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Full text of "Elementare Mechanik, ein Lehrbuch enthaltend; eine Begründung der allgemeinen Mechanik; die Mechanik der systeme starrer Körper: die synthetischen und die Elemente der analytischen Methoden, sowie eine Einführung in die prizipien der Mechanik deformierbarer Systeme"

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ELEMENTARE  MECHAOTK 

EIN  LEHRBUCH 

ENTHALTEND:  EINE  BEGRÜNDUNG  DER  ALLGEMEINEN  MECHANIK;  DIE 
MECHANIK  DER  SYSTEME  STARRER  KÖRPER:  DIE  SYNTHETISCHEN  UND 
DIE  ELEMENTE  DER  ANALYTISCHEN  METHODEN,  SOWIE  EINE  EINFÜH- 
RUNG IN  DIE  PRINZIPIEN  DER  MECHANIK  DEFORMIERBARER  SYSTEME 


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VON 


GEORO  HAMEL 

DB.  PHIL. 
O.  Ö.  PR0FB880B  DBB  MBCHABIK  AN  DBB  K.  K.  DBUTSGHBN 
FBAMZ- JOSEPH-  TBCBMISCHBM  HOCH80HULB  ZU  BBÜMK 


MIT  265  FIGUREN  IM  TEXT 


LEIPZIG  UND  BERLIN 
DEUCK  UND  VERLAG  VON  B.  G.  TEUBNER 

1912 


COPYRIGHT  1919  BY  B.  O.  TEUBNEB  IN  LEIPZIG. 


ALLE  RBOHTB,  SINSCHLISSSLIGH  DBS  ÜBERSETZUN08REGHTS,  VOBBEUALTEN. 


s 


VORREDE. 

Es  sei  mir  gestattet,  über  Ziel  und  Aufbau  meiner  ^^Elementaren 
Mechanik^'  einiges  zu  sagen. 

Dieses  Buch  enthält  die  Grundlagen,  die  Mechanik  starrer  Körper 
und  eine  ganz  knappe  Einführung  in  die  Mechanik  deformierbarer  Körper. 

Auf  die  Grundlagen  wurde  besonderer  Wert  gelegt  Es  war  ein- 
mal nötig,  die  anerkannten  Schwierigkeiten  (siehe  die  berühmte  Vor- 
rede Ton  Hertz),  welche  die  sogenannte  klassische  Mechanik  bietet, 
zu  überwinden  und  nicht  zu  umgehen.  Es  wurde  deshalb  kein  neues 
System  gebaut,  sondern  das  alte  nach  bestem  Können  begründet. 

Vor  allem  mußte  einmal  die  Frage  gründlich  erörtert  werden, 
was  „Kraft''  eigentlich  ist,  es  mußte  gesagt  werden,  daß  sie  kein  „Ding'' 
isty  also  auch  keine  „Ursache  einer  Bewegung"  sein  kann,  daß  sie  aber 
auch  ebensowenig  nur  ein  konventionelles  Wort  für  das  Produkt  aus 
Masse  und  Beschleunigung  ist.  Sie  ist  yielmehr  eine  „Form"  unserer 
Naturerkenntnis.  Ich  habe  dies  zwar  schon  an  anderer  Stelle  aus- 
geführt; hier  mußte  dasselbe  in  neuer  Weise,  von  einem  wesentlich 
elementareren  Standpunkte  aus  geschehen.  Überhaupt  habe  ich  es 
als  eine  Hauptaufgabe  angesehen,  elementar  darzustellen  und  der 
historischen  Entwicklung  nach  Möglichkeit  gerecht  zu  werden.  Man 
wolle  also  auch  das  Buch  nicht  etwa  als  ein  eigentliches  Lehrbuch  der 
Grundlagen  ansehen:  es  fehlen  alle  ünabhängigkeits-  und  Existenzbeweise. 

Zu  dem  Kraftbegriff  tritt  als  gleich  wichtig  der  Begriff  der  „Ur- 
sache". Unter  Weiterbildung  Mach  scher  Ideen  wurde  versucht,  diesem 
Begriff  für  die  Mechanik  wissenschaftliche  Existenzberechtigung  zu 
geben.  Eine  gewisse  Differenz  gegen  den  populären  Ursachbegriff 
mußte  dabei  natürlich  zugelassen  werden. 

Nachdem  das  Newtonsche  Grundgesetz  gewonnen  ist,  lasse  ich 
eine  elementare,  wenn  auch  nicht  strenge  Ableitung  des  Schwerpunkt- 
satzes und  eine  Betrachtung  der  am  häufigsten  vorkommenden  Kräfte 
(Reibung  usw.)  folgen,  um  das  Material  zur  Einübung  des  Newtonschen 
Grundgesetzes  zu  haben. 

Der  zweite  Abschnitt  ist  ganz  der  Statik  gewidmet;  er  enthält 
die  analytischen  imd  graphischen  Methoden  der  Statik  des  einzelnen 
starren  Körpers,  der  Systeme  starrer  Körper,  die  Statik  des  Fadens 


B* 


rV  Vorrede. 

und  des  steifen  Seiles  und  als  Schluß  eine  Darstellung  des  d'Alembert- 
sehen  Prinzips  als  Übergang  zur  Kinetik. 

Von  der  Theorie  der  Fachwerke  und  der  Gewölbe  habe  ich  nur 
das  Wesentlichste  und  Einfachste  uufgenommen.  Dagegen  enthält  der 
zweite  Abschnitt  wohl  den  ersten  Versuch  einer  Theorie  der  Seil- 
Steifigkeit.  Wenn  ich  mich  entschlossen  habe^  die  unvollkommene 
Skizze  aufeunehmen,  so  geschah  es^  um  zu  weiteren  Überlegungen 
und  zu  Experimenten  anzuregen,  die  uns  hier  wie  noch  yielfach  in 
der  technischen  Mechanik  dringend  nottun. 

Der  dritte  Abschnitt  enthält  zunächst  die  Grundlagen  einer  all- 
gemeinen Mechanik:  strenge  Ableitung  des  Schwerpunktsatzes  und  des 
Momentensatzes  für  beliebige  Systeme  auf  Grund  der  Mechanik  des 
Volumelementes.  Nicht  also  aus  der  sogenannten  Punktmechanik,  die 
überhaupt  (bis  auf  eine  kurze  Darstellung  am  Schlüsse  des  ersten  Ab- 
schnittes, aus  historischen  Gründen)  aus  diesem  Buche  verbannt  ist. 
Daß  unsere  Lehrbücher  sonst  noch  immer  die  Punktmechanik  trak- 
tieren, ist  ein  seltsamer  Anachronismus:  Punktmechanik  paßte  aus- 
gezeichnet ins  18.  Jahrhundert,  aber  nicht  mehr  in  unsere  Zeit,  für 
die  weder  das  Planetenproblem  die  einzige  eines  Mathematikers  würdige 
Aufgabe  der  Mechanik  ist,  noch  auch  das  Molekel  die  Quintessenz 
einer  naturwissenschaftlichen  Weltanschauung.  Man  wende  mir  auch 
nicht  ein,  daß  die  Ableitung  der  beiden  Hauptsätze  der  Mechanik 
durch  die  Auflösung  des  Körpers  in  diskrete  Punkte  leichter  wird: 
die  in  diesem  Buche  angestellten  Überlegungen  sind  doch  alle  dann 
nötig,  wenn  man  sich  der  sogenannten  Mechanik  der  Kontinua  zu- 
wendet, d.  h.  der  Mechanik  deformierbarer  Medien.  Man  hat  bei  dem 
üblichen  Lehrgang  nur  die  intellektuelle  Unreinlichkeit  mit  in  den 
Kauf  zu  nehmen,  daß  man  Sätze,  die  für  Punktsysteme  bewiesen  sind, 
ohne  weiteres  auf  Kontinua  übertragen  muß.  Da  ist  es  schon  ein- 
facher, man  beschäftigt  sich  gleich  mit  stetig  ausgedehnten  Körpern 
und  nennt  das  neue  nötige  Grundgesetz  der  Mechanik  (ich  habe  ihm 
den  Namen  Boltzmanns  gegeben)  offen  und  ehrlich. 

Überhaupt  gibt  es  in  diesem  Buche  nur  Körper,  die  sich  berühren 
und  keine  Punkte,  Kurven  und  Flächen,  auf  denen  bewegliche  Punkte 
verpflichtet  sind,  sich  zu  bewegen.  Das  ist  eine  ganz  unnötige  Abstraktion. 

Auf  die  allgemeine  Mechanik  folgt  die  Mechanik  des  einzelnen 
starren  Körpers,  dann  die  Mechanik  starrer  Systeme.  Zunächst  wurde 
konsequent  die  synthetische  Methode  durchgeführt,  damit  ihre  Vorzüge 
und  Nachteile  deutlich  hervortreten.  (Es  gibt  noch  ein  Buch,  das  die  syn- 
thetischen Methoden  rein  und  bis  zu  einer  gewissen  Virtuosität  aus- 


Yoirede.  V 

gebildet  hat^  das  ist  die  kleine  ^^Theoretical  mecfaanics'^  yon  Love.) 
Erst  hinterher  folgen  die  analytischen  Methoden:  das  Prinzip  der  yir* 
tuellen  Arbeiten^  die  Lagrangeschen  Gleichungen.  Diese  können  jetzt 
ihre  Überlegenheit  bei  schwierigeren  Problemen  zeigen,  und  vor  allem 
sind  sie  deshalb  unentbehrlich,  weil  man  mit  ihrer  Hilfe  erst  einsieht, 
daß  die  Methoden  der  Mechanik  die  erforderliche  Anzahl  reiner,  d.  h. 
Ton  den  Beaktionskräften  explizit  unabhängiger  Gleichungen  geben. 

Für  die  analytischen  Methoden  ist  die  Unterscheidung  zwischen 
„eingeprägten^'  und„Beaktionskraften''  wesentlich.  Die  Namen  stammen 
von  meinem  verehrten  Lehrer  Heun,  dessen  Bücher  auch  neben  dem 
von  Webster  die  meines  Wissens  einzigen  Lehrbücher  sind,  welche 
den  Unterschied  deutlich  hervorheben.  Daß  die  anderen  Bücher  richtige 
konkrete  Resultate  bringen,  spricht  mehr  für  den  guten  mechanischen 
Genius  ihrer  Verfasser  als  für  die  Richtigkeit  ihrer  Lehrsätze.  Die 
Unterscheidung  ist  unentbehrlich  und  nicht  etwa  eine  Finesse.  Ich 
glaube,  daß  die  hier  gegebene  Definition  der  Reaktionskräfte  neu  ist. 

Das  Hamiltonsche  Prinzip  und  die  nichtholonomen  Systeme  fanden 
in  diesem  elementaren  Lehrbuche  keinen  Platz  mehr. 

Auf  die  Stereokinetik  folgt  etwas  aas  der  Kinetik  der  Seile  und 
Drähte.  Es  ergab  sich  dabei  ungezwungen  die  Möglichkeit,  an  einem 
nicht  ganz  trivialen  Schwingungsproblem  etwas  aus  der  modernen, 
namentlich  von  Hilbert  so  sehr  geförderten  Theorie  der  linearen 
Integral-  und  Differentialgleichungen  zu  bringen,  womit  ich  hoffe, 
dem  einen  oder  anderen  Leser  einen  Gefallen  zu  tun.  Die  Konvergenz- 
beweise fehlen  natürlich. 

Mit  den  beiden  Schlußparagraphen  bin  ich  absichtlich  über  den 
elementaren  Charakter  des  Buches  hinausgegangen.  Ich  wollte  gar 
keine  Ausführungen  bringen,  sondern  nur  die  Elastizitätstheorie  und 
die  Hydromechanik  prinzipiell  an  die  allgemeinen  Grundlagen  an- 
schließen, damit  die  Mechanik  doch  als  ein  Ganzes  erscheine.  Ein 
Lehrbuch  über  feste  elastische  Körper  wollte  ich  deshalb  nicht  schreiben, 
weil  wir  in  Love  und  Föppl  ausgezeichnete  Lehrbücher  dieser  Dis- 
ziplin besitzen  und  weil  ich  in  dieser  Sache  noch  keine  Lehrerfahrung 
habe;  über  flüssige  Körper  aber  deshalb  nicht,  weil  wir  in  Lamb  und 
Wien  gute  Bücher  haben  und  uns  v.  Mises  ein  Lehrbuch  für  In- 
genieure versprochen  hat.  Ich  brauchte  deshalb  in  diesem  Punkte  auch 
gar  keine  Rücksichten  auf  Anfänger  zu  nehmen  und  konnte  einmal  die 
Theorie  der  endlichen  Verschiebungen  darstellen,  was  mir  deshalb  not- 
wendig schien,  weil  die  Untersuchungen  St.  V^nants,  Kirchhoffs, 
Boussinesqs,  Fingers  und  Duhems  noch  fast  ganz  unbekannt  sind, 


VI  Vorrede. 

Love  nicht  einmal  eine  Andeutung  darüber  enthält  und  selbst  die  Enzy- 
klopädie auf  halbem  Wege  stehen  bleibt,  indem  sie  zwar  die  wenig  schonen 
Methoden  der  genannten  Autoren  skizziert,  die  schonen  Resultate  aber 
verschweigt.  Mein  Weg  ist  neu,  auch  habe  ich  konsequent  den  augen- 
blicklichen Ort  als  unabhängige  Variable  eingef&hrt,  wodurch  sich 
allerdings  im  Resultat  nur  Zeichen  ändern;  endlich  habe  ich  die  Prin- 
zipien der  Thermodynamik  in  den  Vordergrund  gestellt.  Im  letzten 
Paragraphen,  in  dem  ich  die  Kinetik  der  Flüssigkeiten  prinzipiell  ent- 
wickle, kam  es  mir  vor  allem  auf  einen  YoUständigen  thermodyna- 
mischen  Ansatz  der  turbulenten  Qasbewegung  an.  In  der  Literatur 
fand  ich  nur  eine  kurze  Notiz  in  dem  Enzyklopädieartikel  von  Hobson 
und  Diesselhorst  darüber.  Ich  will  aber  nicht  unerwähnt  lassen, 
daß  mir  der  Rat  meines  Freundes,  des  Herrn  Professors  Dr.  Arthur 
Szaryassi  dabei  sehr  forderlich  war. 

Für  Leser,  welche  in  der  Vektorrechnung  noch  wenig  bewandert  sind, 
ist  eine  Skizze  dieses  überaus  bequemen  Hilfsmittels  angeschlossen.  Ich 
bediene  mich,  abgesehen  von  einer  geringfügigen  Modifikation,  der  Bezeich- 
nungsweise Heuns,  die  mir  für  die  Mechanik  die  zweckmäßigste  zu  sein 
scheint,  weil  sie  in  Drack,  Schrift  und  Sprache  gleich  einfach  und  an- 
schaulich ist.  Ich  konnte  auf  die  Vektorrechnung  nicht  verzichten,  weil 
Geschwindigkeit  und  Beschleunigung,  Kraft  und  Momente  Vektoren  sind« 
Aber  die  Vektorrechnung  ist  nur  soweit  verwendet,  als  es  nötig  war. 

Abgesehen  von  den  Schlußparagraphen  und  einigen  sonstigen  Er- 
weiterungen ist  das  Buch  wesentlich  meine  Vorlesung,  vermindert  um 
die  Hydromechanik.  Dementsprechend  sind  die  technischen  Anwen- 
dungen in  den  Vordergrund  gestellt.  Ich  habe  aber  das  Buch  ab- 
sichtlich nicht  „Technische  Mechanik^'  genannt,  weil  es  doch  vor  allem 
auf  die  Entwicklung  der  Grundprinzipien  ankam.  Eine  wirkliche 
technische  Mechanik,  wie  ich  sie  mir  denke,  müßte  von  den  Grund- 
prinzipien ganz  absehen  und  dafür  die  technischen  Anwendungen  voll- 
ständig darstellen.  Es  ist  also  dies  Lehrbuch  für  alle  Studenten  der 
Mechanik  gedacht;  um  die  Linien  der  Untersuchung  mehr  hervor- 
treten zu  lassen,  sind  alle  Aufgaben  und  kleineren  oder  spezielleren 
Anwendungen  klein  gedruckt  worden.  Dahingegen  will  es  mir  scheinen, 
daß  heute  bei  der  Bedeutung  der  Technik  auch  ein  Physiker  und  ein 
Mathematiker,  der  etwas  von  der  Mechanik  zu  wissen  beansprucht, 
die  wichtigsten  Anwendungen  auf  den  Maschinenbaa  und  die  Ingenieur- 
wissenschaften wenigstens  im  Prinzip  kennen  sollte,  sowie  ein  Tech- 
niker von  der  Astronomie  wenigstens  die  Keplerschen  Gesetze,  das 
Gravitationsgesetz  und  seine  elementarsten  Folgerungen  wissen  muß. 


Vorrede.  VII 

Was  die  Astronomie  der  Mechanik  im  18.  Jahrhundert  war^  das  ist 
ihr  heute  die  Technik.  Möge  dieses  Buch  auch  mit  dazu  dienen,  das 
gegenseitige  Verständnis  yon  Theorie  und  Praxis  zu  fördern! 

Ich  habe  mehr  Literaturangaben  gebracht,  als  es  sonst  in  Lehr- 
büchern üblich  ist.  Denn  nichts  lahmt  das  Literesse  der  studierenden 
Jugend  so  sehr,  als  der  Eindruck,  es  sei  das  Vorgetragene  fertig  und 
abgeschlossen.  Also  für  die  Jugend  sind  die  Literaturangaben,  damit 
sie  weitere  Wege  findet,  nicht  für  die  Gelehrten.      ^ 

Auch  die  historischen  Angaben  wollen  anspruchslos  ohne  philo- 
logische Pratension  genommen  sein.  Es  kam  mir  nur  darauf  an, 
Verständnis  für  das  Werden  meiner  Wissenschaft  zu  erwecken  und 
gute  alte  Gedanken  in  dem  modernen  ökonomischen  Betriebe  der 
Wissenschaft  nicht  untergehen  zu  lassen.  Es  steckt  oft  erstaunlich 
Tiefes  in  einem  angeblichen  „Wortstreit''  der  Alten. 

Vielleicht  darf  ich  zum  Schlüsse  noch  meiner  Lehrer  gedenken, 
die  vielfach  ungenannt,  doch  wohl  dem  Kenner  sichtbar  hinter  dem 
Buche  stehen;  es  sind  August  Ritter  (f),  Felix  Klein  und  Karl 
Heun.  Diese  drei  haben  persönlich  mein  Literesse  der  Mechanik 
gewonnen;  ich  möchte  aber  noch  einen  ganz  alten  als  vierten  nennen: 
Immanuel  Kant,  den  Philosophen,  der  am  tiefsten  erkannt  hat,  wie 
eng  Philosophie  und  exakte  Wissenschaften  zusammengehören. 

und  nun  zur  Jugend:  Mein  Freund  und  früherer  Assistent  Herr 
Professor  y.  Mises  in  Straßburg  hat  das  ganze  Buch  im  Fahnensatz 
gründlich  durchgesehen  und  mir  sehr  wertvolle  VerbesserungSYorschlage 
gemacht.  Auch  ein  großer  Teil  der  Aufgaben  stammt  von  ihm.  Ich 
spreche  ihm  meinen  wärmsten  Dank  für  sein  lebhaftes  unermüdliches 
Interesse  aus. 

Einige  andere  Aufgaben  hat  Herr  Dipl.-Ing.  Kurt  y.  Sauden, 
jetzt  in  Kiel,  beigesteuert. 

Mein  jetziger  Assistent,  Herr  Dr.  Alfred  Lechner,  hat  mich  bei 
der  Satzkorrektur  wesentlich  unterstützt,  die  Aufgaben  durchgerechnet 
und  die  Register  angefertigt.  Herr  Rudolf  Kreutzinger,  Assistent 
bei  unserer  Lehrkanzel  für  Geometrie,  hat  nach  meinen  Skizzen  die 
Figuren  gezeichnet.  Ich  bin  der  Mühewaltung  beider  Herren  zu 
großem  Danke  Yerpflichtet. 

EndUch  gebührt  dem  Verlag  mein  bester  Dank  fUr  das  große 
Eni^egenkommen,  mit  dem  er  meine  Wünsche  zur  Ausstattung  des 
Buches  berücksichtigt  und  größere  Korrekturen  während  des  Druckes 
gestattet  hat. 

Brunn,  im  November  191 L  6.  HAMEL 


INHALT. 

Erster  Abschnitt 

Die  Gnindbegiiffe. 

Kapitel  I. 

Begriidvig  des  kiBetischeB  Knftb^riffSes. 
xr.  §  1.  Eiiüelt«B^ 1 

1 — 9.  Die  Aufgaben  der  Mechanik.  —  Über  die  Stellung  der  Mechanik  in 
den  anderen  WiasenBchaften.  —  Die  Erken  n  tniagnellen  der  Mechanik.  — 
Die  Grandanschaming  der  Mechanik  —  Das  Yerh&ltnis  der  TeiBchie- 
denen  Erkenntniaqaellen  soeinander.  —  Cber  den  Begriff  des  Azionu.  — 
Schlofibemerkong.  —  Die  Einteilung  der  Mechanik.  —  Literatur. 

§  8.  Über  RavB,  Zeit  «ad  Bewegug 18 

10 — 14.  Über  die  Zeitmeerang.  —  Der  Begriff  der  Bewegung.  —  Beispiele.  — 
Beobachtungsmethoden  für  Bewegungen.  —  Der  absolute  Baum. 

§  S.   Die  Gesekwindigkeit 17 

15—80.  Die  Bahngeschwindigkeit.  —  Beispiele.  —  Dimension  der  Geschwindig« 
keil  —  Die  Geschwindigkeit  als  Vektor.  —  Darstellung  der  Ge- 
schwindigkeit in  Koordinaten.  —  Ausdruck  der  allgemeinen  ebenen 
Bewegung  in  Polarkoordinaten. 

§  4.  Der  f^ie  Fall 88 

81 — 84.  Die  Tcrtikale  Fallbewegung.  —  Der  schiefe  Warf.  —  Vergleich  der 
Galileischen  Fallgesetze  mit  der  Erfahrung.  Inwiefern  hat  Galilei 
das  ^Wesentliche^  der  Erscheinung  herausgeschnitten?  —  Der  typische 
Ausdruck  för  das  Gesetz  der  Klasse  aller  Fall-  und  Wurf  bewegungen. 

§  5.   Die  Besehleiutgiing 87 

26—88.  Bahnbeschleunigung  und  Beschleunigung  als  Vektor.  —  Zerlegung  des 
BeschleunigungBTektors  nach  dem  natürlichen  Koordinatensystem  der 
Bahnkurre.  —  Ausdruck  der  Beschleunigung  bei  der  allgemeinen 
ebenen  Bewegung  in  Polarkoordinaten.  —  Der  Hodograph. 

§  6.  Zwei  elBfaehe  FlUe  tob  RelatiTbewegiiBg 38 

29—31.  Zusammensetzung  von  Geschwindigkeiten.  —  Der  führende  Körper 
hat  eine  Translationsbewegung.  —  Die  Bewegung  auf  einem  um 
einen  festen  Punkt  rotierenden  Strahl. 


Inhalt. 

Seite 

Hr.  §  7.  Die  Planetenbewe^migr  als  Zentralbewegiiiicr 36 

82 — 84.  Die  Keplerschen  Gesetze.  —  Folgerung  für  die  Beschlemiigang.  — 
Ableitung  der  Eeplerscben  Gesetze  aus  dem  Newtonschen. 

§  8.  Die  schwingende  Feder«    Die  Masse  als  Trfigheitsfaktor    .    48 

85 — 88.  Die  freie,  ungedämpfte  Schwingung.  —  Einführung  des  Massen* 
begriffes.  —  Das  Gesetz  der  Federschwingung  als  Massenbeschlenni- 
gungsgesetz.  —  Die  Gesetze  der  Fallbewegung  und  der  Planeten- 
bewegung als  Kraftgesetze. 

§  9.  Kraft  und  Ursache 49 

39 — 47.  Über  den  Druck.  —  Der  Druck  als  bewegungsbestimmendes  Moment. — 
Die  Kraft  als  typischer  Ausdruck  für  das  Gesetz  einer  Klasse  von 
Bewegungserscheinungen.  —  Es  gibt  zwei  Arten  von  Kräften.  — 
Die  Ursache  einer  Kraft  und  einer  Bewegung.  —  Das  sogenannte 
Parallelogramm  der  Kräfte.  —  Beweis  des  Parallelogrammsatzes  auf 
Grund  gewisser  einfacher  Axiome.  —  Die  Zerlegung  der  Kräfte,  das 
Dynamometer.  —  Das  erste  (Newtonsche)  Grundgesetz  der  Mechanik. 

§  10.   Axiomatische  Zusammenfassang  der  Resultate  des  ersten 

Kapitels«    Mafisysteme 68 

48 — 49.  Die  Axiomgruppen  I — Y.  —  Das  physikalische  und  technische  Maß- 
system. 

Kapitel  II. 

Die  sogenannte  Punktmechanik. 

50.     Allgemeine  Bemerkung  über  den  Punkt  als  Objekt  der  Mechanik    66 

§  11.   Der  Schwerpunktsalz 67 

61—53.  Beweis  des  Schwerpunktsatzes  mit  Benutzung  der  lex  tertia.  — 
Sätze  über  die  Lage  des  Massenmittelpunktes.  —  Berechnung  einiger 
Massenmittelpunkte. 

§  12.   Normaldruck  und  Haftreibung  gegen  Gleiten    ....     74 

64-58  a.  Feste  und  starre  Körper.  —  Statik  der  Stützflachen.  Einleitung.  — - 
Fortsetzung:  Normaldruck  und  Haftreibung.  —  Beispiele  und  Auf- 
gaben. —  Reaktionskräfte  und  eingeprägte  Kräfte.  —  Haftreibung 
als  bewegungef Ordern  de  Kraft. 

§  18.   Glcilreibnng 88 

69—64.  Die  Coulomb-Morinschen  Gesetze.  —  Kritik  der  Gesetee.  Trockene 
und  Schmierreibung.  —  Die  Gleitreibung  ist  eine  eingeprägte  Kraft.  — 
Axiomgruppe  VI:  Über  Reaktionskräfte.  —  Der  Satz  vom  zureichenden 
Grunde.  Das  Isotropie-  und  Homogenitätsprinzip  des  Raumes.  — 
Beispiele  und  Aufgaben. 

§  14.  Der  masselose,  Tollkommcn  biegsame,  nnausdehnbare  Faden    98 

U6— 67.  Theorie  des  Fadens.  —  Kleine  Schwingungen  des  mathematischen 
Pendels.  —  Weitere  Beispiele  und  Aufgaben. 


X  Inhalt. 


Nr. 


Seite 

16.  Über  den  Lnftwldentand 109 


68—72.  Die  Newtonschen  Gesetze.  —  Moderne  experimentelle  und  theore- 
tische Er^bnisse. — Die  vertikale  FaUbewegnng  im  widerstehenden 
Mittel.  —  Das  balÜBtische  Problem.  —  Die  freie,  gedämpfte  Schwin- 
gung bei  einem  Freiheitsgrad  (Pendel  mit  Luftwiderstand). 

§  16.  Theorie  der  erzwuogenen  Schivlngungen  bei  eiaem 

Freiheitsgrad 124 

78—76.  Das  Seismometer  and  der  Pallograph.  —  Ableitung  der  Differential- 
gleichung; ihre  allgemeine  Bedeutung.  —  Integration  der  Diffe- 
rentialgleichung. —  Diskussion  des  Resultats. 

Kapitel  IH. 

Energie  nnd  Arbeit 

§  17.   Der  Energiegati  in  der  Punktmeehanik 180 

77— 8i.  Historische  Bemerkungen.  —  Aziomatische  Einfuhrung  der  Be- 
griffe: kinetische  Energie  und  Arbeit.  —  Elementare  Einführung 
der  Begriffe.  —  Unterschied  des  Energiesatzes  fOr  die  Punkt- 
mechanik Yon  dem  Energiesatz  für  Systeme.  —  Dimensionen  und 
Maßeinheiten.  —  Weitere  Sätze  über  die  Arbeit.  —  Über  die  Be- 
deutung des  Energiesatzes.  —  Beispiele  und  Aufgaben. 

§  18.   Die  potentielle  Energie 138 

86 — 89.  Das  Potential  —  Beispiele.  —  Wann  hat  eine  Kraft  ein  Poten- 
tial? —  Niveaufläche  und  Gradient.  —  Der  Begriff  der  potientiellen 
Energie  für  ein  beliebiges  System. 

§  19.   Tollständige  Theorie  der  ebenen  Bewegung  des 

mathematischen  Pendels 144 

90—94.  Die  Energiegleichung.  —  Das  umlaufende  Pendel.  —  Das  hin- 
und  herschwingende  Pendel.  —  Der  Übergangsfall.  —  Verhalten 
der  Fadenspannung. 

Kapitel  IV. 

Die  Elemente  der  Himmelsmechanik. 

§  20.   Das  allgemeine  Graritationsgesets 161 

95—98.  Ableitung  des  Gesetzes  mit  Benutzung  der  lex  tertia.  —  Die  An- 
ziehung einer  aus  homogenen  konzentrischen  Schalen  zusammen- 
gesetzten Kugel.  —  Über  die  Stetigkeit  des  Potentials  und  seiner 
Ableitungen.  —  Ergebnisse  von  Beobachtungen. 

§  21.   Das  Problem  der  Planet«nbewegung 159 

99 — 105.  Das  Zwei-Körperproblem.  —  Ansatz  des  n-Körperproblems.  —  Der 
Schwerpunktsatz  des  n- Körperproblems.  —  Der  Momentensatz  des 
n  -  Körperproblems.  —  Der  Momentensatz  als  verallgemeinerter 
Flächensatz.  —  Der  Energiesatz  des  n-KOrperproblems.  —  Weitere 
Orientiemng.    Literatur. 


Inhalt.  XI 

Schlnß  des  ersten  Abschnitts:  s«it« 

Nr.  §  22.  Übergang  zur  S/stemmecbanik 167 

106 — 110.  Die  Hypothese  des  materiellen  Punktes.  —  Ableitung  des  Schwer- 
ponktsatzes  fSr  beliebige  Systeme.  —  Ableitung  des  Momenten- 
satzes für  beliebige  Systeme.  —  Der  allgemeine  Energiesatz.  — 
Schlußbemerkungen. 

Zweiter  Abschnitt 

Statik.  • 

Kapitel  V. 

Statik  des  starren  Korpers  (Theorie). 

111.      Problemstellung  und  Definitionen 173 

§  23.  Die  erlanbtea  Operationen  und  ihre  Inrarianten.   .    .  173 

112—114.  Fall  einer  endlichen  Anzahl  von  Kräften.  Begriff  des  Momentes.  — 
Zurückführung  des  allgemeinen  Falles  auf  den  Yorhergehenden. 
Aziomgruppe  VII.  —  Bildung  des  Momentes  für  yerschiedene  Be- 
zugspunkte.   Das  Moment  eines  Krftftepaares. 

§  24.   Znsammensetznng  der  Kr&fte  in  der  Ebene  ....  177 

116—120.  Zusammensetzung  zweier  Kr&fte.  —  Zusammensetzung  beliebig 
vieler  Kräfte.  Die  Gleichgewichtsbedingungen.  —  Analytische 
Formulierung  der  Resultate  —  Graphische  Methode.  Seilpolygon.  — 
Die  Cnlmannsche  Gerade.  —  LOsung  der  Aufgabe,  das  Seileck 
durch  drei  gegebene  Punkte  zu  legen. 

§  26.   Zerlegnng  der  Kr&fte  in  der  Ebene 189 

121 — 123.  Zerlegrung  in  zwei  Kräfte.  —  Fortsetzung.  —  Zerlegung  in  drei 
Kräfte. 

§  26.   Zusammensetzung  der  Kr&fte  im  Räume 194 

124 — 128.  Zurückführung  auf  eine  Kraft  und  ein  Kräftepaar.  —  Die  Kraft- 
schraube (Dyname).  —  Analytische  Formulierung  der  Resultate.  — 
Das  Moment  in  bezug  auf  eine  Achse.  —  Die  Gleichgewichts- 
bedingung, ausgedrückt  durch  das  Nullwerden  Ton  Momenten. 

§27.   Das  Nnllsystem 200 

129—184.  Zurückführung  auf  zwei  Kräfte.  —  Nullpunkt  und  Nullebene.  — 
Beziehung  des  Nnllsystems  zur  Kraftschraube.  —  Das  Nullsystem 
als  linearer  Komplex.  —  Erledigung  des  Ausnahmefalles  von 
Nr.  128.  Zerlegung  eines  Kräftsystems  nach  sechs  Geraden.  — 
Geschichte  und  Literatur. 

Kapitel  VI. 

Statik  des  starren  KSrpers  (Anwendangen). 

§  28.  ZusammeBsetziiBg  paralleler  Kr&fte 200 

136 — 188.  Parallele  und  gleichgerichtete  Kräfte  lassen  sich  stets  auf  eine 
einzige  Kraft  zurückführen.  —  Der  Schwerpunkt.  —  Graphische 
Zusammensetzung  paralleler  längs  einer  Strecke  stetig  verteilter 
Kr&fte.  Die  Seilkurve.  —  Graphische  Bestimmung  einer  Schwer- 
achse. 


Xn  Inhalt 

Seift« 

Nr.  §  89.   Beispiele  und  Anfj^nben 214 

189 — 140.  Beispiele.  —  Aufgaben. 

§  80.   Der  Hebel 820 

141 — 146.  Gleichgewicht  eines  nm  eine  feste  Achse  drehbaren  starren  Kör- 
pers. —  Anwendungen:  Wage  und  Winde.  —  Zapfenreibung.  — 
Beispiele  und  Aufgaben.  —  Fortsetzung  von  Nr.  148,  Kritik.  — 
Die  Bohrreibung. 

§  31.   Die  Schraube 282 

147 — 160.  Die  flachgängige  Schraube.  —  Die  scharfgängige  Schraube.  — 
Der  Wirkungsgrad  einer  Maschine.  —  Literatur  zur  technischen 

Statik. 

Kapitel  Vn. 

Statik  der  Systeme. 

§  32.   Systeme  aus  einer  endliehen  Anzahl  starrer  Körper .   .  288 

161 — 167.  Die  allgemeine,  synthetische  Methode.  —  Der  Grelenkträger.  — 
Die  Brückenwage.  —  Das  Stabpolygon.  —  Statik  des  Schubkurbel- 
getriebes. —  Die  innere  Beanspruchung  eines  starren  Körpers.  — 
Zug,  Druck,  Schub,  Torsions-  und  Biegungsmoment. 

§  88.  Der  yertikal  belastete,  horizontale  TrSger 249 

168 — 166.  Formulierung  der  Aufgabe.  —  Lösung'  für  den  Fall  einer  end- 
lichen Anzahl  Ton  Kräften.  —  Graphische  Bestimmung  des  Mo- 
mentes einer  Kraft.  —  Anwendung  auf  die  Bestimmung  des  Biegungs- 
momentes. —  Die  rechnerische  Lösung  der  Probleme  im  Falle  kon- 
tinuierlicher Belastung.  —  Die  Seil  kurve  als  Momentenlinie.  — 
Beispiel  der  gleichförmigen  Belastung.  —  Stetigkeitsverhältnisse 
der  Momentenlinie.  —  Das  Maximum  der  Biegungsbeanspruchung. 

§  34.   Einleitung  in  die  Theorie  der  statisch  bestimmten 

ebenen  Fachwerke 262 

167-174  a.  Allgemeine  Bemerkungen.  —  Dreiecksfachwerke.  —  Die  Rittersche 
Schnittmethode.  —  Die  Methode  des  Kräfteplans.  —  Der  Gremona- 
sche  Ejräfteplan.  —  Fortsetzung.  —  Reziproke  Figuren.  —  Die 
Methode  der  Stabvertauschung  nach  Henneberg.  —  Literatur. 

§  36.   Elemente  der  Gewölbetheorie 274 

175 — 177.  Gleichgewicht  eines  Keilsystems.  —  Druckkurve  und  Stützlinie.  — 
Beispiel  des  Parabelbogens. 

§  36.    Faden  nnd  Seil 280 

178 — 191.  Axiom  VIII:  Das  allgemeine  Erstarrungsprinzip  der  Statik.  —  Der 
vollkommen  biegsame  Faden.  —  Spezialfälle.  Eulers  Formel  für 
Treibriemen.  —  Der  Flaschenzug.  —  Berücksichtigung  von  Wider- 
ständen. —  Experimentelle  Ergebnisse  über  die  Seils teifigkeit  — 
Theoretischer  Ansatz  für  das  steife  Seil.  —  Das  kräftefreie  steife 
Seil.  —  Einführung  der  erforderlichen  Hypothese.  —  Folgerungen 
für  das  kräfte freie  Seil.  —  Einführung  einer  Zusatzhypothese.  — 
Vereinigung  beider  Hypothesen  zu  einer  einzigen.  —  Ein  Fall,  in 
dem  die  erste  Hypothese  genügt.  —  Anwendung  auf  die  stationäre 
Bewejjung. 


Inhalt.  Xm 

Schluß  des  sweiten  AhschnittB:  Seit« 

Hr.  §  37.  Übergang  znr  Kinetik  starrer  Systeme 800 

19S — 208.  Gleichgewicht  and  Äquivalenz  von  Ejräfben  an  einem  System  Ton 
n  Freiheitsgraden.  —  Das  d'Alembertsche  Prinzip.  —  Der  am  eine 
feste  Achse  rotierende  starre  Körper.  —  Das  physische  Pendel.  — 
Das  Beversionspendel.  —  ZurückfÜhrung  des  d'Alembertschen  Prin- 
zips auf  ein  einfacheres  Prinzip.  —  Die  sogenannte  Zentrifugal- 
kraft. —  Bewegung  eines  Wagens  in  einer  Kurve  auf  überhöhter 
Bahn.  —  Die  stationäre  Bewegung  des  Zentrifugalregulators.  — 
Anwendungen  des  d^Alembertschen  Prinzips  auf  Kinetostatik.  — 
Weitere  Beispiele  und  Aufgaben.  —  Die  Beweg^ngsgleichungen 
des  freien  starren  Korpers. 

Dritter  Abschnitt. 

Allgemeine  Mechanik. 

Kapitel  Vm. 

Grundlagen  einer  allgemeinen  Mechanik. 

§  88.  Das  erste  (Newtongehe)  Grundgesetz 318 

204 — S06.  Das  Gegen  Wirkungsgesetz.  —  Die  Spannungsdyade.  —  Der  Schwer- 
punktfisatz. 

§  39.   Das  zweite  (Boltzmannsehe)  Grundgesetz 823 

207 — 212.  Der  Momentensatz.  —  Axiom  IX:  Die  Symmetrie  der  Spannungs- 
dyade. —  Worauf  stützt  sich  die  Berechtigung  dieses  Axioms?  — 
Andere  Fassungen  des  Momentensatzes.  —  Der  Momentensatz, 
bezogen  auf  eine  Achse.  —  Einfache  Anwendungen  des  Momenten- 
satzes. 

§  40.    Weitere  Anwendungen  yon  Sebwerpunkts-  und 

^omentensatz 388 

218—218.  Der  um  eine  feste  Achse  rotierende  starre  Körper.  —  Auslauf 
eines  zentrierten  Bades  infolge  der  Lagerreibung.  —  Die  Atwood- 
sche  Fallmaschine  (ohne  Reibung).  —  Berücksichtigung  der  Rei- 
bung. —  Anwendung  auf  Aufzüge  und  Krahne.  —  Berechnung 
der  Lagerreaktionen  eines  um  eine  feste  Achse  rotierenden  starren 
Körpers. 

Kapitel  IX. 

Ebene  Bewegung  des  starren  Körpers. 

§  41.  Lagenänderangen  eines  starren  Körpers  in  der  Ebene  .  842 

219 — 221.  Allgemeine  Bemerkungen.  —  Weiteres  über  endliche  Lagenände- 
rungen. —  Zusammensetzung  ebener  Bewegungen. 

§  42.   Der  Oesehwindigkeits-  und  Besehleunignngszustand 

bei  der  ebenen  Bewegung  eines  starren  Körpers 347 

222 — 286.  Übergang  zu  unendlich  kleinen  Verschiebungen.  —  Eulers  Formel 
für   die  Geschwindigkeit.  —  Das  Momentanzentrum  der  ebenen 


XIV  Inhalt. 

Nr.  Seit« 

Bewegung.  —  Beispiele.  —  Die  Polbahnen.  —  Gleichungen  der 
Polbahnen.  —  Belatiyit&t  der  Bewegung.  Die  reziproke  Be- 
wegung —  Relative  Bewegung  mehrerer  ebener  Figuren  gegen- 
einander. —  Zusammensetzung  unendlich  kleiner  Bewegungen.  — 
Anwendung  auf  die  Theorie  der  Zahnräder.  —  Weitere  Be- 
merkungen über  Zahnräder.  —  Der  Beschleunigungszustand  eines 
ebenen  Systems.  —  Wählen  wir  speziell  für  C  das  Momentan- 
zentrum.  —  Schlußbemerkung  und  Literatur. 

§  43.  Sln6lik  der  ebenen  Bewegung  des  starren  KSrper.««  .  .  368 

236 — 248.  Die  drei  Bewegungsgleichnngen.  —  Anfahren  eines  Znges.  ~  Ein 
Rotationskörper  rolle  eine  schiefe  £bene  herab.  —  Aufgaben.  — 
Wahl  eines  anderen  Bezugspunktes.  —  Das  Rollpendel.  —  Über 
die  Rollreibung.  —  Beispiele. 

§  44.   Energiegleichnng  der  ebenen  Benegung 874 

244 — 246.  Kinetische  Energie  und  Arbeit  bei  einem  um  eine  feste  Achse 
rotierenden  starren  Körper.  —  Energiegleichung  für  die  aUgemeine 
ebene  Bewegung.  —  Anwendungen  des  Energiesatzes. 


Kapitel  X. 

Ränmliche  Bewegnnji^  des  starren  Ktrpers. 

§  46.  Hassengeometrie  des  starren  KSrpers 379 

247—269.  Trägheit  s-  und  Deviationsmomente.  —  Das  Trägheitsellipsoid.  — 
Die  Bedeutung  des  Trägheitsellipsoides.  —  Die  Trägheitsdyade.  — 
Die  Spannungsfläche.  —  Übergang  zu  beliebigen  orthogonalen 
Koordinatensystemen.  —  Spezialisierung  fnr  die  Ebene.  —  Die 
Culmannsche  Trägheitsellipse.  —  Die  Mohrschen  Trägheitskreise.  — 
Berechnung  einiger  geometrischer  Trägheitsmomente.  —  Graphische 
Bestimmung  von  Trägheitsmomenten»  ebener  Figuren.  —  Fort- 
setzung. —  Experimentelle  Bestimmung  von  Trägheitsmomenten. 

§  46.  Geometrisehe  Kinematik  des  starren  KSrpers ....  896 

260 — 266.  Allgemeines.  —  Darstellung  der  Koordinaten  durch  die  Eulerschen 
Winkel.  —  Endliche  Lagenänderungen  des  starren  Körpers.  — 
Übergang  zu  unendlich  kleinen  Bewegungen.  —  Zusammensetzung 
unendlich  kleiner  Drehungen.  —  Ausdruck  des  Drehvektors  dx 
durch  die  Differentiale  der  Eulerschen  Winkel.  —  Anschauliche 
Darstellung  der  Bewegung. 

§  47.  Kinematik  der  Belatiybewegnng 406 

267—269.  Zusammensetzung  der  Geschwindigkeiten.  —  Absolute  und  relative 
Änderung  eines  Vektors.  —  Die  Beschleunigung. 

§  48.  Massenkinematik  des  starren  KQrpers 408 

270 — 273.  Die  kinetische  Energie.  Aufgabe  dieses  Paragraphen.  —  Die  Be- 
ziehung zwischen  J  und  m.  —  Geometrische  Yeranschaulichung 
dieser  Beziehung.  —  Weitere  Beziehungen  zwischen  JE,  J  und  m. 


Inhalt  XV 

8«ito 
Nx.  §  49.  Kinetik  des  einielnen  starren  KSrpers 414 

274—284.  Die  Bewegxmgtgleichungen.  —  Die  kräftefreie  Drehbewegung.  — 
Fortsetzung:  Ist  das  Trägheitsellipsoid  kein  Rotationsellipsoid.  — 
Stabilität  der  Bewegung  um  die  Hauptachsen.  —  Tendenz  zum 
Parallelismus  bei  einem  dauernd  wirkenden  Kräftepaar.  —  Der 
schwere  symmetrische  Kreisel.  —  Der  Kreisel  in  der  Praxis.  — 
Die  Eulerschen  Gleichungen.  —  Analytische  Behandlung  der 
krftftefreien  Bewegung  des  symmetrischen  Kreisels.  —  Deviations- 
widerstand  eines  geführten  symmetrischen  Kreisels.  —  Literatur. 

§  60.  Energie  und  Arbeit  beim  starren  Körper 429 

886 — 288.  Die  Energiegleichung  für  den  starren  Körper.  —  Die  Arbeit  der 
inneren  Kräfte.  —  Andere  Ableitung  des  Energiesatzes.  —  Direkter 
Nachweis  des  Satzes  über  die  inneren  Spannungen. 

§  61.   Kinetik  der  Belatlrbewegung 438 

289—294.  Einfährung  der  Scheinkräfte.  —  Anwendung  auf  Bewegungen  auf 
der  Erde.  —  Das  Foucaultsche  Pendel.  —  Nochmals  der  Deviations- 
widerstand  eines  rotierenden  geführten  Ejreisels.  —  Der  Inertie- 
regulator.  —  Die  Arbeit  der  Scheinkräfte. 

§  62.   Impulsion  und  Stoß 448 

296  —808.  Der  gerade,  zentrale  Stoß.  —  Die  Grundgleichungen  der  Impulsion.  — 
Verhalten  der  Reibung  bei  Stoßprozessen.  —  Stoß  einer  rotierenden 
Kugel  gegen  eine  rauhe  Wand.  —  Der  Stoßmittelpunkt.  —  Das 
ballistische  Pendel  von  Robins.  —  Energieverlust  beim  Stoße  eines 
Hammerwerkes.  —  Plötzliche  Fixierungen.  —  Geschichte  und 
Literatur. 

Kapitel  XI. 

Kinetik  der  Systeme,  die  ans  einer  endlichen  Anzahl 

starrer  KSrper  bestehen. 

§  68.   Die  synthetisehe  Methode 467 

804 — 811.  Allgemeine  Bemerkungen.  Eingeprägte  und  Heaktionskräfte.  — 
Das  Schubkurbelgetriebe.  Das  Problem.  —  Fortsetzung:  Kine- 
matik. —  Fortsetzung:  Aufstellung  der  Bewegungsgleichungen.  — 
Schluß:  Weitere  Diskussion  der  reinen  Bewegungsgleichung.  — 
Aufgaben.  —  Verbesserung  der  synthetischen  Methode.  —  Weiteres 
Beispiel:  Die  Wage  als  Meßapparat  fiir  Exzentrizitäten. 

Einleitung  in  die  analytischen  Methoden: 
§  64.  Das  Prinzip  der  rirtnellen  Arbeiten 469 

812—818.  Aufstellung  des  Prinzips  —  Beispiele.  —  Anwendung  auf  die 
Theorie  des  ebenen  Fachwerkes.  —  Das  Toricellische  Prinzip.  — 
Zusammenfassung  des  Prinzips  der  virtuellen  Arbeiten  mit  dem 
Prinzip  von  d'Alembert  durch  Lagrange.  —  Beweis  des  Lagrange- 
schen Prinzips.  —  Plötzliche  Änderungen  der  kinematischen  Kon- 
stitution. 

§  66.  Die  allgemeine  Energiegleiehnng  der  Mechanik  fflr 

sklerononie  Systeme 478 

319—823.  Beweis  des  Energiesatzes.  —  Anwendung  auf  die  Dampfmaschine.  — 
Die  wichtigsten  kinetischen  Probleme  der  Dampfmaschine.  —  Auf- 
gabe (Schaukel).  —  Dirichlets  Stabilitätssatz. 


XVI  Inhalt. 

Seite 

Kr.  §  56.  Die  Lagraof^eschen  Gleichnncreii 488 

824 — 388.  Holonome  und  nichiholonome  Systeme.  —  Die  Bewegungsglei- 
chnngen.  —  Das  Impulsionsproblem.  —  Die  Gleichung  ddr  — 
ddf  =5  0 .  —  Die  Lagrangesche  Zentralgleichung.  —  Berechnung 
der  Lagrangeschen  ßeschleunigungskomponenten.  —  Beispiele.  — 
Die  Wage  als  Mittel  zur  experimentellen  Bestimmung  von  De- 
Tiationsmomenten.  —  Der  Schiffskreisel.  Elementare  Ableitung 
der  Gleichungen  des  Schiffskreisels.  —  Literatur  zur  analytischen 
Mechanik. 

§  57.   Kleine  Scliwingungeii  tou  zwei  Freiheitfigraden  ...  504 

884 — 845.  Die  allgemeinsten  Gleichungen  für  kleine  Schwingungen.  —  Inte- 
gration der  Gleichungen  L  —  Vereinfachung  der  Gleichungen.  — 
Diskussion  der  nichtgedämpfben  Schwingungen.  —  Fortsetzung: 
Brennans  Einschienenbahn.  —  Wirkung  der  Dämpfung  auf  an 
sich  stabile  Systeme.  —  Wirkung  der  Dämpfung  auf  an  sich  labile, 
durch  Kreisel  stabilisierte  Systeme.  —  Das  Problem  von  Glocke 
und  Klöppel.  —  Erledigung  eines  Einwandes.  —  Ein  anderer 
Spezialfall  des  Doppelpendels:  sympathische  Pendel.  —  Anwendung 
auf  den  Schiifskreisel.  —  Weiteres  über  den  Schiffskreisel. 

Kapitel  XÜ. 

Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme. 

§  58.   Faden  und  Seil 527 

346—858.  Bewegungsgleichungen  des  vollkommen  biegsamen  Seiles.  —  Sta- 
tionäre Bewegung.  —  Erweiterung  des  Begriffs  der  stationären 
Bewegung.  —  Eine  CTmformuug  der  Bewegungsgleichungen  für 
unausdehnbare  Fäden.  —  Allgemeine  Kinetik  der  Drähte.  —  Kleine 
Schwingungen  eines  freihängenden  belasteten  Seiles.  —  Fortsetzung. 
Vollständige  Bestimmung  von  f.  —  Spezialfall :  Reine  Schwingungen. 

§  59.   Etwas  aus  der  Theorie  der  linearen  DilTereBtial- 

und  Integralgleiclinngen 542 

854 — 861.  Unsere  PartikularlÖBungen  ein  System  von  Orthogonalfunktionen. — 
Unsere  Partikularlösungen  als  Integrale  linearer  Differentialglei- 
chungen. —  Lineare  Differentialgleichungen  und  ihre  Greensche 
Funktion.  —  Lösung  der  nichthomogenen  linearen  Differential- 
gleichung. —  Rückführung  der  allgemeinen  linearen  Differential- 
gleichung auf  eine  Litegralgleichung.  —  Resultate  aus  der  Theorie 
der  Integralgleichungen.  —  Anwendung  auf  lineare  Differential- 
gleichungen. —  Die  Entwicklung  nach  Eigenfunktionen.  Fourier- 
sche  Reihen. 

§  60.   Statik  isotroper,  liomogener  Medien 562 

862 — 873.  Die  Spannungsdyade  eine  Funktion  der  Deformationsdyade.  — 
Die  Deformation  als  affine  Transformation.  —  Die  Invarianten 
der  Deformation.  —  Spezialfall:  Übergang  zu  unendlichkleinen 
Deformationen.  —  Die  Arbeit  der  inneren  Kräfte.  —  Die  Über- 

gangsgleichungen   von    d~     zu   ^— du  usw.  —   Die  Beziehung 

ex  O  X 


Inhalt.  XYU 

Ht.  8«ite 

zwischen  Spannung  und  Deformation.  —  Fortsetzung.  —  Spezielle 
F&Ue:  ünendlichkleine  Deformationen.  —  Bolle  der  Entropie-  resp. 
Temperaturänderung.  —  Spezielle  Fälle:  Flassigkeiten.  —  Literatur. 

§  61.  Kinetik  isotroper,  homogener  Medien 682 

374 — 881.  Allgemeine  Bemerkungen.  Die  Entropie.  —  Die  Spannungsdyade.  — 
Ideale  und  zähe  Fl&saigkeiten.  —  botrope  Flüssigkeiten.  —  Über 
die  Zähigkeitskoeffizienten.  —  Die  Eontinuitätsgleichung.  —  YoU- 
slftndiger  mechanisch -tbermodynamischer  Ansatz  ffir  homogene 
isotrope  Gase  bei  Ausschluß  Ton  Wärmestrahlung.  —  Literatur. 

Anbang. 

Skizze  einer  Yektoranalygis 696 

L  Yektorrechnung.  —  H.  Yektorgeometrie.  —  DI.  Yektorintegrale.  — 
lY.  Elemente  der  Dyadenrechnung. 

Yerzeichnis  und  Auflösung  der  Aufgaben 607 

NamenyerzeichniB 628 

Sachregister .'   .  680 


Hamel:  Sl«]ii«nUrtt  MeohAnlk. 


Regelm&ßig  gebrauchte  Bezeiclmniigeii. 

(i.  d.  B.  bedeutet:  in  der  Regel.) 

1.  t  die  Zeit,  r^  Periode  oder  Umlaufszeit,  a  WinkelgeBchwindigkeit,  als 
Vektor  cä.  m  die  Masse,  ft  spezifische  Masse,  dm  Masse  eines  Yolumelementes. 
g  Fallbeschleunigung,  G^^mg  das  Gewicht,  \tg^^y  das  spezifische  Gewicht. 
dTVolumelement,  dF  Flächenelement,  §  Summation  (Integration)  über 
Volumina  oder  Flächen,  f  Integration  nach  der  Zeit  (i.  d.  R.),  ^  Summation  über 

eine  Reihe  einzelner  Größen.    T«s  S^'^'*'  Trägheitsmoment,  Djpy«=  ^dmxy 
Deviationsmoment,  6  Trägheitsradius,  s  Schwerpunktsabstand  (i.  d.  R.). 

2.  r  Ortsvektor,  v-=-^  Geschwindigkeit  (als  Vektor),  ip==  —  Beschleu- 
nigung, k  endliche,  dH  unendlich  kleine  Kraft,  K  Resultierende  (i.  d.  R.), 
X  spezifische  Kraft  pro  Volumseinheit  (oder  LäDgeneinheit),  er  pro  Flächeneinheit 
(»  Spannung,  Druck  im  allgemeinen  Sinne).  N  Normaldruck,  R  Reibung  (i.  d.  R.), 
2)  Resultierende  aus  beiden  (i.  d.  R.),  f  Reibungskoeffizient,  tp  Reibungswinkel 
(i.  d.  R.),  S  FadenspannuDg  (nur  in  den  letzten  Paragraphen:  Entropie). 

3.  !^!  oder,  wenn  MißTerständnis  ausgeschlossen,  einfach  k  Absolutwert 
des  Vektors  k.  Die  Indizes  x^y^z  bezeichnen  im  allgemeinen  die  Komponenten 
eines  Vektors  nach  den  AchscD,  nur  0^  bezeichnet  die  Spannung  auf  ein  Flächen- 
element senkrecht  zur  o;- Achse,  die  Komponenten  sind  hier  X^,  Y^,  Z^  genannt. 

4.  dA^^kdr  Arbeit  der  Kraft  k  bei  der  Verschiebung  dr  (allgemein 
ä'h   das   innere  Produkt   der  Vektoren   ä,  &).     U  das  Potential   einer  Kraft, 

ib  =  —  -,_  «=  —  grad  CT,  L  =«  *  •  r  die  Leistung.    E  die  kinetische  Energie  (leben- 

dige  Kraft). 

5.  M=^rk  Moment  einer  Kraft  (allgemein  ah  das  äußere  Produkt), 
J  SS  g  dmfv  der  Impuls?ektor. 

6.  -TT  zeitliche  Ableitung  an  ein  und  derselben  Materie  (materielle 
Fluxion)  in  bezug  auf  ein  ruhendes  Koordinatensystem.  Auch  durch  einen  über- 
gesetzten Punkt  bezeichnet:  vs=r.    ^— dasselbe,  bezogen  auf  ein  bewegtes  System. 

^-  zeitliche  Ableitung  bei  festgehaltenem  Orte  (lokale  Fluxion). 

7.  =  Gleichheit  auf  Grund  mechanischer  Gesetze,  ^  Gleichheit  auf  Grund 
mathematischer  Identität  oder  infolge  Definition.  (Nur  wenn  nötig,  unterschieden.) 
=^  angenähert  gleich,    ^  sehr  klein  gegen,   ^  sehr  groß  gegen. 

8.  Die  mit  einem  Stern  (*)  bezeichneten  Größen  beziehen  sich  auf  den 
Massenmittelpunkt  oder  Schwerpunkt. 


Erster  Abschnitt. 

Die  Grundbegriffe. 

Kapitel  L 

Begrflndnng  des  kinetisclien  Kraftbegriffes. 

%  1.   Einleitnng.') 

1.  Die  Aufgabe  der  Mechanik  besteht  darin,  die  Bewegungs- 
erscheinungen  in  der  uns  umgebenden  Natur  zu  untersuchen.  Dabei 
kann  es  aber  nicht  ihr  Endziel  sein,  lauter  einzelne  Bewegungen  in 
allen  ihren  Sonderheiten  möglichst  naturgetreu  zu  beschreiben:  so 
wichtig  eine  solche  Einzelerscheinung  im  Leben  eines  Menschen  oder 
aber  ganzer  Völker  sein  kann,  so  gleichgültig  ist  sie  an  sich  für  die 
Wissenschaft.  Eine  Anhäufung  von  noch  so  gutem  Beobachtungs- 
material ist  noch  keine  Wissenschaft,  sondern  nur  Stoff  zu  einer 
solchen.    Der  menschliche  Geist  muß  diesem  Stoff  noch  die  Form  geben. 

Eine  solche  Form  ist  notwendig.  Jede  Einzelerscheinung  an  sich 
ist  im  Grunde  genommen  unverständlich 

Eine  Tatsache  bleibt  eine  Tatsache;  mag  sie  noch  so  scharf 
beobachtet  sein,  sie  ist  allein  noch  kein  Gegenstand  des  Denkens,  das 
Beziehungen  zwischen  mehreren  Dingen  festzustellen  sucht.  Wir  sehen 
das  am  besten  am  Verhalten  des  unwissenschaftlichen  Menschen:  er 
beobachtet  manchmal  vielleicht  schärfer  wie  der  experimentierende 
Forscher,  aber  jede  ungewohnte  Erscheinung  ist  ihm  ein  Wunder. 
Macht  er  sie  aber  zum  Gegenstand  seines  Denkens,  und  bleibt  sie  als 
Tatsache  allein,  so  setzt  er  sie  doch  wenigstens  in  Verbindung  mit 
Phantasieprodukten,  Dämonen  usw.;  wird  sie  ihm  aber  auch  nur  zur 
Gewohnheit,  so  vollzieht  er  schon  einen  ersten  formgebenden  Akt 
des  Denkens:  er  faßt  mehrere  ähnliche  Erscheinungen  zu  einer 
Klasse  zusammen.  Dasselbe  muß  jeder  Naturforscher  tim:  er  klassi- 
fiziert die  Tatsachen. 

Ist  dieser  erste  Schritt  vollzogen,  so  ist  die  Bahn  für  das  kausale 
Denken  frei,  für  eine  wissenschaftliche  Formulierung  und  Beantwortung 

1)  Der  Anfänger  mag  diese  Einleitung  durchlesen  und  dann  gleich  zum 
Studium  von  §  2  übergehen. 

Hftmel:  Elemeutaro  Mechanik.  1 


2  !•  Begründung  des  kinetischen  KrafbbegriffeB.  Nr.  2. 

der  Frage:  warum?  Es  kann  jetzt  die  Frage  gestellt  werden:  Durch 
welche  anderen  Klassen  von  Erscheinungen  ist  eine  bestimmte  Klasse 
Yon  Ereignissen  erfahrungsgemäß  bedingt?  Wollte  man  das  Kausali- 
tatsprinzip  so  formulieren,  daß  man  fragt:  Durch  welche  Ereignisse 
oder  Daten  Ä,  B,  (7  .  .  .  ist  das  eine  Ereignis  X  bedingt,  so  stellte 
man  eine  Frt^e,  die  keine  Wissenschaft  beantworten  kann.  Wie  sollte 
jemand  durch  Erfahrung  wissen  können,  wodurch  das  eine  Ereignis  X 
bedingt  ist?  Wo  doch  ein  Ereignis  einfach  da  ist  inmitten  unend- 
lich vieler  anderer!  Aber  für  Klassen  von  Erscheinungen  hat  die 
Behauptung  ihrer  Abhängigkeit  einen  erforschbaren  Sinn,  denn  Indi- 
viduen einer  Klasse  können  immer  wieder  vorkommen,  die  Abhängig- 
keit kann  also  durch  wiederholte  Erfahrung,  ja  durch  künstlich  ge- 
wollte Erfahrung  (Experimente)  als  eine  immer  wiederkehrende,  d.  h. 
als  eine  gesetzmäßige  erkannt  werden. 

So  sind  die  Prinzipien  der  Klassifikation  und  der  Kau- 
salität die  Grundlagen  alles  wissenschaftlichen  Denkens,  also  auch 
notwendige  Grundprinzipien  für  die  Mechanik. 

Die  Individuen  einer  Klasse  werden  natürlich  irgendwie  von- 
einander verschieden  sein.  Es  muß  aber  ein  Gemeinsames  geben,  das 
für  die  Individuen  einer  Klasse  typisch  ist.  Dieses  Typische  muß 
gesucht  werden. 

So  werden  wir  auch  die  Bewegungserscheinungen  in  Klassen 
teilen  und  das  Typische  dieser  Klassen  suchen.  Als  solches  werden 
wir  für  jede  Klasse  eine  Kraft  kennen  lernen. 

Dem  Kausalitätsbedür&is  werden  wir  dann  dadurch  entsprechen, 
daß  wir  nach  den  Ursachen  einer  Kraft  fragen,  d.  h.  festzustellen 
suchen,  von  welchen  Daten  eine  Kraft  erfahrungsgemäß  bedingt  ist. 

Wir  können  so  zusammenfassen,  daß  wir  mit  Schell  (Theorie 
der  Bewegung  und  der  Kräfte)  sagen: 

Die  Mechanik  ist  die  Lehre  von  den  Bewegungen  und  von  den 
Kräften. 

2.  Über  die  Stellnng  der  Mechanik  zu  den  anderen 
Wissensohaften.  Es  dürfte  nach  dem  Yorhergesagten  klar  sein, 
daß  die  Mechanik  zunächst  eine  Naturwissenschaft,  also  eine  Erfah- 
rungswissenschaft ist.  Soweit  sie  sich  die  Aufgabe  stellt,  wirklich 
Bewegungserscheinungen  zu  klassifizieren  und  die  zugehörigen  Kraft- 
gesetze zu  finden,  ist  sie  ein  Zweig  der  Physik.  Sie  bedarf  also  weit- 
gehend der  Erfahrung  und  der  Experimente;  Kraftgesetze  a  priori, 
ohne  solche  Beobachtungsdaten  finden  zu  wollen,  muß  im  allgemeinen 
als  eine  verfehlte  Spekulation  bezeichnet  werden,  die  sich  gewöhnlich 
bitter  rächt.  Namentlich  der  Techniker  darf  sich  bei  der  Verant- 
wortung seines  Berufes  niemals  auf  willkürliche,  nicht  durch  die  Er- 
fahrung geprüfte  Annahmen  verlassen. 


Nr.  8.  §  1.    Einleitung.  3 

Daß  sich  die  Mechanik  außerdem  bei  der  Darstellung  der  eim- 
zelnen  Bewegungserscheinungen  und  ihrer  gegenseitigen  Abhängigkeit 
eines  strengen  Schluß  Verfahrens,  also  der  aUgemeinen  reinen  Logik 
und  der  exakten  Sprache  der  Mathematik  sowie  der  anschaulichen 
der  Geometrie  bedienen  wird,  ist  zu  erwarten.  Und  bei  dem  Alter 
und  dernDurchbildung,  welche  die  Mechanik  erfahren  hat,  ist  die 
Beziehung  sogar  recht  eng. 

Aber  die  Verwandtschaft  von  Mechanik,  Mathematik  und  Geometrie 
ist  noch  viel  näher  und  innerlicher.  Oben  wurde  der  empirische 
Charakter  der  einzelnen  Eraftgesetze  der  Mechanik  gehörig  betont; 
was  aber  die  Grundlagen  der  Mechanik  im  ganzen  angeht,  so  sind 
ihre  Gesetze  zu  einem  großen  Teil  Formen,  deren  Auffindung  viel- 
leicht durch  die  Erfahrung  angeregt  ist,  die  aber  trotzdem,  ebenso 
wie  die  Grundsätze  der  Mathematik  und  der  Geometrie,  apriorisch 
sind,  d.  h.  vor  aller  Erfahrung  bestehen  und  nur  ihren  Inhalt  durch 
die  Erfahrung  erhalten. 

8.  Die  Erkenntnisquellen  der  Mechanik.  Man  hat  oft  be- 
hauptet, daß  Mechanik  und  mit  ihr  alle  Naturwissenschaft  nur  auf 
Erfahrung  begründet  sei,  sogar  die  Geometrie  sollte  als  oberste  Natur- 
wissenschaft nicht  ausgeschlossen  sein.  Wir  haben  aber  schon  gleich 
zu  Anfang  darauf  hingewiesen,  daß  bloße  Tatsachen,  und  nur  solche 
liefert  uns  die  Erfahrung  (wenn  sie  es  allein  vermag?),  noch  keine 
Wissenschaft  ausmachen,  daß  es  noch  einer  besonderen  Tätigkeit  des 
Menschen  bedarf,  der  ordnenden  und  verbindenden  Denkarbeit.  Wider 
die  Erfahrung  als  alleinige  Quelle  aller  Naturwissenschaft  spricht  aber 
noch  manches  andere. 

Wir  suchen  vor  allem  wenigstens  für  die  allgemeinen  Fundamente 
bestimmte  exakte  Sätze.  Solche  aber  kann  Erfahrung  nie  liefern. 
Denn  jedes  ihrer  Resultate  ist  mit  Beobachtungsfehlern  behaftet, 
auch  zeigt  es  sich,  und  das  werden  wir  im  Laufe  dieses  Buches  be- 
sonders hervorheben,  daß  auch  das  von  den  Fehlern  „gereinigte" 
Resultat  noch  nicht  immer  direkt  verwendbar  ist,  daß  es  noch  zer- 
schnitten, präpariert  werden  muß,  um  in  die  Fächer  der  Wissenschaft 
eingeordnet  werden  zu  können.  Man  spricht  wohl  von  einem  „Ideali- 
sieren%  aber  das  ist  nur  ein  unbestimmter,  nichtssagender  Ausdruck, 
er  gibt  weder  Richtung  noch  Ziel.  Und  doch  ist  die  Frage  nicht 
abzuweisen:   Nach  welchen  Prinzipien  findet  die  Idealisierung  statt? 

Es  ist  an  sich  klar  und  kann  auch  ausführlich  gezeigt  werden 
(siehe  das  geistvolle  Buch  des  Franzosen  Poincare:  Wissenschaft 
und  Hypothese,  auch  sein  zweites  Werk:  Wert  der  Wissenschaft), 
daß,  rein  logisch  genommen  und  der  Erfahrung  entsprechend,  die 
„Idealisierung^^  und  damit  die  Verwissenschaftlichung  des  Beobach- 
tungsmaterials in  sehr  verschiedener  Weise  möglich  ist. 


4  I.  Begründung  des  kmeÜBchen  Eraftbegriffes.  Nr.  8. 

und  doch  hat  sich  allmählich  ein  ganz  bestimmter  Aufbau  einer 
jeden  Wissenschaft  herangebildet,  deren  Fundamente  schon  teilweise 
recht  fest  stehen.  Auch  gibt  es  gewisse  allgemeine  Gbiindsätze,  die 
wohl  kein  Physiker  heute  mehr  opfern  möchte.  Wie  steht  es  denn 
nun  mit  den  Ansprüchen  dieser  Grundsätze  auf  allgemeine  Zustim- 
mung? Handelt  es  sich  um  eine  bloße  Konvention,  die  BRjuem  ist 
und  jederzeit  abgestreift  werden  kann? 

Das  Beispiel  der  Oeometrie  wird  uns  den  Weg  zeigen.  Man  hat 
entdeckt,  daß  es  vom  rein  logischen  Gesichtspunkte  aus  eine  Geometrie 
gibt,  in  der  es  nicht  durch  jeden  Punkt  nur  eine  Parallele  zu  einer 
gegebenen  Geraden  gibt,  in  der  die  Winkelsumme  im  Dreiecke  folg- 
lich nicht  zwei  Rechte  beträgt.  An  der  rein  logischen  Existenz 
dieser  Geometrie,  d.  h.  an  ihrer  inneren  Widerspruchslosigkeit  ist 
nicht  zu  zweifeln.  Kann  man  nun,  etwa  durch  Messen  der  Winkel, 
praktisch  feststellen,  welche  Geometrie  richtig  ist,  diese  oder  unsere 
Euklidische?  Nein,  denn  einmal  gestatten  Messungen  keine  absolut 
exakte  Entscheidung,  dann  aber  beruht  die  Messung  auf  Annahmen 
physikalischer  Natur,  z.  B.  der,  daß  die  Lichtstrahlen  wesentlich 
geradlinig  laufen.  Aber  woher  weiß  man  das?  Nur  durch  physika- 
lische Experimente,  die  sich  wiederum  auf  die  Annahme  der  Eukli- 
dischen Geometrie  stützen.  Und  wäre  es  nicht  viel  plausibler,  im 
Falle,  daß  die  Messung  eine  erkennbare  Abweichung  der  Winkelsumme 
Yon  zwei  Rechten  ergeben  hätte,  die  Abweichung  auf  eine  Erumm- 
linigkeit  der  Lichtstrahlen  zurückzuführen  als  auf  die  Annahme  einer 
nichteuklidischen  Geometrie?  Zweifellos  das  erstere,  denn  die  Geo- 
metrie ist  das  Allgemeinere,  das  aller  Naturwissenschaft  Übergeordnete, 
das  erst  die  Möglichkeit  der  Erfahrung  (der  Messung)  gibt,  das  also 
einer  festen  Begründung  Yor  aller  Erfahrung,  a  priori,  wie  Kant 
sagt,  bedarf. 

Auch  sind  wir  ja  in  Wahrheit  nicht  durch  irgendwelches  Messen 
Ton  der  Richtigkeit  der  Grundlagen  der  Geometrie  überzeugt,  wir 
kommen  darauf  durch  eine  besondere,  über  das  rein  Logische  hinaus- 
gehende Art  des  Denkens,  die  Kant  reine  Anschauung  nannte,  die 
man  yielleicht  besser  anschauliches  Denkep  oder  noch  besser 
konstruktives  Denken  nennt:  Wir  konstruieren  uns  in  Ge- 
danken den  Raum  und  seine  Geometrie,  den  wir  dann  allen 
Messungen  und  Beobachtungen  zugrunde  legen. 

Solcher  konstruktiver,  apriorischer,  also  nicht  durch  die  Erfahrung 
gegebener  (vielleicht  wohl  von  ihr  angeregter),  sondern  durch  anschau- 
liches Denken  selbst  geschaffener  Elemente  des  wissenschaftlichen  Er- 
kennens  bedarf  aber  eine  jede  Naturwissenschaft. 

Wir  nannten  schon  die  Prinzipien  der  Klassifikation  und  der 
Kausalität,  sie  sind  ganz  sicher  apriorischer  Natur,  denn  keine  Er- 
fahrung kann  sie  uns  aufzwingen. 


Kr.  8.  §  1.    Einleitung.  5 

Ein  drittes  Prinzip  deuteten  wir  vorhin  auch  schon  an:  das 
Prinzip  der  Zerlegung  resp.  der  Zusammensetzung.  Die  Be- 
wegungserscheinungen lassen  sich  nicht  direkt  in  Klassen  teilen^  sie 
müssen  erst  zerlegt  werden.  Oder^  was  dasselbe  ist:  Jede  Bewegungs- 
erscheinung ist  eine  Zusammensetzung  vieler,  vielleicht  unendlich 
vieler  einfacher,  idealer  Bewegungen,  von  denen  dann  jede  einer  Klasse 
(einer  Kraft)  zugehört.  So  ist  gewissermaßen  eine  Erscheinung  meh- 
reren Klassen  zugeordnet. 

Dieses  dritte  Prinzip  blieb  den  Alten  ganz  verborgen,  erst  der 
große  englische  Naturphilosoph  Bacon  ofYerulam  sprach  es  um 
1600  aus:  ,,Man  müsse  die  Natur  zerschneiden/'  Als  Oanzes  wären 
uns  fast  alle  Naturerscheinungen  unverstandlich,  sie  wären  so  kompli- 
ziert und  mannigfaltig,  daß  der  Mensch  bald  jeden  Versuch  eines 
Verständnisses  aufgeben  müßte;  nur  in  wenigen  Fällen,  wo  eine  Klasse, 
die  an  einer  Erscheinung  beteiligt  ist,  dominiert,  würden  wir  vielleicht 
wenigstens  ein  angenähertes  Gesetz  erkennen  können. 

Diese  Zerlegung  resp.  Zusammensetzung  gehorcht  nun  einem 
vierten  Prinzip,  das  man  das  der  Gleichwertigkeit  der  Ursachen 
nennen  kann.  Ist  eine  Erscheinung  E  in  mehrere  einfache  der  Klassen 
K^y  K^  f  s,  .  .  .  zerlegt,  deren  Ursachen  je  U^,  U^  ü^y  '  -  -  seien,  so 
muß  E  eine  Funktion  der  U^f  U^,  U^^  .  ,  .  sein,  die  bei  verschiedener 
Anordnung  der  U  ungeändert  bleibt :  es  gibt  keine  Reihenfolge  der 
Ursachen.  So  selbstverständlich  dieser  Ausspruch  erscheinen  mag,  er 
ist  rein  logisch  nicht  beweisbar:  es  ließe  sich  sehr  wohl  eine  Rang- 
ordnung aller  Ursachen  denken.  Aber  diese  Rangordnung  wäre  etwas 
ganz  Unbegreifliches,  ihre  Einführung  bedeutete  den  nackten  Verzicht 
auf  naturwissenschaftliche  Erklärung. 

Verwandt  mit  diesem  Prinzip  ist  ein  fünftes:  Das  Prinzip  der 
Homogenität  und  der  Isotropie  des  Raumes  und  der  Zeit: 
es  gibt  keine  ausgezeichneten  Stellen  und  Richtungen  im  Räume  und 
in  der  Zeit.  Oder:  alle  Naturerscheinungen  sind  von  ihrer  Lage  und 
Orientierung  im  Räume  und  in  der  Zeit  unabhängig.  Oder:  Raum 
und  Zeit  können  nicht  als  Ursache  einer  Erscheinung  auftreten,  Raum 
und  Zeit  sind  nicht  materiell,  es  sind  eben  Gedankenkonstruktionen, 
wie  wohl  zuerst  Newton  klar  erkannte  und  aussprach.  Ein  Verzicht 
auf  dieses  Prinzip  würde  natürlich  logisch  denkbar  sein,  aber  es  führte 
etwas  ganz  Unerkennbares  in  den  Ursachenzusammenhang  ein  und 
ist  daher  a  priori  abzuweisen. 

Ist  der  Raum  als  solcher  kein  Objekt  der  Erfahrung,  so  liegt  es 
nahe,  ihn  überall  und  zu  jeder  Zeit  mit  Dingen  ausgefüllt  zu  denken, 
die  Objekt  der  Erfahrung  werden  können,  d.  h.  mit  Materie.  Wir 
fügen  demnach  als  ein  sechstes  Prinzip  das  der  Kontinuität 
hinzu:  Alle  physikalisch  beobachtbaren  Größen  sind  stetig  (und  stetig 
differentiierbar)  durch  den  ganzen  Raum  und  die  Zeit  verteilt.   Auch 


6  I.  Begrdndang  des  kinetischen  Eraflbegriffes.  Nr.  4. 

dieses  Prinzip  ist  mathematisch  unbeweisbar,  desgleichen  empirisch^ 
denn  keine  Erfahrung  ist  fein  genug,  um  zu  Differentialen  herab- 
zusteigen, und  doch  ist  sein  Ausspruch  eigentlich  das  Naheliegende, 
Selbstverständliche.  Soweit  unsere  Beobachtung  reicht,  erweist  sich 
die  Natur  in  einem  gewissen  Sinne  stetig,  d.  h.  es  gibt  allmähliche 
Übergänge:  wozu  also  leere  Räume  und  XJnstetigkeiten  einführen, 
wenn  sich  dieselben  jeder  Beobachtung  entziehen  und  außerdem  die 
Klarheit  und  Einfachheit  unseres  Vorstellungsbildes  erheblich  stören 
würden?  Wir  erfinden  uns  keine  Hohlräume  und  XJnstetigkeiten,  da 
wir  sie  nicht  brauchen  und  sie  nur  der  lebendigen  Auffassung  des 
materiellen  Zusammenhanges  aller  Dinge  im  Wege  sind. 

4.  Die  Ornndansohaaiing  der  Mechanik.  Die  Eontinuitäts- 
hjpothese  führt  uns  zu  einer  weiteren  Annahme,  die  als  Orundanschauung 
der  Mechanik  bezeichnet  werden  kann.  Ist  die  Materie  stetig,  so  kann  sich 
kein  Teil  derselben  bewegen,  ohne  daß  die  Nachbarschaft  in  Mitleiden- 
schaft gezogen  wird.  Ordnen  wir  nun  einer  jeden  Bewegungsklasse  eine 
Kraft  zu,  so  muß  in  diesem  Falle,  wo  die  Bewegung  eines  Stückes 
Materie  durch  die  Umgebung  beeinflußt  ist,  die  Ursache  dieses  Be- 
wegungsanteils in  der  Nachbarschaft  gesucht  werden.  Was  ist  nun 
aber  anschaulich  einleuchtender,  als  daß  wir  uns  die  Wirkung  der 
Nachbarschaft  auf  unseren  herausgegriffenen  Teil  in  einem  Druck 
(einer  Spannung)  Yorstellen,  d.  h.  in  einer  Kraft,  die  überall  auf  der 
Oberfläche  unseres  Stückes  Materie  verteilt  ist?  Wir  bilden  uns  auf 
diese  Weise  die  Anschauung  eines  dynamischen  Zusammenhanges 
der  Materie  und  sprechen  den  Grundsatz  aus: 

In  der  ganzen  mcUerieUen  Natur  herrschen  Spannungen  (Drucke), 
welche  längs  eines  jeden  Flächenelementes  die  sich  dort  berührenden 
materiellen  Teile  aufeinander  atisüben. 

Von  diesen  Spannungen  haben  wir,  soweit  wir  selbst  Objekt 
der  Mechanik  sind,  auch  eine  direkte  sinnliche  Anschauung:  Wir 
fühlen  beständig  an  unserer  Körperoberfläche  Drucke  der  Umgebung 
auf  uns,  in  unserem  Körper  Drucke  der  einzelnen  Oliederteile  gegen- 
einander und  Spannungen  in  den  Muskeln.  Wenn  die  Geometrie,  obne 
an  sich  Objekt  der  räumlichen  Erfahrung  zu  sein,  docb  Tor  aUem 
dem  Auge  und  dem  Tastsinne  verwandtschaftlich  zugeordnet  ist,  in- 
dem diese  Organe  dem  geometrischen  Yorstellungsvermögen  neue  An- 
regung geben,  so  sind  es  vor  allem  der  Muskelsinn  und  der  Druck- 
sinn (es  gibt  auf  der  Haut  besondere  Druckpunkte  mit  Sinnesorganen 
für  Druck),  welche  ein  Einfühlen  in  die  Gesetze  der  Mechanik  ge- 
statten. Es  kann  dem  Studierenden  der  Mechanik  nicht  warm  genug 
empfohlen  werden,  als  Beispiel  für  mechanische  Sätze  den  eigenen 
Körper  —  sei  es  als  druckempfangend  oder  druckausübend  —  zu 
betrachten. 


Nr.  6,  6.  §  1.    Einkitung.  7 

6.  Das  YerhUtnis  der  versohiedeiien  Erkenntnisquellen 
icueiiiaiider.  Fügt  man  unseren  sechs  Prinzipien  noch  als  Postulat 
hinzu,  daß  es  überhaupt  ein  allgemeines  Grundgesetz  der  Mechanik 
geben  soll,  welches  den  Bereich  der  zu  irgendeiner  Kraft  gehörenden 
Bewegungen  feststellen  soll,  so  kann  man  zeigen,  daß  unsere  Prin- 
zipien ausreichen,  den  Eraftbegriff  als  Form  vollständig  festzulegen, 
derart,  daß  jedes  empirisch  gegebene  Bewegungsgesetz  für  eine  Klasse 
von  Erscheinungen  sich  wesentlich  nur  in  einer  Weise  in  die  ent- 
sprechende Form  bringen  läßt.^)  Es  gibt  nur  ein  passendes  Kleid 
für  die  Wirklichkeit,  und  für  Willkür  ist  kein. Baum  mehr. 

Das  soll  hier  nicht  näher  ausgeführt  werden.  Aber  es  muß  be- 
betont werden,  daß  jene  Erkenntnisquellen  allein  nicht  ausreichen, 
die  postulierten  Grundgleichungen  der  Mechanik  abzuleiten.  Diese 
Gleichungen,  welche  die  Beziehung  der  Kraft  zur  Bewegung  ausdrücken, 
oder  mit  anderen  Worten,  welche  aussagen,  wie  groß  der  Umfang  der 
durch  eine  Kraft  bestimmten  Klasse  von  Bewegungserscheinungen  ist, 
müssen  in  ihrer  speziellen,  üblichen,  auf  Newton  zurückgehenden 
Form  als  Ausfluß  der  bisherigen  Erfahrung  bezeichnet  werden.  Sie 
sind  heute  noch  ausreichend  und  bequem  genug,  den  Stoff  der  Tat- 
sachen aus  der  Welt  der  Bewegungserscheinungen  zu  ordnen. 

Jedes  spezielle  Kraftgesetz  aber  kann  sicherlich  nur  mit  Hilfe 
der  Erfahrung,  also  durch  Experiment  und  Beobachtung  gefunden  werden. 

Um  es  also  zusammenzufassen:  Baum,  Zeit  und  Kraft  sind  apruh 
fische  Formen,  wdche  allein  atis  der  Anschauung  und  aus  allgemeinen 
Forschungsprinzipien  abgeleitet  werden  können,  Ihre  in  der  Mechanik 
übliche  Beziehung  zueinander  muß  als  eine  durch  die  Erfahrung  ein- 
gegd>ene,  aber  in  ihrer  Allgemeinheit  konventionelle  Festsetzung  bezeichnet 
werden,  die  sich  bis  heute  noch  als  ausreichend  erwiesen  hat;  jedes  ein- 
zdne  Kraftgesetz  entstammt  wesentlich  der  Erfahrung,  Damit  ist  zu- 
gleich der  Unterschied  der  Mechanik  gegen  die  ganz  apriorische 
Geometrie  gekennzeichnet. 

Die  Richtigkeit  dieser  Behauptung  mag  ein  jedei;^  Leser  dieses 
Buches  an  dem  gegebenen  Material  selbst  nachprüfen. 

6.  Über  den  Begriff  des  Axioms.  Soll  eine  Wissenschaft 
einen  logisch  denkenden  Kopf  befriedigen,  so  muß  sie  imstande  sein, 
aus  scharf  formulierten  Voraussetzungen  ihre  Folgerungen  streng 
logisch  abzuleiten,  d.  i.  durch  ein  richtiges  Schlußverfahren.  Wir 
nennen  nun  jene  Voraussetzungen  Axiome,  wenn  sie  den  Bedingungen 
genügen:  1.  sie  sollen  hinreichen,  die  in  Behandlung  stehende  Wissen- 
schaft zu  begründen,  soweit  es  sich  um  allgemeine  Satze  dieser  Wissen- 
schaft handelt.    Es  dürfen  also  nicht  unausgesprochene  Voraussetzungen 

1)  Siehe  des  Verfassers  Aufsatz :  „Über  Baum,  Zeit  und  Kraft  als  apriorische 
Formen  der  Mechanik/*  Jahresberichte  d.  Deutsch.  Mathematiker- Vereinigung  1909^ 


8  I   BegTÜDdnng  des  kin^titchezi  Eraftbegriffes.  Nr.  6. 

in  den  Beweisen  allgemeiner  Sätze  unterlaufen.  2.  sie  sollen  wider- 
spruchsfrei sein,  d.  h.  es  sollen  keine  Folgerungen  mogUch  sein,  die 
einander  widersprechen.  3.  sie  sollen  möglichst  unabhängig  voneinander 
sein^  d.  h.  es  soll  sich  keine  der  Voraussetzungen  aus  den  anderen 
beweisen  lassen. 

Wie  steht  es  nun  mit  der  Definition  der  in  den  Axiomen  ent- 
haltenen Begriffe? 

Die  Axiome  selbst  definieren  die  Ghimdbegriffe  so  weit,  als  es  für 
die  Wissenschaft  als  logische  Disziplin  nötig  ist,  nämlich  in  ihrer 
Beziehung  zueinander.  Mehr  kann  reine  Logik  nicht;  sie  schließt 
in  Bekanntem  weiter.  Es  muß  also  für  ihr  Schließen  einen  Ausgangs- 
punkt geben,  der  selbst  nicht  logisch  erschlossen  ist;  diesen  Ausgangs- 
punkt bilden  die  Axiome.  Die  in  ihnen  enthaltenen  neuen  Begriffe 
können  nun  nicht  durch  eine  exakte  Definition  aus  allgemeineren 
gewonnen  werden,  denn  dann  ließen  sie  sich  eben  logisch  aus  diesen 
ableiten  und  wir  hätten  keine  neuen  Begriffe,  keine  neue  selbständige 
Wissenschafb. 

Die  Axiome  einer  neu  zu  begründenden  Wissenschaft  sind  also  keine 
analytischen  Urteile,  sondern  synthetische,  d.  h.  nicht  erschlossene, 
sondern  solche,  welche  die  Grundbegriffe  erst  aufbauen  (Kant).  Aber 
sie  bauen  diese  nur  so  weit,  als  sie  die  Beziehungen  zwischen  ihnen 
angeben.  Die  Grundbegriffe  und  die  Axiome,  welche  sich  über  diese 
aussprechen  lassen,  entstammen  ihrem  vollen  Inhalte  nach  eben  nicht 
der  reinen  Logik,  ihre  Quellen  liegen  tiefer.  Ob  in  der  Anschauung, 
ob  in  den  obengenannten  sechs  Prinzipien  oder  in  der  Erfahrung 
(und  dann  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  in  bloßer  Konvention) 
soll  in  dem  Worte  Axiom  nicht  zum  Ausdruck  kommen. 

Das  Beispiel  der  Geometrie  mag  noch  das  Gesagte  erläutern. 

Wenn  die  Geometrie  begründet  ist,  kann  man  definieren,  was 
ein  Kegelschnitt  ist,  denn  man  braucht  zur  Definition  nur  Begriffe 
und  Sätze,  die  schon  bekannt  sind.  Ehe  man  aber  Geometrie  kennt, 
kann  man  nicht  exakt  sagen,  was  ein  Punkt  oder  eine  Gerade  ist. 
Denn  das  sind  dann  vollkommen  neue  Dinge,  die  nicht  unter  schon 
Bekanntes  fallen.  Ich  kann  wohl  eine  Beziehung  aussprechen,  z.  B. 
die,  daß  zwei  Punkte  eine  Gerade  bestimmen,  und  ich  kann  so  viele 
solcher  Beziehungen  aufstellen,  als  nötig  sind,  um  alle  geometrischen 
Beweise  zu  führen.  Aber  nur  die  Anschauung  sagt  mir,  was  Punkte, 
Geraden  usw.  eigentlich  sind,  und  wie  ich  auf  jene  Beziehungen  komme. 
So  klar  die  Sache  an  sich  ist,  so  lange  hat  es  gedauert,  bis  sich 
dieser  Standpunkt  in  der  Geometrie  (durch  die  Arbeiten  Hilberts 
besonders)  durchgesetzt  hat.  Dasselbe  gilt  für  die  Mechanik.  Exakt 
definieren  zu  wollen,  was  absoluter  Raum,  Kraft,  Masse  usw.  sind, 
ist  ein  vergebliches  Unterfangen;  vom  rein  logischen  Standpunkte 
aus  ist  es  nur  möglich,  die  Beziehimgen  zwischen  diesen  mechanischen 


Nr.  7,  8.  §  1.    Einleitung.  9 

Qrundbegriffen  aufzustellen;  aus  denen  alle  weiteren  Sätze  folgen. 
Vor  dem  logischen  Aufbau  soll  aber  im  folgenden  stets  die  Ent- 
wicklung der  Begriffe  und  Grundsätze  aus  den  anderen  Erkenntnis- 
quellen  eingehend  auseinandergesetzt  werden.  Der  Studierende  möge 
darauf  achten^  diese  yerschiedenen  Darstellungen  nicht  miteinander  zu 
Terwechseln. 

Im  Gegensatz  zum  Axiom  nennen  wir  Annahmen^  welche  zur 
Bewältigung  eines  speziellen  Problems  nötig  sind  und  nur  den  An- 
spruch auf  eine  angenäherte  Gültigkeit  erheben^  Hypothesen. 

7.  SohlnBbemerkiing.  Die  yorangehenden  Betrachtungen  zeigen, 
daß  die  Wissenschaft  keineswegs  mit  der  Erfahrung  identisch  ist. 
Unsere  Erfahrungen,  Messungen,  Beobachtungen  sind  zunächst  einmal 
alle  mit  einer  Menge  notwendiger  Fehler  und  üngenauigkeiten  be- 
haftet Da  die  Wissenschaft  präzise  Aussagen  erfordert,  muß  das 
Material  erst  von  den  Fehlem  gesäubert  und,  da  man  diese  nicht 
a  priori  kennt,  in  einem  gewissen  Grade  frei  idealisiert  werden.  Dann 
ist  man,  wenigstens  im  Anfange  einer  Wissenschaft,  nicht  immer  im- 
stande, gleich  den  ganzen  Komplex  der  Erscheinungen  zu  meistern: 
man  muß  das  Wesentliche  herausgreifen.  Was  ist  aber  das  Wesent- 
liche? Endlich  tut  der  Mensch,  wie  oben  nachgewiesen,  zum  Aufbau 
einer  Wissenschaft  eine  Menge  yon  Eigenem  hinzu,  er  schafft  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  die  Formen  a  priori.  Ist  das  nun  alles  will- 
kürlich? Keineswegs,  denn  man  wird  zunächst  daran  festhalten 
müssen,  daß  am  Ende  einer  Wissenschaft  keine  Lücke  mehr  zwischen 
ihr  und  der  Erfahrung  bestehen  darf,  dann  aber  müssen  die  mensch- 
lichen Zutaten  in  einem  gewissen  Sinne  notwendig  sein,  d.  h.  sie 
müssen  uns  durch  die  Anschauung  oder  gewisse  allgemeine  denk- 
notwendige Prinzipien  wie  die  in  Nr.  3,  4  dargestellten  aufgezwungen 
werden.  Ohne  Hypothesen,  oder  sagen  wir  genauer  ohne  transzenden- 
tale Bestandteile,  d.  h.  Bestandteile,  die  nicht  unmittelbar  in  der  Er- 
fahrung, sondern  vor  der  Erfahrung  gegeben  sind  und  nie  durch 
Erfahrung  erwiesen  oder  yerworfen  werden  können,  geht  es  nicht; 
aber  überflüssige  Hypothesen  wird  man  nach  Möglichkeit  zu  ver- 
meiden trachten.  Eine  Annahme  wie  z.  B.  die  von  Molekülen  oder 
materiellen  Punkten,  die  uns  weder  durch  die  Anschauung  noch  durch 
jene  in  Nr.  3,  4  genannten  Prinzipien  noch  auch  durch  die  Er&hrung 
gegeben  sind,  können  wohl  vorübergehend  nützlich  sein,  sie  werden 
aber  immer  einen  stark  metaphysischen,  unwissenschaftlichen  Charakter 
beibehalten.  In  diesem  Sinne  sagte  Newton:  „Hypotheses  non  finge: 
ich  mache  mir  keine  Hypothesen  zurecht.'' 

8.  Die  Blnteiliing  der  Meohanik.  Jeder  Behandlung  einer 
mechanischen  Aufgabe  muß  die  Frage  vorangehen:  Welche  Bewegungen 
sind   überhaupt   nach   den   geometrischen  Bedingungen   des  System» 


10  I.  Begründung  des  kinetiflcheii  Eraffcbegriffes.  Nz.  9. 

(bewegten  Körpers)  möglich?  Die  Disziplin^  welche  sich  mit  dieser  Frage 
beschäftigt  und  die  nur  die  Grundbegrifife  Raum  und  Zeit  benötigt,  heißt: 
geometrische  Kinematik.  Entwickelt  die  Kinematik  ihre  Begriffe 
und  Sätze  unter  Hinzuziehung  des  Begriffes  Masse,  so  spricht  man 
von  Massenkinematik.  Stellt  man  sich  die  Aufgabe,  wirklich  Yor- 
kommende  Bewegungen  ^u  untersuchen  und  irgendwelche  Gesetze 
über  sie  auszusprechen,  so  hat  man  es  mit  Phoronomie  zu  tun. 
Ausdrücke  und  Betrachtungen,  die  sich  irgendwie  auf  Kräfte  beziehen, 
heißen  dynamisch;  das  Problem,  zu  untersuchen,  wie  die  Kräfte 
beschaffen  sein  müssen,  damit  Gleichgewicht  herrscht,  ist  das  Grund- 
problem der  Statik.  Das  umgekehrte  Problem  der  Phoronomie 
und  zugleich  das  Hauptproblem  der  über  ihre  Anfänge  hinaus  ent- 
wickelten Mechanik,  nämlich  aus  als  bekannt  angenommenen  Kräften 
die  Bewegung  zu  bestimmen,  heißt  Kinetik.  Dabei  stellt  es  sich 
heraus,  daß  bei  gewissen  idealisierten  Systemen  nur  eine  Klasse  von 
Kräften  gekannt  zu  werden  braucht,  wenn  man  die  Bewegung  be- 
stimmen wiU;  sucht  man  aber  auch  die  andern,  als  unbekannt  an- 
zusehenden Kräfte  (sogenannten  Reaktionskräfte)  zu  berechnen,  ein 
Problem,  das  für  die  Festigkeit  des  Systems  von  Wichtigkeit  ist,  so 
hat  man  es  mit  einer  Aufgabe  der  Kinetostatik  zu  tun  (Bezeichnung 
Ton  C.  Heun). 

9.  Literatur.  Newton  war  wohl  der  erste,  der  in  seiner 
„Phüosop"iiia  naturalis'^  vom  Jahre  1687  eine  allgemeine  Mechanik 
zu  begründen  suchte.  Der  Inhalt  seiner  Prinzipien  ist  auch  für  uns 
im  wesentlichen  noch  wahr,  die  Form  bedarf  der  Modernisierung. 
Kant  hat  dann  in  seinen  „Metaphysischen  Anfangsgründen^'  die 
Richtlinien  gegeben,  wie  auf  philosophischem  Wege  an  eine  Begrün- 
dung der  Prinzipien  heranzutreten  ist.  Kants  Schrift  blieb  den  Physikern 
ziemlich  unbekannt,  ja  die  Physik  wandte  sich  in  den  ersten  beiden 
Dritteln  des  19.  Jahrhunderts  mit  Absicht  von  erkenntnistheoretischen 
Untersuchungen  ab.  Erst  um  1870  entstand  eine  energische  Umkehr, 
als  Kirchhoff  in  seiner  Mechanik  sagte,  die  Wissenschaft  habe  nicht 
die  Aufgabe,  Naturerscheinungen  zu  erklären,  sondern  nur  die,  sie  zu 
beschreiben,  und  Mach  in  seiner  Mechanik  versuchte,  mit  allen  meta- 
physischen Hypothesen  aufzuräumen  und  nur  die  Erfahrung  als  maß- 
gebend für  die  Erkenntnis  gelten  zu  lassen.  Das  geistvolle  Werk 
Machs,  das  eine  lebendige,  anschauliche,  kritisch-historische  Darstellung 
-der  Mechanik  enthält,  kann  dem  Studierenden  aufs  wärmste  empfohlen 
werden.  Freilich  mußte  der  extreme  Empirismus  und  Phänomenalis- 
mus Machs  den  KonventionalismuB  Poincares  nach  sich  ziehen;  da, 
wie  des  Längeren  ausgeführt,  die  bloße  Erfahrung  unmöglich  eine 
Wissenschaft  schaffen  kann,  auch  nicht  in  Verbindung  mit  der  reinen 
Logik,  so  mußten  die  erforderlichen  Zutaten  willkürlich,  konventionell 
erscheinen,   sollte   es  eben  keine  anderen  Erkenntnisquellen  als  Er- 


Nr.  9.  §  1.    Einleitung.  1 1 

fahrung  und  Logik  geben.  Damit  aber  wurde  der  Wert  der  Wissen- 
schaft in  Frage  gestellt:  Poincarä  selbst  hat  sich  in  seinem  zweiten 
Werk  (der  Wert  der  Wissenschaft)  gegen  einen  übertriebenen  Kon- 
ventionalismus  gewendet:  die  Konventionen  müssen  so  beschaJBFen 
sein,  daß  sie  sich  möglichst  gut  den  Erfahrungen  anpassen,  sie  müssen 
bequeme  Hilfsmittel  sein.  (Machs  Prinzip  der  ,,Denkökonomie''  ist 
ein  ähnliches  Prinzip.)  Damit  ist  zweifellos  der  erste  Schritt  zur 
Wiedereinführung  apriorischer  Elemente  getan;  wir  sind  einen  Schritt 
weiter  gegangen  und  haben  versucht,  gewisse  allgemeine  Prinzipien 
des  naturwissenschaftlichen  Denkens  deshalb  als  ökonomisch  zu  er- 
weisen, weil  sie  notwendig  sind;  wir  haben  uns  bemüht,  die  an  dem 
Aufbau  der  Mechanik  beteiligten  konstruktiven  ßestandtteile 
des  Denkens  aufzuzeigen,  unbeschadet  der  Abwehr  überflüssiger 
metaphysischer  Spekulationen,  in  der  man  wohl  ganz  den  Bestrebungen 
EirchhofiBs  und  Machs  beipflichten  muß. 

Da  man  nie  eine  Wissenschaft  nur  aus  einem  Buche  lernen 
sollte,  so  seien  hier  noch  einige  Werke  genannt,  die  der  Student  mit 
zu  Rate  ziehen  mag.  Von  den  klassischen  Autoren  der  Mechanik 
(Galilei,  Newton,  Yarignon,  Euler,  d'Alembert  und  Lagrange) 
muß  des  letzteren  „Mecanique  analytique''  (1.  Aufl.  1788)  vor  allem 
als  das  Fundamentalwerk  bezeichnet  werden,  das  jeder  Liebhaber  der 
Mechanik  gelesen  haben  sollte.  Von  neueren  Werken  seien  zunächst 
drei  umfangreiQhe  Standartwerke  hervorgehoben: 

1.  f  Appell,  Mecanique  rationelle  (3  Bde.). 

2.  *Thomson-Tait,  Natural  Philosophy  (2  Bde.). 

3.  Routh,  deutsch  von  Schepp,  Dynamik  der  Systeme  starrer 
Körper  (2  Bde.;  namentlich  zum  Weiterstudium  einzelner  Kapitel 
geeignet),  und  Routh,  Analytical  statics  (nur  englisch;  2  Bde). 

Dann  drei  kleinere  Werke,  welche  die  Mechanik  in  ganz  origineller 
Weise  zu  begründen  versuchen: 

H.  Hertz,  Die  Prinzipien  der  Mechanik. 
L.  Boltzmann,  Vorlesungen  über  die  Prinzipe  der  Mechanik 
Gt,  Jaumann,   Die  Grundlagen   der  Bewegungslehre  von  einem 
modernen  Standpunkte  aus  dargestellt. 

Endlich  noch  einige  sehr  gute  Lehrbücher: 

1.  Föppl,  Technische  Mechanik  (6  Bde.). 

2.  *Qray,  Physik,  Bd.  1,  deutsch  von  F.  Auerbach  (ein  gut  ge- 
schriebenes, elementares  Lehrbuch). 

3.  Heun,  Kinematik  (Bd.  I  einer  allgemeinen  Mechanik,  enthält 
hauptsächlich  die  analytischen  Methoden  der  Sanematik  inkl.  Massen- 
kinematik). 

4.  Kirch  hoff,  Mechanik  (ein  seinerzeit  grundlegendes  Werk, 
siehe  oben). 


12  I.  Begründung  des  kinetischen  Eiaftbegriffes.  Nr.  10. 

» 

5.  Schell,  Theorie  der  Bewegung  nnd  der  Kräfte  (2  Bde,  sehr 
umfassend,  enthält  hauptsächlich  die  geometrischen  Methoden). 

6.  *  Webster,  Dynamics  of  particles  and  of  rigid,  elastic  and  fluid 
bodies  (eine  deutsche  Übersetzung  dieses  schönen  Buches  ist  geplant). 

7.  fWhittaker,  Analytical  Dynamics. 

8.  Von  den  zahlreichen  älteren  französischen  Werken  über  die 
sogenannte  rationelle  Mechanik  sei  nur  der  Gours  mecanique  von 
fDespeyrous  wegen  der   wertvollen  Noten  von  Darboux  genannt^ 

9.  Yon  italienischen  die  angenehm  knappe  fMeccanica  razionale 
Ton  Marcolongo,  deren  erster  Band  jetzt  auch  in  erweiterter  deutscher 
Bearbeitung  von  Timerding  vorliegt. 

Die  mit  *  versehenen  Werke  eigrnen  sich  in  erster  Linie  für 
Physiker,  die  mit  f  versehenen  in  erster  Linie  für  Mathematiker  und 
Astronomen,  Föppl  vor  allem  für  Techniker.  Doch:  es  gibt  nur  eine 
Mechanik,  und  die  kann  man  im  Grunde  genommen  aus  jedem  guten 
Buche  lernen. 

Endlich  sei  Bd.  IV  (Mechanik)  der  Encyklopädie  der  math. 
Wissenschaften  genannt;  es  ist  dies  ein  Nachschlagwerk,  das  in 
knapper  Form,  meist  ohne  Beweise,  Prinzipien,  Werdegang  und 
Resultate  der  Mathematik  und  ihrer  Anwendungen  bringt  und  zur 
schnellen  Orientierung  über  einen  Gegenstand  und  die  ganze  vor- 
handene Literatur  dient.  Und  zwar  umfaßt  Bd.  lY  sowohl  die  theo- 
retischen als  auch  die  technischen  Probleme  der  Mechanik.  Als  all- 
gemeine Begleiter  des  Buches  seien  besonders  Artikel  IV,  6  Stäckel, 
Elementare  Dynamik  und  IV,  1  Voss,  Prinzipien  der  rationellen 
Mechanik  empfohlen. 

Speziälliteratur  werden  wir  an  geeigneter  Stelle  nachweisen. 

In  erkenntniBtheoreÜBcher  Hinsicht  sei  außer  auf  die  oben  erwähnten  Werke 
von  Mach  und  Poincarä  noch  auf  die  Sammlung:  „WisBenschaft  und  Hypo- 
these'^ hingewiesen,  die  Teubner  herausgibt,  besonders  auf  Natorp,  „Die 
logischen  Grundlagen  der  exakten  Wissenschaften'*,  wo  man  weiteren  philoso- 
phisohen  Literaturnachweis  findet.  Das  Interesse,  das  heute  auch  von  natur- 
wissenschaftlicher Seite  Kant  entgegengebracht  wird,  zeigt  sich  in  dem  Er- 
scheinen des  Buches:  König,  „Kant  und  die  NaturwiBsenschafb^^  das  zur  Ein- 
führung in  erkenntniskritische  Studien  empfohlen  werden  kann. 

§  2.   Über  Baum,  Zeit  und  Bewegung. 

10.  Über  die  ZeitmeBBong.  Was  Raum  nnd  Zeit  sind^  kann 
und  braucht  hier  nicht  gesagt  zu  werden.  Es  genügt  zu  bemerken, 
daß  wir  unseren  Betrachtungen  den  aus  der  Schulgeometrie  bekannten, 
sogenannten  Euklidischen  Raum  zugrunde  legen;  von  der  Zeit  brauchen 
wir  nur  zu  wissen,  daß  man  das  Zeitintervall  von  einem  willkürlich 
gewählten  Anfangsmomente  an  durch  eine  stetig  venlnderliche  Größe  t 
messen  kann.     Wie  mißt  man  diese  Zeit  t?     „Mit  der  Uhr,"   wird 


Nr.  10.  §  2.    Über  Bamn,  Zeit  und  Bewegung.  13 

die  Antwort  lanten;  aber  ein  jeder  weiß,  daß  alle  Uhren,  selbst  die 
besten  astronomischen  Uhren,  ein  wenig  falsch  gehen.  Wo  ist  also  die 
Kormalohr?  Man  antwortet  darauf  weiter,  daß  die  Erde  unsere  beste 
ühr  sei.  Sie  drehe  sich  gleichförmig  nm  ihre  Achse  so,  daß  sie  in 
einem  Jahr  3607^  mal  dieselbe  Stelle  der  Sonne,  aber,  da  sie  sich  in 
demselben  Sinne  wie  um  die  eigene  Achse  auch  noch  einmal  im 
Jahre  um  die  Sonne  herum  drehe,  366  y^  mal  dieselbe  Stelle  einer 
bestimmten  Richtung  im  Fixstemsjstem  zukehre.  Man  teilt  dem- 
entsprechend das  Jahr  in  3657^  mittlere  Sonnentage  zu  24  Stunden 
^  60  Minuten  zu  60  Sekunden.  Und  diese  Sekunde  ist  dann  die 
Einheit  unseres  Zeitmaßes.  Der  Stemtag,  d.  h.  die  Zeit^  die  bei 
einer  Umdrehung   gegen   den  Fixsternhimmel   verlauft,   umfaßt   also 

11^^  .  24  .  60  .  60  Sek.,  d.  h.  S  '  86400  -  86164  Sek.  «  23^^  56' 4". 

Um  also  die  Zeit  einer  Sekunde  festzustellen,  beobachtet  man 
die  Zeit  der  Umdrehung  der  Erde  gegen  den  Fixstemhimmel  und 
teilt  diese  Zeit  in  86164  gleiche  Teile. 

Aber  diese  Festsetzung  kann  unmöglich  als  eine  Definition  des 
Zeitmaßes  angesehen  werden.  Zunächst  einmal  sind  alle  Zahlen- 
angaben ungeuau,  ja  sogar  schwankend.  Vor  allem  aber  weiß  man 
keineswegs  sicher,  daß  sich  die  Erde  gleichförmig  dreht.  Wir  könnten 
das  ja  allerdings  postulieren,  da  wir  das  Zeltmaß  noch  frei  haben. 
Wenn  uns  dann  aber  die  weiteren  Prinzipien  der  Mechanik  un- 
abweisbare Gründe  an  die  Hand  geben,  die  eine  Veränderung  der 
Umdrehung  der  Erde  als  möglich,  ja  sogar  als  wahrscheinlich  hin- 
stellen? So  kämen  wir  doch  zu  einem  Widerspruch;  wollten  wir  die 
Zeit  durch  die  Umdrehung  der  Erde  definieren,  so  dürfte  eine  wider- 
spruchsfreie Mechanik  gar  nicht  die  Möglichkeit  einer  Veränderung 
dieses  Zeitmaßes  zulassen. 

Das  Analoge  würde  gelten,  wenn  wir  irgendeinen  anderen 
empirischen  Naturvorgang  der  Zeitmessung  zugrunde  legen  wollten. 

Andererseits  ist  aber  auch  für  die  Mechanik  die  Zeitmessung 
nicht  gleichgültig,  denn  je  nach  einer  yerschiedenen  Zeitmessung  wird 
sich  ein  und  dieselbe  Bewegung  anders  darstellen. 

Wir  postulieren  deshalb  die  Existenz  einer  bestimmten  Art  der 
Zeitmessung  —  wir  nennen  das  so  gemessene  t  die  absolute  Zeit  — , 
für  welche  die  Prinzipien  der  Mechanik  richtig  sind.  Wir  haben  yon 
einer  solchen  Zeit  zweifellos  eine  bestimmte  innere  Anschauung; 
empirisch  angeben  können  wir  diese  Zeit  aus  den  oben  angeführten 
Chründen  yon  vornherein  nicht:  erst  die  Mechanik  selbst  gibt  uns  die 
Mittel  an  die  Hand,  zu  prüfen,  inwieweit  die  durch  unsere  Uhren 
gemessene  Zeit  mit  der  absoluten  Zeit  übereinstimmt.  Man  kann 
vielleicht  auch  sagen,  die  absolute  Zeit  ist  ein  notwendiger  Hilfs- 
begrifi^  den  wir  in  die  Mechanik  einführen. 


14 


I.  Begründung  des  kinetischen  Ejnftbegriffes. 


Nr.  11,  1«. 


U.  Der  Begriff  der  Bewegung.  Fassen  wir  zur  Zeit  t^  einen 
bestimmten  Raumpnnkt  X^  ins  Auge  und  ordnen  wir  ihm  für  alle 
t>ti  stetig  andere  Raumpunkte  X  zu,  so  sagen  wir,  der  Punkt 
habe  sich  in  der  Zeit  t  —  t^  yon  X^  nach  X  hinbewegt.  Einen 
Raumpunkt  X  legen  wir  in  bezog  auf  ein  sogenanntes  rechtshändiges 

Koordinatensystem  (siehe  Fig.  1)  Ox,  y,  sr 
durch  die  gerichtete  Strecke  OX,  oder 
wie  wir  sagen  den  Vektor  r  (sprich 
r-Vektor!)  fest.  Die  Bewegung  des 
Punktes  X  studieren  heißt:  r  als  Funk- 
tion der  Zeit  untersuchen.  Diese  funk- 
tionale Abhängigkeit 

oder  in  Koordinaten 

X  =  x(i)j 

y  =  y(0, 

sei  stetig  und  beliebig  oft  stetig  differentiierbar:  es  wird  also  X  eine 
stetige  Kurye  mit  stetiger  Tangente  und  regulärer  Krümmung  be- 
schreiben: die  sogenannte  Bahnkurye  des  Punktes. 

Sehr  häufig  wird  man  auch  die  Bewegung  dadurch  beschreiben^ 
daß  mau  die  Bahnkurre  in  irgendeiner  aus  der  Mathematik  bekannten 
Weise  darstellt  und  dann  die  Bewegung  auf  der  Bahn  dadurch 
schildert,  daß  man  einen  Parameter,  etwa  die  von  einer  Anfang»- 
stelle  A  an  gezählte  Bogenlänge  s  als  Funktion  der  Zeit  gibt: 

12.  Beispiele.  In  Beispielen  werden  wir  oft  statt  eines  mathe- 
matischen Punktes  ganze  Systeme  betrachten,  wenn  die  Punkte  dieses 
Systems  keine  wesentlich  verschiedene  Bewegung  ausführen,  oder  wenn 
es  uns  zur  Beschreibung  der  Bewegung  genügt,  die  Bewegung  eines 
mittleren  Punktes  zu  kennen. 

Bei  einem  Eisenbahnzuge  ist  die  Bahn  dadurch  gegeben,  daß 
ihre  Horizontalprojektion  auf  einer  Landkarte  eingezeichnet  vorliegt, 
die  Vertikalordinate  als  Funktion  der  Horizontallänge  in  einer  so- 
genannten Längenprofilkurve.  Die  Bewegung  eines  Zuges  wird  dann 
entweder  tabellarisch  dadurch  gegeben,  daß  die  Bahnkilometer  und 
die  Fahrzeiten  einander  zugeordnet  sind,  oder  in  Form  von  graphischen 
Fahrplänen,  indem  man  die  Weglänge  s  als  Funktion  der  Zeit  t 
aufträgt.  Das  Anhalten  auf  Stationen  ist  offenbar  durch  eine  horizon- 
tale Strecke  gegeben.  Da  die  Endpunkte  dieser  Strecken  hauptsäch- 
lich wichtig  sind,  idealisiert  man  meist  den  graphischen  Fahrplan 
dadurch,  daß  man  die  Enden  der  Haltestrecken  durch  gerade  Linien 
verbindet.     (In  Fig.  2  gestrichelt.) 


Nr.  18.  §  2.    Über  Raum,  Zeit  und  Bewegung.  15 

Betrachten  wir  als  zweites  Beispiel  die  Bewegung  eines 
Punktes  eines  Schwungrades,  das  sich  ohne  Gestaltsänderung 
um  eine  feste  Achse  dreht,  ohne  längs  derselben  zu  gleiten.  Dann 
ist  die  Bahn  des  Punktes  ein  Kreis  mit  dem  Radius  r,  wo  r  den 
Abstalid  des  Punktes  von  der  Achse  bedeutet.  Zählen  wir  einen 
Winkel  d'  von  derselben  Stelle  Ä  aus,  von  der  aus  wir  s  rechnen,  so 
ist  s  —  rd",  und  wir  kennen  die  Bewegung,  wenn  wir  d"  als  Funktion 


Fig.  2.  Fig.  S. 

der  Zeit  geben.  Das  geschieht  nun  bei  einem  Schwungrad  praktisch 
in  der  Weise,  daß  man  die  Touren  zählt,  d.  h.  zu  jeder  Zeit  angibt, 
wieviel  voUe  Umdrehungen  N  das  Rad  von  Anfang  an  gemacht  hat. 
Legt  man  N  auch  gebrochene  Werte  bei,  so  hat  man  offenbar 
#  =  27tN  imd  s  «=  2ücrN,  so  daß  man  mit  N  auch  s  als  Funktion 
der  Zeit  kennt. 

13.  Die  BeobachtnngBiuethoden  ffir  Bewegungen  sind 
sehr  mannigfaltig.  Es  sollen  nur  einige  wichtigere  hier  kurz  be- 
sprochen werden.  Der  Tourenzähler  wurde  schon  vorhin  erwähnt. 
Eine  heute  oft  benutzte  Methode  ist  die  photographische:  man 
nimmt  z.  B.  ein  bewegtes  Objekt  kinematographisch  auf.  Ist  man 
imstande,  auf  den  verschiedenen  Platten  Punkte  zu  identifizieren,  so 
kennt  man  von  ihrer  Lage  eine  Zentralprojektion  zu  den  Zeiten, 
wo  eine  Aufiiahme  stattfand.  Besser  ist  die  von  0.  Fischer  in 
Leipzig  angewandte  Methode,  die  Bewegung  eines  Menschen  zu 
studieren.  An  dem  zu  beobachtenden  Punkte  wird  eine  in  regel- 
mäßigen Intervallen  aufleuchtende  elektrische  Glühlampe  angebracht. 
Die  Bewegung  findet  in  verdunkeltem  Räume  bei  offener  Kamera 
statt.  Auf  der  Platte  wird  man  dann  eine  dichte  Reihe  feiner  Licht- 
striche erhalten,  die  verbunden  die  Zentralprojektion  der  Bahnkurve 
geben.  Dadurch,  daß  man  aber  einzelne  Punkte  in  bestimmten  Zeit- 
intervallen aufgenommen  hat,  hat  man  auch  noch  eine  Zuordnung 
der  Raumpunkte  zur  Zeit.  Die  Aufgabe,  aus  einer  genügenden  An- 
zahl von  Zentralprojektionen  die  Raumkurve  zu  finden,  gehört  in  die 
Photogrammetrie  und  kann  hier  nicht  besprochen  werden. 


16  I.  Begrfindong  des  kineÜschen  Eraftbegriffes.  Nr.  14. 

Endlich  sei  noch  die  sogenannte  Stimmgabelmethode  erwähnt. 
Denken  wir  uns  der  Einfachheit  halber,  das  bewegte  Objekt  sei  eine 
ebene  Platte,  die  sich  in  bestimmter  Richtung  bewegt.  Man  läßt 
auf  die  Platte  eine  nicht  mitbewegte  Stimmgabel  ihre  Schwingungen 
in  Form  einer  Schlängellinie  aufzeichnen.  Die  Schwingungsrichtung 
der  Stimmgabel  sei  senkrecht  zur  Bewegungsrichtung  der  Platte.  Da 
man  weiß,  daß  eine  Stimmgabel  ihre  Schwingungen  sehr  genau  zu 
gleichen  Zeiten  vollführt,  so  sind  die  Strecken  AB,  BC,  CD  (Fig.  4) 
Strecken,  die  zu  gleichen  Zeiten  Ton  der  Platte  zurückgelegt  wurden. 


Fig.  4. 

Will  man  nur  die  Gesamtzeit  messen,  die  bei  einer  Bewegung 
yerstreicht,  so  sind  elektrische  Eontaktmethoden  am  Platze: 
Ein  Uhrwerk  wird  automatisch  zu  Beginn  der  Bewegung  in  Qang 
versetzt,  am  Ende  gestoppt,  so  daß  man  die  verstrichene  Zeit  bequem 
ablesen  kann.  Für  feinere  Beobachtungen  nimmt  man  elektrischen  Kontakt, 
für  gröbere  genügt  eine  von  der  menschlichen  Hand  bediente  Stoppuhr. 

Es  gibt  dann  noch  eine  ganze  Reihe  von  Geschwindigkeitsmessern, 
die  aber  schon  mechanische  Sätze  voraussetzen  und  daher  nicht  besprochen 
werden  sollen.    (Ein  Beispiel  ist  das  Erdbebenpendel,  siehe  Nr.  73.) 

14.  Der  absolute  Banin.  Unsere  bisherigen  Betrachtungen 
sind  anwendbar  in  bezug  auf  irgendein  Koordinatensystem:  in  den 
Beispielen  haben  wir  stillschweigend  eines  genommen,  das  mit  der 
Erde  fest  verbunden  war.  Nun  ist  es  klar,  daß,  wenn  man  ein 
zweites  Koordinatensystem  nimmt,  das  gegen  das  erste  selber  bewegt 
ist,  die  Bewegungserscheinung  eine  ganz  andere  sein  wird.  (Man  denke 
daran,  welche  eigentümlichen  Bewegungen  die  doch  ruhenden  Gegen- 
stände draußen  für  einen  Reisenden  im  fahrenden  Zuge  machen.)  Es 
kann  also  fiir  die  Mechanik  nicht  gleichgültig  sein,  auf  welches  System 
man  im  Prinzip  alle  Bewegungen  bezieht.  Aber  man  braucht  jeden- 
falls ein  solches  System,  damit  die  allgemeinen  Aussagen  der  Mechanik 
einen  bestimmten  Sinn  erhalten.  Wir  postulieren  also  ein  ausgezeich- 
netes Koordinatensystem  oder,  was  dasselbe  ist,  einen  ausgezeichneten 
Raum,  für  den  alle  prinzipiellen  Aussagen  der  Mechanik  gelten  soUen, 
und  nennen  ihn  den  absoluten  Raum.  Empirisch  können  wir  diesen 
Raum  ebensowenig  a  priori  angeben  wie  die  absolute  Zeit:  Erst  die 
Mechanik  selbst  gibt  die  Mittel  an  die  Hand,  hinterher  zu  prüfen, 
wieweit  in  rohester  Annäherung  die  Erde,  in  besserer  Annäherung 


Nr.  15.  §  8.    Die  Geschwindigkeit.  17 

der  mittlere  Fixsternhimmel  an  Stelle  des  ruhenden  Raumes  gesetzt 
werden  kann.  Der  absolute  Raum  ist  also  yom  logischen  Stand- 
punkte aus  und  also  auch  vom  rein  wissenschaftlichen 
ebenso  wie  die  absolute  Zeit  ein  Gedankending,  das  wir  einführen^ 
um  eine  Form  für  die  Erfahrungstatsachen  der  Mechanik  zu  schaffen. 
Aber  es  sind  keine  willkürlichen  Dinge,  sie  werden  uns  zweifellos 
durch  die  innere  Anschauung  aufgenötigt.  Denn  Torstellen  kann 
man  sich  eine  Bewegung  immer  nur  relativ  zu  einem  Objekt;  will 
man  also  die  Bewegung  im  ganzen  anschaulich  fassen  —  und  da- 
durch, daß  sie  aufs  allgemeine  geht,  unterscheidet  sich  die  Anschauung 
von  der  einzelnen  Vorstellung  — ,  so  bedarf  man  eines  letzten  Sub- 
strats, hinsichtlich  dessen  sich  alles  andere  bewegt,  und  dieses  letzte 
ist  der  absolute  Raum.  Aber  es  handelt  sich  nur  um  eine  Form 
unserer  Anschauung,  eine  Art,  die  wirklichen  Dinge  zu  ordnen; 
absoluter  Raum  und  absolute  Zeit  sind  selbst  keine  realen  Dinge, 
keine  Objekte  der  unmittelbaren  Erfahrung:  eine  solche  naive  Ansicht 
ist  seit  Kants  Erkenntniskritik  unmöglich. 

Wenn  nichts  Besonderes  gesagt  wird,  soll  im  folgenden  in  prin- 
zipiellen Fragen  jede  Bewegung  stets  auf  den  absoluten  Raum  bezogen 
werden;  für  empirische  Beispiele  identifizieren  wir  ihn  vorerst  mit  der 
Erde.  Erst  später  (§  51)  werfen  wir  die  Frage  nach  dem  hierdurch 
begangenen  Fehler  auf. 

Aufgabe  1:  Man  entwerfe  nach  den  Angaben  des  Eursbuches  für  irgend- 
einen Zag  einen  graphischen  Fahrplan,  nachdem  man  für  die  Zeit  und  die  Weg- 
strecken geeignete  Maßstäbe  eingeführt  hat. 

§  3.   Die  Oesehwindlgkeit. 

15.  Die  BahngeBchwindigkeit.  Betrachten  wir  nur  die  Be- 
wegung in  der  Bahn,  d.  h.  die  Bogenlänge  s  als  Funktion  der  Zeit  t 
Um  nun  Bewegungen  ihrer  Schnelligkeit  nach  zu  yergleichen,  wird 
man    die   zurückgelegten   Wegstrecken    auf  die  Zeiteinheit   beziehen, 

d.  h.  den  Ausdruck  bilden  -tt  ,  wenn  ^t  ein.  Zeitin tervall  t  bis  f  und 

j4s  die  zugehörige  Wegstrecke  bedeutet.     -—  nennt  man  die  mittlere 

Bahngeschwindigkeit  in  der  Zeit  i  bis  ^';  dieser  Ausdruck  gibt 
an,  wieviel  Wegeeinheiten  in  dieser  Zeit  durchschnittlich  pro  Zeit- 
einheit zurückgelegt  sind.  Wissenschaftlich  aber  wäre  dieser  Aus- 
druck komplizierter  zu  behandeln  als  s  =^  tp{t)  selber,  da  er  eine 
Funktion  zweier  Variablen,  Ton  t  und  ^dt  ist. 

Man  geht  deshalb  zur  Grenze  über  und  nennt  den  Differential- 
quotienten ^^      ^^      . 

hm    --  ^  -    =^  s-^  q)(t)  =  V 

die  Bahngeschwindigkeit  zur  Zeit  t 

Harne] :  Elementare  Meolianik.  •  2 


18  I-  Begründung  des  kinetischen  Kraftbegriffes.  Nr.  16,  17. 

Sie  kann  positive  und  negative  Werte  annehmen,  je  nachdem  die 
Bewegung  in  der  Richtung  wachsenden  oder  abnehmenden  8  statt- 
findet Die  geometrische  Bedeutung  von  v  in  dem  Wegzeitdiagramm, 
in  dem  der  Weg  s  als  Funktion  von  t  dargestellt  ist  (Beispiel:  Fig.  2), 

ist  bekannt;  es  ist 

v^tg«, 

wenn  a  den  Winkel  bedeutet,  den  die  Tangente  an  die  Wegzeitkurre 
mit  der  ^Achse  einschließt. 

16.  Beispiele.  1.  Die  ^^gleichförmige  Bewegung  in  der 
Bahn''  sei  definiert  durch  einen  konstanten  Wert  der  Bahngeschwindig- 
keit V  ^  c.  Daraus  folgt  s  ^  et  +  Sq^  wo  Sq  die  Stelle  angibt,  an  der 
sich  der  Punkt  zur  Zeit  ^  >»  0  befand.  Man  überzeuge  sich,  daß  bei 
der  gleichförmigen  Bewegung  die  Geschwindigkeit  und  die  mittlere 
Geschwindigkeit  übereinstimmen. 

2.  Bei  der  Kreisbewegung  war  nach  Nr.  12 

Daraus  folgt 

V  ^  s  =  rd"  =  27trN. 

Man  nennt  nun  '^  =  j7  =  ß>   die  „W inkelgeschwindigkeif. 

N  würde  bedeuten:  Touren  pro  Sekimde.  Es  ist  jedoch  gebräuchlich 
Touren  pro  Minute  zu  rechnen.  Nennen  wir  die  Anzahl  der 
Touren  pro  Minute  n,  so  ist 

iV"  =  —  »      und 

eine  für  die  Umrechnung  der  Tourenzahl  in  die  Winkelgeschwindig- 
keit wichtige  Formel.  ^ 

17.  Über  die  Dimension  der  Oesohwindigkeit  ist  folgendes 
zu  bemerken:  Man  mißt  eine  Bahngeschwindigkeit  gewöhnlich  in 
Metern  pro  Sekunde  und  schreibt  deshalb 

[t?]  =  [m,  sec~^] 

oder,  wenn  man  nur  ausdrücken  will,  daß  t;  eine  Länge  durch  eine 
Zeit  ist:  ^  -,       r,  .,n 

In  demselben  Sinne  ist  zu  schreiben 

[c]==[sec-*], 
[n]  =  [min-^], 


Nr.  1«. 


§  8.    Die  Geschwindigkeit. 


19 


da  ein  Winkel;  gemessen  durch  das  Verhältnis  zweier  Strecken,  keine 
Dimension  hat,  d.  h.  von  der  Einführung  irgendwelcher  Maßeinheiten 
unabhängig  ist,  nachdem  einmal  festgesetzt  ist,  den  Winkel  im  Bogen- 
maß zu  messen,  was  in  diesem  Buche  im  allgemeinen  stets  geschehen  soU. 

Aufgaben:  2.  Man  berechne  die  mittlere  Geschwindigkeit  eines  Zuges, 
der  70  km  pro  Stunde  fährt,  in  m  pro  Sekunde. 

3.  Wie  groß  ist  die  Winkelgeschwindigkeit  eines  Bades,  das  100  Touren 
pro  Minute  macht?  Wie  groß  ist  die  Geschwindigkeit  eines  Punktes  dieses 
Rades,  der  1,2  m  von  der  Achse  entfernt  ist? 

4.  Ein  Mann  von  h^=lfim  Höhe  geht  mit  einer  gleichförmigen  Geschwindig- 
keit Ton  c  SS  1,2  m/sec.  auf  gerader  horizontaler  Bahn  unter  einer  Laterne 
(leuchtendem  Punkte)  hindurch,  die  sich  a^^Sm  über  dem  Boden  befindet. 
Wie  schnell  bewegt  sich  das  Ende  des  Schattens  des  Mannes  auf  dem  Boden? 
Der  Einfachheit  halber  möge  das  Kopfende  als  ein  Punkt  (Helmspitze)  angesehen 
werden. 

6.  Wie  groß  ist  nach  den  Angaben  von  Nr.  10  die  Winkelgeschwindigkeit 
der  Erde?  Wie  groß  ist  die  Geschwindigkeit  eines  Punktes,  der  auf  dem  Breite- 
kreis von  80^  ruht,  wenn  der  Erdradius  zu  6370  km  angenommen  wird? 

18.  Die  O^BOhwiudigkeit  als  Tektor.  Durch  eine  nahe- 
liegende Verallgemeinerung  der  Betrachtungen  von  Nr.  15  gelangen 
wir  zu  einem  vollkommeneren  Geschwindigkeitsbegrifif,  der  deshalb 
besser  ist^  weil  er  auch  etwas  über  die  Richtung  der  Bewegung 
aussagt. 

Zur  Zeit  t  befinde  sich  unser  Punkt  in  X,  zur  Zeit  f  ^^t  +  ^t 
im  Punkte  X\  Die  beiden  Lagen  seien  durch  die  Vektoren  r  und  r' 
gegeben.  Wir  bilden  jetzt  den  unterschied 
^f  =^r'  —fy  der  offenbar  nach  Größe  und 
Richtung  die  Strecke  XX'  darstellt,  und 
dividieren  durch  ^ty  d.  h.  wir  verlängern 
XX'  ohne  Richtungsänderung  im  Verhält- 
nis li^ty  so  daß  wir  die  Strecke  XV' 
erhalten.  Gehen  wir  jetzt  zur  Grenze  jdt  =  0 
über,  so  rückt  XV'  in  eine  Strecke  XV 
über,  welche  die  Kurve  in  X  berührt,  und 

diese  Strecke  XV  nennen  wir  die  „Geschwindigkeit'*  v  schlecht- 
hin, oder,  wenn  wir  den  Unterschied  hervorheben  wollen,  den  Vektor 
der  Geschwindigkeit.     Es  ist  also 

V  =  lim  -TT  =  ^TT  =  r  =  f{t). 


Fig.  5. 


JtrsO 


Jt 


dt 


i)  ist  tangential  zur  Bahn  und  hat  die  augenblickliche  Richtung  der 
Bewegung.     Die  Größe  aber  von  v  ist 


I  v  ;  =  lim 


~Jt 


d8 
dt 


=  ,v 


Die  Bahngeschwindigkeit  und  der  Vektor   der  Geschwindigkeit 
haben  also  dieselbe  Größe, 

2* 


20  I-  Beg^rfindung  des  kinetiBchen  Exafbbegriffes.  Nr.  19. 

Sei  6  ein  Einheiterektor  (d.  i.  ein  Vektor  der  Länge  1)  in  der 
Richtung  wachsender  Bogenlänge^  so  kann  man  schreiben 

Man  überzeuge  sich,  daß 

-       df 

ds 
ist. 

Als  gleichförmige  Bewegung  schlechthin  definieren  wir  die- 
jenige Bewegung,  bei  der  v  konstant  nach  Größe  und  Richtung  ist: 
V  ^  c.    Daraus  folgt  durch  Integration 

r^ct  +  r^j 

wo  Tq  den  Ort  angibt,  an  dem  sich  der  Punkt  zur  Zeit  ^»0  befand. 

f^ci  +  r^ 

ist  aber  die  Gleichung  der  Geraden  in  Parameterform  (siehe  Anhang). 
Bei  einer  gleichförmigen  Bewegung  bewegt  sich  also  der  Punkt  in 
gerader  Linie  mit  konstanter  Geschwindigkeit,  ein  Resultat^  das  wohl 
jeder  aus  der  Vorstellung  der  gleichförmigen  Bewegung  erwartet  hat. 

19.    DarsteUiing  der  G^Bohwlndigkelt   in  Koordinaten. 

Ist  r  durch  die  rechtwinkligen  Koordinaten  x,  y,  b  gegeben,  so 
hat  V  die  rechtwinkUgen  Komponenten  x,  y,  i.     Denn  ^f  hat  die 

Komponenten  x'^x,  y'— y,  z' —  e\    —   hat  also  die  Komponenten 

^  TT  ,  T^  j  ..  ,  da  sich  bei  Verlängerung  eines  Vektors  auch 
die  Komponente  im  selben  Verhältnis  yerlängert.     Somit  hat 


die  Komponenten 


lim  — TT—  —  X     usw. 


Um  die  recktunnkUgm  Kofnponenten  der  Geschwindigkeit  eu  he- 
hommenj  hcU  man  einfach  die  entsprechenden  Komponenten  des  OrtS" 
Vektors  f  nach  der  Zeit  zu  differentiieren. 

Beispiel  der  Kreisbewegung.  Als  Anfangspunkt  nehmen  wir 
den  Mittelpunkt  des  Kreises,  als  rt;- Achse  die  Richtung  nach  dem 
Punkte  Ä,  die  j?- Achse  stehe  senkrecht  zur  Kreisebene  (siehe  Fig.  3). 
Dann  ist 

a?  =  r  cos  d",    y  —  r  sin  -&,    z  =  0, 
also,  da  #  »  cd, 

i«=-— rsin-^o^r  cos  ( y  +  d) 
y  =  r  cos  d  -  ©  =  r  sin  f  Y  +  d)  <o, 
z^O. 


(O 


Nr.  20. 


§  8.    Die  GeBchwindigkeit. 


21 


Daraus  sieht  man,  daß  bei  positiyem  o  die  Größe  der  Gescliwindig- 
keit  r<o  ist,  was  wir  schon  wissen ,  und  daß  die  Richtung  der  Ge- 
schwindigkeit mit  der  2;-Achse  den  Winkel  y  ~^  ^  einschließt,  also 

den  Kreis  tangiert.  Bei  negativem  o  dreht  sich  die  Richtung  der 
Geschwindigkeit  um. 

Sei  i  ein  Einheitsvektor,  senkrecht  zu  r  im  Sinne  wachsenden  d's 
aufgetragen,  so  können  wir  das  Resultat  zusammenfassen: 

Bei  der  Kreisbewegung  ist 

Denn  beide  Vektoren  stimmen  nach  Größe  und  Richtung  überein. 

20.  Ansdruok  der  allgemeiuen,  ebenen  Bewegung  in 
Polarkoordinaten.    Nach  Fig.  6  ist 

X  ^  r  cos  d", 
2(  »  r  sin  -&; 

also,  da  ^  «»  cd, 

i;  =  —  r  sin  d"aj-f-f  cos  d", 
jf  —      r  cos  -Ö"  •  CD  +  ^  sin  -&, 


oder 


Flg.  6. 


i  =»  f  COS  d  +  rcD  cos  (y  +  ^, 
y  =•  f  sin  -^  +  reo  sin  (y  -f-  #j. 


Es  besteht  also  die  Geschwindigkeit  aus  zwei  Teilen,  die  sich 
vektoriell  addieren:  der  eine  Teil  ir  schließt  den  Winkel  d'  mit  der 
:r-Achse  ein  und  liegt  also  bei  positivem  f  in  Richtung  des  Radius 

der   andere  Teil  r©   schließt   mit   der  a;- Achse   den  Winkel  -ö*  + 

ein  und  steht  also  senkrecht  zum  Radius,  bei  positivem  co  im  Sinne 
wachsenden  '^'s.  (Denn  algebraischer  Addition  der  Komponenten  ent- 
spricht geometrische  Addition  der  Vektoren  selbst.) 

Sei  Q  ein  Einheitsvektor  in  der  Richtung  des  Radius,  £  ein  Ein- 
heitsvektor senkrecht  dazu  im  Sinne  wachsenden  d's,  so  läßt  sich  das 
Resultat  so  schreiben: 

V  =»  ^f  +  Irm, 

Aufgabe n:  6.  Man  zeichne  die  ebene  Bahnkurve,  die  durch  x^^f^oz^t^ 
y=»Bin8^  gegeben  ist.  Gibt  es  Stellen,  wo  die  Greschwindigkeit  null  ist?  Ist 
die  Bewegung  periodisch,  d.  h.  wiederholt  sie  sich  nach  Ablauf  einer  be* 
stimmten  Zeit? 

7.  Wie  groß  ist  die  Winkelgeschwindigkeit  der  auf  die  Horizontalebene 
projizierten  Bewegung  in  einer  gewöhnlichen  Schraubenlinie  mit  vertikaler  Achse, 


22  I*  Begründung  des  kinetiBchen  £[raftbegriffe8.  Nr.  21. 

wenn  der  Badios  a  des  Zylinders  200  m,  die  Steigung  der  Bahn  «^^V,  7^,  die 
Bahngeschwindigkeit  c  =  60  km/Stunde  beträgt?  Wie  drücken  sich  die  recht- 
winkligen Koordinaten  von  r  und  von  t;  durch  den  Winkel  d"  ans,  den  die 
Horizontalprojektion  von  f  mit  der  a^ Achse  einschlägt?  (Man  kann  ohne  Be- 
schränkung der  Allgemeinheit  annehmen,  daß  die  Schraubenlinie  die  o;- Achse 
schneidet).) 

§  4.   Der  freie  Fall.  (Ein  Problem  der  Phoronomie.) 

21.  Die  vertikale  FaUbewegnng.  Eine  der  alltäglichsten  Be- 
wegungserscIieinungeD  ist  der  Fall  der  Körper,  die,  losgelassen  oder 
sonst  irgendwie  ihrer  Unterstützung  beraubt,  in  der  Luft  „frei",  d.  h. 
ungehindert  durch  feste  Körper,  nach  abwärts  zu  Boden  sinken. 
Altertum  und  Mittelalter  hatten  sich  yergeblich  bemüht,  dieser  Er- 
scheinung Herr  zu  werden:  über  die  Behauptung,  daß  schwere 
Körper  schneller  fallen  als  leichte  und  den  metaphysischen  Versuch, 
dies  damit  zu  erklären,  daß  die  schwereren  Körper  untenhin,  die 
leichteren  obenhin  gehören  und  also  dieser  natürlichen  Lage  zustreben, 
war  man  kaum  hinausgekommen.  Die  noch  am  meisten  physikalisch 
denkenden  Köpfe  hatten  den  vergeblichen  Versuch  gemacht,  der  Luft 
eine  entscheidende  Rolle  beizumessen. 

Es  ist  kein  Wunder,  daß  die  Alten  kein  Resultat  erzielten,  denn 
die  Erscheinung  ist  so,  wie  sie  sich  darbietet,  ungemein  kompliziert. 
Man  beachte,  daß  ja  sogar  einige  Körper  nicht  fallen,  sondern  steigen: 
die  Alten  hätten  das  Feuer  und  den  Geist  genannt,  wir  würden  brennende 
Oase,  Luftfahrzeuge  usw.  erwähnen  müssen.  Mit  einer  bloßen  Be- 
schreibung der  Vorgänge  war  hier  gar  nichts  getan,  es  mußten  yoU- 
ständig  neue  Ideen  auftreten. 

um  1600  sprach  der  englische  Philosoph  Bacon  ofVerulam 
das  Prinzip  aus:  man  müsse  die  Natur  „zerschneiden^'  (dissecare  na- 
turam),  so  das  „Wesentliche"  herausgreifen  und  dieses  zum  Gegenstand 
der  wissenschaftlichen  Untersuchung  machen. 

Derjenige,  der  dieses  an  sich  recht  vage  Prinzip  in  dem  konkreten 
Beispiel  der  Fallbewegung  durchführte,  war  Galileo  Galilei.  Seine 
heute  noch  sehr  lesenswerten  Untersuchungen  wurden  1638  publiziert, 
es  sind  die  berühmten  „Discorsi^^,  in  Ostwalds  Klassikersammlung 
deutsch  erschienen. 

Galileis  Methode  ist  eine  eigenartige,  aber  doch  wieder  typische 
Mischung  experimenteller,  logischer  und  intuitiver  Forschungsmethoden. 

Er  beobachtete  an  schweren  Körpern  in  der  Voraussicht,  daß 
sich  bei  ihnen  das  Wesentliche  der  Erscheinung  reiner  zeigen  werde. 
So  stellte  er  zunächst  fest,  daß  aUe  Körper  gleich  schnell  fallen,  was 
allerdings  schon  vor  ihm  Benedetti  behauptet  hatte. 

Aber  wie  fallen  die  Körper?  Daß  die  Geschwindigkeit,  wenn 
man  losläßt,  von  null  anfangend,  stetig  wächst,  erkannte  er  leicht. 


Nr.  22.  §  4.    Der  freie  Fall.  23 

Zunächst  yersuchte  er  den  Ansatz:  d,ie  Geschwindigkeit  möchte 
dem  Wege  proportional  zunehmen.  Aber  bald  erkannte  er  die  logische 
Unmöglichkeit  dieser  Hypothese,  denn  aus 

^  =  v  =  C8     folgte     —^cdt 

oder 

lg  8  ==^  et  +  lg  Sq     (lg  Sq  Integrationskonstante), 
also 

s  =«  5oC^^ 

Sollte  jetzt  aber  zu  Anfang  (^  »  0),  ^  »  0  sein,   so  verlangte  dies 

Sq  »  0,  d.  h.  dauernd  «  »  0,  es  käme  keine  Bewegung  zustande. 

Also  versuchte  Galilei,  die  Geschwindigkeit  der  Zeit  propoi-tional 

zu  setzen: 

v^gt, 

wobei  g  für  alle  Körper  dasselbe  ist,  und  dieser  Versuch  gelang.    Es 
folgt  aus  der  Hypothese  durch  Integration 

s  -  {  gt*  +  5o, 

oder  wenn  Sq  und  t  so  gemessen  werden,  daß  zu  Anfang  s  und  t  gleich 
nuU  sind, 

die  Wege  wachsen  mit  dem  Quadrate  der  Fallzeiten. 

Experimentell  bestätigen  konnte  Galilei  dieses  Gesetz  mit  seinen 
beschränkten  Mitteln  noch  nicht.  Aber  aus  Sätzen,  die  ihm  aus  der 
Statik  für  die  schiefe  Ebene  bekannt  waren,  schloß  er,  daß  für  den 
Fall  längs  einer  recht  glatten  schiefen  Ebene  dasselbe  Gesetz  gelten 
müsse,  nur  mit  kleinerem  g,  wodurch  die  Erscheinung  der  Beobach- 
tung leichter  zugänglich  wird.  Und  hier  wies  denn  auch  Galilei  das 
Gesetz  als  befriedigend  richtig  nach. 

Es  ist  nicht  schwer,  das  Gesetz  für  die  allgemeine  vertikale  Wurf- 
bewegung zu  erraten.  Ist  schon  die  Geschwindigkeit  c  zu  Anfang 
vorhanden  (nach  unten  positiv  gerechnet),  so  wird  man  den  Ansatz 

versuchen 

v-c-^gtj 

d.  h.   die  Geschwindigkeitsänderung  der  Zeit  proportional  zu  setzen, 
woraus  folgt 

s  =  2  ^^*  +  ^^  +  ^oy 

8q  gibt  den  Ort  an,  an  dem  sich  der  Punkt  zur  Zeit  t  ^  0  befand. 

23.  Der  sohiefe  Wnrf.  Welche  Bewegung  wird  ein  Körper 
ausführen,  wenn  wir  ihm  zu  Anfang  {t  =»  0)  eine  irgendwie  gerichtete 


24  I*  BegranduDg  des  kinetischen  Krafbbegriffes.  Nr.  22. 

Anfangsgeschwindigkeit  Vq  erteilen  und  ihn  sich  dann  selbst  über- 
lassen? 

Führen  wir  ein  KoordiDatensystem  ein:  0^  x,  y,  0,  die  0  Achse 
vertikal  nach  oben.     Die  Komponenten  von  Vq  seien  a,  by  c. 

Wie  werden  sich  jetzt  i  —  a,  y  —  ft,  i  —  c,  die  drei  Geschwindig- 
keitsänderongen  verhalten?  Zunächst  ist  plausibel  anzunehmen^  daft 
sich  i  —  c,  die  vertikale  Komponente^  für  sich  genau  so  verhält^  als 
wenn  sie  allein  da  wäre^  d.  h.  es  wird^  unter  Beachtung  des  Um- 
standest daß  jetzt  e  nach  oben  positiv  gerechnet  ist, 

sein. 

Über  i  —  a  und  y  —  6  lehrt  die  Beobachtung,  daß  sie  zweifelloß 
abnehmen,  denn  schließlich  fallen  alle  geworfenen  Körper,  wie  Ye]> 
suche  zeigen,  wesentlich  nur  noch  vertikal.  Aber  diese  Abnahme  er- 
weist sich  um  so  geringer,  je  spezifisch  schwerer  die  Körper  sind^ 
und  Galilei  vermutete  deshalb  in  dieser  Abnahme  eine  Erscheinung^ 
die  mit  den  Abweichungen  der  wirklichen  Fallbewegung  von  dem  in 
No.  21  besprochenen  Galilei  sehen  Gesetz  auf  eine  Stufe  zu  stellen 
sind.  Demnach  machte  Galilei  den  Ansatz,  daß  sich  die  horizontalen 
Komponenten  gar  nicht  ändern,  daß  also  zu  setzen  sei: 

i  —  a«0,  y  —  6  —  0, 
woraus  folgt: 

x^  at  +  Xq 

y^bt  +  y^ 

^'^  —  '^gt^  +  ct  +  e^ 


(1) 


2  y   ^  »'•'  T^  -'o 

Wie  sieht  nun  die  Bahnkurve  aus? 

Legen  wir  den  Anfangspunkte  0  in  den  Punkt,  der  bis  jetzt  die 
Koordinaten  Xq,  y^,  z^  hatte,  d.  h.  in  den  Anfangspunkt  der  Bewegung 
und  die  y- Achse  so,  daß  v^  ganz  in  die  o^^r-Ebene  fäUt,  also  &»0 
ist.     Dann  vereinfachen  sich  unsere  Gleichungen  zu 

x  =  at 

y  =  0 

0  =  —  Y  y^«  4-  et 

Daraus  erkennt  man  zunächst: 
Die  Bewegung  erfdlgi  in  einer  vertikalen  Ebene. 
Um  die  Bahnkurve  zu  erhalten,  eliminieren  wir  t  aus  der  ersten 
und  dritten  Gleichung  imd  bekommen 

Z  "*■ -^r  -^  X    -\ X 

2  a*        ^   a 


Y  a«  r  ~  7J  "^  T  7 


Nr.  23. 


§  4.    Der  freie  Fall. 


25 


Daraus  erkennt  man: 

Die  Bdhnhjbrve  ist  eine  nach  unten  offene  Paräbd  mit  vertikaler 
Achse 

X  ' 


—     und     z  =  -^  — 
9  ^  g 


geben  den  Scheitel  der  Parabel^  denn  ihre  Gleichung  lautet: 


g^e'^-\^,{x-xy. 


1  c' 


/  =  -TT—  ist  die  Wurf  höhe, 
2  g  ' 


2x 


2ac 


die  Wurfweite. 


Ist  a  der  Abgangswinkel, 
d.  h.  der  Winkel ,  den  Vq  mit 
der  Horizontalebene  einschließt^ 
so  ergibt  sich  wegen  a^  x^  cos  a  und  c  =  v^  sin  a 


1  < 


sin*«:    2a:' =  2-^  sin«  cos«  =     *  sin  2a. 


2g'  g  g 

Aufgaben:  8.  Für  welchen  Abgangswinkel  a  ist  bei  gegebenem  v,  die 
Wurfweite  ein  Maximum? 

9.  Unter  welchem  Winkel  a  muß  ich  werfen,  um  bei  gegebenem  v^  einen 
bestimmten  Punkt  mit  den  Koordinaten  z  =^  z^^  x  ^=»  x^  zu  treffen?  Gibt  es 
mehrere  Lösungen? 

10.  Man  bestimme  bei  gegebenem  %  die  Einhüllende  aller  Wnrfparabeln 
mit  demselben  Anfangspunkte,  aber  verschiedenem  u,  (Es  empfiehlt  sich,  tg  a 
als  Parameter  einzuführen.) 

23.  Vergleich  des  Oallleischen  Fallgesetses  mit  der 
Brfiüinmg.  Inwiefern  hat  Oalilei  das  „Wesentliche"  der 
Erscheinung  „heransgeschnitten" ?  Versuche  zeigen,  daß  zu- 
nächst bei  schweren  Körpern,  solange  sie  sich  mit  nicht  zu  großer 
Geschwindigkeit,  und  ohne  sich  zu  drehen,  bewegen,  die  Galileischen 
Behauptungen  recht  gut  stimmen.  Man  kann  z.  B.  eine  vertikale 
Platte  fallen  lassen  und  ihre  Geschwindigkeit  nach  der  in  No.  13  be- 
sprochenen Stimmgabelmethode  messen.  In  der  kleinen  sehr  hübschen 
Schrift  von  Karl  T.  Fischer  ,.Neue  Versuche  zur  Mechanik^^  findet 
man  die  Methode  und  die  Resultate  angegeben.  Für  leichte  Körper 
(Federn)  oder  Körper  mit  sehr  großen  Geschwindigkeiten  (modernen 
Geschossen)  oder  aber  Körper  mit  starken  Drehbewegungen  (Tennis- 
bälle, Bumerang)  stimmen  die  Gesetze  ganz  und  gar  nicht.  So  be- 
rechnet sich  z.  B.  für  ein  Infanteriegeschoß  mit  der  Anfangsgeschwindig- 
keit v^  »  600  m/sec.  die  maximale  Wurfweite  zu  ca.  36  km,  während 
sie  in  Wirklichkeit  nur  etwa  4  km  beträgt ;  der  günstigste  Abgangs- 
winkel liegt  zwischen  30*^  und  35®  statt  bei  45*^  (siehe  Aufgabe  8) 
und  der  höchste  Punkt  der  Bahnkurve  liegt  nicht  in  der  Mitte,  son- 
dern bei  etwa  %  der  Wurfweite. 


26  I*  Begründung  des  kinetischen  Eraftbegriffes.  Nr.  24. 

Sind  nun  die  Galileischen  Fallgesetze  nur  rohe  An- 
näherungen  vergänglicher  Natnr,  oder  sind  sie  mehr,  geben 
sie  wirklich  das  Wesentliche  der  Erscheinung  wieder  und 
wie  erklären  sich  die  Abweichungen? 

Wir  wissen  heute,  daß  das  Galileische  Fallgesetz,  richtig  aus- 
gesprochen, eines  der  am  besten  fundiertei^  Naturgesetze  ist,  wir 
können  g,  allerdings  auf  wesentlich  anderen  Wegen  sehr  genau  be- 
stimmen: sein  Wert  schwankt  etwas  auf  der  Erdoberfläche,  etwa 
zwischen  9,83  m/sec.  am  Pol  und  9,78  m/sec  am  Äquator.  Der 
Mittelwert  für  unsere  Breiten  beträgt  rund  9,81  m/sec.  Ganz  wenig, 
gerade  noch  an  der  Grenze  des  Meßbaren  yerändert  sich  auch  g  an 
ein  und  derselben  Stelle  mit  der  Zeit. 

Weiter  können  wir  sagen,  daß  die  Abweichungen  der  wirklichen 
Fallbewegung  von  der  Galileischen  in  erster  Linie  an  einer  Mitwirkung 
der  Luft  liegt,  was  schon  Galilei  ahnte,  aber  nicht  beweisen  konnte. 
Soweit  es  die  Raumbeschränkung  gestattet,  erweisen  moderne  Ex- 
perimente im  luftleeren  Baume  das  Galileische  Gesetz  als  richtig. 
Tatsächlich  bedeuten  die  Galileischen  Fallgesetze  auch  für  den  luft- 
erfüllten  Raum  einen  bestimmten  und  wohlgetroffenen  Ausschnitt 
aus  der  beobachteten  Erscheinungsreihe;  was  das  aber  eigentlich 
heißen  soll,  können  wir  an  dieser  Stelle  noch  nicht  sagen.  Erst  §  9 
und  besonders  in  No.  44,  in  der  wir  vom  KräfteparaUelogramm  reden 
werden^  können  wir  die  hier  offen  gelassene  Frage  beantworten. 

24.  Det  typisohe  Ausdruck  fflr  das  Oesets  der  Klasse 
aller  Fall-  und  Wurfbewegungen.  Sei  g  ein  abwärts  gerichteter 
Vektor  von  der  Größe  p,  r^  ein  Vektor  mit  den  Komponenten  x^^y^,  z^^ 
so  können  wir  das  Gesetz  der  Fall-  und  Wurfbewegungen,  das  in  den 
Gleichungen  1)  in  No.  22  ausgesprochen  ist,  so  schreiben: 

r  =  4-^<»  +  V  +  ^-  (I) 

Dabei  sind  g,  v^,  f^  konstante  Vektoren,   wenigstens  in  einem  hin- 
reichend kleinen  Bereiche  (siehe  das  oben  in  No.  23  über  g  Gesagte). 

Aber  diese  Konstanten  sind  wesentlich  verschieden:  g  ist  eine 
feste  Konstante,  die  für  alle  Fallbewegungen  ein  und  dieselbe  ist,  ist 
also  typisch  für  die  Klasse  der  FaUbewegungen;  v^  aber  und  Fq 
sind  verschieden  von  Individuum  zu  Individuum. 

Kann  man  nun  nicht  einen  Ausdruck  für  das  Gesetz  I  finden,  das 
nur  das  typische  g  enthält,  v^  und  r^  aber  nicht? 

Sehr  leicht,  man  braucht  nur  zweimal  zu  differentiieren  und  er- 
hält sofort:  ^2«. 

U  =  9.  (II) 

Umgekehrt  folgt  daraus  durch  zweimalige  Integration  wieder  Gesetz  I. 
Beide  Gesetze   sind  also  inhaltlich  identisch.     Aber  wir  haben  jetzt 


Nr.  26.  §  6.    Die  Beschletinigang.  27 

einen   typisclien    Ausdruck    für    das    Gesetz    der    Klasse   aller    Fall- 
bewegungen  gefunden.  Nennen  wir  w  =  ^  die  Beschleunigung,  so  ist 

für  den  Gaiüeischen  Ausschnitt  der  Klasse  dUer  freien  Fäll-  und 
Wurf  bewegungen  die  Beschleunigung  an  ein  und  derselben  Stelle  der 
Erdoberfläche  wesentlich  konstant  nadi  Größe  und  Richtung  und  für 
alle  Körper  ein  und  dieseibe. 

So  hat  Galilei  für  eine  Elasse  von  Bewegungserscheinungen^ 
das  Wesentliche  heranreifend,  einen  typischen  Ausdruck  gefunden 
und  als  Mittel,  das  Gesetz  auszusprechen,  den  für  die  ganze  Mechanik 
fundamentalen  Begriff  der  Beschleunigung  geschaffen. 

§  5.  Die  Beschlennigung. 

25.  Bahnbeflohleunigung  und  Besohleunigung  als  Vektor. 

1.  Wir  definieren  die  Bahnbeschleunigung  tv^  als  zweite  Ableitung 
der  Weglänge  s  nach  der  Zeit: 

Demnach  ist  die  gleichförmige  Bewegung  in  der  Bahn  durch  w^^O 
charakterisiert. 

2.  Analog  sei  die  Beschleunigung  als  Vektor,  oder  die  Beschleu- 
nigung schlechthin  definiert  durch 

__       dv  d'r 

Wiederum  ist  die  gleichförmige  Bewegung  dadurch  charakterisiert, 
daB  sie  ohne  Beschleunigung  stattfindet. 

Ist  w  konstant  nach  Größe  und  Richtung,  so  spricht  man  von 
einer  gleichförmig  beschleunigten  Bewegung. 

Gerade  so,  wie  man  (Nr.  19)  die  Komponenten  von  v  nach  einem 
rechtwinkligen  Koordinatensystem  dadurch  erhält,  daß  man  die  ent- 
sprechenden Komponenten  von  r  nach  der  Zeit  differentiiert,  so  erhält 
man  die  Komponenten  von  w  dadurch,  daß  man  diejenigen  von  t; 
nach  der  Zeit  differentiiert,  d.  h. 

X,  y,  if,  sind  die  Komponenten  von  w  nach  den  rechtwinJdigen 
Achsen  x,  y,  z. 

Da  eine  Beschleunigung  gemessen  wird  durch  den  Quotienten  einer 
Länge  durch  das  Quadrat  einer  Zeit,  so  schreibt  man  als  Dimensions- 

M  =  P>  ^"*]  "=  \.^y  sec"*]. 

Aufgabe  11:  Ein  Förderkorb  soll  in  eine  Tiefe  von  400  m  so  herab- 
gelassen werden,  daß  seine  Geschwindigkeit  zunächst  mit  einer  gleichförmigen 
Beschleunigung  von  0,G  m/sek.  auf  den  Wert  von  4  m/sek.  gebracht  wird,  dann 
eine  Zeitlang   auf  diesem  Wert  verharrt  und  endlich   mit   einer  Verzögerung 


28 


I.  Begründung  des  kinetischen  Erafkbegiiffes. 


Nr.  26. 


(negativer  Beschlennignng)  von  0,4  m/sek.  wieder  auf  NuU  zurückgeführt  wird^ 
80  daß  der  Korb  bei  400  m  Tiefe  stehen  bleibt.  Wieviel  Zeit  wird  für  jede 
dieser  drei  Bewegungsperioden  verbraucht? 

26.  Zerlegung  des  Beschlennlgiingsvekton  nach  dem. 
natflrllchen  Koordinatensystem  der  Bahnkurve.  Nach  Defi- 
nition ist 


w  « lim 


Betrachten  wir  also  v  zu  irgendeiner  Zeit  t  und  zu  einer  Nachbar- 
zeit  t  +  z/^.     (Wir  nehmen  im  folgenden  an,  daß  dt>0  und  daß» 

f;>0  sei;  die  Betrachtungen  lassen 
sich  aber  auf  die  anderen  Fäll& 
sofort    übertragen.)       Von    einem 

j! ,  Punkte  C  (Fig.  8)  aus  tragen  wir 

nun  eine  Strecke  C  F  =  t?  und  eine 
zweite  Strecke  CV  ^  t?',  d.  h. 
gleich  der  Geschwindigkeit  zur 
Zeit  t  +  ^t  ab.  Dann  ist  die 
Strecke  W  gleich  ^v. 

Diese  Strecke  zerlegen  wir  in 
die  Strecke  VH  senkrecht  zu  CV^ 


Flg.  8. 


und  in  die  Strecke  HV\  so  daß  w  in  zwei  Teile  zerfällt: 


w;  =  fi?i  +  «?j,  fi?i 


lim     ..     und  M?j  =  um  — --  ist. 


Jt 


At 


Man  sieht  daraus  zunächst,  daß  w  ebenso  wie  die  beiden  Bestand- 
teile w^  und  w^  in  die  Ebene  fällt,  die  durch  zwei  sogenannte  be- 
nachbarte Tangenten  gebildet  wird,  d.  h.  in  die  Schmiegungsebene 
der  Kurve.  Damit  haben  wir  als  ersten  einen  von  Euler  aus- 
gesprochenen Satz: 

Die  ganze  BescMeunigung  liegt  stets  in  der  Schmiegungsebene 
der  Bahn. 

Die  Normale  zur  Bahn,  die  senkrecht  zur  Schmiegungsebene  steht^ 
nennt  man  wohl  auch  die  Binormale ;  man  kann  den  Satz  also  auch  so 
aussprechen: 

Die  Komponente  der  Beschleunigung  in  Richtung  der  Binormalen 
ist  stets  null. 

Betrachten  wir  jetzt  die  Komponente  w^.  Da  VH  senkrecht  zu 
CF'  steht,  d.  h.  in  der  Grenze  senkrecht  zu  v  steht,  so  wird  w^  senk- 
recht zur  Bahn  stehen,  während  iSV\  als  in  der  Richtung  von  v',, 
d.  h.  in  der  Grenze  in  der  von  t;  gelegen,  und  somit  auch  w^  in  die 
Bahnrichtung  hineinfällt. 


IJr.  26. 


§  6.    Die  BeBchleunigang. 


29 


Femer  sieht  man,  daß  VH  stets  nach  der  konkaven  Seite  der 
Bahnkurve  hingerichtet  ist,  d.  h.  w^  fallt  in  die  Richtung  der  so- 
genannten Hauptnormalen. 

Bezeichnen  wir  nun  den  Eontingenzwinkel  VCV  mit  a^  so  ist 
wegen  VH  =«  t?  sin  a 


w. 


lim 


VH 


IVR    Ab\ 


..  ,      lim  (^  •  -;|)  «  t;*  lim 


Bin  er  9 1 .       er         v' 

--7—  «=  \r  hnx  -r  =  - 


wo  p  den  Krümmungsradius  bedeutet. 

Damit  haben  wir  einen  zweiten  Satz,  den  manHuyghens  verdankt: 

Die  sswr  Bahn  senkrechte  Komponente  der  Beschleunigung,  die 

sogenannte  ,,Zentripekilbeschleunigung"  w^  ist  gleich  —,  wo  q  den  stets 

positiv  eu  zahlenden  Krümmirngsradius  der  Bahn  bedeutet.  Die 
Zentripetalbeschleunigung  ist  stets  nach  der  Jconkaven  Seite  der  Bahn 
eu  gerichtet. 

Fassen  wir  endlich  den  zweiten  Teil  w^  ins  Auge,  so  liegt  er, 
wie  schon  bemerkt,  in  der  Tangente  der  Bahn,  und  zwar  ist  mit  Ein- 
schluß des  Zeichens  (positiv  gerechnet  in  der  Richtung  wachsender 
Bogenlänge) 


w^ 


lim  —TT-  =  lim TT —  lim 


Jt 


Jt 


dt 


,.      CF'— CF   ,   |.      CF(1  — cos«)       ,.      dv       dv 

lim -71 h  lim  — -. — TT «^  lim  — r:  =»  -n ; 

dt  dt  dt       dt ' 


F' 


denn  es  ist  wegen  cos  a  «  1  —  -g-  «*  +  •  •  • 

i.     CF(l  — cos«)  1  ,.      a*       ^ 

d.  h.: 

Die  orthogonale  Komponente 
der  Beschleunigung  in  der  Rich- 
tung der  Bahn  ist  gleich  der  Bahn- 
beschieunigung,    (Newton.) 

Damit  sind  wir  am  Ziel  an- 
gelangt. Legen  wir  einen  Ein- 
heitsvektor W  in  die  Richtung 
der  Bahn  im  Sinne  wachsender 
Bogenlänge,  einenEinheitsvektor  v 
in  die  Richtung  der  Hauptnormale, 
einen  Einheitsvektor  v  in  die 
Richtung  der  Binormale,  so  daß 
6j  V,  V   ein  rechtshändiges  Koordinatensystem  bilden,  das  sogenannte 


Fig.  9. 


p     * 


9 


30  I-  Begründmig  des  kmetischen  Eraftbegriffes.  Ni.  86. 

natürliche  Koordinatensystem ,  so   können  wir  unser  Resultat  so  zu- 
sammenfassen :  ,  , 

dt  Q 

Es  liegt  also  die  Beschleunigung  stets  nach  der  konkaven  Seite 
der  Kurve  hin;  ist  die  Bahnbeschleunigung  null,  so  liegt  tö  ganz  in 
Richtung  der  Hauptnormalen. 

Ist  die* Bahn  gerade,   so  existiert  nur  die  Bahnbeschleunigung 

dv       d*8 
^*^'^*'^di^di^' 

die  wir  dann  kurz  die  Beschleunigung  w  nennen. 

Vergleichen  wir  unser  Resultat  mit  der  in  Nr.  19  gewonnenen 

Formel  -      _ 

V  ^  öv 

oder  vielmehr  mit  der  differentiierten 

dv  -.  dv       da 

'di'^  ^  di'^'di^ 

—  dv    ,      m  da 

so  folgt: 

da       -1 

—       dr 
eine  rein  geometrische  Relation.    Da  <;  =  j-  ist^  so  enthält  sie  erstens 

die  bekannte  Formel 


9  '~  \d8 


d^\ 

da' 


v&' + m + m'' 


dann  aber  auch  das  anschaulich  klare  Resultat^  dafi  d'ö  bei  positivem 
ds  in  die  Richtung  der  Hauptnormalen  hineinfallt. 

Beispiel  der  Kreisbewegung:   Es  war  nach  Nr.  19 

» 

Also  ist  die  Bahnbeschleunigung 

G)  heißt  die  „Winkelbeschleunigung" 

Ihre  Dimension  ist 

[cb]  =  [sec-2]. 

Zu  dieser  Komponente  kommt  noch  die  Zentripetalbeschleunigung 
hinzu,  die  deshalb,  weil  r  =  q  und  t?  «  reo  ist,  gleich  ist 


Nr.  27.  §  6.    Die  Beschlemiignng.  31 

Aufgaben:  12.  Man  berechne  nach  den  in  Aufgabe  7  (Nr.  20)  für  die 
gleichförmige  Bewegung  in  der  gewöhnlichen  Schraubenlinie  gegebenen  Daten 
die  Beschleunigungskomponenten  nach  den  drei  Achsen,  die  Gröfie  der  Beschleu- 
nigung und  unter  Beachtung  des  Umstandes,  dafi  die  ganze  Beschleunigung  hier 
in  die  Hauptnormale  hineinfällt,  die  Lage  der  Schmiegungsebene  und  den  Krüm- 
mungsradius. 

18.  Wie  groß  ist  für  den  in  Aufgabe  5  (Nr.  17)  genannten  Punkt  der  Erde 
die  Zentripetalbeschleunigung? 

14.  Man  beweise  die  Formel  -j-  »»  P  —  direkt  aus  der  Anschauung  nach 

der  in  dieser  Nummer  gegebenen  Methode. 

16.    Man   zeige,    daß   in   der  Hauptformel   :n=^Tn'H ^  auf  beiden 

€lt  dt  Q 

Seiten,  wie  es  sein  muß,  Größen  gleicher  Dimension  stehen. 

27.  Ausdruck  der  BeBOhleunigung  bei  der  allgemeinen 
ebenen  Bewegung  in  Polarkoordinaten.  In  Nr.  20,  2.  hatten 
wir  für  die  Geschwindigkeit  bei  der  ebenen  KreisbeweguDg  bereits 
den  Ausdruck  gefunden: 

Differentiieren  wir  ihn  nach  der  Zeit,  so  erhalten  wir 

Nun  sieht  man  aber  leicht  aus  der 
F^r,  daß  bei  positivem  oi,  dg  die  Rich- 
tung Yon  i  hat  und  die  Größe  dd',  da  q  dl 
ein  Vektor  der  Länge  1  ist,  während  de 
die  Richtung  von  —  q  hat,  aber  ebenfalls 
die  Größe  d-Ö-. 

Mithin  ist  Q'^scd  und  £  =  — p©,  und 
das  gilt  auch  für  negative  o. 

Somit  erhalten  wir  für  die  Beschleunigung  den  Ausdruck: 

w  =  Q  (jr  —  ro*)  +  6  (ßro  +  ^ö)  . 

Die  Beschleunigungskomponente  nach  der  Richtung  des  Radius- 
vektors ist  also  r  —  reo*,  die  Komponente  senJcrecht  dazu,  positiv  ge- 
rechnet im  Sinne  wa^chsenden  ^'5,  ist  gleich  2r(o  -\-  ri) , 

Für  r  =  konsi  folgt  die  schon  bekannte  Formel  der  Kreisbewegung: 

w  =  —  ^rcj*  H-  Iri} ; 

man  sieht,  daß  im  allgemeinen  Falle  noch  zwei  Bestandteile  hinzu- 
kommen: eine  Komponente  r  in  Richtung  des  Radius  und  eine  Kom- 
ponente 2f  (D  senkrecht  dazu.  Man  beachte  besonders  diesen  Bestand- 
teil; wir  werden  später  (Nr.  31)  eine  Interpretation  desselben  geben. 

Aufgab en:  16.  Man  zeige,  daß  in  der  Hanptformel  dieser  Kammer  auf 
beiden  Seiten  Größen  gleicher  Dimension  stehen. 


32  I-  Begründung  des  kinetiechen  Kraftbegriffes.  Nr.  28, 29. 

17.  Man  leite  die  Formel  durch  zweimalige  Differentiation  nach  der  Zeit 
aus  den  Formeln  x^^rcosd";  y^rsiad"  ab. 

18.  Eine  logarithmiBche  Spirale 

r  =  ae 

werde  von  einem  Punkte  mit  der  konstanten  Bahngeschwindigkeit  e  durchlaufen. 
Man  drücke  f,  m  und  alle  Bestandteile  der  Beschleunigung  durch  r  und  die 
gegebenen  Eonstanten  aus  und  beweise  unter  Beachtung  des  Umstandes,  daß 
wieder  die  ganze  Beschleunigung  Zentripetalbeschleunigung  sein  muß,  den  be- 
kannten Satz,  daß  bei  der  logarithmischen  Spirale  die  Tangente  mit  dem 
Badiusrektor  einen  konstanten  Winkel  einschließt. 

19.  Wie  groß  ist  die  Fallbeschleunigung  g  ausgedrückt  in  km/Stunde? 

28.  Der  Hodograph.  Für  die  Yeranschaulichnng  einer  Be- 
wegung  ist   es   oft  nützlich^    mit  Möbius    und  Hamilton    (beide 

lebten  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts) 
diejenige  Kurve  zu  betrachten,  die  man  erl^lt, 
wenn  man  von  einem  festen  Punkt  C  aus  in 
jedem  Zeitmoment  v  aufträgt.  Der  Endpunkt 
Yon  V  beschreibt  dann  eine  Kurve,  den  so- 
genannten Hodographen. 

Man  sieht  sofort,  daß  die  Geschwindigkeit, 
mit   der   der  Hilfspunkt   den  Hodographen   be- 
^  schreibt,  gleich  der  Beschleunigung  der  ursprüng- 

lichen Bewegung  ist  (da  ja  td  =  -^  j  • 

Bei  der  schlechthin  gleichförmigen  Bewegung  zieht  sich  der 
Hodograph  in  einen  Punkt  zusammen. 

Bei  einer  in  der  Bahn  gleichförmigen  Bewegung  ist  der  Hodo- 
graph  eine  sphärische  Kurve. 

Bei  einer  ebenen  Bewegung  ist  auch  der  Hodograph  eben. 

Die  Tangentialebene  des  Hodographen  durch  den  Punkt  C  ist 
stets  der  Schmiegungsebene  der  Bahnkurve  parallel^  denn  sie  enthält 
ja  t;  und  w. 

Der  Winkel  zwischen  zwei  benachbarten  Radienvektoren  ist  stets 
gleich  dem  Kontingenzwinkel  benachbarter  Tangenten  der  Bahnkurve. 

Aufgabe  80:  Man  bestimme  den  Hodographen  für  die  Galileische  Fall- 
bewegung und  f!Ur  die  in  den  Aufgaben  7  und  12  behandelte  Bewegung  in  einer 
Schraubenlinie. 

§  6.    Zwei  einfache  Fälle  von  Belativbewegung. 

29.  Zniiamnienaetnmg  von  Oesohwindigkeiten.  Wir  be- 
trachten die  Bewegung  eines  Punktes  einmal  von  einem  Grundsystem 
aus,  etwa  einem  im  absoluten  Räume  ruhenden  Koordinatensystem  Ä, 
und  nennen  die  entsprechende  Geschwindigkeit  die  absolute  Ge- 
schwindigkeit V,  ein  zweites  Mal  aber  von  einem  zu  Ä  selbst 
bewegten  System  K  aus,  indem  wir  seine  Lagenänderung  zu  K  ins 


!Kr.  29.  §  6.    Zwei  einfache  Fälle  von  Belativbewegung.  33 

Auge  fassen,  und  nennen  die  entsprechende  Geschwindigkeit  relativ, 
mit  Zeichen  v^.  um  sich  die  relative  Bewegung  yorzustellen,  denkt 
man  sich  selbst  am  besten  auf  den  Körper  K  versetzt  und  macht 
die  Annahme,  als  wisse  man  von  einer  Bewegung  des  K  nichts.  Der 
bewegte  Körper  K  möge  starr  sein,  d.  h.  bei  der  Bewegung  sich 
selbst  kongruent  bleiben. 

Denken  wir  uns  nun  die  Stelle,  an  der  sich  augenblicklich  X 
befindet,  mit  dem  Körper  K  fest  verbunden  und  mitbewegt,  so  wird 
sie  eine  Geschwindigkeit  besitzen,  die  wir  Führungsgeschwindig- 
keit nennen  und  mit  v^  bezeichnen.  Der  Name  kommt  daher,  daß 
wir  uns  vorstellen  können,  unser  Punkt  werde  einmal  von  K  mit- 
gefuhrt  und  habe  dann  noch  relativ  zu  K  die  Geschwindigkeit  t;^. 

Es  wird  nun  behauptet,  daß 

ist,  d.  h.  daß  Relativgeschwindigkeit  und  Führungsgeschwindigkeit, 
geometrisch  addiert,  die  absolute  Geschwindigkeit  ergeben. 

Beweis:  Unser  Punkt  sei  in  der  Zeit  ^t  von  X  nach  X'  ge- 
kommen, während  in  derselben  Zeit  der  an  der  Stelle  X  befindliche 
Punkt  des  Körpers  K  nach  F  gelangt  sei. 
Dann  ist 

XX'^XF+FX", 
also 


Nun  ist  sicherlich  lim  -tt-  =  v^. 


Es  wird  aber  behauptet,  daß  auch  lim    ^—  «=  v^  ist.     Sicherlich 

gibt  FX'  die  relative  Lagenänderung  des  Punktes  X  an,  sowie  sie 
sich  vom  absoluten  Räume  aus  ansieht.  Denn  für  den  Körper  K  ist 
ja  F  mit  X  identisch.  Der  Größe  nach  ist  auch  sicherlich  FX'  die 
Lagenänderung  relativ  zu  Ky  sowie  sie  von  K  selbst  ausschaut.  Der 
Richtung  nach  dagegen  könnte  ein  Zweifel  bestehen,  da  sich  in  der 
Zeit  /Jt  das  mit  K  fest  verbundene  Koordinatensystem  etwas  gedreht 
hat.     Aber  diese  Drehung  wird  mit  /It  unendlich  klein,   und  daher 

geht  in  der  Grenze      .-  in  einen  Vektor  über,   der  gegen  das  in  K 

feste  Koordinatensystem  eine  bestimmte  Lage  einnimmt  D.  h.  die 
kleine  Drehung  dieses  Systems  kommt  in  der  Grenze  nicht  in  Frage, 
und  da  der  Geschwindigkeitsbegriff  unabhängig  davon  ist,  auf  welches 
Koordinatensystem    er   bezogen   wird,   solange  nur  dessen   eventuelle 

Bewegung  nicht  in  Frage  kommt,  so  ist  lim  -  auch  die  Relativ- 
geschwindigkeit, so  wie  sie  von  K  aus  sich  darbietet,  d.  h.  gleich  v^. 

Hamel:  ElementAre  Mechanik.  3 


34  I-  Begründung  des  kinetiBchen  Eraftbegriffes.  Nr.  80. 

Damit  ist  der  Satz  bewiesen. 

Sehr  häufig  wird  die  Frage  umgekehrt  nach  der  Belatir- 
gesch windigkeit  gestellt:  natürlich  ist 

Beispiel:  Ein  Geschoß,  das  geradlinig  senkrecht  znr  Fahrt- 
richtung einen  Wagen  durchschlägt^  wird  dies  in  zwei  Löchern  tun, 
die  einander  nicht  gegenüberliegen.  Es  wird  vielmehr  das  Austritts- 
loch  gegen  das  Eintrittsloch  der  Fahrtrichtung  entgegengesetzt  um 
ein  Stück  yerschoben  sein,  das  gleich  ist  dem  Produkt  aus  der  Breite 
des  Wagens  und  der  Geschwindigkeit  desselben,  dividiert  durch  die 
Geschwindigkeit  des  Geschosses.     Warum? 

30.  Der  führende  Körper  hat  eine  Translationsbewegnng. 

Wir  sagen,  ein  Körper  vollführe  eine  Translationsbewegung  oder  eine 
Parallelbewegung,  wenn  alle  Strecken  des  Körper  einander  parallel 
und  kongruent  bleiben,  oder  was  dasselbe  ist,  wenn  alle  Punkte  zur 
selben  Zeit  nach  Bichtung  und  GröBe  dieselbe  Geschwindigkeit  be- 
sitzen. 

Dann  bleibt  aber  auch  das  Koordinatensystem  im  führenden 
Körper  K  sich  selbst  parallel.  Sei  C  sein  Anfangspunkt  und  c  dessen 
Vektor  vom  Anfangspunkte  0  des  ruhenden  Systems  aus,  so  ist  c 
die  Translationsgeschwindigkeit  und  also  auch  die  Führungsgeschwindig- 
keit.   Somit  ist  in  diesem  Falle 

Differentiieren  wir  diesen  Ausdruck,  so  folgt 

c  ist  natürlich  als  Führungsbeschleunigung  w^  zu  bezeichnen^ 
denn   es   ist   die  Beschleunigung  eines  jeden  Punktes  von  K,     Es 

wird  behauptet^  daß  -~  die  Relativbeschleunigung  w^y  d*  h.  die 

Beschleunigung  imseres  Punktes  relativ  zu  K  ist. 

Zunächst  ist  -^   die  Änderungsgeschwindigkeit   des  Vektors  v^ 

bezüglich  des  ruhenden  Baumes.  Vektoren  gelten  aber  als  gleich, 
wenn  sie  gleiche  Richtung  und  Größe  haben,  ein  Vektor  ändert  sich 
also  nicht,  wenn  man  ihn  parallel  verschiebt  oder,  was  auf  dasselbe 
hinauskommt,    wenn    man    relativ    zu    ihm    das    Koordinatensystem 

parallel  verschiebt.     Also  ist  -rf  auch  die  Anderungsgeschwindigkeit 

von  v^  bezüglich  des  Körpers  K.  Und  somit  gilt  in  dem  Spezialfall 
dieser  Nummer,  aber,  wie  wir  sehen  werden,  keineswegs  allgemein: 


Nr.  81.  §  6.    Zwei  einfache  F&Ue  von  Belativbewegang.  35 

Man  beachte  hier  den  Unterschied  von  Vektor  und  Punkt.  Die  Lage 
eines  Punktes  ist  durch  einen  Vektor  nur  in  bezug  auf  einen  andern 
Punkt  gegeben^  etwa  den  Anfangspunkt  eines  Koordinatensystems; 
Terschiebt  man  dieses  daher  parallel  (während  der  Punkt  fest  bleibt)^ 
so  ändert  sich  wohl  der  Vektor,  der  die  Lage  des  Punktes  angibt, 
deshalb,  weil  er  ein  anderer  Vektor  wird;  ein  Vektor  aber,  der  un- 
abhängig Yon  dem  Eoordinatenanfangspunkt  eine  Bedeutung  hat,  wie 
v^,  ändert  sich  dabei  nicht. 

31.  Die  Bewegung  auf  einem  um  einen  festen  Pnnkt 
rotierenden  Strahl.  Es  drehe  sich  ein  Strahl  in  der  Ebene  um 
einen  festen  Punkt  0  mit  der  Winkel- 
geschwindigkeit (o.  Man  kann  so 
sagen,  da  offenbar  alle  Punkte  des 
Strahls  Kreise  mit  derselben  Winkel- 
geschwindigkeit (o  beschreiben.  Auf 
dem  Strahl  bewege  sich  ein  Punkt  X; 
seine  augenblickliche  Entfernung  von  "  Fig.is. 

0  sei  r.     Da  r  und  co,  also  anch  der 

Drehwinkel  d"  als  Funktionen  der  Zeit  allgemein  gelassen  werden,  so 
kann  X  eine  jede  ebene  Bewegung  ausführen,  nur  daß  diese  jetzt  als 
ReUtiybewegung  zu  dem  sich  drehenden  Strahl  aufgefi&ßt  wird. 

Dabei  ist  dann  r  die  Belatiygeschwindigkeit,  reo  die  Führungs- 
geschwindigkeit, denn  reo  ist  ja  die  Geschwindigkeit  desjenigen 
Punktes  des  Strahls,  der  die  Entfernung  r  von  0  hat.  Wir  be- 
kommen somit  nach  Nr.  29 

d.  h.  unsere  alte  Formel  aus  Nr.  20.  (q  ist  ein  Einheitsvektor  in  der 
Bichtimg  des  Strahls,  i  ein  Einheitsvektor,  darauf  senkrecht  in  der 
Richtung  wachsenden  ^'s.) 

Nehmen  wir  nun  die  Formel  für  die  Beschleunigung  aus  Nr.  27 

w  =  p  (r  —  rcö*)  +  €  (2ro  +  reo), 

so  kann  man  dieselbe  jetzt  in  folgender  Weise  interpretieren: 

QV  ^  tö^  ist  offenbar  als  Relativbeschleunigung  aufzufassen;  denn 

es  ist  die  Beschleunigung  des  Punktes  X  in  bezug  auf  ein  mit  dem 

Strahl  fest  verbundenes  Koordinatensystem. 

Als   Führungsbeschleunigung    ist    natürlich  die   Beschleunigung 

des  Punktes  des  Strahls  zu  betrachten,  der  sich  gerade  an  der  Stelle  X 

befindet.    Also  ist  gemäß  des  Spezialfalles  der  Kreisbewegung  nach 

Nr.  27 

Es    bleibt    also    in    der    obigen   Formel    für    die    absolute   Be- 

8* 


36  I-  Begründung  des  kinetischen  Krafbbegriffes.  Nr.  82. 

Bchleunigung  w   noch   etwas   übrig,   wenn  man  t^^  und  w^  abzieht, 
nämlich  der  Ausdruck 

und  es  ist  also  in  diesem  Falle 

fög  heißt  als  das  doppelte  Produkt  zweier  Geschwindigkeiten  r 
und  CD  zusammengesetzte  Beschleunigung  oder  auch  nach  dem 
franzosischen  Autor,  der  zu  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  auf  die 
große  technische  Bedeutung  dieser  Beschleunigungskomponente  hin- 
wies: Coriolisheschleunigung.  Die  zugrunde  gelegte  Formel  der 
absoluten  Beschleunigung  in  Polarkoordinaten  kommt  aber  schon  im 
18.  Jahrhundert  bei  Clairaut  vor. 

Es  ist  also  in  dem  hetracMeten  FäU  die  absolute  Beschleunigung 
gleich  der  geometrischen  Summe  aus  der  BdaUvbeschleunigung,  aus 
der  FiihrtmgshesMeunigung  und  aus  der  Coriolisheschleunigung. 
Letztere  ist  gleich  dem  doppelten  Produkt  atis  der  Belalivgeschwindig- 
keit  und  der  Drehgeschwindigheit  des  Strahls  und  steht  bei  positiven 
Werten  dieser  Faktoren  auf  dem  Badiusvektor  im  Sinne  des  wachsenden 
Drehwinkels  senkrecht. 

Wir  werden  später  (§  47,  Nr.  269)  sehen,  daß  der  erste  Teil 
dieses  Satzes  allgemein  richtig  ist. 

§  7.   Die  Plftnetenbewegang  als  Zentralbewegnng. 
(Ein  Problem  der  Phoronomie.) 

32.  Die  Keplenohen  Oesetse.  Mit  der  Bewegung  der 
Planeten  hatten  sich  die  Alten  schon  eingehend  befaßt.  Ausgehend 
von  der  Idee,  daß  die  Kreisbewegung  als  die  yollkommenste  Bewegung 
die  natürliche  Bewegung  der  Himmelskörper  sein  müsse,  hatten  sie, 
als  ihr  Wahrheitssinn  die  Unhaltbarkeit  dieser  Hypothese  erkannte, 
eine  Darstellungsweise  ausgebildet,  die  ebensosehr  der  Wahrheit  als 
auch  ihrer  Grundidee  gerecht  wurde:  sie  beschrieben  die  Bewegung 
der  Planeten  relativ  zur  Erde  mit  Hilfe  von  Epizykeln,  indem  sie 
einen  Hilfspunkt  auf  einem  Grundkreis  um  die  Erde  laufen  ließen; 
um  diesen  Hilfspunkt  einen  zweiten  ebenfalls  im  Kreise  usw.  fort, 
bis  sie  zu  einem  Punkte  kamen,  dessen  Bewegung  mit  der  des 
Planeten  hinreichend  genau  übereinstinmite.  Dieses  komplizierte 
System  vnirde  etwas  einfacher,  als  Kopernikus  mit  seiner  Idee 
durchdrang,  die  Bewegung  der  Himmelskörper  relativ  zur  Sonne  zu 
studieren;  aber  prinzipiell  war  noch  nichts  geändert,  eine  Einsicht 
war  noch  nicht  gewonnen;  dazu  reicht  eben  eine  noch  so  genaue 
Beschreibung  des  Naturvorganges  nicht  aus.    Es  sei  übrigens  bemerkt, 


Nr.  82.  §  7.    Die  Planetenbewegang  als  Zentralbewegnng.  37 

daß  die  Darstellung  der  Planetenbewegung  mittels  Epizykeln  noch 
heute  ihren  hohen  mathematischen  Wert  hat. 

Kepler  war  es,  ein  Zeitgenosse  Galileis,  der  in  diesem  Pro- 
blem den  entscheidenden  Schnitt  tat,  und  obwohl  die  Form  seiner 
Gesetze  noch  rein  beschreibend  war,  sagen  wir  besser  noch  nicht  eine 
onmittelbar  mechanische  war,  gelang  es  ihm  doch  durch  eine  beispiellos 
geniale  Intuition,  Gesetze  aufzustellen,  die  zwar  nur  annähernd  richtig 
waren,  aus  denen  dann  aber  später  Newton  Folgerungen  ziehen 
konnte,  die  exakt  formuliert  imd  in  naturgemäßer  Weise  verallgemeinert 
gerade  imstande  waren,  die  vorerst  noch  offensichtlichen  Abweichungen 
von  Theorie  und  Beobachtung  auf  ein  Minimum  herabzudrücken.  Was 
also  Galilei  bei  der  Fallbewegung  gelungen  war,  das  gelang  Kepler 
bei  der  Planetenbewegung:  er  griff  das  „Wesentliche"  der  Er- 
scheinung heraus,  aber  noch  viel  unbewußter  als  Galilei. 

Gestützt  auf  das  ausgezeichnete  Beobachtungsmaterial  Tycho  de 
Brahes  sprach  Kepler  nach  langjährigen  Bemühungen  zunächst  für 
den  Mars,  dann  allgemein  die  folgende  Gesetze  aus: 

1.  „Die  Planeten  bewegen  sich  in  Ellipsen,  in  deren  einem  Brenn- 
punkt die  Sonne  steht.^^ 

2.  „Die  von  der  Sonne  ausgehenden  Radienvektoren  übersti-eichen 
in  gleichen  Zeiten  gleiche  Flächenräume/' 

3.  „Die  Kuben  der  großen  Achsen  der  Ellipsen  zweier  Planeten 
verhalt^i  sich  wie  die  Quadrate  ihrer  TJmlaufszeiten.'' 

Geben  wir  den  Gesetzen  eine 
mathematische  Form: 

Sei  r  der  Radiusvektor  von 
der  Sonne  S  zum  Planeten  P, 
#  der  Winkel,  den  r  mit  der 
Richtung  nach  dem  Perihel,  d.  h. 
der  der  Sonne  am  nächsten  ge- 
legenen Stelle  Ä  der  Bahnkurve 

einschließt,    p     der     sogenannte  Fig.  u? 

Parameter     der    Ellipse,     s    die 
numerische   Exzentrizität,   so   lautet   die   Polargleichung   der  Ellipse 

(1) 


1  -f-  f  COB  d" 

um  das  zweite  Gesetz  zu  formulieren,  bezeichnen  wir  den  unendlich 
schmalen  Sektor,  der  von  zwei  benachbarten  Radienvektoren  mit  dem 

Zentriwinkel  dd'  eingeschlossen  wird,  mit  y  dF,  Dann  sagt  das 
zweite  Gesetz  aus,  daß  -^dF,  also  auch  dF  der  zugehörigen  Zeit  dt 
proportional  ist,  dF^G-  dt. 


38  L  Begründang  des  kinetischen  Eraftbegiiffes.  Nr.  8S. 

Denn  dann  gehören  zu  gleichen  dt  gleiche  dF,  also  auch  zu  gleichen 
Jt  gleiche  z/F. 

Passend  wird  man  -rr   als  ^Flächengeschwindigkeif  be- 
zeichnen. 

Nun  ist  aber 


^dF=  Ir'd», 


und  somit  erhält  das  zweite  Eeplersche  Gesetz  die  Form 

r^m  -  C,  (2) 

wo  fl>  =■  jt  gesetzt  ist. 

Nennen  wir  endlich  die  halbe  große  Achse  der  Ellipse  a,  die 
ümlanfszeit  r^^  so  sagt  das  dritte  Gesetz  aus: 

^-^  (3) 

ist  eine  fQr  alle  Planeten  gleiche  Eonstante,  sie  ist  also  charakteristisch 
für  das  ganze  Planetensystem. 

Die  Sonne  wird  bei  der  ganzen  Betrachtungsweise  als  ruhend 
angesehen. 

33.  Fo^eningen  fflr  die  Besclileimigiing.  Newton  zog 
in  seiner  ^^Philosophia  naturalis^  (deutsch  mit  ^^Theoretische  Physik^ 
zu  übersetzen);  diesem  grundlegenden  Werke  der  Mechanik,  das  zuerst 
1687  erschien,  die  Folgerungen  aus  den  Eeplerschen  Gesetzen  für  die 
Beschleunigung  der  Planetenbewegung. 

Aus  dem  zweiten  Gesetz 

folgt  durch  Differentiieren 

2rfcD  +  ^cü  «  0, 
oder,  da  r  nicht  nuU  ist, 

2r(o  +  ro)  «=»  0. 

Nun  ist  aber  bei  einer  jeden  ebenen  Bewegung  —  und  mit  einer 
solchen  haben  wir  es  hier  zu  tun  —  nach  Nr.  27  die  Komponente 
der  Beschleunigung  senkrecht  zum  Radiusvektor  2r(o  +  rc),  Diese 
ist  also  hier  null,  oder  die  ganze  Beschleunigung  fällt  in  die  Rich- 
tung des  Radiusvektors  hinein.  Das  läßt  sich  offenbar  auch  um- 
kehren, aus  2r(o  +  rra  =  0  folgt  rückwärts  r*o  =  G,  so  daß  wir 
sagen  können: 

Aus  dem  zweiten  Keplerschen  Gesetz  aUein  folgt  bereits,  daß 
die  ganze  Beschleunigung  radial  gerichtet  ist,  und  umgekehrt:  wissen 
wir,  daß  hei  einer  ebenen  Bewegung  die  Beschleunigung  radial  ge- 
richtet ist,  so  gilt  das  zweite  Keplersche  Gesetz  für  diese  Bewegung. 


Nr.  38.  §  7.    Die  Planeienbeweguiig  als  Zentralbewegung.  39 

Berechnen   wir  jetzt   die   Radialbeschleunigang.      Nach    Nr.  27 
hatte  sie,  nach  außen  positiv  gerechnet^  den  Ausdruck 

Benutzen  wir  zunächst  das  zweite  Keplersche  G^esetz^  um  o  und  die 

Zeit  t  zu  eliminieren  y   d.  h.   statt  t  den  Winkel  <&  als  unabhängige 

Variabele  einzuführen. 

Es  ist  ^JL 

dr       dr  dr  C 


r 


dt       dd^ 


Somit  laß  sieh  unter  Bmuteung  des  eweifen  Kqplersehen  Gesetzes  allein 
die  BadidtbesMeumgvmg  auf  die  Form  bringen: 


Nun  ist  aber  nach  dem  ersten  Keplerschen  Oesetz 

—  =- cos  #, 

also 

^^  =  -~cos^  =  --  +  -  , 

Setzen  wir  das  in  den  obigen  Ausdruck  für  r^r(o^  ein,  so  er- 
halten wir  die  Komponente  der  Beschleunigung  in  Richtung  des 
Radiusvektors 

p     r* 

Aus  den  beiden  ersten  Keplerschen  Geseteen  folgt,  daß  die  ganze 
Beschleunigung  auf  die  Sonne  zugerichtet  und  dem  Quadrat  der  Ent- 
femung  des  Planeten  von  der  Sonne  umgekehrt  proportional  ist. 

Sei  Q  ein  Einheitsvektor,  von  der  Sonne  auf  den  Planeten  zu- 
gerichtet, so  läßt  sich  das  Resultat  aus  den  beiden  ersten  Keplerschen 
Gesetzen  so  zusammenfassen: 

Bei  der  Planetenbewegung  ist 

-O«   1 
^  p   r^ 


40  1-  BegrOndimg  des  kinetischen  Ejrafbbegriffes.  Nr.  34. 

Was  sagt  nun  das  dritte  Keplersche  Oesetz  aus?  Um  das  zu 
erfahren^  drücken  wir  a  nnd  Tq  durch  unsere  Konstanten  aus. 

Da  Bich  die  große  Achse  2  a  aus  dem  Radiusvektor  für  «d* «  0 
und  dem  für  d'  ^  x  zusammensetzt,  ist 

also 

die  halbe  kleine  Achse  ist 


^0 


l/i  — «« 

um  Tgy   die  XJmlaufszeit,   zu  erhalten,   schreiben  wir  das  zweite 
Keplersche  Gesetz  2   1 

woraus  durch  Integration  über  einen  vollen  Umlauf  folgt 

wo  3  den  Inhalt  der  Ellipse  bedeutet,  also 

Somit  ist 
d.h. 

Die  Konstcmte  —  des  Beschleuniffungsgesetees  ist  ein  und  die- 

selbe  für  aUe  Planeten;  sie  ist  typisch  für  die  Klasse  der  Planeten- 
bewegungen. 

Nennen  wir  sie  A,  so  können  wir  das  Beschleunigungsgesetz,  das 
Newton  aus  den  Keplerschen  Gesetzen  für  die  Bewegung  der  Planeten 
um  die  Sonne  gewann,  kurz  so  aussprechen: 

Es  ist  _  -     1 

wo  X  eine  für  aUe  Planeten  gleiche  Konstante  bedeutet, 

34.  Ableitniig  der  Keplersohen  Oesetse  aus  dem  ITewton- 
sehen.  Besitzen  umgekehrt  eine  Reihe  von  Punkten  P  Beschleunigungen, 
die  auf  ein  festes  Zentrum  S  zugekehrt  sind  und  dem  Gesetz 

gehorchen,  so  folgen  daraus  die  Keplerschen  Gesetze. 


t 


Nr.  84. '  §7.    Die  Planetenbewegnng  als  Zentralbe wegnng.  41 

Zunächst  sind  die  Bahnen  eben.  Plansibel  machen  kann  man 
das  leicht^  beweisen  wollen  wir  es  später.  Betrachten  wir  die  Ebene 
durch  die  augenblickliche  Lage  von  P^  seine  Geschwindigkeit  v  und 
den  Punkt  S,  so  enthält  diese  Ebene  auch  q  und  somit  auch  td,  ist 
also  Schmiegungsebene  der  Bahnkurve.  Es  wird  also  auch  nach 
einem  Zeitmoment  dt  die  Geschwindigkeit  noch  in  dieser  Ebene 
liegen  —  bis  auf  Größen  2^'  Ordnung  — ,  und  damit  auch  da» 
neue  iö  und  die  neue  Schmiegungsebene.  Der  Winkel  zwischen  zwei 
aufeinanderfolgenden  Schmiegnngsebenen  wird  also  2^  Ordnung  klein 
sein,  die  Torsion  der  Bahn  also  nulL  Daß  aber  eine  Bahn  ohne 
Torsion  eben  ist^  dürfke  anschaulich  klar  sein. 

Wissen  wir,  daß  die  Bahn  eben  ist,  so  folgt  nach  dem  ersten  Satz 
Ton  Nr:  33  sofort,  wie  schon  bemerkt,  der  zweite  Eeplersche  Satz 

r»cD  =  C. 

Damit  aber  nimmt  der  Ausdruck  für  die  Badialbeschleunigung,  wie 
in  Nr.  33  gezeigt  wurde,  die  Form  an 


••  •  o 

r  —  r©'  «  — 


*\d»*    ^  rj 


Soll  also  dieser  Ausdruck  gleich  —  X-f  sein,  wie  es  das  Newton- 
sche  Gesetz  verlangt,  so  haben  wir  die  Differentialgleichung  zu  inte- 


grieren ^ 

I^^^T""  C 


t 


Setzen  wir  abkürzungsweise  p^-j-,  so  ist 

r  '^  P 
eine  Partikularlösung  und 

—  -  —  +  —  cos  (d  —  ö-o) 

die   allgemeine   Lösung   mit  —   und    d-^    als   Integrationskonstanten. 

Denn  fähren  wir  y  ^ als   neue   abhängige  Variable  ein,   so 

genügt  y  der  Differentialgleichung 

welche  als  allgemeines  Integral  y  =  a  cos  (#  —  #0)  mit  a  und  d-^  als 
Integrationskonstanten  hat  Setzen  wir  a »  — ,  so  bekommen  wir 
obiges  Resultat. 


42  L  Begründung  des  kinetischen  Eraftbegriffes.  *  Nr.  34. 

Also  folgt 


r  — 


1  +  «  cos  («•  —  -^o) 

£  kann  stets  als  positiv  angenommen  werden.  Für  £  <  1  ist  das  die 
Gleichung  einer  Ellipse  (#  =  d'^  gibt  jetzt  das  Perihel,  dessen  Lage 
wir  natürlich  von  vornherein  nicht  kennen);  £ «  1  bedeutet  eine 
Parabel,  £  >  1  eine  Hyperbel.  Also  auch  die  Bahnen  der  Kometen, 
die  annähernd  Hyperbeln  oder  Parabeln  oder  Ellipsen  mit  starker 
Exzentrizität  sind,  folgen  dem  Newtonschen  Beschleunigungsgesetze. 
Wenn  man  also  die  Keplerschen  Gesetze  dahin  erweitert,  daß 
die  Bahnen  auch  Hyperbeln  und  Parabeln  sein  können,  so 

erweisen  sich  die  Keplerschen  Gesetze  ais  vollständig  identisch  mit 
dem  NewUmschen  BeschleunigungsgesetSy 

denn  daß  auch  das  dritte  Keplersche  Gesetz  folgt,  ist  klar,  da  aus 


a» 


To*         4»' 


die  Gleichheit  des  links  stehenden  Ausdrucks  für  alle  Planeten  folgt.^) 

Wenn  also  die  Keplerschen  Gesetze  und  das  Newtonsche 
Gesetz  inhaltlich  einander  gleich  sind,  worin  besteht  dann 
der  Fortschritt  Newtons  gegen  Kepler? 

Newton  hat  ein  Gesetz  gefunden,  das  typisch  für  die 
ganze  Klasse  der  Planetenbewegungen  ist;  die  für  den 
einzelnen  Planeten  individuellen  Konstanten  p,  ^q,  £,  C  und 
die  Größen,  welche  die  Lage  seiner  Bewegungsebene  angeben, 
kommen  in  dem  Gesetz  nicht  mehr  vor. 

Mittel  aber,  das  Gesetz  in  die  typische  Form  zu  bringen, 
war  der  Galileische  Beschleunigungsbegriff. 

Schon  Wren  hatte  vor  Newton  das  Beschleunigungsgesetz  der 
Planeten  behauptet;  man  nennt  deshalb  X  wohl  auch  die  Wrensche 
Konstante. 

Aufgaben:  21.  Man  berechne  die  Konstante  X  aus  der  bekannten  ümlanfs- 
zeit  der  Erde  und  ans  der  mittleren  Entfernung  der  Erde  und  Sonne  von 
ca.  148  Hill.  km.  Man  kontrolliere  das  Newtonsche  Gesetz  ans  den  Daten  des 
Mars,  der  eine  Umlaufszeit  von  ca.  687  Tagen  und  ein  etwa  1,62  mal  so  grofies 
a  wie  der  Erde  hat.  (Es  genügt,  für  unsere  rohen  Abschätzungen  die  Pümeten- 
bahnen  als  Kreise  anzusehen;  die  Exzentrizitäten  b  sind  alle  ziemlich  klein.) 

22.  Welche  Dimension  hat  1? 


1)  In  dem  Falle  der  Parabeln  und  Hyperbeln  (£>1)  geht  allerdings  die 
anschauliche  Form  des  dritten  Keplerschen  Gesetzes  verloren ,  man  spricht  es 
dann  nach  Nr.  88  am  besten  so  aus,  daß 

C* 

P 
eine  für  alle  Planeten  und  Kometen  gleiche  Konstante  ist. 


Nr.  36. 


§  8.    Die  Bchwingende  Feder. 


43 


28.  Man  zeige,  daß  der  Hodograph  für  die  Planetenbewegung  ein  ex- 
zentrischer Kreis  ist. 

2i.  Unter  der  Annahme,  daß  der  Mond  am  die  Erde  ebenfalls  angenähert 
eine  Keplersche  Bewegxmg  ausführt,  berechne  man  das  zugehörige  X\  wenn  man 
weiß,  daß  die  Umlaufszeit  des  Mondes  (die  sogenannte  siderische,  d.  h.  diejenige 
gegen  den  Fixstemhimmel)  27  Tage  7^  43',  die  mittlere  Entfernung  des  Mondes 
von  der  Erde  ca.  60  Erdradien  beträgt. 

26.  Nach  den  in  Nr.  38  und  34  entwickelten  Methoden  bestimme  man  die 
Bewegung  eines  Punktes,  der  nach  einem  festen  Zentrum  hin  eine  Beschleunigung 
erf&hrt,  die  der  dritten  Potenz  der  Entfernung  umgekehrt  proportional  ist  Man 
zeichne  die  Bahnkurve. 

26.   Wie  würde  sich  die  Bewegung  eines  Planeten  ändern,   wenn  zu  der 

Newtonschen   Beschleunigung   noch   eine   Beschleunigung   — p£-.-   hinzukäme? 

r 

Man  zeige,  daß  bei  kleinem  e  die  „ gestörte ^^  Bewegung  so  aufgefaßt  werden 
kann,  als  ob  sich  die  Ellipse  von  Umlauf  zu  Umlauf  langsam  herumdrehte,  der 
Art,  daß  das  Perihel  jedesmal  um  einen  mit  •  klein  werdenden  Betrag  vorrückt. 


§  8.  Die  schwingende  Feder.   Die  Kasse  als  Trägheitsfaktor. 

35.  Die  fireie,  ongedfanpfte  GMiwlngiing.  Wir  hangen  an 
«inem  Stativ  eine  gnte,  elastische  Spiralfeder  vertikal  auf  und  be- 
festigen an  diese  einen  schweren  Körper  X.  Er  sei  so  geführt, 
daß  er  sich^  ohne  sich  zu  drehen,  auf  und  ab  bewegen  kann  und 


Fig.  16. 


zwar  möglichst  leicht.  Lassen  wir  den  Körper  ruhig  hängen,  so 
nimmt  er  eine  gewisse  Ruhelage  X^  ein;  stoßen  wir  ihn  an  oder 
bringen  wir  ihn  ans  der  Ruhelage,  so  wird  er  Schwingungen  in  verti- 
kaler Richtung  ausführen.    Diese  studieren  wir,  indem  wir  den  Ab- 


44 


I.  Begründung  des  kinetischen  Eraftbegriffes. 


Kr.  86. 


stand  X  aus  der  Ruhelage  durch  einen  an  dem  Körper  angebrachten 
Schreibstift  auf  eine  sich  gleichförmig  drehende,  durch  ein  Uhr- 
werk angetriebene  Trommel  aufzeichnen  lassen.  Auf  der  Trommel 
erhalten  wir  dann  eine  Kurve,  deren  vertikale  Ordinate  x^  deren  hori- 
zontale Abszisse  die  Zeit  t  angibt,  derart,  daß  die  Strecke,  um  welche 
sich  der  Umfang  der  Trommel  in  einer  Sekunde  herumdreht,  den 
Maßstab  für  eine  Sekunde  bedeutet. 


Fig.  16  a. 


Die  rohe  Beobachtung  lehrt,  daß  X  rhythmische  Schwingungen 
macht,  d.  h.  für  jeden  Hin-  und  Hergang  dieselbe  Zeit  braucht,  daft 
aber  diese  Schwingungen  allmählich  an  Intensität  abnehmen.  Die» 
wird  aber  um  so  weniger  stattfinden,  je  ,4eichter^'  sich  X  bewegen 
kann.  Wir  idealisieren  das  Phänomen  dahin,  daß  wir  genau  konstanten 
Rhythmus  und  genau  konstant  bleibenden  Ausschlag  voraussetzen,  be- 


*-/ 


Fig.  16b. 


hauptend,  daß  wir  so  das  „Wesentliche^^  der  Erscheinung  heraus- 
gegriffen haben. 

Sehen  wir  uns  nun  die  Kurve  auf  dem  Papier  der  Trommel  an,, 
so  sieht  sie  einer  Sinuskurve  sehr  ähnlich  (Fig.  16  a).  Eine  mathe- 
matisch exakte  Sinuslinie  ist  punktiert  hinzugezogen. 

Wir  werden  also  jedenfalls  eine  die  Erscheinung  zunächst  roh 
wiedergebende  Darsijpllung  erhalten,  wenn  wir  ansetzen: 

a  '  Bin  (xt+  £).  (I) 


X 


I^r.  85.  §  8.    Die  schwingende  Feder.  45 

Dabei  bedeutet  a  >  0  den  konstant  bleibenden  maximalen  Aus- 
«chli^  nach  oben  und  unten^  die  sogenannte  Amplitude^  r  =  —  die 

sogenannte  Periode;  denn  nach  Ablauf  dieser  Zeit  wird  die  ganze 
Erscheinung  wiederkehren^  aber  nicht  früher;  s  heißt  die  Phasen- 
differenz: ^0  = gibt  offenbar  einen  der  Zeitmomeute  an,  wo  X 

durch  die  Ruhelage  X^  durchgeht.  Das  Argument  xt  +  s  des  Sinus 
heißt  die  Phase. 

Wir  nennen  eine  durch 

fl?  =  a  sin  (x^  +  e) 

dargestellte  Bewegung  eine  „ungedämpfte^'  Schwingung,  um  damit 

anzudeuten,  daß  wir  von  der  tatsächlichen  Abnahme  der  Amplitude 

a  absehen;  wir  nennen  sie  auch  „rein%  um  sie  von  einer  allgemeinen 

angedämpften  Schwingung   zu  unterscheiden,   d.  h.  einer  Bewegung, 

die  durch  ^,.v 

x  =  f(t) 

gegeben  ist,  wo  f  (t)  die  Periode  t^  hat,  d.  h.  fSr  alle  t 

fit +  r,)^  fit) 

ist.  Die  Mathematik  zeigt,  daß  jede  solche  allgemeine,  imgedämpffce 
Schwingung  als  Überlagerung  reiner  Schwingungen  dargestellt  werden 
kann,  d.  h.  daß 

f(t)  =  a^  +  C4  sin  (xt  +  fj)  +  o,  sin  (2xt  +  O  H 

(siehe  Nr.  361.) 

Wir  nennen  endlich  die  Schwingung  „frei",  weil  wir  sie  zwar 
durch  einen  Anstoß  oder  sonstigen  Eingriff  hervorrufen,  dann  aber 
den  Apparat  sich  selbst  überlassen. 

Die  weitere  Betrachtung  lehrt  nun  folgendes:  Setzen  wir  den 
Apparat  zu  verschiedenen  Zeiten  mit  verschiedener  Intensität  in  Be- 
wegung, so  können  wir  a  und  s  nach  Belieben  —  innerhalb  ge- 
wisser Schranken  —  ändern,  die  Periode  aber  Tq  oder  x  bleibt  un- 
geändert.  Fassen  wir  also  alle  Schwingungen  desselben  Apparates 
zu  einer  Klasse  zusammen,  so  ist  x  eine  typische  Eonstante,  a  und  e 
sind  es  nicht. 

Wir  werden  also  versuchen,  einen  Ausdruck  zu  finden,  der  x  ent- 
hält, a  und  £  aber  nicht  und  der  doch  mit  (1)  identisch  ist. 

Zu  dem  Zweck  differentiieren  wir  (I)  zweimal  nach  der  Zeit  und 

erhalten  «      •    /  /  ,    \  s 

te?  =  iT  =  —  x*a  sm  (xt  +  s)  ^  —  x'x . 

Damit  haben  wir  schon  den  gesuchten  Ausdruck  gefunden: 


46  I-  Begründung  des  kinetischen  Eraftbegriffes.  Nr.  86. 

denn   umgekehrt  folgt   aus  der  homogenen  linearen   Gleichung   (II) 
mit  konstanten  Koeffizienten  bekanntlich  als  idlgemeines  Integral 

a;  ="  a  sin  (xt  +  s) 

mit  a  und  s  als  Integrationskonstanten. 

Wiederum  gestattet  uns  der  Beschleunigungsbegriff 
einen  typischen  Ausdruck  für  das  Gesetz  einer  Klasse  von 
Bewegungserscheinungen  zu  finden. 

36.  BiuffUimng  des  Ma4Bsenbegriffls.  Unser  neues  Gesetz 
ist  aber  noch  nicht  so  umfassend  wie  das  Galileische  oder  Newtonsche. 
Diese  galten  für  alle  beobachteten  Körper;  unser  neues  Gesetz  gilt 
nur  für  einen  bestimmten  angehängten  Körper. 

Wir  wollen  nun  so  weiter  experimentieren^  daß  wir  sowohl  ver- 
schiedene Federn  F^  F\  F'\  •  •  •  als  auch  verschiedene  Körper  K^y  JE^  •  •  - 
benutzen.  Wir  werden  dann  auch  verschiedene  Konstante  x^,  x^y  %^'  -  - 
•  •  Xj,  Xj',  Xj"»--  erhalten.  Wir  werden  die  Vermutung  aussprechen, 
daß  wenigstens  in  unserem  idealisierten  Falle  die  x  nur  von  den 
Eigenschaften  der  Federn  und  der  angehängten  Körper  abhängen  und 
wir  werden  das  direkt  als  ein  Charakteristikum  dafür  verlangen,  daß 
wir  wirklich  das  ^^Wesentliche''  der  Erscheinung  ^^herausgeschnitten'' 
haben. 

Indem  man  nun  die  x  oder,  was  auf  dasselbe  hinauskommt,  die 
Tq  untersucht,  am  besten  mittels  Stoppuhr  ohne  graphische  Aufzeich- 
nung, die  immer  störende  „unwesentliche"  Momente  mitbringt,  kann 
man  leicht  empirisch  die  folgenden  Gesetze  als  leidlich  erfüllt  fest- 
stellen —  bei  unseren  Versuchen  überschritten  die  Fehler  nicht  den 
Betrag  von  etwa  27o- 

1.  Das  Verhältnis  der  x  zweier  Körper  K  hängt  nicht  von  der 
Wahl  der  Feder  ab: 

X|  •  Xo  ~~~  X|     •  Xq    ■~~-  X«      •  Xo     — -  •  •  • 

Da  aber  andererseits  Xj  nur  von  der  Feder  und  dem  Körper  JT^,  x,  nur 
von  der  Feder  und  dem  Körper  K^  abhängt,  so  muß  sein 

Xj  :  Xj  =  ntj  :  ntj , 

wo  Uli  resp.  m,  nur  noch  von  den  Eigenschaften  der  Körper  K^  resp. 
K^  abhängen. 

Also  müssen  wir  setzen  können  x  =  j/X  •  m  oder 

8  ^ 

m  ' 

WO  X  nur  noch  von  den  Eigenschaften  der  Feder,  w  «  — j  nur  noch 

von  den  Eigenschaften  des  angehängten  Körpers  abhängt.    Wir  nennen 
vorläufig  m  die  Masse  des  Körpers. 


Nr.  37.  §  8.    Die  schwingende  Feder.  47 

Dabei  ist  die  Maßeinheit  noch  frei;  d.  h.  wir  können  für  einen 
beliebig  herausgegriffenen  Körper  m  =»  1  setzen.  Dann  aber  können 
wir  für  jeden  andern  Körper  das  m  eindeutig  aus  einem  Schwingungs- 
versuch  bestimmen. 

2.  Warum  wir  m  und  nicht  etwa  m  oder  eine  andere  Funktion 
von  m  die  Masse  genannt  haben^  erklärt  sich  aus  folgendem  Versuch. 

An  derselben  Feder  machen  wir  einen  Schwingungsversuch  mit 
dem  Körper  K^  von  der  Masse  m^  und  dem  Körper  K^  von  der 
Masse  m^.  Endlich  vereinigen  wir  E^  und  K^,  der  vereinigte  Körper 
habe  die  Masse  m.    Die  Werte  der  x  seien  x^^  x^,  x.     Dann  ergibt 

der  Versuch 

V  +  V-r« 

oder  wegen  r  «  — 

oder  ffemäß  x^  —  — 

das  Massenadditionsgesesetz: 

Haben  zwei  Körper  die  Massen  m^  und  t»,,  so  hat  der  ver- 
einigte Körper  die  Masse  m^  +  Wg. 

37.  Das  Oesets  der  Federaohwlngiing  als  Kassenbesohleu- 

nignngsgesets.     Setzen  wir  x' =>  —  in  das  Gesetz  (U)  von  Nr.  35 

ein,  so  erhalten  wir 

mw^  —  kX"*  (IIl) 

Wir  nennen  nun  mw  oder  wenn  es  nötig  ist,  die  Richtung  her* 
vorzuheben,  mw  eine  „Massenbeschleunigung''  und  können  somit 
das  Gesetz  der  Federschwingung  so  aussprechen: 

Schwingt  ein  Körper  an  einer  Spiralfeder  auf  und  ab^ 
so  besitzt  er  in  jedem  Äugenblick  eine  Massenbeschleu- 
nigung, die  auf  die  Ruhelage  zu  gerichtet  und  der  Ent- 
fernung aus  der  Ruhelage  proportional  ist.  Der  Proportio- 
nalitätsfaktor  hängt  nur  mehr  von  den  Eigenschaften  der 
Feder  ab. 

Damit  haben  wir  ein  Gesetz  für  eine  größere  Klasse  von  Be- 
wegungserscheinungen gefunden,  es  gut  für  aUe  bewegten  Körper, 
aber  wir  bedurf(;en  dazu  des  Begriffs  der  Massenbeschleunigung. 

Über  die  Genauigkeit  des  Gesetzes  ist  folgendes  zu  bemerken. 
Abgesehen  von  der  prinzipiellen  Idealisierung,  von  der  später  noch  in 
Nr.  72  genauer  die  Rede  sein  wird,  ist  unser  neues  Gesetz  weit 
weniger  genau   als  das  Galileische  oder  Newtonsche.    Es  enthält 


48  I-  BegrOndoDg  des  kinetischen  Kraftbegriffes.  Nr.  88. 

znnachst  noch  einen  direkten  Fehler:  Hat  die  Feder  selbst  die  Masse 
m  —  wir  können  ihr  selbst  offenbar  eine  Masse  beilegen,  da  wir  sie 
ja  an  eine  andere  Feder  anhangen  and  an  dieser  schwingen  lassen 
können  — ,  so  muß  das  Gesetz  eigentlich  lauten: 

(m  +  am')  w  —  —  >La?, 

wo  a  einen  echten  Brach  bedeatet,  etwa  y,  bis  Y^,  dessen  genauen 
Wert  nur  eine  vollständige  Theorie  der  Federschwingung  ei^eben 
kann.  Unser  Gesetz  gilt  also  nur  dann  genau  genug,  wenn  m  klein 
gegen  m  ist.  Der  tiefere  Grund  dieses  Fehlers  ist  natürlich  der,  daß 
die  Punkte  der  Feder  selbst  mitschwingen,  und  daß  wir  also  ein 
Sys:em  haben,  dessen  Punkte  sehr  verschiedene  Bewegungen  auf- 
weisen, wir  mithin  gar  nicht  von  einer  Beschleunigung  sprechen 
dürften.  Dann  umfaßt  unser  Fall  nur  die  sogenannte  Grund- 
schwingung: es  dürfen  nicht  noch  Seh wingungs wellen  kürzerer  Periode 
über  die  Feder  hinlaufen,  was  durch  einen  geeigneten  Anstoß  zu  ver- 
hüten ist.  Endlich  ist  der  Ausdruck  der  rechten  Seite  —  Xx  nur 
gültig  für  hinreichend  kleine  Ausschläge  x. 

In  Wahrheit  ist  eben  die  Bewegung  des  Punktes  x  keine  ganz 
reine  Schwingung. 

Aus  alledem  geht  hervor,  daß  die  vorhergehenden  Betrachtungen 
keine  Definition  der  Masse  bedeuten  können:  sie  zeigen  nur  die 
BoUe  der  Masse  als  Tragheitsfaktor:  ist  das  Massenbeschleunigungs- 
gesetz —  Xx  allein  durch  die  Feder  (A)  und  die  Lage  x  des  Körpers 
gegeben,  so  erfahren  verschiedene  Körper  eine  um  so  geringere  Be- 
schleunigung, je  größer  ihre  Masse  ist. 

Um  einen  kurzen  Namen  zu  haben,  nennen  wir  —Xx  die  „Feder- 
kraft^'  oder  y,die  Kraft,  welche  die  um  x  gedehnte  Feder  auf 
«inen  angehängten  Körper  K  ausübt^. 

Ein  solcher  Name  ist  wünschenswert.  Denn  es  ist  zu  beachten, 
<laß  —  Xx  keine  Massenbeschleunigung  ist.  Eine  Massenbeschleunigung 
ist  immer  nur  das  Produkt  aus  der  Masse  und  dem  zweiten  Differential- 
quotienten des  Orts  Vektors  einer  einzelnen  individuellen  Bewegung 
nach  der  Zeit. 

—  Xx  ist  aber  der  typische,  gesetzmäßige  Ausdruck  ffir  die 
Massenbeschleunigung  einer  ganzen  Klasse  von  idealisierten  Be- 
wegungserscheinungen, es  ist  ein  Massenbeschleunigungs- Gesetz,  und 
«in  solches  nennen  wir  einstweilen  auch  kurz  eine  Kraft. 

Das  Krafbgesetz  —  Xx  für  die  elastische  Feder  stammt,  allerdings 
wohl  nur  für  den  später  zu  besprechenden  Fall  der  Statik,  von 
Hooke,   einem  älteren  Zeitgenossen  Newtons. 

38.  Die  Oesetse  der  Follbewegimg  und  der  Planeten- 
liewegnng  ^Is  Kraftgesetse.     Wir  können  wohl,   wenigstens  in 


Nr.  39.  §  9.    Kraft  und  ünache.  49 

^ler  Idee,  allen  fallenden  Körpern  Masse  zuerteilen  und  mithin  das 
Fallgesetz  Galileis  auch  so  schreiben: 

mW  «■  mg . 

mg^Ü^  nennen  wir  nun  kurz  die  Schwerkraft  des  betreffenden 
Körpers. 

Bedenken  wir  weiter,  daß  jeder  uns  zur  Verfügung  stehende  Teil 
der  Erde  Masse  hat  und  daß  das  Massenadditionsgesetz  gilt^  so  werden 
wir  wohl  kaum  umhin  können,  auch  der  ganzen  Erde  eine  Masse  zu- 
zuschreiben. Hat  aber  einmal  der  Planet  Erde  eine  Masse,  so  liegt 
es  nahe,  auch  den  anderen  Planeten  eine  solche  Masse  zukommen  zu 
lassen.  Dann  aber  können  wir  auch  das  Newtonsche  Planetengesetz 
in  Form  eines  Massenbeschleunigungsgesetzes  hinschreiben: 

_  -  im 

mw-Q-i^' 

Wir  nennen  dann  —  ^  -^    ^i®   „(Newtonsche)    Anziehungskraft 

der  Sonne  auf  den  Planeten'',  womit  nur  gesagt  sein  soll,  daß  die 
Planeten,  wenn  sie  sich  in  der  Entfernung  r  von  der  Sonne  befinden, 
eine  auf  diese  zu  gerichtete  Massenbeschleunigung  erfahren,  die  jener 
Kraft  gleich  ist. 

Gewonnen  ist  einstweilen  durch  diese  Formulierung  nichts  als 
ein  Name,  aber  Namen  sind  oft  wertvoll,  da  sich  an  sie  Ideen  knüpfen. 

und  schaden  tut  die  immerhin  etwas  zweifelhafte  Zuerteilung 
einer  Masse  zu  einem  Planeten  nichts,  da  sie  in  der  Gleichung  des 
Gesetzes  herausfallt. 

Aufgabe:  27.  Ein  Punkt  kann  sich  in  der  Ebene  frei  bewegen  und  wird 
von  einem  festen  Zentrum  0  nacb  dem  Gesetz  mtö^^  —  pX(r  —  r^)  angezogen, 
d.  h.  man  kann  sich  vorstellen,  daß  der  Punkt  durch  eine  masselose  Feder  mit 
O  verbunden  sei.  r^  sei  eine  Konstante,  r^^^r^  gibt  den  dehnungslosen  Zustand 
der  Feder  an.  l.Man  beweise,  daß  für  diese  Bewegung  der  Flächensatz  gilt  (das 
zweite  Keplersche  Gesetz).  2.  Man  untersuche,  nach  den  Methoden  von  Nr.  83 
und  84,  ob  eine  Bewegung  in  Kreisen  um  0  möglich  ist.  8.  Für  den  Sonder- 
fall r,  OB  0  zeige  mau,  daß  die  Bahnkurven  Ellipsen  mit  0  als  Mittelpunkt  oder 
Geraden  durch  0  sind.  Es  empfiehlt  sich  aber  jetzt,  rechtwinklige  Koordinaten 
x^  y  einzufügen,  in  denen  das  Beschleunigungsgesetz  offenbar  lautet : 

m'x  =  — Iä 

wiy«  — Xy, 

da  pfBsjr  die  Komponenten  rc,  y  hat. 

§  9.   Kraft  und  Ursache. 

Nr.  38.  Über  den  Druck.  Von  der  Anschauung  haben  wir 
bis  jetzt  nur  soweit  Gebrauch  gemacht,  als  sie  den  Bereich  des 
Gesichtssinnes  anbetrifft,  d.  h.  wir  haben  Geometrie  verwendet.  Jetzt 
wird  es  Zeit^  uns  mit  derjenigen  Anschauung  näher  zu  befassen^  die 

Ham«l:  Slein«ntAre  Mechanik.  4 


50  I-  Begründtmg  des  kinetischen  Eraftbegriffes.  Kr.  89. 

spezifisch  mechanischen  Charakter  hat  und  der  Sphäre  des  Tastsinnes 
(Dracksinnes)  und  des  Muskelsinnes  angehört.  Gemeint  ist  der 
Druck^  von  dem  ein  jeder  eine  Anschauung  besitzt.  In  jedem 
Momente  üben  wir  Drucke  auf  unsere  Umgebung  aus  und  empfangen 
solche:  ob  wir  gehen,  stehen,  sitzen  oder  liegen,  stets  übermittelt  uns 
der  Tastsinn  Drucke,  die  an  der  Oberfläche  unseres  Körpers  angreifen. 
Von  ähnlicher  allgemeiner,  aber  weniger  bestimmter  Art  sind  die 
Spannungsgefühle,  die  wir  in  unseren  Muskeln  bei  ihrer  Tätigkeit 
wahrnehme/i.     (Vgl.  auch  Einleitung  Nr.  4.) 

Außer  dieser  subjektiven  Anschauung  aber  haben  wir  von  den 
Drucken  objektive  Kriterien,  an  denen  wir  ihr  Vorhandensein  er- 
kennen können.  Drücken  wir  gegen  eine  Wand,  so  zeigt  sich  eine 
deutliche  Gestaltsändemng  unserer  Handfläche,  aber  auch  die  Muskel- 
spannungen sind  für  ein  fremdes  Auge  durch  die  Oestaltsändemng, 
Kontraktion  des  Muskels  erkennbar. 

Legen  wir  nun  ein  schweres  Gewicht  einmal  auf  unsere  Hand 
und  merken  dabei  eine  Deformation  derselben  verbunden  mit  einem 
Druckgefühl,  und  legen  wir  dann  dasselbe  Gewicht  auf  eine  Gummi- 
platte und  merken  eine  deutliche  Gestaltsanderung  derselben,  so 
werden  wir  vermuten,  daß  auch  hier  zwischen  Gewicht  und  Gummi- 
platte ein  Etwas  existiert,  das  den  Namen  Druck  verdient.  Und  wie 
im  ersten  Fall  die  Kontraktion  des  Muskels  nach  außen  eine  Spannung 
derselben  anzeigte,  so  werden  wir  vermuten,  daß  die  Deformation 
des  ganzen  tragenden  Gummistückes  auch  etwas  wie  eine  Spannung 
im  Inneren  desselben  anzeigt. 

Nun  kommt  es  aber  prinzipiell  auf  die  Größe  oder  Kleinheit  des 
Gewichts  nicht  an,  auch  doch  sicherlich  im  Prinzipe  nicht  auf  die 
Weichheit  oder  Härte  des  Materials:  im  ersten  Falle  werden  wir  nur 
die  Deformation  merken,  im  zweiten  entzieht  sie  sich  wegen  ihrer 
Kleinheit  unserer  Wahrnehmung:  Durch  einen  kaum  abzuweisenden 
Analogieschluß  kommen  wir  zu  folgender  Anschauung: 

An  einem  jeden  Flächenelement  dF^  durch  das  wir  uns  zwei  6e- 
nachharte  materieUe  Volumdemente  getrennt  denken^  können  „Spannungen*^ 
auftreten.  Anzeichen  für  solche  Spannungen  sind  Gestaltsänderungen  der 
angrenzenden  Volumelemente. 

Was  sind  nun  aber  diese  Spannungen?  Ein  Gefühl  für  dieselben 
werden  wir  natürlich  unserer  materiellen  Umgebung  nicht  zuschreiben 
wollen,  das  wäre  unnötiger  Anthropomorphismus.  Wesentlich  ist  zu- 
nächst nur,  daß  för  unser  Gefühl  diese  Spannungen  deutlich  Größe 
und  Richtung  zeigen:  daß  sie  also  Vektoren  sind,  werden  wir  auf 
die  Spannungen  der  unbelebten  Natur  übertragen.  Selbstverständlich 
Vektoren,  die  mit  dem  Flächenelement,  an  dem  sie  angreifen,  unend- 
lich klein  werden.     Denn  Drucke  sind  stets  auf  Flächen  verteilt,  so 


Nr.  89.  §  9.    Kraft  und  ürBache.  51 

daß  auf  jedes  FlscheneleiDent  dF  ein  unendlich  kleiner  Teil  des 
Druckes  kommt. 

An  beiden  Seiten  eines  Flachenelements  dF,  unterschieden  durch 
ihre  Normale  v,  können  also  unendlich  kleine  Vektoren  dk^  angreifen^ 
Spannungen  genannt^  die  mit  dF  unendlich  klein  werden: 

d\  «-  6^dF, 

Der  endliche  Vektor  6^  heißt  eine  spezifische  Spannung  (Druck). 

Wir  wollen  auch  sagen  ^  daß  dk^  an  demjenigen  durch  dF  be- 
grenzten Volumelemente  „angreife",  für  welches  v  die  äußere  Nor- 
male ist. 

Die  Komponente  von  dk^  senkrecht  zu  dF  werden  wir  im  engeren 
Sinne  einen  Druck  neimen,  wenn  die  Komponente  auf  das  Volum- 
element zu  gerichtet  ist,  an  dem  sie  angreift,  sonst  einen  Zug.  Die 
tangentialen  Komponenten  von  dk^  pflegt  man  als  Schub-  oder 
Scherkräfte  zu  bezeichnen. 

Ein  stets  notwendiges,  aber  keineswegs  immer  hinreichendes 
Kriterium  für  eine  Spannung  ist  der  Deformationszustand  der  nächsten 
Umgebung   von  dF  gegen  einen  normalen,  spannungslosen  Zustand. 

Eine  weitere  fundamentale  Erfahrung  besteht  über  den  Druck 
(im  allgemeinen  Sinn  =»  Spannung):  Drücken  wir  etwa  unsere  Hände 
zusammen,  so  empfinden  wir  die  beiden  Drucke,  welche  die  Hände 
aufeinander  ausüben,  als  durchaus  gleich  und  entgegengesetzt  gerichtet. 

Der  entsprechende  allgemeine  Satz, 

daß  die  beiden  Drucke,  welche  an  einem  Flächenelement  angreifen^ 
stets  entgegengesetet  gleich  sind,  — 

in  Zeichen:  -  _ 

<y„  =•  —  <y-w 

wenn  wir  mit  v  die  eine,  mit  —  v  die  andere  Normale  des  Flächen- 
elements  dF  bezeichnen  — ,  ist  ein  Fundamentalsatz  der  Mechanik. 
Er  wurde  zuerst  von  Newton  ausgesprochen  (sein  drittes  Grund- 
gesetz, auch  lex  tertia  genannt:  actio  par  reaktioni,  ist  allerdings 
etwas  allgemeiner  als  unser  Gesetz);  es  hat  sich  bis  heute  durchaus 
kein  Widerspruch  gegen  dieses  Gesetz  erhoben,  wir  werden  sogar 
später  sehen,  daß  wir  es  auf  Grund  anderer  Annahmen  beweisen 
können  (siehe  Nr.  204). 

Dieses  Gesetz  ist  uns  unbewußt  so  selbstverständlich  geworden, 
daß  der  Ausdruck:  wir  üben  einen  Druck  aus,  schon  darauf 
beruht:  denn  wir  empfinden  in  Wahrheit  nur  den  Druck,  den  wir 
selber  von  außen  empfangen,  aber  wir  projizieren  ihn  ohne  weiteres 
nach  außen,  seinen  Sinn  umdrehend,  als  einen  Druck,  den  wir  nach 
außen  auf  den  angrenzenden  Körper  ausüben. 


52  I*  Begründang  des  kinetischen  Eraftbegriffes.  Nr.  40, 41 . 

40.  Der  Druck  als  bewegungsbestimiiiendeB  Moment. 

Wir  sind  imstande  ^  selbst  dem  eigenen  oder  fremden  Körpern  Be- 
wegung zn  erteilen,  resp.  eine  vorhandene  Bewegung  zu  verandem. 
Geschieht  dies  am  eigenen  Körper,  so  haben  wir  dabei  eine  deutliche 
Muskelempfindung  und  zwar  in  jenen  Muskeln,  die  das  bewegte  Glied 
mit  dem  übrigen  Körper  verbinden;  bewegen  wir  aber  andere  Körper, 
etwa  mit  der  Hand,  so  ist  diese  Erscheinung  mit  einem  deutlichen 
Druckgefühl  an  der  Handoberfläche  verknüpft. 

Dabei  lehrt  nun  die  Erfahrung  zweifellos,  daß  im  allgemeinen, 
soweit  nämlich  solche  subjektiven  Wahrnehmungen  überhaupt  zuver- 
lässig sind,  das  Druckgefühl  um  so  stärker  ist,  je  schwerer  der  be- 
wegte Körper  ist  und  je  größer  der  Oeschwindigkeitsunterschied,  den 
er  im  ganzen  in  einer  gegebenen  Zeit  erfahren  hat.  Auch  der  Rich- 
tung nach  stimmt,  soweit  erkennbar,  der  gefühlte  Druck  mit  dem 
Geschwindigkeitszuwachs  überein,  wobei  freilich  schon  der  nach  außen 
projizierte  Druck  gemeint  ist. 

Man  überzeugt  sich  nun  leicht  durch  einige  Versuche  im  Sinne 
von  Nr.  36,  daß  Körper  mit  größerer  Masse  diejenigen  sind,  die  man 
für  gewöhnlich  schwerer  nennt.  Zum  Teil  folgt  dies  schon  aus  dem 
in  Nr.  36  ausgesprochenen  Massenadditionsgesetz. 

Somit  werden  wir  mit  der  Anschauung  in  Übereinstim- 
mung bleiben,  wenn  wir  festsetzen:  Bewegen  wir  einen 
Körper  und  üben  wir  dabei  in  einem  Augenblick  t  an  seiner 
Oberfläche  den  Gesamtdruck  i  aus,  so  ist  für  diesen  Augen- 
blick die  von  uns  dem  Körper  erteilte  Massenbeschleunigung 

mw  =  fc. 

Damit  haben  wir  zwar  keineswegs  den  Begriff  des  Druckes  defi- 
niert, ihn  aber  doch  so  präzisiert,  daß  er  einer  genaueren  Messung 
zugänglich  wird. 

Genau  dasselbe  wollen  wir  festsetzen,  wenn  irgend  ein 
Druck  erfahrungsgemäß  allein  und  ständig  eine  (idealisierte) 
Klasse  von  Bewegungserscheinungen  begleitet. 

41.  Die  Kraft  als  typischer  Ausdruck  Ar  das  Oesets  einer 
Klasse  Tcn  Bewegnngserscheimingen.  Wir  sahen  im  vorigen 
Par^p^phen,  wie  die  Schwerkraft  G  ^^mg,  die  Anziehungskraft  der 

Sonne  —  qX  -y  und  die  Kraft  der  gespannten  Feder  —  Xx  je  einen 

Typus  von  Bewegungserscheinungen,  wenn  auch  einen  ideaUsierten, 
vollständig  repnlsentieren:  die  Schwerkraft  die  ganze  Erlasse  der  Fall- 
bewegungen an  der  Erde,  die  Anziehungskraft  der  Sonne  alle  Planeten- 
bewegungen, die  Federkraft  die  Schwingungen  aller  angehängten 
Körper.  Nennen  wir  eine  solche  Kraft  £,  so  haben  wir  für  alle  drei 
Naturgesetze  den  kurzen  gemeinsamen  Ausdruck 


Nr.  42.  §  9.    Kraft  nnd  Ursache.  53 

also  denselben^  den  wir  oben  fcir  die  Klasse  derjenigen  Bewegnngs- 
erscheintmgen  präzisierten^  die  zu  einem  bestimmten  Drackverlanf  k 
zngehören. 

Allgemein  können  wir  sagen: 

Wenn  es  uns  gelungen  ist^  bei  einer  Klasse  von  Be- 
wegungserscheinungen einen  typischen  Ausdruck  für  die 
Massenbeschleunigung  zu  finden^  so  wollen  wir  diesen  Aus- 
druck eine  Kraft  nennen^  oder  genauer  ein  Kraftgesetz. 

Von  Kraft  wollen  wir  aber  auch  dann  sprechen^  wenn  der  Prozeß 
noch  nicht  vollendet  ist^  d.  h.  wenn  wir  zwar  (idealisierte)  Massen- 
beschleunigungen haben,  die  zweifellos  einer  Klasse  angehören ,  für 
die  wir  '  aber  noch  keinen  typischen  Ausdruck  gefunden  haben, 
wir  vielleicht  erst  in  jedem  einzelnen  Falle  versuchen  müssen,  em- 
pirische Werte  der  Kraft,  d.  h.  der  Massenbeschleunigung  zu  be- 
stimmen. 

Zweifellos  ist  diese  Definition  der  Kraft  in  hohem  MaBe  kon- 
ventionell, wenn  auch  durch  die  Erfahrung  eingegeben,  und  wir  müssen 
darauf  gefaßt  sein,  daß  trotz  der  bisherigen  Brauchbarkeit  des  alten 
(Newtonschen)  Kraftbegriffes  unsere  Definition  einmal  zu  eng  werden 
kann. 

Es  sei  aber  nochmals,  wie  schon  in  Nr.  37  darauf  hingewiesen, 
daß  Kraft  nicht  einfach  ein  neues  Wort  für  Massenbeschleu- 
nigung ist  (wie  Kirchhoff  glaubte).  Kraft  ist  etwas  ganz  Neues, 
das  durch  vereinte  Wirkung  von  Anschauung,  Erfahrung  und  schöpfe- 
rischer Tätigkeit  des  Menschen  aus  dem  Massenbeschleuniguugsbegriff 
hervorgegangen  ist,  aber  nimmermehr  mit  ihm  identifiziert  werden 
darf.  Um  die  Hauptunterschiede  nochmals  zu  betonen:  Massen- 
beschleunigung ist  stets  das  Produkt  aus  der  Masse  und  der  wirk- 
lichen Beschleunigung  eines  einzelnen  bestimmten  Körpers  zu  einer 
bestimmten  Zeit;  Kraft  ist  ein  Ausdruck  für  die  Massenbeschleunigung 
einer  Klasse  von  „ Ausschnitte n^'  wirklicher  Bewegungsvorgänge. 
Der  Mensch  muß  „zerschni^en^  und  anders  wieder  zusammenfügen, 
um  aus  dem  Beobachtungsmaterial  die  Kraft  zu  gewinnen. 

42.  Bb  gibt  zwei  Arten  von  Xrftften.  Die  eine  Art  bilc^en 
die  Spannungen  oder  allgemeinen  Druckkräfte  zwischen  je  zwei  Volum- 
elementen,  die  sich  längs  eines  Flächenelementes  dF  berühren.  Von  dieser 
Art  wird  auch  eigentlich  die  Kraft  sein,  die  die  gespannte  Feder  auf  den 
angehängten  Körper  ausübt;  denn  sie  kann  die  Kraft  erfahrungsgemäß 
nur  ausüben,  wenn  der  Körper  irgendwie,  etwa  durch  eine  Schnur, 
an  die  Feder  befestigt  ist:  an  den  BerQhrungsstellen  der  Schnur  mit 
der  Feder  werden  wir  die  Angriffsstellen  jener  Spannungen  suchen. 

Oanz  anders  Schwerkraft  und  Anziehungskraft  der  Sonne.  Diese 
wirken  auf  die  Feme  ohne  materielle  Vermittlung,  d.  h.   zwischen 


54  I-  Begründung  des  kinetischen  Kraftbegiiffes.  Nz.  42. 

dem  bewegten  Körper  und  den  Objekten,  die  fdr  die  Bestimmung  der 
Bewegung  von  Bedeutung  sind  (Erde,  Sonne),  besteht  keine  bekannte 
materielle  Verbindung.  Auch  ist  ja  klar,  daß  ein  jeder  Teil  eines 
Körpers  schwer  ist  —  wir  brauchen  den  Körper  ja  nur  zu  zerteilen 
und  jedes  Stück  einzeln  fallen  lassen  —  und  daß  die  gesamte  Schwer- 
kraft nach  dem  Massenadditionsgesetz  die  Summe  der  Schwerkräfte 
der  einzelnen  Yolumelemente  ist. 

Natürlich  wird  die  Masse  eines  Yolumteils  d  V  mit  diesem  un- 
endlich klein,  setzen  wir  die  zugehörige  Masse 

dm  ^  [idV 

und  nennen  wir  (i  die  spezifische  Masse,  so  ist  die  Schwerkraft 

von  dV  _ 

dG^figdV. 

(iff  ^y  heißt  die  spezifische  Schwere  an  der  Stelle,  gegen  die  dV 
konvergiert.     Die  ganze  Masse  ist  nach  dem  Massenadditionsgesetz 

m^SfidV, 
die  ganze  Schwerkraft 

G  '^gm'^  Siigd  V-  -  SdG^. 

(Mit  S  bezeichnen  wir  stets  die  Summation  über  Yolumteile  oder 
Flächen.) 

Wir  werden  uns  also  am  besten  die  Schwerkraft  als  eine  an 
den  Yolumelementen  angreifende  oder  wie  wir  sagen,  räumlich  ver- 
teilte Kraft  vorstellen,  im  Gegensatz  zu  den  Drucken,  die  auf 
JB^lächen  verteilt  sind. 

Das  Analoge  gilt  für  die  Anziehungskraft  der  Sonne;  wir  werden 
später  (Nr.  95  und  98)  beide,  Schwerkraft  und  Anziehungskraft,  als 
Spezialfälle  einer  Kraft,  der  allgemeinen  Gh'avitation  kennen  lernen. 

Der  soeben  besprochene  Unterschied  teilt  alle  Kräfte  in  zwei 
Gruppen: 

1.  räumlich  verteilte  Kräfte  (auch  Yolumskräfte  genannt): 
dk=^xdV,  wo  X  eine  spezifische  räumlich  verteilte  Kraft  heißte 
Diese  Kräfte  sind  zugleich  stets  FemkriLfte,  d.  h.  die  Bestimmungs- 
stücke, welche  das  Yorhandensein  einer  solchen  Kraft  erkennen  lassen, 
liegen  außer  in  dem  betrachteten  Punkte,  gegen  den  dV  konvergiert, 
stets  auch  noch  in  endlicher  Entfernung  von  demselben.  Hierher 
gehören  die  Schwerkraft,  die  sogenannten  molekularen  Kräfte,  welche 
die  Erscheinungen  der  Adhäsion  und  Kohäsion  bedingen,  femer  die 
elektrischen  und  magnetischen  Kräfte. 

2.  flächenhaft  verteilte  Kräfte:  dk^  ^  6\  -  dF\  das  sind  aus- 
schließlich die  Drucke,  Spannungen,  welche  zwei  an  dF  benachbarte 
Yolumelemente   aufeinander   ausüben.     Die   Merkmale    dieser  Kräfte 


Nr.  43.  §  9.    Kraft  und  Ursache.  55 

sind  stets  in  unmittelbarer  Umgebung  Ton  dF  zu  suchen;  zu  den 
Merkmalen  gehört  immer  der  Deformationszustand  an  der  betreffenden 
Stelle. 

Wir  werden  sp&ter  (Nr.  204)  sehen,  dafi  man  fl&chenhaft  yerteilte  Kr&ffce 
immer  auf  Volnmkrftfte  zurückfahren  kann,  wenn  man  will;  das  Umgekehrte 
geht  nicht  immer. 

Es  ist  deshalb  kein  Fehler,  wenn  wir  Kr&fte  als  Yolnmkr&fte  auffassen, 
die  sonst  neuerdings  meist  als  Spannungen  gedacht  werden.  So  stellt  man  sich 
im  Gegensatz  zu  unserer  Einreihung  elektromagnetische  Kr&fte  in  der 
modernen  Physik  meist  als  Spannungen  vor,  allerdings  als  Spannungen  in  einem 
hypothetischen  Medium,  dem  Äther.  Man  spricht  im  Zusammenhang  damit  auch 
von  einer  Nahewirkungstheorie,  indem  die  elektromagnetische  Kraft  bedingt  sei 
durch  den  Zustand  des  elektromagnetischen  Feldes  an  der  betreffenden  Stelle. 
Aber  dieses  elektromagnetische  Feld  ist  seinerseits  rein  hypothetisch  und  wieder 
durch  beobachtbare  elektromagnetische  Vorgänge  an  der  Materie  der  ganzen 
weiteren  Umgebung  gegeben.  Also  ist  die  elektromagnetische  Kraft  in  unserem 
Sinne  doch  eine  Femkraft.  Anders  unsere  mechanischen  Spannungen:  sie  sind 
durch  die  Deformation  und  andere  vorübergehende  oder  dauernde  materielle 
Eigenschafben  an  der  betreifenden  Stelle  gegeben,  also  durch  lauter  beobachtbare 
Umstände  an  der  Stelle  selbst. 

Für  den  Fortgeschrittenen  ist  es  vom  mechanischen  Gesichtspunkt  aus  ganz 
gleichgültig,  wie  er  eine  Kraft  auffaßt;  für  uns  aber,  die  wir  Mechanik  erst 
lernen  wollen,  ist  die  scharfe  Scheidung  der  mechanischen  Spannungen  von 
den  anderen  Kräften  anschaulich  und  begrifflich  durchaus  notwendig 

43.  Bto  Vrsaolie  einer  Kraft  und  einer  Bewegung.    Wir 

haben  bis  jetzt  schon  mehrmals  von  den  Merkmalen,  Bedingungen 
oder  Bestimmungsstücken  einer  Kraft  gesprochen.  Damit  meinen  .wir 
diejenigen  Voraussetzungen,  auf  Grund  deren  wir  eine  bestimmte  Kraft 
als  vorhanden  annehmen  können.  Jedes  physikalische  Gesetz  hat  sein 
„Wenn'';  also  auch  die  Kraft,  die  ja  nichts  anderes  als  ein  Massen- 
beschleunigungsgesetz ist  Ein  Gesetz  kennen,  heißt  seine  Voraus- 
setzungen kennen,  denn  sonst  sind  wir  yor  allen  Dingen  nie  imstande 
vorauszusagen  und  die  Wissenschaft  anzuwenden. 

