten« bezeichnet
worden. Ob dies »zur Zeit noch Unbekannte«, der Unterschied
zwischen organischer und anorganischer Natur, jemals gelöst werden
wird, ist ja, wie Du Bois Reymonds zum Ubermafs zitiertes
»Ignorabimus« zeigt, von vielen Naturforschern überhaupt bezweifelt
worden; eine neue, noch so intensiv arbeitende Forschungsrichtnng
wird darin nicht so schnell eine entscheidende Antwort geben können
und dürfen. Immerhin hat aber diese Richtung, wie Drieschs
Beispiel zeigt, durch Experiment und logische Analyse das dem
organischen Körper Eigentümliche präziser analysiert und heraus-
geschält, anstatt sich, wie vorher oft, nur mit einem Appell an »das
Wunderbare« zu begnügen.
84 XL Kapitel. Das Differenzierungsproblem und die
XL Kapitel.
Das Differenzierungsproblem und die Experimente auf späteren
Stadien.
Die Keime als äquipotenzielle Systeme. Die allmähliche Einengung der prospektiven
Potenz, a) Experimente hei Echiniden, Urdarm, Wassergefässsystem etc., h) bei
Amphibien, Ectoderm, Medullarplatte. (Einschaltung der Born 'sehen Trans-
plantationsversuche.) Die Zerlegung des Entwickelungsgangs in „cellulare Elementar-
prozesse". Begriff der dadurch entstehenden primären, sekundären etc. Elementar-
organe und deren Verhältnis zur Keimblätterlehre.
Das vielerörterte Problem von den Ursachen, insbesondere von
Art und Zeit der Differenzierung in der Entwicklung, hat durch die
Experimente an Furchungsstadien keine einheitliche Beant-
wortung erfahren. Es rührt dies daher, dass für den Verlauf dieser
Experimente eine Reihe von Momenten malsgebend sind, die zunächst
mit dem Differenzierungsproblem, wie es von Weis mann etc.
formuliert ist, gar nicht direkt zusammenhängen, nämlich die Ei-
struktur, die Ausgleichfähigkeit und Verteilung plasmatischer Sub-
stanzen und die Art und Weise, wie die Furchung mit diesem
Material verfährt (s. o. p. 73). Nur bei einem vollständig isotropen
Ei, das in all seinen Teilen die gleichen Fähigkeiten aufwiese, also
einem »äquipotenten Keim«, könnte eigentlich die Frage nach dem
Differentwerden rein gestellt werden. Bei den Eiern sehr vieler
Tiere ist aber, wie Beobachtung am normalen und Experimentverlauf
erwiesen haben, über gewisse Radien- und Symmetrie Verteilungen
schon von vornherein durch Plasmalagerung im Ei entschieden, wird
die Ausbildung bestimmter Organsysteme von dem Vorhandensein
bestimmter plasmatischer Substanzen, wenn auch nicht abhängig,
so doch begünstigt. Je nachdem die Furchung mit diesen Substanzen
verfährt, werden gleichwertige oder verschiedenartige Stücke, die
lediglich durch Plasmamangel an der Weiterbildung gehemmt sind,
hervorgebracht, und schon deswegen ist das Ergebnis von Experimenten
an Furchungsstadien für die im Lauf der Entwickelung eintretende
Verschiedenartigkeit nicht rein und muss je nach Tiergruppe und
Stadium verschieden ausfallen. Immerhin können Schlüsse darauf
gezogen werden.
Die positiven Resultate der Ganzbildung nach Teilung in den
ersten Stadien der Entwickelung bei Echinodermen , der Medusen,
des Amphioxus lassen sich nur im Sinn einer auf diesem Stadium
Experimente auf späteren Stadien. 85
noch qualitativ gleichen Kernteilung verwerten, und die uegat iven
bei Mollusken. Ctenophoren etc. bedürfen zu ihrer Erklärung keiner
ungleichen Kernteilung, sondern lassen sich durch die Verteilung der
vorhandenen Plasmadifferenzen und deren Lagerung während der
Furchung hinreichend ausdeuten. Die blosse Tatsache, dass sich ein
Blastomer anders entwickelt, wenn es isoliert ist, als wenn es im
Verband des Ganzen geblieben ist, also die Ganzbildung bei Material-
entnahme , ferner die positiven Ergebnisse nach Verlagerung und
Verschmelzung sprechen für die Wichtigkeit der durch die Ent-
wickelung selbst gegebenen Faktoren, also im Sinne einer Epigenese ;
denn es werden durch diese Experimente neue Bedingungen gegeben,
denen der Organismus im Rahmen seiner spezifischen Eigenschaften
folgt , und es ist kaum möglich , anzunehmen , dass durch Prä-
formation im Idioplasma des Eies so viele Entwickelungsmöglich-
keiten vorgesehen sind, als Störungen eintreten können.
Es folgt daraus auch ferner, dass ein grosser Unterschied be-
stehen kann zwischen dem, was Keimesteile, Blastomeren in der nor-
malen Entwickelung leisten, der prospektiven Bedeutung, und dem.
was sie überhaupt leisten können, der prospektiven Potenz, die ge-
wöhnlich viel grösser ist. Es können in der Normalentwickelung
merkliche Spezialisierungen und dadurch Verschiedenheiten zwischen
den einzelnen Zellen auftreten ; diese letzteren haben aber die Fähig-
keit der Mehrleistung und darum können die Keimesteile unter-
einander doch trotz äusserer Verschiedenheiten noch innerlich gleich
sein, ein »äquipotenzielles System« bilden. Erst dann, wenn
nicht mehr alle Teile für einander eintreten können, ist ein wirklich
innerlicher Unterschied zwischen den Keimesteilen eingetreten; die
prospektive Potenz, nicht die prospektive Bedeutung, ist also das
Kriterium der Differenzierung.
Die evolutionistische Richtung Weis m anns hat diesen Ergeb-
nissen insofern Rechnung getragen, als sie nicht mehr auf jeder
Etappe eine Zerlegung der Fähigkeiten, des Idioplasmas des Kerns
annimmt, sondern nur in bestimmten Stadien, »wenn an einem Ort
des Keims nachweisware Differenzen eintreten.« Nach der entgegen-
gesetzten Ansicht jedoch könnte eigentlich eine solche innerliche
Differenzierung niemals eintreten. Jede Zelle des Körpers in allen
Stadien besitzt die Erbmasse in ihrem Kern und »trägt dadurch die
Möglichkeit in sich , unter geeigneten Bedingungen aus sich das
Ganze zu reproduzieren«. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese
Fähigkeit nicht in solchem Mafs vorhanden ist.
Mi XL Kapitel. Das Differenzierungsproblem und die
Wenn daher <las Differenzierungsproblem noch einmal experi-
mentell geprüft werden soll, so darf dies nicht mehr auf frühen
Stadien geschehen, wo auch Weis mann eine Gleichwertigkeit der
Zellen res]». Kerne zugeben kann, sondern auf solchen Stadien, wo
/wischen den Zellen nachweisliche Verschiedenheiten eingetreten sind.
Die wohlbekannten Verhältnisse bei Echiniden bieten hierzu Gelegen-
heit. Eine gewisse Verschiedenheit war bei den Furchungsstadien
der Seeigel schon von der dritten Teilung ab zwischen Blastomeren
des einen und anderen Pols zu bemerken, allerdings auf Grund plas-
matischer Unterschiede, die ihnen vom Ei ab und durch Teilungs-
richtung übermittelt waren. Es ist daher zunächst zu ermitteln, wie
weit diese Verschiedenheit des Schicksals auch auf die Fähigkeiten
der Blastomeren übergreift; denn wenn sie eine prinzipielle wäre, wie
z. B. bei Mollusken, so brauchte die Frage des Eintretens einer
Differenzierung nicht mehr erörtert zu werden, sondern eine solche
Verschiedenheit bestände schon vornherein. Driesch hat deshalb
die Wertigkeit der späteren Blastomeren bei Echinus einer genaueren
Nachprüfung unterzogen und wiederholt gefunden, dass auch rein
animale Blastomeren, allerdings seltener, zu Gastrulation und Weiter-
bildung kommen können (s. o. p. oO), namentlich dann, wenn sie
nicht ganz vereinzelt sind, sondern, wenn es sich um einen ganzen
Haufen rein animaler Zellen (4 von 8, 8 von 16 des ganzen Keimes)
handelt. Trotz der verschiedenen stofflichen Zusammensetzung kann
dann die aus animalen Blastomeren bestehende Hälfte zur Ganz-
bildung kommen, wie auch die vegetative, weil offenbar die grössere
Quantität des Plasmas die Vertretbarkeit der Substanzen resp. Blasto-
meren erleichtert, während dieser Ausgleich bei einzelnen 1/8 und 1/16-
Blastomeren naturgemäfs viel schwerer ist. Die Quantität des Plasmas
an und für sich spielt bei der Ergänzungsfähigkeit eine Rolle und
kann, wie zahlreiche Experimente erwiesen haben, nicht unter ein
gewisses Minimum herabgehen. Schon das Keimesminimum, das es
nur zur Gastrulation bringen soll, beträgt bei Echinus lj16 und unter
Umständen (wahrscheinlich bei einen richtig vegetativen Teilstück)
noch l/32 ; x/64 Keime bringen es höchstens zur Blastula. Es ist daher
auch von einzelnen 1/8 und 1l1Ct Blastomeren nicht die Leistung wie
von einer Gruppe zu erwarten, ohne dass darum die Qualität von
Plasmasubstanzen in Betracht käme.
Die Möglichkeit anderer als normaler Verwendung der Keim-
zonen erhellt aus einem Vergleich der aus 1/4 und aus einem vege-
tativen 1/8-Blastomer gezogenen Larven (vgl. Fig. 21) ; beide erhalten
Experimente auf späteren Stadien. S ,
vom Mikromerenfeld und annähernd vom gefärbten Ring denselben
Teil, nämlich je 1j4; dennoch aber besitzt die 1/s Larve nur halb so
viel Mesenchymzellen wie die 1ji Larve und auch nur einen etwa
halb so grossen Harm (s. o. p. 82). Die Bestimmung der Keimesteile
durch die plasmatischen Verschiedenheiten ist also bei Echiniden
keine absolute, sie macht sich in der Normalentwickelung und bei
Verlagerungen geltend (s. o. p. 32) aber kaum bei Isolierung; es
findet, wie Driesch es ausdrückt, wohl eine »Determinierung, aber
keine Fixierung« statt; mit anderen Worten: die prospektive Potenz
auch dieser späteren Blastomeren ist noch grösser als ihre pro-
jektive Bedeutung, die einzelnen Keimesteile können sich gegen-
seitig vertreten, der Echinidenkeim ist noch auf diesem Stadium ein
äquipotenzielles System.
Es fragt sich, bis zu welchem Stadium der Entwicklung dies
noch ausgesagt werden kann. Die zeitlich sich anschliessenden Ex-
perimente sind auf dem Blastulastadium von Sphaerechinus durch
Driesch angestellt worden, ehe es zur Absonderung der Mesenchym-
zellen und zur Ausbildung des Urdarmes gekommen war. In Tropfen,
die eine konzentrierte Menge von Blastulis enthielten, wurde mit der
Scheere beliebig hineingeschnitten, die dadurch erhaltenen Teilstücke
gesichtet und zur Weiterzucht gebracht (Fig. 76). Die Schnittwunde
schliesst sich sofort, die Stücke bleiben aber zuerst mit krauser, faltiger
Wandung am Boden des Gefässes liegen ; in wenigen Stunden sind sie
prall und schwimmen munter umher, und von 91 kamen alle mit
Ausnahme von 4 zur "Weiterent Wickelung. Das Resultat ist nicht
ganz einwandfrei, da man nicht willkürlich animale und vegetative
Hälften — und darauf allein kommt es an — trennen konnte, sondern
bei der Kleinheit der Objekte auf beliebige Schnittrichtung ange-
wiesen. Doch ist kaum anzunehmen, dass nicht unter den 91 Fällen
■eine grössere Anzahl von gewünschten Hälften gewesen wären, oder
dass gerade die 4 von 91 solche rein animalen Stücke repräsentierten.
Zusammengehalten mit den vorher erwähnten Versuchen sprechen
auch diese Ergebnisse für eine noch vorhandene, wenn auch allmäh-
lich schwerer durchdringende Äquipotenz und Ausgleichsfähigkeit.
Noch einen Schritt weiter in der Ontogenese wird die Beschränkung-
deutlicher. Es wurden Larvenstadien von Sphaerechinus und Echiwis
zerschnitten, welche die Mesenchymbildung vollendet hatten und sich
zur Gastrulation anschickten (Fig. 77), und es wurden aus dem
operierten Material solche Stücke ausgelesen, welche rein »animal«
waren, d. h. weder Mesenchvm- noch Darmzellen aufwiesen. Von
SS
XI. Kapitel. Das Differenzierungsproblem und die
99 solcher animalen Fragmente bei Sphaerechinus brachte es weitaus
die grössere Hälfte nicht einmal mehr zur Gastrulation, obwohl die
Stücke durchaus gesund umherschwammen und eetodermale Organe
lieferten. Von 25 animalen Echinus larvenstücken gastrulierten kaum
5, und von M animalen Larvenfragmenten von Asterias [das Material
vom Seestern bietet eine gute Ergänzung durch etwas anderen Ver-
lauf des Urdarmes (s. p. 90)] kam trotz mehrtägiger Weiterzüchtung
Fig. 76.
©
©
Fisr. 77.
Fig. 76 u. 77. Schemata der Leistungsfähigkeit der animalen und vegetativen Hälfte
des Echinidenkeimes, nach Morgan (im Anschluss an Driesch'sche
Experimente), und zwar Fig. 76 während. Fig. 77 nach erfolgter Gastru-
lation getrennt. Die kleinen Figuren rechts zeigen das spätere Schicksal
der Teilprodukte. Im Beginn der Gastrulation getrennt, sind beide Hälften
zur Gastrulation und Pluteusbildung befähigt, nachher nur diejenige Hälfte,
die alle Elementarorgane (Ectoderm, Urdarm, Mesenchym) besitzt.
der gesunden Keime keiner zur Gastrulntion. Es ist also daraus zu
schliessen : sobald die am vegetativen Pol entstandenen Organe, Darm
und Mesenchym, wirklich angelegt sind, sind die übrigen Zellen des
Keims nicht mehr im Stande, bei Isolierung diese Organe noch ein-
mal zu bilden; auch umgekehrt können die isolierten Urdärme nicht
das fehlende Ektoderm ergänzen. Es ist also eine deutliche Ein-
schränkung der prospektiven Polenz unter den Keimeszellen einge-
treten. Da dieselben Zellen vorher, allerdings unter Schwierigkeiten,.
Experimente auf späteren Stadien. S'.i
die Ergänzung noch leisten konnten, so müssen durch die Abscheidung
des Mesenchyms und Urdarms Veränderungen am ganzen Keim, also
auch an diesem entfernten animalen Pol stattgefunden halten, wo-
durch er des letzten Restes der Ergänzungsfähigkeit beraubt worden
ist. Auch dies spricht dafür, die Ursachen der fortschreitenden
Differenzierung, der Einschränkung der Potenz,, in plasmatischen Be-
wirkungen zu suchen, die allmählich durch die Entwickelung selbst
eintreten, und nicht in einer plötzlich auf dieser Etappe einsetzenden
ungleichen Verteilung der Kernqualitäten.
Leider ist in anderen Tiergruppen die Einschränkung der prospek-
tiven Potenz auf späteren Stadien bisher nur wenig experimentell
geprüft worden. Bei Amphibien hat Samassa im Achterstadium
des Froscheis die vier animalen Blastomeren durch galvanische Tötung
der vier vegetativen zur alleinigen Weiterentwickelung zu bringen
versucht und umgekehrt. Die betreffenden Hälften setzen ihre Ent-
wickelung als solche zunächst ungestört fort; es treten aber keinerlei
Ausgleichungen ein und die Bildungen sterben in unreifen Stadien
ab. Es besteht also auch hier eine Beschränkung in der Entwickeluno-s-
fähigkeit, sobald sich die Zellen der animalen und vegetativen Sphaere
geschieden haben. Diese Beschränkung ist, wie schon die Isolierungs-
versuche dargetan haben (s. p. 40), durch die Verteilung plasmatischer
Substanzen bedingt; ob sie schon auf so frühem Stadium eine abso-
lute ist, kann nach dem etwas gewaltsamen Samassa 'sehen Experi-
ment in Anbetracht der diffizilen Regulierungsverhältnisse des Frosch-
eies noch nicht entschieden gelten (vergi. oben Spemann).
An etwas späteren Stadien von Amphibien hat Barfurth Ver-
suche der Materialentnahme gemacht. Wenn bei Verletzungen im
Gastrulastadium durch Ektodermentfernung die weisse Schicht, das
Entoderm, blossgelegt wurde, so war letzteres, selbst auf frühen Stadien
der Einwucherung, nicht mehr im Stande, von sich aus ein neues
Ektoderm zu liefern, sondern dieses ergänzte sich vom übrigen Ekto-
derm aus. Auch die anderen Keimblätter vermögen sich nur inner-
halb ihrer selbst zu ergänzen ; es besteht also auch hier eine Ein-
schränkung der prospektiven Potenz der »Keimblätter«, oder besser
der ersten (primären) Elementarorgane (s. p. 96).
Eine andere Frage ist, wie sich die Zellen solcher Elementar-
organe nicht gegenüber den Zellen anderer Elementarorgane, sondern
unter sich verhalten, in bezug auf ihre gegenseitige Ausgleichsfähig-
keit, prospektive Potenz. Dieser Frage ist besonders D r i e s c h durch sinn-
reiche Versuche an späteren Stadien von Echinodermen näher getreten.
90 XI. Kapitel. Das DiffereiizHTUii.ijsproltleiii und dio
Wir sehen hier in der Normalentwickelung, dass sich der Darm in ganz
bestimmter Weise gliedert, ganz bestimmte Ausstülpungen an fester
♦Stelle für Coelom und Wassergefässsystem bildet u. s. w. Es fragt
sieh also auch hier wieder, ob diese Leistungen an ganz bestimmte
Zellen gebunden sind, die diese Qualität durch ihr Kernplasma über-
mittelt erhalten, oder ob diese Veränderung ganz beliebige Urdarm-
zellen, je nach der Lage treffen kann. Dies kann natürlich durch das
Experiment entschieden werden, indem man für die Urdarmzellen
neue Bedingungen schafft.
Wenn man Gastrulae von Echiniden zerschneidet, so dass sie in
kleinere Stücke zerfielen, die alle drei Zellsorten enthielten, so lieferten
■die Stücke, die überhaupt leben blieben, normale, nur ganz kleine
Plutei, mit typischem dreigliedrigem Darm. Es mussten in Folge der
Zerschneidung ganz andere Zellen, sowohl im Ektoderm für die
Wimperschnur, als auch im Entoderm für die einzelnen Darmteile
verwandt werden, als in der Normalentwickelung vorgesehen war;
also ist die prospektive Potenz der Ektoderm zellen unter sich
und der Entodermzellen unter sich die gleiche.
Noch deutlicher zeigt sich dies bei Seesternlarven. Bei der
Gastrula von Asterias glacialis reicht der Urdarm nicht so hoch herauf,
und an seinem distalen Ende markiert sich sehr bald die Endblase,
die sich nachher als Anlage des Coelom-Wassergefässsystems abschnürt
(Fig. 78). Wenn man nun Gastrulae so zerschneidet, dass dem vege-
tativen Teil nur etwa die Hälfte des Ektoderms bleibt und auch vom
Entoderm gerade der Teil, der die Blase bildet, entfernt wird, so
stellen sich ektodermale wie ento dermale Organe trotz der erheblichen
Substanzentnahme typisch, nur proportional verkleinert, wieder her.
Es wird eine neue Blase (iv) von Zellen geliefert, die sich an der
Bildung der alten gar nicht beteiligt hatten, und der restierende Darm
teilt sich in drei Abschnitte (dl} d2> d.d), für die dann ebenfalls andere
Zellen wie normaler Weise verwandt wurden. (Fig. 79).
Ebenso können die einzelnen Mesenchymzellen für einander ein-
treten. Diese Zellen äussern sich, ehe sie die Kaikabscheidung be-
ginnen, am Ektoderm zu einer typischen, bilateralen Figur (Fig. 80).
Durch Schütteln hat Driesch dieselben im ganzen Halbraum umher
zerstreut (Fig. 81); gleichwohl trat ihre Ordnung nach und nach
wieder ein (Fig. 82) ; es ist kaum anzunehmen, dass da auch nur ein
kleiner Teil der Zellen wieder an die richtige ehemalige Stelle ge-
kommen wäre, und dennoch erfolgt die Ausbildung der Skelettstäbe
Experimente auf späteren Stadien.
91
des Pluteus in typischer Weise Die Mesenchymzellen sind also wie
die des Ektoderms und des primären Darms unter sich von gleicher
prospektiver Potenz, können einander vertreten.
Fig. 78.
Fig. 79.
(h
Fig. 7^
w
d.
.A
Fi?. 79.
w
<l,
Normale Bipinnarialarve von Asterias von der Seite.
Bipinnaria, aus dem vegetativen Stück einer Gastrula hervorgegangen (nach
Driesch). Trotzdem diese die gleiche Menge Entoderm erhielt, ist doch
die Proportionalität der Darmteile zur verkleinerten Gesamtform gewahrt.
w = Wassergefässblase. d\, (k, ^3 = Teile des Darms.
Fig. 80.
Vie. 81.
Fisr. 82.
Fig. 80. Nonnale Lagerung der Mesenchymzellen von Ecliinns vom vegetativen Pol
aus. Ein Kranz, der bilateral symmetrische Anhäufungen aufweist.
Fig. 81. Mesenchym durch Schütteln derangiert (Larve von der Seite).
Fig. 82. Mesenchymzellen haben trotz Schütteln selbständig die normale Lagerung
eingenommen; auch Darmanlage etc. normal.
Auch letztere Potenz wird wieder eingeschränkt, sobald die be-
treffenden Organe sich wirklich und räumlich abgesondert haben. Wenn
man nach erfolgter Abschnürung der Vasocoelomsäcke (Fig. 78, w) eine
Durchtrennung vornimmt, so hat der zurückbleibende Teil des Darms
die Fähigkeit zur Neubildung dieser Säcke eingebüsst. Die gleichen
Zellen haben die Fähigkeit vorher noch besessen; es ist also nicht
92 XI. Kapitel. Das Differenz ierungsproblem und die
anzunehmen, dass sie ihre Qualitäten in sich, resp. in ihrem Kern
tragen, sondern man ersieht aus dem Experiment, dass ihre Leistungen
durch Wirkung auf ihr Plasma, d. h. auf die ganze Zelle als solche
bestimmt werden. Die Ausstossung der Coelomsäcke aus dem Verband
des Urdarms muss auf die zurückbleibenden Zellen eine bestimmte,
einstweilen chemisch nicht analysierbare Wirkung haben, ähnlich
wie Ausscheidung der Mesenchym- und Darmzellen früher auf die
zurückleibenden Blastodermzellen, die dadurch zu »Ektoderrnzellen«
mit begrenzter Fähigkeit werden.
Auch die Fähigkeit der Mesenchymzellen wird nach erfolgter
Skelettbildung eingeschränkt ; bei Durchschneidung einer Larve, die
bereits ihre grossen Kalkstäbe ausgebildet hat, können in einem Frag-
ment, das keine Kalkkörper enthält, keine ueuen Stäbe mehr gebildet
werden , auch wenn noch genügend andere Mesenchymzellen
vorhanden sind. [Hierbei spielen allerdings noch andere Bedingungen
mit, die bei den chemischen Reizwirkungen (s. p. 154 und 194) zu
besprechen sind.] Die Zellen eines Elementarorgans, z. B. des Ur-
darms, sind also unter sich prospektiv gleich; die prospektive Potenz
verschiedener Elementarorgane , (sekundärer Elementarorgane,
z. B. Coelomsack, eigentlicher Darm) in Bezug aufeinander, ihre
gegenseitige Ergänzungsfähigkeit ist jedoch beschränkt.
Diese Einengung der Fähigkeiten im späteren Lauf der Ontogenese
ergibt sich auch aus einigen Experimenten von Spemann in der Am-
phibienentwickelung. Wenn man einen Tritonembryo, in dem die
Medullarplatte angelegt ist, durch eine Ligatur quer durchschnürt,
so bildet das hintere Stück der Medullaranlage neue Kopfanlagen;
es entwickelt sich so, als wenn sein neues künstliches Vorderende
ein normales Vorderende wäre. Es legen sich in entsprechender
Entfernung Hörblasen an, das Medullarrohr bildet ein Hirn mit typischer
Nackenbeuge (trotzdem sich am abgeschnürten vorderen Stück dies
ebenfalls entwickelt) ; die Zellen der Elementarorgane treten also hier
für einander ein und besitzen die Fähigkeit einer grossen Mehr-
leistung, allerdings in den Grenzen des Elementarorgans. Wird die
Durchschnürung jedoch erst dann vorgenommen, wenn die Medullar-
wülste scharf abgegrenzt sind, so kann das hintere Stück keine neuen
Kopf an lagen ausbilden, sondern entwickelt sich als Teilbildung, wie
wenn es im Verband des Ganzen geblieben wäre, weiter. Es hat
demnach gegenüber dem früheren Stadium eine wesentliche Ein-
schränkung der Potenzen auch innerhalb der Medullaranlage statt-
gefunden.
Experimente auf späteren Stadien.
93
Den ersterwähnten Versuch, die Mehrleistung der Medullarrohran-
lage auf früheren Stadien betreffend, hat Spemann seitdem nicht
mit positivem Ergebnis wiederholen können, und will ihn daher neuer-
dings als zweifelhaft zurücknehmen, bis er durch weitere Experimente
erhärtet werden kann. Bestehen bleibt aber jedenfalls die Ein-
schränkung der Fähigkeit auf dem späteren Stadium, nur müsste der
Eintritt dieser Beschränkung dann event. schon auf etwas früherem
Stadium angenommen werden, falls der Versuch nicht einwandfrei war.
Eine andere Angabe in gleicher Richtung bleibt bestehen ; wenn man die
Ligatur in medianer Richtung anbringt, so dass die Medullarplatte
längs geteilt wird, so bildet das Vorderende zwei vollständige, neben-
einander gelegene Kopfteile. Eine Mehrleistung ist also unzweifelhaft
vorhanden; wir haben gewissermassen zwei verkleinerte Ganzbildungen
jede aus halbem Material vor uns, wie wir es entsprechend früher
an" Blastomeren gesehen haben.
Fig. 83.
Fig. 83. Embryo von Trutta fario. Experimentell erzeugte hintere Spaltbildung
(nach Kopsch).
94
XI. Kapitel. Das Differenzierungsproblem und die
Aehnlich dürften nach die Versuche von Kopsch an Forellen-
embryonen aufzufassen sein. Er hat auf einem jungen Stadium genau
in der Medianlinie der erst später zu Tage tretenden Embryonalanlage
die Zellen des äussersten Randabschnittes mittelst des elektrischen
Stroms behandelt. Es ergab sich dann eine mediane Spaltung des
Keims (Fig. 83). Vorn verblieb die Bildung einheitlich, resp. ent-
wickelten die Teile als Hälften, hinten aber, wo die Differenzierung
zur Zeit des Eingriffs noch nicht so weit gediehen war, ergaben sich
zwei Ganzbildungen. Solche Doppelbildungen bei meroblastischen
//
\
ch
Fig. 84.
m
i
in
i
ch
Fig. 84. Schnitt durch Doppelbildung des Saiblings (nach Oellacher).
m = Medullarrohr, ch = Chorda, n = Nierengang, d = Darmteil, l = Leber.
Eiern können auclr einer Spaltung des Materials auf noch früheren
Stadien ihre Entstehung verdanken und sind bei Fischen (Fig. 84)
und Eidechsen häufig beobachtet (vergl. p. 51).
Hier lassen sich am ehesten die eigenartigen Transplantations-
und Auf pfropf ungsversuche anschliessen, die Born an den Larven
verschiedener Amphibien angestellt hat. Die Larven vieler Anuren
zeigen besonders im Stadium, wo das Medullarrohr sich schliesst, der
Kopf sich absetzt, und der Schwanz hervortritt, ein ausgezeichnetes
Heilungsvermögen, indem die Epidermis sich in kürzester Zeit über
die Wundfläche schiebt, Infolge dieser raschen epithelialen Bedeckung
können beliebige Teilstücke bis zum Aufbrauch des in den Zellen
enthaltenen Dottermaterials, bis etwa 3 Wochen, erhalten bleiben und
sich weiter entwickeln. Die Entwickelung dieser Fragmente zeigt
keinen Ausgleich, sondern geschieht durchaus, wie wenn sie im Verband
Experimente auf späteren Stadien.
!»•■
des Ganzen geblieben wären. Auch der Mangel von Organen, die
sonst auf den ganzen Körper des Erwachsenen Einfluss haben, wie
Herz und Gehirn, macht sich nicht fühlbar. Dies beweist natürlich
nicht prinzipiell die Selbstdifferenzierung, sondern in logischem und
zeitlichem Ausschluss an die früheren Versuche nur, dass je mehr
sich die Organe ausbilden, je mehr sozusagen sich die primären
Elementarorgane in sekundäre, tertiäre etc. sondern, die in sich zwar
prospektiv gleich, aber untereinander verschieden sind, desto mehr
auch natürlich die Teile ihre erlangte Differenzierung beibehalten
müssen.
Fig. 85.
Fig. 86.
Fig. 85 und 86. Verwachsüngs versuche mit Amphibienlarven nach Born.
Fig. 85. Kanae esculentae, 13 Wochen nach der Vereinigung. Nach Born. Janus-
artige Gehirnvereinigung. 14 Tage später als diese Abnahme vollkommen
metamorphosiert. Das grössere Fröschchen trägt das kleinere dauernd auf
dem Rücken.
Fig. 86. Eanae esculentae, 13 Wochen nach der Zusammensetzung. Gleichsinnige Bauch-
vereinigung. Nach Born: Über Verwachsungsversuche mit Amphibienlarven.
Die Lage und Nachbarschaft erweist sich auch bei diesen Ver-
suchen trotz selbständigen Weiterwachsens dennoch als nicht gleich-
gültig. Wenn bei der Transplantation entsprechende gleichartige
Organsysteme zusammen kommen, so verwachsen sie miteinander;
es kann ein Stück Magen mit einem Stück Enddarm, ein Stück
Medullarrohr mit einem Fragment verschmelzen, aber nicht ein ento-
dermaler Teil mit einem ektodermalen oder umgekehrt. In den
letzteren Fällen bleibt stets eine Narbe von verlötendem Bindegewebe
dazwischen; ebenso wenn gleiche Organsysteme verschiedener Spezies
96 XL Kapitel. Das Differenzierungsproblem und die
zusammenwachsen, wenn z. B. der Darm von JRana mit dem Magen
A'on Ali/t es zusammengepfropft wird. Es kann in solchen Fällen wohl
zu einer gewissen physiologischen Verbindung der Teilstücke
durch die Blutbahn kommen; eine wirklich organische und morpho-
logische Vereinigung der Teilstücke erfolgt nur dann, wenn sich gleiche
Organe gleicher Spezies zusammenfinden. Diese Verwandtschaft macht
sich sogar auf Entfernung geltend; selbst wenn die betreffenden
Systeme von der Schnittfläche entfernt liegen, nähern sie sich durch
eine Art gegenseitiger Anziehung, so dass gleichartiges zusammen-
wächst. Der Zusammenschluss kann so vollkommen werden, dass
man aus der Verlötung zweier symmetrisch gewählter Hälften ein
ganzes Tier erhält, das sich in nichts von der aus einem intakten
Ei gezogenen Larve unterscheidet. Nach dem Erörterten kann auch
dieser Versuch natürlich nicht im Sinn einer Mosaiktheorie aus-
gelegt werden.
Die vorher besprochenen Erscheinungen, besonders bei Echino-
dermen, im fortschreitenden Verlauf der Entwickelung haben zur
Festlegung von Begriffen und zu Definitionen für die Phasen der
Entwickelung geführt, die sich ohne Rücksicht auf den stammes-
geschichtlichen Vergleich rein an die Analyse der Vorgänge selbst zu
halten suchen.
Wenn sich eine oder eine Anzahl von Zellen durch Qualität und
Lage anderen gegenüber als etwas einheitliches kennzeichnen, so
geschieht dies durch einen »cellulären Elementarprozess.«
Die Ontogenese setzt sich aus einer Reihe solcher auf-
einanderfolgender Elementarprozesse zusammen. Das
Resultat eines cellulären Elementarprozesses wird als celluläres
Elementarorgan, oder Elementarorgan schlechtweg bezeichnet. Die
Furchung ist bei den Echiniden der erste celluläre Elementarprozess;
das Blastoderm ist demnach das erste Elementarorgan, ein primäres
Elementar organ. Seine Zellen haben untereinander die gleiche
prospektive Potenz. Die Ausbildung der Mesenchymzellen und des
Urdarms sind weitere celluläre Elementarprozesse; der Urdarm der
Echinodermenlarve ist ein s e k u n d ä r e s E 1 e m e n t a r o r g a n . ebenso
das Mesenchym und das Ektoderm. Die sekundären Elementarorgane
sind einander gegenüber nicht mehr prospektiv gleich, wohl aber die
Zellen jedes sekundären Elementarorgans unter sich. Aus dem Ur-
darm entwickelt sich durch einen weiteren cellulären Elementarprozess,
Experimente auf späteren Stadien. 97
durch Abschnürung, dieCoelom-Wassergefässblase; diese wie der zurück-
bleibende wirkliche Darm stellen tertiäre Elementarorgane dar.
Die Blase teilt sich in Coelomsäcke und Wassergefässeanlage ; auch
deren Zellen sind untereinander prospektiv gleich ; der Darm gliedert
sich in drei bestimmte Abschnitte. Diese, wie die Wassergefässan-
lage etc. sind q u a r t ä r e Elementarorgane.
Der Begriff eines Keimblattes kann unter Umständen mit dem
eines primären, oder sekundären Elementarorgans zusammenfallen,
oder kann eine Summe von späteren Elementarorganen darstellen,
muss dies aber nicht,
In solcher Weise kann man den Prozess einer Ontogenese unter
stetiger Einschränkung der prospektiven Potenz weiter verfolgen bis
zu den nltimären Elementarorganen. Dies sind solche, an denen
keine neuen Elementarprozesse insceniert werden, sondern welche nur
in sich gleichförmige Veränderungen zeigen ; z. B. Wachstum unter
Erhaltung der Proportionen.
Die gleichen Begriffe wie bei den Echiniden Hessen sich bei
der Amphibienentwickelung für Blastoderm, Ektoderm, Medullarwulst,
Hirn- und Rückenmarksanlage, einzelne Hirnabschnitte etc. anwenden
und ebenso an ihnen die fortschreitende Einengung der Fähigkeit
und Vertretbarkeit konstatieren. Dass wir für diese Einschränkung
keine Zerlegung der Kernqualitäten, sondern im Lauf der Entwicklung
allmählich hervortretende plasmatische Unterschiede verantwortlich
machen können, scheint auch aus den oben erörterten Experimenten
an späteren Stadien hervorzugehen, soweit diese spärlichen Versuche
einstweilen überhaupt eine Deutung zulassen.
Maas, Einführung in die experimentelle Entwiekelungsgeschichte.
|IS XII. Kapitel. Die Experimente der Materialentnahme
XII. Kapitel.
Die Experimente der Materialentnahme am ausgebildeten Körper
und die Regeneration.
Verschiedene Fassung des Begriffs Regeneration, das Wiederinkrafttreten der
prospektiven Potenz. A. Herkunft des regenerierenden Materials. Experimente
an Würmern, Seesternen, Fischen, Amphibien. Die histologische Aus-
bildung des Regenerats. Gleiches aus Gleichem? Die Regeneration der Triton-
linse. Regeneration und Keimblatt, Regeneration und Elementarorgan.
Die Versuche an späteren Stadien der Entwickelung, die im
vorigen Kapitel erläutert wurden, haben gezeigt, dass mit dem Fort-
schreiten der Ausbildung der prospektiven Potenz, die allgemeine
Fähigkeit einzelner Zellen und Zellkomplexe, eine allmähliche Ein-
schränkung erleidet. In vielen Fällen liess sich auch deutlich erkennen,
dass diese Einschränkung nicht innerhalb der Zellen selbst, etwa durch
eine qualitativ verschiedene Kernteilung gegeben, sondern durch Um-
stände der Entwickelung bedingt war, die auf das Gesamtplasma der
Zellen wirkten (s. p. 88). Ebenso nun wie den Zellkomplexen ihre
Fähigkeit der Ergänzung nach und nach genommen wird, lässt sich
auch vorstellen, dass ihnen diese Fähigkeit durch besondere Umstände
wieder verliehen wird; dies muss in der That für die Ergänzung in
Verlust geratener Teile des Erwachsenen, für die Regeneration
angenommen werden.
Die Definition des Begriffes Regeneration wird von verschiedenen
Autoren sehr verschieden gegeben. Einige fassen ihn so weit, dass
sie auch die Vorgänge der Ganz-Entwickelung am verminderten Ei-
und Furchungsmaterial darunter verstehen, trotz dem hier ja keine
Ergänzung eintritt, sondern eine etwas abgeänderte Normalentwickelung
an quantitativ geringerem Material; andere fassen ihn so eng, dass
sie ihn nur dann anwenden wollen, wenn es sich um besondere in
der Normalentwickelung nicht zu Tage tretende Vorgänge und Fähig-
keiten der Ergänzung, um sog. »sekundäre Potenzen« handelt. Im
eigentlichen Sinn des Wortes ist Regeneration als die Wieder-
schaffung eines schon vorhanden gewesenen zu bezeichnen,
kann also nicht für die Vorgänge an vermindertem Furchungsmaterial
gebraucht werden. Mit welchen Mitteln das zu ergänzende geschaffen
wird, kommt für diese Begriffsfassung zunächst nicht in Betracht und
bildet erst den Gegenstand der besonderen Untersuchung.
am ausgebildeten Körper und die Regeneration. 99
Schon im normalen Lebensgang- eines Organismus können grössere
Teile regelmässig in Verlust geraten (z. B. bei der Ausstossung der
Uterusschleimhaut bei deziduaten Säugern, dem Abwerfen der Geweihe
bei Cerviden, der Abstreifung des Chitins und seiner Anhänge bei
Arthropoden) und müssen dann wieder erneuert werden; es handelt
sich um eine normale oder »physiologische Regeneration«. Wenn
dagegen durch einen Eingriff oder durch sonstige anormale Umstände
eine Neubildung nötig wird, z. B. wenn der Schwanz einer Eidechse
abbricht und zur Neubildung kommt, oder wenn das Auge eines
Crustaceen abgeschnitten und wieder gebidet wird, so kann man von
pathologischer oder besser »accidenteller« Regeneration sprechen. Diese
Ausdrücke beziehen sich jedoch mehr auf die Art des Verlustes,
als auf die Art der Erneuerung, denn der Vorgang der Erneuerung
selbst hat nichts Pathologisches an sich, sondern erstrebt im Gegen-
teil die Erreichung des Normalen.
Wodurch eine derartige, das fehlende ersetzende Ausprägung
des Regenerats bewirkt wird, ob durch in den Zellen liegende Fähig-
keit der Selbstdifferenzierung oder durch abhängige Differenzierung,
also durch die Beziehung zum Ganzen, und warum die Neubildung
im einen Fall prompt erscheint, im andern Fall ausbleibt, ist die
eine Frage, durch welche die Regeneration für die allgemeine
Entwickelungsphysiologie von Bedeutung wird. Die andere Frage
ist die, aus welchem Material von Zellen und Geweben die Neu-
bildung entsteht, und diese soll zunächst erörtert werden.
