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ELEMENTARE MECHAOTK
EIN LEHRBUCH
ENTHALTEND: EINE BEGRÜNDUNG DER ALLGEMEINEN MECHANIK; DIE
MECHANIK DER SYSTEME STARRER KÖRPER: DIE SYNTHETISCHEN UND
DIE ELEMENTE DER ANALYTISCHEN METHODEN, SOWIE EINE EINFÜH-
RUNG IN DIE PRINZIPIEN DER MECHANIK DEFORMIERBARER SYSTEME
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VON
GEORO HAMEL
DB. PHIL.
O. Ö. PR0FB880B DBB MBCHABIK AN DBB K. K. DBUTSGHBN
FBAMZ- JOSEPH- TBCBMISCHBM HOCH80HULB ZU BBÜMK
MIT 265 FIGUREN IM TEXT
LEIPZIG UND BERLIN
DEUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER
1912
COPYRIGHT 1919 BY B. O. TEUBNEB IN LEIPZIG.
ALLE RBOHTB, SINSCHLISSSLIGH DBS ÜBERSETZUN08REGHTS, VOBBEUALTEN.
s
VORREDE.
Es sei mir gestattet, über Ziel und Aufbau meiner ^^Elementaren
Mechanik^' einiges zu sagen.
Dieses Buch enthält die Grundlagen, die Mechanik starrer Körper
und eine ganz knappe Einführung in die Mechanik deformierbarer Körper.
Auf die Grundlagen wurde besonderer Wert gelegt Es war ein-
mal nötig, die anerkannten Schwierigkeiten (siehe die berühmte Vor-
rede Ton Hertz), welche die sogenannte klassische Mechanik bietet,
zu überwinden und nicht zu umgehen. Es wurde deshalb kein neues
System gebaut, sondern das alte nach bestem Können begründet.
Vor allem mußte einmal die Frage gründlich erörtert werden,
was „Kraft'' eigentlich ist, es mußte gesagt werden, daß sie kein „Ding''
isty also auch keine „Ursache einer Bewegung" sein kann, daß sie aber
auch ebensowenig nur ein konventionelles Wort für das Produkt aus
Masse und Beschleunigung ist. Sie ist yielmehr eine „Form" unserer
Naturerkenntnis. Ich habe dies zwar schon an anderer Stelle aus-
geführt; hier mußte dasselbe in neuer Weise, von einem wesentlich
elementareren Standpunkte aus geschehen. Überhaupt habe ich es
als eine Hauptaufgabe angesehen, elementar darzustellen und der
historischen Entwicklung nach Möglichkeit gerecht zu werden. Man
wolle also auch das Buch nicht etwa als ein eigentliches Lehrbuch der
Grundlagen ansehen: es fehlen alle ünabhängigkeits- und Existenzbeweise.
Zu dem Kraftbegriff tritt als gleich wichtig der Begriff der „Ur-
sache". Unter Weiterbildung Mach scher Ideen wurde versucht, diesem
Begriff für die Mechanik wissenschaftliche Existenzberechtigung zu
geben. Eine gewisse Differenz gegen den populären Ursachbegriff
mußte dabei natürlich zugelassen werden.
Nachdem das Newtonsche Grundgesetz gewonnen ist, lasse ich
eine elementare, wenn auch nicht strenge Ableitung des Schwerpunkt-
satzes und eine Betrachtung der am häufigsten vorkommenden Kräfte
(Reibung usw.) folgen, um das Material zur Einübung des Newtonschen
Grundgesetzes zu haben.
Der zweite Abschnitt ist ganz der Statik gewidmet; er enthält
die analytischen imd graphischen Methoden der Statik des einzelnen
starren Körpers, der Systeme starrer Körper, die Statik des Fadens
B*
rV Vorrede.
und des steifen Seiles und als Schluß eine Darstellung des d'Alembert-
sehen Prinzips als Übergang zur Kinetik.
Von der Theorie der Fachwerke und der Gewölbe habe ich nur
das Wesentlichste und Einfachste uufgenommen. Dagegen enthält der
zweite Abschnitt wohl den ersten Versuch einer Theorie der Seil-
Steifigkeit. Wenn ich mich entschlossen habe^ die unvollkommene
Skizze aufeunehmen, so geschah es^ um zu weiteren Überlegungen
und zu Experimenten anzuregen, die uns hier wie noch yielfach in
der technischen Mechanik dringend nottun.
Der dritte Abschnitt enthält zunächst die Grundlagen einer all-
gemeinen Mechanik: strenge Ableitung des Schwerpunktsatzes und des
Momentensatzes für beliebige Systeme auf Grund der Mechanik des
Volumelementes. Nicht also aus der sogenannten Punktmechanik, die
überhaupt (bis auf eine kurze Darstellung am Schlüsse des ersten Ab-
schnittes, aus historischen Gründen) aus diesem Buche verbannt ist.
Daß unsere Lehrbücher sonst noch immer die Punktmechanik trak-
tieren, ist ein seltsamer Anachronismus: Punktmechanik paßte aus-
gezeichnet ins 18. Jahrhundert, aber nicht mehr in unsere Zeit, für
die weder das Planetenproblem die einzige eines Mathematikers würdige
Aufgabe der Mechanik ist, noch auch das Molekel die Quintessenz
einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung. Man wende mir auch
nicht ein, daß die Ableitung der beiden Hauptsätze der Mechanik
durch die Auflösung des Körpers in diskrete Punkte leichter wird:
die in diesem Buche angestellten Überlegungen sind doch alle dann
nötig, wenn man sich der sogenannten Mechanik der Kontinua zu-
wendet, d. h. der Mechanik deformierbarer Medien. Man hat bei dem
üblichen Lehrgang nur die intellektuelle Unreinlichkeit mit in den
Kauf zu nehmen, daß man Sätze, die für Punktsysteme bewiesen sind,
ohne weiteres auf Kontinua übertragen muß. Da ist es schon ein-
facher, man beschäftigt sich gleich mit stetig ausgedehnten Körpern
und nennt das neue nötige Grundgesetz der Mechanik (ich habe ihm
den Namen Boltzmanns gegeben) offen und ehrlich.
Überhaupt gibt es in diesem Buche nur Körper, die sich berühren
und keine Punkte, Kurven und Flächen, auf denen bewegliche Punkte
verpflichtet sind, sich zu bewegen. Das ist eine ganz unnötige Abstraktion.
Auf die allgemeine Mechanik folgt die Mechanik des einzelnen
starren Körpers, dann die Mechanik starrer Systeme. Zunächst wurde
konsequent die synthetische Methode durchgeführt, damit ihre Vorzüge
und Nachteile deutlich hervortreten. (Es gibt noch ein Buch, das die syn-
thetischen Methoden rein und bis zu einer gewissen Virtuosität aus-
Yoirede. V
gebildet hat^ das ist die kleine ^^Theoretical mecfaanics'^ yon Love.)
Erst hinterher folgen die analytischen Methoden: das Prinzip der yir*
tuellen Arbeiten^ die Lagrangeschen Gleichungen. Diese können jetzt
ihre Überlegenheit bei schwierigeren Problemen zeigen, und vor allem
sind sie deshalb unentbehrlich, weil man mit ihrer Hilfe erst einsieht,
daß die Methoden der Mechanik die erforderliche Anzahl reiner, d. h.
Ton den Beaktionskräften explizit unabhängiger Gleichungen geben.
Für die analytischen Methoden ist die Unterscheidung zwischen
„eingeprägten^' und„Beaktionskraften'' wesentlich. Die Namen stammen
von meinem verehrten Lehrer Heun, dessen Bücher auch neben dem
von Webster die meines Wissens einzigen Lehrbücher sind, welche
den Unterschied deutlich hervorheben. Daß die anderen Bücher richtige
konkrete Resultate bringen, spricht mehr für den guten mechanischen
Genius ihrer Verfasser als für die Richtigkeit ihrer Lehrsätze. Die
Unterscheidung ist unentbehrlich und nicht etwa eine Finesse. Ich
glaube, daß die hier gegebene Definition der Reaktionskräfte neu ist.
Das Hamiltonsche Prinzip und die nichtholonomen Systeme fanden
in diesem elementaren Lehrbuche keinen Platz mehr.
Auf die Stereokinetik folgt etwas aas der Kinetik der Seile und
Drähte. Es ergab sich dabei ungezwungen die Möglichkeit, an einem
nicht ganz trivialen Schwingungsproblem etwas aus der modernen,
namentlich von Hilbert so sehr geförderten Theorie der linearen
Integral- und Differentialgleichungen zu bringen, womit ich hoffe,
dem einen oder anderen Leser einen Gefallen zu tun. Die Konvergenz-
beweise fehlen natürlich.
Mit den beiden Schlußparagraphen bin ich absichtlich über den
elementaren Charakter des Buches hinausgegangen. Ich wollte gar
keine Ausführungen bringen, sondern nur die Elastizitätstheorie und
die Hydromechanik prinzipiell an die allgemeinen Grundlagen an-
schließen, damit die Mechanik doch als ein Ganzes erscheine. Ein
Lehrbuch über feste elastische Körper wollte ich deshalb nicht schreiben,
weil wir in Love und Föppl ausgezeichnete Lehrbücher dieser Dis-
ziplin besitzen und weil ich in dieser Sache noch keine Lehrerfahrung
habe; über flüssige Körper aber deshalb nicht, weil wir in Lamb und
Wien gute Bücher haben und uns v. Mises ein Lehrbuch für In-
genieure versprochen hat. Ich brauchte deshalb in diesem Punkte auch
gar keine Rücksichten auf Anfänger zu nehmen und konnte einmal die
Theorie der endlichen Verschiebungen darstellen, was mir deshalb not-
wendig schien, weil die Untersuchungen St. V^nants, Kirchhoffs,
Boussinesqs, Fingers und Duhems noch fast ganz unbekannt sind,
VI Vorrede.
Love nicht einmal eine Andeutung darüber enthält und selbst die Enzy-
klopädie auf halbem Wege stehen bleibt, indem sie zwar die wenig schonen
Methoden der genannten Autoren skizziert, die schonen Resultate aber
verschweigt. Mein Weg ist neu, auch habe ich konsequent den augen-
blicklichen Ort als unabhängige Variable eingef&hrt, wodurch sich
allerdings im Resultat nur Zeichen ändern; endlich habe ich die Prin-
zipien der Thermodynamik in den Vordergrund gestellt. Im letzten
Paragraphen, in dem ich die Kinetik der Flüssigkeiten prinzipiell ent-
wickle, kam es mir vor allem auf einen YoUständigen thermodyna-
mischen Ansatz der turbulenten Qasbewegung an. In der Literatur
fand ich nur eine kurze Notiz in dem Enzyklopädieartikel von Hobson
und Diesselhorst darüber. Ich will aber nicht unerwähnt lassen,
daß mir der Rat meines Freundes, des Herrn Professors Dr. Arthur
Szaryassi dabei sehr forderlich war.
Für Leser, welche in der Vektorrechnung noch wenig bewandert sind,
ist eine Skizze dieses überaus bequemen Hilfsmittels angeschlossen. Ich
bediene mich, abgesehen von einer geringfügigen Modifikation, der Bezeich-
nungsweise Heuns, die mir für die Mechanik die zweckmäßigste zu sein
scheint, weil sie in Drack, Schrift und Sprache gleich einfach und an-
schaulich ist. Ich konnte auf die Vektorrechnung nicht verzichten, weil
Geschwindigkeit und Beschleunigung, Kraft und Momente Vektoren sind«
Aber die Vektorrechnung ist nur soweit verwendet, als es nötig war.
Abgesehen von den Schlußparagraphen und einigen sonstigen Er-
weiterungen ist das Buch wesentlich meine Vorlesung, vermindert um
die Hydromechanik. Dementsprechend sind die technischen Anwen-
dungen in den Vordergrund gestellt. Ich habe aber das Buch ab-
sichtlich nicht „Technische Mechanik^' genannt, weil es doch vor allem
auf die Entwicklung der Grundprinzipien ankam. Eine wirkliche
technische Mechanik, wie ich sie mir denke, müßte von den Grund-
prinzipien ganz absehen und dafür die technischen Anwendungen voll-
ständig darstellen. Es ist also dies Lehrbuch für alle Studenten der
Mechanik gedacht; um die Linien der Untersuchung mehr hervor-
treten zu lassen, sind alle Aufgaben und kleineren oder spezielleren
Anwendungen klein gedruckt worden. Dahingegen will es mir scheinen,
daß heute bei der Bedeutung der Technik auch ein Physiker und ein
Mathematiker, der etwas von der Mechanik zu wissen beansprucht,
die wichtigsten Anwendungen auf den Maschinenbaa und die Ingenieur-
wissenschaften wenigstens im Prinzip kennen sollte, sowie ein Tech-
niker von der Astronomie wenigstens die Keplerschen Gesetze, das
Gravitationsgesetz und seine elementarsten Folgerungen wissen muß.
Vorrede. VII
Was die Astronomie der Mechanik im 18. Jahrhundert war^ das ist
ihr heute die Technik. Möge dieses Buch auch mit dazu dienen, das
gegenseitige Verständnis yon Theorie und Praxis zu fördern!
Ich habe mehr Literaturangaben gebracht, als es sonst in Lehr-
büchern üblich ist. Denn nichts lahmt das Literesse der studierenden
Jugend so sehr, als der Eindruck, es sei das Vorgetragene fertig und
abgeschlossen. Also für die Jugend sind die Literaturangaben, damit
sie weitere Wege findet, nicht für die Gelehrten. ^
Auch die historischen Angaben wollen anspruchslos ohne philo-
logische Pratension genommen sein. Es kam mir nur darauf an,
Verständnis für das Werden meiner Wissenschaft zu erwecken und
gute alte Gedanken in dem modernen ökonomischen Betriebe der
Wissenschaft nicht untergehen zu lassen. Es steckt oft erstaunlich
Tiefes in einem angeblichen „Wortstreit'' der Alten.
Vielleicht darf ich zum Schlüsse noch meiner Lehrer gedenken,
die vielfach ungenannt, doch wohl dem Kenner sichtbar hinter dem
Buche stehen; es sind August Ritter (f), Felix Klein und Karl
Heun. Diese drei haben persönlich mein Literesse der Mechanik
gewonnen; ich möchte aber noch einen ganz alten als vierten nennen:
Immanuel Kant, den Philosophen, der am tiefsten erkannt hat, wie
eng Philosophie und exakte Wissenschaften zusammengehören.
und nun zur Jugend: Mein Freund und früherer Assistent Herr
Professor y. Mises in Straßburg hat das ganze Buch im Fahnensatz
gründlich durchgesehen und mir sehr wertvolle VerbesserungSYorschlage
gemacht. Auch ein großer Teil der Aufgaben stammt von ihm. Ich
spreche ihm meinen wärmsten Dank für sein lebhaftes unermüdliches
Interesse aus.
Einige andere Aufgaben hat Herr Dipl.-Ing. Kurt y. Sauden,
jetzt in Kiel, beigesteuert.
Mein jetziger Assistent, Herr Dr. Alfred Lechner, hat mich bei
der Satzkorrektur wesentlich unterstützt, die Aufgaben durchgerechnet
und die Register angefertigt. Herr Rudolf Kreutzinger, Assistent
bei unserer Lehrkanzel für Geometrie, hat nach meinen Skizzen die
Figuren gezeichnet. Ich bin der Mühewaltung beider Herren zu
großem Danke Yerpflichtet.
EndUch gebührt dem Verlag mein bester Dank fUr das große
Eni^egenkommen, mit dem er meine Wünsche zur Ausstattung des
Buches berücksichtigt und größere Korrekturen während des Druckes
gestattet hat.
Brunn, im November 191 L 6. HAMEL
INHALT.
Erster Abschnitt
Die Gnindbegiiffe.
Kapitel I.
Begriidvig des kiBetischeB Knftb^riffSes.
xr. § 1. Eiiüelt«B^ 1
1 — 9. Die Aufgaben der Mechanik. — Über die Stellung der Mechanik in
den anderen WiasenBchaften. — Die Erken n tniagnellen der Mechanik. —
Die Grandanschaming der Mechanik — Das Yerh<nis der TeiBchie-
denen Erkenntniaqaellen soeinander. — Cber den Begriff des Azionu. —
Schlofibemerkong. — Die Einteilung der Mechanik. — Literatur.
§ 8. Über RavB, Zeit «ad Bewegug 18
10 — 14. Über die Zeitmeerang. — Der Begriff der Bewegung. — Beispiele. —
Beobachtungsmethoden für Bewegungen. — Der absolute Baum.
§ S. Die Gesekwindigkeit 17
15—80. Die Bahngeschwindigkeit. — Beispiele. — Dimension der Geschwindig«
keil — Die Geschwindigkeit als Vektor. — Darstellung der Ge-
schwindigkeit in Koordinaten. — Ausdruck der allgemeinen ebenen
Bewegung in Polarkoordinaten.
§ 4. Der f^ie Fall 88
81 — 84. Die Tcrtikale Fallbewegung. — Der schiefe Warf. — Vergleich der
Galileischen Fallgesetze mit der Erfahrung. Inwiefern hat Galilei
das ^Wesentliche^ der Erscheinung herausgeschnitten? — Der typische
Ausdruck för das Gesetz der Klasse aller Fall- und Wurf bewegungen.
§ 5. Die Besehleiutgiing 87
26—88. Bahnbeschleunigung und Beschleunigung als Vektor. — Zerlegung des
BeschleunigungBTektors nach dem natürlichen Koordinatensystem der
Bahnkurre. — Ausdruck der Beschleunigung bei der allgemeinen
ebenen Bewegung in Polarkoordinaten. — Der Hodograph.
§ 6. Zwei elBfaehe FlUe tob RelatiTbewegiiBg 38
29—31. Zusammensetzung von Geschwindigkeiten. — Der führende Körper
hat eine Translationsbewegung. — Die Bewegung auf einem um
einen festen Punkt rotierenden Strahl.
Inhalt.
Seite
Hr. § 7. Die Planetenbewe^migr als Zentralbewegiiiicr 36
82 — 84. Die Keplerschen Gesetze. — Folgerung für die Beschlemiigang. —
Ableitung der Eeplerscben Gesetze aus dem Newtonschen.
§ 8. Die schwingende Feder« Die Masse als Trfigheitsfaktor . 48
85 — 88. Die freie, ungedämpfte Schwingung. — Einführung des Massen*
begriffes. — Das Gesetz der Federschwingung als Massenbeschlenni-
gungsgesetz. — Die Gesetze der Fallbewegung und der Planeten-
bewegung als Kraftgesetze.
§ 9. Kraft und Ursache 49
39 — 47. Über den Druck. — Der Druck als bewegungsbestimmendes Moment. —
Die Kraft als typischer Ausdruck für das Gesetz einer Klasse von
Bewegungserscheinungen. — Es gibt zwei Arten von Kräften. —
Die Ursache einer Kraft und einer Bewegung. — Das sogenannte
Parallelogramm der Kräfte. — Beweis des Parallelogrammsatzes auf
Grund gewisser einfacher Axiome. — Die Zerlegung der Kräfte, das
Dynamometer. — Das erste (Newtonsche) Grundgesetz der Mechanik.
§ 10. Axiomatische Zusammenfassang der Resultate des ersten
Kapitels« Mafisysteme 68
48 — 49. Die Axiomgruppen I — Y. — Das physikalische und technische Maß-
system.
Kapitel II.
Die sogenannte Punktmechanik.
50. Allgemeine Bemerkung über den Punkt als Objekt der Mechanik 66
§ 11. Der Schwerpunktsalz 67
61—53. Beweis des Schwerpunktsatzes mit Benutzung der lex tertia. —
Sätze über die Lage des Massenmittelpunktes. — Berechnung einiger
Massenmittelpunkte.
§ 12. Normaldruck und Haftreibung gegen Gleiten .... 74
64-58 a. Feste und starre Körper. — Statik der Stützflachen. Einleitung. — -
Fortsetzung: Normaldruck und Haftreibung. — Beispiele und Auf-
gaben. — Reaktionskräfte und eingeprägte Kräfte. — Haftreibung
als bewegungef Ordern de Kraft.
§ 18. Glcilreibnng 88
69—64. Die Coulomb-Morinschen Gesetze. — Kritik der Gesetee. Trockene
und Schmierreibung. — Die Gleitreibung ist eine eingeprägte Kraft. —
Axiomgruppe VI: Über Reaktionskräfte. — Der Satz vom zureichenden
Grunde. Das Isotropie- und Homogenitätsprinzip des Raumes. —
Beispiele und Aufgaben.
§ 14. Der masselose, Tollkommcn biegsame, nnausdehnbare Faden 98
U6— 67. Theorie des Fadens. — Kleine Schwingungen des mathematischen
Pendels. — Weitere Beispiele und Aufgaben.
X Inhalt.
Nr.
Seite
16. Über den Lnftwldentand 109
68—72. Die Newtonschen Gesetze. — Moderne experimentelle und theore-
tische Er^bnisse. — Die vertikale FaUbewegnng im widerstehenden
Mittel. — Das balÜBtische Problem. — Die freie, gedämpfte Schwin-
gung bei einem Freiheitsgrad (Pendel mit Luftwiderstand).
§ 16. Theorie der erzwuogenen Schivlngungen bei eiaem
Freiheitsgrad 124
78—76. Das Seismometer and der Pallograph. — Ableitung der Differential-
gleichung; ihre allgemeine Bedeutung. — Integration der Diffe-
rentialgleichung. — Diskussion des Resultats.
Kapitel IH.
Energie nnd Arbeit
§ 17. Der Energiegati in der Punktmeehanik 180
77— 8i. Historische Bemerkungen. — Aziomatische Einfuhrung der Be-
griffe: kinetische Energie und Arbeit. — Elementare Einführung
der Begriffe. — Unterschied des Energiesatzes fOr die Punkt-
mechanik Yon dem Energiesatz für Systeme. — Dimensionen und
Maßeinheiten. — Weitere Sätze über die Arbeit. — Über die Be-
deutung des Energiesatzes. — Beispiele und Aufgaben.
§ 18. Die potentielle Energie 138
86 — 89. Das Potential — Beispiele. — Wann hat eine Kraft ein Poten-
tial? — Niveaufläche und Gradient. — Der Begriff der potientiellen
Energie für ein beliebiges System.
§ 19. Tollständige Theorie der ebenen Bewegung des
mathematischen Pendels 144
90—94. Die Energiegleichung. — Das umlaufende Pendel. — Das hin-
und herschwingende Pendel. — Der Übergangsfall. — Verhalten
der Fadenspannung.
Kapitel IV.
Die Elemente der Himmelsmechanik.
§ 20. Das allgemeine Graritationsgesets 161
95—98. Ableitung des Gesetzes mit Benutzung der lex tertia. — Die An-
ziehung einer aus homogenen konzentrischen Schalen zusammen-
gesetzten Kugel. — Über die Stetigkeit des Potentials und seiner
Ableitungen. — Ergebnisse von Beobachtungen.
§ 21. Das Problem der Planet«nbewegung 159
99 — 105. Das Zwei-Körperproblem. — Ansatz des n-Körperproblems. — Der
Schwerpunktsatz des n- Körperproblems. — Der Momentensatz des
n - Körperproblems. — Der Momentensatz als verallgemeinerter
Flächensatz. — Der Energiesatz des n-KOrperproblems. — Weitere
Orientiemng. Literatur.
Inhalt. XI
Schlnß des ersten Abschnitts: s«it«
Nr. § 22. Übergang zur S/stemmecbanik 167
106 — 110. Die Hypothese des materiellen Punktes. — Ableitung des Schwer-
ponktsatzes fSr beliebige Systeme. — Ableitung des Momenten-
satzes für beliebige Systeme. — Der allgemeine Energiesatz. —
Schlußbemerkungen.
Zweiter Abschnitt
Statik. •
Kapitel V.
Statik des starren Korpers (Theorie).
111. Problemstellung und Definitionen 173
§ 23. Die erlanbtea Operationen und ihre Inrarianten. . . 173
112—114. Fall einer endlichen Anzahl von Kräften. Begriff des Momentes. —
Zurückführung des allgemeinen Falles auf den Yorhergehenden.
Aziomgruppe VII. — Bildung des Momentes für yerschiedene Be-
zugspunkte. Das Moment eines Krftftepaares.
§ 24. Znsammensetznng der Kr&fte in der Ebene .... 177
116—120. Zusammensetzung zweier Kr&fte. — Zusammensetzung beliebig
vieler Kräfte. Die Gleichgewichtsbedingungen. — Analytische
Formulierung der Resultate — Graphische Methode. Seilpolygon. —
Die Cnlmannsche Gerade. — LOsung der Aufgabe, das Seileck
durch drei gegebene Punkte zu legen.
§ 26. Zerlegnng der Kr&fte in der Ebene 189
121 — 123. Zerlegrung in zwei Kräfte. — Fortsetzung. — Zerlegung in drei
Kräfte.
§ 26. Zusammensetzung der Kr&fte im Räume 194
124 — 128. Zurückführung auf eine Kraft und ein Kräftepaar. — Die Kraft-
schraube (Dyname). — Analytische Formulierung der Resultate. —
Das Moment in bezug auf eine Achse. — Die Gleichgewichts-
bedingung, ausgedrückt durch das Nullwerden Ton Momenten.
§27. Das Nnllsystem 200
129—184. Zurückführung auf zwei Kräfte. — Nullpunkt und Nullebene. —
Beziehung des Nnllsystems zur Kraftschraube. — Das Nullsystem
als linearer Komplex. — Erledigung des Ausnahmefalles von
Nr. 128. Zerlegung eines Kräftsystems nach sechs Geraden. —
Geschichte und Literatur.
Kapitel VI.
Statik des starren KSrpers (Anwendangen).
§ 28. ZusammeBsetziiBg paralleler Kr&fte 200
136 — 188. Parallele und gleichgerichtete Kräfte lassen sich stets auf eine
einzige Kraft zurückführen. — Der Schwerpunkt. — Graphische
Zusammensetzung paralleler längs einer Strecke stetig verteilter
Kr&fte. Die Seilkurve. — Graphische Bestimmung einer Schwer-
achse.
Xn Inhalt
Seift«
Nr. § 89. Beispiele und Anfj^nben 214
189 — 140. Beispiele. — Aufgaben.
§ 80. Der Hebel 820
141 — 146. Gleichgewicht eines nm eine feste Achse drehbaren starren Kör-
pers. — Anwendungen: Wage und Winde. — Zapfenreibung. —
Beispiele und Aufgaben. — Fortsetzung von Nr. 148, Kritik. —
Die Bohrreibung.
§ 31. Die Schraube 282
147 — 160. Die flachgängige Schraube. — Die scharfgängige Schraube. —
Der Wirkungsgrad einer Maschine. — Literatur zur technischen
Statik.
Kapitel Vn.
Statik der Systeme.
§ 32. Systeme aus einer endliehen Anzahl starrer Körper . . 288
161 — 167. Die allgemeine, synthetische Methode. — Der Grelenkträger. —
Die Brückenwage. — Das Stabpolygon. — Statik des Schubkurbel-
getriebes. — Die innere Beanspruchung eines starren Körpers. —
Zug, Druck, Schub, Torsions- und Biegungsmoment.
§ 88. Der yertikal belastete, horizontale TrSger 249
168 — 166. Formulierung der Aufgabe. — Lösung' für den Fall einer end-
lichen Anzahl Ton Kräften. — Graphische Bestimmung des Mo-
mentes einer Kraft. — Anwendung auf die Bestimmung des Biegungs-
momentes. — Die rechnerische Lösung der Probleme im Falle kon-
tinuierlicher Belastung. — Die Seil kurve als Momentenlinie. —
Beispiel der gleichförmigen Belastung. — Stetigkeitsverhältnisse
der Momentenlinie. — Das Maximum der Biegungsbeanspruchung.
§ 34. Einleitung in die Theorie der statisch bestimmten
ebenen Fachwerke 262
167-174 a. Allgemeine Bemerkungen. — Dreiecksfachwerke. — Die Rittersche
Schnittmethode. — Die Methode des Kräfteplans. — Der Gremona-
sche Ejräfteplan. — Fortsetzung. — Reziproke Figuren. — Die
Methode der Stabvertauschung nach Henneberg. — Literatur.
§ 36. Elemente der Gewölbetheorie 274
175 — 177. Gleichgewicht eines Keilsystems. — Druckkurve und Stützlinie. —
Beispiel des Parabelbogens.
§ 36. Faden nnd Seil 280
178 — 191. Axiom VIII: Das allgemeine Erstarrungsprinzip der Statik. — Der
vollkommen biegsame Faden. — Spezialfälle. Eulers Formel für
Treibriemen. — Der Flaschenzug. — Berücksichtigung von Wider-
ständen. — Experimentelle Ergebnisse über die Seils teifigkeit —
Theoretischer Ansatz für das steife Seil. — Das kräftefreie steife
Seil. — Einführung der erforderlichen Hypothese. — Folgerungen
für das kräfte freie Seil. — Einführung einer Zusatzhypothese. —
Vereinigung beider Hypothesen zu einer einzigen. — Ein Fall, in
dem die erste Hypothese genügt. — Anwendung auf die stationäre
Bewejjung.
Inhalt. Xm
Schluß des sweiten AhschnittB: Seit«
Hr. § 37. Übergang znr Kinetik starrer Systeme 800
19S — 208. Gleichgewicht and Äquivalenz von Ejräfben an einem System Ton
n Freiheitsgraden. — Das d'Alembertsche Prinzip. — Der am eine
feste Achse rotierende starre Körper. — Das physische Pendel. —
Das Beversionspendel. — ZurückfÜhrung des d'Alembertschen Prin-
zips auf ein einfacheres Prinzip. — Die sogenannte Zentrifugal-
kraft. — Bewegung eines Wagens in einer Kurve auf überhöhter
Bahn. — Die stationäre Bewegung des Zentrifugalregulators. —
Anwendungen des d^Alembertschen Prinzips auf Kinetostatik. —
Weitere Beispiele und Aufgaben. — Die Beweg^ngsgleichungen
des freien starren Korpers.
Dritter Abschnitt.
Allgemeine Mechanik.
Kapitel Vm.
Grundlagen einer allgemeinen Mechanik.
§ 88. Das erste (Newtongehe) Grundgesetz 318
204 — S06. Das Gegen Wirkungsgesetz. — Die Spannungsdyade. — Der Schwer-
punktfisatz.
§ 39. Das zweite (Boltzmannsehe) Grundgesetz 823
207 — 212. Der Momentensatz. — Axiom IX: Die Symmetrie der Spannungs-
dyade. — Worauf stützt sich die Berechtigung dieses Axioms? —
Andere Fassungen des Momentensatzes. — Der Momentensatz,
bezogen auf eine Achse. — Einfache Anwendungen des Momenten-
satzes.
§ 40. Weitere Anwendungen yon Sebwerpunkts- und
^omentensatz 388
218—218. Der um eine feste Achse rotierende starre Körper. — Auslauf
eines zentrierten Bades infolge der Lagerreibung. — Die Atwood-
sche Fallmaschine (ohne Reibung). — Berücksichtigung der Rei-
bung. — Anwendung auf Aufzüge und Krahne. — Berechnung
der Lagerreaktionen eines um eine feste Achse rotierenden starren
Körpers.
Kapitel IX.
Ebene Bewegung des starren Körpers.
§ 41. Lagenänderangen eines starren Körpers in der Ebene . 842
219 — 221. Allgemeine Bemerkungen. — Weiteres über endliche Lagenände-
rungen. — Zusammensetzung ebener Bewegungen.
§ 42. Der Oesehwindigkeits- und Besehleunignngszustand
bei der ebenen Bewegung eines starren Körpers 347
222 — 286. Übergang zu unendlich kleinen Verschiebungen. — Eulers Formel
für die Geschwindigkeit. — Das Momentanzentrum der ebenen
XIV Inhalt.
Nr. Seit«
Bewegung. — Beispiele. — Die Polbahnen. — Gleichungen der
Polbahnen. — Belatiyit&t der Bewegung. Die reziproke Be-
wegung — Relative Bewegung mehrerer ebener Figuren gegen-
einander. — Zusammensetzung unendlich kleiner Bewegungen. —
Anwendung auf die Theorie der Zahnräder. — Weitere Be-
merkungen über Zahnräder. — Der Beschleunigungszustand eines
ebenen Systems. — Wählen wir speziell für C das Momentan-
zentrum. — Schlußbemerkung und Literatur.
§ 43. Sln6lik der ebenen Bewegung des starren KSrper.«« . . 368
236 — 248. Die drei Bewegungsgleichnngen. — Anfahren eines Znges. ~ Ein
Rotationskörper rolle eine schiefe £bene herab. — Aufgaben. —
Wahl eines anderen Bezugspunktes. — Das Rollpendel. — Über
die Rollreibung. — Beispiele.
§ 44. Energiegleichnng der ebenen Benegung 874
244 — 246. Kinetische Energie und Arbeit bei einem um eine feste Achse
rotierenden starren Körper. — Energiegleichung für die aUgemeine
ebene Bewegung. — Anwendungen des Energiesatzes.
Kapitel X.
Ränmliche Bewegnnji^ des starren Ktrpers.
§ 46. Hassengeometrie des starren KSrpers 379
247—269. Trägheit s- und Deviationsmomente. — Das Trägheitsellipsoid. —
Die Bedeutung des Trägheitsellipsoides. — Die Trägheitsdyade. —
Die Spannungsfläche. — Übergang zu beliebigen orthogonalen
Koordinatensystemen. — Spezialisierung fnr die Ebene. — Die
Culmannsche Trägheitsellipse. — Die Mohrschen Trägheitskreise. —
Berechnung einiger geometrischer Trägheitsmomente. — Graphische
Bestimmung von Trägheitsmomenten» ebener Figuren. — Fort-
setzung. — Experimentelle Bestimmung von Trägheitsmomenten.
§ 46. Geometrisehe Kinematik des starren KSrpers .... 896
260 — 266. Allgemeines. — Darstellung der Koordinaten durch die Eulerschen
Winkel. — Endliche Lagenänderungen des starren Körpers. —
Übergang zu unendlich kleinen Bewegungen. — Zusammensetzung
unendlich kleiner Drehungen. — Ausdruck des Drehvektors dx
durch die Differentiale der Eulerschen Winkel. — Anschauliche
Darstellung der Bewegung.
§ 47. Kinematik der Belatiybewegnng 406
267—269. Zusammensetzung der Geschwindigkeiten. — Absolute und relative
Änderung eines Vektors. — Die Beschleunigung.
§ 48. Massenkinematik des starren KQrpers 408
270 — 273. Die kinetische Energie. Aufgabe dieses Paragraphen. — Die Be-
ziehung zwischen J und m. — Geometrische Yeranschaulichung
dieser Beziehung. — Weitere Beziehungen zwischen JE, J und m.
Inhalt XV
8«ito
Nx. § 49. Kinetik des einielnen starren KSrpers 414
274—284. Die Bewegxmgtgleichungen. — Die kräftefreie Drehbewegung. —
Fortsetzung: Ist das Trägheitsellipsoid kein Rotationsellipsoid. —
Stabilität der Bewegung um die Hauptachsen. — Tendenz zum
Parallelismus bei einem dauernd wirkenden Kräftepaar. — Der
schwere symmetrische Kreisel. — Der Kreisel in der Praxis. —
Die Eulerschen Gleichungen. — Analytische Behandlung der
krftftefreien Bewegung des symmetrischen Kreisels. — Deviations-
widerstand eines geführten symmetrischen Kreisels. — Literatur.
§ 60. Energie und Arbeit beim starren Körper 429
886 — 288. Die Energiegleichung für den starren Körper. — Die Arbeit der
inneren Kräfte. — Andere Ableitung des Energiesatzes. — Direkter
Nachweis des Satzes über die inneren Spannungen.
§ 61. Kinetik der Belatlrbewegung 438
289—294. Einfährung der Scheinkräfte. — Anwendung auf Bewegungen auf
der Erde. — Das Foucaultsche Pendel. — Nochmals der Deviations-
widerstand eines rotierenden geführten Ejreisels. — Der Inertie-
regulator. — Die Arbeit der Scheinkräfte.
§ 62. Impulsion und Stoß 448
296 —808. Der gerade, zentrale Stoß. — Die Grundgleichungen der Impulsion. —
Verhalten der Reibung bei Stoßprozessen. — Stoß einer rotierenden
Kugel gegen eine rauhe Wand. — Der Stoßmittelpunkt. — Das
ballistische Pendel von Robins. — Energieverlust beim Stoße eines
Hammerwerkes. — Plötzliche Fixierungen. — Geschichte und
Literatur.
Kapitel XI.
Kinetik der Systeme, die ans einer endlichen Anzahl
starrer KSrper bestehen.
§ 68. Die synthetisehe Methode 467
804 — 811. Allgemeine Bemerkungen. Eingeprägte und Heaktionskräfte. —
Das Schubkurbelgetriebe. Das Problem. — Fortsetzung: Kine-
matik. — Fortsetzung: Aufstellung der Bewegungsgleichungen. —
Schluß: Weitere Diskussion der reinen Bewegungsgleichung. —
Aufgaben. — Verbesserung der synthetischen Methode. — Weiteres
Beispiel: Die Wage als Meßapparat fiir Exzentrizitäten.
Einleitung in die analytischen Methoden:
§ 64. Das Prinzip der rirtnellen Arbeiten 469
812—818. Aufstellung des Prinzips — Beispiele. — Anwendung auf die
Theorie des ebenen Fachwerkes. — Das Toricellische Prinzip. —
Zusammenfassung des Prinzips der virtuellen Arbeiten mit dem
Prinzip von d'Alembert durch Lagrange. — Beweis des Lagrange-
schen Prinzips. — Plötzliche Änderungen der kinematischen Kon-
stitution.
§ 66. Die allgemeine Energiegleiehnng der Mechanik fflr
sklerononie Systeme 478
319—823. Beweis des Energiesatzes. — Anwendung auf die Dampfmaschine. —
Die wichtigsten kinetischen Probleme der Dampfmaschine. — Auf-
gabe (Schaukel). — Dirichlets Stabilitätssatz.
XVI Inhalt.
Seite
Kr. § 56. Die Lagraof^eschen Gleichnncreii 488
824 — 388. Holonome und nichiholonome Systeme. — Die Bewegungsglei-
chnngen. — Das Impulsionsproblem. — Die Gleichung ddr —
ddf =5 0 . — Die Lagrangesche Zentralgleichung. — Berechnung
der Lagrangeschen ßeschleunigungskomponenten. — Beispiele. —
Die Wage als Mittel zur experimentellen Bestimmung von De-
Tiationsmomenten. — Der Schiffskreisel. Elementare Ableitung
der Gleichungen des Schiffskreisels. — Literatur zur analytischen
Mechanik.
§ 57. Kleine Scliwingungeii tou zwei Freiheitfigraden ... 504
884 — 845. Die allgemeinsten Gleichungen für kleine Schwingungen. — Inte-
gration der Gleichungen L — Vereinfachung der Gleichungen. —
Diskussion der nichtgedämpfben Schwingungen. — Fortsetzung:
Brennans Einschienenbahn. — Wirkung der Dämpfung auf an
sich stabile Systeme. — Wirkung der Dämpfung auf an sich labile,
durch Kreisel stabilisierte Systeme. — Das Problem von Glocke
und Klöppel. — Erledigung eines Einwandes. — Ein anderer
Spezialfall des Doppelpendels: sympathische Pendel. — Anwendung
auf den Schiifskreisel. — Weiteres über den Schiffskreisel.
Kapitel XÜ.
Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme.
§ 58. Faden und Seil 527
346—858. Bewegungsgleichungen des vollkommen biegsamen Seiles. — Sta-
tionäre Bewegung. — Erweiterung des Begriffs der stationären
Bewegung. — Eine CTmformuug der Bewegungsgleichungen für
unausdehnbare Fäden. — Allgemeine Kinetik der Drähte. — Kleine
Schwingungen eines freihängenden belasteten Seiles. — Fortsetzung.
Vollständige Bestimmung von f. — Spezialfall : Reine Schwingungen.
§ 59. Etwas aus der Theorie der linearen DilTereBtial-
und Integralgleiclinngen 542
854 — 861. Unsere PartikularlÖBungen ein System von Orthogonalfunktionen. —
Unsere Partikularlösungen als Integrale linearer Differentialglei-
chungen. — Lineare Differentialgleichungen und ihre Greensche
Funktion. — Lösung der nichthomogenen linearen Differential-
gleichung. — Rückführung der allgemeinen linearen Differential-
gleichung auf eine Litegralgleichung. — Resultate aus der Theorie
der Integralgleichungen. — Anwendung auf lineare Differential-
gleichungen. — Die Entwicklung nach Eigenfunktionen. Fourier-
sche Reihen.
§ 60. Statik isotroper, liomogener Medien 562
862 — 873. Die Spannungsdyade eine Funktion der Deformationsdyade. —
Die Deformation als affine Transformation. — Die Invarianten
der Deformation. — Spezialfall: Übergang zu unendlichkleinen
Deformationen. — Die Arbeit der inneren Kräfte. — Die Über-
gangsgleichungen von d~ zu ^— du usw. — Die Beziehung
ex O X
Inhalt. XYU
Ht. 8«ite
zwischen Spannung und Deformation. — Fortsetzung. — Spezielle
F&Ue: ünendlichkleine Deformationen. — Bolle der Entropie- resp.
Temperaturänderung. — Spezielle Fälle: Flassigkeiten. — Literatur.
§ 61. Kinetik isotroper, homogener Medien 682
374 — 881. Allgemeine Bemerkungen. Die Entropie. — Die Spannungsdyade. —
Ideale und zähe Fl&saigkeiten. — botrope Flüssigkeiten. — Über
die Zähigkeitskoeffizienten. — Die Eontinuitätsgleichung. — YoU-
slftndiger mechanisch -tbermodynamischer Ansatz ffir homogene
isotrope Gase bei Ausschluß Ton Wärmestrahlung. — Literatur.
Anbang.
Skizze einer Yektoranalygis 696
L Yektorrechnung. — H. Yektorgeometrie. — DI. Yektorintegrale. —
lY. Elemente der Dyadenrechnung.
Yerzeichnis und Auflösung der Aufgaben 607
NamenyerzeichniB 628
Sachregister .' . 680
Hamel: Sl«]ii«nUrtt MeohAnlk.
Regelm&ßig gebrauchte Bezeiclmniigeii.
(i. d. B. bedeutet: in der Regel.)
1. t die Zeit, r^ Periode oder Umlaufszeit, a WinkelgeBchwindigkeit, als
Vektor cä. m die Masse, ft spezifische Masse, dm Masse eines Yolumelementes.
g Fallbeschleunigung, G^^mg das Gewicht, \tg^^y das spezifische Gewicht.
dTVolumelement, dF Flächenelement, § Summation (Integration) über
Volumina oder Flächen, f Integration nach der Zeit (i. d. R.), ^ Summation über
eine Reihe einzelner Größen. T«s S^'^'*' Trägheitsmoment, Djpy«= ^dmxy
Deviationsmoment, 6 Trägheitsradius, s Schwerpunktsabstand (i. d. R.).
2. r Ortsvektor, v-=-^ Geschwindigkeit (als Vektor), ip== — Beschleu-
nigung, k endliche, dH unendlich kleine Kraft, K Resultierende (i. d. R.),
X spezifische Kraft pro Volumseinheit (oder LäDgeneinheit), er pro Flächeneinheit
(» Spannung, Druck im allgemeinen Sinne). N Normaldruck, R Reibung (i. d. R.),
2) Resultierende aus beiden (i. d. R.), f Reibungskoeffizient, tp Reibungswinkel
(i. d. R.), S FadenspannuDg (nur in den letzten Paragraphen: Entropie).
3. !^! oder, wenn MißTerständnis ausgeschlossen, einfach k Absolutwert
des Vektors k. Die Indizes x^y^z bezeichnen im allgemeinen die Komponenten
eines Vektors nach den AchscD, nur 0^ bezeichnet die Spannung auf ein Flächen-
element senkrecht zur o;- Achse, die Komponenten sind hier X^, Y^, Z^ genannt.
4. dA^^kdr Arbeit der Kraft k bei der Verschiebung dr (allgemein
ä'h das innere Produkt der Vektoren ä, &). U das Potential einer Kraft,
ib = — -,_ «= — grad CT, L =« * • r die Leistung. E die kinetische Energie (leben-
dige Kraft).
5. M=^rk Moment einer Kraft (allgemein ah das äußere Produkt),
J SS g dmfv der Impuls?ektor.
6. -TT zeitliche Ableitung an ein und derselben Materie (materielle
Fluxion) in bezug auf ein ruhendes Koordinatensystem. Auch durch einen über-
gesetzten Punkt bezeichnet: vs=r. ^— dasselbe, bezogen auf ein bewegtes System.
^- zeitliche Ableitung bei festgehaltenem Orte (lokale Fluxion).
7. = Gleichheit auf Grund mechanischer Gesetze, ^ Gleichheit auf Grund
mathematischer Identität oder infolge Definition. (Nur wenn nötig, unterschieden.)
=^ angenähert gleich, ^ sehr klein gegen, ^ sehr groß gegen.
8. Die mit einem Stern (*) bezeichneten Größen beziehen sich auf den
Massenmittelpunkt oder Schwerpunkt.
Erster Abschnitt.
Die Grundbegriffe.
Kapitel L
Begrflndnng des kinetisclien Kraftbegriffes.
% 1. Einleitnng.')
1. Die Aufgabe der Mechanik besteht darin, die Bewegungs-
erscheinungen in der uns umgebenden Natur zu untersuchen. Dabei
kann es aber nicht ihr Endziel sein, lauter einzelne Bewegungen in
allen ihren Sonderheiten möglichst naturgetreu zu beschreiben: so
wichtig eine solche Einzelerscheinung im Leben eines Menschen oder
aber ganzer Völker sein kann, so gleichgültig ist sie an sich für die
Wissenschaft. Eine Anhäufung von noch so gutem Beobachtungs-
material ist noch keine Wissenschaft, sondern nur Stoff zu einer
solchen. Der menschliche Geist muß diesem Stoff noch die Form geben.
Eine solche Form ist notwendig. Jede Einzelerscheinung an sich
ist im Grunde genommen unverständlich
Eine Tatsache bleibt eine Tatsache; mag sie noch so scharf
beobachtet sein, sie ist allein noch kein Gegenstand des Denkens, das
Beziehungen zwischen mehreren Dingen festzustellen sucht. Wir sehen
das am besten am Verhalten des unwissenschaftlichen Menschen: er
beobachtet manchmal vielleicht schärfer wie der experimentierende
Forscher, aber jede ungewohnte Erscheinung ist ihm ein Wunder.
Macht er sie aber zum Gegenstand seines Denkens, und bleibt sie als
Tatsache allein, so setzt er sie doch wenigstens in Verbindung mit
Phantasieprodukten, Dämonen usw.; wird sie ihm aber auch nur zur
Gewohnheit, so vollzieht er schon einen ersten formgebenden Akt
des Denkens: er faßt mehrere ähnliche Erscheinungen zu einer
Klasse zusammen. Dasselbe muß jeder Naturforscher tim: er klassi-
fiziert die Tatsachen.
Ist dieser erste Schritt vollzogen, so ist die Bahn für das kausale
Denken frei, für eine wissenschaftliche Formulierung und Beantwortung
1) Der Anfänger mag diese Einleitung durchlesen und dann gleich zum
Studium von § 2 übergehen.
Hftmel: Elemeutaro Mechanik. 1
2 !• Begründung des kinetischen KrafbbegriffeB. Nr. 2.
der Frage: warum? Es kann jetzt die Frage gestellt werden: Durch
welche anderen Klassen von Erscheinungen ist eine bestimmte Klasse
Yon Ereignissen erfahrungsgemäß bedingt? Wollte man das Kausali-
tatsprinzip so formulieren, daß man fragt: Durch welche Ereignisse
oder Daten Ä, B, (7 . . . ist das eine Ereignis X bedingt, so stellte
man eine Frt^e, die keine Wissenschaft beantworten kann. Wie sollte
jemand durch Erfahrung wissen können, wodurch das eine Ereignis X
bedingt ist? Wo doch ein Ereignis einfach da ist inmitten unend-
lich vieler anderer! Aber für Klassen von Erscheinungen hat die
Behauptung ihrer Abhängigkeit einen erforschbaren Sinn, denn Indi-
viduen einer Klasse können immer wieder vorkommen, die Abhängig-
keit kann also durch wiederholte Erfahrung, ja durch künstlich ge-
wollte Erfahrung (Experimente) als eine immer wiederkehrende, d. h.
als eine gesetzmäßige erkannt werden.
So sind die Prinzipien der Klassifikation und der Kau-
salität die Grundlagen alles wissenschaftlichen Denkens, also auch
notwendige Grundprinzipien für die Mechanik.
Die Individuen einer Klasse werden natürlich irgendwie von-
einander verschieden sein. Es muß aber ein Gemeinsames geben, das
für die Individuen einer Klasse typisch ist. Dieses Typische muß
gesucht werden.
So werden wir auch die Bewegungserscheinungen in Klassen
teilen und das Typische dieser Klassen suchen. Als solches werden
wir für jede Klasse eine Kraft kennen lernen.
Dem Kausalitätsbedür&is werden wir dann dadurch entsprechen,
daß wir nach den Ursachen einer Kraft fragen, d. h. festzustellen
suchen, von welchen Daten eine Kraft erfahrungsgemäß bedingt ist.
Wir können so zusammenfassen, daß wir mit Schell (Theorie
der Bewegung und der Kräfte) sagen:
Die Mechanik ist die Lehre von den Bewegungen und von den
Kräften.
2. Über die Stellnng der Mechanik zu den anderen
Wissensohaften. Es dürfte nach dem Yorhergesagten klar sein,
daß die Mechanik zunächst eine Naturwissenschaft, also eine Erfah-
rungswissenschaft ist. Soweit sie sich die Aufgabe stellt, wirklich
Bewegungserscheinungen zu klassifizieren und die zugehörigen Kraft-
gesetze zu finden, ist sie ein Zweig der Physik. Sie bedarf also weit-
gehend der Erfahrung und der Experimente; Kraftgesetze a priori,
ohne solche Beobachtungsdaten finden zu wollen, muß im allgemeinen
als eine verfehlte Spekulation bezeichnet werden, die sich gewöhnlich
bitter rächt. Namentlich der Techniker darf sich bei der Verant-
wortung seines Berufes niemals auf willkürliche, nicht durch die Er-
fahrung geprüfte Annahmen verlassen.
Nr. 8. § 1. Einleitung. 3
Daß sich die Mechanik außerdem bei der Darstellung der eim-
zelnen Bewegungserscheinungen und ihrer gegenseitigen Abhängigkeit
eines strengen Schluß Verfahrens, also der aUgemeinen reinen Logik
und der exakten Sprache der Mathematik sowie der anschaulichen
der Geometrie bedienen wird, ist zu erwarten. Und bei dem Alter
und dernDurchbildung, welche die Mechanik erfahren hat, ist die
Beziehung sogar recht eng.
Aber die Verwandtschaft von Mechanik, Mathematik und Geometrie
ist noch viel näher und innerlicher. Oben wurde der empirische
Charakter der einzelnen Eraftgesetze der Mechanik gehörig betont;
was aber die Grundlagen der Mechanik im ganzen angeht, so sind
ihre Gesetze zu einem großen Teil Formen, deren Auffindung viel-
leicht durch die Erfahrung angeregt ist, die aber trotzdem, ebenso
wie die Grundsätze der Mathematik und der Geometrie, apriorisch
sind, d. h. vor aller Erfahrung bestehen und nur ihren Inhalt durch
die Erfahrung erhalten.
8. Die Erkenntnisquellen der Mechanik. Man hat oft be-
hauptet, daß Mechanik und mit ihr alle Naturwissenschaft nur auf
Erfahrung begründet sei, sogar die Geometrie sollte als oberste Natur-
wissenschaft nicht ausgeschlossen sein. Wir haben aber schon gleich
zu Anfang darauf hingewiesen, daß bloße Tatsachen, und nur solche
liefert uns die Erfahrung (wenn sie es allein vermag?), noch keine
Wissenschaft ausmachen, daß es noch einer besonderen Tätigkeit des
Menschen bedarf, der ordnenden und verbindenden Denkarbeit. Wider
die Erfahrung als alleinige Quelle aller Naturwissenschaft spricht aber
noch manches andere.
Wir suchen vor allem wenigstens für die allgemeinen Fundamente
bestimmte exakte Sätze. Solche aber kann Erfahrung nie liefern.
Denn jedes ihrer Resultate ist mit Beobachtungsfehlern behaftet,
auch zeigt es sich, und das werden wir im Laufe dieses Buches be-
sonders hervorheben, daß auch das von den Fehlern „gereinigte"
Resultat noch nicht immer direkt verwendbar ist, daß es noch zer-
schnitten, präpariert werden muß, um in die Fächer der Wissenschaft
eingeordnet werden zu können. Man spricht wohl von einem „Ideali-
sieren% aber das ist nur ein unbestimmter, nichtssagender Ausdruck,
er gibt weder Richtung noch Ziel. Und doch ist die Frage nicht
abzuweisen: Nach welchen Prinzipien findet die Idealisierung statt?
Es ist an sich klar und kann auch ausführlich gezeigt werden
(siehe das geistvolle Buch des Franzosen Poincare: Wissenschaft
und Hypothese, auch sein zweites Werk: Wert der Wissenschaft),
daß, rein logisch genommen und der Erfahrung entsprechend, die
„Idealisierung^^ und damit die Verwissenschaftlichung des Beobach-
tungsmaterials in sehr verschiedener Weise möglich ist.
4 I. Begründung des kmeÜBchen Eraftbegriffes. Nr. 8.
und doch hat sich allmählich ein ganz bestimmter Aufbau einer
jeden Wissenschaft herangebildet, deren Fundamente schon teilweise
recht fest stehen. Auch gibt es gewisse allgemeine Gbiindsätze, die
wohl kein Physiker heute mehr opfern möchte. Wie steht es denn
nun mit den Ansprüchen dieser Grundsätze auf allgemeine Zustim-
mung? Handelt es sich um eine bloße Konvention, die BRjuem ist
und jederzeit abgestreift werden kann?
Das Beispiel der Oeometrie wird uns den Weg zeigen. Man hat
entdeckt, daß es vom rein logischen Gesichtspunkte aus eine Geometrie
gibt, in der es nicht durch jeden Punkt nur eine Parallele zu einer
gegebenen Geraden gibt, in der die Winkelsumme im Dreiecke folg-
lich nicht zwei Rechte beträgt. An der rein logischen Existenz
dieser Geometrie, d. h. an ihrer inneren Widerspruchslosigkeit ist
nicht zu zweifeln. Kann man nun, etwa durch Messen der Winkel,
praktisch feststellen, welche Geometrie richtig ist, diese oder unsere
Euklidische? Nein, denn einmal gestatten Messungen keine absolut
exakte Entscheidung, dann aber beruht die Messung auf Annahmen
physikalischer Natur, z. B. der, daß die Lichtstrahlen wesentlich
geradlinig laufen. Aber woher weiß man das? Nur durch physika-
lische Experimente, die sich wiederum auf die Annahme der Eukli-
dischen Geometrie stützen. Und wäre es nicht viel plausibler, im
Falle, daß die Messung eine erkennbare Abweichung der Winkelsumme
Yon zwei Rechten ergeben hätte, die Abweichung auf eine Erumm-
linigkeit der Lichtstrahlen zurückzuführen als auf die Annahme einer
nichteuklidischen Geometrie? Zweifellos das erstere, denn die Geo-
metrie ist das Allgemeinere, das aller Naturwissenschaft Übergeordnete,
das erst die Möglichkeit der Erfahrung (der Messung) gibt, das also
einer festen Begründung Yor aller Erfahrung, a priori, wie Kant
sagt, bedarf.
Auch sind wir ja in Wahrheit nicht durch irgendwelches Messen
Ton der Richtigkeit der Grundlagen der Geometrie überzeugt, wir
kommen darauf durch eine besondere, über das rein Logische hinaus-
gehende Art des Denkens, die Kant reine Anschauung nannte, die
man yielleicht besser anschauliches Denkep oder noch besser
konstruktives Denken nennt: Wir konstruieren uns in Ge-
danken den Raum und seine Geometrie, den wir dann allen
Messungen und Beobachtungen zugrunde legen.
Solcher konstruktiver, apriorischer, also nicht durch die Erfahrung
gegebener (vielleicht wohl von ihr angeregter), sondern durch anschau-
liches Denken selbst geschaffener Elemente des wissenschaftlichen Er-
kennens bedarf aber eine jede Naturwissenschaft.
Wir nannten schon die Prinzipien der Klassifikation und der
Kausalität, sie sind ganz sicher apriorischer Natur, denn keine Er-
fahrung kann sie uns aufzwingen.
Kr. 8. § 1. Einleitung. 5
Ein drittes Prinzip deuteten wir vorhin auch schon an: das
Prinzip der Zerlegung resp. der Zusammensetzung. Die Be-
wegungserscheinungen lassen sich nicht direkt in Klassen teilen^ sie
müssen erst zerlegt werden. Oder^ was dasselbe ist: Jede Bewegungs-
erscheinung ist eine Zusammensetzung vieler, vielleicht unendlich
vieler einfacher, idealer Bewegungen, von denen dann jede einer Klasse
(einer Kraft) zugehört. So ist gewissermaßen eine Erscheinung meh-
reren Klassen zugeordnet.
Dieses dritte Prinzip blieb den Alten ganz verborgen, erst der
große englische Naturphilosoph Bacon ofYerulam sprach es um
1600 aus: ,,Man müsse die Natur zerschneiden/' Als Oanzes wären
uns fast alle Naturerscheinungen unverstandlich, sie wären so kompli-
ziert und mannigfaltig, daß der Mensch bald jeden Versuch eines
Verständnisses aufgeben müßte; nur in wenigen Fällen, wo eine Klasse,
die an einer Erscheinung beteiligt ist, dominiert, würden wir vielleicht
wenigstens ein angenähertes Gesetz erkennen können.
Diese Zerlegung resp. Zusammensetzung gehorcht nun einem
vierten Prinzip, das man das der Gleichwertigkeit der Ursachen
nennen kann. Ist eine Erscheinung E in mehrere einfache der Klassen
K^y K^ f s, . . . zerlegt, deren Ursachen je U^, U^ ü^y ' - - seien, so
muß E eine Funktion der U^f U^, U^^ . , . sein, die bei verschiedener
Anordnung der U ungeändert bleibt : es gibt keine Reihenfolge der
Ursachen. So selbstverständlich dieser Ausspruch erscheinen mag, er
ist rein logisch nicht beweisbar: es ließe sich sehr wohl eine Rang-
ordnung aller Ursachen denken. Aber diese Rangordnung wäre etwas
ganz Unbegreifliches, ihre Einführung bedeutete den nackten Verzicht
auf naturwissenschaftliche Erklärung.
Verwandt mit diesem Prinzip ist ein fünftes: Das Prinzip der
Homogenität und der Isotropie des Raumes und der Zeit:
es gibt keine ausgezeichneten Stellen und Richtungen im Räume und
in der Zeit. Oder: alle Naturerscheinungen sind von ihrer Lage und
Orientierung im Räume und in der Zeit unabhängig. Oder: Raum
und Zeit können nicht als Ursache einer Erscheinung auftreten, Raum
und Zeit sind nicht materiell, es sind eben Gedankenkonstruktionen,
wie wohl zuerst Newton klar erkannte und aussprach. Ein Verzicht
auf dieses Prinzip würde natürlich logisch denkbar sein, aber es führte
etwas ganz Unerkennbares in den Ursachenzusammenhang ein und
ist daher a priori abzuweisen.
Ist der Raum als solcher kein Objekt der Erfahrung, so liegt es
nahe, ihn überall und zu jeder Zeit mit Dingen ausgefüllt zu denken,
die Objekt der Erfahrung werden können, d. h. mit Materie. Wir
fügen demnach als ein sechstes Prinzip das der Kontinuität
hinzu: Alle physikalisch beobachtbaren Größen sind stetig (und stetig
differentiierbar) durch den ganzen Raum und die Zeit verteilt. Auch
6 I. Begrdndang des kinetischen Eraflbegriffes. Nr. 4.
dieses Prinzip ist mathematisch unbeweisbar, desgleichen empirisch^
denn keine Erfahrung ist fein genug, um zu Differentialen herab-
zusteigen, und doch ist sein Ausspruch eigentlich das Naheliegende,
Selbstverständliche. Soweit unsere Beobachtung reicht, erweist sich
die Natur in einem gewissen Sinne stetig, d. h. es gibt allmähliche
Übergänge: wozu also leere Räume und XJnstetigkeiten einführen,
wenn sich dieselben jeder Beobachtung entziehen und außerdem die
Klarheit und Einfachheit unseres Vorstellungsbildes erheblich stören
würden? Wir erfinden uns keine Hohlräume und XJnstetigkeiten, da
wir sie nicht brauchen und sie nur der lebendigen Auffassung des
materiellen Zusammenhanges aller Dinge im Wege sind.
4. Die Ornndansohaaiing der Mechanik. Die Eontinuitäts-
hjpothese führt uns zu einer weiteren Annahme, die als Orundanschauung
der Mechanik bezeichnet werden kann. Ist die Materie stetig, so kann sich
kein Teil derselben bewegen, ohne daß die Nachbarschaft in Mitleiden-
schaft gezogen wird. Ordnen wir nun einer jeden Bewegungsklasse eine
Kraft zu, so muß in diesem Falle, wo die Bewegung eines Stückes
Materie durch die Umgebung beeinflußt ist, die Ursache dieses Be-
wegungsanteils in der Nachbarschaft gesucht werden. Was ist nun
aber anschaulich einleuchtender, als daß wir uns die Wirkung der
Nachbarschaft auf unseren herausgegriffenen Teil in einem Druck
(einer Spannung) Yorstellen, d. h. in einer Kraft, die überall auf der
Oberfläche unseres Stückes Materie verteilt ist? Wir bilden uns auf
diese Weise die Anschauung eines dynamischen Zusammenhanges
der Materie und sprechen den Grundsatz aus:
In der ganzen mcUerieUen Natur herrschen Spannungen (Drucke),
welche längs eines jeden Flächenelementes die sich dort berührenden
materiellen Teile aufeinander atisüben.
Von diesen Spannungen haben wir, soweit wir selbst Objekt
der Mechanik sind, auch eine direkte sinnliche Anschauung: Wir
fühlen beständig an unserer Körperoberfläche Drucke der Umgebung
auf uns, in unserem Körper Drucke der einzelnen Oliederteile gegen-
einander und Spannungen in den Muskeln. Wenn die Geometrie, obne
an sich Objekt der räumlichen Erfahrung zu sein, docb Tor aUem
dem Auge und dem Tastsinne verwandtschaftlich zugeordnet ist, in-
dem diese Organe dem geometrischen Yorstellungsvermögen neue An-
regung geben, so sind es vor allem der Muskelsinn und der Druck-
sinn (es gibt auf der Haut besondere Druckpunkte mit Sinnesorganen
für Druck), welche ein Einfühlen in die Gesetze der Mechanik ge-
statten. Es kann dem Studierenden der Mechanik nicht warm genug
empfohlen werden, als Beispiel für mechanische Sätze den eigenen
Körper — sei es als druckempfangend oder druckausübend — zu
betrachten.
Nr. 6, 6. § 1. Einkitung. 7
6. Das YerhUtnis der versohiedeiien Erkenntnisquellen
icueiiiaiider. Fügt man unseren sechs Prinzipien noch als Postulat
hinzu, daß es überhaupt ein allgemeines Grundgesetz der Mechanik
geben soll, welches den Bereich der zu irgendeiner Kraft gehörenden
Bewegungen feststellen soll, so kann man zeigen, daß unsere Prin-
zipien ausreichen, den Eraftbegriff als Form vollständig festzulegen,
derart, daß jedes empirisch gegebene Bewegungsgesetz für eine Klasse
von Erscheinungen sich wesentlich nur in einer Weise in die ent-
sprechende Form bringen läßt.^) Es gibt nur ein passendes Kleid
für die Wirklichkeit, und für Willkür ist kein. Baum mehr.
Das soll hier nicht näher ausgeführt werden. Aber es muß be-
betont werden, daß jene Erkenntnisquellen allein nicht ausreichen,
die postulierten Grundgleichungen der Mechanik abzuleiten. Diese
Gleichungen, welche die Beziehung der Kraft zur Bewegung ausdrücken,
oder mit anderen Worten, welche aussagen, wie groß der Umfang der
durch eine Kraft bestimmten Klasse von Bewegungserscheinungen ist,
müssen in ihrer speziellen, üblichen, auf Newton zurückgehenden
Form als Ausfluß der bisherigen Erfahrung bezeichnet werden. Sie
sind heute noch ausreichend und bequem genug, den Stoff der Tat-
sachen aus der Welt der Bewegungserscheinungen zu ordnen.
Jedes spezielle Kraftgesetz aber kann sicherlich nur mit Hilfe
der Erfahrung, also durch Experiment und Beobachtung gefunden werden.
Um es also zusammenzufassen: Baum, Zeit und Kraft sind apruh
fische Formen, wdche allein atis der Anschauung und aus allgemeinen
Forschungsprinzipien abgeleitet werden können, Ihre in der Mechanik
übliche Beziehung zueinander muß als eine durch die Erfahrung ein-
gegd>ene, aber in ihrer Allgemeinheit konventionelle Festsetzung bezeichnet
werden, die sich bis heute noch als ausreichend erwiesen hat; jedes ein-
zdne Kraftgesetz entstammt wesentlich der Erfahrung, Damit ist zu-
gleich der Unterschied der Mechanik gegen die ganz apriorische
Geometrie gekennzeichnet.
Die Richtigkeit dieser Behauptung mag ein jedei;^ Leser dieses
Buches an dem gegebenen Material selbst nachprüfen.
6. Über den Begriff des Axioms. Soll eine Wissenschaft
einen logisch denkenden Kopf befriedigen, so muß sie imstande sein,
aus scharf formulierten Voraussetzungen ihre Folgerungen streng
logisch abzuleiten, d. i. durch ein richtiges Schlußverfahren. Wir
nennen nun jene Voraussetzungen Axiome, wenn sie den Bedingungen
genügen: 1. sie sollen hinreichen, die in Behandlung stehende Wissen-
schaft zu begründen, soweit es sich um allgemeine Satze dieser Wissen-
schaft handelt. Es dürfen also nicht unausgesprochene Voraussetzungen
1) Siehe des Verfassers Aufsatz : „Über Baum, Zeit und Kraft als apriorische
Formen der Mechanik/* Jahresberichte d. Deutsch. Mathematiker- Vereinigung 1909^
8 I BegTÜDdnng des kin^titchezi Eraftbegriffes. Nr. 6.
in den Beweisen allgemeiner Sätze unterlaufen. 2. sie sollen wider-
spruchsfrei sein, d. h. es sollen keine Folgerungen mogUch sein, die
einander widersprechen. 3. sie sollen möglichst unabhängig voneinander
sein^ d. h. es soll sich keine der Voraussetzungen aus den anderen
beweisen lassen.
Wie steht es nun mit der Definition der in den Axiomen ent-
haltenen Begriffe?
Die Axiome selbst definieren die Ghimdbegriffe so weit, als es für
die Wissenschaft als logische Disziplin nötig ist, nämlich in ihrer
Beziehung zueinander. Mehr kann reine Logik nicht; sie schließt
in Bekanntem weiter. Es muß also für ihr Schließen einen Ausgangs-
punkt geben, der selbst nicht logisch erschlossen ist; diesen Ausgangs-
punkt bilden die Axiome. Die in ihnen enthaltenen neuen Begriffe
können nun nicht durch eine exakte Definition aus allgemeineren
gewonnen werden, denn dann ließen sie sich eben logisch aus diesen
ableiten und wir hätten keine neuen Begriffe, keine neue selbständige
Wissenschafb.
Die Axiome einer neu zu begründenden Wissenschaft sind also keine
analytischen Urteile, sondern synthetische, d. h. nicht erschlossene,
sondern solche, welche die Grundbegriffe erst aufbauen (Kant). Aber
sie bauen diese nur so weit, als sie die Beziehungen zwischen ihnen
angeben. Die Grundbegriffe und die Axiome, welche sich über diese
aussprechen lassen, entstammen ihrem vollen Inhalte nach eben nicht
der reinen Logik, ihre Quellen liegen tiefer. Ob in der Anschauung,
ob in den obengenannten sechs Prinzipien oder in der Erfahrung
(und dann bis zu einem gewissen Grade auch in bloßer Konvention)
soll in dem Worte Axiom nicht zum Ausdruck kommen.
Das Beispiel der Geometrie mag noch das Gesagte erläutern.
Wenn die Geometrie begründet ist, kann man definieren, was
ein Kegelschnitt ist, denn man braucht zur Definition nur Begriffe
und Sätze, die schon bekannt sind. Ehe man aber Geometrie kennt,
kann man nicht exakt sagen, was ein Punkt oder eine Gerade ist.
Denn das sind dann vollkommen neue Dinge, die nicht unter schon
Bekanntes fallen. Ich kann wohl eine Beziehung aussprechen, z. B.
die, daß zwei Punkte eine Gerade bestimmen, und ich kann so viele
solcher Beziehungen aufstellen, als nötig sind, um alle geometrischen
Beweise zu führen. Aber nur die Anschauung sagt mir, was Punkte,
Geraden usw. eigentlich sind, und wie ich auf jene Beziehungen komme.
So klar die Sache an sich ist, so lange hat es gedauert, bis sich
dieser Standpunkt in der Geometrie (durch die Arbeiten Hilberts
besonders) durchgesetzt hat. Dasselbe gilt für die Mechanik. Exakt
definieren zu wollen, was absoluter Raum, Kraft, Masse usw. sind,
ist ein vergebliches Unterfangen; vom rein logischen Standpunkte
aus ist es nur möglich, die Beziehimgen zwischen diesen mechanischen
Nr. 7, 8. § 1. Einleitung. 9
Qrundbegriffen aufzustellen; aus denen alle weiteren Sätze folgen.
Vor dem logischen Aufbau soll aber im folgenden stets die Ent-
wicklung der Begriffe und Grundsätze aus den anderen Erkenntnis-
quellen eingehend auseinandergesetzt werden. Der Studierende möge
darauf achten^ diese yerschiedenen Darstellungen nicht miteinander zu
Terwechseln.
Im Gegensatz zum Axiom nennen wir Annahmen^ welche zur
Bewältigung eines speziellen Problems nötig sind und nur den An-
spruch auf eine angenäherte Gültigkeit erheben^ Hypothesen.
7. SohlnBbemerkiing. Die yorangehenden Betrachtungen zeigen,
daß die Wissenschaft keineswegs mit der Erfahrung identisch ist.
Unsere Erfahrungen, Messungen, Beobachtungen sind zunächst einmal
alle mit einer Menge notwendiger Fehler und üngenauigkeiten be-
haftet Da die Wissenschaft präzise Aussagen erfordert, muß das
Material erst von den Fehlem gesäubert und, da man diese nicht
a priori kennt, in einem gewissen Grade frei idealisiert werden. Dann
ist man, wenigstens im Anfange einer Wissenschaft, nicht immer im-
stande, gleich den ganzen Komplex der Erscheinungen zu meistern:
man muß das Wesentliche herausgreifen. Was ist aber das Wesent-
liche? Endlich tut der Mensch, wie oben nachgewiesen, zum Aufbau
einer Wissenschaft eine Menge yon Eigenem hinzu, er schafft bis zu
einem gewissen Grade die Formen a priori. Ist das nun alles will-
kürlich? Keineswegs, denn man wird zunächst daran festhalten
müssen, daß am Ende einer Wissenschaft keine Lücke mehr zwischen
ihr und der Erfahrung bestehen darf, dann aber müssen die mensch-
lichen Zutaten in einem gewissen Sinne notwendig sein, d. h. sie
müssen uns durch die Anschauung oder gewisse allgemeine denk-
notwendige Prinzipien wie die in Nr. 3, 4 dargestellten aufgezwungen
werden. Ohne Hypothesen, oder sagen wir genauer ohne transzenden-
tale Bestandteile, d. h. Bestandteile, die nicht unmittelbar in der Er-
fahrung, sondern vor der Erfahrung gegeben sind und nie durch
Erfahrung erwiesen oder yerworfen werden können, geht es nicht;
aber überflüssige Hypothesen wird man nach Möglichkeit zu ver-
meiden trachten. Eine Annahme wie z. B. die von Molekülen oder
materiellen Punkten, die uns weder durch die Anschauung noch durch
jene in Nr. 3, 4 genannten Prinzipien noch auch durch die Er&hrung
gegeben sind, können wohl vorübergehend nützlich sein, sie werden
aber immer einen stark metaphysischen, unwissenschaftlichen Charakter
beibehalten. In diesem Sinne sagte Newton: „Hypotheses non finge:
ich mache mir keine Hypothesen zurecht.''
8. Die Blnteiliing der Meohanik. Jeder Behandlung einer
mechanischen Aufgabe muß die Frage vorangehen: Welche Bewegungen
sind überhaupt nach den geometrischen Bedingungen des System»
10 I. Begründung des kinetiflcheii Eraffcbegriffes. Nz. 9.
(bewegten Körpers) möglich? Die Disziplin^ welche sich mit dieser Frage
beschäftigt und die nur die Grundbegrifife Raum und Zeit benötigt, heißt:
geometrische Kinematik. Entwickelt die Kinematik ihre Begriffe
und Sätze unter Hinzuziehung des Begriffes Masse, so spricht man
von Massenkinematik. Stellt man sich die Aufgabe, wirklich Yor-
kommende Bewegungen ^u untersuchen und irgendwelche Gesetze
über sie auszusprechen, so hat man es mit Phoronomie zu tun.
Ausdrücke und Betrachtungen, die sich irgendwie auf Kräfte beziehen,
heißen dynamisch; das Problem, zu untersuchen, wie die Kräfte
beschaffen sein müssen, damit Gleichgewicht herrscht, ist das Grund-
problem der Statik. Das umgekehrte Problem der Phoronomie
und zugleich das Hauptproblem der über ihre Anfänge hinaus ent-
wickelten Mechanik, nämlich aus als bekannt angenommenen Kräften
die Bewegung zu bestimmen, heißt Kinetik. Dabei stellt es sich
heraus, daß bei gewissen idealisierten Systemen nur eine Klasse von
Kräften gekannt zu werden braucht, wenn man die Bewegung be-
stimmen wiU; sucht man aber auch die andern, als unbekannt an-
zusehenden Kräfte (sogenannten Reaktionskräfte) zu berechnen, ein
Problem, das für die Festigkeit des Systems von Wichtigkeit ist, so
hat man es mit einer Aufgabe der Kinetostatik zu tun (Bezeichnung
Ton C. Heun).
9. Literatur. Newton war wohl der erste, der in seiner
„Phüosop"iiia naturalis'^ vom Jahre 1687 eine allgemeine Mechanik
zu begründen suchte. Der Inhalt seiner Prinzipien ist auch für uns
im wesentlichen noch wahr, die Form bedarf der Modernisierung.
Kant hat dann in seinen „Metaphysischen Anfangsgründen^' die
Richtlinien gegeben, wie auf philosophischem Wege an eine Begrün-
dung der Prinzipien heranzutreten ist. Kants Schrift blieb den Physikern
ziemlich unbekannt, ja die Physik wandte sich in den ersten beiden
Dritteln des 19. Jahrhunderts mit Absicht von erkenntnistheoretischen
Untersuchungen ab. Erst um 1870 entstand eine energische Umkehr,
als Kirchhoff in seiner Mechanik sagte, die Wissenschaft habe nicht
die Aufgabe, Naturerscheinungen zu erklären, sondern nur die, sie zu
beschreiben, und Mach in seiner Mechanik versuchte, mit allen meta-
physischen Hypothesen aufzuräumen und nur die Erfahrung als maß-
gebend für die Erkenntnis gelten zu lassen. Das geistvolle Werk
Machs, das eine lebendige, anschauliche, kritisch-historische Darstellung
-der Mechanik enthält, kann dem Studierenden aufs wärmste empfohlen
werden. Freilich mußte der extreme Empirismus und Phänomenalis-
mus Machs den KonventionalismuB Poincares nach sich ziehen; da,
wie des Längeren ausgeführt, die bloße Erfahrung unmöglich eine
Wissenschaft schaffen kann, auch nicht in Verbindung mit der reinen
Logik, so mußten die erforderlichen Zutaten willkürlich, konventionell
erscheinen, sollte es eben keine anderen Erkenntnisquellen als Er-
Nr. 9. § 1. Einleitung. 1 1
fahrung und Logik geben. Damit aber wurde der Wert der Wissen-
schaft in Frage gestellt: Poincarä selbst hat sich in seinem zweiten
Werk (der Wert der Wissenschaft) gegen einen übertriebenen Kon-
ventionalismus gewendet: die Konventionen müssen so beschaJBFen
sein, daß sie sich möglichst gut den Erfahrungen anpassen, sie müssen
bequeme Hilfsmittel sein. (Machs Prinzip der ,,Denkökonomie'' ist
ein ähnliches Prinzip.) Damit ist zweifellos der erste Schritt zur
Wiedereinführung apriorischer Elemente getan; wir sind einen Schritt
weiter gegangen und haben versucht, gewisse allgemeine Prinzipien
des naturwissenschaftlichen Denkens deshalb als ökonomisch zu er-
weisen, weil sie notwendig sind; wir haben uns bemüht, die an dem
Aufbau der Mechanik beteiligten konstruktiven ßestandtteile
des Denkens aufzuzeigen, unbeschadet der Abwehr überflüssiger
metaphysischer Spekulationen, in der man wohl ganz den Bestrebungen
EirchhofiBs und Machs beipflichten muß.
Da man nie eine Wissenschaft nur aus einem Buche lernen
sollte, so seien hier noch einige Werke genannt, die der Student mit
zu Rate ziehen mag. Von den klassischen Autoren der Mechanik
(Galilei, Newton, Yarignon, Euler, d'Alembert und Lagrange)
muß des letzteren „Mecanique analytique'' (1. Aufl. 1788) vor allem
als das Fundamentalwerk bezeichnet werden, das jeder Liebhaber der
Mechanik gelesen haben sollte. Von neueren Werken seien zunächst
drei umfangreiQhe Standartwerke hervorgehoben:
1. f Appell, Mecanique rationelle (3 Bde.).
2. *Thomson-Tait, Natural Philosophy (2 Bde.).
3. Routh, deutsch von Schepp, Dynamik der Systeme starrer
Körper (2 Bde.; namentlich zum Weiterstudium einzelner Kapitel
geeignet), und Routh, Analytical statics (nur englisch; 2 Bde).
Dann drei kleinere Werke, welche die Mechanik in ganz origineller
Weise zu begründen versuchen:
H. Hertz, Die Prinzipien der Mechanik.
L. Boltzmann, Vorlesungen über die Prinzipe der Mechanik
Gt, Jaumann, Die Grundlagen der Bewegungslehre von einem
modernen Standpunkte aus dargestellt.
Endlich noch einige sehr gute Lehrbücher:
1. Föppl, Technische Mechanik (6 Bde.).
2. *Qray, Physik, Bd. 1, deutsch von F. Auerbach (ein gut ge-
schriebenes, elementares Lehrbuch).
3. Heun, Kinematik (Bd. I einer allgemeinen Mechanik, enthält
hauptsächlich die analytischen Methoden der Sanematik inkl. Massen-
kinematik).
4. Kirch hoff, Mechanik (ein seinerzeit grundlegendes Werk,
siehe oben).
12 I. Begründung des kinetischen Eiaftbegriffes. Nr. 10.
»
5. Schell, Theorie der Bewegung nnd der Kräfte (2 Bde, sehr
umfassend, enthält hauptsächlich die geometrischen Methoden).
6. * Webster, Dynamics of particles and of rigid, elastic and fluid
bodies (eine deutsche Übersetzung dieses schönen Buches ist geplant).
7. fWhittaker, Analytical Dynamics.
8. Von den zahlreichen älteren französischen Werken über die
sogenannte rationelle Mechanik sei nur der Gours mecanique von
fDespeyrous wegen der wertvollen Noten von Darboux genannt^
9. Yon italienischen die angenehm knappe fMeccanica razionale
Ton Marcolongo, deren erster Band jetzt auch in erweiterter deutscher
Bearbeitung von Timerding vorliegt.
Die mit * versehenen Werke eigrnen sich in erster Linie für
Physiker, die mit f versehenen in erster Linie für Mathematiker und
Astronomen, Föppl vor allem für Techniker. Doch: es gibt nur eine
Mechanik, und die kann man im Grunde genommen aus jedem guten
Buche lernen.
Endlich sei Bd. IV (Mechanik) der Encyklopädie der math.
Wissenschaften genannt; es ist dies ein Nachschlagwerk, das in
knapper Form, meist ohne Beweise, Prinzipien, Werdegang und
Resultate der Mathematik und ihrer Anwendungen bringt und zur
schnellen Orientierung über einen Gegenstand und die ganze vor-
handene Literatur dient. Und zwar umfaßt Bd. lY sowohl die theo-
retischen als auch die technischen Probleme der Mechanik. Als all-
gemeine Begleiter des Buches seien besonders Artikel IV, 6 Stäckel,
Elementare Dynamik und IV, 1 Voss, Prinzipien der rationellen
Mechanik empfohlen.
Speziälliteratur werden wir an geeigneter Stelle nachweisen.
In erkenntniBtheoreÜBcher Hinsicht sei außer auf die oben erwähnten Werke
von Mach und Poincarä noch auf die Sammlung: „WisBenschaft und Hypo-
these'^ hingewiesen, die Teubner herausgibt, besonders auf Natorp, „Die
logischen Grundlagen der exakten Wissenschaften'*, wo man weiteren philoso-
phisohen Literaturnachweis findet. Das Interesse, das heute auch von natur-
wissenschaftlicher Seite Kant entgegengebracht wird, zeigt sich in dem Er-
scheinen des Buches: König, „Kant und die NaturwiBsenschafb^^ das zur Ein-
führung in erkenntniskritische Studien empfohlen werden kann.
§ 2. Über Baum, Zeit und Bewegung.
10. Über die ZeitmeBBong. Was Raum nnd Zeit sind^ kann
und braucht hier nicht gesagt zu werden. Es genügt zu bemerken,
daß wir unseren Betrachtungen den aus der Schulgeometrie bekannten,
sogenannten Euklidischen Raum zugrunde legen; von der Zeit brauchen
wir nur zu wissen, daß man das Zeitintervall von einem willkürlich
gewählten Anfangsmomente an durch eine stetig venlnderliche Größe t
messen kann. Wie mißt man diese Zeit t? „Mit der Uhr," wird
Nr. 10. § 2. Über Bamn, Zeit und Bewegung. 13
die Antwort lanten; aber ein jeder weiß, daß alle Uhren, selbst die
besten astronomischen Uhren, ein wenig falsch gehen. Wo ist also die
Kormalohr? Man antwortet darauf weiter, daß die Erde unsere beste
ühr sei. Sie drehe sich gleichförmig nm ihre Achse so, daß sie in
einem Jahr 3607^ mal dieselbe Stelle der Sonne, aber, da sie sich in
demselben Sinne wie um die eigene Achse auch noch einmal im
Jahre um die Sonne herum drehe, 366 y^ mal dieselbe Stelle einer
bestimmten Richtung im Fixstemsjstem zukehre. Man teilt dem-
entsprechend das Jahr in 3657^ mittlere Sonnentage zu 24 Stunden
^ 60 Minuten zu 60 Sekunden. Und diese Sekunde ist dann die
Einheit unseres Zeitmaßes. Der Stemtag, d. h. die Zeit^ die bei
einer Umdrehung gegen den Fixsternhimmel verlauft, umfaßt also
11^^ . 24 . 60 . 60 Sek., d. h. S ' 86400 - 86164 Sek. « 23^^ 56' 4".
Um also die Zeit einer Sekunde festzustellen, beobachtet man
die Zeit der Umdrehung der Erde gegen den Fixstemhimmel und
teilt diese Zeit in 86164 gleiche Teile.
Aber diese Festsetzung kann unmöglich als eine Definition des
Zeitmaßes angesehen werden. Zunächst einmal sind alle Zahlen-
angaben ungeuau, ja sogar schwankend. Vor allem aber weiß man
keineswegs sicher, daß sich die Erde gleichförmig dreht. Wir könnten
das ja allerdings postulieren, da wir das Zeltmaß noch frei haben.
Wenn uns dann aber die weiteren Prinzipien der Mechanik un-
abweisbare Gründe an die Hand geben, die eine Veränderung der
Umdrehung der Erde als möglich, ja sogar als wahrscheinlich hin-
stellen? So kämen wir doch zu einem Widerspruch; wollten wir die
Zeit durch die Umdrehung der Erde definieren, so dürfte eine wider-
spruchsfreie Mechanik gar nicht die Möglichkeit einer Veränderung
dieses Zeitmaßes zulassen.
Das Analoge würde gelten, wenn wir irgendeinen anderen
empirischen Naturvorgang der Zeitmessung zugrunde legen wollten.
Andererseits ist aber auch für die Mechanik die Zeitmessung
nicht gleichgültig, denn je nach einer yerschiedenen Zeitmessung wird
sich ein und dieselbe Bewegung anders darstellen.
Wir postulieren deshalb die Existenz einer bestimmten Art der
Zeitmessung — wir nennen das so gemessene t die absolute Zeit — ,
für welche die Prinzipien der Mechanik richtig sind. Wir haben yon
einer solchen Zeit zweifellos eine bestimmte innere Anschauung;
empirisch angeben können wir diese Zeit aus den oben angeführten
Chründen yon vornherein nicht: erst die Mechanik selbst gibt uns die
Mittel an die Hand, zu prüfen, inwieweit die durch unsere Uhren
gemessene Zeit mit der absoluten Zeit übereinstimmt. Man kann
vielleicht auch sagen, die absolute Zeit ist ein notwendiger Hilfs-
begrifi^ den wir in die Mechanik einführen.
14
I. Begründung des kinetischen Ejnftbegriffes.
Nr. 11, 1«.
U. Der Begriff der Bewegung. Fassen wir zur Zeit t^ einen
bestimmten Raumpnnkt X^ ins Auge und ordnen wir ihm für alle
t>ti stetig andere Raumpunkte X zu, so sagen wir, der Punkt
habe sich in der Zeit t — t^ yon X^ nach X hinbewegt. Einen
Raumpunkt X legen wir in bezog auf ein sogenanntes rechtshändiges
Koordinatensystem (siehe Fig. 1) Ox, y, sr
durch die gerichtete Strecke OX, oder
wie wir sagen den Vektor r (sprich
r-Vektor!) fest. Die Bewegung des
Punktes X studieren heißt: r als Funk-
tion der Zeit untersuchen. Diese funk-
tionale Abhängigkeit
oder in Koordinaten
X = x(i)j
y = y(0,
sei stetig und beliebig oft stetig differentiierbar: es wird also X eine
stetige Kurye mit stetiger Tangente und regulärer Krümmung be-
schreiben: die sogenannte Bahnkurye des Punktes.
Sehr häufig wird man auch die Bewegung dadurch beschreiben^
daß mau die Bahnkurre in irgendeiner aus der Mathematik bekannten
Weise darstellt und dann die Bewegung auf der Bahn dadurch
schildert, daß man einen Parameter, etwa die von einer Anfang»-
stelle A an gezählte Bogenlänge s als Funktion der Zeit gibt:
12. Beispiele. In Beispielen werden wir oft statt eines mathe-
matischen Punktes ganze Systeme betrachten, wenn die Punkte dieses
Systems keine wesentlich verschiedene Bewegung ausführen, oder wenn
es uns zur Beschreibung der Bewegung genügt, die Bewegung eines
mittleren Punktes zu kennen.
Bei einem Eisenbahnzuge ist die Bahn dadurch gegeben, daß
ihre Horizontalprojektion auf einer Landkarte eingezeichnet vorliegt,
die Vertikalordinate als Funktion der Horizontallänge in einer so-
genannten Längenprofilkurve. Die Bewegung eines Zuges wird dann
entweder tabellarisch dadurch gegeben, daß die Bahnkilometer und
die Fahrzeiten einander zugeordnet sind, oder in Form von graphischen
Fahrplänen, indem man die Weglänge s als Funktion der Zeit t
aufträgt. Das Anhalten auf Stationen ist offenbar durch eine horizon-
tale Strecke gegeben. Da die Endpunkte dieser Strecken hauptsäch-
lich wichtig sind, idealisiert man meist den graphischen Fahrplan
dadurch, daß man die Enden der Haltestrecken durch gerade Linien
verbindet. (In Fig. 2 gestrichelt.)
Nr. 18. § 2. Über Raum, Zeit und Bewegung. 15
Betrachten wir als zweites Beispiel die Bewegung eines
Punktes eines Schwungrades, das sich ohne Gestaltsänderung
um eine feste Achse dreht, ohne längs derselben zu gleiten. Dann
ist die Bahn des Punktes ein Kreis mit dem Radius r, wo r den
Abstalid des Punktes von der Achse bedeutet. Zählen wir einen
Winkel d' von derselben Stelle Ä aus, von der aus wir s rechnen, so
ist s — rd", und wir kennen die Bewegung, wenn wir d" als Funktion
Fig. 2. Fig. S.
der Zeit geben. Das geschieht nun bei einem Schwungrad praktisch
in der Weise, daß man die Touren zählt, d. h. zu jeder Zeit angibt,
wieviel voUe Umdrehungen N das Rad von Anfang an gemacht hat.
Legt man N auch gebrochene Werte bei, so hat man offenbar
# = 27tN imd s «= 2ücrN, so daß man mit N auch s als Funktion
der Zeit kennt.
13. Die BeobachtnngBiuethoden ffir Bewegungen sind
sehr mannigfaltig. Es sollen nur einige wichtigere hier kurz be-
sprochen werden. Der Tourenzähler wurde schon vorhin erwähnt.
Eine heute oft benutzte Methode ist die photographische: man
nimmt z. B. ein bewegtes Objekt kinematographisch auf. Ist man
imstande, auf den verschiedenen Platten Punkte zu identifizieren, so
kennt man von ihrer Lage eine Zentralprojektion zu den Zeiten,
wo eine Aufiiahme stattfand. Besser ist die von 0. Fischer in
Leipzig angewandte Methode, die Bewegung eines Menschen zu
studieren. An dem zu beobachtenden Punkte wird eine in regel-
mäßigen Intervallen aufleuchtende elektrische Glühlampe angebracht.
Die Bewegung findet in verdunkeltem Räume bei offener Kamera
statt. Auf der Platte wird man dann eine dichte Reihe feiner Licht-
striche erhalten, die verbunden die Zentralprojektion der Bahnkurve
geben. Dadurch, daß man aber einzelne Punkte in bestimmten Zeit-
intervallen aufgenommen hat, hat man auch noch eine Zuordnung
der Raumpunkte zur Zeit. Die Aufgabe, aus einer genügenden An-
zahl von Zentralprojektionen die Raumkurve zu finden, gehört in die
Photogrammetrie und kann hier nicht besprochen werden.
16 I. Begrfindong des kineÜschen Eraftbegriffes. Nr. 14.
Endlich sei noch die sogenannte Stimmgabelmethode erwähnt.