Für  die  Schwerkraft  lauteten  die  Bedingungen:  Ein  Körper  Ton 
der  Masse  m  wird  in  der  Nähe  der  Erdoberfläche  freigelassen.  Be- 
dingungen der  Schwerkraft  sind  also:  die  Masse  des  Körpers,  die 
Nähe  der  Erde,  die  Freiheit  alle  Bewegungen  auszuführen. 

Entsprechend  sind  die  Bedingungen  für  das  Anziehungsgesetz  der 
Sonne:  die  Masse  des  Planeten,  die  Sonne,  die  Entfernung  r  von 
der  Sonne,  die  Freiheit  die  Bewegung  auszuführen.  Denn  wir  werden 
natürlich  jeden  Körper  einen  Planeten  nennen,  der  sich  in  vergleich- 
barer Nähe  mit  den  bekannten  sogenannten  Planeten  frei  um  die 
Sonne  bewegen  kann.  Daß  der  Körper  so  groß  sei,  daß  er  für  uns 
sichtbar  ist,  werden  wir  wohl  nicht  verlangen. 

Für  die  Federkraft  werden  die  Bedingungen  lauten:  die  Feder 
selbst  und  die  augenblickliche  Dehnung  x  derselben,  die  Freiheit  des 
angehängten  Körpers,  die  Scbwingungsbewegung  wirklich  auszuführen. 


56  I-  Begründung  des  kinetischen  Erafbbegriffes.  Nr.  44. 

Für  Druckkräfte:  sicherlich  die  Deformationen  in  der  Nähe  der  Stelle, 
wo  sie  wirken,  eyentaeU  aber  noch  andere  Erscheinungen  und  Eigen- 
schaften der  Materie  an  der  betreffenden  Stelle. 

Wir  wollen  nun  den  Inbegriff  aller  Merkmale,  d.  h.  Er- 
scheinungen und  Daten  physikalischer,  chemischer  oder  geo- 
metrischer Natur  an  materiellen  Objekten,  auf  Grund  deren  wir 
imstande  sind,  das  Vorhandensein  einer  Kraft  zu  behaupten, 
die  Ursache  der  Kraft  oder  auch  die  Ursache  der  betreffen- 
den Bewegungsklasse  nennen.  Die  Freiheit,  die  betreffende 
Bewegung  auszuführen,  soll  jedoch  nicht  zu  den  Ursachen 
gerechnet  werden,  wenn  die  Kraft  bereits  durch  die  anderen 
Daten  nach  OroSe  und  Richtung  bestimmt  ist. 

Damit  werden  wir  dem  Kausalitatsbedürfhis  gerecht,  das  wir  un- 
abweisbar in  uns  besitzen.  Wir  bringen  so  die  studierte  Klasse  Ton 
Bewegungen  in  gesetzmäßigen  Zusammenhang  mit  anderen  Natur- 
Yorgängen  oder  sonst  welchen  Erscheinungen  der  erkennbaren  Außenwelt 

Durch  den  Schlußsatz  unserer  Definition,  nach  dem  wir  die  Frei- 
heit nicht  mit  zu  den  Ursachen  rechnen,  haben  wir  einen  wichtigen 
Schritt  getan:  wir  haben  damit  der  Kraft  eine  Existenz  gegeben,  auch 
für  den  Fall,  daß  die  betreffende  Bewegung  gar  nicht  eintreten  kann. 
Wenn  wir  also  z.  B.  einen  Körper  auf  einen  festen  Tisch  legen,  so 
daß  er  gar  nicht  fallen  kann,  wollen  wir  doch  sagen,  daß  er  unter 
der  Wirkung  der  Schwerkraft  stehe.  Was  das  freilich  heißen  soll, 
können  wir  erst  in  der  nächsten  Nummer  sagen.  Es  genügt  jetzt 
zu  bemerken,  daß  wir  Tom  Dasein  einer  Kraft  sprechen  können, 
weun  nur  ihre  Ursachen  yorhanden  sind. 

Die  Kraft  selbst  aber  definieren  wir  nicht  als  Ursache  der  Be- 
wegung; denn  die  Kraft  ist  ein  Gedankending  und  keine  Natur- 
erscheinung. 

44.    Bas  sogenannte  Parallelogramm  der  Kräfte.     Es 

entsteht  jetzt  von  selbst  die  Frage:  was  geschieht,  wenn  gleichzeitig 
die  Ursachen  mehrerer  Kräfte  auftreten?  Fassen  wir  die  Bewegungen, 
die  durch  einen  bestimmten  Ursachenkomplez  yeranlaßt  sind,  wieder 
zu  einer  Klasse  zusammen,  so  daß  sie  einer  neuen  Kraft  zugehören, 
so  lautet  die  obige  Frage  auch: 

Gegeben  seien  gleichzeitig  mehrere  auf  einen  Punkt 
wirkende  Kräfte,  welcher  Kraft  werden  diese  gleichwertig 
sein? 

Die  Antwort  auf  diese  Frage  gibt  der  sogenannte  Satz  yom 
Parallelogramm  der  Kräfte: 

Wirken  auf  einen  Punkt  gleichzeitig  die  Kräfte  d\  und  dk^, 
so  ist  das  dassdbej  als  ob  auf  den  Punkt  die  eine  Kraft  dJi^  +  dk^ 
wirkte, 


Kr.  44. 


§  9.    Kraft  und  Ursache. 


57 


cL  h.  diejenige  Kraft,  die  nacli  Richtung  nnd  Größe  die  Ton  dem  An- 
fangspunkte ausgehende  Diagonale  des  aus  dk^  und  dk^  gebildeten 
Parallelogramms  darstellt. 

Natürlich  muß  der  Satz  f&r  Drucke  und  räumlich  verteilte  Erafke 
zunächst  noch  gesondert  ausgesprochen  werden:  es  addieren  sich  die 
an  einem  Flachenelement  angreifenden  spezifischen  Drucke  6  und  die 
an  einem  Volumelement  angreifenden  spezifischen  Raumkrafte  x  ge- 
sondert. 

Sind  mehrere  Kräfte  dk^  . . .  dk^  da,  so  sind  sie  einer  Kraft 
äquivalent,  die  gleich  ihrer  geometrischen  Summe  ist: 

dk  —  dkl  +  •  — f*  ^K  • 

Geometrisch  heißt  das:  man  erhält  das  resultierende  x  (resp.  i),  in- 
dem man  das  Kräftepolygon  zeichnet,  d.  h.  von  einem  Punkte  0 
aus  die  x  (resp.  S)  ungeändert  nach  Größe  und  Richtung  aneinander 
reiht  Die  Sfa'ecke  vom  Anfangspunkte  0  bis  zum  Endpunkte  K^ 
ist  dann  nach  Richtung  und  Größe  die  Resultierende  (Fig.  17). 


Ist  die  Summe  der  dk  Null,  so  daß  Ruhe  oder  gleichförmige 
Bewegung  eintritt,  so  sagen  wir  auch:  die  Kräfke  heben  sich  auf. 

Der  Satz  vom  Parallelogramm  der  Kräfte  ist  nicht  zu  ver- 
wechseln mit  einem  andern  Satze,  den  wir  in  Nr.  51  genauer  be- 
sprechen werden: 

Herben  alie  Punkte  eines  Körpers  in  jedem  Augenblick  dieselbe 
Geschwindigkeit,  also  auch  dieselbe  Beschleunigung^  so  ist  diese,  mit  der 
Masse  des  Körpers  multipliziert,  gleich  der  Summe  aller  auf  den  Körper 
wirkenden  Kräfte:  mw  =  Ä  =-  Sdk. 

Dieser  neue  Satz  ist  weiter  als  der  alte,  indem  er  für  einen  end- 
lich ausgedehnten  Körper  etwas  über  die  Summe  aller  Kräfte  sagt; 
er  ist  enger  insofern,  als  er  keineswegs  die  volle  Gleichwertigkeit 
aller  Kräfte  dk  mit  einer  k  behauptet. 

Dieser  zweite  Satz  löst  das  Paradoxon  der  vorigen  Nummer: 
Wird  ein  Körper  durch  feste  Stützen  in  seiner  Bewegungsfreiheit 
gehindert,  so  müssen  wir  die  Modifikation  eventuell  volle  Aufhebung 
der  Bewegung  in  Druckkräften  suchen,  welche  diese  Stützen  auf  den 
Körper  ausüben.     Diese  Kräfte  müssen  dann,  wenn  z.  B.  gar  keine 


58  I*  Begründung  des  kinetischen  Eraftbegriffes.  Nr.  46. 

Bewegung  eintritt,  so  beschaffen  sein,  daß  die  Summe  aller  Ejrafte 
Null  ist  Tatsäclilicli  beobachten  wir  auch  bei  nicht  zu  harten  Stützen, 
die  einen  schweren  Körper  tragen,  das  Auftreten  Ton  Deformationen, 
welche  ja  für   die  Existenz   Ton  Druckkrofken   charakteristisch  sind. 

Auf  der  Schule  beweist  man  den  Satz  Tom  EräfteparaUelo- 
granm  häufig  experimentell  Aber  erstens:  man  gebraucht  dabei  so 
vielerlei  Vorrichtungen:  Gewichte,  Schnüre,  Rollen  usw.,  wobei  der 
Satz  selbst  und  noch  yieles  mehr  aus  der  Mechanik  bereits  voraus- 
gesetzt ist,  und  zweitens:  man  beweist  gar  nicht  den  Parallelogramm- 
satz, sondern  den  vorhin  genannten  zweiten  Satz. 

Worauf  stützt  sich  in  Wahrheit  die  Gewißheit  unseres 

Satzes? 

1.  Darauf,  daß  es  noch  immer  gelungen  ist,  Erafl^esetze  zu 
finden,  die  nach  dem  Parallelogrammsatz  vereinigt,  in  Verbindung 
mit  den  anderen  Grundsätzen  der  Mechanik^  die  Bewegungserscheinungen 
befriedigend  erklären.  —  Sollte  sich  aber  je  ein  Widerspruch  zeigen, 
so  würden  wir  den  Satz  doch  so  schnell  noch  nicht  aufgeben,  sondern 
weit  eher  andere  Sätze,  denn 

2.  unser  Satz  empfiehlt  sich  durch  seine  außerordendliche  Ein- 
ÜEichheit,  Klarheit,  ich  möchte  fast  sagen  Selbstverständlichkeit 

3.  Man  kann  ihn  auf  Grund  gewisser,  noch  einfacherer  und  wohl 
allgemein  zugestandener  Axiome  beweisen. 

Das  soll  in  der  nächsten  Nummer  geschehen,  die  der  Anfänger 
überschlagen  kann. 

Auch  historisch  tritt  der  Parallelogrammsatz  zuerst  durchaus 
nicht  als  Erfahrungssatz  auf.  Zum  erstenmal  wird  er  im  13.  Jahr- 
hundert von  einem  unbekannten  Autor  mit  dem  später  zu  besprechen- 
den Prinzip  der  virtuellen  Arbeiten  bewiesen^),  dann  von  Simon  Stevin 
(1586)  mit  dem  Hebelgesetz;  Beweise  nach  Art  des  folgenden  gaben 
zuerst  Daniel  Bernouilli  (1726),  D'Alembert  (1766).  Ein  neuer 
sehr  schöner  Beweis  stammt  von  Darboux,  ein  anderer  von  Siacci. 

45.  Beweis  des  ParallelogramxiiBatseB  auf  Omnd  ge- 
iRTiflser  einfikOher  Axiome.  Es  sei  die  noch  unbekannte  Zusammen- 
setzung mehrerer  Kräfte  %^  .  . .  %^  durch 

(»1,  As,,  . . .,  k^) 
bezeichnet. 

Dann  wollen  wir  verlangen: 

1.  Es  sei  (%!,  Äg)  ein  eindeutig  bestimmter  mit  h^  und  k^  stetig 
variierender  und  nach  den  Koordinaten  derselben  stetig  differentiier- 
barer  Vektor.  (Eindeutigkeit  ist  nach  der  vorigen  Nummer  selbst- 
verständlich; Stetigkeit  und  Differentiierbarkeit  verlangen  wir  von 
allen  in  der  Physik  vorkommenden  Funktionen). 

1)  Zitiert  nach  Duhem:  Lee  Originep  de  la  Statique. 


Nr.  46.  §  9.    Kraft  und  Unache.  59 

2.  Wenn  (k^,  k^)  ==k  ist^  so  ist 

(xk^y  xk^)  =  xk    (für  a?  >  0). 

{Natürlich^  denn  es  kann  das  Resultat  doch  unmöglich  von  dem  Maß- 
stab abhängen,  in  dem  wir  k  messen.)^) 

3.  (kf  0)  —  £  und  (0,  k)  ^k.  (Das  ist  nichts  anderes  als  die 
Aussage,  daß  ein  Ursachenkomplex  eindeutig  eine  Kraft  bestimmt.) 

Beweis:  Seien  die  rechtwinkligen  Komponenten  yon  k  mit  X, 
Yy  Z  bezeichnet^  so  ist  nach  1. 

X^fiX,,  Fl,  2r,;   Z,,  r„  Z,)  usw. 

eine  eindeutige,  stetig  differentiierbare  Funktion  der  eingeschlossenen 
Yariabeln. 

Nach  2.  aber  ist 

xX ^==  f(xJ[^f  xYij  xZ^\  ^X^y  ^^2,  xZ^, 

Ans  dem  Mittelwertsatze  der  Differentialrechnung  folgt  aber 

xX^xX^f^(^xX^,  ^xT^,  »xZ^]  »xX^,  »xY^,  ^xZ^ 

+  xY,f^  +  xZJ,^  +  xX,f^  +  xY,f^  +  xZ,f^, 

wenn   f^   die  Ableitung  nach  dem  ersten  Argument  usw.   bedeutet, 
S'  eine  Zahl  zwischen  0  und  1. 
Also  ist  auch 

X  ■-  3^  fgAp'X  X^ ,  d'x  y^  ,•••)  +  ••  • 
Oehen  wir  damit  zur  Grenze  x  =  0  über,  so  bekommen  wir 

z=z,/;/o,o,o.,  o,o,o)  +  --- 

wo  a^ . . .  (^  Konstante  sind. 

Nun  soll  aber  nach  3.  für  Z,  —  Tj  —  Z,  =  0  Z  =  Z^  sein, 
somit  muß  a^ "-  1,  6^  =  c,  »  0  sein.     Ebenso  folgt 

öj  =«  1,  ft,  «  0,  c^  «  0 
und 

X^X,  +  X^. 
Genau  so  folgt 

Y^Y^+Y^    und     Z=Z;  +  Z„ 

K    ~-"   Kl    ^p    Ka  y 

w.  z«  b.  w. 

Der  schöne,  aber  etwas  schwierigere  Beweis  von  Daiboux  benutzt  im 
wesentlichen  nur  die  in  der  Einleitung  (Nr.  8)  genannten  allgemeinen  Prinzipien, 
doch  nicht  die  Differentierbarkeit  and  nicht  unsere  Annahme  2.  Siehe  auch  des 
Verfassers  Note:  „Ober  die  Zusammensetzang  von  Vektoren/^  Ztschr.  f.  Math, 
a.  Phys.  1908,  Bd.  149. 

1)  Diese  Voraussetzung  benutzt  auch  Siacci. 


60  I-  Begründung  dea  kinetisclien  EraftbegriffeB.  Nr.  46. 

46.  Über  die  Zerlegung  der  Kräfte.    Bin  Dynamometer. 

In  der  Natur  werden  tatsachlich  stets  mehrere  Kräfte  gleichzeitig  auf 
einen  Punkt  wirken.  Bei  allen  irdischen  Objekten  entgehen  wir  ja  nicht 
der  Schwerkraft;  die  Anziehungskraft  der  Sonne  wird  auf  alle  im 
Bereiche  des  Planetensystems  vorhandenen  Körper  wirken^  und  endlich 
sind  alle  irdischen  Objekte  von  anderen  umgeben,  zum  mindesten  von 
der  Luft,  und  werden  also  von  diesen  Drucke  erfahren.  Somit  muß 
dem  Studium  einer  Kraft  immer  eine  Zerlegung  des  ganzen  Kraft- 
komplexes vorhergehen,  und  selbstverständlich  werden  wir  dieser  Zer- 
legung das  Gesetz  vom  Parallelogramm  der  Kräfte  zugrunde  legen. 

Diese  Zerlegung  des  ganzen  Kraftkomplezes  ist  nun 
nichts  anderes,  als  das,  was  wir  früher  „zerschneiden^  oder 
„das  Wesentliche  aus  einer  Bewegungserscheinung  heraus- 
greifen^'  nannten. 

Außer  der  einen  Kraft,  die  wir  studieren  wollten,  waren  stets 
noch  andere  Kräfte  da^  die  wir  „wegschneiden'^  mußten:  beim  Fall- 
gesetz der  Druck  der  Luft,  den  wir  auch  Luftwiderstand  nennen, 
beim  Planetenproblem  die  Anziehung  der  anderen  Himmelskörper, 
denn  wir  werden  aus  Analogie  schließen,  daß  die  Planeten  aufeinander 
ähnliche  KriLfte  ausüben,  wie  die  Sonne  auf  die  Planeten,  wofür  wir 
in  den  Monden  eine  Anzeige  haben,  welche  um  die  zugehörigen 
Planeten  in  erster  Annäherung  ebenfalls  Keplersche  Bewegungen  aus- 
führen.    (Siehe  Aufgabe  24.) 

Als  Beispiel  zu  dem  zweiten  in  Nr.  44  genannten  Satze  wollen 
wir  ausrechnen,  welches  die  eigentliche  Federkraft  ist:  X,  denn  tair 
sächlich  (d.  h.  abgesehen  von  allen  schon  früher  genannten  Idealisierungen) 
beobachtet  haben  wir  die  gemeinsame  Wirkung  der  Erdschwere  und 
der  Federkraft. 

Wir  schreiben  also  an: 

mx  «  X  —  mg, 

indem  wir  x  nach  oben  positiv  zählen.  Daraus  folgt,  wenn  wir  nach 
der  idealisierten  Beobachtung 

rc  =  a  sin  (x^  -f-  b) 


setzen,  daß 

mithin 
wo 


X  ^  —  x'x  = , 

X  =-  mg  —  my?x  =  mg  —  Aa;  —  -—  >Ly, 

G 


ist.     Als  reine  Federkraft  erhalten  wir  also  eine  Kraft,  die  genau  dem 
früher  ausgesprochenen  Oesetze  gehorcht,  nur  daß  die  Ruhelage  nicht 

durch  a:  =-  0,  sondern  durch  y  =  0,  d.  h.  rr  =  y-  gegeben  ist. 


Nr.  47.  §  9.    Kraft  und  Ursache.  61 

Damit  aber  haben  wir  eine  neue  Erkenntnis  gewonnen:  Hängen 
wir  an  eine  Feder  ein  Gewicht  G  nnd  lassen  wir  jetzt  Ruhe  eintreten, 
80  ist  die  dabei  erfolgte  Ausdehnung  der  Feder 

G 

oder 

G^Xx. 

Das  ist  die  eigentliche  Form  des  Gesetzes,  wie  es  yon  Hooke 
ausgesprochen  worden   ist: 

ut  tensio,  sie  Tis: 
J)(is  Gewicht  ist  hei  ruhender  Feder  der  Ausdehnung  der  Feder  pro- 
portional. 

Dieses  statische  Gesetz  ist  auch  yiel  genauer  als  das  kinetische 
Gesetz.  Bei  einigermaßen  gutem  Material  gilt  es  recht  befriedigend, 
so  daß  man  eine  solche  Feder  als  Wage  zur  Bestimmung  von  6, 
oder  aber,  da  G  durch  eine  andere  Kraft  ersetzt  werden  kann,  als 
Dynamometer,  d.  h.  als  Meßapparat  f[ir  statische  Kräfte  verwenden 
kann. 

Will  man  den  Apparat  genauer  konstruieren,  so  setzt  man  an 

Q-fix) 

und  bestimmt  diese  noch  unbekannte,  aber  Ton  Ix  nur  wenig  ab- 
weichende Funktion  empirisch,  d.  h.  man  eicht  das  Dynamometer. 

Die  anderen  störenden  Kräfte  bei  der  schwingenden  Feder  be- 
stehen einmal  ebenfalls  im  Luftwiderstand,  dann  aber  vor  allem  dann, 
daß  bei  Bewegung  die  ganze  Federkraft  —  ly  nicht  an  den  an- 
gehängten Körper  mittels  Spannungen  an  der  Berührungsstelle  über- 
tragen, sondern  teilweise  dazu  yerwandt  wird,  die  eigenen  Massen  der 
Feder  zu  beschleunigen  und  gewisse  innere  Widerstönde  zu  überwinden. 

47.  BftB  erste  (ITewtoneolie)  Onindgesets  der  Mechanik. 

Aus  der  Entwicklung  des  Kraftbegriffes  ging  hervor,  daß  die  Massen- 
beschleunigung eines  Körpers,  der  wesentlich  nur  eine  Translations- 
bewegung ausführt,  gleich  war  der  auf  ihn  wirkenden  Kraft. 

Mit  Rücksicht  darauf,  daß  die  verschiedenen  Punkte  eines  Körpers 
sehr  verschiedene  Bewegung  haben  können,  daß  es  femer  räumlich 
verteilte  Kräfte  xdV  und  an  Flächen  angreifende  Kräfte  ödF  gibt, 
und  mit  Bücksicht  auf  das  Parallelogramm  der  Kräfte  werden  wir 
nunmehr  dem  Grundgesetze  der  Mechanik  die  folgende  Fassung  geben: 

Wir  betrachten  ein  Yolumenelement  z/F  mit  der 
Masse  ^m,  das  einen  Punkt  X  umgibt,  dessen  augenblick- 
liche Beschleunigung  td  sei.  xz/F  sei  die  Summe  der  an 
dem  Yolumenelement  angreifenden  räumlich  verteilten 
Kräfte,  ö^dF  der  an  einem  Element  der  Oberfläche  mit  der 
äußeren  Normalen  v  angreifende  Druck.     Dann  ist 


62  I-  Begründung  des  kinetischen  Kraftbegriffes.  Nr.  47» 


wo  JTc^üJV+^c^dF 


1 


und  die  Snmination  S  sich  auf  die  Oberflächenelemente  von 
dV  erstreckt. 

Dies  alles  ist  in  der  Grenze  gemeint^  d.  h.  dividieren  wir  durch 
/iV  durchy  so  lautet  das  Gesetz 


^«7  =  x  +  Hm  ~^a^dF, 


/i  » limes-^  =  ^  bedeutet  dabei  die  spezifische  Masse  (siehe  auch 

Nr.  42). 

Dieses    fundamentale    Grundgesetz    enthält    die    beiden    ersten 

Newtonsclien  Grundgesetze: 

1.  Das  sogenannte  Trägheitsgesetz:  wirkt  auf  einen  Punkt 
gar  keine  Kraft,  so  ist  ü; »  0,  d.  h.  der  Punkt  bewegt  sich  in  gerad- 
liniger Bahn  mit  gleichförmiger  Geschwindigkeit. 

2.  Wirkt  auf  einen  Punkt  (genauer  auf  das  ihn  umgebende 
Massenelement)  eine  Kraft  dh,  so  erfolgt  eine  Massengeschwindigkeits- 
änderang  d{dmv)  =  dmid  •  dt,  welche  dieselbe  Richtung  wie  die  Kraft 
hat  und  der  Kraft  direkt  proportional  ist. 

3.  Das  Gesetz  vom  Parallelogramm  der  Kräfte  in  etwas  weiterer 
Fassxmg:  die  resultierende  Kraft  dk  ist  gleich  der  geometrischen 
Summe  aus  den  räumlich  verteilten  Kräften  xdV  und  den  an  der 
Oberfläche  Ton  dV  angreifenden  Spannungen  a^dF, 

Neben  seine  beiden  ersten  Gesetze  stellt  Newton  noch  als  drittes 
Gesetz  (lex  tertia): 

Das  Gesetz  der  Gleichheit  von  Wirkung  und  Gegen* 
Wirkung,  das  wir  jedoch  nur  in  der  folgenden  speziellen  Form  all- 
gemein brauchen  und  nur  vorläufig  als  Axiom  aussprechen,  später 
aus  unserem  obigen  Fundamentalgesetz  beweisen  werden   (Nr.  204): 

Die  beiden  zu  einem  Flächenelement  gehörenden  spezi- 
fischen Drucke  sind  einander  entgegengesetzt  gleich: 

^r  =  —  *-r- 

Unser  Grundgesetz  hat  eine  doppelte  Bedeutung: 

1.  eine  phoronomische:  Eine  Klasse  von  Bewegungserschei- 
nungen untersuchen  heißt,  eine  Reihe  von  Krafbgrößen  dk^y . .  .,dk^ 
finden  nebst  ihren  Ursachen,  der  Art,  daß  für  jede  wirklich  beobachtete 
Beschleunigung  w  eines  Punktes  des  Systems 

n 

1  _       'XTr    -  I 

:t—   dmtp  —   >  dk^   <  s, 

dm  j^       •'  I  ^    ' 


Nr.  48.        §  10.    Zusammenfassimg  der  Beaultste  des  ersten  Kapitels.  63 

wo  s  innerhalb  der  Grenze  der  Beobachtunirsfehler  von  w  und  -3— 
hegt. 

Wir  werden  sagen,  daß  wir  ans  einer  Bewegnngsklasse  einen 
^^wesentlichen''  Bestandtteil  herausgeschnitten  haben,  wenn  es  uns 
gelungen  ist,  ein  dk  nebst  seinen  Ursachen  wirklich  festzustellen  und 
wir  die  begründete  Erwartung  haben,  es  werde  gelingen,  die  anderen 
dh  nebst  ihren  Ursachen  so  zu  finden,  daS  die  Toranstehende  Un- 
gleichheit erfüllt  ist. 

2.  eine  kinetische:  die  Bewegung  eines  Punktes  zu  berechnen, 
wenn  wir  die  Erafbe  dk  kennen.  Darin  ist  speziell  die  statische 
enthalten:  zu  untersuchen,  wann  Gleichgewicht  herrscht,  d.  h.  wann 
ein  Körper  in  Ruhe  bleibt. 

Notwendig  ist  dazu^  daß  für  jeden  Punkt 

dk^O 
sei.     Das  ist  auch  hinreichend,  da  aus  dk  ^0 

d.h. 

v  «=-  c 
und 

folgt,  und  (da  zu  einer  Zeit  Buhe  war,  also  c  »  0  ist)  auch  wirklich 
Ruhe  bleibt,  nämlich  dauernd 

r  ^Tq. 

§  10.   Axiomatiselie  Zusammenfassung  der  Resultate  des  ersten 

Kapitels.    Maßsysteme. 

48.  Ble  Aziomgruppeu  I  bis  V  der  Meohanik.     Aus  dem 

bisher  Besprochenen  bringen  wir  jetzt  das,  worauf  wir  uns  im 
folgenden  in  unseren  Schlüssen  stets  berufen  werden,  in  eine  präzise 
Form.  Dabei  kommt  es  darauf  an,  die  Beziehung  der  Begriffe  auf- 
einander darzustellen,  nicht  darauf,  zu  sagen,  was  diese  Begriffe  eigent- 
lich sind.  Das  kann  reine  Logik  gar  nicht.  Nur  Anschauung  und 
Erfahrung  können  zusammen  mit  gewissen  allgemeinen  Grundsätzen 
des  menschlichen  Denkens  das  Begriffsschema  ausfüllen,  so  wie  es  in 
den  bisherigen  Paragraphen  geschehen  ist  und  noch  weiter  ge- 
schehen soll 

Axiomgruppe  I.  In  bezug  auf  einen  absolut-ruhenden  Raum 
und  eine  absolute  Zeit  t  untersuchen  wir  Bewegungen,  d.  h.  wir 
ordnen  allen  Punkten  des  Raumes  zur  Zeit  t^  umkehrbar  eindeutig 
alle  Punkte  des  Raumes  zu  irgendeiner  Zeit  t  zu  und  sagen  dann,  es 
haben  sich  die  Punkte  in  der  Zeit  ^  bis  t  aus  der  ersten  Lage  in 
die    zweite    bewegt.     Unter    allen    solchen    denkbar    möglichen   Zu- 


64  I-  Begründung  de8  kinetischen  Kraftbegriffes.  Nr.  48. 

Ordnungen  gibt  es  eine  ansgezeiclinete,  wir  nennen  sie  die  materielle 
Bewegung,  Ton  der  wir  sagen,  daß  sich  ein  und  derselbe  materielle 
Punkt  Ton  X^  nach  X  bewegt  habe,  ^wenn  dem  Punkte  X^  zur  Zeit  t^ 
der  Punkt  X  zur  Zeit  t  zugeordnet  ist. 

Daß  rückwärts  zu  X  eindeutig  der  Punkt  X^  gehöre,  besagt, 
daß  die  Materie  undurchdringlich  ist:  es  können  nicht  zwei  ver- 
schiedene Punkte  an  dieselbe  Stelle  X  kommen. 

Wir  setzen  die  Bewegung  im  Prinzip  als  stetig  und  beliebig  oft 
stetig  differentiierbar  voraus,  wie  alle  physikalischen  Gesetze. 

Aziomgruppe  II.  Die  Masse.  Bewegt  sich  ein  mecha- 
nisches System  (ein  Körper,  d.  i.  eine  stetig  zusammenhängende 
dreidimensionale  Menge  von  materiellen  Punkten,  die  wir  nach  Be- 
lieben aus  der  uns  umgebenden  Natur  herausgreifen  können),  so 
kommt  ihm  beständig  ein  und  dieselbe,  von  der  Zeit  unabhängige 
positive  Zahl,  seine  Masse  m  zu. 

Besteht  ein  Volumen  aus  den  Teilen  Fj  und  F,  mit  den  Massen 
ftij  und  m,,  so  hat  F  selbst  die  Masse  m^  +  m,. 

heißt  die  spezifische  Masse  des  Punktes,  gegen  den  dV  konvergiert; 

t)  =  lim  j—  =  - 
am        n 

heißt  das  spezifische  Volumen.     Aus  dm^fidV  folgt: 

m  -^  fiidV. 

II  ist  immer  endlich  und  nie  gleich  Null,  wenn  wir  auch  manch- 
mal, um  eine  Aufgabe  zu  vereinfachen,  an  einigen  Stellen  fi  =  0  setzen. 

Axiomgruppe  III.  Die  Spannungen.  Zwei  Volumelemente 
dV^  und  dV^,  die  sich  längs  des  Flächenelementes  dF  berühren, 
üben  an  dF  „Spannungen'^  oder  „Drucke  im  allgemeinen  Sinne'' 
aufeinander  aus,  d.  h.  uuendlich  kleine  Vektoren  ö^dFy  0^dF,  welche 
dV^  resp.  dV^  zugeordnet  sind  oder,  wie  wir  auch  sagen,  an  diesen 
angreifen. 

Vorläufig  nehmen  wir  noch  als  Axiom  das  Gesetz  der 
Gleichheit  von  Wirkung  und  Gegenwirkung  an: 

tfj  =»  —  tfj. 

Diese  Spannungen  hängen  stets  nur  von  Daten  oder  physikalischen 
Vorgängen  ab,  die  sich  in  unmittelbarer  (differentialer)  Nähe  von  dF 
abspielen,  mathematisch  gesprochen  von  Eonstanten  und  Variabein, 
die  dem  Punkte  X  zugeordnet  sind,  gegen  den  dF  konvei^ert,  von 
der  Richtung  des  Flächenelementes  dF  und  von  den  Differential- 
quotienten der  Variabein  nach  Ort  und  Zeit.  Unter  diesen  so- 
genannten „Ursachen''  der  Spannungen  kommen  stets  die  Deforma- 


Kr.  49.         §  10.    Zusammenfassung  der  Resultate  des  ersten  Kapitels.  65 

tionen  vor,  d.  h.  die  Gestaltsyeränderungen  in  der  unmittelbaren  Um- 
gebung des  Punktes  X  gegen  einen  gewissen  Normalzustand  oder 
gegen  die  Torbergegangenen  Zustande. 

Betrachten  wir  ein  bestimmtes  materielles  System^  d.  h.  ein 
bestimmtes  materielles  Volumen  V,  so  nennen  wir  die  Spannungen 
innere  Spannungen,  wenn  sie  Fläcbenelementen  im  Innern  von  V 
zugeordnet  sind. 

Wir  nennen  die  6dF  auch  Krafte:  dk, 

Axiomgruppe  lY.  Außer  den  Spannungen  können  an  einem 
Volumelement  dV  auch  noch  andere  ^^Eräfte'^  angreifen^  d.  h.  es 
können  dV  unendlich  kleine  Vektoren 

dk^xdV 
zugeordnet  sein. 

Die  X  sind  Funktionen  gewisser  konstanter  oder  yariabeler  Größen, 
die  wir  als  Ursachen  der  Kraft  dk  bezeichnen. 

Im  Gegensatz  zu  den  Spannungen  nennen  wir  die  xdV  ^räum- 
lich verteilte  Kräfte". 

Im  Gegensatz  zu  den  inneren  Spannungen  eines  Systems  nennen 
wir  alle  anderen  Kräfte  auch  äußere  Kräfte. 

Axiomgruppe  V.    Das  Newtonsche  Grundgesetz  und  das 

_       d*r 

Gesetz  vom  Parallelogramm  der  Kräfte:  Es  ist,  wenn  w  » -^ 
die  Beschleunigung  eines  materiellen  Punktes  bedeutet^ 

dmtö  —  dky 
wo 


dk~dr[2^  +  hm  -\^6^dF] 


JVz=0 

Dabei  bezieht  sich  die  Summation  27  ftuf  die  an  einem  Volumelement  d  V 
angreifenden  Kräfte,  die  Summation  g  auf  die  Oberfläche  yon  dV, 
V  bedeutet  die  äußere  Normale  yon  dF,  ö^dF  also  die  Spannung, 
die  von  außen  auf  das  Oberflächenelement  dF  des  Yolumelementes  z/  V 
ausgeübt  wird. 

49.  Das  physlkaliflohe  und  das  teohnlaohe  ICaBsystem. 

Um  alle  genannten  Größen  durch  Zahlen  darstellen  zu  können,  bedarf 
es  noch  der  Festsetzung  der  Maßeinheiten. 

Von  den  Grundbegriffen  Kraft,  Masse,  Ort,  Zeit  sind  drei  un- 
abhängig, da  eine  Relation,  nämlich  das  Newtonsche  Gesetz  besteht, 
das  für  die  Dimensionen  die  Beziehung  gibt: 

Das  in  der  wissenschaftlichen  Welt  übliche  System  ist  das 
physikalische,  auch  c.  g.  s.-System  oder  Gaußsches  System  genannt. 

Hamel;  Elementare  Mechanik.  5 


66  U-  ^0  BOgenannte  Pnnktmechanik.  Nr.  60. 

Als  Längeneinheit  gilt  das  Zentimeter,  als  Zeiteinheit  die  Sekunde, 
als  Masseneinheit  theoretisch  das  Gramni;  d.  h.  die  Masse  eines  Kubik- 
zentimeters chemisch  reinen  Wassers  bei  4^  C  und  760  mm  Barometer- 
stand,  praktisch  ein  in  Paris  aufbewahrtes  Platinkilogramm  »  1000  g. 
Die  Erafteinheit  ist  dann  gegeben,  es  ist  diejenige  Krafb,  die  der  Masse 
eines  Grammes  die  Beschleunigung  von  1  cm  in  der  Sekunde  erteilt. 
Man  nennt  diese  Erafteinheit  das  Dyn. 

Neben  dem  physikalischen  Maßsystem  hält  sich  aber  noch  das 
sogenannte  technische  Maßsystem,  es  ist  namentlich  in  der  Technik 
noch  ganz  vorherrschend.  Es  hat  den  Nachteil,  ein  spezielles  Kraft- 
gesetz  zur  Grundlage  zu  haben,  nämlich  das  Gesetz  der  Schwere,  also 
ein  empirisches  Moment  hineinzutragen. 

Im  technischen  Maßsystem  bleibt  die  Sekunde  Zeiteinheit,  Längen- 
einheit ist  das  Meter.  Als  Erafteinheit  wird  die  Schwerkraft  eines 
Kilogramms  definiert,  und  da  das  ein  wenig  unbestimmt  ist,  muß 
man  hinzufügen,  dort  gemessen,  wo  gerade  jjf  »  9,81  m/Sek.  ist. 

Dann  ist  die  Masseneinheit  bestimmt,  es  ist  die  Masse,  welche 
durch  die  Eraft  eines  Eilogramms  die  Beschleunigung  eines  Meters 
pro  Sekunde  erfährt. 

Bedenkt  man,  daß  1  kg  Gewicht  seiner  eigenen  Masse  die  Be- 
schleunigung 9,81  m/Sek.  erteilt,  also  einer  9,81  mal  so  großen  Masse 
die  Beschleunigung  eines  Meters,  so  sieht  man,  daß  die  Einheit  des 
technischen  Massenmaßes  die  Masse  Ton  9,81  kg  ist.     Oder 

man  erhalt  im  technischen  Maßsystem  die  Masse  ^  wenn   man  das 
Gewicht  des  Körpers  durch  9,81  dividiert. 

Wie  yerhält  sich  nun  die  Schwerkraft  eines  Eilogramms  zu 
einem  Dyn? 

Ein  Eilpgramm  Schwerkraft  erteilt  seiner  eigenen  Masse  Yon 
1000  g  eine  Beschleunigung  yon  981  cm/Sek. 

^80  ist  j  ^^  Schwerkraft  ^  981000  Dyn. 

Wir  werden  im  folgenden  das  technische  Maßsystem  beyorzugen. 


Eapitel  IL 

Die  sogenauiite  Punktmechanik. 

BO.  Allgemeine  Bemerkung  Aber  den  Punkt  als  Objekt 
der  Mechanik.  Wenn  wir  im  folgenden  von  der  Bewegung  eines 
einzelnen  Punktes  sprechen,  so  meinen  wir  damit,  daß  entweder  ein 
Eörper  eine  reine  Translationsbewegung  (ParaUelbewegung)  ausführt 
und  daß  also  alle  seine  Punkte  dieselbe  Geschwindigkeit  und  Be- 
schleunigung besitzen,  oder  aber  wir  meinen  damit,  daß  es  uns  genügt^ 


Nr.  61. 


§11.    Der  Schwerpunktsatz. 


67 


einen  ganz  bestimmten  Punkt  des  Körpers,  seinen  Massenmittelpunkt, 
auch  Schwerpunkt  genannt,  in  seiner  Bewegung  zu  verfolgen. 

Wenn  wir  sagen,  ein  Körper  sei  klein  und  wir  könnten  ihn 
deshalb  als  einen  Punkt  auffassen,  so  ist  damit  gemeint,  daß  wir 
die  Entfernungen  seiner  Punkte  von  anderen  Punkten  mit  derjenigen 
des  Massenmittelpunktes  identifizieren  können  und  natürlich  dann 
Fehler  von  der  Größenordnung  des  Verhältnisses  der  gleich  Null 
gesetzten  Strecken  zu  den  anderen  Strecken  zu  erwarten  haben. 


§  11.   Der  Sehwerpnnktsatz. 

61.  Beweis  des  Sohwerpanktsatses  mit  Beuutsnng  der 
lex  tertia.  Haben  wir  irgendein  beliebiges  System  und  teilen  wir 
dasselbe   in  lauter  Yolumelemente  dV,   so  besteht  für  jedes  Yolam- 

element  die  Orundgleichung 

« 

wdm^xdr+^ö^dF. 
Addieren  wir  nun  diese  sämtlichen  Gleichungen,  so  bekommen  wir 

Die  Doppelsumme  rechts  erstreckt  sich  über  alle  Flächen,  welche 
den  Körper  in  Volumelemente  einteilen^), 
und  über  die  Oberfläche  des  Körpers.  Die 
Flächenelemente  im  Innern  kommen  dabei 
doppelt  vor,  da  sie  zu  zwei  dV  gehören, 
es  kommt  also  sowohl  ö^dF  als  auch  ö_^dF 
Deshalb   heben   sich   die  Glieder   der 


vor. 


Doppelsumme  rechts  gegenseitig  auf  bis  auf 
die  Glieder  der  Oberfläche,  und  somit  bleibt 

^dmw^^^dV  +  ^ädF, 


Fig.  18. 


wo  die  letzte  Summe  jetzt  nur  mehr  über  die  Oberfläche  zu  er- 
strecken ist. 

Nun  definieren  wir  einen  Punkt  X*  (sprich  X-Stern)  mit  dem 
Vektor  r*,  den  sogenannten  Massenmittelpunkt,  indem  wir  setzen 


mr 


if* 


=  Srf 


mr. 


(m  bedeutet  die  ganze  Masse:  m  »  S^^O 


1)  Für  einen  exakten  Grenzübergang  liegt  in  diesem  Begriff  eine  gewisse 
Schwierigkeit;  wir  werden  deshalb  später  (Nr.  206)  einen  anderen  Beweis  des 
Schwerpunktsatzes  bringen. 


68  n.   Die  BOgenannte  Panktmechanik.  Ni.  62. 

Da  dm  eine  dem  Volumelement  eigentümliche  Zahl  ist,  sich  also 
mit  der  Zeit  nicht  ändert^  so  ist 

S  dmw  ^jp^dmf'^m  -^  =  w^m . 

Setzen  wir  das  in  unsere  Gleichung  ein,  so  erhalten  wir 

mw*  =  ^xdV+^0^dF. 

Die  Masse,  multipliziert  mit  der  Beschleunigung  des  Massen- 
mittdpunktes  irgend  eines  Systems  ist  gleich  der  Summe  dller  räumlich 
verteilten  Kräfte^  vermehrt  um  die  Summe  aJler  an  der  Oberfläche  des 
Systems  angreifenden  Spannungen^  oder  aber  ist  gleich  der  Summe 
eiler  Kräfte,  mit  Ausnahme  der  im  Innern  vorhandenen  Spannungen. 

Diesen  Satz  nennt  man  den  Schwerpunktsatz,  indem  man  den 
Massenmittelpunkt  mit  dem  später  zu  definierenden  Schwer- 
punkt yerwechselty  was  meist  erlaubt  ist.    * 

Für  die  Statik  folgt  daraus  als  notwendige  Oleichgewichts- 
bedingung: 

Es  muß  die  Summe  der  äußeren  Kräfte  verschwinden. 

Bei  sehr  vielen  Problemen  genügt  über  die  Bewegung  die  Aus- 
kunfty  die  uns  der  Schwerpunktsatz  gibt.  Sicher  immer  dann,  wenn 
wir  wissen,  daB  der  Körper  eine  Translationsbewegung  ausführt,  oder 
uns  nur  eine  mittlere  Bewegung  interessiert.  Es  ist  dann  so,  als 
hätten  ^ir  statt  des  ganzen  Systems  nur  diesen  Punkt  mit  der  end- 
lichen Masse  m,  und  griffen  an  ihm  alle  äußeren  Kräfte  an,  wie 
wir  kurz  sagen  wollen,  um  alle  anderen  Kräfte  im  Gegensatz  zu  den 
inueren  Spannungen  zu  bezeichnen. 

Wenn  also  im  folgenden  kurz  yon  der  Bewegung  eines  Punkts 
die  Rede  ist,  so  soll  damit  stets  der  Massenmittelpunkt  eines  Systems 
gemeint  sein. 

62.  EUltse  Aber  die  Lage  des  IIEasseumittelpiinkteB. 

1.  Die  Definition  des  Massenmittelpunktes  hängt  nicht  von  der 
Wahl  des  Anfangspunktes  0  der  Koordinaten  ab. 

Denn  wählen  wir  einen  anderen  Punkt  0',  sodaB  00'  =  e , 
xmd  O'X  ==  s  f  so  ist 

r  =  e  +  s 

und     r*  ==  =^- —  =•  «  + «  c  +  s*. 

m  m 

2.  Fällt  der  Punkt  0  mit  dem  Massenmittelpunkt  zusammen,  so  ist 

^fdm  =  0. 
Denn  es  ist  f*^  0. 


Kr.  52.  §  11.    Der  Schwerpunktsatz.  69 

3.  In  Parallelkoordinaten  x,  y,  0  heißen  die  Definitionsformeln 

^dmx 


x*  = 


m 


m 


^       ^dmg 
m 

4.  Besitzt  der  Körper  eine  Symmetrieebene  der  Massenvertei- 
Inngy  so  liegt  der  Massenmittelpunkt  in  dieser  Ebene. 

Sei  o; »  0  diese  Ebene,  so  entspricht  jedem  dm  mit  positivem  x 
ein  gleiches  dm  mit  negativem  x.     Also  ist 

^dmx  =  0, 
da  sich  alle  Glieder  paarweise  fortheben  und  somit  auch 

5.  Teilt  man  den  Körper  in  zwei  Teile  K^  und  K^  mit  den 
Massen  m^  und  m^  und  den  Massenmittelpunkten  S^{r*^  und  S^{r*2)f 
so  ist  der  Massenmittelpunkt  des  ganzen  Systems 


m^  +  wi,      ' 

d.  h.  er  berechnet  sich  sO;  als  ob  er  der  Massenmittelpunkt  der  beiden 
Punkte  8^  und  8^  mit  den  Massen  m^  und  m,  wäre. 
Denn  es  ist 

^dmr  +  ^dmr 

•(•*  ^_ 


1  2 


wo  S  ^^^  Summation  über  den  ersten  Teil  bedeutet;  §  die  über  den 

1  8 

zweiten. 

Daraus  folgt  dann  in  Verbindung  mit  Satz  4  weiter,  daß  der 
gemeinsame  Massenmittelpunkt  auf  der  Verbindungslinie  der  beiden 
Punkte  S^  und  8^  liegt,  und  diese  Strecke  im  umgekehrten  Verhält- 
nis der  Massen  teilt. 

Denn  machen  wir  die  Verbindungslinie  zur  y-Achse  und  den 
Massenmittelpunkt  zum  Anfangspunkt,  so  folgt 

d.  h.  yi '  y«  ==  —  ^^2 '  ^1  • 

6.  Analog  gilt,  wenn  man  den  Körper  als  DifiFerenz  der  beiden 
Körper  K^  und  K^  auffassen  kann, 

Iflj  —  fWj 


70 


II.  Die  sogenannte  Ponktmechanik. 


Nr.  52. 


7.  Der  Massenmittelpunkt  liegt  ganz  innerhalb  des  kleinsten, 
nirgends  konkaven  Körpers,  der  den  gegebenen  Körper  einschlieBt. 
Ist  also  der  Körper  selbst  nirgends  konkav,  so  liegt  der  Massen- 
mittelpunkt sicher  innerhalb  des  Körpers. 

Beweis.  Sei  x^  der  algebraisch 
größte,  x^  der  kleinste  Wert  der  Koordi- 
nate X  für  alle  Körperpunkte,  so  haben  die 
Ebenen,  die  in  den  Punkten  x,,  und  x„ 
^  senkrecht  zur  o:- Achse  stehen,  Punkte  mit 
dem  Körper  gemein,  schließen  ihn  aber 
sonst  ganz  ein.  Nennen  wir  sie  die  Stütz- 
ebenen, die  zur  Richtung  x  zugehören. 
^»-  lö-  Nun  ist,  da  dm  ^  0, 

mx*  =  S^»wa;<x^Sdm  =  x^m, 

d.  h.  x^'^x^  <.  x^. 

Es  liegt  also  der  Massenmittelpunkt  in  dem  durch  die  beiden  paral- 
lelen Stützebenen  ausgeschnittenen  Baumteil. 
Das  gilt  für  jede  Richtung. 

Es  liegt  also  der  Massenmittelpunkt  in  dem  Körper  JT,  der  von  sämt- 
lichen Stützebenenpaaren  des  gegebenen  Körpers  K  ausgeschnitten  wird. 
K'  schließt   sicherlich  K  ganz   in   sich.     Auch   ist  K'  nirgends 
konkav.    Denn  sein  Umfang  ist  die  Einhüllende  der  Stützflächen  von 

Ky  diese  sind  also  auch  die  Tangential- 
ebenen von  K'  und  lassen  doch  nach  De- 
finition K'  ganz  auf  einer  Seite.  Ein 
Körper  aber,  dessen  Tangentialebenen  ihn 
ganz  auf  einer  Seite  lassen,  ist  nirgends 
konkav.  K'  ist  aber  auch  der  kleinste, 
nirgends  konkave  Körper,  der  K  ganz  ein- 
schließt. Denn  gäbe  es  einen  kleineren  K*' 
und  wäre  A  ein  Punkt  seines  Umfanges, 
so  läge  K",  also  auch  K  ganz  auf  einer 
Seite  der  Tangentialebene  in  A,  der  Streifen, 
der  zwischen  dieser  Tangente  und  der  einen  parallelen  von  K'  wäre 
von  K  frei,  dann  könnte  aber  die  Tangente  von  K'  unmöglich  Stütz- 
ebene von  K  sein. 

Damit  ist  der  Satz  bewiesen. 

8.  Für  einen  starren  Körper  ist  der  Massenmittelpunkt  ein  im 
Körper  fester  Punkt.  Denn  nehmen  wir  ein  im  Körper  festes  Ko- 
ordinatensystem Qxj  y,  0,  so  ist 

:r*  =  S?^'^  etc. 
m 


Fig.  so. 


Nr.  68. 


§11.    Der  SchwerpQDktsatz. 


71 


Bei  einer  Bewegung  bleiben  aber  nicht  nur  dm,  sondern  auch  die 
a;,  y,  z  alle  fest,  mithin  auch  x^,  y*,  z*j  w.  z.  b.  w. 

Dieser  Satz  gilt  aber  sonst  keineswegs,  wie  man  leicht  einsieht. 

63.  Berechnnng  einiger  Masflenmittelpunkte.  Es  sollen 
nur  einige  häufig  vorkommende  Beispiele  berechnet  werden.  Weitere 
Formeln  findet  der  Leser  in  der  „Hütte". 

Wir  werden  im  folgenden  die  spezifische  Masse  /i  als  konstant, 
d.  h.  den  Körper  als  homogen  annehmen,  es  fällt  dann  (i  aus  den 
Formeln  heraus. 

1.  Die  dreieckige  Platte.  Wir  teilen  die  Platte  in  unend- 
lich schmale  Streifen  parallel  zu  einer  Seite.  Für  einen  jeden  solchen 
Streifen  liegt  dann  nach  dem  Sjmmetriesatz  der  Massenmittelpunkt 
in  der  Mitte,  also  liegt  nach  Satz  5  der  resultierende  Massenmittel- 
punkt auf  der  Mittellinie.  Das  gilt  für  jede  Dreiecksseite.  Also  ist 
der  Massenmittelpunkt  mit  dem  Schnittpunkt  der  Mittellinien  identisch 

und  hat  von  jeder  Seite  einen  Abstand  gleich  —  der  entsprechenden  Höhe. 


3 


Jl 


-r- 

h 


I 

i 


Jng.il. 


a 

Flg.  8S. 


2.  Das  Trapez.  Sicherlich  liegt  nach  analogen  Schlüssen  der 
Massenmittelpunkt  auf  der  Verbindungslinie  der  Mitten  der  beiden 
parallelen  Seiten.  Um  den  Abstand  x  von  einer  Seite  (a)  zu  be- 
kommen, teilen  wir  das  Trapez  in  unendlich  dünne  Streifen  parallel 
zu  a  ein  und  erhalten  ^ 


jx*  «=  iyxdx 


wo  y  die  Länge  des  Streifens  ist. 

Es  ist  aber  y  sicherlich  eine  ganze  lineare  Funktion  von  Xy  da 
Xy  y  als  Koordinaten  einer  Geraden  in  einem  schiefwinkligen  Achsen- 
sjstem  angesehen  werden  können,  also 

und  da  y  =  a  für  o:  —  0  und  y  =  6  für  x^h  ist,  so  folgt 


&  — a 


72 


n.  Die  sogenannte  Punktmeohanik. 


Nr.  68. 


setzt  man  das  in  obige  Formel  ein  und  rechnet  aus,  so  bekommt  man 

8        a-\-  0 

Ebenso  berechnet  sich  der  Abstand  Ton  der  Seite  b  zu 


woraas  folgt 


'^       8  *  a  +  6  ' 


;^:^_(6  +  |):(a  +  |), 


was  folgende  geometrische  Konstruktion  des  Massenmittelpunktes 
ergibt: 

M.J  der  Schnittpunkt  von  J?JP  mit  der  Mittellinie  GH  ist  der 
gesuchte  Massenmittelpunkt. 

Häufig  braucht  man  nur  die  Gerade  durch  den  Massenmittel- 
punkt, welche  den  parallelen  Seiten  parallel  ist  und  vor  allem  ein 


-^£^ 


D 


IH 


"K 


IG 


Fig.  88. 


B 


JEL 


Urteil  darüber,  wie  weit  sie  von  der  Halbierenden  der  nichtparallelen 
Seiten  entfernt  ist. 

Sei  dieser  Abstand  £,  so  ist 


Fig.  24. 


2 


ha  —  b  ^  h 


6  a  +  b  -^  6 
Daraus  folgt  die  Proportion 


h 
'-'-2 


a  —  b    a+  & 
6       •■    2 


woraus  sich  folgende  Konstruktion  ergibt: 
Man  ziehe  HE  parallel  AG  und  mache 


^^'=:^^=|(^'-*)-- 


a  —  h 
6 


^    Wenn  E'G'  [EG,   so   geht  die  gesuchte  Gerade 
^'   durch  6r'  hindurch. 

3.  Wir  können  natürlich  ebenso  wie  von 
räumlich  ausgedehnten  Körpern  auch  von  Kurven- 
stücken Massenmittelpunkte  bestimmen.  So  z.  B.  von  einem  Kreis- 
bogenstück AB, 


Nr.  63. 


§11.    Der  Schwerpunktsatz. 


73 


Der  zugehörige  Radius  sei  r,  der  Zentriwinkel  a.  Nach  dem 
Symmetriesatz  liegt  der  Massenmittelpunkt  auf  der  Winkelhalbieren- 
den Ox  des  Zentriwinkels. 

Teilen  wir  den  Bogen  in  unendlich  ^ 

kleine  Stücke  rdd",  so  ist 


a 

T 


rax 


* 


f 


xrdd' 


y 


a 


/' 


r*  cos  d'dd'  =■  2r*  sin 


a 

T 


somit  X*  ^r 


2  Bin-rr 
2 

a 


Fig.  So. 


4.  Für  einen  vollen  Kreissektor  folgt  daraus^  wenn  man  ihn 
in  unendlich  schmale  Sektoren  teilt  und  nach  Beispiel  1  hinzunimmt^ 
daß  für  einen  solchen  unendlich  schmalen  Sektor  der  Massenmittel- 


2 


punkt  auf  —  des  Radius  liegen  muB;  daß 


8 


a 
sin-— 

x^^r  — 

3       tt 


ist. 


Für  den  Halbkreis  {a  »  jc)  folgt  speziell 


5.  Um  die  Massenmittelpunktskoordinate  x*  des  Kreissegments 
za  berechnen^  fassen  wir  dieses  als  Differenz  des  Kreissektors  und 
des  Dreiecks  auf  und  erhalten  nach  Satz  6  der  vorigen  Nummer  und 
nach  den  Beispielen  1  und  4  dieser  Nummer 


oder 


jj* 


r»a     4      ^'°T        1     ,   .         2  « 

__ .  -  -  r r'  Bin  a  — -  r  cos  -r- 

2       3  (X         2  3  2 


—  r*(a  —  sin  a) 
2        ^ 


**  =  4 


8in'-r- 


3       a  —  Bin  oc 


6.  Der  Kegel.     Wir  suchen  den  Abstand  xf^  des  Massenmittel- 
punkts von  der  Spitze  0  aus  senkrecht  zur  Basis  F.    Die  Höhe  sei  h. 


74  U.  Die  sogenannte  Ponktmechanik.  Nr.  54. 

Wir  teilen  den  Eegel  durch  parallele  Ebenen  zur  Basis  in  paral- 
lele Schichten   der  Dicke  dx.     Die  Fläche   einer   solchen  Schicht   ist 

dann  nach  bekannten  Ahnlichkeitssätzen  -^i^-     Also  ist 


d.  h.  :r*  =  —  A . 

4 

Der  Massenmittelpunkt  liegt  um  ein  Viertel  der  Höhe  von  der 
Basis  entfernt. 

Historisch  sei  bemerkt,  daB  sich  schon  die  Alten,  besonders  aber 

Archimedes  sehr  7iel  mit  der  Bestimmung  von  Massenmittelpunkten 

beschäftigt  *und  dabei  die  ersten  Spuren  der  Integralrechnung  entdeckt 

haben. 

Aufgabe  28:  Man  beweise  die  Quldinsche  Regel:  Wenn  ein  ebenes 
Kurvenstück  der  Länge  8  um  eine  in  derselben  Ebene  gelegene  Gerade  rotiert, 
80  ist  der  Inhalt  des  durch  das  KurvenstOck  erzeugten  Ringes  einer  Rotationsfläche 

wo  of  den  Abstand  des  Massenmittelpunktes  des  Kurvenstückes  von  der  Geraden 
bedeutet. 

§  12.   Normaldrnck  und  Haftreibung  gegen  Gleiten. 

64.  Feste  und  starre  Körper.  Es  gibt;  wie  die  tägliche  Er- 
fahrung lehrt;  in  der  Natur  Körper,  welche  die  Eigenschaft  haben, 
daß  ihre  äestaltsänderungen  innerhalb  einer  festen  kleinen  Grenze 
bleiben,  wenn  nur  die  äußeren  Kräfte  eine  gewisse  Größe  nicht  über- 
schreiten. Man  nennt  solche  Körper  feste  Körper.  Die  Festigkeit 
kann  so  groß  sein,  daß  bei  genügend  beschränkter  Beanspruchung 
durch  äußere  Kräfte  die  Gestali^änderuugen  fast  oder  ganz  unmerklich 
sind.  Mau  wird  so  dazu  geführt,  gewisse  idealisierte  Körper  zu  be- 
trachten, die  sogenannten  starren  Körper,  die  kinematisch  dadurch 
definiert  sind,  daß  sie  ihre  Gestalt  überhaupt  nicht  ändern,  also,  ob 
sie  sich  nun  bewegen  oder  nicht,  stets  sich  selbst  kongruent  bleiben. 
Das  ist  natürlich  ein  GrenzfaU,  der  aber  für  die  Mechanik  von  funda- 
mentaler Bedeutung  geworden  ist.  Man  nennt  den  Zweig  der  Mechanik, 
der  sich  mit  starren  Körpern  und  Systemen  aus  starren  Körpern  be- 
schäftigt, auch  Stereomechanik. 

Wann  ein  Körper  als  starr  angesehen  werden  darf  und  wann 
nicht,  das  wird  nach  dem  Gesagten  zunächst  von  der  Größe  der 
äußeren  Kräfte  abhängen,  aber  auch  von  dem  Zweck  der  angestellten 
Betrachtung.  Eine  allgemein  gültige  Regel  läßt  sich  darüber  wohl 
kaum  aufstellen;  es  wird  immer  ein  gewisser  Takt  für  Mechanik  dazu 
gehören,  das  Richt^e  zu  treffen. 


Nr.  66. 


§  12.    Normaldnick  und  Haftreibung  gegen  Gleiten. 


75 


55.  Statik  der  Stfltzfl&oheu.  Einleitung.  Wir  wissen  aas 
der  taglichen  Erfahrang,  daß  wir  feste  Körper  dadurch  am  Fallen 
hindern  können^  daß  wir  sie  auf  eine  feste  horizontale  Fläche  setzen. 
Nehmen  wir  an,  daß  außer  der  Schwerkraft  keine  räumlich  verteilten 
Kräfte  da  sind,  so  kann  nach  dem  Schwerpunktsatz  das  GleicI^ewicht 
nur  durch  eine  aufwärts  gerichtete  Kraft  D  erzeugt  seiji,  die  aus  den 
Drucken  der  Umgebung  unseres  Körpers  resultiert,  also,  da  die  Luft 
«rfahrungsmäßig  den  Körper  nicht  tragen  kann,  yor  allem  durch  die 
feste  Unterlage  bedingt  sein  muß.  Machen  wir  die  plausible,  genauer 
allerdings  erst  in  der  Statik  der  Flüssigkeiten  nachweisbare  Annahme, 
daß  der  Anteil  der  Luft  an  der  Kraft  D  recht  klein  ist,  und  ideali- 
sieren den  Fall  dahin,  daß  wir  D  nur  der  Unterlage  zuschreiben. 
Wir  nennen  D  einen  Stützdruck. 

Ist  die  Unterlage  noch  merklich  deformierbar,  so  erkennen  wir  D 
objektiv  an  der  eintretenden  Gestaltsänderung  der  Unterlage,  andern- 
falls ist  der  Stützdruck  eine  hypothetische  Größe,  die  aus  unseren 
allgemeinen  Prinzipien  erschlossen  werden  muß  (vgl.  Nr.  44). 

Man  kann  aber  erfahrungsgemäß  einen  Körper  auch  auf  einer 
festen  schrägen  Ebene,  einer  sogenannten  schiefen  Ebene,  ruhen 
lassen,  wenn  der  Neigungswinkel  a  derselben  einen  gewissen  Wert  9 
nicht  überschreitet: 

Der  Grenzwinkel  9  kann  danach  leicht  experimentell  ermittelt  werden. 

Es  muß  auch  jetzt  ein  vertikal 
aufwärts  gerichteCer  Stützdruck  D 
da  sein.  Zerlegen  wir  ihn  in  eine 
Komponente  N  senkrecht  zur  Stütz- 
fläche und  eine  Komponente  R 
parallel  zur  Ebene.  Die  Gleich- 
gewichtsbedingung  läßt   sich   dann, 

da  ^  =  tg a  ist,  auch  so  aussprechen: 


N 


R£fN, 


wo  f='tg(p  gesetzt  ist. 

Zahlreiche  Experimente   haben  Fig.  se. 

gelehrt,  daß  f  wesentlich  eine  Ma- 
terialkonstante ist,  d.  h.  von  der  physikalischen  und  chemischen  Be- 
schaffenheit der  beiden  sich  berührenden  Körper  abhängt,  nicht  aber 
von  dynamischen  Größen,  z.  B.  von  N  oder  von  geometrischen,  z.  B. 
der  Gestalt  oder  Größe  der  Berührungsfläche. 

f  (und  ebenso  9)  sind  um  so  kleiner,  je  glatter  die  Körper 
im  Sprachgebrauch  genannt  werden:  man  nennt  deshalb  jß  die  Rei- 
bung, und  um  sie  von  anderen  ähnlichen  Kräften  zu  unterscheiden, 


76  n.   Die  sogenannte  Pnnktmechanik.  Nr.  66. 

die  Haftreibung  gegen  Gleiten,  oder  die  Reibung  in  der  Buhe. 
f  heißt  der  Reibungskoeffizient,  (p  der  Reibungswinkel.  N 
heißt  der  Normaldruck. 

/* »  0,  d.  h.  gp  »  0  und  Jß  »  0  bedeutet  einen  Idealfall,  man  sagt 
dann,  die  sich  berührenden  Körper  seien  vollkommen  (absolut) 
glatt. 

Es  kann  auch  sein,  daß  man  auf  die  Beschränkung  des  Gleich- 
gewichts, die  durch 

R<fN 

gegeben  ist,  keine  Rücksicht  nehmen  will,  also  R :  N  unbeschränkt 
läßt.  Das  kommt  darauf  hinaus,  f^ooza  setzen,  man  spricht  dann 
von  Yollkommen  rauhen  Flächen. 

Was  den  Normaldruck  N  anbetrifft,  so  werden  wir  die  Un- 
gleichheit 

voraussetzen,  d.  h.  N  kann  kein  Zug  sein.  Jedenfalls  lehrt  die  Er- 
fahrung, daß  negative  N  nur  sehr  klein  sein  können,  nur  winzige 
Partikelchen  haften  von  unten  an  einer  horizontalen  festen  Fläche. 
Und  diese  Erscheinung  werden  wir  am  besten  von  der  hier  bespro- 
chenen „abschneiden^,  wir  werden  in  dem  möglichen  Auftreten  solcher 
kleinen  Zugkräfte  eine  besondere  Kraft  sehen,  welche  zu  der  Gruppe 
der  sogenannten  molekularen  Kräfte  gehört,  wie  die  Kohäsion,  Ad- 
häsion usw.  Man  kann  die  Festsetzung,  daß  an  der  Oberfläche  eines 
festen  Körpers  immer 

sein  muß,  d.  h.  nie  ein  Zug  herrschen  kann,  als  exakte  Definition  der 
natürlichen  Trennungsfläche  des  festen  Körpers  von  seiner  Um- 
gebung auffassen. 

Das  ist  wieder  eine  Idealisierung,  denn  in  Wahrheit  gibt  es  keine 
einzelnen  Körper,  alles  ist  stetig  und  zwei  materielle  Raumteile,  die 
wir  sich  berührende  Körper  nennen,  sind  in  Wahrheit  nicht  durch 
eine  mathematische  Fläche,  sondern  durch  eine  dünne  Übergangs- 
schicht getrennt,  in  deren  physikalischer  Mischbeschaffenheit  die  Ur- 
sache der  Reibungserscheinungen  zu  suchen  ist. 

56.   Fortsetiung:   Normaldmck  und  Haftreibung.     Wir 

verallgemeinern  unsere  Resultate  in  folgender,  mit  der  Erfahrung  in 
Übereinstimmung  stehender  Weise: 

Berühren  sich  zwei  feste  Körper,  ohne  zu  gleiten,  längs 
eines  Flächenelements  dF,  so  können  sie  dort  Stützdrucke 
dD  aufeinander  ausüben:  die  Normalkomponente  eines  sol- 
chen, dN,  ist  stets  ein   Druck  im  engeren  Sinne  und  heißt 


Nr.  56.  §  12.    Nonnaldruck  und  Haftreibung  gegen  Gleiten.  77 

,,Normaldrack%  die  tangentiale  Komponente  dB  beißt  ,,Haft- 
reibung  gegen  Gleiten''  und  es  ist 

\dR\£  fdN, 

wo  f  eine  Materialkonstante,  den  ^^Reibungskoeffizienten'' 
bedeutet.     Der  Beibungswinkel  9  ist  durch 

/•=«tg9 
definiert. 

Ist  die  Berührungsfläche  eben,  so  ist  N  =»^dN  der  resultierende 
Druck,  ü  »  SdR  die  resultierende  Haftreibung,  und  es  ist 

also  \B\-^fN. 

Für  krummflächige  Berührongsstücke  gilt  eine  solche  einfache 
Relation  nicht     Zwar  bleibt 

\R   <f^\dF 

bestehen,  aber  es  kann  Sld-Wj  viel  größer  als  |S^^i==|-^l  ^^^^  ^^^ 
also  auch  |  JR  |  großer  als  f  .^\  sein. 

Das  trifft  zum  Beispiel  für  einen  von  allen  Seiten  eingeklemmten 
zylinderförmigen  Zapfen  zu;  da  kann  ^dN  =^0  und  doch  JR  sehr 
groß  sein. 

Häufig  spricht  man  von  einer  einpunktigen  Berührung  zweier 
starrer  Körper  und  von  endlichen,  an  dieser  SteUe  auftretenden  Nor- 
maldrucken und  Reibungen  (z.  B.  eine  Kugel  liege  auf  einer  hori- 
talen  Ebene).  Man  wird  diesen  Fall  stets  als  idealen  Grenzfall  einer 
kleinen  Berührungsfläche  anzusehen  haben,  die  tatsächlich  immer  in- 
folge der  Deformation  dasein  wird,  also  als  einen  Grenzfall  derselben 
Art  wie  die  Abstraktion  des  starren  Körpers  selbst.  Es  wird  im 
allgemeinen  erlaubt  sein,  diese  unmerklich  kleine  Berührungsfläche 
als  eben  Yorauszusetzen  und  dementsprechend 

\ß\<fN 

anzunehmen. 

Was  Zahlenwerte  des  Reibungskoeffizienten  angeht,  so  sind  die 
Angaben  stets  schwankend,  da  sich  das  Material  im  Laufe  der  Zeit 
ändert,  z.  B.  selbst  durch  den  Gebrauch  glättet.  Man  findet  Angaben 
in  der  „Hütte".    Es  seien  hier  nur  wenige,  besonders  wichtige  genannt: 

Stahl  auf  Stahl  0,1  bis  0,2 

Eisen  auf  Stahl  0,2  bis  0,3 

Leder  auf  Eisen  oder  Holz     um  0,3 
Stein  auf  Stein  0,4  bis  0,75. 

Bei  Holz  kommt  es  sehr  auf  die  Faserang  an,  in  Richtung  der 
Fasern  ist  f  stets  wesentlich  größer  als  senkrecht  zu  ihnen 


78 


n.   Die  BOgenannte  Fonktmechanik. 


Nr.  67. 


Für  die  graphisclie  Lösung  von  Aufgaben  ist  es  meist  bequemer, 

JD 

die  Resultierende  D  aus  R  und  N  zu  betrachten.    Setzt  man  i^  =  tg  a, 

so  bedeutet  a  den  Winkel;  den  D  mit  der  Normalen  einschließt  und 
I  ü  I  <  fN  heißt  dann  nichts  anders  als  a  ^  <p ,  d.  h.  D  liegt  innerhalb 
eines  Kreiskegels,  dessen  Erzeugende  den  Winkel  9  mit  der  Normalen 
einschließen.    Diesen  Ereiskegel  nennt  man  den  ^^eibungskegeP'. 

57.  Beispiele  und  Aufig^abeu. 

U  Wie  groß  ist  eine  Kraft  K,  die  parallel  einer  schiefen  Ebene  aufwärts- 
wirkend,  einen  Körper  vom  Gewicht  G  im  Gleichgewicht  hält,  wenn  keine  Rei- 
bung als  vorhanden  angenommen  wird?  (das  älteste  Problem  der  schiefen  Ebene^ 
das  bereits  von  einem  unbekannten  Autor  des  14.  Jahrhunderts,  dem  sogenannten 
Vorläufer  Lionardo  da  Vincis,  gelöst  wurde;  später  wurde  die  Antwort  noch 
einmal  unabhängig  von  dem  Holländer  Simon  Stevin  1586  gefunden). 

Antwort:  die  Kräfte  G^  K^  N  müssen  sich  das  Gleichgevricht  halten.  Eine 
Zerlegung  von  G  nach  Achsen  parallel  und  senkrecht  zur  schiefen  Ebene  gibt  sofort 

Ä"  s=  6r  sin  a 

N^=^G  cos  a . 

Dasselbe  Resultat  läßt  sich  auch  graphisch  ableiten,  da  K,  G,  N  ein  geschlos- 
senes Dreieck  bilden  müssen:  Man  zeichne  ein  Dreieck,  dessen  Seiten  G,  K,  N 
parallel  sind,  und  dessen  vertikale  Seite  in  einem  gewählten  Maßstabe  gleich  G 
ist.  Man  beachte,  daß  die  Pfeile,  den  Richtungen  Yon.Jf,  6r,  N  entsprechend, 
um  das  Dreieck  im  selben  Sinne  herumlaufen  müssen. 


Fig.  98. 


Flg.  27. 


2.  Man  löse  dieselbe  Aufgabe  unter  Berücksichtigung  der  Reibung. 
Außer  Ky  N,  G  wirkt  dann  noch  das  unbekannte  B  aufwärts  oder  abwärts 
parallel  der  schiefen  Ebene.    Wir  wollen  es  aufwärts  positiv  zählen. 
Dann  ergibt  die  Zerlegung  nach  denselben  Achsen  wie  vorhin: 


d.h. 


Ä'+Ä— G^sina  =  0 
N  —  G  cos  a  =  0 , 
N=  G  cos  a 
B^Gaina-^K. 


Nun  muß  aber  \B[  <CfN  sein,  d.  h.  entweder 

Ä>0    und    B<fN, 


Nr.  67. 


§  12.    Nonnaldrack  und  Haftreibung  gegen  Gleiten. 


79 


also 

und 
oder 

aUo 

d.h. 


0  ^  6r  sin  a  —  K-f.  tg  qp  •  6r  cos  or 

COB  (f         —         — 

JB<0    und    -B<fN, 
0  >  6r  sin  a  —  K^  —  ig  q>  -  G  cos  a 


(a> 


(b) 


—       —  COB  qp 

(a)  und  (b)  ergeben  zuBammen  für  K  das  zul&ssige  Intervall 

^  Bin  (g  ~  y)  ^  .g,  ^  ^  Bin  (c  +  y)  . 
cos  qp        "~         —  COS  qp 

Das  Resultat  gilt  auch  für  negative,  d.  h.  abwärts  gerichtete  K, 
Graphisch  löst  man  am  besten  die  Aufgabe,  indem  man  N  und  B  wieder 
zu  dem  reaaltierenden  Stützdruck  I)  zusammenfaßt  und  beachtet,  daß  D  in  dem 
Reibungskegel  um  die  Normalrichtung  JV  liegen  muß.    Man  wird  also  erst  G- 
zeichnen,  dann  die  Richtung  von  K  und  dann  den  Reibungskegel, 

sin  (a  —  qp) 


gibt  das  Minimum  von  £, 


gibt  das  Maximum. 


BC=^G 


BD^G 


cos  qp 

sin  (a  -|-  qp) 
cos  qp 


Fig.  29. 


Fig.  SO. 

Aufgabe  29.  Man  beantworte  dieselben  beiden  Fragen  für  eine  horizon- 
tal wirkende  Erafb  JT,  dann  für  eine  unter  dem  beliebigen  Winkel  «  gegen  die 
schiefe  Ebene  geneigte  Kraft  K.    Man  berechne  auch  N, 

Beispiel  3.  Ein  auf  einer  schiefen  Ebene  liegender  schwerer  Körper  sei 
einer  Kraft  K  unterworfen,  welche  horizontal  und  parallel  der  unteren  Kante  der 
Ebene  wirkt.    Wann  ist  Gleichgewicht  vorhanden?  (siehe  Fig.  80.) 

Offenbar  kann  nur  Gleichgewicht  herrschen,  wenn  Reibung  vorhanden  ist. 
Schließe  dieBelbe  den  Winkel  y  mit  der  Linie  stärksten  Anstiegs  der  schiefen 
Ebene  ein. 

Dann  ergeben  sich  für  ein  Koordinatensystem,  dessen  Achsen  mit  der  Rich- 
tung von  K^  mit  der  Normalrichtung  N  und  der  Richtung  des  stärksten  Anstiegs 
zusammenfallen,  aus  der  Zerlegung  der  Grund gleichung 


80 


n.   Die  sogenannte  Ponktmechanik. 


Nr.  67 


die  Gleichungen 


Also 


Daraus  folgt: 


Z"— Usiny^O 
N —  G^cosaa-  0 
B  cos  y  —  6r  sin  a  =s  0  . 

22  sin  7  BS  Z 
B  cos  y  =-  G^  sin  a 
jY  =  Ö  cos  cc . 


tgr 


6rsina 


Also 


R  =  yK*"+  G^  sin*  a  . 
Die  üngleichheitsbeziehung  \B  "^  fN  ergibt 

Ä^  +  ö*8in"a < tg*  qp  ■  (?•  cos*  a. 

G 


K<, l/sin  (qp  —  a)  sin  (qp  +  a)  . 

cos  9  '^        ^  ' 

Es  mufi  also  jedenfalls  (p<icc  sein,  damit  überhaupt  ein  von  Null  ver- 

schiedenes  K  zul&ssig  ist. 
'Aj  Beispiel4.   Ein  symmetrischer  Keil  sei  vertikal 

in  einen  Baumstamm  eingehauen.  Wann  tritt  Selbst- 
-^OjJ  Sperrung  ein,  d.  h.  wann  bleibt  der  Keil  von  selbst 
stecken?  Das  Gewicht  des  Keils  werde  gegen  den 
großen  Druck  des  gespaltenen  Holzes  vernachlässigt. 
Fassen  wir  auf  beiden  Seiten  Druck  und  Reibung  zu 

je  einer  Resultierenden  zusammen :  D^  und  D, ,  so  muß 

sein. 

Da  Symmetrie  herrschen  soll,  müssen  beide  D 

horizontal  sein.     Da  aber  beide  von  den  Normairich- 

Flg.  31.  tungen  nicht  mehr  als  um  den  Reibungswinkel  qp  ab> 

weichen  dürfen,  diese  Normalen  aber  mit  der  Horizon- 
talen einen  Winkel  gleich  dem  halben  Eeilwinkel  a  einschließen,  so  ergibt 
sich  als  Bedingung  der  Selbstsperrung 

Beispiel  5.    Ein  Keil  vom  Gewichte  G  stecke  vertikal  in  einer  Keilnut 

und  werde  horizontal  von  einer  Kraft  K  in  Richtung 
der  Keilnut  gezogen.  Wann  herrscht  Gleichgewicht? 
Es  bilde  die  Reibung  mit  der  Horizontalen  in 
der  Wandfläche  der  Nut  den  Winkel  y.  Dann  ergeben 
die  Gleichgewichtsbedingungen 

K=^2Bco8y 


Also 


(X  cc 

6r  «a  2  iS^sin  —  +  2  U  sin  y  •  cos  -- 

2  A 


2NBm~-^=  G  —  2  JB  sin  y  cos  — 
2  '2 


Nr.  68.  §  12.    Normaldruck  upd  Hafixeibang  gegen  Gleiieu. 


81 


Das  in  Verbindung  mit  B^fN  ergibt 


d.h. 


2JB^ 


2  JB  sin  ^  g  G/"—  2  Bf  Bin  y  cos  ^ 


Bin  —  -f-  /COS  -^-siny 


Ans 
folgt  dann 


K< 


K^2BcoBY 
GfcoB  y 


Fig.  sab. 


Der  Winkel  y  ist  dabei  unbekannt.  Wie  groß  er  wirklich  ist,  das  läßt  sich 
mit  unsem  Mitteln  und  überhaupt  mit  den  Mitteln  der  Stereomechanik  nicht 
sagen:  der  Wert  wird  ganz  davon  abhängen,  wie  stark  der  Keil  in  die  Nut  ein- 
geschlagen worden  ist.    Ist 

CK 

Sin  y  =- j- 

mOglich,  d.  h.  —  ^  qp ,  so  kann  die  rechte  Seite  unendlich  werden  und  es  ist 

möglich,  den  Keil  so  fest  einzutreiben,  daß  keine  horizontale  Kraft  K  ihn  fort- 
bewegen kann. 

Aufgabe  30  (Keilverbindung).  Zwei  Körper  I  und  II  werden  durch  einen 
Keil  gegen  einen  horizontalen  Zug  iS,  der  sie  auseinanderzuziehen  sucht,  zu- 
sammengehalten,   n  drückt  gegen  den  Keil  längs  AB  und  CD,  I  längs  BF, 


8^ 


Fig.  SS. 

Die  Winkel  der  Keilflächen  mit  der  Vertikalen  seien  a^  und  a, ,  die  Reibungs- 
winkel tpi  und  qp,.  Die  Figur  zeigt  einen  Querschnitt.  Das  Gewicht  des 
Keils  werde  vernachlässigt.  Man  zeige,  daß  die  Bedingung  der  Selbstsperrung 
lautet:  «1  +  *fi  ^  9^1  H"  9i  • 

68.  Beaktionskr&fte  und  elngepr&gfte  Kräfte.  Wir  haben 
früher  bemerkt,  daß  zu  den  Ursachen  der  Druckkräfte  in  erster  Linie 
die  Deformationen  der  Körper  zu  zählen  sind  (siehe  §  9  Nr.  39). 
Wenn  nun  wie  bei  starren  Körpern  diese  Deformationen  ganz  oder 
teilweise  ignoriert  werden,  so  werden  damit  diejenigen  Größen  ganz 
oder  teilweise  unbekannt,  durch  welche  die  Druckkräfte  selbst  ge- 
geben sind.  Es  müssen  dann  aber  diese  Druckkräfte  ebenfalls  ganz 
oder  teilweise  unbekannt   werden-,   sofern   sie   überhaupt  bestimmbar 


Hamel:  Elementor«  Meohaaik. 


6 


82  n.  Die  sogenannte  Punktmechanik.  Nr.  58  a. 

sind,  berechnen  sie  sich  erst  hinterher  ans  den  statischen  Bedingungs- 
gleichungen. So  haben  wir  in  der  Tat  in  den  vorhergehenden  Bei- 
spielen Normaldruck  und  Reibung,  d.  h.  den  ganzen  Stützdruck  be- 
handelt, und  zwar  nach  GröBe  und  Richtung  (ygL  Nr.  57,  Beispiele  3 
und  5),  dementsprechend,  daB  bei  relativer  Ruhe  der  Körper  an  der 
Berührungsstelle  jede  Deformation  fehlt. 

Soweit  Normaldruck  und  Reibung  in  diesem  Falle  überhaupt 
von  vornherein  bedingt  sind,  geschieht  das  nur  durch  die  Angabe, 
daß  zwei  starre  Körper  sich  berühren.  Das  ist  eine  rein  kinematische 
Festsetzung,  d.  h.  eine  Bestimmung  über  die  Bewegungsmöglichkeit 
des  Systems.  Etwas  anderes  läßt  sich  gar  nicht  als  Ursache  für  das 
Auftreten  von  N  und  R  angeben. 

Wir  wollen  nun  allgemein  Kräfte,  die,  soweit  sie  dadurch  über- 
haupt bedingt  sind,  lediglich  durch  die  kinematische  Konstitution  des 
Systems,  d.  h.  durch  gewisse  Einschränkungen  in  der  Bewegungsfrei- 
heit  des  Systems,  verursacht  erscheinen,  Reaktionskräfte  nennen, 
alle  anderen  im  Gegensatz  dazu  eingeprägte  Kräfte. 

Normaldruck  und  Haftreibung  zwischen  starren  Körpern 
sind  also  Reaktionskräfte. 

Reaktionskräfte  sind  stets  bis  zu  einem  gewissen  Grade  unbe- 
kannt. Sie  sind  für  die  Stereomechanik  eigentlich  als  Hilfsgrößen 
anzusehen.  Es  ist  vor  allem  daran  festzuhalten,  daß  sie  eigentlich  in 
der  Natur  gar  nicht  vorkommen,  sondern  nur  bei  idealisierten,  eben 
in  ihrer  Bew^ungsfreiheit  beschränkten  Systemen. 

58  a.  Haftreibung  als  bewegnngflfSrdemde  Kraft.  Ihren 
passiven  Charakter,  jede  Richtung  und  (bis  zu  einer  gewissen  Grenze) 
auch  jeden  Wert  annehmen  zu  können,  zeigt  die  Haftreibung  auch 
darin,  daß  sie  ebensogut  bewegungsfördernd  auftreten  kann,  wie  wir 
sie  in  den  bisherigen  Beispielen  bewegungshindemd  kennen  lernten. 
Das  Bewegen  von  Mensch  und  Tier,  von  allen  Fahrzeugen  auf  festem 
Boden  beruht  auf  ihr.    Ohne  Haftreibung  kein  Gehen,  Fahren,  Reiten. 

Denn  nach  dem  Schwerpunktssatze  ist  zur  Bewegungsänderung 
des  Massenmittelpunktes  eine  äußere  Kraft  notwendig.  Auf  horizon- 
taler Strecke  wenigstens  kann  die  Schwerkraft  diese  Kraft  nicht  sein^ 
auch  andere  räumlich  verteilte  Kräfte  sind  erfahrungsgemäß  nicht  be- 
teiligt. Gehen  wir  nun  die  Spannungen  an  der  Oberfläche  des  be- 
wegten Objektes  durch.  Die  Lufb  wird  im  allgemeinen  eher  be- 
wegungshemmend  wirken,  der  Normaldruck  des  Bodens  gibt  auch 
keine  Komponente  parallel  zum  Boden  her,  bleibt  also  nur  die  Rei- 
bung, die  im  allgemeinen  trotz  der  Bewegung  des  Ganzen  Haftreibung 
sein  wird,  wenn  nämlich  an  der  Berührungsstelle,  wo  sie  wirkt,  an 
der  Schuhsohle,  an  den  Treibrädern  der  Lokomotive,  des  Automobils, 
den  Hufen  des  Pferdes  kein  Gleiten  —  kein  Ausrutschen,  kein 
Schlüpfen  —  stattfindet. 


Nr.  59.  §  13.    Gleitreibung.  83 

Daß  tatsachlich  die  Reibung  für  das  Fortbewegen  wesentlich  ist^ 

sieht  man  auch  daraus,  daß  man  auf  ganz  glattem  Boden  nicht  gehen 

kann,  daß  ein  Eisenbahnzug  auf  vereisten  Schienen  nicht  fortkommt, 

daß  auch  der  Stärkste  bei  noch  so  großer  innerer  Muskelspannung 

eine  eingeseifte  Stange  nicht  hinaufklettern  kann. 

Als  Beispiel  behandeln  wir  die  Aufgabe:  Ein  Automobil  fährt  auf  ebener 
Straße  mit  gleichförmiger  Greachwindigkeit  in  einer  Kurve  vom  ErümmungsradiuB 
Q.    Wie  grofi  darf  die  Geschwindigkeit  sein,  damit  das  Automobil  nicht  ausgleitet.^ 

Nach  Nr.  26  ist  eine  Zentripetal beschleunigung  vorhanden:   — ,   also  muß 

Q 

auch  eine  entsprechende  Kraft  von  der  Größe  wirken.    Das  kann  nur  die 

Haftreibung  B  sein.  Weil  sie  in  tangentialer  Richtung  zur  Beschleunigimg  nicht 
gebraucht  wird,  kann  sie  ganz  in  der  Normalrichtung  verwendet  werden.  Nur 
ist  sie  kleiner  .als  f-N.  Da  aber  bei  mangelnder  Vertikalbeschleunigung  N^^  G 
sein  muß,  so  folgt 

V* 

m  —  <,f'0^fmg, 
also 

als  Antwort  auf  die  gestellte  Frage. 

Wird  dagegen  ein  Teil  B*  der  Reibung  in  tangentialer  Richtung  zur  Be- 
schleunigung oder  zum  Bremsen  oder  zum  überwinden  von  Widerständen  ver- 

#11.  #9 

braucht,  so  bleibt  in  normaler  Richtung  nur  ein  Teil  BT  übrig,  der  gleich 

9 
ist,  und  es  muß 

B=yB'^  +  B^'*<f'G 
sein,  woraus 


<y^-yro*-s:* 


folgt.    Diese  Grenze  ist  kleiner  als   die  firfihere:   das  Automobil  wird  bei  Be- 
schleunigung oder  beim  Bremsen  leichter  ausgleiten  als  bei  gleichmäßiger  Fahrt. 

§  13.  Gleitreibung. 

69.  Die  Oonlomb-Moriiuioheu  Gtosetse.  Setzt  man  auf  einer 
horizontalen  Fläche  einen  Körper  in  Bewegung  und  überläßt  ihn  sich 
selbst,  so  bewegt  er  sich  eine  Zeitlang  in  gerader  Linie  weiter  (wenig- 
stens im  großen  und  ganzen),  kommt  aber  dann  zur  Ruhe.  Diese 
Erscheinung^  welche  die  Entdeckung  des  Trägheitsgesetzes  lange  ver- 
hindert hat,  können  wir  nach  unseren  Prinzipien  nur  so  erklären, 
daß  der  Bewegung  entgegen  eine  horizontale  Kraft  wirkt,  die  wir, 
da  spätere  Untersuchungen  ergeben  werden,  daß  der  Luftdruck  dazu 
bei  weitem  nicht  ausreicht,  als  durch  die  Unterlage  verursacht  an- 
sehen müssen. 

Wir  kommen  so  zu  der  Annahme,  daß  auf  einen  festen 
Körper,  der  sich  auf  einem  andern  bewegt,  tangential  zur 
Berührungsfläche,  entgegen    der  relativen  Bewegungsrich- 

6* 


84 


n.  Die  BOgenannie  Panktmechanik. 


Nr.  ö9. 


tung  des  Körpers  eine  Kraft  wirke,  welche  wir  Gleitreibung 
nennen  und  mit  12  bezeichnen  wollen. 

Außerdem  wird  natürlich  noch  im  allgemeinen  senkrecht  zur 
Berührungsfläche  ein  Normaldruck  N  wirken,  denn  in  dem  zu  Anfang 
dieser  Nummer  erwähnten  Falle  z.  B.  muß  das  Gewicht  des  Körpers 
durch  eine  gleich  große,  aufwärts  wirkende  Kraft  aufgehoben  sein, 
da  ja  vertikal  keine  Beschleunigung  vorhanden  ist. 

Also  auch  während  der  Bewegung  wird  an  der  Berüh- 
rungsstelle zweier  fester  Körper  ein  Stfitzdruck  D  da  sein, 
dessen  Komponente  senkrecht  zur  Berührungsebene  wir  den 
Normaldruck  N  nennen,  während  die  tangentiale  Kompo- 
nente B  Gleitreibung  heiße.  Aber  diese  Gleitreibung  zeigt 
einen  ganz  anderen  Charakter  als  die  im  vorigen  Para- 
graphen besprochene  Haftreibung. 

Sie  hat  zunächst  eine  ganz  bestimmte  Richtung:  sie  ist  der 
relativen  Geschwindigkeit  an  der  Berührungsstelle  ent- 
gegengesetzt gerichtet. 

Aber  man  hat  auch  über  ihre  Größe  bestimmte  Gesetze 
aufstellen  können;  die  noch  heute  meist  gebrauchten  stammen  von 
Coulomb  her;  Morin  hat  sie  experimentell  geprüft.  (Beide  be- 
kannte französische  Physiker  um  1800.)  Man  kann  die  Prüfung  etwa 
so  vornehmen,  daß  man  einen  Körper  über  den  anderen  hin  mit  einer 
gewissen  konstanten  Geschwindigkeit  schleift  und  in  die  Zugleine  ein 
Dynamometer  einfügt^  das  direkt  die  Zugkraft  und  also,  weil  keine 
Beschleunigung  stattfindet,  auch  die  Reibung  R  direkt  angibt. 


7/////'./.'// 


Fig.  34. 


Die  nach  Coulomb  und  Morin  benannten  Gesetze  lauten: 

1.  Die  Reibung  ist  der  Geschwindigkeit  entgegengesetzt  gerichtet. 

2.  Sie  ist  dem  Normaldruck  N  proportional 

und  f  ist  eine  Materialkonstante,  der  Reibungskoeffizient  wäh- 
rend der  Bewegung. 

3.  Es  ist  erfahrungsgemäß  f  etwas  kleiner  ab  der  Koeffizient  f 
der  Haftreibung. 


Nr.  60.  g  18.    Gleitreibung.  85 

Man   kann   die   beiden  ersten  Gesetze  auch  so   zasammenfassen, 
daß  man  schreibt: 

Ist  die  Berührung  nicht  einpunktig  oder  nicht  ebenflächig,  so  existiert 
an  jeder  Stelle  ein  Normaldruck  dN  und  eine  Reibung  dR  und  es  ist 

dR=^-~^f'dN, 

wo  i;  die  relative  Geschwindigkeit  des  betrachteten  Körpers  gegen 
den  andern  an  der  betreffenden  Stelle  bedeutet,  v  ihren  Absolutwert. 

60.  Kritik  der  G-esetze.    Trockene  nnd  Bohmierreibnng. 

Die  Coulomb-Morinschen  Gesetze  haben  sich  bewährt,  wenn  es  sich 
um  eine  Bewegung  handelt,  die  wesentlich  Translation  (Parallelver- 
Schiebung)  ist  und  mit  geringer  Geschwindigkeit  und  unter  nicht  zu 
starken  Drucken  stattfindet.  Daß  die  Größe  der  Gleitreibung 
wesentlich  von  der  Geschwindigkeit  abhängt,  wenn  diese  er- 
heblich wird,  entdeckte  man  zuerst  an  dem  Bremsen  der  Eisenbahn- 
räder, das  ja  auf  der  Wirkung  der  Gleitreibung  beruht.  Altere  da- 
hin gehende  Untersuchimgen  sind  von  Kirchweger  angestellt  worden, 
neuere  rühren  von  Poiree,  Douglas  Galton  (1878  und  1879)  und 
Wiehert  her.  Danach  nimmt  bei  sogenannter  trockner  Rei- 
bung, d.  h.  wenn  kein  Schmiermittel  angewendet  wird,  der 
Reibungskoeffizient  f,  definiert  durch 

mit  wachsendem  i;  erheblich  ab,  von  etwa  0,34  bei  Stahl  auf 
Gußeisen  bis  auf  0,11  bei  t;  =  25  m/Sek.  (Die  Zahlen  schwanken  sehr 
und  bedeuten  Mittelwerte.) 

Wenn  es  sich  um  sogenannte  Schmierreibung  handelt,  d.  h. 
wenn  ein  Schmiermittel  zwischen  die  Körper  gebracht  wird,  so  treten 
wesentlich  kompliziertere  Verhältnisse  ein.  Untersucht  ist  bis  jetzt  der 
Fall,  daß  eine  Welle  in  einem  gescbmierten  Lager  rundläuft.  Altere 
Versuche  stammen  von  Hirn,  Thurston,  Tower  u.  a.,  die  besten 
neuern  Versuchsergebnisse  sind  außer  denen  von  Dettmar  (Dinglers 
Polyt.  J.  315  imd  Elektrot.  Zeitschr.  1899)  und  Lasche  (Z.  d.  V.  d.  L 
1902)  diejenigen  von  Stribeck  (Zeitschr.  d.  Ver.  Deutsch.  Ing.  1902, 
auch  Forschungsarbeiten  1903).  Danach  nimmt  bei  gegebenem  N 
f  mit  wachsendem  v  zunächst  von  einem  festen,  von  N  unabhängigen 
Werte  f^  ab  bis  zu  einem  Minimum,  das  ebenfalls  von  N  unabhängig 
ist,  und  nimmt  dann  wieder  zu.  Mit  wachsendem  N  werden  alle 
Punkte  gleichen  /"'s  in  der  Richtung  wachsenden  t?'s  verschoben.  Für 
sehr  große  v  wird  f'N  nahezu  von  N  unabhängig,  d.  h.  f  nimmt  bei 
großem  v  dem  N  umgekehrt  proportional  ab  (Fig.  36). 


86 


IL  Die  sogenaimto  Panktmechanik. 


Nr.  60. 


Fig.  85. 


Yersache,  die  Erscheinniig  theoretisch  mit  Hilfe  der  Mechanik 
der  zähen  Flüssigkeiten  zu   erklären,  stammen   von  Osborne  Rey- 

noldsy  Petroff  und  Som- 
merfeld (Zeitschr.  f.  Math, 
u.  Phys.,  Bd.  50,  1904)  her. 
Des  letzteren  Theorie  ergibt 
das  charakteristische  Mini- 
mum und  dasEoryenstück  jiLB 
sehr  gut  wieder;  f^  Wli 
wesentlich  zu  klein  aus.  Das 
Minimum  soll  nach  der 
Theorie  lediglich  durch  geo- 
metrische Größen  gegeben, 
nämlich  proportional  dem 
Quotienten  aus  Spielraum  imd 
Zapfenradius  sein.  Neuere  Versuche  von  Heimann  (Z.  d.  V.  d.  L  49, 
1905)  scheinen  dies  zu  bestätigen.  Versuche  in  dieser  Richtung  wären 
sehr  wünschenswert. 

Der  junge  Ingenieur  sei  nachdrücklich  auf  diese  Versuchsergeb- 
nisse  hingewiesen.  Wenn  wir  uns  im  folgenden  an  die  Coulomb- 
Morinschen  Gesetze  halten  werden  und  sogar  meist  /^  =  /*  setzen,  so 
geschieht  das  der  Einfachheit  halber.  Und  wir  dürfen  das,  einmal 
weil  es  hier  mehr  darauf  ankommt,  zu  lernen,  mit  den  mechanischen 
Grundprinzipien  umzugehen,  dann  aber,  weil  ja  für  gewisse,  zu  An- 
fang dieser  Nummer  angegebene  Fälle,  die  Goulomb-Morinschen  Ge- 
setze ToUständig  ausreichen,  wie  neuere  Experimente  ergeben  haben 
(Warburg  und  Babo  u.  a.).  Doch  muB  noch  auf  eine  große  prin- 
zipielle Schwierigkeit  hingewiesen  werden: 

Besteht  die  Bewegung  aus  einer  Kombination  von  Gleiten  und  Bollen,  so 
kann  direkt  ein  logischei  Widerspmcli  der  Coulombschen  Gesetze  mit  der  Hypo- 
these der  starren  Körper  nachgewiesen  werden,  wie  Fainleyä  gezeigt  hat.  Das 
tritt  z.  B.  dann  ein,  wenn  eine  kreisförmige  Scheibe,  deren  Schwerpunkt  hin- 
reichend stark  exzentrisch  Uegt,  auf  einer  ebenen  Unterlage  rollt  und  gleichzeitig 
gleitet.  Der  Widerspruch  läßt  sich  heben,  entweder  dadurch,  daß  man  eine  ganz 
andere  Auffassung  der  Reibung  eintreten  läßt  (Painlev^  oder  dadurch,  daß  man 
die  Körper  als  elastisch  ansieht,  also  die  Hypothese  des  starren  Körpers  aufgibt, 
oder  dadurch,  daß  man  annimmt,  daß  f  wesentlich  von  ^abhängt  (bei  sehr  großem 
N)y  und  zwar  mit  unendlich  wachsendem  ^  gegen  Null  geht  (y.  Mises)  oder  end- 
lich durch  die  Hypothese,  daß  in  dem  Widerspruchsfalle  plötzlich  das  Gleiten 
aufhöre  und  reines  Bollen  eintrete,  wodurch  wir  es  sogleich  mit  Haftreibung  zu 
tun  bekommen.  Im  Resultat  stimmen  alle  Vorschläge  überein,  denn  auch  die 
ersten  Hypothesen  ergeben  ein  sehr  schnelles  Aufhören  der  Gleitbewegung  und 
erklären  somit  gewissermaßen  die  letztere,  an  sich  etwas  dogmatisch  erscheinende 
Hypothese.    Das  letzte  Wort  ist  in  dieser  Sache  noch  nicht  gesprochen.^) 

1)  Siehe  den  Enzyklopädieartikel  lY  10b  v.  Mises;  auch  die  Diskussion 
in  der  Zeitschr.  f.  Math.  u.  Physik,  Bd.  68,  1910.  Literaturzusammenstellung  in 
J eilet t,  Theorie  der  Reibung. 


Nr.  61, 62.  §  18.    Oleitreibung.  87 

61.  Die  Oleitreibung  ist   eine  elngeprftgte  Kraft    Auf 

den  fundamentalen  Unterschied  der  Gleitreibung  und  der  Haftreibung 
gegen  Gleiten  sei  nachdrücklichst  hingewiesen.  Letztere  ist  bei  starren 
Körpern  zunächst  gänzlich  unbekannt,  erstere  dagegen  ist  der  Richtung 
nach  durch  die  Geschwindigkeit  vollständig  bestimmt  und  ihre  Größe 
ist  außer  durch  die  kinematische  Konstitution  noch  durch  diejenigen 
physikalischen  Größen  mitbestimmt,  von  denen  f  abhängt.  Demnach 
ist  die  Gleitreibung  eine  eingeprägte  Kraft  und  keine  Reaktionskraft. 
Es  ist  ja  auch,  wenn  Gleiten  eintritt,  die  Deformation  in  der  Um- 
gebung der  Berührungsstelle  nicht  gänzlich  unerkennbar,  nämlich  die 
durch  die  Geschwindigkeit  gegebene  Verschiebung  des  einen  Körpers 
gegen  den  andern. 

Die  Sache  ist  Ton  wichtiger  und  allgemeiner  Bedeutung,  daß  wür 
sie  zu  einem  Axiom  der  Mechanik  erheben  wollen: 

62.  Azlomgmppe  VI.     Über  Seaktiouskrftfbe.     Da  ein 

freibeweglicher  Punkt  in  seiner  Lage,  als  auch  in  seiner  Bewegungs- 
möglichkeit durch  drei  skalare  Stücke  (oder  einen  Vektor,  etwa  dr) 
bestimmt  ist,  sagt  man,  er  habe  drei  Freiheitsgrade. 

1.  Bei  einem  Punkte,  der  in  seiner  Bewegungsfreiheit  beschränkt 
gedacht  wird,  bedingt  diese  Beschränkung  allein  schon  gewisse,  flächen- 
haft  verteilte  Kräfte,  die  wir  als  Reaktionskräfte  bezeichnen  wollen. 
Alle  anderen  Kräfte  sollen  eingeprägte  Kräfte  heißen. 

2.  Büßt  der  Punkt  gegen  seine  Umgebung  v  (i/  »  1,  2,  3)  seiner 
drei  Bewegungsmöglichkeiten  (Freiheitsgrade)  ein,  so  bleiben  von  den 
drei  Bestimmungsstücken  der  gesamten  auf  ihn  wirkenden  Reaktions- 
kraft genau  v  von  yomherein  unbestimmt,  treten  also  als  Unbekannte 
in  die  Bewegungsgleichungen  ein. 

Aus  diesen  Axiomen  folgt  schon:  a)  die  inneren  Spannungen 
eines  starren  Körpers  sind  alle  Reaktionskräfte,  denn  ein  jeder  Punkt 
im  Innern  ist  gegen  seine  Umgebung  vollständig  an  der  Bewegung 
gehindert  (y  =  3), 

b)  Die  Druckkräfte  zwischen  zwei  sich  berührenden  Körpern 
sind,  falls  Gleiten  ausgeschlossen  ist,  ebenfalls  alle  drei  Reaktions- 
kräfte {y  =  3).  Demnach  sind  Normaldruck  und  Haftreibung  zwischen 
starren  Körpern  Reaktionskräfte. 

c)  Berühren  sich  zwei  starre  Körper,  wird  aber  Gleiten  als  mög- 
lich zugelassen,  so  ist  v  ==>  1  und  demnach  bleibt  ein  Stück  der  Druck- 
kraft unbekannt,  während  die  beiden  andern  eindeutig  durch  die  Be- 
rührungsbedingung gegeben  sein  müssen.  Der  Endpunkt  aller  mög- 
lichen Druckvektoren  beschreibt  also  eine  eindimensionale  Mannig- 
faltigkeit. Nun  ist  aber  die  einzige,  durch  die  Berührungsbedingung 
allein  und  eindeutig  gegebene  eindimensionale  Mannigfaltigkeit  die 
Grade  senkrecht  zur  Tangentialebene:  also  muß  die  Reaktionskraft  in 


88  n.  Die  sogenannte  Punktmechanik.  Nr.  68. 

diese  Richtang  fallen,  während  ihre  Große  unbestimmt  bleibt.     (Der 
Normaldruck  allein  ist  Reaktionskraft.) 

Um  auszudrücken,  daß  der  Normaldruck  stets  ein  Druck  im 
engeren  Sinne  ist,  bedürfen  wir  noch  des  Axioms: 

3.  Ist  die  Bewegungsbeschränkung  einseitig,  d.  h.  ist  eine  Be- 
wegungsrichtung möglich,  die  entgegengesetzte  aber  nicht  (Abheben 
z.  B.  der  starren  Körper  ist  möglich,  Eindringen  aber  nicht),  so  bildet 
die  Reaktionskraft  mit  der  ausgezeichneten  möglichen  Bewegungs- 
richtung stets  einen  spitzen  Winkel. 

63.  Der  Gteti  Tom  rarelohenden  Ghnmde.  Das  Isotropie- 
nnd  Homogenitfttsprinslp  des  Raumes.  Wir  haben  in  der  vor- 
stehenden Begründung  von  einem  Satze  Gebrauch  gemacht,  den  man 
den  Satz  des  zureichenden  Grundes  nennt.  Dieser  besagt  Folgendes: 
Wenn  man  weiß,  daß  eine  gesuchte  Mannigfaltigkeit  bestimmter  Di- 
mension V  ausschließlich  und  eindeutig  durch  eine  Gesamtheit  anderer 
Größen  bestimmt  ist  und  diese  Gesamtheit  eine  einzige  ausgezeich- 
nete Mannigfaltigkeit  i^ter  Dimension  bestimmt,  so  ist  die  gesuchte 
Mannigfaltigkeit  mit  dieser  identisch. 

Dieser  Schluß  ist  zweifellos  exakt.  Ist  also  im  vorhergehenden 
durch  die  Gesamtheit  der  möglichen  Bewegungsrichtungen  des  Punktes, 
wenn  er  gezwungen  ist,  eine  Fläche  zu  berühren,  wirklich  die  normale 
Gerade  als  die  einzige  ausgezeichnete  Mannigfaltigkeit  erster  Dimen- 
sion hervorgehoben,  wie  wir  angenommen  haben? 

Streng  genommen  nicht.  Denn  man  könnte  ja  z.  B.  festsetzen, 
daß  man  als  ausgezeichnete  Mannigfaltigkeit  die  Gerade  wähle,  welche 
den  Winkel  zwischen  der  Normalen  und  der  Verbindungslinie  unseres 
Punktes  mit  einem  im  Weltall  ein  für  allemal  festgewählten  Punkte 
halbiert. 

Um  den  Schluß  streng  zu  machen,  bedarf  es  noch  der  Hinzunahme 
des  folgenden  Prinzips: 

Bestimmt  eine  Mannigfaltigkeit  von  Größen  eindeutig  und  allein 
eine  andere,  und  gestattet  erstere  Mannigfaltigkeit  eine  Drehung  oder 
Verschiebung,  welche  sie  im  ganzen  ungeändert  läßt  (in  sich  trans- 
formiert), so  muß  diese  selbe  Drehung  oder  Verschiebung  auch  die 
bestimmte  Mannigfaltigkeit  ungeändert  lassen. 

Dadurch  ist  nun  offenbar  die  Normale  zur  Reibungsfläche  wirk- 
lich eindeutig  ausgezeichnet.  Denn  die  erlaubten  Bewegungsrichtungen 
des  Punktes  gestatten  eine  Drehung  um  die  Normale,  und  die  einzige 
eindimensionale  Mannigfaltigkeit,  welche  ebenfalls  diese  Drehung  ge- 
stattet, ist  die  Normale  selbst. 

Das  neu  hinzugekommene  Prinzip  ist  aber  ein  Teil  eines  allge- 
meinen Prinzips,  das  man  so  aussprechen  kann: 

„Alle  Naturerscheinungen  sind  von  der  Orientierung  und  der 
Lage  im  Räume  unabhängige^  oder 


Nr.  64. 


§  IS.    Gleitzeibang. 


89 


yj)er  Ikmm  ist  isotrop  und  homogen'^;  d.  h.  alle  Richtungen  und 
alle  Stellen  des  Raumes  sind  einander  gleichwertig. 

Dieses  Prinzip  sagt  auch  noch,  daß  der  Raum  an  sich  nicht  Ur- 
sache irgendeiner  Erscheinung  sein  kann  (vgl.  §  1^  3). 

64.  Beispiele  nnd  Anfjgraben. 

1.  Man  Btudiere  die  Bewegung  auf  der  Geraden  stärksten  Abfalles  einer 
JBchiefen  Ebene  nnter  Einwirkung  der  Reibung  und  der  Schwere.  Man  hat  zwei 
Fälle  zu  unterscheiden:  a)  die  Geschwindigkeit  sei  abwärts  gerichtet:  i;]>0. 
Dann  ergibt  sich  durch  Zerlegung  in  Komponenten  parallel  und  senkrecht  zur 
schiefen  Ebene 

dv 


m 


dt 


mgnna —  B 


Also 


somit 


0  SS  mg  cos  a  —  N. 

^asfnpcosa  und 

B  ■»  fN^^  tg  tp'mg  cos  a, 

sin  («  —  tp) 


^-l,(ein«-cOB«tgy')  =  y       ^^^. 

Ist  a]>9',   so   ist   die  Bewegung  wirklich  beschleunigt,  andernfalls  Tezzögert. 
Für  den  speziellen  Fall  a  =»  qp'  tritt  eine  gleichförmige  Bewegung  ein. 

b)  Die  Geschwindigkeit  sei  aufwärts  gerichtet:  v<[0.   Dann  ändert  B  sein 
Voneichen,  sonst  bleibt  alles  dasselbe  und  man  erhält: 

dv  sin(a-["9') 


d?-» 


cos  9 


Die  Bewegung  ist  auf  jeden  Fall  verzögert.    Man  kann  zeigen,  daß 

lim  (y*)  ^  9 

sein  muß.    Denn  sei  im  andern  Fall 

lim  9'  >  a  >  cp , 

so  kommt  in  beiden  Fällen  der  Punkt  einmal  zur  Ruhe.  Dann  kann  er  einer- 
seits nicht  in  Buhe  bleiben,  weil  a  ]>  9  ist,  anderseits  kann  er  nicht  abwärts 
gleiten,  weil  sofort  eine  aufwärts  gerichtete  Beschleunigung  eintreten  würde  in- 
folge a  <^  9'.    Aufwärts  kann  er  natürlich  auch  nicht  gleiten. 

Aufgabe   31.     Man   löse   dieselbe  Aufgabe,  wenn   noch   eine   unter  dem 
Winkel    £    gegen    die    ^ 
schiefe  Ebene  geneigte 
Kraft  k  hinzutritt. 

Beispiel  2.  Wel- 
che Kraft  k  ist  not- 
wendig, um  einen  Keil 
▼om  Gewicht  G  in  einer 
horizontalen  Nut  vom 
Winkel  2  a  mit  kon- 
stanter Geschwindigkeit 
vorwärts  zu  ziehen? 

Die  Zerlegung  des  Grundgesetzes 

mw'^  Zk 


W 


Fig.  86. 


90 


n.  Die  sogenannte  Ponktmechanik 


Nr.  64. 


nach  horizontaler  nnd  vertikaler  Richtung  ergibt  ^^^ 

Os^r  — S^Bina. 
Also,  ^9,  E^Nf  ist, 

sina 

Die  Kraft -ist  um  so  größer,  je  spitzer  der  Keil  ist.  Darin  liegt  die  Begründung 
dafür,  daß  die  Reibang  bei  zwei  Holzstücken,  deren  Fasern  parallel  liegen, 
wesentlich  größer  ist  bei  denselben  Holzstücken,  wenn  ihre  Fasern  gekreuzt  sind. 
Beispiel  S.  Zwei  parallele,  um  den  Winkel  a  gegen  den  Horizont  ge- 
neigte zylinderförmige  Walzen  drehen  sich  gegeneinander  mit  der  Umfangs- 
geschwindigkeit c.  Quer  zn  ihnen  nnd  auf  ihnen  liegt  horizontal  und  symme- 
trisch ein  eckiger  Balken 
Tom  Gewicht  G,  Kann  bei 
hinreichend  kleinem  a  der 
Balken  liegen  bleiben?  Nein. 
Denn  dann  w&re  die  Reibung 
als  Gleitreibung  quer  und 
horizontal  gerichtet  und 
könnte  der  abwärts  geneigten 
Komponente  6^  sin  a  der 
Schwerkraft  nicht  das  Gleich- 
gewicht halten. 

Wie  bewegt  sich  also 
der  quergelegte  Balken  ab- 
wärts? Sei  seine  augenblickliche  Geschwindigkeit  9,  so  ist  die  relative  Ge- 
schwindigkeit des  Balkens  gegen  die  Unterlage  die  Resultierende  aus  v  und  c, 
welche  um  den  Winkel  ß  gegen  die  Richtung  von-  v  abweiche.  Also  werden 
wir  bekommen 

dv 
*fi-3--a=G8ina  —  22J  cos  6 
at 

2B  =  2Nf=^Geoaaf 

Elimination  von  R  und  ß  gibt  ver- 


FI9.  87  a. 


Msß- 

c 

. 

/ 

K 

"N 

V 

<r- , 

r         1 

• 

f. •>€ 

\ 

1 

1/ 

-ß' 

\      1 

1   / 

1  / 

1 

1 
; 

' 
t 

i 

möge 


cos(}s= 


yr+tg'p 

die  Differentialgleichung  für  v 

dv  .  ^         V 

-j-  =  a  sm  a  —  g  cos  af«  — =r  

dt      ^  ^  l/r«4-c« 


Fig.STb. 


woraus  folgt 

^_jL  r v^j^ 

9J  sin  a  l/ü*  4- c« — 


dv 


conaf'V 


Der  Leser  möge  die  Integration,  die  mit  elementaren  Mitteln  durchführbar 
ist,  selbst  leisten. 

Wir  erkennen  nochmals  aus  der  Differentialgleichung,  daß  v^^O  unmög- 
lich ist 


Nr.  64. 


§  13.    Gleitreibong. 


91 


So  klein  also  auch  a  und  so  klein  auch  c  sein  mag,  der  Balken  muß  her- 
untergleiten. 

Dieses  Beispiel,  das  aus  A.  Bitters  Techn.  Mechanik  entnommen  ist,  zeigt, 
daß  kleine  Zusatzbewegungen  die  Haltfähigkeit  der  Haftreibung  unter  um- 
ständen ganz  vernichten  können.  Darauf  beruht  die  Unsicherheit  aller  durch 
Reibung  bewirkten  Befestigungen  gegen  Erschütterungen. 

Aufgabe  82.  Man  zeige  in  dem  vorhergehenden  Beispiel,  daß,  wenn 
4x^9  ist,  17  mit  wachsender  Zeit  über  alle  Grenzen  geht,  daß  dagegen,  wenn 
a'<9  ist  und  tg  er  «»Xf  gesetzt  wird,  wo  %<^1^  eine  kritische  Geschwindigkeit 


«* 


lA  — X^ 


existiert,  derart,  daß  diese  Geschwindigkeit,  wenn  sie  einmal  vorhanden  war,  an- 
dauert, und  daß  sich  v  in  jedem  andern  Fall  mit  wachsender  Zeit  dieser  kriti- 
schen Geschwindigkeit  asymptotisch  annähert    (Man  vgl.  Nr.  70  und  71.) 

Beispiel  4.    Man  diskutiere  die  allgemeine  Bewegung  auf  einer  schiefen 
Ebene,  welche  unter  der  Einwirkung  der  Schwerkraft  und  der  Reibung  möglich  ist. 

In  solchen  Aufgaben,  wie  der  hier 
gestellten,  wo  konstante  Kräfte  und 
solche  auftreten,  die  der  Geschwindig- 
keit entgegengerichtet  sind,  empfiehlt 
sich  eine  Zerlegung  der  Gleichung 

nach     dem     sogenannten     natürlichen 

Koordinatensystem  der  Bahnkurve,  d.  h. 

nach  Tangente  und  Normale  der  Bahn  Fig.  88. 

(siehe  Nr.  26). 

Sei  ^  der  spitze  Winkel,  welchen  die  Bewegungsrichtung  v  mit  der  Hori- 
zontalen auf  der  schiefen  Ebene  einschließt,  so  lauten  die  Bewegungsgleichungen 


191 3-  s»  mg  sin  a  sin  ^  —  B 


(1) 


m  —  ssB  mg  sin  a  cos  ^ 
0  =  N —  m^cosa. 


(2) 
(») 


wobei  Q  den  stets  positiv  zu  zählenden  Krümmungsradius  der  Bahn  bedeutet. 

Da  nun  die  Schwerkraftkomponente  mpsina  stets  abwärts  geneigt  ist,  so 
ist  die  Bahnkurve  stets  nach  unten  konkav  und  somit  ist  sicher 


a) 


Da  femer  d9'  der  Kontingenzwinkel  zweier  benachbarter  Bahntangenten 
ist,  so  folgt 

wenn  wir  ^25  im  Sinne  der  Bewegung  positiv  zählen,  oder 

^  ""^"^  t;      dt' 


92  n.  Die  BOgenaimte  Panktmechanik.  Nr.  64. 

ZuBammen  mit  B  -»  Nf  wird  sonach  aus  den  Gleichungen  (1)  nnd  (8) 

- --  sa  ^  sin  a  sin  ^  —  gf  cot  a  (l*) 

und  dd"  -  ,_^ 

v-^-^^g  Bin  a  •  cob  ^ .  (87 

Führen  wir  4^  als  unabhängige  Variable  ein,  «o  folgt  dnrch  DiviBion  von 

(10  dnrch  (20 

1    -         —  cos  a  •  /■+  sin  a  •  sin ö*  , ^ 

—  av  sx ;-^— ! dv 

V  Bin  a  •  cos  ^ 

nnd  daraus  durch  Integration 

lg  «  —  lg  »0  =*  ctg  a  Y  •  lg  ctg  (?^  -f  -^  j  —  lg  cos  ^ . 

v^v^  entspricht  der  Neigung  ^  =«  0. 
Setzen  wir  f »-  X  •  tg  er,  so  folgt 

•  cosö* 

Wenn  ^  sich  dem  Werte  -r-  nähert,  so  werden  Zähler  und  Nenner  dieses  Aus* 

drucks  Null. 

a)  Ist  X  <^  1,  d.  h.  Kp<^a^  so  wird 

lim  f }  SS  cx) , 

da  in  (II)  der  Zähler  Ton  niederer  Ordnung  Null  wird  als  der  Nenner. 
h)  Ist  X  >  1,  d.  b.  9  >  a,  so  wird 

lixnvx:==0, 

da  in  (11)  der  Zähler  von  höherer  Ordnung  Null  wird  als  der  Nenner, 
c)  Ist  X  «»  1,  d.  h.  a  BS  qp,  so  wird 

X        cos  ^  2 


und  somit  ,.  1 

lii 


lim  17  «*--»*. 
n 

Y 


2  "*' 


Um  die  zugehörige  Zeit  zu  berechnen,  gehen  wir  auf  (2')  zurück,  woraus 
wir  erhalten 

1        r    d» 
t  =  — .—   I  r        _ 

^  Bin  a  J      coB  ^ 

oder  unter  Benutzung  von  (11) 

9 


g%mu^  cos'^ 


t 

9 

0 


(Wir  wollen  <a«0  für  d*««©  annehmen.) 


Nr.  64.  §  13.    Gleitreibung.  93 

Man  kann  auch  dieses  Integral  ausrechnen.    Setzt  man 

''*«(t+t)="' 

so  wird 


.  1  d9 

dg^  — — 


Bin' ' ' 


(t+I) 


— -i-d*(l  +  Ä*)  und  cos« ^=- sin« ^y  +  *) 


'■-(T+D-d+D-iiiSr 


Somit  wird 


wenn  X  «^  1  ist,  wenn  aber  X  »*  1  ist,  so  wird 

Man  sieht  daraus,  weil  g*^0  für  ^  «=  — - ,  daß  im  Falle  (a),  wo  a  >>  9  war 
und  i<l, 


lim  t  =  00 , 

-Y 

und  X>1 

lim  t  =      *^®      . 

X 

lim » ^a.        ,           -  • 

^        ^sina   X« 

^=2 

— 

i' 

im  Falle  (c),  wo  a  »  9  und  X  »  1 

lim  t^eoo 

wird. 

Berechnen  wir  endlich  noch  die  horizontale  Komponente  x  des  Ortes  un- 
seres Punktes,  so  ergibt  sich  aus 

dx  »B  ds  cos  & 

dx        V         ^ 

dt 
und  aus  (2^) 

d«  «« 

d^      ^  sin  a 
somit  jC,  wenn  wir  es  ebenfalls  von  ^*aO  an  zählen, 


Ä« — -. —    I  V*( 
gsmaf 


0 


lina  e/  cos* 


«0'         I  ~     ^^'^^Ki^ 

x^ — ? / —     dd^ 

gsma  ^  cos'v 
0 


94 


n.  Die  sogenannte  Ponktmechanik. 


Nr.  6i. 


Dnrch  Einführung  Ton  $  wird  ans  diesem  Integral 


außer  für  2X  — lr-0. 
Für  3t  ==  "ö"  "'^d 


Daraus  folgt: 


2  gsmaj  ^    ^     ' 

1 

8  jrgineLsi— 1  ^81  +  1  J, 


1_??1_ 


8  psmaL®     ^2      J, 


(aO  für  Z<  ^  ,  d.h.  tg«>2tg9  wird 


limx=soo 


(b')  für  Z>       ,  d.h.  tga<2tgq?  wird 


liinx== — T         • 


^        ^Bina(4X*  — 1) 


(c*)  für  2  =  -—,  d.  h.  tga  =  2tgqp  wird 


lim  jB»*cx). 

7X 


^= 


Fassen  wir  die  Resultate  in  folgende  Tabelle  zusammen: 


1      lim       ,  0<X^  \ 

2 

Y<1<1 

1»1 

X>1 

1 
1 

... 

ff          ! 
2 

CX) 

CX) 

cc 

ff 

2             < 

endlich 

ff 

T 

1 

2  «^^ 

CX) 

endlich 

ff           1 
2 

0 

endlich 
endlich 

Daraus  folgt:  1.  für  die  sehr  steile  schiefe  Ebene,  tga^2tg9  wächst  die 
Geschwindigkeit  und  die  seitliche  Entfernung  mit  wachsender  Zeit  ins  Unendliche. 

2.  Für  die  mittelsteile  Ebene ,  tg9<<tga<<2tg9  wächst  rwar  die  Gte- 
tfchwindigkeit  noch  mit  der  Zeit  ins  Unendliche,  aber  die  seitliche  Entfernung 
ist  begprenzt:  die  Bahn  besitzt  eine  Asymptote  in  der  Richtung  steilsten  Abfalls 
der  schiefen  Ebene. 

8.  In  dem  Grenzfalle  tgcrsstgcp  nähert  sich  die  Bewegung  asymptotisch 
einer  gleichförmig  abwärts  gerichteten  Bewegung. 

4.  Für  die  flache  schiefe  Ebene  tga<<tg9  bleibt  der  Körper  nach  end- 
licher Zeit  stecken.    Die  Endtangente  der  Bahn  ist  yertikal  abwärts  gerichtet. 

Man  beachte  übrigens,  daß  man  diese  Diskussion  durchführen  kann,  ohne 
die  Integrale  wirklich  auszurechnen.    Denn  es  ist  bekannt,  daß  wenn 


Nr.  64. 


§  18.    Qleitreibnng. 


95 


lün?gfart>0 
gleich  einer  bestimmten,  von  Null  Tenchiedenen  Zahl  ist  xmd  9(x)  sonst  in  dem 

0 

~-j-r  endlich  bleibt,  wenn 

a 

ib <^  1  ist,  dagegen  unendlich  wird,  wenn  k^\  ist. 

Beispiel  5.  Schwingung  mit  Reibung.  Ein  Körper  schwinge 
auf  einer  horizontalen  Flache  in  einer  Geraden  unter  der  Wirkung 
der  Reibung  und  einer  in  Richtung  der  Geraden  wirkenden  Erafb^ 
welche  dem  Hookeschen  Gesetze  gehorcht  (siehe  Nr.  35  und  46). 
Man  kann  sich  etwa  den  Körper  zwischen  zwei  Federn  gespannt  denken. 


^    X    i 


'i 


\-m^ 


mmmmpm 


'^tfffM^ffßfää  f. 


-^ffSV^l 


» 


G 


w/m///////mM////////m^^ 


Fig.  89. 


Sei  X  die  Elongation  aus  der  Ruhelage,  so  wirkt  die  Kraft 

in  Richtung  wachsenden  x. 

Die  im  gleichen  Sinne  positiv  gezählte  Reibung  ist  iZ  «  ±  /*  •  ^ 
—  ±  fif^Qy  wenn  Bewegung  stattfindet,  dagegen  unbekannt  und  durch 
\R\'^fmg  eingeschränkt,  wenn  Ruhe  herrscht. 

Lösen  wir  erst  das  statische  Problem. 

Dann  muß 

B  +  i-0 
sein,  d.  h. 

;B|^/-w(7gibt 

d.  h. 

wofür  wir  zur  Abkürzung 

\x\^e 
schreiben  wollen. 

Ruhe  ist  also  möglich  in  dem  Gebiete 

Nun  gehen  wir  zu  dem  Bewegungsproblem  über. 
Wir  müssen  zwei  Fälle  unterscheiden: 


96  n«  Die  sogenannte  Fonktmechanik.  Nr.  64. 

a)  den  Hingang:  t?>0.  Dann  ist  R^-'fmg  und  wir  be- 
kommen die  Bewegnngsgleichung 

Diese  Differentialgleichung  hat  die  partikulare  LGsung 

*---r  =  -«- 

Die  allgemeine  erhalten  wir,  wenn  wir  setzen 
wodurch  wir  fBr  y  die  Differentialgleichung 

erhalten,  wenn  wir  wie  früher 

a'  —  — 
m 

einfähren. 

Es  ist  dann 

y-«  a  sin(a^  +  b) 

und  somit  für  den  Hingang 

a?  =  ~  e  +  a  sin  (a^  +  «). 

Das  bedeutet  aber  eine  um  e  nach  der  Seite  n^^tiyer  x  yerschobene 
harmonische  Schwingung. 

b)  den  Rückgang:  t7<0.  Dann  ist  R^ffng.  Die  Differen- 
tialgleichung lautet 

mx  ^  —  Xx  +  fmg. 

Vertauscht' hat  sich  gegen  vorhin  nur  das  Zeichen  yon  /*,  also  lautet 
die  allgemeine  Lösung  für  den  Bückgang: 

X  '^  +  e  +  a  B\xi{at  +  b). 

Das  ist  aber  eine  um  e  nach  der  Seite  positiver  x  verschobene  har- 
monische Schwingung. 

Diskussion  der  Bewegung. 

Zunächst  ist  folgendes  zu  beachten:  Zwischen  jedem  Hin-  und 
Rückgang  wird  einmal  t;  —  0.  Wenn  dann  |a;|  <e  ist,  so  wird  der 
Körper  stecken  bleiben,  da  ja  jetzt  die  Gesetze  der  Ruhe  anzuwenden 
sind.  Wenn  aber  |a:|  >  e  ist,  so  wird  eine  Umkehr  der  Bewegung 
stattfinden.  Es  werden  sich  also  zwei  Bewegungen  a)  und  b)  zu- 
sammensetzen und  natürlich  mit  stetigem  x  und  x. 

Es  beginne  etwa  die  Bewegung  zur  Zeit  ^ »  0  mit  der  Ampli- 
tude —  a^o»  ^0  Xq>  e  sei,  und  der  Geschwindigkeit  Null.     Dann  wird 

zunächst    ein   Hingang    stattfinden,    für   den    £  =  —  -— ^  a  +  e  ^  x^j 

d.  h.  a  =  Xq  —  e  sein  wird. 


Nr.  64. 


g  18.    Gleitreibung. 


97 


Für  0  ^  <  ^  Y  (wo  r  — .  —  j  wird  also  sein 

x^  ^  e--  (xQ—e) cos a^. 

Das   ist   ein   reiner  Sinnsbogen   am   die  Ruhelage   n; » —  6  mit  der 
Amplitade  Xq  —  e. 

Für  t^  —  wird  sein 

a?  =»  Xj  *=  a?0  —  2e. 

Folglich    wird    für   den    nun   ansetzenden   Rückgang,   d.  h.  für 


Y  ^  ^  ^  r  sein: 


X 


e  —  {Xq  —  3c)  cos  aty 


damit  für  ^  «  ^  >   ^-  ''^-   cos  a^  =  —  1    die    Amplitude   e  +  (Xq  —  3e) 

^  Xq  —  2e  wird. 

Der  Rückgang  wird  also  ein  Sinnsbogen  um  die  Ruhelage  x^  +  e 
mit  der  Amplitude  x^  —  Ze  sein.     Für  t  =  t  wird  sein 

a;  =  e  —  (rto  —  3c)  =  —  a;o  +  4c. 

Ist   +  Xq  —  4te  noch   größer   als   e,   so   schließt   sich  jetzt   eine 
Schwingung  an,  die  durch 

X  ^  -—  e  —  (xq—  5c)  cos  at 
gegeben  ist. 

So  geht  das  weiter.     Die  Maxima  und  Minima  von  x  sind  ab> 
solut  genommen 

a?Q,  a;^— 2c,  rcQ— 4c,  usw. 

Es  wird  nun  einmal  Torkommen  müssen,  daß  ein  Maximum  absolut 
genommen  kleiner  wie  c  sein  wird,  während  das  vorhergehende  noch 


l'.|f.  40. 


größer  war.  In  diesem  Moment  wird  dann  der  Punkt  stecken  bleiben 
müssen.  In  der  Figur  findet  dies  im  Punkte  E  statt,  also  nach  drei 
halben  Schwingungen. 


Hftmel:  Elementare  Mechanik. 


98  n.   Die  Bogenannte  Punktmechanik.  Nr.  65. 

Allgemein  lommt  also  der  Körper  nach  einer  endlichen  Anzahl  von 
Schwingungen  zur  Ruhe. 

Wir  haben  hier  einmal  ein  Beispiel  eines  unstetigen  Kraft- 
feldes, das  stets  dann  auftreten  wird,  wenn  bei  Vorhandensein  von 
Gleitreibung  ein  Wechsel  der  Bewegungsrichtung  eintritt.  Diese 
Probleme    haben    praktische    Bedeutung   für    die    Regulatortheorie.^) 

Aufgabe  88.  In  einer  Röhre,  die  mit  der  gegebenen  konstanten  Winkel- 
geschwindigkeit CO  um  eine  zu  ihr  seokrechte  Achse  rotiert,  befinde  sich  ein 
Punkt  der  Masse  m.  Nach  welchem  Gesetz  wird  der  Punkt  heraus  geschleudert^ 
wenn  man  a)  die  Reibung  vernachlässigt,  b)  die  Reibung  mit  berücksichtigt?  (Man 
benutze  die  in  Nr.  81  gegebene  Darstellung  von  w !)  Von  der  Schwerkraft  werde 
abgesehen. 

84.  Welche  Gestalt  muß  eine  in  einer  vertikalen  Ebene  gelegene  Kurve  C 
haben,  damit  ein  l&ngs  derselben  ohne  Reibung  unter  dem  Einfluß  der  Schwer- 
kraft herabgleitender  Punkt  in  gleichen  Zeiten  gleiche  Höhen  zurücklegt? 

84  a.  Warum  kann  man  auf  einer  schiefen  Ebene  einen  Körper  nicht  durch 
eine  in  ihr  gelegene  horizontale  Kraft  horizontal  fortbewegen?  Welche  Richtung 
muß  vielmehr  die  dazu  erforderliche  Kraft  haben? 


§  14.  Der  masselose^  Yollkommen  biegsame,  unausdehiibare  Faden. 

65.  Theorie  des  Fadens.  Sehr  häufig  verknüpft  man  zwei 
feste  Körper  durch  einen  gespannten  Faden^  dessen  Masse  gegenüber 
derjenigen  der  festen  Körper  sehr  gering  ist;  dessen  Ausdehnung  nicht 
beobachtbar  ist  und  der  sich,  wie  man.  sagt,  sehr  leicht  biegen  läßt. 
Wir  idealisieren  diesen  Fall  dahin,  daB  wir  den  Faden  als  masselos, 
unausdehnbar  und  yollkommen  biegsam  yoraussetzen. 

Was  masselos  und  unausdehnbar  heißen  soll,  ist  klar.  Aus  der 
Unausdehnbarkeit  folgt  nun  schon,  nach  den  Axiomen  yon  Nr.  62, 
daß  dieser  Faden  auf  jeden  der  beiden  Körper  eine  Reak- 
tionskraft ausüben  kann,  welche  stets  ein  Zug  ist.  Denn 
jeder  Körper  wird  relatiy  zum  andern  um  einen  Freiheitsgrad  in 
seinen  Bewegungsrichtungen  gehindert  und  die  einzig  ausgezeichnete 
Richtung  ist  die  des  Fadens. 

Vollkommen  biegsam  soll  nun  heißen,  daß  außer  diesem 

Oy-^*^     Zug  der  gespannte  Faden  keine   an- 
-^ • — (        ]     dere   Kraft    auf   die    durch   ihn    yer- 
^" —       bundenen     Körper      ausüben     kann. 
Diese    Definition    werden    wir    später    ge- 
nauer untersuchen  (siehe  §  36). 

Nach  dem  Gesetz  der  Gleichheit  von  Wirkung  und  Gegenwirkung 
erfährt  der  Faden  yon  den  angehängten  Körpern  die  entgegengesetzt 
gleichen  Spannungen.     Wendet  man  nun  auf  den  ganzen  Faden  den 


1)  Siehe  den  Aufsatz  des  Herrn  v.  Mises:  „Zur  Theorie  der  Begalatoren*\ 
Elektrotechnik  nnd  Maschinenbau  1908. 


Nr.  66. 


§  14.    Der  masseloBe,  un ausdehnbare  Faden. 


99 


Pig.  48. 


Schwerpnnktssatz  an  und  bedenkt^  daß  er  keine  Masse  hat;  also  auch 
kein  Gewicht,  so  folgt,  daß  die  beiden  Spannungen,  welche  der  Faden 
auf  die  Körper  ausübt,  entgegengesetzt  gleich 
sein  müssen.  Denn  sie  würden  dem  Faden 
sonst  eine  unendliche  Beschleunigung  er- 
teilen. 

Um  eine  größere  Auswahl  an  Übungs- 
aufgaben zu  haben,  machen  wir  die  später 
(Nr.  180)  zu  begründende  Annahme,  daß  der 
zwischen  den  Körpern  I  und  U  gespannte 
Faden  auch  dann  noch  auf  beide  denselben 
Zug  ausübt,  wenn  er  dazwischen  über  einen  yollkommen  glatten 
Körper  III  geleitet  wird. 

66.  Kleine  Sohwlngungen  des  mathematlBcheii  Pendels. 

Wir  hängen  einen  kleinen  Körper  durch  einen  Faden  der  in  der  yorigen 
Nummer  besprochenen  idealen  Art  an  einem  festen  Punkte  0  auf  und 
lassen  ihn  unter  Einwirkung  der  Schwerkraft  in  einer  Ebene  schwingen. 

Der  Ausschlagwinkel  aus  der  vertikalen  Ruhelage  sei  ^,  S  die 
Fadenspannung,  l  die  Länge  des  Fadens. 

Die  Bahn  des  Punktes  wird  eine  Kreisbahn  sein. 

Zerlegen  wir  die  Beschleunigung  und  die  Kräfte  in  eine  tangen- 
tiale und  eine  zentripetale  Kom-  (h 
ponente,  so  erhalten  wir  aus  dem 
Newtonschen    Grundgesetz    nach 
Nr.  25 

wZo  —  —  mg  sin-Ö" 

mld"  =  —  mg  cosd  +  S. 

Aus  der  zweiten  Gleichung  er- 
gibt sich  sofort  die  unbekannte 
Fadenspannung 

S  =»  mg  cos  -Ö*  -f  wZd  . 

Sie  berechnet  sich  genau  so,  als 
hätten  wir  ein  statisches  Problem 
und  als  wirkte  außer  der  Schwer- 
kraft noch  eine  nach  außen  wir- 
kende Kraft  Yon  der  Größe  ml^*.  Man  nennt  diese  Scheinkraft  oft 
Zentrifugalkraft.  Es  ist  aber  zu  bemerken,  daß  dies  in  Wahrheit 
gar  keine  Kraft  ist.  Es  ist  ein  Glied  massenkinematischen  Ursprungs. 
Die  erste  Gleichung,  die  wir  auch  schreiben  können 

i  sin  a- 


Fig.  43. 


d  + 


0 


stellt  die  Diflferentialgleichung  der  Bewegung  dar. 


?• 


100 


n.   Die  sogenannte  Punktmechanik. 


Nr.  67. 


Machen  wir  nun  die  Annahme,  daß  ^  dauernd  klein  sei,  so  können 
wir  angenähert  9'  statt  Biad"  setzen  und  erhalten  mit  der  Abkürzung 


die  Gleichung 


2       9 


'^  +  c^9^0, 


d.  h.  die  Differentialgleichung  der  harmonischen  Bewegung.    Das  In- 
tegral ist 

-Ö"  =  ^Q  •  sin(a/  +  e), 

wo  d'Q,  eine  Integrationskonstante,  den  maximalen  Ausschlagwinkel 
bedeutet. 

Bei  Meiner  Amplitude  isi  also  die  Bewegung  dieses  sagenannten 
mathematischen  Pendels  eine  harmonische  Schwingung  von  der  Periode 


.-if-2.14 


9 

Die  Theorie  der  endlichen  Schwingungen  bringen  wir  in  Nr.  92. 
Das  mathematische  Pendel  ist  zusammen  mit  dem  später  (Nr.  195) 
zu  besprechenden  physischen  Pendel  das  beste  Mittel,  g  zu  bestimmen. 
Denn  man  kann  l  leicht  messen  und  r  gut  beobachten,  somit  g  aus 
der  Yorstehenden  Formel  berechnen. 

Aufgabe  86.    Man  berechne  die  Länge  des  Sekundenpendels  för  ^  ^  9,81  m, 

d.  h.  J  für  ~  =.  1  Sek. 

67.  Weitere  Beispiele  und  Angaben. 

1.  Der  einfachste  Fall  der  Atwoodschen  Fallmaschine.  Über  eine 
yertikale,  vollkommen  glatte,  feste  Scheibe  sei  eine  ideale  Schnur  gelegt,  die  an 

den  Enden  Gewichte  G  und  G'  trage.    Es  sei  G  >•  G\  so 
dafi  G  zu  Boden  sinken,  G'  entsprechend  steigen  wird. 

Es  habe  G  die  Beschleunigung  w  abwärts,  so  hat  G' 
dieselbe  Beschleunigung  aufwärts,  weil  der  Faden  unaus- 
dehnbar  ist.     Die  Fadenspannung  sei  S. 

Dann  gibt  die  I^ewtonscbe  Qrundgleichung  fflr  jeden 
^  Punkt  angewendet 

mw=^mg  —  S 

mw=B  —  tn'g  +  S, 

Addition  beider  Gleichungen  gibt 


w 


S 


m' 


\G' 


S 


#f« 


VC 


W77777777777m 

Fig.U. 


Ifl  —  Wl 

w'=  — — ,g . 

Die  Beschleunigung  ist  also  konstant,  aber  nur  gleich  dem 

echten  Bruch     --7-    ,  von  g.    Weil  so  die  Bewegung  wesent- 

m  -\-  m 

lieh    langsamer   wird,    kann    man   sie    besser   beobachten. 

Darauf  beruht  die  Verwendung  des  Apparates  zur  Messung 

Ton  g. 


Nr.  67. 


§  14.    Der  maBselose,  unausdehnbare  Faden. 


101 


Die  Fadenspannung  8  berechnet  sich  dann  ans  einer  der  beiden  obigen 
Gleichungen  zu 

Jmm         2GG' 

Aufgabe  86.  Vier  Massen,  von  denen  m,  eine 
gani  glatte  Scheibe  sei,  seien  durch  zwei  Idealf&den 
zu  einer  doppelten  Atwoodschen  Fallmaschine  yer- 
knüpft,  wie  in  der  Figur  angegeben.  Wie  wird  sich 
das  System  bewegen?    (Routh). 

Man  beachte,  dafi  auf  m,  außer  dem  Gewicht  G^ 
die  Spannung  S  des  ersten  Fadens  nach  oben  und  die 
Spannung  8'  des  zweiten  Fadens  doppelt  nach  unten 
zieht. 

Es   empfiehlt  sich,    die   Beschleunigung  w    der 
Masse    114    und   die   relative  Beschleunigung  w'   der    ^^* 
Masse  m^  gegen  m,  einiufQhren. 

Insbesondere  behandele  man  den  Fall,  dafi 


aber 


sei. 


m^  =^  m^  -{-  m^  -}-  m^. 


WTW/Jim/mrmm, 

Fig.  46. 


Aufgabe  37.  Ein  auf  einer  horizontalen  Platte  bewegliches  Gewicht  G 
werde  durch  ein  anderes  Gewicht  G'  gezogen,  das  durch  einen  über  die  voll- 
kommen glatte  Scheibe  0  gespannten  Idealfaden  mit  ihm  verbunden  ist.  a)  Wann 
ist  Gleichgewicht  vorhanden?  b)  Wie  bewegt  sich  das  System?  (mit  Berück- 
sichtigung der  Reibung  des  ersten  Kör- 
pers an  der  Unterlage). 


*y 


w/////r/////A 


/, 


I 


Pig.4«. 


G 


G* 


^x 


Flg.  47. 


Aufgabe  88.  Ein  Punkt  der  Masse  m  sei  auf  einer  horizontalen  Bahn  Ojb 
beweglich,  ein  zweiter  Punkt  derselben  Masse  auf  einer  vertikalen  Bahn  Oi^.  Die 
Punkte  mOgen  durch  feste  Wände  gezwungen  sein,  auf  diesen  Bahnen  zu  bleiben. 
Außerdem  aber  seien  sie  durch  einen  Idealfaden  miteinander  verbunden.  Wie 
bewegen  sich  beide  Punkte,  wenn  von  Gewicht  und  Reibung  abgesehen  wird? 
Es  empfiehlt  sich,  die  Koordinaten  x  und  y  der  Punkte  durch  den  variabeln 
Winkel  9  auszudrücken,  den  der  Faden  der  Länge  l  mit  der  o;- Achse  einschließt. 

Wie  ändert  sich  das  Resultat,  wenn  die  Schwerkraft  mit  berücksichtigt 
wird?  Besonders  untersuche  man  alsdann  die  kleinen  Schwingungen  um  die 
Gleichgewichtslage. 

2.  Das  sphärische  Pendel:  Ein  Massenpunkt  sei  durch  einen 
idealen  Faden  mit  einem  festen  Punkt  0  verknüpft  und  stehe  unter 


102 


n.   Die  BOgenannte  Ponktmechaiiik. 


Nr.  67. 


Flg.  48. 


dem  Einfloß  der  Schwerkraft     Welches  wird  seine  allgemeine  Be- 
wegung sein? 

Es  sei  ^  der  Winkel,  den  der  Faden  mit  der  nach  abwärts  ge- 
richteten Vertikalen  einschließt^  q>  der  Winkel,  den  die  Tertikaie  Ebene 

darch  den  Faden  mit  einer  irgend- 
wie festgewählten  vertikalen  Ebene 
einschließt. 

Führen  wir  nun  zur  Beschrei- 
bung der  Bewegung  die  sogenannten 
Zylinderkoordinaten  ein: 

r  «  Z  sin  ^, 

d.  h.  den  Abstand  des  Punktes  m 
— **  Yon  der  Vertikalen, 

den  Winkel  q> 

und  die  Tiefe  j9  » {  cos  d^  des  Punk- 
tes m  unter  dem  festen  Punkte  0. 
Zerlegen   wir   dann   die   Newtonsche  Grundgleichung   nach   den 
entsprechenden    drei   Richtungen   (Richtung   von   r,   von   e  und   der 
wachsenden  y's),  so  erhalten  wir  nach  Nr.  27  mit  0  —  9 

fn(r  —  rcD*)  =»  —  S  •  sin-Ö* 
m'i  =  mg  —  S  cos  -Ö* 
w(rÄ  +  2r(D)  =  0. 

Die    letzte    Gleichung    läßt    sich   sofort    wie   beim    Planetenproblem 
(siehe  Nr.  33)  integrieren  und  gibt  wie  dort 

r«ai  =-  C,  (I) 

d.  1l  die  Horizontalprojektion   der  Bewegung  gehorcht  dem  zweiten 
Eeplerschen  Gesetze. 

Eliminiert  man  8  aus  den  beiden  ersten  Gleichungen,  so  erhält  man 

X 

(r  —  rm^  cos  d  —  5  sin  -Ö*  -f-  ^  sin  O'  =-  0. 
Nun  folgt  aber  aus 

£  =  Z  cos  -Ö" 


ir  =  —  i  sin  d  •  -8^ 
i  =  —  Z  sin  -Ö"  •  d  —  Z  cos  d^ 
und  aus  r  —  { sin  «^  ebenso 

r  =  Icos»  '  $•  —  Zsin-Ö"-  h^. 


k2 


Nr.  67.  §  14.    Der  masselose,  unausdehnbare  Faden.  103 

Setzt  man  |das  in  die  obige  Bewegangsgleichung  ein  und  eliminiert 
<D  mittels 

so  erhält  man  die  Differentialgleichung  für  d" 

^^"-p  BÜ^  +  i^  8in^  «  0.  (II) 

Dieser  Ansatz  versagt  für  «^  »  0.  Das  liegt  auch  in  der  Natur  der 
Sache,  denn  das  gewählte  Koordinatensystem  ist  singulär  fQr  ^ »-  0, 
weil  zu  dem  einen  Punkte  der  Ruhelage  die  unendlich  vielen  Eo* 
ordinatenwerte  d"  ^0,  (p  beliebig,  gehören. 

^  »  0  müssen  wir  also  vor  der  Hand  ausschließen. 

Man  kann  nun  die  DifFerentialgleichang  (II)  auf  Quadraturen  zordckführen 
nach  einem  Verfahren,  dessen  tiefere  Bedeutung  wir  später  erkennen  werden 
(siehe  Nr.  83)  und  das  für  alle  Differentialgleichungen  der  Form 

X  =  fix) 
statthat. 

/» /»• 
Multipliziert  man  diese  Gleichung  mit  -r- ,  so  steht  links 

„  dx       d  ^  .  , 
^  dt^  dt  2^' 

Auf  der  rechten  Seite  aber  steht 

dx 


/•(*)  ät 


Also  ergibt  sich  -^^^  —   /  f{x)dx  =  h . 
Setzen  wir  zur  Abkürzung 

ß(x)dx=^-U{x), 


80  wird 

d.h. 
woraus  folgt 


y&«+Z7(x)-Ä, 


X^y2h--2U{x), 


X 

/'      ^x 


-  1 


wenn  x^^x^  für  *  =«  0 . 


*o 


In  unserem  Falle  ist  nun  o;  «>  «O*  und 

-r/ttN       ^"  cos  ^       9    '    ^ 
ZU  setzen,  also 


um —  //^(*)d<,-^^jJ.^_i-co.*. 


-/' 


104  n.  Die  ■ogenannie  Pnnkianechanik.  Nr.  67. 

somit  wird 


» 

J 

'\ 

/.k 

ain«^- 

-^  +  2-2. 

cos 

»sin 

»4^ 

Setzen  wir 

C08 

»» 

U 

2Ä- 

•0  wird 

t  — 

i 

r 

d« 

Mo 

Das  rechtsstehende  Integral  ist  ein  sogenanntes  elliptisches  Integral  und 
l&flt  sich  im  allgemeinen  nicht  durch  eine  Kombination  sogenannter  elementarer 
Funktionen  integrieren  (siehe  dazu  §  19). 

Wir  können  trotzdem  einige  Resultate  ableiten,  indem  wir  einen  andern 
Weg  einschlagen. 

Wir  wollen  sehen^  ob  es  eine  partikuläre  Lösnng 

-Ö"  «-  d^Q  =  const. 

gibty  d.  h.  ob  das  Pendel  einen  horizontalen  Kreis  beschreiben  kann. 
Gehen  wir  mit  diesem  Ansatz  in  die  Gleichung  (II),  so  bekom- 
men wir 

C    COS^O       I  •       o.  A 

d.  h.  

C  — 1/9^**^*^0 

V      cos  ^9 
und  somit  ei^bt  sich  nach  (I)  das  erforderliche  o  zu 


O  «  CDq 


Vcos^^ 


Es  gibt  also  tatsachlich  für  jedes  d-^  eine  solche  partikulSre  Be- 
w^ping  mit  einer  bestimmten  konstanten  Umlaufsgeschwindigkeit. 
Die  Umlaufszeit  ist 

.^0  =  ^J  =  2«  y  y  •  >^C0S  -^0 

und  nähert  sich  also  für  kleine  «^q  der  Periode  2xy—  der  ebenen 

Pendelschwingung. 

Wir  wollen   nun   dadurch   etwas   allgemeinere  Bewegungen  stu- 
dieren,   daB   wir  uns   vorstellen,   die   soeben   besprochene  Bewegimg 


Nr.  67.  §  14.    Der  maeselose,  unauBdehnbare  Fadeo.  105 

werde   ein  klein  wenig  gestört^  sei  es^  daß  der  Punkt  ein  wenig 
gestoßen  wird;  sei  es,  daß  wir  die  Anfangsbedingungen^  unter  denen 
die  Bewegung  eintritt,  nicht  genau  getroffen  haben. 
Setzen  wir  also 

&^»^  +  X 

(D  «=■  COq  +  £ 

und  nehmen  dabei  Xj  b  als  klein  an,  d.  h.  yemachlässigen  alle  höheren 
Glieder  in  x  und  c  außer  denen  erster  Ordnung.     Also 

»^x 

sin  ^  »  sin  (^q  +  ^)  =  sin  ö-q  +  cos  ^o  •  a;  +  •  •  • 
cos-Ö"—  cos  d'Q  —  sind'Q-  X  +  - ' ' 

_  coßö;o./i       ^l  +  2co8«^o       \  ^ 

Bin'  9" ff  \  Bin  ^^  cos  9"^^         ) 

Setzen  wir  alles  in  (II)  ein  und  beachten  die  Gleichung  für  ^^^  so 
bekommen  wir 

oder;  wenn  wir  die  Beziehung  von  C  zu  ^q  beachten; 

x  +  xa}^0,  (E') 

wo 

gesetzt  ist. 

Wir  haben  also  für  x  in  erster  Annäherung  eine  homogene, 
lineare  Differentialgleichung  mit  konstanten  Koeffizienten  erhalten. 

Daß  die  Gleichung  linear  und  homogen  werde,  konnte  man  yon 
vornherein  erwarten,  daß  sie  konstante  Koeffizienten  hat,  liegt  daran, 
daß  die  Ghrundbewegung,  von  der  wir  ausgingen,  die  ungestörte  Be- 
wegung, durch  einen  konstanten  Wert  der  Variabein  gegeben  war. 
Routh  hat  eine  Bewegung,  bei  der  die  lineare  Differentialgleichung 
der  gestörten  Bewegung  konstante  Koeffizienten  erhält,  eine  statio- 
näre Bewegung  (steady  motion)  genannt.  Unsere  Kreisbewegung 
wäre  somit  eine  stationäre  Bewegung. 

Die  Lösung  von  (II')  ist  nun 

a?  =  a  sin(a^  +  iy). 

Bei  Meiner  Störung  macht  also  der  Ausscklagwinkd  %•   Meine 
Schwingungen  um  den  konslanten  Wert  &q  mit  der  Periode 


106  n.  Die  sogenannte  Punktmechanik.  Nr.  67. 


r     a   i/i 


oder 


r  = 


Es  ist  also 

YT<r  <r, 

die  Grenzen   werden  nicht  erreicht^  denn  ^q  =»  0  und  d-^ «  ^-   sind 


2 


aaszuschließen. 

Aus  Gleichung  (I)  wird  nun 


C  C 

o  < 


oder 


l*  sin  ^*       Z*  (sin  »^  +  cos  ^o a;-  •  •)• 


(o  macht  also  dieselbe  Schwingung  wie  x,  befindet  sich  auch  in 
derselben  Phase^  jedoch  ist  das  Verhältnis  der  Amplituden  negativ^ 
d.  h.  bei  größerem  d'  ist  die  ümlaufsgeschwindigkeit  langsamer. 

Integration  von 


^  =  fl,^  +  5  =^  «0- 2]/|  ^^  a  sin(«^  +  1?) 
gibt 

cos  d'f,  1 

9  «  cDo^  +  2  -  ^^  yt+Tc"o7^  •  ^  ^^«("^  +  ^)  +  9^0- 


Danach  ergeben  sich  folgende  Bilder  der  gestörten  Bewegung  in  der 

Horizontalprojektion: 

Ist   d-Q   sehr  klein  ^   so   ist   nahezu 

t'  =  Y  r ,    d.   h.    das    Pendel    schwingt 

bei  jedem  Umlauf  zweimal  aus  und 
in  den  Grundkreis  (Fig.  49).  Die 
Bogen  außerhalb  des  Kreises  sind  in- 
folge (F)  etwas  länger  als  die  Bogen 
^*'*^*  im  Kreis. 

Weil  die  resultierende  Kraft  stets  zentral  gerichtet  ist,  sind  die 
Bahnkuryen  konvex  nach  außen! 


Nr.  67. 


§14.    Der  masselose,  nnausdehnbare  Faden. 


107 


Für  mittlere  d'Q  nimmt  die  Bahnkurve  die  Gestalt  der  Fig.  50 
an.     Es   dreht  sich   die  Stelle   maximalen  Ausschlags  allmählich   im 
Sinne  des  Umlaufs  mit  herum.     Um  so  langsamer,  je  kleiner  d-Q  ist 
Ist  das  Verhältnis  t  :  r  rational 


T  :  r 


m :  n. 


wo  m  und  n  ganze  Zahlen  sind,  d.  h.  nt  ==  mty  so   kommen  auf  m 
umlaufe   der  Grundbewegung,  n  ganze  Schwingungen.     Es  wird  sich 

also   die   Kurve   nach   m  Umläufen 
(n  Schwingungen)  schließen. 

Kommt  a-o  nahe  an  ^,  so  wird 

X   nahezu  gleich  r,   die  Figur  sieht 
dann  so  aus,  wie  in  Fig.  51. 


Fig.  50. 


Fig.  51. 


Es  bleibt  jetzt  noch  der  Fall  zu  behandeln,  daß  d  sehr 
klein  ist. 

Wir  legen  ein  rechtwinkliges  Koordinatensystem  Oxyz  durch  den 
Mittelpunkt  der  Kugel,  die  jer-Achse  nach  unten.  Die  Fadenspannung 
S  hat  dann  die  Richtungskosinus 


X 


T 


Somit  lautet  die  Newtonsche  Grundgleichung  nach  den  neuen  Achsen 
zerlegt: 


X 


mx  =  — jS 


my 


-i« 


z 


m'i  «  mg  — yS 


Dazu  kommt  rr*  +  y^  -f  ^*  =  i* 

z=yv 


X' 


-f 


108  n*   ^i®  sogenannte  Ponktmechanik.  Nr.  67. 

Nehmen  wir  nun  x  und  y  als  klein  an  und  bleiben  konsequent  bei 
Größen  erster  Ordnung  stehen,  so  wird 

i,  y,  i,  y  müssen   wir  natürlich  auch  als  klein  erster  Ordnung  an- 
sehen und  somit  ^ 

setzen  bis  auf  Glieder  zweiter  Ordnung. 

Folglich  wird  nach  der  dritten  Bewegungsgleichung 

S  =-  mg 
und  nach  den  beiden  ersten 

ff 

Diese  Gleichungen  haben  das  Integral 

X»  a  sina^ -f  ^  cosa^     | 
y  — csina^  +  dcos«^,  1 

wo  a  —  y  -f' 

ab 


Ist  nun        . 
\ca 


==0j  so  folgt  y^eonstx:  wir  haben  die  schon  be- 


Sei  also 


kannte  ebene  Bewegung  des  mathematischen  Pendels. 

üb 

,  +0. 
cd 

Dann  können  wir  die  Gleichungen  (III)  nach  sin  at,  cos  at  auf- 
lösen * 

sin  at  =  Äx  +  By 

cos  ai^  Cx  +  Dy, 

woraus  wir  als  Horizontalprojektion  die  Bahnkurve  erhalten 

{Äx  +  Byy+{Cx  +  Dyy^l, 

d.  h.  die  Gleichung  einer  Ellipse. 

Es  schUeßt  sich  offenbar  dieses  Resultat  sehr  gut  an  die  frühem 
an:  wird  &q  merklich  größer^  so  fangt  die  Ellipse  allmählich  an^  sich 
zu  drehen  und  es  resultieren  Kurven  wie  die  in  Fig.  50  gezeichneten. 

Wir  werden  berechtigt  sein^  qualitativ  die  Resultate  auch  auf 
stärkere  Abweichungen  von  der  kreisförmigen  Grundbewegung  zu 
übertragen  —  die  Experimente  bestätigen  dies  —  und  so  haben  wir 
ohne  schwierigere  Hilfsmittel  einen  Einblick  in  die  Formen  der  Be- 
wegung tun  dürfen. 

Die  hier  behandelte  Aufgabe  hat  eine  gewisse  vorbild- 
liche Bedeutung  für  das  Regulatorproblem  (siehe  Nr.  200). 
Darum  die  vollständige  Durchführung. 


Nr.  68.  §  16.    Über  den  Luftwiderstand.  109 


§  15.  €ber  den  Luftwiderstand. 

68.  Die  Newtonsohen  G^setse.  Ein  Körper,  der  eich  in 
Luft  oder  in  einem  andern  nichtfesten  Mediam  (Wasser  z.  B.)  befindet, 
wird  nach  unseren  allgemeinen  Prinzipien  von  dieser  Umgebung 
Druckkräfte  an  seiner  Oberfläche  erfahren.  In  diesen  Druckkräften 
werden  wir  auch  hauptsächlich  diejenige  Kraft  yermuten,  welche  die 
Abweichungen  der  wirklichen  Fall-  und  Worfbeweguog  von  der  6a- 
lileischen  Bewegung  bedingt.  Wir  wollen  die  resultierende  Kraft, 
die  ein  bewegter  Körper  von  dieser  nichtfesten  Umgebung  erfährt, 
den  Widerstand  dieses  Mediums  nennen. 

Die  Methode,  diesen  Widerstand  zu  bestimmen,  beruht  nun  tat- 
sächlich darauf,  daß  man  W  beobachtet  und  nun  die  Differenz 

mw  —  mg  «TT 

in  drei  Teile  zerlegt:  1.  den  Auftrieb  des  Mediums,  der  als  der 
Rest  von  W  für  i?  =»  0  definiert  wird,  2.  einen  kleinen  Teil,  der  von 
der  Rotation  der  Erde  bedingt  ist  (davon  später  in  §  51),  3.  den 
Hauptteil,  den  man  als  eigentlichen  Luftwiderstand  definiert  und  so 
der  Erforschung  zugrunde  legt. 

Die  beiden  ersten  Teile  „schneiden"  wir  hier  „weg". 

Es  könnte  nun  dem  Anfänger  scheinen,  als  wenn  damit  die 
Schwierigkeit  des  Fallproblems  durch  eine  Definition  aus  der  Welt 
geschafft  sei.  Das  ist  jedoch  keineswegs  so:  die  Berechtigung  dieser 
Definition  ergibt  sich  dann,  wenn  es  gelingt,  für  W  Gesetze  zu  finden, 
die  durch  Ursachen  bedingt  sind,  und  zwar  plausible  Gesetze. 

Es  gibt  Gesetze  für  den  Widerstand  W,  die  auf  Newton  zu- 
rückgehen, der  sie  auf  Grund  gewisser  theoretischer,  aber  anfecht- 
barer Überlegungen  gefunden  hat. 

Nehmen  wir  zunächst  an,  daß  die  relative  Bewegung  unseres 
Körpers  gegen  die  nichtfeste  Umgebung  —  denn  nur  auf  die  rela- 
tive darf  es  vernünftigerweise  ankommen  —  eine  reine  Trans- 
lation V  sei  und  in  zwei  Symmetrieebenen  des  Körpers  liege.  Dann 
muß  W  der  Geschwindigkeit  v  entgegengesetzt  gerichtet  sein. 

Sei  F  der  größte  Querschnitt  des  Körpers,  so 
behauptete  Newton,  es  sei 

W^xfi'Fi\  (I) 

wo  /i'  die  spezifische  Masse  des  Mediums,  x  eine 
Konstante  bedeute,  die  nur  von  der  Gestalt  der 
Vorderflache  des  Körpers  abhänge  (Formfaktor); 
sie  sei  gleich  1  für  eine  ebene  Fläche. 

Trifft  dagegen  ein  Luftstrom  eine  ebene  Platte  von  der  Größe  F 
schräg  unter  dem  Winkel  a  gegen  die  Normale,  so  sollte  W  senkrecht 


110  n.  Die  sogenannte  Punktmechanik.  Nr.  69. 

zur  Platte  stehen  und,  da  offenbar  von  v  nur  die  Komponente  v  cos  a 
wirksam  sei, 

Tr«fi'Ft;*cos*a  (II) 

sein. 

69.  Kodeme  experimentelle  und  theoretlBohe  Brgebnisse. 

Die  vorstehenden  Newtonschen  Gesetze  können  heute  keinen  Anspruch 
auf  volle  Gültigkeit  mehr  erheben,  wenn  sie  auch  noch  immer  ein» 
große  Bedeutung  besitzen.  Vor  allem  muß  man  sich  hüten,  die 
Formel  (II)  für  das  Flachenelement  einer  Fläche  anzuwenden  und  zu 
glauben,  dano  das  resultierende  W  durch  Integration  finden  zu  können. 
Der  Widerstand  auf  einen  Körper  hängt  auch  an  jeder  Stelle 
stets  von  der  Gestalt  des  ganzen  Körpers  ab.  Wir  müssen 
den  Luftwiderstand  heute  als  eine  Kraft  ansehen,  die  durch  die  Be- 
wegungsvorgänge  im  umgebenden  Medium  bedingt  ist,  insofern,  als 
die  unmittelbare  Ursache  von  TT,  die  Deformation  des  umgebenden 
Mittels,  wiederum  in  einem  Abhängigkeitsverhältnis  zu  jenen  Be- 
wegungsvorgängen steht;  die  theoretische  Lösung  des  Problems  kann 
daher  erst  die  wissenschaftliche  Aerodynamik  bzw.  Hydrodynamik 
bringen.  Versuche,  einfache  Gesetze  wie  die  Newtonschen  zu  finden,, 
können  nur  angenäherte,  aber  in  vielen  Fällen  sehr  brauchbare  Er- 
gebnisse haben.  Wir  sind  heute  noch  wesentlich  auf  Experimente 
angewiesen,  wie  solche  mannigfaltig  an  den  verschiedensten  Objekten^ 
auch  an  Geschossen,  angestellt  wurden.  Man  findet  eine  sehr  lesens- 
werte Zusammenstellung  der  Ergebnisse  in  der  Encyklopädie  der 
math.  Wissenschaften,  Bd.  IV  (Mechanik)  in  den  Artikeln  „Aerody- 
namik" von  Finsterwalder  und  „Ballistik"  von  Cranz.  Femer 
sei  auf  das  interessante  Buch  von  Lanchester  (deutsch  von  Runge): 
„Aerodynamik,  ein  Gesamtwerk  über  das  Fliegen",  hingewiesen. 

Es  sei  hier  folgendes  hervorgehoben :  Was  die  Abhängigkeit  von  v  an- 
geht, so  scheint  bei  Luft  die  Proportionalität  mit  v^  recht  gut  zu  stimmen^ 

wenn  v  unter  etwa  240  m/Sec.  liegt.     Von  da  ab  wächst  -|  W  stark 

mit  V,  am  stärksten,  wenn  v  in  die  Nähe  der  Schallgeschwindigkeit 

(v  =  330  m)  kommt;  später  wird  — j  W  wieder  nahezu  konstant,  ist 

aber  etwa  dreimal  so  groß  wie  vorher  und  nimmt  schließlich  wieder 
etwas  ab  (siehe  Fig.  54). 

Für  ganz  kleine  Geschwindigkeiten  scheint  es  richtiger,  W  der 
Geschwindigkeit  v  selbst  proportional  zu  setzen  sowie  dem  Durchmesser 
d  des  Querschnitts: 

W ^  x'fidv     (für  sehr  kleine  v); 

X  hängt  dann  auch  noch  von  der  sogenannten  Zähigkeit  (siehe 
Nr.  378)  und  damit  auch  von  der  Temperatur  ab. 


Nr.  69. 


§  16.    Über  den  Luftwiderstand. 


111 


Gerade  für  die  meisten  technischen  Anwendungen  ist  daher  da» 
Newtonsche  Gesetz  (I)  noch  recht  gut  brauchbar.  Die  merkwürdige 
Steigerung  des  Luftwiderstandes  in  der  Nähe  der  Schallgeschwindig* 


iw 


V 


Fig.  58. 


keit  erklärt  sich  dadurch^  daß^  wie  Mach  experimentell  nachgewiesen 
haty  die  umgebende  Luft  fQr  diesen  FaU  besonders  stark  in  Wellen- 


300ySec.^^7Sec 

Fig.  64. 


»>2; 


bewegungen  versetzt  wird.  Die  zugehörige  Bewegungsenergie  muß 
aber  natürlich  das  Geschoß  abgeben.  (Über  den  EnergiebegrifF  siehe 
Nr.  77.) 

Der  Faktor  x   hängt   nach  neueren  Untersuchungen  noch  mehr 
von   der  Gestalt   der   Hinterseite   als   von   der  der  Yorderfläche   ab. 


112  n.  Die  sogenannte  Punktmechanik.  Nr.  69. 

(Darum  die  hinten  zugespitzte  Form  des  Parsevalsclieii  Luftschiffes.) 
Für  ebene  Flächen  geben  verschiedene  Autoren  (f&r  Luft) 

x(i  =  0,070  bis  0,125 

im  technischen  MaBsystem. 

Für  ein  ArtiUerielanggeschoß  der  Kruppschen  Normalform  ist 
etwa  (für  normale  Verhältnisse  der  Luft) 

xfi'  =  0,0140   für  40  mySec  <  v  ^  240  m/Sec, 
dagegen 

xfi^  0,0394  für  419  m/Sec  <  »  <  550  m/Sec. 

Was  die  Abhängigkeit  des  Widerstandes  W  von  dem  Neigungs- 
winkel a  des  Luftstromes  gegen  eine  ebene  Platte  angeht,  so  muß 
die  Newtonsche  Formel  (U)  heute  direkt  als  falsch  bezeichnet  werden. 
Es  sind  viele  Formeln  znm  Ersatz  angeboten  worden,  doch  hat  sich 
wohl  bis  heute  noch  keine  den  Vorrang  erworben.  Erwähnt  seien 
eine  Formel  von  v.  LöBl,  die  für  nahezu  quadratische  Platten  brauch- 
bar ist: 

W^  Wq'  cos«, 

und  eine  Formel,  die  Rayleigh  aus  theoretischen  Überlegungen  für 
eine  sehr  lange  schmale  ebene  Platte  gewonnen  hat: 

W«  W  (Mi«)co8a 
^^         ^^^  4  + «cos« 

Ist  a  nicht  groß,  so  stimmen  beide  Formeln  wesentlich  überein.  Wq 
ist  zur  Abkürzung  für  x(i  •  v^F  gesetzt. 

Interessant  ist  eine  Beobachtung  Prandtls,  nach  der  es  zwei 
Formeln   für   W  als  Funktion  von  a  gibt:  die  eine  gilt,  wenn  man 

von  a  ^  0,  die  andere,  wenn  man  von  a  »  —  kommt,  beide  gelten  in 

einem  kleinen  Bereich  gleichzeitig,  bis  die  eine  instabil  wird  und  W 
in  die  andere  Form  überspringt.  (Siehe  die  Zeitschrift  für  Flug- 
technik und  Motorluftschiffahrt,  Bd.  1.) 

Außer    der    Normalkomponente    W   besteht    selbst    bei    ebenen 

Platten  noch  eine  geringere  Tangentialkomponente,  die  für  ex  ^       von 

wesentlicher  Bedeutung  wird.  Näheres  darüber  (z.  B.  AUensches 
Oesetz)  im  Lanchester. 

Für  kompliziertere  Flächenformen,  namentlich  auch  durchbrochene 
Flächen,  wie  solche  bei  Brücken  sehr  viel  vorkommen,  liegen  noch 
keine  zuverlässigen  Angaben  vor. 

Selbst  die  Abhängigkeit  von  der  Größe  von  F  ist  noch  sehr 
umstritten.  Behauptet  wird  vielfach,  daß  x  mit  wachsendem  F  ab- 
nehme. 


Nr.  70.  §  16.    Über  den  Luftwiderstand.  113 

70.  Die  vertikale  Fallbewegrungr  im  widerstehenden 
Kittel.  Wir  betrachten  den  senkrechten  Fall  eines  Körpers  in  der 
Luft  oder  in  einem  anderen  widerstehenden  Mittel.  Wir  setzen  von 
dem  Widerstand  W  nur  voraus,  daß  er  gleich  Null  sei  für  t; »-  0, 
dann  aber  mit  wachsendem  v  bestandig  und  über  alle  Grenzen  zunehme. 
Im  übrigen  sei   W  als  Funktion  von.v  graphisch  gegeben. 

Es  werde  v  nacb  abwärts  positiv  gerechnet  und  es  sei  t;  ^  0. 
Dann  lautet  die  Newtonsche  Grundgleichung 

^^  TXT/     \ 

Die  Differentialgleichung  hat  zunächst  eine  partikuläre  Lösung. 

Es    gibt    nämlich    einen    und    nur    einen 
Wert  v^  von  v,  für  den 

mg  =-  W{Vf^ 

ist.  Wir  brauchen  nur  in  dem  Diagramm  für 
W  die  Horizontale  W  *=  mg  zu  ziehen,  welche 
die  Kurve  einmal  schneidet.  Vj^  heiße  die  kri- 
tische  Geschwindigkeit. 

v  =  Vi  * 

Fig.  55. 

ist  offenbar  eine  mögliche  Lösung  der  Differential- 
gleichung: der  Körper  Jcann  sich  mü  einer  bestimmten  Geschwindigheity 
nämlich  mit  v^,  gleichförmig  abwärts  bewegen. 

Weiter  sieht  man: 

Ist  zu  Anfang  v  <  v^,  so  ist  die  rechte  Seite  der  Differential- 
gleichung positiv,  V  wächst  also;  ist  aber  zu  Anfang  v  >  Vj^j  so  tritt 
das  Gegenteil  ein;  v  nimmt  ab,  obwohl  die  Bewegung  abwärts  ge- 
richtet ist:  es  überwiegt  der  Luftwiderstand  die  Schwerkraft. 

Wir  können  nun  die  Differentialgleichung  auf  Quadraturen  zu- 
rückführen: es  ergibt  sich 


t 


V 

Jmdv 
mg—  W{vy 


Bei  graphisch  gegebenem  W{v)  wird  man  sich  zunächst  die  Funktion 

aufzeichnen,  dann  /  f(v)dv  angenähert  nach  einem  der  bekannten  Ver- 
fahren integrieren,  eventuell  mit  Hilfe  mechanischer  Hilfsmittel  (Plani- 
meter,  Integraphen  usw.). 

Man  kann  so  mit  genügender  Genauigkeit  t  als  Funktion  von  v 
und  also  auch  v  als  Funktion  von  t  bestimmen. 

Hamel:  Kloment«ro  Mechanik.  8 


114  U.  Die  sogenannte  Panktmechanik.  Ni.  71. 

Bemerkenswert  ist:  Nähert  sich  v  von  einer  Seite  dem  kritischen 
Werte  v^,  so  wird  f{v)  uDendlich,  und  zwar  erster  Ordnung;  da  die 
Kurve  TF«  W(v)  die  Gerade  W'^mg  unter  einem  von  Null  ver- 
schiedenen Winkel  schneidet.  Somit  wird  t  für  v  =^  v^  logarithmisch 
unendlich. 

Mit  andern  Worten:  War  zu  Anfang  v  <  v^  (bzw.  v  >  v^),  so 
nimmt  v  zu  (bzw.  ab)  und  nähert  sich  asymptotisch,  d.  h.  in  unend- 
lich langer  Zeit  dem  kritischen  Wert  v^.  Nach  einiger  Zeit  aber 
schon  wird  man  v  praktisch  nicht  mehr  von  v^  unterscheiden  können: 

Schließlich  fäUt  der  Körper  mit  der  kritischen  Geschwindigkeit  v^ 
abwärts, 

Vj^  ist  gewissermaßen  die  natürliche  Geschwindigkeit  des  Körpers. 
Das  Resultat  war  schon  Galilei  bekannt. 

Legen  wir  das  Newtonsche  Widerstandsgesetz  zugrunde,  so  folgt  aus 


wenn  ft  das  mittlere  spezifische  Gewicht  des  Körpers,  V  sein  Volumen 
bedeutet. 

Da  mit  wachsenden  Dimensionen  V  stärker  als  F  zunimmt,  so 
fallen  größere  Körper  schneller  als  kleinere  desselben  Materials  und 
ähnlicher  Gestalt  und  da  femer  v^  mit  y  wächst,  so  fallen  spezifisch 
schwerere  Körper  schneller  als  spezifisch  leichtere. 

Dicke  Regentropfen  fallen  schneller  als  kleine;  Nebel,  der  aus 
ganz  feinen  Tröpfchen  besteht,  desgleichen  Wolken,  senken  sich  nur 
ganz  langsam. 

Schüttet  man  eine  Mischung  schwerer  imd  leichter  Körper  in 
strömendes  Wasser,  so  werden  die  Bestandteile  getrennt:  die  spezifisch 
schwereren  und  dicken  Kömer  werden  fast  senkrecht  herabfallen,  die 
leichteren  und  kleineren  werden  weiter  fortgeführt.  Man  wendet 
diese  Erscheinung  in  den  Aufbereitungen  an,  um  Erzstückchen  ver- 
schiedener Größe  voneinander  und  von  der  „Berge''  zu  trennen. 

Aufgabe  89:  Man  berechne  die  kritische  Geschwindigkeit  nach  den  An- 
gaben von  Nr.  69  für  ein  Geschoß  von  16  g  Gewicht  und  8  mm  Durchmesser 
unter  Zugrundelegung  des  Newtonschen  Gesetzes. 

71.  Das  ballistische  Problem.  Wir  betrachten  eine  beliebige 
Bewegung  eines  Körpers  in  der  Luft  und  nehmen  an,  daß  außer  der 
Schwerkraft  noch  ein  Widerstand  W[v)  wirke,  welcher  stets  t?  ent- 
gegengesetzt gerichtet  sei.  Das  ist  nur  eine  Annäherung  an  die  Wirk- 
lichkeit, da  zum  Teil  wegen  der  Rotation  des  Geschosses,  zum  Teil 
auch  deshalb;  weil  es  nicht  zur  Flugbahn  in  symmetrischer  Lage 
bleiben  kann,  eine  Exzentrizität  von  W  eintritt,  die  gewisse  Seiten- 
abweichungen bedingt. 


Nr.  71. 


§  16.    Über  den  Luftwiderstftnd. 


115 


Sei  d'  der  Winkel,  den  die  Richtung  von  v  mit  der  Horizontalen 
einschließt,  nach  oben  positiv  gerechnet,  so  ergibt  die  Zerlegung  des 
Newtonschen  Qrandgesetzes 

mtd  =  2Jk 

nach  dem  natürlichen  Koordinaten- 
system der  Bahn  (vgL  Nr.  26  und 
Beispiel  4  aus  Nr.  64) 

dv 


m 


dt 


m^  sin  ^  -  W(v)      (1) 


Flg.  66. 


m  —  =  mg  cos  ^.  (2) 

Die  letzte  Qleichung  zeigt,  daß  cos  ^  stets  positiv  ist,  also 
— r  ^  ^  ^  "ö"»  förnör  ist?  dsk  mg  abwärts  gerichtet  ist,  die  Bahn  nach 
unten  konkav,  d'  nimmt  also  ständig  ab: 

Deshalb  ist  die  stets  positive  Krümmung 

jl^       ^d» d»     1 

Q  da  dt     V  ' 


aus  (2)  wird  somit 


dO" 
v-^-^gcos^. 


(20 


Wir  wollen  d'  als  unabhängige  Variable  wählen.     Division  von 

(1)  durch  (20  gibt 

dv  ^  ^flf  Bin  «• +J^(v)  ^^  ^ 

V  mg  cos  9"  ^  ^ 

Hat  man  diese  Di£FerentialgleichuDg  erster  Ordnung  integriert^  sei  etwa 

so   kennt  man  den  Hodographen   und  man   kann  dann  alles  weitere 
leicht  durch  Quadraturen  finden.     So  ergibt  (2')  sofort 

vd» 


t 


-A 


1  /7w^ 

—  gj    cos«-  ' 


aus 


gcosd- 
dx  =  d$  Qos  d"  ^  V  cos  d"  •  dt 


folgt  sofort  für  die  Horizontalentfemung 

X  =  //•(^)  cos  i^dt^^-—  fp{%)d^ 

dy  =  rfs  sin  -Ö"  =  t;  sin  %'dt 


und  aus 


8' 


116  U.   Die  sogenannte  Punktmechanik.  Nr.  71. 

Man  kann  nun  die  Differentialgleichung  (I)  für  gewisse  Falle  der 
Funktion  W  in  geschlossener  Form  mittels  elementarer  Funktionen 
integrieren,  wie  Euler,  D'Alemhert  u.  a.  gezeigt  haben;  aber  bei 
der  Unregelmäßigkeit  der  Funktion  W  hat  das  nicht  zu  viel  Inter- 
esse. Man  wird  vielmehr  (I)  angenähert  integrieren,  indem  man 
diese  Differentialgleichung  durch  die  Differenzengleichung 

ersetzt  und  nun  so  verfährt: 

Man  wählt  vom  Anfangswinkel  ^^  anfangend  negative  Intervalle 
^^y  indem  man  setzt 

^1  =  ^0  +  ^^1 

•^j  ="  'S*!  +  ^^%      usw. 

Sei  Vq  die  Anfangsgeschwindigkeit,  so  bestimmt  man  den  ersten  Zu- 
wachs von  v,  dv^  aus 

*         "  mg  co%^o  ^ 

Sei  jetzt  v^  —  v^  +  '^^i  gesetzt,  so  ergibt  sich  weiter 

■         *  mg  coB  9'^  ' 

t?j  =- 1?!  +  dv^     usw. 

Die  zugehörigen  Wertepaare  ^^^  r^;  ^i,  %;  ^,,  t;,;  usw.  werden 
dann  um  so  genauer  Punkte  der  Kurve  v  »>  /*('&)  darbieten,  je  kleiner 
die  d%^  gewählt  worden  sind. 

Aus  (2)  erhält  man  dann 

_    t^'    _  rm  . 

"       g  COB  9'       g  cob  9 

Man  wird  danach  die  Bahnkurve  aus  lauter  kleinen  Ereisbogenstücken 
von  den  Radien  ^  und  den  Zentriwinkeln  dd^  mit  stetiger  Tangente 
zusammensetzen. 

Allgemein  läßt  sich  folgendes  bei  jedem  Gesetz  W{v)  über  die  Kurve  aus- 
sagen. (Wir  setzen  nur  voraus,  daß  Tr(t7)«=0  ist,  daß  dann  aber  W{v)  mit  v 
ins  Unendliche  beständig  wächst.)    Ans  (1)  folgt: 

limv  ist  endlich  und  von  Null  verBchieden. 

Denn  wenn  v  über  Vig{W{Vi^)=^mg)  hinauswächst,  so  nimmt  v  sicher  sofort  ab; 
nähert  sich  aber  v  dem  Werte  Null,  so  wird 

dv  .    _ 

m  -  -  =^  —  mg  sm  9 , 

also  positiv,  da  auf  dem  absteigenden  Ast  ^  <r  0  ist. 


Nr.  71.  §  16.    Über  den  Luftwiderstand.  117 

Bleibt  also  v  endlich,  so  folgt  ans  (2'),  daß 

lim^ ~ 

(BflO  2 

ist,  denn  nur  dann  wird  cos  d"  =^0  und  ~rr  »  0,  d.  h.  ,  ^ !  hört  auf  zu  wachsen. 

dt  '     ' 

und  es  darf  ja  nicht  über  alle  Grenzen  wachsen,  da  |  ^  ^  —  bleibt. 

n 
Aus  (I)  folgt  dann,  daß  fOr  t  =  cx>  also  für  d»  — -^ 

Tb 

1  dv 
wird,  denn  —  -=-^  bleibt  endlich,  cos  9  aber  wird  Null,   somit  muß  auch  der 

Z&hler  von  (I) 

wflr— Tr(t?) 
Null  werden.    Also 

lim  t7  ae  9^  . 

Endlich  folgt  aus  der  Formel 
für  X 


"~iß 


f^ie^d» 


n 

y 


r 


lima;  = lf\»)äd- 


und  da  f^d)  endlich  bleibt,  so  ist 

auch 

lim  X  =  endlich.  Fig.  67. 

d.  h.  die  Bahnkurve  hat  eine  vertikale  Asymptote. 

Die  baüistisehe  Kurve  hat  aUo  jedenfalU  eine  vertikale  Asymptote  und 
die  Geschwindigkeit  nähert  sich  dem  kritischen  Werte  Vj^^ 
d.  h.  schließlich  fällt,  praktisch  gesprochen,  der  KOrper  vertikal  mit  konstanter 
Oeschwindigkeit  herab. 

Schlnßbemerkung.  Durch  ein  geeignet  gewähltes  W  können  wir  eine 
sehr  gute  Annäherung  an  die  Wirklichkeit  erzielen.  Freilich  gibt  unsere  Theorie 
noch  nicht  alles.  Die  Wirklichkeit  zeigt  eine  Seitenabweichung  aus  der  verti- 
kalen Flugbahn,  welche  die  Punktmechanik  nicht  erklären  kann.  Die  Rotation 
des  Geschosses  übt  neben  der  hier  ebenfalls  nicht  berücksichtigten  Drehung  der 
Erde  den  Haupteinfluß  in  dieser  Beziehung  aus. 

Aufgaben:  40.  Man  führe  das  skizzierte  Annäherungsverfahren  für  ein 
Widerstandsgesetz  und  gegebene  Anfangswerte  (etwa  d-^  »»  20^  und  v^  <»  600  m/Sec) 
durch.    Man  konstruiere  sich  dazu  ein  W(v)  nach  den  Angaben  von  Nr.  69. 

41.  Ein  Motorwagen  mit  einem  Gewicht  von  40  t  werde  auf  horizontaler 
Strecke  durch  eine  Kraft  k  angetrieben,  die  als  Funktion  der  Geschwindigkeit  v 
graphisch  gegeben  ist  (links  in  der  Figur).  Man  konstruiere  die  Geschwindig- 
keit als  Funktion  der  Zeit  (rechts  in  der  Figur).   Die  Maßstäbe  seien: 

1  cm  =  600  kg  (Kraft) 
1  cm  »  2,6  See  (Zeit) 
1  cm :»  1  m/Sec  (Geschwindigkeit). 


118 


f 

IL   Die  sogenannte  Punktmechanik. 


Nr.  72. 


Aas  der  Dimenrionsgleicliang 

bestimme  man  sich  Euerst  den  Maßstab  der  Masse.  Weifi  man,  als  welche  Strecke 
man  m  aufzutragen  hat,  so  verfahre  man  folgendermaßen: 

Aus  -j-  —  — ^  folgt,  daß  die  Tangente  der  gesuchten  Kurre  der  Strecke 

OK  parallel  ist,  wenn  OM=^m  die  Masse,  MK^^ki^)  die  jeweilige  Kraft 
bedeutet.  Danach  konstruiere  man  die  Kurve,  indem  man  das  Intervall  von  v 
(0  bis   4,6  m/Sec)   in  Teile  Jv  teilt  und  die  Differentialgleichung  durch   die 


Flg.  58. 


Differenzengleichung 


^v      k{v) 


ersetzt.   Man  mache  die  Konstruktion  ein  zweites 


^t         m 

Mal  mit  einer  feineren  Teilung.  Unterscheiden  sich  die  beiden  Kurven  nicht 
mehr  merklich  voneinander,  so  kann  man  das  als  einen  Beweis  genügender  Ge- 
nauigkeit des  Verfahrens  ansehen. 

72.  Die  fireie,  gedftmpfte  Bohwingimg  bei  einem  Frei- 
heitsgrad (Pendel  mit  Luftwiderstand).     Wir  betrachten  ein 

mathematisches  Pendel  wie  in  Nr.  66,  lassen  es 
in  einer  Vertikalebene  kleine  Schwingungen  aus- 
führen,  berücksichtigen  aber  jetzt  den  Luf)r 
widerstand,  den  wir  bei  der  in  Bede  stehenden 
kleinen  Geschwindigkeit  dieser  proportional  setzen 
dürfen. 

Da  V  ='ld'  ist,  so  ist 

zu  setzen,  wenn  wir  W  im  Sinne  wachsender  ^ 
Flg.  59.  positiv  rechnen. 


^mg 


Nr.  72.  §  16.    Über  den  Luftwiderstand.  119 

Demnach  laatet  die  Newtonsche  Grundgleichung  für  die  Tan- 
gentenrichtung der  Bahn 

ml'd^  —  —  mg  sin  -Ö-  —  xiil^d, 

oder,  wenn  wir  wie  früher  setzen 

und  nun  zur  Abkürzung 

wenn  wir  femer   bei  kleinen  Schwingungen  sin  d"  durch  ^  ersetzen, 

Diese  homogene  lineare  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung 
mit  konstanten  Koeffizienten  zeichnet  sich  Tor  der  allgemeinen  dieser 
Art  nur  dadurch  aus,  daß  die  Koeffizienten  positiy  Torausgesetzt  wer- 
den müssen.  Wir  nennen  diese  Differentialgleichung  die  Differen- 
tialgleichung der  freien,  gedämpften  Schwingung  für  einen 
Freiheitsgrad  (weil  nur  eine  abhängige  Variable  d'  Torkommt). 

Om  sie  zu  integrieren,  hat  man  bekanntlich  die  entsprechende 
algebraische  Gleichung  zweiten  Grades 

aufzulösen:  deren  Wurzeln  seien 


w,  —  x-Yl^'-^r 

Das  allgemeine  Integral  lautet  dann 

wenn,  wie   es  im  allgemeinen  der  Fall  sein  wird,  u^4"^  ^^t.     Ä,  B 
sind  Integrationskonstanten. 

Es  sind  nun  zwei  Fälle  zu  unterscheiden:  a)  Der  Fall  geringer 
Dämpfung;  iL  <  a.     Setzen  wir  dann  das  rein  imaginäre 


so  wird 


ßM«  e"^*'  c***=  e~^'(cos  kt  +  i  sin  kt) 
e^*'=-  6~^'c"**'=  «"-^'(cos  kt  —  i  sin  kt) 

^^e-^'a'am(kt  +  a)]  (II) 

^o  A. ;    ß  9  ^z^-  ^;  ^  neue  Integrationskonstanten  sind,  die  sich  leicht 
durch  A,  B  ausdrücken  lassen. 


und  somit 
oder 


120  n.   Die  sogenannte  Ponktmechanik.  Nr.  72. 

Da  —  1  ^  BinQct  +  £)  <  +  1  und  die  Grenzen  stets  wieder  nach 
Ablaaf  der  halben  Periode 

In  7t 

erreicht  werden,  da  femer  zwischendurch,  ebenfalls  nach  Ablauf  der 
halben  Periode  der  Sinus  und  somit  auch  d*  immer  wieder  Null  wird, 
80  schwankt  ^  zwischen  den  durch 

gegebenen  Kurven  in  regehnäBigem  Rhythmus  hin  und  her.  Man 
kann  die  Bewegung  schildern  als  eine  periodisch  durch  Null  hindurch 
gehende  Schwingung  mit  stets  abnehmender  Amplitude 

lim^«0. 

Der  Faktor  6"^^  der  die  Abnahme  bewirkt  und  durch  die  Dämpfung 
k  allein  gegeben  ist,  heißt  der  Dämpfungsfaktor. 

1^ 


Fig.  60. 

Die  Periode  ist  größer,  die  Schwingung  also  langsamer  wie  bei 
der  ungedämpften  Schwingung. 

Die  Bewegung  wird,  wenn  auch  erst  nach  unendlich  langer  Zeit 
zur  Ruhe  kommen.  Man  vergleiche  damit  die  verschiedene  Wirkung 
der  Gleitreibung  (siehe  Nr.  64,  Beispiel  5).  In  Wirklichkeit  dürfte 
die  Dämpfung  sowohl  beim  Pendel,  wie  bei  der  Federschwingung 
(siehe  Nr.  35)  der  Kombination  eines  Gliedes  vom  Charakter  des 
Luftwiderstandes  und  eines  Gliedes  vom  Charakter  der  Gleitreibung 
entsprechen. 

Man  kann  X  experimentell  bestimmen,  indem  man  die  Abnahme 
der  maximalen  Ausschläge  betrachtet. 


Nr.  72.  §  16.    Über  den  Luftwiderstand.  121 

Eb  ist  d  —  aer^*  (—  X  sin  {kt  +  b)  +  k  co3{kt  +  £)).  Also  tritt 
das  Maximmn  bzw.  Minimum  ein^  wenn  ^  »  0;  d.  h. 

tg  {kt  +  «)  «  y 

ist.     Sei  t  ein  solcher  Wert,  so  tritt  dasselbe  ein  für 

f  +  2  T,  f  +  r,  t'  +  2"T" 

Die  diesen  Zeitmomenten  entsprechenden  Ausschläge  aber  sind 

ae"^^  Bin  (kf  +  e)]  —ae"    ""«"  *  sin  (it' +  c);  usw., 

die  Ausschlage  multiplizieren  sich  also  mit 

c   «    ,     e  ^^,    c    «    . . ., 

ihre  natürlichen  Logarithmen  yennindem  sich  somit  bei  jedem  Aus- 
schlag um    a  ^'^^ 

Haben  somit  zwei  aufeinander  folgende  maximale  Ausschläge  die 
Absolutwerte  ^j  und  ^,,  so  ist  Ignat  ^^ -- Ignat  ^,  —  2  ^'^• 

Man  nennt  nach  Gauß  die  linke  Seite  das  logarithmische 
Dekrement. 

Man  kann  aus  ihm  nach  der  vorstehenden  Gleichung  X  berechnen, 
da  man  ja  r  direkt  beobachten  kann. 

b)  Der  Fall  starker  Dämpfung:  X>a.  Dann  ist  Yx^—a* 
reell  und  wir  haben  in 

schon  die  Lösung  in  reeller  Form. 

Beide  Exponenten  sind  für  positive  t  negativ.  Daraus  folgt,  daß 
auch  hier 

lim  ^  «  0 


/=« 


ist.     Aber   eine  Schwingung   kommt   hier   nicht  zustande.     Denn  ^ 
kann  höchstens  einmal  Null  werden  für  endliche  i.    d^^O  nämlich  gibt 


Da  aber  die  linke  Seite  von  Null  an  ständig  bis  cx>  wächst,  so  kann 
sie  nur  einmal  den  Wert  —  -j  annehmen  und  auch  dann  nur,  wenn 

—   .   positiv  ist. 


122 


U.  Die  sogenannte  Ponktmechanik. 


Nr.  7«. 


Je  nachdem  dies  der  Fall  ist,  oder  nicht,  bekommen  wir  also  die 
beiden  folgenden  Typen  yon  &,  ^-Kurven  (Fig.  61a  und  b). 


Fig.  61  a. 


Man  spricht  in  diesem  Falle  starker  Dämpfang  auch  von  einer 
aperiodischen  Bewegung. 


Flg.  61b. 

Wie  bestimmen  sich  die  Integrationskonstanten  Ä  und  B? 
Sei  etwa  zu  Anfang  (ftlr  ^  =  0)  der  Ausschlag  ^  —  ^o  ^^^^  ^® 
Geschwindigkeit  ^  =»  (Dq  gegeben,  so  muß  sein 

^0  =  ^  +  ^ 


Daraus  folgt 


u,^o  — ®« 


B 


und 


«1 

—  «l 

?o" 

"*il_^ 

«*1 

—  u, 

U,  —  ttj 


c)  Der  Zwischenfall:  a  ==  A.     Hier  wird  u^  =>  u,  und  unsere 
Lösung 


wird  deshalb  ungenügend,  weil  sie  nur  noch  eine  Integrationskonstante 
A  +  B  enthält. 


Nr.  72.  §  15.    Über  den  Luftwiderstand.  123 

Man  kann  aber  die  allgemeine  Lösung;  welche  den  Anfangswerten 
<do,  (Dq  entspricht;  finden,  wenn  man   in  der  allgemeinen  Lösung  für 

den  Grenzübergang  w,  =«  Mj  «  —  il  ausführt.  Dieser  Grenzübergang 
ist  gestattet;  da,  wie  plausibel  ist;  aber  auch  mathematisch  bewiesen 
werden  kanU;  die  Lösung  einer  Differentialgleichung  eine  stetige  Funk- 
tion der  in  ihr  enthaltenen  Parameter  ist;  also  hier  von  X  und  a,  so 
lange  t  eine  reguläre  Funktion  von  &,  d'y  t,  a,  X  bleibt;  was  hien  wo 
-Ö-^  —  2 Ad"  —  a*^  ist;  für  endliche  Werte  Ton  >L,  %'^  a\  #•  sicher  zu- 
trifft. Wir  dürfen  also  den  Grenzübergang  X  ^  a  oder  u^ «  m,  »  —  Jl 
ToUziehen. 

Setzen  wir  zu  dem  Zweck  "j/i^  —«*-«  —  £;  also 

tt,  =  —  il  +  « 
«1  =  —  A  —  £ 

««J— ■    Wj    =     2«; 

80  haben  wir  zu  bilden 

-  -  (<Do  +  Xd„)a-^'  lim  ^^^' -'  +  2-  »,e-''hm  (c-'  +  e+'O- 

Nun  ist  aber 

lim^'-  =  < 


also  wird 


limc"+c-*'=2, 


Man  sieht  darauS;  daB  außer  e"^^  in  diesem  Falle  auch  noch  te'^' 
eine  partikuläre  Lösung  ist.  Das  kann  natürlich  direkt  verifiziert 
werden. 

Auch  hier  ist 

lim  ^  -  0; 


fsoo 


da  te^^^  mit  wachsendem  t  gegen  NuU  geht;  femer  wird  d'  für  reelle 

endliche   t   nur   einmal  Null,  nämlich  für  t^ rf^-      Qualitativ 

sieht  also  die  d",  ^- Kurve  genau  so  aus  wie  im  Falle  b). 


124 


n.   Die  sogenannte  Punktmechanik. 


Nr.  73,  74. 


Aufgaben:  42.  Man  nehme  für  den  Fall  a»X,  do«0  fär  t»0,  d.h. 
man  zähle  die  Zeit  vom  Durchgang  durch  die  Buhelage  an.  Man  beweise,  da& 
dann  die  Zeit  bis  zum  Eintreffen  des  Maximums  des  Ausschlags  gerade  die  so- 
genannte „Belaxationszeit",  d.h.—  ist. 

48.  Wie  ergibt  sich  anschaulich  der  stetige  Übergang  der  ^,  t- Kurve 
aus  dem  Falle  a)  in  den  Fall  c)?  Man  Überlege,  was  aus  t  wird,  wenn  sich  t 
wachsend  dem  a  nähert. 


%  16.   Theorie  der  erzwungenen  Schwingung  hei  einem 

Freiheitsgrad. 

78.  Das  Seismometer  nnd  der  FaUograph.  Denken  wir 
uns  ein  mathematisches  Pendel  an  einem  Stativ  aufgehängt  und  diese» 
Stativ  horizontal  in  einer  Ebene  in  gegebener  Weise  hin-  und  her- 
hewegt.  Dann  wird  das  Pendel  relativ  zum  Stativ  in  Schwingungen 
geraten.  Man  kann  also  ein  Pendel  benutzen,  um  Erschütterungen 
der  Unterlage  anzuzeigen,  es  fragt  sich,  wie  weit  man  durch  die 
beobachteten  Schwingungen  auf  die  Natur  jener  Erschütterungen  rück- 
schließen kann. 

Man  hat  tatsächlich  Pendel  konstruiert  oder  doch  Apparate^ 
welche  denselben  mechanischen  Gesetzen  gehorchen  wie  ein  solche» 
Pendel,  um  Erschütterungen  der  Umgebung  des  Pendels  feststellen 
und  messen  zu  können.  Handelt  es  sich  um  Erschütterungen  des 
Bodens,  also  Erdbeben,  so  nennt  man  den  Apparat  ein  Seismometer^ 
in  anderen  Fällen  spricht  man  von  einem  Pallographen.  Seismo- 
meter werden  in  den  letzten  Jahren  vielfach  zur  wissenschaftlichen 
Erforschung  der  Erdbeben  angewendet.  Die  ersten  Apparate  wurden 
in  Italien,  Österreich  und  Japan  konstruiert;  einer  der  feinsten  und 
empfindlichsten  wurde  von  Wiechert  in  Göttingen  aufgestellt. 

74.    Ableitung    der    Differentialglei- 
chnng.    Ihre  allgemeine  Bedeutung.    Es 

bewege  sich  das  Stativ  horizontal  mit  einer 
gegebenen  Geschwindigkeit  c,  das  Pendel 
schwinge  relativ  zum  Stativ,  der  Ausschlag- 
winkel sei  d". 

Bei  Anwendung  des  Newtonschen  Gesetzes 
haben  wir  natürlich  die  absolute  Beschleunigung 
zu  verwenden.  Diese  hat  aber  hier,  wo  die 
führende  Bewegung  des  Stativs  eine  Trans- 
lationsbewegung ist,  parallel  zur  Tangente  der 
relativen  Ej'eisbahn  des  Pendelkörpers  die  Kom- 
ponente  (siehe  Nr.  30)  c  cos  d'  +  W. 
Also  gibt  das  Newtonsche  Grundgesetz 

m(c  cos  -9-  +  Zä-) m^  sm  ^  —  W(ld') 


'm/////////////////M 


Fig.  62. 


Kr.  74.  §  16.    Theorie  der  erzwungenen  Schwingung.  125 

Wir  haben  auch  hier  außer  der  Schwerkraft  eine  Ai*t  Luftwiderstand 
angenommene  welcher  von  der  relatiyen  Geschwindigkeit  Id"  abhängt. 
Eine  solche  Dampfung  ist  für  die  in  Rede  stehenden  Apparate  wesent- 
lich. Sie  wird  allerdings  meist  nicht  direkt  durch  den  Widerstand 
des  umgebenden  Mediums  ausgeübt,  sondern  durch  eine  Ölbremse: 
tlas  ist  ein  Kolben^  der  durch  einen  engen  mit  Ol  gefüllten  Zylinder 
hin  und  hergeht  und  dabei  großen  Widerstand  findet;  der  ebenfalls 
als  eine  mit  der  Geschwindigkeit  wachsende  Funktion  derselben  an- 
gesehen werden  kann  und  durch  Hebel  auf  den  Apparat  übertragen  wird. 
Machen   wir   nun    die  Voraussetzung   kleiner   Schwingungen,  so 

können  wir  sin  ^  durch  -Ö",  cos  ^  durch  1,  WQd')  durch  xW  er- 
setzen. 

Unsere  Differentialgleichung  nimmt  dann  die  Form  an 

d'  +  2Xd'  +  a^»^f{t),  (I) 

wenn  wir 

"-:-.  "'-f    . 

and 

setzen  dem  entsprechend ,  daß  ja  c,  also  auch  c  eine  gegebene  Funk- 
tion der  Zeit  sein  solL 

Diese  Differentialgleichung  unterscheidet  sich  von  der  in  Nr.  72 
durch  das  Glied  f(t\  welches  die  Gleichung  inhomogen  macht. 

Wir  nennen  die  Differentialgleichung  (I)  dieser  Nummer  die 
Gleichung  der  erzwungenen  Schwingung  bei  einem  Frei- 
heitsgrad. 

Ihre  Bedeutung  geht  weit  über  das  apezielle  Problem  dieses  Para- 
graphen hinaus.  Sie  wird  stets  auftreten,  wenn  bei  einem  System 
von  einem  Freiheitsgrad  (d.  h.  bei  dem  eine  Variable  0*  genügt,  um 
die  Lage  anzugeben),  erstens  eine  Kraft  da  ist,  die  vom  Orte  abhängt 
und  also  in  der  Nähe  der  Ruhelage  (d'  ==  0)  in  erster  Linie  d'  pro- 
portional gesetzt  werden  kann,  zweitens  eine  Kraft  wirkt,  welche  von 
der  Geschwindigkeit  abhängt  und  also  für  kleine  Geschwindigkeiten 
dieser  proportional  gesetzt  werden  darf,  drittens  eine  Kraft  wirkt, 
welche  von  der  Zeit  direkt  abhängt,  also  unabhängig  von  der  Lage 
imd  Geschwindigkeit  des  Pendels  diesem  in  bestimmter  Weise  auf- 
gezwungen wird.  Aber  auch  für  andere  Gebiete  ist  die  Gleichung 
von  fundamentaler  Bedeutung,  z.  B.  für  die  Elektrizitätslehre. 

Wir  wollen  nun  der  Einfachheit  halber  annehmen,  daß  c  eine 
reine  Sinusschwingung  sei: 

c  =-  y  sin  vt. 
Die  tiefere  Berechtigung  dieser  Annahme  liegt  darin,  daß  man  eine 


126  n.   Die  sogenannte  Ponktmechanik.  Nr.  75. 

stetig  differentiierbare  Funktion  /"(<),  die  für  ^  =  0  und  t  =  (  Null 
wird^  innerhalb  dieses  IntervaUs  stets  so  darstellen  kann: 

fit)  «=  y  sin  vt  +  y,  sin  2vt  +  y^  sin  ^vi  +  •  •  •, 

'3t 

WO  V  ^  -TT  ist 

V 

Man  kann  also  jedenfalls  ein  solches  f(t)  in  eine  Reihe  harmo- 
nischer Schwingungen  zerlegen;  und  es  läBt  sich  zeigen,  daß  sich 
wegen  der  Linearitat  unserer  Differentialgleichung  das  Resultat  einzelner 
harmonischer  Schwingungen  addiert,  d.  h.  hat 

die  Lösung  d'i  und 

die  Lösung  d'^,  so  hat 

ä  +  2X»  +  a'^^f^{t)  +  f,{t) 

die  Lösung  -ö'i+'^j. 

Man  sieht  dies  durch  Einsetzen  als  richtig  ein.  Kennt  man  also 
die  Lösung  für  eine  harmonische  Schwingung,  so  beherrscht  man  da- 
mit vollständig  die  Differentialgleichung  (I). 

Sei  demnach 

c  =  y  sin  vt, 
also 

c  =  —  yv*  sinvty 
so  daß 

f(t)  ==  ^  sin  vt'^  ß  sin  vt 

•i 

wird,  wo  /J  =  ^  gesetzt  ist 

76.  Integration  der  Differentialgleichung.     Um  nun  die 

Differentialgleichung 

d'  +  2k^+  cc^»^ßsmvt,..  (!') 

zu  integrieren,  suchen  wir  zunächst  eine  partikulare  Lösung  zu  erraten. 

Nehmen  wir  z.  B.  ein  Pendel  in  die  Hand  und  schwingen  es  mit 
der  Hand  hin  und  her^  so  bemerken  wir  deutlich^  wie  das  Pendel 
relativ  zu  unserer  Hand  sehr  bald  in  demselben  Rhythmus  schwingt^ 
den  unsere  Hand  hat 

Wir  versuchen  deshalb  den  Ansatz  in  (Y): 

^  E^  9"^  =  A  8m  vt  +  B  cos  vt^Csin  {vt  —  rf), 
wo 

C^YjJ+'^    und     Ccosi?==^ 

C  sin  rj  =  —  B^ 


Ni.  75.  §  16.   Theorie  der  erzwungenen  Schwingung.  12T 

also  X  ^ 

ist.     Aus  (I^  wird  dann 

sin  vi  .  [—  Äv^  —  2XvB  +  a^Ä]  +  cos  i/^[—  Bv*  +  2kvÄ  +  a^B] 

—  sin  vi  •  ß. 

Diese  Gleichung  kann  in  t  identisch  nur  erfüllt  werden,  wenn 

—  Äv^-  2kvB  +  a^Ä^ß 

-Bv*+2lvA  +  a^B^0 
gesetzt  wird. 

Aus  diesen  beiden  linearen  Gleichungen  berechnen  sich 

Die  Auflösung  ist  immer  mit  endlichen  Af  B  möglich,  außer  fQr 
X  »  0,  a  »  1/.  Das  tritt  aber  faktisch  nie  ein,  da  immer  ein  kleines 
X  dasein  wird. 

Aus  Ä  und  B  berechnen  sich 


a«— y» 


2Xv 


c 


tg1?  = 


ß 


2lv 


B  ist  immer  negativ,  also  sin  rj  stets  positiv,  desgleichen  rj. 

Es  gibt  also  tatsächlich  eine  gang  bestimmte  rüne,  harmonische 
Schwingung  als  Lösung  unseres  Problems,  Die  Periode  ist  diesdbe 
wie  die  der  erregenden  Schwingung  (wir  wollen  f(t)  ^  ß  sin  vt  die 
„erregende  Schwiugung''  nennen),  die  AmplitiMlen  beider  Schwin^ 
gungen  sind  proportiaiml,  die  erregte  oder  erzumngene  Schunngung 
aber  (so  wollen  wir  unsere  Partikularlösung  nennen)  ist  in  der 
Phase  stets  Burück  (weil  B  <  0,  also  iy  >  0). 

Die  erzwungene  Schwingung  ^^   ist  aber  noch  nicht  die  allge- 
meine Lösung,  denn  %'^  enthält  ja  gar  keine  willkürlichen  Konstanten. 
Um  die  allgemeine  Lösung  zu  finden,  setzen  wir 

-ö"  =  -ö*!  +  '^J 

und  bekommen 

Daraus  folgt  (siehe  Nr.  72),  wenn  wir  annehmen,  daß  Ka  sei, 

^j «-  ac""^'  sin  Qct  +  «), 
Yfo  ]c^  y«'—  X^  ist. 


128  Q*   ^^^  sogenannte  Ponktmechanik.  Nr.  76. 

Es  kommt  also  hei  der  allgemeinen  Lösung  unseres  Problems  zu 
der  erzwungenen  Schwingung  noch  eine  allgemeine  freie  gedämpfte 
Schwingung  hinzu. 

Die  beiden  noch  freien  Eonstanten  a  und  e  dienen  dazn,  die 
Lösung  den  gegeben  zu  denkenden  Anfangsbedingungen  (Anfangslage 
und  Anfangsgeschwindigkeit  des  Pendels)  anzupassen. 

76.  Diskussion  des  Besnltats.  Wäre  nur  ^^  vorhanden,  so 
könnte  man  daraus  sehr  klar  den  Charakter  der  erregenden  Schwin- 
gung erkennen:  die  Periode  derselben  hätte  man  sofort,  die  Ampli- 
tude wäre  derjenigen  Ton  9'^  proportional,  der  Proportionalitatsfaktor 
ist  leicht  aus  den  Eonstanten  a,  l  des  Apparates  und  aus  v  zu  be- 
rechnen. Die  Überlagerung  von  9^  wird  den  Rückschluß  erschweren 
wegen  der  unkontrollierbaren  a,  s.  Nun  yerschwindet  aber  9^  im 
Laufe  der  Zeit  und  um  so  schneller,  je  größer  X  ist.  Deshalb  bedürfen 
auch  Seismometer  und  Pallographen  einer  hinreichenden  Dämpfung, 
um  den  störenden  Einfluß  der  freien  Schwingung  recht  bald  zum 
Verschwinden  zu  bringen. 

Ist  f{t)  also  ß  gegeben,  so  wird  die  Amplitude  der  erregten 
Schwingung  bei  veränderlich  gedachtem  a  am  größten,  wenn  a  =»  v 
ist,  d.  h.  wenn  die  Periode  der  freien,  ungedämpften  Schwingung  des 
Apparates  mit  derjenigen  der  erregenden  Schwingung  übereinstimmt. 
Man  nennt  diesen  Fall  den  der  Resonanz.  Ist  nicht  ß  gegeben, 
sondern  7/,  so  ist 


Der  Faktor  von  y  wird  jetzt  ein  Maximum,  wie  man  leicht  berechnet, 
wenn 

ist.  Der  Fall  stärkster  Wirkung  ist  also  bei  kleinem  k  gegen  den 
Fall  der  Resonanz  ein  wenig  verschoben. 

Da  man  vor  allem  die  sehr  geringen  Erschütterungen  in  großen 
Entfernungen  vom  Erdbebenherde  messen  will,  so  konstruiert  man 
die  Seismometer  so,  daß  sie  mit  den  häufig  vorkommenden  Perioden 
von  Erdbebenwellen  in  Resonanz  stehen.  Es  kommen  Perioden  von 
10"  bis  r  in  Frage. 

Was  die  Phasenverschiebung  angeht,  so  ist  tg  iy  «  00  im  Falle 
der  Resonanz.  Der  Phasenunterschied  beträgt  dann  also  eine  Viertel- 
schwingung. Ist  o(  >  1/,  pulsiert  also  die  erregende  Schwingung  lang- 
samer als  die  freie  Schwingung  —  die  man  auch  die  Eigenschwin- 
gung des  Apparates  nennt  —  so  ist  17  klein;  ist  aber  a  <  1/,  geht 
also   die   erregende  Schwingung  schneller  als   die  freie  Schwingung, 


Kr.  76.  §  16.    Theorie  der  erzwangenen  Scbwingang.  129 

80  wird  tg  ij  <  0,  also  ^>  o",  ^^^  PhasendifiFerenz  nähert  sich  einer 

halben  Schwingung,  am  so  schneller^  je  kleiner  X  ist. 

Bei  einem  gewöhnlichen  Pendel  sind  deshalb  fast  nur  die  extremen 
Fälle  17  =  0  und  ni^jt  beobachtbar;  bei  kleinem  A  drängen  sich  die 
merkbaren  Zwischen  werte  auf  einen  kleinen  Bereich  der  Yariabeln  v 
zusammen.  Die  %  v-Kurve  wird  sich  mit  abnehmendem  X  immer 
mehr  der  gebrochenen  Linie  OÄBC  nähern. 


i 

n 

B 

c 

i 

31 

Ö 

A 

rsso 

Fig.  63. 

Weiteres  über  Seismometer  findet  man  in  den  Abhandlungen  Ton 
Wiechert  in  der  „PhysikaUschen  Zeitschrift«   Bd.  4  (1903). 
Aufgabe  44:   Welche  Dimensionen  haben  X  und  ce? 

Es  sei  zum  Schlüsse  dieses  Paragraphen  noch  auf  die  hervor- 
ragende allgemeine  Bedeutung  der  Resonanzerscheinung 
hingewiesen.  AUe  Systeme^  welche  Schwingungen  ausführen  können, 
sind  empfindlich  gegen  Eraftwirkungen^  die  mit  ihren  Eigenschwin- 
gungen in  Resonanz  stehen.  Sie  geraten  dann  in  heftige  Schwingungen 
und  ihre  Festigkeit  wird  sehr  beansprucht.  So  können  unter  takt- 
mäßig bewegter  Last  Brücken  einstürzen,  welche  die  entsprechende 
ruhende  Last  leicht  getragen  hätten,  so  können  Schiffsschrauben- 
wellen brechen,  wenn  ihre,  einer  Verdrehung  entsprechenden  elastischen 
Eigenschwingungen  in  Resonanz  mit  Unregelmäßigkeiten  der  Eraft- 
wirkung  der  Maschine  stehen.  Ein  schönes  Beispiel  ist  auch  die 
dünne  elastische  Welle  einer  Lavalturbine.  Bei  sehr  geringer 
Exzentrizität  wird  sie  dann  in  starke  Schwingungen  geraten,  wenn 
die  ümlaufszeit  mit  ihrer  eigenen  Schwingungszeit  übereinstimmt. 
Denn  dann  wird  die  Zentrifugalkraft  hinsichtlich  der  Welle  dieselbe 
Periode  haben  wie  die  elastische  Eigenschwingung  der  Welle.  Liegen 
aber  beide  Zeiten  hinreichend  weit  auseinander,  so  läuft  die  Welle 
ganz  ruhig  um. 

Literatur: 

Lorenz,  Dynamik  der  Kurbelgetriebe.     1901. 

Frahm,  Neue  Untersuchungen Z.  d.  V.  d.  J.  1902. 

Hamel:  Elementare  Mechanik.  9 


ISO  ni.   Energie  und  Azbeit  Nr.  77. 

Beißner,    Schwingungsaofgaben    aus    der    Theorie    des    Faehwerks. 

Diss.  1902. 
Hort,  Technische  Schwinguiigslehre  (Lehrbach). 
T.  Mise 8,  Über  die  Stabilität  rotierender  Wellen.     Monatshefte  fOr 

Math,  und  Phys.  1911. 


Kapitel  HI. 

Energie  nnd  Arbeit. 

§  17.  Der  Energiesstz  in  der  Fnnktmeeliaiiik. 

77.  Kistorlsolie  Bemerkungen.  Zwei  verschiedene  Ideen 
tauchen  historisch  gleich  im  Anfange  der  Entwicklung  der  Mechanik 
auf:  erstens  die  Idee,  daß  ein  auf  eine  gewisse  Höhe  gehobenes  Gre- 
wicht  ein  ganz  bestimmtes  Maß  Ton  Arbeitsfähigkeit  besitze  und 
zweitens  der  Gedanke,  daß  in  dem  Wechsel  der  Bewegungserschei- 
nungen eine  bestimmte  Große  für  das  ganze  Weltall  ungeandert  bleibe. 
Den  ersten  Gedanken  sprach  zuerst  klar  Jordanus  de  Nemo re  aus, 
der  etwa  um  1300  lebte  und  mit  dem  die  selbsföndige  mechanische 
Forschung  nach  dem  Altertum  wieder  beginnt:  ein  Gewicht  auf  doppelte 
Höhe  gebracht,  leistet  dasselbe  wie  das  doppelte  Gewicht  auf  einfache 
Höhe  gebracht.  Lionardo  da  Vinci  bildete  den  Gedanken  weiter  aus. 
Von  dem  andern  Prinzip  tritt  zuerst  der  negative  Teil  hervor:  die  Un- 
möglichkeit des  Perpetuum  mobile:  Bewegung  kann  nicht  aus  nichts 
entstehen,  oder  indem  man  stillschweigend  die  stets  Bewegung  verzehrende 
Wirkung  der  Widerstände  hinzunahm:  ein  System  kann  sich  ohne 
Wirkung  von  außen  oder  innere  physikalische  oder  chemische  Um- 
wandlungsprozesse nicht  dauernd  in  Bewegung  erhalten.  Allerdings 
setzte  sich  dieser  Grundsatz  erst  langsam  durch,  es  fehlt  ja  selbst 
heute  nicht  an  Versuchen,  ein  perpetuum  mobile  zu  konstruieren: 
Lionardo  selbst  hat  es  verschiedentlich  versucht.  Aber  schon  Simon 
Stevin  beweist  durch  eine  richtige  Anwendung  des  Prinzips  1586  das 
Gesetz  der  schiefen  Ebene,  Galilei  zieht  richtige  Schlußfolgerungen 
daraus  und  Huyghens  leitet  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  aus  dem 
Prinzip  zum  ersten  Male  die  Bewegungsgleichung  für  das  physische 
Pendel  ab  (siehe  Nr.  246). 

Was  den  positiven  Teil  des  Prinzips  angeht,  so  behauptete  Des- 
cartes  die  Konstanz  von  Zmv,  Leibniz  dagegen  die  von  2mv\ 
Newton  schloß  sich  der  ersten  Ansicht  an. 

Ob  man  nun  Smv  oder  2]mv^  Energie  nennen  wollte,  war  natür- 
lich ein  Wortstreit,  was  zuerst  D'Alembert  1743  in  seinem  Traite 
de  Dynamique  klar  aussprach.  Aber  der  Streit  drehte  sich  doch  um 
mehr  als  um  ein  bloßes  Wort. 


Nr.  78.  §  17.    Dei  Energiesatz  in  der  Ponktmechanik.  131 

Wir  müssen  natürlich  heute  die  Frage ,  oh  im  ganzen  Weltall 
Umv^  oder  2mv  konstant  sei;  als  metaphysisch  ahlebnen:  wir 
wissen  nicht  einmal,  ob  diese  Begriffe  für  die  ganze  Welt  Sinn  haben. 
Trotzdem  können  wir,  das  Wesentliche  aus  den  beiden  Grundgedanken 
der  Alten  herausschälend^  in  gewissem  Sinne  Leibniz  Recht  geben. 

Wir  wollen  nämlich  die  Begriffe  der  kinetischen  Energie  und 
den  der  Arbeit  für  einen  Massenpunkt  in  folgender  Weise  einführen: 

78.  Azioxnatische  Einfflhnmg  der  Begriffe:  kinetische 
Energie  nnd  Arbeit.^)    Wir  postulieren: 

1.  Es  sei  für  einen  Punkt  der  Masse  m  die  ^^kinetische  Ener- 
gie" oder  ^^ebendige  Kraft"  E  eine  Funktion  von  m  und  v  allein, 
welche  für  t;  =  0  verschwinde: 

g)(m,  0)  =  0. 

2.  Es  sei  die  Arbeit  A,  welche  eine  Kraft  k  an  dem  bewegten 
Punkte  leistet,  wenn  derselbe  sich  auf  einer  Bahn  von  der  Stelle  Xq 
zur  Stelle  X  bewegt,  ein  sogenanntes  Kurvenintegral,  d.  h.  ein  Inte- 
gral der  Form 


A  ^ßxdx  +  Ydy  +  Zde), 


dieses  Integral  erstreckt  sich  über  die  Kurve  von  X^  bis  X.  Be- 
zeichnen wir  den  Vektor  mit  den  Komponenten  X,  F,  Z  mit  JST,  so 
können  wir  das  Integral  schreiben 

X 

A  =^fK .  dr, 

wo  K  -  df  das  sogenannte  innere  Produkt  der  Vektoren  K  und  df 
bezeichnet  (siehe  Anhang). 

3.  Es  sei  K  eine  Funktion  von  k  allein. 

4.  Es  bestehe  die  Beziehung 

E-E^^A, 

(wobei  Eq  die  kinetische  Energie  an  der  Stelle  Xq  bezeichne),  vermöge 
der  Newtonschen  Grundgleichung 

In  dem  vierten  Postulat  steckt  das  gesuchte  Energieprinzip.  Die 
Arbeit  einer  Kraft  besteht  in  einer  Veränderung  der  kinetischen 
Energie;  ohne  äußere  Arbeit  kann  der  Punkt  seine  Energie  nicht 
verändern. 


1)  Der  Anfänger  kann  diese  Nummer  flberschlagen. 

9 


132  UI.    Energie  und  Arbeit.  Kr.  78. 

Wir  ziehen  die  Schlußfolgerungen.  Aus  4.  und  2.  folgt  durch 
Differentiation 

dt   ~  ^  '  dt 
oder  nach  (1) 

dv   dt  ' 

wenn  ö  den  Einheitsvektor  in  Richtung  der  Bewegung  bedeutet. 
Aus  dem  Newtonschen  Grundgesetz  folgt  aber 

dv        Y    - 

also,  indem  wir  dies  einsetzen 

1    d<p       K '  6 
mv  dv  '^  i,g  ' 

In  dieser  Gleichung  kommen  links  nur  noch  t;  und  m,  rechts  nur 
noch  k  und  ö  vor.  Diese  vier  Größen  sind  als  unabhängig  zu  be- 
trachten, denn  man  kann  in  jedem  Zeitmoment  Je,  v,  m  geben,  dann 
erst  bestimmt  die  Newtonsche  Grundgleichung  tr. 

Also  hängen  in  der  vorstehenden  Gleichung  beide  Seiten  weder 
von  h,  6  ab,  weil  die  linke  es  nicht  tut,  noch  von  t;,  m  ab,  weil  die 
rechte  es  nicht  tut.     Mithin  ist. 

1    dtp 


mv  dv 

woraus  in  Verbindung  damit,  daß  9)  (m,  0)  »  0  sein  sollte,  folgt 

9  =      cmv^ 

K^ck, 

Die  Eonstante  c  ist  natürlich  ganz  bedeutungslos,  wir  setzen  sie  gleich 
1  und  haben  so  erhalten: 

die  kinetische  Energie  eines  Punktes  ist  auf  Grund  unserer  Po- 
sttdate  gleich 

eu  setzen;  die  Arbeit  einer  Kraft  k  gleich 

X 

A  ^ß  '  dr, 

io 

Es  besteht  dann  der  Energiesate: 

E-E^^A. 


Nr.  79. 


§17.    Der  Energiesatz  in  der  Punktmechanik. 


133 


79.  Blementare  Binfflhnmg  der  BegrUte.  Wir  definieren 
als  kinetische  Energie  oder  lebendige  Kraft  eines  Massen- 
punktes den  Ausdruck 


JB  =  Y  mv^ 


(1) 


Dann  ist 


dE  dv  _    dv 


wobei  unter  ä  •  b  das  innere  Produkt  der  Vektoren  ä  und  b  verstanden 
ist  (siebe  Anhang  I,  4). 

Nun  ist  aber 

dv 


m 


dt 


*, 


wo  k  die  Summe  der  äußeren  Kräfte  bedeutet.    Folglich 


dE 
dt 


(2) 


Ist  k  irgendeine  Kraft^  die  auf  den  Punkt  wirkt,  so  heiße  L  ^v  »k  die 

ff 


Leistung  der  Kraft.    Es  ist 


_    T       k'dr       dÄ 

''  •  *  =  -dT  ^  -dt 


Fig.  64. 


dÄ  ^^  k  '  df  heiße  die  (unendlich  kleine) 
Arbeit,  welche  die  Kraft  k  bei  der  Ver- 
schiebung dr  leistet.  In  rechtwinkligen  Kom- 
ponenten ist 

dÄ  =  k^dx  +  k^dy  +  k^dß, 

auch  ist  nach  der  Bedeutung  des  inneren  Produktes  dA^^k'ds  cosa, 

d.  h. 

Die  unendlich  kleine  Arbeit  einer  Kraft  in  der  Zeit  dt  ist  gleich 
dem  unendlich  kleinen  Weg  d$,  den  der  Funkt  in  dieser  Zeit  ewrück- 
hgt,  multipliziert  mit  der  Projektion  der  Kraft  auf  die  Richtung  des 
Weges, 

Aus  (2)  folgt 

dE-^dÄ 


oder  der  Energiesatz  der  Punktmechanik 

E-E^^fdÄ^A, 


(I) 


Die  Veränderung  der  kinetischen  Energie  des  repräsentierenden 
Punktes  während  einer  Zeit  ist  gleich  der  gesamten,  während  dieser 
Zeit  von  den  äußeren  Kräften  an  dem  Punkte  geleisteten  Arbeit. 


134  in.  Energie  und  Arbeit  Nr.  80,  81. 

80.  Untersohied  des  Bnergieeataes  fttr  die  Pn&ktmecha» 
nik  Ton  dem  Energiesats  fttr  Bjutmme.  In  der  bisherigen  Be- 
trachtung war  m  die  ganze  Masse  des  Systems,  v  die  Schwerpunkte- 
geschwindigkeit. Die  Arbeit  aber  berechneten  wir  so^  daß  wir  das  innere 
Produkt  aus  der  Kraft  und  der  Verschiebung  des  Schwerpunkts,  nicht 
aber  derjenigen  des  Angriffspunktes  der  Kraft,  bildeten.  ^  Für  die  so 
bestimmten  Begriffe  gilt  der  am  Schluß  der  vorigen  Nummer  ausge- 
sprochene Energiesatz,  den  wir  den  Energiesatz  der  Punktmechanik 
nennen  wollen. 

Unter  der  gesamten  kinetischen  Energie  eines  Systems 
aber  wollen  wir  den  Ausdruck  verstehen: 

E-|S '*«»"', 

WO  V  die  Geschwindigkeit  des  Massenelements  dm  bedeutet.  Es  ist 
klar,  daß  \<j  und  E  im  allgemeinen  sehr  verschieden  sein  werden. 
Nur  in  einigen  Fällen,  wenn  z.  B.  alle  v  einander  gleich  sind,  das 
System  also  eine  Translation  vollfuhrt,  ist   |^j  »  E. 

Ebenso  wollen  wir  die  eigentliche  Arbeit  so  bilden,  daß  wir 

dA  '^»/C'dr, 

wobei  dr  die  Verschiebung  des  wirklichen  Angriffspunktes 
der  Kraft  k  bedeutet. 

Für  diese  vervollkommneten  Begriffe  nimmt  aber  der  Energiesatz 
eine  ganz  andere  Form  an  als  die  oben  zu  Ende  von  Nr.  79  ausge- 
sprochene (siehe  die  §§  44,  50  und  55). 

81.  Dimensionen  nnd  Maßeinheiten.  E  und  Ä  haben  die- 
selbe Dimension.     Im  physikalischen  Maßsystem  ist 

[E]  «  [A]  =  [m  .  v^]  ==  [g  cm»  sec"«]. 

Die  Einheit  heißt  ein  Erg,  es  ist  die  Arbeit  eines  Dyus  bei  Zurück* 
legung  eines  cm.  Die  Leistung  hat  die  Dimension  [L]  «=  [gern*  sec""*]; 
10^  Erg  pro  Sekunde  heißen  ein  Watt. 

Im  technischen  Maßsystem  haben  E  und  A  die  Dimension 

[E]  ^  [A]  ^  [kg  .  m], 
die  Leistung 

[L]  =  [kgm  sec"  ^ j . 

Eine  Leistung  von  75  mkg/Sec  wird  herkömmlicherweise  eine 
Pferdestärke,  1  P.S.  oder  1  HP.  genannt.  Da  ein  kg  Kraft  gleich 
981000  Dyn  ist,  so  ist  die  Arbeit  eines  mkg  gleich  98100000  Erg. 
Da  für  die  Praxis  1  mkg  oft  noch  eine  zu  kleine  Arbeitseinheit  ist, 
hat  man  als  Einheit  die  Arbeit  eingeführt,  welche  eine  HP.  in  einer 
Stunde  leistet,  die  sogenannte  Pferdekraftstunde.  Sie  umfaßt 
natürlich  75  >f  60  x  60,  d.  i.  270000  kgm. 


Nr.  82,  83.  §  17.    Der  Energiesatz  in  der  Punktmechanik.  135 

82.  Weitere  S&tse  Aber  die  Arbelt.  1.  Steht  eine  Kraft 
senkrecht  zur  Bewegungsrichtung^  so  leistet  sie  keine  Arbeit.  (Bei- 
spiel: der  Normaldruck  einer  festen  Stützfläche^  die  Fadenspannung 
des  Pendels.) 

2.  Das  distributive  Gesetz  der  skalaren  Multiplikation 

heißt:   Die  Arbeit  der  Residtierenden  mehrerer  Kräfte  ist  gleidi  der 
algebraischen  Summe  der  Arbeiten  ihrer  Komponenten. 

3.  Es  sei  die  Kraft  k  konstant  nach  Größe  und  Richtung^  wie 
es  z.  B.  bei  der  Schwerkraft  der  Fall  ist.    Dann  ist  die  endliche  Arbeit 

X 

A  =  /  h  '  df  =k  Jdr  =  t  •  (f  —  r^)  =  Ä  •  s  ==  ÄA 

(siehe  Figur),  wenn  h  die  Projektion  der  ge-  \  / 

raden    Strecke   X^X   auf   die    Kraftrichtung  xt 

bedeutet,  positiv  gezählt,  wenn  sie,  im  Sinne  /yy 

der  Bewegung   genommen,   in   die  Richtung  /  \v 

der  Kraffc  hineinfällt.  Jr        y^^ 

So   berechnet   sich   die   Arbeit   der  /            \    \ 

Schwerkraft    einfach    als    das   Produkt  /                  \     1 

aus    dem    Gewicht    und    der    gesamten  /                    \  I 

Fallhöhe,    diese  nach   unten   positiv,    nach  ^^-^^^ Y 

oben  negativ  gerechnet.  yjA 

Kommt  bei  einer  Bewegung  der  Körper  /^ 

wieder  auf  derselben  Höhe   an,  von   der   er  Fig.  65. 
ausgegangen  ist,  so  hat  die  Schwerkraft  im  ganzen  keine  Arbeit  geleistet. 

83.  thier  die  Bedeutnng  des  Energlesatzes.  Es  könnte 
zunächst  scheinen,  als  ob  durch  den  Energiesatz  nicht  viel  gewonnen 
wäre.  Denn  da  er,  in  der  Punktmechanik  wenigstens,  eine  Folge  der 
Newtonschen  Grundgleichung  ist,  können  wir  mit  ihm  kein  Problem 
lösen,  das  wir  nicht  auch  mit  der  Newtonschen  Grundgleichung  hätten 
erledigen  können. 

Trotzdem  sind  die  Begriffe  Energie  und  Arbeit  fundamental  für 
die  Mechanik  geworden: 

1.  Wir  werden  ihre  formale  Kraft  später  in  der  Mechanik  der 
Systeme  kennen  lernen  (siehe  die  §§  48  und  56). 

2.  Der  Energiebegriff  hat  sich,  soweit  unsere  heutigen  Kenntnisse 
reichen,  auf  alle  Naturerscheinungen  ausdehnen  lassen:  nach  den  fun- 
damentalen Untersuchungen  von  Robert  Mayer,  Helmholtz  („Über 
die  Erhaltung  der  Kraft^^,  auch  in  Ostwalds  Klassikern)  u.  a.  läßt  sich 
in  jedem  Erscheinungsgebiet   ein  Begriff  der  Energie  aufstellen  — 

für  die  reinen  Bewegungserscheinungen  ist  es  }j]  ==      ^dmv^  —  so 


136  ni.   Energie  und  Arbeit.  Nr.  84. 

daß  für  einen  jeden  uns  bekannten  Teil  der  materiellen  Welt  der 
Enei^iesatz  gilt:  Die  Änderung  der  gesamten  Energie  des  betrach- 
teten Teils  in  einer  Zeit  ist  gleich  der  in  derselben  Zeit  von  außen 
zugeführten  bzw.  nach  außen  abgegebenen  Energie. 

Wäre  eine  Interpretation  jeder  Energieart  als  Bewegungsenergie 
möglich,  so  wäre  Leibnizens  Traum  erfüllt. 

3.  Der  Nutzen  für  uns  besteht  zunächst  in  einer  Methode,  die 
Differentialgleichungen  der  Bewegung  zu  integrieren. 

Wir  hatten  schon  &üher  gesagt,  daß  man  jede  Gleichung  der  Form 

X  -  f{x) 

auf  Quadraturen  zurückführen  kann,  indem  man  die  Gleichung  daraus 
gewinnt  ^ 

(siehe  Nr.  67,  Beispiel  2). 

Diese  Gleichung  ist  nichts  anderes  als  die  Energiegleichung  für 

I»  =  1,  A;  —  f{x).     Die  Integrationskonstante  A  ist  ~  t?^*. 

Wir  werden  die  Energiegleichung  stets  dann  mit  Nutzen  an- 
wenden können,  wenn  sich  Ä^^Jk-dr  vor  Kenntnis  der  Bewegung 
integrieren  läßt  und  wenn  nur  eine  abhängige  Variable  vorkommt, 
so  daß  wir  auch  nur  eine  Gleichung  brauchen. 

Prinzipielles  darüber  im  nächsten  Paragraphen,  jetzt  einige 

84.  Beispiele  und  AoQfaben. 

1.  Aaf  welche  Streike  kann  ein  mit  der  Geschwindigkeit  v^  fahrender 
Eisenbahnzug  vom  Gewicht  G  günstigstenfalls  znm  Stehen  gebracht  werden, 
wenn  aUe  Räder  gebremst  werden?  Die  Strecke  sei  horizontal,  vom  Luftwider- 
stand werde  abgesehen. 

Dann  sind  die  äußeren  Kräfte  die  Schwerkraft,  der  Normaldruck  und  die 
Reibung  zwischen  den  Rädern  und  Schienen. 

Die  beiden  ersten  Kräfte  leisten  keine  Arbeit.  Sei  der  Normaldruck  an 
einem  Rade  JV,  so  ist 

2N:=  G. 

Sei  die  Reibung  an  einem  Rade  2^,  so  lautet  der  Energiesatz  der  Punktmechanik: 


— -fwp'—   ^  mro'=—  I  ZBds. 


0 

In  unserem  Falle  ist  nun  r  =  0,  r^  gegeben.     Also 

s 


i-wr,>«=  jZEds. 


0 

Nun  ist    R  '^f-N  (denn  man  bremst  Räder  grundsätzlich  nicht  fest,  weü 
Schleifen  schädlich  und  unnütz  ist,  warum?),  also 

XR  ^fZN^fG, 


Kr.  84.  §  17.    Der  Energiesatz  in  der  Ponktmechanik.  137 

somit 

2 
d.  h. 


,>*^«^o*  _  Vo» 


2fG        2fg 

Damit  ist  nor  eine  untere  Grenze  für  den  Bremsweg  gefunden;  denn  man  weiß 
nicht,  ob  die  Haftreibnng  ganz  ausgenützt  wird. 

(Eine  ausführliche  Behandlung  des  ganzen  Bremsproblems  mit  Berücksich- 
tigung yariabeln  f's  findet  man  in  einem  Aufsatz:  ,,Zur  Theorie  der  Eisenbahn- 
bremsen^*  von  A.  Sommerfeld  in  der  Denkschrift  der  Techn.  Hochschule  zu 
Aachen  aus  Anlaß  der  Industrie-Ausstellung  in  Düsseldorf,  1902). 

Beispiel  2.  Es  gleite  ein  Körper  auf  einer  glatten  Kurre  ohne  Reibung, 
lediglich  unter  der  Wirkung  der  Schwerkraft  herab.  Mit  welcher  Geschwindig- 
keit kommt  er  unten  an? 

Werde  die  Höhe  h  von  dem  Ausgangspunkte  der  Bewegung  nach  unten 
positiv  gerechnet,  so  ist,  weil  der  Normaldruck  keine  Arbeit  leistet. 


v^Vv^*  +  2gh. 


also 

War  t?^'  =  0,  so  ist 

v-=-Y2gh. 

Die  Fallgeschwindigkeit  bangt  nur  von  der  Fallhöhe  h  ab.  (Das  war  schon 
Galilei  bekannt.) 

Beispiel  3.  Auf  einer  schiefen  Ebene  der  Neigung  a  gleite  ein  Körper 
berab,  mit  der  Geschwindigkeit  Null  beginnend,  unter  dem  Einfluß  der  Schwer- 
kraft und  der  Reibung.     Mit  welcher  Geschwindigkeit  kommt  er  unten  an? 

Sei  h  die  Höhe,  8  die  Länge  der  schiefen  Ebene,  so  ist 

—  mv*  =  nigh  —  8-  B, 
und  da  Jß  «=  fN  ist  und  N  =  mg  cos  a 


v=^y2gh  —  28'f'gcoscc  •  =]/i2^(Ä  —  sigtp'COBa). 

Aufgaben:  45.  Auf  welcher  Kurve  kommt  bei  verschieden  geneigten 
schiefen  Ebenen  in  dem  vorhergehenden  Beispiel  der  Punkt  mit  derselben 
Geschwindigkeit  an? 

46.  Ein  Zug  von  10  Wagen  zu  je  20  Tonnen  Gewicht  sei  eine  Böschung 
von  2  7o  Steigung  und  5  km  Länge  hinaufzuschaffen.  Außer  der  Schwerkraft 
werden  Bewegungswiderstände  zu  überwinden  sein,  die  zu  y,  7o  ^^^  Gewichts 
geschätzt  sein  mögen.  Welche  Arbeit  ist  zum  Transport  des  Zuges  nötig?  Und 
wie  groß  ist  die  sekundliche  Leistung  der  bewegenden  Maschine,  wenn  die  Ge- 
schwindigkeit SO  km  pro  Stunde  beträgt? 

47.  Man  integriere  die  Differentialgleichung  der  freien,  ungedämpften 
Schwingung  i  +  ««o:  =  0 

nach  der  in  83  angegebenen  Methode. 

48.  Eine  ebene  Platte  von  der  Größe  F  sei  unter  dem  Winkel  a  gegen 
den  Horizont  geneigt  und  werde  mit  der  Geschwindigkeit  v  horizontal  in  ruhen- 
der Luft  bewegt.  Welches  ist  die  Leistung  des  Luftwiderstandes  unter  Annahme 
des  Lößischen  Widerstandsgesetzes?    (Siehe  Nr.  69.) 


138  in.   Energie  und  Arbeit.  Nr.  86. 

§  18.   IMe  potentielle  Energie. 

85.  Das  PotentiaL  Wir  wollen  die  für  die  Integration  der 
BeweguDgsgleichnngen  wichtige  Frage  nntersochen,  wann  sich  das 
Arbeitsintegral  von  Yomherein,  ohne  Kenntnis  der  Bewegung,  inte- 
grieren läßt.  Denn  im  allgemeinen^  wenn  k  irgendeine  Funktion  yon 
V,  fy  t  .  ,  ,  ist,  läßt  sich  das  Integral 

A  =^  Ck  '  dr  ^  Ck  •  vdt 


'•  Ck  '  dr  =  Ck  •  V 


erst  ausrechnen,  wenn  man  €,  f,  t  als  Funktionen  einer  Variablen 
ausdrücken  kann,  d.  fa.  wenn  man  die  Bewegung  kennt. 

Wir  wollen  nun  fragen:  Wann  läßt  sich  das  zwischen  irgend- 
zwei  Punkten  Xq{^^  und  X(f)  erstreckte  Integral  A  berechnen,  ohne 
daß  man  etwas  über  die  Bewegung  weiß,  d.  h.  etwas  über  Zeit, 
Geschwindigkeit  oder  Weg? 

Dann  muß  offenbar  A  eine  bloße  Funktion  von  f^  und  r  sein,  also 


r 


JJcdr^F(f,f,) 


Differentiieren  wir  diese  Gleichung  nach  der  oberen  Grenze,  so  be- 
kommen wir  =.     ,         ,  ^/       . 

k'df^  dfrF(f,  fo) 

für  alle  Differentiale  dr. 

Da   die  linke  Seite   von   r^   nicht  abhängt,   kann   es   auch    die 
rechte  nicht  tun,  es  muß  also  sein 

drFir,  fo)  =  -  d^  U(f) 
und 

JF(r,  f,)  »  -  ü(f)  +  U(r,), 

weil  F  NuU  wird  für  r  -  ro . 

Habe  nun  r  die  rechtwinkligen  Komponenten  x,  y,  e,  so  ist 

drü  «  ö  -  dx  +  ^    dy  '\'  TT-  de 

^  dx  ^    dy     ^    '    cz 

dU      ,_ 
dr         ' 

wenn  wir  den  Vektor  mit  den  Komponenten    ^^^  p~7  5~    "^^  ji» 
bezeichnen.     Man  nennt  ihn  den  Gradienten  von  U,  schreibt  auch 

dr 

und  nennt  aus  später   zu   besprechenden  Gründen    —  j-    auch    das 
Gefälle  von  U. 


ITr.  86.  §  18.    Die  potentielle  Energie.  139 

Daß  -j=-  wirklich  ein  Vektor  ist,   d.  h.  eine  gerichtete  Strecke 

darstellt,  der  eine  Bedeutung  unabhängig  vom  Koordinatensystem  zu- 

kommty  werden  wir  später  sehen. 

Aus 

du 

df 

folgt 


fc  •  rfr  =  —  dp  JJ  =  —   j;.  •  dr 


weil  die  Relation  für  alle  dr  gelten  soll.    ' 

Wenn  umgekehrt 

T  du 

'^ dr 

ist,  so  folgt: 

r 

Man  sagt,  die  Kraft  k  habe  ein  Potential,  wenn  (I)  erfüllt  ist. 
U  heißt  das  Potential  oder  die  potentielle  Energie. 

Das  Arbeitaintegral  läßt  sich  nur  dann  unter  allen  Umständen 
von  vornherein  ausrechnen,  wenn  die  Kraß  ein  Potential  hat. 

Man  erkennt  leicht  den  Satz: 

Haben  mehrere  Kräfte  ein  Potential  y  so  ha4  die  Resultierende 
auch  ein  Potential,  das  gleich  der  Summe  der  Einzelpotentiale  ist. 
Haben  alle  äußeren  Kräfte,  weldie  Arbeit  leisten,  ein  Potential,  so 
lautet  der  Energiesatz: 

E-E^ U+  Üq    oder 

E+  U  ^h, 

wo  h  konstant  ist,  also 

Die  Summe  aus  der  hinetischen  und  aus  der  potentiellen  Energie 
bleibt  im  Laufe  der  Bewegung  konstant 

(In  älteren  Büchern  findet  man  meist  —  ü  als  Potential  be- 
zeichnet.) 

Eine  additive  Konstante  zu  ü  bedeutet  offenbar  nichts,  wir 
können  sie  also  nach  Belieben  hinzufügen  oder  fortlassen. 

86.  Beispiele.  1.  Daß  die  Schwerkraft  an  der  Erdoberfläche 
ein  Potential  hat,  wissen  wir  schon.     Denn  die  Arbeit  war 

A^  G{Zq—z\ 

wenn  wir  z  nach  oben  positiv  rechnen,  also  ist 

U=-  Gz 

das  Potential  der  Schwerkraft. 


140  in.   Energie  und  Arbeit.  Nr.  87. 

2.  Das  Newtonsche  Anziehnngsgesetz  der  Planeten  (siehe  Nr.  38) 

hat  ein  Potential     Denn,  da 

f  '^Q  '  r    nnd 

r*  =  r*,    also 

r  '  dr  ^r  '  dr 
ist,  so  folgt 

ßdf^-  Ifnß-fJ-  -=  -  Xmf^  =  '-^. 

Das  Potential  für  die  Anziehungskraft  der  Sonne  auf  die  Planeten 
ist  also 

r 

Aufgaben:  49.  Man  zeige,  daß  jede  sogenannte  Zentralkraft,  d.  b.  eine 
Kraft,  die  auf  ein  festes  Zentrum  zu  (oder  fort)  gerichtet  ist  und  nur  von  der 
Entfernung  r  des  Massenpunktes  von  diesem  Zentrum  abhängt,  ein  Potential  hat. 

50.  Man  zeige,  daß  die  Federkraft  —  Ix  ein  Potential  hat. 

3.  Kräfte,  die  von  der  Geschwindigkeit  explizit  abhangen,  können 
kein  Potential  haben:  Luftwiderstand  und  Reibung  haben  also  kein 
Potential. 

Denn  es  ist  ja  die  Gleitreibung 

und  hängt  also  selbst  bei  konstantem  f  wesentlich  Ton  t;  ab. 
87.^)  Wann  hat  eine  Kraft  ein  Potential?    Aus 

« 

folgt  zunächst,  daß  k  jedenfalls  nur  vom  Orte  abhängen  darf.  Das 
genügt  aber  nicht.  Schreiben  wir  die  Gleichung  (I)  in  recht- 
winkligen Koordinaten: 

,   _       dU 

*-         dx' 
i-  --^^ 

»  dy' 

h-      ^^ 


1)  Der  AnAnger  kann  diese  Nummer  auslassen. 


l^r.  87.  §  18.    Die  potentielle  Energie.  141 

so  folgt 

dk»        dky  ^ 

dy        djs   '"    ' 

dkx       dk:       rx 

dz         dx  ' 

dkjf       dkx r\ 

dx       ?y  ~    * 

Wie  die  Vektoranalysis  zeigt^  existiert  unabhängig  vom  Koordi- 
natensystem ein  Vektor,  dessen  Komponenten  die  linken  Seiten  der 
Torstehenden  Gleichungen  sind:  man  nennt  diesen  Vektor  den  Rotor 
Yon  k  und  schreibt  ihn 

rot  Je    oder     VÄ.  . 