Es liegen hierfür verschiedene Möglichkeiten vor. Erstens könnte
das Regenerat in allen seinen Teilen aus entsprechenden zurückge-
lassenen Organen und Geweben des Muttertieres entstehen, so dass
sich Muskel aus Muskeln, Knochensubstanz aus Knochen, Nerven aus
Nervenzellen u. s. w. bildet, Zweitens könnte für bestimmte Gewebe
ein festgelegter Entstehungsherd, eine Matrix, ähnlich wie in der
Normalentwickelung, die Bildung übernehmen, wie z. B. bei der Aus-
scheidung des Chitins, oder bei der Bildung der Chordazellen von den
Chordascheidenzellen. Drittens könnte das Regenerat anfänglich nicht
aus verschiedenen solcher Bildungsherde, sondern aus einer gleich-
artigen Masse indifferenter, gleichsam embryonal gebliebener Zellen
sich zusammen setzen, die dann die Differenzierung in die einzelnen
Bildungsherde erst noch einmal durchmachen müssten. Viertens
könnte es der Fall sein, dass Zellen bei der Ergänzung ganz neue,
ihnen sonst nicht zukommende Fähigkeiten zeigten und ihnen sonst
fremdartige, ungleichartige Gewebe bilden könnten.
7*
]()(> XII. Kapitel. Die Experimente der Materialentnahme
Alle diese Möglichkeiten scheinen in den einzelnen Regenerations-
prozessen in verschiedenen Tiergruppen ihre Verwirklichung zu finden.
Die Entscheidung ist im einzelnen Fall deswegen so schwierig, weil
die cellulären Prozesse, die zur ersten Bildung wie zur späteren Aus-
gestaltung des Regenerats führen, nur an Schnittseriell konservierten
Materials studiert werden können. Um die aufeinanderfolgenden
Stadien zu erschliessen, ist man daher auf den Vergleich verschiedener
Individuen in verschiedenen Zeiträumen angewiesen ; da aber der
Prczess der Regeneration in einzelnen Individuen und auch in ein-
zelnen Teilen des Regenerats nicht gleichmässig schnell abläuft, so
hat diese Methode viele Unsicherheit. Auch treten mannigfache Um-
formungen der Zellen ein, so dass sie, wenn nicht alle zwischen-
liegenden Stadien vorliegen, oft nicht wiederzuerkennen wären. Aus-
geprägte Zellen können eine indifferente Form annehmen, ehe sie
sich im Regenerat wieder differenzieren, und es ist oft einer Zelle
schwer anzusehen, ob sie »noch« oder »schon« indifferent resp. wieder
ausgeprägt ist.
Die Unsicherheit der Resultate wird einigermassen durch die
grosse Zahl der Experimente ausgeglichen. Es sind jedoch nicht alle
Tiergruppen in gleichem Masse für einen Eingriff geeignet, sondern
die Fälligkeit der Wiederergänzung hängt, abgesehen von der Organi-
sationshöhe, noch von anderen, tiefer liegenden Ursachen ab. Vom
Standpunkt der natürlichen Zuchtwahl hat man die Erklärung darin
gesucht, dass diejenigen Tiere das Regenerations vermögen in höchstem
Grade besitzen, die schon in natürlichem Zustand am meisten Un-
bilden und Verletzungen ausgesetzt sind, was aber viel bestritten
worden ist (s. p. 128). Jedenfalls wird der Experimentator auf
bestimmte Tiergruppen dadurch angewiesen, und das sind in erster
Linie die Würmer (besonders Anneliden) und die Lurche.
Bei lubifex und anderen im Süsswasser lebenden Gliederwürmern
sind von B ü 1 o w , Hasse, H e p k e , von Wagner u. A. zahlreiche
Experimente verschiedenartiger Verstümmelung gemacht, und darnach
die Histologie des Regenerats studiert worden. Beim Abschneiden des
Vorderendes tritt sofort ein allseitiger Wund verschluss ein, auch das
offene Darmende krümmt sich wieder zusammen, und es beginnt eine
sehr lebhafte Proliferation, die sich besonders im Ektoderm erkennen
lässt. Das neue Material gibt zum einen Teil dem neu auftretenden
Zentralnervensystem Entstehung (Oberschlundgangiien, den Commis-
suren, Unterschlundganglien und dem an das stehen gebliebene Bauch-
mark anschliessenden Strang), zum anderen Teil entstehen aus der
am ausgebildeten Körper und die Regeneration.
101
ektodermalen Wucherung aeue Muskeln. Ein neuer Pharynx wird
vom zurückgebliebenen entodermalen Darin geliefert, dem sieh eine
nur minimale ektodermale Einstülpung zum Durchbruch nach aussen
anschliesst, während in der Embryonalentwickelung dieser Pharynx
ganz vom Ektoderm aus geliefert wird. Nach einiger Zeit ist der
neue Kopf fertig und funktionsfähig.
Aehnliche Vorgänge der Regeneration, die teils eine gleichartige
Verwendung der Gewebe zur Neubildung, teils kleinere und grössere
Abweichungen zeigen, sind von He sehe ler u. a. Autoren bei den
landbewohnenden Anneliden, den Regenwürmern studiert worden, nur
dass hier ein Zapfen von Lymphzellen, der beim Wundverschluss
auftritt, die gewebliche Verfolgung erschwert (Fig. 87, ly). Darm- und
Fig. 87.
Fig. 88.
Fig. 89.
>/,
n
Fig. 87, 88, 89. Stadien der histologischen Regeneration des Regenwurms nach
Hescheler.
Fig. 87. Wundverschluss durch Narbengewebe [ly). Darm hlind.
Fig. 88. Nach 11 Tagen; beginnender Darmdurchbruch. Ober- und
Unterschlundganglion («) gebildet.
Fig. 89. Vollendete Regeneration von einem jüngeren Exemplar, nach
21 Tagen.
102 SIL Kapitel. Die Experimente der Materialentnahme
Ektoderm verschluss der Wunde erfolgen etwas später und ebenso eine
lebhafte Verwucherung von Zellen im Ektoderm, die dann z. T. in
den Lymphzellenzapfen zu liegen kommen. Auch im zurückbleibenden
Nervensystem macht sich eine starke Proliferation geltend, sogar in
Ganglien, die vom Schnittende entfernt liegen, und diese vom Nerven-
system selbst gebildeten Elemente machen jedenfalls einen grossen Teil
der Ganglien- und Nervenmasse des Regenerats aus, dem sich event.
neues, vom Ektoderm neugebildetes Material anschliesst. Der Pharynx
wird ebenfalls nicht vom Ektoderm, sondern vom zurückbleibenden
Darm gebildet; doch ist hier eine ektodermale Beteiligung nicht ganz
auszuschliessen, weil das embryonale ektodermale Stomodaeum etwas
weiter nach hinten reicht, als die Schnittstelle. Die Lymphzellen
nehmen nach H e s c h e 1 e r keinen Anteil an der Organbildung im
Regenerat, also dürfen wir in ihnen keine indifferenten Zellen sehen,
die als bequeme Aushülfe alles leisten können. Im Gegenteil zeigt sich,
dass manches scheinbar Indifferente erst nachträglich so geworden ist,
indem Zellen vom Ektoderm und wohl noch aus anderen Teilen in
diesen Zapfen »indifferenter« Lymphzellen einwandern.
In ganz ähnlicher Weise vollzieht sich der Aufbau der neuen
Teile bei der natürlichen ungeschlechtlichen Vermehrung oder Knos-
pung, die vielen dieser niedrigen Anneliden zukommt und häufiger
eintritt als die geschlechtliche Fortpflanzung. Bei Chaetogaster diaphanus
sind nach von Bock, die Tiere vom Herbst bis zum Frühjahr in
beständiger Knospung begriffen, ohne dass man die Spur geschlecht-
licher Vermehrung finden kann. Wenn der Wurm eine gewisse Länge
erreicht hat, treten in einiger Entfernung vom Afterende, in der sog.
Knospungszone, Neubildungen in den Geweben auf, die bestimmt
sind, einerseits einen neuen Kopf für das hintere Tier, andererseits
ein neues Afterende für das vordere Tier entstehen zu lassen. Noch
vor der Ablösung der primären Sprosstiere entsteht an ihnen wieder
eine Knospungszone u. s. f., bis schliesslich eine ganze Tierkette vor-
handen ist, an der das Material der Neubildung in sehr verschiedenem
Zustand- zu studieren ist. Nach von Bock bildet sich das neue
Nervensystem, bestehend aus oberen Schlundganglion, Commissuren
und Bauchmark aus einer ektodermalen Zellen Wucherung unter
Beteiligung der Ganglienzellen des alten Bauchmarks. Aus dieser
genetisch also zwiespältigen, dann einheitlichen Zellenmasse, gehen
durch strangförmiges Auswachsen jederseits die Commissuren und
dann durch Verdickung die oberen Schlundganglien hervor; zu
letzteren kommt noch eine weitere ektodermale Zellwucherung ver-
am ausgebildeten Körper und die Regeneration. 103
vollständigend hinzu. Ebenso erfährt auch das auswachsende Bauch-
niark noch nachträgliche Vergrösserung durch neu hereinwuchernde
Ektoderm zellen. So gehen also Bildung aus neuem ektodermalem
Material und Beteiligung von altem Nervensystem beständig ineinander
über. Hiermit erklärt sich z. T. wohl auch die Neubildung des Vorder-
und Enddarmes, bei dem ein anderes Material zur Neubildung verwandt
wird. Es bildet sieh eine ventrale Aussackung der zurückgebliebenen
entodermalen Darm wand, der nur ein ganz geringfügiger ektodermaler
Anteil zum Durchbruch nach aussen entgegenkommt (Fig. 90). Der
ph
Fig. 90. Neubildung des sonst entodermalen Pharynx (ph) bei der Knospung von
(Imetogaster, vom Mitteldarm (d) aus (nach von Bock).
Enddarm bildet sich sogar rein entodermal. Auch Rabes hat bei
Pfropf versuchen an Lumbricus, die er in verschiedener Kombination
vornahm, gefunden, dass fehlende Stücke vom Nervensystem, wenn
•es sich nur um kleine Portionen handelte, vom alten Bauchmark
geliefert wurden, dass dagegen die Hypodermis in Anspruch genommen
wurde, wenn die Ersatzleistung eine grössere war.
Es ergiebt also bei der Regeneration der Anneliden, dass im
Allgemeinen die »Neigung« besteht, Gleiches aus Gleichem zu bilden.
Ist Gleiches nicht oder vielleicht nicht in genügendem Mafs vorhanden,
so participieren zunächst ähnliche, »verwandte« Gewebe, d. h. solche,
die mit dem verlorenen in einem genetischen Zusammenhang gestanden
haben. Um uns rein entwickelungsphysiologischer Ausdrucksweise zu
bedienen, solche Gewebe, die, wenn wir ein oder mehrere Elementar-
prozesse in der Ontogenie zurückgehen, noch mit dem zu ersetzenden
Material ein einheitliches Elementarorgan (s. o. p. 96) gebildet haben.
Das ist z. B. der Fall bei dem Nervensystem und der äusseren Körper-
haut. Die prospektiven Potenzen ihrer Zellen, die im Lauf der Ent-
wickelung eine Einschränkung erlitten haben, erfahren bei den Vor-
104
XII. Kapitel. Die Experimente der Materialentnahme
gangen der Sprossung und Regeneration wieder eine Erweiterung,,
(wodurch, ist eine besondere Frage), und so tritt die schon differenzierte
äussere Körperhaut wieder mit ein bei der Neubildung des Nerven-
systems. Aehnliches ist der Fall bei der nachträglichen Bildung der
Muskeln durch die äussere Körperhaut, nur müssen wir hierbei noch
einige Elementarprozesse weiter zurückgehen und den Begriff der
Keimblätter vorläufig bei Seite lassen. Dann erscheint auch die Neu-
bildung des Pharynx aus dem entodermalen Darm anstatt aus dem
Ektoderm nicht so merkwürdig, zumal ein gewisser ektodermaler An-
teil auch bei der Neubildung meist nicht ausbleibt, und wir auch in
der normalen Ontogenie die Anteile solcher lokal ineinander über-
gehender Elementarorgane sich öfter verschieben sehen.
Bestimmter lauten die Angaben bei Vertebraten über Gewebs-
verwendung. Die niedersten Wirbeltiere, die Fische sind bisher zu
solchen Versuchen wenig herangezogen worden, weil es lange Zeit
nach Fraisse's Erhebungen galt, dass bei Exstirpation von Stücken
der Schwanzflosse der Forelle sich die Regeneration auf einfache
Wundheilung und Vernarbung beschränke. Neuerdings ist von
Fig. 91.
ch
k-
r
Fig. 91. Histologisches Bild der Eegeneration von Vertehraten. Sagittalschnitt durch
das Hinteren de eines Embryos der Bachforelle (nach Nussbaum und
Sidoriak).
r = in Regeneration begriffenes Muskelsegment, k = Knorpel. ch= Chorda.
m = normale Muskel.
am ausgebildeten Körper und die Regeneration. 105
Anderen, zuletzt auch von J. Nussbaum und Sidoriak ausführ-
lich gezeigt worden, dass fast alle Gewebe und Organe im höchsten
Grade regenerationsfähig sind, allerdings jedes zunächst in seinem
Rahmen (Fig. 91). Als Versuchsobjekt hat hier die Bachforelle und
zwar in sehr jugendlichem, aber schon durchaus geweblich differen-
ziertem Stadium gedient.
Der sich leicht regenerierende Schwanz der Urodelen, Anuren-
larven und Eidechsen bietet zum Studium der Regeneration ein
günstiges Objekt, weil er eine Reihe verschiedener Organe und Ge-
webe auf kleinem Raum, auf einem Querschnitt nebeneinander ent-
hält, Haut, Muskeln, Knochen, Centralnervensystem etc. Es zeigt sich
auch hier, dass die Masse von Zellen, die zu Beginn das Regenerat
zusammensetzt, unter sich nicht vollständig gleichwertig sind, nicht
indifferent gebliebene Zellen des Muttertieres darstellen, die jede
Leistung erfüllen, sondern dass diese Zellenmasse des Regenerats
trotz unter Umständen einheitlichen Aussehen von sehr verschiedenen
Gewebssorten des Muttertieres herrührt. Die Leukoeyten haben nur
die Rolle der Stoffwechselzufuhr und Verarbeitung und werden selbst
nie zu festen Geweben.
Die betreffenden Untersuchungen sind an zahlreichen Spezies
von F r a i s s e in extensiver und an einigen besonders günstigen
Objekten von Barfurth in genauerer Weise angestellt worden. Die
neue Haut entwickelt sich bei Urodelen aus Zellen der alten, die
aber noch etwas indifferent und nicht zu Drüsen- oder Sinnes-
zellen spezialisiert waren ; das neue Nervensystem (Rückenmarksende)
wächst vom Schnittende des alten aus, speziell beteiligen sich die
den Zentralkanal umgebenden Zellen. Von den vorletzten Wirbeln
proliferieren Zellen, die eine zuerst knorpelige Röhre um das neue
Nervenrohr abscheiden; in dieser Knorpelröhre zeigen sich dann
einzelne Kalkablagerungszentren, die die Anlage der neuen Wirbel
bilden. Die neuen Muskeln entstehen von Zellen, die von den vor-
handenen Muskeln -auswachsen.
Ähnlich verläuft die Regeneration beim Schwanz der Kaulquappe.
Ein Unterschied ist hier insofern gegeben, als dessen Stützgewebe nur
aus Chorda, nicht aus Knorpel oder Knochen besteht. Infolgedessen
wird auch nur Chorda regeneriert, und es kommt gar nicht zur
Bildung von Skeletsubstanz , während in der Regeneration des
Urodelenschwanzes direkt Skeletsubstanz gebildet wird, ohne vor-
herige Bildung von Chorda. Die neue Chorda entsteht beim Frosch-
larvenschwanz nicht aus den blasigen Zellen der alten Chorda,
10G XII. Kapitel. Die Experimente der Materialentnahme
sondern aus der Chordascheide. Vom Standpunkt der Keimblätter-
lehre aus hat man dies auffällig finden wollen, da die Chordascheide
mesodermal sei, die Chorda selbst aber entodermalen Ursprungs in
der Ontogenie. Es liegt hier jedoch ein ähnlicher Fall vor, wie eben
bei den Würmern erläutert, nämlich dass die Vereinigung mehrerer
späterer Elementarorgane, wenn man in der Ontogenie rückwärts
geht, zu einem früheren Elementarorgan nicht mit dem zusammen
zu fallen braucht, was man Keimblatt heisst. Die Chordaanlage fällt
mitunter topographisch in das Bereich der Darmanlage, das ist jedoch
nicht immer der Fall; sie kann auch mit mesodermalen Bildungen
zuerst zusammenliegen. Aus dieser Diskrepanz zwischen natürlicher,
allmählich von primären zu späteren Elementarorganen fortschreiten-
der Entwickelung und der künstlichen Scheidung der »Keimblätter«
erklären sich wohl die Widersprüche, die für die Chordaentstehung
in der Ontogenie der Wirbeltiere sich finden.
Dass kein solch prinzipieller Unterschied zwischen Chordascheide
und Zellen der Chorda selbst vorhanden ist, scheint auch aus der
Angabe von Barfurth hervorzugehen, wonach ein Unterschied in
deren Beteiligung besteht je nach dem Alter, in welchem an der
Larve der Eingriff vorgenommen wird. In ganz jungen Larven von
Siredon können noch die Chordazellen selbst die Neubildung über-
nehmen, in älteren hört dies allmählich auf, es beteiligen sich
die Scheidenzellen daneben; wenn Skeletsubstanz später gebildet ist,
dann besorgen die Scheidenzellen dies allein, und die Chordazellen
haben die Fähigkeit der Neubildung verloren. Es ist dies ein ähn-
liches Verhalten, wie bei der gemischten Entstehung des Anneliden-
nervensystems im Regenerat, das teilweise aus altem Nervensystem,
teilweise aus vom Ectoderm neugebildetem Material sich zusammen-
setzt ; die gegenseitige Beteiligung kann im Einzelfall sehr verschieden
sein ; beide Entstehungsherde sind aber nicht prinzipiell verschieden,
sondern hängen auf dem Stadium eines früheren Elementarorgans
zusammen, auch wenn sie hier eventuell topographisch in ver-
schiedenen Keimblättern liegen können.
Die Neubildung beim Verlust des Schwanzes der Lacertilier ist
eigentlich kein vollkommenes und richtiges Regenerat (s. u. p. 115).
Es bildet sich das gegliederte Skelet nicht wieder, sondern nur ein
einheitlicher Knorpelstab, der auch keiner Chordabildung entspricht,
In diesem Stab können dann später einige Verknöcherungsstellen auf-
treten, aber so unregelmässig in Lage und Ausprägung, dass man
von Wirbeln nicht reden kann. Auch das Nervensystem ist sehr
am ausgebildeten Körper und die Regeneration. J()7
unvollkommen; die Muskeln sind dagegen besser ausgebildet. Alle
Gewebe, Muskeln, Haut, Nerven- und Skeletsubstanz, auch wenn
letztere in der Formausprägung dem alten nicht entsprechen, ent-
stehen histologisch aus den entsprechenden Schichten des zurück-
bleibenden Stumpfes.
Auch bei der Neubildung von Gliedmafsen, die bei verschiedenen
Urodelen studiert wurde, herrschen ähnliche Verhältnisse : die F o r m -
ausprägung des Regenerats entspricht nicht immer vollkommen dem
verloren gegangenen, histologisch aber hält es sich genau an die
Gewebe des zurückgebliebenen Stammes. Ferner ist bei der physio-
logischen Regeneration an Vertebraten das Eintreten der gleichen
Gewebe zum Ersatz in vielen Fällen festgestellt. Die verloren ge-
gangene Uterusschleimhaut regeneriert sich aus zurückgebliebenem
Epithel, die darunter liegende Mukosa erhält durch neue Lymph-
zellen ihre frühere Beschaffenheit.
Daraus ein allgemein gültiges Gesetz, dass nur »Gleiches aus
Gleichem« entsteht, abzuleiten, wird schon durch die erwähnten Be-
funde an Würmern vereitelt, noch mehr durch neue Versuche an
Wirbellosen l) ; aber auch an Vertebraten zeigen verschiedene Befunde,
dass die Eigenart oder Spezifität der Gewebe nicht so weit geht. Es
erhellt dies besonders aus den berühmten Experimenten der Linsen-
exstirpation bei Urodelen, die von Golucci, dann unabhängig davon
von Wolff, später von Erich Müller und in noch ausgedehnterer
Weise von Fi sehe 1 angestellt worden sind. Man kann bei Triton wie bei
Salamandra durch eine Staaroperation die Linse vollständig entfernen ;
nach einiger Zeit regeneriert sie sich vollständig, und zwar stammt
das Regenerat weder aus Resten der exstirpierten Linse [dies ist
durch die Total erstirpation ausgeschlossen] , noch vom verletzten
Hornhautepithel, sondern vom Rand der Iris, dessen bereits hoch-
gradig differenziertes, pigmenterfülltes Epithel sich hierzu ent- und
umdiffenzieren muss.
l) Nach Experimenten, die besonders Przibram angestellt hat. besitzen
auch die Crinoiden eine sehr grosse Restitutionsfähigkeit, und es können dabei
andere Gewebe und Organe für einander eintreten, so z. B. vermag der blosse
Kelch die ganze Scheibe wieder herzustellen. An Ascidien hat Driesch operiert
und von Clavdlina lepadiformis Individuen so getrennt, dass die eine Hälfte den
Kiemenkorb, die andere jeweils den Eingeweidesack enthielt. Nach 4 Tagen waren
alle Individuen vollständig oder nahezu zu ganzen Ascidien regeneriert. Es vermag
also der Eingeweidesack den histologisch so verschiedenen Kiemenkorb zu ersetzen
und umgekehrt.
Ins XII. Kapitel. l>ie Experimente der Materialentnahme
Um den Verlauf der Regenerationsvorgänge zu würdigen, ist
eine Erinnerung an die Entstehung der Linse und benachbarter
Augenteile in der Normalentwickelung am Platz. Auf einem Stadium, wo
sich nicht nur das gesamte Zentralnervensystem vom übrigen Ektoderm
als Elementarorgan abgetrennt, sondern auch durch weitere Elementar-
prozesse in einzelne Abschnitte differenziert hat, als Rückenmark, Gehirn
und dessen Teile (»Elementarorgane späterer Ordnung«, s. o. p. 97),
bildet sich in der Gegend des Zwischenhirns durch einen weiteren
Elementarprozess die primäre Augenblase. Ihre anfängliche weite Aus-
stülpung schnürt sich immer mehr vom Hirn ab ; zu gleicher Zeit bildet
sich vom darüber liegenden Ektoderm her eine Einstülpung, die Anlage
der Linse (Fig. 92 A o). Diese, sowie die Anlage des Glaskörpers be-
dingen eine Eindellung der Augenblase zu einem zweiwandigen Becher
(Fig. 92 B) ; dessen äussere Wand stellt z. T. die Anlage der Pigment-
schicht, der Iris, dessen innere die Anlage der Netzhaut dar (u und r).
Fig. 92.
Fig. 92. Bildung der Wirbeltierlinse in der Normalentwickelung.
Diagramme der Entwickelung des Auges vom Hühnchen nach Remak
(Unters, z. Entw. d. Wirbeltiere), h Ektoderm, I Linse, o Linseneinstülpung,
x Verdickung an deren Rande, r und u vordere resp. hintere Wand der
primitiven Augenblase (Retina, Tapetum nigrum). vli Glaskörper. In C ist
die Verbindung mit dem Gehirn nicht getroffen.
Mit der folgenden Loslösung der Linse vom Ektoderm sind die
cellulären Elementarprozesse im ganzen erledigt; histologische Aus-
prägung und Wachstum besorgen das Weitere. Speziell in der Linse
werden die Unterschiede zwischen den Zellen der vorderen und
hinteren Wand immer beträchtlicher; die ersteren bleiben zeitlebens
als gewöhnliches Linsenepithel erhalten, die letzteren wachsen ausser-
ordentlich in die Länge und werden zu den Linsenfasern, deren
Gestalt und Anordnung die Eigentümlichkeit der Linse bedingt.
Bei der Neubildung nach der Exstirpation erscheint die Linsen-
anlage an einer ganz anderen Stelle. Am Rand der Iris, da, wo der
am ausgebildeten Körper und die Regeneration.
109
pigmentierte Teil (/>) in die innere Wand des Bechers übergeht, bildet
sich durch starke Zellvermehrung eine knopfförmige Verdickung
(Fig. 93 a .r). Ursprünglich sind die betreffenden Zellen noch stark
pigmentiert, dann aber nehmen sie ein klares indifferentes Aussehen
an. Die histologische Weiterentwickelung dieses allmählich grösser
werdenden Spheroids geschieht nur merkwürdigerweise ganz auf die-
selbe Art wie im embryonalen Linsensäckchen. Zwischen den Zellen
erscheint ein Spalt, der die vorderen, das Linsenepithel, von den
hinteren trennt (Fig. 93c), die auswachsen und, zu Linsenfasern
werdend, die charakteristische konzentrische Lagerung annehmen.
Schliesslich schnürt sich die Bildung ab und nimmt die Lage der
normalen Linse ein (Fig. 93 d, 94).
a
Fig. 98 a— d.
C
/' "-
./•
Fig. 93 a, b, c, d. Regeneration der Linse vom Irisrand aus nach Wolf f.
Die verschiedenartige Herkunft dieser neuen Linse von der
normalen embryonalen hat zu vielerlei Erörterungen geführt. Dass
völlig »Gleiches aus Gleichem« bei der Linsenexstirpation entstehen
könnte, ist ja schon deswegen ausgeschlossen, weil die Linse mit
ihrem Epithel vollständig entfernt wurde; aber es könnte doch ein
näher > verwandtes« Material für die Neubildung benutzt werden,
z. B. die äussere Haut, trotz ihrer Differenzierung, da mit ihr ja
das Linsensäckchen auf dem Stadium eines früheren Elementar-
organs noch zusammengehangen hat, und nicht gerade der Irisrand,
110
XII. Kapitel. Die Experimente der Materialentnahme
dessen aus der Wand des Vorderhirns stammendes Material bei keinem
Vertebraten den geringsten Zusammenhang mit der Linsenbildung
hat. Wenn wir allerdings um eine ganze Anzahl von Elementar-
prozessen in der Ontogenese zurückgehen, dann sind auch Haut- und
und Linsenmaterial, sowie Zentralnervensystemanlage noch in einem
Elementarorgan vereinigt, dem Ektoderm (in diesem Fall deckt sich
Fig. 94.
Fig. 95.
■J(O)
Fig. 94 und Fig. 95. Eegeneration der Linse nach Fischel.
Fig. 94. Meridionalschnitt durch ein Auge, 54 Tage 9 Stunden nach der Linsen-
extraktion. Am oberen Pupillarrande hängt die neugebildete Linse. Der
Glaskörper ist stark geschrumpft. Sp Spalt zwischen Chorioidea und Retina.
Vergr. 1/45. Nach Fischel.
Fig. 95. Regenerierte, soeben abgelöste Linse. Die Ablösungsstelle sowohl an ihr,
wie an der Iris noch kenntlich. Die Iris unregelmässig gefaltet, infolge von
Läsionen bei der Operation. Vergr. 1/205. L Linse, J (o) obere Hälfte.
Nach Fischel: Über die Regeneration der Linse.
der Keimblattbegriff; mit dem des Elementarorgans). Aber dieses
Stadium liegt so weit und durch so zahlreiche Differenzierungen
davon getrennt, dass die Verwendung des Irismaterials darum nicht
minder merkwürdig erscheint. Vielleicht spricht bei dessen Ver-
wendung mit, class es der exstirpierten Linse so benachbart liegt,
während die näher verwandte äussere Haut durch das dicke Mesoderm-
am ausgebildeten Körper und die Regeneration. 1 1 1
lager der Corneaunterlage von derselben entfernt ist. Diese Be-
dingungen der Regeneration sollen, ebenso wie die grosse theoretische
Bedeutung des Experiments, bei der Erörterung der Abhängigkeit
vom Ganzen noch weitere Besprechung finden; hier handelt es sich
besonders darum, zu zeigen, dass auch bei Vertebraten andersartiges-
Material zur Neubildung verwandt werden kann, sowie dass dieses
Material bereits vollständig differenziert sein, seine Eigenart, seine
histologische sog. »Spezifizität« bereits erreicht haben darf.
Gerade das Beispiel der Linsenneubildung zeigt, noch schlagender
wie die erwähnten, bei Würmern u. s. w., »dass eine histologische
»Spezifität« innerhalb der Zellen eines und desselben Organismus
nicht existiert. Schon der Ausdruck »Spezifität«, den viele Histo-
logen für die Gewebsarten anwenden, ist nicht glücklich, denn er
überträgt den ganz anders gemeinten Begriff der Spezies im Tierreich
auf die verschiedenen Zellsorten und Gewebe einer und derselben
Art, die doch in diesem Sinn niemals »spezifisch« von einander ver-
schieden sein können, auch wenn sie eine gewisse eigene Ausprägung
bereits erlangt haben und normaler Weise nicht mehr ineinander
übergehen.
Es ist von O. Hertwig in besonders klarer Weise auseinander-
gesetzt worden, wie wenig die geweblichen Verschiedenheiten der
Zellen, die die Histologen spezifisch nennen, gegenüber den wirklich
spezifischen Zelleigenschaften, die die Tierart als solche charakteri-
sieren, in betracht kommen. Letztere stellen eine Organisation dar,
welche die Zelle von einer Mutterzelle ererbt hat, und »deren Eigen-
tümlichkeit in der über unermessliche Zeiträume sich erstreckenden
Kette des organischen Entwickelungsprozesses begründet und be-
festigt ist« ; erstere sind Eigentümlichkeiten, welche die Zelle durch
vorübergehende Bedingungen im Lauf der Einzelentwickelung er-
worben hat. Diese Umbildungen der gesamten plasmatischen Natur
können allerdings sehr weit gehen, und es ist daraus erklärlich,
wenn Gewebe eine gewisse Eigenart erlangen und nicht mehr in-
einander übergehen; denn die verwickelten Bedingungen, welche zu
ihrer Ausprägung geführt haben, »sind nicht in jedem Moment . . .
im Handumdrehen wieder herzustellen«. Theoretisch ist eine solche
Herstellung aber denkbar, und sie findet in den erwähnten merk-
würdigen Fällen der Regeneration tatsächlich statt.
Diese Fälle der Verwendung andersartigen Materials hängen
mit denen der Verwendung »verwandten« und gleichen Materials
112 XII. Kapitel. Die Experimente der Materialentnahme.
stufenweise zusammen. Die Organe resp. Gewebe können die bereits
erlangte »Spezifizität« wieder gradweise aufgeben, sich um einen oder
mehrere Elementarprozesse »verjüngen« und auf das Stadium früherer
Elementarorgane zurückkehren. Gerade die Materialentnahme scheint
den Anlass zu solchen Verjüngungsprozessen zu liefern, so dass
Anlagen, die unter den Bedingungen der natürlichen Entwicklung
latent geblieben waren, zur Ausbildung kommen und von einer
bestimmten Stufe ab eine Wiedererzeugung »Regeneration« im eigent
liehen Sinne eintritt.
Die Stufe, bis zu der die Gewebsverjüngung geht, kann sehr
verschieden sein ; sie kann im extremsten Falle so weit zurück liegen,
dass die Zellen im Regenerat wieder alle Fähigkeiten wie in frühen
Stadien der Entwicklung, etwa wie im abgefurchten Keim, haben.
Die Anlage der Neubildung stellt dann, wenn es sich um Wieder-
herstellung von verschiedenartigen Organen handelt, ein äqui-
potentielles System dar. In den meisten Fällen jedoch geht die
Verjüngung nicht so weit; die Anlage des Regenerats stellt dann
eine Summe von verschiedenen Elementarorganen dar, die einander
gegenüber nicht gleichwertig, aber in sich selbst noch äquipotentiell
sind, etwa wie beim Stadium einer Echinidengastrula oder einem
Vertebratenembryo nach Bildung des Nervensystems und Darmrohrs
(s. o. p. 90). Mit dem Begriff des Keimblatts kann ein solches
Elementarorgan oder die Summe späterer Elementarorgane zusammen-
fallen, muss aber nicht, wie wiederholt betont werden muss; je
nachdem können auch die Gewebsverwendung und Organentwickelung
beim Regenerat mit der Keimblätterscheidung in Einklang stehen oder
nicht, und noch grössere Diskrepanz zeigen wie die Normalentwickelung.
Alles bisher erörterte bezieht sieh auf den Aufbau des Regenerats,
auf seine Herkunft. Man kann jedoch im Regenerationsverlauf zwei
Phasen auseinander halten, eine Anlage und eine Ausgestaltung.
Wie sich die Anlage zusammensetzt, ist auf Grund der in der
experimentellen Embryologie neu gewonnenen Begriffe in Vorstehen-
dem erläutert. Wie und warum sie sich ausgestaltet, das Fehlende
richtig oder je nachdem, unvollkommen oder gar nicht ersetzt, ob
hierzu zur Erklärung die in den Zellen der Anlage liegenden Fähig-
keiten ausreichen, dies bildet eine weitere Frage, zu deren Klärung
man, wie in der Embryonalentwickelung, wieder das Experiment
herangezogen hat.
XIII. Kapitel. Die typische Regeneration. 113
XIII. Kapitel.
Die typische Regeneration und die Experimente der Hetero-
morphose.
B. Ausgestaltung des regenerierenden. Materials. Abhängigkeit vom Ganzen.
Korrelative Einflüsse. Unvollkommene Regeneration. Experimente bei Medusen.
Reptilien. Vögeln. Atypische Regeneration (Heteromorphosei. Experimente bei
Würmern, Amphibien. Mehrfachbildungen. Die Augen- resp. Antennenneubildung
bei Crustaceen. Die Heteromorphosen bei der Linsenneubildung der Wirbel-
tier e. Regenerationstheorien.
Schon in den frühesten Zeiten der Biologie haben die Vorgänge der
Regeneration auch theoretisches Interesse erregt, und man hat die
Frage aufgeworfen, warum in so vielen Fällen das Fehlende richtig und
»zweckentsprechend« wieder hergestellt werde. Man hat vielfach in
dieser Leistung des Organismus etwas »Metaphysisches« gesehen,
etwas, das über die Gesetze der anorganischen Welt hinaus gehe, und
selbst zahlreiche neuere Erklärungen haben sich von dieser Vorstellung
nicht frei gemacht.
Wir sehen einen Komplex indifferenter Zellen, oder mehrere
unter sich verschiedene, aber in sich indifferente Komplexe von Zellen,
»Elementarorgane«, sich in ganz bestimmter Weise ausgestalten und
schliesslich einen bestimmten fehlenden Teil des Organismus und
gerade nur diesen liefern. Wohl sind ja unter Umständen einzelne
Zellgruppen in ihrer prospektiven Potenz beschränkt, die einen können
nur Muskeln, die anderen nur Nerven, die anderen nur Skelett liefern ;
aber warum diese Zellen dann gerade bestimmte Knochenteile,
bestimmte Muskelgruppen u. s. w. wieder erstehen lassen, trotz der
in ihnen hegenden offenbar grösseren und allgemeinen Potenz der
Knochen- und Muskelbildung etc., das bildet eine in der philo-
sophierenden Biologie immer wiederkehrende Frage. Die Antwort
des reinen Empirikers lautet zunächst: weil diese Zellgruppen sich
im Gegensatz zur Embryonalentwickelung nicht selbständig, sondern
in steter Beziehung zum Ganzen entwickeln, und weil diese Beziehung
sich in jeder Etappe der Regeneration bis zum »Fertigsein« geltend
macht. »Der Organismus als Ganzes übt eine solche Kraft über das
neu sich bildende Glied aus, dass es zur Wiederholung seines Vor-
gängers wird.«
Maas. Einführung in die experimentelle Entwiekelungfgeschichte. 3
114 XIII. Kapitel. Die typische Regeneration
Man hat dagegen eingewandt, dass dies nur eine Umschreibung
der Thatsachen sei, und dass gerade diese Wirkung des Ganzen auf
die Teile »etwas Metaphysisches« an sich trage. Dies zeige sich
besonders dann, wenn der Einfluss des Ganzen so mächtig sei, dass
sich das »Streben«, das Fehlende wieder ganz zu machen, auch ent-
gegen der den zurückbleibenden Elementen sonst innewohnenden
Kraft geltend mache, wenn also Richtiges sozusagen aus unrichtigein
Material ergänzt wird, wie bei der Linsenregeneration und in anderen
merkwürdigen Fällen.
Doch ist dieser Einfluss des Ganzen nicht so absolut wirksam
und nicht ausschliesslich für den Ablauf der Regenerationsvorgänge
verantwortlich. Das ist schon daraus ersichtlich, dass in vielen Fällen
die Regeneration unvollkommen ist, ja auch ganz ausbleibt; ferner
daraus, dass die Regeneration sich öfters nicht im Rahmen des Ganzen
hält, sondern darüber hinausgeht, indem mehr gebildet wird als fehlte,
oder endlich daraus, dass manchmal etwas gebildet wird, was sonst
nicht an dieser Stelle gestanden, u. U. ein anderes Organ. Für diese
Vorgänge eines unrichtigen, dem normalen Ganzen nicht ent-
sprechenden Wiederaufbaues (und nur für diese) sei der
Ausdruck H e t e r o m o r p h o s e angewandt im Anschluss an
Loeb.
Die Vorgänge der Heteromorphose haben als »unzweckmäfsig«
oder dem Einfluss des Ganzen nicht entsprechend besonderes Interesse ;
man hat sie daher künstlich hervorzurufen gesucht und hat sie an
solchen Fällen, sowie an Material, das man ursprünglich für wirkliche
Regeneration bestimmt hatte, studiert.
Einen Fall sehr unvollkommener, fast ausbleibender Regeneration
bieten die Medusen, während gerade sonst bei Coelenteraten die Fähig-
keit der natürlichen Sprossung sehr ausgebildet ist. Wenn man von
der Meduse Gonionemus verfem Stücke ausschneidet, so schmelzen die
Schnittenden eines Teilstückes zwar zusammen, und es bildet sich
wieder eine Glockenform ; aber die fehlenden Teile werden nicht
wieder ersetzt. Wenn man z. B., wie Morgan gezeigt hat, den Schnitt
in der angegebenen (Fig. 96) Richtung ausführt, so behält jedes Teil-
stück nur seine ursprünglichen 2 Radialkanäle (Fig. 97) und nur der
halbe Magenteil schliesst sich zu einem ganzen Rohr ; auch keine
neuen Tentakeln bilden sich, höchstens am Treffpunkt der Schnitt-
enden. Auch 1/4 Stücke und und kleinere überleben und bilden noch
event. einen neuen Magen aus dem Entoderm eines Radialkanals,
und die Experimente der Heteromorphose.
115
aber sonst nichts, trotzdem sie in richtiger Glockenform schwimmen
und Wochen hindurch gefüttert und erhalten werden können.
Piff. 96.
Fig. 97 a.
Fie. 97 b.
Fig. 96 und 97. Unvollkommene Regeneration einer Meduse (Gonionemus vertens) nach
Morgan. Fig. 96 zeigt die Linie der Operation an der ganzen Meduse an,
Fig. 97 a und b das unvollkommene Regenerat von oben und von der Seite
mit nur 2 Radiärkanälen.
Eine sehr unvollkommene Regeneration stellt auch der neu-
gebildete Eidechsenschwanz dar, sowohl was seine gewebliche Aus-
prägung, als was seine ganze Form betrifft. Vom Nervensystem finden
sich in ihm nur Rudimente ; sein Stützgewebe ist anderer Art wie im
normalen ; richtige Wirbel enthält er keine, und seine Gesamtform ist
kürzer und gedrungener.