Denken wir uns der Einfachheit halber, das bewegte Objekt sei eine
ebene Platte, die sich in bestimmter Richtung bewegt. Man läßt
auf die Platte eine nicht mitbewegte Stimmgabel ihre Schwingungen
in Form einer Schlängellinie aufzeichnen. Die Schwingungsrichtung
der Stimmgabel sei senkrecht zur Bewegungsrichtung der Platte. Da
man weiß, daß eine Stimmgabel ihre Schwingungen sehr genau zu
gleichen Zeiten vollführt, so sind die Strecken AB, BC, CD (Fig. 4)
Strecken, die zu gleichen Zeiten Ton der Platte zurückgelegt wurden.
Fig. 4.
Will man nur die Gesamtzeit messen, die bei einer Bewegung
yerstreicht, so sind elektrische Eontaktmethoden am Platze:
Ein Uhrwerk wird automatisch zu Beginn der Bewegung in Qang
versetzt, am Ende gestoppt, so daß man die verstrichene Zeit bequem
ablesen kann. Für feinere Beobachtungen nimmt man elektrischen Kontakt,
für gröbere genügt eine von der menschlichen Hand bediente Stoppuhr.
Es gibt dann noch eine ganze Reihe von Geschwindigkeitsmessern,
die aber schon mechanische Sätze voraussetzen und daher nicht besprochen
werden sollen. (Ein Beispiel ist das Erdbebenpendel, siehe Nr. 73.)
14. Der absolute Banin. Unsere bisherigen Betrachtungen
sind anwendbar in bezug auf irgendein Koordinatensystem: in den
Beispielen haben wir stillschweigend eines genommen, das mit der
Erde fest verbunden war. Nun ist es klar, daß, wenn man ein
zweites Koordinatensystem nimmt, das gegen das erste selber bewegt
ist, die Bewegungserscheinung eine ganz andere sein wird. (Man denke
daran, welche eigentümlichen Bewegungen die doch ruhenden Gegen-
stände draußen für einen Reisenden im fahrenden Zuge machen.) Es
kann also fiir die Mechanik nicht gleichgültig sein, auf welches System
man im Prinzip alle Bewegungen bezieht. Aber man braucht jeden-
falls ein solches System, damit die allgemeinen Aussagen der Mechanik
einen bestimmten Sinn erhalten. Wir postulieren also ein ausgezeich-
netes Koordinatensystem oder, was dasselbe ist, einen ausgezeichneten
Raum, für den alle prinzipiellen Aussagen der Mechanik gelten soUen,
und nennen ihn den absoluten Raum. Empirisch können wir diesen
Raum ebensowenig a priori angeben wie die absolute Zeit: Erst die
Mechanik selbst gibt die Mittel an die Hand, hinterher zu prüfen,
wieweit in rohester Annäherung die Erde, in besserer Annäherung
Nr. 15. § 8. Die Geschwindigkeit. 17
der mittlere Fixsternhimmel an Stelle des ruhenden Raumes gesetzt
werden kann. Der absolute Raum ist also yom logischen Stand-
punkte aus und also auch vom rein wissenschaftlichen
ebenso wie die absolute Zeit ein Gedankending, das wir einführen^
um eine Form für die Erfahrungstatsachen der Mechanik zu schaffen.
Aber es sind keine willkürlichen Dinge, sie werden uns zweifellos
durch die innere Anschauung aufgenötigt. Denn Torstellen kann
man sich eine Bewegung immer nur relativ zu einem Objekt; will
man also die Bewegung im ganzen anschaulich fassen — und da-
durch, daß sie aufs allgemeine geht, unterscheidet sich die Anschauung
von der einzelnen Vorstellung — , so bedarf man eines letzten Sub-
strats, hinsichtlich dessen sich alles andere bewegt, und dieses letzte
ist der absolute Raum. Aber es handelt sich nur um eine Form
unserer Anschauung, eine Art, die wirklichen Dinge zu ordnen;
absoluter Raum und absolute Zeit sind selbst keine realen Dinge,
keine Objekte der unmittelbaren Erfahrung: eine solche naive Ansicht
ist seit Kants Erkenntniskritik unmöglich.
Wenn nichts Besonderes gesagt wird, soll im folgenden in prin-
zipiellen Fragen jede Bewegung stets auf den absoluten Raum bezogen
werden; für empirische Beispiele identifizieren wir ihn vorerst mit der
Erde. Erst später (§ 51) werfen wir die Frage nach dem hierdurch
begangenen Fehler auf.
Aufgabe 1: Man entwerfe nach den Angaben des Eursbuches für irgend-
einen Zag einen graphischen Fahrplan, nachdem man für die Zeit und die Weg-
strecken geeignete Maßstäbe eingeführt hat.
§ 3. Die Oesehwindlgkeit.
15. Die BahngeBchwindigkeit. Betrachten wir nur die Be-
wegung in der Bahn, d. h. die Bogenlänge s als Funktion der Zeit t
Um nun Bewegungen ihrer Schnelligkeit nach zu yergleichen, wird
man die zurückgelegten Wegstrecken auf die Zeiteinheit beziehen,
d. h. den Ausdruck bilden -tt , wenn ^t ein. Zeitin tervall t bis f und
j4s die zugehörige Wegstrecke bedeutet. -— nennt man die mittlere
Bahngeschwindigkeit in der Zeit i bis ^'; dieser Ausdruck gibt
an, wieviel Wegeeinheiten in dieser Zeit durchschnittlich pro Zeit-
einheit zurückgelegt sind. Wissenschaftlich aber wäre dieser Aus-
druck komplizierter zu behandeln als s =^ tp{t) selber, da er eine
Funktion zweier Variablen, Ton t und ^dt ist.
Man geht deshalb zur Grenze über und nennt den Differential-
quotienten ^^ ^^ .
hm -- ^ - =^ s-^ q)(t) = V
die Bahngeschwindigkeit zur Zeit t
Harne] : Elementare Meolianik. • 2
18 I- Begründung des kinetischen Kraftbegriffes. Nr. 16, 17.
Sie kann positive und negative Werte annehmen, je nachdem die
Bewegung in der Richtung wachsenden oder abnehmenden 8 statt-
findet Die geometrische Bedeutung von v in dem Wegzeitdiagramm,
in dem der Weg s als Funktion von t dargestellt ist (Beispiel: Fig. 2),
ist bekannt; es ist
v^tg«,
wenn a den Winkel bedeutet, den die Tangente an die Wegzeitkurre
mit der ^Achse einschließt.
16. Beispiele. 1. Die ^^gleichförmige Bewegung in der
Bahn'' sei definiert durch einen konstanten Wert der Bahngeschwindig-
keit V ^ c. Daraus folgt s ^ et + Sq^ wo Sq die Stelle angibt, an der
sich der Punkt zur Zeit ^ >» 0 befand. Man überzeuge sich, daß bei
der gleichförmigen Bewegung die Geschwindigkeit und die mittlere
Geschwindigkeit übereinstimmen.
2. Bei der Kreisbewegung war nach Nr. 12
Daraus folgt
V ^ s = rd" = 27trN.
Man nennt nun '^ = j7 = ß> die „W inkelgeschwindigkeif.
N würde bedeuten: Touren pro Sekimde. Es ist jedoch gebräuchlich
Touren pro Minute zu rechnen. Nennen wir die Anzahl der
Touren pro Minute n, so ist
iV" = — » und
eine für die Umrechnung der Tourenzahl in die Winkelgeschwindig-
keit wichtige Formel. ^
17. Über die Dimension der Oesohwindigkeit ist folgendes
zu bemerken: Man mißt eine Bahngeschwindigkeit gewöhnlich in
Metern pro Sekunde und schreibt deshalb
[t?] = [m, sec~^]
oder, wenn man nur ausdrücken will, daß t; eine Länge durch eine
Zeit ist: ^ -, r, .,n
In demselben Sinne ist zu schreiben
[c]==[sec-*],
[n] = [min-^],
Nr. 1«.
§ 8. Die Geschwindigkeit.
19
da ein Winkel; gemessen durch das Verhältnis zweier Strecken, keine
Dimension hat, d. h. von der Einführung irgendwelcher Maßeinheiten
unabhängig ist, nachdem einmal festgesetzt ist, den Winkel im Bogen-
maß zu messen, was in diesem Buche im allgemeinen stets geschehen soU.
Aufgaben: 2. Man berechne die mittlere Geschwindigkeit eines Zuges,
der 70 km pro Stunde fährt, in m pro Sekunde.
3. Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit eines Bades, das 100 Touren
pro Minute macht? Wie groß ist die Geschwindigkeit eines Punktes dieses
Rades, der 1,2 m von der Achse entfernt ist?
4. Ein Mann von h^=lfim Höhe geht mit einer gleichförmigen Geschwindig-
keit Ton c SS 1,2 m/sec. auf gerader horizontaler Bahn unter einer Laterne
(leuchtendem Punkte) hindurch, die sich a^^Sm über dem Boden befindet.
Wie schnell bewegt sich das Ende des Schattens des Mannes auf dem Boden?
Der Einfachheit halber möge das Kopfende als ein Punkt (Helmspitze) angesehen
werden.
6. Wie groß ist nach den Angaben von Nr. 10 die Winkelgeschwindigkeit
der Erde? Wie groß ist die Geschwindigkeit eines Punktes, der auf dem Breite-
kreis von 80^ ruht, wenn der Erdradius zu 6370 km angenommen wird?
18. Die O^BOhwiudigkeit als Tektor. Durch eine nahe-
liegende Verallgemeinerung der Betrachtungen von Nr. 15 gelangen
wir zu einem vollkommeneren Geschwindigkeitsbegrifif, der deshalb
besser ist^ weil er auch etwas über die Richtung der Bewegung
aussagt.
Zur Zeit t befinde sich unser Punkt in X, zur Zeit f ^^t + ^t
im Punkte X\ Die beiden Lagen seien durch die Vektoren r und r'
gegeben. Wir bilden jetzt den unterschied
^f =^r' —fy der offenbar nach Größe und
Richtung die Strecke XX' darstellt, und
dividieren durch ^ty d. h. wir verlängern
XX' ohne Richtungsänderung im Verhält-
nis li^ty so daß wir die Strecke XV'
erhalten. Gehen wir jetzt zur Grenze jdt = 0
über, so rückt XV' in eine Strecke XV
über, welche die Kurve in X berührt, und
diese Strecke XV nennen wir die „Geschwindigkeit'* v schlecht-
hin, oder, wenn wir den Unterschied hervorheben wollen, den Vektor
der Geschwindigkeit. Es ist also
V = lim -TT = ^TT = r = f{t).
Fig. 5.
JtrsO
Jt
dt
i) ist tangential zur Bahn und hat die augenblickliche Richtung der
Bewegung. Die Größe aber von v ist
I v ; = lim
~Jt
d8
dt
= ,v
Die Bahngeschwindigkeit und der Vektor der Geschwindigkeit
haben also dieselbe Größe,
2*
20 I- Beg^rfindung des kinetiBchen Exafbbegriffes. Nr. 19.
Sei 6 ein Einheiterektor (d. i. ein Vektor der Länge 1) in der
Richtung wachsender Bogenlänge^ so kann man schreiben
Man überzeuge sich, daß
- df
ds
ist.
Als gleichförmige Bewegung schlechthin definieren wir die-
jenige Bewegung, bei der v konstant nach Größe und Richtung ist:
V ^ c. Daraus folgt durch Integration
r^ct + r^j
wo Tq den Ort angibt, an dem sich der Punkt zur Zeit ^»0 befand.
f^ci + r^
ist aber die Gleichung der Geraden in Parameterform (siehe Anhang).
Bei einer gleichförmigen Bewegung bewegt sich also der Punkt in
gerader Linie mit konstanter Geschwindigkeit, ein Resultat^ das wohl
jeder aus der Vorstellung der gleichförmigen Bewegung erwartet hat.
19. DarsteUiing der G^Bohwlndigkelt in Koordinaten.
Ist r durch die rechtwinkligen Koordinaten x, y, b gegeben, so
hat V die rechtwinkUgen Komponenten x, y, i. Denn ^f hat die
Komponenten x'^x, y'— y, z' — e\ — hat also die Komponenten
^ TT , T^ j .. , da sich bei Verlängerung eines Vektors auch
die Komponente im selben Verhältnis yerlängert. Somit hat
die Komponenten
lim — TT— — X usw.
Um die recktunnkUgm Kofnponenten der Geschwindigkeit eu he-
hommenj hcU man einfach die entsprechenden Komponenten des OrtS"
Vektors f nach der Zeit zu differentiieren.
Beispiel der Kreisbewegung. Als Anfangspunkt nehmen wir
den Mittelpunkt des Kreises, als rt;- Achse die Richtung nach dem
Punkte Ä, die j?- Achse stehe senkrecht zur Kreisebene (siehe Fig. 3).
Dann ist
a? = r cos d", y — r sin -&, z = 0,
also, da # » cd,
i«=-— rsin-^o^r cos ( y + d)
y = r cos d - © = r sin f Y + d) <o,
z^O.
(O
Nr. 20.
§ 8. Die GeBchwindigkeit.
21
Daraus sieht man, daß bei positiyem o die Größe der Gescliwindig-
keit r<o ist, was wir schon wissen , und daß die Richtung der Ge-
schwindigkeit mit der 2;-Achse den Winkel y ~^ ^ einschließt, also
den Kreis tangiert. Bei negativem o dreht sich die Richtung der
Geschwindigkeit um.
Sei i ein Einheitsvektor, senkrecht zu r im Sinne wachsenden d's
aufgetragen, so können wir das Resultat zusammenfassen:
Bei der Kreisbewegung ist
Denn beide Vektoren stimmen nach Größe und Richtung überein.
20. Ansdruok der allgemeiuen, ebenen Bewegung in
Polarkoordinaten. Nach Fig. 6 ist
X ^ r cos d",
2( » r sin -&;
also, da ^ «» cd,
i; = — r sin d"aj-f-f cos d",
jf — r cos -Ö" • CD + ^ sin -&,
oder
Flg. 6.
i =» f COS d + rcD cos (y + ^,
y =• f sin -^ + reo sin (y -f- #j.
Es besteht also die Geschwindigkeit aus zwei Teilen, die sich
vektoriell addieren: der eine Teil ir schließt den Winkel d' mit der
:r-Achse ein und liegt also bei positivem f in Richtung des Radius
der andere Teil r© schließt mit der a;- Achse den Winkel -ö* +
ein und steht also senkrecht zum Radius, bei positivem co im Sinne
wachsenden '^'s. (Denn algebraischer Addition der Komponenten ent-
spricht geometrische Addition der Vektoren selbst.)
Sei Q ein Einheitsvektor in der Richtung des Radius, £ ein Ein-
heitsvektor senkrecht dazu im Sinne wachsenden d's, so läßt sich das
Resultat so schreiben:
V =» ^f + Irm,
Aufgabe n: 6. Man zeichne die ebene Bahnkurve, die durch x^^f^oz^t^
y=»Bin8^ gegeben ist. Gibt es Stellen, wo die Greschwindigkeit null ist? Ist
die Bewegung periodisch, d. h. wiederholt sie sich nach Ablauf einer be*
stimmten Zeit?
7. Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit der auf die Horizontalebene
projizierten Bewegung in einer gewöhnlichen Schraubenlinie mit vertikaler Achse,
22 I* Begründung des kinetiBchen £[raftbegriffe8. Nr. 21.
wenn der Badios a des Zylinders 200 m, die Steigung der Bahn «^^V, 7^, die
Bahngeschwindigkeit c = 60 km/Stunde beträgt? Wie drücken sich die recht-
winkligen Koordinaten von r und von t; durch den Winkel d" ans, den die
Horizontalprojektion von f mit der a^ Achse einschlägt? (Man kann ohne Be-
schränkung der Allgemeinheit annehmen, daß die Schraubenlinie die o;- Achse
schneidet).)
§ 4. Der freie Fall. (Ein Problem der Phoronomie.)
21. Die vertikale FaUbewegnng. Eine der alltäglichsten Be-
wegungserscIieinungeD ist der Fall der Körper, die, losgelassen oder
sonst irgendwie ihrer Unterstützung beraubt, in der Luft „frei", d. h.
ungehindert durch feste Körper, nach abwärts zu Boden sinken.
Altertum und Mittelalter hatten sich yergeblich bemüht, dieser Er-
scheinung Herr zu werden: über die Behauptung, daß schwere
Körper schneller fallen als leichte und den metaphysischen Versuch,
dies damit zu erklären, daß die schwereren Körper untenhin, die
leichteren obenhin gehören und also dieser natürlichen Lage zustreben,
war man kaum hinausgekommen. Die noch am meisten physikalisch
denkenden Köpfe hatten den vergeblichen Versuch gemacht, der Luft
eine entscheidende Rolle beizumessen.
Es ist kein Wunder, daß die Alten kein Resultat erzielten, denn
die Erscheinung ist so, wie sie sich darbietet, ungemein kompliziert.
Man beachte, daß ja sogar einige Körper nicht fallen, sondern steigen:
die Alten hätten das Feuer und den Geist genannt, wir würden brennende
Oase, Luftfahrzeuge usw. erwähnen müssen. Mit einer bloßen Be-
schreibung der Vorgänge war hier gar nichts getan, es mußten yoU-
ständig neue Ideen auftreten.
um 1600 sprach der englische Philosoph Bacon ofVerulam
das Prinzip aus: man müsse die Natur „zerschneiden^' (dissecare na-
turam), so das „Wesentliche" herausgreifen und dieses zum Gegenstand
der wissenschaftlichen Untersuchung machen.
Derjenige, der dieses an sich recht vage Prinzip in dem konkreten
Beispiel der Fallbewegung durchführte, war Galileo Galilei. Seine
heute noch sehr lesenswerten Untersuchungen wurden 1638 publiziert,
es sind die berühmten „Discorsi^^, in Ostwalds Klassikersammlung
deutsch erschienen.
Galileis Methode ist eine eigenartige, aber doch wieder typische
Mischung experimenteller, logischer und intuitiver Forschungsmethoden.
Er beobachtete an schweren Körpern in der Voraussicht, daß
sich bei ihnen das Wesentliche der Erscheinung reiner zeigen werde.
So stellte er zunächst fest, daß aUe Körper gleich schnell fallen, was
allerdings schon vor ihm Benedetti behauptet hatte.
Aber wie fallen die Körper? Daß die Geschwindigkeit, wenn
man losläßt, von null anfangend, stetig wächst, erkannte er leicht.
Nr. 22. § 4. Der freie Fall. 23
Zunächst yersuchte er den Ansatz: d,ie Geschwindigkeit möchte
dem Wege proportional zunehmen. Aber bald erkannte er die logische
Unmöglichkeit dieser Hypothese, denn aus
^ = v = C8 folgte —^cdt
oder
lg 8 ==^ et + lg Sq (lg Sq Integrationskonstante),
also
s =« 5oC^^
Sollte jetzt aber zu Anfang (^ » 0), ^ » 0 sein, so verlangte dies
Sq » 0, d. h. dauernd « » 0, es käme keine Bewegung zustande.
Also versuchte Galilei, die Geschwindigkeit der Zeit propoi-tional
zu setzen:
v^gt,
wobei g für alle Körper dasselbe ist, und dieser Versuch gelang. Es
folgt aus der Hypothese durch Integration
s - { gt* + 5o,
oder wenn Sq und t so gemessen werden, daß zu Anfang s und t gleich
nuU sind,
die Wege wachsen mit dem Quadrate der Fallzeiten.
Experimentell bestätigen konnte Galilei dieses Gesetz mit seinen
beschränkten Mitteln noch nicht. Aber aus Sätzen, die ihm aus der
Statik für die schiefe Ebene bekannt waren, schloß er, daß für den
Fall längs einer recht glatten schiefen Ebene dasselbe Gesetz gelten
müsse, nur mit kleinerem g, wodurch die Erscheinung der Beobach-
tung leichter zugänglich wird. Und hier wies denn auch Galilei das
Gesetz als befriedigend richtig nach.
Es ist nicht schwer, das Gesetz für die allgemeine vertikale Wurf-
bewegung zu erraten. Ist schon die Geschwindigkeit c zu Anfang
vorhanden (nach unten positiv gerechnet), so wird man den Ansatz
versuchen
v-c-^gtj
d. h. die Geschwindigkeitsänderung der Zeit proportional zu setzen,
woraus folgt
s = 2 ^^* + ^^ + ^oy
8q gibt den Ort an, an dem sich der Punkt zur Zeit t ^ 0 befand.
23. Der sohiefe Wnrf. Welche Bewegung wird ein Körper
ausführen, wenn wir ihm zu Anfang {t =» 0) eine irgendwie gerichtete
24 I* BegranduDg des kinetischen Krafbbegriffes. Nr. 22.
Anfangsgeschwindigkeit Vq erteilen und ihn sich dann selbst über-
lassen?
Führen wir ein KoordiDatensystem ein: 0^ x, y, 0, die 0 Achse
vertikal nach oben. Die Komponenten von Vq seien a, by c.
Wie werden sich jetzt i — a, y — ft, i — c, die drei Geschwindig-
keitsänderongen verhalten? Zunächst ist plausibel anzunehmen^ daft
sich i — c, die vertikale Komponente^ für sich genau so verhält^ als
wenn sie allein da wäre^ d. h. es wird^ unter Beachtung des Um-
standest daß jetzt e nach oben positiv gerechnet ist,
sein.
Über i — a und y — 6 lehrt die Beobachtung, daß sie zweifelloß
abnehmen, denn schließlich fallen alle geworfenen Körper, wie Ye]>
suche zeigen, wesentlich nur noch vertikal. Aber diese Abnahme er-
weist sich um so geringer, je spezifisch schwerer die Körper sind^
und Galilei vermutete deshalb in dieser Abnahme eine Erscheinung^
die mit den Abweichungen der wirklichen Fallbewegung von dem in
No. 21 besprochenen Galilei sehen Gesetz auf eine Stufe zu stellen
sind. Demnach machte Galilei den Ansatz, daß sich die horizontalen
Komponenten gar nicht ändern, daß also zu setzen sei:
i — a«0, y — 6 — 0,
woraus folgt:
x^ at + Xq
y^bt + y^
^'^ — '^gt^ + ct + e^
(1)
2 y ^ »'•' T^ -'o
Wie sieht nun die Bahnkurve aus?
Legen wir den Anfangspunkte 0 in den Punkt, der bis jetzt die
Koordinaten Xq, y^, z^ hatte, d. h. in den Anfangspunkt der Bewegung
und die y- Achse so, daß v^ ganz in die o^^r-Ebene fäUt, also &»0
ist. Dann vereinfachen sich unsere Gleichungen zu
x = at
y = 0
0 = — Y y^« 4- et
Daraus erkennt man zunächst:
Die Bewegung erfdlgi in einer vertikalen Ebene.
Um die Bahnkurve zu erhalten, eliminieren wir t aus der ersten
und dritten Gleichung imd bekommen
Z "*■ -^r -^ X -\ X
2 a* ^ a
Y a« r ~ 7J "^ T 7
Nr. 23.
§ 4. Der freie Fall.
25
Daraus erkennt man:
Die Bdhnhjbrve ist eine nach unten offene Paräbd mit vertikaler
Achse
X '
— und z = -^ —
9 ^ g
geben den Scheitel der Parabel^ denn ihre Gleichung lautet:
g^e'^-\^,{x-xy.
1 c'
/ = -TT— ist die Wurf höhe,
2 g '
2x
2ac
die Wurfweite.
Ist a der Abgangswinkel,
d. h. der Winkel , den Vq mit
der Horizontalebene einschließt^
so ergibt sich wegen a^ x^ cos a und c = v^ sin a
1 <
sin*«: 2a:' = 2-^ sin« cos« = * sin 2a.
2g' g g
Aufgaben: 8. Für welchen Abgangswinkel a ist bei gegebenem v, die
Wurfweite ein Maximum?
9. Unter welchem Winkel a muß ich werfen, um bei gegebenem v^ einen
bestimmten Punkt mit den Koordinaten z =^ z^^ x ^=» x^ zu treffen? Gibt es
mehrere Lösungen?
10. Man bestimme bei gegebenem % die Einhüllende aller Wnrfparabeln
mit demselben Anfangspunkte, aber verschiedenem u, (Es empfiehlt sich, tg a
als Parameter einzuführen.)
23. Vergleich des Oallleischen Fallgesetses mit der
Brfiüinmg. Inwiefern hat Oalilei das „Wesentliche" der
Erscheinung „heransgeschnitten" ? Versuche zeigen, daß zu-
nächst bei schweren Körpern, solange sie sich mit nicht zu großer
Geschwindigkeit, und ohne sich zu drehen, bewegen, die Galileischen
Behauptungen recht gut stimmen. Man kann z. B. eine vertikale
Platte fallen lassen und ihre Geschwindigkeit nach der in No. 13 be-
sprochenen Stimmgabelmethode messen. In der kleinen sehr hübschen
Schrift von Karl T. Fischer ,.Neue Versuche zur Mechanik^^ findet
man die Methode und die Resultate angegeben. Für leichte Körper
(Federn) oder Körper mit sehr großen Geschwindigkeiten (modernen
Geschossen) oder aber Körper mit starken Drehbewegungen (Tennis-
bälle, Bumerang) stimmen die Gesetze ganz und gar nicht. So be-
rechnet sich z. B. für ein Infanteriegeschoß mit der Anfangsgeschwindig-
keit v^ » 600 m/sec. die maximale Wurfweite zu ca. 36 km, während
sie in Wirklichkeit nur etwa 4 km beträgt ; der günstigste Abgangs-
winkel liegt zwischen 30*^ und 35® statt bei 45*^ (siehe Aufgabe 8)
und der höchste Punkt der Bahnkurve liegt nicht in der Mitte, son-
dern bei etwa % der Wurfweite.
26 I* Begründung des kinetischen Eraftbegriffes. Nr. 24.
Sind nun die Galileischen Fallgesetze nur rohe An-
näherungen vergänglicher Natnr, oder sind sie mehr, geben
sie wirklich das Wesentliche der Erscheinung wieder und
wie erklären sich die Abweichungen?
Wir wissen heute, daß das Galileische Fallgesetz, richtig aus-
gesprochen, eines der am besten fundiertei^ Naturgesetze ist, wir
können g, allerdings auf wesentlich anderen Wegen sehr genau be-
stimmen: sein Wert schwankt etwas auf der Erdoberfläche, etwa
zwischen 9,83 m/sec. am Pol und 9,78 m/sec am Äquator. Der
Mittelwert für unsere Breiten beträgt rund 9,81 m/sec. Ganz wenig,
gerade noch an der Grenze des Meßbaren yerändert sich auch g an
ein und derselben Stelle mit der Zeit.
Weiter können wir sagen, daß die Abweichungen der wirklichen
Fallbewegung von der Galileischen in erster Linie an einer Mitwirkung
der Luft liegt, was schon Galilei ahnte, aber nicht beweisen konnte.
Soweit es die Raumbeschränkung gestattet, erweisen moderne Ex-
perimente im luftleeren Baume das Galileische Gesetz als richtig.
Tatsächlich bedeuten die Galileischen Fallgesetze auch für den luft-
erfüllten Raum einen bestimmten und wohlgetroffenen Ausschnitt
aus der beobachteten Erscheinungsreihe; was das aber eigentlich
heißen soll, können wir an dieser Stelle noch nicht sagen. Erst § 9
und besonders in No. 44, in der wir vom KräfteparaUelogramm reden
werden^ können wir die hier offen gelassene Frage beantworten.
24. Det typisohe Ausdruck fflr das Oesets der Klasse
aller Fall- und Wurfbewegungen. Sei g ein abwärts gerichteter
Vektor von der Größe p, r^ ein Vektor mit den Komponenten x^^y^, z^^
so können wir das Gesetz der Fall- und Wurfbewegungen, das in den
Gleichungen 1) in No. 22 ausgesprochen ist, so schreiben:
r = 4-^<» + V + ^- (I)
Dabei sind g, v^, f^ konstante Vektoren, wenigstens in einem hin-
reichend kleinen Bereiche (siehe das oben in No. 23 über g Gesagte).
Aber diese Konstanten sind wesentlich verschieden: g ist eine
feste Konstante, die für alle Fallbewegungen ein und dieselbe ist, ist
also typisch für die Klasse der FaUbewegungen; v^ aber und Fq
sind verschieden von Individuum zu Individuum.
Kann man nun nicht einen Ausdruck für das Gesetz I finden, das
nur das typische g enthält, v^ und r^ aber nicht?
Sehr leicht, man braucht nur zweimal zu differentiieren und er-
hält sofort: ^2«.
U = 9. (II)
Umgekehrt folgt daraus durch zweimalige Integration wieder Gesetz I.
Beide Gesetze sind also inhaltlich identisch. Aber wir haben jetzt
Nr. 26. § 6. Die Beschletinigang. 27
einen typisclien Ausdruck für das Gesetz der Klasse aller Fall-
bewegungen gefunden. Nennen wir w = ^ die Beschleunigung, so ist
für den Gaiüeischen Ausschnitt der Klasse dUer freien Fäll- und
Wurf bewegungen die Beschleunigung an ein und derselben Stelle der
Erdoberfläche wesentlich konstant nadi Größe und Richtung und für
alle Körper ein und dieseibe.
So hat Galilei für eine Elasse von Bewegungserscheinungen^
das Wesentliche heranreifend, einen typischen Ausdruck gefunden
und als Mittel, das Gesetz auszusprechen, den für die ganze Mechanik
fundamentalen Begriff der Beschleunigung geschaffen.
§ 5. Die Beschlennigung.
25. Bahnbeflohleunigung und Besohleunigung als Vektor.
1. Wir definieren die Bahnbeschleunigung tv^ als zweite Ableitung
der Weglänge s nach der Zeit:
Demnach ist die gleichförmige Bewegung in der Bahn durch w^^O
charakterisiert.
2. Analog sei die Beschleunigung als Vektor, oder die Beschleu-
nigung schlechthin definiert durch
__ dv d'r
Wiederum ist die gleichförmige Bewegung dadurch charakterisiert,
daB sie ohne Beschleunigung stattfindet.
Ist w konstant nach Größe und Richtung, so spricht man von
einer gleichförmig beschleunigten Bewegung.
Gerade so, wie man (Nr. 19) die Komponenten von v nach einem
rechtwinkligen Koordinatensystem dadurch erhält, daß man die ent-
sprechenden Komponenten von r nach der Zeit differentiiert, so erhält
man die Komponenten von w dadurch, daß man diejenigen von t;
nach der Zeit differentiiert, d. h.
X, y, if, sind die Komponenten von w nach den rechtwinJdigen
Achsen x, y, z.
Da eine Beschleunigung gemessen wird durch den Quotienten einer
Länge durch das Quadrat einer Zeit, so schreibt man als Dimensions-
M = P> ^"*] "= \.^y sec"*].
Aufgabe 11: Ein Förderkorb soll in eine Tiefe von 400 m so herab-
gelassen werden, daß seine Geschwindigkeit zunächst mit einer gleichförmigen
Beschleunigung von 0,G m/sek. auf den Wert von 4 m/sek. gebracht wird, dann
eine Zeitlang auf diesem Wert verharrt und endlich mit einer Verzögerung
28
I. Begründung des kinetischen Erafkbegiiffes.
Nr. 26.
(negativer Beschlennignng) von 0,4 m/sek. wieder auf NuU zurückgeführt wird^
80 daß der Korb bei 400 m Tiefe stehen bleibt. Wieviel Zeit wird für jede
dieser drei Bewegungsperioden verbraucht?
26. Zerlegung des Beschlennlgiingsvekton nach dem.
natflrllchen Koordinatensystem der Bahnkurve. Nach Defi-
nition ist
w « lim
Betrachten wir also v zu irgendeiner Zeit t und zu einer Nachbar-
zeit t + z/^. (Wir nehmen im folgenden an, daß dt>0 und daß»
f;>0 sei; die Betrachtungen lassen
sich aber auf die anderen Fäll&
sofort übertragen.) Von einem
j! , Punkte C (Fig. 8) aus tragen wir
nun eine Strecke C F = t? und eine
zweite Strecke CV ^ t?', d. h.
gleich der Geschwindigkeit zur
Zeit t + ^t ab. Dann ist die
Strecke W gleich ^v.
Diese Strecke zerlegen wir in
die Strecke VH senkrecht zu CV^
Flg. 8.
und in die Strecke HV\ so daß w in zwei Teile zerfällt:
w; = fi?i + «?j, fi?i
lim .. und M?j = um — -- ist.
Jt
At
Man sieht daraus zunächst, daß w ebenso wie die beiden Bestand-
teile w^ und w^ in die Ebene fällt, die durch zwei sogenannte be-
nachbarte Tangenten gebildet wird, d. h. in die Schmiegungsebene
der Kurve. Damit haben wir als ersten einen von Euler aus-
gesprochenen Satz:
Die ganze BescMeunigung liegt stets in der Schmiegungsebene
der Bahn.
Die Normale zur Bahn, die senkrecht zur Schmiegungsebene steht^
nennt man wohl auch die Binormale ; man kann den Satz also auch so
aussprechen:
Die Komponente der Beschleunigung in Richtung der Binormalen
ist stets null.
Betrachten wir jetzt die Komponente w^. Da VH senkrecht zu
CF' steht, d. h. in der Grenze senkrecht zu v steht, so wird w^ senk-
recht zur Bahn stehen, während iSV\ als in der Richtung von v',,
d. h. in der Grenze in der von t; gelegen, und somit auch w^ in die
Bahnrichtung hineinfällt.
IJr. 26.
§ 6. Die BeBchleunigang.
29
Femer sieht man, daß VH stets nach der konkaven Seite der
Bahnkurve hingerichtet ist, d. h. w^ fallt in die Richtung der so-
genannten Hauptnormalen.
Bezeichnen wir nun den Eontingenzwinkel VCV mit a^ so ist
wegen VH =« t? sin a
w.
lim
VH
IVR Ab\
.. , lim (^ • -;|) « t;* lim
Bin er 9 1 . er v'
--7— «= \r hnx -r = -
wo p den Krümmungsradius bedeutet.
Damit haben wir einen zweiten Satz, den manHuyghens verdankt:
Die sswr Bahn senkrechte Komponente der Beschleunigung, die
sogenannte ,,Zentripekilbeschleunigung" w^ ist gleich —, wo q den stets
positiv eu zahlenden Krümmirngsradius der Bahn bedeutet. Die
Zentripetalbeschleunigung ist stets nach der Jconkaven Seite der Bahn
eu gerichtet.
Fassen wir endlich den zweiten Teil w^ ins Auge, so liegt er,
wie schon bemerkt, in der Tangente der Bahn, und zwar ist mit Ein-
schluß des Zeichens (positiv gerechnet in der Richtung wachsender
Bogenlänge)
w^
lim —TT- = lim TT — lim
Jt
Jt
dt
,. CF'— CF , |. CF(1 — cos«) ,. dv dv
lim -71 h lim — -. — TT «^ lim — r: =» -n ;
dt dt dt dt '
F'
denn es ist wegen cos a « 1 — -g- «* + • • •
i. CF(l — cos«) 1 ,. a* ^
d. h.:
Die orthogonale Komponente
der Beschleunigung in der Rich-
tung der Bahn ist gleich der Bahn-
beschieunigung, (Newton.)
Damit sind wir am Ziel an-
gelangt. Legen wir einen Ein-
heitsvektor W in die Richtung
der Bahn im Sinne wachsender
Bogenlänge, einenEinheitsvektor v
in die Richtung der Hauptnormale,
einen Einheitsvektor v in die
Richtung der Binormale, so daß
6j V, V ein rechtshändiges Koordinatensystem bilden, das sogenannte
Fig. 9.
p *
9
30 I- Begründmig des kmetischen Eraftbegriffes. Ni. 86.
natürliche Koordinatensystem , so können wir unser Resultat so zu-
sammenfassen : , ,
dt Q
Es liegt also die Beschleunigung stets nach der konkaven Seite
der Kurve hin; ist die Bahnbeschleunigung null, so liegt tö ganz in
Richtung der Hauptnormalen.
Ist die* Bahn gerade, so existiert nur die Bahnbeschleunigung
dv d*8
^*^'^*'^di^di^'
die wir dann kurz die Beschleunigung w nennen.
Vergleichen wir unser Resultat mit der in Nr. 19 gewonnenen
Formel - _
V ^ öv
oder vielmehr mit der differentiierten
dv -. dv da
'di'^ ^ di'^'di^
— dv , m da
so folgt:
da -1
— dr
eine rein geometrische Relation. Da <; = j- ist^ so enthält sie erstens
die bekannte Formel
9 '~ \d8
d^\
da'
v&' + m + m''
dann aber auch das anschaulich klare Resultat^ dafi d'ö bei positivem
ds in die Richtung der Hauptnormalen hineinfallt.
Beispiel der Kreisbewegung: Es war nach Nr. 19
»
Also ist die Bahnbeschleunigung
G) heißt die „Winkelbeschleunigung"
Ihre Dimension ist
[cb] = [sec-2].
Zu dieser Komponente kommt noch die Zentripetalbeschleunigung
hinzu, die deshalb, weil r = q und t? « reo ist, gleich ist
Nr. 27. § 6. Die Beschlemiignng. 31
Aufgaben: 12. Man berechne nach den in Aufgabe 7 (Nr. 20) für die
gleichförmige Bewegung in der gewöhnlichen Schraubenlinie gegebenen Daten
die Beschleunigungskomponenten nach den drei Achsen, die Gröfie der Beschleu-
nigung und unter Beachtung des Umstandes, dafi die ganze Beschleunigung hier
in die Hauptnormale hineinfällt, die Lage der Schmiegungsebene und den Krüm-
mungsradius.
18. Wie groß ist für den in Aufgabe 5 (Nr. 17) genannten Punkt der Erde
die Zentripetalbeschleunigung?
14. Man beweise die Formel -j- »» P — direkt aus der Anschauung nach
der in dieser Nummer gegebenen Methode.
16. Man zeige, daß in der Hauptformel :n=^Tn'H ^ auf beiden
€lt dt Q
Seiten, wie es sein muß, Größen gleicher Dimension stehen.
27. Ausdruck der BeBOhleunigung bei der allgemeinen
ebenen Bewegung in Polarkoordinaten. In Nr. 20, 2. hatten
wir für die Geschwindigkeit bei der ebenen KreisbeweguDg bereits
den Ausdruck gefunden:
Differentiieren wir ihn nach der Zeit, so erhalten wir
Nun sieht man aber leicht aus der
F^r, daß bei positivem oi, dg die Rich-
tung Yon i hat und die Größe dd', da q dl
ein Vektor der Länge 1 ist, während de
die Richtung von — q hat, aber ebenfalls
die Größe d-Ö-.
Mithin ist Q'^scd und £ = — p©, und
das gilt auch für negative o.
Somit erhalten wir für die Beschleunigung den Ausdruck:
w = Q (jr — ro*) + 6 (ßro + ^ö) .
Die Beschleunigungskomponente nach der Richtung des Radius-
vektors ist also r — reo*, die Komponente senJcrecht dazu, positiv ge-
rechnet im Sinne wa^chsenden ^'5, ist gleich 2r(o -\- ri) ,
Für r = konsi folgt die schon bekannte Formel der Kreisbewegung:
w = — ^rcj* H- Iri} ;
man sieht, daß im allgemeinen Falle noch zwei Bestandteile hinzu-
kommen: eine Komponente r in Richtung des Radius und eine Kom-
ponente 2f (D senkrecht dazu. Man beachte besonders diesen Bestand-
teil; wir werden später (Nr. 31) eine Interpretation desselben geben.
Aufgab en: 16. Man zeige, daß in der Hanptformel dieser Kammer auf
beiden Seiten Größen gleicher Dimension stehen.
32 I- Begründung des kinetiechen Kraftbegriffes. Nr. 28, 29.
17. Man leite die Formel durch zweimalige Differentiation nach der Zeit
aus den Formeln x^^rcosd"; y^rsiad" ab.
18. Eine logarithmiBche Spirale
r = ae
werde von einem Punkte mit der konstanten Bahngeschwindigkeit e durchlaufen.
Man drücke f, m und alle Bestandteile der Beschleunigung durch r und die
gegebenen Eonstanten aus und beweise unter Beachtung des Umstandes, daß
wieder die ganze Beschleunigung Zentripetalbeschleunigung sein muß, den be-
kannten Satz, daß bei der logarithmischen Spirale die Tangente mit dem
Badiusrektor einen konstanten Winkel einschließt.
19. Wie groß ist die Fallbeschleunigung g ausgedrückt in km/Stunde?
28. Der Hodograph. Für die Yeranschaulichnng einer Be-
wegung ist es oft nützlich^ mit Möbius und Hamilton (beide
lebten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts)
diejenige Kurve zu betrachten, die man erl^lt,
wenn man von einem festen Punkt C aus in
jedem Zeitmoment v aufträgt. Der Endpunkt
Yon V beschreibt dann eine Kurve, den so-
genannten Hodographen.
Man sieht sofort, daß die Geschwindigkeit,
mit der der Hilfspunkt den Hodographen be-
^ schreibt, gleich der Beschleunigung der ursprüng-
lichen Bewegung ist (da ja td = -^ j •
Bei der schlechthin gleichförmigen Bewegung zieht sich der
Hodograph in einen Punkt zusammen.
Bei einer in der Bahn gleichförmigen Bewegung ist der Hodo-
graph eine sphärische Kurve.
Bei einer ebenen Bewegung ist auch der Hodograph eben.
Die Tangentialebene des Hodographen durch den Punkt C ist
stets der Schmiegungsebene der Bahnkurve parallel^ denn sie enthält
ja t; und w.
Der Winkel zwischen zwei benachbarten Radienvektoren ist stets
gleich dem Kontingenzwinkel benachbarter Tangenten der Bahnkurve.
Aufgabe 80: Man bestimme den Hodographen für die Galileische Fall-
bewegung und f!Ur die in den Aufgaben 7 und 12 behandelte Bewegung in einer
Schraubenlinie.
§ 6. Zwei einfache Fälle von Belativbewegung.
29. Zniiamnienaetnmg von Oesohwindigkeiten. Wir be-
trachten die Bewegung eines Punktes einmal von einem Grundsystem
aus, etwa einem im absoluten Räume ruhenden Koordinatensystem Ä,
und nennen die entsprechende Geschwindigkeit die absolute Ge-
schwindigkeit V, ein zweites Mal aber von einem zu Ä selbst
bewegten System K aus, indem wir seine Lagenänderung zu K ins
!Kr. 29. § 6. Zwei einfache Fälle von Belativbewegung. 33
Auge fassen, und nennen die entsprechende Geschwindigkeit relativ,
mit Zeichen v^. um sich die relative Bewegung yorzustellen, denkt
man sich selbst am besten auf den Körper K versetzt und macht
die Annahme, als wisse man von einer Bewegung des K nichts. Der
bewegte Körper K möge starr sein, d. h. bei der Bewegung sich
selbst kongruent bleiben.
Denken wir uns nun die Stelle, an der sich augenblicklich X
befindet, mit dem Körper K fest verbunden und mitbewegt, so wird
sie eine Geschwindigkeit besitzen, die wir Führungsgeschwindig-
keit nennen und mit v^ bezeichnen. Der Name kommt daher, daß
wir uns vorstellen können, unser Punkt werde einmal von K mit-
gefuhrt und habe dann noch relativ zu K die Geschwindigkeit t;^.
Es wird nun behauptet, daß
ist, d. h. daß Relativgeschwindigkeit und Führungsgeschwindigkeit,
geometrisch addiert, die absolute Geschwindigkeit ergeben.
Beweis: Unser Punkt sei in der Zeit ^t von X nach X' ge-
kommen, während in derselben Zeit der an der Stelle X befindliche
Punkt des Körpers K nach F gelangt sei.
Dann ist
XX'^XF+FX",
also
Nun ist sicherlich lim -tt- = v^.
Es wird aber behauptet, daß auch lim ^— «= v^ ist. Sicherlich
gibt FX' die relative Lagenänderung des Punktes X an, sowie sie
sich vom absoluten Räume aus ansieht. Denn für den Körper K ist
ja F mit X identisch. Der Größe nach ist auch sicherlich FX' die
Lagenänderung relativ zu Ky sowie sie von K selbst ausschaut. Der
Richtung nach dagegen könnte ein Zweifel bestehen, da sich in der
Zeit /Jt das mit K fest verbundene Koordinatensystem etwas gedreht
hat. Aber diese Drehung wird mit /It unendlich klein, und daher
geht in der Grenze .- in einen Vektor über, der gegen das in K
feste Koordinatensystem eine bestimmte Lage einnimmt D. h. die
kleine Drehung dieses Systems kommt in der Grenze nicht in Frage,
und da der Geschwindigkeitsbegriff unabhängig davon ist, auf welches
Koordinatensystem er bezogen wird, solange nur dessen eventuelle
Bewegung nicht in Frage kommt, so ist lim - auch die Relativ-
geschwindigkeit, so wie sie von K aus sich darbietet, d. h. gleich v^.
Hamel: ElementAre Mechanik. 3
34 I- Begründung des kinetiBchen Eraftbegriffes. Nr. 80.
Damit ist der Satz bewiesen.
Sehr häufig wird die Frage umgekehrt nach der Belatir-
gesch windigkeit gestellt: natürlich ist
Beispiel: Ein Geschoß, das geradlinig senkrecht znr Fahrt-
richtung einen Wagen durchschlägt^ wird dies in zwei Löchern tun,
die einander nicht gegenüberliegen. Es wird vielmehr das Austritts-
loch gegen das Eintrittsloch der Fahrtrichtung entgegengesetzt um
ein Stück yerschoben sein, das gleich ist dem Produkt aus der Breite
des Wagens und der Geschwindigkeit desselben, dividiert durch die
Geschwindigkeit des Geschosses. Warum?
30. Der führende Körper hat eine Translationsbewegnng.
Wir sagen, ein Körper vollführe eine Translationsbewegung oder eine
Parallelbewegung, wenn alle Strecken des Körper einander parallel
und kongruent bleiben, oder was dasselbe ist, wenn alle Punkte zur
selben Zeit nach Bichtung und GröBe dieselbe Geschwindigkeit be-
sitzen.
Dann bleibt aber auch das Koordinatensystem im führenden
Körper K sich selbst parallel. Sei C sein Anfangspunkt und c dessen
Vektor vom Anfangspunkte 0 des ruhenden Systems aus, so ist c
die Translationsgeschwindigkeit und also auch die Führungsgeschwindig-
keit. Somit ist in diesem Falle
Differentiieren wir diesen Ausdruck, so folgt
c ist natürlich als Führungsbeschleunigung w^ zu bezeichnen^
denn es ist die Beschleunigung eines jeden Punktes von K, Es
wird behauptet^ daß -~ die Relativbeschleunigung w^y d* h. die
Beschleunigung imseres Punktes relativ zu K ist.
Zunächst ist -^ die Änderungsgeschwindigkeit des Vektors v^
bezüglich des ruhenden Baumes. Vektoren gelten aber als gleich,
wenn sie gleiche Richtung und Größe haben, ein Vektor ändert sich
also nicht, wenn man ihn parallel verschiebt oder, was auf dasselbe
hinauskommt, wenn man relativ zu ihm das Koordinatensystem
parallel verschiebt. Also ist -rf auch die Anderungsgeschwindigkeit
von v^ bezüglich des Körpers K. Und somit gilt in dem Spezialfall
dieser Nummer, aber, wie wir sehen werden, keineswegs allgemein:
Nr. 81. § 6. Zwei einfache F&Ue von Belativbewegang. 35
Man beachte hier den Unterschied von Vektor und Punkt. Die Lage
eines Punktes ist durch einen Vektor nur in bezug auf einen andern
Punkt gegeben^ etwa den Anfangspunkt eines Koordinatensystems;
Terschiebt man dieses daher parallel (während der Punkt fest bleibt)^
so ändert sich wohl der Vektor, der die Lage des Punktes angibt,
deshalb, weil er ein anderer Vektor wird; ein Vektor aber, der un-
abhängig Yon dem Eoordinatenanfangspunkt eine Bedeutung hat, wie
v^, ändert sich dabei nicht.
31. Die Bewegung auf einem um einen festen Pnnkt
rotierenden Strahl. Es drehe sich ein Strahl in der Ebene um
einen festen Punkt 0 mit der Winkel-
geschwindigkeit (o. Man kann so
sagen, da offenbar alle Punkte des
Strahls Kreise mit derselben Winkel-
geschwindigkeit (o beschreiben. Auf
dem Strahl bewege sich ein Punkt X;
seine augenblickliche Entfernung von " Fig.is.
0 sei r. Da r und co, also anch der
Drehwinkel d" als Funktionen der Zeit allgemein gelassen werden, so
kann X eine jede ebene Bewegung ausführen, nur daß diese jetzt als
ReUtiybewegung zu dem sich drehenden Strahl aufgefi&ßt wird.
Dabei ist dann r die Belatiygeschwindigkeit, reo die Führungs-
geschwindigkeit, denn reo ist ja die Geschwindigkeit desjenigen
Punktes des Strahls, der die Entfernung r von 0 hat. Wir be-
kommen somit nach Nr. 29
d. h. unsere alte Formel aus Nr. 20. (q ist ein Einheitsvektor in der
Bichtimg des Strahls, i ein Einheitsvektor, darauf senkrecht in der
Richtung wachsenden ^'s.)
Nehmen wir nun die Formel für die Beschleunigung aus Nr. 27
w = p (r — rcö*) + € (2ro + reo),
so kann man dieselbe jetzt in folgender Weise interpretieren:
QV ^ tö^ ist offenbar als Relativbeschleunigung aufzufassen; denn
es ist die Beschleunigung des Punktes X in bezug auf ein mit dem
Strahl fest verbundenes Koordinatensystem.
Als Führungsbeschleunigung ist natürlich die Beschleunigung
des Punktes des Strahls zu betrachten, der sich gerade an der Stelle X
befindet. Also ist gemäß des Spezialfalles der Kreisbewegung nach
Nr. 27
Es bleibt also in der obigen Formel für die absolute Be-
8*
36 I- Begründung des kinetischen Krafbbegriffes. Nr. 82.
Bchleunigung w noch etwas übrig, wenn man t^^ und w^ abzieht,
nämlich der Ausdruck
und es ist also in diesem Falle
fög heißt als das doppelte Produkt zweier Geschwindigkeiten r
und CD zusammengesetzte Beschleunigung oder auch nach dem
franzosischen Autor, der zu Anfang des 19. Jahrhunderts auf die
große technische Bedeutung dieser Beschleunigungskomponente hin-
wies: Coriolisheschleunigung. Die zugrunde gelegte Formel der
absoluten Beschleunigung in Polarkoordinaten kommt aber schon im
18. Jahrhundert bei Clairaut vor.
Es ist also in dem hetracMeten FäU die absolute Beschleunigung
gleich der geometrischen Summe aus der BdaUvbeschleunigung, aus
der FiihrtmgshesMeunigung und aus der Coriolisheschleunigung.
Letztere ist gleich dem doppelten Produkt atis der Belalivgeschwindig-
keit und der Drehgeschwindigheit des Strahls und steht bei positiven
Werten dieser Faktoren auf dem Badiusvektor im Sinne des wachsenden
Drehwinkels senkrecht.
Wir werden später (§ 47, Nr. 269) sehen, daß der erste Teil
dieses Satzes allgemein richtig ist.
§ 7. Die Plftnetenbewegang als Zentralbewegnng.
(Ein Problem der Phoronomie.)
32. Die Keplenohen Oesetse. Mit der Bewegung der
Planeten hatten sich die Alten schon eingehend befaßt. Ausgehend
von der Idee, daß die Kreisbewegung als die yollkommenste Bewegung
die natürliche Bewegung der Himmelskörper sein müsse, hatten sie,
als ihr Wahrheitssinn die Unhaltbarkeit dieser Hypothese erkannte,
eine Darstellungsweise ausgebildet, die ebensosehr der Wahrheit als
auch ihrer Grundidee gerecht wurde: sie beschrieben die Bewegung
der Planeten relativ zur Erde mit Hilfe von Epizykeln, indem sie
einen Hilfspunkt auf einem Grundkreis um die Erde laufen ließen;
um diesen Hilfspunkt einen zweiten ebenfalls im Kreise usw. fort,
bis sie zu einem Punkte kamen, dessen Bewegung mit der des
Planeten hinreichend genau übereinstinmite. Dieses komplizierte
System vnirde etwas einfacher, als Kopernikus mit seiner Idee
durchdrang, die Bewegung der Himmelskörper relativ zur Sonne zu
studieren; aber prinzipiell war noch nichts geändert, eine Einsicht
war noch nicht gewonnen; dazu reicht eben eine noch so genaue
Beschreibung des Naturvorganges nicht aus. Es sei übrigens bemerkt,
Nr. 82. § 7. Die Planetenbewegang als Zentralbewegnng. 37
daß die Darstellung der Planetenbewegung mittels Epizykeln noch
heute ihren hohen mathematischen Wert hat.
Kepler war es, ein Zeitgenosse Galileis, der in diesem Pro-
blem den entscheidenden Schnitt tat, und obwohl die Form seiner
Gesetze noch rein beschreibend war, sagen wir besser noch nicht eine
onmittelbar mechanische war, gelang es ihm doch durch eine beispiellos
geniale Intuition, Gesetze aufzustellen, die zwar nur annähernd richtig
waren, aus denen dann aber später Newton Folgerungen ziehen
konnte, die exakt formuliert imd in naturgemäßer Weise verallgemeinert
gerade imstande waren, die vorerst noch offensichtlichen Abweichungen
von Theorie und Beobachtung auf ein Minimum herabzudrücken. Was
also Galilei bei der Fallbewegung gelungen war, das gelang Kepler
bei der Planetenbewegung: er griff das „Wesentliche" der Er-
scheinung heraus, aber noch viel unbewußter als Galilei.
Gestützt auf das ausgezeichnete Beobachtungsmaterial Tycho de
Brahes sprach Kepler nach langjährigen Bemühungen zunächst für
den Mars, dann allgemein die folgende Gesetze aus:
1. „Die Planeten bewegen sich in Ellipsen, in deren einem Brenn-
punkt die Sonne steht.^^
2. „Die von der Sonne ausgehenden Radienvektoren übersti-eichen
in gleichen Zeiten gleiche Flächenräume/'
3. „Die Kuben der großen Achsen der Ellipsen zweier Planeten
verhalt^i sich wie die Quadrate ihrer TJmlaufszeiten.''
Geben wir den Gesetzen eine
mathematische Form:
Sei r der Radiusvektor von
der Sonne S zum Planeten P,
# der Winkel, den r mit der
Richtung nach dem Perihel, d. h.
der der Sonne am nächsten ge-
legenen Stelle Ä der Bahnkurve
einschließt, p der sogenannte Fig. u?
Parameter der Ellipse, s die
numerische Exzentrizität, so lautet die Polargleichung der Ellipse
(1)
1 -f- f COB d"
um das zweite Gesetz zu formulieren, bezeichnen wir den unendlich
schmalen Sektor, der von zwei benachbarten Radienvektoren mit dem
Zentriwinkel dd' eingeschlossen wird, mit y dF, Dann sagt das
zweite Gesetz aus, daß -^dF, also auch dF der zugehörigen Zeit dt
proportional ist, dF^G- dt.
38 L Begründang des kinetischen Eraftbegiiffes. Nr. 8S.
Denn dann gehören zu gleichen dt gleiche dF, also auch zu gleichen
Jt gleiche z/F.
Passend wird man -rr als ^Flächengeschwindigkeif be-
zeichnen.
Nun ist aber
^dF= Ir'd»,
und somit erhält das zweite Eeplersche Gesetz die Form
r^m - C, (2)
wo fl> =■ jt gesetzt ist.
Nennen wir endlich die halbe große Achse der Ellipse a, die
ümlanfszeit r^^ so sagt das dritte Gesetz aus:
^-^ (3)
ist eine fQr alle Planeten gleiche Eonstante, sie ist also charakteristisch
für das ganze Planetensystem.
Die Sonne wird bei der ganzen Betrachtungsweise als ruhend
angesehen.
33. Fo^eningen fflr die Besclileimigiing. Newton zog
in seiner ^^Philosophia naturalis^ (deutsch mit ^^Theoretische Physik^
zu übersetzen); diesem grundlegenden Werke der Mechanik, das zuerst
1687 erschien, die Folgerungen aus den Eeplerschen Gesetzen für die
Beschleunigung der Planetenbewegung.
Aus dem zweiten Gesetz
folgt durch Differentiieren
2rfcD + ^cü « 0,
oder, da r nicht nuU ist,
2r(o + ro) «=» 0.
Nun ist aber bei einer jeden ebenen Bewegung — und mit einer
solchen haben wir es hier zu tun — nach Nr. 27 die Komponente
der Beschleunigung senkrecht zum Radiusvektor 2r(o + rc), Diese
ist also hier null, oder die ganze Beschleunigung fällt in die Rich-
tung des Radiusvektors hinein. Das läßt sich offenbar auch um-
kehren, aus 2r(o + rra = 0 folgt rückwärts r*o = G, so daß wir
sagen können:
Aus dem zweiten Keplerschen Gesetz aUein folgt bereits, daß
die ganze Beschleunigung radial gerichtet ist, und umgekehrt: wissen
wir, daß hei einer ebenen Bewegung die Beschleunigung radial ge-
richtet ist, so gilt das zweite Keplersche Gesetz für diese Bewegung.
Nr. 38. § 7. Die Planeienbeweguiig als Zentralbewegung. 39
Berechnen wir jetzt die Radialbeschleunigang. Nach Nr. 27
hatte sie, nach außen positiv gerechnet^ den Ausdruck
Benutzen wir zunächst das zweite Keplersche G^esetz^ um o und die
Zeit t zu eliminieren y d. h. statt t den Winkel <& als unabhängige
Variabele einzuführen.
Es ist ^JL
dr dr dr C
r
dt dd^
Somit laß sieh unter Bmuteung des eweifen Kqplersehen Gesetzes allein
die BadidtbesMeumgvmg auf die Form bringen:
Nun ist aber nach dem ersten Keplerschen Oesetz
— =- cos #,
also
^^ = -~cos^ = -- + - ,
Setzen wir das in den obigen Ausdruck für r^r(o^ ein, so er-
halten wir die Komponente der Beschleunigung in Richtung des
Radiusvektors
p r*
Aus den beiden ersten Keplerschen Geseteen folgt, daß die ganze
Beschleunigung auf die Sonne zugerichtet und dem Quadrat der Ent-
femung des Planeten von der Sonne umgekehrt proportional ist.
Sei Q ein Einheitsvektor, von der Sonne auf den Planeten zu-
gerichtet, so läßt sich das Resultat aus den beiden ersten Keplerschen
Gesetzen so zusammenfassen:
Bei der Planetenbewegung ist
-O« 1
^ p r^
40 1- BegrOndimg des kinetischen Ejrafbbegriffes. Nr. 34.
Was sagt nun das dritte Keplersche Oesetz aus? Um das zu
erfahren^ drücken wir a nnd Tq durch unsere Konstanten aus.
Da Bich die große Achse 2 a aus dem Radiusvektor für «d* « 0
und dem für d' ^ x zusammensetzt, ist
also
die halbe kleine Achse ist
^0
l/i — ««
um Tgy die XJmlaufszeit, zu erhalten, schreiben wir das zweite
Keplersche Gesetz 2 1
woraus durch Integration über einen vollen Umlauf folgt
wo 3 den Inhalt der Ellipse bedeutet, also
Somit ist
d.h.
Die Konstcmte — des Beschleuniffungsgesetees ist ein und die-
selbe für aUe Planeten; sie ist typisch für die Klasse der Planeten-
bewegungen.
Nennen wir sie A, so können wir das Beschleunigungsgesetz, das
Newton aus den Keplerschen Gesetzen für die Bewegung der Planeten
um die Sonne gewann, kurz so aussprechen:
Es ist _ - 1
wo X eine für aUe Planeten gleiche Konstante bedeutet,
34. Ableitniig der Keplersohen Oesetse aus dem ITewton-
sehen. Besitzen umgekehrt eine Reihe von Punkten P Beschleunigungen,
die auf ein festes Zentrum S zugekehrt sind und dem Gesetz
gehorchen, so folgen daraus die Keplerschen Gesetze.
t
Nr. 84. ' §7. Die Planetenbewegnng als Zentralbe wegnng. 41
Zunächst sind die Bahnen eben. Plansibel machen kann man
das leicht^ beweisen wollen wir es später. Betrachten wir die Ebene
durch die augenblickliche Lage von P^ seine Geschwindigkeit v und
den Punkt S, so enthält diese Ebene auch q und somit auch td, ist
also Schmiegungsebene der Bahnkurve. Es wird also auch nach
einem Zeitmoment dt die Geschwindigkeit noch in dieser Ebene
liegen — bis auf Größen 2^' Ordnung — , und damit auch da»
neue iö und die neue Schmiegungsebene. Der Winkel zwischen zwei
aufeinanderfolgenden Schmiegnngsebenen wird also 2^ Ordnung klein
sein, die Torsion der Bahn also nulL Daß aber eine Bahn ohne
Torsion eben ist^ dürfke anschaulich klar sein.
Wissen wir, daß die Bahn eben ist, so folgt nach dem ersten Satz
Ton Nr: 33 sofort, wie schon bemerkt, der zweite Eeplersche Satz
r»cD = C.
Damit aber nimmt der Ausdruck für die Badialbeschleunigung, wie
in Nr. 33 gezeigt wurde, die Form an
•• • o
r — r©' « —
*\d»* ^ rj
Soll also dieser Ausdruck gleich — X-f sein, wie es das Newton-
sche Gesetz verlangt, so haben wir die Differentialgleichung zu inte-
grieren ^
I^^^T"" C
t
Setzen wir abkürzungsweise p^-j-, so ist
r '^ P
eine Partikularlösung und
— - — + — cos (d — ö-o)
die allgemeine Lösung mit — und d-^ als Integrationskonstanten.
Denn fähren wir y ^ als neue abhängige Variable ein, so
genügt y der Differentialgleichung
welche als allgemeines Integral y = a cos (# — #0) mit a und d-^ als
Integrationskonstanten hat Setzen wir a » — , so bekommen wir
obiges Resultat.
42 L Begründung des kinetischen Eraftbegriffes. * Nr. 34.
Also folgt
r —
1 + « cos («• — -^o)
£ kann stets als positiv angenommen werden. Für £ < 1 ist das die
Gleichung einer Ellipse (# = d'^ gibt jetzt das Perihel, dessen Lage
wir natürlich von vornherein nicht kennen); £ « 1 bedeutet eine
Parabel, £ > 1 eine Hyperbel. Also auch die Bahnen der Kometen,
die annähernd Hyperbeln oder Parabeln oder Ellipsen mit starker
Exzentrizität sind, folgen dem Newtonschen Beschleunigungsgesetze.
Wenn man also die Keplerschen Gesetze dahin erweitert, daß
die Bahnen auch Hyperbeln und Parabeln sein können, so
erweisen sich die Keplerschen Gesetze ais vollständig identisch mit
dem NewUmschen BeschleunigungsgesetSy
denn daß auch das dritte Keplersche Gesetz folgt, ist klar, da aus
a»
To* 4»'
die Gleichheit des links stehenden Ausdrucks für alle Planeten folgt.^)
Wenn also die Keplerschen Gesetze und das Newtonsche
Gesetz inhaltlich einander gleich sind, worin besteht dann
der Fortschritt Newtons gegen Kepler?
Newton hat ein Gesetz gefunden, das typisch für die
ganze Klasse der Planetenbewegungen ist; die für den
einzelnen Planeten individuellen Konstanten p, ^q, £, C und
die Größen, welche die Lage seiner Bewegungsebene angeben,
kommen in dem Gesetz nicht mehr vor.
Mittel aber, das Gesetz in die typische Form zu bringen,
war der Galileische Beschleunigungsbegriff.
Schon Wren hatte vor Newton das Beschleunigungsgesetz der
Planeten behauptet; man nennt deshalb X wohl auch die Wrensche
Konstante.
Aufgaben: 21. Man berechne die Konstante X aus der bekannten ümlanfs-
zeit der Erde und ans der mittleren Entfernung der Erde und Sonne von
ca. 148 Hill. km. Man kontrolliere das Newtonsche Gesetz ans den Daten des
Mars, der eine Umlaufszeit von ca. 687 Tagen und ein etwa 1,62 mal so grofies
a wie der Erde hat. (Es genügt, für unsere rohen Abschätzungen die Pümeten-
bahnen als Kreise anzusehen; die Exzentrizitäten b sind alle ziemlich klein.)
22. Welche Dimension hat 1?
1) In dem Falle der Parabeln und Hyperbeln (£>1) geht allerdings die
anschauliche Form des dritten Keplerschen Gesetzes verloren , man spricht es
dann nach Nr. 88 am besten so aus, daß
C*
P
eine für alle Planeten und Kometen gleiche Konstante ist.
Nr. 36.
§ 8. Die Bchwingende Feder.
43
28. Man zeige, daß der Hodograph für die Planetenbewegung ein ex-
zentrischer Kreis ist.
2i. Unter der Annahme, daß der Mond am die Erde ebenfalls angenähert
eine Keplersche Bewegxmg ausführt, berechne man das zugehörige X\ wenn man
weiß, daß die Umlaufszeit des Mondes (die sogenannte siderische, d. h. diejenige
gegen den Fixstemhimmel) 27 Tage 7^ 43', die mittlere Entfernung des Mondes
von der Erde ca. 60 Erdradien beträgt.
26. Nach den in Nr. 38 und 34 entwickelten Methoden bestimme man die
Bewegung eines Punktes, der nach einem festen Zentrum hin eine Beschleunigung
erf&hrt, die der dritten Potenz der Entfernung umgekehrt proportional ist Man
zeichne die Bahnkurve.
26. Wie würde sich die Bewegung eines Planeten ändern, wenn zu der
Newtonschen Beschleunigung noch eine Beschleunigung — p£-.- hinzukäme?
r
Man zeige, daß bei kleinem e die „ gestörte ^^ Bewegung so aufgefaßt werden
kann, als ob sich die Ellipse von Umlauf zu Umlauf langsam herumdrehte, der
Art, daß das Perihel jedesmal um einen mit • klein werdenden Betrag vorrückt.
§ 8. Die schwingende Feder. Die Kasse als Trägheitsfaktor.
35. Die fireie, ongedfanpfte GMiwlngiing. Wir hangen an
«inem Stativ eine gnte, elastische Spiralfeder vertikal auf und be-
festigen an diese einen schweren Körper X. Er sei so geführt,
daß er sich^ ohne sich zu drehen, auf und ab bewegen kann und
Fig. 16.
zwar möglichst leicht. Lassen wir den Körper ruhig hängen, so
nimmt er eine gewisse Ruhelage X^ ein; stoßen wir ihn an oder
bringen wir ihn ans der Ruhelage, so wird er Schwingungen in verti-
kaler Richtung ausführen. Diese studieren wir, indem wir den Ab-
44
I. Begründung des kinetischen Eraftbegriffes.
Kr. 86.
stand X aus der Ruhelage durch einen an dem Körper angebrachten
Schreibstift auf eine sich gleichförmig drehende, durch ein Uhr-
werk angetriebene Trommel aufzeichnen lassen. Auf der Trommel
erhalten wir dann eine Kurve, deren vertikale Ordinate x^ deren hori-
zontale Abszisse die Zeit t angibt, derart, daß die Strecke, um welche
sich der Umfang der Trommel in einer Sekunde herumdreht, den
Maßstab für eine Sekunde bedeutet.
Fig. 16 a.
Die rohe Beobachtung lehrt, daß X rhythmische Schwingungen
macht, d. h. für jeden Hin- und Hergang dieselbe Zeit braucht, daft
aber diese Schwingungen allmählich an Intensität abnehmen. Die»
wird aber um so weniger stattfinden, je ,4eichter^' sich X bewegen
kann. Wir idealisieren das Phänomen dahin, daß wir genau konstanten
Rhythmus und genau konstant bleibenden Ausschlag voraussetzen, be-
*-/
Fig. 16b.
hauptend, daß wir so das „Wesentliche^^ der Erscheinung heraus-
gegriffen haben.
Sehen wir uns nun die Kurve auf dem Papier der Trommel an,,
so sieht sie einer Sinuskurve sehr ähnlich (Fig. 16 a). Eine mathe-
matisch exakte Sinuslinie ist punktiert hinzugezogen.
Wir werden also jedenfalls eine die Erscheinung zunächst roh
wiedergebende Darsijpllung erhalten, wenn wir ansetzen:
a ' Bin (xt+ £). (I)
X
I^r. 85. § 8. Die schwingende Feder. 45
Dabei bedeutet a > 0 den konstant bleibenden maximalen Aus-
«chli^ nach oben und unten^ die sogenannte Amplitude^ r = — die
sogenannte Periode; denn nach Ablauf dieser Zeit wird die ganze
Erscheinung wiederkehren^ aber nicht früher; s heißt die Phasen-
differenz: ^0 = gibt offenbar einen der Zeitmomeute an, wo X
durch die Ruhelage X^ durchgeht. Das Argument xt + s des Sinus
heißt die Phase.
Wir nennen eine durch
fl? = a sin (x^ + e)
dargestellte Bewegung eine „ungedämpfte^' Schwingung, um damit
anzudeuten, daß wir von der tatsächlichen Abnahme der Amplitude
a absehen; wir nennen sie auch „rein% um sie von einer allgemeinen
angedämpften Schwingung zu unterscheiden, d. h. einer Bewegung,
die durch ^,.v
x = f(t)
gegeben ist, wo f (t) die Periode t^ hat, d. h. fSr alle t
fit + r,)^ fit)
ist. Die Mathematik zeigt, daß jede solche allgemeine, imgedämpffce
Schwingung als Überlagerung reiner Schwingungen dargestellt werden
kann, d. h. daß
f(t) = a^ + C4 sin (xt + fj) + o, sin (2xt + O H
(siehe Nr. 361.)
Wir nennen endlich die Schwingung „frei", weil wir sie zwar
durch einen Anstoß oder sonstigen Eingriff hervorrufen, dann aber
den Apparat sich selbst überlassen.
Die weitere Betrachtung lehrt nun folgendes: Setzen wir den
Apparat zu verschiedenen Zeiten mit verschiedener Intensität in Be-
wegung, so können wir a und s nach Belieben — innerhalb ge-
wisser Schranken — ändern, die Periode aber Tq oder x bleibt un-
geändert. Fassen wir also alle Schwingungen desselben Apparates
zu einer Klasse zusammen, so ist x eine typische Eonstante, a und e
sind es nicht.
Wir werden also versuchen, einen Ausdruck zu finden, der x ent-
hält, a und £ aber nicht und der doch mit (1) identisch ist.
Zu dem Zweck differentiieren wir (I) zweimal nach der Zeit und
erhalten « • / / , \ s
te? = iT = — x*a sm (xt + s) ^ — x'x .
Damit haben wir schon den gesuchten Ausdruck gefunden:
46 I- Begründung des kinetischen Eraftbegriffes. Nr. 86.
denn umgekehrt folgt aus der homogenen linearen Gleichung (II)
mit konstanten Koeffizienten bekanntlich als idlgemeines Integral
a; =" a sin (xt + s)
mit a und s als Integrationskonstanten.
Wiederum gestattet uns der Beschleunigungsbegriff
einen typischen Ausdruck für das Gesetz einer Klasse von
Bewegungserscheinungen zu finden.
36. BiuffUimng des Ma4Bsenbegriffls. Unser neues Gesetz
ist aber noch nicht so umfassend wie das Galileische oder Newtonsche.
Diese galten für alle beobachteten Körper; unser neues Gesetz gilt
nur für einen bestimmten angehängten Körper.
Wir wollen nun so weiter experimentieren^ daß wir sowohl ver-
schiedene Federn F^ F\ F'\ • • • als auch verschiedene Körper K^y JE^ • • -
benutzen. Wir werden dann auch verschiedene Konstante x^, x^y %^' - -
• • Xj, Xj', Xj"»-- erhalten. Wir werden die Vermutung aussprechen,
daß wenigstens in unserem idealisierten Falle die x nur von den
Eigenschaften der Federn und der angehängten Körper abhängen und
wir werden das direkt als ein Charakteristikum dafür verlangen, daß
wir wirklich das ^^Wesentliche'' der Erscheinung ^^herausgeschnitten''
haben.
Indem man nun die x oder, was auf dasselbe hinauskommt, die
Tq untersucht, am besten mittels Stoppuhr ohne graphische Aufzeich-
nung, die immer störende „unwesentliche" Momente mitbringt, kann
man leicht empirisch die folgenden Gesetze als leidlich erfüllt fest-
stellen — bei unseren Versuchen überschritten die Fehler nicht den
Betrag von etwa 27o-
1. Das Verhältnis der x zweier Körper K hängt nicht von der
Wahl der Feder ab:
X| • Xo ~~~ X| • Xq ■~~- X« • Xo — - • • •
Da aber andererseits Xj nur von der Feder und dem Körper JT^, x, nur
von der Feder und dem Körper K^ abhängt, so muß sein
Xj : Xj = ntj : ntj ,
wo Uli resp. m, nur noch von den Eigenschaften der Körper K^ resp.
K^ abhängen.
Also müssen wir setzen können x = j/X • m oder
8 ^
m '
WO X nur noch von den Eigenschaften der Feder, w « — j nur noch
von den Eigenschaften des angehängten Körpers abhängt. Wir nennen
vorläufig m die Masse des Körpers.
Nr. 37. § 8. Die schwingende Feder. 47
Dabei ist die Maßeinheit noch frei; d. h. wir können für einen
beliebig herausgegriffenen Körper m =» 1 setzen. Dann aber können
wir für jeden andern Körper das m eindeutig aus einem Schwingungs-
versuch bestimmen.
2. Warum wir m und nicht etwa m oder eine andere Funktion
von m die Masse genannt haben^ erklärt sich aus folgendem Versuch.
An derselben Feder machen wir einen Schwingungsversuch mit
dem Körper K^ von der Masse m^ und dem Körper K^ von der
Masse m^. Endlich vereinigen wir E^ und K^, der vereinigte Körper
habe die Masse m. Die Werte der x seien x^^ x^, x. Dann ergibt
der Versuch
V + V-r«
oder wegen r « —
oder ffemäß x^ — —
das Massenadditionsgesesetz:
Haben zwei Körper die Massen m^ und t»,, so hat der ver-
einigte Körper die Masse m^ + Wg.
37. Das Oesets der Federaohwlngiing als Kassenbesohleu-
nignngsgesets. Setzen wir x' => — in das Gesetz (U) von Nr. 35
ein, so erhalten wir
mw^ — kX"* (IIl)
Wir nennen nun mw oder wenn es nötig ist, die Richtung her*
vorzuheben, mw eine „Massenbeschleunigung'' und können somit
das Gesetz der Federschwingung so aussprechen:
Schwingt ein Körper an einer Spiralfeder auf und ab^
so besitzt er in jedem Äugenblick eine Massenbeschleu-
nigung, die auf die Ruhelage zu gerichtet und der Ent-
fernung aus der Ruhelage proportional ist. Der Proportio-
nalitätsfaktor hängt nur mehr von den Eigenschaften der
Feder ab.
Damit haben wir ein Gesetz für eine größere Klasse von Be-
wegungserscheinungen gefunden, es gut für aUe bewegten Körper,
aber wir bedurf(;en dazu des Begriffs der Massenbeschleunigung.
Über die Genauigkeit des Gesetzes ist folgendes zu bemerken.
Abgesehen von der prinzipiellen Idealisierung, von der später noch in
Nr. 72 genauer die Rede sein wird, ist unser neues Gesetz weit
weniger genau als das Galileische oder Newtonsche. Es enthält
48 I- BegrOndoDg des kinetischen Kraftbegriffes. Nr. 88.
znnachst noch einen direkten Fehler: Hat die Feder selbst die Masse
m — wir können ihr selbst offenbar eine Masse beilegen, da wir sie
ja an eine andere Feder anhangen and an dieser schwingen lassen
können — , so muß das Gesetz eigentlich lauten:
(m + am') w — — >La?,
wo a einen echten Brach bedeatet, etwa y, bis Y^, dessen genauen
Wert nur eine vollständige Theorie der Federschwingung ei^eben
kann. Unser Gesetz gilt also nur dann genau genug, wenn m klein
gegen m ist. Der tiefere Grund dieses Fehlers ist natürlich der, daß
die Punkte der Feder selbst mitschwingen, und daß wir also ein
Sys:em haben, dessen Punkte sehr verschiedene Bewegungen auf-
weisen, wir mithin gar nicht von einer Beschleunigung sprechen
dürften. Dann umfaßt unser Fall nur die sogenannte Grund-
schwingung: es dürfen nicht noch Seh wingungs wellen kürzerer Periode
über die Feder hinlaufen, was durch einen geeigneten Anstoß zu ver-
hüten ist. Endlich ist der Ausdruck der rechten Seite — Xx nur
gültig für hinreichend kleine Ausschläge x.
In Wahrheit ist eben die Bewegung des Punktes x keine ganz
reine Schwingung.
Aus alledem geht hervor, daß die vorhergehenden Betrachtungen
keine Definition der Masse bedeuten können: sie zeigen nur die
BoUe der Masse als Tragheitsfaktor: ist das Massenbeschleunigungs-
gesetz — Xx allein durch die Feder (A) und die Lage x des Körpers
gegeben, so erfahren verschiedene Körper eine um so geringere Be-
schleunigung, je größer ihre Masse ist.
Um einen kurzen Namen zu haben, nennen wir —Xx die „Feder-
kraft^' oder y,die Kraft, welche die um x gedehnte Feder auf
«inen angehängten Körper K ausübt^.
Ein solcher Name ist wünschenswert. Denn es ist zu beachten,
<laß — Xx keine Massenbeschleunigung ist. Eine Massenbeschleunigung
ist immer nur das Produkt aus der Masse und dem zweiten Differential-
quotienten des Orts Vektors einer einzelnen individuellen Bewegung
nach der Zeit.
— Xx ist aber der typische, gesetzmäßige Ausdruck ffir die
Massenbeschleunigung einer ganzen Klasse von idealisierten Be-
wegungserscheinungen, es ist ein Massenbeschleunigungs- Gesetz, und
«in solches nennen wir einstweilen auch kurz eine Kraft.
Das Krafbgesetz — Xx für die elastische Feder stammt, allerdings
wohl nur für den später zu besprechenden Fall der Statik, von
Hooke, einem älteren Zeitgenossen Newtons.
38. Die Oesetse der Follbewegimg und der Planeten-
liewegnng ^Is Kraftgesetse. Wir können wohl, wenigstens in
Nr. 39. § 9. Kraft und ünache. 49
^ler Idee, allen fallenden Körpern Masse zuerteilen und mithin das
Fallgesetz Galileis auch so schreiben:
mW «■ mg .
mg^Ü^ nennen wir nun kurz die Schwerkraft des betreffenden
Körpers.
Bedenken wir weiter, daß jeder uns zur Verfügung stehende Teil
der Erde Masse hat und daß das Massenadditionsgesetz gilt^ so werden
wir wohl kaum umhin können, auch der ganzen Erde eine Masse zu-
zuschreiben. Hat aber einmal der Planet Erde eine Masse, so liegt
es nahe, auch den anderen Planeten eine solche Masse zukommen zu
lassen. Dann aber können wir auch das Newtonsche Planetengesetz
in Form eines Massenbeschleunigungsgesetzes hinschreiben:
_ - im
mw-Q-i^'
Wir nennen dann — ^ -^ ^i® „(Newtonsche) Anziehungskraft
der Sonne auf den Planeten'', womit nur gesagt sein soll, daß die
Planeten, wenn sie sich in der Entfernung r von der Sonne befinden,
eine auf diese zu gerichtete Massenbeschleunigung erfahren, die jener
Kraft gleich ist.
Gewonnen ist einstweilen durch diese Formulierung nichts als
ein Name, aber Namen sind oft wertvoll, da sich an sie Ideen knüpfen.
und schaden tut die immerhin etwas zweifelhafte Zuerteilung
einer Masse zu einem Planeten nichts, da sie in der Gleichung des
Gesetzes herausfallt.
Aufgabe: 27. Ein Punkt kann sich in der Ebene frei bewegen und wird
von einem festen Zentrum 0 nacb dem Gesetz mtö^^ — pX(r — r^) angezogen,
d. h. man kann sich vorstellen, daß der Punkt durch eine masselose Feder mit
O verbunden sei. r^ sei eine Konstante, r^^^r^ gibt den dehnungslosen Zustand
der Feder an. l.Man beweise, daß für diese Bewegung der Flächensatz gilt (das
zweite Keplersche Gesetz). 2. Man untersuche, nach den Methoden von Nr. 83
und 84, ob eine Bewegung in Kreisen um 0 möglich ist. 8. Für den Sonder-
fall r, OB 0 zeige mau, daß die Bahnkurven Ellipsen mit 0 als Mittelpunkt oder
Geraden durch 0 sind. Es empfiehlt sich aber jetzt, rechtwinklige Koordinaten
x^ y einzufügen, in denen das Beschleunigungsgesetz offenbar lautet :
m'x = — Iä
wiy« — Xy,
da pfBsjr die Komponenten rc, y hat.
§ 9. Kraft und Ursache.
Nr. 38. Über den Druck. Von der Anschauung haben wir
bis jetzt nur soweit Gebrauch gemacht, als sie den Bereich des
Gesichtssinnes anbetrifft, d. h. wir haben Geometrie verwendet. Jetzt
wird es Zeit^ uns mit derjenigen Anschauung näher zu befassen^ die
Ham«l: Slein«ntAre Mechanik. 4
50 I- Begründtmg des kinetischen Eraftbegriffes. Kr. 89.
spezifisch mechanischen Charakter hat und der Sphäre des Tastsinnes
(Dracksinnes) und des Muskelsinnes angehört. Gemeint ist der
Druck^ von dem ein jeder eine Anschauung besitzt. In jedem
Momente üben wir Drucke auf unsere Umgebung aus und empfangen
solche: ob wir gehen, stehen, sitzen oder liegen, stets übermittelt uns
der Tastsinn Drucke, die an der Oberfläche unseres Körpers angreifen.
Von ähnlicher allgemeiner, aber weniger bestimmter Art sind die
Spannungsgefühle, die wir in unseren Muskeln bei ihrer Tätigkeit
wahrnehme/i. (Vgl. auch Einleitung Nr. 4.)
Außer dieser subjektiven Anschauung aber haben wir von den
Drucken objektive Kriterien, an denen wir ihr Vorhandensein er-
kennen können. Drücken wir gegen eine Wand, so zeigt sich eine
deutliche Gestaltsändemng unserer Handfläche, aber auch die Muskel-
spannungen sind für ein fremdes Auge durch die Oestaltsändemng,
Kontraktion des Muskels erkennbar.
Legen wir nun ein schweres Gewicht einmal auf unsere Hand
und merken dabei eine Deformation derselben verbunden mit einem
Druckgefühl, und legen wir dann dasselbe Gewicht auf eine Gummi-
platte und merken eine deutliche Gestaltsanderung derselben, so
werden wir vermuten, daß auch hier zwischen Gewicht und Gummi-
platte ein Etwas existiert, das den Namen Druck verdient. Und wie
im ersten Fall die Kontraktion des Muskels nach außen eine Spannung
derselben anzeigte, so werden wir vermuten, daß die Deformation
des ganzen tragenden Gummistückes auch etwas wie eine Spannung
im Inneren desselben anzeigt.
Nun kommt es aber prinzipiell auf die Größe oder Kleinheit des
Gewichts nicht an, auch doch sicherlich im Prinzipe nicht auf die
Weichheit oder Härte des Materials: im ersten Falle werden wir nur
die Deformation merken, im zweiten entzieht sie sich wegen ihrer
Kleinheit unserer Wahrnehmung: Durch einen kaum abzuweisenden
Analogieschluß kommen wir zu folgender Anschauung:
An einem jeden Flächenelement dF^ durch das wir uns zwei 6e-
nachharte materieUe Volumdemente getrennt denken^ können „Spannungen*^
auftreten. Anzeichen für solche Spannungen sind Gestaltsänderungen der
angrenzenden Volumelemente.
Was sind nun aber diese Spannungen? Ein Gefühl für dieselben
werden wir natürlich unserer materiellen Umgebung nicht zuschreiben
wollen, das wäre unnötiger Anthropomorphismus. Wesentlich ist zu-
nächst nur, daß för unser Gefühl diese Spannungen deutlich Größe
und Richtung zeigen: daß sie also Vektoren sind, werden wir auf
die Spannungen der unbelebten Natur übertragen. Selbstverständlich
Vektoren, die mit dem Flächenelement, an dem sie angreifen, unend-
lich klein werden. Denn Drucke sind stets auf Flächen verteilt, so
Nr. 89. § 9. Kraft und ürBache. 51
daß auf jedes FlscheneleiDent dF ein unendlich kleiner Teil des
Druckes kommt.
An beiden Seiten eines Flachenelements dF, unterschieden durch
ihre Normale v, können also unendlich kleine Vektoren dk^ angreifen^
Spannungen genannt^ die mit dF unendlich klein werden:
d\ «- 6^dF,
Der endliche Vektor 6^ heißt eine spezifische Spannung (Druck).
Wir wollen auch sagen ^ daß dk^ an demjenigen durch dF be-
grenzten Volumelemente „angreife", für welches v die äußere Nor-
male ist.
Die Komponente von dk^ senkrecht zu dF werden wir im engeren
Sinne einen Druck neimen, wenn die Komponente auf das Volum-
element zu gerichtet ist, an dem sie angreift, sonst einen Zug. Die
tangentialen Komponenten von dk^ pflegt man als Schub- oder
Scherkräfte zu bezeichnen.
Ein stets notwendiges, aber keineswegs immer hinreichendes
Kriterium für eine Spannung ist der Deformationszustand der nächsten
Umgebung von dF gegen einen normalen, spannungslosen Zustand.
Eine weitere fundamentale Erfahrung besteht über den Druck
(im allgemeinen Sinn =» Spannung): Drücken wir etwa unsere Hände
zusammen, so empfinden wir die beiden Drucke, welche die Hände
aufeinander ausüben, als durchaus gleich und entgegengesetzt gerichtet.
Der entsprechende allgemeine Satz,
daß die beiden Drucke, welche an einem Flächenelement angreifen^
stets entgegengesetet gleich sind, —
in Zeichen: - _
<y„ =• — <y-w
wenn wir mit v die eine, mit — v die andere Normale des Flächen-
elements dF bezeichnen — , ist ein Fundamentalsatz der Mechanik.
Er wurde zuerst von Newton ausgesprochen (sein drittes Grund-
gesetz, auch lex tertia genannt: actio par reaktioni, ist allerdings
etwas allgemeiner als unser Gesetz); es hat sich bis heute durchaus
kein Widerspruch gegen dieses Gesetz erhoben, wir werden sogar
später sehen, daß wir es auf Grund anderer Annahmen beweisen
können (siehe Nr. 204).
Dieses Gesetz ist uns unbewußt so selbstverständlich geworden,
daß der Ausdruck: wir üben einen Druck aus, schon darauf
beruht: denn wir empfinden in Wahrheit nur den Druck, den wir
selber von außen empfangen, aber wir projizieren ihn ohne weiteres
nach außen, seinen Sinn umdrehend, als einen Druck, den wir nach
außen auf den angrenzenden Körper ausüben.
52 I* Begründang des kinetischen Eraftbegriffes. Nr. 40, 41 .
40. Der Druck als bewegungsbestimiiiendeB Moment.
Wir sind imstande ^ selbst dem eigenen oder fremden Körpern Be-
wegung zn erteilen, resp. eine vorhandene Bewegung zu verandem.
Geschieht dies am eigenen Körper, so haben wir dabei eine deutliche
Muskelempfindung und zwar in jenen Muskeln, die das bewegte Glied
mit dem übrigen Körper verbinden; bewegen wir aber andere Körper,
etwa mit der Hand, so ist diese Erscheinung mit einem deutlichen
Druckgefühl an der Handoberfläche verknüpft.
Dabei lehrt nun die Erfahrung zweifellos, daß im allgemeinen,
soweit nämlich solche subjektiven Wahrnehmungen überhaupt zuver-
lässig sind, das Druckgefühl um so stärker ist, je schwerer der be-
wegte Körper ist und je größer der Oeschwindigkeitsunterschied, den
er im ganzen in einer gegebenen Zeit erfahren hat. Auch der Rich-
tung nach stimmt, soweit erkennbar, der gefühlte Druck mit dem
Geschwindigkeitszuwachs überein, wobei freilich schon der nach außen
projizierte Druck gemeint ist.
Man überzeugt sich nun leicht durch einige Versuche im Sinne
von Nr. 36, daß Körper mit größerer Masse diejenigen sind, die man
für gewöhnlich schwerer nennt. Zum Teil folgt dies schon aus dem
in Nr. 36 ausgesprochenen Massenadditionsgesetz.
Somit werden wir mit der Anschauung in Übereinstim-
mung bleiben, wenn wir festsetzen: Bewegen wir einen
Körper und üben wir dabei in einem Augenblick t an seiner
Oberfläche den Gesamtdruck i aus, so ist für diesen Augen-
blick die von uns dem Körper erteilte Massenbeschleunigung
mw = fc.
Damit haben wir zwar keineswegs den Begriff des Druckes defi-
niert, ihn aber doch so präzisiert, daß er einer genaueren Messung
zugänglich wird.
Genau dasselbe wollen wir festsetzen, wenn irgend ein
Druck erfahrungsgemäß allein und ständig eine (idealisierte)
Klasse von Bewegungserscheinungen begleitet.
41. Die Kraft als typischer Ausdruck Ar das Oesets einer
Klasse Tcn Bewegnngserscheimingen. Wir sahen im vorigen
Par^p^phen, wie die Schwerkraft G ^^mg, die Anziehungskraft der
Sonne — qX -y und die Kraft der gespannten Feder — Xx je einen
Typus von Bewegungserscheinungen, wenn auch einen ideaUsierten,
vollständig repnlsentieren: die Schwerkraft die ganze Erlasse der Fall-
bewegungen an der Erde, die Anziehungskraft der Sonne alle Planeten-
bewegungen, die Federkraft die Schwingungen aller angehängten
Körper. Nennen wir eine solche Kraft £, so haben wir für alle drei
Naturgesetze den kurzen gemeinsamen Ausdruck
Nr. 42. § 9. Kraft nnd Ursache. 53
also denselben^ den wir oben fcir die Klasse derjenigen Bewegnngs-
erscheintmgen präzisierten^ die zu einem bestimmten Drackverlanf k
zngehören.
Allgemein können wir sagen:
Wenn es uns gelungen ist^ bei einer Klasse von Be-
wegungserscheinungen einen typischen Ausdruck für die
Massenbeschleunigung zu finden^ so wollen wir diesen Aus-
druck eine Kraft nennen^ oder genauer ein Kraftgesetz.
Von Kraft wollen wir aber auch dann sprechen^ wenn der Prozeß
noch nicht vollendet ist^ d. h. wenn wir zwar (idealisierte) Massen-
beschleunigungen haben, die zweifellos einer Klasse angehören , für
die wir ' aber noch keinen typischen Ausdruck gefunden haben,
wir vielleicht erst in jedem einzelnen Falle versuchen müssen, em-
pirische Werte der Kraft, d. h. der Massenbeschleunigung zu be-
stimmen.
Zweifellos ist diese Definition der Kraft in hohem MaBe kon-
ventionell, wenn auch durch die Erfahrung eingegeben, und wir müssen
darauf gefaßt sein, daß trotz der bisherigen Brauchbarkeit des alten
(Newtonschen) Kraftbegriffes unsere Definition einmal zu eng werden
kann.