Damit  also  ein  Potential  existiere,  ist  jedenfalls  notwendiff,  daß 

rot  *  «  0 

sei.     Diese  Bedingung  ist  auch  hinreichend. 
Denn  setzt  man  an 

dx  ""       ''" 
so  folgt 

X 

ü j\dx  +  w{y,z),  (1) 

a 

wo  w{yj  x)  eine  willkürliche  Funktion  von  y^  z  ist.     Daraus  folgt 


dy  J   d 


kx  ,^    ,    dw 


a 

Xi 


Jdx 


dx  +  TT-^  —  k+  Ä;„(a:  v,  £?)  +  3— 


Die  zweite  Gleichung 


du  , 

d^^^'^y 


ist  also  ebenfalls  erftUlt,  wenn  man  nur  setzt 

dtc  T    ,  , 

was  möglich  ist.     Daraus  folgt 

w  =  -j\{a',  y,  z)  dy  +  w\z\  (2) 

fr 
wo  it''  willkürlich  ist. 


142  IlL   Energie  und  Arbeit.  Nr.  88. 

Es  ergibt  sich  aber  weiter  aus  (1) 

dz  J   dz  dz 


«1 
^      J  dx 


«1 

dx  •\-   TT— 


Also  ist  aach 


erfüllt,  wenn  nur  noch 


-*,+  *,(a;y,^)  +  gj- 


dv>  I    r  N 


a^ 

erfüllbar  ist 

Aus  der  obigen  Gleichung  (2)  für  w  ergibt  sich  aber 


dxo I  ?*y_(?j 

dz  '^     J  ~~    di 


."^ "» + ^' 


6 

=  -  *^,(ö;  y,  ^)  +  *.(«;  &,  ^)  +  az' 

Es  sind  also  beide  Bedingungen  für  w  erfüllt^  wenn  man  nur  noch  aus 


dz 
w 


bestimmt^  was  natürlich  möglich  ist. 
Damit  ist  der  Beweis  erbracht. 

Aufgabe  51:    Man  überzeuge  sich,  daß  in  den  Beispielen  1  nnd  2  der 
vorigen  Nummer  die  Bedingung  rot  ^  =»  0  wirklich  erfüllt  ist. 

88.  NlTeanfl&che  und  Gradient.   Betrachten  wir  die  Gleichung 

Uir)  =  C, 

wo  C  konstant^  so  stellt  dieselbe  eine  Fläche  dar,  oder  eine  Flächen- 
schar,  wenn  wir  C  alle  möglichen  Werte  durchlaufen  lassen.  Wir 
nennen  die  Flächen  Niveauflächen  oder  Potentialflächen. 


Nr.  88.  §  18.    Die  potentielle  Energie.  143 

Bestimmen  wir  nun  in  bezug  anf  irgendein  Koordinatensystem 
den  Vektor  mit  den  Komponenten 

_dü    _cu    _dü 

dx^         dy^         dz' 

iiTT 

d.  h.  —  ^zTj  so  wollen  wir  zeigen,   daß  diesem  eine  Bedeutung  un- 
abhängig vom  Koordinatensystem  zukommt.     Es  gilt 

für  alle  rfr. 

Liege  nun  zunächst  dr  in  der  Fläche,  so  ist  wegen  U'^C, 
dU^O,  also  auch 

-Tzrdr^  0, 
dr  ' 

d.  h.  -r-   steht  auf  df  senkrecht,  oder: 

df  ' 

Der  Gradient  steht  auf  der  Niveaufläche  senkrecht. 
Sei  jetzt  v   der  Einheitsvektor  senkrecht  zur  NiTeauSäche  und 
zwar  nach  der  Seite  abnehmenden   {J's  gerichtet. 

Wählen   wir  df  =^v  -  dn  mit  positivem  rfn,  so  ist  d  U  negativ. 
Sonach  erhalten  wir 

Q>dU^^'V'dn, 

also 

dU    -  äU^  ^ 

Es  ist  also  —  -^  nach  der  Seite  abnehmenden  Potentials  eugericktet. 

Da  femer  |  i/ 1  =  1  und  —  -r=-  und  v  dieselbe  Richtung  haben, 
so  folgt 

dr     "  d'n  ' 

i1  TT 

Es  steht  also  —    ,-   auf  der  Potentiaifläche  senkrecht,  ist  nach  der 

Seite  Jkiehmenden  PoUmiials  eugerichtet  und  seine  Größe  ist  gleich  dem 
Differentialquotienten  von  U  tuich  der  Normalriclitung  Bur  Fläche, 

Das  ist  zugleich  die  Richtung  stärksten  Gefälles  von  Uj  denn 
dn  ist  der  kürzeste  Abstand  zweier  Potentialfiächen,  deren  Eon- 
stanten C  sich  um  du  unterscheiden.    Daher  der  Name  „Gefälle"  für 

df  ' 
Beispiele:    Für  die  Schwerkraft  sind  die  Potentialflächen  hori- 
zontale  Ebenen,    für   die   Anziehungskraft    der   Sonne   konzentrische 
Kugeln  um  die  Sonne. 


144  in.   Eneigie  und  Arbeit  Nr.  89,  90. 

89.  Der  Begriff  der  potentiellen  Bnergie  fBr  ein  be- 
liebiges System«  unsere  bisherigen  Betrachtungen  galten  für  einen 
einzigen  Punkt.  Wenn  sie  also  auf  ein  System  angewendet  werden 
sollen,  so  ist  das  System  durch  den  Schwerpunkt  zu  ersetzen  und 
unter  i  sind  die  äußeren  Kräfte  verstanden. 

Wir  wollen  nun  allgemein  sagen ,  daB  ein  Eräftesystem  dk  an 
einem  beliebigen  System  ein  Potential  habe,  wenn  sieh  die  wirkliche 
Arbeit  ^ 

A=J  ^dk'df 

—  wo  jetzt  df  die  Verschiebungen  der  wirklichen  Angriffspunkte, 
f  die  Integration  nach  der  Zeit,  S  die  Summation  über  die  Kräfte 
bedeutet  — ,  a  priori  ohne  Kenntnis  der  Bewegung  ausrechnen  läßt. 
Wir  nennen  dann  das  uubestimmte  Integral 


-/s 


dkdf^ü 


die  potentielle  Energie  des  Kräftesystems. 

Beispiel  der  Schwerkraft.  Die  Schwerkraft  hat  ein  Potential, 
denn  es  ist 

J  ^dk'df^  —  gj  S dm  •  rff  =  —  ^  •  S rfm r 

^  ^  g  '  m'f*=  mg  •  z*. 

Bei  jedem  irdischen,  materiellen  System  ist  die  potenHdle  Energie 
der  Schwere  gleich  dem  Produkt  aus  dem  Gewicht  und  aus  der  Hohe 
des  Schwerpunkts  über  einer  bdidngen,  aber  festgehaltenen  Horioontalebene. 


§  19.   YoUständige  Theorie  der  ebenen  Bewegung  des 

mathematischen  Pendels. 

90.  Die  Energiegleiohnng.  Wir  betrachten  die  Bewegung 
eines  mathematischen  Pendels  in  der  durch  den  Aufhängepunkt 
gehenden  Vertikalebene,  ohne  daß  wir  uns  auf  kleine  Schwingungen 
beschränken  (wie  in  Nr.  66),  und  ohne  Rücksicht  auf  Widerstände. 
Da  die  einzige  Kraft,  die  Arbeit  leistet,  die  Schwerkraft,  ein 
Potential  hat 

?7=»  mgZf 
wo 

jer  =  —  l  cos  O", 

so  lautet  die  Energiegleichung 

U+E  =  h, 
hier 

YmP#*—  mgl  cosd^  =  A. 


Nr.  91.  §  19.   Theorie  der  ebenen  Bewegung  des  math.  Pendels.  145 

Sei  für  irgendeinen  Winkel  d'Q  die  Winkelgeschwindigkeit  -ö-^Oq 
gegeben,  so  muß  für  diese  Werte  die  vorstehende  Gleichung  erfüllt  sein, 
d.  h.  es  ist 

Ä  =  Y  ml^OQ^  —  mgl  cos  d'Q, 
und  die  Energiegleichung  erhält  mit  der  Abkürzung 

2        9 

die  Form 

d'^  —  2v*  cos #  =-  Oo*  -  2v*  cos d^^,  (I) 

Wählen  wir  z.B.  d^Q^^O  und  nennen   das   zugehörige   (Oq,   also   die 
Winkelgeschwindigkeit  im  tiefsten  Punkte  (o^,  so  wird  aus  (I) 

^ -  2v^  cos -9-  =  o^«-  2v«,  (r) 

woraus  folgt 

^  =  Vcöi«-  2i/«(r-^cös¥)  =  yV-  4i;«  sin"y . 

Danach  sind  zwei  Fälle  denkbar: 

1.  ©1  >  2v:  Die  Wurzel  wird  nie  Null,  d"  bleibt  absolut  ge- 
nommen größer  als  yoi'' —  iv%  das  Pendel  läuft  also  immer  im  selben 
Sinne  rundum.     Das  ist  der  Fall  des  umlaufenden  Pendels. 

Der  Minimalwert  von  (o 


(D« 


-  Yco^^  -  4t/« 


wird  für  O*  =  ä,  d.  h.  im  höchsten  Punkte  erreicht. 

2.  o.  <  2v.     Für  sin  ,.=—-,  dem  ein  reeller  Winkel  d'  =  cc  ent- 

spricht,  wird  0=0.  Grrößer  wie  a  kann  d'  nicht  werden,  da  sonst  a» 
imaginär  würde.  Es  wird  also  für  O*  =  a,  0  =  0  das  Pendel  um- 
kehren, die  Wurzel,  d.  h.  o  sein  Zeichen  wechseln.  Wir  haben  den 
Fall  des  hin-  und  hergehenden  Pendels. 

3.  Den  Zwischenfall  o^  =  2v.    Der  höchste  Punkt  #  =  ä  könnte 
noch  erreicht  werden,  allerdings  mit  der  Geschwindigkeit  Null. 

Wir  gehen  jetzt  zur  Besprechung  dieser  drei  Fälle  über. 
Aufgabe  62:  Man  leite  die  Gleichung  (I)  direkt  aus  der  Gleichung 

^  +  v'  ain-^^O 

von  Nr.  66  ab  nach  der  in  Nr.  67,  Beispiel  2,  erläuterten  Methode. 

91.  Das  nmlaufende  Pendel.    Aus 


o  =  l/cji*—  4v'  sin'-- 


Hamel:  Elementare  Mechanik.  10 


146  ni.   Energie  und  Arbeit.  Nr.  91. 

folgt 


I  j/a),*-4y«8ixi* 


«• 


9 

1    r_  j9 


wo  X*  =  -  i  <  1  ist. 

Das  Integral  ist  ein  elliptisches  und  kann  durch  elementare 
Funktionen  nicht  in  geschlossener  Form  dargestellt  werden.  Wir 
woUen  folgendes  Näherungsverfahren  einschlagen: 

Es  ist  der  Integrand 

(l  -  X*  sia'  g)      -=  1  +  yx*  sin*  Y  +  yx*  sin* y  +  ^^x«  sin^y  +  •  •  • 
Man  kann  diese  Reihe  in  eine  Eosinusreihe  yerwandeln,  da 


'^^^ '   —      cos  -ö"  +  —  cos  2#, 


sm*—  = 


8  2  '8 

•      A^  Ö  15  cv       1        3  rt  *v  1  Oft 

Sm«  2  ==  16  ""  32  ^^^  '^  +  Te  ^^®  ^'^  ""  32  ^®  ^^     ^^^' 
Sonach  wird 

+  (  )  cos  ^  +  (  )  cos  2#  +  0  cos  30«  H 

Wir   wollen  uns  nun  damit  begnügen^   die  Zeit  x  eines  yollen 
Umlaufes  auszurechnen,  d.  h. 

2/r 


1        /*  d» 

*"»    /l/i  «    ■    «^ 

/    1/1  —  x'  sin' 


0 

Da  aber  cos-ö",  cos  2^ . . .  von  0  bis  23r  integriert,  Null  geben,  so  wird 
Diese  Reihe  konvergiert  für  x  <  1. 


Nr.  92.  §  19.   Theorie  der  ebenen  Bewegung  des  maih.  Pendels.  147 

Bemerkung:  Ist  bei  einem  umlaufenden  Apparat  cd^  die  größte, 
Qg  die  kleinste  Winkelgeschwindigkeit,  cd^  eine  mittlere  Winkel- 
geschwindigkeit, so  nennt  man  S^~ *    den   Ungleichförmig- 

keitsgrad. 

Man  nimmt  gewöhnlich  für  o^  den  Wert  ~^^^^ .     Ist  d  klein, 

genauer:   ist   (d^—g)^    klein   gegen   alle   vorkommenden   cd,   so    wird 

man  nur  einen  Fehler  zweiter  Ordnung  begehen,   wenn  man  "*7""' 

mit  irgendeinem  Werte  zwischen  G)^  und  co,  verwechselt,  wie  es  meist, 
allerdings  nicht  immer  mit  der  nötigen  Beachtung  der  Voraus- 
setzungen, geschieht. 

Aufgabe  53:  Wie  groß  mnß  man  oo^  wäblen,  damit  bei  einem  umlaufenden 
Pendel  von  gegebener  Länge  l  der  Ungleich  förmigkeitsgrad  S  einen  vor- 
geschriebenen Wert  £  nicht  überschreitet? 

92.  Das  hin-  und  hersohwingende  Pendel.  Es  sei  jetzt 
a)^^<4i/',  a  der  maximale  Ausschlagwinkel.  Dann  setzen  wir  (Dq»0, 
dg »  a  und  erhalten  aus  Gleichung  I  (Nr.  90) 

d*—  2v*  cosO"  =«  —  2v*  cos«, 
also 


^J  y2coB0'  — 2co8a 


Wir  wissen  nun,  daß  d'  zwischen  ~  a  und  +  cc  hin-  und  hergeht, 

daß  also 

1  ^  cos  d"  ^  cos  «. 

Dementsprechend  fOhren   wir   eine   neue   Variable  ^   ein   durch   die 

Substitution 

1  —  cos  0-  ===  (1  —  cos  a)  sin'^ 
oder,  da 

1  —  cos  ö-  «  2  sin*  Q- , 
zugleich  mit  genauerer  Festlegung  des  Zeichens  durch 
(1)  sin  -  «=  sin  -    sin  ^. 

Wenn  ^  fortlaufend  alle  reellen  Werte  durchläuft,  geht  d"  bestandig 
zwischen  —  a  und  +  a  hin  und  her.     Aus  (1)  folgt 


y2  cos O"  —  2  cos a  =-  )/2(l  —  cos«  —  (1  —  cosd)) 


1/4  sin* Y  cos*^  =  ±  2  sin  -^  cos ^. 


10* 


148  ni.   Energie  und  Arbeit.  Nr.  92. 

Femer  ergibt  die  Differentiation  von  (1) 

—  cos  ,.  dd"  —  sin  -r-  cos  ^  •  dtf; 

2  sin  —  C08  rf)  •  d^ 


1/ 1  —  ain*  --  •  sin*  ff) 


Die  Wurzel  ist  luer  positiv  zu  nehmen,  da  cos  ~ö  >^  ist-     Setzen 

wir  alles  in  das  Integral  för  t  ein  und  beachten  wir,  daß  wir  noch 
festsetzen  können,  daß  ^  mit  t  dauernd  wachse,  —  das  umgekehrte 
könnte  durch  Änderung  des  Zeichens  von  ^  wett  gemacht  werden, 
das  negative  Zeichen  in  (1)  aber  dadurch  entfernt  werden,  daß  man 
-ö-  +  2  Ä  an  Stelle  von  d'  betrachtete  — ,  so  folgt 


' "  Vv' 


dfl) 


—  »in'—-  sin'V' 


Setzen  wir  noch  sin  —  =  x  und  rechnen  /  von  d  *»  0  an^  so  erhalten 

wir    die    sogenannte    Legendresche    Normalform    des    elliptischen 
Integrals 


0 

wo  x'  <  1  ist. 

Auch  hier  mag  die  Integration  für  den  Fall  einer  vollen 
Schwingung  ausgeführt  werden.  Einer  solchen  entspricht  der  Verlauf 
von  tj;  von  0  bis  2;r.     Also  ist  die  Periode 


2n 


__  1   r dtjj^ 


oder  nach  einer  analogen  Entwicklung  wie  in  Nr.  91 

=  2«j/.I(l  +  lx«+...), 

WO  x*=»  sin*—  ist 

Vernachlässigung  schon  des  zweiten  Gliedes  gibt  die  Formel 
für  unendlich  kleine  Schwingungen.  Für  sehr  feine  Beobachtungen 
wird  Beachtung   des   zweiten  Gliedes   genügen.      Selbst  wenn   a   im 


Nr.  98, 94.       §  19.   Theorie  der  ebenen  Bewegung  des  math.  Pendels.  149 

1  .  11  1 

Bogenmaß  etwa  t^  ist,  so  ist  x  angenähert  ^,  ---**  ^^^^  ?eöö*    ^^^ 

nimmt    aber    für    wissenschaftliche   Beobachtungen    meist    sehr   yiel 
kleinere  Ausschlagwinkel,  so  daß  auch  noch  das  Glied  mit  -j-^^  ^<^^ 

gelassen  werden  kann. 

Aufgabe  64:  Man  schätze  unter  Benutzung  des  Bestgliedes  der  Taylor- 
schen  Reihe  für  die  benutzte  Reihe  den  Fehler  ab,  den  man  begeht,  wenn  man 
mit  dem  zweiten  Gliede  abbricht. 

93.  Der  ÜbergangsfUl  a>^'  «  4  v'.  In  diesem  FaUe  wird  aus  (I) 

-^*-  2i;\l  +  cosd)  =  4v*  cos'y , 
also  d  =  +  2v  cos  TT  • 


Daraus  folgt 


^   2 


Die  Integrationskonstante   fallt  fort,   wenn  wir   annehmen,   daß  für 
^  =  0  auch  t  ^0  wird. 

Man  sieht  nun  aber,  daß  t  ^  ±oo  wird  für  d »  ±  ;r.  Das 
Pendel  nähert  sich  also  mit  stets  abnehmender  Geschwindigkeit  dem 
obersten  Punkte  der  Kreisbahn,  ohne  ihn  je  zu  erreichen  (t »  ex»). 
Oder  es  kommt  von  dort  her,  ohne  aber  je  da  gewesen  zu  sein 
(^  »  —  cx)).  Wir  haben  eine  sogenannte  asymptotische  Bewegung  in 
der  Nähe  der  obersten  Stelle. 

94.  Terhalten  der  Fadenspaimung.  Wir  haben  früher  in 
Nr.  66  für  die  Fadenspannung  S  die  Formel  abgeleitet 

S  =  mg  cos  O*  +  mlca^. 

Setzen  wir  hierin  nach  Formel  (I')  (Nr.  90) 

1(0^  =  Ig)i^  +  2g  cos  d^  —  2g, 
so  erhalten  wir 

S  =  mlaj^^  +  3mg  cos  d-  —  2mg, 

wonach  zu  jedem  d'  das  zugehörige  S  berechnet  werden  kann. 
Wir  müssen  nur  noch  prüfen,  ob  die  Nebenbedingung 

S>0 
erfüllt  ist. 

S  nimmt  ab  mit  wachsendem  ». 

Für  O"  =»  Ä  (beim  umlaufenden  Pendel)  ist  also 

Smin  =  ml(Oi^—  5mg, 


150  ni.  Energie  und  Arbeit.  Nr.  94. 

Damit  also  S>0  sei,  ist  beim  amlaufendeii  Pendel  nötig  nnd  hin- 
reichend, daß 

©1*  >  5v* 

sei.  Beim  hin-  und  hergehenden  Pendel  nehmen  wir  besser  die 
Formel  aus  Nr.  91 

1(0*  =  2g  cos  d"  —  2g  cos  a, 
wodurch 

S  =  ^mg  cos  d"  —  2fng  cos  a 

wird.     Für  d"  ^  a  aber  wird 

S  —  mg  cos  «. 

Damit  also  dauernd  5^0  sei,  muß  ^  ^  -^   sein.     Da 

Zcöi*  ^  2g  '-2g  cos  a 
ist,  heißt  das,  daß 

(öl»  ^  2v« 
sein  muß.     Wenn  aber 

ist,  wozu  auch  der  Zwischenfall  (Oj*^4v*  gehört,  so  wird  einmal 
5 »  0.  Es  wird  also  dann  der  Punkt  die  Kreisbahn  yerlassen  und 
frei  (mit  8  =^0)  in  einer  Parabel  herabfallen.     Denn  infolge 

S  —  3mg  cos  0-  —  2mg  cos  cc 

und  cos«  <  0  kann  S  nur  negativ  werden  an  einer  Stelle,  wo  ^>  « 

ist.     Da  gibt  es  aber  eine  Parabel,  die   sich  stetig   und  der  augen- 
blicklichen   Geschwindigkeit    entsprechend    der   Kreisbahn    anschließt 
und  zunächst  wenigstens  innerhalb  derselben  verläuft. 
Denn  an  der  Stelle  S  =  0  ist 

3  cos  -ö"  =  2  cos  « 
und  also  das  zugehörige  cd' 

Qj*  =  —  V*  cos  0^. 
Also  der  Krümmungsradius  der  Parabel  nach  der  Formel 

—  —  —  AT  COS  ^ 

f?« ?«»^    _  , 

^  g  cos  -ö"  ^  cos  ^ 

Die  Krümmung  der  Parabel  ist  also  an  dieser  Stelle,  wie  auch 
zu  erwarten  war,  gleich  der  des  Kreises.  Nach  dem  Scheitel  zu 
nimmt  aber  die  Krümmung  der  Parabel  zu,  und  da  bei  der  Wurf* 
parabel  der  Scheitel  oben  liegt,  so  wird  die  Parabel  in  den  Kreis 
eintreten. 


Nr.  96.  §  20.    Das  allgemeine  Gravitationsg^etz.  151 

Daß  übrigens  an  der  Stelle^  wo  S  =  0  wird,  der  Punkt  in  das 
Ereisinnere  tatsächlich  eintritt;  kann  auch  so  erschlossen  werden: 

Betrachten  wir  die  Beschleunigungskomponente  in  Richtung  des 
EreisradiuS;  so  ist  sie  für  die  Ereisbahn 

-  ff  cos  0«  + 5 

für  die  Parabel 

—  G  cos  O". 

Da  5  <  0;  so  ist  die  Beschleunigung  im  letzten  Falle  größer  als 
im  ersten,  der  Punkt  wird  also  tatsächlich  die  Ereisbahn  nach  innen 
verlassen. 

Was  dann  geschieht,  wenn  die  Parabel  das  zweite  Mal  die  Ereis- 
bahn trifft,  wenn  also  der  Faden  plötzlich  wieder  gespannt  wird,  kann 
hier  noch  nicht  erörtert  werden.  Es  handelt  sich  um  ein  Impulsions- 
problem (siehe  §  52). 

Dieselbe  Bewegung  wie  unser  Pendel  würde  auch  ein  Punkt  aus- 
führen, der  reibungsfrei  in  einer  vertikalen,  kreisförmig  gebogenen 
Röhre  gleiten  kann.  Nur  wäre  S,  der  Druck  der  Röhre  auf  den 
Punkt,  nicht  der  Bedingung  5>0,  und  daher  auch  a^  keiner  Be- 
schnLnkung  unterworfen. 


Eapitel  IV. 

Elemente  der  Himmelsmechanik. 

§  20.   Das  allgemeine  Gravltatlonsgesetz. 

9B.  Ableitimg  des  OesetieB  mit  Benutzung  der  lex  tertia. 

Wir  haben  in  Nr.  38  gesehen,  wie  sich  die  Bewegung  der  Planeten 

um   die   Sonne   in   erster  Annäherung  durch  das  Newtonsche  Eraft- 

gesetz  darstellen  läßt^  das  uns  sagt,  daß  die  Sonne  auf  die  Planeten 

eine   Eraft   ausübt,    welche    auf  die   Sonne   zugerichtet    ist   und   die 

Größe  hat 

>       Im 

Dabei  hängt  k  nicht  mehr  von  den  einzelnen  Planeten  ab. 

Nun  lassen  sich  aber  die  Bewegungen  der  Monde  um  die  ein- 
zelnen Planeten  nach  einem  analogen,  nur  durch  den  Wert  von  X 
unterschiedenen  Gesetze  erklären.  Bedenken  wir  weiter,  daß  die 
Erde  auf  jeden  Eürper  eine  Eraft,  die  Schwerkraft,  ausübt,  daß  nicht 
einzusehen  ist,  warum  diese  Eraft  Wirkung  in  einer  gewissen  Ent- 
fernung aufhören  soU,  so  werden  wir  wohl  nicht  die  Vermutung  ab- 
weisen können,  daß  wir   es  in  der  Schwerkraft,  der  Anziehungskraft 


152  ^^*    Elemente  der  Himmelsmechanik.  Nr.  95. 

der  Sonne  auf  die  Planeten  and  derjenigen  der  Planeten  auf  die 
Monde  mit  Teilerscheinungen  eines  einzigen  Eraftgesetzes  zu  tan 
liaben.  Dieses  sogenannte  Gravitationsgesetz  besteht  demnach  darin, 
daß  jeder  Körper  jeden  anderen  von  der  Masse  m  mit  einer  Kraft 
anzieht,  die  auf  den  ersteren  zugerichtet  ist  und  das  Gesetz 

erftLllt,  wobei  k  noch  von  dem  anziehenden  Körper  abhängt. 

Um  X  zu  finden,  nahm  Newton,  der  zuerst  diese  Generalisation 
aussprach,  zu  seiner  allgemeinen  lex  tertia  Zuflucht,  der  zufolge  die 
Kraft  kl,  die  Körper  1  auf  Körper  2  ausübt,  stets  entgegengesetzt 
gleich  sein  soll  der  Kraft  Jc^,  die  2  auf  1  ausübt.     Also 


oder 


^1  ^s          ''i  ^1 

r*    ~    r*    ' 

i. 

i. 

»"l 

w. 

Ton  jedem  Körper  unabhängig,  d.  h.  eine  Universalkonstante. 

Also  ziehen  sich  zwei  Körper  von  den  Massen  m^  und  m^  mit 
einer  Kraft  an,  die  gleich 

ist,  wo  r  die  gegenseitige  Entfernung  und  F  eine  UniversaUconstante 
bedeutet. 

Das  ist  das  allgemeine  Gravitationsgesetz. 

In  dieser  Form  ist  es  klar,  wenn  man  von  einer  Entfernung  r 
der  beiden  Körper  sprechen  kann,  d.  h.  wenn  die  Dimensionen  der 
Körper  klein  sind  gegen  ihre  Entfernungen.  Allgemeiner  und  exakter 
werden  wir  das  Gesetz  für  Massenelemente  aussprechen: 

Zwei  Massendemente  dm^  und  dm^  in  der  Entfernung  r  von 
einander  ziehen  sich  mit  einer  Kraft 

dk^r^'f^-' 

Die  allgemeine  Gravitation  erscheint  somit  als  räumlich  verteilte 
Kraft.  Diese  Kraft  hat,  wenn  wir  die  Koordinaten  des  anziehenden 
Elementes  als  konstant  ansehen,  hinsichtlich  der  Koordinaten  des  an- 
gezogenen Körpers  ein  Potential: 

r,  dm,  dm^ 

n  =  —  r     - — - , 
d.  h.  es  ist 


(siehe  Nr.  87). 


*  dr. 


Kr.  96. 


§  20.    Das  allgemeine  GrayitationsgeBetz. 


153 


Daraus  folgt:  Die  Kraft,  welche  ein  ausgedelmter  Körper  auf  ein 
Masseoelement  duij  ausübt^  hat  ein  Potential,  d.  h.  es  ist 


und  dabei  ist 


U 


—  dm^r 


(1) 


Das  Integral  ist  über  den  Körper  (1)  zu  erstrecken. 

96.  Die  Ansiehnng  einer  aus  homogenen,  konzentrischen 
Schalen  meammengeBetzten  Kngel.  Betrachten  wir  die  An- 
ziehung einer  homogenen, 
unendlich  dünnen  Kugel- 
schale vom  Radius  q,  der 
Dicke  dg  und  der  spezi- 
fischen Masse  (i  auf  ein 
Massenelement  dm^  an  der 
Stelle  P  in  der  Entfernung  a 
vom     Mittelpunkt     0     der 

Kugel.    Dabei  kann  a^p 

sein.     Teilen   wir  nun   die  Pig.  66. 

Kugelschale  in  Ringscheiben 

durch  Ebenen  senkrecht  zu  OP,  so  haben  aUe  Punkte  eines  solchen 

Streifens  dieselbe  Entfernung  r  von  dm^  und  es  ist  also  ihr  Potential 

„dm^  '  ft2«9  sin^ •  gd^  •  dg 
^l  __  ^ 

da  (»äO'  die  Breite  des  Streifens  bedeutet,  (»sind*  seinen  Radius,  wenn 
-^  der  Winkel  XOP  ist. 

Also  ist  das  Potential  der  ganzen  Kugelschale  auf  den  Punkt  P 


2      rr     'T  /  _j^y^.^^,_2^p, 


9C08^ 


Denn  es  ist 


r  =  +ya^+  p*—  2aQ  cos  #. 


Die  Wurzel  ist   der  Bedeutung  von  r  entsprechend,  stets  positiv  zu 
zählen. 

Man  kann  die  zur  Berechnung  von  u  notwendige  Integration  aus- 
führen und  erhält: 


u 


-  rdm, ^''^^'^'  1/a«  +7^-  2apcos^o. 


Nun  sind  zwei  Fälle  zu  unterscheiden:  a)  es  liege  P  außerhalb  der 
Kugel:  a>  Q.     Dann  wird 


154-  IV.   Elemente  der  Himmelsmechanik.  Nr.  96. 

«-  -  rdm,  *-^!M^{a  +  9  -  (o-p)}=.  -  rdm,  —f^dg, 

da  ja  dm^  =»  4xQ*(idQ  die  ganze  Masse  der  Kugelschale  ist. 

Es  berechnet  sich  also  das  Potential  der  Engelschale  auf  einen 
Punkt  außerhalb  genau  so,  als  ob  es  sich  um  die  Anziehung  eines 
Punktes  handele,  der  im  Mittelpunkt  der  Kugel  liegt  und  die  Masse 
der  ganzen  Schale  besitzt. 

b)  Es  liege  P  innerhalb  der  Kugel:  a  <  (».     Dann  ist 


+  ")/ä*+  p'—  2aQ  cosö-^«  Q  —  ^} 
also 

u  «=  —  rdm^47CiiQdQ, 

d.  h.  konstant,  unabhängig  von  der  Lage  des  Punktes  P. 
Ist  aber  das  Potential  konstant,  so  ist  die  Kraft  Null. 

Eine  homogene  Kugdschdle  übt  auf  einen   Punkt  im   Innern 
keine  Anziehung  aus. 

Beide  Potentiale  gehen  in  der  Grenze  a  =  q  stetig  ineinander 
über,  die  Kräfte  aber  nicht. 

Wir  wollen  uns  nun  vorstellen,  daB  wir  eine  Vollkugel  haben, 
die  aus  lauter  konzentrischen  homogenen  Kugelschalen  bestehen  soll. 
Der  Radius  sei  R. 

Für  einen  Punkt  außerhalb  a  >  12  ist  dann  das  Potential 

w  =  —  1 

a 

Man  braucht  nur  die  obige  Formel  des  Falles  a)  zu  summieren.    Die 
Kraft  aber  ist 

du         „  -,  a 


Für  die  Wirkung  na>ch  außen  kann  man  also  eine  solche  Kugd 
wie  einen  Punkt  behandeln. 

Liegt  aber  P  innerhalb  der  Kugel,  ist  also  a  <  ü,  so  teilen  wir 
die  Kugel  in  zwei  Teile:  eine  Kugel  vom  Radius  a  und  eine  Hohl- 
kugel  von  den  Radien  a  und  iJ.  Für  erstere  liegt  der  Punkt  außer- 
halb, für  letztere  innerhalb.    Mithin  ist  das  Potential  in  diesem  Falle 


R 


M  =  —  r ^-  1 4:XQ^dQfi  —  rdm^ix  I (iQdg 


Nr.  97.  §  80.    Das  allgemeine  Gravitationsgesetz.  155 

Die  Kraft  kann  dagegen  im  zweiten  Fall  so  bereclinet  werden, 
als  ob  die  Masse  der  inneren  Kngel  allein  im  Mittelpunkte  konzen- 
triert wäre,  d.  h.  es  ist  für  a  <  iZ 

a 
0 

Natürlich  ist  auch  hier  t  =  —  ,_  • 

Man  erkennt  aus  dem  Vorhergehenden,  daß  sich  bei  der  Voll- 
ktigel  Potential  und  Kraft  stetig  an  der  Kugelgrdnze  verhalten,  wenn 
sie  auch  auBen  und  innen  verschiedenen  analytischen  Gesetzen  ge- 
horchen. 

A  a f  g  a  b  6 :  65.  1  kg  Steinkohle  hat  einen  Arbeitswert  von  etwa  7000  x  420  mkg. 
Wie  tief  darf  die  Kohle  gelagert  sein,  damit  die  Förderarbeit,  welche  die  Schwere 
allein  verursacht,  nicht  schon  großer  ist  als  der  Wert  der  Kohle? 

97.  Über  die  Stetigkeit  des  Potentials  und  seiner  Ab- 
leitungen.^) 

Man  kann  gegen  unsere  Betrachtungen  einwenden,  daß  wir  ohne  weiteres 
die  Formeln  bis  an  die  Grenzen  Q^^a  haben  gelten  lassen,  obwohl  sie  eigent- 
lich nur  für  p ^ a  bsw.  Q<Ca  bewiesen  sind.  Diesem  an  sich  berechtigten  Ein- 
wand kann  man  so  begegnen. 

Das  Potential,  das  bis  auf  einen  konstanten  Faktor  gleich 


f' 


und  die  Kraft,  deren  Komponente  nach  der  £- Achse  bis  auf  denselben  Faktor  gleich 

ist,  verhalten  sich  als  Funktionen  von  r,  sicher  regulär,  solange  nicht  r^^=ir^, 
d.  h.  r  ==»  0  werden  kann,  also  der  angezogene  Punkt  in  das  Innere  der  Massen 
hineintritt. 

Nun  soll  aber  gezeigt  werden,  daß  auch  in  diesem  Falle  die  Stetigkeit  und 
Endlichkeit  des  Potentials  und  seiner  ersten  Ableitungen,  d.  h.  der  Kraft,  nicht 
aufhören,  vorausgesetzt,  daß  die  anziehenden  Massen  wirklich  räumlich  verteilt 
sind,  d.  h.  die  spezifische  Masse  ft  endlich  bleibt. 

Machen  wir  nämlich  den  angezogenen  Punkt  (f,)  zum  Anfangspunkt  eines 
Polarkoordinatensjstems  r^tp,  so  ist  bekanntlich  das  Volumelement 

X,  —  «1  =  —  r  cos  a , 


1}  Der  Anfänger  kann  diese  Nummer  fortlassen. 


156  I^-   Elemente  der  Himmelsmechaiiik.  Nr.  97. 

wo  a  den  Winkel  von  f^^    r^  R^g^i^  die  :c- Achse  bedeutet.    Das  Potential  aber 
wird  —  bis  auf  die  fortgelassenen  konstanten  Faktoren 


die  Krafbkomponente 


/' 


ftrBiDd'dd'dipdr 


ß 


^  cos  a  sin  ^d^dtpdr. 


Beide  Integrale  aber  bleiben  endlich  und  stetig,  wenn  jetzt  r  =  0  werden  kann^ 
d.  h.  wenn  Massen  bis  an  den  angegebenen  Punkt  heranreichen.  (Denn  an- 
statt den  Aufpunkt  —  wie  man  oft  den  angezogenen  Punkt  nennt  —  zu  Ter* 
schieben  und  die  anziehenden  Massen  festzuhalten,  kann  man  natürlich  auch 
den  Aufpunkt  festhalten  und  die  Massen  verschieben.)  Grenzt  man  um  den 
Aufpunkt  einen  kleinen  Bereich  J  V  von  beliebiger  Gestalt  und  der  Maximal- 
dimensiou  d  ab,  so  gibt  selbst  das  plötzliche  Auftreten  einer  endlichen  Massen- 
dichte  vom  Maximalbetrage  \l  zum  Potential  einen  Beitrag 


/ 


\LrdrfiiJi9d^dip   <  — ^^'2« 


und  zur  Kraft  einen  Beitrag 

fidrcosasin^dqpd^    •<fi2«^, 


'/' 


die  also  beide  mit  9  unendlich  klein  werden. 

Das  plötzliche  Auftreten  von  Masse  in  unendlicher  Nähe  des  Aufpunktes 
verursacht  also  keine  plötzliche  Änderung  des  Potentials  und  der  Kraft. 

Man  darf  also  eine  Formel,  die  bis  an  die  Grenze  der  Masse  gilt,  auch  für 
diese  Grenze  selbst  noch  anwenden,  wenn  Potential  und  Kraft  in  Frage  kommen. 
Für  die  zweiten  Ableitungen  des  Potentials  gilt  das  aber  nicht  mehr.  Viel- 
mehr kann  man  zeigen,  dafi  dieselben  an  Grenzen,  wo  fi  unstetig  ist,  ebenfalls 
unstetig  werden. 

Z.  B.  gilt  die  Laplace-Poissonsche  Gleichung  für  das  Potential 

^'tt        ^*tt        d^u 

(x,  y,  z  die  rechtwinkligen  Koordinaten  des  Aufpunktes),  woraus  man  erkennt, 
dafi  die  linke  Seite  mit  fi  springt.    Wo  keine  Masse  ist,  gilt  insbesondere 

Ju=^Q    (Laplace). 

Hier  soll  darauf  nicht  weiter  eingegangen  werden.  Die  hierher  gehörenden 
Untersuchungen,  besonders  diejenigen,  welche  die  fundamentale  Differential- 
gleichung von  Laplace  anbetreffien,  pflegt  man  in  der  Potentialtheorie  zu 
behandeln.  Es  sei  auf  die  schon  in  Nr.  9  genannten  physikalisch-mechanischen 
Lehrbücher  hingewiesen,  welche  den  Gegenstand  behandeln:  Kirchhoff,  Schell, 
Routh,  Statik,  Bd.  2,  Thomson-Tait,  Webster.  Ein  spezielles  Lehrbuch 
ist:  Betti,  Potentialtheorie,  deutsch  von  Fr.  Meyer,  ein  mehr  für  Mathematiker 
geschriebenes  das  von  Korn.  Literatur,  Geschichte  und  Überblick  findet  man 
in  dem  Artikel  von  H.  Burckhardt  und  W.  F.  Meyer:  Potentialtheorie,  in  der 
Encyklopädie  der  matb.  Wissenschaften,  Bd.  II,  Teil  A,  Nr.  7  b.  Als  grundlegend 
seien  genannt  die  beiden  Arbeiten:  Gauß,  Allgemeine  Lehrsätze  in  Beziehung 
auf  die  im  .verkehrten  Verhältnisse  des  Quadrats  der  Entfernung  wirkenden  An- 
ziehungs-  und  Abstoßungskräfte  (1840)  (neu  herausgegeben  in  Ostwalds  Klassiker 
der  exakten  Wissenschaften,  Nr.  2)  und  Green,  Ein  Versuch,  die  mathematische 


Kr.  98.  §  20.    Das  allgemeiiie  Gravitationngesetz.  157 

AnaljBis  auf  die  Theorien  der  Elektrizität  und  des  Magnetismas  anzuwenden 
^828;  ebenfalls  in  Ostwalds  Klassikersammlung  erschienen  als  Nr.  61).  Über 
den  Zusammenhang  mit  der  Funktionentheorie  siehe  die  fundamentale  Arbeit 
von  Riemann,  I.  ges.  Werke;  als  Lehrbuch:  Picard,  Traitä  Bd.  11. 

Aufgabe  56:  Man  beweise  die  Laplace-Poissonsche  Gleichung  für  das 
Potential  der  aus  homogenen,  konzentrischen  Schalen  bestehenden  Kugel. 

98.  BrgebnlsBe  von  Beobachtnngen.  Es  bleiben  die  Fragen 
zu  erörtern:  wie  groß  ist  die  uniyerselle  Konstante  Fy  die  man  auch 
Oanßsche  Eonstante  nennt?  Läßt  sich  die  allgemeine  Gravitation 
auch  zwischen  irdischen  Objekten  experimentell  nachweisen?  Und 
wie  weit  bestätigt  die  Erfahrung  das  Newtonsche  Anziehungsgesetz? 

Man  hat  nun  tatsächlich  die  Gravitation  an  irdischen  Objekten 
festgestellt  und  gemessen  und  zwar  nach  verschiedenen  Methoden: 
a)  aus  Pendelversuchen,  indem  man  davon  ausging,  daß  ein  horizon- 
tales Pendel  unter  Einwirkung  einer  seitlich  angebrachten  Masse 
schwingen  muß  wie  ein  gewöhnliches  Pendel  unter  Einwirkung  der 
Schwerkraft;  b)  aus  Versuchen  mit  der  Wage:  man  entfernte  die 
Wagschalen  möglichst  weit  voneinander  und  brachte  die  eine  unter 
Einwirkung  einer  großen  abwärts  ziehenden  Masse:  die  betreffende 
Schale  mußte  so  ein  Übergewicht  bekommen,  das  man  durch  Zusatz- 
gewichte auf  die  andere  Wagschale  direkt  messen  konnte,  c)  Durch 
Versuche  mit  der  Drehwage,  eine  Methode,  die  der  direkten  Messung 
der  Kraft  durch  ein  Dynamometer  ziemlich  nahe  kommt,  nur  daß  die 
Torsionswirknng  der  Feder  statt  der  Längswirkung  benutzt  wird. 
Diese  Versuche  haben  ziemlich  übereinstimmende  Werte  für  F  er- 
geben, im  Mittel 

F=  6,675  •  10"®  im  c.  g.  s.- System. 

Man  hat  auch  die  Ablenkung  des  Pendels  durch  Bergmassen  benutzt, 
um  F  zu  finden.  Man  muß  allerdings  dann  das  Gewicht  des  Berges 
aus  seinen  Dimensionen  und  dem  spezifischen  Gewicht  seiner  Gesteins- 
massen abschätzen. 

Vergleicht  man  die  Resultate  der  besten  Methoden  miteinander, 
so  ergibt  sich  eine  Unstimmigkeit  von  etwa  1,5  7of  ^^  l^^i  der  Klein- 
heit von  F  und  der  Schwierigkeit  der  Beobachtungen  nicht  wun- 
dem kann. 

Wenn  nun  die  Erdbeschleunigung  g  wirklich  von  der  Anziehung 
der  Erde  herstammt,  so  muß  man  die  Erdmasse  daraus  bestimmen 
können.     Denn  es  muß  dann  sein 

WO  m  die  Erdmasse.  R  den  Erdradius  bedeutet.     Sei  |li  die  mittlere 


158  IV.  Elemente  der  Himmelsmechaiiik.  Nr.  98. 

spezifische  Masse  der  Erde,  so  ist  m  »  -.  R^xfi  —  wenn  wir  in  erster 

9 

Annäherung  die  Erde  als  Engel  ansehen  —  also  folgt 

3         1 

Daraus  berechnet  sich  im  Mittel 

II  =  5^13. 

Da  die  spezifische  Masse  der  Gesteine  an  der  Erdoberfläche  nnr  etwa 
3  betrilgt;  so  hat  man  geschlossen^  daß  sich  im  Erdinnern  wesentlich 
schwerere  Stoffe  befinden  müssen.  Berechnungen  yon  Wiechert 
haben  unter  Berücksichtigung  aller  für  die  Erde  sonst  bekannten 
Daten  die  Annahme  eines  Eisenkernes  wahrscheinlich  gemacht 

Die  beste  Bestätigung  hat  nun  aber  das  Newtonsche 
Gesetz  dadurch  gefunden,  daB  die  Annahme  einer  ihm  fol- 
genden allgemeinen  Anziehung  zwischen  den  Himmels- 
körpern gestattet,  die  Keplerschen  Gesetze  so  zu  ver- 
bessern,  daB  die  Differenzen  zwischen  Theorie  und  Beob- 
achtung nur  noch  minimal  sind.  Um  einen  Begriff  davon  zu 
geben,  sei  eine  der  hauptsächlichsten  Abweichungen  genannt:  ein 
Fehler  von  4(y'  im  Jahrhundert  für  die  Perihelbewegung  des  Merkur. 
So  hat  sich  das  Genie  Keplers  bewährt:  das  von  ihm  entdeckte 
Gesetz,  das  zunächst  nur  ganz  roh  stimmt,  hat  Newton  ein  Eraft- 
gesetz  finden  lassen,  das  in  fast  selbstverständlicher  Weise  verall- 
gemeinert, imstande  ist,  selber  die  Abweichungen  fast  vollständig  zu 
erklären.  Das  Newtonsche  Anziehungsgesetz  ist  mit  das  bestbewährte 
Naturgesetz,  das  wir  haben:  seinen  populären  Triumpf  feierte  es  durch 
die  Entdeckung  des  Neptun  (durch  Galle),  den  die  Astronomen  Adam 
und  Leverrier  aus  Rechnungen  vorausgesagt  hatten. 

Um  die  immerhin  vorhandenen  Abweichungen  zu  erklären,  hat 
man  versucht,  das  Newtonsche  Gesetz  zu  verbessern,  ohne  jedoch  zu 
einem  definitiven  Ergebnis  zu  kommen.  Es  muß  übrigens  bemerkt 
werden,  daß,  wie  Seliger  hervorgehoben  hat,  die  nur  roh  abschätz- 
baren Staubmassen  in  der  Nähe  der  Sonne  schon  genügen  können, 
um  z.  B.  die  Anomalien  der  Merkurbewegung  unter  Aufrechterhaltung 
des  Newtonseben  Gesetzes  zu  erklären. 

Näheres  über  diese  Fragen  findet  man  in  dem  Artikel  von  G.  Zen- 
neck:  Gravitation.     Encykl.  d.  matk  Wiss.,  Bd.  V,  Artikel  2. 

Aufgaben:  57.  Welche  Dimensionen  hat  F  und  wie  grofi  ist  diese  Eon- 
stante im  technischen  Maßsystem? 

57  a.  Wenn  die  Anziehung  des  Mondes  durch  die  Erde  und  die  Schwer- 
kraft zur  selben  Klasse  gehören  und  im  umgekehrten  Verhältnis  der  Quadrate 
der  Entfernungen  vom  Erdmittelpunkte  stehen,  so  mufi  man  aus  den  Daten  von 
Aufgabe  24  in  Nr.  34  die  Erdbeschleunigung  berechnen  können.  Welcher  Wert 
von  g  ergibt  sich  so? 


Nr.  99.  §  21.    Das  Problem  der  Planetenbewegung.  159 


§  21.  Das  Problem  der  Planetenbewegang. 

99.  Das  Zwei-Körperproblem.  Es  mögen  sich  zwei  Körper 
(Himmelskörper)  Ton  den  Massen  m^  und  m^,  die  wir  als  Kugeln  aus 
homogenen,  konzentrischen  Schalen  ansehen  wollen,  nach  dem  Newton- 
schen  Gesetz  anziehen.  Wie  werden  sie  sich  bewegen,  wenn  keine 
anderen  Krafte  auf  sie  einwirken? 

Die  Orte  der  Punkte  seien  durch  r^  und  r^  bestimmt,  ihre  Ent- 
fernung sei  r,  so  daß 

ist.     Dann  lauten  die  Bewegungsgleichungen 

m 


?  **«  _  r  *'***?* 


Addieren  wir  beide  Gleichungen,   so  heben  sich  die  rechten   Seiten 
fort  und  wir  erhalten 

Betrachten  wir  den  Massenmittelpunkt  8  beider  Planeten,  dessen 
Vektor  durch 

T j —   - 

gegeben  ist  (siehe  Nr.  51),  so  läßt  sich  die  Torstehende  Gleichung 
schreiben : 

-     =0 

woraus  folgt: 

f*  «  c^  +  »•' 

Der  Massenmitteljmnkt  beider   Planeten  bewegt  sich  in  grader 
Linie  mit  gleichförmiger  Geschwindigkeit 

Wir    wollen    nun    die   Bewegung   beider   Planeten   relativ   zum 
Massenmittelpunkt  studieren.     Zu  dem  Zweck  setzen  wir 

ri  -  f*  -  ^1 


^i-^  =  yi 


} 


so  daß  die  y  die  Vektoren  vom  gemeinsamen  Schwerpunkt  nach  den 
Massenpunkten  bedeuten.     Wegen  r*  =  0  ist 

..       .. 

■  •  •• 


160  ^'  Bllemente  der  Himmehmechanik.  Nr.  99. 

Da  8  auf  der  Verbindungslinie   beider  Planeten  liegt  und  ihre  Ent- 
fernung im  umgekehrten  Verhältnis  der  Massen  teilt^  so  ist 


y«  =*  ^«  —  **! r — 


oder 


f»j  ■         Wlj 


Führen  wir  überall  y^   in   die   erste  Bewegungsgleichung  ein^  so  er- 
halten wir 

Setzen  wir  noch 


('+^) 


so  nimmt  die  Gleichung  die  Form  an 

Das  ist  genau  die  von  Newton  aus  den  Keplerschen  Gesetzen  ge- 
zogene Gleichung.  Es  gelten  also  auch  wenigstens  die  beiden  ersten 
Keplerschen  Gesetze: 

Beide  Himmelskörper  vollführen  um  ihren  gemeinsamen  Schwer- 
punkt eine  Keplersche  Bewegung. 

Das  dritte  Keplersche  Gesetz  freilich  wird  streng  genommen 
sinnlos:  wollten  wir  es  für  die  beiden  in  Rede  stehenden  Planeten 
aussprechen,  so  wäre  es  falsch,  denn  beide  bewegen  sich  in  gleichen 
Zeiten  um  ihren  gemeinsamen  Schwerpunkt. 

Andere  Planeten  sind  aber  zum  Vergleich  nicht  da.  Trotzdem 
kommt  dem  dritten  Keplerschen  Gesetze  eine  Bedeutung  zu,  wenn 
wir  unser  Problem  als  einen  Ausschnitt  aus  der  Wirklichkeit  be- 
trachten: der  eine  Körper  (Wj)  sei  die  Sonne,  der  andere  ein  Planet, 
von  der  Einwirkung  aller  anderen  Planeten  wird  abgesehen:  der  Wirk- 
lichkeit entsprechend  sei  m^f>m^.  Dann  wird  S  nahezu  mit  m^ 
zusammenfallen  und  man  kann  sagen,  daß  der  andere  Körper,  der 
Planet,  um  die  Sonne  die  Keplersche  Bewegung  ausführe.  Man  kann 
jetzt  auch  Planeten  miteinander  vergleichen,  indem  man  jedesmal  den 
betreffenden  Planeten  und  die  Sonne  allein  betrachtet,  d.  h.  m^  fest- 
hält, m^  variiert.  Man  sieht  aber,  daß  A  streng  genommen  nicht  nur 
von  der  Sonne,  d.  h.  m^  abhängt;  nur  in  der  Grenze  m^ :  Wj  =  oo  wird 
X^^F-m^.  In  dem  jetzt  angegebenen  Sinne  hat  also  das  dritte 
Keplersche  Gesetz  eine  Bedeutung,  ist  aber  nur  angenähert  richtig. 


Nr.  100.  §  21.    Das  Problem  der  Planetenbewegong.  Igt 

100.  Ansats  des  n-Körperproblems.  Es  seien  n  Körper 
(Himmelskörper,  Planeten)  der  schon  oft  genannten  kugelförmigen 
Beschaffenheit  mit  den  Massen  m^,  m^, . .  .m^  gegeben.  Ihre  augen- 
blicklichen Ortsvektoren  mögen  mit  f^. .  .f^  bezeichnet  sein.  Die 
Entfernung  des  vten  vom  Jlten  sei  r^j^'^Vj^^.  Der  Einheitsvektor 
vom  vi&n  zum  Jlten  Körper  sei  Qy  x^  ^^  ^^ 

Je  zwei  der  Körper  mögen  sich  nach  dem  allgemeinen  Gravitations- 
gesetz anziehen,  andere  Kräfte  sollen  nicht  wirken.  Es  erfährt  also 
der  vie  Körper  von  dem  Aten  eine  Kraft 

r      _  -      m  mx  „ 

und  es  ist 

Es   liegen   aber  die  Kräfte  k^x  ^^^  ^x,v  ^^^^  ^^  derselben  Geraden. 
Man  kann  das  in  folgender  Weise  ausdrücken: 
Da 

—   u  ist   eine   Abkürzung   für      \-^  F  —    so  gibt  die  Büdung  des 

\^^ 

äußeren  Produktes  (siehe  Anhang  I,  5)  mit  r^  —  r^ 


weil  r^^r^  und  q^^^  dieselbe  Richtung  haben.    Und  umgekehrt  heißt 


auch  nichts  anderes,  als  daß 

ist,  wo  u  irgendein  Faktor  ist,  d.  h.  k^  x  ^ ^^  i^  ^i®  Richtung  vom 
1/ten  zum  Jlten  Planeten.     Nun  kann  man  aber  wegen 

.  K,X^         *ii,r 

die  Gleichung 

auch  schreiben 

rAi  +  "-Ar  -  0 .  (B) 

Allgemein  wollen  wir,  wenn  eine  Kraft  k  an  dem  durch  f  ge- 
gebenen Punkte  angreift,  den  Vektor  M  =^  rk  das  Moment  der 
Kraft  in  bezug  auf  den  Anfangspunkt  0  nennen. 

Hamel:  Slemontare  Mechanik.  11 


162  ^V.  Elemente  der  HimmelBmechanik.  Nr.  101. 

Man  kann  dann  (B)  so  aussprechen:  die  Summe  der  Momente 
der  beiden  zwischen  zwei  Himmelskörpern  wirkenden  Kräfte 
ist  Null. 

Die  Gleichungen  (A)  und  (B)  sind  der  vollständige  Ausdruck 
der  Newtonschen  lex  tertia  yon  der  Gleichheit  der  Wirkung  und 
Gegenwirkung. 

Die  Bewegungsgleichungen  unseres  Systems  heißen  nach  diesen 
Voraussetzungen 


*"!    dt'    - 

K»  +  Ki  +  •••  +  *!,» 

"♦»    ,lt'    °"*>.l 

+*,,.  +  •  •  •  +  hn 

»»« itt'  =  ^',,1  +  K*  +  ^■-■»  +  •  •  •  +  *«,«-i 


(C) 


Es  kann  als  die  Hauptaufgabe  der  mathematischen  Astronomie 
bezeichnet  werden,  die  Integrale  dieser  Gleichungen  zu  diskutieren 
und  zu  erforschen,  ob  sich  bei  geeigneter  Wahl  der  Massen  mi,..m^ 
für  Sonne,  Planeten  und  Monde  eine  genügende  Übereinstimmung  der 
errechneten  Resultate  mit  denen  der  Beobachtung  erzielen  läßt.  (Über 
den  heutigen  Stand  dieser  Frage  siehe  Nr.  98  und  Nr.  105). 

101.  Der  Sohwerpunktssats  des  n-Körperproblems.  Ad- 
dieren wir  die  Gleichungen  (C)  am  Schlüsse  der  vorhergehenden 
Nummer^  so  heben  sich  nach  Gleichung  (A)  alle  Kräfte  auf  der 
rechten  Seite  fort  und  wir  erhalten 

oder,  wenn  wir  wieder  den  Schwerpunkt  S{r*)  einführen  durch 

(Wi  H h  wjr*  =  Wifi  + h  m^r„, 

so  bekommen  wir 

dt*       ^ 
r*  =  c  •  <  +  ä.  (I) 

Der  Schwerpunkt  des  ganzen  Sonnensystems  bewegt  sich  in  ge- 
rader Linie  mit  gleichförmiger  Geschwindigkeit 

Dieser  Satz  gilt  natürlich  nur  unter  der  Voraussetzung,  daß  eine 
Einwirkung  anderer  Kräfte  nicht  stattfindet. 

Was  ist  nun  sein  erfahrbarer  Sinn? 

Die  absolute  Bewegung  an  sich  können  wir  natürlich  nicht  be- 
obachten.    Macht  man  aber  die  höchst  plausible  Annahme,  daß  das 


Nr.  102.  §  21.    Das  Problem  der  PlanetenbewegniDg.  163 

ganze  Fixsternsystem  im  Mittel  keine  Bewegung  ausfuhrt;  so  muß 
eine  festgestellte  Bewegung  der  Sonne  —  denn  der  Schwerpunkt  des 
Planetensystems  fällt  nahezu  mit  dem  Mittelpunkt  der  Sonne  zu- 
sammen —  gegen  den  Fixstemhimmel  als  Absolutbewegung  der  Sonne 
angesprochen  werden.  Man  hat  auf  diese  Weise  tatsächlich  versucht^ 
c  zu  bestimmen;  natürlich  ist  die  Beobachtung  sehr  schwierig  und 
deshalb  unsicher. 

Die  prinzipielle  Schwierigkeit  aber  liegt  darin^  daß  die  für  uns 
beobachtbaren  Fixsterne  doch  nur  einen  Teil  des  ganzen  Systems 
aasiiiachen,  und  dieser  Teil  könnte  sehr  wohl  eine  Eigenbewegung 
ausführen.  Beobachtbar  ist  eben  in  Wirklichkeit  immer  nur  eine 
relative  Bewegung;  woraus  aber  nicht  folgt;  daß  es  eine  absolute 
nicht  gibt. 

102.  Der  Komentensats  des  n-Körperproblems.    Daß  die 

Summe  der  Momente  der  beiden  zwischen  zwei  Himmelskörpern  wir- 
kenden Anziehungskräfte  Null  ist,  gilt  für  einen  jeden  Bezugspunkt. 

Sei  A  irgendein  fester  oder  beweglicher  Punkt;  y^  der  Vektor 
von  A  nach  dem  i/ten  Planeten,  s  der  Vektor  von  dem  festen  Punkt  0 
nach  A. 

Dann  gilt  also  analog  zu  (B)  (Nr.  100) 

y'rKi+yxh^^o.  (B-) 

Bilden  wir  nun  bei  einer  jeden  der  Gleichungen  (C)  das  äußere  Pro- 
dukt mit  dem  entsprechenden  y^  und  addieren  alle  OleichungeU;  so 
erhalten  wir;  da  sich  rechts  infolge  (B')  wieder  alle  Olieder  fortheben 

2'~*y^J'  =  0.  (U) 

Da  jedes  Glied  der  linken  Seite  das  Moment  einer  Massenbeschleu- 
nigung darstellt;  kann  man  den  Satz  so  aussprechen: 

Für  das  Planetensystem  ist  unter  den  angegebenen  Voraussetzungen 
die  Summe  der  Momente  der  Massenbeschleunigungen  gleich  Null. 

Wählen  wir  als  Bezugspunkt  den  festen  Punkt  0,  setzen  wir 
also  y^  =-  Fy,  so  ist 

^*   dt*        dt  ^^   dt  ^ 

wie  man  durch  Ausrechnen  der  rechten  Seite  sofort  erkennt. 
Unter  dieser  Annahme  wird  aus  (II) 

also  _        _ 

Jo-C^,  (Ua) 

11* 


164  ^'  Elemente  der  Himmelsmechanik.  Nr.  103. 

wo  der  Impulsvektor  J^  bezogen  auf  den  festen  Punkt  0  definiert 
ist  durch 


^^0"^  ^^^^v^t  f 


d.  h.   durch  die  Summe  der  Momente  der  Massengeschwindigkeiten. 

Eine  analoge  Form  nimmt  (II)  an^  wenn  man  alles  auf  den 
Schwerpunkt  bezieht. 

Sei  also  jetzt  speziell  y^  der  Vektor  yom  Schwerpunkt  S  nach 

dem  i/ten  Planeten,  also 

f  =^r*  -{-  y 

und  infolge  (I)  (Nr.  101) 

TT  » 

Dann  lautet  (11) 

und  weil  natürlich  wieder 

d   r~ 

ist  _ 

j,-a„  (IIb) 

wo  J^'^Zm^y^y^  der  Impulsvektor  für  den  Schwerpunkt  ist. 

Der  Impulsvektor  ist  also  für  den  Schwerpunkt  wie  audi  für 
einen  festen  Punkt  beim  n-Körperpröblem  konstant 

Übrigens  bilden  alle  Satze  (11),  (U^);  (Hh)  yermöge  des  Schwer- 
punktsatzes (I)  nur  einen  einzigen  Satz.  Denn  da  f^==  s  +  jf^,  so 
folgt  aus 

^m^r^f^  «=  0 
sofort 

^m^sr^  +  ^m^y^r^  —  0 , 
d.h. 

2m^y^K-o, 

weil 

^m^sr^=  s{2mjr^  —  0 

ist  vermöge  (I). 

Legen  wir  den  Momentensatz  also  in  der,  der  Beobachtung  zu- 
gänglichen Form  (IIb)  zugrunde,  so  ist  durch  den  konstanten  Vektor  C^ 
eine  feste  Richtung  im  Räume,  also  senkrecht  zu  ihr  eine  feste  Ebene 
durch  den  Schwerpunkt  festgelegt:  man  nennt  sie  die  invariable 
Ebene  des  Planetensystems. 

103.  Der  Komentensats  als  verallgemeinerter  Fläohen- 
sats.    Es  ist 


J  --^^^m.y.dy^. 


Nr.  104.  §  21.    Das  Problem  der  FlanetenbeweguDg.  165 

Nach  der  geometrischen  Bedeutung  des  Momentenproduktes  (siehe  An- 
hang ly  5)  steht  nun  y'dy^  auf  der  Ebene  durch  den  Schwerpunkt, 
den  Planeten  und  die  augenblickliche  Bewegungsrichtung  des  Planeten 

relativ  zum  Schwerpunkt  senkrecht.  Der  Größe  nach  aber  ist  y^dy^ 
der  Inhalt  des  aus  y^  und  dy^  gebildeten  Parallelogramms,  d.  h.  der 
doppelte  Inhalt  des  vom  Radiusvektor  y^  in  der  Zeit  di  übetstrichenen 
Sektors  dS.    Also 

\y^dy^\  =-2dS. 
Es  ist  somit  berechtigt 

die  (vektorielle)  Flächengeschwindigkeit  des  Planeten  relativ 
zum  Schwerpunkt  zu  nennen  (vgl.  Nr.  31,  32). 

Für  das  Planetensystem  bleibt  also  die  einzelne  Flächengeschwin- 
digkeit nicht  konstant,  wohl  aber  die  vektorielle  Summe  aller  Flächen- 
geschwindigkeiten, nachdem  man  jede  einzelne  mit  der  entsprechenden 
Masse  multipliziert  hat. 

Mit  Hilfe  des  vorhergehenden  vervollkommneten  Begriffes  der 
Flächengeschwindigkeit  läßt  sich  nun  in  strenger  Weise  zeigen,  daß 
die  Bahnen  des  Zweikörperproblems  wirklich  eben  sein  müssen  (siehe 
Nr.  34). 

Denn  aus 

y  —  «*y 

folgt  _ 

daraus 

yjf^C.     . 

y  bleibt  also  stets  senkrecht  zu  dem  konstanten  Vektor  C7,  die  Be- 
wegung erfolgt  in  einer  Ebene  senkrecht  zu  C 

104.  Der  Energiesatz  des  n-Körperproblems.  Bilden  wir 
von  jeder  Gleichung  (C)  in  Nr.  100  das  innere  Produkt  mit  dem  ent- 
sprechenden dr^y  so  erhalten  wir  links  nach  Nr.  79 

dEj^^d^m^v;^, 
und  wenn  wir  summieren 

dE  «  d2E,  -  d  2^Wi*^/- 
Auf  der  rechten  Seite  aber  bekommen  wir 


166  nr*  filemente  der  Himmelflmechanik.  Nr.  105. 

wo  die  Summe  fiber  alle  v,  k  za  erstrecken  isfc,  oder  wegen  ^^  ^ »  —  Ä*^^^ 


WO  aber  jetzt  die  Summe  nur  über  alle  Paare  k^v  —  jedes  einmal 
—  zu  bilden  ist,  was  durch  den  Strich  vor  S  angedeutet  sei.  Weil  aber 

und  weil  wegen  rj^  —  r^  t*  ^ 
ist,  so  steht  auf  der  rechten  Seite 


wo 


ist. 

D/^  Anziehungskräfte  haben  also  insgesamt  ein  Potential  und 
es  besieht  somit  der  Energiesatz 

dE dU 

oder 

E+U^h  (ni) 

(vgl.  Nr.  85  und  89). 

Für  drei  Körper  ist  z.  B. 

\  »-1,1  \»         U,i  ) 

105.  Weitere  Orientiening.  Literatur.  Unsere  drei  Inte- 
gralgleichungen (I),  (11),  (III)  der  Bewegungsgleichungen  (C)  des 
w-Körperproblems  enthalten  10  skalare  Konstanten:  c,  ä,  C,  Ä.  Da 
die  Gleichungen  (C)  aber  3»  Differentialgleichungen  zweiter  Ordnung 
sind,  verlangen  sie  insgesamt  6n  Konstanten  Wie  die  Ton  Jacobi 
inaugurierte,  von  Lie  vollendete  formale  Theorie  der  Differential- 
gleichungen zeigt,  zählen  unsere  Integrale  unter  Berücksichtigung  des 
Umstandes,  daß  die  Zeit  t  explizit  nirgends  vorkommt,  so,  als  ob  sie 
12  Konstanten  hätten,  d.  h.  man  kann  das  Integrationsproblem  auf 
eine  einzige  Differentialgleichung  der  Ordnung 

6w  -  12  -  6(w  -  2) 
zurückführen. 


Nr.  106.  §  22.    Übergang  zur  Systemmechanik.  167 

Bruns  hat  nun  gezeigt^  daß  es  ein  weiteres  Integral,  das  alge- 
braisch in  den  Koordinaten  und  Geschwindigkeiten  wäre,  nicht  geben 
kann  und  Poincare  hat  diesen  Satz  noch  etwas  yerallgemeinert. 
Auf  diese  Weise  zu  yersuchen,  die  Integration  weiterzuführen,  hat  dem- 
nach keinen  Zweck.  Um  gleichwohl  dem  n-Eörperproblem  beizukommen, 
schlägt  man  NäherungSTerfahren  ein:  man  geht  Ton  der  Kepler- 
schen  Lösung  des  Zweikörperproblems  aus,  die  wegen  der  weit  über- 
wiegenden Sonnenmasse  tatsächlich  eine  erste  Annäherung  sein  wird, 
und  sucht  nun  durch  Reihenentwicklungen  den  Einfluß  der  andern, 
in  ihren  Bewegungen  zunächst  als  bekannt  angesehenen  Planeten  auf 
den  einen  betrachteten  mathematisch  darzustellen.  Dann  berechnet 
man  wieder  die  Rückwirkung  dieses  Planeten  auf  die  andern  usw. 
Man  bezeichnet  die  Abweichungen  der  Planetenbewegungen  von  den 
Eeplerschen  als  Störungen,  und  dementsprechend  das  angedeutete 
Verfahren  als  Störungsrechnung. 

Auf  diese  Störungsrechnung,  die  eine  Wissenschaft  für  sich  bildet, 
kann  hier  nicht  eingegangen  werden.  Es  sei  auf  die  Literatur  hin- 
gewiesen. 

'  Das  klassische  Werk  nach  Newton  ist  die  „mecanique  Celeste'^ 
Ton  Laplace  (1799).  Jünger  ist  das  Werk  gleichen  Namens  von 
Tisserand.  Das  hervorragendste  neuere  Werk  über  diesen  Gegen- 
stand bilden  wohl  die  „NouveUes  methodes  de  la  mecanique  Celeste^ 
von  Poincare,  der  die  Integrationsmethoden  für  Differential- 
gleichungen überhaupt  wesentlich  gefordert  hat.  Die  Methoden 
gehen  hauptsächlich  auf  die  von  Lagrange  in  seiner  ,ymecanique 
analytique^'  (1.  Aufl.  1788),  die  von  Jacobi  in  seinen  Vorlesungen 
über  Dynamik,  die  von  Poisson  in  seinem:  Traite  de  mecanique, 
die  von  Hamilton  und  die  von  Lie  in  ihren  verschiedenen  Werken 
gegebenen  zurück. 

VonLehrbüchem  seien  genannt:  Charlier,  „Mechanik  des  Himmels", 
Poincar^,  „mecanique  Celeste",  dann  ein  ausgezeichnetes  Buch,  das 
die  Elemente  der  ganzen  Mechanik  behandelt,  wenn  auch  vom  mathe- 
matisch-astronomischen Gesichtspunkte  aus:  Whittaker,  „Analytical 
Dynamics".  Auch  sei  noch  einmal  auf  das  schon  in  der  Einleitung 
genannte  Werk  von  Appell  hingewiesen.  Des  weiteren  nehme  man 
die  Artikel  im  sechsten  Bande  der  Encyklopädie  der  mathe- 
matischen Wissenschaften  zur  Hand. 

Schluß  des  ersten  Abschnitts: 
§  22.    Übergang  zur  Systemmechanik. 

106.  Die  Hypothese  des  materiellen  Punktes.  Der  Schwer- 
punktssatz bedeutet  eine  Aussage  über  die  Bewegung  eines  jeden 
Systems^  die  man  unter  folgendem  Bilde  fassen  kann:  Objekt  ist  ein 


168  ^'  Elemente  der  Himmelnnechaiiik.  Kr.  106. 

mathematischer  Punkt«  —  der  Schwerpunkt  —  dem  eine  endliche 
Masse  m,  die  Masse  des  Systems,  zugeordnet  ist.  Ferner  wirkt  an 
ihm  eine  Kraft  k  gleich  der  Summe  der  äußeren  an  dem  System  an- 
greifenden Kräfte.     Dann  haben  wir  f&r  diesen  Punkt  die  Gleichung 

mw  ==  k. 

Das  System  erscheint  so  unter  dem  Bilde  eines  einzigen^  mit  Masse 
behafteten  Punktes,  man  nennt  einen  solchen  einen  materiellen,  oder 
einen  Massenpunkt. 

Unter  der  Annahme,  daß  die  Himmelskörper  genau  genug  als 
Kugeln  der  in  Nr.  96  angegebenen  Art  angesehen  werden  können, 
erscheint  die  Himmelsmechanik  als  Mechanik  eines  Systems  einer  end- 
lichen Anzahl  Ton  Massenpunkten,  die  gegenseitig  Kräfte  aufeinander 
ausüben. 

Der  großartige  Erfolg  der  Himmelsmechanik  beherrschte  nun  das 
ganze  18.  und  auch  noch  das  19.  Jahrhundert  derart,  daß  man  glaubte, 
die  ganze  Welt  als  ein  System  einer  endlichen  Anzahl  solcher  Massen- 
punkte  auffassen  zu  können,  die  Zentralkräfte  aufeinander  ausQben, 
d.  h.  Kräfte,  welche  auf  den  anziehenden  Körper  zugerichtet  sind. 
Jedes  System,  z.  B.  auch  ein  fester  Körper,  sollte  ein  kleines  Sonnen- 
system sein. 

Unterstützt  ¥nirde  diese  Meinung  durch  die  neu  aufblühende 
Atomistik  (Gassendi  im  17.,  Boscowich  im  18.  Jahrhundert). 

Und  so  beherrschte  die  Auffassung,  ein  jedes  materielles  System, 
also  ein  jedes  Objekt  der  Mechanik  bestehe  aus  einer  endlichen  An- 
zahl von  Massenpunkten,  der  Zusammenhang  aber  werde  durch  Zentral- 
kräfte zwischen  diesen  Punkten  aufrecht  erhalten,  die  Mechanik  bis 
ins  19.  Jahrhundert.  Ja,  es  ist  heute  noch  fast  ausschließlich  Me- 
thode der  Lehrbücher,  die  beiden  allgemeinen  fundamentalen  Sätze 
der  Mechanik,  den  Schwerpunktssatz  und  den  Momentensatz,  auf 
Grund  der  Hypothese  des  Massenpunktes  aufzubauen. 

Mit  besonderer  Betonung  wurde  dieser  Standpunkt  von  Poisson 
im  Anfange,  Ton  Boltzmann  am  Ende  des  19.  Jahrhunderts  ein- 
genommen. 

Nun  vers^  aber  diese  Hypothese  vielfach,  sie  gibt  z.  B.  keine 
hinreichende  Theorie  der  elastischen  Körper.  Aber,  wenn  sie  es  auch 
täte,  so  wäre  es  durchaus  notwendig,  die  genannten  Fundamentalsätze 
der  Mechanik  ohne  eine  solche  metaphysische  Hypothese  zu  begründen, 
damit  es  nicht  den  Anschein  gewinne,  als  ob  die  Mechanik  von  solchen 
Weltkonstruktionen  abhänge. 

Wir  werden  deshalb  zu  Beginn  des  dritten  Abschnitts  eine  neue 
Begründung  jener  aUgeraeinen  Sätze  geben,  nachdem  wir  eine  erste 
schon  am  Ende  des  zweiten  Abschnittes  gebracht  haben. 


Kr.  107.  §  22.    Obergang  zur  Systemmechanik.  169 

Der  historischen  Bedeutung  wegen  mag  aber  die  übliche  Ab- 
leitung von  Schwerpunkts-  und  Flächensatz  aus  der  Hypothese  des 
Massenpunktes  hier  gegeben  werden. 

107.  Ableitung  des  SohwerpnnktBsatsea  fBr  beliebige 
Systeme.  Wir  betrachten  ein  System  aus  n  Massenpunkten  mit 
den  Massen  m^. ,  .m^]  ihre  augenblicklichen  Orte  seien  durch  f^.,,r^ 
gegeben.  Die  gegenseitige  Entfernung  sei  durch  r,  j^^  bezeichnet.  Der 
Zusammenhang  werde  durch  Kräfte  aufrecht  erhalten,  die  zwischen 
den  Massenpunkten  wirken:  es  übe  der  Jlte  Punkt  auf  den  vten  eine 
Kraft  s^  2.  Alis. 

Diese  sogenannten  ,,inueren  Spannungen''  mögen  dem  vollstän- 
digen Gesetz  der  Gleichheit  yon  Wirkung  und  Gegenwirkung  ge- 
nügen (Newtons  lex  tertia),  es  sei  also 

es  mögen  aber  auch  die  beiden  Kräfte  Zentralkrafte  sein^  d.  h.  in 
der  Verbindungslinie  des  vien  und  kten  Punktes  liegen. 

Wie  in  Nr.  100  ausgeführt,  kann  das  so  ausgedrückt  werden, 
daß  in  bezug  auf  jeden  Punkt  Ä  die  Summe  ihrer  Momente  verschwinde 

yI^r  +  y.Sr,\--o.  (B) 

Übrigens  sagt  die  Gleichung 

«i^v^'-^-^-,.;  ,  (c) 

wo  S;  y  ein  Skalar  ist  und  8^^=^  S^  i  dasselbe  wie  (A)  und  (B) 
zusammengenommen.  Si^^>0  bedeutet  einen  Druck,  8j^^^<iO  einen 
Zug,  auch  ist  ,  _     .        « 

Außer  den  inneren  Spannungen  mögen  nun  noch  auf  jeden  Punkt 
des  Systems  von  außen  Kräfte  wirken,  d.  h.  Kräfte,  die  von  andern 
nicht  zum  System  gehörenden  Punkten  mit  verursacht  sind;  die  Resul- 
tierende dieser  auf  den  vten  Punkt  wirkenden  Kräfte  heiße  k^. 

Dann  haben  wir  für  jeden  Punkt  den  Ansatz 

d*r. 

^^  dV 


m.    ,.r-K  +  ^^r,i  (D) 


(Newtons  Grundgesetz  mit  Einschluß  des  Satzes  vom  Parallelogramm 
der  Kräfte). 

Addieren  wir  alle  Gleichungen  (D),  so  heben  sich  aUe  s^  i  wegen 
(A)  fort  und  wir  bekommen,  wenn  wir  noch  r*  durch 

einführen. 


r    V 


1,,  '^fn^-^K*        -  (I) 


d*r 

dt 


170  IV'.   Elemente  der  Himmelnnechanik.  Kr.  108. 

Und  das  ist  offenbar  der  Schwerpnnktssatz,  den  wir  schon  kennen 
(siehe  Nr.  51). 

108.  Ableitimg  des  KomenteneatBes  fBr  belieUge 
Systeme.  Bilden  wir  nun  aber  Ton  jeder  Gleichung  (D)  das  äußere 
Produkt  mit  dem  zugehörenden  y^  und  addieren^  so  heben  sich  wegen 
(B)  wieder  rechts  alle  $^^^  fort  und  wir  erhalten  den  sogenannten 
Momentensatz: 

Für  jedes  System  ist  die  Summe  der  Momente  der  Massen- 
beschleunigungen  gleich  der  Summe  der  Momente  der  äußeren  Kräfte 
und  zwar  in  bezog  auf  einen  jeden  Punkt, 

Doch  gibt  es  wieder  wesentlich  nur  einen  Momentensab^  denn 
vermöge 

(s  die  Entfernung  der  Punkte  0  und  Ä)  wird  aus  der  vorstehenden 
Gleichung 

d.  h.  unter  Beachtung  des  Schwerpunktssatzes 

^m^r^r^  =  ^r^k^. 

Wählen  wir  als  Bezugspunkt  den  festen  Punkt  0^  so  ist  wieder 

"^     — ..        d   Y 

wo  der  Impulsvektor  J  definiert  ist  durch 

d.  h.  als  Summe   der  Momente   der  Masseugeschwindigkeiten.     Und 
der  Momentensatz  lautet: 

'if-J'rA-  (IIa) 

Wählen    wir  als  Bezugspunkt  A  den  Schwerpunkt,   so   wird   wegen 

^m,y;r,  =  ^n^y^y,  +  ^m^y.'i* 

=  j<  2m^yr%  +  l2m,y,)r* 
=  Ji  2m,y^y, , 
weil  2^m^y^  ==  0  ist,  da  A  der  Schwerpunkt  ist.    (Siehe  Nr.  52.) 


Nr.  109.  §  22.    Übergang  zur  Systemmechanik.  171 

Somit  lautet  der  Momentensatz^  bezogen  auf  den  Schwer- 
punkt 

^t=-Sä:,  '  (IIb) 

wo 

d.  h.  gleich  der  Summe  der  Momente  der  relativen  Massengeschwin- 
digkeiten zum  Schwerpunkt  ist. 

Da  im  Gleichgewichtsfall  t^^  =»  0  sein  muß,  so  ergeben  sich  die 
folgenden  für  jedes  System  notwendigen  Gleichgewichtsbedin- 
gungen:   1.  es   muß   die  Summe   der  äußeren  Kräfte  yerschwinden: 

2.  Es  muß  die  Summe  der  Momente  der  äußeren  Kräfte  ver- 
schwinden: 2r^h^=  0. 

109.  Der  allgemeine  Energiesats.  Bilden  wir  von  jeder 
Gleichung  (D)  (Nr.  107)  das  innere  Produkt  mit  dem  entsprechenden 
df^  und  addieren,  so  steht  links 

^ m;r^ '  dr^  =  d^  y  w^r/  =  ^E,  (1) 

rechts  aber  steht  erstens 

^K-df^^dÄ^,  (2) 

d.  h.  die  Arbeit  aller  äußeren  Kräfte,  und  zwar  die  wirkliche  Arbeit 
derselben  (siehe  Nr.  80),  zweitens 

wobei  V,  l  unabhängig  die  ZiflFern  1  bis  n  durchlaufen,  oder  wegen  (A) 

wo  jetzt  aber  die  Paare  v,  X  alle  nur  je  einmal  vorkommen. 

Wegen  (C)  (Nr.  107)  wird  aber  diese  Arbeit  der  inneren  Kräfte 


'  v^^ 


va 


oder  da  r^^  r]«  ^(v~*^)  ^^y,i'  ^^y,x  (siehe  Nr.  100) 

dA^'2S,,,dr,,,.  (3) 

Um  also  die  Arbeit  der  inneren  Kräfte  zu  erhalten^  hat  man 
die  innere  Spannung  zwischen  je  zwei  Punkten  —  als  Druck  positiv 
gerechnet  —  mit  der  Verlängerung  der  Entfernung  beider  Punkte  zu 
muU>iplizieren  und  diese  Produkte  zu  addieren. 


172  IV.  Elemente  der  Himmelsmechanik.  Nr.  110. 

Der  Energiesatz  lautet 

dE^dÄ^+dÄ,.  (III) 

Haben  wir  speziell  einen  starren  Körper^  so  ist  dr^^  auf  jeden. 
Fall  NuU  und  also  auch  dA^, 

Bei  einem  starren  Körper  leisten  also  die  inneren  Spannungen 
hei  keiner  Verschiebung  Arbeit  und  es  ist  die  Änderung  der  kine- 
tischen Energie  gleich  der  Arbeit  der  äußeren  Kräfte: 

dE  =  dA^, 

Besitzen  die  äußeren  Kräfte  in  ihrer  Oesamtheit  ein  Potential  U 
(siehe  Nr.  89);  so  gilt  für  den  starren  Körper  der  Energiesatz  in  der  Form 

E+  [/-«Ä. 

110.  SohluBbemerkiinffen.  Beispiele  zum  Schwerpunktssat^ 
bilden  alle  Untersuchungen  des  ersten  und  zweiten  Kapitels.  Im 
Schwerpunktssatz  ist  besonders  der  für  das  praktische  Leben  wichtige 
Satz  enthalten,  daB  eine  Beschleunigung  des  Systems  im  Mittel  nur 
durch  äußere  Kräfte  möglich  ist.  Diejenige  äußere  Ejraft,  durch  die 
im  praktischen  Leben  am  meisten  Bewegung  hervorgerufen,  wie  auch 
yernichtet  wird,  ist  die  Reibung  (vgl.  Nr.  58  a). 

Beispiele  für  den  Momentensatz  werden  wir  in  den  folgenden 
Abschnitten  behandeln,  solche  für  den  wirklichen  Euergiesatz  be- 
sonders in  §  44. 

Hier  sei  nur  die  verschiedene  Bedeutung  des  wirklichen  Energiesatzes 
von  dem  der  Punktmechanik  noch  einmal  an  eioem  Beispiel  hervorgehoben: 

Bei  einem  auf  horizontaler  Strecke  fahrenden  Eisenbahnzug  sind 
für  die  Bewegung  maßgebend  an  äußeren  Kräften  der  Luftwiderstand 
und  die  Haftreibung  zwischen  Rädern  und  Schienen  (siehe  Nr.  237)^ 
(wir  nehmen  an,  daß  ein  Schlüpfen  der  Räder  nicht  stattfindet).  Diese 
leisten  also  auch  Arbeit  im  Sinne  der  Punktmechanik.  Dabei  wird 
wenigstens  beim  Anfahren  die  Haftreibung  zwischen  den  Triebrädern 
und  den  Schienen  nach  vorne  gerichtet  sein,  wie  man  schon  daran 
erkennt,  daß  die  Triebräder  am  Boden  rückwärts  schlüpfen,  wenn  die 
Reibung  nicht  groß  genug  ist,  dies  zu  verhindern.  Und  insofern  ist 
es  berechtigt  zu  sagen,  daß  die  Haftreibung  zwischen  den  Trieb- 
rädern der  Lokomotive  und  den  Schienen  die  Kraft  ist,  welche  den 
Zug  vorwärts  bewege,  nämlich  die  erforderliche  äußere  Kraft.  Aber 
Haftreibung  leistet  niemals  wirkliche  Arbeit.  Denn  das  zugehörige 
df  ist  ja  stets  Null.  Wirkliche  Arbeit  leistet  aber  wohl  die  Dampf- 
kraft.  Und  insofern  kann  man  sagen,  daß  die  Dampfkraft  den  Zug 
vorwärts  bewege,  indem  sie  die  Energie  dazu  hergibt.  Aber  die 
Dampfkraft  ist  —  wenigstens  wenn  man  den  ganzen  Zug  als  ein 
System  betrachtet  —  eine  innere  Kraft,  sie  ist  ja  eine  Spannung  des 
in  der  Lokomotive  befindlichen  Dampfes. 


Nr.  111, 112.        §  23.    Die  erlanbten  Operationen  und  ihre  Invarianten.         173 


Zweiter  Abschnitt. 

Statik. 

Kapitel  V. 

Statik  des  starren  Körpers  (Theorie). 

111.  Problemstellimg  und  DeflnltioneiL  Aus  den  in  Nr.  106 
angegebenen  Gründen  wollen  wir  in  diesem  Kapitel  von  neuem  die 
Gleichgewichtsbedingungen  suchen;  die  sowohl  notwendig  als  auch 
hinreichend  sind,  uns  dabei  aber  auf  den  starren  Körper  als  Objekt 
beschranken,  d.  h.  einen  Körper,  der  stets  sich  selbst  kongruent  bleibt. 

Wir  hatten  schon  früher  (Nr.  47)  die  ganz  allgemein  gültigen 
Oleichgewichtsbedingungen  dahin  ausgesprochen,  daß  für  jedes  Vo- 
lumelement  die  Summe  der  raumlich  yerteilten  und  der  an  seiner 
Oberfläche  angreifenden  Kräfte  Null  sein  müsse.  Mit  dieser  Bedingung 
können  wir  aber  noch  nicht  viel  ausrichten,  da  die  inneren  Span- 
nungen des  starren  Körpers  notwendigerweise  Beaktionsknlfte,  also 
unbekannt  sind.  Denn  es  gibt  ja  im  Innern  eines  starren  Körpers 
keine  Deformationen.     (Siehe  Nr.  58.) 

Wir  suchen  jetzt  Bedingungen,  in  denen  nur  die  äußeren  Kräfte 
Torkommen,  welche  an  einem  starren  Körper  angreifen:  ist  im  folgen- 
den Ton  Kräften  schlechthin  die  Rede,  so  seien  stets  äußere  Kräfte 
gemeint 

Wir  erweitem  aber  die  Aufgabe  dieses  Kapitels  in  der  folgenden 
Weise: 

Bezeichnen  wir  zwei  Kräftesysteme  an  einem  materieUen  System 
als  „gleich wertig''  oder  „äquivalent'',  wenn  sie  dem  System  Ton 
demselben  Geschwindigkeitszustand  aus  denselben  Beschleunigungs- 
zustand» erteilen,  so  fragen  wir  auch: 

„Wann  sind  an  einem  starren  Körper  zwei  Kräftesysteme 
einander  gleichwertig?" 

Ist  ein  KnLftesystem  so  viel  wert,  als  ob  gar  keine  Kraft  wirke, 
so  sagen  wir  auch,  die  Kräfte  heben  sich  am  starren  Körper  auf  oder 
halten  sich  an  ihm  das  Gleichgewicht,  während  wir  vom  Gleichgewicht 
des  Körpers  selbst  sprechen,  wenn  er  dauernd^  in  Ruhe  bleibt. 

§  23.   Bie  erlaubten  Operationen  und  ihre  Tnyarianten. 

112.  Fall  einer  endlichen  Anwahl  von  Krftften.  BegrüT 
des  Komentee.  Wir  machen  zunächst  die  Annahme,  daß  an  unserm 
starren  Körper  eine   endliche  Anzahl   endlicher   Kräfte:   T\,.Ä\    an 


174  V.    SUtik  des  sUrren  KOrpen  (Theorie).  Kr.  11^. 

den  durch  die  Vektoren  äj  . . .  ö^  gegebenen  Punkten  A^...Ä^  angreife. 
Welche  Bedeutung  dieser^  der  Natur  nicht  streng  entsprechenden  An- 
nahme zukommt,  werden  wir  später  (Nr.  113)  sehen. 

Die  durch  den  Punkt  A  und  die  Richtung  Ton  k  bestimmte  Ge- 
rade nennen  wir  die  Angriffslinie  der  Kraft. 

Dann  sprechen  wir  das  folgende,  höchst  einleuchtende  Axiom  aus: 

Zwei  entgegengesetzt  gleiche  Kräfte  in  derselben  Angriffslinie 
heben  sich  auf,  man  darf  also  zwei  solche  ICrafte  nach  Belieben  hin- 
zufugen oder  weglassen. 

(Man  kann  dieses  Axiom  für  die  engere  Frage  nach  dem  Gleich- 
gewidit  des  Körpers  aus  dem  Satz  Tom  zureichenden  Grunde  (siehe 
Nr.  63)  ableiten,  wenn  man  noch  als  Axiom  hinzunimmt,  daß  die 
Frage  der  Äquivalenz  allein  durch  die  Kräfte  selbst  und  ihre  Angriffs- 
punkte entschieden  ¥mrd.  Denn  in  diesem  Falle  gibt  es  weder  eine 
ausgezeichnete  Richtung,  nach  der  sich  der  Körper  bewegen,  noch 
eine  ausgezeichnete  Achse,  um  die  er  sich  drehen  könnte.) 

Dazu  kommt  der  schon  bekannte  Parallelogrammsatz  (Nr.  44): 
Man  darf  Kräfte,  die  an  einem  Punkte  angreifen,  zu  einer  Resultie- 
renden zusammensetzen. 

Aus  unserem  neuen  Axiom  ergibt  sich  sofort  der  Yerschie- 
bungssatz,  von  dem  Spuren  schon  im  Mittelalter  bei  Jordanus  de 
Nemore,  deutlicher  bei  Benedetti,  dem  Vor^Lnger  Galileis,  auf- 
tauchen, bis  ihn  Yarignon,  der  die  elementare  Statik  abschließt,  in 
seinem  ^projet  d'une  nouvelle  mecanique'^  1687  und  in  seiner  nach- 
gelassenen „NouTeUe  mecanique'^  (1725)  zur  Grundli^  der  Statik 
macht: 

Man  darf  am  starren  Körper  eine  Kraft  hdidrig  in  ihrer  An- 
griffslinie verschieben,  d.  h.  swei  gleiche  Kräfte  in  dersdben  Angriffs- 
linie sind  einander  gleichwertig. 

Beweis:  Die  Kraft  i  greife  im  Punkte  A  an.  Im  Punkte  B, 
der  auf  der  Angri£bgraden  Ton  Ic  liegt,  füge  man  eine  Kraft  Ic^^h 
und  eine  Kraft  ^^  =  —  ^  hinzu,  was  man  nach  unserem  neuei^ Axiom 
tun  darf.  Nun  heben  sich  aber  nach  demselben  Axiom  Ic  und  ^  auf, 
also  bleibt  Tc^  übrig,     fc  ist  also  Tc^  gleichwertig,  w.  z.  b.  w. 

Als  erlaubte  Operationen  wollen  wir  nunmehr  die  folgenden 
bezeichnen: 

1.  Verschiebung  einer  Kraft  in  ihrer  Angriffslinie. 

2.  Hinzufügung  zweier  entgegengesetzter  gleicher  Kräfte  am 
selben  Angriffspunkte. 

3.  Zusammensetzung  zweier  an  demselben  Punkte  angreifenden 
Kräfte  nach  dem  ParaUelogrammsatze. 

Eine  Inyariante  nennen  wir  jeden,  die  Kräfte  enthaltenden  Aus- 
druck, der  bei  diesen  Operationen  umgeändert  bleibt. 


Nr.  118.         §  23.    Die  erlaabten  Operationen  und  ihre  Invi^anten.  175 

Wir  woüen  jetzt  zeigen,  daß  es  zwei  Invarianten  gibt: 

a)  die  geometrische  Summe  aller  Kräfte: 

K-2K, 

b)  die  geometrische  Summe  der  Momente  aUer  Kräfte,  bezogen 
auf  irgendeinen  Punkt 

M  =  ^a^k^. 

Dabei  Terstehen    wir   also   unter   dem    Moment   einer  in  A  an- 
greifenden Kraft  in  bezug  auf  den  Punkt  0  das  äußere  Produkt  ak 

der  Vektoren  ä  =  OA  und  fc,  d.  h.  einen  Vektor,  der  auf  der  Ebene 
durch  0  und  die  Angrififdgrade  von  k  senkrecht  steht,  der  so  ge- 
richtet  ist,  daß   Ton   ihm  aus  gesehen  die  Kraft  k  nach  links  zeigt 

(wenn  man  ak  und  k  beide  von  0  aus  abträgt)  und  dessen  Größe 

ai !  =  a  •  t  •  sin  (a,  Ä)  =  Ä  •  Ä 


ist,  wo  h  die  Länge  des  Lotes  ist,  das  man  Ton  0  auf  die  AngrifEs- 
gerade  Ton  k  fällen  kann,  h  heißt  auch  der  „Hebelarm^'  der  Kraft  k 
in  bezug  auf  0.    _ 

Daß  K  und  M  invariant  sind,  ist  leicht  einzusehen. 

Für  K  ^  ^k^  ist  die  Behauptung  wohl  selbstverständlich,  denn 
bei  Operation  1  ändert  sich  ja  keines  der  Olieder,  und  daß  eine  Summe 
ungeändert  bleibt,  wenn  man  zwei  entgegengesetzt  gleiche  Glieder 
hinzufügt  oder  wenn  man  zwei  Glieder  zusammenfasst,  ist  klar. 

Daß  M  '^^ajc^  invariant  ist,  läßt  sich  so  zeigen:  bei  der  Ope- 
ration 1  bleibt  jedes  Glied  ungeändert,  da  Ebene,  Sinn  und  Größe 
des  Momentes  ungeändert  bleiben.  Bei  2  ändert  sich  M  auch  nicht, 
da  zwei  entgegengesetzt  gleiche  k  mit  demselben  ä  entgegengesetzt 
gleiche  Momente  haben.  Daß  M  auch  bei  3  invariant  sei,  kommt 
auf  die  Behauptung  hinaus,  daß  —  es  mögen  etwa  k^  und  k^  an 
demselben  Punkte  A{ä)  angreifen  und  also  zu  ^^  -|-  ^  zusammengesetzt 
werden  — 

a\  +  ak^  =  a(Äi  +  k^) 

sei.  Diese  Aussage  ist  aber  richtig,  sie  ist  keine  audere  als  das 
distributive  Gesetz  der  äußeren  Multiplikation  (siehe  Anhang  I,  5). 

Diesen  letzteren  fundamentalen  Satz  verdankt  man,  wenn  auch 
nur  für  den  FaU,  daß  alle  Vektoren  in  derselben  Ebene  liegen, 
Varignon. 

113.  ZurflokfUirung  des  allgemeinen  Falles  auf  den  vor- 
hergehenden. Axiomgrnppe  VH.  Wir  betrachtei}  jetzt  den  Fall, 
daß  eine  unendliche  Anzahl  räumlich  oder  flächenhaft  verteilter  Kräfte 
dk  auf  den  Körper  wirke. 


176  V.   Statik  des  stanren  KGipera  (Theorie).  Nr.  113. 

Eine  einzelne  Kraft  zu  yerschieben,  hat  jetzt  keinen  Sinn.  Wir 
sprechen  daher  das  Axiom  der  vorigen  Nummer  in  Verbindung  mit 
dem  Parallelogrammsatz  in  etwas  abgeänderter  Form  aus,  doch  so, 
daß  es  für  den  Fall  endlicher  Ejrafte  mit  jenen  beiden  identisch  wird: 

Axiom  YII^l:  Gehen  die  Angriffsgeraden  mehrerer  Kräfte 
dk  durch  einen  Punkt  hindurch,  so  sind  die  Kräfte  alle 
einer  einzelnen  Kraft  gleichwertig,  deren  Angriffslinie 
durch  denselben  Punkt  hindurchgeht  und  welche  gleich  der 
Summe  ^dk  der  in  Rede  stehenden  Kräfte  ist. 

Außerdem  machen  wir  noch  von  dem  umgekehrten  Parallelo- 
grammsatz Gebrauch: 

Man  kann  jede  Kraft  in  drei  Komponenten  zerlegen, 
welche  an  demselben  Punkte  angreifen  und  gegebene  Rich- 
tungen haben,  Torausgesetzt,  daß  diese  Richtungen  nicht 
in  eine  Ebene  fallen  (siehe  Anhang  I,  1). 

Wir  wollen  zeigen,  daß  man  am  starren  Körper  jedes  Kräfte- 
system auf  drei  Kräfte  zurückführen  kann. 

Beweis:  Wir  wählen  uns  in  einer  Ebene  außerhalb  des  starren 
Körpers  drei  Punkte  0^,  0^,  0^,  welche  nicht  in  einer  Geraden  liegen. 
Jede  Kraft,  welche  an  einer  Stelle  A  angreift,  können  wir  dann  in 
drei  Komponenten  nach  den  Richtungen  ÄO^,  AO^  und  AO^  zerlegen, 
denn  diese  Richtungen  fallen  sicher  nicht  in  eine  Ebene.  Das  ganze 
Kräftesystem  besteht  jetzt  aus  drei  Gruppen:  die  eine  hat  Angriffs- 
linien durch  0^,  die  andere  solche  durch  0,,  die  dritte  solche  durch 
0,.  Jede  Gruppe  können  wir  nach  Axiom  VII,  1  zu  einer  Kraft  zu- 
sammensetzen, w.  z.  b.  w. 

Daß  bei  den  durch  Axiom  VII,  1  und  den  Parallelogrammsatz 
erlaubten  Operationen  die  Summen  (Integrale) 

K^Sdk    und    itf  =  Sad/c 

invariant  sind,  dürfte  einleuchten. 

Aus  den  folgenden  Untersuchungen  dieses  Kapitels  (Nr.  116,  124), 
wird   dann  hervorgehen,  daß  dies  auch  die  einzigen  Invarianten  sind. 

Zu  Axiom  VII,  1  fügen  wir  noch  die  folgenden  einleuchtenden, 
durch  das  tägliche  Leben  erprobten  Axiome  hinzu: 

Axiom  VII,  2:  Ein  starrer  Körper  ist  sicher  nicht  im 
Gleichgewicht,  wenn  auf  ihn  eine  einzige,  von  Null  ver- 
schiedene Kraft  wirkt;     und 

Axiom  VII,  3:  Ein  starrer  Körper  ist  sicher  nicht  im 
Gleichgewicht,  wenn  auf  ihn  ein  sogenanntes  „Kräftepaar^, 
d.  h.  zwei  entgegengesetzt  gleiche,  nicht  in  derselben  An- 
griffslinie liegende  Kräfte  wirken,  die  nicht  Null  sind,  oder 
wenn  auf  ihn  eine  Einzelkraft  und  ein  Xräftepaar  einwirken. 


Nr.  114, 116.         §  24.    Zasammenseizung  der  Kräfte  in  der  Ebene.  177 

Der  fundamentale  Begriff  des  Eraftepaares  stammt  von  Poinsot 
(„Statique",  1803). 

Axiom  VII,  4:  Ein  starrer  Körper  ist  sicher  im  Gleich- 
gewicht, wenn  gar  keine  äußere  Kraft  auf  ihn  wirkt. 

(WoUten  wir  den  allgemeinen  Schwerpunktsatz  voraussetzen 
(siehe  Nr.  52  oder  107),  so  wäre  VII,  2  natürlich  eine  unmittelbare 
Folge  desselben;  ebenso  VIF,  3  eine  Folge  des  Momentensatzes  (siehe 
Nr.  108  und  114).  Überhaupt  sind  die  Axiome  VII  nur  för  einen 
selbständigen  Aufbau  der  Statik  nötig.) 

114.  BUdiing  des  Komentes  fOr  vemoliledene  Bemgs- 
punkte.  Bas  Koment  eines  Krftftepaares.  Bilden  wir  die 
Summe  der  Momente  für  einen  neuen  Bezugspunkt  0',  so  bekommen 
wir  keine  wesentlich  neue  Invariante. 

Denn  sei  O'Ä  =»  y,  O'Ö  =■  s,  so  daß 

ä^y  —  s 
ist,  so  folgt  für  das  neue  Moment 

oder 

Man  erhält  also  das  Moment  in  heeug  auf  den  neuen  Bezugs- 
punkt, indem  man  zu  dem  alten  Moment  noch  ein  Moment  hinzufügt, 
das  man  bekommt,  indem  man  die  Resultierende  K  in  dem  alten  Be- 
zugspunkte 0  angreifen  läßt  und  ihr  Moment  inbezug  auf  den  neuen 
bildet. 

Daraus  folgt  sofort,  daß  das  Moment  eines  Kräftepaares  — 
wir  Terstehen  darunter  die  Summe  der  Momente  der  beiden  das  Paar 
bildenden  Kräfte  —  von  der  Wahl  des  Bezugspunktes  unabhängig 
ist.  Denn  es  ist  K  =  0.  Wählen  wir  dann  den  Bezugspunkt  in  dem 
Angriffspunkt  der  einen  der  beiden  Kräfte,  so  erkennen  wir,  daß  das 
Moment  eines  Kräftepaares  auf  der  Ebene  desselben  senkrecht  steht 
derart,  daß  von  dem  Momentvektor  aus  gesehen  die  Kräfte  durch  ihre 
Pfeile  einen  Drehsinn  links  herum  anzeigen  und  daß  die  Oröße  des 
Momentes  gleich  dem  Produkt  aus  der  Größe  der  Kraft  und  dem 
Hebelarm  des  Paares,  d.  h.  dem  normalen  Abstände  beider  Angriffs- 
linien ist. 

§  24.   Zusammensetzung  der  Kräfte  in  der  Ebene. 

116.  Znsammensetsnng  zweier  Kr&fte.  Es  sei  eine  end- 
liche Anzahl  endlicher  Kräfte  —  wir  können  uns  ja  nach  Nr.  113 
auf  diesen  Fall  beschränken  —  gegeben,  welche  in  einer  Ebene  liegen 

Hamel:  Elementare  MeobAnUc.  12 


178 


V.   Statik  des  starren  Körpers  (Theorie). 


Nr.  115. 


Moment  po«ltiT. 


und  an  einem  starren  Körper  angreifen.  Den  Bezugspunkt  0  der 
Momente  wählen  wir  ebenfalls  in  dieser  Ebene.  Dann  stehen  alle 
Momente  auf  dieser  Ebene  senkrecht  und  unterscheiden  sich  auBer 
durch  ihre  Größe  nur  noch  durch  den  Sinn.  Es  genügt  deshalb  hier, 
die  Momente  als  Skalare  au&ufassen,  die  positiv  und  negativ  sein 
können.  Denken  wir  uns  in  die  Ebene  ein  x^  y  Koordinatensystem  hin- 
eingelegt^ so  woUen  wir  die  Richtung  der  j?- Achse  —  das  x,  y,  jer-Sy- 

stem     sei     ein    sogenanntes    rechts- 

I  /  händiges    System,     d    h.    liegt    die 

0°  \  ^°  fJ  rr- Achse    nach    rechts,    die    y- Achse 

nach  links,  so  soll  die  x^- Achse  nach 
oben  gerichtet   sein    —   als   positive 

Flg.  67.   ^*'°"'*  "''^"^"  Richtung   für   die   Momente   wählen. 

Dann  ist  ein  Moment  positiv,  wenn 
der  Kraft vektor  von  vom  —  von  der  ;? -Achse  —  aus  gesehen  in  bezug 
auf   den   Bezugspunkt  0   nach   links   zeigt. 

Wenn  nun  von  den  gegebenen  Kräften  zwei  Angriffsgeraden  sich 
in  einem  Punkte  S  schneiden,  so  können  wir  nach  Axiom  VII,  1  die 
beiden  Kräfte  durch  eine  in  S  angreifende  ersetzen. 

Sind  zwei  Kräfte  parallel  und  gleichgerichtet,  so  kann  man  sie 
ebenfalls  durch  eine  einzige  Resultierende  ersetzen. 

Beweis:   Es   seien   p   und   q    parallel   und   gleichgerichtet     In 

zwei  Punkten  A  und  B  der  beiden 
Angriffslinien  füge  man  zwei  ent- 
gegengesetzt gleiche  Kräfte  s  und 
—  s  in  derselben  Angriffslinie  hinzu^ 
I  was  man  tun  darf.  Nun  setze  man 
p  und  s  zu  einer  Resultierenden  ü 


/ 


\ 


— r 


PIg.  68. 


zusammen,  q  und  —  $  zu  einer  Re- 
sultierenden V. 

Die  Angriffsgeraden  von  U  und  v 
schneiden  sich  aber  in  einem  Punkte  S 
und  können  daher  zu  einer  Resul- 
tierenden f  zusammengesetzt  werden. 

Aus  den  Sätzen,  daß  ^t  und  ^ak  invariant  sind,  läBt  sich  nun 
r  nach  Richtung,  Größe  und  Lage  ohne  weiteres  bestimmen. 

Es  muß  sein 

d.  h.    f   ist   von    derselben  Richtung   wie   die   gegebenen  Kräfte  und 
seine  Größe  ist  gleich  ihrer  gewöhnlichen  Summe: 


i>  +  2 


Nr.  116. 


§  24.    ZusammenBetzting  der  Kräfte  in  der  Ebene. 


179 


Ferner  muß  in  bezug  auf  einen  beliebigen  Punkt  0 

xr  '^  ap  +  bq 

sein,  wenn  x,  ä,  b  die  Vektoren  nach  den  Angriffspunkten  von 
r,  Pf  q  sind. 

Wahlen  wir  0  auf  der  gewählten  Angriffsgeraden  von  r,  so  ist 

Daraus  folgt  zunächst:  r  liegt  zwischen  p  und  g,  denn  nur  dann 
können  p  und  ^  entgegengesetzt  gleiche  Momente  haben.  Weiter: 
wenn  a  und  b  die  Abstände  der  Angriffsgeraden  Yon  f  von  p  und 
q  sindy  so  folgt 

pa^qb, 

d.  h.  r  teilt  den  Abstand  von  p  und  ^  im  umgekehrten  Verhältnis 
der  Kräfte. 

Damit  ist  dieser  Fall  erledigt. 

Zwei  entgegengesetzt  gerichtete,  ungleiche  Kräfte  kann  man  eben- 
falls auf  eine  Einzelkraft  reduzieren. 

Beweis  analog  wie  vorhin.     Auch  jetzt  werden  sich  die  üjräfte 
üy  V  in  einem  Punkte  S  schneiden^  obwohl  üj  v  gegen  p^  q  im  selben 
Sinne  herausgedreht  sind.  Aber  der 
Winkel  zwischen  p^  u  wird  kleiner 
sein   als   der  Winkel   zwischen  q 
und  Vf  weil  p>q  angenommen  ist. 

£s  wird  also  eine  Resul- 
tierende f  geben.    Aus  >^  ^^-^'  .     / 

f  ^p  +  q 

folgt  wie  früher: 

Die  Resultierende  hat  dieselbe 
Richtung  wie  die  größere  der  beiden 
So-äfte  {p)  und  ihre  Größe  ist  gleich 
der  Differenz  der  gegebenen  Kräfte 

r^p^q. 

Wählen  wir  den  Bezugspunkt  für  die  Momente  wieder  auf  f,  so 
ergibt  sich 

0  =  ap  -\-  bq. 

Daraus  erkennt  man,  daß  f  außerhalb  p  und  q  liegen  muß^  daß  femer 

ap^bq 

sein  muB^  wenn  a  und  b  die  Abstände  zwischen  r  und  p  bzw.  q  be- 
deuten. 

12* 


/ 


Fig.  69. 


180  V.   Statik  des  starreo  Körpers  (Theorie).  Nr.  116. 

Daraus  folgt  dann  schließlich,  daß,  weil  p>  q,  h>  a  sein  muB, 
d.  h.  die  Resultierende  liegt  auf  Seiten  der  größeren  der  beiden  Kräfte. 

Es  erübrigt  noch  der  Fall  der  entgegengesetzt  gleichen  Ejräfte, 
d.  b.  das  Kräftepaar. 

Ein  Kräftepaar  Jcann  man  nicht  auf  eine  Einzelkraft  jsurüdc- 
fiihren. 

Wäre  dies  wohl  möglich,  f  die  Resultierende,  so  müßte  r  ^  p 
+  (—  |i)  =  0  sein. 

Andererseits  aber  wäre 


xr  ^  ap  +  b{—p)  ==  (a  —  b)p  =  M, 

wo  M  das  nicht  verschwindende  Moment  des  Kräftepaares  ist.  Es 
könnte  also  r  nicht  Null  sein. 

Man  hat  das  Resultat  wohl  so  gedeutet,  daß  man  sagt:  ein  Kräfte- 
paar sei  äquivalent  einer  Kraft  von  der  Größe  Null  (f  »  0),  welche 
in  der  unendlich  fernen  Geraden  (x  ^  oo)  angreife.  Man  hat  aber 
durch  eine  solche  Redeweise  praktisch  nichts  gewonnen. 

116.  Znaammensetsimg  beliebig  vieler  Kr&fte.  Bie  G-leiolu 
gewiohtsbedingiingen.  Wenn  beliebig  viele  Kräfte  k'y  k"  . . ,  ^*> 
gegeben  sind  mit  den  AugrifiPspunkten  ä\  a' . . ,  ä^^\  so  können  wir 
von  diesen  immer  je  zwei  zu  einer  Kraft  zusammensetzen,  solange 
nicht  nur  mehr  eine  Kraft  oder  ein  Kräftepaar  übrig  bleibt;  denn 
es  können  von  drei  Kräften  höchstens  zwei  einander  gleich  und  ent- 
gegengesetzt gerichtet  sein. 

Man  kann  somit  das  Kräftesystem  der  Ebene  reduzieren  atif 
eine  einzige  Kraft  oder  auf  ein  Kräftepaar, 

die  freilich  auch  Null  sein  können. 

Man  kann  aber  das  Resultat  aus  unseren  beiden  Invarianten 

K  =  ^k     und     M  =  ^ak 

direkt  bestimmen. 

a)  Ist  _ 

Ji^  +  O, 

so  resultiert  eine  Einzelkraft.  Denn  resultierte  ein  Kräftepaar,  oder 
wäre  das  Kräftesystem  äquivalent  Null,  so  müßte  K  =^Q  herauskommen. 

K  gibt  dann  schon  die  Resultierende  nach  Größe  und  Richtung. 

Um  ihre  Angriffsgrade,  die  sogenannte  „Zentrallinie^^  des 
Kräftesystems  zu  finden,  machen  wir  davon  Gebrauch,  daß  das  Gesamt- 
moment invariant  ist.  Sei  x  der  Vektor  vom  Bezugspunkte  0  nach 
einem  Punkte  der  Zentrallinie,  so  muß 

xK  «  M 
sein.     Das  ist  die  Gleichung  der  Zentrallinie   (siehe  Anhang  U,  2). 


Nr.  116.  §  24.    ZusammenBetzang  der  KrSfte  in  der  Ebene.  181 

Sei  h  der  Abstand  der  Zentrallinie  Yon  0,  so  kann  die  vorstehende 
Gleichung  nach  dem  im  Anfang  von  Nr.  115  Gesagten  auch  so 
geschrieben  werden: 

Das  Zeichen  ±  bestimmt  sich  nach  dem  Yon  M.  Dieses  Zeichen  und 
die  Große  Ton  h  bestimmt  die  Lage  der  Zentrallinie  Tollstandig,  da 
ja  ihre  Richtung  durch  K  gegeben  ist  (vgl.  Fig.  67). 

b)  Ist  £* » 0,  aber  M  =^0,  so  kann  nur  ein  Eräftepaar  das 
Resultat  der  Reduktion  sein,  denn  die  beiden  anderen  Fälle  sind  aus- 
geschlossen.    M  ist  das  Moment  dieses  Eräftepaares. 

c)  Ist  JT  «  0  und  M  =^0,  so  ist  das  Eräftesystem  äquivalent 
Nun,  es  hält  sich  am  starren  Eörper  das  Gleichgewicht  Es  muß 
sich  dann  das  Eräftesystem  auf  zwei  entgegengesetzt  gleiche  Eräfte 
in  derselben  Angriffslinie  reduzieren  lassen,  die  sich  aufheben. 

^  =  ^i«=0  und  J?  =  ^afc  =  0  sind  also  jedenfalls  hin- 
reichende  Gleichgewichtsbedingungen  des  starren  Körpers;  daß  sie 
auch  notwendig  sind,  folgt  aus  den  Axiomen  VII,  2  und  YU,  3. 

Denn  wirkt  keine  Erafb  auf  den  starren  Eörper,  so  ist  nach  dem 
Axiom  VII,  4  der  Eörper  im  Gleichgewicht,  d.  h.  er  bleibt  in  Ruhe, 
wenn  er  einmal  in  Ruhe  war.  _^ 

Es  genügt,  die  Bedingung  Jif  =  0  für  einen  Punkt  auszusprechen: 
denn  da  nach  Nr.  114  für  einen  neuen^  Bezugspunkt  M'  ^  M  +  sK 
ist,  so  ist  ^'  von  selbst  NuU,  wenn  M  und  K  Null  sind. 

In  dem  besonderen  Falle,  daß  drei  Eräfte  auf  den  starren 
Eörper  wirken  und  daß  von  diesen  wenigstens  zwei  (k'  und  Je'")  sich 
in  einem  Punkte  8  schneiden,  läßt  sich  die  Gleichgewichtsbedingung 
besonders  anschaulich  aussprechen: 

*^k  =  F  +  *"  +  *"'  =  0 
heißt,  die  Eräfte  bilden  aneinander  gereiht  ein  geschlossenes  Dreieck. 

^ak  =  0 
heißt,  wenn  wir  S  zum  Bezugspunkt  machen, 

a    Ä    « 0, 

d.  h.  k'"  geht  ebenfalls  durch  S  hindurch: 

die  Angriffsgeraden  der  drei  Kräfte  müssen  durch  einen  Punkt  hin- 
durchgehen. 

Die  Zusammensetzung  von  Eräftepaaren  ist  in  unseren  vorher- 
gehenden Betrachtungen  mit  enthalten.  Denn  zwei  Eräftepaare  sind 
nichts  anderes  als  vier  Eräfte  besonderer  Art. 


182  V.   Statik  der  starren  Körpers  (Theorie).  Nr.  117. 

Man  erkennt  sofort: 

Zwei  Kräftepaare  in  derselben  Ebene  ergeben  wieder  ein  Kräfte- 
paar,  dessen  Moment  gleich  der  Summe  der  Momente  jener  ist. 

Zwei  Kräfiepaare  von  entgegengesetzt  gleichen  Momenten  heben 
sich  auf. 

Daraus  folgt  scUieBlich: 

Zwei  Kräftepaare  von  gleichem  Moment  sind  einander  äquivaUewt, 

Allgemeiner: 

Zwei  Kräftpsysteme  von  gleidiem  Moment  und  gleicher  Besul- 
tierenden  sind  einander  äquivalent 

Beweis:  S^  sei  das  eine,  S^  das  andere  System.  Man  konstruiere 
zu  S^  das  entgegengesetzte  System  S^',  indem  man  alle  Kräfte  der 
Richtung  nach  umdreht.  Dann  heben  sich  sicher  8^  und  S^'  gegen- 
seitig auf,  und  man  darf  sie  also  beide  zu  S^  hinzufügen.  Nunmehr 
heben  sich  aber  auch  S^  und  S^'  auf,  denn  die  Summe  ihrer  Kräfte 
und  die  Summe  der  Momente  ist  oach  der  Voraussetzung  Null.  Es 
bleibt  also  S,  übrig,  w.  z.  b.  w. 

Damit  ist  zugleich,  wenigstens  für  die  Ebene,  bewiesen,  daß 

K  und  M  die  eineigen  Invarianten  sind. 

Denn  Kräftesysteme  mit  gleichem  K  und  M  sind  einander  in 
allen  Fällen  äquivalent. 

117.  AnalytiBohe  Formnliernng  der  Besultate.  Es  Jbabe 
nach  den  rechtwinkligen  Achsen  x,  y,  k  die  Komponenten  Ä;^,  k^,  K  die 
Komponenten  K^,  K^j  ä  die  Komponenten  a,  b.  Der  Bezugspunkt  O 
sei  zugleich  Anfangspunkt  des  Koordinatensystems. 

Dann  entstehen  aus 

,  K  -^^ 

die  beiden  Gleichungen 
— ' X    und  da  ak  die  Komponenten 

Flg.  70.  ^ 

0,  0  aÄy-6t,, 
hat  (siehe  Anhang  II,  1),  so  wird  aus 

M  =»  ^ak 
die  eine  Gleichung 

Die  Richtigkeit  dieser  Formel  lehrt  auch  sofort  die  Anschauung 
(Fig.  70). 


Nr.  118.  §  24.    Zasammensetzang  der  Kräfte  in  der  Ebene.  183 

Als  Gleichgewichtsbedingungen  hat  man  somit 

2K-0 

und 

Diese  Gleichung  tritt  als  neu  zu  den  beiden  ersten  aus  Abschnitt  I 
bekannten^  hinzu. 

Ist  K^O,  so  lautet  die  Gleichung  der  Zentrallinie^  da 

sein  mu£; 

X,  y  sind  dabei  die  laufenden  Koordinaten  der  Zentrallinie. 

Aufgabe  68:  Man  reduziere  die  Kräfte  Ton  den  Größen  10,  12,  7,  IS  kg, 
deren  Angriffsgeraden  eine  Achse  unter  Winkeln  von  30^,  90^  45^,  120^  in  vier 
Punkten  schneiden,  welche  die  Abstände  3,  2  und  4  m  voneinander  haben. 

118.  OraphiBohe  Kethode  (Seilpolygon).  Diese  Methode 
ist  nichts  anderes  als  eine  systematische  zeichnerische  Durchbildung 
des  Grundgedankens  von  Nr.  llö. 

Gegeben  seien  die   Kräfte  k^,  jc^  . .  .k^  mit  ihren  AngrifiPslinien. 

Man  kann  dann  zunächst  K  —  ^k  leicht  bestimmen :  Man  reihe 
die  Kräfte  in  irgendeiner  Reihenfolge  ungeändert  nach  Größe  und 
Richtung  zu  einem  Streckenzug  KqK^  •  •  •  -ST^  ™i^  fortlaufendem  Pfeil- 
sinn aneinander,  dem  sogenannten  Krafteck  oder  Kräftepolygon. 
Die  Verbindungsstrecke  K^K^  des  Anfangs-  mit  dem  Endpunkte  gibt 
dann  di^  Resultierende  K.  Schließt  sich  das  Krafteck,  ist  K^ »  K^^ 
so  ist  K  ^0,  die  erste  Bedingung  des  Gleichgewichts  ist  Erfüllt. 

Wie  findet  man  nun  in  dem  Falle  K  =^  0  die  Zentrallinie  und 
wie  entscheidet  man  im  Falle  K  ^  0,  oh  Gleichgewicht  herrscht  oder 
ob  ein  Kräftepaar  resultiert?  ^ 

Wir  lösen  zunächst  die  erste  Frage,  nehmen  also  K  ==^0  an. 

Wir  setzten  früher  die  Kräfte  Stück  für  Stück  zusammen.  Dabei 
konnte  nur  die  Schwierigkeit  paralleler  Kräfte  auftreten,  die  wir 
dadurch  meisterten,  daß  wir  zwei  sich  aufhebende  Kräfte  s  und  —s 
hinzufügten. 

Derselbe  Kunstgriff  wird  offenbar  möglich  sein,  wenn  der  Schnitt^ 
punkt  zweier  Kräfte  praktisch  (zeichnerisch)  unerreichbar  ist. 

Wir  wenden  ihn  jetzt  prinzipiell  an,  indem  wir  von  Anfang  an 
zwei  entgegengesetzt  gleiche  Kräfte  r^  =  PKq  und  —  r^  •=■  jCqP  in  dem 
Strahl  S^Sq  angreifen  lassen,  wo  S,  ein  willkürlich  gewählter  Punkt 
auf  der  Angriffsgeraden  von  k^  ist,  P  ein  willkürlich  gewählter  Punkt 
des  Kraftecks. 


184 


y.   Statik  des  starren  Körpers  (Theorie). 


Nr.  118. 


Natürlich  muB  S^Sq  der  Strecke  PK^  parallel  sein. 

Wir  Betzen  nun  f^  und  *«  zusammen:  der  Größe  und  Richtung 
nach  wird  das  r^,  die  Strecke  PK^  sein,  die  Angriffsgerade  {S^S^ 
wird  durch  jS^  hindurchgehen  und  PK^  parallel  sein.  S^  sei  ihr 
Schnittpunkt  mit  der  Angriffsgeraden  von  Jc^.    Nun  setzen  wir  r^  mit 

£2  zusammen  zu  r,  «=  P^,  die  Angriffsgerade  von  f,  wird  durch  S^ 
hindurchgehen  müssen  und  r,  parallel  sein.     So  fahren  wir  fort. 


Fig.  71. 


Schließlich    ist   außer 


Tq   m 


S^Sq   nur   noch   r^^PK^y    die 


Resultierende  von  r„_j  und  fc„  übrig,  ihre  Angriffsgerade  wird  durch 
8^  auf  der  Angriffsgeraden  von  Ic^  hindurchgehen. 

Die  Resultierende  von  —  r^  und  f^  ist  nach  Richtung  und  Größe 
natürlich  ^durch  K^K^  =  K  gegeben,  um  aber  einen  Punkt  ihrer  An- 
griffsgeraden zu  finden,  brauchen  wir  nur  den  Schnittpunkt  S^  der 
Angriffsgeraden  von  —  Tq  und  r,  zu  konstruieren.  (In  der  Figur  ist 
n  =  3.) 

Das  Resultat  läßt  sich  leicht  zu  folgender  Regel  zusammenfassen: 

„Man  wähle  im  Erafteck  einen  Punkt  P,  den  Pol  willkürlich 
und  ziehe  die  Polstrahlen  PK^,  P^i  •  •  •  bis  PK^.  Auf  einer 
Angriffsgeraden,  etwa  der  von  l\y  wähle  man  einen  Punkt  S^  beliebig 
und  zeichne  nun  das  sogenannte  Seileck,  d.  h.  Seilstrahlen  parallel 
zu  den  Polstrahlen,  so  daß  die  beiden  Seilstrahlen,  die  einer  Kraft 
zugehören,  d.  h.  deren  entsprechende  Polstrahlen  die  Kraft  begrenzen, 
sich  auf  der  Angriffsgeraden  der  Kraft  schneiden.  Der  erste  und 
letzte  Seilstrahl,  d.  h.  diejenigen,  deren  Polstrahlen  im  Krafteck  — 
auch  Poleck  genannt  —  die  Resultierende  einschließen,  schneiden 
sich  in  einem  Punkte  der  Zentrallinie.'' 

Wenn  jetzt  K  ^0  ist,  d.  h.  K^ «*=  Kq  ist,  so  verfahren  wir  ganz 
analog.     Es  wird  jetzt  f^  ==  Fq  werden,  der  erste  und  letzte  Polstrahl 


Nr.  118. 


§24.    ZuBammenBetzung  der  Kräfte  in  der  Ebene. 


185 


werden  zusammenfallen.     Aber  der  erste  and  letzte  Seilstrahl  werden 
das    im    allgemeinen   nicht   tun,    sie   werden  parallel   sein. 

Das  Kraftsystem  ist  somit  auf 
ein  Ejraftepaar  zurückgeführt:  —  f^ 
und  r^^  +  Tq  sind  die  Kräfte  nach 
Richtung  und  Größe,  die  Angriflfs- 
geraden  werden  die  sogenannten  freien 
Seilstrahlen  S^Sq  und  iS„S^+i  sein, 
die  parallel  sind.  (In  der  Figur  72 
ist  n  =  4). 

Nur  wenn  diese  Seilstrahlen  zu- 
sammenfallen, wenn  also  auch  das 
Seileck  geschlossen  ist,  werden  —  Tq 
und  r^  sich  aufheben,  also  Gleich- 
gewicht bestehen.  (Man  hat  dann 
dieselbe  Figur  wie  71,  nur  daß  statt 
K  zu  schreiben  ist  —  ÄJ. 

Damit  also  Gleichgewicht  be- 
steht, müssen  Krafteck  und  Seileck 
sich  schließen. 

Die  Namen  Seilstrahl  und 
Seileck  haben  folgende  Bedeutung: 
Denken  wir  uns  den  Gleichgewichts- 
fall und  S^S^S^. ., S^  als  ein  Polygon 
aus  Idealfaden  (siehe  Nr.  65).  An 
den  Ecken  mögen  die  Kräfte  ^^ . . .  £^ 
angreifen.  Damit  nun  Gleichgewicht  besteht,  müssen  sich  an  den 
Ecken  die  Kräfte  jeweils  mit  den  Seilspannungen  das  Gleich- 
gewicht halten,  d.  h.  jedes  k^  muß  mit  den  beiden  Seilspannungen, 
die  ihm  zugehören,  ein  geschlossenes  Dreieck  bilden.  Man  erkennt 
daraus  direkt,  daß  f^^^  und  —  f,  diese  Spannungen  sind,  denn  sie 
liegen  ja  in  den  Richtungen  der  Seilstrahlen. 

Freilich  müßten  wir,  um  den  allgemeinen  Fall  zu  erhalten,  auch 
Drucke  in  den  Fäden  (Seilen)  zulassen.  (Man  spräche  deshalb  besser 
von  einem  Stabpolygon.) 

Die  Gleichgewichtsbedingung  eines  solchen  Seilecks  zu  suchen, 
war  ein  Problem  Yarignons.  Bei  ihm  kommt  daher  unsere  Figur 
schon  vor.  Damit  das  Seileck  S^ . .  ,  S^  unter  den  Kräften  k^.  .  .k^ 
im  Gleichgewicht  sei,  müssen  die  zu  den  Seilstrahlen  parallelen  Pol- 
strahlen durch  einen  Punkt  gehen. 

Diesen  Satz  fand  Yarignon. 

Die  Benutzung  dieses  Resultats  in  dem  hier  dargelegten  Sinne, 
zur  Entscheidung,  ob  bei  einem  starren  Körper  Gleichgewicht  herrscht 
oder  nicht,  stammt  von  Culmann  („Graphische  Statik*'  1864  u.  1866). 


K0-K4 


Flg.  7t. 


186  V.  Statik  des  starren  KOrpen  (Theorie).  Nr.  119. 

Alle  weiteren  Literaturnachweise  findet  man  in  der  Enzyklopädie 
der  math.  Wissenschaften,  Bd.  IV.  Artikel  5,  Henneberg:  ^Die 
graphische  Statik  der  starren  Körper^. 

Man  bezeichnet«  nämlich  die  in  dieser  Nummer  dargestellte 
Methode  und  ihre  Weiterbildung  als  „graphische  Statik^. 

Aufgabe  69:   Man  löse  die  Aufgabe  68  auf  graphischem  Wege. 

119.  Die  Ovlnuuuieehe  Gerade.  Bei  der  Konstruktion  des 
Seilecks  sind  drei  Stücke  willkürlich:  die  beiden  Koordinaten  des 
Pols  P  und  die  Lage  des  Punktes  S^  auf  der  ersten  Angriffsgeraden. 
Es  wird  also  oo'  Seilecke  zu  einem  Kräftesystem  geben.  Wir  wollen 
über  die  gegenseitige  Lage  dieser  verschiedenen  Seilecke  den  folgenden 
Satz  aussprechen: 

Die  entsprechenden  Seilstrahlen  zweier  9u  einem  Kräftesystem 
gehörenden  Seüecke  schneiden  sich  in  Punkten,  wdAe  auf  einer 
Geraden  liegen  y  der  sogenannten  CidmannsAen  Geraden  ^  und  diese 
Gerade  ist  der  Verbindungsstrecke  der  beiden  Pole  paräUd. 

Den  trivialen  Fall,  daß  die  beiden  Pole  zusammenfallen,  können 
wir  wohl  von  der  Betrachtung  ausschlieBen:  die  Culmannsche  Gerade 
ist  dann  die  unendlich  ferne  Gerade. 

Wir  wollen  einen  sehr  schonen  Beweis  des  Satzes  geben,  der 
auf  der  dynamischen  Bedeutung  der  Figuren  beruht  und  den  man  im 
wesentlichen  Mohr  verdankt. 

Die  Ecken  des  Kraftecks  mögen  wieder  wie  früher  E^K^  , . ,  K^ 
heißen;  die  Polstrahlen  P'K^y  P^ K^  , . .  fassen  wir  dann  wieder  als 
KriLfte  Sq,  s^  . .  .s^  auf.  Dann  haben  wir  die  beiden  folgenden  Reihen 
von  Äquivalenzen 

fo       und  ^1  äquivalent  f ^  ^o      und  k^  äquivalent  s^ 


m             • 

f} 

h 

ff 

r. 

«1 

w 

h 

ff 

»t 

»",-1 

97 

K 

ff 

r. 

■     s. 

-1 

n 

K 

ff 

s. 

Versehen  wir  die  zweite  Reihe  mit  dem  Minuszeichen,  wodurch 
sn  der  Äquivalenz  nichts  geändert  wird,  und  fügen  sie  zur  ersten 
hinzu,  so  bekommen  wir  die  neue  Reihe 

Fq  und  —  Sq  äquivalent  r^     und     —  s^  äquivalent  f ,     und     —  s,  usw. 

Daraus  aber  folgt  zunächst,  daß  die  vektorielle  Gleichung  bestehen  muß 

Die  ist  aber  selbstverständlich,  denn  alle  diese  Differenzen  sind  gleich 
dem  Vektor  P~P\ 


H^r.  120. 


§  24.    ZasammeiiBetzTizig  der  Kräfte  in  der  Ebene. 


187 


Aber  es  folgt  weiter,  daß  die  Schnittpunkte  der  Angriffsgeraden 
von  Tq  und  —  Sq,  der  von  f^  und  —  s^  usw.  alle  auf  einer  Geraden 
liegen  müssen,  eben  der  Angriffsgeraden  ihrer  gemeinsamen  Resul- 
tierenden PP^,  Es  liegt  aber  f^  im  (y  +  1)*®**-  Seilstrahl  des  ersten, 
—  s^  im  (v  +  1)**°  Seilstrahl  des  zweiten  Seilecks.  Und  damit  ist 
•der  Gnlmannsche  Satz  bewiesen. 

120.  LÖBiing  der  Angabe,  das  Gtolleck  dnroh  drei  ge- 
gebene Pnnkte  ra  legen.  Da  bei  der  Zeichnung  eines  Seilecks 
noch  drei  Stücke  willkürlich  sind,  wird  man  das  Seileck  drei  Be- 
dingungen unterwerfen  können;  mau  wird  z.  B.  vorschreiben  dürfen, 
daß  drei  bestimmte  Seilstrecken  durch  drei  gegebene  Punkte  hindurch- 
^hen.  Ehe  wir  zur  Lösung  dieser  wichtigen  Aufgabe  schreiten,  seien 
zwei  Bemerkungen  gestattet: 

1.  Man  kann  irgend  zwei  Polstrahlen,  also  auch  irgend  zwei  Seil- 
fitrahlen  eine  Kraft  zuordnen,  nämlich  die  Resultierende  aller  der 
£rafte,  die  zwischen  die  beiden  Polstrahlen  gereiht  sind.  Handelt  es 
«ich  um  den  v*^  und  den  v  +  X^^  Polstrahl,  so  kann  man  ihnen  die 
Teilresultierende  von  i»,  i^+i . .  .  ^y+i„i  zuordnen.  Ein  Ppnkt  der 
Angriffslinie  dieser  Teilresultierenden  wird  dann  durch  den  Schnitt- 
punkt des  1/**"*  mit  dem  {v  -f  A)**°  Seilstrahl  gegeben  sein.  Das  ist 
nach  den  allgemeinen  Ausführungen  von  Nr.  118  ganz  selbstverständlich. 

2.  Umgekehrt  kann  man  in  den  vollendeten  Figuren  des  Kraft- 
and  Seilecks  eine  jede  Kraft  in  zwei  Komponenten  zerlegen,  und  zwar 
durch  bloße  Einschaltung  je  eines  Polstrahls  und  eines  Seilstrahls, 
wenn   man  die  Kraft  in  zwei  gleichgerichtete  Komponenten  spalten 


Fig.  73. 


will.  Man  braucht  nur  irgendeinen  Punkt  X  der  Kraft  l\  mit  P  zu 
verbinden  und  zu  PX  irgendeine  Parallele  im  Seileck  zu  ziehen. 
Schneidet  diese  den  v^^  und  den  (v  +  l)^**  Seilstrahl  in  A  resp.  J5, 
80  sind  A  und  B  Angriffspunkte  der  Komponenten. 

Daraus  folgt  sofort  folgender  Hilfssatz:  Wählt  man  auf  zwei  Seil- 
strahlen die  Punkte  A  und  B  und  zieht  durch  sie  die  Parallelen  zur 
zugehörigen  Kraft,  bis  sie  die  Seilstrahlen  eines  zweiten  Seilecks  in 


188 


y.   Statik  des  starren  Körpers  (Theorie). 


Nr.  120. 


Ä'B  treffen,  so  schneiden  sich  A3  und  Alt!  auf  der  Cnlmannschen 
Geraden. 

Dieser  Satz  ist  nach  Nr.  119  selbstverständlich,  da  man  A3  und 
A!3l  als  Seilstrahlen  auffassen  kann  fQr  zwei  Kräfte  in  ^^'  resp.  33! , 

Nach  diesen  Vorbemerkungen  gehen  wir  an  die  Losung  unserer 
Aufgabe  heran. 

Wenn  der  v*«,  der  (v  +  !)*•  und  der  (v  +  X  +  ^)**  Seilstrahl  durch 
die  Punkte  A^  B,  C  gehen  sollen,  so  betrachten  wir  die  Teil- 
resultierenden, die  zu  ihnen  gehören  und  die  wir  stets  nebst  ihren 
Angriffslinien  durch  eine  erste  Seilkonstruktion  finden  können,  die 
wir  doch  ausführen  müssen.  Dadurch  aber  führen  wir  die  Aufgabe 
auf  den  einfachen  Fall  zurück,  daß  drei  benachbarte  Seilstrahlen 
durch  A,  3,  C  geben  sollen^ 

Die  beiden  zugehörigen  Kräfte  seien  k^  und  ^. 

Nachdem  wir  ein  erstes  SeUeck  konstruiert  haben,  ziehen  wir 
durch  Ay  B  Parallele  zu  t;^,  bis  sie  die  zu  k^  gehörenden  Seilstrahlen 
in  A\  S  schneiden.  Nach  dem  Hilfssatz  gibt  dann  der  Treffpunkt 
Ton  A3  mit  A'S  einen  Punkt  (6r)  der  Culmannschen  Geraden,  die 
zu  dem  ersten  und  zu  dem  gesuchten  Seileck  gehört.  Ebenso  ziehen 
wir  durch  J?,  C  Parallele  zu  j^,  bis  sie  die  alten  Seilstrahlen  in 
J5",  C"  schneiden.  3C  und  3"C"  bestimmen  einen  neuen  Punkt  {H) 
der  Culmannschen  Geraden,  die  wir  nunmehr  ziehen  können. 


\  '^ 


Flg.  74. 


Unsere  drei  Seilstrahlen  können  wir  jetzt  richtig  zeichnen,  wenn 
wir  bedenken,  daß  sie  durch  A^  3,  C  hindurchgehen  sollen  und  die 
alten  auf  der  Culmannschen  Geraden  schneiden  müssen.  Alle  anderen 
Seilstrecken  ergeben  sich  dann  von  selbst,  indem  wir  bedenken,  daß 
ja  zwei  Seilstrahlen  immer  auf  einer  Kraft  zusammenstoßen  und  sich 
immer  je  ein  neuer  und  ein  alter  auf  der  Culmannschen  Geraden 
schneiden  müssen. 

Bei  der  ganzen  Konstruktion,  die  man  Mohr  verdankt,  braucht 
man  auf  das  Krafteck  nicht  zurückzugreifen. 


I 
Nr.  181.  §  26.    Zerlegung  der  Kräfte  in  der  Ebene.  189 

§  25.  Zerlegung  der  Kräfte  in  der  Ebene. 

121.  Zerlegung  in  swei  SrUte.  Soll  eine  Kraft  k,  deren 
Angriffspunkt  durch  ä  gegeben  ist^  in  zwei  Kräfte  p  und  q  zerlegt 
-w^erden,  deren  Angriffspunkte  durch  x  und  y  bestimmt  seien,  d.  h.  soll 
k  den  Kräften  p  und  q  äquivalent  sein,  so  müssen  nach  Nr.  116  die 
Gleichungen  bestehen: 

p  +  q=^]Cy 

xp  -\-yq^  ak. 

Das  sind  in  der  Ebene  drei  skalare  Gleichungen.  Andererseits  ist 
jede  Kraft  mit  ihrer  Angriffslinie  in  der  Ebene  ebenfalls  durch  drei 
Stücke  bestimmt,  etwa  durch  die  Richtung  (einen  Winkel),  die  Größe 
der  Kraft  und  einen  Punkt  der  Angriffslinie.  Dabei  zählt  ein  solcher 
Punkt  nur  als  ein  Stück,  da  die  oo^  verschiedenen  Punkte  derselben 
Angriffsgeraden  einander  gleichwertig  sind. 

Die  Kräfte  p  und  q  repräsentieren  also  sechs  Yariabele,  drei 
Ton  ihnen  wird  man  noch  geben  können. 

Da  nun  aber  in  den  beiden  ersten  Gleichungen 

P  +q^k 

nur  Richtung  und  Größe  der  beiden  Kräfte  vorkommen,  so  wird  man 
Ton  diesen  vier  Yariabeln  höchstens  zwei  geben  dürfen. 

Danach  gibt  es  zwei  Typen  von  Aufgaben:  1.  Es  können  zwei 
Stücke  der  Vektoren  p,  q  gegeben  sein.  Alle  diese  Aufgaben  führen 
wesentlich  auf  eine  Aufgabe.  Denn  wenn  zwei  Stücke  der  Vektoren  p,  q 
gegeben  sind  (z.  B.  die  beiden  Richtungen,  oder  die  beiden  Längen, 
oder  eine  Richtung  und  eine  Länge),  so  kann  man  aus  dem  Kraft- 
dreieck allein  die  beiden  andern  sofort  finden.  Und  da  noch  ein 
Angriffspunkt  gegeben  sein  muß,  so  bleibt  von  diesem  Typus  allein 
die  Aufgabe: 

Die  Kräfte  p,  g,  k  sind  gegeben,  so  daß  p  +  q  =^k  erfüllt  ist. 
Zwei  Angriffsgeraden,  die 
von  p  und  k  sind  eben- 
falls bekannt,  es  soll  die 
dritte,  die  von  q  gesucht 
werden. 

Wenn  der  Schnitt- 
punkt S  der  beiden  ge- 
gebenen Angriffsgeraden 
erreichbar  ist,  so  kann 
man  die  Aufgabe  durch 
einen  Strich  lösen:  man 
hat   einfach  durch  S  die  '  Fig.  75. 


190 


y.  Statik  des  ttazTen  KOrpera  (Theorie). 


Nr.  122. 


Parallele  zu  q  zu  zeichnen.  Denn  die  drei  Angriffisgemden  müssen 
natürlich  durch  einen  Punkt  gehen  (siehe  die  Bemerkung  in  Nr.  116). 

Wenn  nun  S  nicht  erreichbar  ist,  so  nehmen  wir  ein  Seilpolygon 
zu  Hilfe.  Die  Konstruktion  Tersteht  sich  Ton  selbst,  wenn  man  be- 
achtet, daB  natürlich  die  Kräfte  —  p,  —  q  und  k  miteinander  im 
Gleichgewicht  sein  müssen. 

Man  wählt  einen  Pol  P  beliebig,  fangt  die  Seilkonstmktion  in 
einem  beliebigen  Punkte  A  von  p  an  und  findet  als  dritte  Ecke  j5^ 
einen  Punkt  der  Angriffsgeraden  von  q. 

Diese  Konstruktion  löst  zugleich  die  Aufgabe,  durch  einen  un- 
erreichbaren Schnittpunkt  (S)  zweier  Geraden  eine  Parallele  zu  einer 
gegebenen  Richtung  (jq)  zu  zeichnen. 

122.  Fortsetrang.    2.  Es  ist  nur  ein  Stück  von  den  Vektoren  p 
und  q  gegeben,  z.  B.  a)  eine  Länge  oder  b)  eine  Richtung.     Dafür 
aber  sind  beide  Angriffspunkte  Ä,  B  der  gesuchten  Kräfte  gegeben» 
Wir  lösen  beide  Aufgaben  wieder  vermittels  eines  Seilecks.     Zu- 
nächst die  Aufgabe  2  a):  Gegeben  sei  A,B  und  die  Länge  von  p. 

Wir  wählen  auf 
der  Angriffsgeraden  von 
k  einen  Punkt  S  und 
ziehen  zuerst  das  Seil- 
eck SAB.  Dazu  kon- 
struieren wir  den  Pol  P^ 
indem  wir  beachten, 
daß  PüTo  parallel  AS 
und  PK^  parallel  SB 
sein  muß  (oder  umge- 
kehrt). Endlich  ziehen 
wir  einen  dritten  Polstrahl  parallel  AB.  Auf  diesem  erhalten  wir 
die  dritte  Ecke  des  Kraftecks,  indem  wir  um  Kq  mit  p  einen  Kreis 
schlagen.  Der  Schluß  der  Aufgabe  versteht  sich  dann  von  selbst:  sie 
hat  zwei  oder  gar  keine  Lösung. 

Endlich  lösen  wir  die  wichtigste  Aufgabe  2  b)  und  zwar  in  etwas 
allgemeinerer  Form: 

Gegeben  sei  eine  Reihe  von  Kräften  l\  .  ,  .k^  mit  ihren  Angriffs- 
linien. Mau  soll  zwei  Kräfte  p  und  q  finden,  welche  ihnen  das 
Gleichgewicht  halten  und  von  denen  die  Angriffsgerade  der  einen  {p} 
gegeben  ist,  von  der  anderen  (q)  dagegen  nur  ein  Punkt  (B)  der 
Angriffslinie. 

Wir  zeichnen  uns  zunächst  den  Kräftezug  Kq.  .  .  K^.  Dieser  ist 
durch  zwei  Strecken  zu  schließen,  von  denen  wir  nur  die  Richtung^ 
der  einen  (p)  kennen.  Wir  ziehen  dementsprechend  durch  Kq  einen 
Strahl  in  der  Richtung  p.    Auf  ihm  liegt  die  letzte  gesuchte  Ecke  K^^^ . 


Fi0.7S. 


Nr.  128. 


§  26.    Zerlegping  der  Kräfte  in  der  Ebene. 


igt 


Nun  wählen  wir  einen  Pol  P  und  fangen  die  Seilkonstruktion 
beim  Punkte  B  an.  D.  h.  wir  beginnen  mit  dem  einen  bekannten 
zu  q  gehörenden  Seilstrahl,  der  PK^  parallel  ist.  Wir  fahren  dann 
in  der  Seilkonstruktion  fort  und  kommen  mit  einem  Seilstrahl  parallel 
PKq  in   einem  Punkte  Sq  der  gegebenen  Angriffsgeraden  von  p   an. 


Fig.  77. 

Nun  muß  das  Seileck  durch  den  fehlenden  Seilstrahl  geschlossen 
werden.  Wir  können  ihn  demnach  zeichnen,  es  ist  S^B,  die  so- 
genannte Schlußlinie  des  Seilecks.  Ihr  muß  der  noch  unbekannte 
Polstrahl  PK^^^  parallel  sein,  den  wir  also  nunmehr  ebenfalls  ziehen 

können.    K^^i  ist  jetzt  gefunden  und  die  Aufgabe  gelöst:  K^K^^^^q 

und  K^^^Kq^^  p  sind  die  gesuchten  Kräfte.    (In  der  Fig.  77  ist  w  =» 3). 

Die  Angriffsgerade  von  q  läßt  sich  natürlich  sofort  durch  B 
parallel  zu  q  ziehen. 

Wäre  nur  eine  Kraft  i  da,  so  wäre  die  Lösung  trivial,  wenn  der 
Schnittpunkt  S  der  Angriffsgeraden  von  k  mit  der  von  p  erreichbar 
wäre.  Man  brauchte  nur  B  mit  S  zu  verbinden  und  hätte  die  Rich- 
tung Ton  q  gefunden. 

Unsere  Konstruktion  löst  also  auch  die  Aufgabe:  Einen  gegebenen 
Punkt  B  mit  dem  unerreichbaren  Schnittpunkte  S  zweier  Geraden  zu 
verbinden. 

Warum  mußten  wir  die  Konstruktion  gerade  im  Punkte  B 
beginnen? 

123.  Zerlegnng  In  drei  Kräfte.  Von  den  vielen  hier  mög- 
lichen Aufgaben  soll  nur  die  wichtigste  behandelt  werden:  gegeben 
sind  die  drei  Angriffsgeraden   der  Kräfte,  gesucht   sind  ihre  Größen. 

Wir  lösen  die  Aufgabe  zunächst  graphisch  und  nehmen 
vorderhand  an,  daß  der  Schnittpunkt  *S  zweier  der  gegebenen  An- 
grif&geraden  erreichbar  sei.  Dann  zerlegen  wir  zunächst  die  gegebene 
Kraft  Tic  in  zwei  Komponenten:  die  eine  F  gehe  durch  S,  die  andere  r 
liege  in  der  dritten  Angriffsgeraden.  Das  ist  die  Aufgabe  2  b)  der 
vorigen  Nummer.     Dann  zerlegen  wir  k'  in  zwei  Komponenten  nach 


192  y-  Statik  dl»  BtuTen  KOrpen  (Theorie).  Nr.  183. 

den  beiden  ersten  AngrifEigeTaden;  dazu  braucht  man  nur  noch  k' 
durch  Ziehen  von  Parallelen  zu  den  AngrifEigeraden  zu  einem  Dreieck 
zu  erganzen. 

Wenn  nun  S  nicht  erreichbar  ist,  so  hätten  wir  die  Aufgabe  2  b) 
der  vorigen  Nummer  zu  lösen,  wobei  jedoch  der  Punkt  B  als  Schnitt 
zweier  Geraden  gegeben  und  nicht  erreichbar  wäre.  Geht  man  die 
Konstruktion  der  vorigen  Nummer  durch,  so  f&hrt  dieser  Umstand 
wieder  auf  diese  beiden  Aufgaben:  durch  einen  unerreichbaren  Punkt 
eine  Parallele  zu  ziehen  (Konstruktion  des  ersten  Seilstrahls  durch  JB) 
und  einen  unerreichbaren  Punkt  mit  einem  gegebenen  zu  verbinden 
(Konstruktion  der  Schlußlinie).  Diese  beiden  Au%aben  sind  aber 
mit  den  Aufgaben  Ij  und  2  b)  der  vorigen  Nummer  mit  erledigt.  Und 
somit  kann  auch  unsere  Aufgabe  aUgeroein  als  gelöst  angesehen  werden. 

Der  Studierende  möge  die  Konstruktion  wirklich  durchführen. 

Wir  wollen  die  vektor-analytische  Lösung  der  Au%abe 
besprechen. 

p,  q,  r  seien  die  gesuchten  Längen,  positiv  gerechnet,  wenn  p, 

qj  f  in  die  Richtung  von  Einheitsvektoren  ä,  ß^y  fallen,  sonst  negativ. 
Es  ist  somit 

p^pä,    q^^qß,    f^ry. 

ä,  b,  c  mögen  die  Vektoren  nach  den  Angriffspunkten  der  Krafte  sein. 
Die  gegebene  Kraft  sei  k,  ihr  Angriffspunkt  durch  £  gegeben. 
Dann  haben  wir  für  p^  q,  r  die  drei  Gleichungen 

pä  +  qß  +  ry^  f , 

pää  +  qbß  +  rcy  =  zk. 

Multiplizieren  wir  die  erste  Gleichung  mit  einem  willkürlichen  Para- 
meter X  und  addieren,  so  erhalten  wir,  wenn  wir  zur  Abkürzung 

kä  +  aa==  M,     kß  +  bß  —  ^,     Ay  +  cy  =  w,     kk  +  xk  «  M 

setzen,  die  eine  vektorielle  Gleichung 

pu  +  qv  +  rw  ^  M. 

Bilden  wir  das  innere  Produkt  mit  vlVy  so  erhalten   wir  sofort  das 

Resultat 

Jf  •  r  w 
P  = 


—  —      • 

Ü  '  VW 


Denn  t;  •  vtd  und  w  -  vw  Bind  Null,  weil  vi/ö  auf  t;  und  w  senkrecht 
steht.     Analog  berechnen  sich  q  und  r. 

Der  Parameter  l  kommt  natürlich  im  Resultat  nur  scheinbar  vor» 

Ist  eine  Lösung  immer  möglich? 


Nr.  123. 


§  25.    Zerlegung  der  Kr&fte  in  der  Ebene. 


193 


Wenn  man  in  den  Nenner  u  •  vw  die  Werte  einsetzt  nnd  be- 
achtet, daß  a,  ßy  y  alle  in  einer  Ebene  liegen^  ää,  hß,  cy  alle  auf 
derselben  senkrecht  stehen^  so  erhält  man 

ü    VW  ^  X^\ää  -  ßy  -i-bß  -yä  +  cy  '  aß] . 

Nun  kann  man  die  Pfeile  von  a,  ß,  y  so  wählen,  daß  sie  das  von 
den  drei  Angriffsgeraden  gebildete  Dreieck  links  herum  durchlaufen. 
Auch  können  wir  den  Bezugspunkt  0  im  Innern  dieses  Dreiecks 
wählen.  Seien  dann  h^,  h^y  h^  die  Lote  von  0  auf  die  Dreieckseiten, 
iPi,  q>^,  9>3  die  Dreiecks  Winkel,  so  ist 


aa 


K, 


I/Sy ,  =  sin9>j     usw. 
und  da  ää  und  ßy  stets  dieselbe  Richtung  haben,  so  ist 

ü  •  VW  =  X^{hi  sin  V\  +  Äj  sin  Kp^  +  \  sin  ^j). 

Dieser  Ausdruck  aber  ist  immer  positiv  und  von  Null  verschieden, 
außer  es  seien 

\  sin  tp^y    h^  sin  9),,     h^  sin  9)3 
alle  drei  NulL 

Das  kann  geschehen  dadurch,  daß 

1.  alle  drei  h  Null  sind,  die  Geraden  durch  einen  Punkt  gehen, 

2.  aUe  drei  tp  Null  resp.  n  sind,  d.  h.  alle  drei  Geraden  einander 
parallel  sind. 

Andere  Fälle  sind  nicht  möglich. 

Diese  Ausnahmefälle  hätte  man  von  vornherein  leicht  einsehen 
können;  aber  unsere  Betrachtung  zeigt,  daß  es 
auch  die  einzigen  sind. 

Endlich  sei  die  sehr  ein&che  Methode 
von  A.  Ritter  genannt:  Um  die  Komponente  r 
in  der  dritten  Geraden  zu  finden,  fällen  wir 
vom  Schnittpunkt  S^  der  ersten  und  zweiten 
die  Lote  o,  resp.  ^3  auf  die  dritte  und  auf  die 
gegebene  Kraft  h.  Machen  wir  dann  S^  zum 
Momentenbezugspunkt,  so  gibt  die  Invarianz 
der  Momentensummen  sofort 

rttj«  fcÄj,     d.  h. 

r  ==»  —  • 

Und  der  Richtungssinn  von  r  ist  auch  sofort  klar. 

SoUten  die  beiden  ersten  Richtungsgeraden  parallel  sein,  so 
versagt  diese  Methode:  man  braucht  dann  aber  nur  Tc  in  je  eine  Kom- 
ponente nach  der  dritten  und  nach  der  gemeinsamen  Richtung  der 
beiden  ersten  zu  zerlegen  und  hat  in  der  ersten  Komponente  das 
gesuchte  r. 


Fig.  78. 


H  ft  m  e  1  :*  Elementare  Mech  anik. 


13 


194  V.   Statik  des  starren  Körpers  (Theorie).  Nr.  124. 


§  26.   Zusammensetzung  der  Kräfte  im  Baome. 

124.  ZnrfickfUinmg  auf  eine  Kraft  nnd  ein  SrUtepaar. 

Gegeben  seien  eine  Reihe  von  Kräften  k^  . .  .k^  mit  den  Angriffs- 
punkten Ä^  , .  .  Ä^,  Wir  wählen  einen  Bezugspunkt  0,  die  Vek- 
toren OA  mögen  ä  heißen:  ä^  , .  ,äj^. 

Zu  jeder  Kraft  k^  fügen  wir  nun  in  0  eine  Kraft 

A^y  ^*  iCy 

und  eine  Kraft 


/Vy  ~-"        ^~"        A/y 


hinzu,  was  wir  tun  dürfen. 

Die  Kräfte  £/  in  0  setzen  wir  zu  einer  Resultierenden  zusammen, 
diese  wird  in  0  angreifen  und  der  Größe  und  Richtung  nach  durch 


n 

bestimmt  sein. 


Äy  und  Ä/'==  —  ky  bilden  ein  Kräftepaar  vom  Moment  a^k^.  Wir 
stehen  also  vor  der  Aufgabe,  Kräftepaare^  deren  Ebenen  sich  schneiden 
—  sie  haben  alle  den  Punkt  0  gemeinsam  —  zusammenzusetzen. 

Wir  brauchen  nur  zu  zeigen,  daß  wir  zwei  solche  Kräftepaare 
überhaupt  zu  einem  zusammensetzen  können:  daß  dann  dieses  eine 
ein  Moment  hat,  welches  gleich  der  geometrischen  Summe  der  Momente 
der  gegebenen  Paare  ist,  folgt  aus  der  Invarianz  dieser  Summe  bei 
den  erlaubten  Operationen. 

Wir  haben  nun  früher  (Nr.  116)  gezeigt,  daß  man  ein  Kräfte- 
paar in  seiner  Ebene  beliebig  verändern  darf,  wenn  nur  sein  Moment 
erhalten  bleibt. 

Sollen  wir  nun  zeigen,  daß  man  zwei  Kräftepaare  in  sich 
schneidenden  Ebenen  zusammensetzen  kann,  so  verfahren  wir  folgender- 
maßen: Wir  wählen  in  der  Schnittlinie  beider  Ebenen  nach  Belieben 
eine  Strecke  AB,  Dann  können  wir  jedes  Kräftepaar  ersetzen  durch 
eins,  für  das  J.,  B  die  Angriffspunkte  sind.  Wir  brauchen  ja  nur 
in  jeder  Ebene  zwei  solche  Kräfte  in  A  und  B  angreifen  zu  lassen, 
daß  Sinn  und  Größe  des  Momentes  erhalten  bleibt,  was  stets  möglich 
ist.  Jetzt  aber  haben  wir  im  ganzen  vier  Kräfte,  von  denen  zwei  in 
A  und  zwei  in  B  angreifen.  Daß  wir  die  auf  je  eine  zurückführen 
können,  ist  klar.  Und  daß  wieder  ein  Kräftepaar  herauskommt,  sieht 
man  auch  sofort,  wenn  es  nicht  schon  deshalb  sein  müßte,  daß  die 
Summe  der  Kräfte  nach  wie  vor  Null  bleibt. 

Wir  können  also  Kraftepaare  tatsächlich  zusammensetzen  und 
erhalten  das  Resultat: 


Nr.  125.  §  26.    ZasammeDsetzuiig  der  Kräfte  im  Baume.  195 

• 

Ein  räumlidies  Kräftesystem  läßt  sich  am  starren  Körper  auf 
eine  Eineelhraft  und  ein  Kräftepa^ir  zurückführen.  Die  Einzdkraß 
ist  gleich  der  geometrischen  Summe  der  gegebenen  Kräfte 

k^2k 

und  greift  in  einem  willkürlich  wöMba/ren  Punkt  0  an;  das  Kräfte- 
paar  hat  ein  Moment  gleich  der  geometrischen  Summe  der  Momente 
der  gegd>enen  Kräfte  in  beäug  auf  diesen  Punkt  0: 

M  ^  ^ajc^. 

Bei  unendlich  vielen,  unendlich  kleinen^  stetig  verteilten  Kräften  dk 
ist  natürlich 

K^^dk, 

M^^ädk 
(vgl.  Nr.  113). 

Die  Gleichgewichtä)edingungen  lauten  natürlich  gerade  so  wie  in 
der  Ebene  infolge  Axiom  VII,  2,  3,  4: 

Z  =  S^*-0     und     M  =  ^ädk'=^0. 

Daß  zwei  Kräftesysteme  dann  und  nur  dann  äquivalent  sindy 
wenn  die  Summe  der  Kräfte  K  und  die  Summe  der  Momente  M 
übereinstimmen,  wird  gencm  so  bewiesen  wie  der  entsprechende  Satz 
für  Kräftesysteme^  in  der  Ebene  (siehe  Nr.  116). 

Also  sind  K  und  M  auch  die  einzigen  Invarianten, 

126.   Die  Kraftschraube  (Byname).     Unser  Resultat  hängt 
noch   ab   von  der  Wahl  des  Bezugspunktes   0.      Wählen  wir  einen 

anderen  Punkt  0'  und  sei   ÖOf  ^  s,   so  bleibt  K  ungeändert.     Das 
Moment  Jf'  in  bezug  auf  0'  ist  aber  nach  Nr.  114 


M'^M-sK, 


Der  hinzukommende  Bestandteil  —sK  steht  nun  immer  senkrecht 
zu  jST,  im  übrigen  aber  kann  er  durch  geeignete  Wahl  von  s,  d.  h. 
von  0',  jede  Richtung  und  Größe  erhalten. 

Zerlegt  man  also  M  und  M%  überhaupt  an  jeder  Stelle  das 
Moment  in  einen  Bestandteil  parallel  K  und  einen  solchen  senkrecht 
zu  K,  so  kann  man  ersteren  nicht  ändern,  letzteren  dagegen  beliebig, 
Man  kann  ihn  also  durch  geeignete  Wahl  von  s  resp.  von  0'  auch 
zu  Null  machen,  d.  h.  man  kann  erreichen,  daß  das  Moment  dieselbe 
Richtung  wie  die  resultierende  Kraft  K  erhält. 

Nennen  wir  den  Inbegriff  einer  Kraft  und  eines  Kräftepaares 
dessen  Ebene  senkrecht  zur  Kraft  steht,  dessen  Momentvektor  also  in 
derselben  Geraden  wie  die  Kraft  liegt,  eine  Kraftschraube  oder 
Dyname,  so  können  wir  sagen: 

13* 


196  V.  Statik  des  starren  Körpers  (Theorie).  Nr.  185. 

Man  Icann  ein  Kräftesystem  am  starren  Körper  stets  auf  eine 
Kraftschraube  redueieren^  d,  h.  erreichenj  daß 

M^pK 

ist.    p  eine  Strecke^  die  positiv  und  negcUiv  sein  kann,  heiß  der 
Parameter  der  Kraftschraube, 

Man  kann  also  im  Räume  das  Moment  im  allgemeinen  nicht 
zum  Verschwinden  bringen^  das  Eraftesjstem  also  nicht  auf  eine 
einzige  Kraft  zurückf&hren.  Denn  die  Komponente  von  M  parallel 
zu  K  laßt  sich  ja  nicht  ändern,  und  daß  sie  nicht  immer  von 
vornherein  Null  ist,  erkennt  man  daraus,  daß  man  gleich  als  Kräfte- 
System  eine  Kraft»chraube  zugrunde  legen  kann.  _^ 

Die  Punkte,  fär  welche  M  dieselbe  Richtung  wie  K  bekommt, 
liegen  in  einer  Geraden,  der  sogenannten  Zentralachse  des  Krafl;e- 
systems.  ___         ^ 

Denn  sei  0  ein  solcher  Punkt,  für  ihn  also  M  »  pK,  so  ist  der 
Zusatz  sK,  der  bei  Wahl  eines  anderen  Punktes  0'  hinzutritt  und 
der  senkrecht  zu  K,  also  auch  zu  M  steht,  dann  und  nur  dann  Null, 
wenn  s  die8elbe_Richtung  wie  K  hat.  Die  Zentralachse  hat  also  die 
Richtung  yon  K. 

Seien  M  und  K  für  irgendeinen  Punkt  0  gegeben,  so  l&ßt  sich  p  leicht 
berechnen  und  die  Gleichung  der  Zentralachse  in  der  Plückerschen  Form  auf- 
stellen (siehe  Anhang  U,  2). 

Denn  sei  x=  OX  und  X  ein  Punkt  der  Zentralachse,  so  ist  das  Moment 
far  X  _      


Es  soll  aber  M'^^pK  sein. 
Also  haben  wir 


xK^^M-'pK, 

Setzen  wir  für  M  —  pK  zur  Abkürzung  IS,  so  ist 

xK:^C 

bereits  die  Gleichung  der  Zentralachse,  K^  e  sind  die  Plückerschen  Vektoren;  es 
muß  aber  noch 

erfüllt  sein,  d.  h. 

Cm—pk)'K^o 

oder 

woraus  sich  ergibt 

M.K  _  M^K^+M^K^+M,K, 
'"     K*    -         Kl+Kl  +  Kl 

wenn  wir  orthogonale  Komponenten  einführen. 


Nr.  126, 127.        §  26.    Znaammensetzuiig  der  Kräfte  im  Räume.  197 

Setzen  wir  den  Wert  von  p  in  den  Ausdruck  für  e  ein,  so  bekommen  wir 

c  =-  if  -  ^^f- .  k^  -L  {K^M-  {M-  K)  K). 
Das  ist  aber  nach  der  Entwicklungsformel  (siehe  Anhang)  « 


Die  Gleichung  der  Zentralachse  lautet  also  definitiv 


einer  ihrer  Punkte  ist  also  durch 


a?o  =  -^  KM 

gegeben.    Es  ist  dies  der  Fufipunkt  des  Lotes  yon  0  auf  die  Zentralachse,  denn 
es  steht  ja  x^  auf  K  senkrecht. 

Die  Parametergleichung  der  Zentralachse  lautet 

x^x^  +  X'k, 

wo  l  alle  Werte  von  —  oo  bis  +  oo  durchläuft. 

126.  Anal]rtl8Che  Formnlierung  der  Besnltate.     Da  ak 

die  rechtwinkligen  Komponenten 

a  Je  —  a  Je  ^    a  Je  —  a  Je  ,    a  Je  —  a  Je 

y    »  9    y  y  a    X  x    t  f  x    y  y    x 

hat  (siehe  Anhang  II,  1),  so  ist 

k-:2k,  s,-2k.  k-2k, 

and  die  Gleichgewichtsbedingongen  fElr  den  starren  Körper  lauten: 
2{%K  -  a,*y)  -  0,     ^(a>,  -  aje^)  «  0,     2{(^xK  -  S**)  ^  ^' 

Aufgabe  60:  Man  berechne  den  Parameter  und  bestimme  die  Zentral- 
achse für  das  Kräftesystem,  bestehend  aus  den  drei  Kräften  mit  den  ortho- 
gonalen Komponenten  0,  16  kg,  0;  10  kg,  0,  0;  0,  0,  21  kg  und  den  Koordinaten 
der  Angriffspunkte  0,  0,  10  m ;  0,  0,  0  und  5  m,  0,  0. 

127.  Das  Moment  In  besng  auf  eine  Achse.    Der  Ausdruck 

n  h  —  a  Je 

x'*^y        ^y'  X 

oder  eine  Summe  über  diese  Größen,  herrührend  von  verschiedenen 
Kräften,  läßt  eine  doppelte  Auffassung  zu:  Einmal  ist  es  die  Kom- 
ponente des  Momentvektors,  bezogen  auf  einen  Punkt  0  der  jer-Achse, 
nach  dieser  Achse,  dann  aber  bedeutet  er  selber  ein  in  der  jer-Achse 
gelegenes  Moment,  das  wir  aus  dem  gegebenen  Kräftesystem  erhalten, 


198  V.   Statik  des  stanen  Körpers  (Theorie).  Nr.  128. 

wenn  wir  h^  und  z  gleich  NuU  setzen.  Dann  werden  die  Komponenten 
des  Momentes  nacb  der  x-  und  y- Achse  von  selbst  Null,  die  Kom- 
ponente nach  der  jer-Achse  aber  bleibt  ungeändert. 

Ic^  und  e  gleich  Null  setzen^  heißt  aber  nichts  anderes,  als  die 
Kraft  (resp.  die  Kräfte)  in  die  rc-y-Ebene  hineinprojizieren. 

In  analoger  Weise  können  wir  von  einem  Kraftesjstem  das 
Moment  in  bezug  auf  irgendeine  Achse  bilden: 

Wir  verstehen  unter  dem  Moment  eines  Kräftesystems 
in  bezug  auf  eine  Gerade  das  Moment,  das  wir  erhalten, 
wenn  wir  das  Kräftesystem  auf  eine  Ebene  senkrecht  zur 
Geraden  projizieren  und  das  Moment  dieser  Projektionen 
in  bezug  auf  den  Durchstoßpunkt  0  der  Geraden  mit  der 
Ebene  bilden. 

Da  wir  jede  Gerade  im  Räume  nach  Belieben  zur  ir-Achse  eines 

rechtshändigen  Koordinatensystems  machen  können,  so  folgt  allgemein: 

Bas  Moment  in  hesug  auf  eine  Gerade  ist  gleich  der  Projektion 

desjenigen  Momentvektors  auf  die   Gerade^  den  man  in  bezug  auf 

einen  Punkt  der  Geraden  gebüdet  hat 

Hat  man  der  Geraden  einen  bestimmten  Richtungssinn  gegeben, 
so  kann  man  das  Moment  in  bezug  auf  sie  als  einen  Skalar  auffassen, 
der  positiv  oder  negativ  ist,  je  nachdem  es  mit  dem  Sinn  der  Geraden 
zusammenfällt  oder  nicht. 

Ist  h  der  kürzeste  Abstand  der  Kraft  von  der  Geraden,  so  ist  h 
auch  der  kürzeste  Abstand  der  in  Rede  stehenden  Projektion  der 
Kraft  von  dem  Durchstoßpunkt  0.  Ist  ferner  a  der  Winkel,  den  die 
Gerade  mit  der  Angriffslinie  der  Kraft  k  einschließt,  so  ist  die  Pro- 
jektion der  Kraft  k  auf  die  Ebene  senkrecht  zur  Geraden  ksiaa  und 
hr  Moment  in  bezug  auf  die  Gerade  ist  der  absoluten  Größe  nach 

ksma'h. 

Äußer  in  dem  trivialen  Falle  k  =  0  ist  also  das  Moment  einer 
Kraß  in  bezug  auf  eine  Gerade  nur  NuU,  wenn  entweder  die  Kraß 
der  Geraden  parallel  ist  oder  wenn  sie  die  Gerade  schneidet 

128.  Die  Oleichgewichtsbedingung,  aasgedrfickt  durch 
das  Nullwerden  von  Momenten.  Es  fragt  sich,  kann  man  die 
Gleichgewichtsbedingungen  des  starren  Körpers  dadurch  ersetzen,  daß 
man  das  Nullwerden  mehrerer  Momente  ausspricht. 

Verschwindet  der  Momentvektor  für  zwei  Punkte  0  und  0',  ist 
also  M  =  0  und  ^'=0,  so  folgt  aus 

M'=-M-sK\ 


sK^O, 

d.  h.  ein  eventuell  vorhandenes  K  könnte  nur  in  der  Verbindungs- 
linie 00'  liegen. 


Nr.  128.  §  26.    ZuBammensetzung  der  Kräfte  im  Räume.  199 

Weiß  man  vielleicht  von  vornherein,  daß  das  unmöglich  ist  — 
sind  z.  B.  aUe  dk  vertikal,  0  (X  aber  horizontal  —  so  genügt  Jf  =  0 
und  M'^0.  Im  allgemeinen  wird  man  aber  noch  ein  drittes 
Moment  M",  bezogen  auf  einen  Punkt  0'',  gleich  Null  setzen  müssen, 
wo  (/'  nicht  in  der  Geraden  O'O  liegen  darf.  Das  genügt  sioher, 
denn  K  kann  nicht  gleichzeitig  in  den  drei  verschiedenen  Geraden 
OC,  O'a',  a'O  liegen. 

j&5  genügt  aiso,  um  des  Gleichgewichts  sicher  eu  sein,  das 
Moment  in  hezug  <mf  drei  Punkte  gleich  NuU  eu  seteen,  die  nicht  in 
einer  Geraden  liegen. 

Kommt  man  auch  mit  Momenten  in  bezug  auf  Geraden  aus? 

Da  jede  Gleichung,  welche  ausdrückt,  daß  das  Moment  in  bezug 
auf  eine  Gerade  Null  ist,  eine  skalare  Gleichung  bedeutet,  die  Be- 
dingungen  ^^^    ^^^     ^^^ 

aber  zwei  vektorieUe,  d.  h.  sechs  skalare  Gleichungen  darstellen,  so 
kann  man  erwarten,  daß  im  allgemeinen  das  Nullsetzen  der 
Momente  für  sechs  Geraden  genügen  wird,  um  das  Gleich- 
gewicht zu  garantieren. 

Für  eine  besondere  Art  von  sechs  Geraden  genügt  dies  sicher: 
drei  Geraden  g^,  g^,  g^  mögen  ein  Dreieck  OO'O"  bilden,  die  drei 
andern  ä,  h!  A"  je  durch  einen  Punkt  0,  resp.  0',  resp.  0"  hindurch- 
gehen, aber  nicht  in  der  Ebene  von  OffO"  liegen.  Denn  weil  die 
Momente  für  g^,  g^,  h"  —  diese  drei  mögen  durch  0"  hindurch- 
gehen —  verschwinden,  so  verschwindet  der  Momentvektor  Jf "  für 
0",  denn  ein  Vektor  verschwindet,  wenn  seine  orthogonalen  Projektionen 
auf  drei  Geraden  verschwinden,  die  nicht  in  einer  Ebene  liegen.  Das 
gilt  für  jeden  der  drei  Punkte  OO'O",  also  besteht  nach  dem  obigen 
tatsächlich  Gleichgewicht. 

In  welchen  Ausnahmefällen  man  aus  dem  Verschwinden  der 
Momente  fär  sechs  Geraden  nicht  auf  Gleichgewicht  schließen  darf, 
woUen  wir  im  nächsten  Paragraphen  untersuchen. 

Aufgabe  61:  Ein  Tisch  stütze  sich  mit  drei  Beinen  —  deren  untere 
Enden  A^  B,  C  wir  als  Punkte  ansehen  wollen  —  auf  eine  horizontale  Fläche. 
Außer  den  dort  herrschenden,  vertikal  nach  oben  gerichteten  Stützdrucken 
N^,  Nf,  N^  sei  die  resultierende  auf  den  Tisch  wirkende  Kraft  G  nach  abwärts 
gerichtet  und  ihre  Angriffsgerade  schneide  das  Dreieck  Ä,  B^  C  in  einem 
Punkte  S^  dessen  Abstände  r j ,  r, ,  r,  von  den  drei  Seiten  des  Dreiecks  gegeben 
seien.    Außerdem*  seien  noch  die  Höhen  des  Dreiecks  gegebon. 

Man  berechne  die  Stützdrucke  N^^  N^^  N^,  Warum  kann  nur  Gleich- 
gewicht herrschen,  wenn  S  im  Innern  des  Dreiecks  liegt,  d.  h.  r^^r^^  r^  positiv  sind? 

Man  benutze  die  am  Ende  dieser  Nummer  gegebene  Gleichgewicbtsbedingung 
und  nehme  die  Seiten  des  Dreiecks  und  die  Vertikalen  durch  die  Ecken  als 
Momentenachsen. 


200  V.  Statik  des  starren  Körpers  (Theorie).  Nr.  12$^. 

§  27.   Das  Nallsystem.^ 

129.  ZnrfickfUining  auf  iwel  Kr&fte.  Wir  wissen,  daß 
man  im  allgemeinen  ein  Kraftsystem  nicht  anf  eine  Kraft  zurück- 
führen kann  (Nr,  124),  wohl  aber  auf  drei  Kräfte  (Nr.  113).  Kann 
man  das  System  auf  zwei  Kräfte  reduzieren? 

Für  den  Fall  eines  bloßen  Kräftepaares  ist  die  Antwort  bejahend, 
aber  trivial.  Diesen  Fall  {K  —  0,  |>  =-  oo)  schließen  wir  daher  einst- 
weilen aus.  Ebenso  sehen  wir  von  dem  Fall  p  =  0,  d.  h.  Jf  =  0  ab, 
dann  kann  man  ja  das  System  auf  eine  Kraft  zurückführen. 

Im  allgemeinen  Fall  kann  man  aber  eben&Us  das  System  durch 
zwei  Kräfte  ersetzen.  Denn  sei  für  einen  Punkt  0  das  Knlftesystem 
durch  M  und  K  gegeben,  so  kann  man  ja  das  Kraftepaar  M  durch 
zwei  Kräfte  q    und  -—  q   darstellen,   von  denen   —  f   in   0  angreift. 

—  q  und  K  kann  man  dann  zu  einer  Kraft  r  in  0  zusammensetzen 
und  hat  so  als  Resultat  zwei  Kräfte:  q  und  f. 

Dabei  kann  man  noch  —  g  in  0  und  in  der  Ebene  des  KJräfte- 
paares  beliebig  nach  Größe  und  Richtnng  wählen.  Das  hat  zur  Folge, 
daß  man  im  allgemeinen  wenigstens  die  Angriffsgerade  von  f  beliebig 
vorschreiben  kann. 

Sei  nämlich  die  Angriffsgerade  ^^  gegeben,  so  wähle  man  einen 
Punkt  0  auf  ihr  und  denke  sich  die  zugehörige  Ebene  des  Kräfte- 
paares —  senkrecht  zu  Jf  —  gezeichnet.  Man  lege  eine  Ebene 
durch  K  und  die  vorgegebene  Angriffsgerade  g^  von  f ;   diese  Ebene 

schneidet  die  Ebene  des  Kräfte- 
paares in  einer  Geraden  g\  Man 
kann  im  allgemeinen  in  diese  Ge- 
rade eine  Kraft  —q  so  hineinlegen, 
daß  die  Resultierende  von  —  q  imd 
K  die  vorgeschriebene^Richtung 
hat:  man  hat  ja  nur  K  in  zwei 
Komponenten  nach  g^  und  g'  zu 
zerlegen,  was  stets  möglich  ist,  wenn 
nicht  g^  und  g'  zusammenfallen. 
r  ist  somit  durch  g'  vollständig 
bestimmt:  es  ist  gleich  K  (und 
somit  q  =  0),  wenn  g'  in  die  Richtung  von  K  hineinfällt,  es  ist  un- 
endlich (also  auch  q),  wenn  g'  in  der  Ebene  des  Kräftepaares  liegt.  Die 
zweite  Kraft  q  ist  dann  nebst  ihrer  Angriffsgeraden  vollständig  mit- 
bestimmt.     Denn    nach   Richtung    und    Größe    ist    sie   es  ja   durch 

—  g^  =  r  —  jBT   und    der   Lage   nach    dadurch,    daß   q    und   —  q    das 
Moment  M  ergeben  müssen. 


1)  Diesen  Paragraphen  kann  der  Anfänger  zunächst  auslassen. 


Nr.  ISO.  §  27.   Das  Nullsystem.  201 

Man  kann  also  ein  Kräftesystem  immer  auf  zwei  Kräfte  gurück- 
fvivren:  im  dllgemeinen  kann  man  eine  Angriffsgerade  noch  wiUkür- 
lieh  wähien,  dann  ist  die  andere  eindeutig  mitbestimmt,  desgleichen 
sind  es  die  Größen  der  Kräfte. 

In  bezag  auf  eine  Kraftschraube  sind  also  die  Geraden  des 
Raumes  im  allgemeinen  paarweise  einander  zugeordnet,  man  nennt 
diese  Paare  einander  konjugiert.  Denn  ihre  Beziehung,  daß  man 
nämlich  das  Krafbesjstem  auf  zwei  in  ihnen  gelegene  Kräfte  zurück- 
ftLhren  kann,  ist  nach  der  Natur  dieser  Aussage  wechselseitig. 

Aber  es  gibt  zwei  Ausnahmen: 

1.  die  Geraden,  welche  der  Zentralachse  parallel  sind,  d.  h.  die 
Richtung  K  haben,  q  wird  dann  Null,  der  Hebelarm  des  Krafte- 
paares also  unendlich.  Zu  allen  diesen  Geraden  sind  also  unendlich 
ferne  Geraden  als  konjugiert  zugeordnet.  Diese  Ausnahme  mag  mit 
dieser  Bemerkung  als  erledigt  gelten; 

2.  die  Geraden,  welche  in  einem  Punkte  auf  der  Richtung  des 
zugehörigen  Momentes  senkrecht  stehen:  für  sie  wird  q  unendlich, 
und,  damit  M  endlich  sei,  muß  die  konjugierte  Gerade  in  sie  hinein- 
fallen. 

Diese  Geraden,  die  man  auch  Nullini en  nennt,  sind  also  sich 
selbst  konjugiert. 

Sie  heißen  Nullinien,  weil  sie  die  charakteristische  Eigenschaft 
haben,  daß  für  sie  das  Moment  des  Kräftesystems  verschwindet. 
Das  folgt  gemäß  Nr.  127  daraus,  daß  der  Momentvektor  auf  ihnen 
senkrecht  steht. 

130.  Nullpimkt  nnd  Nnliebene.  Die  Nullinien,  welche  durch 
einen  Punkt  gehen,  bilden  nach  dem  Vorstehenden  eine  Ebene,  nämlich 
die  Ebene  des  zu  dem  Punkte  gehörenden  Kräftepaares.  Man  nennt 
diese  Ebene  auch  die  Nullebene  des  Punktes  und  den  Punkt  den 
Nullpunkt  der  Ebene. 

Daß  es  durch  jeden  Punkt  eine  und  nur  eine  Nullebene  gibt,  ist 
nach  dem  Vorhergehenden  klar.  Aber  es  gibt  auch  umgekehrt  zu 
jeder  Ebene  einen  und  nur  einen  Nullpunkt. 

Seien  nämlich  für  einen  Punkt  0'  der  Ebene  K  und  M'  bestimmt, 
so  gehe  man  auf  der  Geraden  g'  in 
der  Ebene,  welche  zu  M'  senkrecht 
steht  und  also  eine  NuUinie  ist,  zu 
einem  anderen  Punkte  0  über.  Das 
zugehörige  Jlf  unterscheidet  sich  dann 

Yon  Jf '  um  einen  Bestandteil  sK,  der 
senkrecht  zu  g'  in  einer  Geraden  g' 
senkrecht  zu  K  liegt.     Im  übrigen 

variiert  die  Größe  von  sK  mit  s  =  ÖÖ'  P,g^  ^^ 


202  V.  Statik  des  stairen  Körpers  (Theorie).  Nr.  181 . 

frei.  Man  kann  alao  0  so  wählen,  daß  M  senkrecht  auf  der  Ebene 
steht,  man  braucht  ja  nur  M'  in  eine  Komponente  nach  g"  und  in 
eine  solche  senkrecht  zur  Ebene  zu  zerlegen  (was  möglich  ist,  da  g\ 
M'  und  die  Senkrechte  zur  Ebene  alle  auf  g'  senkrecht  stehen  und 

also  in  einer  Ebene  liegen)  und  die  erstere  durch  den  Zusatz  sK  zum 
Verschwinden  zu  bringen. 

0  ist  dann  der  gesuchte  Nullpunkt. 

Nur  für  eine  Ebenenschar  liegt  der  Nullpunkt  im  Unendlichen: 
fQr   diejenigen  Ebenen  nämlich,   welche  die  Richtung  K   enthalten.  • 

Dann  stellt  sich  ja  g"  senkrecht  zur  Ebene  und  sK^  also  auch  s 
müßte  unendlich  werden. 

Konjugierte  Geraden,  Nullinien,  Nullebenen  und  Nullpunkte 
stehen  nun  in  folgender  Beziehung  zueinander: 

1.  Jede  Gerade,  welche  zwei  kon- 
'9*   jugierte  Gerade  schneidet,  ist  eine  NuUinie. 

Denn  da  man  das  Kräftesystem  auf 
zwei  Kräfte  in  den  konjugierten  Geraden 
zurückfahren  kann  und  diese  die  in  Rede 
stehende  Gerade  schneiden,  so  verschwin- 
det für  diese  das  Moment. 

2.  Die  Nullebene  eines  jeden  Punktes 
einer  Geraden  g  enthält  die  zu  dieser 
konjugierte  Gerade  g'. 

***•  *^*  Denn  alle  Geraden  durch  den  Punkt, 

welche  die  konjugierte  Gerade  schneiden, 
sind  nach  1.  Nullinien;  bilden  aber  auch  eine  Ebene,  eben  die  Null- 
ebene des  Punktes. 

3.  Der  NuUpunkt  einer  jeden  Ebene  durch  eine  Gerade  g'  liegt 
auf  der  zu  dieser  konjugierten  Geraden  g. 

Denn  alle  Nullinien  dieser  Ebene  gehen  ja  nach  1.  durch  die 
andere  Gerade. 

Die  Nullinien  bestimmen  also  die  gegenseitige  Zugehörigkeit  der 
konjugierten  Geraden.  Man  nennt  nun  die  Gesamtheit  der  Nullinien 
mit  der  durch  sie  gegebenen  gegenseitigen  Zuordnung  yon  Punkten 
zu  Ebenen  und  Geraden  zueinander  ein  Nullsystem. 

131.    Beziehimg    des   NnUBystemB    rar   KrafteohMube. 

Nennen  Avir  der  bequemen  Ausdrucksweise  halber  die  durch  K  ge- 
gebene Richtung  der  Zentralachse  „vertikal  nach  oben",  die  Rich- 
tungen senkrecht  dazu  horizontal,  so  ist  zunächst  klar,  daß  alle 
horizontalen  Geraden,  welche  die  Zentralachse  schneiden,  Nullinien 
«ind.  Denn  das  Moment  liegt  ja  für  Punkte  der  Zentralachse  in 
dieser. 

Wählen  wir  nun  einen  Punkt  A  außerhalb  der  Zentralachse  im 


Nr.  131.  ,  §  27.   Das  Nullgystem.  203 

Abstände  a  von  derselben^  machen  wir  den  Fußpunkt  0  dieses  Lotes 
zum  Bezugspunkte^  so  ist  das  Moment  in  A 


M'=^M-aK, 


wenn  a  =-  OA  ist. 

—  aK  liegt  horizontal^  und  zwar  nach  links,  wenn  man  von  0 
nach  A  hinblickt,  die  Größe   dieses  Zu-  \ir 

Satzes  ist  aK,  Also  wird  M'  nach  links 
oder  nach  rechts  aus  der  Vertikalen  ab- 
weichen —  aber  noch  immer  senkrecht 
zu  ä  stehen  —  je  nachdem  M  nach  oben 
oder  unten,  d.  h.  p  positiv  oder  negativ  ist. 

Zählen  wir  den  Winkel  a,  um  den 
M\  die  Normale  zur  NuUebeiie  in  A^ 
aus  der  Vertikalen  abweicht,  nach  links  Fig.  82. 

positiv,   so    ist   mit   Einschluß    des   Zeichens 

.  aK       a 

^  M        p 

Entfernt  man  sich  also  mit  dem  Punkte  A  von  der  Zentralachse,  so 
richtet  sich   die  zugehörige  Nullebene   immer  steiler  auf,  fttr  a  «  oo 

wird  a  ="  — :  wir  wissen  ja  auch  schon,  daß  die  Ebenen,  welche  der 

Zentralachse  parallel  sind,  den  Nullpunkt  im  Unendlichfemen  haben. 

Man  sieht  daraus  auch,  daß  die  horizontalen  Nullinien  die  Zentral- 
achse schneiden. 

Femer  sieht  man,  daß  das  Nullsystem  jede  Verschraubung  um 
die  Zentralachse  gestattet,  d.  h.  verschiebt  man  das  ganze  System 
längs  der  Zentralachse  oder  dreht  es  um  dieselbe,  so  geht  es  in  sich  über. 

Wie  liegen  nun  die  konjugierten  Geraden  zueinander? 

Sei  g  gewählt,  ä  =  OA  ihr  kürzester  Abstand  von  der  Zentral- 
achse. 

Es  muß  dann  die  konjugierte  Gerade  g'  nach  der  vorigen  Nummer 
in  der  zu  A  gehörenden  Nullebene  liegen. 

Vor  allem  wird  also  g  die  Gerade  OA  schneiden  —  B  sei  der 
Schnittpunkt  —  und  da  _ 

K~q+r 

sein  soll  —  es  liege  q  in  g,  r  in  g  —  und  K  sowohl  wie  q  auf  OA 
senkrecht  stehen,  so   muß  auch  r  also  g'  auf  OA  senkrecht  stehen: 

Die  beiden  konjugierten  Geraden  sclmeiden  also  samt  der  Zentral- 
achse ein  und  dieselbe  Gerade  AOB  senkrecht. 

OB  sei  gleich  h  gesetzt:  es  werde  positiv  gezählt,  wenn  es  in 
der  Richtung  mit  OA  übereinstimmt,  sonst  negativ. 


204 


V.  Statik  des  starren  Körpers  (Theorie). 


Nr.  182. 


Nun  weicht  die  Normale  der  Nullebene  in  Ä  von  der  Vertikalen 
um  einen  Winkel  cc  ab,  fär  welchen 


tga 


a 


gilt  —  a  positiv  gerechnet,  wenn  die  Abweichung  in  der  Richtung  ä 

gesehen  nach  links  erfolgt  — , 
folglich  weicht  die  Nullinie^ 


um  den  Winkel 


7C 


a  nach 


rechts  ab. 

Andererseits  liegt  g  in 
der  NoUebene  von  B.  Wenn 
also 


ii«-«8.  —  för  positive  und  nega- 

tive b  — ,  so  weicht  g  von  der  Vertikalen  um  y  —  /*  t^oIl  rechts  ab. 

Mit  der  Geraden  g  sind  nun  gegeben  a  und  y  —  /),  d.  h.  a  und  ßy 

ea  berechnen  sich  dann  nach  den  vorstehenden  Formeln  der  Abstand  b 
der  konjugierten  Geraden  g'  einschließlich  des  Zeichens  aus 

b^pigß 
und  ihre  Neigung  J  -  a  aus 

tff  «   = 

^  P 

Stehen  die  beiden  konjugierten  Geraden  aufeinander  senkrecht, 
so  spricht  man  von  einem  Kraftkreuz,  es  muß  dann  tga  -  tg/S  »  1 
sein,  d.  h.  ,         « 

Daß  NuUinien  sich  selbst  konjugiert  sind,  erkennt  man  aus 
diesen  Formeln  leicht  Denn  dann  muß  a » /}  sein,  und  es  folgt 
dann  auch  a  »  6. 

Man  sieht,  daß  das  NuUsystem  nur  von  der  Zentralachse  und 
dem  Parameter  p  abhangt,  auf  die  Große  von  K  kommt  es  nicht  an. 

132.  Dms  Hvll^fstem  Bis  linearttr  Komplejc  Setzen  wir 
unser  Problem  in  die  Sprache  der  Vektorrechnung  um,  so  lautet  es: 
man  soll  alle  möglichen  Vektoren  y,  r  und  ä,  6  bestimmen,  so  daß 

iiq-rbr^S 

ist    ä,  b  sind  die  Vektoren  von  dem  Bezugspunkte  0  nach  Punkten  A 
resp.  B  der  beiden  konjugierten  Geraden. 


(1) 


Nr.  132.  §  27.   Das  NuUflystem.  205 

Man   kann   die    Gleichungen    nach    den   Plückerschen   Vektoren 
(siehe  Anhang  11,  2)  q  und  äq  der  einen  Geraden  auflösen: 

äq^  M  "br, 

es  muß  dann  nur  das  innere  Produkt  beider  verschwinden:  es  muß 
also  sein 

oder 

KM^rM  +  Kbr, 
Setzen  wir 

wo  ^  ein  Einheitsvektor  in  der  zweiten  Geraden  ist,  so  folgt 

. -5--C--_.  (2) 

Dieses  Resultat  zeigt  das  alte  Ergebnis:  Man  kann  im  allgemeinen 

die   eine  Angriffsgerade,  d.  h.  ihre  Plückerschen  Vektoren  rj  und  brj, 
willkürlich  wählen-,  dann  sind  die  andere  Gerade  und  die  Größen  der 
Kräfte  q  und  r  eindeutig  bestimmt  (nach  den  Gleichungen  (1)  und  (2)). 
Ausnahmen  bilden  nur  die  Fälle: 

1.  g  =  0,  d.  h.  K  =  r,  aber  dq^^M  —  br  +  0,  so  daß  ä « oo  wird, 

2.  r  =  cx>,  also  auch  g  «-  cx>.     Das  tritt  ein,  wenn  der  Nenner 
in  (2)  verschwindet,  d.  h. 

^'M+K'bri^O  (I) 

ist.  Daß  (I)  nun  tatsächlich  die  Gleichung  der  Nullinie  ist,  sieht  man 
leicht  ein.  Denn  nach  dem  Vertauschungssatze  (siehe  Anhang  I,  6) 
ist  die  linke  Seite  von  (I)  gleich 


^'{M-  bK)  =  ^  .Jf ', 

wo  M'  den  Momentvektor  für  den  Punkt  B  bedeutet. 

71 '  M'  ist  aber  das  Moment  in  bezug  auf  die  zweite  Gerade,  und 
Gleichung  (I)  sagt,  daß  dieses  verschwinden  soll.  Das  war  aber  die 
charakteristische  Eigenschaft  der  Nullinie. 

Setzen  wir  für  den  zweiten  Plückerschen  Vektor  bri  zur  Ab- 
kürzung c,  so  lautet  (I)  _ 

^  •  Jtf  +  Z  •  c  -  0, 

oder  in  rechtwinkligen  Komponenten 

n.M,  +  ri^M^  +  i?,-M.  +  c,K,  +  c^K^  +  c,K,  =  0.  {V) 

Das  ist  aber  die  allgemeinste  lineare  homogene  Gleichung,  die  es  zwischen 


206  V.  Statik  des  starren  Körpers  (Theorie).  Kr.  133. 

den  sechs  Plückerschen  Koordinaten  17^ ...  c,  geben  kann.  Man  n^nt 
nun  jede  Mannigfaltigkeit  von  cx)'  Geraden  —  es  gibt  im  ganzen 
cx>^  Geraden  im  Räume  (siehe  Anhang  II,  2),  —  die  durch  eine  homogene 
Gleichung  zwischen  den  sechs  Plückerschen  Koordinaten  gegeben  ist, 
einen  Komplex.  Ist  die  Gleichung  linear,  so  wird  man  von  einem 
linearen  Komplex  reden. 

Unsere  Betrachtungen  zeigen, 

daß  das  System  der  NnUinien  und  ein  linearer  Komplex  idenHsche 
Begriffe  sind, 

Macht  man  die  durch  K  gegebene  Richtung  der  Zentralachse 
zur  £r-Achse,  so  wird  aus  (V) 

PV.  +  e.-0.  (I") 

Ist  a  der  kürzeste  Abstand  der  NuUinie  von  der  Zentralachse,  a  der 
Winkel,  den  sie  mit  der  Zentralachse  einschließt,  so  ist  17,»  cos  et; 
c  steht  auf  ä  senkrecht,  hat  die  Größe  a  und  bildet  mit  der  jer-Achse 

den  Winkel  ±  (■?-  —  «) ,  es  ist  also  c, «  ±  a  sin  a,  und  somit  wird 

aus  (F) 

p  cos  a  ±  a  sin  a  «  0, 

tg«  =  ±f.  (I'") 

Das  Zeichen  richtet  sich  nach  dem  von  p]  a  und  tga  sind  stets 
positiv  nach  Definition. 

Aus  den  Formeln  (1)  (2)  und  (I)  dieser  Nummer  kann  man  alle 
früheren  Resultate  leicht  wieder  gewinnen.  Es  mag  das  dem  Leser 
überlassen  bleiben. 

Aufgabe  62:  Man  zeige,  daß  das  yon  den  beiden  konjugierten  Kräften  r 
nnd  q  gebildete  Tetraeder  einen  von  der  Wahl  der  einen  Angriffslinie  un- 
abhängigen Inhalt  hat.     (Man  Tergleiche  Anhang  II,  1.) 

133.  Brledignng  des  AusnahmeflalLeB  von  Hr.  128.  Zer- 
legung eines  Kräftesystems  nach  seohs  Ctoraden.  Wir  hatten 
in  Nr.  128  gezeigt,  daß  das  Gleichgewicht  im  allgemeinen  gesichert 
ist,  wenn  die  Momente  in  bezug  auf  sechs  Geraden  verschwinden. 
Das  bedeutet  aber  nach  den  Resultaten  der  vorhergehenden  Nummer 
das  Bestehen  von  sechs  Gleichungen  für  M  und  K  der  Form  (I'), 
nämlich 

•X  X    *      'ff  y    *      *x  »    *       X        X    '       ff         y    '       X         x 

(i/«l,2...6). 

Daraus  kann  man  nun  in  der  Tat  immer  dann  auf  das  Verschwinden 
von  K  und  M  schließen,  wenn  die  Determinante  aus  sechs  Zeilen 
und  sechs  Spalten 


Nr.  188.  §  27.    Das  Nullsyatem.  207 


nicht  Null  ist. 

Ist  sie  aber  Null,  so  können  sehr  wohl  die  obigen  sechs 
Gleichungen  bestehen,  d.  h.  die  sechs  Momente  verschwinden^  ohne 
daß  Gleichgewicht  herrscht. 

Was  bedeutet  nun  das  Verschwinden  der  Determinante?  (Daß 
sie  nicht  identisch  verschwindet,  folgt  aus  dem  in  Nr.  118  gegebenen 
Beispiel.) 

Es  gibt  dann  ein  Kiuftesystem,  für  welches  die  Momente  in 
bezug  auf  die  sechs  Geraden  verschwinden,  d.  h.  diese  Geraden  bilden 
sechs  Geraden  eines  Nullsystems. 

Aus  dem  Verschtvinden  der  Momente  für  sechs  Geraden  kann 
man  also  dann  und  nur  dann  auf  Gleichgetvicht  schließeti,  wenn 
diese  sechs  Geraden  nicht  einem  Nullsystem  angehören. 

Aus  unseren  Betrachtungen  folgt  noch  der  rein  geometrische  Satz: 

Durch  fünf  Geralden  kann  man  immer  einen  linearen  Komplex 
legen,  durch  sechs  jedoch  im  allgemeinen  nicht. 

Denn  zu  fünf  Geraden  kann  man  immer  eine  sechste  Gerade 
bestimmen,  so  daß  die  obige  Determinante  verschwindet,  für  beliebige 
sechs  Gerade  aber  verschwindet  die  Determinante  nicht. 

Dem  Verschwinden  der  Determinante  kann  man  noch  eine  andere 
mechanische  Bedeutung  geben.  Ist  die  Determinante  Null,  so  hat 
auch  das  Gleichungssystem 


eine  von  Null  verschiedene  Lösung. 

Deuten  wir  die  A,,  als  Kräfte,  welche  in  den  sechs  Geraden  liegen: 

^(i')A('')  =  k^, 
so  lauten  unsere  Gleichungen 

2KK-0 


(da  ja  c^")  •  Ay==  Vx^^v'  K"^^  ^v^v  '^^^\  ^'  ^-  ^^  Kräfte  k^  halten  sich 
das  Gleichgewicht,  da  ihre  Summe  und  die  Summe  ihrer  Momente 
verschwindet. 


208  V^-  Statik  des  starren  KOrpers  (Theorie).  Nr.  184. 

Man  kann  also  dann  und  nur  dann  in  sechs  Geraden  sechs 
Kräfte  hineinlegen,  die  sichy  ohne  alle  Null  m  sein,  das  Gleichgewicht 
halten,  wenn  die  sechs  Geraden  einem  NtiUsystem  angehören  (Möbius). 

Wenn  aber  die  sechs  Geraden  nicht  einem  Nuüsystem  angehören, 
so  kann  man  ein  hdiehiges  Kraftsystem  nach  ihnen  gerlegen,  d.  h.  auf 
sechs  Kräfte  zurückführen,  die  in  den  Geraden  liegen. 

Denn  man  hat  nur  die  linearen  Gleichungen  aufzulösen 

^^(^)A('')  -  K, 

und  das  geht,  da  ja  die  Determinante  der  Koeffizienten  der  linken 
Seiten  nicht  verschwindet. 

Dieser  Satz  findet  Anwendung  in  der  Theorie  der  raumlichen 
Fachwerke. 

134.  Ctosohiohte  nnd  Iiiteratur.  Die  hier  vorgetragenen 
Sätze  und  Begriffe  stammen  zum  größten  Teile  von  Möbius,  einem 
hervorragenden  Oeometer,  Mechaniker  und  Astronomen  aus  dem  An- 
fange des  19.  Jahrhunderts.  Seine  Statik  ist  noch  sehr  lesenswert 
Noch  eine  andere  Statik  aus  dieser  Zeit  sei  genannt,  welche  ebenfalls 
die  geometrischen  Gesichtspunkte  stark  in  den  Vordergrund  stellt, 
die  von  Minding.  Später  haben  sich  die  Geometer  viel  mit  der 
Eomplextheorie  beschäftigt.  Es  gibt  auch  eine  besondere,  ins  Detail 
ausgebildete  Theorie  der  Kraftschrauben:  es  seien  die  Namen  Plücker, 
Klein  und  Ball  (theory  of  screws,  deutsch  von  Budde)  genannt.  Man 
faßt  die  in  den  §§  26  und  27  vorgetragenen  Theorien  und  ihre  Weiter- 
bildungen oft  unter  dem  Namen  „Geometrie  der  Kräfte''  zusammen: 
Das  hervorragende  Werk  Studys,  „Geometrie  der  Dynamen"  geht  von 
dieser  Basis  aus.  Von  elementaren  Lehrbüchern  seien  genannt:  Föppl, 
Techn.  Mechanik,  Bd.  II;  Timerding,  Geometrie  der  Kräfte,  Marco- 
longo-Timerding,  Theoret.  Mechanik,  Bd.  I.  Eine  rein  analytische  Dar- 
stellung findet  man  in  Heuns  Kinematik  (wir  werden  auf  dieselben 
Dinge  später  noch  einmal  bei  der  Kinematik  des  starren  Körpers 
stoßen;  siehe  §  46,  Nr.  263).  Ein  Lehrbuch,  das  die  geometrische 
Seite  der  Mechanik  besonders  betont,  ist  das  von  Schell:  Theorie 
der  Bewegung  und  der  Kräfte.  Es  sei  auch  nochmals  auf  das  Lehrbuch 
von  Webster:  „The  dynamics  of  particles  and  of  rigid,  elastic,  and 
fluid  bodies^'  hingewiesen.  Natürlich  findet  man  auch  in  den  großen 
Werken  über  Mechanik  eine  Darstellung  des  Nullsystems  und  der 
zugehörigen  Dinge,  so  in  Appell:  Traite  de  mecanique  (3  Bde),  in 
Routh:  A  treatise  on  analytical  staties,  2  Bde.  Als  zusammen- 
fassendes Referat  beachte  man  den  Artikel  2  des  Bandes  IV  (Mechanik) 
der  Enzykl.  der  math.  Wissenschaften:  Timerding,  Geometrische 
Grundlegung  der  Mechanik  eines  starren  Körpers. 


Nr.  186.  §  28.   ZuBammensetzuiig  paralleler  Kräfte.  209 


Kapitel  VI. 

Statik  des  starren  Körpers  (AnwendniLgeiL). 

§  28.   Zusammensetzung  paralleler  Kräfte. 

136.  Parallele  und  gleiohgeriohtete  Krftfte  laaaen  aioh 
«teta  auf  eina  ainxlga  Kraft  anrüokfUiren.  Diesen  fondamen- 
talen  Satz  wollen  wir  beweisen: 

Die  Kräfte  dk  mögen  parallel  und  gleichgerichtet  sein,  d.  h.  es  sei 

di  =  i  dkf 

wo  i  ein  fester  Einheitsvektor  ist  und  dh  >  0. 
Dann  ist 

hat  also  dieselbe  Richtung  und  ist  nicht  Null.  Das  Moment  für 
einen  beliebigen  Punkt  ist 

M^S^dk^(Sscdk)i, 

steht  also  immer  auf  s  senkrecht. 

Moment  und  resultierende  Einzelkraft  stehen  also  in  diesem 
Falle  aufeinander  senkrecht,  man  kann  demnach  das  Moment  zum 
Verschwinden  bringen  (siehe  Nr.  125).  Die  Zentralachse  des  Kräfte- 
systems,  die  Angriffslinie  der  Resultierenden,  heißt  wohl  auch  die 
Mittellinie  des  Ejraftsystems. 

Praktische  Anwendung  findet  unser  Satz  vor  allem  in  zwei  Fällen: 

1.  Die  Schwerkräfte  können  bei  gewöhnlichen  Objekten,  die  klein 
sind  gegen  die  Erde,  als  parallel  angesehen  werden. 

Die  Schwerkräfte  lassen  sich  demnach  für  gewöhnliche  irdische 
Objekte j  sofern  sie  als  starre  Körper  behandelt  werden  dürfen  j  auf 
eine  einzige  Kraft,  das  Gesamtgewicht  G,  zurückführen.  Die  Angriffs- 
gerade  dieser  BesuUierenden  heißt  Sdiwerachse. 

2.  Die    Normaldrucke    ebener    Flächenstiicke    sind    gleichfalls 

parallel.  Sie  haben  also  ebenfalls  eine  Resultierende,  N^^dN, 
deren  Schnittpunkt  mit  dem  ebenen  Flächenstück  Druckmittelpunkt 
genannt  wird. 

Habe  die  jsr-Achse  die  Richtimg  der  Kräfte,  so  lassen  sich  die 
Koordinaten  a:*,  y*  der  Mittellinie  leicht  berechnen.  Es  muß  ja  das 
Moment  der  Resultierenden  K  gleich  dem  Moment  der  Einzelkräfte 
sein,  sowohl  für  die  x-  wie  für  die  y-Achse.  Für  die  jer-Achse  sind 
beide  Null. 

Hamel:  Elementare  Mechanik.  14 


210  VI.  Statik  des  starren  Körpers  (Anwendungen).  Nr.  136. 

Daraus  folgt  ffir  die  y-Achse 

U*K^^ydk, 


und  für  die  2:-Ach8e 
also 


x*^ 


K     ' 


^_^ydk 

^  K 

^xdk  nennt  man  das  statische  Moment^  auch  wohl  Moment 
erster  Ordnung  der  Belegung  die  in  bezug  auf  die  yjer-Ebene.  All- 
gemein: ist  jedes  Volumenelement  dV  mit  einem  Skalar  dk^xdV 
belegt  und  x  der  Abstand  des  Volumelementes  d  V  von  einer  Ebene, 

so  nennt  man  ^xdk  das  statische  Moment  der  Belegung  in  bezug 
auf  die  betreffende  Ebene. 

Bei  der  Schwere  ist  die  Belegung  das  Gewicht:  dk^^dG'^ydV, 

136.  Der  Sohwerpimkt^  Bringt  man  einen  starren  Körper 
in  yerschiedene  Lagen,  so  bleibt  jede  Belegung  dG  an  ihrer  Stelle 
im  Körper,  aber  die  Richtung  der  Schwerkraft  ändert  sich  rektiy  zum 
Körper. 

Für  jede  Lage  wird  es  relativ  zum  Körper  eine  besondere  Schwer- 
achse geben. 

Wir  behaupten  nun,  daß  alle  diese  Schwerachsen  durch  einen 
Punkt  hindurchgehen,  und  diesen  Punkt  nennen  wir  den  Schwer- 
punkt des  Körpers. 

Zum  Beweise  legen  wir  in  den  Körper  fest  ein  rechtwinkliges 
Koordinatensystem  OXy  y,  £, 

Bringen  wir  die  ;er- Achse  nach  unten,  so  hat  ein  Punkt  der 
Schwerachse  nach  der  vorigen  Nummer  die  Koordinaten 


^~       af     y^       n ~ 


G      ^     ^  G 

Drehen  wir  nun  die  y- Achse  nach  unten,  so  bleibt  jedes  x,  y,  g,  dG 
fest  und  die  neue  Schwerachse  hat  die  Koordinaten 

6r        '  G 

Ebenso  hat  ein  Punkt  der  Schwerachse  parallel  der  x-Achse  die 
Koordinaten 


y   '"       G      ^      "  G 

Daraus  sehen  wir,  daß  jedenfalls  diese  drei  Schwerachsen  durch  den 


Nr.  136.  §  28.   ZuBammensetzung  paralleler  Kräfte.  211 

Punkt  mit  den  Koordinaten  x^,  y*,  jß?*  hindurchgehen.     Wir  wollen 
ihn  Schwerpunkt  heißen.     Sein  Vektor  ist  gegeben  durch 

^  G     ' 

machen  wir  ihn  selbst  zum  Anfangspunkt,  so  ist  r^ »  0,  also  auch 

Wir  wollen  nun  beweisen,  daß  für  jede  Lage  des  starren  Körpers 
die  Schwerachse  durch  den  Schwerpunkt  hindurchgeht.  Sei  die 
Schwerkraftrichtung  relativ  zu  unserem  Koordinatensystem  durch  i 
gegeben,  so  ist  das  Moment  bezogen  auf  den  Schwerpunkt 


weil  S^^^  =  0  ist. 

Also  geht  die  Resultierende  durch  den  Schwerpunkt  hindurch, 
w.  z.  b.  w. 

Man  Jcann  also  für  aUe  Lagen  eines  starren  Körpers  die  Schwere- 
Wirkung  durch  eine  Kraft  erseteev^,  die  gleich  dem  Gewicht  des  Körpers 
ist,  nach  unten  gerichtet  ist  und  im  Schweifpunkt  des  Körpers  angreift. 
Der  Vektor  nach  diesem  Schwerpunkt  ist  gegeben  durch 

^  G 

Dieser  Ersatz  ist  aber  nach  den  allgemeinen  Prinzipien  des  zweiten 
Abschnittes  nur  gestattet,  so  lange  es  sich  um  Gleichgewicht  oder 
Bewegung  des  ganzen  starren  Körpers  handelt. 

Nun  war  aber  dG  >=  gdm,  wenn  dm  die  Masse  des  Volum- 
elementes bedeutet. 

Solange  also  g  als  konstant  angesehen  werden  darf  —  und  so- 
fern g  als  Yon  gleicher  Richtung  gilt,  ist  auch  das  erstere  als  erlaubt 
zu  betrachten,  denn  erst  in  größeren  Entfernungen  wird  die  Ver- 
änderlichkeit des  g  merklich  — ,  kann  man  g  aus  der  Summe  heraus- 
ziehen; und  da  auch  G  »  mg  ist,  hebt  es  sich  im  Zähler  und  Nenner 
fort.     Man  erhält  also 

d.  h.  für  gewöhnliche  irdische  Objekte  kann  der  Schwerpwnkt  mit  dem 
Massenmittelpunkt  identifiziert  werden, 

(Siehe  Nr.  51  bis  53.  Die  dort  angegebenen  Sätze  und  Berechnungs- 
methoden ftir  den  Massenmittelpunkt  gelten  also  auch  für  den  Schwer- 
punkt.) Wir  brauchen  hinfort  die  an  sich  verschiedenen  Begriffe 
synonym.  Man  muß  aber  festhalten,  daß  der  Schwerpunkt  eine  rein 
dynamische  Bedeutung  und  nur  eine   solche  für  den  starren  Körper 


212 


VI.  Statik  des  starren  Körpers  (Anwendungen). 


Nr.  187. 


haty  der  Massenmittelpunkt  eine  massenkinematische  und  für  alle  Sy- 
steme gültige. 

Für  den  resultierenden  Normaldruck  starrer  ebener  Fla- 
chenstücke  folgt  aus  dem  Satze  7  von  Nr*  52,  daß  er  innerhalb 
der  kleinsten,  nirgends  konkaven  Figur  angreift,  welche  das 
Flächenstück  einschließt,  während  sonst  Größe  und  Angriffspunkt  von 
vornherein  nicht  bekannt  sind.  Denn  zum  Beweise  von  Satz  7  war 
nur  nötig  zu  wissen,  daß  dm,  dem  hier  dk  entspricht,  stets  positiv  ist. 

187.  Graphisohe  Znsamiiiensetnng  paralleler  l&ngs  einer 
Strecke  stetig  verteilter  Zr&fte.  Die  Soilknrve.  Wir  wollen 
annehmen,  daß  die  Ej:afte  dk  symmetrisch  zu  einer  ihnen  parallelen 
Ebene  geordnet  sind.  Dann  können  wir  sicher  alle  Kräfte,  welche 
in  einer  Ebene  senkrecht  zu  der  Symmetrieebene  liegen,  zu  einer 
Resultierenden  zusammensetzen,  die  in  der  Symmetrieebene  liegt. 

So  stoßen  wir  auf  die  sehr  häufig  vorkommende  Aufgabe: 

Man  soll  parallele  und  gleichgerichtete  Kräfte  zusam- 
mensetzen, die  längs  einer  Strecke  AB  stetig  verteilt  sind. 

Wir  zeichnen  AB  horizontal, 
die  Kräfte  vertikal.  Zähle  x  von 
A  angefangen  nach  B  hin,  so  wird 

sein  ,-  , 

dk »  xdx, 

wo  X  eine  endliche  Funktion  von 
X  ist.  Sie  soll  im  allgemeinen  re- 
gulär sein,  aber  einzelne  Sprünge 
aufweisen  können. 

X  heiße  die  spezifische  Belas- 
tung an  der  Stelle  x,  die  Kurve, 
welche  x  als  Funktion  von  x  darstellt,  heiße  die  Belastungslinie. 
Um  nun  die  in  Rede  stehenden  vertikalen  unendlich  vielen  Kräfte 
graphisch  zusammenzusetzen,  denken  wir  statt  ihrer  zuimchst  einmal 
eine  große  Anzahl  (n)  kleiner  vertikaler  Kräfte  ^k  =  x^x,  wo  x 
ein  Mittelwert  im  Streifen  der  Breite  ^x  sei;  als  Angriffsgerade 
nehmen  wir  irgendeine  Vertikale  innerhalb  ^Jx. 

Dann  ist  uns  die  graphische  Methode  nach  Nr.  118  geläufig: 
wir  erhalten  ein  Erafteck,  dessen  Strecken  ^k  aUe  in  einer  Vertikalen 
liegen,  und  ein  Seilpolygon,  dessen  Ecken  auf  den  Angriffsgeraden 
liegen.  Beachten  wir  noch,  daß  die  auf  einer  Angriffsgeraden  zu- 
sammentreffenden Seilstrahlen  parallel  zu  den  Polstrahlen  sind,  welche 
das  entsprechende  ^Jk  begrenzen. 

Lassen  wir  nun  n  immer  größer  und  die  ^x  immer  kleiner 
werden,  so  bleibt  U^Jk  ^  K^K^  erhalten,  die  Teilpunkte  K  rücken 
aber  immer  dichter  aneinander,  und  wenn  wir  P,  den  Pol,  festhalten, 
wird   das  Büschel   der  Polstrahlen   auch   immer   dichter.     Das  Seil- 


Flg.  84. 


Nr.  138. 


§  28.    Zusammensetssmig  parallelei  E[zftfte. 


213 


polygen  aber  erhalt  immer  mehr  Ecken  und  Seiten,  und  da  die 
Winkel  zwischen  zwei  aufeinander  folgenden  Seiten  unendlich  klein 
werden,  so  wird  das  Seilpolygon  in  der  Grenze  in  eine  Seilkurve 
übergehen. 

Diese  Seilkurve  wird  an  jeder  Stelle  eine  Tangente  haben,  in 
welche  die  beiden  Seilstrahlen  übergehen,  die  sich  vor  dem  Grenz- 
übergang an  der  betreffenden  Stelle  schnitten.    Dieser  Tangente  wird 


Fig.  85. 


aber  ein  bestimmter  Polstrahl  PX  parallel  sein  und  zwar  derart 
natürlich,  daß  K^X.  gleich  ist  der  gesamten  Last  links  von  der 
Stelle  e,  die  wir  betrachten.     Also 


K,X 


'Jxdx, 


«  =  0 


Anfangs-  und  Endtangente  der  Seilkurye  werden  natürlich  dem  ersten 
resp.  letzten  Polstrahl  (PJBTq  resp.  KJ)  parallel  sein,  ihr  Schnitt- 
punkt S  gibt  einen  Punkt  der  Angriffslinie  der  Resultierenden. 

138.  Oraphisohe  BeBtimnmng  einer  Sohweraehse.     Die 

Darlegungen  der  yorhergehenden  Nummer  finden  Anwendung,  wenn 
es  sich  darum  handelt,  die  Schwerachse 
einer  ebenen  homogenen  Figur  in  irgend- 
einer Richtung  zu  finden. 

Man  nehme  eine  2:- Achse  senkrecht 
zur  gegebenen  Richtung  und  teile  die 
Figur  parallel  zur  Richtung  in  Streifen 
der  Breite  dx.  Sei  x  die  Länge  eines 
solchen  Streifens,  so  läuft  unsere  Auf- 
gabe darauf  hinaus,  die  Angriffsgerade 
der  Resultierenden  der  parallelen  Kräfte 
xdx  zu  finden.  Man  wird  also  einfach, 
wie  in  der  vorhergehenden  Nummer  an- 
gegeben wurde,  die  Seilkurve  konstruieren, 
die  zwischen  den  äußersten  zur  Richtung  der  Schwerachse  parallelen 
Tangenten  der  Figur  zu  spannen  ist. 


Fig.  86. 


214 


VI.  Statik  des  starren  EOrpers  (Anwendungen). 


Nr.  189. 


Der  Schnittpunkt  der  beiden  Tangenten  im  Anfangs-  und  im 
Endpunkte  der  Seilkurre  wird  dann  ein  Punkt  der  gesuchten  Schwer- 
achse sein. 

Man  muß  natürlich  in  Praxi  bei  einer  endlichen  Einteilung  in 
hinreichend  schmale  Streifen  stehen  bleiben.  Es  empfiehlt  sich  nicht 
einmal^  die  Einteilung  gar  zu  fein  zu  machen,  da  sich  mit  der  Anzahl 
der  Streifen  die  Zeichenfehler  häufen. 

Angenähert   wird   man  ferner  jeden  Streifen  durch  ein  schmales 

Rechteck  parallel  zur  gegebenen  Richtung  ersetzen.    Will  man  genauer 

arbeiten,  so  nimmt  man  Trapeze  statt  der  Rechtecke  und  benutzt  flr 

die  Trapeze  die  in  Nr.  53  gegebene  Konstruktion  der  Schwerachse, 

soweit  die  Genauigkeit  dies  verlangt. 

Aufgabe  68:  Man  konstruiere  den  Schwerpunkt  des  in  Aufgabe  119 
(Nr.  268)  gezeichneten  Normalprofils. 


§  29.   Beispiele  und  Aufgaben. 
139.  Beispiele. 

Beispiel  1.  Ein  Balken  Tom  Grewichte  G  und  gegebener  Schweipunkts- 
lage  balanziere  quer  auf  einer  festen  kreisrunden  Waise.  Wann  ist  er  im 
Gleichgewicht  und  um  welchen  Winkel  kann  die  Richtung  vom  Mittelpunkt 
der  Walze  nach  dem  Berührungspunkte  höchstens  von  der  Vertikalen  abweichen? 

Der  Reibungswinkel  zwischen  Bal- 
ken und  Unterlage  sei  <p. 

Nimmt  man  Normaldruck  und  Rei- 
bung an  der  Berührungsstelle  zu  einer 
Resultierenden  D  zusammen,  so  muß 
diese  allein  dem  Gewicht  G  das  Gleich- 
gewicht halten,  es  muß  also  D  vertikal 
nach  oben  gerichtet,  D^^G  sein  und 
■"■"""""  es  müssen  D  und  G  in  derselben  An- 
griiFslinie  liegen,  d.  h.  der  Schwerpunkt 
über  dem  Berührungspunkt  B.  Da  femer  D  von  der  Normalen  um  den  Winkel  a 
abweicht,  andererseits  dieser  Winkel  kleiner  als  qp  sein  muß,  so  folgt 

a<qp. 

Beispiel  2.  Ein  Stab  von  gegebenem  Gewicht  G  und  gegebener  Schwer- 
punktslage (a,  h  seien  die  Entfernungen  von  den  Enden)  stütze  sich  mit  seinem 
unteren  Ende  auf  eine  horizontale  Ebene,  am  oberen  «Ende  werde  er  durch  eine 
Kraft  p  gehalten,  die  von  der  Vertikalen  um  den  Winkel  s  abweiche.  Der 
Reibungskoeffizient  zwischen  Stab  und  Boden  sei  /*,  die  Neigung  des  Stabes 
gegen  den  Horizont  a.    Unsere  Gleichgewichtsbedingungen  ergeben 

|}  sin  c  —  2?  «=  0, 

p  cos  f  +  N—  ö  =  0, 

—  Ga  008  a  -|-i>  cos  B{a-\-h)Qona  —  p  sin  k{a-\-h)  sin  a  ==  0, 


Flg.  87. 


d.h. 


p^G 


a 


cosa 


a  +  6  cos  (a  +  f ) ' 


-B  ==  p  sin  f  ==!  G^ 


cos  a  sin  9 


a-\-h  cos  (a  -j-  f ) ' 


Nr.  189. 


§  29.   Beispiele  nnd  Aiifgaben. 


215 


C08  a  C08  €  \ 

208  8  —  sin  a  sin  ej 


+  h  cos  a  cos 

^  —  o  sin  g  sin  «  -(-  ^  cos  (a  +  f ) 

(a  -|-  b)  cos  (a  +  s) 

Die  üngleichheitsbedingung  \E\'^fN  gibt,  e>0  vorausgesetzt, 
a  cos  a  sin  8  <  /"(—  a  sin  a  sin  «  -f"  ^  (^^^  **  cos  t  —  sin  a  sin  «)) , 
oder,  wenn  man  durch  cos  a  s'msf  dividiert, 

actgqp<  —  atga  +  ^  (ctg «  —  tg a). 


oder 


h  ctg  6  ^  a  ctg  qp  4-  (a  +  6")  tg  a. 


*  ))}}^}))}7fufnnin}}}t})n)f)f 


(I) 

Man  kann  die  Auf- 
gabe auch  so  lösen,  daß 
man  die  Resultierende  D 
von  IL  und  N  einführt 
und  bedenkt,  daß  sich 
jetzt  i>,  G  und  p  in 
einem  Punkte  schneiden 
müssen. 


Trr777TpT7T7T777777 


Fig.  88  a. 


Fig.  88  b. 


Man  leitet  dann  für  den  Winkel  d,  den  D  mit  "N  einschließt,  aus  der 
Figur  leicht  die  Relation 

a  ctg  ^  +  a  tg  a  =  6  (ctg  f  —  tg  a) 

ab.    Die  Relation  (I)  folgt  dann  aus  der  Bedingung 

<f  <qp. 

• 

D  und  j}  berechnen  sich  dann  daraus,  daß  sie  mit  G  ein  geschlossenes  Dreieck 
bilden  müssen,  dessen  Winkel  an  der  Seite  G  natürlich  c  und  ^  sind  (s.  Fig.  88  b). 

Beispiel  S.  Ein  Stab  vom  Gewichte  G  und  gegebener  Schwerpunktslage 
(a  und  h  seien  die  Entfernungen  von  den  Enden)  stütze  sich  mit  dem  einen 
Ende  auf  einen  horizontalen  Boden,  mit  dem  anderen  Ende  gegen  eine  vertikale 
Wand.    Wann  bleibt  er  unter  der  Wirkung  der  Reibung  in  Ruhe? 

Die  Gleichgewichtsbedingungen  lauten  (siehe  Fig.  89) 

iV'i  +  i?,— C?  =  0, 
iV,  —  JJj «  0, 

G^6  cos  d-  —  ^,  (a  +  h)  sin  -9-  —  12,  (a  +  6)  cos  «•  ==  0. 

Das  sind  nur  drei  Gleichungen  zur  Bestimmung  der  vier  Reaktionen  i?,  N.  Die 
Aufgabe  ist  also  statisch  unbestimmt,  wie  man  sich  ausdrückt. 


216 


VI.  Statik  des  starren  KOrpers  (Anwendungen). 


Nr.  139. 


Lassen  wir  E^  als  Unbekannte  und  setzen         ,  *-"  ß^  so  folgt 

i^  —  jy, « (G/?  —  jB,)  ctg  *. 

Nun  sind  aber  noch  die  Ungleichheiten  zu  erf&Uen: 

J^.^fiN,,       B,  <f,N,, 
Es  mag  dem  Leser  selbst  überlassen  bleiben,  daraus  die  eine  resultierende 


Bedingung: 
abzuleiten. 


Fig.  89. 


Fig.  90. 


Da  ß  ein  echter  Bruch  ist,  so  ist  diese  Bedingung  trivial,  das  Gleichgewicht 
also  sicher  vorhanden,  wenn 

/■.tgfr+z-./i^i+A/;,  d.h. 
/;*«*>  1, 

ist.     In  diesem  Falle   ist   also  Gleichgewicht  vorhanden,   wo  auch  immer  der 

Schwerpunkt  auf  der  Stange  liegen  mag. 

Wesentlich  einfacher  ist  die  graphische  Lösung  der  Aufgabe: 

Man  fasse  N^  und  B^  zu  einer  Resultierenden  D^  zusammen,   iV,  nnd  B^ 

zu  einer  Resultierenden  i>, .    Unser  Stab  steht  jetzt  unter  der  Einwirkung  dreier 

Kräfte  D^,  i),  und  G, 

Diese   müssen    sich    also  in  einem  Punkte  schneiden.     Nun  ist  aber  daa 

mögliche  Treffgebiet  von  2>^  mit  i>,   durch  das  Viereck  GHJK  gegeben,  in 

dem  sich  die  beiden  Paare  äußerster  Erzeugenden   der   beiden  Reibungskegel 

schneiden  (siehe  Fig.  90). 


Nr.  139. 


§  29.   Beispiele  und  Aufgaben. 


217 


'////////y^A 


Es  wird  also  dann  immer  Gleichgewicht  möglich  sein,  wenn  die  An- 
griffagerade  von  G  das  Viereck  GHJK  schneidet.  Denn  dann  gibt  es  immer 
zwei  in  den  Reibnngskegeln  gelegene  Kräfte  D^  and  2>,,  die  sich  mit  G  in 
einem  Punkte  treffen.  Und  ihre  Grüße  läßt  sich  natürlich  stets  so  bestimmen» 
da£  sie  mit  G  ein  geschlossenes  Dreieck  bilden. 

Man  sieht  nun  sofort,  daß  für  alle  Lagen  des  Schwerpunktes  8  Gleich- 
gewicht herrscht,  wenn  J  links  von  der  vertikalen  Stützfläche  liegt,  d.  h.  wenn 

ist.    Drückt  man  aber  aus,  daß  J  links  von  der  Angriffsgeraden  von  G  liegt,  so 
erhält  man  leicht  die  obige  allgemeine  Bedingung. 

Wir  haben  0<p^l  vorausgesetzt.  Es  wäre  nicht  schwer,  die  anderen 
Fälle  analog  zu  erledigen.  Graphisch  bekommt  man  das  Resultat  sofortiges 
muß  die  Angriffsgerade  das  Viereck  GHJK  schneiden. 

Bei  negativem  ß  kann  auch  der  Grenzpunkt  K  in  Frage  kommen. 

Beispiel  4.  Ein  zylinderförmiger  Körper  kann  sich  in  einer  Parallel- 
fuhrung  hin-  und  herbewegen.  Wann  wird  infolge  einer  in  der  Richtung  der 
Beweg^ungsmöglichkeit  wir- 
kenden aber  exzentrisch  an- 
greifenden Kraft  A;  Selbst- 
sperrung eintreten,  d.  h. 
eine  Bewegung  unmöglich 
sein? 

Untersuchen  wir  zu- 
nächst die  Möglichkeit  des 
Gleichgewichts. 

Wenn,  wie  in  der  Figur, 
eine  Kraft  k  exzentrisch  unten 
rechts  nach  oben  wirkt,  so 
wird  sich  der  Körper,  von 
dem  wir  annehmen  wollen, 
daß  er  in  seiner  Führung 
einen  gewissen  Spielraum  be- 
sitzt, oben  links  und  unten 
rechts  an  die  Führung  an- 
pressen. 

Zeichnen  wir  an  beiden 
Stellen  die  Drucke  Z)^  und  i>, 

—  die  Resultierenden  aus  Normaldruck  und  Reibung  — ,  so  müssen  sich  A;^  i>^  D^ 
in  einem  Punkte  schneiden.  Das  wird  aber  nur  dann  möglich  sein,  wenn  k 
rechts  vom  Punkte  5,  dem  Schnittpunkte  der  extremen  Erzeugenden  der  beiden 
Reibungskegel,  liegen  wird. 

Dieser  Grad  von  Exzentrizität  wird  also  jedenfalls  notwendig  zur  Selbst- 
sperrung sein. 

Aber  er  ist  auch  hinreichend.  Denn  wenn  Bewegung  eintritt,  so  werden 
D^  und  2>,  genau  durch  S  hindurchgehen,  und  da  die  Bewegung  vertikal  auf- 
wärts geschehen  soll,  müssen  D^  und  D,  in  S  eine  nach  unten  gerichtete  Resul- 
tierende k'  haben,  damit  keine  horizontale  Slraftkomponente  da  sei. 

Die  Resultierende  von  k  und  k\  die  zur  Einleitung  der  Bewegung  nach 
aufwärts  gerichtet  sein  muß,  liegt  aber  nach  Nr.  116  auf  der  Seite  von  Ar,  also 
noch  weiter  nach  rechts,  wenn  k  rechts  von  S  liegt.  Wir  werden  aber  später 
beweisen  (siehe  Nr.  236),  daß  bei  einer  Translationsbewegung  die  Resultierende 
durch  den  Schwerpunkt  gehen  muß.    Wenn  also  der  Schwerpunkt  nicht  so  sehr 


Flg.  91. 


218 


VI.  Statik  des  starren  Körpers  (Anwendungen). 


Nr.  140. 


exzentrisch  liegen  sollte  (nämlich  nicht  rechts  von  S),  und  das  wollen  wir  an- 
nehmen, so  wird  tatsächlich  die  Einleitung  einer  Bewegung  nach  oben  unmög- 
lich sein,  wenn  k  rechts  von  S  Uegt. 

Auf  der  hier  besprochenen  Möglichkeit  der  Selbstsperrung  beruht  eine  ein- 
fache Steigvorrichtung,  welche  Arbeiter  benutzen,  um  an  Telegraphenstangen 
emporzuklettem  und  sich  oben  festzuhalten.  Diese  Vorrichtung  besteht  wesent- 
lich in  seitlich  an  die  Schuhe  geschnallten  runden  Klammem,  mit  denen  die 
Stangen  umfaßt  werden.  Die  exzentrisch  wirkende  Last  des  eigenen  Körpers 
bewirkt  Selbstsperrung. 

140.  AufiBfaben. 

64.  Ein  Stab  von  gegebenem  Gewicht  G  und  gegebener  Schwerpunktslage 
(a,  h  seien  die  Entfernungen  von  den  Enden)  stütze  sich  mit  den  Enden  A^  B 
gegen  einen  glatten  horizontalen  Boden  und  eine  glatte  vertikale  Wand  Er 
werde  dadurch  gehalten,  da£  ein  Punkt  P  des  Stabes  mit  dem  Eckpunkt  O 
durch  einen  Idealfaden  verbunden  sei.  Wie  groß  ist  die  Spannung  S  in  diesem 
Faden  und  wie  groß  sind  die  Normaldrucke  N^  und  iV,  ? 

Die  Aufgabe  kommt  darauf  hinaus,  G  nach  den  Angriffslinien  von  N^ ,  iV, 
und  S  zu  zerlegen.     * 

Man  kann  also  die  Aufgabe  entweder  graphisch  lösen  oder  nach  dem 
Ritterschen  Verfahren  (siehe  Nr.  128). 


Fig.  9S. 


^777777777777777777777777777777 


Fig.  9S. 


66.  Derselbe  Stab,  wie  in  Beispiel  2,  werde  oben  dadurch  gehalten,  daß  er 
sich  gegen  eine  horizontale  vollkommen  glatte  Stange  anlehne.  Wann  herrscht 
Gleichgewicht? 

Man  löse  dieselbe  Aufgabe  graphisch  nach  der  Methode  von  Nr.  122,  wenn 
a  =^  5  m,  5  =  4  m,  G^  =  10  kg,  a  =»  30^  imd  wenn  außerdem  in  der  Entfernung 
von  3  m  vom  aufgestützten  linken  Ende  noch  eine  zum  Stab  senkrechte  Kraft 
von  8  kg  und  in  der  Entfernung  von  7  m  eine  nach  rechts  wirkende  horizontale 
Kraft  von  2  kg  wirke.    Wie  groß  muß  der  Reibungswinkel  mindestens  sein? 

66.  Ein  Bild  vom  Gewicht  6r,  dessen  Schwerpunktslage  S  durch  die  Ent- 
fernung c  von  der  hinteren  Bildwand  und  die  Entfernung  a  von  seiner  unteren 
Fläche  gegeben  sei,  werde  dadurch  an  eine  vertikale  Wand  aufgehängt,  daß  an 
einer  Stelle  H  in  der  Entfernung  h  von  der  unteren  Kante  0  ein  Faden  von  der 
Länge  2  befestigt  wird,  der  an  einen  Punkt  B  der  Wand  geknüpft  ist.  Mit  der 
unteren  Kante  0  stutze  sich  das  Bild  gegen  die  vollkomme  glatte  Wand.  Unter 
welchem  Winkel  a  wird  es  sich  gegen  die  Wand  neigen? 


Nr.  140. 


§  29.   Beispiele  und  Aufgaben. 


219 


Es  empfiehlt  sich^  den  HilfBwinkel  ß  einzuführen,  der  durch  h^  a,  l  aus- 
gedrückt werden  kann. 

Man  erhält  dann  eine  Gleichung  für  a.  Man  zeige,  daß  oe  Null  wird,  wenn 
c  Null  wird  und  löse  dementsprechend  die  Aufgabe  für  den  Fall,  daß  c  sehr 
klein  sei  gegen  a,  h  und  l;  d.  h.  man  setze  cosa^i,  indem  man  bei  Gliedern 
erster  Ordnung  in  c  (und  also  auch  a)  stehen  bleibt. 

67.  Eine  horizontale  kreisförmige  Platte 
werde  in  der  Mitte  0  durch  eine  nach  oben 
gerichtete  Stützkraft  getragen.  Man  soll  am 
Rande  der  Platte  drei  gegebene  Gewichte  P, 
Q,  R  so  aufsetzen,  daß  Gleichgewicht  herrscht. 
Man  zeige,  daß  dazu  notwendig  ist,  daß  man 


Pig.  95. 


aus  P,  Q,  B  als  Strecken  ein  Dreieck  bilden  kann  und  daß  dann  die  Winkel 
CK,  /?,  y  als  Außenwinkel  dieses  Dreiecks  gefunden  werden. 

68.  Aus  vier  gleich  großen  und  gleich  schweren  Kugeln  bilde  man  eine 
Pyramide.  Wie  groß  muß  der  Reibungskoeffizient  zwischen  den  Kugeln  sein, 
damit  Gleichgewicht  möglich  ist? 

69.  Ein  Balken  ist  zwischen  zwei  horizontale,  parallele  Stützen  gelagert,  so 
wie  Fig.  96  zeigt.   Wo  muß  eine  Last  L  angreifen,  damit  Gleichgewicht  herrscht? 


Fig.  96. 


70.  Wann  wird  ein  in  einer  horizontalen  Rinne  von  dreieckigem  Querschnitt 
liegender  Körper  im  Gleichgewicht  sein? 

71.  Ein  Stab  von  bekannter  Schwerpunktslage  und  bekanntem  Gewichte  G 
stütze  sich  mit  seinem  oberen  Ende  an  eine  vertikale  glatte  Wand,  mit  dem  unteren 
Ende  auf  eine  glatte  horizontale  Fläche.  An  das  untere  Ende  sei  durch  einen 
Faden  ein  Gewicht  G'  in  der  durch  die  Figur  98  erläuterten  Weise  geknüpft.  Bei 
welcher  Neigung  0*  des  Stabes  gegen  den  Horizont  wird  Gleichgewicht  herrschen? 

72.  Ein  homogener  Stab  der  Länge  l  liege  in  einer  halbkugelfSrmigen 
Schale  vom  Radius  a,  so  daß  er  sich  mit  dem  unteren  Ende  auf  die  Schale 


220 


VI.  Statik  des  starren  Körpers  (Anwendimgen). 


Nr.  141. 


stützt  und  sich  aofierdem  an  den  Band  der  Schale  anlehnt.  F&r  welchen 
Neigungswinkel  ^  gegen  den  Horizont  wird  Gleichgewicht  herrschen?  Reibung 
sei  nicht  vorhanden. 


\\\\\\\\\\>VVVV^V\\Vt\vvv\\V\\\\\\\\\\\\\vv 

Plg.9». 


tiiii'i/ii//'i///f/t ))))})} }))))))))}}}K   /" ^ 


^ 


Q' 


n})jn}i}nnrntin)inni}ninninnniwn 


Flg.  98. 


Plg.  100. 


78.  Ein  Körper  Tom  Gewichte  G  liege  auf  einer  horizontalen  Fl&che.  Anf 
ihn  wirke  horizontal  im  Abstände  A  vom  Boden  eine  Kraft  k.  Welche  ün- 
gleichheiten  müssen  für  U  nnd  "h  erfüllt  sein,  wenn  noch  Gleichgewicht  herrschen 
soll?  Der  Reibungskoeffizient  f  am  Boden  und  der  Abstand  a  der  Schwerachse 
von  der  ftufieren  Kante  des  Körpers  seien  gegeben.  (Man  beachte  das  in  Nr.  186 
und  Nr.  186  über  den  Normaldruck  Gesagte!) 

§  30.   Der  Hebel. 

141.  Oleiohgewioht  eines  um  eine  feste  Achse  dreh- 
baren starren  Körpers.  Wir  betrachten  einen  starren  Körper, 
der  80  gestützt  ist^  daß  er  sich  höchstens  um  eine  feste  Achse  drehen 
kann,  ohne  sich  in  ihrer  Richtung  zu  verschieben. 

Dann  muß  die  Berührungsfläche  zwischen  unserem  starren  Körper 
und  der  Führung  (dem  Lager)  das  Stück  einer  Rotationsfläche  sein. 
Denn  betrachten  wir  eine  Kurve  auf  der  Berührungsfläche^  so  be- 
schreibt sie  bei  der  Drehung  eine  Rotationsfläche. 

Bei  einer  solchen  gehen  aber  alle  Normalen  durch  die  Achse 
hindurch,  die  Normaldrucke  zwischen  unserem  Körper  und  dem  Lager 
schneiden  demnach  alle  die  Achse,  haben  also  in  bezug  auf  diese  kein 
Moment.  Dagegen  übersieht  man  leicht,  daß  bei  genügend  geschlossenem 
Lager  ringsum  der  Lagerdruck  jede  Resultierende  und  jedes  Moment 
senkrecht  zur  Lagerachse  haben  kann. 

Von  den  sechs  Gleichgewichtsbedingungen  wird  also  nur  eine, 
die  Momentengleichung  um  die  Drehachse  die  Lagerdrucke  nicht  ent- 


Nr.  142.  §  80.   Der  HebeL  221 

halten,  die  fünf  anderen  aber  sind  stets  erfOUb'ar  durch  geeignet  ge- 
wählte Lagerdrucke  und  dienen  also  dazu,  über  diese  unbekannten  Lager- 
reaktionen gewisse  Aussagen  zu  machen. 

Mithin  lautet  die  einzige  von  den  Lagerdmcken  freie  Gleich- 
gewichtsbedingong,  die  einzige  sogenannte  reine  Gleich- 
gewi chtsbedingung,  für  einen  um  eine  feste  Achse  drehbaren 
starren  Körper,  einen  sogenannten  Hebel: 

Es  muß  das  Moment  der  eingeprägten  Kräfte  in  leeug  auf  die 
Drehachse  NuU  sein. 

Dieser  Hebekatz  scheint  den  ältesten  Bestandteil  menschlichen 
Wissens  aus  der  Mechanik  darzustellen.  Aristoteles  hat  ihn  gekannt, 
Archimedes  aus  einfachen  Annahmen  abgeleitet,  das  ganze  Mittelalter 
hindurch  beschäftigt  man  sich  kaum  mit  etwas  anderem. 

Die  Lagerreibung  oder  Zapfenreibung,  d.  h.  die  Reibung  zwischen 
Hebel  und  Lager,  ist  als  eingeprägte  Kraft  zu  behandeln,  sobald  eine 
Bewegung  des  Hebels  als  möglich  zugelassen  wird,  unsere  obige 
Gleichgewichtsbedingung  wird  auch  jetzt  gelten,  aber  sie  enthält  die 
unbekannten  Lagerreaktionen  implizit,  wenigstens  dann,  wenn  man 
die  Grenzen  des  Gleichgewichts  sucht.  Denn  die  Grenzwerte  der  Rei- 
bung hängen  ja  von  den  Lagerreaktionen  ab. 

Wenn  wir  früher  (Nr.  58)  gesagt  haben,  daß-  die  Haftreibung 
immer  eine  Reaktionskrafb  sei,  so  bedarf  dieser  Ausspruch  der  Mo- 
difikation. Wenn  überhaupt  die  Möglichkeit  einer  entsprechenden 
Gleitbewegung  diskutiert  wird,  wollen  wir  sie  hinfort  als  eine  ein- 
geprägte Kraft  zählen,  indem  wir  an  den  GrenzfaU  denken,  wo  je 
nach  dem  Anfangszustand  Ruhe  oder  Bewegung  möglich  ist.  Diese 
Festsetzung  steht  übrigens  mit  der  allgemeinen  Definition  der  Reaktions- 
krafb im  Einklang  (siehe  Nr.  62). 

Neben  dem  eigentlichen  Fall  des  Gleichgewichtes  be- 
trachten wir  in  vielen  Beispielen,  nämlich  bei  den  so- 
genannten (einfachen)  Maschinen  und  Werkzeugen:  Winde, 
Hebel,  Schraube,  Flaschenzug  usw.,  auch  immer  den  Fall 
langsamer  Bewegung,  wo  dann  die  Reibungskraft  sicher 
eine  eingeprägte  Kraft  ist.  Daß  wir  auf  diesen  Fall  die  Gesetze 
der  Statik  anwenden  dürfen,  wird  freilich  erst  im  dritten  Abschnitt 
bewiesen  werden,  da  aber  eine  Abweichung  der  statischen  yon  der 
kinetischen  Behandlungsweise  nach  Abschnitt  I  jedenfalls  durch  Be- 
schleunigungen bedingt  wird,  so  ist  es  klar,  daß  unser  Verfahren  bei 
langsamen  und  langsam  veränderten  Bewegungen  erlaubt  ist. 

142.  Anwendungen:  Wage  nnd  Winde. 

1.  Die  Wage  bildet«  wohl  die  bedeutendste,  theoretisch  und 
praktisch  wichtigste  Anwendung.  Die  gewöhnliche  Wage  beruht  dar- 
auf,  daß  im  Gleichgewicht  bei   gleichen  Hebelarmen  zwei  an   einen 


222  VI-  Statik  des  starren  Körpers  (Anwendimgen).  Nr.  142. 

Hebel  angehängte  Gewichte  einander  gleich  sein  müssen  und  also  ver- 
glichen werden  können.  Bei  der  sogenannten  römischen  Wage  (Lauf- 
wage) hängt  die  zu  wiegende  Last  an  einem  gegebenen  Hebelarm:  ein 
fest  gegebenes  Gewicht  (Laufgewicht)  läuft  an  einem  variabeln  Hebel- 
arm X  und  wird  so  eingestellt,  daß  Gleichgewicht  herrscht.  L  ist  dann 
nach  dem  Hebelsatz  dem  x  proportional,  kann  also  direkt  durch  dieses 
gemessen  werden. 

Wichtig  ist  natürlich  die  Fehlertheorie  der  Wage  und  eine  Unter- 
suchung über  ihre  Genauigkeit  und  Empfindlichkeit.  Die  Elemente 
einer  solchen  Theorie  findet  man  in  jedem  Lehrbuche  der  Physik,  eine 
ausführliche  Behandlung  bei  W.  Felgenträger,  Theorie,  Konstruk- 
tion und  Gebrauch  -der  Hebelwage,  Leipzig  1907. 

Ein  Referat  über  die  zahlreichen  hingehörenden  Untersuchungen 
enthält  der  Artikel  von  Ph.  Furtwängler:  „Die  Mechanik  der  ein- 
fachsten physikalischen  Apparate  und  Versuchsanordnungen''  in  der 
Enzykl.  der  math.  Wiss.  Bd.  IV,  Art.  7. 

Es  soll  hier  nicht  näher  darauf  eingegangen  werden.  Hervor- 
gehoben sei  nur  folgendes:  Man  vergleicht  an  der  Wage  Gewichte. 
Da  aber  auch  für  die  feinste  Untersuchung  im  Bereiche  der  Wage 
g  als  konstant  angesehen  werden  kann,  so  fäUt  bei  Vergleichung  der 
Gewichte  g  heraus;  und  da  man  die  Masseneinheit  durch  ein  be- 
stimmtes Objekt  willkürlich  festsetzen  kann,  so  mißt  man  eigentlich 
mit  der  Wage  Massen  mit  Hilfe  eines  geeichten  Gewichtssatzes.  Die 
Wage  ist  unser  feinstes  Instrument,  Massen  zu  messen. 

Will  man  Gewichte  mit  ihr  messen,  so  bedarf  es  noch  einer 
besonderen  Feststellung  des  g  an  Ort  und  Stelle. 

Übrigens  sind  in  dem  Artikel  von  Ph.  Furtwängler  auch  die 
Methoden,  g  mit  Hilfe  des  Pendels  zu  messen,  ausführlich  besprochen. 

Aufgaben:  74.  Man  eiche  eine  sogenannte  Briefwage,  d.  h.  man  stelle 
den  Ausschlagwinkel  a  als  Funktion  der  Last  L  fest.      Der  Schwerpunkt  der 

Wage  allein,  ohne  Last  X,  liege  auf  dem 
Zeiger  im  Abstände  a  von  der  Drehachse.  G  sei 
das  Gewicht  der  Wage.  Der  Arm  OA^^b^  an 
dessen  Ende  A  die  Last  angreife,  sei  senk- 
^  recht  zum  Zeiger.  <(£ine  eventuell  vorhandene 
Schale  für  die  Last  ist  in  L  eingerechnet.) 
(Fig.  101.) 

76.  Eine  gewöhnliche  Wage  habe  nicht 
genau  gleiche  Arme,  doch  spiele  der  Zeiger 
der  unbelasteten  Wage  genau  auf  Null  ein. 
Wenn  nun  ein  Körper  auf  der  einen  Wag- 
schale p  kg,  auf  der  andern  q  kg  wiegt,  wie 
^**'  ^^^'  groß  ist  dann  sein  wahres  Gewicht? 

2.  Die  Winde.  Eine  WeUe  sei  an  zwei  Stellen  horizontal  ge- 
lagert, die  Zapfen  seien  zylindrisch.  Um  die  Welle  sei  ein  Seil  ge- 
schlungen, an  dem  eine  yertikal  herabhängende  Last  L  hänge.     An 


Nr.  148. 


einem  Ende  der  Welle  sei  eine  Handhabe,  aenkreclit  zu  ihr  wirke  eine 
Kraft  P  in  einer  Ebene  senkrecht  zor  WeUe.  Wie  grofi  muß  im 
Gleiehgewichtsfalle  P  sein  nnd  was  läfit  sich  aber  die  Lagerdracke  sagen? 

Wenn  wir  aonehmen,  daß 
die  Berührung  zwischen  den 
Wellenzapfen  und  den  Lagern 
nur  in  einer  einzigen  Erzeu- 
genden des  Zylinders  statt- 
findet, so  können  wir  jeden- 
falls die  Lagerdmcke  in  jedem 
Lager  als  parallele  Kräfte  auf 
eine  Resultierende  zurttck- 
fOhren,  die  in  einem  mittleren 
Punkte  eines  jeden  Lagers  an- 
greift (vgl.  Nr.  135, 136). 