Hierher lassen sich auch Versuche einer Linsenregeneration
rechnen, die Barfurth am Hühnchenembryo gemacht hat. In
erwachsenem Zustand zeigen die Vögel überhaupt keinerlei Er-
gänzungsvorgänge dieser Art; dem Embryo kommt, wie durch
Kopsch gezeigt wurde, in anderen Geweben auf frühen Stadien eine
gewisse Regenerationskraft noch zu. Barfurth hat an Hühnchen-
embryonen des 2. — 4. Tages die Anlage der Linse und des Augen-
becherrandes verletzt, die hierzu notwendige Lücke in der Eischale
nach Kopsch 's Methode mit Deckglas und Wachsring verschlossen
und dann die Bebrütung fortgesetzt. Man hat bei diesen diffizilen
Versuchen die Stärke der Verletzung nicht ganz in der Hand, und
116
XIII. Kapitel. Die typische Regeneration
die Ergänzungen verlaufen darnach in ziemlich verschiedener Weise.
Bei einer nur oberflächlichen Verletzung hatte der später fixirte Embryo
Augenbecher und Linse wie normal gebildet; bei einer sehr starken
Schädigung wurde gar kein Auge mehr gebildet, Mesenchymgewebe
war an die Stelle gerückt, und die gewöhnliche Epidermis hatte die
Wunde verschlossen. Bei Verletzungen mittleren Grades ■ und diese
haben hier besondere Beziehung — zeigten sich deutliche Wieder-
herstellungsbestrebungen für Augenbecher sowohl wie Linse, allerdings
in sehr unvollkommener Form. Einmal wurde ein linsenartiger Körper
zwar vom Ektoderm, aber an einer ganz anderen Stelle geliefert (s. p. 157);
sonst scheint die neue sehr unvollständige Linse - - es ist allerdings
am 6. Tage schon konserviert worden — vom Augenbecher aus, also
wie bei den bekannten Tritonversuchen (s. p. 109) zu entstehen.
Diesen Experimenten mit dem Resultat einer unvollkommenen
Neubildung, deren Zahl sich noch vergrössern liesse, stehen solche
gegenüber, bei denen, wie es scheint, ein Zuviel gebildet wird. Zu-
nächst sind solche Fälle zu erwähnen, bei denen wohl eine Verletzung,
aber keine Materialentnahme stattgefunden hat.
Fig. 98. Durch Operation erzeugte Doppelbildungen bei Planarien nach Morgan.
a mit zwei Köpfen, b mit doppeltem Hinterende und neuem Kopf am Ende
des Spaltes, c Schnitt noch weiter nach vorn geführt, jede der beiden Kopf-
hälften complettiert.
Van Duyne, Barde en, Morgan u. A. haben bei niedrigen,
ungegliederten Würmern Einschnitte in das Körperparenchym ge-
macht und das Zusammenheilen künstlich verhindert. Es ergaben
sich dann je nach der Körperregion Doppelbildungen. War der
Schnitt in der Kopfregion geschehen (Fig. 98 a), so bildet sich ein
zweiter Kopf mit eigenen Augen und neuem Mund ; war der Ein-
schnitt in der Schwanzregion gemacht, so entstand ein zweiter Schwanz
und die Experimente der Heteromorphose. 117
(Fig. 98 b). Ähnliches Inkrafttreten von Potenzen der Zellen je
nach der Lage zeigt sich bei Einschnitten am Ascidienkörper, wie
Loeb ermittelt hat. Bei diesen Tieren stehen die Mund- und die
Auswurf söffnung nebeneinander; beide sind zu besonderen Röhren
verlängert, die am Rande mit Augenflecken besetzt sind. Man kann
nun durch Einschnitt, auch sehr weit von beiden Normalöffnungen,
die Bildung einer neuen Mund- resp. Kloakenröhre, ja einer ganzen
Anzahl solcher Rühren hervorrufen, jede mit entsprechender Ver-
längerung und mit Augenflecken trotz Vorhandensein der beiden nor-
malen Röhren. Bei Seesternen können laut King überschüssige
Arme neu auftreten, wenn der Schnitt die Scheibe zwischen zwei
alten Armen getroffen hat.
Unter die gleichen Gesichtspunkte fällt die Doppelbildung von
Schwänzen bei Amphibienlarven und Eidechsen, wie sie eintritt, wenn
der alte Schwanz nicht abgetrennt, sondern nur angeschnitten und
verschoben ist. Auch die Erzeugung einer zweiten Linse, wie sie
Fischel gelungen ist, wenn die normale Linse nicht exstirpiert,
sondern nur abgedrängt wurde, ist so aufzufassen. Ueber letzteres
Experiment ist noch in anderem Zusammenhang zu reden.
Besonders hat Tornier die Erzeugung solcher überschüssigen
Bildungen bei Vertebraten, und zwar am Schwanz von Lacerta agilis
und an den Gliedmafsen von Triton cristatus betrieben. Ein zwei-
facher Schwanz bei Lacerta wurde von ihm hervorgebracht, indem
das normale Schwanzende abgebrochen und nahe am Bruchende eine
weitere Wunde gemacht wurde; durch zwei solcher Wunden am
Schwanzstummel entstanden dreischwänzige Eidechsen. Solche Mehr-
fachbildungen können auch dadurch erzeugt werden, dass in den
Schwanz ein schiefer Anschnitt gemacht wird; jeder der angeschnittenen
Wirbel bildet dann den Ausgangsherd für die knorpelige Axe eines
neuen Schwanzes. Histologisch sind diese Bildungen unvollkommen,
wie oben erörtert; morphologisch sind sie über dem normalen. Bei
Amphibienlarven sind sie auch geweblich korrekt; solche Doppel-
schwänze hat Bar für th beider Kaulquappe künstlich hervorgerufen
und bei der Neunaugenlarve auch als natürliche Missbildung ge-
sehen.
Auch bei der Gliedmafsenbildung nach operativen Eingriffen
kann ein Zuviel hervorgerufen werden, indem die Wunden, wie es
Tornier und Barf urth gethan haben, besonders gross oder künstlich
kompliziert gemacht wurden. Beim Triton ist auf diese Weise nicht
118
XIII. Kapitel. Die typische Regeneration
Fig. 99 a.
Fisr. 99 b.
Fi?. 99 c.
Fig. 99 a, b, c. Schwanzregeneration bei Eidechsen mit Mehrfachbildungen (nach
Röntgenphotographieen von Tornier).
a Durch künstliche Einknickung erhalten bei Lacerta agilis.
b Ein natürlicher, doppelt regenerierter Schwanz von Tejus tejon.
c Durch unvollkommenen Schrägbiss (bei dem 2 Wirbelreste hängen
blieben) hervorgebrachte Dreifachbildung an Lacerta viridis.
nur die Erzeugung mehrerer Glieclmafsen, sondern besonders über-
schüssiger Zehen gelungen, dann z. B. wenn je die beiden äusseren
Zehen samt einem Stück Tibia und Fibula entfernt wurden, so dass
nur die mittlere Zehe stehen bleibt (Fig. 101). Ferner hat Tornier
überschüssige Zehen- resp. Gliedbildung dadurch hervorgerufen, dass
er durch einen Faden das regenierende Ende des Tritonfusses ein-
schnürte. Es weist dies darauf hin, dass auch bei Säugetieren solche
überzählige Bildungen an Gliedmafsen durch Einschnürung während
des Fötallebens, Faltenbildung des Amnions, hervorgebracht werden
können; die Wirkung solcher »amniotischer Fäden« ist den Gynä-
kologen lange bekannt (vergl. die Zusammenstellung von Winckel's).
Die Potenzen der Zellen, die der Lage nach in Kraft treten, werden
und die Experimente der Heteromorphose.
Fiff. 100.
119
Fisr. 101b.
Fig. 100.
Fig.
101.
Doppelbildung einer Gliedmafse von Triton cristatus, erhalten durch Ampu-
tation des unteren Endes hei gleichzeitiger starker Verletzung des Ober-
schenkels nach Tom i er.
a Amputation der 1., 2., 4., 5. Zehe von Triton, sodass etwas vom Tarsus
und ein Stück von tibia und flbula verloren geht, und nur die 3. Zehe mit
verschmälerter Basis zurückbleibt.
b Die daraus entstehende Mehrfachbildung (nach Tornier).
Fig. 102.
Fig. 102. Dreijähriger Axolotl mit doppelt regenerierter linker vorderer Extremität.
Die Nebenhand hat nur 3, die eigentliche Hand 4 digiti, wie es der Norm
entspricht (nach Bar fürt h).
durch den Eingriff, resp. durch die anormalen Bedingungen, auf
mehrere Herde verteilt. Es ist das also hier in späteren Stadien
derselbe Vorgang, wie er in früheren bei der Keimscheibe der Fische
und den Doppelbildungen (s. p. 94) und in noch früheren Stadien
eigentlich schon bei der Furchung besprochen wurde.
120 XIII. Kapitel. Die typische Regeneration
Um so weniger braucht zu Erklärungen solcher Überbildungen
in der Natur und bei der Regeneration an einen phylogenetischen
Rückschlag, einen Atavismus gedacht zu werden, etwa an eine Vor-
fahrenform, die mehr als die der Spezies heute zukommenden Glied-
malsen gehabt habe; die Vorgänge der Mehrbildung von Zehen etc.
stehen in einer Reihe mit den an Planarien, Ascidien, Echinodermen
etc. eben erläuterten Mehrbildungen, und man wird aus diesen nicht
schliessen, dass die Vorfahren der Ästenden z. B. 6, 7 oder mehr
Arme gehabt haben.
Bei anderen Heteromorphosen sind die phylogeneti sehen Er-
klärungen noch weiter hergeholt. Die Schuppen am Schwanz ver-
schiedener Reptilien nehmen laut Boul enger ein vom normalen ver-
schiedenes Arrangement an, das an andere Spezies erinnern soll.
Wenn man aber bedenkt, dass das Regen erat in diesem Fall inner-
liche und ge webliche Verschiedenheiten vom normalen zeigt, ist diese
kleine äusserliche Verschiedenheit, wie Morgan betont, nicht
überraschend, und man wird ihr keine so weittragende Bedeutung
zumessen. Ahnliches gilt für Crustaceengliedmafsen, die bei der Neu-
bildung öfters in anderer als typischer Weise gebildet werden. Bei den
subtilen Unterschieden, die hierin zwischen den Spezies und Genera
der Crustaceen bestehen, kann es wohl einmal vorkommen, dass eine
Unregelmässigkeit sich der Klauenbildung einer anderen Gattung
nähert, ohne dass man hierin etwas anderes als eine durch Mangel
an Bildungsmaterial bedingte Unregelmäfsigkeit zu suchen hätte. In
einigen Fällen ist es sogar von Przibram nachgewiesen, dass bei
längerem Zuwarten nach verschiedenen Häutungen allmählich die
richtige Gliedmafsenbildung wieder hergestellt wird. In weiterer Hin
sieht ist ein Experiment des gleichen Forschers beim Krebs Alpheus
interessant. Wenn bei diesem die grosse kompliziert gebaute Schere
entfernt war, so gestaltete sich die kleinere einfachere als grosse
Zwickschere aus ; für die grössere trat als Regen erat eine der kleineren
ähnliche Bildung auf, so dass schliesslich die Rollen von rechts und
links vertauscht sind.
Am deutlichsten zeigt sich die Abhängigkeit vom regenerierenden
Körper und seinem Bildungsmaterial bei der bekanntesten aller Hetero-
morphosen, dem Ersatz eines Stielauges der Dekapodenkrebse durch
ein antennenähnliches Organ. Diese Heteromorphose ist durch Herbst
in besonders sorgfältiger Weise an zahlreichen Gattungen studiert
worden. Es zeigte sich, dass wenn die Augen samt dem Stiel, der
das Augenganglion enthält, exstirpiert wurden, dann niemals wieder
und die Experimente der Heteromorphose.
121
Fig. 103.
Fig. 103. Alpheus aus Cuvier, regne aniraal, um die normale Verschiedenheit der
rechten und linken Schere zu zeigen.
Fitr. 104.
Go
Fig. 104. Entstehung eines antennenähnlichen Gebildes (von Palinurus vulgaris) statt
des linken Auges nach Exstirpation , rechts das normale Auge (nach
Herbst). C= Gehirn, Go= Ganglion opticum, 0 = Auge, At = Antennula.
122 XIII. Kapitel. Die typische Regeneration
ein Auge, sondern nur eine heteromorphe Neubildung erzeugt wird,
die mehr oder weniger einer Antennula gleicht; am besten ist
dabei der distale Teil mit den Riechhaaren ausgebildet (Fig. 104 At).
Wurde aber der Stiel mit seinem Inhalt geschont, so entstanden,
besonders deutlich bei Palaemon und Eupagurus, auf den Stielstumpfen
die Anlagen neuer Augen. Überraschend war es zunächst, dass bei
Arten der Krabbe Porcellana die Augenregeneration, trotz völliger
Entfernung des Stiels, dennoch eintrat; es zeigte sich aber dann, dass
bei dieser Gattung das Ganglion nicht wie sonst im Stiel, sondern
im Kopf liegt und dem Gehirn direkt ansitzt, so dass auch bei Stiel-
entnahme das Ganglion geschont wird. Ahnlich verlaufen die Experi-
mente bei Isopoden, wo überhaupt kein Augenstiel vorhanden ist. Bei
Augenexstirpation an diesen Tieren bleibt das Ganglion im Kopf erhalten,
und es entwickeln sich ebenfalls neue Augen auf der Wundfläche.
Die nächstliegende Folgerung wäre die. das Ganglion als solches
für die Neubildung verantwortlich zu machen, d. h.in ihm das ergänzende
Baumaterial für die Neubildung zu erblicken. D r i e s c h hat dagegen das
Ganglion nur als Teil des Nervensystems aufgefasst und in dem Vorgang
einen Einfluss des Nervensystems als des Ganzen auf die Art des Rege-
nerats erkennen wollen, wohl in seinem leitenden Gedanken, dass »jedes
regulative Geschehen vom fertig gedachten idealen Ganzen abhänge«.
Nach dem was von der normalen Entwickelung bekannt ist, erscheint
jedoch die erstere einfachere Annahme zur Erklärung vollkommen
ausreichend. Ganglion opticum und eigentliches Auge sind zuerst
ein einziges Elementarorgan (Fig. 105); dann scheiden sie sich durch
einen »cellulären Elementarprozess« (s. p. 96) in die gangliogene
Schicht, aus der das Ganglion, und in die retinogene Schicht, aus
der das eigentliche Auge mit seinen weiteren 3 Schichten hervorgeht.
(Fig. 105, 1). c). Nach Exstirpation des letzteren ist also das Ganglion
dasjenige Organ, das noch auf späteren Stadien der Entwickelung
als alle anderen mit dem Auge zusammengehangen hat, und dieses
>uächstverwandte« Gewebe (s. p. 103) wird am ehesten zum Ersatz
in Betracht kommen , wenn vom eigentlichen Auge, den Stäbchen,
Krystallkegeln etc. nichts mehr vorhanden ist. Ist auch dieses Ersatz-
organ nicht mehr vorhanden, dann sind alle übrigen zu weitläufig-
verwandt, als dass sie nach ihrer Differenzierung noch für das Auge
eintreten könnten, und es erfolgt eine dem vorhandenen Zellmaterial
und seinen Potenzen entsprechende Bildung. Bei dieser Anschauung
kommt es nicht in Betracht, ob das restierende Ganglion durch An-
schnitt zur Wucherung gebracht das neue Auge allein bildet, oder
und die Experimente der Heteromorplutse.
123
nur zum Teil, indem es die Hypodermiszellen nach der Anschauung
von Herbst durch formative Reizwirkung zur Umwandlung im Augen-
elemente anregt. Die Rolle der Hypodermiszellen kann niemals eine
ausschliessliche, sondern nur die der Mitbeteiligung sein, und die
Ganglionzellen kommen stets als Bildungsmaterial ins Spiel.
Fig. 105 a.
Fig. 105 b.
Fi?. 105 c.
9
Fig. 105 a, b, c. Drei Stadien aus der Entwicklung des Hummers, um die gemein-
same Entstehung von Ganglion opticum und eigentlichem Auge zu zeigen.
Schemata nach eigenen Präparaten.
a Gangliogene (g) und retinogene (r) Schicht noch vereinigt,
b Trennungslinie durchgeführt.
c Histologische Ausprägung, Scheidung der Retina r in die 3 Schichten
[Cornea (c), Krystallkegel (Je) und Stäbchen (sj\.
Das Wenige, was über Regeneration von Molluskenstielaugen
bekannt ist, nämlich dass hier die Exstirpation des Fühlerganglions
nicht die Wiederbildung des Auges verhindert (Carriere), spricht
ebenfalls für diese Anschauung. Hier legt sich nämlich in der Normal-
entwickelung das Auge nicht in Verbindung mit dem Centralnerven-
system an, wie bei den Crustaceen, sondern spät als selbständige
Ektodermeinstülpung am Fühler. Es kommt also als »nächstver-
wandtes« Bildungsmaterial nicht die Ganglionmasse, sondern die äussere
Haut in Betracht. Es können demnach diese Fälle in gewisser Be-
ziehung mit der Linsenneubildung bei Tritonen verglichen werden.
124 XIII. Kapitel. Die typische Regeneration
Unter den gleichen Gesichtspunkt fallen einige neuere Versuche
Morgans am Regenwurm (Allolobophora foetidä), die ebenfalls einen
bestimmten Einfluss des Nervensystems auf die Ausgestaltung des
Regenerats darthun sollen, die aber wohl ihre einfachere Erklärung
im Prinzip der möglichsten Verwendung des nächstverwandten Ge-
webes finden. Morgan hat an diesem Wurm ein Stück aus der
Mitte der ventralen Körperwand herausgeschnitten ; das vordere
Ende des Nervenstranges war zugleich mit dem Wandstück mit-
entfernt worden, die übrigen longitudinalen Organe erhalten. Die
seitlichen Ränder schliessen sich, aber es bildet sich »wegen Abwesen-
heit des Nervenstranges« kein neuer Kopf am Vorderende; dagegen
keimt in derselben Höhe, wto der alte Nervenstrang endet, in der
ventralen Mittellinie ein neuer Kopf, zusammengesetzt aus einigen
Segmenten. Derselbe kann einen Darmtraktus enthalten oder nicht,
je nachdem der alte verletzt wurde oder nicht; stets enthält er einen
Bauchstrang, der am Vorderende des alten entspringt. Wenn ein
Darm da ist, wird auch eine Kommissur um ihn herum gebildet und
ein Gehirn. Die Körperwand des Regenerats scheint normal, Nephri-
dien fehlen
Wird nach Entfernung der vorderen Segmente ein Fenster aus der
Bauch wand ausgeschnitten, so bleiben zwei Vorderenden des Nerven-
strangs übrig und es entwickeln sich meist zwei Köpfe (einer kann
versagen), ein vorderer grosser und ein hinterer kleiner. Beide Ver-
suche sollen (nach Morgan) lehren, dass zur Enstehung eines neuen
Kopfes das Vorhandensein eines neuen Schnittendes des Nervenstranges
notwendig ist, das eines Ernährungskanals nicht, Diese Auffassung
mag gelten, wenn man den Begriff Kopf sehr duldsam fasst; einen
Darm, der doch eigentlich auch zum Vorderende gehört, bildet das
Regenerat doch nur dann, wenn auch der alte Darm angeschnitten ist.
Es mag wohl eine Abhängigkeit vom Vorhandensein des Nervensystems
als bildenden Gewebsmaterials für das neue angenommen werden,
aber darin einen Einfluss des leitenden Gesamtnervensystems zu sehen,
die »nervösen Centren als normative Reizquelle« anzusehen, besteht
ebenso wenig Anlass als beim erörterten Fall der Crustaceenaugen.
Aus allen Versuchen geht hervor, dass im wesentlichen zwei
verschiedene Einflüsse für den Verlauf der Neubildung wirksam sind,
wie mit einigen Modifikationen nach (). Hertwig hervorgehoben
werden kann. 1. Die Potenzen, die in dem regenerierenden Gewebe
und die Experimente der Heteromorphose. 125
und den Zellen selbst liegen, die wir aber nicht so unbeschränkt wie
die embryonalen, anzunehmen brauchen und 2. der Einfluss des
Ganzen ; nicht nur die Lagebeziehung, in der sich das Regenerat
entwickelt, sondern dieser correlative und übergeordnete Einfluss
{s. p. 130) im weitesten Sinne.
Auch die von Driesch erhobene Fragestellung, was die »Aus-
lösung« der Regeneration bewirke, die Wundfläche oder das Nicht-
mehrvorhandensein eines Teils, spricht eigentlich nur das Schwanken
zwischen diesen beiden Einflüssen aus und zeigt, dass bald die einen,
bald die anderen überwiegen. Wenn eine Wundfläche gebildet wird,
so ist es die Potenz der betreffenden Zellen, die in Tätigkeit tritt :
bei den Einschnitten an Planarien, Ascidien etc. wirkt zunächst diese
in der proliferenden Kraft der Zellen, und der Einfluss des Ganzen tritt
zurück ; sonst würden nicht zwei Planarienköpfe, zahlreiche über-
schüssige Ascidienröhren etc. entstehen. In anderen Fällen überwiegt
der Einfluss des Ganzen, das Fehlen einer Bildung an einer bestimmten
Örtlichkeit; sonst würden nicht ungewöhnliche Fähigkeiten der Nach-
barzellen zu Tage kommen und andere Gewebssorten das Fehlende
ersetzen als normal, wie es bei der Linse der Tritonen der Fall ist,
selbst dann, wenn sie nicht vollkommen entfernt, sondern nur von
ihrem gewöhnlichen Ort künstlich abgedrängt wird.
Gerade die vielfachen Modifikationen, die bei der Linsenregene-
ration durch sinnreiches Variieren der Bedingungen, wie es Fischel
versucht hat, möglich sind, geben nach seinem Vorgang den besten
Anlass, die Wirkung der beiden Einflüsse gegeneiu ander abzuwägen.
Es ist zunächst bemerkenswert, dass nicht nur gerade die Zellen
des Irisrandes, sondern a 1 1 e Zellen der Iris und, wie es scheint, auch
vier Retina, also alle Elemente des Augenbechers die Fähigkeit haben,
sich in Linsenfasern umzuwandeln. Durch geeignete Operation kann
man die Linse nicht nur von einer ganz anderen Stelle der Iris aus als
dem Pupillarrand zur Bildung bringen, sondern man kann auch durch
mehrfache Reize oder Anschnitte, ähnlich wie die zahlreichen Röhren
der Ascidien, zahlreiche kleinere linsenartige Bildungen, sog. Lentoide
hervorrufen. Auch Fischel legt darauf Gewicht, dass die Zellen des
Augenbechers ja in der Entwicklung doch mit den Linsenzellen gleicher
Abstammung vomEktoderm sind, also in unserem Sinn auf dem Stadium
früherer Elementarorgane zusammenhingen. Diese in ihnen steckenden
gemeinsamen Potenzen können dann durch einen geeigneten Reiz in
Aktion gesetzt werden. Ein solcher Reiz kann durch die Operation
selbst gegeben sein. Ob auch das »Nichtmehrvorhandensein« als
126
XIII. Kapitel. Die typische Regeneration
solcher Reiz wirkt, ist schwerer zu entscheiden. Wenn man die alte
Linse im Auge belässt und nur abdrängt, so entsteht trotzdem ein neues
Lentoid. Dies spricht an und für sich noch nicht gegen die Wirkung des
Fehlens im Ganzen; denn am richtigen Platz ist die Linse ja in diesem
Fall nicht mehr vorhanden, sondern wurde in den Glaskörperraum ge-
drängt. Fisch el hat ferner nach der Exstirpation der Linse Kartoffel-
oder Brodstückchen von geeigneter Grösse an deren Stelle in das Auge
Fi- 106.
Fig. 107.
Sp
L' -
J(o)
- J(u)
Sp
Fig. 106, 107. Anormale Bildungen bei der Regeneration des Triton-Auges nach
Fischel.
Fig. 106. Meridionalschnitt durch ein Auge, in welchem sich nach der Exstirpation
der Linse zwei vollkommen normale, mit einem Teile ihres Körpers über-
einander gelegene Linsen vom oberen Pupillenrande aus entwickelt haben.
Sp Spalt zwischen Chorioidea und Retina. Vergr. 1/47. Nach Fischel.
107. Unter der in gewöhnlicher Weise regenerierten Linse (L) findet sich, dem
Pupillarrande der unteren Irishälfte J (u) anliegend aus der Pars iridica
retinae stammendes kleines, mit den wesentlichen Charakteren einer Linse
ausgestattetes Gebilde L'. 148 Tage nach der Operation. Vergr. 1/47.
Nach Fischel.
Fig
gesetzt und auf geschickte Weise zum Einheilen gebracht. Auch in
diesen Fällen kam es zur Bildung von neuen Lentoiclen, wobei der
Reiz des Fremdkörpers bei der Neubildung eine erkennbare Rolle
spielte. Fischel ist also, wie viele mit ihm, geneigt, den Anlas s
zur Neubildung, doch nicht als vom Ganzen ausgehend und durch
und die Experimente der Heteromorphose. 127
Fehlen verursacht, sondern als durch speziellen Reiz von den Zellen
und ihren Fähigkeiten selbst ausgehend, anzusehen l). Wenn aber
dieser Reiz einmal in Tätigkeit getreten ist, dann wird der Erfolg
der Weiterbildung durch die Beziehung zur Umgebung, zum Ganzen,
oder in Fischel's Ausdruck, durch die »örtlichen Verhältnisse« be-
stimmt. Je günstiger diese spez. zur »Ausfaltung« des proliferierenden
Materials sind, desto ähnlicher kann das Produkt einer normalen Linse
werden ; in vielen Fällen kann aber das Resultat anders ausfallen,
z. B., wenn sehr unvollkommene, oder gar zwei kleine Linsen statt
einer normal grossen gebildet werden u. s. w. (Fig. 106). Die Em%
wickelung des ausgefalteten Materials innerhalb des Linsenbläschens,
die Hervorbringung der eigentlichen Linsenstruktur, ist ebenfalls auf
solche korrelative Einflüsse der Zellen untereinander zurückzuführen ;
»ihre Lage, Nachbarschaftsbeziehung etc. bestimmt auf uns un-
bekannte Weise den Entwickelungsgang. « Fischel erkennt also
wohl die Wirkung des Ganzen als korrelativen Einfluss an, sobald
einmal die Neubildung in Gang gesetzt ist, nicht aber als ursächliches
auslösendes Moment der Neubildung selbst. Hierfür nimmt er in
allen Fällen den durch die Operation verursachten Reiz in Anspruch,
wodurch die den Zellen p r i m ä r zukommenden Fähigkeiten in Aktion
gesetzt werden. Es sind also in seiner scharfsinnigen Erklärung die
Vorgänge bei der Linsenneubildung keine anderen als wie bei jeder
anderen Regeneration.
Auch i. Allg. dürfen wir sagen : es sind mit einiger Abänderung
zwar, jedoch prinzipiell die gleichen Einflüsse, die bei der Regeneration
hervortreten, wie bei der Normalentwickelung. Es sind vor allem die
spezifischen Eigenschaften der Zellen des betreffenden Organismus, nur
dass sie hier meist nicht in ihrer vollen Fähigheit wirken können, und
ferner die Abhängigkeit vom Ganzen. In der Normalen t wicke-
lung befinden sich beide Einflüsse sozusagen im Gleich-
gewicht, weil hier der Entwickelungsgang von einem Stadium ausgeht,
wo das Ganze, die Spezies nur eine einzige Zelle darstellt und weil
das Spezifische kontinuierlich auf jeder Etappe bis zum vollendeten
Stadium gewahrt bleibt. Durch einen Eingriff jedoch werden
diebeidenEinflüsse ausser Gleichgewicht gebracht, und
es überwiegt bald die eine, die Potenz der Zellen, die über den ge-
*) Driesch wendet dagegen ein, dass wenn nach Ersatz der Linse durch ein
Kartoffelstückchen doch Restitution eintritt, und der Fremdkörper höchstens
mechanisch deformierend wirkt, das doch für die Rolle des „Nichtmehrvorhanden-
seins'' spricht.
128 XIII. Kapitel. Die typische Regeneration
steckten Rahmen hinausgeht, bald der andere, der Einfluss des Ganzen,
der die Zellen auch zu ungewöhnlichen Leistungen veranlasst.
Die Vorgänge der Regeneration haben viele weitere Erörterungen
angeregt, die über das rein biologische Gebiet hinausgehen. Man hat
sie als Beweismaterial für die Wirkung der natürlichen Zuchtwahl
aufgefasst und angenommen, dass die Regenerationskraft erst im
Lauf der phylogenetischen Entwicklung durch Anpassung erworben
sei ; zuerst bei niederen Tieren, die allen Unbilden am meisten ausgesetzt
erscheinen, bei den höheren Tieren nur an den Teilen noch erhalten
resp. besonders ausgebildet wurde, die einer Schädigung am meisten
ausgesetzt wären. Die Tatsachen sprechen nicht hierfür; denn auch
innere Organe, die gar keiner Verletzung ausgesetzt sind, regenerieren,
und bei den äusseren besteht, wie besonders Morgan ausführlich
erörtert hat, keinerlei Beziehung zwischen der Chance der Schädigung
und der Regenerationskraft, Man darf daher in der Regenerations-
fähigkeit eine allgemeine Eigenschaft der lebenden Substanz erblicken,
wie es (). Hertwig ausspricht, oder wenn man von einer Züchtung
spricht, eine Eigenschaft, die jedem Organismus angezüchtet ist, weil
jeder Organismus sich erhalten muss. Roux hat deswegen, wie früher
Moebius das Wort »erhaltungsgemäfs«, so neuerdings das Wort
«dauerfähig« als allgemeine dem Organismus zukommende Eigen-
schaft an Stelle von »zweckmäfsig« gesetzt, um nicht bei dem
organischen Geschehen eine ausserhalb desselben liegende , von
anthroponiorphistischen Vorstellungen nicht frei zu machenden
Begriff, wie Zweck, anzuwenden.
Gerade für die ursächliche Wirkung des Zwecks, also für eine
Teleologie, allerdings im modernen Sinne, sind auch die Erscheinungen
der Regeneration, und spez. die Linsenneubildung verwertet worden
von H. Wolff, dem ersten pianmäfsigen Experimentator hieran.
Fischel hat gegen dessen Auffassung nach eigenen neuen Ver-
suchen eingewandt, dass der Verlauf durchaus nicht immer so zweck-
gemäfs sei, sondern dass Linsen von ungenügender Lichtbrechung,
an falscher Stelle oder gar mehrere Linsen, neben- und hintereinander
zu Stande kommen können (s. Fig. 106 u. 107). Das Ungenügende des
Ablaufs im einzelnen würde aber doch nicht prinzipiell gegen die
W o 1 f f sehe Ansicht sprechen ; wichtiger sind Fischeis schon oben
aufgeführte Auslegungen des Regenerationsverlaufs an sich. Wie bei
jedem biologischen Vorgang ist dabei »Ablauf und Erfolg in dem
betreffenden organischen System völlig festgelegt«, »einsinnig« »ohne
Rücksicht auf Wert und Nutzen«.
und die Experimente der Heteromorphose. 129
Auch einer dritten Richtung haben die Experimente der
Regeneration, speziell die Linsenneubildung theoretisches Material
geliefert, nämlich der Anschauung von der Eigenart der Lebens-
vorgänge, dem modernen Vitalimus, wie ihn gegenwärtig Driesch
vertritt. Wir sehen bei der Regeneration nach seiner Anschauungs-
weise Ȋquipotentielle Systeme, aber mit komplexen Potenzen ent-
stehen; komplex, weil sie nicht ein einzelnes leisten, sondern eine
Leistungsfolge«, und solche Potenzverteilung ist nach ihm mit materiali-
stischen, d. h. rein physikalisch-chemischen Mitteln nicht zu denken.
Die Erörterung dieser Theorien führt über den Rahmen unserer
Besprechungen in das rein philosophische Gebiet. Mit dem schon
früher zitierten Wort einer »einseitigen Ausdeutung des zurzeit Un-
bekannten« sind die jüngsten Driesch 'sehen Anschauungen nicht
widerlegt; auch die Gegner seiner Theorie, wie z. B. Roux, geben
zu, dass den Vorgängen der Regeneration »bei dem gegenwärtigen
Stand unserer Erkenntnis oder vielmehr unserer Unkenntnis etwas
Metaphysisches anhaftet«, oder sie erkennen, wie Lisch el, an, »dass
es Tatsachen gegenüber, die uns sonst vollkommen rätselhaft und
unerklärbar erscheinen müssen, immer schon einen grossen Gewinn
bedeutet, wenn wir sie auf ein allgemeines, wenn auch vor der
Hand nicht näher erklärbares Gesetz zurückzuführen ver-
mögen«. Während laut Driesch das Unzureichende der materialisti-
schen Auffassung bewiesen ist, vertritt Roux wie andere die Ansicht,
dass wir zur Zeit weder das vitalistische Geschehen, noch die zu-
reichende Fähigkeit der rein physikalisch-chemischen Ableitungen be-
weisen können, und rät einstweilen zum verzichtenden Abwarten.
Es mag darauf hingewiesen werden, dass manche Vorgänge der
Einwirkung des Ganzen auf die Teile, oder scheinbare Fernwirkungen
der Teile eines Ganzen aufeinander, sogen. Korrelationen, die lange
ebenso rätselhaft schienen, mit der Zeit zum Teil eine ausreichende
biologische Erklärung gefunden haben; z.B. die Wirkung der Schilddrüse
im Gesamtorganismus; dass von anderen Korrelationen wenigstens ein
Teil ihrer Komponenten bekannt und aufgelöst wurde; wir dürfen
daher auf diesem Weg auf für diese rätselhafte Wirkung des Ganzen
auf die Teile, wie sie bei der Regeneration zu bemerken ist, mit der
Zeit ein Verständnis erwarten, olme zu einem neuen, vitalistischen
Prinzip zu greifen. Es soll sich darum hier die Erörterung dieser
Wechselbeziehungen der Teile untereinander, die sich als innere Ur-
sachen auch im Entwickelungsgang geltend machen, hier anschliessen.
Maas, Einführung in die experimentelle Entwickelungsgeschichte.
B. Innere Faktoren der Entwickelung.
XIV. Kapitel.
Die Korrelation der Teile und die Experimente an funktionierenden
Organen.
Die Regeneration von Leber, Niere, Blutkörperchen. Chemische Korrelationen.
Die Wirkung der Experimente an der Schilddrüse auf den Körper. Die Sexual-
organe, und ihre Wirkung auf den Gesamtorganismus. Folgen der Kastration.
Noch in der Zeit vor der entwickelungsphysiologischen Richtung
waren einige gestaltende Wirkungen von Teilen des Organismus auf-
einander bekannt und unter dem Namen Korrelation vielfach er-
örtert, besonders in Darwinistischen Schriften. Im Sinne der neueren
Entwicklungslehre sind Korrelationen Erscheinungen, bei denen ein
Organ auf direktem Weg, etwa durch ein ihm eigenes Stoffwechsel-
produkt, oder durch Berührung oder sonstwie ein anderes beeinflusst.
Es ist daher eine Einteilung der Korrelationen in chemische, physi-
kalische, durch Nervenleitung übermittelte etc. möglich.
Solche Beeinflussungen sind in den meisten Fällen nur von einem
Organ auf ein zweites oder drittes bekannt, sie sind aber selbst-
verständlich zwischen allen Organen direkt und indirekt anzunehmen,
sodass dadurch der Organismus als Ganzes beeinflusst wird und
darin wieder umgekehrt der sog. Einfluss des Ganzen auf die Teile
besteht. Sie spielen darum die Hauptrolle bei der Regulation im
weitesten Sinne von Driesch, ein Vorgang am lebenden Organis-
mus, durch welchen eine Störung seines normalen Zustandes kom-
pensiert wird. Die Störung braucht nicht gerade eine Materialent-
nahme zu sein, sondern kann auch in einer Formveränderung, Ver-
biegung etc. bestehen ; in letzterem Fall bewirkt die Korrelation einen
»Ausgleich durch Verlagerung und Wachstum«, im ersteren Fall
veranlasst sie die Regeneration. Dieser Zusammenhang von Kor-
relation und Regeneration zeigt sich besonders deutlich bei der Re-
generation innerer Organe, die in diesem Kapitel besprochen
werden soll.
XIV. Kapitel. Die Korrelation der Teile. 131
Wir kennen im erwachsenen Zustand, dank der Physiologie, für
die meisten der einzelnen Organe die Bedeutung und Funktion;
die gegenseitige Beeinflussung der Organe, die Korrelation ist
darum am besten zu studieren, wenn diese Organe ausgebildet sind
und funktionieren, und demnach bei einer Störung, einer Material-
entnahme diese bekannte Funktion sistiert oder verändert wird.
Ebenso ist aber eine Korrelation, wenn auch nicht in so aus-
gesprochenem Grade, bei werdenden Organen vorhanden und als
gegenseitige Beeinflussung der Teile und schliesslich der Zellen bis
in die frühesten Stadien der Entwickelung festzustellen. Es sind dies
die sog. »inneren Faktoren« der Entwickelung; diejenigen, die sich
durch den Ent wickelungsgang selbst ergeben. Diese allererste
Periode der Entwickelung hat in dieser Hinsicht vielfache experi-
mentelle Behandlung erfahren, wie in früheren Kapiteln auseinander-
gesetzt worden ist; und hier sind die spezifischen Faktoren mit den
inneren zugleich erörtert worden. Die mittlere Periode jedoch, die
Organanlage, ist dem Experiment weniger zugänglich. Zwar liegen
auch hier, besonders neuerdings, zahlreiche interessante Versuche vor;
doch ist deren Deutung schwierig, weil die Organe, wenn sie noch
nicht funktionieren, sich nicht in der gleichen Weise beeinflussen, wie
in der funktionellen Periode, und darum auch ihre Ausschaltung oder
eine Störung nicht denselben Effekt hat. Zum besseren Verständnis
sind daher zuerst die Korrelationen am ausgebildeten Körper, also
zwischen funktionierenden Organen zu betrachten, wie sie durch
zahlreiche Versuche und teilweise durch die pathologische Anatomie
bekannt sind. Diese Korrelationserscheinungen am Erwachsenen sind
also doppelt wichtig ; einerseits werfen sie ein Licht auf das Zustande-
kommen der Regeneration im allgemeinen, andererseits lassen sie
uns die Korrelationswirkungen im werdenden Organismus, die
»inneren Faktoren« verständlicher erscheinen.
Eine Regeneration eines inneren Organs, die, wie die Prometheus-
fabel zeigt, wohl schon den Alten bekannt war, findet bei Entnahme
von Leb er Substanz statt. Nach Exstirpation einzelner, selbst grosser
Teile, ist der zurückbleibende Rest nicht, funktionsgestört ; er beginnt
aber doch ein sehr energisches Wachstum. Daran beteiligen sich so-
wohl die Leberzellen, als auch die entwickelungsgeschichtlich ver-
wandten (auf frühem Stadium noch mit ihnen ein Elementarorgan
bildenden) Zellen der Gallenkapillaren, und man sieht, was im
normalen ausgewachsenen Zustand niemals vorkommt, Kernteilungs-
figuren in den Leberzellen als Anzeichen dieser Vermehrung.