Es sei aber nochmals, wie schon in Nr. 37 darauf hingewiesen,
daß Kraft nicht einfach ein neues Wort für Massenbeschleu-
nigung ist (wie Kirchhoff glaubte). Kraft ist etwas ganz Neues,
das durch vereinte Wirkung von Anschauung, Erfahrung und schöpfe-
rischer Tätigkeit des Menschen aus dem Massenbeschleuniguugsbegriff
hervorgegangen ist, aber nimmermehr mit ihm identifiziert werden
darf. Um die Hauptunterschiede nochmals zu betonen: Massen-
beschleunigung ist stets das Produkt aus der Masse und der wirk-
lichen Beschleunigung eines einzelnen bestimmten Körpers zu einer
bestimmten Zeit; Kraft ist ein Ausdruck für die Massenbeschleunigung
einer Klasse von „ Ausschnitte n^' wirklicher Bewegungsvorgänge.
Der Mensch muß „zerschni^en^ und anders wieder zusammenfügen,
um aus dem Beobachtungsmaterial die Kraft zu gewinnen.
42. Bb gibt zwei Arten von Xrftften. Die eine Art bilc^en
die Spannungen oder allgemeinen Druckkräfte zwischen je zwei Volum-
elementen, die sich längs eines Flächenelementes dF berühren. Von dieser
Art wird auch eigentlich die Kraft sein, die die gespannte Feder auf den
angehängten Körper ausübt; denn sie kann die Kraft erfahrungsgemäß
nur ausüben, wenn der Körper irgendwie, etwa durch eine Schnur,
an die Feder befestigt ist: an den BerQhrungsstellen der Schnur mit
der Feder werden wir die Angriffsstellen jener Spannungen suchen.
Oanz anders Schwerkraft und Anziehungskraft der Sonne. Diese
wirken auf die Feme ohne materielle Vermittlung, d. h. zwischen
54 I- Begründung des kinetischen Kraftbegiiffes. Nz. 42.
dem bewegten Körper und den Objekten, die fdr die Bestimmung der
Bewegung von Bedeutung sind (Erde, Sonne), besteht keine bekannte
materielle Verbindung. Auch ist ja klar, daß ein jeder Teil eines
Körpers schwer ist — wir brauchen den Körper ja nur zu zerteilen
und jedes Stück einzeln fallen lassen — und daß die gesamte Schwer-
kraft nach dem Massenadditionsgesetz die Summe der Schwerkräfte
der einzelnen Yolumelemente ist.
Natürlich wird die Masse eines Yolumteils d V mit diesem un-
endlich klein, setzen wir die zugehörige Masse
dm ^ [idV
und nennen wir (i die spezifische Masse, so ist die Schwerkraft
von dV _
dG^figdV.
(iff ^y heißt die spezifische Schwere an der Stelle, gegen die dV
konvergiert. Die ganze Masse ist nach dem Massenadditionsgesetz
m^SfidV,
die ganze Schwerkraft
G '^gm'^ Siigd V- - SdG^.
(Mit S bezeichnen wir stets die Summation über Yolumteile oder
Flächen.)
Wir werden uns also am besten die Schwerkraft als eine an
den Yolumelementen angreifende oder wie wir sagen, räumlich ver-
teilte Kraft vorstellen, im Gegensatz zu den Drucken, die auf
JB^lächen verteilt sind.
Das Analoge gilt für die Anziehungskraft der Sonne; wir werden
später (Nr. 95 und 98) beide, Schwerkraft und Anziehungskraft, als
Spezialfälle einer Kraft, der allgemeinen Gh'avitation kennen lernen.
Der soeben besprochene Unterschied teilt alle Kräfte in zwei
Gruppen:
1. räumlich verteilte Kräfte (auch Yolumskräfte genannt):
dk=^xdV, wo X eine spezifische räumlich verteilte Kraft heißte
Diese Kräfte sind zugleich stets FemkriLfte, d. h. die Bestimmungs-
stücke, welche das Yorhandensein einer solchen Kraft erkennen lassen,
liegen außer in dem betrachteten Punkte, gegen den dV konvergiert,
stets auch noch in endlicher Entfernung von demselben. Hierher
gehören die Schwerkraft, die sogenannten molekularen Kräfte, welche
die Erscheinungen der Adhäsion und Kohäsion bedingen, femer die
elektrischen und magnetischen Kräfte.
2. flächenhaft verteilte Kräfte: dk^ ^ 6\ - dF\ das sind aus-
schließlich die Drucke, Spannungen, welche zwei an dF benachbarte
Yolumelemente aufeinander ausüben. Die Merkmale dieser Kräfte
Nr. 43. § 9. Kraft und Ursache. 55
sind stets in unmittelbarer Umgebung Ton dF zu suchen; zu den
Merkmalen gehört immer der Deformationszustand an der betreffenden
Stelle.
Wir werden sp&ter (Nr. 204) sehen, dafi man fl&chenhaft yerteilte Kr&ffce
immer auf Volnmkrftfte zurückfahren kann, wenn man will; das Umgekehrte
geht nicht immer.
Es ist deshalb kein Fehler, wenn wir Kr&fte als Yolnmkr&fte auffassen,
die sonst neuerdings meist als Spannungen gedacht werden. So stellt man sich
im Gegensatz zu unserer Einreihung elektromagnetische Kr&fte in der
modernen Physik meist als Spannungen vor, allerdings als Spannungen in einem
hypothetischen Medium, dem Äther. Man spricht im Zusammenhang damit auch
von einer Nahewirkungstheorie, indem die elektromagnetische Kraft bedingt sei
durch den Zustand des elektromagnetischen Feldes an der betreffenden Stelle.
Aber dieses elektromagnetische Feld ist seinerseits rein hypothetisch und wieder
durch beobachtbare elektromagnetische Vorgänge an der Materie der ganzen
weiteren Umgebung gegeben. Also ist die elektromagnetische Kraft in unserem
Sinne doch eine Femkraft. Anders unsere mechanischen Spannungen: sie sind
durch die Deformation und andere vorübergehende oder dauernde materielle
Eigenschafben an der betreifenden Stelle gegeben, also durch lauter beobachtbare
Umstände an der Stelle selbst.
Für den Fortgeschrittenen ist es vom mechanischen Gesichtspunkt aus ganz
gleichgültig, wie er eine Kraft auffaßt; für uns aber, die wir Mechanik erst
lernen wollen, ist die scharfe Scheidung der mechanischen Spannungen von
den anderen Kräften anschaulich und begrifflich durchaus notwendig
43. Bto Vrsaolie einer Kraft und einer Bewegung. Wir
haben bis jetzt schon mehrmals von den Merkmalen, Bedingungen
oder Bestimmungsstücken einer Kraft gesprochen. Damit meinen .wir
diejenigen Voraussetzungen, auf Grund deren wir eine bestimmte Kraft
als vorhanden annehmen können. Jedes physikalische Gesetz hat sein
„Wenn''; also auch die Kraft, die ja nichts anderes als ein Massen-
beschleunigungsgesetz ist Ein Gesetz kennen, heißt seine Voraus-
setzungen kennen, denn sonst sind wir yor allen Dingen nie imstande
vorauszusagen und die Wissenschaft anzuwenden.
Für die Schwerkraft lauteten die Bedingungen: Ein Körper Ton
der Masse m wird in der Nähe der Erdoberfläche freigelassen. Be-
dingungen der Schwerkraft sind also: die Masse des Körpers, die
Nähe der Erde, die Freiheit alle Bewegungen auszuführen.
Entsprechend sind die Bedingungen für das Anziehungsgesetz der
Sonne: die Masse des Planeten, die Sonne, die Entfernung r von
der Sonne, die Freiheit die Bewegung auszuführen. Denn wir werden
natürlich jeden Körper einen Planeten nennen, der sich in vergleich-
barer Nähe mit den bekannten sogenannten Planeten frei um die
Sonne bewegen kann. Daß der Körper so groß sei, daß er für uns
sichtbar ist, werden wir wohl nicht verlangen.
Für die Federkraft werden die Bedingungen lauten: die Feder
selbst und die augenblickliche Dehnung x derselben, die Freiheit des
angehängten Körpers, die Scbwingungsbewegung wirklich auszuführen.
56 I- Begründung des kinetischen Erafbbegriffes. Nr. 44.
Für Druckkräfte: sicherlich die Deformationen in der Nähe der Stelle,
wo sie wirken, eyentaeU aber noch andere Erscheinungen und Eigen-
schaften der Materie an der betreffenden Stelle.
Wir wollen nun den Inbegriff aller Merkmale, d. h. Er-
scheinungen und Daten physikalischer, chemischer oder geo-
metrischer Natur an materiellen Objekten, auf Grund deren wir
imstande sind, das Vorhandensein einer Kraft zu behaupten,
die Ursache der Kraft oder auch die Ursache der betreffen-
den Bewegungsklasse nennen. Die Freiheit, die betreffende
Bewegung auszuführen, soll jedoch nicht zu den Ursachen
gerechnet werden, wenn die Kraft bereits durch die anderen
Daten nach OroSe und Richtung bestimmt ist.
Damit werden wir dem Kausalitatsbedürfhis gerecht, das wir un-
abweisbar in uns besitzen. Wir bringen so die studierte Klasse Ton
Bewegungen in gesetzmäßigen Zusammenhang mit anderen Natur-
Yorgängen oder sonst welchen Erscheinungen der erkennbaren Außenwelt
Durch den Schlußsatz unserer Definition, nach dem wir die Frei-
heit nicht mit zu den Ursachen rechnen, haben wir einen wichtigen
Schritt getan: wir haben damit der Kraft eine Existenz gegeben, auch
für den Fall, daß die betreffende Bewegung gar nicht eintreten kann.
Wenn wir also z. B. einen Körper auf einen festen Tisch legen, so
daß er gar nicht fallen kann, wollen wir doch sagen, daß er unter
der Wirkung der Schwerkraft stehe. Was das freilich heißen soll,
können wir erst in der nächsten Nummer sagen. Es genügt jetzt
zu bemerken, daß wir Tom Dasein einer Kraft sprechen können,
weun nur ihre Ursachen yorhanden sind.
Die Kraft selbst aber definieren wir nicht als Ursache der Be-
wegung; denn die Kraft ist ein Gedankending und keine Natur-
erscheinung.
44. Bas sogenannte Parallelogramm der Kräfte. Es
entsteht jetzt von selbst die Frage: was geschieht, wenn gleichzeitig
die Ursachen mehrerer Kräfte auftreten? Fassen wir die Bewegungen,
die durch einen bestimmten Ursachenkomplez yeranlaßt sind, wieder
zu einer Klasse zusammen, so daß sie einer neuen Kraft zugehören,
so lautet die obige Frage auch:
Gegeben seien gleichzeitig mehrere auf einen Punkt
wirkende Kräfte, welcher Kraft werden diese gleichwertig
sein?
Die Antwort auf diese Frage gibt der sogenannte Satz yom
Parallelogramm der Kräfte:
Wirken auf einen Punkt gleichzeitig die Kräfte d\ und dk^,
so ist das dassdbej als ob auf den Punkt die eine Kraft dJi^ + dk^
wirkte,
Kr. 44.
§ 9. Kraft und Ursache.
57
cL h. diejenige Kraft, die nacli Richtung nnd Größe die Ton dem An-
fangspunkte ausgehende Diagonale des aus dk^ und dk^ gebildeten
Parallelogramms darstellt.
Natürlich muß der Satz f&r Drucke und räumlich verteilte Erafke
zunächst noch gesondert ausgesprochen werden: es addieren sich die
an einem Flachenelement angreifenden spezifischen Drucke 6 und die
an einem Volumelement angreifenden spezifischen Raumkrafte x ge-
sondert.
Sind mehrere Kräfte dk^ . . . dk^ da, so sind sie einer Kraft
äquivalent, die gleich ihrer geometrischen Summe ist:
dk — dkl + • — f* ^K •
Geometrisch heißt das: man erhält das resultierende x (resp. i), in-
dem man das Kräftepolygon zeichnet, d. h. von einem Punkte 0
aus die x (resp. S) ungeändert nach Größe und Richtung aneinander
reiht Die Sfa'ecke vom Anfangspunkte 0 bis zum Endpunkte K^
ist dann nach Richtung und Größe die Resultierende (Fig. 17).
Ist die Summe der dk Null, so daß Ruhe oder gleichförmige
Bewegung eintritt, so sagen wir auch: die Kräfke heben sich auf.
Der Satz vom Parallelogramm der Kräfte ist nicht zu ver-
wechseln mit einem andern Satze, den wir in Nr. 51 genauer be-
sprechen werden:
Herben alie Punkte eines Körpers in jedem Augenblick dieselbe
Geschwindigkeit, also auch dieselbe Beschleunigung^ so ist diese, mit der
Masse des Körpers multipliziert, gleich der Summe aller auf den Körper
wirkenden Kräfte: mw = Ä =- Sdk.
Dieser neue Satz ist weiter als der alte, indem er für einen end-
lich ausgedehnten Körper etwas über die Summe aller Kräfte sagt;
er ist enger insofern, als er keineswegs die volle Gleichwertigkeit
aller Kräfte dk mit einer k behauptet.
Dieser zweite Satz löst das Paradoxon der vorigen Nummer:
Wird ein Körper durch feste Stützen in seiner Bewegungsfreiheit
gehindert, so müssen wir die Modifikation eventuell volle Aufhebung
der Bewegung in Druckkräften suchen, welche diese Stützen auf den
Körper ausüben. Diese Kräfte müssen dann, wenn z. B. gar keine
58 I* Begründung des kinetischen Eraftbegriffes. Nr. 46.
Bewegung eintritt, so beschaffen sein, daß die Summe aller Ejrafte
Null ist Tatsäclilicli beobachten wir auch bei nicht zu harten Stützen,
die einen schweren Körper tragen, das Auftreten Ton Deformationen,
welche ja für die Existenz Ton Druckkrofken charakteristisch sind.
Auf der Schule beweist man den Satz Tom EräfteparaUelo-
granm häufig experimentell Aber erstens: man gebraucht dabei so
vielerlei Vorrichtungen: Gewichte, Schnüre, Rollen usw., wobei der
Satz selbst und noch yieles mehr aus der Mechanik bereits voraus-
gesetzt ist, und zweitens: man beweist gar nicht den Parallelogramm-
satz, sondern den vorhin genannten zweiten Satz.
Worauf stützt sich in Wahrheit die Gewißheit unseres
Satzes?
1. Darauf, daß es noch immer gelungen ist, Erafl^esetze zu
finden, die nach dem Parallelogrammsatz vereinigt, in Verbindung
mit den anderen Grundsätzen der Mechanik^ die Bewegungserscheinungen
befriedigend erklären. — Sollte sich aber je ein Widerspruch zeigen,
so würden wir den Satz doch so schnell noch nicht aufgeben, sondern
weit eher andere Sätze, denn
2. unser Satz empfiehlt sich durch seine außerordendliche Ein-
ÜEichheit, Klarheit, ich möchte fast sagen Selbstverständlichkeit
3. Man kann ihn auf Grund gewisser, noch einfacherer und wohl
allgemein zugestandener Axiome beweisen.
Das soll in der nächsten Nummer geschehen, die der Anfänger
überschlagen kann.
Auch historisch tritt der Parallelogrammsatz zuerst durchaus
nicht als Erfahrungssatz auf. Zum erstenmal wird er im 13. Jahr-
hundert von einem unbekannten Autor mit dem später zu besprechen-
den Prinzip der virtuellen Arbeiten bewiesen^), dann von Simon Stevin
(1586) mit dem Hebelgesetz; Beweise nach Art des folgenden gaben
zuerst Daniel Bernouilli (1726), D'Alembert (1766). Ein neuer
sehr schöner Beweis stammt von Darboux, ein anderer von Siacci.
45. Beweis des ParallelogramxiiBatseB auf Omnd ge-
iRTiflser einfikOher Axiome. Es sei die noch unbekannte Zusammen-
setzung mehrerer Kräfte %^ . . . %^ durch
(»1, As,, . . ., k^)
bezeichnet.
Dann wollen wir verlangen:
1. Es sei (%!, Äg) ein eindeutig bestimmter mit h^ und k^ stetig
variierender und nach den Koordinaten derselben stetig differentiier-
barer Vektor. (Eindeutigkeit ist nach der vorigen Nummer selbst-
verständlich; Stetigkeit und Differentiierbarkeit verlangen wir von
allen in der Physik vorkommenden Funktionen).
1) Zitiert nach Duhem: Lee Originep de la Statique.
Nr. 46. § 9. Kraft und Unache. 59
2. Wenn (k^, k^) ==k ist^ so ist
(xk^y xk^) = xk (für a? > 0).
{Natürlich^ denn es kann das Resultat doch unmöglich von dem Maß-
stab abhängen, in dem wir k messen.)^)
3. (kf 0) — £ und (0, k) ^k. (Das ist nichts anderes als die
Aussage, daß ein Ursachenkomplex eindeutig eine Kraft bestimmt.)
Beweis: Seien die rechtwinkligen Komponenten yon k mit X,
Yy Z bezeichnet^ so ist nach 1.
X^fiX,, Fl, 2r,; Z,, r„ Z,) usw.
eine eindeutige, stetig differentiierbare Funktion der eingeschlossenen
Yariabeln.
Nach 2. aber ist
xX ^== f(xJ[^f xYij xZ^\ ^X^y ^^2, xZ^,
Ans dem Mittelwertsatze der Differentialrechnung folgt aber
xX^xX^f^(^xX^, ^xT^, »xZ^] »xX^, »xY^, ^xZ^
+ xY,f^ + xZJ,^ + xX,f^ + xY,f^ + xZ,f^,
wenn f^ die Ableitung nach dem ersten Argument usw. bedeutet,
S' eine Zahl zwischen 0 und 1.
Also ist auch
X ■- 3^ fgAp'X X^ , d'x y^ ,•••) + •• •
Oehen wir damit zur Grenze x = 0 über, so bekommen wir
z=z,/;/o,o,o., o,o,o) + ---
wo a^ . . . (^ Konstante sind.
Nun soll aber nach 3. für Z, — Tj — Z, = 0 Z = Z^ sein,
somit muß a^ "- 1, 6^ = c, » 0 sein. Ebenso folgt
öj =« 1, ft, « 0, c^ « 0
und
X^X, + X^.
Genau so folgt
Y^Y^+Y^ und Z=Z; + Z„
K ~-" Kl ^p Ka y
w. z« b. w.
Der schöne, aber etwas schwierigere Beweis von Daiboux benutzt im
wesentlichen nur die in der Einleitung (Nr. 8) genannten allgemeinen Prinzipien,
doch nicht die Differentierbarkeit and nicht unsere Annahme 2. Siehe auch des
Verfassers Note: „Ober die Zusammensetzang von Vektoren/^ Ztschr. f. Math,
a. Phys. 1908, Bd. 149.
1) Diese Voraussetzung benutzt auch Siacci.
60 I- Begründung dea kinetisclien EraftbegriffeB. Nr. 46.
46. Über die Zerlegung der Kräfte. Bin Dynamometer.
In der Natur werden tatsachlich stets mehrere Kräfte gleichzeitig auf
einen Punkt wirken. Bei allen irdischen Objekten entgehen wir ja nicht
der Schwerkraft; die Anziehungskraft der Sonne wird auf alle im
Bereiche des Planetensystems vorhandenen Körper wirken^ und endlich
sind alle irdischen Objekte von anderen umgeben, zum mindesten von
der Luft, und werden also von diesen Drucke erfahren. Somit muß
dem Studium einer Kraft immer eine Zerlegung des ganzen Kraft-
komplexes vorhergehen, und selbstverständlich werden wir dieser Zer-
legung das Gesetz vom Parallelogramm der Kräfte zugrunde legen.
Diese Zerlegung des ganzen Kraftkomplezes ist nun
nichts anderes, als das, was wir früher „zerschneiden^ oder
„das Wesentliche aus einer Bewegungserscheinung heraus-
greifen^' nannten.
Außer der einen Kraft, die wir studieren wollten, waren stets
noch andere Kräfte da^ die wir „wegschneiden'^ mußten: beim Fall-
gesetz der Druck der Luft, den wir auch Luftwiderstand nennen,
beim Planetenproblem die Anziehung der anderen Himmelskörper,
denn wir werden aus Analogie schließen, daß die Planeten aufeinander
ähnliche KriLfte ausüben, wie die Sonne auf die Planeten, wofür wir
in den Monden eine Anzeige haben, welche um die zugehörigen
Planeten in erster Annäherung ebenfalls Keplersche Bewegungen aus-
führen. (Siehe Aufgabe 24.)
Als Beispiel zu dem zweiten in Nr. 44 genannten Satze wollen
wir ausrechnen, welches die eigentliche Federkraft ist: X, denn tair
sächlich (d. h. abgesehen von allen schon früher genannten Idealisierungen)
beobachtet haben wir die gemeinsame Wirkung der Erdschwere und
der Federkraft.
Wir schreiben also an:
mx « X — mg,
indem wir x nach oben positiv zählen. Daraus folgt, wenn wir nach
der idealisierten Beobachtung
rc = a sin (x^ -f- b)
setzen, daß
mithin
wo
X ^ — x'x = ,
X =- mg — my?x = mg — Aa; — -— >Ly,
G
ist. Als reine Federkraft erhalten wir also eine Kraft, die genau dem
früher ausgesprochenen Oesetze gehorcht, nur daß die Ruhelage nicht
durch a: =- 0, sondern durch y = 0, d. h. rr = y- gegeben ist.
Nr. 47. § 9. Kraft und Ursache. 61
Damit aber haben wir eine neue Erkenntnis gewonnen: Hängen
wir an eine Feder ein Gewicht G nnd lassen wir jetzt Ruhe eintreten,
80 ist die dabei erfolgte Ausdehnung der Feder
G
oder
G^Xx.
Das ist die eigentliche Form des Gesetzes, wie es yon Hooke
ausgesprochen worden ist:
ut tensio, sie Tis:
J)(is Gewicht ist hei ruhender Feder der Ausdehnung der Feder pro-
portional.
Dieses statische Gesetz ist auch yiel genauer als das kinetische
Gesetz. Bei einigermaßen gutem Material gilt es recht befriedigend,
so daß man eine solche Feder als Wage zur Bestimmung von 6,
oder aber, da G durch eine andere Kraft ersetzt werden kann, als
Dynamometer, d. h. als Meßapparat f[ir statische Kräfte verwenden
kann.
Will man den Apparat genauer konstruieren, so setzt man an
Q-fix)
und bestimmt diese noch unbekannte, aber Ton Ix nur wenig ab-
weichende Funktion empirisch, d. h. man eicht das Dynamometer.
Die anderen störenden Kräfte bei der schwingenden Feder be-
stehen einmal ebenfalls im Luftwiderstand, dann aber vor allem dann,
daß bei Bewegung die ganze Federkraft — ly nicht an den an-
gehängten Körper mittels Spannungen an der Berührungsstelle über-
tragen, sondern teilweise dazu yerwandt wird, die eigenen Massen der
Feder zu beschleunigen und gewisse innere Widerstönde zu überwinden.
47. BftB erste (ITewtoneolie) Onindgesets der Mechanik.
Aus der Entwicklung des Kraftbegriffes ging hervor, daß die Massen-
beschleunigung eines Körpers, der wesentlich nur eine Translations-
bewegung ausführt, gleich war der auf ihn wirkenden Kraft.
Mit Rücksicht darauf, daß die verschiedenen Punkte eines Körpers
sehr verschiedene Bewegung haben können, daß es femer räumlich
verteilte Kräfte xdV und an Flächen angreifende Kräfte ödF gibt,
und mit Bücksicht auf das Parallelogramm der Kräfte werden wir
nunmehr dem Grundgesetze der Mechanik die folgende Fassung geben:
Wir betrachten ein Yolumenelement z/F mit der
Masse ^m, das einen Punkt X umgibt, dessen augenblick-
liche Beschleunigung td sei. xz/F sei die Summe der an
dem Yolumenelement angreifenden räumlich verteilten
Kräfte, ö^dF der an einem Element der Oberfläche mit der
äußeren Normalen v angreifende Druck. Dann ist
62 I- Begründung des kinetischen Kraftbegriffes. Nr. 47»
wo JTc^üJV+^c^dF
1
und die Snmination S sich auf die Oberflächenelemente von
dV erstreckt.
Dies alles ist in der Grenze gemeint^ d. h. dividieren wir durch
/iV durchy so lautet das Gesetz
^«7 = x + Hm ~^a^dF,
/i » limes-^ = ^ bedeutet dabei die spezifische Masse (siehe auch
Nr. 42).
Dieses fundamentale Grundgesetz enthält die beiden ersten
Newtonsclien Grundgesetze:
1. Das sogenannte Trägheitsgesetz: wirkt auf einen Punkt
gar keine Kraft, so ist ü; » 0, d. h. der Punkt bewegt sich in gerad-
liniger Bahn mit gleichförmiger Geschwindigkeit.
2. Wirkt auf einen Punkt (genauer auf das ihn umgebende
Massenelement) eine Kraft dh, so erfolgt eine Massengeschwindigkeits-
änderang d{dmv) = dmid • dt, welche dieselbe Richtung wie die Kraft
hat und der Kraft direkt proportional ist.
3. Das Gesetz vom Parallelogramm der Kräfte in etwas weiterer
Fassxmg: die resultierende Kraft dk ist gleich der geometrischen
Summe aus den räumlich verteilten Kräften xdV und den an der
Oberfläche Ton dV angreifenden Spannungen a^dF,
Neben seine beiden ersten Gesetze stellt Newton noch als drittes
Gesetz (lex tertia):
Das Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegen*
Wirkung, das wir jedoch nur in der folgenden speziellen Form all-
gemein brauchen und nur vorläufig als Axiom aussprechen, später
aus unserem obigen Fundamentalgesetz beweisen werden (Nr. 204):
Die beiden zu einem Flächenelement gehörenden spezi-
fischen Drucke sind einander entgegengesetzt gleich:
^r = — *-r-
Unser Grundgesetz hat eine doppelte Bedeutung:
1. eine phoronomische: Eine Klasse von Bewegungserschei-
nungen untersuchen heißt, eine Reihe von Krafbgrößen dk^y . . .,dk^
finden nebst ihren Ursachen, der Art, daß für jede wirklich beobachtete
Beschleunigung w eines Punktes des Systems
n
1 _ 'XTr - I
:t— dmtp — > dk^ < s,
dm j^ •' I ^ '
Nr. 48. § 10. Zusammenfassimg der Beaultste des ersten Kapitels. 63
wo s innerhalb der Grenze der Beobachtunirsfehler von w und -3—
hegt.
Wir werden sagen, daß wir ans einer Bewegnngsklasse einen
^^wesentlichen'' Bestandtteil herausgeschnitten haben, wenn es uns
gelungen ist, ein dk nebst seinen Ursachen wirklich festzustellen und
wir die begründete Erwartung haben, es werde gelingen, die anderen
dh nebst ihren Ursachen so zu finden, daS die Toranstehende Un-
gleichheit erfüllt ist.
2. eine kinetische: die Bewegung eines Punktes zu berechnen,
wenn wir die Erafbe dk kennen. Darin ist speziell die statische
enthalten: zu untersuchen, wann Gleichgewicht herrscht, d. h. wann
ein Körper in Ruhe bleibt.
Notwendig ist dazu^ daß für jeden Punkt
dk^O
sei. Das ist auch hinreichend, da aus dk ^0
d.h.
v «=- c
und
folgt, und (da zu einer Zeit Buhe war, also c » 0 ist) auch wirklich
Ruhe bleibt, nämlich dauernd
r ^Tq.
§ 10. Axiomatiselie Zusammenfassung der Resultate des ersten
Kapitels. Maßsysteme.
48. Ble Aziomgruppeu I bis V der Meohanik. Aus dem
bisher Besprochenen bringen wir jetzt das, worauf wir uns im
folgenden in unseren Schlüssen stets berufen werden, in eine präzise
Form. Dabei kommt es darauf an, die Beziehung der Begriffe auf-
einander darzustellen, nicht darauf, zu sagen, was diese Begriffe eigent-
lich sind. Das kann reine Logik gar nicht. Nur Anschauung und
Erfahrung können zusammen mit gewissen allgemeinen Grundsätzen
des menschlichen Denkens das Begriffsschema ausfüllen, so wie es in
den bisherigen Paragraphen geschehen ist und noch weiter ge-
schehen soll
Axiomgruppe I. In bezug auf einen absolut-ruhenden Raum
und eine absolute Zeit t untersuchen wir Bewegungen, d. h. wir
ordnen allen Punkten des Raumes zur Zeit t^ umkehrbar eindeutig
alle Punkte des Raumes zu irgendeiner Zeit t zu und sagen dann, es
haben sich die Punkte in der Zeit ^ bis t aus der ersten Lage in
die zweite bewegt. Unter allen solchen denkbar möglichen Zu-
64 I- Begründung de8 kinetischen Kraftbegriffes. Nr. 48.
Ordnungen gibt es eine ansgezeiclinete, wir nennen sie die materielle
Bewegung, Ton der wir sagen, daß sich ein und derselbe materielle
Punkt Ton X^ nach X bewegt habe, ^wenn dem Punkte X^ zur Zeit t^
der Punkt X zur Zeit t zugeordnet ist.
Daß rückwärts zu X eindeutig der Punkt X^ gehöre, besagt,
daß die Materie undurchdringlich ist: es können nicht zwei ver-
schiedene Punkte an dieselbe Stelle X kommen.
Wir setzen die Bewegung im Prinzip als stetig und beliebig oft
stetig differentiierbar voraus, wie alle physikalischen Gesetze.
Aziomgruppe II. Die Masse. Bewegt sich ein mecha-
nisches System (ein Körper, d. i. eine stetig zusammenhängende
dreidimensionale Menge von materiellen Punkten, die wir nach Be-
lieben aus der uns umgebenden Natur herausgreifen können), so
kommt ihm beständig ein und dieselbe, von der Zeit unabhängige
positive Zahl, seine Masse m zu.
Besteht ein Volumen aus den Teilen Fj und F, mit den Massen
ftij und m,, so hat F selbst die Masse m^ + m,.
heißt die spezifische Masse des Punktes, gegen den dV konvergiert;
t) = lim j— = -
am n
heißt das spezifische Volumen. Aus dm^fidV folgt:
m -^ fiidV.
II ist immer endlich und nie gleich Null, wenn wir auch manch-
mal, um eine Aufgabe zu vereinfachen, an einigen Stellen fi = 0 setzen.
Axiomgruppe III. Die Spannungen. Zwei Volumelemente
dV^ und dV^, die sich längs des Flächenelementes dF berühren,
üben an dF „Spannungen'^ oder „Drucke im allgemeinen Sinne''
aufeinander aus, d. h. uuendlich kleine Vektoren ö^dFy 0^dF, welche
dV^ resp. dV^ zugeordnet sind oder, wie wir auch sagen, an diesen
angreifen.
Vorläufig nehmen wir noch als Axiom das Gesetz der
Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung an:
tfj =» — tfj.
Diese Spannungen hängen stets nur von Daten oder physikalischen
Vorgängen ab, die sich in unmittelbarer (differentialer) Nähe von dF
abspielen, mathematisch gesprochen von Eonstanten und Variabein,
die dem Punkte X zugeordnet sind, gegen den dF konvei^ert, von
der Richtung des Flächenelementes dF und von den Differential-
quotienten der Variabein nach Ort und Zeit. Unter diesen so-
genannten „Ursachen'' der Spannungen kommen stets die Deforma-
Kr. 49. § 10. Zusammenfassung der Resultate des ersten Kapitels. 65
tionen vor, d. h. die Gestaltsyeränderungen in der unmittelbaren Um-
gebung des Punktes X gegen einen gewissen Normalzustand oder
gegen die Torbergegangenen Zustande.
Betrachten wir ein bestimmtes materielles System^ d. h. ein
bestimmtes materielles Volumen V, so nennen wir die Spannungen
innere Spannungen, wenn sie Fläcbenelementen im Innern von V
zugeordnet sind.
Wir nennen die 6dF auch Krafte: dk,
Axiomgruppe lY. Außer den Spannungen können an einem
Volumelement dV auch noch andere ^^Eräfte'^ angreifen^ d. h. es
können dV unendlich kleine Vektoren
dk^xdV
zugeordnet sein.
Die X sind Funktionen gewisser konstanter oder yariabeler Größen,
die wir als Ursachen der Kraft dk bezeichnen.
Im Gegensatz zu den Spannungen nennen wir die xdV ^räum-
lich verteilte Kräfte".
Im Gegensatz zu den inneren Spannungen eines Systems nennen
wir alle anderen Kräfte auch äußere Kräfte.
Axiomgruppe V. Das Newtonsche Grundgesetz und das
_ d*r
Gesetz vom Parallelogramm der Kräfte: Es ist, wenn w » -^
die Beschleunigung eines materiellen Punktes bedeutet^
dmtö — dky
wo
dk~dr[2^ + hm -\^6^dF]
JVz=0
Dabei bezieht sich die Summation 27 ftuf die an einem Volumelement d V
angreifenden Kräfte, die Summation g auf die Oberfläche yon dV,
V bedeutet die äußere Normale yon dF, ö^dF also die Spannung,
die von außen auf das Oberflächenelement dF des Yolumelementes z/ V
ausgeübt wird.
49. Das physlkaliflohe und das teohnlaohe ICaBsystem.
Um alle genannten Größen durch Zahlen darstellen zu können, bedarf
es noch der Festsetzung der Maßeinheiten.
Von den Grundbegriffen Kraft, Masse, Ort, Zeit sind drei un-
abhängig, da eine Relation, nämlich das Newtonsche Gesetz besteht,
das für die Dimensionen die Beziehung gibt:
Das in der wissenschaftlichen Welt übliche System ist das
physikalische, auch c. g. s.-System oder Gaußsches System genannt.
Hamel; Elementare Mechanik. 5
66 U- ^0 BOgenannte Pnnktmechanik. Nr. 60.
Als Längeneinheit gilt das Zentimeter, als Zeiteinheit die Sekunde,
als Masseneinheit theoretisch das Gramni; d. h. die Masse eines Kubik-
zentimeters chemisch reinen Wassers bei 4^ C und 760 mm Barometer-
stand, praktisch ein in Paris aufbewahrtes Platinkilogramm » 1000 g.
Die Erafteinheit ist dann gegeben, es ist diejenige Krafb, die der Masse
eines Grammes die Beschleunigung von 1 cm in der Sekunde erteilt.
Man nennt diese Erafteinheit das Dyn.
Neben dem physikalischen Maßsystem hält sich aber noch das
sogenannte technische Maßsystem, es ist namentlich in der Technik
noch ganz vorherrschend. Es hat den Nachteil, ein spezielles Kraft-
gesetz zur Grundlage zu haben, nämlich das Gesetz der Schwere, also
ein empirisches Moment hineinzutragen.
Im technischen Maßsystem bleibt die Sekunde Zeiteinheit, Längen-
einheit ist das Meter. Als Erafteinheit wird die Schwerkraft eines
Kilogramms definiert, und da das ein wenig unbestimmt ist, muß
man hinzufügen, dort gemessen, wo gerade jjf » 9,81 m/Sek. ist.
Dann ist die Masseneinheit bestimmt, es ist die Masse, welche
durch die Eraft eines Eilogramms die Beschleunigung eines Meters
pro Sekunde erfährt.
Bedenkt man, daß 1 kg Gewicht seiner eigenen Masse die Be-
schleunigung 9,81 m/Sek. erteilt, also einer 9,81 mal so großen Masse
die Beschleunigung eines Meters, so sieht man, daß die Einheit des
technischen Massenmaßes die Masse Ton 9,81 kg ist. Oder
man erhalt im technischen Maßsystem die Masse ^ wenn man das
Gewicht des Körpers durch 9,81 dividiert.
Wie yerhält sich nun die Schwerkraft eines Eilogramms zu
einem Dyn?
Ein Eilpgramm Schwerkraft erteilt seiner eigenen Masse Yon
1000 g eine Beschleunigung yon 981 cm/Sek.
^80 ist j ^^ Schwerkraft ^ 981000 Dyn.
Wir werden im folgenden das technische Maßsystem beyorzugen.
Eapitel IL
Die sogenauiite Punktmechanik.
BO. Allgemeine Bemerkung Aber den Punkt als Objekt
der Mechanik. Wenn wir im folgenden von der Bewegung eines
einzelnen Punktes sprechen, so meinen wir damit, daß entweder ein
Eörper eine reine Translationsbewegung (ParaUelbewegung) ausführt
und daß also alle seine Punkte dieselbe Geschwindigkeit und Be-
schleunigung besitzen, oder aber wir meinen damit, daß es uns genügt^
Nr. 61.
§11. Der Schwerpunktsatz.
67
einen ganz bestimmten Punkt des Körpers, seinen Massenmittelpunkt,
auch Schwerpunkt genannt, in seiner Bewegung zu verfolgen.
Wenn wir sagen, ein Körper sei klein und wir könnten ihn
deshalb als einen Punkt auffassen, so ist damit gemeint, daß wir
die Entfernungen seiner Punkte von anderen Punkten mit derjenigen
des Massenmittelpunktes identifizieren können und natürlich dann
Fehler von der Größenordnung des Verhältnisses der gleich Null
gesetzten Strecken zu den anderen Strecken zu erwarten haben.
§ 11. Der Sehwerpnnktsatz.
61. Beweis des Sohwerpanktsatses mit Beuutsnng der
lex tertia. Haben wir irgendein beliebiges System und teilen wir
dasselbe in lauter Yolumelemente dV, so besteht für jedes Yolam-
element die Orundgleichung
«
wdm^xdr+^ö^dF.
Addieren wir nun diese sämtlichen Gleichungen, so bekommen wir
Die Doppelsumme rechts erstreckt sich über alle Flächen, welche
den Körper in Volumelemente einteilen^),
und über die Oberfläche des Körpers. Die
Flächenelemente im Innern kommen dabei
doppelt vor, da sie zu zwei dV gehören,
es kommt also sowohl ö^dF als auch ö_^dF
Deshalb heben sich die Glieder der
vor.
Doppelsumme rechts gegenseitig auf bis auf
die Glieder der Oberfläche, und somit bleibt
^dmw^^^dV + ^ädF,
Fig. 18.
wo die letzte Summe jetzt nur mehr über die Oberfläche zu er-
strecken ist.
Nun definieren wir einen Punkt X* (sprich X-Stern) mit dem
Vektor r*, den sogenannten Massenmittelpunkt, indem wir setzen
mr
if*
= Srf
mr.
(m bedeutet die ganze Masse: m » S^^O
1) Für einen exakten Grenzübergang liegt in diesem Begriff eine gewisse
Schwierigkeit; wir werden deshalb später (Nr. 206) einen anderen Beweis des
Schwerpunktsatzes bringen.
68 n. Die BOgenannte Panktmechanik. Ni. 62.
Da dm eine dem Volumelement eigentümliche Zahl ist, sich also
mit der Zeit nicht ändert^ so ist
S dmw ^jp^dmf'^m -^ = w^m .
Setzen wir das in unsere Gleichung ein, so erhalten wir
mw* = ^xdV+^0^dF.
Die Masse, multipliziert mit der Beschleunigung des Massen-
mittdpunktes irgend eines Systems ist gleich der Summe dller räumlich
verteilten Kräfte^ vermehrt um die Summe aJler an der Oberfläche des
Systems angreifenden Spannungen^ oder aber ist gleich der Summe
eiler Kräfte, mit Ausnahme der im Innern vorhandenen Spannungen.
Diesen Satz nennt man den Schwerpunktsatz, indem man den
Massenmittelpunkt mit dem später zu definierenden Schwer-
punkt yerwechselty was meist erlaubt ist. *
Für die Statik folgt daraus als notwendige Oleichgewichts-
bedingung:
Es muß die Summe der äußeren Kräfte verschwinden.
Bei sehr vielen Problemen genügt über die Bewegung die Aus-
kunfty die uns der Schwerpunktsatz gibt. Sicher immer dann, wenn
wir wissen, daB der Körper eine Translationsbewegung ausführt, oder
uns nur eine mittlere Bewegung interessiert. Es ist dann so, als
hätten ^ir statt des ganzen Systems nur diesen Punkt mit der end-
lichen Masse m, und griffen an ihm alle äußeren Kräfte an, wie
wir kurz sagen wollen, um alle anderen Kräfte im Gegensatz zu den
inueren Spannungen zu bezeichnen.
Wenn also im folgenden kurz yon der Bewegung eines Punkts
die Rede ist, so soll damit stets der Massenmittelpunkt eines Systems
gemeint sein.
62. EUltse Aber die Lage des IIEasseumittelpiinkteB.
1. Die Definition des Massenmittelpunktes hängt nicht von der
Wahl des Anfangspunktes 0 der Koordinaten ab.
Denn wählen wir einen anderen Punkt 0', sodaB 00' = e ,
xmd O'X == s f so ist
r = e + s
und r* == =^- — =• « + « c + s*.
m m
2. Fällt der Punkt 0 mit dem Massenmittelpunkt zusammen, so ist
^fdm = 0.
Denn es ist f*^ 0.
Kr. 52. § 11. Der Schwerpunktsatz. 69
3. In Parallelkoordinaten x, y, 0 heißen die Definitionsformeln
^dmx
x* =
m
m
^ ^dmg
m
4. Besitzt der Körper eine Symmetrieebene der Massenvertei-
Inngy so liegt der Massenmittelpunkt in dieser Ebene.
Sei o; » 0 diese Ebene, so entspricht jedem dm mit positivem x
ein gleiches dm mit negativem x. Also ist
^dmx = 0,
da sich alle Glieder paarweise fortheben und somit auch
5. Teilt man den Körper in zwei Teile K^ und K^ mit den
Massen m^ und m^ und den Massenmittelpunkten S^{r*^ und S^{r*2)f
so ist der Massenmittelpunkt des ganzen Systems
m^ + wi, '
d. h. er berechnet sich sO; als ob er der Massenmittelpunkt der beiden
Punkte 8^ und 8^ mit den Massen m^ und m, wäre.
Denn es ist
^dmr + ^dmr
•(•* ^_
1 2
wo S ^^^ Summation über den ersten Teil bedeutet; § die über den
1 8
zweiten.
Daraus folgt dann in Verbindung mit Satz 4 weiter, daß der
gemeinsame Massenmittelpunkt auf der Verbindungslinie der beiden
Punkte S^ und 8^ liegt, und diese Strecke im umgekehrten Verhält-
nis der Massen teilt.
Denn machen wir die Verbindungslinie zur y-Achse und den
Massenmittelpunkt zum Anfangspunkt, so folgt
d. h. yi ' y« == — ^^2 ' ^1 •
6. Analog gilt, wenn man den Körper als DifiFerenz der beiden
Körper K^ und K^ auffassen kann,
Iflj — fWj
70
II. Die sogenannte Ponktmechanik.
Nr. 52.
7. Der Massenmittelpunkt liegt ganz innerhalb des kleinsten,
nirgends konkaven Körpers, der den gegebenen Körper einschlieBt.
Ist also der Körper selbst nirgends konkav, so liegt der Massen-
mittelpunkt sicher innerhalb des Körpers.
Beweis. Sei x^ der algebraisch
größte, x^ der kleinste Wert der Koordi-
nate X für alle Körperpunkte, so haben die
Ebenen, die in den Punkten x,, und x„
^ senkrecht zur o:- Achse stehen, Punkte mit
dem Körper gemein, schließen ihn aber
sonst ganz ein. Nennen wir sie die Stütz-
ebenen, die zur Richtung x zugehören.
^»- lö- Nun ist, da dm ^ 0,
mx* = S^»wa;<x^Sdm = x^m,
d. h. x^'^x^ <. x^.
Es liegt also der Massenmittelpunkt in dem durch die beiden paral-
lelen Stützebenen ausgeschnittenen Baumteil.
Das gilt für jede Richtung.
Es liegt also der Massenmittelpunkt in dem Körper JT, der von sämt-
lichen Stützebenenpaaren des gegebenen Körpers K ausgeschnitten wird.
K' schließt sicherlich K ganz in sich. Auch ist K' nirgends
konkav. Denn sein Umfang ist die Einhüllende der Stützflächen von
Ky diese sind also auch die Tangential-
ebenen von K' und lassen doch nach De-
finition K' ganz auf einer Seite. Ein
Körper aber, dessen Tangentialebenen ihn
ganz auf einer Seite lassen, ist nirgends
konkav. K' ist aber auch der kleinste,
nirgends konkave Körper, der K ganz ein-
schließt. Denn gäbe es einen kleineren K*'
und wäre A ein Punkt seines Umfanges,
so läge K", also auch K ganz auf einer
Seite der Tangentialebene in A, der Streifen,
der zwischen dieser Tangente und der einen parallelen von K' wäre
von K frei, dann könnte aber die Tangente von K' unmöglich Stütz-
ebene von K sein.
Damit ist der Satz bewiesen.
8. Für einen starren Körper ist der Massenmittelpunkt ein im
Körper fester Punkt. Denn nehmen wir ein im Körper festes Ko-
ordinatensystem Qxj y, 0, so ist
:r* = S?^'^ etc.
m
Fig. so.
Nr. 68.
§11. Der SchwerpQDktsatz.
71
Bei einer Bewegung bleiben aber nicht nur dm, sondern auch die
a;, y, z alle fest, mithin auch x^, y*, z*j w. z. b. w.
Dieser Satz gilt aber sonst keineswegs, wie man leicht einsieht.
63. Berechnnng einiger Masflenmittelpunkte. Es sollen
nur einige häufig vorkommende Beispiele berechnet werden. Weitere
Formeln findet der Leser in der „Hütte".
Wir werden im folgenden die spezifische Masse /i als konstant,
d. h. den Körper als homogen annehmen, es fällt dann (i aus den
Formeln heraus.
1. Die dreieckige Platte. Wir teilen die Platte in unend-
lich schmale Streifen parallel zu einer Seite. Für einen jeden solchen
Streifen liegt dann nach dem Sjmmetriesatz der Massenmittelpunkt
in der Mitte, also liegt nach Satz 5 der resultierende Massenmittel-
punkt auf der Mittellinie. Das gilt für jede Dreiecksseite. Also ist
der Massenmittelpunkt mit dem Schnittpunkt der Mittellinien identisch
und hat von jeder Seite einen Abstand gleich — der entsprechenden Höhe.
3
Jl
-r-
h
I
i
Jng.il.
a
Flg. 8S.
2. Das Trapez. Sicherlich liegt nach analogen Schlüssen der
Massenmittelpunkt auf der Verbindungslinie der Mitten der beiden
parallelen Seiten. Um den Abstand x von einer Seite (a) zu be-
kommen, teilen wir das Trapez in unendlich dünne Streifen parallel
zu a ein und erhalten ^
jx* «= iyxdx
wo y die Länge des Streifens ist.
Es ist aber y sicherlich eine ganze lineare Funktion von Xy da
Xy y als Koordinaten einer Geraden in einem schiefwinkligen Achsen-
sjstem angesehen werden können, also
und da y = a für o: — 0 und y = 6 für x^h ist, so folgt
& — a
72
n. Die sogenannte Punktmeohanik.
Nr. 68.
setzt man das in obige Formel ein und rechnet aus, so bekommt man
8 a-\- 0
Ebenso berechnet sich der Abstand Ton der Seite b zu
woraas folgt
'^ 8 * a + 6 '
;^:^_(6 + |):(a + |),
was folgende geometrische Konstruktion des Massenmittelpunktes
ergibt:
M.J der Schnittpunkt von J?JP mit der Mittellinie GH ist der
gesuchte Massenmittelpunkt.
Häufig braucht man nur die Gerade durch den Massenmittel-
punkt, welche den parallelen Seiten parallel ist und vor allem ein
-^£^
D
IH
"K
IG
Fig. 88.
B
JEL
Urteil darüber, wie weit sie von der Halbierenden der nichtparallelen
Seiten entfernt ist.
Sei dieser Abstand £, so ist
Fig. 24.
2
ha — b ^ h
6 a + b -^ 6
Daraus folgt die Proportion
h
'-'-2
a — b a+ &
6 •■ 2
woraus sich folgende Konstruktion ergibt:
Man ziehe HE parallel AG und mache
^^'=:^^=|(^'-*)--
a — h
6
^ Wenn E'G' [EG, so geht die gesuchte Gerade
^' durch 6r' hindurch.
3. Wir können natürlich ebenso wie von
räumlich ausgedehnten Körpern auch von Kurven-
stücken Massenmittelpunkte bestimmen. So z. B. von einem Kreis-
bogenstück AB,
Nr. 63.
§11. Der Schwerpunktsatz.
73
Der zugehörige Radius sei r, der Zentriwinkel a. Nach dem
Symmetriesatz liegt der Massenmittelpunkt auf der Winkelhalbieren-
den Ox des Zentriwinkels.
Teilen wir den Bogen in unendlich ^
kleine Stücke rdd", so ist
a
T
rax
*
f
xrdd'
y
a
/'
r* cos d'dd' =■ 2r* sin
a
T
somit X* ^r
2 Bin-rr
2
a
Fig. So.
4. Für einen vollen Kreissektor folgt daraus^ wenn man ihn
in unendlich schmale Sektoren teilt und nach Beispiel 1 hinzunimmt^
daß für einen solchen unendlich schmalen Sektor der Massenmittel-
2
punkt auf — des Radius liegen muB; daß
8
a
sin-—
x^^r —
3 tt
ist.
Für den Halbkreis {a » jc) folgt speziell
5. Um die Massenmittelpunktskoordinate x* des Kreissegments
za berechnen^ fassen wir dieses als Differenz des Kreissektors und
des Dreiecks auf und erhalten nach Satz 6 der vorigen Nummer und
nach den Beispielen 1 und 4 dieser Nummer
oder
jj*
r»a 4 ^'°T 1 , . 2 «
__ . - - r r' Bin a — - r cos -r-
2 3 (X 2 3 2
— r*(a — sin a)
2 ^
** = 4
8in'-r-
3 a — Bin oc
6. Der Kegel. Wir suchen den Abstand xf^ des Massenmittel-
punkts von der Spitze 0 aus senkrecht zur Basis F. Die Höhe sei h.
74 U. Die sogenannte Ponktmechanik. Nr. 54.
Wir teilen den Eegel durch parallele Ebenen zur Basis in paral-
lele Schichten der Dicke dx. Die Fläche einer solchen Schicht ist
dann nach bekannten Ahnlichkeitssätzen -^i^- Also ist
d. h. :r* = — A .
4
Der Massenmittelpunkt liegt um ein Viertel der Höhe von der
Basis entfernt.
Historisch sei bemerkt, daB sich schon die Alten, besonders aber
Archimedes sehr 7iel mit der Bestimmung von Massenmittelpunkten
beschäftigt *und dabei die ersten Spuren der Integralrechnung entdeckt
haben.
Aufgabe 28: Man beweise die Quldinsche Regel: Wenn ein ebenes
Kurvenstück der Länge 8 um eine in derselben Ebene gelegene Gerade rotiert,
80 ist der Inhalt des durch das KurvenstOck erzeugten Ringes einer Rotationsfläche
wo of den Abstand des Massenmittelpunktes des Kurvenstückes von der Geraden
bedeutet.
§ 12. Normaldrnck und Haftreibung gegen Gleiten.
64. Feste und starre Körper. Es gibt; wie die tägliche Er-
fahrung lehrt; in der Natur Körper, welche die Eigenschaft haben,
daß ihre äestaltsänderungen innerhalb einer festen kleinen Grenze
bleiben, wenn nur die äußeren Kräfte eine gewisse Größe nicht über-
schreiten. Man nennt solche Körper feste Körper. Die Festigkeit
kann so groß sein, daß bei genügend beschränkter Beanspruchung
durch äußere Kräfte die Gestali^änderuugen fast oder ganz unmerklich
sind. Mau wird so dazu geführt, gewisse idealisierte Körper zu be-
trachten, die sogenannten starren Körper, die kinematisch dadurch
definiert sind, daß sie ihre Gestalt überhaupt nicht ändern, also, ob
sie sich nun bewegen oder nicht, stets sich selbst kongruent bleiben.
Das ist natürlich ein GrenzfaU, der aber für die Mechanik von funda-
mentaler Bedeutung geworden ist. Man nennt den Zweig der Mechanik,
der sich mit starren Körpern und Systemen aus starren Körpern be-
schäftigt, auch Stereomechanik.
Wann ein Körper als starr angesehen werden darf und wann
nicht, das wird nach dem Gesagten zunächst von der Größe der
äußeren Kräfte abhängen, aber auch von dem Zweck der angestellten
Betrachtung. Eine allgemein gültige Regel läßt sich darüber wohl
kaum aufstellen; es wird immer ein gewisser Takt für Mechanik dazu
gehören, das Richt^e zu treffen.
Nr. 66.
§ 12. Normaldnick und Haftreibung gegen Gleiten.
75
55. Statik der Stfltzfl&oheu. Einleitung. Wir wissen aas
der taglichen Erfahrang, daß wir feste Körper dadurch am Fallen
hindern können^ daß wir sie auf eine feste horizontale Fläche setzen.
Nehmen wir an, daß außer der Schwerkraft keine räumlich verteilten
Kräfte da sind, so kann nach dem Schwerpunktsatz das GleicI^ewicht
nur durch eine aufwärts gerichtete Kraft D erzeugt seiji, die aus den
Drucken der Umgebung unseres Körpers resultiert, also, da die Luft
«rfahrungsmäßig den Körper nicht tragen kann, yor allem durch die
feste Unterlage bedingt sein muß. Machen wir die plausible, genauer
allerdings erst in der Statik der Flüssigkeiten nachweisbare Annahme,
daß der Anteil der Luft an der Kraft D recht klein ist, und ideali-
sieren den Fall dahin, daß wir D nur der Unterlage zuschreiben.
Wir nennen D einen Stützdruck.
Ist die Unterlage noch merklich deformierbar, so erkennen wir D
objektiv an der eintretenden Gestaltsänderung der Unterlage, andern-
falls ist der Stützdruck eine hypothetische Größe, die aus unseren
allgemeinen Prinzipien erschlossen werden muß (vgl. Nr. 44).
Man kann aber erfahrungsgemäß einen Körper auch auf einer
festen schrägen Ebene, einer sogenannten schiefen Ebene, ruhen
lassen, wenn der Neigungswinkel a derselben einen gewissen Wert 9
nicht überschreitet:
Der Grenzwinkel 9 kann danach leicht experimentell ermittelt werden.
Es muß auch jetzt ein vertikal
aufwärts gerichteCer Stützdruck D
da sein. Zerlegen wir ihn in eine
Komponente N senkrecht zur Stütz-
fläche und eine Komponente R
parallel zur Ebene. Die Gleich-
gewichtsbedingung läßt sich dann,
da ^ = tg a ist, auch so aussprechen:
N
R£fN,
wo f='tg(p gesetzt ist.
Zahlreiche Experimente haben Fig. se.
gelehrt, daß f wesentlich eine Ma-
terialkonstante ist, d. h. von der physikalischen und chemischen Be-
schaffenheit der beiden sich berührenden Körper abhängt, nicht aber
von dynamischen Größen, z. B. von N oder von geometrischen, z. B.
der Gestalt oder Größe der Berührungsfläche.
f (und ebenso 9) sind um so kleiner, je glatter die Körper
im Sprachgebrauch genannt werden: man nennt deshalb jß die Rei-
bung, und um sie von anderen ähnlichen Kräften zu unterscheiden,
76 n. Die sogenannte Pnnktmechanik. Nr. 66.
die Haftreibung gegen Gleiten, oder die Reibung in der Buhe.
f heißt der Reibungskoeffizient, (p der Reibungswinkel. N
heißt der Normaldruck.
/* » 0, d. h. gp » 0 und Jß » 0 bedeutet einen Idealfall, man sagt
dann, die sich berührenden Körper seien vollkommen (absolut)
glatt.
Es kann auch sein, daß man auf die Beschränkung des Gleich-
gewichts, die durch
R<fN
gegeben ist, keine Rücksicht nehmen will, also R : N unbeschränkt
läßt. Das kommt darauf hinaus, f^ooza setzen, man spricht dann
von Yollkommen rauhen Flächen.
Was den Normaldruck N anbetrifft, so werden wir die Un-
gleichheit
voraussetzen, d. h. N kann kein Zug sein. Jedenfalls lehrt die Er-
fahrung, daß negative N nur sehr klein sein können, nur winzige
Partikelchen haften von unten an einer horizontalen festen Fläche.
Und diese Erscheinung werden wir am besten von der hier bespro-
chenen „abschneiden^, wir werden in dem möglichen Auftreten solcher
kleinen Zugkräfte eine besondere Kraft sehen, welche zu der Gruppe
der sogenannten molekularen Kräfte gehört, wie die Kohäsion, Ad-
häsion usw. Man kann die Festsetzung, daß an der Oberfläche eines
festen Körpers immer
sein muß, d. h. nie ein Zug herrschen kann, als exakte Definition der
natürlichen Trennungsfläche des festen Körpers von seiner Um-
gebung auffassen.
Das ist wieder eine Idealisierung, denn in Wahrheit gibt es keine
einzelnen Körper, alles ist stetig und zwei materielle Raumteile, die
wir sich berührende Körper nennen, sind in Wahrheit nicht durch
eine mathematische Fläche, sondern durch eine dünne Übergangs-
schicht getrennt, in deren physikalischer Mischbeschaffenheit die Ur-
sache der Reibungserscheinungen zu suchen ist.
56. Fortsetiung: Normaldmck und Haftreibung. Wir
verallgemeinern unsere Resultate in folgender, mit der Erfahrung in
Übereinstimmung stehender Weise:
Berühren sich zwei feste Körper, ohne zu gleiten, längs
eines Flächenelements dF, so können sie dort Stützdrucke
dD aufeinander ausüben: die Normalkomponente eines sol-
chen, dN, ist stets ein Druck im engeren Sinne und heißt
Nr. 56. § 12. Nonnaldruck und Haftreibung gegen Gleiten. 77
,,Normaldrack% die tangentiale Komponente dB beißt ,,Haft-
reibung gegen Gleiten'' und es ist
\dR\£ fdN,
wo f eine Materialkonstante, den ^^Reibungskoeffizienten''
bedeutet. Der Beibungswinkel 9 ist durch
/•=«tg9
definiert.
Ist die Berührungsfläche eben, so ist N =»^dN der resultierende
Druck, ü » SdR die resultierende Haftreibung, und es ist
also \B\-^fN.
Für krummflächige Berührongsstücke gilt eine solche einfache
Relation nicht Zwar bleibt
\R <f^\dF
bestehen, aber es kann Sld-Wj viel größer als |S^^i==|-^l ^^^^ ^^^
also auch | JR | großer als f .^\ sein.
Das trifft zum Beispiel für einen von allen Seiten eingeklemmten
zylinderförmigen Zapfen zu; da kann ^dN =^0 und doch JR sehr
groß sein.
Häufig spricht man von einer einpunktigen Berührung zweier
starrer Körper und von endlichen, an dieser SteUe auftretenden Nor-
maldrucken und Reibungen (z. B. eine Kugel liege auf einer hori-
talen Ebene). Man wird diesen Fall stets als idealen Grenzfall einer
kleinen Berührungsfläche anzusehen haben, die tatsächlich immer in-
folge der Deformation dasein wird, also als einen Grenzfall derselben
Art wie die Abstraktion des starren Körpers selbst. Es wird im
allgemeinen erlaubt sein, diese unmerklich kleine Berührungsfläche
als eben Yorauszusetzen und dementsprechend
\ß\<fN
anzunehmen.
Was Zahlenwerte des Reibungskoeffizienten angeht, so sind die
Angaben stets schwankend, da sich das Material im Laufe der Zeit
ändert, z. B. selbst durch den Gebrauch glättet. Man findet Angaben
in der „Hütte". Es seien hier nur wenige, besonders wichtige genannt:
Stahl auf Stahl 0,1 bis 0,2
Eisen auf Stahl 0,2 bis 0,3
Leder auf Eisen oder Holz um 0,3
Stein auf Stein 0,4 bis 0,75.
Bei Holz kommt es sehr auf die Faserang an, in Richtung der
Fasern ist f stets wesentlich größer als senkrecht zu ihnen
78
n. Die BOgenannte Fonktmechanik.
Nr. 67.
Für die graphisclie Lösung von Aufgaben ist es meist bequemer,
JD
die Resultierende D aus R und N zu betrachten. Setzt man i^ = tg a,
so bedeutet a den Winkel; den D mit der Normalen einschließt und
I ü I < fN heißt dann nichts anders als a ^ <p , d. h. D liegt innerhalb
eines Kreiskegels, dessen Erzeugende den Winkel 9 mit der Normalen
einschließen. Diesen Ereiskegel nennt man den ^^eibungskegeP'.
57. Beispiele und Aufig^abeu.
U Wie groß ist eine Kraft K, die parallel einer schiefen Ebene aufwärts-
wirkend, einen Körper vom Gewicht G im Gleichgewicht hält, wenn keine Rei-
bung als vorhanden angenommen wird? (das älteste Problem der schiefen Ebene^
das bereits von einem unbekannten Autor des 14. Jahrhunderts, dem sogenannten
Vorläufer Lionardo da Vincis, gelöst wurde; später wurde die Antwort noch
einmal unabhängig von dem Holländer Simon Stevin 1586 gefunden).
Antwort: die Kräfte G^ K^ N müssen sich das Gleichgevricht halten. Eine
Zerlegung von G nach Achsen parallel und senkrecht zur schiefen Ebene gibt sofort
Ä" s= 6r sin a
N^=^G cos a .
Dasselbe Resultat läßt sich auch graphisch ableiten, da K, G, N ein geschlos-
senes Dreieck bilden müssen: Man zeichne ein Dreieck, dessen Seiten G, K, N
parallel sind, und dessen vertikale Seite in einem gewählten Maßstabe gleich G
ist. Man beachte, daß die Pfeile, den Richtungen Yon.Jf, 6r, N entsprechend,
um das Dreieck im selben Sinne herumlaufen müssen.
Fig. 98.
Flg. 27.
2. Man löse dieselbe Aufgabe unter Berücksichtigung der Reibung.
Außer Ky N, G wirkt dann noch das unbekannte B aufwärts oder abwärts
parallel der schiefen Ebene. Wir wollen es aufwärts positiv zählen.
Dann ergibt die Zerlegung nach denselben Achsen wie vorhin:
d.h.
Ä'+Ä— G^sina = 0
N — G cos a = 0 ,
N= G cos a
B^Gaina-^K.
Nun muß aber \B[ <CfN sein, d. h. entweder
Ä>0 und B<fN,
Nr. 67.
§ 12. Nonnaldrack und Haftreibung gegen Gleiten.
79
also
und
oder
aUo
d.h.
0 ^ 6r sin a — K-f. tg qp • 6r cos or
COB (f — —
JB<0 und -B<fN,
0 > 6r sin a — K^ — ig q> - G cos a
(a>
(b)
— — COB qp
(a) und (b) ergeben zuBammen für K das zul&ssige Intervall
^ Bin (g ~ y) ^ .g, ^ ^ Bin (c + y) .
cos qp "~ — COS qp
Das Resultat gilt auch für negative, d. h. abwärts gerichtete K,
Graphisch löst man am besten die Aufgabe, indem man N und B wieder
zu dem reaaltierenden Stützdruck I) zusammenfaßt und beachtet, daß D in dem
Reibungskegel um die Normalrichtung JV liegen muß. Man wird also erst G-
zeichnen, dann die Richtung von K und dann den Reibungskegel,
sin (a — qp)
gibt das Minimum von £,
gibt das Maximum.
BC=^G
BD^G
cos qp
sin (a -|- qp)
cos qp
Fig. 29.
Fig. SO.
Aufgabe 29. Man beantworte dieselben beiden Fragen für eine horizon-
tal wirkende Erafb JT, dann für eine unter dem beliebigen Winkel « gegen die
schiefe Ebene geneigte Kraft K. Man berechne auch N,
Beispiel 3. Ein auf einer schiefen Ebene liegender schwerer Körper sei
einer Kraft K unterworfen, welche horizontal und parallel der unteren Kante der
Ebene wirkt. Wann ist Gleichgewicht vorhanden? (siehe Fig. 80.)
Offenbar kann nur Gleichgewicht herrschen, wenn Reibung vorhanden ist.
Schließe dieBelbe den Winkel y mit der Linie stärksten Anstiegs der schiefen
Ebene ein.
Dann ergeben sich für ein Koordinatensystem, dessen Achsen mit der Rich-
tung von K^ mit der Normalrichtung N und der Richtung des stärksten Anstiegs
zusammenfallen, aus der Zerlegung der Grund gleichung
80
n. Die sogenannte Ponktmechanik.
Nr. 67
die Gleichungen
Also
Daraus folgt:
Z"— Usiny^O
N — G^cosaa- 0
B cos y — 6r sin a =s 0 .
22 sin 7 BS Z
B cos y =- G^ sin a
jY = Ö cos cc .
tgr
6rsina
Also
R = yK*"+ G^ sin* a .
Die üngleichheitsbeziehung \B "^ fN ergibt
Ä^ + ö*8in"a < tg* qp ■ (?• cos* a.
G
K<, l/sin (qp — a) sin (qp + a) .
cos 9 '^ ^ '
Es mufi also jedenfalls (p<icc sein, damit überhaupt ein von Null ver-
schiedenes K zul&ssig ist.
'Aj Beispiel4. Ein symmetrischer Keil sei vertikal
in einen Baumstamm eingehauen. Wann tritt Selbst-
-^OjJ Sperrung ein, d. h. wann bleibt der Keil von selbst
stecken? Das Gewicht des Keils werde gegen den
großen Druck des gespaltenen Holzes vernachlässigt.
Fassen wir auf beiden Seiten Druck und Reibung zu
je einer Resultierenden zusammen : D^ und D, , so muß
sein.
Da Symmetrie herrschen soll, müssen beide D
horizontal sein. Da aber beide von den Normairich-
Flg. 31. tungen nicht mehr als um den Reibungswinkel qp ab>
weichen dürfen, diese Normalen aber mit der Horizon-
talen einen Winkel gleich dem halben Eeilwinkel a einschließen, so ergibt
sich als Bedingung der Selbstsperrung
Beispiel 5. Ein Keil vom Gewichte G stecke vertikal in einer Keilnut
und werde horizontal von einer Kraft K in Richtung
der Keilnut gezogen. Wann herrscht Gleichgewicht?
Es bilde die Reibung mit der Horizontalen in
der Wandfläche der Nut den Winkel y. Dann ergeben
die Gleichgewichtsbedingungen
K=^2Bco8y
Also
(X cc
6r «a 2 iS^sin — + 2 U sin y • cos --
2 A
2NBm~-^= G — 2 JB sin y cos —
2 '2
Nr. 68. § 12. Normaldruck upd Hafixeibang gegen Gleiieu.
81
Das in Verbindung mit B^fN ergibt
d.h.
2JB^
2 JB sin ^ g G/"— 2 Bf Bin y cos ^
Bin — -f- /COS -^-siny
Ans
folgt dann
K<
K^2BcoBY
GfcoB y
Fig. sab.
Der Winkel y ist dabei unbekannt. Wie groß er wirklich ist, das läßt sich
mit unsem Mitteln und überhaupt mit den Mitteln der Stereomechanik nicht
sagen: der Wert wird ganz davon abhängen, wie stark der Keil in die Nut ein-
geschlagen worden ist. Ist
CK
Sin y =- j-
mOglich, d. h. — ^ qp , so kann die rechte Seite unendlich werden und es ist
möglich, den Keil so fest einzutreiben, daß keine horizontale Kraft K ihn fort-
bewegen kann.
Aufgabe 30 (Keilverbindung). Zwei Körper I und II werden durch einen
Keil gegen einen horizontalen Zug iS, der sie auseinanderzuziehen sucht, zu-
sammengehalten, n drückt gegen den Keil längs AB und CD, I längs BF,
8^
Fig. SS.
Die Winkel der Keilflächen mit der Vertikalen seien a^ und a, , die Reibungs-
winkel tpi und qp,. Die Figur zeigt einen Querschnitt. Das Gewicht des
Keils werde vernachlässigt. Man zeige, daß die Bedingung der Selbstsperrung
lautet: «1 + *fi ^ 9^1 H" 9i •
68. Beaktionskr&fte und elngepr&gfte Kräfte. Wir haben
früher bemerkt, daß zu den Ursachen der Druckkräfte in erster Linie
die Deformationen der Körper zu zählen sind (siehe § 9 Nr. 39).
Wenn nun wie bei starren Körpern diese Deformationen ganz oder
teilweise ignoriert werden, so werden damit diejenigen Größen ganz
oder teilweise unbekannt, durch welche die Druckkräfte selbst ge-
geben sind. Es müssen dann aber diese Druckkräfte ebenfalls ganz
oder teilweise unbekannt werden-, sofern sie überhaupt bestimmbar
Hamel: Elementor« Meohaaik.
6
82 n. Die sogenannte Punktmechanik. Nr. 58 a.
sind, berechnen sie sich erst hinterher ans den statischen Bedingungs-
gleichungen. So haben wir in der Tat in den vorhergehenden Bei-
spielen Normaldruck und Reibung, d. h. den ganzen Stützdruck be-
handelt, und zwar nach GröBe und Richtung (ygL Nr. 57, Beispiele 3
und 5), dementsprechend, daB bei relativer Ruhe der Körper an der
Berührungsstelle jede Deformation fehlt.
Soweit Normaldruck und Reibung in diesem Falle überhaupt
von vornherein bedingt sind, geschieht das nur durch die Angabe,
daß zwei starre Körper sich berühren. Das ist eine rein kinematische
Festsetzung, d. h. eine Bestimmung über die Bewegungsmöglichkeit
des Systems. Etwas anderes läßt sich gar nicht als Ursache für das
Auftreten von N und R angeben.
Wir wollen nun allgemein Kräfte, die, soweit sie dadurch über-
haupt bedingt sind, lediglich durch die kinematische Konstitution des
Systems, d. h. durch gewisse Einschränkungen in der Bewegungsfrei-
heit des Systems, verursacht erscheinen, Reaktionskräfte nennen,
alle anderen im Gegensatz dazu eingeprägte Kräfte.
Normaldruck und Haftreibung zwischen starren Körpern
sind also Reaktionskräfte.
Reaktionskräfte sind stets bis zu einem gewissen Grade unbe-
kannt. Sie sind für die Stereomechanik eigentlich als Hilfsgrößen
anzusehen. Es ist vor allem daran festzuhalten, daß sie eigentlich in
der Natur gar nicht vorkommen, sondern nur bei idealisierten, eben
in ihrer Bew^ungsfreiheit beschränkten Systemen.
58 a. Haftreibung als bewegnngflfSrdemde Kraft. Ihren
passiven Charakter, jede Richtung und (bis zu einer gewissen Grenze)
auch jeden Wert annehmen zu können, zeigt die Haftreibung auch
darin, daß sie ebensogut bewegungsfördernd auftreten kann, wie wir
sie in den bisherigen Beispielen bewegungshindemd kennen lernten.
Das Bewegen von Mensch und Tier, von allen Fahrzeugen auf festem
Boden beruht auf ihr. Ohne Haftreibung kein Gehen, Fahren, Reiten.
Denn nach dem Schwerpunktssatze ist zur Bewegungsänderung
des Massenmittelpunktes eine äußere Kraft notwendig. Auf horizon-
taler Strecke wenigstens kann die Schwerkraft diese Kraft nicht sein^
auch andere räumlich verteilte Kräfte sind erfahrungsgemäß nicht be-
teiligt. Gehen wir nun die Spannungen an der Oberfläche des be-
wegten Objektes durch. Die Lufb wird im allgemeinen eher be-
wegungshemmend wirken, der Normaldruck des Bodens gibt auch
keine Komponente parallel zum Boden her, bleibt also nur die Rei-
bung, die im allgemeinen trotz der Bewegung des Ganzen Haftreibung
sein wird, wenn nämlich an der Berührungsstelle, wo sie wirkt, an
der Schuhsohle, an den Treibrädern der Lokomotive, des Automobils,
den Hufen des Pferdes kein Gleiten — kein Ausrutschen, kein
Schlüpfen — stattfindet.
Nr. 59. § 13. Gleitreibung. 83
Daß tatsachlich die Reibung für das Fortbewegen wesentlich ist^
sieht man auch daraus, daß man auf ganz glattem Boden nicht gehen
kann, daß ein Eisenbahnzug auf vereisten Schienen nicht fortkommt,
daß auch der Stärkste bei noch so großer innerer Muskelspannung
eine eingeseifte Stange nicht hinaufklettern kann.
Als Beispiel behandeln wir die Aufgabe: Ein Automobil fährt auf ebener
Straße mit gleichförmiger Greachwindigkeit in einer Kurve vom ErümmungsradiuB
Q. Wie grofi darf die Geschwindigkeit sein, damit das Automobil nicht ausgleitet.^
Nach Nr. 26 ist eine Zentripetal beschleunigung vorhanden: — , also muß
Q
auch eine entsprechende Kraft von der Größe wirken. Das kann nur die
Haftreibung B sein. Weil sie in tangentialer Richtung zur Beschleunigimg nicht
gebraucht wird, kann sie ganz in der Normalrichtung verwendet werden. Nur
ist sie kleiner .als f-N. Da aber bei mangelnder Vertikalbeschleunigung N^^ G
sein muß, so folgt
V*
m — <,f'0^fmg,
also
als Antwort auf die gestellte Frage.
Wird dagegen ein Teil B* der Reibung in tangentialer Richtung zur Be-
schleunigung oder zum Bremsen oder zum überwinden von Widerständen ver-
#11. #9
braucht, so bleibt in normaler Richtung nur ein Teil BT übrig, der gleich
9
ist, und es muß
B=yB'^ + B^'*<f'G
sein, woraus
<y^-yro*-s:*
folgt. Diese Grenze ist kleiner als die firfihere: das Automobil wird bei Be-
schleunigung oder beim Bremsen leichter ausgleiten als bei gleichmäßiger Fahrt.
§ 13. Gleitreibung.
69. Die Oonlomb-Moriiuioheu Gtosetse. Setzt man auf einer
horizontalen Fläche einen Körper in Bewegung und überläßt ihn sich
selbst, so bewegt er sich eine Zeitlang in gerader Linie weiter (wenig-
stens im großen und ganzen), kommt aber dann zur Ruhe. Diese
Erscheinung^ welche die Entdeckung des Trägheitsgesetzes lange ver-
hindert hat, können wir nach unseren Prinzipien nur so erklären,
daß der Bewegung entgegen eine horizontale Kraft wirkt, die wir,
da spätere Untersuchungen ergeben werden, daß der Luftdruck dazu
bei weitem nicht ausreicht, als durch die Unterlage verursacht an-
sehen müssen.
Wir kommen so zu der Annahme, daß auf einen festen
Körper, der sich auf einem andern bewegt, tangential zur
Berührungsfläche, entgegen der relativen Bewegungsrich-
6*
84
n. Die BOgenannie Panktmechanik.
Nr. ö9.
tung des Körpers eine Kraft wirke, welche wir Gleitreibung
nennen und mit 12 bezeichnen wollen.
Außerdem wird natürlich noch im allgemeinen senkrecht zur
Berührungsfläche ein Normaldruck N wirken, denn in dem zu Anfang
dieser Nummer erwähnten Falle z. B. muß das Gewicht des Körpers
durch eine gleich große, aufwärts wirkende Kraft aufgehoben sein,
da ja vertikal keine Beschleunigung vorhanden ist.
Also auch während der Bewegung wird an der Berüh-
rungsstelle zweier fester Körper ein Stfitzdruck D da sein,
dessen Komponente senkrecht zur Berührungsebene wir den
Normaldruck N nennen, während die tangentiale Kompo-
nente B Gleitreibung heiße. Aber diese Gleitreibung zeigt
einen ganz anderen Charakter als die im vorigen Para-
graphen besprochene Haftreibung.
Sie hat zunächst eine ganz bestimmte Richtung: sie ist der
relativen Geschwindigkeit an der Berührungsstelle ent-
gegengesetzt gerichtet.
Aber man hat auch über ihre Größe bestimmte Gesetze
aufstellen können; die noch heute meist gebrauchten stammen von
Coulomb her; Morin hat sie experimentell geprüft. (Beide be-
kannte französische Physiker um 1800.) Man kann die Prüfung etwa
so vornehmen, daß man einen Körper über den anderen hin mit einer
gewissen konstanten Geschwindigkeit schleift und in die Zugleine ein
Dynamometer einfügt^ das direkt die Zugkraft und also, weil keine
Beschleunigung stattfindet, auch die Reibung R direkt angibt.
7/////'./.'//
Fig. 34.
Die nach Coulomb und Morin benannten Gesetze lauten:
1. Die Reibung ist der Geschwindigkeit entgegengesetzt gerichtet.
2. Sie ist dem Normaldruck N proportional
und f ist eine Materialkonstante, der Reibungskoeffizient wäh-
rend der Bewegung.
3. Es ist erfahrungsgemäß f etwas kleiner ab der Koeffizient f
der Haftreibung.
Nr. 60. g 18. Gleitreibung. 85
Man kann die beiden ersten Gesetze auch so zasammenfassen,
daß man schreibt:
Ist die Berührung nicht einpunktig oder nicht ebenflächig, so existiert
an jeder Stelle ein Normaldruck dN und eine Reibung dR und es ist
dR=^-~^f'dN,
wo i; die relative Geschwindigkeit des betrachteten Körpers gegen
den andern an der betreffenden Stelle bedeutet, v ihren Absolutwert.
60. Kritik der G-esetze. Trockene nnd Bohmierreibnng.
Die Coulomb-Morinschen Gesetze haben sich bewährt, wenn es sich
um eine Bewegung handelt, die wesentlich Translation (Parallelver-
Schiebung) ist und mit geringer Geschwindigkeit und unter nicht zu
starken Drucken stattfindet. Daß die Größe der Gleitreibung
wesentlich von der Geschwindigkeit abhängt, wenn diese er-
heblich wird, entdeckte man zuerst an dem Bremsen der Eisenbahn-
räder, das ja auf der Wirkung der Gleitreibung beruht. Altere da-
hin gehende Untersuchimgen sind von Kirchweger angestellt worden,
neuere rühren von Poiree, Douglas Galton (1878 und 1879) und
Wiehert her. Danach nimmt bei sogenannter trockner Rei-
bung, d. h. wenn kein Schmiermittel angewendet wird, der
Reibungskoeffizient f, definiert durch
mit wachsendem i; erheblich ab, von etwa 0,34 bei Stahl auf
Gußeisen bis auf 0,11 bei t; = 25 m/Sek. (Die Zahlen schwanken sehr
und bedeuten Mittelwerte.)
Wenn es sich um sogenannte Schmierreibung handelt, d. h.
wenn ein Schmiermittel zwischen die Körper gebracht wird, so treten
wesentlich kompliziertere Verhältnisse ein. Untersucht ist bis jetzt der
Fall, daß eine Welle in einem gescbmierten Lager rundläuft. Altere
Versuche stammen von Hirn, Thurston, Tower u. a., die besten
neuern Versuchsergebnisse sind außer denen von Dettmar (Dinglers
Polyt. J. 315 imd Elektrot. Zeitschr. 1899) und Lasche (Z. d. V. d. L
1902) diejenigen von Stribeck (Zeitschr. d. Ver. Deutsch. Ing. 1902,
auch Forschungsarbeiten 1903). Danach nimmt bei gegebenem N
f mit wachsendem v zunächst von einem festen, von N unabhängigen
Werte f^ ab bis zu einem Minimum, das ebenfalls von N unabhängig
ist, und nimmt dann wieder zu. Mit wachsendem N werden alle
Punkte gleichen /"'s in der Richtung wachsenden t?'s verschoben. Für
sehr große v wird f'N nahezu von N unabhängig, d. h. f nimmt bei
großem v dem N umgekehrt proportional ab (Fig. 36).
86
IL Die sogenaimto Panktmechanik.
Nr. 60.
Fig. 85.
Yersache, die Erscheinniig theoretisch mit Hilfe der Mechanik
der zähen Flüssigkeiten zu erklären, stammen von Osborne Rey-
noldsy Petroff und Som-
merfeld (Zeitschr. f. Math,
u. Phys., Bd. 50, 1904) her.
Des letzteren Theorie ergibt
das charakteristische Mini-
mum und dasEoryenstück jiLB
sehr gut wieder; f^ Wli
wesentlich zu klein aus. Das
Minimum soll nach der
Theorie lediglich durch geo-
metrische Größen gegeben,
nämlich proportional dem
Quotienten aus Spielraum imd
Zapfenradius sein. Neuere Versuche von Heimann (Z. d. V. d. L 49,
1905) scheinen dies zu bestätigen. Versuche in dieser Richtung wären
sehr wünschenswert.
Der junge Ingenieur sei nachdrücklich auf diese Versuchsergeb-
nisse hingewiesen. Wenn wir uns im folgenden an die Coulomb-
Morinschen Gesetze halten werden und sogar meist /^ = /* setzen, so
geschieht das der Einfachheit halber. Und wir dürfen das, einmal
weil es hier mehr darauf ankommt, zu lernen, mit den mechanischen
Grundprinzipien umzugehen, dann aber, weil ja für gewisse, zu An-
fang dieser Nummer angegebene Fälle, die Goulomb-Morinschen Ge-
setze ToUständig ausreichen, wie neuere Experimente ergeben haben
(Warburg und Babo u. a.). Doch muB noch auf eine große prin-
zipielle Schwierigkeit hingewiesen werden:
Besteht die Bewegung aus einer Kombination von Gleiten und Bollen, so
kann direkt ein logischei Widerspmcli der Coulombschen Gesetze mit der Hypo-
these der starren Körper nachgewiesen werden, wie Fainleyä gezeigt hat. Das
tritt z. B. dann ein, wenn eine kreisförmige Scheibe, deren Schwerpunkt hin-
reichend stark exzentrisch Uegt, auf einer ebenen Unterlage rollt und gleichzeitig
gleitet. Der Widerspruch läßt sich heben, entweder dadurch, daß man eine ganz
andere Auffassung der Reibung eintreten läßt (Painlev^ oder dadurch, daß man
die Körper als elastisch ansieht, also die Hypothese des starren Körpers aufgibt,
oder dadurch, daß man annimmt, daß f wesentlich von ^abhängt (bei sehr großem
N)y und zwar mit unendlich wachsendem ^ gegen Null geht (y. Mises) oder end-
lich durch die Hypothese, daß in dem Widerspruchsfalle plötzlich das Gleiten
aufhöre und reines Bollen eintrete, wodurch wir es sogleich mit Haftreibung zu
tun bekommen. Im Resultat stimmen alle Vorschläge überein, denn auch die
ersten Hypothesen ergeben ein sehr schnelles Aufhören der Gleitbewegung und
erklären somit gewissermaßen die letztere, an sich etwas dogmatisch erscheinende
Hypothese. Das letzte Wort ist in dieser Sache noch nicht gesprochen.^)
1) Siehe den Enzyklopädieartikel lY 10b v. Mises; auch die Diskussion
in der Zeitschr. f. Math. u. Physik, Bd. 68, 1910. Literaturzusammenstellung in
J eilet t, Theorie der Reibung.
Nr. 61, 62. § 18. Oleitreibung. 87
61. Die Oleitreibung ist eine elngeprftgte Kraft Auf
den fundamentalen Unterschied der Gleitreibung und der Haftreibung
gegen Gleiten sei nachdrücklichst hingewiesen. Letztere ist bei starren
Körpern zunächst gänzlich unbekannt, erstere dagegen ist der Richtung
nach durch die Geschwindigkeit vollständig bestimmt und ihre Größe
ist außer durch die kinematische Konstitution noch durch diejenigen
physikalischen Größen mitbestimmt, von denen f abhängt. Demnach
ist die Gleitreibung eine eingeprägte Kraft und keine Reaktionskraft.
Es ist ja auch, wenn Gleiten eintritt, die Deformation in der Um-
gebung der Berührungsstelle nicht gänzlich unerkennbar, nämlich die
durch die Geschwindigkeit gegebene Verschiebung des einen Körpers
gegen den andern.
Die Sache ist Ton wichtiger und allgemeiner Bedeutung, daß wür
sie zu einem Axiom der Mechanik erheben wollen:
62. Azlomgmppe VI. Über Seaktiouskrftfbe. Da ein
freibeweglicher Punkt in seiner Lage, als auch in seiner Bewegungs-
möglichkeit durch drei skalare Stücke (oder einen Vektor, etwa dr)
bestimmt ist, sagt man, er habe drei Freiheitsgrade.
1. Bei einem Punkte, der in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt
gedacht wird, bedingt diese Beschränkung allein schon gewisse, flächen-
haft verteilte Kräfte, die wir als Reaktionskräfte bezeichnen wollen.
Alle anderen Kräfte sollen eingeprägte Kräfte heißen.
2. Büßt der Punkt gegen seine Umgebung v (i/ » 1, 2, 3) seiner
drei Bewegungsmöglichkeiten (Freiheitsgrade) ein, so bleiben von den
drei Bestimmungsstücken der gesamten auf ihn wirkenden Reaktions-
kraft genau v von yomherein unbestimmt, treten also als Unbekannte
in die Bewegungsgleichungen ein.
Aus diesen Axiomen folgt schon: a) die inneren Spannungen
eines starren Körpers sind alle Reaktionskräfte, denn ein jeder Punkt
im Innern ist gegen seine Umgebung vollständig an der Bewegung
gehindert (y = 3),
b) Die Druckkräfte zwischen zwei sich berührenden Körpern
sind, falls Gleiten ausgeschlossen ist, ebenfalls alle drei Reaktions-
kräfte {y = 3). Demnach sind Normaldruck und Haftreibung zwischen
starren Körpern Reaktionskräfte.
c) Berühren sich zwei starre Körper, wird aber Gleiten als mög-
lich zugelassen, so ist v ==> 1 und demnach bleibt ein Stück der Druck-
kraft unbekannt, während die beiden andern eindeutig durch die Be-
rührungsbedingung gegeben sein müssen. Der Endpunkt aller mög-
lichen Druckvektoren beschreibt also eine eindimensionale Mannig-
faltigkeit. Nun ist aber die einzige, durch die Berührungsbedingung
allein und eindeutig gegebene eindimensionale Mannigfaltigkeit die
Grade senkrecht zur Tangentialebene: also muß die Reaktionskraft in
88 n. Die sogenannte Punktmechanik. Nr. 68.
diese Richtang fallen, während ihre Große unbestimmt bleibt. (Der
Normaldruck allein ist Reaktionskraft.)
Um auszudrücken, daß der Normaldruck stets ein Druck im
engeren Sinne ist, bedürfen wir noch des Axioms:
3. Ist die Bewegungsbeschränkung einseitig, d. h. ist eine Be-
wegungsrichtung möglich, die entgegengesetzte aber nicht (Abheben
z. B. der starren Körper ist möglich, Eindringen aber nicht), so bildet
die Reaktionskraft mit der ausgezeichneten möglichen Bewegungs-
richtung stets einen spitzen Winkel.
63. Der Gteti Tom rarelohenden Ghnmde. Das Isotropie-
nnd Homogenitfttsprinslp des Raumes. Wir haben in der vor-
stehenden Begründung von einem Satze Gebrauch gemacht, den man
den Satz des zureichenden Grundes nennt. Dieser besagt Folgendes:
Wenn man weiß, daß eine gesuchte Mannigfaltigkeit bestimmter Di-
mension V ausschließlich und eindeutig durch eine Gesamtheit anderer
Größen bestimmt ist und diese Gesamtheit eine einzige ausgezeich-
nete Mannigfaltigkeit i^ter Dimension bestimmt, so ist die gesuchte
Mannigfaltigkeit mit dieser identisch.
Dieser Schluß ist zweifellos exakt. Ist also im vorhergehenden
durch die Gesamtheit der möglichen Bewegungsrichtungen des Punktes,
wenn er gezwungen ist, eine Fläche zu berühren, wirklich die normale
Gerade als die einzige ausgezeichnete Mannigfaltigkeit erster Dimen-
sion hervorgehoben, wie wir angenommen haben?
Streng genommen nicht. Denn man könnte ja z. B. festsetzen,
daß man als ausgezeichnete Mannigfaltigkeit die Gerade wähle, welche
den Winkel zwischen der Normalen und der Verbindungslinie unseres
Punktes mit einem im Weltall ein für allemal festgewählten Punkte
halbiert.
Um den Schluß streng zu machen, bedarf es noch der Hinzunahme
des folgenden Prinzips:
Bestimmt eine Mannigfaltigkeit von Größen eindeutig und allein
eine andere, und gestattet erstere Mannigfaltigkeit eine Drehung oder
Verschiebung, welche sie im ganzen ungeändert läßt (in sich trans-
formiert), so muß diese selbe Drehung oder Verschiebung auch die
bestimmte Mannigfaltigkeit ungeändert lassen.
Dadurch ist nun offenbar die Normale zur Reibungsfläche wirk-
lich eindeutig ausgezeichnet. Denn die erlaubten Bewegungsrichtungen
des Punktes gestatten eine Drehung um die Normale, und die einzige
eindimensionale Mannigfaltigkeit, welche ebenfalls diese Drehung ge-
stattet, ist die Normale selbst.
Das neu hinzugekommene Prinzip ist aber ein Teil eines allge-
meinen Prinzips, das man so aussprechen kann:
„Alle Naturerscheinungen sind von der Orientierung und der
Lage im Räume unabhängige^ oder
Nr. 64.
§ IS. Gleitzeibang.
89
yj)er Ikmm ist isotrop und homogen'^; d. h. alle Richtungen und
alle Stellen des Raumes sind einander gleichwertig.
Dieses Prinzip sagt auch noch, daß der Raum an sich nicht Ur-
sache irgendeiner Erscheinung sein kann (vgl. § 1^ 3).
64. Beispiele nnd Anfjgraben.
1. Man Btudiere die Bewegung auf der Geraden stärksten Abfalles einer
JBchiefen Ebene nnter Einwirkung der Reibung und der Schwere. Man hat zwei
Fälle zu unterscheiden: a) die Geschwindigkeit sei abwärts gerichtet: i;]>0.
Dann ergibt sich durch Zerlegung in Komponenten parallel und senkrecht zur
schiefen Ebene
dv
m
dt
mgnna — B
Also
somit
0 SS mg cos a — N.
^asfnpcosa und
B ■» fN^^ tg tp'mg cos a,
sin (« — tp)
^-l,(ein«-cOB«tgy') = y ^^^.
Ist a]>9', so ist die Bewegung wirklich beschleunigt, andernfalls Tezzögert.
Für den speziellen Fall a =» qp' tritt eine gleichförmige Bewegung ein.
b) Die Geschwindigkeit sei aufwärts gerichtet: v<[0. Dann ändert B sein
Voneichen, sonst bleibt alles dasselbe und man erhält:
dv sin(a-["9')
d?-»
cos 9
Die Bewegung ist auf jeden Fall verzögert. Man kann zeigen, daß
lim (y*) ^ 9
sein muß. Denn sei im andern Fall
lim 9' > a > cp ,
so kommt in beiden Fällen der Punkt einmal zur Ruhe. Dann kann er einer-
seits nicht in Buhe bleiben, weil a ]> 9 ist, anderseits kann er nicht abwärts
gleiten, weil sofort eine aufwärts gerichtete Beschleunigung eintreten würde in-
folge a <^ 9'. Aufwärts kann er natürlich auch nicht gleiten.
Aufgabe 31. Man löse dieselbe Aufgabe, wenn noch eine unter dem
Winkel £ gegen die ^
schiefe Ebene geneigte
Kraft k hinzutritt.
Beispiel 2. Wel-
che Kraft k ist not-
wendig, um einen Keil
▼om Gewicht G in einer
horizontalen Nut vom
Winkel 2 a mit kon-
stanter Geschwindigkeit
vorwärts zu ziehen?