Sind  die  Lager  kurz  geeeti 
die  anderen  Dimensionen,  so 

wird  es  ziemlich  gleichgültig  sein,  an  welchen  Punkten  des  Liters 
wir  die  Resultierende  annehmen.  Es  seien  die  Funkte  0,  (hinten)  0, 
(TOrae);  H^  nnd  F,  reap.  Ä,  und  F,  seien  die  Horizontal-  und  Ver- 
tikalkomponeoten  der  beiden  Lagerdrucke. 

Sind  einmal  die  Punkte  0,  und  Oj  angenommen,  so  können  wir, 
wie  wir  sehen  werden,  die  vier  Größen  H  und  V  berechnen,  aber  die 
Lage  ron  0,  und  0,  oder  die  genauere  Verteilung  der  Drucke  in 
den  Lagern  nicht. 


tJT. 


Die  Bedeutung  der  Längen  a,  B,  c,  b,  l  erhellt  aus  der  Fig.  103b, 
ebenso  die  des  Winkels  a. 

Die  Gleichung  _^k  =  0   gibt   dann   nach  der  Horizontalen   und 
Vertikalen  zerlegt: 

Tj-h  r,-i-Psina  =  0,  (1) 

Hi  +  Bt+Pcosa  =  0.  (2) 


224  VI.  Statik  dei  Btarren  Körpers  (Anwendungen).  Nr.  142. 

Die  Momentengleicliung  für  die  Drehachse  gibt  die  eigentliche 
Gleichge  wichtsbedingnng : 

aX  -  B  .  P  -  0,  (3) 

d.h. 

Bleiben  noch  die  Momentengleichungen  fcLr  die  horizontale  und  verti- 
kale Achse  durch  0^: 

—  Lc  +  F,?  -  P  sina  .  6  =  0,  (4) 

£r,?  +  Pcosa.6-0.  (5) 

Die  Auflösung  nach  den  Unbekannten  P,  V^,  V^^  H^^  H^  läßt 
sich  elementar  ausfahren  und  gibt 

iij  = y-  ^L  cos  a, 


Fg«-^  L(c  +  6|  sina), 


fii  =  |-Xco8a(5  ~l), 

Fi=  J-L(Z-c  +  G-6)|-8ina). 

jE^  und  H^  können  bei  laufendem  a  positiv  und  negativ  sein^  F^  und 
Fg  können  auf  alle  Fälle  positiv  sein:  die  Lager  müssen  also  unten 
geschlossen  sein.  Ob  sie  aber  auch  oben  geschlossen  sein  müssen^ 
hängt  davon  ab,  ob   F|  und  F,  auch  negativ  sein  können^  d.  h.  ob 

6j>c     und     {l^l)^>l^c 

sind.  Man  sieht,  daß  nicht  beide  Ungleichheiten  gleichzeitig  erfUllt 
sein  können,  denn  die  Summation  gibt  die  falsche  Ungleichung 

während  wir  a  <iR  annehmen  wollen,  wie  es  in  der  Praxis  stets  der 
Fall  ist. 

Ein  Lager  kann  also  oben  offen  sein.  Es  kann  auch  sein,  daß 
beide  oben  offen  sein  dürfen.     Dann  muß 

6 -^  <  c     und     {l  —  V)^<l  —  c 

sein,  was  bei  hinreichend  großem  R  möglich  ist. 

Aufgaben:  76.  Eine  halbkreisförmige  homogene  Platte  sei  um  eine  hori- 
zontale Achse  AB  drehbar.  In  A  und  B  seien  kurze  zylinderförmige  Lager. 
Das  Gewicht  der  Platte  sei  G^  ihren  Schwerpunktsabstand  von  der  Achse  ent- 


Nr.  148. 


§  SO.   Der  Hebel. 


225 


nehme  man  ans  Nr.  68.  Dnrch  eine  Kraft  k,  welche  am  Bande  der  PlaHe  senk- 
recht zu  ihr  angreife,  werde  die  Platte  in  einem  Wiokel  d"  gegen  den  Horizont 
gehalten.  Wie  grofi  muß  k  sein  und  wie  groß  sind  die  Lagerreaktionen  in  Ä 
und  B?  Die  Stelle,  wo  Ä;  angreift,  sei  durch  den  Winkel  a  gegen  die  Symmetrie- 
linie der  Platte  gegeben.    Der  Radius  der  Platte  sei  a. 


Fig.  lOS. 


Flg.  lOi. 


77.  Ein  um  einen  horizontalen  Zapfen  0  drehbarer  Balken  stütze  sich  mit 
dem  anderen  Ende  gegen  eine  feste  Wand.  Er  sei  einigen  Kräften  ^ ,  ft, . . .  ^„ 
unterworfen,  welche  in  einer  Ebene  senkrecht  zu  0  liegen.  Man  bestimme  den 
resultierenden  Lagerdruck  in  0  und  den  Normaldruck  der  festen  Wand.  Man 
kann  die  Aufgabe  graphisch  lösen  oder  nach  der  Momentenmethode,  indem  man 
O  zur  Momentenachse  macht  und  die  Hebelarme  aus  der  Figur  entnimmt  (ygl. 
Nr.  122). 

143.  Zapfenreibung.  Herrscht  an  einer  Berührongsstelle 
zwischen  Zapfen  und  Lager  ein  Normaldmck  dN^  so  kann  eine 
Reibung  dB  auftreten;  wenn  keine  Bewegung  stattfindet^  so  ist 

\dB\£dN'f, 

tritt  aber  Bewegung  ein^  so  ist  dB  tangential  zum  zugehörigen 
Parallelkreis  der  Rotationsfläche  des  Lagers  und  zwar  der  Bewegung 
entgegen  gerichtet,  und  es  ist 

dB  =  djff. 

Das  gleiche  wird  in  dem  Grenzfall  gelten,  wo  noch  gerade  Gleich- 
gewicht möglich  ist. 

Mit  diesem  wollen  wir  uns  beschäftigen,  also  mit  der  Zapfenreibung 
—  so  nennt  man  auch  wohl  die  Lagerreihung  —  als  einer  eingepräg- 
ten Kraft. 

Wenn  man  nun  nichts  Näheres  über  die  Verteilung  des  Normal- 
drucks weiß,  kann  das  Moment  der  Zapfenreibung  beliebig  große 
Werte  haben.  Sei  r  der  R-adius  des  Parallelkreises,  so  ist  das 
Reibungsmoment 


Mn-^^rdB^fSrdN. 

H»mel;  Elementare  Mechanik. 


15 


226 


VI.   Statik  des  starren  Körpers  (Anwendangen). 


Nr.  143. 


Für  diese  Summe  kann  man  aber  aus  dem  resultierenden  Lagerdruck 

N^^dN  nur  soyiel  schließen,  daß  Si^^i^^  —  ^^ü  di« 
Lange  eines  Polygonzuges  größer  ist  als  die  Länge  seiner  Schluß- 
linie  —  und  also 

wo  r^  einen  mittleren  Zapfenradius  bedeutet. 

Es  ist  auch  bekannt,  daß,  wenn  ein  Lager  sehr  spannt,  d.  h.  sehr 
eng  ist  und  also   der  Zapfen  von  allen  Seiten  hohen  Druck  erfährt' 
—  weshalb  N  noch  immer  einen  beliebig  kleinen  Wert  haben  kann  — ^ 
das  Moment  der  Reibung  beliebig  hoch  wird,  was  sieh  darin  äußert, 
daß  der  Hebel  nur  mit  der  größten  Anstrengung  gedreht  werden  kann. 

Wir  wollen  uns  im  folgenden  nur  mit  sogenannten  leicht  laufenden 
Lagern  beschäftigen,  d.  h.  Lagern,  bei  denen  der  Zapfen  einen  gewissen 
Spielraum  hat  und  also  nur  in  einem  kleinen  Stück  des  Umfangs 
Druck  erfährt. 

Die  einfachste  Hypothese  xmd  zugleich  diejenige,  die  der  Vor- 
stellung des  starren  Körpers  am  meisten  entspricht,  ist  die  der  ein- 
punktigen  Berührung  in  jedem  Parallelkreis  oder  der  Berührung 
längs  eines  Meridians  der  beiden  Rotationsflächen.  Hier  kann 
man  yon  einem  Normaldrucke  N  und   einer  Reibung  R  sprechen. 

Besonders  einfach  werden  die  Verhältnisse  beim  zylinderför- 
migen Lager.  Hier  ist  es  gleichgültig,  wo  N  und  R  angreifen,  der 
Hebelarm  von  R  wird  immer  der  Radius  r  des  Zapfens  sein.    Also 

Mr^tR^  rfN. 

Fassen  wir  ü  imd  N  zu  einer  Resultierenden  D  zusammen,  so  wird 

D  den  Abstand 

(>  =  r  sin  g? 

von  der  Wellenmitte  haben,  d.  h.  D  wird  einen  Kreis  von  diesem 
Radius  berühren,  den  sogenannten  Reibungskreis. 


7?-e 


Fig.  106. 


Fig.  lOÖ. 


Man  kann  also  den  gesamten  Lagerdruck  (Reaktion  und  Reibung) 
auffassen  als  eine  Kraft  von  unbekannter  Größe  und  Richtung  D, 
die  aber  nicht  durch  die  Lagermitte  hindurchgeht,  sondern  den  Reibungs- 


Nr.  144. 


§  80.   Der  Hebel. 


227 


hreis  herühri.  Man  Jcann  aber  auch  sagen,  daß  zu  einem  resultieren- 
den Lagerdruck  von  unbekannter  Größe  und  Richtung  D  durch  die 
Lagerachse  ein  der  Bewegung  entgegengesetztes  Kräftepaar  qD  hinzu- 
kommt. 

Das  gilt  für  Gleitreibung.  Man  sieht  leicht,  daß  bei  Haftreibung 
das  Moment  des  Kräftepaares  Kleiner  als  qD  ist,  oder  daß  D  den 
Seibungskreis  schneidet. 

Übrigens  ist  diese  Auffassung  immer  zulässig,  nur  daß  gerade 

Q  ^  rsiufp 

ist,  hängt  an  unseren  Hypothesen.  Wenn  man  sich  also  offenhält^ 
Q  in  jedem  Falle  aus  einer  besonderen  Theorie  oder  durch  Experimente 
rein  empirisch  zu  bestimmen,  so  ist  der  Ansatz  Mr^qD  immer  erlaubt, 
auch  z.B.  bei  Schmierreibung,  wo  sonst  diese  Betrachtungen  gar 
m'cht  gelten  (siehe  die  Literatur  in  Nr.  60). 

144.  Beispiele  nnd  An^TAben. 

Beispiel  1:  Wie  grofi  kann  bei  einem  Hebel  eine  exzentrisch  wirkende 
Kraft  k  sein,  damit  noch  gerade  -Gleichgewicht  herrscht?  Der  Hebel  sei  schwer, 
die  Achse  horizontal,  der  Schwerpunkt  liege  auf  der  Achse. 

Man  zeichne  den  Reibongskreis.  Die  drei  Kräfte  G^  k  nnd  D  müssen  sich 
das  Gleichgewicht  halten,  also  darch  einen  Punkt  gehen.  Also  ziehe  man  durch 
den  Schnittpunkt  S  von  k  und  G  diejenige  Tan- 
gente an  den  Reibungskreis ,  welche  zwischen  G 
nnd  k  liegt.  Denn  nur  ein  D  in  dieser  Richtung 
kann  G  und  X;  das  Gleichgewicht  halten,  um  k 
und  D  zu  finden,  hat  man  nur  im  Krafteck  G 
nach  den  Richtungen  dieser  Kräfte  zu  zerlegen. 

Liegt  S  innerhalb  des  Reibungskreises,  so 
daß  keine  reelle  Tangente  existiert,  so  herrscht  bei 
beliebig  großem  X;  Gleichgewicht,  denn  R  schneidet 
dann  stets  den  Reibungskreis. 

Wenn  wir  uns  denken,  daß  der  Hebel  auf 
dem  zylindrischen  Zapfen  aufsitzt,  so  ist  Ä  der 
Berührungspunkt,  während  es  A^  sein  würde,  wenn 
keine  Reibung,  also  auch  kein  k  da  wäre.  Der 
Berührungspunkt  ist  also  im  Sinne  der  Drehbewe- 
gung yerschoben.  Es  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  daß  bei  der  Schmier- 
reibung die  Stelle  der  stärksten  Abnutzung  gerade  nach  der  entgegengesetzten 
Seite  verschoben  ist,  wie  Theorie  und  Erfahrung  ergeben. 

Aufgabe  78:  Man  soll  mit  einem  Winkelhebel  an  der  Stellet 
einen  Druck  N  auf  eine  Fläche  ausüben.  Wie  groß  muß  eine  in  B  an- 
greifende Kraft  P  sein,  deren  Richtung  gegeben  ist?    (Fig.  108.) 

Zapfenreibung  in  0  werde  mit  berücksichtigt  und  zwar  gerade 
der  Grenzfall  gegen  eine  Drehbewegung  im  Sinne  von  P. 

Beispiel  2:    Betrachten    wir   die  Winde   von   Nr.   142  jetzt  ß 
aber  mit  Zapfenreibung.    Wir  können  dann  Fi,  H^  resp.  F,,  H^ 

als  Komponeoten  von  I)^  resp.  2>,  auffassen.  Da  nur  ein  Kräftepaar 
in  einer  Ebene  senkrecht  zar  Achse  hinzukommt,  so  bleiben  die  Glei- 
chungen (1),  (2),  (4),  (5)  ungeändert,  statt  (3)  dagegen  bekommen  wir, 
wenn  wir  den  Grenzfall  des  Drehens  im  Sinne  von  P  betrachten, 

lö* 


Flg.  107  b. 


228 


VI.   Statik  dea  starren  Körpers  (AnwenduDgen). 


Nr.  lU. 


wo 


aL  —  ItP'\'Q^  Dl  +  p,  D,  «  0, 


D,-l/^,«+F,«: 


(8') 


W 


Man  könnte  jetzt  aus  den  Gleichungen  (1),  (2),  (4),  (6)  flj,  JET,,  F^,  F, 
durch  P  ausdrücken,  das  Resultat  in  (6)  und  (8')  einsetsen  und  bekäme  so  eine 

Gleichung  yierten  Grades  in  P.  Wenn  nun 
die  9  klein  sind  gegen  die  anderen  Längen, 
so  kann  man  besser  das  folgende  Näherunga- 
▼erfahren  einschlagen: 

Man  berechnet  ein  P  sowie  ff^  V  so 
als  ob  keine  Reibung  da  wäre,  also  p^,  p. 
Null  wären. 

Danach  bestimmt  man  ein  besseres  P^' 

aus  (S'),  indem  man  fOr  D^  und  2>,die  Werte 

D^    und  2>,'  einsetzt,  die  sich  nach  (6)  aus 

H\  V  berechnen.    Zu  P"  bestimmt  man  dann 

aus  (1),  (2),  (4),  (6)  die  Werte  H'\  V"  und 

D/\  2>,"  nach   (6).      Daraus   wiederum  ein 

besseres  P"-  nach  (8')  usw. 

Unterscheidet  sich  P'^  nicht  mehr  merklich  Yon  P'\  so  kann  man  den 

Prozeß  praktisch  als  beendet  ansehen,  sonst  ist  er  so  lange  fortzusetzen,  bis  eine 

merkliche  Änderung  des  P  nicht  mehr  eintritt. 

Beweis    für  die   Konyergenz   des   Verfahrens    bei    hinreichend 
kleinen  q:^  Löst  man  (1),  (2),  (4),  (5)  auf,  so  bekommt  man 

S,^\P. 

V,^a,  +  \P, 

wo  A| ,  ^ ,  ^1 1  <>i  t  ^1 1  ^s  bekannte  Größen  sind. 
(30  gibt 


Flg.  108. 


(7) 


Jx+|A+Si>.- 


(»0 


Betrachten  ^.^nr  die  Differenz  zweier  aufeinander  folgender  Annäherungen  p^^"^^^ 


ff^Oy^^ 


V 


und  P^'^  so  gibt  (8') 

Ja 

Nun  ist  aber  nach  (6) 


(8) 


Flg.  109. 

oder  nach  dem  Dteieckssatz,  demzufolge  die  Differenz  zweier  Seiten  kleiner  ist 


1)  Der  Anf&nger  mag  den  Beweis  auslassen. 


Nr.  144.  §  30.   Der  HebeL  229 

als   die   dritte   (man   nehme   H^^''\  F^^'^  imd  !?/"-*>,  F^^''"^^   als   orthogonale 
Koordinaten  der  Endpunkte  je  einer  Strecke) 

1 A  W  -  D.<-  *)  I  ^  l/(fl.W  -  Ä.(''-^))»+  (F.W-  F,«-»')*- 
Nun  folgt  aber  aus  den  Gleichungen  (7) 

USW.     Somit 
analog  natürlich 

|2)/'')-2>/^-i)jg|p('')_p(''-i)j.|/^t4rj^t. 

Setzen  wir  das  in  (8)  ein,  so  erhalten  wir 
oder 

|p(r  +  l)_p(»);^|p(»)_p(»-l)|.,,  (9) 

wenn  zur  Abkürzung 

gesetzt  wird. 

Multiplizieren  wir  die  Ungleichheiten  (9)  von  ir »»  2  bis  zu  irgendeinem  v 
miteinander,  so  bekommen  wir 

|p(''+i)_p(»')i  <;!p"— p''  0"""^ 

Wenn  also  o<^l  ist,  und  das  wird  bei  hinreichend  kleinem  q  der  Fall  sein, 
da  ja  dj ,  A^ ,  5, ,  A,  feste  Größen  sind,  so  wird 

limP<''  +  *>~l><')-0, 

d.  h.  die  Reihe  der  P  konyergiert  gegen  einen  bestimmten  Wert  P,  und  dieser 
ist  endlich.    Denn  es  ist 

P=  Hm  P^")  =  P'+  (P"-  P')  +  (P'"-  P")  +  . . . , 
also 

Und  das  ist  endlich  für 

(r<l. 

Ebenso  konvergieren  wegen  der  vorstehenden  Ungleichheiten  die  Reihen  der  H 
und  der  F. 

Aber  auch  die  Gleichungen  (1),  (8),  (4),  (6)  und  (8)  werden  erfüllt  sein; 

denn  die  vier  ersten  bestehen  ja  für  alle  zusammengehörigen  H^^^\  V^^^\  P^^'*\ 

also  auch  in  der  Grenze  fr  =  ao;   die  dritte  aber  besteht  zwischen  P^^*^^)  und 

H^'^\  F^**^;  da  aber  in  der  Grrenze  i/==oo,  P^''+*)  und  P^*^  nicht  mehr  zu  unter- 
scheiden sind,  80  besteht  sie  auch  für  die  Grenzwerte  selbst. 

Beispiel  8:  Der  Pronysche  Zaum  dient  dazu,  ein  meßbares  Dreh- 
moment auf  eine  rotierende  Welle  im  entgegengesetzten  Sinne  der  Drehung  aus- 
zuüben.    Er  ist  ein  Hebel,  der  an  dem  einen  Ende  mit  hinreichendem  Druck 


230 


VI.    Statik  des  Btarren  Körpers  (Anwendungen). 


Nr.  145. 


anf  die  Welle  aafgeprefit  ist,  am  anderen  Ende  aber  durch  eine  Kraft  X;,  gemessen 
mittels  eines  Dynamometers,  gehindert  wird,  der  Drehung  der  Welle  zu  folgen. 
Wendet  man  den  Momentensatz  auf  den  Hebel  in  bezog  auf  die  Wellenmitte  an. 


^ 


5 


Flg.  110. 

SO  bekommt  man  sofort,  daß  das  von  dem  Zaum  auf  die  Welle  ausgeübte  Moment 

gleich  ha  ist,  wenn  a  den  Abstand  der  Kraft  k  von  der  Wellenmitte  bedeutet 

Aufgaben:    79.    Man  führe  die  Rechnung  aus  Beispiel  2   durch  für  die 

folgenden  Zahleüwerte:  Zr »  20  kg,  a  »  20  cm,  R  =  60  cm,  Z  =  1  m,  c  —  0,4  m, 

&  =s  1,2  m,  Pi B>  p,  =  1  cm;  dann  setze  man  einmal  a  =  0  und  einmal  a  =  —  • 

Wie  grofi  ist  tfmax,  wenn  a  alle  Werte  durchläuft? 

80.  Wieviel  Pferdekrilfte  verbraucht  die  Reibungsarbeit  in  einem  zylinder- 
förmigen Lager  von  800  mm  Durchmesser,  wenn  die  Belastung  16  Tonnen  betragt, 
sin  9  =  0,016  ist  und  die  Tourenzahl  100  pro  Minute  beträgt  ? 

14B.  Fortsetrang  von  Nr.  143.  Kritik.  Betrachten  wir 
ein  konisches  Lager.  Berührung  finde  längs  einer  Erzeugenden  des 
Kegels  statt.     Dann  ist  das  Moment  der  Reibung 

Mn~fSrdN^f.N-r^, 

WO  r^  einen  Mittelwert  bedeutet.  Was  aber  für  einen  Mittelwert, 
das  hängt  ganz  von  der  Verteilung  des  Druckes  ab.  Es  ist  in  der 
Technik  vielfach  Brauch ,,  r^  gleich  dem  arithmetischen  Mittel  aus 
dem  größten  und  kleinsten  r  zu  setzen.  Man  kann  diese  Annahme 
auch  durch  gewisse  Betrachtungen  plausibel  machen,  doch  kann  sie 
keineswegs  als  sicher  gestellte  Tatsache  gelten.    Das  Experiment  gibt 

stark  schwankende  Resultate.  Man  findet 
eine  Darstellung  in  Weisbachs  Ingenieur- 
mechanik. 

Analoges  gilt  für  eine  Welle,  die  in 
einem  kegelförmigen  Lager  läuft,  aber  in 
Richtung  der  Achse  belastet  ist  (sog.  Spur- 
lager, Fig.  111). 

Ist  die  Belastung  genau  zentriert,  so 
kann  man  annehmen,  daß  die  Druckver- 
teilung  symmetrisch  um  die  Achse  erfolgt. 
Ist  2  a  der  Eegelwinkel,  L  die  Last,  dN 
der  gesamte  Druck  (also  die  Summe  der 
Absolutwerte)  auf  einem  ringförmigen  Strei- 


pig.  111. 


fen  vom  Radius  r,  so  ist  zunächst 

Sd^sina  =«  L, 


Nr.  146. 


§  30.    Der  Hebel. 


231 


also 


N^^dN 


Bina 


L, 


das  Reibungsmoment  aber  ist 


Über  r     kann  man  auch  hier  nar  sagen,  daß  es  ein  mittlerer 
Wert  ist. 

Das  bleibt  natürlich   in  Geltung  für  cc  =  y ,   d.  h.  für  den  Fall, 

daß  sich  die  Welle  mit  einer  ebenen 
Bingfläche  am  Ende  aufstützt.   Hier  ist 

(siehe  Fig.  112). 

In  den  besprochenen  Fällen  ist 
gegen  die  Hypothese  der  Berührung 
längs  eines  Meridians  der  Rotations- 
fläche  einzuwenden,  daß  das  Lager  sich 
abnützen  und  sich  so  der  Welle  anpassen  imd  daß  infolgedessen 
eine  innigere  Berührung  zwischen  beiden  stattfinden  muß.  Erstreckt 
sich  die  Berührung,  also  auch  der  Druck  auf  einen  Zentriwinkel  a 
und  ist  der  spezifische  Druck  pro  Längeneinheit  N,  so  daß 

dN ^  Hrda 
ist,  so  folgt. 


dN 


dN 

2dÜ 


Fig.  112. 


— » 

^   =  SNr  coscce^a, 


(1) 


wo 


und 


flr  =  —  a. 


«1+  a, 


a 


SNr  miada  —  0, 

weil  N  die  Resultierende  sein  soll,  a  ist 
von  N  aus  nach  einer  Seite  positiv  ge- 
zählt.   Dagegen  ist  das  Reibungsmoment 

(3) 


(2) 


■W 


Fig.  US. 


Aus  (1)  folgt 

I  ^   =  r  cos  a^  S  N  rfa, 

wo  a^  ein  Mittelwert  ist  (es  wird  angenommen,  daß  cos  a  >  0,  d.  h. 
a^  und  a^  kleiner  als  --  sind),  also 


(sota. 


fr\N  , 


m 


232  ^   SUiik  dei  storreii  Kdipets  (Anwendungen).  Nr.  147. 

Das  BeibungBinomeiit  wird  also  am  den  nicht  naher  bekannten  Faktor 
—        >  1  großer  sein  als  im  Falle  der  Berfibrong  längs  eines  Meridians. 

Diesen  Faktor  bat  man  ebenfidls  anf  Ghrond  gewisser  Hypo- 
thesen za  bestimmen  yersncbt  (siehe  Weisbachs  Ingenienrmecbanik), 
doch  wohl  noch  ohne  zu  einem  abschließenden  Besnltat  zn  kommen. 
Er  wird  yom  Material  und  seiner  Abnntznng  abhangrai. 

146.  Sie  Bohrreiliimg.  Nahe  yerwandt  mit  dem  dritten  Falle 
der  Torigen  Nnmmer  ist  die  Erscheinnng  der  Bohrreibnng.    Berfihren 

sich  zwei  starre  Körper  in  einem  Punkte,  so  hat 
man  es  dort  mit  einem  Normaldruck  und  einer 
Reibung  zu  tun,  und  diese  hätten,  wenn  die 
Voraussetzungen  wirklich  zutrafen,  kein  Moment 
in  bezug  auf  die  gemeinsame  Normale.  Tatsach- 
lich aber  werden  sich  beide  Körper,  die  ja  nicht 
wirklich  starr  sind,  etwas  abplatten  und  sich  also 
p.    jj^  längs  einer  etwa  kreisförmigen  Fläche  berühren. 

Infolgedessen  wird  ein  Reibungsmoment  um  die 
gemeinsame  Normale  auftreten  wie  im  Falle  (3)  der  Torigen  Nummer 

für  a  — y,  die  sogenannte  Bohrreibung: 

wo  N  den  Normaldruck,  r^  einen  mittleren  Radius  der  Berührungs- 
fläche, den  sogenannten  Radius  der  Bohrreibung,  bedeutet.  Ab- 
gesehen von  einem  Vorstoße  von  Hertz  (Werke),  ist  es  noch  nicht 
gelungen,  über  r^  Qesetze  aufzustellen,  die  mit  der  Erfahrung  stimmen; 
man  begnügt  sich,  Q^^f-r^^  den  Koeffizienten  der  Bohrreibung, 
in  jedem  Falle  experimentell  zu  bestimmen. 

Übrigens  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  daß  bei  mangelnder  Sym- 
metrie r„  während  der  Rotation  schwankt,  oder  daß  sogar  der  Druck- 
mittelpunkt nicht  mit  dem  idealen  Berührungspunkt  zusammenfällt^ 
sondern  seine  Lage  wechselt.  In  diesem  Falle  werden  sehr  kompli- 
zierte Kraft-  und  Bewegungserscheinungen  auftreten  können,  worin 
die  Ursache  für  den  unruhigen,  polternden  Lauf  mancher  derartigen 
Drehbewegung  zu  erblicken  sein  wird. 

§  31.   Die  Schraube. 

147.  Bie  flaohg&nglge  Bohranbe.  Eine  Schraube  dient  ent- 
weder dazu,  bei  Aufwendung  einer  geringen/  arbeitenden  Kraft  und 
langsamer  Bewegung  große  Drucke  auszuüben  (Schraubenpresse)  oder 
aber  unter  starkem  Druck  Körper  in  Ruhe  aneinander  festzuhalten. 
Wir  betrachten  zunächst  eine  sogenannte  flachgängige  Schraube,  d.  h. 
eine  Schraube,  deren  für  die  Berührung  zwischen  Schraube  und  Mutter 


Nr.  147. 


$81.   Die  Schraube. 


233 


in  Betracht  kommende  Schianbenfläche  durch  eine  die  Schraubenachse 
orthogonal  schneidende  Qerade  erzeugt  wird.  Die  Scliraube  sei  rechts 
gewunden;  a  der  Steigungs- 
winkel des  Gewindes. 

Normaldruck  und  Reibung 
werden  sich  auf  die  ganze  für 
die  Berührung  in  Betracht  kom- 
mende Schraubenfläche  vertei- 
len: wenn  diese  aber  schmal 
ist,  können  wir  für  einen  jedeu 
Radius  dN  und  dB  an  einer 
mittleren  Stelle  r  von  der  Achse 
angreifen  lassen. 

Der  Druck,  welchen  der 
gepreßte    Gegenstand   auf  die 

Schraube    ausübe,    sei   P,    er  Fig.  115. 

wirke  zentrisch  in  der  Schraubenachse. 

Treibend  auf  die  Schraube  wirke  ein  Eraftepaar  M,  dessen  Achse 
in  die  Schraubenachse  hineinfalle. 

Wir  wollen  den  Fall  betrachten,  daß  die  Schraube^  angezogen, 
daß  also  im  Sinne  von  M  gedreht  wird;  dann  bat  dB  die  in  der 
Figur  angegebene  Richtung.  Bei  umgekehrter  Bewegung  kehrt  dB 
seine  Richtung  um,  wir  werden  also  nur  f  seine  Zeichen  wechseln 
lassen  müssen,  um  aus  den  Formeln  des  ersten  Falles  die  des  zweiten 
zu  erhalten. 

Summe  der  Kräfte  gleich  Null  gibt  in  Richtung  der  Schrauben- 
achse 

P-  S(rf2V^cos  a  —  dB  sin«)  -  0 
oder  da 

dB-^fdN^tgtpdN, 


p^  COB  (tf  +  y)  JjT 
COB  (p  ' 

wenn  N^^ dN  gesetzt  wird. 

Die  Momentengleichung  in  bezug  auf  die  Achse  ergibt 


(1) 


oder 


M--^{dNr  sin«  +  dBr cobo)  =  0 

T, -.  sin  (a  4-  m)  ^.y 

Jtf  —  r  — ^   ^^^  N. 

cos  qp 


(2) 


Die  anderen  vier  Gleichgewichtsbedingungen  würden  nur  einiges 
über  die  Verteilung  des  Druckes  aussagen:  sie  sind  z.  B.  bei  gleich- 
mäßiger Verteilung  erfüUi 


234 


VL   Statik  de«  ftureii  KöipeiB  (ABwendnngeii). 


Nr.  148. 


Aus  (1)  und  (2)  folgt 

Jf-rPtg(a  +  9).  (I) 

Dieses  Moment  ist  also  nötig,  um  den  Drude  P  bei  langsamem 
Pressen  auszuüben. 

M  ist  am  so  kleiner,  je  kleiner  a  und  tp  sind 
Zum  Lossdirauben  dagegen  ist  ein  Moment  notig: 

Jf-  Prtg(a-9). 

Wenn  also  q>>  a  ist,  so  wird  Jf  <  0,  d.  L  es  ist  znm  Losschranben 
ein  Moment  nötig,  das  im  Sinne  des  Losschranbens  wirkt.  Ist  aber 
9  <  a,  so  ist  ein  Moment  im  umgekehrten  Sinne  nötig,  das  also  ver- 
hindert, dafi  die  Schraube  beschleunigt  herausfliegt.  Im  ersten  Falle 
wird  also  die  Schraube  von  selbst  halten  (wenn  also  9  >  a  ist);  denn 
in  der  Ruhe  wird 

Jf-PrtgCa-yO 
gelten,  wo 

ist;  wenn  also  a<q>  ist,  so  ist  tp'  =^  a  möglich  und  also  auch  Jfcf »  0. 
Damit  also  eine  flachgängige  Schraube  selbstsperrend  ist,  ist  not- 
tpendig  und  hinreichend^  daß  (p>  a  ist. 

Ist  also  die  Reibung  uugünstig  für  die  Schraubenpresse,  insofern 
sie  das  erforderliche  M  yeigröfiert,  so  ist  sie  notwendig  und  günstig 
für  die  zum  Halten  dienende  Schraube. 

148.  Die  wchnrl^flLngige  Sohranbe.  Bei  ihr  wird  die 
Schraubenfläche  erzeugt  durch  eine  Grade,   welche  die  Achse  unter 


IC 


dem    spitzen    Winkel     o  "  * 

schneidet.  Der  Steigungswinkel 
sei  wieder  a.  Auch  sonst  mögen 
die  Bezeichnungen  der  vorigen 
Nummer  bleiben. 

Welches  sind  jetzt  die 
g  Winkel,  welche  dN  und  dR 
einmal  mit  der  Schraubenachse 
und  dann  mit  der  Tangente 
des  zugehörenden  Parallelkrei- 
ses   einschließen?     Legen  wir 

einen  Einheitsvektor  d  in  die 
Richtung  der  verschraubten 
Geraden,  einen  Einheitsvektors 
in  die  Tangentenrichtung  der 
Schraubenlinie  (zugleich  Rich- 
tung von  dB),  so  hat  N  die  Richtung  von  ad. 


Fig.  116. 


Nr.  149.  §  31.    Die  Schraube.  235 

Es  haben  aber  nach  einem  Koordinatensystem,  dessen  erste  Achse 
tangential  an  den  Parallelkreis,  dessen  zweite  Achse  radial  nach  anßen, 
dessen  dritte  Achse  mit  der  Schranbenachse  zusammenfällt,  a  die  Kom- 
ponenten cos  a,  0,  —  sin  a,  d  die  Komponenten  0,  cos  d;  —  sin  d;  mithin 
hat  aä  die  Komponenten  sin a  cos d,  cos a  sind,  cos a  cos d. 

Jetzt  aber  kann  man  die  Gleichgewichtsbedingungen  sofort  hin- 
schreiben: 

—  P  +  ^(dN  cos  a  cos  d  —  dB  sin  a)  —  0 
und 

M  —  ^(dlTr  sin  a  cos  d  +  dRr  cos  a)  =-  0 . 

Setzen  wir  noch  f(2^ 

80  daß  also 
ist,  so  wird 

Jkf  =-     -  -  r  sin  (a  +  w')N, 
C08  9  ^      •    ^  /     ; 

also 

M^rPtgia  +  tp").  ^*'^"- 

Die  scharfgängige  Schraube  wirkt  also  wie  eine  flachgängige  Schraube 

von  größerem  Reibungskoeffizienten: 

Will  man  also  bei  langsamer  Bewegung  einen  starken  Druck 
ausüben,  so  unrd  man  eine  fUxchgängige  Schraube  nehmen,  soü  aber 
die  Schraube  dazu  dienen,  in  der  Buhe  von  selbst  zu  halten,  so  ist 
eine  scharfgängige  Schraube  vorzuziehen. 

Aufgabe  81:  Man  stelle  die  Gleichungen  für  eine  Schraube  auf,  wenn 
man  noch  an  der  Yorderfläche,  wo  der  Druck  P  ausgeübt  wird,  die  dort  auf- 
tretende Reibung  mitberücksichtigt  (siehe  Nr.  145). 

149.  Der  Wirkungsgrad  einer  Maschine.  Bei  allen  solchen 
einfachen  Maschinen  wie  Hebeln;  Winden,  Schrauben;  aber  auch  bei 
gröfieni;  wie  Dampfmaschinen;  hat  man  es  gewöhnlich  mit  eingeprägten 
Kräften  zu  tun,  welche  die  Maschine  antreiben,  z.  B.  dem  Eraftepaar 
M  bei  der  Schraube,  der  Kraft  P  bei  der  Winde  (siehe  Nr  145  und 
142),  und  die  positive  Arbeit  leisten,  dann  weiter  mit  eingeprägten 
Kraften,  welche  man  beabsichtigt,  die  aber  Arbeit  aus  der  Maschine 
entnehmen,  wie  z.  B.  der  Druck  P  der  Schraube,  die  Last  L  bei  der 
Winde,  und  die  man  Nutzkräfte  nennt,  endlich  außer  den  Reaktions* 
kräften  noch  eingeprägte  Kräfte  (Reibungen  usw.),  welche  Arbeit  ver- 
zehren, ohne  daß  dies  im  Zwecke  der  Maschine  läge.  Sei  A^  die 
Arbeit  der  erstgenannten  Gruppe,  die  sogenante  effektive  Arbeit,  —  A^ 


236  ^-   Statik  des  Btarren  KOrpers  (Anwendungen).  Nr.  149. 

die  Arbeit  der  Nutzknlfle  {A^  >  0),  —  Ä^  die  Arbeit  der  dritten 
Gruppe  Ton  eingeprägten  Kräften,  so  werden  wir  im  dritten  Abschnitt 
allgemein  beweisen,  daß 

also 

die  Nntzarbeit  kleiner  als  die  effektive  Arbeit  ist     Der  echte  Bruch 

fj  ^  ^  heißt  der  Wirkungsgrad  der  Maschine. 

Wir  wollen  den  Wirkungsgrad  für  Winde  und  Schraube  berechnen. 
Dreht  sich  die  Winde  um  den  Winkel  dd',  so  leistet  P  die  Arbeit 

PRdd^, 

denn  Bdd'  ist  der  Weg  von  P,  L  dagegen  leistet  die  Arbeit 

—  Ladd^. 

Also  ist 

La 

^  ~"  FE  ' 

Wenn  keine  Zapfenreibung  da  wäre,  ergäbe  sich  i;  —  1;  da  aber  in 
Wahrheit  stets  Zapfenreibung  Torhanden  ist,  und  nach  Gleichung  (3^ 
in  Nr.  144 

so  ist 

Hat  man  die  P,  H,  V  berechnet,  so  kennt  man  nach  (6)  (Nr.  144) 
auch  die  D  und  kann  also  97  wirklich  berechnen. 

Dreht  sich  die  Schraube  um  den  Winkel  d^,  so  yerschiebt  sie 
sich  dabei  um  die  Strecke 

rdd" '  tga. 

Der  Druck  P  leistet  also  die  Arbeit 

—  Frdd^  tg  cc. 

Wir  wöUen  nun  zeigen^  daß  das  Kräfte- 
paar  die  Arbeit 

Mdd' 
leistet. 

Bestehe  M  aus   den  Kräften  Je  und 
j^   j  —h  in  den  Abständen  a  und  h  von  der 

Achse,  so  ist  die  Gesamtarbeit 

aJcdd'  +  bhd»  «  (a  +  6)*^-^  =  Md^, 
w.  z.  b.  w. 


0 


Nr.  150.  §  81.  Die  Schraube.  237 

Also  ist  Mäd"  die  effektiTe  Arbeit.    Und  somit  der  Wirkungsgrad 

"^         M         tg(a  +  9)^''- 

Für  den  reibungsfreien  Fall  {tp  =  0)  wäre  er  wieder  gleich  1. 

Anfgabe  82:  Bei  einer  scharfgängigen  Schraube  sei  ^^=60^  der  Durch- 
messer  der  Schranbe  2  cm,  /'s»  0,8;  auf  1  cm  L&nge  mögen  acht  Windungen 
fallen.    Wie  groß  ist  der  Wirkungsgrad  der  Schraube? 

160.  Literatur  inr  technisohen  Statik  nnd  zur  techni- 
aohen  Mechanik  flberhanpt.  Die  in  §  30  und  §  31  behandelten 
Aufgaben  gehören  in  ein  Gebiet^  das  man  am  besten  als  technische 
Statik  bezeichnen  könnte.  Wir  haben  nur  eine  kleine  Zahl  Ton  Auf- 
gaben behandelt;  da  dieses  Gebiet  in  anderen  Lehrbüchern  gewöhn- 
lich ausfiihrlich  behandelt  wird.  Die  zugehörenden  Probleme  bilden 
den  Hauptgegenstand  aller  älteren  Statiken,  von  Yarignons  Projet 
angefangen  bis  auf  Poinsots  treffliche  Statik  (1803).  Was  die  tech- 
nischen Anwendungen  der  Mechanik  überhaupt  angeht,  so  sind  die 
großen  Förderer  der  allgemeinen  Mechanik  im  18.  Jahrhundert  (Euler, 
die  Bernouilli)  auch  stets  in  den  Anwendungen  die  Wegweiser. 
Um  1800  bildet  sich  dann  an  den  Ton  Napoleon  gegründeten  Ecoles 
polytechniques  in  Frankreich  eine  Schule  heran,  die  besonders  die 
Anwendungen  pflegt.  Ihr  Haupt  ist  Poncelet,  andere  Namen  sind: 
Coulomb,  Morin,  Hachette,  Goriolis.  Die  Erscheinungen  der 
Beibung  und  des  Stoßes  werden  besonders  untersucht,  als  Begriff  tritt 
der  Arbeitsbegriff  hervor,  dessen  Name  damals  zuerst  auftaucht.  In 
Deutschland  kann  Redtenbacher  für  die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts 
als  Hauptvertreter  dieser  Richtung  genannt  werden  („Prinzipien  der 
Mechanik^',  „Resultate  für  den  Maschinenbau^'  (enthält  Tor  allem  eine 
Menge  wertvollen  empirischen  Materials);  „Gesetze  des  Lokomotiv- 
baues'', ein  Werk,  dessen  mechanischer  Teil  noch  heute  Beachtung 
verdient).  Von  älteren  Werken  des  19.  Jahrhunderts  seien  noch  ge- 
nannt: Grashof:  Theoretische  Maschinenlehre;  A.  Ritter,  Technische 
Mechanik. 

Von  neueren  Werken  kann  ganz  besonders  die  1908  bei  Teubner 
deutsch  erschienene  „Angewandte  Mechanik''  des  Engländers 
J.  Perry  dem  jungen  Techniker  warm  empfohlen  werden.  Selbst- 
verständlich ist  als  modernstes  und  umfassendstes  Werk  dieser  Art: 
Föppl,  Technische  Mechanik  zu  nennen. 


238  VU.   Statik  der  Systeme.  Nr.  151. 


Kapitel  VU. 

Statik  der  Systeme. 

§  82.    Systeme  aus  einer  endlichen  Anzahl  starrer  Korper. 

IBl.  Die  allgemeine  (synthetische)  Methode.  Wir  be- 
trachten ein  System^  das  aus  einer  endlichen  Anzahl  sich  gegenseitig 
berührender  starrer  Körper  besteht  und  das  außerdem  durch  starre 
Stützflächen  getragen  wird^  die  ruhen.  Man  kann  sich  etwa  Torstellen, 
daß  diese  Stützflächen  mit  der  Erde  fest  yerbunden  seien^  die  wir  fär 
fast  alle  praktischen  Probleme  als  ruhend  ansehen  dürfen.  Den  Ein- 
fluß ihrer  Drehung  werden  wir  später  (§  51)  untersuchen. 

Die  Gleichgewichtsbedingungen  des  Systems  sind  klar:  Das  Sy- 
stem wird  im  Gleichgewicht  sein,  wenn  jeder  seiner  Körper  es  ist, 
d.  h.  wenn  für  jeden  Körper  die  Summe  der  Kräfte  und  die  Summe 
der  Kraftmomente  yerschwindet,  wobei  die  Kräfte  zu  nehmen  sind,  die 
für  ihn  äußere  Kräfte  sind,  d.  h.  die  räumlich  verteilten  Kräfte  und 
die  an  seiner  Oberfläche  angreifenden  Drucke. 

Ferner  sehen  wir  für  diese  Drucke  zwischen  je  zwei  Körpern  die 
lex  tertia,  d.  h.  die  Gleichheit  von  Druck  und  Gegendruck  als  richtig 
an;  wenn  wir  auch  erst  später  (Nr.  204)  diesen  Satz  beweisen  werden. 

Man  kann  ihn  übrigens  schon  jetzt,  soweit  er  für  die  Statik  wirk- 
lich von  Belang  ist,  durch  das  sogenannte  Erstarrungsprinzip 
ersetzen,  das  da  lautet: 

Damit  ein  System  aus  starren  Körpern  im  Gleichgewicht 
sei,  ist  notwendig  und  hinreichend,  daß  jeder  Teil  des  Sy- 
stems es  ist,  wenn  man  ihn  als  starr  auffaßt  und  nur  die  für 
diesen  Teil  äußeren  Kräfte  in  Betracht  zieht.  D.  h.  wenn 
man  für  den  herausgegriffenen  Teil  die  Summe  der  äußeren 
Kräfte  und  die  Summe  ihrer  Momente  gleich  Null  setzt. 

Zunächst  folgt  dieser  Satz  aus  den  vorhin  angegebenen  Prinzipien: 

Es  seien  die  Körper  mit  /,  JZ, .  .  .,  [n]  numeriert,  die  auf  den 
[v]ten  Körper  wirkenden  Kräfte,  die  äußere  Kräfte  des  ganzen  Sy- 
stems sind,  mögen  die  Kraftsumme  K^^^,  die  Momentensumme  M^^j 
haben,  die  Kräfte,  welche  der  [v]te  Körper  vom  [>l]ten  erfährt,  mögen 
die  Kraftsumme  f^  j^,  die  Momentensumme  R^^  haben.  Dann  ist  nach 
dem  Prinzip  der  Gleichheit  von  Wirkung  und  Gegenwirkung 

weil  die  einzelnen  Kräfi;e  entgegengesetzt  gleich  sind,  also  auch  ihre 
Summen,  aber  auch  _  _ 


Nr.  152.        §  32.   Systeme  aus  einer  endlichen  Anzi^l  starrer  Körper.  239 

weil  die  entgegengesetzt  gleichen  Kräfte  dieselben  Ängrifi&punkte, 
also  auch  entgegengesetzt  gleiche  Momente  haben. 

Nnn  lauten  die  Gleichgewichtsbedingungen  für  den  i/ten  Körper 

K,  +2\x  =0  (A) 

und 

K+2b,,x~^-  (b) 

Addieren  wir  Ton  diesen  r  Gleichungen  (A)  diejenigen^  die  sich  auf 
ein  herausgegriffenes  Teilsystem  beziehen^  etwa  auf  den  i^ten, 
V  +  1,  . . .  bis  (v  +  /i)ten,  so  heben  sich  wegen  (a)  alle  Zwischen- 
wirkungen r^^y^i,  usw.  auf  und  es  bleibt  eine  Gleichung 

in  der  nur  mehr  die  für  das  Teilsystem  äußeren  Kräfte  vorkommen. 
Das  analoge  gilt  für  die  Gleichungen  (B).  Damit  ist  das  Er- 
starrungsprinzip als  notwendig  erwiesen.  Es  ist  aber  auch  hin- 
reichend: denn  für  den  einzelnen  starren  Körper,  den  i/ten,  gibt  es 
die  Gleichungen  (A)  und  (B),  für  zwei  Körper  aber,  etwa  den  i/ten 
und  Xten  zusammen  gibt  es 

K^+K,  +  "2f.,o  +  "2fx,a-  0  (C) 

a  a 

wobei  die  zwei  Striche  Tor  J^  andeuten  sollen,  daß  6  über  alle  Indizes 
läuft  mit  Ausnahme  yon  v  und  A. 

Zieht  man  nun  (C)  von  der  Summe  der  Gleichungen  (A)  für  v 
und  k  ab,  so  bleibt 

.  ^,A+n.r=0  (a) 

übrig.    Ebenso  beweist  man 

Sm  +  ^x„=0.  (b) 

Das  ist  zwar  noch  nicht  die  ganze  lex  tertia^  aber  doch  so  viel  Ton 
ihr,  als  für  starre  Körper  in  Frage  kommt,  für  die  ja  Kräftesysteme 
gleichwertig  sind,  welche  gleiche  Kraftsumme  und  gleiche  Momenten- 
sumrae  haben. 

Wir  werden  übrigens  später  (Nr.  204)  sehen,  wie  aus  dem  all- 
gemeinen Erstarrungsprinzip  (für  beliebige  Systeme)  die  ganze  lex 
tertia  folgt.     Und  noch  etwas  mehr. 

1B2.  Der  Oelenktrftger.  Man  denke  sich  zwei  Körper,  die 
man  als  starr  ansehen  darf,  etwa  zwei  Teile  einer  eisernen  Brücke, 
die  durch  eine  horizontale  Achse  miteinander  drehbar  yerbunden  und 
durch  je  eine  parallele  Achse  auf  die  Erde  gestützt  seien.    Das  Ganze 


240 


YIl.   Statik  der  Systeme. 


Nr.  152. 


wird  unbeweglich  sein.  Man  soll  die  Stützdrucke  in  den  drei  Dreh- 
achsen AjByC  berechnen,  wenn  die  anderen  äußeren  Kräfte  eines  jeden 
Teils  eine  gegebene  Resultierende  \  bzw.  Jc^  in  einer  Ebene  senkrecht 
zu  den  Achsen  haben.  Bei  vertikaler  Belastung  wird  das  ja  z.  B.  der 
Fall  sein.     Symmetrie  wird  keineswegs  vorausgesetzt. 

Seien  die  Drucke 
inul,J?,  Cmit  ^,,-Dg, 
D^  bezeichnet,  so  dafi 
D,  vom  zweiten  auf  den 
ersten  Teil  wirkt,  also 
—  2)3  vom  ersten  auf 
"^  den  zweiten,  so  müssen 

1.  -Di,^i,5^j  durch 
einen  Punkt  gehen  und 
ihre  Vektoren  ein  ge- 
schlossenes Dreieck  bil- 
den, 

2.  ^2,^, -^«das- 
selbe tun. 

DieLösung  des  Pro- 
blems führt  demnach  auf 
folgende  Aufgabe :  Nach- 
dem aus  h^  und  \  ein 
Krafteck  (Ä;,i5r,  JE,)  ge- 
zeichnet ist,  soll  man  einen  Punkt  P  finden  —  es  wird  dann  PK^  »  D|, 

K^P  ^  D^,  K^P  =^  D^  werden  — ,  dafi  man  Parallele  zu  PK^  durch 
Äj  zu  PK^  durch  (7,  zu  PK^  durch  B  legen  kann,  so  dafi  diese 
Parallelen  sich  auf  der  Angriffsgeraden  k^  bzw.  k^  schneiden. 

Das  ist  aber  die  alte  CulmaDnsche  Aufgabe:  man  soll  zu  den 
Klüften  £j ,  k^  ein  Seileck  so  konstruieren,  dafi  es  durch  die  gegebenen 
Punkte  Ay  B,  0  hindurchgeht.  (Man  braucht  ja  nur  P  als  Pol  des 
Kraftecks  aufzufassen  und  die  Identität  beider  Aufgaben  leuchtet  ein.) 
Letztere  Aufgabe  ist  aber  bereits  in  Nr.  120  gelöst  worden,  das  neue 
Problem  kann  also  auch  als  erledigt  gelten. 

Wir  wollen  das  Problem  noch  rechnerisch  bebandeln.  Man  kann  AB 
horizontal  zeichnen.  Sei  -4  C  =»  ^^ ,  CB  ^  7,  <^  GAB  =»  ^^ ,  -^  CB ^  =  -0-, ,  seien 
femer  H^^H^^  JT,   die  Horizontalkomponenten,    Vi^V^^  F,   die   Vertikalkompo- 

nenten  von  D^ ,  i>, ,  2>, ,  04 1  o^t  die  Winkel ,  welche  \  bzw.  ic^  mit  der  Vertikalen 
einschließen,  während  a^ ,  a,  ihre  Angriffspunkte  auf  A  C  bzw.  B  C  angeben,  so 
ergeben  zuerst  die  Momentengleichungen  für  das  ganze  System  mit  A  bzw.  B 
als  Bezugspunkt 


Fig.  119. 


—  kl  cosa^  Ol  cosO-j  —  fcj  sin«! a^  sin^^  —  k^  C08a,(2^  cos^^  -}-  (l,  —  a,)  cos^,) 
—  k^  sin  o,  •  a,  sin &,  -f-  F,  (J^  cos^^  -f"  ^  ^* ^1)  —  ^ » 


(1) 


Nr.  153.        §  32.   Systeme  aus  einer  endlichen  Anzahl  starrer  Körper. 


241 


und 

k^  cos «1  (/,  cos fl-,  -["  (Zj  —  Cj)  cos 9i)  —  k^  sin a^  a^  sin ^^  -[" Ä;,  cos a,a,  cos fl", 
—  Ä,  sin a, o,  sin ^,  —  F^ (l^  cos ^^  +  Z,  cos^,) «—  0, 

woraus  man  sofort  V^  und  F,  t5 

berechnen  kann 

Setzt  man  noch  für  das 
ganze  die  Summe  der  horizon> 
tolen  Kräfte  gleich  Null,  so 
bekommt  man 


(2) 


-Hl  +  -ff,  +  i'i  sin  «1 
+  jfc,  sin  tt,  ==  0. 


(3) 


JETi  findet  man,  nachdem  schon 
V^  bekannt  ist,  indem  man 
für  den  linken  Teil  die  Mo- 
mentengleichung in  bezug  auf 
(C)  ansetzt: 


Flg.  120. 


* 


W 


JETj  ij  sin^i  -—  Fl  l^  cos^j  +  jfcj  cosa^  (l^  —  aj  cos^^  -{-k^  sino^ (Z — a,)8in^i=0. 

JB",  berechnet  sich  dann  aus  (3). 

Endlich  folgen  H^  und  F,,  wenn  man  für  einen  Teil,  etwa  den  linken, 
die  Summe  der  horizontalen  und  yertikalen  Kräfte  gleich  Null  setzt: 

J3i  + JET,  +  A;iSinai  =  0,  (6) 

V^+Vj^  —  k^  cos«!  «»  0 .  (6) 

Die  Aufgabe  ist  damit  gelöst. 

Die  anderen  Gleichgewichtsbedingungen  geben  nichts  neues  mehr.  Denn 
da  wir  ein  ebenes  Problem  mit  zwei  starren  Körpern  haben,  so  gibt  es  sechs 
unabhängige  Bedingungsgleichungen. 

Aufgabe  83:  Eine  sogenannte  Bockleiter, 
bestehend  aus  zwei  um  die  horizontale  Achse  C 
reibungsfrei  drehbaren  starren  Körpern,  stütze 
sich  in  den  Punkten  A  und  B  auf  eine  hori- 
zontale Ebene  mit  dem  Reibungskoeffizienten  f. 
Die  Belastung  der  beiden  Teile  sei  vertikal,  wie 
in  der  Figur  angegeben.  Wann  wird  Gleich- 
gewicht herrschen  und  wie  groß  werden  die 
Druckkräfte  in  A,  -ß,  C  sein?  Man  wird  zwei 
üngleichheitsbedingungen  für  den  allein  freien 
Winkel  ^^  erhalten;  man  hat  natürlich  die  schärfere  zu  befriedigen.  Welche 
ist  das? 

1B3.  Die  Brflckenwage  hat  nicht  nur  den  Zweck,  die  Wägung 
großer  Massen  mit  kleinen  Gewichten  zu  ermöglichen,  sondern  auch  zu  bewirken, 
daß  die  Wägung  unabhängig  wird  von  der  Stelle,  an  der  man  die  Last  aufsetzt. 

Die  Wage  besteht  aus  zwei  Hebeln  AOC  und  -EO',  welche  durch  die  verti- 
kale Stange  CE  verbunden  sind.  O,  0'  sinä  feste  horizontale  Drehachsen.  Die 
eigentliche  Lastbrücke  DF  hängt  einmal  vermittels  der  vertikalen  Stange  DB 
direkt  an  dem  ersten  Hebel  und  stützt  sich  anderseits  in  F  auf  den  zweiten  Hebel. 

Die  Wage  sei  an  sich  im  Gleichgewicht. 

X,  die  erstere 


Flg.  191. 


X 


Wir  zerlegen  nun  L  in  zwei  Komponenten   ---  L  und 


l  —  X 


Z  l 

wird  in  F  auf  den  Hebel  EO'  übertragen  und  veranlaßt  in  EC  eine  Spannung 

Hamel:  Elementare  Mechanik«  16 


242 


Vn.   Statik  der  Systeme. 


Nr.  168. 


-T-  L  — ;   die   zweite  wird  direkt  durch  die  Stande  DB  auf  den  ersten  Hebel 
l       e 

übertragen. 


Fig.  las. 

Damit  der  erste  Hebel  im  Gleichgewicht  sei,  muß  nach  dem  Hebelgesetz  sein 

h       .    2  —  X  ^,       X  ^  /h 


G 


a  =  -JiAe  +  '-=^X6  =  -Ji(Ac-.&)+X-6. 


Damit  nun  G  von  x  unabhängig  werde,  muß  der  Faktor  von  x  in  der  vorstehen- 
den  Gleichung  verschwinden:  d.  h. 


sein  oder 


e 


sein.    Danach  ist  die  Wage  zu  konstruieren.    Es  wird  dann 

Ga  =  L'h. 
Für  eine  Dezimal  wage  muß  also  h:a==  1:10  sein. 

Wir  haben  vorhin  gesagt:  ;,daß  eine  Kraft  durch  eine  Stange, 
nämlich  DB  übertragen  werde^.  Man  muß  mit  solchen  Ausdrücken 
Torsichtig  sein.     Warum  ist  er  hier  erlaubt? 

Betrachten  wir  den  starren  Körper  DB,  so  dürfen  wir  ihn  als 
gewichtslos   ansehen,   da  wir   vorausgesetzt  haben,  daß  die  Gewichte 


Draok. 


Fig.  12S. 


der  Wage  selbst  ausgeglichen  seien.  Dann  steht  DB  nur  noch  unter 
der  Wirkung  des  Lagerdrucks  in  B  und  der  des  Lagerdrucks  in  D. 
Steht  aber  ein   starrer  Körper  unter  der  Einwirkung  von  nur  zwei 


Nr.  164.        §  32.   Systeme  aus  einer  endlichen  Anzahl  staner  KOrper. 


243 


Kräften,  so  müssen  diese  im  Oleichgewichtsfalle  entgegengesetzt  gleich 
sein  und  in  die  Verbindungslinie  der  Angriffspunkte  hinein&llen.  Also 
können  wir  sagen,  dafi  der  vertikale  Lagerdmck  in  D  nngeändert  anf 
B  übertragen  werde. 

Allgemein  können  wir  den  für  das  folgende  wichtigen  Satz  aus- 
sprechen: 

Ist  ein  starrer  Körper  keinen  anderen  äußeren  Kräften  unter- 
worfen als  den  Drucken  in  zwei  eu  einander  parallelen  zylindrischen 
und  reibungsfreien  Achsen  A  und  B,  so  müssen  diese  Drucke  in  eine 
Verbindungslinie  AB  hineinfallen^  welche  auf  den  Adisen  senkrecht  steht. 

Sind  die  beiden  Strafte  aufeinander  zu  gerichtet,  so  werden  wir 
Ton  Druck  in  engerem  Sinne  sprechen,  sonst  von  Zug. 

164.  Das  Stabpolygon.  Betrachten  wir  das  alte  Yarignon- 
sche  Problem:  ein  Polygon  aus  n  Stäben,  die  durch  zylindrische, 
reibungsfreie  parallele  Gelenke  miteinander  yerbunden  sind.  An  den 
Gelenken  —  etwa  an  zylin- 
drischen Zapfen,  welche  die 
Stäbe  verbinden  —  mögen 
gegebene  Kräfte  k^-  -  k^^x 
angreifen,  sonst  aber  sei  das 
Polygon  krilftefrei.  Man  soll 
die  Gleichgewichtslage  bestim-  & 
men  und  die  Lagerreaktionen, 
wenn  die  Enden  des  Polygons 
sich  um  feste  gegebene  Achsen 
Sq  und  S^  drehen  können. 

Wenn  man  bedenkt,  daß 
auf  den  i/ten  Gelenkzapfen 
die  drei  Kräfte  k^  und  die 
Spannungen   der  beiden  an-  Fig.is4. 

grenzenden  Stäbe  wirken, 
welche  nach  dem  Satz  am 
Schlüsse  der  vorhergehenden 
Nummer  in  die  Stabrich- 
tungen hineinfallen,  und  daß 

also  diese  drei  Kräfte  ein  geschlossenes  Dreieck  bilden  müssen,  daß 
ferner  diese  Dreiecke  sich  nebeneinander  legen  müssen,  weil  jede  Stab- 
spannung zweimal  vorkommt,  so  erkennt  man  die  Analogie  dieses 
Problems  mit  der  Seilkonstruktion,  worauf  wir  schon  früher  einmal 
(Nr.  118)  hinwiesen. 

Die   Aufgabe    ist    somit    auf  die   folgende   zurückgeführt:   Man 
zeichne  das  Krafteck  aus  den  Kräften  k^, .  ,k^.    Dazu  wird  ein  Pol  P 


244 


yn.   Statik  der  Systeme. 


Nr.  165. 


80  gesucht,  daß,  wenn  man  anfangt,  die  Stabe  Ton  S^  ans  den  Pol- 
strahlen  parallel  zu  legen,  man  gerade  in  S^  auskommt 

Diese  Aufgabe  führt  nun  auf  ein  kompliziertes  algebraisches 
Problem,  auch  die  elementare  g^phische  Lösung  ist  im  allgemeinen 
nicht  möglich. 

A.  Jatho  hat  ein  Naherungsyerfahren  angegeben,  daß  darin  be- 
steht, daß  man  zunächst  durch  Probieren  die  ungeföhre  Lage  von  P 
sucht  und  dann  mit  Hilfe  yon  Rechnung  und  Zeichnung  korrigiert 

(Siehe  den  Aufsatz:  „Untersuchungen 
>Ss  zur  Statik  des  Stabpolygons'',  Zeitschr. 

f.  Math.  u.  Phys.,  Bd.  56.) 

Aufgabe  84:  In  einigen  F&llen  kann 
man  natürlich  das  Problem  mit  ganz  elemen- 
taren, rechnerischen  Mitteln  lösen.  Es  sei 
z.  B.  a  s=  S,  der  erste  Stab  gleich  dem  dritten, 
k^  =s  kf  und  senkrecht  zu  S^  S^ . 

In  diesem  Falle  Toller  Symmetrie  be- 
stimme man  die  Stabapannnngen  rechneriach 
und  graphisch. 

1B6.  Statik  des  Sohnbkarbelgetriebes.  Ein  Schubkurbel- 
getriebe, wie  es  bei  Dampfmaschinen  vorkommt,  besteht  der  Haupt- 
sache nach  aus  drei  festen  Teilen:  1.  dem  rein  rotierenden  Teil:  (WeUe, 
Kurbel,  Schwungrad)  0  sei  die  Drehachse,  OG  der  Kurbelarm;  2.  dem 
hin-  und  hergehenden '  Kolben  (FH)  nebst  Kolbenstange  KA  und 
Kreuzkopf  K.  3.  Der  Lenkstange,  welche  im  Kurbelzapfen  C  mit  der 
Kurbel,  im  Kreuzkop&apfen  K  mit  dem  Kolben  drehbar  yerbunden 
sei.  Die  Kolbenstange  KÄ  sei  so  gefClhrt,  daß  sie  in  ihrer  Verlänge- 
rung durch  die  Wellenmitte  0  hindurch  gehe. 


jng;U6. 


Fig.  1S6. 


Es  sei  r  die  Länge  des  Kurbelarms,  l  die  Länge  der  Lenkstange; 
-^KOC  der  (variable)  Kurbel winkel;  ^  CKO  ein  Hilfswinkel  rj. 
Der  Sinussatz  gibt  sofort 


sinrj 


srnd"  -f 


Es  wirke  nun  senkrecht  zum  Kolben  konzentrisch,  d.  h.  in  der  Linie 
ÄKO  eine  Kraft  P.    Welche  Kraft  T  senkrecht  zum  Kurbelarm  halt 


Ni.  166.        §  S2.   Systeme  ans  einer  endlichen  Anzahl  staner  Körper. 


245 


ihr  das  Gleichgewicht?     Sonst  sollen  keine  Kräfte,   außer  den  not- 
wendigen Drackkraften  wirken. 

Im  Ereuzkopf  K  greifen  drei  Kräfte  an:  P  horizontal  —  nennen 
wir  OKA  horizontal  —  der  Druck  der  Führung  vertikal,  die  Schub- 
stangenspannung S  in  deren  Richtung  (siehe  die  Bemerkung  in  Nr.  153). 

Also  ist  ^  ^ 

Scosij  =-  P, 


d.h. 


S  sin  iy  —  D, 
fif=-^P,      D-Ptgiy. 

C081J        '  ®    ' 


Auf  die  rein  rotierenden  Teile  ab  Hebel  wirken  jetzt  8  in  Richtung 
der  Schubstange  und  T  senkrecht  zu  00.  S  hat  den  Hebelarm 
r  sin  (p  +  iy).     Also  ist 

8r  sin  (d  +  i^)  =  Tr 
oder 

^         '      '^  C08IJ 

Daraus  folgt  natürlich,  daß  am  Schubkurbelgetriebe,  mögen  sonst 
noch  irgendwelche  Kräfte  vorhanden  sein  oder  nicht,  eine  Kraft  P 
am  Kolben  einer  Kraft  1  senkrecht  zum  Kurbelarm  (oder  tangential 
zum  sogenannten  Kurbelkreis,  der  Kreisbahn  des  Punktes  0)  gleich- 
wertig ist,  welche  die  umgekehrte  Richtung  wie  in  der  Figur  hat 
und  eleich  •  /o.  i    x 

COBY} 

ist.    Ist  P  der  resultierende  Dampfdruck,  so  heißt  das  äquivalente  T 

der  Tangentialdampf- 

druck. 

Man  kann  sich  T 
aus  P  zu  jeder  Stellung  %• 
leicht  graphisch  konstru- 
ieren: 

Man  trage  vom 
Schnittpunkte  8  des  Kur- 
belarms 00  mit  der  Senk- 
rechten zu  OK  in  K  auf  SO  eine  Strecke  8A  gleich  P  ab  und  ziehe 
durch  A  die  Parallele  AB  zur  Lenkstange.  83  gibt  dann  T.  Denn 
die  Ähnlichkeit  der  Dreiecke  8 AB  und  8CK  gibt  sofort 


Fig.  1S7. 


I 


d.  h. 


P :  SB  -  sin  (-J  —i\  :  sin  (17  +  »), 

C08TJ 


246 


VH   Statik  der  Systeme. 


Nr.  166. 


Aufgabe  86.    Man  berechne  bei  der  Eniepresse  den  dnrch  die  Kraft 
P  ausgeübten  Druck  2>.    0  ein  fester  Gelenkpunkt,  OA  =>  a;  £,  C  Gelenkpunkte, 

OB  =  b,  BC^l.  Der  Kolben  CH  sei  vertikal 
geführt.  Alle  Gelenke  und  alle  Führungen  seien 
reibungsfrei.  Pdrücke  senkrecht  zu  OJ.  (Fig.  128.) 


I  Fig.  1S8. 


/ 


1B6.  Die  innere  Beansprachnnff 
P  eines  starren  Körpers.  Wir  haben 
früher  in  §  9  und  10  die  Anschauung 
ausgesprochen^  daß  überall  in  der  mate- 
riellen Natur,  d.  h.  an  jedem  Flachen- 
element dF  die  sich  dort  berührenden 
Volum  elemente  Drucke  die  —  ddF  auf- 
einander ausüben.  Führen  wir  also  durch 
einen  starren  Körper  in  Gedanken  einen 
Schnitt,  der  den  Körper  in  zwei  Teile 
I  und  II  teilt,  so  empfängt  I  an  jeder 
Stelle  dF  der  Schnittfläche  Ton  II  einen 
Druck  dh  —  6dF. 

Wir  nannten  schon  früher  (siehe 
Nr.  39)  die  Normalkomponente  einen 
Druck  im  engeren  Sinne,  wenn  sie  auf  I 
zugerichtet  war,  sonst  einen  Zug,  die  Tangentialkomponente  hin- 
gegen einen  Schub  oder  eine  Scherkraft. 

Es  liegt  nun  die  Auffassung  nahe,  uns  den  Körper  wirklich  aus 
zwei  Teilen  I  und  II  bestehend  zu  denken  —  jeder  von  ihnen  ist 
natürlich  wieder  starr  —  und  den  Satz  auszusprechen,  daß  der  Zu- 
sammenhang beider  Teile  eben  durch  die  Spannungen  TsdF  an  der 
Trennungsfläche  aufrecht  erhalten   wird.     Das  ist  selbstyerständlich; 

denn  was  wir  Körper  nennen,  ist  immer  ein  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  willkürlicher  Ausschnitt 
aus  der  Natur. 

Soll  Gleichgewicht  herrschen,   so   muß  natür- 
lich für  jeden  Teil  die  Gleichgewichtsbedingung  des 
starren  Körpers  erfüllt  sein,  wobei  die  Schuittreak- 
Fig.  189.  tionen  (Spannungen)  6dF  an  der  Trennungsfläche 

für  jeden  Teil  zu  den  äußeren  Kräften  hinzuzuzählen  sind. 

So  kommen  wir  zu  folgendem  Grundsatz  (dem  sogenannten  Schnitt- 
prinzip). 

Im  Gleichgewichtsfalle  muß  für  jeden  Teil  eines  starren 
Körpers  die  Summe  der  Kräfte  und  die  Summe  der  Kraft- 
momente yerschwinden,  wobei  aber  alle  für  den  Teil  äußern 
Kräfte  in  Betracht  zu  ziehen  sind,  also  auch  die  Span- 
nungen an  der  Fläche,  welche  den  Teil  von  den  anderen 
Teilen  trennt. 


Nr.  157.        §  32.    Systeme  aus  einer  endlichen  Anzahl  starrer  Körper.  247 

Nach  diesem  Grundsatz  haben  wir  die  Möglichkeit^  etwas  über 
die  inneren  Spannungen  eines  starren  Körpers  zu  erfahren.  Freilich 
können  wir  für  eine  Schnittfläche  immer  höchstens  die  Summe  der 
Spannungen  und  die  Summe  ihrer  Momente  erfahren.  Denn  mehr 
Gleichungen  als  die  sechs  Gleichgewichtsbedingungen  des  starren 
Körpers  haben  wir  ja  nicht  zur  Verfügung. 

Die  sechs  Gleichungen  für  den  zweiten  Teil  geben  nichts  neues^ 
denn  wie  in  Nr.  151  ausgeführt,  geben  sie  zu  den  sechs  Gleichungen 
des  ersten  Teils  hinzugefügt  die  sechs  Bedingungsgleichungen  für 
den  ganzen  Körper,  in  denen  die  inneren  Spannungen  gar  nicht  mehr 
Yorkommen.  Von  den  18  Gleichungen  des  ganzen  Körpers  und  seiner 
beiden  Teile  sind  immer  nur  12  unabhängig  und  nur  sechs  davon 
bilden  unabhängige  Aussagen  über  die  inneren  Spannungen. 

1B7.  Zugi  Druck,  Schnb,  Torslous-  und  Blegnnapnuoinent. 
Haben  wir  nun  einen  Körper  mit  einer  ausgezeichneten  Achse, 
z.  B.  einen  Balken,  Stab  usw.,  und  legen  wir  eine  ebene  Schnitt- 
fläche senkrecht  zu  der  Achse,  so  können  wir  in  bezug  auf  den 
Schnittpunkt  0  der  Ebene  mit  der  Achse  die  an  dieser  ebenen  Schnitt- 
fläche auftretenden  Spannungen  für  jeden  Teil  reduzieren.  Nach  den 
allgemeinen  Sätzen  über  die  Kräftereduktion  (siehe  Nr.  124)  wird 
eine  Einzelkraft  und  ein  Kräftepaar  herauskommen.  Die  Komponente 
der  Einzelkraft  senkrecht  zum  Schnitt  nennen  wir  nun  den  resultie- 
renden Zug  oder  Druck,  je  nachdem  sie  Ton  dem  betrachteten  Teile 
weggerichtet  ist  oder  nicht.  Die  Komponente  parallel  zur  Schnitt- 
fläche heifie  der  resultierende  Schub  oder  die  Scherkraft.  Die 
Komponente  des  Moments  senkrecht  zur  Fläche,  also  ein  Kräftepaar 
in  der  Ebene  soll  Torsionsmoment  heißen,  die  Komponente  des 
Moments  in  der  Ebene  dagegen  Biegungsmoment. 

Nach  unserem  Schnittprinzip  wird  nun  der  resultierende  Zug 
gleich  der  negativen  Summe  aller  anderen  auf  den  Balkenteil  senk- 
recht zum  Schnitt  wirkenden  Kräfte  sein,  denn  die  Summe  aller 
äußeren  Kräfte  soll  Null  sein;  ebenso  der  Schub  gleich  der  negativen 
Summe  aller  anderen  parallel  zur  Schnittfläche  wirkenden  Kräfte;  das 
Torsionsmoment  gleich  dem  negativen  Moment  der  andern  Kräfte  in 
bezug  auf  die  ausgezeichnete  Achse  und  das  Biegungsmoment  ent- 
gegengesetzt gleich  derjenigen  Komponente  des  Momentes  der  andern 
Kräfte,  welche  in  die  Schnittebene  hineinfällt. 

Betrachten  wir  als  Beispiel  einen  horizontal  gelagerten,  vertikal 
belasteten  Balken.  An  einer  Stelle  0  Tom  linken  Auflager  entfernt, 
machen  wir  einen  Tertikaien  Schnitt.  Ein  resultierender  Zug  (oder 
Druck)  wird  nicht  da  sein.  Wohl  dagegen  ein  (aufwärts  positiv  ge- 
rechneter) Schub  (auf  den  links  vom  Schnitt  liegenden  Teil),  welcher 
gleich  sein  wird  der  Summe  aller  links  Ton  0  liegenden  Kräfte  mit 
Einschluß  der  Auf  lagerreaktionen,  diese  Kräfte  abwärts  positiv  gerechnet: 


248  VII.   Statik  der  Systeme.  Nr.  157. 


V^fxdx  —  R^, 


wenn  x  die  spezifische  Belastung  ist  (vgl.  Nr.  137). 

Ist  die  Belastung  symmetrisch  zu  einer  Yertikalebene  durch  die 
ausgezeichnete  Achse,  so  wird  ein  Torsionsmoment  nicht  da  sein^ 

denn  die  links  vom  Schnitt  liegen- 

Bj  \  den  Kräfte  haben  dann  kein  Moment 

I   1   1   1  i   1  1     I  ^^  bezug  auf  die  Achse. 


Ein  Biegungsmoment  um  die 
vertikale  Achse  wird  auch  nicht 
da  sein,  weil  die  Kräfte  dieser 
Achse  parallel  sind.  Dagegen  wohl 
ein  Biegungsmoment  B  um  die 
horizontale;  nach  Tom  gerichtete 
Achse;  dasselbe  wird  entgegengesetzt  gleich  sein  dem  Moment  aller 
links  Ton  0  wirkenden  Kräfte  mit  Einschluß  der  Auf  lagerreaktionen,  also: 


Flg.  130. 


B=^  JB^z  —J^ (js  —  x)dx. 


Bei  einem  'horizontal  gelagerten  Balken  mit  vertikaler^  zur  verti- 
kalen Längsmitteiebene  symmetrischer  Belastung  toird  also  Zug  (Drude) 
und  Torsionsmoment  der  inneren  Beanspruchung  Ntdl.  Der  Schub  ist 
bis  auf  das  Zeichen  gleich  der  Summe  der  auf  einer  Seile  des  Schnittes 
liegenden  Kräfte  (einschließlich  der  Auf  lagerreaktionen),  das  Biegungs- 
moment  gleich  dem  Moment  derselben  Kräfte  in  bezug  auf  irgendeine 
horizontale  Achse  in  der  Schnittfläche. 

Wenn  auch  im  ganzen  kein  Zug  oder  Druck  da  ist;  so  sind  doch 
alle  Längsfasem  des  Balkens  im  gedachten  Schnitt  gezogen  oder  ge- 
drückty  das  Biegungsmoment  ist  ja  nichts  anderes  als  das  Moipent 
dieser  Einzelspannungeu.  Und  da  ihre  Summe  Null  ist  und  B  immer 
positiv  ist,  wie  wir  noch  sehen  werden,  so  wird  die  senkrechte  Span- 
nungsverteilung  für  den  linken  Balkenteil  so  aussehen,  wie  in  Fig.  130 
dargestellt:  die  obem  Fasern  des  Balkens  werden  gedrückt,  die  unteren 
gezogen  sein.  Daraus  leuchtet  die  Berechtigung  des  Namens  Biegungs- 
moment wohl  ohne  weiteres  ein. 

Es  bleibe  dem  Leser  überlassen,  sich  ebenso  die  Berechtigung 
des  Namens  Torsionsmoment  klar  zu  machen,  es  tritt  dann  auf,  wenn 
die  äußeren  Kräfte  den  ganzen  Balken  um  die  Achse  zu  verdrehen 
suchen. 

Haben  wir  einen  Stab,  der  nur  an  den  Enden  A,  B  Kräften 
unterworfen  ist,  der  aber  sonst  kräftefrei  ist,  so  liegen  die  Kräfte^ 
wie  in  Nr.  153  bemerkt  wurde,  in  der  Achse  AB,    Nimmt  man  diese 


Nr.  168. 


§  88.   Der  vertikal  belastete,  horizontale  Träger. 


249 


zur  ausgezeichneten  Achse,  so  sind  für  unsem  Stab  Schub,  Tor- 
sionsmoment und  Bieffuntrsmoment  Null,  die  sranze  Beanspmchunir 
reduziert  sich  auf  einen  Druck  oder  einen  Zug,  der  längs  des  ganzen 
Stabes  AB  konstaut  ist. 


§  33.   Der  yertlkal  belastete^  horizontale  Träger. 

168.  Formnliening  der  AnQ^abe.  Wir  betrachten  jetzt  ein- 
gehender einen  horizontal  gelagerten  Träger,  dessen  Belastung  und 
Stützung  inklusive  Eigenlast  vertikal  sei  und  symmetrisch  zur  verti- 
kalen Längsmittelebene,  so  daß  wir  ein  ebenes  Problem  vor  uns  haben. 
Von  den  verschiedenen  Stützungsarten  fassen  wir  zwei  ins  Auge:  der 
Träger  kann  an  den  Enden  einfach  aufgelagert  oder  aber  an  einem 
Ende  eingespannt  (etwa  eingemauert)  sein. 

Die  Aufgabe  wird  darin  bestehen,  einmal  die  Stützreaktionen  zu 
berechnen,  soweit  dies  mit  der  Mechanik  des  starren  Körpers  mög- 
lich ist,  dann  aber,  unter  derselben  Einschränkung,  die  inneren  Span- 
nungen des  Trägers  zu  bestimmen,  d.  h.  Schubkraft  und  Biegpmgs- 
moment.  Denn  Zug  bzw.  Druck  und  Torsionsmoment  sind  ja  nach 
den  Voraussetzungen  Null.  (Siehe  Nr.  157  im  vorhergehenden  Para- 
graphen.) 

Fassen  wir  noch  etwas  den  ersten  Fall  ins  Auge.  Der  Balken 
ist  auf  beiden  Seiten  aufgelagert.  Die  Stützflächen  sind  endliche 
Flächen  und  die  Anzahl  der  Stützdrucke  also  unendlich.  Von  ihnen 
kann  man  nur  die  Summe  und  das  Gesamtmoment  berechnen,  oder 
was  auf  dasselbe  hinaus  kommt,  man  kann  die  Lagerdrucke  R^fR^,  die 
Summen  der  Drucke  beiderseits,  berechnen,  wenn  man  eine  Annahme 
über  ihre  Angriffslinien  macht.  Von  denen  weiß  man  aber  in  Wahr- 
heit nicht  mehr,  als  daß  sie  innerhalb  der  Stützflächen  liegen  (vgl. 
Nr.  136).  Sind  nun  diese  klein  gegen  die  übrigen  Dimensionen,  so 
kommt  es  auf  die  genaue  Lage  der  Stützdrucke  nicht  an:  wir  können 
sie  an  das  Ende  des  Balkens  verlegen.    Und  so  wollen  wir  verfahren. 


Äi 


E 


1— r 
I     I 


^ 


n 


dx 

Flg.  181. 


VA^^v^ 


*^ 


i 


m: 

^ 


i 


j 


«\\<V^xV^VV^iiSi 


I    I 

I    I 

-LJ. 


Fig.  ISS. 


Beim  eingemauerten  Balken  wird  die  Verteilung  der  Stütz- 

'  drucke  etwa  die  in  der  Fig.  132  angedeutete  sein.     Auch  von  ihnen 

können  wir  nur  die  Summe  R  und  das  Gesamtmoment  Bq  mit  Hilfe 

der  Mechanik  des  starren  Körpers  berechnen:  Dieses  Bq  wollen  wir 

auf  die  Stelle  A  beziehen,  wo  der  Balken  in  die  Mauer  eintritt:  es 


250  Vn.   Statik  der  Systeme.  Kr.  159. 

ist  Bq  das  (negatiye)  Moment  der  Statzreaktionen  in  bezog  auf  die 
horizontale  Qnerachse  dorcli  A. 

Die  Lösung  unserer  Aufgaben,  namentlich  die  Berechnung  von 
Schubkraft  und  Biegungsmoment,  ist  natürlich  für  die  Festigkeit  des 
Balkens  von  höchster  Bedeutung.  Man  wird  si^en  könn^  daB  die 
Festigkeit  um  so  mehr  gefährdet  ist,  je  größer  diese  Kräfte  bzw. 
Momente  sind,  ist  die  Schubkraft  zu  groß,  so  wird  Gefahr  der  Ab- 
schemng,  ist  das  Biegungsmoment  zu  groß,  so  wird  Gtefahr  des  Zer- 
brechens  da  sein.  Natürlich  kommt  es  auch  auf  die  genauere  Ver- 
teilung der  inneren  Spannungen  an,  aber  darüber  kann  nur  die  Elas- 
tizitatstheorie,  nicht  mehr  die  Stereomechanik  Aufschluß  geben. 

1B9.  Utonng  fftr  den  Fall  einer  endlichen  Aniahl  ven 
Krftften.  Es  mögen  die  Kräfte  A^  . . .  ifc,  in  den  Abstanden  ai...a^ 
vom  L'nken  Auflager  vertikal  nach  unten  an  dem  Balken  wirken. 

.  Dann    ist    die    Resultierende 

*  «i-J       ^  natürlich  ^k  «i^H ht,;  wah- 

fT  ^^^     "*       9 ^  rend  für  den  an  beiden  Enden  ge- 

^yi ZII_!:__  / (^  lagerten    Balken    die    Momenten- 

^A  FIC.18S.  1*  gleichung  in  bezug  auf  A  sofort 

ergibt 

-R«  =  4(^1*1  +  «1*2  +  •  •  •  +  ««'O- 
Ebenso 

IJ,--J  {G-ai)ti  +  (i-a,)*,  +  ---  +  (i-0*J. 
Liegt  8  zwischen  der  i/ten  und  {y  +  l)ten  Kraft,  so  ist 

—  JS  =»  —  B,^z  +  lt^{z  —  öl)  H V  ^X^  ~~  O  • 

Analog  bekommt  man  für  den  auf  einer  Seite  eingemauerten  Balken 

Die  graphische  Lösung  mittels  Seileck  gestaltet  sich  für  die  Be- 
stimmung der  Auflagerdrucke  höchst  einfach.  Man  hat  nur  die  Er- 
gebnisse von  Nr.  118  und  122  anzuwenden. 

Für  den  auf  beiden  Seiten  gestützten  Balken  betrachte  man  die 
Durchführung  in  Fig.  134.  Der,  der  Schlußlinie  S^S^^^  des  Seil- 
ecks parallele  Polstrahl  PF  teilt  die  resultierende  Kraft  KqK^  in  die 


Nr.  160. 


§  38.  Der  vertikal  belastete,  horizontale  Träger. 


251 


beiden  Auflagerreaktionen  R^^K^F  und  JB,  —  FK^.   Es  ist  KqF 
weil  zu  R^  die  Seilstrahlen  SqS^  und  S^S^^^  gehören. 


R^, 


Pig.  184. 


Flg.  135. 


Bei  dem  an  einein  Ende  (Ä)  eingespannten  Balken  ist  natOrlicli 
R  =  K^Kq  (siehe  Fig.  135).  Man  hat  jetzt  den  Fall,  daß  das  Kraft- 
eck sich  schließt  (inkl.  R), 
daß  aber  ein  Eräftepaar 
resultiert.  Dies  ist  natür- 
lich das  gesuchte  B^. 

Wie  früher  (Nr.  118) 
ausgeführt  wurde^  ist  Bq 
gleich  dem  Produkt  aus 
dem  Abstände  l  der  bei- 
den freien  Seilstrahlen 
und  der  Lauge  r,  =*  r^ 
des  entsprechenden  Pol- 
strahls. 

Um    nun   auch    die 
Bestimmung  der  inneren 
Spannungen  in  einfacher 
Weise  graphisch  lösen  zu  können,  woUen  wir  einen  wichtigen  Hilfs- 
8 atz  ableiten: 

160.  OraphiBche  Bestlmmnng  des  Momentes  einer 
Kraft,  k  sei  eine  Eraffc,  g  ihre  Angriffsgerade,  S^S^  und  S^S^  die 
ihr  zagehörigen  Seilstrahlen,  PKq  und  PK^  die  entsprechenden  Pol- 
strahlen. 

Das  Moment  von  h  inbezug  auf  einen  Punkt  0  ist  natürlich  dem 
absoluten  Werte  nach  das  Produkt  aus  k  und  aus  der  Länge  des 
Abstandes  des  Punktes  0  von  g.  Aber  es  gibt  noch  eine  andere 
Bestimmung,  die  für  manche  Zwecke  brauchbar  ist. 

Ziehen  wir  durch  0  die  Parallele  g    zu  g  und  betrachten  den 


252 


YII.   Statik  der  Systeme. 


Nr.  161. 


Abschnitt  y  ^  ABj  den  die  Seilstrahlen  auf  ihr  bilden.  Sei  femer  h 
der  Abstand  des  Pols  P  von  der  Ejraft  Ic  im  Erafteck^  die  sogenannte 
Poldistanz  oder  Polhohe. 

Wir  behaupten,  daß  das  Moment 

ist.     Man   kann   den  Satz   sofort   mit  Hilfe  der  beiden  in  Betracht 
kommenden  ähnlichen  Dreiecke  {PK^K^  nnd  8^ AB)  beweisen. 
Wir  zeigen  ihn  so: 

Wir  denken  uns  in  g  die  beiden  Kräfte  K^H  und  HK^  an- 
greifen {H  FuBpunkt  des  Lotes  h\  dann  bilden  die  Kräfte  zusammen 
mit  Ic  ein  Kräftepaar  vom  Moment  Jf. 

Dieses  konstruieren  wir  uns  nun  nach  der  Methode  von  Nr.  118, 
indem  wir  als  ersten  und  letzten  Seilstrabi  die  zu  h  parallelen  Bff 

und  AS'  betrachten  (d.  h.  als 
ersten  und  letzten  Polstrahl 
das  doppelt  zu  zählende  K). 
S'BSiAS"  ist  das  zugehörige 
Seileck. 

und  also  ist  das  Moment 
nach  der  allgemeinen  Regel, 
die  wir  noch  oben  in  Nr.  159 
angewendet  haben, 

Denn  h    entspricht  jetzt  r^ 


Fig.  1S6. 


bzw. 


n) 


y  ist  der  Abstand  der  freien  Seilstrahleu. 
Der  VorteU  dieser  Bestimmungsart  zeigt  sich,  wenn  aUe  Kräfte 
einander  parallel  sind.     Denn  dann  sind  alle  h  dieselben  und  alle  M 
den  y  proportional. 

Bei  lauter  einander  parallelen  Kräften  ist  das  Moment  in  hezug 
auf  einen  festen  Punkt  0  der  Strecke  proportional,  welche  die  beiden 
zur  Kraft  gehörenden  SeüstraJtlen  auf  einer  zur  Kraftrichtung  Paral- 
lelen durch  0  abschneiden. 

161.  Anwendimg  anf  die  Bestimmimg  des  Biegnngs-^ 
momentes.  Betrachten  wir  alle  links  von  einer  Stelle  0  gelegenen 
Kräfte  im  Falle  des  beiderseits  gestützten  Balkens  —  es  seien  dies 
Jii,Äi  . . .  Äy  —  so  gehören  zu  ihnen  (im  Sinne  von  Nr.  120)  die  Pol- 
strahlen  PF  (siehe  Fig.  134)  und  PK^-,  also  der  (v  +  l)te  Seilstrahl, 
d.  i.  der,  der  zwischen  k^  und  k^^^  gespannt  ist,  und  die  Schlußlinie 
des  Seilecks. 

Mithin  ist  für  den  beiderseits  gestützten  Balken  das  Biegungs- 
moment  gleich  hy,  wo  h  die  Poldi^tanZy  y  die  sogenannte  Momenten- 


Nr.  162.  §  38.   Der  vertikal  belastete,  horizontale  Träger.  253 

höhe,  d.  h.  der  vertikale  Abstand  der  gdyrochenen  Linie  S^S^...S^^y^ 
über  der  SchlußUnie  SqS^^^  an  der  Stelle  0  ist. 

Für  den  an  einem  Ende  eingeklemmten  Balken  mögen  rechts 
von  0  die  Kräfte  K+i  -  -  -K  ^«gön.  Zu  ihnen  gehören  die  Pol- 
strahlen PK^  und  PK^,  also  der  Seilstrahl  z\ivischen  der  i/ten  und 
{v  +  l)ten  Kraft  und  der  freie  Seilstrahl  S^8'\ 

Das  Biegnngsmoment  ist  also  in  diesem  Falle  gleich  yhy  wo  h 
die  Poldistanz,  y  den  vertikalen  Abstand  der  gebrochenen  Linie 
SqS^  . . ,  S^  von  dem  letzten  freien  Seilstrahl  an  der  Stelle  0  ist. 

Da   für  jsr  —  0   das  Biegungsmoment  B  in  B^  übergeht,  so   ist 

y 
wo  yo  ^^^  vertikale  Abstand  des  Punktes  5^  von  dem  letzten  freien 

Seilstrahl  S^S"  ist  (siehe  Fig.  135). 

Für  das  Folgende  wird  es  gut  sein,  noch  das  Vorzeichen  von 
B  zu  beachten.  Wählen  wir  P^  als  Pol  auf  der  linken  Seite  vom 
Krafteck,  so  ist  der  Streckenzug  SqS^  , . .  S^  nach  unten  konkav. 
Anderseits  ist  für  kleine  z,  wo  allein  R^  links  von  0  liegt,  das  Bie- 
gungsmoment B  sicher  positiv.  Wenn  wir  also  y  nach  oben  von 
der  Schlußlinie  aus  positiv  zählen  und  daran  festhalten,  P  links  von 
K^K^  zu  nehmen,  so  müssen  wir 

B^hy 
setzen. 

Das  gilt  auch  für  den  links  eingemauerten  Balken,  wenn  wir  das 
auf  den  rechten  Teil  wirkende  Biegungsmoment  betrachten. 

Aaf gaben:  85.  Man  bestimme  rechnerisch  und  graphisch  die  Aoflager- 
reaktionen  R^  und  J2,  für  einen  Balken  von  der  Länge  2 «» 10  m,  der  in  den 
Abständen  von  1,  8,  6  und  8  m  vom  linken  Ende  die  Lasten  5,  7,  2,  9  kg  trägt. 
Man  suche  ebenso  das  Biegungsmoment  und  den  Schub  für  die  um  4  m  von  dem 
linken  Ende  entfernte  Stelle. 

86.  Man  bestimme  ebenso  die  Reaktionen  R  und  das  Moment  B^  far 
einen  an  einem  Ende  eingemauerten  Balken,  der  in  den  Abständen  von  2,  8  und 
5  m  die  Lasten  10,  5  und  10  kg  trägt.  Desgleichen  das  Biegungsmoment  nnd 
den  Schub  für  die  Stelle  8=  Im, 

87.  Unsere  bisherigen  Betrachtungen  lassen  sich  natürlich  auf  den  Fall 
übertragen,  daß  der  Balken  über  AB  hinausragt  und  außerhalb  AB  belastet 
ist.  Man  nehme  z.  B.  die  Belastung  der  Aufgabe  86  und  fuge  in  1  m  Abstand 
links  von  A  noch  eine  Last  von  10  kg  hinzu.    Was  ist  dann  in  der  Formel 

B^hy 

für  y  links  vom  Punkte  A  zu  wählen,  wenn  man   daran   festhält,  daß  B  das 
Moment  aller  links  von  0  liegenden  Kräfte  sei? 

Man  beachte,  daß  jetzt  y  und  somit  auch  B  das  Zeichen  wechseln  wird. 
Wo  ist  bei  dieser  Aufgabe  das  Biegungsmoment  gleich  Null? 

162.  Die  rechnerische  Löming  der  Probleme  im  Falle 
kontiniiierllcher  Belastang  ist  äußerst  einfach  utid  zum  Teil  schon 


254  Vn.    Statik  der  Systeme.  Nr.  162. 

in  Nr.  157  erledigt.    Ans  den  Summen  von  Nr.  159  werden  Integrale. 
So  ist  die  Resultierende 

K^Sd^^ßidx,  (1> 

0 

wenn  l^  AB  ist. 

Ihr  Abstand  x^  von  A  ist  nach  dem  Momentensatz  gegeben  durch 

Kx^^Jxxdx.  (2) 

0 

Ebenso  ergibt  der  Momentensatz  mit  A  als  Bezugspunkt 

R^l  —J xxdx  =-  0, 

0 

d.h. 

R^'^'  -y  I  xxdx,  (3) 

0 

ebenso  der  Momentensatz  mit  B  als  Bezugspunkt 

Ei^\f{l-x)xdx.  (4) 

Habe  0  die  Entfernung  0  von  A,  so  ist  in  0  die  negative  Summe 
aller  links  liegenden  Kräfte  (der  Schub) 

r--B,+ßdx,  (5) 

0 

dagegen  das  negative  Moment  aller  links  liegenden  Kräfte  (das 
Biegungsmoment) 

z 

B R^z  +f{g-x)xdx.  (6) 

0 

Denn  die  Kraft  dk^  xdx  hat  den  Hebelarm  (js  --  x)  in  bezug  auf  0. 
Nach  (4)  ist  B  Null  am  Anfang  {0  =  0)  und  am  Ende  (js  =  l), 
Differentiiert  man  (6)  nach  0,  so  erhält  man 


dB 


dz 

«  i?!  —Jxdx, 
also  nach  (5) 

dg 


=  -Bi  -  («  -  «)x|«=,  -f*dx 


0 


''^  -  -  F.  (I) 


Nr.  163.  §  83.   Der  vertikal  belastete,  horizontale  Träger.  255 

Es  hat  also  dcts  Biegungsmoment  B  dort  ein  Maximum,  wo  der 
Schub  NuU  ist. 

Für  das  Problem   des   eingespannten  Balkens  ergibt  sich  analog 

R^K^fxdx,  (7) 

0 

I 
J?o  ^fxxdx.  (8) 

0 

Dagegen  ergeben  sich  jetzt  als  Summe  der  rechts  liegen- 
den Kräfte 

r^fxdx,  (9) 

und  als  Moment  der  rechtsliegenden  Kräfte 

B^^f{X'-e)xdx.  (10) 

Natflrlicli  ist  für  «  =  0,  £  =  JBj  «nd  JB  =  V.    Wieder  ist 

***  -  -  F.  (I) 

Differentiieren  wir  die  Gleichungen  (I)  noch  einmal  nach  x,  so 
erhalten  wir  in  beiden  Fällen  gemäß  (5)  oder  (9) 

» 

Man  erhalt  also  aus  der  Belastungskurve  die  Schubkraft  durdi 
einmalige,  das  Biegungsmoment  durch  zweimalige  Integration  (und 
Wechsel  des  Zeichens).  Die  Integrationskonstanten  sind  dadurch  be- 
stimmt, daß  für  den  beiderseits  gestützten  Balken  am  Anfang  und  am 
Ende  (für  z^O  und  für  z^l)  das  Biegungsmoment  gleich  Null  wird, 
für  den  einseitig  eingeklemmten  Balken  aber  am  Ende  das  Biegungs- 
moment  und  der  Schub  gleich  Null  ist, 

163.  Die  Sellknrve  als  Momentenllnle.  Tragen  wir  B  ver- 
tikal an  jeder  Stelle  0  als  Strecke  y  (nach  oben,  wenn  y  >  0)  von 
einer  beliebigen  Geraden  aus  auf,  indem  wir  setzen 

B^yh, 

wo  h  eine  beliebig  gewählte  konstante  Kraft  bedeutet,  so  bekommen 
wir  eine  stetige  Kurve,  welche  Momentenlinie  heißen  möge. 


256  Vn.   Statik  der  Systeme.  Nr.  164. 

Ihre  Differentialgleichung  lantet  yermöge  (11)  der  vorigen  Nummer 

Tragen   wir  den  ersten  Differentialquotienten  der  Momentenlinie  — 

mit   --  h  multipliziert   als   eine  Kurve   auf,  so   gibt   deren  Ordinate 
nach  (I)  der  vorigen  Nummer  den  Schub 

—  ^  =  —  Ä  -  ^ 

dB  dg  ' 

Nach  den  Ausführungen  von  Nr.  137  ist  es  nun  ganz  klar,  daB 
tlie  Momentenlinie  nichts  anderes  ist  als  die  Seilkurve,  welche  aus 
dem  Seilpolygon  der  Nr.  161  durch  Grenzübergang  entsteht,  wenn 
man  von  diskreter  Belastung  zu  kontinuierlicher  übergeht.  Man  muß 
nur  h  gleich  der  Poldistanz  wählen,  und  y,  die  Momentenhöhe,  von 
der  SchluBlinie  aus  auftragen,  während  g  nach  wie  vor  horizontal  ge- 
zahlt wird. 

Übrigens  kann  man  ja  durch  geeignete  Lage  des  Pols  erreichen, 
daß  die  Schlußlinie  horizontal  wird,  so  daß  y  und  z  gewöhnliche 
rechtwinklige  Koordinaten  werden. 

Wir  verweisen  auf  die  Fig.  85  (S.  213),  welche  den  Zusammen- 
hang von  Momentenlinie  und  Krafteck  illustriert. 

Man  beachte  noch,  daß  FX^  V  ist,  wo  PF  der  Schlußlinie 
S^Stn  parallel  ist.     Denn  es  ist 


K^X^fxdXy 


Man  sieht  aus  der  Figur  nochmals  direkt,  daß  fOLr  F » 0,  nämlich 
für  X  =  i^  die  Momentenhöhe  y  ein  Mstdmum  ist,  also  auch  B, 

Von  den  hier  ausgeführten  Gedanken  wird  man  Gebrauch  machen, 
um  die  Momentenlinie  angenähert  graphisch  zu  konstruieren:  man 
wird  in  den  hinreichend  klein  gewählten  Teilintervallen  zfx  die  Last 
durch  xzJx  mit  einem  mittlem  x  an  einer  mittleren  Stelle  des  Inter- 
valls 4dx  ersetzen  und  nun  das  Seilpoljgon  konstruieren.  Wenn  die 
Teilung  fein  genug  ist,  wird  die  Abweichung  des  Seilpoljgons  von 
der  Seilkurve  unmerklich  sein. 

Man  darf  aber  —  praktisch  —  auch  wiederum  die  Teilung  nicht 
zu  fein  wählen,  weil  sich  bei  der  großen  Anzahl  von  zu  zeichnenden 
Linien  die  Zeichenfehler  zu  sehr  häufen. 

Nur  Erfahrung  und  Übung  kann  hier  den  richtigen  Mittelweg 
kennen  lehren. 

164.  Beispiel  gleichförmiger  Belastung.  Ist  wenigstens  in 
einem  Intervall  die  Belastung  gleichförmig,  d.  h.  x  konstant,  so  folgt  aus 


Nr.  166.  §  33.  Der  vertikal  belastete,  horizontale  Träger.  257 

*T-l  -*  —  «I 

dz*  ' 

wo  a,  b  Integrationskonstanten  sind. 

Die  Seilhurve  ist  also  überall  da,  wo  die  spezifische  Belastung 
konstant  ist,  das  Stück  einer  Parabel;  ist  x^O,  d.h.  keine  Belastung 
vorhanden,  so  ist  die  Seilkurve  geradlinig. 

166.  StettgkeltaverhMtnlMe  der  Momentenllnie.  Nach 
Definition  und  auch  als  Grenzfall  eines  Seilecks  ist  die  Seilkurve 
selbst  auf  jeden  Fall  stetig. 

Ihr  erster  Differentialquotient,  d.  h.  (bis  auf  den  Faktor  —  h) 
die  Schubkraftkurve  ist  ebenfalls  stetig,  wenn  die  Belastung  wirklich 
kontinuierlich  ist.    Denn  der  Ausdruck  (5)  Nr.  162 

V R^+Jxdx 

0 

ändert  sich  stetig  mit  is. 

Die  zweite  Ableitung  dagegen,  x,  kann  sehr  wohl  unstetig  sein. 

Wenn  also  z.  B.  die  Belastung  streckenweise  konstant  ist^  aber 
Ton  Strecke  zu  Strecke  verschieden,  so  besteht  die  Seilkurve  aus 
lauter  yerschiedenen  Parabelbögen,  vielleicht  auch  aus  gradlinigen 
Stücken  (wo  x  =»  0),  die  sich  aber  stetig  und  mit  stetiger  Tangente 
aneinander  schließen. 

Nun  ist  es  aber  häufig  praktisch,  zuzulassen,  daß  eine  Einzellast 
auftrete,  d.  h.  eine  endliche  Kraft  k  an  einer  punktförmigen  Stelle 
(z.  6.  der  Druck  von  Lokomotivrädem  an  den  Berührungsstellen  der 
Räder  mit  den  Schienen).  Das  ist  natürlich  ein  Idealfall:  in  Wahr- 
heit wird  es  eine  Belastung  sein,  bei  der  in  einem  sehr  kleinen  Inter- 
vall jdx  um  die  fragliche  Stelle  herum  x  sehr  hohe  Werte  annimmt, 

so   daß  \xdx=^k  einen  merklichen  Wert  erreicht. 

A 

Wenn  wir  den  GrenzprozeQ 


lim    jxdx  =  k 


^x  =  0 


machen,   indem    wir  /ix   gegen   Null,   x   gegen  oo  gehen,   aber   das 
Integral  endlich  bleiben  lassen,  so  wird  die  Seilkurve  stetig  bleiben, 

ihr  erster  Differentialquotient  aber,  d.  h.  —  A  ;t^  =  F  wird  um  eben 

a 

dieses  Integral  k  springen,  da  sich  das  Integral  /xdrr  um  diesen  Be- 

0 

trag  ändern  wird. 

Uftmel:  ElomenUre  Mechftoik.  17 


258 


Vü.    Statik  der  Systeme. 


Nr.  166. 


Beim  Auftreten  einer  EinzeUast  k  wird  also  die  Seükurve  stetig 
bleiben,  ihr  IH/ferenticUqtwtient  aber  an  der  Belastungsstdle  plötelid^ 

um    .  k  abnehmen. 

n 

Die  Seilkurre  wird  eine  nach  oben  gerichtete  Ecke  bekommen. 
Man  kann  jetzt  anch  leicht  die  Frage  beantworten:  Wie  ändert 

sich   die   Seilkurve,   wenn   man   in   einem   Intervall  ^x   die 

stetig  verteilte  Last  durch   die   ihr  äquivalente  Einzellast 

ersetzt? 

Außerhalb  bleibt  das  Biegungsmoment,  also   auch  die  Seilkurve 

ungeändert,  im  Intervall  aber  ist  jetzt  x  =»  0,  die  neue  Seilkurve  muß 

also  aus  Geraden  bestehen,  die  sich 
stetig  an  die  übrige  Seilkurve  an- 
schließen. D.  h.  in  dem  Intervall  ^x 
ist  die  alte  Seilkurve  durch  die  Tan- 
genten im  Anüang  und  im  End- 
punkte des  Intervalls  zu  ersetzen. 
Beide  Tangenten  müssen  sich  natür- 
lich auf  der  Angriffslinie  der  Einzel- 
last treffen,   das   folgt  direkt  nach 

Nr.  118   aus  der  Regel   über   die   graphische  Zusammensetzung  der 

Kräfte. 

166.    Das  MaTimnm   der  Blegungsbeanspraoliimg.    Die 

vorhergehenden  Betrachtungen  sind  besonders  dann  von  Wichtigkeit^ 
wenn  man  fragt:  an  welcher  Stelle  e  tritt  das  Maximum  des  Bie- 
gungsmomentes ein? 

Ist  die  Belastung  stetig,  so  wird  das  Maximum  da  eintreten,  wo 

d.  h.  die  Schubkraft  V  Null  ist.     Wenn  aber  eine  EinzeUast  da 
dB 


Flg.  157. 


dB 

de  ' 


r 


ist,  also    ,      unstetig  ist,  so  kann  das  Maximum  auch  an  dieser  ün- 

stetigkeitsstelle  liegen. 

Wir  wollen  die  Aufgabe,  die  Stelle  des  größten  Biegungsmomentes 
L  bei  gegebener  Belastung  zu  suchen,  in 

einem  speziellen  Falle  ganz  durchfahren: 

Es  sei  eine  stetige  und  konstante 

p  '^ß  Belastung  da  und  außerdem  sei  in  der 

1«  -    — •_ /      ..     „         ^    Entfernung  a  vom  linken  Aufl^er  eine 

Flg.  188.  EinzeUast  L  vorhanden. 

Die  Seilkurve  besteht  dann  aus  zwei  Parabelstücken,  die'  an  der 
SteUe   z  =^  a  zusammenstoßen,  wo  der  Differentialquotient  plötzlich 

um   ,    L  abnimmt. 
h 

Daraus  folgt,  daß  drei  FäUe  möglich  sind: 

1.  Der  Scheitel  der  linken  Parabel  liegt  innerhalb  ihres  Geltungs- 


Nr.  166. 


§  33.    Der*  vertikal  belastete,  horizontale  Träger. 


259 


bereicheSy  dann  kann  der  Scheitel  der  rechten  Parabel  dies  nicht  tun, 
da  die  Ecke  nach  oben  gerichtet  ist. 
Die  Abszisse  x^  des  Scheitels  ist 
dann   die  Stelle   des  Maximums   des 
Biegungsmomentes  B. 


2.  Der  Scheitel  der  rechten  Parabel  liegt  innerhalb  ihres  Gel- 
tungsbereiches.    Seine  Abszisse  x^  ist  dann  Stelle  des  Maximums: 

3.  Keiner  der  beiden  Parabelscheitel  liegt  innerhalb  des  Geltungs- 
bereiches. Dann  liegt  das  Maximum  notwendigerweise  im  Unstetig- 
keitspunkt: 


( 


-j-\        ist  unbestimmt. 


Wir  wollen  nun  sehen^  welcher  der  drei  Fälle  eintritt. 

Mit  Hilfe  des  Momentensatzes  bekommt  man  sofort  wie  in  Nr.  159 


JSi=|^?+- 


l 


L, 


Femer  ist  für  z  <a,  wo  also  L  rechts  von  0  liegt, 


(1) 


B^  R^z  —  -^  KZ* 


1 

2 


(2) 


denn   es  liegt  die  Last  tcz  links   von  0  und  ihre  Resultierende  hat 


den  Abstand    -  z  von  0 . 


Für  z>  a  dagegen  gilt 

B^R^8-\7iZ^-L{z-a). 


(2') 


Differentiieren  wir  (2),  um  zu  sehen,  ob  Fall  (1)  eintritt: 


also  nach  (1) 


X. 


m 


X  2  IX 


17 


260 


Vn.   Statik  der  Systeme. 


Nr.  166. 


Nun  muB  aber,  damit  wirklich  Fall  (1)  eintritt 

0<.x^<a 

:=s      in  ^^ 

sein,  d.  h. 


il  +  '-^L^a 


oder 


o^ 

l,/x  +  2£        I     /              L 
2  '   Ix  +  L         2  H    ^l*+L 

Setzen  wir  den  echten  Brach 

und 

L 

» 

\-{l^-a)l^x„ 

so  maS  also 

) 


a^x^ 


(A) 


sein,  damit  Fall  (1)  eintritt. 

Verfahren  wir  analog,  um   zu  sehen,  ob  Fall  (2)  eintritt,  diffe- 
rentiieren  wir  also  (2^),  so  bekommen  wir 

O^-R^  +  TiZ  +  L, 


—  i?t  —  X  _  1  ,       ah 


Die  Bedingung  a<x^^l  gibt  nach  analoger  Rechnung  wie  vorhin 

a<x„  (B) 


wo 


«1  =  !  (i  -  «)^ 


•^ ♦. 


|< ^-^^ H 


Flg.  140  ft. 

und  es  ist  also  die  Stelle  des  maximalen  Biegungsmomentes  durch 


ist  Ist  weder  Fall  (1)  noch  FaU  (2) 
möglich,  ist  also 

x^<a<x^y  (C) 

so  tritt  Fall  (3)  ein  —  denn  das 
ist  jetzt  die  einzige  Möglichkeit — , 


^m=» 


gegeben. 

Jetzt  läßt  sich  das  Resultat  vollständig  diskutieren.  Nennen  wir 
die  Stelle  des  maximalen  Biegungsmomentes  den  geföhrdeten  Quer- 
schnitt, so  liegt  derselbe  für  a  «^  0 ,  wo  sicher  (B)  erfüllt  ist,  in  der 

Mitte,  es  ist  x^^  —  l. 

Wenn  jetzt  a  wächst,  so  bleibt  (B)  zunächst  ^  noch  erfüllt,  es 
nimmt  aber  x^  mit  wachsendem  a  dauernd  ab,  bis  sich  a  und  x^  im 
Punkte  x^  treffen. 


Nr.  166. 


§  88.    Der  vertikal  belastete,  horizontale  Träger. 


261 


ÜberBclireitet  a,  d.  h.  die  Einzellast  die  Stelle  x^,  so  ist  jetzt  Be- 
dingung (C)  erfuUt,  der  gefährdete  Qaerschnitt  wandert  mit  der  Last 
zusammen  (a  «=  x^  von  x^  nach  x^- 

Von  hier  ab  tritt  (A)  in  Geltung,  es  vollzieht  sich  das  symme- 
trische Spiegelbild  zum  ersten  Fall;  Last  und  gefährdeter  Querschnitt 
trennen  sich^  wandert  die  erstere  zum  Ende  des  Balkens  (a  =»  l\  so 
kehrt  der  gefährdete  Querschnitt  zur  Mitte  zurück  (siehe  Fig.  140). 


Xj    > 


Flg.  140  b. 


"Xj  -  — »I 


H l-iX^ -*i 

rig.  140  o. 


Man  kaun  auch  die  Frage  erörtern:  Welches  ist  das  mcLximale 
Biegungsmoment  für  eine  feste  Stelle  hei  wandernder  Lctst? 

Jetzt  ist  z  fest  gegeben,  a  variabel. 

Man  sieht  nun,  daß  in  beiden  Fällen  js^  a,  B  eine  lineare  Funk- 
tion von  a  ist;  denn  R^  ist  es.  Das  Maximum  nach  a  kann  also 
nur  in  der  Unstetigkeitsstelle  auftreten,  d.  h.  wenn  die  Last  über  die 
Stelle  hingeht. 

Das  Resultat  bleibt  erhalten,  w^nn  mehrere  bewegliche  Lasten 
da  sind  und  die  stetige  Belastung  nicht  konstant  ist. 

An  einer  bestimmten  Stelle  tritt  bei  sonst  stetiger  Belastung  das 
Maximum  der  Biegungsbeanspruchung  jedenfalls  dann  ein,  wenn  eine 
der  beweglichen  EineeUasten  über  die  Stelle  hingeht. 

Bei  mehreren  Lasten  wird  es  sich  noch  fragen,  bei  welcher  dar- 
über hingehenden  Last  das  absolute  Maximum  eintritt.  Auf  diese 
Frage  soll  aber  hier  nicht  mehr  eingegangen  werden:  man  findet  für 
den  wichtigsten  Fall  konstanter  Abstände  zwischen  den  Einzellasten 
eine  sehr  einfache  Lösung  in  dem  kleinen  Aufsatze  von  R.  v.  Mises: 
„Die  Ermittlung  der  Maximalbiegungsmomente  an  statisch  bestimmten 
Laufkranträgern''  in  Dinglers  polytechnischem  Journal,  Bd.  321;  kom- 
pliziertere Aufgaben,  die  im  Brückenbau  auftreten,  werden  in  den 
Lehrbüchern  der  Graphostatik  sehr  ausführlich  behandelt.  Siehe  z.  B. 
Müller-Breslau:  Die  graphische  Statik  der  Baukonstruktionen. 

Aufgabe  88:  Man  bestiznine  Schabkraftlinie  und  Momentenlinie  far  die 
durch  die  Formel 


%=^cx 


gegebene   kontinuierliche  Belastung.     Wo    liegt   das  Maximum  der  ßiegungs- 
beanspnichung  und  wie  groß  ist  es?    Wie  groß  sind  die  Auflagerreaktionen? 


262  VH  SUtik  der  Systeme.  Nr.  167. 

§  34.   Einleitang  in  die  Theorie  der  gtatiseh  bestiiiiiiiten, 

ebenen  Fieliwerke. 

167.  Allgemeine  Bemerkniigen.  Unier  einem  Fachwerk  ver- 
stehen wir  ein  System  gewichtsloser  Stäbe,  die  durch  reibnngsfreie 
Oelenke  miteinander  verbunden  sind.  An  den  Gelenkzapfen  können 
äußere  Kräfte  angreifen.  Als  solche  Idealsysteme  pflegt  man  in  erster 
Annäherung  wirkliche  Trager:  Brückenträger,  Eranträger,  Dach- 
stühle usw.  aufzufassen,  indem  man  erstens  das  Gewicht  eines  jeden 
Stabes  sowie  jede  andere  an  ihm  wirkende  eingeprägte  Kraft  nach 
§  25  durch  zwei  Kräfte  ersetzt,  die  in  den  Gelenken,  den  -sogenannten 
Knoten,  angreifen.  Dadurch  wird  in  dem  Kräftespiel  ffir  alle  anderen 
Stäbe  —  außer  dem  betrachteten  —  nichts  geändert^  denn  nach  unseren 
allgemeinen  Prinzipien  (siehe  Nr.  151)  wirkt  ein  Kräftesystem  nach 
außen  auf  andere  starre  Körper  nur  durch  seine  Summe  und  die  Summe 
der  Momente.  Für  das  Kräftespiel  im  Balken  selbst,  d.  h.  seine  innere 
Beanspruchung,  wird  freilich  ein  Fehler  entstehen,  der  aber  nur  von 
der  Größenordnung  des  Balkengewichts  im  Vergleich  zu  der  Gesamt- 
heit aller  anderen  Gewichte  und  Kräfte  sein  wird.  Die  zweite  Ideali- 
sierung besteht  darin,  daß  man  sich  die  Balken  an  den  Enden  durch 
reibungsfreie  Gelenke  verbunden  denkt  (beim  ebenen  Emblem  durch 
Zylinder-,  beim  räumlichen  durch  Kugelgelenke),  obwohl  sie  in  Wahr- 
heit steif  vernietet  oder  ineinander  gefügt  sein  werden.  Den  Einfluß 
dieser  Idealisierung  sucht  man  hinterher  durch  eine  besondere  Theorie, 
die  Theorie  der  Nebenspannungen,  zu  korrigieren. 

Nach  der  fundamentalen  Bemerkung  in  Nr.  153  wird  dann  jedes 
Gelenk  auf  jeden  in  ihm  endenden  Stabe  nur  einen  Zug  oder  Druck 
ausüben,  der  in  die  Richtung  des  Balkens  fällt,  imd  also  nach  dem 
Gesetze  der  Gleichheit  vpn  Wirkung  und  Gegenwirkung  einen  um- 
gekehrten Zug  oder  Druck  vom  Stabe  empfangen. 

Das  Gleichgewicht  eines  jeden  Stabes  ist  danach  schon  garantiert: 
es  handelt  sich  nur  noch  um  das  Gleichgewicht  der  Gelenkzapfen. 
Da  aber  alle  auf  den  Zapfen  wirkenden  Kräfte  auf  seiner  Achse  senk- 
recht stehen  und  durch  sie  hindurchgehen  —  von  den  Stabspannungen 
ist  das  klar,  von  der  Kraft  wollen  wir  es  annehmen  —  so  genügt  es, 
noch  die  Summe  der  an  einem  Knoten  angreifenden  Kräfte  gleich 
Null  zu  setzen. 

Wir  wollen  nun  die  folgenden  Betrachtungen  auf  ein  ebenes 
Fachwerk  beschränken,  d.  h.  annehmen,  daß  die  ganze  Stabfigur  in 
einer  Ebene  liege  und  daß  auch  die  äußeren  Kräfte  in  dieser  Ebene 
wirken. 

Da  ferner  das  Fachwerk  stets  als  Träger  gedacht  ist,  also  fest 
sein  soU,  so  werden  wir  verlangen,  daß  es  bei  Annahme  starrer  Stäbe 
im  ganzen  nur  noch  die  Beweglichkeit  eines  starren  Körpers  habe. 


Nr.  167.      §  84.  Einl.  in  d.  Theorie  d.  statisch  bestimmten,  ebenen  Fachwerke.    26B 

daß   es,    wie   man   sich    ausdrückt,    kinematisch    bestimmt    oder 
stabil  sei. 

Nun  hat  jeder  Punkt  in  der  Ebene  zwei  Bewegungsmöglichkeiten, 
d.  h.  seine  Lage  ist  durch  zwei  Koordinaten  bestimmt.  Das  macht 
bei  n  Knotenpunkten  2n  Koordinaten.  Jeder  Stab  gibt  bei  fester 
Länge  eine  Gleichung  zwischen  diesen  Koordinaten.  Gibt  es  also 
s  Stäbe,  so  bleiben  im  allgemeinen,  wenn  nämlich  die  s  Gleichungen 
unabhängig  voneinander  sind,  2n  —  s  Koordinaten  frei.  Soll  aber  das 
ganze  starr  sein,  so  dürfen  nur  mehr  drei  Koordinaten  frei  bleiben; 
denn  die  Lage  eines  starren  ebenen  Gebildes  ist  bestimmt,  wenn  man 
einen  Punkt  desselben  festlegt  (zwei  Koordinaten)  und  etwa  noch  den 
Winkel  angibt,  den  ein  Strahl  der  Figur  mit  einer  festen  Richtung 
einschließt  (eine  dritte  Koordinate).  Also  genügte  es  gerade,  soviel 
Stäbe  s  zu  wählen,  daß 

2w  —  s  «  3,     d.  h. 
s«2w-3 

ist.     Da  man  aber  offenbar  die  kinematische  Bestimmtheit  nicht  da- 
durch aufhebt,  daß  man  überflüssige  Stäbe  hinzufügt,  so  folgt: 

Ein  ebenes  Fachwerk  ist  kinematisch  bestimmt  (stabil),  wenn  die 

Zahl  s  der  Stabe 

s^2w-3 

ist  und  wenn  unter  den  Gleichungen ,  welche  die  unveränderliche 
Länge  der  entsprechenden  Strecken  (Stäbe)  ausdrücken^  gerade  2n  — 3 
unabhängige  sind. 

Da  es  nicht  mehr  als  2n  —  3  geben  kann  (denn  mehr  als  starr 
kann  ein  System  nicht  sein),  so  wird  das  Erfülltsein  der  Unabhängig- 
keit von  gerade  2n  —  3  Gleichungen  auf  eine  Ungleichheit  hinauslaufen. 

Das  Problem  besteht  nun  darin,  bei  gegebenen  äußeren  Kräften 
die  s  Stabspannungen  zu  bestimmen.  Man  hat  dazu,  den  n  Knoten 
entsprechend,  2n  Gleichungen,  nämlich  für  jeden  Knoten  die  zwei 
Gleichungen,  welche  aussagen,  daß  die  Summe  der  Kräfte  für  jeden 
Knoten  verschwindet. 

Aber  aus  diesen  2n  Gleichungen  folgen  gerade  drei  und  nicht 
mehr  für  die  äußeren  Kräfte  selbst.  Denn  nach  dem  Erstarrungs- 
prinzip ist  das  Gleichgewicht  des  Ghinzen  garantiert,  wenn  das  Gleich- 
gewicht aller  Teile  gesichert  ist.  Das  Gleichgewicht  des  Ganzen 
bedeutet  aber  gerade  drei  Gleichungen  für  die  äußeren  Kräfte.  Es 
bleiben  also  für  die  s  inneren  Spannungen  gerade  2n  —  3  Gleichungen 
übrig. 

Sind  nun  die  2n  — -  3  Gleichungen  unabhängig  voneinander  und 
ist  gerade  s  =-  2n  —  3,  so  wird  man  die  Stabspannungen  aUe  be- 
rechnen können. 


264  VII.   Statik  der  Systeme.  Nr.  167. 

Man  nennt  das  System  dann  statisch  bestimmt  Ist  aber 
s>2n  —  d,  so  ist  eine  Berechnung  der  Stabspannungen  ohne  Zuhilfe- 
nahme der  Elastizitatstheorie,  d.  h.  mit  Aufrechterhaltung  der  Hypo- 
these  des  starren  Körpers  nicht  mögkch:  man  nennt  das  Fach  werk 
alsdann  statisch  unbestimmt 

Wir  wollen  uns  nun  im  folgenden  nur  mit  dem  statisch 
bestimmten  Fachwerk  beschäftigen,  das  zugleich  kine- 
matisch bestimmt  ist.     Es  muß  dann  genau 

sein.  Man  kann  zeigen ,  daß  die  Ungleichheitsbedingangen,  welche 
in  beiden  Fällen  hinzukommen,  identisch  sind,  daß  also  bei  s^2n  —  S 
ein  kinematisch  bestimmtes  zugleich  ein  statisch  bestimmtes  Fachwerk  ist, 
wenn  man  die  kinematische  Bestimmtheit  für  unendlich  kleine  Ver- 
Schulungen  fordert,  d.  h.  wenn  keine  unendlich  kleinen  Verschiebungen 
der  Knoten  möglich  sind,  welche  nur  Stablängenänderangen  zweiter 
Ordnung  erfordern.  Tut  man  das  nicht,  so  können  die  Spannungen 
eines  kinematisch  bestimmten  Fachwerks  in  Ausnahmefällen  unendlich 
oder  unbestimmt  werden. 

Ein  ganz  einfaches  Beispiel  soll  dies  zeigen:  Man  betrachte  das 
in    der    Figur    141    gezeichnete    Fachwerk    aus    5 »  7    Stäben    und 

n  »  5  Knoten,  so  daß  2n  —  $  »=  3  ist. 
.I(  Dieses  Fach  werk  ist  kinematisch  bestimmt. 
Denn  ÄDC  bilden  ein  starres  Dreieck; 
B  ist  durch  BÄ  und  BC  mit  ihm  starr 
verbunden.  E  aber  ebenfalls,  denn  die 
Kreise  um  B  mit  BE  als  Radius  und 
um  D  mit  DE  als  Radius  haben  nur  den 
einen  gemeinsamen  Punkt  E. 
PI   ui  ^^Z)  Wenn   jetzt   aber   in  E,  B,  D  drei 

parallele  zu  BEB  senkrechte  Kräfte  an- 
geben,  die  sich  am   Ganzen  das  Gleich- 
gewicht halten,  so  werden  die  Stabspannungen  in  EB  und  ED  un- 
endlich sein  müssen,  denn  endliche  Kräfte  in  EB  und  ED  können  k 
nicht  aufbeben. 

Im  Unendlichkleinen  ist  aber  auch  E  relativ  zur  anderen  Figur 
beweglich:  denn  verschiebt  man  E  senkrecht  zu  BD  um  ein  StQck  ds, 
so  werden  sich  BE  und  DE  nur  um  Größen  der  Ordnung  ds^  ändern,  ^ 
also  bei  Beibehaltung  von  Größen  nur  erster  Ordnung  ungeändert 
bleiben.  D.  h.  im  Unendlichkleinen  ist  die  Verschiebung  ds  senkrecht 
zu  BD  gestattet,  bei  sonst  ruhender  Figur,  im  Unendlichkleinen  ist 
die  Figur  nicht  starr. 

In  Wirklichkeit  wird  in  einem  solchem  Falle  die  Hypothese  des 
starren  Körpers  unzulässig:  E  wird  nachgeben,  die  Stäbe  BE  und  D  E 


Nr.  168.      §  34.  Einl.  in  d.  Theorie  d.  statisch  bestimmten,  ebenen  Fachwerke.    265 


werden  sich  etwas  ansdehnen  unter  der  Einwirkung  einer  sehr  großen^ 
aber  immerhin  endlichen  Spannung.  Denn  sowie  der  Winkel  BED 
auch  nur  ein  wenig  von  einem  Rechten  abweicht,  wird  ky  nach  EB 
und  ED  zerlegt,  endliche  Komponenten  haben. 

168.  Dreiecksfaohwerke.  Unter  den  statisch  bestimmten 
Fachwerken  zeichnen  sich  durch  ihre  leichte  Behandlungsweise  wieder 
die  sogenannten  einfachen  Fachwerke  aus,  wie  Föppl  sie  nennt, 

2 


Flg.  US. 

d.  h.  solche  Fachwerke,  die  dadurch  entstehen,  daß  man  an  ein  Dreieck 
als  Grundfigur  einen  vierten  Knoten  durch  zwei  Stäbe  anschließt  und 
so  weiter  immer  einen  neuen  Knoten  an  schon  zwei  Yorhandene 
Knoten  durch  zwei  Stäbe  angliedert.  Ein  solches  Fachwerk  kann 
man  von  rückwärts  durch  sukzessive  Wegnahme  von  zwei  Stäben 
abbauen,  d.  h.  auf  ein  Dreieck  zurückführen. 

Zu  diesen  Fach  werken  ge- 
hören als  wiederum  besonders 
einfach  die  sogenannten  Drei- 
ecksfachwerke,  bei  denen  der 
Anschluß  eines  neuen  Knotens 
immer  an  die  beiden  voran- 
gehenden Knoten  geschieht,  so 
daß  das  Ganze  aus  aneinander 
anschließenden  Dreiecken  be- 
steht. Die  typische  Figur  ist  142. 

Diese  Dreiecksfach  werke  werden  stets  von  einem  geschlossenen  Poly- 
gon gebildet,  das  dann  durch  einen  Streckenzug,  welcher  keinen  Knoten 
mehr  als  einmal  passiert,  in  Dreiecke  zerlegt  wird.     Siehe  z.  B.  die 


Fig.  14S. 


Flg.  144. 


Figur  142:  1,  2,  3,  . .  .,8  ist  der  geschlossene  Polygonzug,  2,  8,  3,  7, 
4,  6  der  einfache  Streckenzug.  Dieses  Dreiecksfachwerk  kann  von  1 
oder  von  5  aus  abgebaut  werden. 


266  ^11-  Statik  der  Systeme.  Nr.  169. 

Man  nennt  wohl  auch  die  beiden  Polygonhälften  1,  2,  S,  4,  5 
den  Obergurt^  1;  8,  7,  6,  5  den  Untergurt,  die  anderen  Stöbe  die 
Diagonalen. 

Auch  der  einfache  Polonceauträger  oder  Wiegmannbinder 

(Fig.  143)   gehört  hierher; 

A  dagegen    nicht    mehr    der 
Mohni^träger  (Parallel- 
träger)  (Fig.  144),  der  aber 
wohl    noch    ein    einfaches 
Fachwerk  darstellt. 
Der  zusammengesetzte 
Polonceauträger    (Fig. 
145)  ist  kein  einfaches  Fach- 
werk mehr,  kann  aber  als 
aus    zwei   einfachen   Fach- 
^  werken  ABC  und  DEC  be- 
Yig.u5.  stehend  betrachtet  werden, 

welche  durch  den  Knoten  C 
und  den  Stab  BD  miteinander  verknüpft  sind. 

169.  Die  Bittersche  Sohnlttmetfaode.  Ein  Fachwerk  dient, 
wie  schon  gesagt,  als  Träger.  Es  muß  also  noch  irgendwie  auf- 
gestützt sein.  Es  genügt  dazu,  daß  ein  Knotenpunkt  durch  ein 
Zapfenlager  fest  mit  der  Erde  yerbunden  ist,  ein  zweiter  sich  auf 
eine  Fläche  aufstützt.  Man  kann  dann  zunächst  aus  den  sonstigen 
äußeren  Kräften  (den  Lasten,  Winddruck  usw.)  diese  Stützreaktionen 
nach  irgendeiner  Methode  bestimmen:  es  handelt  sich  ja  um  keine 
andere  Aufgabe  als  die,  am  starren  Körper  ein  ebenes  Kräftesystem 
in  zwei  Kräfte  zu  zerlegen;  von  einer  Kraft  ist  der  Angriffspunkt 
(das  feste  Lager),  von  der  anderen  die  Angriffsgerade  (normal  zur 
Lagerfläche)  gegeben.  Diese  Aufgabe  ist  nach  verschiedenen  Methoden 
gelöst  worden  (siehe  Nr.  122). 

Wir  sehen  also  im  folgenden  alle  äußeren  Kräfte  als  bekannt 
an  und  die  Gleichgewichtsbedingungen  des  ganzen  Fachwerks  als  erfüllt. 

Eine  in  sehr  vielen  Fällen  bequem  anwendbare  Methode,  die 
Stabspannungen  zu  finden,  hat  A.  Ritter  gegeben: 

Angenommen,  man  kann  einen  Schnitt  durch  das  Fachwerk 
legen,  welcher  gerade  drei  Stäbe  trifft,  die  nicht  durch  einen  Punkt 
gehen.  Nach  dem  Schnittprinzip  ist  jetzt  der  abgeschnittene  Teil  im 
Gleichgewicht,  wenn  man  die  Schnittreaktionen,  d.  h.  die  drei  Spannungen 
S^f  S^y  S^  mit  iil  Rechnung  zieht.  Stellt  man  also  die  drei  Gleich- 
gewichtsbedingungen auf,  so  wird  man  drei  Gleichungen  mit  drei 
Unbekannten  erhalten,  die  man  auflösen  kann. 

Man  wird  nun  am  besten  so  verfahren: 

Will  ich  S^  im  Stabe  (1)  berechnen  und  schneiden  sich  5,  und 


Nr.  170.      §  34.  Einl.  in  d.  Theorie  d.  statisch  beatimmten,  ebenen  Fachwerke.     267 


S^  in  Ol,  so  werde  ich  0^  zum  Momentenpunkt  wählen.    Hat  S^  den 
Abstand  h^  von  0^,  die  äußere  Kraft  i  den  Abstand  a,  so  mnß  sein 


also 


Sj  =  =F  ^  2;  ±  aÄ. 


h^  und  die  Abstände  a  entnimmt  man  aus  der  Figur.    Die  Voi'zeichen 
bestimmen  sich  aus  dem  Sinn  der 
Momente.    Natürlich  sind  nur  die  k 
zu   nehmen,   welche  an  dem  abge- 
schnittenen Teü  angreifen. 

Sollten  ^2  und  S^  parallel 


sein,  so  setzt  man  die  Summe  der 


Fig.  U6. 


0, 


8ina        y 


Kräfte  senkrecht  zu  der  gemein- 
samen Richtung  von  S^  und  S^ 
gleich  Null.  Büdet  S^  den  Winkel  a 
mit  dieser  Richtung,  während  die 
Kräfte  Tc  die  Komponenten  h^  senk- 
recht zu  der  Richtung  von  S^  und 
5,  haben,  so  ist 

5i  sin«  +  2hy 
woraus  sich  sofort 

ergibt. 

Nach  diesem  Ritterschen  Schnittverfahren  können  die  Beispiele 
der  Figuren  142,  143,  144,  145  alle  behandelt  werden,  wie  überhaupt 
alle  Dreiecksfachwerke.  Bei  dem  Mohnieträger  muß  nur  für  den 
mittleren  senkrechten  Stab  ein  besonderes  Verfahren  eingeschlagen 
werden.  Bei  dem  zusammengesetzten  Polonceauträger  kann  man  nach 
dem  Ritterschen  Verfahren  leicht 
die  Spannung  im  Stabe  BD  finden. 

Aufgabe  89:  Für  den  einfachen 
Polonceauträger  berechne  man  die  Span-  ._ 
nungen  in  den  Stäben  1,2,3  im  Falle  der 
gezeichneten  Belastung.  Es  sei  |7  =  100  kg, 
^  a=  50  kg,  a  =  3  m,  h  (die  ganze  Spann- 
weite) 8  m,  der  Winkel  ß  der  Kraft  q 
gegen  den  Horizont  10^.  A  sei  ein  fester 
Punkt,  B  horizontal  aufgestützt.  (Fig.  147.) 

170.  Die  Methode  des  KrUteplans  besteht  darin,  daß  man 
für  jeden  Knoten  die  Gleichgewicbtsbedingung  einfach  dadurch  zum 
Ausdruck  bringt,  daß  man  aus  den  an  dem  Knoten  angreifenden 
äußeren  und  inneren  Kräften  ein  geschlossenes  Polygon  zeichnet. 


Flg.  147. 


268 


YII.  Statik  der  Systeme. 


Nr.  170. 


Bei  dem  einfachen  Fachwerk  führt  nun  diese  Methode  immer 
zum  Ziel. 

Man  fängt  bei  dem  letzten  Knotenpunkte  (n)  an,  der  durch  zwei 
Stabe  mit  den  anderen  verbunden  ist.  Man  zeichnet  die  äußere  Kraft  k^ 
und  ergänzt  sie  zu  einem  Dreieck,  indem  man  durch  die  Endpunkte 
Yon  k^  Parallele  zu  den  beiden  Stäben  zieht.  Denn  die  Stab- 
Spannungen  haben  ja  die  Richtung  der  Stäbe.  Man  hat  so  schon 
diese  beiden  Stabspannungen  gefunden  und  zwar  mit  einem  Sinn  — 
so  wie  sie  auf  den  Ejioten  (n)  wirken  — ,  weun  man  nur  bedenkt, 
daß  das  Kräftedreieck,  im  Sinne  der  Kräfte  umlaufen,  geschlossen  sein  muß. 


Nun  geht  man  zum  nächsten  Knotenpunkt  (n  —  1)  über;  er  wird 
durch  zwei  neue  Stäbe  (3  und  4)  an  das  Fachwerk  angeschlossen 
sein.  Außerdem  kann  einer  von  den  Stäben  1,  2,  deren  Spannungen 
man  schon  kennt,  dort  münden.  (In  unserer  Figur  148  ist  es  so, 
nämlich  Stab  1  endet  in  (n  —  1)).  Man  zeichnet  sich  nun  k^^i  und 
die  Spannung  von  (1)  zu  einem  Kräftezug  zusammen  (aber  (1)  mit 
umgekehrtem  Pfeil,  da  die  Wirkung  auf  den  Knoten  (w  —  1)  die  ent- 
gegengesetzte ist  wie  die  auf  den  Knoten  (n))  und  ergänzt  nun  diesen 
Zug  zu  einem  Viereck,  indem  man  zu  den  Stäben  (3)  und  (4)  Parallele 
zieht.  Damit  sind  die  Spannungen  in  diesen  Stäben  inklusive  Sinn 
gefunden. 

So  fährt  man  fort.  Das  Verfahren  führt  zum  Ziel.  Man  nennt 
die  Gresamtheit   der  E[ra{iecke   den  Ejräfteplan.     In   manchen  Fällen 


Nr.  171.      §  34.  Einl.  in  d.  Theorie  d.  statisch  bestimmten,  ebenen  Fachwerke.    269 

wird  man  zweckmäßigerweise  die  Bittersche  Methode  mit  der  Methode 
des  Kräfbeplans  verbinden:  Beim  zusammengesetzten  Polonceau- 
träger  z.  B.  (siehe  Fig.  145)  wird  man  zuerst  nach  der  Ritterschen 
Methode  die  Spannung  im  Stabe  BD  berechnen.  Dann  betrachtet 
man  allein  den  Teil  DECf  der  ein  einfaches  Fachwerk  ist  und  für 
den  jetzt  die  Spannung  in  BD  als  äußere  Kraft  angesehen  werden 
muß,  und  behandelt  ihn  nach  der  Methode  des  Kräfbeplans. 

171.  Der  OremonaBche  Krftfteplan.  In  dem  vorhergehenden 
Beispiel  hätten  wir  das  doppelte  Ziehen  der  Kxaft  (1)^  die  dem 
Stabe  (1)  entspricht,  ersparen  können.  Denn  man  kann  ersichtlich 
die  beiden  Kraftecke  für  (n)  und  (n  —  1)  zusammenschieben,  so  daß 
die  beiden  Spannungen  (1)  sich  decken.  Und  zwar  erkennt  man,  daß 
dann  die  äußeren  Kräfte  h^  und  k^_^  an  einer  Ecke  mit  fortlaufendem 
Pfeilsinn  zusammenstoßen. 

Betrachten  wir  auch  noch  das  E^rafteck,  das  zum  dritten  Knoten 
(n  —  2)  gehört.  Man  kann  es  jedenfalls 
so  parallel  an  das  Krafteck  für  (n)  heran- 
schieben,  daß  die  beiden  Kräfte  des  Stabes  (2) 
sich  decken.  Da  man  die  Reihenfolge  der 
Kräfte  frei  hat,  so  kann  man  es  weiter  er-  Ü' 
reichen,  daß  k„_^  mit  Jc^  in  einer  Ecke  zu- 
sammenstößt, nämlich  in  der  Ecke,  wo  (2) 
dies  tut.  Man  braucht  nur  in  dem  Krafteck 
für    (n  —  2)   die   Kraft   ifc„   «   an   die   ent-  „,    ,,„^ 

^  ^  n  — I  Fig.  148  b. 

sprechende  Ecke  Yon  (2)  zu  setzen. 

Nun  kommt  noch  die  Stabspannung  (4)  doppelt  vor,  nämlich  in 
(n  —  1)  und  (w  —  2).  Man  kann  aber  durch  geeignete  Ordnung  von 
(3)  und  (4)  im  Krafteck  (n—  1)  erreichen,  daß  auch  die  beiden 
Spannungen  (4)  sich  beim  Zusammenrücken  decken.  Das  ist  mög- 
lich, wenn  (4)  in  dem  Eck  (n  —  1)  und  dem  Eck  (n  —  2)  so  ein- 
geordnet wird,  daß  es  an  zwei  schon  gezeichnete  Kräfte  angrenzt,  die 
beim  Zusammenschieben  in  einer  Ecke  zusammenstoßen,  und  zwar  in 
einer  Ecke,  die  für  (n  —  1)  noch  frei  ist.  Man  sieht,  daß  das  nur  die 
Ecke  sein  kann,  wo  (1)  und  (2)  zusammenstoßen. 

Man  hat  also  so  zu  zeichnen,  daß  (1),  (2),  (4)  durch  einen  Punkt 
hindurchgehen,  d.  h.  die  Spannungen  derjenigen  Stäbe,  die  ein  Dreieck 
bilden. 

Das  ist  die  allgemeine  Kegel,  wenn  man  einen  Kräfteplan  zeichnen 
will,  in  dem  keine  Stabspannung  doppelt  vorkommt,  daß  man  dafür 
Sorge  trägt:  daß  im  Plan  die  Spannungen  derjenigen  Stäbe  durch 
einen  Punkt  gehen,  welche  im  Fachwerk  ein  geschlossenes  Dreieck 
bilden. 

Es  ist  nach  dieser  Regel  kein  Zweifel  mehr,  wie  man  nach  k^^f, 
(2)  und  (4)  jetzt  (5)  und  (6)  zu  zeichnen  hat.    Es  bilden  die  Stäbe  (3), 


270  VII.  Statik  der  Systeme.  Nr.  172. 

(4),  (5)  ein  Dreieck,  also  hat  man  (5)  parallel  durch  die  Ecke  za 
ziehen;  in  der  (3)  und  (4)  zusammenstoßen.  (6)  versteht  sich  dann 
von  selber. 

Man  nennt  nun  einen  Eraffceplan,  bei  dem  keine  Kraft,  weder 
eine  äußere  noch  eine  innere,  doppelt  gezeichnet  zu  werden  braucht, 
einen  Cremonaschen  Eräfteplan.  Es  gibt  keineswegs  für  jedes 
Fachwerk  einen  Cremonaschen  Kräfteplau. 

Wir  wollen  nur  allgemein  zeigen,  daß  es  einen  solchen  Gremona- 
plan  für  Dreiecksfach  werke  gibt  und  die  Regeln  kennen  lernen,  ihn 
zu  zeichnen. 

172.  Fortsetmng.  Wir  wollen  den  folgenden  Satz  beweisen: 
Zu  einem  Dreiecksfachwerk  kann  man  einen  Eräfteplan  so  zeichnen, 

1.  daß  jeder  inneren  und  äußeren  Kraft  des  Fachwerks  eine 
Parallele  im  KriLfteplan  entspricht, 

2.  daß  Kräfte,  welche  im  Fachwerk  durch  einen  Knotenpunkt 
gehen,  im  Kräfteplan  ein  geschlossenes  Polygon  bilden, 

3.  daß  die  Spannungen  der  Stäbe,  welche  im  Fachwerk  ein 
Dreieck  bilden,  im  Kräfteplan  durch  einen  Punkt  gehen, 

4.  daß  die  äußeren  Krafte  des  Fachwerks  im  Kräfteplan  für  sich 
ein  Polygon  bilden  und  zwar  in  der  Reihenfolge,  wie  sie  in  der 
Gurtung  aufeinander  folgen, 

5.  daß  die  beiden  äußeren  Kräfte  von  je  zwei  durch  einen 
Gurtungsstab  verbundenen  Knoten  mit  der  Spannung  dieses  Gurtungs- 
stabes im  Kräfteplan  durch  einen  Punkt  hindurchgehen. 

Durch  die  Betrachtungen  der  vorangehenden  Nummer  kann  der 
Satz  für  die  drei  letzten  Knoten  als  erwiesen  gelten.  Was  speziell 
Behauptung  4.  angeht,  so  sehen  wir,  daß  tatsächlich  k^^^,  k^y  k^_^  auf- 
einander folgen,  und  was  5.  angeht,  so  gingen  wirklich  k^,  2  und 
K^i}  sowie  i^,  1  und  k„_i  durch  einen  Punkt  hindurch. 

Wir  beweisen  den  Satz  durch  den  Schluß  von  {v  +  1)  auf  (t/); 
d.  h.  wir  nehmen  an,  daß  er  für  die  Knoten  (n)  . .  .{v  +  1)  und  alle 
Stäbe  und  Dreiecke,  welche  auf  den  (v)^^  Knoten  folgen,  richtig  sei. 
Und  beweisen  ihn  jetzt  für  den  v^^  Knoten. 

Dieser  Knoten  sei  durch  den  Stab  A'  mit  dem  (v  +  1)^^  Knoten, 
durch  den  Stab  A  mit  dem  (y  +  2)^  Knoten  verbunden.  X  wird  ein 
Gurtungsstab,  X'  ein  Diagonalstab  sein.  Denn  beim  Abbauen  des 
Dreiecksfachwerks  folgen  die  Knoten  dem  Diagonalzug,  springen  also 
von  dem  einen  Gurt  zu  dem  andern. 

Durch  die  Stäbe  x  und  x  sei  der  v^  Knoten  mit  den  Ejioten 
(f/  —  1)  und  (v  —  2)  verbunden:  x'  wird  ein  Diagonalstab,  x  ein 
Gurtungsstab  sein. 

Zu  zeigen  ist,  daß  man  parallel  zu  ä;,,  X,  A',  x,  x  ein  Polygon 
zeichnen  kann,  so  daß  1.  k^j  A,  k^^^  durch  eine  Ecke  gehen,  2.  A',  x' 
und  6  durch  eine  Ecke   gehen,   wo  6  den  Stab   bedeutet,    der   den 


Nr.  178.      §  34.  Einl.  in  d.  Theorie  d.  statisch  bestimmten,  ebenen  Fachwerke.    271 

(y  +  !)*•"  Knoten  mit  dem  (v  —  1)*^  verbindet,  daß  3,  k^  und  x  durcli 
eine  Ecke  gehen  und  4.  desgleichen  x  und  x';  5.  endlich  müssen  k^ 
und  Jby^2  mit  fortlaufendem  Pfeilsinn  aneinander  stoßen.     \'orhanden 


Flg.  149. 


sind  schon  A,  A'  und  6y  und  zwar  gehen^  da  der  Satz  für  alle  auf  (i/) 
folgenden  Knoten  richtig  sein  sollte, 

kj  k'  durch  eine  Ecke, 

A,  Är^^2  durch  eine  Ecke, 

tf,  k^^x  durch  eine  Ecke, 

6,  a  durch  eine  Ecke. 

Man  kann  nun  sofort  1.  und  5.  dadurch  erfüllen,  daß  man  k^  in 

die  Ecke  k^^^  mit  X  münden  läßt,  so  daß  k^  und  k^^^  fortlaufenden 

Pfeilsinn  haben.     Um  2.  zu  erfüllen,  hat  man  durch  die  Ecke  von  6 

mit  X'  eine  Parallele  zu  x    zu  ziehen.     Bedingung  3  be&iedigt  man 

dadurch,  daß  man  durch  das  freie  Ende  Ton  k^  eine  Parallele  zu  x 

zieht  und  diese  mit  der  zu  x'  schneidet,  wodurch  auch  4.  erreicht  ist 

Tatsächlich  bilden  jetzt  auch,  wenn  man  x  und  tc  einen  geeigneten 

Sinn  gibt,  k^j  A,  A',  x,  x  ein  geschlossenes  Polygon  mit  durchgehendem 

Pfeilsinn. 

Der  Beweis  des  Satzes  ist  damit  erbracht. 

Der  Leser  wird  den  Beweis  am  besten  yerstehen,  wenn  er  selbst  den  Cre- 
monaplan  für  ein  beliebiges  Dreiecksfachwerk  durchkonstruiert.  Da  alle  Drei- 
ecksfachwerke vom  selben  Typus  sind,  ist  der  empirische  Beweis  an  einem  Bei- 
spiel für  alle  zwingend. 

173.  Besiproke  Flgnren.  Zeichnet  man  in  ein  Dreiecksfach- 
werk noch  das  Seilpolygon  ein,  wobei  die  äußeren  Kräfte  in  der 
Reihenfolge  zu  nehmen  sind,  wie  man  auf  sie  beim  Umfahren  des 
Gurtes  stößt,  und  nimmt  man  zu  den  Dreiecken  des  Fachwerks  das 
Seilpolygon  und  noch  die  Vierecke  hinzu,  welche  aus  zwei  benach- 
barten äußeren  Ejräften,  dem  zugehörigen  Seilstrahl  und  dem  zu- 
gehörigen  Gurtstab    gebildet    werden,    ergänzt    man   schließlich   den 


272  Vn.   Statik  der  Systeme.  Nr.  178. 

Kräfbeplan  durch  den  Pol  und  die  Polstrahlen,  so  läßt  sich  der  Satz 
der  Yorherp^ehenden  Nummer  so  aussprechen: 

Zu  jedem  Dreiecksfachwerk  gibt  es  einen  Erafteplan^  so  daß 

1.  den  Linien  der  Fachwerksfigur  parallele  Linien  des  Erafteplans 
ein-eindeutig  entsprechen, 

2.  den  Polygonen  der  einen  Figur  Eckpunkte  der  andern. 

Man  nennt  nun  Figuren,  welche  diese  beiden  Eigenschaften  haben, 
reziproke  Figuren.  Ihre  erste  Theorie  und  Anwendung  auf  das 
Fach  werk  stammt  Ton  Maxwell. 

Maxwell  zeigte  auch,  daß  alle  Fachwerke,  welche  sich  als  ortho- 
gonale Projektionen  eines  Eulerschen  Polyeders  auffassen  lassen,  einen 
reziproken  Kräfteplan  haben.  Der  Beweis  dieses  Satzes,  den  Cremona 
unter  Benutzung  des  Nullsystems  (siehe  §  27)  gab,  ist  äußerst  einfach: 

Man  wähle  nach  Belieben  ein  Nullsystem,  dessen  Achse  auf  der 
Ebene  des  Fachwerks  senkrecht  stehe.  Dem  Polyeder,  dessen  Pro- 
jektion unser  Fachwerk  ist,  wird  wieder  eindeutig  ein  Polyeder  zu- 
geordnet, indem  man  jeder  Ebene  des  ersteren  ihren  Nullpunkt,  jedem 
Eckpunkt  des  ersteren  seine  Nullebene  zuordnet.  Betrachtet  man 
aber  den  Schnitt  g  zweier  Ebenen  und  die  Yerbindungsgerade  g'  ihrer 
Nullpunkte,  so  sind  diese  beiden  Geraden  nach  den  Sätzen  des  §  27 
einander  konjugiert. 

Es  wird  also  durch  das  Nullsystem  dem  einen  Polyeder  ein 
anderes  so  zugeordnet,  daß  entsprechende  Kanten  einander  konjugiert 
sind  und  dabei  den  Ecken  des  einen  die  Flächen  des  anderen  ent- 
sprechen. Projiziert  man  nun  aber  ein  Nullsystem  parallel  zu  seiner 
Achse  (der  Zentralachse)  orthogonal  auf  eine  Ebene,  so  gehen  kon- 
jugierte Gerade  in  parallele  über,  wie  unmittelbar  daraus  folgt,  daß 
konjugierte  Gerade  mit  der  Zentralachse  eine  gemeinsame  Normale 
haben. 

Tatsächlich  gehen  also  die  beiden  durch  das  Nullsystem  einander 
zugeordneten  Polyeder  in  reziproke  Figuren  über:  nach  Voraussetzung 
ist  die  eine  unser  Fachwerk  mitsamt  den  äußeren  Kräften  und  einem 
Seileck;  die  andere  muß  dann  yon  selbst  der  Kräfteplan  sein,  da  die 
beiden  hinreichenden  Bedingungen  erfüllt  sind: 

1.  Die  Linien  des  Kräftesystems  sind  den  Linien  des  Fachwerks 
parallel. 

2.  Linien,  welche  im  Fachwerk  durch  einen  Punkt  gehen,  bilden 
im  Kräfteplan  ein  geschlossenes  Polygon  (notwendige  und  hinreichende 
Gleichgewichtsbediugung). 

Allerdings  ist  damit  zunächst  nur  gezeigt,  daß  es  bei  noch  offen 
gelassenen  äußeren  Kräften  einen  reziproken  Kräfbeplan  gibt. 

Der  Satz  bleibt  aber  auch  richtig,  wenn  die  äußeren  Kniffe  fest 
gegeben  sind. 


Nr.l74.      §34.  Einl.  in  d.  Theorie  d.  statisch  besti^uDten,  ebenen  Fachwerke.     273 

Um  das  einzusehen^  denke  man  sieh  zunächst  irgendeinen  Eräfte- 
plan  gezeichnet,  so  wie  ihn  irgendeine  Auffassung  der  Fachwerksfigur 
als  Projektion  eines  Polyeders  ergibt. 

Nun  zeichne  man  für  jeden  Knoten  das  Eräftepolygon  den  wirk- 
lichen äußeren  Kräften  entsprechend:  dabei  ordne  man  die  Ejräfte 
genau  so  wie  in  dem  ersten  Plan.  Dann  werden  lauter  Polygone 
entstehen,  deren  Seiten  denen  der  ersten  Polygone  parallel  und  gleich- 
geordnet sind. 

Daraus  also  folgt,  daB  sich  die  neuen  Polygone  genau  so  zu- 
sammenschieben lassen  müssen  wie  die  alten,  d.  h.  daß  ein  Maxwell- 
scher Kräfteplan  entsteht. 

Nwht  alle  Fachwerke  sind  MaxiveüscJie  Fa^chwerle,  d.  h.  solche,  mi 
denen  ein  reziprolcer  Kräfteplan  existiert:  wohl  hat  F.  Schur  den 
Satz  bewiesen,  daß  es  nach  Einführung  gewisser  idealer  Stäbe  und 
idealer  Knoten  immer  möglich  ist,  einen  reziproken  Kräfteplan  zu 
zeichnen.      Darauf  können   wir  hier  nicht  näher  eingehen.      Ebenso 

müssen   wir   die  Methoden   von   Mohr  und   Müller-Breslau  unbe- 

« 

sprochen  lassen,  desgleichen  die  Theorie  der  räumlichen  Fachwerke, 
die  der  statisch  unbestimmten  Fachwerke,  sowie  die  Theorie 
der  Nebenspannungen.     Dagegen  behandeln  wir  noch 

174.  Die  Methode  der  Stabvertanschung  nach  Henne- 
berg.  Angenommen,  man  könne  ein  statisch  bestimmtes  Fach  werk 
dadurch  auf  ein  anderes  zurückführen,  für  welches  man  irgendwie  die 
Spannungen  bestimmen  kann,  daß  man  einen  Stab  (a)  durch  einen 
anderen  {h)  ersetzt.   Dann  kommt  man  durch  folgende  Schritte  zum  Ziel: 

1.  Man  nehme  die  Vertauschung  vor  und  bestimme  die  Span- 
nungen aus  den  gegebenen  äußeren  Kräften:  o  in  (a),  B^  in  (6),  S>  in 
den  anderen  Stäben.     (Zug  etwa  positiv,  Druck  negativ  gerechnet.) 

2.  Man  lasse  alle  äußeren  Kräfte  &  fort,  dafür  aber  willkürlich  in  der 
Linie  von  (a)  auf  beide  Knoten  den  Zug  1  als  äußere  Kraft  wirken 
und  bestimme  abermals  die  Spannungen:  1  in  (a);  S'  in  (i);  S"  in 
den  anderen  Stäben. 

3.  Da  die  Gleichgewichtsbedingungen  lauter  lineare  Gleichungen 
in  den  Spannungen  sind,  so  bilden  bei  willkürlichem  X  die  S' -f  AS" 
ein  Spannungssystem,  das  ebenfalls  zu  den  äußeren  Kräften  h  gehört, 
wobei  in  (a)  die  Spannung  Z,  in  (6)  die  Spannung  B"  +  IB"  herrscht. 

4.  Man  bestimme  endlich  X  so,  daß  in  dem  Zusatzstab  (6)  keine 

TD' 

Spannung  herrscht,  also  H -\-  XB*  =0,  d.  h.  ^  "^  —  ^*  ist.    Dieses  X 

ist  dann  die  wahre  Spannung  in  (a),  sowie  die  S*  -{-  XS'  die  wahren 
Spannungen  in  den  anderen  Stäben  sind. 

174a.  Literatur.  Einen  Überblick  findet  man  in  dem  Artikel 
von  Henne b er g:  „Die  graphische  Statik  der  starren  Körper."  Enzykl. 
Bd.  IV,  Art.  5. 

Hftmel:  Elementare  Muchsnlk.  18 


274  Vn«  Statik  der  Systeme.  Nr.  176. 

Die  hauptsäcUichsten  Publikationen  seien  genannt: 

J.  G.  Maxwell:  Abhandlangen  (1869   bis   1876)   in  den  ^^Scientific 

Papers"  (Cambridge  1890). 

Cremona:   ,yLe  Agare  reciproche  nella  statica  g^fica.^'     1872.     Mit- 
Zusätzen  unter  dem  Titel  ^es  figures  r^eiproques  de  statique  gra- 
phique".     1885. 

Föppl:  „Theorie  des  Fachwerks"  und  „Das  Fachwerk  im  Räume".  1892. 

0.  Mohr:  Verschiedene  Publikationen  (1874  bis  1887),  zusammen- 
gestellt in  den  „Gesammelten  Abhandlungen". 

A  Ritter:  „Elementare  Theorie  und  Berechnung  eiserner  Dach-  und 
Brückenkonstruktionen."     1 863. 

Müller-Breslau:  yfiie  neueren  Methoden  der  Festigkeitslehre  und 
der  Statik  der  Baukonstruktionen"  1886.  ,^eitrag  zur  Theorie  des 
i^umlichen  Fachwerks"  im  Zentralblatt  der  Bauyerwaltung  12  (1892). 

F.  Schur:  „Über  ebene  einfache  Fachwerke."  Math.  Annalen  48  (1897). 
„Über  die  reziproken  Figuren  der  graphischen  Statik."  Ztschr.  f. 
Math.  u.  Physik,  Bd.  40  (1895). 

Wieghardt:  Diss.,  Göttingen  1903  („Schlaffe  Diagonalen").  Auszug 
im  Zentralbl.  d.  Bauverw.  1903.  Weitere  Arbeiten  (über  hochgradig 
statisch  unbest.  Fachwerke)  in  den  Mitt.  d.  Ver.  z.  Ref.  d.  Gewerbfl. 
1906  und  Z.  f  Math.  u.  Phys.,  Bd.  53  (1906). 

Die  Theorie  der  Nebenspannungen  wurde  Yon  Engesser  (Z.  f. 
Baukunde  1879,  Z.  d.y.  d.  Ing.  1888),  von  Manderla  (Allg.  Bauzeitung 
1880  und  1886),  sowie  von  Mohr  (Ziv.-Ing.  1892,  1893)  begründet. 

Von  Lehrbüchern  seien  genannt: 
A.  Föppl:  „Vorlesungen  über  technische  Mechanik",  Bd.  IL 
Henneberg:  „Statik  der  starren  Systeme." 

Müller- Breslau:  „Die  graphische  Statik  der  Baukonstruktionen." 
Schlink:  „Statik  der  Raumfachwerke." 

§  36.    Elemente  der  Gewolbetheorie. 

176.  Oleiohgewicht  eines  Keilsystems.  Stellen  wir  uns 
Tor,  daß  wir  eine  Reihe  prismatischer  starrer  Körper  haben,  die.  so 
geordnet  sind,  daß  der  n^  den  (n  —  1)**°  und  (n  +  1)*®°  in  je  einer 
ebenen  Fläche  berührt.  Der  Einfachheit  halber  nehmen  wir  an,  daß 
die  Fugen  (Berührungsflächen)  alle  auf  einer  Ebene  senkrecht  stehen 
und  daß  sich  die  für  das  ganze  System  äußeren  Kräfte  auf  Krafte  in 
derselben  Ebene  reduzieren  lassen,  so  daß  wir  ein  ebenes  Problem 
vor  uns  haben. 

Das  Ganze  sei  an  beiden  Enden  durch  feste  Unterlagen  gestützt: 
zwischen  den  starren  Körpern  untereinander  und  zwischen  ihnen  und 
den  Unterlagen  seien  nur  Normaldruck  und  Reibung  wirksam. 


Nr.  176. 


§  86.   Elemente  der  G^ewölbetheorie. 


275 


Dann  haben  wir  ein  Eeilsystem  Tor  uns,  das  als  Modell  eines 
Tonnengewölbes  aus  Hausteinen  gelten  kann.  Von  Mörtel  ist  ab- 
gesehen^  man  könnte  ihn  aber  sehr  leicht  berücksichtigen  durch  An- 
nahme eines  großem  Reibungskoeffizienten.  Denn  auf  Zug  laBt  man 
Mörtel  in  der  Praxis  wohl  nie  beanspruchen. 

Die  Körper  seien  mit  1  . . .  n  bezeichnet^  die  Fugen  mit  0  bis  n, 
die  Resultierende  der  auf  den  i^^  Körper  wirkenden  äußeren  Kräfte 
mit  Ausnahme  der  zwischen  den  Körpern  wirksamen  Druck-  und  Rei- 
bungskräfte sei  £y.  (Eingerechnet  also  Eigengewicht,  Belastung, 
Winddruck  usw.) 

Setzen  wir  nun  an  jeder  Fuge  (v)  Normaldruck  und  Reibung, 
welche  vom  (i/  —  1)  ^  auf  den  (v)  **'^  Körper  ausgeübt  werden,  zu 
einer  Resultierenden  D^  zusammen,  so  steht  der  v^  Körper  unter  Ein- 
wirkung dreier  Ej^fte:  D^,  k^  und  —  D^^^.  Es  müssen  also  diese 
drei  Kräfte  durch  einen  Punkt  S^  gehen. 


Des  weiteren  aber  müssen  sie  nach  Richtung  und  Größe  anein- 
ander gereiht  ein  geschlossenes  Dreieck  geben.  Man  erkennt  daraus 
sofort:  Fängt  man  an,  diese  beiden  Bedingungen  vom  ersten  Körper 
an  bis  zum  letzten  der  Reihe  nach  zu  erfüllen,  so  erhält  man  einen 
gebrochenen  Polygonzug  S^S^ . , .  S^  mit  den  Ecken  auf  den  Angriffs- 
geraden der  Kräfte,  während  im  Krafteck  Kq  . , .  K^  alle  Kräfte  D 
von. einem  Punkte  P  ausgehen.  Dabei  sind  die  D,  d.  h.  die  Strecken 
PK  den  Strecken  des  Polygons  S^  , . .  8^  parallel. 

Die  Beziehung  beider  Figuren  zueinander  ist  also  genau  die  eines 
Seilecks  zu  einem  Poleck. 

Außer  den  bisherigen  Bedingungen  sind  aber  noch  zwei  Reihen 
Yon  Ungleichheiten  zu  erfüllen:  1.  Die  Normaldrucke  zwischen  den 
einzelnen  Körpern  müssen  Drucke  im  e^entlichen  Sinne  sein.  Dar- 
aus folgt:  a)  jDy  muß  an  der  v^*^  Fuge  vom  {v  —  l)*''*  auf  den  v*^^ 
Körper   zugerichtet   sein,     b)   Der  Angriffspunkt  A^   von  D^  in   der 

Fuge  muß  innerhalb  der  Fuge,  d.  h.  innerhalb  der  wirklichen  Be- 

18^ 


V 


tan 


276  VIL   BUtik  der  Sjrteme.  Nr.  176. 

rfihrungvfläche  der  be^en  Körper  Hegen  (siehe  dem  Ssfcz  fiber  parallele 
Kräfte,  Nr.  135).  2.  Es  dfirfen  die  Dmekkiafte  D  Ton  den  Nonnalen 
der  Fugen  höchstens  um  den  Reibnngswinkel  q>  abweichen. 

Diese  Bedingungen  sind  nnn  auch  hinreichend,  sofern  die  Hypo- 
these der  starren  Körper  znlässig  ist. 
Wir  können  also  zosammenfassen: 

Damit  das  in  Bede  stdtende  Keilsyfiem  (GetcStbe)  im  Gleid^ 
gewicht  sei^  ist  nottcendig  und  hinreichend,  daß  sidt  1.  im  Polygon 
K^, .  .K^der  äußeren  Kräfte  Jc^. .  Ä\ein  Pol  P  so  finden  lasse,  daß 
jeder  Polstrahl  PK^  mit  der  Normalen  der  v*"  Fuge  einen  Wi9ikd 
Jdeiner  als  den  BeSbungswinkel  einsdUießt  und  vom  (v  —  Ij*"  auf 
den  v^  Körper  zugerichtet  sei,  und  daß  sich  2.  zu  wenigstens  einem 
den  Bedingungen  J.  genügenden  Pol  P  ein  Seilpolygon  so  finden 
lasse,  daß  dasselbe  die  Berührungsd^enen  zwischen  den  Körpern  notk 
innerhalb  der  Fugen  trifft,. 

Um  die  Erfüllbarkeit  dieser  Bedingungen  zu  konstatieren,  wird 
man  damit  beginnen,  durch  jeden  Punkt  K^  des  Kraftecks  nach  der 
erlaubten  Seite  hin  die  Hälfte  des  Reibungskegels  zu  zeichnen:  Diese 
Kegel  müssen  dann  ein  gemeinsames  Gebiet  haben  und  in  diesem 
kann  zunächst  P  noch  willkürlich  gewählt  werden.  Es  muß  sich 
dann  aber  zu  einem  dieser  P  ein  Seilpolvgon  ziehen  lassen,  das  den 
Bedingungen  2.  genügt. 

Man  wird  zu  dem  Zweck  extreme  Fälle  probieren,  z.  B.  nachsehen, 
ob  ein  sehr  steiles  Seilpoljgon  ( P  möglichst  nahe  an  J^  . . .  K^  im 
obersten  Punkte  der  0^*^  Fuge  angefangen,  jede  Fugenebene  oberhalb 
des  tiefsten  Punktes  sclineidet,  oder  ob  ein  eventuell  Torhandenes 
flachstes  Seilpolygon  (P  möglichst  weit  weg  von  Ä^ . . .  K^,  an- 
gefangen vom  tiefsten  Punkte  der  (O)**"  Fuge  jede  Fuge  unterhalb 
ihres  höchsten  Punktes  tri£Ft.  In  ähnlicher  Weise  wird  man  noch 
in  manchen  Fällen  die  Möglichkeit  des  Gleichgewichtes  direkt  einsehen 
können  oder  sonst  irgendwie  probieren,  ob  man  ein  Seilpolygon  ziehen 
kann,  das  der  Bedingung  2.  genügt.  Man  sieht^  daß  das  Problem  im 
aÜKcmeinen  dreifach  statisch  unbestimmt  ist:  man  hat  innerhalb  eines 
gewissen  Bereiches  die  Ls^e  von  P  frei  und  den  Anfangspunkt  Ä^ 
des  Seilecks. 

Man  muß  aber  nicht  glauben,  daß  nun  irgendein  Seilpolygon, 
das  den  genannten  Bedingungen  genügt,  das  wirkliche  Druckpoly- 
gon sei,  d.  h.  daß  die  PK^  die  wirklichen  Drucke  B  und  die  Punkte 
Ä^  ihre  wirklichen  Angriifspunkte  (die  sogenannten  Druckmittel- 
punkte) darstellen.  Die  Hypothese  des  starren  Körpers  gibt  nur 
eine  dreidimensionale  Mannigfaltigkeit  von  Polygonen,  unter  denen  das 
richtige  auszusuchen  eine  Aufgabe  der  Elastizitätstheorie  ist.  Diese 
Aufgabe  geht  aber  über  den  Rahmen  dieses  Buches  hinaus.  (Man 
findet  darüber  einiges  in  Föppl,  11.) 


Nr.  176.  §  86.   Elemente  der  GewOlbetheorie.  277 

176.  Dmokkiizire  und  Btfttilliiie.  Wir  wollen  die  Idealisie- 
ning  betrachien,  daß  wir  uns  das  Gewölbe  ans  einer  unendlichen  An- 
zahl unendlich  schmaler  starrer  Körper  (unendlich  dünner  Platten) 
mit  der  Belastung  dk  Torstellen.  Dieser  Grenzübergang  wird  dann 
praktisch  sein,  wenn  das  Gewölbe  tatsächlich  aus  sehr  vielen  kleinen 
Steinen  (Ziegeln)  besteht 

Bei  diesem  Grenzübergang  gibt  das  Druckpolygon  zum  Entstehen 
zweier  Kurven  Anlaß:  1.  die  unendliche  Mannigfaltigkeit  der  Druck- 
mittelpunkte  Ä  wird  eine  stetige  Kurve  ergeben ,  die  sogenannte 
Stützlinie  des  Gewölbes  (line  of  resistance  nach  Moseley,  dem  Be- 
gründer der  Theorie):  ihr  Schnittpunkt  mit 
einer  Fuge  gibt  den  Angriffspunkt  des  re- 
sultierenden Druckes  D  in  der  Fuge.  2.  Die 
unendliche  Mannigfaltigkeit  der  Punkte  S, 
also  der  Eckpunkte  des  Di*uckpoljgons  auf 
den  Angriffsgraden  der  Strafte  k  wird  eben- 
falls eine  stetige  Kurve  ergeben,  die  soge- 
nannte Drucklinie  (line  of  pressure):  sie 
wird  von  den  Drucken  D  berührt  werden,  ^     Fig.  ui. 

und  zwar  in  dem  Punkte  S,  in   dem  die- 
jenige Kraft  dk  die  Drucklinie  schneidet,  welche  zu  demselben  un- 
endlich schmalen  Körper  zugehört  wie  der  Druck  D. 

Im  GldchgewichisfaUe  muß  die  Stütelinie  die  Fugen  ^  das  sind 
die  Flächen  zwischen  den  unendlich  schmalen  Teükörperfiy  innerhalb 
schneiden. 

Es  ist  der  Irrtum  weit  verbreitet,  als  fielen  Druckkurve  und 
Stützlinie  immer  zusammen.  Das  kann  vorkommen,  wird  aber  die 
Ausnahme  sein. 

Die  Bedingung  dafür,  daß  Druckkurve  und  StützUnie  zusammen- 
fcUlen,  läßt  sich  leicht  angeben:  es  muß  in  der  Grrenze  die  Angriffs- 
linie der  Kraft  dk  durch  den  Schnittpunkt  A  der  Stütelinie  mit  der 
Fuge  hindurchgehen. 

Dann  wird  S  in  A  hineinfallen  müssen.  Denn  wäre  das  nicht 
der  Fall:  ginge  in  der  Grenze  dk  durch  A  hindurch,  läge  aber  8 
irgendwo  anders  auf  dk,  so  w&re  dk  zugleich  die  Richtung  des 
Druckes  D,  Das  geht  aber  nicht:  denn  es  müssen  ja  die  D  im  Kraft- 
eck durch  einen  Punkt  gehen,  es  müßte  also  P  auf  Kq  , , ,  K^  liegen 
und  die  Kurve  zugleich  geradlinig  sein,  d.  h.  alle  dk  einander  parallel. 
Fallen  dann  auch  ihre  Angriffsgeraden  zusammen,  so  ist  diese  ge- 
meinsame Gerade  zugleich  Druckkurve  und  Stützlinie,  wie  ja  sofort 
klar  ist;  fallen  aber  die  Angriffsgeraden  auseinander,  so  kann  dk  nicht 
durch  A  hindurch  gehen. 

Denn  zeichnen  wir  die  Kräfte  dk  und  D  etwa  vertikal  und  ziehen 
X  horizontal  von  Dq  an  gerechnet;  sei  z  die  horizontale  Abszisse  des 


278 


Vn.   Statik  der  Systeme. 


Nr.  176. 


Punktes  Ay  also  auch  der  horizontale  Abstand  der  Kraft  D  von  Dq, 
80  muß  nach  dem  Momentensatz  für  das  Teilsystem  auf  der  einen 
Seite  von  A  bezogen  auf  den  Punkt  A 


* 

0 

sein,  wobei  die  dk  positiv  sind. 

Differentiieren  wir  nach  0,  so  erhalten  wir 

Do  +  pi-O, 

0 

z 

was  unmöglich  ist^  da  Dq  konstant  ist,   Idk  mit  e  wächst. 


5' 


■« — -> 


dH 


Z — ^ 

lig.  15>. 


Fig.  168  s. 


Fig.  15Sb. 


Man  kann  die  Bedingung,  daß  DruckJcurve  uud  Stütdinie  BUr 
sammenfaUenj  aadi  so  formulieren:  es  muß  vor  dein  Grenjnibergang 
das  Dreieck  A^^^S^A^  bei  S  einen  stumpfen  Winkd  haben. 

Das  sieht  man  so  ein:  Da  sich  in  der  Grenze  D,  gegen  Dy_i 
nur  um  den  kleinen  Vektor  dk  ändert,  so  bilden  D^  und  D^^^  sicher 
einen  spitzen  Winkel  miteinander,  aber  dk  fällt  in  den  stumpfen 
Winkel  hinein,  weil  es  die  Differenz  von  D^  und  D^.^  ist. 

Ist  also  das  Dreieck  A^^^y  JL,,  S  bei  S  stumpf,  so  muB  dk  die 
Seil»  A^^^A^  schneiden  und  folglich  in  der  Grenze  A^^^^  S^  und  A^, 
d.  h.  S  und  A  zusammenrücken  (Fig.  Iö3a).  Ist  aber  das  Dreieck 
A^_^S^A^  spitz,  so  schneidet  dk  die  Strecke  A^A^^i  nicht  und  es 
werden  in  der  Grenze  wohl  A  und  A^^i  zu  einem  Punkte  A  zu- 
sammenrücken, S  aber  nicht.  Im  Gegenteil,  da  der  Winkel  A^^^SA^ 
unendlich  klein  wird  wie  dk,  dieses  aber  mindestens  so  stark  unend- 
lich klein  werden  wird  wie  die  Breite  A^A^_^  des  starren  Körpers, 
so  wird  S^A^  endlich  bleiben  müssen,  da  sonst  4c  A^^^SA^  und  somit 
auch  dk  weniger  stark  unendlich  klein  werden  konnten  wie  ^,^_,, 
d.  h.  die  Breite  des  starren  Körpers,  dessen  spezifische  Belastung  dann 
unendlich  würde,  was  wir  im  allgemeinen  jedenfalls  ausschließen  müssen. 

Es  gibt  einen  Fall,  in  dem  man  von  vomherein  sicher  das  Zusam- 
menfallen Yon  Druckkurre  und  Stützlinie  behaupten  kann:  wenn  nämlich 
die  Kräfte  dk  mit  ihren  Angriffslinien  ganz  in  die  unendlich  schmalen 
Teilkörper  hinein&llen.     Wir  wollen  ein  solches  Beispiel  behandeln: 


Nr.  177. 


§  36.   Elemente  der  Gewölbetheoiie. 


279 


177.  Beispiel  des  Farabelbogens.  Es  seien  die  Fugen  ver- 
tikal und  auch  die  Belastungen  vertikal.  Die  spezifische  Belastung 
pro  Einheit  der  Horizontalen  sei  konstant: 

dk  =  xdXy 

wenn  dx  die  Breite  eines  Teilkörpers  bedeutet,  x  konstant.  Die  Dicke 
des  Gewölbes,  vertikal  gemessen,  sei  konstant  gleich  a.  Die  äußere 
Form    des   Gewölbes   sei   eine   Parabel,  h   sei   die   Scheitelhöhe. 


Pig.  164. 


Das  erlaubte  Gebiet  für  die  Punkte  P  wird  man  erhalten,  wenn  man 
durch  die  Endpunkte  K^  und  £»  des  Kraftecks  (es  ist  K^K^^jKäxl) 

0 

die  Reibungskegel  nach  links  zeichnet  —  wir  fangen  die  Schichten 
von  links  an  zu  zählen  —  und  ihr  gemeinsames  Gebiet  sucht.  Es 
wird  dies  das  schraffierte  Gebiet  sein,  P^  mit  der  Poldistanz  Hq  wird 
die  nächste  Lage  des  Pols  P  an  K^K^k,  angeben,  Hq  die  kleinste  Pol- 
distanz H  sein,  die  möglich  ist. 

Setzen  wir 

i 

J  xdx  =  L, 

0 

so  daß  L  die  gesamte  Belastung  bedeutet,  so  ist  nach  der  Fig.  154 


also 


(A) 


Nun  bedeutet  H  die  Horizontalkomponente  aller  D,  den  so- 
genannten Horizontaldruck  im  Gewölbe.  Damit  Gleichgewicht  mög- 
lich ist,  muß  also  zunächst  einmal  dieser  Horizontaldruck  hinreichend 
groß  sein,  wie  es  die  Ungleichung  (A)  verlangt. 

Die  Druckkurve  wird  nun  eine  Parabel  sein,  denn  wir  wissen  ja 
(Nr.  164),  daß  bei  konstanter  spezifischer  Belastung  die  Seilkurve  eine 
Parabel  ergibt. 


280  VII.    SUtik  der  Systeme.  Nr.  178. 

Ihre  Differentialgleichung  ist 

also 

Die  Scheitelhöhe  der  Parabel  über  der  Schnittlinie  ist  also 


'=2 


Nun  darf  die  steilste  Parabel  (H^  H^^-^  -A ,  begonnen  im  höch- 
sten Punkte  der  linken  Seite  nicht  unter  dem  höchsten  Innenpunkt 
des  Gewölbes  bleiben,  es  muß  also  für  H^  H^ 

a  +  h>h 
sein,  d.  h. 

«  +  8    IL  >  * 


oder  da  L  ^  xl  ist, 


^  f 


h<a+\fL  (B) 


Daß  die  flachste  Parabel  (die  gerade  Linie  für  H  »  oo)  angefangen 
im  tiefsten  Punkte  des  linken  Lagers  nicht  über  den  höchsten  Punkt 
des  Gewölbes  hinausgehen  kann,  ist  klar. 

Man  überblickt  nun  ohne  weiteres,  daß  wenn  (B)  erfüllt  ist, 
immer  eine  Parabel  möglich  ist,  welche  den  Anforderungen  an  eine 
Stütz-  und  Drucklinie  entspricht. 

In  der  Praxis  wird  man  natürlich  zu  vermeiden  suchen,  daß  der 
Druckmittelpunkt  zu  nahe  an  den  Rand  einer  Fuge  fallt,  da  dann 
der  Stein  an  der  Kante  zu  stark  beansprucht  wird.  Man  wird  ent- 
sprechend mit  einem  kleineren  a  rechnen.  Und  ebenso  wird  man 
natürlich  hinsichtlich  f  genügend  weit  unter  dem  wahren,  aber  un- 
sicheren und  schwankenden  Werte  bleiben. 

§  36.  Faden  und  SeiL 

178.  Das  allgemeine  Erstarrnngsprlnzip  der  Statik« 
Axiom  YIH:  Haben  wir  ein  ganz  beliebiges  mechanisches  System, 
auf  welches  nach  den  Ausführungen  des  ersten  Kapitels  räumlich 
verteilte  Kräfte  dt  ==  xdF  wii'ken  und  an  jedem  Flächenelement  im 
Innern  und  an  der  Oberfläche  Spannungen  (Drucke  im  allgemeinen 
Sinne)  ddF  vorhanden  sind,  so  ist  es  wohl  ganz  plausibel,  daß  im 
GleichgewichtsfaUe  für  jeden  herausgeschnittenen  Teil  die  Summe  der 
äußeren   Kräfte   und   die  Summe   ihrer  Momente  verschwinden   muß, 


Nr.  179.  §  86.    Faden  und  Seil.  281 

wobei  unter  den  äoßeren  Kräften  die  an  dem  Teil  angreifenden^  räum- 
lich verteilten  Kräfte  und  die  an  seiner  Oberfläche  wirkenden  Druck- 
kräfte zu  verstehen  sind.  D.  h.  das  Gleichgewicht  wird  nicht  gestört, 
wenn  man  sich  den  betreffenden  Teil  erstarrt  denkt. 

Die  Entwicklung  der  Mechanik  hat  aber  in  Übereinstimmung 
mit  der  Erfahrung  auch  gezeigt,  daß  dieses  Prinzip  hinreichend  ist; 
wir  sprechen  demnach  als  ein  neues  Grundprinzip  der  Mechanik  das 
Axiom  aus: 

Axiom  YIU  (Erstarrungsprinzip):  Damit  ein  beliebiges 
mechanisches  System  im  Gleichgewicht  sei,  ist  hinreichend 
und  notwendig,  daß  für  jeden  seiner  Teile  die  Summe  der 
für  den  Teil  äußeren  Kräfte  und  die  Summe  ihrer  Momente 
verschwinde. 

Die  allgemeinen  Folgerungen  aus  diesem  Prinzip  werden  wir 
erst  im  dritten  Abschnitt  (Nr.  204  und  209)  kennen  lernen.  Es  soll 
jetzt  nur  eine  spezielle  Anwendung  folgen. 

179.  Ber  ▼oUkommen  biegfsame  Faden.  Wir  haben  uns 
vorläufig  mit  dem  vollkommen  biegsamen  Faden  schon  in  Nr.  65  be- 
schäftigt und  wollen  nun  die  dortigen  Ausführungen  etwas  tiefer  be- 
gründen. 

Wir  verstehen  unter  einem  Faden  oder  Seil  einen  Körper  mit 
einer  ausgezeichneten  Kurve,  seiner  Mittellinie  oder  Achse,  welche 
jede  Lage  annehmen  kann.  Der  Faden  heißt  unausdehnbar,  wenn  die 
Mittellinie  in  allen  Teilen  unveränderliche  Länge  besitzt. 

Wir  setzen  weiter  voraus,  daß  sich  die  äußeren  Kräfte,  welche 
auf  den  Faden  wirken,  für  jeden  durch  zwei  zur  Achse  senkrechte, 
unendlich  benachbarte  Schnittebenen  herausgegriffenen  Teil  auf  eine 
Einzelkraft  ,j-      ., 

reduzieren  lassen,  welche  in  der  Achse,  und  zwari  nnerhalb  des  Bogen- 
stückes  ds  der  Achse  angreift,  das  zwischen  jenen  benachbarten 
Schnittebenen  liegt.  Wir  nennen  nun  das  Seil  vollkommen  bieg- 
sam, wenn  bei  der  Reduktion  der  inneren  Spannungen  an  einem 
ebenen  Querschnitt  senkrecht  zur  Achse  in  bezug  auf  den  Schnitt- 
punkt der  Achse  mit  dem  Querschnitt  ein  Biegungsmoment  von  vorn- 
herein als  ausgeschlossen  angesehen  wird  (siehe  die  Definitionen  von 
Nr.  157):  Das  Seil  setzt  einer  Yerbiegung  gar  keinen  Widerstand 
entgegen. 

Wir  erweitern  unsere  Voraussetzungen  dahin,  daß  auch  kein 
Torsionsmoment  da  sein  soll,  daß  sich  also  der  Faden  auch  beliebig 
leicht  und  widerstandslos  verdrehen  läßt. 

Wir  wollen  beweisen,  daß  dann  auch  keine  Schubspannung  da 
sein  kann,  so  daß  sich  die  ganze  innere  Spannung   in   einem   Quer- 


282  ^^'   Statik  der  Systeme.  Nr.  179. 

schnitt  auf  eine  Kraft  in  Richtung  der  Achse  reduziert  Endlich  und 
zuletzt  setzen  wir  diese  Spannung  als  einen  Zug  yoraus  und  nennen 
ihn  8, 

Man  könnte  auch  ruhig  einen  Druck  als  möglich  annehmen: 
eine  allerdings  erst  mit  den  Mitteln  der  Kinetik  mögliche  Betrachtung 
würde  zeigen,  daß  entsprechende  Gleichgewichtszustande  wohl  mög- 
lichy  aber  äußerst  unstabil  wären,  d.  h.  bei  der  geringsten  Störung^ 
eine  radikale  Änderung  der  Konfiguration  eintreten  würde,  so  daß 
praktisch  dieser  Fall  unmöglich  ist. 

OiST-Ki?  ^^^  beweisen  nun  den  Satz,  daß  eine 

Schubspannung  unmöglich  ist. 

Betrachten  wir  ein  Fadenstück  von  der 
Länge  ds,  an  einem  Ende  seien  die  Span- 

-Jj.  /     "^F-frfl7  5.^^8®^  -^  J?^^  ^>  ??  andern  Ende  M  +  dJBT, 

S  +  dS',  S  bzw.  S  +  dH  seien  die  Schub- 
I  -.  _  Spannungen. 

^    *  Wenden  wir  nun  das  Erstarrungsprinzip 

^^'  ^^^'  auf  unser  Fadenstück  ds  an  und  wählen  den 

Anfangspunkt  0  zum  Bezugspunkt,  so  ergibt  der  Momentensatz 

ds(S  +  dS  +  U  +  dH)  +  ds'x'ds  =  0, 

wo   ds   der  Vektor   der  Sehne,   ds'  der  Vektor  von  0  bis  zum  An- 
griffspunkte der  Kraft  dk  ist. 

Das  letzte  Glied  ist  nun  zweiter  Ordnung  unendlich  klein,  also 
gegen  das  erste  wegzulassen,  ds{S  +  dS)  ist  auch  unendlich  klein 
zweiter  Ordnung,  denn  es  ist  außer  ds  auch  noch  proportional  dem 
Sinus  des  unendlich  kleinen  Winkels,  den  ds  mit  der  Richtung  Ton 
S  +  dS  einschließt.    Also  bleibt 


Da  H  auf  ds  senkrecht  steht,  so  kann  dieses  äußere  Produkt  nur 
verschwinden,  wenn  „      ^ 

ist.     W.  z.  b.  w. 

179  b.    Fortsetrang.     Setzen  wir  in  analoger  Weise  auch  die 
Summe  der  £j*äfte  gleich  Null,  so  bekommen  wir 

{8  +  dS)'-S  +  xds=^0, 

(denn  da  S  die  Zugkraft  des  Fadenstückes  mit  größerem  s  auf  das 
Stück  mit  kleinerem  s  ist,  so  wirkt  am  Anfangspunkt  von  ds  nach 
dem  Oegenwirkungsprinzip  —  8,  am  Eodpunkt  der  Zug,  der  aus  8 
beim  Fortgang  um  ds  entsteht,  i.  u  8  +  dS),  d.  h. 


Kr.  179.  .  §  36.    Faden  und  Sqü.  283 

Dies  ist  die  hinreichende  und  notwendige  Bedingung  des  Gleich- 
gewichtSy  denn  es  folgt  daraus  schon  das  Erstarmngsprinzip  fOr  jeden 
endlichen  Teil. 

Integrieren    wir   nämlich   (I)   über  ein  Eurrenstück  AB,  so  er- 
halten wir 

B 
A 

Das  heißt  aber  bereits^  daß  die  Summe  der  äußeren  Kräfte  verschwindet. 
Bilden  wir  von  (I)   das  Momentprodukt  mit  r  und  integrieren, 
so  erhalten  wir 

B  B 

frdS+frxds  =  0. 

A  A 

Nun  ist  aber 

VäS-^d^i^-Sdr. 


Es  ist  aber  Sdr  «-  0,  weil  8  und  dr  dieselbe  Richtung  haben.    Also 
bleibt 


B 


rS\l+frxd8^0, 


d.  h.  die  Summe  der  Momente  der  äußeren  Kräfte  yerschwindet. 
Sei  jetzt  ^  ein  Einheitsvektor  in  Richtung  wachsender  s,  also 

df      - 
ds  ' 

so  ist  _ 

und  aus  (I)  wird  nach  Ausführung  der  Differentiation 

-dS  ,    a^^ 
ds   '        ds 

Nun  haben  wir  aber  früher  gezeigt  (Nr.  26),  daß 

da       -     1 

ds  Q  ' 

wenn  v  den  Einheitsvektor  in  der  Richtung  der  Hauptnormalen,  q  den 
Krümmungsradius  bedeutet.     Somit  bekommen  wir 

5^  +  1.5. i;«-x.  (10 

ds    *     Q  ^   ^ 

Zerlegen  wir  die  Gleichung  nach  dem  natürlichen  Koordinaten- 
system der  Kurve  (siehe  Nr.  26),  habe  x  die  Komponenten  x^,  x,,  x^ 
nach  Tangente,  Hauptnormale  und  Binormale,  so  folgt 


284  VIL  Stoitk  der  Systeme.  Kr.  180. 

dS 


di  **" 

0 x^ 


<n 


d.lL  der  Faden  legt  sich  stets  so,  daß  die  ganMe  äußere  Kraft  in 
die  fkkmiegimgsAene  kineinßlU,  Die  tangentiale  Komponente  der 
äußeren  Kraft  bewirkt  dornt  eine  Verär^derung  der  Spannung^  die 
normale  bei  gegd^ener  Spannung  die  Krümmung. 

180.  Spesiallllle.  a)  Wenn  keine  längs  des  Seils  yerteilte 
Kraft  da  ist,  wenn  also  insbesondere  das  Seil  masselos  (gewichtslos) 
ist,  so  ist  X  »  0  nnd  die  Gleichungen  (V)  ergeben: 

1.  5 » const.;  das  Seil  leitet  die  Spannung  nngeandert  weiter. 
Dies  gilt  natürlich  stets,  wenn  x^  =«  0  ist,  also  auch,  wenn  ein  masse- 
loses Seil  fiber  eine  glatte  Flache  gespannt  wird,  wo  dann  yon  der 
Flache  auf  das  Seil  nur  ein  Druck  senkrecht  zur  Flache,  also  auch 
senkrecht  zur  Seilrichtung  ausgefibt  wird. 

2.  »  0 ,  d  h.  das  Seil  ist  geradlinig  ausgespannt.    J>amit  sind 

die  Betrachtui^n  Ton  Nr.  65  auf  eine  sichere  Basis  gestellt 

Aus  der  dritten  Gleichung  folgt  für  ein  Seil,  das  masselos  ist 
und  über  eine  glatte  Flache  gespannt  wird,  noch  folgendes:  die 
Schmiegungsebene  der  Seilkurve  enthalt  stets  die  Flachennormale  als 
Richtung  von  x,  dem  spezifischen  Normaldruck;  diese  Eigenschaft 
kommt  aber  auf  den  Flächen  nur  den  geodätischen  Linien  zu,  also 
legt  sich  ein  gespannter  Faden  auf  einer  glatten  Fläche  in  eine  geo- 
dätische Linie,  wenn  er  außer '  Normaldruck  und  Spannung  keinen 
Kräften  unterworfen  ist. 

b)  Es  sei  die  Belastung  des  Seils  abwärts  gerichtet  und  konstant 
pro  Einheit  der  Horizontalprojektion. 

Ist  dx  die  Horizontalprojektion  von  ds,  so  heißt  das 

dk  =«  xds  =«  x'dx, 
wo  X   konstant  ist. 

Ist  die  Belastung  von  fester  Richtung,  so  ist  die  Seil- 
kurve  stets  eben.  Denn  dann  ist  die  Schmiegungsebene,  welche 
ja  dk  enthält,  auch  stets  yertikal  (dies  sei  etwa  die  feste  Richtung 
von  dk)]  es  schneiden  sich  aber  nach  Definition  der  Schmiegungs- 
ebene zwei  benachbarte  Schmiegungsebenen  stets  in  der  Tangente, 
wenn  sie  nicht  zusammenfallen,  die  Kurve  also  eben  ist.  Demnach 
wäre  die  Tangente  der  Kurve  vertikal,  die  Kurve  selbst  eine  vertikale 
Grade,  die  aber  auch  als  eben  zu  bezeichnen  ist. 

.  Sei  nun  y  die  Richtung  nach  oben,  d'  der  Winkel  der  Tangente 
der  Kurve  mit  der  Horizontalen,  so  gibt  die  Zerlegung  der  Gleichung  (I) 


Ni.  180.  §  86.   Faden  und  Seil.  285 

selbst  nach  der  Horizontalen  und  Vertikalen,  wenn  jetzt  JET  die  Hori- 
zontal-, V  die  Vertikalkomponente  yon  S  bedeutet, 

^-0,  (1) 

,    =  X     oder    dV^xds.  (2) 

Dazu  kommt  nach  der  Bedeutung  von  H  und   V 

Gleichung  (1)  gibt  (immer  bei  vertikaler  Belastung) 

Bei  vertikaler  Belastung  ist  die  Hbrißontalkompanente  der  Spannung 
konstant  Ist  nun  die  Belastung  konstant  pro  Einheit  der  Horizontal- 
projektion, also 

xds  =  x'dx, 

wo  x'  konstant,  -«  y,  so  gibt  (2) 

dV  ^ 
dx  ~  ^' 

v^yx+r,. 

Somit  nach  (3) 

dy       yx+V^ 


d.  h. 


dx  Eq 


y-yo+'ß-^+  2  4^*' 


die  Kurve  ist  eine  Parabel. 

Legen   wir  den  Anfang  des  Koordinatensystems  in  den  tiefsten 
Punkt  der  Kurve,  so  ist 

Sind  die  Enden  des  Seils  in  gleicher  Höhe,  ist  l  die  Spannweite, 
h  die  maximale  Durchbiegung,  so  muß  für  y  ^h,  ^  =  «    ^®^^'  ^*  ^' 

Man  vergleiche  das  Resultat  mit  den  Betrachtungen  von  Nr.  164 
und  177.  Denkt  man  an  die  mechanische  Bedeutung  des  Seilpolygons 
(siehe  Nr.  118),  so  hätte  man  das  Resultat  unserer  jetzigen  Betrachtung 
erwarten  können. 


286  yil'   Statik  der  SyBieme.  Nr.  180 

c)  Es  sei  die  Belastung  des  Seils  konstant  pro  Einheit  der  Seil- 
lange selbst;  das  Seil  sei  etwa  schwer  und  yon  konstantem  spezifischem 
Gewicht. 

Dann  ist  x  selbst  konstant  »  y. 

bleibt.     Dagegen  wird,  weil 

da  =  Yda^  +  dy* 

und 

dV  _ 

ds  "~^' 

dV^y  ydx^  -fdy*  =  ydx  yi'+V*. 
Mit 

wird  daraus 

-M^-ldx, 

d.h. 

arsinhyp    y'— ^x  +  c, 

Die  Kurre  ist  die  gewöhnliche  Kettenlinie. 

Bemerkung:  Wenn  im  Falle  c)  das  Seil  sehr  flach  gespannt 
ist,  so  kann  die  Eettenlinie  angenähert  durch  eine  Parabel  ersetzt 
werden.    Denn  dann  ist  y'  klein  gegen  1  und  man  kann  die  Gleichung 

^I^^^dx 
durch  die  folgende  ersetzen 

woraus  sich  ergibt 

d.  h.  eine  Parabel,  die  durch  geeignete  Wahl  des  Anfangspunktes  des 
Koordinatensystems  wieder  auf  die  Form 

gebracht  werden  kann  (siehe  Fall  b). 


^T,  IBO  a.  §  36.   Faden  und  Seil.  287 

Aus  Gleichung  (A)  sieht  man^  daß  die  Parabel  dann  flach  sein 
wird,  wenn 

klein  ist     L  '^  yl  ist  die  gesamte  Belastung  des  Seiles. 

Aufgabe  90:  Wie  stark  muß  ein  Drahtseil  von  80  m  L&nge  gespannt 
werden,  d.  h.  wie  groß  muß  die  Spannung  im  tiefsten  Punkte  sein,  damit  die 
Pfeilhohe  h  nur  10  cm  betr&gt?  Die  Dicke  des  Seiles  betrage  6  cm,  das  spezi- 
fische Gewicht  des  Materials  sei  8. 

180  a.  Enlen  Formel  fDr  die  Spannimg  in  Treibriemen. 

Ein  Treibriemen  (Seil)'  umfasse  ein  Rad  mit  dem  Winkel  a.  Die 
Spannung  an  der  Auf  lauf  stelle  sei  S^,  an  der  AblaufsteUe  8^,  Die 
Bewegung  sei  so  langsam^  daß  wir  das  Problem  als  statisch  behandeln 
dürfen  (Korrektur  siehe  später  in  Nr.  347).  Das  dem  Rad  aufliegende 
Seilstüek  (Riemenstück)  ist  Normaldrucken  dN  und  Haftreibungen  dR 
unterworfen.  (Von  möglichen  Schwingungen  des  Riemens  und  einem 
dadurch  veranlaßten  Abheben  und  Schlüpfen  werde  abgesehen.  In 
Wahrheit  machen  sich  oft  derartige  Störungen  bemerkbar.)  Das 
Eigengewicht  des  Riemens  werde  vernachlässigt. 

Dann  ist  in  den  Formeln  I"  aus  Nr.  179:  —  x^  >  0,  sonst  un- 
bekannty  nämlich  der  unbekannte  spezifische  Normaldruck,  x^,  die 
spezifische  Reibung  unbekannt;  wohl  weiß  man,  daß 

(f  ist  konstant  gleich  dem  Radius  r  der  Riemenscheibe. 
Dann  folgt  aus  1" 


oder,  da  S  >  0, 


dS 
ds 


dS 


dS  I  ^^  /.  1  j 

lgS,~lg5,   </•%  =  /•«, 

S^e--^''£S^£S^e^^    (Euler). 

Die  Grenzen  können  gerade  noch  erreicht  werden. 

Ist  z.  B.  eine  Schnur  ein  paarmal  (n  mal)  um  einen  Stab  ge- 
wickelt, so  kann  die  Spannung  in  dem  einen  Ende  auf  das  ß-^*^"-fache 
der  Spannung  in  dem  anderen  Ende  anwachsen.  Da  e^°  mit  a  sehr 
stark  wächst,  nimmt  das  Verhältnis  S^  :  8^  mit  a  sehr  stark  zu. 
Darauf  beruht  die  Möglichkeit,  schwere  Lasten  durch  mehrmaliges 
Umschlingen  eines  Seiles  um   einen  Stab  (Pflock  usw.)  festzuhalten. 

Auf  eine  Riemenscheibe  kann  also  durch  den  Riemen  im  Maximum 
das  Moment  (5^«»,  —  8j)r  =  S^r{e^^  —  1)  übertragen  werden. 


288  7U'    Statik  der  SjBtome.  Hi.  lai,  18S. 

181.  Dar  FlMoheuns  ist  eiDO  der  Tieleii  VorrichtungeD,  die 
dazu  dieuen,  um  mit  einer  TerhältniamäBig  kleinen  Kraft  k  große 
Lasten    zu   heben.      Er  besteht  aus  zwei  Laschen,    die   Qbereinander 

geordnet  je  eine  gleiche  Anzahl  (n)  von  Rollen  tragen. 
Die  obere  Lasche  ist  befestigt,  die  untere,  frei  beweg- 
lich, tragt  die  Last  L.  Ein  Seil,  das  an  die  obere 
Lasche  geknOpft  ist,  wird  der  R«ihe  nach  abwechselnd 
über  alle  2»  Bollen  geschlangen,  bis  es  von  der  ober- 
sten Rolle  der  obersten  Lasche  frei  herabhängt^  um  als 
Handhabe  der  Kraft  k  zu  dienen. 

Wir  wollen  nun  zunächst  den  Fall  betrachten,  daß 
sich    die  Rollen   reibuDgsfrei   drehen  nnd  daß  die  Seile 
Tollkommeo  biegsam  und  masselos  seien.     Das  Gewicht 
-  der  unteren  Lasche  nebst  ihieti  Rollen  werde  in  L  ein- 
gerechnet.    Dann    ist   es   leicht,   die    Frage   zu   beant- 
t  Worten,  wann  k  und  L   sich  das  Gleichgewicht  halten. 

Nach  den  Voraussetzungen  wird  überall  dieselbe 
Seilspaunung  S  —  k  herrschen:  denn  einmal  wird  nach 
der  vorigen  Nummer  in  jedem  freien  Seilstöck  die 
Spannnng  S  nngeändert  weitergeleitet,  dann  aber  wird 
anch  auf  beiden  Seiten  einer  Rolle  dieselbe  Spannung 
herrseben,  wie  man  sofort  aus  dem  Hebelsatz,  angewendet 
auf  eine  Rolle,  erkennt. 

Legen   wir  nun   einen   Schnitt   durch   das  System, 
der  die   untere  Lasche  von  der  oberen  trennt,  so  trifft 
dieser  Schnitt  2»  Seile.     Setzen  wir  die  Summe  der  vertikalen  Kräfte 
für  den  unteren  Teil  gleich  Null,  so  erhalten  wir 
Z  =  2M.S=2«i, 

^-ir,L.  (A) 

182.  BerftokBiohtigniif  von  WideretAnden.  Infolge  der 
Widerstände,  Zapfen  reibnng'  und  Seilsteihgkeit  wird  die  Seilspannnng 
auf  derjenigen  Seite  einer  Rolle,  nach  welcher  hin  die  Bewegung 
stattfindet,  etwas  größer  sein  als  auf  der  anderen  Seite.  Dieser  Unter- 
schied kann  erfahrungsgemäß  der  Seilspannung  selbst  proportional 
gesetzt  werden  —  für  die  Zapfenreibung  wissen  wir  es,  für  die  Seil- 
spannnng soll  es  noch  erörtert  werden  — ,  so  daß  die  Spannung  in 
dem  Seilstück  vor  der  obersten  Rolle  nicht  k,  sondern  nur 

Ä(l  -  E,)  =  S, 

sein  wird.     ;,  ist  ein  kleiner  echter  Bruch,  über  den  wir  noch  reden 
werden.      Ebenso    ist    dann    in    dem    nächstfolgenden    Seilstück    die 

Sp™»g  i(l-.,)fl-.,)  «.", 


Nr.  188.  §  86.    Faden  und  Seil.  289 

in  dem  letzten,  an  der  oberen  Lasche  befestigten  Stück  wird  sie 

*ci-*i)(i:-*.)---(i-o-'S.- 

sein.     Die  Anwendung  des  Schnittprinzips  ergibt  jetzt 

Si  +  '-'  +  Ä^^i 
oder 

*[(i  -  «i)  +  (1  -  «i)(i  -  f,^  +  •••]= i- 

Die  eckige  Klammer  bestellt  aus  2n  echten  Brüchen,  ist  also 
kleiner  als  2n.  Es  berechnet  sich  deshalb  für  k  ein  größerer  Wert 
als  aus  der  Formel  (A);  für  «i  =*  f«  '  *  *  ==^  ^n—  ^  ergibt  sich 

Was  nun  die  t  angeht,  so  werden  sie,  wie  gesagt,  von  zwei 
Ursachen  herrühren,  der  Zapfenreibung  und  der  Seilsteifigkeit.  Die 
erstere  Erscheinung  ist  uns  bekannt  (siehe  Nr.  143);  über  die  Wirkung 
der   letzteren   kann    man   sich   folgende   Vorstellung   bilden: 

Das  Seil    wird    einer  Änderung  seiner  Krüm-  ^^ v. 

mung   einen   Widerstand   entgegensetzen.     Infolge-  /^  ^ — s.  \ 

dessen  wird  an  den  Stellen,  wo   das  Seil   auf  die      .      ^      *^  t     |    -& 
Rolle  aufläuft  bzw.  von  ihr  abläuft,  also  eine  Ände-         iC^  ^*>^ 

rung  der  Krümmung  stattfindet,  ein  Biegungswider- 
stand  auftreten,   der   dem   Sinne   der  Krümmungs- 
änderung   entgegengesetzt    sein   wird.     Diese   Mo- 
mente B^  und  B^  sind  so  in  die  Figur  eingezeichnet,      /fcj       ^   ^^^ 
wie  sie  auf  die  Rolle  zurückwirken.    Der  Sinn  ergibt  ? 

sich  auch  eindeutig  dadurch,  daß  die  B  der  Drehung  der  Rolle  ent- 
gegengesetzt sein  müssen. 

Definieren  wir  Längen   r^   und  r^  durch   den  Ansatz 

Bi  =  S,r, 

und  sei  R  der  Radius  der  Rolle,  so  wird  der  Momentensatz  in  bezug 
auf  die  Achse  der  Rolle  geben: 

S,(B  -  r,)  -S,iR  +  r,)  -  (S,  +  S,)q  »  0,         . 

wenn  q  den  Radius  des  Reibungskreises  bedeutet.    Denn  D^^  8^^  +  S^ 
ist  die  Belastung  der  Rolle,  bis  auf  ihr  meist  zu  yernachlässigendes 
Eigengewicht. 
Daraus  folgt 

o         o  -B  +  '-i  +  P 

und 

C  Q  C   **i  +  '*«  +  2p 

Hamel:  Elementare  Mechanik.  19 


290  Vn.    Statik  der  Systeme.  Nr.  183,  184. 

r^+  Q  wird  klein  gegen  ü  sein;  man  kann  deshalb  mit  Yemach- 
lässigung  von  Größen  zweiter  Ordnung  schreiben 

>!>g  —  *>1  «=  ^l  ^ 

oder 

WO 

ist.  Über  q  haben  wir  schon  früher  (Nr.  143,  145)  gesprochen,  es 
erübrigt  sich,  einiges  über  r^  und  r,  zu  bemerken. 

183.  Experimentelle  Ergebnisse  Aber  die  Beilsteiflgkeit. 

Der    erste,    der    experimentell    die    Seilsteifigkeit    untersuchte,    war 

Amontons  (um  1700).     Er  fand,  daß  für  dünne  Seile  t'j  +  r,  von 

der  Spannung  und  dem  Radius  B  der  Rolle  unabhängig,  dagegen  der 

Dicke  der  Seile  direkt  proportional  war.    Später  uahm  Coulomb  die 

Versuche  wieder  auf  (Theorie  des  machines  simples,  1809).    Es  zeigte 

sich,  daß  r^  -f  ^s  tatsächlich  nur  wenig  mit  der  Spannung  und  dem 

Rollenradius  schwankte,   daß  aber  bei    dickeren  Seilen  r^  -|-  r^  einer 

höheren  Potenz  des  Durchmessers  proportional  zu  setzen  war.    Eine 

einfache  Formel  auf  Grund  der  Coulombschen  Versuche  gab  Eytel- 

wein,  nämlich  , 

r^  +  r,  •=  c  •  0% 

wo  d  den  Durchmesser  des  Seiles  bedeutet,  c  eine  Materialkonstante. 
Redtenbacher  bestätigte  diese  Formel,  während  Coulomb  selbst  und 
Weisbach  zweigliedrige  Formeln  gaben.  Weitere  Literaturangaben 
siehe  Enzykl.  IV,  10  (v.  Mises). 

Irgendwelchen  Anspruch  auf  Exaktheit  hat  keine  der  Formeln, 
sie  stellen  nur  einen  Versuch  dar,  mit  möglichst  einfachen  Mitteln 
eine  rohe  Abschätzung  der  durch  die  Seilsteifigkeit  bedingten  Korrektur 
der  Formel  (A)  (Nr.  181)  zu  geben. 

c  schwankt  je  nach  Beschaflfenheit  der  Seile  zwischen  0,13  und  0,3  cm~^. 

184.  Theoretisoher  Ansats  fOr  das  steife  Beil.  Wir  be- 
trachten ein  Seil  wie  in  Nr.  179,  lassen  jedoch  die  Annahme  faUen, 
daß  kein  Biegungsmoment  vorhanden  sei.  Dasselbe  heiße  B,  die 
Schubkraft,  die  dann  auch  nicht  immer  Null  sein  wird,  H^  die  Längs- 
spannung S.     Wir  beschränken  uns  auf  das  ebene  Problem. 

a  sei  der  Winkel,  den  die  Seilrichtung  im  Sinne  wachsender 
Bogenlänge  s  mit  einer  festen  Richtung  einschließt,  und  werde  nach 
links  positiv  gezählt, 

j-  «  -    =  f  die  Krümmung  wird  dann  positiv  sein,   wenn  sich 

die  Kurve  mit  wachsendem  s  nach  links  biegt,  sonst  negativ.  (Aus> 
nahmsweise  sei  einmal  p  nicht  stets  positiv!) 


Nr.  186. 


§  36.   Faden  und  Seil. 


291 


Hniff 


B+dB^ 


S-tdS 


xffds 


Ebenso  werde  H  nach  links  positiv  gezahlt  und  zwar  das  H,  das 
von  einem  Element  mit  größerem  s  auf  das  vorhergehende  ausgeübt 
wird.  Das  Biegongsmoment  B  werde  eben- 
falls links  herum  positiv  gezählt.  Die  äußere 
Kraft  habe  die  Komponente  x^ds  senkrecht 
zum  Seil^  nach  links  positiv  gezählt,  x„ds  in 
Richtung  wachsender  Bogenlänge.  Dann  gibt 
der  Momentensatz  für  ein  Bogenelement  bis 
auf  Größen  höherer  Ordnung: 

dB  +  Hds  =  0; 

die   Summe   der   Kräfte   gleich  Null   gesetzt 
{^inda  =  c2a!): 

dS  -  Hda  +  K^ds  =  0, 

dH+  Sda  +7c^ds^0. 

Die   erste  Gleichung  läßt  also  auf  alle  Fälle  erschließen: 

(vgl.  I  in  Nr.  162),  die  beiden  anderen 


dB 


dl 


+  tS  +  x,  =  0. 


(2) 

(3) 


Diese  drei  Gleichungen  genügen  noch  nicht,  um  die  vier  Ab- 
hängigen B,  Hy  S  und  die  Krümmung  t  bei  gegebenen  äußeren  Kräften 
als  Funktionen  der  Bogenlänge  darzustellen. 

Es  bedarf  also  noch  einer  physikalischen  Hypothese.  Man 
sieht:  wenn  B  konstant  ist,  so  ist  H  ^0  und  das  Seil  verhält  sich 
wie  ein  voUkommen  biegsames  Seil. 

Wenn  übrigens  x^  nicht  in  der  Achse  selbst  angreift,  sondern 
etwa  um  die  kleine  Strecke  ö  exzentrisch  verschoben  ist,  d  nach 
links  positiv  gerechnet,  so  lautet  der  Momentensatz 

dB  +  Hds  -  xjs   *  -  0, 

so  daß  wir  statt  (1)  erhalten 

=  —  -ff  +  x^  •  d . 


d8 


(1') 
Wenn  jetzt  B 


Die  Gleichungen  (2)  und  (3)  bleiben  ungeändert. 
konstant  ist,  ist  H  nicht  Null,  außer  es  sei  x^  ^  0. 

186.  Das  kräftefreie  steife  Beil.     Wir  wollen  nun  den  Fall 
betrachten,  daß  ein  Seilstück  kräftefrei  sei: 

-0. 

19* 


X. 


X. 


292 


YIL   SUük  der  Sjitaiie. 


Hi;  lt»6. 


Dann  lasten  sieh  die  Gleichungen  Termöge 


eehreiben 


^        da 


dB 
ds 


^^H, 


(1) 


dS 
da 


H     nnd 


dB 
da 


--S, 


Die   beiden   letsEfceren  Gleichungen   kann  man  sofort  integrieren:   sie 

ergeben 

J5r--C' sin  («  +  €),  1 


S  =       C  COB  ia  -r  £)y 


(A) 


WO  C>0  and  £  Integrationskonstante  sind. 

C  bedeutet  die  (konstante)  Große  der  Gesamtspannung  in  einem 

Querschnitt^  —(a  +  e)  ihr  Winkel  gegen 
die  Seilrichtung  (links  hemm  positiv  ge- 
zahlt), also  —  e  den  Winkel  gegen  die 
feste  Richtung. 

Man  hätte  die  Gleichungen  (Ä)  durch 
Anwendung  des  Satzes  Ton  der  Summe 
der  Kräfte  auf  einen  endlichen  Teil  des 
Seiles  direkt  ableiten  können. 

Gleichung  (1)  gibt  dann  weiter 

''^f  =  -Ä-C7ßin(«-r«), 


Fiff.l&t. 


B  =  C  Csm{a  +  e)ds  +  JBj 


0 


Sei  a  —  0  nach  oben  gerichtet^  in  derselben  Richtung  die  y- Achse 
gelegen,  die  ovAchse  aber  nach  rechts^  so  ist 


also 


rfrc  —  —  sin  adf5,     dy  «  cosad«, 

B  ^  C I  Vsin  sdy  —  cos  sdx)  +  Bq , 
B  =»  C(y  sin  f  —  X  cos  e)  +  B^. 


(B) 


B^  bedeutet  das  Biegungsmoment  an  der  Stelle  x  =  0,  y  ^  0.  Man 
hätte  auch  diese  Formel  direkt  durch  Anwendung  des  Momentensatzes 
auf  ein  endliches  Stück  des  Seiles  finden  können.  Denn  -f  e  ist  der 
Winkel,  den  die  feste  Richtung  von  C,  der  Resultierenden  von  H 
und  S,  mit  der  y- Achse  nach  rechts  einschließt,  weil  fär  a » 0^ 
Ä*—  —  Csinc,   S'==C  cos  6   ist. 


Nr.  186.  §  S6.   Faden  und  Seil.  293 

186.  BlnfHhmng  der  erforderlichen  Hypothese.    Die  Er- 

fahrang  zeigt^  daß  bei  steifen,  unelastischen  Seilen  an  den  Stellen,  wo 
eine  Biegnngsänderung  eintritt,  ein  bestimmtes  Biegungsmoment  der 
Yerbiegung  entgegenwirkt  (wenn  man  die  Gegenwirkung  des  Stückes 
nach  außen  betrachtet),  das  in  erster  Annäherung  der  gesamten  Seil- 
spannung C  proportional  gesetzt  werden  kann,  sonst  aber  wesentlich 
nur  Yon  Eigenschaften  des  Seiles  abhängt,  also 

B  ^Cr, 

wo  die  Länge  r  eine  Materialkonstante  ist. 

Drückt  sich  schon  darin  eine  große  Verwandtschaft  mit  der  Er- 
scheinung der  Reibung  aus,  so  wollen  wir  sie  als  Hypothese  aUgemein 
aussprechen  und  folgende  plausible  Annahmen  machen,  yon  denen  eine 
Genauigkeit  ähnlich  den  Goulombschen  Gesetzen  zu  erwarten  ist. 

1.  Ändert  sich  für  ein  Seilstück  bei  der  Bewegung  die  Krümmung 

j«  

nicht,  ist   jt  ==  0,  so  hat  B  einen  unbestimmten  Wert,  B  ist  also  ein 

Reaktionsmoment,  das  als  Unbekannte  in  die  Gleichungen  eintritt. 
Doch  ist  stets  .  -r,    ^  .^ 

wo  C  die  Gesamtspannung  des  Seiles,  r,  der  „Radius  der  Seilsteifig- 
keit'',  in  erster  Annäherung  eine  Konstante  des  gewählten  Seiles. 

In  dieser  ersten  Annahme  drückt  sich  aus,  daß  ein  Seil  einer 
Verbiegung  einen  gewissen  passiven  Widerstand  entgegensetzt,  der 
bis  zu  einer  bestimmten  Grenze  geht. 

2.  Ändert  sich  für  ein  Element  des  Seiles  die  Krümmung,  ist 

also  ^  +  0,  so  hat  B  dasselbe  Zeichen,  d.  h.  das  Biegungsmoment, 
das  von  außen  an  einem  Seilstück  eine  Biegung  hervorruft,  hat  den- 
selben  Sinn  wie  die  Biegungsänderung,  wie  -jr,  ist  aber  sonst  kon- 

'**"*  B  =C.r. 

In  erster  Annäherung  bei  langsamer  Bewegung  kann  wieder  r 
als  Konstante  des  Seiles  angesehen  und  zwar  r  =>  r  gesetzt  werden. 

Also:  das  Seil  setzt  seiner  Verbiegung  einen  Biegungswiderstand 
entgegen,  der  der  Seilspannung  proportional  ist.  Die  Verbiegung  ist 
Ursache  von  B*  dieses  wird  also  Reaktionsmoment,  sobald  eine  Ver- 
biegung nicht  stattfindet. 

3.  Eine  Ergänzung  erfordert  die  Theorie  der  Seilspannung  gegen- 
über derjenigen  der  Reibung:  da 

dB  jj 

so  muß  B  stetig  sein. 


294 


VIL   Statik  der  Sysieme. 


»r.  187. 


Wenn  aber  an  einer  Stelle 


dl 


,    sein  Zeichen  wechselte,  so  müßte  B 

plötzlich  von  Cr  auf  —  Cr  springen.  Die  hier  auftretende  Schwierig- 
keit überwinden  wir  durch  folgende  naheli^ende  Annahme: 

Es  kann  nicht  plötzlich  -jr  sein  Zeichen   wechsebi  und  B  Yon 

Cr  auf  —  Cr  springen.     Wird  -jj  an  einer  Stelle  Null,  so  folgt  auf 

sie  eine  endliche  Strecke,  wo  dt  =  0  ist,  d.  h.  die  Sjrümmung  kon- 
stant bleibt.  Auf  dieser  Strecke  ist  dann  B  unbestimmt  und  die 
Lange  der  Strecke,  längs  der  dt=^0  bleibt,  bestimmt  sich  dadurch, 
dafi  B  allmählich  Ton  Cr  auf  —  Cr  übei^eht. 

Es  wird  demnach  das  steife  freie  Seil  aus  Stücken  folgenden 
Charakters  bestehen:  1.  aus  Stücken,  wo  B  konstant,  also  H^O  ist, 
die  sich  abo  wie  Stücke  vollkommen  biegsamer  Seile  bewegen  müssen. 

Längs   dieser  Stücke  behält^    ,     sein  Zeichen;   2.   aus   Stücken,   wo 

f  «»       =0  ist,  also  die  Krümmung  konstant  bleibt.     Längs  dieser 

Stücke  geht  B  von  ±  Cr  in  T  Cr  über.  Beim  Übergang  von  einem 
Stück  zum  andern  sind  B,  S,  H  stetig,  t  kann  eventuell  unstetig  sein. 

187.  Folgeningen  fBr  das  krAftefireie,  mhende  GML  ^Be- 
trachten wir  ein  kräftefreies  Seil  im  Ruhezustande.     Dann  ist  nach 

Nr.  185 

H Csin(a  +  £), 

S=      Cco8(a  +  «) 


und 


-B  =«  jBq  +  (7(y  sin  ß  —  rr  cos b), 


wenn  zu  Anfang  (y »  0,  rr  =  0)  auch  a  »  0  war,  wobei  a  von  der 
y- Achse  aus  nach  links  gezählt  wurde. 

Nun  gibt 

B  ^Cr 

B^^Cr 
—  r  — ^^ysinc  —  a;  cos  «  ^  r  — ^  • 


Es  bedeutet  aber  diese  Ungleichung,  daß 
die  Seilkurve  in  einem  Streifen  liegt,  der 
mit  der  y-Achse  nach  rechts  den  Winkel  a 
einschließt  und  die  Breite  2r  hat.     Außer- 

dem  hat  die  Mittelachse  den  Abstand  df  =  -^, 

der  absolut  <r  ist,  nach  rechts,  wenn  d>0. 
Das  Seil  kann  dann  irgendwie  in  dem  Streifen  hin-  und  herlaufen. 


Nr.  188.  §  36.   Faden  und  Seil.  295 

Ein  gespanntes,  sonst  Jcräftefreies,  rufendes  Seil  wird  nach  unseren 
Hypothesen  in  einem  Streifen  der  Breite  2r  —  wo  r  der  Bculius  der 
SeUsteifigkeit  ist  —  liegen,  sonst  aber  jede  Gestalt  haben  können,  also 
auch  jede  Krümmung. 

Das  aber  widerspricht  noch  offenbar  der  Ei-fahrung.  Auch  wenn 
wir  annehmen  wollen,  daß  r  mit  wachsendem  C  abnimmt,  bliebe  noch 
immer  das  Paradoxon  beliebiger  Krümmung  eines  beliebig  stark  ge- 
spannten Seiles. 

Es  bedarf  deshalb  noch  einer  weiteren  Hypothese.  Diese  wird 
sich  auf  H  zu  beziehen  haben.     Denn  es  ist 

'S tg(«  +  ^) 

und  a  +  £  ist  der  Winkel,  welchen  das  Seil  mit  der  Richtung  des 
Streifens,  d.  h.  der  mittleren  Seilrichtung  einschließt.  Wir  werden 
verlangen  müssen^  daß  dieser  Winkel  eine  obere  Schranke  habe^  die 
mit  wachsendem  C  kleiner  wird.  Geben  wir  H  selber  eine  feste 
obere  Schranke^  so  wird  die  Bedingung  für  a  +  e  erfüllt  sein. 

Der  Leser  möge  sich  nochmals  durch  Zeichnung  das  in  den  Formeln  dieser 
Nummer  enthaltene  Resultat  klar  machen:  Wenn  der  Endpunkt  eines  Seilstücks 
links  von  der  Geraden  durch  den  Anfangspunkt  und  der  Richtung  G  liegt,  so 
muß  beim  kräfbefreien  Seil  B  —  B^  >  0,  sonst  <  0  sein. 

188.  ElnfUiriing  einer  ZiisatzhypotheBe.  Wir  suchen  den 
Tatsachen  dadurch  besser  gerecht  zu  werden^  daß  wir  festsetzen,  daß 

im  Ruhestände 

H  <H, 

sei,  wo  Hq  eine  dem  Seil  eigentümliche  Größe  sei,  die  in  erster  An- 
näherung nicht  mehr  von  S  (bzw.  C)  abhängt.  Man  kann  sich  die 
Berechtigung  dieser  Hypothese  wenigstens  für 
festgedrehte  Seile  noch  auf  folgende  Weise  klar 
machen:  Es  sei  AB  CD  ein  kleines  Prisma  aus  ^\a 
dem  Seil,  BC  und  AD  quer  gelegene  Ebenen,  \ 
AB,  CD  längs  gerichtet. 

Zeichnen  wir  die  spezifischen  Schubkräfte  R 
und  T,  so  muß,  wenn  dx  die  Länge,  dy  die 
Breite  des  Prismas,  dz  seine  Dicke  ist,  nach  dem  Momentensatze 

Tdxdydz  —  Rdxdyde  =»  0, 
also 

sein. 

Nun  wird  R  eine  Reibuugskraft  zwischen  den  Seilfäden  sein, 
also     R   KfN,  wo  f  den  Reibungskoeffizienten,   N  den  spezifischen 


296  VII.    Statik  der  Systeme.  Xr.  189. 

Normaldruck  bedeutet,  mit  dem  die  Strähne  gegeneinander  gepreßt 

sind.     Also  ist  auch 

T  <fN, 

und  da  J7 »  /  TdF,  das  Integral  über  den  Querschnitt  erstreckt,  so 
muß    H  <.f  ( NdF  sein,  welche  feste  Grenze  wir  eben  H^  nennen. 

Wenn  nun  das  Seil  fest  gedreht  ist,  so  dürfen  wir  annehmen, 
daß  ^  Dur  wenig  mehr  —  im  Mittel  wenigstens  —  durch  die  De- 
formation geändert  wird  und  daß  also  Hq  angenähert  eine  dem  Seil 
eigentümliche  Größe  ist.     Da 

dt 

ist,  können  wir  auch  sagen,  daß  nicht  nur  B  einer  oberen  Grenze 
unterworfen  ist,  sondern  auch    , 


dB 
ds 


£ff,- 


Für  das  kräftefreie  Seil  folgt  jetzt 

C  sin  (a  +  «)  I  <  -HJ) , 


also 

sin  (a  +  a) ;  <  -^  • 

Nehmen  wir  C  groß  gegen  Hq,  so  gibt  das 

als  Grenze  des  Winkels,  welchen  das  Seil  gegen  seine  mittlere  Rich- 
tung haben  kann. 

189.  Yereixilgimg  beider  Hypothesen  zn  einer  einsigfen. 

Nun  können  aber  unmöglich  beide  Hypothesen  getrennt  nebeneinander 
bestehen  bleiben,  sie  müssen  beide  in  einer  einzigen  dritten  enthalten 
sein.  Denn  wenn  eine  der  Grenzen,  entweder  H=±Hq  oder  B^-^ Cr 
erreicht  wird,  muß  eine  Verbiegung  eintreten;  in  diesem  Augenblick 
werden  J5,  H  eingeprägte  Momente  bzw.  Kräfte,  müssen  also  in  einem 
gesetzmäßigen  Zusammenbang  zu  den  anderen  physikalischen  Größen 
stehen.     Nun  besteht  schon  zwischen  ihnen  die  eine  Relation 

äs  ' 

es  kann  also  bei  Bewegung  nur  noch  eine  weitere  geben: 

F{B,  i7)  «  0. 


Nr.  190.  §  86.    Faden  und  Seil  297 

Da  aber  die  Gleichgewichtszustände  stetig  an  die  Bewegungszustände 
angrenzen  müssen,  muß  im  Gleichgewichtsfalle 

F{B,  H)<0 

bestehen  und  in  dieser  Hypothese  müssen  die  alten 

enthalten  sein.     D.  h.  das  Gebiet 

F(B,  H)<0 

muß  in  der  Ä  J?- Ebene  in  das  Innere  des  Rechtecks  H'^^Hq, 
B^±Br  faUen. 

Nun  liegen  noch  gar  keine  hinreichenden  experimenteüen  Daten 
vor,  F  zu  bestimmen.  Die  einfachste  und  plausibelste  Annahme, 
nämlich  die,  daß  JP  =  0  einfach  den  Rand  des  Rechtecks  gibt,  führt 
zu  einem  bemerkenswerten  Resultat:  ist  eine  Strecke  lang  H  ^  H^, 
so  folgt  aus  der  obigen  Differentialgleichung 

B^B^-H^s, 

das  kann  aber  nur  solange  gelten,  bis  JB «—  +  Cr  wird,  was  sicher 
eintreten  muß.  Bliebe  dann  -B=  +  Cr,  so  müßte  wegen  der  Differential- 
gleichung plötzlich  U  ^  0  werden,  was  nicht  zulässig  ist,  da  H  stetig 
sein  muß.  Es  kann  also  weder  H'^Hq,  noch  B^^Cr  bleiben, 
mithin  müßte  jetzt  ein  Stück  Kurve  ansetzen,  wo  -F  <  0  ist,  d.  h.  ein 
Stück  Kurve,  das  bei  der  Bewegung  seine  Krümmung  nicht  ändert, 
also  starr  bleibt. 

190.  Sin  Fall,  In  dem  die  erste  Hypothese  genflgt.    Nun 

kann  leicht  gezeigt  werden,  daß  für  ein  Seil  der  Länge  s,  wo  s 
groß  ist  gegen  r,  das  femer  kräftefrei  und  konstanter  Krümmung 
ist,  aus  der  Bedingung 

allein  schon  die  Paradoxie  starker  Krümmung  verschwindet,  so  daß 
wir  in  diesem  Falle  eine  zweite  Annahme  nicht  nötig  haben  und 
mit  den  Festsetzungen  aus  Nr.  186  auskommen. 

Denn  die  Anschauung  läßt  sofort  erkennen,  daß  man  in  einen 
schmalen  Streifen  der  Breite  2r  (siehe  Nr.  187)  ein  Stück  Kreisbogen 
der  Länge  5,  wobei  5  >  r,  nur  dann  hineinlegen  kann,  wenn  die 
Krümmung  des  Kreisbogens  hinreichend  klein  ist. 

Betrachten  wir  etwas  näher  den  besonderen  Fall,  daß  das  Bie- 
gungsmoment in  den  beiden  Enden  A,  B  eines  Seilstücks  die  Ex- 
tremalwerte  habe  —  Cr  in  A,  +  Cr  in  B.  Dann  müssen,  nach 
Nr.  187,  A  und  jB  genau  auf  den  Grenzen  des  Streifens  liegen.    Sind 


298 


YIL   SUiik  der  Sviteine. 


Kr.  191. 


etwa  umgekehrt  A,  B  gegeben,  so  ist  damit  der  Streifen  f&r  das  Seil 

Tollstandig  bestimmt,  denn  man  kann  dnrch  A^  B  nur  in  einer  Weise 

Parallelen  Tom  Abstände  2r  legen, 
so  daß  B  auf  dem  linken,  A  auf 
dem  rechten  Rande  des  Streifens 
liegt  und  das  Seil  Ton  A  nach  B 
lauft  (siehe  die  Bemerkung  am 
Schlüsse  Yon  Nr.  187).  Die  mög- 
liehen  Kreisbogen,  welche  A  und  B 
verbinden  und  gleichzeitig  in  dem 
Streifen  li^en,  verlaufen  zwischen 
zwei  Grenzfällen:  dem  Kreisbogen, 
der  eine  der  Parallelen  in  A^  und 
dem   Kreisbogen,   der  die  andere 

Parallele   in  B  berührt     Die   gerade  Strecke  AB  gehört  naturlicb 

auch  zu  den  mogliehen  Formen  des  Seilstücks. 

Wie  groß  kann  die  Krümmung  t  also  höchstens  sein? 

Betrachten  wir  den  einen  Extremalüedl,  wo  der   Kreisbc^n   in 
B  berührt.     Sei  R  der  Radius  des  Kreises,  a  der  Zentriwinkel,  so  ist 

2r  =  BD^  R(l  —  cos«)  «  ^  (1  -  cos«). 

a  ist  klein.     Behalten  wir  Glieder  erster  Ordnung  bei,  so  wird  aus 
der  vorstehenden  Gleichung 


Fi«.16t. 


2r 


Sa, 


also 


und 


a  =  — 


4r 
s 


t^^^ 


a 

s 


4jr 


Das  ist  unter  Vernachlässigung  höherer  Glieder  in  —  der 

9 

Maximalicert  der  Krümmung  eines  hräflefreien  gespannten  steifen  Seil- 
Stückes  von  konstante  Krümmung. 

191.  Anwendung  auf  die  stationäre  Bewegung.    Wir  be- 
ginnen mit  einer  wichtigen  Bemerkung: 

Ein  kräftefreies  Seil  kann  sich  nicht  in  einem  etlichen  Stück 
im  Zustande  der  Verbiegung  befinden,  sondern  nur  an  eifigdnen  Stellen. 

Dieser  Satz   folgt   sowohl   aus   der  ursprüglichen  Hypothese  in 
Nr.  186  als  auch  aus  der  Zusatzhypothese. 


Nr.  191.  §  36.   Faden  und  Seü.  299 

Denn  ist  H  ^  H^,  so  folgt  ans 

H (7sm(a  +  fi), 

daß  auch  a  konstant  ist,  das  Seil  also  gerade  ist,  and  aus  B  =»  const 
folgt  IT  =»  0,  also  dasselbe,  speziell  ist  nur  a^  —  b. 

Nunmehr  führe  ein  steifes  Seil  eine  sogenannte  stationäre  Be- 
wegung aus,  d.  h.  es  bewege  sich  in  einer  festen  Kurve.  Dann  muß 
diese  Kurve  nach  dem  vorangehenden  Satz  jedenfalls  aus  Kreisbögen 
bestehen,  denn  andernfalls  fände  ein  beständiger  Wechsel  der  Krüm- 
mung statt.     Wir  wollen  weiter  zeigen: 

Wenn  an  den  Enden  des  kräftefreien  Seilstiicks  das  Biegungsmoment 
die  Exiremalwerte  —  Cr  u/nd  Cr  hai,  besteht  das  Stück  im  FaUe  statio- 
närer Bewegung  aus  einem  einzigen  Kreisbogen  (ev.  einer  Strecke). 

Denn  bestände  das  Seilstück  aus  mehreren  Kreisbögen,  so  müßte 
an  den  Anschlußstellen  B  ^^  +  Cr  sein;  diese  Stellen  müßten  also  auf 
den  Grenzen  des  Streifens  liegen.  Es  ist  aber  nicht  möglich,  zwei 
oder  mehrere  Kreisbögen  mit  stetiger  Tangentenrichtung  aneinander 
zu  zeichnen,  so  daß  die  Stellen  des  Zusammentreffens  auf  den  Rän- 
dern des  Streifens  und  auch  noch  Anfangs-  und  Endpunkt  auf  den 
Rändern  und  zwar  auf  verschiedenen  Rändern  liegen.  Denn  eine 
Fortsetzung  mit  stetiger  Tangente  ist  am  Rande  des  Streifens  nur 
bei  Berührung  mit  dem  Rande  möglich;  eine  solche  Berührung  kann 
aber  immer  nur  an  einem  Ende  des  Kreisbogens  stattfinden,  so  daß 
überhaupt  nur  zwei  Kreisbögen  stetig  zusammentreffen  können,  deren 
freie  Enden  dann  beide  auf  dem  anderen  Rande  liegen  müssen. 

Betrachten    wir  jetzt  ein  Seilstück   zwischen  zwei  RoUen    eines 
Flaschenzuges,  so  ist  (bei  Drehung  links  herum)  an  den  Ablösungs- 
stellen  B  ==^  —  Cr^  an  den  Auflaufstellen  B  =  Cr\  denn 
an  diesen  Stellen  findet  sicher  ein  Krümmungswechsel 
in  dem  entsprechenden  Sinne  statt.  -^'■\^    _^ I^^^ 

Zwischendurch  ist  dann  die  Seilkurve,  wenn  sie 
als  kräftefrei  gelten  kann,  ein  Stück  Kreisbogen  (ev. 
Gerade);  s  ist  bis  auf  kleine  Größen  gegeben,  nämlich 
gleich  dem  Abstände  der  Rollenmitten.  Also  ist  das 
Maximum  der  Krümmung,  die  nach  außen  oder  innen 
erfolgen  kann,  durch 

f=     , 

Die  wirkliche  Berechnung  von  f  erweist  sich  nun 
als   unmöglich,   solange   man   die   Rollen    als   starr   ansieht. 
Denn  die  Gleichung 

^/+  ^S  +  x,  =  0 


300  VII.    Statik  der  Systeme.  Nr.  192. 

enthält,    angewendet    auf   das   Seilstück    auf  der   Rolle,   den    unbe- 
kannten Normaldmck  x,..     Man  weiß  von  x,,  nur,  daß  es  negativ  ist. 

Da  aber  U  klein  ist,  jedenfalls  auch     ,   ,  so  kann  die  Gleichung  bei 

großem  8  nichts  über  H  aussagen. 

Insofern  aUo  die  Krümmung  der  freien  Seilstücke  innerhalb  ge- 
wisser Grenzen  frei  bleibt,  ist  das  Problem  „statisch  unhestimnU**. 

Die  Berechnung  der  kleinen  Größe  e  nach  Nr.  182  wird  aber 
durch  diese  Unbestimmtheit  höchstens  in  Gliedern  zweiter  Ordnung 
beeinflußt. 

Aufgabe  01:  Ein  Seil  ist  an  einem  reibungsfreien  Gelenk  aufgehängt  und 
trägt  unten  eine  vertikale  Last.  Es  werde  selbst  als  gewichtslos  angesehen. 
Welche  Mannigfaltigkeiten  von  Gestalten  kann  es  in  der  Ruhelage  annehmen, 
wenn  man  nur    J?  <  Cr  verlangt? 

Schluß  des  zweiten  Abschnittes: 

§  37.    Übergang  zur  Kinetik  starrer  Systeme. 

192.  Olelohgewloht  und  Äquivalenz  von  Kräften  an 
einem  System  von  n  Freiheitsgraden.  In  seinem  „Traite  de  dy- 
namique^'  entwickelte  D'Alembert  1743  ein  einfaches,  ganz  allgemeines 
Prinzip,  das  gestattet,  jedes  kinetische  Problem  aus  der  Mechanik  der 
Systeme  starrer  Körper  auf  ein  statisches  zurückzuführen.  Um  dieses 
Prinzip  klar  zu  formulieren,  müssen  wir  noch  eine  Bemerkung  über 
die  Statik  der  Systeme  starrer  Körper  vorausschicken. 

Besteht  das  System  aus  starren  Körpern,  so  werden  wir  die  Be- 
dingungen des  Gleichgewichts  erhalten,  indem  wir  für  jeden  ein- 
zelnen starren  Körper  die  Summe  und  die  Summe  der  Momente  der 
für  ihn  äußeren  Kräfte  gleich  NuU  setzen. 

In  diesen  Gleichungen  kommen  nun  noch  im  allgemeinen  Nor- 
maldrucke explizit  und  eventuell  auch  Haftreibungen  zwischen  den 
Körpern  selbst  und  zwischen  ihm  und  den  gegebenen  Stützflächen  vor. 
Denken  wir  uns  diese  unbekannten  Reaktionskräfte  eliminiert  (doch 
nur  soweit  sie  explizit  vorkommen;  daß  eventuell  eingeprägte  Kräfte, 
wie  Gleitreibungen,  von  ihnen  abhängen,  geht  uns  hier  nichts  an!), 
so  werden  eine  gewisse  Anzahl,  sagen  wir,  n  Gleichimgen  zwischen 
den  eingeprägten  Kräften  allein  übrig  bleiben.  Wir  werden  später 
(Nr.  325)  sehen,  daß  diese  Anzahl  n  genau  gleich  der  Anzahl  un- 
abhängiger Bewegungsmoglichkeiten  ist,  welche  das  System  unter  Be- 
achtung der  vorgeschriebenen  Berührungsbedingungen  hat.  Man  nennt 
diese  Anzahl  n  den  Freiheitsgrad  des  Systems. 

So  hat  ein  starrer  Körper  in  der  Ebene  drei  Freiheitsgrade, 
denn  ich  kann  einen  seiner  Punkte  nach  jeder  Richtung  hin  ein  be- 
liebiges Stück  verschieben  —  macht  zwei  Freiheitsgrade  —  und  den 


Nr.  193. 


§  87.    Übergang  zur  Kinetik  starrer  Systeme. 


301 


Körper  dann  noch  um  eine  Achse  durch  den  herausgegriffenea  Punkt 
durch  einen  vorgeschriebenen  Winkel  drehen,  macht  einen  dritten 
Freiheitsgrad. 

Dem  entsprechend  gibt  es  auch  drei  Gleichgewichtsbedingungen 
fär  die  eingeprägten  Kräfte  beim  freien  starren  Körper,  denn  bei  ihm 
sind  alle  äußeren  Kräfte  zugleich  eingeprägte  Kräfte. 

Ebenso  überlegt  man  sich  leicht,  daB  der  starre  Körper  im 
Raum  sechs  Grade  der  Freiheit  hat  (genaueres  siehe  §  46).  Das 
Schubkurbelgetriebe;  das  wir  in  Nr.  155  behandelten^  hat  einen  Frei- 
heitsgrad,  denn  ich  habe  nur  den  Kurbelwinkel  frei  zum  Bewegen; 
alles  andere  bewegt  sich  dann  in  bestimmter  Weise  mit. 

Man  nennt  deshalb  ein  System  von  einem  Freiheitsgrad  auch 
„zwangläufig''. 

Wir  wollen  nun  sagen,  daß  eine  Gruppe  von  Kräften 
an  dem  mechanischen  System  im  Gleichgewicht  sei  oder 
sich  aufhebe,  wenn  es  jene  n  Gleichungen 
erfüllt,  welche  zwischen  irgendwelchen  ein- 
geprägten Kräften  bestehen  müssen^  damit 
unter  ihrer  Wirkung  das  mechanische  Sy- 
stem im  Gleichgewicht  sei.  Gleichwertig 
werden  zwei  Kräftesysteme. sein,  wenn  das 
eine  und  das  entgegengesetzte  des  andern  | 
sich  aufheben.  (Beweis  wohl  klar.  Siehe  Nr.  116 
und  124) 

In  diesem  Sinne  sagten  wir  schon,  daß  beim 

Schubkurbelgetriebe  der  Dampfdruck  P  dem  Tan- 

gentialdampfdrack.  T  gleichwertig  (äquivalent)  sei. 

Aufgabe  92:  Welcher  Kraft  P  ist  bei  dem  gezeichiieten  System  von  einem 
Freiheitsgrad  das  Gewicht  G  äquivalent?    Es  greife  P  in  der  Höhe  h  horizontal  an. 

193.  Das  D'Alembertsohe  Frinsip.  Wir  gehen  von  der 
Newtonschen  Grundgleichung  eines  Volumelementes  aus  (siehe  Nr.  47 
und  48) 

dmw  =  ^dJc 

und  teilen  die  Summe  der  Kräfte  S^^  i^  ^^öi  Teile:  der  eine  mag 
kurz  dk  heißen,  der  andere  ds,  dh  sei  die  Summe  der  an  dem  Vo- 
lumelement angreifenden  eingeprägten  Kräfte,  ds  die  Summe  der 
Reaktionskräfte  (siehe  Nr.  58,  61,  62,  141). 

Für  ein  Volumelement  im  Innern  eines  starren  Körpers  ist  also 
ds  die  Summe  der  Spannungen;  für  ein  Element  am  Rande  besteht 
ds  aus  der  Summe  der  Spannungen  an  den  inneren  Flächen  und 
dann  nur  noch  aus  dem  Teile  des  Druckes  an  der  Oberfläche,  der 
Normaldruck  oder  Haftreibung  eines  angrenzenden  Körpers  des  Systems 
oder  einer  gegebenen  Stützfläche  ist. 


Fig.  164. 


302  ^n.   Statik  der  Systeme.  Nr.  194. 

Schreiben  wir  also 

dm  io  ^  dk  +  ds.  (I) 

Diese  Gleichung;  die  eigentlich  keine  andere  ab  die  Newtonsche  Gh'und- 
gleichung  ist,  heiße   in  dieser  Form  der  D'Alembertsche  Ansatz. 
Das  Prinzip  D'Alemberts  lautet: 

Bei  der  Bewegung  des  Systems  hält  sich  die  Gesamt- 
heit der  Reaktionskräfte  ds  (in  dem  in  Nr.  192  präzisierten 
Sinne)  an  dem  System  das  Gleichgewicht. 

Da  nach  (I) 

—  rfs  =  —  dm  tö  +  dk 

ist,  so  kann  man  das  Prinzip  auch  in  der  folgenden,  sehr  brauch- 
baren Form  aussprechen: 

Bei  der  Bewegung  halten  sich  die  eingeprägten  Kräfte 
und  die  negativen  Massenbeschleunigungen  das  Gleich- 
gewicht oder  es  sind  die  Massenbeschleunigungen  den  ein- 
geprägten Kräften  äquivalent. 

Man  f&ge  also  zu  den  eingeprägten  Kräften  dk  die  negativen 
Massenbeschleunigungen  —  dm  tö  als  Scheinkräfte  hinzu  und  behandle 
nun  das  ganze  Problem  als  ein  statisches.  So  lautet  die  praktische 
Regel  des  d'Alembertschen  Prinzips. 

Nehmen  wir  ein  Beispiel  vor. 

194.  Der  nm  eine  feste  Aohae  rotierende  starre  Körper 

ist  offenbar  ein  System  von  einem  Freiheitsgrad.  Die  explizite 
Gleichgewichtsbedingung  für  die  eingeprägten  Kräfte  kenneu  wir 
(Nr.  141):  es  muß  die  Summe  der  Momente  in  bezug  auf  die  Achse 
Null  sein- 

Also  muß  bei  der  Bewegung  das  Moment  der  Massenbeschleuni- 
gung gleich  dem  Moment  der  eingeprägten  Kräfte  sein.  Dann  werden 
die  dk  und  die  dmü>  einander  äquivalent  oder  die  dk  und  die  —  dmW 
sich  gegenseitig  aufheben. 

Nun  beschreibt  aber  jeder  Punkt  einen  Kreis  mit  dem  Radius  r 
seines  Abstandes  von  der  Achse.  Sei  co  die  Winkelgeschwindigkeit, 
G)  die  Winkelbeschleunigungy  so  ist  die  Zentripetalbeschleunigung  ra*: 
sie  hat  kein  Moment,  da  sie  die  Achse  sehneidet.  Die  Tangential- 
beschleunigung ist  rä  und  hat  das  Moment  r  -  rä  =  r^o). 

Mithin  ist  das  Gesamtmoment  aller  Massenbeschleunigungen 

wenn  wir  die  für  den  Körper  in  bezug  auf  die  Drehachse  konstante 

Größe  ^dmr^^T,  das  „Trägheitsmoment  des  Körpers  in  bezug 
auf  die  Achse''  nennen. 


Nr.  196. 


§  37.    Übergang  zur  Kinetik  starrer  Systeme. 


303 


Und  die  Bewegungsgleichung  lautet 

wo  M  das  Moment  der  eingeprägten  Kräfte  in  bezug  auf  die  Dreh- 
achse bedeutet. 

Diese  fundamentale  Gleichung  läßt  sich  schon  wegen  ihrer  Ana- 
logie zur  Newtonschen  Grundgleichung  leicht  behalten: 

An  Stelle  der  Kraft  tritt  als  dynamische  Größe  das  Kraftmoment  Mj 

an  Stelle  der  gewöhnlichen  Beschleunigung  als  kinematische  Größe 
die  Winkelbeschleunigung  m, 

an  Stelle  der  Masse  als  Trägheitsfaktor  das  Trägheitsmoment  T 
des  Körpers. 

Ist  M  ^Oy  also  das  System  der  eingeprägten  Kräfte  für  sich  im 
Gleichgewicht,  so  folgt  ö  =»  0,  o  =  const.  Der  Körper  dreht  sich 
mit  gleichförmiger  Winkelgeschwindigkeit^  bleibt  also  speziell  in  Ruhe, 
wenn  er  zu  Anfang  in  Ruhe  war. 

196.  Das  physisohe  Pendel  ist  ein  Körper,  der  sich  unter 
der  Einwirkung  der  Schwerkraft  als  wesentlich  einziger  eingeprägter 
Kraft  um  eine  horizontale  Achse  (Schneide)  drehen  kann 
und  nun  erfahrungsgemäß  kleine  Schwingungen  ausführt, 
wenn  man  ihn  ein  wenig  anstößt. 