132 XIV. Kapitel. Die Korrelation der Teile und die
Auch das neugebildete Gewebe ist, wie immer fortgesetzte Ent-
nahmen zeigen, ebenso regenerationsfähig, wie das ursprünglich ver-
bliebene. Die regenerierte Lebersubstanz ist weniger kompakt, wie
die normale, kann aber dafür um so grösseren Umfang gewinnen,
sodass anzunehmen ist, dass die ursprüngliche Substanzmenge er-
reicht wird.
Die Anregung zur Neubildung geht hier nicht von der Wund-
fläche aus ; auch kann kein formbestimmender Einfluss des Ganzen
angenommen werden, sondern der Reiz ist in der chemischen Be-
schaffenheit der Blutbestandteile zu suchen, die in die Leber gelangen.
Im Säugetierkörper erfüllt die Leber die Aufgabe, bestimmte Stoffe,
die ihr in vorbereiteter Weise von Darm und Milz durch den Blut-
strom zugeführt werden, weiter zu verarbeiten und zwar einerseits
zu Gallenbestandteilen, die ausgeschieden werden, andererseits zu
Glykogen, das weitergeführt wird. Bei Verminderung der Substanz
wird ein grosser Überschuss solcher zur Verwandlung in Galle und
Glykogen bestimmter Stoffe in dem kleinen Leberrest vorhanden sein
und dadurch einen Reiz zur Vermehrung ausüben, der so lange
wirkt, bis ein ungefährer Ausgleich hergestellt ist.
Ein weiterer Fall, wo korrelative Wirkungen bei der Regeneration
innerer Organe tätig sind, bietet sich bei Entfernung der Niere. Es
ist sowohl am Menschen von Chirurgen eine solche ausgeführt, als
auch am Tiermaterial die Wirkung der Exstirpation experimentell
geprüft worden. Es zeigt sich stets eine sehr starke Vergrösserung
der anderen, noch verbleibenden Niere. Besonders ist die Rinden-
substanz daran beteiligt, wo die gewundenen Harnkanälchen liegen,
deren Zellen im normalen Leben die Ausscheidung der im Blut ge-
lösten Harnstoffe besorgen. Man sieht die ganzen Epithelien umfang-
reicher, die einzelnen Zeilen grösser werden, und zahlreiche Kern-
teilungsfiguren erscheinen in ihnen ; alles Zeichen der starken Gewebs-
vermehrung, die darauf ausgeht, die verminderte Substanz wieder auf
gleiche Höhe zu bringen. Dies kann manchmal so weit gehen, dass
die zurückbleibende, einseitige Niere Umfang und Gewicht ver-
doppelt.
Die Erklärung des Ausgleichs ergibt sich durch die entsprechende
chemische Beeinflussung wie bei Verminderung der Lebersubstanz.
Alle Gewebe und Organe des Körpers scheiden durch den Lebens-
prozess verbrauchte Stoffe ins Blut aus, die dann durch die Tätigkeit
der Nieren zellen weiter verarbeitet und gänzlich ausgeschieden werden ;
Experimente an funktionierenden Organen. 133
bei Nierenexstirpation wird deren Verhältnis zum vorhandenen Nieren-
gewebe viel grösser; die chemische Fabrik der Niere muss sozusagen
neue Arbeiter einstellen, und es wird durch den Reiz der über-
schüssigen harnfähigen Substanzen solange ein Reiz zur Vermehrung
der Nierenepithelien etc. ausgeübt, bis ein annähernder Ausgleich er-
reicht ist.
Dass nicht an gleicher Stelle ein Wiederersatz der exstirpirten
Niere eintritt, sondern dass die zurückbleibende, so entfernt liegende
diesen physiologischen Ersatz leistet, ist wohl ein Hinweis darauf,
dass nicht das Ganze in dunkler form bestimmender Weise hier
einwirkt, sondern der chemische Reiz, und ferner dafür, dass die
Ersatzfähigkeit des gleichen resp. nächst verwandten Gewebes be-
stimmend ist.
In ähnlicher Weise wirkt auch bei atmenden Organen, seien es
Kiemen oder Lungen, das mit Kohlensäure beladene Blut, welches
daselbst seine Kohlensäure gegen Sauerstoff austauschen will, auf die
betreffenden Organe vergrössernd ein. Hier hat, um Cuviers Aus-
drucksweise zu gebrauchen, die Natur gewissermafsen selbst die
Experimente angestellt ; wenn wir verschiedene Tierarten mit ge-
ringerem und mit intensiverem Lebensprozess betrachten, so sehen wir
Hand in Hand mit dieser physiologischen Mehrleistung auch eine
Vergrößerung der atmenden Fläche durch Alveolenbildung, Ein- und
Ausstülpung etc. auftreten. In der Einzelentwickelung ist natürlich
diese vergrösserte Atemfläche schon angelegt, ehe sie in ihrer ganzen
Ausdehnung zur Verwendung gelangt, nur die Abflachung der Wand-
zellen, die Ausbildung des eigentlichen Atemepithels erfolgt erst mit
der ersten Atmung selbst. Hierbei sind aber Druckverhältnisse und
wohl auch oxygenotaktische Wirkungen (s. p. 157) mafsgebend.
Durch ein Experiment lässt sich beim Grottenmolch, Proteus
anguineuSj der sowohl Kiemen wie Lungen gleichzeitig funktionierend
besitzt, der korrelative Einfluss des mit Kohlensäure beladenen Blutes
zeigen. Wenn man ihn in sehr seichtem Wasser hält, so entwickeln
sich die Lungen gut und die Kiemen treten zurück; zieht man ihn
dagegen künstlich in tiefem Wasser, so gewinnen die Kiemen eine
sehr grosse Ausdehnung und die Lungen verschwinden nahezu. In
beiden Fällen vergrössert das mit Kohlensäure beladene Blut diejenige
Atemiiäche, in der es, je nach den Lebensumständen zirkuliert.
Eine ähnliche Korrelation in chemischer Beziehung, jedoch ohne
eigentlich gestaltende Wirkung zeigt sich bei starker Entnahme von
134 XIV. Kapitel. Die Korrelation der Teile und die
roten Blutkörperchen. Diese sind es ja gerade, die mit ihrem
Hämoglobingehalt den Austausch von Kohlensäure gegen Sauerstoff in
den Atem organen vermitteln. Bei ausgiebiger Verminderung wird den
zurückbleibenden, weil ja der Lebensprozess unverändert geblieben
ist, eine im Verhältnis viel zu grosse Leistung aufgebürdet und da-
durch eine Vermehrung angeregt. Diese Vermehrung kann nicht
durch die fertigen roten Blutkörperchen geschehen, weil diese ihren
Kern eingebüsst haben und eigentlich keine Zelle selbst, sondern ein
Zellprodukt darstellen; sie geschieht daher vom genetisch nächstver-
wandten Gewebe, und zwar, wie die Experimente an Reptilien,
Vögeln und Säugetieren zeigen, besonders vom Knochenmark aus.
Die Fettzellen daselbst verschwinden, es finden sich zahlreiche Jugend-
formen kernhaltiger Blutkörperchen, und die erforderliche Menge ist
anscheinend bald wieder hergestellt. Eine ähnliche Vermehrung
kann man auch erreichen, wenn man nicht mechanisch, durch Blut-
körperchenentnahme, sondern rein chemisch vorgeht, indem man
durch gewisse Injektionsmittel das Hämoglobin zerstört.
Auch die vielbesprochene Wirkung der Schilddrüse ist eine
Korrelation chemischer Art ; doch hat sie keine eigentliche gestaltende
Bedeutung. Es wirkt kein normativer Reiz laut Herbst, sondern
»ihr Einfluss ist nur eine der zahlreichen Bedingungen, von denen
die normale Reaktionsfähigkeit der Gewebe auf gestaltauslösende
Reize abhängt«. Dennoch ist sie in diesem Zusammenhang zu be-
sprechen, weil ihre Tätigkeit ein Licht wirft auf gewisse, zunächst
noch rätselhaftere Korrelationen bei den sekundären Sexualcharakteren.
Die Schilddrüse ist, wie durch zahlreiche Experimente und
chemisch-physiologische Untersuchungen festgestellt ist, ein Organ,
in welchem die Beschaffenheit des ihr in reichlichem Netzwerk zu-
strömenden Blutes verändert wird ; es werden in ihr gewisse Stoffe
aus dem Blut herausgebildet (so ein mit Jod verbundener besonderer
Eiweisskörper, das Thyreo] odin), und zum Teil in ihr aufgespeichert,
zum Teil weiter geleitet. Auch die Schilddrüse secemiert also; aber
weil ihre Produkte nicht wie bei den Speicheldrüsen, der Niere etc.
nach aussen abgegeben, sondern aufbewahrt werden, oder teilweise,
wohl durch die Lymphbahnen, ins Blut zurückgelangen, so kann sie
nur als ein Organ interner Sekretion bezeichnet werden. Es ist da-
her begreiflich, wenn bei ihrer Entfernung oder teilweisen Zerstörung-
schwere Schädigungen eintreten, weil ja ihre chemische Korrelation,
die notwendige Veränderung des Blutes ausbleibt. Es folgt bei der
totalen Entfernung meist bald der Tod ; bei der partiellen eine schwere
Experimente an funktionierenden Organen.
135
Störung, die sich in mangelhafter Knochenausbildung, in Absterben
von grossen Teilen der Körperhaut, auch in Gehirnschädigungen u. a.
äussert. Der verbliebene Rest der Schilddrüse vermag den Anforde-
rungen des chemischen Betriebs nicht zu genügen, und da die Ersatz-
fähigkeit des zurückbleibenden Gewebs im Gegensatz zu Leber,
Niere etc. hier sehr gering oder gleich Null ist, so ist kein Ausgleich
möglich.
Fißr. 108.
Fig. 108. Sagittalschnitt durch das Vorderende eines Krötenembryo, um die Ent-
stehung von Hypophyse und Tlryrioidea zu zeigen (z. T. nach Goette).
c = Gehirn, ch = Chorda, p = Parietalorgan. hy = Hypophysenanlage,
d = Kopfdarm, tli = Schilddrüsenanlage.
Sehr bemerkenswert ist, dass unter Umständen nach teilweiser
Schilddrüsenentfernung ein anderes Organ, die Hypophyse des Gehirns,
eine Wucherung und vermehrte Tätigkeit der Zellen zeigt. Die
Hypophyse kann in früheren Stadien der Entwicklung in einen
gewissen genetischen Zusammenhang mit der Schilddrüse gebracht
werden, beide stammen, wenn auch in zeitlichen Abständen von
demselben Mutterboden, einem Elementarorgan (s. Fig. 108). Es ist
daher nach dem im vorigen Kapitel erläuterten verständlich, dass bei
mangelnder Regenerationskraft der Schilddrüsensubstanz, das nächst-
136 XIV. Kapitel. Die Korrelation der Teile und die
verwandte Gewebe sozusagen versucht, dafür einzutreten; der Erfolg
ist allerdings nur ein teilweiser.
Dass es sich nicht um einen morphologisch bestimmenden Ein-
fluss des Ganzen, sondern um eine chemische Korrelation handelt,,
zeigt sich auch darin, dass die schwere Schädigung ausbleibt, wenn
die Schilddrüse zwar von ihrem Platz entfernt, aber an anderer Stelle
(der Bauchhöhle) dem funktionierenden Organismus wieder »einverleibt«
wird. Es wird das noch ferner bekräftigt dadurch, dass die schon
eingetretene Störung aufgehoben oder gemindert werden kann durch
blosse Verfütterimg von Schilddrüsensubstanz, oder noch besser durch
Eingabe des spezifischen chemischen Körpers, des Thyreojodins.
An derartige chemische Korrelationen lassen sich am besten die
auffälligen Erscheinungen der sekundären Sexualcharaktere an-
reihen, also gestaltlicher Ausprägungen am Körper, die entsprechend
dem Geschlecht auftreten, die aber von den Geschlechtsdrüsen selbst
entfernt liegen und auch mit der Ausübung der Geschlechtsfunktion
in keinem oder nur sehr lockerem Zusammenhang stehen. Als be-
kannteste Beispiele mögen wie immer die Geweihe der Hirsche, die
Sporen und der Kamm des Hahns und der Bart des Mannes her-
halten. Der Zusammenhang mit den Geschlechtsdrüsen schien in
einer lange bekannten, wenn auch bislang rätselhaften Weise, dadurch
hervorzugehen, dass bei Entfernung der Genitaldrüsen auch Störungen
an den so entfernt liegenden Organen der sekundären Sexualcharaktere
eintraten. Die Wirkungen der Kastration, in unzähligen medizinischen
Schriften einzeln niedergelegt, sind von Herbst und besonders von
Herrn. Hahn zusammengestellt und kritisch gesichtet worden.
Hahn hat auch die Wirkungen an den Ausfuhrwegen und Anhangs-
drüsen der Geschlechtsorgane selbst herangezogen, weil diese Erschei-
nungen ebenfalls keine direkten Wirkungen, sondern Korrelationen
darstellen.
Es können sonach Lokal- und Fernwirkungen der Kastration
unterschieden werden. Beim männlichen Geschlecht erfolgt nach
beiderseitiger Hodenentnahme (nicht nach einseitiger) eine Reduktion
der Prostratadrüse, und zwar wrird davon die glanduläre Substanz
mehr wie die fibröse betroffen, so dass die ganze Drüse kleiner und
fester, jedoch ebenso funktionsunfähig wie beim alternden Individuum
wird. Entsprechend wirkt die Kastration auf den Uterus, nur dass
hier die Muskelsubstanz ebenso von der Reduktion betroffen wird,
wie die Schleimhaut, Gemeinsam mit dem männlichen Geschlecht
ist, dass gerade der sonst funktionierende Gewebsanteil am meisten
Experimente an funktionierenden Organen. 137
rückgebildet wird, sowie dass eine erhebliche Wirkung der Kastration
auf diese Teile nur dann eintritt, wenn sie in jugendlichem Alter
vorgenommen ist. Das gleiche gilt für den Einfluss auf die Brust-
drüsen und die Milchabsonderung, die sich ebenfalls bei im Alter
nach der Tragzeit kastrierten Tieren nicht mehr nennenswert ver-
ändern.
Noch mehr gilt die Bedeutung der Zeit der Kastrationsvornahme
für diejenigen Effekte, die nicht am Genitaltraktus selbst, sondern
teils am Gesamtkörper, teils an bestimmten Organsystemen (als
sekundäre Sexualcharaktere) sich geltend machen, und die von Hahn
zusammen als Fernwirkungen der Kastration bezeichnet werden.
Wenn der Eingriff im jugendlichen Alter vorgenommen wurde, so
treten namhafte Veränderungen am gesamten Skelett ein, am Becken etc. ;
doch sind dies keine Hinneigungen zur Ausprägung des andern Ge-
schlechtes, sondern Veränderungen allgemeiner Art, die in chemisch
mangelhafter Beschaffenheit des Knochenmaterials ihren Grund haben.
Es treten ferner gewisse Störungen in der Ausbildung verschiedener
Hautanhänge, der Behaarung etc. ein; auch der Kehlkopf bleibt auf
jugendlicher Form stehen. In ausgereiftem Zustand des Körpers vor-
genommen, hat die Kastration nicht mehr diese Wirkung; nur die
Cerviclengeweihe, die ja immer wieder periodisch erneuert werden,
werden auch dann durch die Kastration betroffen. Auch diese Tat-
sache spricht für den Chemismus dieser Korrelation. Noch mehr
eine Reihe weiterer Veränderungen, die sich in der Blutbildung, im
Gesamtstoffwechsel geltend machen, und die im Gegensatze zu den
obigen Erscheinungen besonders im weiblichen Geschlecht studiert
worden sind. Auch die leichte Mästung, die bei kastrierten Tieren
zu erreichen ist, darf zu diesen allgemeinen chemischen Einflüssen
gerechnet werden.1)
Wir sehen also, dass die Keimdrüsen zu sehr verschiedenartigen
Teilen des Körpers in Beziehung stehen, und es fragt sich, welche
!) Ein lehrreiches Gegenstück zu dieser Mästung bildet die bekannte Tat-
sache, dass Fische, die zum Laichen flussaufwärts wandern, z. B. der Lachs, während
dieser langen Wanderung nichts fressen, sondern die Weiterausbildung von Ovarien
und Hoden auf Kosten ihrer eigenen Gewebe, besonders der Muskulatur geschehen
lassen. Dies Verhältnis ist so festgelegt, dass umgekehrt, wenn die Tiere durch
künstlichen Anreiz zum Fressen gebracht werden, eine Reduktion der Geschlechts-
organe eintritt, und Reifung und Eiablage je nachdem ausbleiben. Die Korrelation
wird hier, nach Hof er s Vermutung, durch den Blutstrom vermittelt: nach dem
Fressen tritt eine reichliche Umspülung des Darms ein, und so wird den Genital-
drüsen eine beträchtliche Blutzufuhr entzogen.
l;',S XIV. Kapitel. Die Korrelation der Teile.
Vorstellungen können wir uns machen, über die Art der von ihnen
ausgehenden Reize und über deren Wege. Man hat zunächst an
Nervenreize zu denken. Allerdings war nach dem bekannten Versuch
von Goltz, der nach Durchschneidung des Lendenmarks bei einer
Hündin noch Konzeption, Gravidität und Geburt normal verlaufen
--ali, und nach der Rein sehen nervösen Isolierung des Uterus vom
spinalen und sympathischen System, die keine Atrophie des Uterus
zur Folge hatte, ausgeschlossen, dass eine solche Beeinflussung vom
Rückenmark oder Sympathikus her stattfinde. Jedoch hatte man
dann in der Keimdrüse selbst ein besonders ernährendes Nerven-
zentrum, wenigstens für den übrigen Teil des Sexualapparates an-
genommen. Dagegen spricht jedoch , dass halbseitige Kastration
keinerlei Einfluss, auch nicht auf die Teile der entsprechenden Seite
hat, und ferner lassen sich die Allgemeinwirkungen z. B. auf den
Stoffwechsel, auf das Längenwachstum des Skeletts nicht damit er-
klären. Am entschiedensten sprechen jedoch gegen solche trophische
Nervenbahnen die vielen interessanten Experimente der Transplantation
der Keimdrüsen, wie sie an Hunden, Kaninchen, Meerschweinchen
und Hähnen angestellt worden sind. Man kann die Keimdrüsen
noch so weit wegverpflanzen, so dass von einer Erhaltung einer
Nervenbahn keine Rede mehr sein kann; wenn nur die Einheilung
gelingt, bleiben alle Folgeerscheinungen aus, das Tier kann zeugen
resp. gebären, nähren, wie ein normales. Umgekehrt kann man auch
die beeinflussten Teile verpflanzen; so hat Ribbert beim neugeborenen
Meerschweinchen die Mammardrüsen unter die Haut der Aussenseite
der Ohren transplantiert. Als einige Zeit darauf das Tier trächtig
wurde und Junge warf, erfolgte die Milchabsonderung aus der Mamma
hinter dem Ohr! Die Anregung kann also nur durch die Blutbahn
und demnach auf rein chemischem Wege erfolgt sein. Der Chemis-
mus der Korrelation zeigt sich auch darin, dass nach schon erfolgter
Kastration ein Teil der Folgeerscheinungen wieder aufgehoben oder
verhindert werden kann , wenn man Keimdrüsensubstanz an die
operierten Tiere verfüttert, analog dem Verhalten der Schilddrüse.
Man kann also den Keimdrüsen im Organismus ausser ihrer
eigentlichen Leistung noch eine chemische Funktion zusprechen.
Man braucht sich dies nicht so vorzustellen, dass da zwei völlig ge-
trennte Aufgaben vorlägen, die Erzeugung der Geschlechtsstoffe und
ausserdem eine innere Sekretion von chemischen Stoffen, die Wachs-
tum und Stoffwechsel regulieren, sondern darf vielleicht annehmen,
XV. Kapitel. Weitere Beeinflussungen der Teile. 139
dass durch die Produktion der Geschlechtsstoffe selbst schon eine
derartige Veränderung des Gesamtchemismus hervorgebracht wird.
Wie man sich die gestaltende "Wirkung im einzelnen vorzu-
stellen hat, bleibt freilich noch aufzuklären; doch haben die Experi-
mente viel dazu beigetragen, durch Zerlegung der Wirkungsweise und
Erklärung, wenigstens einiger Komponenten, auch den andern das
Mystische zu nehmen.
XV. Kapitel.
Weitere Beeinflussungen der Teile. Die funktionelle Struktur
und ihre Abänderung durch Natur und Experiment.
Die direkte und indirekte mechanische Beeinflussung^ von Geweben. Struktur
des Bindegewebes und der Knochen bei Wirbeltieren. Die Hartgebilde bei
niederen Tieren. Das Skelett der Spongien.
An die erörterten gegenseitigen chemischen Beeinflussungen
der Organe und Gewebe lassen sich mechanische Beeinflussungen
anreihen, infolge deren sich am Körper bestimmte Einrichtungen
ausbilden, also ebenfalls Korrelationen, die eine gewisse gestaltende
Wirkung auslösen.
Die mechanische Inanspruchnahme hängt mit der Funktion des
betreffenden Organs zusammen. Es sorgt z. B. die glatte Muskulatur
im Wirbeltierkörper, die um Hohlräume herum angeordnet ist, für
deren Entleerung und bildet sich in entsprechenden Zügeu aus. Ist
durch Hindernisse, sagen wir in der Blase durch Verengerung der
Harnröhre, eine vermehrte Ansammlung von Flüssigkeit Regel ge-
worden, so verstärkt sich auch die Muskulatur in entsprechenden
Lagen. Ein anderes bekanntes Beispiel bieten die Knochen der
Wirbeltiere; sie werden durch ihre Funktion in gewissen Richtungen
besonders in Anspruch genommen. Die eigentliche Knochensubstanz
ordnet sich darum jenen nach den Konstruktionsprinzipien der
Ingenieure in gewissen Druck- und Zuglinien an, und auch nach
Veränderungen bei Knochenbrüchen bilden sich diese Konstruktions-
linien der jeweiligen neuen Inanspruchnahme entsprechend aus (s. u.
p. 146). Auch von wirbellosen Tieren Hessen sich zahlreiche ent-
sprechende Beispiele anführen. Der Schalenbau der Foraminiferen,
den besonders Rhumbler untersucht hat, die Schwebstacheln vieler
140 XV. Kapitel. Weitere Beeinflussungen der Teile. Die funktionelle
Planktontiere, die den Reibungswiderstand des Wassers erhöhen,
wären hier zu nennen.
Man hat also, weil die gestaltliche Ausprägung einen Zusammen-
hang mit der Funktion erkennen lässt, nach ßoux' Vorgang hier
von einer »funktionellen Struktur« gesprochen und die Erscheinungen
als »funktionelle Anpassungen« zusammengefasst. Es lässt sich
jedoch nicht leugnen, dass hiermit ziemlich heterogene Dinge ver-
einigt werden. Es ist zunächst nicht immer eine rein innere mecha-
nische Beeinflussung, sondern gerade in den meisten Fällen wirken
Druck und Zug etc. von aussen. Allerdings kommt dann im Körper
doch wieder eine gegenseitige Wirkung der Gewebe aufeinander durch
diese äussere Veranlassung zu Stande. Ferner ist die Wirkung nicht
immer eine gestaltende, sondern oft nur eine rein quantitative. Das
gilt besonders bei Muskel- und Drüsensubstanz, wo durch stärkere
Inanspruchnahme meist nur eine einfache Vermehrung zu erkennen
ist. Bei der Anpassung der Knochen handelt es sich dagegen um
eine wirklich gestaltliche Ausprägung, und ebenso bei andern binde-
gewebigen Strukturen. Endlich ist auch die Reizwirkung in ver-
schiedenen Fällen eine verschiedene, und wird, je nach dem Stand-
punkt, bald mehr als chemisch, bald als mechanisch ausgelegt. Bei
der vermehrten Tätigkeit der Muskeln werden chemische Spaltungs-
produkte erzeugt, die ähnlich wie oben bei den Drüsen erläutert,
einen Reiz zur vermehrten Zelltätigkeit ausüben ; bei der Ausbildung
der Knochenstruktur soll es sich um die rein mechanische Wirkung
eines auslösenden Reizes auf die ohnehin kalksalzausscheidenden
Zellen handeln , also um eine sogen. Mechanomorphose. Indes
lassen sich mechanische und chemische Reizwirkung nicht derart
schulmäfsig trennen. Auch bei der unzweifelhaft chemischen Reiz-
wirkung auf die Muskelzellen spielt doch der mechanische Reiz
zunächst mit, und ebenso ist umgekehrt der mechanische Reiz auf
die Knochenbildner von chemischer Wirkung begleitet, so dass
ihm geradezu eine ernährende (trophische) Wirkung zugeschrieben
wird.
Alle erwähnten Formverhältnisse, die Ausbildung und Anord-
nung der Muskelzüge, die Schichtung der Knochensubstanz u. a.
werden in der Embryonalentwickelung ohne Eingreifen der Funktion
und dennoch funktionsentsprechend angelegt. Die dabei wirkenden
Differenzierungsgesetzlichkeiten sind uns zur Zeit unbekannt, und das
Wort »Vererbung« bezeichnet in diesem Fall nur eine Umschreibung
der Tatsachen. Alle diese Strukturen haben aber das Gemeinsame,
Struktur und ihre Abänderung durch Natur und Experiment. 141
dass sie auch noch im ausgebildeten Organismus veränder-
lich und weiterer Ausbildung fähig sind, je nach den Leistungen,
die an sie herantreten. Die Wirkung solcher veränderten, sei es
gesteigerter oder herabgesetzter, Leistungen kann in der Pathologie,
also durch Naturexperimente, und ebenso durch willkürliche Experi-
mente studiert werden, und wirft ein Licht auf die entsprechenden
Vorgänge während der Entwickeln n g.
Es empfiehlt sich, 7Ainächst eine Reihe solcher gegenseitiger
Beeinflussungen der Organe, mechanischer Korrelationen, im normalen
Organismus kennen zu lernen, die durch die Funktion veranlasst
werden, und bei denen eine gestaltende Wirkung ausgelöst wird, und
dann erst, nach deren Vergleich, die Veränderungen zu betrachten,
die unter besonderen Bedingungen eintreten können. Beispiele bietet
zunächst die quergestreifte Muskulatur und die mit ihr in Zusammen-
hang stehenden Organe. Wenn man nach Cuviers Vergleichsmethode
(s. Kapitel II) die homologen Muskelgruppen verschiedener Tier-
gattungen in Parallele stellt, so sieht man, dass die Zahl und Stärke
der Bündel je nach der Inanspruchnahme grösser ist. Die Kaumuskeln
der Raubsäuger sind z. B. besonders stark entwickelt ; in korrelativem
Zusammenhang damit steht, dass die Ansatzstelle am Skelett für eine
solche Muskulatur besonders ausgebildet sein muss; es ist in diesen
Fällen ein Knochenkamm, eine Crista auf dem Schädeldach, mehr
oder minder stark entwickelt. Ein entsprechendes Beispiel zeigt die
Klasse der Vögel an ihrem Brustbein, das infolge der ausserordent-
lichen Entwickelung der Flugmuskulatur eine sehr hohe Crista sterni
zu deren Ansätze trägt. Bei den im Verhältnis besten Fliegern, den
Kolibris, ist die Höhe dieses Kamms noch beträchtlicher, wie der
sagittale Durchmesser des ganzen Brustkorbes ; ähnlich ist es bei den
grossen Raubvögeln; bei den Hühnervögeln ist der Kamm sehr viel
kleiner, aber noch vorhanden, bei den grossen Laufvögeln fehlt er
gänzlich. Dass in korrelativer Weise alsdann auch die motorischen
Nerven und die versorgenden Blutgefässe stärker oder schwächer
ausgebildet sein müssen, ist selbstverständlich.
Ebenso wie durch den V ergleich verschiedener Objekte, lässt sich
auch experimentell an ein und demselben Organismus die Wirkung
vermehrten Gebrauchs der Muskulatur nachweisen. Durch Roux ist
hierbei das Gesetz der »dimensionalen Aktivitätshypertrophi/< aufgestellt
worden, wonach das Organ nur in denjenigen Richtungen vergrössert
wird, die stärker in Anspruch genommen werden. Das lässt sich an
verschiedenen Beispielen feststellen, in denen ein Muskel je nachdem
142 XV. Kapitel. Weitere Beeinflussungen der Teile. Die funktionelle
bald im Querschnitt, bald in der Länge eine Zunahme erfährt, und so
ist auch bei der willkürlichen Muskulatur nicht bloss eine quantitative,
sondern auch eine gewisse gestaltliche Wirkung dieses Funktionsreizes
gegeben. Eine »Inaktivitätsatrophie« ist durch Nichtgebrauch ebenfalls
bis zu einem gewissen Grade zu konstatieren; es findet aber hierbei kein
völliges Schwinden statt, sondern ein Rest von Muskulatur bleibt stets
erhalten, die morphologische Ausprägung bleibt gewahrt.
Wie mit dem Schwund der Muskulatur andere korrelative Ver-
änderungen Hand in Hand gehen, ist aus einem vielerwähnten Beispiel
Hürthles zu ersehen. Diesem gelang es, am Kopf des Kaninchens
durch halbseitige Durchschneidung des bewegenden Nerven einen ent-
sprechenden Schwund der Muskulatur herbeizuführen ; aber auch die
Kopfknochen der betreffenden Seite zeigten eine mangelhafte Aus-
bildung. Da es sich hierbei um ganz junge Tiere handelt, so spielt
der Versuch schon in die Ontogenese hinein.
Sehr zahlreich sind die Fälle, wo sich bei der glatten Musku-
latur in Stärke und Anordnung eine Beziehung zur Inanspruchnahme
erkennen lässt, Lehrreiche Beispiele bieten die Sphinkterbildungen bei
niederen Tieren, z. B. an den Oskula der Schwämme, wo sich vom
jungen Stadium an eine stetige Vermehrung und entsprechende An-
lagerung der kontraktilen Zellen erkennen lässt. Auch die Sphinkter-
bildungen, die an Pharynx und After der Trochophora der Würmer
eintreten, sobald deren Darm funktioniert, sind hier zu erwähnen, und
sie böten wohl Gelegenheit zur näheren experimentellen Untersuchung.
Hierhergehörige Naturexperimente lassen sich aus dem Material
der pathologischen Anatomie beibringen, zumal bei den Veränderungen
in Wandungen der Blutgefässe, aber auch bei anderen Störungen ; so
z. B. wenn bei Carcinom des Magens der Pylorus verengt ist, und
daselbst eine Verstärkung und auch am Magen eine Veränderung der
glatten Muskelzüge eintritt. In den meisten dieser Fälle, ob sie Gefäss-
wand, Darmwand etc. betreffen, lässt sich nicht nur eine einfache Ver-
mehrung, sondern auch eine entsprechende A n o r d n u n g in Ringen,
gekreuzten Zügen etc. wahrnehmen, wie es aus der dimensionalen
Inanspruchnahme folgt.
Am eindruckfähigsten erscheint unter den Geweben die Binde-
substanz im weitesten Sinn, bei der nicht bloss durch Vergleich, sondern
vielfach direkt, eine Wirkung auf den Reiz der Funktion konstatiert
werden kann. Auch hier bietet die pathologische Anatomie zahlreiche
Beispiele. Aus der normalen Gestaltung sind von Roux eine Anzahl
komplizierter aber sehr instruktiver Fälle eingehend erläutert worden.
Struktur und ihre Abänderung durch Natur und Experiment.
143
Fig. 109.
So zeigt z. B. das Trommellfell zwei Fasersysteme stärkster Inanspruch-
nahme, ein radiäres und ein circuläres, und entsprechende Abweichungen
in der Richtung auf die übertragenden
Gehörknöchelchen (Fig. 109). Auch die
Konstruktion der Blutgefässe ist hierher
zu erwähnen, ferner der wunderbare Bau
der Ruderschwanzflosse des Delphins, bei.
der sich Festigkeit und Biegsamkeit ver-
einen müssen, und wo ebenfalls ganz
bestimmte Konstruktionslinien erkannt
werden können (s. Fig. 110).
Aber auch ohne zu so komplizierten
Fällen zu greifen, bietet schon die all-
gemeine Anordnung des faserigen Binde-
gewebes im Wirbeltierkörper an und für
Faserverlauf im Trommelfell
(nach Herman n).
Fig. 110.
\
\ L
Schwanzflosse des Delphins. Nach Roux: Gesammelte Abhandlungen über Ent-
wickelungsmechanik der Organi.-men.
144 X"V. Kapitel. Weitere Beeinflussungen der Teile. Die funktionelle
sich Beispiele der gestaltenden Wirkung der Funktion. So entstehen
je nach der Inanspruchnahme und deren Richtungen Sehnen, Bänder
oder umhüllende Fascien, die der Ausdehnung und elastischen Zu-
sammenziehung fähig sind. Die scharf abschneidende Linie, die im
erwachsenen Zustand den Muskel von der Sehne trennt, entsteht in der
Entwickelung, wie Mollier berichtet, erst nach und nach. Muskel-
und Sehnenfaser entstehen aus einem kontinuierlichen Gewebe, jede
Muskelfibrille geht kontinuierlich in eine Sehnenfibrille über (Fig. lila);
in einer ganzen Muskelfaser liegen aber diese Übergangsstellen zu-
nächst nicht in gleicher Höhe, sondern in einer unregelmäfsig ge-
zackten Linie. Erst mit der weiteren Ausbildung bildet sich die
scharfe Grenzlinie heraus (Fig. 111b). So lässt sich auch hier die
gestaltende Wirkung der Funktion in die Ontogenese zurückverfolgen.
Fi?. 111.
a
Fig. 111. Muskel und Sehnenentwickelung.
a Muskel und Sehnenfaser ohne scharfe Grenze ineinander übergehend,
b mit scharfer Grenze im ausgebildeten Zustand.
Das in der Anatomie meist hervorgezogene Beispiel einer solchen
> funktionellen Struktur« ist die Ausprägung des Knochens der Wirbel-
tiere. Die Funktion ist hierbei in weitestem Sinne zu verstehen, sei
es nur einfach stützend, in der Ruhelage des Körpers, oder in Ver-
bindung mit Muskeln arbeitend ; die mechanische Beeinflussung erfolgt
stets mehr oder minder indirekt, durch Zug und Druck von aussen
resp. unter Vermittelung der Muskeln und des Bindegewebes. Stets
werden die Linien der grössten Inanspruchnahme am stärksten aus-
gebildet und enthalten am meisfen Knochensubstanz. Dies kommt
nach den erläuterten Grundsätzen von Roux u. a. auf folgende
Struktur und ihre Abänderung durch Natur und Experiment. 145
Weise zu Stande. Es pflanzt sich Druck resp. Zug, also der funktionelle
Reiz des Gewebes, an bestimmten Stellen in bestimmten sog. trajek-
toriellen Richtungen, die sowohl von der Druckaufnahme- wie Abgabe-
fläche abhängig sind, am stärksten fort. Die Tätigkeit der Knochen-
bildner (Osteoblasten) wird dadurch wachgerufen und an diesen
Stellen resp. Richtungen entsprechend viel Hartsubstanz ausgeschieden,
und so werden diese Richtungslinien, die sog. Trajektorien gebildet.
Umgekehrt fehlt den ausserhalb dieser Züge liegenden Stellen
der mechanische Reiz, und zwar umsomehr, je mehr sich die
Trajektorien selbst ausbilden ; hier wird also keine neue Knochen-
substanz gebildet, sondern dadurch, dass überall die Knochenzerstörer
(Osteoklasten) in Tätigkeit sind und Knochensubstanz auffressen,
schliesslich in diesen weniger beanspruchten Stellen Lücken erzeugt,
So muss eigentlich jeder Knochen eine funktionelle Struktur
besitzen; da jedoch bei sehr vielen Knochen die Beanspruchnahme
in sehr wechselnder Lage geschieht, die Funktion als Stütze oft nicht
so ausgesprochen ist, und sich die Richtungen der Inanspruchnahme
in mannigfachster Weise durchkreuzen können, so ist die funktionelle
Struktur oft sehr verwickelt und nicht leicht erkennbar, sondern spricht
sich nur darin aus, dass die Knochensubstanz überhaupt nicht kom-
pakt, sondern in der bekannten »spongiösen« Weise angeordnet, also
jeder Knochen mit einem Minimum von Material konstruiert ist. Deut-
licher wird die Struktur bei den einfachen typischen Röhrenknochen,
die ja eine weniger allgemeine Inanspruchnahme erleiden. Es werden
bei ihnen, da sie mehrmals länger als breit sind, die äusseren Teile
1 »ei Biegungen etc. stets stärker gespannt als die inneren ; infolgedessen
wird die äussere Partie dichter und dichter bis zur fast völligen Kom-
paktheit, die innere loser und lockerer bis zu völligem Schwund und
zur Bildung einer Markhöhle und so wird die allgemeine Form des
Röhrenknochens erreicht. Wo die Funktionen noch mehr spezialisiert
sind, kann man besondere Richtungen noch besser erkennen, so z. B.
am unteren Ende der Tibia. Hier soll der von oben kommende Druck
auf eine ganze Fläche übertragen werden; es lösen sich demnach die
kompakten Röhrenwände in einzelne Belastungsstrebepfeiler auf, die
sich auf die ganze untere Fläche verteilen. Das Gleiche trifft für
das Fersenbein zu (s. Fig. 112).
Das schönste und bekannteste Beispiel bietet das obere Ende
des Oberschenkelknochens, dessen Struktur als Krankonstruktion zu
deuten ist. Wenn man in einen solchen Kran von entsprechender
Inanspruchnahme, rein nach Ingenieurprinzipien, die Druck- und Zug-
Maas, Einführung in die experimentelle Entwickelungsgescliichte. 10
146 XV. Kapitel. Weitere Beeinflussungen der Teile. Die funktionelle
Union einzeichnet, so sind diese in schlagender Weise den Linien
gleich, die die Natur selbst als Baumeisterin im Innern des Knochens
hervorgebracht hat (Fig. 113). Man kann zwei Züge von Knochen-
bälkchen unterscheiden, einen von der Trochanterseite und einen von
der Adduktorenseite ausgehenden. Beide stehen senkrecht zur Ober-
fläche des Knochens, dessen kompakte sich hier entsprechend auf-
löst, und beide kreuzen sich in rechtem Winkel. Die Adduktoren-
bälkchen entsprechen den Druck-, die Trochanterbälkchen den Zug-
linien der mechanischen Konstruktion.
Fig. 112.
Fig. 113.
Fig. 112. Schliff durch den Calcaneus, um die Anordnung der Kiiochenbälkchen zit
zeigen.
Fig. 113. Schema der Anordnung der Knochenbälkchen im Oberschenkelende nach
Druck- und Zuglinien (nach H. Mayer).
Diese durch Herrn, von Mayer am normalen Knochen studierten
Verhältnisse finden ihre lehrreiche Ergänzung durch das Natur-
experiment in pathologischen Fällen, deren Erforschung besonders
Julius Wolf f zu danken ist, Hier bilden sich neue Strukturen aus,
die nicht den morphologischen Verhältnissen des Knochens, sondern
der neuen Beanspruchung entsprechen. Schon ganz allgemein kommt
dies in einem Befund aus früherer Zeit zum Ausdruck, wonach bei
einem Hund nach teilweiser Entfernung der Tibia, sich der andere
Unterschenkelknochen, die Fibula, entsprechend vergrösserte und ver-
stärkte. Noch schlagender sind die Fälle, wo auch die innere Struktur
untersucht werden konnte, und wo sich z. B. bei schief geheilten
Struktur und ihre Abänderung durch Natur und Experiment.