Die Zerlegung des Grundgesetzes
mw'^ Zk
W
Fig. 86.
90
n. Die sogenannte Ponktmechanik
Nr. 64.
nach horizontaler nnd vertikaler Richtung ergibt ^^^
Os^r — S^Bina.
Also, ^9, E^Nf ist,
sina
Die Kraft -ist um so größer, je spitzer der Keil ist. Darin liegt die Begründung
dafür, daß die Reibang bei zwei Holzstücken, deren Fasern parallel liegen,
wesentlich größer ist bei denselben Holzstücken, wenn ihre Fasern gekreuzt sind.
Beispiel S. Zwei parallele, um den Winkel a gegen den Horizont ge-
neigte zylinderförmige Walzen drehen sich gegeneinander mit der Umfangs-
geschwindigkeit c. Quer zn ihnen nnd auf ihnen liegt horizontal und symme-
trisch ein eckiger Balken
Tom Gewicht G, Kann bei
hinreichend kleinem a der
Balken liegen bleiben? Nein.
Denn dann w&re die Reibung
als Gleitreibung quer und
horizontal gerichtet und
könnte der abwärts geneigten
Komponente 6^ sin a der
Schwerkraft nicht das Gleich-
gewicht halten.
Wie bewegt sich also
der quergelegte Balken ab-
wärts? Sei seine augenblickliche Geschwindigkeit 9, so ist die relative Ge-
schwindigkeit des Balkens gegen die Unterlage die Resultierende aus v und c,
welche um den Winkel ß gegen die Richtung von- v abweiche. Also werden
wir bekommen
dv
*fi-3--a=G8ina — 22J cos 6
at
2B = 2Nf=^Geoaaf
Elimination von R und ß gibt ver-
FI9. 87 a.
Msß-
c
.
/
K
"N
V
<r- ,
r 1
•
f. •>€
\
1
1/
-ß'
\ 1
1 /
1 /
1
1
;
'
t
i
möge
cos(}s=
yr+tg'p
die Differentialgleichung für v
dv . ^ V
-j- = a sm a — g cos af« — =r
dt ^ ^ l/r«4-c«
Fig.STb.
woraus folgt
^_jL r v^j^
9J sin a l/ü* 4- c« —
dv
conaf'V
Der Leser möge die Integration, die mit elementaren Mitteln durchführbar
ist, selbst leisten.
Wir erkennen nochmals aus der Differentialgleichung, daß v^^O unmög-
lich ist
Nr. 64.
§ 13. Gleitreibong.
91
So klein also auch a und so klein auch c sein mag, der Balken muß her-
untergleiten.
Dieses Beispiel, das aus A. Bitters Techn. Mechanik entnommen ist, zeigt,
daß kleine Zusatzbewegungen die Haltfähigkeit der Haftreibung unter um-
ständen ganz vernichten können. Darauf beruht die Unsicherheit aller durch
Reibung bewirkten Befestigungen gegen Erschütterungen.
Aufgabe 82. Man zeige in dem vorhergehenden Beispiel, daß, wenn
4x^9 ist, 17 mit wachsender Zeit über alle Grenzen geht, daß dagegen, wenn
a'<9 ist und tg er «»Xf gesetzt wird, wo %<^1^ eine kritische Geschwindigkeit
«*
lA — X^
existiert, derart, daß diese Geschwindigkeit, wenn sie einmal vorhanden war, an-
dauert, und daß sich v in jedem andern Fall mit wachsender Zeit dieser kriti-
schen Geschwindigkeit asymptotisch annähert (Man vgl. Nr. 70 und 71.)
Beispiel 4. Man diskutiere die allgemeine Bewegung auf einer schiefen
Ebene, welche unter der Einwirkung der Schwerkraft und der Reibung möglich ist.
In solchen Aufgaben, wie der hier
gestellten, wo konstante Kräfte und
solche auftreten, die der Geschwindig-
keit entgegengerichtet sind, empfiehlt
sich eine Zerlegung der Gleichung
nach dem sogenannten natürlichen
Koordinatensystem der Bahnkurve, d. h.
nach Tangente und Normale der Bahn Fig. 88.
(siehe Nr. 26).
Sei ^ der spitze Winkel, welchen die Bewegungsrichtung v mit der Hori-
zontalen auf der schiefen Ebene einschließt, so lauten die Bewegungsgleichungen
191 3- s» mg sin a sin ^ — B
(1)
m — ssB mg sin a cos ^
0 = N — m^cosa.
(2)
(»)
wobei Q den stets positiv zu zählenden Krümmungsradius der Bahn bedeutet.
Da nun die Schwerkraftkomponente mpsina stets abwärts geneigt ist, so
ist die Bahnkurve stets nach unten konkav und somit ist sicher
a)
Da femer d9' der Kontingenzwinkel zweier benachbarter Bahntangenten
ist, so folgt
wenn wir ^25 im Sinne der Bewegung positiv zählen, oder
^ ""^"^ t; dt'
92 n. Die BOgenaimte Panktmechanik. Nr. 64.
ZuBammen mit B -» Nf wird sonach aus den Gleichungen (1) nnd (8)
- -- sa ^ sin a sin ^ — gf cot a (l*)
und dd" - ,_^
v-^-^^g Bin a • cob ^ . (87
Führen wir 4^ als unabhängige Variable ein, «o folgt dnrch DiviBion von
(10 dnrch (20
1 - — cos a • /■+ sin a • sin ö* , ^
— av sx ;-^— ! dv
V Bin a • cos ^
nnd daraus durch Integration
lg « — lg »0 =* ctg a Y • lg ctg (?^ -f -^ j — lg cos ^ .
v^v^ entspricht der Neigung ^ =« 0.
Setzen wir f »- X • tg er, so folgt
• cosö*
Wenn ^ sich dem Werte -r- nähert, so werden Zähler und Nenner dieses Aus*
drucks Null.
a) Ist X <^ 1, d. h. Kp<^a^ so wird
lim f } SS cx) ,
da in (II) der Zähler Ton niederer Ordnung Null wird als der Nenner.
h) Ist X > 1, d. b. 9 > a, so wird
lixnvx:==0,
da in (11) der Zähler von höherer Ordnung Null wird als der Nenner,
c) Ist X «» 1, d. h. a BS qp, so wird
X cos ^ 2
und somit ,. 1
lii
lim 17 «*--»*.
n
Y
2 "*'
Um die zugehörige Zeit zu berechnen, gehen wir auf (2') zurück, woraus
wir erhalten
1 r d»
t = — .— I r _
^ Bin a J coB ^
oder unter Benutzung von (11)
9
g%mu^ cos'^
t
9
0
(Wir wollen <a«0 für d*««© annehmen.)
Nr. 64. § 13. Gleitreibung. 93
Man kann auch dieses Integral ausrechnen. Setzt man
''*«(t+t)="'
so wird
. 1 d9
dg^ — —
Bin' ' '
(t+I)
— -i-d*(l + Ä*) und cos« ^=- sin« ^y + *)
'■-(T+D-d+D-iiiSr
Somit wird
wenn X «^ 1 ist, wenn aber X »* 1 ist, so wird
Man sieht daraus, weil g*^0 für ^ «= — - , daß im Falle (a), wo a >> 9 war
und i<l,
lim t = 00 ,
-Y
und X>1
lim t = *^® .
X
lim » ^a. , - •
^ ^sina X«
^=2
—
i'
im Falle (c), wo a » 9 und X » 1
lim t^eoo
wird.
Berechnen wir endlich noch die horizontale Komponente x des Ortes un-
seres Punktes, so ergibt sich aus
dx »B ds cos &
dx V ^
dt
und aus (2^)
d« ««
d^ ^ sin a
somit jC, wenn wir es ebenfalls von ^*aO an zählen,
Ä« — -. — I V*(
gsmaf
0
lina e/ cos*
«0' I ~ ^^'^^Ki^
x^ — ? / — dd^
gsma ^ cos'v
0
94
n. Die sogenannte Ponktmechanik.
Nr. 6i.
Dnrch Einführung Ton $ wird ans diesem Integral
außer für 2X — lr-0.
Für 3t == "ö" "'^d
Daraus folgt:
2 gsmaj ^ ^ '
1
8 jrgineLsi— 1 ^81 + 1 J,
1_??1_
8 psmaL® ^2 J,
(aO für Z< ^ , d.h. tg«>2tg9 wird
limx=soo
(b') für Z> , d.h. tga<2tgq? wird
liinx== — T •
^ ^Bina(4X* — 1)
(c*) für 2 = -—, d. h. tga = 2tgqp wird
lim jB»*cx).
7X
^=
Fassen wir die Resultate in folgende Tabelle zusammen:
1 lim , 0<X^ \
2
Y<1<1
1»1
X>1
1
1
...
ff !
2
CX)
CX)
cc
ff
2 <
endlich
ff
T
1
2 «^^
CX)
endlich
ff 1
2
0
endlich
endlich
Daraus folgt: 1. für die sehr steile schiefe Ebene, tga^2tg9 wächst die
Geschwindigkeit und die seitliche Entfernung mit wachsender Zeit ins Unendliche.
2. Für die mittelsteile Ebene , tg9<<tga<<2tg9 wächst rwar die Gte-
tfchwindigkeit noch mit der Zeit ins Unendliche, aber die seitliche Entfernung
ist begprenzt: die Bahn besitzt eine Asymptote in der Richtung steilsten Abfalls
der schiefen Ebene.
8. In dem Grenzfalle tgcrsstgcp nähert sich die Bewegung asymptotisch
einer gleichförmig abwärts gerichteten Bewegung.
4. Für die flache schiefe Ebene tga<<tg9 bleibt der Körper nach end-
licher Zeit stecken. Die Endtangente der Bahn ist yertikal abwärts gerichtet.
Man beachte übrigens, daß man diese Diskussion durchführen kann, ohne
die Integrale wirklich auszurechnen. Denn es ist bekannt, daß wenn
Nr. 64.
§ 18. Qleitreibnng.
95
lün?gfart>0
gleich einer bestimmten, von Null Tenchiedenen Zahl ist xmd 9(x) sonst in dem
0
~-j-r endlich bleibt, wenn
a
ib <^ 1 ist, dagegen unendlich wird, wenn k^\ ist.
Beispiel 5. Schwingung mit Reibung. Ein Körper schwinge
auf einer horizontalen Flache in einer Geraden unter der Wirkung
der Reibung und einer in Richtung der Geraden wirkenden Erafb^
welche dem Hookeschen Gesetze gehorcht (siehe Nr. 35 und 46).
Man kann sich etwa den Körper zwischen zwei Federn gespannt denken.
^ X i
'i
\-m^
mmmmpm
'^tfffM^ffßfää f.
-^ffSV^l
»
G
w/m///////mM////////m^^
Fig. 89.
Sei X die Elongation aus der Ruhelage, so wirkt die Kraft
in Richtung wachsenden x.
Die im gleichen Sinne positiv gezählte Reibung ist iZ « ± /* • ^
— ± fif^Qy wenn Bewegung stattfindet, dagegen unbekannt und durch
\R\'^fmg eingeschränkt, wenn Ruhe herrscht.
Lösen wir erst das statische Problem.
Dann muß
B + i-0
sein, d. h.
;B|^/-w(7gibt
d. h.
wofür wir zur Abkürzung
\x\^e
schreiben wollen.
Ruhe ist also möglich in dem Gebiete
Nun gehen wir zu dem Bewegungsproblem über.
Wir müssen zwei Fälle unterscheiden:
96 n« Die sogenannte Fonktmechanik. Nr. 64.
a) den Hingang: t?>0. Dann ist R^-'fmg und wir be-
kommen die Bewegnngsgleichung
Diese Differentialgleichung hat die partikulare LGsung
*---r = -«-
Die allgemeine erhalten wir, wenn wir setzen
wodurch wir fBr y die Differentialgleichung
erhalten, wenn wir wie früher
a' — —
m
einfähren.
Es ist dann
y-« a sin(a^ + b)
und somit für den Hingang
a? = ~ e + a sin (a^ + «).
Das bedeutet aber eine um e nach der Seite n^^tiyer x yerschobene
harmonische Schwingung.
b) den Rückgang: t7<0. Dann ist R^ffng. Die Differen-
tialgleichung lautet
mx ^ — Xx + fmg.
Vertauscht' hat sich gegen vorhin nur das Zeichen yon /*, also lautet
die allgemeine Lösung für den Bückgang:
X '^ + e + a B\xi{at + b).
Das ist aber eine um e nach der Seite positiver x verschobene har-
monische Schwingung.
Diskussion der Bewegung.
Zunächst ist folgendes zu beachten: Zwischen jedem Hin- und
Rückgang wird einmal t; — 0. Wenn dann |a;| <e ist, so wird der
Körper stecken bleiben, da ja jetzt die Gesetze der Ruhe anzuwenden
sind. Wenn aber |a:| > e ist, so wird eine Umkehr der Bewegung
stattfinden. Es werden sich also zwei Bewegungen a) und b) zu-
sammensetzen und natürlich mit stetigem x und x.
Es beginne etwa die Bewegung zur Zeit ^ » 0 mit der Ampli-
tude — a^o» ^0 Xq> e sei, und der Geschwindigkeit Null. Dann wird
zunächst ein Hingang stattfinden, für den £ = — -— ^ a + e ^ x^j
d. h. a = Xq — e sein wird.
Nr. 64.
g 18. Gleitreibung.
97
Für 0 ^ < ^ Y (wo r — . — j wird also sein
x^ ^ e-- (xQ—e) cos a^.
Das ist ein reiner Sinnsbogen am die Ruhelage n; » — 6 mit der
Amplitade Xq — e.
Für t^ — wird sein
a? =» Xj *= a?0 — 2e.
Folglich wird für den nun ansetzenden Rückgang, d. h. für
Y ^ ^ ^ r sein:
X
e — {Xq — 3c) cos aty
damit für ^ « ^ > ^- ''^- cos a^ = — 1 die Amplitude e + (Xq — 3e)
^ Xq — 2e wird.
Der Rückgang wird also ein Sinnsbogen um die Ruhelage x^ + e
mit der Amplitude x^ — Ze sein. Für t = t wird sein
a; = e — (rto — 3c) = — a;o + 4c.
Ist + Xq — 4te noch größer als e, so schließt sich jetzt eine
Schwingung an, die durch
X ^ -— e — (xq— 5c) cos at
gegeben ist.
So geht das weiter. Die Maxima und Minima von x sind ab>
solut genommen
a?Q, a;^— 2c, rcQ— 4c, usw.
Es wird nun einmal Torkommen müssen, daß ein Maximum absolut
genommen kleiner wie c sein wird, während das vorhergehende noch
l'.|f. 40.
größer war. In diesem Moment wird dann der Punkt stecken bleiben
müssen. In der Figur findet dies im Punkte E statt, also nach drei
halben Schwingungen.
Hftmel: Elementare Mechanik.
98 n. Die Bogenannte Punktmechanik. Nr. 65.
Allgemein lommt also der Körper nach einer endlichen Anzahl von
Schwingungen zur Ruhe.
Wir haben hier einmal ein Beispiel eines unstetigen Kraft-
feldes, das stets dann auftreten wird, wenn bei Vorhandensein von
Gleitreibung ein Wechsel der Bewegungsrichtung eintritt. Diese
Probleme haben praktische Bedeutung für die Regulatortheorie.^)
Aufgabe 88. In einer Röhre, die mit der gegebenen konstanten Winkel-
geschwindigkeit CO um eine zu ihr seokrechte Achse rotiert, befinde sich ein
Punkt der Masse m. Nach welchem Gesetz wird der Punkt heraus geschleudert^
wenn man a) die Reibung vernachlässigt, b) die Reibung mit berücksichtigt? (Man
benutze die in Nr. 81 gegebene Darstellung von w !) Von der Schwerkraft werde
abgesehen.
84. Welche Gestalt muß eine in einer vertikalen Ebene gelegene Kurve C
haben, damit ein l&ngs derselben ohne Reibung unter dem Einfluß der Schwer-
kraft herabgleitender Punkt in gleichen Zeiten gleiche Höhen zurücklegt?
84 a. Warum kann man auf einer schiefen Ebene einen Körper nicht durch
eine in ihr gelegene horizontale Kraft horizontal fortbewegen? Welche Richtung
muß vielmehr die dazu erforderliche Kraft haben?
§ 14. Der masselose^ Yollkommen biegsame, unausdehiibare Faden.
65. Theorie des Fadens. Sehr häufig verknüpft man zwei
feste Körper durch einen gespannten Faden^ dessen Masse gegenüber
derjenigen der festen Körper sehr gering ist; dessen Ausdehnung nicht
beobachtbar ist und der sich, wie man. sagt, sehr leicht biegen läßt.
Wir idealisieren diesen Fall dahin, daB wir den Faden als masselos,
unausdehnbar und yollkommen biegsam yoraussetzen.
Was masselos und unausdehnbar heißen soll, ist klar. Aus der
Unausdehnbarkeit folgt nun schon, nach den Axiomen yon Nr. 62,
daß dieser Faden auf jeden der beiden Körper eine Reak-
tionskraft ausüben kann, welche stets ein Zug ist. Denn
jeder Körper wird relatiy zum andern um einen Freiheitsgrad in
seinen Bewegungsrichtungen gehindert und die einzig ausgezeichnete
Richtung ist die des Fadens.
Vollkommen biegsam soll nun heißen, daß außer diesem
Oy-^*^ Zug der gespannte Faden keine an-
-^ • — ( ] dere Kraft auf die durch ihn yer-
^" — bundenen Körper ausüben kann.
Diese Definition werden wir später ge-
nauer untersuchen (siehe § 36).
Nach dem Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung
erfährt der Faden yon den angehängten Körpern die entgegengesetzt
gleichen Spannungen. Wendet man nun auf den ganzen Faden den
1) Siehe den Aufsatz des Herrn v. Mises: „Zur Theorie der Begalatoren*\
Elektrotechnik nnd Maschinenbau 1908.
Nr. 66.
§ 14. Der masseloBe, un ausdehnbare Faden.
99
Pig. 48.
Schwerpnnktssatz an und bedenkt^ daß er keine Masse hat; also auch
kein Gewicht, so folgt, daß die beiden Spannungen, welche der Faden
auf die Körper ausübt, entgegengesetzt gleich
sein müssen. Denn sie würden dem Faden
sonst eine unendliche Beschleunigung er-
teilen.
Um eine größere Auswahl an Übungs-
aufgaben zu haben, machen wir die später
(Nr. 180) zu begründende Annahme, daß der
zwischen den Körpern I und U gespannte
Faden auch dann noch auf beide denselben
Zug ausübt, wenn er dazwischen über einen yollkommen glatten
Körper III geleitet wird.
66. Kleine Sohwlngungen des mathematlBcheii Pendels.
Wir hängen einen kleinen Körper durch einen Faden der in der yorigen
Nummer besprochenen idealen Art an einem festen Punkte 0 auf und
lassen ihn unter Einwirkung der Schwerkraft in einer Ebene schwingen.
Der Ausschlagwinkel aus der vertikalen Ruhelage sei ^, S die
Fadenspannung, l die Länge des Fadens.
Die Bahn des Punktes wird eine Kreisbahn sein.
Zerlegen wir die Beschleunigung und die Kräfte in eine tangen-
tiale und eine zentripetale Kom- (h
ponente, so erhalten wir aus dem
Newtonschen Grundgesetz nach
Nr. 25
wZo — — mg sin-Ö"
mld" = — mg cosd + S.
Aus der zweiten Gleichung er-
gibt sich sofort die unbekannte
Fadenspannung
S =» mg cos -Ö* -f wZd .
Sie berechnet sich genau so, als
hätten wir ein statisches Problem
und als wirkte außer der Schwer-
kraft noch eine nach außen wir-
kende Kraft Yon der Größe ml^*. Man nennt diese Scheinkraft oft
Zentrifugalkraft. Es ist aber zu bemerken, daß dies in Wahrheit
gar keine Kraft ist. Es ist ein Glied massenkinematischen Ursprungs.
Die erste Gleichung, die wir auch schreiben können
i sin a-
Fig. 43.
d +
0
stellt die Diflferentialgleichung der Bewegung dar.
?•
100
n. Die sogenannte Punktmechanik.
Nr. 67.
Machen wir nun die Annahme, daß ^ dauernd klein sei, so können
wir angenähert 9' statt Biad" setzen und erhalten mit der Abkürzung
die Gleichung
2 9
'^ + c^9^0,
d. h. die Differentialgleichung der harmonischen Bewegung. Das In-
tegral ist
-Ö" = ^Q • sin(a/ + e),
wo d'Q, eine Integrationskonstante, den maximalen Ausschlagwinkel
bedeutet.
Bei Meiner Amplitude isi also die Bewegung dieses sagenannten
mathematischen Pendels eine harmonische Schwingung von der Periode
.-if-2.14
9
Die Theorie der endlichen Schwingungen bringen wir in Nr. 92.
Das mathematische Pendel ist zusammen mit dem später (Nr. 195)
zu besprechenden physischen Pendel das beste Mittel, g zu bestimmen.
Denn man kann l leicht messen und r gut beobachten, somit g aus
der Yorstehenden Formel berechnen.
Aufgabe 86. Man berechne die Länge des Sekundenpendels för ^ ^ 9,81 m,
d. h. J für ~ =. 1 Sek.
67. Weitere Beispiele und Angaben.
1. Der einfachste Fall der Atwoodschen Fallmaschine. Über eine
yertikale, vollkommen glatte, feste Scheibe sei eine ideale Schnur gelegt, die an
den Enden Gewichte G und G' trage. Es sei G >• G\ so
dafi G zu Boden sinken, G' entsprechend steigen wird.
Es habe G die Beschleunigung w abwärts, so hat G'
dieselbe Beschleunigung aufwärts, weil der Faden unaus-
dehnbar ist. Die Fadenspannung sei S.
Dann gibt die I^ewtonscbe Qrundgleichung fflr jeden
^ Punkt angewendet
mw=^mg — S
mw=B — tn'g + S,
Addition beider Gleichungen gibt
w
S
m'
\G'
S
#f«
VC
W77777777777m
Fig.U.
Ifl — Wl
w'= — — ,g .
Die Beschleunigung ist also konstant, aber nur gleich dem
echten Bruch --7- , von g. Weil so die Bewegung wesent-
m -\- m
lieh langsamer wird, kann man sie besser beobachten.
Darauf beruht die Verwendung des Apparates zur Messung
Ton g.
Nr. 67.
§ 14. Der maBselose, unausdehnbare Faden.
101
Die Fadenspannung 8 berechnet sich dann ans einer der beiden obigen
Gleichungen zu
Jmm 2GG'
Aufgabe 86. Vier Massen, von denen m, eine
gani glatte Scheibe sei, seien durch zwei Idealf&den
zu einer doppelten Atwoodschen Fallmaschine yer-
knüpft, wie in der Figur angegeben. Wie wird sich
das System bewegen? (Routh).
Man beachte, dafi auf m, außer dem Gewicht G^
die Spannung S des ersten Fadens nach oben und die
Spannung 8' des zweiten Fadens doppelt nach unten
zieht.
Es empfiehlt sich, die Beschleunigung w der
Masse 114 und die relative Beschleunigung w' der ^^*
Masse m^ gegen m, einiufQhren.
Insbesondere behandele man den Fall, dafi
aber
sei.
m^ =^ m^ -{- m^ -}- m^.
WTW/Jim/mrmm,
Fig. 46.
Aufgabe 37. Ein auf einer horizontalen Platte bewegliches Gewicht G
werde durch ein anderes Gewicht G' gezogen, das durch einen über die voll-
kommen glatte Scheibe 0 gespannten Idealfaden mit ihm verbunden ist. a) Wann
ist Gleichgewicht vorhanden? b) Wie bewegt sich das System? (mit Berück-
sichtigung der Reibung des ersten Kör-
pers an der Unterlage).
*y
w/////r/////A
/,
I
Pig.4«.
G
G*
^x
Flg. 47.
Aufgabe 88. Ein Punkt der Masse m sei auf einer horizontalen Bahn Ojb
beweglich, ein zweiter Punkt derselben Masse auf einer vertikalen Bahn Oi^. Die
Punkte mOgen durch feste Wände gezwungen sein, auf diesen Bahnen zu bleiben.
Außerdem aber seien sie durch einen Idealfaden miteinander verbunden. Wie
bewegen sich beide Punkte, wenn von Gewicht und Reibung abgesehen wird?
Es empfiehlt sich, die Koordinaten x und y der Punkte durch den variabeln
Winkel 9 auszudrücken, den der Faden der Länge l mit der o;- Achse einschließt.
Wie ändert sich das Resultat, wenn die Schwerkraft mit berücksichtigt
wird? Besonders untersuche man alsdann die kleinen Schwingungen um die
Gleichgewichtslage.
2. Das sphärische Pendel: Ein Massenpunkt sei durch einen
idealen Faden mit einem festen Punkt 0 verknüpft und stehe unter
102
n. Die BOgenannte Ponktmechaiiik.
Nr. 67.
Flg. 48.
dem Einfloß der Schwerkraft Welches wird seine allgemeine Be-
wegung sein?
Es sei ^ der Winkel, den der Faden mit der nach abwärts ge-
richteten Vertikalen einschließt^ q> der Winkel, den die Tertikaie Ebene
darch den Faden mit einer irgend-
wie festgewählten vertikalen Ebene
einschließt.
Führen wir nun zur Beschrei-
bung der Bewegung die sogenannten
Zylinderkoordinaten ein:
r « Z sin ^,
d. h. den Abstand des Punktes m
— ** Yon der Vertikalen,
den Winkel q>
und die Tiefe j9 » { cos d^ des Punk-
tes m unter dem festen Punkte 0.
Zerlegen wir dann die Newtonsche Grundgleichung nach den
entsprechenden drei Richtungen (Richtung von r, von e und der
wachsenden y's), so erhalten wir nach Nr. 27 mit 0 — 9
fn(r — rcD*) =» — S • sin-Ö*
m'i = mg — S cos -Ö*
w(rÄ + 2r(D) = 0.
Die letzte Gleichung läßt sich sofort wie beim Planetenproblem
(siehe Nr. 33) integrieren und gibt wie dort
r«ai =- C, (I)
d. 1l die Horizontalprojektion der Bewegung gehorcht dem zweiten
Eeplerschen Gesetze.
Eliminiert man 8 aus den beiden ersten Gleichungen, so erhält man
X
(r — rm^ cos d — 5 sin -Ö* -f- ^ sin O' =- 0.
Nun folgt aber aus
£ = Z cos -Ö"
ir = — i sin d • -8^
i = — Z sin -Ö" • d — Z cos d^
und aus r — { sin «^ ebenso
r = Icos» ' $• — Zsin-Ö"- h^.
k2
Nr. 67. § 14. Der masselose, unausdehnbare Faden. 103
Setzt man |das in die obige Bewegangsgleichung ein und eliminiert
<D mittels
so erhält man die Differentialgleichung für d"
^^"-p BÜ^ + i^ 8in^ « 0. (II)
Dieser Ansatz versagt für «^ » 0. Das liegt auch in der Natur der
Sache, denn das gewählte Koordinatensystem ist singulär fQr ^ »- 0,
weil zu dem einen Punkte der Ruhelage die unendlich vielen Eo*
ordinatenwerte d" ^0, (p beliebig, gehören.
^ » 0 müssen wir also vor der Hand ausschließen.
Man kann nun die DifFerentialgleichang (II) auf Quadraturen zordckführen
nach einem Verfahren, dessen tiefere Bedeutung wir später erkennen werden
(siehe Nr. 83) und das für alle Differentialgleichungen der Form
X = fix)
statthat.
/» /»•
Multipliziert man diese Gleichung mit -r- , so steht links
„ dx d ^ . ,
^ dt^ dt 2^'
Auf der rechten Seite aber steht
dx
/•(*) ät
Also ergibt sich -^^^ — / f{x)dx = h .
Setzen wir zur Abkürzung
ß(x)dx=^-U{x),
80 wird
d.h.
woraus folgt
y&«+Z7(x)-Ä,
X^y2h--2U{x),
X
/' ^x
- 1
wenn x^^x^ für * =« 0 .
*o
In unserem Falle ist nun o; «> «O* und
-r/ttN ^" cos ^ 9 ' ^
ZU setzen, also
um — //^(*)d<,-^^jJ.^_i-co.*.
-/'
104 n. Die ■ogenannie Pnnkianechanik. Nr. 67.
somit wird
»
J
'\
/.k
ain«^-
-^ + 2-2.
cos
»sin
»4^
Setzen wir
C08
»»
U
2Ä-
•0 wird
t —
i
r
d«
Mo
Das rechtsstehende Integral ist ein sogenanntes elliptisches Integral und
l&flt sich im allgemeinen nicht durch eine Kombination sogenannter elementarer
Funktionen integrieren (siehe dazu § 19).
Wir können trotzdem einige Resultate ableiten, indem wir einen andern
Weg einschlagen.
Wir wollen sehen^ ob es eine partikuläre Lösnng
-Ö" «- d^Q = const.
gibty d. h. ob das Pendel einen horizontalen Kreis beschreiben kann.
Gehen wir mit diesem Ansatz in die Gleichung (II), so bekom-
men wir
C COS^O I • o. A
d. h.
C — 1/9^**^*^0
V cos ^9
und somit ei^bt sich nach (I) das erforderliche o zu
O « CDq
Vcos^^
Es gibt also tatsachlich für jedes d-^ eine solche partikulSre Be-
w^ping mit einer bestimmten konstanten Umlaufsgeschwindigkeit.
Die Umlaufszeit ist
.^0 = ^J = 2« y y • >^C0S -^0
und nähert sich also für kleine «^q der Periode 2xy— der ebenen
Pendelschwingung.
Wir wollen nun dadurch etwas allgemeinere Bewegungen stu-
dieren, daB wir uns vorstellen, die soeben besprochene Bewegimg
Nr. 67. § 14. Der maeselose, unauBdehnbare Fadeo. 105
werde ein klein wenig gestört^ sei es^ daß der Punkt ein wenig
gestoßen wird; sei es, daß wir die Anfangsbedingungen^ unter denen
die Bewegung eintritt, nicht genau getroffen haben.
Setzen wir also
&^»^ + X
(D «=■ COq + £
und nehmen dabei Xj b als klein an, d. h. yemachlässigen alle höheren
Glieder in x und c außer denen erster Ordnung. Also
»^x
sin ^ » sin (^q + ^) = sin ö-q + cos ^o • a; + • • •
cos-Ö"— cos d'Q — sind'Q- X + - ' '
_ coßö;o./i ^l + 2co8«^o \ ^
Bin' 9" ff \ Bin ^^ cos 9"^^ )
Setzen wir alles in (II) ein und beachten die Gleichung für ^^^ so
bekommen wir
oder; wenn wir die Beziehung von C zu ^q beachten;
x + xa}^0, (E')
wo
gesetzt ist.
Wir haben also für x in erster Annäherung eine homogene,
lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten erhalten.
Daß die Gleichung linear und homogen werde, konnte man yon
vornherein erwarten, daß sie konstante Koeffizienten hat, liegt daran,
daß die Ghrundbewegung, von der wir ausgingen, die ungestörte Be-
wegung, durch einen konstanten Wert der Variabein gegeben war.
Routh hat eine Bewegung, bei der die lineare Differentialgleichung
der gestörten Bewegung konstante Koeffizienten erhält, eine statio-
näre Bewegung (steady motion) genannt. Unsere Kreisbewegung
wäre somit eine stationäre Bewegung.
Die Lösung von (II') ist nun
a? = a sin(a^ + iy).
Bei Meiner Störung macht also der Ausscklagwinkd %• Meine
Schwingungen um den konslanten Wert &q mit der Periode
106 n. Die sogenannte Punktmechanik. Nr. 67.
r a i/i
oder
r =
Es ist also
YT<r <r,
die Grenzen werden nicht erreicht^ denn ^q =» 0 und d-^ « ^- sind
2
aaszuschließen.
Aus Gleichung (I) wird nun
C C
o <
oder
l* sin ^* Z* (sin »^ + cos ^o a;- • •)•
(o macht also dieselbe Schwingung wie x, befindet sich auch in
derselben Phase^ jedoch ist das Verhältnis der Amplituden negativ^
d. h. bei größerem d' ist die ümlaufsgeschwindigkeit langsamer.
Integration von
^ = fl,^ + 5 =^ «0- 2]/| ^^ a sin(«^ + 1?)
gibt
cos d'f, 1
9 « cDo^ + 2 - ^^ yt+Tc"o7^ • ^ ^^«("^ + ^) + 9^0-
Danach ergeben sich folgende Bilder der gestörten Bewegung in der
Horizontalprojektion:
Ist d-Q sehr klein ^ so ist nahezu
t' = Y r , d. h. das Pendel schwingt
bei jedem Umlauf zweimal aus und
in den Grundkreis (Fig. 49). Die
Bogen außerhalb des Kreises sind in-
folge (F) etwas länger als die Bogen
^*'*^* im Kreis.
Weil die resultierende Kraft stets zentral gerichtet ist, sind die
Bahnkuryen konvex nach außen!
Nr. 67.
§14. Der masselose, nnausdehnbare Faden.
107
Für mittlere d'Q nimmt die Bahnkurve die Gestalt der Fig. 50
an. Es dreht sich die Stelle maximalen Ausschlags allmählich im
Sinne des Umlaufs mit herum. Um so langsamer, je kleiner d-Q ist
Ist das Verhältnis t : r rational
T : r
m : n.
wo m und n ganze Zahlen sind, d. h. nt == mty so kommen auf m
umlaufe der Grundbewegung, n ganze Schwingungen. Es wird sich
also die Kurve nach m Umläufen
(n Schwingungen) schließen.
Kommt a-o nahe an ^, so wird
X nahezu gleich r, die Figur sieht
dann so aus, wie in Fig. 51.
Fig. 50.
Fig. 51.
Es bleibt jetzt noch der Fall zu behandeln, daß d sehr
klein ist.
Wir legen ein rechtwinkliges Koordinatensystem Oxyz durch den
Mittelpunkt der Kugel, die jer-Achse nach unten. Die Fadenspannung
S hat dann die Richtungskosinus
X
T
Somit lautet die Newtonsche Grundgleichung nach den neuen Achsen
zerlegt:
X
mx = — jS
my
-i«
z
m'i « mg — yS
Dazu kommt rr* + y^ -f ^* = i*
z=yv
X'
-f
108 n* ^i® sogenannte Ponktmechanik. Nr. 67.
Nehmen wir nun x und y als klein an und bleiben konsequent bei
Größen erster Ordnung stehen, so wird
i, y, i, y müssen wir natürlich auch als klein erster Ordnung an-
sehen und somit ^
setzen bis auf Glieder zweiter Ordnung.
Folglich wird nach der dritten Bewegungsgleichung
S =- mg
und nach den beiden ersten
ff
Diese Gleichungen haben das Integral
X» a sina^ -f ^ cosa^ |
y — csina^ + dcos«^, 1
wo a — y -f'
ab
Ist nun .
\ca
==0j so folgt y^eonstx: wir haben die schon be-
Sei also
kannte ebene Bewegung des mathematischen Pendels.
üb
, +0.
cd
Dann können wir die Gleichungen (III) nach sin at, cos at auf-
lösen *
sin at = Äx + By
cos ai^ Cx + Dy,
woraus wir als Horizontalprojektion die Bahnkurve erhalten
{Äx + Byy+{Cx + Dyy^l,
d. h. die Gleichung einer Ellipse.
Es schUeßt sich offenbar dieses Resultat sehr gut an die frühem
an: wird &q merklich größer^ so fangt die Ellipse allmählich an^ sich
zu drehen und es resultieren Kurven wie die in Fig. 50 gezeichneten.
Wir werden berechtigt sein^ qualitativ die Resultate auch auf
stärkere Abweichungen von der kreisförmigen Grundbewegung zu
übertragen — die Experimente bestätigen dies — und so haben wir
ohne schwierigere Hilfsmittel einen Einblick in die Formen der Be-
wegung tun dürfen.
Die hier behandelte Aufgabe hat eine gewisse vorbild-
liche Bedeutung für das Regulatorproblem (siehe Nr. 200).
Darum die vollständige Durchführung.
Nr. 68. § 16. Über den Luftwiderstand. 109
§ 15. €ber den Luftwiderstand.
68. Die Newtonsohen G^setse. Ein Körper, der eich in
Luft oder in einem andern nichtfesten Mediam (Wasser z. B.) befindet,
wird nach unseren allgemeinen Prinzipien von dieser Umgebung
Druckkräfte an seiner Oberfläche erfahren. In diesen Druckkräften
werden wir auch hauptsächlich diejenige Kraft yermuten, welche die
Abweichungen der wirklichen Fall- und Worfbeweguog von der 6a-
lileischen Bewegung bedingt. Wir wollen die resultierende Kraft,
die ein bewegter Körper von dieser nichtfesten Umgebung erfährt,
den Widerstand dieses Mediums nennen.
Die Methode, diesen Widerstand zu bestimmen, beruht nun tat-
sächlich darauf, daß man W beobachtet und nun die Differenz
mw — mg «TT
in drei Teile zerlegt: 1. den Auftrieb des Mediums, der als der
Rest von W für i? =» 0 definiert wird, 2. einen kleinen Teil, der von
der Rotation der Erde bedingt ist (davon später in § 51), 3. den
Hauptteil, den man als eigentlichen Luftwiderstand definiert und so
der Erforschung zugrunde legt.
Die beiden ersten Teile „schneiden" wir hier „weg".
Es könnte nun dem Anfänger scheinen, als wenn damit die
Schwierigkeit des Fallproblems durch eine Definition aus der Welt
geschafft sei. Das ist jedoch keineswegs so: die Berechtigung dieser
Definition ergibt sich dann, wenn es gelingt, für W Gesetze zu finden,
die durch Ursachen bedingt sind, und zwar plausible Gesetze.
Es gibt Gesetze für den Widerstand W, die auf Newton zu-
rückgehen, der sie auf Grund gewisser theoretischer, aber anfecht-
barer Überlegungen gefunden hat.
Nehmen wir zunächst an, daß die relative Bewegung unseres
Körpers gegen die nichtfeste Umgebung — denn nur auf die rela-
tive darf es vernünftigerweise ankommen — eine reine Trans-
lation V sei und in zwei Symmetrieebenen des Körpers liege. Dann
muß W der Geschwindigkeit v entgegengesetzt gerichtet sein.
Sei F der größte Querschnitt des Körpers, so
behauptete Newton, es sei
W^xfi'Fi\ (I)
wo /i' die spezifische Masse des Mediums, x eine
Konstante bedeute, die nur von der Gestalt der
Vorderflache des Körpers abhänge (Formfaktor);
sie sei gleich 1 für eine ebene Fläche.
Trifft dagegen ein Luftstrom eine ebene Platte von der Größe F
schräg unter dem Winkel a gegen die Normale, so sollte W senkrecht
110 n. Die sogenannte Punktmechanik. Nr. 69.
zur Platte stehen und, da offenbar von v nur die Komponente v cos a
wirksam sei,
Tr«fi'Ft;*cos*a (II)
sein.
69. Kodeme experimentelle und theoretlBohe Brgebnisse.
Die vorstehenden Newtonschen Gesetze können heute keinen Anspruch
auf volle Gültigkeit mehr erheben, wenn sie auch noch immer ein»
große Bedeutung besitzen. Vor allem muß man sich hüten, die
Formel (II) für das Flachenelement einer Fläche anzuwenden und zu
glauben, dano das resultierende W durch Integration finden zu können.
Der Widerstand auf einen Körper hängt auch an jeder Stelle
stets von der Gestalt des ganzen Körpers ab. Wir müssen
den Luftwiderstand heute als eine Kraft ansehen, die durch die Be-
wegungsvorgänge im umgebenden Medium bedingt ist, insofern, als
die unmittelbare Ursache von TT, die Deformation des umgebenden
Mittels, wiederum in einem Abhängigkeitsverhältnis zu jenen Be-
wegungsvorgängen steht; die theoretische Lösung des Problems kann
daher erst die wissenschaftliche Aerodynamik bzw. Hydrodynamik
bringen. Versuche, einfache Gesetze wie die Newtonschen zu finden,,
können nur angenäherte, aber in vielen Fällen sehr brauchbare Er-
gebnisse haben. Wir sind heute noch wesentlich auf Experimente
angewiesen, wie solche mannigfaltig an den verschiedensten Objekten^
auch an Geschossen, angestellt wurden. Man findet eine sehr lesens-
werte Zusammenstellung der Ergebnisse in der Encyklopädie der
math. Wissenschaften, Bd. IV (Mechanik) in den Artikeln „Aerody-
namik" von Finsterwalder und „Ballistik" von Cranz. Femer
sei auf das interessante Buch von Lanchester (deutsch von Runge):
„Aerodynamik, ein Gesamtwerk über das Fliegen", hingewiesen.
Es sei hier folgendes hervorgehoben : Was die Abhängigkeit von v an-
geht, so scheint bei Luft die Proportionalität mit v^ recht gut zu stimmen^
wenn v unter etwa 240 m/Sec. liegt. Von da ab wächst -| W stark
mit V, am stärksten, wenn v in die Nähe der Schallgeschwindigkeit
(v = 330 m) kommt; später wird — j W wieder nahezu konstant, ist
aber etwa dreimal so groß wie vorher und nimmt schließlich wieder
etwas ab (siehe Fig. 54).
Für ganz kleine Geschwindigkeiten scheint es richtiger, W der
Geschwindigkeit v selbst proportional zu setzen sowie dem Durchmesser
d des Querschnitts:
W ^ x'fidv (für sehr kleine v);
X hängt dann auch noch von der sogenannten Zähigkeit (siehe
Nr. 378) und damit auch von der Temperatur ab.
Nr. 69.
§ 16. Über den Luftwiderstand.
111
Gerade für die meisten technischen Anwendungen ist daher da»
Newtonsche Gesetz (I) noch recht gut brauchbar. Die merkwürdige
Steigerung des Luftwiderstandes in der Nähe der Schallgeschwindig*
iw
V
Fig. 58.
keit erklärt sich dadurch^ daß^ wie Mach experimentell nachgewiesen
haty die umgebende Luft fQr diesen FaU besonders stark in Wellen-
300ySec.^^7Sec
Fig. 64.
»>2;
bewegungen versetzt wird. Die zugehörige Bewegungsenergie muß
aber natürlich das Geschoß abgeben. (Über den EnergiebegrifF siehe
Nr. 77.)
Der Faktor x hängt nach neueren Untersuchungen noch mehr
von der Gestalt der Hinterseite als von der der Yorderfläche ab.
112 n. Die sogenannte Punktmechanik. Nr. 69.
(Darum die hinten zugespitzte Form des Parsevalsclieii Luftschiffes.)
Für ebene Flächen geben verschiedene Autoren (f&r Luft)
x(i = 0,070 bis 0,125
im technischen MaBsystem.
Für ein ArtiUerielanggeschoß der Kruppschen Normalform ist
etwa (für normale Verhältnisse der Luft)
xfi' = 0,0140 für 40 mySec < v ^ 240 m/Sec,
dagegen
xfi^ 0,0394 für 419 m/Sec < » < 550 m/Sec.
Was die Abhängigkeit des Widerstandes W von dem Neigungs-
winkel a des Luftstromes gegen eine ebene Platte angeht, so muß
die Newtonsche Formel (U) heute direkt als falsch bezeichnet werden.
Es sind viele Formeln znm Ersatz angeboten worden, doch hat sich
wohl bis heute noch keine den Vorrang erworben. Erwähnt seien
eine Formel von v. LöBl, die für nahezu quadratische Platten brauch-
bar ist:
W^ Wq' cos«,
und eine Formel, die Rayleigh aus theoretischen Überlegungen für
eine sehr lange schmale ebene Platte gewonnen hat:
W« W (Mi«)co8a
^^ ^^^ 4 + «cos«
Ist a nicht groß, so stimmen beide Formeln wesentlich überein. Wq
ist zur Abkürzung für x(i • v^F gesetzt.
Interessant ist eine Beobachtung Prandtls, nach der es zwei
Formeln für W als Funktion von a gibt: die eine gilt, wenn man
von a ^ 0, die andere, wenn man von a » — kommt, beide gelten in
einem kleinen Bereich gleichzeitig, bis die eine instabil wird und W
in die andere Form überspringt. (Siehe die Zeitschrift für Flug-
technik und Motorluftschiffahrt, Bd. 1.)
Außer der Normalkomponente W besteht selbst bei ebenen
Platten noch eine geringere Tangentialkomponente, die für ex ^ von
wesentlicher Bedeutung wird. Näheres darüber (z. B. AUensches
Oesetz) im Lanchester.
Für kompliziertere Flächenformen, namentlich auch durchbrochene
Flächen, wie solche bei Brücken sehr viel vorkommen, liegen noch
keine zuverlässigen Angaben vor.
Selbst die Abhängigkeit von der Größe von F ist noch sehr
umstritten. Behauptet wird vielfach, daß x mit wachsendem F ab-
nehme.
Nr. 70. § 16. Über den Luftwiderstand. 113
70. Die vertikale Fallbewegrungr im widerstehenden
Kittel. Wir betrachten den senkrechten Fall eines Körpers in der
Luft oder in einem anderen widerstehenden Mittel. Wir setzen von
dem Widerstand W nur voraus, daß er gleich Null sei für t; »- 0,
dann aber mit wachsendem v bestandig und über alle Grenzen zunehme.
Im übrigen sei W als Funktion von.v graphisch gegeben.
Es werde v nacb abwärts positiv gerechnet und es sei t; ^ 0.
Dann lautet die Newtonsche Grundgleichung
^^ TXT/ \
Die Differentialgleichung hat zunächst eine partikuläre Lösung.
Es gibt nämlich einen und nur einen
Wert v^ von v, für den
mg =- W{Vf^
ist. Wir brauchen nur in dem Diagramm für
W die Horizontale W *= mg zu ziehen, welche
die Kurve einmal schneidet. Vj^ heiße die kri-
tische Geschwindigkeit.
v = Vi *
Fig. 55.
ist offenbar eine mögliche Lösung der Differential-
gleichung: der Körper Jcann sich mü einer bestimmten Geschwindigheity
nämlich mit v^, gleichförmig abwärts bewegen.
Weiter sieht man:
Ist zu Anfang v < v^, so ist die rechte Seite der Differential-
gleichung positiv, V wächst also; ist aber zu Anfang v > Vj^j so tritt
das Gegenteil ein; v nimmt ab, obwohl die Bewegung abwärts ge-
richtet ist: es überwiegt der Luftwiderstand die Schwerkraft.
Wir können nun die Differentialgleichung auf Quadraturen zu-
rückführen: es ergibt sich
t
V
Jmdv
mg— W{vy
Bei graphisch gegebenem W{v) wird man sich zunächst die Funktion
aufzeichnen, dann / f(v)dv angenähert nach einem der bekannten Ver-
fahren integrieren, eventuell mit Hilfe mechanischer Hilfsmittel (Plani-
meter, Integraphen usw.).
Man kann so mit genügender Genauigkeit t als Funktion von v
und also auch v als Funktion von t bestimmen.
Hamel: Kloment«ro Mechanik. 8
114 U. Die sogenannte Panktmechanik. Ni. 71.
Bemerkenswert ist: Nähert sich v von einer Seite dem kritischen
Werte v^, so wird f{v) uDendlich, und zwar erster Ordnung; da die
Kurve TF« W(v) die Gerade W'^mg unter einem von Null ver-
schiedenen Winkel schneidet. Somit wird t für v =^ v^ logarithmisch
unendlich.
Mit andern Worten: War zu Anfang v < v^ (bzw. v > v^), so
nimmt v zu (bzw. ab) und nähert sich asymptotisch, d. h. in unend-
lich langer Zeit dem kritischen Wert v^. Nach einiger Zeit aber
schon wird man v praktisch nicht mehr von v^ unterscheiden können:
Schließlich fäUt der Körper mit der kritischen Geschwindigkeit v^
abwärts,
Vj^ ist gewissermaßen die natürliche Geschwindigkeit des Körpers.
Das Resultat war schon Galilei bekannt.
Legen wir das Newtonsche Widerstandsgesetz zugrunde, so folgt aus
wenn ft das mittlere spezifische Gewicht des Körpers, V sein Volumen
bedeutet.
Da mit wachsenden Dimensionen V stärker als F zunimmt, so
fallen größere Körper schneller als kleinere desselben Materials und
ähnlicher Gestalt und da femer v^ mit y wächst, so fallen spezifisch
schwerere Körper schneller als spezifisch leichtere.
Dicke Regentropfen fallen schneller als kleine; Nebel, der aus
ganz feinen Tröpfchen besteht, desgleichen Wolken, senken sich nur
ganz langsam.
Schüttet man eine Mischung schwerer imd leichter Körper in
strömendes Wasser, so werden die Bestandteile getrennt: die spezifisch
schwereren und dicken Kömer werden fast senkrecht herabfallen, die
leichteren und kleineren werden weiter fortgeführt. Man wendet
diese Erscheinung in den Aufbereitungen an, um Erzstückchen ver-
schiedener Größe voneinander und von der „Berge'' zu trennen.
Aufgabe 89: Man berechne die kritische Geschwindigkeit nach den An-
gaben von Nr. 69 für ein Geschoß von 16 g Gewicht und 8 mm Durchmesser
unter Zugrundelegung des Newtonschen Gesetzes.
71. Das ballistische Problem. Wir betrachten eine beliebige
Bewegung eines Körpers in der Luft und nehmen an, daß außer der
Schwerkraft noch ein Widerstand W[v) wirke, welcher stets t? ent-
gegengesetzt gerichtet sei. Das ist nur eine Annäherung an die Wirk-
lichkeit, da zum Teil wegen der Rotation des Geschosses, zum Teil
auch deshalb; weil es nicht zur Flugbahn in symmetrischer Lage
bleiben kann, eine Exzentrizität von W eintritt, die gewisse Seiten-
abweichungen bedingt.
Nr. 71.
§ 16. Über den Luftwiderstftnd.
115
Sei d' der Winkel, den die Richtung von v mit der Horizontalen
einschließt, nach oben positiv gerechnet, so ergibt die Zerlegung des
Newtonschen Qrandgesetzes
mtd = 2Jk
nach dem natürlichen Koordinaten-
system der Bahn (vgL Nr. 26 und
Beispiel 4 aus Nr. 64)
dv
m
dt
m^ sin ^ - W(v) (1)
Flg. 66.
m — = mg cos ^. (2)
Die letzte Qleichung zeigt, daß cos ^ stets positiv ist, also
— r ^ ^ ^ "ö"» förnör ist? dsk mg abwärts gerichtet ist, die Bahn nach
unten konkav, d' nimmt also ständig ab:
Deshalb ist die stets positive Krümmung
jl^ ^d» d» 1
Q da dt V '
aus (2) wird somit
dO"
v-^-^gcos^.
(20
Wir wollen d' als unabhängige Variable wählen. Division von
(1) durch (20 gibt
dv ^ ^flf Bin «• +J^(v) ^^ ^
V mg cos 9" ^ ^
Hat man diese Di£FerentialgleichuDg erster Ordnung integriert^ sei etwa
so kennt man den Hodographen und man kann dann alles weitere
leicht durch Quadraturen finden. So ergibt (2') sofort
vd»
t
-A
1 /7w^
— gj cos«- '
aus
gcosd-
dx = d$ Qos d" ^ V cos d" • dt
folgt sofort für die Horizontalentfemung
X = //•(^) cos i^dt^^-— fp{%)d^
dy = rfs sin -Ö" = t; sin %'dt
und aus
8'
116 U. Die sogenannte Punktmechanik. Nr. 71.
Man kann nun die Differentialgleichung (I) für gewisse Falle der
Funktion W in geschlossener Form mittels elementarer Funktionen
integrieren, wie Euler, D'Alemhert u. a. gezeigt haben; aber bei
der Unregelmäßigkeit der Funktion W hat das nicht zu viel Inter-
esse. Man wird vielmehr (I) angenähert integrieren, indem man
diese Differentialgleichung durch die Differenzengleichung
ersetzt und nun so verfährt:
Man wählt vom Anfangswinkel ^^ anfangend negative Intervalle
^^y indem man setzt
^1 = ^0 + ^^1
•^j =" 'S*! + ^^% usw.
Sei Vq die Anfangsgeschwindigkeit, so bestimmt man den ersten Zu-
wachs von v, dv^ aus
* " mg co%^o ^
Sei jetzt v^ — v^ + '^^i gesetzt, so ergibt sich weiter
■ * mg coB 9'^ '
t?j =- 1?! + dv^ usw.
Die zugehörigen Wertepaare ^^^ r^; ^i, %; ^,, t;,; usw. werden
dann um so genauer Punkte der Kurve v »> /*('&) darbieten, je kleiner
die d%^ gewählt worden sind.
Aus (2) erhält man dann
_ t^' _ rm .
" g COB 9' g cob 9
Man wird danach die Bahnkurve aus lauter kleinen Ereisbogenstücken
von den Radien ^ und den Zentriwinkeln dd^ mit stetiger Tangente
zusammensetzen.
Allgemein läßt sich folgendes bei jedem Gesetz W{v) über die Kurve aus-
sagen. (Wir setzen nur voraus, daß Tr(t7)«=0 ist, daß dann aber W{v) mit v
ins Unendliche beständig wächst.) Ans (1) folgt:
limv ist endlich und von Null verBchieden.
Denn wenn v über Vig{W{Vi^)=^mg) hinauswächst, so nimmt v sicher sofort ab;
nähert sich aber v dem Werte Null, so wird
dv . _
m - - =^ — mg sm 9 ,
also positiv, da auf dem absteigenden Ast ^ <r 0 ist.
Nr. 71. § 16. Über den Luftwiderstand. 117
Bleibt also v endlich, so folgt ans (2'), daß
lim^ ~
(BflO 2
ist, denn nur dann wird cos d" =^0 und ~rr » 0, d. h. , ^ ! hört auf zu wachsen.
dt ' '
und es darf ja nicht über alle Grenzen wachsen, da | ^ ^ — bleibt.
n
Aus (I) folgt dann, daß fOr t = cx> also für d» — -^
Tb
1 dv
wird, denn — -=-^ bleibt endlich, cos 9 aber wird Null, somit muß auch der
Z&hler von (I)
wflr— Tr(t?)
Null werden. Also
lim t7 ae 9^ .
Endlich folgt aus der Formel
für X
"~iß
f^ie^d»
n
y
r
lima; = lf\»)äd-
und da f^d) endlich bleibt, so ist
auch
lim X = endlich. Fig. 67.
d. h. die Bahnkurve hat eine vertikale Asymptote.
Die baüistisehe Kurve hat aUo jedenfalU eine vertikale Asymptote und
die Geschwindigkeit nähert sich dem kritischen Werte Vj^^
d. h. schließlich fällt, praktisch gesprochen, der KOrper vertikal mit konstanter
Oeschwindigkeit herab.
Schlnßbemerkung. Durch ein geeignet gewähltes W können wir eine
sehr gute Annäherung an die Wirklichkeit erzielen. Freilich gibt unsere Theorie
noch nicht alles. Die Wirklichkeit zeigt eine Seitenabweichung aus der verti-
kalen Flugbahn, welche die Punktmechanik nicht erklären kann. Die Rotation
des Geschosses übt neben der hier ebenfalls nicht berücksichtigten Drehung der
Erde den Haupteinfluß in dieser Beziehung aus.
Aufgaben: 40. Man führe das skizzierte Annäherungsverfahren für ein
Widerstandsgesetz und gegebene Anfangswerte (etwa d-^ »» 20^ und v^ <» 600 m/Sec)
durch. Man konstruiere sich dazu ein W(v) nach den Angaben von Nr. 69.
41. Ein Motorwagen mit einem Gewicht von 40 t werde auf horizontaler
Strecke durch eine Kraft k angetrieben, die als Funktion der Geschwindigkeit v
graphisch gegeben ist (links in der Figur). Man konstruiere die Geschwindig-
keit als Funktion der Zeit (rechts in der Figur). Die Maßstäbe seien:
1 cm = 600 kg (Kraft)
1 cm » 2,6 See (Zeit)
1 cm :» 1 m/Sec (Geschwindigkeit).
118
f
IL Die sogenannte Punktmechanik.
Nr. 72.
Aas der Dimenrionsgleicliang
bestimme man sich Euerst den Maßstab der Masse. Weifi man, als welche Strecke
man m aufzutragen hat, so verfahre man folgendermaßen:
Aus -j- — — ^ folgt, daß die Tangente der gesuchten Kurre der Strecke
OK parallel ist, wenn OM=^m die Masse, MK^^ki^) die jeweilige Kraft
bedeutet. Danach konstruiere man die Kurve, indem man das Intervall von v
(0 bis 4,6 m/Sec) in Teile Jv teilt und die Differentialgleichung durch die
Flg. 58.
Differenzengleichung
^v k{v)
ersetzt. Man mache die Konstruktion ein zweites
^t m
Mal mit einer feineren Teilung. Unterscheiden sich die beiden Kurven nicht
mehr merklich voneinander, so kann man das als einen Beweis genügender Ge-
nauigkeit des Verfahrens ansehen.
72. Die fireie, gedftmpfte Bohwingimg bei einem Frei-
heitsgrad (Pendel mit Luftwiderstand). Wir betrachten ein
mathematisches Pendel wie in Nr. 66, lassen es
in einer Vertikalebene kleine Schwingungen aus-
führen, berücksichtigen aber jetzt den Luf)r
widerstand, den wir bei der in Bede stehenden
kleinen Geschwindigkeit dieser proportional setzen
dürfen.
Da V ='ld' ist, so ist
zu setzen, wenn wir W im Sinne wachsender ^
Flg. 59. positiv rechnen.
^mg
Nr. 72. § 16. Über den Luftwiderstand. 119
Demnach laatet die Newtonsche Grundgleichung für die Tan-
gentenrichtung der Bahn
ml'd^ — — mg sin -Ö- — xiil^d,
oder, wenn wir wie früher setzen
und nun zur Abkürzung
wenn wir femer bei kleinen Schwingungen sin d" durch ^ ersetzen,
Diese homogene lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung
mit konstanten Koeffizienten zeichnet sich Tor der allgemeinen dieser
Art nur dadurch aus, daß die Koeffizienten positiy Torausgesetzt wer-
den müssen. Wir nennen diese Differentialgleichung die Differen-
tialgleichung der freien, gedämpften Schwingung für einen
Freiheitsgrad (weil nur eine abhängige Variable d' Torkommt).
Om sie zu integrieren, hat man bekanntlich die entsprechende
algebraische Gleichung zweiten Grades
aufzulösen: deren Wurzeln seien
w, — x-Yl^'-^r
Das allgemeine Integral lautet dann
wenn, wie es im allgemeinen der Fall sein wird, u^4"^ ^^t. Ä, B
sind Integrationskonstanten.
Es sind nun zwei Fälle zu unterscheiden: a) Der Fall geringer
Dämpfung; iL < a. Setzen wir dann das rein imaginäre
so wird
ßM« e"^*' c***= e~^'(cos kt + i sin kt)
e^*'=- 6~^'c"**'= «"-^'(cos kt — i sin kt)
^^e-^'a'am(kt + a)] (II)
^o A. ; ß 9 ^z^- ^; ^ neue Integrationskonstanten sind, die sich leicht
durch A, B ausdrücken lassen.
und somit
oder
120 n. Die sogenannte Ponktmechanik. Nr. 72.
Da — 1 ^ BinQct + £) < + 1 und die Grenzen stets wieder nach
Ablaaf der halben Periode
In 7t
erreicht werden, da femer zwischendurch, ebenfalls nach Ablauf der
halben Periode der Sinus und somit auch d* immer wieder Null wird,
80 schwankt ^ zwischen den durch
gegebenen Kurven in regehnäBigem Rhythmus hin und her. Man
kann die Bewegung schildern als eine periodisch durch Null hindurch
gehende Schwingung mit stets abnehmender Amplitude
lim^«0.
Der Faktor 6"^^ der die Abnahme bewirkt und durch die Dämpfung
k allein gegeben ist, heißt der Dämpfungsfaktor.
1^
Fig. 60.
Die Periode ist größer, die Schwingung also langsamer wie bei
der ungedämpften Schwingung.
Die Bewegung wird, wenn auch erst nach unendlich langer Zeit
zur Ruhe kommen. Man vergleiche damit die verschiedene Wirkung
der Gleitreibung (siehe Nr. 64, Beispiel 5). In Wirklichkeit dürfte
die Dämpfung sowohl beim Pendel, wie bei der Federschwingung
(siehe Nr. 35) der Kombination eines Gliedes vom Charakter des
Luftwiderstandes und eines Gliedes vom Charakter der Gleitreibung
entsprechen.
Man kann X experimentell bestimmen, indem man die Abnahme
der maximalen Ausschläge betrachtet.
Nr. 72. § 16. Über den Luftwiderstand. 121
Eb ist d — aer^* (— X sin {kt + b) + k co3{kt + £)). Also tritt
das Maximmn bzw. Minimum ein^ wenn ^ » 0; d. h.
tg {kt + «) « y
ist. Sei t ein solcher Wert, so tritt dasselbe ein für
f + 2 T, f + r, t' + 2"T"
Die diesen Zeitmomenten entsprechenden Ausschläge aber sind
ae"^^ Bin (kf + e)] —ae" ""«" * sin (it' + c); usw.,
die Ausschlage multiplizieren sich also mit
c « , e ^^, c « . . .,
ihre natürlichen Logarithmen yennindem sich somit bei jedem Aus-
schlag um a ^'^^
Haben somit zwei aufeinander folgende maximale Ausschläge die
Absolutwerte ^j und ^,, so ist Ignat ^^ -- Ignat ^, — 2 ^'^•
Man nennt nach Gauß die linke Seite das logarithmische
Dekrement.
Man kann aus ihm nach der vorstehenden Gleichung X berechnen,
da man ja r direkt beobachten kann.
b) Der Fall starker Dämpfung: X>a. Dann ist Yx^—a*
reell und wir haben in
schon die Lösung in reeller Form.
Beide Exponenten sind für positive t negativ. Daraus folgt, daß
auch hier
lim ^ « 0
/=«
ist. Aber eine Schwingung kommt hier nicht zustande. Denn ^
kann höchstens einmal Null werden für endliche i. d^^O nämlich gibt
Da aber die linke Seite von Null an ständig bis cx> wächst, so kann
sie nur einmal den Wert — -j annehmen und auch dann nur, wenn
— . positiv ist.
122
U. Die sogenannte Ponktmechanik.
Nr. 7«.
Je nachdem dies der Fall ist, oder nicht, bekommen wir also die
beiden folgenden Typen yon &, ^-Kurven (Fig. 61a und b).
Fig. 61 a.
Man spricht in diesem Falle starker Dämpfang auch von einer
aperiodischen Bewegung.
Flg. 61b.
Wie bestimmen sich die Integrationskonstanten Ä und B?
Sei etwa zu Anfang (ftlr ^ = 0) der Ausschlag ^ — ^o ^^^^ ^®
Geschwindigkeit ^ =» (Dq gegeben, so muß sein
^0 = ^ + ^
Daraus folgt
u,^o — ®«
B
und
«1
— «l
?o"
"*il_^
«*1
— u,
U, — ttj
c) Der Zwischenfall: a == A. Hier wird u^ => u, und unsere
Lösung
wird deshalb ungenügend, weil sie nur noch eine Integrationskonstante
A + B enthält.
Nr. 72. § 15. Über den Luftwiderstand. 123
Man kann aber die allgemeine Lösung; welche den Anfangswerten
<do, (Dq entspricht; finden, wenn man in der allgemeinen Lösung für
den Grenzübergang w, =« Mj « — il ausführt. Dieser Grenzübergang
ist gestattet; da, wie plausibel ist; aber auch mathematisch bewiesen
werden kanU; die Lösung einer Differentialgleichung eine stetige Funk-
tion der in ihr enthaltenen Parameter ist; also hier von X und a, so
lange t eine reguläre Funktion von &, d'y t, a, X bleibt; was hien wo
-Ö-^ — 2 Ad" — a*^ ist; für endliche Werte Ton >L, %'^ a\ #• sicher zu-
trifft. Wir dürfen also den Grenzübergang X ^ a oder u^ « m, » — Jl
ToUziehen.
Setzen wir zu dem Zweck "j/i^ —«*-« — £; also
tt, = — il + «
«1 = — A — £
««J— ■ Wj = 2«;
80 haben wir zu bilden
- - (<Do + Xd„)a-^' lim ^^^' -' + 2- »,e-''hm (c-' + e+'O-
Nun ist aber
lim^'- = <
also wird
limc"+c-*'=2,
Man sieht darauS; daB außer e"^^ in diesem Falle auch noch te'^'
eine partikuläre Lösung ist. Das kann natürlich direkt verifiziert
werden.
Auch hier ist
lim ^ - 0;
fsoo
da te^^^ mit wachsendem t gegen NuU geht; femer wird d' für reelle
endliche t nur einmal Null, nämlich für t^ rf^- Qualitativ
sieht also die d", ^- Kurve genau so aus wie im Falle b).
124
n. Die sogenannte Punktmechanik.
Nr. 73, 74.
Aufgaben: 42. Man nehme für den Fall a»X, do«0 fär t»0, d.h.
man zähle die Zeit vom Durchgang durch die Buhelage an. Man beweise, da&
dann die Zeit bis zum Eintreffen des Maximums des Ausschlags gerade die so-
genannte „Belaxationszeit", d.h.— ist.
48. Wie ergibt sich anschaulich der stetige Übergang der ^, t- Kurve
aus dem Falle a) in den Fall c)? Man Überlege, was aus t wird, wenn sich t
wachsend dem a nähert.
% 16. Theorie der erzwungenen Schwingung hei einem
Freiheitsgrad.
78. Das Seismometer nnd der FaUograph. Denken wir
uns ein mathematisches Pendel an einem Stativ aufgehängt und diese»
Stativ horizontal in einer Ebene in gegebener Weise hin- und her-
hewegt. Dann wird das Pendel relativ zum Stativ in Schwingungen
geraten. Man kann also ein Pendel benutzen, um Erschütterungen
der Unterlage anzuzeigen, es fragt sich, wie weit man durch die
beobachteten Schwingungen auf die Natur jener Erschütterungen rück-
schließen kann.
Man hat tatsächlich Pendel konstruiert oder doch Apparate^
welche denselben mechanischen Gesetzen gehorchen wie ein solche»
Pendel, um Erschütterungen der Umgebung des Pendels feststellen
und messen zu können. Handelt es sich um Erschütterungen des
Bodens, also Erdbeben, so nennt man den Apparat ein Seismometer^
in anderen Fällen spricht man von einem Pallographen. Seismo-
meter werden in den letzten Jahren vielfach zur wissenschaftlichen
Erforschung der Erdbeben angewendet. Die ersten Apparate wurden
in Italien, Österreich und Japan konstruiert; einer der feinsten und
empfindlichsten wurde von Wiechert in Göttingen aufgestellt.
74. Ableitung der Differentialglei-
chnng. Ihre allgemeine Bedeutung. Es
bewege sich das Stativ horizontal mit einer
gegebenen Geschwindigkeit c, das Pendel
schwinge relativ zum Stativ, der Ausschlag-
winkel sei d".
Bei Anwendung des Newtonschen Gesetzes
haben wir natürlich die absolute Beschleunigung
zu verwenden. Diese hat aber hier, wo die
führende Bewegung des Stativs eine Trans-
lationsbewegung ist, parallel zur Tangente der
relativen Ej'eisbahn des Pendelkörpers die Kom-
ponente (siehe Nr. 30) c cos d' + W.
Also gibt das Newtonsche Grundgesetz
m(c cos -9- + Zä-) m^ sm ^ — W(ld')
'm/////////////////M
Fig. 62.
Kr. 74. § 16. Theorie der erzwungenen Schwingung. 125
Wir haben auch hier außer der Schwerkraft eine Ai*t Luftwiderstand
angenommene welcher von der relatiyen Geschwindigkeit Id" abhängt.
Eine solche Dampfung ist für die in Rede stehenden Apparate wesent-
lich. Sie wird allerdings meist nicht direkt durch den Widerstand
des umgebenden Mediums ausgeübt, sondern durch eine Ölbremse:
tlas ist ein Kolben^ der durch einen engen mit Ol gefüllten Zylinder
hin und hergeht und dabei großen Widerstand findet; der ebenfalls
als eine mit der Geschwindigkeit wachsende Funktion derselben an-
gesehen werden kann und durch Hebel auf den Apparat übertragen wird.
Machen wir nun die Voraussetzung kleiner Schwingungen, so
können wir sin ^ durch -Ö", cos ^ durch 1, WQd') durch xW er-
setzen.
Unsere Differentialgleichung nimmt dann die Form an
d' + 2Xd' + a^»^f{t), (I)
wenn wir
"-:-. "'-f .
and
setzen dem entsprechend , daß ja c, also auch c eine gegebene Funk-
tion der Zeit sein solL
Diese Differentialgleichung unterscheidet sich von der in Nr. 72
durch das Glied f(t\ welches die Gleichung inhomogen macht.
Wir nennen die Differentialgleichung (I) dieser Nummer die
Gleichung der erzwungenen Schwingung bei einem Frei-
heitsgrad.
Ihre Bedeutung geht weit über das apezielle Problem dieses Para-
graphen hinaus. Sie wird stets auftreten, wenn bei einem System
von einem Freiheitsgrad (d. h. bei dem eine Variable 0* genügt, um
die Lage anzugeben), erstens eine Kraft da ist, die vom Orte abhängt
und also in der Nähe der Ruhelage (d' == 0) in erster Linie d' pro-
portional gesetzt werden kann, zweitens eine Kraft wirkt, welche von
der Geschwindigkeit abhängt und also für kleine Geschwindigkeiten
dieser proportional gesetzt werden darf, drittens eine Kraft wirkt,
welche von der Zeit direkt abhängt, also unabhängig von der Lage
imd Geschwindigkeit des Pendels diesem in bestimmter Weise auf-
gezwungen wird. Aber auch für andere Gebiete ist die Gleichung
von fundamentaler Bedeutung, z. B. für die Elektrizitätslehre.
Wir wollen nun der Einfachheit halber annehmen, daß c eine
reine Sinusschwingung sei:
c =- y sin vt.
Die tiefere Berechtigung dieser Annahme liegt darin, daß man eine
126 n. Die sogenannte Ponktmechanik. Nr. 75.
stetig differentiierbare Funktion /"(<), die für ^ = 0 und t = ( Null
wird^ innerhalb dieses IntervaUs stets so darstellen kann:
fit) «= y sin vt + y, sin 2vt + y^ sin ^vi + • • •,
'3t
WO V ^ -TT ist
V
Man kann also jedenfalls ein solches f(t) in eine Reihe harmo-
nischer Schwingungen zerlegen; und es läBt sich zeigen, daß sich
wegen der Linearitat unserer Differentialgleichung das Resultat einzelner
harmonischer Schwingungen addiert, d. h. hat
die Lösung d'i und
die Lösung d'^, so hat
ä + 2X» + a'^^f^{t) + f,{t)
die Lösung -ö'i+'^j.
Man sieht dies durch Einsetzen als richtig ein. Kennt man also
die Lösung für eine harmonische Schwingung, so beherrscht man da-
mit vollständig die Differentialgleichung (I).
Sei demnach
c = y sin vt,
also
c = — yv* sinvty
so daß
f(t) == ^ sin vt'^ ß sin vt
•i
wird, wo /J = ^ gesetzt ist
76. Integration der Differentialgleichung. Um nun die
Differentialgleichung
d' + 2k^+ cc^»^ßsmvt,.. (!')
zu integrieren, suchen wir zunächst eine partikulare Lösung zu erraten.
Nehmen wir z. B. ein Pendel in die Hand und schwingen es mit
der Hand hin und her^ so bemerken wir deutlich^ wie das Pendel
relativ zu unserer Hand sehr bald in demselben Rhythmus schwingt^
den unsere Hand hat
Wir versuchen deshalb den Ansatz in (Y):
^ E^ 9"^ = A 8m vt + B cos vt^Csin {vt — rf),
wo
C^YjJ+'^ und Ccosi?==^
C sin rj = — B^
Ni. 75. § 16. Theorie der erzwungenen Schwingung. 12T
also X ^
ist. Aus (I^ wird dann
sin vi . [— Äv^ — 2XvB + a^Ä] + cos i/^[— Bv* + 2kvÄ + a^B]
— sin vi • ß.
Diese Gleichung kann in t identisch nur erfüllt werden, wenn
— Äv^- 2kvB + a^Ä^ß
-Bv*+2lvA + a^B^0
gesetzt wird.
Aus diesen beiden linearen Gleichungen berechnen sich
Die Auflösung ist immer mit endlichen Af B möglich, außer fQr
X » 0, a » 1/. Das tritt aber faktisch nie ein, da immer ein kleines
X dasein wird.
Aus Ä und B berechnen sich
a«— y»
2Xv
c
tg1? =
ß
2lv
B ist immer negativ, also sin rj stets positiv, desgleichen rj.
Es gibt also tatsächlich eine gang bestimmte rüne, harmonische
Schwingung als Lösung unseres Problems, Die Periode ist diesdbe
wie die der erregenden Schwingung (wir wollen f(t) ^ ß sin vt die
„erregende Schwiugung'' nennen), die AmplitiMlen beider Schwin^
gungen sind proportiaiml, die erregte oder erzumngene Schunngung
aber (so wollen wir unsere Partikularlösung nennen) ist in der
Phase stets Burück (weil B < 0, also iy > 0).
Die erzwungene Schwingung ^^ ist aber noch nicht die allge-
meine Lösung, denn %'^ enthält ja gar keine willkürlichen Konstanten.
Um die allgemeine Lösung zu finden, setzen wir
-ö" = -ö*! + '^J
und bekommen
Daraus folgt (siehe Nr. 72), wenn wir annehmen, daß Ka sei,
^j «- ac""^' sin Qct + «),
Yfo ]c^ y«'— X^ ist.
128 Q* ^^^ sogenannte Ponktmechanik. Nr. 76.
Es kommt also hei der allgemeinen Lösung unseres Problems zu
der erzwungenen Schwingung noch eine allgemeine freie gedämpfte
Schwingung hinzu.
Die beiden noch freien Eonstanten a und e dienen dazn, die
Lösung den gegeben zu denkenden Anfangsbedingungen (Anfangslage
und Anfangsgeschwindigkeit des Pendels) anzupassen.
76. Diskussion des Besnltats. Wäre nur ^^ vorhanden, so
könnte man daraus sehr klar den Charakter der erregenden Schwin-
gung erkennen: die Periode derselben hätte man sofort, die Ampli-
tude wäre derjenigen Ton 9'^ proportional, der Proportionalitatsfaktor
ist leicht aus den Eonstanten a, l des Apparates und aus v zu be-
rechnen. Die Überlagerung von 9^ wird den Rückschluß erschweren
wegen der unkontrollierbaren a, s. Nun yerschwindet aber 9^ im
Laufe der Zeit und um so schneller, je größer X ist. Deshalb bedürfen
auch Seismometer und Pallographen einer hinreichenden Dämpfung,
um den störenden Einfluß der freien Schwingung recht bald zum
Verschwinden zu bringen.
Ist f{t) also ß gegeben, so wird die Amplitude der erregten
Schwingung bei veränderlich gedachtem a am größten, wenn a =» v
ist, d. h. wenn die Periode der freien, ungedämpften Schwingung des
Apparates mit derjenigen der erregenden Schwingung übereinstimmt.
Man nennt diesen Fall den der Resonanz. Ist nicht ß gegeben,
sondern 7/, so ist
Der Faktor von y wird jetzt ein Maximum, wie man leicht berechnet,
wenn
ist. Der Fall stärkster Wirkung ist also bei kleinem k gegen den
Fall der Resonanz ein wenig verschoben.
Da man vor allem die sehr geringen Erschütterungen in großen
Entfernungen vom Erdbebenherde messen will, so konstruiert man
die Seismometer so, daß sie mit den häufig vorkommenden Perioden
von Erdbebenwellen in Resonanz stehen. Es kommen Perioden von
10" bis r in Frage.
Was die Phasenverschiebung angeht, so ist tg iy « 00 im Falle
der Resonanz. Der Phasenunterschied beträgt dann also eine Viertel-
schwingung. Ist o( > 1/, pulsiert also die erregende Schwingung lang-
samer als die freie Schwingung — die man auch die Eigenschwin-
gung des Apparates nennt — so ist 17 klein; ist aber a < 1/, geht
also die erregende Schwingung schneller als die freie Schwingung,
Kr. 76. § 16. Theorie der erzwangenen Scbwingang. 129
80 wird tg ij < 0, also ^> o", ^^^ PhasendifiFerenz nähert sich einer
halben Schwingung, am so schneller^ je kleiner X ist.
Bei einem gewöhnlichen Pendel sind deshalb fast nur die extremen
Fälle 17 = 0 und ni^jt beobachtbar; bei kleinem A drängen sich die
merkbaren Zwischen werte auf einen kleinen Bereich der Yariabeln v
zusammen. Die % v-Kurve wird sich mit abnehmendem X immer
mehr der gebrochenen Linie OÄBC nähern.
i
n
B
c
i
31
Ö
A
rsso
Fig. 63.
Weiteres über Seismometer findet man in den Abhandlungen Ton
Wiechert in der „PhysikaUschen Zeitschrift« Bd. 4 (1903).
Aufgabe 44: Welche Dimensionen haben X und ce?
Es sei zum Schlüsse dieses Paragraphen noch auf die hervor-
ragende allgemeine Bedeutung der Resonanzerscheinung
hingewiesen. AUe Systeme^ welche Schwingungen ausführen können,
sind empfindlich gegen Eraftwirkungen^ die mit ihren Eigenschwin-
gungen in Resonanz stehen. Sie geraten dann in heftige Schwingungen
und ihre Festigkeit wird sehr beansprucht. So können unter takt-
mäßig bewegter Last Brücken einstürzen, welche die entsprechende
ruhende Last leicht getragen hätten, so können Schiffsschrauben-
wellen brechen, wenn ihre, einer Verdrehung entsprechenden elastischen
Eigenschwingungen in Resonanz mit Unregelmäßigkeiten der Eraft-
wirkung der Maschine stehen. Ein schönes Beispiel ist auch die
dünne elastische Welle einer Lavalturbine. Bei sehr geringer
Exzentrizität wird sie dann in starke Schwingungen geraten, wenn
die ümlaufszeit mit ihrer eigenen Schwingungszeit übereinstimmt.
Denn dann wird die Zentrifugalkraft hinsichtlich der Welle dieselbe
Periode haben wie die elastische Eigenschwingung der Welle. Liegen
aber beide Zeiten hinreichend weit auseinander, so läuft die Welle
ganz ruhig um.
Literatur:
Lorenz, Dynamik der Kurbelgetriebe. 1901.
Frahm, Neue Untersuchungen Z. d. V. d. J. 1902.
Hamel: Elementare Mechanik. 9
ISO ni. Energie und Azbeit Nr. 77.
Beißner, Schwingungsaofgaben aus der Theorie des Faehwerks.
Diss. 1902.
Hort, Technische Schwinguiigslehre (Lehrbach).
T. Mise 8, Über die Stabilität rotierender Wellen. Monatshefte fOr
Math, und Phys. 1911.
Kapitel HI.
Energie nnd Arbeit.
§ 17. Der Energiesstz in der Fnnktmeeliaiiik.
77. Kistorlsolie Bemerkungen. Zwei verschiedene Ideen
tauchen historisch gleich im Anfange der Entwicklung der Mechanik
auf: erstens die Idee, daß ein auf eine gewisse Höhe gehobenes Gre-
wicht ein ganz bestimmtes Maß Ton Arbeitsfähigkeit besitze und
zweitens der Gedanke, daß in dem Wechsel der Bewegungserschei-
nungen eine bestimmte Große für das ganze Weltall ungeandert bleibe.
Den ersten Gedanken sprach zuerst klar Jordanus de Nemo re aus,
der etwa um 1300 lebte und mit dem die selbsföndige mechanische
Forschung nach dem Altertum wieder beginnt: ein Gewicht auf doppelte
Höhe gebracht, leistet dasselbe wie das doppelte Gewicht auf einfache
Höhe gebracht. Lionardo da Vinci bildete den Gedanken weiter aus.
Von dem andern Prinzip tritt zuerst der negative Teil hervor: die Un-
möglichkeit des Perpetuum mobile: Bewegung kann nicht aus nichts
entstehen, oder indem man stillschweigend die stets Bewegung verzehrende
Wirkung der Widerstände hinzunahm: ein System kann sich ohne
Wirkung von außen oder innere physikalische oder chemische Um-
wandlungsprozesse nicht dauernd in Bewegung erhalten. Allerdings
setzte sich dieser Grundsatz erst langsam durch, es fehlt ja selbst
heute nicht an Versuchen, ein perpetuum mobile zu konstruieren:
Lionardo selbst hat es verschiedentlich versucht. Aber schon Simon
Stevin beweist durch eine richtige Anwendung des Prinzips 1586 das
Gesetz der schiefen Ebene, Galilei zieht richtige Schlußfolgerungen
daraus und Huyghens leitet am Ende des 17. Jahrhunderts aus dem
Prinzip zum ersten Male die Bewegungsgleichung für das physische
Pendel ab (siehe Nr. 246).
Was den positiven Teil des Prinzips angeht, so behauptete Des-
cartes die Konstanz von Zmv, Leibniz dagegen die von 2mv\
Newton schloß sich der ersten Ansicht an.
Ob man nun Smv oder 2]mv^ Energie nennen wollte, war natür-
lich ein Wortstreit, was zuerst D'Alembert 1743 in seinem Traite
de Dynamique klar aussprach. Aber der Streit drehte sich doch um
mehr als um ein bloßes Wort.
Nr. 78. § 17. Dei Energiesatz in der Ponktmechanik. 131
Wir müssen natürlich heute die Frage , oh im ganzen Weltall
Umv^ oder 2mv konstant sei; als metaphysisch ahlebnen: wir
wissen nicht einmal, ob diese Begriffe für die ganze Welt Sinn haben.
Trotzdem können wir, das Wesentliche aus den beiden Grundgedanken
der Alten herausschälend^ in gewissem Sinne Leibniz Recht geben.
Wir wollen nämlich die Begriffe der kinetischen Energie und
den der Arbeit für einen Massenpunkt in folgender Weise einführen:
78. Azioxnatische Einfflhnmg der Begriffe: kinetische
Energie nnd Arbeit.^) Wir postulieren:
1. Es sei für einen Punkt der Masse m die ^^kinetische Ener-
gie" oder ^^ebendige Kraft" E eine Funktion von m und v allein,
welche für t; = 0 verschwinde:
g)(m, 0) = 0.
2. Es sei die Arbeit A, welche eine Kraft k an dem bewegten
Punkte leistet, wenn derselbe sich auf einer Bahn von der Stelle Xq
zur Stelle X bewegt, ein sogenanntes Kurvenintegral, d. h. ein Inte-
gral der Form
A ^ßxdx + Ydy + Zde),
dieses Integral erstreckt sich über die Kurve von X^ bis X. Be-
zeichnen wir den Vektor mit den Komponenten X, F, Z mit JST, so
können wir das Integral schreiben
X
A =^fK . dr,
wo K - df das sogenannte innere Produkt der Vektoren K und df
bezeichnet (siehe Anhang).
3. Es sei K eine Funktion von k allein.
4. Es bestehe die Beziehung
E-E^^A,
(wobei Eq die kinetische Energie an der Stelle Xq bezeichne), vermöge
der Newtonschen Grundgleichung
In dem vierten Postulat steckt das gesuchte Energieprinzip. Die
Arbeit einer Kraft besteht in einer Veränderung der kinetischen
Energie; ohne äußere Arbeit kann der Punkt seine Energie nicht
verändern.
1) Der Anfänger kann diese Nummer flberschlagen.
9
132 UI. Energie und Arbeit. Kr. 78.
Wir ziehen die Schlußfolgerungen. Aus 4. und 2. folgt durch
Differentiation
dt ~ ^ ' dt
oder nach (1)
dv dt '
wenn ö den Einheitsvektor in Richtung der Bewegung bedeutet.
Aus dem Newtonschen Grundgesetz folgt aber
dv Y -
also, indem wir dies einsetzen
1 d<p K ' 6
mv dv '^ i,g '
In dieser Gleichung kommen links nur noch t; und m, rechts nur
noch k und ö vor. Diese vier Größen sind als unabhängig zu be-
trachten, denn man kann in jedem Zeitmoment Je, v, m geben, dann
erst bestimmt die Newtonsche Grundgleichung tr.
Also hängen in der vorstehenden Gleichung beide Seiten weder
von h, 6 ab, weil die linke es nicht tut, noch von t;, m ab, weil die
rechte es nicht tut. Mithin ist.
1 dtp
mv dv
woraus in Verbindung damit, daß 9) (m, 0) » 0 sein sollte, folgt
9 = cmv^
K^ck,
Die Eonstante c ist natürlich ganz bedeutungslos, wir setzen sie gleich
1 und haben so erhalten:
die kinetische Energie eines Punktes ist auf Grund unserer Po-
sttdate gleich
eu setzen; die Arbeit einer Kraft k gleich
X
A ^ß ' dr,
io
Es besteht dann der Energiesate:
E-E^^A.
Nr. 79.
§17. Der Energiesatz in der Punktmechanik.
133
79. Blementare Binfflhnmg der BegrUte. Wir definieren
als kinetische Energie oder lebendige Kraft eines Massen-
punktes den Ausdruck
JB = Y mv^
(1)
Dann ist
dE dv _ dv
wobei unter ä • b das innere Produkt der Vektoren ä und b verstanden
ist (siebe Anhang I, 4).
Nun ist aber
dv
m
dt
*,
wo k die Summe der äußeren Kräfte bedeutet. Folglich
dE
dt
(2)
Ist k irgendeine Kraft^ die auf den Punkt wirkt, so heiße L ^v »k die
ff
Leistung der Kraft. Es ist
_ T k'dr dÄ
'' • * = -dT ^ -dt
Fig. 64.
dÄ ^^ k ' df heiße die (unendlich kleine)
Arbeit, welche die Kraft k bei der Ver-
schiebung dr leistet. In rechtwinkligen Kom-
ponenten ist
dÄ = k^dx + k^dy + k^dß,
auch ist nach der Bedeutung des inneren Produktes dA^^k'ds cosa,
d. h.
Die unendlich kleine Arbeit einer Kraft in der Zeit dt ist gleich
dem unendlich kleinen Weg d$, den der Funkt in dieser Zeit ewrück-
hgt, multipliziert mit der Projektion der Kraft auf die Richtung des
Weges,
Aus (2) folgt
dE-^dÄ
oder der Energiesatz der Punktmechanik
E-E^^fdÄ^A,
(I)
Die Veränderung der kinetischen Energie des repräsentierenden
Punktes während einer Zeit ist gleich der gesamten, während dieser
Zeit von den äußeren Kräften an dem Punkte geleisteten Arbeit.
134 in. Energie und Arbeit Nr. 80, 81.
80. Untersohied des Bnergieeataes fttr die Pn&ktmecha»
nik Ton dem Energiesats fttr Bjutmme. In der bisherigen Be-
trachtung war m die ganze Masse des Systems, v die Schwerpunkte-
geschwindigkeit. Die Arbeit aber berechneten wir so^ daß wir das innere
Produkt aus der Kraft und der Verschiebung des Schwerpunkts, nicht
aber derjenigen des Angriffspunktes der Kraft, bildeten. ^ Für die so
bestimmten Begriffe gilt der am Schluß der vorigen Nummer ausge-
sprochene Energiesatz, den wir den Energiesatz der Punktmechanik
nennen wollen.
Unter der gesamten kinetischen Energie eines Systems
aber wollen wir den Ausdruck verstehen:
E-|S '*«»"',
WO V die Geschwindigkeit des Massenelements dm bedeutet. Es ist
klar, daß \<j und E im allgemeinen sehr verschieden sein werden.
Nur in einigen Fällen, wenn z. B. alle v einander gleich sind, das
System also eine Translation vollfuhrt, ist |^j » E.
Ebenso wollen wir die eigentliche Arbeit so bilden, daß wir
dA '^»/C'dr,
wobei dr die Verschiebung des wirklichen Angriffspunktes
der Kraft k bedeutet.
Für diese vervollkommneten Begriffe nimmt aber der Energiesatz
eine ganz andere Form an als die oben zu Ende von Nr. 79 ausge-
sprochene (siehe die §§ 44, 50 und 55).
81. Dimensionen nnd Maßeinheiten. E und Ä haben die-
selbe Dimension. Im physikalischen Maßsystem ist
[E] « [A] = [m . v^] == [g cm» sec"«].
Die Einheit heißt ein Erg, es ist die Arbeit eines Dyus bei Zurück*
legung eines cm. Die Leistung hat die Dimension [L] «= [gern* sec""*];
10^ Erg pro Sekunde heißen ein Watt.
Im technischen Maßsystem haben E und A die Dimension
[E] ^ [A] ^ [kg . m],
die Leistung
[L] = [kgm sec" ^ j .
Eine Leistung von 75 mkg/Sec wird herkömmlicherweise eine
Pferdestärke, 1 P.S. oder 1 HP. genannt. Da ein kg Kraft gleich
981000 Dyn ist, so ist die Arbeit eines mkg gleich 98100000 Erg.
Da für die Praxis 1 mkg oft noch eine zu kleine Arbeitseinheit ist,
hat man als Einheit die Arbeit eingeführt, welche eine HP. in einer
Stunde leistet, die sogenannte Pferdekraftstunde. Sie umfaßt
natürlich 75 >f 60 x 60, d. i. 270000 kgm.
Nr. 82, 83. § 17. Der Energiesatz in der Punktmechanik. 135
82. Weitere S&tse Aber die Arbelt. 1. Steht eine Kraft
senkrecht zur Bewegungsrichtung^ so leistet sie keine Arbeit. (Bei-
spiel: der Normaldruck einer festen Stützfläche^ die Fadenspannung
des Pendels.)
2. Das distributive Gesetz der skalaren Multiplikation
heißt: Die Arbeit der Residtierenden mehrerer Kräfte ist gleidi der
algebraischen Summe der Arbeiten ihrer Komponenten.
3. Es sei die Kraft k konstant nach Größe und Richtung^ wie
es z. B. bei der Schwerkraft der Fall ist. Dann ist die endliche Arbeit
X
A = / h ' df =k Jdr = t • (f — r^) = Ä • s == ÄA
(siehe Figur), wenn h die Projektion der ge- \ /
raden Strecke X^X auf die Kraftrichtung xt
bedeutet, positiv gezählt, wenn sie, im Sinne /yy
der Bewegung genommen, in die Richtung / \v
der Kraffc hineinfällt. Jr y^^
So berechnet sich die Arbeit der / \ \
Schwerkraft einfach als das Produkt / \ 1
aus dem Gewicht und der gesamten / \ I
Fallhöhe, diese nach unten positiv, nach ^^-^^^ Y
oben negativ gerechnet. yjA
Kommt bei einer Bewegung der Körper /^
wieder auf derselben Höhe an, von der er Fig. 65.
ausgegangen ist, so hat die Schwerkraft im ganzen keine Arbeit geleistet.
83. thier die Bedeutnng des Energlesatzes. Es könnte
zunächst scheinen, als ob durch den Energiesatz nicht viel gewonnen
wäre. Denn da er, in der Punktmechanik wenigstens, eine Folge der
Newtonschen Grundgleichung ist, können wir mit ihm kein Problem
lösen, das wir nicht auch mit der Newtonschen Grundgleichung hätten
erledigen können.