Habe  der  Schwerpunkt  S  die  Entfernung  s  von  der 
Drehachse,  sei  G  das  Gewicht,  %^  der  Ausschlagwinkel, 
d.  h.  der  Winkel,  den  OS  mit  der  Lotrichtung  einschlägt, 
so  ist  das  Moment  der  Schwere 

—  Gs  sin 'S", 

im  Sinne  des  wachsenden  d'  positiv  gerechnet. 
Da  die  Winkelbeschleunigung 

ist,  so  wird  aus  der  Hauptgleichung  der  vorigen  Nummer 

T^  . sG  sind'. 

Also 


%  = 


^  sinö*. 


(I) 


wo 


l 


T 

ms 


gesetzt  ist. 

Gleichung  (1)  ist  aber  genau  die  Gleichung  eines  Punktpendels 
(siehe  Nr.  66)  von  der  Länge  l. 

Es  schwingt  also  das  physische  Pendel  wie  ein  mathematisches 
Pendel  von  der  sogenannten  „reduzierten  Pendelläng&^ 


l 


T 

ms 


304 


yn.    Statik  der  SyBieme. 


Nr.  196. 


Ein  Punkt  If  auf  05,  der  die  Entfernung  l  von  0  hat,  heißt 
der  SchwingnngBmittelpunkt:  er  schwingt,  dem  Pendel  angehorig, 
genau  so,  wie  er  schwingen  würde,  wenn  er  mit  einer  kleinen  Masse 
an  einem  Faden  von  der  Unge  l  hängen  würde. 

T  hat  die  Dimension  einer  Masse  mal  dem  Quadrat  einer  Lange, 
weil  jedes  Glied  der  unendlichen  Summe,  aus  der  T  besteht,  diese 
Dimension  hat.     Setzen  wir  dem  entsprechend 

T 


mö'. 


so  ist  <y  eine  Strecke,  welche  Trägheitsradins,  auch  Gyrations- 
radius  genannt  wird.  Durch  ihn  drückt  sich  die  reduzierte  Pendel- 
lange so  aus: 


8 


Die   Schwingungsdauer 
Nr.  66) 


unendlich    kleiner   Schwingungen    ist   (siehe 


=  2ä]/ 


/T 

9 


Kennt  man  T,  m  und  s,  so  dient  das  Pendel  zum  Messen  von  g  (geo- 
dätische Verwendung).  Sieht  man  aber  g  als  bekannt  an,  so  kann 
man  das  Pendel  brauchen,  um  aus  beobachtetem  r^  das  {,  d.  h.  wenn 
man  m  und  «,  Masse  und  Schwerpnnktslage  eines  Körpers  kennt,  das 
Trägheitsmoment  experimentell  zu  bestimmen.  (Weiteres  darüber 
siehe  Nr.  259.) 

196.    Das  BeTersionspendeL     Wir  wollen  nun  die  Frage 

stellen:  für  welche  zu  der  alten  Achse  0 
parallelen  Achsen  hat  das  Pendel  dieselbe 
Schwingungsdauer? 

Wir  schicken  der  Beantwortung  der  Frage 
einen  Hilfssatz  über  Trägheitsmomente 
voraus. 

Durch   den    Schwerpunkt   S  ziehen   wir 
die  Parallele  zur  Achse  0.    r  sei  der  Abstand 
eines  Massenteilchens  von  0,  r'der  von  der  Achse 
durch  S.    Der  Winkel  zwischen  r  und  s  sei  a. 
Dann  ist 

r*=  s*  +  /*—  2sr  cosa  =  s*  +  /'—  2s  •  x, 

wenn  wir  eine  j;- Achse  von  S  aus  in  der  Richtung  OS  zählen. 
Daraus  folgt,  daß 

T  =  ^dmr^  ==  s^'^dm  +  ^dmr^  -  2s^dmx. 

Nun  ist  aber  gdmr*==T'  das  Trägheitsmoment  des  Körpers  um 
die  zu  0  parallele  Achse  durch  S, 

^dmx  =  0, 


Nr.  196« 


§  37«  Übergang  zur  Kinetik  starrer  Systeme. 


305 


weil  S{x  =  0)  Schwerpunkt  ist  (siehe  Nr.  52).     Somit  bleibt 

r  =  T'  +  WS« 
oder  nach  Division  durch  m 

Unter  allen  parallelen  Achsen  ist  also  für  die  Achse  durch  den 
Schwerpunkt  das  Trägheitsmoment  (7")  am  kleinsten,  für  alle  andern 
parallelen  Achsen  bestimmt  es  sich  aus  T'  und  dem  Abstand  der 
Achsen  nach  der  vorstehenden  Formel.  (Dieser  Satz  wird  oft  nach 
Steiner  benannt.) 

Nach    dieser   Vorbereitung    können    wir    die    zu   Anfang   dieser 
Nummer  gestellte  Frage  leicht  lösen. 

Es  soll  —  einen  festen  Wert   l  haben,  denn   mit  r^  ist  ja  auch 

l  fest. 

Nun  ist  aber 


also  soll 


(,2_^'2^5«^ 


f't 


8 


+  s  =  l 


sein.  Dabei  ist  </  für  den  Körper  fest,  l  ist  gegeben,  also  berechnet 
sich  s  aus  der  Gleichung 

Daraus  ergeben  sich,  wenn  P>4(y'*  ist,  für 
s  zwei  reeUe,  konstante  Werte:  s^  und  s^- 
Es  ist 

Daraus  folgt: 

Die  untereinander  parallelen  Achsen, 
für  welche  die  Schwingungsdauer   die-  Fig.iei. 

selbe    ist,    stehen    auf   zwei    konzentri- 
schen Kreisen  um  den  Schwerpunkt  senkrecht.     Die  Summe 
der  Radien  dieser  Kreise  ist  gleich  der  reduzierten  Pendel- 
länge {,    die  stets  größer  oder  mindestens   gleich  dem   dop- 
pelten   zum    Schwerpunkt    zugehörigen    Trägheitsradius   ist 

(i>2(y').    Für  den  Greuzfall  (i  =- 2tf')  ist   Sj-s,  «y-i^'.     In 

allen  anderen  Fällen  hat  ein  Punkt  des  einen  Kreises  zur 
Polaren  in  bezug  auf  den  Kreis  mit  dem  Radius  ö'  eine 
Tangente  des  andern  Kreises. 

Da  stets  s^  +  s^  =  i,  so  folgt: 

Wandert  die  Achse  0  auf  dem  einen  der  beiden  Kreise,  so  wan- 
dert der  Schwingungsmittelpunkt  M  auf  dem  andern  so,  daß  S  zwischen 


Hamel:  Elementare  Meohanik. 


20 


306  VU.   Statik  der  Systeme.  .,  Tgr.  197. 

ihnen  liegt.  Daraus,  daß  also  für  alle  Punkte  beider  Kreise  l,  also 
auch  Tq  dasselbe  ist,  folgt  weiter: 

Bringen  wir  im  Schwingungsmittelpunkt  eine  zweite  Schneide 
an,  so  schwingt  das  Pendel  um  diese  genau  so  wie  um  die  erste  Schneide. 

Darauf  beruht  das  Reyersionspendel  de  Katers:  Angenommen, 
man  kennt  l  nicht  genau  genug,  so  daß  man  g  und  l  als  unbekannte 
hat  Dann  bringt  man  auf  der  Achse  OS  sn  der  ungefähren  Stelle 
Yon  M  eine  zweite  horizontale  Schneide  an,  parallel  der  ersten,  und 
stellt  sie  nun  so  lange  ein,  bis  die  Schwingungsdauer  f£Lr  sie  die 
gleiche  geworden  ist,  wie  um  die  erste  Schneide.  Dann  ist  l  der  Ab- 
stand beider  Schneiden,  kann  so  direkt  gemessen  werden  und  g  he- 
stimmt  sich  dann  aus  der  Schwingungsdauer  Tq  nach  der  Formel 


^0 


'V]  ■ 


197.    Znrüokffihmng  des  D'Alembertsohen  FrinzipB  auf 
ein  einfacheres  Priniip.^) 

Wirken  anf  ein  System  die  eingeprägten  Kräfte  dk  und  sei  dmw  die  her- 
vorgerufene Massenbeschleunigung,  so  können  wir  nach  dem  d' Alembertschen  Ansatz 

dmw^^dk  -^ds 

jedenfalls    für  jeden  Punkt  die  gesamte  Reaktionskrafb  ds  berechnen,  wenn  w 
bekannt  ist. 

Denken  wir  uns  nun  eine  neue  eingeprägte  Kraft  hergestellt,  gleich  groß 
und  gleich  gerichtet  mit  ds: 

dk'^ds 

und  lassen  dasselbe  mechanische  System  ein  zweitesmal  den  eingeprägten  Kräften 

dk  +  dk' 

unterworfen  sein,  so  ist  die  nach  der  Gleichung 

dmw  =  dk  -{-dk' 

für  jeden  Punkt  bestimmte  Beschleunigung  jedenfalls  eine  mögliche  Beschleuni- 
gung, denn  sie  ist  ja  genau  dieselbe,  die  im  ersten  Falle  wirklich  eintritt. 

Machen  wir  nun   die  höchst  plausible  Annahme,  daß   bei  Vorhandensein 
der  Kräfte  dk  -\-dk'  die  nach 

dmw  =  die  -{■  dk' 

berechnete  Beschleunigung  auch  jetzt  wirklich  eintritt,  so  erzeugen  die  Kräfte 
dk  dieselbe  Beschleunigung  wie  die  Kräfte  dk-\-dk';  es  sind  also  nach  nnserer 
Terminologie  (siehe  Nr.  111)  die  Kräftegruppen  dX'-f  dk'  und  dk  einander  äqui- 
yalent,  d.  h.  die  Gruppe  der  dk'  ist  äquivalent  Null.  Da  aber  dk'  =  d8  war^ 
so  heißt  das:  die  Gesamtheit  der  Beaktionskräfte  hält  sich  am  System  das 
Gleichgewicht.    Das  ist  aber  das  D'Alembertsche  Prinzip. 

Damit  ist  dieses  Prinzip  auf  die  folgende  Annahme  zurückgeführt: 


1)  Der  Anfänger  kann  diese  Nummer  auslassen. 


Nr.  198. 


§  37.   Übergang  zur  Kinetik  stairer  Systeme. 


307 


Sind  die  eingeprägten  Kräfte  dk,  welche  auf  ein  System  wirken,  siifällig 
so  beschaffen,  daß  die  nach 

dmw^^  dk 

berechneten  Beschleunigongen  möglich  sind,  d.  h.  mit  den  kinematischen  Be- 
dingungen des  Systems  verträglich,  so  treten  diese  Beschleunigungen  auch  wirk- 
lich ein. 

Dieser  Grundsatz  setzt  den  passiven  Charakter  der  Reaktionskräfte  ins 
rechte  Licht:  sie  treten  nur  auf,  wenn  es  unbedingt  nötig  ist.  Dieser  Grundsatz 
schien  d'Alembert  so  selbstverständlich  zu  sein,  daß  er  den  hypothetischen  Cha- 
rakter desselben  nicht  erkannte  und  er  so  die  vorstehende  Überlegung  als  einen 
Beweis  a  priori  seines  Prinzips  ansah. 

Man  kann  aber  leicht  zeigen,  daß  das  d'Alembertsche  Prinzip  logisch  nicht 
aus  unseren  früheren  Axiomen  folgt.  Doch  würde  dieser  Nachweis  die  Ziele 
dieses  Buches  überschreiten. 

198.  Die  sogenannte  Zentrifiigalkraft.  Nehmen  vrir  an, 
ein  System  bewege  sich  so,  daß  jeder  Punkt  einen  Kreis  mit  konstanter 
Winkelgeschwindigkeit  cd  beschreibe.  Dann  ist  als  Beschleunigung 
nur  eine  Zentripetalbeschleunigung  der  Große  rco^  da,  wenn  r  der  Ra- 
dius des  Kreises  ist. 

Die  negative  Massenbeschleunigung  eines  Yolumelementes  ist  dann 

dmrfo^ 

und  nach  außen,  d.  h.  vom  Zentrum  fortgerichtet.  Diese  Scheinkraft 
nennt  man  wohl  die  Zentrifugalkraft. 

Es  muß  dann  die  Gesamtheit  der  Zentrifugalkräfte  der  Gesamt- 
heit der  eingeprägten  Kräfte  nach  dem  D'Alembertschen  Prinzip  das 
Gleichgewicht  halten. 

Das  gilt  aber  nur  f&r  die  zu  Anfang  dieser  Nummer  genannte 
einfache   Bewegung.      In    anderen    Fällen    ist    als   (^^ 
Scheinkraft  das  ganze  —  dmw  zu  nehmen. 

Betrachten  wir  als  Beispiel  einen  Massenpunkt, 
der  mittels  eines  Idealfadens  an  einem  festen  Punkt  0 
aufgehängt  ist,  und  fragen  wir,  ob  unser  Punkt 
einen  horizontalen  Kreis  mit  konstanter  Winkel- 
geschwindigkeit beschreiben  kann.  Wir  kennen  die 
Antwort  schon  aus  Nr.  67,  doch  ist  es  nützlich, 
diese  spezielle  Frage  hier  noch  einmal  zu  behandeln. 

Wir  haben  nach  dem  D^Alembertschen  Prinzip 
die  Zentrifugalkraft  mrcj^  radial  nach  außen  zum 
Gewicht  mg  hinzuzufügen  und  nun  das  Ganze  als 
eine  Aufgabe   des  Gleichgewichts   zu   behandeln.     Der  Hebelsatz   in 
bezug  auf  0  gibt  sofort 

—  mgr  +  mrca^l  cos  ^  =  0 , 
d.  h. 

unser  altes  Resultat. 

20' 


Cd' 


.9.  . 
/  cos  ^ ' 


308 


Vn.    SUtik  der  Systeme. 


Nr.  198. 


Wir  wollen  jetzt  folgende  wichtige  vorbereitende  Aufgabe  losen: 

Ein  symmetrischer  Körper  drehe  sich  nm  eine  in  seiner 
Symmetrieebene  gelegene  Achse  mit  konstanter  Winkel- 
geschwindigkeit o.  Wie  reduzieren  sich  auf  einen  Punkt  0 
des  Körpers  die  Zentrifugalkräfte? 

0  habe  den  Abstand  a  von  der  Achse. 

Wir  legen  durch  0  ein  Koordinatensystem,  so  daB  die  y  Achse 
radial  nach  außen,  die  x  Achse  parallel  zur  Achse  seL  r  sei  der  kon- 
stante Abstand  eines  Punktes  von  der  Achse,  ip  der  Winkel  zwischen 
r  und  der  y- Achse.  Die  xy -Ebene  ist  nach  Voraussetzung  Symmetrie- 
ebene  des  Körpers. 

Da  alle  Zentrifugalkräfte  senkrecht  zur  x- Achse  stehen,  existiert 
in  deren  Richtung  keine  Resultierende.  Ebensowenig  für  die  ^-Achse, 
aus  Symmetriegründen.    Dagegen  ist  die  Resultierende  für  die  y- Achse 

F=  ^dmr€3*  cosqp  —  Sdfmo^(a  +  y) 
F—  mG)*(a  -f  y*), 

wenn  y*  die  Entfernung  des  Schwerpunkts  von  der  x- Achse,  a  +  y^ 

die  von  der  Drehachse  bedeutet. 

Ein  Moment  um  die  y-  und 
um  die  x-Achse  existiert  nicht 
aus  Symmetriegründen,  dag^en 
ist  das  Moment  um  die  «-Achse 
so   za   erhalten   (siehe  Nr.  127): 

Man  projiziert  die  Kraft  dmra  ^ 
in  die  xy-Ebene.  Diese  Projektion 
hat  die  Größe 

rfwriD*  cos  ff  —  dmm^(a  +  y). 

Der  Hebelarm  aber  in  bezug  auf 
0  ist  X.    Mithin  ist 

=  ci*(fimx*  +  ^dmxy). 

Nennen  wir  ^dmxy  das  Devia- 
tionsmoment in  bezug  auf  die 
.ry-AcLsen  und  schreiben  esD,  so  ist 

lf^«o«<ax*m  -hD). 

Nun  sei  Ox'  durch  den  Schwerpunkt  5  eine  weitere  Symmetrieachse 
des  Körpers,  sie  bilde  mit  der  x- Achse  den  Winkel  0".    Es  sei  femer 

Dann  ist 

X*  =*  *  cos  d"    und     V*  =  «  *  sin  d" . 


I 


Tig.  Kl. 


Nr.  198.  §  87.    Übergang  zur  Kinetik  starrer  Systeme.  309 

Ferner  ist 

x^x  cos  -ö-  —  y'  sin  d , 

y  »«  a;'  sin  -Ö"  +  y  cos  d . 
Also 

D  =-  S^iwÄJy  =  cos -Ö- .  sin -Ö- %dm{x'^  —  y  «)  +  (cos« ^  —  sin* ^)Sdwa:'y . 

Nun  sollte  aber  der  Körper  in  bezug  auf  die  or-Achse  symmetrisch 
sein,  also  entspricht  jedem  dmy  ein  —  dm\f  mit  gleichem  x\  in 
%dmx'y  heben  sich  also  alle  Glieder  auf,  es  ist  Null.  Da  wir  end- 
lich schreiben  können 

wo  yx^-\-z^  den  Abstand  von  der  y'- Achse  und  l/y'^+j»*  den  Ab- 
stand Yon  der  a;^chse  bedeutet^  so  wird 

D  —  cos^sin^(B— X), 
wo 

B^^dmix^^i?) 
das  Trägheitsmoment  um  die  y'- Achse, 

A^^dmijf^  +  z^) 

das  Trägheitsmoment  um  die  o;'- Achse  darstellt. 
Fassen  wir  zusammen,  so  erhalten  wir: 

1.  eine  resultierende  Kraft  in  der  y- Achse,  d.  h.  radial  nach 

außen 

F«  mc)*(a  +  s  sin-Ö*)  =  wö^r*, 

wenn  r*  die  Entfernung  des  Schwerpunktes  von  der  Drehachse  ist, 

2.  ein  resultierendes  Moment  um  die  jSr-Achse 

Jf,  «  ö*  cos  %{ams  +  (-B  —  -4)  sin  ^). 

Ist  0  der  Schwerpunkt,  so  ist  die  Kraft 

Y  =  m(D*a, 


das  Moment 


M^-^  l(B-A)(o^Bm2&, 


es  verschwindet  im  allgemeinen  nicht. 

Man  kann  also  die  Zentrifugalkräfte  im  allgemeinen  nicht  auf 
eine  einzelne  im  Schwerpunkt  angreifende  Kraft  reduzieren. 

In  den  vorstehenden  Formeln  sind  nach  Wahl  des  Punktes  0  die 
Größen  m,  r,  -4,  B  feste  Konstanten  des  Körpers. 


SlO 


VIL   Statik  der  Systeme. 


Nr.  199 


a 


199.  Bewesfong  eines  Wagens  in  einer  Knrve  anf  flb«r- 
höhter  Bahn.  Ein  Wagen  bewege  sich  auf  einer  sehnigen  Bahn  in 
einem  horizontalen  Kreise  vom  Radius  a.  Dieser  sei  vom  Mittelpunkt 
des  Kreises  bis  zum  Schwerpunkt  des  Wagens  gemessen.  Die  Nei- 
gung der  nach  außen  überhöhten  Bahn  sei  a,  G  das  Grewicht  des 
WagenS;  h  der  Normalabstand  des  Schwerpunktes  über  dem  Boden, 
d  der  Raderabstand,  t;  die  konstante  Geschwindigkeit'  des  Wagens,  so 

daß  o  =  ~  die  Winkelgeschwindigkeit  der  Kreisbewegung  ist. 

Nach  dem  D'Aleinbertschen  Prinzip 
muß  dann  am  Wagen  Gleichgewicht 
zwischen  den  folgenden  Kräften  herr- 
schen: 

dem  Gewicht  G,  der  Zentrifugal- 
kraft mao^,  beide  im  Schwerpunkt  an- 
greifend, 

der  Reibung  JR^  nach  innen  positiT 
gerechnet,  dem  Normaldruck  N^  der  im 
unbekannten  Abstände  x  vom  Schwer- 
punkt vorbeigehe 

und   endlich  dem    Kräftepaare   der 


Flg.  170. 


Zentrifugalkraft^   das   nach   der   vorigen  Nummer 

M^liB-  A)(oWm2a 

ist.   Die  verlangten  Symmetrieeigenschaften  der  vorigen  Nummer  dürfen 
wir  wohl  als  hinreichend  genau  erfüllt  ansehen. 

Die  Gleichgewichtsbedingungen  lauten  dem  entsprechend 

N  =^  G  cos  a  4-  wacj*  sin  a , 

R  =  maco^  cosa  — -  6r  sina, 

xN ^  (wacö*  cos«  —  G  sina)Ä  —  -   (B  —  -4)w*  sin2a. 


2 


Daraus  berechnen  sich  N,  B.  und  x. 
Nun  muß  noch 

und 

d 


'x\< 


*> 


sein.     Setzt  man  die  Werte  von  N,  Rj  x  ein,  so  bekommt  man 

maco^  cos a  -—  G  B'ma\  £[G  cos a  -(-  niaai*  sin a)f  (1) 

als  Bedingung  gegen  das  Ausrutschen, 


n^^ 


Nr.  199.  §  37.   Obergang  zur  Kinetik  atarrer  Systeme.  311 

(wiao* COS a— Cr  sin  a)Ä—      (B—Ä)(o^sm2a 

^      (6rco8a  +  »waa)*8ina) 

als  Bedingung  gegen  das  Umkippen. 

Nun  wird  in  den  praktisch  wichtigen  Fallen  a  meist  groß  sein 
gegen  die  Dimensionen  des  Wagens.    Da  aber  ein  Trägheitsmoment 

A  ^  ^dtnr^<i  mr* 


max 


ist^  WO  rmax  die  maximale  Entfernung  eines  Körperpunktes  yon  der 
betrefiPenden  Achse  bedeutet,  so  wird  das  Glied  mit  (B  —  Ä)  co*  klein 
sein  gegen  das  Glied  mit  ma(o^h  und  also  meist  yernachlässigt  wer- 
den dürfen. 

Tun  wir  das,  so  wird  aus  der  zweiten  Ungleichheit  die  einfachere 

mam^  cos  a  —  6r  sin  «   ^  öt  (^  ^^*  ^  +  wao^  sin  a) .  (2") 


Werde  der  kleinere  der  beiden  Werte  f  und  -rj  mit  ri  be- 
zeichnety  so  ist  notwendig  und  hinreichend,  daß 

I  ma(o^  cos  a  —  G  sin  «  ^^(ö  cos  a  +  mato^  sin  «)  (3) 

sei.    Nun  sind  zwei  Fälle  zu  unterscheiden: 

1.  ma(o^  cos  a  —  G  sin  a  >  0,  d.  h. 

*g«<         g       ' 

Dann  nimmt  (3)  die  Form  an 

ao^  cos  «  —  ^  sin  a  ^  1^(5^  cos  «  +  aoj*  sin  a) 
oder 

tg  a  ^         r  I  -  • 

2.  maco^  cos«  —  w^  sina  <  0,  d.  h. 

tga> 

Dann  nimmt  (3)  die  Form  an 

—  aoj}  cos  tc  +  g  s\na  ^ri{g  cos  a  +  acö*  sin  «) , 
d.  h. 

tga<-""'+^?. 
Nehmen  wir  beides  zusammen,  so  folgt  als  Schlußergebnis: 

'""*7/'^<tga<"'"*+-"^ 


ao* 


312 


Vn»  Statik  der  Sjsteme. 


Nr.  2Mk 


SoUte 

sein,  so  fallt  die  obere  Schranke  Ar  a  fort;  sollt«  hing^^^n 

sein,  so  wird  die  untere  Schranke  bedeutungslos.     Die  Bahn  braucht 

dann  nicht  überhöht  zn  werden. 

Aufgabe  93:  Ein  Radfahrer  fahre  auf  derBelben  Bahn;  welche  Neigung- 
wird  er  gegen  die  Vertikale  haben?  Und  wie  stark  darf  bzw.  muß  die  Bahn 
fiberhöht  sein? 

aOO.  Die  statUmftre  Bewegung  des  ZentriftigalregBl»- 
tors.  Wir  betrachten  einen  Wattschen  Schwnngkugelregulator,  etwa 
▼on  der  einfachen  gezeichneten  Art  (in  der  Figur  ist  nur  die  Hälfte 
gezeichnet),  AB  sei  die  Achse,  um  die  das  Granze  rotiert  Der  Körper 
OCK  kann  sich  noch  um  den  mit  umlaufenden  Punkt  0  drehen^ 
welcher  den  konstanten  Abstand  a  Ton  der  Achse  hat.  Der  Punkt  D 
ist  dann  zwangläufig  gefuhrt.  Alle  Bezeichnungen  sind  wohl  aus  der 
Figur  klar. 

Das  Ganze  ist  ein  System  von  zwei  Freiheitsgraden:  ^  ist  Tari- 

abel  und  dann  noch  der  Winkel  %  welcher 
die  Stellung  der  ganzen  Figur  um  die  Dreh- 
achse angibt. 

Der  Einfachheit  halber  nehmen  wir  die 
Stangen  EO=^a  und  DC^l  ohne  Massen  an. 
Dann  wird  in  {  ein  Zug  (bzw.  Druck)  5  in 
Richtung  der  Stange  herrsehen.  An  der  Hülse 
D  wirke  eine  Kraft  L  nach  abwärts  (d.  h.  in 
Richtung  der  Drehachse).  OCK  habe  das  Ge- 
wicht G.  L  ist  die  Hälfte  des  Hübengewichts 
Termehrt  um  die  halbe  Ruckwirkung  des  Stell- 
zeugeSy  das  an  der  Hülse  D  mit  dem  Regulator 
verbunden  ist  Was  nun  die  Bewegung  an- 
gehty  so  beschränken  wir  uns  auf  den  Fall 
sogenannter  stationärer  Bewegung:  ^  sei  kon- 
stanty  die  Winkelgeschwindigkeit 

desgleichen,  so  daß  die  Voraussetzungen  Ton 
Xr.  198  zutreffen« 
Wir  fragen   nach  der  Bedingung  dafür,  daß  das  System  die  be- 
schriebene stationäre  Bewegung  ausfuhren  kann. 

Nach  dem  D'Alembertschen  Prinzip  muß  an  dem  System  Gleich- 
gewicht herrschen    zwischen   den  Kräften  G,  i,  der  Zeutrifugalkraft 

Y  =  fwoj*(a  +  s  sin  0"), 


Flg.  171 


INr.  200.  |§  87.   Übergang  zur  Kinetik  starrer  Systeme.  313 

in  0  angreifend  und  dem  Moment 

JM"  =»  ö*  cos  d-iams  +  {B  —  A)  sin  &) 

um  eine  Achse  durch  0. 

Nun  gibt  die  Qleichgewichtsbedingung  im  Punkte  D: 

8  cos  rj  '^  L 

(es  ist  ja  außer  L  und  S  nur  noch  ein  Normaldruck  senkrecht  zur 
Achse  in  D  Torhanden);  also 

cos  72 

Dabei  bestimmt  sich  rj  aus  der  sofort  als  richtig  zu  erkennenden  geo- 
metrischen Gleichung: 

l  BinTj  =  a  +  c  '  Bind^.  (1) 

Zweitens  gibt  der  Momentensatz  für  den  Körper  OSK  in  bezug  auf  0: 

—  Gs  .  sin  -^  -  S c  sin  (^  +  1?)  +  Jf  =  0 , 

oder,  wenn  man  die  Werte  für  S  und  M  einsetzt: 

0  =  Gs  sin -Ö-  +  Lc^^^'^^  -  o^  cos »{ams  +  (B -- Ä)  sin ») .     (I) 

Zu  jeder  Stellung  ^  des  Regulators  gehört  also  eine  bestimmte 
Umlaofsgeschwindigkeit  cd  der  stationären  Bewegung.  Damit  aber 
der  Regulator  funktioniere,  wird  man  verlangen,  daß  auch,  wenigstens 
in  dem  in  Frage  kommenden  Beweguugsbereich,  zu  jedem  co  nur  ein 
d"  gehöre,  und  zwar  zu  jedem  m  ein  anderes.  Denn  wenn  die  Maschine, 
also  auch  der  angekuppelte  Regulator  die  Drehgeschwindigkeit  o 
ändert,  so  soll  sich  der  Regulator  verstellen  und  dabei  das  Kraftfeld 
der  Maschine  in  dem  Sinne  beeinflussen,  daß  jene  Änderung  rück- 
gängig gemacht  wird.  Es  ist  aber  wohl  plausibel,  daß  das  nicht 
geschehen  würde,  wenn  bei  Änderung  von  o  fortdauernd  eine  statio- 
näre Bewegung  ohne  Änderung  von  d-  möglich  wäre.  Denn  diese 
würde  dann  zweifellos  bestehen  bleiben  und  ein  Regulieren  der  Ma- 
schine fände  nicht  statt. 

In  solcher  Weise  kann  aus  der  Diskussion  der  stationären  Be- 
wegung schon  einiges  über  die  Brauchbarkeit  oder  Nichtbrauchbarkeit 
eines  Regulators  erschlossen  werden.  Manche  Lehrbücher  kommen 
über  diesen  Standpunkt  auch  nicht  hinaus.  Aber  es  ist  klar,  daß  die 
wirkliche  Erledigung  der  einschlägigen  Fragen  nur  durch  ein  Studium 
der  zu  den  stationären  Bewegungen  benachbarten  Bewegungen  erfolgen 
kann,  in  der  Weise,  wie  wir  das  beim  sphärischen  Pendel  getan  haben 
(siehe  Nr.  67).  Dabei  ist  es  nötig,  den  Regulator  mit  der  Maschine 
als  ein  System  aufzufassen,  da  sie  sich  in  ihrer  Bewegung  gegen- 
seitig beeinflussen. 


314  ^^'    Statik  der  Systeme.  Nr.  201. 

Alle  Ausführungen  über  stationäre  Bewegungen  bedeuten  also 
nur  eine  Vorbereitung  ffir  das  wirkliche  Regulatorproblem.  In  diesem 
Buche  ist  nicht  der  Platz,  das  Problem  selbst  zu  behandeln ,  es  sei 
deshalb  nur  noch  die  wichtigste  Literatur  genannt. 

Die  ersten^  die  eine  wissenschaftliche  Behandlung  des  Regulator- 
problems anstrebten,  waren  Airy  1839,  dann  Maxwell  1868.  Ihnen 
folgten  Routh  (A  Treatise  on  the  stabilitj  of  a  given  state  of  mo* 
tion,  1877)  und  Wischnegradsky  (Zivilingenieur  1877).  Diese  Unter- 
suchungen sind  teilweise  in  die  Lehrbücher  aufgenommen,  siehe  Routh, 
Dynamik,  II.  Bd.,  Föppl,  Bd.  6  und  Lorenz,  Technische  Physik,  Bd.  I. 

Mit  verschiedenen  Problemen,  zu  denen  kompliziertere  als  die 
oben  skizzierten  Reguliereinrichtungen  führen,  beschäftigen  sich  zahl- 
reiche neuere  Arbeiten^  u.  a.: 

A.  Stodola,  Das  Siemenssche  Regulierprinzip  und  die  amerika- 
nischen Inertieregulatoren,  1899  (Z.  d.  V.  d.  L)  W.  Hort,  Die  Ent- 
wicklung des  Problems  der  stetigen  Eraftmaschinenregelung  und  über 
unstetige  Regulierung,  in  der  Ztschr.  f.  Math.  u.  Phys.  1904,  auch: 
Beitrag  zur  Theorie  der  Dampfmaschinem'egulierung  (Dinglers  polyt. 
Journal,  Bd.  322);  Ph.  Ehrlich,  Der  EinEuß  des  Tachometers 
auf  den  Reguliervorgang  (Elektrotechnik  und  Maschinenbau,  1907): 
R.  V.  Mises,  Zur  Theorie  der  Regulatoren  (Elektrotechnik  und  Ma- 
schinenbau, 1908).  Auch  sei  auf  den  Artikel  von  v.  Mises  in  der 
Encyklopädie  der  math.  Wissenschaften,  Bd.  IV,  10:  Dynamische  Pro- 
bleme der  Maschinentechnik;  endlich  auf  das  Referat  von  K.  Heun, 
Die  kinetischen  Probleme  der  wissenschaftlichen  Technik  (Deutsche 
Math.- Vereinigung  Bd.  IX,  Teil  2  (1900))  hingewiesen. 

In  der  ersten  (größeren)  Arbeit  von  W.  Hort  findet  sich  eine 
ziemlich  ausführliche  historische  Darstellung  des  Problems. 

Als  ausführliches,  technisches  Lehrbuch,  das  auch  die  elementare 
Theorie  berücksichtigt,  sei  Tolle,  Regelung  der  Kraftmaschinen,  2.  Aufl. 
1910,  genannt. 

Der  in  diesem  Buche  benutzte  Begriff  der  (7-Kurve  sei  noch 
kurz  erklärt:  Wählt  man  als  Unabhängige  den  Schwerpunktsabstand 
r*«=  a  +  5  •  sin-Ö-,  als  Abhängige  C  =  r*(ö^  und  trägt  die  durch  (I) 
vermittelte  Beziehung  von  C  zp  r*  graphisch  auf,  so  erhält  man  die 
fragliche  6-Kurve. 

201.  Anwendungen  des  D'Alembertsohen  PrinzipB  in  der 
Kinetostatik.  Das  D*Alembertsche  Prinzip  gestattet  eine  sehr  ein- 
fache Bestimmung  der  Beanspruchung  eines  bewegten  starren  Körpers. 
Betrachtet  man  z.  B.  die  Lenkstange  einer  Dampfmaschine,  und  will 
man  ihre  Beanspruchung  wissen,  so  füge  man  zu  den  Schwerkräften 
noch  die  negativen  Massenbeschleunigungen  an  jeder  Stelle  hinzu  und 
behandle  nun  die  Lenkstange  hinsichtlich  der  Bestimmung  von  Zug, 


^'^.  201. 


§  87.   Übergang  zur  Kinetik  starrer  Systeme. 


315 


Druck,  Schub  und  Biegungsmoment  wie  einen  Balken^  der  außer 
diesen  Kräften  noch  an  den  Enden  den  Drucken  unterworfen  ist, 
welche  von  Kreuzkopf  und  Kurbelzapfen  auf  die  Lenkstange  ausgeübt 
werden.  Kennt  man  die  Bev^egung  der  Maschine,  so  sind  alle  Kräfte, 
die  wirklichen  und  die  Scheinkräfte, 
bekannt,  das  Problem  ist  also  voll- 
ständig bestimmt. 

Wir  wollen  ein  einfaches  Bei- 
spiel durchführen:  Ein  homogener 
Stab  der  Länge  l  und  der  spezifischen 
Masse  fi  rotiere  um  das  eine  Ende 
mit  der  augenblicklichen  Winkel- 
geschwindigkeit (d;  die  augenblickliche 
Winkelbeschleunigung  sei  ö).  Wie  groß 
wird  in  der  Entfernung  x  von  der 
Achse,  Zug,  Schub  und  Biegungsmoment?  Von  der  Beanspruchung 
durch  äußere  Kräfte  sehen  wir  ab. 

Die  Scheinkräfke   sind   an   einer  Stelle  z  von   der  Achse  dm0(D* 
nach  außen,  dmzG)  dem  Sinne  der  Drehung  entgegengesetzt 

Daher  ist  der  Zug  an  der  Stelle  x 


dmaxa 


Fig.  172. 


Der  Schub  ist 


X 
I 


Das  Biegungsmoment 


B^  jitS"  x)fizadz  -  y  ^ra(2P-  3x1^  +  x^) 


für  X  =^0  erhält  man  die  Rückwirkung  der  rotierenden  Stange  auf 
das  Lager: 

einen  Zug  in  Richtung  der  Stange:   ^  iCtoH'^y 

eine  Kraft  senkrecht,  zu  cb  entgegengesetzt:  ^  /^<^I^> 

ein  Moment,  ebenfalls  cb  entgegengesetzt:  —  iuäl^, 

Aufgabe  94:  Für  einen  in  sich  rotierenden  Kreisring  der  Dicke  d  mit 
den  Radien  R  und  r  sowie  der  spezifischen  Masse  {l  berechne  man  für  einen  Quer- 
schnitt die  gesamte,  von  der  Drehung  yeranlafite  Zugspannung. 


316 


Vn.    Statik  der  Systeme. 


Nr.  20-2. 


202.  Weitere  Beispiele  und  Aufgaben. 

Es  seien  zwei  Massenptinkte  m^  und  m,  durch  einen  Idealfaden  mitein- 
ander verbanden,  der  über  eine  feste  Rolle  0  lanfe.  Der  eine  hänge  frei  herab, 
der  andere  sei  reibungsfrei  zwischen  zwei  vertikalen  Schienen  beweglich. 

Wir  lösen  zunächst  das  Problem  des  Gleichgewichts. 
Aus  dem  Gleichgewicht  für  den  Punkt  w,  folgt  sofort 
die  Fadenspannung 

s=  "'^  . 

cosa 
Für  ffi|  aber  muß  sein 

Mithin  lautet  die  Gleichgewichtsbedingung 

m,  <7  =  «»1  jp  cos  a . 

Wenn  wir  nun   das  Bewegungsproblem   lösen  wollen,  ao 
sei   zunächst   bemerkt,  daß   das  D'Alembertsche  Prinzip 
auch  für  allgemeine  Systeme  gilt,  wenn  z.  B.  wie  hier, 
ein  Idealfaden  mitspielt,  dessen  Spannung  stets  Reaktions- 
kraft  ist. 
Habe  nun    m^   die  Beschleunigung  ?r,    abwärts,  m,  die  Beschleunigung  ir, 
nach  abwärts,  so  haben   wir  nach  dem  D^Alembertschen  Prinzip  dieselbe  Auf- 
gabe wie  vorhin  zu  lösen,  nur  daß  wir  m^g  —  ff^^x  statt  «»1  jP ;  m, ^  —  ^t ^«  statt 
m^g  zn  setzen  haben.     Also  lautet  die  Bewegungsgleichnng 

m^g  —  »i,  «7,  =  cos  a  (m^  g  —  m,  ir^). 

Nun  sind  aber  w^  und  tr,  nicht  unabhängig  voneinander.  Ist  l  die  konstante 
Fadenlänge,  h  der  Abstand  der  Bolle  von  der  vertikalen  Führung  des  Punktes  m,, 
sind  x^  und  x^  die  abwärts  gerichteten  Koordinaten  von  m^  bzw.  m,,  von  der 
Höhe  der  Rolle  an  gezählt,  und  sehen  wir  den  Durchmesser  der  Rolle  als  ver- 
schwindend klein  gegen  die  anderen  Dimensionen  an,  so  ist 

jc,  =Äctga, 
h 


Hg.  I7S. 


aTj  =  I  — 


Bin« 


also 


i,  =  —  h 


a 
sin'a 


und  schließlich 


*l  =  +Ä 


IC,  =  —  h 


cosa  •  a 
sin*a 


a 


,   ^,   cosa 
8m*a  sm'a 


a' 


-   cos  a  ..       ,  1  +  cos*  a 


sin'a 


sin'a 


Fig.  174. 


a' 


Setzt  man  diese  Ausdrucke 
in  die  obige  Bewegungs- 
gleicbung  ein,  so  erhält 
man  eine  Differentialglei- 
chung zweiter  OrdnuDg, 
deren  Weiterbehandlung 
uns  nicht  interessiert. 

Aufgabe  95:  Zwei 
Massen  mögen   sich    auf 


Nr.  203.  §  87.    Übergang  zur  Kinetik  starrer  Systeme.  317 

je  einer  geneigten  Ebene  bewegen  und   darch  einen  Idealfaden  verknüpft  sein, 
der  über  eine  reibungsfirei  drehbare  und  masselose  Rolle  geht. 

Man  stalle  zunächst  die  Gleicbgewichtsbedingungen  auf,  dann  nach  dem 
D^Alembertschen  Prinzip  die  Bewegungsgleichungen. 

203.  Die  BewegungBgleiohiingen  des  freien  starren  Kör- 
pers. Wir  schließen  den  Abschnitt  damit,  daß  wir  zeigen,  wie  wir 
aus  dem  D'Alembertschen  Prinzip  die  schon  am  Schluß  des  ersten 
Abschnittes  aus  der  Punktmechanik  gewonnenen  Bewegungsgleichnngen 
des  starren  Körpers  ableiten  können.  Mit  den  besser  entwickelten 
Hilfsmitteln,  namentlich  kinematischer  Art,  die  uns  der  dritte  Ab- 
schnitt geben  soll,  kommen  wir  später  noch  einmal  auf  das  D'Alem- 
bertsche  Prinzip  zurück  (siehe  Nr.  316). 

Am  starren  Körper  sind  zwei  Knlftesysteme  gleichwertig,  wenn 
die  Summe  der  äußeren  Kräfte  und  die  Summe  ihrer  Momente  gleich  sind. 

Für  den  freien  starren  Körper  sind  aber  die  äußeren  Kräfte  zu- 
gleich die  eingeprägten  Kräfte. 

Da  nun  nach  dem  D'Alembertschen  Prinzip  das  System  der  Massen- 
beschleunigungen  dem  System  der  eingeprägten  Kräfte  äquivalent  sein 
soll,  so  erhalten  wir  unmittelbar  die  beiden  vektoriellen  Gleichungen 

Die  erste  Gleichung  sagt  aus: 

Für  den  freien  starren  Körper  ist  die  Summe  der  Massenbeschleu- 
nigungen  gleich  der  Summe  der  eingeprägten  (äußeren)  Kräfte, 

Das  ist  aber  der  Schwerpunktssatz,  denn  es  ist  ja 

Der  zweite  Satz  heißt  der  Momentensatz,  er  sagt  aus 

daß  für  irgendeinen  Bezugspunlt,  fest  oder  beweglich,  die  Summe  der 
Momente  der  Massenbeschleunigungen  gleich  ist  der  Summe  der  Mo- 
mente der  eingeprägten  (äußeren)  Kräfte, 

Man  kann  mit  diesen  beiden  Sätzen  allein  schon  in  Verbindung 
mit  der  lex  tertia  (siehe  Nr.  47,  48)  die  Mechanik  der  Systeme  starrer 
Körper  aufbauen.  Wir  werden  auch  später  diese  synthetische  Me- 
thode ausführlich  besprechen  (siehe  §  53). 

Vorher  aber  ist  es  nützlich,  eine  ganz  allgemeine  Methode  der 
Mechanik  kennen  zu  lernen,  ein  zweites  Grandgesetz  der  Mechanik, 
das  zusammen  mit  dem  ersten  (Newtonschen)  Grundgesetz  gestattet, 
alles  das  über  die  Bewegung  beliebiger  Systeme  auszusagen,  was  sich 
überhaupt  allgemein  darüber  aussagen  läßt.  Dieses  zweite  Grund- 
gesetz wollen  wir  zunächst  im  dritten  Abschnitt  kennen  lernen. 


318  YIU.   Grondlagen  einer  allgemeinen  Mechanik.  Nr.  204. 


Dritter  Abschnitt 

Allgemeine  MechanilL 

Kapitel  VIIL 

Gnmdlagen  einer  aUgemeinen  Mechanik« 

§  38.    Dm  erste  (Newtonsche)  Gnindgesetz. 


An  die  EigebniBse  des 
ersten  Kapitels  (siehe  §  10)  anknüpfend,  legen  wir  nnnmehr  einer  all- 
gemeinen Mechanik  die  folgenden  Anschauungen  zugrunde: 

An  jedem  Yolumelement  dV  irgendeines  Teiles  der  uns  um- 
gebenden Natur  Ton  der  Masse  dm  =  udV  greife  die  resultierende, 
raumlich  verteilte  Kraft  dk  =^  xdV  an  (also  die  Resultierende  aller 
Grayitations-y  Molekular-,  elektrischen,  magnetischen  usw.  Kraflie). 
Außerdem  stehe  die  Oberfläche  des  Elementes  noch  unter  der  Wir- 
kung von  mechanischen,  d.  h.  durch  Deformationen  bedingten  Druck- 
kräften i  Spannungen),  welche  von  der  unmittelbaren  Umgebung  des 
Elementes  auf  dasselbe  ausgeübt  werden.  Auf  das  Flachenelement 
dF  mit  der  äußeren  Normalen  v  wirke  also  noch  die  Sjraft  dF-ö^, 

Dann  lautet  das  erste  (rrundgesetz  der  Mechanik,  das  von  New- 
ton ausgesprochen  wurde, 


wobei  g  die  Summation  über  die  Oberfläche  des  Elementes  bedeutet 
Aus  der  Torstehenden  Gnmdgleichung  ziehen  wir  nun  sofort  eine 

wichtige  Folgerung: 

Nach  Yoraussetsung  sind  utc  und  x  bestimmte  endliche  Vektoren. 

Also  muß  dasselbe  für 

lim  jrS^T^F 

gelten,  welche  Gestalt  auch  immer  d  V  haben  mag. 

Betrachten  wir  nun  als  Yolumelement  ein  rechtwinkliges  Pandlel- 
epiped,  das  wir  gegen  eine  Ecke  konvergieren  lassen,  und  legen  die 
Koordinatenachsen  den  Kanten  parallel,  so  daß  die  Kantenlangen  dx^ 
djf,  dz  seien. 

Die  mittleren  Spannungen  an  den  drei  Flächen,  welche  den  Kon- 
Tergenzpunkt  enthalten,  wollen  wir  mit  S_,,  5_  ,  5_,  bezeichnen,  da 


Nr.  tJ04. 


§  38.    Das  erste  (Newtonsche)  Grandgesetz. 


319 


die  —  X'y  —  y-,  —  fr-Achsen  die  äußeren  Normalen  der  Flächen  bilden. 
Dagegen  werden  naturgemäß  mit  6^y6yj  6^  die  spezifischen  Spannungen 
zu  bezeichnen  sein,  die  unser  Yolumelement  selbst  auf  seine  Nachbar- 
schaft mit  kleinerem  x  bzw.  y 
bzw.  ;er  ausübt.  Die  Spannungen, 
die  es  hingegen  selbst  von  Ele- 
menten mit  größerem  x  bzw.  y 
bzw.  0  empfängt,  werden  6^, 
dy,  5,  sein,  jedoch  mit  x  +  dx, 
y,  e  bzw.  Xy  y  +  dy,  0,  bzw. 
Xy  y,  z  +  dz  ids  Argumenten. 
Da  wir  nun  die  6  als  stetige 
und  stetig  differentiierbare  Funktionen  des  Ortes  voraussetzen,  so  werden 
wir  die  Kraftwirkungen  auf  den  drei  Flächen,  welche  den  Konvergenz- 
punkt nicht  enthalten,  unter  Fortlassen  von  Größen  höherer  Ordnung, 
die  beim  6renzprozeB  herausfallen,  durch 

(s,+  -^-'  dxjdydz  bzw.  (5^+  -^^-dy\dxdz  bzw.  (5,  +  ^^  dzjdxdy 


Vlg.  175. 


anzusetzen  haben. 

Also  wird  unser  Ausdruck 


1™  ASm^, 


dr=o 


dV 


indem  wir  beachten,  daß  sich  die  Summe  g  hier  über  sechs  Flächen 
erstreckt  und  daß  dV ^  dxdydz  ist 

^.  iÄ  Ü^o  'i-'äy<i'  ( ~^-'^^^''  +  (^- + -fe-  ''*)  ^^^^ 

Sy  +    /^  dy\  dxdz  +  6_^dxdy 


+  {^^+M'dz)dxdy\ 


dz  ^•'/ 


oder  gleich 


1  /- 


8.  +iv  +  -ay+Ü^o^-i(^-+^-) 


=oäy^"-^ '  ^y'  '  ;;rorf« 


Dieser  Ausdruck  kann  aber,  weil  dXj  dy,  dz  unabhängig  voneinander 
gegen  Null  gehen,  nur  dann  gegen  eine  feste  Grenze  gehen,  wenn 


<y-x+<^x.       ^-y+^,       <f-.+  <f. 


für  sich  Null  sind. 


djo 


320 


YIIL  Grandlagen  einer  allgemeinen  Mechanik. 


Nr.  206. 


Nun  war  aber  die  rr- Richtung  eine  ganz  willkürliche  Bichtong: 
wir  können  sie  mit  irgendeiner  Richtung  v  identifizieren,  und  somit 
erhalten  wir 

(I) 


d.  h.   das  Gesetz  der  Gleichheit  von  Wirkung  und  Gegenwir- 
kung. 

Daß  die  beiden  an  einem  Flächendement  auftretenden  Spann- 
kräfte entgegengesetzt  gleich  sind,  ist  also  eine  notwendige  Folgerung 
des  ersten  Grundgesetzes  der  Mechanik, 

Außerdem  (Aer  hohen  wir  gefunden^  daß 


lun'S-^^dF^Z'+:l'  + 


d^y    ,    d(ft 


dV 


dx 


ist. 


'^y. 


CS 


(II) 


Nach  derselben  Methode  folgt  die  Gleichung  (I)  für  die  Statik 
aus  dem  Erstarrungsprinzip  (siehe  Nr.  151  und  178),  denn  dieses 
sagt  ja  auS;  daß  im  Gleichgewichtsfalle 


i  +  lim^SM^=0 


sein  muß. 


205.    Die  Spannungsdyade.     Wir  wollen  die  Überlegungen 
der  vorhergehenden  Nummer  noch  einmal  wiederholen,  indem  wir  als 

Yolumelement  ein  Tetraeder  nehmen,  das  wir  erhalten, 
wenn  wir  durch  einen  festen  Punkt  drei  orthogonale 
Strahlen  ziehen  und  diese  durch  eine  gegen  diese 
Strahlen  geneigte  Ebene  schneiden,  die  wir,  sich 
selbst  parallel,  dem  festen  Punkte  unbegrenzt  näher 
bringen. 

Wir  können  die  drei  Strahlrichtungen  wieder 
zur  positiven  x-,  y-,  5- Achse  machen.  Sei  dF  die 
kleine  Dreiecksfläche  in  der  beweglichen  Ebene,  deren 
äußere  Normale  die  Winkel  a,  /J,  y  gegen  die  drei 
Achsen  bildet,  so  sind  dFcosa,  dF  coBß,  dFcosy  die  drei  anderen 
Flächen  des  Tetraeders  und  aus 


Flg.  176. 


^m^S<fyäF 


wird 


dV 


A  TP 

lim  TTr(5y+  S-,  COS«  +  5_y  cos/J  +  5_,  cosy). 


dF 
dV 


Da  aber  in  der  Grenze  *^%  unendlich  wird,  so  kann  der  vorstehende 


Ausdruck   nur  dann  endlich  bleiben,  wenn  die  Klammer  Null  wird, 


Nr.  206.  §  38.    Das  erste  (Newtonsche)  Grundgesetz.  321 

d.  h.  wenn  in  der  Grenze,  wo  die  Fläche  mit  den  Neigongswinkeln 
€c,  ßf  y  in  den  Punkt  X  hineinrückt, 

5y  ==  6^  COB  a  +  5y  cos  /J  +  ö,  cos  y  (III) 

wird. 

Kennen  wir  also  an  einer  Stelle  die  Spannungen  für  drei  zu- 
einander  orthogonale  Flächendemente,  so  berechnet  sich  die  Spannung 
für  jedes  andere  Flächenelement  nach  der  Formel  (III). 

Nimmt  man  das  6egenwirkungsprinzip  hinzu,  so  kann  man  leicht 
zeigen,  daß  die  Formel  (III)  auch  dann  noch  gilt,  wenn  die  Winkel 
a,  ß,  y  nicht  alle  spitz  sind. 

Der  Spannungszustand  an  einer  Stelle  ist  also  durch  drei  Vek- 
toren oder  neun  Skalare,  nämlich  die  dreimal  drei  Komponenten  von 
^xj  ^y>  ^«  nsk^  den  drei  Achsen  gegeben. 

Bezeichnen  wir  die  Komponenten  von  5^  mit  X„  Y^^  Z^  und  die 
von  ^y,  ^^  entsprechend,  so  können  wir  auch  sagen,  daß  der  Span- 
nungszustand an  einer  Stelle  durch  das  Schema  der  neun  Größen 

^x  ^x  ^x 

^y  ^y  ^y 
X.Y,Z, 

gegeben  sei.  X^,  Y^,  Z,  sind  Zugkräfte,  wenn  sie  positiv,  Druck- 
kräfte im  engeren  Sinne,  wenn  sie  negativ  sind;  die  sechs  anderen 
Größen  sind  Scher(Schub-)kräfte. 

Wir  wollen  den  Inbegriff  aller  Spannungen  an  einer  Stelle  auch 
Spannungsdyade  nennen,  indem  wir  das  Wort  „Dyade"  nach  Jau- 
mann  (Gibbs  sagt:  Dyadic)  für  einen  Größenkomplex  brauchen,  der 
an  einer  Stelle  jedem  Vektor  mit  den  Komponenten  a,  6,  c  in  linear- 
homogener Weise  einen  Vektor  mit  den  Komponenten  a'h'c  zuordnet. 

Die  allgemeinste  Art  einer  solchen  linear-homogenen  Zuordnung 

ist  die  folgende: 

a'-X^a+X^6+X.c, 

c^Z^a^  Z^h^  Z^c, 

80  daß  jede  Dyade  durch  ein  Schema  von  neun  Größen:  X^.  usw.  ge- 
geben ist. 

Nehmen  wir  als  Vektor  (a,6,c)  speziell  einen  Einheitsvektor,  so 
entsprechen  die  vorstehenden  Formeln  vollständig  der  Formel  (III). 
Daß  sich  bei  einer  Dyade  stets  X^,  Y^,  Z^,  ebenso  die  beiden  anderen 
Tripel  als  Komponenten  eines  Vektors  auffassen  lassen,  sieht  man  so- 
fort ein,  wenn  man  als  zu  transformierenden  Vektor  den  Einheits- 
vektor (1,  0,  0)  nimmt. 

Hamel:  Elementare  Mechanik.  21 


322  VIII.   Grundlagen  einer  allgemeinen  Mechanik.  Nr.  206. 

Die  Formel  (III)   gestattet  auch,  von   einem  Koordinatensystem 
zu  einem  anderen  überzugehen,  denn  man  erhält  sofort 

ö^  =  6^  cos  (x,x)  +  5y  cos  (y,x')  +  ö^  cos  (ßjX') 

usw.     Es  muß  sich  mit  Benutzung  dieser  Formel  und  der  bekannten 
Koordinatentransformationsformeln 

x'  =  a:  cos  (Xj  x')  +  y  cos  (y,  x')  +  e  cos  (jer,  x') 

usw.  beweisen  lassen,  daß  der  Ausdruck 

dd^        ?^        cd^ 

dx  '^  dy        dz 

inyariant  ist  gegen  Wechsel  des  Koordinatensystems,  denn  seine  Be- 
deutung ist  vermöge 

1     n  ^^r        d'S,,        de, 

lim  ,V  S  ^ydF  =  5  '  +  .  '  +  -, -' 

d  pr  K^     V  ^/p  5y  ^Jff 

unabhängig  von  jedem  speziellen  Koordinatensystem. 
Abkürzungsweise  schreiben  wir  ihn 


do^        de         da 

dx     ^     dy         dz 


'+-s;f+"J=V-A. 


und  nennen  ihn  die  „Ableitung  der  Spannungsdyade  A^',  indem 
wir  mit  A  die  Spannungsdyade  selbst  bezeichnen. 

Aufgabe  96:  Man  beweise  direkt  auf  die  oben  angedeutete  Weise  die  Un- 
abhängigkeit von  V  •  A  vom  Koordinatensystem. 

206.  Der  Etohwerpnnktssats.  Wir  können  diesen  fundamen- 
talen Satz,  den  wir  schon  in  Nr.  51  mit  Benutzung  des  Gegenwirkungs- 
prinzips und  in  Nr.  203  wenn  auch  nur  für  den  starren  Körper  mit 
Hilfe  des  D'Alembertschen  Prinzips  gewonnen  haben,  nunmehr  direkt 
aus  dem  Newtonschen  Grundgesetz  ableiten. 

Wir  schreiben  dieses  unter  Benutzung  von  (II)  Nr.  204  so: 

_        _        da^        de  de. 

Daraus  folgt  durch  Multiplikation  mit  d  V  und  Integration  über  einen 
beliebigen  Teil   V  der  Materie 

y  r  V 

Nun  läßt  sich  das  letzte  Yolumintegral  nach  dem  GauBschen  Satze 
(siehe  Anhang  III,  1)  in  ein  Oberflächenintegral,  d.  h.  in  ein  Integral 
über  die  Oberfläche  F  des  Teiles   V  der  Materie  umwandeln. 


Kr.  207.  §  39.    Das  zweite  (Boltzmannsche)  GrundgeBetz.  323 

Denn  es  ist 

y  F 

und,  wenn  man  Gleichung  (III)  aus  Nr.  205  hinzuzieht^ 

F 

Setzen   wir  das  in  die  ohige  Gleichung  (1)  eiu^  so  ergibt  sich  sofort 

mw*  =  fdmw  -  ^TcdV  +  ^ö^dR 

l^  V  F 

Auf  der  rechten  Seite  stehen  jetzt  nur  noch  die  räumlich  verteilten 
Kräfte  und  die  Spannungen  an  der  Oberfläche;  die  wir  zusammen  auch 
als  äußere  Kräfte  bezeichnen  woUen:  wir  haben  also  den  Schwer- 
punktssatz gewonnen: 

Für  jedes  mechanische  System  ist  die  Beschleunigung  des  Schwer- 
punktes (Massenmittelpunktes),  mit  der  ganzen  Masse  des  Systems 
multipliziert^  gleich  der  Summe  der  äußeren  Kräfte. 

Da  in  dem  Schwerpunktssatz  das  Newtonsche  Grundgesetz  ent- 
halten ist,  wenn  man  ihn  auf  beliebig  kleine  Teile  anwendet,  wir  aber 
den  Schwerpunktssatz  allein  unter  Benutzung  der  Formeln  I,  11,  III 
(Nr.  204  und  205)  abgeleitet  haben,  so  folgt  daraus  zugleich: 

Die  Formeln  (1),  (II),  (III)  enffudten  ailes,  was  man  aus  dem 
Newtonschen  Grundgesetz  allein  für  die  Spannungen  ableiten  kann. 

Es  hätte  also  keinen  Zweck,  noch  anders  geartete  Yolumelemente 
als  Parallelepipede  und  Tetraeder  in  analoger  Weise  zu  behandeln, 
wie  es  mit  diesen  in  den  Nr.  204  und  205  geschehen  ist. 

Als  Beispiele  zu  diesem  Paragraphen  können  alle  Betrachtungen 
des  Kapitels  II  dienen. 

§  39.   Das  zweite  (Boltzmannsche)  Grandgesetz. 

207.  Der  Momentensats.  Wir  haben  schon  zweimal  den  Mo- 
mentensatz abgeleitet,  einmal  am  Schlüsse  des  ersten  Abschnittes,  in 
dem  wir  das  mechanische  System  in  lauter  diskrete  Punkte  auflösten, 
dann  am  Schlüsse  des  zweiten  Abschnittes,  allerdings  nur  für  den 
starren  Körper,  indem  wir  das  D'Alembertsche  Prinzip  und  die  Grund- 
sätze der  Statik  anwandten.  Nunmehr  wollen  wir  zusehen,  ob  und 
welche  neue  Voraussetzungen  wir  machen  müssen,  um  den  Momenten 
satz  direkt  aus  dem  Newtonschen  Grundgesetz  zu  gewinnen. 

21* 


324  ^UI.   Grundlagen  einer  allgemeinen  Mechanik.  Nr.  207. 

Wir  schreiben  dieses  wieder  in  der  Form,  wie  schon  in  Nr.  204 

bilden  das  äufiere  Produkt  (siehe  Anhang  I,  5,  auch  Nr.  112)  mit  dem 
Ortsvektor  r,  multiplizieren  mit  dV  und  integrieren  über  einen  be- 
liebigen Teil  der  Materie,  so  daß  wir  erhalten 


SdmF«;  =  SrlcdF+Sr(3'^  +  ^+g»dF.  (1) 

Auf  der  linken  Seite  steht  bereits  die  Summe  der  Momente  der  Massen- 
beschleunigungen, das  zweite  Integral  ist  das  Gesamtmoment  der  raum- 
lich verteilten  Kräfte;  betrachten  wir  noch  das  letzte  Integral,  das 
wir  durch  partielle  Integration  und  Anwendung  des  Oaufischen  Satzes 
umformen  können. 
Allgemein  ist 


So||dF=.S«?>co8(v,^)rfF-S|%rfF, 

WO   {vj  x)   den  Winkel   bedeutet,  den   die  äußere  Normale  der  Ober- 
fläche F  mit  der  a;-Achse  einschließt. 

Also  ist,  wenn  wir  noch  (III)  aus  Nr.  205  hinzuziehen 


sK.:- + »;- + ;»^''-  S".^f -s(|..+f  .,+if  ..yr. 


Setzen  wir  noch  zur  Abkürzung 


ex    *   ^   dy     ^       dz     *  '  ^  ^ 

so  nimmt  Gleichung  (1)  die  Form  an 

Die  beiden  ersten  Summen  der  rechten  Seite  stellen  das  Moment  der 
äußeren  Kräfte  dar;  bezeichnen  wir  die  äußeren  Kräfte  kurz  mit  dk, 
so  haben  wir  aus  dem  Newtonschen  Grundgesetz  den  folgenden  all- 
gemeinen Momentensatz  gewonnen: 

SoU  also  für  einen  beliebigen  Teil  der  Materie  der  etgenäidte 
Momentensatz  gelten:  „dcLS  Moment  der  Massenbeschleunigung  ist  gleich 
dem  Moment  der  äußeren  Kräfte^%  so  muß  überall 

sein. 


Nr.  208, 209.  §  39.   Das  zweite  (Boltzmannsche)  Grandgesetz.  325 

208.  Axiom  EC:  Die  Symmetrie  der  Spanniingedyade. 

Ist  nun  wirklich  Oberall  D  =  0? 
Es  war 

dx    ^  ^    dy    ^       dz    * 

Nun  ist  aber,  wenn  i^,  i^,  1^  Einheitsvektoren  in  Richtung  der  rc-,  y-, 
jer- Achse  bezeichnen, 

also 

df  -         dr  -         df  - 

aV"~  ^*^     dy  ~  ^y     a/""*^ 
und  somit  _ 

in  Komponenten  geschrieben: 
Soll  also  D  »  0  sein,  so  müssen 

z,=  r.,  x.=z„   r,=  x,  (IV) 

sein,  oder: 

Es  muß  die  Spannungsdyade 

^9  ^y  ^y  y 

symmetrisch  (zu  der  Diagonalen:  X^,  F^,  ZJ  sein,   ?renn  der  Mo- 
tnentensate  gelten  soll: 

Da  (IV)  eine  Aussage  ist,  die  offenbar  von  den  Behauptungen 
(I),  (II),  (III)  der  vorhergehenden  Nummern  ganz  unabhängig  ist, 
diese  aber  die  einzigen  Folgerungen  aus  dem  Newtonschen  Grund- 
gesetze darstellen,  so  kann  der  eigentliche  Momenten  satz  nicht  aus 
diesem  gewonnen  werden. 

Um  also  den  Momentensatz  behaupten  zu  können,  bedarf  es  eines 
besonderen  Axioms: 

Die  Spannungsdyade  ist  symmetrisch. 

209.  Worauf  stützt  sich  die  Berechtigimg  dieses  Axioms? 

Wir  wissen,  daß  man  den  Momentensatz  und  damit  auch  dieses  Axiom 
aufstellen    kann,    wenn    man    die   Hypothese   zuläßt,    daß   ein  jedes 


326  ^HL   Gniodlagen  einer  allgemeinen  Mechanik.  Nr.  t09. 

System  aus  einer  endlichen  Anzahl  von  Massenpunkien  besteht,  deren 
Zusammenhang  durch  Kräfte  aufrecht  erhalten  wird^  die  dem  Gegen- 
wirkungsprinzip  in  seiner  weiteren  Fassung  gehorchen   (siehe  §  22). 

Auf  diese  Weise  wird  auch  meist  unser  neues  Axiom  gei^onuen. 
Daß  jedoch  die  benutzte  Grundvorstellung  recht  künstlich  ist,  wurde 
früher  schon  betont. 

Wesentlich  befriedigender  ist  die  Ableitung  mittels  des  D'Alem- 
bertschen  Prinzips,  das  selbst  nebst  den  benutzten  Axiomen  der  Statik 
einen  sehr  hohen  Grad  von  Plausibilität  besitzt.  Doch  wird  dadurch 
das  Axiom  nur  für  starre  Körper  gewährleistet,  die  Übertragung  auf 
andere  Systeme  ist  ein  neues  Axiom.  Bei  dem  in  diesem  Abschnitt 
vorgetragenen  Aufbau  der  Mechanik  ist  der  Satz  unbeweisbar,  was 
zuerst  Boltzmann  deutlich  aussprach,  weshalb  wir  das  Grundgesetz 
der  Symmetrie  der  Spannungsdyade  auch  nach  ihm  benennen  wollen, 
obgleich  der  Satz  an  sich  viel  älter  ist. 

Das  Axiom  empfiehlt  sich  nun  zunächst  durch  seine  Einfachheit. 
Wir  werden  sehen,  daß  wir  einen  Satz  analog  dem  Momentensatz  auf 
jeden  Fall  brauchen.  Wäre  nun  D  nicht  Null,  so  müßten  wir  irgend 
eine  Annahme  über  D  machen:  es  müßte  D  durch  irgend  welche 
Ursachen  bestimmt  werden. 

Für  die  Statik  folgt  der  Satz  aus  dem  allgemeinen  Erstarrungs- 
prinzip (Aiiora  VIII,  Nr.  178).  Denn  danach  muß  im  Gleichgewichts- 
falle für  jeden  Raumteil  die  Summe  der  Momente  der  äußeren  Kräfte 
Null  sein,  also 

da  aber  nach  Nr.  207  auch  im  Gleichgewichtsfalle 

Crdk-  CDdV^O 
sein  muß,  so  folgt 

J^DdV=0 

für  jeden  Uaumteil,  also  auch  überall 

J9  =  0. 

Das  Hauptargument  aber,  die  Annahme  i)  =  0  zu  vertreten,  liegt 
naturgemäß  in  der  Übereinstimmung  mit  der  Erfahrung. 

Wir  dürfen  deshalb  das  einfache  Axiom  der  Symmetrie 
der  Spannungsdyade  aussprechen,  weil  sich  bis  jetzt  noch 
alle  Erfahrungstatsachen  in  ungezwungener  Weise  mit  dem 
Momentensatz  haben  in  Einklang  bringen  lassen. 

Wir  sagen  absichtlich  nicht:  die  Erfahrung  beweist  die  Sym- 
metrie der  Spannungsdyade,  weil  man  zeigen  kann,  daß  sich  jeder  Er- 
fahrungsinhalt mit  dem  Boltzmannschen  Axiom  in  Einklang  bringen 


Kr.  210.  §  39.    Das  zweite  (Boltzmannsche)  Grundgesetz.  327 

ließe,  wenn  man  geeignete^  noch  unbekannte  und  durch  eben  jene  Ur- 
sachen bestimmte  Kräfte  annähme,  durch  die  auch  D  verursacht  würde 
i  siehe  des  Verfassers  Arbeit  in  den  Math.  Annalen,  Bd.  66:  Über  die 
Grundlagen  der  Mechanik). 

Noch  eine  Bemerkung  sei  gestattet,  welche  die  räumlich  ver- 
teilten Kräfte  anbetrifft.  Auch  von  ihnen  werden  sich  einige  aus  den  beiden 
Fnndamentalsätzen  fortheben : 

1.  diejenigen,  welche  sich  als  Kraftwirkungen  zwischen  je  zwei  Punkten 
des  Körpers  auffassen  lassen  und  das  vollständige  Gegenwirkungsprinzip  erfüllen, 
wie  z.  B.  die  Gravitationskräfte  (siehe  Nr.  95,  107  und  108)  oder  die  elektro- 
magnetischen Kräfte  in  der  älteren  Auffassung  (Coulombsches  Gesetz); 

2.  zum  Teil  diejenigen,  welche  neuerdings  meist  als  (nicht-mechanische) 
Spannungen  aufgefaßt  werden  (z.  B.  elektromagnetische  Kräfte,  siehe  die  Be- 
merkung in  Nr.  42),  von  denen  dann  auch  nur  die  Oberflächenspannungen  in 
Schwerpunkts-  und  Momentensatz  stehen  bleiben  (genau  wie  bei  den  mechanischen 
Spannungen),  vorausgesetzt,  daß  ihre  Spannungsdyade  ebenfalls  symmetrisch  ist. 

210.  Andere  Fassongen  des  Momentensatzes.  Es  ist  nicht 
nötig,  daß  wir  in  dem  Momentensatz:  Moment  der  Massenbeschlenni- 
gang  gleich  dem  Moment  der  äußeren  Kräfte,  die  Momente  auf  den- 
selben Punkt  0  beziehen,  von  dem  aus  wir  den  Ortsvektor  f  messen. 
Offenbar  können  wir  irgendeinen  Bezugspunkt  zugrunde  legen. 

Wir  erhalten  aber  damit  keine  neuen  Sätze.  Denn  nach  Nr.  114 
ist  für  jedes  Vektorensystem,  also  auch  für  dmw  ebensogut  wie  für 
die  dk  das  Moment  in  bezug  auf  einen  Punkt  0' 


M  ^M  +  sK, 

wo  M  das  Moment  in  bezug  auf  den  Punkt  0  ist,  .s  den  Vektor  (Y  0 
bedeutet  und  K  die  Summe  der  Vektoren. 

Ist  also  in  bezug  auf  den  Punkt  0  das  Moment  der  Massen- 
beschleunigungen gleich  dem  Moment  der  äußeren  Kräfte,  und  nach 
dem  Schwerpunktssatz  die  Summe  der  Massenbeschleunigungen  gleich 
der  Summe  der  äußeren  Kräfte,  so  ist  der  Momentensatz  für  jeden 
anderen  Punkt  0'  von  selbst  erfüllt,  mag  dies  nun  ein  fester  Punkt 
sein  oder  ein  beweglicher  Punkt. 

Nehmen  wir  nun  als  Bezugspunkt  einen  festen  Punkt, 
so  können  wir  von  ihm  aus  den  Ortsvektor  f  messen,  so  daß 

t?  =  f 

ist,  und 

d  - 

Oft 

(siehe  Nr.  102).     In  diesem  Falle  wird  also 

d 


^dmrw  =  ^.^dmrv 


328  ^ni.   Grundlagen  einer  allgemeinen  Mechanik.  Kr.  210. 

Sowie  man  also  den  Schtcerpiinktssatz  stets  schreiben  kann 

so  kann  man  den  Momentensatz,  Itei  Bezugnahme  cuif  einen  festen 
Punkt,  schreiben 

j-^^dmrv=  Srrf*. 

Das   Gesamtmoment  der  Massengeechwindigkeit   ^dmfv  wollen 
wir  auch  als  Impulsvektor  J  bezeichnen: 

Und  der  Momentensatz  lautet  dann 

dt  -  ^^' 

das  Moment  M  der  äußeren  Kräfte  erzeugt  eine  Änderung  dj  des 
Impulsrektors,  welche  nach  Größe  und  Richtung  gleich  dem  Moment 
ist,  mit  dt  multipliziert. 

Diesdbe  Fonn  des  Momentensatzes  gilt  nun  aud^,  wenn  man 
als  Bezugspufdä  den  Massenmittelpunkt  (Schwerpunkt)  des  Systems 
nimmt  und  zwar  genügt  es,  das  Moment  von  den  Geschwindigkeiten 
relativ  zum  Schwerpunkt  zu  bilden. 

Beweis:  Es  sei 

f  ^r*  -i-  s, 
also 

r  =  r*  +  i  =  t?*  -f  v', 

wo  v'  die  Geschwindigkeit  relativ  zum  Schwerpunkt  bedeutet,  und 

w  =  w*  +  w\ 
Dann  ist 

i^dmstv  =  J^dm.s/e^*  +  ^dm¥tv 
oder  da  man  w*  aus  der  ersten  Summe  rechts  herausziehen  kann^ 

Die  erste  Summe  ist  aber  Null,  da  .s*  =  0  ist,  also  bleibt 

f^dmsfv  =  ,-  j'  ^  ---  ^dmsv\ 
dt  dt^^ 

Und  der  Momentensatz  lautet 

dJ'      -^jr 

wo  auch  das  Moment  der  äußeren  Kräfte  Jf '  sich  auf  den  Schwer- 
punkt bezieht. 


Nr.  211, 212.  §89.   Das  zweite  (BoltzmamiBche)  Grundgesetz.  329 

Bezogen    auf  einen  beliebigen  Punkt  aber  lautet^  nach 

den  Ergebnissen  von  Nr.  114  und  weil  ^dmtd  «  mir*  ist,  der  Mo- 

mentensatz  ,f>  

-^  +  msw*  =  -3f , 

wenn  s  der  Vektor  Yom  neuen  Bezugspunkt  nach  dem  Schwerpunkt  ist. 

211.  Der  Momentensatz  belogen  auf  eine  Achse.    Wir 

wissen,  was  das  Moment  in  bezug  auf  eine  Achse  ist  (siehe  Nr.  127) 
und  wissen  auch,  daß  es  zugleich  die  Komponente  des  Momenten- 
Yektors,  bezogen  auf  einen  Funkt  der  Achse,  nach  dieser  Achse  ist. 
Also  gUt  der  Momentensatz  auch  für  Momente  um  eine  Achse. 

Legen  wir  nun  durch  einen  festen  Punkt  oder  durch  den  Schwer- 
punkt eine  Achse  unveränderlicher  Richtung  und  führen  in  bezug  auf 
diese  Achse  die  sogenannten  Zylinderkoordinaten  Bj  r,  d'  ein,  (z  parallel 
der  Achse,  r  radial  nach  außen,  d"  Polarwinkel),  so  daß  k,  f,  rd"  die 
Geschwindigkeitskomponenten  eines  Systempunktes  relativ  zum  ge- 
wählten Punkte  sind,  so  haben  i  und  r  kein  Moment  in  bezug  auf 

•  •  • 

die  Achse,  rd'  dagegen  das  Moment  r  -  rd'  ^  r'-Ö*. 

Somit  hat  J  nach  der  gewählten  Achse  die  Komponente 

und  wir  können  den  Momentensatz  so  aussprechen: 

Für  jede  der  Richtung  nach  feste  Achse  durch  einen  ruhenden 
Punkt  oder  den  Schwerpunkt  ist 


^^(^dmr>»)=M, 


d 

WO  r  den  Abstand  eines  Systempunktes  von  der  Achse,  d'  seine  Winkd- 
geschwindigkeit  um  die  Achse  und  M  das  Moment  der  äußeren  Kräfte 
um  die  Achse  bedeutet. 

Ist  insbesondere  Jtf  «  0,  so  folgt 

^dmr^d'  =  const. 

Ist  die  Bewegung  dann  weiter  von  der  besonderen  Art,  daß  sich  alle 
Punkte   mit  derselben  Winkelgeschwindigkeit  co  =  -ö*  um   die  Achse 

drehen,  so  folgt  ^ 

'  ^  Tq}  =  const, 

wo  T=  ^dmr^  das  Trägheitsmoment  des  Systems  um  die  betreffende 
Achse  ist. 

• 

212.  Einfache  Anwendungen  des  Momentensaties.  Be- 
wegt sich  ein  System  um  eine  Achse  und  ist  das  Moment  der  äußeren 
Kräfte  in  bezug  auf  diese  Achse  Null,  so  ist  nach  der  vorhergehenden 

Nummer 

^dmr^(o  =  const. 


330  ^UL   GnmdbgeB  mmer  aUgemaneB  Meehauk.  Kr.  SIS. 

1.  Haben  nmi  alle  Punkte  dtielhe  o,  wibrend  sie  jedoeh  ütren 
Abstand  Ton  der  Drehachse  Terandeni  köunen,  ao  folgt  ans 

o  •  ii^dmr^  =  oonat: 

je  großer  die  Abstände  r  Ton  der  Achse  sind,  desto  kleiner  moB  Ton 
selbst  &  sein  und  umgekehrt.  Man  kann  sieh  ron  der  Richtigkeit 
dieser  Erscheinong  leicht  durch  ein  Experiment  uben^ig«i: 

Man  n^une  einen  Drehsehemel  (nach  Prot  Prandtl,  Gottin- 
gen  -,  d.  h.  einen  SehemeL  der  sich  um  eine  rertikale  Achse  möglichst 
reibnngsfrei  drehen  kann.  Man  stelle  sich  darauf  und  lasse  sich  in 
Drehung  rersetzen.  Annäherungsweise  werden  dann  die  äußeren  Kräfte 
kein  Moment  um  die  vertikale  Achse  haben,  da  das  Gewicht  der  Achse 
I>arallel  und  die  Widerstandskräfte  iBeibung,  Luftwiderstand)  äußerst 
gering  sind.  Streckt  man  nun  die  Arme  ans,  so  muß  momoitan  eine 
Verlangsamung  der  Drehbewegung  eintreten,  die  sofort  wieder  ruck- 
gängig gemacht  werden  kann,  wenn  man  die  Arme  wieder  in  die  alte 
Lage  bringt.  Die  Erscheinung  ist  besonders  auffallig,  wenn  man  die 
Hände  noch  durch  Massen  beschwert. 

Das  hier  besprochene  Gesetz  ist  auch  für  die  Drehbewegung  der 
Erde  tou  Wichtigkeit:  Zieht  sie  sich  infolge  Abkühlung  zusammen, 
so  muß  ihre  Winkelgeschwindigkeit  großer  werden.  Es  ist  dies  einer 
der  Grande,  die  f&r  eine  Veränderung  der  Drehbewegung  der  Erde 
sprechen  Tsiehe  §  2;,  doch  ist  diese  Veränderung  der  Messung  noch 
nicht  zugänglich,  auch  gibt  es  andere  Gründe,  welche  eine  Verlang- 
samung erzeugen,  nämlich  die  retardierende  Wirkung  der  Anziehung 
des  Mondes  auf  die  Flutwelle.  Bekanntlich  ist  der  Mond  rückläufig: 
er  läuft  im  entgegengesetzten  Sinne  der  Erddrehung  um  unsem  Pla- 
neten. 

Dasselbe  Gesetz  benutzen  Akrobaten,  um  einen  Saltoroortale 
zu  schlagen:  sie  setzen  ihren  Körper  in  ausgestreckter  Lage  beim 
Abspringen  in  eine  geringe  Drehbewegung  um  eine  horizontade  Quer- 
achse, ziehen  dann  ihren  Körper  in  der  Luft  zusammen,  wodurch 
die  Rotation  Tergrößert  und  somit  der  Saltomortale  ermöglicht  wird, 
und  strecken  sich  dann  wieder  aus,  um  mit  verringerter  Winkel- 
geschwindigkeit auf  den  Boden  zu  kommen. 

2.  Will  man  einen  Körper,  dessen  Punkte  alle  dasselbe  q  haben, 
in  seiner  Drehbewegung  durch  äußere  Kräfte  beeinflussen,  so  ge- 
schieht dies  nach  der  Formel 

Daraus  sieht  man,  daß  die  Erzeugung  einer  gleichen  Veränderung  der 
Winkelgeschwindigkeit  ein  um  so  größeres  Moment  erfordert,  je  größer 
T  ist,  je  weiter  also  die  Massen  yon  der  Achse  entfernt  liegen.  (Darum 
der  Name  „Trägheitsmoment''.)    Auch  davon  überzeugt  man  sich  leicht 


Nr.  212.  §  89.   Das  zweite  (Boltzmanosche)  Grundgesetz.  331 

mittels  des  DrehschemeLs:  es  bedarf  einer  gröfieren  Anstrengang^  eine 
Person  mit  ausgestreckten  Armen  in  Drehung  zu  versetzen^  als  die 
gleiche  iPerson  mit  herabhängenden  Armen. 

3.  Ist  die  Summe  der  äußeren  Kräfte  Null,  so  folgt  aus  dem 
Schwerpunktssatz 

V*  «  const. 

Man  kann  also  die  Bewegung  des  Schwerpunktes  ohne  Zuhilfenahme 
äußerer  Kräfte  nicht  ändern.    Wegen  der  Analogie  dieses  Satzes  mit 

^dmt^cj  —  const., 

falls  das  Moment  der  äußeren  Kräfte  Null  ist,  hat  man  oft  geschlossen, 
man  könne  sich  ohne  Zuhilfenahme  äußerer  Knlfte  nicht  herum- 
drehen.   Diese  Schlußfolgerung  ist  jedoch  falsch. 

Nehmen  wir  z.  B.  an,  das  System,  etwa  ein  lebendes  Wesen,  be- 
stehe wesentlich  aus  zwei  Teilen,  von  denen  jeder  eine  für  seine 
Massenelemente  gemeinsame  Winkelgeschwindigkeit  besitze  (cd^  und  cd,), 
während  die  Trägheitsmomente  T^  und  T^  seien.  War  dann  zu  An- 
fang Ruhe  (co^  =  (o^  '^  0),  so  yerlangt  der  Momentensatz  bei  Fehlen 
äußerer  Kräfte 

wenn  wir  T^  und  1\  wesentlich  konstant  halten,  d.  h.  die  Abstände 
r  Ton  der  Achse,  so  ergibt  eine  weitere  Integration 

wenn  wir  die  Drehwinkel  ^j,  d-^  so  zählen,  daß  sie  zu  Anfang  Null 
waren. 

Nim  kann  ein  lebendes  Wesen  zweifellos  durch  innere  Kräfte 
(durch   Muskelanstrengung)   einen  Teil   des  Körpers   gegen   den  Rest 

herumdrehen,  man  kann  z.  B.  einen  Arm  über         ^^- -.. 

dem    Kopf    im    Kreise    herumführen    und   ihn   /' 

gegen    den   ruhenden  Raum    einen  Winkel  d'^     fOi   ^•^-t*\ 

beschreiben  lassen.     Dann  folgt  sofort  aus  der     ^-^ST u..^-  ->^'' 

obigen  Formel,  daß  der  Rest  des  Körpers,  weun  ^^    ,,.^ 

er  sich  frei  um  die  Achse  drehen  kann,  nach 
der  entgegengesetzten  Seite  einen  Winkel  be- 
schreiben muß:  —  <9-j,  der  sich  berechnet  zu 

T 

Sollen  sich  nach  der  Bewegung  Arm  und  Kör-  '* 

per  wieder  in  der  alten  relativen  Lage  zueinander  befinden,  so  muß  nur 

sein,  woraus  sich  ergibt 


332  Vni.   Grundlagen  einer  allgemeinen  Mechanik.  Nr.  21:2. 

T 

der  ganze  Körper  hat  sich  also  um  diesen  Winkel  ^^  herumgedreht. 

Man  kann  das  Experiment  sehr  gut  auf  dem 
Drehschemel  ausführen. 

Wir  haben  angenommen,  daB  sich  alle  Punkte 
in  Kreisen  um  die  Achse  bewegen,  doch  ist  das  nicht 
nötig.  Denn  wir  wissen  (siehe  Nr.  29,  30),  daß  r-d^ 
die  Fläche  dF  ist,  die  der  Radius  r  in  der  Zeit  dt 
beschreibt:  man  kann  also  den  Momentensatz  beim 
Fehlen  eines  äußeren  Momentes  auch  so  schreiben: 

oder  nach  Integration 

Srfmi^=0, 

wenn  F  die  Flächen  sind,  welche  die  einzelnen  Radien  von  der  Anfangs- 
Stellung  aus  beschrieben  haben.  Daraus  folgt:  wenn  ein  Teil  des  Kör- 
pers Flächen  jP^  in  einem  bestimmten  Umlaufssinn  beschreibt,  so  muB 
sich  gleichzeitig  der  andere  Teil  des  Körpers  im  entgegengesetzten 
Sinne  so  herumdrehen,  daß  die  Radienyektoren  seiner  Punkte  Flächen 
F^  vom  entgegengesetzten  Umlaufssinn  überstreichen  und  daß 

^dm,F,^^dm,F, 

ist.     (Hier  sind  die  F  mit  ihren  absoluten  Werten  einzusetzen.) 

Diese  spezielle  Folgerung  des  Momentensatzes  (i'ür  Jlf  »  0)  nennt 
man  wohl  auch  den  Flächensatz. 

In  den  neunziger  Jahren  des  verflossenen  Jahrhunderts  gab  einen 
neuen  Anstoß  zur  Erörterung  der  vorstehenden  Probleme  die  Beob- 
achtung, daß  eine  Katze,  wenn  sie  mit  dem  Rücken  nach  unten  zu 
fallen  anfängt,  es  meist  so  einzurichten  weiß,  daß  sie  mit  den  FQßen  auf 
den  Boden  kommt.  Beobachtungen  lehrten,  daß  sie  sich  dabei  keine 
Anfangsdrehung  im  Momente  des  Fallens  erteilen  konnte;  auch  ist  die 
Wirkung  der  Luft  zu  gering,  um  als  äußere  Kraft  die  Drehung  her- 
vorzurufen. Das  Tier  kann  nun  nach  dem  oben  auseinander  gesetzten 
tatsächlich  seinen  Körper  um  eine  Horizontalachse  drehen,  wenn  es 
Extremitäten  im  entgegengesetzten  Sinne  herumbewegt.  Momentphoto- 
graphien  lehren,  daß  die  Katze  wirklich  so  verfährt  (siehe:  Comptes 
rendus  der  Pariser  Akademie  1894,  2.  Bd.):  sie  schleudert  Hinterbeine 
und  Schwanz  in  kräftigem  Schwünge  um  eine  horizontale  Achse,  der 
Vorderkörper  dreht  sich  dann  von  selbst  im  entgegengesetzten  Sinne. 
Durch  Ausstrecken  der  Hinterextremitäten  und  Einziehen  der  Vorder- 


Kr.  213.      §  40.  Weitere  Anwendungen  v.  Schwerpunkt-  n.  Momentensatz.      333 

beine  kann  sie  die  TriLgheitsmomente  verändern  nnd  somit  den  ge- 
samten Drehwinkel  regulieren,  so  daß  sie  gerade  eine  halbe  Drehung 
ausführt  und  auf  die  Beine  zu  stehen  kommt. 

Ein  Schwimmer  kann  die  Folgerungen  des  Flächensatzes  an  sich 
selbst  leicht  ausprobieren,  indem  er,  auf  dem  Rücken  liegend,  mit 
dem  linken  Beine  etwa  einen  kräftigen  Schwung  links  herum  in  der 
Luft  ausführt:  er  wird  sich  dann  Yon  selbst  rechts  herumdrehen. 

Aufgabe  97:  Anf  einem  Drehschemel  vom  Trägheitsmoment  T  laufe  ein 
Insekt  (Massenpunkt  m)  vom  Mittelpunkte  aus  auf  einem  Radius  bis  in  die 
Entfernung  r  vom  Mittelpunkt,  dann  auf  einem  Kreise  durch  den  Zentriwinkel  qp, 
endlich  wieder  auf  einem  Radius  in  die  Mitte  surflck.  Um  welchen  Winkel  wird 
sich  dabei  der  Schemel  gedreht  haben,  von  dem  wir  annehmen  wollen,  daß  er 
sich  reibungsfrei  um  seine  vertikale  Achse  drehen  kann. 


§  40.   Weitere  Anwendungen  von  Schwerpunkt-  nnd 

Homentensatz. 

213.  Der  um  eine  feste  Achse  rotierende  starre  Körper. 

In  Nr.  211  hatten  wir  dem  Momentensatz,  bezogen  auf  eine  der  Rich- 
tung nach  feste  Achse  durch  den  Schwerpunkt  oder  durch  einen 
festen  Punkt  die  Form  gegeben: 

Dreht  sich  nun  ein  starrer  Körper  um  eine  feste  Achse,  so  können 
wir  diese  zur  Momentenachse  wählen:  weil  der  Körper  starr  ist,  drehen 
sich  alle  Punkte  in  gleichen  Zeiten  um  gleiche  Winkel,  also  ist  o 
eine  allen  Punkten  gemeinsame  Größe,  kann  also  aus  der  Summe 
^dmr^G)  herausgezogen  werden.  Außerdem  sind  die  Abstände  r  kon- 
stant, also  auch  das  Trägheitsmoment  T. 

Somit  ergibt  sich  für  den  um  eine  feste  Achse  rotierenden  starren 
Körper  die  Bewegungsgleichung 

^  dt       ^• 

Dabei  ist  M  das  Moment  aller  äußeren  Kräfte. 

Nun  kann  man  aber  die  Lagerreaktionen  bei  der  Berechnung  von 
M  fortlassen.  Denn  die  Berührungsfläche  des  rotierenden  Körpers 
mit  dem  Luger  ist  auf  jeden  Fall  das  Stück  einer  Rotationsfläche, 
auf  dieser  stehen  aber  die  Lagerdrucke  senkrecht,  gehen  also  durch 
die  Drehachse  hindurch  und  haben  somit  kein  Moment  in  bezug  auf 
dieselbe. 

Es  bleiben  also  für  die  Bildung  von  M  nur  diejenigen  Kräfte 
übrig,  die  wir  früher  (Nr.  141)  als  eingeprägte  Kräfte  bezeichnet 
haben  und  somit  haben  wir  dieselbe  fundamentale  Gleichung  erhalten 


334 


VIII.   Onmdlagen  einer  aUgemeinen  Mechanik. 


Nr.  214. 


wie  in  Nr.  194.  Es  sei  aber  ausdrücklich  bemerkt,  daß  die  Lager- 
reibung bei  der  Bildung  ron  M  zu  berücksichtigen  ist,  denn  sie  hat 
ein  Moment  (und  ist  auch  als  Gleitreibung  eine  eingeprilgte  Kraft; 
siehe  Nr.  61). 

214.  Aualauf  eines  sentrierten  Bades  infolge  der  Lager- 
reibnng.  Ein  Rad  möge  sich  frei  um  eine  horizontale  Achse  drehen, 
außer  der  Schwerkraft  und  dem  ganzen  Li^erdruck  möge  keine  Kraft 
auf  das  Rad  wirken.  Der  Schwerpunkt  liege  auf  der  Achse,  das  Rad, 
sei,  wie  man  sagt,  zentriert. 

Dann  ist  die  Massenbeschleunigung  des  Schwerpunktes  notwen- 
digerweise Null  und  also  verschwindet  die  Summe  aller  äußeren  Kräfte: 
der  ganze  Li^rdruck  D  ist  also  nach  oben  gerichtet  und  gleich  dem 
Gewichte.  Aber  er  wird  bei  Vorhandensein  yon  Reibung  nicht  durch 
die  Wellenachse  gehen  können.  Denn  die  Reibung  ist  der  Bewegung 
entgegengesetzt  und  ergiebt  also  ein  Moment  daß  dem  Drehungssinn 
des  Rades  entgegen  ist.  Ist  der  Abstand  des  Druckes  D  von  der 
Achse  Q,  so  ist  das  Reibungsmoment  —  qD  ^  —  qG,  falls  wir  Mo- 
mente im  Sinne  der  Bewegung  positiv  rechnen. 

Die  Bewegungsgleichung  lautet  somit 


rpdm 


^qG 


Dürfen  wir  die  Reibung  als  von  der  Geschwindigkeit  unabhängig  an- 
sehen, d.  h.  p  als  konstant,  so  ergibt  die  Integration 

also  als  Auslaufszeit  (für  o  »  0) 

Ist  das  Lager  zylindrisch,  ungeschmiert,  und  die  Berührung  zwischen 

Rad   und  Li^^r  wesentlich  auf  eine  Erzeugende 
beschränkt,  so  ist 

p  =  r  sin  qr, 

wenn  r  den  Zapfenradius  (2r  den  Durchmesser 
des  Lagers)  bedeutet,  9  den  Reibungswinkel. 
Man  sieht  dies  sofort  aus  der  Figur,  welche  das 
Kräftespiel  im  Lager  für  den  ins  Auge  ge&ßten 
Fall  darstellt.  Aus  der  Figur  erkennt  man  zu- 
gleich, daß  die  Berührungsstelle  aus  der  normalen 
Lage  im  Falle  der  Ruhe  im  Sinne  der  Dreh- 
Fig.179.  bewegung  um  den  Winkel  9  verschoben  ist. 


1 


Nr.  216.      §  40.  Weitere  Anwendangen  v.  Schwerpunkt-  u.  Momentensatz.      335 

Wenn  nun  die  Beruhrang  nicht  einpunktig  ist  oder  Schmierung 
Yorhanden,  so  setzt  man 

und  bestimmt  am  besten  f  experimentell. 

Neuere  Untersuchungen  haben  bei  geschmierter  Reibung  eine 
starke  Abhängigkeit  des  f  von  N  (oder  D)  und  v  ergeben  (siehe 
Nr.  60und  143),  was  man  bei  der  Integration  der  Differentialgleichung 

zu   beachten   hat.     Es    ist  jetzt   g  =  rf  eine  Funktion  von  o;  man 
wird  demnach  haben 

da    ^^ /J* 

7(ä)  T       ' 

also 

Ol 


i 


_    T    rdca 

rGj  r(a>y 


Me 


Ist  f\(jo>)  graphisch  gegeben,  so  kann  man  das  rechtsstehende  Integral 
auch  graphisch  leicht  ermitteln  und  somit  die  Auslaufszeit' berechnen. 
Wir  erwähnten  schon  früher,  daß  die  Theorie  der  zähen  Flüssig- 
keiten eine  wenigstens  teilweise  befriedigende  theoretische  Behand- 
lung des  Problems  der  geschmierten  Reibung  ermöglicht  hat  und  in 
Übereinstimmung  mit  der  Erfahrung  eine  Verschiebung  der  engsten 
Stelle  des  Spielraums  zwischen  Zapfen  und  Lager  gerade  im  anderen 
Sinne  ergibt  als  die  Hypothese  der  trockenen  Reibung  (siehe  Som- 
merfeld, Z.  f  Math.  u.  Physik  1904,  Bd.  50). 

215.  Die  Atwoodsohe  Fallmasohine  (ohne  Beibung)  besteht 

ans  einem  um  eine  horizontale  Achse  drehbaren  Rade,  einem  darum  geschlun- 
genen Faden  und  zwei  Gewichten,  die  an  die  Enden  desselben  geknüpft  sind. 
Wir  betrachten  nur  den  Fall,  daß  sich  die  Gewichte  in  je  einer  Vertikalen  auf- 
und  abbewegen.  T  sei  das  Trägheitsmoment  des  Rades,  G^ ,  (r,  die  Gewichte, 
/  die  unveränderliche  Länge  des  Fadens,  ^t  dessen  spezifische  Masse  pro  Längen- 
einheit, X  die  variable  Entfernung  des  Gewichtes  G^  unter  dem  Mittelpunkte  des 
Rades,  dessen  Radius  r  sei. 

Senkt  sich  G^  mit  der  Geach windigkeit  r,  so  haben  Gewichte  und  Faden 

df) 
die  Beschleunigungskomponente  -r-   in  Richtung  ihrer  Bewegung,  das  Rad  aber 

u  t 

die  Winkelgeschwindigkeit  co  »^  —  ,  wenn  wir  annehmen  dürfen,  daß  die  Reibung 

T 

zwischen  Faden  und  Rad  so  stark  ist,  daß  ein  Gleiten  nicht  eintritt. 

Daher  ist  für  das  ganze  bewegte  System  das  Moment  der  Massenbeschleu- 
nignng  in  bezug  auf  die  Drehachse  0  des  Rades 


336  Vni.   Grimdlagen  einer  allgemeinen  Mechanik.  Nr.  216. 

oder 

r^^'^im.  +  m.  +  m'  +  m-),  (1) 

wo 

m,  «  —  Ö, ,     wi,  =  -    G»,    m'  —  Iti 
9  9 

die  Massen  der  Gewichte  und  des  Fadens,  m"  aber  die  sogenannte,  anf  den  Um- 
fang des  Rades  ,,reduzierte  Masse"  desselben  ist,  nämlich 

T 
m   --.. 

Die  einzige  äußere  fi[raft,  die  ein  Moment  hat,  ist  die  Schwerkraft,  wenn  wir 
Ton  der  Reibung  zwischen  Rad  und  Lager  absehen;  die  Schwerkraft  hat  aber 
das  Moment 

G^t '\- x^gt  —  {l  —  TTt  —  x)iLgr  —  G^r.  (2) 

Nach  dem  Momentensatz,  angewendet  auf  das  ganze  bewegte  System,  muß  nun 
Ausdruck  (1)  gleich  dem  Ausdruck  (2)  sein,  also  lautet  die  Bewegungsgleiohung, 
wenn  wir  m^  +  w,  +  "*'  +  w"  =  m  setzen, 


d*x 
fn  ^y,  =  gF(Wi  —  w,  —  {l  —  7cr)fi)  +  2xiig, 


j     .  dx  .  . 

da  ja  t;—  -^-  ist. 
at 


Setzen  wir  noch  zur  Abkürzung 

m,  —  m,  —  (l  —  m)  a        , 
g.l 1 >^ ^  =  ^ 

w 

m 
so  lautet  die  Differentialgleichung  der  Bewegung 

d^x 

-a*x^g, 


dt 
deren  Integral  lautet 

x^  —  '^g+Ae^'+Be 


^      '    ■      '    at  t    -D-at 


mit  A  und  B  als  Integrationskonstanten. 

War  etwa  für  t  >=  0  auch  x=^0  und  o;  =  0,  so  bestimmen  sich  A  und  B  aus 

0^^l,g+A  +  B, 

0  =  Aa  —  aB, 

d.  h. 

1   9 


2   a* 


80  daß 


*=i^'(-^+ 2  ('"'+'"*")) 


wird.    Für  sehr  kleine  a  (Vernachlässigung  der  Schwere  des  Fadens)  muß  sich 
in  der  Grenze  eine  gleichförmig  beschleunigte  Bewegung  ergeben;  tatsächlich  ist 

lim.r=  l  gty 


Nr.  216, 217.     §  40.  Weitere  Anwendungen  v.  Schwerpunkt-  u.  Momentensatz.    337 

216.    Bernokslohtis^nng  der  Beibung. 

Wollen  wir  die  Reibung  im  Lager  berücksichtigen,  so  tritt  in  die  Diffe- 
rentialgleichung der  vorigen  Nummer  noch  das  Moment  der  Reibung  ein,  das 
-wir  analog  wie  in  N.  214  mit 

bezeichnen,  wo  /  den  Zapfenradius  bedeutet  und  f  —  es  wird  sich  meist  um 
beschmierte  Reibung  handeln  —  als  bekannte  Fimktion  von  v  anzusehen  ist. 
Den  gesamten  Lagerdruck  2>,  der  wesentlich  ^)  vertikal  sein  muß ,  berechnen 
-wir  durch  Anwendung  des  Schwerpunktsatzes: 

*"i  sl  ""  *"»  äl  +  ^^  "  ^^ ""  ^  —  ^'^^^^dt  ^  ^^'  +^t  +  h  +  »h)9  —  ^  *)i 

-w^obei  711,  die  Masse  der  Rolle  ist. 
Also  ist 

D  «  (w^  +  m,  -f  Z/1  -f  mj,)g  —  [m^  —  in,  +  2xii  —  (l  —  rn)it]  ^J , 
infolgedessen  der  Momentensatz  nach  Division  durch  r  die  Form  annimmt: 


d*x 
tn  jTi  ==  9(^1  —  »!,  —  (?  —  nr)ii)  +  2xiig 


d*x 


Ist  /"  eine  Funktion  von  x^  so  wird  man  am  besten  tun,  die  vorstehende 
Differentialgleichung  graphisch  zu  integrieren.  Kann  man  dagegen  /"  als  kon- 
stant ansehen,  so  hat  die  vorstehende  Differentialgleichung,  nach  x  aufgelöst, 
die  Form 

d*x g"  -\-  XX 

■(77*  ~  T^^'x  ' 
wo  g",  X,  X  Konstante  sind. 

Aufgabe  98:  Man  führe  die  vorstehende  Differentialgleichung  nach  der  in 
Nr.  67  augegebenen  Methode  zur  Integration  einer  jeden  Differentialgleichung 
der  Form 

X  =  f{x) 
auf  bloße  Quadraturen  zurück. 

In  vielen  Fällen  wird  man  die  Masse  des  Seiles  vernachlässigen  können, 
d.  h.  X  und  x  gleich  Null  setzen  dürfen  und  erhält  dann  wiederum  eine  kon- 
stante Beschleunigung. 

217.  Anwendung  auf  Aufiefige  und  Xrahne. 

Handelt  es  sich  um  einen  Krahn  oder  Aufzug,  so  wird  die  Frage  meist  so 
gestellt  sein:  welches  Drehmoment  muß  ich  noch  auf  die  Rolle  wirken  lassen, 
damit  die  Bewegung  gleichförmig  geschieht? 

Es  tritt  dann  in  die  Momentengleichung  noch  das  gesuchte  Drehmoment  M 
hinzu;  dafür  aber  hat  man  £«=0  zu  setzen.  Man  bekommt  auf  diese  Weise 
die  Gleichung 

0  =a  rgini^  —  m^  —  (Z  —  r«)ft)  -j-  ixtigr  —  f  r  {mi  +  *Wj  -f  f /i  +  in^)g  +  M, 
woraus  sich  nach  Einführung  der  Gewichte  ergibt 

M  =  r{G^  ^G^  +  il  —  rn)Y]  —  2xyr  +  f'rG, 


1)  Von  der  Beschleunigungs Wirkung  des  kleinen,  die  Rolle  umspannenden 
Seilstückes  ist  abgesehen. 

Hamel:  Slemoutare  Mechanik.  22 


338  VIII.    Grundlagen  einer  allgemeinen  Mechanik.  Nr.  218* 

wo  G  das  Gesamtgewicht  von  Rolle,  Seil  und  Lasten  ist,  7  das  spezifische  Ge- 
wicht des  Seiles.  Bei  kurzen  Aufzügen  wird  auch  hier  das  Glied  2x/r  oft  un- 
bedeutend sein,  in  anderen  Fällen  aber,  wie  z.  B.  bei  Förderanlagen  in  Berg- 
werken, wo  l  sehr  gro6  ist,  kann  es  ganz  wesentlich  ins  Gewicht  fallen. 

Wegen  Berücksichtigung  der  Seilsteifigkeit  im  Falle  langsamer  Bewegung 
siehe  §  36.        . 

218.  Bereohnung  der  lAgerreaktionen  eines  um  eine 
feste  Achse  rotierenden  starren  Körpers.  Wir  wollen  folgende 
allgemeine  Aufgabe  in  Behandlung  nehmen: 

£in  starrer  Körper  rotiere  um  eine  feste  Achse;  er  sei 
irgendwelchen  eingeprägten  Kräften  unterworfen,  wie  be- 
wegt er  sieh  und  was  läßt  sich  aus  Schwerpunkts-  und  Mo- 
mentensatz über  die  Lagerreaktionen  erschließen? 

Folgendes  können  wir  von  vornherein  erwarten:  Schwerpunkts- 
und Momentensatz  bedeuten  zwei  vektorielle,  also  sechs  skalare  Glei- 
chungen. Wir  wissen,  daß  die  Lagerreaktionen  kein  Moment  um  die 
Achse  haben  (siehe  Nr.  141),  daraus  folgt  eine  von  den  Lagerreak- 
tionen freie  Gleichung,  die  Momentengleichung  für  die  Achse  als  Be- 
wegungsgleichung. Es  bleiben  noch  fünf  Gleichungen,  wir  werden 
also  erwarten  dürfen,  daß  wir  mit  ihrer  Hilfe  fünf  Aussagen  über  die 
Reaktionen  machen  können,  daß  es  uns  nämlich  gelingen  wird,  ihre 
geometrische  Summe  und  ihr  Moment,  das  sicher  auf  der  Achse  senk- 
recht stehtp^u  berechnen. 

Um  die  Aufgabe  zu  behandeln,  nehmen  wir  die  Rotationsachse 
zur  ;?- Achse,  legen  den  Anfangspunkt  des  Koordinatensystems  in  den 

Fußpunkt  0  des  Lotes  vom  Schwerpunkt  S 
auf  die  Achse,   wählen    OS  zur  ic- Achse, 
,x  woraus  sich  die  Richtung  der  f/-Achse  von 
selbst  versteht. 

Die  eingeprägten  Kräfte  mögen  nach 
diesen  Achsen  die  resultierenden  Kompo- 
nenten K^y  K^y  K^  und  die  Momente  jM,, 
ilfy,  M,  haben,  die  Lagerdrucke  entsprechend 
die  resultierenden  Komponenten  r^^  r  ,  r^ 
und  die  Momente  JK^,  Ä  ,  0,  und  zwar  seien  damit  die  Druck- 
wirkungen auf  das  Lager  gemeint,  so  daß  die  entsprechenden  Größen, 
welche  auf  den  rotierenden  Körper  wirken,  nach  dem  Gesetz  der  Gleich- 
heit von  Wirkung  und  Gegenwirkung  dieselben  sind,  nur  mit  ent- 
gegengesetztem Zeichen. 

Da  der  Schwerpunkt  eine  Kreisbewegung  (siehe  Nr.  25)  machte 
so  lauten  die  Komponentengleichungen  des  Schwerpunktsatzes 


msG}^  =  K^- 

-  *z, 

msio  =  iCy  - 

-V 

0  -  K,  - 

-  r.. 

* 

Nr.  218.      §  40.  Weitere  Anwendungen  v.  Schwerpunkt-  u.  Momentensatz.       339 
Daraus  ergeben  sich  sofort  die  resultierenden  Lagerdnick<^ 

r^  =  K^—  msta, 
r,  -  K,. 

Das  Lager  hat  also  insgesamt  nicht  nu/r  die  eingeprägten  Kräfte 
auf'zunelimeny  sondern  noch  zwei  Anteile,  die  von  der  „Massentvirkung*^ 
herrühren:  die  sogenannte  Zentrifugalkraft  msm*  in  der  Bichtung  von 
der  Achse  auf  den  Schwerpunkt  zu  und  den  Anteil  msm  senkrecht 
dazu  und  detn  Sinne  der  positiv  gerechneten  Winkelbeschleunigung 
entgegen.  Der  erste  Anteil  verschwindet  nur,  tvenn  der  Körper  zetp- 
triert  ist,  der  zweite  auch  bei  gleichförmiger  Bewegung, 

Die  Zentrifugalkraft  wird  namentlich  bedeutend  f£lr  rasch  um- 
laufende Körper;  geringe  Exzentrizitäten  geben  dann  bedeutende  Bean- 
spruchungen (siehe  die  Bemerkung  über  Lavalturbinen  in  Nr.  76). 

Um  die  Momentengleichungen  aufzustellen^  beachten  wir,  daß 
fw  nach  der  o:- Achse  die  Komponente  yw^  —  zw^  hat  usw.  und  daß 
ffir  einen  Punkt  mit  der  Entfernung  r  von  der  Drehachse  und  der 
Amplitude  (p   gegen  die  a?- Achse  (nach  Fig.  180  oder  nach   Nr.  27) 


•         • 


«^,  "■  —  r^'  cos  qp  —  f  (0  sm  9?  —  —  xo*  —  yco, 
Wy  —  —  ro*  sin  9?  +  rra  cos  9?  =  —  yco*  +  xg), 

ist.    Danach  lautet  der  Momentensatz  in  Komponenten: 

^dm(yiv^  —  zw^)  =  ^dm(yzo^— zxc))  =  3f,  -  Ä,, 
S dm {zw^  —  xw^  7=  ^dm{—  zx(o^  —  zyü)  ^  M^—  B^, 
^dm(xwj,  —  yw^)  =  Srfmfa;*  +  y*)ö  =  M^. 

Man  kann  aus  den  Summen  links  überall  o*  und  d>  herausziehen  und 
erhält  sofort  aus  der  letzten  Gleichung  die  schon  bekannte  Bewegungs- 
gleichung 

Tco  «  M . 

In  den  beiden  anderen  kommen  die  Ausdrücke  vor 

Sdmyz  -  Z>y  „ 

^dmxz  ^  D^,, 

charakteristische  Konstante  für  den  Körper  und  das  gewählte,  im 
Körper  feste  Achsensystem,  die   wir  Deviationsmomente   nennen 

22* 


340  YliL   Onmdlftgen  einer  allgemeinen  Mechanik.  Nr.  218. 

wollen.     (Siehe  Nr.  198  und  §  45).     Nach  Einfuhrung  dieser  Abkür- 
zungen erhalten  wir  aus  den  beiden  ersten  Momentengleichungen: 

Daraus  sieht  man,  daß  sdbst  hei  zentriertem  Bad  und  gleidi- 
förmigem  Laufe  desselben  die  „Massenwirkung^  nicht  Xuü  ist:  es 
bleiben  im  allgemeinen  noch  Kräftepaare  —  D^,©*  und  D^^a^  weiche 
nur  verschwinden,  wenn  die  Deviaiionsmomente  D^  „  und  Z>. .  NuU  sind. 

Man  erkennt  nun  sofort,  daß  dies  jedenfalls  dann  der  Fall  ist, 
wenn  entweder  die  Schwerpunktsebene  senkrecht  zur  Drehachse  eine 
Symmetrieebene  der  MassenTerteilung  ist;  denn  dann  entspricht  jedem 
Element  dm  yz  (bzw.  dm  xz)  ein  entgegengesetzt  gleiches  dm  y(—  z) 
(bzw.  dm  x(—  z))  —  oder  wenn  die  Schwerpunktsebene  durch  die 
Achse  und  die  dazu  senkrechte  Ebene  durch  die  Drehachse  Symmetrie- 
ebenen sind  (z.  6.  bei  einem  Körper  von  voller  Rotationssymmetrie). 
Der  Beweis  ist  analog  dem  Torhergehenden. 

Wir  werden  später  (§  45)  sehen,  daß  jeder  Körper  durch  jeden 
Punkt  mindestens  drei  zueinander  senkrechte  Achsen,  die  sogenannten 
Hauptachsen,  besitzt,  für  welche  alle  drei  Deviationsroomente  ver- 
schwinden. 

Rotiert  ein  Körper,  der  gar  keinen  Kräften  unterworfen  ist,  kon- 
stant um  eine  feste  Achse  durch  den  Schwerpunkt?  Wir  können  die 
Frage  so  stellen:  Ist  es  nötig,  eine  Rotationsachse  durch  den  Schwer- 
punkt festzuhalten,  wenn  der  Körper  gar  keinen  Kräften  unterworfen 
ist?    Aus  unseren  Gleichungen  folgt  zwar  wegen  s  =  0 

dagegen  trotz  c)  ^  0  (wegen  3f,  =  0) 


Die  Frage  ist  also  im  allgemeinen  zu  verneinen,  denn  wenn  2)^,  D,^, 
nicht  Null  sind,  so  brauchen  wir  zur  Aufrechterhaltung  der  Dreh- 
achse ein  Kräftepaar. 

Ein  Körper,  der  gar  keinen  äußeren  Kräften  unterworfen  ist, 
rotiert  nur  dann  dauernd  um  dieselbe  Achse,  wenn  die  beiden  De- 
viationsniomente  dieser  Achse  verschwinden.  Man  nennt  deshcdb  eine 
Achse  von  dieser  Eigenschaft  auch  eine  „freie  Achsef\ 

Was  ein  kräftefreier  Körper  tut,  der  um   eine  andere  Achse  in 

Rotation   versetzt   wird,  werden  wir  später  (Nr.  279  und  280)  sehen. 

Wir  sehen  des  weiteren  aus  unseren  Formeln,  daß  für  langsame 

und  gleichmäßige  Bewegung  die  statische  Behandlung  des  Problems, 

die  wir  schon  früher  besprochen  haben  (Nr.  142)  erlaubt  ist. 


Nr.  218.       §  40.  Weitere  Anwendungen  t.  Schwerpunkt-  n.  Momentensatz.      341 

DieBedeutung  des  Problems,  das  schon  von  Euler  gelöst  wurde, 
dürfte  auf  der  Hand  liegen:  nicht  nur  werden  durch  die  Lagerdrucke 
die  Lager  selbst  beansprucht,  sondern  auch  die  Fundamente.  Sind  z.B.  die 
Momente  R^  und  R^  oder  r^,  r^  konstant,  was  für  die  Massenwirkung 
allein  bei  gleichförmigem  Gang  ((b  =  0)  der  Fall  ist,  so  bedeutet  dies 
Reaktionswirkungen,  die  mit  den  Achsen  (x,  y)  umlaufen  und  also 
das  Fundament  in  periodischem  Wechsel  beanspruchen.  Daher  rührt 
die  stampfende  Wirkung  umlaufender  Maschinen  auf  das  Fundament. 
Tritt  nun  Resonanz  ein  (siehe  Nr.  76),  d.  h.  stimmt  die  ümlaufszeit 
der  Maschine  mit  einer  Periode  der  freien  Schwingungen  des  Ge- 
bäudes überein,  so  wird  dieses  in  besonders  heftiger  Weise  in  Schwin- 
gungen versetzt,  welche  seine  Haltbarkeit  ernstlich  gefährden  können, 
ganz  abgesehen  von  der  sonstigen  Unannehmlichkeit  dieser  Wirkung. 

Umlaufende  SchiflPsmaschinen  werden  in  gleicher  Weise  das  ganze 
Schiff  in  Schwingungen  versetzen.  Diese  möglichst  herabzudrücken, 
soweit  die  Massenwirkung  in  Frage  kommt,  ist  das  Problem  des 
Massenausgleichs,  das  von  0.  Schlick  zu  einem  gewissen  Ab- 
schluß gebracht  wurde  (siehe  0.  Schlick,  Deutsches  R.  P.  1893,  auch 
Z.  d.  y.  d.  I.  1894.  Schubert,  Theorie  des  Schlickschen  Massenaus- 
gleiches. Lorenz,  Dynamik  des  Kurbelgetriebes,  auch  das  Referat 
von  Heun,  Die  kinetischen  Probleme  der  wissenschaftlichen  Technik 
sowie  V.  Mises,  Encyklopädie  IV,  10).  Wären  die  Schiffsmaschinen 
rein  rotierende  Körper,  so  lautete  die  Bedingung  des  Massenausgleichs: 
es  muß  die  Drehachse  durch  den  Schwerpunkt  gehen  und  eine  freie 
Achse  sein.  Der  Umstand,  daB  auch  Maschinenteile  mit  ganz  anderer 
Bewegung  beteiligt  sind,  bringt  eine  Komplikation  des  Problems  mit 
sich.    Siehe  die  oben  angeführte  Literatur. 

Für  Lokomotiven  hat  bereits  Redtenbacher  die  Massenwirkun- 
gen betrachtet  (Literatur  siehe  Nr.  150). 

Aufgaben:  99.  Eine  Achse  von  der  Länge  l  trage  symmetrisch  im  Ab- 
stände h  von  der  Mitte  zwei  gleiche  Schwungräder  vom  Radius  a.  Nur  das  eine 
habe  noch  an  der  Peripherie  eine  Zusatzmasse  vom  Gewicht  G,  die  wir  punktförmig 
annehmen  wollen.  Die  Welle  sei  an  den  beiden  Enden  gestützt  in  kurzen  Lagern, 
deren  Längsausdehnung  wir  vernachlässigen  wollen,  d.  h.  wir  sehen  die  Lage- 
rung an  den  Enden  als  punktförmig  an.  Eingeprägte  Kräfte  seinen  nicht  vor- 
handen, das  Rad  drehe  sich  mit  der  Winkelgeschwindigkeit  tu.  Man  berechne 
den  Lagerdruck  an  den  Enden  der  Welle. 

100.  Ein  rotierender  starrer  Körper  habe  die  Exzentrizität  «,  während  eine 
Hauptachse  durch  den  Schwerpunkt  /S,  um  die  zugleich  Rotationssjmmetrie 
herrsche,  die  Drehachse  unter  dem  Winkel  a  schneide.  Gegeben  seien  m,  «,  o), 
fi)  BS  0,  und  die  Hauptträgheitsmomente:  C  um  die  Symmetrieachse,  Ä==^  B  senk- 
recht dazu.  Man  bestimme  die  Massenwirkung.  (Man  braucht  zur  Lösung  die 
Ergebnisse  aus  §  46,  den  man  aber  jetzt  schon  studieren  kann.) 


DL  Ebmt  Bewegaag  des  sterai  Kftipert.  Nr.  f  19. 


Kapitel  EL 

Ebene  Bew^nag  des  starren  Körpers. 

y  41*   UigeBiademagen  efaiM  stanen  Korfera  im  der  Ekeme. 

310.  iL]lg«iiiei»e  Tliiminlinngcn  Unter  einem  starren  Körper 
Terrtehen  wir  einen  Körper,  der  sich  bei  der  Bewegung  selbst  kon- 
gruent bleibt. 

Wir  nennen  seine  Bewegung  ebeu^  wenn  alle  seine  Punkte  ebene 
Bahnen  beschreiben ,  deren  Ebenen  untereinander  parallel  sind.  (Es 
gibt  auch  eine  Bewegungsart,  bei  der  zwar  alle  Bahnen  eben  sind, 
diese  Ebenen  aber  nicht  einander  parallel  liegen,  diese  Bewegung  ent- 
deckte Darboux,  siehe  Comptes  rendus  Bd.  92,  1881). 

Aus  der  Definition  der  ebenen  Bewegung  folgt: 

1.  Punkte,  die  einmal  in  einer  Bewegungsebene  liegen,  bleiben 
in  dieser. 

2.  Kennt  man  die  Bewegung  des  Schnittes  eines  Körpers  mit  einer 
Bewegungsebene,  so  kennt  man  die  ganze  Bewegung.  Denn  betrachtet 
man  die  augenblickliche  Projektion  P^  eines  Punktes  P  auf  die  heraus- 
gegriffene Schnittebene,  so  bleibt  dieBC  Beziehung  beider  bei  der  Be- 
wegung bestehen,  denn  einmal  bleibt  P'  in  der  Parallelebene  zu  P, 
dann  al>er  auf  der  Kugel  um  P  mit  dem  Radius  der  ursprünglichen 
Entfernung  PP\  Da  dies  aber  die  kürzeste  Entfernung  der  beiden 
Ebenen  ist,  so  haben  Kugel  und  Ebene  nur  einen  Punkt  gemein, 
eben  den  Projektionspunkt  P'  Ton  P. 

Also  genügt  zum  Studium  der  Geometrie  der  ebenen  Bew^ung 
die  Betrachtung  der  kongruenten  Bewegrung  einer  ebenen  Figur  in 
ihrer  Ebene. 

Kongruenz  allein  genügt  aber  noch  nicht,  um  behaupten  zu  können, 
daB  man  zwei  Figuren  durch  stetige  Bewegung  ineinander  überführen 
kann.  Auch  der  Umlaufssüin  bleibt  bei  stetiger  ebener  Bewegung  er- 
halten. Umfahren  wir  nämlich  den  Umriß  einer  Figur  in  bestimmtem 
Sinne  und  betrachten  diesen  Prozeß  von  einer  bestimmten  Seite  der 
Ebene  aus,  so  sind  zwei  Möglichkeiten  Torhanden:  entweder  liegt  das 
Innere  der  Figur  zur  Linken  oder  zur  Rechten.  Die  darin  begründete 
Unterscheidung  bleibt  offenbar  bei  stetiger  ebener  Bewegung  bestehen, 
wenn  wir  nur  immer  in  derselben  Weise  umfahren,  d.  h.  die  Punkte 
des  Umrisses  im  selben  Sinne  anordnen. 

Es  können  also  Figuren  kongruent  und  von  gleichem  Umlaufs- 
sinn  sein  (z.  B.  die  Dreiecke  ABC  und  A'B'C)  oder  auch  kong^ent 
und  Ton  entgegengesetztem  Umlaufssinn  {ABC  und  A'B"C),    Fig^uren 


Nr.  219.       §  41.   Lftgenänderangen  eines  starren  Körpers  in  der  Ebene.        343 

der  letzteren  Aii  kann  man  also  durch  ebene  Bewegung  sicher  nicht 
ineinander  überführen. 

Wir  können  dagegen  leicht  einsehen^  daß  man  Figuren  der  ersten 

Äfij  die  also  kongruent  und  gleichsinnig  sind,   immer  durch  ebene 

Bewegung  ineinander  überführen  kann. 


Fig. 181. 


Fig.  182. 


Beweis:  Betrachten  wir  eine  Strecke  AB  und  eine  gleich  große 
A'B\  so  kann  man  durch  Bewegung  AB  immer  nach  A'B^  bringen. 
Man  braucht  nur  zuerst  AB  parallel  so  zu  Terschieben,  daß  etwa  B 
nach  B'  kommt^  A  nach  A"  und  kann  dann  durch  Drehung  um  B' 
den  Punkt  A"  nach  A'  schaffen.  Ist  nun  C  ein  dritter  Punkt,  so  ist 
«in  Punkt  C  eindeutig  dadurch  bestimmt,  daß  ABC  kongruent  und 
gleichsinnig  mit  AlB'C  sein  soll  und  also  muß  bei  dem  angegebenen 
Prozeß  C  nach  C  kommen. 

Damit  ist  der  Beweis  geliefert  und  zugleich  gezeigt,  daß  man 
eine   ebene  Lagenänderung  eines   starren  Körpers  stets   dadurch  er- 
Beugen  kann,  daß  man  erst  eine  Translation  (Parallelverschiebung) 
und  dann  eine  Rotation  (Drehung  um  einen  festen  Punkt)  ausführt. 
Aus  dem  Vorhergehenden  geht  des  Weiteren  hervor,  daß  man  die 
Lage  einer  ebenen  Figur  eindeutig*  beschreiben  kann,   wenn  man  die 
Lage  eines  herausgegriffenen  Punktes   und  die 
Bichtung  eines  von  diesem  Punkte  ausgehenden, 
im   Körper   festen   Strahles   angibt.      Da   man 
andererseits    diese   Angaben    auch    willkürlich 
treffen   kann   und    dazu   drei    Stücke    angeben 
muß,  etwa  die  Koordinaten  c^,  c^  des   heraus- 
gegriffenen Punktes  C  und  den  Winkel  ^,  den 
der  gewählte  Strahl  mit  einer  festen  Richtung 
(etwa  der  x- Achse)   einschließt,    so   sagt  man: 
Der   starre  Körper  hat   bei   ebener   Be- 
wegung drei  Freiheitsgrade. 

Li  der  Tat  kann  man  die  drei  Koordinaten  x,  y,  e  eines  Punktes  P 
durch  c„  Cy,  -Ö*  und  drei   bei  der  Bewegung   unveränderliche  Stücke 


ky 


iCiä 


o 


••sr 


Fig.  183. 


344  I^  Ebene  Bewegung  de«  starren  Körpers.  Nr.  220. 

aasdrücken.  Zu  dem  Zwecke  wähle  man  im  starren  Körper  ein.  festes 
Koordinatensystem  {a,  b,  c\  dessen  Anfangspunkt  mit  C,  dessen  a  Achse 
mit  der  Strahlrichtung  zusammenfalle,  während  die  c  Achs^e  der  g  Achse 
parallel  sei.    Dann  ist  bekanntlich 

X  ^  Cjg  +  a  cos  #  —  6  sin  0", 

y  —  c^  +  a  sin  1^  +  6  cos  0", 

220.  Weiteres  ftber  endliche  LagenAademngen.  Wir  sahen 
in  der  Yorigen  Nummer^  daß  man  eine  endliehe  Lagenändemng  immer 
durch  Aufeinanderfolge  einer  Translation  und  einer  Rotation  erzeugen 
kann.  Dabei  konnten  wir  einen  Punkt  auswählen,  den  wir  zuerst  durch 
eine  Translation  in  seine  richtige  Lage  bringen.  (Wir  nennen  ihn  hinfort 
„Translationspunkt*'.)  Wählen  wir  einen  anderen,  z.  B.  A  (siehe  Fig.  182) 
und  bringen  ihn  zuerst  in  seine  Endlage  A\  wobei  jB  nach  B"  komme^ 
so  ist  die  erforderliche  Translation  eine  ganz  andere,  dagegen  ist  die 
noch  erforderliche  Drehung  insofern  dieselbe  wie  vorhin  geblieben, 
als  wie  die  Figur  sofort  lehrt,  der  Drehwinkel  nach  GröBe  und  Sinn 
derselbe  geblieben  ist.  («^  A'B'A'  gleich  <^  B"A'B'  nach  Größe  und 
Drehsinn.) 

Man  kann  also  bei  der  Lagenänderung  eines  starren  Körpers 
sdilechthin  von  einer  bestimmten  dazu  erforderlidien  Dreimng  sprechen, 
wehrend  die  notwendige  Paralldiersclnebung  im  allgemeinen  ton  der 
Wahl  eines  Punktes  abhängt. 

Wir  woUen  nun  zeigefi,  daß  man  jede  ebene  Lagenätiderungy  icenn 
sie  keine  bloße  ParaUdverschiebiing  isty  durch  eine  reine  Drehung  er- 
zeugen kann. 

Es  genügt,  als  ebene  Figur  eine  Strecke  AB  zu  betrachten:  A'B' 
sei  eine  zweite  Lage. 

Soll  es  möglich  sein,  durch  Drehung  um  einen  Punkt  M  die 
Strecken  ineinander  überzuführen,  so  muß  jedenfalls  MA  »  MA'  sein, 

also  M  auf  der  Mittelsenkrechten  von  AA'  liegen, 
ebenso  natürlich  auf  der  Mittelsenkrechten  von  BB". 
Wenn  AA'  und  BB'  einander  nicht  parallel 
sind,  was  wir  zunächst  annehmen  wollen,  so  ist 
dadurch  der  Punkt  3/  eindeutig  bestimmt. 

Man  kann  nun  tatsächlich  durch  eine  Drehung 
um  M  die  Strecke  AB  in  die  Strecke  A'B'  über- 
führen. 

Betrachten    wir   nämlich   die   Dreiecke  ABM 
Fig.  im!  und  A'B'M,   so  sind   dieselben   sicher   kongruent, 

da  alle  Seiten  entsprechend  gleich  sind.  Aber 
sie  haben  auch  denselben  Umlaufssinn.  Wäre  das  nämlich  nicht 
der  Fall,  so  lägen  sie  zu  der  Mittelsenkrechten  auf  BB'  symmetrisch. 


Nr.  221.       §  41.   Lagenänderungen  eines  starren  Körpers  in  der  Ebene.        345 


also  fielen  beide  Mittelsenkrechten  zusammen  und  es  wäre  AAl  \  BB\ 
was  wir  zunächst  ausgeschlossen  haben.  Es  ist  demnach  klar,  daß  man 
die  Dreiecke  ABM  und  ÄB'M  durch  Drehung  um  M  ineinander 
überftihren  kann. 

Waren  hingegen  AA'  und  BB'  einander  parallel^  so  sind  noch 
zwei  Fälle  denkbar:  entweder  bilden  ^^'-BJ?'  ein  Parallelogramm:  die 
Mittelsenkrechten  schneiden  sich  dann  nicht,  die  Überführung  von  AB 
nach  AB'  ist  dann  aber  auch  durch  eine  bloße  Translation  möglich; 
oder  aber  ABB' Ä  bilden  ein  gleichschenkliges  Trapez  (Fig.  186). 
In  diesem  Falle  wären  die  beiden  Mittelsenkrechten  zusammengefallen 
und  M  unbestimmt  geblieben;  aber  man  erkennt  sofort,  daß  hier 
der  gesuchte  Punkt  M  der  Schnittpunkt  von  AB  mit  A'B'  ist. 

Damit  ist  die  Betrachtung  vollständig  durchgeführt. 


Fig.  185. 


Fig.  186. 


Den  Punkt  Jf,  um  welchen  man  drehen  muß,  um  die  Lagen- 
änderung zu  erzeugen,  nennen  wir  den  Dreh  pol.  Er  ist  der  einzige 
Punkt,  der  bei  der  Lagenänderung  festbleibt.  Man  kann  demnach  das 
Ergebnis  auch  so  aussprechen: 

Bei  ebener  Lagenänderung  eines  starreyi  Körpers  gibt  es  stets 
einen  und  nur  einen  Punkt,  der  seine  Lage  beibehält,  den  DrehpoL 
Liegt  dieser  im  Endlichen,  so  kann  die  Lagenänderung  durch  eine 
Kreisbewegung  um  den  BreJipol  erzeugt  tverden.  Der  Punkt  kann  je- 
doch auch  ins  Unendliche  fallen,  dann  kann  die  Lagenänderung  durch 
eine  reine  Translation  bewirkt  werden, 

221.  Zasammensetzung  ebener  Bewegungen.  Führen  wir 
nacheinander  zwei  Bewegungen  in  derselben  Ebene  aus,  so  ist  das 
Resultat  wieder  eine  ebene  Bewegung  und  muß  sich  nach  den  Ergeb- 
nissen der  vorigen  Nummer  wieder  auf  eine  reine  Drehung  oder  auf 
eine  reine  Parallelverschiebung  zurückführen  lassen.  Wie  setzt  sich 
die  Gesamtverschiebung  aus  den  gegebeneu  Verschiebungen  zusammen? 

1.  Nehmen  wir  hintereinander  zwei  reine  Translationen 
vor,  die  durch  die  Strecken  A^c  und  t^^c  der  Verschiebung  gegeben 
seien,  so  ist  das  Resultat  wieder  eine  Translation,  deren  Verschiebungs- 
strecke durch  AjC  +  AjC  gegeben  ist.    Das  bedarf  wohl  keines  aus- 


S46  I^  Kbeoe  Bewegung  dn  fUira  KSrpe».  Nr.  «21. 

f&hriiehen  Beweiseei  Auch  ist  sofort  einleaehtend,  dftB  es  far  das 
Besnhat  gleichgOltig  ist,  welche  Translation  man  xnent  Tominunt 
fA,^  +  A,^»A,c  +  A,e),  msn  sagt: 

TransiatkmeH  sind  miteinander  zertausckbar. 

2.   Nehmen  wir  erst  eine  Translation  (Act  und  dann  eine 
Rotation  CA^i  Tor,  so  ist  das  Resnltat,  wie  wir  schon  wissen  CHr.  22^\ 

eine  Rotation.  Der  Winkel  derselben  ist  A^.  Sei 
A  der  Punkt,  nm  welchen  wir  drehen ,  A  der 
Punkt,  der  bei  der  Translation  in  A  übergeht,  so 
liegt  nach  Nr.  220  der  Drehpol  M  der  resni- 
tierenden  Rotation  auf  der  Mittelsenkrechten  Ton 
AA  und  zwar  so,  daß  <C  AMA  nach  Sinn  und 
Grröße  gleich  A^  ist. 

Vertauschen  wir  Translation  und  Rotation,  so 
erhalten  wir  dasselbe  Resultat,  wenn  wir  die  Ro- 
tation um  denselben  Körperpunkt,  d.  h.  um  den  Punkt  A  Tomehmea, 
denn  dann  kommt  A  wieder  nach  A  und  der  Drehwinkel  ist  nach 
Größe  und  Sinn  selbstverständlich  derselbe.  Drehen  wir  aber  erst  um 
A^  d.  h.  denselben  Ranmpunkt,  um  den  wir  das  erstemal  gedreht 
haben,  so  erhalten  wir  ein  anderes  Resultat:  A  kommt  dann. nach  A"^ 
wobei  A A'  nach  Richtung  und  Größe  mit  AA  übereinstimmt^  d.  h. 
gleich  A^  ist,  und  also  ist  auch  der  Drehpol  um  A^  Tershcoben, 
während  natüilich  der  Drehwinkel  nach  Sinn  und  Größe  ungeändert 
bleibt. 

Botation  und  Translation  sind  also  dann  vertauschbaTf  tcenn  man 
beide  Male  um  densdben  Körperpunkt  dreht. 

3.  Es  erübrigt  sich,  die  Zu- 
sammensetzung zweier  Dreh- 
ungen zu  besprechen. 

Drehen  wir  erst  um  den  Raum- 
punkt A  durch  den  Winkel  AO-, 
dann  um  den  Raumpunkt  B  durch 
den  Winkel  A9?. 

Es   sei  B'  der  Eörperpunkt, 


1^ 


^  •- 


^    ^-'-''T'  '       der   bei   der  ersten  Drehung  nach 

\  ,J'-<'^  ^    -    .     /        B  kommt,  so  daß  <^  BAB  -  A^ 

j^"'  ^ --^  /         iat^  während  bei  der  zweiten  Dreh- 

Pig.  IM.  ^"^^  /  ^°8  ^  nach  A   komme,   so   daß 

<^  ABA  =  A9).  Dann  ist  im 
Ganzen  die  Strecke  AB'  in  AB 
übergegangen  und  deshalb  findet  man  nach  Nr.  220  den  Drehpol,  in- 
dem man  auf  B'B  und  AA  die  Mittelsenkrechten  errichtet,  oder 
was  dasselbe  ist^  die  Winkelhalbierenden  von  <^BAB  und  ABA 


Nr.  222.        §  42.   Der  Qeschwindigkeite-  und  BescbleanigangBzuBtand.  347 

zieht.  Diese  schneiden  sich  im  allgemeinen  —  falls  sie  nämlich  nicht 
parallel  laufen  —  im  Drehpol  M, 

Man  findet  also  den  resultierenden  Drehpd  eweier  Drehungen 
um  gegebene  BaumputAte  Ä  und  B,  indem  man  an  der  Strecke  AB 

vom  ersten  Drehpol  A  aus  —    _    ,  dagegen  von  B  aus  +    ~  anträgt 

und  den  Schnittpunkt  M  der  beiden  freien  Schenkel  sucht.  Der  Dreli- 
pci  fällt  nur  dann  ins  Unendliche,  d.  h.  das  BesuUat  ist  nur  dann 
eine  Translation^  wenn  A^  =  —  A<p  ist,  wenn  also  beide  Drehungen 
um  entgegengesetzt  gleiche   Winkel  stattfinden. 

Der  resultierende  Drehwinkel  ist  -^B'MB(reBp.  <^^JIf^'),  dessen 
Hälfte  FMB  als  Außenwinkel  des  Dreiecks  AMB  gleich 

ist. 

Ist  Aqp  +  A'ö'  +  O,  so  ist  Ag?  + Aö"  der  resultierende  Drehwinkd. 
Ist  aber  Atp  +  Ad"  =  0,  so  ist  die  Strecke  B'B,  die  dann  gleich 
und  gleichgerichtet  mit  AA'  ist,  die  Translationsstrecke. 

Vertauschen  wir  nun  die  beiden  Drehungen,  und  ist  A"  der  Punkt, 
der  bei  der  Drehung  um  B  nach  A  kommt,  während  B  bei  der  zweiten 
Drehung  um  A  nach  B"  rückt,  so  wird  die  ganze  Figur  spiegelbildlich 
zu  der  alten  (siehe  Fig.  188),  und  somit  liegt  der  neue  Drehpol  M" 
spiegelbildlich  zu  dem  alten  M  bezüglich  der  Strecke  AB^  was  auch 

schon  aus  der  oben  angegebenen  Regel  hervorgeht,  da  jetzt ^ - 

an  -B,  -f-     -  an  A  anzutragen  ist. 

Drehungen  um  verschiedene  Pole  sind  also  nicht  vertauschbar: 
verändert  man  die  Beihenfolge,  so  liegt  der  Drehpol  sjnegeUnldlich  eu 
dem  alten  bezüglidi  der  Verbindungsgeraden  der  beiden  gegebenen  Dreh- 
pole,  während  der  Drehwinkd  nach  Sinn  und  Größe  derselbe  bleibt. 

§  42.    Der  Oesehwindigkeits-  und  Beschleunigungsznstand  bei 
der  ebenen  Bewegung  eines  starren  Körpers. 

222.  Übergaxig  zn  nnendlloh  kleinen  ITerBchiebangen.  Die 

Überlegungen  des  vorigen  Paragraphen  bleiben  natürlich  richtig,  wenn 
wir  uns  die  Lagenänderungen,  d.  h.  die  Verschiebungsstrecke  Ac  und 
den  Drehwinkel  A-ö"  beliebig  klein  denken. 

Nehmen  wir  also  einen  starren  Körper  bei  einer  ebenen  Be- 
wegung und  betrachten  zwei  benachbarte  Lagen  zu  den  Zeiten  t  und 
t  +  dt,  so  können  wir  die  zugehörige  unendlich  kleine  Lagenänderung 
erzeugen  durch  die  Verschiebung  de  eines  willkürlich  herausgegriffenen 
Punktes  C  des  Körpers  und  eine  Drehung  um  diesen  Punkt  durch 
den  unendlich  kleinen  Winkel  d^. 


348 


D[.  Ebene  Bew^^ung  des  starren  Körpers. 


Nr.  222. 


Wie  drückt  sich  durch  de  and  dd^  die  unendlich  kleine  Ver- 
schiebung df  irgend  eines  Punktes  P  des  Körpers  aus,  wenn  wir  nur 

Glieder  erster  Ordnung  {dc^  dd^   erster  Ord- 
nung unendlich  klein)  beibehalten? 

Es  möge  zunächst  P  in  derselben  Be- 
wegungsebene wie  C  liegen  und  auch  der  feste 
Bezugspunkt  0  der  Vektoren  c  und  r  sei  in 
dieser  Ebene  enthalten.  Nach  den  Sätzen  des 
vorigen  Paragraphen  ist  die  Verschiebung 
df  =  PP'  des  Punktes  P  gleich  der  Ver- 
schiebung PP"=CC=^dc  des  Punktes  C 
vermehrt  um  die  Verschiebung  P"P\  welcher 
eine  Drehbewegung  um  C  durch  den  Winkel  dd^ 
entspricht.    Also 

dr^dc  +  P''P\ 

Um   nun    P"P'   durch    dd"   auszudrücken,   ist   es   vorteilhaft,    einen 
Vektor  db^  in  folgender  Weise  einzufuhren: 

a)  es  stehe  dd'  senkrecht  auf  der  Bewegungsebene  und  sei  so 
gerichtet,  daß  von  ihm  aus  gesehen  die  Bewegung  linksherum  statt- 
findet, 

b)  es  sei  die  Größe  von  dd"  gleich  der  von  d^.  Wir  behaupten, 
daß  dann  bis  auf  Größen  höherer  Ordnung 


Flg.  1S9  » 


P'T'^d&z 

ist,  wo  ^  =  r~—  c  den  Vektor  C  P  bedeutet. 

Beweis:  Da  ein  Vektor  durch  Richtung,  Richtungssinn  und  Größe 
eindeutig  bestimmt  ist,  genügt  es,  die  Übereinstimmung  dieser  drei 

Stücke  für  P"P'  und  dd'Z  nachzuweisen: 

a)  beide  Vektoren  stehen  in  der  Grenze  senkrecht  auf  dem  Radius  z 

des  Kreises  um  C\  sowie  senkrecht  auf  dd;  d.  h.  sie  liegen  beide  in 
der  Bewegungsebene. 

b)  Erfolgt  die  Bewegung  von  vorne  (d.  h.  von  db  aus  gesehen) 
links  herum,  so  ist  P" P'  nach  links  bezüglich  z  gerichtet,  dasselbe 
gilt  für  das  äußere  Produkt  d^z, 

c)  Die  Größe  von  P'P'  ist  \z  -  d%^  ,  das   gleiche  gilt  für  dde^ 

weil  d%^  und  z  senkrecht  aufeinander  stehen. 

Damit  ist  der  Beweis  geliefert  und  wir  haben  damit  die  wichtige, 
auf  Euler  zurückgehende  Formel  gefunden: 


dr  =  de  +  d%^(r  —  c) . 

Man  erkennt  nun  leicht,  daß  die  Formel  auch  noch  gilt,   wenn  die 
Punkte  0,  C  und  P  nicht  in  einer  Bewegungsebene  liegen.    Zunächst 


Nr.  223.         §  42.   Der  Geschwindigkeite*  und  Beschleunigungsziistand.  349 

ist  sie  von  0  ganz  unabhängig,  da  die  einzelnen  Größen  de,  dc^  dd", 
r  -    —  ^  dies  sind  nnd  sich  natürlich  die  Verschiebung  eines  Punktes 

durch  de  und  d%^  unabhängig  Ton  0  muß  ausdrücken  lassen. 

Sei  nun  P'  die  Projektion  von  P  auf  die  ^^^ 

Bewegungsebene   von  C,   so   haben  P  und  P' 

gleichzeitig  dieselbe  Verschiebung.   Sei  OP^z\ 
so  ist  also  sicher 

dr  =  de  +  d^z  , 

Nun  kann  man  aber  z  in   zwei  Komponenten 
zerlegen 

r  =  ^'  +  i> , 

wo  ^  in   der   sogenannten   Drehachse   liegt, 

d.  h.  in  der  Achse  durch  C  senkrecht  zur  Bewegungsebene,  in  der 

auch  d%^  liegt. 
Deshalb  ist 

d^'p  -  0 

und  

d^^z  =  d^^z  . 

Also   gilt  auch   bei  beliebiger  Lage  von  P  die  Eulersche  Formel 

dz  =  de  +  d^ir  ~  c). 

Ruht  der  Punkt  C,  so  ist 

dz  =  d^(r  — c), 

wodurch  eine  reine  Drehung  um  G  (eine  Kreisbewegung)  dargestellt 
wird,  so  daß  die  Eulersche  Formel  direkt  die  Zerlegung  der  allgemeinen 
Bewegung  in  eine  Translation  und  eine  Rotation  darstellt. 

223.  Eulers  Formel  für  die  Oeschwlndigkeit.  Dividiert 
man  die  Eulersche  Formel  der  vorstehenden  Nummer  durch  das  zu- 
gehörige Zeitelement  dt  und  setzt 

—  man  nennt  diesen  Vektor,  der  in  der  Drehachse  liegt,  die  Winkel- 
geschwindigkeit —  so  erhält  man  eine  ebenfalls  auf  Euler  zurück- 
gehende Formel,  welche  exakt  ist  und  ges*tattet,  die  Geschwin- 
digkeit irgend  eines  Körperpunktes  durch  die  Geschwindig- 
keit c  eines  nach  Belieben  herausgegriffenen  Punktes  C  und 
die  Winkelgeschwindigkeit  5  auszudrücken,  nämlich 

i;  =  c  H-  ©(r  —  c). 


350  I^-  Ebene  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  224. 

Man  beachte,  daß  die  Winkelgeschwindigkeit,  ebenso  wie  es  der  Winkel  d^ 
selbst  war,  von  der  Wahl  des  Punktes  C  unabhängig  ist 

In   rechtwinkligen   Komponenten  lautet  die  Formel,   wenn  man 
wie  in  Nr.  219  die  z  Achse  senkrecht  zur  Bewegungsebene  nimmt 

dx       dc-  f  X 


dt  dt    ^  ^^-^         ^'^' 


dt      ^' 

weil  cj  die  Komponenten  0,  0,  oj  hat  (siehe  Anhang  II,  1). 

Aufgabe  101:  Man  leite  die  Torstehende  Komponentenform  der  Enlerschen 
Gleichung  aus  der  KoordinatendarstelluDg  fflr  r  als  Funktion  Ton  c^^^  Cy^  9  am 
Schlnsse  der  Nr.  219  ab. 

224.  Das  Momentanzentnim  der  ebenen  Bewegung.  Über- 
trägt man  die  Ergebnisse  von  Nr.  220  auf  unendlich  kleine  Bewegungen, 
so  folgt: 

Wenn  nicht  die  Winkelgeschwindigkeit  lo  nidl  isty  so  gibt  es  zu 
jeder  Zeit  einen  und  nur  einen  Punkt,  der  augenblicUidi  in  Butie 
ist,  d.  h.  keine  Geschwindigkeit  hat.  Wir  ntmnen  diesen  Punkt  das 
Momentanzentrum  der  Betvegung.  Was  die  Geschwindigkeit  angefit^ 
so  kann  die  Bewegung  augehblicklidi  als  Kreisbewegung  um  das  3fo- 
mentanzentrum  aufgefaßt  werden. 

Denn  nach  Nr.  220  läßt  sich  die  Bewegung  in  der  Zeit  dt  als 
reine  Drehung  um  den  Drehpol  darstellen:  die  Grenzlage  des  Dreh- 
pols für  dt  =  0  ist  natürlich  das  Momentanzentrum. 

Aus  der  Definition  des  Momentanzentrums  ergeben  sich  die  fol- 
genden Sätze,  welche  bei  seiner  Konstruktion  vielfache  Anwendung 
finden: 

Kennt  mun  die  Geschwindigkeitsrichtang  eines  Punktes  P,  so  liegt 
das  Momentanzentrum  auf  einer  Senkrechten  zu  dieser 
Richtung  durdi  den  Punkt  P, 

Kennt  man  außerdem  noch  Größe  und  Sinn  von  v 
und  die  Winkelgeschwindigkeit  gj,  so  liegt  bei  positivem 
CD  das  Momentanzentrum  M  links  von  v  und  zwar  so 

weitf  daß  MP  gleich  —  ist. 

In  der  Vektorsprache  heißt  dieses  Resultat,  wenn  f^  den  Vektor 
nach  dem  Momentanzentrum,  c  den  des  Punktes  P  bedeutet. 


Dieses  Besnltat  kann  auch  durch  Rechnung  aus  der  Eulerschen  Formel 
gefunden  werden,  wenn  man  bedenkt,  daß  r  =»  0  wird  für  r^^r-Q.  Es  ist  also 
C5  statt  c  gesetzt)  


Nx.  825.        §  42.  Der  GeBchwindigkeits-  und  Beschlennigungszustand.  351 

äußere  Multiplikation  mit  m  und  Beachtung  der  Entwicklungsformel  (siehe  An- 
hang I)  ergibt 

O^wü  +  ^C^Co — c))  =  av  —  ©'r©      "c, 
da,  falls  C^^  P  und  M  in  einer  Ebene  liegen, 

To  ^^  c  •  öä  =  0 
Ät.    Aus  dieser  Gleichung  folgt  dann  sofort  das  obige  Resultat. 
In  rechtwinkligen  Koordinaten  heißt  es: 

1       dCy 


1    de, 

y  '   to   dt  ^ 


yo=^v+  '  '^' 


oder  mit  Elimination  der  Zeit 


de 


y 


%  ==  ^.  + 


dc^ 

y  '    rf^ 


^ 


Natürlich  ergeben  sich  diese  Formeln  auch  direkt  aus  der  Koordinaten- 
darstellung  von  Nr.  223.  Eigentlich  spräche  man  besser  von  Mom  entan- 
achse,  da  stets  eine  Achse  senkrecht  zur  Bewegungsebene  in  Ruhe 
bleibt. 

225.  Beispiele.  1.  Rollt  ein  Körper  mit  einer  Zylinderfläche^ 
ohne  zu  gleiten,  auf  einer  anderen,  parallelen  Zylinderfläche,  so  ist 
natürlich  die  augenblickliche  gemeinsame  Erzeugende  Momentanachse. 
Denn  daß  die  gemeinsame  Achse  momentan  keine  Geschwindigkeit 
habe,  ist  Definition  des  Begrifles:  Rollen  ohne  Gleiten. 

2.  Betrachten  wir  die  Lenkstange  CK  (Pleuel-  oder  Schubstange) 
eines  sogenannten  Schubkurbelgetriebes,  wie  es  in  Fig.  191  skizziert 
ist:  Der  Kurbelarm  OC  di-eht 

sich  um  eine  feste  Achse  durch  My 

0,  Kolben   und  Kolbenstange  .y^ 

KS  sind  so  geführt,  daß  sie  ,.  '         | 

eine  Trafislation  ausführen,  der  1 

Kreuzkopfzapfen  £*  bewegt  sich     />♦        \  ,  '  1 

dabei  auf  einer  Geraden  durch  >^C^  ' 

0,  Kurbelzapfen  C  und  Kreuz-  y^  V''^^^*''^-^ 

kopfzapfen   K  sind  Zapfenge-       jx^x       1  V'***rr>>w>- 

lenke.  wr  j  ^ 

Während  nun  0  das  dau-  ^^-  '^'• 

erude    Momentanzentrum    für 

die  Kurbel  ist,  und  das  des  Kolbens  im  Unendlichen  liegt,  findet  mau 
das  Momentanzentrum  M  der  Lenkstange  auf  der  Verlängerung  von 
OC  und  senkrecht  zu  OK,  wenn  man  bedenkt,  daß  die  Bewcgungs- 


y  '/////////////W//"/^ 


352 


IX.  Ebene  Bewegung  des  stauen  Körpers. 


Nr.  226. 


richtnngen  der  Punkte  C  und  K  senkrecht  zo  OCy  bzw.  parallel  zu 
OK  sind. 

Aufgaben:  102.  Man  konstruiere  das  Momentanzentrum  für  die  Stange  AB 
der  Enrbelscbwinge,  für  welche  0,  (7  feste  Drehachsen  der  Kurbeln  OA  und 
OB  sind. 

103.  Wo  liegt  das  Momentanzentrum  für  den  Stab  A  B,  dessen  Enden  auf 
zwei  zueinander  senkrechten  (xeraden  gleiten  können?    iFig.  193.) 


¥ig.  102. 


Fig.  19S. 


Fig.  194. 


104.  Eine  Walze  vom  Radius  r  rolle,  ohne  zu  gleiten,  auf  einer  ebenen 
Fläche  mit  der  Winkelgeschwindigkeit  to.  Warum  hat  die  Mittelachse  die  Ge- 
schwindigkeit cor  parallel  zur  Ebene?  Man  zeige,  daß  allgemein,  wenn  die 
Mittelachse  die  Geschwindigkeit  c  besitzt,  der  Berührungspunkt  die  Geschwindig- 
keit c  -f-  ro>  hat,  wenn  c  nach  rechts,  a  linksherum  positiv  gezählt  wird.    (Fig.  194.) 

226.  Die  Polbahnen.  Im  allgemeinen  wird  im  Laufe  der  Be- 
wegung das  Momentanzentrum  weder  ein  fester  Punkt  im  Körper  noch 
im  Räume  sein,  sondern  in  beiden  je  eine  Kurve  beschreiben,  die  wir 
Polbahnen  nennen  wollen:  speziell  mag  die  Bahn  im  Räume  Spur- 
kurve  (Poloide,  Polhodie),  die  Bahn  im  Körper  Polkurye  (Serpoloide, 
Herpolhodie)  heißen.     Wie  verhalten  sich  beide  zueinander? 

Zunächst  einmal  haben  sie  sicher  in  jedem  Augenblick  einen  Punkt 
gemeinsam,  nämlich  das  augenblickliche  Momentanzentrum. 

Dann  berühren  sich  beide,  weil  durch  Drehung  der  Polkurve  um 
einen  unendlich  kleinen  Winkel  ein  unendlich  benachbarter  Punkt  mit 
einem  Punkte  der  Spurkurve  zur  Deckung  kommt,  was  nicht  mög- 
lich wäre,  wenn  beide  Kurven  einen  von  Null  verschiedene^  Winkel 
miteinander  bilden  würden.  (Eine  Ausnahme  könnte  nur  eintreten, 
wenn  ein  Punkt  der  Polbahnen  eine  endliche  Zeit  lang  Momentan- 
zentrum wäre.    Dann  könnten  auch  beide  Bahnen  Ecken  haben). 

Endlich  hat  der  Berührungspunkt  augenblicklich  keine  Geschwin- 
digkeit. 

Also  rollt  hei  der  Bewegung  die  Polkurve  auf  der  Spurhirve  ab 
ohne  zu  gUiien, 

Jede  ebene  Bewegung  y  die  keine  reine  Translation  ist  und  auch 
nicht  dauernd  um  eine  feste  Achse  stattfindet,  kann  als  reine  Roü- 
bewegung  aufgefaßt  werden. 


^r.  827.        §  42.  Dei  QeschwindigkeitB-  und  Besohlennigungszastand. 


353 


Flg.  195. 


Beispiel:  Bei  dem  Stab,  der  mit  seinen  Enden  auf  zwei  zuein- 
ander senkrechten  Geraden  gleitet  (ygL  Aufgabe  103,  Nr.  225),  erkennt 
man  leicht,  daß  beide  Polbahnen  Kreise  sind: 
der  bewegliche  Kreis  hat  den  halben  Radius 
wie  der  Spurkreis  und  rollt  in  diesem  ab. 

Denn  einmal  hat  das  Momentanzentrum  M 
von  dem  festen  Punkte  0  die  konstante  Ent- 
fernung l  gleich  der  Länge  des  Stabes,  dann 
aber  Ton   dem   Mittelpunkte  C  des   Stabes   die 

konstante  Entfernung  -r-* 

LäBt  man  also  einen  Kreis  in  einem  dop- 
pelt so  groBen  Kreise  abrollen,  so  beschreibt 
jeder  Punkt  seiner  Peripherie  einen  Durchmesser. 

Bildet  man  beide  Kreise  als  Zahnrader  aus,  so  hat  man  ein  Mittel, 
eine  rotierende  Bewegung  in  eine  hin-  und  hergehende  zu  verwandeln. 
Man  wendet  diesen  Mechanismus  z.  B.  bei  Druckerpressen  an. 

Aufgabe  106:  Man  zeichne  beim  Schubkurbelgetriebe  (siehe  Nr.  225)  die 
Spurkurye,  durch  punktweise  Konstruktion  des  Momentanzentrums  fOr  gewisse 

Werte  des  Kurbelwinkels  ^  [etwa  -O-ssO,  -— ,  2,  8--  usw.j.     Man  überlege 

sich  auch,  wie  man  die  algebraische  Gleichung  dieser  Kurve  in  rechtwinkligen 
Koordinaten  aufstellen  kann« 

227.  Olelohnngen  der  Polbahnen.  Um  allgemein  die  Glei- 
chungen der  Spurkurve  zu  finden,  nehme  man  die  Gleichungen  aus 
Nr.  224  für  das  Momentanzentrum 


x^=-  c. 


dcy 
d» 


Vo- 


^y"^  d» 


Kennt  man  nur  die  Bewegung  so  weit,  daß  man  c^,  c^,  d'  als  Funk- 
tionen irgend  eines  Parameters  (z.  B.  der  Zeit  t)  angeben  kann,  so  hat 
man  in  den  vorstehenden  Gleichungen  schon  die  Gleichungen  der 
Spurkurve  in  Parameterform.  Eliminiert  man  den  Parameter,  so  erhält 
man  die  Gleichung  zwischen  den  Koordinaten  Xq,  Pq. 

Um  auch  die  Gleichung  der  Polkurve  aufzustellen,  muß  man  erst 
noch  Koordinaten  im  bewegten  Körper  einführen.  Wählt  man  C  als 
Anfangspunkt,  den  Strahl  durch  C,  der  mit  der  a;-Achse  den  Winkel  d" 
einschließt,  als  a- Achse,  so  berechnen  sich  die  Koordinaten  a^,  b^  des 
Momentanzentrums  aus  Xq,  y^  nach  den  bekannten  Koordinatentrans- 
formationsformeln 


«0  =  (^0  - 

Hamel:  Elementare  Mecbaaik. 


c,)  cos  -^  -  (yo 


Cy)sin^, 

Cy)  cos  d". 


23 


354  I^-   Ebene  Bewegung  des  stanen  KOipen.  Nr.  827. 

Deshalb  lautet  die  Gleichung  der  Polknrye  in  Parameterfonn 

de  de^ 

6,--8in^^^^'-^co8^.^^' 

Beispiel:  Für  das  Schubkurbelgetriebe  nehmen  wir  als  Pnnkt  C 
den  Eurbelzapfen,  als  Strahl  den  Strahl  CK,  der  mit  der  x- Achse  {OK) 
den  Winkel  —  ri  einschließt,  wobei  ri  mit  dem  Knrbelwinkel  ^  in  der 
leicht  zu  erkennenden  Beziehung  steht 

sin  17  —  A  sin  O^y 

wobei  I  =  Wr  Kurbelarm  OCy  l  Schubstange  CK)  das  sogenannte 

Schubstangenverhältnis  ist. 

Als  Parameter  nehmen  wir  ^. 

Dann  ist 

c^^r  cos  0", 

Cy  ==  r  sin  %• . 

In  den  obenstehenden  Formeln  ist  natärlich  statt  ^  überall  —  i^  setzen^ 
so  daß  wir  gemäß 

'        COS12 
erhalten 

CO8  T* 

Xt.=  r  cos  ^  -\'  r  cos  ^  •  -. ~  —  r  cos  0"  +  ^  cos  in , 

0  1  cos  9  " 

V«»  =»  r  sm  -ö"  +  ''  Bm  ^  •  ^ —  '    =  r  sm  d*  +  c  sin  ^ ^» 

Von  der  Richtigkeit  dieser  Formeln  überzeugt  man  sich  auch  leicht 
aus  der  Anschauung. 

Die  Polkurve  dagegen  hat  die  Darstellung 

_         CO8T]       ,        .  •       o.        CO8IJ 

«o  —      cos  «  •  r  COS  0^  •  r-    '    +  sin  19  -  r  sm  ^  •  T'izr^  1 

^  '  X  cos  ^    '  '  X  cos  V ' 

,  _      cos  fj      ,  .     ^      cos  13 

60  =  —  sinw  •  r  cos  ^  •  r~   '   +  cos  «  •  r  sm  ^  •  r;— -a  , 

«'  '  1  cos  ^  '  A  cos  9  ^ 


oder 


-      cos  IJ 
cos^  ' 


,         ,sin(^—»j) 


cos^ 


Auch  diese  Formeln  kann  man  leicht  aus  der  geometrischen  Konstruk- 
tion des  Momentanzentrums  ableiten. 


Nr.  228.        §  42.  Der  Geschwindigkcäts-  nüd  Beschletmignngszustand.  ^5^ 

Aufgaben:  106.  1.  In  ähnlicher  Weise  behandele  man  dae  Beispiel  von 
Nr.  226. 

107.  2.  Der  Schwerpunkt  eines  Körpers  falle  nach  dem  Galüeischea  Fall- 
gesetz herab.  Dabei  drehe  sich  der  Körper  mit  konstanter  Winkelgeschwindigf-' 
keit  nm  eine  horizontale  Achse  durch  den  Schwerpunkt.  Man  berechtig  für  diesö' 
Bewegung  Spurkurre  und  Polkurve.  '     '   .  .       ' 

Bei  einer  solchen  einfachen  Aufgabe  bedarf  es  nicht  des  Formeli^[>parate8 
dieser  Nummer;  man  kann  das  Momentanzentrum  leicht  aus  der  Anschau^mg 
finden.  Fflr  die  Bestimmung  der  Spurkurve  empfehlen  sich  dann  rechtwinklige 
Koordinaten,  für-  die  der  Polkurve  Polarkoordinaten. 

228.  Belativlt&t  der  Bewegung.  Bie  reziproke  Bewegung« 

Für  die  reine  Kinematik  kann  es  nur  Relativbewegang  geben,  d.  h. 
68  hat  nar»Sinn  von  Bewegung  zu  reden,  wenn  ich  angebe,  wogegen 
sich  der  Körper  bewegt  oder  welches  das  ruhende  Koordinatensystem 
ist.  Wenn  ich  nun  die  Bewegung  einer  ebenen  Figur  in  ihrer  Ebene 
betrachte,  so  kann  ich  dieselbe  Bewegung  auch  als  Bewegung  der 
Ebene  relativ  zur  Figur  ansehen.  Um  sich  das  deutlicher  zu  machein, 
denke  man  sich  mit  der  Figur  noch  einmal  eine  ganze  Ebene  Ter 
bunden,  welche  die  Grundebene  deckt,  umgekehrt  in  die ,  Gfrundebene 
irgendeine  Figur  gezeichnet  und  betrachte  nun  bei  der  Bewegung 
diese  letztere  Ton  der  mit  der  ersten  Figur  fest  yerbundenen  Ebene 
aus.  Diese  wird  jetzt  zu  ruhen  scheinen,  die  andere  in  Bewegung 
begriffen  zu  sein. 

Man  nennt  die  Bewegung  der  Grundebene  relativ  zu  der  ursprüng- 
lich in  Bewegung  gedachten  Figur  die  „reziproke  Bewegung"'  der  ur- 
sprünglichen. 

Geht  man  van  der  ursprünglichen  zur  reziproken  Bewegung  übery 
80  bleibt  natürlich  das  Momentanzentrum  dasselbe,  Spurkwrve  undPid- 
Tcwrve  vertauschen  dagegen  ihre  Bedeutung. 

■  ^ 

Von  diesem  Umstand  kann  man  Gebrauch  machen,  um  durch 
Zeichnen  die  Polkurve  zu  finden.  >if  • 

Wir  lösen  diese  Aufgabe  für                                     y"' 
das  Schubkurbelgetriebe,  indem  wir                                 y' 
um  sie  eine  mit  der  Pleuelstange   ^j.                        -  I 

fest  verbundene  Ebene  denken,  in     r'^^^^^^r**-:^^- 
die  wir  zeichnen.  \  v^' -^^vT^^ ti^M* 

C    und    K    sind    jetzt    feste      \y^  ^^^^^s^^  l(s 

{^uukte,  0  bewegt  sich  im  Kreise       er' " '  i*"-^,..,^^^^ — jp 

um  C.  der  Kolben  ES  so  um  K,  vigm-     ^    ^"""^ 

daß  die  Verlängerung  von  KS  stets 

durch  0  hindurchgeht.  Führt  man  nun  für  verschiedene  Lagen  des 
Kürbeisystems  die  früher  besprochene  Konstruktion  des  Momentan- 
zentrums  aus  (siehe  Nr.  225),  so  erhält  man  ebenso  viele  Punkte  der 
Polkurve.  '        * 

23* 


356  IX-  Ebene  Bewegung  de«  etanen  KOrpen.  Nr.  299, 230. 

928.  Belatlve  Bewegimg  mohrermr  •b«ner  Figiumi  ffagwn* 
•fwandar.  Wir  haben  schon  früher  einmal  Ton  der  ReLativbewegong 
gesprochen  (siehe  §  6).  Relatdy  zn  einem  selbst  bewegten  starren  Körper 
bewege  sich  ein  Punkt,  der  einem  zweiten  starren  Körper  angehören 
möge,  mit  der  Relatiygesch windigkeit  v^.  Denkt  man  sich  denselben 
Punkt  mit  dem  erstgenannten  starren  Körper  fest  yerbnnden,  so  habe 
er  die  Geschwindigkeit  Vy  (Fübrongsgeschwindigkeit).  Dann  ist,  wie 
frfiher  gezeigt  wurde,  die  absolute  Geschwindigkeit  d.  h.  die  Geschwin- 
digkeit gegen  den  als  ruhend  gedachten  Körper  (Grundebene): 


v^+v 


/' 


Wählen  wir  nun  in  beiden  Körpern  denselben  Punkt  C  aus,  so  ist 
nach  der  Eulerschen  Formel  (Nr.  223) 


und  ebenso 

Addieren  wir  beide  Formeln  so  erhalten  wir: 

«=.(c;.+  c,)  +  (iD^  +  (D,)(r-c), 

woraus  wir  erkennen, 

daß  man  nidU  nur  die  TranslaiiansgeschwindigkeU  der  AbsduS^ewegung 
durch  Äddüian  der  Trandationsgeschwindigkeüen  van  BdaHv-  tmd 
Führungsbewegung  erhäU,  sondern  daß  man  in  analoger  Weise  auch 
die   Winkelgeschwindigkeiten  zu  behandeln  hat. 

Übrigens  dürfte  dieser  Satz  wohl  auch  anschaulich  klar  sein. 

Er  gesktUet  nun^  die  Zusammenseteung  der  Führungs-  und  der  12»- 
lativbewegung  cds  das  BesuUat  zweier  hintereinander  ausgefUhrten  Her- 
wegungen  aufzufassen,  denn  verschiebt  man  erst  einen  Punkt  C  nach 
C,  dreht  dann  um  C  den  Körper  durch  einen  Winkel  ^j^,  verschiebt 
duin  abermals  C  nach  G"  und  dreht  endlich  den  Körper  um  C" 
durch  den  Winkel  d^^,  so  ist  Resultat  offenbar  dasselbe,  als  hätte 
man  gleich  C  nach  C"  verschoben  und  dann  den  Körper  um  C"  durch 
den  Winkel  /l^^  -\-  J^d^  gedreht. 

Wir  dürfen  also  auf  die  Zusammensetzung  von  Relativ-  und  Füh- 
rungsgeschwindigkeiten unsere  früheren  Sätze  aus  Nr.  221  anwenden, 
die  wir  aber  noch  für  unendlich  kleine  Bewegungen  (Geschwindigkeit) 
modifizieren  müssen. 

330.  Zusammensetsiing  nnendliohkleiner  Bewegungen.  Es 

ist  nur  noch  ein  Wort  zu  der  Zusammensetzung  unendlichkleiner  Dreh- 
bewegungen um  verschiedene  Punkte  zu  sagen*  Lassen  wir  in  Nr.  221 
die  Drehwinkel  /Id'  und  Jfp  unendlich  klein  werden,  aber  so,  daß 


Nr.  230.        §  42.   Der  GeflchwindigkeitB-  nnd  Beschleunigung^iustuid.  357 

ihr  Yerhältnifl  einer  bestimmten ,  yon  Null  yerscliiedeDen  Qrenze  zu- 
strebt: 

Jtp       dtp' 

80  rückt  der  resultierende  Drehpol  M  mit  M'  zusammen  auf  die  Ge- 
rade AB  Bjx  eine  Stelle  M^.  Um  die  Stelle  M^  zu  finden^  beachten 
wir,  daß 

MÄ  :  MB  =  sin  — —- :  sin 


Jd^ 


ist.    Daraus  aber  wird  beim  Grenzübergang 

Außerdem  erkennt  man,  daß  Mq  zwischen  AB  liegt,  wenn  dd^  und 
dip  gleichsinnig  sind,  anderenfalls  liegt  Mq  außerhalb  AB, 
Sei 

und  wenden  wir  unser  Resultat  auf  die  in  der  Torigen  Nummer  yor- 
getragene  Auffassung  der  Relatiybewegung  an,  so  erhalten  wir: 

Bewegt  sich  ein  Körper  um  das  Mamentamentrum  A  mit  der 
Winkelgeschwindigkeit  io^  und  rdaiiv  zu  ihm  ein  eweiter  Körper  um 
das  relative  Mamentanzentrum  B  mit  der  Winkdgeschivindigheit  cj^, 
so  hat  der  zweite  Körper  die  absolute  Winkelgeschwindigkeit  (o^  +  o^; 
das  Momentanzentrum  seiner  Absolutbewegung  liegt  auf  der  Ge- 
raden AB  und  teüt  die  Strecke  AB  im  umgdcehrten  Verhältnis  der 
Winkdgeschwindigkeiten,  innerlichy  wenn  m^  und  cd,  dasselbe  Zeichen 
haben,  sonst  äußerlich. 

In  diesem  Satze  erkennen  wir  einen  Teil  eines  später  (Nr.  264) 
allgemein  zu  beweisenden  Satzes: 

Unendlichkleine  Drehungen  eines  starren  Körpers  setzen  sich  so  zu- 
sammen  wie  Kräfte,  sind  also  insbesondere  vertauscKbar. 

Aus  unserem  Satze  folgt  sofort  der  folgende,  häufig  angewendete  Satz: 

Die  Momentanzentra  dreier  relativ  zueinander  in  derselben  Ebene 
bewegter  Körper  li^en  in  einer  Geraden, 

Denn  man  kann  stets  den  einen  Körper  als  ruhend,  den  zweiten 

als  den  führenden  Körper  ansehen;  das  Momentanzentrum  des  dritten 

gegen  den  zweiten  ist  dann  das  Momentanzentrum  der  Relatiybewegung, 

das  des  dritten  gegen  den  ersten  das  der  Absolutbewegung,  endlich  das 

des  ersten  gegen  den  zweiten  das  der  Führungsbewegung. 

Aufgaben:  108.  Man  beweise,  dafi  2>  (siehe  Fig.  191  S.  361)  das  Momentan- 
zentrum  der  Bewegung  des  Kolbens  gegen  die  Kurbel  ist,  indem  man  yier  KOrper 
ins  Auge  faßt:  die  Kurbel,  die  Lenkstange,  den  Kolben  und  die  Gmndebene  und 


3oS  IX.   Eb«Be  Bewegung  des  starren  KOrpen.  Kr.  2S1. 

non  den  Tontehenden  Satz  einmal  anwendet  aaf  Kurbel,  Kolben  nnd  Grandebene, 
dann  auf  Kurbel,  Kolben  und  Lenkstange. 

109.  Man  suche  nach  desselben  Methode  den  relatiTen  Diehpol  der  beiden 
Kurbeln  der  Schwinge  (siehe  Aufgabe  102  in  Nr.  825). 

110.  Man  mache  das  gezeichnete  statisch  bestimmte  Fachwerk  dadurch 
bewegUch,  daft  man  den  Stab  S  fottl&fit-     O  sei  fest,  O'  nur  auf  horizontaler 

Unterlage  gestutzt.  Man  konstiuiere  zuerst 
das  Momentanzentrum  von  5,  6,  7  —  diese 
werden  als  ein  starres  System  dasselbe 
Momentanzentrum  haben  —  inpem  man  be- 
achtet, daß  man  2,  6  ftir  sich  allein  als 
Kurbelsjstem  auffassen  kann,  dann  das 
Momentanzentrum  von  4,  indem  man  den 
vorstehenden  Satz  einmal  auf  die  Grund- 
ebene, sowie  die  Stäbe  1,  4  ein  zweites 
^^  ^^  Mal  auf  die  Grundebene  und  die  Stäbe  4,  f 

anwendet. 

j  ♦ 

Diese  Aufgabe  ist  fundamental  für  die  kinematische  Theorie  der  Fachwerke, 
nämlich  für  dii  Konstrukion  der  sogenannten  „Yerschiebungspläne*'. 

231.  Anwendong   anf  dto  Theorie  der  ZahnrUer.     Be- 

trachteD  wir  zwei  Rider^  die  sich  am  die  Achsen  0  und  0'  drehen. 
Ihr  relativee  Momentanzentram  liegt  dann  stets  auf  00'  und  teilt 
diese  Strecke  im  umgekehrten  Verhältnis  der  Winkelgeschwindigkeiten. 
SpU  dieses  ^'erhaltnis  konstant  sein,  so  hat  auch  das  relative  Momentan- 
zentrum. im  Räume  eine  feste  Lage,  beschreibt  also  in  den  Körpern 
je  einen  Kreis.  Soll  die  Abhängigkeit  der  Bewegung  bei  den  Rädern 
durch  2ähue  aufrecht  erhalten  werden,  so  nennt  man  die  eben  ge- 
nanntep  Kreise  die  Teilkreise  der  Räder. 

,  Diese  müssen  als  relative  Polbahnen  bei  der  beabsichtigten  Be- 
wegung aufeinander  rollen,  ohne  zu  gleiten.  Dementsprechend  müssen 
die  Zähne  konstruiert  sein. 

Betrachten  wir  also  ein  Zahnprofil  des  ersten  Rades,  so  muß  das 
mit  ihm  in  Eingriff  stehende  Zahnprofil  des  zweiten  Rades  die  £igen- 
Schaft  haben,  bei  der  Bewegung  stets  das  erstere  zu  berühren.  Um 
also  zu  einem  Zahnprofil  das  entsprechende  zu  konstruieren,  kann  man 
so  verfahren: 

Man  denke  sich  das  eine  Rad  ruhend,  das  andere  auf  ihm  rollend, 
äodaß  sich  die  Teilkreise  berühren  ohne  zu  gleiten.  Man  zeichnet  dabei 
die  Kurvenschar,  die  mau  durch  die  Bewegung  eines  mit  dem  zweiten 
Rade  festverbundenen  Zahnprofils  erhält,  welche  also  die  verschiedenen 
relativen  Lagen  dieses  Profils  zum  ersten  Rade  angibt.  Die  Einhüllende 
dieser  Kurvenschar  liefert  dann  das  entsprechende  Zahnprofil  im  ersten 
Rade. 

Diese  Methode  ist  einfach,  aber  einseitig  und  darum  wenig  zweck- 


Vorzuziehen  ist  die  sogenannte  Methode   der  Hilfspolbahnen. 
Denken  wir  uns  noch  ein  drittes  Rad,  das  so  umläuft,  daß  die  relativen 


Nr.  282.        §  42.   Der  (^eschwindigkeitfi-  und  Beachleunigaagdzustand.  359 

Momentanzentra  aller  drei  Rader  beständig  zasammenfallen,  daß  also 
die  drei  Teilkreise  sich  beständig  berühren.  Nehmen  wir  dann  in  dem 
dritten  Rad  ein  Zahnprofil  willkürlich  an,  und  konstruieren  in  jedem 
der  beiden  anderen  die  zugehörigen  Profile,  so  sind  auch  diese  beiden 
einander  entsprechend. 

Zum  Beweise  dieses  Satzes  dient  ein  Hilfssatz:  Die  gemeinsame 
Normale  einer  beweglichen  Kurve  und  der  Einhüllenden  der  durch 
ihre  Bewegung  erzeugten  Eurvenschar,  geht  durch  das  Momentan- 
zentrum. Und  umgekehrt  trifft  ein  Lot  aus  dem  Momentanzentrum 
die  bewegliche  Kurve  im  allgemeinen  wenigstens  gerade  in  ihrem  augen- 
blicklichen Berührungspunkte  mit  der  Einhüllenden. 

Der  erste  Teil  des  Satzes  ist  klar:  denn  der  augenblickliche  Be- 
rührungspunkt gleitet  ja  an  der  Einhüllenden  entlang,  also  li^  das 
Momentanzentrum  auf  der  Normalen,  denn  es  ist  ja  auf  der  Senk- 
rechten zur  Bewegungsrichtung  eines  Punktes  zu  suchen. 

Die  Umkehrung  ist  klar,  wenn  es  nur  ein  Lot  aus  dem  Momentan- 
zentrum auf  die  Kurve  gibt.  Daher  ist  der  Satz  jedenfalls  im  allge- 
meinen richtig.    Bei  mehreren  Loten  muß  man  eventuell  auswählen. 

Aus  dem  Hilfssatze  folgt  aber  der  vorstehende  Hauptsatz  sogleich; 
denn  föUen  wir  aas  dem  gemeinsamen  Momentanzentrum  ein  Lot  auf 
das  dritte  Zahnprofil,  so  trifft  es  dieses  sowohl  in  dem  augenblick- 
lichen Berührungspunkt  mit  dem  zweiten  als  auch  in  dem  Berührungs- 
punkte mit  dem  ersten  Zahn  und  somit  stehen  auch  diese  beiden  unter- 
einander in  Berührung. 

232.  Weitere  Bemerkungen  Aber  Zahnr&der.  Das  Hilfs- 
profil im  dritten  Rade  bleibt  ganz  willkürlich:  man  kann  statt  seiner 
auch  einen  Punkt  nehmen.  Tut  man  das,  so  erhält  man  die  sogenanut-e 
Zykloidenverzahnung,  denn  der  Punkt  beschreibt  in  dem  einen  Rade 
eine  Epizykloide,  in  dem  anderen  eine  Hypozyklöide. 

Kimmt  man  hingegen  den  dritten  Teilkreis  unendlichgroß,  d.  h. 
läßt  man  eine  Gerade  auf  beiden  Kreisen  mit  abrollen  und  betrachtet 
einen  Punkt  dieser  Geraden  als  Hilfsprofil,  so  beschreibt  er  in  beiden 
Rädern  eine  Evolvente:  man  kommt  so  zur  Evolventen  Verzahnung. 

Weitere  Details  gehören  nicht  hierher,  es  muß  auf  die  Vorlesangen 
resp.  Lehrbücher  über  Kinematik  oder  Maschinenelemente  Verwiesen 
werden. 

Besonders  sei  das  Werk  von  F.  Reuleaux:  „Theoretische  Kine- 
matik'' genannt,  das  die  im  Anfange  des  19.  Jahrhunderts  von  Am- 
pere begründete  spezielle  „Kinematik''  zu  einem  gewissen  Abschluß 
brachte.  Reuleaux  bearbeitete  das  Gebiet  systematisch,  stellte  klare 
Definitionen  wie  El^entenpaar,  kinematische  Kette,  Mechanismus  usw. 
an  die  Spitze  und  übte  lange  Zeit  einen  herrschenden  Einfluß  auf  die 
Technik  aus.     Dieser  mußte  bedenklich  werden,  als  die  rein  kinema- 


360  I^^«   £bene  Bewegung  des  stairen  Körpers.  Nr.  233, 234. 

tische  Betrachtang  der  Mechanismen  die  kinetische  in  den  Hinter- 
grund drängte  and  das  Eräftespiel  anßer  acht  ließ.  Daher  die  neuer- 
Uche  Abkehr  Ton  Reuleaux,  die  vielleicht  wiederum  zu  weit  geht. 
Grashof  hat  die  Reuleauxschen  Lehren  ergänzt  und  im  zweiten 
Bande  seiner  Theoret.  Maschinenlehre  (1883)  kurz  dargestellt. 

Von  neueren  Arbeiten  über  Zahnräder  seien  die  von  M.  Distel! 
und  F.  Schilling  in  der  Zeitschr.  f.  Math.  u.  Phys.  genannt. 

Weitere  Literaturangaben  in  Nr.  235. 

233.  Ber  Besehlennigniigmurtand  eines  ebenen  SyetenuL 

Aus  der  Enlerschen  Formel  für  die  Geschwindigkeit 

V  ^  c  +  (o{r  —  e)  (1) 

erhalten  wir  durch  Differentiation 


«;  =  c  +  m{r  —  c)  +  o(f  —  c) 


oder,  indem  wir  r  —  c  yermittels  der  Eulerschen  Formel  selbst  eli* 
minieren, 

W  ^c  +  m(r  —  c)  +  »(o(r  —  c)).  (I) 

Der  neue  Vektor  cb  heißt  die  Winkelbeschleunigung.  Ist  C  ein 
fester  Punkt,  so  bleiben  nur  die  beiden  letzten  Glieder  stehen  und 
zwar  ungeändert  Diese  müssen  also  die  Beschleunigung  bei  der 
reinen  Kreisbewegung  ausdrücken.    Tatsachlich  steht  nun  auch  erstens 

G)(r  —  c)  auf  dem  Radius  r^r  —  e  senkrecht  und  hat  die  Größe  g-m, 
zweitens  ist,  falls  C  und  P  in  einer  Bewegungsebene  liegen,  d.  h. 
^  ^  r  —  c  auf  (ö  senkrecht  steht. 


a}(ai(r  —  c))  =  —  e>*r  —  c, 

also  zentripetal  gerichtet  und  yon  der  Große  Z(o\ 

Die  allgemeine  Beschleunigung  setzt  sich  also  jsus(immen  aus  der 
Beschleunigung  der  Kreisbewegung  um  den  gewählten  Punkt  C  und 
der  Beschleunigung  c  Sben  dieses  Punktes. 

Es  gibt  anch  stets  einen  Pnnkt  mit  der  Beschlennigang  Null,  den  so- 
genannten Beschleunigungspol.  Denn  bei  der  Kreisbewegung  büden  alle 
BeschlennignngsTektoren  einen  festen  Winkel  mit  den  Radien,  dessen  trigono- 

metrische  Tangente  -r-  ist,  ihre  absolute  Größe  wächst  mit  der  Entfernung  vom 

Mittelpunkt.  Also  wird  bei  der  Kreisbewegung  die  Beschleunigung  an  einer 
Stelle  gleich  einem  beliebig  vorgeschriebenen  Vektor,  also  an  einer  Stelle  gleich 
~  c,  80  daß  der  Punkt  dieser  Stelle  die  Gesamtbeschleunigung  Null  besitzt 

334.^)  WUüen  wir  speziell  ffir  C  das  Momentansentnun, 

so  interessiert  es,  für  das  Momentanzentrum  c,  das  keineswegs  im  allgemeinen 
Null  sein  wird,  zu  bestimmen. 

1)  Diese  Nummer  kann  der  Anfänger  überschlagen. 


Nr.  234.        §  42.  Der  Geschwindigkeit«-  und  BeBchlennigung^zustand. 


361 


Ans 


»  =  <ö(r  — O, 


W 


wo  r^  den  Vektor  des  Momentanzentnims  bedeutet,  folgt 


oder 


ws^A(r  —  r^)'\-  tov  —  « f^ 


w 


« (♦•  —  »••)  +  fo(m{r  —  r^))  —  ar^ 


Ein  Vergleich  mit  der  obigen  allgemeinen  Formel  gibt  als  Beschleunigung 
des  Momentanzentruma : 

iTo  —  — «Df^.  (II) 

wo  r^  passend  als  Fortlaufsgeschwindigkeit  des  Momentansentrums  längs 

der  Spurkurve  bezeichnet  wird.  Denn  J^  ist  keineswegs  die  Geschwindigkeit 
des  Momentanzentnims  —  die  ist  ja  Null  —  sondern  eben  jene  Fortlaufsgeschwin- 
digkeit, da  wir,  weil  wir  differentiiert  haben,  die  Formel  (2)  dauernd  auf  das 
Momentanzentrum  beziehen  messen. 

Nun  muß  sich  aber  die  Fortlaufsgeschwindigkeit  f«  ausdrücken  lassen,  wenn 
wir  die  Polbahnen  und  öä  kennen.    Die  Richtung  fällt  in  die  Tangente  der  Spur- 

bahn,  die  Größe  ist  -jj ,  wenn  da  die  Länge  des  Bogenelementes  bis  zu  den  bei- 
den Punkten  der  Spurkurve  bzw.  Polkurve  bedeutet,  die  nach  der  Zeit  dt  zu- 
sammenfallen. 

Sind  dx  und  d'fff  die  zugehörigen  Kontingenzwinkel  der  beiden  Kurven,  beide 
bei  Drehung  der  Tangenten  linksherum  positiv  gerechnet,  so  sind  die  Erfim- 
mnngsradien,  wenn  wir  sie 

7: 


einmal  ausnahmsweise  bei 
Krümmung  links  herum  po- 
sitiv, sonst  negativ  rechnen, 

0  =■  ^  für  die  Spurkurve, 


ds 
d'^ 


für  die  Polkurve, 


also 


und 


dv»a  — ds 
9 


dij) 


1 


ds. 


(8) 


Andererseits  ist  der  Dreh- 
winkel des  beweglichen  Kör- 
pers 

d»^dx^di>,        (4) 

denn  die  Nachbartangente  der  Polkurve  muß  sich  um  dijf  zurückdrehen,  um  in 
die  Lage  der  alten  gemeinsamen  Tangente  zu  gelangen,  dann  um  dx  vorwärts 
(links  herum)  um  in  ihre  neue  Lage,  nämlich  die  Nachbartangente  der  Spurkurve 
zu  gelangen.  Nun  ist  aber  die  Polkurve  mit  dem  bewegten  Körper  fest  ver- 
bunden, also  ist  d9  der  Drehwinkel  des  bewegten  Körpers. 
Aus  (8)  und  (4)  zusammen  folgt 


362  IX.    Ebene  Bewegang  des  stariren  Körpers.  Nr.  236. 

also 

f,«ö,    y  .  (in) 

r  —  p 

Man  sieht,  daß  das  Momentenzentmm  eine  unendliche  Fortgangsgeschwin- 
digkeit hat,  wenn  beide  Polbahnen  gleiche  und  gleichsinnige  Krümmung  besitzen. 
Der  Wert  der  Beschleunigung,  welche  das  Momentanzentrum  besitzt,  berechnet 
sich  nach  (U)  und  (III)  zu 

r  —  e  , ' 

der  Richtung  nach  steht  sie  auf  der  Spurkurve  senkrecht  und  zwar  nach  rechts 
im  Sinne  der  Fortlaufsgeschwindigkeit  des  Momentanzentrums,  wenn  die  Drehung 
links  herum  erfolgt  (folgt  aus  (II)).  Dieser  Sinn  aber  ergibt  sich  aus  (III): 
Setzt  man  auf  der  Spurkur?e  willkürlich  einen  Sinn  fest,  so  hat  die  FortlauCs- 

gesch windigkeit  f^   denselben  Sinn,  wenn  co     - -—  positiv  ist,  wobei  die  Krüm- 

mungsradien  positiv  zu  zählen  sind,  wenn  die  Krümmung  im  festgesetzten,  Sinne 
der  Kurven  linksherum  erfolgt. 

Aufgaben:  111.  Man  diskutiere  nach  den  Ergebnissen  dieser  beiden 
letzten  Nummern  die  Beschleunigung  für  den  Mittelpunkt  einer  Walze,  welche 
auf  einer  horizontalen  Ebene  rollt  und  zeige  das  allerdings  von  vornherein  zu 
erwartende  Ergebnis,  daß  sie  der  Ebene  parallel  und  gleich  rät  ist,  wenn  f  den 
Radius  der  Walze  bedeutet. 

112.  Auf  einer  ruhenden  Walze  vom  Radius  g  rollt  parallel  eine  Walze 
vom  Radius  r,  so  daß  augenblicklich  beide  Achsen  senkreoht  übereinander  liegen. 
Für  welche  Punkte  der  Vertikalen  ist  die  vertikale  Beschleunigungskomponente 
nach  oben,  für  welche  nach  unten  gerichtet?  (ai  +  0). 

236.  SohlnBbemerkung  und  Literatur.  Im  yorstelienden 
Paragraphen  haben  wir  aus  der  sogenannten  geometrischen  Kinematik 
der  ebenen  Bewegung  des  Körpers  nur  so  viel  gebracht,  als  wir  un- 
bedingt für  die  Kinetik  brauchen.  Es  fehlt  insbesondere  die  ganze 
Theorie  der  Gelenkmechanismen,  abgesehen  von  den  wenigen  Andeu- 
tungen über  Zahnräder  und  Kurbelgetriebe.  Es  ist  noch  eine  ganze 
Disziplin  für  sich:  die  Konstruktion  und  Theorie  solcher  Mechanis- 
men, die  dazu  dienen,  gewisse  Bewegungen  in  andere  umzusetzen.  Es 
muß  also  diesbezüglich  auf  die  Literatur  verwiesen  werden. 

Wir  haben  schon  in  Nr.  232  die  Werke  von  Beule aux  und 
Grashof  hervorgehoben. 

Weiter  seien  die  beiden  französischen  Werke  geringeren  Umfangs 
genannt: 

G.  Königs:  Le9ons  de  cinematique, 

H.  Poincare:  Cinematique  et  mechaaismes. 

Eine  gute  Darstellung  der  Kinematik  enthalten  dann  noch  die 
folgenden  Werke  und  Lehrbücher  über  Mechanik:  vor  allem  das  schon 
in  der  Einleitung  genannte: 

Thomson  und  Tait:  Treatise  on  natural  philosophy, 

dann  die  ebenfalls  schon  genannten  Lehrbücher  von  Schell, 
Gray,  Marcolongo-Timerding,  Webster  und  Heun. 


Nr.  236,  287.     §  43.    Kinetik  der  ebenen  Bewegung  des  starren  Körpers.        363 

Weitere  Literaifurangaben   und   eine  Übersicht  über  den   ganzen 
Gegenstand  findet  man,  in  dem  Encyklopädieartikel  lY^  3: 
Schoenflies  und  Grübler:  Kinematik. 


S  43.   Kinetik  der  ebenen  Bewegung  des  starren  Korpers. 

336.  Bie  drei  Bewegmigsgleiohimgen.  Da  der  starre  Körper 
bei  ebener  Bewegung  dre^  Orade  der  Freiheit  hat,  so  werden^  wir  auch 
drei  Bewegungsgleichungen  brauchen,  und  diese  liefern  uns  sofort 
Schwerpunkts-  und  Momentensatz. 

Der  Schwerpunktssatz 

mw*  =  Uky 

wo  auf  der  rechten  Seite  die  äußeren  Kräfte  stehen,  liefert  uns  für 
die  Ebene  zwei  Gleichungen,  die  im  allgemeinen,  wenn  wir  nämlich 
die  Kräfte  Tollständig  kennen,  die  Bewegung  des  Schwerpunktes  be- 
stimmen. 

Um  nun  die  Bewegung  um  den  Schwerpunkt  zu  behandeln,  machen 
wir  ihn  zum  Translationspunkt  und  wählen  gleichzeitig  die  durch  ihn 
hindurchgehende  Drehachse  zur  Momenteuachse. 

Dann  liefert  sofort  der  Momentensatz  nach  Nr.  211 

wo  M  das  Moment  der  äußeren  Kräfte  ist. 

Da  nun  alle  Punkte  dasselbe  m  haben  und  für  den  starren  Körper 
das  Trägheitsmoment 

konstant  ist,  wenn  die  Achse  festbleibt,  wie  in  unserem  Falle,  so  gilt 
die  Momeutengleichung  als  dritte  Gleichung 

Es  giU  also  dieselbe  Gleidmng  für  die  Drehung  um  eine  sich 
paraUd  bleibende  Schwerachse  tvie  um  eine  feste  Dreha>chse. 

237.    AnfUtren   eines  Znges.     Betrachten  wir  ein  Paar  Ton 
Triebrädern  einer  elektrischen  Lokomo- 
tive.   Das  Eigengewicht  nebst  yertikaler  Be- 
lastung sei  L,  Z  die  an  der  Achse  ausgeübte 

Zugkraft  des  Räderpaares  auf  die  Lokomotive,   ^ 

N  der  Normaldruck  an  der  Schiene,   R  die 
Reibung,  die  den  Charakter  der  Haftreibung 
hat,   wenn  kein  Schleifen   eintritt,   was    wir      y^W^^'^w^jgp^tjii^ri^^ 
annehmen   wollen,    W  sei   das  Widerstands-  Fig.ifl». 

moment  der  Zapfenreihung,  M  das  vom  Motor  auf  das  Rad  über- 
tragene Moment.    Wir  wollen  R  nach  vorn   positiv  rechnen,     a  sei 


364  IX-    Ebene  Bewegung  des  statren  KOipen.  Kr.  237. 

die  Winkelgeschwindigkeit,  so  daß  der  Mittelpunkt  —  das  Rader- 
paar sei  zentriert  —  die  Besclileunignng  ria  hat^  wenn  r  den  Radius 
der   Räder  bedeutet.     Dann  gibt   der  Schwerpunktssatz,  angewendet 

auf  das  lUlderpaar 

mrG}  ^  R  —  Zy  (1) 

0  =  L-N  (2) 

und  der  Momentensatz,  bezogen  auf  den  Mittelpunkt, 

To^Jf-^  W-Rr,  (3) 

Ny  G),  Ry  Z  sind  die  Unbekannten. 

Um  noch  eine  Gleichung  zu  erhalten,  nehmen  wir  noch  den 
Schwerpunktssatz  f&r  den  ganzen  Zug  ohne  die  Triebräder  hinzu,  er 
lautet:  da  der  ganze  Zug  ebenfalls  die  Beschleunigung  rm  erhält 

m"rm^  ZZ—D 

wo  m"   die  Masse  des  Zuges  ohne  die  Triebräder,  D  den  Widerstand 
des  Zuges  außerhalb  der  Triebräder  bedeutet  (Luftwiderstand  und  an- 
dere  ReibuDgswiderstände)   und   sich   die   Summe  2J  auf  alle  Trieb- 
räderpaare bezieht. 
Es  ist  also 

.   2;Z«D  +  w"rrä.  (4) 

Nehmen  wir  diese  Gleichung  noch  zu  (1),  (2),  (3)  hinzu,  lösen 
zunächst  (1)  und  (3)  unter  Elimination  yon  R  nach  Z  auf: 

y^  jir—  y— (r+mr«)ä> 

r 
und  setzen  das  in  (4)  ein: 

so  erhalten  wir 

Nunmehr  können  wir  (1),  (2),  (3)  nach  Ny  12,  Z  auflösen  und  erhalten 

N^Ly 


Z  =  -J:  (ilf  -  TT  -  (T  +  wr*) cb) , 


(U) 


Bilden  wir  £R  und  setzen  darin  UM  —  £  W  aus  (I)  ein,  so  erhal- 
ten wir 

2:R^D  +  (m"  +  Zm)rä, 


Nr.  287.        §  43.   Kinetik  der  ebenen  Bewegung  des  stairen  Körpers.  365 

den  Schwerpuiiktssatz  fQr  den  ganzen  Eisenbahnzag.  Man  sieht  dar- 
aus^ daß  2JR  jedenfaUs  bei  der  Anfahrt  positiv  sein  mnß^  was  wir 
schon  früher  einmal  vorwegnahmen.  Und  wenn  wir  der  Wirklichkeit 
entsprechend  M  für  ein  Triebiuderpaar  wenigstens  beim  Anfahren  so 
groß  nehmen^  daß  Z>  0  wird,  daß  es  also  wirklich  zieht,  so  muß 
für  ein  solches 

sein,  also  nach  (II) 

jB>wr©>0. 

Bei  einem  wirklichen  Triebrad  ist  also  beim  Anfahren  die  Reibnng 
nach  Yom  gerichtet. 
Die  Bedingung 

\R  £fN, 
also 

M-  W-Tü^fLr 

gibt  die  Bedingung  dafür^  daß  kein  Schlüpfen  eintritt. 

Betrachten    wir  noch   etwas   den   Gresamtwiderstand   D. 

Er  setzt  sich  im  wesentlichen  anßer  aus  dem  Luftwiderstand  V  noch 

aus  der  Haftreibung  K  zwischen  den  Laufrädem  und  den  Schienen 

zusammen : 

i)=  V+ZB'. 

Betrachten  wir  nun  ein  Laufrad,  so  können  wir  für  dieses  unsere 
Gleichungen  (1),  (2),  (3)  anschreiben,  nur  haben  wir  R  mit  —  IT  zu 
vertauschen  (wir  rechnen  R  nach  rückwärts  positiv)  und  Jif  =»  0  zu 
setzen.    Wir  erhalten  dann 

ü'-7(Tr'  +  rd)), 

also 

D  =  F+  ^yiW  +  Th).  (in) 

V  ist  dabei  der  Luftwiderstand  des  Zuges,  W  das  gesamte  Wider- 
standsmoment, das  auf  ein  Laufrad  wirkt  (hauptsächlich  Zapfenreibung, 
dann  noch  die  später  zu  besprechende  Rollreibung,  siehe  Nr.  242),  ü 
ist  also  eigentlich  aus  (I)  und  (III)  zu  berechnen,  doch  wird  man  meist 
die  Glieder  T'di  als  relativ  klein  fortlassen  dürfen,  ebenso  wie  die 
Glieder  T  gegen  (w"  +  ^w)»"*,  wo  m'  +  Zm  die  ganze  Masse  des 
Zuges  ist. 

Ohne  Vernachlässigung  ergibt  sich  als  Sdilußfonnei  fQr  die  Be- 
schleunigung w  aus  (I)  und  (III) 


3W> 


K,   Ebene  Bewtgang  des 


Nr.  ±38. 


#r  ^  ro  =  r 


r 
m"  -^  Zm  T^^ZT^-,  ZT 


(IV» 


IM  toibende  Momente,  IT  WidersUndsmomente  an  doi  Tnd>ndeni« 
IT'  an  den  Lanfridem,  r,  /  deren  Radien,  7*,  J'  deren  Tngfaetta- 
momente,  m'  •*-  ^m  die  GesamtmaaBe  des  Znges,  V der  Lnftwideistand). 
Man  erkennt  dbrigens  an  der  Formel  (Diu  bzw.  {TT),  daS  die 
hemmende  Wirkung  der  Widerstandsmomente  W  nm  so  kleiner  wird, 
je  größer  /  ist     Darum  bieten  große  Laufräder  so  erhMiA  Kerniger 

als  Heine. 


28&  Bin  BotettonakSrper  roll»  eiaa  nehiefte 

miter  Mitwirkimg  der  Beibuiig. 

Ee  find  drei  Fälle  denkbar:  1.  ee  tindet  reines  Bollen  statt  ofane  Gleiten, 

t,  der  Bernhrongsponkt  hat  eine  Gesehwindigkeit  abwfats,  3.  er  hat  eine  Ge- 
schwindigkeit aufwärts. 

Hai  der  Mittelponkt,  der  sogleich  Sdiwerpnnkt 
sei,  parallel  sur  ichiefen  Ebene  die  Gesehwindigkeit  r, 
während  die  Winkelgeschwindigkeit  «  sei,  so  dnd 
die  drei  HUle  dorch  r  —  r«  >=  0,  e  —  r«  >>  0, 
V  —  rc»  <<  0  charaktehgierl 

Wir  werden  nun  die  Aufgabe  so  behandeln, 
daß  wir  die  drei  Fälle  der  Reihe  nach  behandeln  und 
zusehen,  wann  sie  mißlich  sind;  am  Schlnsse  wird 
■ich  dann  zeigen,  daß  sich  die  F&Ue  bei  Zngnmde> 

legnng  der  Goolombschen  Beibongsgesetse  gegenseitig  so  begrenzen,  daß  immer 

ein  ganz  beetimmter  Zustand  allein  eintritt. 


Fl«.  MO. 


!•  Reines  Rollen: 


V —  Ti 


Die  Reibung  ift  Haftreibung.     Die  Bewegnngsgleichnngen  lauten 

mrcb  ^  mg  sin  a  —  i?, 

0  =  mg  cos  a  —  X. 
Daraus  berechnen  lich  die  Unbekannten  B,  eö,  iV  aU 

a»  »=  ^  sin  a  -^r-,         s    \^^^^  eo  ^  rÄ  •<  j  sin  « !) 

T 
R^mgBina 

T+mr^ 

\R   <f'N 
wenn  6  den  TriLgbeitsradius  des  Körpers  um  die  Schwerachae  bedeutet. 


Die  Bedingung 
ergibt 


(1/ 


t 


.Nr.  238.        1  48.   Kinetik-  der  ebenen  Bewegung  des  starren  KOrpers.  367 

Nur  wenn  die  Bedingung  (I)  erfüllt  ist,  kann  das  reine  Rollen  bestehen 
bleiben. 

2.  r  — r<o>0, 

dann  ist  B  ^^  fN  ^  fing  coe  a  und  nach  oben  gerichtet.   Die  Bewegungsgleichun- 

«ren  lauten 

dv 
fw  -TT  ^  mg  sin  a  —  fmg  cos  a , 

r^^-  s«rJBa=  riw^cosfff, 

also 

dl?  - 

^^  ==<if8ina  — A^cosa, 

d(9      rmg  cosaf 

Um  zn  untersuchen,  ob  der  Torausgesetzte  Zustand  andauert,  untersuchen  wir 
die  Änderung  Ton  v  —  ro,  dieselbe  ist 


was  nach  obigem  gleich  ist 


—  roj) 

dv 
dt 

dta 
-'  dt^ 

ist 
^sina 

—  fg  cos  a  — 

T 

Je  nachdem  dieser  konstante  Ausdruck  positiv  oder  negatiy  ist,  wird  der 
Zustand  erhalten  bleiben  (denn  das  positive  v  —  r»  wächst  noch  weiter)  oder 
nicht,  denn  eine  konstante  abnehmende  Größe  wird  endlich  einmal  Null. 

Die  in  Frage  kommende  Ungleichheit  ist  aber  die  umgekehrte  wie  (I). 

Ist  (I)  erfüllt,  so  wird  das  Abwärtsgleiten  aufhören  müssen,  sonst  dagegen 
sich  verstärkt  fortsetzen. 

8.  tJ  — fa)<0. 

An   der  vorhergehenden  Betrachtung   ändert  sich  nur  das  Vorzeichen  von   R 
(bzw.  f).    Also  erhalten  wir 

dv  '         ,    r 

^^  =gBintt  +  fgcoaa, 

dfo  rmgcoBctf 

_«  -^- 

und  daraus 

j^(t7  — r»)  — ^sma  +  Z'^cosa — '~-      >0. 

Also  muß  dieser  Zustand  sicher  einmal  aufhören,  v  —  reo  muß  Null  oder  positiv 
werden. 

Nun  ist  eine  volle  Diskussion  möglich:  Daß  der  Berührungspunkt  auf- 
wärts gleitet,  ist  auf  die  Dauer  unmöglich:  das  Gleiten  vermindert  sich,  bis 
reines  Bollen  eintritt.  Ist  dieses  eingetreten,  oder  war  dies  von  Anfang  an  der 
Fall,  so  kann  es  bestehen  bleiben,  wenn  (I)  erfüllt  ist,  und  es  bleibt  auch  be- 
stehen, da  gerade  in  diesem  Falle  ein  Abwärtsgleiten  auf  die  Dauer  unmöglich 
ist.  Ist  dagegen  das  Gegenteil  von  (I)  erfüllt,  so  wird  in  allen  Fällen  schließ- 
lich ein  Abwärtsgleiten  des  Berührungspunktes  eintreten  müssen. 


368  IX.   Ebene  Bewegung  de«  lUrren  KOrpen.  Nr.  839, 240. 

339.  All^B^b«n:  lis.  Eine  Walze  auf  horisontAlem  Boden  werde  duch 
eine  horizontale  Kraft  H  im  Abstände  h  Tom  Boden  ins  Bollen  gebracht.  Wie 
groß  mofi  h  sein,  damit  reines  Bollen  eintritt,  anch  wenn  keine  Beibong  wirkt? 
In  welchem  Intervall  darf  h  liegen,  wenn  Reibung  wirkt,  aber  wiederam  reines 
Bollen  einsetzen  soll? 

114.  Ein  Stab,  auf  einen  horizontalen  glatten  Boden  und  an  eine  yeitikale 
glatte  Wand  gestützt,  gleite  herab.  Wie  f&Ut  der  Stab  unter  Wirkung  der 
Schwerkraft  herab?  d.  h.  man  steUe  die  Differentialgleichnng  der  Bewegung  ffir 
den  Winkel  ^  des  Stabes  gegen  den  Boden  auf.  Wie  ändert  sich  diese  Glei- 
chung, wenn  man  Beibung  berücksichtigt? 

Anleitung:  Man  stelle  Schwerpunkts-  und  Momentensatz  auf,  in  denen 
an  Unbekannten  die  Normaldrucke,  ^  und  die  Koordinaten  x,  y  des  Schwer- 
punktes Torkommen.  Letztere  kann  man  durch  9-  und  konstante,  ab  gegeben 
zu  betrachtende  GrOfien  ausdrucken.  Indem  man  dann  die  Normaldrücke  elimi- 
niert, erhält  man  die  eine  gesuchte  Gleichung  fflr  ^. 

115.  Ein  Stab  stütze  sich  mit  dem  einen  Ende'  auf  einen  glatten  Boden 
und  werde  dann  losgelassen.  Wie  fällt  er  herab?  Wie  ändert  sich  das  Resultat, 
wenn  Reibung  hinzutritt?    Kann  dann  das  eine  Ende  festbleiben? 

116.  Eine  Platte  sei  um  eine  horizontale  Achse  drehbar.  Zu  Anfang  werde 
die  Platte  horizontal  gehalten  und  im  Abstände  a  von  der  Achse  ein  Gewicht 
G*  aufgesetzt.  Danu  werde  das  System  losgelassen.  Es  kann  nun  sein,  daß  sich 
schon  gleich  zu  Anfang  der  Bewegung  das  aussetzte  Gewicht  abhebt.  Wann 
wird  das  eintreten?  (Trägheitsmoment,  Gewicht  und  Schwezpunktsabstand  der 
Platte  seien  gegeben.)  Wenn  aber  das  Gewicht  auf  der  Platte  bleibt,  so  wird 
es  anfangs  durch  die  Reibung  am  Gleiten  gehindert  werden.  Für  welchen  Winkel 
wird  das  Gewicht  anfangen,  herabzugleiten? 

Anleitung:  Die  erste  Frage  kann  man  in  doppelter  Weise  lösen:  Entweder 
geht  man  davon  aus,  das  Gewicht  bleibe  auf  der  Platte  und  behandelt  dann 
Platte  und  Zusatzgewicht  getrennt^  jedes  für  sich,  unter  Einführung  des  Normal- 
drucks Ny  der  positiv  sein  mufi,  wenn  das  Gewicht  sich  nicht  abheben  soll  (NB. 
man  kann  auch  das  Zusatzgewicht  für  sich  nehmen  und  dann  filr  Platte  und 
Gewicht  zusammen  den  Momentensatz  anwenden),  oder  man  geht  davon  aus,  daß 
sich  beide  trennen  und  daß  dann  die  freie  Beschleunigung  g  des  Zusatzgewichtes 
kleiner  sein  muß  als  die  vertikale  Beschleunigung  des  Punktes  der  Platte,  wo 
G'  aufsitzt.  Beide  Annahmen  müssen  sich  natürlich  im  Resultat  ausschließen. 
(Man  wird  in  beiden  Fällen  eine  Ungleichung  für  a  erhalten.) 

Um  die  zweite  Frage  zu  beantworten,  nimmt  man  am  besten  Platte  und 
Gewicht  als  einen  Körper  zusammen,  bestimmt  nach  dem  Momentensatze  die 
gemeinsame  Bewegung,  berechnet  dann  nach  dem  Schwerpunktssatze  für  den 
Zusatzkörper  G'  allein  die  erforderlichen  N  und  B  und  sieht  zu,  wie  lange 
It<fN  erfallt  ist. 

Man  kann  dann  auch,  nachdem  Gleiten  eingetreten  ist,  noch  sehr  leicht 
die  weitere  Bewegung  des  Systems  verfolgen. 

240.  Wahl  eines  anderen  Bezugspunktes.  Oft  kann  es 
vorteilhafter  sein,  statt  des  Schwerpunktes  einen  anderen  Bezugspunkt 
zu  wählen.  Der  Momentensatz  in  der  ursprünglichen  Form,  wonach  in 
bezug  auf  jede  Achse  das  Moment  der  Massenbeschleunigungen  gleich 
dem  Moment  der  äußeren  Kräfte  ist,  bleibt  natürlich  bestehen. 

Nun  war  aber  ferner  nach  Nr.  114  das  Moment  iigend  welcher 
Vektoren  in  bezug  auf  einen  Punkt  0'  gleich  dem  Moment  in  bezog 


Nr.  240.        §  43.    Kinetik  der  ebenen  Bewegung  des  starren  Körpers.  369 

auf  0  vermehrt  um  das  Moment  eines  in  0  angreifenden  Vektors^  der 
gleich  der  Summe  der  betrachteten  Vektoren  ist.  Diesen  Satz  wen- 
den wir  auf  das  Moment  der  Massenbeschleunigung  an.  In  unserem 
Falle  sind  die  betrachteten  Vektoren  die  dmw,  ihre  Summe  ist 
^dmw  =«  mw*. 

Bei  ebener  Bewegung  können  wir  nun  0  und  0'  in  der  Schwer- 
punktsebene  annehmen  und  erhalten  somit,  daß 
das  Moment  der  Massenbeschleunigungen  in  bezug 
auf  die  Drehachse  durch  (7  gleich  ist 

T,(b  ±  mh\w*\, 

wo   sich  T,   auf  die   Achse  durch   den  Schwer- 
punkt  bezieht,  h  der  Hebelarm  des  im  Schwer- 
punkt angreifend  zu  denkenden  Beschleunigungs-  ^         *' 
yektors  tS*  des  Schwerpunktes  ist  und  das  Zeichen 
±  zu  nehmen  ist,  je  nachdem  w*  links  oder  rechts  herum  bezüglich 
O'  zeigt. 

Also  lautet  die  Momentengleichung  für  die  ebene  Bewegung  he- 
aüglich  irgendeines  Punktes  0' 

T/o±mhiü*\^M\  '  (I) 

wo  M'  dc^  Moment  der  äußeren  Kräfte  in  heeug  auf  die  Achse  durch 
(y  bedeutet. 

Habe  nun  0'  selber  die  Beschleunigung  w,  so  ist  nach  Nr.  233 

w^  =  w  +  (ö(r*  —  r')  —  o'(r*  —  r). 

Statt  des  Momentes  von  W^  können  wir  auch  die  Momente  eines 
jeden  der  drei  Bestandteile  bilden.  Um  das  Moment  des  ersteren  zu 
bilden,  hat  man  w  nach  S  zu  bringen  und  dann  das  Moment  bezüg- 
lich 0'  zu  bilden:  4-wÄ'|i^'|. 

(J>(r*  — /)  hat  das  Moment  s^cb,  wenn  s  die  Länge  des  Vektors 
aS^r*--r'  ist, 

~  a>^(r*  —  r')  dagegen  hat  kein  Moment,  da  dieser  Vektor  durch 
O'  hindurchgeht. 

Nun  ist  aber  T,  +  W5*  =  2",  wo  T'  das  Trägheitsmoment  be- 
züglich der  Achse  durch  0'  ist  (siehe  Nr.  196)  und  somit  nimmt  der 
Mamentensalz  bezüglich  0'  auch  die  Form  an: 

r6)±mh'\w'  ^M\  (H) 

Ist  0'  ein  dauernd  fester  Punkt,  so  ist  w'  «=  0  und  wir  erhalten  die 
alte  Formel  für  die  Drehung  um  eine  feste  Achse 

Tu  «  M\ 

Hamelt  Elementare  Mechanik.  24 


370 


IX.    Ebene  Bewegung  des  Btarren  KOrpen. 


Nr.  241. 


Ist  aber   (/  nur  Torfibergehend  in  Rohe,  d.  h.  Momenianzentnun,  bo  war 

«'  =  —  «>., 

wo  f^  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Momentanzentnuns  war  und  der 
Größe  nach  gleich 

«        — 

war  (siehe  Nr.  234). 

Dtmnadi  ist  in  hezug  auf  das  Momeniamienirum 


—  r  — p 

die  Momeniengleidkung  (siehe  Fig*  202). 

Ist  die  SpnrkiuTe  beispielshalber  eine  Gerade,  so  ist  ^ «» ex  und  die  Glei- 
chung lautet 


-zfi^h 


Fig.  90t. 


Fig.  MS. 


241.  Das  BoUpOndol  ist  ein  Körper,  der  mit  einem  zylinderförmigen 
Teil  auf  einer  festen  horizontalen  Unterlage  rollt,  ohne  zu  gleiten,  aber  exzen- 
trisch ist  und  so  unter  Wirkung  der  Schwerkraft  Schwingungen  ausführt,  wenn 
er  aus  der  Gleichgewichtslage  gebracht  wird. 

Vom  Luftwiderstand  sehen  wir  ab,  sodaß  wir  an  Kräften  das  Gewicht  mg, 
Normaldruck  und  Reibung  haben.  Letztere  beide  sind  unbekannte  Reaktions- 
kr&fte.  Damit  wir  nun  gleich  eine  reine  Bewegungsgleichung  bekommen,  in 
welcher  die  Unbekannten  N  und  B  nicht  Torkommen,  empfiehlt  es  sich,  das 
Momentanzentrum  B  zum  Bezugspunkt  zu  machen. 

Ist  8  die  Entfernung  des  Schwerpunktes  S  vom  Mittelpunkte  der  als  Kreis- 
zylinder gedachten  Walze  und  9"  der  momentane  Ausschlagwinkel,  so  ist  (bei 

positivem  uo  =  ^)  f  nach  links  —  mr^  nach  oben  gerichtet  und  gleich  co'r,  wenn 
r  den  Radius  des  Zylinders  bedeutet.  Das  bleibt  auch  bei  negativem  «o.  Femer 
ist  A'  B>  9  sin  9, 

Und  also  erhalten  wir  als  Bewegnngsgleichung  nach  der  Schlußgleichung 
der  vorigen  Nummer 

TjjW  -}-«•  sinO"'  iMc»*r  =  —  mgs-  nin^. 
Dabei  ist  Tj^  veränderlich,  nämlich  gleich 

=  r, +  (/•*  +  «*  — 2r«co8^)m. 


Nr.  242.        §  43.   Kinetik  der  ebenen  Bewegwag  des  starren  Körpers.  371 

Wenn  wir  nun  aber  die  Schwingungen  als  sehr  klein  voraussetzen,  und  bei  Glie- 
dern erster  Ordnung  stehen  bleiben,  so  dtirfen  wir  1  statt  cosd>  setzen  und  das 
Glied  mit  sin  ^  •  m'  als  von  dritter  Ordnung  ganz  weglassen.   Es  bleibt  also,  da 

T,  +  (r*  +  «*  —  2r8)m  =  Y',  +  (r  —  s^m  =  Tg^ 

ist  {Bq  Berflhrungspunkt  in  der  Itubelage), 

Tg^m  =«  —  mgs  •  ^. 

Das  ist  die  gewöhnliche  Pendelgleichung,  nur  daß  sich  s  und  T»    auf  zwei  ver> 

O 

Bchiedene  Achsen  beziehen.    Die  Dauer  einer  vollen  Schwingung  ist  also 


T,-8«r 


^B. 


mgs 
(vgl.  Nr.  196). 

Auch  fär  das  Schneidenpendel  hat  die  Theorie  des  Rollpendels  Bedeutung, 
insofern  als  sich  auch  ein  Schneidenpendel  streng  genommen  nicht  am  eine  feste 
Achse  dreht,  sondern  sich  mit  einer  Fläche  aufstützt.  Für  kleine  Schwingungen 
wird  man  diese  Fläche  angenähert  durch  eine  Kreiszylinderfläche  ersetzen  können. 
(B'ür  eine  feine  Theorie  der  Wage  ist  dies  nicht  ohne  Belang:  siehe  W.  Felgen- 
tiaeger,  AbhandL  der  NormaleiohungskonmiiBsion  4  (1903),  p.  167.  Das  ein- 
schlägige Buch  desselben  Verfassers  nannten  wir  schon  in  Nr.  142,  ebenso  den 
Encjklopädieartikel  IV,  7  von  Furtwängler,  Mechanik  physikalischer  Apparate). 

Aufgabe  117:  [Man  behandele  das  BoUpendel  nach  der  Methode  von 
Nr.  286  ff. 

Umgekehrt  behandle  man  die  Aufgaben  118,  114  aus  Nr.  289  nach  der 
Methode  von  Nr.  240. 

342.  Über  die  BoUreibmig.  Lassen  wir  ein  kreisförmiges, 
zentriertes  Bad  auf  horizontaler  Bahn  laufen,  so  würden  die  bisher 
besprochenen  Kräfte,  welche  von  der  Unterlage  auf  das  Rad  aus- 
geübt werden,  nämlich  Normaldruck  und  Haftreibung,  ergeben,  daß 
das  Rad  unaufhörlich  weiterrollte.  Denn  in  bezug  auf  den  Berüh- 
rungspunkt hätte  keine  Kraft,  weder  N  noch  R  noch  6r,  ein  Moment^ 
auch  h'  (siehe  Nr.  240)  wäre  Null  und  es  folgte 

T(o  =  0, 
G)  =  const. 

Die  Erfahrung  aber  lehrt,  daß  das  Rad  zur  Ruhe  kommt  und  der 
Luftwiderstand  ist  zu  gering,  um  die  Erscheinung  völlig  zu  erklären. 
Es  muß  also  noch  ein  Widerstandsmoment  da  sein,  das  von  der 
Unterlage  ausgeht,  und  wir  wollen  versuchen,  uns  das  Auftreten  des- 
selben aus  dem  Umstände  klarzumachen,  daß  Rad  und  Unterlage  in 
Wahrheit  keine  starren  Körper,  sondern  deformierbar  sind.  Auf  diese 
Ursache  leitet  uns  die  Beobachtung,  daß  der  Widerstand  bei  weichen, 
nachgiebigen  Körpern  wesentlich  größer  ist  als  bei  festen.  (Man  ver* 
gleiche  weichen  Boden  und  harte  Stahlschienen). 

24* 


372 


EL  Ebene  Bewegung  des  itairen  Körpen. 


Nr.  242. 


'^i^WI^M*J''.'^' 


*v7i»^~"'iiiii^^ 


Beim  Rollen  wird  das  Bad  eine  Abplattung,  die  Schiene  (Unter- 
lagej  eine  Yertiefdng  erfahren.  Es  werden  also  die  Teile  der  Unter- 
lage vor  der  tie&ten  Beruhrongsstelle  ausgedehnt  und  mithin  nach 
vorne  geschoben,  umgekehrt  die  entsprechenden  Teile  des  Radumfimges 
komprimiert.  Es  ist  mithin  unvermeidlich,  daB  vorne  Rad  und  Schiene 
gegeneinander  gleiten,  wodurch  Gleitreibung  entsteht,  die  auf  das  Bad 
nach  vorne  wirkt  und  also  ein  bremsendes  Moment  auf  den  Mittelpunkt 
des  Rades  ausübt. 

Osborne  Reynolds  hat  auf  diese  Weise  zuerst  die  Entstehung 
des  Rollwiderstandes  erklart  und  die  verschiedene  Verschiebung  von 
Rad  und  Unterlage  an  elastischem  Material  (Gummi)  sichtbar  genuicht 

(Papers  I,  pag.  110 — 133).  Es  ist  aber 
noch  ein  anderer  Ghrund  zur  Entstehung 
eines  Widerstandsmomentes  vorhanden: 
Die  Berührungsflachenstücke  vorne  sind 
im  Sinne  der  Rotation  gedreht^  infolge- 
dessen muß  der  Normaldruck  vorne  vor 
dem  Mittelpunkt  des  Rades  vorbeigehen 
und  somit  ebenfalls  ein  Widerstands- 
moment ausüben. 

Hinter  der  tiefsten  Berührungsstelle 
wird  nun  allerdings  alles  ahnlich  sein 
und  wie  man  leicht  einsieht,  werden 
dort  die  erzeugten  Momente  einen  be- 
schleunigenden' Einfluß  haben.  Aber  wegen  der  unvollkommenen 
Elastiziiat  des  Materials  erfolgt  die  Wiederherstellung  des  alten  Zu- 
standes  bei  geringeren  Druckkräften,  also  wird  die  Wirkung  hinten 
schwacher  sein  als  vorne  und  ein  Widerstandsmoment  übrig  bleiben. 
Dieses  Moment,  bezogen  auf  den  idealen  Berührungspunkt  des 
nun  wieder  ab  starr  angesehenen,  rollenden  Körpers  mit  seiner  Unter- 
lage, wollen  wir  schreiben 

wo  X  —  eine  Länge  —  der  Radius  oder  Hebelarm  der  Roll- 
reibung heiße.  Die  Theorie  der  deformierten  Körper  ist  noch  weit 
entfernt;  eine  Bestimmung  von  X  zu  liefern,  man  ist  auf  Versuche  an- 
gewiesen. 

Leider  sind  auch  diese  erst  sehr  spärlich  vorhanden,  man  rechnet 
bei  Eisenbahnrädem  auf  Schienen  vielfach  mit  "k  «  0,5  mm. 

In  der  Ruhelage  ist  die  Rollreibung  selbstverständlich  fähig, 
das  Eintreten  der  Rollbewegung  bis  zu  einem  gewissen  Grade  zu  ver- 
hindern. Sie  hat  also  dann  den  Charakter  der  Haftreibung,  sie  ist 
ein  Reaktionsmoment,  also  unbekannt,  jedoch  kleiner  als  ^^Lq,  wo  k^ 
den  Radius  der  Rollreibung  in  der  Ruhe  bedeutet. 


Fig.  104. 


Nr.  243.        §  48.   Kinetik  der  ebenen  Bewegung  des  starren  Körpers.  373 


I.  Beispiele.  1.  Ein  Baderpaar  rolle  ohne  zu  gleiten  eine 
schiefe  Ebene  herab:  Da  das  Gewicht  den  Hebelarm  r  sin  a  hat^  so 
lautet  der  Momentensatz  in  bezng  anf  den  Berührungspunkt  B 

T(ä«  Graina-NX, 

N  ^^  G  cos  a . 

(Das  Räderpaar  sei  zentriert!) 

Man  sieht^  daß  gleichförmiges  Rollen  möglich  ist:  (o  «  0,  wenn 

tga  =  - 

ist.    Man  hat  so  ein  Mittel,  X  experimentell  zu  bestimmen. 

Auch  sieht  man  wieder,  daß  große  Räder  leichter  rollen  als  kleine. 

2.  Will  man  die  Rollreibung  bei  dem  in  Nr.  237  behandelten 
Eisenbahnzuge  mit  berücksichtigen,  so  hat  man  ihr  Moment  XN 
ein&ch  in  die  Widerstandsmomente  W  resp.  W  mit  aufzunehmen. 

3.  Die  Momentengleichung  des  Rollpendels  aus  Nr.  241  yerändert 
eich  (bei  kleiner  Schwingung)  offenbar  in 

Tß^d)  «  —  mgs  •  sin  -ö*  ±  NX , 

wobei  ±;  j®  nachdem  o  negativ  oder  positiv  ist. 

Dabei  ist  nun  N  aus  dem  Schwerpunktssatze  zu  bestimmen: 

wy*  =  mg  —  JV, 

wobei  y*,  die  abwärts  gerichtete  Beschleunigungskomponente  des  Schwer- 
punktes, nach  Nr.  233 

—  5  •  cos  dco*—  S(o  sin  %^ 
ist.    Bei  kleinen  Schwingungen  nun  kann  man  ruhig 

iV=  mg 

setzen,  weil  y*  klein  von  zweiter  Ordnung  ist,  außerdem  bei  den  ver- 
wendeten Materialien  (Stahl,  harte  Steine)  X  sehr  klein  gegen  die 
sonst  vorhandenen  Längen  sein  wird. 

Somit  lautet  die  Bewegungsgleichung  angenähert 

Tbo^  =  —  ings  '  %^  ±  Xmg, 

Das  ist  aber  genau  dieselbe  Differentialgleichung,  auf  die  wir  in  der 
Aufgabe  der  Schwingung  mit  Reibung  (siehe  Nr.  64)  stießen.  Die 
Integration  ist  also  ebenfalls  die  gleiche. 


374  I^-   Ebene  Bewegung  des  starren  Körpers.  Kr.  844. 


§  44.  Energiegleiehung  der  ebenen  Bewegung. 

344.  SlnetlBolie  Bnergie  nnd  Arbalt  bei  einem  nm  eine 
feste  Aohse  rotierenden  starren  KSrper.  Allgemein  war  die 
kinetische  Energie  eines  Systems  definiert  dnrch 

Rotiert  nun  ein  starrer  Körper  um  eine  feste  Aohse^  so  ist 

V  ^  reo 
und  also 

Die  Arbeit  eines  Kräftepaares  an  einem  um  eine  Achse  senkrecht  zu 
dessen  Ebene  rotierenden  starren  Körper  haben  wir  schon  früher  ein- 
mal berechnet  zu  (siehe  Nr.  149) 

dA^Md^,  (II) 

die  Leistung  also  zu 

'L^M(o.  (HO 

Differentiieren  wir  (I)  nach  der  Zeit,  so  erhalten  wir  mit  Berücksich- 
tigung der  Bewegungsgleichung 

oder  nach  Integration 

E^Eq  «  /  *dA  ^fjUdd^ .  (III) 

wo  rechts  lediglich  die  Arbeit  der  eingeprägten  Kräfte  steht. 

Der  Energiesatz  lautet  also  für  einen  starren  Körper,  der  sich 
um  eine  feste  Achse  dreht: 

Die  Änderung  der  kinetischen  Energie  ist  gleich  der  Arbeit  der 
eingeprägten  Kräfte  und  diese  berechnet  sich  als  das  Produkt  aus  dem 
Moment  in  bezug  auf  die  Drehachse  und  dem  Drehwinkd. 

Haben  die  eingeprägten  Kräfte  ein  Potential  U  (siehe  Nr.  89),  so 
ist  natürlich 

/  dA  «■  —  t7  +  const. 
und  der  Energiesatz  lautet 

^IW+U-^h.  (UI') 


Nr.  844.  §  44.   Eneigiegleichong  der  ebenen  Bewegong.  375 

Den  allgemeinen  Energiesatz  der  ebenen  Bewegung  werden  wir  so- 
gleich in  der  nächsten  Nummer  kennen  lernen.  Man  beachte  hier 
bereits  die  Analogie  yon 

o,  T,  M,  E  und  L  bei  der  Drehbewegung  mit 
t;,  nty  h,  E  unc^  L  bei  der  Translation. 

Aufgabe  118:  Welche  Arbeit  ist  erforderlich,  um  eine  Walze  von  2  m  Lftnge, 
1  m  Dnrchmeuer  und  dem  Bpezifischen  Gewicht  8  in  eine  solche  Rotation  zu  ver- 
setaeo,  dafi  sie  100  Touren  pro  Minute  macht? 

Für  eine  solche  Walze  ist  T»     ftZr^sr  (siehe  Nr.  266). 

Beispiel:  Betrachten  wir  noch  einmal  das  physikalische  Pendel  (siehe 

Nr.  196).    Die  Schwerkraft  hat  ein  Potential,  dasselbe  ist  gleich  Gewicht  mal 

Höhe  oder  gleich 

CT  =s  —  mgs'  cos  ^ . 

Also  lautet  der  Energiesatz  in  diesem  Falle 

oder 

r^«  —  mgs  Qon^^h. 

Ein  Vergleich  dieser  Formel  mit  der  des  mathematischen  Pendels  (siehe  Nr.  90) 
zeigt  wieder  die  formale  Identität  beider,  man  braucht  nur  wieder 

ms 
zn  setzen. 

24S.  Bnergiegleiohang  Ar  die  allgemeine  ebene  Bewegung. 

Man  kann  auch  leicht  auf  elementarenf  Wege  die  kinetische  Energie 
eines  starren  Körpers  bei  allgemeiner  ebener  Bewegung  ausrechnen. 
Sei  M  das  Momentanzentrum^  s  die  Entfernung  des  Schwerpunktes 
Yon  Mj  so  ist  die  kinetische  Energie^  weil  die  Bewegung  eine  bloße 
Drehung  um  M  ist 

E^  ■-^lrco^ 
Nun  war  aber  (siehe  Nr.  196) 

wo  sich  Ts  auf  den  Schwerpunkt  bezieht;  und  da  y*  =»  50  die  Ge- 
schwindigkeit des  Schwerpunktes  ist,  so  wird 


E^ !  ^5«^+  i 


mv 


«2 


Wä/dt  man  den  Schwerpunkt  jsum  TranslationspunÜ,  so  ist  die 
gesamte  kinetische  Energie  gleich  der  Summe  aus  der  Energie  der 
Translationsbewegung  und  der  Energie  der  Rotatiofisbewegung, 

Für  einen  anderen  Translationspunkt  ist  dieser  Satz   aber  nicht 
immer  richtig  (siehe  Nr.  270). 


376  ^'   Ebene  Bewegung  des  Btairen  KOipen.  Kr.  245. 

Dag^en  gilt  ein  analoger  Satz  fBr  die  Arbeit  bzw.  Leistung 
immer. 

Es  ist  die  Arbeit  der  Kräfte 

Nnn  war  aber  nach  der  Enlerschen  Formel 

r/f  —  de  +rf>(r  — c) 
also  ist 

dÄ^dc'  Srf*  +  S^*  •  dd'ir-c) 
oder  wegen 

Sdi^K     und     S{r-c)dh  =  3 
und  wegen  der  Yertauschungsformel  (siehe  Anhang  I  6 ) 

dA=^K    de  +M    d». 

Die  gesamte  Arbeit  ist  also  immer  gleich  der  Summe  aus  der 
Arbeit  der  resultierenden  Kraft  und  cuas  derjenigen  des  resultierenden 
Kräftepaares,  Erstere  ist  das  innere  Produkt  aus  der  resultierenden 
Kraft  und  der  (unendlich  kleinen)  Translationsstrecke,  letetere  das 
innere  Produkt  aus  dem  Moment  und  dem  (unendlich  Meinen)  Dreh- 
winkd.  Als  Bezugspunkt  für  den  Momenienvektor  ist  dabei  der 
TrandaUonspunkt  zu  nehmen. 

Haben  wir  ein  ebenes  Problem  der  Art,  daß  auch  die  Strafte  sich 
auf  solche  in  der  Schwerpunktsebene  reduzieren  lassen,  so  steht  M 
auf  der  Ebene  senkrecht  und  es  ist  M  -  d^  ^  Md^y  wobei  M  und  & 
im  selben  Sinne  zu  zahlen  sind.  Nehmen  wir  noch  den  Schwerpunkt 
als  Translationspunkt,  so  ist  dann 

dA^K'df*+  Md^ 

und  die  Leistung  _ 

L^K'V*  +  Mg}. 

Differentiieren  wir  nun  die  Formel  für  E  nach  der  Zeit,  so  erhalten  wir 

oder  wegen  der  Bewegungsgleich  ung^: 

Tsd)  »^  M    und     mW*  <^  K , 

''f,  =  Ma.  +  K.v*  =  L  =  '^. 

Integrieren  wir,  so  bekommen  wir  den  Energiesatz  f&r  die 
ebene  Bewegung  des  starren  Körpers: 

E-E^^A: 


Nr.  246.  §  44.   Energiegleichang  der  ebenen  Bewegung.  377 

Die  Änderung  der  kinetischen  Energie  in  einer  gewissen  Zeit  ist 
gleich  der  während  dieser  Zeit  von  den  äußeren  Kräften  gdeisteten 
Arbeit, 

246.  Anwendmigen  des  Bnergiesaties.  1.  Auf  das  Roll- 
pendel ohne  Widerstände.  (Vgl.  Nr.  241.)  Der  Schwerpunkt  hat  die 
Geschwindigkeitskomponenten 

—  aw  +  so  cos  d"  horizontal 

507  sin  '9'  vertikal. 

Folglich  ist  die  kinetische  Energie 

E^Y ^[("- a  +  « cos 0')*+  5* sin* ^] cd'  +  ^  Ts(d\ 

«  ^  <o^Tb     (B  der  augenblickliche  Berührungspunkt), 

da 

TB^Ts  +  m-  BS^^  Ts  +  w(a2  +  5*-2ascos^). 

Man  hätte  das  Resultat  natürlich  auch  sofort  hinschreiben  können^  da 
ja  B  Mou.entanzentrum  ist.  Von  den  äußeren  Kräften  hat  die  Schwer- 
kraft ein  Potential:  dasselbe  ist  wie  stets 

mge*  =  —  mgs  •  cos  §• , 

da  xr*  =«  —  5  cos  -ö",  die  Höhe  des  Schwerpunktes  über  der  festen  Hori- 
zontalen durch  die  RoUenroitte  ist. 

Haftreibung  und  Normaldruck  leisten  keine  Arbeit^  da  ihr  An- 
grifEspunkt  keine  Geschwindigkeit  hat.  Von  Rollreibung  und  Luftwider- 
stand sehen  wir  ab.    Also  lautet  der  Energiesatz 

(d'Tb  —  mgs  •  cos  0"  «  Ä,  (1) 

daraus  folgt  durch  Auflösung  nach  cd  »  ^  -  und  Trennung  der  Variablen 

t^    I      1/    r^- -^d^, 

wenn  wir  t  ^0  für  d"  ^  0  festsetzen.  Dabei  ist  zu  beachten^  daß  nach 
Obigem  Tb  eine  Funktion  von  d"  ist. 

Das  Problem  läßt  sich  also  auf  eine  Quadratur  zurückführen. 

Die  frühere  Annäherung  bei  kleinen  Schwingungen  läßt  sich  jetzt 
auf  folgende  Weise  erreichen:  Sind  co  und  ^  klein  erster  Ordnung,  so 

ist  nach  Gleichung  (1)  h  =.—  mgs  (l  —  «*],  wo  a  den  kleinen  maxi- 
malen Ausschlagwinkel  bedeutet. 


378  IX-   Ebene  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  246. 

Indem  wir  nun  in  dem  Integral  für  t  im  Nenner  unendlich  kleine 
GfröBen  erster  Ordnung  beibehalten  —  der  ganze  Nenner  wird  yon 
selbst  unendlich  klein  erster  Ordnung  —  im  Zähler  dagegen  Oroßen 
zweiter  Ordnung  gegen  das  endlich^  Tb„  yemachlassigen,  yereinfiBU^ht 
sich  das  Integral  für  t  zu 


-^  •  arcsin 
mgs  a 

0 


Woraus  man  erschließt: 

»-.,in(V'-^.,), 

das  frühere  Resultat  bei  Voraussetzung  kleiner  Schwingungen. 

2.  Auf  die  Dampfmaschine.  Die  ursprüngliche,  elementare 
Theorie  derselben  sieht  das  Gestänge  als  masselos  an,  so  daß  nur  dem 
Schwungrad  eine  nennenswerte  kinetische  Energie  zukommt.  Da  das 
Schwungrad  .zentriert  ist^  können  wir  auch  in  erster  Linie  7on  der 
Oewichtswirkung  absehen  und  es  bleiben  als  äußere  Kräfte  der 
Dampfdruck,  der  als  Tangentialdruck 

COS  7] 

auf  den  Kurbelkreis  übertragen  wird  (siehe  Nr.  155)^)  und  das  Wider- 
standsmoment W  der  Arbeitsmaschine.  Von  Reibung  und  Luftwider- 
stand wollen  wir  absehen.  Die  Lagerdrucke  der  Welle  leisten  keine 
Arbeit,  weil  sie  senkrecht  zur  Lagerfläohe,  also  auch  senkrecht  auf  der 
Bewegung  ihrer  Angriffspunkte  stehen  und  somit  lautet  der  Energiesatz 
für  das  Schwungrad 


LToo^  =^frTdd'  -fwdd'  +  Ä. 


Kennen  wir  aus  Diagrammen  T  und  W  als  Funktionen  des  Kolben- 
weges X  und  damit  auch  als  Funktionen  von  d",  so  können  wir 

U 'frTdd'  +  fwdd' 

0  0 

berechnen  und  erhalten 


1)  Wir  dürfen  diese  statische  Überlegung  hier  anwenden,  weil  eben  das 
Gestänge  keine  Masse  hat.  Die  Bewegung  eines  .masselosen  Systems  zu  unter- 
suchen, ist  immer  eine  rein  statische  Aufgabe,  da  alle  mechanischen  Gleichungen 
für  m  =  0  in  statische  übergehen. 


Nr.  247.  §  46.   Massengeometrie  des  starren  KOrpers.  379 

woraus  sich  ergibt 


r 


0 

Damit  ist  auch  diese  Aufgabe  auf  Quadraturen  zurückgeführt. 

Weiteres  über  das  Problem  der  Schwungradberechnung  und  die 
Bestimmung  von  h  siehe  Nr.  321. 

Aufgabe  118:  Man  führe  in  ähnlicher  Weise,  wie  es  beim  Rollpendel  ge- 
Bchehen  ist,  die  Bestimmung  der  Fallbewegung  eines  an  eine  glatte  vertikale 
Wand  und  auf  einen  glatten  horizontalen  Boden  sich  aufstützenden  Stabes  auf 
Quadraturen  zurück.  Man  beachte,  daß  die  Normaldrucke  an  den  beiden  Stütz- 
stellen  keine  Arbeit  leisten.    Warum? 


Kapitel  X. 

Räumliche  Bewegung  des  starren  Körpers. 

§  46.   Massengeometrie  des  starren  Korpers. 

247.  TragheitB-  und  Deviationsmomente.  Beide  haben  wir 
bereits  früher  definiert  (siehe  Nr.  194  und  198). 

Unter  dem  Trägheitsmoment  eines  Körpers  in  bezug  auf  eine  Achse 
verstanden  wir 

wo  r  die  Abstände  der  Massenelemente  dm  von  der  Achse  bedeuten. 
Setzen  wir 

wo  m  die  Gesamtmasse  bedeutet^  so  ist  der  Dimension  wegen  ö  eine 
Strecke,  die  wir  den  Trägheitsradius  nennen. 

Wii"  kennen  auch  bereits  den  Satz  [über  [parallele  Achsen: 
Sind  g  und  g'  'zwei  Geraden,  von  [denen  g  durch  den  Schwerpunkt 
geht,  T  und  T'  die  bezüglichen  Trägheitsmomente,  so  ist 

wenn  a  den  Abstand  beider  Achsen  bedeutet,  oder 

cy'«  =»  tf«  +  a^ 

Das  Deviationsmoment  in  bezug  auf  die  beiden  rechtwinkligen 
Achsen  x^  y  aber  war 


380  ^*   R&umliche  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  34««. 

Es  ist  zu  beachten^  dafi  wir  durch  die  drei  Trägheitsmomente  T^,  T^^  7, 
in  bezug  auf  drei  orthogonale  Achsen  x^  y,  z  und  die  drei  Deviations- 
momente  Dg^p,  ^r,»>  -^«,»  *^®  sogenannten  Momente  zweiter  Ord- 
nung in  bezug  auf  diese  Achsen  ausdrücken  können:  es  sind  die« 
die  sämtlichen  linearen  Kombinationen  von  ^dmx^y  S^'^y'y  S^^^* 
^dmxy,  ^dmxß,  ^dmys.  Die  letzten  drei  sind  direkt  die  Deviations- 
momente,  die  drei  ersten  lassen  sich  durch  die  Trägheitsmomente  aus- 
drücken.   Denn  da 

ist  —  y^  +  z^  ist  ja  der  Abstand  eines  Punktes  von  der  x-Achse  — , 
so  ist 

USW.    Daraus  folgt  noch  T^,  +  T,  >  T^  usw. 

S48.  Das  Trftgheitsellipsoid.  Wir  wollen  jetzt  zeigen,  wie 
man  Trägheits-  und  Deyiationsmomente  für  alle  orthogonalen  Acbsen- 
systeme  eines  Körpers  durch  die  entsprechenden  sechs  GFroßen  für  eis 
einziges  Achsensystem  linear  ausdrücken  kann. 

Betrachten  wir  ein  zweites  Achsensystem  x'y'z'  mit  demselben  An- 
fangspunkte 0,  so  ist  bekanntlich 

x'  =«  a^x  +  b^y  +  c^z  \ 

y'^(hx  +  b^y  +  c^z  |,  (1' 

z'  =  a^x  +  b^y  +  c^z  j 

wo  a^  . . .  die  neun  Richtungskosinus  bedeuten.    Folglich  ist 

+  (V  +  V)  ^dmy'  +  ic^+  c,')  Sdmz' 
+  2{a^b^  +  aj^b^)Sdmxy  +  2{b^€^  +  b^c^)^dmyz 
+  2{c^a^+Cjiaj^)Sdmzx, 
oder  nach  der  vorhergehenden  Nummer 

Tr^-  l  ^.(V  +  V  +  ^r  +  ^'-V-O 

+ 

+  2ia^b,  +  a^b,)lJ^^^  +  '  •.. 

Zieht  man  nun  noch  die  bekannten  Formeln  hinzu 

und 

^*  +  h^  +  6a*  =  1     usw., 

«1*  +  ^1*  +  Ci*  =  1     usw., 


^-'H 


Kr.  248.  §  46.    Massengeometrie  des  starren  Körpers.  381 

SO  erhält  man 

T^»  a,«2;+  W+  «1*^/-  2aADr»-2Kc,D^.-'^c,a,D„      (I) 

In  scicher  Weise  drückt  sich  das  Träglmtsmoment  für  die  Achse 
mit  den  Richtungskosinus  a^,  bi,  c^  durch  die  Trägheits-  und  Deviations- 
momente  für  dcLS  ursprüngliche  Achsensysteni  aus. 

Ganz  analoge  Formeln  gelten  natürlich  für  T^,  T^j  man  braucht 
nur  die  Indizes  zu  vertauschen. 

Auch  jedes  Deviationsmoment  in  bezug  auf  die  neuen  Achsen 
läßt  sich  durch  die  alten  ausdrücken: 

B^^  «•  ^dmx'y''^  a^a^^dmx^-\-  hj>t^dmy^ 
+  c^c^^dme^  +  (a^h^  +  a^\) ^dmxy  H 

-  Y  ^*(-«i««  +  ^*»  +^^)  +  •  •  • 
oder,  da  W  +  Cy^c^  =«  —  a^a^  ist  usw. 

Die  Formeln  für  D^^  und  D,,^  sind  natürlich  analog. 

Man  kann  sich  von  den  wichtigen  Formeln  (I)  und  (II)  leicht 
eine  geometrische  Vorstellung  machen.  Betrachten  wir  die  Fläche 
zweiten  Grades,  die  in  bezug  auf  das  erste  Koordinatensystem  durch 
die  Gleichung 

T^^^  +  T^y^  +  T^z^  -  2D,yrry  -  2D^,y^  -  2D,,zx  «  const    (UI) 

gegeben  ist. 

Transformiert  man  diese  Gleichung  auf  das  neue  Koordinaten- 
system, indem  man  die  Auflösungen  von  (1) 

X  ^  a^x  +  a^y  +  a^z     usw. 

einsetzt,  so  erhält  man,  wie  man  sofort  einsieht,  die  Gleichung 

T^x^+T^y'^+  T^z^^  'iB^^x'y-  2B^,.yz-'  2D,,^/a:'«  const. 

woraus  man  sieht,  daß  die  betrachtete  Fläche  zweiten  Grades  unab- 
hängig von  der  Wahl  des  Koordinatensystems  der  Gesamtheit  der 
Trägheits-  und  Deviationsmomente  an  der  betreffenden  Stelle  zugeordnet 
ist,  d.  h.:  Stellt  man  die  analoge  Gleichung  für  ein  anderes  Koordinaten- 
system auf,  so  bekommt  man  dieselbe  Fläche  zweiten  Grades. 


382  ^  R&nmliche  Bewegung  dea  starten  Körpers.  Kr.  249. 

Die  Formeln  I,  II  sind  auch  ans  der  analytiBchen  Geometrie  als 
die  Transformationsformeln  der  Flachen  zweiten  Grades  bekannt 

Jedem  Punkte  des  Kärpers  gehart  eine  hesUmmie  Miäelpunkts- 
fläche  zweiten  Grades  zu,  deren  sedis  Kanstamte  die  drei  TrägheUs- 
momente  und  die  drei  (negativen)  Deciatiansmomente  sind  (Glei- 
chung (Uly). 

Man  nennt  diese  Flache,  die,  wie  wir  sehen  werden,  ein  EUipsoid 
ist,  das  Poinsotsche  Trägheitsellipsoid. 

Indem  wir  die  Konstante  der  rechten  Seite  noch  frei  lassen,  be- 
halten wir  die  Möglichkeit,  unter  allen  ähnlichen  und  ahnlich  ge- 
legenen EUipsoiden  eines  auszuwählen. 

349.  Die  Bedentmif  des  TrftglieitBellipsoidee  ist  leicht  zu 
erkennen :  Tragen  wir  auf  jedem  Strahl  durch  den  betrachteten  Punkt 
eine  Strecke  r  auf,  welche  dem  Trägheitsradius  des  Strahls  umgekehrt 
proportional  ist,  d.  h.  setzen  wir 

wo  X  irgend  eine  feste  Strecke  ist,  welche  den  Maßstab  bestimmt,  so 
hat  der  so  bestimmte  Punkt  die  Koordinaten 

^"^  ^  öti;     y«  ^  6i;     ir--c,,  (1) 

wenn  a^,  b^,  c^  die  Kichtungskosinus  der  Strahls  sind. 

Machen  wir  nun  die  herausgegriffene  Achse  zur  x'- Achse  eines 
neuen  Koordinatensystems,  so  besteht  Gleichung  (I)  der  vorigen  Nummer, 
die  sich  aber  mit 

und  der  obigen  Substitution  (1)  so  schreiben  laßt 
x*r,  +  y*T^+  5*T,-  2xyD^^-'  2yzD^,-  2zxD^^  -  ASw  «  conat 

Das  ist  aber  genau  die  Gleichung  (III)  des  Trägheitsellipsoides  und 
wir  haben  den  Satz: 

Trägt  tnan  auf  den  Achsen  durch  einen  Funkt  in  einem  hdiehigepir 
Maßstabe  den  reziproken  Weti  des  entsprecJienden  Trägheitsradius  auf, 
so  erfüllen  die  so  erhaltenen  Punkte  die  Oberfläche  des  Poinsotscheti 
Trägheitsdlipsoids. 

Daß  die  Fläche  ein  EUipsoid  ist,  erkennt  man  daraus,  daß  6  nie 
null,  r  also  nie  oo  wird. 