147
Knochenbrüchen oder sonst krankhaften Veränderungen eine ganz
neue Architektur von Druck- und Zuglinien, den neuen statischen
Verhältnissen entsprechend, herausbildete. Die Erklärung ergibt sich
in gleicher Weise wie für die normalen Fälle. Die alten Trajektorien-
linien sind nicht mehr in Gebrauch, lösen keinen Reiz aus, sondern
lassen die Osteoklasten in ihrer zerstörenden Wirksamkeit aufkommen;
umgekehrt müssen die Knochenbildner an neuen Stellen ihre Tätig-
keit entfalten, und so entwickelt sich die veränderte Struktur. Man
sieht also, dass ganz allgemein gesprochen ein mechanischer Reiz auf
bestimmte Zellen eine chemisch anregende Wirkung, die Kalksalze
auszuscheiden ausübt. Es kann sich auf diese Weise auch an Stellen,
wo normaler Weise kein Knochen ausgeschieden wird, bei besonderen
Reizungen, vom Bindegewebe, also vom nächstverwandten (s. p. 109)
aus, die Bildung von Knochenstrukturen mit wirklichem kohlensaurem
Kalk erfolgen, wie es z. B. bei den sog. Exerzier- und Reitknochen
der Fall ist. Diese allgemeine Vorstellung der Reizwirkung auf be-
stimmte, zur Ausscheidung von Kalk befähigte Zellen, ist für die Auf-
fassung vieler Vorgänge in der Ontogenese von grosser Bedeutung.
Fig. 114.
Fig. 114. Segel (s) der Siphonophore Velella mit Befestigung (b).
Viel weniger untersucht und überhaupt bekannt sind Beispiele
funktioneller Struktur von wirbellosen Tieren, obschon sich auch hier
sehr instruktive Fälle auffinden lassen. Einen der besten Beweise
ingenieurmäfsiger Konstruktion in der Natur liefert das Segel der
Siphonophore Velella. Dieses kammartige Organ ist zum Windtreiben
oberhalb der Wasserfläche bestimmt, während die Tierkolonie selbst
direkt unterhalb schwimmt, an dem kreisrunden Deck unten ange-
wachsen (Fig. 114). Das Segel muss also straff aufrecht stehen,
10*
148 XV. Kapitel. Weitere Beeinflussungen der Teile. Die funktionelle
dem Wind folgen können und entsprechend am Deck befestigt sein.
Dieses selbst muss aber in horizontaler Lage schwimmen bleiben und
darf durch die Windstösse des Segels nicht umkippen. Beide Auf-
gaben sind durch entsprechende Konstruktion der faserigen Gallerte,
die hier das gewöhnliche Bindegewebe vertritt, gelöst. Das Deck ist
doppelt, mit einem pneumatischen Hohlraum, der durch Pfeiler in
mehrere Kanmern geteilt ist, und das Segel ist durch ganz besondere
Verstärkungen in der Gallerte befestigt, die in den bekannten Druck-
und Zuglinien, jedoch hier noch in speziell angepasster Richtung, vom
Segel nach dem Deck zu umbiegen. In einer besonderen Arbeit soll
dies noch Erläuterung finden, hier nur durch die Abbildung auf die
auffällige Verteilung der Verstärkungslinien hingewiesen werden.
Eine Tiergruppe, bei der die mechanische Inanspruchnahme zur
Ausprägung der Hartgebilde in besonders deutlicher Beziehung steht,
sind die Spongien ; doch sind auch hier die Verhältnisse in dieser
Hinsicht bis jetzt zu wenig gewürdigt, Es kommt dreierlei ver-
schiedenes Material zur Ausbildung des Skeletts in Betracht, Nadeln
von kohlensaurem Kalk, Nadeln von Kieselsäure und eine Hornsub-
stanz, Spongin. Das Spongin und die Kieselnadeln können sich zu
Skeletten verbinden, bei denen Festigkeit mit Biegsamkeit zusammen
wirken muss. Für die einzelnen Nadeln, die 1, 3, 4 resp. 6 strahlige
Gebilde sein können, hat schon F. E. Schulze einen Zusammenhang
der Achsenausbildung mit der mechanischen Leistung zu konstruieren
versucht. Noch besser ist dies für das Gesamtskelett möglich,
besonders wenn die einzelnen Kieselnadeln durch Spongin zusammen-
gehalten werden. Letzteres zeigt sehr verschiedene Ausprägung;
manchmal ist es nur eine Kittmasse, die die Nadelenden verlötet,
manchmal bildet es baumartige Züge. Im grossen und ganzen zeigen
die in der Tiefe lebenden Formen mehr ein reines Kieselskelett, die
an- der Oberfläche befindlichen mehr Hornsubstanz, bis schliesslich
das Spongin ganz überwiegt und so eine grössere Elastizität er-
zeugt wird.
Man kann durch den Vergleich der verschiedenen Wohngebiete
einerseits und der Formengruppen andererseits, der Cu vier 'sehen
Methode folgend (s. Kap. II, p. 6), nach Keller geradezu die Be-
hauptung aufstellen, dass »die mechanische Ursache, welche zur
Sponginbildung und damit auch zur Entstehung und Weiterent-
wickelung der sponginführenden Monaktinetliden und Hornschwämme
führte, in dem bewegten Wasser, mit seiner starken Beanspruchung
auf Druck und Zug zu suchen ist«.
Struktur und ihre Abänderung durch Natur und Experiment.
149
Fig. 115.
Sehr deutlich zeigen auch <lie Hexaktmelliden, wo die Ki«-s<'l-
nadeln auch ohne Spongin sich zu Gitterzügen anordnen und mit
ihrer Kieselsubstanz verlöten können, solche Beziehung der mechani-
schen Beanspruchung zur Ausbildung des Hartskeletts. Dies spricht
sich bei vielen Gattungen und besonders deutlich bei der bekannten
Euplectella aus zunächst in der Röhren-
form; es wird auf diese Weise grosse
Tragfähigkeit mit einem Minium von Mate-
rial erreicht. Zweitens wird die Festigkeit
erhöht durch longitudinale Nadelzüge oder
Rippen, die wieder durch zirkuläre Rippen
zusammengehalten werden. Drittens aber
sind noch zwei ganz besondere Züge an
diesen Röhrenformen charakteristisch, die
beide spiralig um den Stamm verlaufen und
sich gegenseitig in rechtem Winkel kreuzen
(Fig. 115). Keller erinnert hier an einen
Satz aus der Festigkeitslehre: »Wirkt auf
die Wand eines Hohlzylinders, der an der
Basis fixiert, am entgegengesetzten Ende
frei ist, von der Seite her ein senkrecht
zum Zylindermantel gerichteter Druck, so
entstehen Druck- und Zugkurven, die unter
einem Winkel von 45° von der Basis
emporsteigen und zwei Kurvensysteme
bilden, welche sich unter rechtem Winkel
schneiden.« Diesen Kurvensystemen ent-
spricht mit einer Genauigkeit, wie sie bei
organischen Gebilden nicht grösser zu er-
warten ist, der Verlauf der Spiralrippen
von Euplectella.
Bei Kalkschwämmen, bei denen die Nadeln einzeln stehen, wurde
durch Maas auf entsprechende Anordnungen hingewiesen. Bei Sykon-
röhren stehen die Drei- und Vier-Strahler so, dass ihr längster Strahl
mit der Längsachse zusammenfallt, die schiefen Strahlen aber so, dass
die einen fast in die Verlängerung fallen und sich hier ebenfalls ohne
Verschmelzung, durch blosses Nebeneinanderlegen ein Gitterwerk,
spiralig um den Stamm herum ausbildet, soweit er nicht durch Tuben
verändert ist (Fig. 119). Hier konnte das Zustandekommen des Gitter-
werks auch ontogenetisch beobachtet werden. So lange der junge
Schema des Nadelgerüsts des
Schwammes Euplectella nach
Keller. Die horizontalen und
vertikalen Linien bezeichnen
das eigentliche Röhrengerüst,
die Diagonalen die aufgesetzten
Rippen (Druck- u. Zugkurven).
150 ^v- Kapitel. Weitere Beeinflussungen der Teile. Die funktionelle
Fiar. 116.
b'ig. 117.
Fig. 118.
Struktur und ihre Abänderung durch Natur und Experiment.
Fig. 119.
151
Pig. 116. 117, 118, 119. Stadien ans der Entwickelung des Kalkschwammes Sycon
(nach Maas), um die allmählich sich einstellende „ funktionelle Struktur"
des Gerüsts zu erläutern.
Schwamm noch ein unförmliches Säckchen ist ohne Auswurfsöffnung,
liegen auch die betreffenden Nadeln, die schon zahlreich vorhanden
sind, noch wirr durcheinander; erst wenn die Röhrenformung und
Streckung eintritt und wenn der Wasserstrom nach Bildung des
Osculums seine bestimmte Richtung hat, lässt sich allmählich die
Anordnung erkennen (Fig. 116, 117). Auch die später gebildeten
Nadeln werden dann entsprechend orientiert (Fig. 118, 119). Der
152 XVI. Kapitel. Die Korrelationen von Zellen und Zellkomplexen
Zusammenhang der Beanspruchung mit der Kalkausscheidung ist hier
nicht so direkt erkennbar wie beim Wirbeltierknochen; indessen
müssen auch hier Reize gegeben sein, die die Kalkausscheidung der
Zellen an bestimmte Punkte lokalisieren. Vorgänge aus der Onto-
genese anderer Gruppen werfen hierauf einiges Licht,
Hiermit ist das Gebiet der Korrelation in der Ontogenese
betreten, die sich zum Teil als auslösende Wirkung von Reizen dar-
stellen und besondere Besprechung verdienen.
XVI. Kapitel.
Die Korrelationen von Zellen und Zellkomplexen (Organanlagen)
in frühen Stadien der Entwickelung und ihre gestaltende Wirkung.
Experimente und Theorie der formativen Reize.
Die Reiztheorie und ihr Verhältnis zur abhängigen und Selbstdifferenzierung. Experi-
mente in der späteren Entwickelung der Echinodermenlarven und Amphibienembryonen.
Weitere innere Faktoren der Entwickelung : Oberflächenspannung, ungleiches Wachs-
tum, Faltenbildung, Zellteilung.
Wie im erwachsenen Organismus Wechselbeziehungen (Kor-
relationen) existieren, indem »ein Organ auf direktem Weg oder durch
Stoff Wechselprodukte oder durch Berührung, oder sonstwie ein anderes
beeinflusst«, ebenso müssen auch in früheren Stadien zwischen den
einzelnen Teilen solche Beziehungen und Beeinflussungen vorhanden
sein. Schon im vorigen Kapitel konnte einzelner Beziehungen ge-
dacht werden, die nicht den ganz reifen, sondern mehr jugendlichen
und umbildungsfähigen Organismus betrafen, aber immerhin auf
einem Stadium, wo die Organe bereits Tätigkeit ausüben, also in der
Periode des >< funktionellen Lebens« nach Roux schein Ausdruck.
In der noch früheren Periode, der eigentlichen Embryonal-Entwicke-
lung, wo sich die Organe erst anlegen, sind solche Beziehungen gewiss
ebenfalls vorhanden, nur aber schwerer nachzuweisen. Es müssen
auch hier Berührungen und andere mechanische Beeinflussungen von
Zellen und Zellkomplexen (Organanlagen) stattfinden und Wirkungen
auslösen ; ebenso können chemische Beeinflussungen stattfinden, nur
alles in geringerem Grad, weil es sich erst um werdende Teile handelt,
und schwerer analysierbar, weil in ständigem, oft nicht zu trennendem
Zusammenwirken der Aussenwelt und ihrer Bedingungen.
Es ist das Verdienst von Herbst, die Wirkung solcher »form-
bildenden Reize« sowohl im allgemeinen erörtert, als auch versucht
in frühen Stadien der Enhvickelung und ihre gestaltende Wirkung. 153
zu haben, wie weit sich Gestaltungen der frühen Periode, die vor
der wirklichen Ausprägung der Organe, aber nach der Furchung
(s. Kapitel VI — X) und ersten Sonderling des Materials liegt, auf
solche Reizwirkungen zurückführen lassen. Die Definitionen von
Reiz und Reizwirkung fallen verschieden aus, je nach dein allge-
meinen Standpunkt, den man zu den Entwickelungstheorien ein-
nimmt, und hängen mit der Frage nach abhängiger, resp. Selbst-
differenzierung zusammen.
Nach der einen Anschauung kann ein solcher Reiz nur eine
auslösende Wirkung haben. Das Charakteristische des Geschehens
geht von der gereizten Zelle resp. Zellgruppe aus, die auf eine ganz
bestimmte Antwort, sozusagen eingestellt ist. Wie im Auge nicht
nur Licht, sondern auch mechanische und elektrische Reize etc.
eine Lichtempfindung auslösen, so ist auch jede embryonale Zelle
und Zellgruppe vom Ei her ganz spezifisch beschaffen. Die gleiche
Reizwirkung kann an ihr durch verschiedene Einflüsse ausgelöst
werden, und umgekehrt müssen Zellen verschiedener Organismen und
selbst verschiedene Zellsorten desselben Organismus auf den gleichen
Reiz verschieden antworten. Diese Ansicht entspräche der Selbst-
differenzierung.
Von der anderen Seite wird betont, dass doch auch die Art
des Reizes von Wichtigkeit ist, und die Qualität des Anstosses auf
die Qualität des Effektes wirkt. Es können also verschiedene Reize
auf das gleiche System verschiedene Wirkung haben. Damit wird
nun nach Herbst einer reinen Auslösungstheorie für die ganze Ent-
wickelung das Wort geredet. Das Schicksal von Geweltszellen gleicher
Potenz hängt von ihrer Lage im Ganzen ab resp. davon, welchen
Reizen sie ausgesetzt werden. Dies entspräche dem Standpunkt der
abhängigen Differenzierung; allerdings nicht vollkommen rein, wie
schon die einschränkenden Worte »von gleicher Potenz« beweisen.
Ebenso wie in der früher besprochenen Periode der Furchung etc.
greifen auch hier die beiden Differenzierungsmöglichkeiten ineinander
ein; es ist keine scharfe Scheidung zu machen, sondern von Fall zu
Fall vorzugehen. Anstatt der Theorien mögen die Experimente zum
Wort kommen.1) Es sind auf diesem Gebiet allerdings nur wenige
mitzuteilen; die vielverwendete Pluteuslarve des Seeigels ist auch hier
ein Versuchsobjekt gewesen.
U Diese Versuche schliessen sich an die in Kap. XI erörterten über die Ein-
engung der prospektiven Potenz an und hätten auch z. T. in diesem Zusammenhang
besprochen werden können.
154 XVI. Kapitel. Die Korrelationen von Zellen und Zellkomplexen
Im normalen Fall bilden sich nach Ausprägung der Gastrula und
der Anlage des Wassergefässsystems die eigentümlichen Schwebfortsätze
•des Körpers, die Arme (s. p. 22, Fig. 9 u. 10), zugleich mit dem Auf-
treten und Auswachsen von larvalen Skelettstäljen, die für diese Arme
als Stütze funktionieren. Pouch et und Chabry haben durch Aus-
fällung des Kalkes im Seewasser, Herbst durch Zusatz von Kalium
und anderen Salzen, die Bildung der Kalkstäbe unterdrückt, und es
unterblieb auch alsdann die Bildung der Arme. Dadurch wird ein
kausaler Zusammenhang zwischen beiden Bildungen sehr wahrschein-
lich ; vollkommen bewiesen wird er durch ein anderes Experiment
von Herbst. Dieser hat Larven in einem künstlichen »See«wasser
gezogen, bei dem in allen Salzbestandteilen das Natrium durch
Lithium ersetzt war (also Chlorlithium, Lithiumnitrat etc.) und da-
durch sogen. Lithiumlarven mit einer Reihe von typischen Besonder-
heiten erzielt, Zu letzteren gehört auch die Verlagerung der kalk-
bildenden Mesenchym zellen aus der normalen symmetrischen An-
ordnung (vergl. Fig. 80). Wenn man nun diese Larven aus dem
Lithiumgemisch in gewöhnliches Seewasser zurückbrachte, so bildeten
•die verlagerten Mesenchymzellen anstatt 2 Kalkstäbe, deren 3, 4 und
5 an andern Stellen, und es entstanden entsprechend viele Arme,
ebenso atypisch wie die Stäbe gelagert (vergl. Fig. 131 und 132,
p. 195). Es sind also nicht nur diejenigen bestimmten Ektoderm-
zellen zur Armbildung befähigt, die dies in normalem Zustand tun,
.sondern alle Ektodermzellen, und wo die Berührung des Kalkstabes
hintrifft, wird eine Ektodermzellengruppe zum Auswachsen, zur Arm-
bildung angeregt.1)
Es muss gleich gesagt wTerden, dass diese »abhängige Differenzie-
rung« kein allgemeiner Befund, nicht einmal für die Echinidenlarven
ist. In einem andern Fall, wo man ebenfalls an die formative Wirkung
•eines Berührungsreizes denken könnte, nämlich bei der Mundbildung
der Larve nach Anlegen des Urdarms, ist eine unabhängige Diffe-
renzierung nachgewiesen. Im normalen Zustand bricht der Mund
nach einer seichten Einstülpung da im Ektoderm durch, wo sich das
Ende des Urdarms hinlegt. Aber auch Larven, bei denen man den
!) Wie auch bei den früheren Stadien erörtert, ist die prospektive Potenz
einer Zelle immer grösser als ihre prospektive Bedeutung. Hierher gehört auch der
von Alb recht erörterte interessante Fall von Pankreas bildung in einem
Me ekel' sehen Divertikel, also an einer Stelle, die sonst beim Pankreasgewebe
bildet, die aber genetisch auf dem eines früheren „ Elementarorgans " mit ihm
zusammenhängt.
in frühen Stadien der Entwickelung und ihre gestaltende Wirkung. 155
Urdarm hatte nach aussen wachsen lassen (vergl. Fig. 128 auf p. 183).
bildeten trotzdem an richtiger Stelle ihren Mund. Hier sind es also
ganz bestimmte Ektodermzellen, die zur Bildung befähigt sind und
sich differenzieren, ob ihnen der Reiz zukommt oder nicht.
Einen sehr ähnlichen Fall, wo sich beim Zusammentreffen be-
nachbarter Organe für eine Bildung eine formative Reizwirkung
nachweisen, für eine andere Bildung ausschliessen lässt, liefert die
schon in anderem Zusammenhang (bei der Regeneration) erörterte
Linsenbildung der Wirbeltiere, die in bezug auf die Differenzierungs-
frage besonders von Spemann studiert wurde. Es spielen da auf
verschiedenen Mutterboden Prozesse, die räumlich und zeitlich inein-
andergreifen: 1. die Umbildung der Augenblase zu einem Becher.
2. die Entstehung und Ablösung der Linse aus der Epidermis und
3. die Aufhellung der entsprechenden Epidermisstellen zum Cornea-
epithel.
Fig. 120.
Fig. 120. Bildung der Wirbeltierlinse in der Normalentwickelung.
Diagramme der Entwickelung des Auges vom Hühnchen nach Remak
(Unters, z. Entw. d. Wirheitiere), h Ektoderm, l Linse, o Linseneinstülpung,
x Verdickung an deren Rande, r und u vordere resp. hintere Wand der
primitiven Augenblase (Retina, Tapetum nigrum). vh Glaskörper. In C ist
die Verbindung mit dem Gehirn nicht getroffen.
Man könnte daran denken, dass bei der Umbildung der Augen-
blase zu einem doppelwandigen Becher die Einwucherung der Linse
eine direkt einstülpende Wirkung hätte (Fig. 120a), oder wenigstens
einen Reiz ausübte. Aber dies ist nicht der Fall. An Embryonen
von IIa na fusca, an denen eben die Meduliarwülste sichtbar wurden,
hat Spemann mit der heissen Nadel oder noch besser mit dem
Galvanokauter entsprechende Defekte erzeugt. Die kleine Augenblase
kann sich in einen richtigen Augenbecher verwandeln, ohne die
Epidermis zu erreichen (Fig. 121, oc); für dieses Geschehen liegt
also Selbstdifferenzierung vor.
156
XVI. Kapitel. Die Korrelationen von Zellen und Zellkomplexen
Dagegen wird die Epidermis in ihrer linsenbildenden Tätigkeit
beeinflusst durch den Reiz, den der Augenbecher bei Berührung auf
sie ausübt. Bleibt der Augenbecher in der Tiefe liegen (wenn das
verkleinerte Material nicht zum Erreichen der Epidermis genügt, oder
wenn es ganz zerstört ist), so tritt in der Epidermis keine Spur einer
Linsenwucherung auf; erreicht der Augenbecher dagegen später die
Epidermis, so kann in dieser noch nachträglich eine Linse ausgeprägt
werden.
Fig-. 121.
_—- oc
■h
Fig. 121. Querschnitt durch einen Froschembryo mit operierter Linsenanlage. Auf der
normalen Seite (rechts) Auge mit Linse (I) und aufgehellter Epidermis (e),
links Augenbecher (oc) in der Tiefe; von Linse und von Aufhellung der
Epidermis keine Spur, pi = pigmentierte Epidermis, n = Nervenrohr,
ch = Chordarest.
Ohne einen solchen Reiz unterbleibt auch die Aufhellung der
entsprechenden Epidermiszellen zur Cornea. Ein Querschnitt durch
ein einseitig operiertes Tier liefert hierzu ein instruktives Bild
(Fig. 121); links Epidermis, überall dunkel pigmentiert, keine Linsen-
bildung, in der Tiefe ein reduzierter Augenbecher; rechts an ent-
sprechender Stelle aufgehellte (pigmentlose) Epidermis, Linsenbildung
und grosser Augenbecher.
Herbst scheint auch hier anzunehmen, dass alle Ektoderm-
zellen, oder mindestens die des Kopfabschnitts die Fähigkeit der
Linsenbildung haben, und die Bildung an der jeweils vom Berührungs-
reiz getroffenen Stelle erfolge. Spemann ist in dieser Hinsicht
zurückhaltender, da bei den bisherigen Versuchen immer noch die
Möglichkeit vorhanden ist, dass doch nur eine Stelle der Epidermis
die Linsenbildungsfähigkeit hat, und allerdings dann noch auf den
in frühen Stadien der Entwickelung und ihre gestaltende Wirkung. 157
Anstoss warten muss (»Auslösungsreiz« >. Das entscheidende Experi-
ment, ein anderes Stück Haut an die normale Linsenbildungsstelle
zu verpflanzen, ist nicht gelungen; auch die Abdrängung des Augen-
bechers an eine andere Epidermisstelle ist noch nicht einwandfrei
ausgeführt. Nach allem jedoch, was für frühere Stadien über die
prospektive Potenz bekannt ist, die stets die prospektive (normale)
Bedeutung übertrifft, ist doch anzunehmen, dass im normalen
Geschehen nur eine Stelle den Anstoss erhält, die anderen unter
Umständen aber auch reagieren könnten. Dies scheint auch aus
den allerdings noch unvollkommenen Experimenten von Barfurt h
an Hühnchenembryonen der Fall zu sein (s. p. 116), wo nach Ver-
letzung eine unvollkommene Augenblase regeneriert wurde und dann
eine, wenigstens linsenähnliche Bildung, auch an atypischer Stelle
erschien.
Ebenso wie solche Berührungen wirken auch chemische Reize
innerhalb des Organismus von einer Zelle oder Zellgruppe auf die
andere, können Zellen zum Hinwandern, Anlegen an bestimmte Orte
veranlassen und dadurch gestaltliche Wirkung am Ganzen ausüben.
Im Dottersack eines Knochenfisches, (Fundulus) ist beobachtet, dass
die Pigmentzellen auf die jungen Gefässe zuwandern und sich deren
Wand anlegen. Das Zuwandern erfolgt erst nach Eintritt wirklicher
Zirkulation und unterbleibt laut Loeb, wenn durch Kalisalze, die
im übrigen die Entwickelung nicht stören, eine Hemmung der Herz-
pulsation des Embryo bewirkt wird. Der morphologische Rahmen
ist wie normal vorhanden, auch bei den Gefässen; es wird also aus
dem Aufhören der Wanderung der Pigmentzellen auf eine chemo-
taktische (speziell oxygenotaktische) Bewegung der Zellen geschlossen.
Auch bei anderen Vorgängen der Ontogenese, wo sich bestimmte
Zellen an bestimmte Orte, speziell Oberflächen hinbegeben, wird da-
nach auf solche Chemotaxis resp. Oxygenotaxis geschlossen, z. B.
bei der Furchung der Arthropoden, wo die zuerst im Innern liegenden
Kerne allmählich an die Oberfläche wandern und das Blastoderm
bilden. Sehr wahrscheinlich spielen auch solche chemische Reize
eine Rolle bei einem in der Ontogenese vieler Tiergruppen vor-
kommenden Modus der Darmbildung, nämlich dann, wenn dotter
haltiges Material zu bewältigen ist, und andere, ebenfalls entodermale
Zellen dieses allmählich nach Art von amöboiden Zellen einzeln auf-
arbeiten, sich epithelial anlegen und nach und nach zur späteren
Darmwand werden, wie es z. B. bei einigen Turbellarien, Dekapoden,
Mollusken beobachtet ist.
158
XVI. Kapitel. Die Korrelationen von Zellen und Zellkomplexen
In diesen Fällen ist die chemische Reizbarkeit von Zellen, die
danach in der Ontogenese bestimmte Orte aufsuchen, nur sehr wahr-
scheinlich gemacht durch vergleichende Beobachtung, in einem Falle
jedoch auch von Drie seh experimentell bewiesen, nämlich wiederum
bei der Larve der Seeigel. Hier nehmen normalerweise die Mesenehym-
zellen, die späteren Kalkerzeuger, eine bestimmte Anordnung ein, zu-
nächst radiär und dann nach Ausprägung der Gastrula bilateral, in-
dem durch die Gastrulation zwei laterale Häufchen neben dem Urdarm
entstehen, die durch einen Ring verbunden sind (Fig. 122 a). Drie seh
hat solche Larven geschüttelt, auch in frühen Stadien ; die Zellen
kehrten in die richtige Anordnung zurück und auch solche, die
schon gleich bei ihrem Austritt aus dem Blastoderm zerstreut waren,
suchten ihre richtigen Standorte in der Nähe des Ektoderms auf
(Fig. 122c). (Natürlich ist hier nicht für jede einzelne Zelle die
Fig. 122 a — c.
a
9>9?o{
aeoefi0
b
Fig. 122. Normale und trotz Schütteln wiederkehrende Lagerung der Mesenehymzellen
von Echinus.
a Normale Lagerung der Mesenehymzellen von Echinus vom vegetativen
Pol aus. Ein Kranz, der bilateral symmetrische Anhäufungen aufweist,
b Mesenchym durch Schütteln derangiert (Larve von der Seite),
c Mesenehymzellen haben trotz Schütteln selbständig die normale
Lagerung eingenommen, auch Darmanlage etc. normal.
Lagerung bestimmt, da sie ja untereinander gleichwertig, von gleicher
prospektiver Potenz sind und für einander eintreten können.) Das
Aufsuchen der typischen Lagerung auch vom atypischen Ort aus,
schloss jede andere bewegungsbestimmende Möglichkeit aus ausser
eine direkte, von ektodermalen Stellen ausgehende Wirkung, wahr-
scheinlich chemischer Art. Bei in Lithium salzen gezogenen Larven
hat das Mesenchym ebenfalls eine für den speziellen Fall typische,
aber von der normalen abweichende Anordnung; da dieselbe bei
in frühen Stadion der Entwickelung und ihre gestaltende Wirkung. 159
allen Lithiumlarven gleichmäfsig wiederkehrt, so ist zu schliessen,
dass die Reizstellen im Ektoderm anders gelagert sind wie normal,
aber doch für Lithiumlarven typisch, und dass dal »ei die veränderte
chemische Beschaffenheit des Wassers resp. der Zellen ihre Rolle spielt.
Ebenso wie chemische Reize spielen auch mechanische Be-
einflussungen, die sich durch das Wachstum selbst ergeben, bei den
I restaltungsprozessen im Embryo mit. So wie im erwachsenen Körper
funktionierende Organe und Gewebe aufeinander mechanisch einwirken,
ebenso können auch bei entstehenden Geweben und Organe gewisse
mechanische Beeinflussungen gegenseitig stattfinden, obschon man sich
immer die scheinbare mechanische Einheit als zusammengesetzt aus zahl-
reichen einzelnen lebenden Individualitäten, den Zellen, zu denken hat.
Einen sehr vielfach diskutierten Fall dieser Art bilden die Faltungs-
prozesse, die sich an Epithelien während der Entwickelung zeigen,
und besonders deren bedeutsamster, die Bildung des Urdarms oder
die Gastrulation. Schon frühe und vor der eigentlichen entwickelungs-
mechanischen Richtung haben einzelne Forscher, wie Goette und
His hier das mechanische Moment zur Geltung zu bringen gesucht.
Es wurden dabei nicht die einzelnen Zellen als Individualitäten auf-
gefasst, sondern in ihrem Verband zu Membranen, Blasen als etwas
Einheitliches gedacht, das physikalischen Gesetzen der Spannung,
Dehnung, Torsion etc. wie andere Membranen, Blasen, Stäbe etc.
unterworfen sei. Eine Berechtigung dazu war schon insofern gegeben,,
als die phylogenetische Erklärung, darin die Bildung des Darmhohl-
raums eines Urtiers zu erblicken, auf Schwierigkeiten stiess. Ferner
können sich solche Faltungen und Einstülpungen in der Entwickelung
mehrfach hintereinander folgen, die bedeutsame Urdarminvagination
braucht nicht einmal die erste zu sein, zweitens verläuft die Bildung
des Urdarms sehr oft nicht in Form einer Einstülpung, sondern kann
auch durch Einwuchern eines soliden Zellpfropfs oder sogar durch
selbstständiges und getrenntes "Wandern einzelner Zellen erfolgen.
Für den ersten Fall bietet die Entwickelung zahlreicher Muscheln
ein Beispiel. Hier ist die erste Einstülpung meist die Anlage der
(zunächst unpaaren) Schalendrüse, die darum auch fälschlich öfters
für die Bildung des Urdarms gehalten wurde, dann erst erfolgt die
eigentliche Gastrulation. Aber auch wo die Gastrulation der erste
wahrnehmbare Einstülpungsvorgang ist, können nachher andere Ent-
wicklungsprozesse, wie Amnionbildung, Nervenrohranlage etc. unter
1(30 XVI. Kapitel. Die Korrelationen von Zellen und Zellkomplexen
dem gleichen Bild der Imagination verlaufen, lauter solche »Gastru-
lationen« bildend. Es ist daher die Faltenbildung ein allgemeiner
im Wachstum mechanisch begründeter Vorgang
Die Erklärung wird folgendermafsen gegeben. Für die Bildung
einer neuen Gestaltung ist ungleiches Wachstum anzunehmen inner-
halb eines Zellverbandes; denn wenn alle Zellen gleiehmäfsig wachsen,
so würde nur das Bestehende vergrössert. Eine bestimmte Zellgruppe
sucht infolge der Vermehrung auf die Nachbarschaft zu drücken, da
aber das Auseinanderweichen nicht wie beim gleichmäfsigen Wachstum
möglich ist, so wird die passive Umgebung nach His gleichsam einen
festen Rahmen bilden um den sich dehnenden und eine grössere
Oberfläche beanspruchenden Teil, daher die Faltenbildung in Form
von Ein- und Ausstülpung.
Rhumbler hat die mechanische Analyse des Vorgangs noch
weiter geführt, davon ausgehend, dass es sich nicht um einen Aus-,
sondern um einen Einstülpungsprozess handelt, Er macht geltend,
dass die erörterten Spannungen etc. allein nicht hinreichen zur Er-
klärung ; sonst müsste bei der Gestalt der Blastulazellen (jede einzelne
bildet einen Keil, mit dem Rücken nach aussen, der Schneide nach
innen), aus rein mechanischen Gründen eine Ausstülpung erfolgen.
Auch der Druck der Eihülle, die dem stärkeren Wachstum einen
Widerstand von aussen entgegensetzt und in manchen Fällen mit-
wirkt, genügt nicht zur Erklärung, ebensowenig kann eine saugende
Wirkung der verminderten Blastocoelflüssigkeit zu gunsten der Ein-
stülpung entscheiden, vielmehr ist eine aktive Beteiligung der Ekto-
•dermzellen auch beim Invaginationsvorgang anzunehmen, eine Gestalt-
veräuderung durch Umorientierung der Keilform und ein selbständiges
Wandern, wie bei manchem scheinbaren Umwachsungsprozess, z. B.
•der Amphibiengastrulation Also ist auch hier die Invagination kein
solch einfacher passiver Vorgang, bei dem man Zellplatten mit toten
Membranen vergleichen könnte, sondern die einzelnen Zellen wirken
für sich.1) Noch offenbarer ist dies natürlich bei der typischen
Immigration, besonders der multipolaren, des Entoderms.
Selbst wenn man aber solche mechanischen Spannungen etc. als
durchaus bestimmend für die Einstülpung annehmen könnte, wräre damit
hier doch nicht einer abhängigen Differenzierung das Wort geredet;
!) Von Driesch wird übrigens gegen diese Wachstums- und Spannungsver-
hältnisse hervorgehoben, dass hei der Echinidengastrula gerade die vegetativsten
Zellen die kleinsten sind, und dass auch während der Gastrulation das Gesamt.
volumen des Keimes stetig wächst.
in frühen Stadien der Entwicklung und ihre gestaltende Wirkung. 161
•denn es sind immer Wachsturnsdifferenzen und Verstärkungen in
bestimmten Zellen, die als eigentliche Ursache der Spannung voraus-
gehen müssen, und diese Zellen kennzeichnen sich schon an der Blas-
tula als deutlich differenziert. Es verdient Hervorhebung, dass
eigentlich keine reine Blastula, also eine aus ganz gleichmäfsig aus-
sehenden und gleichwertigen Zellen bestehende Blase bekannt ist,
sondern sich der entodermale Teil mehr oder minder deutlich aus-
prägt durch die Verteilung der Plasmasubstanzen in den Zellen, die
einfach vom Ei auf dieses Blastulastadium übergeht. Von einer wirk-
lich abhängigen Differenzierung könnte man nur dann reden, wenn
durch die Einstülpung selbst erst die Verschiedenheit der gastralen
Zellen hervorgerufen würde, und wenn ganz gleichgültig bald dieser,
bald jener Pol der Blastula, das heisst jede Stelle des Blastoderms sich
einstülpen könnte. Das hat z. B. De läge von der sehr primitiven
Larve eines Schwamm es, Oscarella, angenommen; es wurde aber auch
hier von Maas nachgewiesen, dass es immer ein schon von Anfang
bestimmter Pol des Eies, resp. der Blastula ist, an dem sich die Ein-
stülpung vollzieht, nur dass dieser Pol seine äusserliche Verschieden-
heit erst im freien Blastulastadium nach und nach annimmt.
Die Faltenbildungen wiederholen sich bei der Bildung anderer
Organe, z. B. der Anhangsdrüsen des Darms; hier kann man wieder die
gleiche Frage stellen, ob die Verschiedenheit des Materials schon vorher
vorhanden war oder erst durch die Verlegung in die Falte hervor-
gebracht wird, und in verschiedenem Sinn entscheiden, wie dies bereits
in einem früheren Kapitel von der prospektiven Bedeutung, prospektiven
Potenz und deren allmählicher Einschränkung erörtert wurde (s. p. 89).
Alle diese Dehnungs-, Pressungs- und Faltungsprozesse, bei denen
sicherlich mechanische Momente mitspielen, stellen aber nur eine
Seite der zahlreichen Korrelationswirkungen dar, die sich im Verlauf
der Ontogenese durch den Entwickelungsvorgang von selbst ergeben;
schon von allem Anfang an liegt in der Zellteilung selbst ein
wesentliches Grundphänomen für alle Formbildung.
Durch die Zellteilung an und für sich wird eine Reihe mannig-
faltiger gegenseitiger Beziehungen geschaffen, die sich stets weiter
ändern und von formativem Einfluss sein müssen '). Schon durch
!) Von Lillie wird zwar angegehen. dass bei den Eiern des Chaetopterus
pergamentaceus nach etwa stundenlangem Aufenthalt in KCl und nachheriger Über-
tragung in normales Seewasser, die Zellteilung unterbleibt, und doch am Ei Diffe-
renzierungen eintreten sollen. Das Ektoplasma vakuolisiert sich, wie das Ektoderm
Maas, Einführung in die experimentelle P'ntwickelungsgeschichte. 11
162 XVI. Kapitel. Die Korrelationen von Zellen und Zellkomplexeu
die abnehmende Grösse der Teilstücke ändern sich die quantitativen
Relationen von Kern und Plasma, die wie besonders von R. Hertwig
gezeigt worden ist, für das Leben der Zelle sehr bedeutsam sind. Im
Anfang der Entwicklung ist verhältnismäfsig viel weniger Kernsub-
stanz gegenüber der Plasmasubstanz vorhanden, wie am Ende der
Furchung (s. p. 82), und durch diese veränderte Relation können,
wenn sie zu einem bestimmten Grad gediehen ist, neue Prozesse aus-
gelöst gedacht werden. Auch qualitativ müssen sich Kern und Plasma
im Lauf der Teilungen ändern, auch wenn man eine qualitativ gleiche
Kernteilung wie früher auseinandergesetzt, annehmen muss. Die
Plasmateilung und -Verteilung geschieht ja während der Furchung
nicht gleichmäfsig ; verschiedene Mengen verschiedener plasmatischer
Substanzen kommen in verschiedene Zellen zu liegen, und da Kern
und Plasma doch nicht von einander zu trennen sind, sondern in
steter Wechselbeziehung, auch wirklichem Stoff austausch, stehen, so
wird dadurch nach und nach immerhin eine qualitative Verschieden-
heit der Kerne hervorgebracht, auch wenn die Karyokinesen selbst
ganz unparteiisch verfahren.
Weiterhin ändert sich durch die blosse Zellteilung das Verhältnis
von Oberfläche zur Masse. Ein gewisses Verhältnis ist hier beim
Wachstum eines lebenden Organismus im allgemeinen und einer Zelle
im besonderen nicht überschreitbar, weil ja die Masse im Cubus, die
Fläche im Quadrat wächst und schliesslich letztere für die Bedürfnisse
an Gas- und anderen Stoffaustausch der vergrösserten Masse nicht
mehr genügen würde. Im Verlauf der Furchung wird dies Ver-
hältnis für die einzelne Zelle immer günstiger gestaltet, und dadurch
ergeben sich immer mannigfachere Beziehungen für den Stoffaustausch
und den Verkehr mit den Nachbarzellen. Für die Bewegungser-
scheinungen kommt nach den Untersuchungen von Rhumbler be-
sonders das Oberflächenplasma in Betracht, und manche physikalischen
Gesetze der Oberflächenspannung können nach ihm direkt auf den
Organismus spez. die Zelle angewandt werden ; schon deswegen ist
also die durch die Furchung geschaffene Vermehrung der Zell-
der Trochophora, es bilden sich Cilien, der Dotter sammelt sicli innen zn einer
dichten Masse ; manchmal sei sogar eine regionale Übereinstimmung mit der Trocho-
phora vorhanden. Diese Ergebnisse scheinen noch einer Bestätigung zu bedürfen,
wenn man an die vielfachen pathologischen Veränderungen denkt, die dabei möglich
sind, und an die Abstufungen der Tinktionsfähigkeit. Vielleicht sind ektodermale
abnorme Kerne übersehen worden, und der grosse sich „diffus färbende Kernbezirk"
im Innern entspricht der Summe der Makromerenkerne.
in frühen Stadien der Entwickelung und ihre gestaltende Wirkung. 163
aus senf lachen von Bedeutung; noch mehr aber darum, weil sich
verschiedenartige Oberflächen ergaben: freie Flächen nach aussen,
andersartige freie Flächen nach der Innenhöhle, und ferner Berührungs-
flächen der Teilstücke miteinander. Besonders von Rhumbler sind
die Verhältnisse des Oberflächenplasmas je nach der Verschiedenheit
der betreffenden Flächen studiert worden. Wie sich bei einzelnen
Eiformen das Oberflächenplasma im Verlauf der Furchung zu den
neugeschaffenen Flächen verhält, ist an verschiedenen Objekten von
mehreren Autoren beobachtet worden. Bei den Eiern der Medusen
(Aegineta flavescens) folgt es nach Maas stets den neuen Flächen,
auch nach Eingriffen; es werden dadurch für den natürlichen Ent-
wickelungsgang die Mannigfaltigkeiten sehr vermehrt und für den
gestörten Verlauf Regulierungen geschaffen.