Trotzdem sind die Begriffe Energie und Arbeit fundamental für
die Mechanik geworden:
1. Wir werden ihre formale Kraft später in der Mechanik der
Systeme kennen lernen (siehe die §§ 48 und 56).
2. Der Energiebegriff hat sich, soweit unsere heutigen Kenntnisse
reichen, auf alle Naturerscheinungen ausdehnen lassen: nach den fun-
damentalen Untersuchungen von Robert Mayer, Helmholtz („Über
die Erhaltung der Kraft^^, auch in Ostwalds Klassikern) u. a. läßt sich
in jedem Erscheinungsgebiet ein Begriff der Energie aufstellen —
für die reinen Bewegungserscheinungen ist es }j] == ^dmv^ — so
136 ni. Energie und Arbeit. Nr. 84.
daß für einen jeden uns bekannten Teil der materiellen Welt der
Enei^iesatz gilt: Die Änderung der gesamten Energie des betrach-
teten Teils in einer Zeit ist gleich der in derselben Zeit von außen
zugeführten bzw. nach außen abgegebenen Energie.
Wäre eine Interpretation jeder Energieart als Bewegungsenergie
möglich, so wäre Leibnizens Traum erfüllt.
3. Der Nutzen für uns besteht zunächst in einer Methode, die
Differentialgleichungen der Bewegung zu integrieren.
Wir hatten schon &üher gesagt, daß man jede Gleichung der Form
X - f{x)
auf Quadraturen zurückführen kann, indem man die Gleichung daraus
gewinnt ^
(siehe Nr. 67, Beispiel 2).
Diese Gleichung ist nichts anderes als die Energiegleichung für
I» = 1, A; — f{x). Die Integrationskonstante A ist ~ t?^*.
Wir werden die Energiegleichung stets dann mit Nutzen an-
wenden können, wenn sich Ä^^Jk-dr vor Kenntnis der Bewegung
integrieren läßt und wenn nur eine abhängige Variable vorkommt,
so daß wir auch nur eine Gleichung brauchen.
Prinzipielles darüber im nächsten Paragraphen, jetzt einige
84. Beispiele und AoQfaben.
1. Aaf welche Streike kann ein mit der Geschwindigkeit v^ fahrender
Eisenbahnzug vom Gewicht G günstigstenfalls znm Stehen gebracht werden,
wenn aUe Räder gebremst werden? Die Strecke sei horizontal, vom Luftwider-
stand werde abgesehen.
Dann sind die äußeren Kräfte die Schwerkraft, der Normaldruck und die
Reibung zwischen den Rädern und Schienen.
Die beiden ersten Kräfte leisten keine Arbeit. Sei der Normaldruck an
einem Rade JV, so ist
2N:= G.
Sei die Reibung an einem Rade 2^, so lautet der Energiesatz der Punktmechanik:
— -fwp'— ^ mro'=— I ZBds.
0
In unserem Falle ist nun r = 0, r^ gegeben. Also
s
i-wr,>«= jZEds.
0
Nun ist R '^f-N (denn man bremst Räder grundsätzlich nicht fest, weü
Schleifen schädlich und unnütz ist, warum?), also
XR ^fZN^fG,
Kr. 84. § 17. Der Energiesatz in der Ponktmechanik. 137
somit
2
d. h.
,>*^«^o* _ Vo»
2fG 2fg
Damit ist nor eine untere Grenze für den Bremsweg gefunden; denn man weiß
nicht, ob die Haftreibnng ganz ausgenützt wird.
(Eine ausführliche Behandlung des ganzen Bremsproblems mit Berücksich-
tigung yariabeln f's findet man in einem Aufsatz: ,,Zur Theorie der Eisenbahn-
bremsen^* von A. Sommerfeld in der Denkschrift der Techn. Hochschule zu
Aachen aus Anlaß der Industrie-Ausstellung in Düsseldorf, 1902).
Beispiel 2. Es gleite ein Körper auf einer glatten Kurre ohne Reibung,
lediglich unter der Wirkung der Schwerkraft herab. Mit welcher Geschwindig-
keit kommt er unten an?
Werde die Höhe h von dem Ausgangspunkte der Bewegung nach unten
positiv gerechnet, so ist, weil der Normaldruck keine Arbeit leistet.
v^Vv^* + 2gh.
also
War t?^' = 0, so ist
v-=-Y2gh.
Die Fallgeschwindigkeit bangt nur von der Fallhöhe h ab. (Das war schon
Galilei bekannt.)
Beispiel 3. Auf einer schiefen Ebene der Neigung a gleite ein Körper
berab, mit der Geschwindigkeit Null beginnend, unter dem Einfluß der Schwer-
kraft und der Reibung. Mit welcher Geschwindigkeit kommt er unten an?
Sei h die Höhe, 8 die Länge der schiefen Ebene, so ist
— mv* = nigh — 8- B,
und da Jß «= fN ist und N = mg cos a
v=^y2gh — 28'f'gcoscc • =]/i2^(Ä — sigtp'COBa).
Aufgaben: 45. Auf welcher Kurve kommt bei verschieden geneigten
schiefen Ebenen in dem vorhergehenden Beispiel der Punkt mit derselben
Geschwindigkeit an?
46. Ein Zug von 10 Wagen zu je 20 Tonnen Gewicht sei eine Böschung
von 2 7o Steigung und 5 km Länge hinaufzuschaffen. Außer der Schwerkraft
werden Bewegungswiderstände zu überwinden sein, die zu y, 7o ^^^ Gewichts
geschätzt sein mögen. Welche Arbeit ist zum Transport des Zuges nötig? Und
wie groß ist die sekundliche Leistung der bewegenden Maschine, wenn die Ge-
schwindigkeit SO km pro Stunde beträgt?
47. Man integriere die Differentialgleichung der freien, ungedämpften
Schwingung i + ««o: = 0
nach der in 83 angegebenen Methode.
48. Eine ebene Platte von der Größe F sei unter dem Winkel a gegen
den Horizont geneigt und werde mit der Geschwindigkeit v horizontal in ruhen-
der Luft bewegt. Welches ist die Leistung des Luftwiderstandes unter Annahme
des Lößischen Widerstandsgesetzes? (Siehe Nr. 69.)
138 in. Energie und Arbeit. Nr. 86.
§ 18. IMe potentielle Energie.
85. Das PotentiaL Wir wollen die für die Integration der
BeweguDgsgleichnngen wichtige Frage nntersochen, wann sich das
Arbeitsintegral von Yomherein, ohne Kenntnis der Bewegung, inte-
grieren läßt. Denn im allgemeinen^ wenn k irgendeine Funktion yon
V, fy t . , , ist, läßt sich das Integral
A =^ Ck ' dr ^ Ck • vdt
'• Ck ' dr = Ck • V
erst ausrechnen, wenn man €, f, t als Funktionen einer Variablen
ausdrücken kann, d. fa. wenn man die Bewegung kennt.
Wir wollen nun fragen: Wann läßt sich das zwischen irgend-
zwei Punkten Xq{^^ und X(f) erstreckte Integral A berechnen, ohne
daß man etwas über die Bewegung weiß, d. h. etwas über Zeit,
Geschwindigkeit oder Weg?
Dann muß offenbar A eine bloße Funktion von f^ und r sein, also
r
JJcdr^F(f,f,)
Differentiieren wir diese Gleichung nach der oberen Grenze, so be-
kommen wir =. , , ^/ .
k'df^ dfrF(f, fo)
für alle Differentiale dr.
Da die linke Seite von r^ nicht abhängt, kann es auch die
rechte nicht tun, es muß also sein
drFir, fo) = - d^ U(f)
und
JF(r, f,) » - ü(f) + U(r,),
weil F NuU wird für r - ro .
Habe nun r die rechtwinkligen Komponenten x, y, e, so ist
drü « ö - dx + ^ dy '\' TT- de
^ dx ^ dy ^ ' cz
dU ,_
dr '
wenn wir den Vektor mit den Komponenten ^^^ p~7 5~ "^^ ji»
bezeichnen. Man nennt ihn den Gradienten von U, schreibt auch
dr
und nennt aus später zu besprechenden Gründen — j- auch das
Gefälle von U.
ITr. 86. § 18. Die potentielle Energie. 139
Daß -j=- wirklich ein Vektor ist, d. h. eine gerichtete Strecke
darstellt, der eine Bedeutung unabhängig vom Koordinatensystem zu-
kommty werden wir später sehen.
Aus
du
df
folgt
fc • rfr = — dp JJ = — j;. • dr
weil die Relation für alle dr gelten soll. '
Wenn umgekehrt
T du
'^ dr
ist, so folgt:
r
Man sagt, die Kraft k habe ein Potential, wenn (I) erfüllt ist.
U heißt das Potential oder die potentielle Energie.
Das Arbeitaintegral läßt sich nur dann unter allen Umständen
von vornherein ausrechnen, wenn die Kraß ein Potential hat.
Man erkennt leicht den Satz:
Haben mehrere Kräfte ein Potential y so ha4 die Resultierende
auch ein Potential, das gleich der Summe der Einzelpotentiale ist.
Haben alle äußeren Kräfte, weldie Arbeit leisten, ein Potential, so
lautet der Energiesatz:
E-E^ U+ Üq oder
E+ U ^h,
wo h konstant ist, also
Die Summe aus der hinetischen und aus der potentiellen Energie
bleibt im Laufe der Bewegung konstant
(In älteren Büchern findet man meist — ü als Potential be-
zeichnet.)
Eine additive Konstante zu ü bedeutet offenbar nichts, wir
können sie also nach Belieben hinzufügen oder fortlassen.
86. Beispiele. 1. Daß die Schwerkraft an der Erdoberfläche
ein Potential hat, wissen wir schon. Denn die Arbeit war
A^ G{Zq—z\
wenn wir z nach oben positiv rechnen, also ist
U=- Gz
das Potential der Schwerkraft.
140 in. Energie und Arbeit. Nr. 87.
2. Das Newtonsche Anziehnngsgesetz der Planeten (siehe Nr. 38)
hat ein Potential Denn, da
f '^Q ' r nnd
r* = r*, also
r ' dr ^r ' dr
ist, so folgt
ßdf^- Ifnß-fJ- -= - Xmf^ = '-^.
Das Potential für die Anziehungskraft der Sonne auf die Planeten
ist also
r
Aufgaben: 49. Man zeige, daß jede sogenannte Zentralkraft, d. b. eine
Kraft, die auf ein festes Zentrum zu (oder fort) gerichtet ist und nur von der
Entfernung r des Massenpunktes von diesem Zentrum abhängt, ein Potential hat.
50. Man zeige, daß die Federkraft — Ix ein Potential hat.
3. Kräfte, die von der Geschwindigkeit explizit abhangen, können
kein Potential haben: Luftwiderstand und Reibung haben also kein
Potential.
Denn es ist ja die Gleitreibung
und hängt also selbst bei konstantem f wesentlich Ton t; ab.
87.^) Wann hat eine Kraft ein Potential? Aus
«
folgt zunächst, daß k jedenfalls nur vom Orte abhängen darf. Das
genügt aber nicht. Schreiben wir die Gleichung (I) in recht-
winkligen Koordinaten:
, _ dU
*- dx'
i- --^^
» dy'
h- ^^
1) Der AnAnger kann diese Nummer auslassen.
l^r. 87. § 18. Die potentielle Energie. 141
so folgt
dk» dky ^
dy djs '" '
dkx dk: rx
dz dx '
dkjf dkx r\
dx ?y ~ *
Wie die Vektoranalysis zeigt^ existiert unabhängig vom Koordi-
natensystem ein Vektor, dessen Komponenten die linken Seiten der
Torstehenden Gleichungen sind: man nennt diesen Vektor den Rotor
Yon k und schreibt ihn
rot Je oder VÄ. .
Damit also ein Potential existiere, ist jedenfalls notwendiff, daß
rot * « 0
sei. Diese Bedingung ist auch hinreichend.
Denn setzt man an
dx "" ''"
so folgt
X
ü j\dx + w{y,z), (1)
a
wo w{yj x) eine willkürliche Funktion von y^ z ist. Daraus folgt
dy J d
kx ,^ , dw
a
Xi
Jdx
dx + TT-^ — k+ Ä;„(a: v, £?) + 3—
Die zweite Gleichung
du ,
d^^^'^y
ist also ebenfalls erftUlt, wenn man nur setzt
dtc T , ,
was möglich ist. Daraus folgt
w = -j\{a', y, z) dy + w\z\ (2)
fr
wo it'' willkürlich ist.
142 IlL Energie und Arbeit. Nr. 88.
Es ergibt sich aber weiter aus (1)
dz J dz dz
«1
^ J dx
«1
dx •\- TT—
Also ist aach
erfüllt, wenn nur noch
-*,+ *,(a;y,^) + gj-
dv> I r N
a^
erfüllbar ist
Aus der obigen Gleichung (2) für w ergibt sich aber
dxo I ?*y_(?j
dz '^ J ~~ di
."^ "» + ^'
6
= - *^,(ö; y, ^) + *.(«; &, ^) + az'
Es sind also beide Bedingungen für w erfüllt^ wenn man nur noch aus
dz
w
bestimmt^ was natürlich möglich ist.
Damit ist der Beweis erbracht.
Aufgabe 51: Man überzeuge sich, daß in den Beispielen 1 nnd 2 der
vorigen Nummer die Bedingung rot ^ =» 0 wirklich erfüllt ist.
88. NlTeanfl&che und Gradient. Betrachten wir die Gleichung
Uir) = C,
wo C konstant^ so stellt dieselbe eine Fläche dar, oder eine Flächen-
schar, wenn wir C alle möglichen Werte durchlaufen lassen. Wir
nennen die Flächen Niveauflächen oder Potentialflächen.
Nr. 88. § 18. Die potentielle Energie. 143
Bestimmen wir nun in bezug anf irgendein Koordinatensystem
den Vektor mit den Komponenten
_dü _cu _dü
dx^ dy^ dz'
iiTT
d. h. — ^zTj so wollen wir zeigen, daß diesem eine Bedeutung un-
abhängig vom Koordinatensystem zukommt. Es gilt
für alle rfr.
Liege nun zunächst dr in der Fläche, so ist wegen U'^C,
dU^O, also auch
-Tzrdr^ 0,
dr '
d. h. -r- steht auf df senkrecht, oder:
df '
Der Gradient steht auf der Niveaufläche senkrecht.
Sei jetzt v der Einheitsvektor senkrecht zur NiTeauSäche und
zwar nach der Seite abnehmenden {J's gerichtet.
Wählen wir df =^v - dn mit positivem rfn, so ist d U negativ.
Sonach erhalten wir
Q>dU^^'V'dn,
also
dU - äU^ ^
Es ist also — -^ nach der Seite abnehmenden Potentials eugericktet.
Da femer | i/ 1 = 1 und — -r=- und v dieselbe Richtung haben,
so folgt
dr " d'n '
i1 TT
Es steht also — ,- auf der Potentiaifläche senkrecht, ist nach der
Seite Jkiehmenden PoUmiials eugerichtet und seine Größe ist gleich dem
Differentialquotienten von U tuich der Normalriclitung Bur Fläche,
Das ist zugleich die Richtung stärksten Gefälles von Uj denn
dn ist der kürzeste Abstand zweier Potentialfiächen, deren Eon-
stanten C sich um du unterscheiden. Daher der Name „Gefälle" für
df '
Beispiele: Für die Schwerkraft sind die Potentialflächen hori-
zontale Ebenen, für die Anziehungskraft der Sonne konzentrische
Kugeln um die Sonne.
144 in. Eneigie und Arbeit Nr. 89, 90.
89. Der Begriff der potentiellen Bnergie fBr ein be-
liebiges System« unsere bisherigen Betrachtungen galten für einen
einzigen Punkt. Wenn sie also auf ein System angewendet werden
sollen, so ist das System durch den Schwerpunkt zu ersetzen und
unter i sind die äußeren Kräfte verstanden.
Wir wollen nun allgemein sagen , daB ein Eräftesystem dk an
einem beliebigen System ein Potential habe, wenn sieh die wirkliche
Arbeit ^
A=J ^dk'df
— wo jetzt df die Verschiebungen der wirklichen Angriffspunkte,
f die Integration nach der Zeit, S die Summation über die Kräfte
bedeutet — , a priori ohne Kenntnis der Bewegung ausrechnen läßt.
Wir nennen dann das uubestimmte Integral
-/s
dkdf^ü
die potentielle Energie des Kräftesystems.
Beispiel der Schwerkraft. Die Schwerkraft hat ein Potential,
denn es ist
J ^dk'df^ — gj S dm • rff = — ^ • S rfm r
^ ^ g ' m'f*= mg • z*.
Bei jedem irdischen, materiellen System ist die potenHdle Energie
der Schwere gleich dem Produkt aus dem Gewicht und aus der Hohe
des Schwerpunkts über einer bdidngen, aber festgehaltenen Horioontalebene.
§ 19. YoUständige Theorie der ebenen Bewegung des
mathematischen Pendels.
90. Die Energiegleiohnng. Wir betrachten die Bewegung
eines mathematischen Pendels in der durch den Aufhängepunkt
gehenden Vertikalebene, ohne daß wir uns auf kleine Schwingungen
beschränken (wie in Nr. 66), und ohne Rücksicht auf Widerstände.
Da die einzige Kraft, die Arbeit leistet, die Schwerkraft, ein
Potential hat
?7=» mgZf
wo
jer = — l cos O",
so lautet die Energiegleichung
U+E = h,
hier
YmP#*— mgl cosd^ = A.
Nr. 91. § 19. Theorie der ebenen Bewegung des math. Pendels. 145
Sei für irgendeinen Winkel d'Q die Winkelgeschwindigkeit -ö-^Oq
gegeben, so muß für diese Werte die vorstehende Gleichung erfüllt sein,
d. h. es ist
Ä = Y ml^OQ^ — mgl cos d'Q,
und die Energiegleichung erhält mit der Abkürzung
2 9
die Form
d'^ — 2v* cos # =- Oo* - 2v* cos d^^, (I)
Wählen wir z.B. d^Q^^O und nennen das zugehörige (Oq, also die
Winkelgeschwindigkeit im tiefsten Punkte (o^, so wird aus (I)
^ - 2v^ cos -9- = o^«- 2v«, (r)
woraus folgt
^ = Vcöi«- 2i/«(r-^cös¥) = yV- 4i;« sin"y .
Danach sind zwei Fälle denkbar:
1. ©1 > 2v: Die Wurzel wird nie Null, d" bleibt absolut ge-
nommen größer als yoi'' — iv% das Pendel läuft also immer im selben
Sinne rundum. Das ist der Fall des umlaufenden Pendels.
Der Minimalwert von (o
(D«
- Yco^^ - 4t/«
wird für O* = ä, d. h. im höchsten Punkte erreicht.
2. o. < 2v. Für sin ,.=—-, dem ein reeller Winkel d' = cc ent-
spricht, wird 0=0. Grrößer wie a kann d' nicht werden, da sonst a»
imaginär würde. Es wird also für O* = a, 0 = 0 das Pendel um-
kehren, die Wurzel, d. h. o sein Zeichen wechseln. Wir haben den
Fall des hin- und hergehenden Pendels.
3. Den Zwischenfall o^ = 2v. Der höchste Punkt # = ä könnte
noch erreicht werden, allerdings mit der Geschwindigkeit Null.
Wir gehen jetzt zur Besprechung dieser drei Fälle über.
Aufgabe 62: Man leite die Gleichung (I) direkt aus der Gleichung
^ + v' ain-^^O
von Nr. 66 ab nach der in Nr. 67, Beispiel 2, erläuterten Methode.
91. Das nmlaufende Pendel. Aus
o = l/cji*— 4v' sin'--
Hamel: Elementare Mechanik. 10
146 ni. Energie und Arbeit. Nr. 91.
folgt
I j/a),*-4y«8ixi*
«•
9
1 r_ j9
wo X* = - i < 1 ist.
Das Integral ist ein elliptisches und kann durch elementare
Funktionen nicht in geschlossener Form dargestellt werden. Wir
woUen folgendes Näherungsverfahren einschlagen:
Es ist der Integrand
(l - X* sia' g) -= 1 + yx* sin* Y + yx* sin* y + ^^x« sin^y + • • •
Man kann diese Reihe in eine Eosinusreihe yerwandeln, da
'^^^ ' — cos -ö" + — cos 2#,
sm*— =
8 2 '8
• A^ Ö 15 cv 1 3 rt *v 1 Oft
Sm« 2 == 16 "" 32 ^^^ '^ + Te ^^® ^'^ "" 32 ^® ^^ ^^^'
Sonach wird
+ ( ) cos ^ + ( ) cos 2# + 0 cos 30« H
Wir wollen uns nun damit begnügen^ die Zeit x eines yollen
Umlaufes auszurechnen, d. h.
2/r
1 /* d»
*"» /l/i « ■ «^
/ 1/1 — x' sin'
0
Da aber cos-ö", cos 2^ . . . von 0 bis 23r integriert, Null geben, so wird
Diese Reihe konvergiert für x < 1.
Nr. 92. § 19. Theorie der ebenen Bewegung des maih. Pendels. 147
Bemerkung: Ist bei einem umlaufenden Apparat cd^ die größte,
Qg die kleinste Winkelgeschwindigkeit, cd^ eine mittlere Winkel-
geschwindigkeit, so nennt man S^~ * den Ungleichförmig-
keitsgrad.
Man nimmt gewöhnlich für o^ den Wert ~^^^^ . Ist d klein,
genauer: ist (d^—g)^ klein gegen alle vorkommenden cd, so wird
man nur einen Fehler zweiter Ordnung begehen, wenn man "*7""'
mit irgendeinem Werte zwischen G)^ und co, verwechselt, wie es meist,
allerdings nicht immer mit der nötigen Beachtung der Voraus-
setzungen, geschieht.
Aufgabe 53: Wie groß mnß man oo^ wäblen, damit bei einem umlaufenden
Pendel von gegebener Länge l der Ungleich förmigkeitsgrad S einen vor-
geschriebenen Wert £ nicht überschreitet?
92. Das hin- und hersohwingende Pendel. Es sei jetzt
a)^^<4i/', a der maximale Ausschlagwinkel. Dann setzen wir (Dq»0,
dg » a und erhalten aus Gleichung I (Nr. 90)
d*— 2v* cosO" =« — 2v* cos«,
also
^J y2coB0' — 2co8a
Wir wissen nun, daß d' zwischen ~ a und + cc hin- und hergeht,
daß also
1 ^ cos d" ^ cos «.
Dementsprechend fOhren wir eine neue Variable ^ ein durch die
Substitution
1 — cos 0- === (1 — cos a) sin'^
oder, da
1 — cos ö- « 2 sin* Q- ,
zugleich mit genauerer Festlegung des Zeichens durch
(1) sin - «= sin - sin ^.
Wenn ^ fortlaufend alle reellen Werte durchläuft, geht d" bestandig
zwischen — a und + a hin und her. Aus (1) folgt
y2 cos O" — 2 cos a =- )/2(l — cos« — (1 — cosd))
1/4 sin* Y cos*^ = ± 2 sin -^ cos ^.
10*
148 ni. Energie und Arbeit. Nr. 92.
Femer ergibt die Differentiation von (1)
— cos ,. dd" — sin -r- cos ^ • dtf;
2 sin — C08 rf) • d^
1/ 1 — ain* -- • sin* ff)
Die Wurzel ist luer positiv zu nehmen, da cos ~ö >^ ist- Setzen
wir alles in das Integral för t ein und beachten wir, daß wir noch
festsetzen können, daß ^ mit t dauernd wachse, — das umgekehrte
könnte durch Änderung des Zeichens von ^ wett gemacht werden,
das negative Zeichen in (1) aber dadurch entfernt werden, daß man
-ö- + 2 Ä an Stelle von d' betrachtete — , so folgt
' " Vv'
dfl)
— »in'—- sin'V'
Setzen wir noch sin — = x und rechnen / von d *» 0 an^ so erhalten
wir die sogenannte Legendresche Normalform des elliptischen
Integrals
0
wo x' < 1 ist.
Auch hier mag die Integration für den Fall einer vollen
Schwingung ausgeführt werden. Einer solchen entspricht der Verlauf
von tj; von 0 bis 2;r. Also ist die Periode
2n
__ 1 r dtjj^
oder nach einer analogen Entwicklung wie in Nr. 91
= 2«j/.I(l + lx«+...),
WO x*=» sin*— ist
Vernachlässigung schon des zweiten Gliedes gibt die Formel
für unendlich kleine Schwingungen. Für sehr feine Beobachtungen
wird Beachtung des zweiten Gliedes genügen. Selbst wenn a im
Nr. 98, 94. § 19. Theorie der ebenen Bewegung des math. Pendels. 149
1 . 11 1
Bogenmaß etwa t^ ist, so ist x angenähert ^, ---** ^^^^ ?eöö* ^^^
nimmt aber für wissenschaftliche Beobachtungen meist sehr yiel
kleinere Ausschlagwinkel, so daß auch noch das Glied mit -j-^^ ^<^^
gelassen werden kann.
Aufgabe 64: Man schätze unter Benutzung des Bestgliedes der Taylor-
schen Reihe für die benutzte Reihe den Fehler ab, den man begeht, wenn man
mit dem zweiten Gliede abbricht.
93. Der ÜbergangsfUl a>^' « 4 v'. In diesem FaUe wird aus (I)
-^*- 2i;\l + cosd) = 4v* cos'y ,
also d = + 2v cos TT •
Daraus folgt
^ 2
Die Integrationskonstante fallt fort, wenn wir annehmen, daß für
^ = 0 auch t ^0 wird.
Man sieht nun aber, daß t ^ ±oo wird für d » ± ;r. Das
Pendel nähert sich also mit stets abnehmender Geschwindigkeit dem
obersten Punkte der Kreisbahn, ohne ihn je zu erreichen (t » ex»).
Oder es kommt von dort her, ohne aber je da gewesen zu sein
(^ » — cx)). Wir haben eine sogenannte asymptotische Bewegung in
der Nähe der obersten Stelle.
94. Terhalten der Fadenspaimung. Wir haben früher in
Nr. 66 für die Fadenspannung S die Formel abgeleitet
S = mg cos O* + mlca^.
Setzen wir hierin nach Formel (I') (Nr. 90)
1(0^ = Ig)i^ + 2g cos d^ — 2g,
so erhalten wir
S = mlaj^^ + 3mg cos d- — 2mg,
wonach zu jedem d' das zugehörige S berechnet werden kann.
Wir müssen nur noch prüfen, ob die Nebenbedingung
S>0
erfüllt ist.
S nimmt ab mit wachsendem ».
Für O" =» Ä (beim umlaufenden Pendel) ist also
Smin = ml(Oi^— 5mg,
150 ni. Energie und Arbeit. Nr. 94.
Damit also S>0 sei, ist beim amlaufendeii Pendel nötig nnd hin-
reichend, daß
©1* > 5v*
sei. Beim hin- und hergehenden Pendel nehmen wir besser die
Formel aus Nr. 91
1(0* = 2g cos d" — 2g cos a,
wodurch
S = ^mg cos d" — 2fng cos a
wird. Für d" ^ a aber wird
S — mg cos «.
Damit also dauernd 5^0 sei, muß ^ ^ -^ sein. Da
Zcöi* ^ 2g '-2g cos a
ist, heißt das, daß
(öl» ^ 2v«
sein muß. Wenn aber
ist, wozu auch der Zwischenfall (Oj*^4v* gehört, so wird einmal
5 » 0. Es wird also dann der Punkt die Kreisbahn yerlassen und
frei (mit 8 =^0) in einer Parabel herabfallen. Denn infolge
S — 3mg cos 0- — 2mg cos cc
und cos« < 0 kann S nur negativ werden an einer Stelle, wo ^> «
ist. Da gibt es aber eine Parabel, die sich stetig und der augen-
blicklichen Geschwindigkeit entsprechend der Kreisbahn anschließt
und zunächst wenigstens innerhalb derselben verläuft.
Denn an der Stelle S = 0 ist
3 cos -ö" = 2 cos «
und also das zugehörige cd'
Qj* = — V* cos 0^.
Also der Krümmungsradius der Parabel nach der Formel
— — — AT COS ^
f?« ?«»^ _ ,
^ g cos -ö" ^ cos ^
Die Krümmung der Parabel ist also an dieser Stelle, wie auch
zu erwarten war, gleich der des Kreises. Nach dem Scheitel zu
nimmt aber die Krümmung der Parabel zu, und da bei der Wurf*
parabel der Scheitel oben liegt, so wird die Parabel in den Kreis
eintreten.
Nr. 96. § 20. Das allgemeine Gravitationsg^etz. 151
Daß übrigens an der Stelle^ wo S = 0 wird, der Punkt in das
Ereisinnere tatsächlich eintritt; kann auch so erschlossen werden:
Betrachten wir die Beschleunigungskomponente in Richtung des
EreisradiuS; so ist sie für die Ereisbahn
- ff cos 0« + 5
für die Parabel
— G cos O".
Da 5 < 0; so ist die Beschleunigung im letzten Falle größer als
im ersten, der Punkt wird also tatsächlich die Ereisbahn nach innen
verlassen.
Was dann geschieht, wenn die Parabel das zweite Mal die Ereis-
bahn trifft, wenn also der Faden plötzlich wieder gespannt wird, kann
hier noch nicht erörtert werden. Es handelt sich um ein Impulsions-
problem (siehe § 52).
Dieselbe Bewegung wie unser Pendel würde auch ein Punkt aus-
führen, der reibungsfrei in einer vertikalen, kreisförmig gebogenen
Röhre gleiten kann. Nur wäre S, der Druck der Röhre auf den
Punkt, nicht der Bedingung 5>0, und daher auch a^ keiner Be-
schnLnkung unterworfen.
Eapitel IV.
Elemente der Himmelsmechanik.
§ 20. Das allgemeine Gravltatlonsgesetz.
9B. Ableitimg des OesetieB mit Benutzung der lex tertia.
Wir haben in Nr. 38 gesehen, wie sich die Bewegung der Planeten
um die Sonne in erster Annäherung durch das Newtonsche Eraft-
gesetz darstellen läßt^ das uns sagt, daß die Sonne auf die Planeten
eine Eraft ausübt, welche auf die Sonne zugerichtet ist und die
Größe hat
> Im
Dabei hängt k nicht mehr von den einzelnen Planeten ab.
Nun lassen sich aber die Bewegungen der Monde um die ein-
zelnen Planeten nach einem analogen, nur durch den Wert von X
unterschiedenen Gesetze erklären. Bedenken wir weiter, daß die
Erde auf jeden Eürper eine Eraft, die Schwerkraft, ausübt, daß nicht
einzusehen ist, warum diese Eraft Wirkung in einer gewissen Ent-
fernung aufhören soU, so werden wir wohl nicht die Vermutung ab-
weisen können, daß wir es in der Schwerkraft, der Anziehungskraft
152 ^^* Elemente der Himmelsmechanik. Nr. 95.
der Sonne auf die Planeten and derjenigen der Planeten auf die
Monde mit Teilerscheinungen eines einzigen Eraftgesetzes zu tan
liaben. Dieses sogenannte Gravitationsgesetz besteht demnach darin,
daß jeder Körper jeden anderen von der Masse m mit einer Kraft
anzieht, die auf den ersteren zugerichtet ist und das Gesetz
erftLllt, wobei k noch von dem anziehenden Körper abhängt.
Um X zu finden, nahm Newton, der zuerst diese Generalisation
aussprach, zu seiner allgemeinen lex tertia Zuflucht, der zufolge die
Kraft kl, die Körper 1 auf Körper 2 ausübt, stets entgegengesetzt
gleich sein soll der Kraft Jc^, die 2 auf 1 ausübt. Also
oder
^1 ^s ''i ^1
r* ~ r* '
i.
i.
»"l
w.
Ton jedem Körper unabhängig, d. h. eine Universalkonstante.
Also ziehen sich zwei Körper von den Massen m^ und m^ mit
einer Kraft an, die gleich
ist, wo r die gegenseitige Entfernung und F eine UniversaUconstante
bedeutet.
Das ist das allgemeine Gravitationsgesetz.
In dieser Form ist es klar, wenn man von einer Entfernung r
der beiden Körper sprechen kann, d. h. wenn die Dimensionen der
Körper klein sind gegen ihre Entfernungen. Allgemeiner und exakter
werden wir das Gesetz für Massenelemente aussprechen:
Zwei Massendemente dm^ und dm^ in der Entfernung r von
einander ziehen sich mit einer Kraft
dk^r^'f^-'
Die allgemeine Gravitation erscheint somit als räumlich verteilte
Kraft. Diese Kraft hat, wenn wir die Koordinaten des anziehenden
Elementes als konstant ansehen, hinsichtlich der Koordinaten des an-
gezogenen Körpers ein Potential:
r, dm, dm^
n = — r - — - ,
d. h. es ist
(siehe Nr. 87).
* dr.
Kr. 96.
§ 20. Das allgemeine GrayitationsgeBetz.
153
Daraus folgt: Die Kraft, welche ein ausgedelmter Körper auf ein
Masseoelement duij ausübt^ hat ein Potential, d. h. es ist
und dabei ist
U
— dm^r
(1)
Das Integral ist über den Körper (1) zu erstrecken.
96. Die Ansiehnng einer aus homogenen, konzentrischen
Schalen meammengeBetzten Kngel. Betrachten wir die An-
ziehung einer homogenen,
unendlich dünnen Kugel-
schale vom Radius q, der
Dicke dg und der spezi-
fischen Masse (i auf ein
Massenelement dm^ an der
Stelle P in der Entfernung a
vom Mittelpunkt 0 der
Kugel. Dabei kann a^p
sein. Teilen wir nun die Pig. 66.
Kugelschale in Ringscheiben
durch Ebenen senkrecht zu OP, so haben aUe Punkte eines solchen
Streifens dieselbe Entfernung r von dm^ und es ist also ihr Potential
„dm^ ' ft2«9 sin^ • gd^ • dg
^l __ ^
da (»äO' die Breite des Streifens bedeutet, (»sind* seinen Radius, wenn
-^ der Winkel XOP ist.
Also ist das Potential der ganzen Kugelschale auf den Punkt P
2 rr 'T / _j^y^.^^,_2^p,
9C08^
Denn es ist
r = +ya^+ p*— 2aQ cos #.
Die Wurzel ist der Bedeutung von r entsprechend, stets positiv zu
zählen.
Man kann die zur Berechnung von u notwendige Integration aus-
führen und erhält:
u
- rdm, ^''^^'^' 1/a« +7^- 2apcos^o.
Nun sind zwei Fälle zu unterscheiden: a) es liege P außerhalb der
Kugel: a> Q. Dann wird
154- IV. Elemente der Himmelsmechanik. Nr. 96.
«- - rdm, *-^!M^{a + 9 - (o-p)}=. - rdm, —f^dg,
da ja dm^ =» 4xQ*(idQ die ganze Masse der Kugelschale ist.
Es berechnet sich also das Potential der Engelschale auf einen
Punkt außerhalb genau so, als ob es sich um die Anziehung eines
Punktes handele, der im Mittelpunkt der Kugel liegt und die Masse
der ganzen Schale besitzt.
b) Es liege P innerhalb der Kugel: a < (». Dann ist
+ ")/ä*+ p'— 2aQ cosö-^« Q — ^}
also
u «= — rdm^47CiiQdQ,
d. h. konstant, unabhängig von der Lage des Punktes P.
Ist aber das Potential konstant, so ist die Kraft Null.
Eine homogene Kugdschdle übt auf einen Punkt im Innern
keine Anziehung aus.
Beide Potentiale gehen in der Grenze a = q stetig ineinander
über, die Kräfte aber nicht.
Wir wollen uns nun vorstellen, daB wir eine Vollkugel haben,
die aus lauter konzentrischen homogenen Kugelschalen bestehen soll.
Der Radius sei R.
Für einen Punkt außerhalb a > 12 ist dann das Potential
w = — 1
a
Man braucht nur die obige Formel des Falles a) zu summieren. Die
Kraft aber ist
du „ -, a
Für die Wirkung na>ch außen kann man also eine solche Kugd
wie einen Punkt behandeln.
Liegt aber P innerhalb der Kugel, ist also a < ü, so teilen wir
die Kugel in zwei Teile: eine Kugel vom Radius a und eine Hohl-
kugel von den Radien a und iJ. Für erstere liegt der Punkt außer-
halb, für letztere innerhalb. Mithin ist das Potential in diesem Falle
R
M = — r ^- 1 4:XQ^dQfi — rdm^ix I (iQdg
Nr. 97. § 80. Das allgemeine Gravitationsgesetz. 155
Die Kraft kann dagegen im zweiten Fall so bereclinet werden,
als ob die Masse der inneren Kngel allein im Mittelpunkte konzen-
triert wäre, d. h. es ist für a < iZ
a
0
Natürlich ist auch hier t = — ,_ •
Man erkennt aus dem Vorhergehenden, daß sich bei der Voll-
ktigel Potential und Kraft stetig an der Kugelgrdnze verhalten, wenn
sie auch auBen und innen verschiedenen analytischen Gesetzen ge-
horchen.
A a f g a b 6 : 65. 1 kg Steinkohle hat einen Arbeitswert von etwa 7000 x 420 mkg.
Wie tief darf die Kohle gelagert sein, damit die Förderarbeit, welche die Schwere
allein verursacht, nicht schon großer ist als der Wert der Kohle?
97. Über die Stetigkeit des Potentials und seiner Ab-
leitungen.^)
Man kann gegen unsere Betrachtungen einwenden, daß wir ohne weiteres
die Formeln bis an die Grenzen Q^^a haben gelten lassen, obwohl sie eigent-
lich nur für p ^ a bsw. Q<Ca bewiesen sind. Diesem an sich berechtigten Ein-
wand kann man so begegnen.
Das Potential, das bis auf einen konstanten Faktor gleich
f'
und die Kraft, deren Komponente nach der £- Achse bis auf denselben Faktor gleich
ist, verhalten sich als Funktionen von r, sicher regulär, solange nicht r^^=ir^,
d. h. r ==» 0 werden kann, also der angezogene Punkt in das Innere der Massen
hineintritt.
Nun soll aber gezeigt werden, daß auch in diesem Falle die Stetigkeit und
Endlichkeit des Potentials und seiner ersten Ableitungen, d. h. der Kraft, nicht
aufhören, vorausgesetzt, daß die anziehenden Massen wirklich räumlich verteilt
sind, d. h. die spezifische Masse ft endlich bleibt.
Machen wir nämlich den angezogenen Punkt (f,) zum Anfangspunkt eines
Polarkoordinatensjstems r^tp, so ist bekanntlich das Volumelement
X, — «1 = — r cos a ,
1} Der Anfänger kann diese Nummer fortlassen.
156 I^- Elemente der Himmelsmechaiiik. Nr. 97.
wo a den Winkel von f^^ r^ R^g^i^ die :c- Achse bedeutet. Das Potential aber
wird — bis auf die fortgelassenen konstanten Faktoren
die Krafbkomponente
/'
ftrBiDd'dd'dipdr
ß
^ cos a sin ^d^dtpdr.
Beide Integrale aber bleiben endlich und stetig, wenn jetzt r = 0 werden kann^
d. h. wenn Massen bis an den angegebenen Punkt heranreichen. (Denn an-
statt den Aufpunkt — wie man oft den angezogenen Punkt nennt — zu Ter*
schieben und die anziehenden Massen festzuhalten, kann man natürlich auch
den Aufpunkt festhalten und die Massen verschieben.) Grenzt man um den
Aufpunkt einen kleinen Bereich J V von beliebiger Gestalt und der Maximal-
dimensiou d ab, so gibt selbst das plötzliche Auftreten einer endlichen Massen-
dichte vom Maximalbetrage \l zum Potential einen Beitrag
/
\LrdrfiiJi9d^dip < — ^^'2«
und zur Kraft einen Beitrag
fidrcosasin^dqpd^ •<fi2«^,
'/'
die also beide mit 9 unendlich klein werden.
Das plötzliche Auftreten von Masse in unendlicher Nähe des Aufpunktes
verursacht also keine plötzliche Änderung des Potentials und der Kraft.
Man darf also eine Formel, die bis an die Grenze der Masse gilt, auch für
diese Grenze selbst noch anwenden, wenn Potential und Kraft in Frage kommen.
Für die zweiten Ableitungen des Potentials gilt das aber nicht mehr. Viel-
mehr kann man zeigen, dafi dieselben an Grenzen, wo fi unstetig ist, ebenfalls
unstetig werden.
Z. B. gilt die Laplace-Poissonsche Gleichung für das Potential
^'tt ^*tt d^u
(x, y, z die rechtwinkligen Koordinaten des Aufpunktes), woraus man erkennt,
dafi die linke Seite mit fi springt. Wo keine Masse ist, gilt insbesondere
Ju=^Q (Laplace).
Hier soll darauf nicht weiter eingegangen werden. Die hierher gehörenden
Untersuchungen, besonders diejenigen, welche die fundamentale Differential-
gleichung von Laplace anbetreffien, pflegt man in der Potentialtheorie zu
behandeln. Es sei auf die schon in Nr. 9 genannten physikalisch-mechanischen
Lehrbücher hingewiesen, welche den Gegenstand behandeln: Kirchhoff, Schell,
Routh, Statik, Bd. 2, Thomson-Tait, Webster. Ein spezielles Lehrbuch
ist: Betti, Potentialtheorie, deutsch von Fr. Meyer, ein mehr für Mathematiker
geschriebenes das von Korn. Literatur, Geschichte und Überblick findet man
in dem Artikel von H. Burckhardt und W. F. Meyer: Potentialtheorie, in der
Encyklopädie der matb. Wissenschaften, Bd. II, Teil A, Nr. 7 b. Als grundlegend
seien genannt die beiden Arbeiten: Gauß, Allgemeine Lehrsätze in Beziehung
auf die im .verkehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernung wirkenden An-
ziehungs- und Abstoßungskräfte (1840) (neu herausgegeben in Ostwalds Klassiker
der exakten Wissenschaften, Nr. 2) und Green, Ein Versuch, die mathematische
Kr. 98. § 20. Das allgemeiiie Gravitationngesetz. 157
AnaljBis auf die Theorien der Elektrizität und des Magnetismas anzuwenden
^828; ebenfalls in Ostwalds Klassikersammlung erschienen als Nr. 61). Über
den Zusammenhang mit der Funktionentheorie siehe die fundamentale Arbeit
von Riemann, I. ges. Werke; als Lehrbuch: Picard, Traitä Bd. 11.
Aufgabe 56: Man beweise die Laplace-Poissonsche Gleichung für das
Potential der aus homogenen, konzentrischen Schalen bestehenden Kugel.
98. BrgebnlsBe von Beobachtnngen. Es bleiben die Fragen
zu erörtern: wie groß ist die uniyerselle Konstante Fy die man auch
Oanßsche Eonstante nennt? Läßt sich die allgemeine Gravitation
auch zwischen irdischen Objekten experimentell nachweisen? Und
wie weit bestätigt die Erfahrung das Newtonsche Anziehungsgesetz?
Man hat nun tatsächlich die Gravitation an irdischen Objekten
festgestellt und gemessen und zwar nach verschiedenen Methoden:
a) aus Pendelversuchen, indem man davon ausging, daß ein horizon-
tales Pendel unter Einwirkung einer seitlich angebrachten Masse
schwingen muß wie ein gewöhnliches Pendel unter Einwirkung der
Schwerkraft; b) aus Versuchen mit der Wage: man entfernte die
Wagschalen möglichst weit voneinander und brachte die eine unter
Einwirkung einer großen abwärts ziehenden Masse: die betreffende
Schale mußte so ein Übergewicht bekommen, das man durch Zusatz-
gewichte auf die andere Wagschale direkt messen konnte, c) Durch
Versuche mit der Drehwage, eine Methode, die der direkten Messung
der Kraft durch ein Dynamometer ziemlich nahe kommt, nur daß die
Torsionswirknng der Feder statt der Längswirkung benutzt wird.
Diese Versuche haben ziemlich übereinstimmende Werte für F er-
geben, im Mittel
F= 6,675 • 10"® im c. g. s.- System.
Man hat auch die Ablenkung des Pendels durch Bergmassen benutzt,
um F zu finden. Man muß allerdings dann das Gewicht des Berges
aus seinen Dimensionen und dem spezifischen Gewicht seiner Gesteins-
massen abschätzen.
Vergleicht man die Resultate der besten Methoden miteinander,
so ergibt sich eine Unstimmigkeit von etwa 1,5 7of ^^ l^^i der Klein-
heit von F und der Schwierigkeit der Beobachtungen nicht wun-
dem kann.
Wenn nun die Erdbeschleunigung g wirklich von der Anziehung
der Erde herstammt, so muß man die Erdmasse daraus bestimmen
können. Denn es muß dann sein
WO m die Erdmasse. R den Erdradius bedeutet. Sei |li die mittlere
158 IV. Elemente der Himmelsmechaiiik. Nr. 98.
spezifische Masse der Erde, so ist m » -. R^xfi — wenn wir in erster
9
Annäherung die Erde als Engel ansehen — also folgt
3 1
Daraus berechnet sich im Mittel
II = 5^13.
Da die spezifische Masse der Gesteine an der Erdoberfläche nnr etwa
3 betrilgt; so hat man geschlossen^ daß sich im Erdinnern wesentlich
schwerere Stoffe befinden müssen. Berechnungen yon Wiechert
haben unter Berücksichtigung aller für die Erde sonst bekannten
Daten die Annahme eines Eisenkernes wahrscheinlich gemacht
Die beste Bestätigung hat nun aber das Newtonsche
Gesetz dadurch gefunden, daB die Annahme einer ihm fol-
genden allgemeinen Anziehung zwischen den Himmels-
körpern gestattet, die Keplerschen Gesetze so zu ver-
bessern, daB die Differenzen zwischen Theorie und Beob-
achtung nur noch minimal sind. Um einen Begriff davon zu
geben, sei eine der hauptsächlichsten Abweichungen genannt: ein
Fehler von 4(y' im Jahrhundert für die Perihelbewegung des Merkur.
So hat sich das Genie Keplers bewährt: das von ihm entdeckte
Gesetz, das zunächst nur ganz roh stimmt, hat Newton ein Eraft-
gesetz finden lassen, das in fast selbstverständlicher Weise verall-
gemeinert, imstande ist, selber die Abweichungen fast vollständig zu
erklären. Das Newtonsche Anziehungsgesetz ist mit das bestbewährte
Naturgesetz, das wir haben: seinen populären Triumpf feierte es durch
die Entdeckung des Neptun (durch Galle), den die Astronomen Adam
und Leverrier aus Rechnungen vorausgesagt hatten.
Um die immerhin vorhandenen Abweichungen zu erklären, hat
man versucht, das Newtonsche Gesetz zu verbessern, ohne jedoch zu
einem definitiven Ergebnis zu kommen. Es muß übrigens bemerkt
werden, daß, wie Seliger hervorgehoben hat, die nur roh abschätz-
baren Staubmassen in der Nähe der Sonne schon genügen können,
um z. B. die Anomalien der Merkurbewegung unter Aufrechterhaltung
des Newtonseben Gesetzes zu erklären.
Näheres über diese Fragen findet man in dem Artikel von G. Zen-
neck: Gravitation. Encykl. d. matk Wiss., Bd. V, Artikel 2.
Aufgaben: 57. Welche Dimensionen hat F und wie grofi ist diese Eon-
stante im technischen Maßsystem?
57 a. Wenn die Anziehung des Mondes durch die Erde und die Schwer-
kraft zur selben Klasse gehören und im umgekehrten Verhältnis der Quadrate
der Entfernungen vom Erdmittelpunkte stehen, so mufi man aus den Daten von
Aufgabe 24 in Nr. 34 die Erdbeschleunigung berechnen können. Welcher Wert
von g ergibt sich so?
Nr. 99. § 21. Das Problem der Planetenbewegung. 159
§ 21. Das Problem der Planetenbewegang.
99. Das Zwei-Körperproblem. Es mögen sich zwei Körper
(Himmelskörper) Ton den Massen m^ und m^, die wir als Kugeln aus
homogenen, konzentrischen Schalen ansehen wollen, nach dem Newton-
schen Gesetz anziehen. Wie werden sie sich bewegen, wenn keine
anderen Krafte auf sie einwirken?
Die Orte der Punkte seien durch r^ und r^ bestimmt, ihre Ent-
fernung sei r, so daß
ist. Dann lauten die Bewegungsgleichungen
m
? **« _ r *'***?*
Addieren wir beide Gleichungen, so heben sich die rechten Seiten
fort und wir erhalten
Betrachten wir den Massenmittelpunkt 8 beider Planeten, dessen
Vektor durch
T j — -
gegeben ist (siehe Nr. 51), so läßt sich die Torstehende Gleichung
schreiben :
- =0
woraus folgt:
f* « c^ + »•'
Der Massenmitteljmnkt beider Planeten bewegt sich in grader
Linie mit gleichförmiger Geschwindigkeit
Wir wollen nun die Bewegung beider Planeten relativ zum
Massenmittelpunkt studieren. Zu dem Zweck setzen wir
ri - f* - ^1
^i-^ = yi
}
so daß die y die Vektoren vom gemeinsamen Schwerpunkt nach den
Massenpunkten bedeuten. Wegen r* = 0 ist
.. ..
■ • ••
160 ^' Bllemente der Himmehmechanik. Nr. 99.
Da 8 auf der Verbindungslinie beider Planeten liegt und ihre Ent-
fernung im umgekehrten Verhältnis der Massen teilt^ so ist
y« =* ^« — **! r —
oder
f»j ■ Wlj
Führen wir überall y^ in die erste Bewegungsgleichung ein^ so er-
halten wir
Setzen wir noch
('+^)
so nimmt die Gleichung die Form an
Das ist genau die von Newton aus den Keplerschen Gesetzen ge-
zogene Gleichung. Es gelten also auch wenigstens die beiden ersten
Keplerschen Gesetze:
Beide Himmelskörper vollführen um ihren gemeinsamen Schwer-
punkt eine Keplersche Bewegung.
Das dritte Keplersche Gesetz freilich wird streng genommen
sinnlos: wollten wir es für die beiden in Rede stehenden Planeten
aussprechen, so wäre es falsch, denn beide bewegen sich in gleichen
Zeiten um ihren gemeinsamen Schwerpunkt.
Andere Planeten sind aber zum Vergleich nicht da. Trotzdem
kommt dem dritten Keplerschen Gesetze eine Bedeutung zu, wenn
wir unser Problem als einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit be-
trachten: der eine Körper (Wj) sei die Sonne, der andere ein Planet,
von der Einwirkung aller anderen Planeten wird abgesehen: der Wirk-
lichkeit entsprechend sei m^f>m^. Dann wird S nahezu mit m^
zusammenfallen und man kann sagen, daß der andere Körper, der
Planet, um die Sonne die Keplersche Bewegung ausführe. Man kann
jetzt auch Planeten miteinander vergleichen, indem man jedesmal den
betreffenden Planeten und die Sonne allein betrachtet, d. h. m^ fest-
hält, m^ variiert. Man sieht aber, daß A streng genommen nicht nur
von der Sonne, d. h. m^ abhängt; nur in der Grenze m^ : Wj = oo wird
X^^F-m^. In dem jetzt angegebenen Sinne hat also das dritte
Keplersche Gesetz eine Bedeutung, ist aber nur angenähert richtig.
Nr. 100. § 21. Das Problem der Planetenbewegong. Igt
100. Ansats des n-Körperproblems. Es seien n Körper
(Himmelskörper, Planeten) der schon oft genannten kugelförmigen
Beschaffenheit mit den Massen m^, m^, . . .m^ gegeben. Ihre augen-
blicklichen Ortsvektoren mögen mit f^. . .f^ bezeichnet sein. Die
Entfernung des vten vom Jlten sei r^j^'^Vj^^. Der Einheitsvektor
vom vi&n zum Jlten Körper sei Qy x^ ^^ ^^
Je zwei der Körper mögen sich nach dem allgemeinen Gravitations-
gesetz anziehen, andere Kräfte sollen nicht wirken. Es erfährt also
der vie Körper von dem Aten eine Kraft
r _ - m mx „
und es ist
Es liegen aber die Kräfte k^x ^^^ ^x,v ^^^^ ^^ derselben Geraden.
Man kann das in folgender Weise ausdrücken:
Da
— u ist eine Abkürzung für \-^ F — so gibt die Büdung des
\^^
äußeren Produktes (siehe Anhang I, 5) mit r^ — r^
weil r^^r^ und q^^^ dieselbe Richtung haben. Und umgekehrt heißt
auch nichts anderes, als daß
ist, wo u irgendein Faktor ist, d. h. k^ x ^ ^^ i^ ^i® Richtung vom
1/ten zum Jlten Planeten. Nun kann man aber wegen
. K,X^ *ii,r
die Gleichung
auch schreiben
rAi + "-Ar - 0 . (B)
Allgemein wollen wir, wenn eine Kraft k an dem durch f ge-
gebenen Punkte angreift, den Vektor M =^ rk das Moment der
Kraft in bezug auf den Anfangspunkt 0 nennen.
Hamel: Slemontare Mechanik. 11
162 ^V. Elemente der HimmelBmechanik. Nr. 101.
Man kann dann (B) so aussprechen: die Summe der Momente
der beiden zwischen zwei Himmelskörpern wirkenden Kräfte
ist Null.
Die Gleichungen (A) und (B) sind der vollständige Ausdruck
der Newtonschen lex tertia yon der Gleichheit der Wirkung und
Gegenwirkung.
Die Bewegungsgleichungen unseres Systems heißen nach diesen
Voraussetzungen
*"! dt' -
K» + Ki + ••• + *!,»
"♦» ,lt' °"*>.l
+*,,. + • • • + hn
»»« itt' = ^',,1 + K* + ^■-■» + • • • + *«,«-i
(C)
Es kann als die Hauptaufgabe der mathematischen Astronomie
bezeichnet werden, die Integrale dieser Gleichungen zu diskutieren
und zu erforschen, ob sich bei geeigneter Wahl der Massen mi,..m^
für Sonne, Planeten und Monde eine genügende Übereinstimmung der
errechneten Resultate mit denen der Beobachtung erzielen läßt. (Über
den heutigen Stand dieser Frage siehe Nr. 98 und Nr. 105).
101. Der Sohwerpunktssats des n-Körperproblems. Ad-
dieren wir die Gleichungen (C) am Schlüsse der vorhergehenden
Nummer^ so heben sich nach Gleichung (A) alle Kräfte auf der
rechten Seite fort und wir erhalten
oder, wenn wir wieder den Schwerpunkt S{r*) einführen durch
(Wi H h wjr* = Wifi + h m^r„,
so bekommen wir
dt* ^
r* = c • < + ä. (I)
Der Schwerpunkt des ganzen Sonnensystems bewegt sich in ge-
rader Linie mit gleichförmiger Geschwindigkeit
Dieser Satz gilt natürlich nur unter der Voraussetzung, daß eine
Einwirkung anderer Kräfte nicht stattfindet.
Was ist nun sein erfahrbarer Sinn?
Die absolute Bewegung an sich können wir natürlich nicht be-
obachten. Macht man aber die höchst plausible Annahme, daß das
Nr. 102. § 21. Das Problem der PlanetenbewegniDg. 163
ganze Fixsternsystem im Mittel keine Bewegung ausfuhrt; so muß
eine festgestellte Bewegung der Sonne — denn der Schwerpunkt des
Planetensystems fällt nahezu mit dem Mittelpunkt der Sonne zu-
sammen — gegen den Fixstemhimmel als Absolutbewegung der Sonne
angesprochen werden. Man hat auf diese Weise tatsächlich versucht^
c zu bestimmen; natürlich ist die Beobachtung sehr schwierig und
deshalb unsicher.
Die prinzipielle Schwierigkeit aber liegt darin^ daß die für uns
beobachtbaren Fixsterne doch nur einen Teil des ganzen Systems
aasiiiachen, und dieser Teil könnte sehr wohl eine Eigenbewegung
ausführen. Beobachtbar ist eben in Wirklichkeit immer nur eine
relative Bewegung; woraus aber nicht folgt; daß es eine absolute
nicht gibt.
102. Der Komentensats des n-Körperproblems. Daß die
Summe der Momente der beiden zwischen zwei Himmelskörpern wir-
kenden Anziehungskräfte Null ist, gilt für einen jeden Bezugspunkt.
Sei A irgendein fester oder beweglicher Punkt; y^ der Vektor
von A nach dem i/ten Planeten, s der Vektor von dem festen Punkt 0
nach A.
Dann gilt also analog zu (B) (Nr. 100)
y'rKi+yxh^^o. (B-)
Bilden wir nun bei einer jeden der Gleichungen (C) das äußere Pro-
dukt mit dem entsprechenden y^ und addieren alle OleichungeU; so
erhalten wir; da sich rechts infolge (B') wieder alle Olieder fortheben
2'~*y^J' = 0. (U)
Da jedes Glied der linken Seite das Moment einer Massenbeschleu-
nigung darstellt; kann man den Satz so aussprechen:
Für das Planetensystem ist unter den angegebenen Voraussetzungen
die Summe der Momente der Massenbeschleunigungen gleich Null.
Wählen wir als Bezugspunkt den festen Punkt 0, setzen wir
also y^ =- Fy, so ist
^* dt* dt ^^ dt ^
wie man durch Ausrechnen der rechten Seite sofort erkennt.
Unter dieser Annahme wird aus (II)
also _ _
Jo-C^, (Ua)
11*
164 ^' Elemente der Himmelsmechanik. Nr. 103.
wo der Impulsvektor J^ bezogen auf den festen Punkt 0 definiert
ist durch
^^0"^ ^^^^v^t f
d. h. durch die Summe der Momente der Massengeschwindigkeiten.
Eine analoge Form nimmt (II) an^ wenn man alles auf den
Schwerpunkt bezieht.
Sei also jetzt speziell y^ der Vektor yom Schwerpunkt S nach
dem i/ten Planeten, also
f =^r* -{- y
und infolge (I) (Nr. 101)
TT »
Dann lautet (11)
und weil natürlich wieder
d r~
ist _
j,-a„ (IIb)
wo J^'^Zm^y^y^ der Impulsvektor für den Schwerpunkt ist.
Der Impulsvektor ist also für den Schwerpunkt wie audi für
einen festen Punkt beim n-Körperpröblem konstant
Übrigens bilden alle Satze (11), (U^); (Hh) yermöge des Schwer-
punktsatzes (I) nur einen einzigen Satz. Denn da f^== s + jf^, so
folgt aus
^m^r^f^ «= 0
sofort
^m^sr^ + ^m^y^r^ — 0 ,
d.h.
2m^y^K-o,
weil
^m^sr^= s{2mjr^ — 0
ist vermöge (I).
Legen wir den Momentensatz also in der, der Beobachtung zu-
gänglichen Form (IIb) zugrunde, so ist durch den konstanten Vektor C^
eine feste Richtung im Räume, also senkrecht zu ihr eine feste Ebene
durch den Schwerpunkt festgelegt: man nennt sie die invariable
Ebene des Planetensystems.
103. Der Komentensats als verallgemeinerter Fläohen-
sats. Es ist
J --^^^m.y.dy^.
Nr. 104. § 21. Das Problem der FlanetenbeweguDg. 165
Nach der geometrischen Bedeutung des Momentenproduktes (siehe An-
hang ly 5) steht nun y'dy^ auf der Ebene durch den Schwerpunkt,
den Planeten und die augenblickliche Bewegungsrichtung des Planeten
relativ zum Schwerpunkt senkrecht. Der Größe nach aber ist y^dy^
der Inhalt des aus y^ und dy^ gebildeten Parallelogramms, d. h. der
doppelte Inhalt des vom Radiusvektor y^ in der Zeit di übetstrichenen
Sektors dS. Also
\y^dy^\ =-2dS.
Es ist somit berechtigt
die (vektorielle) Flächengeschwindigkeit des Planeten relativ
zum Schwerpunkt zu nennen (vgl. Nr. 31, 32).
Für das Planetensystem bleibt also die einzelne Flächengeschwin-
digkeit nicht konstant, wohl aber die vektorielle Summe aller Flächen-
geschwindigkeiten, nachdem man jede einzelne mit der entsprechenden
Masse multipliziert hat.
Mit Hilfe des vorhergehenden vervollkommneten Begriffes der
Flächengeschwindigkeit läßt sich nun in strenger Weise zeigen, daß
die Bahnen des Zweikörperproblems wirklich eben sein müssen (siehe
Nr. 34).
Denn aus
y — «*y
folgt _
daraus
yjf^C. .
y bleibt also stets senkrecht zu dem konstanten Vektor C7, die Be-
wegung erfolgt in einer Ebene senkrecht zu C
104. Der Energiesatz des n-Körperproblems. Bilden wir
von jeder Gleichung (C) in Nr. 100 das innere Produkt mit dem ent-
sprechenden dr^y so erhalten wir links nach Nr. 79
dEj^^d^m^v;^,
und wenn wir summieren
dE « d2E, - d 2^Wi*^/-
Auf der rechten Seite aber bekommen wir
166 nr* filemente der Himmelflmechanik. Nr. 105.
wo die Summe fiber alle v, k za erstrecken isfc, oder wegen ^^ ^ » — Ä*^^^
WO aber jetzt die Summe nur über alle Paare k^v — jedes einmal
— zu bilden ist, was durch den Strich vor S angedeutet sei. Weil aber
und weil wegen rj^ — r^ t* ^
ist, so steht auf der rechten Seite
wo
ist.
D/^ Anziehungskräfte haben also insgesamt ein Potential und
es besieht somit der Energiesatz
dE dU
oder
E+U^h (ni)
(vgl. Nr. 85 und 89).
Für drei Körper ist z. B.
\ »-1,1 \» U,i )
105. Weitere Orientiening. Literatur. Unsere drei Inte-
gralgleichungen (I), (11), (III) der Bewegungsgleichungen (C) des
w-Körperproblems enthalten 10 skalare Konstanten: c, ä, C, Ä. Da
die Gleichungen (C) aber 3» Differentialgleichungen zweiter Ordnung
sind, verlangen sie insgesamt 6n Konstanten Wie die Ton Jacobi
inaugurierte, von Lie vollendete formale Theorie der Differential-
gleichungen zeigt, zählen unsere Integrale unter Berücksichtigung des
Umstandes, daß die Zeit t explizit nirgends vorkommt, so, als ob sie
12 Konstanten hätten, d. h. man kann das Integrationsproblem auf
eine einzige Differentialgleichung der Ordnung
6w - 12 - 6(w - 2)
zurückführen.
Nr. 106. § 22. Übergang zur Systemmechanik. 167
Bruns hat nun gezeigt^ daß es ein weiteres Integral, das alge-
braisch in den Koordinaten und Geschwindigkeiten wäre, nicht geben
kann und Poincare hat diesen Satz noch etwas yerallgemeinert.
Auf diese Weise zu yersuchen, die Integration weiterzuführen, hat dem-
nach keinen Zweck. Um gleichwohl dem n-Eörperproblem beizukommen,
schlägt man NäherungSTerfahren ein: man geht Ton der Kepler-
schen Lösung des Zweikörperproblems aus, die wegen der weit über-
wiegenden Sonnenmasse tatsächlich eine erste Annäherung sein wird,
und sucht nun durch Reihenentwicklungen den Einfluß der andern,
in ihren Bewegungen zunächst als bekannt angesehenen Planeten auf
den einen betrachteten mathematisch darzustellen. Dann berechnet
man wieder die Rückwirkung dieses Planeten auf die andern usw.
Man bezeichnet die Abweichungen der Planetenbewegungen von den
Eeplerschen als Störungen, und dementsprechend das angedeutete
Verfahren als Störungsrechnung.
Auf diese Störungsrechnung, die eine Wissenschaft für sich bildet,
kann hier nicht eingegangen werden. Es sei auf die Literatur hin-
gewiesen.
' Das klassische Werk nach Newton ist die „mecanique Celeste'^
Ton Laplace (1799). Jünger ist das Werk gleichen Namens von
Tisserand. Das hervorragendste neuere Werk über diesen Gegen-
stand bilden wohl die „NouveUes methodes de la mecanique Celeste^
von Poincare, der die Integrationsmethoden für Differential-
gleichungen überhaupt wesentlich gefordert hat. Die Methoden
gehen hauptsächlich auf die von Lagrange in seiner ,ymecanique
analytique^' (1. Aufl. 1788), die von Jacobi in seinen Vorlesungen
über Dynamik, die von Poisson in seinem: Traite de mecanique,
die von Hamilton und die von Lie in ihren verschiedenen Werken
gegebenen zurück.
VonLehrbüchem seien genannt: Charlier, „Mechanik des Himmels",
Poincar^, „mecanique Celeste", dann ein ausgezeichnetes Buch, das
die Elemente der ganzen Mechanik behandelt, wenn auch vom mathe-
matisch-astronomischen Gesichtspunkte aus: Whittaker, „Analytical
Dynamics". Auch sei noch einmal auf das schon in der Einleitung
genannte Werk von Appell hingewiesen. Des weiteren nehme man
die Artikel im sechsten Bande der Encyklopädie der mathe-
matischen Wissenschaften zur Hand.
Schluß des ersten Abschnitts:
§ 22. Übergang zur Systemmechanik.
106. Die Hypothese des materiellen Punktes. Der Schwer-
punktssatz bedeutet eine Aussage über die Bewegung eines jeden
Systems^ die man unter folgendem Bilde fassen kann: Objekt ist ein
168 ^' Elemente der Himmelnnechaiiik. Kr. 106.
mathematischer Punkt« — der Schwerpunkt — dem eine endliche
Masse m, die Masse des Systems, zugeordnet ist. Ferner wirkt an
ihm eine Kraft k gleich der Summe der äußeren an dem System an-
greifenden Kräfte. Dann haben wir f&r diesen Punkt die Gleichung
mw == k.
Das System erscheint so unter dem Bilde eines einzigen^ mit Masse
behafteten Punktes, man nennt einen solchen einen materiellen, oder
einen Massenpunkt.
Unter der Annahme, daß die Himmelskörper genau genug als
Kugeln der in Nr. 96 angegebenen Art angesehen werden können,
erscheint die Himmelsmechanik als Mechanik eines Systems einer end-
lichen Anzahl Ton Massenpunkten, die gegenseitig Kräfte aufeinander
ausüben.
Der großartige Erfolg der Himmelsmechanik beherrschte nun das
ganze 18. und auch noch das 19. Jahrhundert derart, daß man glaubte,
die ganze Welt als ein System einer endlichen Anzahl solcher Massen-
punkte auffassen zu können, die Zentralkräfte aufeinander ausQben,
d. h. Kräfte, welche auf den anziehenden Körper zugerichtet sind.
Jedes System, z. B. auch ein fester Körper, sollte ein kleines Sonnen-
system sein.
Unterstützt ¥nirde diese Meinung durch die neu aufblühende
Atomistik (Gassendi im 17., Boscowich im 18. Jahrhundert).
Und so beherrschte die Auffassung, ein jedes materielles System,
also ein jedes Objekt der Mechanik bestehe aus einer endlichen An-
zahl von Massenpunkten, der Zusammenhang aber werde durch Zentral-
kräfte zwischen diesen Punkten aufrecht erhalten, die Mechanik bis
ins 19. Jahrhundert. Ja, es ist heute noch fast ausschließlich Me-
thode der Lehrbücher, die beiden allgemeinen fundamentalen Sätze
der Mechanik, den Schwerpunktssatz und den Momentensatz, auf
Grund der Hypothese des Massenpunktes aufzubauen.
Mit besonderer Betonung wurde dieser Standpunkt von Poisson
im Anfange, Ton Boltzmann am Ende des 19. Jahrhunderts ein-
genommen.
Nun vers^ aber diese Hypothese vielfach, sie gibt z. B. keine
hinreichende Theorie der elastischen Körper. Aber, wenn sie es auch
täte, so wäre es durchaus notwendig, die genannten Fundamentalsätze
der Mechanik ohne eine solche metaphysische Hypothese zu begründen,
damit es nicht den Anschein gewinne, als ob die Mechanik von solchen
Weltkonstruktionen abhänge.
Wir werden deshalb zu Beginn des dritten Abschnitts eine neue
Begründung jener aUgeraeinen Sätze geben, nachdem wir eine erste
schon am Ende des zweiten Abschnittes gebracht haben.
Kr. 107. § 22. Obergang zur Systemmechanik. 169
Der historischen Bedeutung wegen mag aber die übliche Ab-
leitung von Schwerpunkts- und Flächensatz aus der Hypothese des
Massenpunktes hier gegeben werden.
107. Ableitung des SohwerpnnktBsatsea fBr beliebige
Systeme. Wir betrachten ein System aus n Massenpunkten mit
den Massen m^. , .m^] ihre augenblicklichen Orte seien durch f^.,,r^
gegeben. Die gegenseitige Entfernung sei durch r, j^^ bezeichnet. Der
Zusammenhang werde durch Kräfte aufrecht erhalten, die zwischen
den Massenpunkten wirken: es übe der Jlte Punkt auf den vten eine
Kraft s^ 2. Alis.
Diese sogenannten ,,inueren Spannungen'' mögen dem vollstän-
digen Gesetz der Gleichheit yon Wirkung und Gegenwirkung ge-
nügen (Newtons lex tertia), es sei also
es mögen aber auch die beiden Kräfte Zentralkrafte sein^ d. h. in
der Verbindungslinie des vien und kten Punktes liegen.
Wie in Nr. 100 ausgeführt, kann das so ausgedrückt werden,
daß in bezug auf jeden Punkt Ä die Summe ihrer Momente verschwinde
yI^r + y.Sr,\--o. (B)
Übrigens sagt die Gleichung
«i^v^'-^-^-,.; , (c)
wo S; y ein Skalar ist und 8^^=^ S^ i dasselbe wie (A) und (B)
zusammengenommen. Si^^>0 bedeutet einen Druck, 8j^^^<iO einen
Zug, auch ist , _ . «
Außer den inneren Spannungen mögen nun noch auf jeden Punkt
des Systems von außen Kräfte wirken, d. h. Kräfte, die von andern
nicht zum System gehörenden Punkten mit verursacht sind; die Resul-
tierende dieser auf den vten Punkt wirkenden Kräfte heiße k^.
Dann haben wir für jeden Punkt den Ansatz
d*r.
^^ dV
m. ,.r-K + ^^r,i (D)
(Newtons Grundgesetz mit Einschluß des Satzes vom Parallelogramm
der Kräfte).
Addieren wir alle Gleichungen (D), so heben sich aUe s^ i wegen
(A) fort und wir bekommen, wenn wir noch r* durch
einführen.
r V
1,, '^fn^-^K* - (I)
d*r
dt
170 IV'. Elemente der Himmelnnechanik. Kr. 108.
Und das ist offenbar der Schwerpnnktssatz, den wir schon kennen
(siehe Nr. 51).
108. Ableitimg des KomenteneatBes fBr belieUge
Systeme. Bilden wir nun aber Ton jeder Gleichung (D) das äußere
Produkt mit dem zugehörenden y^ und addieren^ so heben sich wegen
(B) wieder rechts alle $^^^ fort und wir erhalten den sogenannten
Momentensatz:
Für jedes System ist die Summe der Momente der Massen-
beschleunigungen gleich der Summe der Momente der äußeren Kräfte
und zwar in bezog auf einen jeden Punkt,
Doch gibt es wieder wesentlich nur einen Momentensab^ denn
vermöge
(s die Entfernung der Punkte 0 und Ä) wird aus der vorstehenden
Gleichung
d. h. unter Beachtung des Schwerpunktssatzes
^m^r^r^ = ^r^k^.
Wählen wir als Bezugspunkt den festen Punkt 0^ so ist wieder
"^ — .. d Y
wo der Impulsvektor J definiert ist durch
d. h. als Summe der Momente der Masseugeschwindigkeiten. Und
der Momentensatz lautet:
'if-J'rA- (IIa)
Wählen wir als Bezugspunkt A den Schwerpunkt, so wird wegen
^m,y;r, = ^n^y^y, + ^m^y.'i*
= j< 2m^yr% + l2m,y,)r*
= Ji 2m,y^y, ,
weil 2^m^y^ == 0 ist, da A der Schwerpunkt ist. (Siehe Nr. 52.)
Nr. 109. § 22. Übergang zur Systemmechanik. 171
Somit lautet der Momentensatz^ bezogen auf den Schwer-
punkt
^t=-Sä:, ' (IIb)
wo
d. h. gleich der Summe der Momente der relativen Massengeschwin-
digkeiten zum Schwerpunkt ist.
Da im Gleichgewichtsfall t^^ =» 0 sein muß, so ergeben sich die
folgenden für jedes System notwendigen Gleichgewichtsbedin-
gungen: 1. es muß die Summe der äußeren Kräfte yerschwinden:
2. Es muß die Summe der Momente der äußeren Kräfte ver-
schwinden: 2r^h^= 0.
109. Der allgemeine Energiesats. Bilden wir von jeder
Gleichung (D) (Nr. 107) das innere Produkt mit dem entsprechenden
df^ und addieren, so steht links
^ m;r^ ' dr^ = d^ y w^r/ = ^E, (1)
rechts aber steht erstens
^K-df^^dÄ^, (2)
d. h. die Arbeit aller äußeren Kräfte, und zwar die wirkliche Arbeit
derselben (siehe Nr. 80), zweitens
wobei V, l unabhängig die ZiflFern 1 bis n durchlaufen, oder wegen (A)
wo jetzt aber die Paare v, X alle nur je einmal vorkommen.
Wegen (C) (Nr. 107) wird aber diese Arbeit der inneren Kräfte
' v^^
va
oder da r^^ r]« ^(v~*^) ^^y,i' ^^y,x (siehe Nr. 100)
dA^'2S,,,dr,,,. (3)
Um also die Arbeit der inneren Kräfte zu erhalten^ hat man
die innere Spannung zwischen je zwei Punkten — als Druck positiv
gerechnet — mit der Verlängerung der Entfernung beider Punkte zu
muU>iplizieren und diese Produkte zu addieren.
172 IV. Elemente der Himmelsmechanik. Nr. 110.
Der Energiesatz lautet
dE^dÄ^+dÄ,. (III)
Haben wir speziell einen starren Körper^ so ist dr^^ auf jeden.
Fall NuU und also auch dA^,
Bei einem starren Körper leisten also die inneren Spannungen
hei keiner Verschiebung Arbeit und es ist die Änderung der kine-
tischen Energie gleich der Arbeit der äußeren Kräfte:
dE = dA^,
Besitzen die äußeren Kräfte in ihrer Oesamtheit ein Potential U
(siehe Nr. 89); so gilt für den starren Körper der Energiesatz in der Form
E+ [/-«Ä.
110. SohluBbemerkiinffen. Beispiele zum Schwerpunktssat^
bilden alle Untersuchungen des ersten und zweiten Kapitels. Im
Schwerpunktssatz ist besonders der für das praktische Leben wichtige
Satz enthalten, daB eine Beschleunigung des Systems im Mittel nur
durch äußere Kräfte möglich ist. Diejenige äußere Ejraft, durch die
im praktischen Leben am meisten Bewegung hervorgerufen, wie auch
yernichtet wird, ist die Reibung (vgl. Nr. 58 a).
Beispiele für den Momentensatz werden wir in den folgenden
Abschnitten behandeln, solche für den wirklichen Euergiesatz be-
sonders in § 44.
Hier sei nur die verschiedene Bedeutung des wirklichen Energiesatzes
von dem der Punktmechanik noch einmal an eioem Beispiel hervorgehoben:
Bei einem auf horizontaler Strecke fahrenden Eisenbahnzug sind
für die Bewegung maßgebend an äußeren Kräften der Luftwiderstand
und die Haftreibung zwischen Rädern und Schienen (siehe Nr. 237)^
(wir nehmen an, daß ein Schlüpfen der Räder nicht stattfindet). Diese
leisten also auch Arbeit im Sinne der Punktmechanik. Dabei wird
wenigstens beim Anfahren die Haftreibung zwischen den Triebrädern
und den Schienen nach vorne gerichtet sein, wie man schon daran
erkennt, daß die Triebräder am Boden rückwärts schlüpfen, wenn die
Reibung nicht groß genug ist, dies zu verhindern. Und insofern ist
es berechtigt zu sagen, daß die Haftreibung zwischen den Trieb-
rädern der Lokomotive und den Schienen die Kraft ist, welche den
Zug vorwärts bewege, nämlich die erforderliche äußere Kraft. Aber
Haftreibung leistet niemals wirkliche Arbeit. Denn das zugehörige
df ist ja stets Null. Wirkliche Arbeit leistet aber wohl die Dampf-
kraft. Und insofern kann man sagen, daß die Dampfkraft den Zug
vorwärts bewege, indem sie die Energie dazu hergibt. Aber die
Dampfkraft ist — wenigstens wenn man den ganzen Zug als ein
System betrachtet — eine innere Kraft, sie ist ja eine Spannung des
in der Lokomotive befindlichen Dampfes.
Nr. 111, 112. § 23. Die erlanbten Operationen und ihre Invarianten. 173
Zweiter Abschnitt.
Statik.
Kapitel V.
Statik des starren Körpers (Theorie).
111. Problemstellimg und DeflnltioneiL Aus den in Nr. 106
angegebenen Gründen wollen wir in diesem Kapitel von neuem die
Gleichgewichtsbedingungen suchen; die sowohl notwendig als auch
hinreichend sind, uns dabei aber auf den starren Körper als Objekt
beschranken, d. h. einen Körper, der stets sich selbst kongruent bleibt.
Wir hatten schon früher (Nr. 47) die ganz allgemein gültigen
Oleichgewichtsbedingungen dahin ausgesprochen, daß für jedes Vo-
lumelement die Summe der raumlich yerteilten und der an seiner
Oberfläche angreifenden Kräfte Null sein müsse. Mit dieser Bedingung
können wir aber noch nicht viel ausrichten, da die inneren Span-
nungen des starren Körpers notwendigerweise Beaktionsknlfte, also
unbekannt sind. Denn es gibt ja im Innern eines starren Körpers
keine Deformationen. (Siehe Nr. 58.)
Wir suchen jetzt Bedingungen, in denen nur die äußeren Kräfte
Torkommen, welche an einem starren Körper angreifen: ist im folgen-
den Ton Kräften schlechthin die Rede, so seien stets äußere Kräfte
gemeint
Wir erweitem aber die Aufgabe dieses Kapitels in der folgenden
Weise:
Bezeichnen wir zwei Kräftesysteme an einem materieUen System
als „gleich wertig'' oder „äquivalent'', wenn sie dem System Ton
demselben Geschwindigkeitszustand aus denselben Beschleunigungs-
zustand» erteilen, so fragen wir auch:
„Wann sind an einem starren Körper zwei Kräftesysteme
einander gleichwertig?"
Ist ein KnLftesystem so viel wert, als ob gar keine Kraft wirke,
so sagen wir auch, die Kräfte heben sich am starren Körper auf oder
halten sich an ihm das Gleichgewicht, während wir vom Gleichgewicht
des Körpers selbst sprechen, wenn er dauernd^ in Ruhe bleibt.
§ 23. Bie erlaubten Operationen und ihre Tnyarianten.
112. Fall einer endlichen Anwahl von Krftften. BegrüT
des Komentee. Wir machen zunächst die Annahme, daß an unserm
starren Körper eine endliche Anzahl endlicher Kräfte: T\,.Ä\ an
174 V. SUtik des sUrren KOrpen (Theorie). Kr. 11^.
den durch die Vektoren äj . . . ö^ gegebenen Punkten A^...Ä^ angreife.
Welche Bedeutung dieser^ der Natur nicht streng entsprechenden An-
nahme zukommt, werden wir später (Nr. 113) sehen.
Die durch den Punkt A und die Richtung Ton k bestimmte Ge-
rade nennen wir die Angriffslinie der Kraft.
Dann sprechen wir das folgende, höchst einleuchtende Axiom aus:
Zwei entgegengesetzt gleiche Kräfte in derselben Angriffslinie
heben sich auf, man darf also zwei solche ICrafte nach Belieben hin-
zufugen oder weglassen.
(Man kann dieses Axiom für die engere Frage nach dem Gleich-
gewidit des Körpers aus dem Satz Tom zureichenden Grunde (siehe
Nr. 63) ableiten, wenn man noch als Axiom hinzunimmt, daß die
Frage der Äquivalenz allein durch die Kräfte selbst und ihre Angriffs-
punkte entschieden ¥mrd. Denn in diesem Falle gibt es weder eine
ausgezeichnete Richtung, nach der sich der Körper bewegen, noch
eine ausgezeichnete Achse, um die er sich drehen könnte.)
Dazu kommt der schon bekannte Parallelogrammsatz (Nr. 44):
Man darf Kräfte, die an einem Punkte angreifen, zu einer Resultie-
renden zusammensetzen.
Aus unserem neuen Axiom ergibt sich sofort der Yerschie-
bungssatz, von dem Spuren schon im Mittelalter bei Jordanus de
Nemore, deutlicher bei Benedetti, dem Vor^Lnger Galileis, auf-
tauchen, bis ihn Yarignon, der die elementare Statik abschließt, in
seinem ^projet d'une nouvelle mecanique'^ 1687 und in seiner nach-
gelassenen „NouTeUe mecanique'^ (1725) zur Grundli^ der Statik
macht:
Man darf am starren Körper eine Kraft hdidrig in ihrer An-
griffslinie verschieben, d. h. swei gleiche Kräfte in dersdben Angriffs-
linie sind einander gleichwertig.
Beweis: Die Kraft i greife im Punkte A an. Im Punkte B,
der auf der Angri£bgraden Ton Ic liegt, füge man eine Kraft Ic^^h
und eine Kraft ^^ = — ^ hinzu, was man nach unserem neuei^ Axiom
tun darf. Nun heben sich aber nach demselben Axiom Ic und ^ auf,
also bleibt Tc^ übrig, fc ist also Tc^ gleichwertig, w. z. b. w.
Als erlaubte Operationen wollen wir nunmehr die folgenden
bezeichnen:
1. Verschiebung einer Kraft in ihrer Angriffslinie.
2. Hinzufügung zweier entgegengesetzter gleicher Kräfte am
selben Angriffspunkte.
3. Zusammensetzung zweier an demselben Punkte angreifenden
Kräfte nach dem ParaUelogrammsatze.
Eine Inyariante nennen wir jeden, die Kräfte enthaltenden Aus-
druck, der bei diesen Operationen umgeändert bleibt.
Nr. 118. § 23. Die erlaabten Operationen und ihre Invi^anten. 175
Wir woüen jetzt zeigen, daß es zwei Invarianten gibt:
a) die geometrische Summe aller Kräfte:
K-2K,
b) die geometrische Summe der Momente aUer Kräfte, bezogen
auf irgendeinen Punkt
M = ^a^k^.
Dabei Terstehen wir also unter dem Moment einer in A an-
greifenden Kraft in bezug auf den Punkt 0 das äußere Produkt ak
der Vektoren ä = OA und fc, d. h. einen Vektor, der auf der Ebene
durch 0 und die Angrififdgrade von k senkrecht steht, der so ge-
richtet ist, daß Ton ihm aus gesehen die Kraft k nach links zeigt
(wenn man ak und k beide von 0 aus abträgt) und dessen Größe
ai ! = a • t • sin (a, Ä) = Ä • Ä
ist, wo h die Länge des Lotes ist, das man Ton 0 auf die AngrifEs-
gerade Ton k fällen kann, h heißt auch der „Hebelarm^' der Kraft k
in bezug auf 0. _
Daß K und M invariant sind, ist leicht einzusehen.
Für K ^ ^k^ ist die Behauptung wohl selbstverständlich, denn
bei Operation 1 ändert sich ja keines der Olieder, und daß eine Summe
ungeändert bleibt, wenn man zwei entgegengesetzt gleiche Glieder
hinzufügt oder wenn man zwei Glieder zusammenfasst, ist klar.
Daß M '^^ajc^ invariant ist, läßt sich so zeigen: bei der Ope-
ration 1 bleibt jedes Glied ungeändert, da Ebene, Sinn und Größe
des Momentes ungeändert bleiben. Bei 2 ändert sich M auch nicht,
da zwei entgegengesetzt gleiche k mit demselben ä entgegengesetzt
gleiche Momente haben. Daß M auch bei 3 invariant sei, kommt
auf die Behauptung hinaus, daß — es mögen etwa k^ und k^ an
demselben Punkte A{ä) angreifen und also zu ^^ -|- ^ zusammengesetzt
werden —
a\ + ak^ = a(Äi + k^)
sei. Diese Aussage ist aber richtig, sie ist keine audere als das
distributive Gesetz der äußeren Multiplikation (siehe Anhang I, 5).
Diesen letzteren fundamentalen Satz verdankt man, wenn auch
nur für den FaU, daß alle Vektoren in derselben Ebene liegen,
Varignon.
113. ZurflokfUirung des allgemeinen Falles auf den vor-
hergehenden. Axiomgrnppe VH. Wir betrachtei} jetzt den Fall,
daß eine unendliche Anzahl räumlich oder flächenhaft verteilter Kräfte
dk auf den Körper wirke.
176 V. Statik des stanren KGipera (Theorie). Nr. 113.
Eine einzelne Kraft zu yerschieben, hat jetzt keinen Sinn. Wir
sprechen daher das Axiom der vorigen Nummer in Verbindung mit
dem Parallelogrammsatz in etwas abgeänderter Form aus, doch so,
daß es für den Fall endlicher Ejrafte mit jenen beiden identisch wird:
Axiom YII^l: Gehen die Angriffsgeraden mehrerer Kräfte
dk durch einen Punkt hindurch, so sind die Kräfte alle
einer einzelnen Kraft gleichwertig, deren Angriffslinie
durch denselben Punkt hindurchgeht und welche gleich der
Summe ^dk der in Rede stehenden Kräfte ist.
Außerdem machen wir noch von dem umgekehrten Parallelo-
grammsatz Gebrauch:
Man kann jede Kraft in drei Komponenten zerlegen,
welche an demselben Punkte angreifen und gegebene Rich-
tungen haben, Torausgesetzt, daß diese Richtungen nicht
in eine Ebene fallen (siehe Anhang I, 1).
Wir wollen zeigen, daß man am starren Körper jedes Kräfte-
system auf drei Kräfte zurückführen kann.
Beweis: Wir wählen uns in einer Ebene außerhalb des starren
Körpers drei Punkte 0^, 0^, 0^, welche nicht in einer Geraden liegen.
Jede Kraft, welche an einer Stelle A angreift, können wir dann in
drei Komponenten nach den Richtungen ÄO^, AO^ und AO^ zerlegen,
denn diese Richtungen fallen sicher nicht in eine Ebene. Das ganze
Kräftesystem besteht jetzt aus drei Gruppen: die eine hat Angriffs-
linien durch 0^, die andere solche durch 0,, die dritte solche durch
0,. Jede Gruppe können wir nach Axiom VII, 1 zu einer Kraft zu-
sammensetzen, w. z. b. w.
Daß bei den durch Axiom VII, 1 und den Parallelogrammsatz
erlaubten Operationen die Summen (Integrale)
K^Sdk und itf = Sad/c
invariant sind, dürfte einleuchten.
Aus den folgenden Untersuchungen dieses Kapitels (Nr. 116, 124),
wird dann hervorgehen, daß dies auch die einzigen Invarianten sind.
Zu Axiom VII, 1 fügen wir noch die folgenden einleuchtenden,
durch das tägliche Leben erprobten Axiome hinzu:
Axiom VII, 2: Ein starrer Körper ist sicher nicht im
Gleichgewicht, wenn auf ihn eine einzige, von Null ver-
schiedene Kraft wirkt; und
Axiom VII, 3: Ein starrer Körper ist sicher nicht im
Gleichgewicht, wenn auf ihn ein sogenanntes „Kräftepaar^,
d. h. zwei entgegengesetzt gleiche, nicht in derselben An-
griffslinie liegende Kräfte wirken, die nicht Null sind, oder
wenn auf ihn eine Einzelkraft und ein Xräftepaar einwirken.
Nr. 114, 116. § 24. Zasammenseizung der Kräfte in der Ebene. 177
Der fundamentale Begriff des Eraftepaares stammt von Poinsot
(„Statique", 1803).
Axiom VII, 4: Ein starrer Körper ist sicher im Gleich-
gewicht, wenn gar keine äußere Kraft auf ihn wirkt.
(WoUten wir den allgemeinen Schwerpunktsatz voraussetzen
(siehe Nr. 52 oder 107), so wäre VII, 2 natürlich eine unmittelbare
Folge desselben; ebenso VIF, 3 eine Folge des Momentensatzes (siehe
Nr. 108 und 114). Überhaupt sind die Axiome VII nur för einen
selbständigen Aufbau der Statik nötig.)
114. BUdiing des Komentes fOr vemoliledene Bemgs-
punkte. Bas Koment eines Krftftepaares. Bilden wir die
Summe der Momente für einen neuen Bezugspunkt 0', so bekommen
wir keine wesentlich neue Invariante.
Denn sei O'Ä =» y, O'Ö =■ s, so daß
ä^y — s
ist, so folgt für das neue Moment
oder
Man erhält also das Moment in heeug auf den neuen Bezugs-
punkt, indem man zu dem alten Moment noch ein Moment hinzufügt,
das man bekommt, indem man die Resultierende K in dem alten Be-
zugspunkte 0 angreifen läßt und ihr Moment inbezug auf den neuen
bildet.
Daraus folgt sofort, daß das Moment eines Kräftepaares —
wir Terstehen darunter die Summe der Momente der beiden das Paar
bildenden Kräfte — von der Wahl des Bezugspunktes unabhängig
ist. Denn es ist K = 0. Wählen wir dann den Bezugspunkt in dem
Angriffspunkt der einen der beiden Kräfte, so erkennen wir, daß das
Moment eines Kräftepaares auf der Ebene desselben senkrecht steht
derart, daß von dem Momentvektor aus gesehen die Kräfte durch ihre
Pfeile einen Drehsinn links herum anzeigen und daß die Oröße des
Momentes gleich dem Produkt aus der Größe der Kraft und dem
Hebelarm des Paares, d. h. dem normalen Abstände beider Angriffs-
linien ist.
§ 24. Zusammensetzung der Kräfte in der Ebene.
116. Znsammensetsnng zweier Kr&fte. Es sei eine end-
liche Anzahl endlicher Kräfte — wir können uns ja nach Nr. 113
auf diesen Fall beschränken — gegeben, welche in einer Ebene liegen
Hamel: Elementare MeobAnUc. 12
178
V. Statik des starren Körpers (Theorie).
Nr. 115.
Moment po«ltiT.
und an einem starren Körper angreifen. Den Bezugspunkt 0 der
Momente wählen wir ebenfalls in dieser Ebene. Dann stehen alle
Momente auf dieser Ebene senkrecht und unterscheiden sich auBer
durch ihre Größe nur noch durch den Sinn. Es genügt deshalb hier,
die Momente als Skalare au&ufassen, die positiv und negativ sein
können. Denken wir uns in die Ebene ein x^ y Koordinatensystem hin-
eingelegt^ so woUen wir die Richtung der j?- Achse — das x, y, jer-Sy-
stem sei ein sogenanntes rechts-
I / händiges System, d h. liegt die
0° \ ^° fJ rr- Achse nach rechts, die y- Achse
nach links, so soll die x^- Achse nach
oben gerichtet sein — als positive
Flg. 67. ^*'°"'* "''^"^" Richtung für die Momente wählen.
Dann ist ein Moment positiv, wenn
der Kraft vektor von vom — von der ;? -Achse — aus gesehen in bezug
auf den Bezugspunkt 0 nach links zeigt.