Jedes  EUipsoid  hat  bekanntlich  drei  Hauptachsen,  die  zuein- 
ander orthogonal  sind  und  für  welche  seine  Gleichung  lautet 

Äx^  +  By^  +  Cz^  «  const. 


Nr.  260.  §  46.   Masseogeometrie  des  Btarren  Körpen.  383 

Fwr  die  Hauptachsen  verschwinden  also  die  Deviationsmamente, 
jeder  Körper  hcU  durch  jeden  Funkt  drei  solche  Hauptachsen. 

Die  Trägheitsmomente  Ä,  B,  C  am  diese  Aohseu  heißen  die 
Hanptträgheitsmomente. 

Daß  Symmetrieachsen  des  Körpers  Hauptachsen  sind;  wurde  schon 
früher  gezeigt  (siehe  Nr.  218,  dort  anch  die  Bedeutung  der  Haupt- 
achsen als  freie  Achsen). 

250.  Die  Trftgheitsdyade.     Leiten  wir  aus  der  Funktion 

2F{¥)  =  T^x"  +  T^  +  Ty  -  2D^^xy  -  2D^,y0  -  2D,,zx 
den  Vektor 

ab,  d.  h.  den  Vektor  mit  den  Komponenten 


(1) 


BO  steht  dieser  Vektor  bekanntlich  auf  der  Fläche  F(f)  —  const.,  d.  h. 
auf  dem  Tragheitsellipsoid  im  Punkte  x,  y,  z  senkrecht  (vgl.  Nr.  88, 
auch  Anhang  II  und  IV). 

Durch  die  Formeln  (1)  wird  also  jedem  Vektor  f  ein  Vektor  J 
eindeutig  und  linear  zugeordnet,  das  Koeffizientenschema  wird  durch 
die  Trägheitsmomente  in  der  Diagonalen  und  die  negativen  Deviations- 
momente gebildet.    Das  Schema  ist  symmetrisch. 

Nach  unserer  früheren  allgemeinen  Definition  (siehe  Nr.  205)  haben 
wir  also  den  Inbegriff  von  Tragheits-  und  negativen  Deviationsmomenten 
an  einer  Stelle  als  eine  Dyade  zu  bezeichnen:  die  Trägheitsdyade. 
Sie  ist  symmetrisch. 

um  die  Größe  von  J  geometrisch  zu  finden,  beachte  man  folgendes. 

Multipliziert  man  die  Oleichungen  (I)  der  Reihe  nach  mit  x^  y,  z 
und  addiert  sie,  so  erhält  man 

Jr.f  «2F=«2Ä, 

wenn  h  die  willkürliche  Konstante  bedeutet.  Betrachtet  man  anderer- 
seits  das  Lot  i  ■«  OJ  von  dem  Mittelpunkte  0  der  Fläche  F  ^h  auf 
die  Tangentialebene  im  Ende  von  f ,  so  ist 

»==|r  .cos(f,  J)), 
also 

J    r  =^  J '  i 


384 


X.  Räumliche  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  261,  252. 


Vergleicht  man  beide  Ansdrücke  für  J  -f,  so  erhält  man 

j       2Ä 

J  fällt  somit  dem  reziproken  Werte  und  der  Bichtung  nach  mit 
dem  Lote  zusammen,  das  man  vom  Mittelpunkte  auf  die  Tangential- 
ebene des  EUipsoides  im  Durchstoßpunkte  mit  f  fäUen  kann, 

261.  Die  Bpannniigsflftohe,  Man  sieht  leidit  ein,  dafi  man 
jeder  symmetrischen  Djade  eine  Mittelpunktsfläche  zweiten  Grades  zu- 
ordnen kann  (siehe  Anhang  IV). 

So  nennt  man  die  durch 

2H{f)  =  X^x'  +  Y^y"  +  Z/  +  2X^xy  +  2  Y,yz  +  2Z^zx  =  const. 

gegebene  Fläche  die  Span uungsf lache  (vgl.  Nr.  204). 

Will  man  zu  einer  Bichtung  x\y\z  die  Spannung  haben^  so  hat 
man  zu  bilden 

wo  r  »  l/rc*  +  y*  +  ^*j   was  ja   mit   den  Formeln  (III)  aus  Nr.  205 

übereinstimmt. 

Man  sieht,  dafi  (5  stets  senkrecht  auf  der  Tangentialebene  in  dem 

Punkte  P  der  Spannungsfläche  steht^  der  durch  den  Strahl  von  der 

Normalrichtung   des   Flächenelementes    auf   der 
Fläche  getroffen  wird. 

Die  Spannungsfläche  braucht  aber  kein  EUip- 
soid  zu  sein.  Da  beider  Analogie  von  Trägheits- 
dyade  und  Spannungsdyade  dem  T  das  X^,  d.  h. 
die  Normalkomponente  der  Spannung  entsprach^ 
so  ist  bei  der  Spannungsfläche  der  Radiusvektor 
der  Wurzel  aus  der  Normalspannung  des  betreffen- 
den Flächenelementes  umgekehrt  proportional,  Ist 
X^  negativ,  so  ist  der  betreffende  Schnittpunkt  P 
imaginär. 

Wendet  man  die  Formel  am  Schlüsse  von 
250  auf  die  Spannungsfläche  an,  so  erhält  man 


Fig.  805. 


r 


2h 
ir 


262.  Übergang  lu  beliebigen  orthogonalen  Koordinaten- 
systemen. Durch  die  Formeln  von  Nr.  248  und  den  Satz  über 
parallele  Achsen  können  wir  leicht  die  Trägheitsmomente  um  beliebige 
Achsen  algebraisch  berechnen,  wenn  wir  nur  die  Trägheitsmomente 
und  Deviationsmomente  für  irgend  ein  Achsensystem  durch  irgend  einen 
Punkt  kennen.   Wir  wollen  die  Resultate  nur  noch  für  die  Deviations- 


Nr.  253.  §  46.   Massengeometrie  des  starren  KOrpers.  385 

momente  ergänzen  und  zwar  erübrigt  sich  der  Übergang  zu  parallelen 
Achsen. 

Habe  das  neue;  dem  alten  parallele  System  O'x'yS^  einen  An- 
fangspunkt mit  den  Koordinaten  a,  hy  c^  so  ist 

«  ^dmxy  —  a^dmy  —  h^dmx  +  ah^dm 
==  D^^  —  ay*m  —  bxf^m  +  ahm . 

War  der  alte  Anfangspunkt  der  Schwerpunkt,  so  sind  aj*  und  y*  Null 
und  man  erhält 

Daraus  folgt  noch,  daß  sich  bei  Verschiebung  des  Koordinatensystems 
aus  dem  Schwerpunkte  längs  einer  Achse  die  Deviationsmomente  nicht 
ändern ;  da  von  den  Koordinaten  üf  b,  c  wenigstens  zwei  Null  sind. 

263.  Speiialisiemng  fflr  die  Bbene.  Häufig  braucht  man 
die  Trägheitsmomente  von  geometrischen  Figuren,  d.  h.  von  Körpern, 
für  welche  die  spezifische  Masse  1  ist,  und  zwar  besonders  von  aus- 
gearteten, nämlich  ebenen  Figuren. 

Legen  wir  bei  einer  ebenen  Figur  die  j^- Achse  senkrecht  zur  Ebene, 
den  Anfangspunkt  in  die  Ebene,  so  ist  z  ^0  und  daher 

Es  bleibt  also  nur  noch  ein  Deviationsmoment  D,„,  das  wir  kurz  D 
nennen  wollen. 
Femer  ist 

Daher 

r,  =  7',  +  r,. 

T,  heißt  in  diesem  Falle  auch  das  polare  Trägheitsmoment  der 
ebenen  Figur. 

Aus  den  Formeln  (I)  und  (II)  von  Nr.  248  wird,  da 

a^  =  cos  a ,        6j  =  sin  a ,      q  =  0, 
o^=^  —  sin  cf ,     &2  =  cos  a ,     Cj  =  0 , 

«8  =  0,  &8=*0,  C3-I, 

—  a  ist  der  Winkel  der  rc'-Achse  gegen  die  a:-Achse  — 

T^  =  cos«  «T,  +  sin»  aT^  —  2cos  a  sin  a  I),  (JT) 

D'  =.  (T^ -  Jy)  sin  «  cos  a  +  (cos«  a  -  sin«  a)2).  (11') 

Hamel:  Klementare  Mechanik.  26 


386 


X.  Bämnlidie  Bewegung  des 


Xr.  264, 


Das  Tii^eitsellipsoid  hat  die  Besonderiieit,  daB  eine  Haaptachae  mit 
der  r-Achae  zasammenfallt;  nur  sein  Schnitt  mit  der  xy-Ebene  hat 
Intereaae:  die  Bogenannte  Tragheitsellipse,  dexea  Gleichung  lautet 

J,jr*  -^  Ty  —  2Dxy  «  const  ==!*«.  ( III> 

264.  Die  Oulmmanseli«  Trlyhitlt— lHp«<i  Der  Badinsrektor 
der  Tiigheitaellipse  ist  umgekehrt  proportional  dem  zugehörigen  Trig- 
heitsradius  Csiehe  Nr.  249).  Non  laßt  sich  aber  auch  leicht  eine  Strecke 
angeben,  die  dem  Tragheitsradios  direkt  proportional  ist 

Ziehen  wir  nämlich  zn  der  betrachteten  Achse  die  parallelen 
Tangenten  an  die  Ellipse  und  betrachten  den  normalen  Abstand  h 
der  Tangenten  von  der  Achse,  so  behaupten  wir,  daß  h  dem  ö  direkt 
proportional  ist. 

Zum  Beweise  betrachten  wir  das  der  EUipse  umschriebene  Par- 
allelogramm  aus   den  beiden  Tangenten   und   den    zu    ihnen    konju- 
gierten.  Der  Inhalt  dieses  Parallelogramms 
ist  4rA. 

Andererseits  ist  er  gleich  4a&,  wenn 
Qj  h  die  halben  Hauptachsen  sind.  Denn 
alle  umschriebenen  Parallelogramme  aus 
konjugierten  Tangentenpaaren  sind  einander 
gleich.  Faßt  man  nämlich  die  Ellipse  als 
Parallelprojektion  eines  Kreises  auf,  so  gehen 
die  in  Rede  stehenden  Parallelogramme  aus 
den  dem  Kreise  umschriebeneu  Quadraten 
herTor.  Diese  sind  aber  untereinander  gleich, 
Fi«.  906.  also   sind   es   auch  jene,   da  sich  bei  der 

Parallelprojektion   der   Inhalt   einer  Figur 
mit  dem  festen  Faktor  des  Kosinus  eines  Winkels  multipliziert 

Es  ist  also 

rh  =  a6, 
und  da 


r  = 


war. 


h 


ah 


1  ? 


d.  h.  proportional  dem  Tragheitsradius,  wie  behauptet  wurde. 
^a>  ^b  ^^^  Haupttragheitsradien,  so  ist 


Seien 


<y-  = 


a 


«t-j, 


Nr.  254. 


§  45.   Massengeometrie  des  starren  Körpers. 


387 


also 


und 


ab 


«6 


WaUen  wir  nun  den  noch  willkürlichen  Maßstab  A,  so  daß 

isty  womit  wir  freilich  von  Punkt  zu  Punkt  einen  verschiedenen  Maß- 
stab einftihren,  so  ist  direkt 

Die  so  normierte  Trägheitsellipse  pflegt  man  nach  Gulmann  zu  be- 
nennen.    Man  kann  sie  auch  so  definieren: 

Zieht  man  durch  einen  Punkt  au  jeder  Achse  im  Abstände  des 
BUjfehörigen  Trägheitsradius  Parallele .  so  umhiiUen  diese  die  Cul- 
mannsche  Trägheitsdlipse, 

Da  unter  parallelen  Achsen  der  Trägheitsradius  für  die  Achse  durch 
den  Schwerpunkt  am  kleinsten  ist  (vgl.  Nr.  247),  so  ist  auch  die  Gul- 
mannsche  Ellipse  für  den  Schwerpunkt  am  kleinsten^  man  nennt  diese 
die  Zentralellipse. 

AUe  Culmannschen  Ellipsen  enthalten  den  Schwerpunkt  im  Innern, 

Beweis:  Zunächst  einmal  erkennt  man  leicht,  daß  jede  Ellipse  mit 
der  Zentralellipse  ein  Tangentenpaar  gemeinsam  hat,  nämlich  dasjenige^ 
das  der  Verbindung  der  beiden 
Mittelpunkte  parallel  ist.  Das  folgt 
daraus^  daß  ja  ein  Trägheitsradius 
einer  Achse  zugehört,  nicht  einem 
Punkte^  es  gehört  also  zur  Achse 
durch  die  beiden  Mittelpunkte  ein 
Trägheitsradius. 

Sei  8  der  Schwerpunkt,  P  ein 
anderer  Punkt.  Betrachten  wir  die 
zu  SP  für  die  Ellipse  um  P  kon- 
jugierte Achse  g  und  die  zu  ihr 
Parallele  g'  durch  S.  Dann  ist, 
wenn  p   den   Abstand    von   g   und   g'   bedeutet,   nach   Nr.   247 


Fig.  807. 


also 


Das  zu  g  parallele  Tangentenpaar  an  die  Ellipse  um  P  schließt  also 
g  ein,  und  da  andererseits  die  Berührungspunkte  auf  PS  liegen,  so 
liegt  S  im  Innern  der  Ellipse  um  P. 


25' 


388 


X.   Bftumliche  Bewegung  des  gtarren  Körpen. 


Nr.  «5&. 


Fig.  808. 


2SB.  Mm  Kohrsohen  TrftgheitBkrelBe.  Ist  die  ZentralellipBe 
nicht  schon  selbst  ein  Kreis,  so  wird  beim  Fortgang  aus  dem  Schwer- 
punkt in  Richtung  der  kleinen  Achse  die  Ellipse  erstens  die  alten 
Achsenrichtungen  beibehalten  (siehe  Nr.  252),  zweitens  die  Länge  der 

großen  Achse  beibehalten 
(siehe  in  der  vorigen  Num- 
mer die  Bemerkung  über 
gemeinsame  Tangenten), 
drittens  immer  breiter  wer- 
den (siehe  ebenfalls  die  yor- 
hergehende  Nummer).  Es 
muß  also  Punkte  0  und  O' 
zu  beiden  Seiten  der  Zen- 
tralellipse geben,  für  welche 
die  Ellipse  je  ein  Kreis  wird. 
Diese  Kreise  benennen  wir 
nach  Mohr,  der  ihre  prak- 
tische Bedeutung  zuerst  er- 
kannt hat. 
Wo  liegen  ihre  Mittelpunkte  0  und  0'? 

Ist  die  Entfernung  vom  Schwerpunkt  S  gleich  p,  so  ist  einmal 
nach  dem  Satz  über  parallele  Achsen  der  Tragheitsradius  um  eine  zu 

08  senkrechte  Achse  Vp^  +  b^,  wenn  b  den  kleinen  Halbmesser  der 
Zentralellipse  bedeutet,  andererseits  gleich  a,  da  ja  für  S  alle  Trag- 
heitsradien  einander  gleich  sind  (die  Ellipse  ist  ja  ein  ELreis!)  und 
der  Tragheitsradius  um  05  gleich  a,  gleich  der  halben  großen  Achse 
der  Zentralellipse  ist.     Also  ist 

Yp^  +  ft*  =  a     oder 

p  «  ]/a«  -  b"^  -  e, 

d.  h.  gleich  der  geometrischen  Exzentrizität  der  Ellipse. 

Man  erhalt  also  die  Mittelpunkte  der  Mohrschen  Kreise,  wenn 
man  die  Brennpunkte  der  Zentralellipse  um  90^  herumdreht.  Die 
Badien  der  Mohrschen  Kreise  sind  gleich  den  halben  großen  Achsen 
der  Zentralellipse. 

Mit  Hilfe  der  Mohrschen  Kreise  kann  man  nun  leicht  die  fol- 
genden Aufgaben  lösen: 

1.  Für  irgendeinen  Punkt  P  die  Hauptachsen  der  zu- 
gehörenden Ellipse  zu  finden. 

Lösung:  Man  halbiere  die  beiden  Winkel,  welche  die  Geraden  PO 
und  Pff  miteinander  einschließen  (siehe  Fig.  208). 

Beweis:  Zu  PO  und  Pff  gehören  die  gleichen  Trägheitsradien, 
nämlich  a,  also  liegen  PO  und  Pff  für  die  Ellipse  um  P  symmetrisch 


Nr.  256.  §  46.    Massengeometrie  des  Btarren  Körpers.  389 

zu  den  Hauptachsen^  also  halbieren  diese  die  Winkel,  welche  PO  und 
P(y  einschließen. 

Sollten  0;  (y  und  S  zusammenfallen,  so  sind  PS  und  die  Ortho- 
gonale Hauptachsen,  wie  man  nach  Nr.  252  leicht  einsieht. 

2.  Man  finde  für  irgendeine  Gerade  g  den  Trägheits- 
radius 6. 

Analyse:  Man  ziehe  durch  5,  0^  (/  zu  g  die  Parallelen  g\  g^,  g^''^ 
die  bezüglichen  Abstände  seien  Pj  p  —  hy  p  +  h. 

Dann  ist  nach  dem  Satz  über  parallele  Achsen  erstens 

zweitens 

denn  a  ist  ja  auch  der  Trägheitsradius  für  g^  und  g^.     Also 

<y*  ==  a*  +  i?*  —  A*. 

Danach   gibt   Mohr   folgende   Konstruktion: 
Man  nehme  einen  Schnittpunkt  T  Ton 

g'  mit  einem   der   Mohrschen  Kreise,   etwa     

dem  um  0,  und  verbinde  ihn  mit  dem  Fuß- 
punkt F  des  Lotes  von  0  auf  die  gegebene 
Gerade  g.  Dann  ist  FT  =  6  der  gesuchte 
Trägheitsradius  (siehe  Fig.  209).    Denn  es  ist 

TF^^TH'+HF', 

=  TO^-  0H^+  HF\  ■— ? f T- 

=.  a^  -  *«  +  p\  ^"«  '^' 

3.  Man  bestimme  für  irgendein  Achsensystem  xy  durch 
irgendeinen  Punkt  P  das  Deyiationsmoment  D. 

Man  ziehe  durch  S  das  parallele  Koordinatensystem  Sx'y.  In 
bezug  auf  dieses  habe  P  die  Koordinaten  a,  h,  0  die  Koordinaten  a'  V. 
Dann  ist  nach  Nr.  252 

O^iy+aVm, 
denn  für  0  sind  ja  aUe  Derivationsmomente  Null.     Also  ist 

D^{ah^  a:V)m. 

2B6.  Die  Bereohnnng  einiger  geometrisoher  Trägheits» 
momente  ist  eigentlich  eine  Aufgabe  der  Integralrechnung  und  ge- 
hört nicht  hierher.  Nur  beispielsweise  sollen  einige  wenige  Aufgaben 
dieser  Art  behandelt  werden.  Weitere  Formeln  findet  man  in  der 
„Hütte"  und  ahnlichen  Taschenbüchern. 

1.  Trägheitsmoment  eines  Rechtecks  um  eine  Symmetrieachse 
durch  den  Schwerpunkt.     Man  teile  das  Rechteck  in  Streifen  parallel 


390  ^  B&nniliche  Bewegung  de«  staireii  Körpen.  Nc26^. 

der  Achse  Ton  der  Flache  bdx  und  dem  Abstände  x  von  der  Achse. 

Dann  ist  (mit  fi  ==  1) 

t 

T 


T^fdX'bx'^^^bP 


i 


und  wegen  w  —  jF  =  67 


Das  polare  Trägheitsmoment  ei^bt  sich  damit  sofort  zu 

1         , 

6  — * a, 

wenn  d  die  Diagonale  bedeutet. 

2.  Das  polare  Trägheitsmoment  eines  Kreises  in  bezug  auf  den 
Hittelpunkt  ergibt  sich  sofort,  wenn  man  den  ELreis  in  konzentrische 
Ereisringe  Yom  Radius  x  und  von  der  Breite  dx  teil^  zu 

r 


also 


r 
'       V2 

Daraus  folgt  sofort  das  Trägheitsmoment  um  eine  Achse  in  der  Eb«ie 
durch  den  Mittelpunkt,  da  hier  T^ »  T^  und  die  Summe  beider 
gleich  T^  ist, 

T  ^  T  ==  — r* 

3.  Das  Trägheitsmoment  einer  Ellipse  um  eine  Hauptachse  er- 
gibt sich  sofort  aus  der  des  Kreises,  wenn  man  beachtet,  dafi  man 
eine  Ellipse   aus   einem  Kreise  durch  Verkürzung  paralleler  Sehnen 

im  Veriiältnisse  —  erhalten  kann.     Danach  ist  das  Trägheitsmoment 

um  die  kürzere  Achse  (a  >  6) 


das  um  die  längere 


T,^}ab\ 


Nr.  267.  §  46.   MaBsengeometrie  des  starren  Körpers.  391 

4.  Das  Trägheitsmoment  eines  Trapezes  um  die  (Grundlinie  ist 


0 


Nun  ist  aber  y  sicher  eine  lineare  Funktion  von  x,  weil  man  y 


und  X  als  Koordinaten  einer  Geraden  in 
bezug  auf  ein  schiefwinkliges  Koordinaten- 
system ansehen  kann: 


b 


TT 


y  =  ax  +  ß.  /  f 


a 
Fi«,  aio. 


Da  aber  y  =  a  für  x  =  0  und  y  =  6  f ür 
X  =  h,  80  ist 

/3  =  a     und     cc  =  —r — 

Setzt  man  diese  Werte  in  das  obige  Integral  für  T  ein,  so  er- 
hält man 

Da  m  =  F  =  -^h(a  +  b),  so  ist 


Y  6(a  +  h) 


Um  den  Trägheitsradius  ö'  um  eine  parallele  Achse  durch  den 
Schwerpunkt  zu  erhalten^  erinnere  man  sich,  daß  dieser  den  Abstand 

1  ,0  +  26 
^  =  ¥*«  +  6 

von  der  Grundlinie  hatte  (siehe  Nr.  53). 
Demnach  ist 

^         ^        F        t'        18(a  +  6)» 

Das  Dreieck  ist  natürlich  in  den  vorstehenden  Formeln  mit  ent- 
halten. 

Aufgabe  119:   Man  be weise,  daß  das  Trägheitsmoment  der  Kugel  um 

8  T  /  2 

einen  Durchmesser  --nE^^  also  0  =  1/  ,  R  ist.     Anleitung:   Man  zerschneide 

16  r     6 

die  Kugel  in  Scheiben  senkrecht  zum  gewählten  Durchmesser.    Für  jede  solche 

Kreisscheibe  kennt  man  bereits  das  Trägheitsmoment. 

267.  GTaphisohe  Bestimmniig  von  TrftgheitBmomenteii 
ebener  Fignren.  Wir  behandeln  zunächst  die  folgende  Hilfs- 
aufgabe: 


392 


X.  Bftumliche  Bewegung  des  stazren  Körpers. 


JJr.  257. 


In  einer  Ebene  seien  eine  Reihe  von  Punkten  mit  den  Massen 
m^  . ,  ,m^  und  den  Abständen  x^ . . .  x^  von  einer  Achse  in  der  Ebene 
gegeben.     Man  bestimme  das  Trägheitsmoment 

T  =  ^  m,  a;/ 
auf  graphischem  Wege. 

Zu   dem   Zwecke  fassen  wir  die  m^  als  Kräfte  auf^   welche  der 
Achse  parallel  gerichtet  sind,  und  schreiben,  das  Moment  zweiter  Ord- 
nung in   eine  doppelte  Moment- 
bildung  erster  Ordnung  zerlegend^ 

T  -  ^x^  •  (a-^m,). 

x^m^  ist  nun  das  Moment  erster 
Ordnung  der  Kraft  m^  in  bezng 
auf  die  Achse,  es  ist  nach  Nr.  160 
gleich  Ä'y^,  wenn  wir  zu  den 
Kräften  m^  ein  Poleck  und  ein 
Seileck  zeichnen,  h'  die  Poldistanz 
bedeutet  und  y^  den  Abschnitt 
der  beiden  zu  m^.  gehörenden 
Seilstrahlen  auf  der  Achse.    Also 

x^m^  =  Ä'y,.    und 

Um  nun  diese  Summatiou 
vorzunehmen,  kann  man  in  zwei- 
facher Weise  vorgehen: 

Erste  Methode:  Man  fasse 
die  y^  als  neue  Kräfte  auf,  welche 
man  an  den  alten  Angriffspunkten 
der  m^  wiederum  der  Achse  parallel 
wirken  lasse.  Dann  ist  x^y^  deren 
Moment  und  ^x^y^  das  Gesamt- 
'moment,  das  man  nach  Nr.  160 
sofort  findet,  wenn  man  ein  neues 
KnLftepoljgon  und  ein  neues  Seil- 
polygon zeichnet,  und  zwar  ist 

Fig.  211.  ^^rVr  =  ^"^6?, 

wenn  h"  die  neue  Poldistanz,   z 
den  Abschnitt  bedeutet,  welchen  der  erste  und  der  letzte  Seilstrahl, 
die  ja  der  Resultierenden  zugehören,  auf  der  Achse  begrenzen. 
Somit  ist 


Nr.  268.  §  45.   Massengeometrie  des  starren  Körpers.  393 

Das  Zeichnen  des  neuen  Polecks  kann  man  sich  ersparen^  da  man 
ja  die  y,  schon  als  Abschnitte  auf  der  Achse  vor  sich  hat. 

Siehe  die  Durchführung  der  Figur^  in  der  speziell  die  Schwer- 
achse als  Momentenachse  genommen  ist. 

Zweite  Methode:  Es  ist  y^x^  der  doppelte  Inhalt  des  Drei- 
ecks ^^f  das  von  den  beiden  zu  m^  gehörenden  Seilstrahlen  und  der 
Achse  eingeschlossen  wird,  denn  es  ist  y^  seine  Basis,  x^  seine  Höhe. 
Also  ist  2x^y^  die  doppelte  Summe  aller  dieser  Dreiecke,  welche 
aber  alle  zusammen  gerade  das  Polygon  Y^^S^S^S^S^Y^  ausmachen^ 
welches  von  dem  Seileck  und  dem  Stück  der  Achse  gebildet  wird, 
das  der  erste  und  der  letzte  Seilstrahl  auf  ihr  ausschneiden.  Sei  J 
der  Inhalt  dieser  Figur,  so  ist 

Hat  man  also  ein  Planimeter  zur  Hand  oder  vermag  man  sonst 
genau  genug  den  Inhalt  der  Figur  J  zu  bestimmen  (etwa  durch  Aus- 
zahlung der  Quadrate,  falls  man  auf  mm-Papier  zeichnet),  so  erspart 
man  die  Zeichnung  eines  zweiten  Seilecks  und  Polecks.  Was  den 
Maßstab  angeht,  so  ist  noch  zu  bemerken,  daß  h'  im  Kräftemaßstab, 
J  resp.  z  und  h"  im  Längenniaßstab  zu  nehmen  sind. 

268.  Fortsetrang.  Sei  nun  eine  kontinuierlich  ausgedehnte 
ebene  Figur  gegeben,  deren  Trägheitsmoment  um  eine  Achse  bestimmt 
werden  soll,  so  teilen  wir  sie  in  unendlich  schmale  Streifen  parallel 
zur  Achse  und  nehmen  den  Inhalt  dm  eines  jeden  Streifens  als 
Kraft.     Da 

T  =  S  dmx" 

ist,  so  entspricht  die  neue  Aufgabe  der  Hilfsaufgabe  der  vorigen 
Nummer,  nur  daß  wir  es  jetzt  mit  unendlich  vielen,  unendlich  kleinen 
Kräften  zu  tun  haben.  Im  Prinzip  bleiben  die  Lösungsmethoden  die- 
selben, nur  erhalten  wir  stetige  Seilkurven  statt  der  Polygone  (vgl. 
Nr.  137). 

um  die  Aufgabe  praktisch  zu  lösen,  wird  man  die  Figur  in  eine 
endliche  Anzahl  schmaler  Streifen  teilen  und  den  Inhalt  eines  jeden 
Streifens  in  einer  mittleren  Linie  dieses  Streifens  etwa  seiner  Schwer- 
achse angreifen  lassen. 

Dadurch  wird  freilich  ein  Fehler  begangen.  Denn  wenn  der 
Streifen  nicht  unendlich  schmal  ist,  sondern  sein  TiBgheitsradius  in 
bezug  auf  seine  Schwerachse  6^  ist,  so  haben  wir  nicht 

2m..x} 


V       V 


zu  bilden,  sondern 


394 


X.  Rftomliche  Bewegung  dea  Btarren  Körpen. 


Nr.  S59. 


wenn  tf/  den  TnlgheitBradina  des  v^^  Streifens  in  bezug  auf  die  aus- 
gewählte Achse  bedeutet. 

Bei  feiner  TeUong  wird  6^  Uein  und  der  Fehler  also  gering  sein. 
Will  man  ihn  ohne  wesentliche  Komplikation  yerbessem,  so  verfahrt 
man  folgendermaßen:   Man  setzt 


T  =^w^(x/+  O  = -^'»w»^»^  =  ^<(a^,w  J  =^x/y^, 


wo 


X    = 


ist  und  verfährt  nun  wie  in  der  vorhergehenden  Nummer  bei  Me- 
thode 1,  nur  daß  man  das  zweitemal  die  Kräfte  y^  in  den  Abständen  x/ 
statt  abermals  x^  angreifen  läßt 

Die  x/  aber  kann  man  sich  leicht  in  folgender  Weise  kon- 
struieren: 

Man  trägt  auf  der  Schwerachse  des  Streifens  6^  ^  FX  vom  Fuß- 
punkte F  des  Lotes  OF  zwischen  Achse  und  Schweracbse  des  Streifens 
auf  und  zieht  zu  OX  die  Senkrechte,  welche  die  Verlängerung  von 
OF  in  F'  schneide.  Dann  ist  F'  der  neue  Angriffspunkt,  d.  h. 
OF'  =  x^.  Bekannte  Sätze  über  das  rechtwinklige  Dreieck  zeigen, 
daß  in  der  Tat 


OF' 


x   = 


V+tf/ 


50 


Fig.  212. 


lM-5 


.«. . 


W 


^00 


Fig.  81 S. 


ist.  Bei  der  prak- 
tischen Ausfüh- 
rung wird  man 
oft  die  Streifen 
durch  Trapeze  er- 
setzen können  und 
dann  bei  der  Kor- 
rektur die  Ergeb- 
nisse von  Nr.  256 
und  53  anwenden^ 
falls  die  vorher 
angegebene  Kor- 
rektur wirklich 
nötig  sein  sollte. 


Aufgabe  120:  Man  bestimme  auf  die  vorstehend  geschilderte  Methode 
graphisch  das  Trägheitsmoment  eines  U-Eisens  (siehe  Figur  21.H)  um  die  Schwer- 
pnnktsachse,  die  man  ja  leicht  gleichzeitig  mittels  des  ersten  Seilpolygons  finden 
kann  (siehe  Nr.  138). 

269.BxperimentelleBe8tiinmimg  vonTr&ffheitBmomenten. 

Die  rechnerischen  und  graphischen  Methoden  setzen  voraus,  daß  man 


Nr.  269.  §  46.   Massengeometrie  dee  starren  Körpen.  395 

die  Massenverteilung  im  Körper  genau  kenne.  Ist  dies  nicht  der  Fall 
nnd  hat  man  hereits  fertige  Stücke  vor  sich,  so  wendet  man  zur  Be- 
stimmung ihrer  Trägheitsmomente  am  besten  experimentelle  Me- 
thoden an. 

Kennt  man  die  Schwerpunktslage  des  Körpers,  so  lasse  man  ihn 
um  eine  exzentrische  Achse,  die  man  etwa  auf  Schneiden  horizontal 
lagert,  Schwingungen  ausf[Lhren.  Aus  der  Schwingungsdauer  Tq  be- 
rechnet man  dann  sofort  T  in  bezug  auf  die  Drehachse  nach  den 
Formeln  (siehe  Nr.  195) 

ms ' 

wo  8  den  Schwerpunktsabstand  von  der  Achse  bedeutet.  .  . 

Ist  jedoch  s  nicht  bekannt,  so  verfahre  man  folgendermaßen: 
Man  konstruiere  sich  ein  Zusatzgewicht  m'  mit  bekanntem  s'  und  T\ 
das  man  auf  die  Achse  aufkeilen  kann. 

Dann  macht  man  zwei  Versuche:  einmal  ohne  das  Zusatzffewicht, 
wodurch  man  eine  Gleichung 


\2  3r/         mg 


(1) 

für  die  Unbekannten  T  und  s  erhält,  dann  mit  dem  Zusatzgewicht, 
woraus  die  zweite  Gleichung 


(Ä)"= 


-^iK-  :  (2) 

mga  -{-mgs  ^  ' 

folgt. 

Man  hat  dann  zwei  lineare  Gleichungen,  aus  denen  man  T  und  s 
berechnen  kann,  wenn  die  Determinante  nicht  verschwindet.  Man 
sieht  sofort,   daß  dieser  Ausnahmefall  nur  eintritt,   wenn  r^  =  x^  und 

infolgedessen 

T_  ^    r 

mgs        mgs' 

ist,  wenn  also  der  Zusatzkörper  allein  ebenso  schwingen  würde  wie 
der  alte  Körper  allein.  Das  wird  man  also  durch  passende  Wahl 
das  Zusatzkörpers  zu  vermeiden  haben. 

Es  ist  auch  möglich,  T  und  s  dadurch  zu  bestimmen,  daß  man 
den  Körper  um  zwei  verschiedene  parallele  Achsen  schwingen  läßt 
(Methode  von  E.  Brauer). 

Um  feine  Exzentrizitäten  zu  messen,  lasse  man  den  Körper 
um  die  Achse  rotieren,  welche  man  horizontal  auf  die  eine  Schale 
einer  Wage  lagert.     Im  Gleichgewicht  balanziere  man  die  Wage  aus. 


396  X.  Räumliche  Bewegung  des  starten  EGzpers.  Nr.  260. 

Wenn  dann  der  Körper  schnell  rotiert,  so  wird  er  infolge  der  Ex- 
zentrizität eine  bemerkenswerte  Reaktionskraft  msio^  anf  die  Wag- 
schale  ausüben,  deren  Richtung  mit  umläuft  und  die  also  die  Wage 
in  Schwingungen  versetzen  muß.  Um  die  Wirkung  stark  zu  machen, 
wird  man  Resonanz  zu  erzeugen  suchen,  d.  b.  lu  so  wählen,  daß  auf 
eine  Umdrehung  eine  natürliche  Schwingung  kommt,  und  um  dann 
noch  (D  groß  wählen  zu  können,  wird  man  eine  W^e  mit  sehr 
schneller  Schwingung  nehmen  müssen. 

Um  Deviationsmomente  zu  messen,  wird  man  ganz  ähnlich 
verfahren,  nur  daß  man  den  rotierenden  Körper  nicht  auf  eine  einzelne 
Wagschale,  sondern  auf  den  Wagebalken  mit  der  Rotationsachse 
quer  zur  Wageachse  montiert  dementsprechend,  daß  ein  Deviations- 
moment  ein  £[räftepaar  D<d^  erzeugt,  das  dann  den  Wagebalken  in 
Schwingungen  versetzt. 

Die  Theorie  der  Apparate  wollen  wir  später  (siehe  Nr.  311  und 
331)  besprechen. 

Literatur  zu  §  45.  Als  Lehrbuch  vor  allem  Routh,  Dynamik. 
Bd.  I,  Kap.  I.  Dann  Übersicht:  Enzyklopädie  der  math.  Wissenschaften, 
Bd.  IV,  4;  G.  Jung,  Geometrie  der  Massen.  Auch  in  vielen  Lehr- 
büchern der  Elastizitäts-  und  Festigkeitslehre  findet  sich  eine  ausfuhr- 
liehe  Darstellung  der  Theorie  der  Trägheitsmomente  ebener  Figuren 
und  der  zugehörigen  graphischen  Konstruktionen. 


§  46.    Geometrische  Kinematik  des  starren  Körpers. 

260.  Allgemeines.  Der  im  Räume  frei  bewegliche  starre  Kör- 
per hat  sechs  Freiheitsgrade,  d.  h.  man  braucht  sechs  unabhängige 
Stücke,  um  seine  allgemeine  Lage  eindeutig  festlegen  zu  können. 

Das  erkennt  man  leicht  so:  Um  einen  herausgegriffenen  Punkt  C 
des  Körpers  zu  fixieren,  bedarf  es  dreier  Stücke,  etwa  der  drei  recht- 
winkligen Koordinaten  des  Punktes:  c*^,  c^,  c^.  Dann  wähle  man 
einen  im  Körper  festen  Strahl  durch  C.  Um  seine  Lage  anzugeben, 
brauchen  wir  noch  zwei  Stücke:  etwa  den  Polwinkel  ^  des  Strahls 
mit  einer  festen  Richtung,  z.  B.  der  ^  Achse  eines  ruhenden  Koordi- 
natensystems {0^d'<^n)  und  den  Azimutwinkel  %  welchen  die 
Knotenlinie,  d.  h.  die  Senkrechte  zum  gewählten  Strahl  und  zur 
;2?-Ach8e  —  diese  Senkrechte  so  gerichtet,  daß  von  ihr  aus  gesehen 
der  Strahl  zur  Linken,  die  xr -Achse  zur  Rechten  liegt  —  mit  einer 
festen  Richtimg  senkrecht  zur  j?-Achse,  etwa  der  ^r-Achse  einschließt 
(0^g?<2;r).  Dabei  werde  (p  so  gezählt,  daß  wachsendes  tp  von 
der  X-Achse  zur  y-Ache  des  rechtshändigen  Systems  führt.  Liegen  so 
C  und  der  Strahl  durch  C  eindeutig  fest,  so  bleibt  noch  eine  Be- 
wegungsfreiheit des  Körpers  übrig:  man  kann  ihn  noch  um  den  aus- 


Nr.  260.  §  46.   GeometriBche  Kinematik  des  starren  Körpers. 


397 


Fig.  814. 


gewählten  Strahl  drehen.  Also  bedarf  es  noch  einer  sechsten  Koordi- 
nate, als  solche  wählen  wir  den  Winkel  ^,  welchen  eine  im  Körper 
feste,  zum  ersten  Strahl  (jef'-Achse)  senkrechte  Richtung  (a;'-Achse)  mit 
der  Knotenlinie  ein- 
scfiließt,  diesen  Win- 
kel von  der  /-Achse 
aus  gesehen  links 
herum  positiv  ge- 
zählt (0<t<  2x). 

Die  Beziehung 
zwischen  Lage  und 
Koordinatenist  offen- 
bar im  allgemeinen 
eineindeutig,  nur  bei 
-d"  =  0  verliert  die 
Knotenlinie  ihre  Be- 
deutung, desgleichen 
q)  und  ^  einzeln  ge- 
nommen ,  wogegen 
g)  -f  V  seine  Bedeu- 
tung behält. 

Es  ist  deshalb  für  manche  Zwecke  nützlich,  statt  ^  den  Winkel 
q)  +  t,  <li©  sogenannte  „Länge**  der  a:'- Achse  einzuführen. 

Die  Winkel  <p,  ^,  d  werden  nach  Euler  benannt. 

Man  erkennt  nun  leicht  wieder^  wie  in  der  Ehene^  daß  für  die 
Überführbarkeit  einer  Figur  in  eine  andere  durch  starre  Bewegung 
Kongrtfenz  im  engeren  Sinne,  d,  h,  Gleichheit  aller  Winkel  und  Strecken 
sowie  tjhereinstimmrmg  des  ümUmfssinnes  notwendig  und  hinreichend  ist. 

Um  das  einzusehen,  geht  man  davon  aus,  daß  man  jedes  Dreieck 
0(y  0"  in  jedes  kongruente  überführen  kann.  Um  nun  einen  vierten 
Punkt  X  mit  zu  führen,  genügt  es  im  all- 
gemeinen nicht,  die  Strecken  OX,  (YX,  0"X 
zu  geben,  denn  die  drei  Kugeln  um  0,  0', 
0"  mit  den  Radien  OX,  O'X,  0"X  schnei- 
den sich  in  zwei  Punkten:  X  und  X',  die 
nur  ausnahmsweise  zusammenfallen.  Im 
allgemeinen  liegen  X  und  X'  Spiegelbild-  ^c 
lieh  zueinander  bezüglich  der  Ebene  0  0'  0". 
Es  wird  aber  das  Dreieck  00'  O'  von  dem 
einen  Punkte  aus  links  umfahren,  von  dem  p^^  ji^g 

andern    Punkte    aus    rechts    umfahren    er- 
scheinen (bei  Festhaltung  der  Reihenfolge  00'0"\  so  daß  von  den 
Punkten  X  und  X'  erst  durch  Angabe  des  Umlaufssinnes  einer  eindeutig 


398  ^-  Bämnliche  Bewegung  des  starren  KOrpers.  Nr.  261. 

sein  wird.  Und  daß  nun  dnrch  das  Dreieck  00' 0"  die  Lage  desfestgelegt 
ganzen  Körpers  eindeutig  bestimmt  ist^  erkennt  man  leicht:  man  braucht 
ja  nur  etwa  0  zum  Punkte  Cy  den  Strahl  00'  zur  o^- Achse  zu  wählen 
und  dann  die  jer'- Achse  senkrecht  zu  OCf  O'  so  zu  zeichnen,  daß  der 
ümlaufssinn  von  00*  0"  von  ihr  aus  gesehen  links  herum  geht  Mit 
der  z'-  und  o^'-Achse  liegt  aber  auch  die  ^'-Achse  eindeutig  fest  und 
damit  der  ganze  Körper. 

261.  Darstellnng  der  Koordinaten  dnroh  die  Bniereohen 
Winkel.  Bekanntlich  drücken  sich  die  Koordinaten  eines  Punktes 
Xy  y,  g  in  bezug  auf  das  im  Raum  feste  Koordinatensystem  durch 
x\  y\  0j  die  Koordinaten  in  bezug  auf  das  im  Körper  feste  System 
folgendermaßen  aus: 

x^c^  +  x  ^  {x\x)  +  y'  •  Cv»  +  /  •  (zx), 

y  -  c^+x  .  {x\y)  +  y  .  {y\y)  +  z-  (z\y), 

z^c^+x' '  {x',  e)  +  y  '  {y,  z)  +  /  -  {z\z), 

wo  {x\  x)  usw.,  die  Richtungskosinus  des  einen  Koordinatensystems 
gegen  das  andere,  eindeutige  Funktionen  der  Eulerschen  Winkel 
%j  q>,  ^  sein  müssen.  Die  vorstehenden  Gleichungen  haben  die  Form 
r  «  c  +  9  (a,  #•,  9,  ^), 

wo  c  den  Vektor  OC,  ä  einen  von  der  Zeit  unabhängigen  Vektor, 
nämlich  den  Vektor  CX,  bedeutet,  bezogen  auf  das  bewegliche  Sy- 
stem    Cy  Xy  %fy  Z. 

ä  individualisiert  die  Punkte  des  Körpers,  verändert  sich  aber  mit 
der  Zeit  nicht,  wir  nennen  ihn  den  Grundvektor, 

Cy  d-y  9,  ^  sind  Systemkoordinaten,  sie  hängen  nicht  von  der 
Wahl  des  einzelnen  Punktes  ab,  dagegen  wohl  von  der  Zeit  t 

Um  nun  die  Richtungskosinus  durch  «&,  %  ^  auszudrücken,  kann 
man  so  vorgehen: 

Man  lege  um  C,  wohin  man  das  feste  System  Xy  y,  z  parallel 
verschoben  habe,  eine  Kugel  und  wende  nun  auf  das  sphärische  Drei- 
eck Xy  Xy  K  den  Kosinussatz  an:  man  erhält  sofort 

{x'y  x)  =  COS  if  cos  ^  —  sin  y  sin  ^  cos  #, 

da  ja  %^  der  Winkel  zwischen  der  ^y-  und  der  :r'y'-Ebene  ist.  Ebenso 
findet  man  aus  dem  Dreieck  xKy 

(Xy  y)  =«  cos  fp  cos  (^  +  y)  ■"  si^  9  sin  ( ^  +  ^  j  cos  ^ 

oder 

{Xy  y)  ==  —  cos  9)  sin ^  —  sin  y  cos  ^  cos  «9-, 


Nr.  262.  §  46.    Geometrische  Kinematik  des  starren  Körpers.  399 

aus  dem  Dreieck  yKy' 

(y?  y')  =  ~"  siJ^  9)  sin  ^  +  cos  9  cos  ^  cos  ^ 
und  aus  yKx' 

(y,  a?')  =  cofl  tlf  BUKp  +  Binrl}  cos  9  cos  &, 

Um  (jer^  rr^  zu  finden,  lege  man  durch  z  und  x'  einen  größten  Kreis, 
welcher  die  Qrundebene  xy  in  X'  treffe.  Das  Dreieck  KxX.'  hat 
bei  X'  einen  rechten  Winkel,  während  sin  {oiy  X')  =  {x\  e)  ist.  Der 
Sinussatz  für  das  Dreieck  KxX'  gibt  sofort 

{x\  z)  =  sin  ^  sin  ^. 
Analag  findet  man 

{y'y  z)  =  sin  [i;  +  y)  si'^  ^  =  ^^s  ^  sin  -ö*. 

Dasselbe  Verfahren  mache  man  mit  der  z'-  und  ^-Achse.    Man  erhält 

iV}  ^')  ==  ~"  c^s  9  sin  ^j 
ebenso 

(ic,  /)  =  sin  9  siu'd'. 

Ebenso  ist  ohne  weiteres  klar,  daß 

{Zj  z)  =»  cos  d: 
Wir  stellen  die  Resultate  in  einer  Tabelle  zusammen: 


,                          1 
1          .                                                 1                          "^ 

«' 

1 

1          ■-                                         .... 
1    X      coscpcos'^  —  sin  9  sin  1^  cos  ^ 

1    y      cos  ^  sin  fp-|- sin  1/7  cos  9  cos  ^ 

s     \                sin  «^  sin  ^ 

—  cos  cp  sin  tf;  —  sin  tp  cos  t/>  cosd 

—  sin  qp  smiff  -f-  cos  tp  costjj  cosd 

cos  «^  sin  ^ 

•     •  *  1 

1 

—  coscpsin^i 
cos^       1 

Eine  sehr  hübsche  Darstellung  der  sphärischen  Trigonometrie 
findet  man  in  dem  kleinen  Buche  von  6.  Hessenberg,  „Trigono- 
metrie'' in  der.  Sammlung  Göschen. 

262.    Bndliche  Lagen&ndenmgen  des  starren  Körpers. 

Genau  so  wie  in  der  Ebene  erkennt  man  leicht,  daß  man  jede  end- 
liche Lagenänderung  eines  starren  Körpers  durch  eine  Translation, 
durch  welche  der  willkürlich  herausgegriffene  Punkt  C  in  seine  rich- 
tige neue  Lage  kommt,  und  eine  Drehung  um  C  erzeugen  kann. 

Wir  wollen  uns  nun  zunächst  davon  vergewissern,  daß  hei  Drehung 
um  einen  festhleibenden  Punkt  C  zugleich  auch  immer  eine  Gerade 
in  ihrer  alten  Lage  bleibt,  daß  man  also  die  Drehung  um  einen 
festen  Punkt  immer  ersetzen  kann  durch  Drehung  um  eine  bestimmte 
Achse,  die  Dreha4!hse, 


400  ^-  Rftamliche  Bewegung  des  starren  Körpers,  .Nr.  262. 

Oder: 

Haben  zwei  kongruente  und  gleichsinnige  Figuren  einen  Punkt 
gemein,  so  haben  sie  auch  eine  Gerade  gemein. 

Zu  dem  Zweck  schlagen  wir  am  C  eine  Kugel  und  betrachten 
die  Schnittfigur  des  Körpers  mit  der  Kugel.  Diese  Figur  wird  auf 
der  Kugel  kongruent  und  gleichsinnig  transformiert  Nun  gelten  auf 
der  Kugel  genau  dieselben  Sätze  über  kongruente  und  gleichsinnige 
Figuren  wie  in  der  Ebene:  man  kann  also  den  Satz  der  Ebene,  daß 
es  immer  einen  Punkt  gibt,  der  in  der  neuen  Lage  mit  seiner  Stelle 
in  der  alten  Lage  zusammenf  ällt^  auf  die  Kugel  übertragen.  Der  ein- 
zige Unterschied  ist  nur  der,  dafi  dieser  Punkt  stets  ins  Endliche  fällt, 
da  es  reelle  unendlich  ferne  Punkte  auf  der  Kugel  nicht  gibt. 

Also  gibt  es  auf  der  Kugel  einen  und  nur  einen  Punkt  Mj  der 
mit  seiner  alten  Lage  in  Deckung  bleibt:  dasselbe  gilt  natürlich  für 
die  Achse  CM,  w.  z.  b.  w. 

Wählen  wir  nun  einen  andern  als  den  Punkt  C  zum  Translations- 
punkt, so  ändert  sich  die  Translation,  dagegen  wollen  wir  sehen,  daß 
die  Rotation  insofern  die  alte  bleibt,  als  die  Drehachse  parallel  und 
Größe  und  Sinn  des  Drehwinkels  dieselben  bleiben.  Zu  dem  Zwecke 
fragen  wir  nach  den  Graden,  die  überhaupt  bei  der  Bewegung  sich 
selbst  parallel  und  gleichgerichtet^)  bleiben.  Das  sind  nun  offenbar, 
wenn  die  Drehung  keine  volle  Umwendung  war,  was  wir  ausschließen 
können,  da  eine  volle  Umwendung  so  gut  wie  gar  keine  Drehung  ist, 
nur  die  Parallelen  zur  Drehachse.  Denn  bliebe  noch  eine  andere  Ge- 
rade sich  selbst  parallel  und  gleichsinnig,  so  müßte  es  auch  die  ge- 
meinsame Senkrechte  dieser  Geraden  und  der  Drehachse  tun;  es  bliebe 
also  ein  im  Körper  festes  Koordinatensystem  sich  selbst  parallel  und 
damit  auch  der  Körper:  er  hätte  sich  gar  nicht  gedreht.  Nun  ist  jede 
mögliche  Drehachse  eine  Gerade,  die  sich  selbst  gleichgerichtet  bleibt, 
also  muß  es  eine  Parallele  zur  ursprünglichen  Drehachse  sein. 

Daß  nun  auch  die  Drehwinkel  nach  Sinn  und  Größe  die  alten 
bleiben,  beweist  man  ebenso  wie  den  entsprechenden  Satz  in  der  Ebene. 

Man  kann  aber  nicht,  wie  in  der  Ebene,  jede  Bewegung  auf  eine 
bloße  Rotation  oder  auf  eine  bloße  Rotation  zurückführen.  Denn 
beides  sind  ebene  Bewegungen.  Dagegen  gelingt  die  ZurückfÜhrung 
auf  eine  sogenannte  Schraubenbewegung: 

Jede  räumliche  Bewegung  läßt  sich  auf  eine  Sehraxibenhewegung 
zurückführen,  d,  h.  auf  eine  Drehung  und  auf  eine  Verschiebung  in 
Richtung  der  Drehachse, 

Zum  Beweise  dieses  Satzes  zerlegen  wir  die  Translation  bei  Wahl 
eines   beliebigen  Punktes  C  in   eine  Verschiebung  parallel   und   eine 

1}  Wir  geben  den  Gremden  auch  einen  Pfeilsinn« 


Nr.  263.  §  46.   Geometrische  Kinematik  des  starren  Körpers.  401 

solche  senkrecht  zar  Richtung  der  Drehachse  (diese  Richtung  steht 
a  priori  fest  nach  dem  vorigen  Satze!).  Die  Verschiebung  senkrecht 
zur  Richtung  der  Drehachse  bildet  nun  zusammen  mit  der  Drehung 
eine  ebene  Bewegung,  die  man  auf  eine  bloße  Drehung  zurückführen 
kann:  also  bleiben  nur  diese  Drehung  und  die  Translation  parallel 
der  Drehachse,  w.  z.  b.  w. 

Man  verdankt  diese  Sätze  den  gleichzeitigen  und  unabhängigen 
Untersuchungen  von  Möbius,  Chasles  und  Giorgini  im  ersten  Drittel 
des  19.  Jahrhunderts,  die  analogen  Sätze  für  die  Ebene  stammen  meist 
schon  von  Poinsot. 

288.  Übergang  lu  nnendlloh  kleinen  Bewegungen.  Wen- 
den wir  die  Resultate  der  vorigen  Nummer  auf  die  Lagenänderung  an, 
welche  der  Körper  bei  einer  Bewegung  in  der  Zeit  dt  erfährt,  so  setzt 
sich  diese  Lagenänderung  aus  der  Verschiebung  de  des  gewählten 
Punktes  C  und  einer  Drehung  um  den  Punkt  C  um  eine  bestimmte, 
durch  ihn  gehende  Achse  durch  einen  kleinen  Winkel  dx  zusammen. 
Letztere  Bewegung  ist  aber  eine  ebene  Bewegung:  man  kann  daher 
sofort  das  Resultat  aus  Nr.  222  übertragen,  wonach  der  Anteil  der 
Drehbewegung  an  der  Verschiebung  irgendeines  Punktes  dx{^—^)  is^j 
wenn  wir  einen  Vektor  dx  konstruieren,  der  in  der  augenblicklichen 
Drehachse  liegt,  so  daß  von  ihm  aus  gesehen  die  Drehung  links  herum 
erfolgt,  und  dessen  Größe  dx  ist. 

Also  erhalten  wir  die  Eulersche  Formel 


dr  ^  de  +  dx{r  —  c) 

als  auch  für  den  Raum  gültig. 

Definieren  wir  den  Vektor  der  Winkelgeschwindigkeit  durch 

-      dx 
dt  ' 
so  erhalten  wir  als 

Ausdruck  der  Geschwindigkeit  irgendeines  Punktes 

t;  =»  c  +  (o(r  —  c) . 
In  Koordinaten 

v,^c,  +  £ö,(r3  -  c,)  -  (o^(r^  -  c,), 
usw. 

Man  beachte  aber,  daß  es  im  Gegensatz  zur  Ebene  keinen  Winkel- 
vektor X  gibt,  dessen  Differential  dx  wäre  und  der  dazu  dienen  könnte, 
zusammen  mit  c  die  Lage  des  Systems  anzugeben.  D.  h.  man  kann 
keine  Funktion  x  ^^^  Eulerschen  Winkel  d-,  9,  ^  bestimmen,  so  daß 

dt-"" 
wäre.    Darüber  noch  einiges  später  (siehe  Nr.  265). 

Hftmel:  Elementore  MeohAnik.  26 


402  ^-   Räumliche  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  264. 

264.    Znsaminensetsung   unendlich   kleiner  Drehungen. 

Führen  wir  nacheinander  zwei  unendlich  kleine  Drehungen  um  verschie- 
dene Achsen  durch  einen  festen  Punkt  C  aus:  die  erste  fQhre  r  in 
f^^f  +  dr^j  die  zweite  r^  in  f^^^f^^  +  df^  über.  Welches  ist  das 
Gesamtresultat  ? 


Es  ist 


<^ri  ^^Xiir-^)* 


dr^^dx^ir^-c), 

^  <iXi(r-r)  +  dx.jr^- 

Also  ist  das  Gesamtresultat,  wenn  wir  c^;t2^^^i  ^^^  Glied  zweiter  Ord- 
nung fortlassen, 

df  =  dr^  +  df^  =  {dxi  +  <fXi)i:»'  -  ^) » 
d.  h.  es  ist  eine  Drehung,  deren  Achse  und  Drehwinkel  durch 

gegeben  ist. 

1,  Es  setzen  sich  also  die  Drehvektoren  dx  um  Achsen  durch  einen 
Punkt  0u  der  resultierenden  Drehung  wie  Vektoren  zusammen. 

Außerdem  sind  die  Drehvektoren  dx  sogenannte  ,,linienflüchtige'' 
Vektoren,  d.  h.  sie  gehören  nur  einer  Achse,  nicht  aber  einem  Punkt 
der  Achse  zu.     Mit  anderen  Worten: 

2,  Man  darf  die  Vektoren  dx  längs  üirer  Achse  verschieben, 

3,  Endlich  sind  unendlich  kleine  Bewegungen  miteinander  ver- 
""    tauschbar: 

Denn  ans 

dr^^dc^+dxiir-c^) 
und 

wo  Tj  =  r  +  dr^,  folgt  sofort  mit  Vernachlässigung  von  Gliedern  zwei- 
ter Ordnung  die  resultierende  Verschiebung 


dr  =  dr^  +  dr^  =  dc^  +  dc^  —  rf^i^i  —  (^Xt^i  +  i^Xx  +  ^Zs)*" 

eine  Formel,  die  bei  Vertauschung  der  Indizes  (1)  und  (2)  ungeändert 
bleibt.    (Für  endliche  Bewegungen  gilt  diese  Vertauschung  nicht I) 

Aus  diesen  drei  Sätzen  folgt  aber,  daß  sich  unendlich  kleine  Be- 
wegungen genau  so  zusammensetzen  wie  Kräfte,  Bei  dieser  Analogie 
entsprechen  den  Kräften  die  Drehvektoren  d'x,  den  Kräftepa^ren  die 
DrehpaarCy  d.  h.  die  Translationen. 

Denn   wir  wissen  ja   schon,  daß  sich  eine  Translation  stets  als 
ein   Drehpaar  auffassen   läßt  (siehe  Nr.  221).    Der  Eraftschraube 


Nr.  865.  §  46.   Geometrische  Kinematik  des  starren  Körpers.  403 

entspricht  die  Bewegungsschraube,  repräsentiert  jene  das  allge- 
meinste Eraftesystem  am  starren  Körper,  so  repräsentiert  diese  die 
allgemeinste  Bewegungsform  desselben.  Von  dieser  Analogie  rührt 
auch  der  Name  Kraftschraube  her. 

Wie  man  ein  Kräftesystem  auch  stets  auf  zwei  Kräfte  in  konju- 
gierten Graden  zurückführen  konnte  (siehe  §  27),  von  denen  man  eine 
willkürlich  wählen  durfte,  nur  nicht  so,  daß  es  eine  Nullgerade  war, 
so  kann  man  die  allgemeinste  Bewegung  auf  zwei  reine  Drehungen 
um  im  allgemeinen  windschiefe  Achsen  zurückführen. 

Die  Nullinien  des  Kraftsystems  hatten  die  Eigenschaft,  daß  für 
sie  das  Moment  der  Kräfte  yerschwindet,  die  Nullinien  des  Bewegungs- 
systems haben  entsprechend  die  Eigenschaft,  daß  die  Translation  ihrer 
Punkte  in  ihrer  eigenen  Richtung  NuU  ist. 

Auf  die  Zusammensetzung  endlicher  Bewegungen,  welche  den  An- 
laß zur  Schaffung  der  Quateniionentheorie,  der  Mutter  der  Vektor- 
analysis,  gegeben  hat,  können  wir  hier  nicht  mehr  eingehen.  Wir  ver- 
weisen auf  die  Literatur  (siehe  Nr.  134  von  §  27,  auch  auf  Nr.  235), 
besonders  auf  Heun,  Kinematik,  und  Klein- Sommerfeld,  Theorie 
des  Kreisels,  Bd.  1,  ein  Werk,  das  die  ganze  Theorie  der  räumlichen 
Bewegung  des  starren  Körpers  enthält,  und  das  daher  der  Leser  in 
erster  Linie  zur  Hand  nehmen  möge,  wenn  er  den  Stoff  dieses  Kapitels 
gründlicher  studieren  will.  Mit  der  Theorie  der  Schrauben  (theory 
of  screws)  haben  sich  noch  viele  Autoren  beschäftigt  (siehe  die  Literatur- 
ängabe  in  Nr.  134).  ^ 

266.  Ansdmok  des  Drehvekton  dx  durch  die  Diftoren* 
tiale  der  Bnlerschen  Winkel.  Eine  Änderung  dd  des  Winkels  ^ 
bei  festgehaltenem  ^,  tp  bedeutet  eine  Drehung  um  die  Knotenlinie, 
eine  Änderung  von  ^  eine  Drehung  um  die  jer'- Achse,  eine  Änderung 
von  (p  eine  Drehung  um  die  ;er -Achse.  Da  durch  (p,  if,  d"  die  Lage 
eindeutig  bestimmt  ist  —  bis  auf  eine  Translation  — ,  so  muß  eine 
gleichzeitige  Drehung  durch  J^,  d(py  d\lf  einer  aUgefdeinen  Drehung 
dx  äquivalent  sein  (siehe  Fig.  214). 

Seien  nun  x,  f,  T  Einheitsvektoren  in  der  Knotenlinie,  in  der 
ir-Achse  und  in  der  /-Achse,  so  ist  nach  dem  Satz  von  der  vektori- 
ellen  Zusammensetzung  der  Drehungen 

dl  =  xdd  +  idq)  +  sdil^,  (1) 

Zerlegen  wir  die  Gleichung  einmal  nach  dem  ruhenden  System  x,  y,  z^ 
so  erhalten  wir  mit  Berücksichtigung  der  Tabelle  von  Nr.  261 

dx,^  —  cosfpdd^  +  sin 9)  sin^  •  rf^ 


dx^  =  sin  tjprfd  —  cos  q>  sin  d^d^ 
^Xx  =  rfy  +  cos  0^  •  d^. 


(1') 


26 


404  ^*  Rftomliche  Bewegung  des  starren  Körpen.  Nr.  266. 

Aus  diesen  Formeln  sieht  man  sofort,  daB  es  keinen  Winkel  x^  z.  B. 
gibt    Denn  dann  müßte 

sein,  Yon  denen  die  beiden  letzten  Gleichongen  sich  widersprechen. 
Man  nennt  deshalb  o  und  seine  Komponenten  nichtholonome  6e- 
schwindigkeitsparameter  im  Gegensatz  zu  ^,  ip,  ^  z.  B.,  die  wirk- 
liche Differentialquotienten  von  Koordinaten  sind  und  die  wir  holo- 
nome  Geschwindigkeitsparameter  nennen  wollen.  Wohl  istgemäS 

a,  =  x^  +  «9: +  ä'^  (2) 

cj  eine  homogene,  lineare  Kombination  holonomer  Geschwindigkeits- 
parameter. 

Zerlegt  man  nach  dem  im  Körper  festen  System  xyB\  so  er- 
hält man 

d%^  «  cos  i^fd%  +  sin  ^  sin  ^  •  dfp 

dxy  =-  —  sin  ^d^  +  cos  4^  sin  ^dg)  (1") 

dx^,  =»  cos  ^  '  dq)  +  dilf,  J  *• 

266.  Ansohaiiliche  Darstellung  der  Bewegung.  Betrachten 
wir  zunächst  die  Bewegung  um  einen  festen  Punkt  C^  so  wird  im  all- 
gemeinen die  Drehachse  nicht  fest  sein,  sondern  im  Räume  sowohl 
wie  im  Körper  Kegel  beschreiben,  die  wir  Spurkegel  und  Polkegel 
nennen  wollen.  Wie  in  der  Ebene  Spurkurve  und  Polkurve,  so  wer- 
den sich  die  beiden  Kegel  stets  (längs  einer  Erzeugenden)  berühren 
und  aufeinander  abrollen,  ohne  zu  gleiten. 

Sind  zufällig  beide  Kegel  Kreiskegel,  so  nennt  man  die  Bewegung 
eine  Präzessionsbewegung.  Beispielsweise  hat  sich  aus  den  un- 
regelmäßigen Schwankungen,  welche  die  Drehachse  der  Erde  in  dieser 
und  im  Weltraum  vollführt,  eine  Präzessionsbewegung  herausschälen 
und  mechanisch  erklären  lassen,  die  den  Hauptanteil  der  räumlichen 
Bewegung  ausmacht  (die  sogenannte  reguläre  Präzession  der  Erde): 
der  Spurkegel  hat  eine  Öffnung  von  etwa  23 y^^,  wohingegen  der  Pol- 
kegel sehr  klein  ist:  der  Radius  seines  Durchschnittes  mit  der  Erde 
beträgt  etwa  27  cm.  Dementsprechend  ist  die  Umlaufszeit  des  einen 
Kegels  auf  dem  andern  sehr  groß:  sie  beträgt  rund  26000  Jahre. 

Diese  reguläre  Präzessionsbewegung  bewirkt  die  Änderung  des 
Polarsterns  und  das  Vorrücken  des  sogenannten  Frühlingspunktes,  d,  h. 
der  Schnittlinie  der  Aquatorebene  mit  der  Erdbahnebene  (der  soge- 
nannten Ekliptik).  Nehmen  wir  die  xy- Ebene  als  Ekliptik,  die  /-Achse 
als  Erdachse,  so  ist  in  Figur  214  £^  der  Frühlingspunkt,  er  läuft  tat- 
sächlich um,  wenn  sich  die  /-Achse  im  Kreise  um  die  jer -Achse  bewegt. 


Nr.  267. 


§  47.   Kinematik  der  Belativbewegaiig. 


406 


Der  Drehpol  schwankt  auf  der  Erde  in  einem  Gebiete  von  ca.  8  m 
Dnrchmesser  unregelmäßig  hin  und  her.  Immerhin  hat  sich  daraus 
noch  eine  zweite  periodische  Bewegung  erkennen  lassen:  die  Chand- 
1  ersehe  Polbewegung  mit  der  Periode  von  etwa  427  Tagen.  Über 
ihre  mechanische  Erklärung  siehe  Elein-Sommerfeld^  Bd.  III. 

Fassen  wir  nun  die  allgemeine  räumliche  Bewegung,  d.  h.  eine 
Schraubenbewegung,  ins  Auge,  so  wird  die  Schraubenachse  im  allgemeinen 
auch  nicht  fest  sein,  sondern  im  Räume  sowohl  als  im  Körper  eine 
Begelfläche  beschreiben.  Beide  Begelflächen  berühren  sich  in  jedem 
Augenblicke  längs  einer  Erzeugenden,  der  momentanen  Schraubenachse; 
und  da  die  Bewegung  in  einer  Drehung  um  diese  Erzeugende  und 
einem  Gleiten  längs  derselben  besteht,  so  werden  die  beiden  Regel- 
flächen aufeinander  abschroten,  wie  man  sagt,  d.  h.  es  wird  ein 
Bollen  um  die  Erzeugende  sein  mit  einem  gleichzeitigen  Gleiten  längs 
derselben. 


%  47.    Kinematik  der  Relatiybewegung. 

267.  Zusammenhang  der  Gtoechwlndigkeiten.  Wir  betrach- 
ten einen  beweglichen  Punkt  P  einmal  vom  absoluten  Raum  aus  — 
sein  Ortsvektor  sei  f  — ,  dann  von  einem  selbst  bewegten  Körper  aus. 
C  sei  ein  in  diesem  Körper  fester  Punkt,  den 
Vektor  CP  bezeichnen  wir  mit  s.  Unter  der 
Relatiygeschwindigkeit  des  Punktes  P 
verstehen  wir  dann  die  Änderungsgeschwindig- 
keit des  Vektors  Sy  so  wie  sie  von  einem 
mit  dem  bewegten  Körper  fest  verbundenen 
System  erscheint  Wir  schreiben  diese  Relativ- 
geschwindigkeit : 


Fig.  216. 


Die  Komponenten  dieses  Vektors  nach  den  im 
Körper   festen   Achsen   x\  y\  e    sind    keine 

anderen  als   ,^  ,  -y-,    ,  •     Mit  dem  deutschen 
dt  '    dt  '   dt 

Buchstaben  b  zeigen  wir  nur  an,  daß  bei  der  DiiSerentiation  des  Vek- 
tors auf  die  Drehung  des  Koordinatensystems  x'yg'  keine  Rücksicht 
genommen  wird. 

Unter  Führungsgeschwindigkeit  verstehen  wir  die  Geschwin- 
digkeit v^  desjenigen  Punktes  des  führenden  Körpers,  der  sich  gerade 
an  derselben  Stelle  wie  P  befindet;  sie  ist  also  nach  der  Eulerschen 
Formel 

Wir  haben  nun  früher  schon  (Nr.  29)  das  auch  anschaulich  einleuch- 


406  X.   Räumliche  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  268, 269. 

tende  Resultat  bewiesen,  daß  die  absolute  Geschwindigkeit  die  geo- 
metrische Summe  aus  der  relativen  und  der  Führungsgeschwindig- 
keit  ist: 

t?  =•  v^  +  f ^ 
oder 

208.  Absolute  und  relative  Änderung  eines  ▼ektors.  Wir 

können  die  Formel  {D  der  vorigen  Nummer  so  schreiben: 

ds  b«      ,      -  ,TT\ 

d?  -  bf  +  "*'  w 

weil 

^  =»  r  —  e 

ist.  Die  Formel  (II)  sagt  aus,  in  welcher  Beziehung  die  absolute  und 
die  relative  Anderungsgesch windigkeit  ein  und  desselben  Vektors  s  zu 
einander  stehen.  Diese  Formel  gilt  für  irgendeinen  Vektor  «f,  es  ist 
immer 

d7T      b./   ,       r 

dt  =  ü+  ^''i 

denn  mau  kann  ja  durch  den  mit  der  Zeit  veränderlichen  Vektor  J  stets 
einen  Punkt  P  definieren,  indem  man  j  von  C  aus  abträgt  und  / 
als  Ortsvektor  für  P  auffaßt.  Man  sieht  aus  der  Formel,  daß  für 
einen  Vektor  die  Translation  gar  nichts  ausmacht,  natürlich,  denn 
parallele,  gleiche  und  gleichsinnige  Vektoren  gelten  ja  als  gleich.  Da- 
gegen wird  sich  ein  Vektor  gegen  ein  sich  selbst  drehendes  System 
ganz  anders  ändern  als  gegen  ein  ruhendes. 

269.  Die  Beeohleunigung.    Wir  wenden  das  Resultat  der  vori- 
gen Nummer  auf  den  Vektor  der  Kelativgeschwindigkeit  an  und  erhalten 

dv^       hvr   ,      -        b*«   ,       b«  X-. 

wobei  natürlich 

^^-b?r 

als  Relativbeschleunigung  zu  bezeichnen  ist.  Andererseits  folgt 
durch  Differentiation  der  Formel  aus  Nr.  267 

'^  =  dt'^'dT+-dJ'  (2) 

Da 

Vy^c  +  (o(r  —  c)  =-  c  +  rai 


Nr.  369. 


§  47.   Kinematik  der  Relativbewegung. 


407 


j  ei^ibt  sich 


> 


dVf 
dt 


?  +  ÖS  +  «0 


äs 
dt 


=  C  +  0)5  +  (0{(D8)  +  O 


ht 


Die  drei  ersten  Glieder  zusammen  stellen  die  Beschleunigmig  des- 
jenigen Koi-perpunktes  dar  (siehe  Nr.  2S3^)),  der  sich  gerade  an  der 
Stelle  von  P  befindet^  sind  also  zusammen  als  Fühmngsbeschleuni- 
gung  tr^  zu  bezeichnen,  so  daß 


dVf       _     ,        hs 
-57-«'/  +  '»  b* 


(3) 


wird.    Nehmen  wir  die  Formeln  (1),  (2),  (3)  zusammen,  so  bekommen 
wir  das  Resultat: 

w  «  ir^  +  i^^  -h  w^,  (III) 


r>8 


wo  «7p  eine  Abkürzung  für  2ioVr  ^2(o^  ist  und  nach  Coriolis  be- 
nannt wird,  der  zuerst  auf  die  Bedeutung  dieses  Gliedes  aufmerksam 
gemacht  hat. 

Ausführlich  heißt  die  Formel 


d*r      b*» 
dt*  " 


bs 


^^t  +c  +  co(r  —  c)  +  <o{<o{r  —  c)  +  2g}^^, 


wobei  s  «—  r      c  ist. 

Beispiel:  Bei  der  Erde  liegt  ö)  in  der  Erdachse  nach  Norden, 
da  sie  sich  Ton  West  nach  Ost  dreht.  Infolgedessen  liegt  w^  stets 
senkrecht  zu  (o,  d.  h.  stets  in  der  Ebene 
des  Parallelkreises.  Die  Coriolisbeschleu- 
nigung  ist  bei  der  Erde  nur  Null,  wenn 
die  Relativbewegung  auf  den  Polarstern 
zu-  oder  von  ihm  weggerichtet  ist,  ab- 
gesehen von  dem  trivialen  Falle  der 
Ruhe.  Bewegt  sich  ein  Punkt  auf  dem 
Meridian  nach  Norden  auf  der  nördlichen 
Halbkugel,  so  liegt  w^  nach  Westen 
und  es  ist 

tv^  —  2cjv^  sin^, 

wenn  ß  die  geographische  Breite  bedeutet. 
Fällt  ein  Körper  vertikal  herab,  so 
ist  td^  ebenfalls  nach  Westen  gerichtet, 
doch  ist  die  Größe  firsi-. 


1)  Die  dortige  Formel  gilt  deshalb  aach  für  den  Raam,  weil  die  Eulersche 
Formel  es  tut. 


408  1.  BäwKrfce  Bevcgu^  da  siMxm  Kfirpcn.  &.270. 

da  •  -^  der  Winkel  zwischen  «  nnd  r,  ist 

Aufgaben:  120.  Wie  liegt  «-,  und  vie  gio6  ist  Ow  vom  ndi  ein  Punkt 
sof  der  Erde  too  Weet  nftdi  Ost  bevegt? 

121.  Mjui  leite  die  Reeoltnte  von  Kr.  31  sos  den  allgemeiBes  Bcsnttatea 
dietee  Pangnpben  nb. 

§  48«  Miuflenkinenatik  des  sUrreii  Korpers. 


370.  Bie  Uaetinhe  Bntrgte.  Aufgehe  dieaag  Pmmgraphi 

wird  es  sein,  die  Beziehung  zwischen  dem  Idnetiech  wichtigen  Impnls- 
▼ektor  J  «»  i^dmrv  nnd  dem  anschaolidi  klaren  a,  dem  Vektor  der 
Winkelgeschwindigkeit  herzustellen.  Die  Yermittlang  wird  die  kine- 
tische Energie  übernehmen.  Wir  beschäftigen  nns  also  zunächst  mit  ihr. 
Die  allgemeine  Definition  der  kinetischen  Energie  eines  beUebigen 
Systems  war 

Nnn  war  aber  ffir  den  starren  Korper  nach  der  Enlerschen  Formel 
(siehe  Nr.  263) 

Setzen  wir  das  in  die  allgemeine  Formel  far  E  ein,  so  erhalten  wir 

j&  «      mc'  +  K^dmc  -  as  +  ^  K^dmms^, 

Das  erste  Glied  werden  wir  als  Energie  der  Translationsbewegun^ 
bezeichnen  dQrfen:  E^,  denn  es  berechnet  sich  so,  als  wäre  nur  die 
Translation  c  da;  das  letzte  Glied 

E^^  —  ^dmG}8^ 

werden  wir  ebenso  Botationsenergie  nennen  dQrfen.   Das  Mittelglied 

enthält  sowohl  c  als  auch  ä  und  läßt  sich  yermöge 

S^wi5  =  ms* 
auf  die  Form  bringen 

mc  •  (OS*. 

£b  verschwindet  u.  a.  in  dem  besonders  wichtigen  Falle,  daß  s*^0 
ist,  d.  h.  daß  wir  den  Schwerpunkt  S  zum  Translationspunkt  C  wählen. 


Nr.  S70.  §  48.   MaBsenkinematik  des  starren  Körpers.  409 

Machen  wir  den  Sditcerpunkt  S  zum  TranskUionspunH,  was 
wir  stets  tun  dürfen,  so  ist  die  gesamte  kinetische  Energie  die  Summe  aus 

^  1  ri  

der  Translationsenergie  y  wr**  und  der  Rotationsenergie  yörfmoi«*. 
Anderenfalls  kommt  noch  das  Glied  mc  -  cjs*  hinzu. 

Beschäftigen  wir  uns  nun  noch  mit  der  Rotationsenergie 

E^^—^dmäs\ 

Man  kann  die  Drehbew^ping  in  jedem  Angenblick,  was  die  Geschwin- 
digkeit angeht,  als  eine  ebene  Bewegung  um  eine  bestimmte  Achse 
aaffassen  (siehe  Nr.  262);  demnach  ist  nach  Nr.  244 

£,={r<  (1) 

wo  T  das  Trägheitsmoment  um  die  augenblickliche  Drehachse  bedeutet. 
Ist  also  diese  nicht  fest,  so  wird  auch  T  variabel  sein. 

Nehmen   wir   nun   irgendein  Achsensjstem   C^y,,   so  war  nach 
Nr.  248,  249 

T  —  T,  cos*  a  +  Ty  cos^  ß  +  T^  cos*  y  —  22),  ^  cos  a  cos  ß 

—  2Dy ,  cos  ß  cos  y  —  2D. ,  cos  a  cos  y, 

wenn  a,  ßy  y  die  Richtungswinkel  der  Drehachse,  also  auch  die  von 
{3  sind,  und  da  demnach  m  die  Komponenten  o, »  o  cos  a  usw.  nach 
denselben  Achsen  hat,  so  ergibt  sich  aus  (1)  und  (2) 

Nimmt  man  als  Achsen  speziell  die  Hauptachsen  mit  den  Haupttrag- 
heitsmomenten  A^  B,  (7,  so  wird 

E,-|Ua,/  +  i?«,/+Ca,,»).  (I') 

Trägt  man  auf  allen  möglichen  Achsen  durch  den  Punkt  ü  einen 
Vektor  -       -.  ci  auf,  so  erfüUen  die  Endpunkte  dieses  Vektors  eine 

Fläche  mit  der  Gleichung 

T^x*  +  Ty  +  T^i?  -  2D^^^xy  -  2D^^^yz  -  2D^^,zx  ^  const. 

und  diese  ist  keine  andere  als  das  Trägheitsdlipsoid. 

Man  erkennt  dies  sogleich  als  richtig,   wenn  man  Gleichung  (1) 
durch  E^  dividiert,  beachtet,  daß  der  Vektor         -  cd  die  Komponenten 


410  ^-  Räumliche  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  271 

^ «--___   oj    ugy^.  hat  und  nun   die  entstehende  Gleichuns^  mit  der 

des  Tragheitsellipsoides  (Nr.  248)  vergleicht. 

Aufgabe  122:  Man  leite  die  Gleichung  (I)  durch  direkte  Ausrechnung  aus 
£^=  --  ^dmm8^  ab,  indem  man  in  diesen  Ausdruck  rechtwinklige  Komponenten 
einfuhrt. 

271.  Die  Beiiehung  zwischen  J  und  TS,    Variieren  wir  in 

63  um  öfOj  so  wird 

oder  nach  der  Yertauschungsformel  (siehe  Anhang  I,  6) 

dE^  =  d(ö  •  ^dms{ios) .  (1) 

Nun  war  aber,  bezogen  auf  den  Schwerpunkt  oder  einen  festen  Punkt 

J  =^  ^dmsVy 

wobei  für  v  allein  die  Geschwindigkeit  relativ  zum  Schwerpunkt  (bzw. 
festen  Punkt)  gesetzt  werden  durfte,  d.  h. 

V  «  cos . 
Also  ist 

J  *=  ^dma{(os) , 
Vergleichen  wir  das  mit  (1),  so  erhalten  wir 

dE^^diO'J 
und  da  dies  für  alle  dlo  gilt,  J  aber  davon  unabhängig  ist, 

J  =  ^^f  =  grad£,.  (U) 

Damit  ist  die  Hauptaufgabe  dieses  Paragraphen  gelöst. 
In  rechtwinkligen  Komponenten  heißt  diese  Formel 

,=  ^  '^     usw. 

oder  unter  Berücksichtigung  von  (I)  der  vorigen  Nummer 

Für  die  Hauptachsen: 

J^-Äa,,;    J,~Bw^',    J.-Cm,.  (U") 


Nr.  272. 


§  48.   Massenkinematik  des  starren  Körpers. 


411 


Man  erkennt  aus  diesen  Formeln  wiederum,   inwiefern    das  Schema 
der  Koeffizienten 


-B 


«ly 


-D 


y.* 


X.» 


yi» 


-D  —2)  T 

den  Namen  einer  (symmetrischen)  Dyade  verdient  (vgl.  Nr.  205). 

272.  Geometrische  Teranscliaiiliohung  dieser  Bestehnng. 

Bezeichnen   wir   die   linke  Seite   der  Gleichung   der  Trägheitsellipse 
wieder  mit  F{r)y  so  unterscheidet  sich  nach  (IF) 

r       dE^  dF 

J  =   ^_      von      X- 
0(0  dr 

nur  durch  den  skalaren  Faktor      -  _  ,  um  den  sich  auch  cd  und  f 

V2E/ 

unterscheiden  (vgl.  Nr.  250).    Also  ist  auch 

dF 


J  hat  also  dieselbe  Richtung  wie   x.  . 

Nach  Nr.  250  steht  also  J  geometrisch  mit  w  in  folgender  Be- 
ziehung: 

Betrachtet  man  den  Durchstoßpunkt  Sl  der  Drehachse  mit  dem 
TrägheitseUipsoid  um  den  Drehpunkt  C,  der  ein  fester  Punkt  sei  oder 
der  Schwerpunkt  S,  so  ist  der  zugekiirige  Vektor  GH.  in  einem  be- 
liebigen Maßstab  gleich        ^  ;  aieht  man  an  das  EUipsoid  in  U  die 

Tangentialebene,  und  fällt  von  C  das  Lot  auf  diese,  so  gibt  die  Rich- 
tung des  Lotes  die  Richtung  des  Im- 
pulsvekio^rs  und  die  Länge  des  Lotes  ist 

«'      ^-<^--^        -.-    \  >  '"  proportional. 


Flg.  S18. 


Flg.  219. 


Man  erkennt  daraus,  daß  nur  für  eine  Hauptachse  J  und  ö5  der 
Richtung  nach  zusammenfallen. 


412  X-  Räumliche  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  278 . 

Das  folgt  auch  sofort  aus  unseren  Formeln  (ü'),  die  nicht  nur 
für  im  Körper  feste  Achse  gelten.  Legen  wir  die  o^-Achse  in  die 
Drehachse,  sodaß  cd,—  ©,  cDy=ai,— «0,  so  wird 

woraus  mao  sieht,  daß  Tcd  nur  die  Komponente  des  Impulsvektors 
nach  der  Drehachse  ist,  im  allgemeinen  aber,  wenn  die  Drehachse 
keine  Hauptachse  ist,  nicht  der  ganze  Impulsvektor. 

Für  ein  Rotationsellipsoid  liegen  m  und  J  immer  in  einer 
Meridianebene:  bei  einem  gestreckten  liegt  cj  zwischen  der  Symmetrie- 
achse und  JT,  bei  dem  abgeplatteten  ist  es  umgekehrt. 

273.  Weitere  Beslehimgen  swiachen  Mr%  J  und  öT.    Aus 

folgt  vermöge  der  Vertauschungsformel 
oder 

K-\^-3.  (1) 

Diese  Hilfsformel  kann  auch  aus  der  Eulerschen  Formel  für  die  homo- 
gene Funktion  zweiten  Grades  £^(ö)  gewonnen  werden.  Das  mag 
der  Leser  selbst  tun. 

Durch  Differentiation  folgt  aus  (1) 

dt  ^Y^*  e/r+  -^-dl'^'  (1) 

Andererseits  ist  die  vollständige  Änderung  von  E^  bei  gleichzeitiger 
Änderung  von  s  und  (o 

Nun  ist  aber  nach  der  Eulerschen  Formel 

(Is  =^as  '  dt 
und  also 


(OS  •  (ods  =  (OS  •  (o{(os)dt  —  0, 
denn  ä  -ba  ist  immer  null. 


Nr.  21 H.  §  48.   MaBsenkinematik  des  starren  Körpers.  413 


Somit  bleibt 

oder 

dE^  = 

'  t^dmcas  •  das  — 
dt   =««^- 

'  d(o 

J 

Vergleichen  wir 

(V)  mit 

(2),    80 

erhalten 

wir 

sofort 

lind 

(0  •  J  " 

dE^ 

dt    ' 

• 

^  J '  (0 

dJ 
^"^'dt' 

(2) 


(III) 

Die  Symmetrie,  welche  nach  (1),  (2),  (III)  zwischen  cd  und  J  besteh t, 
geht  noch  weiter. 

Man  kann  die  Formeln  (II)  der  Nummer  271  nach  J  offenbar 
auflösen  —  es  erhellt  auch  aus  der  geometrischen  Yeranschaulichung 
in  Nr.  272,  daß  zu  jedem  J  eindeutig  ein  o  existiert  —  und  infolge- 
dessen E^  als  eine  homogene  quadratische  Funktion  von  J  darstellen. 
Es  besteht  dann  die  zu  (11)  symmetrische  Gleichung 

_        dE  {J)  n\r\ 

a> ^.  (IV) 

Wir  beweisen  gleich  den  allgemeinen  Satz: 
Ist  E(c}^ . . .  (ö  J  eine  Funktion  von  co^ . . .  co^  der  Art,  daß  man 
die  Gleichungen 

nach  den  cd  auflösen  kann  und  drückt  man  die  Größe 

L  =  ^J,o^,-E  (b) 

als  Funktionen  tou  J^  aus,  so  ist 

Zum  Beweise  bilde  man  von  (b)  das  yoUständige  Differential: 

2"  fi  ^'^^  -  2'  ^'^^'^^ +2'^*^'"^ -21^,  '*"'• 

Nach  (a)  heben   sich   die  beiden  letzten  Summen  fort   und  es  bleibt 

woraus,  da  man  die  dJ^  als  unabhängige  Differentiale  ansehen  muß, 
die  Gleichungen  (c)  folgen. 


414  ^-  Ränmliche  Bewegniig  des  starren  Körpers.  Nr.  274. 

In  unserem  Falle  ist  Termoge  (1) 

und  damit  der  Satz  IV  mit  bewiesen. 

Wir  werden  von  dem  Satz  IV  keinen  Oebrauch  machen,  doch 
ist  er  f&r  die  analytische  Weiterbildung  der  Mechanik  doreh  die 
Mathematiker  des  19.  Jahrhunderts  fundamental  geworden.  (Literatur 
siehe  Nr.  105.) 

Der  Anfanger  wolle  beachten ,  daß  die  Beziehungen,  die  wir  in 
diesem  Paragraphen  entwickelt  haben,  rein  mathematische  Folgerungen 
aus  den  Definitionen  darstellen  und  noch  keine  naturwissenschaftliche 
Tatsache  enthalten. 

Aufgabe  128:  Man  stelle  zu  E^,  J  und  a  in  Analogie:  E^=^  —  m^*;  mv 

Tu 

und  V  und  zeige,  daß  alle  Gleichungen  dieses  Paragraphen  ((U)  aus  Nr.  271,  (1), 
(2),  (III),  (lY)  aus  dieser  Nummer)  auch  zwischen  Et,  mr,  v  entsprechend  gelten. 

Als  Lehrbuch  der  Massenkinematik  kommt  in  erster  Linie  Heun, 
Kinematik  in  Frage;  doch  findet  man  das  Wichtigste  natürlich  in 
allen  Lehrbüchern,  welche  die  Bewegung  des  starren  Korpers  im  Räume 
behandeln. 

§  49.  Kinetik  des  einzelnen  starren  Korpers. 

274.  Die  Bewegiingsgleiohunffen.  Der  einzelne  freie  starre 
Körper  hat  sechs  Orade  der  Freiheit:  wir  werden  also  auch  sechs 
skalare  Gleichungen  brauchen,  welche  gestatten,  seine  Bewegung  aus 
den  äußeren  Kräften  zu  bestimmen.  Als  solche  Gleichungen  können 
der  Schwerpunkts-  und  der  Momentensatz  dienen:  Beziehen  wir  letzteren 
auf  den  Schwerpunkt,  so  lauten  die  Gleichungen 

wu;*«Srf^-  (I) 

^^^^Vdk^M,.  .11) 

Das  sind  die  erforderlichen  zwei  vektoriellen,  d.  h.  sechs  skalaren 
Gleichungen. 

Dürfen  wir  die  äußeren  Kräfte  als  schlechthin  gegeben  ansehen, 
so  reguliert  die  erste  Gleichung  die  Bewegung  des  Schwerpunktes, 
—  über  sie  ist  nichts  Neues  mehr  zu  sagen  —  die  letztere  die  Be- 
wegung um  den  Schwerpunkt.  Denn  J  hängt  ja  nach  den  Ergeb- 
nissen des  vorigen  Paragraphen  direkt  mit  io  zusammen. 

Kinematisch  erscheinen  die  Aufgaben:  die  Bewegung  des  Schwer- 
punktes und  die  Drehung  um  den  Schwerpunkt  zu  bestimmen,  voll- 
ständig getrennt  zu  sein;  dynamisch  wird  das  allerdings  nicht  immer 
der  Fall  sein:  £s  kann,  wie  z.  B.   beim  Luftwiderstand,  die  Summe 


Nr.  275.  §  49.   Kinetik  des  einzelnen  starren  Körpers.  415 

der  äußeren  Kräfte  noch  von  der  Stellung  und  Bewegung  um  den 
Schwerpunkt  abhängen  (infolgedessen  Einfluß  der  Rotation  auf  die  Be- 
wegung eines  Geschosses^  eines  Tennisballes),  ebenso  kann  aber  auch 
M,  von  der  Lage  und  Bewegung  des  Schwerpunktes  abhängen. 

Wir  beschäftigen  uns  zunächst  mit  der  kräftefreien  Drehbewegung. 

276.  Die  krftftefreie  Drehbewegnng.  Wir  nehmen  an,  daß 
entweder  bezogen  auf  den  Schwerpunkt  Jf,»0  sei,  was  z.  B.  beim 
freibeweglichen  Körper  der  Fall  sein  wird,  wenn  wir  vom  Luftwider- 
stand absehen  und  wir  nur  die  Schwere  als  räumlich  verteilte  Kraft 
wirken  lassen,  oder  daß  das  Moment  in  bezug  auf  einen  festen  Punkt 
verschwindet,  daß  also  der  Körper  etwa  um  den  Schwerpunkt  wider- 
standsfrei drehbar  unterstützt  sei,  etwa  auf  einer  freien  Nadelspitze 
balanciere. 

Dann  gibt  die  Momentengleichung  (II)  sofort 

J  =  C , 

der  Impulsvektor  ist  bei  der  kräftefreien  Drehbewegung  Jcanstcmt  nach 
Größe  und  Richtung. 

Da  nach  Gleichung  (III)  des  vorigen  Paragraphen 


ist,  so  ist  auch 


dE^  dJ 

It^'^'  dt 


dt    ~^' 
E,=  h 


auch  die  Rotationsenergie  bleibt  konstant 

Nehmen  wir  nun  die  anschaulichen  Ergebnisse  von  Nr.  272  zur 
Hilfe,  so  können  wir  uns  danach  sofort  eine  Vorstellung  von  der 
kräftefreien  Bewegung  machen: 

Weil  J  festbleibt,  so  bleibt  auch  die  Tangentialebene  an  das  Trag- 
heitsellipsoid  im  Punkte  Sl  sich  selbst  parallel;  da  fei*ner  J  und  E^ 
konstant  sind,  so  bleibt  auch  der  Abstand  vom  Schwerpunkt  (Mittel- 
punkt des  Ellipsoids)  fest,  mit  andern  Worten:  die  fragliche  Tangential- 
ebene bleibt  vollkommen  in  Ruhe.  Man  nennt  sie  deshalb  die  in- 
variable Ebene. 

Sie  wird  nach  ihrer  Bedeutung  ständig  vom  Trägheitsellipsoid  be- 
rührt und  zwar  in  einem  Punkt  ü,  der  zur  Drehachse  gehört,  der 
also  keine  Geschwindigkeit  hat.    Mit  andern  Worten: 

Die  Bewegung  erfolgt  so,  daß  das  Trägheitsellipsoid  auf  einer 
festen  Ebene  abrollt,  ohne  zu  gleiten.  Die  Lotrichtung  auf  diese  feste 
Ebene  ist  die  konstante  Riclitung  des  Impulsvektors. 


416 


X.  Bftnmliche  Bewegung  des  starren  Körpers. 


Nr.  97«, 


Versachen  wir  uns  die  Bew^ang  TorzusteileiL  Nehmen  wir  zu 
dem  Zwecke  znnachBt  an,  das  Ellipsoid  sei  ein  Botationsellipsoid. 

Um  den  Polkegel  zu  finden,  haben  wir  an  das  Ellipeoid  die  Tan- 
gentialebenen konstanter  Entfernung  (  ^  j—\  zu  legen.   Diese  Ebenen 

liegen  offenbar  symmetrisch  um  die  Figurenachse  (Symmetrieachse), 
der  Polkegel  ist  also  ein  Ereiskegel  um  die  Symmetrieachse.  Des- 
halb  bleibt  weiter  die  Länge  SSt  konstant    Und  da  sie 


V2^r 


pro- 


portional ist  und  E^  konstant  ist^  so  bleibt  auch  o  der  Größe  nach 
konstant.  Den  Spurkegel  endlich  werden  wir  finden  j  wenn  wir  die 
Punkte  der  invariabeln  Ebene  suchen,  welche  konstante  Entfernung 

-7^,    von  S  haben.    Sie  liegen  natürlich  in  einem  Kreise,  um  den 

Fußpunkt  Yon  J  ^  also  ist  der  Spurkegel  ebenfalls  ein  KreiskegeL 

Ist  das  TrägheiiseUipsoid  ein  BotcUionseUipsoidy  so  ist  die  kräffe- 
freie  Drehbewegung  eine  Präzessionsbewegung:  der  Spurhegd  hat  J 
zur  Mittelachse,  um  J  laufen  die  Drehachse  mit  konstantem  <o  und  die 
Kreiselachse  {Symmetrieachse)  im  Kreise  herum.     Ist  das  Botations- 

ellipsoid  verlängert,  so  läuft  der  PoQcegd 

auf  dem  Spuriegel  ah  (Fig.  220  a),  beim 

rJ      ahgqfilatteten  RcdationseUipsoid  ummantelt 

der  PoUcegd  den  Spurhegd  (Fig.  220  b). 


Fig.  »Oa. 


Fig.  880  b. 


276.  Fortsetsimg.  Ist  das  Trftgheitsellipsoid  kein  Ro- 
tationsellipsoid, so  kann  der  Polkegel  in  folgender  Weise  gefunden 
werden: 

fP  —  const.  gibt,  wenn  wir  die  Hauptachsen  zugrunde  legen 

^.*+e7-/+e7-/«const. 
oder  nach  Nr.  271 

A^(D^^  +  B*o/  +  C«o,*  -  const. 

Seien  x,  y,  e  die  Koordinaten  des  Punktes  ü,  so  ist  (o^^  x  *  y2E^  usw. 
und  da  E^  konstant  ist,  so  haben  wir  auch 


A^x^  +  B^  +  C^z*  -  const. 


a' 


n) 


Nr.  276.  §  49.   Kinetik  des  einzelnen  starren  Körpers.  417 

Dazu  kommt  die  Gleichung  des  EUipsoids 

Ax^+  By^  +  Gz^  -  const.  «  h .  (2) 

Die  Oleichungen  (1)  und  (2)  zusammen  bestimmen  eine  Kurve  vierter 
Ordnung^  die  Bahn  des  Pimktes  Sl  auf  dem  Ellipsoid. 

Den  Polkegel  bekommen  wir,  wenn   wir  (1)  mit  A  und  (2)  mit 
a^  multiplizieren  und  beide  dann  voneinander  abziehen: 

{hA^^a^A)x'+{hB^-a'B)y^+(hC^-a^C)z'^  0.         (I) 

Der  Pcikegd  ist  ein  elliptischer  Kegel. 

Der  rr-Achse  möge   die   größte,    der  y-Achse   die  mittlere,   der 
jer-Achse  die  kleinste  Hauptachse  entsprechen,  dann  ist 

A<B<C, 

weil  die  Hauptachsen  YA  usw.  umgekehrt  proportional  sind. 

Dann  muß  —  es  ist  dies  eine  Beschränkung  der  Konstanten  a^  — 

hA'-a^A<0,    hC^-aOO 
sein,  damit  der  Kegel  reell  wird,  denn  es  ist  sicher 

hA^-  a^A  <  hB^-  a^B  <  hC^-  a'C 
—  anderenfalls  wäre  z.  B.  hB^—  a^B  <ihA^—  a^A,  so  wäre 

h{B^-  A^)  -  a\B-  A)<0 

und  wegen  B>  A  auch  h{B+  A)  —  a^  <  0,  also  a^  >  h{B -\-  A)  und 
wegen  B  -{-  A^  C  (siehe  Nr.  247)  a*>  hC,  der  Kegel  also  sicher 
nicht  reell,  weil  alle  Koeffizienten  von  (I)  negativ  würden  —  und  da- 
mit (I)  nicht  lauter  positive  oder  lauter  negative  Koeffizienten  hat, 
muß  der  größte  positiv,  der  kleinste  negativ  sein. 
Nun  sind  drei  Fälle  denkbar: 

JiB^-a'B^O. 

Nehmen  wir  zunächst  den  Zwischenfall:  A5—  a*=«  0,  so  zerfällt  (I) 
das  jetzt  die  Form  hat: 

-  A{a^  -  h  A)x^  +  C(h  C  -  a')z'  =  0 

in  zwei  Ebenen, 

X  ^       -i/CihC  —  a^ 
z    ~  -^V  Ä{a^  —  hA) 
oder  wegen  a^^hB 

z      ^  V  aCb—'ä)' 

die  sich  in  der  y-Achse  kreuzen. 

Hamel:  Bl«m«iiUre  Mechanik.  27 


418 


X.  Bänmliche  Bewegung  det  etairen  Körpen. 


Nr.  277. 


Dieser  Fall  trennt  die  beiden  andern  nnd  sonach  werden  die  mög- 
lichen Gestalten  der  Bahnkurve  for  Sl  anf  dem  EUipsoid  die  folgenden  sein : 

In  dem  Falle  hB*-a*B>0  ist  der  Polkegel 
ein  elliptischer  E^el  nm  die  j;-Achse,  denn  die 
Koeffizienten  von  y'  und  g*  haben  gleiches  Zeichen, 
die  Bahnkurve  von  Sl  ist  eine  geschlossene  Knrve 
um  das  lange  Ende  des  EUipsoides.  In  dem  Falle 
AJ?'— a'£<0  ist  der  Polkegel  ein  elliptischer 
Kegel  um  die  jp-Achse^  die  Bahnkurve  von  Sl  eine 
geschlossene  Kurve  um  das  kürzeste  Ende  des 
EUipsoides.  In  dem  Falle  hB^  -a^B^Q  zerfaUt 
die  Bahn  in  zwei  ebene  Kurven  durch  die  mittlere 
Achse  (Fig.  221). 

Die  Winkelgeschwindigkeit  wird  im  allgemeinen 
Fl«.  »1.  Falle  keineswegs  konstant  sein.    Denn  es  ist 

o»-  2i;.  S仫  2£X^  +  y«  +  ^*), 

es  schwankt  aber  x^+  y^  +  s^  zwischen  zwei  Extremen  hin  und  her, 
die  man  aus  (1)  und  (2)  leicht  ausrechnen  kann.  Das  gleiche  tut  also  o. 
Um  den  Spurkegel  zu  bestimmen,  berechnen  wir  die  Entfernung  r 
des  Punktes  £1  von  dem  Durchstoßpunkte  H  des  Impulsvektors  mit 
der  invariablen  Ebene.    Ist  die  feste  Strecke  SH  gleich  h^  so  ist 


d.  h. 


Es  schwankt  also  auch  r  zwischen  einem  größten  und  einem  kleinsten 

Werte  hin  und  her.  Im  allgemeinen  wird  die 
Spurbahn  von  Sl  in  der  invariablen  Ebene  nicht 
geschlossen  sein,  sich  vielmehr  zwischen  zwei 
konzentrischen  Kreisen  von  den  Radien  r^Ma.  und 
rmin  um  H  hin-  und  herschlängeln.  Daher  der 
Name  Herpolhodie  oder  Serpoloide  für  die  Spur- 
kurve {£(fjt€iv,  serpere  kriechen,  sich  schlängeln). 
Doch  hat  die  Kurve,  wie  Heß  bewiesen  hat, 
keine  Wendepunkte.    Wegen  weiterer  Details  sei 

auf  die  einschlägige  Literatur  (siehe  Nr.  284)  verwiesen. 

277.  Btabillt&t  der  Bewegung  nm  die  Hanptaoheen.  Setzt 
man  einen  starren  Körper  um  irgend  eine  Achse  durch  den  Schwer- 
punkt in  Rotation  und  wirken  weiter  keine  Kräfte  auf  ihn,  so  wird 
er  sich  nach  den  Ergebnissen  der  beiden  vorigen  Nummern  im  all- 
gemeinen nicht  um  diese  Achse  Veiterdrehen,  vielmehr  beschreibt  die 
Drehachse  im  Körper  einen  elliptischen  (ev.  einen  Kreis-)Kegel  um  eine 
Hauptachse,  im  Räume  einen  transzendenten  (ev.  Kreis-)Kegel  um  die 


Fig.  M2. 


Nr.  277.  §  49.   Kinetik  des  einzelnen  starren  Körpers.  419 

feste  Richtung  des  Impulsvektors.  Nur  wenn  einmal  die  Drehachse 
in  eine  Hauptachse  hineinfiel,  bleibt  diese  Achse  dauernd  Drehachse, 
denn  dann  fallt  auch  die  Impulsachse  in  die  Hauptachse  hinein  (siehe 
Nr.  272).  Also  laßt  sich  nur  um  eine  Hauptachse  kräftefrei  eine  Drehung 
aufrecht  erhalten,  was  mit  den  Ergebnissen  von  Nr.  218  übereinstimmt. 
Aber  die  Bewegung  um  die  drei  Hauptachsen  wird  nicht  immer 
stabil  sein.  Denken  wir  uns  die  Bewegung  ein  wenig  gestört,  sei  es 
durch  eine  kurze  kleine  Eraftwirkung,  sei  es,  daß  wir  als  Anfangs- 
zustand nicht  genau  die  Rotation  um  die  Hauptachse  getroffen  haben. 
Dann  wird  die  Drehachse  auf  einen  benachbarten  Kegel  übergehen. 
Nun  zeigt  aber  die  Figur  von  Nr.  276,  daß  nur  für  die  größte  und 
kleinste  Hauptachse  der  Nachbarkegel  dauernd  in  der  Nähe  der  Haupt- 
achse bleibt,  die  Bewegung  also  stabil  ist,  wie  man  sagt,  während 
sich  bei  der  mittleren  Hauptachse  ein  beliebig  naher  Polkegel  endlich 
weit  von  der  Hauptachse  entfernt,  weshalb  wir  die  Bewegung  um  die 
mittlere  Hauptachse  als  instabil  (labil)  bezeichnen  müssen:  d.  h.  die 
kleinste  Störung  ruft  eine  eudliche  Abweichung  der  Bewegungsform 
hervor. 

Die  Botatum  um  die  größte  und  kleinste  Hauptachse  ist  stabü, 
die  um  die  mittlere  Achse  labü. 

Rotiert  der  Kreisel  (d.  i.  starre  Körper)  sehr  schnell  um  eine 
extreme  Hauptachse,  so  besitzt  die  Bewegung  noch  einen  besonderen 
Grad  yon  Stabilität,  den  man  am  besten  als  stoßfest  bezeichnen 
könnte.  Ist  nämlich  cd  groß,  so  ist  es  auch  J,  das  jetzt  ebenfalls  in 
der  Hauptachse  liegt,  und  gleich  äg)  ist. 

Lassen  wir  nunmehr  die  kurze  Zeit  ^t  ein  starkes  Drehmoment  >M 
wirken,  so  wird  nach  der  Formel 

t+jt 

J   eine  Änderung   z/J  «  /  Mdt  erleiden,   die,   weil    dieses  Integral 

t  _ 

einen   mittleren    Wert   besitzt,    bei   großem    m   klein    gegen   J    sein 

und  daher  J  nur  sehr  wenig  aus  seiner  Richtung  bringen  wird.  In 
der  kurzen  Zeit  ^t  wird  der  Kreisel  seine  Lage  noch  nicht  merklich 
geändert  haben,  die  Figurenachse  also  noch  wesentlich  in  ihrer  alten 
Lage  sein,  also  Figurenachse  und  Impulsachse  noch  dicht  beieinander. 
Dasselbe  wird  dann  nach  Figur  220  in  Nr.  275  mit  der  Drehachse  der 
Fall  sein,  es  wird  also  auch  nach  dem  Stoß  dauernd  die  Drehachse 
einen  kleinen  Kegel  um  das  neue  J  beschreiben  und  dabei  die  Figuren- 
achse in  einem  kleinen  Kegel  mitnehmen,  so  daß  alle  drei  Achsen 
dauernd  nahe  an  ihrer  alten  Stelle  bleiben  werden. 

27* 


420  X.  Räumliche  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  278. 

So  wird  also  sähst  ein  ziemlidi  heßiger  j  aber  kurz  dauernder 
Stoß  einen  rasch  rotierenden  Kreisel  nur  unmerklich  in  seiner  Be- 
wegung stören^  eine  Ersdieinung,  die  als  StabUiiät  oder  besser  gesagt 
Stoßfestigkeit  des  Kreisels  bekannt  ist 

278.  Tendens  zum  ParaUellamna  bei  einem  danemd  wir- 
kenden Kr&ftepaAr.  Lassen  wir  auf  einen  rasch  laufenden  Ejreisel 
dauernd  ein  konstantes  Kräftepaar  M  wirken,  so  wird  nach  der  Formel 

dt  "  ^> 

J  in  jedem  Zeitmoment  dt  eine  Änderung 

dJ  =  Mdf 

erfahren,  d.  h.  es  wird  die  Impulsachse  das  Bestreben  haben,  sich  der 
Achse  des  Kraftepaares  parallel  und  gleichsinnig  zu  stellen. 

Nun  ist  derlmpulsvektor  als  solcher  nicht  unmittelbar  beobachtbar. 
Wenn  aber  der  Kreisel  (d.  i.  starre  Korper)  rasch  rotiert,  M  aber 
nicht  ungewöhnlich  groß  ist,  so  wird  sich  J  langsam  ändern,  man 
kann  die  Bewegung  eine  kurze  Zeitlang  angenähert  noch  als  eine  kräfte- 
freie auffassen  und  es  werden  demnach  die  Drehachse  uud  die  Figuren- 
achse  —  nehmen  wir  beispielshalber  einen  Kreisel  von  Rotations- 
symmetrie, für  den  wir  die  Rotationsachse  auch  Figurenachse  nennen 
wollen  —  immerfort  den  Impulsvektor  rasch  im  Kreise  umlaufen. 

Man  kann  daher  für  einen  sehr  rasch  laufenden  Kreisd  die 
Impulsachse  als  die  mittlere  Lage  für  Rotationsachse  und  Figuren- 
achse ansehen,  wenn  Jm  groß  ist  gegen  M.  Unter  dieser  Voraussäeung 
wird  sich  also  die  Rotationsachse  und  damit  auch  die  Figurenachse 
—  im  Mittd  —  der  Achse  des  dauernd  eintvirkenden  Kräftepaares 
parallel  und  gleichsinnig  eu  stellen  suchen. 

Übe  ich  also  z.  B.  auf  einen  Kreisel  ein  um  eine  Achse  links- 
drehendes Kräftepaar  aus,  so  wird  seine  Drehachse  die  Tendenz  zeigen, 
sich  ,im  Mittel  der  betreffenden  Achse  parallel  zu  stellen  und  zwar  so, 
daß  die  Drehung  des  Kreisels  linksherum  erfolgt. 

Diese  Tendenz  zum  gleichsinnigen  Parallelismus,  wie 
Klein  und  Sommerfeld  die  genannte  Erscheinung  nennen,  ist  die 
Ursache  für  manche  auffallende  Erscheinung  der  Kreiselbewegung. 

Rotiert  z.  B.  ein  Kreisel  um  eine  vertikale  Achse,  von  oben  ge- 
sehen linksherum,  und  übe  ich  einen  Druck  von  vom  nach  hinten 
auf  die  Achse  aus,  und  zwar  oberhalb  dea  festen  Drehpunktes,  so  be- 
deutet das  ein  Moment,  dessen  Vektor  nach  links  liegt.  Es  wird  also 
der  rasch  rotierende  Kreisel  bei  einem  solchen  Druck  nicht  etwa  nach 
hinten  ausweichen,  sondern  nach  links.  (Allerdings  nur  im  Mittel, 
aber  das  fällt  ja  ins  Angel) 


Nr.  279. 


§  49.   Kinetik  des  einzelnen  Btanen  Körpers. 


421 


Am  besten  fählt  man  sich  in  die  Erscheinung  mittels 
eines  Handkreisels  ein,  d.  h.  eines  Kreisels,  dessen  verlängerte 
Achse  einen  Oriff  tragt^  so  daß  man  ihn  anfassen  kann  (Fig.  223). 

Nehme  ich  den  Kreisel  in  die  Hand,  halte  ihn  vertikal  und  setze 
ihn,  von  oben  aus  gesehen,  linksherum  in  Drehung.  Versuche  ich  dann 
den  Kreisel  vomüberzukippen,  d.  h.  übe  ich  mit  der  Hand  ein  Krafte- 
paar  aus,  dessen  Achse  nach  links  liegt,  so  schlägt  der  Kreisel  deut- 
lich wahrnehmbar  nach  links  aus.  umgekehrt,  wenn  ich  ihn  zwingen 
will,  nach  vorn  zu  kippen,  so  muß  ich  ein  nach  vom  liegendes  Dreh- 
moment  ausüben,    d.  h.    mit   der   Hand    nach   rechts   gegendrücken. 


Fig.  223. 


Fig.  224. 


279.  Ber  sohwere  synmietrlaohe  Kreisel.  Ein  symmetrischer 
Kreisel  rotiere  um  einen  festen  Punkt  0,  der  nicht  der  Schwerpunkt 
sei,  vielmehr  liege  dieser  außerhalb  auf  der  Symmetrieachse  und  zwar 
oberhalb  des  Unterstützungspunktes.  Ist  dann  der  Kreisel  etwas  ge- 
neigt, so  wird  die  Schwerkraft  ein  Moment  mit  horizontaler  Achse 
erzeugen,  das  den  nicht  rotierenden  Kreisel  umwerfen  würde.  Rotiert 
aber  der  Kreisel  sehr  stark,  so  wird  das  stets  horizontale  M  die  Folge 
haben,  daß  sich  der  Impulsvektor  horizontal  im  Sinne  von  M  fort- 
bewegt, und  dabei  im  Mittel  die  Rotations-  und  Figiirenachse  mit- 
ninmit.  Diese  werden  sich  also  horizontal  weiterbewegen  und  so  kommt 
die  Erscheinung  zustande,  daß  ein  schwerer  rasch  umlaufender  Kreisel 
nicht  umfallt,  sondern,  wenigstens  im  Groben,  eine  Prazessionsbewegung 
ausfuhrt  (Fig.  224). 

Eine  genauere  Untersuchung  zeigt,  daß  nur  bei  ganz  besonderen 
Anfangsbedingungen  eine  wirkliche  Präzessionsbewegung  auftritt,  im 
allgemeinen  beschreibt  die  Kreiselspitze  eine  Art  von  Zykloidenkurve, 
die  Spitzen  nach  oben  haben  oder  verschlungen  oder  gestreckt  sein 
kann,  die  sich  aber  bei  hinreichend  starker  Rotation  in  so  kleinem 
Bereiche  abspielt,  daß  für  das  Auge  eine  Präzessionsbewegung  da  zu 
sein  scheint. 


422  ^-   Bäomliche  Bewegung  des  itarren  Eöipers.  Nr.  280. 

Alles  Weitere  lese  man  in  den  empfohlenen  Büehem  nach  (siehe 
Nr.  284). 

280.  Ber  Kreisel  in  der  Praxis.  Man  hat  die  geschilderten 
Eigenschaften  des  Kreisels  praktisch  zn  verwerten  gesucht,  um  Fahr- 
zeuge zu  stabilisieren. 

0.  Schlick  hatte  die  Idee,  durch  einen  eingebauten  Kreisel  die 
unangenehmen  Schwankungen  der  Schiffe  um  die  Längsachse^  das  so- 
genannte Rollen,  abzuschwächen.  Zu  dem  Zwecke  baute  er  einen  Kreisel 
ein,  der  sich  in  der  Normallage  um  eine  vertikale  Achse  drehen  kann 
in  einem  Rahmen,  der  selbst  wieder  um  eine  horizontale  Querachse 
schwingen  kann.  Da  das  Schiff  dann  noch  um  eine  horizontale  Längs- 
achse schwingt,  so  hat  der  Kreisel  alle  Möglichkeiten  sich  zu  drehen. 

Rollt  nun  das  Schiff  sagen  wir  nach  rechts,  so  nimmt  es  zunächst 
den  Rahmen  mit  und  übt  deshalb  auf  diesen  und  damit  auch  auf  den 
Kreisel  ein  Kräftepaar  aus,  dessen  Achse  nach  vorne  liegt.  Infolge- 
dessen schlägt  die  Drehachse  des  Kreisels  nach  vorne  aus.  So  wird 
Energie  auf  den  Kreisel  übertragen,  dem  Schiffe  entzogen  und  dessen 
Bewegung  zunächst  sicherlich  abgeschwächt.  Beim  Rückgang  des 
Schiffes  wird  die  Bewegung  aber  umgekehrt  sein,  und  damit  nun  nicht 
die  ganze  Energie  wieder  an  das  Schiff  übergeht,  muß  sie  inzwischen 
vernichtet  werden,  was  dadurch  geschieht,  daß  man  die  Pendelung  des 
Rahmens  um  die  horizontale  Achse  stark  dämpft.  Damit  sich  der 
Kreisel  stets  wieder  von  selbst  in  die  normale  Stellung  zurückbegiebt, 
nachdem  er  funktioniert  hat,  muß  er  schwer  sein,  d.  h.  sein  Schwer- 
punkt muß  unterhalb  der  Drehachse  des  Rahmens  liegen. 

Schlick  hat  bei  einigen  Schiffen,  die  sonst  stark  rollten  und  bei 
unruhiger  See  Ausschläge  bis  zu  18^  zeigten,  sehr  gute  Erfolge  er- 
zielt, indem  die  Ausschläge  fast  bis  auf  P  heruntergingen. 

Wir  kommen  in  Nr.  332,  332  a  und  §  57  noch  einmal  auf  den 
Schiffskreisel  zurück. 

Bekannt  ist  auch  das  Patent  von  0.  Brennan  und  seine  Idee 
der  Einschienenbahn:  Es  soll  ein  Fahrzeug  auf  einem  Geleise  laufen 
und  gegen  Umkippen  durch  einen  rasch  laufenden  Kreisel  stabilisiert 
werden.  Prinzipiell  ist  die  Wirkung  dieselbe  wie  beim  Schiffiskreisel; 
der  Unterschied  besteht  nur  darin,  daß  das  Schiff  an  sich  schon 
stabil  ist  und  seine  Stabilität  gewissermaßen  nur  verstärkt  werden  soll, 
während  die  Einschienenbahn  an  sich  labil  ist.  Die  genauere  Theorie 
zeigt  nun,  daß  dieser  Umstand  bedingt,  daß  auch  jetzt  der  Kreisel  an 
sich  instabil  sein  muß,  d.  h.  daß  sein  Schwerpunkt  oberhalb  der  Dreh- 
achse des  Rahmens  liegen  muß.  Es  liegt  diesbezüglich  ein  ganz  all- 
gemeiner Satz  William  Thomsons  vor: 

Man  kann  dwrch  Kreisel  immer  nur  eine  gerade  Amaihl  von 
Freüieitsgraden  stabilisieren,  nie  eine  ungerade. 


Nr.  281.  §  49.   Kinetik  des  einzelnen  starren  Körpers.  423 

Eine  Folge  diees  Satzes  ist  es  auch,  daß  ein  Kreisel^  der  anf  einer 
Spitze  steht,  durch  Rotieren  stabil  wird,  denn  er  hat  zwei  Möglich- 
keiten des  Umfallens^  ein  Kreisel  aber,  der  auf  einer  Schneide  balanciert 
(wenn  man  z.  B.  den  Rahmen  des  Brennanschen  Kreisels  feststellt) 
und  also  nur  um  eine  Achse  umfallen  kann,  nicht. 

Aus  demselben  Grunde  kann  ein  Fahrrad  bei  losem  Vorderrad 
im  Laufe  stabil  sein,  bei  festgestelltem  dagegen  nicht. 

Wir  begnügen  uns  hier  mit  der  qualitativen  Beschreibung  dieser 
Apparate,  auf  die  Theorie  kommen  wir  später  noch  einmal  zurück. 

Aucli  bei  Luftfahrzeugen  spielt  die  Kreiselwirkung  der  Schrauben 
eine  gewisse  Rolle.  Habe  ein  Aeroplan  eine  horizontale  Schraube,  die 
sich  von  vorne  gesehen,  linksherum  drehe.  Will  dann  der  Fahrer  nach 
links  wenden,  so  muß  er  durch  die  Seitensteuer  ein  Moment  auf  das 
Fahrzeug  ausüben  lassen,  dessen  Vektor  nach  oben  gerichtet  ist.  In- 
folgedessen wird  sich  die  Drehachse  und  damit  das  ganze  Fahrzeug 
nach  oben  aufkippen,  was  durch  eine  gleichzeitige  Handhabung  des 
Höhensteuers  zu  verhindern  oder  doch  in  geringen  Schranken  zu  halten 
ist.  Hat  man,  wie  die  Brüder  Wright,  zwei  entgegengesetzt  laufende 
Schrauben,  so  hebt  sich  die  Wirkung  natürlich  auf. 

£s  sei  noch  auf  den  Aufsatz  von  Prandtl  in  den  ersten  Heften 
der  „Zeitschrift  für  Motorluftschiffahrt  und  Flugtechnik'^  und  damit 
zugleich  auf  diese  Zeitschrift  selbst  hingewiesen. 

Es  besteht  auch  die  Absicht,  die  Stabilität  des  Kreisels  als  rich- 
tungsanzeigend zu  benutzen,  z.  B.  Kompaßnadeln  als  Kreisel  aus- 
zubilden statt  der  Magnete.  Man  wäre  dann  von  den  magnetischen 
Störungen  durch  Eisenteile  usw.  befreit,  müßte  allerdings  dabei  Sorge 
tragen,  daß  der  Kreisel  möglichst  reibungsfrei  eine  allgemeine  Dreh- 
bewegung ausführen  kann. 

Soll  ein  Kreisel  in  dieser  Weise  dazu  dienen,  möglichst  genau 
eine  Richtung  beizubehalten  und  also  auch  anzuzeigen,  so  nennt  man 
ihn  einen  Ojrostaten,  auch  Gyroskopen.  Ihm  kommt  als  solchem 
eine  Bedeutung  für  die  Erkenntnistheorie  der  Mechanik  zu.  Er  wäre 
ein  Mittel,  um  objektiv  die  Drehung  der  Erde  festzustellen,  oder,  all- 
gemein gesagt,  eine  feste  Richtung  im  absoluten  Raum  anzuzeigen. 
Allerdings  sind  die  Fehlerquellen  noch  recht  erheblich.  (Siehe  einen 
Aufsatz  von  Föppl  in  den  Berichten  der  bayerischen  Akademie.) 
Prinzipiell  ist  aber  zu  beachten,  daß  erst  durch  solche  Ergebnisse, 
wie  die  Gesetze  des  Gyrostaten,  der  absolut  ruhende  Raum  mechanisch 
seine  Bedeutung  vor  jedem  andern  Räume  erhält,  auf  den  man  an 
sich  ebensogut  d.  h.  rein  kinematisch  die  Bewegung  beziehen  könnte. 

281.  Die  Bnlerschen  Olelohungen.  Für  eine  mathematische 
Durchrechnung  der  Probleme  ist  die  Grundgleichung 


424 


X.   Räumliche  Bewegung  des  itarien  KOrpera. 


Nr.  281 


deshalb  in  der  Regel  nicht  praktisch^  weil  die  Ableitung  ^-  durchaus 

auf  ruhende  Achsen  zu  beziehen  ist.  Und  wenn  auch  die  Formeln  (11^ 
aus  Nr.  271  auch  für  solche  Achsen  richtig  bleiben,  so  sind  doch 
dann  die  T  und  D  variabel. 

Es  ist  deshalb  besser,  die  Momentengleichung  so  umzuformen, 
daß  in  ihr  die  zeitliche  Änderung  bezüglich  eines  im  Körper  festen 
Koordinatensystems  steht^  fiir  das  dann  die  D  und  T  konstant  sind. 
Nun  ist  aber  nach  Nr.  268 


dJ      hJ  ,     -r 
dt  "^  ht+  ^^' 


b/ 


wo  jetzt   .-   die  Anderungsgeschwindigkeit  des  Impulsvektors  im  be- 

wegten  Korper  bedeutet  und  somit  erhalten  wir  als  eine  (I)  gleich- 
wertige, aber  vielfach  bequemere  Bewegungsgleichung 


b/ 
bt 


+  mJ^  M, 


(I') 


die  man  nach  Euler  zu  benennen  pflegt. 

Nehmen  wir  die  Hauptachsen  als  Koordinatenachsen,  so  zerfällt 
vermöge 

e/]p«  Ä(o^  USW.,  und  (g}J)^^  ^^^t^  ^»^^^  m^mJJJ—  B) 

Gleichung  (F)  in  die  folgenden  drei 


dm 


C'i;  +  c^<o^{B  -  Ä)  ^  M, 


(I") 


Zu  diesen  Gleichungen  fQr  die  o  treten  dann  noch  die  Gleichungen  (I") 
aus  Nr.  265 

G}g  «=  cos  ifd^  +  sin  ^  sin  -d"  •  9 

(0^^  —  Biniff^  +  co8^  sind'q)  (U) 

CD^ «  cos  d' '  q)  +  p, 

welche  den  Übergang  von  co  zu  den  Koordinaten  0*,  9,  ^  gestatten. 
Enthält  M  die  d;  9,  ^  nicht,  so  kann  man  (I")  für  sich  inte- 
grieren und  dann  <&,  9,  ^  als  Funktionen  von  t  aus  (U)  finden;  an- 
dernfalls sind  die  Gleichungen  (I")  und  (II)  gleichzeitig  als  sechs  DiflFe- 
rentialgleichungen  erster  Ordnung  fiir  die  sechs  Yariabeln  o^,  cd^,  ©„ 
^y  <p,  ^  zu  behandeln. 


Nr.  282.  §  49.   Kinetik  des  einzelnen  starren  Körpers.  425 

282.  AnalsrtUiohe  Behandlung  der  krftftefreien  Bewe- 
gung des  i^mmetrisohen  Kreisels.  In  dieeem  Falle  sind  die 
M^y M^,  Jf,  =  0,  die  j9-Achse  sei  die  Symmetrieachse,  so  dafi  A^B ist. 

Es  lauten  die  Eulerschen  Gleichungen  für  diesen  Fall 

^  ""dl'  +  «.«.(^  -  ^)  -  0, 

^  ""dt'  +  ^.«^«(^  -c}-o, 
dt       ' 

Aus  der  letzteren  folgt  cd, •«  const;  man  kann  stets  (o^>0  annehmen 
durch  geeignete  Festsetzung  der  jer-Achse,  ä  hat  also  eine  konstante 
Komponente  nach  der  Figurenachse.    Setzt  man  zur  Abkürzung 

'     A  ' 

so  lauten  die.  beiden  ersten  Gleichungen 


dt 


+  aWy=  0, 


deren  Integral  ist 


-^*- «01,-0, 


(ö^=  a  C09(a/  +  £)y 
(D^=  a  sin(a^  +  e), 


mit  a  und  s  als  Integrationskonstanten  (a>0).  Man  erkennt  aus 
dem  Ergebnis  das  alte  Resultat  als  richtig: 

1.  07  =V(n/+  <o/+  o/==ya*+  CO.*  ist  konstant. 

2.  Die  Projektion  von   ä   auf  die  ^t/- Ebene   hat  die  konstante 

Größe  a  und  läuft  im  Kreise  gleichförmig  herum;  die  Umlaufszeit  ist 
2«      ^        A         l 

^        a  C  —  A     e>^ 

3.  In  derselben  Zeit  läuft  die  Drehachse  ( o)  auf  einem  Kreiskegel 
herum. 

Für  die  Erde  gibt  das,  da  cd,«  2^  pro  Tag,  eine  Umlaufszeit  von 

^-^  /Tagen ;  das   sind  aber,  soweit  man  A^  C  genau  schätzen  kann, 

etwa  300  Tage  (die  Eulersche  Periode).  Von  dieser  Periode  hat 
man  aber  nichts  entdeckt^  dagegen  die  Chandlersche  von  etwa  427  Ta- 
gen; und  es  ist  gelungen^  diese  als  eine  durch  die  Elastizität  der  Erde 
bedingte  modifizierte  Eulersche  Periode  zu  erkennen  (siehe  Klein- 
Sommerfeld  Bd.  III). 


426  ^  R&mnliche  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  288. 

Von  deu  Gleichungen  (II)  der  vorigen  Nummer  genügt  es  nun 
immer,  ein  partikuläres  Integral  ssn  suchen,  denn  das  allgemeine  Inte- 
gral hat  drei  Integrationskonstanten,  über  die  man  aber  stets  willkür- 
lieh  verfügen  kann,  indem  man  das  im  Räume  feste  Achsensystem 
geeignet  wählt. 

Indem  wir  uns  entschließen,  die  i?-Achse  des  räumlichen  Systems 
in  die  feste  Impulsrichtung  hineinzulegen,  versuchen  wir  den  Ansatz: 
d"  ^  ^^,  d.  h.  konstant,  und  erhalten 

sin  tif  sin  ^^^  =  a  cos  (at  +  «), 
cos  ^  sin  d-^g)  «  a  sin  («^  +  «), 

^  +  9  cos  d'Q  =  £D,. 

Aus  den  beiden  ersten  Gleichungen  schließt  man 

sin  ^Q  •  9  =  a , 

^  =s  —  —  ai  —  « 

IS 

3ä 

(die  andere  Möglichkeit  sin-Ö-^g^^  —  a,  ^'  =  -0 —  cct  —  s  kann  man 

durch  geeignete  Wahl   der  im  Räume  festen  y-Achse  ausschließen). 
Das,  in  die  letzte  Gleichung  eingesetzt,  gibt 


d.  h. 

Damit  ist  die  Integration  vollzogen.  Auch  der  Spnrkegel  ist  bestimmt. 
Denn  ^g  ist  der  Winkel  zwischen  der  Impulsachse  und  der  Figuren- 
achse,  der  Winkel  ß  zwischen  dieser  und  der  Drehachse  ist  aber  durch 

tg^-^  (2) 

gegeben. 

Ist  nun  a  >  0,  d.  h.  C>  A,  das  EUipsoid  also  abgeplattet,  so 
liegt  die  Impulsachse  zwischen  Drehachse  und  Figurenachse,  also  ist 
der  Winkel  des  Spurkegels 

und  nach  (1)  und  (2) 

Ist  dagegen  a  <  0,  C  <  A,  das  EUipsoid  gestreckt,  so  ist 

Y-»o-ß  und  tgy  ^  -  a«.  cf^i^^Aa*' 


Nr.  288.  §  49.   Kinetik  des  einzelnen  starren  Körpers.  427 

Also  ist  auf  jeden  FaU  der  Winkd  y  des  Spurkegds  gegeben  durch 

.  \C—A\ 

^'^  «  Cio*-\'  Äa* 

Die  analytische  Behandlung  des  unsymmetrischen  Kreisels  fuhrt  auf 
elliptische  Integrale,  desgleichen  die  Theorie  des  symmetrischen  schweren 
Kreisels.  Das  weitere  mag  man  bei  Klein  und  Sommerfeld  oder 
in  der  anderen  angeführten  Literatur  nachlesen  (siehe  Nr.  284). 


abgeplattet  gestreckt 


Aufgaben:  124.  Ein  Kreisel  bestehe  aus  einer  Zylinderscheibe  von  10  cm 
Durchmesser  und  1  cm  Höhe  und  habe  das  spezifische  Gewicht  8.  Er  rotiere 
um  die  Symmetrieachse  mit  einer  Geschwindigkeit  Ton  1000  Toiuen  pro  Minute. 
Man  berechne  die  Haupttr&gheitsmomente  A  =  B  und  C  sowie  die  Größe  des 
Impulsvektors  J. 

126.  Der  eben  genannte  Kreisel  erfahre  bei  der  geschilderten  Bewegung 
einen  Stoß  am  Rande  parallel  der  Achse  eine  sehr  kurze  Zeit  Jt  hindurch  mit 
einer  solchen  Kraft  Ä:,  daß  das  Zeitintegrai  der  Achse  über  Jt  gleich  0^1  kg-Sec 
sei.  Welche  Bewegung  wird  nach  dem  Stoße  eintreten?  Jt  sei  so  klein,  daß 
man  in  der  Zeit  Jt  eine  Verlagerung  der  Kreiselachse  nicht  anzunehmen  braucht. 
(Näheres  über  Stoßprozesse  siehe  §  62.) 

283.  Deviatloii8wlder8tand  eines  geführten  symmetri- 
BOhen  Kreisels.  Wir  sahen  schon  früher  (siehe  Nr.  278)^  daß  ein 
Kreisel;  der  sich  schnell  um  seine  Figurenachse  dreht,  und  dessen  Achse 
man  zu  neigen  versucht,  ein  Moment  dazu  erfordert,  das  in  der  Be- 
wegungsebene der  Figurenachse  liegt  und  so  gerichtet  ist,  daß  sich 
die  Figurenachse  auf  seine  Richtung  zu  bewegt.  Dieses  Moment^  d.  h. 
genauer  gesagt,  sein  Gegenteil,  das  die  Führung  auszuhalten  hat,  wollen 
wir  mit  Elein-Sommerfeld  Deviationswiderstand  nennen  und 
zu  berechnen  suchen.  Es  sei  also  A==  B,  o^  groß  und  fest  gegeben, 
dagegen 

G}^=  (Oq  coso^/, 
(Dy  =-  —  (Oq  sinca^^, 

a>^,  o)y  bedeuten  also  die  Komponenten  eines  Vektors,  der  im  Körper 
mit  der  Winkelgeschwindigkeit  —  co^  in  der  o;^- Ebene  umläuft.  Da 
sich  aber  die  :ry-Ebene  mit  dem  Körper,  also  mit  der  ßeschwindig- 


428  X.   Räumliche  Bewegung  des  starren  Körpen.  Nr.  284. 

keit  o^  amdrelity  bedeuten  o^,  cj    die  Eomponeiitexi  eines  im  Räume 
festen  Vektors  der  Oröfie  (Oq  senkrecht  zu  o,,  also  eine  Drehung  um 
eine  im  Räume  feste  Achse,    (o^  mag  noch  yon  der  Zeit  abhangen. 
Dann  geben  die  beiden  ersten  Eulerschen  Gleichungen 

äc}q  cos (oj  —  (OqO^C  sin aj  —  Jfcf^, 

—  Ag)q  sinoj  —  cDqO^C co9(oJ  «  M^. 

Man  erkennt  daraus: 

Erstens  tritt  ein  Moment  auf  bei  nicht  konstanten  Oq,  gleich  AcD^f 
das  dieselbe  Richtung  hat  wie  die  Drehung  cdq. 

Zweitens  tritt  ein  Moment  auf  von  der  Größe  chqCD^C,  das  senk- 
recht zu  Oq  und  senkrecht  zu  (o^  steht  und  dessen  Gegenteil  der  ge- 
suchte Deviationswiderstand  ist.    Der  Sinn  dieses  Widerstandes  ist  klar. 

Um  einen  mit  (o^  um  die  Figurenachse  rotierenden  Kreisel  um  eine 
Achse  senkrecht  zur  Figurenachse  mit  der  kanstanten  Winkdgeschwin- 
digkeit  o^  eu  drelwn,  bedarf  es  eines  Momentes  CchqG)^^  dessen  Achse 
senkrecht  zur  Figurenachse  und  zur  Drehachse  cj^  steht  und  zwar  so, 
daß  sich  bei  der  Drehung  co^  die  Figurenachse  auf  die  MometUen- 
achse  zu  bewegt.  Das  Gegenteil  dieses  Momentes  ist  der  DevicUians- 
widersta/nd. 

Betrachten  wir  als  Beispiel  die  Schiffsschraube  in  einem 
stampfenden  Schiff.  Ihre  relative  Winkelgeschwindigkeit  zum  Schiff 
sei  a^j  die  Winkelgeschwindigkeit  des  stampfenden  Schiffes  (also  um 
die  horizontale  Querachse)  sei  o^.    Man  kann  angenähert  setzen 

(Oq—  na  Qosnt, 

wo  —   die  Schwingungsdauer    des    Stampfens    ist,  a  die  Amplitude 

dieser  Schwingung.  Dann  hat  also  das  Lager  zunächst  einmal  das 
Moment  Aü^  ^  —  An^a  sin  nt  um  die  Querachse  (Drehachse  des  Stamp- 
fens) auszuhalten  (auch  bei  ruhender  Schraube);  dann  aber  noch  bei 
rotierender  Schraube  den  Deviationswiderstand 

C(OqG3^^  Cc3^na  cosn^ 

um  eine  im  Schiff  feste  Achse,  die  normalerweise  vertikal  steht. 

Außer  diesen  Kräftepaaren  wirkt  natürlich  noch  auf  das  Lager 
der  Schraube  ein^  resultierende  Einzelkraft  die  aus  der  Bewegung  des 
Schwerpunktes  der  Schraube  (inkl.  Welle)  zu  berechnen  ist.  Dabei 
spielt  die  Rotation  keine  Rolle. 

284.  Literatur.  Eine  erste  umfassende  Darstellung  der  räum- 
lichen Bewegung  des  starren  Körpers  gab  Euler  in  seiner  ^^Theoria 
motus  corporum  solidorum  seu  rigidorum''  vom  Jahre  1765.  Poinsot 
und  die  schon  genannten  Möbius,  Ghasles,  Giorgini   taten  sehr 


Nr.  286.  §  60.   Energie  und  Arbeit  beim  starren  Körper.  439 

viel  zur  geometrischen  Veranschaulichung  und  Weiterbildang  der  von 
Ealer  zunächst  nur  rechnerisch  entwickelten  Sätze.  Eine  sehr  gute, 
wenn  auch  rein  rechnerisch  -  abstrakte  Darstellung  findet  sich  in 
Eirchhoffs  Mechanik.  Die  konkret-anschauliche  Tradition  lebte  in 
England  weiter;  namentlich  Routh  und  Lord  Kelvin  (William 
Thomson)  gaben  ausgezeichnete  Darstellungen  in  ihren  in  der  Ein- 
leitung genannten  Werken.  Ihr  Interesse  wurde  namentlich  durch  die 
physikalische  Anwendbarkeit  der  Kreisel theorie  erweckt:  wer  eine  gute 
populäre  Darstellung  der  Theorie  und  ihrer  hauptsächlichen  physika- 
lischen Anwendungen  lesen  will^  sei  auf  Perrys  kleines  Buch:  ^^Dreh- 
kreisel'^y  deutsch  yon  H.  Walzel^  hingewiesen.  Neuerdings  gab  die 
technische  Anwendbarkeit  des  Kreisels  einen  neuen  AnstoB  ihn  zu 
studieren:  das  allgemeine  Interesse  wendet  sich  ihm  zu,  und  da  ist  es 
erfreulich,  berichten  zu  können,  daß  soeben  1910  das  Werk  yon 
Klein-Sommerfeld,  ^^Theorie  des  Ejreisels''  in  Tier  Lieferungen  fertig 
vorliegt.  Die  erste  Lieferung  dieser  umfassenden  Darstellung  enthält 
die  Kinematik  sowie  die  Elemente  und  Prinzipien  der  Kinetik,  die 
zweite  Lieferung  die  rechnerische  Durchführung  für  den  schweren 
symmetrischen  Kreisel,  die  dritte  den  EinfluB  von  Reibung,  Luftwider- 
stand usw.  sowie  astronomische  und  geophysikalische  Anwendungen, 
die  vierte  endlich  in  ziemlich  elementarer  Form  —  die  genaue  Kenntnis 
des  schwierigeren  zweiten  Bandes  ist  dazu  nicht  erforderlich  —  die 
technischen  Anwendungen  (vgl.  Nr.  280). 

Eine  gute  Darstellung  findet  sich  auch  in  dem  in  der  Einleitung 
genannten  Buche  von  Webster;  aus  der  Encyklopädie  d.  math. 
Wiss.  kommt  der  Artikel  IV,  6  von  Stäckel  besonders  in  Frage. 


§  50.   Energie  und  Arbeit  beim  starren  Korper. 

285.  Die  Energiegleichnng  Ar  den  starren  Körper.   Nach 
Nr.  245  ist  die  Arbeit  einer  beliebigen  Kraftgruppe  am  starren  Körper 

in  der  Zeit  dt  _  _ 

dA^K  dc  +  M-  dx,  (I) 

folglich  die  Leistung:  

L^K  i+Mco.  (I') 

Nun  gelten  weiter  fdr  den  starren  Körper  die  Bewegungsgleichungen 

^dmw  =  K 

und  bezogen  auf  einen  beliebigen  Punkt  C 

^din{r  —  c)w  =-  My 

wo  K  und  M  die  Summe  bzw.  die  Momentensumme  der  äußeren  an 


430  ^-  Räumliche  Bewegung  dea  starren  Körpers.  Nr.  286. 

ihm  angreifenden  Kräfte  sind.    Verbinden  wir  diese  Gleichungen  mit 
(!'),  80  bekommen  wir 

^dmiö  •  c  +  ^dm{r  —  c)f€  •  io  ^  L, 

wo  L  die  Leistung  der  äußeren-  Kräfte  ist. 

Geht  man  die  Überlegung  der  Nr.  245  einmal  von  rückwärts 
durch;  so  erkennt  man  leicht,  daß  auf  der  linken  Seite  obiger  Glei- 
chung die  gesamte  Leistung  der  Massenbeschleunigung  st«ht,  nämlich 

^dmtd  •  (c  +  aj(r  —  c))  =  ^dm€d  •  v. 

Ä  w 

Dieser  Ausdruck  ist  aber  identisch  gleich    ,    •    Damit  haben  wir  den 
Energiesatz  abgeleitet 

ft'L.  (II) 

Die  Änderungsges^JiwindigJceit  der  kinetischen  Energie  ist  beim 
einzelnen  starren  Körper  gleich  der  Leistung  der  äußeren  Kräfte. 

Oder  integriert 

t 

Haben  speziell  die  äußeren  Kräfte  ein  Potential  U,  so  daß 

t 

JdÄ^-ü+Uo 

ist,  so  nimmt  der  Energiesatz  die  Form  an 

E+ü^  const.  (11") 

286.  Die  Arbeit  der  inneren  Kr&fte.  Wollte  man  den 
Satz  (II)  so  aussprechen,  daß  auf  der  rechten  Seite  die  Leistung  aller 
Kräfte  siande,  so  hätte  man  eine  triviale  Folgerung  des  Energie- 
satzes der  Punktmechanik:  gilt  für  jedes  Massenelement  eines  Körpers 
der  Energiesatz,  so  folgt  er  durch  einfache  Addition  für  den  gesamten 
Körper  in  der  Form,  daß  rechts  die  Leistung  aller  Kräfte  steht. 

Das  Neue  unseres  Satzes  besteht  also  darin,  daß  die  inneren  Span- 
nungen eines  starren  Körpers  keine  Arbeit  leisten. 

Diesen  Satz  können  wir  nun  sofort  dahin  ausdehnen,  daß 

die  inneren  Spannungen  eines  starren  Körpers  hei  keiner  wie  auch 
immer  gedockten  Bewegung  des  starren  Körpers  Arbeit  leisten. 

Der  Beweis  ist  wesentlich  schon  in  der  Torhergehenden  Betrach- 
tung aus  Nr.  285  mitgeliefert:  Sei  für  jedes  Yolumelement 

dmw  =  d^  -f  dSy  (1) 


Nr.  287.  §  50.    Energie  und  Arbeit  beim  starren  Körper.  431 

wo  ds  die  Summe  der  an  einem  Element  angreifenden  inneren  Span- 
nungen bedeutet^  80  ist  auch  bei  irgendeiner  (eventuell  bloß  gedachten) 
Bewegung 

^dmiv  •  V  —  ^dk  •  v  +  ^ds  •  v , 

Nun  ist  aber  nach  der  Torhergehenden  Nummer  die  Summe  links 
gleich  der  ersten  Summe  rechts,  denn  im  Beweise  wurde  nirgends 
davon  Gebrauch  gemacht^  daß  etwa  v  die  wahre  Bewegung  des  Körpers 

sei;  es  mußte  nur  v  ^  c  +  (o(r  —  c)  sein,  wobei  aber  c  irgendeine 
Geschwindigkeit  des  Punktes  C,  &  irgendeine  Drehgeschwindigkeit 
um  C  sein  kann.    Also  bleibt 

^d$  '  V  ^  0 
übrig. 

Dieser  Satz  läßt  sich  umkehren, 

d.  h.  machen  wir  die  Voraussetzung,  daß  bei  keiner  wie  immer  ge- 
dachten Bewegung  die  inneren  Spannungen  Arbeit  leisten,  so  folgt 
daraus  der  Schwerpunktssatz  und  der  Momentensatz  für  den  starren 
Körper: 

Denn  aus  dem  Newtonschen  Grundgesetz  (I)  folgt  jetzt 

^dmw  '  V  =  ^dk  •  v 
und  wegen 

V  —  r  +  GJ  (r  —  c) 
c  •  ^dmw  +  ö  •  ^dm(r  —  c)w  ^  c  -  K  +  (o  -M. 

Diese  Gleichung  gilt  nun  für  alle  denkbaren  Bewegungen,  d.  h. 

für  alle  Vektoren  c  und  ci,  unabhängig  davon,  was  das  w  ist;  das 
geht  aber  nur,  wenn 

^dmW  =«  K, 

ist,  womit  Schwerpunkts-  und  Momentensatz  zurück  gewonnen  sind. 
Diese  Überlegung  ist  grundlegend  für  das  später  zu  besprechende 
Prinzip  der  virtuellen  Arbeiten. 

287.  Andere  Ableitnng  des  Bnergiesatses.  Bezogen  auf 
den  Schwerpunkt  als  Translations-  und  Momentenpunkt  war  nach 
Nr.  270 

Nun  ist  aber 


432  X.   Rftnmliche  Bewegung  des  otarren  Körpen.  Nr.  288. 

Femer  war  nach  Gleichung  (III)  aus  Nr.  273 

dE^  dl      -     T^ 

dt  dt        ^     ^  $' 

Addieren  wir  beide  Oleichungen^  so  erhalten  wir  sofort 

d.  h.  den  Energiesatz. 

288.^)  Direkter  Naohwels  des  Ebitses  ttber  die  inneren 
Spannungen.  Die  gesamte  an  dem  Yolumelement  d  V  angreifende 
innere  Spannung  ds  ist,  wenn  dV  ganz  im  Innern  liegt,  nach  Nr.  204: 

■ 

^^  [dx^cy  ^  dz)' 

gehört  aber  d  V  der  Oberfläche  au,  so  ist  Ton  diesem  Ausdruck  dFö^ 
als  äußere  Kraft  abzuziehen.  Mithin  ist  die  Leistung  der  inneren 
Spannungen 

Nun  läßt  sich  aber  nach  dem  GauSschen  Satze  in  Verbindung  mit  der 
Methode  der  partiellen  Integrationen  das  Volumintegral  umformen  in 

das  Oberflächenintegral  fdFö^  •  v  (unter  Berücksichtigung  der  Glei- 
chung (III)  aus  Nr.  205j  und  in  das  Volumintegral 

Weiter  ist  nach  der  Eulerschen  Formel 

woraus  sich  mit  Benutzung  der  Einheitsvektoren  i^,  e^^  i^  vermöge 

r  ''XB^+yB^  +  ZB,  ergibt 

dv 

^—  =  ö«,  usw. 

dx  * 

Somit  wird  die  Leistung  der  inneren  Eräfbe 

oder 

Dieser  Ausdruck  verschwindet  aber,  weil  die  Klammer  unter  dem 
Integral  auf  Grund  des  Axioms  der  Symmetrie  der  Spannungsdyade 
verschwindet  (siehe  Nr.  207  und  208). 

1)  Diese  Nummer  kaxm  der  Anf&nger  auslassen. 


Nr.  289. 


§  51.   Kinetik  der  Relativbewegniig« 


433 


Damit  ist  nochmals  bewiesen^  daß  die  inneren  Spannungen  am 
starren  Körper  bei  keiner  möglichen  Bewegung  desselben  Arbeit  leisten. 
Denn  auch  hier  haben  wir  nicht  davon  Gebrauch  gemacht,  daß  c  und 
cö  die  wirklichen  Geschwindigkeiten  sind^  es  können  das  irgendwelche 
Vektoren  sein^  die  nicht  Tom  Orte  abhängen. 


§  51.   Kinetik  der  RelatiTbewegnng. 

289.  Binftthrnnff  der  Soheinkr&fte.  Etwas  prinzipiell  neues 
ist  über  die  Kinetik  der  Relativbewegung  nicht  zu  sagen:  es  bleibt 
selbstverständlich  die  Newtonsche  Grundgleichung  richtig 

dmtö  =•  dkf 

wobei  iö  die  absolute  Beschleunigung  ist. 

Nun  ist  aber,  wenn  eine  Bewegung  relativ  zu  einem  selbst  be- 
wegten Körper  stattfindet,  nach  Nr.  269 

Daraufhin  können  wir  die  Newtonsche  Grundgleichung  so  schreiben: 

dmtd^  —  dÄ  —  dmic^  —  dmwy, 

d.  h.  wir  können  sie  so  interpretieren,  daß  wir  nur  die  Relativbeschleu- 
nigung als  eigentliche,  etwa  (vom  Körper  aus)  direkt  beobachtbare 
Beschleunigung  auffassen,  für  sie  die  Newtonsche  Grundgleichung  hin- 
schreiben, nun  aber,  um  den  Fehler  wett  zu  machen,  zwei  Sehein - 
kräfte  hinzufügen: 

—  dmw^'^  —  dm2(DV^  die  Corioliskraft   und 

—  dmWf  die  Führungskraft. 
Letztere  besteht,  gemäß  der  Formel 

«c^  =  c  +  (b  (r  —  c)  +  ©  (©  (r  —  c)) 

noch  einmal  aus  drei  Teilen,  von  denen  wir 
den  letzten  Teil 


Flg.  M6. 


—  dm(o{(o{x  —  c))  y 

der  immer  auf  der  Drehachse  {S)  senkrecht 
steht,  die  Größe  (o^Qdm  hat  {q  Entfernung 
des  Punktes  von  der  Achse)  und  nach  außen 
gerichtet  ist,  allgemein  Zentrifugalkraft 
nennen  (Fig.  226). 

Rotiert  der  führende  Körper  gleichmäßig  um  eine  feste  Achse,  so 
sind  c  und  (b  Null  und  es  bleiben  von  den  Schein kräften  nur  die  Co- 
rioliskraft und  die  Zentrifugalkraft  übrig. 

Hamel:  Elementare  MeohAnik.  28 


434  ^-  RUrumliche  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  290. 

Der  Anfänger  wolle  beachten,  daß  das  aber  keine  wirklichen 
Kräfte  sind,  sondern  Zusatzglieder  zu  den  EräfteD,  die  wir  deshalb 
hinzufügen  müssen,  weil  wir  es  für  bequem  gefunden  haben,  im  Grund- 
ansatz zunächst  einen  Fehler  zu  machen.  Darum  nennen  wir  die  Zu- 
sätze Scheinkräfte.  Ihre  Verwechslung  mit  wirklichen  Kräften  hat 
schon  viel  Verwirrung  angerichtet. 

290.   Anwendung  anf  Bewegungen  anf  der  Brde.     Da 

bei  der  langsamen  Drehung  der  Erde  die  Scheinkräfke  ohnehin  klein 
sind,  kann  man  die  geringen  Schwankungen  der  Erdachse  yernachlässigen, 

d.  h.  c)  »  0  setzen.  Auch  ef,  die  Beschleunigung  der  Erde,  ist  sehr 
klein,  sie  ist  ja  durch  die  Anziehungskraft  der  Sonne,  der  Planeten 

und  Monde  bestimmt   und   setzt  sich   also  aus  Teilen  yektoriell  zu- 

M 
sammen,  welche  auf  die  Gestirne  zu  gerichtet  und  gleich  F  .,  sind,  wo 

M  die  Masse  des  Gestirns,  r  dessen  augenblickliche  Entfernung  ist. 
Von  diesen  Größen  sind  nur  zwei  Ton  einigem  Belang  f8r  Körper  auf 
der  Erde: 

1.  der  Anteil  der  Sonne  wegen  der  Größe  von  M\  er  beträgt 
nach  den  Angaben  aus  Nr.  34  etwa  0,006  m/Sec*  =  6  mm/8ec*;  die 
entsprechende  Scheinkraft  auf  ein  Gramm  macht  also  noch  nicht  ein 
Dyn  aus, 

2.  der  Anteil  des  Mondes  wegen  des  yerhältnismäßig  kleinen  r; 
er  beträgt,  da  die  Mondmasse  etwa  39  •  10~  ^  mal  der  Sonnenmasse,  die 

Mondentfemung  etwa^g=  der  Sonnenentfemung  ist,  39- 10~^«  387* =0,0058 

Ton  dem  Anteil  der  Sonne.  So  klein  diese  Größen  sind,  so  sind  sie 
doch  wichtig  für  die  Theorie  von  Ebbe  und  Flut.  Betrachten  wir 
z.  B.  die  Anziehung  des  Mondes  auf  das  Wasser  der  Erde,  so  haben 
wir,  wenn  wir  die  Bewegung  relativ  zur  Erde  betrachten  wollen,  eine 

M 
Scheinkraft  hinzuzufügen:  ämF-^j  welche  vom  Monde  weggerichtet 

ist  (entsrechend  —  dmc).  Diese  ist  kleiner  als  die  Anziehung  des 
Mondes  auf  die  ihm  naheliegenden  Wasserteile,  aber  größer  als  die 
Anziehung  auf  die  entfernten.  Letztere  werden  also  im  Resultat  schein- 
bar abgestoßen,  woher  es  kommt,  daß  wir  immer  auf  der  Erde  zwei 
Wellenberge  und  zwei  Wellentäler  der  Flut  haben. 

Es  kommen  also  für  irdische  Objekte  immer  nur  die  Differenzen 
der  Beschleunigungen  in  Frage,  welche  ihnen  Sonne  und  Mond  er- 
teilen, gegen  die  Werte  dieser  Beschleunigungen  im  Erdmittelpunkte, 

so    daß   die   resultierende   Wirkung    noch    einmal   im   Verhältnis     - 

(tt  Erdradius)  kleiner  ist.  (Darum,  wegen  des  kleineren  r,  schließlich 
das  Überwiegen  der  Mondflut  über  die  Sonnenflut.) 


Nr.  290. 


§  61.  Kinetik  der  KelatiTbewegnng. 


435 


Flg.  SS7. 


Wichtiger  für  irdische  Bewegungen  sind  die  Zentrifugalkraft 
und  die  Corioliskraft. 

Erstere  ist  fiir  einen  Punkt  mit  dem  Breitengrad  ß 
dmB  cos/J  •  (o\ 

wobei  R  den  Erdradius  bezeichnet.  Sie 
steht  senkrecht  zur  Erdachse,  hat  also 
die  Komponente 

dmR  coB*ß(o^ 

yertikal  nach  oben,  deren  Beschleunigung 
RcoB^ßai^  man  schon  in  der  Regel  von 
der  Erdbeschleunigung  g,  die  ja  doch 
Ton  ß  abhängt,  abzuziehen  pflegt.  Ihr 
Maximum  ist  (am  Äquator) 

Bo»  =  0,0337  m/Sec«. 

Außerdem  hat  aber  die  Zentrifugalkraft 
noch  eine  südliche  Komponente 

dmR  cos/J  •  Binßco^y 

deren  Maximum    ^  ämRcD^  ist  und  filr  /3»45®  eintritt.    Sie  bedingt 

eine  Südabweichung  des  Lotes  und  wird  auch  meist  in  die  Wirkung 
der  Schwerkraft  mit  einbezogen,  da  sie  ja  ebenfalls  nur  eine  Tom  Ort 
abhängige  Oröße  ist  und  auch  das  Lot  an  sich  schon  nicht  genau 
durch  die  Erdmitte  hindurchgeht,  teils  wegen  der  Abplattung  der 
Erde,  teils  noch  wegen  lokaler  Störungen  der  Schwerkraft  durch  un- 
regelmäßige Massenverteilungen  in  der  Erde. 

Wichtiger  und  auffälliger  ist  die  Wirkung  der  Corioliskraft 
—  dm2mv^,  weil  sie  noch  wesentlich  von  der  Bewegung  relativ  zur 
Erde  abhängt. 

Bewegt  sich  auf  der  Nordhälfte  ein  Körper  im  Meridian  nach 
Norden,  so  ist  die  Corioliskraft  nach  Osten  gerichtet  und  gleich 
din2(ov^  sin/9.  Es  bedarf  also  einer  äußeren,  nach  Westen  gerichteten 
Kraft,  um  die  nördliche  Bewegung  zu  erzwingen.  Darin  liegt  es,  daß 
bei  Geleisen,  die  vorwiegend  in  nördlicher  Richtung  befahren  werden, 
die  rechte  östliche  Schiene  stärker  abgenutzt  wird.  Ebenso  unter- 
spülen die  zahlreichen  Ströme  in  Europa  und  Asien  mit  nördlicher 
Laufrichtung  alle  das  rechte  Ufer  starker  als  das  linke  und  zeigen 
die  Tendenz,  sich  nach  rechts  zu  verlegen. 

Fällt  ein  Körper  vertikal  herab,  so  liegt  die  Corioliskraft  eben- 
falls nach  Osten  und  hat  die  Größe 

2dm  coBßv^a, 

Dieser  Umstand  bedingt  die  bekannte  und  experimentell  leicht  nach- 
weisbare Ostabweichung  fallender  Körper.    Macht  man  zur  Be- 

28* 


436 


X.  BAomliehe  Bewegong  det  itUTen  K0fpen. 


Nr.  891 


rechnmig  der  Ostabweichnng,  die  ja  ohnehin  eine  kleine  GröBe  isl^ 
die  angenähert  f&r  nicht  zu  große  Fallstrecken  richtige  ^Annahme,  daß 
nng^ndert 

bleibt,  so  ist  die  ostwärts  gerichtete  Beschlennigung 

2(0  cosßgt, 
also  die  Ostabweichnng 

^  o  cosßgfi: 

sie  berechnet  sich  für  ^  »  5  See,  d.  h.  für  eine  Fallhöhe  von  y^^i  also 

etwa  125  m,  zn  etwa  3  •  cos  ß  cm. 

Dnrch  Fallversuche  in  tiefen  Schächten  hat  sich  das  theoretische 
Ergebnis  bestätigt  gefunden;  natürlich  kann  man  wegen  des  Luft- 
widerstandes keine  zu  große  Genauigkeit  erwarten  (ein  zweites  objek- 
tiyes  Merkmal  für  die  Drehbewegung  der  Erde). 

Beide  Gründe  zu  einer  Ostabweichung  kombinieren  sich,  wenn 
sich  die  am  Äquator  aufsteigende  Luft  nach  Norden  bewegt  und  in 
unseren  Breiten  zu  Boden  sinkt.  Diese  Luft  wird  eine  östliche  Be- 
wegnngstendenz  haben,  weshalb  wir  bei  niedersteigenden  Luffcmassen 
Westwinde  haben,  umgekehrt  bei  aufsteigenden  Luftmassen  Ost- 
winde. 

Etwas  Analoges  gilt  für  die  Meeresströmungen« 

291.  Das  Ponoanltsohe  PendeL  Das  ente  Mittel,  das  mit  Erfolg 
angewendet  wurde,  um  objektiT  auf  Grand  mechanischer  Prinzipien  die  Erd- 
drehnng  nachzuweisen,  war  der  bekannte  Versuch  Foncanlts.   Ein  Pendel  möge 

sich  unter  dem  Breitengrad  ß  und  momentan  in 
einer  Ebene  von  dem  Azimut  tp  gegen  die  Ostrich- 
tung befinden. 

Gegen  ein  auf  der  Erde  festes  Koordinaten- 
system, dessen  x -Achse  nach  Osten,  dessen  y-Achse 
nach  Norden  zeige,  hat  dann  das  m  der  Erde  die 
Bichtungskosinus  0,  cos^,  sin^.  Also  ist  og^aBO, 
fOyi^cocos^,  a>,  «»fiosin^  und  die  Gorioliskraft 
JVbriffms  hat  die  Komponenten 

—  2ni{topB  —  fOgff)  =  —  2iiia>(cos^«  —  tinß^), 

—  2iii(fo^i;  —  co^l)  =  —  Smoisin/S-x, 

—  2m(mxy  —  (Oyx)  =■  -|"  - •'•® cos ß -y . 
Infolgedessen  lauten  die  Bewegungsgleichungen  (vergleiche  Nr.  67) 

m£-»  —  iS>-sin^C08  9  —  2mo>(cos^i  —  sin/Jy), 
mj^ss  —  Äßin^siny  —  2m<osinß3Sy 
m?s  Sco89'  —  mg  -{-^moacoBßy. 

Sind  nun  die  Schwingungen  klein,  so  daß  wir  x,  y,  ^,  und  ihre  Ableitungen  als 
klein  erster  Ordnung  ansehen,  so  sind  z  und  i  klein  zweiter  Ordnung. 


Nr.  $91.  §  bU  Kinetik  der  BelaÜTbeweinsiig.  437 

Vemachläflsigen   wir   alle   Glieder  zweiter  Ordnung,   so  ergibt  die  letzte 

Oleichnng 

S=  mg — 2mtocoaßy. 

Setzen  wir  das  in  die  beiden  ersten  Gleichungen  ein  und  beachten,  daß 

sin  *  •  cos  9  s«  --  , 

•  Ä    •        y 

Bin  V  •  Bin  9  =  -y 
und  daß^xJF  und  yjr  klein  zweiter  Ordnung  sind,  so  erhalten  wir 

_         « 
y  ^  —  -^y  —  2ö>sinp»&. 

Multiplizieren  wir  die  zweite  Gleichung  mit  t  »=  y  —  1   und  addieren  sie  zur 
ersten,  so  bekommen  wir  eine  einzige  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung  fQr 

die  komplexe  Yariabele 

z^x  +  iy, 
nämlich 

Dabei  ist  zur  Abkürzung 


.-y». 


X  »  CD  sin  /? 
gesetzt. 

Die  Differentialgleichung  für'^r  integrieren  wir  durch  den  Ansatz 

u  genügt  der  algebraischen  Gleichung 

tt»+2Z*tt  +  a»  =  0, 
welche  die  Wurzeln 

tt^  X»  —  xi  +  y_ir«~_  «t  =^  t(yii»  +  a«  —  ;i)  =  ia^ 

und 

u,  = Xf  —  V^^IT—  «« =  —  »(yi*  +  «» +  X)  =  —  ta, 

hat  (ai>0,  a,  >0). 

Das  allgemeine  Integral  ist  demnach 

=-  (J5i  +  *Ci)(cosa, « +  iBina^t)  +  (JB,  +  iC7,)(cos a, t  —  »  sino^t). 

Alle  Buchstaben  haben  jetzt  reelle  Werte,  also  ist 

a;«:5j  cosoj*—  C\  sinajt  +  ^,  cosa,e4-  C*  Bino,«, 

f/  =  Cj  cosai*+  JBj  sinoi«  — J5,  8ina,*+  0,  coBa,^ 

Nehmen  wir  diejenige  Anfangsbedingung,  welche  dem  Foucaultschen  Ver- 
such entspricht:  für  ^  «  0  sei  ib  =»  y  «  0,  j:  =  a,  y  «  0,  d.  h.  ;e?  =  a,  i  =  0.  Dar- 
aus folgen  zur  Bestimmung  toq  A^  und  A^  die  Gleichungen 

A  +  -^t  =  a» 


438  X.  Riomliclie  Bewegung  des  itarreA  KOrpen.  Nr.  Ml. 

woraas 

^1  ==  -  ~ —  a    und     At  =  — ^ —  a , 
alio 

'=0.;«.  (-.'■■"'+'».«-'-'). 
i-«  **•"»*■  («'•.' _e-<-.'j 

folgen. 

Bettiminen  wir  alle  Stellen,  wo  i  »  0,  d.  h.  i;  »>  0  und  y «» 0  igt,  wo  also 
das  Pendel  momentan  ruht  und  demnach  Spitzen  vorhanden  sein  werden. 

Es  werden  das  die  Stellen  sein,  für  welche 

d.h.  cos  (a^ -f- «i) ' »  1  ^ber  Bin(a^'^  a^)t  =  0,  d.  h. 

2«n  nn 


ist.    Für  diese  Zeitpunkte  t„  ist 


«-  (n  — 1,2,...) 


und  daher 


z^xfge*^^^  ^s^Zf^. 


Da  {e'^^lssl,  also  {0„|  »oe,  so  erkennt  man  zun&ohst,  daß  die  Spitzen 
alle  auf  dem  Kreis  mit  dem  Radius  a  liegen,  ferner  hat  sich  in  der  Zeit  von  -P 
^^^  ^fi  -!>  1 1  4m  Azimut  9„  des  Pendels  um  a^  *  (^^  + 1  —  ^m)i  ^-  ^' 

a,   —  oder    n(  1 zz — ^^  | 

vermehrt. 

Man  erkennt  ferner  leicht,  daß  im  übrigen  die  Kurve  innerhalb  des  Kreises 
mit  dem  Radius  a  liegt,  denn  aus 

a:  -=       1^  -  (öl  cos a^t-^-a^  cos a, t), 

y  =      V- —  (o,  sin  aj  t  —  aj  sin  a,  ^) 
folgt  für  das  Quadrat  des  Ausschlages 

a?*+ !/•-= ,   _L :;r\«(*i'+  ^*+  *'*i"»  ^^*^*i  +  '*«^*^- 

Dieser  Ausdruck  erhält  sein  Maximum  für  die  Werte  ^^t^,  n&mlich  a',  sein 
Minimum  für  die  mitten  zwischen  den  Werten  t^  liegenden  Werte 

«+J        «i  +  ö,    ' 

für  welche  der  Kosinufi  gleich  —  1  wird.   Das  Minimum  der  Entfernung  berechnet 
sich  danach  zu 

Va:'  4-  y'i#i«  =■  -  -    r  — ^  =  a  -  — 
r      TV  um         oi+a,  j/a'  +  i« 


•Nr.  292. 


§  61.   Kinetik  der  Relativbewegtuig. 


439 


Fig.  229. 


Man  kann  nnn  wohl  die  Beweg^ung  von  Spitze  an  Spitze  eine  halbe  Schwin- 
^ng  nennen  und  daher  sagen,  daß  sich  nach  einer  vollen  Schwingung  das  Azi* 

mut  nm  2n(  1  —~  _.  _  z=.]  vermehrt  oder,  da  es  auf 
V        Va^  +  X^J 

das  additive  Glied  2n  beim  Azimut  nicht  ankommt: 

es  ?Mt  sieh  das  Pendel  nach  einet-  vollen  Schwin- 

l 
gtmg  um  in-,  — -.^_  rechtsherum  (von  Ost  nach 

Süd  usw.)  gedreht. 

Nach  diesen  Ergebnissen  kann  man  die  Bahn- 
kurve leicht  zeichnen  (Fig.  229).  Das  große',  im 
Jahre  1861  von  Fouoault  in  Paris  in  Bewegung 
gesetzte  Pendel  ergab  tatsächlich  die  berechnete 
Bewegung  befriedigend  genau.  Neuere  analoge  Ver- 
suche lassen  die  Grddrehung  mit  einem  Fehler  von 
7 — 8  Minuten  pro  Tag  berechnen.  Die  feinsten  Versuche  mit  Berücksichtigung 
&ller  Fehlerquellen  stammen  von  Kamerlingh  Onnes  in  Groningen. 

292.  Nochmals  der  Deviattonswiderstand  eines  rotteren- 
den,  gefthrten  BIrelsels.  Indem  wir  die  Rotation  co,  eines  sym- 
metrischen Kreisels  um  seine  Figurenachse  als  Relatiybewegung,  eine 
Drehung  g»q  um  eine  Achse  senkrecht  zu  ihr  als  Führungsbewegung 
auffassen,  können  wir  den  DeTiationswiderstand,  d.  h.  das  Moment, 
das  der  so  geführte  Kreisel  auf  seine  Führung  ausübt,  noch  auf  anderem 
Wege  berechnen,  als  dies  in  Nr.  283  geschehen  ist. 

Sei  (Oq  konstant,  so  kom- 
men von  der  Führungsbewegung 
nur  Zentrifugalkräfte.  Diese 
baben  nach  Nr.  198  nur  eine 
Resultierende  msm^  durch  den 
Schwerpunkt  senkrecht  zur  Dreh- 
achse a?Q,  —  s  ist  der  Schwer- 
punktsabstand von  der  Achse  — , 
welche  verschwindet,  wenn  der 
Schwerpunkt  auf  der  Achse  liegt. 

Nun  die  Corioliskräfte: 


—  2dmGi^\\ 


«  —  2  dm  oj,  (0007, 


Flg.  MO. 


wenn  wir  die  OQ-Achse  zur  a:-Achse  machen.  Diese  haben  also  allö 
die  Richtung  der  Figurenachse.  Ihre  Summe  ist  —  2w5,  •  (©^  •  f  *),  ver- 
schwindet somit,  da  r *  aus  Symmetriegründen  die  Richtung  öf .  hat 
und  daher  auf  cDq  senkrecht  steht. 

Dagegen  haben  die  Corioliskräfte  ein  Moment,  wie  man  sofort 
aus  der  Figur  sieht.    Denn  zwei  zur  y;er-£bene  symmetrisch  gelegene 


440  X.  Bäumliche  Bewegung  des  starren  Eörpen.  Nr.  298, 294. 

Punkte  haben  entgegengesetzt  gleiche  Gorioliskräfte:  der  Hebelarm 
eines  jeden  ist  x.  Es  entsteht  also  nm  die  y-Achse^  d.  h.  um  eine 
Achse  senkrecht  sowohl  zur  Figurenachse,  als  auch  zur  Drehachse  o^, 
ein  Eraftepaar  Tom  Moment 

weil  A'^  B  sein  sollte. 

Das  stimmt  mit  dem  früheren  Resultat  überein.  Die  Relativ- 
beschleunigungen  endlich  haben  aus  Symmetriegründen  weder  eine  Re- 
sultierende noch  ein  Moment. 

298.  Der  InerUeregnlator,  dessen  erster  Entwurf  von  Sie- 
mens stammt^  dient  dazu,  die  durch  Unregelmäßigkeit  des  Kraftfeldes 
entstehende  Winkelbeschleunigung  ca  einer  Maschine  durch  6ine  Ein- 
wirkung auf  das  Kraftfeld  wieder  rückgangig  zu  machen. 

Denken  wir  uns  auf  einem  Rad  relativ  zu  ihm  um  eine  parallele 
Achse  drehbar  einen  Hebel  befestigt^  der  sich  bei  gleichfonniger  Be- 
wegung des  Rades  von  selbst  unter  Wirkung 
der  Zentrifugalkraft  radial  nach  außen  ein- 
stellen wird.  Außerdem  werde  er  in  dieser 
NormalsteUung  noch  durch  eine  Feder  fest- 
gehalten. Wenn  nun  jetzt  das  Rad  eine 
Winkelbeschleunigung  cd  erhält,  so  wird 
jeder  Punkt  des  Hebels  einer  Scheinkraft 
—  dmmr  unterworfen  erscheinen,  die  senk- 
recht zum  Radius  f  steht  und  bei  positivem 
Fig.  s.«ii.  jfy  (b  der  Bewegung  entgegengesetzt  sein  wird. 

'Diese  Scheinkraft  wird  den  Hebel  nach  rück- 
wärts bewegen  und  diese  Relativbewegung  gegen  das  Rad  kann  dazu 
benutzt  werden,  ein  Stellwerk  in  Bewegung  zu  setzen,  das  den  Kraft- 
zufluß reguliert,  z.  B.  den  Dampfzutritt  bei  positivem  m  drosselt  und 
so  eine  Kompensation  d6r  beschleunigenden  Ursache  herbeiführt. 

Es  bedarf  natürlich  noch  einer  eingehenden  Untersuchung  des  ge- 
samten Systems  bestehend  aus  dem  soeben  in  seiner  Grundidee  skizzierten 
Inertieregulator  und  der  ganzen  Maschine,  um  die  Frage  zu  entscheiden, 
ob  eine  hinreichende  Stabilität  des  ganzen  Reguliervorganges  eintritt, 
d.  h.  ob  sich  nach  hinreichend  kurzen  Schwingungen  ein  Beharrungs- 
zustand von  selbst  wieder  einstellt. 

Wir  können  hier  auf  diese  Theorie  nicht  eingehen,  der  Leser  sei 
auf  die  Abhandlung  von  Stodola:  „Das  Siemenssche  Regulierprinzip 
und  die  amerikanischen  Inertieregulatoren^',  Z.  d.  Y.  d.  I.  1899  und  auf 
den  Enzjklopädieartikel  lY  10  v.  Mises  hingewiesen. 

294.  Die  Arbeit  der  Scheinkr&fte  und  zwar  ihre  Arbeit  bei 
der  relativen  Bewegung  woUen  wir  berechnen,  da  natürlich  der  Eneigie- 
satz  in  der  Form  gilt,  daß 


Nr.  294.  §  51.    Kinetik  der  Relativbewegtuig.  441 

die  Änderung  der  relativen  leinetischen  Energie  gleich  ist  der 
Arbeit  der  wirklichen  Kräfte  und  der  Scheinhräfte  und  »war  gleich 
ihrer  Arbeit  bei  der  relativen  Bewegung, 

Nun  leistet  die  Corioliskraft  keine  Bdativarbeit,  denn  sie  steht  auf 
der  BelatiTgeschwindigkeit  senkrecht. 

Weiter  wollen  wir  zeigen^  daß  die  Zentrifugalkraft  —  dma){(o{r—c)) 
ein  Potential  hat. 

In  der  Tat:  ihre  negative  Arbeit  ist  bei  der  Relatiybewegung 


—  hA  =•  dm(a((D{r—c))  •  b(r— c), 
das  ist  aber  nach  dem  Vertauschungssatze  (Anhang  I  6) 


©(r  — c)  •  b(r  —  c)  •  (odm  «  —  dma)(r—c)  -  (Db(r— c) 

=  —  b     dmaj(r  — c)* 

=  -  bydmai'p'b 

wenn  q  die  Entfernung  des  Punktes  von  der  Drehachse  bedeutet. 
Also  ist  das  Potential  der  Zentrifugalkraft 

Dabei  ist  allerdings  im  Falle  veränderlicher  Drehachse  eine  Be- 
merkung zu  machen.  Wir  haben  bei  der  Operation  b  das  cd  als  kon- 
stant angesehen.  Ist  nun  aber  (o  eine  Funktion  der  Zeit,  so  kann  man 
immerhin  noch  insofern  von  einem  Potential  sprechen,  als  die  Zentri- 
fugalkraft das  Gefälle  des  Potentials  —  ^^^^'p^  ^st.    Denn 

die  Bildung  des  Oradienten  läßt  ja  die  Zeit  unberührt,  es  macht  also 
nichts  aus,  ob  sie  explizit  im  Ausdrucke  des  Potentials  vorkommt  oder 
nicht.    Aber  das  Potential  ist  bei  variablen  a  nicht  mehr  die 
negative  Arbeit  der  Zentrifugalkraft. 
Diese  Arbeit  ist  vielmehr 


+  /  dmfo\r  —  c)  -  o?    ^^       •  dt. 


Dagegen  das  negative  Potential 

1 


deren  relativer  Differentialquotient  nach  der  Zeit 


b(r — c)    ,    j         /    — c     b« 


c?m(D(r  — c)  •  CO  -..      +  dm(o{r—c)'  KfC*'  —  ^) 


442  ^'  Bftnmliohe  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  294. 

ist.    Der  TJuterschied  zwischen  L,  der  Leistung  der  Zentrifagalkraft, 

h  TT 

und  —  T-,    besteht  also  in  dem  Gliede 


rfwa)(r-(j).  Yt(^-c), 


oder  da  nach  Nr.  268 


ist^  in 


bi  -  " 


dm(o(r—c)  •  A(r— c). 


Die  Scheinkraft  —  dmc  ^  in  demselben  Sinne  tvie  die  Zentri- 
fugalkraft ein  Potential. 

Denn  es  ist  bei  konstantem  c  die  negative  Arbeit 


dmc  '  b(r  — -  c)  =  b{dmC'r—c) 

Also  ist  —  dmc   stets  der  negative  Oradient  von  dmc  •  f^-— ^,   aber 

dieser  Ausdruck  ist  nur  bei  konstantem  c  die  negative  Arbeit  der  in 
Rede  stehenden  Scheinkraft. 

Endlich  liat  die  Scheinkraft  —  dm  ü{r  —  c)  im  allgemeinen  kein 
Potential. 

Denn  es  ist  ihre  negative  Arbeit 


dmm(r  —  c)  •  b(r~c) 
nach  dem  Yertauschungssatze  gleich 


dm  CO  '  (r  —  c)  b(r  —  c). 


Es  ist  aber  (r  — c)b(r  — c)  die  in  der  Zeit  d^  von  dem  Radius  r  —  c 
relativ  überstrichene  Flache  b  J^,  also  die  negative  Arbeit  der  Schein- 
kraft —  dm  a}(r  —  e) 

dmm  •  bjF . 

Ist  nun  z.  B.  (b  konstant  nach  Größe  und  Richtung  und  bewegt  sich 

der  Punkt  in  irgend  einer  geschlossenen  Bahn  senkrecht  zu  co^  so  ist 
die  gesamte  Arbeit  der  in  Rede  stehenden  Scheinkraft 

dm  G)  •  F 

also  keineswegs  null^  wie  es  sein  müßte,  wenn  ein  Potential  existierte. 
Das  Wichtigste  zusammenfassend,  können  wir  folgenden  Satz  aus- 
sprechen: 

Dreht  sich  der  führende  Körper  mit  konstanter  Witikdgeschunndig- 
keit  um  eine  der  RicJttung  nach  feste  Achse  und  Iwi  er  außerdem  eine 


•Nr.  295.  §  68.   Impnlsioii  und  Stoß.  443 

Translationsbewegung  von  konstanter  Beschleunigung  c,  so  gut  ein 
Energiesatz  der  Form 

-dmv*—  ^dnifo^Q^  +  dmc  -  r  —  c    ^  1  dk  -  v^dt. 

•o 

v^  bedeutet  dabei  die  Relativgeschwindigkeit;  q  den  Abstand  des 
Punktes  Ton  der  Drehachse  durch  C 

Dieser  Satz  findet  eine  wichtige  Anwendung  in  der  Turbinen- 

theorie  bei  derAbleitung  der  sogenannten  Ludewigschen  Gleichung. 

(Ludewig,   Allg.   Theorie   der   Turbinen,   Berlin    1890;    siehe   auch 

V.  Mises,  Z.  f.  Math.  u.  Phys.  Bd.  57,  1909.) 

Aufgaben:  126.  Wie  lautet  die  Energiegleichung  füi  die  Belativbewegung 
in  einem  mit  der  Erdbeschleunigung  g  herabfallenden  Fahrzeug,  das  sich  nicht 
dreht? 

127.  Der  Leser  möge  versuchen,  alle  in  diesem  Paragraphen  behandelten 
Aufgaben  und  Beispiele  vom  Standpunkte  des  absoluten  Raumes  aus  wenigstens 
qualitativ  zu  erklären. 

128.  Man  versuche  es,  sich  mit  Hilfe  der  Kelativtheorie  die  bekannten  Er- 
scheinungen in  einem  Fahrzeug  klarzumachen,  wenn  dieses  erst  gebremst  wird 
und  dann  stillsteht,  womit  die  Führungsbeschleunigung  plötzlich  aufhört. 

§  62.  Impnlsion  nnd  Stoß. 

295.  Der  gerade,  sentrale  Stoß.  Wir  beginnen  mit  diesem 
einfachen  Falle:  es  mögen  sich  zwei  feste  Körper  auf  einer  Geraden, 
zu  der  sie  symmetrisch  sind,  mit  verschiedenen  Geschwindigkeiten  be- 
wegen. Sie  werden  dann  zusammenstoßen  müssen.  Was  wissen  wir 
über  diesen  StoßprozeB  und  wie  berechnen  wir  die  Geschwindigkeiten 
nach  dem  Stoß,  wenn  dieselben  vorher  bekannt  sind? 

Die  Massen  der  Körper  seien  M  und  m,  die  Geschwindigkeiten 
allgemein  TJ  und  u,  vor  dem  Stoße  V^  und  u^^  nach  dem  Stoße  V^ 
und  Uj. 

Kräfte,  welche  für  das  System  beider  Körper  zusammen  äußere 
wären,  wollen  wir  der  Einfachheit  halber  ausschließen.  Dann  können 
wir  aus  dem  Schwerpunktssatze  für  beide  Körper  zusammen  jedenfalls 
schließen,  daß  die  Summe  ihrer  Massengeschwindigkeiten  konstant  bleibt: 

iHf  J7  +  mu  =  const.  ^  MUi  +  mu^ .  (1) 

Während  des  Stoßes  möge  nun  der  Körper  M  vom  zweiten  m  die 
Kraft  K  —  in  derselben  Richtung  gezählt  wie  die  C7,  u  —  der  zweite 
vom  ersten  die  Kraft  k  empfangen.  Natürlich  ist  nach  dem  Prinzip 
der  Gleichheit  von  Wirkung  und  Gegenwirkung 

K k. 

Der  eigentliche  Stoß  möge  nun  die  Zeit  dt  *^t^—  t^  dauern.  Wir 
teilen  ihn  in  zwei  Teile: 


444  X.   Bänmliche  Beweg^g  des  starren  Körpers.  Nr.  S96^ 

Erste  Periode:  Es  muß  einen  Moment  geben^  wo  sich  die  Schwer- 
punkte beider  Körper  am  nächsten  sind.  Haben  die  Schwerpunkte 
die  Abszissen  X  und  x,  so  trifft  das  zu^  wenn  ^ 

d.  h. 

ist.    Dieser  Zustand  sei  zur  Zeit  t^  erreicht,  als  erste  Periode  wählen 
wir  die  Zeit  von  t^  bis  t^:  die  Periode  der  Kompression. 

Die  gemeinsame  Geschwindigkeit  JJ  ^u^  c  zur  Zeit  t^  können 
wir  nach  (1)  berechnen,  es  ergibt  sich 

c  _  ^^t  +  «». .  (2) 

iM  +  m  ^   ^ 

Etwas  können  wir  nun  jedenfalls  über  die  Krafb  K  resp.  Tc  aussagen^ 
denn  nach  dem  Schwerpunktssatz  ist  für  den  ersten  Körper  allein 

Daraus  folgt  durch  Integration  über  die  erste  Periode 


»o 


Das  Integral  H^  der  rechten  Seite:  ei4  Zeitintegral  über  die  Kraft  Ky 
wollen  wir  ihren  Antrieb  während  dieser  Zeit  nennen.  Ihn  können 
wir  ans  der  vorstehenden  Formel  berechnen  unter  Benutzung  von  (2) 

Natürlich  berechnet  sich  der  Antrieb  A^  der  Kraft  k  ebenso  zu 

Zweite  Periode:  die  Periode  der  Restitution  sei  die  Zeit 
von  (q  bis  t^,  faUs  überhaupt  eine  Trennung  eintritt.  Zu  ihrer  Be- 
handlung bedarf  es  einer  Hypothese,  denn  die  Mechanik  des  starren 
Körpers  ist  nicht  imstande^  eine  Antwort  auf  dem  ihr  an  sich  wesent- 
lich fremden  Gebiete  des  Stoßes  zu  geben.  Auch  die  Ansätze  der  Elasti* 
zitätstheorie  haben  noch  kein  voll  befriedigendes  Resultat  ergeben. 

Man  unterscheidet  nun  seit  Newton  zwei  extreme  Fälle^  zwischen 
denen  die  Wirklichkeit  in  der  Mitte  liegt: 

a)  den  vollkommen  unelastischen  Stoß:  es  findet  gar  keine 
Wiederherstellung  des  alten  Zustandes  statt^  beide  Körper  bleiben  an- 


Nr.  296.  §  6S.   ImpulBion  und  Stofl*  445 

einander  haften  und  bewegen  sicli  mit  der  gemeinsamen  öeschwindig- 
keit  c  fort.    Also  ist  in  diesem  Falle 

U,  =  u,  =  c^^^-P^. 

Natürlich  ist  dann  die  Kraft  K  und  ihr  Antrieb  in  der  zweiten  Periode  nuU. 
b)  Den  vollkommen  elastischen  Stoß:  die  Wiederherstellung 
erfolgt  spiegelbildlich  der  Kompression,  was  den  Kraftverlauf  angeht; 
also  ist  ihr  Antrieb  in  der  zweiten  Periode  gleich  dem  Antrieb  in  der 
ersten  Periode.    Wir  setzen  also 


natürlich  ebenso 

Aj «  Äi . 

Zur  Endrechnung  nehmen  wir  gleich 

c)  den  wirklichen  Fall,  der  die  beiden  anderen  in  der  Grenze 
umfaßt.  Es  wird  in  Wahrheit  H^  weder  null  noch  ganz  gleich  H^ 
sein,  sondern  ein  echter  Bruch  von  H{i 

wo  0  <  £  ^  1.    €  heißt  der  Restitutionskoeffizient. 

Nun  ergibt  der  Schwerpunktssatz  für  jeden  einzelnen  Körper, 
über  die  zweite  Periode  integriert,  sofort 

»»(«,  -c)  =  Ä,  =  £Äi e  j[^-{ui  -  üi), 

woraus  sich  mit  Benutzang  von  (2)   U^  und  u,  berechnen: 


jj  (JM —  «1»)  t/i  +  (1  +  *)  W»**! 

^«  —  m-fM 

(m-tM)t«.+(l  +  0  M  U, 
"» "  m-\-M 


(I) 


Es  ist  noch  interessant,  den  Verlust  an  kinetischer  Energie  zu 
berechnen:  derselbe  ist 

Setzt  man  das  Resultat  (I)  ein,  so  erhält  man 

JE^\{\-B*)  ^-l^^{U,-u,Y.  (II) 


446  ^«   Räumliche  Bewegung  des  stftrren  Körpers.  Nr.  296. 

Bei  dem  vollkommen  dastischen  Stoß  (^  =»  1)  tritt  kein  Energieverlust 
ein,  für  deti  vollkommen  unelastischen  Stoß  (£  =»  0)  ist  er  ein  Mtiximum, 

Aufgaben:  129.  Man  zeige,  daß  beim  vollkommen  elastischen  Stofi  und 
gleichen  Massen  die  Körper  ihre  Geschwindigkeit  vertauschen. 

130.  Man  nehme  die  eine  Masse  M  als  vor  dem  Stoße  ruhend  und  sehr  groß 
an  (feste  Erde).  Man  berechne  die  Resultate  fSr  limes  3f  »oo,  insbesondere 
auch  den  Energieverlust 

131.  Wie  groß  ist  e,  wenn  ein  Ball  nach  dem  Aufstoßen  auf  die  Erde  nur 
mehr  auf  ein  Viertel  der  Fallhöhe  emporsteigt?  (Von  den  Energieverlusten  durch 
Luftwiderstand  werde  abgesehen.) 

Über  den  Bestitiitionskoeffi.zienten  e  liegen  nur  sehr  spärliche 
Untersuchungen  vor.  Er  wird  zumeist  als  eine  Materialkonstante  an- 
gesehen, doch  ist  diese  Behauptung  recht  unsicher.  Einige  Zahlen 
findet  man  in  der  ^^Hütte'^ 

296.  Bie  Oriindgleioliimgen  der  Impnlslon.  StoBprozesse 
zwischen  festen  Körpern  haben  die  Eigentümlichkeit,  daß  es  sich  bei 
ihnen  um  sehr  große,  aber  nur  sehr  kurze  Zeit  andauernde  Kräfte 
handelt,  welche  im  ganzen  eine  endliche,  merkliche  Geschwindigkeits- 
änderung hervorrufen.  Wirkt  auf  einen  Körper  eine  solche  Kraft  k 
die  Zeit  ^dt,  so  ist  nach  dem  über  dt  integrierten  Schwerpunktssatze 

m/^fv  =  I  kdt. 


--J. 


Wenn  also  auch  k  groß,  /it  klein  ist,  so  nimmt  doch  der  Antrieb 
einen  gewöhnlichen  Wert  mittlerer  Größe  an. 

Es  liegt  nun  eine  Vereinfachung  nahe,  die  um  so  mehr  am  Platze 
sein  wird,  als  man  meist  über  den  genaueren  Verlauf  der  Krafk  k 
nichts  weiß  und  nach  unserem  Stande  der  Erkenntnis  froh  sein  muß, 
etwas  über  den  gesamten  Antrieb  aussagen  zu  können. 

Diese  Vereinfachung  besteht  darin,  über  die  Zeit  /It  hinwegzusehen, 
d.  h.  den  Vorgang  dahin  zu  idealisieren,  daß  mau  Jt  =  0  werden  läßt, 
k  dafür  unendlich,  doch  so,  daß 

lim    /  kdt 

einem  bestimmten  endlichen  Werte  %  zustrebt.    Es  ist  dann  natürlich 

für  einen  Punkt 

mJv  =  h.  (I) 

Der  so  idealisierte  Prozeß  heißt  eine  Impulsion,  h  die  Momentan- 
kraft oder  Stoßkraft. 

Eine  Momentankraft  erzeugt  also  plötzlich  eine  Geschwindigkeits- 
änderung, welche  durch  vorstehende  Gleichung  gegeben  ist.  Dabei  ist 
natürlich  Jv,  genauer  gesagt,  die  Änderung  der  Schwerpunktsgeschwindig- 
keit, h  die  Summe  aUer  äußeren  Momehtankräfbe.    Neben  den  Schwer- 


Nr.  297.  §  52.   Impnleion  und  Stofi.  447 

pimktsatz  tritt  natürlich  der  Momenteusatz.  Während  aber  der 
Schwerpunktsatz  ohne  Vernachlässigung  gilt^  d.  h.  auch  dann,  wenn 
wir  den  genannten  Grenzübergang  nicht  yomehmen,  und  unter  h  den 
Antrieb  dier  äußeren  Eiäffce  verstehen,  werden  wir  sehen,  daß  für  die 
abzuleitende  Form  des  Momentensatzes  der  Grenzübergang  wesentlich  ist. 
Aus  dem  Momentensatze  für  endliche  Kräfte 

folgt  durch  Integration,  bei  beliebigem  Bezugspunkt 

/  dmrwdt  =  /  ^rkdt. 

Nun  ist  unter  den  Integralen  r  eine  Funktion  der  Zeit.  Wenn 
aber  die  Geschwindigkeit  endlich  bleibt,  was  wir  ja  annehmen  wollen, 
so  ändert  sich  f  stetig;  machen  wir  also  den  Grenzübergang  zu  z/^»0, 
so  kann  man  während  der  Zeit  /1t  f  als  konstant  ansehen  und  vor 
das  Zeitintegral  ziehen.    Daher  gilt 

wo  ef  »  /  dmrvdt  und  v  im  allgemeinen  die  ganze  Geschwindigkeit  ist. 

Für  den  Imptdsionsproeeß  ist  die  plötzlich  eintretende  Änderung 
des  Impulsvektors  gleich  dem  Gesamtmoment  der  äußeren  Momentan- 
kräfte. 

Dieser  Satz  gilt  für  jeden  Bezugspunkt.  Ein  Moment  D  von 
Momentankräften  wollen  wir  auch  einen  Drehstoß  nennen. 

Aus  der  Momentengleichung  folgt  eine  dynamische  Inter- 
pretation des  an  sich  kinematisch  definierten  Impulsvektors. 
Dreht  sich  ein  Körper,  so  daß  er  augenblicklich  den  Impulsvektor  J 
hat  und  stellen  wir  uns  die  Aufgabe,  ihn  plötzlich  durch  einen  Dreh- 
stoß zur  Ruhe  zu*  bringen,  so  ist  ^J  =  —  Jy  also  D=^  —  J.  Wir 
brauchen  zum  Anhalten  also  einen  Drehstoß,  dessen  Vektor  der  Größe 
nach  gleich,  der  Richtung  nach  entgegengesetzt  dem  Impulsvektor  ist. 

297.  Verhalten  der  Beibung  bei  StoBproBessen.  Wirken 
bei  Stoßprozessen  auch  noch  gewöhnliche,  endliche  Kräfte  mit,  so  ver- 
schwindet in  der  Grenze  ^t  =  0  ihr  Zeitintegral,  ihre  Wirkung  fällt 
also  für  den  Stoßprozeß  foi*t. 

Es  ist  wichtig,  sich  zu  überlegen,  wie  sich  die  Reibung  dabei 
verhält. 

Es  ist  für  Gleitreibung  R  =  fN,  für  Haftreibung  R  £  f'N. 

Es  wird  also  die  Reibung  dann  den  Charakter  einer  Stoßkraft 
annehmen,  wenn  der  Normaldruck  es  tut,  sonst  aber  nicht. 

Der  Normaldruck  aber,  als  passive  Kraft,  d.  h.  als  Kraft,  die  erst 
durch  das  Problem  selbst  ihre  Größe  bekommt,  wird  bald  den  Cha- 


448  ^  B&umliche  Bewegung  dei  Btftrzen  KOrpen.  Kr.  S98. 

rakter  einer  Stoßkraft  annehmen  können,  bald  nicht.  Er  wird  es  dann 
tnn,  wenn  die  Art  des  Problems  ihn  dasn  zwingt.  In  manchen  I^en, 
in  den  sogenannten  statisch  unbestimmten  Fallen,  in  denen  eine  Tolle 
Bestimmung  aller  Reaktionskrafte  nicht  möglich  ist,  wird  die  Frage 
mit  der  Mechanik  des  starren  Körpers  gar  nicht  zu  entscheiden  sein. 

Auf  dem  eigentümlichen  Charakter  der  Reibung  beruhen  manche 
Kunststücke,  z.  B.  das  folgende,  das  als  lehrreich  hier  aufgefOhrt  sei. 

Auf  eine  Reihe  von  Glasern  wird  horizontal  eine  ebene  Platte 
gelegt,  darauf  senkrecht  über  jedes  Glas  ein  nicht  zu  schmaler,  oben 
etwas  ausgehöhlter  Stab  gestellt,  auf  den  wiederum  je  ein  Ei  gesetzt 
wird.  Würde  man  die  Platte  langsam  seitlich  bewegen,  so  würden  in- 
folge der  Reibung  Stabe  und  Eier  mitgehen.  Die  Kunst  besteht  nun 
darin,  durch  einen  scharfen  Schlag  die  Platte  seitlich  herauszuschleudern, 
so  dafi  die  Stabe  und  Eier  nicht  mitgehen,  sondern  in  die  untergesetzten 
Glaser  fallen.  Die  Erklärung  dieser  Möglichkeit  ist  einfach.  Bei  einem 
scharfen  genau  horizontalen  Schlag  wird  der  senkrechte  Normaldruck 
zwischen  den  verschiedenen  Körpern  nicht  alteriert,  er  bleibt  gleich 
den  Gewichten  der  Lasten.  Also  bleibt  auch  die  Reibung  endlich, 
kommt  mithin  für  den  StoBprozeß  nicht  in  Frage,  so  daß  der  Stoß 
als  reibungsfrei  angesehen  werden  kann,  eine  horizontale  Kraftüber- 
tragung auf  Stabe  und  Gläser  in  merklichem  Maße  nicht  stattfindet, 
diese  also  an  Ort  und  Stelle  bleiben. 

Behandeln  wir  jetzt  ein  Beispiel,  in  dem  die  Reibung  den  Charakter 
einer  Stoßkraft  annimmt. 

298.  Stoß  einer  rotierenden  Kugel  gegen  eine  rauhe  Wand. 

Wir  beschränken  uns  auf  das  ebene  Problem:  v^  eei  die  Qeschwindigkeit  vor 
dem  Stoße,  a^  die  Winkelgeschwindigkeit,  a^  der  Einfallswinkel,    v, ,  o, ,  o,  seien 
die  Größen  nach  dem  Stoße,  v,  od  die  vaiiabeln  Werte  während  des  Stoßes. 
Ist  dann  k  der  normale  Stoß,  so  ist  jedenfalls 

m  (t?,  cos  «1  +  t?i  COB  a^)  =  Ä .  •  (1) 

Die  Geschwindigkeit  des  Berührungspunktes  ist  vor  dem  Stoße 

v^  sin  «1  -f"  ''••i 

nach  dem  Stoße 

17,  sin  a,  +  r»,, 

im  selben  Sinne  gerechnet;  folglich  ist 

m(t7,  sin  a,  +  r«,  —  v^  sin  a^  —  ro^)  =  V,  (%) 

wenn  h'  den  Reibungsstoß  bedeutet. 
Endlich  gibt  der  Momentensatz 

JJ:=  T{(o^  —  Ol)  =-  rh\  (8) 


Fig.  SS8. 


Es  wäre  eigentlich  noch  ein  Stoßmoment,  das  dem  Moment  der  Rollreibung 
entspricht,  zu  berücksichtigen,  doch  wollen  wir  der  Einfachheit  halber  davon  ab> 
sehen,  es  wird  ja  auch  bei  harten  Körpern  verhältnismäßig  gering  sein. 

Nun  sind  zwei  Fälle  denkbar: 


Nr.  298.  §  62.    Impulsion  and  Stofi.  449 

a)  entweder  geht  die  Tangentialkomponente  der  Geschwindigkeit  anf  Nnll 
herunter  und  bleibt  dann  null:  die  Reibung  hat  dann  während  dieser  Zeit  den 
Charakter  der  Haftreibung  und  folglich  ist 


\K\%fh        \ 
dafür  aber  \  (a) 

«,  sin  «,  +  rw,  =—  0  J 

b)  oder  es  bleibt  die  Tangentialkomponente  von  Null  verschieden,  dann  ist, 
die  Gültigkeit  des  Coulombschen  Gesetzes  yorausgesetzt, 

7»'i=A  (b) 


das  Zeichen  von  K  ist  dem  von  v  sin  a-^-rm  entgegengesetzt. 

Als  Stoßhypothese  wollen  wir  nun  einfahren,  daß  sich  für  die  Normal- 
komponente die  Gesetze  des  geraden  zentrierten  Stoßes  Q bertragen,  daß  also  nach 
Nr.  296 

r,  cos  er,  =»  8  •  Vj  cos  a^  (4) 

sei.     Es  müßte  freilich  diese  Hypothese  noch  an  der  Erfahrung  geprüft  werden. 
Jetzt  können  wir  das  Problem,  v, ,  a, ,  cd,  zu  bestimmen,  lösen. 

Fall  a.    Man  berechnet  aus  (4)  (a)  (2)  und  (8)  xmter  Elimination  von  K 

v^  cos  ce,  =>»  BV^  cos  a^ , 

ö>f  ==  ®i  —  f^{^i  si» «1  +  ^^\)> 

r* 
v,  sin  a,  :s  —  r ©,  =«  —  rta^  +  -^m  {t\  sin  «j  -(-  rto^) . 

Ob  dieser  Fall. nun  wirklich  eintrifft,  hängt  davon  ab,  ob  für  die  aus  (1)  und 
(2)  berechneten  Werte  von  h  und  K  'h'\<fh  ist,  d.  h.  ob 


17,  sin  «j  4"  ''^i  I  '^f'  (1  +*)^i  <^8  a,  (A) 

ist. 

Fall  b, .     Sei  dauernd  VBina-\-ra)  >>  0,  so  daß 

Ä'  =  ~A  (b,) 

ist.     Dann  berechnen  sich  aus  (1),  (2),  (3),  (4)  und  (b,)  die  Unbekannten  r,  cos  a^ 
v^  sin  et, ,  09, ,  Ji   und  h  zu 

.,.  t?,  cos  a,  =  f  •  r,  cos  a^ , 

öj  «  «,  —  —  fm(l  + 1)  Vi  cos  «1 , 

t;,  sin  a,  SS  —  r©,  -f  t?,  sin  a,  +  ro,  —  /*(!  -}-»)  »i  cos  a^ , 
=-  Vi  sin  a,  +  (^  —  ij  /•(!  +  e)«^i  cos  a, , 

■ 

dabei  ist  jedenfalls  r< wir*,  also    „,  —  1  > 0. 

Insbesondere  berechnet  sich  der  Ausfallwinkei  zu 


£ 

Also  wegen  s<^l 

Hamel:  Elementare  Meohudk.  29 


450 


X.  Ränmliche  Bewegung  des  starren  Körpers. 


Nr.  «99. 


Nur  in  dem  Idealfalle  «  »«  1  und  /'»  0  folgt  das  bekannte  (besetz  der  Gleichheit 
▼om  Einfalls-  und  AuBfallswinkel.    Nun  bedarf  es  aber  noch  einer  Kontrolle. 
Ist  auch  wirklich  noch 

u,  sin  «2  +r«,  >0? 


Man  berechnet  aus  den  Formeln  (2),  (bj  und  (1) 

«,  sin  a,  -f  rcD,  =  Vi  sin  «^  +  rm^  —  f{t  +  *)  «^  cos  a, , 
v,  sin  «1  +  r  «1  >  /"(l  +  *)  Vi  cos  ucj 


es  muß  also 


(B.) 


sein,  eine  Bedingung,  die  bei  positivem  v^  sin 04  +roi>i  gerade  (A)  ausschließt. 
DerFall  b,,  daß  dauernd  v  sin  a  -|-  roo  -<  0  sei,  mag  dem  Leser  zur  Durch- 
führung überlassen  bleiben.    Als  Bedingung  erhSlt  man 


—  v^  sin  «j  —  r»,  >  f(l  -f  s)  t?j  cos  «j , 


(B.) 


so  daß  sich  zeigt,  daß  sich  —  immer  die  Gültigkeit  des  Goulombschen  Gesetzes 
Torausgesetzt  —  die  drei  Fälle  immer  gegenseitig  so  ausschließen,  daß  einer  und 
nur  einer  eintritt. 

299.   Ber  BtoAmittelpiinkt.    Ein  freier  starrer  Körper,  der 
eine  Symmetrieebene  besitzt  und  zunächst  noch  ruhe,  möge  in  seiner 

Symmetrieebene  exzentrisch  gestoßen  werden.  Welche 
Bewegung  beginnt  er?  Nach  dem  Schwerpunktssatz 
wird  der  Schwerpunkt  eine  Geschwindigkeit  v*  an- 
nehmen, die  sich  aus  der  Gleichung 

mv*  =  h 

nach  Richtung  und  Größe  bestimmt.    Außerdem  aber 
wird   eine   Drehung   eintreten,    die   sich   nach   dem 
k  Momentensatz 

T^m  =  hs 

zu  (D  =  h-^-  berechnet. 

Wo  liegt  das  Momeutanzentrum  M? 

Nach  den  Ergebnissen  von  Nr.  224  liegt  es  jedenfalls  senkrecht 


Fig.  883. 


zu  V*. 


Sei  MS  =  a,  so  muß  ferner 


V 


« 


aco 


sein,  woraus  sich 


a  = 


<o 


m 


berechnet. 

Bestimmen  wir  noch  die  Entfernung  des  Drehpols  M  von  der 
Stoßkraft  h,  d.  h.  die  Strecke  MF  =  a  +  s 

a  +  s  = =  —  =  1. 

ms  ms         ' 

wo  l  die  reduzierte  Pendellänge  des  Körpers  für  den  Punkt  F,  M  also 
der  zu  F  gehörende  Schwingungsmittel punkt  ist  (siehe  Nr.  195). 


Nr.  300.  §  52.    Impulsion  and  Stoß.  451 

Da  man  die  Bedeutung  vom  Aufhängepunkt  eines  Pendels  und 
Schwingungsmittelpunkt  vertauschen  kann,  so  kaim  man  den  Satz  so 
aussprechen: 

Stößt  man  einen  Körper  in  einem  Punkte  F,  so  liegt  das  Mo- 
mentamentrum der  eintretenden  Bewegung  auf  der  durch  den  Schwer- 
punkt gehenden  Senkrechten  zur  Stoßkraft  in  demjenigen  Punkte  M, 
für  den  F  Schtvingungsmittelpunkt  ist. 

Hätte  man  also  M  befestigt,  um  die  Bewegung  um  M  zu  er- 
zwingen, so  wäre  ein  Zwang,  d.  h.  ein  Reaktionsstofi  in  M  gar  nicht 
nötig,  wenn  man  gerade  im  Schwingungsmittelpunkt  F  von  M  senkrecht 
zu  MF  stößt,  da  dann  die  Bewegung  von  selbst  um  M  stattfindet. 

Will  man  einen  Körper,  der  sich  um  eine  feste  Achse  0  drehen 
kann,  so  stoßen,  daß  die  Achse  keinen  Stoß  auszuhaUen  hat,  so  muß 
man  ihn  in  dem  zu  0  gehörenden  Sditmngungsmittelpunkt  F  senkrecht 
zu  OSF  treffen. 

Man  nennt  deshalb  den  Schwingungsmittelpunkt  auch  Stoßmittel- 
punkt (centrum  percussionis  nach  Descartes,  der  schon  die  Theorie 
desselben  kannte  und  einige  Beispiele  berechnete.  Die  Berechnung 
kommt  auf  die  von"  Schwerpunkten  und  Trägheitsmomenten  heraus). 

Erfahrungsgemäß  ist  jedem  Handwerker  die  Existenz  und  Bedeutung 
des  Stoßmittelpunktes  bekannt:  er  wird  ein  Schlag  Werkzeug  (Hammer) 
stets  so  anfassen,  daß  sein  Handgelenk  keinen  heftigen  Stoß  erfährt. 

Ebenso  wird  man  Maschinen,  welche  Stößen  ausgesetzt  sind,  mög- 
lichst so  konstruieren,  daß  die  Drehachse  stoßfrei  wird,  einmal  aus 
Festigkeitsgründen,  dann  auch  deshalb,  damit  für  den  Stoßprozeß  das 
Lager  als  reibungsfrei  angesehen  werden  kann.  Auch  der  Elöppel  in 
einer  Glocke  wird  stoßfrei  aufgehängt. 

300.  Bas  ballistisohe  Pendel  von  Bobins  (1742)  dient  dazu, 
Geschwindigkeiten  von  Geschossen  zu  messen:  es  besteht  aus  einem 
kastenförmigen  Pendel,   das  mit  weichen  aber  zähen 

Materialien  angefüllt  ist,  um  das  Geschoß  aufeufangen  [ y 

und  möglichst  schnell  zur  Ruhe  zu  bringen.  Trifft  das 
Geschoß  im  Abstände  s  von  der  Drehachse  mit  der 
Geschwindigkeit  v  ein,  so  ist  in  bezug  auf  die  Dreh-  ^ 

achse  vor  dem  Stoß  das  Moment  der  Massengeschwin- 
digkeiten mso).   Durch  den  Stoß  wird  das  ganze  Pendel 
mitsamt  dem  steckengebliebenen  Geschoß  eine  Winkel-        m 
geschwindigkeit  o    erhalten   haben,   das  Moment   der 
Massengeschwindigkeiten  nach  dem  Stoß  ist  demnach  ^   ^^ 

{T-{-ms^)(o. 

Nehmen  wir  die  Achse  als  reibungsfrei  an,  was  wir  um  so  mehr  tun 
dürfen,  je  näher  der  Treffpunkt  dem  Stoßmittelpunkt  liegt,  so  wirkt 

29  • 


V 


452 


X.   Bäumliche  Bewegung  des  starren  Körpers. 


Nr.  801. 


auf  das  ganze  System  von  Geschoß  und  Pendel  zusammen  kein  Dreh- 
stoßy  also  ist  nach  dem  Momentensatz,  der  ;mangels  eines  Drehstoßes 
die  Erhaltung  des  Momentes  der  Massengeschwindigkeiten  aussagt^ 


abo 


msv  -=  {T  +  m^)(o, 


T  +  ms* 

V  =  — ■ (O. 

ms 


m's'A;' 


(D  kann  aber  aus  dem  Ausschlage  des  Pendels  bestimmt  werden  (siehe 

Nr.  92). 

301.  Bnergteverlnst  beim  Stoße  eines  HammerwerkeB. 

Ein  um  eine  horizontale  Achse  drehbarer  Hammer  werde  durch  den  Daumen 
eines  rotierenden  Rades  angestoßen  und  so  in  die  Höhe  gehoben.  Welche  Be- 
wegung tritt  ein  und  wie  groß  ist  der  Energieverlust,  wenn  wir  den  Stoß  als 
unelastisch  ansehen,  d.  h.  annehmen,   daß  nach  dem  Moment  des  ^uftreffens 

Daumen    und    Hammer    so 
lange  in  Berührung  bleiben, 
bis  sie  voneinander  abgleiten? 
Der  Einfachheit  halber 
wollen  wir  annehmen,  daß 
die  Drehpunkte  0,  0'  und 
der  Treffpunkt  F  auf  einer 
Geraden    liegen,    und    daß 
diese  Gerade   auch  die  Be- 
rührungsfläche zwischen  Dau- 
men und  Hammer  enthalte. 
0^ sei  r,  O'F^^^r^  alle  Größen  bezüglich  des  Hammers  mögen  gestrichelt, 
alle  bezüglich  der  Welle  ungestrichelt  werden. 

Die  Welle  habe  vor  dem  Stoße  die  Winkelgeschwindigkeit  Og.    Dann  ist 
wegen  der  Hypothese  des  unelastischen  Stoßes 

r(D»ro>'.  (1) 


Der  Momentensatz  gibt  für  die  Welle 

—  h  ist  die  Stoßkraft  — ,  für  den  Hammer 


(8) 


(8) 


(*) 


r<D'  =  Ar'—  TP'. 

W  lesp.  W  bedeuten  die  ReibnngsmomeDte  in  den  Lagern 
Seien  die  StoBdxucke  in  den  Lagern  D  und  2)',  so  ist 

wenn  p,  q'  die  Radien  der  Beibungskreise  bedeuten.  Um  nun  D  undD'  zu  finden, 
wenden  wir  den  Schwerpunktssatz  auf  Welle  und  Hammer  an. 

Die  Welle  sei  zentriert,  dann  ist,  weil  der  Schwerpunkt  in  Ruhe  bleibt, 
und  D  und  h  die  einzigen  Stoßkräfte  sind,  die  auf  die  Welle  wirken 

D^h.  (6) 

Der  Hammer  dagegen  wird  exzentrisch  sein,  s  sei  die  Entfernung  des  Schwer* 
punktes  8*  von  0'  und  Hege,  der  Einfachheit  halber  sei  das  angenommen,  eben- 
falls auf  der  Geraden  0F0\ 


Ni.  808.  §  62.   ImpnlBion  und  Stoß.  453 

Dann  gibt  der  Schwerpnnktssatz  ffir  den  Hammer 

mV©'«  — Ä  +  D' 
d.h. 

D'^h  +  m's'to'.  (6) 

Setzen  wir  nun  (6)  nnd  (6)  in  (4)  ein,  dann  (4)  in  (2)  und  (8),  so  können  wir 
aus  (1),  (2),  (3)  unter  Elimination  von  k  die  Werte  Ton  a>  und  a  berechnen.  Wir 
erhalten 


O  SS  CO, 


0    fT' 


09  =a>« 


Man  kann  nun  leicht  den  Energieverlust  infolge  des  Stoßes  ausrechnen; 


2  -  -"  2  2 


JE=  ^  TcDo»--~Tai«  — -^r©'«, 


in  den  man  nur  die  Ergebnisse  für  ©  und  ©'  einzusetzen  braucht.    Wir  geben 

die  Schlußformel  nur  für  den  Fall  p ««  ^' »  0 ,  d.  h.  bei  YemachläsBigung  der 

Zapfenreibung 

1  r'r* 


2     ^   T'r*-\-  Tr* 

Das  ist  natürlich  nicht  der  ganze  Energieverlust,  den  die  Maschine  decken  muß. 
Während  nach  dem  Stoße  der  Hammer  abgleitet,  geht  auch  noch  Energie  infolge 
der  Reibung  verloren  und  außerdem  noch  Energie  infolge  der  Zapfenreibung 
während  des  Leerlaufes  der  Welle. 

Eine  volle  Theorie  solcher  Hammerwerke  auf  Grund  der  vorgetragenen  Stoß- 
prozesse hat  wohl  zuerst  Poncelet  aufgestellt,  der  geniale  Begründer  der  eigent- 
lichen technischen  Mechanik  zu  Anfang  des  19.  Jahrhunderts.  Siehe  auch  das 
Referat  von  Heun:  „Die  kinetischen  Probleme  der  wissenschaftlichen  Technik*\ 

302.  Plötsliohe  Fixierungen.  Die  umgekehrte  Aufgabe,  wie 
die,  einen  Körper  durch  einen  Anstoß  in  Bewegung  zu  setzen,  ist  die 
Beantwortung  der  Frage:  Welche  Bewegung  tritt  ein,  wenn  ich  dem 
schon  bewegten  Körper  plötzlich  gewisse  Bewegungsbeschränkungen 
auferlege,  wenn  ich  z.  B.  plötzlich  einen  Punkt  oder  eine  Achse  fixiere? 

1.  Behandeln  wir  zunächst  das  ebene  Pro- 
blem. Ein  Körper  befinde  sich  in  ebener  Be- 
wegung, V  sei  die  Geschwindigkeit  des  Schwer- 
punktes, o  die  Winkelgeschwindigkeit.  Plötzlich 
werde  ein  Punkt  A  festgehalten  in  einer  Haupt- 
ebene  parallel  der  Bewegungsebene.  Welche 
Drehung  um  A  tritt  ein  und  wie  groß  ist  der 
Reaktionsstoß  von  A?  ^      plg.  »se. 

Wir  legen  durch  A  ein  Koordinatensystem, 
die  rr-Achse  sei  v  parallel.     In  bezug  auf  dieses  Systems  habe  der 
Schwerpunkt  S  momentan  die  Koordinaten  x,  y. 


454  X.   Räumliche  Bewegung  des  starren  Körpers.  Nr.  802. 

Nach  dem  Stoße  habe  der  Körper  die  Winkelgeschwindigkeit  to^, 
BO  daS  8  die  Geschwindigkeitskomponenten 

—  y(Oi     und    x(o^ 
bekommt. 

Seien  h^,  h   die  Stoßkomponenten^  welche  das  Lager  A  auszuhalten 

hat,  so  ist  nach  dem  Schwerpunktssatz 

mxo)^  =*«  —  Äy 
und  nach  dem  Momentensatz,  bezogen  auf  den  Schwerpunkt 

Daraus  berechnen  sich  die  Unbekannten  a^,  \,  h^  zu 

^s         my 

wo  Ta=»  T5+ w(a;*  +  y*)  das  Trägheitsmoment  in  bezng  auf -4.  ist. 

A,=-      wywi  +  wv, 
Ay«  —  mxcj^ 

sind  die  Komponenten  des  Reaktionsstoßes  ^  den  das  Festhaltende  in 
A  empfängt. 

Aufgabe  132:  Ein  homogener  Stab  von  1  m  Länge  und  1  kg  Gewicht  be- 
wegt sich  senkrecht  zu  seiner  Längsrichtung  ohne  Drehung  mit  einer  Geschwindig- 
keit Ton  6  m/Sec.  Er  stößt  mit  einem  Ende  an.  Welche  Winkelgeschwindigkeit 
wird  er  erhalten  und  wie  groß  ist  der  Stoß? 

2.  Losen  wir  die  allgemeine  Aufgabe:  Ein  irgendwie  bewegter 
starrer  Körper  wird  plötzlich  in  einem  Punkte  A  festgehalten.  Wie 
bewegt  er  sich  hinterher  und  wie  groß  ist  die  Stoßkraft? 

Sei  V  die  Geschwindigkeit  des  Schwerpunktes  vor  dem  Stoß,  Js 
der  Impulsvektor  der  Drehung  um  den  Schwerpunkt  vor  dem  Stoß, 
Jaj  Ja  die  Impulsvektoren  bezüglich  A  vor  und  nach  dem  Stoß;  ö 

und  rä'  die  entsprechenden  Winkelgeschwindigkeiten,  Vektor  SA^  s, 
die  Stoßkraft,  welche  das  Hemmnis  in  A  empfängt,  gleich  Ä. 

Dann  hat  nach  dem  Stoß  8  die  Geschwindigkeit  —  Jäi'y  also  ist 
nach  dem  Schwerpunktssatz 

W(— 5ö'— V)  =  —  Ä  (1) 

und  nach  dem  Momentensatz 

JI-Ja-^0.  (2) 


Dabei  ist 


Nr.  302.  §  52.   Impulsion  und  Stoß.  455 

WO  Ea  di6  Rotationsenergie  um  den  Punkt  Ä  nach  dem  Stoße  ist, 
so  daß  die  Gleichung  (2)  eine  Gleichung  für  a'  ist.  Dabei  ist  nach 
dem  allgemeinen  Satze  über  den  Wechsel  des  Bezugspunktes  bei  Mo- 
menten 

Ja  =»  Js  —  ♦wst?. 

Wenn  man  die  Ergebnisse  von  Nr.  273  benutzt,  kann  man  die 
Gleichung (2)  nach  m'  auflösen.   Man  drücke  Ea  durch  Ja  aus;  dann  ist 


o 


Man  bilde  also  formal  diesen  Differentialquotienten  und  setze  nach 
der  Differentiation  für  Ja  den  Wert  Ja^  Js  —  ^sv  ein. 
Gleichung  (1)  gibt  dann  den  Stoß: 

h  =  m{s(ö'  +  v). 

3.  Ein  Körper,  dessen  Bewegung  vorher ^durch  die  Geschwindig- 
keit V  des  Schwerpunkts  und  durch  q  resp.  Js  gegeben  war,  werde 
plötzlich  gezwimgen,  um  eine  bestimmte  Achse  ^  reibungsfrei  zu  rotieren. 

Die  Achse  wird  Stoßkräfte  ausüben,  welche  jeine  Resultierende  h 
und  für  einen  Punkt  Ä  der  Achse  ein  Moment  D  haben,  das  jedoch 
senkrecht  zur  Achse  steht,  da  die  Reaktionskräfbe  kein  Moment  um 
die  Achse  haben  können. 

Die  Stoßgleichungen  lauten 

Jl  -Ja-D,  (1) 

w(s^'  — v)  =- Ä,  (2) 


wo  ö'  in  der  gegebenen  Geraden  liegt,  s_'^  AS  ist. 

Aus  (1)  und  der  Bedingung,  daß  D  senkrecht  zur  Achse  steht, 
folgt  zur  Bestimmung  von  cd',  daß  die  Komponenten  von  Ja  in  Rich- 
tung der  Achse  vor  und  nach  dem  Stoße  einander  gleich  sein  müssen. 

Die  Komponente  nach  dem  Stoße  ist  Tc3',  wenn  T  das  Träg- 
heitsmoment bezüglich  g  ist.    Dagegen  ist 

Ja  —  Js  +  msv. 

Nehmen  wir  nun  als  Achsen  die  Hauptachsen  durch  S  und  habe  in 
bezug  auf  dieses  System  ^  die  Richtungskosinusse  a,  &,  c;  A  die  Ko- 
ordinaten Xf  y,  Zy  so  hat  Ja  nach  g  die  Komponente 

A(a^-  a  -\-  B  '  Q^'h  +  Cco^,  c  —  miyv^  —  zv^a 
—  m{zv^—xv^b  —  m(xVy^yv^)c. 


456  ^-  Rftomliche  Bewegung  dei  stanen  Körpen.  Kr.  803. 

Nennen  wir  diesen  Ansdraek,  den  wir  als  bekannt  ansehen  dfirfen, 
wenn  die  Bewegung  vorher  bekannt  war,  knrz  Jj  so  berechiftot  sich  o' 
ans  der  Gleichong  ^  ,      ^ 

Ä  und  D  berechnen  sich  dann  nach  den  Gleichungen  (1)  und  (2). 

308.  Oeachlchto  und  Zdtorator.  Schon  bei  Galilei  tauchen 
Stoßprozesse  auf  Eine  systematische  Behandlung  findet  der  Stoß  bei 
Marcus  Marci  und  Descartes  um  1600.  Descartes  liebte  den  Stoß 
aus  metaphysischen  Grönden;  nach  ihm  sollte  das  ganze  Weltgeschehen 
in  Stößen  bestehen.  Er  behauptete  daher  auch  die  Erhaltung  Ton 
gcimo,  was  freilich  nur  bei  Stößen  in  derselben  Richtung  richtig  ist; 
wir  wissen  aus  dem  Schwerpunktssatze,  daß  bei  einem  System,  das  von 
äußeren  Stoßen  frei  ist,  nicht  gdmt?,  sondern  ^dmv  erhalten  bleibt. 
Drei  Autoren  nun  brachten  die  Stoßtheorie  gegen  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts auf  den  Stand,  den  wir  hier  vorgetragen  haben:  Wallis, 
Huyghens  und  Wren.  Wallis  entdeckte  1668  den  Stoß  unelastischer 
Körper,  die  beiden  anderen  Autoren  unabhängig  voneinander  die  Ge- 
setze des  elastischen  Stoßes.  Newton  faßte  die  Ergebnisse  zusammen 
und  erj^uizte  sie  in  der  geschilderten  Weise. 

In  der  Zeit  um  1800  machten  dann  die  französischen  Mechaniker 
der  Ponceletschen  Schule  noch  manche  Anwendungen  und  Versuche 
über  den  Energieverlust  bei  Stößen,  so  namentlich  L.  Carnot. 

Eine  neuerliche  Aufiiahme  und  Erweiterung  der  Experimente  in 
einem  den  technischen  Anwendungen  entsprechenden  Maßstabe  wäre 
äußerst  wünschenswert. 

F.  Neumann  und  St.  Venant,  dann  später  Heinrich  Hertz  und 
W.  Yoigt  haben  versucht,  von  der  Elastizitätstheorie  her  einiges  Licht 
in  das  Dunkel  der  Stoßprozesse  zu  bringen. 

Eine  wertvolle  Förderung  unserer  Kenntnisse  von  den  elastischen 
Stoßvorgängen  bedeutet  die  Habilitationsschrift  von  C.  Ramsauer: 
Experimentelle  und  theoretische  Grundlagen  des  elastischen  und  me- 
chanischen Stoßes.    Ann.  d.  Phys.  (IV),  Bd.  30,  1909. 

Poisson  löste  analog  unserer  Darstellung  in  Nr.  295  mit  Be- 
nutzung der  Sätze  von  296  den  allgemeinen  einpunktigen  Berfihrungs- 
stoß  zweier  starrer  Körper. 

Wegen  weiterer  Ausführungen  theoretischer  Art  sei  auf  die  Lehr- 
bücher verwiesen,  vor  allem  auf  das  Werk  von  Thomson  und  Tait: 
Natural  Philosophy,  und  auf  Routh,  Dynamik,  Bd.  I,  Kap.  H,  ni,IY, 

VI,  vn. 


Nr.  804.  §  63.   Die  sjnthetiBche  Methode.  457 


Kapitel  XI. 

Kinetik  der  Systeme,  die  ans  einer  endlichen  Anzahl 

starrer  Körper  bestehen. 

§  53«   Die  synthetische  Methode. 

304.  Allgemeine  Bemerkungen.  Eingeprägte  und  Beak- 
tionBkrftfte.  Wir  betrachten  ein  System,  bestehend  aus  einer  end- 
lichen Anzahl  starrer  Körper,  die  sich  gegenseitig  berühren  und  von 
festen  oder  selbst  wieder  bewegten  starren  Flächen  gestützt  werden  können. 
Fast  alle  Maschinen,  sofern  sie  nicht  unmittelbar  flüssige  oder  leicht 
biegsame  Elemente  (Seile,  Riemen)  enthalten,  können  dazu  gerechnet 
werden.  Die  Berührung  kann  natürlich  sehr  verschiedenartig  sein, 
häufig  wird  der  eine  Teil  einen  Zapfen  tragen,  der  dann  von  einer 
zylinderförmigen  Höhlung  eines  anderen  Körpers  berührt  wird. 

Ein  solches  System  kann  Kräften  unterworfen  sein,  die  als  ge- 
geben oder  doch  durch  Messung  leicht  bestimmbar  angesehen  wer- 
den können,  z.  6.  der  Schwere,  elektrischen  und  magnetischen  Kräften, 
Drucke  von  anderen  Körpern,  die  aber  weder  zum  System  selbst  noch 
zu  den  starren  Führungsflächen  gerechnet  werden  (z.  B.  Dampfdrucke, 
Ej-aftabgabe  der  Maschine  an  Arbeitsmaschinen  vermittels  Treibriemen 
durch  Druck  und  Reibung  zwischen  Riemen  und  Triebrad);  auch  die 
gegenseitige  Anziehung  der  Teile  vermöge  der  allgemeinen  Gravita- 
tion gehörte  hierher,  wenn  wir  sie  berücksichtigen  wollten. 

Eine  andere  Kategorie  bilden  die  Reibungskräfte  zwischen  den 
einzelnen  Körpern  oder  zwischen  diesen  und  den  starren  Stützflächen. 
Auch  wenn  es  sich  um  Gleitreibung  handelt  oder  Roll-  bzw.  Bohr- 
reibung der  Bewegung,  hängen  sie  noch  von  den  unbekannten 
Normaldrucken  ab,  sind  also  von  vornherein  nicht  vollständig  bekannt. 
Da  aber  immerhin  die  Bewegungsreibung  nicht  allein  durch  den 
bloßen  Umstand,  daß  die  Körper  als  sich  berührend  vorausgesetzt  wer- 
den, bestimmt  ist,  sondern  nach  physikalisch  (experimentell)  zu  er- 
mittelnden Daten  (Glätte,  Weichheit  des  Materials  usw.),  auch  von  der 
Geschwindigkeit  usw.  abhängt,  kurz  noch  von  andern  Ursachen  als 
der  kinematischen  Konstitution  des  Systems,  so  rechnen  wir  sie  nebst 
den  zuerst  genannten  direkt  gegebenen  Kräften  zu  den  eingeprägten 
Kräften. 

Ihnen  gegenüber  stehen  die  Reaktionskräfte,  die  durch  die 
Annahme  der  Starrheit  aus  eigentlich  durch  die  Deformationen  be- 
stimmten Spannungen  hervorgehen,  wegen  Außerachtlassung  derselben 


458  XL   Kinetik  starrer  Syeteme.  Nr.  305. 

aber  ihre  physikalischen  Ursachen  verlieren  und  somit  a  priori  als 
^uizlich  unbekannt  anzusehen  sind.  Zu  ihnen  gehören  die  inneren 
Spannungen  der  starren  Körper,  die  Normaldrücke  zwischen  den  starren 
Körpern  und  die  Reibungskräfte  bzw.  -momente,  wenn  es  sich  um  Haft- 
reibungen handelt,  d.  h.  die  betreffende  Bewegung  nicht  eintritt. 

Die  Aufgabe  wird  darin  bestehen,  die  Bewegung  des  Systems 
und  soweit  als  möglich  auch  die  unbekannten  Reaktionskräfte  zu  be- 
rechnen. Soweit  die  eingeprägten  Kräfte  unbekannt  sind,  nämlich 
Yon  den  Reaktionskräften  abhängen  (z.  B.  die  Bewegungsreibungen), 
werden  sie  dann  von  selbst  mitbestimmt. 

Die  synthetische  Methode  besteht  nun  einfach  darin,  daß  nmn 
für  jeden  einzelnen  Körper  den  Schwerpunktssatz  und  den  Momenten- 
satz aufstellt^  wobei  natürlich  zu  den  an  ihm  angreifenden  äußeren 
Kräften  aUe  Drucke  an  seiner  Oberfläche  mitzuwählen  sind,  und  daß 
man  aus  den  so  erhaltenen  2v  vektoriellen  oder  6v  skälaren  Glei- 
chungen (v  =  Anzahl  der  starren  Körper)  die  unbekannten  Drucke 
eliminiert. 

Die  später  vorzutragende  analytische  Theorie  wird  zeigen,  daß 
man  auf  diese  Weise  stets  genau  so  viele  reine,  d.  h.  von  den  Re- 
aktionskniften  explizit  freie  Bewegungsgleichungen  erhält,  als  man 
braucht,  um  die  Bewegung  des  Systems  zu  bestimmen.  Dagegen  wird 
die  Berechnung  der  Reaktionskräfte  nicht  immer  möglich  sein,  das 
System  kann  statisch  unbestimmt  sein,  wie  man  sagt.  Sind  Be- 
wegungsreibungen zu  berücksichtigen,  so  kann  es  sich  infolge  der  sta- 
tischen Unbestimmtheit  ereignen,  daß  es  nicht  gelingt,  die  erforder- 
liche Anzahl  von  auch  implizit  reinen  Bewegungsgleichungen  zu  er- 
halten; daß  also  die  Lösung  des  Problems  mit  den  Methoden  der 
Kinetik  des  starren 'Körpers  (der  sogenannten  Stereokinetik)  nicht 
möglich  ist.  Zwar  sind  die  Bewegungsgleichungen  auch  jetzt  von  den 
Reaktionskräften  explizit  frei;  aber  die  vorkommenden  eingeprägten 
Kräfte  hängen  ihrerseits  wieder  von  den  Reaktionskräften  ab. 

(Vergleiche  zu  den  Ausführungen  dieser  Nummer  auch  die  Num- 
mern 58,  61,  62,  65,  141,  151,  167,  186,  192,  193  und  218,  dann  vor 
allem  später  Nr.  312,  wo  wir  eine  allgemeine  Definition  der  Reak- 
tionskräfte geben  werden).  Eines  Beweises  der  synthetischen  Methode 
bedarf  es  weiter  nicht,  denn  Schwerpunktssatz  und  Momentensatz 
gelten  ja  für  jeden  von  uns  aus  der  uns  umgebenden  mechanischen 
Natur  herausgegriffenen  Körper. 

Gehen  wir  also  zur  Behandlung  von  Beispielen  über. 

306.  Bas  Schnbkurbelgetriebe.  Bas  Problem.  Das  einfache 
Schubkurbelgetriebe  besteht  wesentlich  aus  drei  festen  Körpern:  den 
rein  rotierenden  Teilen,  die  ein  Ganzes  bilden:  Welle,  Kurbel  und 
Schwungrad;  den  rein  hin-  und  hergehenden  Teilen:  Kreuzkopf,  Kolben- 


Nr.  306. 


§  58.   Die  synthetische  Methode. 


459 


siange  und  Kolben  und  drittens  der  Lenkstange^  welche  beide  Teile 
verbindet  und  eine  allgemeine  ebene  Bewegung  ausführt  (vgl.  Nr.  155). 
Das  System  hat  einen  Grad  der  Freiheit,  d.  h.  es  genügt,  eine 
Yariabele,  etwa  den  Eurbelwinkel  ^,  zu  kennen,  um  die  Lage  des 
ganzen  Systems  zu  bestimmen.  Wir  brauchen  also  auch  nur  eine 
reine  Bewegungsgleichung. 


Fig.  »87. 


Handelt  es  sich  um  eine  Dampfmaschine,  die  eine  Trans- 
mission oder  irgendeine  Arbeitsmaschine  antreibt,  so  haben  wir  von 
eingeprägten  Kräften  in  erster  Linie  zu  berücksichtigen: 

a)  den  Dampfdruck,  dessen  Resultierende  « 

ist,  wo  p^p^  die  spezifischen  Drucke  hinter  und  vor  dem  Kolben,  F^ 
und  F^  die  entsprechenden  Kolbenfiächen  sind,  p^  und  p^  werden  als 
Funktionen  des  Kolbenweges  s  —  etwa  gezählt  Ton  der  äußersten 
Lage  des  Kreuzkopfes  aus,  so  daß  5  =  r  +  Z  —  Xj^  ist  —  am  besten 
empirisch  mittels  eines  Indikators  in  Form  eines  Diagramms  aufge- 
nommen. 

b)  Die  Gegenwirkung  der  angekuppelten  Arbeitsmaschine, 
die  an  der  Welle,  eventuell  an  einem  besonderen  Triebrad  auf  der- 
selben wirkt,  und  ein^  der  Bewegung  entgegenstehendes  Moment  W 
sowie  einen  Druck  D^  durch  die  Wellenachse  ausübt.  (Bei  einem 
Treibriemen  z.  B.  wird  W  von  den  Reibungskräften  zwischen  Rad 
und  Riemen,  D  von  den  Normaldrucken  und  den  Reibungen  zwischen 
beiden  gebildet.) 

c)  Die  Gewichte  der  Maschinenteile.  Um  nun  für  diese  erste 
Einführung  in  den  Gegenstand  eine  Vereinfachung  zu  haben,  lassen 
wir  sie  fort,  obgleich  ihre  Berücksichtigung  gar  keine  wesentliche 
Schwierigkeit  bieten  würde.  Bei  liegenden  Maschinen  (Kolbenstange 
horizontal)  machen  in  der  Regel  die  Gewichte  nicht  viel  aus.  Anders 
ist  es  bei  stehenden  Maschinen. 

d)  Die  Reibungskräfte  zwischen  den  bewegten  Teilen  bilden 
eine   wesentliche   Schwierigkeit.     Einmal   deshalb,   weil   sie  Ton   den 


460  XI.   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  806. 

Drncken  abhängen,  dann  deshalb,  weil  man  erst  neuerdings  ange&ngen 
hat,  die  genaueren  Gesetze  der  geschmierten  Lagerreibung  zu  studieren 
(Siriebeck  u.  a.,  siehe  Nr.  60  und  143).  Wir  wollen  uns  der  noch 
meist  üblichen  Behandlungsmethode  anschließen,  die  darin  besteht,  daß 
man  zur  Berücksichtigung  der  Reibung  zunächst  einmal  einen  festen, 
experimentell  bestimmten  Teil  yon  P  abzieht,  nämlich  das  für  den 
Leerlauf  nötige  mittlere  P,  und  dann  noch  von  dem  variabeln  Rest 
Yon  P  eine  ebenfalls  aus  der  Erfahrung  bestimmte  Anzahl  yon  Pro- 
zenten. Im  folgenden  soll  P  schon  stets  den  so  reduzierten  Dampf- 
druck bedeuten,  so  daß  wir  dann  von  der  Reibung  absehen  können. 
Eine  sehr  exakte  Berücksichtigung  des  Reibungswiderstandes  wird  so 
natürlich  nicht  erzielt. 

An  Reaktionskräften  haben  wir  nun: 

a)  den  gesamten  Widerdruck  D^  des  Wellenlagers,  er  geht 
durch  die  Lagermitte; 

b)  den  Zapfendruck  D^  im  Kurbelzapfen  und  zwar  D^  aus- 
gehend von  der  Lenkstange  auf  die  Kurbel,  —  D^  ausgehend  von  der 
Kurbel  auf  die  Lenkstange; 

c)  den  Zapfendruck  Dj^  am  Kreuzkopf  und  zwar  ausgeübt  vom 
Kolben  auf  die  Lenkstange; 

yd)  den  Lagerdruck  der  Führung  des  Kreuzkopfes  und  des 
Kolbens;  er  hat  eine  vertikale  Resultierende  F^  und  ein  Moment  Mf^ 
in  bezug  auf  den  Kreuzkopfzapfen. 

Die  Komponenten  der  einzelnen  D  mögen  V  und  H  heißen,  nach 
oben   bzw.    nach   links   positiv   gezählt,     r  sei   der  Kurbelarm,  l   die 

Schubstangenlänge,  A  =  y ,  -ö*  der  Kurbelwinkel,  rj  ein  Hilfswinkel,  der 

(s.  Fig.  237)  mit  d"  in  der  Beziehung 

r  :l  =  ainrj :  sind"     oder 
siniy  =«  Jl  sin d' 

steht.    Die  drei  Teile  seien  durch  die  Indizes  I,  U,  111  gekennzeichnet. 

306.  FortsetmiLg:  Kinematik.  1.  Der  Schwerpunkt  der 
Lenkstange  liege  auf  CK  im  Abstände  a  von  (7.  Dann  sind  die 
Koordinaten  des  Schwerpunktes 

x^^  r  cos d'  +  a  cos rj, 

Vn  ="  r  Bind'  —  a  sin rj. 


woraus 

vermöge 

ii-rico, 

—  wo 

.  COS-ö" 
COST] 

bedeutet 

—  folgen 

(1) 


Nr.  807.  §  68.   Die  sjDthetisohe  Methode.  461 

WO  S,  i  wohlbekannte  Funktionen  Ton  d'  sind,  z.  B. 

S  =■  —  r  Bin-Ö"--  a  am«  •  X 

'  C08  TJ 

usw.    Aus  den  Formeln  (1)  folgt 

X*  -  i(^)(b  +  rw«», 

Der  Strich  '  bedeute  stets  die  Ableitung  nach  ^. 
2.  Für  den  Kolben  ist  die  Strecke  OK 


OD^u^r 


sin  (^  -|-  7i) 


cos 


n    ) 


(1') 


%ii  =  r  cos  ^  +  1  cos  ly, 
also  die  Kolbengeschwindigkeit 

im  -  -  M(d)  •  «,  (2) 

wo 

u(%)  =  r  sin  d"  +  i  sin  ly  •  iy'  =  r  (sin  -Ö"  +  sin  iy  •  — *— j 
oder 

^     ^  COB  »J 

ist  (vgl.  Nr.  225^  wo  man  aus  der  Figur  sofort  entnimmt 


Aus  (2)  folgt  weiter 

Xjn--  wW^  -  u\d)to\  (2') 

3.  Endlich  brauchen  wir  außer 

ij  =  ria  (3) 

noch 

ij  =  i^"a}*  +  ly'c).  (3') 

Man  beachte  aber^  daß  die  Winkelbeschleunigung  ri  der  Lenkstange 
rechtsherum  positiv  zählt. 

AUe  GeschunndigkeUen  sind  o  proportional,  alle  Beschleunigungen 
bestehen  aus  zwei  Gliedern:  das  eine  ist  ü,  das  andere  o'  propor- 
tional.   Die  Faktoren  sind  wohlbekannte  Funktionen  von  d^, 

307.  Fortsetzung:  Aufttellnng  der  Bewegnngsglelohnn- 
gen.  Wir  erhalten  für  jeden  der  drei  starren  Körper  drei  Gleichungen, 
insgesamt  also  neun  Gleichungen.  Von  diesen  woUen  wir  aber  nur 
diejenigen  hinschreiben,  die  wir  brauchen,  um  die  reine  Bewegungs- 
gleichung zu  bekommen: 

I)  Für  die  rotierenden  Teile  den  Momentensatz  bezüglich  0: 

Tjc, W+H^'rsm»+  F.rcos^.  (1) 


462  ^I-   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  807. 

Der  Schwerpunktssatz  kann  dazu  dienen.  Dg  zu  berechnen. 

II)  Für  die  Lenkstange  alle  drei  Gleichungen: 

m,,x*  =  H,-E„  (2) 

»»nyS n+n,  (3) 

Tji  ij  «  H^a  sinrj  —  V^a  cos rj  —  Vj^{l  —  a)  cosiy  +  H^{l  —  a)  sini?.     (4) 

III)  Für  den  Kolben  den  Schwerpunktssatz  in  horizontaler  Rich- 
tung 

^Wniä^ni  «  -  P  +  J^^.  (5) 

Der  Schwerpunktssatz  in  vertikaler  Richtung  und  der  Momentensatz 
könnten  dazu  dienen^   F^  und  Jf^  zu  berechnen. 

Nun  enthalten  die  Torstehenden  fünf  Gleichungen  vier  unbekannte 
Reaktionen,  nämlich  H^^  V^,  H^,  V^.  Man  kann  sie  in  der  Tat  eli- 
minieren, die  Gleichungen  sind  ja  linear,  und  wird  so  eine  reine 
Bewegungsgleichung  erhalten. 

Rechnet  man  H^  aus  (5),  dann  JS^  aus  (2),  endlich  F^  und  F^ 
ans  (3)  und  (4)  aus  und  setzt  das  Ergebnis  in  (1)  ein,  so  erhält  man 
eine  Gleichung  der  Form 

T^Ü  +  A-.-W+  Pr ''A°J5L+5),  (I) 

WO  die  Abkürzung  Ä  bedeutet 

j  tm      "COS^  ••46/  «      1      ,  COS  ^  \ 

Ä^kT^^r,  -- ^  -  m^x* (rem»  +  X^^  Bin ,, a) 

I  ••»1/1  \  Q.  sin  (^  —  n) 

+  rnnVaK^  -  «)  cos  »  -  »»m^n''      cogi,      ' 

Auf  der  rechten  Seite  steht  außer  dem  Widerstandsmoment  W  noch 

wo  T  den  Tangentialdampfdruck  bedeutet,  d.  h.  den  statisch  auf 
den  Eurbelkreis  reduzierten  Druck  (siehe  auch  Nr.  155). 

Links  steht  außer  T^a  noch  ein  Ausdruck  Ä,  der  yon  den  Massen 
des  Gesfönges  abhängt  und  der  verschwindet,  wenn  man  diese  Massen 
als  sehr  klein  gegen  die  Masse  des  Schwungrades  (wesentlich  Tj)  an- 
sieht. Da  historisch  diese  letztere  Auffassung  die  älteste  ist  und 
sich  die  Notwendigkeit,  die  Gestängemassen  zu  berücksichtigen,  erst 
später  einstellte,  liebt  man  es,  die  Wirkung  des  Gestänges  als  ein  Zu- 
satzmoment —  A  auf  die  rechte  Seite  zu  schieben  und  als  ein  Tom 
Gestänge  verursachtes  Drehmoment  aufzufassen.  Man  nennt  deshalb 
auch  vielfach  —  A  den  Massendruck  oder  die  Massenwirkung 
des  Gestänges. 


Nr.  308.  §  53.   Die  synthetische  Methode.  463 

308.  £k)hliiß:  Weitere  Diskussion  der  reinen  Bewegnngs- 
gleichnng  I.  Der  ältesten  Behandlungsweise  entspricht  mit  voller 
Yemaclilässigung  des  Massendruckes  A  die  Gleichung 

Th^-W  +  rT.  (Y) 

(vgl.  Nr.  246).  Erst  Radinger  erkannte  in  seinem  1870  erschienenen 
Werke:  ^^Dampfmaschinen  mit  hoher  Kolbengeschwindigkeit''  die  Be- 
dentang des  Massendrucks  namentlich  für  schnellaufende  Maschinen. 
Beachtet  man  den  Umstand,  daß  in  A  jedes  Glied  eine  Beschleu- 
nigung als  Faktor  enthält  und  dann  den  Satz  am  Schlüsse  von  Nr.  316, 
so  erkennt  man,  daß  A  die  Form  hat 

wo  G{%')  und  H{%^)  wohlbekannte,  jederzeit  berechenbare  Funktionen 
von  (^  sind.   Deshalb  nimmt  die  reine  Bewegungsgleichung  die  Form  an 

\T^  +  G(^)](b  +  ^(^)ci««  -  TF  +  rJ.  (I«) 

Ausgehend  von  dem  Gedanken^  daß  die  Massen  des  Gestänges  immer- 
hin klein  sind  gegen  die  des  Schwungrades,  daß  also  G{d')  und  H^^) 
klein  sind  gegen  T,  vernachlässigt  Radinger  noch  immer  G{%^)  gegen 
Tj  und  setzt  in  dem  Korrektionsglied  H{%')(o^,  das  wegen  großen  cj*s 
bedeutend  werden  kann  (cd' >  cb  angenommen),  das  an  sich  variable  (o 
gleich  dem  mittlem,  aus  der  Tourenzahl  bestimmten  csq.  Dann  nimmt 
Gleichung  (I)  die  Form  an 

r^eb=^-Tr+rT-  H{^)  •  a,^\  (F) 

wo  jetzt  auf  der  rechten  Seite  lauter  bekannte  Funktionen  von  •d*  stehen, 
wenn  der  Widerstand  W  der  Arbeitsmaschine  und  der  Dampfdruck  P 
als  bekannt  angesehen  werden  dürfen. 

Bei  der  Berechnung  von  Hip)  pflegt  man  nun  noch  des  weiteren 

Vernachlässigungen  zu  machen,   die  darauf  beruhen,  daß  ^  =^  -f  ^i^® 

nicht  sehr  große  Zahl  ist,  nämlich  etwa    .  •     Man  läßt  daher  wohl 

immer  Glieder  mit  k^  gegen  1  fort,  was  Fehler  von  etwa  47o  aiis- 
macht,  oft  aber  schon  selbst  Glieder  mit  A,  d.  h.  man  setzt  l  ^  oo 
gegen  r  und  spricht  von  „unendlich  langer"  Schubstange. 

Hat  man  so  !!{%•)  berechnet  —  das  Material  dazu  ist  durch  die 
vorhergehenden  Betrachtungen  gegeben  —  so  ist  die  Aufgabe  der  Be- 
rechnung des  erforderlichen  Schwungrades  und  ihre  Lösung  dieselbe 
wie  in  der  elementaren  Theorie,  welche  die  Maschine  als  einen  ein- 
zigen rotierenden  Körper  ansieht,  auf  den  die  Momente  —W,  rTy 
und  nun  noch  als  Ersatz  für  das  weggelassene  Gestänge  —  H  •  a^ 
wirken.  Wir  kommen  später  noch  einmal  auf  eine  verbesserte  Theorie 
der  Schwungradberechnung  zurück  (Nr.  320  und  321). 


464 


XL   Kinetik  aturer  Systeme. 


Nr.  310. 


308.  Antraben:  ISS.  Hut  iteUe  nuh  der  lyathetiKhen  Methode  die 
beiden  reiuen  Bewejrangigleichiuigen  tSr  du  Doppelpendel  auf,  du  mu  swat 
■turen  KOrpero  beeteht,  die  um  parallele  horiEontale  Achsen  diehbu*  eeien,  dei 
«ioe  um  eine  feste  Achse  0,  der  andere  um  eine  feste  Achse  C  des  ersten 
Kfirpers.     Der  Schwerpunkt   des    ersten    EOrpon  Sj  liege   »uf  OC  (Fig.  S88}. 

Ton  WideTstftnden  sehe  man  ab,   so  i 

daS  allein  die  Schwerkräfte  eingeprägt  sind. 


Fl«,  na. 


n«.  MO. 


ISl.  In  derselben  Weise  suche  man  die  beiden  reinen  Bewegnngtgleichnngen 
fdz  swei  zjlindrische  Walien,  von  denen  die  eine  anf  dem  horizontalen  Boden, 
die  andere  parallel  anf  der  ersten  abrolle.  Beide  seien  zentriert  Ton  BoU- 
reibnng  tiud  Luftwiderstand  werde  abgesehen.  Uan  nehme  an,  daß  reines  Bollen 
ohne  Gleiten  an  beiden  Berührungistellen  stattfindet  nnd  sehe  von  der  BoUiei- 
buug  ab,  so  daB  nur  die  Gewichte  eingeprägte  Kräfte  sind.  Man  diskatiere 
aber  ans  der  üngleichheitsbedingang  ^r  die  Haftreibung,  wie  lange  reines  Bollen 
mOgUch  ist  (Fig.  23»}. 