Die erwähnten Mannigfaltigkeiten werden schon durch die Teilung
an und für sich erreicht, auch wenn sie immer aequal wäre ; dies ist
aber kaum der Fall, sondern fast in jeder Furchung sehen wir- sehr
bald Grössenunterschiede, bestimmte Richtungen der Teilungen bevor-
zugt und auch einen verschiedenen Rhythmus, so dass die Verschieden-
artigkeit der durch den Entwickelungsprozess erreichten Produkte
noch gesteigert wird. Es fragt sich auch hier, inwieweit solche
Differenzierungen durch den Gang der Entwicklung selbst erst
hervorgerufen werden, oder ob sie präformiert sind. Wir können
uns hier kurz fassen, zum Teil weil hierbei cytologische Fragen in
Betracht kommen, die »Zellmechanik« aber, wie früher erwähnt,
ausserhalb des Rahmens der eigentlichen Ent wickelungs-
physiologie liegt, zum Teil weil es sich hier um blosse Theorien
handelt, unsere Ausführungen sich aber jeweils an Experimente an-
schliessen sollen. Die Experimente aber, die vorliegen, sind teilweise
schon bei denen über die Eifurchung besprochen worden , teils
kommen sie noch bei den äusseren Bedingungen der Entwickelung
zur Erörterung ; denn gerade die äusseren Bedingungen wirken auf
Rhythmus und Richtung der Teilungen, ohne allerdings positiv
formbildend zu sein.
Dass sich bestimmte Grössenunterschiede der Zellen heraus-"
bilden, ist, wie schon in früheren Kapiteln bemerkt, den Verhältnissen
der Plasmaverteilung im Ei zuzuschreiben. Der Kern selbst sucht nach
O. H e r t w i g s treffendem Ausdruck stets die Mitte seiner Wirkungs-
sphäre einzunehmen, und hier leitet er die Zellteilung ein. Die Ver-
teilung des eigentlichen aktionsfähigen Protoplasmas im Gegensatz zu
Dotter- und anderen Einlagerungen ist in der Zelle meist räumlich
11*
1()4 XVI. Kapitel. Die Korrelationen von Zellen und Zellkomplexen
etwas ungleich; schon dadurch werden sehr bald Unterschiede unter den
Produkten hervorgebracht. Je mehr eigentliches aktionsfähiges Proto-
plasma die Zellen enthalten, desto mehr sind sie zur Teilung befähigt.
Dies kann durch experimentelle Veränderung des Dottergehalts nach-
gewiesen werden (s. auch die Versuche über Zentrifugalkraft p. 170).
Es wird also die schon angebahnte Ungleichheit im - Laufe der Ent-
wickelung noch gesteigert ; die ungleiche r äumliche Verteilung und
das zeitliche Vorauseilen unterstützen sich gegenseitig in der
Wirkung, eine immer grössere Verschiedenheit der Produkte zu er-
zielen. Man kann nicht sagen, dass die Entwicklung selbst die
Ursache der Ungleichheit ist ; vielmehr liegt letztere schon in der Ei-
struktur begründet und wird durch den Entwicklungsgang sozusagen
nur ausgelöst. Was vorher kaum wahrnehmbar war, tritt dann in
deutliche Erscheinung .
Die Teilungsrichtungen sind nach dem jetzt und früher
gesagten ebenfalls zunächst von der Massenverteilung im Ei abhängig.
Bei der Einstellung des Kerns in die Mitte seiner Wirkungssphäre
(nach 0. Hertwig) kommt die Achse der Spindel in die Richtung
des grössten Durchmessers des bei der Teilung tätigen Protoplasmas
zu liegen. Wenn durch äussere Bedingungen die Wirkung dieser
Faktoren abgeschwächt, oder die Verteilung selbst geändert wird, so
kann auch die Richtung der Spindeln resp. der Teilungen verändert
werden, ein Anachronismus in der Folge der Teilungen auftreten,
wobei aber die spätere Gestaltung meist nicht beeinflusst resp. trotz
der atypischen Teilungsrichtungen zur normalen reguliert wird.
Diese Untersuchungen fallen daher weniger in das Bereich der Ent-
wickelungsphysiologie in unserem Sinne (s. p. 4), als in das der Zell-
und Protoplasmamechanik, ein Gebiet, das durch Rhumbler,
Meves u. a. spezielle Bearbeitung erfahren hat,
Der Rhythmus der Zellteilungen trägt ebenfalls zur Vermehrung
resp. zum Deutlich werden der schon im Keim vorhandenen Mannig-
faltigkeiten bei, indem die zuerst wenigen und gleichzeitigen Teilungen
in den einzelnen Zellen und Zellgruppen nach und nach ungleichzeitig
werden. Zum Teil hängt dies ebenfalls mit den erwähnten Ungleich-
heiten der Plasmaverteilung zusammen, zum Teil sind die Ursachen
nicht ersichtlich, wie bei den Cephalophodeneiern, wo in der Keim-
scheibe zwei Gruppen von Furchungszellen, zwischen denen man
keine durchgreifenden Plasmaunterschiede nachweisen kann, derart
in der Teilung abwechseln, dass immer eine Gruppe Karyokinesen
zeigt, während die andere in Ruhe ist und umgekehrt.
in frühen Stadien der Entwickelung und ihre gestaltende Wirkung. 165
Der Teilungsrhythmus steht auch mit der früher erörterten
Eigentümlichkeit in Beziehung, wonach jeder Spezies für ihre be-
stimmten Organzellen eine bestimmte Zellgrösse zukommt. Wenn
diese erreicht ist, werden die Teilungen bis zur Einleitung neuer
Elementarprozesse sistiert. Am halbierten, geviertelten etc. verdoppelten
Furchungsmaterial sind bei Regulierung halb, vierteis, resp. doppelt
soviel Organzellen vorhanden, wie im typischen Fall, jedoch von
normaler Grösse ; die Teilungen müssen demnach je nach dem ein-
zelnen Fall von selbst früher aufhören, resp. um eine Phase länger
andauern. So kommen wir auch hier zu dem von Driesch für den
Organismus angenommenen besonderen »vitalen Geschehen«.
Ebenso hängt der Rhythmus der Teilung innig zusammen mit
der Frage nach den Ursachen der Zellteilung überhaupt, die wir
ebenfalls einstweilen als »vitales Phänomen« bezeichnen müssen. Der
embryonale Lebensprozess besteht und offenbart sich zunächst fast aus-
schliesslich als Zellteilung; gerade in diesem Nichtruhen, Sichweiter-
teilen ist die Ursache, resp. der Anstoss zu all den Prozessen der Ent-
wickelung gegeben, besteht die Auslösung der im Ei bereits vorhandenen
Mannigfaltigkeit zu der des Organismus. Was aber eine Zelle aus
der Ruhe bringt und die Teilung anregt, darüber hat man sich im
allgemeinen keine Vorstellungen gemacht; man begnügt sich gewöhnlich
mit dem Hinweis, dass die Zellteilung auf dem Zellwachstum beruht.
Nur neuerdings hat R. Hertwig versucht, zum Teil gestützt auf
die Erscheinungen des Furchungsprozesses, zum Teil auf Grund
experimenteller Untersuchungen an Protozoen unsere Vorstellungen
über die Vorgänge, welche zur Zellteilung führen, genauer zu gestalten.
Er geht davon aus, dass ein bestimmtes Grössenverhältnis von Kern
und Protoplasmamasse für jede Zelle gegeben ist. Bei der Ernährung
wächst zunächst das Plasma, bis das zunehmende Missverhältnis von
Kern und Protoplasma einen ansehnlichen Grad erreicht hat und ein
bestimmtes Mafs von Spannung zwischen Kern und Protoplasma sich
entwickelt. Dann gewinnt der Kern die Fähigkeit auf Kosten des
Protoplasma zu wachsen; dabei entstehen Veränderungen in beiden
Zellteilen, welche zur Teilung führen. Hertwig erklärt die rasche
Aufeinanderfolge der Teilungen beim Furchungsprozess durch den
Hinweis, dass hier anfänglich ein enormer Unterschied zwischen Kern
und Protoplasmamasse vorhanden ist, so dass nach jeder Teilung die
für eine spätere Teilung nötige Spannung vorhanden ist, Ein Ruhe-
punkt würde erst erzielt werden, wenn die normale Ration von Kern
und Protoplasmamasse erreicht ist.
C. Äussere Faktoren der Entwickelung.
XVII. Kapitel.
Die Experimente an den äusseren Bedingungen der Entwickelung.
4. Die physikalischen Vorbedingungen.
Die Schwerkraft. Der osmotische Druck. (Osmose und Wachstum.) Das
Licht. Die Temperatur. (Maximum, Minimum, Optimum.) (Gestaltbildender
Einfluss oder Energiequelle?)
Wie der erwachsene Organismus so steht auch der sich ent-
wickelnde in beständigem Verkehr mit einer Aussenwelt. Je nach
der Art der Entwickelung, die in freiem Wasser, in einer Eihülle,
oder im mütterlichen Körper vor sich gehen kann, ist der Kreis der
Aussenwelt freier oder eingeengter, der Verkehr mit ihr direkt oder
mehr indirekt; stets aber werden sich deren Verhältnisse, die physi-
kalischen sowohl, z. B. die Temperatur, als die chemischen, z. B. die
Zusammensetzung des umgebenden Wassers, in ihrer Wirkuug bemerk-
bar machen.
Diese Wirkung auf die Entwickelung darf, wie in früheren
Kapiteln ausgesetzt wurde, nicht überschätzt werden; man wird
nimmermehr sagen dürfen, wie es von manchen Forschern geschieht,
dass auch die Verhältnisse der Aussenwelt »die Gestaltbildung des
Embryo beherrschen« ; man wird diese Ursachen nie gleichstellen
dürfen mit den im Organismus selbst liegenden Ursachen des Ent-
wickelungsganges, sondern in ihnen nur Vorbedingungen sehen, die
für den regelrechten Ablauf der Entwickelung notwendig sind.
Zum Teil wirken äussere Verhältnisse wie andere Reize, indem sie
gewisse in der Natur des Organismus vorgesehene Dinge zur Auslösung
und so Vorgänge der Ontogenese zum Ablauf bringen; als solcher ist ihrer
bereits bei der Theorie der formativen Reize gedacht worden. Zum
Teil stehen sie dem eigentlichen Formgeschehen noch ferner; es treten
wohl bei ihrem Fehlen Missbildungen auf, die aber nicht für gestal-
tende Wirkung sprechen, sondern nur als Hemmungen des normalen
XVII. Eapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen. 167
Ahlaufs aufzufassen sind. Zum Teil sind sie sogar nicht absolut
notwendig, sondern nur relativ; in einer bestimmten Menge wirken
sie am günstigsten, können aber bis zu minimalen Quantitäten ent-
behrt werden. Bei der Wärme werden unterhall) einer gewissen
'Temperaturgrenze die Embryonen in ihrer Entwickelung zum Still-
stand gebracht, oberhalb einer gewissen Grenze deformirt; innerhalb
dieser Grenzen geht die Entwickelung je nach der Höhe der Tempe-
ratur, nur langsamer oder schneller, vor sich. Das sind Dinge, die
auch beim anorganischen Geschehen eintreten — auch chemische
Umsetzungen finden häufig nur von einer bestimmten Temperatur
ab statt und werden mit steigender Temperatur beschleunigt — , die
also zum Wesen des Formgeschehens, nach Driesch's Ausdruck,
nur sehr lockere Beziehungen haben.
Die äusseren Bedingungen waren das Nächstliegende, an dem das
Experiment einsetzen konnte; ihre Überschätzung ist daher nur eine
Folge der historischen Entwickelung der entwickelungsphysiologischen
Richtung. Man experimentierte und wenn man einen Faktor der
Aussenwelt für ein Geschehen als notwendig erkannt hatte, so glaubte
man damit in die Spezüizität des Geschehens selbst einen Einblick
gewonnen zu haben; man verwechselte, in Driesch's Terminologie
zu reden, blosse Mittel der Ontogenese mit wirklich determinierenden
Faktoren.
Namentlich bei einer äusseren Bedingung, der Schwerkraft,
i>t diese Überschätzung für die Formausprägung zu Tage getreten.
In dieser Frage liegen eigentlich die frühesten Ansätze einer bewusst
experimentellen Richtung in der Embryologie, die Versuche von
Pflüger am Amphibienei. Schon durch blosse Beobachtung ist
folgendes festzustellen. Beim braunen Grasfrosch (Rana fusca) ist
Plasma und Dotter polar differenziert und verteilt; der animale Pol
braun gefärbt nach oben, der vegetative, weisslich gefärbte nach
unten gerichtet, die Eiaxe also genau senkrecht. (Beim grünen Gras-
frosch (R. esculenta) ist die Axe vom weissen zum pigmentirten Pol
•etwas schief gestellt.) Die erste Furche in der Entwickelung steht
nun ebenfalls senkrecht, zu ihr werden die sich anlegenden Organe
normaler Weise symmetrisch orientiert, die erste Furche entspricht
also der Medianebene des Tieres, es wird also auch »die Lagerung
der Organe von der Schwerkraft bestimmt, die »Schwerkraft beherrscht
die Organisation« (Pflüger). Es geschieht dies dadurch, dass das
befruchtete Ei als Ganzes in seiner Gallerthülle sien immer so drehen
kann, dass der weisse Pol mit dem schweren Nahrungsdotter ganz nach
168 XVII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
unten kommt bei (R. esculenta mit der erwähnten Abweichung). Diese
selbsttätige Drehung des ganzen Eis glaubte nun Pflüger verhindern
zu können. Wenn man die Eihülle nicht oder nur wenig quellen lässt,
so haftet sie dem Ei fest an; das Ei befindet sich in der sog. Zwangs-
lage, kann sich nicht drehen. Es ergeben sich dann sehr verschiedene
Stellungen der Eiaxe, des pigmentierten und weissen Pols zur Gravi-
tationsebene. Trotzdem aber fand Pf lüg er die Medianebene des
sich entwickelnden Tieres senkrecht stehend, die kleinen, animalen
Blastomeren oben, auch wenn da weisses, statt braunes Material lag,
die grossen vegetativen stets unten, das Nerven röhr stets oben, den
Blastoporus unten seitlich etc. Daraus zog Pflüger den Schluss,
dass die Eiorganisation nichts mit dem Aufbau des Embryo zu tun
habe, sondern dass dieser im weitgehendsten Sinne der Epigenese
durch die in der Entwicklung selbst dazukommenden Umstände,,
wie hier die Schwerkraft, bestimmt werde.
Fig. 123 a, b.
a b
Fig. 123. Nornialstehendes Froschei,
a Einschneiden der ersten Furche. Ei in der Ansicht von vorn,
b Ei in normaler Acht-teilung (dritte Furche), Ansicht von vorn.
Dieser Schluss war irrig; denn es hat sich herausgestellt, dass
bei den in Zwangslage gehaltenen Eiern nur die äussere Schicht
fixiert ist, im Innern aber trotzdem eine Umordnung der Teile, ent-
sprechend der Schwerkraft, eintritt. Die Pigmentverteilung giebt also
nicht wie im normalen Ei das Bild der nach der Schwere verteilten
Dottermassen wieder, sondern betrifft nur die alleräussersten Schichten,
wie namentlich Born durch Experimente mit an bestimmter Stelle
markierten Eiern und nachfolgende Zerlegung in Schnittserien dar-
getan hat; im Innern herrscht die gleiche Substanzverteilung wie im
normalen Ei. Bei dem ganzen Vorgang handelt es sich also nicht um
eine »rätselhafte Einwirkung der Schwerkraft« auf gleichwertige Teile
der Entwickelung. A. Die physikalischen Vorbedingungen. 169
des »isotropen« Eies, die dadurch verschieden würden, sondern wie
O. Hertwig und Roux erläutern, sind die erwähnten Tatsachen
der Entwicklung lediglich Folgen des Aufbaues des Froscheies au-*
Substanzen verschiedener Schwere.
Von 0. Schul tze ist der sog. richtende Einfluss der Schwer-
kraft neuerdings auf verschiedene Weise zu beweisen versucht worden;
doch scheinen diese Anschauungen durch Roux, Kathariner u. A.
endgiltig widerlegt zu sein. Deren Experimente gehen in verschiedener
Anordnung auf dasselbe Ziel hinaus, nämlich Eier während der Ent-
wickelung in beständig wechselnde Anordnung zur Gravitationsebene
zu bringen; Roux bewirkt dies durch beständiges Rotieren der
Gefässe mit den Froscheiern in einer vertikalen Ebene um eine hori-
zontale Axe, Kathariner durch einen beständigen Wasserstrom in
dem Gefäss, so dass die Eier fortwährend herumkugeln. Die Ent-
wicklung verlief durchaus normal, ohne dass es wegen der kurzen
Dauer der jeweiligen Lage und der Zähigkeit des Materiales zu
störenden Uniordnungen hätte kommen können (vgl. auch Moszkowski
oben p. 37).
Es wird von Kor sehe lt und Heider mit Recht darauf hin-
gewiesen, dass man schon aus einer grossen Reihe von Tatsachen
der beschreibenden Entwicklungsgeschichte ohne jedes Experiment
den richtenden Einfluss der Schwerkraft ausschliessen könne. Insekten-
eier, die in sich eine polare Orientierung zeigen, werden vom Weibchen
in der verschiedenartigsten Lage zur Schwerkraft angeklebt und ent-
wickeln sich alle ganz gleichmäfsig; ebenso die Eier von Crustaceen,
die an den Beinpaaren angeheftet, mit diesen beständig bewegt und
gedreht werden. Noch überzeugender sind die Eier von Rotatorien,
die kugelige Kolonien bilden; bei denen also jedes einzelne Tier
radiär steht, und ausserdem sich die ganze Kolonie in beständig
kugelnder Fortbewegung befindet, samt den Einzeltieren und den
daran haftenden Eiern.
Hier ist auch noch das schon mehrfach erwähnte Experiment
von O. Hertwig anzuschliessen, wonach im Froschei die Anordnung
der Substanzen in noch weitgehenderem Mafse als im normalen der
Schwerkraft folgen kann, wenn nämlich die Zentrifugalkraft in der
geeigneten Weise einwirkt. Es werden alsdann bei Umdrehung im
Centrifugenapparat, dessen Geschwindigkeit man varriieren kann, die
Dotterplättchen noch mehr nach der vegetativen Hälfte gebracht, als
im normalen Ei, und man kann, wenn man den Furchungsprozess
unter den gleichen Umständen fortgehen lässt, nach 24 Stunden ein
170 XVII. Kapitel. Die Experimente ;wi den äusseren Bedingungen
Stadium erhalten, bei dem nur die animale Hälfte des Eies gefurcht
ist (Fig. 124), die vegetative wie bei einem Vogelei unzerlegt geblieben
ist, also das holoblastische Ei in ein meroblastisches überführen.
Durch früheres Aufhören der Centrifugenwirkung kann man die
Eier noch zu normaler Entwickelung bringen; doch ist begreiflicher-
weise infolge der Umordnung der Eisubstanzen eine grosse Neigung
zu Missbildungen vorhanden.
Fig. 124.
h
— d
i'ioschei, durch den Einfluss der Centvifugalkraft während der Entwickelung gesondert
in eine Keimscheibe und eine unentwickelt gebliebene Dotterinasse (d), h = Furchungs-
höhle. Nach 0. Hertwig.
Auch bei der Regeneration kommt der Schwerkraft kein leitender
Einfluss zu. Die Versuche, die an Hydroidpolypen in dieser Rich-
tung angestellt worden, sind nicht eindeutig, da bei dem Auswachsen
von «Wurzeln« resp. Stammstücken dieser festsitzenden Tiere noch
andere Faktoren in Frage kommen. Bei der Linsenregeneration hat
hier Wolff eine sinnreiche Variation des Versuches angestellt. Die
Tritonen wurden gelähmt und in Rückenlage gehalten; dennoch ent-
stand die neue Linse vom morphologisch-oberen, nich topographisch-
oberen Teil der Iris. Es ist also auch hier eine Beteiligung der
Schwerkraft an der Lokalisation des Vorganges angeschlossen.
Eine weitere physikalische Vorbedingung, die bei allen Lebens-
prozessen, und besonders bei dem in Flüssigkeit lebenden Organismus
in Betracht kommt, ist der osmotische Druck. Das Wasser, auch
das süsse, noch mehr natürlich das Seewasser, enthält Salze von
bestimmter Konzentration; auch die Körperflüssigkeiten, der Zellinhalt,
sind als Lösungen von bestimmter Konzentration aufzufassen. Die
Moleküle einer Lösung üben, mit Konzentration und Temperatur
der Entwicklung. A. Die physikalischen Vorbedingungen. 171
steigend, einen Druck auf die umgebende Wand aus; befindet sich
jenseits der umgebenden Wand eine Lösung geringerer Konzentration,
so wird die Wand durch den Druck gespannt, und es wird so viel
Wasser nach der stärkeren Lösung herüberdringen, bis die Konzen-
tration auf beiden Seiten die gleiche ist. Es wird also nach rein
physikalischen Gesetzen zwischen Körperflüssigkeit einerseits und
dem Medium andererseits ein osmotisches Gleichgewicht bestehen,
resp. sich herstellen, und es ist seit langem bekannt, dass Änderungen
in den normalen osmotischen Verhältnissen Schädigungen und unter
Umständen auch Ausgleiche zur Folge haben.
Das Gesagte gilt, wenn die Oberflächen der Organismen resp.
der Entwickehmgsstadien durchlässig sind, und wenn die Objekte
selbst als Lösungen gedacht werden. Das geschieht mit mehr und
minder Recht; im einen Fall sind die Zellen selbst der Sitz der osmo-
tischen Kräfte (hierzu muss die Zelle als eine mit Salzlösung gefüllte
Blase aufgefasst werden), im anderen Fall handelt es sich um Zell-
aggregate, z. B. eine Blastula, eine wirkliche Blase, in deren Innern
sich die betreffende Lösung findet; in weiteren Fällen sind es richtig
membranartig abgeschlossene, histologisch differenzierte Gebilde und
Hohlräume (Gefässe, Dottersack etc.), zwischen denen und der Aussen-
welt sich die osmotischen Druckverhältnisse ausgleichen müssen.
Fig. 125.
Fig. 125. Furchung des Froscheies in Kochsalzlösung. Nach 0. Hertwig.
Bei allen mit Veränderung des Salzgehaltes ausgeführten Ver-
suchen, die noch besonders bei den chemischen Bedingungen zu be-
sprechen sind , spielt auch der veränderte osmotische Druck eine
Rolle; vielfach ist überhaupt nicht zu entscheiden, was chemischer
und was osmotischer Effekt ist. Bei den Versuchen von O. Hertwig,
der Froscheier in Salzlösung gebracht hat. ist jedenfalls — vielleicht
abgesehen von einer Giftwirkung des Chlornatriums s. u. — der ver-
änderte osmotische Druck von besonderer Bedeutung. WTenn die
Eier nach Befruchtung in Kochsalzlösung gebracht wurden, so zeigte
172 XVII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
sich ein merkliches Zurückbleiben der Furchung, besonders am vege-
tativen Pol (Fig. 125), der sich ja ohnehin schwerer und langsamer
furcht. Hier schnitten die Furchen, die an den Kochsalzeiern über-
haupt auftraten, oft nur oberflächlich ein, so dass es im extremen
Fall zu einem meroblastischen Ei kam. Daraus erklären sich die
nachfolgenden Missbildungen: Vergrößerung und unvollkommener
Schluss des Blastoporus, eventuell auch unvollkommener Schluss im
Bereiche der Hirnanlage.
Am nachdrücklichsten hat sich Bataillon für die Wirkung
des osmotischen Druckes ausgesprochen, zuerst nach seiner Versuchs-
reihe an PetromyzoneieTii in verschieden konzentrierten Lösungen.
Da Wasserverlust, der im Gewebe bei der Übertragung in stärkere
Lösung stattfindet, wirkt bei der Entwickelung verzögernd und kann
sie vorübergehend ganz aufheben. Bei Petromyzon Planerl geht die
Furchung bei 0,2% Kochsalz (oder einer isotonischen Lösung) noch
regelmässig weiter; Kochsalzlösungen von 0,5 — 0, 8 °/0 stören das Fort-
schreiten der Furchung; bei 1 °/n wird dieselbe gänzlich unterbrochen.
Die Störung ist unabhängig von der chemischen Zusammensetzung
und folgt nur dem osmotischen Druck.
Noch mehr Polgert Bataillon dies aus seinen Versuchen an
Amphibieneiern, er hat dieselben in sehr verschiedene Flüssigkeiten
gebracht und wendet sich nach seinen Erfahrungen dagegen, denselben
eine spezifische Wirkung auf die Art der Hemmung zuzuschreiben.
Eine ganze Anzahl von a priori berechneten isotonischen Lösungen
verschiedener Stoffe haben dieselben Störungen in der Gegend
des Blastoporus veranlasst. »Der teratogene Reiz der angewendeten
Substanz bemisst sich nach ihrem Molekulargewicht und dem isotoni-
schen Koeffizienten.«
Auch bei Seeigeleiern hat Loeb durch Konzentration der Salz-
lösung nach Hinzufügen von Chlornatrium eine Verlangsamung
der Furchung gefunden und häufig ein Ausbleiben der Plasmateilung,
auch wenn der Kern schon geteilt war.
Hier sind wohl auch die Wirkungen anzuschliessen, die von
E. B. Wilson bei Ätheranwendung beobachtet worden sind. Die
Eier von Toxopneustes varlegotus wurden in verschiedenen Stadien in
eine 2 — 2,5 °/0 (nach Volum) Ätherlösung gebracht und dann wieder
in normales Seewasser übertragen. Bei unvollständiger Erholung
findet auch nur unvollkommene Ausbildung der Strahlungen statt.
Die Kernteilung findet zwar regulär statt, aber die Zell 1 e i b teilung
unterbleibt, So bilden sich Syncytien mit bis zu 64 Kernen. Wenn
der Entwicklung. A. Die physikalischen Vorbedingungen. 1 T - >
die Übertragung in normales Seewasser auf früheren Stadien (von
4_16 Kernen) erfolgt ist, so ergibt sich eine vollständige
Furchung, aber ganz im Sinn der superfiziellen Furchung wie bei
den centrolecithalen Eiern der Arthropoden (Fig. 126). Die Tiefe
<les Einschneidens der Furche ist proportional der Erholung resp. der
Ausbildung der Plasmastrahlung. Später können noch schwimmende
Embiyonen aus solchen Stadien hervorgehen. Die Ähnlichkeit mit
Hemmung der Teilung, wie sie beim Froschei bei sehr verschiedenen
Einflüssen sich besonders am vegetativen Pol bemerkbar macht, ist
in die Augen fallend.
Fig. 126.
Fig. 126. Durch Äther erzeugte superficielle Furehung eines Seeigeleies (nach Wilson).
Die Folgen der Verdünnung des Salzgehaltes auf die Seeigel-
eier sind laut Driesch ähnlich, was ebenfalls für eine reine Wirkung
des osmotischen Druckes in all diesen Fällen spricht, Laut Gur-
witsch haben bei Froscheiern verschiedene Salzlösungen eine unter-
schiedliche Wirkung, bei den einen tritt mehr die eine, bei den andern
mehr die andere Hemmungsbildung auf. Auch für verschiedene
andere Amphibieneier hat Ch. B. Wilson gefunden, class der hem-
mende Einfluss der Salzlösungen in verschiedenen Embryonalzellen
verschieden ist und sich bei den dotterreichen weniger mobilen Zellen
eher geltend macht, als bei den aktiven Pigmentzellen. Auch ver-
schiedene Spezies verhalten sich verschieden.
Derartige Fälle werden noch unten bei der experimentellen Ver-
änderung chemischer Bedingungen an anderen Objekten zur Sprache
kommen, hier sei nur noch auf die wichtige Rolle hingewiesen, die
osmotische Prozesse beim Wachstum im allgemeinen spielen.
Nach zahlreichen Beobachtungen der Pflanzenphysiologen hat
insbesondere Davenport auch beim tierischen Organismus darauf
174 XVII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
aufmerksam gemacht, wie eine reichliche Wasseraufnahme gerade in
der Hauptzeit des Grössen Wachstums erfolgt. Es gleichen dabei die
stärker konzentrierten Säfte in Zellen oder Höhlungen des Embryo
ihren osmotischen Druck gegen das umgebende Medium, die wässerige
Lösung aus. Dave np ort selbst hat gezeigt, dass spätere Stadien
von Amphibienlarven im Verhältnis wesentlich wasserreicher sind als
frühere. Loeb hat gefunden, dass abgeschnittene Tubularien in
verdünntem Seewasser rascher nachwachsen. Herbst hat die be-
deutungsvolle Rolle osmotischer Druckwirkungen im Blastocoel für
das Gesamtwachstum der Seeigellarven nachgewiesen, indem er die
umgebenden Salzlösungen entsprechend änderte, und Driesch hat
gezeigt, dass manche auf andere Weise hervorgebrachten Deformationen
durch blosse Wirkung osmotischen Drucks wieder ausgeglichen werden
können. Dabei kommt natürlich nicht nur Aussenwelt allein in
Betracht, sondern es spielen auch Druck beziehungen zwischen den
Körperhöhlen einerseits und dem Innern der einzelnen Zellen anderer-
seits eine Rolle, also Faktoren, die sich erst durch den Entwickelungs-
gang selbst erheben, und die zum Teil schon in früheren Kapiteln
(s. Gastrulation) berührt wurden. Wenn manche Zellen und Zell-
gruppen stärker wachsen, so ist vielleicht bis zu einem gewissen
Grade stärkerer osmotischer Druck, grössere Konzentration der hier
vorhandenen Lösungen schuld ; ein Ausgleich wird durch Wasserauf-
nahme herbeigeführt und dadurch ein Gesamtwachstum und weitere
Formgestaltung vermittelt.
Das Licht, die für die Pflanzenwelt wichtigste Lebensbedingung,
wurde auch für den tierischen Organismus und seine Formbildung
von Bedeutung gehalten. Man glaubte mindestens, dass die Intensität
des Lebensprozesses durch das Licht erhöht, die Entwicklung im
Dunkeln verlangsamt werde, und man hielt, da man auch bei einigen
Tieren Bewegungen nach und von der Lichtquelle nachweisen konnte,
auch einen richtenden Einfluss des Lichtes auf die Organanlagen
nicht für ausgeschlossen. Es hat lange gebraucht, bis man sich von
diesen Vorstellungen losmachen konnte und erkannte, dass der Ent-
wickelungsprozess, namentlich in den ersten Phasen, vom Licht gänz-
lich unabhängig ist.
Früher wurde behauptet, dass die Amphibieneier im Dunkeln
sich nicht entwickeln könnten, bereits in Entwickelung begriffene sich
der Entwickelang. A. Die physikalischen Vorbedingungen. 175
in ihrer Ausbildung sehr verzögerten; es hat sich aber herausgestellt,
dass man in den Dunkelkästen nicht für genügende Gaserneuerung
gesorgt hatte, und dass die erwähnten Wirkungen bei ordentlicher
Durchlüftung ausblieben.
Driesch hat eine planmäfsige Serie von Versuchen an Eiern aus
ganz verschiedenen Tiergruppen, bei Bana} Echinus und einer Schnecke
(Flanorbis) angesteht; er hat jeweils einen Laich in verschiedene
Teile geteilt und die einzelnen Portionen teils in normales Tageslicht,
teils in völliges Dunkel, teils in Licht von bestimmter Qualität ge-
bracht, indem er einzelne Farben des Spektrums nahm oder sie
kombinierte. Es ergab sich keinerlei Unterschied in der Entwicke-
lung, weder für Helle und Dunkel, noch für die einzelnen Farben,
weder für die Furchung, noch für die Organanlage, weder fördernd
noch hemmend. Ebensowenig ist, wie Roux nachgewiesen hat,
irgend ein richtender Einfluss des in bestimmter Richtung einfallenden
Lichtes festzustellen; die Furchung, wie die nachfolgende Lagerung
der Organe, ist davon ganz unabhängig.
Für spätere Perioden der Entwickelung, wenn die Organe an-
gelegt sind und sich nur durch Wachstum vergrössern, ist vielleicht,
wenn auch kein richtender, so doch ein fördernder resp. hemmender
Einfluss verschiedener Lichtqualitäten anzunehmen. Yung hat an
Eiern von Amphibien, Knochenfischen und Mollusken (bes. Tinten-
fischen) Versuche angestellt; Dunkelheit soll nach ihm den Ent-
wickelungsgang verzögern, noch mehr rotes oder grünes Licht allein
(also je zwei ganz entgegengesetzte Lichtsorten) ; violettes Licht soll
noch mehr wie weisses die Entwickelung befördern. Es läge also
eine sehr merkwürdige Kurve der Lichteinwirkung im Spektrum vor,
mit 2 Maxima und 2 Minima.
Für die Regeneration schon ausgebildeter Organe soll laut Loeb
das Licht nötig sein, indem bei den Hydranthen von Eudendrium, die
durch das Sammeln leicht abfallen, die Neubildung unterbleibt, wenn
man die Stöcke im Dunkeln hält, die Kontrolltiere im Licht dagegen
ihre Polypenköpfchen normalerweise regenerieren. Peebles hat sich
bei Hydra davon nicht überzeugen können, gibt aber für Eudendrium
jetzt ebenfalls zu, dass es im Dunkeln keine neuen Hydranthen bildet,
sondern nur Stolonen an deren Stelle sprossen lässt. Ein Einfluss
verschiedener Lichtsorten, den Loeb behauptet hatte, konnte nicht
nachgewiesen werden, Dass Planulalarven sich im Dunkeln weiter
normal entwickelten, festsetzten und Polypen bildeten, hatte auch
Loeb gesehen; für den normalen Gang der Entwickelung ist also
17(J XVII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
auch hier das Licht nicht notwendig, und bei Tubulär ia, Bougainvillea
u. a. Polypen erwies sich das Licht auch für die Regeneration als
belanglos. Es sind hier jedenfalls Verschiedenheiten möglich, je nach
den Belichtungsverhältnissen, unter denen die Tiere normalerweise
leben ; es ist schade, dass man Tief seetiere darum nicht in ihrem
Entwickelungsgang daraufhin prüfen kann.
Ein wirklieber Einfluss des Lichtes in der Tierwelt ist aber
nachzuweisen in Bezug auf die Färbung der Körperoberfläche, wie
sie durch Pigmentzellen geschieht. Hier kann in der That durch
Veränderung oder Fehlen der Belichtung ein wesentlicher Unterschied
in der Färbung, insbesondere bei sich entwickelnden Tieren hervor-
gebracht werden. Solche Versuche sind von F lern min g und be-
sonders von Fischel an Salamanderlarven angestellt worden. Hier
werden die Tiere, die man im Halbdunkel hält, merkwürdigerweise
nicht schwächer, sondern stärker pigmentiert; wenn sie dagegen auf
heller weisser Unterlage im Lichte gezüchtet werden, so tritt eine
Bleichung ein, auch wenn alle übrigen Bedingungen (Temperatur,
Fütterung) die gleichen sind, wie ein Kontroll versuch erwies. (Die
gleiche Bleichung kann auch durch Einwirkung erhöhter Temperatur
erzielt werden.) Die blassere Färbung kommt dadurch zu stände,
dass 1. das Pigment an Menge geringer ist, 2. die sonst grossen,
verästelten Zellen rund, kontrahiert, resp. ohne Fortsätze erscheinen.
Bei der Entwickelung von Fundulus entstehen im Licht zahl-
reiche schwarze und rote Pigmentzellen (s. o. p. 157), die die Gefässe
umhüllen und Dottersack und Embryo ganz undurchsichtig machen;
im Dunkeln dagegen tritt nur innerhalb des Körpers in bestimmten
Organen, die es notwendig brauchen, z. B. der Retina, Pigment auf;
im Dottersack und sonst kaum, und die Färbung erscheint bleich und
durchsichtig.
Höhlentiere, die ständig im Dunkeln leben, zeichnen sich vor
ihren Verwandten durch Rückbildung des Pigments aus; dies ist bei
Spinnen in Grotten zu sehen ; auch bei dem bekannten Molch der
Adelsberger Grotte. Von diesem ist ferner bemerkenswert, dass er
wieder dunkler werden kann, wenn er im Aquarium im Licht ge-
züchtet wird. Die Einwirkung des Lichts ist also bei verschiedenen
Formen auf das Pigment verschieden; manche werden im Hellen,
manche im Dunkeln gebleicht. Die allgemeinen Lebensverhältnisse
der Tiere spielen hier jedenfalls mit, sodass die Erklärung von ver-
schiedenen Faktoren, nicht vom Licht allein, abhängt. Erwähnens-
wert ist auch die Neigung vieler Alpentiere zur Dunkelfärbung, zum
der Entwickelung. A. Die physikalischen Vorbedingungen. 177
Melanismus, wie sie bei Reptilien (Kreuzotter, Ringelnatter, Berg-
eidechse) und bei Insekten (Schmetterlingen) hervortritt.
Von der »formbildenden« Wirkung des Lichts lässt sich also
nur sagen, dass es zur Pigmententwickelung in Beziehung steht. Ein
fördernder oder hemmender Einfluss des Lichts im allgemeinen auf
den Ent wickelungsgang ist für frühere Stadien nicht anzunehmen,
für spätere sehr problematisch ; ein richtender Einfluss des Lichts auf
die Entwickelung ist überhaupt ausgeschlossen.
Viel bedeutsamer für die Entwickelung erweist sich die Tempe-
ratur. So wie es für den Lebensprozess der erwachsenen Tiere seit
langem bekannt, ist auch für den ungestörten Ablauf der Entwicke-
lung eine gewisse Temperatur notwendige Bedingung. Über die
Höhe dieser Temperatur lässt sich nichts allgemeines aussagen ; denn
sowohl nahe verwandte Tiere, wie solche, die in gleichem Medium
leben, verhalten sich in dieser Beziehung verschieden. Die einen
können hohe wie niedere Temperaturgrade ertragen; die Spanne der
Thermometerskala, innerhalb deren sie ihren Lebensprozess ausüben,
ist sehr weit bemessen; sie werden als »eurytherm« bezeichnet, und
das spricht sich auch in ihrem Entwicklungsgang aus. Andere Tiere
sind an engere Grenzen gebunden, »stenotherm« ; es kann aber dieser
engere Raum in sehr verschiedener Höhe der Skala liegen; man
kann von warm- und kaltstenothermen Tieren, oder von wärme- und
kälteliebenden reden, und dies spricht sich ebenfalls im Entwickelungs-
prozess aus.
Es erhebt sich also für den einzelnen Fall die Frage, bei welch
maximaler und bei welch minimaler Temperatur der Entwickelungs-
prozess noch fortgehen kann : zweitens, ob diese Maximal- und
Minimaltemperaturen gleichbedeutend mit einer innerlichen Schädigung,
einem wirklichen Aufhören des Entwickelungsprozesses sind, oder nur
mit einer zeitweiligen Hemmung, dergestalt, dass nach Eintritt nor-
maler Bedingungen der Verlauf wieder, wie bei einem aufgezogenen
Uhrwerk in Gang käme. Damit ist auch die allgemeine Frage nach
dem Wesen der Wärmewirkung, die man als formbildend oder nur
als Energiequelle angesprochen hat, angeschnitten.