Wenn nun von den gegebenen Kräften zwei Angriffsgeraden sich
in einem Punkte S schneiden, so können wir nach Axiom VII, 1 die
beiden Kräfte durch eine in S angreifende ersetzen.
Sind zwei Kräfte parallel und gleichgerichtet, so kann man sie
ebenfalls durch eine einzige Resultierende ersetzen.
Beweis: Es seien p und q parallel und gleichgerichtet In
zwei Punkten A und B der beiden
Angriffslinien füge man zwei ent-
gegengesetzt gleiche Kräfte s und
— s in derselben Angriffslinie hinzu^
I was man tun darf. Nun setze man
p und s zu einer Resultierenden ü
/
\
— r
PIg. 68.
zusammen, q und — $ zu einer Re-
sultierenden V.
Die Angriffsgeraden von U und v
schneiden sich aber in einem Punkte S
und können daher zu einer Resul-
tierenden f zusammengesetzt werden.
Aus den Sätzen, daß ^t und ^ak invariant sind, läBt sich nun
r nach Richtung, Größe und Lage ohne weiteres bestimmen.
Es muß sein
d. h. f ist von derselben Richtung wie die gegebenen Kräfte und
seine Größe ist gleich ihrer gewöhnlichen Summe:
i> + 2
Nr. 116.
§ 24. ZusammenBetzting der Kräfte in der Ebene.
179
Ferner muß in bezug auf einen beliebigen Punkt 0
xr '^ ap + bq
sein, wenn x, ä, b die Vektoren nach den Angriffspunkten von
r, Pf q sind.
Wahlen wir 0 auf der gewählten Angriffsgeraden von r, so ist
Daraus folgt zunächst: r liegt zwischen p und g, denn nur dann
können p und ^ entgegengesetzt gleiche Momente haben. Weiter:
wenn a und b die Abstände der Angriffsgeraden Yon f von p und
q sindy so folgt
pa^qb,
d. h. r teilt den Abstand von p und ^ im umgekehrten Verhältnis
der Kräfte.
Damit ist dieser Fall erledigt.
Zwei entgegengesetzt gerichtete, ungleiche Kräfte kann man eben-
falls auf eine Einzelkraft reduzieren.
Beweis analog wie vorhin. Auch jetzt werden sich die üjräfte
üy V in einem Punkte S schneiden^ obwohl üj v gegen p^ q im selben
Sinne herausgedreht sind. Aber der
Winkel zwischen p^ u wird kleiner
sein als der Winkel zwischen q
und Vf weil p>q angenommen ist.
£s wird also eine Resul-
tierende f geben. Aus >^ ^^-^' . /
f ^p + q
folgt wie früher:
Die Resultierende hat dieselbe
Richtung wie die größere der beiden
So-äfte {p) und ihre Größe ist gleich
der Differenz der gegebenen Kräfte
r^p^q.
Wählen wir den Bezugspunkt für die Momente wieder auf f, so
ergibt sich
0 = ap -\- bq.
Daraus erkennt man, daß f außerhalb p und q liegen muß^ daß femer
ap^bq
sein muB^ wenn a und b die Abstände zwischen r und p bzw. q be-
deuten.
12*
/
Fig. 69.
180 V. Statik des starreo Körpers (Theorie). Nr. 116.
Daraus folgt dann schließlich, daß, weil p> q, h> a sein muB,
d. h. die Resultierende liegt auf Seiten der größeren der beiden Kräfte.
Es erübrigt noch der Fall der entgegengesetzt gleichen Ejräfte,
d. b. das Kräftepaar.
Ein Kräftepaar Jcann man nicht auf eine Einzelkraft jsurüdc-
fiihren.
Wäre dies wohl möglich, f die Resultierende, so müßte r ^ p
+ (— |i) = 0 sein.
Andererseits aber wäre
xr ^ ap + b{—p) == (a — b)p = M,
wo M das nicht verschwindende Moment des Kräftepaares ist. Es
könnte also r nicht Null sein.
Man hat das Resultat wohl so gedeutet, daß man sagt: ein Kräfte-
paar sei äquivalent einer Kraft von der Größe Null (f » 0), welche
in der unendlich fernen Geraden (x ^ oo) angreife. Man hat aber
durch eine solche Redeweise praktisch nichts gewonnen.
116. Znaammensetsimg beliebig vieler Kr&fte. Bie G-leiolu
gewiohtsbedingiingen. Wenn beliebig viele Kräfte k'y k" . . , ^*>
gegeben sind mit den AugrifiPspunkten ä\ a' . . , ä^^\ so können wir
von diesen immer je zwei zu einer Kraft zusammensetzen, solange
nicht nur mehr eine Kraft oder ein Kräftepaar übrig bleibt; denn
es können von drei Kräften höchstens zwei einander gleich und ent-
gegengesetzt gerichtet sein.
Man kann somit das Kräftesystem der Ebene reduzieren atif
eine einzige Kraft oder auf ein Kräftepaar,
die freilich auch Null sein können.
Man kann aber das Resultat aus unseren beiden Invarianten
K = ^k und M = ^ak
direkt bestimmen.
a) Ist _
Ji^ + O,
so resultiert eine Einzelkraft. Denn resultierte ein Kräftepaar, oder
wäre das Kräftesystem äquivalent Null, so müßte K =^Q herauskommen.
K gibt dann schon die Resultierende nach Größe und Richtung.
Um ihre Angriffsgrade, die sogenannte „Zentrallinie^^ des
Kräftesystems zu finden, machen wir davon Gebrauch, daß das Gesamt-
moment invariant ist. Sei x der Vektor vom Bezugspunkte 0 nach
einem Punkte der Zentrallinie, so muß
xK « M
sein. Das ist die Gleichung der Zentrallinie (siehe Anhang U, 2).
Nr. 116. § 24. ZusammenBetzang der KrSfte in der Ebene. 181
Sei h der Abstand der Zentrallinie Yon 0, so kann die vorstehende
Gleichung nach dem im Anfang von Nr. 115 Gesagten auch so
geschrieben werden:
Das Zeichen ± bestimmt sich nach dem Yon M. Dieses Zeichen und
die Große Ton h bestimmt die Lage der Zentrallinie Tollstandig, da
ja ihre Richtung durch K gegeben ist (vgl. Fig. 67).
b) Ist £* » 0, aber M =^0, so kann nur ein Eräftepaar das
Resultat der Reduktion sein, denn die beiden anderen Fälle sind aus-
geschlossen. M ist das Moment dieses Eräftepaares.
c) Ist JT « 0 und M =^0, so ist das Eräftesystem äquivalent
Nun, es hält sich am starren Eörper das Gleichgewicht Es muß
sich dann das Eräftesystem auf zwei entgegengesetzt gleiche Eräfte
in derselben Angriffslinie reduzieren lassen, die sich aufheben.
^ = ^i«=0 und J? = ^afc = 0 sind also jedenfalls hin-
reichende Gleichgewichtsbedingungen des starren Körpers; daß sie
auch notwendig sind, folgt aus den Axiomen VII, 2 und YU, 3.
Denn wirkt keine Erafb auf den starren Eörper, so ist nach dem
Axiom VII, 4 der Eörper im Gleichgewicht, d. h. er bleibt in Ruhe,
wenn er einmal in Ruhe war. _^
Es genügt, die Bedingung Jif = 0 für einen Punkt auszusprechen:
denn da nach Nr. 114 für einen neuen^ Bezugspunkt M' ^ M + sK
ist, so ist ^' von selbst NuU, wenn M und K Null sind.
In dem besonderen Falle, daß drei Eräfte auf den starren
Eörper wirken und daß von diesen wenigstens zwei (k' und Je'") sich
in einem Punkte 8 schneiden, läßt sich die Gleichgewichtsbedingung
besonders anschaulich aussprechen:
*^k = F + *" + *"' = 0
heißt, die Eräfte bilden aneinander gereiht ein geschlossenes Dreieck.
^ak = 0
heißt, wenn wir S zum Bezugspunkt machen,
a Ä « 0,
d. h. k'" geht ebenfalls durch S hindurch:
die Angriffsgeraden der drei Kräfte müssen durch einen Punkt hin-
durchgehen.
Die Zusammensetzung von Eräftepaaren ist in unseren vorher-
gehenden Betrachtungen mit enthalten. Denn zwei Eräftepaare sind
nichts anderes als vier Eräfte besonderer Art.
182 V. Statik der starren Körpers (Theorie). Nr. 117.
Man erkennt sofort:
Zwei Kräftepaare in derselben Ebene ergeben wieder ein Kräfte-
paar, dessen Moment gleich der Summe der Momente jener ist.
Zwei Kräfiepaare von entgegengesetzt gleichen Momenten heben
sich auf.
Daraus folgt scUieBlich:
Zwei Kräftepaare von gleichem Moment sind einander äquivaUewt,
Allgemeiner:
Zwei Kräftpsysteme von gleidiem Moment und gleicher Besul-
tierenden sind einander äquivalent
Beweis: S^ sei das eine, S^ das andere System. Man konstruiere
zu S^ das entgegengesetzte System S^', indem man alle Kräfte der
Richtung nach umdreht. Dann heben sich sicher 8^ und S^' gegen-
seitig auf, und man darf sie also beide zu S^ hinzufügen. Nunmehr
heben sich aber auch S^ und S^' auf, denn die Summe ihrer Kräfte
und die Summe der Momente ist oach der Voraussetzung Null. Es
bleibt also S, übrig, w. z. b. w.
Damit ist zugleich, wenigstens für die Ebene, bewiesen, daß
K und M die eineigen Invarianten sind.
Denn Kräftesysteme mit gleichem K und M sind einander in
allen Fällen äquivalent.
117. AnalytiBohe Formnliernng der Besultate. Es Jbabe
nach den rechtwinkligen Achsen x, y, k die Komponenten Ä;^, k^, K die
Komponenten K^, K^j ä die Komponenten a, b. Der Bezugspunkt O
sei zugleich Anfangspunkt des Koordinatensystems.
Dann entstehen aus
, K -^^
die beiden Gleichungen
— ' X und da ak die Komponenten
Flg. 70. ^
0, 0 aÄy-6t,,
hat (siehe Anhang II, 1), so wird aus
M =» ^ak
die eine Gleichung
Die Richtigkeit dieser Formel lehrt auch sofort die Anschauung
(Fig. 70).
Nr. 118. § 24. Zasammensetzang der Kräfte in der Ebene. 183
Als Gleichgewichtsbedingungen hat man somit
2K-0
und
Diese Gleichung tritt als neu zu den beiden ersten aus Abschnitt I
bekannten^ hinzu.
Ist K^O, so lautet die Gleichung der Zentrallinie^ da
sein mu£;
X, y sind dabei die laufenden Koordinaten der Zentrallinie.
Aufgabe 68: Man reduziere die Kräfte Ton den Größen 10, 12, 7, IS kg,
deren Angriffsgeraden eine Achse unter Winkeln von 30^, 90^ 45^, 120^ in vier
Punkten schneiden, welche die Abstände 3, 2 und 4 m voneinander haben.
118. OraphiBohe Kethode (Seilpolygon). Diese Methode
ist nichts anderes als eine systematische zeichnerische Durchbildung
des Grundgedankens von Nr. llö.
Gegeben seien die Kräfte k^, jc^ . . .k^ mit ihren AngrifiPslinien.
Man kann dann zunächst K — ^k leicht bestimmen : Man reihe
die Kräfte in irgendeiner Reihenfolge ungeändert nach Größe und
Richtung zu einem Streckenzug KqK^ • • • -ST^ ™i^ fortlaufendem Pfeil-
sinn aneinander, dem sogenannten Krafteck oder Kräftepolygon.
Die Verbindungsstrecke K^K^ des Anfangs- mit dem Endpunkte gibt
dann di^ Resultierende K. Schließt sich das Krafteck, ist K^ » K^^
so ist K ^0, die erste Bedingung des Gleichgewichts ist Erfüllt.
Wie findet man nun in dem Falle K =^ 0 die Zentrallinie und
wie entscheidet man im Falle K ^ 0, oh Gleichgewicht herrscht oder
ob ein Kräftepaar resultiert? ^
Wir lösen zunächst die erste Frage, nehmen also K ==^0 an.
Wir setzten früher die Kräfte Stück für Stück zusammen. Dabei
konnte nur die Schwierigkeit paralleler Kräfte auftreten, die wir
dadurch meisterten, daß wir zwei sich aufhebende Kräfte s und —s
hinzufügten.
Derselbe Kunstgriff wird offenbar möglich sein, wenn der Schnitt^
punkt zweier Kräfte praktisch (zeichnerisch) unerreichbar ist.
Wir wenden ihn jetzt prinzipiell an, indem wir von Anfang an
zwei entgegengesetzt gleiche Kräfte r^ = PKq und — r^ •=■ jCqP in dem
Strahl S^Sq angreifen lassen, wo S, ein willkürlich gewählter Punkt
auf der Angriffsgeraden von k^ ist, P ein willkürlich gewählter Punkt
des Kraftecks.
184
y. Statik des starren Körpers (Theorie).
Nr. 118.
Natürlich muB S^Sq der Strecke PK^ parallel sein.
Wir Betzen nun f^ und *« zusammen: der Größe und Richtung
nach wird das r^, die Strecke PK^ sein, die Angriffsgerade {S^S^
wird durch jS^ hindurchgehen und PK^ parallel sein. S^ sei ihr
Schnittpunkt mit der Angriffsgeraden von Jc^. Nun setzen wir r^ mit
£2 zusammen zu r, «= P^, die Angriffsgerade von f, wird durch S^
hindurchgehen müssen und r, parallel sein. So fahren wir fort.
Fig. 71.
Schließlich ist außer
Tq m
S^Sq nur noch r^^PK^y die
Resultierende von r„_j und fc„ übrig, ihre Angriffsgerade wird durch
8^ auf der Angriffsgeraden von Ic^ hindurchgehen.
Die Resultierende von — r^ und f^ ist nach Richtung und Größe
natürlich ^durch K^K^ = K gegeben, um aber einen Punkt ihrer An-
griffsgeraden zu finden, brauchen wir nur den Schnittpunkt S^ der
Angriffsgeraden von — Tq und r, zu konstruieren. (In der Figur ist
n = 3.)
Das Resultat läßt sich leicht zu folgender Regel zusammenfassen:
„Man wähle im Erafteck einen Punkt P, den Pol willkürlich
und ziehe die Polstrahlen PK^, P^i • • • bis PK^. Auf einer
Angriffsgeraden, etwa der von l\y wähle man einen Punkt S^ beliebig
und zeichne nun das sogenannte Seileck, d. h. Seilstrahlen parallel
zu den Polstrahlen, so daß die beiden Seilstrahlen, die einer Kraft
zugehören, d. h. deren entsprechende Polstrahlen die Kraft begrenzen,
sich auf der Angriffsgeraden der Kraft schneiden. Der erste und
letzte Seilstrahl, d. h. diejenigen, deren Polstrahlen im Krafteck —
auch Poleck genannt — die Resultierende einschließen, schneiden
sich in einem Punkte der Zentrallinie.''
Wenn jetzt K ^0 ist, d. h. K^ «*= Kq ist, so verfahren wir ganz
analog. Es wird jetzt f^ == Fq werden, der erste und letzte Polstrahl
Nr. 118.
§24. ZuBammenBetzung der Kräfte in der Ebene.
185
werden zusammenfallen. Aber der erste and letzte Seilstrahl werden
das im allgemeinen nicht tun, sie werden parallel sein.
Das Kraftsystem ist somit auf
ein Ejraftepaar zurückgeführt: — f^
und r^^ + Tq sind die Kräfte nach
Richtung und Größe, die Angriflfs-
geraden werden die sogenannten freien
Seilstrahlen S^Sq und iS„S^+i sein,
die parallel sind. (In der Figur 72
ist n = 4).
Nur wenn diese Seilstrahlen zu-
sammenfallen, wenn also auch das
Seileck geschlossen ist, werden — Tq
und r^ sich aufheben, also Gleich-
gewicht bestehen. (Man hat dann
dieselbe Figur wie 71, nur daß statt
K zu schreiben ist — ÄJ.
Damit also Gleichgewicht be-
steht, müssen Krafteck und Seileck
sich schließen.
Die Namen Seilstrahl und
Seileck haben folgende Bedeutung:
Denken wir uns den Gleichgewichts-
fall und S^S^S^. ., S^ als ein Polygon
aus Idealfaden (siehe Nr. 65). An
den Ecken mögen die Kräfte ^^ . . . £^
angreifen. Damit nun Gleichgewicht besteht, müssen sich an den
Ecken die Kräfte jeweils mit den Seilspannungen das Gleich-
gewicht halten, d. h. jedes k^ muß mit den beiden Seilspannungen,
die ihm zugehören, ein geschlossenes Dreieck bilden. Man erkennt
daraus direkt, daß f^^^ und — f, diese Spannungen sind, denn sie
liegen ja in den Richtungen der Seilstrahlen.
Freilich müßten wir, um den allgemeinen Fall zu erhalten, auch
Drucke in den Fäden (Seilen) zulassen. (Man spräche deshalb besser
von einem Stabpolygon.)
Die Gleichgewichtsbedingung eines solchen Seilecks zu suchen,
war ein Problem Yarignons. Bei ihm kommt daher unsere Figur
schon vor. Damit das Seileck S^ . . , S^ unter den Kräften k^. . .k^
im Gleichgewicht sei, müssen die zu den Seilstrahlen parallelen Pol-
strahlen durch einen Punkt gehen.
Diesen Satz fand Yarignon.
Die Benutzung dieses Resultats in dem hier dargelegten Sinne,
zur Entscheidung, ob bei einem starren Körper Gleichgewicht herrscht
oder nicht, stammt von Culmann („Graphische Statik*' 1864 u. 1866).
K0-K4
Flg. 7t.
186 V. Statik des starren KOrpen (Theorie). Nr. 119.
Alle weiteren Literaturnachweise findet man in der Enzyklopädie
der math. Wissenschaften, Bd. IV. Artikel 5, Henneberg: ^Die
graphische Statik der starren Körper^.
Man bezeichnet« nämlich die in dieser Nummer dargestellte
Methode und ihre Weiterbildung als „graphische Statik^.
Aufgabe 69: Man löse die Aufgabe 68 auf graphischem Wege.
119. Die Ovlnuuuieehe Gerade. Bei der Konstruktion des
Seilecks sind drei Stücke willkürlich: die beiden Koordinaten des
Pols P und die Lage des Punktes S^ auf der ersten Angriffsgeraden.
Es wird also oo' Seilecke zu einem Kräftesystem geben. Wir wollen
über die gegenseitige Lage dieser verschiedenen Seilecke den folgenden
Satz aussprechen:
Die entsprechenden Seilstrahlen zweier 9u einem Kräftesystem
gehörenden Seüecke schneiden sich in Punkten, wdAe auf einer
Geraden liegen y der sogenannten CidmannsAen Geraden ^ und diese
Gerade ist der Verbindungsstrecke der beiden Pole paräUd.
Den trivialen Fall, daß die beiden Pole zusammenfallen, können
wir wohl von der Betrachtung ausschlieBen: die Culmannsche Gerade
ist dann die unendlich ferne Gerade.
Wir wollen einen sehr schonen Beweis des Satzes geben, der
auf der dynamischen Bedeutung der Figuren beruht und den man im
wesentlichen Mohr verdankt.
Die Ecken des Kraftecks mögen wieder wie früher E^K^ , . , K^
heißen; die Polstrahlen P'K^y P^ K^ , . . fassen wir dann wieder als
KriLfte Sq, s^ . . .s^ auf. Dann haben wir die beiden folgenden Reihen
von Äquivalenzen
fo und ^1 äquivalent f ^ ^o und k^ äquivalent s^
m •
f}
h
ff
r.
«1
w
h
ff
»t
»",-1
97
K
ff
r.
■ s.
-1
n
K
ff
s.
Versehen wir die zweite Reihe mit dem Minuszeichen, wodurch
sn der Äquivalenz nichts geändert wird, und fügen sie zur ersten
hinzu, so bekommen wir die neue Reihe
Fq und — Sq äquivalent r^ und — s^ äquivalent f , und — s, usw.
Daraus aber folgt zunächst, daß die vektorielle Gleichung bestehen muß
Die ist aber selbstverständlich, denn alle diese Differenzen sind gleich
dem Vektor P~P\
H^r. 120.
§ 24. ZasammeiiBetzTizig der Kräfte in der Ebene.
187
Aber es folgt weiter, daß die Schnittpunkte der Angriffsgeraden
von Tq und — Sq, der von f^ und — s^ usw. alle auf einer Geraden
liegen müssen, eben der Angriffsgeraden ihrer gemeinsamen Resul-
tierenden PP^, Es liegt aber f^ im (y + 1)*®**- Seilstrahl des ersten,
— s^ im (v + 1)**° Seilstrahl des zweiten Seilecks. Und damit ist
•der Gnlmannsche Satz bewiesen.
120. LÖBiing der Angabe, das Gtolleck dnroh drei ge-
gebene Pnnkte ra legen. Da bei der Zeichnung eines Seilecks
noch drei Stücke willkürlich sind, wird man das Seileck drei Be-
dingungen unterwerfen können; mau wird z. B. vorschreiben dürfen,
daß drei bestimmte Seilstrecken durch drei gegebene Punkte hindurch-
^hen. Ehe wir zur Lösung dieser wichtigen Aufgabe schreiten, seien
zwei Bemerkungen gestattet:
1. Man kann irgend zwei Polstrahlen, also auch irgend zwei Seil-
fitrahlen eine Kraft zuordnen, nämlich die Resultierende aller der
£rafte, die zwischen die beiden Polstrahlen gereiht sind. Handelt es
«ich um den v*^ und den v + X^^ Polstrahl, so kann man ihnen die
Teilresultierende von i», i^+i . . . ^y+i„i zuordnen. Ein Ppnkt der
Angriffslinie dieser Teilresultierenden wird dann durch den Schnitt-
punkt des 1/**"* mit dem {v -f A)**° Seilstrahl gegeben sein. Das ist
nach den allgemeinen Ausführungen von Nr. 118 ganz selbstverständlich.
2. Umgekehrt kann man in den vollendeten Figuren des Kraft-
and Seilecks eine jede Kraft in zwei Komponenten zerlegen, und zwar
durch bloße Einschaltung je eines Polstrahls und eines Seilstrahls,
wenn man die Kraft in zwei gleichgerichtete Komponenten spalten
Fig. 73.
will. Man braucht nur irgendeinen Punkt X der Kraft l\ mit P zu
verbinden und zu PX irgendeine Parallele im Seileck zu ziehen.
Schneidet diese den v^^ und den (v + l)^** Seilstrahl in A resp. J5,
80 sind A und B Angriffspunkte der Komponenten.
Daraus folgt sofort folgender Hilfssatz: Wählt man auf zwei Seil-
strahlen die Punkte A und B und zieht durch sie die Parallelen zur
zugehörigen Kraft, bis sie die Seilstrahlen eines zweiten Seilecks in
188
y. Statik des starren Körpers (Theorie).
Nr. 120.
Ä'B treffen, so schneiden sich A3 und Alt! auf der Cnlmannschen
Geraden.
Dieser Satz ist nach Nr. 119 selbstverständlich, da man A3 und
A!3l als Seilstrahlen auffassen kann fQr zwei Kräfte in ^^' resp. 33! ,
Nach diesen Vorbemerkungen gehen wir an die Losung unserer
Aufgabe heran.
Wenn der v*«, der (v + !)*• und der (v + X + ^)** Seilstrahl durch
die Punkte A^ B, C gehen sollen, so betrachten wir die Teil-
resultierenden, die zu ihnen gehören und die wir stets nebst ihren
Angriffslinien durch eine erste Seilkonstruktion finden können, die
wir doch ausführen müssen. Dadurch aber führen wir die Aufgabe
auf den einfachen Fall zurück, daß drei benachbarte Seilstrahlen
durch A, 3, C geben sollen^
Die beiden zugehörigen Kräfte seien k^ und ^.
Nachdem wir ein erstes SeUeck konstruiert haben, ziehen wir
durch Ay B Parallele zu t;^, bis sie die zu k^ gehörenden Seilstrahlen
in A\ S schneiden. Nach dem Hilfssatz gibt dann der Treffpunkt
Ton A3 mit A'S einen Punkt (6r) der Culmannschen Geraden, die
zu dem ersten und zu dem gesuchten Seileck gehört. Ebenso ziehen
wir durch J?, C Parallele zu j^, bis sie die alten Seilstrahlen in
J5", C" schneiden. 3C und 3"C" bestimmen einen neuen Punkt {H)
der Culmannschen Geraden, die wir nunmehr ziehen können.
\ '^
Flg. 74.
Unsere drei Seilstrahlen können wir jetzt richtig zeichnen, wenn
wir bedenken, daß sie durch A^ 3, C hindurchgehen sollen und die
alten auf der Culmannschen Geraden schneiden müssen. Alle anderen
Seilstrecken ergeben sich dann von selbst, indem wir bedenken, daß
ja zwei Seilstrahlen immer auf einer Kraft zusammenstoßen und sich
immer je ein neuer und ein alter auf der Culmannschen Geraden
schneiden müssen.
Bei der ganzen Konstruktion, die man Mohr verdankt, braucht
man auf das Krafteck nicht zurückzugreifen.
I
Nr. 181. § 26. Zerlegung der Kräfte in der Ebene. 189
§ 25. Zerlegung der Kräfte in der Ebene.
121. Zerlegung in swei SrUte. Soll eine Kraft k, deren
Angriffspunkt durch ä gegeben ist^ in zwei Kräfte p und q zerlegt
-w^erden, deren Angriffspunkte durch x und y bestimmt seien, d. h. soll
k den Kräften p und q äquivalent sein, so müssen nach Nr. 116 die
Gleichungen bestehen:
p + q=^]Cy
xp -\-yq^ ak.
Das sind in der Ebene drei skalare Gleichungen. Andererseits ist
jede Kraft mit ihrer Angriffslinie in der Ebene ebenfalls durch drei
Stücke bestimmt, etwa durch die Richtung (einen Winkel), die Größe
der Kraft und einen Punkt der Angriffslinie. Dabei zählt ein solcher
Punkt nur als ein Stück, da die oo^ verschiedenen Punkte derselben
Angriffsgeraden einander gleichwertig sind.
Die Kräfte p und q repräsentieren also sechs Yariabele, drei
Ton ihnen wird man noch geben können.
Da nun aber in den beiden ersten Gleichungen
P +q^k
nur Richtung und Größe der beiden Kräfte vorkommen, so wird man
Ton diesen vier Yariabeln höchstens zwei geben dürfen.
Danach gibt es zwei Typen von Aufgaben: 1. Es können zwei
Stücke der Vektoren p, q gegeben sein. Alle diese Aufgaben führen
wesentlich auf eine Aufgabe. Denn wenn zwei Stücke der Vektoren p, q
gegeben sind (z. B. die beiden Richtungen, oder die beiden Längen,
oder eine Richtung und eine Länge), so kann man aus dem Kraft-
dreieck allein die beiden andern sofort finden. Und da noch ein
Angriffspunkt gegeben sein muß, so bleibt von diesem Typus allein
die Aufgabe:
Die Kräfte p, g, k sind gegeben, so daß p + q =^k erfüllt ist.
Zwei Angriffsgeraden, die
von p und k sind eben-
falls bekannt, es soll die
dritte, die von q gesucht
werden.
Wenn der Schnitt-
punkt S der beiden ge-
gebenen Angriffsgeraden
erreichbar ist, so kann
man die Aufgabe durch
einen Strich lösen: man
hat einfach durch S die ' Fig. 75.
190
y. Statik des ttazTen KOrpera (Theorie).
Nr. 122.
Parallele zu q zu zeichnen. Denn die drei Angriffisgemden müssen
natürlich durch einen Punkt gehen (siehe die Bemerkung in Nr. 116).
Wenn nun S nicht erreichbar ist, so nehmen wir ein Seilpolygon
zu Hilfe. Die Konstruktion Tersteht sich Ton selbst, wenn man be-
achtet, daB natürlich die Kräfte — p, — q und k miteinander im
Gleichgewicht sein müssen.
Man wählt einen Pol P beliebig, fangt die Seilkonstmktion in
einem beliebigen Punkte A von p an und findet als dritte Ecke j5^
einen Punkt der Angriffsgeraden von q.
Diese Konstruktion löst zugleich die Aufgabe, durch einen un-
erreichbaren Schnittpunkt (S) zweier Geraden eine Parallele zu einer
gegebenen Richtung (jq) zu zeichnen.
122. Fortsetrang. 2. Es ist nur ein Stück von den Vektoren p
und q gegeben, z. B. a) eine Länge oder b) eine Richtung. Dafür
aber sind beide Angriffspunkte Ä, B der gesuchten Kräfte gegeben»
Wir lösen beide Aufgaben wieder vermittels eines Seilecks. Zu-
nächst die Aufgabe 2 a): Gegeben sei A,B und die Länge von p.
Wir wählen auf
der Angriffsgeraden von
k einen Punkt S und
ziehen zuerst das Seil-
eck SAB. Dazu kon-
struieren wir den Pol P^
indem wir beachten,
daß PüTo parallel AS
und PK^ parallel SB
sein muß (oder umge-
kehrt). Endlich ziehen
wir einen dritten Polstrahl parallel AB. Auf diesem erhalten wir
die dritte Ecke des Kraftecks, indem wir um Kq mit p einen Kreis
schlagen. Der Schluß der Aufgabe versteht sich dann von selbst: sie
hat zwei oder gar keine Lösung.
Endlich lösen wir die wichtigste Aufgabe 2 b) und zwar in etwas
allgemeinerer Form:
Gegeben sei eine Reihe von Kräften l\ . , .k^ mit ihren Angriffs-
linien. Mau soll zwei Kräfte p und q finden, welche ihnen das
Gleichgewicht halten und von denen die Angriffsgerade der einen {p}
gegeben ist, von der anderen (q) dagegen nur ein Punkt (B) der
Angriffslinie.
Wir zeichnen uns zunächst den Kräftezug Kq. . . K^. Dieser ist
durch zwei Strecken zu schließen, von denen wir nur die Richtung^
der einen (p) kennen. Wir ziehen dementsprechend durch Kq einen
Strahl in der Richtung p. Auf ihm liegt die letzte gesuchte Ecke K^^^ .
Fi0.7S.
Nr. 128.
§ 26. Zerlegping der Kräfte in der Ebene.
igt
Nun wählen wir einen Pol P und fangen die Seilkonstruktion
beim Punkte B an. D. h. wir beginnen mit dem einen bekannten
zu q gehörenden Seilstrahl, der PK^ parallel ist. Wir fahren dann
in der Seilkonstruktion fort und kommen mit einem Seilstrahl parallel
PKq in einem Punkte Sq der gegebenen Angriffsgeraden von p an.
Fig. 77.
Nun muß das Seileck durch den fehlenden Seilstrahl geschlossen
werden. Wir können ihn demnach zeichnen, es ist S^B, die so-
genannte Schlußlinie des Seilecks. Ihr muß der noch unbekannte
Polstrahl PK^^^ parallel sein, den wir also nunmehr ebenfalls ziehen
können. K^^i ist jetzt gefunden und die Aufgabe gelöst: K^K^^^^q
und K^^^Kq^^ p sind die gesuchten Kräfte. (In der Fig. 77 ist w =» 3).
Die Angriffsgerade von q läßt sich natürlich sofort durch B
parallel zu q ziehen.
Wäre nur eine Kraft i da, so wäre die Lösung trivial, wenn der
Schnittpunkt S der Angriffsgeraden von k mit der von p erreichbar
wäre. Man brauchte nur B mit S zu verbinden und hätte die Rich-
tung Ton q gefunden.
Unsere Konstruktion löst also auch die Aufgabe: Einen gegebenen
Punkt B mit dem unerreichbaren Schnittpunkte S zweier Geraden zu
verbinden.
Warum mußten wir die Konstruktion gerade im Punkte B
beginnen?
123. Zerlegnng In drei Kräfte. Von den vielen hier mög-
lichen Aufgaben soll nur die wichtigste behandelt werden: gegeben
sind die drei Angriffsgeraden der Kräfte, gesucht sind ihre Größen.
Wir lösen die Aufgabe zunächst graphisch und nehmen
vorderhand an, daß der Schnittpunkt *S zweier der gegebenen An-
grif&geraden erreichbar sei. Dann zerlegen wir zunächst die gegebene
Kraft Tic in zwei Komponenten: die eine F gehe durch S, die andere r
liege in der dritten Angriffsgeraden. Das ist die Aufgabe 2 b) der
vorigen Nummer. Dann zerlegen wir k' in zwei Komponenten nach
192 y- Statik dl» BtuTen KOrpen (Theorie). Nr. 183.
den beiden ersten AngrifEigeTaden; dazu braucht man nur noch k'
durch Ziehen von Parallelen zu den AngrifEigeraden zu einem Dreieck
zu erganzen.
Wenn nun S nicht erreichbar ist, so hätten wir die Aufgabe 2 b)
der vorigen Nummer zu lösen, wobei jedoch der Punkt B als Schnitt
zweier Geraden gegeben und nicht erreichbar wäre. Geht man die
Konstruktion der vorigen Nummer durch, so f&hrt dieser Umstand
wieder auf diese beiden Aufgaben: durch einen unerreichbaren Punkt
eine Parallele zu ziehen (Konstruktion des ersten Seilstrahls durch JB)
und einen unerreichbaren Punkt mit einem gegebenen zu verbinden
(Konstruktion der Schlußlinie). Diese beiden Au%aben sind aber
mit den Aufgaben Ij und 2 b) der vorigen Nummer mit erledigt. Und
somit kann auch unsere Aufgabe aUgeroein als gelöst angesehen werden.
Der Studierende möge die Konstruktion wirklich durchführen.
Wir wollen die vektor-analytische Lösung der Au%abe
besprechen.
p, q, r seien die gesuchten Längen, positiv gerechnet, wenn p,
qj f in die Richtung von Einheitsvektoren ä, ß^y fallen, sonst negativ.
Es ist somit
p^pä, q^^qß, f^ry.
ä, b, c mögen die Vektoren nach den Angriffspunkten der Krafte sein.
Die gegebene Kraft sei k, ihr Angriffspunkt durch £ gegeben.
Dann haben wir für p^ q, r die drei Gleichungen
pä + qß + ry^ f ,
pää + qbß + rcy = zk.
Multiplizieren wir die erste Gleichung mit einem willkürlichen Para-
meter X und addieren, so erhalten wir, wenn wir zur Abkürzung
kä + aa== M, kß + bß — ^, Ay + cy = w, kk + xk « M
setzen, die eine vektorielle Gleichung
pu + qv + rw ^ M.
Bilden wir das innere Produkt mit vlVy so erhalten wir sofort das
Resultat
Jf • r w
P =
— — •
Ü ' VW
Denn t; • vtd und w - vw Bind Null, weil vi/ö auf t; und w senkrecht
steht. Analog berechnen sich q und r.
Der Parameter l kommt natürlich im Resultat nur scheinbar vor»
Ist eine Lösung immer möglich?
Nr. 123.
§ 25. Zerlegung der Kr&fte in der Ebene.
193
Wenn man in den Nenner u • vw die Werte einsetzt nnd be-
achtet, daß a, ßy y alle in einer Ebene liegen^ ää, hß, cy alle auf
derselben senkrecht stehen^ so erhält man
ü VW ^ X^\ää - ßy -i-bß -yä + cy ' aß] .
Nun kann man die Pfeile von a, ß, y so wählen, daß sie das von
den drei Angriffsgeraden gebildete Dreieck links herum durchlaufen.
Auch können wir den Bezugspunkt 0 im Innern dieses Dreiecks
wählen. Seien dann h^, h^y h^ die Lote von 0 auf die Dreieckseiten,
iPi, q>^, 9>3 die Dreiecks Winkel, so ist
aa
K,
I/Sy , = sin9>j usw.
und da ää und ßy stets dieselbe Richtung haben, so ist
ü • VW = X^{hi sin V\ + Äj sin Kp^ + \ sin ^j).
Dieser Ausdruck aber ist immer positiv und von Null verschieden,
außer es seien
\ sin tp^y h^ sin 9),, h^ sin 9)3
alle drei NulL
Das kann geschehen dadurch, daß
1. alle drei h Null sind, die Geraden durch einen Punkt gehen,
2. aUe drei tp Null resp. n sind, d. h. alle drei Geraden einander
parallel sind.
Andere Fälle sind nicht möglich.
Diese Ausnahmefälle hätte man von vornherein leicht einsehen
können; aber unsere Betrachtung zeigt, daß es
auch die einzigen sind.
Endlich sei die sehr ein&che Methode
von A. Ritter genannt: Um die Komponente r
in der dritten Geraden zu finden, fällen wir
vom Schnittpunkt S^ der ersten und zweiten
die Lote o, resp. ^3 auf die dritte und auf die
gegebene Kraft h. Machen wir dann S^ zum
Momentenbezugspunkt, so gibt die Invarianz
der Momentensummen sofort
rttj« fcÄj, d. h.
r ==» — •
Und der Richtungssinn von r ist auch sofort klar.
SoUten die beiden ersten Richtungsgeraden parallel sein, so
versagt diese Methode: man braucht dann aber nur Tc in je eine Kom-
ponente nach der dritten und nach der gemeinsamen Richtung der
beiden ersten zu zerlegen und hat in der ersten Komponente das
gesuchte r.
Fig. 78.
H ft m e 1 :* Elementare Mech anik.
13
194 V. Statik des starren Körpers (Theorie). Nr. 124.
§ 26. Zusammensetzung der Kräfte im Baome.
124. ZnrfickfUinmg auf eine Kraft nnd ein SrUtepaar.
Gegeben seien eine Reihe von Kräften k^ . . .k^ mit den Angriffs-
punkten Ä^ , . . Ä^, Wir wählen einen Bezugspunkt 0, die Vek-
toren OA mögen ä heißen: ä^ , . ,äj^.
Zu jeder Kraft k^ fügen wir nun in 0 eine Kraft
A^y ^* iCy
und eine Kraft
/Vy ~-" ^~" A/y
hinzu, was wir tun dürfen.
Die Kräfte £/ in 0 setzen wir zu einer Resultierenden zusammen,
diese wird in 0 angreifen und der Größe und Richtung nach durch
n
bestimmt sein.
Äy und Ä/'== — ky bilden ein Kräftepaar vom Moment a^k^. Wir
stehen also vor der Aufgabe, Kräftepaare^ deren Ebenen sich schneiden
— sie haben alle den Punkt 0 gemeinsam — zusammenzusetzen.
Wir brauchen nur zu zeigen, daß wir zwei solche Kräftepaare
überhaupt zu einem zusammensetzen können: daß dann dieses eine
ein Moment hat, welches gleich der geometrischen Summe der Momente
der gegebenen Paare ist, folgt aus der Invarianz dieser Summe bei
den erlaubten Operationen.
Wir haben nun früher (Nr. 116) gezeigt, daß man ein Kräfte-
paar in seiner Ebene beliebig verändern darf, wenn nur sein Moment
erhalten bleibt.
Sollen wir nun zeigen, daß man zwei Kräftepaare in sich
schneidenden Ebenen zusammensetzen kann, so verfahren wir folgender-
maßen: Wir wählen in der Schnittlinie beider Ebenen nach Belieben
eine Strecke AB, Dann können wir jedes Kräftepaar ersetzen durch
eins, für das J., B die Angriffspunkte sind. Wir brauchen ja nur
in jeder Ebene zwei solche Kräfte in A und B angreifen zu lassen,
daß Sinn und Größe des Momentes erhalten bleibt, was stets möglich
ist. Jetzt aber haben wir im ganzen vier Kräfte, von denen zwei in
A und zwei in B angreifen. Daß wir die auf je eine zurückführen
können, ist klar. Und daß wieder ein Kräftepaar herauskommt, sieht
man auch sofort, wenn es nicht schon deshalb sein müßte, daß die
Summe der Kräfte nach wie vor Null bleibt.
Wir können also Kraftepaare tatsächlich zusammensetzen und
erhalten das Resultat:
Nr. 125. § 26. ZasammeDsetzuiig der Kräfte im Baume. 195
•
Ein räumlidies Kräftesystem läßt sich am starren Körper auf
eine Eineelhraft und ein Kräftepa^ir zurückführen. Die Einzdkraß
ist gleich der geometrischen Summe der gegebenen Kräfte
k^2k
und greift in einem willkürlich wöMba/ren Punkt 0 an; das Kräfte-
paar hat ein Moment gleich der geometrischen Summe der Momente
der gegd>enen Kräfte in beäug auf diesen Punkt 0:
M ^ ^ajc^.
Bei unendlich vielen, unendlich kleinen^ stetig verteilten Kräften dk
ist natürlich
K^^dk,
M^^ädk
(vgl. Nr. 113).
Die Gleichgewichtä)edingungen lauten natürlich gerade so wie in
der Ebene infolge Axiom VII, 2, 3, 4:
Z = S^*-0 und M = ^ädk'=^0.
Daß zwei Kräftesysteme dann und nur dann äquivalent sindy
wenn die Summe der Kräfte K und die Summe der Momente M
übereinstimmen, wird gencm so bewiesen wie der entsprechende Satz
für Kräftesysteme^ in der Ebene (siehe Nr. 116).
Also sind K und M auch die einzigen Invarianten,
126. Die Kraftschraube (Byname). Unser Resultat hängt
noch ab von der Wahl des Bezugspunktes 0. Wählen wir einen
anderen Punkt 0' und sei ÖOf ^ s, so bleibt K ungeändert. Das
Moment Jf' in bezug auf 0' ist aber nach Nr. 114
M'^M-sK,
Der hinzukommende Bestandteil —sK steht nun immer senkrecht
zu jST, im übrigen aber kann er durch geeignete Wahl von s, d. h.
von 0', jede Richtung und Größe erhalten.
Zerlegt man also M und M% überhaupt an jeder Stelle das
Moment in einen Bestandteil parallel K und einen solchen senkrecht
zu K, so kann man ersteren nicht ändern, letzteren dagegen beliebig,
Man kann ihn also durch geeignete Wahl von s resp. von 0' auch
zu Null machen, d. h. man kann erreichen, daß das Moment dieselbe
Richtung wie die resultierende Kraft K erhält.
Nennen wir den Inbegriff einer Kraft und eines Kräftepaares
dessen Ebene senkrecht zur Kraft steht, dessen Momentvektor also in
derselben Geraden wie die Kraft liegt, eine Kraftschraube oder
Dyname, so können wir sagen:
13*
196 V. Statik des starren Körpers (Theorie). Nr. 185.
Man Icann ein Kräftesystem am starren Körper stets auf eine
Kraftschraube redueieren^ d, h. erreichenj daß
M^pK
ist. p eine Strecke^ die positiv und negcUiv sein kann, heiß der
Parameter der Kraftschraube,
Man kann also im Räume das Moment im allgemeinen nicht
zum Verschwinden bringen^ das Eraftesjstem also nicht auf eine
einzige Kraft zurückf&hren. Denn die Komponente von M parallel
zu K laßt sich ja nicht ändern, und daß sie nicht immer von
vornherein Null ist, erkennt man daraus, daß man gleich als Kräfte-
System eine Kraft»chraube zugrunde legen kann. _^
Die Punkte, fär welche M dieselbe Richtung wie K bekommt,
liegen in einer Geraden, der sogenannten Zentralachse des Krafl;e-
systems. ___ ^
Denn sei 0 ein solcher Punkt, für ihn also M » pK, so ist der
Zusatz sK, der bei Wahl eines anderen Punktes 0' hinzutritt und
der senkrecht zu K, also auch zu M steht, dann und nur dann Null,
wenn s die8elbe_Richtung wie K hat. Die Zentralachse hat also die
Richtung yon K.
Seien M und K für irgendeinen Punkt 0 gegeben, so l&ßt sich p leicht
berechnen und die Gleichung der Zentralachse in der Plückerschen Form auf-
stellen (siehe Anhang U, 2).
Denn sei x= OX und X ein Punkt der Zentralachse, so ist das Moment
far X _
Es soll aber M'^^pK sein.
Also haben wir
xK^^M-'pK,
Setzen wir für M — pK zur Abkürzung IS, so ist
xK:^C
bereits die Gleichung der Zentralachse, K^ e sind die Plückerschen Vektoren; es
muß aber noch
erfüllt sein, d. h.
Cm—pk)'K^o
oder
woraus sich ergibt
M.K _ M^K^+M^K^+M,K,
'" K* - Kl+Kl + Kl
wenn wir orthogonale Komponenten einführen.
Nr. 126, 127. § 26. Znaammensetzuiig der Kräfte im Räume. 197
Setzen wir den Wert von p in den Ausdruck für e ein, so bekommen wir
c =- if - ^^f- . k^ -L {K^M- {M- K) K).
Das ist aber nach der Entwicklungsformel (siehe Anhang) «
Die Gleichung der Zentralachse lautet also definitiv
einer ihrer Punkte ist also durch
a?o = -^ KM
gegeben. Es ist dies der Fufipunkt des Lotes yon 0 auf die Zentralachse, denn
es steht ja x^ auf K senkrecht.
Die Parametergleichung der Zentralachse lautet
x^x^ + X'k,
wo l alle Werte von — oo bis + oo durchläuft.
126. Anal]rtl8Che Formnlierung der Besnltate. Da ak
die rechtwinkligen Komponenten
a Je — a Je ^ a Je — a Je , a Je — a Je
y » 9 y y a X x t f x y y x
hat (siehe Anhang II, 1), so ist
k-:2k, s,-2k. k-2k,
and die Gleichgewichtsbedingongen fElr den starren Körper lauten:
2{%K - a,*y) - 0, ^(a>, - aje^) « 0, 2{(^xK - S**) ^ ^'
Aufgabe 60: Man berechne den Parameter und bestimme die Zentral-
achse für das Kräftesystem, bestehend aus den drei Kräften mit den ortho-
gonalen Komponenten 0, 16 kg, 0; 10 kg, 0, 0; 0, 0, 21 kg und den Koordinaten
der Angriffspunkte 0, 0, 10 m ; 0, 0, 0 und 5 m, 0, 0.
127. Das Moment In besng auf eine Achse. Der Ausdruck
n h — a Je
x'*^y ^y' X
oder eine Summe über diese Größen, herrührend von verschiedenen
Kräften, läßt eine doppelte Auffassung zu: Einmal ist es die Kom-
ponente des Momentvektors, bezogen auf einen Punkt 0 der jer-Achse,
nach dieser Achse, dann aber bedeutet er selber ein in der jer-Achse
gelegenes Moment, das wir aus dem gegebenen Kräftesystem erhalten,
198 V. Statik des stanen Körpers (Theorie). Nr. 128.
wenn wir h^ und z gleich NuU setzen. Dann werden die Komponenten
des Momentes nacb der x- und y- Achse von selbst Null, die Kom-
ponente nach der jer-Achse aber bleibt ungeändert.
Ic^ und e gleich Null setzen^ heißt aber nichts anderes, als die
Kraft (resp. die Kräfte) in die rc-y-Ebene hineinprojizieren.
In analoger Weise können wir von einem Kraftesjstem das
Moment in bezug auf irgendeine Achse bilden:
Wir verstehen unter dem Moment eines Kräftesystems
in bezug auf eine Gerade das Moment, das wir erhalten,
wenn wir das Kräftesystem auf eine Ebene senkrecht zur
Geraden projizieren und das Moment dieser Projektionen
in bezug auf den Durchstoßpunkt 0 der Geraden mit der
Ebene bilden.
Da wir jede Gerade im Räume nach Belieben zur ir-Achse eines
rechtshändigen Koordinatensystems machen können, so folgt allgemein:
Bas Moment in hesug auf eine Gerade ist gleich der Projektion
desjenigen Momentvektors auf die Gerade^ den man in bezug auf
einen Punkt der Geraden gebüdet hat
Hat man der Geraden einen bestimmten Richtungssinn gegeben,
so kann man das Moment in bezug auf sie als einen Skalar auffassen,
der positiv oder negativ ist, je nachdem es mit dem Sinn der Geraden
zusammenfällt oder nicht.
Ist h der kürzeste Abstand der Kraft von der Geraden, so ist h
auch der kürzeste Abstand der in Rede stehenden Projektion der
Kraft von dem Durchstoßpunkt 0. Ist ferner a der Winkel, den die
Gerade mit der Angriffslinie der Kraft k einschließt, so ist die Pro-
jektion der Kraft k auf die Ebene senkrecht zur Geraden ksiaa und
hr Moment in bezug auf die Gerade ist der absoluten Größe nach
ksma'h.
Äußer in dem trivialen Falle k = 0 ist also das Moment einer
Kraß in bezug auf eine Gerade nur NuU, wenn entweder die Kraß
der Geraden parallel ist oder wenn sie die Gerade schneidet
128. Die Oleichgewichtsbedingung, aasgedrfickt durch
das Nullwerden von Momenten. Es fragt sich, kann man die
Gleichgewichtsbedingungen des starren Körpers dadurch ersetzen, daß
man das Nullwerden mehrerer Momente ausspricht.
Verschwindet der Momentvektor für zwei Punkte 0 und 0', ist
also M = 0 und ^'=0, so folgt aus
M'=-M-sK\
sK^O,
d. h. ein eventuell vorhandenes K könnte nur in der Verbindungs-
linie 00' liegen.
Nr. 128. § 26. ZuBammensetzung der Kräfte im Räume. 199
Weiß man vielleicht von vornherein, daß das unmöglich ist —
sind z. B. aUe dk vertikal, 0 (X aber horizontal — so genügt Jf = 0
und M'^0. Im allgemeinen wird man aber noch ein drittes
Moment M", bezogen auf einen Punkt 0'', gleich Null setzen müssen,
wo (/' nicht in der Geraden O'O liegen darf. Das genügt sioher,
denn K kann nicht gleichzeitig in den drei verschiedenen Geraden
OC, O'a', a'O liegen.
j&5 genügt aiso, um des Gleichgewichts sicher eu sein, das
Moment in hezug <mf drei Punkte gleich NuU eu seteen, die nicht in
einer Geraden liegen.
Kommt man auch mit Momenten in bezug auf Geraden aus?
Da jede Gleichung, welche ausdrückt, daß das Moment in bezug
auf eine Gerade Null ist, eine skalare Gleichung bedeutet, die Be-
dingungen ^^^ ^^^ ^^^
aber zwei vektorieUe, d. h. sechs skalare Gleichungen darstellen, so
kann man erwarten, daß im allgemeinen das Nullsetzen der
Momente für sechs Geraden genügen wird, um das Gleich-
gewicht zu garantieren.
Für eine besondere Art von sechs Geraden genügt dies sicher:
drei Geraden g^, g^, g^ mögen ein Dreieck OO'O" bilden, die drei
andern ä, h! A" je durch einen Punkt 0, resp. 0', resp. 0" hindurch-
gehen, aber nicht in der Ebene von OffO" liegen. Denn weil die
Momente für g^, g^, h" — diese drei mögen durch 0" hindurch-
gehen — verschwinden, so verschwindet der Momentvektor Jf " für
0", denn ein Vektor verschwindet, wenn seine orthogonalen Projektionen
auf drei Geraden verschwinden, die nicht in einer Ebene liegen. Das
gilt für jeden der drei Punkte OO'O", also besteht nach dem obigen
tatsächlich Gleichgewicht.
In welchen Ausnahmefällen man aus dem Verschwinden der
Momente fär sechs Geraden nicht auf Gleichgewicht schließen darf,
woUen wir im nächsten Paragraphen untersuchen.
Aufgabe 61: Ein Tisch stütze sich mit drei Beinen — deren untere
Enden A^ B, C wir als Punkte ansehen wollen — auf eine horizontale Fläche.
Außer den dort herrschenden, vertikal nach oben gerichteten Stützdrucken
N^, Nf, N^ sei die resultierende auf den Tisch wirkende Kraft G nach abwärts
gerichtet und ihre Angriffsgerade schneide das Dreieck Ä, B^ C in einem
Punkte S^ dessen Abstände r j , r, , r, von den drei Seiten des Dreiecks gegeben
seien. Außerdem* seien noch die Höhen des Dreiecks gegebon.
Man berechne die Stützdrucke N^^ N^^ N^, Warum kann nur Gleich-
gewicht herrschen, wenn S im Innern des Dreiecks liegt, d. h. r^^r^^ r^ positiv sind?
Man benutze die am Ende dieser Nummer gegebene Gleichgewicbtsbedingung
und nehme die Seiten des Dreiecks und die Vertikalen durch die Ecken als
Momentenachsen.
200 V. Statik des starren Körpers (Theorie). Nr. 12$^.
§ 27. Das Nallsystem.^
129. ZnrfickfUining auf iwel Kr&fte. Wir wissen, daß
man im allgemeinen ein Kraftsystem nicht anf eine Kraft zurück-
führen kann (Nr, 124), wohl aber auf drei Kräfte (Nr. 113). Kann
man das System auf zwei Kräfte reduzieren?
Für den Fall eines bloßen Kräftepaares ist die Antwort bejahend,
aber trivial. Diesen Fall {K — 0, |> =- oo) schließen wir daher einst-
weilen aus. Ebenso sehen wir von dem Fall p = 0, d. h. Jf = 0 ab,
dann kann man ja das System auf eine Kraft zurückführen.
Im allgemeinen Fall kann man aber eben&Us das System durch
zwei Kräfte ersetzen. Denn sei für einen Punkt 0 das Knlftesystem
durch M und K gegeben, so kann man ja das Kraftepaar M durch
zwei Kräfte q und -— q darstellen, von denen — f in 0 angreift.
— q und K kann man dann zu einer Kraft r in 0 zusammensetzen
und hat so als Resultat zwei Kräfte: q und f.
Dabei kann man noch — g in 0 und in der Ebene des KJräfte-
paares beliebig nach Größe und Richtnng wählen. Das hat zur Folge,
daß man im allgemeinen wenigstens die Angriffsgerade von f beliebig
vorschreiben kann.
Sei nämlich die Angriffsgerade ^^ gegeben, so wähle man einen
Punkt 0 auf ihr und denke sich die zugehörige Ebene des Kräfte-
paares — senkrecht zu Jf — gezeichnet. Man lege eine Ebene
durch K und die vorgegebene Angriffsgerade g^ von f ; diese Ebene
schneidet die Ebene des Kräfte-
paares in einer Geraden g\ Man
kann im allgemeinen in diese Ge-
rade eine Kraft —q so hineinlegen,
daß die Resultierende von — q imd
K die vorgeschriebene^Richtung
hat: man hat ja nur K in zwei
Komponenten nach g^ und g' zu
zerlegen, was stets möglich ist, wenn
nicht g^ und g' zusammenfallen.
r ist somit durch g' vollständig
bestimmt: es ist gleich K (und
somit q = 0), wenn g' in die Richtung von K hineinfällt, es ist un-
endlich (also auch q), wenn g' in der Ebene des Kräftepaares liegt. Die
zweite Kraft q ist dann nebst ihrer Angriffsgeraden vollständig mit-
bestimmt. Denn nach Richtung und Größe ist sie es ja durch
— g^ = r — jBT und der Lage nach dadurch, daß q und — q das
Moment M ergeben müssen.
1) Diesen Paragraphen kann der Anfänger zunächst auslassen.
Nr. ISO. § 27. Das Nullsystem. 201
Man kann also ein Kräftesystem immer auf zwei Kräfte gurück-
fvivren: im dllgemeinen kann man eine Angriffsgerade noch wiUkür-
lieh wähien, dann ist die andere eindeutig mitbestimmt, desgleichen
sind es die Größen der Kräfte.
In bezag auf eine Kraftschraube sind also die Geraden des
Raumes im allgemeinen paarweise einander zugeordnet, man nennt
diese Paare einander konjugiert. Denn ihre Beziehung, daß man
nämlich das Krafbesjstem auf zwei in ihnen gelegene Kräfte zurück-
ftLhren kann, ist nach der Natur dieser Aussage wechselseitig.
Aber es gibt zwei Ausnahmen:
1. die Geraden, welche der Zentralachse parallel sind, d. h. die
Richtung K haben, q wird dann Null, der Hebelarm des Krafte-
paares also unendlich. Zu allen diesen Geraden sind also unendlich
ferne Geraden als konjugiert zugeordnet. Diese Ausnahme mag mit
dieser Bemerkung als erledigt gelten;
2. die Geraden, welche in einem Punkte auf der Richtung des
zugehörigen Momentes senkrecht stehen: für sie wird q unendlich,
und, damit M endlich sei, muß die konjugierte Gerade in sie hinein-
fallen.
Diese Geraden, die man auch Nullini en nennt, sind also sich
selbst konjugiert.
Sie heißen Nullinien, weil sie die charakteristische Eigenschaft
haben, daß für sie das Moment des Kräftesystems verschwindet.
Das folgt gemäß Nr. 127 daraus, daß der Momentvektor auf ihnen
senkrecht steht.
130. Nullpimkt nnd Nnliebene. Die Nullinien, welche durch
einen Punkt gehen, bilden nach dem Vorstehenden eine Ebene, nämlich
die Ebene des zu dem Punkte gehörenden Kräftepaares. Man nennt
diese Ebene auch die Nullebene des Punktes und den Punkt den
Nullpunkt der Ebene.
Daß es durch jeden Punkt eine und nur eine Nullebene gibt, ist
nach dem Vorhergehenden klar. Aber es gibt auch umgekehrt zu
jeder Ebene einen und nur einen Nullpunkt.
Seien nämlich für einen Punkt 0' der Ebene K und M' bestimmt,
so gehe man auf der Geraden g' in
der Ebene, welche zu M' senkrecht
steht und also eine NuUinie ist, zu
einem anderen Punkte 0 über. Das
zugehörige Jlf unterscheidet sich dann
Yon Jf ' um einen Bestandteil sK, der
senkrecht zu g' in einer Geraden g'
senkrecht zu K liegt. Im übrigen
variiert die Größe von sK mit s = ÖÖ' P,g^ ^^
202 V. Statik des stairen Körpers (Theorie). Nr. 181 .
frei. Man kann alao 0 so wählen, daß M senkrecht auf der Ebene
steht, man braucht ja nur M' in eine Komponente nach g" und in
eine solche senkrecht zur Ebene zu zerlegen (was möglich ist, da g\
M' und die Senkrechte zur Ebene alle auf g' senkrecht stehen und
also in einer Ebene liegen) und die erstere durch den Zusatz sK zum
Verschwinden zu bringen.
0 ist dann der gesuchte Nullpunkt.
Nur für eine Ebenenschar liegt der Nullpunkt im Unendlichen:
fQr diejenigen Ebenen nämlich, welche die Richtung K enthalten. •
Dann stellt sich ja g" senkrecht zur Ebene und sK^ also auch s
müßte unendlich werden.
Konjugierte Geraden, Nullinien, Nullebenen und Nullpunkte
stehen nun in folgender Beziehung zueinander:
1. Jede Gerade, welche zwei kon-
'9* jugierte Gerade schneidet, ist eine NuUinie.
Denn da man das Kräftesystem auf
zwei Kräfte in den konjugierten Geraden
zurückfahren kann und diese die in Rede
stehende Gerade schneiden, so verschwin-
det für diese das Moment.
2. Die Nullebene eines jeden Punktes
einer Geraden g enthält die zu dieser
konjugierte Gerade g'.
***• *^* Denn alle Geraden durch den Punkt,
welche die konjugierte Gerade schneiden,
sind nach 1. Nullinien; bilden aber auch eine Ebene, eben die Null-
ebene des Punktes.
3. Der NuUpunkt einer jeden Ebene durch eine Gerade g' liegt
auf der zu dieser konjugierten Geraden g.
Denn alle Nullinien dieser Ebene gehen ja nach 1. durch die
andere Gerade.
Die Nullinien bestimmen also die gegenseitige Zugehörigkeit der
konjugierten Geraden. Man nennt nun die Gesamtheit der Nullinien
mit der durch sie gegebenen gegenseitigen Zuordnung yon Punkten
zu Ebenen und Geraden zueinander ein Nullsystem.
131. Beziehimg des NnUBystemB rar KrafteohMube.
Nennen Avir der bequemen Ausdrucksweise halber die durch K ge-
gebene Richtung der Zentralachse „vertikal nach oben", die Rich-
tungen senkrecht dazu horizontal, so ist zunächst klar, daß alle
horizontalen Geraden, welche die Zentralachse schneiden, Nullinien
«ind. Denn das Moment liegt ja für Punkte der Zentralachse in
dieser.
Wählen wir nun einen Punkt A außerhalb der Zentralachse im
Nr. 131. , § 27. Das Nullgystem. 203
Abstände a von derselben^ machen wir den Fußpunkt 0 dieses Lotes
zum Bezugspunkte^ so ist das Moment in A
M'=^M-aK,
wenn a =- OA ist.
— aK liegt horizontal^ und zwar nach links, wenn man von 0
nach A hinblickt, die Größe dieses Zu- \ir
Satzes ist aK, Also wird M' nach links
oder nach rechts aus der Vertikalen ab-
weichen — aber noch immer senkrecht
zu ä stehen — je nachdem M nach oben
oder unten, d. h. p positiv oder negativ ist.
Zählen wir den Winkel a, um den
M\ die Normale zur NuUebeiie in A^
aus der Vertikalen abweicht, nach links Fig. 82.
positiv, so ist mit Einschluß des Zeichens
. aK a
^ M p
Entfernt man sich also mit dem Punkte A von der Zentralachse, so
richtet sich die zugehörige Nullebene immer steiler auf, fttr a « oo
wird a =" — : wir wissen ja auch schon, daß die Ebenen, welche der
Zentralachse parallel sind, den Nullpunkt im Unendlichfemen haben.
Man sieht daraus auch, daß die horizontalen Nullinien die Zentral-
achse schneiden.
Femer sieht man, daß das Nullsystem jede Verschraubung um
die Zentralachse gestattet, d. h. verschiebt man das ganze System
längs der Zentralachse oder dreht es um dieselbe, so geht es in sich über.
Wie liegen nun die konjugierten Geraden zueinander?
Sei g gewählt, ä = OA ihr kürzester Abstand von der Zentral-
achse.
Es muß dann die konjugierte Gerade g' nach der vorigen Nummer
in der zu A gehörenden Nullebene liegen.
Vor allem wird also g die Gerade OA schneiden — B sei der
Schnittpunkt — und da _
K~q+r
sein soll — es liege q in g, r in g — und K sowohl wie q auf OA
senkrecht stehen, so muß auch r also g' auf OA senkrecht stehen:
Die beiden konjugierten Geraden sclmeiden also samt der Zentral-
achse ein und dieselbe Gerade AOB senkrecht.
OB sei gleich h gesetzt: es werde positiv gezählt, wenn es in
der Richtung mit OA übereinstimmt, sonst negativ.
204
V. Statik des starren Körpers (Theorie).
Nr. 182.
Nun weicht die Normale der Nullebene in Ä von der Vertikalen
um einen Winkel cc ab, fär welchen
tga
a
gilt — a positiv gerechnet, wenn die Abweichung in der Richtung ä
gesehen nach links erfolgt — ,
folglich weicht die Nullinie^
um den Winkel
7C
a nach
rechts ab.
Andererseits liegt g in
der NoUebene von B. Wenn
also
ii«-«8. — för positive und nega-
tive b — , so weicht g von der Vertikalen um y — /* t^oIl rechts ab.
Mit der Geraden g sind nun gegeben a und y — /), d. h. a und ßy
ea berechnen sich dann nach den vorstehenden Formeln der Abstand b
der konjugierten Geraden g' einschließlich des Zeichens aus
b^pigß
und ihre Neigung J - a aus
tff « =
^ P
Stehen die beiden konjugierten Geraden aufeinander senkrecht,
so spricht man von einem Kraftkreuz, es muß dann tga - tg/S » 1
sein, d. h. , «
Daß NuUinien sich selbst konjugiert sind, erkennt man aus
diesen Formeln leicht Denn dann muß a » /} sein, und es folgt
dann auch a » 6.
Man sieht, daß das NuUsystem nur von der Zentralachse und
dem Parameter p abhangt, auf die Große von K kommt es nicht an.
132. Dms Hvll^fstem Bis linearttr Komplejc Setzen wir
unser Problem in die Sprache der Vektorrechnung um, so lautet es:
man soll alle möglichen Vektoren y, r und ä, 6 bestimmen, so daß
iiq-rbr^S
ist ä, b sind die Vektoren von dem Bezugspunkte 0 nach Punkten A
resp. B der beiden konjugierten Geraden.
(1)
Nr. 132. § 27. Das NuUflystem. 205
Man kann die Gleichungen nach den Plückerschen Vektoren
(siehe Anhang 11, 2) q und äq der einen Geraden auflösen:
äq^ M "br,
es muß dann nur das innere Produkt beider verschwinden: es muß
also sein
oder
KM^rM + Kbr,
Setzen wir
wo ^ ein Einheitsvektor in der zweiten Geraden ist, so folgt
. -5--C--_. (2)
Dieses Resultat zeigt das alte Ergebnis: Man kann im allgemeinen
die eine Angriffsgerade, d. h. ihre Plückerschen Vektoren rj und brj,
willkürlich wählen-, dann sind die andere Gerade und die Größen der
Kräfte q und r eindeutig bestimmt (nach den Gleichungen (1) und (2)).
Ausnahmen bilden nur die Fälle:
1. g = 0, d. h. K = r, aber dq^^M — br + 0, so daß ä « oo wird,
2. r = cx>, also auch g «- cx>. Das tritt ein, wenn der Nenner
in (2) verschwindet, d. h.
^'M+K'bri^O (I)
ist. Daß (I) nun tatsächlich die Gleichung der Nullinie ist, sieht man
leicht ein. Denn nach dem Vertauschungssatze (siehe Anhang I, 6)
ist die linke Seite von (I) gleich
^'{M- bK) = ^ .Jf ',
wo M' den Momentvektor für den Punkt B bedeutet.
71 ' M' ist aber das Moment in bezug auf die zweite Gerade, und
Gleichung (I) sagt, daß dieses verschwinden soll. Das war aber die
charakteristische Eigenschaft der Nullinie.
Setzen wir für den zweiten Plückerschen Vektor bri zur Ab-
kürzung c, so lautet (I) _
^ • Jtf + Z • c - 0,
oder in rechtwinkligen Komponenten
n.M, + ri^M^ + i?,-M. + c,K, + c^K^ + c,K, = 0. {V)
Das ist aber die allgemeinste lineare homogene Gleichung, die es zwischen
206 V. Statik des starren Körpers (Theorie). Kr. 133.
den sechs Plückerschen Koordinaten 17^ ... c, geben kann. Man n^nt
nun jede Mannigfaltigkeit von cx)' Geraden — es gibt im ganzen
cx>^ Geraden im Räume (siehe Anhang II, 2), — die durch eine homogene
Gleichung zwischen den sechs Plückerschen Koordinaten gegeben ist,
einen Komplex. Ist die Gleichung linear, so wird man von einem
linearen Komplex reden.
Unsere Betrachtungen zeigen,
daß das System der NnUinien und ein linearer Komplex idenHsche
Begriffe sind,
Macht man die durch K gegebene Richtung der Zentralachse
zur £r-Achse, so wird aus (V)
PV. + e.-0. (I")
Ist a der kürzeste Abstand der NuUinie von der Zentralachse, a der
Winkel, den sie mit der Zentralachse einschließt, so ist 17,» cos et;
c steht auf ä senkrecht, hat die Größe a und bildet mit der jer-Achse
den Winkel ± (■?- — «) , es ist also c, « ± a sin a, und somit wird
aus (F)
p cos a ± a sin a « 0,
tg« = ±f. (I'")
Das Zeichen richtet sich nach dem von p] a und tga sind stets
positiv nach Definition.
Aus den Formeln (1) (2) und (I) dieser Nummer kann man alle
früheren Resultate leicht wieder gewinnen. Es mag das dem Leser
überlassen bleiben.
Aufgabe 62: Man zeige, daß das yon den beiden konjugierten Kräften r
nnd q gebildete Tetraeder einen von der Wahl der einen Angriffslinie un-
abhängigen Inhalt hat. (Man Tergleiche Anhang II, 1.)
133. Brledignng des AusnahmeflalLeB von Hr. 128. Zer-
legung eines Kräftesystems nach seohs Ctoraden. Wir hatten
in Nr. 128 gezeigt, daß das Gleichgewicht im allgemeinen gesichert
ist, wenn die Momente in bezug auf sechs Geraden verschwinden.
Das bedeutet aber nach den Resultaten der vorhergehenden Nummer
das Bestehen von sechs Gleichungen für M und K der Form (I'),
nämlich
•X X * 'ff y * *x » * X X ' ff y ' X x
(i/«l,2...6).
Daraus kann man nun in der Tat immer dann auf das Verschwinden
von K und M schließen, wenn die Determinante aus sechs Zeilen
und sechs Spalten
Nr. 188. § 27. Das Nullsyatem. 207
nicht Null ist.
Ist sie aber Null, so können sehr wohl die obigen sechs
Gleichungen bestehen, d. h. die sechs Momente verschwinden^ ohne
daß Gleichgewicht herrscht.
Was bedeutet nun das Verschwinden der Determinante? (Daß
sie nicht identisch verschwindet, folgt aus dem in Nr. 118 gegebenen
Beispiel.)
Es gibt dann ein Kiuftesystem, für welches die Momente in
bezug auf die sechs Geraden verschwinden, d. h. diese Geraden bilden
sechs Geraden eines Nullsystems.
Aus dem Verschtvinden der Momente für sechs Geraden kann
man also dann und nur dann auf Gleichgetvicht schließeti, wenn
diese sechs Geraden nicht einem Nullsystem angehören.
Aus unseren Betrachtungen folgt noch der rein geometrische Satz:
Durch fünf Geralden kann man immer einen linearen Komplex
legen, durch sechs jedoch im allgemeinen nicht.
Denn zu fünf Geraden kann man immer eine sechste Gerade
bestimmen, so daß die obige Determinante verschwindet, für beliebige
sechs Gerade aber verschwindet die Determinante nicht.
Dem Verschwinden der Determinante kann man noch eine andere
mechanische Bedeutung geben. Ist die Determinante Null, so hat
auch das Gleichungssystem
eine von Null verschiedene Lösung.
Deuten wir die A,, als Kräfte, welche in den sechs Geraden liegen:
^(i')A('') = k^,
so lauten unsere Gleichungen
2KK-0
(da ja c^") • Ay== Vx^^v' K"^^ ^v^v '^^^\ ^' ^- ^^ Kräfte k^ halten sich
das Gleichgewicht, da ihre Summe und die Summe ihrer Momente
verschwindet.
208 V^- Statik des starren KOrpers (Theorie). Nr. 184.
Man kann also dann und nur dann in sechs Geraden sechs
Kräfte hineinlegen, die sichy ohne alle Null m sein, das Gleichgewicht
halten, wenn die sechs Geraden einem NtiUsystem angehören (Möbius).
Wenn aber die sechs Geraden nicht einem Nuüsystem angehören,
so kann man ein hdiehiges Kraftsystem nach ihnen gerlegen, d. h. auf
sechs Kräfte zurückführen, die in den Geraden liegen.
Denn man hat nur die linearen Gleichungen aufzulösen
^^(^)A('') - K,
und das geht, da ja die Determinante der Koeffizienten der linken
Seiten nicht verschwindet.
Dieser Satz findet Anwendung in der Theorie der raumlichen
Fachwerke.
134. Ctosohiohte nnd Iiiteratur. Die hier vorgetragenen
Sätze und Begriffe stammen zum größten Teile von Möbius, einem
hervorragenden Oeometer, Mechaniker und Astronomen aus dem An-
fange des 19. Jahrhunderts. Seine Statik ist noch sehr lesenswert
Noch eine andere Statik aus dieser Zeit sei genannt, welche ebenfalls
die geometrischen Gesichtspunkte stark in den Vordergrund stellt,
die von Minding. Später haben sich die Geometer viel mit der
Eomplextheorie beschäftigt. Es gibt auch eine besondere, ins Detail
ausgebildete Theorie der Kraftschrauben: es seien die Namen Plücker,
Klein und Ball (theory of screws, deutsch von Budde) genannt. Man
faßt die in den §§ 26 und 27 vorgetragenen Theorien und ihre Weiter-
bildungen oft unter dem Namen „Geometrie der Kräfte'' zusammen:
Das hervorragende Werk Studys, „Geometrie der Dynamen" geht von
dieser Basis aus. Von elementaren Lehrbüchern seien genannt: Föppl,
Techn. Mechanik, Bd. II; Timerding, Geometrie der Kräfte, Marco-
longo-Timerding, Theoret. Mechanik, Bd. I. Eine rein analytische Dar-
stellung findet man in Heuns Kinematik (wir werden auf dieselben
Dinge später noch einmal bei der Kinematik des starren Körpers
stoßen; siehe § 46, Nr. 263). Ein Lehrbuch, das die geometrische
Seite der Mechanik besonders betont, ist das von Schell: Theorie
der Bewegung und der Kräfte. Es sei auch nochmals auf das Lehrbuch
von Webster: „The dynamics of particles and of rigid, elastic, and
fluid bodies^' hingewiesen. Natürlich findet man auch in den großen
Werken über Mechanik eine Darstellung des Nullsystems und der
zugehörigen Dinge, so in Appell: Traite de mecanique (3 Bde), in
Routh: A treatise on analytical staties, 2 Bde. Als zusammen-
fassendes Referat beachte man den Artikel 2 des Bandes IV (Mechanik)
der Enzykl. der math. Wissenschaften: Timerding, Geometrische
Grundlegung der Mechanik eines starren Körpers.
Nr. 186. § 28. ZuBammensetzuiig paralleler Kräfte. 209
Kapitel VI.
Statik des starren Körpers (AnwendniLgeiL).
§ 28. Zusammensetzung paralleler Kräfte.
136. Parallele und gleiohgeriohtete Krftfte laaaen aioh
«teta auf eina ainxlga Kraft anrüokfUiren. Diesen fondamen-
talen Satz wollen wir beweisen:
Die Kräfte dk mögen parallel und gleichgerichtet sein, d. h. es sei
di = i dkf
wo i ein fester Einheitsvektor ist und dh > 0.
Dann ist
hat also dieselbe Richtung und ist nicht Null. Das Moment für
einen beliebigen Punkt ist
M^S^dk^(Sscdk)i,
steht also immer auf s senkrecht.
Moment und resultierende Einzelkraft stehen also in diesem
Falle aufeinander senkrecht, man kann demnach das Moment zum
Verschwinden bringen (siehe Nr. 125). Die Zentralachse des Kräfte-
systems, die Angriffslinie der Resultierenden, heißt wohl auch die
Mittellinie des Ejraftsystems.
Praktische Anwendung findet unser Satz vor allem in zwei Fällen:
1. Die Schwerkräfte können bei gewöhnlichen Objekten, die klein
sind gegen die Erde, als parallel angesehen werden.
Die Schwerkräfte lassen sich demnach für gewöhnliche irdische
Objekte j sofern sie als starre Körper behandelt werden dürfen j auf
eine einzige Kraft, das Gesamtgewicht G, zurückführen. Die Angriffs-
gerade dieser BesuUierenden heißt Sdiwerachse.
2. Die Normaldrucke ebener Flächenstiicke sind gleichfalls
parallel. Sie haben also ebenfalls eine Resultierende, N^^dN,
deren Schnittpunkt mit dem ebenen Flächenstück Druckmittelpunkt
genannt wird.
Habe die jsr-Achse die Richtimg der Kräfte, so lassen sich die
Koordinaten a:*, y* der Mittellinie leicht berechnen. Es muß ja das
Moment der Resultierenden K gleich dem Moment der Einzelkräfte
sein, sowohl für die x- wie für die y-Achse. Für die jer-Achse sind
beide Null.
Hamel: Elementare Mechanik. 14
210 VI. Statik des starren Körpers (Anwendungen). Nr. 136.
Daraus folgt ffir die y-Achse
U*K^^ydk,
und für die 2:-Ach8e
also
x*^
K '
^_^ydk
^ K
^xdk nennt man das statische Moment^ auch wohl Moment
erster Ordnung der Belegung die in bezug auf die yjer-Ebene. All-
gemein: ist jedes Volumenelement dV mit einem Skalar dk^xdV
belegt und x der Abstand des Volumelementes d V von einer Ebene,
so nennt man ^xdk das statische Moment der Belegung in bezug
auf die betreffende Ebene.
Bei der Schwere ist die Belegung das Gewicht: dk^^dG'^ydV,
136. Der Sohwerpimkt^ Bringt man einen starren Körper
in yerschiedene Lagen, so bleibt jede Belegung dG an ihrer Stelle
im Körper, aber die Richtung der Schwerkraft ändert sich rektiy zum
Körper.
Für jede Lage wird es relativ zum Körper eine besondere Schwer-
achse geben.
Wir behaupten nun, daß alle diese Schwerachsen durch einen
Punkt hindurchgehen, und diesen Punkt nennen wir den Schwer-
punkt des Körpers.
Zum Beweise legen wir in den Körper fest ein rechtwinkliges
Koordinatensystem OXy y, £,
Bringen wir die ;er- Achse nach unten, so hat ein Punkt der
Schwerachse nach der vorigen Nummer die Koordinaten
^~ af y^ n ~
G ^ ^ G
Drehen wir nun die y- Achse nach unten, so bleibt jedes x, y, g, dG
fest und die neue Schwerachse hat die Koordinaten
6r ' G
Ebenso hat ein Punkt der Schwerachse parallel der x-Achse die
Koordinaten
y '" G ^ " G
Daraus sehen wir, daß jedenfalls diese drei Schwerachsen durch den
Nr. 136. § 28. ZuBammensetzung paralleler Kräfte. 211
Punkt mit den Koordinaten x^, y*, jß?* hindurchgehen. Wir wollen
ihn Schwerpunkt heißen. Sein Vektor ist gegeben durch
^ G '
machen wir ihn selbst zum Anfangspunkt, so ist r^ » 0, also auch
Wir wollen nun beweisen, daß für jede Lage des starren Körpers
die Schwerachse durch den Schwerpunkt hindurchgeht. Sei die
Schwerkraftrichtung relativ zu unserem Koordinatensystem durch i
gegeben, so ist das Moment bezogen auf den Schwerpunkt
weil S^^^ = 0 ist.
Also geht die Resultierende durch den Schwerpunkt hindurch,
w. z. b. w.
Man Jcann also für aUe Lagen eines starren Körpers die Schwere-
Wirkung durch eine Kraft erseteev^, die gleich dem Gewicht des Körpers
ist, nach unten gerichtet ist und im Schweifpunkt des Körpers angreift.
Der Vektor nach diesem Schwerpunkt ist gegeben durch
^ G
Dieser Ersatz ist aber nach den allgemeinen Prinzipien des zweiten
Abschnittes nur gestattet, so lange es sich um Gleichgewicht oder
Bewegung des ganzen starren Körpers handelt.
Nun war aber dG >= gdm, wenn dm die Masse des Volum-
elementes bedeutet.
Solange also g als konstant angesehen werden darf — und so-
fern g als Yon gleicher Richtung gilt, ist auch das erstere als erlaubt
zu betrachten, denn erst in größeren Entfernungen wird die Ver-
änderlichkeit des g merklich — , kann man g aus der Summe heraus-
ziehen; und da auch G » mg ist, hebt es sich im Zähler und Nenner
fort. Man erhält also
d. h. für gewöhnliche irdische Objekte kann der Schwerpwnkt mit dem
Massenmittelpunkt identifiziert werden,
(Siehe Nr. 51 bis 53. Die dort angegebenen Sätze und Berechnungs-
methoden ftir den Massenmittelpunkt gelten also auch für den Schwer-
punkt.) Wir brauchen hinfort die an sich verschiedenen Begriffe
synonym. Man muß aber festhalten, daß der Schwerpunkt eine rein
dynamische Bedeutung und nur eine solche für den starren Körper
212
VI. Statik des starren Körpers (Anwendungen).
Nr. 187.
haty der Massenmittelpunkt eine massenkinematische und für alle Sy-
steme gültige.
Für den resultierenden Normaldruck starrer ebener Fla-
chenstücke folgt aus dem Satze 7 von Nr* 52, daß er innerhalb
der kleinsten, nirgends konkaven Figur angreift, welche das
Flächenstück einschließt, während sonst Größe und Angriffspunkt von
vornherein nicht bekannt sind. Denn zum Beweise von Satz 7 war
nur nötig zu wissen, daß dm, dem hier dk entspricht, stets positiv ist.
187. Graphisohe Znsamiiiensetnng paralleler l&ngs einer
Strecke stetig verteilter Zr&fte. Die Soilknrve. Wir wollen
annehmen, daß die Ej:afte dk symmetrisch zu einer ihnen parallelen
Ebene geordnet sind. Dann können wir sicher alle Kräfte, welche
in einer Ebene senkrecht zu der Symmetrieebene liegen, zu einer
Resultierenden zusammensetzen, die in der Symmetrieebene liegt.
So stoßen wir auf die sehr häufig vorkommende Aufgabe:
Man soll parallele und gleichgerichtete Kräfte zusam-
mensetzen, die längs einer Strecke AB stetig verteilt sind.
Wir zeichnen AB horizontal,
die Kräfte vertikal. Zähle x von
A angefangen nach B hin, so wird
sein ,- ,
dk » xdx,
wo X eine endliche Funktion von
X ist. Sie soll im allgemeinen re-
gulär sein, aber einzelne Sprünge
aufweisen können.
X heiße die spezifische Belas-
tung an der Stelle x, die Kurve,
welche x als Funktion von x darstellt, heiße die Belastungslinie.
Um nun die in Rede stehenden vertikalen unendlich vielen Kräfte
graphisch zusammenzusetzen, denken wir statt ihrer zuimchst einmal
eine große Anzahl (n) kleiner vertikaler Kräfte ^k = x^x, wo x
ein Mittelwert im Streifen der Breite ^x sei; als Angriffsgerade
nehmen wir irgendeine Vertikale innerhalb ^Jx.
Dann ist uns die graphische Methode nach Nr. 118 geläufig:
wir erhalten ein Erafteck, dessen Strecken ^k aUe in einer Vertikalen
liegen, und ein Seilpolygon, dessen Ecken auf den Angriffsgeraden
liegen. Beachten wir noch, daß die auf einer Angriffsgeraden zu-
sammentreffenden Seilstrahlen parallel zu den Polstrahlen sind, welche
das entsprechende ^Jk begrenzen.
Lassen wir nun n immer größer und die ^x immer kleiner
werden, so bleibt U^Jk ^ K^K^ erhalten, die Teilpunkte K rücken
aber immer dichter aneinander, und wenn wir P, den Pol, festhalten,
wird das Büschel der Polstrahlen auch immer dichter. Das Seil-
Flg. 84.
Nr. 138.
§ 28. Zusammensetssmig parallelei E[zftfte.
213
polygen aber erhalt immer mehr Ecken und Seiten, und da die
Winkel zwischen zwei aufeinander folgenden Seiten unendlich klein
werden, so wird das Seilpolygon in der Grenze in eine Seilkurve
übergehen.
Diese Seilkurve wird an jeder Stelle eine Tangente haben, in
welche die beiden Seilstrahlen übergehen, die sich vor dem Grenz-
übergang an der betreffenden Stelle schnitten. Dieser Tangente wird
Fig. 85.
aber ein bestimmter Polstrahl PX parallel sein und zwar derart
natürlich, daß K^X. gleich ist der gesamten Last links von der
Stelle e, die wir betrachten. Also
K,X
'Jxdx,
« = 0
Anfangs- und Endtangente der Seilkurye werden natürlich dem ersten
resp. letzten Polstrahl (PJBTq resp. KJ) parallel sein, ihr Schnitt-
punkt S gibt einen Punkt der Angriffslinie der Resultierenden.
138. Oraphisohe BeBtimnmng einer Sohweraehse. Die
Darlegungen der yorhergehenden Nummer finden Anwendung, wenn
es sich darum handelt, die Schwerachse
einer ebenen homogenen Figur in irgend-
einer Richtung zu finden.
Man nehme eine 2:- Achse senkrecht
zur gegebenen Richtung und teile die
Figur parallel zur Richtung in Streifen
der Breite dx. Sei x die Länge eines
solchen Streifens, so läuft unsere Auf-
gabe darauf hinaus, die Angriffsgerade
der Resultierenden der parallelen Kräfte
xdx zu finden. Man wird also einfach,
wie in der vorhergehenden Nummer an-
gegeben wurde, die Seilkurve konstruieren,
die zwischen den äußersten zur Richtung der Schwerachse parallelen
Tangenten der Figur zu spannen ist.
Fig. 86.
214
VI. Statik des starren EOrpers (Anwendungen).
Nr. 189.
Der Schnittpunkt der beiden Tangenten im Anfangs- und im
Endpunkte der Seilkurre wird dann ein Punkt der gesuchten Schwer-
achse sein.
Man muß natürlich in Praxi bei einer endlichen Einteilung in
hinreichend schmale Streifen stehen bleiben. Es empfiehlt sich nicht
einmal^ die Einteilung gar zu fein zu machen, da sich mit der Anzahl
der Streifen die Zeichenfehler häufen.
Angenähert wird man ferner jeden Streifen durch ein schmales
Rechteck parallel zur gegebenen Richtung ersetzen. Will man genauer
arbeiten, so nimmt man Trapeze statt der Rechtecke und benutzt flr
die Trapeze die in Nr. 53 gegebene Konstruktion der Schwerachse,
soweit die Genauigkeit dies verlangt.
Aufgabe 68: Man konstruiere den Schwerpunkt des in Aufgabe 119
(Nr. 268) gezeichneten Normalprofils.
§ 29. Beispiele und Aufgaben.
139. Beispiele.
Beispiel 1. Ein Balken Tom Grewichte G und gegebener Schweipunkts-
lage balanziere quer auf einer festen kreisrunden Waise. Wann ist er im
Gleichgewicht und um welchen Winkel kann die Richtung vom Mittelpunkt
der Walze nach dem Berührungspunkte höchstens von der Vertikalen abweichen?
Der Reibungswinkel zwischen Bal-
ken und Unterlage sei <p.
Nimmt man Normaldruck und Rei-
bung an der Berührungsstelle zu einer
Resultierenden D zusammen, so muß
diese allein dem Gewicht G das Gleich-
gewicht halten, es muß also D vertikal
nach oben gerichtet, D^^G sein und
■"■""""" es müssen D und G in derselben An-
griiFslinie liegen, d. h. der Schwerpunkt
über dem Berührungspunkt B. Da femer D von der Normalen um den Winkel a
abweicht, andererseits dieser Winkel kleiner als qp sein muß, so folgt
a<qp.
Beispiel 2. Ein Stab von gegebenem Gewicht G und gegebener Schwer-
punktslage (a, h seien die Entfernungen von den Enden) stütze sich mit seinem
unteren Ende auf eine horizontale Ebene, am oberen «Ende werde er durch eine
Kraft p gehalten, die von der Vertikalen um den Winkel s abweiche. Der
Reibungskoeffizient zwischen Stab und Boden sei /*, die Neigung des Stabes
gegen den Horizont a. Unsere Gleichgewichtsbedingungen ergeben
|} sin c — 2? «= 0,
p cos f + N— ö = 0,
— Ga 008 a -|-i> cos B{a-\-h)Qona — p sin k{a-\-h) sin a == 0,
Flg. 87.
d.h.
p^G
a
cosa
a + 6 cos (a + f ) '
-B == p sin f ==! G^
cos a sin 9
a-\-h cos (a -j- f ) '
Nr. 189.
§ 29. Beispiele nnd Aiifgaben.
215
C08 a C08 € \
208 8 — sin a sin ej
+ h cos a cos
^ — o sin g sin « -(- ^ cos (a + f )
(a -|- b) cos (a + s)
Die üngleichheitsbedingung \E\'^fN gibt, e>0 vorausgesetzt,
a cos a sin 8 < /"(— a sin a sin « -f" ^ (^^^ ** cos t — sin a sin «)) ,
oder, wenn man durch cos a s'msf dividiert,
actgqp< — atga + ^ (ctg « — tg a).
oder
h ctg 6 ^ a ctg qp 4- (a + 6") tg a.
* ))}}^}))}7fufnnin}}}t})n)f)f
(I)
Man kann die Auf-
gabe auch so lösen, daß
man die Resultierende D
von IL und N einführt
und bedenkt, daß sich
jetzt i>, G und p in
einem Punkte schneiden
müssen.
Trr777TpT7T7T777777
Fig. 88 a.
Fig. 88 b.
Man leitet dann für den Winkel d, den D mit "N einschließt, aus der
Figur leicht die Relation
a ctg ^ + a tg a = 6 (ctg f — tg a)
ab. Die Relation (I) folgt dann aus der Bedingung
<f <qp.
•
D und j} berechnen sich dann daraus, daß sie mit G ein geschlossenes Dreieck
bilden müssen, dessen Winkel an der Seite G natürlich c und ^ sind (s. Fig. 88 b).
Beispiel S. Ein Stab vom Gewichte G und gegebener Schwerpunktslage
(a und h seien die Entfernungen von den Enden) stütze sich mit dem einen
Ende auf einen horizontalen Boden, mit dem anderen Ende gegen eine vertikale
Wand. Wann bleibt er unter der Wirkung der Reibung in Ruhe?
Die Gleichgewichtsbedingungen lauten (siehe Fig. 89)
iV'i + i?,— C? = 0,
iV, — JJj « 0,
G^6 cos d- — ^, (a + h) sin -9- — 12, (a + 6) cos «• == 0.
Das sind nur drei Gleichungen zur Bestimmung der vier Reaktionen i?, N. Die
Aufgabe ist also statisch unbestimmt, wie man sich ausdrückt.
216
VI. Statik des starren KOrpers (Anwendungen).
Nr. 139.
Lassen wir E^ als Unbekannte und setzen , *-" ß^ so folgt
i^ — jy, « (G/? — jB,) ctg *.
Nun sind aber noch die Ungleichheiten zu erf&Uen:
J^.^fiN,, B, <f,N,,
Es mag dem Leser selbst überlassen bleiben, daraus die eine resultierende
Bedingung:
abzuleiten.
Fig. 89.
Fig. 90.
Da ß ein echter Bruch ist, so ist diese Bedingung trivial, das Gleichgewicht
also sicher vorhanden, wenn
/■.tgfr+z-./i^i+A/;, d.h.
/;*«*> 1,
ist. In diesem Falle ist also Gleichgewicht vorhanden, wo auch immer der
Schwerpunkt auf der Stange liegen mag.
Wesentlich einfacher ist die graphische Lösung der Aufgabe:
Man fasse N^ und B^ zu einer Resultierenden D^ zusammen, iV, nnd B^
zu einer Resultierenden i>, . Unser Stab steht jetzt unter der Einwirkung dreier
Kräfte D^, i), und G,
Diese müssen sich also in einem Punkte schneiden. Nun ist aber daa
mögliche Treffgebiet von 2>^ mit i>, durch das Viereck GHJK gegeben, in
dem sich die beiden Paare äußerster Erzeugenden der beiden Reibungskegel
schneiden (siehe Fig. 90).
Nr. 139.
§ 29. Beispiele und Aufgaben.
217
'////////y^A
Es wird also dann immer Gleichgewicht möglich sein, wenn die An-
griffagerade von G das Viereck GHJK schneidet. Denn dann gibt es immer
zwei in den Reibnngskegeln gelegene Kräfte D^ and 2>,, die sich mit G in
einem Punkte treffen. Und ihre Grüße läßt sich natürlich stets so bestimmen»
da£ sie mit G ein geschlossenes Dreieck bilden.