186.  Man  stelle  die  eine  leine  Bewegnngsglaichtmg  für  die  Schwinge  auf. 
Der  Sohwetpnnkt  der  Lenkstange  liege  anf  CK  (Fig.  240). 

810.  TerbeMenmg  der  synthetlBoh«!  Methode.  Uan  kann 
in  manchen  Etilen  direkt  reine  BevegangsgleicliiingeQ  erhalten, 
wenn  man  den  Momeotonaatz  nicht  f(ir  jeden  einzelnen  Körper  allein, 
sondern  für  geeignet  zusammengefaßte  Grappen  und  anf  geeignet  ge- 
wählte Punkte  bezogen  aufstellt.  Man  wird  es  sich  zum  Ziel  nehmen, 
die  Gruppen  und  Punkte  so  zu  wählen,  daß  möglichst  viele  der  un- 
bekannten Beaktionskräfte  entweder  innere  Kräfte  werden  oder  doch 
kein  Moment  haben. 

Dabei  hat  man  die  Resultate  von  Xr.  210  zu  benutzen,  welche 
allgemein  aussagen,  daS  das  UaBsenbeschleunigungsmoment  in  bezug 
auf  einen  Punkt  A  gleich  ist 


~dt 


+  msü*, 


wo  s  =  ÄS  ist 

Wir  zeigen  die  Wirksamkeit  der  Methode  an  den  beiden  ersten 
in  Nr.  309  genannten  Aufgaben. 


Nr.  810.  §  58.   Die  synthetische  Methode.  465 

1.  Das  Doppelpendel. 

Der  Momentensatz  für  den  zweiten  Körper  bezüglich  C  gibt  so- 
fort die  erste  reine  Bewegungsgleichong 

Tjj^^ip  —  nijiX^h  sin  (p  +  wfiy*6  cos  9  =«  —  m^gl  sin  g?.  (1) 

Dagegen  der  Momentensatz  fQr  das  ganze  System,  bezogen  auf  0 

T,3^  +  ^119  -  m^^x*  •  y*  +  m^y*  •  x*j 

=-  —  nijga  sin  -ö-  —  fn^g{c  sin  d*  +  6  sin  g>).  (2) 

Dabei  ist 

x^^  c  cos  0"  +  fc  cos  (p, 

Vu  ^  ^^^^  O"  +  6  sin  (f, 
also 

•  •  • 

x^*^  —  c  sin ^  •  d"  —  h  sing)  •  ip  —  c  cos -ö*  •  -9^  —  6  cos q>  •  q)\ 
y *  ^  c  cos  ^  -  &  +  b  cosfpip  —  c  •  sin  O*  •  O**  —  6  sin  qp  •  9?^ 
Setzt  man  dies  in  die  Formeln  (1),  (2)  ein  und  beachtet 

so  erhält  man 

•  •  • 

^ii,c9  +  ♦Wjiftc^  COS  (9  —  -O")  +  nijihcd'*  sin  (q)  —  &)  +  m^gh  sin  9  =  0 

und 

[Ti  +  Wii(c*  +  Ic  cos  (9  -  ^))\%  +  [r„^,+  Wiiftc  cos  (9  -  ^)\q> 

+  ftcmii  sin  (9  —  -9')-9'*  —  Wuftc  sin  (g?  —  -ö")  y*  +  (Wj  fl^a+  Wu^'c)  sin  %' 

+  Wugri  •  sinigp  «»  0. 

Die  zweite  Gleichung  vereinfacht  sich,  wenn  man  die  erste  von  ihr 
abzieht,  zu 

(Ti  +  m'i^c^)%^  +  m^lc  cos  (9?  —  O*)^  —  m^hc  sin (9  —  d)q)^ 

+  {m^ga  +  Wjj^c)  sin -ö-  =  0. 

Setzen  wir  kleine  Schwingungen  voraus  und  bleiben  bei  Gliedern  erster 

Ordnung  in  -ö*,  9,  b^  9,  -Ö",  qp  stehen,  so  reduzieren  sich  die  Gleichun- 
gen auf 

Tu,c^  +  mj^lcb  +  m^^glfp  «  0.  j 

(Ti  +  miiC»)^  +  m^ftc^  +  {m^a  +  m^^gd'  =  0.  J 

In  eine  weitere  Behandlung  dieser  Gleichungen  treten  wir  später 
ein  (siehe  §  57). 

Hamel:  Elementare  Meohftnik.  30 


466  ^'   Kinetik  stairer  Systeme.  Nr.  810. 

2.  Das  Beispiel  der  abrollenden  Walzen.  Es  drehe  sich  die  erste 
Walze  mit  der  Winkelgeschwindigkeit  o  =  ^  rechtshemm,  dann  hat  8i  die  Ge- 
schwindigkeit X'^^ra  und  die  Beschleunigung  x^^ra  nach  rechts. 

Sil  dagegen  hat  die  Koordinaten 

X'{-  {r  +  ä)  sin  9    und    r  +  (r  -|-  a)  cos  9 , 

also  die  Geschwindigkeitskomponenten 

r  (D  +  (t*  +  *)  c®*  9  '  V     ^^^     —  (r  +  a)  sin  9  •  9 

endlich  die  Beschleunignngskomponenten 

äcjj  a«  reo  -|-  (r  -f-  a)  cos  qp  •  gi  —  (r  +  a)  sin  9  •  9 ' 
und 

yJi  =■  —  (r  -|-  a)  sin  9  •  9  —  (r  +  o)cos  9  •  9  *. 

Also  lautet  der  Momentensatz  für  die  zweite  Walze  bezüglich  B 

•^ILB  *  ^  +  ''*n^*^^^9*  —  mjjyjfasin9  ^^m^ganntp 

und  der  Momentensatz  für  das  ganze  System  bezüglich  A 

^J,A  ^  +  ^ii,5*»»ii^ii(ö  +  »•)  0089  —  WiiyJi(a  +  r)  sin9  =  fn^g{a  +  r)  sin9. 

Setzt  man  die  obigen  Werte  für  5^  und  y^j^  ein  und  zieht  vdeder  die  erste  yon 
der  zweiten  ab,  so  erhält  man  die  Gleichungen 

[Tjj  g  -\-  mjja{r  -}-  a)]^  -\-  mjj^ar  coB  (p  •  ö  ^ntj^^aiin9, 
[Tt  ^  +  %!*■'  cos  9] «  +  fnjj^r(r  -f-  a) 9  =  Wjj^r  sin  9 . 
Elimination  von  co  gibt  eine  Gleichung  der  Form 

wo 

-    .^ %i^»^i,^"°y ^      «8in9 

""  ^ii.s •  ^i.^  +  ^11,5 •  ^i»*' «5089  +  Tj^^ m^aCr  +  a) "  /?  +  y  cos  9  * 

Das  Integral 

Jffp)dip 

kann  elementar  ausgewertet  werden.     Setzen  wir  cos  9  » jsr,  so  ist 


Also 


q,*^ lg  (P  +  y  cos  9)  =  const  =  h , 

2  7 


womit  9  als  Funktion  von  9  bestimmt  ist. 
In  ähnlicher  Weise  berechnet  sich 


a  sm9 

^4^  y  CO89  ' 


Nr.  811. 


§  68.    Die  synthetiBche  Methode. 


467 


wo 

also 


a'  =  »»ij(/rTu^5, 


(ö  = 


CO 


^  +  y  cos  qp          ""       ,/  /?  4-  y  C08  9   cp 
—  a'     /*     "°^  ^^- 


(j5+yC08qp) 


Setzen  wir 


lg(/'  +  yco8  9))  =  ir, 
—  y  sinqpd<p 


60  wird 


P  4"  y  cos  g) 


a»(2jer, 


09  = 


a     p         dz    _ 


--„y^h-i^B+^, 


oder 


0} 


«0— —  l/2Ä—2~lg(|J  +  yC08qp)  • 


Aufgaben:  136.  Man  diskutiere  die  Aufgabe  weiter  für  den  Fall  r=»a,  wenn 
für  qp :»  0,  09  =B  0  und  ij>  ^^  s  gegeben  sei,  wo  e  sehr  klein.    Wie  groß  sind  m  und 

yf  

9  für  qp  =s    - ,  d.  h.  wenn  die  zweite  Walze  auf  den  Boden  aufstößt? 

m 

Weitere  Beispiele  und  Aufgaben  findet  man  besonders  in  Love,  Theore- 
tical  Mechanics,  einem  hübschen  Lehrbuch,  das  namentlich  die  synthetische  Me- 
thode weit  durchfuhrt. 

137.  Man  stelle  nach  der  Methode  dieser  Nummer  direkt  die  reinen  Be- 
wegungsgleichungen für  das  dreifache  Pendel  auf. 

311.   Weiteres  Beispiel:  Die  Wage  als  Meßapparat  für 

Ezzeutrisit&ten.  Auf  einem  Wagearme  laufe  der  Körper,  dessen  Exzentri- 
zität b  experimentell  bestimmt 
werden  soll,  um  den  Punkt  C  um. 
^  sei  der  Ausschlagwinkel  der 
Wage,  9  sei  der  Winkel,  den  b 
augenblicklich  mit  der  Zeiger- 
richtung einschließt.  Der  Schwer- 
punkt Sj  der  Wage  allein  —  even- 
tuell mit  einem  Gegengewicht  — 
liege  so,  daß  9=^0^  g)  =  0  eine 
mögliche  Gleichgewichtslage  ist. 

Das  System  ist  fast  dasselbe, 
wie  das  Doppelpendel,  nur  daß 
der  Schwerpunkt  des  ersten  Kör- 
pers nicht  auf  OC  liegt.  Auch 
sind  die  Winkel  anders  gezählt. 

An    den   linken  Seiten   der 
Gleichungen  des  Doppelpendels  ändert  das  prinzipiell  nichts,  man  hat  nur  qp  -|~  ^ 
statt  9  zu  setzen. 

Dekgegen  ändern  sich  die  Momente. 

30  • 


Flg.  Ml. 


468  ^I-    Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  311. 

In  Gleichung  (1)  kommt  auf  die  rechte  Seite  zu  stehen 

in  Gleichung  (2)  dagegen 

—  mjga  8in(^  —  «)  —  mn^c  cos  {ß  +  9')  —  fnugb  sin  (^  +  9) . 
Also  lautet  die  erste  Beweg^ngsgleichung 

'^u^c^  +  (^ii,c  +  *"n^^  co8<p)ä  +  ffinftc^*  sin  qp  4-  Wj^gb  sin  9  «»  0,       (1) 
die  zweite  dagegen,  nachdem  man  die  erste  yon  ihr  abgezogen  hat, 
[rj+  mjj{c*  -^bcco9tp)]d'-\-mjj^becoBq>ip  —  m^j&c sin  9»  9* 

+  mj^asin(^  — ft)  +  iMu<7CCOs(^  +  ^)=»0.  (2) 

'^  SS  0,  9  BS  0  soll  eine  Lösung  sein,  also  muß 

•  mj  a  sin  a  ^=s  mjjC  cos  ß  (3) 

sein,  um  die  Gleichungen  zu  behandeln,  sehen  wir  b  und  •&,  ^,  ^  als  kleine 
GrOfien  erster  Ordnung  an.  Gleichung  (1)  zeigt  dann  sofort,  daß  auch  9  klein 
ist.    Wir  setzen  deshalb 

9  =■  «0  +  V 
und 

wo  ^,  Tp  ebenfalls  klein  sind. 

Bleibt  maA  bei  Gliedern  erster  Ordnung  stehen,  so  erhält  man 

(Ti  +  i»n^*)^  —  mjjbc  8in(caj  t)  •  co^^"  +  (»»i«  cos  «  —  mjjC  8mß)g  •  ^  =  0. 

Damit  die  Wage  bei  co  =»  0  kleine  Schwingungen  macht,  d.  h.  stabil  ist,  muß  noch 

nija  cos  a  >•  muc  sin  ß  (4) 

sein,  was  wir  annehmen  wollen. 
Setzen  wir  noch 

niTacosa  —  mTrCsin^  . 

Wnfcco>o'  

Tj  +  miic*""^' 

so  haben  wir  genau  die  Gleichung  der  erzwungenen  Schwingung  aus  §  16: 

d"  +  a'^  =s  y  sin  cog  t. 

Nur  fehlt  die  D&mpfung,  die  wir  hier  vernachlässigt  haben.    Nimmt  man  noch 

eine  solche  proportional  9"  hinzu,  so  erhält  man  eine  erzwungene  Schwingung, 
deren  Amplitude  gleich 

ist,  aus  der  man  also  y  und  also  auch  das  gesuchte  6  berechnen  kann. 


Nr.  312.  §  64.    Das  Prinzip  der  yirtnellen  Arbeiten.  469 

Als  Funktion  von  cog  betrachtet,  tritt  das  Maximum  der  Amplitude  C  ein, 

£0 

wenn den  größten  Wert  hat,  was  für 


«o^ 


Va«--2^« 


eintritt,  also  bei  kleinem  l  nahezu  für  m^  «sa,  im  Falle  der  „Resonanz*'.  Man 
wird  also,  um  bei  kleiner  Exzentrizität  5  starke  Wirkung  zu  erzielen,  diesem 
Falle  nahe  zu  kommen  suchen.  Eine  gewisse  Dämpfung  müßte  der  Apparat 
haben,  um  den  störenden  Einfluß  der  überlagerten  freien  Schwingung  abzu- 
schwächen. Siehe  die  entsprechenden  Bemerkungen  über  das  Seismometer  und 
den  Pallographen  in  Nr.  76. 

Man  sieht,  daß  man  das  Trägheitsmoment  des  rotierenden  Körpers  nicht 
zu  kennen  braucht,  um  aus  dem  Experiment  h  zu  berechnen.  Die  erste  Gleichung 
ist  unwesentlich;  sie  kann  dazu  dienen,  \j>y  d.  h.  die  Schwankungen  Ton  co  zu 
berechnen. 

Einleitung  in  die  analytischen  Methoden: 

§  54.  Das  Prinzip  der  yirtuellen  Arbeiten. 

312.  Au&telliing  des  Prinzips.  Wir  betrachten  irgendein 
mechanisches  System.  Es  sei  ganz  bestimmt  festgesetzt,  welche  Körper 
wir  hinzurechnen,  welche  nicht.  Auch  seien  die  Bewegungsmöglich- 
keiten des  Systems  genau  umschrieben,  es  seien  also  z.  B.  die  Stütz- 
flächen, die  selbst  nicht  zum  System  gehören,  in  ihrer  Bewegung  be- 
kannt, es  sei  verabredet,  ob  Berührung  stattfindet  und  ob  außerdem 
noch  Einschränkungen  der  Bewegung  vorhanden  sind,  ob  z.  B.  Gleiten 
ausgeschlossen  ist,  ob  Rollen  oder  Bohren  zulässig  ist  usw. 

Kurz  gesagt,  man  kenne  zu  jeder  Zeit  die  kinematische  Kon- 
stitution dos  Systems,  d.  h.  die  Gesamtheit  der  möglichen  unend- 
lich kleinen  Verschiebungen  Sf  eines  jeden  Punktes  des  Systems. 

Eine  solche  allgemeine,  mögliche,  aber  bloß  gedachte  Verschie- 
bung des  Systems  Sf  nennen  wir  zum  Unterschied  von  der  wirk- 
lichen Verschiebung  dr  virtuell;  sie  soll  stets  als  zeitlos  gedacht 
werden,  d.  h.  die  Stützflächen  sollen  bei  ihr  in  ihrer  augenblicklichen 
Lage  gelassen  werden. 

Sind  alle  Stützflächen  fest,  oder  etwas  allgemeiner  gesagt:  ent- 
halten die  gegebenen  Bewegungseinschränkungen  die  Zeit  nicht  ex- 
plizit, so  macht  die  Bedingung  der  Zeitlosigkeit  von  Sf  nichts  aus, 
dann  gehören  die  wirklichen  Verschiebungen  in  die  Klasse  aller  mög- 
lichen virtuellen  Verschiebungen.  Wir  nennen  das  System  dann  sklero- 
nom  (Ausdruck  von  Boltzmann).  Anderenfalls  gehören  die  wirk- 
lichen Verschiebungen  df  nicht  zu  den  virtuellen,  das  System  heißt 
dann  rheonom  oder  nicht  skleronom. 

Ist  z.  B.  ein  System  auf  die  Erde  gestützt  und  sieht  man  die 
Erde  in  erster  Annäherung  als  ruhend  an,  so  ist  das  System  sklero- 


470  XI.   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  812. 

nom.  Beachtet  man  aber  die  Bewegung  der  Erde  und  sieht  sie  als 
fest  gegeben  an  —  was  wohl  für  alle  Probleme  praktisch  hinreichend 
genau  ist  — ,  so  ist  das  System  rheonom.  In  Wahrheit  freilich  wird 
jedes  auf  der  Erde  bewegte  System  die  Bewegung  der  Erde  —  wenn 
auch  unmerklich  wenig  —  mit  beeinflussen.  Wollte  mau  darauf 
Rücksicht  nehmen,  so  dürfte  man  die  Erde  überhaupt  nicht  als  ge- 
gebene Stützfläche  ansehen ;  man  hätte  dann  für  unser  System  die 
Siützdrucke  der  Erde  als  äußere  eingeprägte  Kräfte  aufzufassen,  dafür 
das  System  als  frei  anzusehen.  Um  aber  die  Stützdrucke  wirklich 
zu  berechnen,  müßte  man  dann  noch  die  Bewegung  der  Erde  be- 
trachten. Am  besten  würde  man  freilich  tun,  Erde  und  aufgesetztes 
System  als  ein  einziges  System  zu  nehmen. 

Nachdem  man  sich  so  über  die  Begrenzung  und  die  Bewegungs- 
bedingungen des  Systems  entschieden  hat,  zerfallen  alle  Kräfte  in 
zwei  Klassen: 

1.  die  Reaktionskräfte  ds,  die  allein  durch  die  kinematische 
Konstitution  bedingt  sind,  soweit  man  etwas  a  priori  über  sie  aus- 
sagen kann,  sonst  aber  unbekannt  sind, 

2.  die  eingeprägten  Kräfte  dk.  Das  sind  alle  anderen  Kräfte, 
die  also  noch  durch  andere  Daten  als  die  kinematische  Konstitution 
mitbestimmt  sind.  Sowie  also  noch  irgendeine  physikalische  Be- 
schaffenheit als  Ursache  einer  Kraft  mitspricht  (z.  B.  Masse,  Material- 
beschaffenheit), ist  diese  Kraft  eine  eingeprägte  Kraft. 

Diese  generelle  Unterscheidung  stimmt  mit  unserer  früheren  über- 
ein (siehe  dazu  Nr.  304),  wie  der  Leser  selbst  an  einzelnen  Beispielen 
nachprüfen  möge. 

Es  hängt  also  diese  Unterscheidung  immer  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  von  der  Systemwahl  und  der  Gesamtheit  der  zulässigen  vir- 
tuellen Verschiebungen  ab. 

Nun  sagt  das  Prinzip  der  virtuellen  Arbeiten  folgendes 
grundlegende  statische  Gesetz  aus: 

Eine  beliebige  Gruppe  von  eingeprägten  Kräften  ist  an  einem  me- 
chanischen System  dann  und  nur  dann  im  Gleichgewiclvty  wenn  die 
Summe  ihrer  virtuellen  Arbeiten  für  alle  möglicJien  virtuellen  Verschie- 
bungen verschwindet:  ^    ^ 

Einfühlen  kann  man  sich  in  das  Prinzip  folgendermaßen:  Das 
System  sei  anfangs  in  Ruhe.  Nun  wirken  Kräfte  dk  auf  dasselbe. 
Man  probiere  alle  möglichen  Verschiebungen  dr.  Ist  dann  stets 
Sdjkdf  =  0,  so  zeigen  die  Kräfte  insgesamt  keine  Tendenz,  Arbeit 
zu  leisten,  sie  werden  also  auch  das  System  wirklich  nicht  in  Be- 
wegung setzen,  da  sie  dazu  Arbeit  leisten  müßten.  (Freilich  steckt 
hierin  die  Annahme,  daß  diese  Arbeit  nicht  etwa  von  den  Reaktions- 
kräften aufgebracht  wird.) 


Ni.  313.  §  64.   Das  Prinzip  der  virtuellen  Arbeiten.  471 

Eine  erste  Andeutung  des  Prinzips  geht  auf  Aristoteles  zurück 
und  lebt  unter  dem  Namen  der  goldenen  Regel  des  Aristoteles  fort: 
,^n  dem  Verhältnis,  als  bei  einer  Hebemaschine  die  hebende  Kraft 
kleiner  ist  als  die  gehobene  Last,  ist  der  Weg  der  Kraft  größer  als 
der  der  Last/'  Kraft  und  Last  sind  eben  hier,  bei  Weglassung  der 
Reibung  die  einzigen  eingeprägten  Kräfte. 

Die  beginnende  Neuzeit  entwickelt  das  Prinzip  weiter,  bis  es 
Johann  Bernouilli  1717  in  einem  Briefe  an  Yarignon  allgemein 
ausspricht.  Dieser  Brief  ist  in  Varignons  Nouvelle  m^canique  1725 
veröffentlicht. 

Ehe  wir  uns  mit  dem  Beweis  des  Prinzips  befassen,  wollen  wir 
es  an  einigen  Beispielen  erproben. 

313.  Beispiele. 

1.  Den  Hebelsatz  bewies  schon  Aristoteles  nach  dem  Prinzip. 
Wird  der  Hebel  um  öd-  gedreht,  so  leistet^  die  virtuelle  AiheitpaS&y 
q  dagegen  —  qbd^.  Also  muß  im  Gleich-  ---""^ 
gewichtsfalle                                                         A     a         O^--^^"'^ 

d.  h.  j 

pa^qb  j,  Pig.m.  q 

sein. 

2.  Das  Gesetz  der  schiefen  Ebene  fand  auf  diesem  Wege  zum 
erstenmal  ein  unbekannter  Autor,  der  am  Ausgange  des  Mittelalters 
lebte,  vermutlich  ein  Schüler  des  Jordanus  de  Nemore.  Duhem, 
der  Verfasser  einer  sehr  interessanten  Geschichte  der  Statik  (Origines 
de  la  statique),  nennt  ihn  den  Vorläufer  Lionardos.  (Vgl.  Fig.  175, 
Nr.  202). 

Verschiebt  sich  die  Last  G^  um  8s  nach  unten  parallel  zur 
schiefen  Ebene,  so  senkt  sich  G^  um  Ss  sin  a,  G^  hebt  sich  um 
8s  sin  ß.  Also  gibt  das  Prinzip  der  virtuellen  Arbeiten,  da  die  Ge- 
wichte wegen  der  Unausdehnbarkeit  des  Fadens  und  Vernachlässigung 
aller  Reibung  die  einzigen  eingeprägten  Kräfte  sind, 

G^  tf 5  sin  a  —  G^8s  sin  /3  =  0, 
d.  h. 

G^  sin  a^  G^  sin  ß, 

3.  Der  Flaschenzug  (siehe  auch  Nr.  181).  Wird  die  Last  L 
um  8s  gehoben,  so  verkürzt  sich  die  Entfernung  der  beiden  Rollen- 
träger um  8s j  also  das  Seil  um  2n8s,  wenn  jeder  Träger  n  Rollen 
enthält.  Infolge  dessen  senkt  sich  auch  die  hebende  Kraft  h  uni 
2nSSf  und  das  Prinzip  verlangt  bei  Außerachtlassung  der  Reibung 

2n8slc  —  8sL  ==  0, 
also 

L^2nTc, 


472 


XI.    Kinetik  starrer  Systeme. 


Nr.  814. 


4.  Für  den  freien  starren  Körper  hatten  wir  das  Prinzip 
schon  in  §  50  als  richtig  erkannt  und  bewiesen. 

Aufgaben:  138.  Die  Zugbrücke.  Man  konstruiere  die  Kurve  C  für  das 
Laufgewicht  G^  so,  d.  h.  man  berechne  ihre  Gleichung  in  Polarkoordinaten  r,  tp 
so,  dafi  die  Brflcke  bei  Yemachlässigung  aller  Reibungskräfte  beständig  im 
Gleichgewicht  sei  (Fig.  243). 

Man  beachte  dabei  folgendes:  Erhält  man  aus  dem  Prinzip  der  virtuellen 
Arbeiten  eine  Beziehung  der  Art: 

8F==dG, 

wo  G,  F  von  zwei  Variablen  abhängen,  zwischen  denen  eine  noch  zu  suchende 
Beziehung  besteht,  und  soll  das  Gleichgewicht  für  alle  Lagen,  d.  h.  für  alle 
Werte  der  einen  Variablen  bestehen,  so  darf  man  die  Gleichung  integrieren: 

F=  G^  +  const, 

und  diese  Gleichung  ist  die  gesuchte  Be- 
ziehung. 


7^-^ 


B 


i« 


Fig.  844. 


139.  Die  Roberwalsche  Wage.  Es  seien  an  der  gezeichneten  Wage  (Fig.244) 
die  Gewichte  G^  und  G^  im  Gleichgewicht.  Warum  bleiben  sie  im  Gleichgewicht, 
wenn  man  ihre  Angriffspunkte  beliebig  an  den  Hebeln  FG  und  HJ  verschiebt? 
AB  CD  bildet  ein  bewegliches  Parallelogramm;  0^,  0^  sind  feste  Drehpunkte 
xmd  liegen  vertikal  übereinander,  HDHJ  ein  starrer  Körper,  ebenso  CBFG. 
Endlich  sind  IH  und  FG  in  einer  Anfangslage  horizontal  und  dann,  wie  man 
leicht  einsieht,  für  alle  möglichen  Lagen  horizontal. 

140.  Man  suche  die  Gleichgewichtslage  der  beiden  Massenpunkte  m^  und 
rn^f  die  durch  einen  Idealfaden  l  verbunden  seien,  m^  hänge  vertikal  herab, 
m,  kann  längs  einer  vertikalen  glatten  Stange  gleiten  (vgl.  die  synthetische 
Lösung  in  Nr.  202,  Fig.  174). 

314.  Anwendiing  auf  die  Theorie  des  ebenen  Faohwerka. 

Wir  wollen  den  Beweis  des  früher  behaupteten  Satzes  ^  daß  ein  im 
Unendlichkleinen  kinematisch  bestimmtes  Fachwerk  auch  statisch  be- 
stimmt ist,  hier  nachholen  (siehe  Nr.  167).  Ein  Fachwerk  hieß  kine- 
matisch bestimmt,  wenn  es  zwar  an  sich  unbeweglich,  dagegen  bei 
Weglassung  irgendeines  Stabes  beweglich  wurde.  Erleidet  der  fort- 
gelassene Stab  die  Verlängerung  dZ,  der  vte  Knotenpunkt  dagegen  die 
Verschiebung  dr^,  so  hieß  das  Fachwerk  auch  im  Unendlichkleinen 
kinematisch  bestimmt,  wenn  bei  dl  ^0  auch  keine  unendlich  kleinen 


Nr.  316.  §  64.    Das  Prinzip  der  virtuellen  Arbeiten.  473 

von  Null  Terschiedeuen  dr^  niöglicn  waren,  oder  was  dasselbe  ist, 
wenn  bei  irgendeiner  virtuellen  Verschiebung  die  Verhältnisse 

dl 

nicht  unendlich  werden,  sondern  einen  bestimmten  Grenzwert  q^  haben. 
Denn  daß  zwei  verschiedene  p^:  ^/  und  ^/'  existierten,  ist  unmöglich. 
Wäre  das  wohl  so,  so  ^be  es  zu  demselben  Sl  zwei  Verschiebungen 
Q^dl  imd  Q^'dl]  es  wäre  aber  auch,  da  die  Differenz  zweier  unendlich 
kleiner  Verschiebungen  auch  eine  solche  ist,  (ßJ—Q^'')Sl  eine  mög- 
liche Verschiebung  der  Knoten,  die  zur  Verlängerung  Null  des  Stabes 
gehörte,  was  ja  aber  ausgeschlossen  sein  sollte. 

Sei  nun  S  die  Spannung  des  Stabes  ( >  0  als  Druck,  <  0  als 
Zug  gerechnet),  k^  die  Belastung  des  v^^  Knoten,  so  gibt  das  Prinzip 
der  virtuellen  Arbeiten  (vgl.  auch  Nr.  109) 

-  Sdl  +  ^k^  '  Sr^^  0, 
also 

Die  Spannung  bestimmt  sich  also  eindeutig  und  endlich,  das  Fach- 
werk ist  also  auch  statisch  bestimmt,  w.  z.  b.  w. 

Der  Beweis  enthält  auch  eine  Methode,  die  Spannungen  zu  be- 
stimmen: die  sogenannte  kinematische  Methode  (nach  Mohr,  Föppl 
Müll  er- Breslau).  Man  braucht  sich  ja  nur  die  p^  zu  konstruieren, 
d.  h.  wesentlich  die  Verschiebung  dr^  aller  Knotenpunkte  bei  beliebiger 
Verlängerung  dl  des  Stabes.  Zu  dem  Zweck  entwirft  man  die  so- 
genannten Verschiebungspläne.  Wir  können  hier  darauf  nicht 
näher  eingehen,  es  sei  auf  die  einschlägige  Literatur  verwiesen,  etwa 

Müller-Breslau:  Statik  der  Baukonstruktionen, 
sowie  auf  das  Referat  von 

Henneberg:  Graphische  Statik,  Enzykl.  d.  math.  Wiss.  IV,  5. 

316.  Das  Torioellisohe  Prinzip.  Ist  die  Schwerkraft  die 
einzige  eingeprägte  Kraft,  so  ist 

dk^-^  {dmgz), 

wo  z  die  Höhe  des  Punktes  über  einer  festen  Ebene  bedeutet.  Soll 
nun  Gleichgewicht  herrschen,  so  muß 

sein,  d.  h. 


474  ^I-    Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  316. 

Da  dmgs  nur  yom  Orte  abhängt^  so  steht  unter  der  Summe  das  voll- 
ständige Differential  ö{dmgz)\  man  kann  also  schreiben 

oder,  da 

^dmgz  «  gms^ 
ist, 

dsf^  ^  0. 

Ein  nur  der  Schwere  cds  einziger  etngejprägter  Kraft  unter- 
worfenes System  ist  im  Gleichgewicht ,  wenn  hei  helübiger  virtueller 
Verrückung  der  Schwerpunkt  keine  Höhenverschiämng  erleidet,  d,  h. 
wenn  der  Schwerpunkt  eine  sogenannte  stationäre  Lage  (z,  B.  eine 
minimale  oder  maocimale  Höhenlage)  einnimmt.  (Prinzip  von  Tori- 
celli.) 

Dieser  Satz  läßt  sich  verallgemeinem  auf  den  FaU,  daB  die  ein- 
geprägten Kräfte  ein  Potential  haben.     Ist 

dk  => «rr 

dr 
und  ü  außer  von  t  nur  von  den  Orten  r  abhängig,  so  folgt  aus 

Sdk'dr^O 
wieder 

dU^O 
(denn  öt^O), 

In  den  Gleichgewichtslagen  hat  das  Potential  sta/tionäre  (extreme) 
Werte. 

316.  Znaammenfassung  des  Prinzips  der  virtuellen  Ar- 
beiten jnit  dem  Prinzip  von  d'Alembert  dnrch  Lagrange.    In 

seiner  „Mecanique  analytique"  hat  Lagrange  1788  die  beiden  Prin- 
zipien in  eines  zusammengefaßt  und  damit  eine  ganz  neue  Grundlage 
der  Mechanik  geschaffen. 

Gehen  wir  aus  von  dem  Newtonschen  Grundgesetz 

dmw  ^  dk  -\-  ds, 

wo  dk  die  gesamte  an  dem  Volumelement  dm  angreifende  eingeprägte, 
ds  die  gesamte  Reaktionskraft  bedeutet.  Dann  sagt  das  d'Alembert- 
sche  Prinzip:  Die  Gesamtheit  der  ds  hält  sich  bei  der  Bewegung  das 
Gleichgewicht  (siehe  Nr.  193). 

Kombinieren  wir  es  mit  dem  Prinzip  der  virtuellen  Arbeiten,  so 

erhalten  wir 

Sds'ör^O. 

Die  virtuelle  Arbeit  der  Beaktionskräfte  ist  Null. 


Nr.  816.  §  54.    Das  Prinzip  der  virtuellen  Arbeiten.  475 

Dieses  Lagrangesche  Prinzip  ist  notwendigerweise  in  der  Mechanik 
erfQllt,  es  ist  aber  auch  insofern  die  hinreichende  Grundlage  der  Me- 
chanik, als  es  gestattet,  die  Bewegung  des  Systems  vollständig  zu 
bestimmen,  sofern  man  die  eingeprägten  Kräfte  kennt,  und  dann  mit 
Benutzung  des  Newtonschen  Grundgesetzes  auch  ds,  d.  h.  die  Summe 
der  Reaktionskräfte  an  einem  jeden  Punkte  zu  bestimmen  gestattet. 

Es  ist  imstande,  die  bisher  vorgetragenen  Grundlagen  der  Me- 
chanik vollständig  zu  ersetzen,  wenn  wir  beachten,  daß  wir  es  in  der 
Hand  haben,  auch  beliebige  Ausschnitte  eines  Systems  als  solches  zu 
betrachten  und  Bewegungsbeschränkungen  aufzuheben,  wodurch  frühere 
Reaktionskräfte  zu  eingeprägten  Kräften  werden,  die  freilich  als  Un- 
bekannte einzufahren  sind.  Indem  wir  dann  unter  den  möglichen 
Bewegungen  nur  diejenigen  auswählen,  welche  den  zunächst  außer 
acht  gelassenen  Bewegungsbeschränkungen  genügen,  bekommen  wir 
die  Möglichkeit,  die  unbekannten  Reaktionskräfte  —  jetzt  kinetisch 
zu  eingeprägten  umgedeutet  —  zu  berechnen. 

Schon  bei  Lagrange  findet  sich  eine  Andeutung  dieser  Er- 
weiterung seiner  Methode,  prinzipiell  hat  ihre  Wichtigkeit  neuerdings 
Heun  hervorgehoben  (siehe  Kinematik  Nr.  70,  sowie  Nr.  87  bis  96). 

Für  Zwecke  der  Anwendung  ist  es  meist  vorteilhafter,  dem  La- 
grangeschen Prinzip  unter  Einbeziehung  des  Newtonschen  Grund- 
gesetzes die  Form  zu  geben 

S dmiö  '  öf  ^  ^dJc  -  6f. 

Die  virtueRe  Arbeit  der  Massenheschleunignngen  i^t  stets  gleich 
der  virtuellen  Arbeit  der  eingeprägten  Kräfte. 

Es  ist  nun  wichtig  zu  bemerken,  daß  dieses  Lagrangesche  Prinzip 
die  beiden  anderen  enthält.  Denn  soll  Gleichgewicht  herrschen,  so 
muß  jedenfalls  i«;  =  0  sein,  also  auch 

.gdJfc.dr^O. 

Und  daß  umgekehrt  diese  Bedingung  hinreichend  ist,  das  Gleich- 
gewicht zu  garantieren,  folgt  daraus,  daß  bei  ^dk  -  öf  =  0  auch 

^dmw  •  df  -*  0 

ist,  woraus  man  beweisen  kann,  daß  für  skleronome  Systeme,  und 
nur  bei  solchen  kann  von  Gleichgewicht  die  Rede  sein,  Ruhe  bleibt, 
wenn  Ruhe  war. 

Für  skleronome  Systeme  gehört  nämlich  in  das  System  der  vir- 
tuellen dr  auch  das  wirkliche  df.     Also  folgt  aus 

Srfmü;  — =  0, 


476  ^I-    Kinetik  starrer  Syeteme.  Nr.  317. 

d.  h.  da  die  linke  Seite  -,-  ist, 

E  =  const. 
War  nun  zu  Anfang  Ruhe,   so  ist  die  Eonstante  Null,  also  dauernd 

Da  aber 

E^\Sdmv' 

ist,  kann  E  nur  Null  sein,  wenn  alle  t?  =»  0  sind.  Daß  ferner  im 
allgemeinen  Falle  aus  dem  Lagrangeschen  Prinzip  eine  bestimmte 
Bewegung  sich  eindeutig  ergibt,  wenn  noch  Anfangslage  und  Anfangs- 
geschwindigkeit gegeben  sind  und  wenn  die  eingeprägten  Kräfte  als 
bekannt  angesehen  werden  dürfen,  kann  hier  in  diesem  elementaren 
Buche  nicht  bewiesen  werden;  es  sei  erlaubt,  auf  des  Verfassers  Auf- 
satz in  den  mathematischen  Annalen:  „Über  die  Grundlagen  der  Me- 
chanik'' hinzuweisen. 

Fassen  wir  zusammen: 

Das  d'Alembertsche  und  das  Prinzip  der  virtuellen  Arbeiten  sind 
bewiesen,  wenn  das  Lagrangesche  Prinzip:  ^ds  -  Sf  ^0  bewiesen  ist 

Denn  kennt  man  bereits  das  Prinzip  der  vii-tuellen  Arbeiten,  so 
ist  ja  das  Lagrangesche  Prinzip  nichts  anderes  als  eine  neue  Form 
des  d'Alembertschen  Prinzips. 

317.  Beweis  des  Lagrangeschen  Prinzips.  Wir  beschränken 
uns  auf  den  Fall,  daß  das  System  aus  einer  endlichen  Anzahl  von 
starren  Körpern  besteht,  die  sich  gegenseitig  berühren,  und  von  festen 
oder  in  bestimmter  Weise  bewegten  starren  Stützflächen  gehalten  wird. 

Dann  haben  wir  folgende  Reaktionskräfte: 

1.  Die  inneren  Spannungen  der  starren  Körper. 

2.  Die  Normaldrucke  zwischen  den  starren  Körpern  und  den 
Stützflächen. 

3.  Die  Haftreibungen  gegen  Gleiten,  Rollen  und  Bohren,  wenn 
diese  Bewegungen  als  ausgeschlossen  gelten. 

4.  Die  Kräfte  unter  Nr.  2  und  3  zwischen  den  einzelnen  starren 
Körpern. 

Gehen  wir  zum  Beweis  über,  daß  diese  Reaktionskräfte  insgesamt 
keine  Arbeit  leisten,  bei  irgendeiner  erlaubten  Verschiebung,  die  zeit- 
los erfolgt,  d.  h.  bei  der  die  Stützflächen  in  ihrer  augenblicklichen 
Lage  gelassen  werden. 

1.  Die  inneren  Kräfte  leisten  bei  keiner  möglichen  Verschiebung 
eines  starren  Körpers  Arbeit  (siehe  Nr.  286). 

2.  Der  Normaldruck  zwischen  einer  ruhenden  Fläche  und  einem 
darüberhin  bewegten  Körper  leistet  keine  Arbeit,  weil  er  senkrecht 


Kr.  318.  §  64.   Das  Prinzip  der  virtuellen  Arbeiten.  477 

zur  Berührnngsebene  steht^  jede  mögliche  Verschiebung  des  Angriffs- 
Punktes,  d.  h.  des  Berührungspunkte^»  aber  parallel  zur  Ebene  erfolgt, 
dN  und  das  zugehörige  dr  also  senkrecht  aufeinander  stehen. 

3  a).  Ist  an  der  ruhenden  Führungsfläche  noch  Haftreibung  gegen 
Gleiten  vorhanden,  so  erhält  der  Angriffspunkt  derselben  überhaupt 
keine  Verschiebung:  dr  ist  Null  und  also  auch  dB  •  dr. 

b)  Übt  die  ruhende  Führungsfläche  ein  Moment  M  aus,  so  ist 
deren  Arbeit  M  •  dd',  wo  (Jd*  eine  virtuelle  Drehung  um  den  Punkt 
bedeutet.  Ist  nun  Rollen  ausgeschlossen,  so  steht  öd'  senkrecht  zur 
Fläche,  das  Moment  der  Rollreibung  liegt  aber  in  der  Ebene,  also  ist 
seine  Arbeit  null;  ist  Bohren  ausgeschlossen,  so  liegt  dd^  in  der 
Ebene,  M  aber  steht  senkrecht  darauf:  abermals  ist  - 

Weil  die  Führungsfläche  bei  der  Vornahme  der  virtuellen  Ver- 
rückung in  Ruhe  zu  lassen  ist,  macht  es  nichts  aus,  ob  sie  in  Wirk- 
lichkeit ruht  oder  bewegt  ist. 

4.  Berühren  sich  die  Körper  1.  und  2.  in  einem  Punkte  und  hat 
dieser  als  Punkt  von  1.  die  Verschiebung  dr^,  als  Punkt  von  2.  die 

Verschiebung  dr,,  während  d^^  und  d&^  die  Drehungen  sind;  sind 
femer  k  und  M  die  Reaktion  auf  1.  an  der  betreffenden  Stelle,  so 
ist  nach  dem  Prinzip  der  Gleichheit  von  Wirkung  und  Gegenwirkung, 
die  gesamte  Arbeit  dieser  Kräfte 

Je .  (6f,  -  drg)  +  M  '  (d^,  -  da»,), 

d.  h.  sie  berechnet  sich  so,  als  ob  der  zweite  Körper  ruhte,  die  Kjaft- 
wirkungen  h  und  M  auf  den  ersten  ausübte  und  dieser  erste  nur  die 
Relativbewegung 

dFj  —  dr,     ^^^     ^^i  "^  ^'^2 

gegen  den  zweiten  hätte. 

Damit  ist  aber  Fall  4.  auf  die  Fälle  2.  und  3.  zurückgeführt  und 
der  Satz  vollständig  bewiesen. 

Einige  allgemeinere  Fälle  des  Satzes  (Idealfaden,  inkompressible 
Flüssigkeiten)  werden  wir  noch  später  kennen  lernen. 

318.  Plötzliche  Änderungen  der  kinematischen  Konsti- 
tution. Die  vorstehenden  Sätze  gelten  auch  nocb,  wenn  Momentan- 
kräfte (Impulsionen)  auftreten,  denn  es  macht  natürlich  nichts  aus, 
wie  groß  die  Kräfte  sind.  Doch  muß  während  des  Stoßes  die  kine- 
matische Konstitution  dieselbe  bleiben.  Ändert  sich  diese  aber  plötz- 
lich, werden  z.  B.  Fixierungen  vorgenommen,  finden  Zusammenstöße 
statt  oder  zerreißt  eine  Bindung  plötzlich,  so  wäre  es  falsch  zu  glauben, 
daß  jetzt  die  auftretenden  Reaktionsstöße  keine  Arbeit  leisteten.     So 


478  ^^*   Kinetik  BtAn-er  Systeme.  Nr.  819. 

wissen  wir  ja  schon,  daß  der  unvollkommen  elastische  Stoß  zweier 
fester  Körper  Energie  verzehrt.  Beschränkt  man  sich  jedoch  auf  die- 
jenigen virtuellen  Verschiebungen,  welche  sowohl  vor  als  auch  während 
und  nach  dem  Stoß  möglich  sind,  so  ist  es  klar,  daß  bei  diesen  die 
Reaktionsstöße  keine  Arbeit  leisten.  Denn  diese  Verschiebungsmög- 
lichkeiten werden  ja  eben  beim  Stoße  nicht  geändert. 


§  66.   Die  allgemeine  Energiegleichnng  der  Meelianik 

fUr  skleronome  Systeme. 

319.  Beweis  des  Energieaatzes.  Ist  das  System  skleronom 
(siehe  Nr.  312),  so  kann  man  die  wirklichen  Verschiebungen  zu  den 
virtuellen  rechnen;  das  Lagrangesche  Prinzip  gibt  sofort 

^dmtp  -  df  =  ^dk  '  dr. 
Nun  ist  aber 

dE       r<  ,     _     _        ^dmw  •  dr 


=  ^dmw • V  = 


dt       *^  dt 

also  schließen  wir 

was  wir  auch  integrieren  können: 


E-E^^  Cdk'df==A. 


Die  Änderung  der  kinetischen  Energie  eines  skleranomen  Systems 
ist  gleich  der  Arbeit  der  eingeprägten  Kräfte,  Haben  diese  Kräfte 
ein  Potential  U,  so  ist 

E  +  ü=  const. 

Daß  Stützkräfte,  also  Reaktionskräfte,  bei  nicht  skleronomen 
Systemen,  d.  h.  wenn  die  Stützflächen  in  gegebener  Weise  bewegt 
sind,  sehr  wohl  Arbeit  übertragen  können,  z.  B.  mittels  des  Normal- 
druckes, ist  wohl  anschaulich  klar.  Es  soll  aber  noch  an  einem  Bei- 
spiel gezeigt  werden. 

Nehmen  wir  das  Erdbebenpendel  von  Nr.  73,  doch  lassen  wir 

der  Einfachheit   halber   die  Dämpfung   weg.     Der  Massenpunkt   hat 

die  Geschwindigkeitskomponenten 

•  • 

c  -\-ld'  cos  ^     und     Id'  sin  d: 

Folglich  ist  seine  kinetische  Energie 

^m[c^+  2cld'  cos d^  +  Pd'^]  «  E. 


Nr.  319.  §  66.   Die  allgemeine  Energiegleichung.  479 

Dagegen  ist  die  Arbeit  der  einzigen  eingeprägten  Eraft^  nämlich  der 
Schwerkraft^  ihr  negatives  Potential 

mgl  cos  d'  +  const. 
Für  kleine  d',  #  ist  mit  Beibehaltung  von  Größen  zweiter  Ordnung 

CT  —  Y  mgld"^  +  const. 
Dagegen  folgt  aus  der  Bewegungsgleichung 

m(i^  +  ?)=»  —  mg%' 
durch  Multiplikation  mit  Id'  und  Integration 

1       •'         1  r  ' 

^  mPd^  +  -  mlg%^  +  ml  I  c^dt  —  const. 

Es  unterscheidet  sich  also  der  linksstehende  Ausdruck  von  E+  U  um 


m 


l  I  c^dt  —  meld'  —    mc^, 


und  das  ist  nicht  konstant,  denn  der  Differentialquotient  ist 

—  mied"  —  mc  -  c 

oder  nach  der  Differentialgleichung 

mgd" '  c. 

Dieser  Ausdruck  stellt  die  Leistung  Lq  der  im  Punkte  0  wirkenden 
Reaktionskraft  dar. 

Denn  denken  wir  uns  das  Pendel  frei  und  somit  die  Reaktions- 
kraft in  0  künstlich  zur  eingeprägten  Kraft  gemacht,  so  gilt  jetzt, 
wo  das  System  skleronom  ist,  natürlich  der  Energiesatz  in  der  Form, 
daß  die  Anderungsgeschwindigkeit  der  kinetischen  Energie  des  Pendel- 
punktes gleich  ist  der  Leistung  der  Schwerkraft  und  derjenigen  der 
Reaktionskraft  in  0,  oder 

dt  ^0- 

Und  dieses  Lq  haben  wir  mit  Benutzung  der  Bewegungsgleichung  zu 

Lq«  mgd-c 
berechnet. 


480  ^-    Kinetik  staxrer  Systeme.  Nr.  320. 

Ist  die  horizontale  Komponente  der  Reaktionskraft  in  0  gleich 
H,  60  muB  natürlich  auch 

sein,  also  ist  (bis  auf  Glieder  höherer  Ordnung) 

H^  mgd'. 

Aufgabe  141:  Man  beweise  direkt  unter  Anwendimg  des  Schwerpunkt- 
satzes  auf  den  materiellen  Punkt,  daß 

ist. 

320.  Anwendung  auf  die  Dampfinasohlne.  Hat  das  System 
nur  einen  Freiheitsgrad,  wie  z.  B.  die  Dampfmaschine,  so  gibt  der 
Energiesatz  bereits  die  reine  Bewegungsgleichung  in  einmal  inte- 
grierter Form. 

Wir  nehmen  das  Problem  genau  so  wie  in  Nr.  305.  Danach  ist 
die  kinetische  Energie  des  ganzen  Systems,  die  sich  natürlich  aus 
denen  der  drei  einzelnen  starren  Körper  zusammensetzt,  mit  Anwendung 
der  Resultate  von  Nr.  245 

Nehmen  wir  die  Ergebnisse  aus  Nr.  306  hinzu,  so  bekommt  E  die 
Gestalt 


£  =  4-(Ti+G(^))a,», 


WO 

G{»)  -  T^v"  +  »»n(5'  +  5*)  +  »»ni«*  (1) 

eine  wohlbekannte  Funktion  von  ^  ist. 

Aus  dem  Widerstandsmoment  W  der  Arbeitsmaschine  und  der 
Dampfkrafb  P  als  einzigen  eingeprägten  Kraften  berechnet  sich  die 
Arbeit  zu 

Ä  =  A-TTd^  -  PdZjjj) 


oder  da 


war. 


4 nW-rT)d». 


Eexuien  wir  W  und  den  Tangentialdampfdmck  T  als  Funktion 
von  &,  so  können  wir  —  Ä='  U(9')  a  priori  berechnen,  und  der 
Energiesatz  nimmt  die  Form  an 


Nr.  821.  ;§  66..   Die  allgemeine  Energiegleichung.  481 


|[T,  +  ö(»)K+?7(*)-Ä,  (I) 

dies  ist  die  reine  Bewegangsgleichung. 

Aus  ihr  muß  durch  Differentiation  die  frühere  reine  Bewegungs- 
gleichung 

[Tj.  +  G(d)]G}  +  H(»)g>^ W  +  rT 

folgen.     Tatsächlich  folgt  aus  (I) 

[Tj+  G{&)]ü  +  I  (?'(^)co*-  -  W+  rT. 

Da  die  rechten  Seiten  identisch  sind,  müssen  es  auch  die  linken 
sein,  also  folgt  nicht  nur,  daß  das  neue  (t('9')  dieses  Paragraphen  das 
alte  ist,  sondern  daß  auch  noch 

ff(*)-i-ö'(»)  (2) 

ist.     Damit  haben  wir  eine  viel  bequemere  Methode  zur  Berechnung 
der  Funktionen  Q  und  H  gefunden. 

Nach  (I)  kann  die  Lösung  der  Aufgabe  auf  Quadraturen  zurück- 
geführt werden.     Hat  man  XJ  aus 

U^  nw-rr)dd'  (3) 

0 

durch  Integration  gefunden,  so  gibt  (I) 


o 


-i/2Ä-2Cf(^) 


woraus  wegen  o^  =*  37  folgt 


& 


0 

321.  Die  wichtigsten  kinetischen  Probleme  der  Dampf- 
maschine und  ihre  flauptschwierigkeiten  beginnen  aber  jetzt  erst. 
In  der  vorstehenden  Gleichung  darf  man  wohl  U  und  0(9")  im  all- 
gemeinen als  bekannte  Funktionen  ansehen,  aber  wie  steht  es  mit  h 
und  Tj? 

h  ist  nach  (I)  gleich  dem  Werte  von  JE?  -f  ?7  an  einer  bestimmten 
Stelle,  z.  B.  an  der  inneren  Totpunktlage  (-Ö*  =-  0).   Ist  für  diese  o?  =-  (Dj 
so  folgt,   wenn   man   das  Integral  in  Gleichung  (3)   von  -ö*  =-=  0  an 
erstreckt, 

[^ri+G(0)]<Ȁ.  (6) 

Hamel:  Blementore  Mechanik.  31 


482  XI.   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  381. 

Nun   kennen    wir  aber   nicht   (o^ ;    sondern   aus   Versuchen   das 
mittlere  <o,  das  aus  der  Tourenzahl  definiert  ist,  d.  h. 

wo  Tq  die  XJmlaufszeit;  d.  h.  nach  (5)  gleich  ist 

in 


/.»|/.5i«<«) 


^0-  j  (i»  y  ii^iuw)- 

0 


Wir  haben  also  die  (erste)  Aufgabe  zu  lösen,  aus 

0 

hy  oder  unter  Berücksichtigung  von  (6),  co^  bei  gegebenem  mittlerem 
idq  auszurechnen. 

Das  wäre  die  Aufgabe,  wenn  wir  eine  fertige  Maschine  vor  uns 
haben.  Denn  ist  o^  resp.  h  bekannt,  so  kann  man  den  Gang  der 
Maschine  nach  den  Formeln  (4)  oder  (5)  in  allen  Einzelheiten  yer- 
folgen. 

Bei  projektierten  Maschinen  aber  entsteht  noch  die  Hauptauf- 
gabe, Tj,  d.  h.  das  Schwungrad  so  zu  berechnen,  daß  der  Ungleich- 
förmigkeitsgrad 


CO  _I_  (0 

— — -l-  *^1 


max  -f-     min 


unterhalb  einer  vorgeschriebenen  Grenze  liegt. 

Man  kann  sich  nun  aus  (4)  prinzipiell  oimax  und  aimin  als  Funk- 
tionen von  Tj  und  h  berechnet  denken;  es  habe  sich  daraus 

*  =  J{T„  Ä)  (b) 

ergebeu. 

Dann  lautet  die  Aufgabe: 

Man   soll   bei   gegebenen    G(d'),    ü(&)    und   m^   das    Trilgheits- 

moment  Tj  des  Schwungrades  so  bestimmen,  daß 

1.  ^(^I,  A)^*max, 

wo  rfm»x  vorgeschrieben  ist, 

2.  h  wiederum  mit  Tj  durch  die  Gleichung  (a) 


stt 


2«      A<^i/r,  +  e(d) 

0 

Terknüpft  ist. 


Nr.  321.  §  66.   Die  allgemeine  EnergiegleichuDg.  483 

Die  üblichen  Vernachlässigangen,  die  man  zur  Yereinfachang 
dieser  Aufgabe  eintreten  läßt,  besteben  nun  darin^  dafi  man 

1.  (D|y  die  Totpunktgeschwindigkeit  in  erster  Annäherung  gleich 
der  mittleren  Geschwindigkeit  (Oq  setzt,  womit  die  Bestimmung  von  h 
nach  Gleichung  (6)  schon  erledigt  ist, 

2.  daß  man  ebenfalls 


0^0 


®m»x  -j-  ''''min 
2  ' 

setzt, 

3.  Daß  man  die  früher  genannten  Radingerschen  Vernachlässi- 
gungen mächt: 

a)  man  streicht  0{d')  gegen  7j  in  dem  Gliede  mit  ü,  aber  nicht 

Y  ö'('9*)o*  gegen   -,^  (im  Gegensatz  zur  älteren  Theorie). 

b)  Man   setzt  jedoch   in   dem   Gliede       G'(P')o^   statt   o*   das 

mittlere  Oq^. 

c)  Man  berücksichtigt  bei  der  Berechnung  von  G'iß)  nur  noch 
Glieder  erster  Ordnung  in  A  (siehe  Nr.  308). 

Die  Vernachlässigungen  1.,  2.  und  3.  sind  sicher  erlaubt,  wenn 
man  dmax  &ls  klein  ansieht  und  man  Größen  zweiter  Ordnung  weg- 
läßt gegen  Größen  erster  Ordnung,  oder  was  dasselbe  ist,  Größen 
erster  Ordnung  gegen  endliche  Größen. 

Nach  diesen,  auch  von  Radinger  akzeptierten  Vernachlässigungen 
nimmt  (I)  nach  Berücksichtigung  von  (6)  die  Form  an 

l  Ti(fl,»  -  0,0«)  - 1  (G(0)  -  G{»))a>^' -  Ui»)  =  Fi»).  {!') 

Man  zeichne  sich  die  bekannte  rechte  Seite  als  Funktion  von  d' 
und  bestimme  Maximum  und  Minimum: 

Durch  Subtraktion  erhält  man 

und  indem  man  wieder  --  ((Dm«  +  Omtn)  ^nd  cdq  verwechselt, 


^l(Om»x —  Omin)  =* 


F  F  I 

"^  max  —      mm 


<». 


F  F  , 


«.• 


31 


484  ^I-   Kinetik  starzer  Systeme.  Nr.  828. 


Daraus  folgt^  wegen  d  <  dmxx, 


rp    ^^^^  ^  max  —  "^  min       1 


als  Schlußergebnis  der  Radingerschen  Methode  der  Schwung- 
radbereohnnng.     (Die  Funktion  F  ist  in  (I')  definiert.) 

Man  hat  neuerdings  versucht,  die  durch  die  oben  genannten  Ver* 
nachlässigungen  gemachten  Fehler  abzuschätzen  und  die  Methode  zu 
yervollkommnen  für  den  Fall,  daß  die  Radingersche  nicht  exakt  genug 
sein  sollte. 

Nachdem  schon  Wittenbaüer  in  dieser  Richtung  ßrf olgreich 
gearbeitet  hatte,  gab  v.  Mises  eine  vollständige  Diskussion  und  all- 
gemeine Methode  zur  Behandlung  des  Problems. 

Wittenbaüer  hat  auch  das  Verdienst,  eine  graphische  Durch- 
führung des  Problems  angegeben  zu  haben.  Alles  das  muß  dem 
Privatstudium  überlassen  bleiben.     Es  sei  verwiesen  auf 

Radinger:  Dampfmaschinen  mit  hoher  Eolbengeschwindigkeit. 

Heun:  Die  kinetischen  Probleme  der  wissenschaftlichen  Technik  (Re- 
ferat für  die  deutsche  Math.-Ver.). 

Wittenbaüer:  Graphische  Dynamik  der  Getriebe  (Zeitschrift  f  Math, 
u,  Phys.,  Bd.  50,  1904;  auch  Z.  d.  V.  d.  L). 

V.  Mises:   Die   Ermittlung   der   Schwungmassen.     Z.  d.  ost.  Ing.-  u. 
Arch.-Ver.,  1906. 

Als  Lehrbücher  seien  genannt 
Tolle:  Regelung  der  Kraftmaschinen. 
Lorenz,  Hans:  Dynamik  des  Kurbelgetriebes. 

Endlich  der  Enzyklopädieartikel  IV,  10  v.  Mises. 

332.  Aufgabe  (Schaukel).  Man  stelle*  die  Energiegleichung  für 
die  gezeichnete  Schaukel  auf.  Die  parallelen  Stangenpaare  der  Länge  {  mOgen 
je  die  Masse  mj  und  das  Trägheitsmoment  Tj,  das  Schaukelbrett  die  Masse  mn 
haben.  8^  S'  in  den  Abständen  «,  s'  von  0  bzw.  (X  seien  die  Schwerpunkte  der 
Stangenpaare. 

Wie  ändert  sich  der  Ausdruck  der  kinetischen  Energie,  wenn  sich  noch 
ein  Punkt  m'  im  variabeln  Abstände  x  Ton  0  parallel  den  Stangen  hin  und  her 
bewegt? 

Will  man  jetzt  den  Energiesatz  aufstellen,  so  muß  man  noch  die  Arbeits- 
leistung der  inneren,  zwischen  rn  und  der  Schaukel  wirkenden  Kraft  berück- 
sichtigen. 

Da  man  aber  diese  aus  der  vorausgesetzten  Bewegung  des  Punktes  m'  be- 
rechnen kann,  so  tue  man  es  und  stelle  nun  den  Energiesatz  für  das  ganze  Sy- 
stem auf  Man  beachte  dabei,  daß  die  Kraft  doppelt  Arbeit  leistet,  einmal  auf 
den  Punkt  und  dann  auf  die  Schaukel.  Nach  Nr.  317  genügt  es  deshalb,  die 
Arbeit  der  Kraft  auf  den  Punkt  bei  der  Relativbewegung  des  Punktes  zur  Schaukel 
zu  berechnen. 


/' 


Nr.  323. 


§  66.   Die  allgemeine  Energiegleichung. 


485 


Man  beachte  nun,  daß  bei  periodischer  Bewegung  des  x  auf  und  ab  das 
einzige  nicht  notwendigerweise  periodische  Glied  das  Arbeitsintegral 

—  m'  llxa^dx 

auf  der  rechten  Seite  ist. 

Soll  der  Punkt  m'  (der  Schaukler)  durch  seine  Bewegung  beständig  Arbeit 
zuführen,  so  muß  er  dafär  sorgen,  daß  im  Mittel 


—  l{X(o*)dX'^ —  r(xa*)xdt 


positiv  ist,  d.  h.  daß  bei  großen  o,  i;  <[  0  sei,  bei  kleinem  oo  dagegen  »  >>  0  (weil 
X  periodisch  sein  soll,  lassen  sich  positive  x  nicht  vermeiden!).  Der  Schaukler 
muß  sich  also  in  der  Mitte  der  Schwingung  aufrichten  (x<^0),  an  den  Enden 
(a>  klein)  dagegen  niederducken,  um  die  Energie  der  Schaukelbewegung  zu  ver- 
mehren. 


Vig.  246. 


Fig.  246. 


Man   verallgemeinere   die  Untersuchung  auf  den  Fall,  daß  der  Punkt  tn 
eine  beliebige  periodische  Relativbewegung  in  geschlossener  Bahn  ausführt,  also 
auch   noch   einen   variabeln    Seitenabstand   y   von    der  Stange    hat.    Will   der 
Schaukler  jetzt  beständig  Energie  zufuhren,  so  muß 

—  I  (o*(xdx  +  ydy)--   1  d}(ydx^xdy)^  —  ^  j  oi*d(x*+y*)  +  2  j  mdF 

im  Mittel  positiv  sein,  d.  h.  nur  an  den  Umkehrpunkten  der  Schwingung  wird 
er  seine  Entfernung  von  0  vergrößern  sie  sonst  verkleinern .  und  des  weiteren 
bei  positivem  c5  eine  Fläche  rückwärts,  d.  h.  von  oben  über  hinten  unten  vorne 
nach  oben  zurück,  (ßF^O)  bei  negativem  d)  eine  Fläche  vorwärts  beschreiben. 
Der  wirkliche  Schaukelvorgang  entspricht  dieser  Behauptung  (siehe  Fig.  246). 

323.  Diriohlets  Stabilit&tssatz.  Dirichlet  hat  in  einer  genialen 
Arbeit  vom  Jahre  1846  bewiesen,  daß  das  Gleichgewicht,  falls  die 
eingeprägten  Kräfte  ein  Potential  haben^  dann  und  nur  dann  stabil 
ist,  wenn  der  Potentialwert  ein  Minimum  ist  (z.  B.  der  Schwerpunkt 
am  tiefsten  liegt). 

Wir  legen  der  Betrachtung  folgende  Definition  der  Stabilität 
zugrunde:  Eine  Gleichgewichtslage  heißt  stabil,  wenn  bei  hinreichend 
kleiner  Störung,  d.  h.  hinreichend  kleiner  Anfangsentfernung  aus  der 
Ruhelage  und  Erteilung  einer  hinreichend  kleinen  Geschwindigkeit  an 
alle  Punkte,  die  Störung  dauernd  beliebig  klein  bleibt,  d.  h.  die  Be- 


486  ^I-   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  323. 

wegang  in  einem  beliebig  klein  yorgescbriebenen  Bereiche  nnd  die 
Geschwindigkeiten  aller  Punkte  unterhalb  einer  beliebig  kleinen  Grrenze 
bleiben. 

Das  Gegenteil  bezeichnen  wir  als  labil  oder  unstabil,  wenn 
sich  nämlich  das  System  auch  bei  noch  so  kleiner  Störung  endlich 
weit  entfernt  oder  endlich  große  Geschwindigkeiten  erreicht,  deren 
Große  mit  der  Kleinheit  der  Störung  nicht  gegen  Null  geht. 

Wir  beschranken  uns  beim  Beweise  auf  ein  Svstem  Yon  n  starren 
EörperU;  deren  Lage  wir  durch  Vektoren  c  und  je  drei  Eulersche 
Winkel  bestimmen. 

Wir  können  annehmen,  daß  f&r  die  Gleichgewichtslage 

U^O  (1) 

sei,  denn  es  kommt  bei  ü  nicht  auf  eine  additive  Konstante  an. 
Dann  ist  die  Gleichgewichtslage  nur  dann  eine  Hinimalstelle  für  üj 
wenn  in  der  ganzen  Umgebung 

U>0  (2) 

ist,  mit  Ausschluß  des  Gleichheitszeichens. 

Wird  nun  das  Gleichgewicht  gestört,  so  ist  für  das  System  bei 
der  eintretenden  Bewegung 

E+U^h,  (3) 

Dabei  ist  h  beliebig  klein  und  positiv,  wenn  die  Störung  beliebig  klein 
ist,  denn  dann  ist  ja  wegen  der  Stetigkeit  von  U  natürlich  U  zu  An- 
fang nur  ein  wenig  größer  als  Null  und  dasselbe  gilt  für  E=—^dmv\ 

Da  aber  U  und  E  nicht  negativ   werden  können,  so  kann  man 

aus  (3)  schließen 

E£h. 

Weil  femer  in  der  ganzen  Umgebung  der  Gleich gewichtsstelle  U>0 
ist,  für  diese  selbst  aber  gleich  Null,  so  wird  bei  hinreichend  kleinem 
h  die  Gleichung 

ein  Gebiet  für  die  n  Vektoren  c  und  die  Sn  Eulerschen  Winkel  be- 
grenzen, das  sich  bei  kleiner  werdendem  h  auf  die  eine  Gleichgewichts- 
lage zusammenzieht    In  diesem  Gebiet  muß  nun  aber  wegen 

das  Svstem  bleiben.    Und  damit  ist  die  erste  Häli\e  des  Satzes  bewiesen. 
Aus 

je:<a 

aber  folgt  wegen 


Nr.  323.  §  55.   Die  allgemeine  Energiegleichung.  487 


n 


daß  jedenfalls  jedes 


und  jedes 


d.  h.  daß  bei  kleinem  h  auch 


"2^  2Ä 


aj/<  ^ 


Cy     und     öiy 


und  wegen  der  Eulerschen  Formel 


auch  jedes  t;  beliebig  klein  bleibt. 

Damit  ist  der  Beweis  für  Systeme  der  vorausgesetzten  Art  durch- 
geführt. 

Auf  Systeme,  für  welche  aUe  Punkte  frei  verschiebbar  sind  (ela- 
stische^ flüssige  usw.),  ist  der  Beweis  nicht  übertragbar.  Es  kann 
zwar  geschlossen  werden,  daß 

d.  h.  beliebig  kein  bleibt,  aber  es  könnte  doch  sein,  daß  ein  sehr 
kleiner  Teil  des  Systems  m'  eine  große  Durchschnittsgeschwindigkeit  v 
bekommt,  und  v  nur  für  das  Gros  des  Systems  klein  bleibt.    Ist  nux 

rn    so   klein,  daß   trotz  großen  v    immer  noch     -  w'v'*   hinreichend 

klein  bleibt,  so  wird  nicht  gegen 

E<h 

verstoßen.  Diese  Schwierigkeit  ist  sachlich  begründet,  die  Stabilität 
läßt  sich  tatsächlich  in  dem  oben  ausgesprochenen  Sinne  nicht  mehr 
behaupten:  es  ist  z.  B.  möglich,  daß  durch  eine  geeignete,  beliebig 
kleine  Störung  der  Oberfläche  ruhenden  Wassers,  ein  hinreichend 
kleines  Tröpfchen  endlich  weit  in  die  Höhe  gespritzt  wird. 

Ist  für  die  Gleichgewichtslage  U  kein  wirkliches  Minimum,  son- 
dern ein  Maximum  oder  stationär  (d  ?7  =«  0),  so  ist  für  alle  praktisch 
wichtigen  Fälle  bewiesen,  daß  das  Gleichgewicht  instabil  ist.  Bereits 
Lagrange  erledigte  in  seiner  mecanique  analytique  die  meisten  Fälle 
nach  der  Methode  der  kleinen  Schwingungen  (siehe  §  57).  ^  Neuere 
Arbeiten  findet  man  in  der  kleinen  Note  des  Verfassers:  „Über  die 
Instabilität  der  Gleichgewichtslage  eines  Systems  von  zwei  Freiheits- 
graden'' in  den  Math.  Annalen,  Bd.  57  zitiert. 

Mit  der  Stabilität  der  Bewegungen  beschäftigte  sich  zuerst  das 
kleine  grundlegende  Buch   von  Routh,   On  the  stability  of  motion. 


488 


XI.   Kinetik  starrer  Systeme. 


Nr.  828. 


Man  yergleiche  auch  sein  Lehrbuch,  sowie  Bemerkungen  in  Elein- 
Sommerfeld:  Theorie  des  Kreisels. 

Beispiel:  Ein  Zylinder  liege  horizontal  und  parallel  anfeinem  festen  Zy- 
linder.   Wann  wird  diese  Lage  stabil  sein? 

In  der  Ruhelage  liegen  die  Mittelpunkte  und  der 
Schwerpunkt  des  beweglichen  Zylinders  übereinander. 
Liege  er  in  der  Entfernung  x  unter  dem  Mittelpunkte 
des  beweglichen.  Seien  r  und  a  die  Radien  und  werde 
nun  der  obere  Zylinder  aus  der  Ruhelage  gedreht,  so 
besteht  zwischen  den  beiden  Drehwinkeln  ^,  9  die  Be- 
ziehung 

weil  die  Bogen  BA  und  BA'  einander  gleich  sein  müssen. 
Die  Höhe  z  des  Schwerpunktes  über  0  ist  demnach 

(r  -j-  a)  cos  tp  —  X  cos  (^  +  9) 
oder 

(r  +  o)  cos  9  —  X  cos  l(p  —    — )  • 

Für  [9  «3  0  ist  die  erste  Ableitung  Null,  weil  9  «=  0  einer  Ruhelage  entspricht. 
Bilden  wir  die  zweite,  so  wird  dieselbe 

—  (r+a)cos9  +  a:(^^  cos(9^-j. 

Soll  z  ein  Minimum  haben  für  9  ^^^  0,  die  Gleichgewichtslage  also  stabil  sein,  so 
muß  diese  zweite  Ableitung  für  9  »^  0  positiv  sein,  d.  h. 

fr+a\* 


Fig.  247. 


d.h. 


-(r  +  a)  +  x(-"t?),>0, 


x> 


0  +  r 

Für  r  B»  00,  d.  h.  wenn  die  obere  Walze  auf  einer  Ebene  ruht,  genügt  denmach 

x>0, 

d.  h.  der  Sehwerpunki  muß  unterhM  des  Krümmungsmittelpunktes  liegen. 

Da  es  nur  auf  die  erste  und  zweite  Ableitung  ankommt,  l&ßt  sich  der  Sats 
in  der  schon  ausgesprochenen  Form  auf  beliebig  gestaltete  Berührungsflächen 
übertragen.    Darauf  beruht  die  Konstruktion  der  bekannten  Aufstehmftnnchen. 


§  56.   Die  Lagrangeschen  Gleichungen. 

324.  Holouome  nnd  nichtholouome  Systeme.  Will  man 
nun  mit  Hilfe  des  Lagrangeschen  Prinzips  die  reinen  Bewegungsglei* 
chungen  aufstellen^  so  bedarf  es  noch  einer  wichtigen  Unterscheidung 
der  Systeme. 

Es  kann  sein,  daß  es  möglich  ist,  die  allgemeinste  Lage  des  Sy- 
stems und  seine  allgemeinste  Form  der  Bewegung  dadurch  zu  be- 
schreiben, daß  für  jeden  Punkt 

♦'-♦'(ö;  ?i, ••.,?„ 0  (1) 


Nr.  324.  §  66.   Die  Lagrangeschen  Gleichungen.  489 

ist,  WO  a,  von  der  Zeit  unabhängig^  den  einzelnen  Punkt  individualisiert 
—  es  mag  z.  B.  für  irgendeine  mögliche  Lage  direkt  f  «  5  sein  — 
die  q  dagegen  sogenannte  Systemkoordinaten  sind,  d.  h.  in  jedem  Zeit- 
moment f&r  alle  Punkte  dieselben  Werte  haben^  aber  von  der  Zeit  ab- 
hängen. Und  zwar  sollen  die  q  yoUstandig  frei  veränderlich  sein, 
wenn  die  ganze  Bewegungsmöglichkeit  des  Systems  umfaßt  werden 
soll;  es  seien  aber  auch  keine  q  zuviel  da^  d.  L  es  soll  keine  Ver- 
änderung dq  geben^  f&r  die  das  System  nicht  seine  Lage  wechselte, 
oder  mathematisch  gesprochen: 

kann  nur  dann  fQr  alle  ä  verschwinden,  wenn  alle  dq^  Null  sind. 

Sind  diese  Bedingungen  erfQUt,  so  heiße  das  System  holonom, 
weil  man  das  Gesetz  seiner  Bewegungsmöglichkeiten,  seine  kinema< 
tische  Konstitution,  durch  einen  endlichen  (ganzen)  Ausdruck  (1)  dar- 
stellen kann  {6Xog  vofiog)  und  keine  Differentiale  dazu  braucht. 

Durch  Gleichung  (2)  sind  dann  alle  möglichen  virtuellen  Ver- 
schiebungen gegeben,  wenn  man  die  Verhältnisse  der  dq^,  dq^, . . .,  6q^ 
zueinander  alle  Werte  annehmen  läßt. 

Fehlt  t  in  (1),  so  ist  das  System  skleronom  (andernfalls  rheo- 
nom);  denn  es  besteht  dann,  wenn  man  die  q  festhält,  keine  von  außen 

aufgezwxmgene  Bewegung  ^-,  und  es  gehören  die  wirklichen,  all- 
gemein durch 

^^-2^  ^9  +  ^,- dt  (3) 

gegebenen  Verschiebungen  in  diesem  Falle  zu  den  virtuellen,  man 
braucht  nur  die  ganz  willkürlichen  äq   gleich    den    dq   zu   nehmen. 

Ist  aber  ^     nicht  identisch  NuU,  so  unterscheiden  sich  (3)  und  (2) 

stets  durch  das  Glied   ^   dt,    Ist  n  die  Anzahl  der  q,  so  sagt  man,  das 

System  habe  n  Freiheitsgrade. 

Beispiele:  1.  Ein  holonomes  System  von  einem  Freiheitsgrad 
ist  das  Schubkurbelgetriebe,  denn  die  Koordinaten  eines  jeden  Punktes 
lassen  sich  durch  den  Kurbelwinkel  d"  und  durch  Konstante  aus- 
drücken.   Das  System  ist  skleronom. 

2.  Das  Pendel,  dessen  Stativ  in  gegebener  Weise  bewegt  wird, 
ist   ein  holonomes  System   von  einem  Freiheitsgrad,   aber  rheonom. 

3.  Das  Doppelpendel  mit  fester  Drehachse  0  ist  holonom  von 
zwei  Freiheitsgraden  (d,  q>)  und  skleronom. 

4.  Der  freie  starre  Körper  in  der  Ebene  hat  drei  Freiheitsgrade, 
im  Raum  sechs;^er  ist  holonom  (siehe  die  Formeln  in  den  Nr.  219 
und  261)  und  skleronom. 


490 


XI.   Kinetik  starrer  Systeme. 


Nr.  324. 


Es  gibt  aber  auch  nicht-holonome  Systeme. 
Beispiel:  Ein  Reifen,  der  auf  horizontalem  Boden  rollt,  ohne 
zu  gleiten.  Seine  Lage  ist  zwar  eindeutig  gegeben,  wenn  man  die 
Koordinaten  x,  y  des  Berührungspunktes,  den  Winkel  d  der  Berüh- 
rungstangente mit  der  rr-Achse,  den  Nei- 
gungswinkel ^  der  Reifenebene  gegen  die 
Vertikale  und  endlich  noch  den  Winkel  q) 
kennt,  den  der  Radius  nach  einem  be- 
stimmten Peripheriepunkte  etwa  mit  der 
Horizontalen  in  der  Reifenebene  einschließt. 
Auch  gehören  zu  verschiedenen  x,  y,  ^, 
^,  q)  verschiedene  Ligen  des  Reifens.  Aber 
die  Sx,  Sy,  Sd;  ö(p,  d^  sind  vermöge  der 
Bedingung  des  reinen  RoUens  ohne  Gleiten 
nicht  unabhängig  voneinander.  Rollt  viel- 
mehr der  Reifen  um  dq>  vorwärts,  so  hat 
sich  der  Bogen  r8q>  (r  der  Radius)  auf  dem  Boden  in  der  Rich- 
tung %  abgewälzt  und  es  ist  dem  zufolge 


^x 


Fig.  248. 


dx  —  cos-ö-r^qp, 
8y  «  sin-drdqp. 


(a) 


Diese  Differeutialbedingungen,  die  also  noch  bestehen,  lassen  sich  aber 
nicht  zu  zwei  ganzen,  d.  h.  von  den  Differentialen  freien  Gesetzen  um- 
wandeln.   Denn  bestände  auch  nur  ein  solches: 


so  müßte 


f{Xy  y,  ^,  (p)  =  0, 


df 


df 


df 


df 


dx  dy    ^       c9^  dtp     ^ 


vermöge  obiger  Differentialgleichungen  erfüllt  sein;  man  erhielte,  wenn 
man  öx,  äy  einsetzt  und  bedenkt,  daß  dann  dq),  Sd^  unabhängig  sind 


dl 

dx 


df 
dy 


r  cos  '9'  +  V  r  sin  -^  + 


K 

d<p 


0. 


Differentiiert  man  die  letzte  Gleichung  ein-  und  zweimal  nach  d"  und 
beachtet,  daß  nach  der  ersten  f,  also  auch  seine  Ableitungen,  von  d- 
frei  sind,  so  erhält  man 


-l^sinO'-fl^coS'Ö' 
dx  dy 


0 


|^cos^+  -|^8in^  =  0,   - 
dx  dy  ' 


Nr.  325.  §  66.    Die  Lagrangeschen  Gleichangeii.  491 

woraus 

i^  _  a/  _  Q 

dx       dy 

und  demnach  auch    ~  =«0  folgte. 

Es  bedeuten  eben  die  Gleichungen  (a)  nur  eine  Bewegungsbeachrän- 
kung  im  Unendlichkleinen,  nicht  auch  im  Endlichen:  man  kann  das 
System  durch  geeignete  Bewegung  in  jede  Lage  bringen,  ohne  (a)  zu 
verletzen. 

Wir  beschränken  uns  hier  im  folgenden  auf  holonome  Systeme, 
trotz  der  augenscheinlichen  Wichtigkeit  der  nichtholonomen  Systeme.^) 
Gleichungen,  welche  eine  naturgemäße  Verallgemeinerung  der  Lagrange- 
schen Gleichungen  auf  nichtholonome  Systeme  darstellen,  gaben  un- 
abhängig voneinander  V.Volterra  in  den  Atti  di  Torino,  Bd.  XXXIII, 
1898,  P.  Woronetz  (in  russischer  Sprache)  1901,  und  der  Verfasser: 
„Die  Lagrange -Eulerschen  Gleichungen  der  Mechanik".  Zeitschrift  f. 
Math.  u.  Phys.,  Bd.  50,  1904. 

Beschäftigt  hat  man  sich  schon  früher  mit  solchen  Systemen. 
Der  Name  holonom  stammt  von  H.  Hertz.  (Weitere  Literaturangaben 
in  der  genannten  Arbeit  des  Verfassers.) 

326.  Die  Bewegnngsgleiohangen.  Setzen  wir  den  Aus- 
druck (2)  für  die  virtuelle  Verschiebung  in  den  Ausdruck  des  La- 
grangeschen Prinzips  ein: 

^dmw  •  df  =  SrZfc  ■  dr, 
so  erhalten  wir,  da  die  äq  ganz  willkürlich  sind,  gerade  n  Gleichungen 

Srfmü;.f  =-Sdfe-^  (I) 

k  =  \    ''^  n 

/\t      ^^       X,4i..«        m      mm      ft  m 

Diese  n  Gleichungen  sind  bereits  die  gesuchten  n  Bewegungsgleichungen, 
d.  h.  die  Lagrangeschen  Gleichungen  in  unentwickelter  Form. 
Man  könnte  sie  danach  aufstellen: 
Die  sogenannte  Lagrange-Kraftkomponente 

kann  man  sofort  berechnen,  wenn  man  die  eingeprägten  Kräfte  dk 
und  Gleichung  (1),  d.  h.  das  System  wirklich  kennt,  um  die  Lagrange- 
sche Beschleunigungskomponente 

_    er 


Qi  =  SdniW'  . 


i)  Fast  alle  Fahrzeuge,  die  nicht  gleiten  sollen,  gehören  dazu. 


492  /  XL    Kinetik  Btarrer  Systeme.  Nr.  326. 


als  explizite  Funktion  von  q,  q,  q  und  t  aufzustellen^  braucht  man 
nur  die  (3)  entsprechende  Gleichung 

noch  einmal  zu  difPerentiieren  und  das  Resultat  in  den  Ausdruck  für 
Qj^  einzusetzen. 

Lagrange  hat  aber  zur  Berechnung  von  Qj^  eine  sehr  viel  ele- 
gantere Methode  gegeben,  die  wir  gleich  nachher  kennen  lernen  wollen. 

Was  die  K^^  angeht^  so  gestaltet  sich  ihre  Berechnung  nur  dann 
einfacher,  wenn  ein  Potential  vorhanden  ist.    Ist 

dr  ' 
wo  U  von  allen  r,  sonst  höchstens  noch  von  t  abhängt,  so  ist 

dÄ  =  ^dic .  (Jr  «  -  Sfy  •  Sr du. 

Da  aber  auch 

SA  «  Sdk  •  *f  -  S  ^dk  '  |-  dq^  -  ^^x^Qu 
so  ist 

Und  da  vermöge  (1)  auch   U  nur  eine  Funktion  von 

2i  •  •  •  9n;  ^ 
ist,  also 

SO  folgt: 

Für  den  FaU,  daß  die  eingeprägten  Kräfte  ein  Potential  haben,  ist 

JT  ^^ 

Ehe  wir  zur  Berechnung  der  Q^  übergehen,  lösen  wir 

326.  Das  Zmpulsionsproblem.  Wirken  Stoßkräfte  dÄ,  so  folgt 
aus  dem  Lagrangeschen  Prinzip  durch  Integration  über  die  Stoßzeit 
—  man  kann  für  diese  kurze  Zeit  die  df  als  konstant  ansehen,  wenn 
durch  den  Stoßprozeß  die  kinematische  Konstitution  nicht  geändert 
wird,  was  wir  annehmen  wollen  — 

Setzt  man  darin  (2)  ein,  so  bekommt  man  wegen  der  Willkür  der 
dqj^j  wie  in  der  vorigen  Nummer 

^  (^äm.  .  i^)  =  8äk  .  g,  (ü) 


Nr.  326.  §  66.   Die  Lagrangeschen  Gleichnngen.  493 

Dabei  wollen  wir 

die  Lagrange-Stoßkraftkomponente 

eine  Lagrangesche  Impulskomponente  nennen. 
Gleichungen  (II)  lauten  nach  diesen  Abkürzungen 

Man  beadite  die^  analoge  Bildung  aller  der  Größen  Q^;  ^xj  ^ly  ^i 
aus  Wj  dh,  Vf  dh. 

Nun  kann  man  aber  die  Impulskomponente  P^  leicht  berechnen, 
wenn  man  den  Ausdruck  der  kinetischen  Energie  kennt. 

Aus  der  Gleichung  für  die  Geschwindigkeit 

folgt  nämlich  durch  Differentiation  nach  ^^  (die  q^^,  q^  und  t  alle  als 
unabhängige  Yariabele  angesehen) 

dv        dr  ^  .X 

Also  ist 

da  ja  JS  =  y  S^w«^*- 

Nun  ist  nach  dieser  Gleichung  und  nach  (3')  E  eine  quadratische 
Funktion  der  q^^,  deren  Koeffizienten  wiederum  Funktionen  der  q^^  und 
der  Zeit  t  sind. 

Hat  man  sich  so  E  ät3  Funktion  der  q^^,  q^j  t  ver schaff ty  so  ist 
die  kte  Impulskomponente  die  parUeUe  Ableitung  von  E  nach  der 
Xten  Geschwindigkeitskomponente  q^,  wobei  die  andern  q^^  sowie  aüe 
qjL  und  t  als  Konstante  anzusehen  sind: 

Darum  und  wegen  der  Relation 

als  auch  wegen  Gleichung  (II)  heißen  die  P^  auch  Impulskomponenten 
(vergleiche  die  Relation  zwischen  J  und  E^  beim  starren  Körper). 

Ehe  wir  nun  zur  Berechnung  der  Q^  übergehen,  brauchen  wir 
eine  Hilfsbetrachtung. 


494  XI.    Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  827. 

327.  Die  Oleichnng  dör  —  ödr  ■>  0.  Verfolgen  wir  einen 
Punkt  auf  seiner  Bahn,  so  ist  es  klar,  was  df  ist^  es  ist  vdt.  Aach 
wissen  wir,  was  Sf  ist,  es  ist  eine  mögliche  Verschiebung,  die  jeder 
Zeit  hinzugedacht  werden  kann,  mit  den  Bedingungen  des  Systems  ver- 
traglich und  zeitlos  ist,  d.  h.  es  ist 

wo  ^9.1^  ^  '  ^i{^\  ^  ®i^6  unendliche  kleine  Konstante,  Wj^{t)  eine  will- 
kürliche Funktion  der  Zeit  ist. 
Danach  ist  auch  klar,  was 

ddf 
ist,  es  ist 

'*«*= = *  Uli  (B  «'''(')'^' + '2w,  "'"'(*)  •  ^'-      w 

Dagegen  ist  ddr  noch  ganz  Undefiniert,  oder  da  natürlich 

S^r-2S  Q  ^«a  +^-%^i  +  I!lT,  ^^^^  (b) 

sein  wird:  man  weiß  noch  nicht,  was  Sdq^  heißen  soll. 

Man  kann  nur  sagen,  daß  ödr  eine  Variation  des  Bogenelemen- 
tes  df  bedeutet,  d.  h.  es  wird  dem  Bogenelement  df  das  Bogenelement 
df  +  Sdf  zugeordnet. 

Wir  setzen  nun  willkürlich^)  fest:  Wird  dem  Punkte  P  der 
Nachbarpunkt  P^,  dem  Punkte  P'  der  Nachbarpunkt  Pj'  zugeordnet, 

so  soll  dem  Bogenelement  df  »  PP'  als  Bogenelement 
PiPi  zugeordnet  werden.  Dieses  ist  also  definitions- 
gemäß mit  df  +  8df  zu  bezeichnen. 

Nun  folgt  aber  aus  der  Geschlossenheit  der  Figur 

df  +  6f  +  ddf  —  (df  +  6df)  —  *f  =-  0 
oder 

ddf  -  8df  -  0.  (5) 

Daraus  folgt  aber  auch,  daß 

dSq  -  ddq  (6) 

gesetzt  werden  muß. 
Denn  wegen  der  leicht  durch  Ausrechnen  nachzuweisenden  Relation 


1)  Daß  diese  Festsetzung  wirklich  willkürlich  und  also  streng  genommen 
unnötig  ist,  hat  Verfasser  in  der  Note  bewiesen:  ,,Über  die  yirtuellen  Yerschie- 
bungen  in  der  Mechanik^*.  Math.  Annalen,  Bd.  69.  Siehe  auch  die  Darstellung 
in  He  uns  Kinematik. 


Nr.  328, 329.  §  66.   Die  Lagiangeschen  Gleichungen.  495 

folgt  aus  (a)  und  (b)  durch  Subtraktion 

ddf  -  6df  -  ^ay,  (''*«''  -  ^^^^- 

Ist  nun  die  linke  Seite  Null;  so  ist  aucb 

2li  ('^^Si  -  Sdq,)  =  0 

für  alle  ä,  und   daraus  folgt  nach  einer  Bemerkung  in  Nr.  324  be- 
treffend Gleichung  (2),  daß 

däq  —  ddq^O 
sein  muß. 

Das  Umgekehrte  ist  klar. 

Wir  nehmen  nun  eine  Umformung  des  Lagrangeschen  Prinzips 
Yor,  die  schon  Lagrange  selbst  vollzogen  hat: 

328.  Die  Iiagrangesohe  Zentralgleiohnng.    Es  ist  identisch 

^dmw  •  är  ^  i  (^dmv  •  dr)—  ^dmv  •  j,^^, 

wie  man  durch  Ausdifferentiieren  des  ersten  Gliedes  rechts  erkennt. 
Nach  der  Festsetzung  der  vorigen  Nummer  ist  aber 

da  ddt  ^Oy  weil  der  d- Prozeß  die  Zeit  ganz  unberührt  läßt. 
Also  wird 

und  das  Lagrangesche  Prinzip  formt  sich  in  die  Lagrangesche  Zen- 
tralgleichung um: 

^^(Sdmt; .  df)  ^ÖE^  ^dk  -  6f, 

Nun  ist  es  leicht,  die  Q^^  zu  berechnen.    (Der  Name  „Zentralgleichung** 
stammt  von  Heun.) 

329.  Bereohnimg  der  Iiagrangeschen  Beeolileimigimgs- 
komponenten.     Es  war  nach  Nr.  326: 

^dmV'df^UPj^äqj^ 
und  da  ferner  identisch  in  allen  öq^ 

ist  (nach  Nr.  325  und  328),  außerdem 


496  ^I-   Kinetik  Btarrer  Systeme.  Nr.  330. 

80   folgt 

Differentiiert  man  aus  und   beachtet  Gleichung  (6)  aus  Nr.  327,   so 
bleibt  wegen  der  Willkür  der  dq^^ 

und  die  Lagrangeschen  Gleichungen  lauten  in  der  fertigen 
Form 

wo  K^^^^dk  '  w—  ist. 

Um  also  die  linke  (kinematische)  Seite  der  Lagrangeschen  Glei- 
chungen zu  erhalten,  hat  man  sich  erst  die  kte  Impulskomponente  P^ 
durch  partielle  Differentiation  nach  q^^  aus  E  zu  hUden,  diese  dann 
total  nach  der  Zeit  zu  differentiieren,  wobei  alle  q^,  q^  und  t  als  variabd 
anzusehen  sind,  und  endlich  vom  EesuMat  die  partielle  Ableitung  von 
E  nach  q^  —  wobei  aUe  q^  und  aUe  anderen  q  sowie  die  Zeit  kon- 
stant zu  halten  sind  —  abzuziehen.    Ist  ein  Potential  vorhanden, 

O  TT 

SO  steht  auf  der  rechten  Seite  —  ^ — 

330.  Beispiele.  Die  Lagrangeschen  Gleichungen  sind  die  Be- 
wegungsgleichungen für  alle  holonomen,  skleronomen  und  nichtsklero- 
nomen  Systeme.  Sie  sind  also  von  großer  Tragweite  und  Anwendungs- 
fähigkeit und  das  gegebene  Hilfsmittel  bei  schwierigeren  Problemen. 
Sie  beweisen  zugleich  —  für  den  Fall  holonomer  Systeme  —  daß  das 
Lagrangesche  Prinzip  gerade  die  erforderliche  Anzahl  von  Bewegungs- 
gleichungen gibt.  Man  kann  nämlich  zeigen^  daß  diese  Gleichungen 
stets  voneinander  unabhängig  sind.  Doch  wollen  wir  uns  hier  mit 
der  Behauptung  begnügen.    Gehen  wir  zu  Beispielen  über. 

1.  Das  Schubkurbelgetriebe.  Es  war  die  lebendige  Kraft 
desselben  nach  Nr.  320 


U^f(W-rT)d». 


Nr.  3H0.  §  56.    Die  Lagrangeschen  Gleichnogen.  497 

Also  ist 

K |^  =  -Tr+rT. 

Mithin  lautet  die  Lagrangesche  Gleichung 

d)[Ti  +  G{9)-\  +  {- <D»Ö'(*)  =  _  TT  +  r r 

und  das  ist  genau  unsere  frühere  Oleichung. 

2.  Das  Doppelpendel  besteht  aus  zwei  starren  Körpern,  die 
eine  ebene  Bewegung  vollführen.  Danach  ist  die  gesamte  kinetische 
Energie 


Nun  war  aber 


also 


und  somit  ist 


iCn  =»  c  cos  -ö"  +  6  cos  9?, 

m 

i^  «  —  c  sin  0"  •  'd'  —  6  sin  9  •  9 , 
y5  =  ^  cos  -d"  •  -d"  +  6  cos  9  •  9 


E^\  ^\T^  +  m^(?]  -f.  I  9^*[T,, ,,  +  m,j6«l  +  m^ch  cos  (^  -  qp)^^ 
Also 

^^=  !-f  -=  ^Lri+  Wne*]  +  m^cl  cos(^  -  9)9, 

■P»' -  H  =•  '^t^'ii.s  +  »»n''']  +  »»n<'&  cos  (* -  9)^ , 
— »»iic6  sin (*  —  9')^<p, 

Endlich  ist  das  Potential  der  Schwere 

U  =  —  tn^ga,  ■  cos  #  —  ni^gic  cos  ©■  +  6  cos  g») , 

Hftmel:  Klamuitar«  Mechanik.  82 


498  XI.   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  381. 

also 

dU 
^^'^  ^  "~  äS  °*  ~~  ^^^  Biad-  —  nu^gc  sin  ^, 

Somit  lauten  die  Bewegungsgleichungen: 

« «       

^[Tj  +  mjiC*]  +  WuCft  COB  (d  —  9))9?  —  WiiCft  sin  (-ö*  —  qp)^* 

=•  -^  (»»li^ra  +  Wji^c)  sin  a* , 

•  •  • 

^  [^n  5  +  *^u^*]  +  WjjCfc  cos  (^  —  y) -ö"  —  m^jCh  sin  (-d"  —  9)^* 

=  —  mjjgb  sin  9. 
Das  sind  aber  genau  die  Gleichungen  aus  Nr.  310. 

881.  Die  Wage  alB  Mittel  mr  experimentellen  Beetlm- 
mnng  von  DeTlatlonsmomenten.  Der  Körper  wird  mit  der  Achse, 
für  welche  das  Deviationsmoment  bestimmt  werden  soll,  parallel  dem 
Wagebalken  einer  Wage  auf  diese  gelagert.  Der  Körper  sei  zentriert 
und  der  Schwerpunkt  liege  in  der  Schneide  der  Wage  (so  nehmen 
wir  der  Einfachheit  halber  an,  diese  Voraussetzung  ist  aber  unwesent- 
lich). Pendelt  nun  die  Wage  mit  der  Winkelgeschwindigkeit  -9-,  während 
der  Körper  relativ  zur  Wage  die  Winkelgeschwindigkeit  o  hat,  so  hat 
letzterer  absolut  die  Winkelgeschwindigkeit  o  um  die  Achse  des  Wage- 
balkens,  d"  quer  dazu  und  horizontal. 

Wir  nehmen  nun  im  Körper  fest  ein  Achsenkreuz:  e  in  der  Dreh- 
achse parallel  dem  Wagebalken,  y  und  x  senkrecht  dazu.  Diese  Achsen 
können  wir  so  wählen,  daß  D^^  nuU  wird:  wir  brauchen  ja  nur  die 
X'  und  y- Achse  in  die  Hauptachsen  der  Schnittellipse  des  Trägheits- 
ellipsoides  mit  der  ory- Ebene  zu  legen.    Bilde  nun  die  a;- Achse  den 

Winkel  (p  mit  der  nach  vorne  gerichteten  Horizontalen,  in  der  ^  liegt, 

so  daß 

0  =  9 

ist,  so  hat  (b  die  Komponenten 

©^  =  #  cos  9) ,     (öy  =  —  -d"  sin  y ,     ö,  «=  9) 
und  es  ist  nach  Nr.  270  die  kinetische  Energie  des  aufgesetzten  Körpers 

l  {T,^*cos«9  +  Ty^«sin*9?  +  T.9)«~2D,>9COs^  +  2Z)y,^9sin9>}. 
Dazu  kommt  die  lebendige  Kraft  der  Wage: 


Nr.  331.  §  66.   Die  Lagraugeschen  Gleichungen.  499 

Da  das  Potential  der  Schwere 

ü  =  mg 8  cos  9' 
ist,  so  lauten  die  Bewegungsgleichungen 

j^  [T,  •  g?  —  D,^ ,  d  cos  9  +  Dy  ,^  sin  g?]  —  [—  T^b^  cos  9)  sin  g? 

+  Ty-Ö-*  cos  9)  sin  g>  4-  I^x^z^V  ^^^  9  +  -^^,»'^9'  ^^^^  9>]  ="  0, 
und 

jl[Ti^+  T^^  cos^  9>  +  T^h^  sin«  y  —  D^,^  cos  y  +  D^^.^)  sin  <p\ 

«=  —  m^ssin  -d". 
Differentiiert  man  aus,  so  gibt  die  erste  Gleichung 

T^ip  —  B^Js^  cos  y  +  Dy^.-S^  sin  9  +  (T,  -  T^)^*  cos  tpBmtp^Q, 

Zur  Vereinfachung  des  Problems  woUen  wir  nun  annehmen,  daß  auf 
den  rotierenden  Körper  eine  Kraft  —  etwa  vermittels  elektrischen 
Antriebes  —  so  wirke,  daß  9?  =  (Dq  konstant  bleibt.  Dann  tritt  auf  die 
rechte  Seite  der  vorstehenden  Gleichimg  nicht  Null,  sondern  die  er- 
forderliche Kraftkomponente  K  ,  die  sicher  ein  Drehmoment  ist,  weil 
ihre  Arbeit  K  Stp  ist.  Die  zweite  Gleichung  aber  vereinfacht  sich 
wegen 

zu 

[T  +  T^ cos«  (f  +  T^  sin« 9]^  —  2(T, -  T^)  cos  9?  sin  (pto^d' 

+  (Z)^,,sin  ff  +  Dy,,cos  y)©^«  +  mgsd^  =  0. 


Es  ist  dies  nun  eine  lineare  Differentialgleichung  für  ^,  deren 
Koeffizienten  jedoch  variabel  sind.  In  ihrer  Theorie  hat  Poincare 
bedeutende  Fortschritte  erzielt,  über  die  man  das  Wichtigste  in  seinen 
„Nouvelles  methodes  de  la  mecanique  Celeste"  findet.  Wir  erstreben 
hier  nur  eine  erste  Annäherung. 

Das  nicht  von  0*  abhängige  Glied 

(D, ,  sin  (o^t  +  D^^  cos  WoO^^o^ 

ist  periodisch  von  der  Periode  —    Es  steht  zu  erwarten,  daß  es  eine 

periodiaclie  Bewegung  des8elben\hythmu8  hervorruft,  die  aUerdings 
durch  Schwingungen  doppelter,  dreifacher  usw.  Schwingungszahl  über- 
lagert sein  wird.  Wir  berechnen  nur  die  Grundschwingung,  indem 
wir  für  die  Koeffizienten  von  -O",  0*  die  Mittelwerte  setzen:  nämlich 

T  +  —T  -{-      T   resp.  Null,   von   denen  sich  die  wahren  Werte  der 

82* 


500  ^*   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  882. 

Koeffizienten  um  die  rein  periodisclien  Glieder  y  (T,  —  T^  cos  2qp  resp. 
(y,— -Ty)  %m2(p  -  a)Q  von  der  Periode  —  unterscheiden.   Diese  Glieder 

0 

werden  also  nur  Anlaß  zu  Oberschwingungen  (also  Schwingungen  der 

Periode  -—)  geben. 

Also  betrachten  wir  die  angenäherte  Gleichung  zur  Berechnung 
der  Gruudbewegnng 

(r  + 1 T.  +  yT^)  «f  +  mgsd'  -  -  (o,\D^,  sin  a>,t  +  D^, cos (o^t) 


wo 


^«vyz);,.  +  2)j:: 


—  D  — D 

sin  £  =» !L — : ,      cos  £  — 


ist.    Diese  Gleichung  ist  aber  die  typische  Gleichung  der  erzwungenen 
Schwingungen  (siehe  §  16). 

Die  Beobachtung  der  Amplitude  der  erzwungenen  Schwingungen 
gestattet  also,  wenigstens  bei  bekannten  T^,  T^y  einen  Rückschlufi  auf 
yiyi,z+iyy,$  und  damit  wenigstens  eine  Messung  der  gesamten  Deviation. 
Kennt  man  auch  die  Dämpfung  so  genau  ^  daß  ein  Rückschluß  aus 
der  Phasendifferenz  möglich  ist,  so  wären  D^ ,  und  D^^^  einzeln  der 
Beobachtung  zugänglich. 

332.  Der  EtohifbkreiBel.  Wir  betrachten  folgendes  System. 
Ein  Schiff,  d.  h.  ein  starrer  Körper,  der  sich  um  seine  Längsachse 
drehen  (rollen)  kann,  der  Winkel  sei  q)  (positiv  bei  Kippen  nach  links). 
In  dem  Schiffe  kann  sich  um  eine  Querachse  ein  Rahmen  bewegen,  der 
Ausschlagwinkel  sei  d'  gegen  die  vertikale  Querebene.  Um  eine  im 
Rahmen  gelagerte  Achse  senkrecht  zur  Drehachse  des  Rahmens  (also 
fiir  -d* »-  0,  9  =  0,  um  eine  vertikale  Achse)  drehe  sich  im  Rahmen 
ein  symmetrischer  Kreisel,  der  Drehwinkel  sei  ^.  Macht  man  die 
Längsachse  des  Schiffes  zur  jer- Achse,  die  gewöhnliche  (d.  h.  horizon- 
tale) Lage  der  Querachse  (Rahmenachse)  zur  a;-Achse,  die  nach  oben 
gerichtete  Vertikale  zur  y-Achse,  die  Symmetrieachse  des  Kreisels,  die 

normalerweise  nach  oben  zeigt,  zur  jer'-ALchse,  so  kann  man   — —  d^, 

^  —  <Pf  if  mit  den  Eulerschen  Winkeln  des  starren  Körpers  identifi- 
zieren (siehe  Nr.  260).     Also  ist  für  den  Kreisel  nach  Nr.  265 

03^  =  —  COS  ^-d"  —  sin  ^  cos  %ip^ 
ojy,  «-  +  sin  ^0"  —  cos  ^  cos  d^q), 
(D^  =  —  sin  0"  g?  +  ^ 


Nc.  33S.  %  G6.    Die  LagnugeBchen  Gleichnngen. 

und  da  die  x'-,  y'-,  y-Ächsen  HaaptachHen  sind,  anfierdfim  A 
Beine  kinetische  Energie 

Den  Rahmen  können 
wir  als  einen  Ej^iael 
ansehen,  ftlr  den  ^=0 
und  ri»  — 0  igt,  wäh- 
rend er  die  Bewe- 
gungen #  nnd  ip  mit- 
macht, also  ist  ^r.ihn 

+  ~  Cji(-8in#v)'- 

Bndlich  ist  fflr  das  ir^ 
Schiff  r: 

Nehmenwirniin  _.— 
an,  daß  fr,  9,  fl",  ip      — 
dsnernd   klein   Bind,  _Z_    — 
während     ^     durch 
einen  auf  die  Kreisel-        


501 
-  B,  ist 


achse      aufgesetzten    —         - —  ~     .  '  ' 

Elektromotor  auf  der  „^  ^^      

konstanten  Stärke  io„ 

gehalten  wird,  so  nimmt  die  gesamte  kinetische  Energie  dea  SyBteme 

die  äestalt  an 


£  =  ±74,«+  -i-^fr»+  -i-CK»-  2o)„»^), 


(1) 


wo  T~As-\-At-'rBit  wegen  der  Überwiegeaden  Grfiße  von  As  wesent- 
lich das  Trägheitsmoment  des  Schiffes  um  die  Läogsachse  darstellt, 

A-Ai-^Ak, 

durch  die  Massen  des  Kreisels  und  des  Rahmens  bedingt  Bind.    Ä.n 
Kräften  wirken  nun 


502  ^-    Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  882. 

1.  das  aufrichteBde  Moment  von  Auftrieb  und  Schwere  auf  das 
Schiff^  daB  in  erster  Annäherung  —  q)  proportional  sein  wird,  etwa 

M^  —  ip  .  mgh, 

wo  mg  das  Gewicht  des  Schiffes,  h  eine  Länge,  die  sogenannte  meta- 
zentrische  Höhe  bedeutet.  M  ist  ein  Moment  um  die  Längsachse, 
seine  Arbeit  MS^tp,  also  M  »  K  . 

2.  Die  Schwerewirkung  auf  den  Ejreisel. 

Liegt  dessen  Schwerpunkt  im  normalen  Zustand  die  Strecke  $ 
unter  der  Rahmenachse,  so  ist  für  ihn  jer*'«=— s,  a:*'«0,  y*'  =  0;  also 
nach  Nr.  261 

y*  «  —  cos  qp  cos  d"  '  S. 

Deshalb  ist  mit  Einschluß  von  Größen  zweiter  Ordnung  das  Potential 

U-^  mgy*  =  —  m'gs(l  -  y^^'^T^)  ' 
Infolgedessen  lauten  die  Lagrangeschen  Gleichungen  ' 

Tg)  —  Coo^  +  (mgh  +  m'gs)(p  =  0 
Äd^  +  Cgq^)  +  m'gsd'  =  0 


(I) 


Läuft  der  Kreisel  nicht,  ist  o  »  0,  so  haben  wir  für  die  Schiffs- 
schwingung qp  und  die  Rahmen  Schwingung  9"  zwei  gewöhnliche  Schwin- 
gungsgleichungen, die  ganz  unabhängig  voneinander  sind.  Läuft  aber 
der  Kreisel,  so  sind  beide  Gleichungen  durch  Glieder  der  Form 

—  CoD^d'     resp.     C(Dq9> 

miteinander  gekoppelt.  Man  nennt  solche  Glieder  gyroskopische 
Terme. 

Wir  woUen  nun  die  Gleichungen  (I)  noch  dahin  yerallgemeineni, 
daß  wir  sowohl  für  das  Schiff  als  auch  für  den  Kreisel  je  eine  un- 
abhängige Dämpfung  einfuhren: 

—  20qf>  für  das  Schiff, 

—  2x9-  für  den  Kreisel, 

d.  h.  je  ein  der  Geschwindigkeit  entgegengesetztes  und  proportionales 
Drehmoment;  außerdem  mag  auf  das  Schiff  noch  von  den  Wogen  ein 
Drehmoment  ausgeübt  werden,  das  der  Einfachheit  halber  als  eine 
Sinusfunktion  der  Zeit  angesetzt  sei: 

p  sin  vt. 

2  Ä  

—  ist  dann  die  Schwingungsdauer  einer  Woge.  Die  so  verbesserten 
Gleichungen  lauten,  wenn  wir  noch 


Nr.  332  a.  §  66.   Die  LagrangeBchen  Gleichungen.  503 

mgh  +  m'gs  —  a 
mgs  =«  c 


setzen: 


T^  —  Co^jO-  +  afp  +  26q>  ^p^invt 


(I-) 


In  die  Behandlung  dieser  Gleichungen  gehen  wir  im  nächsten  Para- 
graphen ein. 

Über  die  praktische  Bedeutung  des  Systems  haben  wir  schon  in 
Nr.  280  gesprochen. 

Wir  wollen  jetzt  noch  eine  elementare  Ableitung  der  vorstehenden 
Gleichungen  kennen  lernen. 

882  a.  Blementare  Ableitung  der  Olelohnngen  des  Gtohlflh- 
krelselfl.  Befindet  sich  der  Kreisel  in  seiner  normalen  Lage  und  rollt 
das  Schiff  mit  der  Winkelgeschwindigkeit  9  nach  links,  so  wäre  nach 
Nr.  278  und  283  zum  Mitführen  des  Kreisels  ein  Moment  der  Größe 
Ca>o9  um  die  dritte  Achse,  also  die  Querachse  notig  und  zwar  Yon 
solchem  Sinne,  daß  sich  die  Rotationsachse  des  Kreisels  (die  /-Achse) 
auf  den  Momentvektor  zu  bewegt.  Also  ist  ein  Moment,  in  der  Querachse 
nach  links  gelegen,  notwendig.  Ein  solches  Moment  kann  aber  nicht  das 
Schiff  (bei  reibungsfreien  Drehachsen!),  sondern  nur  der  Rahmen  her- 
geben: also  erfährt  letzterer  vom  Kreisel  ein  Drehmoment  Coq^,  das 
in  der  Querachse  nach  rechts  liegt,  also  d"  zu  verkleinern  sucht.  Passiert 
andererseits  der  Kreisel  die  Normallage  mit  der  Winkelgeschwindig- 

keit  '9-  (was  eine  Drehung  um  die  Querachse  bedeutet),  so  ist  dazu 
nach  derselben  Regel  vom  Deviationswiderstand  ein  nach  vorne  ge- 

legenes  Moment  der  Größe  Cco^d'  nötig,  das  jetzt  aber  nicht  der  Rahmen, 
sondern  nur  das  Schiff  hergeben  kann.    Dieses  wird  also  selber  ein 

nach  hinten  gelegenes  Moment  Coq%'  erfahren,  das  tp  zu  vergrößern 
strebt. 

Befindet  sich  der  Kreisel  nicht  gerade  in  der  Normallage  {%• »  0), 
so  werden  statt  der  soeben  betrachteten  Momente  solche  auftreten, 
welche  für  -d*  «=  0  in  jene  übergehen,  sich  also  nur  um  Größen  zweiter 
Ordnung  —  die  Momente  selbst  sind  ja  schon  erster  Ordnung  klein  — 
voh  jenen  unterscheiden,  so  daß  wir  bei  Beibehaltung  von  Größen 
erster  Ordnung  allein  jene  Momente  stets  als  wirksam  ansehen  dürfen. 

Betrachten  wir  nun  Schiff  und  Kreisel  mit  Rahmen  als  je  ein 
Pendel,  das  kleine  Schwingungen  ausführt,  auf  welche  außer  der  Schwere, 
einer  Dämpfung  und  dem  Moment  der  Wogen  noch  die  eben  be- 
sprochenen Momente  infolge  des  rotierenden  Kreisels  wirken,  so  können 
wir  die  Schlußgleichungen  der  vorigen  Nummer  sofort  hinschreiben. 


504  ^L   Kinetik  stairer  Systeme.  Nr.  888, 834. 

333.  Literatur  rar  analytisohen  Mechanik.  Der  Begründer 
der  analytischen  Methoden  ist  Lagrange,  dessen  mecanique  analytiqne 
zuerst  1788  erschien.  Dieses  Werk  bildet  die  Basis  für  die  ganze 
theoretische  Fortentwicklung  der  Mechanik  im  19.  Jahrhundert,  die 
man  vor  allem  Poisson,  Hamilton,  Jacobi  (dessen  Vorlesungen 
über  Dynamik  klassisch  geworden  sind),  William  Thomson,  Routh^ 
Helmholtz,  Appell  u.  a.  verdankt.  Es  gibt  sehr  yiele  Lehrbücher 
dieser  Richtung:  Außer  Lagrange,  Jacobi  selbst  enthalten  fast  alle 
in  der  Einleitung  (Nr.  9)  genannten  die  analytischen  Methoden,  beson- 
ders Appell,  Heun,  Whittaker.  Namentlich  die  französische  und 
italienische  Literatur  ist  reich  an  entsprechenden  Lehrbüchern:  Außer 
Despeyrous  und  Marcolongo  seien  die  Namen  Delaunay,  Du- 
hamel, Sturm,  Maggi  genannt.  Ein  Teil  dieser  Bücher  ist  ins 
Deutsche  übersetzt.  Von  deutschen  Büchern  sei  vor  allem  noch  ge- 
nannt:  Boltzmann,  Vorlesungen  über  die  Prinzipe  der  Mechanik. 
Aus  der  Enzyklopädie  der  mathematischen  Wissenschaften  kommen  die 
noch  nicht  erschienenen  Referate  von  Stäckel  (Bd.  IV,  11,  12,  13) 
in  Betracht. 


§  57.  Kleine  Schwingangen  von  zwei  Freilieitsgraden. 

884.  Die  allgemeinsten  Oleichnngen  für  kleine  Schwin- 
gungen bei  zwei  Freiheitsgraden  können  lauten 

B'^  +  Äq)  +  2r«^  +  2x'<p  +  /J>  +  aq>  =  F\{), 

Linear  nämlich  werden  im  allgemeinen  die  Gleichungen  sein,  da  ja  die 
Variabein  nebst  ihren  Ableitungen  klein  sein  sollen  und  wir  bei  Gliedern 
erster  Ordnung  stehen  bleiben  wollen.  Es  könnte  nur  sein,  daß  in  den 
exakten  Gleichungen  alle  Glieder  erster,  zweiter  bis  i/**'  Ordnung  fort- 
fielen, dann  wären  die  Gleichungen  in  %•,  (p,  d',  g?  usw.  v  +  1*"^  Ordnung. 
Wir  wollen  aber,  der  bisherigen  Praxis  entsprechend,  v  —  0  annehmen, 
d.  h.  voraussetzen,  daß  in  den  exakten  Gleichungen  nicht  alle  Glieder 
erster  Ordnung  verschwinden. 

Als  mechanische  Gleichungen  werden  die  Gleichungen  gerade  noch 
Ableitungen  zweiter  Ordnung  enthalten.  Die  Koeffizienten  könnten  zu- 
nächst noch  Funktionen  von  t  sein. 

Nun  wollen  wir  aber  gewisse  Beschränkungen  eintreten  lassen: 
Die  Gleichungen  mögen  einem  mechanischen  skleronomen  System 
von  eigentlich  drei  Freiheitsgraden  angehören:  es  sei  aber  eine  Ko- 
ordinate if  eine  sogenannte  zyklische,  d.  h.  sie  komme  selbst  weder 
in  E  noch  in  den  Kraftgrößen  vor,  außerdem  werde  ^  «  o^  konstant 
gehalten.    (Beispiel:  der  umlaufende  Kreisel  im  System  von  Schiff  und 


Nr.  884.  §  67.    Kleine  Schwingnngen  von  zwei  Freiheitegraden.  505 

Rahmen.)  Ist  o^  »  0,  so  erhalten  wir  das  allgemeine  System  Ton  zwei 
Freiheitsgraden,  das  also  in  unserem  Ansatz  enthalten  ist.  o^  ist  nicht 
klein,  so  daß  der  allgemeinste  Ausdruck  der  kinetischen  Energie,  der 

bei  einem  skleronomen  System  in  ^,  q),  <Oq  homogen  quadratisch  sein 
muß,  bei  Beibehaltung  von  Gliedern  zweiter  Ordnung  lautet 

Man  kann  ein  Glied  mit  d'coQ  oder  ^^Oq  mal  einer  Konstanten  fort- 
lassen, da  es  bei  Bildung  der  Lagrangeschen  Gleichungen  keinen  Bei* 
trag  liefern  würde,  desgleichen  ein  Glied  mit  cJq*  mal  einer  Eon- 
stanten. Dagegen  dürfen  Glieder  mit  a^^  mal  einer  linearen  Funktion 
Ton  9;  q>  nicht  vorkommen,  da  sie  in  die  Lagrangeschen  Gleichungen 
endliche  Konstante  additiv  hineinbringen  würden. 

Die  eingeprägten  Kräfte  mögen  in  zwei  Gruppen  zerfallen:  Erstens 
sogenannte  konservative  Elräfte,  d.  h.  solche,  die  ein  Potential  haben, 
das  natürlich  die  Form  haben  muß 

CT  «  i- (a'^* -f  26^9 -h  c  VX 

da  auch  hier  lineare  Glieder  aus  demselben  Grunde  ausgeschlossen 
sind  wie  oben  in  E, 

Zweitens  seien  sogenannte  dissipative  Kräfte  vorhanden,  d.  h. 
Kräfte,  die  Lagrangesche  Kraftkomponenten  erzeugen,  welche  von  den 

Geschwindigkeiten  ^^  ip  linear  abhängen  und  die  Eigenschaft  haben, 
daß  sie  stets  Energie  verzehren.  Seien  also  diese  Lagrangeschen  Kraft- 
komponenten 

—  2()^  — 2(y(p, 

,  -2v^  — 2r<p, 

so  ist  ihre  Leistung  —  2(>'9'*  —  2(<y  + 1;)^9?  —  2r9?*.  Die  muß  also 
stets  negativ  sein,  d.  h.  p  >  0,  r  >  0,  (cJ-f  v)'<  4(>r. 

Für  die  Leistung  kommt  also  nur  6  -{■  v  m  Frage,  wir  wollen 
daher  annehmen,  daß  6  ^  v  sei.  Wir  dürfen  das  um  so  mehr  tun, 
als  man  ja  jedenfalls  z.  B.  das  Glied  2öq)  auch  schreiben  kann 

(0  +  v)q)  +  {ö  —  v)j)j 
dann  das  Glied 

2  vö-  —  (<y  +  v)d'  -  (tf  —  v)d' 

und  wir  sehen  werden,  daß  wir  Glieder  der  Form  (<y  — v)^  resp. 
—  (<y  — v)!*"  ohnehin  in  die  Gleichungen  bekommen  werden. 


506  ^-   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  884. 

Ist  <y  «  V,  80  nennt  man  die  Funktion  pd'^  +  26d'q)  +  T<p*,  wo 
6^  <  Qt  ist,  die  Dissipationsfunktion  (nach  Lord  Ray leigh:  Theory 
of  sonnd). 

Wir  können  nunmehr  die  Lagrangeschen  Gleichungen  auf- 
stellen: Sie  lauten: 

und 

Durch  Zusammenziehung  entsprechender  Glieder  nehmen  diese  Glei- 
chungen die  Form  an: 


a) 


B^  +  Cip-^  Do^d'  +  26»  +  2tq)  +  b&  +  cg>-^0 

wo  D  ^  —  fi  +  l 

a  —  a —  cc&Q^, 

ist. 

Wirken  noch  Krafte,  die  lediglich  Funktionen  der  Zeit  sind^  so 
treten  auf  die  rechte  Seite  noch  gegebene  Funktionen  der  Zeit. 

Die  Gleichungen  (I)  sind  natürlich  in  den  ganz  allgemeinen  Glei- 
chungen enthalten,  die  Spezialisierung  besteht  in  folgendem:  1.  Alle 
Koeffizienten  sind  konstant.  2.  Es  ist  jB=  JB',  -4.>0,  -4(7— -B*>0  wegen 
E>0,  3.  Es  ist  /3^/5'  =  6  (rührt  daher,  daß  ein  Potential  der  vom  Orte 
abhängigen  Kräfte  als  vorhanden  angenommen  wurde).  4.  Es  sind  x  ===  p 
und  x'=r  positiv,  und^  (jl  + Jl')*=  4(y*^  4x(>.     5.   Die  Glieder  mit 

2^9?  und  2X'%^  sind  zerlegt  in  26q>  -{-  Do^^  und  26»  —  Dca^q)^  wo 
2(y  =  X  +  A',  DcDo  =  —  Jl'  -f-  A  gesetzt  ist.  Das  ist  keine  Spezialisierung, 
sondern  eine  durch  die  Natur  der  Sache  bedingte  Zerlegung:  die  Terme 

mit  2(^9?  resp.  26»  rühren  von  Widerstandskräften  her,  d.  h.  von 
solchen,   die  Energie   verzehren,   während  die  Glieder  -\-  Do^ip  und 

—  Dg}q»  die  sogenannten  gjroskopischen  Terme,  etwa  die  Wirkung 
eines  eingebauten  symmetrischen  Kreisels  darstellen  (vergleiche  das 
Beispiel  des  Schiffskreisels  aus  Nr.  332,  333).  Es  ist  zu  beachten, 
daß  diese  Glieder  keine  Arbeit  leisten.    Denn 


Nr.  885.  §  67.    Kleine  Schwingungen  von  zwei  Freiheitsgraden.  507 

Der  Name  ^gyroskopische  Terme"   stammt   von   Lord  Eelyiii 
(William  Thomson). 

33B.  Integration  der  Olelehnngen  (I).    In  bekannter  Weise 
versuchen  wir  es  mit  dem  Ansätze 

und  erhalten  för  0,  O  die  beiden  homogenen  Gleichungen 
{Au^  +  2qu  +  a)&  +  {Bu^  +  Dio^u  +  26u  +  6) 4>  «  0 


Ca) 


SoUen  diese  beiden  Gleichungen  von  NuU  verschiedene  Lösungen 
haben,  so  muß  die  Determinante  verschwinden: 


«0, 


Au*  +  2qu  +  a  Bu*  +  Dto^u  +  26u  +  b 

Bu*  —  D(DqU  +  26U  +  h     Gv?  +  2xu  +  c 

es  ist  dies  eine  Gleichung  vierten  Grades  för  w: 

u^AC-B")  +  2ii»(^T  +  pC-2£<y) 

+  w*(^c  +  aC  +  4pr-265  +  D«a)o*-4<y») 

+  2u((>c  +  «T  —  26(y)  +  ac  -  6*  -  0.  (II) 

Sei  nun  eine  Wurzel  dieser  determinierenden  Gleichung 

so  gibt  es  Lösungen,  die 

^<  =  e*'(cosy<  +  *8iny^) 
proportional  sind. 

Sollen  also  bei  der  Bewegung  dauernd  d",  q)  Mein  bleiben,  soU  also 
insbesondere  die  Gleichgewichtslage  #  =  0,  ^  =»  0  stabä  sein,  so  muß 
X  ^0  sein,  d.  h.  alle  vier  Wurzeln  der  determinierenden  Gleichung 
müssen  ftegative  reelle  Bestandteile  hohen  (die  NuU  eingeschlossen). 

Sind  u^u^u^ti^  die  vier  Wurzeln,  so  lautet  das  allgemeine  kom- 
plexe Integral 

4  4 

v=l  v=l 

wo  jedes  Paar  &^  und  0^  miteinander  durch  eine  der  Gleichungen  (a) 
verknüpft  ist. 

Will  man  die  reellen  Lösungen  haben,  so  braucht  man  nur  den 
reellen  Bestandteil  für  sich  zu  nehmen;  denn  genügt  «d* «-  '9*^  +  id'^ 
einer  linearen  Differentialgleichung  mit  reellen  Koeffizienten,  so  genügt 
ihr  auch  d'^  (ebenso  d'^)  allein. 


508  XL    Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  336. 

Da  die  Gleichung  (II)  reelle  Koeffizienten  hat,  sind  immer  je  zwei 
Wurzeln  konjugiert  (falls  nicht  zwei  von  ihnen  oder  alle  vier  reell  sind) 

u, «  a?!  +  iyi ,    «8 «  a^  +  ty, , 
infolgedessen  lauten  die  reellen  Integrale 

»  =  1,2 


<P  ^^^"^{k  cos  y^t  +  Xy  sin  y^t) , 


»«1,8 

wo 

«,=     ?R(®, +  ©,+,), 
/J,--3(©,-ö,^.,) 

und  X,;  Ay  entsprechend  aus  den  $  gebildet  sind.  (Ist  ß^x  -\-  yij  so 
heißt  a;  -  ait(if),  y  -  3W.) 

336.  Vereinfachung  der  Olelohnngen.  Zum  Zwecke  der 
Diskussion  der  Wurzeln  kann  man  eine  bedeutende  Vereinfachung 
der  Gleichungen  yornehmen. 

Zunächst  ist  klar^  daß  das  Problem  in  seinem  ganzen  Charakter 
nicht  geändert  wird,  wenn  man  statt  %'j  ff  irgend  zwei  homogene 
lineare  Kombinationen  d^'y  9'  mit  konstanten  Koeffizienten  und  mit 
nicht  verschwindender  Determinante  als  neue  Variable  einführt.  Denn 
die  Kleinheit  der  Variabein  wird  dadurch  nicht  berOhrt^  auch  behalten 
E  und  U  ihre  Gestalt.    Dabei  transformieren  sich  wegen  der  Konstanz 

der  Koeffizienten  die  by  97  genau  so  wie  die  ^,  q>. 

Man  kann  nun  diese  lineare  Transformation  bekanntlich  so  wählen, 
daß  die  positiv  definite  Form 

die  Gestalt  ^'^+9^'^  annimmt.  Man  braucht  ja  nur  zunächst  das 
Koordinatensystem  so  zu  drehen ,  daß  B^O  wird,  dann  eine  affine 
Transformation  vorzunehmen,  welche  die  Ellipsen  Äd"^  +  C(p*  =  const. 
in  Kreise  überführt.  Endlich  kann  man  dann  noch  in  der  d*',  ^'-Ebene 
eine  solche  Drehung  des  Koordinatensystems  vornehmen,  daß  die  Schar 
der  Mittelpunktskurven 

ad'^  +  2bd'q>  +  C(p^  «  const. 

auf  die  Hauptachsen  transformiert  wird,  daß  also  2)  -»  0  wird. 

Kuris  man  kann  durch  Einführung  neuer  Variablen  erreichen,  daß 
^.  =  (7=1^  B ^b  =^0  wird,  ohne  daß  sich  sonst^  der  Charakter  des 
Problems  ändert. 


Nr.  837.  §  57.    Kleine  Schwingungen  von  zwei  Freibeitegraden.  509 

Die  determinierende  Gleichung  lautet  dann 

li*  +  2u\x  +  q)  +  u\a  +  c  +  4pr  +  D'öo'  -  4(y«) 

+  2u(QC  +  at)  +  ae^0.  (IT) 

Soll  nun  die  Bewegung  Mein  bleiben,  d.  h.  sollen  aUe  Wurzeln 
dieser  Gleichung  negativ  reelle  Bestandteile  haben,  so  muß  jedenfalls 
ac^O  sein,  d.  h.  a  und  c  müssen  gleiches  Zeichen  haben  oder  das 
Potential 

an  der  NüUsteUe  ein  Maximum  oder  Minimum  besitzen. 

Denn  bekanntlich  ist  ac  gleich  dem  Produkte  u^u^u^u^^  aller  yier 
Wurzeln.  Sind  diese  alle  reell^  so  müssen  alle  u  negativ  sein^  sind 
zwei  reell,  etwa  u^<0,  ti^ <  0,  also  u^^  x^  +  iy^ ,  u^^  x^—  iy^ ,  so 
ist  das  Produkt  (iCi*  +  yi*)w8^4  >  0;  ^^^^  endlich  alle  vier  zu  je  zweien 
konjugiert  komplex,  so  ist  das  Produkt  {x^^  +  y^*)  (x^^  +  y^*)  >  0. 
Machen  wir  also  hinfort  die  Annahme 

ac^O. 

337.  Diskussion  der  nlohtgedftmpfteu  Etohwlngungeu.  Sind 
6,  Q,  X  null,  sehen  wir  also  von  der  Dämpfung  ab,  so  lautet  die  deter- 
minierende Gleichung 

Daraus  folgt 

«'  -  -  (--±£±^^  ±  \  y(a+7+i;»a,.')«-4äc; 

=  -  ^"-^ "i^^«-*^  ±  4 y(a -  c)*  +  i)*<  +  2D*a,o«(«  +  c) . 

1.  Sind  a  und  c  beide  positiv,  so  ist  auf  jeden  Fall,  auch 
für  (Dq  »  0,  die  halbe  Quadratwurzel  reell,  aber  absolut  kleiner  als  das 
erste  Glied,  also  sind  beide  ^  reell  und  negativ,  alle  vier  Wurzeln  u 
also  imaginär.    Seien  die  beiden  Werte 

u^  =-  —  y^     und     w*  =-  —  y^,    . 
wo  y^,  y^  reell,  so  sind  —  und  —  die  Schwingungsdauern  beider  Seh win- 

..  yi        y« 

gungen,   aus  deren  Überlagerung  die  ganze  Bewegung  besteht.     Sei 
^1  ^  y^j  ^^  entspricht  y^  die  langsamere  Schwingung. 

Ist  Oq  «  0,  so  werden  selbstverständlich  die  beiden  Werte  von  y 

gleich  j/a  resp.  Yc.    Man  sieht  weiter,  dafi  ein  nicht  verschwindendes 
cDq  das  ^1  vergrößert,  dagegen  y^  verkleinert. 


/ 

510  ^-   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  388. 

Die  Gleichung  zwischen  O  und  0  nimmt  die  Gestalt  an 

(tt»  +  a)e  +  D(0quO  —  0, 

oder  wenn  u  =  iy  gesetzt  wird 

(-  y.»  +  a)3i(Ö,)  -  Dm,y,  3(<I>,)  -  0, 
sowie 

Gelten  diese  Gleichungen  für  0,,  0^,  so  gelten  für  ^,.^.27  *y+«>  ^®il 
ihnen  m  «-  —  f  y  entspricht 

(-y/  +  «)3(©,+J  -  2)a)oy,5R(<I>,^.,)  -  0. 
Also,  wenn  man  die  ersten  und  die  zweiten  Gleichungen  addiert 

(-y,*  +  «)«,+  i>o'oy,^,=o] 


(1) 


Ist  ajQ=0,  so  folgt  daraus  entweder  y^^a^  a,  f^  beliebig  oder 
«  =  j}  =  0,  d.  h. 

Ist  das  Problem  durch  die  Einführung  geeigneter  Koordinaten 
in  der  in  Nr.  336  angegebenen  Weise  vereinfacht  und  findet  weder 
Dämpfung  noch  Kreiselwirkung  statt,  so  vollführen  beide  Koordinaten 
ganz  unabJiängig  voneinander  je  eine  Schwingung  mit  beliebiger  Am- 
plitude und  Phase,  wenn  die  Konstanten  a  und  c  beide  positiv  sind. 

Durch  eiv^en  eingebauten  Kreisel  werden  hingegen  beide  Koordi- 
naten gekoppelt,  der  Art,  daß  beide  eifie  Bewegung  machen,  die  aus 
einer  Überlagerung  beider  Schwingungen  besteht,  die  Amplituden  und 
Phasen  der  zweiten  Koordinate  {X,  x)  stehen  jedoch  mit  denen  der 
ersten  Koordinate  (a,  ß)  in  der  Beziehung  (1). 

Der  eingebaute  Kreisel  hai  femer  die  Wirkung,  daß  er  die  langsame 
Schwingung  verlangsamt,  die  schnelle  beschleunigt 

338.  Fortsetzung:  Brennans  Binsohieuenbahn.    2.  Seien 
nun  a  und  c  beide  negativ  oder  null.  Ist  dann  Oq«=0,  so  ist 

?ij^  =«  —  ti ;     Wg^  ==  —  c, 

also  sind  von  den  zwei  Wurzeln  miDdestens  zwei  positiv  reell  oder 
Null,  die  Gleichgewichtslage  ist  sicher  instabil,  d;  q>  wachsen  über  alle 
Grenzen.  Das  gilt  auch ,  wenn  zwei  Wurzeln  Null  sind,  z.  B.  a  =»  0 
ist.  Denn  man  weist  sofort  aus  den  ursprünglichen  Gleichungen  nach, 
daß  dann  eine  beliebige  lineare  Funktion  von  t  Integral  ist,  das  mit 
wachsendem  t  unendlich  wird.  Beide  Koordinaten  sind  in  diesem  Falle 
nicht  unabhängig  voneinander. 


Nr.  388.  §57.   Kleine  Schwingungen  Ton  zwei  Freiheitsgraden.  511 

Nun  sei  aber  ein  Kreisel  eingebaut.  Kann  er  die  Bewegung 
stabilisieren? 

SoU  das  der  Fall  sein,  so  muB  jedenfalls  die  Quadratwurzel  reell 
sein,  denn  wäre 


so  hätte  sicher  die  eine  dieser  beiden  Wurzeln  einen  positiv  reellen  Be- 
standteil. Es  kann  also  nur  Stabilität  herrschen^  wenn  u  rein  imaginär 
ist,  also  ü^  reell  und  negativ.    Folglich  muß 


sein.  Aber  es  muß  auch  a  +  c  +  JD^Oq^  >  0  sein,  denn  sonst  wäre  das 
erste  Glied  von  u^  positiv,  und  da  das  zweite  Glied  absolut  kleiner 
ist  als  das  erste,  so  wäre  ein  u^  positiv.    Also  muß 

a  +  c  +  J?^G>o*  >  2  yäc 
sein, 

D^wo*  >  2y'^-a  -  c  =  (y^+y~c)\ 

D(o,>y-a  +  y~c',  (2) 

wo  beide  Wurzeln  positiv  zu  nehmen  sind. 

Ist  die  Bedingung  (2)  erfüllt,  so  werden  tatsächlich  alle  vier  u 
rein  imaginär,  es  kommen  also  kleine  Schwingungen  zustande,  die 
NuUage  (d'=^(p^O)  ist  stabil. 

Das  Gleichheitszeichen  von  (2)  genügt  nicht;  denn  dann  hat  die 
determinierende  Gleichung  Doppelwurzeln,  und  es  darf  wohl  der  Satz 
als  bekannt  angesehen  werden,  daß  falls  u  »  yi  eine  Doppel wurzel 
ist,  cos  yt,  sin  yt,  aber  auch  t  cos  yt  und  t  sin  yt  Integrale  sind,  und 
die  beiden  letzteren  werden  ja  unendlich  (vgl.  Nr.  72,  c). 

Ein  eingebauter  Kreisel  lann  eine  Gleichgewichtslage,  für  die  an 
sich  Instabilität  hinsichtlich  beider  Koordinaten  stattfindet  {a  und  c  <  0) 
stabil  machen;  er  muß  nur  so  rasch  rotieren,  daß  die  Ungleichheit  (2) 
erfüllt  ist. 

(William  Thomson  hat  allgemein  bewiesen,  daß  man  durch  ein- 
gebaute Kreisel  immer  nur  eine  gerade  Anzahl  von  Freiheitsgraden 
stabilisieren  kann.) 

Der  GrenzfaU,  daß  a  oder  c  Null  ist^  läßt  sich  allerdings  nicht 
stabilisieren,  da  dann  zwei  Wurzeln  u  Null  werden,  also  eine  lineare 
Funktion  von  t  Integral  ist. 

Beispiel:  die  Brennansche  Einschienenbahn  (vgl.  Nr.  280). 
Ist  hier  der  Kreisel  so  montiert,  wie  auf  dem  Schiffe,  so  lassen  sich  die 
Gleichungen  (I)  aus  Nr.  332  für  den  Schiffskreisel  sofort  herüber- 
nehmen.   Nur  ist  hier  a  <  0,   da  das  Fahrzeug  an   sich  instabil  ist. 


512  ^^-    Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  3S9. 

also  muß  auch  c<0  sein,  d.  h.  der  Schwerpunkt  des  Kreisels  muß 
in  der  Normallage  oberhalb  der  Drehachse  des  Rahmens  liegen.  Läuft 
der  Kreisel  dann  so  schnell,  daß  Bedingung  (2)  erfüllt  ist,  so  steht 
der  Wagen  stabil  aufrecht. 

Nun  ist  allerdings  die  von  Brennan  vorgeschlagene  Montierung 
eine  andere.  Der  Rahmen  dreht  sich  um  eine  vertikale  Achse,  der 
Kreisel  im  Rahmen  um  eine  hprizontale  Querachse,  d.  h.  es  ist  das 
Vorderrad  eines  Zweirades  noch  einmal  als  besonderes  stabilisierendes 
Organ  auf  das  Fahrzeug  genommen.  Der  Leser  mag  nachweisen,  daß 
die  Gleichungen  dieselben  bleiben,  nur  daß  c  »  0  ist;  da  das  aber 
nicht  sein  darf,  so  denkt  sich  Brennan  (in  seinen  ersten  Entwürfen) 
die  erforderliche  Krafb  durch  Menschenhand  hervorgerufen,  wie  es  ja 
beim  Vorderrad  des  Zweirades  auch  der  Fall  ist.  Ob  aber  die  An- 
ordnung wie  beim  Schiffskreisel  als  automatisch  wirkend  nicht  vor- 
zuziehen wäre?  Wir  werden  sehen,  daß  gute  Ghründe  dagegen  sprechen 
(siehe  Nr.  340).  Auf  die  automatische  Regulierung,  wie  sie  später  von 
Brennan  und  Scherl  vorgeschlagen  worden  ist,  können  wir  hier  nicht 
weiter  eingehen.    Siehe  etwa  Klein-Sommerfeld  Bd.  IV. 

889.  Wirkimg  der  D&mpftmg  anf  an  sloh  stabile  Systeme. 

Sei  das  System  an  sich  stabil,  d.  h.  a  >  0,  c  >  0.  Multiplizieren  wir 
dann  die  erste  der  beiden  Bewegungsgleichuugen  mit  ^,  die  zweite 
mit  q>  und  integrieren,  so  erhalten  wir  das  Integral  der  lebendigen  Kraft 


E+  U+  2 />.  dt «-  const. 


die  Dissipationsfunktion  ist. 

Da  letztere  stets  positiv  ist,  so  folgt 

E+  f7^  const, 

und  daraus  läßt  sich  bei  positiv  definitem  U,  d.  h.  wenn  U  an^  der 
Stelle  #  »  9)  »  0  ein  wahres  Minimum  hat,  genau  nach  dem  Dirichlet- 
sehen  Verfahren  stets  auf  Stabilität  schließen. 
Aber  noch  mehr: 
*Fdt  wächst  beständig,  also  nimmt  E  +  U  dauernd  ab,  also 


/ 


Ist  das  System  an  sich  stabil,  so  haben  die  Wurzeln  der  deter- 
minierenden Gleichung  negativ  reelle  Bestandteile,  die  nicht  null  sind, 

Ist  keine  der  Wurzeln  reell,  was  bei  hinreichend  kleiner  Dämpfung 
der  Fall  sein  wird  —  denn  für  fehlende  Dämpfung  sind  sie  ja  rein 
imaginär  — ,  so  besteht  die  Bewegung  einer  jeden  Koordinate  aus 
zwei  gedämpften  Schwingungen. 


Nr.  840.  §57.   Kleine  Schwingungen  von  zwei  Freiheitsgraden.  513 

340.  Wirkimg  der  D&mpftmg  anf  an  sieh  labile,  duroh 
Kreisel  stabilisierte  Systeme.    Wir  wollen  beweisen,  daß 

an  sich  labile  Systeme  hei  Vorhandensein  von  Dämpfimg  durch  ein- 
gebatUe  Kreisel  nicht  stabäisiert  werden  können  (Lord  EeWin). 

Sei  das  System  an  sich  labil,  also  a  <  0,  c  <  0  , —  sonst  ist  ja 
Stabilisiemng  sicher  unmöglich  — ,  aber 

so  daß  das  System  mit  Kreisel  bei  fehlender  Dämpfung  stabil  wäre. 
Nun  hat  aber  der  Koeffizient  von  u  in  der  determinierenden  Gleichung 

ar  +  CQ 

sicher  ein  negatives  Zeichen  (r  >  0,  p  >  0!). 

Wir  zeigen,  daß  es  positiv  sein  müßte,  wenn  die  determinierende 
Gleichung  lauter  Wurzeln  mit  negativ  reellen  Bestandteilen  hätte. 

Seien  die  Wurzeln  zunächst  alle  konjugiert  komplex: 

-^i+»yi;     -^i-iVu     -^%+iyi,    -^i-iVi, 

und  alle  x  positiv.  Dann  ist  bekanntlich  der  in  Rede  stehende  Koeffi- 
zient die  negative  Summe  aller  Produkte  aus  je  drei  verschiedenen 
Faktoren  der  vier  Wurzeln.    Bildet  man  diese  Summe,  so  erhält  man 


m  *  I    * 


und  das  ist  tatsächlich  positiv. 

In  analoger  Weise  beweist  man  den  Satz,  wenn  nur  zwei  kon- 
jugiert komplexe  und  zwei  reelle  oder  aber  wenn  vier  reelle  Wurzeln 
da  sind. 

Damit  ist  der  zu  Anfang  dieser  Nummer  ausgesprochene  Satz 
bewiesen.  Die  Bewegung  kann  also  nicht  stabil  sein.  Würde  man 
daher  ein  Brennansches  Fahrzeug  mit  einem  stehenden  Kreisel  aus- 
rüsten, so  würde  es  sich  langsam  auf  die  Seite  legen.  Denn  sind  x, 
Q  klein,  so  werden  natürlich  auch  die  positiv  reellen  Bestandteile  der 
Wurzeln  klein  sein. 

Ein  schwerer,  auf  der  Spitze  laufender  Kreisel  genügt  für  die 
Bewegung  in  der  Nähe  der  aufrechten  Lage  genau  denselben  Glei- 
chimgen  wie  ein  Fahrzeug  mit  stehendem  Kreisel,  man  braucht  ja 
nur  die  Masse  des  Rahmens  und  des  Fahrzeugs  Null  zu  setzen,  um 
einen  bloßen,  stehenden  Kreisel  zu  erhalten. 

Ein  schwerer  auf  der  Spitze  laufender  Kreisel  wird  also  jeden- 
falls infolge  des  Luftwiderstandes  langsam  umsinken. 

Allerdings  wird  die  wirkliche  Bewegung  noch  ganz  wesentlich 
durch  Reibungserscheinungen  an  der  Spitze  modifiziert. 

Ha.mel:  Elementare  Mechanik.  33 


514  ^-   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  841. 

Aach  ist  angenommen,  daß  die  Rotationsbewegung  des  Kreisels 
nm  seine  Symmetrieachse  ungeändert  bleibt.  Sie  wird  jedenfalls  schwächer 
gedämpft  als  die  anderen  Bewegungen,  weil  sich  der  Ejreisel  (er  ist 
als  Rotationskörper  gedacht)  in  sich  dreht  und  dabei  natürlich  sehr 
wenig  Widerstand  erfährt. 

Unter  anderen  Annahmen  und  auch  mit  anderem  Resultat 
haben  Klein  und  Sommerfeld  den  Einfluß  des  Luftwiderstandes 
behandelt  (siehe  Bd.  III,  Kap.  VII,  §  7). 

Die  allgemeine  Theorie  der  kleinen  Schwingungen  wollen  wir 
hiermit  abschließen.  Wegen  weiterer  Einzelheiten  sei  auf  die  Literatur 
verwiesen. 

Die  Methode  der  kleinen  Schwingungen  geht  auf  Lagrange 
zurück. 

Die  besten  Ausführungen  über  kleine  Schwingungen  findet  man 
sonst  in  dem  schon  oft  genannten  Werke  von  Routh,  Bd.  I,  Kap.  IX 
und  Bd.  11,  Kap.  11,  III,  VI,  VII.  Routh  ist  auch  der  erste  gewesen, 
der  kleine  Schwingungen  um  einen  Bewegungszustand  (siehe  unser 
elementares  Beispiel  in  Nr.  67)  in  seiner  Preisschrift:  „On  the  stability 
of  steady  motion^^  betrachtet  hat. 

Allerdings  hatte  schon  vorher  Maxwell  sich  mit  Regulator- 
Schwingungen  beschäftigt  (siehe  die  Literatur  zum  Regulatorproblem 
in  Nr.  200). 

Hurwitz  hat  in  den  Math.  Annalen  Bd.  46  die  vollständigen  Be- 
dingungen dafür  aufgestellt,  wann  die  Wurzeln  einer  Gleichung  negativ 
reelle  Bestandteile  haben. 

Neuerdings  ist  ein  kleines  Buch  von  W.  Hort  erschienen:  „Tech- 
nische Schwingungslehre",  das  zu  einer  ersten  Einführung  dienen  kann. 

Wir  wenden  uns  jetzt  noch  zu  einigen  Anwendungen. 

841.  Das  Problem  von  Olooke  und  Klöppel.  Kann  es  vor- 
kommen, daß  Glocke  und  Klöppel  so  schwingen,  daß  kein  Anschlag 
stattfindet?  Dieses  Problem  stellte  das  Versagen  der  Kölner  Kaiser- 
glocke 1876. 

Glocke  und  Klöppel  bilden  ein  Doppelpendel.  Die  Bewegungs- 
gleichungen für  ein  solches  haben  wir  schon  wiederholt  aufgestellt 
(siehe  Nr.  310  und  330);  nehmen  wir  die  Schwingungen  klein  — 
treten  keine  kleinen  relativen  Schwingungen  des  Klöppels  gegen  die 
Glocke  ein,  so  treten  auch  sicherlich  keine  großen  auf  —  und  setzen  wir 

m^cb  =  B, 

Tn,s+mub^'-C, 

a  statt  nijga  +  Wu^rc,  c  statt  m^gb,  so  lauten  die  Gleichungen 


Nr.  841.  §  67.    Kleine,  Schwing^gen  von  zwei  Freibeitsgraden.  515 

ÄÖ^  +  J5^  +  a#  —  0, 

B^+  Cip  +  c(p^  0. 

Setzen  wir  d'  —  ®c**',  9?  —  O^^  an,  so  bekommen  wir  die  charakte- 
ristische  Gleichung 

u\ÄC-  B")  +  u\Ac  +  aC)  +  ac  -  0. 

Es  gibt  zwei  reelle  nngedämpfte  Schwingpingen,  deren  Schwin- 
gungsdauem 

—  für  die  langsame, 

—  für  die  schnellere 
sind,  wo 

Setzt  man  demnach 

%^  ^  («1  cosy^e  +  /?!  siny^O  +  (««  cosy,^  +  /J,  siny,f), 
9  =*  (xj  cosy^^  +  l^  Biny^t)  +  (x,  cosy,<  +  A,  siny,0, 

so  bestehen  zwischen  «^  und  x^,  ebenso  aber  zwischen  /J^  und  A^  die 
Gleichungen,  die  man  durch  Einsetzen  in  die  erste  Bewegungsgleichung 
erhält  und  die  den  allgemeinen  Gleichungen  (1)  aus  Nr.  337  entsprechen 


W 


Soll  nun  bei   einer  Schwingung  keine   relative   Bewegung   zu- 
stande kommen,  so  muß  dauernd 

^  —  9 

sein.    Bei  der  langsamen  Schwingung  etwa  gibt  das 

«i  =  «i 
und 

Beide  Gleichungen  bedingen  nach  (a)  die  eine 

(^  +  J3)yi«-a-0. 

Man  kann  darin  den  obigen  Wert  von  y^'  einsetzen.  Bequemer  ver- 
fährt man  jedoch  so,  daß  man  die  aus  der  zweiten  Bewegungs- 
gleichung resultierenden  Gleichungen 


88 


• 


516  XI.   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  348. 

-«,By,»+x,(-Cy,«+c)-0 
hinzunimmt,  die  für  o^  =»  x^  ergeben 

(B  +  C)y,«-c-0. 
Eliminiert  man  aus  ihr  und  aus 

y.^,  so  erhält  man 

(B  +  C)a  -(A  +  B)c  «  0}) 

FQhrt  man  die  ursprünglichen  Bedeutungen  yon  A,  B,  C,  a,  c  ein 
und  setzt 

C  ■"  Wjj6  •  Ijjj 

wo  {jy  {jx  die  reduzierten  Pendellängen  beider  Körper  sind^  so  lautet 
die  Yorstehende  Gleichung  nach  dem  Abstände  c  der  beiden  Dreh- 
punkte aufgelöst 

^"~^i 

Man  wird,  weil  m^  >  mjj,  den  Nenner  gleich  1  setzen  dürfen  und 
erhält  somit  sicheres  Versagen  der  Glocke,  wenn 

ist. 

Nun  war,  als  man  nachmaß,  tatsächlich  bei  der  Kaiserglocke 
Zjj  —  ij  =-=  65,3  cm,  dagegen  c«  66,7  cm.  Durch  zweckentsprechende 
Abänderung  der  Masse  konnte  die  Glocke  zum  Läuten  gebracht  wer- 
den (siehe  Veit  mann:  „Über  die  Bewegung  einer  Glocke'^  in  Dinglers 
polytechn.  Journal,  Bd.  220,  1876). 

342.  Brledignng  eines  Blnwandes.  Man  kann  gegen  die 
vorstehende  Yeltmannsche  Theorie  einwenden,  daß  sich  nur  bei  einer 
Schwingung  Glocke  und  Klöppel  wie  ein  starrer  Körper  bewegen,  daß 
es  aber  bei  der  anderen  anders  sein  könnte.  Tatsächlich  werden  wir 
sehen,  daß  sich  gerade  beim  ErfÜUtsein  der  Bedingung 

(B+C)a-'(Ä  +  B)c^O 

1)  Diese  Gleichung  kann  auch  direkt  aus  den  Bewegungsgleichungen  er- 
halten werden;  setzt  man  in  diese  &  =  q)^  so  geben  beide  Gleichungen  nur  dann 
nicht  ^  =B  qp  SS  0,  wenn  die  Determinante 

\Ä  +  B  ai 

'  =0 

B+C  c, 

ist 


Nr.  342.  §  67.    Kleine.  Schwingaogen  von  zwei  Freiheitagraden.  517 

nur  bei  der  laugBamen  Schwingung  kein  Anschlagen,  bei 
der  schnellen  Schwingung  hingegen  eine  besonders  starke 
relative  Bewegung  ausbildet. 

Denn  ist  obige  Bedingung  erfüllt^  also 

aC  —  Ac  =^  B{c  —  a), 

so  folgt 

2_ c 

Vi  ^B+C' 

wie  es  sein  muß,  wenn  für  die  langsame  Schwingung  kein  Anschlag 

stattfinden  soll,  dagegen 

I  ac 

Dafür  aber  berechnet  sich 

il_  «  ^  —  oj-^y,*  -_  _  f_  ^  0 
A        «.  By,*  c  ^""^ 

d.  h.  die  Schtvingung  des  Klöppels  ist  gerade  um  eine  halbe  Schwingung 
gegen  die  der  Glocke  zurück.    Schlägt  die  Glocke  links  aus^  so  pendelt 
der  Klöppel  nach  rechts  und  umgekehrt. 
Denn  ist 

d'^ysin{y^t  +  s), 
so  ist 

9)—  ^  y  sin (y^t  +  «  —  jnr). 

Es  mußte  also  möglich  sein^  durch  eine  geeignete  Antriebsvor- 
richtung  die  Eaiserglocke  zum  Läuten  zu  bringen.  (Ob  allerdings  die 
schnelle  Schwingung  der  Absicht  entsprochen  hätte,  ist  eine  andere 
Frage.)  Wir  wollen  uns  noch  überzeugen,  daß  eine  Antriebsvorrich- 
tung,  die  mit  der  primitiven  Art  des  Läutens  große  Ähnlichkeit  hat, 
die  schnelle  Schwingung  nicht  hervorruft. 

Wir  denken  uns  die  Glocke  durch  einen  ersten  Zug  am  Seil  in 
einen  gewissen  Ausschlag  9-^  gebracht,  während  der  Klöppel  nur  eine 
Parallelbewegung  gemacht  habe,  d.  h.  <p  wesentlich  Null  geblieben 
sei.  Dann  lassen  wir  das  System  los.  Welche  Bewegung  wird  ein- 
treten? 

Aus  den  Anfangsbedingungen  d'^d'Qj  9=»0,  ^=-=0,  9?  — 0  folgen 
für  die  a,  ß,  x,  X  die  Gleichungen 

Cfl     +      «J    =-     d'Q, 

^1  +  ^2  "="  0, 

ßiVi  +  ß^y.-o, 


518  ^  Kinetik  staner  Sjeteme.  Nr.  343. 

Daxo  kommen  die  Gleichnngen  zwischen  a,  x,  denen  anch  ß,  X  ge- 
nügen,  und  die  sich  in  dem  angenommenen  Sonderfiidl,  wo 


ist,  auf 


aC'-Äc^Bic  —  a) 


ßi  ■*  ^u 


X,«--«,, 

^.--^Ä 


reduzieren. 

Man  erkennt  sofort,  daS  alle  ß,  X  Null  sind,  während  sich 

^1 ^ 

und  infolgedessen 

a 

ergeben. 

Man  bekommt  also  für  die  Glocke 

-^  —  «2  (^  cosyi^  +  cos  y^i^ , 

für  den  Klöppel 

qp  =«  x,(—  cos y^t  +  cos y^t). 

Nun  ist  a  wesentlich  größer  als  c.  Denn  es  war  a  statt  fY^ga 
+  ^n9^y  dagegen  c  statt  m^x^^  gesetzt  und  es  ist  m^  f>  m^,  während 
a,  })  von  derselben  Größenordnung  sein  werden. 

Während  also  beim  Klöppel  beide,  die  schnelle  und  die  langsame 
Schwingung  gleich  stark  einsetzen  werden,  wird  an  der  Glocke  nur 
die  langsame  Schwingung  deutlich  erkennbar  sein. 

Ist  nun  die  Bewegung  mit  diesem  Vorwiegen  der  langsamen 
Schwingung  eingeleitet,  so  wird  der  Mann  am  Strang  im  langsamen, 
für  ihn  fühlbaren  Rhythmus  weiterziehen  und  infolgedessen  nach  den 
bekannten  (siehe  Nr.  76)  Resonanzerscheinungen  die  langsame  Schwin- 
gimg das  ganz  entschiedene  Übergewicht  erhalten. 

Wendet  man  aber  ein  Läutewerk  an,  das  von  vornherein  mit 
der  schnellen  Schwingung  in  Resonanz  gesetzt  ist,  so  unterliegt  es 
keinem  Zweifel,  daß  die  schneUe  Schwingung  in  lebhaftem  Maße  ein- 
treten und  also  die  Glocke  erklingen  wird. 

843.  Bin  anderer  Bpeslalfall  des  Doppelpendele  hat  noch 
besonderes  Interesse:  der  Fall  nämlich,  daß  der  angehängte  Körper 
klein  ist  gegen  den  anderen  (''hi*^^)'  während  die  Eigenschwingungen 


]S:r.  848.  §  57.    Kleine  Schwingungen  Ton  zwei  Freiheitsgraden.  519 

beider  Pendel  nahezu  übereinstimmen.  Man  kann  dann  mit  Vernach- 
lässigung Ton  tnjiC*  gegen  Tj  setzen 

wo  2j  und  Ij^y  die  reduzierten  Pendellängen,  fast  einander  gleich  sind, 
des  weiteren  für  a  angenähert  m^ga  setzen,  während  c  gleich  Mjjgb 
bleibt. 

Dann  ist  wegen 

B  =  mj^cb 

{Äc  —  Gay  +  AacB'^  [mjtnjjgabQj'—  ?„)]'  +  ^fnjm\jg^ab^c\ 

und  das  ist  klein  gegen 

(Ac  +  Cay  -=  [m,m^jgab{lj  +  kdy, 
weil 

und  weil 

Infolgedessen  werden  sich  y^  und  y^  nur  wenig  yoneinander  unter- 
scheiden: man  kann  setzen 

wo  c  klein  ist  gegen  y^. 

Es    wird   also   d^   ebenso    wie    q>   aus    der   Überlagerung   zweier 
Schwingungen  von  wenig  verschiedener  Periode  bestehen: 

-d"  =  «1  cosy^^  +  ßi  Bin y^^t  +  a^  cos (y^t  +  st)  +  /J,  sixL(y^t  +  tt). 

Indem  man  cos(y|^+^0  ^  cosy^^  cos«^  — sin  y^^sinc^  zerlegt  und 
analog  sin(y|^+  ^0;  ^^^^  ™^^  schreiben 

^  =B  a  cos y^ ^  +  6  sin  j/i^  =  c  sin  (yi^  +  rf), 
wo 

a  =  «1  +  a,  cos  et  +  A  sin  st, 

6  =  ^1  —  a,  sin  £^  +  ß^  cos  «^ 
oder 

-)/«i'+  ft'+  V  + A'  +  2(ai«,  +  i8iA)  cos£i  +  2(ai/3,-fta,)  sin 5^. 

Jlfan  %ann  aZso  die  Bewegung  bei  wenig  verschiedenen  Perioden 
auffassen  als  eine  einzige  Schwingung  von  derselben  Periode^  deren 

Amplitude  aber  langsam,  nämlich  mit  der  Periode  —  zwischen  einem 

größten  und  kleinsten  Werte  hin-  und  herschwankt. 


520  XI.  Kinetik  staner  Systeme.  Kr.  844. 

Der  größte  Wert  yon  c  ist  gegeben  durch 

der  kleinste  durch 

<i  -  («,*  +  A*  +  «.* + A*)*  -  4K«,  +?A  AV  -  4(«,  A  -  «,  A)*j 

Richtet  man  es  also  so  ein  (durch  passende  Wahl  der  Anfangs- 
werte) ^  daß  nahezu  a/ +  ft*  ===«,*+ ft*  irf,  so  trird  jedes  Pendd 
bald  fast  ganz  stillzustehen  scheinen,  bald  sich  in  heftigen  Sdacingungen 
befinden.    Das  andere  Pendel  madU  die  umgekehrte  Bewegung, 

denn  die  gesamte  Energie  muß  ja  erhalten  bleiben  und  die  potentielle 
Energie  kann  ja  nur  dann  beträchtliche  Wertdifferenzen  zeigen,  wenn 
die  kinetische  Energie  erheblich  ist.  Dieses  eigentümliche  Altemieren 
beider  Pendel  laßt  sich  leicht  experimentell  dartun.  In  der  Akustik 
nennt  man  die  entsprechende  Erscheinung,  die  beim  Anschlagen  zweier 
fast  gleicher  Töne  auftritt  und  ein  langsames  An-  und  Abschwellen 
des  Tones  darstellt,  Schwebung.  Verwandt  hiermit  ist  die  Erschei- 
nung sogenannter  sympathischer  Pendel.  Die  Aufhängepunkte 
zweier  Pendel  von  fast  gleicher  Schwingungsdauer  gehören  einem 
elastischen,  aber  festen  Material  von  geringer  Masse  an.  Dieses  wird 
die  Schwingungen  von  dem  einen  Pendel,  das  man  etwa  angestoßen 
hat,  auf  das  andere,  das  zu  Anfang  ruhte,  übertragen  bis  dieses  schwingt 
und  das  erste  zu  Ruhe  kommt.  Dann  kehrt  sich  der  Vorgang  um:  es 
findet  ein  bestandiges  Hin-  und  Herwandem  der  Schwingangsenergie  statt. 

344.  Anwendnng  auf  den  SchiflkkreiseL  Wir  haben  den 
Schiffskreisel  schon  früher  besprochen  und  die  Differentialgleichungen 
der  Bewegung  aufgestellt  (siehe  Nr.  332  und  332  a): 

f  0 
Tip  -  Coo^  +  ^9^  +  ^^''\psmvt 

A%  +  Cci^ip  4-  2r^  +  c^  —  0 

(g?  Schiff,  %  Kreisel). 

Die  allgemeine  Theorie  lehrte,  daß  von  den  beiden  resultierenden 
Schwingungen  durch  den  Schiffskreisel  die  langsame  noch  yerlang- 
samt,  die  schnellere  dagegen  beschleunigt  wird,  wenn  keine  Dämpfung 
vorhanden  ist.  Nun  hemmt  Dämpfung  eine  jede  Bewegung,  sie  wird 
also  ihrerseits  beide  Schwingungen  etwas  verlangsamen. 

Femer  ist  wohl  an  sich  klar  und  kann  auch  ähnlich  wie  bei 
Glocke  und  Klöppel  bewiesen  werden,  daß  bei  einem  Anstoß  das 
Schiff  hauptsächlich  die  Schwingung  ausführen  wird,  die  bei  An- 
wachsen des  (Dq  von  Null  an   stetig   aus  der  Eigenschwingung  des 


Nr.  844.  §  67.   Kleine  Schwingmigen  von  zwei  Freiheitsgraden.  521 

Schiffes  (d.  i.  Schwingung  ohne  Kreisel  und  ohne  Dämpfong)  hervor- 
geht, deren  Schwingongsdauer  also  durch 


gegeben  ist,  wo  x^^y^- 


1       «i 


Soll  also  vor  allem  einmal  der  Schiffskreisel  die  ausnehme  Wir- 
kung haben,  die  BoUbewegung  des  Schiffes  zu  verlangsamen^  so  muß 
die  Eigenschwingung  des  Kreisels  rascher  erfolgen  als  die  des  Schiffes, 
oder  es  muß 

x^  ^  x^ 

sein,  wo  ^»=^1/4-* 

Bei  einem  von  Schlick  angegebenen  Beispiel  ist 

V-2,3,    V-4,7,    r,  =  1^  =  4,14  Sek., 

während  die  SchwingungBliauer  bei  Ereiselwirkung  auf  6  Sek.  herauf- 
ging.    Bei    einem    von   Föppl   durchgearbeiteten   Beispiel    sind   die 
Zahlen  0,16,  3,3,  15  Sek.  und  19  bis  22  Sek  je  nach  Dämpfung. 
Die  determinierende  Gleichung  (siehe  Nr.  335)  lautet 

u'^TA  +  2u\Tx  +  qA)  +  u^{Tc  +  aÄ  +  4Qt  +  -D^ö^o*) 

+  2u(qc  +  ar)  +  ac  =  0; 

bei  Yemachlässigung  der  Reibung,  wenn  wir  noch 

"TA    =  ^        ^1^«     r^     T    ^  ^V 
setzen,  bekommen  wir  für  —  u*  die  beiden  Werte 

für  die  langsame  und 

für  die  schnelle  Schwingung.     Setzen  wir  wieder 

(p  -  2^^  ^^^  y^^  +  ^ßr  Büi  yj, 

1,«  1.8 

d  "-  ^x^  COS  y,^  +  ^A^  sin  yj, 

1,«  1,« 


522  XI.   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  344. 

80  erhält  man  darch  Einsetzen  in  die  Bewegongsgleichungen  zwischen 
den  a,  x,  ßy  k  die  Beziehungen: 

Wir  wollen  nun  weiter  zeigen,  daß  jedenfalls  der  Kreisd  die 
Wirkung  eines  eineeinen  Wellenschlages  abschwächt. 

Zu   dem  Zwecke  lösen   wir  das  Impulsproblem:   Ein  Dreh- 
stoß Z)  tre£Fe  das  Schiff,  welche  Bewegung  tritt  ein? 
Da  mit  den  getroffenen  Annahernngen 

S  =  I  iTq>'  +  A»*), 

80  ist 

P^-Ty     und     P^-^d, 
also 

woraus  sich  die  Anfangswerte 

ergeben,  die  zusammen  mit 

genügen,  die  Eonstanten  a,  ß,  y,  X  des  Schwingungsproblems  zu  be- 
rechnen. 
Aus 

9?  —  2:{a^  cosyj  +  ß^  sinyj) 
und 

d  =  2](x^  cos  yj  +  Xy  sin  y^t) 

und  den  Anfangsbedingungen  folgen 

Oj  +  a,  =  0, 
X,  +  X,  «  0, 

ßiVi  +  ßtVt^  j, 

Gleichungen,  die  zusammen  mit  den  Bedingungen  zwischen  den  a,  x 
und  /),  X'. 

(-  y."  +  ^1*)  «>  -  ri  KVv  *  0. 


Nr.  344.  §  67.   Kleine  Schwingungen  von  zwei  Preiheitegraden.  523 

zeigen,  daß  alle  a  und  k  Null  sind,  während  sich  die  Amplituden  ß^ 
und  ß^  der  beiden  Schwingungen  des  Schiffes  zu 

berechnen. 
Wegen 

sind  ßi  und  ß^  beide  positiv. 

Das  Schiff  bewegt  sich  nun  nach  der  Gleichung 

9«/3i  sinyi^  +  /J,  siny^^ 

weiter.  Der  höchste  Wert,  den  der  Ausschlag  des  Schiffes  danach  er- 
reichen kann,  ist  ß^  +  ß^  und  im  allgemeinen,  wenn  nämlich  y^  und 
y^  in  keinem  rationalen  Verhältnis  zueinander  stehen,  kann  der  Aus- 
schlag diesem  Maximum  auch  beliebig  nahe  kommen.  Denn  man 
braucht    nur    einen   solchen    Wert   t  zu   suchen,    daß   y^t   nahe   bei 

—  +  2n3r,   dagegen  y^t  nahe  bei  ---  +  2m%  liegt,   wo  w,  m   irgend 

zwei  ganze  Zahlen  sind«    Das  geht  aber:  man  setze  direkt 

dann  wird 

soU  das  eine  kleine  Größe  sein,  so  muß  auch 

(4w  +  l)t/s  -  (4w  +  l)yi 

eine  kleine  Größe  sein.  Ist  nun  y^  :y^  nicht  rational,  so  kann  man  zwei  ganze 
Zahlen  m  und  n  so  bestimmen,  daß  (4n  +  1)^2 "~  (A'^  +  l)yi  beliebig  klein 

wird.  Man  braucht  ja  nur  einen  Annäherungswert  der  Form  7— X~i 
für  ^*   zu  suchen.    Daß  es  solche  in  beliebiger  Schärfe  gibt,  ist  klar, 

4  m  -h  1 

denn  es  gibt  unzählige  und  beliebig  scharfe  der  Form        JTi  '    Hat 

4  fn  ~~~  1 

man  aber  m,  n  hinreichend  groß  genommen,  und  ist  z.  B.  ^  -  •  ^  ein 
Näherungswert,  so  ist  es  auch   -    ^    •    Also  ist 

Max  <p  «  ö  4-3  =  ^  ^»'+y«y»  =,  ^- :r  ^»  +^* 
da  ja  yiy,  =-  Xiic,  ist. 


524  ^I-  Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  845. 

Läuft  der  Kreisel  nicht,   so   ist  x^^^y^   and  x^^y^y   also   der 

maximale  Ausschlag  —  x^ ;  mithin  verkleinert  der  Ejreisel  den  Ausschlag 

im  Verhältnis  x^  +  x^ :  y^  +  y^  und  das  ist  in  der  Tat  ein  echter  Bruch, 
denn  es  ist 

also  wegen  y^y^^  x^x^ 

woraus  yi  +  yj  >  a^i  +  x^  folgt. 

Damit  ist  die  ausgesprochene  Behauptung  erwiesen:  Der  Kreisel 
schwächt  die  Wirkung  eines  einzelnen  Wellenschlags  im  Verhältnis 
(a:i  +  a:,):(yi  +  y,)  ah. 

845.  Weiteres  über  den  SchifElBkreieel.  Wie  wirkt  nun  der 
Schiffskreisel  bei  kontinuierlichem  WeUengang,  d.  h.  wie  wirkt  er  auf 
die  durch  Wogen  erzwungene  Schwingung,  wenn  wir  annehmen, 
daß  die  Wogen  ein  periodisch  schwankendes  Drehmoment  p  sin  vt  auf 
das  Schiff  ausüben? 

Um  diese  erzwungene  Schwingung,  d.  h.  ein  Integral  der  durch 
das  Glied  p  sin  vi  inhomogen  gemachten  Differentialgleichungen  zu 
finden,  machen  wir  analog  wie  in  Nr.  75  den  Ansatz 

9?  «=  <l>  sin  (yt-^  €)y 
d  «  0  sin  (vt  +  ri). 

Oehen  wir  damit  in  die  Differentialgleichungen  hinein,  so  erhalten 
wir  vier  gewöhnliche  Gleichungen  für  <P,  0,  6,  rj,  aus  denen  sich  diese 
vier  Größen  in  der  Tat  berechnen  lassen.  Uns  interessieren  O  und  0. 
Die  angegebene  elementare  Rechnung  ergibt 


Dabei  ist 


a     ^    V   A  |/j^ 

und 

Wir  haben  hier  die  Dämpfung  als  ein  wesentliches  Moment  mit 
berücksichtigt.    Namentlich  die  Dämpfung  des  Kreisels  ist  gewöhnlich 


Nr.  346.  §  57.    Kleine  Schwingungen  von  zwei  Freiheitsgraden. 


525 


recht  groß,  gewöhnlich  ist  sogar  X'>x^,  also  der  Kreisel  aperiodisch 
gedämpft.  Diese  starke  Dämpfung  hat  den  weiteren  Effekt,  dafi  die 
freien  Schwingungen ,  die  zu  der  soeben  berechneten  erzwungenen 
hinzukommen,  und  mit  ihr  zusammen  die  allgemeine  Lösung  der 
Differentialgleichungen  darstellen,  rasch  abklingen,  so  daß  wir  uns  nur 
um  die  erzwungene  Schwingung  zu  kümmern  brauchen. 

Nun  definieren  wir  einen  Wirkungsfaktor  q  des  Kreisels  auf 
das  Schiff,  indem  wir  setzen 


^ 


0_ 

y  =  0 


<P^_o   ^^^^  dabei   die  Amplitude   der  erzwungenen  Schwingung  bei 
festgestelltem  Kreisel  (/»O). 

SoU  der  Kreisel  günstig  wirken,  so  muß  (>  <  1  sein.    Suchen  wir 
deshalb  die  Stellen,  wo  (>  ~  1  ist. 

Man  sieht,  daß  das  zunächst  zutrifft  für  t/ »  0  und  v^oo.    Außer 
dem  aber  noch,  wenn 


d.  L 


ist. 


Diese  Gleichung  hat  nun  för  v^  zwei  reeUe  positive  Wurzeln:  v^ 
und  V,*  —  es  sei  v^  die  größere  —  welche  das  Intervall  (C^  bis  x^  in 
sich  schließen:  es  ist 

V>V>^i*>V 
und  das  Intervall  v^^  bis  v^  ist  um  so  größer,  je  größer 

d.  h.  je  stärker  die  Kreiselwirkung  und  die  Dämpfung  ist. 


Fig.  851. 


Man  sieht  endlich  leicht  ein,  daß  für 
p  <  1,  sonst  aber  (>  >  1  ist. 


526  ^-   Kinetik  starrer  Systeme.  Nr.  345. 

Niefit  für  jede  Wellenbewegung  ist  die  Kreisdwirkung  günstig^ 
sondern  nur  für  Wellen  in  einem  gewissen  Intervall  ihrer  Schwingungs- 
dauer,  das  die  Schwingungszeiten  des  Schiffes  und  des  Kreisels  um- 
faßt und  zwar  um  so  stärker  umfaßt,  je  größer  die  Kreiseldrehung 
und  die  Dämpfung  ist. 

Da  die  Dämpfung  A  des  Schiffs  gewöhnlich  klein  ist,  während  A' 
groß  gehalten  wird,  und  da  für  v  ^  x^ 


2x,Zy(i;«— «,•)•+ 4a;,  «r« 


klein  wird,  so  ist  in  diesem  Falle  die  Kreiselwirkung  besonders  günstig. 
v=^Xi  ist  aber  der  Fall  der  Resonanz,  d.  h.  der  Fall,  in  dem  die  eigene 
Bollperiode  des  Schiffes  mit  der  Schwingungsdauer  der  Wellen  über- 
einstimmt, in  dem  also  an  sich  ein  besonders  heftiges  Rollen  des  Schiffes 
zu  erwarten  stehi 

Bei  Besonanz  zwischen  der  RoUbewegung  des  Schiffes  und  der 
Wellenbewegung,  bei  der  also  an  sich  das  Schiff  besonders  heftig  rollen 
unirde,  ist  die  Kreisdwirkung  besonders  vorteilhaft. 

Die  ganz  frappierende  Wirkung  des  Ejreisels  in  dem  von  Schlick 
erprobten  Beispiel  —  die  Ausschläge  gingen  von  18®  auf  fast  1® 
zurück  —  scheint  auf  einer  angenäherten  Realisierung  dieses  Falles 
zu  beruhen.  Denn  der  auffallend  kurzen  Periode  von  4,14  Sek.  ent- 
spricht in  tiefem  Wasser  eine  Wellenlänge  Ton  etwa  100  engl.  Fuß 
also  ca.  30  m,  eine  plausible  Zahl  für  Wellen  in  der  Nähe  der  Küste. 
(Siehe  Lamb,  Lehrbuch  der  Hydrodynamik,  S.  431.) 

« 

Literatur  zum  Schiffskreisel.  Schlick  selbst  hat  nur  kurze 
Mitteilungen  über  Konstruktion  und  Erfolge  seines  Kreisels  gemacht^ 
siehe  Zeitschr.  d.  Y.  d.  L  1906,  sowie  Jahrbuch  der  schiffbautechnischen 
Gesellschaft  1909,  Föppl  (Z.  d.  Y.  d.i.  1904,  siehe  auch  die  neueste 
Auflage  seines  Lehrbuches)  und  Lorenz  (Physikalische  Zeitschrift 
1903)  entwickeln  die  Theorie  der  freien  Schwingungen.  Ende  1910, 
als  das  Manuskript  dieses  Buches  fertiggestellt  war,  erschien  die  vierte 
Lieferung  von  Klein-Sommerfeld,  „Theorie  des  Kreisels",  in  der  sich 
eine  ganz  ausführliche  Diskussion  der  Theorie  und  Wirkungsweise  des 
Schiffskreisels  sowie  sonstiger  technischer  Anwendungen  des  Kreisels 
findet.  Unsere  obigen  Resultate  sind  auch  dort  zu  lesen.  Siehe  auch 
Enzyklopädie  lY,  10  (v.  Mises). 


Nr.  346. 


§  58.    Faden  und  Seil. 


527 


Kapitel  XII. 

Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme. 


§  58.   Faden  und  Seil. 

846.  BewegnngBgleiohiingen  des  vollkomiiien  biegiMunen 
SalleB.  Wir  betrachten  einen  Faden  oder  ein  Seil,  d.  L  wie  schon 
früher  ausgeführt,  einen  Körper  mit  ausgezeichneter  Mittellinie,  die 
jede  Gestalt  annehmen  kann.  Auch  mögen  sich  die  äußern  Kraffce, 
die  an  einem  durch  Querschnitte  bestimmten  imendlich  kleinen  Stücke 
des  Seiles  angreifen,  auf  Kräfte  dk  =->  icds  an  dem  Element  ds  der 
Mittellinie  reduzieren  lassen. 

Das  Seil  heißt  dann  vollkommen  biegsam,  wenn  die  Spannungen 
des  Querschnitts,  auf  den  Schnittpunkt  mit  der  Mittellinie  reduziert, 
weder  ein  Biegungsmoment  noch  ein  Torsionsmoment  haben. 

Man  beweist  dann  genau  wie  früher,  daß  auch  keine  Schubkraft 
da  sein  kann,  sondern  nur  eine  Spannung  in  Richtung  des  Seils.  Man 
sieht  sofort  ein,  daß  eine  Gestalt  des  Seiles  nur 
dann  stabil  sein  kann,  wenn  die  Spannung  ein  Zug 
ist,  da  sonst  bei  der  geringsten  Störung  Knickung 
eintreten  würde.  Die  Zugspannung  heiße  S.  Be- 
trachten wir  nun  ein  Stück  ds  des  Seiles,  so  gibt 
die  Newtonsche  Grundgleichung  für  dieses  Stück 


F^dS 


(ids^  '^xds  +  S  +  dS  -S 


oder 


dt 


dv 
dt 


i  + 


dS 
ds 


(I) 


Fig.  n». 


als  Bewegungsgleichung  des  Seiles. 

Ist  das  Seil  unausdehnbar,  so  ist  S  eine  un- 
bekannte Reaktionskraft,  andernfalls  ist  S  eine  experimentell  zu  be- 
stimmende Funktion  physikalischer  Größen  und  insbesondere  von  der 
Ausdehnung  des  Seiles  gegenüber  dem  Normalzustande  (8  »  0)  abhängig. 

Schwerpunkt'  und  Momentensatz  sind  jetet  schon  von  selbst  für 
jedes  endliche  Stück  erfüllt. 

Denn  zunächst  folgt  aus  (I)  nach  Multiplikation  mit  dem  Längen- 
element ds  und  Integration  über  ein  beliebiges  Stück  1 
(fids  ^  dmf) 


2  des  Seils 


mto* 


^f/^ds~.fxds-\-S,-S,. 


528  ^m.    Ffwlritmig  in  die  Kjaedk  defonJcHMier  »filBM.         Nr.  S47. 

Da  jetzt  'rechts  bnter  ioBere  Kiifte  itehen,  haben  wir  den  Sehwer- 
panktaatz  gewomieii. 
Ebenso  «gibt  neb 


S  ZI 

1  dmVit  —  /  rx  rf^  +  I 


ds 


^un  ist  aber  wegen 


::: —  =*  O  ■ 


WO  d  der  EinbeiUrektor  in  Richtung  der  Tangente,  und  wegen 


das  letzte  Integral 


/ 


r  V-  as  =  rS 
ds  1 


nnd  wir  haben  auch  den  Momentensatz: 


*  «  2 

/  dmrUr  =  /  rxi/«  +  rS  ^  * 


347.  Statioiilre  Bewegang.  Ein  Faden  bewege  sich  in  sieh 
weiter,  d.  k  in  einer  festen  Ranmknrre.  Dann  kann  man  s  als  Bogen- 
länge dieser  Ranmkunre  auffassen  nnd  r  als  Funktion  Ton  s  und  der 
Zeit  tfd.lL  des  Ortes  und  der  Zeit,  statt  wie  bisher  dee  Massenteil- 
chens und  der  Zeit 

Differentiation  nach  t  bei  fesigehaUenem  Orte  werde  nnn  stets  dttrch 

z^  bezeichnet. 


Nun  ist 

dt  ~  dt^^"^'^  ~  et    '    ds 


dv        d  _f     ..        dv    ,    dv 


Wir  nennen  die  Bewegung  stationär,  wenn  ^-  »  0  ist,  d.  k  wenn 

die  Geschwindigkeit  an  Ort  und  Stelle  dauernd  dieselbe  ist,  welches 
Massenteilchen  auch  immer  den  Ort  passiert 

Für  die  stationäre  Bewegung  des  Fadens   in  sich  lautet 
also  die  Bewegungsgleichung 

dv  -  dS  /r—p. 

Setzt  man  noch  v  ^v  -6  und  ebenso  S  ^  S  -6^  wo  6  der  Einheits- 
Tektor  in  Richtung  der  Bahn  ist,  und  beachtet,  daB 

?1       1  - 

ds  Q 


Kr.  347.  §  58.   Faden  und  Seil.  529 

war,  wo  V  den  Einheitsvektor  der  Hauptnormalen,  (}  den  Krümmungs- 
radiua  bedeutet  (siehe  Nr.  26),  so  zerlegt  sich  die  Bewegungsgleichung 
nach  dem  natürlichen  Koordinatensystem,  bestehend  aus  Tangente  (ß), 
Normale  (v)  und  Binormale  (v')  der  Bahn  in 


dv 

-*a 

+lfl 

=  X, 

+  *7 

0 

-X^ 

1 

(ßl 


Ist  der  Faden  unausdehnbar,  so  mufi  noch   ö-  »  0  sein,  da   die 

Länge  eines  Fadenstückes  bei  Bewegung  in  einer  festen  Kurve  nur 
dann  erhalten  bleiben  kann,  wenn  die  Endpunkte  dasselbe  v  haben. 

Anwendung  auf  den  Treibriemen  (Berücksichtigung  der 
Zentrifugal  Wirkung). 

Die  Gleichungen  (II')  unterscheiden   sich  von  den  statischen  in 

Nr.  179  nur  durch  das  Glied  /t  — •    Setzen  wir  S  — fi«*— S',  so  ist 

wegen  fii?*«  const.,  j-  =  j  ^^^  för  8'  gelten  dieselben  Gleichungen 
wie  früher  fär  S.    Es  gilt  also  insbesondere  die  Eulersche  Formel 

für  einen  Treibriemen  (siehe  Nr.  180a). 
Diese  Bemerkung  gilt  allgemein: 

Durch    die    SubstittUion   S'=S  — fiv*    gehen    die  Differentialr 
gleichungen  der  stationären  Bewegung  in  die  des  GUichgemchls  über. 

Da  ein  kräffcefreies  ruhendes  Seil  jede  Gestalt  annehmen  kann,  so 
folgt,  daß  sich  ein  Seil  in  jeder  geschlossenen  Kurve  stationär  bewegen 
J(ann,  wenn  es  keinen  äußeren  Kräften  unterworfen  ist,  es  ist  dann  die 
Spannung  8  ^  fiv^.  Beim  schweren  Seil  gilt  offenbar  dasselbe  für  eine 
widerstandsfreie  Bewegung  in  einer  horizontalen  Kurve  auf  glattem 
Boden. 

Außerdem  wird  die  Gestalt  stabil  sein  gegen  Meine  Störungen 
und  um  so  mehr,  je  schneller  das  Seil  läuft. 

Denn  sind  kleine  x  vorhanden,  so  wird  ihre  Wirkung  um  so  ge- 

ringer  sein,  je  größer  die  Spannung,  je  größer  also  —  /x,  d.  h.  je  größer 

V  ist.  Darauf  beruht  die  merkwürdige  Erscheinung  der  Knetbarkeit 
rasch  laufender  Riemen  oder  Ketten:  Man  kann  solchen  Riemen  irgend- 
eine Gestalt  geben,  diese  Gestalt  wird  dann  im  Räume  stehen  bleiben 
und  der  Riemen  durch  diese  feste  Kurv^  hindurchlaufen.  Erst  all- 
mählich vermögen  die  äußeren  Kräfte,  Schwere,  Reibungen  usw.,  die 
dem  Riemen  aufgezwängte  Gestalt  zu  ändern.    Schon  Radinger  hat 

Hftmel:  Elomentaro  Mechanik.  34 


530        ^^'   Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.        Nr.  348,  349. 

bei  Triebriemen  auf  diese  Erscheinung  hingewiesen  (siehe  sein  Buch 
über  Dampfmaschinen  mit  hoher  Kolbengeschwindigkeit).  K.  Skutsch 
hat  Versuche  mit  Ketten  angestellt,  denen  man  bei  raschem  Umlauf 
in  sich  tatsächlich  irgendeine  Gestalt  geben  konnte,  die  sie  lange 
(ruhend  im  Räume)  beibehalten.  (Siehe  auch  die  Veröffentlichungen 
Yon  Skutsch  in  den  Verhandlungen  zur  Bef.  des  Qewerbefieißes  1898: 
,;Ermittlung  der  Kräfte  in  Riemen  und  Seiltrieben''.)  Über  den  wesent- 
lichen Einfluß  der  Elastizität  und  anderer  Umstände  siehe  Enzykl.  IV,  10, 
Nr.  20. 

848.  Brweitemng  des  Begrlffli  der  Btatlonftren  Bewegnng. 

In  einem  weiteren  Sinne  nennen  wir  die  Bewegung  stationär,  wenn 
die  Gestalt  der  Kurre  ungeändert  bleibt,  der  Faden  mit  konstanter  Ge- 
schwindigkeit v^  in  dieser  Kurve  läuft,  sich  aber  die  Kurve  als  starres 
Ganzes  irgendwie  im  Räume  bewegen  kann. 

Denken  wir  uns  mit  der  unveränderlichen  Kurve  einen  starren 
Körper  verbunden,  dessen  Translationsgeschwindigkeit  c,  dessen  Ro- 
tationsgeschwindigkeit ä  sei,  so  ist  nach  den  Gesetzen  der  Relativ- 
bewegung 

^—  ^^'■  +  2©t7.+  c  +  a)(r  — c)  +  ©(©^r— c)). 

Dabei  hat  -^,  die  Relativbeschleunigung,  nach  der  vorigen  Nummer 

nur  die  Komponente  -^  nach  der  Normalen  der  Bahn. 

Betrachten  wir  z.  B.  die  Legung  eines  Kabels  in  einem  Meere 
konstanter  Tiefe,  so  wird  sich,  wenn  keine  Störung  eintritt,  die  Ge- 
stalt dar  freien  Kabelkur ve  nicht  ändern,  sondern  nur  mit  einer  Ge- 
schwindigkeit fortschreiten,  welche  gleich  der  des  Schiffes  und  auch 
gleich  v^  ist,  da  sich  natürlich  das  Kabel  tangential  an  den  Boden 
anlegen  muß  und  sich  immer  ein  Stück  derselben  Länge  hinlegt, 
welche  das  Schiff  durchlaufen  hat. 

Es  ist  also  CD  <"  0,  c  »  const.,  also 

dv  hv;. 

dt  ^  bt   ' 

die  Gleichungen  bleiben  dieselben  wie  die  des  hängenden  Fadens,  nur 
daß  die  Spannung  um  iiv^  vermehrt  ist. 

Sehen  tvir  also  von  allem  Wassertvidersiand  afe,  so  ist  die  Kabd' 
Ji'urve  eine  Kettenlinie,  deren  Scheitel  den  Boden  berührt,  vom  spezi- 
fischen Gewicht  ist  natürlich  das  spezifische  Gewicht  des  Wassers  ab- 
zuziehen, die  Spannung  ist  überall  um  i^v^  vermehrt 

849.  Blne  Vmfonming  der  BewegongBgleiohimgen  ffir 
unansdehnbare  Fftden.  Für  tiefergehende  Untersuchungen  empfiehlt 
es  sich,  die  Geschwindigkeit  eines  jeden  Kettenpunktes  relativ  zu  dem 


Nr.  349.  §  58.    Faden  und  Seil.  531 

natürlichen  Koordinatensystem  der  Kurve,  bestehend  aus  Tangente  (ß), 

Hauptnormale  (v)  und  Binormale  (V  =  6v)  zu  betrachten.    Bezeichnen 

b 
wir  Änderungen  relativ  zu  diesem  System  mit  -rr,  so  ist  nach  den 

Sätzen  der  Relativbewegung 

dv       bü    ,    —  /-x 

WO 

die  Drehgeschwindigkeit  des  natürlichen  Koordinatensystems  bedeutet. 

Es  ist  also 

de  ^       dv      —       dv"      -    ,  .o\ 

Nun  muß  natürlich  ä  noch  in  einer  anderen  Beziehung  zu  v  stehen. 
Um  diese  zu  finden,  beachten  wir,  daß 

""■dt 

ist,  und  dafi  man  s  und  t  als  unabhängige  Variable   ansehen   darf,  * 
wenn  man  s  immer  vom  selben  materiellen  Punkte  des  Fadens  aus 
zählt  und  wenn  der  Faden  unausdehnbar  ist,  so  daß  dann  s  den  mate- 
riellen Punkt  charakterisiert.    Also  folgt  aus  (4) 


dv       da 

ds  ^  di  ' 

also  nach  (3) 

dv 
ds 

(5) 

Nun  gilt  aber  bezüglich  ^    eine  analoge  Beziehung  wie  (1).    Betrachten 

wir  Änderungen  eines  Vektors  längs  der  Kurve  in  einem  festgehaltenen 
Zeitmoment,  so  können  wir  diese  sowohl  auf  ein  festes  Koordinaten- 
system beziehen,  als  auch  auf  das  natürliche,  das  sich  längs  der  Kurve 
mitbewegt. 

Schreiben  wir   letztere   .    ,  und  sei  ©'=»/,   wo  cä'-ds  die  un- 

bs '  ds ' 

endlich  kleine  Drehung  des  natürlichen  Koordinatensystems  beim  Fort- 
gang längs  der  momentan  festgehaltenen  Kurve  bedeutet,  so  ist 

dv        hv    .      , 
ds        bs    '  ' 

also  wird  aus  (5) 

^«od-cDt;.  (6) 

34* 


532  in.   EinleiftDiig  in  die  Kinetik  deffxouefiMoer  SritaBe.         Xr.  S49. 

Wir  haben  also  die  folgerndem  Betteymmgiffleidmmffem: 

br  .      -\        d 


'«(|7  +  »"0  =  S':*^»  +  * 


br       -,- 

b« 


•  • 


(r> 


Etwas  muß  man  aber  beachten:  Weil  wir  geschrieben  haben 

daB  ea  einen  Winkelrektor  j  im  allgemeinen  nicht  gibt. 

Am  besten  betrachtet  man  in  (I)  als  gesuchte  Größen  v  nnd  die 
EnlerBchen  Winkel  ^,  9,  #r  des  natSrlichen  Koordinatensystem  gegen 

ein  festes.   Dann  kann  man  0  durch  ^,  9?,  ^:  ö  durch  ^^  97,  ^r,  d*,  9,  r 
und  analog  &'  durch  d;  9,  ^,  d  *  'T^  d~  '^^'^  ^''  ^^  ausdrucken. 

Doch  kann  man  auch  noch  für  3 .^   einen  Ausdruck  finden. 

ds        dt 

Am  einfachsten  trifft  man  ihn  so:  Sei  e  ein  mit  dem  natürlichen 

System  fest  yerbundener  Vektor,  so  ist  nach  der  Eulerschen  Formel 

einerseits 

di 

andererseits 

dz         , 

ds 

Differentiiert  man  die  erste  Formel  nach  s,   die  zweite  nach  t  und 
subtrahiert,  so  erhalt  man 

Nun  ist  aber 

(siehe  Anhang  ly  6,  d),  also 


Odm  dtß        ,    .        rZ~ 


und  da  das  für  alle  g  gilt 

d&        deä' 


r 

-z -,       =*  C3  CD 

ds         dt 


(H) 


Nr.  349.  §  58.   Faden  und  Seil.  533 

Diese  Gleichung  kommt  eu  (I)  hingUy  womit  man  jetet  drei  vektorieUe 
Gleichungen  ewr  Bestimmung  von  v,  6,  cö'  hat.    Man  beachte,  daß 

T-r  =  0     und  ebenso     r    =  0 
ht  ha 

ist. 
Man  kann  statt  (II)  auch 


schreiben,  weil 


döi         bÖ9     ,    —7 — 
as         b8     '  ' 

dffl'  b  w     ,    —  7 

d«  bt    ^"'"' 
ist. 

Übrigens  läßt  sich  v  ganz  aus  den  Gleichungen  diminieren. 

Differentiieren  wir  die  erste  der  Oleichungen  (I)  nach  s,  nachdem 
wir  sie  durch  ^  dividiert  haben,  die  zweite  nach  t  und  subtrahieren 

wir,  benutzen  wir  dann  abermals  die  Gleichungen  (I)  um  ^  und  -r- 

zu  elimineren,  beachten  wir  ferner  Gleichung  (II')  und 


(oc}')t;  +  {vg))g)'  +  (g}'v)(o  —  0, 
so  erhalten  wir 

^ff  +  «(^)  =  a,'*  +  -^*,  (III) 

WO 

fb  d«^     ^       fi  ^  ft     b«   '    fi 

ist. 

Gleichung  (III)  kann  dann  zusammen  mit  (IV)  zur  Bestimmung 
von  m,  m  und  8  benutzt  werden;  es  kommt  dann  noch  die  Bedingung 
hinzu,  dafi  die  Bogenlänge  konstant  bleibt.  Doch  brauchen  wir  diese 
nicht  besonders  auszudrücken;  denn  nach  Anhang  11,  4  ist  ö'  nur  durch 

zwei   Stücke,    die   momentane   Krümmung  und    die    momentane 

Torsion  -7  der  Bahn  bestimmt 
Q 

1  _   ,    1  -, 

SO  daß  die  beiden  vektorieUen  Gleichungen  (JY),  (III)  die  folgenden  sechs 
Größen  als  abhängige  VariatHe  enthalten:  cd,  q,  q  und  S. 

Auch  kann  man  nachweisen,  daß  die  Unveränderlichkeit  der  Bogen- 
länge bereits  durch  die  Gleichung  (5)  resp.  (6)  gewahrleistet  wird. 


534  Xn.   Einleüung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.         Nr.  360. 

Beim  ebenen  Problem  speziell  stehen  ö  und  g>'  beide  auf  der 
Ebene  senkrecht;  daher  ist  oö'»  0  und  nach  (W)  kann  man  setzen: 

Ans  (ni)  wird  dann  durch  Zerlegung  nach  der  Tangenten-  und  Normal- 
richtung: 

Diese  Gleichungen  für  die  ebene  Bewegung  finden  sich  auch  bei 
Routh,  Bd.  2,  Kap.  XUI. 

3B0.  Allgomeine  Kinetik  der  Drfthte.  Wir  betrachten  jetzt 
ein  System  —  einen  Draht  —  das  kinematisch  mit  einem  —  dehn- 
baren oder  nicht  dehnbaren  —  Faden  übereinstimmt,  d.  h.  eine  aus- 
gezeichnete Mittellinie  besitzt,  die  jede  Gestalt  annehmen  kann.  Die 
in  einem  Schnitt  senkrecht  zur  Mittelachse  vorhandenen  Spannungen 
mögen  die  Summe  Sy  und  bezogen  auf  den  Schnittpunkt  der  Achse 
mit  der  Schnittebene  das  Moment  B  haben.  Es  sei  also  jetzt  B  nicht 
Null  und  infolgedessen^braucht  auch  8  nicht  in  die  Richtung  der 
Mittelachse  zu  fallen.  S  und  S  seien  die  Wirkungen  Ton  Teilen  mit 
größerem  s  auf  die  vorhergehenden.  Reduziert  auf  die  Mittelachse 
mögen  die  äufieren  Kräfte  zum  Längenelement  ds  die  Resultierende  xds 
und  das  Moment  Mds  haben. 

Der  Schwerpunktsatz  für  ein  Element  ds  gibt  sofort 

wie  in  Nr.  346. 

Dagegen  lautet  der  Momentensatz  nun  anders.  Wir  beziehen  ihn 
auf  den  Anfangspunkt  eines  Elementes  ds.  Das  Moment  der  Massen- 
beschleunigung des  Schwerpunktes  ist  dann  sicher  wieder  wie  in  Nr.  346 
unendlich  klein  zweiter  Ordnung. 

Das  Moment  der  Massenbeschleunigungen  um  den  Schwerpunkt 
würde  nun  die  Trägheitsmomente  enthalten.  Diese  setzen  sich  aus  der 
unendlich  kleinen  Masse  (ids  und  aus  den  Quadraten  der  TriLgheits- 
radien  multiplikatiy  zusammen.  Diese  Trägheitsradien  sind  höchstens 
gleich  der  halben  Dicke  des  Drahtes.  Sieht  man  also  diese  als  klein 
gegen  die  anderen  Dimensionen  an,  so  kann  man  die  Momente  der 
Massenbeschleunigungen  überhaupt  vernachlässigen. 


Nr.  360.  §  68.   Faden  und  Seil.  535 

Wir  wollen  das  aber  nicht  tun.  Dann  wird  io  der  Grrenze  ds  ^  0 
unser  Element  eine  dünne  Scheibe,  die  Richtung  der  Mittelachse  also 
Hauptachse  (Trägheitsmoment  Fds)]  die  beiden  anderen  Hauptachsen 
stehen  senkrecht  dazu  und  mögen  die  Haupttragheitsmomente  Äds 
und  Sds  besitzen.    Dabei  ist,  wie  stets  für  eine  ebene  Scheibe, 

r^Ä  +  B 

(siehe  Nr.  253). 

Sei  nun  Ids  der  Impulsyektor  der  Elemente,  hat  also  7,  bezogen 
auf  die  Hauptachsen,  die  Komponenten 

Ä(o^,    BGi^y    r©,, 
so  lautet  der  Momentensatz  (yergleiche  Nr.  281) 

V+^'^-^  +  ^  +  f.  (H) 

wo  6  ein  Einheitsvektor  in  Richtimg  der  Tangente  ist. 

Für  die  Ruhe,  bei  Fehlen  eines  äußeren  Moments  Jf ,  folgt 

die  Verallgemeinerung  der  Fonnel  -^  =—  H  aus  Nr.  184  für  den  Raum. 

Was  nun  cd  angeht,  so  ist  es  die  Winkelgeschwindigkeit  des  von 
den  Hauptachsen  des  Querschnitts  gebildeten  Achsensystems.  Das  wird 
im  allgemeinen  ein  anderes  cd  sein  als  das  cd  der  Torigen  Nummer,  also 
als  das  q  des  natürlichen  Achsensystems  aus  Tangente,  Hauptnormale 
und  Binormale.    Nennen  wir  dieses  m  jetzt  cö^: 

und  bilde  die  ^- Achse  mit  der  Hauptnormalen  den  yariablen  Winkel  <&, 
positiv  gezählt  von  der  Hauptnormalen  zur  Binormalen,  so  kommt 
die  Veränderlichkeit  dieses  Q^  noch  in  Betracht,  welche  noch  eine 
Drehung  um  die  Mittelachse  bedeutet.    Also  ist  das  wahre  cd 

cd  =  ©1  +  <y  •  -ö" . 
Die  Gleichungen  der  vorigen  Nummer: 

btJ  --     ^  7~ 

-r—  ^^  G}*0  —  CD,  V 

und 

dl  -  -dt  =  '"^  '°^' 

ebenso 

(Dl  =--r<y  +  — V 


si 


536  XII.   Einleitung  in  die  Kinetik  defonnierbarer  Sjateme.         Nr.  361. 

bleiben  beim  unausdehnbarcii  Draht  in  Gültigkeit,  nur  daß  sie  eben 
ftbr  äi,  ä^'  gelten,  die  Drehgeschwindigkeiten  des  natürlichen  Koordi- 
natensystems. Q  und  q'  sind  Krümmungsradius  und  Torsionsradius  der 
Mittelachse. 

Soweit  können  wir  allgemein  etwas  über  die  Kinetik  der  Drahte 
aussagen.  Die  weitere  spezielle  Betrachtung  muß  sich  jetzt  mit  den 
Eigenschaften  Ton  B  und  S  in  ihrer  Abhängigkeit  von  Gestalt  und  Ge- 
staltsänderung des  Drahtes  befassen.  Ein  Beispiel  stellen  unsere  Unter- 
suchungen über  steife  Seile  aus  §  36  dar. 

Die  Kinematik  der  Drähte  stammt  Ton  St.  Yenant;  siehe  auch 
Thomson  und  Tait,  Nat.  Phil.  I,  oder  Heun,  Kinematik,  Nr.  159. 
Die  statischen  Gleichungen  (7  yemachlässigt)  finden  sich  auch  in  der 
Literatur  (siehe  die  Bemerkungen  Yon  Heun  in  der  Neuausgabe  der 
Arbeiten  Bernouillis  und  Eulers  in  Ostwalds  Klassikern  Nr.  175). 

351.  Kleine  Schwlngiingen  eines  fSreihängenden  belasteten, 

nnansdehnbaren  Seilee.    Die  Richtimg  abwärts  sei  die  x- Achse. 

Das  Seil   hänge   frei  und  trage  unten  die  Masse  M.    Die 

— >y  Schwingungen   seien  klein,   d.  h.  y  klein   erster  Ordnung, 

desgleichen  ^,  ^^-     Infolgedessen    wird   ^,     ,f   klein 

zweiter  Ordnung  sein,  d.  h.  wir  können  die  Höhenverande- 

dx 
rungen  der  Punkte  ganz  vernachlässigen.    Ebenso  ist  ^  «  1, 

-^  klein  erster  Ordnung.  Dann  lautet  die  erste  Bewegungs- 
gleichung (die  Komponente  in  der  :r-Bichtung),  weil  6  die 
Komponenten  ^  und    ,  -  hat  (nach  I,  Nr.  346) 

wo  y  das  spezifische  Gewicht  des  Fadens  ist,  also  ist 

S  =  —  y5  +  c 
oder  da  s  =^  x, 

Hängt  nun  unten  das  Gewicht  Mg,  so  ist  für  x  ^^l 

S^Mg, 
also 

S  ^  —  yx  +  yl  +  Mg . 

Die  zweite  Bewegungsgleichung  dagegen  ist  (nach  I,  Nr.  346) 

d^y         d  (^    dy\ 

(es  ist  wieder  dx  statt  ds  gesetzt!)  oder 


Nr.  851.  §  68.   Faden  und  Seil.  537 

Setzen  wir  zur  Abkürzung 

so  bekonunen  wir  " 


g-,[(Z-.)g.-^|]-,,4[(L-.)a.  (10 

Isfc  nun  M  sehr  grofi  gegen  [il  und  also  auch  gegen  (ix,  mithin  L 
groB  gegen  x,  so  kann  man  in  erster  Annäherung  statt  (I)  setzen 
(wir  schreiben  jetzt  auch  partielle  Ableitungen) 

Diese  partielle  Differentialgleichung  kann  allgemein  integriert  werden. 
Setzen  wir  gL  ^  c^  und  führen  neue  Variable  m,  v  durch 


ein,  so  ist 


rr  —  c^ «  u, 

X  +  et  ^  V 

dt  ""       du'^dv^' 


d^y  ^  ^'y  ,  2  ^'^-  4-  ^ . 
Setzt  man  das  in  (F)  ein,  so  erhält  man 

d.h. 

^o  f,  g  willkürliche  Funktionen  sind. 
Also  ist 

y^  fix  — et)  +g{x  +  ct) 

das  allgemeine  Integral. 

f{x  —  ct)  bleibt  ungeändert,  wenn  sich  x  um  irgend  einen  Wert  a, 


a 


t  um  den  Wert        vermehrt: 

c 

y^^f{x-ct) 

bedeutet  demnach  eine  fortschreitende  Welle:  ein  bestimmter  Wert  y^ 
pflanzt  sich  mit  der  Geschwindigkeit  c  fort. 
Ebenso  bedeutet 

y%^9{^+<^^) 

eine  rückschreitende  Welle. 


538  SIL  Einleitmig  in  die  Kinetik  defonniecbwer  Syileme.         Nr.  362. 

Nun  soll  fBr  x  "0  daaemd  y  -°  0  Bein,  also 

n-ei)+g(et)  =  0, 
d.  h. 

9(ct) — n-ct), 

giet  +  x) fi-et-x) 

and 

y-f(x-et)-f(-et-x). 

Sei  fBr  <•  0  g^^bea 

fOt  O^x^l,  d.  h.  gibt  man  Anfangslage  and  An^ngsgeschwindig- 
kett  der  Kuire,  so  bat  man  zar  Bestimmang  Ton  f: 

fix)-  f(-x)^q,(x),  (a) 

-cr(x)  +  eri-x)-i>ix),  (b) 

f&r  l>  x>0.    Differentiiert  man  die  erste  Gleichung,  so  erhalt  man 

r(*)+r(-«)-9'». 

also  in  Verbindung  mit  (b) 

2r(a;)  =  9'(^)-y*(x), 

womit  f(x)  £Ür  alle  x  definiert  ist,  für  welche 

-l£x£L 

Wir  brauchen  aber  f  für  alle  x.    Wie  findet  man  das? 

359.  Fortoetnng.  ▼ollgtftndige  BesUmmimg  voii  /.    Wir 

haben  noch  gar  nicht  die  Bewegung  der  angehängten  Last  M  betrachtet. 
Für  sie  wird  folgende  reine  Bewegungsgleichung  bestehen:  es  muß 
die  Massenbeschleunigung  senkrecht  zur  Endrichtung  des  Fadens  gleich 
der  in  diese  Richtung  fallenden  Komponente  der  Schwerkraft  sein. 

Da  nun  die  Richtungskosinus  des  Seiles  ^  und  ~  sind,  aber 

dx  ^^        dy  ^dy 
ds  '       d8       dx 

so  lautet  die  Grleichung 

dt*  *^cx 

für  X  -  /. 

Das  aber  gibt,  wenn  man  y  '^  f{x  —  ct)  ^  f(^ — ct  —  x)  einsetzt 

C^(f\l  ^Ct)-r{^l-  et))  ^^gifil-cfi  +  ri-l-  et)). 


Nr.  363.  §  58.    Faden  und  Seil.  539 

Setzen  wir 

l  —  et  —  z, 

so  wird  daraus 

r(*-2o  -  j-^fio-^i)  -  rw  +  f.rw. 

Nun  kennen  wir  bereits  f{g)  und  f"(js)  für  —  l  ^ff  ^  +  1;  liegt  aber 
0  in  diesem  Interrall,  so  liegt  z  —  21  zwischen  —  3i  und  —  l;  ^rir 
kennen  dann  die  rechte  Seite  und  haben  eine  lineare  Differential- 
gleichung erster  Ordnung  für  f'(j8  —  21)  gefunden,  die  sich  auf  Qua- 
draturen zurückführen  läßt,  nämlich 

Die  Integrationskonstante  dient  dazu,  das  so  berechnete  f'(2i)  im  Inter- 
vall Yon  —  J  bis  —dl  stetig  an  die  Werte  im  Intervall  Z  bis  —  Z  an- 
zuschließen. 

Nach  demselben  Verfahren  kann  man  jetzt  f(js)  im  Intervall  von 
—  31  bis  —bl  berechnen  usw.;  man  besitzt  somit  f{z)  für  das  Inter- 
vall!? ^  ^  ^  —  oo  imd  kennt  y  für  0  ^  a;  ^  Z  und  0  ^  ^  ^  oo.  Wenn 
es  Zweck  hätte,  könnte  man  auch  y  für  alle  vorhergehenden  Zeiten 
finden,  indem  man  die  Hauptgleichung  dieser  Nummer  in  umgekehrter 
Weise  benutzt. 

353.  SpeilaUUl:  Beine  Schwingnngen.    Sei  für  ^  »  0  und 

0^x£l 

f(x)  =  q>\x)  =  cos  vx, 

so  ist  auch 

f'(—x)  =«  cos  vx. 

Infolgedessen  wird  für  —l^z^l 

f{ß  —  2l)  =  e«*'  fe"''{—vsmvs  +  a(^o^vz}dz-\'Cef", 
wo 

gesetzt  ist. 

Man  kann  das  Integral  leicht  ausrechnen  und  erhält 

nz-2l)  -  ;;;-  ^!  cos  vz  +  ^f|"^.  sin  vz  +  C^\ 


540  ^U*  Einleitong  in  die  Kinetik  deformierbarer  Sjgteme.  Nr.  SöS. 

Da  aber  für  z  ^l 

f'i--l)  =  cos  vi 

■ein  soll,  bekommen  wir 

(7—  zae""' t-i — i 

und,  wenn  wir  noch 

sin  ß  =    ^  -"    - ,    cos  /3  =    ,  , 

(^as  möglich  ist)  also 

*',~r  **,  ==  cos  2/3     und     -A—t  ="  »in  2/J 

setzen 

f{z-2T)  -  cos  {vz-2ß)  +  2  sin  ^  sin  (^- vQc«^'-') 

gtatig  fttr  —  Z  ^  xr  ^  Z. 

fs  fc^ird  sid%  also  die  Funktion  f  im  allgemeinen  nidU  analytiscK 
fortsetzen,  es  wird  f{z  —  2T)  nicht  gleich  cos  1/(5  — 21)  sein,  da  eine 
Exponentialfonktion  auftritt,  die  aber  stets  kleiner  wie  1  ist,  weil  der 
Exponent  negativ  ist  (a>0). 

Soll  aber  wieder 

f{z  —  2l)^co^v{z-'21) 

sein,  so  daB  sich  die  Funktion  f  analytisch  fortsetzt,  so  maß 

sicher 

8in(/8  — W)«0 
sein,  d.  h. 

ß^vl  +  nx,  (1) 

Dann  wird  aber  auch  tatsächlich 

f{z-'2l)=^coBv{Z'-'2T). 
Wegen 

tg/S  = 
wird  ans  (1) 

^  =  tg  vi,  (2) 


a 

V 


eine  transzendente  Gleichung  zur  Bestimmung  yon  v. 
Setzen  wir 

vi «  M, 
so  lautet  sie 

la  ^  utgu. 
Nxxn  ist  aber 

C        L  M 

und  das  idt  klein,  weil  Mp-  (iL 


Ni.  853. 


§  68.   Faden  und  Seil. 


541 


Setzen  wir  die  kleine  Größe 


al 


sodaß  die  transzendente  Gleichung  lautet 

£  —  M  tg  U  .  (2') 

Man  kann  die  Lösungen  graphisch  finden^  indem  man  die  Kurven 
y  «-  tg  ti  und  y  —  —  zeichnet  und  zum  Schnitt  bringt. 
Wir  brauchen  nur  die  positiven  Wurzeln. 


Fig.  iSi. 


Angenähert  kann  man  sie  rechnerisch  so  finden: 
Für  die  kleinste  Uj  ist  tg  u^  ^  u^ ,  also 

Für  die  anderen  ist  angenähert  m^=«  (n—ljÄ  etwa  u^—  (m— 1)«  +  v^, 
wo  v^  klein. 

Dann  ist  für  n^2,  mit  Beibehaltung  von  Gliedern  erster  Ordnung 


also 


für  n  ^  2. 


(n-l)Ä.v,  •  £, 


V. 


e 


(n— l)7t 


542  Xn.   Einleitung  in  die  Kinetik  defoj^mierbarer  Sjateme.  Nr.  354. 

2.   Nehmen  wir  auch  den  Fall,  daß  für  -—l^ß  ^l 

f{js)  =-  sin  vz 
sei,  so  ergibt  eine  analoge  Rechnung 

f  (^  — 2i)  -  Bin  (yz-2ß)  +  2co8  ß  sin  {ß'-vl)€^^'-^, 
80  dafi 

wenn  wiederum  dieselbe  transzendente  Grleichung  (2)  wie  oben  er- 
füllt ist. 

Alle  Funktionen  der  Art: 

/"W  ==2  ^'**  ^^^  ^'«^  "^  ^«  ^"^  *'"^^'  ^^^ 

n 

«;o  v^  rfie  Wunsdn  der  transzendenten  Gleichung  (2)  sind  und  wo  die 
A^y  B^  willkürliche  Konstante  sind  —  vorausgesetziy  daß  nu/r  die  Reihen 
konvergieren  — ,  sind  für  alle  z  brauchbar ,  um  vermöge 

y^f{x  —  ct)—f{—x  —  ct) 

eine  Lösung  unseres  Schwingungsproblems  darzustellen. 

Ist  es  die  allgemeine  Lösung? 

Oder,  was  auf  dasselbe  hinauskommt:  Läßt  sich  jede  stetige  und 
stetig  differentiierbare  Funktion  f{z)  im  Intervall  —l^x^l 
in  der  Form  (1)  darstellen? 

Es  soll  im  folgenden  ein  kurzer  Ausblick  auf  die  modernen 
LösungsTersuche  dieses  Beispiels  eines  großen  Problems  gegeben  werden. 
Der  Einfachheit  halber  beschränken  wir  uns  auf  die  Losungen  cos  v^z 
imd  auf  gerade  Funktionen  f{z),  für  die  also  f{z)  =  f{—z)  ist.  Oder, 
was  auf  dasselbe  hinauskommt,  wir  fragen  nur  nach  der  Darstellbar- 
keit von  f{z)  im  Intervall  0  bis  l,  in  der  Form 


fi^)-2A^osv^z. 


n  =  l 


Dazu  können  wir  uns  dann  ja  f{z)  für  das  Intervall  -—  i  bis  0  erganzen, 
indem  wir  f{—z)  ^f{z)  definieren  (wenn  dann  auch  dieses  neue  f{g) 
mit  dem  alten  vielleicht  nicht  übereinstimmt). 

§  59.  Etwas  aus  der  Theorie  der  linearen  Differential-  und 

Integralgleichungen. 

354.  Unsere  Partikolarlösungen  ein  System  von  Ortho« 
gonalftinktionen.  Unsere  Partikularlösungen  der  letzten  Nummern 
des  vorhergehenden  Paragraphen  cos  v^z  haben  die  Eigentümlichkeit,  daß 


Ni.  864.        §  69.   Theorie  d.  linearen  Dififerential-  u.  Integralgleichungen.        543 

/  COS  v^e  •  cos  v^e  dz^O,        , 

0 

wenn  n  4*  ^  • 

Integriert  man  nämlich,  so  erhält  man 

nnd  das  ist  Nnll  yermöge  der  transzendenten  Gleichung 

vtgvl^a.  (2) 

Dagegen  ist 


J  cos*  vzdz  ^  j-  (sin  2vl  +  2i/Z), 


was  nach  (2)  auch  gleich  ist 

2         a«  +  v*   . 

Man  nennt  nun  eine  Reihe  Ton  Funktionen  tp^j  (p^,  . . .,  welche  die 
Eigenschaft  haben,  daß 


ftp^fpxdz  -  0 


ist  für  je  zwei  verschiedene  x,  X  ein  Orthogonalsystem.    Man  nennt 
es  femer  normiert,  wenn  noch 


fv.'dz  -  1 


ist.  Orthogonal  ist  also  unser  System,  wir  könnten  es  leicht  normieren, 
wenn  wir  noch  setzten 

y  Bin  2  v^  /  +  2  »'„  * 

Doch  ist  das  nicht  nötig. 

SoU  nun  eine  Darstellung  der  Form 

A^)--5'A9',W  (I) 

überhaupt  möglich  sein  imd  die  Reihe  gleichmäßig  konvergieren,  so 
muß  das  Funktionensystem  sicher  noch  eine  Eigenschaft  haben,  die 
wir  jetzt  nachweisen  wollen: 

Nehmen   wir   einmal   an,    die   hypothetische   Reihe   konvergiere 
gleichmäßig,  dann  dürfen  wir  gliedweise  multiplizieren  und  integrieren. 


544  ^n.  Einleitimg  in  die  Kinetik  defonnierbarer  Systeme.  Nr.  36= 

Multiplizieren  wir  mit  einem  bestimmten  g>^  und  integrieren  über  d»^ 
Interrall  0  bis  2,  so  folgt  wegen  der  Eigenschaften  der  9  t 

0 

Bei  nns  wird  also  speziell  der  Koeffizient  von  cos  v^e 

I 

A;^  ^^*''' ^^  ^     >;^^  ff{g)  cos  v^mde. 

Hätte  nun  etwa  f{ss)  die  Eigenschaft,  daß  alle    /  f{z)  cos  v^edM   ver- 

0 
schwänden,   so  wären   auch  alle  A^  Null  und  da  die  hypoihetisclie 
Reihe  gelten  soll,  so  wäre  auch  f  selbst  NulL 

Wir  werden  also  von  einem  zur  Darstellung  (I)  brauchbaren  ortho- 
gonalen Funktionensystem  verlangen  müssen,  daß  es  „yollständig** 
oder  „abgeschlossen^'  sei,  wie  man  sich  ausdrückt,  d.  h.  daß  es 
keine  von  Null  identisch  verschiedene  Funktion  f{ß)  gebe,  f&r  welche 

alle  /  f{8)^>y^{8)dz  Null  sind. 
0 

Auch  haben  wir  für  alle  praktisch  brauchbaren  FaUe  eine  Melkode 
gefunden,  die  Koeffizienten  zu  berechnen,  nämlich  die  Formd  (II).  Denn 
praktisch  brauchbar  sind  nur  gleichmäßig  konvergente  Beihenentunddungen, 
weil  man  doch  wül,  daß  man  durch  eine  genügende  aber  endliche  An- 
zahl von  Gliedern  eine  für  das  ganze  Intervall  gleichmäßig  gute  Dar- 
stellung erhält,  d.  h.  eine  Darstellung,  für  welche  der  Fehler  überall 
einen  gleich  minimalen  Höchstbetrag  hat. 

Ist  nun  unser  Funktionensjstem  vollständig? 
Die  Antwort  werden  wir  in  Nr.  361  geben. 

355.  Unsere  PartUnüarlösiingen  als  Integrale  linearer 
Differentlalgleichnngen.    Die  Funktionen 

y^A^  cos  v^z 

haben  die  folgenden  Eigenschaften: 

1.  Sie  genügen  der  linearen  Differentialgleichung  der  kleinen 
Schwingungen 

g + '» -  0, 

wo  der  Parameter  X  die  Werte  v^  der  Reihe  nach  annimmt. 


Xr.  366.        §  69.   Theorie  d.  linearen  Dififerential-  n.  Integralgleichungen.        545 
2.   Sie  genügen  den  Grenzbedingungen 

"  ^  dt  ,,„, 
und 

dy 

dz 
Denn  es  ist 


-0. 


und  das  ist  Null  fQr  jef  •->  2  yermöge  der  transzendenten  Grleichung  (2), 
der  die  v^  genügen. 

Die  zweite  Grenzbedingung  ist  ja  klar. 

Umgekehrt  charakterisieren  die  obigen  beiden  Aussagen  unsere  Far- 
tikularlösungen  vollständig. 

Denn  wegen  der  Differentialgleichung  ist 

y  -^  ÄcoB  yj,js  +  B  sin  yie . 

Setzt  man  darin  die  Grenzbedingungen  ein,  schreibt  YJi  —  v,  so  erhält 
man  aus  der  ersten 

Ä{aeo8vl  —  vsinvl)  +  B{a  Bin  vi  -\-  v con  vT)  =«  0 


und  aus    ,^  |      «0 
dz  ,=0 

vB-^O, 

also  B  =  0  und  a  cos  vi  —  v  sin  vJ  -=■  0,  d.  h.  die  transzendente  Glei- 
chung für  1/  =  yx : 

a  —  V  tgvl  =^  0, 

356.  Lineare  Dlfferentlalglelchimgen  und  Uire  Oreeneohe 
Funktion.  Betrachten  wir  eine  allgemeinere  lineare  Differentialgleichung 
zweiter  Ordnung  der  Form 

5',U(^W  +  X)y  =  5W.  (1) 

wo  Ä{e),  B{e)  gegebene,  reguläre  Funktion  von  e  sind,   A  ein  Para- 
meter, mit  den  homogenen  Orenzbedingnngen: 


(2) 


für  unser  Beispiel  ist  -4  —  0,  JB  —  0,  Oj  =  «,  A  **  1,  «j  =  0,  ft  ==  1- 
Dann  lehrt  die  allgemeine  Theorie  (siehe  Hubert,  Zweite  Mitteilung 
über  lineare  Integralgleichungen,  Göttinger  Nachrichten  1904),  dafi 
folgende  Alternatiye  besteht: 

Hamel:  Elementare  Meohanik.  85 


546  "^fT    Eioleitang  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.  Nr.  356. 

Entweder  gibt  es  eine  stetige  und  stetig  differentiierbare  Lösang 
der  gekürzten  DifiFerentialgleichong 

g  +  ^.y-O,  (1-) 

welche  die  Bedingungen  (2)  erfüllt  und  nicht  identisch  Null  ist  (das 
ist  der  Ausnahmefall;  unser  Beispiel  gehört  nicht  hierher). 

Oder  es  gibt  eine  stetige  Lösung  von  (1'),  die  auch  (2)  erfüllt, 
deren  DifferenticUquotient  aber  an  der  willkürlichen  Stelle  e  =  x  einen 
Abfall  um  1  erfährt. 

Man  nennt  diese  Lösung  ^(a;,£^)  die  Greensche  Funktion  yon  (1). 
Sie  ist  stets  symmetrisch  in  x  und  0, 
Es  ist  also 

(1') 


i;r+^wy=-o. 

Die 

Grrenzbedingungen 
Femer  ist 

(2) 

sind  für  y  erfttllt. 
y{e,  X)  -  y{x,  e) 

und 

«r, 

dY 

1 

s>\ 

SssX-0           ^*    «sX  +  O 

X 

(3) 

(4) 

(x  +  O  bedeutet,  man  nähert  sich  dem  Werte  z^x  von  größeren  her). 

Für  unser  Beispiel  sind  die  Sätze  leicht  zu  beweisen  und 
y  zu  bilden. 

(1')  lautet 

dz*      ^• 

Die  allgemeine  Lösung  ist  y  ^  az  +  b. 

Wegen  der  zweiten  Grenzbedingung  ist  a  —  0,  also  y  «  6.  Wäre 
nun  eine  stetig  und  stetig  differentiierbare  Lösung  möglich,  so  wäre 
es  y  <—  b.    Die  kann  aber  nicht 


-0 


erfüllen. 

Also  suchen  wir  y{Xy  z). 

Für  z  <ix  muß  y  =  6  sein.    Für  z>  x  sei  y  -=  cz  -\-  d. 

Die  zweite  Grenzbedingung  ergibt 

a{cl  +  d)  +  c^Q. 
Die  Bedingung  (4)  aber 

-c«  1. 


Nr.  367.        §  59.   Theorie  d.  linearen  Differential-  u.  Integralgleichungen.        547 


Also 


—  1     und     d 


a 


l  aber  bestimmt  sich  daraus,  daß  y  stetig  sein  soll,  daß  also  für  ^ » jff 

h-^ez  +  d^  —  x  +  l^ — 


sein  muß.    Also  ist 


y(a:,  jer) -=  —  a;  +  ^H ^r    z<Xy 

Vixjz)-^  —  z  +  1  +  --    far    z>x. 


'+5-^ 


Fig.  t66. 


(in) 


Dafür  kann  man  schreiben 

y{x,  Z)  ^l  +  ^  -  ~[X  +  Z  ^{X-SW, 

woraus  man  die  Symmetrie 

y(a:,^)-y(^,a:) 

sofort  erkennt.    (Siehe  Fig.  255.) 

357.  Lösnng  der  nichthomogenen  linearen  Differential- 
gleichung. Mit  Hilfe  der  Greenschen  Funktion  kann  man  nun  so- 
fort die  nichthomogene  lineare  Differentialgleichung 

g  +  A{,)  .  y  =  B{z)  (1") 

mit  den  Randbedingungen  (2)  lösen. 

Schließen  wir  den  Ausnahmefall  aus  und  nehmen  an,  es  gäbe  eine 
Greensche  Funktion  y. 

Wir  behaupten,  daß  dann 

m~fy{x,z)B{x)dx 

0 

die  Lösung  von  (1")  ist. 
Zunächst  einmal  ist 

I  s  i 

r  W  -J\^Bix)äx~J%Bäx  +fll  B.i., 

0  0  s 

s  I 

rW=  fP,Bdx  +  p^B  -h  fp,Bdx-^^B 

'    ^  ^      J   de*  cz       x=j-o  '  J   de*  dg       a»=«+o 


/ 


^''^Bdx  +  p-Br" 


dz 


dz 


86  • 


548  XU.   Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.  Nr.  367. 

Weil  aber 


d 

und 

5y  ix=«-o  ^ 

SO  ist 


/^'(^)  «  •^fyA{e)B{x)dx  +  Ä(ir)  -  -  Ä(js)fyBdx  +  B{d), 

0  0 

somit  tatsaclilich 

Femer  erftUlt  f(jii)  die  Orenzbedingungen;  denn  es  ist  z.  B. 


as-O. 


I 

0 

weil  ;/  die  Grenzbedingungen  für  alle  x  erfüllt. 

Aber  unsere  Lösung  ist  auch  die  einzige:  es  muß 

i 
m=fr{x,e)B{x)äx 

0 

sein.    Denn  multiplizieren  wir  (1")  mit  y(sf,x)  und  integrieren,  so  folgt 
I  /  < 

Ja?  y(^»^)^^  +J  yÄY(x,B)dz=^jy{x,0)B(x)dx. 


Es  ist  aber 


^  dz^  ^  de  '  \(i      J   dz  es 

X  l 

dg  '  \o      J  de     de  J   dz     de 

0  T 

\ 
de  '        ^  dz  \o   *  J  ^  de*  «^  de  «sx+o 


0 

Das  erste  Glied  yerschwindet,  weil  sowohl 


Nr.  868.        §  69.  Theorie  d.  linearen  Differential-  n.  Integralgleichnngen.        549 
als  auch 

alao,  dsL  cc^y  ß^  nicht  heide  nnll^ 

Am, 


^ dt       ^dz 


$^i 


sein  muß  (analog  schließt  man  für  ^  ^l). 
Das  zweite  Integral  ist  aber 


-JyA(a)ydg, 

0 


das  dritte  Glied  ist  wegen  der  ünstetigkeitsbedingung  von  —^  gleich 
+  y.     Also  bleibt  tatsächlich 


stehen. 

Daraus  aber  folgt  weiter,  daß,  wie  Hilbert  sich  ausdrückt/  die 
Greensche  Funktion  ,,abgeschlossen'^  ist,  d.  h.  ist 

fy{x,e)f{e)de^O, 

0 

so  ist 

f{z)  -  0. 

Wäre  das  nämlich  nicht  der  Fall,  so  nehme  man  f(j8)  für  B.  Die 
Losung  y  der  Differentialgleichung  kann  dann  unmöglich  identisch 
Null  sein,  sie  müßte  es  aber  doch  sein,  weil  sie  ja  gleich 

I  yBdx  ^Jyfdx 

0  0 

ist,  was  Null  sein  sollte. 

358.  BflckflUiniiig  der  allgemeinen  linearen  Dlfferentlal- 
gleichnng  auf  eine  Integralgleichnng.  Nehmen  wir  jetzt  unsere 
allgemeine  lineare  Differentialgleichung  mit  .dem  Parameter  k  Yor 

^'/.+(^(.)  +  A)y  =  £W  (1) 

und  den  Randbedingungen 


550  ^^-    Einleitung  in  die  Kinetik  deformieibarer  Systeme.  Nr.  358. 

Setzen  wir  wieder  voraus,  daß  die  verkürzte  Oleichong,  wie  in 
unserem  Beispiel,  eine  Greensche  Funktion  habe. 

Multiplizieren  wir  (1)  mit  y  und  integrieren,  so  gibt  dieselbe 
Umformung  wie  in  der  vorigen  Nummer 

y(x)  +  kfy(e)y{x,e)dz  ^jB{z)y{x,e)dz. 

0  0 

4 

Sehen  wir  y  als  bekannt  an,   so  ist  die  Bestimmung  von  y  auf 

die  Auflösung   dieser   linearen  Integralgleichung   (zweiter   Art) 

zurückgeführt: 

i 

y(x)  +  xfy{e)Y{x,z)dz  -  F(x),  (IV) 

0 

wo  y(x,e)  der  symmetrische  „Kern"  und 

F(x)'^fB{z)y{x,z)clz 

0 

m 

bekannte  Funktionen  sind,  y  gesucht  ist. 

Jede  Lösung  von  (1)(2)  muß  auch  (IV)  befriedigen;  aber  um- 
gekehrt geigt  man  ebenso  wie  in  der  vorhergehenden  Nummer^  daß  auch 
jede  Lösung  von  (IV)  wngekehrt  eine  solche  der  Differentialgleichung  (1) 
ist^  weiche  die  Bandbedingungen  (2)  erfüJU. 

Der  Kern  der  Integralgleichung  ist  die  Greensche  Funktion.  Er 
ist,  wie  wir  wissen,  abgeschlossen  (siehe  Nr.  357).  Außerdem  aber 
hat  der  Kern  noch  die  Eigenschaft,  die  Hilbert  als  „allgemein" 
bezeichnet:  Zu  jeder  Funktion  f(g)  gibt  es  eine  und  wegen  der  Ab- 
geschlossenheit auch  nur  eine  Funktion  h{z),  so  daß 

f{e)''fy{z,x)h{x)dx 

0 

ist     Denn  man  bilde  aus  f{z) 

rW  +  Ä{z)f{z)  -  h{e). 

m 

Dann  ist  ja,  wie  wir  wissen, 

f{z)  «  /  yhdx, 

0 

Allerdings  haben  wir  die  Allgemeinheit  nur  für  den  Bereich  der 
zweimal  differentiierbaren  Funktionen  bewiesen,  doch  genügt  das  für 
unsere  Zwecke. 


^r.  369.        §  59.  Theorie  d.  linearen  Differential-  n.  Integralgleichungen.        551 

358.  Besnltate  ans  der  Theorie  der  Integralgleichnngen. 

Auf  Integralgleichungen  ist  man  bei  Behandlung  physikalischer  Pro- 
bleme schon  oft  gestoßen.  Fast  alle  Schwingungsprobleme  (Lord 
Rayleigh)  fähren  darauf.  Poincare  zeigte,  wie  die  partielle  DifiFe- 
rentialgleichung  zi  Z7 » 0  mit  ihnen  zusammenhängt  und  heute  hat 
man  fast  alle  interessanten  gewöhnlichen  und  partiellen  Differential- 
gleichungen und  noch  manches  andere  mit  linearen  Integralgleichungen 
behandelt. 

Eine  erste  allgemeine  Methode  zur  Lösung  linearer  Integral- 
gleichungen gab  Fredholm,  weshalb  sie  häufig  nach  ihm  benannt 
werden. 

Hilbert  faßte  in  seiner  ersten  Mitteilung  (Mitteilungen  1  —  6, 
1904  — 1910,  in  den  Gottinger  Nachrichten)  die  lineare  Integral- 
gleichung als  transzendente  Verallgemeinerung  eines  algebraischen 
Problems  auf  und  kam  so  zu  einer  neuen  fruchtbaren  Behandlungs- 
weise. 

Man  wähle  im  Intervall  0  bis  l  eine  große  Zahl  n  Ton  äqui- 

distanten  Werten  x^^^O,  x^  . .  -  x^^l  (x^—  x^_^  =  ^i  =  "Hl)  "     ^^® 

entsprechenden  Werte  von  F(x)  seien  F^F^... F^,  die  von  y  :  y^y, . . . y,. 
ztl '  y{x^,  Xg)  werde  kurz  mit  y^^^  bezeichnet.  Wegen  der  Symmetrie 
des  Kerns  ist 

Dann  ]£ßt  sich  die  Integralgleichung  angenähert  in  n  lineare  Glei- 
chungen auflösen,  indem  man  sie  nur  für  die  Argumentwerte  Xi...x^ 
hinschreibt  und  das  Integral  durch  die  Summe  ersetzt, 

n 

Abgeschlossenheit  von  y  bedeutet,  daß  die  Gleichungen 


1» 


asl 


keine  Lösung  haben  außer  der  trivialen  y  —  0  oder,  was  dasselbe  ist, 
daß  die  Determinante  ly^^    nicht  Null  ist. 
Nun  weiß  man: 

1.  Im  allgemeinen  haben  diese  linearen  Gleichungen  (A)  ein  be- 
stimmtes Losungssystem  für  die  y|...y^. 

2.  Das  ist  nur  dann  nicht  immer  der  Fall,  wenn  die  symmetrische 
Determinante 


552  Xn.    Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.  Nr.  859. 

^y„,l  ^yn.2  .  .  .  1  +  ^y«,„ 

verschwindet. 

3.  Diese  Determinante  gleich  Null  gesetzt,  gibt  eine  Gleichung 
*»*•"  Gh-ades  für  A  mit  n  reellen  Wurzeln  Aj,  A,, .  .  .  >L^,  die  weder  Null 
noch  unendlich  sind. 

4.  Ist  A  gleich  einem  der  Wurzelwerte  X^,  so  haben  die  homo- 
genen Gleichungen 

yK+^2y.y.,K-o  (Bi 

Lösungen,  die  nicht  identisch  verschwinden;  seien  diese  Systeme  yj*^ 
für  ein  bestimmtes  X.  Ist  X  eine  r-fache  Wurzel,  so  gehören  zu  X 
gerade  r  Lösungssysteme.  Im  ganzen  gibt  es  also  n  Lösungssysteme 
der  homogenen  Gleichungen,  wenn  man  will,  zu  jedem  X  eines;  man 
muß  dann  nur  die  X  so  oft  nehmen,  als  sie  als  Wurzeln  zu  zahlen  sind. 
Damit  dann  das  obige  nicht*homogene  System  (A)  für  ein  solches 
X  eine  Lösung  habe,  müssen  die  F  Bedingungen  erfüllen,  nämlich 

X 

für  alle  yj*\  die  zu  dem  einen  X  gehören. 

5.  Ist  aber  X  von  diesen  Größen  A^ . .  .  A„  verschieden, 
also  D^O,  so  existiert  ein  bestimmtes  Lösungssystem  für  die  ^ 
der  Gleichungen  (A).  Es  ist  jedes  y  der  Quotient  aus  einer  ganzen 
rationalen  Funktion  der  A,  dividiert  durch  D.  Sind  alle  F  ^0,  so 
sind  auch  alle  y  '^  0. 

6.  Die  Systeme  der  ausgezeichneten  Lösungen  yj^^  —  d.  h.  der- 
jenigen der  homogenen  Gleichungen  (B)  —  sind  orthogonal  oder 
lassen  sich  doch  orthogonal  machen,  d.  h.  es  ist 

^y  «y  W  =  0, 

wenn  v  +  v. 

7.  Bekanntlich  hängt  die  Gleichung  D  ^0  mit  dem  Haupt- 
achsenproblem  der  Flächen  zweiter  Ordnung 

zusammen:  Es  sind  die  A^  . . .  A„  die  negativen  reziproken  Koeffizienten 
der  vorstehenden  Gleichung,  bezogen  auf  die  Hauptachsen,  d.  h.  es 


Nr.  859.        §  69.    Theorie  d.  linearen  Differential-  u.  Integralgleichungen.        553 

lassen  sich  neue  Variabele  oi  durch  orthogonale  Transformationen 
(Drehung  des  Koordinatensystems  im  Räume  der  x)  so  einführen, 
daß  identisch  „ 

und  dabei  sind  die  x^  lineare  Funktionen  der  x^j  deren  Koeffizienten 
eben  die  Lösungen  y^  der  homogenen  OleichuDgen  (B)  sind,  wenn 
man  sich  letztere  noch  normiert  denkt,   d.  h.  festgesetzt  denkt,   daß 


2y«*-i 


X 


sei,  was   stets  möglich  ist,  da  nur   die  Verhältnisse   der  y  aus  den 
homogenen  Oleichungen  (B)  bestimmbar  sind. 
Es  ist  also  identisch 

Dieser  Satz  läßt  sich  noch  von  der  quadratischen  Form 
auf  die  bilineare  ausdehnen:  er  ist  identisch  in  den  zwei- 
mal n  Variabein  x^, ,  ,x^^  0^ .  . ,  g^ 

r  st  1 

Der   Beweis    von    6.    und    7.  [ist   nicht   schwer.      (Die    Sätze 
1.  bis  5.  dürfen  wir  wohl  als  bekannt  ansehen.) 
Aus 

folgt 

X  x,rT 

Vertauschung  von  v  mit  v'  gibt 

2  yx^'^y«"^  '-K'2  y^.ovJ'^y^"''' 


x,a 


also,  nach  Subtraktion,  wenn  X^=^  X^' 

2  y^aVo^'^yr  -  0, 


und  dann  auch 


2'y,«y/''  =  0, 


die  gesuchte  Orthogonalitätsbedingung. 


554  ^U-    Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbftrer  Systeme.  Nr.  869. 

Ist  aber  X^  «=  A/,  so  ist  auch  jedes  System  der  Form  ay<*)  +  «'y^*^ 
eine  Lösung  zu  demselben  Xy  weil  die  Gleichungen  linear  homogen  sind. 
Man  kann  dann  aber,  falls  nicht  schon 


^^j  ifx     Vx 


X 


Null  sein  sollte,  sondern  etwa  gleich  d  ist,  leicht  zwei  Paare  a,  a'j  ß^  ß' 
finden,  so  daß 

ist.     Es  muß  nur 

aß  +  aß'  +  {aß  +  ß'a)d  -  0 
sein,  aber 

aßt — a'/J  +  O, 

was  natürlich  stets  möglich  ist 

Damit  ist  6.  bewiesen  und  es  ist  auch  stets 

für  verschiedene  v,  v\  aber,  was  genau  so  zu  beweisen  ist, 

falls  die  y  normiert  sind. 

Um  nun  7.  zu  beweisen,  bilden  wir  aus  yj^*"^  =»  —  K^YKaVa'^ 


-f2»»'"^«=2y«.»y<.'*'*«- 


1     .^ll  ^*     «^x  y^, 

X  x.a 


Multiplizieren  wir  mit  ^Vx^^^x  ^^^  summieren  über  die  A,  so  gibt  das, 
wenn  wir  in  der  zweiten  Summe  rechts  den  Summationsbuchstaben  x 
mit  /t  vertauschen, 

r  X  X  XfO  v,/i 

Nun  ist  ein  System  von  Größen 


das  in  einer  Richtung  orthogonal  ist,  es  auch  in  der  anderen.    Denn 
setzt  man  in  den  Unbestimmten  t;^  die  Gleichungen  an 


^^  y»        r^'     x9 


(yh 


2St,  369.        §  59.   Theorie  d.  lineaien  Differential-  u.  Integralgleichnngen.        555 
SO  folgt  durch  Multiplikation  mit  yj^^  und  Summation  über  x 


r.x 


oder  wegen  der  OrthogonaUtätseigenschaft 


X 


Daraus   aber  folgt  wieder  durch  Multiplikation  mit  y}"^  und  Sum- 
mation über  V 

^o^y^y^^r'^^^^yrn^r- 

V  x,v' 

Das  muß  aber  identisch  in  allen  t?^  erfüllt  sein^  also 
wenn  x  +  <^j  ^^id  wenn  x  «  <y 
w.  z.  b.  w.    Infolgedessen  aber  ist 
und  aus  (1)  wird  das  zu  beweisende 


»,a 


Hilbert    gelang    es    nun    durch    strengen   Übergang   die 
folgenden  Tollkommen   entsprechenden  Sätze  zu   beweisen 

1.  Die  lineare  Integralgleichung  mit  symmetrischem  Kern  y 

i 
y{x)  +  xfvix, z)y{e)de  -  F{x)  (A) 

0 

hat  im  allgemeinen  eine  ganz  bestimmte  Lösung. 

2.  Das  ist  nur  dann  nicht  immer  der  Fall,  wenn  X  Wurzel  einer 

bestimmten  Gleichung 

B{X)  =  0 

ist.     Diese  X :  X^X^ . .  .  2^  heißen  die  Eigenwerte  des  Kerns  y. 


556  Xn.   Einleitung  in  die  Kinetik  deformieibarer  Systeme.  Nr.  369» 

3.  Ist  der  Kern  abgeschlossen;  so  gibt  es  unendlich  viele  Eigen- 
werte: sie  haben  keinen  Häufangspunkt  im  Endlichen.  D  ist  dann 
eine  ganze  transzendente  Funktion,  alle  ihre  Nullstellen  sind  reeU. 

4.  Ist  X  gleich  einem  Eigenwert,  so  hat  die  homogene 
Integralgleichung 

y  +  ^fyydsf  =  o  (B) 

Lösungen  y^"^  zu  jedem  Eigenwert  k,  die  sogenannten  Eigenfunk- 
tionen. Zählt  man  jeden  Eigenwert  hinreichend  oft,  so  kann  man 
jedem  eine  Eigenfunktion  y  zugeordnet  denken.  Damit  die  nicht- 
homogene Gleichung  (A)  in  diesem  Falle  Lösungen  hat,  ist  not- 
wendig und  hinreichend;  daß 

0 

sei  für  alle  zu  dem  Eigenwert  X^  gehörenden  Eigenfunktionen  y^, 

5.  Ist  X  nicht  gleich  einem  Eigenwert,  so  hat  die  homogene 
Gleichung  (B)  nur  die  Lösung  Null,  die  nicht-homogene  (A)  eine  ganz 
bestimmte  Lösung 

^     Dil)  ' 

wo  H{Xf  X)  eine  ganze  transzendente  Funktion  in  X  ist,  sowie  auch  D. 

6.  Die  Eigenfunktionen  y  sind  orthogonal  oder  lassen  sich 
doch  —  falls  zu  einem  X  mehrere  y  gehören  —  durch  Auswahl  ortho- 
gonal machen: 

wenn  v  +  v\ 

Auch  wollen  wir  die  Eigenfunktionen  normiert  voraussetzen, 
d.  h.  die  multiplikative  Eonstante,  die  bei  Lösung  der  homogenen 
Gleichung  selbstverständlich  frei  bleibt,  sei  so  gewählt,  daß 

fy^dx  =  1 

0 

ist. 

7.  Es  ist  für  alle  Funktionen  x  und  z  von  einer  Variabein 
identisch 

ffy{s,  t)x{s)z{t)dsdt  «  -  ^i:  fyAsMs)ds  .  Jy^{t)z{i)di, 

0  0  "^"^       "^  0  0 

und  die  Reihe  der  rechten  Seite  konvergiert  absolut  und  gleichmäßig 
für  alle  Funktionen  x^  <e,  für  welche 


Nr.  360.        §  59.   Theorie  d.  linearen  Differential-  u.  Integralgleichungen.        557 


/  x^ds    und     /  js^ds 


unterhalb  einer  festen  Grenze  bleiben. 

Die  y  müssen  dabei  normiert  sein. 

Die  vorstehenden  Sätze  sind  eine  plausible  Verallgemeinerung 
der  algebraischen  Sätze;  und  zur  angenäherten  praktischen  Lösung 
einer  Integralgleichung  dürfte  sich  der  Rückgang  auf  das  algebraische 
Problem  empfehlen.  (Zu  heuristischen  Zwecken  hat  schon  Rayleigh 
den  Rückgang  auf  das  algebraische  Problem  benutzt.) 

360.    Anwendung    auf  lineare   Dlfferentlalglelehungen. 

Was  sagen  nun  diese  Sätze  für  die  lineare  Differentialgleichung: 

g  +  (A{^)  +  A)  y  =  B{z)  (1) 

aus?     Da 


F{z)^fy{x,z)B{B)dg 


nur  verschwindet,  wenn  B  verschwindet  (denn  y  ist  ein  abgeschlossener 
Kern),  so  folgt  unmittelbar: 

1.  Die  Differentialgleichung  hat  bei  den  gegebenen  Grenzbedingungen 
im  allgemeinen  eine  ganz  bestimmte  Lösung  für  jedes  B. 

2.  Das  ist  nur  dann  nicht  immer  der  Fall,  wenn  der  Parameter  X 
ein  Eigenwert  des  Kerns  y  ist. 

3.  Ist  aber  X  ein  Eigenwert,  so  hat  die  homogene  Differential- 
gleichung Lösungen  —  wir  wissen  a  priori,  daß  es  zu  jedem  X  bis 
auf  einen  konstanten  Faktor  nur  eine  sein  kann  —  und  diese  sind 
keine  andern  als  die  Eigenfunktionen  des  Kerns. 

In  unserem  Falle,  wo 

A{z)  =  0, 

WO  also  die  homogene  Diffentialgleichung  lautete 


und  die  Randbedingungen  hieBen: 


'^^  +  '»-0 

hieBen: 

.   dy 
«y  +  dz 

dy 
dt 

-0, 

kennen  wir  aber  die  Lösungen,  es  sind  unsere  alten  Partikularldsongen 


558  ^U«   Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.  Nr.  361. 

wo  die  v^  Wurzeln  der  transzendenten  Gleichung 

V  tgi/l  =»  a 

sind. 

Also  haben  wir  das  spezielle  Resultat: 

Unsere  Funktionen  cos  v^z  sind  die  Eigenfunktionen  der  linearen 

Integralgleichung 

y  +  ^J  y{x,z)ydg''0, 

0 

y{x,z)  -  Z  +  i.  -  A  (x  +  ^  +  |a;  -  -g?|); 


wo 


jede  gehört  eu  einem  Eigenwert  l^  =  v^;  die  transzendente  Gleichung 
der  k  ist  also 

tt^^yi  tgiyi 

oder 

a  cos  Z 1/Ä— yT  sin  Z /;L  «  0, 

wo  jetzt  die  linke  Seite  tatsächlich  eine  ganze  transzendente  Funktion 
von  X  ist  (d.  h.  eine  für  alle  X  konvergente  Potenzreihe),  nämlich 

361.  Die  Bütwlcklnng  nach  Eigenfimktlonen.  Fourler- 
sehe  Beihen.  Wir  kommen  jetzt  auf  das  Ziel  unserer  Untersuchung: 
Können  wir  jede  stetige  und  zweimal  difiFerentiierbare  Funktion  f(z) 
im  Interrall  0  bis  l  so  darstellen: 


00 


n  =  l 

oder  allgemeiner 

00 


n  =  l 


wo  die  y,  die  Eigenfunktionen  einer  linearen  Integralgleichung  sind? 
Es  ist  nun  eines  der  wichtigsten  Resultate  der  Theorie,  daß  diese 
Frage  zu  bejahen  ist.    Hilbert  beweist: 

Jede  stetige  Funktion  f{z),  welche  sich  in  der  Form 

i 

0 

mit  nur  stetigem  h(x)  darstellen  läßt,  ist  nach  den  Eigenfunktionen 
des  Kerns  enttvickelbar. 


Nr.  861.        §j59.  Theorie  d.  linearen  Differential- u.  Integialgleichungen.        559 

N^n  wissen  wir  aber,  daß  sicli  jede  stetige  und  zweimal  differen- 
tiierbare  Funktion  tatsächlich  in  obiger  Gestalt  darstellen  läßt,  es  ist 
ja  nach  Nr.  358 

Also  ist  für  unseren  Fall  die  Frage  zu  bejahen: 

Jede  stetige  und  zweimal  differentiierhare  FunJcHon  laß  sich  im 
Intervall  0  bis  l  durch 


OB 

f(^)  =  2  A'  cos  v^a 


ttsl 


darstellen;  insofern  kann  man  das  allgemeine  Integral  unseres  Schwin- 
gungsproblems  aus  diesen  partikulären  Integralen  zusammensetzen.  Die 
Darsieilung  ist  auch  eindeutig,  die  Reihe  konvergiert  gleichmäßig  und 
absolut j  die  Ä^  berechnen  sich  nach  Nr.  354  zu: 


-^«'  ==  ö — 1  .  ^"  o    1   I  fiß)  <5os  v^zdz. 