Zunächst ist hier die Wirkung extrem herabgesetzter Temperatur
zu prüfen, weil ja die Natur selbst hier schon experimentiert, und
die Eier vieler Tiere normalerweise dem Gefrieren ausgesetzt sein
Maas, Einführung in die experimentelle Entwiekelungsgeschichte. \2
178 XVII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
können. Das ist bei vielen Süsswassertieren der Fall, die in ver-
schiedenen Stadien der Entwickelung überwintern ; auch Insekteneier
müssen in sehr verschiedenen Stadien in der Lage sein, ausser-
ordentlichen Kältegraden zu widerstehen. Es ertragen jedoch, wie
das Experiment gezeigt hat, auch Eier von Tieren, die normalerweise
wohl niemals in solch erniedrigte Temperatur geraten, sondern auf
sehr hohe gestimmt sind, eine starke Abkühlung und sogar ein Ein-
frieren ohne Schaden, so das warm stenotherme Hühnerei. Es sind
die Experimente von Colasanti unwidersprochen, wonach Hühner-
eier in einer Temperatur von — 10 ° fast eine Stunde gehalten wurden,
sodass sie völlig einfroren ; nach vorsichtigem Überführen in gewöhn-
liche Temperaturen gingen daraus durchaus normale Embryonen hervor.
Wichtiger sind längere Unterbrechungen bei weniger niedriger
Temperatur. Es ist den Geflügelzüchtern bekannt, dass befruchtete
Eier ihre Entwickelungsfähigkeit längere Zeit, kühl gehalten, bewahren
und später unter zusagenden Bedingungen noch zur Ausbildung ge-
bracht werden können. Das Huhn verlässt täglich sein Nest auf
kurze Zeit, und auch eine längere Abkühlung von 8 — 12 Stunden ist
ohne Schaden ausprobiert worden. Dareste hat das experimentell
verwertet; er hat Hühnerembryonen, die bereits ein Herz besassen,
zwei Tage in -f- 10 ° gehalten, also bedeutend unter der normalen
und minimalen (s. u.) Temperatur, dann wieder weiter bebrütet; die
Entwickelung wurde wieder aufgenommen, jedoch zeigten sich vielerlei
Missbildungen und häufiges Absterben. Kaestner hat diese Ver-
suche an grösserem Material unter genauer Unterscheidung des Zeit-
punktes der Kälteeinwirkung wiederholt. Am ersten Tage der Ent-
wickelung aus dem Brutofen herausgenommen, konnten die Eier
6 Tage Kälteruhe ertragen, ohne bei nachträglicher Wiederbebrütung
anormal zu werden ; später vertrugen sie nur noch kürzere Unter-
brechungen.
Die Entwickelung des Hühnerkeims ist von 28 — 43 ° möglich ;
normal nur von 35 — 39 °, unter 35 und über 39 ° ergeben sich leicht
Missbildungen (innere Schädigungen und Hemmungen im Keim-
material); unter 28 steht die Entwickelung überhaupt still und zwar
vollkommen, wie sich Kaestner überzeugen konnte, 1. durch Öff-
nung von Kontrolleiern während der Kälteruhe. Diese standen dann
genau auf dem Stadium, das der Dauer des Aufenthaltes im Brut-
ofen entsprach; 2. durch nachträgliche Bebrütung; das Auskriechen
des fertigen Hühnchens erfolgte dann um regelmäfsig so viel Tage
später, als die Unterbrechung gedauert hatte.
der Entwickelung. A. Die physikalischen Vorbedingungen. 179
Ein interessantes Gegenstück zu diesen Versuchen liefern die
Eier der sich im Wasser entwickelnden Tiere, Fische, Amphibien etc.
Es ist dabei zu bemerken, dass der Begriff Kaltblüter nicht mit dem
Begriff eurytherm zusammenfällt, sondern dass auch bei solchen Tieren
Schwankungen um eine gewisse Grenze öfters schlecht ertragen werden,
nur geht die Sistierung der Entwickelung vom Optimum an abwärts
nicht so plötzlich vor sich, sondern die Entwickelung verlangsamt
sich mit niedriger Temperatur immer mehr; es ist daher die untere
Grenze, bei der eine Entwickelung überhaupt noch statt hat, nicht
mit der Schärfe zu bestimmen, wie beim Hühnchen.
Eier der Gattung Salmo (Lachs, Forelle) können sich noch bei
Temperaturen von 2 — 0 ° weiter entwickeln, bei noch weiterer Er-
niedrigung tritt eine Sistierung der Entwickelung ein, die aber ohne
Schaden ertragen wird, wenn nicht wirkliche Eiskrystalle innerhalb
des Eis auftreten. Ältere Eier, bei denen die Augen sichtbar sind,
sind empfindlicher als jüngere Stadien.
Beim Frosch soll nach Raub er unter 5° keine Weiterentwicke-
lung mehr stattfinden, nach anderen jedoch auch noch unterhalb
dieser Temperatur, jedoch äusserst langsam. Nach O. Hertwig
wird beim Froschei nach der Befruchtung eine völlige Kälteruhe
durch Abkühlung auf 0 ° hervorgebracht ; der Furchungsprozess kann
durch allmähliche Erwärmung wieder normal in Gang gebracht
werden. Nach der ersten Teilung hat O. Hertwig mehrtägige
Kälteruhe bei 0° ohne Missbildungen beobachtet; O. Schultze hat
sogar ein Gastrulastadium 14 Tage bei 0 ° gehalten und nachher zur
normalen Larve gebracht. Allerdings behauptet letzterer Forscher,
dass ein völliger Stillstand überhaupt nicht stattfinde, sondern nur
eine extreme Verlangsamung. Es ist dies aber wohl nur ein Streit
um Worte ; denn vorher schon, auch bei höherer Temperatur als 0 °,
tritt ja eine mit der Kälte zunehmende allmähliche Verlangsamung
ein (nicht wie beim Hühnchen ein schnelles Aufhören), bis eben
die Veränderungen zeitlich unmessbar, die Zellteilungen unm essbar
langsam werden.
Nach allen diesen Versuchen am Hühnchen wie am Kaltblüter
wirkt also die Temperatur wie eine Energiequelle für den Verlauf
der Entwickelung an und für sich, nicht auf das morphologische
Geschehen. Den Wärmeabfluss aus der »Quelle« und seine Umwand-
lung in »Entwickelungsenergie« können wir uns zwar nicht im Ein-
zelnen vorstellen, aber wir sehen, dass je langsamer die Quelle fliesst,
je mehr sie versiegt, desto mehr sich auch der Entwickelungsgang
12*
180
XVII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
bis zu völligem
Aufhören verlangsamt.
Diese rein äusserliche Be-
ziehung der Temperatur zum Entwickelungsprozess als notwendig
nur zur Abwickelung geht auch aus dem interessanten Versuch
O. Hertwigs hervor, der 4 Froscheier des gleichen Laiches sich in
verschiedenen Temperaturen entwickeln Hess, das erste bei 10 °, das
zweite bei 15°, das dritte bei 20°, das vierte bei 24 u. Am dritten
Tage stand das erste Ei auf dem Stadium der Gastrula, das zweite
Fig. 127 a— d.
a
Fig. 127. Vier Froscheier, die sieh in verschiedener Temperatur drei Tage entwickelt
haben (nach 0. Hertwig),
a entwickelt hei 10°, auf dem Gastrulastadium mit rundem Blastoporus,
h entwickelt bei 15°, mit Medullarplatte, deren Bänder zu Wülsten er-
hoben sind,
c entwickelt bei 20°. Embryo mit Kiemenhöckern und beginnendem
Ruderschwanz,
d entwickelt bei 24°. Embryo mit Kiemenbiischeln und langem Ruder-
schwanz.
zeigte Medullarplatten und Wülste, das dritte Streckung, Kopf,
Kiemenanlage und ein abgesetztes Schwanzende, das vierte Kiemen-
büschel, Ruderschwanz mit allen inneren Teilen (Fig. 127 a — d). In
keinem Ei ist irgend eine Abnormität vorhanden, nur stellen sie
der Entwickelung. A. Die physikalischen Vorbedingungen. 181
trotz der gleichen Zeit infolge der ungleichen Temperatur zeitlieh
verschiedene Stadien dar. Das erste Ei wird bei gleich niedriger
Temperatur noch weitere 10 Tage brauchen, um das Stadium zu er-
reichen, das das vierte Ei schon jetzt einnimmt; aber es wird es
erreichen, und die Temperatur ist somit nur Energiequelle für den
Ablauf des Prozesses, ohne an ihm selbst morphologisch tätig zu
sein.1) Mit Recht macht Driesch auf die Analogie mit chemischen
Vorgängen aufmerksam, die auch von gewisser Temperatur ab vor
sich gehen und mit steigender beschleunigt werden, »Vorgänge, die
wir hier ebensowenig verstehen wie dort«, die aber mit dem forma-
tiven Geschehen nur in äusserlichem Zusammenhang stehen.
Die letzterwähnten Versuche führen bereits auf den Einfluss
erhöhter Temperatur, da die Vorgänge bei 24 ° eine Beschleunigung
über die normale Entwickelungsdauer darstellen. Auch noch höhere
Temperaturen werden ertragen, doch wirken sie auf die Dauer
schädlich. Diese obere Temperaturgrenze ist je nach der normalen
Lebensweise verschieden, bei Eiern von Sahno trutta und fario, die
im Winter laichen, ist die äusserste Grenze nach Raub er schon bei
12 — 15° gelegen, und das ist wohl noch zu hoch gegriffen; denn
schon oberhalb 7 ° wird die Entwickelung leicht anormal, das
Optimum liegt unter 4 °. Bei anderen Fischen, die im Sommer
laichen, liegt die obere Grenze bedeutend höher. Ebenso liegt sie bei
Bana esculenta, der in späterer Jahreszeit laicht, höher als bei Bana
fusca. Die schädlichen Wirkungen zeigen sich in einer Art Wärme-
lähmung, aber schon bei nicht so extremer, anormal erhöhter Tempe-
ratur dadurch, dass gewisse Eiteile resp. plasmatische Substanzen
mehr davon betroffen werden wie andere. Die vegetative Hälfte, in
der die Teilungen schon ohnehin langsamer und schwieriger vor sich
geht, wird davon zumeist betroffen, hier unterbleiben die Teilungen
ganz, und schon gebildete Blastomeren können nachträglich wieder
zusammenfliessen. Dementsprechend erklären sich die resultierenden
Miss- resp. Hemmungsbildungen. Dass es sich um eine schädigende
!) Einen analogen Fall bietet die Entwickelung der Fische. Hier wird von
den Züchtern geradezu von bestimmten „ Tagesgraden u. die zur Entwickelung nötig
sind, gesprochen. Die Tagesgrade stellen das Produkt von Zeit und Temperatur
dar; so z. ß. sind für den Lachs bis zum iVusschlüpfen ungefähr 408 Tagesgrade,
also 204 Tage bei 2 o. oder 102 Tage bei 4», oder 136 Tage bei 3<> etc. bis zum
Ausschlüpfen erforderlich. Natürlich müssen hierbei die Maxima und Minima be-
rücksichtigt werden, und wir werden bei 121/4 Tagen und 32° keinen Lachsembryo,
sondern eine Missbildung zu erwarten haben (s. p. 183).
182 XVII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
Wirkung- auf die Eibestandteile und nicht um einen direkten Einfluss
der Wärme auf die Form handelt, zeigt sich auch darin, class die
genau gleiche Wirkung, Zurückbleiben und Aussetzen
der vegetativen Hälfte in der Furchung, auch als schädigende
Nachwirkung der Kälte und anderen äusseren Einwirkungen
beobachtet wird. Die Deformation ist also nur Folge der im ganzen
verlangsamten Teilung, und von einer gestaltbildenden Wirkung der
Temperatur kann danach keine Rede sein.
Für das Hühnerei ist 42 ° die obere Grenze der Entwicklung ;
bei 43 ° findet ein direktes Absterben ohne Möglichkeit der Erholung
statt, aber schon über 39° entstehen leicht Missbildungen.
Auch die Eier verschiedener Echinodermen haben nicht alle ein
gleich hohes Optimum, bei Strongt/locentrotus lividus liegt die günstigste
Temperatur laut Vemon zwischen 17 — 22°; bei Sphaereohinus granu-
lär is treten laut Driesch Wirkungen erhöhter Temperatur auf die
Entwickelung bei 30 — 31°, bei Echinus microtuberculatus bereits bei 26"
auf. Die Furchung verläuft alsdann mit wesentlicher Beschleunigung.
Das Charakteristische dafür ist, dass das zwischen einer jeden Teilung
normaler Weise sich einschiebende Ruhestadium mit Aneinander-
schmiegen der Blastomeren in der Wärme ausfällt, und die Teilungen
viel schneller aufeinanderfolgen; auch treten unregelmäfsige Lagerungen
und häufig anormale Grössenverhältnisse der Blastomeren auf. Wenn
die Eier dann wieder in gewöhnliche Temperatur zurückgebracht
werden, so ergeben sich trotzdem aus den meisten dieser unregel-
mäfsigen Furchungsstadien normale Plutei; ein Resultat, das die
geringe formbildende Kraft der Wärme dartut, aber auch für die
Beurteilung der Furchung und das Determinationsproblem (s. p. 84)
von Wichtigkeit ist. Noch höhere Temperaturen verursachen dauernde
Schädigung, resp. Absterben. —
Auch spätere Stadien unterliegen noch dem Einfluss der Wärme ;
der Urdarm wird nach aussen ausgestülpt (sog. Exogastrula). Es fragt
sich aber, ob hier nicht auch osmotische Prozesse im Spiel sind, da
doch durch die Wärme in der Zuchtschale Verdunstung eintritt und
der Salzgehalt erhöht wird ; gerade die Aus- statt Ein stülpung des
Darms scheint darauf hinzuweisen. Für die allgemeinen Fragen der
abhängigen oder Selbstdifferenzierung sind diese Experimente von
grosser Bedeutung, insofern als auch der nach aussen gekehrte Darm
seine typische Dreiteilung erfährt, und indem sich die Mundbucht am
Ektoderm auch ohne Berührung des Darms anlegt (Fig. 128a u. b).
der Entwickelung. A. Die physikalischen Vorbedingungen.
1 s:-i
Auch hier bei Seeigeln hat sich herausgestellt nach Vernon,
dass der schädigende sowohl wie der fördernde Einfluss der Tempe-
ratur nicht auf allen Stadien gleich ist. Zur Zeit der Befruchtung
ist er am grössten und nimmt mit fortschreitender Entwickelung ab.
Beim Froschei und Hühnchenei scheinen umgekehrt Temperatur-
anomalien, mindestens Erniedrigung auf frühen Stadien besser ertragen
zu werden.
Fig. 128 A. B.
A Exogastrula, B darmlose, junge Pluteuslarve eines Seeigels, durch Einwirkung von
Wärme erhalten, nach Driesch (Mitth. zool. Station Neapel, Bd. 11). Den beiden
Larven hängt der Urdarm aussen an; im Inneren ist das Kalkskelett sichtbar.
Für die Anschauung, die Wärme nicht als gestaltbildenden Faktor,
sondern als Energiequelle für den Entwickelungsablauf aufzufassen,
bieten die Experimente bei erhöhter Temperatur nur eine Ergänzung
zu den erörterten bei herabgesetzter Temperatur. Innerhalb der er-
wähnten Grenzen hat eine vermehrte Wärmezufuhr eine Beschleunigung
eine verminderte Wärme Verzögerung des Ablaufs zur Folge. Das
Optimum entspricht nicht der höchsten Temperatur, bei der die Ent-
wickelung überhaupt noch vor sich geht, liegt aber dem Maximum
näher als dem Minimum. Eine Überschreitung des Maximums hat
meist eine zerstörende Wirkung auf den Keim oder wenigstens einzelne
Teile zur Folge; ein Heruntergehen unter das Minimum wird dagegen
meist ertragen bis zum Gefrieren, und zwar in sehr verschiedenen
Entwickelungsständen, je nach den allgemeinen hiologischen Verhält-
nissen der Art.
Audere vermeintliche Wirkungen der Wärme auf die Formaus-
prägung haben sich als nicht, oder nicht ausschliesslich, durch Tempe-
ratur hervorgebracht erwiesen. So z. B. rührt der Einfluss, den man
auf die Geschlechtsbestimmung bei Rotatorien angenommen hatte, von
der durch die Wärme veränderten Nahrung her, indem die Infusorien etc.
184 XVIII. Kapitel. Die Experimente an den ausseien Bedingungen
der Zuchtgefässe andere waren. Auch die viel erörterten Experimente
an Schmetterlingen, bei denen durch Einwirkung von Kälte und
Wärme Änderung in der Flügelfärbung hervorgebracht wird, haben
nicht in der Temperatur eine einheitliche Erklärung, sondern stehen
mit einer ganzen Reihe Faktoren in Zusammenhang. Zudem gehören
diese Versuche in das Gebiet der »Umwandelungsphysiologie«, nicht
der Entwickelungsphysiologie, so dass sie hier nicht besprochen werden
können.
XVIII. Kapitel.
Die Experimente an den äusseren Bedingungen der Entwickelung.
B. Die chemischen Yorfoedingungen.
Die notwendigen Gase (embryonale Atmung). Embryonale Nahrungsaufnahme. Die
im Wasser, besonders im Seewasser notwendigen Stoffe.
Der Organismus steht als solcher in beständigem Stoff austauscht
mit seiner Umgebung ; er entnimmt ihr Stoffe in gasförmiger, flüssiger
und fester Gestalt, um sie in seinem Innern zu verarbeiten, teils zum
Aufbau zu verwenden, teils in anderer Weise an die Umgebung wieder
abzugeben. Die organisch-chemischen Prozesse innerhalb des Organis-
mus müssen auf diese Weise von der chemischen Beschaffenheit des.
Mediums beeinflusst werden, und es fragt sich, inwieweit diese Be-
ziehung schon während der Entwickelung besteht und ihren
Einfluss auf die Entwickelung selbst äussert.
Es kommen zunächst die gasförmigen Stoffe in Betracht, es
fragt sich z. B. : bedarf der Entwickelungsprozess ebenfalls des Sauer-
stoffs, noch ehe Lungen resp. Kiemen vorhanden sind? Zweitens
kommen die Stoffe in Betracht, die von aussen her zum Aufbau des
Körpers aufgenommen werden. Soweit dies durch den Darmkanal
geschieht, gehört deren Erörterung der Ernährungsphysiologie an ; da
aber in vielen Fällen die noch unreifen Larven bereits fressen, so ist
auch hier eine Beeinflussung der Entwickelung noch möglich. Am
ehesten ist diese anzunehmen, wo der Organismus direkt aus seiner
Umgebung — das ist besonders bei den im Wasser lebenden Tieren
der Fall ohne Vermittelung des Darmkanals, Stoffe aufnimmt, um
sie verändern und in seinem Innern zu verwerten ; es sei nur an den
Gehäusebau der Tiere erinnert. Da müssen sich die chemischen
der Entwickelung. B. Die chemischen Vorbedingungen. 185
Verhältnisse des Mediunis schon während der Entwickelung geltend
machen. Es bleiben aus dem ganzen Gebiet der Stoffaufnahme, ab-
gesehen von den wenigen Fällen der Larvenfütterung, zwei Gebiete
übrig für die experimentelle Bearbeitung in der Entwickelungs-
physiologie: 1) die notwendigen Gase. 2) die im Wasser enthaltenen
Stoffe resp. Salze.
Die erste Frage ist die der embryonalen Atmung. Man kann
sich vorstellen, dass zum Entwickelungsprozess an und für sich
Energie verbraucht wird, dass bei diesem Lebensprozess der fort-
schreitenden Zellteilung, Neuanordnung etc. Oxydationen geliefert
werden bis zur Kohlensäurebildung, und dass demnach ein Sauerstoff-
bedürfnis besteht. Es ist ferner vorstellbar, dass dies auch ohne
Lungen resp. Kiemen befriedigt werden kann, da ja auch viele er-
wachsenen Tiere keine besondere Atmimgsorgane bestitzen (z. B. bei
Crustaceen oft nahe Verwandte von kiementragenden kiemenlos sind)
und ihren Gasaustausch direkt durch die Körperoberfläche besorgen.
Der Nachweis des Gaswechsels an embryonalen Stadien kann nur
mit besonderen Methoden geschehen, die eine genaue Messung des
Sauerstoffs, der Kohlensäure etc. gestatten, und deren besondere Be-
schreibung in das Gebiet der Physiologie gehört.
Das Hühnerei hat hier das erste Versuchsobjekt gebildet. Es
ist durch Preyer und Pott festgestellt worden, dass schon vom
ersten Tage der Bebrütung an der Hühnchenembryo 0 aus der
Luft aufnimmt und 0 0.2 abgibt. So gering die absolute Menge dieses
Gasstoffwechsels ist, so ist er doch merklich grösser als am unbe-
fruchteten Ei. Auch haben die Autoren das Verhältnis der ausge-
schiedenen Kohlensäure zum aufgenommenen Sauerstoff gemessen
und dabei ganz entsprechende Werte gefunden, wie für die gewöhn-
liche Atmung.
Dies wäre eigentlich reine Physiologie des Embryo, nicht Ent-
wickelungsphysiologie. Von einem Beitrag zu letzterer kann man
erst dann reden, wenn nicht nur die Stoffe des normalen Gasaus-
tauschs geprüft, sondern die Verhältnisse experimentell abgeändert
werden, qualitativ und quantitativ, wenn andere Gase zur Anwendung
kommen etc., so dass man fragen kann: welche sind notwendig zum
Zustandekommen des normalen Embryo?
Das Atembedürfnis ist natürlich nicht so gross; infolgedessen
hat die O-verminderung keinen so leicht nachweisbaren Einfluss ;
denn etwas O, so viel als zur embryonalen Atmung nötig, ist leicht
vorhanden. Aus Eiern z. B., die man mit mehreren Lagen Papier
186 XVIII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
und Klebestoff dicht umhüllt hatte, entwickelten sich zur richtigen
Zeit normale Hühnchen. Aber schon in verdünnter Luft ist ein Lang-
samerwerden bis zum Stillstand zu beobachten, besonders von der
Bildung der Blutgefässe an, wie Kontroll versuche deutlich zeigen. Bei
völligem Abschluss, der durch Überfirnissen der Eier erzielt wird,
tritt Ersticken ein und zwar um so eher, je weiter das Hühnchen
gediehen ist, besonders nach Bildung der Allantois, welcher ja eine
respiratorische Funktion zukommt, In schlechter, stagnierender Luft
ist eine Schädigung des Keims zu konstatieren, ebenso in einer
Wasserstoffatmosphäre. Zuerst geht da die Entwicklung noch weiter
(wahrscheinlich ist der wenige in den Membranen etc. vorhandene 0
hierzu noch genügend) ; dann aber zeigen sich deutliche Schädigungen
und Missbildungen, ebenso bei teilweisem Firnissen. Die letzteren
sind nur aus O-Mangel im allgemeinen, nicht aus der besonderen Lage
der O-quelle zu erklären.
Eine Entwicklung in reinem Sauerstoff anstatt in Luft hat da-
gegen keine sonderliche Wirkung; es wird zwar etwas mehr 0 auf-
genommen als normal, aber auch etwas mehr C 02 abgegeben, so dass
der Coefncient der gleiche bleibt. Die Entwicklung selbst war bei
diesen Versuchen weder beschleunigt, noch zeigten sich Missbildungen
an den Embryonen.
Am Froschei hat Samassa eine Reihe von orientierenden Ver-
suchen angestellt, zunächst ebenfalls die O-entziehung kontrolliert,
indem er die Eier eine Stunde nach der Befruchtung teils in eine
H-atmosphäre brachte, teils in eine Atmosphäre, in der der Sauer-
stoff durch pyrogallussaures Kali absorbiert wurde, also in Stickstoff.
Nach vier Tagen herausgenommen zeigten sich die Eier beider Portionen
auf dem Blastulastadium, wie es bei den Kontrolleiern schon am
ersten Tage auftrat, Die Wirkung war also zunächst eine sehr starke
Verzögerung. Wieder in normales Wasser gebracht, zeigten die Eier
eine Fortentwickelung, aber mit sehr erheblichen Störungen (spina
bifida aller Art, keine Umwachsung der vegetativen Hälfte etc.), also
Bildungen wie sie als allgemeine Hemmungen und Verlangsamungen
auch bei anderen äusseren Einwirkungen auftreten.
Von dieser verhältnismäfsig geringen Schädigung ist die Wirkung
der Kohlensäure sehr verschieden und kommt direkt einer Ver-
giftung gleich. Wenn man frisch befruchtete Eier in C 0L, bringt,
so tritt gar keine Teilung oder nur eine einzige, und diese
in sehr unregelmäfsiger Form auf. Schon ein kürzerer Aufenthalt
der Ent wickclung. B. Die chemischen Vorbedingungen. 187
(unter 24 Stunden) genügt zur völligen Abtötung; die darnach in
normales Wasser gebrachten Eier erholen sich nicht mehr, furchen
sich nicht, auch nicht unregelrnäfsig, weiter, sondern sind abge-
storben.
Die Wirkung verminderten Druckes in verschiedenen Abstufungen
hatt Rauber geprüft; zunächst waren dabei keine besonderen V]\-
regelmäfsigkeiten der Entwickelung wahrzunehmen, nur ein etwas
spateres Ausschlüpfen der Kaulquappen; aber bei weiter herabge-
setztem Druck, Verminderung um 1/4 — l 2 Atmosphäre, wobei der
Gehalt des Wassers an O ungefähr proportional dem Druck abnimmt,
trat eine grössere Empfindlichkeit und Sterblichkeit auf; bei 1/2
Atmosphärendruck gelangten nur 2 von 137 Eiern zum Ausschlüpfen.
Bei direkter Einwirkung der Luftpumpe tritt schnelles Absterben ein.
Bei reinem Sauerstoff hat Samassa keine Missbildungen und
keine Beschleunigung der Entwickelung gefunden. Die Menge des
O ist nach ihm ohne EinfTuss auf die Geschwindigkeit des Ablaufs,
Die Wirkung von N und H soll wie die der Kohlensäure auf ihrem
eigenen schädigenden EinfTuss beruhen, nicht auf O-mangel; das Ei
von Rana temporaria soll in den ersten 20 Stunden vom 0 der Um-
gebung ganz unabhängig sein.
Dazu hat Godlewski eine Reihe weiterer sehr genauer Ver-
suche angestellt. Ihm scheint aber nur für die ersten Stadien, d. h.
die Furchungsperiode, bewiesen, dass das Ei den Sauerstoff von
aussen entbehren könne. 0 ist aber trotzdem auch da vorhanden;
»die kleinen Mengen, die sich im Wasser, in der Gallerte und im
Gewebe selbst befinden und nicht entfernen lassen, werden wahr-
scheinlich bis auf die letzten Spuren verbraucht und ermöglichen den
Ablauf der Furchungsperiode.« Das 0-bedürfnis macht sich schon
gleich vom Beginn der ersten Furchung an geltend ; auch eine C ü2-aus-
scheidung findet schon während der ersten Stunde der Entwickelung
nachweislich statt (Samassa hatte die Kohlensäure früher erst am
vierten Tage, dann in minimaler Menge am Ende des ersten Tages
gefunden). Die Atmungsenergie nimmt mit fortschreitender Ent-
wickelung zu. Laut Bataillon (eigentlich dem ersten Experimentator)
steigt die Kurve nicht gleichmäfsig an, sondern geht je nach den
Entwickelungsprozessen höher hinauf und sinkt wieder
Ganz andere Verhältnisse des O-Bedürfnisses zeigen die Eier
verschiedener Parasiten, bei denen die Entwickelungsfähigkeit ohne 0
und in anderen Medien geprüft wurde. Noch nach mehr wöchentlicher
188 XVIII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
Einwirkung von C02, N u. s. w. ergab sich bei den Eiern von jiscaris
me<;alocephala keine Schädigung, sondern nur ein teilweiser Stillstand,
nach welchem sie sich wieder in normalen Verhältnissen ungestört
weiter entwickelten. Umgekehrt war ihnen eine reine O-Atmosphäre
und auch Steigung des Sauerstoffdruckes verhängnisvoll; der Sauer-
stoff wirkt hier nach P. Bert, wie sonst die Kohlensäure als Gift. Es
hängt dies jedenfalls mit der Lebensweise dieser Parasiten zusammen,
die auch im normalen Zustand 0 »nur in minimaler Menge oder
gar nicht zum Leben notwendig haben«, wie Bunge angibt, Dieser
hat Ascaris mystaas-Exemplare in Kochsalzlösung viele Tage ausser-
halb des Darms ohne O gehalten; gleichwohl zeigten sie Stoff Wechsel-
Vorgänge, Kohlensäureproduktion. Es ist von Weinland nachge-
wiesen, dass solche Zersetzungen ohne 0 stattfinden können und zwar
durch Zerlegung von Kohlehydraten (Glykogen), an denen der Körper
dieser Tiere auffallend reich ist. Bei so verschiedenen Verhältnissen,
die wie Wein 1 and bemerkt, auch für andere Parasiten, Trematoden
und Cestoden gelten, ist natürlich in Bezug auf Sauerstoffbedürfnis
und Empfindlichkeit gegen sonst schädigende Gase ein umgekehrtes
Verhältnis zu erwarten wie bei freilebenden Formen.
Aber auch bei freilebenden Formen scheint das O-Bedürfnis und
die Empfindlichkeit sehr verschieden zu sein und in Beziehung zur
Lebensweise zu stehen. Die Eier des Fisches Ctenolabrus sterben ohne
0 ab, furchen sich in H nur 2 — 3 mal, wenn noch etwas 0 zurück-
geblieben war, sonst blieb die Furchung überhaupt aus; in C02 tritt
rasches Absterben ein. Die Eier von Fundulus dagegen können 12
bis 15 Stunden ohne Ü verbringen und sich wTeiter furchen bis zur
Bildung einer ansehnlichen Keimscheibe. Laut Driesch ist bei
letzteren »offenbar im Keimes in n e r n für chemische Energiepotentiale
gesorgt, welche bis zu einem gewissen Grad die energetische Rolle der
Oxydationen ersetzen können.« Das muss gewiss der Fall sein, so wie
bei Ascaris durch Zerlegung der Glykogene; aber die erste Ursache
hier wie dort ist die andere Lebensweise. Ctenolabrus ist eine pelagi-
scher Fisch, gegen Schwankungen aller Art, Wärme, Wasserzusammen-
setzung etc. sehr empfindlich; Fundulus lebt am Boden, in einem
schlechter ventilierten Medium. Auch bei Fundulus nimmt die Empfind-
lichkeit mit fortschreitender Entwickelung zu.
Die Sauerstoffzufuhr ist also für die Entwickelungsvorgänge der
Tiere, von Sonderfällen wie Parasiten abgesehen, eine Notwendigkeit,
Das Bedürfnis ist verschieden gross bei verschiedenen Arten und in
der Entwickelung. B. Die chemischen Vorbedingungen. 1S9
einzelnen Stadien der Entwickelung, im allgemeinen zuerst sehr
gering und dann allmählich ansteigend. Der Sauerstoff vermittelt
Oxydationen, die eine Energieproduktion darstellen, ist also seihst
als Energiequelle zu bezeichnen; die Parasiten verschaffen sich die
Energieproduktion auf andere Weise.
Dass bei den chemischen Beeinflussungen der Entwickelung auch
die Nahrungsaufnahme herangezogen werden kann, dann nämlich,
wenn noch unfertige Stadien bereits fressen, ist oben erwähnt worden.
Allerdings ist der Einfluss auf die »Gestaltbildung« sehr untergeord-
neter Art, Bei Spinnern (Gastropacha pini) und namentlich beim be-
kannten deutschen Bärenspinner (Arctia caja) ist es Koch gelungen,
durch Fütterung mit bestimmten Blattsorten statt der gewöhnlichen
Nährpflanze abweichende Färbungen zu erreichen. Die Unterschiede
der Bienenköniginnen von den Arbeitern werden bekanntlich dadurch
hervorgerufen, dass zu ersteren bestimmte Larven durch besondere
Kost (qualitativ und quantitativ) in besonderen Zellen herangezogen
werden; die Staaten regulieren dies nach Bedarf. Diese durch
Nahrung hervorgebrachten Unterschiede sind nicht so merkwürdig,
da es sich ja hier nicht um Erzeugung einer besonderen Form
handelt, sondern die Arbeiter ja nur Weibchen mit verkümmerten
Genitalorganen sind und die Veränderungen in den Genitalorganen
notwendigerweise andere Korrelationen (s. p. 137) verursachen.
Bei den Termiten soll auch, was merkwürdiger wäre, das Ver-
hältnis von Soldaten und Arbeitern, die beide verkümmerte Weibchen
darstellen , reguliert werden können. Bemerkenswert ist , dass Ab-
stufungen zwischen den verschiedenen Ausprägungen existieren,
Arbeiter, Soldaten etc. nicht immer so scharf unterschieden werden
können, was jedenfalls sehr für die Wirkung der erörterten Einflüsse
spricht.
Dass die Nahrung auf die Skelettbildung wirkt, ist Physiologen
und Ärzten lange bekannt; die Zusammensetzung der Milch, speziell
ihr Gehalt an Salzen ist für die Knochenbildung des Kindes von
grosser Bedeutung. Durch zahlreiche Fütterungsversuche ist nach-
gewiesen, dass bei Entziehung von Salzen an jugendlichen Stadien
der Säuger an den Knochen eine der ßhachitis ähnliche Degeneration
eintritt, bei Erwachsenen die organische Grundlage des Knochen-
gewebes zwar erhalten bleibt, aber alle Kalksubstanz nach und nach
190 XVIII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
schwindet, sodass die Knochen weich werden, und die Erscheinungen
der Osteoparese eintreten. Umgekehrt kann durch Hinzufügung
gewisser Salze, durch Phosphor und Arsen, die Knochenbildung in
ganz anormaler Weise gesteigert werden, so dass namentlich an den
Epi- und Diaphysen ganz andere Bildungen auftreten, u. A. die ganze
Markhöhle von wirklichem Knochengewebe ausgefüllt sein kann.
Andere Salze, in denen das Ca-Jon entsprechend ersetzt ist, haben
ebenfalls Anomalien bei Verfütterung zur Folge.
Wichtiger für den sich entwickelnden Organismus sind die
Stoffe, die er aus dem umgebenden Medium, d. h. wenn er sich im
Wasser befindet, direkt aufnimmt, weil ja diese Stoffe schon vor dem
Fressen von allem Anfang der Entwicklung in Betracht kommen.
Der Gehalt an Salzen ist deswegen stets von Bedeutung nicht nur
im Seewasser, sondern auch im Süsswasser; denn letzteres ist ja
ebenfalls nicht rein, sondern enthält ebenfalls zahlreiche Salze, wenn
auch andere und in geringerer Quantität wie das Seewasser.
Man kann sich vorstellen, dass (lotterreiche Eier sehr viele zur
Entwickelimg nötige Substanzen bereits in ihrem mitbekommen; das
wird z. B. durch die Experimente an Labraxeiern bewiesen, die in
ihrer Entwickelung von verschiedenen sonst nötigen Stoffen des
Meerwassers unabhängig sind. Aber auch solche Eier werden sich
nie von den chemischen Verhältnissen des Mediums ganz emanzipieren
können, schon weil der osmotische Druck in Betracht kommt; das
wird u. a, durch die oben angeführten Versuche am Froschei be-
wiesen (s. p. 171).
Ein dotterarmes Ei wird oine Reihe von Stoffen direkt aus dem
Wasser aufnehmen müssen, man braucht nur an den kohlensaueren
Kalk für das Skelett zu erinnern. Hier liefern die Echinodermen
und speziell die Seeigel ein sehr geeignetes Versuchsobjekt, da bei
ihnen sehr früh ein larvales Kalkskelett zur Ausbildung kommt.
Pouch et und Chabry haben die Entwickelung von solchen Eiern in
kalkarmen resp. kalkfreiem Seewasser vor sich gehen lassen und
dabei alle Abstufungen im Zurückbleiben der Kalkstäbe erhalten,
von solchen Larven an, bei denen sie nur unvollkommen ausgebildet
waren, bis zu solchen, wo sie vollkommen fehlten. Es fehlten als-
dann auch die charakteristischen Armfortsätze; sonst aber wrar alles
regulär vorhanden, Wimperschnur, Darm und auch das Mesenchym,
das sonst die Skelettstäbe erzeugt.
Planmässige Versuche nicht nur über die Bedeutung des Kalks,
sondern über die Rolle aller im Seewasser vorhandenen Stoffe in der
der Entwicklung. B. Die chemischen Vorbedingungen.
191
Entwickelung hat besonders Herbst in sehr grossem Umfange an
Echinodermeneiern angestellt; dann auch Loeb an Fischen und
ebenfalls an Echinodermen. Die Herbst'schen Versuche sind in
mehrfacher Beziehung von Wichtigkeit, wenn auch nicht gerade
immer für die Wirkung chemischer Beeinflussung. Manche der
Experimente zeigen atypische Bildungen, die durch veränderten
osmotischen Druck hervorgerufen werden, wenn man andere Salze
nimmt; in anderen Fällen werden als Giftwirkungen zu bezeichnende
l nterdrückungseffekte hervorgerufen, sodass man positiv von einer
Fig. 129.
Fig. 130.
s-a
Ua:
Fig. 129. Seeigellarve in einem Gemisch von Seewasser und Chlorlithium gezogen,
sog. Lithiumlarve, nach Herbst (Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 55). m Mesen-
chymzellen, ua Urdarmabschnitt, h Hautabschnitt, est Verbindungsstück.
Die Larve war 5 Tage alt.
Fig. 130. Andere sog. Lithium larve mit zapfenartigem Fortsatz am animalen (a) und
aussenliegenden Urdarmabschnitt (v) am vegetativen Pol. Mesenchymzellen
und Kalkstäbe innen. Nach Herbst (1895).
chemischen Wirkung auf die Form reden dürfte. Manchmal werden
auch bei gewissen Salzen typische Veränderungen in den Larven
hervorgerufen; das ist z. B. bei den schon mehrfach erwähnten sog.
Lithiumlarven der Fall, die Herbst erhalten hat, indem er die Eier
von Sphaerechinus granularis in einem Seewasser aufzog, indem das
Natrium der Salze durch Lithium ersetzt war (also mit Chlorlithium,
Lithiumsulfat etc.). Es ergeben sich sehr charakteristische Exogast-
rulae in eigentümlicher Herstellungsweise. Die Blastula streckt sich
192 XVIII. Kapitel. Die Experimente an <l<-n äusseren Bedingungen
und bildet dann durch Einschnürung zwei Abschnitte, deren kleiner
dem Urdarm, der also nach aussen gestülpt ist, und deren grösserer
dem Ektoderm der Gastrula entspricht. Mesenchym ist vorhanden,
auch der Wimpemng ausgebildet; aber keine Kalkstäbe und dem-
entsprechend auch keine Arme (s. p. 154).
Am bedeutsamsten für unsere Erörterungen sind jene Versuche
ATon Herbst, die darauf* hinausgehen, festzustellen, welche Stoffe
(Elemente resp. Salze) durch andere in isotonischer Lösung ohne
Schaden vertretbar sind und welche nicht, also welche absolut notwendig
sind; ferner welche von allem Anfang und stets gebraucht werden,
und welche nur von einem gewissen Stadium ab und für bestimmte
Prozesse. Es hat dies erst nach und nach aus einer sehr grossen
Zahl von Einzelversuchen gefolgert werden können; Herbst hat
darüber eine zusammenfassende Übersicht geliefert, der wir hier
folgen.