Man sieht nun sofort, daß für alle Lagen des Schwerpunktes 8 Gleich-
gewicht herrscht, wenn J links von der vertikalen Stützfläche liegt, d. h. wenn
ist. Drückt man aber aus, daß J links von der Angriffsgeraden von G liegt, so
erhält man leicht die obige allgemeine Bedingung.
Wir haben 0<p^l vorausgesetzt. Es wäre nicht schwer, die anderen
Fälle analog zu erledigen. Graphisch bekommt man das Resultat sofortiges
muß die Angriffsgerade das Viereck GHJK schneiden.
Bei negativem ß kann auch der Grenzpunkt K in Frage kommen.
Beispiel 4. Ein zylinderförmiger Körper kann sich in einer Parallel-
fuhrung hin- und herbewegen. Wann wird infolge einer in der Richtung der
Beweg^ungsmöglichkeit wir-
kenden aber exzentrisch an-
greifenden Kraft A; Selbst-
sperrung eintreten, d. h.
eine Bewegung unmöglich
sein?
Untersuchen wir zu-
nächst die Möglichkeit des
Gleichgewichts.
Wenn, wie in der Figur,
eine Kraft k exzentrisch unten
rechts nach oben wirkt, so
wird sich der Körper, von
dem wir annehmen wollen,
daß er in seiner Führung
einen gewissen Spielraum be-
sitzt, oben links und unten
rechts an die Führung an-
pressen.
Zeichnen wir an beiden
Stellen die Drucke Z)^ und i>,
— die Resultierenden aus Normaldruck und Reibung — , so müssen sich A;^ i>^ D^
in einem Punkte schneiden. Das wird aber nur dann möglich sein, wenn k
rechts vom Punkte 5, dem Schnittpunkte der extremen Erzeugenden der beiden
Reibungskegel, liegen wird.
Dieser Grad von Exzentrizität wird also jedenfalls notwendig zur Selbst-
sperrung sein.
Aber er ist auch hinreichend. Denn wenn Bewegung eintritt, so werden
D^ und 2>, genau durch S hindurchgehen, und da die Bewegung vertikal auf-
wärts geschehen soll, müssen D^ und D, in S eine nach unten gerichtete Resul-
tierende k' haben, damit keine horizontale Slraftkomponente da sei.
Die Resultierende von k und k\ die zur Einleitung der Bewegung nach
aufwärts gerichtet sein muß, liegt aber nach Nr. 116 auf der Seite von Ar, also
noch weiter nach rechts, wenn k rechts von S liegt. Wir werden aber später
beweisen (siehe Nr. 236), daß bei einer Translationsbewegung die Resultierende
durch den Schwerpunkt gehen muß. Wenn also der Schwerpunkt nicht so sehr
Flg. 91.
218
VI. Statik des starren Körpers (Anwendungen).
Nr. 140.
exzentrisch liegen sollte (nämlich nicht rechts von S), und das wollen wir an-
nehmen, so wird tatsächlich die Einleitung einer Bewegung nach oben unmög-
lich sein, wenn k rechts von S Uegt.
Auf der hier besprochenen Möglichkeit der Selbstsperrung beruht eine ein-
fache Steigvorrichtung, welche Arbeiter benutzen, um an Telegraphenstangen
emporzuklettem und sich oben festzuhalten. Diese Vorrichtung besteht wesent-
lich in seitlich an die Schuhe geschnallten runden Klammem, mit denen die
Stangen umfaßt werden. Die exzentrisch wirkende Last des eigenen Körpers
bewirkt Selbstsperrung.
140. AufiBfaben.
64. Ein Stab von gegebenem Gewicht G und gegebener Schwerpunktslage
(a, h seien die Entfernungen von den Enden) stütze sich mit den Enden A^ B
gegen einen glatten horizontalen Boden und eine glatte vertikale Wand Er
werde dadurch gehalten, da£ ein Punkt P des Stabes mit dem Eckpunkt O
durch einen Idealfaden verbunden sei. Wie groß ist die Spannung S in diesem
Faden und wie groß sind die Normaldrucke N^ und iV, ?
Die Aufgabe kommt darauf hinaus, G nach den Angriffslinien von N^ , iV,
und S zu zerlegen. *
Man kann also die Aufgabe entweder graphisch lösen oder nach dem
Ritterschen Verfahren (siehe Nr. 128).
Fig. 9S.
^777777777777777777777777777777
Fig. 9S.
66. Derselbe Stab, wie in Beispiel 2, werde oben dadurch gehalten, daß er
sich gegen eine horizontale vollkommen glatte Stange anlehne. Wann herrscht
Gleichgewicht?
Man löse dieselbe Aufgabe graphisch nach der Methode von Nr. 122, wenn
a =^ 5 m, 5 = 4 m, G^ = 10 kg, a =» 30^ imd wenn außerdem in der Entfernung
von 3 m vom aufgestützten linken Ende noch eine zum Stab senkrechte Kraft
von 8 kg und in der Entfernung von 7 m eine nach rechts wirkende horizontale
Kraft von 2 kg wirke. Wie groß muß der Reibungswinkel mindestens sein?
66. Ein Bild vom Gewicht 6r, dessen Schwerpunktslage S durch die Ent-
fernung c von der hinteren Bildwand und die Entfernung a von seiner unteren
Fläche gegeben sei, werde dadurch an eine vertikale Wand aufgehängt, daß an
einer Stelle H in der Entfernung h von der unteren Kante 0 ein Faden von der
Länge 2 befestigt wird, der an einen Punkt B der Wand geknüpft ist. Mit der
unteren Kante 0 stutze sich das Bild gegen die vollkomme glatte Wand. Unter
welchem Winkel a wird es sich gegen die Wand neigen?
Nr. 140.
§ 29. Beispiele und Aufgaben.
219
Es empfiehlt sich^ den HilfBwinkel ß einzuführen, der durch h^ a, l aus-
gedrückt werden kann.
Man erhält dann eine Gleichung für a. Man zeige, daß oe Null wird, wenn
c Null wird und löse dementsprechend die Aufgabe für den Fall, daß c sehr
klein sei gegen a, h und l; d. h. man setze cosa^i, indem man bei Gliedern
erster Ordnung in c (und also auch a) stehen bleibt.
67. Eine horizontale kreisförmige Platte
werde in der Mitte 0 durch eine nach oben
gerichtete Stützkraft getragen. Man soll am
Rande der Platte drei gegebene Gewichte P,
Q, R so aufsetzen, daß Gleichgewicht herrscht.
Man zeige, daß dazu notwendig ist, daß man
Pig. 95.
aus P, Q, B als Strecken ein Dreieck bilden kann und daß dann die Winkel
CK, /?, y als Außenwinkel dieses Dreiecks gefunden werden.
68. Aus vier gleich großen und gleich schweren Kugeln bilde man eine
Pyramide. Wie groß muß der Reibungskoeffizient zwischen den Kugeln sein,
damit Gleichgewicht möglich ist?
69. Ein Balken ist zwischen zwei horizontale, parallele Stützen gelagert, so
wie Fig. 96 zeigt. Wo muß eine Last L angreifen, damit Gleichgewicht herrscht?
Fig. 96.
70. Wann wird ein in einer horizontalen Rinne von dreieckigem Querschnitt
liegender Körper im Gleichgewicht sein?
71. Ein Stab von bekannter Schwerpunktslage und bekanntem Gewichte G
stütze sich mit seinem oberen Ende an eine vertikale glatte Wand, mit dem unteren
Ende auf eine glatte horizontale Fläche. An das untere Ende sei durch einen
Faden ein Gewicht G' in der durch die Figur 98 erläuterten Weise geknüpft. Bei
welcher Neigung 0* des Stabes gegen den Horizont wird Gleichgewicht herrschen?
72. Ein homogener Stab der Länge l liege in einer halbkugelfSrmigen
Schale vom Radius a, so daß er sich mit dem unteren Ende auf die Schale
220
VI. Statik des starren Körpers (Anwendimgen).
Nr. 141.
stützt und sich aofierdem an den Band der Schale anlehnt. F&r welchen
Neigungswinkel ^ gegen den Horizont wird Gleichgewicht herrschen? Reibung
sei nicht vorhanden.
\\\\\\\\\\>VVVV^V\\Vt\vvv\\V\\\\\\\\\\\\\vv
Plg.9».
tiiii'i/ii//'i///f/t ))))})} }))))))))}}}K /" ^
^
Q'
n})jn}i}nnrntin)inni}ninninnniwn
Flg. 98.
Plg. 100.
78. Ein Körper Tom Gewichte G liege auf einer horizontalen Fl&che. Anf
ihn wirke horizontal im Abstände A vom Boden eine Kraft k. Welche ün-
gleichheiten müssen für U nnd "h erfüllt sein, wenn noch Gleichgewicht herrschen
soll? Der Reibungskoeffizient f am Boden und der Abstand a der Schwerachse
von der ftufieren Kante des Körpers seien gegeben. (Man beachte das in Nr. 186
und Nr. 186 über den Normaldruck Gesagte!)
§ 30. Der Hebel.
141. Oleiohgewioht eines um eine feste Achse dreh-
baren starren Körpers. Wir betrachten einen starren Körper,
der 80 gestützt ist^ daß er sich höchstens um eine feste Achse drehen
kann, ohne sich in ihrer Richtung zu verschieben.
Dann muß die Berührungsfläche zwischen unserem starren Körper
und der Führung (dem Lager) das Stück einer Rotationsfläche sein.
Denn betrachten wir eine Kurve auf der Berührungsfläche^ so be-
schreibt sie bei der Drehung eine Rotationsfläche.
Bei einer solchen gehen aber alle Normalen durch die Achse
hindurch, die Normaldrucke zwischen unserem Körper und dem Lager
schneiden demnach alle die Achse, haben also in bezug auf diese kein
Moment. Dagegen übersieht man leicht, daß bei genügend geschlossenem
Lager ringsum der Lagerdruck jede Resultierende und jedes Moment
senkrecht zur Lagerachse haben kann.
Von den sechs Gleichgewichtsbedingungen wird also nur eine,
die Momentengleichung um die Drehachse die Lagerdrucke nicht ent-
Nr. 142. § 80. Der HebeL 221
halten, die fünf anderen aber sind stets erfOUb'ar durch geeignet ge-
wählte Lagerdrucke und dienen also dazu, über diese unbekannten Lager-
reaktionen gewisse Aussagen zu machen.
Mithin lautet die einzige von den Lagerdmcken freie Gleich-
gewichtsbedingong, die einzige sogenannte reine Gleich-
gewi chtsbedingung, für einen um eine feste Achse drehbaren
starren Körper, einen sogenannten Hebel:
Es muß das Moment der eingeprägten Kräfte in leeug auf die
Drehachse NuU sein.
Dieser Hebekatz scheint den ältesten Bestandteil menschlichen
Wissens aus der Mechanik darzustellen. Aristoteles hat ihn gekannt,
Archimedes aus einfachen Annahmen abgeleitet, das ganze Mittelalter
hindurch beschäftigt man sich kaum mit etwas anderem.
Die Lagerreibung oder Zapfenreibung, d. h. die Reibung zwischen
Hebel und Lager, ist als eingeprägte Kraft zu behandeln, sobald eine
Bewegung des Hebels als möglich zugelassen wird, unsere obige
Gleichgewichtsbedingung wird auch jetzt gelten, aber sie enthält die
unbekannten Lagerreaktionen implizit, wenigstens dann, wenn man
die Grenzen des Gleichgewichts sucht. Denn die Grenzwerte der Rei-
bung hängen ja von den Lagerreaktionen ab.
Wenn wir früher (Nr. 58) gesagt haben, daß- die Haftreibung
immer eine Reaktionskrafb sei, so bedarf dieser Ausspruch der Mo-
difikation. Wenn überhaupt die Möglichkeit einer entsprechenden
Gleitbewegung diskutiert wird, wollen wir sie hinfort als eine ein-
geprägte Kraft zählen, indem wir an den GrenzfaU denken, wo je
nach dem Anfangszustand Ruhe oder Bewegung möglich ist. Diese
Festsetzung steht übrigens mit der allgemeinen Definition der Reaktions-
krafb im Einklang (siehe Nr. 62).
Neben dem eigentlichen Fall des Gleichgewichtes be-
trachten wir in vielen Beispielen, nämlich bei den so-
genannten (einfachen) Maschinen und Werkzeugen: Winde,
Hebel, Schraube, Flaschenzug usw., auch immer den Fall
langsamer Bewegung, wo dann die Reibungskraft sicher
eine eingeprägte Kraft ist. Daß wir auf diesen Fall die Gesetze
der Statik anwenden dürfen, wird freilich erst im dritten Abschnitt
bewiesen werden, da aber eine Abweichung der statischen yon der
kinetischen Behandlungsweise nach Abschnitt I jedenfalls durch Be-
schleunigungen bedingt wird, so ist es klar, daß unser Verfahren bei
langsamen und langsam veränderten Bewegungen erlaubt ist.
142. Anwendungen: Wage nnd Winde.
1. Die Wage bildet« wohl die bedeutendste, theoretisch und
praktisch wichtigste Anwendung. Die gewöhnliche Wage beruht dar-
auf, daß im Gleichgewicht bei gleichen Hebelarmen zwei an einen
222 VI- Statik des starren Körpers (Anwendimgen). Nr. 142.
Hebel angehängte Gewichte einander gleich sein müssen und also ver-
glichen werden können. Bei der sogenannten römischen Wage (Lauf-
wage) hängt die zu wiegende Last an einem gegebenen Hebelarm: ein
fest gegebenes Gewicht (Laufgewicht) läuft an einem variabeln Hebel-
arm X und wird so eingestellt, daß Gleichgewicht herrscht. L ist dann
nach dem Hebelsatz dem x proportional, kann also direkt durch dieses
gemessen werden.
Wichtig ist natürlich die Fehlertheorie der Wage und eine Unter-
suchung über ihre Genauigkeit und Empfindlichkeit. Die Elemente
einer solchen Theorie findet man in jedem Lehrbuche der Physik, eine
ausführliche Behandlung bei W. Felgenträger, Theorie, Konstruk-
tion und Gebrauch -der Hebelwage, Leipzig 1907.
Ein Referat über die zahlreichen hingehörenden Untersuchungen
enthält der Artikel von Ph. Furtwängler: „Die Mechanik der ein-
fachsten physikalischen Apparate und Versuchsanordnungen'' in der
Enzykl. der math. Wiss. Bd. IV, Art. 7.
Es soll hier nicht näher darauf eingegangen werden. Hervor-
gehoben sei nur folgendes: Man vergleicht an der Wage Gewichte.
Da aber auch für die feinste Untersuchung im Bereiche der Wage
g als konstant angesehen werden kann, so fäUt bei Vergleichung der
Gewichte g heraus; und da man die Masseneinheit durch ein be-
stimmtes Objekt willkürlich festsetzen kann, so mißt man eigentlich
mit der Wage Massen mit Hilfe eines geeichten Gewichtssatzes. Die
Wage ist unser feinstes Instrument, Massen zu messen.
Will man Gewichte mit ihr messen, so bedarf es noch einer
besonderen Feststellung des g an Ort und Stelle.
Übrigens sind in dem Artikel von Ph. Furtwängler auch die
Methoden, g mit Hilfe des Pendels zu messen, ausführlich besprochen.
Aufgaben: 74. Man eiche eine sogenannte Briefwage, d. h. man stelle
den Ausschlagwinkel a als Funktion der Last L fest. Der Schwerpunkt der
Wage allein, ohne Last X, liege auf dem
Zeiger im Abstände a von der Drehachse. G sei
das Gewicht der Wage. Der Arm OA^^b^ an
dessen Ende A die Last angreife, sei senk-
^ recht zum Zeiger. <(£ine eventuell vorhandene
Schale für die Last ist in L eingerechnet.)
(Fig. 101.)
76. Eine gewöhnliche Wage habe nicht
genau gleiche Arme, doch spiele der Zeiger
der unbelasteten Wage genau auf Null ein.
Wenn nun ein Körper auf der einen Wag-
schale p kg, auf der andern q kg wiegt, wie
^**' ^^^' groß ist dann sein wahres Gewicht?
2. Die Winde. Eine WeUe sei an zwei Stellen horizontal ge-
lagert, die Zapfen seien zylindrisch. Um die Welle sei ein Seil ge-
schlungen, an dem eine yertikal herabhängende Last L hänge. An
Nr. 148.
einem Ende der Welle sei eine Handhabe, aenkreclit zu ihr wirke eine
Kraft P in einer Ebene senkrecht zor WeUe. Wie grofi muß im
Gleiehgewichtsfalle P sein nnd was läfit sich aber die Lagerdracke sagen?
Wenn wir aonehmen, daß
die Berührung zwischen den
Wellenzapfen und den Lagern
nur in einer einzigen Erzeu-
genden des Zylinders statt-
findet, so können wir jeden-
falls die Lagerdmcke in jedem
Lager als parallele Kräfte auf
eine Resultierende zurttck-
fOhren, die in einem mittleren
Punkte eines jeden Lagers an-
greift (vgl. Nr. 135, 136).
Sind die Lager kurz geeeti
die anderen Dimensionen, so
wird es ziemlich gleichgültig sein, an welchen Punkten des Liters
wir die Resultierende annehmen. Es seien die Funkte 0, (hinten) 0,
(TOrae); H^ nnd F, reap. Ä, und F, seien die Horizontal- und Ver-
tikalkomponeoten der beiden Lagerdrucke.
Sind einmal die Punkte 0, und Oj angenommen, so können wir,
wie wir sehen werden, die vier Größen H und V berechnen, aber die
Lage ron 0, und 0, oder die genauere Verteilung der Drucke in
den Lagern nicht.
tJT.
Die Bedeutung der Längen a, B, c, b, l erhellt aus der Fig. 103b,
ebenso die des Winkels a.
Die Gleichung _^k = 0 gibt dann nach der Horizontalen und
Vertikalen zerlegt:
Tj-h r,-i-Psina = 0, (1)
Hi + Bt+Pcosa = 0. (2)
224 VI. Statik dei Btarren Körpers (Anwendungen). Nr. 142.
Die Momentengleicliung für die Drehachse gibt die eigentliche
Gleichge wichtsbedingnng :
aX - B . P - 0, (3)
d.h.
Bleiben noch die Momentengleichungen fcLr die horizontale und verti-
kale Achse durch 0^:
— Lc + F,? - P sina . 6 = 0, (4)
£r,? + Pcosa.6-0. (5)
Die Auflösung nach den Unbekannten P, V^, V^^ H^^ H^ läßt
sich elementar ausfahren und gibt
iij = y- ^L cos a,
Fg«-^ L(c + 6| sina),
fii = |-Xco8a(5 ~l),
Fi= J-L(Z-c + G-6)|-8ina).
jE^ und H^ können bei laufendem a positiv und negativ sein^ F^ und
Fg können auf alle Fälle positiv sein: die Lager müssen also unten
geschlossen sein. Ob sie aber auch oben geschlossen sein müssen^
hängt davon ab, ob F| und F, auch negativ sein können^ d. h. ob
6j>c und {l^l)^>l^c
sind. Man sieht, daß nicht beide Ungleichheiten gleichzeitig erfUllt
sein können, denn die Summation gibt die falsche Ungleichung
während wir a <iR annehmen wollen, wie es in der Praxis stets der
Fall ist.
Ein Lager kann also oben offen sein. Es kann auch sein, daß
beide oben offen sein dürfen. Dann muß
6 -^ < c und {l — V)^<l — c
sein, was bei hinreichend großem R möglich ist.
Aufgaben: 76. Eine halbkreisförmige homogene Platte sei um eine hori-
zontale Achse AB drehbar. In A und B seien kurze zylinderförmige Lager.
Das Gewicht der Platte sei G^ ihren Schwerpunktsabstand von der Achse ent-
Nr. 148.
§ SO. Der Hebel.
225
nehme man ans Nr. 68. Dnrch eine Kraft k, welche am Bande der PlaHe senk-
recht zu ihr angreife, werde die Platte in einem Wiokel d" gegen den Horizont
gehalten. Wie grofi muß k sein und wie groß sind die Lagerreaktionen in Ä
und B? Die Stelle, wo Ä; angreift, sei durch den Winkel a gegen die Symmetrie-
linie der Platte gegeben. Der Radius der Platte sei a.
Fig. lOS.
Flg. lOi.
77. Ein um einen horizontalen Zapfen 0 drehbarer Balken stütze sich mit
dem anderen Ende gegen eine feste Wand. Er sei einigen Kräften ^ , ft, . . . ^„
unterworfen, welche in einer Ebene senkrecht zu 0 liegen. Man bestimme den
resultierenden Lagerdruck in 0 und den Normaldruck der festen Wand. Man
kann die Aufgabe graphisch lösen oder nach der Momentenmethode, indem man
O zur Momentenachse macht und die Hebelarme aus der Figur entnimmt (ygl.
Nr. 122).
143. Zapfenreibung. Herrscht an einer Berührongsstelle
zwischen Zapfen und Lager ein Normaldmck dN^ so kann eine
Reibung dB auftreten; wenn keine Bewegung stattfindet^ so ist
\dB\£dN'f,
tritt aber Bewegung ein^ so ist dB tangential zum zugehörigen
Parallelkreis der Rotationsfläche des Lagers und zwar der Bewegung
entgegen gerichtet, und es ist
dB = djff.
Das gleiche wird in dem Grenzfall gelten, wo noch gerade Gleich-
gewicht möglich ist.
Mit diesem wollen wir uns beschäftigen, also mit der Zapfenreibung
— so nennt man auch wohl die Lagerreihung — als einer eingepräg-
ten Kraft.
Wenn man nun nichts Näheres über die Verteilung des Normal-
drucks weiß, kann das Moment der Zapfenreibung beliebig große
Werte haben. Sei r der R-adius des Parallelkreises, so ist das
Reibungsmoment
Mn-^^rdB^fSrdN.
H»mel; Elementare Mechanik.
15
226
VI. Statik des starren Körpers (Anwendangen).
Nr. 143.
Für diese Summe kann man aber aus dem resultierenden Lagerdruck
N^^dN nur soyiel schließen, daß Si^^i^^ — ^^ü di«
Lange eines Polygonzuges größer ist als die Länge seiner Schluß-
linie — und also
wo r^ einen mittleren Zapfenradius bedeutet.
Es ist auch bekannt, daß, wenn ein Lager sehr spannt, d. h. sehr
eng ist und also der Zapfen von allen Seiten hohen Druck erfährt'
— weshalb N noch immer einen beliebig kleinen Wert haben kann — ^
das Moment der Reibung beliebig hoch wird, was sieh darin äußert,
daß der Hebel nur mit der größten Anstrengung gedreht werden kann.
Wir wollen uns im folgenden nur mit sogenannten leicht laufenden
Lagern beschäftigen, d. h. Lagern, bei denen der Zapfen einen gewissen
Spielraum hat und also nur in einem kleinen Stück des Umfangs
Druck erfährt.
Die einfachste Hypothese xmd zugleich diejenige, die der Vor-
stellung des starren Körpers am meisten entspricht, ist die der ein-
punktigen Berührung in jedem Parallelkreis oder der Berührung
längs eines Meridians der beiden Rotationsflächen. Hier kann
man yon einem Normaldrucke N und einer Reibung R sprechen.
Besonders einfach werden die Verhältnisse beim zylinderför-
migen Lager. Hier ist es gleichgültig, wo N und R angreifen, der
Hebelarm von R wird immer der Radius r des Zapfens sein. Also
Mr^tR^ rfN.
Fassen wir ü imd N zu einer Resultierenden D zusammen, so wird
D den Abstand
(> = r sin g?
von der Wellenmitte haben, d. h. D wird einen Kreis von diesem
Radius berühren, den sogenannten Reibungskreis.
7?-e
Fig. 106.
Fig. lOÖ.
Man kann also den gesamten Lagerdruck (Reaktion und Reibung)
auffassen als eine Kraft von unbekannter Größe und Richtung D,
die aber nicht durch die Lagermitte hindurchgeht, sondern den Reibungs-
Nr. 144.
§ 80. Der Hebel.
227
hreis herühri. Man Jcann aber auch sagen, daß zu einem resultieren-
den Lagerdruck von unbekannter Größe und Richtung D durch die
Lagerachse ein der Bewegung entgegengesetztes Kräftepaar qD hinzu-
kommt.
Das gilt für Gleitreibung. Man sieht leicht, daß bei Haftreibung
das Moment des Kräftepaares Kleiner als qD ist, oder daß D den
Seibungskreis schneidet.
Übrigens ist diese Auffassung immer zulässig, nur daß gerade
Q ^ rsiufp
ist, hängt an unseren Hypothesen. Wenn man sich also offenhält^
Q in jedem Falle aus einer besonderen Theorie oder durch Experimente
rein empirisch zu bestimmen, so ist der Ansatz Mr^qD immer erlaubt,
auch z.B. bei Schmierreibung, wo sonst diese Betrachtungen gar
m'cht gelten (siehe die Literatur in Nr. 60).
144. Beispiele nnd An^TAben.
Beispiel 1: Wie grofi kann bei einem Hebel eine exzentrisch wirkende
Kraft k sein, damit noch gerade -Gleichgewicht herrscht? Der Hebel sei schwer,
die Achse horizontal, der Schwerpunkt liege auf der Achse.
Man zeichne den Reibongskreis. Die drei Kräfte G^ k nnd D müssen sich
das Gleichgewicht halten, also darch einen Punkt gehen. Also ziehe man durch
den Schnittpunkt S von k und G diejenige Tan-
gente an den Reibungskreis , welche zwischen G
nnd k liegt. Denn nur ein D in dieser Richtung
kann G und X; das Gleichgewicht halten, um k
und D zu finden, hat man nur im Krafteck G
nach den Richtungen dieser Kräfte zu zerlegen.
Liegt S innerhalb des Reibungskreises, so
daß keine reelle Tangente existiert, so herrscht bei
beliebig großem X; Gleichgewicht, denn R schneidet
dann stets den Reibungskreis.
Wenn wir uns denken, daß der Hebel auf
dem zylindrischen Zapfen aufsitzt, so ist Ä der
Berührungspunkt, während es A^ sein würde, wenn
keine Reibung, also auch kein k da wäre. Der
Berührungspunkt ist also im Sinne der Drehbewe-
gung yerschoben. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß bei der Schmier-
reibung die Stelle der stärksten Abnutzung gerade nach der entgegengesetzten
Seite verschoben ist, wie Theorie und Erfahrung ergeben.
Aufgabe 78: Man soll mit einem Winkelhebel an der Stellet
einen Druck N auf eine Fläche ausüben. Wie groß muß eine in B an-
greifende Kraft P sein, deren Richtung gegeben ist? (Fig. 108.)
Zapfenreibung in 0 werde mit berücksichtigt und zwar gerade
der Grenzfall gegen eine Drehbewegung im Sinne von P.
Beispiel 2: Betrachten wir die Winde von Nr. 142 jetzt ß
aber mit Zapfenreibung. Wir können dann Fi, H^ resp. F,, H^
als Komponeoten von I)^ resp. 2>, auffassen. Da nur ein Kräftepaar
in einer Ebene senkrecht zar Achse hinzukommt, so bleiben die Glei-
chungen (1), (2), (4), (5) ungeändert, statt (3) dagegen bekommen wir,
wenn wir den Grenzfall des Drehens im Sinne von P betrachten,
lö*
Flg. 107 b.
228
VI. Statik dea starren Körpers (AnwenduDgen).
Nr. lU.
wo
aL — ItP'\'Q^ Dl + p, D, « 0,
D,-l/^,«+F,«:
(8')
W
Man könnte jetzt aus den Gleichungen (1), (2), (4), (6) flj, JET,, F^, F,
durch P ausdrücken, das Resultat in (6) und (8') einsetsen und bekäme so eine
Gleichung yierten Grades in P. Wenn nun
die 9 klein sind gegen die anderen Längen,
so kann man besser das folgende Näherunga-
▼erfahren einschlagen:
Man berechnet ein P sowie ff^ V so
als ob keine Reibung da wäre, also p^, p.
Null wären.
Danach bestimmt man ein besseres P^'
aus (S'), indem man fOr D^ und 2>,die Werte
D^ und 2>,' einsetzt, die sich nach (6) aus
H\ V berechnen. Zu P" bestimmt man dann
aus (1), (2), (4), (6) die Werte H'\ V" und
D/\ 2>," nach (6). Daraus wiederum ein
besseres P"- nach (8') usw.
Unterscheidet sich P'^ nicht mehr merklich Yon P'\ so kann man den
Prozeß praktisch als beendet ansehen, sonst ist er so lange fortzusetzen, bis eine
merkliche Änderung des P nicht mehr eintritt.
Beweis für die Konyergenz des Verfahrens bei hinreichend
kleinen q:^ Löst man (1), (2), (4), (5) auf, so bekommt man
S,^\P.
V,^a, + \P,
wo A| , ^ , ^1 1 <>i t ^1 1 ^s bekannte Größen sind.
(30 gibt
Flg. 108.
(7)
Jx+|A+Si>.-
(»0
Betrachten ^.^nr die Differenz zweier aufeinander folgender Annäherungen p^^"^^^
ff^Oy^^
V
und P^'^ so gibt (8')
Ja
Nun ist aber nach (6)
(8)
Flg. 109.
oder nach dem Dteieckssatz, demzufolge die Differenz zweier Seiten kleiner ist
1) Der Anf&nger mag den Beweis auslassen.
Nr. 144. § 30. Der HebeL 229
als die dritte (man nehme H^^''\ F^^'^ imd !?/"-*>, F^^''"^^ als orthogonale
Koordinaten der Endpunkte je einer Strecke)
1 A W - D.<- *) I ^ l/(fl.W - Ä.(''-^))»+ (F.W- F,«-»')*-
Nun folgt aber aus den Gleichungen (7)
USW. Somit
analog natürlich
|2)/'')-2>/^-i)jg|p('')_p(''-i)j.|/^t4rj^t.
Setzen wir das in (8) ein, so erhalten wir
oder
|p(r + l)_p(»);^|p(»)_p(»-l)|.,, (9)
wenn zur Abkürzung
gesetzt wird.
Multiplizieren wir die Ungleichheiten (9) von ir »» 2 bis zu irgendeinem v
miteinander, so bekommen wir
|p(''+i)_p(»')i <;!p"— p'' 0"""^
Wenn also o<^l ist, und das wird bei hinreichend kleinem q der Fall sein,
da ja dj , A^ , 5, , A, feste Größen sind, so wird
limP<'' + *>~l><')-0,
d. h. die Reihe der P konyergiert gegen einen bestimmten Wert P, und dieser
ist endlich. Denn es ist
P= Hm P^") = P'+ (P"- P') + (P'"- P") + . . . ,
also
Und das ist endlich für
(r<l.
Ebenso konvergieren wegen der vorstehenden Ungleichheiten die Reihen der H
und der F.
Aber auch die Gleichungen (1), (8), (4), (6) und (8) werden erfüllt sein;
denn die vier ersten bestehen ja für alle zusammengehörigen H^^^\ V^^^\ P^^'*\
also auch in der Grenze fr = ao; die dritte aber besteht zwischen P^^*^^) und
H^'^\ F^**^; da aber in der Grrenze i/==oo, P^''+*) und P^*^ nicht mehr zu unter-
scheiden sind, 80 besteht sie auch für die Grenzwerte selbst.
Beispiel 8: Der Pronysche Zaum dient dazu, ein meßbares Dreh-
moment auf eine rotierende Welle im entgegengesetzten Sinne der Drehung aus-
zuüben. Er ist ein Hebel, der an dem einen Ende mit hinreichendem Druck
230
VI. Statik des Btarren Körpers (Anwendungen).
Nr. 145.
anf die Welle aafgeprefit ist, am anderen Ende aber durch eine Kraft X;, gemessen
mittels eines Dynamometers, gehindert wird, der Drehung der Welle zu folgen.
Wendet man den Momentensatz auf den Hebel in bezog auf die Wellenmitte an.
^
5
Flg. 110.
SO bekommt man sofort, daß das von dem Zaum auf die Welle ausgeübte Moment
gleich ha ist, wenn a den Abstand der Kraft k von der Wellenmitte bedeutet
Aufgaben: 79. Man führe die Rechnung aus Beispiel 2 durch für die
folgenden Zahleüwerte: Zr » 20 kg, a » 20 cm, R = 60 cm, Z = 1 m, c — 0,4 m,
& =s 1,2 m, Pi B> p, = 1 cm; dann setze man einmal a = 0 und einmal a = — •
Wie grofi ist tfmax, wenn a alle Werte durchläuft?
80. Wieviel Pferdekrilfte verbraucht die Reibungsarbeit in einem zylinder-
förmigen Lager von 800 mm Durchmesser, wenn die Belastung 16 Tonnen betragt,
sin 9 = 0,016 ist und die Tourenzahl 100 pro Minute beträgt ?
14B. Fortsetrang von Nr. 143. Kritik. Betrachten wir
ein konisches Lager. Berührung finde längs einer Erzeugenden des
Kegels statt. Dann ist das Moment der Reibung
Mn~fSrdN^f.N-r^,
WO r^ einen Mittelwert bedeutet. Was aber für einen Mittelwert,
das hängt ganz von der Verteilung des Druckes ab. Es ist in der
Technik vielfach Brauch ,, r^ gleich dem arithmetischen Mittel aus
dem größten und kleinsten r zu setzen. Man kann diese Annahme
auch durch gewisse Betrachtungen plausibel machen, doch kann sie
keineswegs als sicher gestellte Tatsache gelten. Das Experiment gibt
stark schwankende Resultate. Man findet
eine Darstellung in Weisbachs Ingenieur-
mechanik.
Analoges gilt für eine Welle, die in
einem kegelförmigen Lager läuft, aber in
Richtung der Achse belastet ist (sog. Spur-
lager, Fig. 111).
Ist die Belastung genau zentriert, so
kann man annehmen, daß die Druckver-
teilung symmetrisch um die Achse erfolgt.
Ist 2 a der Eegelwinkel, L die Last, dN
der gesamte Druck (also die Summe der
Absolutwerte) auf einem ringförmigen Strei-
pig. 111.
fen vom Radius r, so ist zunächst
Sd^sina =« L,
Nr. 146.
§ 30. Der Hebel.
231
also
N^^dN
Bina
L,
das Reibungsmoment aber ist
Über r kann man auch hier nar sagen, daß es ein mittlerer
Wert ist.
Das bleibt natürlich in Geltung für cc = y , d. h. für den Fall,
daß sich die Welle mit einer ebenen
Bingfläche am Ende aufstützt. Hier ist
(siehe Fig. 112).
In den besprochenen Fällen ist
gegen die Hypothese der Berührung
längs eines Meridians der Rotations-
fläche einzuwenden, daß das Lager sich
abnützen und sich so der Welle anpassen imd daß infolgedessen
eine innigere Berührung zwischen beiden stattfinden muß. Erstreckt
sich die Berührung, also auch der Druck auf einen Zentriwinkel a
und ist der spezifische Druck pro Längeneinheit N, so daß
dN ^ Hrda
ist, so folgt.
dN
dN
2dÜ
Fig. 112.
— »
^ = SNr coscce^a,
(1)
wo
und
flr = — a.
«1+ a,
a
SNr miada — 0,
weil N die Resultierende sein soll, a ist
von N aus nach einer Seite positiv ge-
zählt. Dagegen ist das Reibungsmoment
(3)
(2)
■W
Fig. US.
Aus (1) folgt
I ^ = r cos a^ S N rfa,
wo a^ ein Mittelwert ist (es wird angenommen, daß cos a > 0, d. h.
a^ und a^ kleiner als -- sind), also
(sota.
fr\N ,
m
232 ^ SUiik dei storreii Kdipets (Anwendungen). Nr. 147.
Das BeibungBinomeiit wird also am den nicht naher bekannten Faktor
— > 1 großer sein als im Falle der Berfibrong längs eines Meridians.
Diesen Faktor bat man ebenfidls anf Ghrond gewisser Hypo-
thesen za bestimmen yersncbt (siehe Weisbachs Ingenienrmecbanik),
doch wohl noch ohne zu einem abschließenden Besnltat zn kommen.
Er wird yom Material und seiner Abnntznng abhangrai.
146. Sie Bohrreiliimg. Nahe yerwandt mit dem dritten Falle
der Torigen Nnmmer ist die Erscheinnng der Bohrreibnng. Berfihren
sich zwei starre Körper in einem Punkte, so hat
man es dort mit einem Normaldruck und einer
Reibung zu tun, und diese hätten, wenn die
Voraussetzungen wirklich zutrafen, kein Moment
in bezug auf die gemeinsame Normale. Tatsach-
lich aber werden sich beide Körper, die ja nicht
wirklich starr sind, etwas abplatten und sich also
p. jj^ längs einer etwa kreisförmigen Fläche berühren.
Infolgedessen wird ein Reibungsmoment um die
gemeinsame Normale auftreten wie im Falle (3) der Torigen Nummer
für a — y, die sogenannte Bohrreibung:
wo N den Normaldruck, r^ einen mittleren Radius der Berührungs-
fläche, den sogenannten Radius der Bohrreibung, bedeutet. Ab-
gesehen von einem Vorstoße von Hertz (Werke), ist es noch nicht
gelungen, über r^ Qesetze aufzustellen, die mit der Erfahrung stimmen;
man begnügt sich, Q^^f-r^^ den Koeffizienten der Bohrreibung,
in jedem Falle experimentell zu bestimmen.
Übrigens ist es nicht ausgeschlossen, daß bei mangelnder Sym-
metrie r„ während der Rotation schwankt, oder daß sogar der Druck-
mittelpunkt nicht mit dem idealen Berührungspunkt zusammenfällt^
sondern seine Lage wechselt. In diesem Falle werden sehr kompli-
zierte Kraft- und Bewegungserscheinungen auftreten können, worin
die Ursache für den unruhigen, polternden Lauf mancher derartigen
Drehbewegung zu erblicken sein wird.
§ 31. Die Schraube.
147. Bie flaohg&nglge Bohranbe. Eine Schraube dient ent-
weder dazu, bei Aufwendung einer geringen/ arbeitenden Kraft und
langsamer Bewegung große Drucke auszuüben (Schraubenpresse) oder
aber unter starkem Druck Körper in Ruhe aneinander festzuhalten.
Wir betrachten zunächst eine sogenannte flachgängige Schraube, d. h.
eine Schraube, deren für die Berührung zwischen Schraube und Mutter
Nr. 147.
$81. Die Schraube.
233
in Betracht kommende Schianbenfläche durch eine die Schraubenachse
orthogonal schneidende Qerade erzeugt wird. Die Scliraube sei rechts
gewunden; a der Steigungs-
winkel des Gewindes.
Normaldruck und Reibung
werden sich auf die ganze für
die Berührung in Betracht kom-
mende Schraubenfläche vertei-
len: wenn diese aber schmal
ist, können wir für einen jedeu
Radius dN und dB an einer
mittleren Stelle r von der Achse
angreifen lassen.
Der Druck, welchen der
gepreßte Gegenstand auf die
Schraube ausübe, sei P, er Fig. 115.
wirke zentrisch in der Schraubenachse.
Treibend auf die Schraube wirke ein Eraftepaar M, dessen Achse
in die Schraubenachse hineinfalle.
Wir wollen den Fall betrachten, daß die Schraube^ angezogen,
daß also im Sinne von M gedreht wird; dann bat dB die in der
Figur angegebene Richtung. Bei umgekehrter Bewegung kehrt dB
seine Richtung um, wir werden also nur f seine Zeichen wechseln
lassen müssen, um aus den Formeln des ersten Falles die des zweiten
zu erhalten.
Summe der Kräfte gleich Null gibt in Richtung der Schrauben-
achse
P- S(rf2V^cos a — dB sin«) - 0
oder da
dB-^fdN^tgtpdN,
p^ COB (tf + y) JjT
COB (p '
wenn N^^ dN gesetzt wird.
Die Momentengleichung in bezug auf die Achse ergibt
(1)
oder
M--^{dNr sin« + dBr cobo) = 0
T, -. sin (a 4- m) ^.y
Jtf — r — ^ ^^^ N.
cos qp
(2)
Die anderen vier Gleichgewichtsbedingungen würden nur einiges
über die Verteilung des Druckes aussagen: sie sind z. B. bei gleich-
mäßiger Verteilung erfüUi
234
VL Statik de« ftureii KöipeiB (ABwendnngeii).
Nr. 148.
Aus (1) und (2) folgt
Jf-rPtg(a + 9). (I)
Dieses Moment ist also nötig, um den Drude P bei langsamem
Pressen auszuüben.
M ist am so kleiner, je kleiner a und tp sind
Zum Lossdirauben dagegen ist ein Moment notig:
Jf- Prtg(a-9).
Wenn also q>> a ist, so wird Jf < 0, d. L es ist znm Losschranben
ein Moment nötig, das im Sinne des Losschranbens wirkt. Ist aber
9 < a, so ist ein Moment im umgekehrten Sinne nötig, das also ver-
hindert, dafi die Schraube beschleunigt herausfliegt. Im ersten Falle
wird also die Schraube von selbst halten (wenn also 9 > a ist); denn
in der Ruhe wird
Jf-PrtgCa-yO
gelten, wo
ist; wenn also a<q> ist, so ist tp' =^ a möglich und also auch Jfcf » 0.
Damit also eine flachgängige Schraube selbstsperrend ist, ist not-
tpendig und hinreichend^ daß (p> a ist.
Ist also die Reibung uugünstig für die Schraubenpresse, insofern
sie das erforderliche M yeigröfiert, so ist sie notwendig und günstig
für die zum Halten dienende Schraube.
148. Die wchnrl^flLngige Sohranbe. Bei ihr wird die
Schraubenfläche erzeugt durch eine Grade, welche die Achse unter
IC
dem spitzen Winkel o " *
schneidet. Der Steigungswinkel
sei wieder a. Auch sonst mögen
die Bezeichnungen der vorigen
Nummer bleiben.
Welches sind jetzt die
g Winkel, welche dN und dR
einmal mit der Schraubenachse
und dann mit der Tangente
des zugehörenden Parallelkrei-
ses einschließen? Legen wir
einen Einheitsvektor d in die
Richtung der verschraubten
Geraden, einen Einheitsvektors
in die Tangentenrichtung der
Schraubenlinie (zugleich Rich-
tung von dB), so hat N die Richtung von ad.
Fig. 116.
Nr. 149. § 31. Die Schraube. 235
Es haben aber nach einem Koordinatensystem, dessen erste Achse
tangential an den Parallelkreis, dessen zweite Achse radial nach anßen,
dessen dritte Achse mit der Schranbenachse zusammenfällt, a die Kom-
ponenten cos a, 0, — sin a, d die Komponenten 0, cos d; — sin d; mithin
hat aä die Komponenten sin a cos d, cos a sind, cos a cos d.
Jetzt aber kann man die Gleichgewichtsbedingungen sofort hin-
schreiben:
— P + ^(dN cos a cos d — dB sin a) — 0
und
M — ^(dlTr sin a cos d + dRr cos a) =- 0 .
Setzen wir noch f(2^
80 daß also
ist, so wird
Jkf =- - - r sin (a + w')N,
C08 9 ^ • ^ / ;
also
M^rPtgia + tp"). ^*'^"-
Die scharfgängige Schraube wirkt also wie eine flachgängige Schraube
von größerem Reibungskoeffizienten:
Will man also bei langsamer Bewegung einen starken Druck
ausüben, so unrd man eine fUxchgängige Schraube nehmen, soü aber
die Schraube dazu dienen, in der Buhe von selbst zu halten, so ist
eine scharfgängige Schraube vorzuziehen.
Aufgabe 81: Man stelle die Gleichungen für eine Schraube auf, wenn
man noch an der Yorderfläche, wo der Druck P ausgeübt wird, die dort auf-
tretende Reibung mitberücksichtigt (siehe Nr. 145).
149. Der Wirkungsgrad einer Maschine. Bei allen solchen
einfachen Maschinen wie Hebeln; Winden, Schrauben; aber auch bei
gröfieni; wie Dampfmaschinen; hat man es gewöhnlich mit eingeprägten
Kräften zu tun, welche die Maschine antreiben, z. B. dem Eraftepaar
M bei der Schraube, der Kraft P bei der Winde (siehe Nr 145 und
142), und die positive Arbeit leisten, dann weiter mit eingeprägten
Kraften, welche man beabsichtigt, die aber Arbeit aus der Maschine
entnehmen, wie z. B. der Druck P der Schraube, die Last L bei der
Winde, und die man Nutzkräfte nennt, endlich außer den Reaktions*
kräften noch eingeprägte Kräfte (Reibungen usw.), welche Arbeit ver-
zehren, ohne daß dies im Zwecke der Maschine läge. Sei A^ die
Arbeit der erstgenannten Gruppe, die sogenante effektive Arbeit, — A^
236 ^- Statik des Btarren KOrpers (Anwendungen). Nr. 149.
die Arbeit der Nutzknlfle {A^ > 0), — Ä^ die Arbeit der dritten
Gruppe Ton eingeprägten Kräften, so werden wir im dritten Abschnitt
allgemein beweisen, daß
also
die Nntzarbeit kleiner als die effektive Arbeit ist Der echte Bruch
fj ^ ^ heißt der Wirkungsgrad der Maschine.
Wir wollen den Wirkungsgrad für Winde und Schraube berechnen.
Dreht sich die Winde um den Winkel dd', so leistet P die Arbeit
PRdd^,
denn Bdd' ist der Weg von P, L dagegen leistet die Arbeit
— Ladd^.
Also ist
La
^ ~" FE '
Wenn keine Zapfenreibung da wäre, ergäbe sich i; — 1; da aber in
Wahrheit stets Zapfenreibung Torhanden ist, und nach Gleichung (3^
in Nr. 144
so ist
Hat man die P, H, V berechnet, so kennt man nach (6) (Nr. 144)
auch die D und kann also 97 wirklich berechnen.
Dreht sich die Schraube um den Winkel d^, so yerschiebt sie
sich dabei um die Strecke
rdd" ' tga.
Der Druck P leistet also die Arbeit
— Frdd^ tg cc.
Wir wöUen nun zeigen^ daß das Kräfte-
paar die Arbeit
Mdd'
leistet.
Bestehe M aus den Kräften Je und
j^ j —h in den Abständen a und h von der
Achse, so ist die Gesamtarbeit
aJcdd' + bhd» « (a + 6)*^-^ = Md^,
w. z. b. w.
0
Nr. 150. § 81. Die Schraube. 237
Also ist Mäd" die effektiTe Arbeit. Und somit der Wirkungsgrad
"^ M tg(a + 9)^''-
Für den reibungsfreien Fall {tp = 0) wäre er wieder gleich 1.
Anfgabe 82: Bei einer scharfgängigen Schraube sei ^^=60^ der Durch-
messer der Schranbe 2 cm, /'s» 0,8; auf 1 cm L&nge mögen acht Windungen
fallen. Wie groß ist der Wirkungsgrad der Schraube?
160. Literatur inr technisohen Statik nnd zur techni-
aohen Mechanik flberhanpt. Die in § 30 und § 31 behandelten
Aufgaben gehören in ein Gebiet^ das man am besten als technische
Statik bezeichnen könnte. Wir haben nur eine kleine Zahl Ton Auf-
gaben behandelt; da dieses Gebiet in anderen Lehrbüchern gewöhn-
lich ausfiihrlich behandelt wird. Die zugehörenden Probleme bilden
den Hauptgegenstand aller älteren Statiken, von Yarignons Projet
angefangen bis auf Poinsots treffliche Statik (1803). Was die tech-
nischen Anwendungen der Mechanik überhaupt angeht, so sind die
großen Förderer der allgemeinen Mechanik im 18. Jahrhundert (Euler,
die Bernouilli) auch stets in den Anwendungen die Wegweiser.
Um 1800 bildet sich dann an den Ton Napoleon gegründeten Ecoles
polytechniques in Frankreich eine Schule heran, die besonders die
Anwendungen pflegt. Ihr Haupt ist Poncelet, andere Namen sind:
Coulomb, Morin, Hachette, Goriolis. Die Erscheinungen der
Beibung und des Stoßes werden besonders untersucht, als Begriff tritt
der Arbeitsbegriff hervor, dessen Name damals zuerst auftaucht. In
Deutschland kann Redtenbacher für die Mitte des 19. Jahrhunderts
als Hauptvertreter dieser Richtung genannt werden („Prinzipien der
Mechanik^', „Resultate für den Maschinenbau^' (enthält Tor allem eine
Menge wertvollen empirischen Materials); „Gesetze des Lokomotiv-
baues'', ein Werk, dessen mechanischer Teil noch heute Beachtung
verdient). Von älteren Werken des 19. Jahrhunderts seien noch ge-
nannt: Grashof: Theoretische Maschinenlehre; A. Ritter, Technische
Mechanik.
Von neueren Werken kann ganz besonders die 1908 bei Teubner
deutsch erschienene „Angewandte Mechanik'' des Engländers
J. Perry dem jungen Techniker warm empfohlen werden. Selbst-
verständlich ist als modernstes und umfassendstes Werk dieser Art:
Föppl, Technische Mechanik zu nennen.
238 VU. Statik der Systeme. Nr. 151.
Kapitel VU.
Statik der Systeme.
§ 82. Systeme aus einer endlichen Anzahl starrer Korper.
IBl. Die allgemeine (synthetische) Methode. Wir be-
trachten ein System^ das aus einer endlichen Anzahl sich gegenseitig
berührender starrer Körper besteht und das außerdem durch starre
Stützflächen getragen wird^ die ruhen. Man kann sich etwa Torstellen,
daß diese Stützflächen mit der Erde fest yerbunden seien^ die wir fär
fast alle praktischen Probleme als ruhend ansehen dürfen. Den Ein-
fluß ihrer Drehung werden wir später (§ 51) untersuchen.
Die Gleichgewichtsbedingungen des Systems sind klar: Das Sy-
stem wird im Gleichgewicht sein, wenn jeder seiner Körper es ist,
d. h. wenn für jeden Körper die Summe der Kräfte und die Summe
der Kraftmomente yerschwindet, wobei die Kräfte zu nehmen sind, die
für ihn äußere Kräfte sind, d. h. die räumlich verteilten Kräfte und
die an seiner Oberfläche angreifenden Drucke.
Ferner sehen wir für diese Drucke zwischen je zwei Körpern die
lex tertia, d. h. die Gleichheit von Druck und Gegendruck als richtig
an; wenn wir auch erst später (Nr. 204) diesen Satz beweisen werden.
Man kann ihn übrigens schon jetzt, soweit er für die Statik wirk-
lich von Belang ist, durch das sogenannte Erstarrungsprinzip
ersetzen, das da lautet:
Damit ein System aus starren Körpern im Gleichgewicht
sei, ist notwendig und hinreichend, daß jeder Teil des Sy-
stems es ist, wenn man ihn als starr auffaßt und nur die für
diesen Teil äußeren Kräfte in Betracht zieht. D. h. wenn
man für den herausgegriffenen Teil die Summe der äußeren
Kräfte und die Summe ihrer Momente gleich Null setzt.
Zunächst folgt dieser Satz aus den vorhin angegebenen Prinzipien:
Es seien die Körper mit /, JZ, . . ., [n] numeriert, die auf den
[v]ten Körper wirkenden Kräfte, die äußere Kräfte des ganzen Sy-
stems sind, mögen die Kraftsumme K^^^, die Momentensumme M^^j
haben, die Kräfte, welche der [v]te Körper vom [>l]ten erfährt, mögen
die Kraftsumme f^ j^, die Momentensumme R^^ haben. Dann ist nach
dem Prinzip der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung
weil die einzelnen Kräfi;e entgegengesetzt gleich sind, also auch ihre
Summen, aber auch _ _
Nr. 152. § 32. Systeme aus einer endlichen Anzi^l starrer Körper. 239
weil die entgegengesetzt gleichen Kräfte dieselben Ängrifi&punkte,
also auch entgegengesetzt gleiche Momente haben.
Nnn lauten die Gleichgewichtsbedingungen für den i/ten Körper
K, +2\x =0 (A)
und
K+2b,,x~^- (b)
Addieren wir Ton diesen r Gleichungen (A) diejenigen^ die sich auf
ein herausgegriffenes Teilsystem beziehen^ etwa auf den i^ten,
V + 1, . . . bis (v + /i)ten, so heben sich wegen (a) alle Zwischen-
wirkungen r^^y^i, usw. auf und es bleibt eine Gleichung
in der nur mehr die für das Teilsystem äußeren Kräfte vorkommen.
Das analoge gilt für die Gleichungen (B). Damit ist das Er-
starrungsprinzip als notwendig erwiesen. Es ist aber auch hin-
reichend: denn für den einzelnen starren Körper, den i/ten, gibt es
die Gleichungen (A) und (B), für zwei Körper aber, etwa den i/ten
und Xten zusammen gibt es
K^+K, + "2f.,o + "2fx,a- 0 (C)
a a
wobei die zwei Striche Tor J^ andeuten sollen, daß 6 über alle Indizes
läuft mit Ausnahme yon v und A.
Zieht man nun (C) von der Summe der Gleichungen (A) für v
und k ab, so bleibt
. ^,A+n.r=0 (a)
übrig. Ebenso beweist man
Sm + ^x„=0. (b)
Das ist zwar noch nicht die ganze lex tertia^ aber doch so viel Ton
ihr, als für starre Körper in Frage kommt, für die ja Kräftesysteme
gleichwertig sind, welche gleiche Kraftsumme und gleiche Momenten-
sumrae haben.
Wir werden übrigens später (Nr. 204) sehen, wie aus dem all-
gemeinen Erstarrungsprinzip (für beliebige Systeme) die ganze lex
tertia folgt. Und noch etwas mehr.
1B2. Der Oelenktrftger. Man denke sich zwei Körper, die
man als starr ansehen darf, etwa zwei Teile einer eisernen Brücke,
die durch eine horizontale Achse miteinander drehbar yerbunden und
durch je eine parallele Achse auf die Erde gestützt seien. Das Ganze
240
YIl. Statik der Systeme.
Nr. 152.
wird unbeweglich sein. Man soll die Stützdrucke in den drei Dreh-
achsen AjByC berechnen, wenn die anderen äußeren Kräfte eines jeden
Teils eine gegebene Resultierende \ bzw. Jc^ in einer Ebene senkrecht
zu den Achsen haben. Bei vertikaler Belastung wird das ja z. B. der
Fall sein. Symmetrie wird keineswegs vorausgesetzt.
Seien die Drucke
inul,J?, Cmit ^,,-Dg,
D^ bezeichnet, so dafi
D, vom zweiten auf den
ersten Teil wirkt, also
— 2)3 vom ersten auf
"^ den zweiten, so müssen
1. -Di,^i,5^j durch
einen Punkt gehen und
ihre Vektoren ein ge-
schlossenes Dreieck bil-
den,
2. ^2,^, -^«das-
selbe tun.
DieLösung des Pro-
blems führt demnach auf
folgende Aufgabe : Nach-
dem aus h^ und \ ein
Krafteck (Ä;,i5r, JE,) ge-
zeichnet ist, soll man einen Punkt P finden — es wird dann PK^ » D|,
K^P ^ D^, K^P =^ D^ werden — , dafi man Parallele zu PK^ durch
Äj zu PK^ durch (7, zu PK^ durch B legen kann, so dafi diese
Parallelen sich auf der Angriffsgeraden k^ bzw. k^ schneiden.
Das ist aber die alte CulmaDnsche Aufgabe: man soll zu den
Klüften £j , k^ ein Seileck so konstruieren, dafi es durch die gegebenen
Punkte Ay B, 0 hindurchgeht. (Man braucht ja nur P als Pol des
Kraftecks aufzufassen und die Identität beider Aufgaben leuchtet ein.)
Letztere Aufgabe ist aber bereits in Nr. 120 gelöst worden, das neue
Problem kann also auch als erledigt gelten.
Wir wollen das Problem noch rechnerisch bebandeln. Man kann AB
horizontal zeichnen. Sei -4 C =» ^^ , CB ^ 7, <^ GAB =» ^^ , -^ CB ^ = -0-, , seien
femer H^^H^^ JT, die Horizontalkomponenten, Vi^V^^ F, die Vertikalkompo-
nenten von D^ , i>, , 2>, , 04 1 o^t die Winkel , welche \ bzw. ic^ mit der Vertikalen
einschließen, während a^ , a, ihre Angriffspunkte auf A C bzw. B C angeben, so
ergeben zuerst die Momentengleichungen für das ganze System mit A bzw. B
als Bezugspunkt
Fig. 119.
— kl cosa^ Ol cosO-j — fcj sin«! a^ sin^^ — k^ C08a,(2^ cos^^ -}- (l, — a,) cos^,)
— k^ sin o, • a, sin &, -f- F, (J^ cos^^ -f" ^ ^* ^1) — ^ »
(1)
Nr. 153. § 32. Systeme aus einer endlichen Anzahl starrer Körper.
241
und
k^ cos «1 (/, cos fl-, -[" (Zj — Cj) cos 9i) — k^ sin a^ a^ sin ^^ -[" Ä;, cos a,a, cos fl",
— Ä, sin a, o, sin ^, — F^ (l^ cos ^^ + Z, cos^,) «— 0,
woraus man sofort V^ und F, t5
berechnen kann
Setzt man noch für das
ganze die Summe der horizon>
tolen Kräfte gleich Null, so
bekommt man
(2)
-Hl + -ff, + i'i sin «1
+ jfc, sin tt, == 0.
(3)
JETi findet man, nachdem schon
V^ bekannt ist, indem man
für den linken Teil die Mo-
mentengleichung in bezug auf
(C) ansetzt:
Flg. 120.
*
W
JETj ij sin^i -— Fl l^ cos^j + jfcj cosa^ (l^ — aj cos^^ -{-k^ sino^ (Z — a,)8in^i=0.
JB", berechnet sich dann aus (3).
Endlich folgen H^ und F,, wenn man für einen Teil, etwa den linken,
die Summe der horizontalen und yertikalen Kräfte gleich Null setzt:
J3i + JET, + A;iSinai = 0, (6)
V^+Vj^ — k^ cos«! «» 0 . (6)
Die Aufgabe ist damit gelöst.
Die anderen Gleichgewichtsbedingungen geben nichts neues mehr. Denn
da wir ein ebenes Problem mit zwei starren Körpern haben, so gibt es sechs
unabhängige Bedingungsgleichungen.
Aufgabe 83: Eine sogenannte Bockleiter,
bestehend aus zwei um die horizontale Achse C
reibungsfrei drehbaren starren Körpern, stütze
sich in den Punkten A und B auf eine hori-
zontale Ebene mit dem Reibungskoeffizienten f.
Die Belastung der beiden Teile sei vertikal, wie
in der Figur angegeben. Wann wird Gleich-
gewicht herrschen und wie groß werden die
Druckkräfte in A, -ß, C sein? Man wird zwei
üngleichheitsbedingungen für den allein freien
Winkel ^^ erhalten; man hat natürlich die schärfere zu befriedigen. Welche
ist das?
1B3. Die Brflckenwage hat nicht nur den Zweck, die Wägung
großer Massen mit kleinen Gewichten zu ermöglichen, sondern auch zu bewirken,
daß die Wägung unabhängig wird von der Stelle, an der man die Last aufsetzt.
Die Wage besteht aus zwei Hebeln AOC und -EO', welche durch die verti-
kale Stange CE verbunden sind. O, 0' sinä feste horizontale Drehachsen. Die
eigentliche Lastbrücke DF hängt einmal vermittels der vertikalen Stange DB
direkt an dem ersten Hebel und stützt sich anderseits in F auf den zweiten Hebel.
Die Wage sei an sich im Gleichgewicht.
X, die erstere
Flg. 191.
X
Wir zerlegen nun L in zwei Komponenten --- L und
l — X
Z l
wird in F auf den Hebel EO' übertragen und veranlaßt in EC eine Spannung
Hamel: Elementare Mechanik« 16
242
Vn. Statik der Systeme.
Nr. 168.
-T- L — ; die zweite wird direkt durch die Stande DB auf den ersten Hebel
l e
übertragen.
Fig. las.
Damit der erste Hebel im Gleichgewicht sei, muß nach dem Hebelgesetz sein
h . 2 — X ^, X ^ /h
G
a = -JiAe + '-=^X6 = -Ji(Ac-.&)+X-6.
Damit nun G von x unabhängig werde, muß der Faktor von x in der vorstehen-
den Gleichung verschwinden: d. h.
sein oder
e
sein. Danach ist die Wage zu konstruieren. Es wird dann
Ga = L'h.
Für eine Dezimal wage muß also h:a== 1:10 sein.
Wir haben vorhin gesagt: ;,daß eine Kraft durch eine Stange,
nämlich DB übertragen werde^. Man muß mit solchen Ausdrücken
Torsichtig sein. Warum ist er hier erlaubt?
Betrachten wir den starren Körper DB, so dürfen wir ihn als
gewichtslos ansehen, da wir vorausgesetzt haben, daß die Gewichte
Draok.
Fig. 12S.
der Wage selbst ausgeglichen seien. Dann steht DB nur noch unter
der Wirkung des Lagerdrucks in B und der des Lagerdrucks in D.
Steht aber ein starrer Körper unter der Einwirkung von nur zwei
Nr. 164. § 32. Systeme aus einer endlichen Anzahl staner KOrper.
243
Kräften, so müssen diese im Oleichgewichtsfalle entgegengesetzt gleich
sein und in die Verbindungslinie der Angriffspunkte hinein&llen. Also
können wir sagen, dafi der vertikale Lagerdmck in D nngeändert anf
B übertragen werde.
Allgemein können wir den für das folgende wichtigen Satz aus-
sprechen:
Ist ein starrer Körper keinen anderen äußeren Kräften unter-
worfen als den Drucken in zwei eu einander parallelen zylindrischen
und reibungsfreien Achsen A und B, so müssen diese Drucke in eine
Verbindungslinie AB hineinfallen^ welche auf den Adisen senkrecht steht.
Sind die beiden Strafte aufeinander zu gerichtet, so werden wir
Ton Druck in engerem Sinne sprechen, sonst von Zug.
164. Das Stabpolygon. Betrachten wir das alte Yarignon-
sche Problem: ein Polygon aus n Stäben, die durch zylindrische,
reibungsfreie parallele Gelenke miteinander yerbunden sind. An den
Gelenken — etwa an zylin-
drischen Zapfen, welche die
Stäbe verbinden — mögen
gegebene Kräfte k^- - k^^x
angreifen, sonst aber sei das
Polygon krilftefrei. Man soll
die Gleichgewichtslage bestim- &
men und die Lagerreaktionen,
wenn die Enden des Polygons
sich um feste gegebene Achsen
Sq und S^ drehen können.
Wenn man bedenkt, daß
auf den i/ten Gelenkzapfen
die drei Kräfte k^ und die
Spannungen der beiden an- Fig.is4.
grenzenden Stäbe wirken,
welche nach dem Satz am
Schlüsse der vorhergehenden
Nummer in die Stabrich-
tungen hineinfallen, und daß
also diese drei Kräfte ein geschlossenes Dreieck bilden müssen, daß
ferner diese Dreiecke sich nebeneinander legen müssen, weil jede Stab-
spannung zweimal vorkommt, so erkennt man die Analogie dieses
Problems mit der Seilkonstruktion, worauf wir schon früher einmal
(Nr. 118) hinwiesen.
Die Aufgabe ist somit auf die folgende zurückgeführt: Man
zeichne das Krafteck aus den Kräften k^, . ,k^. Dazu wird ein Pol P
244
yn. Statik der Systeme.
Nr. 165.
80 gesucht, daß, wenn man anfangt, die Stabe Ton S^ ans den Pol-
strahlen parallel zu legen, man gerade in S^ auskommt
Diese Aufgabe führt nun auf ein kompliziertes algebraisches
Problem, auch die elementare g^phische Lösung ist im allgemeinen
nicht möglich.
A. Jatho hat ein Naherungsyerfahren angegeben, daß darin be-
steht, daß man zunächst durch Probieren die ungeföhre Lage von P
sucht und dann mit Hilfe yon Rechnung und Zeichnung korrigiert
(Siehe den Aufsatz: „Untersuchungen
>Ss zur Statik des Stabpolygons'', Zeitschr.
f. Math. u. Phys., Bd. 56.)
Aufgabe 84: In einigen F&llen kann
man natürlich das Problem mit ganz elemen-
taren, rechnerischen Mitteln lösen. Es sei
z. B. a s= S, der erste Stab gleich dem dritten,
k^ =s kf und senkrecht zu S^ S^ .
In diesem Falle Toller Symmetrie be-
stimme man die Stabapannnngen rechneriach
und graphisch.
1B6. Statik des Sohnbkarbelgetriebes. Ein Schubkurbel-
getriebe, wie es bei Dampfmaschinen vorkommt, besteht der Haupt-
sache nach aus drei festen Teilen: 1. dem rein rotierenden Teil: (WeUe,
Kurbel, Schwungrad) 0 sei die Drehachse, OG der Kurbelarm; 2. dem
hin- und hergehenden ' Kolben (FH) nebst Kolbenstange KA und
Kreuzkopf K. 3. Der Lenkstange, welche im Kurbelzapfen C mit der
Kurbel, im Kreuzkop&apfen K mit dem Kolben drehbar yerbunden
sei. Die Kolbenstange KÄ sei so gefClhrt, daß sie in ihrer Verlänge-
rung durch die Wellenmitte 0 hindurch gehe.
jng;U6.
Fig. 1S6.
Es sei r die Länge des Kurbelarms, l die Länge der Lenkstange;
-^KOC der (variable) Kurbel winkel; ^ CKO ein Hilfswinkel rj.
Der Sinussatz gibt sofort
sinrj
srnd" -f
Es wirke nun senkrecht zum Kolben konzentrisch, d. h. in der Linie
ÄKO eine Kraft P. Welche Kraft T senkrecht zum Kurbelarm halt
Ni. 166. § S2. Systeme ans einer endlichen Anzahl staner Körper.
245
ihr das Gleichgewicht? Sonst sollen keine Kräfte, außer den not-
wendigen Drackkraften wirken.
Im Ereuzkopf K greifen drei Kräfte an: P horizontal — nennen
wir OKA horizontal — der Druck der Führung vertikal, die Schub-
stangenspannung S in deren Richtung (siehe die Bemerkung in Nr. 153).
Also ist ^ ^
Scosij =- P,
d.h.
S sin iy — D,
fif=-^P, D-Ptgiy.
C081J ' ® '
Auf die rein rotierenden Teile ab Hebel wirken jetzt 8 in Richtung
der Schubstange und T senkrecht zu 00. S hat den Hebelarm
r sin (p + iy). Also ist
8r sin (d + i^) = Tr
oder
^ ' '^ C08IJ
Daraus folgt natürlich, daß am Schubkurbelgetriebe, mögen sonst
noch irgendwelche Kräfte vorhanden sein oder nicht, eine Kraft P
am Kolben einer Kraft 1 senkrecht zum Kurbelarm (oder tangential
zum sogenannten Kurbelkreis, der Kreisbahn des Punktes 0) gleich-
wertig ist, welche die umgekehrte Richtung wie in der Figur hat
und eleich • /o. i x
COBY}
ist. Ist P der resultierende Dampfdruck, so heißt das äquivalente T
der Tangentialdampf-
druck.
Man kann sich T
aus P zu jeder Stellung %•
leicht graphisch konstru-
ieren:
Man trage vom
Schnittpunkte 8 des Kur-
belarms 00 mit der Senk-
rechten zu OK in K auf SO eine Strecke 8A gleich P ab und ziehe
durch A die Parallele AB zur Lenkstange. 83 gibt dann T. Denn
die Ähnlichkeit der Dreiecke 8 AB und 8CK gibt sofort
Fig. 1S7.
I
d. h.
P : SB - sin (-J —i\ : sin (17 + »),
C08TJ
246
VH Statik der Systeme.
Nr. 166.
Aufgabe 86. Man berechne bei der Eniepresse den dnrch die Kraft
P ausgeübten Druck 2>. 0 ein fester Gelenkpunkt, OA => a; £, C Gelenkpunkte,
OB = b, BC^l. Der Kolben CH sei vertikal
geführt. Alle Gelenke und alle Führungen seien
reibungsfrei. Pdrücke senkrecht zu OJ. (Fig. 128.)
I Fig. 1S8.
/
1B6. Die innere Beansprachnnff
P eines starren Körpers. Wir haben
früher in § 9 und 10 die Anschauung
ausgesprochen^ daß überall in der mate-
riellen Natur, d. h. an jedem Flachen-
element dF die sich dort berührenden
Volum elemente Drucke die — ddF auf-
einander ausüben. Führen wir also durch
einen starren Körper in Gedanken einen
Schnitt, der den Körper in zwei Teile
I und II teilt, so empfängt I an jeder
Stelle dF der Schnittfläche Ton II einen
Druck dh — 6dF.
Wir nannten schon früher (siehe
Nr. 39) die Normalkomponente einen
Druck im engeren Sinne, wenn sie auf I
zugerichtet war, sonst einen Zug, die Tangentialkomponente hin-
gegen einen Schub oder eine Scherkraft.
Es liegt nun die Auffassung nahe, uns den Körper wirklich aus
zwei Teilen I und II bestehend zu denken — jeder von ihnen ist
natürlich wieder starr — und den Satz auszusprechen, daß der Zu-
sammenhang beider Teile eben durch die Spannungen TsdF an der
Trennungsfläche aufrecht erhalten wird. Das ist selbstyerständlich;
denn was wir Körper nennen, ist immer ein bis
zu einem gewissen Grade willkürlicher Ausschnitt
aus der Natur.
Soll Gleichgewicht herrschen, so muß natür-
lich für jeden Teil die Gleichgewichtsbedingung des
starren Körpers erfüllt sein, wobei die Schuittreak-
Fig. 189. tionen (Spannungen) 6dF an der Trennungsfläche
für jeden Teil zu den äußeren Kräften hinzuzuzählen sind.
So kommen wir zu folgendem Grundsatz (dem sogenannten Schnitt-
prinzip).
Im Gleichgewichtsfalle muß für jeden Teil eines starren
Körpers die Summe der Kräfte und die Summe der Kraft-
momente yerschwinden, wobei aber alle für den Teil äußern
Kräfte in Betracht zu ziehen sind, also auch die Span-
nungen an der Fläche, welche den Teil von den anderen
Teilen trennt.
Nr. 157. § 32. Systeme aus einer endlichen Anzahl starrer Körper. 247
Nach diesem Grundsatz haben wir die Möglichkeit^ etwas über
die inneren Spannungen eines starren Körpers zu erfahren. Freilich
können wir für eine Schnittfläche immer höchstens die Summe der
Spannungen und die Summe ihrer Momente erfahren. Denn mehr
Gleichungen als die sechs Gleichgewichtsbedingungen des starren
Körpers haben wir ja nicht zur Verfügung.
Die sechs Gleichungen für den zweiten Teil geben nichts neues^
denn wie in Nr. 151 ausgeführt, geben sie zu den sechs Gleichungen
des ersten Teils hinzugefügt die sechs Bedingungsgleichungen für
den ganzen Körper, in denen die inneren Spannungen gar nicht mehr
Yorkommen. Von den 18 Gleichungen des ganzen Körpers und seiner
beiden Teile sind immer nur 12 unabhängig und nur sechs davon
bilden unabhängige Aussagen über die inneren Spannungen.
1B7. Zugi Druck, Schnb, Torslous- und Blegnnapnuoinent.
Haben wir nun einen Körper mit einer ausgezeichneten Achse,
z. B. einen Balken, Stab usw., und legen wir eine ebene Schnitt-
fläche senkrecht zu der Achse, so können wir in bezug auf den
Schnittpunkt 0 der Ebene mit der Achse die an dieser ebenen Schnitt-
fläche auftretenden Spannungen für jeden Teil reduzieren. Nach den
allgemeinen Sätzen über die Kräftereduktion (siehe Nr. 124) wird
eine Einzelkraft und ein Kräftepaar herauskommen. Die Komponente
der Einzelkraft senkrecht zum Schnitt nennen wir nun den resultie-
renden Zug oder Druck, je nachdem sie Ton dem betrachteten Teile
weggerichtet ist oder nicht. Die Komponente parallel zur Schnitt-
fläche heifie der resultierende Schub oder die Scherkraft. Die
Komponente des Moments senkrecht zur Fläche, also ein Kräftepaar
in der Ebene soll Torsionsmoment heißen, die Komponente des
Moments in der Ebene dagegen Biegungsmoment.
Nach unserem Schnittprinzip wird nun der resultierende Zug
gleich der negativen Summe aller anderen auf den Balkenteil senk-
recht zum Schnitt wirkenden Kräfte sein, denn die Summe aller
äußeren Kräfte soll Null sein; ebenso der Schub gleich der negativen
Summe aller anderen parallel zur Schnittfläche wirkenden Kräfte; das
Torsionsmoment gleich dem negativen Moment der andern Kräfte in
bezug auf die ausgezeichnete Achse und das Biegungsmoment ent-
gegengesetzt gleich derjenigen Komponente des Momentes der andern
Kräfte, welche in die Schnittebene hineinfällt.
Betrachten wir als Beispiel einen horizontal gelagerten, vertikal
belasteten Balken. An einer Stelle 0 Tom linken Auflager entfernt,
machen wir einen Tertikaien Schnitt. Ein resultierender Zug (oder
Druck) wird nicht da sein. Wohl dagegen ein (aufwärts positiv ge-
rechneter) Schub (auf den links vom Schnitt liegenden Teil), welcher
gleich sein wird der Summe aller links Ton 0 liegenden Kräfte mit
Einschluß der Auf lagerreaktionen, diese Kräfte abwärts positiv gerechnet:
248 VII. Statik der Systeme. Nr. 157.
V^fxdx — R^,
wenn x die spezifische Belastung ist (vgl. Nr. 137).
Ist die Belastung symmetrisch zu einer Yertikalebene durch die
ausgezeichnete Achse, so wird ein Torsionsmoment nicht da sein^
denn die links vom Schnitt liegen-
Bj \ den Kräfte haben dann kein Moment
I 1 1 1 i 1 1 I ^^ bezug auf die Achse.
Ein Biegungsmoment um die
vertikale Achse wird auch nicht
da sein, weil die Kräfte dieser
Achse parallel sind. Dagegen wohl
ein Biegungsmoment B um die
horizontale; nach Tom gerichtete
Achse; dasselbe wird entgegengesetzt gleich sein dem Moment aller
links Ton 0 wirkenden Kräfte mit Einschluß der Auf lagerreaktionen, also:
Flg. 130.
B=^ JB^z —J^ (js — x)dx.
Bei einem 'horizontal gelagerten Balken mit vertikaler^ zur verti-
kalen Längsmitteiebene symmetrischer Belastung toird also Zug (Drude)
und Torsionsmoment der inneren Beanspruchung Ntdl. Der Schub ist
bis auf das Zeichen gleich der Summe der auf einer Seile des Schnittes
liegenden Kräfte (einschließlich der Auf lagerreaktionen), das Biegungs-
moment gleich dem Moment derselben Kräfte in bezug auf irgendeine
horizontale Achse in der Schnittfläche.
Wenn auch im ganzen kein Zug oder Druck da ist; so sind doch
alle Längsfasem des Balkens im gedachten Schnitt gezogen oder ge-
drückty das Biegungsmoment ist ja nichts anderes als das Moipent
dieser Einzelspannungeu. Und da ihre Summe Null ist und B immer
positiv ist, wie wir noch sehen werden, so wird die senkrechte Span-
nungsverteilung für den linken Balkenteil so aussehen, wie in Fig. 130
dargestellt: die obem Fasern des Balkens werden gedrückt, die unteren
gezogen sein. Daraus leuchtet die Berechtigung des Namens Biegungs-
moment wohl ohne weiteres ein.
Es bleibe dem Leser überlassen, sich ebenso die Berechtigung
des Namens Torsionsmoment klar zu machen, es tritt dann auf, wenn
die äußeren Kräfte den ganzen Balken um die Achse zu verdrehen
suchen.
Haben wir einen Stab, der nur an den Enden A, B Kräften
unterworfen ist, der aber sonst kräftefrei ist, so liegen die Kräfte^
wie in Nr. 153 bemerkt wurde, in der Achse AB, Nimmt man diese
Nr. 168.
§ 88. Der vertikal belastete, horizontale Träger.
249
zur ausgezeichneten Achse, so sind für unsem Stab Schub, Tor-
sionsmoment und Bieffuntrsmoment Null, die sranze Beanspmchunir
reduziert sich auf einen Druck oder einen Zug, der längs des ganzen
Stabes AB konstaut ist.
§ 33. Der yertlkal belastete^ horizontale Träger.
168. Formnliening der AnQ^abe. Wir betrachten jetzt ein-
gehender einen horizontal gelagerten Träger, dessen Belastung und
Stützung inklusive Eigenlast vertikal sei und symmetrisch zur verti-
kalen Längsmittelebene, so daß wir ein ebenes Problem vor uns haben.
Von den verschiedenen Stützungsarten fassen wir zwei ins Auge: der
Träger kann an den Enden einfach aufgelagert oder aber an einem
Ende eingespannt (etwa eingemauert) sein.
Die Aufgabe wird darin bestehen, einmal die Stützreaktionen zu
berechnen, soweit dies mit der Mechanik des starren Körpers mög-
lich ist, dann aber, unter derselben Einschränkung, die inneren Span-
nungen des Trägers zu bestimmen, d. h. Schubkraft und Biegpmgs-
moment. Denn Zug bzw. Druck und Torsionsmoment sind ja nach
den Voraussetzungen Null. (Siehe Nr. 157 im vorhergehenden Para-
graphen.)
Fassen wir noch etwas den ersten Fall ins Auge. Der Balken
ist auf beiden Seiten aufgelagert. Die Stützflächen sind endliche
Flächen und die Anzahl der Stützdrucke also unendlich. Von ihnen
kann man nur die Summe und das Gesamtmoment berechnen, oder
was auf dasselbe hinaus kommt, man kann die Lagerdrucke R^fR^, die
Summen der Drucke beiderseits, berechnen, wenn man eine Annahme
über ihre Angriffslinien macht. Von denen weiß man aber in Wahr-
heit nicht mehr, als daß sie innerhalb der Stützflächen liegen (vgl.
Nr. 136). Sind nun diese klein gegen die übrigen Dimensionen, so
kommt es auf die genaue Lage der Stützdrucke nicht an: wir können
sie an das Ende des Balkens verlegen. Und so wollen wir verfahren.
Äi
E
1— r
I I
^
n
dx
Flg. 181.
VA^^v^
*^
i
m:
^
i
j
«\\<V^xV^VV^iiSi
I I
I I
-LJ.
Fig. ISS.
Beim eingemauerten Balken wird die Verteilung der Stütz-
' drucke etwa die in der Fig. 132 angedeutete sein. Auch von ihnen
können wir nur die Summe R und das Gesamtmoment Bq mit Hilfe
der Mechanik des starren Körpers berechnen: Dieses Bq wollen wir
auf die Stelle A beziehen, wo der Balken in die Mauer eintritt: es
250 Vn. Statik der Systeme. Kr. 159.
ist Bq das (negatiye) Moment der Statzreaktionen in bezog auf die
horizontale Qnerachse dorcli A.
Die Lösung unserer Aufgaben, namentlich die Berechnung von
Schubkraft und Biegungsmoment, ist natürlich für die Festigkeit des
Balkens von höchster Bedeutung. Man wird si^en könn^ daB die
Festigkeit um so mehr gefährdet ist, je größer diese Kräfte bzw.
Momente sind, ist die Schubkraft zu groß, so wird Gefahr der Ab-
schemng, ist das Biegungsmoment zu groß, so wird Gtefahr des Zer-
brechens da sein. Natürlich kommt es auch auf die genauere Ver-
teilung der inneren Spannungen an, aber darüber kann nur die Elas-
tizitatstheorie, nicht mehr die Stereomechanik Aufschluß geben.
1B9. Utonng fftr den Fall einer endlichen Aniahl ven
Krftften. Es mögen die Kräfte A^ . . . ifc, in den Abstanden ai...a^
vom L'nken Auflager vertikal nach unten an dem Balken wirken.
. Dann ist die Resultierende
* «i-J ^ natürlich ^k «i^H ht,; wah-
fT ^^^ "* 9 ^ rend für den an beiden Enden ge-
^yi ZII_!:__ / (^ lagerten Balken die Momenten-
^A FIC.18S. 1* gleichung in bezug auf A sofort
ergibt
-R« = 4(^1*1 + «1*2 + • • • + ««'O-
Ebenso
IJ,--J {G-ai)ti + (i-a,)*, + --- + (i-0*J.
Liegt 8 zwischen der i/ten und {y + l)ten Kraft, so ist
— JS =» — B,^z + lt^{z — öl) H V ^X^ ~~ O •
Analog bekommt man für den auf einer Seite eingemauerten Balken
Die graphische Lösung mittels Seileck gestaltet sich für die Be-
stimmung der Auflagerdrucke höchst einfach. Man hat nur die Er-
gebnisse von Nr. 118 und 122 anzuwenden.
Für den auf beiden Seiten gestützten Balken betrachte man die
Durchführung in Fig. 134. Der, der Schlußlinie S^S^^^ des Seil-
ecks parallele Polstrahl PF teilt die resultierende Kraft KqK^ in die
Nr. 160.
§ 38. Der vertikal belastete, horizontale Träger.
251
beiden Auflagerreaktionen R^^K^F und JB, — FK^. Es ist KqF
weil zu R^ die Seilstrahlen SqS^ und S^S^^^ gehören.
R^,
Pig. 184.
Flg. 135.
Bei dem an einein Ende (Ä) eingespannten Balken ist natOrlicli
R = K^Kq (siehe Fig. 135). Man hat jetzt den Fall, daß das Kraft-
eck sich schließt (inkl. R),
daß aber ein Eräftepaar
resultiert. Dies ist natür-
lich das gesuchte B^.
Wie früher (Nr. 118)
ausgeführt wurde^ ist Bq
gleich dem Produkt aus
dem Abstände l der bei-
den freien Seilstrahlen
und der Lauge r, =* r^
des entsprechenden Pol-
strahls.
Um nun auch die
Bestimmung der inneren
Spannungen in einfacher
Weise graphisch lösen zu können, woUen wir einen wichtigen Hilfs-
8 atz ableiten:
160. OraphiBche Bestlmmnng des Momentes einer
Kraft, k sei eine Eraffc, g ihre Angriffsgerade, S^S^ und S^S^ die
ihr zagehörigen Seilstrahlen, PKq und PK^ die entsprechenden Pol-
strahlen.
Das Moment von h inbezug auf einen Punkt 0 ist natürlich dem
absoluten Werte nach das Produkt aus k und aus der Länge des
Abstandes des Punktes 0 von g. Aber es gibt noch eine andere
Bestimmung, die für manche Zwecke brauchbar ist.
Ziehen wir durch 0 die Parallele g zu g und betrachten den
252
YII. Statik der Systeme.
Nr. 161.
Abschnitt y ^ ABj den die Seilstrahlen auf ihr bilden. Sei femer h
der Abstand des Pols P von der Ejraft Ic im Erafteck^ die sogenannte
Poldistanz oder Polhohe.
Wir behaupten, daß das Moment
ist. Man kann den Satz sofort mit Hilfe der beiden in Betracht
kommenden ähnlichen Dreiecke {PK^K^ nnd 8^ AB) beweisen.
Wir zeigen ihn so:
Wir denken uns in g die beiden Kräfte K^H und HK^ an-
greifen {H FuBpunkt des Lotes h\ dann bilden die Kräfte zusammen
mit Ic ein Kräftepaar vom Moment Jf.
Dieses konstruieren wir uns nun nach der Methode von Nr. 118,
indem wir als ersten und letzten Seilstrabi die zu h parallelen Bff
und AS' betrachten (d. h. als
ersten und letzten Polstrahl
das doppelt zu zählende K).
S'BSiAS" ist das zugehörige
Seileck.
und also ist das Moment
nach der allgemeinen Regel,
die wir noch oben in Nr. 159
angewendet haben,
Denn h entspricht jetzt r^
Fig. 1S6.
bzw.
n)
y ist der Abstand der freien Seilstrahleu.
Der VorteU dieser Bestimmungsart zeigt sich, wenn aUe Kräfte
einander parallel sind. Denn dann sind alle h dieselben und alle M
den y proportional.
Bei lauter einander parallelen Kräften ist das Moment in hezug
auf einen festen Punkt 0 der Strecke proportional, welche die beiden
zur Kraft gehörenden SeüstraJtlen auf einer zur Kraftrichtung Paral-
lelen durch 0 abschneiden.
161. Anwendimg anf die Bestimmimg des Biegnngs-^
momentes. Betrachten wir alle links von einer Stelle 0 gelegenen
Kräfte im Falle des beiderseits gestützten Balkens — es seien dies
Jii,Äi . . . Äy — so gehören zu ihnen (im Sinne von Nr. 120) die Pol-
strahlen PF (siehe Fig. 134) und PK^-, also der (v + l)te Seilstrahl,
d. i. der, der zwischen k^ und k^^^ gespannt ist, und die Schlußlinie
des Seilecks.
Mithin ist für den beiderseits gestützten Balken das Biegungs-
moment gleich hy, wo h die Poldi^tanZy y die sogenannte Momenten-
Nr. 162. § 38. Der vertikal belastete, horizontale Träger. 253
höhe, d. h. der vertikale Abstand der gdyrochenen Linie S^S^...S^^y^
über der SchlußUnie SqS^^^ an der Stelle 0 ist.
Für den an einem Ende eingeklemmten Balken mögen rechts
von 0 die Kräfte K+i - - -K ^«gön. Zu ihnen gehören die Pol-
strahlen PK^ und PK^, also der Seilstrahl z\ivischen der i/ten und
{v + l)ten Kraft und der freie Seilstrahl S^8'\
Das Biegnngsmoment ist also in diesem Falle gleich yhy wo h
die Poldistanz, y den vertikalen Abstand der gebrochenen Linie
SqS^ . . , S^ von dem letzten freien Seilstrahl an der Stelle 0 ist.
Da für jsr — 0 das Biegungsmoment B in B^ übergeht, so ist
y
wo yo ^^^ vertikale Abstand des Punktes 5^ von dem letzten freien
Seilstrahl S^S" ist (siehe Fig. 135).
Für das Folgende wird es gut sein, noch das Vorzeichen von
B zu beachten. Wählen wir P^ als Pol auf der linken Seite vom
Krafteck, so ist der Streckenzug SqS^ , . . S^ nach unten konkav.
Anderseits ist für kleine z, wo allein R^ links von 0 liegt, das Bie-
gungsmoment B sicher positiv. Wenn wir also y nach oben von
der Schlußlinie aus positiv zählen und daran festhalten, P links von
K^K^ zu nehmen, so müssen wir
B^hy
setzen.
Das gilt auch für den links eingemauerten Balken, wenn wir das
auf den rechten Teil wirkende Biegungsmoment betrachten.
Aaf gaben: 85. Man bestimme rechnerisch und graphisch die Aoflager-
reaktionen R^ und J2, für einen Balken von der Länge 2 «» 10 m, der in den
Abständen von 1, 8, 6 und 8 m vom linken Ende die Lasten 5, 7, 2, 9 kg trägt.
Man suche ebenso das Biegungsmoment und den Schub für die um 4 m von dem
linken Ende entfernte Stelle.
86. Man bestimme ebenso die Reaktionen R und das Moment B^ far
einen an einem Ende eingemauerten Balken, der in den Abständen von 2, 8 und
5 m die Lasten 10, 5 und 10 kg trägt. Desgleichen das Biegungsmoment nnd
den Schub für die Stelle 8= Im,
87. Unsere bisherigen Betrachtungen lassen sich natürlich auf den Fall
übertragen, daß der Balken über AB hinausragt und außerhalb AB belastet
ist. Man nehme z. B. die Belastung der Aufgabe 86 und fuge in 1 m Abstand
links von A noch eine Last von 10 kg hinzu. Was ist dann in der Formel
B^hy
für y links vom Punkte A zu wählen, wenn man daran festhält, daß B das
Moment aller links von 0 liegenden Kräfte sei?
Man beachte, daß jetzt y und somit auch B das Zeichen wechseln wird.
Wo ist bei dieser Aufgabe das Biegungsmoment gleich Null?
162. Die rechnerische Löming der Probleme im Falle
kontiniiierllcher Belastang ist äußerst einfach utid zum Teil schon
254 Vn. Statik der Systeme. Nr. 162.
in Nr. 157 erledigt. Ans den Summen von Nr. 159 werden Integrale.
So ist die Resultierende
K^Sd^^ßidx, (1>
0
wenn l^ AB ist.
Ihr Abstand x^ von A ist nach dem Momentensatz gegeben durch
Kx^^Jxxdx. (2)
0
Ebenso ergibt der Momentensatz mit A als Bezugspunkt
R^l —J xxdx =- 0,
0
d.h.
R^'^' -y I xxdx, (3)
0
ebenso der Momentensatz mit B als Bezugspunkt
Ei^\f{l-x)xdx. (4)
Habe 0 die Entfernung 0 von A, so ist in 0 die negative Summe
aller links liegenden Kräfte (der Schub)
r--B,+ßdx, (5)
0
dagegen das negative Moment aller links liegenden Kräfte (das
Biegungsmoment)
z
B R^z +f{g-x)xdx. (6)
0
Denn die Kraft dk^ xdx hat den Hebelarm (js -- x) in bezug auf 0.
Nach (4) ist B Null am Anfang {0 = 0) und am Ende (js = l),
Differentiiert man (6) nach 0, so erhält man
dB
dz
« i?! —Jxdx,
also nach (5)
dg
= -Bi - (« - «)x|«=, -f*dx
0
''^ - - F. (I)
Nr. 163. § 83. Der vertikal belastete, horizontale Träger. 255
Es hat also dcts Biegungsmoment B dort ein Maximum, wo der
Schub NuU ist.
Für das Problem des eingespannten Balkens ergibt sich analog
R^K^fxdx, (7)
0
I
J?o ^fxxdx. (8)
0
Dagegen ergeben sich jetzt als Summe der rechts liegen-
den Kräfte
r^fxdx, (9)
und als Moment der rechtsliegenden Kräfte
B^^f{X'-e)xdx. (10)
Natflrlicli ist für « = 0, £ = JBj «nd JB = V. Wieder ist
*** - - F. (I)
Differentiieren wir die Gleichungen (I) noch einmal nach x, so
erhalten wir in beiden Fällen gemäß (5) oder (9)
»
Man erhalt also aus der Belastungskurve die Schubkraft durdi
einmalige, das Biegungsmoment durch zweimalige Integration (und
Wechsel des Zeichens). Die Integrationskonstanten sind dadurch be-
stimmt, daß für den beiderseits gestützten Balken am Anfang und am
Ende (für z^O und für z^l) das Biegungsmoment gleich Null wird,
für den einseitig eingeklemmten Balken aber am Ende das Biegungs-
moment und der Schub gleich Null ist,
163. Die Sellknrve als Momentenllnle. Tragen wir B ver-
tikal an jeder Stelle 0 als Strecke y (nach oben, wenn y > 0) von
einer beliebigen Geraden aus auf, indem wir setzen
B^yh,
wo h eine beliebig gewählte konstante Kraft bedeutet, so bekommen
wir eine stetige Kurve, welche Momentenlinie heißen möge.