Ebenso  läßt  sich  zeigen,  daß  im  Intervall  —  {  bis  +  2  die  Ent- 
wicklung gilt 

00  00 

nsrl  «  =  1 

Machen  wir  die  Annahme,  daß  f  viermal  stetig  differentiierbar 
seiy  so  ist  der  Beweis  aus  dem  Hilbertschen  Satze  Nr.  7  in  Nr.  359 
sehr  leicht  zu  führen. 

Dann  ist  nämlich  auch 

h^r+A(z)f 

noch  zweimal  differentiierbar,  es  gibt  also  eine  Funktion  g 

g^r+AJi, 

so  daß 

i 

H^)--fY{s,x)g{s)ds 

0 

oder 

^W  -ffy(ß,*)Y{s,t)g{s)dsdt 

0  0 

ist.     Setzen  wir  nun  in  den  allgemeinen  Entwicklungssatz  7 

x{s)^g{s\ 
z{f)^Y{z,t), 
so  wird  die  linke  Seite  gerade  f{z). 


560  Xn.   Einleitung  in  die  Kinetik  defoxmierbArer  Systeme.  Nr.  361. 

Auf  der  rechten  Seite  stehen  aber 


das  ist  nach  der  Integralgleichung 
dann  die  Konstanten 

Mithin  resultiert 

m 

fiß)  "^A'  yX^)y 

w.  z.  b.  w. 

Damit  ist  wiser  Problem  vom  Schlüsse  des  vorigen  Paragraphen 
im  blähenden  Sinne  heantwotiet.  Eine  analoge  Antwort  gut  für  aUe 
Erdwicklungen  nach  Funktionen,  wdche  als  Eigenfunktionen  eines  alh 
geschlossenen  und  allgemeinen  Kerns  aufgefaßt  werden  können.  Weiß 
man  das,  so  sind  spezielle  Kmivergemheweise  nickt  mehr  nötig,  diese 
liefert  ein  für  allemal  die  Theorie  der  linearen  Integralgleichungen. 

Alle  hier  nicht  ausgeführten  mathematischen  Beweise  der  ge- 
nannten Sätze  müssen  wir  dem  eigenen  Studium  des  Lesers  fiberlassen. 
Genannt  seien  außer  den  Arbeiten  Huberts  noch  die  Arbeiten  von 
Erhardt  Schmidt  in  den  Math.  Ann.,  Bd.  63  u.  64;  und  in  den 
Rendiconti  del  Circolo  mat.  di  Palermo;  dann  die  Arbeiten  von  Eneser 
(in  denselben  Zeitschriften  sowie  in  den  Jahresber.  d.  schles.  Gesellsch. 
f.  vaterl.  Kultur),  Poincare  (Rendiconti  del  Circolo  mat.  di  Palermo), 
Picard  (Comptes  Rendus),  v.  Mises  (Monatshefte  f.  Math.  u.  Phys.) 
u.  a.;  welche  die  Theorie  der  linearen  Integralgleichungen  weiter  aus- 
gebildet und  angewendet  haben.  Als  Lehrbücher  kommen  in  Betracht: 
A.  Korn:  über  freie  und  erzwungene  Schwingungen,  Kowalewski: 
Determinantentheorie  (Leipzig  1909)  und  Kneser:  Die  Integralglei- 
chungen (Braunschweig  1911). 

Noch  eine  Bemerkung:  Lassen  wir  a  »  0  werden,  so  geht  die 
transzendente  Gleichung  in 

tgvl^O 
über,  deren  Lösungen 


1)  Die  Gleichheit  der  beiden  Integrale  folgt  ans  dem  obigen  Aasdmck  toxi 
f{z)  durch  g{8)  und  zweimalige  Anwendung  der  Integralgleichung. 


Nr.  361.        §  69.   Theorie  d.  linearen  Differential-  u.  Integralgleichungen.        561 


nn 

sind.     Die  Partikularintegrale  sind 

^  nx  2xx 

1,    cos  ~j- ,    cos  -=-  ,  . . . 

Der  Entwicklnngssatz  heißt  dann: 

Jede  stetige  und  zweimal   differentiierbare  Funktion  f(js)   läßt 
sich  im  Intervall  0  bis  l  in  die  Fouriersche  Reihe 


OD 


n  =  0 


entwickeln;  die  Entwicklung  ist  absolut  und  gleichmäßig  konvergent; 
die  Koeffizienten  A^  berechnen  sich  zu 


ä^^yJ  f(^)  ^^^  w  zdz,        für  n  =«  1, 2 . . . 


dagegen,  wie  man  als  Orenzwert  für  v^^O  leicht  erkennt^ 


A^^\ff{z)dz. 


Im  Intervall  —  i  bis  +  Z  gilt  die  Entwicklung 


f(z)  -  A  +  2  (a^  cob~z  +  B^  sin ^ä). 


Allerdings  ist  der  Grenzübergang  deshalb  nicht  ohne  weiteres 
erlaubt,  weil  im  Falle  a  =  0  keine  Greensche  Funktion  existiert, 
denn  die  stetige  Lösung  z  =^l  erfüllt  jetzt  beide  Randbedingungen. 
Doch  zeigt  Hilbert,in  der  zweiten  Mitteilung,  wie  in  diesem  Falle 
ein  Ersatz  für  die  Greensche  Funktion  gebildet  werden  kann,  womit 
die  Rückführung  auf  eine  lineare  Integralgleichung  ermöglicht  wird. 

Man  nennt  eine  solche  Reihe  gewöhnlich  nach  Fourier,  obwohl 
das  Problem  der  Entwicklung  einer  Funktion  nach  Sinus-  und  Kosinus- 
gliedern  schon  von  Bernoulli,  Euler  und  d'Alembert  im  Anschlüsse 
an  ihre  Untersuchungen  über  das  Schwingen  elastischer  Linien  ge- 
stellt und  auch  teilweise  beantwortet  wurde.  Aber  Fourier  gab  zuerst 
die  obige  Methode  der  Eoeffizientenbestimmung. 

Dirichlet  hat  gezeigt,  daß  die  Reihe  schon  dann  konvergiert 
—  allerdings  nicht  immer  gleichmäßig  und  absolut  — ,  wenn  f(z) 
stetig  ist  und  nur  eine  endliche  Anzahl  von  Maxima  und  Minima  hat 

Hftin«l:  Blementare  Mechanik.  86 


562  ^n.   Eioleitong  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.  Nr.  362. 

Man  findet  eine  Darstellong  in  vielen  Lehrbüchern,  z.  B. 

Fricke:  Analytisch-fnnktionentheoretische  Vorlesungen. 

Jordan:  Cours  d* Analyse,  t.  II. 

Riemann-Weber:  Partielle  Differentialgleichungen,  Bd.  1. 

Ausführliches  Referat  und  Literaturübersicht  bei 

Burkhardt:  Jahresbericht  der  deutschen  Math.-Ver.   10,  1902,   und 
Enzyklopädieartikel  11,  A  9  a. 

§  60.    Statik  isotroper  homogener  Medien. 

362.  Die  Spannnngsdyade  eine  Fnnktion  der  Deforma- 
ticnsdyade.  Wir  erinnern  an  unsere  allgemeinen,  für  jedes  Medium 
gültigen  Grundgleichungen: 

d«  __  -   ,  dox  .   d^y   ,   dös 
^dt  ~^'^  dx  "^  dy'^  dz 

(siehe  §§  38  und  39),  wozu  noch  das  Boltzmannsche  Grundgesetz  tritt, 
daß  die  Spannnngsdyade,  die  durch  die  neun  Komponenten  der  inneren 
Spannungen  6^,  6^,  ä,  gegeben  ist,  symmetrisch  ist. 

Wir  hatten  nun  gleich  zu  Anfang,  bei  Einführung  des  Spannungs- 
begriffes,  den  Grundsatz  aufgestellt,  daß  jede  Spannung  von  einer 
Gestaltsänderung,  Deformation,  begleitet,  d.  h.  von  ihr  verursacht  sei 

(§  9)- 

Betrachten   wir   also    ein  Medium  in  Ruhe  und  habe  es  gegen 

einen  Normalzustand,  in  dem  die  Spannungen  Null  sein  mögen,  eine 

Gestaltsänderung   erlitten:   es   sei  jeder  Punkt  (r')   um  ein  Stück  s 

nach  r  verschoben. 

Diese  Verschiebung  selbst  freilich  ist  noch  nicht  maßgebend  für 
die  Gestaltsänderung,  sondern  die  relative  Verschiebung  der  Teile 
gegeneinander,  d.  h.  die  Differenzen  ^s  benachbarter  Punkte. 

Da  aber  ferner  die  Ursachen  der  Spannung  in  unmittelbarer 
(differentialer)  Nähe  der  betrachteten  Stelle  zu  suchen  sein  sollten, 
so  wird  es  auf  die  differentielle  Verschiebung  ds  ankommen,  d.  h. 

die    Spannungsdyade    wird    eine   Funktion    der    Deformationsdyade 

/ds      ds      ds\ 

\d^'  dy'  dl)  ^^^' 

Daß  die  neun  Komponenten  von  :^  usw.  eine  Dyade  bilden,  er- 
kennt man  daraus,  daß  sie  gemäß  der  Formel 

,_       ds  j      ,    ds  j      ,    ds  j 
ds  ^  ^    dx  +  ^~dy  +  ^-de 

dx  cy     ^       ds 

den  Vektor  df  in  den  Vektor  ds  linear  homogen  transformieren  (siehe 
Definition  der  Dyade  im  Anhang,  auch  in  Nr.  205). 


Nr.  363.  §  60.    Statik  isotroper,  homogener  Medien.  563 

363.  Die  Deformation  als  afBne  Tranaformatlon.  Werde 
der  Punkt  Ä^ir^)  in  X^{^^  +  h^^o)  transformiert,  der  benachbarte 
Punkt  A(f'  —  r^i'  +  df')  in  X{r  ^r^^  dr\  so  kann  man  dx,  dy,  dB 
als  infinitesimale  Koordinaten  des  Punktes  X  in  der  Umgebung  von 
X^  auffassen,  ebenso  dx',  dy\  de  als 
Koordinaten  von  Ä  in  der  Umgebung 
von  Aq  bezüglich  eines  dem  ersten 
parallelen  Systems  mit  A^  als  An- 
fangspunkt.   Durch  die  Verschiebung 

s  ^  Sq+  ^-  '  df  werden  die  Koordi- 
naten dx\  dy,  d/  in  dx,  dy,  de 
transformiert.     Dies  geschieht  mittels  der  Formeln 

dr  =^  dr  —  ds  =  dr  —  ^-  dx  —  ^  dy  —  ^-  de  ^  dr  —  ^  '  dr 

ex  dy  ^f       dz  of 

oder  in  Komponenten  (u,  v,  w  seien  die  Komponenten  von  s) 

Diese  Transformation  ist  als  linear  homogen  in  den  infinitesimalen 
Koordinaten  affin  zu  nennen. 

Nun  läßt  sich  aber  jede  Affinität  in  eine  reine  Affinität,  bei 
welcher  die  drei  sich  entsprechenden  zueinander  orthogonalen  Achsen 
in  Deckung  bleiben,  und  in  eine  Drehung  zerlegen,  bei  welcher  keine 
Gestaltsänderung  eintritt. 

Um  diese  Zerlegung  auszuführen,  berechnen  wir  die  Längen- 
änderung von  äff  denn  für  diese  wird  allein  die  reine  Deformation 
maßgebend  sein,  während  eine  Drehung  die  Längen  ungeändert  läßt. 

Schreiben  wir 
den  Vektor  mit  den  Komponenten 

1       ^^  ^^  ^^       j   1-     ^  /-      -\     1     - 

^-dx'    -3-x'    -a«'  '^•^•ä^C'— «) ''^'•«' 

den  Vektor  mit  den  Komponenten 

^  ^u    ^  dv        ^Bw      ,     jT 

dy '  dy^  dy  ' 

den  Vektor  mit  den  Komponenten 

du  dv     -       dto      ,     _ 

"  dz'      "dz'  ^  ""  a7    ^  ^> 

so  ist  die  Transformation  gegeben  durch 

dr  =  ädx  +  hdy  +  cde, 

36* 


564  Xn.   Einleitong  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.  Kr.  368. 

Also  ist  die  Änderung  des  Quadrates  der  Länge  (r  gibt  die  neue,   r' 
die  alte  Lage) 

-  (rfr)«  +  dr»  -  (1  -  a^)dx'  +  (1  -  h^)dy^  +  (1  -  c^)dg' 

—  2ä  •  hdxdy  —  26  •  cdyde  —  2c  •  ädedx. 

Maßgebend  für  die  Deformation  sind  also  die  sechs  Größen: 

1  «2        9^^         /^«\*        /^^\*        l^^\^ 

«.--»•-^j-aj)'-©'-©'. 

'.-•-'•-2|?-(i3"-G^)"-(i:-)*. 

r   - dv    .diu       du    du      dv     dv 

^9»  ^'^  '~d7'^  dy^dy'  dz  "  dy-'di  ' 

_    _       dw       du'     du    du       dv     dv 

^•'^^^'^^  dx'^  de  ~dz"dx^de'di~ 

_  r       du   ,   dv       du    du       dv     dv 
—  a-b  —  o    + 


dto 

dw 

dy 

dB' 

du) 

dw 

di 

dx' 

dw 

dw 

dx 

-  dy- 

(1) 


^*y  dy       dx       dx    dy       dx    dy 

Betrachten  wir  die  infinitesimale  quadratische  Mittelpnnktfläche 
e^dx^+  e^dy^+  e^dz^+  2g^^dydz  +  2g^^dzdx  +  2g^^dxdy  —  const, 

so  wird  sie  von  reellen  Punkten  gebildet,  die  gleiche  Änderung  des 
Quadrates  ihres  Abstandes  von  X^  erfahren  haben.  Diese  Fläche  hat 
bekanntlich  drei  Hauptachsen,  deren  Endpunkte  maximale,  resp.  mini- 
male, resp.  maximinimale  Entfernung  von  X^  besitzen.  Die  Rich- 
tungen  dieser  Hauptachsen   werden  also   den  Richtungen  minimaler, 

resp.  maximaler,  resp.  maximinimaler  relativer  Längenänderung  — ^^^ — 

entsprechen. 

Sucht  man  aber  die  Extremwerte  von  df  *  —  dr^  bei  g^ebenem 
dr',  so  hat  man  bekanntlich  die  Gleichungen  zu  bilden 

e^dx  +  g^^dy  +  g^^dz^ödx^ 

^ydy  +  9yxd^  +  gy.dz^6dy,  (2) 

e,dz  +  g.^dx  +  g^^dy  =  6dz, 

woraus  sich  für  den  Multiplikator  6  die  Gleichung  dritten  Grades 
ergibt: 

9xy  ^y-^        9y.  ;    "  0,  (3) 

'   9zz  9y.  ^,-<^ 

die  bekanntlich  stets  drei  reelle  Wurzeln  6^^  ö^,  6^  hat  (Hauptachsen- 
problem der  Flächen  zweiten  Grades).    6^,  6^,  6^  sind  dann  die  maxi- 


Nr.  S64.  §  60.   Statik  isotroper,  homogener  Medien.  565 

malen,  minimalen  resp.  maximinimalen  Werte  von  —  ,--, —  •  Man  er- 
kennt das  sofort^  wenn  man  die  Gleichungen  (2)  mit  dXy  dy,  dz 
multipliziert  und  addiert. 

Damit  ist  die  reine  Deformation  bereits  gefunden:  sie  besteht  in 
drei  einfachen  Dehnungen  (resp.  Schrumpfungen)  in  Richtung  der  drei 
Hcmptachsen  der  betrachteten  Fläche  zweiter  Ordnung  in  den  Verhäit- 
nissen 

i:VT-<^,    iiyl^^cf,,    iiY'i-^ 

(positives  6  gibt  eine  Dehnung,  negatives  6  eine  Schrumpfung). 

um  nun  die  Drehung  zu  finden,  welche  in  der  ganzen  Trans- 
formation enthalten  ist,  suchen  wir  auch  die  Richtungen  der  maxi- 
malen usw.  Dehnungen  vor  der  Transformation,  d.  h.  im  System  der 
X,  y\  z ,  TaM  dem  Zweck  denken  wir  uns  die  Transformationsformel 
aufgelöst: 

df  ^a  dx  +  6'  dy'  +  c  dz' 

und  bilden  ganz  wie  früher 

dr»-  c;rfa;'«+  6;dy'«+  e^dz'^ ^2g'^^dx'dy' ^  .  •  -, 

bestimmen  die  Hauptachsen  der  infinitesimalen  Fläche  zweiter.  Ordnung 

e^dx'^  +  e^dxj^  H =-  const, 

d.  h.  lösen  die  homogenen  linearen  Gleichungen 

< dx'  +  ^Jy dy'  +  g'^ßz  ^ddx'    usw., 

wobei  aber  nicht  nötig  ist,  die  Gleichung  dritten  Grades  für  ff  noch 
einmal  aufzulösen,  da  wegen 

— i^r--^    «nd     —^^-^ff 

ist. 

Sind  so  die  Richtungen  extremaler  Dehnung  vor  und  nach  der 
Transformation  bestimmt,  so  ist  die  gesuchte  Drehung  natürlich  die, 
welche  diese  beiden  Richtungen  ineinander  überführt. 

364.  Die  Invarianten  der  Deformation.  Die  Größen  6^, 
^y>  ^»}  9xy9  9x»)  9y»  »Hein  siiid  maßgebend  für  die  reine  Deformation, 
doch  hängen  sie  noch  von  der  Wahl  des  Koordinatensystems  ab. 
Invariant  gegen  dessen  Wahl  sind  hingegen  6^,  <y„  6^.  Und  das  sind 
auch  die  einzigen  unabhängigen  Invarianten.  Denn  sie  bestimmen 
vollständig  die  Gestalt  der  in  der  vorigen  Nummer  betrachteten  Flächen 
zweiter  Ordnung  und  damit  auch  die  ganze  Gestaltsänderung. 


566 


XII.   Einleitang  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.         Nr.  S64. 


«.- 

9 

9>, 

9x1 

yyx 

«»- 

6 

9f. 

9.M 

9., 

e.- 

Statt  <fi,(fiftfi  führt  man  besser  drei  rationale  Inyarianten  ein:  die 
Koeffizienten  der  Gleichung  f&r  6,  die  ja  drei  unabhängige  Funktionen 
Ton  (fi,^i,(fi  sind.     Entwickeln  wir  die  Gleichung 


=  0, 


80  lauten  die  Koeffizienten:  —  1,  dann 

-  (CvC.  +  e.c,  +  c,c^  -  gl,  -  ^,  -  .tJ,)  - 


und 


-Ji 


'xy 


9x. 


9f> 


«,        9,.'-Ji 


'BX 


9., 


'•       I 


Ji,  Jf,  Ji  sind  die  drei  gesuchten  rationalen  Invarianten. 

Wir  wollen  noch  die  sogenannte  kubische  Dilatation  be- 
trachten^  d.  h.  die  relative  Yolumsvergrößerung  eines  Elementes.  Be- 
trachten .wir  das  Volumen  dxdydZj  so  hat  dasselbe  vor  der  Defor- 
mation das  Volumen 


^(■y^t-io  "-■'!"". 


wo  D  die  Funktionaldeterminante  bedeutet.     Diese  ist  aber 


1- 


dx 

dv 

dx 

dx 


1- 


du 

dv 
dy 
dw 
dy 


1- 


du 

di 

dv 
dz 

dw 
d~B 


«^ 


und  stellt  also  das  reziproke  Vergroßerungsverhaltnis   des  Volumens 
dar.     Nun  ist  nach  der  Multiplikationsregel  der  Determinanten 


ä '  h 

a '  b 
5» 

a  •  c 

b '  c 

HB 

-9xy 

1-- 

9x, 

9x. 
9,. 

ä  •  c 

b  •  c 

c« 

9x. 

-9y. 

1-«. 

^.-1 

9x, 

yxM 

=  — 

ifxy 

e-l 

9f. 

9x. 

yy» 

e.-l 

=  i-Ji+j;-Ji. 


Nr.  366.  §  60.    Statik  isotroper,  homogener  Medien.  567 

Daraus  folgt 

1  -  z/  -  1  ->/l-Ji  + J,-e7i. 

Diese  Größe  ist  der  Yolumszuwachs  pro  Volumseinheit  des  deformierten 
Znstandes;  sie  heißt  die  kubische  Dilatation  nnd  ist  natürlich  eine 
Invariante. 

366.  Bperialfall :  Übergang  su  nnendllch  kleinen  Defor- 
mationen. Wir  wollen  in  dieser  Nummer  u,  v,  w  und  auch  ihre  Ab- 
leitungen als  sehr  kleine  Großen  ansehen  und  prinzipiell  Größen  zweiter 
und  höherer  Ordnung  yemachlassigen.  Für  die  geringen  Deformationen, 
wie  sie  bei  festen  Körpern  und  nicht  zu  großen  Kräften  Yorkommen, 
werden  wir  damit  eine  genügende  Annäherung  erzielen,  außerdem  aber 
hat  die  Annahme  auch  noch  für  andere  Zwecke  große  Bedeutung 
(siehe  §  61). 

Wir  beginnen  mit  der  Bemerkung,  daß  sich  zwei  Transformationen 
der  Art 

X  =■  (1  +  a^)x  +  a,y  +  a^g  usw. 

a;"-  (1  +  a/)a:'+  a^'y^+a^'/  nsw. 

so  zusammensetzen,  daß 

x"  —  (1  +  ai  +  ai)x  +  (a,  +  at')y  +  {a^  +  a^')e    usw. 

ist,  wenn  die  a  klein  sind  und  Größen  zweiter  Ordnung  yemachlässigt 
werden.  Der  einfache  Beweis  kann  wohl  dem  Leser  überlassen  bleiben. 
Setzen  wir  also 

du  dv  Bto 

ax""**'      dy'^^9'      Jz^^" 

1  (du       dv\  _  J_  (dv^   .   dw\  1  /dw       cu\ 

2  \dy  "^  dx)  ~  ^^y       2  \dz  "*"  dy)  ""  ^*»'       2  \dx  "^  dz)  ^  ^*" 


1  (dv       du\  1  (dw       dv\  .    Jl/^**«.?^\       /-i 

"2  \dlc ""  dy)  ■"  ^''        2~  [dy  ~  dz)  ^  ®«'        2  \dz       dx)  ""  ^^r' 

so  können  wir  die  ursprüngliche  Substitution 

in  die  folgenden  beiden  zerlegen: 

dx"  -  (1  -  O  dx  -  y,/y  -  y„d«, 

dy" y^^dx  +  (1  -  «,)d»  -  y„dz, 

de" Yx.^x  —  y^,dy  +  (1  -  (,)de 

mit  symmetrischer  Determinante  und 


568  ^11*   Einleitang  in  die  Kinetik  defonnierbarer  Syateme.         Nr.  365. 

dx'^  dx'+  Gi^dy'-  ^^dz"^ 
dy  ^ -- m,dx"  +  dy"  +  ioJz'\ 
dz'  —  +  m^dx"  —  mjf  +  dz" 

mit  antisymmetrischer  Determinante. 

Die  zweite  aber  ist  eine  infinitesimale  Drehnog;  denn  nennen 
wir  ö  den  Vektor  mit  den  Komponenten  co^,  Oy,  o,,  so  schreibt  sich 
die  letzte  Transformation 


-df^^dr^dt-^iodr". 

Man  nennt  übrigens  den  Vektor  2ö  mit  den  Komponenten 
rs—u)  —  ^u  USW.  anch  den  Rotor  von  s.  in  Zeichen  rot  8,  also 

CD  =  2  rot  $. 

Die  erste  Transformation  mit  symmetrischer  Determinante  ist 
aber  eine  reine  Deformation;  denn  sucht  man  die  Richtongen, 
welche  fest  bleiben,  so  hat  man  die  Gleichungen  zu  lösen 

dr^ldr 
» 

oder 

(1  —  e^)dx  —  y,ydy  —  y^.dz  ^  kdx    usw. 

Das  sind  aber  dieselben  Gleichungen,  welche  die  Hauptachsen  der 
ersten  in  Nr.  362  besprochenen  Verzerrungsfläche  bestimmen,  denn 
f&r  unendlich  kleine  Verrückungen  wird 

c,«  2«,  usw.,      ^y,—  2yy,  usw. 

Man  braucht  also  nur 

zu  setzen,  um  die  Identität  vollständig  zu  machen.  Also  stehen  die 
festbleibenden  Richtungen  senkrecht  aufeinander:  die  erste  Trans- 
formation ist  in  der  Tat  eine  reine  Affinität. 

Die  obige  Zerlegung  ist  also  bei  unendlich  kleinen  Verschiebungen 
die  in  der  vorigen  Nummer  allgemein  besprochene  Zerlegung  in  eine 
reine  Deformation  und  eine  Drefmng. 

Die  Invarianten  sind 

1  T  ^     T  II— ^"i^*^_l_^"' 

^-  A-  Y^i  ===««+  «y  +  *•  =  a^  +  dy  ^  Tz' 

ein  aus  s  gebildeter  Skalar,   den  man  die  Divergenz  nennt:   div  s. 


Nr.  866.  §  60.   SUtik  isotroper,  homogener  Medien.  569 

2.  /,-  «,«.+  «.«,+  «,«r-  ti.-  rix-  ^,-  T''»- 


3.  J, 


£ 


txt  iyt  *f 


1    r 
8  '^»• 


Die  kubische  DüatcUion  wird  in  Iconsequenter  Annäherung  erster 
Ordnung: 


1  -  z/  =  1  -  >^l-2Ji  +  4/,-87,  -  Ji «  dl V 5 , 
da  Jg  zweiter  Ordnung,  J,  dritter  Ordnung  ist. 

366.  Die  Arbelt  der  Inneren  BIriite,  welche  dieselben  leisten, 
wenn  man  den  Körper  aus  dem  ursprünglichen  Zustand  in  den  defor- 
mierten bringt,  ist 

^  -  S/fa'-  +  Iv  +  '-ii)»-^y-  s/s.  •  ^ä .  dF, 

denn  das  erste  Integral  enthält  auch  die  Arbeit,  welche  von  den  Ober- 
flächenspannungen geleistet  wird,  diese  ist  also  abzuziehen  in  Form 
des  zweiten  Integrals,  das  über  die  Oberfläche  F  zu  erstrecken  ist. 

Das  Integral  J  bezieht  sich  auf  die  Zeit,  in  der  die  gesammte  Deh- 
nung s  vollzogen  wird.  Die  Koordinaten  x,  y,  z  sind  die  augenblick- 
Uchen  Ortszeiger. 

Nun  läßt  sich  aber  das  erste  Integral  nach  dem  Gaußschen  Satze 
umformen  (siehe  Anhang  III,  1) 

-/S(5.|?  +  -.4?  +  i>.'f)^r. 

Also  ist  die  Arbeit  der  inneren  Kräfte,  wenn  man  noch  Komponenten 
einführt  und  die  Symmetrie  der  Spannungsdyade  betrachtet 


^-/s( 


dx     '      y  ay    '      •  de 

Dabei  wollen  wir  beachten,  daß  du,  dVj  dw  die  Verschiebungen  sind, 
welche  ein  bestimmtes  materielles  Teilchen  in  der  Zeit  dt  erleidet. 


570  Xn.   Einleitung  in  die  Kinetik  deform ierbarer  Systeme.  Nr.  367. 

Wir  dürfen  mm  aber  nicht  -«—  mit  d^—  vertauschen,  denn  die 

dx  dx  ' 

Differentiationen  ^-   nach   dem  Ort   bei   festgehaltener  Zeit  und  ^ 

nach  der  Zeit  bei  festgehaltenem  materiellem  Punkt  (nicht  etwa  fest- 
gehaltenem Orte!)  sind  nicht  unabhängig  voneinander.    Wohl  ist 

d_  p         .  du 
X  dx' 

wenn  d  die  Differentiation  nach  der  Zeit  bei  festgehaltenem  Orte  be- 
zeichnet. 

Der  unterschied  dieser  beiden  Differentiationen   ^^  und  ^^  nach 

at  dt 

der  Zeit^  das  eine  Mal  bei  festgehaltenem  materiellem  Punkte,  das 
andere  Mal  bei  festgehaltenem  Orte,  ist  fundamental  für  die  ganze 

Mechanik  deformierbarer  Systeme.  Eine  Aussage  über  ^  ist  die  Ant- 
wort auf  die  Frage:  was  geschieht  an  einem  bestimmten  materiellen 
Punkte?  eine  Aussage  über  ^  ist  die  Antwort  auf  die  Frage:   was 

geschieht  an  einem  bestimmten  Orte? 

Wir  woUen  die  Beziehung  zwischen  beiden  Differentiationsarten 
jetzt  sofort  feststellen. 

367.  Die  Übergangsglelchnngen  von  cItp-  sn  K-du  nsw. 

erhalten  wir  durch  folgende  Überlegung: 

Ist  ü  irgendeine  Qröße;  die  sowohl  als  Funktion  des  Ortes  (r) 
und  der  Zeit  aDein  wie  auch  als  Funktion  eines  bestimmten  materiellen 
Punktes  und  der  Zeit  allein  aufgefaßt  werden  kann,  so  ist  nach  den 
Regeln  der  impliziten  Differentiation 

wenn  ^   die  Differentiation   bei   festgehaltenem   materiellen  Punkte, 

-A-  die  bei  festgehaltenem  Orte  bezeichnet. 
Demnach  ist  in  unserem  Falle 

wobei  hier  dr  die  Verschiebung  des  Teilchens  in  der  Zeit  dt  be- 
deutet, d.  h. 

df  =»  ds. 
Ebenso  ist 

du^du  +  T,^-  ds, 

dr  ' 


Nr.  368.  §  60.    Statik  isotroper,  homogener  Medien.  571 

also 

ex  ex        ^   dx\drj  ^   dr     dx  ^'^^ 

Da  aber;  wie  schon  in  der  vorigen  Nummer  bemerkt, 

dx  ox 

und  auch 

d  fdu\        c_  du 

weil  es  sich  um  zwei  Differentiationen  nach  dem  Orte  allein  handelt^ 
so  folgt  durch  Subtraktion  von  (a)  und  (ß) 


Ebenso  natürlich 


(A) 


■jdu        d  j         du     0  j- 

ox         ox  OT      OX 

jdu        d  j         du     c  j- 
dy       cy  df    dy      ' 

jdv        d  j        dv      ö  j- 
3aj       ^x  dr     dx 

usw. 
Dies  sind  die  gesuchten  Übergangsgleichungen  von  -^-du  zu  «?>,-, 

Q  C  X  O  X 

denn  ^-dfs  hat  ja  die  Komponenten 

O  X 

^~du,    A  -dv,     ,.    dw, 
dx       '     dx      '     dx 

Wir  werden  diese  Formeln  brauchen,  um  jetzt  die  Hauptaufgabe 
zu  lösen,  nämlich 

368.  Die  Beslehiing  zwischen  Spannung  nnd  Deformation 

herzuleiten. 

An  die  Spitze  stellen  wir  die  durch  die  Erfahrung  begründete 
Hypothese,  daß  jedem  materiellen  Volumteil  d  V  eine  bestimmte  ,yin  n  ere 
Energie"  dO^tp-  dF  zukomme,  wobei  die  spezifische  innere  Energie  g) 
bei  bloßer  Beachtung  mechanischer  und  thermischer  Vorgänge,  also 
z.  B.  bei  Ausschaltung  elektromagnetischer  Prozesse,  eine  eindeutig 
bestimmte  Funktion  der  absoluten  Temperatur  @  und  der  Defor- 
mation und  zwar  der  reinen  Deformation  des  Mediums  sei.  Nehmen 
wir  weiter  das  Medium  als  homogen  und  isotrop  an,  d.  h.  setzen 
wir  voraus,  daß  keine  ausgezeichneten  Stellen  und  Richtungen  vor- 
handen sind  (wie  das  z.  B.  in  Kristallen  wohl  der  Fall  ist),  so  muß 
(p  eine  bloße  Funktion  von  0  und  den  Invarianten  J^,  J^,  J^  sein: 

ip  »  g)(©j  J]^,  J,^  JTj)^ 
deren  Koeffizienten  für  einen  bestimmten  Stoff  konstant  sind 


572  ^I-    Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarei  Systeme.  Nr.  368. 

Die  Bolle  dieser  inneren  Energie  ist  nun  folgende:  Leisten 
äußere  Kräfte  in  der  Zeit  dt  auf  das  System  die  Arbeit  dA^  und 
strömt  die  Wärmemenge  dQ  zxx  (im  mechanischen  Maße  gemessen), 
so  wird  die  gesamte  zugeführte  Energie  verwendet  1.  zur  Vermehrung 
der  lebendigen  Kraft  dE,  2.  zur  Vermehrung  der  inneren  Energie  d^. 

Also  ist 

dA^+dQ-^dE  +  dO.  (I) 

Das  ist  der  sogenannte  erste  Hauptsatz  der  Thermodynamik. 
Andererseits  ist  nach  dem  Energiesatz  der  Mechanik 

dE^dA^+dA^,  (II) 

wo  dAi  die  Arbeit  der  inneren  Spannungen  bedeutet. 
Vergleichung  von  (I)  und  (11)  gibt 

d0=^dQ-dAt, 
d.  h. 

dSvdV^^dqdV-dA,, 

(dq  die  in  der  Zeit  dt  zuströmende  Wärmemenge  pro  Volumseinheit). 
Dabei  ist  nun  aber  dq  kein  vollständiges  Differential,  d.  h.  es  gibt 
keine  bestimmte  Wärmemenge  Q,  welche  dem  Körper  innewohnt. 
Hingegen  ist,  wie  der  zweite  Hauptsatz  der  Thermodynamik 
aussagt,  für  jedes  Volumelement  in  der  Ruhe 

'^«/^  =  dSdm 

ein  vollständiges  Differential:  S  heißt  die  (spezifische)  Ehtropie;  sie 
ist  eine  Funktion  derselben  Variabein  wie  %  d.  h.  eine  Funktion  von 

J^,    «7,,   eT^,    &, 

Es  ist  nun  vorteilhafter,  statt  ®  eben  dieses  S  als  neue  unab- 
hängige Variabele  einzuführen  und  dementsprechend 

dqdV  =  dS  •  dm  •  ® 

zu  setzen.  0  ebenso  g>  seien  hinfort  Funktionen  von  J^,  /„  J,  und 
der  Entropie  S. 

Also  lautet  die  Grundgleichung 

dSv^y  ^  ^^dSdm  -  dA^. 

Die  Differentiale  beziehen  sich  auf  die  Zeit;  diese  Differentiation  ist 
natürlich  bei  konstanter  Masse  vorzunehmen. 

Wenn  wir  nunmehr  aus  Nr.  366  den  Ausdruck  für  A^  hinzunehmen 

und  beachten,  daß  dV^  —  dm,  wo  dann  dm  hinsichtlich  der  Zeit- 

differentiation  konstant  ist,  so  folgt  aus  der  vorstehenden  Gleichung 
bei  Übergang  zum  Volumelement 


Nr.  369.  §  60.   Statik  isotroper,  homogener  Medien.  573 

Dabei  ist  natürlich  die  spezifische  Masse  fi  ebenfalls  eine  Invariante. 
Denn  sei  t)  das  spezifische  Volumen,  so  ist  wegen  dV^^'odm 

Sei  femer  D'  das  spezifische  Volumen  im  Normalzustand:  also 

dT^dxdyd2^\>'dm, 


so  ist 


dV      D' 


dV 
Also 


=-"  =^=vi-j,+j,-j,. 


**=  J=ivi-'^i+«'.-«^,, 


wo  t)'  eine  Konstante  ist. 

369.  Fortsetzung.  Wir  wollen  nun  bei  Gleichgewichtsproblemen 
{dE  =  0)  die  Grundgleichung  (B)  auch  auf  virtuelle  Änderungen  dS, 
dUf  dv,  dw  ausdehnen.  Gleichung  (II)  gilt  ja  auch  dann  noch  (Prinzip 
der  virtuellen  Arbeiten  in  der  trivialen  Form,  daß  im  Oleichgewichts- 
fall  die  gesamte  virtuelle  Arbeit  aller  Kräfte  Null  ist),  und  ebenso 
woUen  wir  den  ersten  und  zweiten  Hauptsatz  auf  diesen  Fall  aus- 
gedehnt denken. 

Dann  zerfällt  Gleichung  (B)  in  10  Gleichungen^  denn  wir  können 

dS,  w-du  usw.  als  unabhängige  Variabele  ansehen  ^  da  wir  die  Ver- 
teilung von  du,  dv,  du;  in  der  Umgebung  eines  jeden  herausgegriifenen 
Punktes  frei  haben.  Nun  steht  aber  auf  der  linken  Seite,  wenn  wir 
noch  die  spezifische  innere  Energie  pro  Masseneinheit: 

einführen^ 

^ dS   '      ^   ^  ^cu     ox   ^ 

s  dx 

—  die  J  sind  ja  Funktionen  der  .     usw.,  siehe  Nr.  363  und  364  — . 

^  ex         ' 

Auf  der  rechten  Seite  von  (B)  aber  stehen  ^  du  usw.;  wir  brauchen 
also  noch  die  Obergangsgleichungen  (Aj  aus  Nr.  367. 


574 


Xn.   Einleitung  in  die  Kinetik  defonuierbarer  Systeme.         Nr.  369. 


Nehmen  wir  (A)  und  (B)  zusammen,  so  folgen  die  10  Gleichungen: 

1.  Ö  =  tt  (C) 


eine  Grundgleichung  der  Thermodynamik,  welche  die  Be- 
ziehung von  Temperatur^  Entropie  und  Deformation  ver- 
mittels der  spezifischen  inneren  Energie  pro  Masseneinheit 
darstellt;  dann 


2. 


X.- 

** 

X,- 

M 

Y.- 

"1 

dVf   _ 

d'fp 

du  _ 

dif} 

dv  _ 

dy 

^du 

^du 

dx 

^dv 

dx 

^dw 

dx 

dx 

dx 

^dx 

d'it) 

(T^ 

du 

dib 

dv 

dif} 

^l- 

al" 

'dy 

^l" 

dy 

d  i'' 

dx 

dx 

dx 

dx 

ditf 

d^ 

du_ 

dtif 

dv 

d^ 

^du 

,  du 

dx 

r,CV 

dx 

.dw 

^y 

dy 

dy 

du- 

d 


'] 


dvD 
dx 


(D) 


USW.  in  leicht  erkennbarer  Bildung. 

In  solcher  Weise  heredmen  sich  also  die  inneren  Spannungen  aus 
der  speeifischen  inneren  Energie  ^  pro  Masseneinheit  Die  DifferenUor 
tionen  verstehen  sich  bei  konstanter  Entropie,  Man  nennt  ^  auch  das 
dastisclie  Potential. 

Es  ist  nun  nur  die  Frage,  ob  auch  die  Bedingungen 


y 


Y^  usw. 


erfüllt  sind. 

Man  erkennt  dies  nun  in  der  Tat  leicht,  wenn  man  die  vor- 
stehenden Ausdrücke  unter  Benutzung  des  Umstandes,  daß  ^  eine 
bloße  Funktion  von  J^,  J^,  J^  ist,  und  der  Ausdrücke  dieser  In- 
varianten aus  Nr.  3(34  durch  die  g  und  e  sowie  der  Formeln  aus 
Nr.  363  für  diese  g  und  e  umrechnet.  Eine  ganz  elementare  Rech- 
nung ergibt: 


x«=  2^  ( IT  (1 -o +  ^!  (-^i-^i-^L- ««+ V.) 


i  dj^ 


dJt 


USW.  in  zyklischer  Reihenfolge. 


(DO 


Mit  Aufstellung  dieser  Formeln  ist  unsere  Aufgabe  gelöst:  Die 
SpannungsTcomponenten  sind  durch  die  Ableitungen  der  Verschiebungen 
Uy  17,  w  ausgedrückt 


Ni.  869.  §  60.    Statik  isotroper,  homogener  Medien.  575 

Setzt  man  die  erhaltenen  Ausdrücke  in  die  statischen  Gleichungen 

^      -       d^x      ^^t,      ^^z 
0  =s=  X  H -  -h     ^  4- 

dx  ^  dy       dz 

ein,  so  hat  man  drei  partielle  Differentialgleichungen  für  die  un- 
bekannten Verschiebungen  u,  v,  w. 

Um  sie  ganz  zu  bestimmen,  müssen  am  Rande  entweder  noch 
die  äußeren  Spannungen  6^  gegeben  sein  (natürlich  so,  daß  die  Summe 
und  die  Summe  der  Momente  aller  äußeren  Kräfte  Null  ist),  oder 
aber  die  Verschiebungen  ti,  v,  w  selbst,  d.  h.  man  kann  nach  der 
Gestalt  des  Körpers  fragen,  die  er  annimmt,  wenn  er  bestimmten 
äußeren  Kräften  unterworfen  ist,  oder  wenn  er  am  Rande  in  be- 
stimmter Weise  eingespannt  ist. 

Will  man  statt  ^,  der  spezifischen  inneren  Energie  pro  Massen- 
einheit, wieder  ^,  die  spezifische  innere  Energie  pro  Volumseinheit 
einführen,  so  kann  man  das  leicht,  indem  man 

setzt  und  beachtet,  daß  nach  Nr.  368 
ist.     Man  findet  so  leicht: 

USW.  in  zyklischer  Reihenfolge. 

Die  spezifische  innere  Energie  q>,  eine  Funktion  yonJ^^J^^J^ 
und  der  Entropie  S,  ist  noch  unbestimmt;  sie  hängt  von  den  beson- 
deren Eigenschaften  des  Körpers  ab. 

Das  Verhalten  eines  jeden  isotropen,  homogenen  Körpers  kann 
also  durch  die  Angäbe  der  ihm  eigentümlichen  Funktion  (p  (resp,  t) 
statisch  und  thermodynamisch  charakterisiert  werden. 

Eliminiert  man  die  Entropie  S  vermittels  der  Gleichung  (C) 

so  erhält  man  die  inneren  Spannungen  als  Funktionen  der  sechs  De- 
formationsgrößen e  und  g,  sowie  der  absoluten  Temperatur  6.  Man 
nennt  die  so  entstehenden  Gleichuugen  die  Zustandsgieichungen 
des  Körpers. 


(D") 


576  ^^-   Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.         Kr.  870. 

370.    Spezielle  FftUe:  nnendlich  kleine  Deformatioiien. 

Nehmen  wir  einen  festen  Körper  und  nicht  sehr  große  äußere  Kräfte^ 
80  sind  erfahrungsgemäß  die  u,  Vy  w  nebst  ihren  Differentialquotienten 
sehr 'klein.  Bleiben  wir  konsequent  bei  Gliedern  erster  Ordnung  stehen, 
80  werden 

6«=^  2«,  «  2  ^~    usw. 

(siehe  Nr.  365). 

Wenn  wir  ferner  voraussetzen,  daß  im  ursprünglichen  Zustand 
das  System  spannungsfrei  war,  so  liegt  es  nahe,  die  X^,  X^  usw.  als 
lineare  homogene  Funktionen  der  e  und  g  anzusehen,  nebst  einem 
Zusatzglied,  das  nur  von  der  Entropie  abhängt  und  versehwindet, 
wenn  diese  ebenfalls  ihren  ursprünglichen  Wert  hat.  Denn  in  einer 
Entwicklung  nach  den  e  und  g  dürfen  nur  solche  konstante  Glieder 
auftreten,  welche  für  den  alten  Wert  der  Entropie  verschwinden,  da 
sie  sonst  eine  Anfangsspannung  darstellten.  Die  nächsten  Glieder  sind 
die  linearen,  und  sie  werden  auch  nicht  fehlen,  da  für  sehr  kleine 
Deformationen  die  Spannungen  jedenfalls  mit  den  Deformationen  das 
Zeichen  wechseln.  Sind  nun  die  Deformationen  wirklich  sehr  klein, 
so  wird  es  im  allgemeinen  schon  aus  Eonsequenz .  angebracht  sein, 
die  höheren  Glieder  auch  hier  zu  vernachlässigen,  ob  zwar  sie  durch 
sehr  große  Koeffizienten  beträchtlich  werden  könnten.  Es  muß  also 
die  Erfahrung  zeigen,  wie  weit  der  lineare  Ansatz,  der  in  der  Idee 
auf  Hooke  (vgl.  Nr.  46)  zurückgeht,  berechtigt  ist. 

Machen  wir  den  linearen  Ansatz  (eine  Weiterentwicklung  in 
den  Arbeiten  Voigts),  so  kann  tp  nur  von  quadratischen  und  niederen 
Gliedern  abhängen,  wie  man  leicht  sieht:  Glieder  höherer  Ordnung 
gäben  auch  in  den  Spannungen  solche  höherer  Ordnung.  Da  aber 
ferner  (p  nur  von  «7^,  J*,,  e/g,  S  abhängt  und  J^  schon  selbst  dritter 
Ordnung  ist,  J^  zweiter  und  Jj  erster  Ordnung,  so  muß  (p  die  Form 
haben 

g>  =  ÄJ^*+  BJ^  +  CJ^  +  2), 

wo  Aj  JB,  G  und  D  nur  noch  Funktionen  der  Entropie  S  sind. 

Vernachlässigt  man  nun  konsequent,  so  werden  die  Formeln  fSr 
die  Spannungen  der  vorigen  Nummer 

X,  =  2  { 2AJ,  +  B{J,  -  c,) )  +  2C(1  -  e,)  +  CJ,  -f  D, 

Setzen  wir  noch 

8^  +  45  +  2C  =  Ä", 

-4B-4C  =  /»,        2C  +  i)  =  r, 


^*  =  -X^  =»  -^  Ä  ( 2^  +  ^  ")    usw. 
*         y       2     \dx  '   dy/ 


Nr.  371.  §  60.   Statik  isotroper,  homogener  Medien.  577 

so  erhalten  wir 

ais  angenäherte  Ausdrücke  der  Spannungsdyade  durch  die  Deformations- 
dyade  hei  sehr  Ideinen  Deformationen,  Diesen  Ansatz  findet  man  (bis 
anf  das  Glied  T  in  allen  Normalspannnngen  X^,  Y^y  Z^)  in  allen  Lehr- 
büchern der  Elastizitätstheorie. 

T  verschwiDdet^   wenn    die  Entropie   gegen  den  Urzustand  un- 
geändert  geblieben  ist. 

371.  Bolle  der  Bntropie-  reep.  Temperatarftndening.   Der 

Fall,    daß   die   Entropie   konstant   bleibt^   ist   sehr   wichtig:    Wegen 

dS  —    ^-    besagt   er,    daß    in   diesem    FaUe    keinem   Volumelement 

Wärme  zu-  oder  abgeführt  wird.  Man  nennt  derartige  Prozesse  adia- 
batisch. Bei  ihnen  ist  T^O,  K  und  k  sind  konstant,  man  nennt 
sie  die  beiden  Elastizitätskonstanten  bei  adiabatischen  Pro- 
zessen. 

Tritt  aber  eine  Entropieänderung  auf,   findet  also  ein  Wärme- 
strom statt,  so  ist  T  nicht  Null,  K  und  k  sind  keine  Konstante. 

Entropieänderung  verursacht  also  hei  einem  isotropen  Medium 
nicht  nur  eine  Änderung  der  Elastußtätskonstanten,  sondern  auch  das 
Auftreten  einer  normalen  Zusatzspannung  T,  während  eu  den  Schuh- 
kräften kein  Zusatzglied  hinzutritt. 

Will  man  statt  der  Entropie   die  Temperatur  einführen,  so  hat 
man  erst  ^  zu  bilden: 

^  =  ;  {AJ,*  +  BJ,  +  CJ,  +  D), 


{AJ,*+BJ^+CJ,  +  D), 


^  o'(^Ji*  +  BJ,  +  ÜJ,  +  D+  [CJ,'  +  IdJ,  -  l  DJ,-  -g-DJ,») 
oder  nach  Einführung  neuer  Funktionen 

^'(a  +  \c-Id)^a; 

r,'(B-lD)^E, 

0'(6'+|2))=.C', 

»'D  -  D' 
t  -  A'J,*  +  BJ,  +  C'J,  +  U. 

H»mel:  ElemenUre  Meohanik.  37 


578  XII.   Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.  Nr.  371. 

Die  Temperatur  ist  dann 

""M  ""  dS"^^  "^  dS"^^^  dS"^^  "^  dS  ' 

Nehmen  wir  speziell  kleine  Temperaturschwankungen  d0  und  kleine 
Entropieänderungen  dS,  so  wird,  weil  im  Normalzustand 


®o=(dsL5„ 


ist,  bei  Beibehaltung  lediglich  kleiner  Größen  erster  Ordnung 

und  da  jetzt  natürlich 

wird,  so  ist  die  Zusatzspannung 

dT^^~~dS"^' 
-^  '^  dS  d^D' 

dS* 

Daher  wird 

V         vf  ßu   ,   dv    ,   dic\    .    T  du   .    ,^^ 


wo 


dT 

dS 

d^D' 


und 


dS^ 

dT  dC 


«  .  —  — 


dS* 


ist. 


Bei  isothermen  Prozessen  (d  0  «  0)  sind  also  hei  konsequenter 
Vernachlässigung  höherer  Glieder  die  Elastizitäiskoeffigienten  mederum 
konstant,  aber  der  eine,  K,  der  in  den  Normalspannungen  mit  der 
Divergenz  der  Verschiebung  multipliziert  ist,  ist  ein  anderer  als  der 
hei  adiabatischen  Prozessen. 

Prozesse  mit  langsamen  Änderungen  der  Verschiebung,  bei  denen 
sich  also  die  Temperatur  verhältnismäßig  schnell  ausgleicht,  kann  man 
meist  als  isotherme  behandeln. 

Um  allgemein  isotherme  Prozesse  bei  endlichen  Ver- 
schiebungen zu  behandeln,  empfiehlt  es  sich,  die  sogenannte  freie 
Energie  ^^ 

einzufiihren. 


Nr.  872.  §  60.    Statik  isotroper,  homogener  Medien.  579  • 

Es  ist  dann  bei  konstanter  Temperatur 

(wegen  |  J  =  ©)  • 

Denkt  man  sich  also  f  als  Funktion  von  Ji,  J^y  J^y  S  dargestellt, 
so  ist  wegen  S  =  const. 


dJ^       ?Ji 


usw. 


Man   hat   also    bei  isothermen   Prozessen    in   den   allgemeinen 

Formeln  für  die  Spannungen  in  Nr.  369  die  Ableitungen  o]r  wsw;. 

durch  die  Anleitungen  der  sogenannten  freien  Energie  f^ilf  —  S*S 
(bei  konstant  gehaltener  Temperatur)  zu  ersetzen. 

372.  Spezielle  F&lle:  Flflssigkeiten.  Von  der  Erfahrung 
ausgehend^  daß  im  bloßen  Schwerkraftsfelde  das,  was  wir  eine  Flüssig- 
keit nennen^  nur  dann  im  Gleichgewicht  sein  kann^  wenn  die  Ober- 
fläche horizontal  ist^  schließen  wir,  daß  bei  einer  Flüssigkeit  Schub- 
Spannungen  nicht  auftreten  können.     Wir  definieren: 

Eine  Flüssigkeit  ist  ein  materielles  System,  bei  dem  in 
der  Ruhe  keine  Schubspannungen  auftreten  können. 

Beschränken  wir  uns  auf  isotrope  Flüssigkeiten  (neuerdings  sind 
durch  Lehmann  auch  kristallinische  entdeckt  worden),  so  folgt  aus 
den  Formeln  (2)')  in  Nr.  369 

USW. 

« 

Aus  diesen  drei  Gleichungen  aber  folgen  die  beiden 

|;.  +  ||=.o  .„d  |*  +  g-o,  (1) 

weil  jene   drei    lineare   homogene  Gleichungen   in   den  vorstehenden 
Ausdrücken  sind  mit  nicht  verschwindenden  Determinanten: 

ffiyffxs  —  ^xyxy9y,  -  9lz9x.  +  ^z9xy9y,     i^sw. 

Identisch  in  den  e  und  g  verschwinden  ja  diese  Ausdrücke  nicht, 
im  allgemeinen  kann  man  aber  auch  die  e  und  g  als  algebraisch  un- 
abhängige Funktionen  ansehen,  da  ja  zu  jeder  verschiedenen  Defor- 
mationsfläche verschiedene  e  und  g  gehören,  aber  an  einer  Stelle 
wenigstens  eine  beliebige  Deformationsfläche  denkbar  ist,  so  daß  eine 
algebraische  Gleichung  zwischen  den  e  und  g  bei  allgemein  gelassener 
Beweglichkeit  der  Flüssigkeit  nicht  existieren  kann. 

37  • 


580  ^^I-   Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.         Nr.  372. 

Kinematisch  aber  sei  die  Flüssigkeit  dadurch  definiert, 
daß  jede  Bewegung  bei  ihr  möglich  ist,  welche  eine  ein- 
eindeutige  Beziehung  zwischen  einer  bestimmten,  als  Nor- 
mallage angegebenen  Stellung  und  einer  beliebigen  Stellung 
des  Systems  herstellt. 

Aus  den  Gleichungen  (1)  folgt  aber,  daß  ^  eine  bloße  Funktion  Ton 

e^l  —  Ji  +  Jj 

ist,  oder  was  dasselbe  ist,  von  t). 

Bei   isoirc^en  Flüssigkeiten   ist  die   innere  Energie  eine  bloße 
Funktion  des  Volumens  und  der  Entropie  (oder  der  Temperatur). 

Die  Normalspannungen  aber  werden  nach  1/  wegen  (1) 

^x-2ft.j^^(l-  Jj  +  eT,-  Ji)    USW., 

also  aUe  einander  gleich,  man  nennt 
den  Druck.     Da  aber  nach  Nr.  368 

war,  so  ist 

Dabei   ist   die   spezifische    innere   Energie   ^    pro   Masseneinheit   als 
Funktion  von  t)  und  8  anzusehen. 
Nimmt  man  die  Gleichung 

^  - 1?  w 

hinzu  und  eliminiert  aus  beiden  S,  so  erhält  man  eine  Gleichung 
zwischen  jp,  t)  und  &,  die  sogenannte  Zustandsgieichung,  die  für 
ideale  Gase  bekanntlich  die  Form  hat 

wo  R  eine  feste  Konstante  ist. 

Die  Gleichgeunchtsbedingungen  aber  lauten  für  Flüssigkeiten  (in- 
klusive Gase,  die  auch  unsere  Definition  erfüllen)  wegen  Xy=*  F^— ...0 
und  X,=  r,=  Z.^-i) 

WO  X  die  spezifische  räumliche  Kraft  bedeutet,  im  Falle  also,  daß  die 
Schwerkraft  die  einzige  derartige  Kraft  ist 


Nr.  373.  §  60.    Statik  isotroper,  homogener  Medien.  581 

woraus  folgt^  daß  ^_  abwärts  gerichtet  ist,  daß  also  die  Flächen  kon- 

stallten  Drucks  horizontal  liegen  müssen.     Da  sich  infolgedessen  ^ 

nur  in  der  vertikalen  Richtung  ändern  kann,  so  muß  in  horizontalen 
Ebenen  auch  ft^  die  Dichte^  konstant  sein. 

Unter  Einwirkung  der  Schwerkraft  schichten  sich  verschiedene  Flüssig- 
keiten liorizontai  übereinander.  Endlich  muß  infolge  der  Zustandsgleichtmg 
auch  die  Temperatur  in  horizontalen  Ebenen  konstant  sein,  wenn  Gleiche 
gewicht  herrschen  soü. 

373.  Literatur.  Die  Begründung  einer  allgemeinen  Statik 
deformierbarer  Körper  stammt  von  Poisson,  Cauchy  und  Saint- 
V^nant  aus  dem  Anfange  und  der  Mitte  des  19.  Jahrhunderts.  Die 
mathematische  Weiterentwicklung  wurde  vor  allen  Dingen  von  Kirch- 
hoff gefordert  (siehe  dessen  Mechanik),  dann  später  von  Lord  Kelvin 
(W.Thomson),Bou88inesq  und  Heinrich  Hertz.  Die  moderne  Ent- 
wicklung strebt  einerseits  nach  einer  möglichst  korrekten  mathema- 
tischen Vollendung  der  Theorie  (Namen  siehe  in  dem  EnzykL-Referat 
von  Tedone)^  andererseits  danach,  durch  praktischen  Ausbau  die 
Theorie  anwendungsfähiger  zu  machen  und  so  der  Technik  ein  brauch- 
bares und  doch  exaktes  Hilfsmittel  für  ihre  Festigkeitsberechnungen 
zu  geben.    Das  Buch,  das  diesem  Ziel  am  nächsten  kommt,  ist  das  von 

Love,  deutsch  von  Timpe:  „Lehrbuch  der  Elastizität  Ein 
weniger  anspruchsvolles  Werk,  das  der  junge  Techniker  zuerst  zu 
rate  ziehen  mag,  ist 

Föppl,  Technische  Mechanik,  Bd.  III  und  V;  es  geht  noch  mehr 
auf  technische  Probleme  ein  und  berücksichtigt  auch  mehr  die  älteren, 
leistimgsfähigen,  aber  nicht  einwandfreien  Methoden,  welche  sich  die 
Praxis  notgedrungen  immer  dann  schaffen  muß,  wenn  die  Theorie 
noch  nicht  ausgebildet  genug  ist. 

Altere  ausgezeichnete  Werke  sind:  C  leb  seh,  Theorie  der  Elasti- 
zität, 1862,  in  deren  französischen  Ausgabe  sich  wichtige  Zusätze  von 
St.  Venant  finden,  und  F.  Neumann,  Theorie  der  Elastizität,  1895, 
das  die  von  einer  Temperaturänderung  herrührende  Normalspannung 
beachtet.  Von  neueren  wären  zu  nennen:  Voigt,  Kompendium  und 
Elementare  Mechanik.  Erwähnt  sei  auch  das  dreibändige  Werk:  Tod- 
hunter  and  Pearson,  A  History  of  Elasticity,  1886 — 1893. 

Nach  der  experimentellen  Seite  wurde  die  Festigkeitslehre  be- 
sonders in  den  deutschen  Laboratorien,  namentlich  von  Bach  (siehe 
sein  Buch:  „Elastizität  und  Festigkeit")  und  Tetmajer  weiterentwickelt, 
indem  die  Unzulänglichkeit  des  Hookeschen  Gesetzes  bei  großen  De- 
formationen dargetan  und  Ersatz  für  dasselbe  gesucht  wurde. 

Nach  der  physikalischen  Seite  hin  erhielt  die  Elastizitätstheorie 
einen  neuen  Impuls  durch  die  Untersuchungen  Voigts  über  Kristalle, 


582  Xn.   Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.  Nr.  874. 

wobei  auch  die  Einwirkung  thermischer  und  elektrischer  Einflüsse 
beachtet  wurde.  Eine  ganz  neue  Auffassung  hat  Jaumann  (Zitat  in 
Nr.  379);  nach  ihm  ist  nicht  die  Spannungsdjade  eine  Funktion  der 
Deformationsdyade,  sondern  ihre  zeitliche  Ableitung  eine  Funktion 
der  Ableitungen  der  Geschwindigkeit  nach  dem  Orte. 

Alle  diese  Autoren  beschränken  sich  im  wesentlichen  auf  unendlich 
kleine  Deformationen,  für  welche  die  Theorie  allein  durchgebildet  ist; 
unsere  Formeln  für  endliche  Deformationen  stammen  im  Kern  schon 
von  Saint-V^nant  und  Kirchhof  f,  dann  wurden  sie  YonBoussinesq, 
Duhem  und  Finger  vervollständigt. 

Man  vergleiche  auch  die  Referate  in  der  Enzjkl.  d.  math.  Wiss. 
(Bd.  IV,  II.  Teil,  2.  Hälfte)  von  Abraham,  C.  H.  Müller  und 
H.  Timpe,  Tedone,  Beissner,  v.  Kärman  und  Prandtl. 

§  61.   Kinetik  isotroper  homogener  Medien. 

374.  Allgemeine  Bemerkungen.  Die  Bntropie.  Bew^ 
sich  ein  materielles  System,  so  bleibt  der  erste  Hauptsatz  in  Gültig- 
keit, also 

dÄ^  +  dQ'^dE  +  d^,  (I) 

wo  9  ^  j  (pdV ^  j  ^dm  die  innere  Energie  des  Systems  ist,  dann 
der  allgemeine  Energiesatz  der  Mechanik 

dE^dA^  +  dÄ,,  (H) 

Dagegen  bedarf  der  zweite  Hauptsatz  der  Thermodynamik  einer 
Modifikation. 

Wir  denken  uns  die  Spannungsdyade  in  zwei  Teile  zerlegt: 
A^  A^+  A"^  A^  sei  das  A  der  Statik,  so  daß  A'  die  Veränderung 
der  Spannungsdyade  bei  der  Bewegung  bedeutet.  Dementsprechend 
zerfällt  auch  die  innere  Arbeit  in  zwei  Teile: 

dA^^(dA;)^+dA;.  (III  a) 

A^  sei  ganz  das  alte  A  der  Statik,  es  haben  also  die  entsprechenden 
inneren  Spannungen  ein  Potential  im  Sinne  von  Nr.  369,  so  daß 


dx         dx 


dtj)    dv 

d^    dw 

^dv  dx 
dx 

^dtv  dx 

hx     ' 

(D) 


USW. 


Dazu  nehmen  wir  nun  die  durch  die  Erfahrimg  begründete  Annahme: 

daß  die  innere  Arbeit  dA^  der  Zusatzkräfte  stets  negativ 
sei  und   daß  dieser  so  verloren  gehenden  Arbeit  als  Aqui- 


Nr.  376.  §  61.    Kinetik  isotroper,  homogener  Medien.  583 

valent  eine  im  Körper  erzeugte  Wärmemenge  ^dq'dV  ent- 
spreche 

dA/ ^dq'dV  (nib) 

and  daß  nun 

(dq  +  dq')dV  -^  0  -  dS  -  dm  (IV) 

sei,  wo  S,  die  Entropie,  eine  für  jedes  Medium  bestimmte 
Funktion  der  Temperatur  S  und  der  Deformationsdyade  sei. 

Diese  Modifikation  des  zweiten  Hauptsatzes  stellen  wir  an  die 
Spitze. 

Aus  (I),  (H),  (UI),  (IV)  folgt  dann 

fedSdm  «  (d^^)i  +  d* 

oder,  da  die  Beziehung  zwischen  {dA^^  und  df0  die  alte  bleibt  wie 
zwischen  dem  dA^  der  Statik  und  d0,  nämlich 

—  wie  man  auch  die  Gleichungen  (D)  schreiben  kann  — 


woraus  folgt 


SdS  -  II  dS, 

^     ds 


Die  formalen  Beziehungen  zwischen  der  Temperatur,  der  Entropie,  der 
Deformationsdyade  und  der  spezifischen  inneren  Energie,  insbesondere 
also  auch  die  Zustandsghichungen  bleiben  dieselben  wie  in  der  Statik, 

Bemerkung:  Man  kann  auch  als  Axiom  an  die  Spitze  stellen, 
daß  diese  formalen  Beziehungen  in  Geltung  bleiben  sollen,  dann 
folgt,  daß 

{dq  +  dq')dr^  GdSdm 
sein  muß. 

375.  Die  Spannnngsdyade.  Was  weiß  man  nun  über  die 
Djade  der  Zusatzspannungen?  Es  hat  sich  erfahrungsgemäß  gezeigt, 
daß  es  nicht  mehr  genügt,  die  gesamten  Spannungen  (^i  »  ^^  -f  A*) 
als  bloße  Funktionen  der  Deformationen  gegen  den  Normalzustand 
und  der  Temperatur  bzw.  der  Entropie  anzusetzen,  sie  hängen  yiel- 
mehr  von  dem  ganzen  Deformationsprozeß  ab,  von  der  ganzen 
Geschichte  des  Vorgangs.  Daß  dem  so  ist,  zeigt  am  deutlichsten  der 
Vorgang  der  Hysterese:  ein  gedehnter  Körper  kehrt  nach  Aufhören 
der  dehnenden  Kräfte  gar  nicht  mehr  in  den  Normalzustand  zurück, 
oder  was  dasselbe  ist,  um  ihn  dahin  zuröckzuführen,  bedarf  es  neuer 
äußerer  Kräfte;  tritt  nach  einem  Deformationsprozeß  Ruhe  ein,  so  ist 
die  Spannung  gar  nicht  bloße  Funktion  der  augenblicklichen  Defor- 


584  ^I*   Einleitang  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.  Nr.  375. 

mation  und  der  Temperatur;  sondern  der  ganze  vorhergehende  Prozeß 
wirkt  nach. 

Man  wird  also  die  inneren  Spannungen  anzusetzen  haben  als  ab- 
hängig Yon  den  Werten  von  e  und  g  zu  allen  vorhergehenden  Zeiten: 

wo  X  alle  Werte  von  0  bis  cx>  durchläuft. 

Wenn  man  annehmen  darf,  daß  S,  e,  g  analytische  Funktionen 
der  Zeit  sind,  so  kommt  das  darauf  hinaus,  daß  die  inneren  Spannungen 

nicht  nur  Funktionen  der  augenblicklichen  Werte   der  Deformations- 

de    d^e 
großen  sind,  sondern  auch  von  ihren  Differentialquotienten  ^ ,  ^,  usw. 

abhängen. 

Aber  selbst  dieser  Ansatz  wird  nicht  allgemein  genug  sein.  Das 
wird  uns  ein  Beispiel  zeigen. 

Nehmen  wir  einmal  der  Einfachheit  halber  an,  daß  der  Spannungs* 
zustand  außer  von  den  e  und  g  noch  von  deren  unmittelbar  vorher- 
gehenden Werten  abhänge,  d.  h.  noch  von  den  sechs  Größen  e  und  g. 

Nun  findet  man  aber  durch  eine  ganz  elementare  Rechnung  aus 
den  Definitionsformeln  für  e  und  g  aus  Nr.  363  und  aus  den  Über- 
gangsgleichungen der  Nr.  367   die  folgenden  Ausdrücke  der  e  und  g 

durch  die  e,  g  und  durch  o    ;  ^     usw.,  wo  ti,  v,  w  die  Ableitungen 

von  Uf  V,  w  sind,  d.  h.  die  Geschwindigkeitskomponenten: 


«-=  2  la^d  -  Cx)  -  si9.,  -0^9..]  U8W, 


a»  '^*  's»  o«  <s  *  ^  * 

u  du         ,    cv /^  \    i   ow  f^  V       dv  dw 


usw. 


Die  rechten  Seiten   dieser  Gleichungen  hängen  nun  ersichtlich  nicht 
nur  von  den  sechs  Größen 

du     dv      dtb 
dx'    dy  '    dz 

und 

^  (du       dv\        ^  (dv_       awX        1  (dw       dü\ 
2  \dy  "^  dx):      ^\dz  "^  dy)^      2  \dx  "*"  dz) 

ab,  so  daß  es  also  nicht  möglich  ist,  diese  letzten  sechs  Größen  als 
bloße  Funktionen  der  ß,  g  und  der  e  und  g  darzustellen. 

Wir  werden  aber  sehen,  daß  der  herkömmliche  Ansatz  für  Flüssig- 
keiten (und  Gase)  dies  verlangen  würde,  wenn  es  zugleich  möglich 
sein  soll,  die  Spannungen  durch  die  e,  g,  e,  g  darzustellen. 


Kr.  376.  §  61.    Kinetik  isotroper,  homogener  Medien.  585 

376.  Ideale  nnd  z&he  Flflssigkelten.  Soweit  die  bisher 
ausgebildete  Theorie  den  Vergleich  mit  der  Erfahrung  zuläßt^  zeigt 
es  sich^  daß  es  zur  Erklärung  vieler  Phänomene  namentlich  bei  leicht- 
flüssigen Medien,  ausreicht,  auch  bei  der  Bewegung  von  Schub- 
spannungen abzusehen.  Sind  aber  solche  nicht  vorhanden,  so  muß 
die  Spannungsfläche  eine  Kugel  sein  (siehe  Nr.  251)  —  denn  sonst 
wären  Schubspannungen  vorhanden  — ,  so  daß  auf  Grund  dieser  An- 
nahme alle  Normalspannungen  einander  gleich  werden: 

wo  wieder  p  der  Druck  heiße.  Dieses  p  wird  mit  dem  statischen 
Druck  identifiziert,  d.  h.  es  wird  als  dieselbe  Funktion  von  t)  und  & 
angesehen,  welche  durch  die  Zustandsgleichung  gegeben  ist.  Es  ist 
also  Ä^O, 

Solche' Flüssigkeiten,  die  es  in  Wahrheit  nicht  gibt,  heißen  ideale 
Flüssigkeiten-,  bei  ihnen  findet  eine  beständige  Umwandlung  von 
Arbeit  in  Wärme  nicht  statt  {dq^Q).  In  allen  Fällen  genügt  die 
Annahme  einer  idealen  Flüssigkeit  nicht,  um  so  weniger,  je  zäher, 
dickflüssiger  dieselbe  ist. 

Eine  ideale  Flüssigkeit  würde  z.  B.  in  einem  horizQptalen  Bohr 
ohne  Druckgefälle  gleichförmig  fließen  können,  Flüsse  könnten  kein 
Gefälle  haben,  wenn  das  Wasser  gleichförmig  fließen  soll. 

Man  ist  also  gezwungen,  in  manchen  Fällen  bei  der  Bewegung 
das  Auftreten  von  Schubspannungen  zuzulassen,  will  man  der  Natur- 
erscheinung einigermaßen  gerecht  werden-,  man  spricht  dann  von 
zähen  Flüssigkeiten. 

Für  solche  setzt  man  nun 


X.- 

-P  +  XJ, 

^' 

-p  +  y;, 

z- 

-p+z:, 

X- 

X^      U8W. 

und  sieht  die  Spannungsdyade  X^.', . . .  als  lediglich  dadurch  be- 
dingt an,  daß  vermöge  der  Geschwindigkeitsunterschiede  benachbarter 
Wasserteilchen  in  jedem  Augenblick  neue  Deformationen  eintreten. 
Diese  Deformationen  sind  unendlich  klein,  denn  es  handelt  sich  um 
die  infinitesimalen  Verschiebungen 

du^üdt,     dv^vdt,     dw^wdt. 

Es  kommen  also  für  die  Deformationsfläche  als  sechs  Koeffizienten 
nach  Nr.  365  die  sechs  Größen  in  Frage: 


586  Xn.   Einleitoog  in  die  Kinetik  defonnieibarer  Systeme.         Nr.  877 

du  dv  dtc 

und 


^'      dx^      ^      dy'      *•       dz 


2  \äy  "*"  dx)  ~  ^*y'     Y\a7  "^  dyl  ""  ^»"      2  Ua;  "^  äW  ""  ^*'  • 

Die  Zäkigkeitsdyade  wird  also  Funktion  dieser  sed^   Größen 
sein  müssen, 

377.  Isotrope  Flfissigkeiten.  um  nun  X^  usw.  als  Funktionen 
von  «jp . . .  y,y  usw.  wirklich  zu  finden,  verfahren  wir  folgendermaßen. 

Wir  machen  zunächst  die  Hypothese,  daß  die  Spannungs- 
komponenten lineare  homogene  Funktionen  der  6  und  7^  seien. 

Ist  dann  die  Flüssigkeit  isotrop,  so  muß  die  Deformationsfläche 
dieselben  Richtungen  der  Hauptachsen  haben  wie  die  Spannungsfläche. 
Denn  es  müßte  sonst  eine  ausgezeichnete  Richtung  im  Medium  geben, 
um  welche  man  die  Hauptachsen  der  einen  Fläche  in  die  der  anderen 
zu  drehen  hätte.  Legt  man  also  vorübergehend  das  Achsenkreuz  an 
einer  Stelle  so,  daß  die  y  Null  sind,  so  müssen  es  auch  die  X^, 
Y^  usw.  sein.  (Alle  Orößen  in  bezug  auf  dieses  Achsensystem  mögen 
durch  zwei  Striche  ausgezeichnet  werden.) 

Aus  Sj«nmetriegründen  muß  dann  femer  sein 

Denn  bei  Yertauschung  der  y-  und  £f-Achse  muß  z.  B.  XJ'  un- 
geändert  bleiben,  d.  h.  XJ'  kann  außer  von  sj'  nur  von  6^"  +  £,"  ab- 
hängen. 

Führen  wir  nun  die  Funktion 

ein,  die,  durch  die  Invarianten 

C+  V'+  c^  ^.+ ^+  «•= ^1 

und 
<-«+  V'*+  C'=  eJ+  ^/+  s;+  2(yJ.+  yj.+  yj,)  =  J,»-  2J, 

ausgedrückt,  lautet 
80  ist  ersichtlich 


Nr.  877.  §  61.    Kinetik  isotroper,  homogener  Medien.  587 

Wir  wollen  nun  zeigen^  daß  auch 

y.      dW       Y^_dW       yf_dW 

■y  f -yf 1     0fr  -y  r  yr 1    OW  y, -y- /  1    oW 

«^  ^     '  "^  "2  ä^/     ^'  -  ^y  -  2  ay,/    ^x  -  ^.  -  "2  jy- 

ist 

Beweis:  Die  Leistung  der  inneren  Spannungen  ist,  soweit  die 
Zähigkeit  in  Frage  kommt,  nach  Nr.  366  pro  Yolumseinheit 

L  —  x;e, -  r/f, -  z;b,  -  2 x/y,^ -  2  r/y,. -  2Z.>.,. 

Diese  Größe  ist  aber  ihrer  Bedeutung  nach  invariant  gegen  Eoordi- 
natentransformation,  es  ist  also  auch 

i  =  -  x/f," -  r;' v - z:'^:'  =-2w. 

Es  transformiert  sich  also 

^."C  +  y;'s;'  +  z:e," 

in 

^;*x+  Y;^,+  Z:a,+  2X;y.,+  2Y>,.+  2Z;y„, 

gleicl^ltig,  wovon  die  X^  usw.  abhängen. 

Wie  die  e,  y  transformieren  sich  aber  natürlich  auch  irgend- 
welche virtuelle  dsy  dy,  weil  es  sich  um  lineare  Transformationen 
handelt.     Also  ist  auch 

xj'ds:'+Y;'da;'+z,"ds:' 

Nun  ist  aber  die  linke  Seite,  wie  wir  sahen. 

0  ff  ^    ff  ,  c  yy  ».   ff  ,  d  ff  ^   et      *  jjr 

also  ist  dasselbe  die  rechte  Seite,  d.  h.,  wie  behauptet, 

-^fdW 

A  ^  =  ^       usw. 

Da  aber 

W=\vJ*-^\k{J*-2J,) 

-  I V (£.+  .,  +  «.)*  +  I A  (*/  +  ./  +  f/  +  2yJ.  +  2y,».  +  2/,,) 

war,  so  ergeben  sich  als  endgültige  Ausdrücke  der  Zähigkeits- 
dyade: 


588  Xn.   Einleitang  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.         Nr.  878. 


u  ,   cv 


Aus  den  allgemeinen  Bewegungsgleichungen 
aber  wird 


(I) 


{v  die  Geschwindigkeit  mit  den  Komponenten  ü,  v,  u^). 

Dies  sind  die  Bewegungsgleichungen  zäher  Flüssigkeiten.  Dabei 
können  jetzt  u,  v,  w  als  Ortskoordinaten  eines  Flüssigkeitsteilchens 
aufgefaßt  werden. 

Sind  V,  X  konstant,  wie  es  bei  gleichmäßig  verteilter  Temperatur 
sein  wird  (siehe  Nr.  378),  so  lauten  die  Gleichungen: 

^id  =  x-^+{v+  ^  a)  ^  div  V  +  l  X^v  QT) 

wo   z/ ==  diva_  =  ^   ,  +  ^-i  +  .    ,)• 

378.  Über  die  Z&higkeitskoef&zlenten  v,  X.  Die  Zähigkeit 
hat  die  Eigenschaft,  Energie  zu  verzehren.  Es  muß  also  die  Leistung 
h  stets  negativ,  W,  die  sogenannte  Dissipationsfunktion,  eine 
positive  Funktion  sein  (Lord  Rayleigh). 

Da  nun  Bewegungen  möglich  sind,  für  welche  divv^-O  ist  (siehe 
die  folgende  Nummer),  so  muß  sicher  A  >  0  sein. 


Nr.  879.  §  61.    Kinetik  isotroper,  homogener  Medien.  589 

Ferner  erkennt  man  leicht,  dafi^  wenn  W  stets  positiv  sein  soll, 
also  auch 

(V  +  A)(£.»  +  £/  +  O  +  2 V(£,«,  +  *,£.  +  6.0  >  0 

sein  soll^ 

3i;  +  A>0, 
also  * 

sein  muß.  Denn  bei  gegebenem  «:»*+«/+ f,*  erreicht  *:B^y+«y*,+  «A 
seinen  größten  Wert  für  «;r  '^  ^y "™  *»  • 

X  ist  nun  für  viele  Flüssigkeiten  und  Gase  bekannt,  es  ist  sehr 
von  der  Temperatur  abhängig.    Z.B.  ist  für  Wasser  nach  0.  E.  Meyer 

für  eine  Temperatur  von  10,P     15,5<>     17,9»    21,6«  Celsius 

A-IO*-  157,1    136,1    129,1    118,1    im  C.  G.  S.-System. 

Eine  empirische  Formel  für  Wasser  (Temperatur  0*  in  Celsius- 
graden) ist 

X_        0,0178 

"i*  ^  1  +  0,083679  ^  +  0,Ö0022099>  ' 

Man  nennt  A  den  Zähigkeitskoeffizienten.  Von  v  dagegen,  das 
nur  bei  Gasen  eine  Rolle  spielt,  weiß  man  noch  nichts. 

Noch  einige  Daten  mögen  zur  Illustration  gegeben  werden:  bei 
mittlerer  Temperatur  (ca.  20«)  ist  A 

für  Gase         0,0001  bis  0,0002, 
für  Wasser    0,013, 
für  Rüböl       1,7, 
für  Glyzerin  etwa  8. 

379.  Did  Kontiniiltfttsgleiohimg.  In  den  Bewegungsglei- 
chungen  (I)  aus  Nr.  377  sind  w,  t;,  w^  p,  (i  als  abhängige  Variabele 
aufzufassen.  Als  vierte  Gleichung  kommt  die  Zustandsgieichung 
hinzu 

FQp,  (i,  e)  =  0.  (II) 

Als  fünfte  und  letzte  —  außer  den  rein  thermodynamischen,  die  den 
Verlauf  von  S  regeln  —  die  sogenannte  Eontinuitätsgleichung,  welche 
die  Geschwindigkeit  v  und  fi  resp.  t)  in  Beziehung  zueinander  setzt. 
Es  muß  ja  durch  die  Geschwindigkeitsverteilung  die  Änderung  des 
Volumens  gegeben  sein^ 

Betrachten  wir  ein  bestimmtes  Volumen  und  sei  v^^  v  '  v  die 
nach  außen  positiv  gezählte  Normalkomponente  der  Geschwindigkeit, 
so  kommt  in  der  Zeit  df^  durch  Verschiebung  des  Oberflächenelementes  ^jP 


590  ^n.    Einleitung  in  die  Kinetik  deformierbarer  Systeme.  Nr.  379. 

ein  Prisma  der  Basis  dF  und  der  Höhe  v^dt^'V^idt  hinzu.     Also 
ist  die  Voliuns Veränderung  einer  bestimmten  Materienmenge: 

dV^^V'vdEdL 

Das  letzte  Integral  ist  aber  nach  dem  Gaufischen  Satze  (siehe  An- 
hang III;  2)  gleich  dem  Yolumsintegral 

rf^gdivvrfF. 

V 

Also  ist  die  spegißsche  Volumsvergrößerung  (pro  Yolumseinheit 
und  pro  Zeiteinheit)  an  jeder  Stelle  diy  Vy  oder 

^,-;i-  =  div«-.  (ni) 

Das  ist  die  gesuchte  Kontinuitätsgleichung. 

(Sie  würde  auch  gelten,  wenn  das  Gesetz  der  Erhaltung  der 
Masse  nicht  richtig  wäre,  was  als  möglich  zuzulassen  bei  Diffusion»- 
Prozessen  vielleicht  angebracht  ist.^)) 

Bleibt  die  Masse  konstant,  so  ist  die  spezifische  Masse 


ft  = 


k) 


y 


also 

d  Igji d  lg_b 1^  du 

dt~  ~  dt  t)  de  ' 

und  deshalb  nimmt  die  Kontinuitätsgleichung  die  Form  an 

^  +  div«-  =  0. 

Eigentliche  Flüssigkeiten  haben  nun  im  Gegensatz  zu  den  Gasen 
die  Eigentümlichkeit,  wenig  zusammendrückbar  zu  sein,  t)  oder  ft 
ändern  sich  also  bei  normalen  Kräften  nur  wenig:  man  kann  diese 
Veränderung  oft  ignorieren,  d.  h.  ft  =  const.  setzen. 

Flüssigkeiten,  für  die  man  /i  als  konstant  ansehen  darf, 
heifien  „inkompressibel"  oder  „volumbeständig" 

Für  inkompressihle  Flüssigkeiten  ist  gemäß  (III) 

divt;-0  (fflO 

und  die  dllgemeinen  Bewegungsgleichungen  nehmen  hei  gleichförmig 
verteilter  Temperatur  die  Form  an 

fiiö  =«  X  —  ^  _  +  Xzfv.  (I) 


1)  Siehe  Jaumann:  GeBchlossenes  System  physikalischer  nnd  chemischer 
Differentialgesetze  (Sitzungsber.  d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss»  1911). 


Nr.  380.  §  61.    Kinetik  isotroper,  homogener  Medien.  591 

p,  der  Druck,  wird  eine  BeakHonskraft,  d.  h,  eine  Unbekannte^  denn 
die  ZustandsgleicJmng  wird  hei  Igrwrierung  der  Veränderlichkeit  von 
fi  hinfällig. 

Denn  sie  eben  gibt  die  Berech tigung,  ft  als  konstant  anzusehen^ 
sie  sagt,  daß  auch  bei  betrachtlich  veranderlichem  p  und  0  das  (a 
nur  unmerklich  schwankt. 

Der  Druck  leistet  bei  inkompressiblen  Flüssigkeiten  keine  virtuelle 
Arbeit,  denn  die  Arbeit  des  Druckes  ist  bei  einer  Verschiebung 
df{8u,  dv,  dw)  nach  Nr.  366 

Das  ist  aber  Null^  weil  natürlich  auch 

div  dr^O 

sein  muß  bei  einer  inkompressiblen  Flüssigkeit. 

Im  allgemeinen  Falle  —  besonders  also  bei  Grasen  —  ist  die 
Leistung  des  inneren  Druckes 

Lp^p  div t?rfF, 
also  nach  (III) 

L^^p^^^dm, 

380.  VoUst&ndiger  meohauisoh-thermodynamisoher  An- 
satz fOr  homogene  isotrope  Oase  bei  Ausschlnß  von  W&rme- 
strahlong.  Für  ein  homogenes^  isotropes  Gas  hatten  wir  bis  jetzt 
die  folgenden  Gleichungen: 

die  Bewegungsgleichungen  (siehe  Nr.  377) 

die  Eontinuitätsgleichung 

dann  nach  Nr.  374  und  372  die  Zustandsgieichungen 

e^H-  (IV) 

Das  sind  im  ganzen  sechs  Differentialgleichungen  für  die  sieben 
abhängigen  Variabelen  r,  p,  t>,  8,  @.  Denn  ^  ist  bei  gegebenem 
Medium  als  bekannte  Funktion  von  t)  und  S  anzusehen,  sowie  v  und 
l  als  bekannte  Funktionen  von  &.     Wir  brauchen  also,  um  den  An- 


592  XII.   Einleitung  in  die  Kinetik  deformierburer  Systeme.  Nr.  880. 

Satz  vollständig  zu  machen,  noch  eine  skalare  Feldgleichung.  Diese 
gibt  uns  die  Frage  nach  dem  Wärmeaustausch.  Ein  solcher  findet 
in  doppelter  Weise  statt:  durch  Leitung  und  durch  Strahlung. 

Schließen  wir  die  Strahlung  aus^  einmal  weil  sie  bei  nicht  sehr 
großen  Temperaturdifferenzen  tatsächlich  gering  ist,  dann  aber,  weil 
sie  eher  elektromagnetischen  Erscheinimgen  verwandt  ist,  die  wir  ja 
auch  ausgeschlossen  haben,  so  bleibt  die  Wärmeleitung. 

Durch  sie  wird  der  Zufluß  dq  zu  einem  Yolumelement  von  außen 
bedingt. 

Wir  wollen  uns  einen  Wärme  ström  vorstellen,  der  überall  eine 
bestimmte  Größe  und  Richtung  hat;  er  sei  also  ein  Vektor  lö. 

Er  wird  lediglich  bedingt  sein  durch  die  Temperaturverteilung  S 
und  die  Eigenschaften  des  Mediums.  Ist  dieses  isotrop  und  homogen, 
so  muß  tö  auf  den  Flächen  konstanter  Temperatur  senkrecht  stehen. 
Denn  bei  Gasen  wenigstens  wird  die  Isotropie  nicht  durch  die  Defor- 
mation verändert.     Also  ist 

d0 


lü  =-  —  tf 


df 


6  —  eine  Funktion  von  S  und  den  Eigenschaften  des  Körpers,  mög- 
licherweise auch  von  der  Deformationsdjade  abhängig  —  heißt  der 
Wärmeleitungskoeffizient.  Da  Wärme  stets  von  Stellen  höherer 
zu  solchen  niederer  Temperatur  strömt,  ist  <y  >  0. 

XO  bedingt  den  Zufluß  der  Wärme  von  außen.     Es  ist  also  für 
ein  jedes  Volumen 

gd^  .  dF=  -  dt^xö  '  vdF^dt^ö^.^  •  vdl, 

V  F  f        (*^ 

WO  V  wie  stets  die  äußere  Normale  bedeutet;  oder  nach  dem  Gauß- 
sehen  Satze  (siehe  Anhang  lU,  2) 

dS 
I  aiv  i  ^ 

V  V 

oder 

dey 


Sd«rfF  =  d^Sdiv(<y^^)dF 


d5  =  div((yj^y^  (1) 

Nun  war  aber  weiter  nach  Nr.  374 

dq  +  dq'-^  i^rfS 

und 

dq'^2Wdt, 

wo  W  die  Dissipationsfunktion  bedeutete: 


Nr.  381.  §  61.    Kinetik  iaotroper,  homogener  Medien.  593 

Also  ist 

was  mit  (1)  kombiniert  die  siebente  gesuchte  Gleichung  ergibt: 

l«|f  =  2W  +  div(4^.  (V) 

Zu  diesen  sieben  Feldgleichangen  (Gleichungen,  die  für  jede  Stelle 
des  Gases  gelten)  treten  nun  noch  Bandbedingungen  hinzu:  Ist 
das  Medium  7on  anderen  begrenzt,  so  müssen  Geschwindigkeit,  Druck, 
Temperatur  und  auch  die  zur  Grundfläche  normale  Komponente  des 
Wärmestromes  stetig  von  dem  einen  Medium  zu  dem  andern  über- 
gehen. 

Damit  schließen  wir  unsere  Betrachtungen.  Es  war  nicht  unsere 
Absich ty  auf  irgendwelche  Einzelheiten  oder  Anwendungen  einzugehen; 
der  Leser  sei  auf  die  nachgenannte  Literatur  verwiesen. 

381.  Literatur.  Die  wissenschaftliche  Hydromechanik  wurde 
von  Daniel  Bernoulli,  Euler  und  Lagrange  im  18.  Jahrhundert 
begründet.  Die  Bewegungsgleichungen  für  zähe  Flüssigkeiten  stammen 
Ton  Stokes  und  Nävi  er.  Einen  besonderen  Aufschwung  nahm  die 
Theorie  der  idealen  Flüssigkeiten,  als  Helmholtz  (in  den  Arbeiten: 
Über  „Wirbelbewegungen"  1858  und  „Über  diskontinuierliche  Flüssig- 
keitsbewegungen" 1868)  und  Kirchhoff  (siehe  seine  Mechanik)  die 
Hilfsmittel  der  modernen  Analysis,  namentlich  die  Funktionentheorie, 
der  Hydromechanik  dienstbar  machten.  Lord  Kelvin  und  andere 
bauten  die  Theorie  weiter  aus  und  gaben  neue  Impulse,  namentlich 
zu  physikalisch  -  praktischer  Anwendung  (Wellen,  Schiffswideratand, 
Ebbe  und  Flut  usw.). 

Das  Lehrbuch,  das  dem  heutigen  theoretischen  Standpunkte  der 
Hydromechanik,  namentlich  für  den,  der  Resultate  wünscht,  am  besten 
entspricht,  ist  das  von  Lamb,  deutsch  von  Friedel,  „Lehrbuch  der 
Hydrodynamik".  Ein  anderes  knapperes  Lehrbuch  ist  das  deutsche 
Ton  Wien:  Hydrodynamik.  Speziell  für  Reibungsfragen  (auch  bei 
Gasen)  ist  Brillouin:  Le^ons  sur  la  viscosit^,  Paris  1907,  vortrefflich. 
Als  Lehrbuch  für  Techniker  kann  Lorenz:  Technische  Hydromechanik 
empfohlen  werden. 

Die  neueren  Arbeiten,  so  namentlich  die  der  Engländer  (0.  Rey- 
nolds u.  a.)^),  die  von  Boussinesq,  H.  A.  Lorentz,  Sommerfeld 
und  Oseen^,  dann  die  Prandtls  in  Göttingen  und  seiner  Schüler, 


1)  Siehe   auch   die  in  Nr.  60   angefahrte  Literatur  zur  Theorie  der  ge- 
schmierten  Reibung. 

2)  Vielleicht  darf  der  YerfasBer  auch  seine  in  den  Göttinger  Nachrichten 
1911  erschienene  Note:  Zum  Turbulenzproblem,  nennen. 

Hamel:  Elementare  Mechanik.  ^-i8 


594  Xn.   Einleitimg  in  die  Eanetik  defonnierbarer  Systeme.         Nr.  381. 

gehen  auf  eine  teils  experimentelle,  teils  theoretische  Behandlung  der 
schwierigen  turbulenten  Bewegungen  und  der  durch  sie  YeranlaBten 
Eraftwirkungen  aus.  Die  Bedeutung  der  hier  in  Frage  kommenden 
Erscheinungen  fOr  die  Luftschiffahrt  liegt  auf  der  Hand.  Es  sei  dies- 
bezüglich auf  die  neue  Zeitschrift:  ^^Flugtechnik  und  Motorluftschiff- 
fahrt'' und  das  Buch  von  Lanch^ster,  deutsch  von  Runge:  Aero- 
dynamik, ein  Werk  über  das  Fliegen,  hingewiesen. 

Von  Seiten  wissenschaftlich  arbeitender  Techniker  (Prasil,  Sto- 
dola,  Lorenz,  t.  Mises  u.  a.)  werden  neuerdings  erfolgreiche  Vor- 
stöfie  gemacht,  die  Theorie  der  Wasserturbinen  usw.  mechanisch- 
wissenschaftlich zu  begründen.  Es  darf  hier  vielleicht  darauf  hin- 
gewiesen werden,  dafi  demnächst  (bei  Teubner)  ein  Buch  von  y.  Mises: 
Technische  Hydromechanik  erscheinen  wird. 

Die  turbulente  Bewegung  der  Gase  mit  Beachtung  der  Thermo- 
dynamik ist  noch  wenig  untersucht.  Der  Entropiebegriff  stammt  von 
Glausius  (1867/69).  Eine  aziomatische  Begründung  der  Thermo- 
dynamik enthält  der  Aufsatz  von  G.  Caratheodory:  Untersuchungen 
über  die  Grundlagen  der  Thermodynamik,  MaÜi.  Ann ,  Bd.  67,  1909. 
Als  Lehrbücher  der  Theormodynamik  seien  in  erster  Linie  genannt: 
Kirchhoff:  Theorie  der  Wärme,  Planck:  Vorlesungen  über  Thermo- 
dynamik, Voigt:  Kompendium  der  theoretischen  Physik,  und:  Thermo- 
dynamik (Sammlung  Schubert),  Lorenz:  Technische  Physik,  Bd.  IT, 
Zeuner:  Technische  Thermodynamik,  Weyrauch:  Grundriss  der 
Wärmetheorie. 

Endlich  ist  wieder  auf  die  Enzyklopädie  der  math.  Wissen- 
schaften hinzuweisen:  in  Bd.  IV,  Teil  11,  1.  Hälfte  (Hydromechanik) 
sind  es  die  Artikel  von  Abraham,  Love,  Finsterwalder,  Granz, 
Zemplen,  Forchheimer,  Grübler,  Kriloff  und  Müller,  die  in 
Betracht  kommen,  in  Bd.  V  (Physik),  Teil  I,  B  (Thermodynamik)  die 
Artikel  von  Bryan,  Hobson  und  Diesselhorst,  Schröter  und 
Prandtl. 


Skizze  einer  Yektoranalysifl.  595 


Anhang. 

Skizze  einer  Vektoranalysis. 

!•  Yektorreehiinng. 

1.  Ein  Vektor  ist  eine  Strecke  von  bestimmter  Größe  und  Rich- 
tung: Wir  schreiben  r  und  sprechen:  r-Vektor.  Zwei  Vektoren  sind 
dann  und  nur  dann  einander  gleich^  wenn  sie  parallel  und  gleicher 
Grofie  und  Richtung  sind. 

Dazu  genügt^  daß  ihre  orthogonalen  oder  parallelen  Komponenten 
(d.  i.  Projektionen)  nach  drei  nicht  in  einer  Ebene  gelegenen  Rich- 
tungen einander  gleich  sind  unter  Berücksichtigung  des  Vorzeichens. 

2.  —  f  ist  der  zu  f  entgegengesetzt  gerichtete  parallele  Vektor 
gleicher  absoluter  Größe. 

Ist  X  eine  positive  Zahl,  so  sei  Xf  der  Vektor,  der  mit  r  gleiche 
Richtung  hat,  dessen  Länge  aber  A  mal  so  groß  sei.  Ist  A  negativ, 
so  drehe  sich  noch  der  Sinn  um.     Man  erkennt  sofort,  daß 

il(jLtf)  «  jtt(AF)  =  /iXr 

ist,  mögen  nim  A,  fi  positive  oder  negative  Zahlen  sein. 

3.  Man  addiert  zwei  Vektoren  a,  &:   c  =  a  +  6,  indem  man  sie 
ungeändert  nach  Größe  und  Richtung  aneinander 
setzt:  c  ist  dann  der  Vektor  vom  Anfangspunkt 
des   ersten  zum  Endpunkt  des  zweiten  Vektors. 

Ebenso  sei 

Ö  ~  6  —  ä  +  (—  6).  Pig.  867. 

Man  sieht  nun  leicht  die  Richtigkeit  folgender  Sätze  ein: 

a)  a  +  6«5  +  ä  (kommutatives  Gesetz), 

b)  a  +  (6  +  c)  =  (ä  +  &)  +  c  (assoziatives  Gesetz), 

c)  A(a  +  6)  «=  Aö  +  a5  (distributives  Gesetz). 

4.  Das  innere  Produkt  zweier  Vektoren  a  und  6:  a  •  5  (sprich 
o- Vektor  „in"  fe- Vektor)  ist  ein  Skalar,  d.  h.  eine  gemeine  Zahl,  gleich 
dem  Produkt  aus  den  Längen  beider  Vektoren  und  dem  Kosinus  des 
eingeschlossenen  Winkels:  a  •  &  «»  ab  cos  (ä{  &).  Aus  der  Definition 
folgen  sofort  die  Sätze 

a)  a  •  &  «  fc  •  ä  (kommutatives  Gesetz), 

b)  ä  •  (5  +  ^)  =  ä  •  6  +  a  •  c  (distributives  Gesetz). 

38* 


Fig.  S68. 


596  Anhang. 

Dieses  Gesetz  ist  sofort  einzusehen,  wenn  man  bedenkt^  daß  auch  ä-b 
gleich  ist  der  mit  der  Länge  von  ä  multiplizierten  Projektion  von  b 
auf  die  Richtung  von  ä  und  daß  die  Projektion  einer  Summe  zweier 
Strecken  gleich  der  Summe  der  Projektion  der  beiden  Strecken  ist. 

c)  (Xa)  •  5  =  Aä  •  6. 

d)  ä'b  ist  NuU  (außer  wenn  ä^O  oder  6  —  0),  nur  dann  noch, 
wenn  ä  und  b  senkrecht  aufeinander  stehen. 

5.  Das  äußere  Produkt  zweier  Vektoren  ä  und  b:  ab  (sprich: 
a-  über  6-Vektor)  ist  ein  Vektor  (daher  die  Schreibweise).    Er  steht 

senkrecht  auf  der  Ebene  der  Vektoren  ä  und  b  (daher 

der  Name)  und  ist  so  gerichtet,  daß  Ton  ihm  aus  ge- 

foB  sehen  ä  zur  Rechten,  b  zur  Linken  liegt.  Seine  Gh'öße  ist 

:a6'  ^  ab  8in(a|6). 

Man  kann  den  Vektor  ab  auch  so  entstehen  lassen: 
man  bilde  die  Projizierende  Ton  b  auf  ä]  es  sei  dies  p, 
multipliziere  p  mit  der  Länge  von  a  und  drehe  dann 
um  ä  rechts  herum  durch  einen  rechten  Winkel.  Aus 
der  ersten  Definition  erkennt  man  sofort 

a)  ab^'  —  ba  (Ersatz  des  kommutativen  Gesetzes). 

Aus  der  zweiten  gleichwertigen  Definition  erkennt  man 

b)  a(fe  +  c)  =  ab  +  ac, 

denn  die  einzelnen  Operationen,  aus  denen  die  Bildung  des  äußeren 
Produkts  mit  ä  zusammengesetzt  werden  kann,  sind  augenscheinlich 
distributiv. 

c)  (ka)b  «=  kab, 
wenn  X  ein  Skalar  ist. 

d)  ab  gleich  Null  i^außer  für  ä  =^0  oder  b  —  0),  nur  dann  noch, 
wenn  ä  imd  b  gleiche  oder  entgegengesetzte  Richtung  haben. 

6.  Statt  der  für  die  Multiplikation  fehlenden  assoziativen  Ge- 
setze (es  ist  augenscheinlich  (ä  •  fe)c  nicht  gleich  ä(jb  -  c)  und  ebenso- 
wenig a(bc)  gleich  lab)c)  bestehen  zwei  weitere  Gesetze,  die  jene  in 
gewissem  Grade  ersetzen  können,  nämlich 

a)  der  Vertauschungssatz: 

ä  '  bc  =  b  '  cci  ==  c  •  ab. 

Man  sieht  diesen  Satz  sofort  als  richtig  an,  wenn  man  sich  überlegt, 
daß  diese  drei  Ausdrücke  nichts  anderes  bedeuten  als  den  sechsfachen 
Inhalt  des  aus  den  vom  Punkte  0  ausgeheuden  Vektoren  a,  b,  c  ge- 
bildeten Tetraeders,  dessen  Inhalt  positiv  gerechnet,  wenn  bei  Um- 
kreisung des  Tetraeders  in  der  Reihenfolge  ä,  b,  c  das  Tetraeder  zur 
Linken  liegt. 


Skizse  einer  VeKtoianalysis. 


597 


"^   b)  Der  Entwicklungssatz: 

a(hc)  =  biß  •  c)  —  c(ß  •  5). 

Man  sieht  sofort  ein,  daß  der  Vektor  der  linken  Seite  in  der  Ebene 
durch  b  und  c  liegt,  daß  also 

a(ftc)  ^  /S5  +  yc. 

wo  ß,  y  irgend  zwei  Skalare  sind.     Da   er  femer   auf  3  senkrecht 
steht^  folgt  durch  Bildung  des  inneren  Produktes  mit  a 

0  ^  ßä  'b  +  yä  '  c 


oder 
oder 


ß  ^m  q  '  a  '  c 


—  if  '  a  'b 


a(bc)  =  p(6(a-g)  —  da-b)). 

Daß  nun  jetzt  p  gleich  1  ist,  bedarf  noch  eines  etwas  längeren 
Beweises,  den  wir  kurz  skizzieren:  1.  Für  den  Fall  ä  ^bc  ist  der 
Satz  trivial.  2.  Für  a -^  6  ist  16  •  6c  •_— 6V  8in*(5]c),  aber  auch 
|6(6.c)-c6»|»-6V-6*(6.c)«=-6Vsin>(61c).  Mithin  ist  hier  p-±  1. 
Daß  p  I»  1  ist,  folgt  für  den  Fall  6  •  c  «  0  aus  der  Anschauung,  fÖr 
die  andern  Falle  aus  Stetigkeitsgründen.  3.  Ebenso  beweist  man  den 
Satz  für  ä  =^  c.  4.  Im  allgemeinen  Falle  kann  man,  wenn  nicht 
6c  —  0  ist  —  was  trivial  ist  —  a  in  der  Form  x6  +  yc  +  ^bc  dar- 
stellen. Wegen  der  distributiven  Multiplikationsgesetze  gilt  aber  der 
Satz  auch  für  ä^  xu  +  yv  +  zw^  wenn  er  für  ö,  0,  W  gilt. 

Wir  bemerken  noch,  daß  der 
Satz  p  =»  1  ein  Satz  der  sphärischen 
Trigonometrie  ist;  seien  nämlich 
ä,  6,  ?  drei  Einheitsvektoren,  d.  h. 
Vektoren  der  Länge  1,  ABC  das 
von  ihren  Endpunkten  gebildete 
sphärische  Dreieck,  so  sagt  p  »■  1 
dasselbe  aus  wie 


sin  a  cos  h^  « 


Fig.  »59. 


7ig.t6a 


ycos*  6  +  cos*c  —  2  cos a  cos  6  cos  c. 

Aus  Vertauschungs-  und  Entwicklungssatz  folgen  noch  zwei  nütz- 
liche Sätze: 

c)  ab  '  cd'^  (ä-  c)(5  •  J)  —  (a •  d)(6  •  c) 

(nach  dem  Yertauschungssatze  ist 

ab  -  cd  ^c  'll{ab) 

und  auf  das  letzte  dreifache  Produkt  wende  man  den  Entwicklimgs- 
satz  an). 


598  Anhang. 

Dieser  Satz   ist   übrigens    identisch  mit  einem   Satz  von  Ga^ß 
über  das  sphärische  Viereck  (Fig.  260),  nämlich 

sin  a  -  sin  c  •  cos  x  »  cos  h  -  cos  d  —  cos  e  •  cosf. 


d)  a{bc)  +  b{ca)  +  c{ab)  «  0. 

Um  ihn  zu  beweisen,  braucht  man  nur  jedes  der  drei  dreifachen  Pro- 
dukte zu  entwickeln. 

n.  Yektorgeometrie. 

1.  Seien  s^,  s^,  i^  drei  zueinander  orthogonale  Einheitsvektoren, 
also  «1*=«  *!*■=*  h^'^  1;  ii  •  «8=»  0  usw.  (ä*  sei  stets  ä  •  a  »  |öl"),  so 
kann  man  jeden  Vektor  ä  darstellen 

wo  a^,  Ol,  o^  die  orthogonalen  Komponenten  von  ä  nach  dem  durch 
Si,  l^f  fg  bestimmten  Achsenkreuz  sind. 

Durch  AusmultipUkation  Ton 

mit 

b  =  b^s^  +  6,6,+  fejij, 

und  zwar  Bildung  des  inneren  Produktes,  findet  man 

sofort 

ö  •  6  «—  «ifc,  +  öj^ji  +  aj6, .  (a) 

Fig.  sei. 

Durch  Bildung  des  äußeren  Produktes  und  Beachtung 

des  Umstandes,  daß 

fij£j  «=  «3  usw. 

wenn  die  Achsen  e^,  1^,  e^   ein  rechtshändiges  System  bilden  (etwa 
ij  nach  rechts,  i,  nach  hinten,  1^  nach  oben) 

ab  «•  Si{a^b^—  a^b^)  +  ^iia^b^  — a^b^)  +  ««(«lÄ»  —  a,6i).        (b) 
Daraus  folgt  dann  weiter  leicht,  daß 

1  a^     a,     a, 
a  •  6  c  =  '  &i     6|     ftj  7 

wodurch  die  Vertauschungsformel  in  Evidenz  gesetzt  ist. 

2.  Gleichung  der  Geraden.  Eine  Gerade  kann  gegeben  wer- 
den durch  den  festen  Vektor  ä  von  einem  Punkte  0  aus  zu  einem 


Skizse  einer  Yektoranalysis.  599 

festen  ihrer  Punkte  und  durch  einen  Vektor  i,  der  ihre  Richtung  an- 
gibt.   Der  Vektor  x  nach  einem  beliebigen  ihrer  Punkte  X  ist  dann 

^  =»  a  -h  fi  •  5,  (a) 

wo  8  einen  yariabelen  Parameter  darstellt. 

(a)  heißt  die  Parametergleichung  der  Geraden.     Man  kann  s 
aus  (a)  eliminieren  durch  Bildung  des  äußeren  Pro- 
duktes 

BX  =  eä.  (b) 

Diese  Gleichung  ist  mit  (a)  vollkommen  identisch,  denn 
aus  ihr  folgt 

6(x  — a)  — 0,  •        0 

d.  h.  vermöge  I,  5,  d) 

^  —  a  =  i  •  s. 

Setzt  man  £a  »  S;  so  steht  h  auf  i  senkrecht,  ist  sonst  aber  be- 
liebig, also  lautet  die  Gleichung  der  Geraden  auch 

EX^b,  (c) 

wo  aber 

i'b^O  (d) 

sein  muß. 

Gleichung  (c)  heißt  die  Plöckersche  Gleichung   der  Geraden, 

i,  b  die  Plückerschen  Vektoren.     Je   zwei  Vektoren  i,  6,    welche 

aufeinander  senkrecht  stehen,  d.  h.  (d)  erfüllen,  bestimmen  eine  Gerade 

eindeutig. 

3.  Sei  r  eine  stetig  differentiierbare  Funktion   eines   Skalars  t, 
d.  h.  seien  es  die  Komponenten  x,  y,  z  von  r,  so  kann  man 

f  =  f  (0 

als  Parametergleichung  einer  Kurve  auffassen:    tt  mit  den  Kom- 
ponenten -jTf    ,^,    ,     ist  dann  tangential  an  die  Kurve  gerichtet  im 

Sinne   wachsender  ty   seine  Größe   ist   ^  ,  wo  ds  das  Bogenelement 
bedeutet  (siehe  Nr.  18). 

4.  Etwas  über  Differentialgeometrie  der  Raumkurven 
Es  seien  ^,  v,  v'  drei  Einheitsvektoren,  deren  Richtungen  in  die 
Tangente,  Normale  und  Binormale  der  Kurve  fallen,  welche  also  das 
sogenannte  natürliche  Koordinatensystem  der  Kurve  geben,  so  daß 

6v  =  v\     vv  —  5,     V  6  =  V.  (a) 


600  Anhang. 

Wir  wissen  schon,  daß 

de       1  -  ., . 

ist,  wo  Q  den  Erümmungsradins  bedeutet  (siehe  Nr.  26).     Nun  folgt 
aus  V  ^6v  und  (b) 

dv*         dv  ^ 

ds  ds ' 

also  steht  -^-  auf  tf  senkrecht. 
ds 

Wegen 


ist  aber 


also  steht  ^—  auch  auf  v'  senkrecht.    Deswegen  muB  sein 

dv'       l  -  .  , 

q'  heißt  der  Torsionsradius.     Für  eine  ebene  Kurve  (i/'«const) 
ist  er  Null. 

Um  drittens  ^-    zu  finden,  differentiieren  wir 


Das  gibt  in  Verbindung  mit  (a),  (b),  (c) 

dv  1  -.,       1  -  .  . 

d7  =  - 7'' ->-«»•  (d) 

Man  nennt  die  Formeln  (b),  (c),  (d)  die  Frenetschen  oder  Serret- 
schen  Formeln. 

Beim  Fortgang  längs  einer  gekrümmten  Kurve  wird  das  natür- 
liche Koordinatensystem  eine  Drehung  dx  erleiden.     Setzen  wir 

dr       -/ 
ds 

Dann  ist  nach  der  Eulerschen  Formel  (siehe  Nr.  263) 

d<f        -7—      dv        -f-      dv'      — 7-  >  f  ^ 

Vergleichen  wir  (e)  mit  (b),  (c),  (d),  so  bekommen  wir 

"^       1  - 

Ol  tf  «  — V, 

-r-  1  -/       1  -. 

-  —      1  - 

0}  1/  =-=  —  v. 


Skizze  einer  Vektoranalysis.  601 

Setzen  wir  an: 


CD  — »  Ad  +  /*v  +  "^v , 

so  bekommen  wir  aus  den  vorstehenden  Formeln  in  Yerbindong  mit 
(a)  leicht 

oder 

da  Q  Q  ^  ' 

Es  besteht  also  die  Drehung  des  natürlichen  Koordinatensystems 
aus  einer  Drehung  um  die  Tangente  (die  Torsion)  und  aus  einer 
solchen  um  die  Binormale  (die  Biegung  oder  Krümmung);  die  ent- 
sprechenden Winkel  sind r  und  —  =  da,  der  sogenannte  Kontin- 

genzwinkeL 

5.  Sei  U  eine  stetig  differentiierbare  Funktion  des  Ortsvektors  f, 
d.  h.  Ton  Xy  y,  z,  seinen  drei  Komponenten,  so  ist  U{r)  «  const.  eine 

Flachenschar.  ^— ,  ^  ^  r.  -  sind  dann  die  Komponenten  eines  Vek- 
tors, den  wir  Gradienten  nennen  und 

grad  U    oder    j=  ü 
schreiben,  denn  es  ist 

d  27  »»  ^^—  dx  4-  -Ti —  dv  4-  -tn—  ds!  ^  -v—  •  dr, 
dx        ^  dy     ^  ^  dz  df 

Man  sieht  leicht,  daß  -^     auf  den  Flächen  TJ^  const.  senkrecht  steht 

und  daß  seine  Größe  -^r-  ist,  wo  dn  in  der  Normalrichtung  ge- 
nommen ist. 

-  ^  heißt  das  „Gefälle^  Ton  ü  (siehe  Nr.  88). 

6.  Sei  t;  eine  Funktion  von  r,  so  sind  zwei  Ableitungen  von  be- 
sonderem Interesse, 

a)  eine  skalare,  die  Divergenz 

dx        dy       dz 

i^xj  ^yj  ^M  <^iö  rechtwinkligen  Komponenten  von  !;), 

b)  eine  vektorieUe,  der  Rotor 

rot»  -  e,[^  -  dz)  +  'AdJ  -  dx)  +  ^'Kdi       dy) 

Daß  die  Divergenz  tatsächlich  ein  Skalar  ist,  dessen  Wert  von  der 
Wahl  des  Koordinatensystems  unabhängig  ist  und  ebenso  rot  v  ein 
Vektor,  erkennt  man  am  besten  in  folgender  Weise: 


602  Anhang. 

Man  kann  v  als  Geschwindigkeit  eines  augenblicklich  an  der 
Stelle  r  befindlichen  Punktes  auffassen ,  vdt  als  seine  infinitesimale 
Verschiebung:  dx  =  t?^d^,  dy  «  v^dt,  dg  «  v^dt  Dann  ist  die  relatiTe 
Verschiebung  zweier  um  dr  verschiedener  Punkte 

USW. 

Die  hierdurch  ausgedrückte  linear  homogene,  infinitesimale  Trans- 
formation oder  Affinitat  läßt  sich  aber  nach  Nr.  365  in  zwei  zer- 
legen, in  eine  reine  mit  dem  Eoeffizientenschema 

USW. 

mit  symmetrischer  Deteiminante  und  eine  Drehung,  deren  unendlich 
kleiner  Vektor  eben 

-^  Totvdt 

ist 

Damit  ist  der  yektorielle  Charakter  des  rot  v  dargetan  und  zu- 
gleich sein  Name  erklärt. 

Die  Divergenz  ist  aber,  mit  dt  multipliziert,  nichts  anderes  als 
die  erste  Invariante  der  reinen  Affinität  (siehe  Nr.  365). 

7.   Man   hat   einen   symbolischen  Vektor  V   (sprich:   „Nabla*^ 

eingeführt  mit  den  Komponenten  k-  ,  x— ,  ^    •   Noch  besser  bezeichnet 

man  ihn  mit  j=  •     Dann  schreibt  sich  naturgemäß 

divt;  =- V  •  v  =- j.  •  v, 

dr       ' 


rotv  =  Vv  ^  -j^vi 

dr     ' 

denn  die  Bildungen  sind  die  ganz  analogen  wie  bei  den  verschiedenen 
Produkten. 

nL  Tektorintegrale. 

1.   Der  Öaußsche  Satz.     Es  liege  ein  bestimmtes  Volumen   V 
vor,  dann  ist  das  Integral  über  dieses  Volumen 


pi^^-f^ 


cos(i/,  x)dF, 


Skizze  einer  Vektorftnalysis.  603 

WO  das  Integral  der  rechten  Seite  über  die  Oberfläche  F  des  Volumens 
zu  erstrecken  ist  und  v  die  äußere  Normale  angibt.     TT  mufi  eine 
stetig  differentiierbare,  eindeutige  Funktion  des  Ortes  sein. 
Beweis:  Es  ist 

wenn  bei  festem  y,  9  die  Grade  y  =^  const.^  e  »  const.  das  Volumen 
z.  B.  viermal  trifft  (siehe  Fig.  263). 
An  den  Austrittsstellen  ist  aber 
dy  de  =  dF  cos  (v,  x),  an  den  Ein- 
trittstellen dyda^^dF  cos  (v,  x). 
^Llso  ist  tatsächlich 


P^dr  =  fucos(y,x)dF, 

WO  jetzt  alle  Flächenelemente  dF  Fig.s6s. 

rechts  Torkommen.  18:^ 

2.  Anwendung  des  Gaußschen  Satzes  gibt 
)     I  diYV  '  dV ^  I  (v^  cos (v, X)  +  Vy  cos (v,  y)  +  v^  cos  (v, z)) dF 


a^ 

V 


-U, 


dF. 


wenn  v^  die  Komponente  von  t;  nach  der  äußeren  Normalen  bedeutet. 
b)  Der  Gaubsche  Satz  kombiniert  mit  partieller  Integration  ergibt 

r^  al  d  V  =fwUcoa  (v,  x)dF  -J^  Ud  V. 


9> 
V 


Eine  Anwendung  davon  ist  der  folgende  Satz  von  Green: 

V  V  V 

wobei 

ist. 

3.  Endlich  sei  noch  ohne  Beweis  der  Stokessche  Satz  mitgeteilt, 
den  wir  im  Buche  nicht  gebraucht  haben:  F  sei  ein  zweiseitiges 
Flächenstück  mit  dem  Rand  s.     Eine  seiner  Normalen  sei  durch  v 


604 


Anhang. 


auBgezeiclinety  ds  sei  ein  gerichtetes  Bogenelement  des  Randes  und 
j^  zwar  so  gerichtet,  daß  v  zur  Linken  liegt. 

Dann    ist    der    sogenannte    Umlauf   des 
^      Vektors  v 


fv .  d-s  ~J. 


rot^  -vdF, 


Fig.  264. 


also  gleich  dem  Durchfluß  des  Rotors  durch 
die  Fläche. 


IT.  Elemente  der  Dyadenrechnnng. 

1.  Unter  einer  Dyade  verstehen  wir  das  Schema  von  neun  Größen: 

«1     ^1     ^1 


a. 


h     ^ 


welche  einen  Vektor  f{x,yj0)  homogen  linear  in  einen  Vektor  uix^yX^^x^) 
transformieren: 

x^  =  a^x  +  \y  +  c^ßy 

x^=^a^x  +  h^y  +  c^gy 

Ist  6i-=aj,  ^  =  0^3»  ^=^8;  8^  heiße  die  Dyade  symmetrisch. 

Nennen  wir  die  Dyade  A^  so  schreiben  wir  die  Transformation 

ü  ^  A  -f. 
Die  Dyade 

«1       «2       ^8 

\     h     h 

^1        ^2        ^8 

heißt  die  zur  ersteren  konjugierte. 

Zu  jeder  nichtsymmetrischen  Dyade  gehört  ein  Vektor  mit  den 

Komponenten 

1 


CO 


2  C*8  -  Ci), 

2=  y(^-»8)| 
Ö8=y(ö2-^i)- 

Daß  dies  tatsächlich  drei  Vektorkomponenten  sind;  erkennt  man  daran, 
daß  sie  die  Komponenten  der  Drehgeschwindigkeit  sind,  wenn  man 
die  Formeln 


Skizze  einer  Vektoranalysis.  605 

x^dt  =  a^dtx  +  \dty  +  c^dtg  usw. 

als  infiniteBimale  lineare  Transformationen  auffaßt  (siehe  Nr.  365). 
Aus  demselben  Grrunde  folgt,  daß  jeder  symmetrischen  Dyade 

a    h    g 

h     b    f 

9    f    c 

eine  Mittelpunktsfläche  zweiter  Ordnung  zugeordnet  ist,  die  Deforma- 
tionsfläche 

ax*  +  fey*  +  cz^  +  2hxy  +  2gxz  +  2fxy  «  const. 

Nach  den  bekannten  Sätzen  über  Flächen  zweiter  Ordnung  hat 
eine  symmetrische  Dyade  drei  Inyarianten,  d.  h.  drei  Größen,  die  bei 
Eoordinatentransformation  ungeändert  bleiben.  Das  sind  entweder  die 
Längen  der  drei  Hauptachsen  der  Deformationsfläche  oder,  wenn  man 
sie  rational  will,  die  drei  Koeffizienten  der  die  Hauptachsen  bestim- 
menden Gleichung  dritten  Grades,  also  nach  Nr.  364 

Ji  —  a  +  6  +  c,   der  erste  Skalar, 

eTJi  =  a6  +  &c  +  CÄ  —  {p  +  g^+  A'),    der  zweite  Skalar, 

a    h    g 

J^'^  \h     b    f  j  der  dritte  Skalar. 

\9    f    c\ 
2.    Man   kann   ein   vollständiges  Produkt   zweier  Vektoren  ä,  b 
bilden,  nämlich  die  Dyade 

^iK     ^ih     ^ih 
a,fe,     a^b^     a^b^ 

«8*1       «8^2       ^8^3- 

Daß  dies  wirklich  eine  Dyade  ist,  erkennt  man  daraus,  daß 

a^b^x^  +  a^b^x^  +  dib^x^   usw. 

die  Komponenten  eines  Vektors  sind,  den  man  in  der  Vektorsprache  als 

ä(Jb  •  x) 
zu  bezeichnen  hat. 

Nennen  wir  die  obige  Dyade 

so  ist 

(ä;  b)  '  X  ^  ä(b'X), 

womit  ein  neues  assoziatives  Gesetz  aufgestellt  ist.    (6;  ä)  ist  die  kon- 
jugierte Dyade  zu  (ä;  6). 

Man  sieht  ferner,  daß  der  Vektor  des  dyadi  sehen  Produktes  das 
halbe  äußere  Produkt,  der  erste  Skalar  das  innere  Produkt  beider 
Vektoren  ist. 


606 


[Anhang. 


3.  Man  kann  noch  (nach  Jaumann)  ein  zweites  dyadisches  Pro- 
dokt  zweier  Vektoren  ä,  b  bilden,  das  freilich  nicht  unabhängig  Tom 
ersten  ist^  nämlich 

+  Ol  6g       —  a^fei  —  0,63       +  0^6, 

Man  sieht,  daß 

(a>:6)  =  -(ä.6)/+^;a), 

wo  ly  der  Idemfaktor,  die  Identitätsdyade 

10     0 

0     10 

0    0     1 
bedeutet. 

Der  Wert  dieser  Neueinführung  beruht  auf  einem  neu  zu  ge- 
winnenden assoziativen  Gesetz  der  äußeren  Multiplikation;  es  ist 


(ax  6)  •  rc  =  a(hx), 

wie  man  leicht  erkennt. 

4.   Auch  die  vollständige  Ableitung   eines  Vektors   nach  einem 
Vektor  ist  jetzt  definierbar: 

^-  ist  die  Dyade,  welche  dr  in  du  transformiert,  also  die  Dyade 

dz 

du. 


A^ 


- 


so  daß 


?*^ 

du^ 

dx 

dy 

?»i 

dx 

dy 

d^i 

cu^ 

ex 

dy 

du^ 

A '  dr. 

dz 

du, 
dz  . 


Der  erste  Skalar   dieser  Dyade  ist  divu,   der  Vektor  ist  der  halbe 
Rotor.    Man  schreibt  übrigens  besser  ^  «=  (m;  v=)  ,  denn  es  ist  wohl 

-     d 


(«;  ^_).dr  =  rfw, 


aber  es  ist  z.  B.  \u\  ^-)-«  nicht  etwa  gleich  y^-(w*).     Letzterer 
Vektor  ist  vielmehr  gleich  (,_;  wj-tt,   wo   (,_;«)    die    konjugierte 

Dyade  von  (ü;    ,-j  ist. 

Wegen   alles  Weiteren   ziehe   man   Gibbs,   Vektoranalysis   und 
Jaumann,  Grundlagen  der  Bewegungslehre  zu  Rate. 


Verzeichnis  nnd  Auflösung  der  Aufgaben. 

(Die  eingeklammerten  Nummern  hinter  dem  Stichwort  geben  die  Nummern  des 

Baches  an.) 

1.  Graphischer  Fahrplan  (Nr.  14). 

2.  Mittlere   Geschwindigkeit   eines   Zuges   (Nr.  17):    v  ^ 
19^4  m/sec. 

3.  Rotierendes  Rad  (Nr.  17):  C7—  10,47  (sec-^);  v^  12,57  m/sec. 

4.  Laternenaufgabe  (Nr.  17):  v  —  3  m/sec. 

5.  Winkelgeschwindigkeit  der  Erde  (Nr.  17): 

29r 


o  = 


=  7,29.  10 -^ 


86164 

V  =  6370  .  10» .  cos 


6 


(D  =  401,2  m/sec. 


6.  Lissajouseche  Figur  (Nr.  20):  i«0  und  y  — 0  für  t 
— ,  —  usw.^)  Periode    das  kleinste  gemeinsame 


2  ' 


2 


2n 


YielfiAche  Ton  n  und     -,  d.  h.  2;r.    In  den  Ecken 
Ä,  B  kehrt  die  Bewegung  auf  derselben  Kurve  um. 


7.  Schraubenbewegung  (Nr.  20): 

_  .  h  / 

r:  rc  «  a  coB-ö",  y  ^  a  Bind;  jbt  =  .    &:  («  =  „ 

'   ^  '  2«      '     \  2; 

v:  i  «  —  a  sin  -ö"  •  (D,   y  ^^  a  cos  -d*  •  cd,   ir  »  £a  -  co, 


— ) 


t; 


also  v  =yi  +  fi^ao,  (ö  =       . "     -  =0,07proSek. 

ay  1  +  «• 

8.  Maximale   Wurfweite    (Nr.  22):    für   a  =- 45«. 

9.  Zielwinkel  (Nr.  22):    Zwei  Lösungen: 


Fig.  266. 


tga=  "'  ±l/?\-'""'^-l. 


10.  Einhüllende  der  Wurfparabeln  (Nr. 22):  tga  der  vorigen 
Aufgabe  bleibt  reeU,  solange  -^—^  —     %  ■  —  1  ^  0.   Also  Gh-enzkurve 


1)  Dies  tritt  abwechselnd  an  den  Stellen  x^=  —  1  und  y  =  ±  1  ein. 


608  Veneichnis  xmd  Auflösnng  der  Aufgaben. 

des  Treffgebietes  und  zugleich  Einhüllende  die  Parabel  v^—iv^e^g 
—  ^^9*  =  0.  Diese  Gleichung  kann  auch  in  bekannter  Weise  aus  der 
Gleichung  der  Bahnkurve: 

und  aus  ^  ^  v  =  0  durch  Elimination  Ton  tg  a  gefunden  werden. 

11.  Förderkorb  (Nr.  25):  s^^  13,3  m,  Sg=  366,7  m,  5,«  20  m, 

t^^    6,6",     ^,«    91,6",     ^,-10". 

12.  Beschleunigung  der  Schraubenbewegung  (Nr.  26): 

ä  =»  —  a  cos  -d"  •  CD*,    y  =  —  a  sin  -ö"  •  CD*,    2  =  0. 

im;;  =  acD*,     Q  -  y^~.  «  a(l  +  ««). 


Da  «7  horizontal  und  auf  die  Achse  zugerichtet,  enthält  die  Schmie- 
gungsebene  das  Lot  auf  die  Achse. 


13.  Zentripetalbeschleunigung  bei  der  Erddrehung  (Nr.26): 

n 
6" 


rcD»=.  6370  .  10».  cos-^  •  cd««  0,292  [m/sec-«]. 


14.   j-  «  v—  (Frenetsche  Formel):  Man  kann  6  als  Geschwin- 

digkeit    einer   Bewegung   auffassen,    die   mit   der  konstanten   Bahn- 
geschwindigkeit 1,  und  also  mit  der  Bahnbeschleunigung  0  und  der 

Zentripetalbeschleunigung  —   vor  sich  geht. 


15.  Dimensionsbetrachtung  (Nr.26): 

9 


[-;3=[S]=p-^-^i[7>t'^^-*-^-^-["-'3- 


16.  Dimensionsbetrachtuug  (Nr.  27): 

17.  Beschleunigung  in  Polarkoordinaten  (Nr.  27): 

i  =  (r  —  rcD«)  cos-d"  —  (2fcD  +  rcb)  sin-d", 
1/  =  (r  —  rcD*)  sin  d'  +  (2f  cd  +  rcb)  cos-ö", 

d.  h.  die  Beschleunigung  besteht  aus  dem  Bestandteil  r  —  reo*   von 
der  Richtung  %^  gegen  die  :r-Achse  und  aus  dem  Bestandteil  2f  cd  4-  fi} 

Ton  der  Richtung  -ö"  +  y  gegeii  die  rr- Achse,    f  cos  ('^  +  y)  =  —  sin  ö-, 
sin  (o*  +  --)  =  cos  0". ) 


Yerzeichms  and  Auflösung  der  Aufgaben.  609 

18.  Logarithmische  Spirale  (Nr.  27): 

r='Jcr(o,  c  =- t?  =  )/r*+ (reo)'«  rcoy^i  +  i'; 

_  1        c  .  kc 

also  o  =  —  V- . ",  .f    *"  ^ 


das  Verhältnis  beider  Beschleunigungskomponenten  —  i,  also  konstant. 

19.  Fallbeschleunigung  (Nr.27):  ^«9,81  •  ^-^^^  - 127500  km/3i 

20.  Hodograph  (Nr.  28):  Bei  der  FaUbewegung:  r  —  ^^  +  ?, 
d.  h.  eine  vertikale  Gerade;  bei  der  Schraubenbewegnng  ein  horizon- 
taler Kreis  vom  Radius  ao  um  die  Mittelachse^  der  von  C  aus  unter 
dem  Winkel  a  gegen  den  Horizont  erscheint. 

21.  22.  Wrensche  Konstante  (Nr.  34): 

,         ,    ,         148000000«        .,      .        _-,        10Q     1A9 

^  -  ^^  (86H-24.60--60)«  [tm^se^-«]  -  128  .  10^ 
Es  müßte  1,52»  gleich  ^^^^  sein.    Erstere  Zahl  ist  3,51,  letztere  3,54. 

23.  Hodograph  der  Planetenbahnen  (Nr.  34):  r  «=  VjT^ — a? 
*"  "=•  ;f  I Q.NJ  oder  weiren  o  =   , ,  r  =       sin^.    Also 

(1  +  e  cos  9)^  o  r' '  p 

C 
v,  =  f  cos-Ö"  —  reo  sin 0"  =  —    sin  0", 

c  c 

!;„  ='  f  sin  -^  +  reo  cosO"  =  —  cos  ^  A —  f , 
y  p  p    ' 

v^ j  -{-vj^    ,,    d.  i.   die   Gleichung    eines    exzentrischen 

Kreises. 

24.  Wrensche  Konstante  für  die  Mondbahn  (Nr.  34): 

.,        .    ,    (60  •  6370)' o^-      .^5 

>l  «  4»  •  [-27  .  24  .  60  .  60  +  7  .  60  .  60  +  48  .  60]*  ^  ^'^^  '  ^^  * 


X« 


25.    Zentralbewegung    für  w  >=  —  q   ,   (Nr.  34):    Setzt   man 

1  d^8  X* 

r  =»  — ,  so  erhält  man  ^^,  +  a-s«0,    woa«^,—  1. 

1.   a  =  v*  >  0,   s  =-  -4  sin  (vd'  +  «),   r  =   .  .    /  -     -r  - . 
Die  Kurven  haben  Asymptoten,   welche  den  Winkel       miteinander 

Hamel:  £lement«re  Mechanik.  89 


610  VeneichniB  und  Auflösimg  der  Aufgaben. 

einschließen.  Der  Abstand  derselben  von  der  Parallelen  durch  das 
Zentrum  ist  lim  r  sin-Ö*  —   . 

2.  a-=0,  5  —  a^  +  6,   r=    »Älhf  hyperbolische  Spiralen. 

3.  a v«<0,  s^Ae'^^+Be-^^,  r  ^ -—^ -^; 

entweder  (-4  >  0,  jB  >  0)  die  Kurve  berührt  einen  Kreis  von  innen 
und  nähert  sich  in  doppelten  Spiralen  dem  Nullpunkt,  oder  (Ä,  B 
verschiedenes  Zeichen)  sie  hat  eine  Asymptote  und  nähert  sich  in 
einfacher  Spirale  dem  Nullpunkt  (links  gewunden,  wenn  ^>0,  jB<0, 
rechts  gewunden,  wenn  -4<0,  jB>0). 

26.   Störungsglied   (Nr.  34):   Mit  r-~,    1  - -^  «  n«    und 
7^  —  —  erhält  man 


--—  +  n*s  «  -  ,  also  8  =- — (1  +  a  cos  (n-Ö- +19))  oder  r  —  7-; ^,  ^  ,    :  • 

Nachdem  sich  %^  um  — ,  d.  h.  um  etwas  mehr  als  2^  vermehrt  hat, 
erhält  r  seinen  alten  Wert  wieder. 

27.  Zentralbewegung  an  der  Feder  (Nr.  38):   Der  Flächen- 
satz  gilt,  weil  es  sich  um  eine  Zentralbewegung  handelt    Differential- 

gleichung      ^^,    +  7  =  Sic»*"*^'*  ~  *"«)•     ^^^s  r -=  const,  folgt 

woraus  sich  ein  bestimmtes  r  >  r^  als  Lösung  ergibt.    Aus  m£»  —  Xx 
und  my  ^  —  ky  folgt  mit       «=  x* 

X  ^  a  cos  xt  •\'h9im  xt, 
y  ■=  c  cos  x^  +  rf  sin  xt, 

also  cos  nt  »=  Ax  +  JBy,   sin  xt  ^  Cx  +  Dy 

oder  (^a:  +  By^  +  (Ca?  +  Dy)«  =  1, 

die  Gleichung  einer  Ellipse. 

28.  Guldinsche  Regel  (Nr.  53):   dFr=.2nxds.     Abo 

F^J  2nxds  «  2%a^s. 


Verzeichnis  und  Auflösung  der  Aufgaben.  611 

29.  Gleichgewicht  auf  der  schiefen  Ebene  (Nr.  67):  Man 
berechnet  JB  und  N  aus  —  O  sina  +  K cos «  —  JJ  =  0,  —  ö  cos a 
+  N  +  JcBme  =  0;\B\^  fN  ergibt  G'^^"^,  ^  ^^^«m(«  +  y) 

'  •  ?   i     I  =2  #  ©  COS  (« +  y)  COS  (» —  q)) 

30.  EeiWerbindung  (Nr.  57):  Seien  die  Drucke  D^  und  D,, 
so  ist  S  ^  Dl  cos  (flCi  ±  9i)  =»  Z),  cos(a2  ±  9^2)»  J®  nachdem  der  Keil 
hinein-  oder  heransgetrieben  wird.  Dazu  ist  eine  (nach  unten  positiv 
gerechnete)  Kraft  P  nötig,  wo  P  =  D^  sin  (c^  ±  (p^)  +  D,  sin  (o,  ±  9i) 
=  '^[^^(^i  db  9^1)  +  ^g{^i  ±  9i)]  is^-  Damit  der  Keil  von  selbst  halt, 
d.  h.  beim  Herausziehen  eine  nach  oben  gerichtete  Kraft  nötig  ist, 
muß  also  tg  («1  —  9i)  +  tg  (a,  —  q)^)  ^  0  sein,  d.  h.  «i  —  9>i  ^  9?»  —  «1 
oder  «1  +  «j  ^  9^1  +  9» ,  w.  z.  b.  w. 

31.  Bewegung  auf  der  schiefen  Ebene  (Nr.  64):  a)  t;>0; 
m-^-  =  —  Ä;  cos  £  +  mg  sin  a  —  JB,   0  —  fc  sin  «  —  mg  cos  a  +  N]    1?  — 

/•■ät      ^/  7     •      \       AI  ^^  ,008(9  +  «)   ,  8in(a— -9) 

fN^  f(mg  cos  a  —  k  sm  a).    Also  w  -vv  ^  —  *      ^^-i— ^  +  wa  — ^      -  • 

f  '  \     if  >  at  COSqp  ^       COBqp 

b)  t7  <  0.    Man  braucht  nur  9  mit  —  9  zu  vertauschen. 

32.  Kritische  Geschwindigkeit  bei  Ritters  Aufgabe  (Nr. 64): 
t  wird    für  endliche  v  unendlich,    wenn  sin  a  "j/v*  +  c*  —  cos  a/"»  =  0 

i 

werden  kann,  woraus  mit  tga  ^  If  folgt:  v  =  c Dieser  Wert 

ist  nur  dann  reell,  wenn  A  <  1 . 

33.  Schleudern  aus  einer  rotierenden  Röhre  (Nr.  64): 
Die  einzigen  Kräfte  sind  Reibung  und  Normaldruck,  also  (f  >  0  an- 
genommen) w(r  — rcD*)«=  — /"JV,  2r(om^N,  also  r  +  Zfo/"— rcD*=-0. 

Integral:   r  =  Ae"'^^^^' '^'^  +  ße-'^^^'^-'K 

34.  Kurve  konstanter  Fallgeschwindigkeit  (Nr.  64):  y  ver- 
tikal, X  horizontal,   ^^  «  const.  =  —  c ;   also  Bewegungsgleichungen: 

u  ff/ 

0  =  JVcos^  — m^,  mx '^  —  N  sind"  ^^  —  mg  tgd"  ^  —  mg  .^ '    Aber 

ox 


d*x  q     •»»•ii-      9d*x    dx  1  (dx\^  g,  >. 

x^-..   .c,  x~j-,e».   Mithin c»^-,  ■  j- g,  ^ (5--) f,(y-yo), 


a:  =  a:o  -  ~]/2  ^,  |/yo  —  »'    oder   {x  —  o^o)' «  const.  {y^  —  y)*.      (Neill- 
sche  Parabel) 

34a.  Horizontale  Bewegung  auf  der  schiefen  Ebene  (Nr.64): 
Da  die  Reibung  der  Bewegung  entgegengesetzt  wirkt,  wQrde  die  ab- 
wärts gerichtete  Komponente  der  Schwerkraft  nicht  aufgehoben  werden. 
Ist   der   erforderliche  Winkel  ß,   so    muß  K  cos  ß  ^  R  ^  f-  N  sein, 

£sin/3  »  m^  sina,    N ^  mg  cosa,    also    K «  mgYsin^ €c  +  f*  cos' a 
und  tg  /3  =  ^  "  • 

39* 


^ 

612  Verzeichnis  und  AaflOsung  der  Aufgaben. 

35.  Sekundenpendel  (Nr.  66):   Z  =  |,  =  0,994  m. 

36.  Doppelte  Fallmaschine  (Nr.  67):  m^to^m^g  —  S]  m^w 
«*  —  m^g  +  S  —  2iS";  m^(w?' ~  w)  =  m^g  —  S";  m^(w'  +  m;)  =  —  m^g  +  S\ 
Daraus  kann  man  w,  w\  S,  S'  berechnen.     Insbesondere  folgt: 

für  fWi «  m^  +  Wj  +  w^  ergibt  sich 


w? 


also  für  fWj  +  m^  nicht  Null,  vielmehr  >  0.  Von  dem  gesamten  Ge- 
wicht der  linken  Seite  wird  eben  ein  Teil  zu  der  unvermeidlichen 
Schwerpunktssenkung  verbraucht. 

37.  Durch  ein  Gewicht  gezogener  Schlitten  (Nr.  67): 
a)  G'  ^fG.    b)  Fadenspannung  sei  S:  mw  =  G'  —  S,  mw  ^  S  —  fN^ 

N-^G.    Also  w^^Z^^' 

38.  Durch  Faden  verknüpfte  Punkte  in  gekreuzten 
Röhren  (Nr.  67):  Fadenspannung  5:  dann  mx  ^  —  S  co9q>]  wy«- 
—  S  •  sin  9  eventuell  plus  —  mg.  Dabei  x  ^l  cos  (f,  y  ^l  sin  9,  also 
i  ==  —  l  sin  <p  '  q>,  y  ^l  cos  q>  -  q>]  i  =  —  l  sin  9}  •  9  —  ü  cos  9-9*,  y  =» 
Z  cos 9^  •  9  —  lB\n<p  '  g)^.     Elimination   von   S  gibt    x  sing)  —  y  cos 9> 

=  I  oder  —  Zcp  =  I  -Im   ersten  Falle   q?  «  const.,   im 

\^cos9?  ^       \^cos9?  ^  ' 

zweiten  Falle  ist  für  eine  Gleichgewichtslage  cos  9  =  0,  d.  h.  9' «  ±  ^ " 
Sei  9  =  ±  "s"  +  ^,  so  wird  -—  i  ^  =  T  ^  sin  '^,  bei  kleinem  %•  gibt  das 

i^ZFaSO-  — 0,  wo  a*=-y"     Im  ersten   Unterfall   a*  =  a  •  c«' +  fe«-**', 

also  keine  Schwingung,  #  bleibt  nicht  klein,  im  zweiten  ünterfaU 
^  =  a  sina^  +  6  cosa^,  also  eine  Schwingung,  0*  bleibt  klein. 

39.  Kritische  Geschwindigkeit  eines  Geschosses  (Nr.  70): 

^k'^y-QQiA.Q^QAt-  —  1*^6  m/Sek.  (weil  <  240  m/Sek.,  so  Anwendung 
der  Newtonschen  Formel  berechtigt). 

40.  Ballistische  Kurve  (Nr.  71):  Man  nehme  etwa  — zfd"« 
(5®  entsprechend)  und  verfahre  nach  den  Angaben  von  Seite  116. 

41.  Anfahrt  eines  Motorwagens  (Nr.  71):  1  cm  bedeutet 
500  •  2,5  =  1250  techn.  Masseneinheiten.     Da  die  Masse «4000 


Verzeichnis  and  Auflösung  der  Aufgaben.  613 

techn.  MasseDeinheiten,  so  hat  man  als  Strecke  m  — r;:  «  3,2  cm  auf- 
zutragen.     Das  Weitere  ist  alles  im  Text  angegeben. 

42.  Relaxationszeit  (Nr. 72):  ^'^c^'o^t-,  0=^^ le-^*(o^t 

+  (OqB'^*,  d.  h.  ^  ^  Y>  w.  z.  b.  w. 

43.  Stetiger  Übergang  der  gedämpften  Schwingungen 
(Nr.  72):  Mit  wachsendem  X  wird  die  Schwingungsdauer  immer  größer 
und  geht  für  k  ^  a  ins  Unendliche.  Folglich  ruckt  auch  der  zweite 
Schnittpunkt  mit  der  a:- Achse  für  l^  a  ins  Unendliche,  die  o;- Achse 
wird  Asymptote. 

44.  Dimension  von  A  und  a  (Nr.  76):  Da  a*=y,  [«J^^L^"^]; 
ebenso  [l]  =  [t"^], 

45.  Die  Kurve  gleicher  Geschwindigkeiten  bei  verschie- 
den geneigten  schiefen  Ebenen  (Nr.  tS4)  ist,  weil  h  =  y  und 
scoBa^x  rechtwinklige  Koordinaten  bedeuten,  die  Gerade:  y — 
xtgfp=^  const.,  die  also  gegen  den  Horizont  um  den  Winkel  (p  ge- 
neigt ist. 

46.  Arbeit  und  Leistung  einer  Lokomotive  (Nr.  84):  Ä  = 
10  .  20  .  1000  .  (jj^  +  ^^^-)  .  5000  mkg  -  25  .  10«  mkg  ^  93  Pferde- 

kraftstunden.    i  =  10  •  20  •  1000  •  (^  +  -^  •  ^^^  .^-^  ^  -  556  P.S. 

47.  Integration  von   x  +  a^x^O  (Nr.  84):       x^+  -^^^^^  ^ 

const.  =»  „  cc^xJ,  daraus  t  ^  —  1  -, ^^  =»  —  aresin-    +  L,     Also 

x^  Xq  sina(^— -^q). 

48.  Leistung  des  Luftwiderstandes  (Nr.  84):  L^Wvcosa 
=-  (i'Fv^  cos^a. 

49.  Potential  einer  Zentralkraft  (Nr.  86):  *  =  — r/"(r»);  also 
^Ä /* .  dr  --ff{r^)  f .  df  ^ff{r*)rdr  =  -^ß^^^^  ^(*'')  ^  '^W- 

50.  Potential  der  Federkraft  (Nr.  86):  U ^fkxdx  ^  y^^^' 

51.  Existenz  eines  Potentials  (Nr.  87):  1.  k^-=0,  iy*=0, 
Jc,=^  —  mg,  also  alle  Differentialquotienten  Null,  sicherlich  auch  rot  t. 

2.  ij.  =«  —  ,  ,  Äy  =»  —  3  ,  Jfe,  = g-,  weil    -  usw.   die  Komponenten 

von  ö  sind.     Mithin   «-"S— /f    c,-^  ^^X^^-xxsw.y  woraus  rot  i  =  0 

oy  r^  '    ox  r*  ^ 

folgt. 


gl4  Verzeichnis  und  AuflOsang  der  Aufgaben. 

52.  Energiegleichung  des  Pendels  (Nr.  90):  y^^  —  v^cos^ 
«  const. 

53.  üngleichförmigkeitsgrad    (Nr.  91):    *  =  2~-^^,    wo 

-_  . 2  -f-  « 

CO, «ycDi*— 4i/*,  d<6  gibt  (Oi>v    ^-  ' 

54.  Fehlerschätzung  beim  mathematischen  Pendel  (Nr.92): 
f(x^  -  (1  -  X«  sin«*)"'^%     /•'(«*)  -  i  sin«  *  •  (1  -  x«  sin«*)~'^% 

/•"(x«)  -  ~-sinV(l  ~  X*  sinV)""'^*. 
Also  der  Rest  ü  =  «*4-  f--^^-%=^  » ,  wo  0  <  -^  <  1.    Demnach 


tn 


iJ I  <  g       'L:rr ^6  / sin* ifäif  =  2%^  — - — r 5 ,    dcr    yerhältnismäßige 


I  hß^'^'f'^^  -  R^J^''ff*^^9 


9  x^ 

Fehler  GFetren  1  also  kleiner  als  ^  ^^  _    6  • 

55.  Förderarbeit  der  Kohle  (Nr.  96):  Tiefe  sei  x.  Da  1  kg 
die  Masse  ^  hat,  so  ^-(U. -  CTJ  <  7000  x  420  m  -  2940  km.  Nun 
ist  wegen  a  =  JB  —  a: 

R  R-x 

-Ä  RR 

R-x  0  Ä-x 

Ä 

+  4»  I^QdQY 

R-x 
R 

4;r|L(()*({9  =  Jf  (Erdmasse),    p,-  «  ^  und  der  Hypothese,  daß 
in  der  Schicht  von  12  bis  ü  -—  :r  die  Dichte  [i  konstant  sei  und  zwar 

8 

(Jrades  2940  -  /—  ~  ^  ^l?5^  f ,  wobei  U  -  6370  km.     Daraus 
berechnet    sich    angenähert   x  ^^  2440  km.      Allerdings   dürfte   nach 


gleich  3,  gibt  das  wegen    g-  5,5  FR  ^  g  für  x  die  Gleichung  dritten 


Veneichnis  und  Auflösnng  der  Aufgaben.  615 

Wiechert  so  tief  die  Annahme  fi  >-  3  nicht  statthaft  sein,  aber  das 
Resultat  gibt  jedenfalls  die  Größenordnung  richtig  an. 

56.  Laplace-Poissonsche  Gleichung  (Nr.  97):  Außerhalb  der 

Kugel  ist   ^ »  Man   beweist   aber   leicht   durch   Ausrechnen 

fdü  ,    X      d^ü  const.    .    «  _x    ^*  \      j  o    •      j 

K—  ^  —  const.  -j ,  Y~i  =*  —    s — \-  ^  '  const.  -g-  usw. j ,  daß  in  der 

Tat  Jü==0  ist.  Innerhalb  der  Kugel  ist  bis  auf  den  Faktor  —AxFäm 

r  R 

17»--     I  Q*(idQ  +   I  (igdg  und  nur  von  r  abhängig.     Nun  ist  aber, 

0  r 

wenn  U  nur  Yon  r  abhängt, 

dx        dr   r  '    dx^  ""  dr«    r«  '^  dr  \r         rV  ^^^'^ 

also  jdÜ  ^  j— •-  H j   •    Durch  Ausdifferentiieren  von  U  berechnet 

dr*     '     r    dr 

man  nun  leicht  JU^  —  y^.  (Das  Zeichen  ist  im  Text  falsch  anr 
gegeben.) 

57.  Dimension  von  T  (Nr.  98):  [V]  «  [kg  •  Vm-^  -  {m-HH^^ 
im  c.  g.  s.-  und  [I^  =  [kg~^i*^"*]  im  technischen  Maßsystem.  Also 
r=  6,675  .  10-«[>-»  cm»  sec"«]  -  6,675  •  lO"»  [Dyn-^,   cm*    sec"*] 

«  6,675  .  10«  .  ^^^^^^  «  6,54  •  10- ^«[kg-^  m*,  sec"*]. 

57  a.  Erd-  und  Mondbeschleunigung  (Nr.  98):  Mondbeschleu- 

nigung  raj*«60JB-^— j  .    5^  ^  ^o«=  ^,  :  -^  ,    d.  h.  ^  -  "/««X' 

60  •  J2  •  I  —  I 

=  9,76  m/Sek.«  -  (r  -  27  •  24  •  60  •  60  +  7  •  60  •  60  +  43  •  60). 

58.  Zusammensetzung  der  Kräfte  in  der  Ebene  (Nr.  117): 
Z,=  7,ll,  JKy=  33,21,  Jf«  162,54,  Gleichung  der  Zentrallinie: 
33,21ir- 7,11  y«  162,54. 

59.  Graphische  Lösung  der  Aufgabe  58  (Nr.  118):  Man 
zeichne  und  kontrolliere  das  Resultat  aus  der  Rechnung  durch  Be- 
stimmen zweier  Punkte  der  Zentrallinie. 

60.  Kraftsystem  im  Räume  (Nr.  126):  K^^IO,  Ä^  -  15, 
K,^  21;   3f  «  150,  M^^  105,  JK^«  0;  jp  -  4,01  m.     Gleichung  der 

Zentralachse  etwa  nach  xK^M  —  pK  in  Koordinaten:  21  y—  15ir 
-  109,9,  10;?  -  21a;  «  44,85,  lOy  -  15a?  =«  84,21.  Von  diesen  Glei- 
chungen sind  natürlich  nur  zwei  unabhängig. 

61.  Tischaufgabe  (Nr.  128):  N^^Qy  usw.  Negative  r  ver- 
langten  einen  Zug,  der  nicht  möglich  ist  {N  >  0). 


616  Yeizeichnis  und  Auflösung  der  Aufgaben. 

62.  Tetraeder  konjugierter  Kräfte  (Nr.  132):  Der  Inhalt  ist 
y  (a  —  6)  'pq.     Aus  ^  +  g  =-  Ä  und  äp  -\-hq^  M  folgt  aber  *  •  M 

^  p  'bq  +  q  -  dp  =^  {a~-b)  '  pq,  so  daß  der  fragliche  Inhalt  -^k  •  S  ist. 


63.  Graphische  Schwerpunktskonstruktion  bei  einem 
U-Eisen  (Nr.  138):  In  der  Nummer  138  ist  alles  Nötige  angegeben. 
Abstand  vom  linken  Rande  16  mm. 

64.  Angeseilter  Stab  (Nr.  140):  Im  Text  ist  das  Erforderliche 
angegeben. 

65.  Gestützter  Stab  (Nr.  140):  N-G  +  D  cos  a^O,  JB — 
D  sin a  =  0,  D(a  +  b)  —  Ga  cos  a  ==  0,  B<ZfN.  Daraus  a cos a  sin a ^ 
f[{a  +  b)  —  a  cos*  a]  oder  a  tg  a  ^  f[(a  +  b)  tg*  a  +  6].  Es  gibt  also 
zwei    Grenzlagen    des   Gleichgewichts^    wenn    die   Diskriminante    der 

Gleichung  a  tg  a  =  f(a  +  b)  tg^a  +  fb  negativ  ist,  d.  h.  /"  ^  - , 

sonst  ist  immer,  fOr  alle  a,  Gleichgewicht  vorhanden. 

66.  Neigung  eines  aufgehängten  Bildes  (Nr.  140):  G  = 
S  cos  /},  N  —  S  sin  ß,  6r  (a  sin  a  +  c  cos  a)  =  Sh  sin  (a  +  /J),  dazu 
sin  cc :  sin  ß  ^l  :h.  a  =  /3  «  0  ist  eine  Lösung,  wenn  c  =  0  ist.  Seien 
c  und  a  klein,  cos  «  =  1,  cos  /J  =^  1,  S  =  G,  a  sin  a  +  c  =5^  Ä  (sin  a  +  sinß) 

oder  sina=^  r  7-^       • 

h-j-l  —  a 

67.  Drei  b alanzierte  Gewichte  (Nr.  140):  Momentensatz  be- 
züglich OP  z.  B.  gibt  ö  sin y  =  JB  sin  ß  oder  Q:R  =>  sin ßisiny  usw. 
Also  P  :  Q  :  R^'  sincc:  sinßiBmy,  woraus  wegen  a  +  ß  -\-  y  ^  Ax 
das  Behauptete  folgt. 

68.  Kugelpyramide  (Nr.  140):  Der  Winkel  a,  den  die  Ver- 
bindungslinien der  Mittelpunkte  der  drei  unteren  Kugeln  mit  dem  der 
oberen  gegen  die  Horizontalebene  bildet,  berechnet  sich  bekanntlich 

aus  cosa  —  — i^,  sina  =«  1/ y*     Da  bei  den  unteren  Kugeln  Gewicht 

und  Gegendruck  der  Unterlage  durch  den  Berührungspunkt  mit  dieser 
gehen,  muß  das  auch  der  Druck  der  oberen  Kugel  tun.  Dieser  geht 
aber  andererseits  durch  den  Berührungspunkt  der  oberen  Kugel  mit 
der  jeweiligen   unteren   hindurch.     Folglich    weicht    der   Druck   der 

oberen  Kugel  auf  die  unteren  von  der  Zentralen  um  ß  ^  -j i"  *^ 

und  der  Reibungswinkel  der  Kugeln  gegeneinander  muß  also  größer 
als    dieser  Winkel   sein.     Der  Druck   der   oberen  Kugeln  gegen  die 

unteren  ist     -       ^,    also    ist   an  den  unteren  Stützpunkten  N '^  G 

o    cos  p 


Verzeichnis  nnd  Anflösung  dei  Aufgaben.  617 

+  Y  — ß'  COS/3  =»  -  G,  R^  ^  G  tg/J.  Mithin  muß  der  dortige  Rei- 
bungskoeffizient größer  als  —  tg  j8  sein.  <p<iß  ergibt  /*>  0,32  zwischen 
den  Kugeln,    unten  genügt  /">  0,08. 

69.  Balken  zwischen  zwei  horizontalen  Stützen  (Nr.  140): 
Man  zeichne  an  den  Berührungsstellen  die  Reibungskegel.  L  muß 
dann  das  gemeinsame  Gebiet  beider  Kegel  schneiden. 

70.  Körper  in  horizontaler  Rinne  (Nr.  140):  G  muß  wieder 
das  gemeinsame  Gebiet  beider  Reibungskegel  treffen. 

71.  Gleichgewicht  eines  Stabes  (Nr.  140):   tg <&•  ««  w ,    ,  , >  - 

72.  Stab  in  einer  Halbkugel  (Nr.  140):    N^,  JVj,  G  müssen 

sich  in  einem  Punkte  treffen.    Daraus  cos  d"  «=    g—  ( 1  +  1/ 1  +  128  ^j* 

Damit  also  eine  reelle  Lösung  existiert,  muß  das  kleiner  wie  1  sein, 
d.  h.   !  <  4a.      Damit    außerdem    die   Drucke   positiv   werden,   muß 

^  —  2d  >  0,  d.  h.  0^  <  ^ ,  cos  ^  >  -^,  was  stets  erfüllt  ist.  Damit 
aber  der  Stützpunkt  am  Rande  materiell  ist,  muß  2acos'd'<Z,  d.h. 

73.  Gleichgewicht  gegen  Fortschieben  und  Umkippen 
(Nr.  140):  Der  Normaldruck  N  greife  in  dem  zunächst  unbekannten 
Abstände  x  vor  G  an.  Dann  ergeben  die  drei  Gleichgewichtsbedingungen 

R^k,  N  =  G  und  ^  =  -q'  -ß  <  f^  ergibt  h  ^  fG  und  x  <Za  er- 
gibt kh  <iaG, 

74.  Brief  wage  (Nr.  142):  Ga  sina  =  Lb  cos«,  also  tga  =  Zr— g« 

75.  Doppelwägung  (Nr.  142):  Ga  =  pb  und  Gb^qa,  also 
G^y^q. 

76.  Falltüre  (Nr.  142): 

ka  cos  a  *=  Ga .,    cos  d",   also  k  ^  -   G 

-A;(l  +  Biiia)+G^C08«'—  2 

^= 2 '    ^=3^ßsin^, 

:B,=  |(-fc(l-Bin«)  +  /^ffcos^),    B^^-g'^Gsin^. 
(x- Achse  senkrecht  zur  Platte,  y- Achse  in  der  Platte  gelegen.) 


618  VerzeichniB  und  AuflOrang  der  Aufgaben. 

77.  Lagerreaktionen  eines  Balkens  (Nr.  142):  Man  fange 
die  Seilkonstruktion  in  0  an.  Dann  ergibt  sich  alles  Yon  selbst. 
Die  Aufgabe  ist  ja  keine  andere  als  die,  ein  Eräftesystem  in  zwei 
Kräfte  zu  zerlegen:  yon  der  einen  kennt  man  die  Angriffsgerade,  yon 
der  anderen  einen  Angriffspunkt  0. 

78.  Hebelpresse  (Nr.  144):  Man  hat  yon  dem  Schnittpunkte 
yon  N  mit  P  eine  Tangente  an  den  Beibungskreis  um  0  zu  zeichnen: 
das  gibt  die  Richtung  des  Lagerdruckes.  Aus  den  Richtungen  der 
drei  Kräfte  und  aus  der  Größe  yon  N  ist  dann  das  Kraftedreieck  zu 
zeichnen,  was  P  ergibt.  Von  den  beiden  möglichen  Tangenten  an 
den  R^ibungskreis  ist  diejenige  zu  wählen,  welche  für  den  Hebel  ein 
der  Bewegung  entgegengerichtetes  Moment  ergibt;  ihr  gehört  auch 
das  größere  P  zu. 

79.  Winde  mit  Zapfenreibung  (Nr.  144): 


P'  -  6,67,   Dl «  |/i44  +  0,04  P»  -  4,8  P  sin  a , 


D,  ^  ]/64  +  1,41  P^+  19,2  P  sina, 
P"=  6,67  +  ^^^]/145,8~=^24  sin  «  +  ^^^128(1  +  sin  ^ 

Für  a  =  0,  2  ,  ;r,         gibt  das  die  Korrekturen  0,39  bzw.  0,45  bzw. 

0,39  und  0,22.     6  berechnet  sich  zu  0,023,  so  daß  die  nächste  Kor- 
rektur nur   ca.  2\   der   ersten  ausmacht   und   die  ganze  Korrektur 

höchstens  pj^,  d.  h.  ca.  denselben  prozentualen  AnteiL 

80.  Reibungsarbeit  (Nr.  144): 

y         15000.  0,015.  0,16.  2«.  100        3«        vi  f7i  t>  a 
^ 60^75 --2-«4,71F.Ö. 

81.  Schraube  mit  Stirnreibung  (Nr.  148): 

^-P\fir„+rte(a  +  <p)l 

82.  Wirkungsgrad  einer  Schraube  (Nr.  149):   V^  öq* 

83.  Bockleiter  (Nr.  152):  Man  braucht  in  dem  yorangehenden 
Beispiel  nur  «j  =«  o,  =*  0  zu  setzen,  i  Ä^  <  fV^  und  '  -ff  |  <  /*F,  geben 
die  gesuchten  Ungleichheiten. 

84.  Stabpolygon  (Nr.  154): 


85.  Kniepresse  (Nr.  155): 

Z)  =  P  ,  -r—, — v-^äTx»  wobei  sin«  «  ,  siu^. 
0  8in  {?]  +  ^)  ♦ 


Verzeichnis  und  AuflOsniig  der  Aufgaben.  619 

80 a.  Beanspruchung  eines  Balkens  (Nr.  161):  JRj  =»  12^ 
l?,«llkg;  jB-26mkg,   F=0. 

86.  Beanspruchung  eines  eingemauerten  Balkens  (Nr.  161): 
jBo=86mkg,  B-26kg,  F«25kg,  jB=60mkg. 

87.  Beanspruchung  eines  verlängerten  Balkens  (Nr.  161): 
R^ «-  23,  iZg  —  10  kg.  Für  y  ist  links  von  A  der  Abstand  der  beiden 
zur  Zusatzlast  gehörenden  Seilstrahlen  zu  nehmen.  Um  die  NuUstelle 
Ton  B  resp.  y  rechnerisch  zu  finden,  versuchen  wir,  ob  sie  für  den 
Abstand   a;<l    eintritt     Dann   muß   (1  +  a;)10  »  o;  •  23   sein,   was 

flj  ==  jg  ergibt,  das  wirklich  kleiner  wie  1  ist.  (Wäre  das  nicht  ein- 
getroffen, so  müßte  man  der  Reihe  nach  die  Abschnitte  zwischen  den 
Einzellasten  probieren.) 

88.  Momentenlinie  (Nr.  166):  B^  —  x—       ,  F«-g — o^^*> 

Maximum  von  i5  bei  a?  =  -7= ,    Ä  =  -5- ,    iL  =    -  • 

1/3'       1        6  '      ^        3 

89.  Polonceauträger  (Nr.  169):  Man  bestimme  erst  die  Reaktion 
in  A  und  B  graphisch  oder  nach  der  Momentenmethode.  Dann  nach 
dem  Ritterschen  Verfahren  die  gesuchten  Spannungen. 

90.  Drahtseil  (Nr.  180):  H^  -  ^  J^-  •  20  -  0,03»  •  ä  •  8000  kg  = 
11304  kg. 

91.  Hängendes  steifes  Seil  (Nr.  191):  Der  Endpunkt  des  Seiles 
(genauer:  der  Schwerpunkt  des  angehängten  Körpers)  muß  vertikal 
imter  dem  Aufhängepunkte  liegen.  Im  übrigen  kann  das  Seil  jede 
Gestalt  haben,  die  in  den  Streifen  paßt,  der  von  der  Vertikalen  nach 
jeder  Seite  um  r  absteht. 

92.  Äquivalente  Kraft  (Nr.  192):  P«  C^'^^^^^—f^'  (Das 
Gegenteil  von  P  muß  G  das  Gleichgewicht  halten). 


aoo'        v' 


93.  Radfahrer  (Nr.  199):  tg/3  ==  -  -  ^  '^   ;  itg(a-/})l^/";  also 

y  y 

ß  +  (p^CL^ß  —  (f. 

94.  Zugspannung   in   einem    rotierenden  Ring  (Nr.  201): 
^ym^dm^   -y*(D*mj  wo  y*  der  Schwerpunktsabstand  des  halben 


2 


Ringes  von  der  Mitte.     Also  nach  Nr.  53:   ^    ftd(JB*—  r')^«}*. 

95.  Doppelte  schiefe  Ebene  (Nr.  202):  ^i^  sina  »  m,^  sin/}; 
also  Bewegungsgleichung  m^g  ein a  —  m^w  =^  m^g  sin, ß  +  m^Wy  wenn 

w  die  Beschleunigung  von  m^  abwärts.    Mithin  tv  ^  g ^ — ^"T   * — -  • 


620  Verzeichnis  und  Auflösung  der  Aufgaben. 

96.  Inyarianz  von  V  •  Ä  (Nr.  205): 

—  y-  COB*  {Xj  flj')  +  -ö-  COS  (a:,  a;')  cos  (y,  a:')  +  ^  -  cos  {Xy  x)  cos  (jet,  a;') 


dd. 


+  aJ  cos(y,a;')  cos(a;,  x")  +  - -- 

Bildet  man  analog  ^-,  und   ^  >-  und  addiert,   so  ergeben  die  Koeffi- 

zienten  von  ö—  zusammen  1  wegen  co8*(a;,a?')+cos*(a;,y')4-co8*(a:,/)«"l, 

de  da^ 

dasselbe  die  von  -^     und  -^- :  die  anderen  Koeffizienten  werden  Null 

dy  dz  ' 

wegen  cos  {x^  x')  cos  (y,  x)  +  cos  {x,  y')  cos  (y,  y')  +  cos  (ar,  j?')  cos  (y,  /) = 0. 

97.  Insekt  auf  dem  Drehschemel  (Nr. 212):  ^  =  —  ^  - — j^. 

98.  Integration  von  x^^'^l''  (Nr.  216):  . 


-~^'-i;^"ig(i-^^)-i^+A, 


da; 


/»  dx 


Igd-la;) 


99.  Lagerreaktion  einer  Welle  mit  exzentrischem  Zusatz- 

c*  c  c* 

gewicht  (Nr.  218):  r,-  ^  aa\  r, ^  orö,  D,,.  =  0,  D,,---a6. 

Also  ü^=       afto,  i?y«    -a&cD^     Daraus  berechnen  sich  die  Lager- 
drucke   Xj,  Y^,  X^,  T^  an  den  Enden  nach  dem  Momenteasatz  zu: 

1  2^  'lg  >        ^  2    g  lg  ' 

100.  Massenwirkung  eines  Rades  (Nr.  218):  r^=»m5(D',  r^-^O, 
jR  «=  —  D  CD*  jB„— D.^o)'.  Seien  D'I)'^  die  Deviationsmomente 
ZU  parallelen  Achsen  durch  den  Schwerpunkt.  Dann  ist  nach  Nr.  252 
D^.=  iy.   und   D^.^D'        femer  nach   Nr.  248   iX   -0,  IT    « 

-  2  (C  -  ^)  sin 2a.     Also  JB,«  0,  2?,,  ^ 1  (C  -  ^)  sin 2a©«. 

101.  Eulersche  Formel  (Nr.  223):  a:  «  <?,+ a  cos^  —  6  sin^-, 
also  i  =  c^  —  (a  sin ^  +  6  cos d)(o  ^  c^—{y  —  c^)©  usw. 


Verzeichnis  and  Auflösung  der  Aufgaben«  621 

102.  Momentanzentram  der  Schwinge  (Nr.  225)  liegt  im 
Schnitt  von  OÄ  mit  O'JB. 

103.  Momentanzentrum  der  Stange  (Nr.  225)  liegt  auf  der 
Horizontalen  durch  A  und  auf  der  Vertikalen  durch  B. 

104.  Rollende  Walze  (Nr.  225):  a)  t7  =  rcö,  weil  der  Berührungs- 
punkt Momentanzentrum;  b)  weil  die  Bewegung  aus  der  Translation  c 
und  der  Kreisbewegung  um  den  Mittelpunkt  besteht. 

105.  Spurkurve  beim  Schubkurbelgetriebe  (Nr.  226): 

0K=»  X  ^  r  cos^  +  l  cosi^,  KM ^  y  =  xigd-^r  sixi%^  +  l  cosiy  tg^. 

Dazu  r  :  Z  —  sin  1^ :  sin  O".  Daraus  wären  y  und  ^  zu  eliminieren.  Man 
erhält  {x^  +  y^){x^  +  r' -  Vf  -  4rV.  Setzt  man  C Jlf  =  p',  i?  +  -9-  =  ^', 
so    lautet    die   Gleichung    der    Polkurve    in    Polarkoordinaten:    q  = 

l  —^  ,         ,  \    in    rechtwinkligen    Koordinaten:    P(i  —  xy{x^  +  y^)  = 

#      '"T' '    •   Ol/D  V^ 

r*(a:*+  y*—  ia:)*,  wenn  a?  längs  CK  von  (7  aus  gezählt  wird. 

106.  Für  die  geführte  Stange  (Fig.  195)  (Nr. 227)  ist  c^^OB 

d  c 
««IcosO",  Cy  =  0,  also    , '«=  —  Z  sin ^,  mithin  a;o  =  Zcos^,  y^==  —  i sind. 

(Das  Zeichen  darf  nicht  Wunder  nehmen,  denn  wenn  OB  als  rtr-Rich- 
tung  genommen  ist,  so  muß  OÄ  die  negative  ^-Richtung  sein.)  Mit- 
hin Xq^  +  y^  «  V  Gleichung  der  Spurkurve.     Dagegen 

a©  =  sin^  ^^  ^  2  '^^  "~  ^^^  ^'^)'  h^-^  --Imi^  Qos%'  ==^  ^  —  l  sin  2'ö'. 

Mithin  ia^ "~  o  V  "^  ^o*  "^  4  ^*  Gleichung  der  Polkurve.  (Kreis  durch 
den  Anfangspunkt.) 

107.  Polbahnen  des  fallenden  Körpers  (Nr.  227):  M  liegt 
auf  der  Horizontalen  durch  den  Schwerpunkt  im  Abstand  x,  so  daß 

xm  ^  gtf   also  a  =      •    Da  die  Höhe  von  M  gleich  y  =  «  gt^,  so  ist 

CO  M 

1     CO* 

y  «  ^^  x^  die  Spurkurve  (Parabel).  Für  die  Polkurve  nehme  man 
die  Polarkoordinaten  bezogen  auf  den  Schwerpunkt  und  eine  feste 
Richtung  im  Körper:  x=      ,    O*  =  co^.     Mithin  Spurkurve:  a;  =  -,^, 


(ö  '  *  <0' 


eine  archimedische  Spirale. 

108.  Relatives  Momentanzentrum  (Nr.  230):  Das  der  Kurbel* 
gegen  den  absoluten  Raum  liegt  in  0^  das  des  Kolbens  gegen  den 
absoluten  Raum  im  Unendlichen  senkrecht  zu  OKj  also  liegt  das 
gesuchte  Momentanzentrum  erstens  auf  einer  Senkrechten  durch  0  zu 
OK  Das  Momentanzentrum  der  Kurbel  gegen  die  Lenkstange  ist  (7, 
das  der  Lenkstange  gegen  den  Kolben  ist  K,  also  liegt  das  gesuchte 
Momentanzentrum  zweitens  auf  CK    Deshalb  fällt  es  mit  2>  zusammen. 


622  Verzeichnis  und  AafiÖBiing  der  Aufgaben. 

lOQ.RelativesMomentanzentrumbei  derScbwinge(Nr.230): 
Es  liegt  im  Schnittpunkt  Ton  AB  mit  OCy»    Beweis  wie  bei  108. 

110.  Verschiebungsplan  (Nr.  230):  Momentanzentrum  M  Yon 
5,  6,  7  auf  einer  Senkrechten  zu  0(7  in  (X  und  auf  2.  Momentan- 
zentrum von  1  und  2  ist  0,  Das  von  4  liegt  einmal  auf  1,  dann 
auf  der  Linie  durch  M  und  den  Knoten,  in  dem  4,  7  zusammenstoßen. 

111.  Beschleunigung  der  Walzenmitte  (Nr.  234):    G)(r  —  rQ) 

ist  der  Ebene  parallel  und  gleich  rcb;  (0(0)^  —  ^0))  ist  gleich  reo'  und 
auf  den   Berührungspunkt  (Momentanzentrum)   zugerichtet,     g  =  00, 

also  f^«  — reo  und  —  (or^  gleich  reo'  und  vom  Berührungspunkt 
fortgerichtet.  Die  beiden  letzten  Bestandteile  heben  sich  also  auf  und 
es  bleibt  rü  parallel  zur  Ebene. 

112.  Walzen  übereinander  (Nr.  234):  Betrachten  wir  den 
Punkt  auf  der  Vertikalen  in  der  Entfernung  x  unter  dem  Mittelpunkt 

der  oberen  Walze.     rQ^o  -_^-,  also  Mittelpunktgescfa windigkeit  der 

9*  I  rt  

oberen  Walze  v  =  r^  -  -  =  or  (an  sich  klar).    Deshalb  vertikale  Be- 

schleunigung  (nach  unten  positiv  gerechnet)  -^ xo^^  a)*(  -  , xL 

also  Null  für  X  =     ,     • 

113.  Gleitfreier  Antrieb  einer  Walze  (Nr.  239):  N^G, 
mrü  ^H+  R,  Tu  ^  HQi  -  r)  -  Rr.  Daraus  R  =  ^(-,x^  - 1), 
wenn  6  Trägheitsradius  bezogen  auf  den  Mittelpunkt.  R  \  ^  fN  er- 
gibt -^--/•J^Ä^^--  +  r|-      Für   fr^O    muß   also   Ä  = 

-       =«  Z,  d.  h.  gleich  der  reduzierten  Pendellange  für  den  Berührungs- 
punkt sein. 

114.  Herabgleitender  Stab  (Nr.239):  1.  my^-my  +  N  +  K', 
2.  mx  =  -R  +  N'  (N,  R  am  Boden,  iV',  R'  an  der  Wand);  3.  Tm 
=  Na  cos  &--  Ra  sin  ^  —  N'b  sin  d'  —  Rb  cos  &.      Dabei    R  =  fN, 

R  =  fN\  X  ^b  cos  -Ö-,  y  =  a  sin  0".    m  ^  —  d: 

115.  Fallender  Stab  (Nr.239):  a)  ohne  Reibung:  1.  wy  = 
—  mg  +  iV;   2.  mx  =  0;  3.  T^w  ^  —  Na  cos  d;     Dabei  y  ==  a  sin  ^, 

öj  —  ^.  Der  Schwerpunkt  fällt  also  vertikal  herab.  Durch  Elimination 
von  y  und  N  erhält  man  eine  Bewegungsgleichung  für  d;  b)  mit 
Reibung:  .1.  der  untere  Punkt  haftet:  mx  ^  R,  m'y  ^  —  mg  +  N, 
(Tg  +  mn^)  cb  «*  —  mga  cos  d:  y  =  a  sin  ^,  a?  «  a  cos  d-.  Daraus  sind 
d;  Ny  R  zu  berechnen.     Die  Voraussetzung  ist  solange  erfüllbar,  als 


yeizeichnis  und  Aufldsang  der  Aufgaben.  g23 

JBj  </'iV  bleibt;  2.  der  untere  Punkt  gleitet  der  J^-Richtung  entgegen: 
mx  =  JJ,  my  ^  —  mg  +  N,  T,(b  =  —  Na  eos^  +  Ra  sin^.  Dabei 
R  «  fN,  y  =  a  sin  ^.  Elimination  von  -N,  JB,  y  gibt  zwei  Differential- 
gleichnngen  f&r  rr,  ^. 

116.  Abheben  eines  Gewichtes  (Nr.  239):    1.   Das  Gewicht 
bleibe  auf  der  Platte:   m'w  «  m'g  —  Nj   Tg)  =  mgs  +  Na^   w  =  aö. 

Daraus  folgt  cb  =  -^'^^^  und  JV^ «  m>  (l  -  "^^f^^"^  .  Wegen 
J?'>  0  muß  T  +  w'a*  >  mas  +  ma^,.  d.  h.  a  <  —  =  Z  sein.   Das  Ge- 

wicht  hebe   sich   ab:   w  ^  g^  Tunings,  w<iaa)   gib^  a>  —  =  Z. 

Beide  Möglichkeiten  schließen  sich  tatsächlich  aus.  2.  (7  +  m'd^)ai 
=  {mgs  -|-  w'^a)  cos -Ö-.   m'ao)  =  w'^  cos d'  —  N,—  m'aa^  =  m'g  sin-Ö*  —  R. . 

Daraus  berechnen  sich  N=='  m' (|^  cos-Ö*  —  acb)  «=  m'^ cosd ( 1  —  ^yV"^?  )• 
i?  =  t»'^  sin  0"  +  w'ao',  was  nach  dem  Energiesatz  (§  44)      (jr+  w'a*)©* 

—  (w^5  +  w'5fa)sind  ergibt  JJ  =  m'5fsindf  1  +  2 -|ft^  j-    R<ifN 

liefert  die  Grenze:  tir  0"  <  ^  , ,  ^    .  ^  •    Wird  dieser  Winkel  über- 

schritten^  so  gleitet  der  Körper  und  es  gelten  die  Gleichungen  jTcb 
=  mgs  cos  ^  +  Nx,  m'(x  —  xool^)  ==  m'g  sin  ^  —  i?,  w'(a:(b  +  2xm) 
«  wflf  cos  %•  —  Ny  ü  =  /*i\r.  (a:  die  variabele  Entfernung.  Unbekannte: 
d-y  X,  N.)  Das  gilt  solange,  als  N>  0  bleibt.  Dann  fliegt  die  Last 
frei  davon. 

117.  Rollpendel   und   anderes   (Nr.  241):    T.ü  ^  -  Ns  sind- 

—  iJ(scosd  —  r),  mx=-R,  my  =  —  If  +  mg.  Dabei  a:  =  s sin -ö'  —  r-ö', 
y  =  5  cos  0".  Durch  Elimination  von  N^  R  folgt  die  alte  Gleichung. 
Zu  113:  {T^-\-  mr^)i)  ^=^  Hh  usw.  Zu  114:  Bezogen  auf  den  unteren 
Punkt:  T^ü  —  mxa  sin  -Ö*  —  mya  cos  ^  =»  mga  cos  0"  —  jy'(a  +  6)  sin  0* 

—  jB'(6  +  6)  cos  ^   usw. 

118.  Arbeit  zur  Bewegung  einer  Walze  (Nr.  244):   J. « -E 

11,.,         1      8000     ,.      1  /«100\>  .    „c.c\ri      1, 

118a.  Energiegleichung  des  fallenden  Stabes  (Nr.  246): 
-^{T^iQ^  +  mx}+  my^)  +  wjfy  =«  Ä.  Die  Normaldrucke  stehen  senk- 
recht auf  ihrer  Bewegungsrichtung.  Von  der  Reibungswirkung  ist 
abgesehen.  ^ 

119.  Trägheitsmoment  der  Kugel  (Nr. 256):  T-  C~Q^%dz, 
Dabei  Q^  =  R^-z\  also   T^  \  %{r^z-  Ji^V-f  \  ^')r^=^^^'- 


624  YerzeichniB  and  Auflösung  der  Aufgaben« 

120.  Trägheitsmoment  des  U-Eigens  (Nr.258):  jP=  1475mm». 
T  «  33  cm*. 

120a.  Goriolisbeschleunigung  bei  Ostbewegung  (Nr.  269) 
liegt  in  der  Ebene  des  Parallelkreises  auf  die  Erdachse  zugerichtet 
und  ist  gleich  2(ov^. 

121.  Radiale  Bewegung  als  Relativbewegung  (Nr.  269): 
f  Relativbeschleunigung,  —  ro'  und  rü  Komponenten  der  Führungs- 
beschleunigung; w^  liegt  senkrecht  zu  cö  und  v^  also  in  der  Ebene 
senkrecht  zum  Radius  und  hat  die  Größe  2f(D. 

122.  Rotationsenergie  (Nr.  270): 

-Er -*  2  S  äm[{a}^0  ■  -  ffl,y)>  +  {c3,x  -  ö,^)«  +  (o,y  -  Oyi?)«] 

Am  elegantesten  folgt  das  Resultat  mittels  der  Dyadenrechnung  (siehe 

Anhang  IV).    «T  =  S  ^^ s{(08)  =  —  S ^^ s(s(o)  ==  —  S  äm{s  f  s)  •  5 
=«  >i  •  ©,  wo 

die  Trägheitsdjade  ist.    Damit  ist  U  resp.  IF  aus  Nr.  271  gewonnen, 
woraus  die  Formel  für  E  sofort  aus  £  =  y  S  ^^  ^^'  "■  y  ö  •  S  dins{a}8) 

■«  -g-  (ö  •  /  folgt. 

123.  Analogie  zwischen  Rotation  und  Translation  (Nr.273): 
Sofort  zu  sehen.  Wegen  dieser  Analogie  wird  in  englischen  Büchern 
auch  mv  vielfach  Impuls  genannt. 

124.  Kreisel   (Nr.  282):    C=  y  •  8  •  5*3t  =  7850  gcm^  ^-5 


=  n\  f^jtn  +  x^r^stii)dx^  \r^7tfil(r^+  J  Z«)-3990gcm«.  7-Cö 


30  sec 


125.  Gestoßener  Kreisel  (Nr.282):  JJ==  98100  •  5  Dyncmsec 
==  490500  ^^^  •     Also    springt    der  Impuls    um   den  Winkel  d'^  zur 


sec 


Verzeichnis  und  AnflOsang  der  Aufgaben.  625 

Seite,  für  den  tg  ^^  =  ,   d-^  —  30^  49'.    Nachher  wird  um  diese 

neue  Richtung   von  J  die  Figurenachse  auf  einem  Kreiskegel  vom 
Winkel  ^^  rotieren. 

126.  Energiegleichung  in  einem  fallenden  Fahrzeug 
(Nr.  294):  —dmv^'-dmgz\   =  /  dk^v^dt^  wo  z  die  Relativhohe. 

127.  Direkte  Erklärung  der  Scheinkräfte  (Nr.  294):  1.  Fällt 
ein  Punkt  auf  der  Erde,  so  bringt  er  aus  der  Höhe  eine  größere 
Geschwindigkeit  mit,  als  sie  die  Erdoberfläche  besitzt.  Daher  wird 
er  der  Erde  voreilen,  d.  h.  nach  Osten  abweichen.  Dasselbe  gilt  f&r 
einen  im  Meridian  nach  Norden  fahrenden  Zug:  er  bringt  aus  den 
niederen  Breiten  eine  größere  Absolutgeschwindigkeit  nach  Osten  mit, 
die  durch  die  Schienen  zwangsweise  reduziert  wird,  daher  der  Druck 
nach  Osten.  2.  Das  q  der  Erde  kann  mau  in  o  sin/3  um  die  Verti- 
kale und  CO  cos  /3  um  die  Horizontale  zerlegen  {ß  geographische  Breite). 
Letztere  hat  keinen  Einfluß  auf  das  Pendel,  erstere  dreht  die  Um- 
gehung des  Pendels  gegen  dieses,  scheinbar  also  letzteres  gegen  die 
Umgebung,  was  wegen  A  =  co  sin  /3  und  der  Kleinheit  von  X  gegen  a 
mit  Nr.  291  übereinstimmt. 

128.  Gebremstes  Fahrzeug  (Nr.  294):  Beim  Bremsen  besteht 
eine  nach  vorn  gerichtete  Scheinkraft,  gegen  die  man  sich  unwillkür- 
lich zurückneigt.  Hört  das  Bremsen  plötzlich  auf,  so  fällt  auch  die 
Scheinkraft  fort  und  es  entsteht  eine  Störung  des  Gleichgewichts,  die 
die  Gefahr  des  RückwärtsfaUens  mit  sich  bringt. 

129.  Elastischer  Stoß  gleicher  Massen  (Nr.  295):  6 «  1, 
M  =^  m  gibt  aus  I  sofort  U^^u^,  m,  =«  Uy. 

130.  Stoß  gegen  die  ruhende  Erde  (Nr.  295):  Jlf=oo  gibt: 
11^="  Ulf    Mg=  —  aWi+ £?7i,    also    bei    ?7"j=0,    Wg»  — «Wj,    JE^ 

f(i-OV- 

131.  Restitutionskoeffizient  des  Balls  (Nr.  295):  Verlust 
an  potentieller  Energie  %  des  alten  Betrages,  also  derselbe  an  kine- 
tischer Energie,  da  während  der  stoßfreien  Epoche  keine  Energie  ver- 
loren geht.    Mithin   1  —  a*  =   -  ^   £  =»  — . 

132.  Plötzliches  Anhalten  eines  Stabes  (Nr.  302):  rr  =  0, 
0  =  0,  also   coi— —  t?^- «« —  t;-^- =-  — t?g¥  =  — 5,625.     Ä,==wy(r'i 

+  ♦"''-978-1  (-rl  +  «')-r6  •^'9,81  =  2,238eckg.     Ä,-0. 

Hamel:  Elementare  Mechanik.  40 


626  Veraeiclmis  und  Auflösmig  der  Au%abe&. 

133.  Doppelpendel  (Nr.  309):  Tj^^^  -^  —  mjgaQm»  +  Hcgos& 

—  Vc  sin  d',  Tjjs  ip  =»  Hb  sin  tp  —  Vh  cos  9,  mn^  =  »hi5'  —  Vf  ^nV^ 
=««  —  Ä  Dabei  a^  «=  c  cos  d  +  6  cos  g?,  y*  —  c  sin  d  +  6  sin  9.  Elimi- 
nation von  H  und   V  gibt  die  gesuchten  Gleichungen. 

134.  Doppelwalze  (Nr.  309):    1.  muij  =  .W' sinqp  —  U' cos^, 

^iii/n  =^  ■"  ^'hiä'  +  ^'  ^^^  9>  +  -R'  sin 9,    Tj^gip  =  iTa.      2.    miij*  = 

—  -W^  sin  9  +  2J'  cos  qp  +  JB,    0  =*  —  m^g  —  A'^'  cos  9  —  JB'  sin  q>  +  N^ 

y^  ^  ^  =  jR V  —  ür.  Dabei  ist:  a^i*  =»  a;  =  r^  +  const.,  a;£  =  ar  + 
(r  +  a)  sin  9;  ^5  =  r  +  (r  +  <»)  cos  9.  Elimination  von  iJ',  N\  R,  N 
gibt  zwei  Bewegungsgleichungen.  B^\<^fN,  \R  <CfN  gibt  die 
Schranken,  innerhalb  deren  die  Torausgesetzte  Bewegungsart  mög- 
lich ist. 

135.  Schwinge  (Nr.  309):    Tjd^  =  Mj^  -  Hr  sin»  -  Vr  cos  *; 
tWjji^  =  -X  —  JET,  Wui/n  ="  i^  ~  ^7  ^n,*?  =*  -^n  ~  -^^  ^^^  qp  —  Fa  cos  qp 

—  Ä'ft  sin q>  -  F'6  cos g?;  Tni^  =  ^ra  +  J^'^'  sini?  -f  FV  cos iy.  (Da- 
bei sind  die  M,  X,  Y  die  wirkenden  eingeprägten  Momente  resp.  Kräfte.) 
Elimination  von  Hj  V,  H',  V  ergibt  eine  reine  Bewegong^leichung. 
Zwischen  ^,  (p,  ij   bestehen  die  Gleichungen:   r  cos-ö*  +  (a  +  b)  cosq> 

—  r  cos  ri  =  00\     r  sin  -ö*  «  (a  +  6)  sin  qp  +  /  sin  rj.     Endlich  ist  x 


=  r  cos  #•  +  a  cos  g?,  y^'^  r  sind'  —  a  sin  (f. 

136.  Weiteres  über  die  Doppelwalze  (Nr.  310):    2A  =  £*  + 

2  ;;  lg(^  +  J'),  «  »  -  iYf  +  2  ;  lg(p+^-+i3 ,)•  ^ür  ^-  ^  wer. 
den  ^===l/.^+2-;ig(-^-+i:)  uud  0,»^ -«:]/.«+ 2^1g^  +  ^ 

137.  Dreifaches  Pendel  (Nr.  310):  1.  Für  den  dritten  Körper 
in  bezug  auf  das  dritte  Gelenk  C:  Tjjj  gii^  —  ff^n^Xi^Sjj^suitl;  + 
mjji yjjj  «ni  cos  ^  «  —  ^ii^^^ni  süi  ^-  2.  Für  die  beiden  letzten  Körper 
in  bezug  auf  das  zweite  Gelenk  B^  nach  Abzug  der  ersten  Gleichung: 

^n^s^F  -  »»n*n%  ^^ 9  +  ^^Vn^ c<)sg?  —  n^'d^hi ^^^  V  +  ^mVinJu 
cos  (jp  «  —  nijiS^g  sin  qp  —  ^^^hn9hi  ^^^  9-  3.  Endlich  für  das  ganze 
System  in  bezug  auf  den  ersten  Drehpunkt  Ä  nach  Abzug  der  ersten 
und  zweiten  Gleichung:  Tj  gd  —  miSjäj  sin  d"  +  %$!%  cos  d  —  (wuüu 
+  %n^ni)^  sin  d'  +  (m^jy^  +  mj^Vm)  ^i  cos  -fr  =  —  mjgSj^  sin  6»  —  (t»n 
-f  nijjj)gli  sinO".  Dabei  0-,  qp,  ^  die  drei  Drehwinkel,  l  die  Langen 
von  ^  zu  £  zu  C,  8  die  Schwerpunktsabstande.  Xj  «  5j  sin  d,  y^  == 
Sj  cos  -O^,  Xjj  =*  ij  sin  0"  +  «n  sin  qp,  ^n  "^  ^  cos  -ö"  +  «n  cos  %  Xj^  =  Zj  sin  ^ 
+  Zji  sin  qp  -f  Sjjj  sin  ^,  ^uj  =  Zj  cos  d  +  l^  cos  qp  +  Sj^  cos  V'.  Zur  Theorie 
der  Gelenksjsteme  siehe  außer  Heuns  Kinematik  noch  seine  Arbeiten: 
Die  Bedeutung  des  D'Alembertschen  Prinzips  für  starre  Systeme  und 
Gelenkmechanismen  (Archiv  für  Math.)  und  Zeitschr.  für  Math.  u.  Phys., 
Bd.  56  (1908),  sowie  das  Buch  von  Otto  Fischer:  Theoretische  Grund- 
lagen für  eine  Mechanik  der  lebenden  Körper. 


Verzeichnis  und  Auf  lösnng  der  Aufgaben.  627 

138.  Zugbrücke  (Nr.313):  G^dz^  —  Q^Sz^^O,  also  G^z^-G^e^ 
=  const.     Nun  ist:  z^^r  cos g?,  z^  =  8  cos %•  =  8^         "",  ""  - •     So- 

mit  ggrcosy- Gi^     ^    ^^^  ^  -  G^8     \„^— ,    weil   r«0 

möglich  sein  soll.     Mit  ^*  =h  wird  daraus  r  ^  21  —  b  cos  97^  die 

Oleichung  einer  Herzkurve. 

139.  Robervalsche  Wage  (Nr.  313):  Weil  sich  die  virtuellen 
Wege  nicht  ändern.    Denn  FG  und  JH  sind  parallel  geführt. 

140.  Oleichgewicht  zweier  Massenpunkte  (Nr.  313):  m^gdz^ 
+  Wii^rdXji^  0.  x^+  li?^  {l  ^  a^i)*  (Z  Länge  des  Fadens,  h  Abstand 
der  Bolle   von   der  Führung).     Also   oc^dx^^  —  dxy^i}  — x^.     Somit 

mj  >  n»ii  ist  nötig. 

141.  Lagerreaktion  des  Erdbebenpendels  (Nr. 819):  —  if=« 

..  .  .. 

m{c  +  Id"  cos  &  —  Id'^  sin  -ö*)  =  w(6*  +  Z^)  =»  —  wi^f-ö*,  w.  z.  b.  w. 

142.  Schaukel  (Nr.  312):    ^  (2ri  +  mnZ*eos«d)©«-[m,K«  +  /) 

H-  ^^^Z]  •  cos  ^  »  %.  Denn  2(d  cos  'O'  ist  die  Geschwindigkeit  des  Brettes. 
Durch  den  beweglichen  Punkt  rn  kommt  zur  kinetischen  Energie  hinzu 

-m'(i*+  x^iD^)y  zur  potentiellen  der  Schwere:  —  m'gx  cos-ö*.    Für  den 

Punkt  gelten  die  Bewegongsgleichongen:  fn(x  —  xo^)  ==  X  +  mg  cos  d', 
m\xG)  ■{-  2x(o)  ==>  Y  —  mg  Bind',  X,  Y  sind  die  Kraftkomponenten, 
welche  die  Stange  auf  den  Punkt  ausübt.     Die  relative  Arbeit  dieser 

Kräfte  ist  also  I  Xdx^-^m\x^  —  x^)  —  mf  (o^x dx  —  m'g  j  cos d'dx. 
Nicht  periodische  Glieder  geben  —  wt'  /  cj^xxdt  und  —  m'g  j  cosO'i;ä^. 

Letzteres  nämlich  +  m'g      f  sin*      irfncos  O*«  1  —  ö  ^^^*y)'    ^*®^®^ 

Glied  stört  die  Schlußfolgerungen  des  Textes  nicht.  Damit  positive 
Arbeit  geleistet  werde,  muß  i  >  0,  wenn  a>  klein,  d'  groß,  i  <  0, 
wenn  o  groß^  d  klein.  IQeine  d  aber  fallen  tatsächlich  mit  großen  cd 
zusammen  und  umgekehrt. 


40 


Namenverzeichnis. 

(Die  angegebenen  Ziffern  beziehen  aicli  auf  die  Nnmmern.) 


Abraham  373 

Airy  200 

d'Alembert   9.  44.   71.   77. 

192.  193.  816.  361 
Allan  69 
Amonton  183 
Ampäre  282 
Appell  9.  106.  184.  388 
Aichimedes  63.  141.  142 
Ariatoteles  141.  312.  318 
Atwood  215 

Babo  60 

Bach  373 

Bacon  of  Vemlam  8.  21 

BaU  134 

Benedetti  21.  112 

Bernonilli,  D.,  44.  150.  381 

Bernouilli,  Jac.,   150.  350. 

361 
Bernouilli  Joh.,  150,  312 
Betti  97 
Boltzmann  9.  106.  207.  209. 

812.  333 
BoBCOwich  106 
Boussiaesq  378.  381 
Brauer  259 
Brennan  280.  838 
Brillouin  381 
Bruns  105 
Burkhardt  361 

Caratb^odory  381 
Camot  303 
Cauchy  373 
Ohandler  266.  282 
Charlier  106 
Ghasles  262.  284 
Clairaut  31 
Clausius  381 
Clebsch  373 
Coriolis  31,  150 
Coulomb  59.  150.  183 
Cremona  171.  173.  174 
Ouimann  118.  119.  254 

Darbouz  9.  44.  45.  218 
Delaunay  333 
Descartes  77.  299.  303 
Despeyrous  9.  333 


Dettmar  60 
Dinchlet  323.  861 
Disteli  232 
Douglas  Galton  60 
Duhamel  388 
Duhem  44.  818.  873 

Ehrlich  200 

Engesser  174 

Enzyklopädie  der  mathem. 
Wissenschaften,  Band.  II 
Burekhardt  und  W.  F. 
Meyer  97 

Bd  IV,  I.Teil,  I.Hälfte: 
Art.  1.  A.  Voß  9.  11.  12. 
18 

2.  E.  Timerding  134 

3.  Schoenflies,  Grüb- 
ler 286 

4.  Jung  259 
6.  Henneberg     118. 

174,  314 
„    6.  Stäokel  9.  284 

I.  Teil,  2.  Hälfte: 
Art.  7.  :^urtwängler  142. 

241 
10.  y.  Mises  60.  183. 

200.    218.    293. 

321.  347 
11.12.13.  Stäckel333 

U.  Teil,  1.  Hälfte: 
Art.  14.  Abraham  373.381 
„     16. 16.  Love  381 
„     17.  Finsterwalder69. 
381 

18.  Cranz  69.  3B1 

19.  Zemplen  381 

20.  Forchheimer  881 

21.  Grübler  881 

22.  Kriloff- Müller 


11 


«1 


»1 


11 


11 


11 


Art.  28.  Beißner  878 
„    30.  Prandtl  878 

Band  V,  I.  Teil: 
Art.  2.  Zenneck  98 
8.  Bryan  881 
4.  Hobson  381 


11 


11 


11 


4.  Dießelhorst  881 


11 


11 


11 


11 


11 


381 

II.  Teil,  2.  Hälfte: 
Art.  23.  C.  H.  Müller  - 

Timpe  373.  381 

24.  Tedone  373 

25.  Tedone  -  Timpe 

373 
„     26.  Lamb  373 
„     27.  V.  K4rm&n  373 


11 


11 


„    5.  Prandtl -Schröter 
381 

Band  VI  105 

Euler  9.   26.  71.  150.  180. 

218.  223.   260.  281    284. 

850.  861.  381 
Eytelwein  183 

Felgenträger  142.  241 

Finger  373 

Finsterwalder  69 

Fischer,  K.,  28 

Fischer,  0.,  13,  Aufgaben- 
Verzeichnis  Nr.  187 

Föppl  9.  134.  150. 174. 176. 
200.   280.   814.   845.   373 

Foucault  291 

Fourier  361 

Frahm  76 

Fredholm  359 

Fricke  361 

Friedel  381 

Galilei   9.   21.    22.  24.    32. 

70.  77.  84.  112.  303 
Galton  60 
Gassendi  106 
Gauß  72.  97.  98,  Anhang 
Gibbs  205,  Anhang 
Giorgini  262.  284 
Grashof  150.  232.  285 
Gray  9.  285 
Green  97 
Grübler  235 
Guldin  53 

Hachette  150 

Hamel    5.    209.    328.    824. 

327.  381 
Hamilton  28.  105.  838 
Heimann  60 
Helmholtz  83.  833.  381 


NamenverzeichniB. 


629 


Henneberg  174 

Hertz,  H.,  9,  146.  303.  324. 

878 
Heß  276 
Hessenberg  261 
Hetin  8.  9.  184.   200.   218. 

286.   264.   878.  801.  816. 

821.   827.   828.  888.  860, 

Anfgabenverzeichnis  187 
Hubert   6.   866.    867.   368. 

369.  861 
Hirn  60 

Hooke  87.  46.  370.  378 
Hort  76.  200.  840 
Hnrwitz  840 
Huyghens  26.  77.  808 

Jacobi  106.  883 

Jatho  164 

Janmann  9.  206.  379,  An- 
hang 

Jellett  60 

Jordan  361 

JordanuB  de  Nemore  77. 
112.  818 

Kamerlingh  Onnes  291 

Kant  8.  9.  14 

Kater  de  196 

Kepler  32.  98 

Kirchhoff  9.  41.  97. 284. 378. 

381 
Kirchweger  60 
Klein  184 
Klein-Sommerfeld  264.  266. 

278.   282.  284.  323.  388. 

340.  846 
fijieser  861 
König  9 
Königs  286 
Kopemikns  82 
Korn  97.  861 
Kowalewski  861 

Lagrange  9.  106.  316.  323. 

328.  833.  840.  881 
Lamb  846.  881 
Lanchester  69.  381 
Laplace  97.  106 
Lasche  60 
Leibniz  77 
Legendre  92 
Lie  106 

Lionardo  da  Vinci  77.  313. 
Lößl  69 

Lorentz,  H.  A.,  881 
Lorenz  76.  200.   218.  821. 

846.  881 
Love  810.  378 
Ladewig  294 


Mach  9.  69 

Maggi  333 

Manderla  174 

MarcolonffO  9.  134.  236.  883 

Marcus  Marci  803 

Mayer,  R.,  83 

Maxwell  173.  174.  200.  340 

Meyer,  0.  E.,  878 

Minding  134 

V.  Mises  60.  64.  76. 166.  200. 

218. 298. 294. 321. 361. 381 
Möbius  28. 133. 134.262.284 
Mohr  173.  174.  266.  814 
Morin  69.  160 
Müller -Breslau    166.    173. 

174.  814 

Natorp  9 
Neumann,  F.,  373 
Newton  6.  7.  9.  26.  32.  88. 

89.    47.    68.    77.    96.    98. 

106.  204.  808 

Oseen  381 

Painley^  60 

Perry  150.  284 

Petroff  60 

Picard  97,  861 

Planck  381 

Plücker  126.  184,   Anhang 

Poincar^    8.    9.    106.    236. 

881#869.  361 
Poinsot  150.  262.  284 
Poirde  60 
Poisson   97.  106.  106.  303. 

833.  878 
Poncelet  160.  301.  303 
Prandtl  69.  212.  280.  881 
Prasil  881 
Prony  144 

Badinger  308.  321.  847 
Ramsauer  808 
Rayleigh  69.  369.  878 
Redtenbacher  160. 183. 218 
Reißner  76 
Reuleaux  282.  286 
Reynolds,  0.,  60.  242.  381 
Riemann  97.  361 
Ritter,  A.,  128.   160.  169. 

174 
Robins  300 
Routh  9.  67.  97.  134.  200. 

269.   284.   308.  323.  883. 

340.  849 
Runge  381. 

Saint  V^nant  803.  860.  878 
Schell  1.  9.  97.  134.  286 


Schilling  282 

Schlick  218.  280.  846 

Schlink  174 

Schmidt,  Erb.,  861 

Schubert  218 

Schur,  F.,  173.  174 

Seliger  98 

Siacci  44.  46 

Siemens  200.  293 

Skutsch  347 

Sommerfeld  60.  84. 214.  881 

Steiner  196 

Stevin  44.  67.  77 

Stodola  200.  298.  881 

Stribeck  60.  805 

Study  134 

Sturm  883 

Tait  (siehe  auch  Thomson) 

9.  286.  308 
y.  Tetmajer  878 
Thomson  (Lord  Kelvin)  9. 

97.   236.    280.    284.    308. 

838. 834. 840. 360. 878. 881 
Thurston  60 
Timerding  134 
Timpe  378 
Tisserand  105 
Todhunter-Pearson  378 
Tolle  200.  321 
Toricelli  316 
Tower  60 
Tycho  de  Brahe  82 

Varignon  9.  112.  118.  160. 

164.  312 
Veitmann  841 
Voigt,  W.,  308.   870.  378. 

881 
Volterra  824 

Wallis  803 
Warburg  60 
Weber  361 

Webster  9.  97.  184.  236.  284 
Weisbach  146.  183 
Weyrauch  381 
Whittaker  9.  106.  338 
Wiehert  60 

Wiechert  78.  76.  98,  Auf- 
gabenverzeichnis  Nr.  66 
Wieghardt  174 
Wien  881 

Wischnegradsky  200 
Wittenbauer  821 
Woronetz  824 
Wren  34.  308 
Wright  280 

Zeuner  881 


Sachregister. 


(Die  beig«f&gten  Ziffern  beziehen  sich  »af  die  Nummern.) 


Abflolate  und   relative  Änderung  eines 

Vektors  268 
Adiabatisch  S71 

Äquivalenz  von  Kräften  111.  192 
Ausschnitt  einer  Natuiersoheinung   21. 

28.  41.  46 
Äußere  Kräfte  48.  107.  111.  206 
Äußeres  Produkt  100,  Anhang 
Affinit&t  866 
Allansches  Gesetz  69 
d'Alembertsches  Prinzip  194.  197.  201 
Amplitude  einer  Schwingung  86 
Anfahren  eines  Zuges  287 
Anziehung  von  Kugeln  96 
Arbeit  77  ff. 

Arbeit  der  inneren  Kräfte  109.  286.  866 
Atwoodsche  Fallmaschine  67.  216.  216 
Auftrieb  68 

Auslauf  eines  Rades  214 
Automobil  in  einer  Kurve  68  a 
Axiom  6 

Axiome  der  Mechanik  48.  62.  118.  178. 
Azimut  260  [208 

BaUistik  69 

Ballistische  Kurve  71 

Ballistisches  Pendel  800 

Ballistisches  Problem  71 

Beanspruchung  durch  Biegfung,  durch 
Schub  usw.  168.  166.  201 

Belastung,  kontinuierliche  162 

Belastungslinie  187 

Beschleunigung  26.  27 

Beschleunigungspol  288 

Beschleunigungsvektor  26 

Beschleunigungszustand  bei  der  ebenen 
Bewegung  238 

Bewegung,  absolute  16  ff. 

— ,  Beobaohtungsmethoden  18 

— ,  relative  29.  267  ff.  289  ff. 

— ,  gleichförmige  16.  18 

— ,  stationäre  67.  191.  847 

Bewegungsbegriff  11 

Bewegungsgleichungen  allgemeiner  Sy- 
steme 107.  108.  204.  206.  207 

—  biegsamer  Seile  846 

—  von  Drähten  860 

—  elastischer  Körper  362  ff. 

—  von  Flüssigkeiten  877  ff.  880 

—  des  Schwerpunktes  61.  206 


Bewegungsgleichungen  starrer  Körper  20S 

—  starrer  Körper  in  der  Ebene  236 

—  starrer  Körper  im  Baume  274 
Bewegungsschraube  264 
Bewegung  der  Erde  10.  290 
Biegung  167.  166 
Biegungsmoment  167  ff. 
Bilineare  Form  869 
Bockleiter  162 

Bohrreibung  146 

Boltzmannsches  Grundgesetz  207 
Briefwage  142 
Bröckenwage  168 

Chandlersche  Periode  266 
Coriolisbeschleunigung  81.  289.  290 
Coulombsches  Beibungsgesetz  69 
Culmannsche  Gerade  119 

—  Trägheitsellipse  264 

Dampfmaschine  166.  226.  228.  246.  804. 

Dämpfung  72.  884  ff.  [320.  821  ff. 

Definition  6.  10.  87 

Deformation,  endliche  862  ff. 

•—,  unendlich  kleine  861.  870.  871 

Dekrement  72 

Deviationsmoment  198.  247.  381 

Deviationswiderstand  288.  292 

Differentialgleichung,  lineare  866  ff. 

Dimensionen  17.  49.  81 

DirichleU  Stabilitätssatz  323 

Dissipative  Kräfte  834 

Dissipatlonsfunktion  884.  880 

Divergenz  866,  Anhang 

Doppelpendel  276.  810.  880.  848 

Draht,  Kinetik  desselben  860 

Drehpol  280 

Drehschemel  212 

Drehstoß  296 

Dreiecksfachwerk  168 

Druck  4.  89.  168.  167 

Dmckkurve  176 

Druckmittelpunkt  136.  176 

Drucksinn  4.  39 

Dyade  206,  Anhang 

Dyn  49 

Dyname  126 

Dynamometer  46 

Ebbe  und  Flut  290 
Ebene  Bewegung  20.  219 


Sachregister. 


631 


Eigenfrinktion  861 

Sigenschwingnng  76 

SiBOibahiizug  68  a.  84.  110.  887.  843 

Elastisches  Potential  869 

Elektromotorische  Kraft  48 

Eingeprägte  Kräfte  58.  193.  308.  312 

Einschienenbahn  280.  888 

Elliptische  Integrale  91 

Energie  77fir. 

— ,  innere  868 

Energiegleichung  90.  244  ff.  285.  819.  371 

Energie,  potentielle  86 

Energiesatz  77.  109.  287.  819 

Entropie  868.  371.  374 

Erg  81 

Erstarmngsprinzip  151.  178.  809 

Enlersche  Formel  für  Treibriemen  180  a 

—  Geschwindigkeitsformel  222.  223 

—  Gleichungen  f&r  den  Kreisel  281 

—  Periode  282 

—  Winkel  261 

Fachwerk  167  ff.  814 

Faden  66.  178  ff.  846  ff. 

Fadenpendel  72 

Fahrplan,  graphischer  18 

Fallbewegang  21.  70 

Fallgesetze  28 

Federkraft  37 

Feder  schwingende  36  ff. 

Flächengeschwindigkeit  82.  108.  212 

Flächenkräfte  42 

Flächensatz  103.  212 

Fiaschenzng  181.  818 

Flogmaschinen  69.  280 

Flüssigkeit,  ideale  and  zähe  872.  876.  877 

Förderkorb  25 

Foucanlteches  Pendel  291 

Fooriersche  Reihen  35.  861. 

Freie  Achsen  218 

Freie  Energie  871 

Freiheitsgrade  62.  192 

Fühnmgsbeschlennigang  80.  269 

Fühningsgeschwindigkeit  29.  267 

Ganßsche  Konstante  98 
Ganßscher  Satz,  Anhang 
Gegenwirkungsgesetz  89.  48.  106.  804 
Gelenkträger  152 
Geschwindigkeit  15.  19.  20.  29 
Geschwindigkeitsparameter  265 
Geschwindigkeitsvektor  18 
Gewölbetheorie  176  ff. 
Glatt,  vollkommen  65 


Gleichgewicht  111.  128 
Gleichwertigkeit  von  Kräften  111.  192 
Gleitreibung  69  ff. 
Glocke  und  Klöppel  841.  842 
Gradient  85.  88,  Anhang 
Gravitationsgesetz  96 
Gravitationskonstante  96.  98 
Greensche  Funktion  356  ff. 
Grundgesetz  (erstes)  der  Mechanik  47. 819 

—  (zweites)  der  Mechanik  328 
Grandgleichungen  der  Thermodynamik 

369 

—  für  das  Massenelement  47.  48.  204 
Guldinsche  Regel  58 

Gyroskop  880 

Gyroskopischer  Term  388.  334 
Gyrostat  280 

Haftreibung  54.  58.  110 

Hammerwerk  301 

Handkreisel  278 

Harmonische  Schwingungen  66 

Hauptsatz  d.  mech.  Wärmetheorie  (erster) 

868,  (zweiter)  368 
Haupträgheitsachsen  218.  249 
Hebel  14.1  ff. 
Hebelsatz  818 
Herpoloide  226.  276 
Hilftspolbahnen  231 
Himmelsmechanik  95  ff. 
Hodograph  28 
Holonome  Systeme  324 
Homogen  3.  368 
Hookesches  Gesetz  46.  370 
Hypothese  6 
Hysteresis  376 

Impulsion  295.  896.  818.  826.  349 

Impulsvektor  102.  210.  272.  296 

Inertieregulator  293 

Innere  Energie  868 

Inneres  Produkt  78,  Anhang 

Innere   Spannungen   (Kräfte)    107.    156. 

Integralgleichungen  364  [286.  366 

Invariable  Ebene  102.  275 

Invarianten  112.  364,  Anhang 

Isotherme  371 

Isotropie  863.  868 

Kabellegung  348 

Katze,  beim  Fallen  212 

Keil  67.  64 

Keilsystem  175 

Keilverbindung  57 

Keplers  Gesetze  82.  88.  84.  99 


632 


Sachregister. 


Eettenlinie  180 
Kinematik  8.  222  ff.  260  ff. 
Kinetik  8.  192.  286.  270.  274 

—  der  isotropen  Medien  874  ff. 

—  der  Relatiybewegang  289 
Kinetostatik  8.  201.  202 
Knetbarkeit  847 
Kniepresse  165 
Knotenlinie  260 

Komet  84 

Kompaßnadel  280 

Komplex  (linearer)  182 

Kontaktmethode  18 

Kontinnitätsgleichung  879 

Körper,  fester  und  starrer  64 

Krabn  217 

Kraft,  Begriff  der  1.  6.  89  ff.  48 

Kraftgesetz  41 

Kraftkreaz  181 

Kraftschraube  125.  181 

Kräfte,  äußere  48.  107.  111.  206 

— ,  dissipative  834 

— ,  eingeprägte  58.   166.  198.  304.  812 

— ,  flächenhaft  verteilte  42 

— ,  innere  48.  107.  156.  286.  366 

— ,  konservative  334 

— ,  parallele  185 

— ,  Beaktions-  58.  62.  198.  804.  312 

— ,  Volums-  42 

Kräftepaar  114.  115 

Kräfteparallelogramm  44.  45.  48 

Krilfteplan  170 

Kräfteplan  von  Cremona  171 

Kräftepolygon  44.  118 

kreiseltheorie  274.  832.  838  ff. 

Kreuzkopf  155 

Kritische  Geschwindigkeit  70 

Lager,  konisches  145 
— ,  zylindrisches  143 
Lagerreaktionen  142.  218 
Lagrangesche  Gleichungen  324.  326.  329 
— ,  Kraftkomponenten  825 
Lagrangesches  Prinzip  317 
Lagrrangesche  Stoßkomponenten  326 

—  Zentralgleichung  328 
Laplacesche  Gleichung  97 
Latemenaufgabe  17 
Lauf  wage  142 

Lebende  Wesen:  Mensch  und  Tier  in 
der  Mechanik  39.  40.  58  a.  189.  199. 
212.  294.  297.  322 

Lebendige  Kraft  78 

Lex  tertia  39 


Lissajous  Figuren  20 
Y.    L5ßls    Gesetz    für    den    Luftwider- 
Logik,  reine  6  [stand  69 
Luftfahrzeug  280 
Luftwiderstand  68  ff. 

Masse  36.  43 
Massenadditionsgesetz  86 
Massenausgleich  218 
Massenbeschleunigung  87 
Massengeometrie  8.  247  ff. 
Massenkinematik  8.  270  ff. 
Massenmittelpunkt  61.  62.  68 
Maßsysteme  49 
Materielle  Bewegung  48 
Mechanik,  Definition  der  1 
— ,  Einteilung  der  8 
— ,  Erkenntnisquellen  der  8 
— ,  Grundanschauung  der  4 
Meeresströmungen  290 
Mohni(^trilger  168.  169 
Mohrsche  Trägheitskreise  266 
Moment,  statisches  108.  112.  114.  127 
Moment,  graphische  Bestimmung  160 
Momentanachse  262 
Momentankraft  296 
Momentanzentrum  224  ff. 
Momentenlinie  165 
Momentensatz  102.  108.  207  ff. 

Nebenspannungen  167 

Newtons  Gesetz  für  den  Luftwiderstand  68 

—  Planetengesetz  88.  34.  88 

—  Grundgesetz  der  Mechanik  47.  48.  204 
Niveauflächen  88,  Anhang 
Normaldrucke  54  ff. 

Nullsystem  129  ff. 

Orthogonalftmktionen  868 
Ostabweichung  der  Geschosse,  der  Winde 
290 

Pallograph  78 

Parallelogramm  der  Krilfte  44.  45. 47. 48 

Pendel,  ballistisches  800 

— ,  ebenes  Punkt-  66.  72.  90 

— ,  physisches  195.  244 

— ,  reduzierte  Länge  196 

— ,  Reversions-  196 

— ,  sphärisches  67 

— ,  umlaufendes  91 

Periode  36 

Pferdekraft  81 

Phase  einer  Schwingung  35 

Phasenunterschied  85 


SachiegiBter. 


633 


PhiloBophia  naturalis  88 

Phoronomie  8 

Photogrammetrie  18 

Planetenbewegang  32 

Pleuelstange  225 

Plötzliche  Fizierang    800 

Plfickersche  Vektoren  126.  132,  Anhang 

—  Gleichungen,  Anhang 
Poissonsche  Gleichung  97 
Polbahnen  226.  227 
Polhodie  226.  276 
Polkegel  266 
Polkurve  226 

Poloide  226 

Polonceauträger  168.  169.  170 

Polwinkel  260 

Potential  86.  87.  816.  826 

Potential,  elastisches  869 

Präzessionsbewegung  266 

Prinzip  von  d^Alembert  194 

—  der  Gleichwertigkeit  der  Ursachen  8 

—  der  Homogenität  8.  63.  368 

—  der  Isotropie  3.  68.  368 

—  der  Kausalität  1.  3.  43 

—  der  Klassifikation  1.  3.  24.  34.  37.  41 

—  der  Kontinuität  8 

—  von  Lagrange  317 

—  der  virtuellen  Arbeit  312  ff. 

—  von  Toricelli  816 

—  vom  zureichenden  Grunde  63 

—  von  der  Zerlegung  der  Kräfte  8.  46 

—  von  der  Zusammensetzung  der  Kräfte 
Problem  der  zwei  Körper  99  [3.  44 
Problem  der  n  Körper  100  ff. 
Pronjscher  Zaum  144 

Punkt,  materieller  60.  106 

Rauh,  vollkommen  65 

Raum  8.  6.  14 

Reaktionskraft  58.  62.  193.  304.  312 

Reziproke  Bewegung  228 

—  Figuren  178 
Reduzierte  Pendellänge  196 
Regulatortheorie  67.  200 
Reibung  66  ff.  148.  146.  242.  297 
Reibungskegel  66 
Reibungskoeffizient  66 
Reibungskreis  143 
Reibungswinkel  66 

Rheonom  812.  324 
Relativbewegung  29.  226.  289  ff. 
Relativbeschleunigung  29.  269 
Relativgeschwindigkeit  29.  267 
Relaxationszeit  72 


Resonanz  76.  811.  846 
Restitutionskoeffizient  295 
Reversionspende^  196 
Rittersche  Methode  128.  169 
Robervalsche  Wage  313 
Rollpendel  241.  246 
Rollreibung  242 
Rollbewegung  Yon  Schiffen  283 
Rotation  um  eine  Achse  213 
Rotor  866,  Anhang 

Schaukel  822 

Scheinkraft  201.  289.  294 

Scherkraft  39.  166.  167.  206 

Schiefe  Ebene  66.  57.  64 

Schiefer  Wurf  22 

Schiffskreisel  280.  332.  382  a.  844.  346 

Schiffsschraube  288 

Schiß sschrauben welle  76 

Schmiegungsebene  26 

Schmierreibung  60.  148.  144 

Schnittmethode  169 

Schraube  147  ff. 

Schraubenbewegung  262 

Schraubenlinie  26.  28 

Schubkraft  89.  166.  157.  206 

Schubkurbelgetriebe  165.  226.  228.  246. 

Schwerachse  138  [804  ff.  820.  321 

Schwerkraft  38.  42 

Schwerpunkt  186 

Schwerpunktsatz  51.  101.  206 

Schwinge  225 

Schwingung,  erzwungene  74.  811 

— ,  freie  35 

— ,  gedämpfte  72.  339.  340 

— ,  ungedämpfte  35 

— ,  kleine  35.  60.  74  ff.  834.  351 

—  mit  Reibung  04 
— ,  reine  85.  353 

—  um  einen  Beweg^ngszu^tand  67 
Schwingungsmittelpunkt  196 
Schwungrad  12.  821 

Seil  66.  170  ff.  346  ff. 

— ,  vollkommen  biegsames  66.  179 

— ,  stationäre  Bewegung  des  191.  848 

Seilschwingungen  861 

Seileck  118.  128 

Seilkurve  187 

Seilpolygon  118 

Seilsteifigkeit  182  ff. 

Seismometer  78 

Seitenablenkung  von  Geschossen  290 

Selbstsperrung  139 

Serpoloide  226 


634 


Sachregister. 


SinuBBchwingung  36 
Skleronom  812 
Spannung  4.  89.  42.  48 
Spannungsdjade  805.  808.  868.  375,  An- 
Spannnngsfläche  251  [hang 

Spurkegel  266 
Spurkurve  826.  276 
StabUität  328 

—  der  Bewegung  877 
Stabpoljgon  118.  154 
Stabvertauflchung  174 
Statik  8.  lllif. 

—  isotroper  Medien  868  ff. 
Stationär  67.  191.  847 

Statisch  bestimmt  resp.  unbestimmt  189. 

SteigYorrichtung  139  [167.  304 

Stereomechanik  54 

Stemtag  10 

Stimmgabelmethode  18 

Störung  67.  105 

Stokesscher  Satz,  Anhang. 

Stoß  895  ff. 

Stoßmittelpunkt  899 

Stützfläche  55 

Stützlinie  176 

Synthetische  Methode  151 

System  48 

Tangentialer  Dampfdruck  165 

Teilkreise  831 

Temperatur,  Einfluß  auf  die  Spannungen 

— ,  Einfluß  auf  die  Zähigkeit  878      [871 

Thermodynamik  381 

Torricellisches  Prinzip  815 

Torsionsmoment  157 

Träger,  horizontaler  158  ff. 

Trägheitsdyade  850 

Trägheitsellipse  253 

Trägheitsellipsoid  848.  849.  875.  876 

Trägheitegesetz  47 

Trägheitshauptachse  849 

Trägheitsmoment  194.  212.  247 

— ,  Berechnung  256 

— ,  graphische  Bestimmung  257 

— ,  experimentelle  Bestimmung  269 

Trägheitsradius  195 

Tranalationsbewegung  80 

Trapez,  Schwerpunktsbestimmung  53 

Treibriemen  180  a.  347 

Trennungsfläche,  natürliche  56 

Trockene  Reibimg  60 

Turbinentheorie  294 


Obergangsgleichungen  827.  849.  867 
Umdrehung  der  Erde  10.  16 
Undurchdringlichkeit  48 
Ungleichförmigkeitsgrad  91.  881 
Unveränderliche  Ebene  102.  275 
Ursache  43.  48 
Urteil,  analytisches  und  synthetisches  6 

Varignons  Problem  164 
Vektor,  Anhang  [301 

Verlust  an  lebendiger  Kraft  beim  Stoß 
Verschiebung,  unendlich  klein  282 
Verschiebungsplan  830.  314 
Virtuelle  Arbeit  818.  869 

—  Verschiebung  318 

Wärmeleitung  880 
Wage  148.  311.  831.  851 
Wagen  auf  überhöhter  Bahn  199 
Watt  81 

Wegzeitkurve  15 
Welle,  fortschreitende  351 
Welle  einer  Lavalturbine  76 
Westwind  890 
Wiegmannbinder  168 
Winde  148.  149 
Winkelbeschleunigung  86 
Winkelgeschwindigkeit  16 
Wirkungsgrad  einer  Maschine  149 
Wrensche  Eonstante  84 
Wurfparabel  88 

Zähigkeit  60.  376  ff. 

Zahnrad  831.  282 

Zapfenreibnng  143 

Zeit  6.  10 

Zeitmessung  10 

Zentralachse  125 

Zentralbewegung  32 

Zentralkraft  86 

Zentrallinie  116.  117 

Zentrifugalkraft  66.  198  ff.  889  ff. 

Zentrifugalregulator  800 

Zerlegung  der  Krikfte  46 

Zug  89.  157.  806 

Zugbrücke  818 

Zusammensetzung  von  Bewegungen  ttl, 

—  von  Drehungen  264  [WO 

—  von  Geschwindigkeiten  29.  267 

—  von  Kräften  43.  44.  48.  118  ff. 
Zustandsgieichung  869.  380 
Zweikörperproblem  99 
Zykloidenverzahnung  882 


Verlag  von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig  und  Berlin. 

Meehaniki  unter  lütwirkung  von  M.  Abraham,  C.  Granz,  P.  u.  T.  Ehrenfest,  8.  Finster- 
walder,  0.  Fischer,  Ph.  Forcbheimer,  Ph.  Fnrtw&ngler,  M.  Grübler,  L.  Hennebers, 
K.  Heon,  6.  Jnng,  A.  Eriloff^  H.  Lamb,  A.  E.  H.  Loye,  B.  y.  Mises,  L.  Prandti, 
H.  Beißner,  A.  Schoenflies,  P.  Stäckel,  0.  Tedone,  H.  E.  Timerding,  A.  Timpe,  A.  Yoß, 
G.  T.  Walker,  G.  Zemplän,  redigiert  von  F.  Klein  und  C.  H.  Müller.  A.  u.  d.  T.: 
Encyklop&die  der  mathematiBchen  Wissenschaften.    Band  lY,  in  4  Teilb&nden. 

Bisher  erschienen  : 

r  TeUlMuid.  [XYI  n.  691  8.]    1001—1908.    Oeli.  JL  tO.40,  in  OrlgiiialbMid  g«b.  JL  84.~ 

n.        —  1.  Heit.     1904.    JH  4.40. 

m.        —  [XI  n.  598  8.]    1901-1908.    6«li.  JL  17.M,  in  OrlginAlbuid  g»b.  Ji  SO.SO. 

lY.        —  1.  Heft.    1907.    JL  S.60.    S.  Heft.    1907.    JL  5.90.    8.  Heft.    1910.    JL  8.40. 


Bbert«  Dr.  H.^  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  zu  München,  Lehrbuch  der 
Physik.  Nach  Vorlesungen  an  der  Technischen  Hochschule  zu  München.  In 
2  Bänden.  I.  Band:  Mechanik  und  Wärmelehre.  Mit  168  Abbildungen.  [XX 
u.  661  S.]    gr.  8.    1912.    In  Leinwand  geb.  JC  14.~    [Band  II  in  Vorbereitung.] 

Ebner^  Dr.  F.^  Oberlehrer  an  der  Kgl.  Maschinenbauschule  zu  Einbeck,  Leitfadeu 
der  technisch  wichtigen  Kuryen.  Mit  93  Figuren.  [VUI  u.  197  S.]  gr.  8. 
1906.    In  Leinwand  JL  k. — 

Föppl,  Dr.  A.|  Professor  an  der  Kgl.  Technischen  Hochschule  zu  München,  Vor- 
lesungen über  technische  Mechanik.    6  Bände,    gr.  8.    In  Leinwand  geb. 

LBuid.    Binftthrnng  in  die  Mechanik.   4.  Anflage.    Mit  104  Teztflgnren.    [XY  u.  424  S.] 
1911.    v^lO.— 
IL     —       Oraphitohe  Statik.    9.  Auflage.   Mit  176  Teactflgozmi.    [Xna.4718.]    1908.   UT  la— 
m.     —       Fettigkeittlehre.   4.  Auflage.    Mit  86  Textflgnren.    pCYI  n.  496  8.]    1909.   ^^10.— 
rv.     —       Dynamik.  8.,  stark  Terinderte  Aufl.  Mit  71  Textflgnren.  [Till n.  429  8.]   1909.  .^^10.— 
V.     —      Die  wichtigsten  Lehren  der  höheren  BlattiiitAtttheorie.    Mit  44  Figuren, 
pm  u.  891  S.]     1907.    JL  10.— 
VI.     — -       Die  wichtigsten  Lehren  der  höheren  Dynamik.     Mit  80  Figuren.    [XII  u. 
490  8.)    1910.    JL1%.— 

Fuhrmann,  Geheimer  Hofrat  Dr.  Arwed,  weiland  Professor  zu  Dresden,  Aufgaben 
aus  der  analytischen  Mechanik.    Übungsbuch  und  Literaturnachweis  für 
Studierende  der  Mathematik,  Physik,  Technik  usw.    In  2  Teilen,    gr.  8.    Geb. 
Einzeln : 

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mehrte  Auflage.    Mit  84  Teztfignren.    [XH  u.  906  S.]     1904.    Geb.  JL.  3.60. 
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Termehrte  Auflage.    Mit  Textflguren.    [VI  u.  222  8.)    1882.    Geb.  •Ä4.20. 

Orimsehl.  B.,  Direktor  der  Oberrealschule  auf  der  Uhlenhorst  zu  Hamburg,  Lehr- 
buch der  Physik.  Zum  Gebrauch  beim  Unterricht,  bei  akademischen  Vor- 
lesungen und  zum  Selbststudium.  2.  Aufl.  Mit  1091  Figuren,  2  fark  Tafeln  und 
Tabellen  physikalischer  Konstanten  und  Zahlentabellen,  [ca.  1100  S.]  gr.  8.  1912. 
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stadt, die  graphische  Statik  der  starren  Systeme.  Mit  894  Figuren. 
[XV  u.  732  S.J     gr.  8.     1911.     In  Leinwand  geb.  JL  24.— 

Heuziy  Dr.  K.,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  zu  Karlsruhe,  die  kine- 
tischen Probleme  der  wissenschaftlichen  Technik.  Mit  18  Figuren. 
[VI  u.  123  S.]     gr.  8.     1900.     Geh.  JL  4.— 

v.Ihering,  Geh.  Regierungsrat  A.,  die  Mechanik  der  festen,  flüssigen  und  gas- 
förmigen Körper. 

LTeil:  Die  Mechanik  der  festen  Körper.    Mit  61  AbbUdungen.    [lY  u.  114  8.1    8.    1910. 
Geh.  JL  1^,  geb.  JL  I.2B. 
IL    ~     [Erscheint  Ende  1911.] 
m.    —      [In  Vorbereitung.] 

Klrohhoft  Dr.  Quatav,  weiland  Professor  der  Physik  an  der  Universität  Berlin, 
Vorlesungen  über  Mechanik.  Mit  Figuren.  4.  Auflage,  von  Dr.  W.  Wien, 
Professor  an  der  üniversitÄt  Würzburg.  [X  u.  464  S]  1897.  Geh.  JL  13.— 
in  Leinwand  geb.  JL  16. — 


Verlag  von  B«  6.  Teubner  in  Leipzig  und  Berlin. 

T^ftiTi^  Dr.  F.|  Geh.  Regieningsrat,  Professor  an  der  üniTezsitftt  Göttingen,  and  A« 
Somxnerfeldy  über  die  Theorie  des  Kreisels.  Mit  zahlreichen  Figroren. 
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L  Heft    Dl»  klnem»tltohen  und  klnetiioben  Ornndlagen  der  Theorie.    [TV  o.  196  S.] 
1897.    Geh.  M  b.W,  geb.  M  6.60. 

n.     —       Darchführang    der    Theorie    im    Falle    dee    tohweren    ejmsietritoheB 
Kreiselt.     [lY  n.  816  S.]    1896.    Geh.  JC  10.—,  geb.  M  11.- 

TTT-     —       Die    itOrenden  Einflütse.     Astronomische  nnd   geophysikalische   Anwendungen. 
[lY  o.  947  S.]    1903.    Geh.  Md.—,  geb.  M  10.— 

lY.     —       Die  technischen  Anwendungen  der  Kreiseltheorie.    Fftr  den  Drook  bear- 
beitet u.  ergftnit  Ton  Frits  Koether.    [lY  u.  906  S.]    1910.   Geh.  JU:  8.—,  geb.  ^  9.— 

Koenigsberger^  Geh.  Rat  Dr.  L.,  Professor  an  der  Universität  Heidelberg,  Hermann 
von  Helmholtzs'  Untersnchungen  über  die  Grundlagen  der  Mathe- 
matik und  Mechanik.  Mit  einem  Bildnis  H.  y.  Helmholtzs'  nach  einer  Oiskizze 
von  F.  V.  Lenbach.     [V  u.  68  S.]    gr.  8.     1896.     Geh.  JC  2.40. 


— — -«—  die  Prinzipien  der  Mechanik.  Mathematische  Untersuchungen.  [XII 
u.  228  S.]    gr.  8.     1901.     Geb.  .«  9.— 

Lamby  H.^  Professor  der  Mathematik  an  der  yiktoria-Uniyersitftt  Manchester,  Lehr- 
buch der  Hydrodynamik.  Deutsche  autorisierte  Ausgabe  (nach  der  3.  eng- 
lischen Auflage)  besorgt  von  f  Dr.  J o  h.  F r i e  d  el  in  Charlottenburg.  Mit  79  Figuren. 
[XIV  u.  788  S.]    gr.  8.     1907.     In  Leinwand  geb.  UK  20.— 

Lanohester,  F.  W.,  Aerodynamik.  Ein  Gesamtwerk  über  das  Fliegen.  2  Bände. 
Aus  dem  Englischen  übersetzt  von  C.  und  A.  Runge. 

L  Band:  Mit  Anhängen  ttber  die  Geschwindigkeit  und  den  Impuls  ron  SchaUwellen,  Ober  die 
Theorie  des  Segelflnges  nsw.  Mit  162  Figuren  und  1  TafeL  [XIY  u.  860  S.]  gr.  8. 
1909.    In  Leinwand  geb.  Ji  19.— 

II.  —  Aerodonetik.  Mit  Anh&ngen  Aber  die  Theorie  und  Anwendung  des  Gyroskops  ftber 
den  Flug  der  Geschosse  usw.  Mit  90ti  Figuren  und  1  Titelbild.  [XIY  u.  897  8.]  gr.  8. 
1911.    In  Leinwand  geb.  M  19. — 

IjOYOi  A.  S.  H.,  Professor  an  der  Universität  Oxford,  Lehrbuch  der  Elastizität. 
Autorisierte  deutsche  Ausgabe  unter  Mitwirkung  des  Verfassers  besorgt  von  Dr. 
Aloys  Timpe,  Assistent  an  der  Technischen  Hochschule  zu  Danzig.  Mit  76  Ab- 
bildungen.   [XYI  u.  664  S.]    gr.  8.     1907.    In  Leinwand  geb.  «4^  16.~ 

Marcolongo,  Dr.  B.,  Professor  an  der  Universität  Rom,  Lehrbuch  der  theo- 
retischen Mechanik.  Deutsch  von  H.  E.  Timerding,  Professor  an  der 
Technischen  Hochschule  zu  Braunschweig.     2  Bände.  * 

LBand«  Kinematik  und  Statik.  Mit  110  Figuren.  [YIUu.  846  8.]  gr.  8.  1911.  Geh.  .«  10.— , 
in  Leinwand  geb.  JC  11. — . 

II.     —       [Erscheint  Ende  1911.] 

Ostenfeld.  Dr.  A.^  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  zu  Kopenhagen,  tech- 
niscne  Statik.  Vorlesungen  über  die  Theorie  der  Tragkonstruktionen.  Deutsche 
Ausgabe  von  D.  Skouge.  Mit  336  Figuren  auf  33  Tafeln.  [YHI  u.  466  S.J 
gr.  8.     1904.     In  Leinwand  geb.  JC  12. — 

Perry.  Dr.  John,  Professor  am  Royal  College  of  Science  zu  London,  höhere  Analysis 
für  Ingenieure.  Autorisierte  deutsche  Bearbeitung  von  K.  Fricke  und  Fr. 
Süchtin g.  2.,  verbesserte  und  erweiterte  Auflage.  Mit  106  Figuren.  [XII  u. 
464  S.]    gr.  8.     1910.    In  Leinwand  geb.  JC  13.— 


— ^—  angewandte  Mechanik.  Ein  Lehrbuch  für  Studenten,  welche  Versuche 
anstellen  und  numerische  und  graphische  Beispiele  durcharbeiten  wollen.  Be- 
rechtigte deutsche  Ausgabe  von  Ingenieur  Rudolf  Schick  in  Berlin.  Mit 
871  Figuren.    [VIII  u.  666  S.]    gr.  8.     1908.    In  Leinwand  geb.  JC  18.— 

Poinoaröy  Henri,  Membre  de  TAcadämie  de  France,  die  neue  Mechanik.  [22  S] 
gr.  8.     1911.     Geh.  JC  —.60. 


Verlag  von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig  und  Berlin. 

Hoathy  Edw^ard  John^  weil.  Professor  an  der  Universität  Cambridge,  die  Dynamik 
der  Systeme  starrer  Körper.  In  2  Bänden  mit  zahlreichen  Beispielen. 
Autorisierte  dentsche  Ausgabe  Yon  Adolf  Schepp,  weil.  Oberleutnant  a.  D.  in 
Wiesbaden.  Mit  einem  Vorwort  von  F.  Klein,  gr.  8.  1898.  In  Leinwand  geb. 
JL  24.— 

L  Band.    Die  Elem«ute.    Mit  67  Figuren.    [XII  n.  478  8.]    JL  10.— 
IL      —       Die  höhere  Dynamik.    Mit  S8  Figuren.    [XU  n.  544  8.]    Ji  14.~ 

Sohlink^  Dr.  W.^  Dipl.-Ing.,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  zu  Braunschweig, 
Statik  der  Raumfachwerke.  Mit  214  Abbildungen  und  2  Tafeln.  [XIV  u. 
890  S.J    gr.  8.     1907.     In  Leinwand  geb.  JC  9.— 

Starke,  Dr.  H.,  Professor  an  der  Universität  Greifswald,  experimentelle  Elektri* 
zitätslehre,  verbunden  mit  einer  Einführung  in  die  Mazwellsche 
und  die  Elektronentheorie  der  Elektrizität  und  des  Lichts.  2.,  um- 
gearbeitete und  erweiterte  Auflage.  Mit  334  Abbildungen.  [XVI  u.  662  S.] 
gr.  8.    1910.    In  Leinwand  geb.  «/^  12.— 

Stephan,  Regierungsbaumeister  F.,  Oberlehrer  an  der  Egl.  Maschinenbauschule  zu 
Dortmund,  die  technische  Mechanik.  Elementares  Lehrbuch  für  mittlere 
maschinen technische  Fachschulen  und  Hilfsbuch  für  Studierende  höherer  tech* 
nischer  Lehranstalten.    2  Teile,     gr.  8. 

I.  Teil.    Meobanik  starrer  Körper.    Mit  256  Figuren.    [YJII  u.  Sil  S.]     1904.    In  Leinwand 
geb.  JC  7. — 

n.   —      Festigkeitslehre  and  Mechanik  der  flüssigen  and  gasförmigen  KOrper. 
Mit  200  Figuren.    [YUI  u.  382  S.]    1906.    In  Leinwand  geb.  JC  1.— 

Study.  E.,  Professor  an  der  Universität  Bonn,  Geometrie  der  Dynamen.  Die 
Zusammensetzung  von  Kräften  und  verwandte  Gegenstände  der  Geometrie.  Mit 
46  Figuren  und  1  Tafel.  [XIII  u.  603  S.]  gr.  8.  1908.  Geh.  JC  21.—,  in 
Halbfranz  geb.  JC  23.— 

Tesar.  L.^  Professor  an  der  Staatsrealschule  zu  Wien,  die  Mechanik.  Eine  Ein- 
führung mit  einem  metaphysischen  Nachwort.  Mit  111  Figuren.  [XIV  u.  220  S.] 
gr.  8.     1909.     Geh.  JC  3.20,  geb.  JC  4.— 

Tixnerding,  Dr.  H.  S.^  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  zu  Braunschweig^ 
Geometrie  der  Kräfte.  Mit  27  Figuren.  [XII  u.  381  S.]  gr.  8.  1908. 
In  Leinwand  geb.  JC  16. — 

Volkmaim.  Dr.  P.^  Professor  an  der  Universität  Königsberg  i.  P.,  Einführung  in 
das  Studium  der  theoretischen  Physik,  insbesondere  in  das  der  ana-> 
lytinchen  Mechanik.  Mit  einer  Einleitung  in  die  Theorie  der  physikalischen  Er- 
kenntnis.   [XVIu.  870  8.]    gr.  8.    1900.    Geh.  UK  9.— ,  in  Leinwand  geb.  J6  10.20, 

Weber^  Dr.  H.,  und  Dr.  J.  Wellstein,  Professoren  an  der  Universität  Straßburg  i.  E., 
Encyklopädie  der  Elementar-Mathematik.  Ein  Handbuch  für  Lehrer 
und  Studierende.     In  3  Bänden,     gr.  8.    In  Leinwand  geb. 

L  Band.    Elementare  Algebra   and   Analytli.     Bearbeitet  ron  H.  Weber.     8-  Aoilage, 
Mit  40  Figuren.    [XYin  a.  632  S.]    1910.    Ji  10. ~ 

n.     —        Elemente    der   -Oeometrie.      Bearbeitet   von   H.  Weber,    J.  Wellitein   und 
W.  JaoobBthal.    S.  Auf  läge.    Mit  S51  Figuren.    [XH  u.  596  S.]    1907.    JClf.— 

HL  -—  Angewandte  Elementar-Mathematik.  S.Auflage.  I.  Teil:  Mathematltohe 
Physik.  Mit  einem  Buch  über  Maxima  und  Minima  von  H.  Weber  nnd  J.  Wel Utein 
Bearbeitet  von  R.  H  Weber,  Proferaor  in  Rostock  Mit  25i  Figuren.  [XII  u.  5S6  8.] 
1910  JC  IS.—  II.  Teil:  Graphik,  Prinsipien  der  Wahricheinlichkeitt- 
reohnung,  Versicherungsmathematik,  Astronomie.    [Unter  der  Presse.] 


588  S.]    gr.  8.     1904.    In  Leinwand  geb.  JC  14 


Verlag  von  B.  G.  Teubner  In  Leipzig  und  Berlin 


Mathematisch  -  physikalische  Schriften 
für  Ingenieure  und  Studierende 

Herausgegeben  von  E.  Jahnke. 

In  BAnden  zu  6—8  Bogen.    8.    Steif  geheftet  nnd  gebunden. 

Die  Entwicklung  der  modernen  Technik  drflngt  auf  slArkere  Heranziehung  der  mathematischen 
Methoden.  Der  Ingenieur  indessen,  welcher  bereit  ist,  sich  mit  dem  nötigen  Kfistzeug  zu  versehen, 
sieht  sich  vergeblich  nach  kurzen  Darstellungen  um,  die  ereignet  wlren|  ihn  schnell  in  das 
besondere  Gebiet,  das  ihn  gerade  interessiert,  einzufahren.  —  Diese  Lflcke  will  vorliegende  Samm- 
lung ausfflllen.  Sie  setzt  sich  zum  2iel,  dem  Ingenieur  Schriften  zu  bieten,  welche  auf  etwa 
100  Seiten  ffir  ein  eng  begrenztes  Gebiet  die  mathematischen  Methoden  einfach  und  leichtfaSUch 
ableiten  und  deren  Verwendbarkeit  in  den  einzelnen  Teilen  von  Physik  und  Technik  aufdecken. 
Dabei  kann  Vollständigkeit  der  Beweisffihrung.  die  vom  Standpunkte  wissenschaftlicher  Strenge 
erstrebenswert  wäre,  hier  nicht  erwartet  werden.  Vielmehr  wird  besonderer  Wert  darauf  gelegt, 
Dinge,  die  fQr  die  Anwendungen  von  Wichtigkeit  sind,  nicht  zugunsten  wissen- 
schaftlicher Strenge  zurQcktreten  zu  lassen.  Die  Darstellung  der  einzelnen  Gebiete  wird 
80  gehalten  sein,  dafi  jede  ein  abgeschlossenes  Ganzes  für  sich  bildet. 

Bisher  erschienene  Bande: 

I.  Einführung  in  die  Theorie  des  Magnetismus.  Von  Dr.  R.Qans,  Professor 
an  der  Universität  Tflbingen.  Mit  40  Figuren.  [VI  u.  110  S.|  1906.  Steif  geh. 
M.  2.40,  in  Leinwand  geb.  M.  2.80. 

II.  Elektromagnetische  Ausgleichs vorgftnge  in  Freileitungen  und  Kabeln. 
Von  K.  W.  Wagner,  Ingenieur  in  Charlotten  bürg.  Mit  23  Figuren.  ßV  a.  109  S.j 
1908.    Steif  geh.  M.  2.40,  in  Uinwand  geb.  M.  2.80. 

III.  Einführung  in  die  Maxwellsche  Theorie  der  Elektrizität  und  des  Ma- 

gnetismus.    Von  Dr.  CLSchaefer,  Privatdozent  an  der  Universität  Breslau.    Mit 
ildnis  J.  C.  Maxwells  und  32  Figuren.     [VIII  u.  174  S.l    1906.    Steif  geh.  M.  3.40, 
in  Leinwand  geb.  M.  3.80. 

IV.  Die  Theorie  der  Besselschen  Funktionen.  Von  Dr.  P.  ScbafheitUn. 
Professor  am  Sophien -Realgymnasium  zu  Berlin.  Mit  1  Figurenlafel.  [V  u.  129  S.) 
1906.    Steif  geh.  M.  2.80,  in  Leinwand  geb.  M.  3.20. 

V.  Funktionentafeln  mit  Formeln  und  Kurven.  Von  Dr. B.  Jahnke,  Professor 
an  der  Kgl.  Bergakademie  zu  Berlin,  und  F.  Emde,  Ingenieurin  Berlin.  Mit  ö3 Figuren. 
[XII  u.  176  S.)    gr.  8.    1909.    In  Leinwand  geb.  M.  6.— 

VL  1  U.2.  Die  Vektoranalysis  und  ihre  Anwendung  in  der  theoretischen 
Physik.    Von  Dr.  W.  v.  Ignatowski  in  Berlin.    In  2  Teilen. 

I.  Teil.    Die  Vektoranalysis.    Mit  27  Figuren.     (VlII  u.  112  S.|    1909.    Steif  geh. 
M.  2.60,  in  Leinwand  geb.  M.  3.— 

U.    —     Anwendung  der  Vektoranalysis  in  der  theoretischen  Physik.  Mit  14  Figuren. 
[IV  u.  123  S.)    1910.    Steif  geh.  M.  2.60,  in  Leinwand  geb.  M.  3.- 

VII.  Theorie  der  KräftepUne.  Von  Dr.  H.  E.  Timerding,  Professor  an  der  Tech- 
nischen Hochschule  zu  Braunschweig.  Mit  46  Figuren.  [VI  n.  99  S.|  1910.  Steif 
geh.  M.  2.60,  in  Leinwand  geb.  M.  3.— 

Vin.  Mathematische  Theorie  der  astronomischen  Finsternisse.  Von  Dr.  P. 
Schwahn,  Direktor  der  Gesellschaft  und  Sternwarte  „Urania"  in  Berlin.  Mit  20  Fig. 
[VI  u.  128  S.]    8.    1910.    Steif  geh.  M.  3.20,  in  Leinwand  geb.  M.  3.60. 

IX.  Die  Determinanten.  Von  Geh.  Hofrat  Dr.  E.  Netto,  Professor  an  der  Universittt 
Gießen.    [VI  u.  130  S.j    8.    1910.    Steif  geh.  M.  3.20,  in  Leinwand  geb.  M.  3.60. 

X.  1.  Einführung  in  die  kinetische  Theorie  der  Gase.  Von  Dr.  A.  Byk, 
Privatdozent  an  der  Universität  und  der  Technischen  Hochschule  zu  Berlin.  2  Teile. 
l,  Teil:  Die  idealen  Gase.  Mit  14  Figuren.  [V  u.  102 S.l  1910.  Steif  geh. 
M.  2.80,  in  Leinwand  geb.  M.  3.20. 

XI.  1.  Grundzüge  der  mathematisch-physikalischen  Akustik.  Von  Dr.  A. 
Kalähne,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule  zu  Danzig.    2  Teile. 

I.  Teil:  [VII  u.  144  S.j   1910.  Steif  geh.  M.  3.20,  in  Leinwand  geb.  M.  3.60. 

XII.  Die  Theorie  der  Wechselströme.  Von  Professor  Dr.  B.  Orlich,  Mitglied  der 
physikalisch-technischen  Reichsanstalt  zu  Berlin.  Mit  37  Figuren.  [IV  u.  94  S.]  1912. 
Steif  geh.  M.  2.40,  in  Leinwand  geb.  M.  2.80. 

XIII.  Theorie  der  elliptischen  Punktionen.  Von  Dr.  Martin  Krause  unter  Mit- 
wirkung von  Dr.  Emil  Naetsch,  Professoren  an  der  Technischen  Hochschule  n 
Dresden.    Mit  25  Figuren.    (VI  u.  186  S.)    1912. 


Die  Sammlung  wird  fortgesetzt. 


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