Von absolut notwendigen Elementen, ohne deren Vorhandensein
im Seewasser die Entwicklung der Echinodermen nicht ungestört
abläuft, sind Natrium, Kalium, Chlor, Schwefel, Magnesium, Kalk
und vielleicht Eisen zu nennen. Eine Vertretbarkeit ist nicht, oder
nur in sehr engen Grenzen bei einigen möglich, z. B. kann Kalium
durch Calsium und Rubidium, Chlor durch Brom ersetzt werden,
nicht aber Schwefel durch Selen und Tellur.
Von Verbindungen ist vor allem als notwendig das Hydroxyl,
OH, zu nennen oder mit anderen Worten, eine gewisse Alkalinität
des Wassers, die durch die Bicarbonate geliefert wird. Damit stimmt
L o e b 's Befund überein, dass durch Alkalien schon in geringer Menge
die Entwickelung beschleunigt, durch Säuren verzögert wird. Der
Grund für beides liegt vielleicht in einer Beförderung resp. Verzöge-
rung der Oxydationsvorgänge und damit der synthetischen Prozesse.
Das Hydroxyl ist nach Herbst bei Sphaerechinus und EcJiinus speziell
notwendig zur regelmässigen Ausgestaltung der Larvenform; ohne das-
selbe kommen Faltungen verschiedener Art an den Blastulae vor, die
z. T. durch Erhöhung der Alkalinität wieder ausgeglichen werden
können. Auch die Grössenzunahme der Larven wird durch OH be-
fördert und die Wimperbewegung gesteigert.
Chlor ist durchaus notwendig und spielt eine allgemeine Rolle
in der Ontogenese. Wenn man ein Seewasser mit HC02Na an Stelle
von Cl Na nimmt und die anderen Chloride durch Sulfate ersetzt, so
beginnt die Furchung nur gerade, verläuft aber längst nicht zu Ende ;
in der Kontroikultur, bei der ebenfalls dasCINa entsprechend ersetzt
der Entwickelung. B. Die chemischen Vorbedingungen. 198
ist, die aber die anderen Chloride noch enthält, gedeiht die Entwicke-
lung wenigstens bis zur Blastula. Auch in allen späteren Stadien
erweist sich das Wasser mit Cl stets jenem ohne Cl in Bezug auf
Entwickelungsfähigkeit und Erhaltung der Lebenstätigkeit überlegen.
Kalium ist ebenfalls schon für die Furchung notwendig. In
K-freiem Wasser verläuft die Furchung verschiedener Ech/nusarten
nicht bis zu Ende; bei Sphaerechinus entwickeln sich zwar ohne K
noch Blastulae; dieselben sind aber klein und trübe und brauchen
viel länger als die Kontrolleier bis zum Blastulastadium. Auf späteren
Stadien ist K überhaupt nicht zu entbehren und zwar insbesondere
für das Wachstum des Keims, das durch Wasseraufnahme geschieht.
Auch für die Wimperbewegung und Kontraktion spielt es eine Rolle.
Calcium ist schon von allem Anfang nötig. Ca-freies Seewasser
ist ein Mittel, um die Furchungszellen auf jedem Stadium zur Iso-
lierung zu bringen. Man kann anstatt einer Blastula etwa 1000 ein-
zelne wimpernde Zellen erhalten. Auch an späteren Stadien und
anderen Tieren (Larven von Polymnia und Cione) gelang es, durch
Ca-Entziehung eine Lockerung der Zellen herbeizuführen. Werden
schon teilweise zerfallene Keime wieder in normales Seewasser gebracht,
so wird ein weiterer Zerfall sofort sistiert, und es werden sogar schon
etwas gelockerte Zellen wieder zu festerem Verband zusammengeführt.
Für spätere Stadien ist Calcium natürlich erst recht notwendig
und zwar in Form des kohlensauren Kalks selbst. Die St ein -
m an n 'sehe Ansicht, dass die Organismen selber durch ein Stoff-
wechselprodukt (Ammoniumkarbonat) C03Ca aus dem im Meerwasser
vorhandenen S04Ca erst erzeugten, ist von physiologisch-chemischer
Seite durch Biedermann widerlegt, und auch Herbst hat be-
wiesen, dass die Seeigellarven C03Ca direkt aus dem Meerwasser
aufnehmen.
Damit sind wir bereits bei Betrachtung der Stoffe, oder in
moderner Ausdrucksweise, der Jonen angelangt, die nicht von allem
Anfang an, sondern erst auf späteren Stadien der Entwickelung von
Bedeutung sind. Da sind zunächst die Sulfate, resp. das SOt-Jon zu
nennen. Die verschiedenen untersuchten Echinodermen verhalten
sich hierin ebenfalls etwas verschieden. Bei Asterias (]hi<'i<ilis (nicht
bei den Echinideni spricht sich der S04-Mangel in geringerer Grösse
aus ; auch werden die Larven faltig, indem zwar das Ektoderm durch
Zellteilung an Fläche zunimmt, aber der osmotische Druck im Blasto-
coel zu seiner Straff Spannung nicht ausreicht. Der Darm bleibt bei
allen Formen, auch Echiniden, ohne S04 sehr rudimentär, besonders
Maas, Eiiifiihruntr in die experimentelle Entwickeiung?geschieute. 13
194 XVIII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
bei Sphaerechinus • seine Gliederung in drei Abschnitte bleibt aus.
Ausserordentlich deutlich ist sodann die Beteiligung des S04 an der
Pigmentbildung, indem diese im S04-freien Medium bei Sphaerechinus
und Echinusl&Yyen absolut unterdrückt ist. Werden die Larven in
gewöhnliches Seewasser zurückgebracht, so kann die Pigmentbildung
nachgeholt werden, wenn der Aufenthalt in der künstlichen S04-freien
Mischung nicht zu lange gedauert hat.
Auch bei der Skelettbildung spielt S04 eine Rolle, was sich
erstens in einer Verzögerung der Kaikabscheidung im S04 freien
Medium und zweitens in Anomalien äufsert, die bei ungenügender
Sulfatmenge am Skelett zu bemerken sind. Es besteht auch normaler
weise das Skelett der Pluteuslarven, wie das der Kalkschwämme,
nicht aus reinem Kalkspat, sondern enthält Beimengungen von S04 Ca.
Durch die Unregelmäfsigkeiten der Skelettbildung wird auch die
Architektonik der Larvenform, also die normalerweise bestehende
Bilateralität beeinflusst, Dies äussert sich zunächst in einer abnormen
Lagerung der kalkbildenden Mesenchymzellen, die an ihrem Ent-
stehungsherd nahe am Urdarm liegen bleiben, anstatt sich entfernt von
ihm dem Ektoderm anzuschmiegen (s. Fig. 80 u. 82). Noch auffallender
wird die Störung, wenn die Keime wieder in S04-haltiges Seewasser
zurückgebracht werden. Es erfolgt dann die Ordnung der Kalk-
bildner am Ektoderm, aber es werden nicht 2, sondern 3 und 5,
sogar 7 Dreistrahler in unregelmäfsiger Lagerung gebildet (Fig. 131
und 132), Auch in der Richtung des Darm Verlaufs macht sich die
Störung der Bilateralität geltend, indem die normale Knickung nach
der späteren Mundseite ausbleibt, so dass eine Annäherung an Radiär-
bau auch hier entsteht; entsprechend ist auch der Wimperring um
90 ° verlagert, so dass er senkrecht zur Gastrulaachse steht. Solche
mehr radiär gebauten Larven hat Herbst auch mit vorübergehender
Lithiumeinwirkung erzielt, ja bei Echinus miliaris auch in gewöhn-
lichem Seewasser von selbst auftretend häufig am Ende der Laichzeit,
und auch bei Strongylocentrotus miliaris in normalen Kulturen gelegent-
lich beobachtet. Er schliesst daraus, dass die ohnehin vorübergehende
Bilateralität der Seeigellarven sehr labilen Charakter hat, dass sie durch
Sulfate gehemmt wird. Überhaupt ist bemerkenswert, dass es in all den
Herb st' sehen Versuchen die larvalen, also dem speziellen Bedürfnis
angepassten Charaktere sind, und nicht die innere Organisation, die
sich ändert. (Einleitung, s. p. 19). Ebenso sollen die Sulfate hemmend
auf die Wimperschopf bildung wirken, indem ohne S 04 der Schopf
langer Geissein, der sich am animalen Pol der Blastula und Gastrulae
der Entwicklung. B. Die chemischen Vorbedingungen.
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befindet, mächtig verlängert wird. Durch Ca-zusatz kann diese Aus-
bildung noch gesteigert werden, so dass das S 04-Jon also nur die
Aufgabe hätte, die Wirkung des Calciums auf das richtige Mafs zu
beschränken. Auch bei anderen Stoffen wird noch von solch anta-
gonistischer, sich gegenseitig aufhebender Wirkung zu reden sein.
Magnesium ist bei J.stfm'askeimen noch ausser dem Calcium
zum Zusammenhalt der Zellen notwendig (bei den Echiniden genügt
Ca allein); aber auch bei den Seeigeln spielt Mg bei der Darmbildung
13*
um;
XVIII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
eine Rolle, indem ohne Mg, namentlich bei Sphaerechinus, der Darm
rudimentär bleibt. Dass auch die Skelettbildung beeinflusst wird, ist
begreiflich; ebenso wie bei den Kalkschwämmen wird dem normalen
Kalkstab ausser dem Kalkspath und dem schon erwähnten S04Ca
noch etwas S04Mg zukommen. Endlich ist Mg für die Wimperbe-
wegung von Bedeutung, wie auch aus Versuchen von R. Lillie an
Larven des Wurms Arenicola konstatierte; zur Kontraktion kann es
aber, im Gegensatz zum K, entbehrt werden.
Fig. 133.
Fig. 134.
Fig. 133. Echinusla,rve, aus S-freier Lösung gezüchtet. Nach Herbst,
Fig. 134. Sphaerechiiuisl&rve, in Mg-freier Lösung gezüchtet. Nach Herbst,
Ganz allgemein lässt sich noch sagen, dass für alle Stoffe, die
notwendig sind — nach Analogie mit der Wärme — ein Optimum
der Konzentration existiert, bei dem die Geschwindigkeit der Ent-
wickelung am grössten ist; ferner haben alle notwendigen Stoffe
einen Anteil an der Grössenzunahme der Larve, teils direkt durch
Beteiligung am osmotischen Druck, teils indirekt durch Wirkung auf
die Skelettbildung.
In gewissem Gegensatz dazu stehen die Versuche von L o e b ,
wenigstens hinsichtlich ihrer Deutung. Loeb nimmt an, dass es nicht
auf die Notwendigkeit einzelner Salze, sondern auf das »physiologische
Gleichgewicht« der angewandten Lösungen ankomme ; es dürfe eben
nur die Gewebszusammensetzung, spez. der Proteide nicht gestört
werden. Er hat gefunden, dass Eier von Fundulus leben bleiben und
sich entwickeln in destilliertem Wasser wie in Seewasser, und ferner
auch in Seewasser, dem noch 5°/0 CINa zugesetzt ist, dass sie da-
gegen in reiner CINa-Lösung meist auf frühen Stadien absterben und
der Entwicklung. B. Die chemischen Vorbedingungen.
19'
nur ein kleiner Teil Embryonen bildet, die nicht einmal zum Aus
schlüpfen kommen. Er schliesst daraus, dass Na allein giftig wirkt,
und dass dem K und Ca besonders die Aufgabe zukäme, die Wirkung
des Na aufzuheben, oder anders ausgedrückt, nach weiteren Versuchen,
dass die Chloride von Na, K, Ca allein genommen für Fundulus giftig
sind, nur alle drei zusammen nicht, also kein Salz, auch für die
Echiniden nicht, für sich allein notwendig wäre.
Fig. 135.
w
d
Fig. 135.
Pluteuslarve von Echinus aus einer den Cl-Salzen aequi-molecularen Brom-
Seewassermischung. Nach Herbst (1901). Man sieht, dass alle Pluteus-
charaktere vorhanden, aber nicht in typischer Weise ausgebildet sind, spez.
an Darm {d) und Skelett (s). w = Wimperschnur.
Man wird sowohl gegen die Allgemeingiltigkeit wie gegen die
Annahme einer »Gift «Wirkung des Na mit Herbst Einspruch erheben
dürfen. Na kommt auch bei Fundulus in allen Gewebssäften vor und
ist laut Herbst sogar direkt notwendig, um das Ausfallen der Globu-
line aus dem Blut zu verhindern. »Wenn aber ein Stoff in irgend
einer Weise unentbehrlich ist, darf man nicht allgemein von seiner
Giftigkeit reden. Er kann dann höchstens in einem speziellen
Falle schädlich wirken, wenn ihm in diesem Fall nicht andere Stoffe
als Antagonisten entgegen arbeiten.«
Wie dies Entgegenarbeiten zu denken ist, darauf werfen einige
ganz andersartige Versuche von Herbst einiges Licht. Es ist seit
lange von vielen Fischen bekannt, dass sie das Übertragen von süssem
zu salzigem Wasser anstandslos vertragen. Erst neuerdings sind solche
Versuche am Stichling von G i a r d in sehr genauer Weise wiederholt
11 )s XVIII. Kapitel. Die Experimente an den äusseren Bedingungen
worden. Für die äussere Haut mit ihren Schuppen und ihrer Schleim-
abscheidung ist dabei wohl ein völliger Abschluss zu denken; aber
auch für die Kiemenepithelien ist eine besondere Beschaffenheit an-
zunehmen. Frede ricq vergleicht sie mit dünnen Kautschukmem-
branen, die wohl für Gase, aber weder für Wasser noch Salze durch-
lässig sind. Wenn Loeb also seine Fimduluseier in reines Chlor-
natrium bringt, so wird dieses Salz gar nicht eindringen, da sich die
Membranen der Keime nach Herbst wohl ebenso verhalten (im
Gegensatz zu den Membranen resp. Epithelien der Echinodermen).
Es hat nun Herbst bei ganz jungen Aalen, die vom Meer in den
Sarnofluss hinauf wanderten, also ebenfalls indifferent für den SaLz-
wechsel waren, beobachtet, dass sie in Gl Na gebracht, ihre Kiemen-
epithelien in einzelne Zellen auflösen. Wir hätten somit eine wirklich
aktive Wirkung des Na, die durch Ca, wie die früher erwähnten
Experimente zeigen, aufheben lässt, da bei Ca- Ausfall die Zellen
auseinandergehen. Experimente an anderen Fischeiern stehen noch
aus; es gilt also der Satz, dass Na und Ca Antagonisten sind, zu-
nächst nur für die Kiemenepithelien und wahrscheinlich das Blasto-
derm der Fische. Wie es damit bei den Echinidenkeimen steht, soll
noch von Herbst untersucht werden.
Jedenfalls wird man sich vor zu frühen Verallgemeinerungen
zu hüten haben; denn es sind ja schon innerhalb der Echinodermen
solche Unterschiede für die Rolle der notwendigen Stoffe festgestellt ;
so z. B. ist bei Asterias zum Zusammenhalt der Zellen ausser Ca
nocli Mg notwendig, bei Echiniden genügt gegenüber der event.
lockernden Wirkung des Na das Ca allein. Auch sonst sind gerade durch
Herbst so vielfache Unterschiede im einzelnen bekannt geworden,
dass man nur höchstens innerhalb eng begrenzter Gruppen des Tier-
reichs die notwendigen und die vertretbaren Stoffe zusammenstellen
darf; auch verschiedene Gewebe und Zellsorten, sowie verschiedene
Stadien desselben Tieres verhalten sich in ihrem chemischen Bedürfnis
verschieden.
Es soll diese Erkenntnis auch vor allzu kritiklosem Experimen-
tieren hüten, so z. B. davor, an Eiern, die normalerweise überhaupt
nichts aus der Umgebung aufnehmen, mit Lösungen herumzuprobieren.
Es ist nicht einzusehen, was für die Auffassung des Entwickelungs-
gangs gewonnen werden soll, wenn man dem Hühnchenkeim durch
die angebohrte Eischale Lösungen verschiedener Substanzen zufliessen
der Entwickelung. B. Die chemischen Vorbedingungen. 199
lässt. Aber auch bei Eiern, die sich im Wasser entwickeln und
normalerweise im Stoffaustausch mit ihrer Umgebung stehen, sollen,
was in vielen Fällen leider versäumt worden ist, die zu prüfenden
Stoffe eine gewisse Beziehung zum normalen Geschehen haben ; sonst
wird nur eine Giftwirkung ohne klärende Bedeutung für den Ent-
wickelungsgang erzielt. Die experimentelle Richtung würde damit
bei den äusseren Faktoren zu einem planlosen Probieren, was sich
z. B. eine Seeigellarve alles bieten lässt, oder bei den inneren, bei
der Regeneration dessen, was man z. B. bei einem Regenwurm alles
abschneiden kann. In solchen Fällen stünde die experimentelle Ent-
wickelungsgeschichte gewiss nicht über der beobachtenden und ver-
gleichenden Entwickelungsgeschichte. Es wird an ihren eigenen
Vertretern liegen, sie durch geeignete Auswahl der Experimente in
bezug auf Objekt und Medium in kausaler Erkenntnis über die be-
schreibende Richtung hinauszuführen.
Sachregister.
A.
Abhängige Differenzierung 13, 99, 153.
Äthereinwirkung 26, 172.
Äquipotentielles System 72, 85.
Alkalinität des Wassers 192.
Alpentiere 176.
Amphibieneier 20, 32 ff., 68, 167.
Amphioxuseier 46.
Anachronismus der Furchungsteilungen
39, 64.
Animale Zellen des Keims 30, 46, 86.
Annelideneier 63.
Arthropodenfurchung 157.
Ascidieneier 52, 67.
Ascidien-Regeneration 117.
Atavismus 120.
Atmosphärischer Druck 187.
Atmung, embryonale 185.
Äussere Faktoren 9, 166 ff.
Auslösungstheorie 153.
Autonomie d. Lebensvorgänge 83,129,165.
B.
Befruchtung 2, 4, 65, 68.
Bindesubstanz 142.
Blastomeren 22, 25.
Blutkörperchen 134.
C.
Calcium 193.
Centrifugalkraft 170.
Chemotaxis 157.
Chorda 53, 105.
Chlor 192.
Chromatin 75.
Corneabildung 156.
Crinoidenregeneration 107.
Crustaceen-Auge 122.
Ctenophorenei 66.
Ctenophorenfurchung 54.
Cuvier'sche Vergleichsmethode 5, 141r
148.
Descendenztheorie 2, 128.
Dimensionale Hypertrophie 140.
Direkte Entwickelung 19.
Doppelbildungen 32, 35, 50, 93, 94.
Dotterlappen 65.
Dotterverteilung 8, 49, 72, 75, 190.
Druckwirkung 27, 35, 37, 43, 63.
E.
Echinodermeneier 21, 24 ff., 68, 172, 182, 192.
Eidechsenschwanz 106, 115.
Eifragmente 65.
Eistruktur 11, 64 ff.
Einfluss des Ganzen 75, 113, 125, 127, 130.
Einschränkung der prospektiven Potenz
87, 91.
Elemente, notwendige 192.
Elementarorgan .89, 96, 112.
Sachregister.
201
Elementarprozess 96, 112.
Energiequelle 183, 188.
Entwickelungsmechanik 3.
Entwickelungsphasen 18, 20, 81.
Entwickelungsphysiologie 3.
Epigenese 13, 14, 85.
Epithelien 159, 198.
Eurytherme Tiere 177.
Evolution 12, 14, 85.
Experiment versus Beobachtung 5, 7.
Exogastrula 183.
F.
Färbung 176.
Faltenbildung 159, 192.
Festigkeitslehre 145, 149.
Fischeier 49, 93, 179, 181, 188.
Foraminiferenschale 139.
Forellenembryo-Regeneration 104.
Formative Reize 15, 152 ff.
Funktionelles Leben 18, 131, 141.
Funktionelle Struktur 139.
Furchungsprozess 17, 23, 73, 84, 165, 187.
G.
Gase 185.
Gastrulation 18, 159, 182.
Gefrieren 177.
Geschlechtsorgane 20, 137.
Gewebsverjüngung 98, 112.
H.
Halbbildung 25, 33, 52, 55, 63.
Heteromorphose 113 ff.
Histologische Spezifität 99, 111.
Histologische Sonderung 18.
Höhlentiere 176.
Hühnchenembryo-Regeneration 115.
Hypophyse 135.
I.
Idioplasma 12, 75, 81.
Inaktivitätsatrophie 142.
Individuelle Variation der Entwicklung
7, 38.
Innere Sekretion 134, 138.
Isolierung 24 ff.
Isotropie des Eies 65.
K.
Kälteruhe 178.
Kalium 193.
Kalkbildung 193.
Kastration 136 ff.
Keimblätter 18, 89, 97, 106, 112.
Kernplasmarelation 165.
Kiemen 133.
Knochenstruktur 145.
Kohlensäure 186.
Korrelation 129 ff.
Krebsscheere-Regeneration 120.
Ja.
Larvenleben 19.
Leber 131.
Leukocyten und -Regeneration 102.
Lichtwirkung 174.
Linse des Auges, Neubildung 107 ff.,
125, 155 ff.
Lithiumlarven 10, 158, 191.
Lunge 133.
M.
Magnesinm 195.
Markierungen am Ei 39, 168.
Mechanomorphose 140.
Meduseneier 42, 67, 163.
Medusen-Regeneration 115.
Mehrfachbildung bei Regeneration 116,
125.
Melanismus 177.
Mesenchymzellen 91, 158.
Metaphysisches 113, 165.
Molluskeneier 61, 65.
Mosaiktheorie 12, 37.
Mosaikfurckung 52.
Muskulaturbeeinflussung 142.
Myzostomidenei 66.
~20-2
Sachregister.
Nahrung 189.
Natrium 196.
Natürliche Zuchtwahl 128.
Neovitalismus (s. auch Vitalismus) 3.
Nervensystem und -Regeneration 122, 124.
Niere 132.
O.
Oberflächenspannung 163.
Optimum der Temperatur 183.
Organbildende Keimbezirke 65.
Organologische Sonderung 18.
Osmotischer Druck 170, 191.
Oxygenotaxis 157.
P.
Pankreas 154.
Parasitenatmung 187.
Phasen der Entwickelung 18, 20, 84.
Phylogenie 2, 120.
Physiologische Regeneration 99.
Planarien-Regeneration 116.
Plasmatische Schichtung im Ei 28, 36,
38, 43, 59, 72, 80.
Pluteuslarve 22.
Pigmentzellen 157, 176.
Postgeneration 35.
Proportionalität 81.
Prospektive Bedeutung 41, 60, 154, 157.
Prospektive Potenz 13, 41, 89, 90, 153,
157.
Protoplasmamechanik 4, 163.
Protozoen 165.
Q.
Qualitativ ungleiche Kernteilung 12, 27,
84, 162.
K.
Regeneration 4, 15, 98 ff.
Regeneration und Schwerkraft 170.
Regeneration und Licht 175.
Regenwurm-Regeneration 101, 124.
Regulationen 5, 23, 42, 98 ff.
Reiztheorie 15, 140, 152 ff., 166.
Reptilien-Regeneration 106, 117.
Reserveidioplasma 81.
Richtung des Experiments 9, 198.
Rieseneier (Ascaris) 77.
S.
Salzgehalt 171, 189.
Sauerstoff 185.
Schilddrüse 134.
Schmetterlinge 184, 189.
Schnürung der Keime 38, 39.
Schwefel 193.
Schwerkraft 37, 167 ff.
Sehnenentwickelung 144.
Selbstdifferenzierung 12, 84, 99, 153.
Sexualcharaktere, sekundäre 136.
Siphonophorensegel 147.
Spezieseigenschaften im Ei 11, 70 ff., 74.
Spezifische Faktoren der Entwicklung
15, 23 ff.
Spezifische Zellgrösse 82.
Spezifizität der Gewebe 99, 111.
Sphinkteren 142.
Spongienskelett 148.
Spongiosa der Knochen 145.
Starrheit der Plasmaschichtung 36, 59.
Stenotherme Tiere 177.
T.
Tagesgrade 181.
Teilungsrichtung der Zellen 164.
Temperaturwirkung 177 ff.
Termiten 189.
Trajektorien der Knochen 146.
Transplantationsversuche 94.
Trommelfell 143.
Trophischer Reiz 140.
U.
Ultimäres Elementarorgan 74, 97.
Umwandlungsphysiologie 184.
Sachregister.
203
V.
Vegetative Zeilen des Keims 30, 46, 86,
182.
Verlagerungsexperimente 24, 26, 32, 37,
43, 48, 58, 63.
Verschmelzungsexperimente 76, 79.
Verwachsungsexperimente 95.
Vitalismus 3, 83, 113, 129, 165.
Vogelsternum 141.
Vorentwickelung des Eies 4, 74.
W.
Wachstum 173.
Wimper ung 30, 196.
Wundfläche 125.
Z.
Zellentheorie (Unzulänglichkeit der) 75.
Zellkern 74, 162.
Zellmechanik 4, 163.
Zellteilung 161 ff., 182.
Zerlegungstheorie der Entwickelung 12.
Zwangslage der Eier 168.
Zweckmässigkeit 128.
Berichtigungen.
Seite 75, Zeile 8 von ohen lies Samenzelle anstatt Sammelzelle.
Seite 192 lies Caesium anstatt Calsium.
Verla«? von J. F. BERGMANN in Wiesbaden.
Kinführung
in die
Physikalische Anatomie.
Von
Dr. Hermann Triepel,
Privatdocent und Prosektor am anatomischen Institut in Greifswald.
I. Teil: Allgemeine Elasticitäts- und Festigkeitslehre in
elementarer Darstellung.
IL Teil: Die Elasticität und Festigkeit der menschlichen
Gewebe und Organe.
Mit 23 Figuren im Text und 3 lithographierten Tafeln.
Preis 31k. 6.—.
Der durch zahlreiche sorgfältige Arbeiten schon bekannte Verfasser, ein
Schüler Bonnet's, behandelt hier die Elasticität und Festigkeit der mensch-
lichen Gewebe und Organe. Eine elementare Darstellung der allgemeinen
Elasticitäts- und Festigkeitslehre ist vorangestellt. Für den Chirurgen sind
solche Studien von hohem Werth. und es sind auch von chirurgischer Seite
schon Einzelstudien auf diesem Gebiete gemacht, welche vom Verfasser zum
Theil herangezogen werden; andere z. B., die Studien Stubenrauch's in
München über die Harnblase, sind nicht berücksichtigt, wie denn auch die den
Chirurgen interessirende physikalische Beschaffenheit der Leber, Milz, Niere,
Lunge u. s. w. anbesprochen blieb. Natürlich nehmen die Extremitätengewebe,
Knochen, Knorpel, Muskeln, Sehnen, Bindegewebe den Haupttheil der Arbeit
ein. Es ist als Verdienst dem Verfasser anzurechnen, dass er mit seinem Buch
eine klare und sichere Grundlage für weitere und speciellere Arbeiten ge-
schaffen hat. Helferich i. d. Zeitschrift f. Chirurgie.
Vorlesungen
über
Allgemeine Embryologie
von
Dr. R. S. Bergb,
Dozent der Histologie und Embryologie an der Universität Kopenhagen.
Mit 126 Figuren im Text. Preis M. 7. — .
.... In seiner Art ausgezeichnet und eine Fundgrube für allerlei inte-
ressante Daten aus der allgemeinen Entwickelung der Wirbeltkiere und der
Wirbellosen, welche man sonst aus der Litteratur mühsam zusammensuchen
muss, ist vorliegendes Werk. Die Anordnung des Stoffes ist die durch den
Gang der Entwickelung gegebene : Befruchtung, Furchung, Keimblätter u. s. w.
In allen diesen Abschnitten, sowie in den folgenden über die experimentellen
Untersuchungen hinsichtlich der Bedeutung der ersten Furchungszellen, in den
Abschnitten über Resorption und Regeneration und über die Beziehung der
Embryologie zur Descendenzlehre ist das Für und Wider sorgfältig erwogen.
Den Schiuss des Buches bildet ein kurzer Abriss der Geschichte der Embryologie
und Anleitungen zu einigen Beobachtungen und Versuchen embryologische
Gegenstände betreffend.
Alles in Allem sind hie „Vorlesungen" von Bergh eine werthvolle Be-
reicherung unserer Lehrmittel. Berliner Min. Wochenschrift.
Verlag von J. F. BERGMANN in Wiesbaden.
Vorlesungen
über die
Pathologische Anatomie des Rückenmarks.
Unter Mitwirkung
von
Dr. Siegfried Sacki, Nervenarzt in München.
Herausgegeben
von
Dr. Hans Schmaus^
A. 0. Professor und I. Assistent am pathol. Institut in München.
Mit 187 theilweise farbigen Textabbildungen.
Preis: Mk. 16.—.
.... Die Vorlesungen von Schmaus über die pathologische
Anatomie des Rückenmarkes sind das erste und einzige jetzt e x i -
stirende Werk, in welchem die verschiedenen Krankheiten dieses
Organs auf Grund streng anatomischer Forschung in zusammen-
hängender Form bearbeitet sind
.... Die zahlreichen, nach Originalpräparaten des Verfassers hergestellten vor-
trefflichen Abbildungen tragen wesentlich zum leichteren Verständniss des überaus
klar und anregend geschriebenen Textes bei
.... Schmaus, welcher gerade in der Erforschung der pathologischen Anatomie
des Nervensystems schon Hervorragendes geleistet hat. hat sich durch die Herausgabe
des vorliegendes Werkes ein grosses Verdienst und damit gewiss auch den Dank nicht
nur aller Fachgenossen, sondern auch der Kliniker und Aerzte erworben; denn that-
sächlich wird durch das ausgezeichnete Werk eine empfindliche Lücke in der medi-
cinischen Litteratur endlich ausgefüllt.
Professor Hauser i. d. Münchener med. Wochenschrift.
Grundriss der Kinderheilkunde
mit
besonderer Berücksichtigung der Diätetik
von
Dr. med. Otto Hauser,
Spezialarzt für Kinderkrankheiten in Berlin.
Zweite gänzlich umgearbeitete Auflage. — Mk. 8. — .
Verlag von J. F. BERGMANN in Wiesbaden.
Grundriss
der
chirurgisch -topographischen Anatomie
mit Einschluss der
Untersuchungen am Lebenden.
Von
Dr. Otto Hildebrand,
ord. Professor der Chirurgie an der Universität Basel.
Mit einem Vorwort von
Dr. Franz König,
ord. Professor der Chirurgie, Geh. Med.-Bath, Direktor dar Chirurg. Klinik in Berlin.
Zweite gänzlich umgearbeitete Auflage.
Mit 98 theilweise mehrfarbigen Abbildungen im Texte.
Preis Mk. 7.—, geb. Mk. 8.—.
Kursus
der
Pathologischen Histologie
mit einem
Mikroskopischen Atlas
von 28 Lichtdruck- und 8 farbigen Tafeln.
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Professor Dr. L. Aschoff und Professor Dr. H. Gaylord
in Marburg in Buffalo.
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o. ö. Professor der Augenheilkunde an der Universität Berlin.
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kostbar und zu umfangreich für den Studirenden, sowie für den praktischen Arzt, die
letzten sind unbrauchbar für jeden Zweck, ausser dem Einpauken, die zweiten und
dritten liefern für die Mehrzahl der angehenden Aerzte den Quell der Belehrung.
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Centralblatt für -praktische Augenheilkunde,
Verlag von J. F. BERGMANN in Wiesbaden.
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der
pathologischen Anatomie.
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Dr. Hans Schmaus,
Professor au der Universität München.
Sechste vermehrte Auflage.
Mit 270 theilweise farbigen Abbildungen.
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Darstellung eine ausreichende Vollständigkeit Die zahlreichen Illustra-
tionen sind meist nach Originalzeichnungen sauber und schön wiederge-
geben und werden dem Anfänger das Verständniss ausserordentlich
erleichtern.
Das Werk kann also dem jungen Mediciner in jeder Beziehung auf's An-
gelegentlichste empfohlen werden. Es ist ein sehr glücklicher Mittelweg
tou dem Verfasser geliefert worden zwischen den umfangreichen Lehr-
büchern und den meist nichts weiter als Definitionen enthaltenden
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Dr. Otto Seifert, und Dr. Friedr. Müller,
Professor in Würzburg Professor in München.
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Auflage" mit gutein Gewissen jedem Praktiker warm empfehlen.
Stadel mann- Berlin in der Deutschen Aerzte-Zeitung.
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Dr. Ernst Bumm,
Professor und Direktor der Universitäts-Frauenklinik in Halle a. S.
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Gebunden Preis Mark 14.60.
Verlag von J. F. BEEGMANN in Wiesbaden.
Lehrbuch
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Histologie des Menschen
einschliesslich der
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A. A. Böhm, und M. von Davidoff,
Prosektor vorm. Assistent
am Anatomischen Institut zu München.
Dritte umgearbeitete Auflage.
Mit 246 Abbildungen. Preis: M. 7. — ; geb. M. 8. — .
.... Unter den in letzter Zeit erschienenen Lehrbüchern der Histologie
wird sich das vorliegende Werk schon bei seinem ersten Erscheinen einen her-
vorragenden Platz erobern. Das Buch ist unter der Aegide des Münchener
Anatomen von Kupffer von dessen obengenannten Schülern verfasst, die neben
ihren bekannten wissenschaftlichen und didaktischen Erfahrungen über eine ein-
gehende Kenntniss der ganzen Litteratur verfügen.
Ausserdem wurden die Verfasser durch einen hervorragenden Zeichner
wesentlich gefördert, so dass man das Werk mit nicht gering gespannter Er-
wartung zur Hand nehmen konnte. Sie wird auch vollauf durch das
Gebotene befriedigt.
Druck und Ausstattung sind vorzüglich, dabei derPreis sobescheiden,
dass mit Recht die Hoffnung ausgesprochen werden kann, das
schöne Werk werde die weiteste Verbreitung finden.
Dr. Scltaffer i». der „ Wiener hlin. Wochenschrift".
Sexualleben und Nervenleiden,
Die
nervösen Störungen sexuellen Ursprungs.
Nebst einem Anhang über
Prophylaxe und Behandlung der sexuellen Neurasthenie.
Von
Dr. Leopold Loewenfeld,
Specialarzt für Nervenkrankheiten in München.
Dritte, völlig umgearbeitete und sehr vermehrte Auflage.
Preis. M. 6. — .
('. W. KREIDE!/ S Verlag in Wiesbaden.
Blätterum kehrung
Ei der Nagethiere.
Von Dr. Emil Selenka, Professor in München.
Mit 6 Tafeln. — Preis: Mk. 15.-.
Das Opossum (Didelphys virginiana).
Von Dr. Emil Selenka, Professor in München.
Mit 14 Tafeln. — Preis: Mk. 40.—.
Beutelfuchs und Känguruhratte. Kantjil
Affen Ostindiens. Kalong.
Von Dr. Elllil Selenka, Professor in München.
Mit 12 Tafeln. — Preis: Mk. 42.—.
Auge und Integunient der Diadematiden.
Ueber zwei parasitische Schnecken,
Von
Dr. Paul Sarasin und Dr. Fritz Sarasiu.
Mit 5 Tafeln. — Preis: Mk. 14.—.
Entwicklungsgeschichte der Helix Waltoni.
Knospenbildung bei Linckia Multifora.
Von
Dr. Paul Sarasin und Dr. Fritz Sarasin.
Mit 4 Tafeln. — Preis: Mk. 14.—.
Anatomie der Kehinothuriden
und der
Phylogenie der Echinodermen.
Von
Dr. Paul Sarasin und Dr. Fritz Sarasin.
Mit 8 Tafeln. — Preis: Mk. 18—.
Entwiekelungsgeschiehte
und
Anatomie der Ceylon. Blindwühle.
Ichtyophis glutinosus.
Von
Dr. Paul Sarasin und Dr. Fritz Sarasin.
Mit 24 Tafeln. — Preis : Mk. 60.—.
RG MANN in tf
Grundzüge
der
Allgemeinen Anatomie
' zur Vorbi Teilung auf das Studium, der Medizin nach
biologischen ■ ■Gesichtspunkten
bearbeitet von
Professor I>r. Fr. Reinke,
Pro.eektor am Anatomischen Institut in Rostock.
Mit 64 Abbildungen.
Preis: Mh\ 7£i>.
Es ist dankensiverth und sehr zu begrüssen,, dass die kausalen Furscliungen
und Betrachtungen, die in den verbreiteten deskriptiven Lehrbüchern meist
Übergängen werden, liier im allgemeinen klar und richtig dem wissenschaft-
lichen Publikum dargeboten werden. Biologisches Centralblatt.
Jedem, der sich für die modernen biologischen Probleme interessiert, sei
die Lektüre des klar und ansprechend geschriebenen Buches empfohlen, welches
'ausser anderem auch den Vorfug hat. nicht sehr theuer zu sein.
Anatomischer Anzeiger.
Die Leitiing\sl mimen
des
Gehirns und des Rückenmarks,
nebst
vollständiger Darlegung- des Verlaufes und der Verzweigung
der Hirn- und Rückenmarksnerven
Vull
Dr. Rudolf Glaessner, Pr;
— — Mit 7 farbigen Tafeln.
UL-. :;.—.
Das vorliegende Werkchen soll den Studirenden der Median, in das Ver-
idniss d< omplicirteu Gebietes der Leiiungsbabnen des menschlichen
< I liirns einfuhren. Der Verfasser hat den Gedankengang festgehalten bei der
Schilderung der Verlaufsrichtung der Hirnlahnen ihre Funktio'nsrichtung als
die einzig massgebende zu beschreiben. Im I. Theil werden die Markfasersysteme
des Gehirnes und des Rückenmarkes, das Kleinhirn und der Verlauf der Bahnen
ehandelt. Der IL Theil bespricht die Nerventopograpiiie nach Systemen
-Inet. Am Schluss des Werkes finden sich 7 farbige Tafeln, welche in
unatischer Weise die Fasersysteme und den Verlauf der Bahnen illustriren,
respektive der topographischen Orientirung dienen. Die schwierige Aufgabe,
die sich der Verfasser gestellt hat, hat er in vortrefflichster Weise
gelöst, indem die Klarheit seiner Darstellung und die übersichtliche
Art der Anordnung ein leichtes Erfassen dieser so schwierigen Verhält-
nisse ermöglichen. Die Ausstattung des Buches ist eine vurtrefflic
Wiener. Min. Rundschau.
Druck von Carl Kitter in Wiesbaden.
('. W. KP EID EL *s Verlag in Wiesbaden.
\
Die
Morphologie der Placenta
bei Nagern und Raubt liieren.
(Embryologische Untersuchungen Heft III).
Von
Dr. A. Fleischmann,
a. o. Professor det Zoologie in Erlangen.
Mit 5 Tafeln. — Preis Mk. 22.—.
Untersuchungen über einheimische Raubthiere.
(Embryologische Untersuchungen Heft I).
Von
Dr. A. Fleischmann,
a. o. Professor der Zoologie in Erlangen.
Mit 5 Tafeln in Farbendruck. — Preis Mk. 21.—.
Die
Stammesgeschichte der Nagethiere.
Die Umkehr der Keimblätter.
(Embryologische Untersuchungen Heft II).
Von
Dr. A. Fleischmann,
a o. Professor der Zoologie in Erlangen.
Mit 3 Tafeln in Farbendruck. — Preis Mk. 20.—.
Keimblätter
und
Primitivorgane der Maus.
Von
Dr. Emil Selenka,
Professor in München.
Mit 4 Tafeln. — Preis Mk. 12.—.
Keimblätter der EchinodermeD.
Von
Dr. Emil Selenka,
Professor in München.
Mit 6 Tafeln. — Preis Mk. 15.