256 Vn. Statik der Systeme. Nr. 164.
Ihre Differentialgleichung lantet yermöge (11) der vorigen Nummer
Tragen wir den ersten Differentialquotienten der Momentenlinie —
mit -- h multipliziert als eine Kurve auf, so gibt deren Ordinate
nach (I) der vorigen Nummer den Schub
— ^ = — Ä - ^
dB dg '
Nach den Ausführungen von Nr. 137 ist es nun ganz klar, daB
tlie Momentenlinie nichts anderes ist als die Seilkurve, welche aus
dem Seilpolygon der Nr. 161 durch Grenzübergang entsteht, wenn
man von diskreter Belastung zu kontinuierlicher übergeht. Man muß
nur h gleich der Poldistanz wählen, und y, die Momentenhöhe, von
der SchluBlinie aus auftragen, während g nach wie vor horizontal ge-
zahlt wird.
Übrigens kann man ja durch geeignete Lage des Pols erreichen,
daß die Schlußlinie horizontal wird, so daß y und z gewöhnliche
rechtwinklige Koordinaten werden.
Wir verweisen auf die Fig. 85 (S. 213), welche den Zusammen-
hang von Momentenlinie und Krafteck illustriert.
Man beachte noch, daß FX^ V ist, wo PF der Schlußlinie
S^Stn parallel ist. Denn es ist
K^X^fxdXy
Man sieht aus der Figur nochmals direkt, daß fOLr F » 0, nämlich
für X = i^ die Momentenhöhe y ein Mstdmum ist, also auch B,
Von den hier ausgeführten Gedanken wird man Gebrauch machen,
um die Momentenlinie angenähert graphisch zu konstruieren: man
wird in den hinreichend klein gewählten Teilintervallen zfx die Last
durch xzJx mit einem mittlem x an einer mittleren Stelle des Inter-
valls 4dx ersetzen und nun das Seilpoljgon konstruieren. Wenn die
Teilung fein genug ist, wird die Abweichung des Seilpoljgons von
der Seilkurve unmerklich sein.
Man darf aber — praktisch — auch wiederum die Teilung nicht
zu fein wählen, weil sich bei der großen Anzahl von zu zeichnenden
Linien die Zeichenfehler zu sehr häufen.
Nur Erfahrung und Übung kann hier den richtigen Mittelweg
kennen lehren.
164. Beispiel gleichförmiger Belastung. Ist wenigstens in
einem Intervall die Belastung gleichförmig, d. h. x konstant, so folgt aus
Nr. 166. § 33. Der vertikal belastete, horizontale Träger. 257
*T-l -* — «I
dz* '
wo a, b Integrationskonstanten sind.
Die Seilhurve ist also überall da, wo die spezifische Belastung
konstant ist, das Stück einer Parabel; ist x^O, d.h. keine Belastung
vorhanden, so ist die Seilkurve geradlinig.
166. StettgkeltaverhMtnlMe der Momentenllnie. Nach
Definition und auch als Grenzfall eines Seilecks ist die Seilkurve
selbst auf jeden Fall stetig.
Ihr erster Differentialquotient, d. h. (bis auf den Faktor — h)
die Schubkraftkurve ist ebenfalls stetig, wenn die Belastung wirklich
kontinuierlich ist. Denn der Ausdruck (5) Nr. 162
V R^+Jxdx
0
ändert sich stetig mit is.
Die zweite Ableitung dagegen, x, kann sehr wohl unstetig sein.
Wenn also z. B. die Belastung streckenweise konstant ist^ aber
Ton Strecke zu Strecke verschieden, so besteht die Seilkurve aus
lauter yerschiedenen Parabelbögen, vielleicht auch aus gradlinigen
Stücken (wo x =» 0), die sich aber stetig und mit stetiger Tangente
aneinander schließen.
Nun ist es aber häufig praktisch, zuzulassen, daß eine Einzellast
auftrete, d. h. eine endliche Kraft k an einer punktförmigen Stelle
(z. 6. der Druck von Lokomotivrädem an den Berührungsstellen der
Räder mit den Schienen). Das ist natürlich ein Idealfall: in Wahr-
heit wird es eine Belastung sein, bei der in einem sehr kleinen Inter-
vall jdx um die fragliche Stelle herum x sehr hohe Werte annimmt,
so daß \xdx=^k einen merklichen Wert erreicht.
A
Wenn wir den GrenzprozeQ
lim jxdx = k
^x = 0
machen, indem wir /ix gegen Null, x gegen oo gehen, aber das
Integral endlich bleiben lassen, so wird die Seilkurve stetig bleiben,
ihr erster Differentialquotient aber, d. h. — A ;t^ = F wird um eben
a
dieses Integral k springen, da sich das Integral /xdrr um diesen Be-
0
trag ändern wird.
Uftmel: ElomenUre Mechftoik. 17
258
Vü. Statik der Systeme.
Nr. 166.
Beim Auftreten einer EinzeUast k wird also die Seükurve stetig
bleiben, ihr IH/ferenticUqtwtient aber an der Belastungsstdle plötelid^
um . k abnehmen.
n
Die Seilkurre wird eine nach oben gerichtete Ecke bekommen.
Man kann jetzt anch leicht die Frage beantworten: Wie ändert
sich die Seilkurve, wenn man in einem Intervall ^x die
stetig verteilte Last durch die ihr äquivalente Einzellast
ersetzt?
Außerhalb bleibt das Biegungsmoment, also auch die Seilkurve
ungeändert, im Intervall aber ist jetzt x =» 0, die neue Seilkurve muß
also aus Geraden bestehen, die sich
stetig an die übrige Seilkurve an-
schließen. D. h. in dem Intervall ^x
ist die alte Seilkurve durch die Tan-
genten im Anüang und im End-
punkte des Intervalls zu ersetzen.
Beide Tangenten müssen sich natür-
lich auf der Angriffslinie der Einzel-
last treffen, das folgt direkt nach
Nr. 118 aus der Regel über die graphische Zusammensetzung der
Kräfte.
166. Das MaTimnm der Blegungsbeanspraoliimg. Die
vorhergehenden Betrachtungen sind besonders dann von Wichtigkeit^
wenn man fragt: an welcher Stelle e tritt das Maximum des Bie-
gungsmomentes ein?
Ist die Belastung stetig, so wird das Maximum da eintreten, wo
d. h. die Schubkraft V Null ist. Wenn aber eine EinzeUast da
dB
Flg. 157.
dB
de '
r
ist, also , unstetig ist, so kann das Maximum auch an dieser ün-
stetigkeitsstelle liegen.
Wir wollen die Aufgabe, die Stelle des größten Biegungsmomentes
L bei gegebener Belastung zu suchen, in
einem speziellen Falle ganz durchfahren:
Es sei eine stetige und konstante
p '^ß Belastung da und außerdem sei in der
1« - — •_ / .. „ ^ Entfernung a vom linken Aufl^er eine
Flg. 188. EinzeUast L vorhanden.
Die Seilkurve besteht dann aus zwei Parabelstücken, die' an der
SteUe z =^ a zusammenstoßen, wo der Differentialquotient plötzlich
um , L abnimmt.
h
Daraus folgt, daß drei FäUe möglich sind:
1. Der Scheitel der linken Parabel liegt innerhalb ihres Geltungs-
Nr. 166.
§ 33. Der* vertikal belastete, horizontale Träger.
259
bereicheSy dann kann der Scheitel der rechten Parabel dies nicht tun,
da die Ecke nach oben gerichtet ist.
Die Abszisse x^ des Scheitels ist
dann die Stelle des Maximums des
Biegungsmomentes B.
2. Der Scheitel der rechten Parabel liegt innerhalb ihres Gel-
tungsbereiches. Seine Abszisse x^ ist dann Stelle des Maximums:
3. Keiner der beiden Parabelscheitel liegt innerhalb des Geltungs-
bereiches. Dann liegt das Maximum notwendigerweise im Unstetig-
keitspunkt:
(
-j-\ ist unbestimmt.
Wir wollen nun sehen^ welcher der drei Fälle eintritt.
Mit Hilfe des Momentensatzes bekommt man sofort wie in Nr. 159
JSi=|^?+-
l
L,
Femer ist für z <a, wo also L rechts von 0 liegt,
(1)
B^ R^z — -^ KZ*
1
2
(2)
denn es liegt die Last tcz links von 0 und ihre Resultierende hat
den Abstand - z von 0 .
Für z> a dagegen gilt
B^R^8-\7iZ^-L{z-a).
(2')
Differentiieren wir (2), um zu sehen, ob Fall (1) eintritt:
also nach (1)
X.
m
X 2 IX
17
260
Vn. Statik der Systeme.
Nr. 166.
Nun muB aber, damit wirklich Fall (1) eintritt
0<.x^<a
:=s in ^^
sein, d. h.
il + '-^L^a
oder
o^
l,/x + 2£ I / L
2 ' Ix + L 2 H ^l*+L
Setzen wir den echten Brach
und
L
»
\-{l^-a)l^x„
so maS also
)
a^x^
(A)
sein, damit Fall (1) eintritt.
Verfahren wir analog, um zu sehen, ob Fall (2) eintritt, diffe-
rentiieren wir also (2^), so bekommen wir
O^-R^ + TiZ + L,
— i?t — X _ 1 , ah
Die Bedingung a<x^^l gibt nach analoger Rechnung wie vorhin
a<x„ (B)
wo
«1 = ! (i - «)^
•^ ♦.
|< ^-^^ H
Flg. 140 ft.
und es ist also die Stelle des maximalen Biegungsmomentes durch
ist Ist weder Fall (1) noch FaU (2)
möglich, ist also
x^<a<x^y (C)
so tritt Fall (3) ein — denn das
ist jetzt die einzige Möglichkeit — ,
^m=»
gegeben.
Jetzt läßt sich das Resultat vollständig diskutieren. Nennen wir
die Stelle des maximalen Biegungsmomentes den geföhrdeten Quer-
schnitt, so liegt derselbe für a «^ 0 , wo sicher (B) erfüllt ist, in der
Mitte, es ist x^^ — l.
Wenn jetzt a wächst, so bleibt (B) zunächst ^ noch erfüllt, es
nimmt aber x^ mit wachsendem a dauernd ab, bis sich a und x^ im
Punkte x^ treffen.
Nr. 166.
§ 88. Der vertikal belastete, horizontale Träger.
261
ÜberBclireitet a, d. h. die Einzellast die Stelle x^, so ist jetzt Be-
dingung (C) erfuUt, der gefährdete Qaerschnitt wandert mit der Last
zusammen (a «= x^ von x^ nach x^-
Von hier ab tritt (A) in Geltung, es vollzieht sich das symme-
trische Spiegelbild zum ersten Fall; Last und gefährdeter Querschnitt
trennen sich^ wandert die erstere zum Ende des Balkens (a =» l\ so
kehrt der gefährdete Querschnitt zur Mitte zurück (siehe Fig. 140).
Xj >
Flg. 140 b.
"Xj - — »I
H l-iX^ -*i
rig. 140 o.
Man kaun auch die Frage erörtern: Welches ist das mcLximale
Biegungsmoment für eine feste Stelle hei wandernder Lctst?
Jetzt ist z fest gegeben, a variabel.
Man sieht nun, daß in beiden Fällen js^ a, B eine lineare Funk-
tion von a ist; denn R^ ist es. Das Maximum nach a kann also
nur in der Unstetigkeitsstelle auftreten, d. h. wenn die Last über die
Stelle hingeht.
Das Resultat bleibt erhalten, w^nn mehrere bewegliche Lasten
da sind und die stetige Belastung nicht konstant ist.
An einer bestimmten Stelle tritt bei sonst stetiger Belastung das
Maximum der Biegungsbeanspruchung jedenfalls dann ein, wenn eine
der beweglichen EineeUasten über die Stelle hingeht.
Bei mehreren Lasten wird es sich noch fragen, bei welcher dar-
über hingehenden Last das absolute Maximum eintritt. Auf diese
Frage soll aber hier nicht mehr eingegangen werden: man findet für
den wichtigsten Fall konstanter Abstände zwischen den Einzellasten
eine sehr einfache Lösung in dem kleinen Aufsatze von R. v. Mises:
„Die Ermittlung der Maximalbiegungsmomente an statisch bestimmten
Laufkranträgern'' in Dinglers polytechnischem Journal, Bd. 321; kom-
pliziertere Aufgaben, die im Brückenbau auftreten, werden in den
Lehrbüchern der Graphostatik sehr ausführlich behandelt. Siehe z. B.
Müller-Breslau: Die graphische Statik der Baukonstruktionen.
Aufgabe 88: Man bestiznine Schabkraftlinie und Momentenlinie far die
durch die Formel
%=^cx
gegebene kontinuierliche Belastung. Wo liegt das Maximum der ßiegungs-
beanspnichung und wie groß ist es? Wie groß sind die Auflagerreaktionen?
262 VH SUtik der Systeme. Nr. 167.
§ 34. Einleitang in die Theorie der gtatiseh bestiiiiiiiten,
ebenen Fieliwerke.
167. Allgemeine Bemerkniigen. Unier einem Fachwerk ver-
stehen wir ein System gewichtsloser Stäbe, die durch reibnngsfreie
Oelenke miteinander verbunden sind. An den Gelenkzapfen können
äußere Kräfte angreifen. Als solche Idealsysteme pflegt man in erster
Annäherung wirkliche Trager: Brückenträger, Eranträger, Dach-
stühle usw. aufzufassen, indem man erstens das Gewicht eines jeden
Stabes sowie jede andere an ihm wirkende eingeprägte Kraft nach
§ 25 durch zwei Kräfte ersetzt, die in den Gelenken, den -sogenannten
Knoten, angreifen. Dadurch wird in dem Kräftespiel ffir alle anderen
Stäbe — außer dem betrachteten — nichts geändert^ denn nach unseren
allgemeinen Prinzipien (siehe Nr. 151) wirkt ein Kräftesystem nach
außen auf andere starre Körper nur durch seine Summe und die Summe
der Momente. Für das Kräftespiel im Balken selbst, d. h. seine innere
Beanspruchung, wird freilich ein Fehler entstehen, der aber nur von
der Größenordnung des Balkengewichts im Vergleich zu der Gesamt-
heit aller anderen Gewichte und Kräfte sein wird. Die zweite Ideali-
sierung besteht darin, daß man sich die Balken an den Enden durch
reibungsfreie Gelenke verbunden denkt (beim ebenen Emblem durch
Zylinder-, beim räumlichen durch Kugelgelenke), obwohl sie in Wahr-
heit steif vernietet oder ineinander gefügt sein werden. Den Einfluß
dieser Idealisierung sucht man hinterher durch eine besondere Theorie,
die Theorie der Nebenspannungen, zu korrigieren.
Nach der fundamentalen Bemerkung in Nr. 153 wird dann jedes
Gelenk auf jeden in ihm endenden Stabe nur einen Zug oder Druck
ausüben, der in die Richtung des Balkens fällt, imd also nach dem
Gesetze der Gleichheit vpn Wirkung und Gegenwirkung einen um-
gekehrten Zug oder Druck vom Stabe empfangen.
Das Gleichgewicht eines jeden Stabes ist danach schon garantiert:
es handelt sich nur noch um das Gleichgewicht der Gelenkzapfen.
Da aber alle auf den Zapfen wirkenden Kräfte auf seiner Achse senk-
recht stehen und durch sie hindurchgehen — von den Stabspannungen
ist das klar, von der Kraft wollen wir es annehmen — so genügt es,
noch die Summe der an einem Knoten angreifenden Kräfte gleich
Null zu setzen.
Wir wollen nun die folgenden Betrachtungen auf ein ebenes
Fachwerk beschränken, d. h. annehmen, daß die ganze Stabfigur in
einer Ebene liege und daß auch die äußeren Kräfte in dieser Ebene
wirken.
Da ferner das Fachwerk stets als Träger gedacht ist, also fest
sein soU, so werden wir verlangen, daß es bei Annahme starrer Stäbe
im ganzen nur noch die Beweglichkeit eines starren Körpers habe.
Nr. 167. § 84. Einl. in d. Theorie d. statisch bestimmten, ebenen Fachwerke. 26B
daß es, wie man sich ausdrückt, kinematisch bestimmt oder
stabil sei.
Nun hat jeder Punkt in der Ebene zwei Bewegungsmöglichkeiten,
d. h. seine Lage ist durch zwei Koordinaten bestimmt. Das macht
bei n Knotenpunkten 2n Koordinaten. Jeder Stab gibt bei fester
Länge eine Gleichung zwischen diesen Koordinaten. Gibt es also
s Stäbe, so bleiben im allgemeinen, wenn nämlich die s Gleichungen
unabhängig voneinander sind, 2n — s Koordinaten frei. Soll aber das
ganze starr sein, so dürfen nur mehr drei Koordinaten frei bleiben;
denn die Lage eines starren ebenen Gebildes ist bestimmt, wenn man
einen Punkt desselben festlegt (zwei Koordinaten) und etwa noch den
Winkel angibt, den ein Strahl der Figur mit einer festen Richtung
einschließt (eine dritte Koordinate). Also genügte es gerade, soviel
Stäbe s zu wählen, daß
2w — s « 3, d. h.
s«2w-3
ist. Da man aber offenbar die kinematische Bestimmtheit nicht da-
durch aufhebt, daß man überflüssige Stäbe hinzufügt, so folgt:
Ein ebenes Fachwerk ist kinematisch bestimmt (stabil), wenn die
Zahl s der Stabe
s^2w-3
ist und wenn unter den Gleichungen , welche die unveränderliche
Länge der entsprechenden Strecken (Stäbe) ausdrücken^ gerade 2n — 3
unabhängige sind.
Da es nicht mehr als 2n — 3 geben kann (denn mehr als starr
kann ein System nicht sein), so wird das Erfülltsein der Unabhängig-
keit von gerade 2n — 3 Gleichungen auf eine Ungleichheit hinauslaufen.
Das Problem besteht nun darin, bei gegebenen äußeren Kräften
die s Stabspannungen zu bestimmen. Man hat dazu, den n Knoten
entsprechend, 2n Gleichungen, nämlich für jeden Knoten die zwei
Gleichungen, welche aussagen, daß die Summe der Kräfte für jeden
Knoten verschwindet.
Aber aus diesen 2n Gleichungen folgen gerade drei und nicht
mehr für die äußeren Kräfte selbst. Denn nach dem Erstarrungs-
prinzip ist das Gleichgewicht des Ghinzen garantiert, wenn das Gleich-
gewicht aller Teile gesichert ist. Das Gleichgewicht des Ganzen
bedeutet aber gerade drei Gleichungen für die äußeren Kräfte. Es
bleiben also für die s inneren Spannungen gerade 2n — 3 Gleichungen
übrig.
Sind nun die 2n — - 3 Gleichungen unabhängig voneinander und
ist gerade s =- 2n — 3, so wird man die Stabspannungen aUe be-
rechnen können.
264 VII. Statik der Systeme. Nr. 167.
Man nennt das System dann statisch bestimmt Ist aber
s>2n — d, so ist eine Berechnung der Stabspannungen ohne Zuhilfe-
nahme der Elastizitatstheorie, d. h. mit Aufrechterhaltung der Hypo-
these des starren Körpers nicht mögkch: man nennt das Fach werk
alsdann statisch unbestimmt
Wir wollen uns nun im folgenden nur mit dem statisch
bestimmten Fachwerk beschäftigen, das zugleich kine-
matisch bestimmt ist. Es muß dann genau
sein. Man kann zeigen , daß die Ungleichheitsbedingangen, welche
in beiden Fällen hinzukommen, identisch sind, daß also bei s^2n — S
ein kinematisch bestimmtes zugleich ein statisch bestimmtes Fachwerk ist,
wenn man die kinematische Bestimmtheit für unendlich kleine Ver-
Schulungen fordert, d. h. wenn keine unendlich kleinen Verschiebungen
der Knoten möglich sind, welche nur Stablängenänderangen zweiter
Ordnung erfordern. Tut man das nicht, so können die Spannungen
eines kinematisch bestimmten Fachwerks in Ausnahmefällen unendlich
oder unbestimmt werden.
Ein ganz einfaches Beispiel soll dies zeigen: Man betrachte das
in der Figur 141 gezeichnete Fachwerk aus 5 » 7 Stäben und
n » 5 Knoten, so daß 2n — $ »= 3 ist.
.I( Dieses Fach werk ist kinematisch bestimmt.
Denn ÄDC bilden ein starres Dreieck;
B ist durch BÄ und BC mit ihm starr
verbunden. E aber ebenfalls, denn die
Kreise um B mit BE als Radius und
um D mit DE als Radius haben nur den
einen gemeinsamen Punkt E.
PI ui ^^Z) Wenn jetzt aber in E, B, D drei
parallele zu BEB senkrechte Kräfte an-
geben, die sich am Ganzen das Gleich-
gewicht halten, so werden die Stabspannungen in EB und ED un-
endlich sein müssen, denn endliche Kräfte in EB und ED können k
nicht aufbeben.
Im Unendlichkleinen ist aber auch E relativ zur anderen Figur
beweglich: denn verschiebt man E senkrecht zu BD um ein StQck ds,
so werden sich BE und DE nur um Größen der Ordnung ds^ ändern, ^
also bei Beibehaltung von Größen nur erster Ordnung ungeändert
bleiben. D. h. im Unendlichkleinen ist die Verschiebung ds senkrecht
zu BD gestattet, bei sonst ruhender Figur, im Unendlichkleinen ist
die Figur nicht starr.
In Wirklichkeit wird in einem solchem Falle die Hypothese des
starren Körpers unzulässig: E wird nachgeben, die Stäbe BE und D E
Nr. 168. § 34. Einl. in d. Theorie d. statisch bestimmten, ebenen Fachwerke. 265
werden sich etwas ansdehnen unter der Einwirkung einer sehr großen^
aber immerhin endlichen Spannung. Denn sowie der Winkel BED
auch nur ein wenig von einem Rechten abweicht, wird ky nach EB
und ED zerlegt, endliche Komponenten haben.
168. Dreiecksfaohwerke. Unter den statisch bestimmten
Fachwerken zeichnen sich durch ihre leichte Behandlungsweise wieder
die sogenannten einfachen Fachwerke aus, wie Föppl sie nennt,
2
Flg. US.
d. h. solche Fachwerke, die dadurch entstehen, daß man an ein Dreieck
als Grundfigur einen vierten Knoten durch zwei Stäbe anschließt und
so weiter immer einen neuen Knoten an schon zwei Yorhandene
Knoten durch zwei Stäbe angliedert. Ein solches Fachwerk kann
man von rückwärts durch sukzessive Wegnahme von zwei Stäben
abbauen, d. h. auf ein Dreieck zurückführen.
Zu diesen Fach werken ge-
hören als wiederum besonders
einfach die sogenannten Drei-
ecksfachwerke, bei denen der
Anschluß eines neuen Knotens
immer an die beiden voran-
gehenden Knoten geschieht, so
daß das Ganze aus aneinander
anschließenden Dreiecken be-
steht. Die typische Figur ist 142.
Diese Dreiecksfach werke werden stets von einem geschlossenen Poly-
gon gebildet, das dann durch einen Streckenzug, welcher keinen Knoten
mehr als einmal passiert, in Dreiecke zerlegt wird. Siehe z. B. die
Fig. 14S.
Flg. 144.
Figur 142: 1, 2, 3, . . .,8 ist der geschlossene Polygonzug, 2, 8, 3, 7,
4, 6 der einfache Streckenzug. Dieses Dreiecksfachwerk kann von 1
oder von 5 aus abgebaut werden.
266 ^11- Statik der Systeme. Nr. 169.
Man nennt wohl auch die beiden Polygonhälften 1, 2, S, 4, 5
den Obergurt^ 1; 8, 7, 6, 5 den Untergurt, die anderen Stöbe die
Diagonalen.
Auch der einfache Polonceauträger oder Wiegmannbinder
(Fig. 143) gehört hierher;
A dagegen nicht mehr der
Mohni^träger (Parallel-
träger) (Fig. 144), der aber
wohl noch ein einfaches
Fachwerk darstellt.
Der zusammengesetzte
Polonceauträger (Fig.
145) ist kein einfaches Fach-
werk mehr, kann aber als
aus zwei einfachen Fach-
^ werken ABC und DEC be-
Yig.u5. stehend betrachtet werden,
welche durch den Knoten C
und den Stab BD miteinander verknüpft sind.
169. Die Bittersche Sohnlttmetfaode. Ein Fachwerk dient,
wie schon gesagt, als Träger. Es muß also noch irgendwie auf-
gestützt sein. Es genügt dazu, daß ein Knotenpunkt durch ein
Zapfenlager fest mit der Erde yerbunden ist, ein zweiter sich auf
eine Fläche aufstützt. Man kann dann zunächst aus den sonstigen
äußeren Kräften (den Lasten, Winddruck usw.) diese Stützreaktionen
nach irgendeiner Methode bestimmen: es handelt sich ja um keine
andere Aufgabe als die, am starren Körper ein ebenes Kräftesystem
in zwei Kräfte zu zerlegen; von einer Kraft ist der Angriffspunkt
(das feste Lager), von der anderen die Angriffsgerade (normal zur
Lagerfläche) gegeben. Diese Aufgabe ist nach verschiedenen Methoden
gelöst worden (siehe Nr. 122).
Wir sehen also im folgenden alle äußeren Kräfte als bekannt
an und die Gleichgewichtsbedingungen des ganzen Fachwerks als erfüllt.
Eine in sehr vielen Fällen bequem anwendbare Methode, die
Stabspannungen zu finden, hat A. Ritter gegeben:
Angenommen, man kann einen Schnitt durch das Fachwerk
legen, welcher gerade drei Stäbe trifft, die nicht durch einen Punkt
gehen. Nach dem Schnittprinzip ist jetzt der abgeschnittene Teil im
Gleichgewicht, wenn man die Schnittreaktionen, d. h. die drei Spannungen
S^f S^y S^ mit iil Rechnung zieht. Stellt man also die drei Gleich-
gewichtsbedingungen auf, so wird man drei Gleichungen mit drei
Unbekannten erhalten, die man auflösen kann.
Man wird nun am besten so verfahren:
Will ich S^ im Stabe (1) berechnen und schneiden sich 5, und
Nr. 170. § 34. Einl. in d. Theorie d. statisch beatimmten, ebenen Fachwerke. 267
S^ in Ol, so werde ich 0^ zum Momentenpunkt wählen. Hat S^ den
Abstand h^ von 0^, die äußere Kraft i den Abstand a, so mnß sein
also
Sj = =F ^ 2; ± aÄ.
h^ und die Abstände a entnimmt man aus der Figur. Die Voi'zeichen
bestimmen sich aus dem Sinn der
Momente. Natürlich sind nur die k
zu nehmen, welche an dem abge-
schnittenen Teü angreifen.
Sollten ^2 und S^ parallel
sein, so setzt man die Summe der
Fig. U6.
0,
8ina y
Kräfte senkrecht zu der gemein-
samen Richtung von S^ und S^
gleich Null. Büdet S^ den Winkel a
mit dieser Richtung, während die
Kräfte Tc die Komponenten h^ senk-
recht zu der Richtung von S^ und
5, haben, so ist
5i sin« + 2hy
woraus sich sofort
ergibt.
Nach diesem Ritterschen Schnittverfahren können die Beispiele
der Figuren 142, 143, 144, 145 alle behandelt werden, wie überhaupt
alle Dreiecksfachwerke. Bei dem Mohnieträger muß nur für den
mittleren senkrechten Stab ein besonderes Verfahren eingeschlagen
werden. Bei dem zusammengesetzten Polonceauträger kann man nach
dem Ritterschen Verfahren leicht
die Spannung im Stabe BD finden.
Aufgabe 89: Für den einfachen
Polonceauträger berechne man die Span- ._
nungen in den Stäben 1,2,3 im Falle der
gezeichneten Belastung. Es sei |7 = 100 kg,
^ a= 50 kg, a = 3 m, h (die ganze Spann-
weite) 8 m, der Winkel ß der Kraft q
gegen den Horizont 10^. A sei ein fester
Punkt, B horizontal aufgestützt. (Fig. 147.)
170. Die Methode des KrUteplans besteht darin, daß man
für jeden Knoten die Gleichgewicbtsbedingung einfach dadurch zum
Ausdruck bringt, daß man aus den an dem Knoten angreifenden
äußeren und inneren Kräften ein geschlossenes Polygon zeichnet.
Flg. 147.
268
YII. Statik der Systeme.
Nr. 170.
Bei dem einfachen Fachwerk führt nun diese Methode immer
zum Ziel.
Man fängt bei dem letzten Knotenpunkte (n) an, der durch zwei
Stabe mit den anderen verbunden ist. Man zeichnet die äußere Kraft k^
und ergänzt sie zu einem Dreieck, indem man durch die Endpunkte
Yon k^ Parallele zu den beiden Stäben zieht. Denn die Stab-
Spannungen haben ja die Richtung der Stäbe. Man hat so schon
diese beiden Stabspannungen gefunden und zwar mit einem Sinn —
so wie sie auf den Ejioten (n) wirken — , weun man nur bedenkt,
daß das Kräftedreieck, im Sinne der Kräfte umlaufen, geschlossen sein muß.
Nun geht man zum nächsten Knotenpunkt (n — 1) über; er wird
durch zwei neue Stäbe (3 und 4) an das Fachwerk angeschlossen
sein. Außerdem kann einer von den Stäben 1, 2, deren Spannungen
man schon kennt, dort münden. (In unserer Figur 148 ist es so,
nämlich Stab 1 endet in (n — 1)). Man zeichnet sich nun k^^i und
die Spannung von (1) zu einem Kräftezug zusammen (aber (1) mit
umgekehrtem Pfeil, da die Wirkung auf den Knoten (w — 1) die ent-
gegengesetzte ist wie die auf den Knoten (n)) und ergänzt nun diesen
Zug zu einem Viereck, indem man zu den Stäben (3) und (4) Parallele
zieht. Damit sind die Spannungen in diesen Stäben inklusive Sinn
gefunden.
So fährt man fort. Das Verfahren führt zum Ziel. Man nennt
die Gresamtheit der E[ra{iecke den Ejräfteplan. In manchen Fällen
Nr. 171. § 34. Einl. in d. Theorie d. statisch bestimmten, ebenen Fachwerke. 269
wird man zweckmäßigerweise die Bittersche Methode mit der Methode
des Kräfbeplans verbinden: Beim zusammengesetzten Polonceau-
träger z. B. (siehe Fig. 145) wird man zuerst nach der Ritterschen
Methode die Spannung im Stabe BD berechnen. Dann betrachtet
man allein den Teil DECf der ein einfaches Fachwerk ist und für
den jetzt die Spannung in BD als äußere Kraft angesehen werden
muß, und behandelt ihn nach der Methode des Kräfbeplans.
171. Der OremonaBche Krftfteplan. In dem vorhergehenden
Beispiel hätten wir das doppelte Ziehen der Kxaft (1)^ die dem
Stabe (1) entspricht, ersparen können. Denn man kann ersichtlich
die beiden Kraftecke für (n) und (n — 1) zusammenschieben, so daß
die beiden Spannungen (1) sich decken. Und zwar erkennt man, daß
dann die äußeren Kräfte h^ und k^_^ an einer Ecke mit fortlaufendem
Pfeilsinn zusammenstoßen.
Betrachten wir auch noch das E^rafteck, das zum dritten Knoten
(n — 2) gehört. Man kann es jedenfalls
so parallel an das Krafteck für (n) heran-
schieben, daß die beiden Kräfte des Stabes (2)
sich decken. Da man die Reihenfolge der
Kräfte frei hat, so kann man es weiter er- Ü'
reichen, daß k„_^ mit Jc^ in einer Ecke zu-
sammenstößt, nämlich in der Ecke, wo (2)
dies tut. Man braucht nur in dem Krafteck
für (n — 2) die Kraft ifc„ « an die ent- „, ,,„^
^ ^ n — I Fig. 148 b.
sprechende Ecke Yon (2) zu setzen.
Nun kommt noch die Stabspannung (4) doppelt vor, nämlich in
(n — 1) und (w — 2). Man kann aber durch geeignete Ordnung von
(3) und (4) im Krafteck (n— 1) erreichen, daß auch die beiden
Spannungen (4) sich beim Zusammenrücken decken. Das ist mög-
lich, wenn (4) in dem Eck (n — 1) und dem Eck (n — 2) so ein-
geordnet wird, daß es an zwei schon gezeichnete Kräfte angrenzt, die
beim Zusammenschieben in einer Ecke zusammenstoßen, und zwar in
einer Ecke, die für (n — 1) noch frei ist. Man sieht, daß das nur die
Ecke sein kann, wo (1) und (2) zusammenstoßen.
Man hat also so zu zeichnen, daß (1), (2), (4) durch einen Punkt
hindurchgehen, d. h. die Spannungen derjenigen Stäbe, die ein Dreieck
bilden.
Das ist die allgemeine Kegel, wenn man einen Kräfteplan zeichnen
will, in dem keine Stabspannung doppelt vorkommt, daß man dafür
Sorge trägt: daß im Plan die Spannungen derjenigen Stäbe durch
einen Punkt gehen, welche im Fachwerk ein geschlossenes Dreieck
bilden.
Es ist nach dieser Regel kein Zweifel mehr, wie man nach k^^f,
(2) und (4) jetzt (5) und (6) zu zeichnen hat. Es bilden die Stäbe (3),
270 VII. Statik der Systeme. Nr. 172.
(4), (5) ein Dreieck, also hat man (5) parallel durch die Ecke za
ziehen; in der (3) und (4) zusammenstoßen. (6) versteht sich dann
von selber.
Man nennt nun einen Eraffceplan, bei dem keine Kraft, weder
eine äußere noch eine innere, doppelt gezeichnet zu werden braucht,
einen Cremonaschen Eräfteplan. Es gibt keineswegs für jedes
Fachwerk einen Cremonaschen Kräfteplau.
Wir wollen nur allgemein zeigen, daß es einen solchen Gremona-
plan für Dreiecksfach werke gibt und die Regeln kennen lernen, ihn
zu zeichnen.
172. Fortsetmng. Wir wollen den folgenden Satz beweisen:
Zu einem Dreiecksfachwerk kann man einen Eräfteplan so zeichnen,
1. daß jeder inneren und äußeren Kraft des Fachwerks eine
Parallele im KriLfteplan entspricht,
2. daß Kräfte, welche im Fachwerk durch einen Knotenpunkt
gehen, im Kräfteplan ein geschlossenes Polygon bilden,
3. daß die Spannungen der Stäbe, welche im Fachwerk ein
Dreieck bilden, im Kräfteplan durch einen Punkt gehen,
4. daß die äußeren Krafte des Fachwerks im Kräfteplan für sich
ein Polygon bilden und zwar in der Reihenfolge, wie sie in der
Gurtung aufeinander folgen,
5. daß die beiden äußeren Kräfte von je zwei durch einen
Gurtungsstab verbundenen Knoten mit der Spannung dieses Gurtungs-
stabes im Kräfteplan durch einen Punkt hindurchgehen.
Durch die Betrachtungen der vorangehenden Nummer kann der
Satz für die drei letzten Knoten als erwiesen gelten. Was speziell
Behauptung 4. angeht, so sehen wir, daß tatsächlich k^^^, k^y k^_^ auf-
einander folgen, und was 5. angeht, so gingen wirklich k^, 2 und
K^i} sowie i^, 1 und k„_i durch einen Punkt hindurch.
Wir beweisen den Satz durch den Schluß von {v + 1) auf (t/);
d. h. wir nehmen an, daß er für die Knoten (n) . . .{v + 1) und alle
Stäbe und Dreiecke, welche auf den (v)^^ Knoten folgen, richtig sei.
Und beweisen ihn jetzt für den v^^ Knoten.
Dieser Knoten sei durch den Stab A' mit dem (v + 1)^^ Knoten,
durch den Stab A mit dem (y + 2)^ Knoten verbunden. X wird ein
Gurtungsstab, X' ein Diagonalstab sein. Denn beim Abbauen des
Dreiecksfachwerks folgen die Knoten dem Diagonalzug, springen also
von dem einen Gurt zu dem andern.
Durch die Stäbe x und x sei der v^ Knoten mit den Ejioten
(f/ — 1) und (v — 2) verbunden: x' wird ein Diagonalstab, x ein
Gurtungsstab sein.
Zu zeigen ist, daß man parallel zu ä;,, X, A', x, x ein Polygon
zeichnen kann, so daß 1. k^j A, k^^^ durch eine Ecke gehen, 2. A', x'
und 6 durch eine Ecke gehen, wo 6 den Stab bedeutet, der den
Nr. 178. § 34. Einl. in d. Theorie d. statisch bestimmten, ebenen Fachwerke. 271
(y + !)*•" Knoten mit dem (v — 1)*^ verbindet, daß 3, k^ und x durcli
eine Ecke gehen und 4. desgleichen x und x'; 5. endlich müssen k^
und Jby^2 mit fortlaufendem Pfeilsinn aneinander stoßen. \'orhanden
Flg. 149.
sind schon A, A' und 6y und zwar gehen^ da der Satz für alle auf (i/)
folgenden Knoten richtig sein sollte,
kj k' durch eine Ecke,
A, Är^^2 durch eine Ecke,
tf, k^^x durch eine Ecke,
6, a durch eine Ecke.
Man kann nun sofort 1. und 5. dadurch erfüllen, daß man k^ in
die Ecke k^^^ mit X münden läßt, so daß k^ und k^^^ fortlaufenden
Pfeilsinn haben. Um 2. zu erfüllen, hat man durch die Ecke von 6
mit X' eine Parallele zu x zu ziehen. Bedingung 3 be&iedigt man
dadurch, daß man durch das freie Ende Ton k^ eine Parallele zu x
zieht und diese mit der zu x' schneidet, wodurch auch 4. erreicht ist
Tatsächlich bilden jetzt auch, wenn man x und tc einen geeigneten
Sinn gibt, k^j A, A', x, x ein geschlossenes Polygon mit durchgehendem
Pfeilsinn.
Der Beweis des Satzes ist damit erbracht.
Der Leser wird den Beweis am besten yerstehen, wenn er selbst den Cre-
monaplan für ein beliebiges Dreiecksfachwerk durchkonstruiert. Da alle Drei-
ecksfachwerke vom selben Typus sind, ist der empirische Beweis an einem Bei-
spiel für alle zwingend.
173. Besiproke Flgnren. Zeichnet man in ein Dreiecksfach-
werk noch das Seilpolygon ein, wobei die äußeren Kräfte in der
Reihenfolge zu nehmen sind, wie man auf sie beim Umfahren des
Gurtes stößt, und nimmt man zu den Dreiecken des Fachwerks das
Seilpolygon und noch die Vierecke hinzu, welche aus zwei benach-
barten äußeren Ejräften, dem zugehörigen Seilstrahl und dem zu-
gehörigen Gurtstab gebildet werden, ergänzt man schließlich den
272 Vn. Statik der Systeme. Nr. 178.
Kräfbeplan durch den Pol und die Polstrahlen, so läßt sich der Satz
der Yorherp^ehenden Nummer so aussprechen:
Zu jedem Dreiecksfachwerk gibt es einen Erafteplan^ so daß
1. den Linien der Fachwerksfigur parallele Linien des Erafteplans
ein-eindeutig entsprechen,
2. den Polygonen der einen Figur Eckpunkte der andern.
Man nennt nun Figuren, welche diese beiden Eigenschaften haben,
reziproke Figuren. Ihre erste Theorie und Anwendung auf das
Fach werk stammt Ton Maxwell.
Maxwell zeigte auch, daß alle Fachwerke, welche sich als ortho-
gonale Projektionen eines Eulerschen Polyeders auffassen lassen, einen
reziproken Kräfteplan haben. Der Beweis dieses Satzes, den Cremona
unter Benutzung des Nullsystems (siehe § 27) gab, ist äußerst einfach:
Man wähle nach Belieben ein Nullsystem, dessen Achse auf der
Ebene des Fachwerks senkrecht stehe. Dem Polyeder, dessen Pro-
jektion unser Fachwerk ist, wird wieder eindeutig ein Polyeder zu-
geordnet, indem man jeder Ebene des ersteren ihren Nullpunkt, jedem
Eckpunkt des ersteren seine Nullebene zuordnet. Betrachtet man
aber den Schnitt g zweier Ebenen und die Yerbindungsgerade g' ihrer
Nullpunkte, so sind diese beiden Geraden nach den Sätzen des § 27
einander konjugiert.
Es wird also durch das Nullsystem dem einen Polyeder ein
anderes so zugeordnet, daß entsprechende Kanten einander konjugiert
sind und dabei den Ecken des einen die Flächen des anderen ent-
sprechen. Projiziert man nun aber ein Nullsystem parallel zu seiner
Achse (der Zentralachse) orthogonal auf eine Ebene, so gehen kon-
jugierte Gerade in parallele über, wie unmittelbar daraus folgt, daß
konjugierte Gerade mit der Zentralachse eine gemeinsame Normale
haben.
Tatsächlich gehen also die beiden durch das Nullsystem einander
zugeordneten Polyeder in reziproke Figuren über: nach Voraussetzung
ist die eine unser Fachwerk mitsamt den äußeren Kräften und einem
Seileck; die andere muß dann yon selbst der Kräfteplan sein, da die
beiden hinreichenden Bedingungen erfüllt sind:
1. Die Linien des Kräftesystems sind den Linien des Fachwerks
parallel.
2. Linien, welche im Fachwerk durch einen Punkt gehen, bilden
im Kräfteplan ein geschlossenes Polygon (notwendige und hinreichende
Gleichgewichtsbediugung).
Allerdings ist damit zunächst nur gezeigt, daß es bei noch offen
gelassenen äußeren Kräften einen reziproken Kräfbeplan gibt.
Der Satz bleibt aber auch richtig, wenn die äußeren Kniffe fest
gegeben sind.
Nr.l74. §34. Einl. in d. Theorie d. statisch besti^uDten, ebenen Fachwerke. 273
Um das einzusehen^ denke man sieh zunächst irgendeinen Eräfte-
plan gezeichnet, so wie ihn irgendeine Auffassung der Fachwerksfigur
als Projektion eines Polyeders ergibt.
Nun zeichne man für jeden Knoten das Eräftepolygon den wirk-
lichen äußeren Kräften entsprechend: dabei ordne man die Ejräfte
genau so wie in dem ersten Plan. Dann werden lauter Polygone
entstehen, deren Seiten denen der ersten Polygone parallel und gleich-
geordnet sind.
Daraus also folgt, daB sich die neuen Polygone genau so zu-
sammenschieben lassen müssen wie die alten, d. h. daß ein Maxwell-
scher Kräfteplan entsteht.
Nwht alle Fachwerke sind MaxiveüscJie Fa^chwerle, d. h. solche, mi
denen ein reziprolcer Kräfteplan existiert: wohl hat F. Schur den
Satz bewiesen, daß es nach Einführung gewisser idealer Stäbe und
idealer Knoten immer möglich ist, einen reziproken Kräfteplan zu
zeichnen. Darauf können wir hier nicht näher eingehen. Ebenso
müssen wir die Methoden von Mohr und Müller-Breslau unbe-
«
sprochen lassen, desgleichen die Theorie der räumlichen Fachwerke,
die der statisch unbestimmten Fachwerke, sowie die Theorie
der Nebenspannungen. Dagegen behandeln wir noch
174. Die Methode der Stabvertanschung nach Henne-
berg. Angenommen, man könne ein statisch bestimmtes Fach werk
dadurch auf ein anderes zurückführen, für welches man irgendwie die
Spannungen bestimmen kann, daß man einen Stab (a) durch einen
anderen {h) ersetzt. Dann kommt man durch folgende Schritte zum Ziel:
1. Man nehme die Vertauschung vor und bestimme die Span-
nungen aus den gegebenen äußeren Kräften: o in (a), B^ in (6), S> in
den anderen Stäben. (Zug etwa positiv, Druck negativ gerechnet.)
2. Man lasse alle äußeren Kräfte & fort, dafür aber willkürlich in der
Linie von (a) auf beide Knoten den Zug 1 als äußere Kraft wirken
und bestimme abermals die Spannungen: 1 in (a); S' in (i); S" in
den anderen Stäben.
3. Da die Gleichgewichtsbedingungen lauter lineare Gleichungen
in den Spannungen sind, so bilden bei willkürlichem X die S' -f AS"
ein Spannungssystem, das ebenfalls zu den äußeren Kräften h gehört,
wobei in (a) die Spannung Z, in (6) die Spannung B" + IB" herrscht.
4. Man bestimme endlich X so, daß in dem Zusatzstab (6) keine
TD'
Spannung herrscht, also H -\- XB* =0, d. h. ^ "^ — ^* ist. Dieses X
ist dann die wahre Spannung in (a), sowie die S* -{- XS' die wahren
Spannungen in den anderen Stäben sind.
174a. Literatur. Einen Überblick findet man in dem Artikel
von Henne b er g: „Die graphische Statik der starren Körper." Enzykl.
Bd. IV, Art. 5.
Hftmel: Elementare Muchsnlk. 18
274 Vn« Statik der Systeme. Nr. 176.
Die hauptsäcUichsten Publikationen seien genannt:
J. G. Maxwell: Abhandlangen (1869 bis 1876) in den ^^Scientific
Papers" (Cambridge 1890).
Cremona: ,yLe Agare reciproche nella statica g^fica.^' 1872. Mit-
Zusätzen unter dem Titel ^es figures r^eiproques de statique gra-
phique". 1885.
Föppl: „Theorie des Fachwerks" und „Das Fachwerk im Räume". 1892.
0. Mohr: Verschiedene Publikationen (1874 bis 1887), zusammen-
gestellt in den „Gesammelten Abhandlungen".
A Ritter: „Elementare Theorie und Berechnung eiserner Dach- und
Brückenkonstruktionen." 1 863.
Müller-Breslau: yfiie neueren Methoden der Festigkeitslehre und
der Statik der Baukonstruktionen" 1886. ,^eitrag zur Theorie des
i^umlichen Fachwerks" im Zentralblatt der Bauyerwaltung 12 (1892).
F. Schur: „Über ebene einfache Fachwerke." Math. Annalen 48 (1897).
„Über die reziproken Figuren der graphischen Statik." Ztschr. f.
Math. u. Physik, Bd. 40 (1895).
Wieghardt: Diss., Göttingen 1903 („Schlaffe Diagonalen"). Auszug
im Zentralbl. d. Bauverw. 1903. Weitere Arbeiten (über hochgradig
statisch unbest. Fachwerke) in den Mitt. d. Ver. z. Ref. d. Gewerbfl.
1906 und Z. f Math. u. Phys., Bd. 53 (1906).
Die Theorie der Nebenspannungen wurde Yon Engesser (Z. f.
Baukunde 1879, Z. d.y. d. Ing. 1888), von Manderla (Allg. Bauzeitung
1880 und 1886), sowie von Mohr (Ziv.-Ing. 1892, 1893) begründet.
Von Lehrbüchern seien genannt:
A. Föppl: „Vorlesungen über technische Mechanik", Bd. IL
Henneberg: „Statik der starren Systeme."
Müller- Breslau: „Die graphische Statik der Baukonstruktionen."
Schlink: „Statik der Raumfachwerke."
§ 36. Elemente der Gewolbetheorie.
176. Oleiohgewicht eines Keilsystems. Stellen wir uns
Tor, daß wir eine Reihe prismatischer starrer Körper haben, die. so
geordnet sind, daß der n^ den (n — 1)**° und (n + 1)*®° in je einer
ebenen Fläche berührt. Der Einfachheit halber nehmen wir an, daß
die Fugen (Berührungsflächen) alle auf einer Ebene senkrecht stehen
und daß sich die für das ganze System äußeren Kräfte auf Krafte in
derselben Ebene reduzieren lassen, so daß wir ein ebenes Problem
vor uns haben.
Das Ganze sei an beiden Enden durch feste Unterlagen gestützt:
zwischen den starren Körpern untereinander und zwischen ihnen und
den Unterlagen seien nur Normaldruck und Reibung wirksam.
Nr. 176.
§ 86. Elemente der G^ewölbetheorie.
275
Dann haben wir ein Eeilsystem Tor uns, das als Modell eines
Tonnengewölbes aus Hausteinen gelten kann. Von Mörtel ist ab-
gesehen^ man könnte ihn aber sehr leicht berücksichtigen durch An-
nahme eines großem Reibungskoeffizienten. Denn auf Zug laBt man
Mörtel in der Praxis wohl nie beanspruchen.
Die Körper seien mit 1 . . . n bezeichnet^ die Fugen mit 0 bis n,
die Resultierende der auf den i^^ Körper wirkenden äußeren Kräfte
mit Ausnahme der zwischen den Körpern wirksamen Druck- und Rei-
bungskräfte sei £y. (Eingerechnet also Eigengewicht, Belastung,
Winddruck usw.)
Setzen wir nun an jeder Fuge (v) Normaldruck und Reibung,
welche vom (i/ — 1) ^ auf den (v) **'^ Körper ausgeübt werden, zu
einer Resultierenden D^ zusammen, so steht der v^ Körper unter Ein-
wirkung dreier Ej^fte: D^, k^ und — D^^^. Es müssen also diese
drei Kräfte durch einen Punkt S^ gehen.
Des weiteren aber müssen sie nach Richtung und Größe anein-
ander gereiht ein geschlossenes Dreieck geben. Man erkennt daraus
sofort: Fängt man an, diese beiden Bedingungen vom ersten Körper
an bis zum letzten der Reihe nach zu erfüllen, so erhält man einen
gebrochenen Polygonzug S^S^ . , . S^ mit den Ecken auf den Angriffs-
geraden der Kräfte, während im Krafteck Kq . , . K^ alle Kräfte D
von. einem Punkte P ausgehen. Dabei sind die D, d. h. die Strecken
PK den Strecken des Polygons S^ , . . 8^ parallel.
Die Beziehung beider Figuren zueinander ist also genau die eines
Seilecks zu einem Poleck.
Außer den bisherigen Bedingungen sind aber noch zwei Reihen
Yon Ungleichheiten zu erfüllen: 1. Die Normaldrucke zwischen den
einzelnen Körpern müssen Drucke im e^entlichen Sinne sein. Dar-
aus folgt: a) jDy muß an der v^*^ Fuge vom {v — l)*''* auf den v*^^
Körper zugerichtet sein, b) Der Angriffspunkt A^ von D^ in der
Fuge muß innerhalb der Fuge, d. h. innerhalb der wirklichen Be-
18^
V
tan
276 VIL BUtik der Sjrteme. Nr. 176.
rfihrungvfläche der be^en Körper Hegen (siehe dem Ssfcz fiber parallele
Kräfte, Nr. 135). 2. Es dfirfen die Dmekkiafte D Ton den Nonnalen
der Fugen höchstens um den Reibnngswinkel q> abweichen.
Diese Bedingungen sind nnn auch hinreichend, sofern die Hypo-
these der starren Körper znlässig ist.
Wir können also zosammenfassen:
Damit das in Bede stdtende Keilsyfiem (GetcStbe) im Gleid^
gewicht sei^ ist nottcendig und hinreichend, daß sidt 1. im Polygon
K^, . .K^der äußeren Kräfte Jc^. . Ä\ein Pol P so finden lasse, daß
jeder Polstrahl PK^ mit der Normalen der v*" Fuge einen Wi9ikd
Jdeiner als den BeSbungswinkel einsdUießt und vom (v — Ij*" auf
den v^ Körper zugerichtet sei, und daß sich 2. zu wenigstens einem
den Bedingungen J. genügenden Pol P ein Seilpolygon so finden
lasse, daß dasselbe die Berührungsd^enen zwischen den Körpern notk
innerhalb der Fugen trifft,.
Um die Erfüllbarkeit dieser Bedingungen zu konstatieren, wird
man damit beginnen, durch jeden Punkt K^ des Kraftecks nach der
erlaubten Seite hin die Hälfte des Reibungskegels zu zeichnen: Diese
Kegel müssen dann ein gemeinsames Gebiet haben und in diesem
kann zunächst P noch willkürlich gewählt werden. Es muß sich
dann aber zu einem dieser P ein Seilpolvgon ziehen lassen, das den
Bedingungen 2. genügt.
Man wird zu dem Zweck extreme Fälle probieren, z. B. nachsehen,
ob ein sehr steiles Seilpoljgon ( P möglichst nahe an J^ . . . K^ im
obersten Punkte der 0^*^ Fuge angefangen, jede Fugenebene oberhalb
des tiefsten Punktes sclineidet, oder ob ein eventuell Torhandenes
flachstes Seilpolygon (P möglichst weit weg von Ä^ . . . K^, an-
gefangen vom tiefsten Punkte der (O)**" Fuge jede Fuge unterhalb
ihres höchsten Punktes tri£Ft. In ähnlicher Weise wird man noch
in manchen Fällen die Möglichkeit des Gleichgewichtes direkt einsehen
können oder sonst irgendwie probieren, ob man ein Seilpolygon ziehen
kann, das der Bedingung 2. genügt. Man sieht^ daß das Problem im
aÜKcmeinen dreifach statisch unbestimmt ist: man hat innerhalb eines
gewissen Bereiches die Ls^e von P frei und den Anfangspunkt Ä^
des Seilecks.
Man muß aber nicht glauben, daß nun irgendein Seilpolygon,
das den genannten Bedingungen genügt, das wirkliche Druckpoly-
gon sei, d. h. daß die PK^ die wirklichen Drucke B und die Punkte
Ä^ ihre wirklichen Angriifspunkte (die sogenannten Druckmittel-
punkte) darstellen. Die Hypothese des starren Körpers gibt nur
eine dreidimensionale Mannigfaltigkeit von Polygonen, unter denen das
richtige auszusuchen eine Aufgabe der Elastizitätstheorie ist. Diese
Aufgabe geht aber über den Rahmen dieses Buches hinaus. (Man
findet darüber einiges in Föppl, 11.)
Nr. 176. § 86. Elemente der GewOlbetheorie. 277
176. Dmokkiizire und Btfttilliiie. Wir wollen die Idealisie-
ning betrachien, daß wir uns das Gewölbe ans einer unendlichen An-
zahl unendlich schmaler starrer Körper (unendlich dünner Platten)
mit der Belastung dk Torstellen. Dieser Grenzübergang wird dann
praktisch sein, wenn das Gewölbe tatsächlich aus sehr vielen kleinen
Steinen (Ziegeln) besteht
Bei diesem Grenzübergang gibt das Druckpolygon zum Entstehen
zweier Kurven Anlaß: 1. die unendliche Mannigfaltigkeit der Druck-
mittelpunkte Ä wird eine stetige Kurve ergeben , die sogenannte
Stützlinie des Gewölbes (line of resistance nach Moseley, dem Be-
gründer der Theorie): ihr Schnittpunkt mit
einer Fuge gibt den Angriffspunkt des re-
sultierenden Druckes D in der Fuge. 2. Die
unendliche Mannigfaltigkeit der Punkte S,
also der Eckpunkte des Di*uckpoljgons auf
den Angriffsgraden der Strafte k wird eben-
falls eine stetige Kurve ergeben, die soge-
nannte Drucklinie (line of pressure): sie
wird von den Drucken D berührt werden, ^ Fig. ui.
und zwar in dem Punkte S, in dem die-
jenige Kraft dk die Drucklinie schneidet, welche zu demselben un-
endlich schmalen Körper zugehört wie der Druck D.
Im GldchgewichisfaUe muß die Stütelinie die Fugen ^ das sind
die Flächen zwischen den unendlich schmalen Teükörperfiy innerhalb
schneiden.
Es ist der Irrtum weit verbreitet, als fielen Druckkurve und
Stützlinie immer zusammen. Das kann vorkommen, wird aber die
Ausnahme sein.
Die Bedingung dafür, daß Druckkurve und StützUnie zusammen-
fcUlen, läßt sich leicht angeben: es muß in der Grrenze die Angriffs-
linie der Kraft dk durch den Schnittpunkt A der Stütelinie mit der
Fuge hindurchgehen.
Dann wird S in A hineinfallen müssen. Denn wäre das nicht
der Fall: ginge in der Grenze dk durch A hindurch, läge aber 8
irgendwo anders auf dk, so w&re dk zugleich die Richtung des
Druckes D, Das geht aber nicht: denn es müssen ja die D im Kraft-
eck durch einen Punkt gehen, es müßte also P auf Kq , , , K^ liegen
und die Kurve zugleich geradlinig sein, d. h. alle dk einander parallel.
Fallen dann auch ihre Angriffsgeraden zusammen, so ist diese ge-
meinsame Gerade zugleich Druckkurve und Stützlinie, wie ja sofort
klar ist; fallen aber die Angriffsgeraden auseinander, so kann dk nicht
durch A hindurch gehen.
Denn zeichnen wir die Kräfte dk und D etwa vertikal und ziehen
X horizontal von Dq an gerechnet; sei z die horizontale Abszisse des
278
Vn. Statik der Systeme.
Nr. 176.
Punktes Ay also auch der horizontale Abstand der Kraft D von Dq,
80 muß nach dem Momentensatz für das Teilsystem auf der einen
Seite von A bezogen auf den Punkt A
*
0
sein, wobei die dk positiv sind.
Differentiieren wir nach 0, so erhalten wir
Do + pi-O,
0
z
was unmöglich ist^ da Dq konstant ist, Idk mit e wächst.
5'
■« — ->
dH
Z — ^
lig. 15>.
Fig. 168 s.
Fig. 15Sb.
Man kann die Bedingung, daß DruckJcurve uud Stütdinie BUr
sammenfaUenj aadi so formulieren: es muß vor dein Grenjnibergang
das Dreieck A^^^S^A^ bei S einen stumpfen Winkd haben.
Das sieht man so ein: Da sich in der Grenze D, gegen Dy_i
nur um den kleinen Vektor dk ändert, so bilden D^ und D^^^ sicher
einen spitzen Winkel miteinander, aber dk fällt in den stumpfen
Winkel hinein, weil es die Differenz von D^ und D^.^ ist.
Ist also das Dreieck A^^^y JL,, S bei S stumpf, so muB dk die
Seil» A^^^A^ schneiden und folglich in der Grenze A^^^^ S^ und A^,
d. h. S und A zusammenrücken (Fig. Iö3a). Ist aber das Dreieck
A^_^S^A^ spitz, so schneidet dk die Strecke A^A^^i nicht und es
werden in der Grenze wohl A und A^^i zu einem Punkte A zu-
sammenrücken, S aber nicht. Im Gegenteil, da der Winkel A^^^SA^
unendlich klein wird wie dk, dieses aber mindestens so stark unend-
lich klein werden wird wie die Breite A^A^_^ des starren Körpers,
so wird S^A^ endlich bleiben müssen, da sonst 4c A^^^SA^ und somit
auch dk weniger stark unendlich klein werden konnten wie ^,^_,,
d. h. die Breite des starren Körpers, dessen spezifische Belastung dann
unendlich würde, was wir im allgemeinen jedenfalls ausschließen müssen.
Es gibt einen Fall, in dem man von vomherein sicher das Zusam-
menfallen Yon Druckkurre und Stützlinie behaupten kann: wenn nämlich
die Kräfte dk mit ihren Angriffslinien ganz in die unendlich schmalen
Teilkörper hinein&llen. Wir wollen ein solches Beispiel behandeln:
Nr. 177.
§ 36. Elemente der Gewölbetheoiie.
279
177. Beispiel des Farabelbogens. Es seien die Fugen ver-
tikal und auch die Belastungen vertikal. Die spezifische Belastung
pro Einheit der Horizontalen sei konstant:
dk = xdXy
wenn dx die Breite eines Teilkörpers bedeutet, x konstant. Die Dicke
des Gewölbes, vertikal gemessen, sei konstant gleich a. Die äußere
Form des Gewölbes sei eine Parabel, h sei die Scheitelhöhe.
Pig. 164.
Das erlaubte Gebiet für die Punkte P wird man erhalten, wenn man
durch die Endpunkte K^ und £» des Kraftecks (es ist K^K^^jKäxl)
0
die Reibungskegel nach links zeichnet — wir fangen die Schichten
von links an zu zählen — und ihr gemeinsames Gebiet sucht. Es
wird dies das schraffierte Gebiet sein, P^ mit der Poldistanz Hq wird
die nächste Lage des Pols P an K^K^k, angeben, Hq die kleinste Pol-
distanz H sein, die möglich ist.
Setzen wir
i
J xdx = L,
0
so daß L die gesamte Belastung bedeutet, so ist nach der Fig. 154
also
(A)
Nun bedeutet H die Horizontalkomponente aller D, den so-
genannten Horizontaldruck im Gewölbe. Damit Gleichgewicht mög-
lich ist, muß also zunächst einmal dieser Horizontaldruck hinreichend
groß sein, wie es die Ungleichung (A) verlangt.
Die Druckkurve wird nun eine Parabel sein, denn wir wissen ja
(Nr. 164), daß bei konstanter spezifischer Belastung die Seilkurve eine
Parabel ergibt.
280 VII. SUtik der Systeme. Nr. 178.
Ihre Differentialgleichung ist
also
Die Scheitelhöhe der Parabel über der Schnittlinie ist also
'=2
Nun darf die steilste Parabel (H^ H^^-^ -A , begonnen im höch-
sten Punkte der linken Seite nicht unter dem höchsten Innenpunkt
des Gewölbes bleiben, es muß also für H^ H^
a + h>h
sein, d. h.
« + 8 IL > *
oder da L ^ xl ist,
^ f
h<a+\fL (B)
Daß die flachste Parabel (die gerade Linie für H » oo) angefangen
im tiefsten Punkte des linken Lagers nicht über den höchsten Punkt
des Gewölbes hinausgehen kann, ist klar.
Man überblickt nun ohne weiteres, daß wenn (B) erfüllt ist,
immer eine Parabel möglich ist, welche den Anforderungen an eine
Stütz- und Drucklinie entspricht.
In der Praxis wird man natürlich zu vermeiden suchen, daß der
Druckmittelpunkt zu nahe an den Rand einer Fuge fallt, da dann
der Stein an der Kante zu stark beansprucht wird. Man wird ent-
sprechend mit einem kleineren a rechnen. Und ebenso wird man
natürlich hinsichtlich f genügend weit unter dem wahren, aber un-
sicheren und schwankenden Werte bleiben.
§ 36. Faden und SeiL
178. Das allgemeine Erstarrnngsprlnzip der Statik«
Axiom YIH: Haben wir ein ganz beliebiges mechanisches System,
auf welches nach den Ausführungen des ersten Kapitels räumlich
verteilte Kräfte dt == xdF wii'ken und an jedem Flächenelement im
Innern und an der Oberfläche Spannungen (Drucke im allgemeinen
Sinne) ddF vorhanden sind, so ist es wohl ganz plausibel, daß im
GleichgewichtsfaUe für jeden herausgeschnittenen Teil die Summe der
äußeren Kräfte und die Summe ihrer Momente verschwinden muß,
Nr. 179. § 86. Faden und Seil. 281
wobei unter den äoßeren Kräften die an dem Teil angreifenden^ räum-
lich verteilten Kräfte und die an seiner Oberfläche wirkenden Druck-
kräfte zu verstehen sind. D. h. das Gleichgewicht wird nicht gestört,
wenn man sich den betreffenden Teil erstarrt denkt.
Die Entwicklung der Mechanik hat aber in Übereinstimmung
mit der Erfahrung auch gezeigt, daß dieses Prinzip hinreichend ist;
wir sprechen demnach als ein neues Grundprinzip der Mechanik das
Axiom aus:
Axiom YIU (Erstarrungsprinzip): Damit ein beliebiges
mechanisches System im Gleichgewicht sei, ist hinreichend
und notwendig, daß für jeden seiner Teile die Summe der
für den Teil äußeren Kräfte und die Summe ihrer Momente
verschwinde.
Die allgemeinen Folgerungen aus diesem Prinzip werden wir
erst im dritten Abschnitt (Nr. 204 und 209) kennen lernen. Es soll
jetzt nur eine spezielle Anwendung folgen.
179. Ber ▼oUkommen biegfsame Faden. Wir haben uns
vorläufig mit dem vollkommen biegsamen Faden schon in Nr. 65 be-
schäftigt und wollen nun die dortigen Ausführungen etwas tiefer be-
gründen.
Wir verstehen unter einem Faden oder Seil einen Körper mit
einer ausgezeichneten Kurve, seiner Mittellinie oder Achse, welche
jede Lage annehmen kann. Der Faden heißt unausdehnbar, wenn die
Mittellinie in allen Teilen unveränderliche Länge besitzt.
Wir setzen weiter voraus, daß sich die äußeren Kräfte, welche
auf den Faden wirken, für jeden durch zwei zur Achse senkrechte,
unendlich benachbarte Schnittebenen herausgegriffenen Teil auf eine
Einzelkraft ,j- .,
reduzieren lassen, welche in der Achse, und zwari nnerhalb des Bogen-
stückes ds der Achse angreift, das zwischen jenen benachbarten
Schnittebenen liegt. Wir nennen nun das Seil vollkommen bieg-
sam, wenn bei der Reduktion der inneren Spannungen an einem
ebenen Querschnitt senkrecht zur Achse in bezug auf den Schnitt-
punkt der Achse mit dem Querschnitt ein Biegungsmoment von vorn-
herein als ausgeschlossen angesehen wird (siehe die Definitionen von
Nr. 157): Das Seil setzt einer Yerbiegung gar keinen Widerstand
entgegen.
Wir erweitern unsere Voraussetzungen dahin, daß auch kein
Torsionsmoment da sein soll, daß sich also der Faden auch beliebig
leicht und widerstandslos verdrehen läßt.
Wir wollen beweisen, daß dann auch keine Schubspannung da
sein kann, so daß sich die ganze innere Spannung in einem Quer-
282 ^^' Statik der Systeme. Nr. 179.
schnitt auf eine Kraft in Richtung der Achse reduziert Endlich und
zuletzt setzen wir diese Spannung als einen Zug yoraus und nennen
ihn 8,
Man könnte auch ruhig einen Druck als möglich annehmen:
eine allerdings erst mit den Mitteln der Kinetik mögliche Betrachtung
würde zeigen, daß entsprechende Gleichgewichtszustande wohl mög-
lichy aber äußerst unstabil wären, d. h. bei der geringsten Störung^
eine radikale Änderung der Konfiguration eintreten würde, so daß
praktisch dieser Fall unmöglich ist.
OiST-Ki? ^^^ beweisen nun den Satz, daß eine
Schubspannung unmöglich ist.
Betrachten wir ein Fadenstück von der
Länge ds, an einem Ende seien die Span-
-Jj. / "^F-frfl7 5.^^8®^ -^ J?^^ ^> ?? andern Ende M + dJBT,
S + dS', S bzw. S + dH seien die Schub-
I -. _ Spannungen.
^ * Wenden wir nun das Erstarrungsprinzip
^^' ^^^' auf unser Fadenstück ds an und wählen den
Anfangspunkt 0 zum Bezugspunkt, so ergibt der Momentensatz
ds(S + dS + U + dH) + ds'x'ds = 0,
wo ds der Vektor der Sehne, ds' der Vektor von 0 bis zum An-
griffspunkte der Kraft dk ist.
Das letzte Glied ist nun zweiter Ordnung unendlich klein, also
gegen das erste wegzulassen, ds{S + dS) ist auch unendlich klein
zweiter Ordnung, denn es ist außer ds auch noch proportional dem
Sinus des unendlich kleinen Winkels, den ds mit der Richtung Ton
S + dS einschließt. Also bleibt
Da H auf ds senkrecht steht, so kann dieses äußere Produkt nur
verschwinden, wenn „ ^
ist. W. z. b. w.
179 b. Fortsetrang. Setzen wir in analoger Weise auch die
Summe der £j*äfte gleich Null, so bekommen wir
{8 + dS)'-S + xds=^0,
(denn da S die Zugkraft des Fadenstückes mit größerem s auf das
Stück mit kleinerem s ist, so wirkt am Anfangspunkt von ds nach
dem Oegenwirkungsprinzip — 8, am Eodpunkt der Zug, der aus 8
beim Fortgang um ds entsteht, i. u 8 + dS), d. h.
Kr. 179. . § 36. Faden und Sqü. 283
Dies ist die hinreichende und notwendige Bedingung des Gleich-
gewichtSy denn es folgt daraus schon das Erstarmngsprinzip fOr jeden
endlichen Teil.
Integrieren wir nämlich (I) über ein Eurrenstück AB, so er-
halten wir
B
A
Das heißt aber bereits^ daß die Summe der äußeren Kräfte verschwindet.
Bilden wir von (I) das Momentprodukt mit r und integrieren,
so erhalten wir
B B
frdS+frxds = 0.
A A
Nun ist aber
VäS-^d^i^-Sdr.
Es ist aber Sdr «- 0, weil 8 und dr dieselbe Richtung haben. Also
bleibt
B
rS\l+frxd8^0,
d. h. die Summe der Momente der äußeren Kräfte yerschwindet.
Sei jetzt ^ ein Einheitsvektor in Richtung wachsender s, also
df -
ds '
so ist _
und aus (I) wird nach Ausführung der Differentiation
-dS , a^^
ds ' ds
Nun haben wir aber früher gezeigt (Nr. 26), daß
da - 1
ds Q '
wenn v den Einheitsvektor in der Richtung der Hauptnormalen, q den
Krümmungsradius bedeutet. Somit bekommen wir
5^ + 1.5. i;«-x. (10
ds * Q ^ ^
Zerlegen wir die Gleichung nach dem natürlichen Koordinaten-
system der Kurve (siehe Nr. 26), habe x die Komponenten x^, x,, x^
nach Tangente, Hauptnormale und Binormale, so folgt
284 VIL Stoitk der Systeme. Kr. 180.
dS
di **"
0 x^
<n
d.lL der Faden legt sich stets so, daß die ganMe äußere Kraft in
die fkkmiegimgsAene kineinßlU, Die tangentiale Komponente der
äußeren Kraft bewirkt dornt eine Verär^derung der Spannung^ die
normale bei gegd^ener Spannung die Krümmung.
180. Spesiallllle. a) Wenn keine längs des Seils yerteilte
Kraft da ist, wenn also insbesondere das Seil masselos (gewichtslos)
ist, so ist X » 0 nnd die Gleichungen (V) ergeben:
1. 5 » const.; das Seil leitet die Spannung nngeandert weiter.
Dies gilt natürlich stets, wenn x^ =« 0 ist, also auch, wenn ein masse-
loses Seil fiber eine glatte Flache gespannt wird, wo dann yon der
Flache auf das Seil nur ein Druck senkrecht zur Flache, also auch
senkrecht zur Seilrichtung ausgefibt wird.
2. » 0 , d h. das Seil ist geradlinig ausgespannt. J>amit sind
die Betrachtui^n Ton Nr. 65 auf eine sichere Basis gestellt
Aus der dritten Gleichung folgt für ein Seil, das masselos ist
und über eine glatte Flache gespannt wird, noch folgendes: die
Schmiegungsebene der Seilkurve enthalt stets die Flachennormale als
Richtung von x, dem spezifischen Normaldruck; diese Eigenschaft
kommt aber auf den Flächen nur den geodätischen Linien zu, also
legt sich ein gespannter Faden auf einer glatten Fläche in eine geo-
dätische Linie, wenn er außer ' Normaldruck und Spannung keinen
Kräften unterworfen ist.
b) Es sei die Belastung des Seils abwärts gerichtet und konstant
pro Einheit der Horizontalprojektion.
Ist dx die Horizontalprojektion von ds, so heißt das
dk =« xds =« x'dx,
wo X konstant ist.
Ist die Belastung von fester Richtung, so ist die Seil-
kurve stets eben. Denn dann ist die Schmiegungsebene, welche
ja dk enthält, auch stets yertikal (dies sei etwa die feste Richtung
von dk)] es schneiden sich aber nach Definition der Schmiegungs-
ebene zwei benachbarte Schmiegungsebenen stets in der Tangente,
wenn sie nicht zusammenfallen, die Kurve also eben ist. Demnach
wäre die Tangente der Kurve vertikal, die Kurve selbst eine vertikale
Grade, die aber auch als eben zu bezeichnen ist.
. Sei nun y die Richtung nach oben, d' der Winkel der Tangente
der Kurve mit der Horizontalen, so gibt die Zerlegung der Gleichung (I)
Ni. 180. § 86. Faden und Seil. 285
selbst nach der Horizontalen und Vertikalen, wenn jetzt JET die Hori-
zontal-, V die Vertikalkomponente yon S bedeutet,
^-0, (1)
, = X oder dV^xds. (2)
Dazu kommt nach der Bedeutung von H und V
Gleichung (1) gibt (immer bei vertikaler Belastung)
Bei vertikaler Belastung ist die Hbrißontalkompanente der Spannung
konstant Ist nun die Belastung konstant pro Einheit der Horizontal-
projektion, also
xds = x'dx,
wo x' konstant, -« y, so gibt (2)
dV ^
dx ~ ^'
v^yx+r,.
Somit nach (3)
dy yx+V^
d. h.
dx Eq
y-yo+'ß-^+ 2 4^*'
die Kurve ist eine Parabel.
Legen wir den Anfang des Koordinatensystems in den tiefsten
Punkt der Kurve, so ist
Sind die Enden des Seils in gleicher Höhe, ist l die Spannweite,
h die maximale Durchbiegung, so muß für y ^h, ^ = « ^®^^' ^* ^'
Man vergleiche das Resultat mit den Betrachtungen von Nr. 164
und 177. Denkt man an die mechanische Bedeutung des Seilpolygons
(siehe Nr. 118), so hätte man das Resultat unserer jetzigen Betrachtung
erwarten können.
286 yil' Statik der SyBieme. Nr. 180
c) Es sei die Belastung des Seils konstant pro Einheit der Seil-
lange selbst; das Seil sei etwa schwer und yon konstantem spezifischem
Gewicht.
Dann ist x selbst konstant » y.
bleibt. Dagegen wird, weil
da = Yda^ + dy*
und
dV _
ds "~^'
dV^y ydx^ -fdy* = ydx yi'+V*.
Mit
wird daraus
-M^-ldx,
d.h.
arsinhyp y'— ^x + c,
Die Kurre ist die gewöhnliche Kettenlinie.
Bemerkung: Wenn im Falle c) das Seil sehr flach gespannt
ist, so kann die Eettenlinie angenähert durch eine Parabel ersetzt
werden. Denn dann ist y' klein gegen 1 und man kann die Gleichung
^I^^^dx
durch die folgende ersetzen
woraus sich ergibt
d. h. eine Parabel, die durch geeignete Wahl des Anfangspunktes des
Koordinatensystems wieder auf die Form
gebracht werden kann (siehe Fall b).
^T, IBO a. § 36. Faden und Seil. 287
Aus Gleichung (A) sieht man^ daß die Parabel dann flach sein
wird, wenn
klein ist L '^ yl ist die gesamte Belastung des Seiles.
Aufgabe 90: Wie stark muß ein Drahtseil von 80 m L&nge gespannt
werden, d. h. wie groß muß die Spannung im tiefsten Punkte sein, damit die
Pfeilhohe h nur 10 cm betr>? Die Dicke des Seiles betrage 6 cm, das spezi-
fische Gewicht des Materials sei 8.
180 a. Enlen Formel fDr die Spannimg in Treibriemen.
Ein Treibriemen (Seil)' umfasse ein Rad mit dem Winkel a. Die
Spannung an der Auf lauf stelle sei S^, an der AblaufsteUe 8^, Die
Bewegung sei so langsam^ daß wir das Problem als statisch behandeln
dürfen (Korrektur siehe später in Nr. 347). Das dem Rad aufliegende
Seilstüek (Riemenstück) ist Normaldrucken dN und Haftreibungen dR
unterworfen. (Von möglichen Schwingungen des Riemens und einem
dadurch veranlaßten Abheben und Schlüpfen werde abgesehen. In
Wahrheit machen sich oft derartige Störungen bemerkbar.) Das
Eigengewicht des Riemens werde vernachlässigt.
Dann ist in den Formeln I" aus Nr. 179: — x^ > 0, sonst un-
bekannty nämlich der unbekannte spezifische Normaldruck, x^, die
spezifische Reibung unbekannt; wohl weiß man, daß
(f ist konstant gleich dem Radius r der Riemenscheibe.
Dann folgt aus 1"
oder, da S > 0,
dS
ds
dS
dS I ^^ /. 1 j
lgS,~lg5, </•% = /•«,
S^e--^''£S^£S^e^^ (Euler).
Die Grenzen können gerade noch erreicht werden.
Ist z. B. eine Schnur ein paarmal (n mal) um einen Stab ge-
wickelt, so kann die Spannung in dem einen Ende auf das ß-^*^"-fache
der Spannung in dem anderen Ende anwachsen. Da e^° mit a sehr
stark wächst, nimmt das Verhältnis S^ : 8^ mit a sehr stark zu.
Darauf beruht die Möglichkeit, schwere Lasten durch mehrmaliges
Umschlingen eines Seiles um einen Stab (Pflock usw.) festzuhalten.
Auf eine Riemenscheibe kann also durch den Riemen im Maximum
das Moment (5^«», — 8j)r = S^r{e^^ — 1) übertragen werden.
288 7U' Statik der SjBtome. Hi. lai, 18S.
181. Dar FlMoheuns ist eiDO der Tieleii VorrichtungeD, die
dazu dieuen, um mit einer TerhältniamäBig kleinen Kraft k große
Lasten zu heben. Er besteht aus zwei Laschen, die Qbereinander
geordnet je eine gleiche Anzahl (n) von Rollen tragen.
Die obere Lasche ist befestigt, die untere, frei beweg-
lich, tragt die Last L. Ein Seil, das an die obere
Lasche geknOpft ist, wird der R«ihe nach abwechselnd
über alle 2» Bollen geschlangen, bis es von der ober-
sten Rolle der obersten Lasche frei herabhängt^ um als
Handhabe der Kraft k zu dienen.
Wir wollen nun zunächst den Fall betrachten, daß
sich die Rollen reibuDgsfrei drehen nnd daß die Seile
Tollkommeo biegsam und masselos seien. Das Gewicht
- der unteren Lasche nebst ihieti Rollen werde in L ein-
gerechnet. Dann ist es leicht, die Frage zu beant-
t Worten, wann k und L sich das Gleichgewicht halten.
Nach den Voraussetzungen wird überall dieselbe
Seilspaunung S — k herrschen: denn einmal wird nach
der vorigen Nummer in jedem freien Seilstöck die
Spannnng S nngeändert weitergeleitet, dann aber wird
anch auf beiden Seiten einer Rolle dieselbe Spannung
herrseben, wie man sofort aus dem Hebelsatz, angewendet
auf eine Rolle, erkennt.
Legen wir nun einen Schnitt durch das System,
der die untere Lasche von der oberen trennt, so trifft
dieser Schnitt 2» Seile. Setzen wir die Summe der vertikalen Kräfte
für den unteren Teil gleich Null, so erhalten wir
Z = 2M.S=2«i,
^-ir,L. (A)
182. BerftokBiohtigniif von WideretAnden. Infolge der
Widerstände, Zapfen reibnng' und Seilsteihgkeit wird die Seilspannnng
auf derjenigen Seite einer Rolle, nach welcher hin die Bewegung
stattfindet, etwas größer sein als auf der anderen Seite. Dieser Unter-
schied kann erfahrungsgemäß der Seilspannung selbst proportional
gesetzt werden — für die Zapfenreibung wissen wir es, für die Seil-
spannnng soll es noch erörtert werden — , so daß die Spannung in
dem Seilstück vor der obersten Rolle nicht k, sondern nur
Ä(l - E,) = S,
sein wird. ;, ist ein kleiner echter Bruch, über den wir noch reden
werden. Ebenso ist dann in dem nächstfolgenden Seilstück die
Sp™»g i(l-.,)fl-.,) «.",
Nr. 188. § 86. Faden und Seil. 289
in dem letzten, an der oberen Lasche befestigten Stück wird sie
*ci-*i)(i:-*.)---(i-o-'S.-
sein. Die Anwendung des Schnittprinzips ergibt jetzt
Si + '-' + Ä^^i
oder
*[(i - «i) + (1 - «i)(i - f,^ + •••]= i-
Die eckige Klammer bestellt aus 2n echten Brüchen, ist also
kleiner als 2n. Es berechnet sich deshalb für k ein größerer Wert
als aus der Formel (A); für «i =* f« ' * * ==^ ^n— ^ ergibt sich
Was nun die t angeht, so werden sie, wie gesagt, von zwei
Ursachen herrühren, der Zapfenreibung und der Seilsteifigkeit. Die
erstere Erscheinung ist uns bekannt (siehe Nr. 143); über die Wirkung
der letzteren kann man sich folgende Vorstellung bilden:
Das Seil wird einer Änderung seiner Krüm- ^^ v.
mung einen Widerstand entgegensetzen. Infolge- /^ ^ — s. \
dessen wird an den Stellen, wo das Seil auf die . ^ *^ t | -&
Rolle aufläuft bzw. von ihr abläuft, also eine Ände- iC^ ^*>^
rung der Krümmung stattfindet, ein Biegungswider-
stand auftreten, der dem Sinne der Krümmungs-
änderung entgegengesetzt sein wird. Diese Mo-
mente B^ und B^ sind so in die Figur eingezeichnet, /fcj ^ ^^^
wie sie auf die Rolle zurückwirken. Der Sinn ergibt ?
sich auch eindeutig dadurch, daß die B der Drehung der Rolle ent-
gegengesetzt sein müssen.
Definieren wir Längen r^ und r^ durch den Ansatz
Bi = S,r,
und sei R der Radius der Rolle, so wird der Momentensatz in bezug
auf die Achse der Rolle geben:
S,(B - r,) -S,iR + r,) - (S, + S,)q » 0, .
wenn q den Radius des Reibungskreises bedeutet. Denn D^^ 8^^ + S^
ist die Belastung der Rolle, bis auf ihr meist zu yernachlässigendes
Eigengewicht.
Daraus folgt
o o -B + '-i + P
und
C Q C **i + '*« + 2p
Hamel: Elementare Mechanik. 19
290 Vn. Statik der Systeme. Nr. 183, 184.
r^+ Q wird klein gegen ü sein; man kann deshalb mit Yemach-
lässigung von Größen zweiter Ordnung schreiben
>!>g — *>1 «= ^l ^
oder
WO
ist. Über q haben wir schon früher (Nr. 143, 145) gesprochen, es
erübrigt sich, einiges über r^ und r, zu bemerken.
183. Experimentelle Ergebnisse Aber die Beilsteiflgkeit.
Der erste, der experimentell die Seilsteifigkeit untersuchte, war
Amontons (um 1700). Er fand, daß für dünne Seile t'j + r, von
der Spannung und dem Radius B der Rolle unabhängig, dagegen der
Dicke der Seile direkt proportional war. Später uahm Coulomb die
Versuche wieder auf (Theorie des machines simples, 1809). Es zeigte
sich, daß r^ -f ^s tatsächlich nur wenig mit der Spannung und dem
Rollenradius schwankte, daß aber bei dickeren Seilen r^ -|- r^ einer
höheren Potenz des Durchmessers proportional zu setzen war. Eine
einfache Formel auf Grund der Coulombschen Versuche gab Eytel-
wein, nämlich ,
r^ + r, •= c • 0%
wo d den Durchmesser des Seiles bedeutet, c eine Materialkonstante.
Redtenbacher bestätigte diese Formel, während Coulomb selbst und
Weisbach zweigliedrige Formeln gaben. Weitere Literaturangaben
siehe Enzykl. IV, 10 (v. Mises).
Irgendwelchen Anspruch auf Exaktheit hat keine der Formeln,
sie stellen nur einen Versuch dar, mit möglichst einfachen Mitteln
eine rohe Abschätzung der durch die Seilsteifigkeit bedingten Korrektur
der Formel (A) (Nr. 181) zu geben.
c schwankt je nach Beschaflfenheit der Seile zwischen 0,13 und 0,3 cm~^.
184. Theoretisoher Ansats fOr das steife Beil. Wir be-
trachten ein Seil wie in Nr. 179, lassen jedoch die Annahme faUen,
daß kein Biegungsmoment vorhanden sei. Dasselbe heiße B, die
Schubkraft, die dann auch nicht immer Null sein wird, H^ die Längs-
spannung S. Wir beschränken uns auf das ebene Problem.
a sei der Winkel, den die Seilrichtung im Sinne wachsender
Bogenlänge s mit einer festen Richtung einschließt, und werde nach
links positiv gezählt,
j- « - = f die Krümmung wird dann positiv sein, wenn sich
die Kurve mit wachsendem s nach links biegt, sonst negativ. (Aus>
nahmsweise sei einmal p nicht stets positiv!)
Nr. 186.
§ 36. Faden und Seil.
291
Hniff
B+dB^
S-tdS
xffds
Ebenso werde H nach links positiv gezahlt und zwar das H, das
von einem Element mit größerem s auf das vorhergehende ausgeübt
wird. Das Biegongsmoment B werde eben-
falls links herum positiv gezählt. Die äußere
Kraft habe die Komponente x^ds senkrecht
zum Seil^ nach links positiv gezählt, x„ds in
Richtung wachsender Bogenlänge. Dann gibt
der Momentensatz für ein Bogenelement bis
auf Größen höherer Ordnung:
dB + Hds = 0;
die Summe der Kräfte gleich Null gesetzt
{^inda = c2a!):
dS - Hda + K^ds = 0,
dH+ Sda +7c^ds^0.
Die erste Gleichung läßt also auf alle Fälle erschließen:
(vgl. I in Nr. 162), die beiden anderen
dB
dl
+ tS + x, = 0.
(2)
(3)
Diese drei Gleichungen genügen noch nicht, um die vier Ab-
hängigen B, Hy S und die Krümmung t bei gegebenen äußeren Kräften
als Funktionen der Bogenlänge darzustellen.
Es bedarf also noch einer physikalischen Hypothese. Man
sieht: wenn B konstant ist, so ist H ^0 und das Seil verhält sich
wie ein voUkommen biegsames Seil.
Wenn übrigens x^ nicht in der Achse selbst angreift, sondern
etwa um die kleine Strecke ö exzentrisch verschoben ist, d nach
links positiv gerechnet, so lautet der Momentensatz
dB + Hds - xjs * - 0,
so daß wir statt (1) erhalten
= — -ff + x^ • d .
d8
(1')
Wenn jetzt B
Die Gleichungen (2) und (3) bleiben ungeändert.
konstant ist, ist H nicht Null, außer es sei x^ ^ 0.
186. Das kräftefreie steife Beil. Wir wollen nun den Fall
betrachten, daß ein Seilstück kräftefrei sei:
-0.
19*
X.
X.
292
YIL SUük der Sjitaiie.
Hi; lt»6.
Dann lasten sieh die Gleichungen Termöge
eehreiben
^ da
dB
ds
^^H,
(1)
dS
da
H nnd
dB
da
--S,
Die beiden letsEfceren Gleichungen kann man sofort integrieren: sie
ergeben
J5r--C' sin (« + €), 1
S = C COB ia -r £)y
(A)
WO C>0 and £ Integrationskonstante sind.
C bedeutet die (konstante) Große der Gesamtspannung in einem
Querschnitt^ —(a + e) ihr Winkel gegen
die Seilrichtung (links hemm positiv ge-
zahlt), also — e den Winkel gegen die
feste Richtung.
Man hätte die Gleichungen (Ä) durch
Anwendung des Satzes Ton der Summe
der Kräfte auf einen endlichen Teil des
Seiles direkt ableiten können.
Gleichung (1) gibt dann weiter
''^f = -Ä-C7ßin(«-r«),
Fiff.l&t.
B = C Csm{a + e)ds + JBj
0
Sei a — 0 nach oben gerichtet^ in derselben Richtung die y- Achse
gelegen, die ovAchse aber nach rechts^ so ist
also
rfrc — — sin adf5, dy « cosad«,
B ^ C I Vsin sdy — cos sdx) + Bq ,
B =» C(y sin f — X cos e) + B^.
(B)
B^ bedeutet das Biegungsmoment an der Stelle x = 0, y ^ 0. Man
hätte auch diese Formel direkt durch Anwendung des Momentensatzes
auf ein endliches Stück des Seiles finden können. Denn -f e ist der
Winkel, den die feste Richtung von C, der Resultierenden von H
und S, mit der y- Achse nach rechts einschließt, weil fär a » 0^
Ä*— — Csinc, S'==C cos 6 ist.
Nr. 186. § S6. Faden und Seil. 293
186. BlnfHhmng der erforderlichen Hypothese. Die Er-
fahrang zeigt^ daß bei steifen, unelastischen Seilen an den Stellen, wo
eine Biegnngsänderung eintritt, ein bestimmtes Biegungsmoment der
Yerbiegung entgegenwirkt (wenn man die Gegenwirkung des Stückes
nach außen betrachtet), das in erster Annäherung der gesamten Seil-
spannung C proportional gesetzt werden kann, sonst aber wesentlich
nur Yon Eigenschaften des Seiles abhängt, also
B ^Cr,
wo die Länge r eine Materialkonstante ist.
Drückt sich schon darin eine große Verwandtschaft mit der Er-
scheinung der Reibung aus, so wollen wir sie als Hypothese aUgemein
aussprechen und folgende plausible Annahmen machen, yon denen eine
Genauigkeit ähnlich den Goulombschen Gesetzen zu erwarten ist.
1. Ändert sich für ein Seilstück bei der Bewegung die Krümmung
j«
nicht, ist jt == 0, so hat B einen unbestimmten Wert, B ist also ein
Reaktionsmoment, das als Unbekannte in die Gleichungen eintritt.
Doch ist stets . -r, ^ .^
wo C die Gesamtspannung des Seiles, r, der „Radius der Seilsteifig-
keit'', in erster Annäherung eine Konstante des gewählten Seiles.
In dieser ersten Annahme drückt sich aus, daß ein Seil einer
Verbiegung einen gewissen passiven Widerstand entgegensetzt, der
bis zu einer bestimmten Grenze geht.
2. Ändert sich für ein Element des Seiles die Krümmung, ist
also ^ + 0, so hat B dasselbe Zeichen, d. h. das Biegungsmoment,
das von außen an einem Seilstück eine Biegung hervorruft, hat den-
selben Sinn wie die Biegungsänderung, wie -jr, ist aber sonst kon-
'**"* B =C.r.
In erster Annäherung bei langsamer Bewegung kann wieder r
als Konstante des Seiles angesehen und zwar r => r gesetzt werden.
Also: das Seil setzt seiner Verbiegung einen Biegungswiderstand
entgegen, der der Seilspannung proportional ist. Die Verbiegung ist
Ursache von B* dieses wird also Reaktionsmoment, sobald eine Ver-
biegung nicht stattfindet.
3. Eine Ergänzung erfordert die Theorie der Seilspannung gegen-
über derjenigen der Reibung: da
dB jj
so muß B stetig sein.
294
VIL Statik der Sysieme.
»r. 187.
Wenn aber an einer Stelle
dl
, sein Zeichen wechselte, so müßte B
plötzlich von Cr auf — Cr springen. Die hier auftretende Schwierig-
keit überwinden wir durch folgende naheli^ende Annahme:
Es kann nicht plötzlich -jr sein Zeichen wechsebi und B Yon
Cr auf — Cr springen. Wird -jj an einer Stelle Null, so folgt auf
sie eine endliche Strecke, wo dt = 0 ist, d. h. die Sjrümmung kon-
stant bleibt. Auf dieser Strecke ist dann B unbestimmt und die
Lange der Strecke, längs der dt=^0 bleibt, bestimmt sich dadurch,
dafi B allmählich Ton Cr auf — Cr übei^eht.
Es wird demnach das steife freie Seil aus Stücken folgenden
Charakters bestehen: 1. aus Stücken, wo B konstant, also H^O ist,
die sich abo wie Stücke vollkommen biegsamer Seile bewegen müssen.
Längs dieser Stücke behält^ , sein Zeichen; 2. aus Stücken, wo
f «» =0 ist, also die Krümmung konstant bleibt. Längs dieser
Stücke geht B von ± Cr in T Cr über. Beim Übergang von einem
Stück zum andern sind B, S, H stetig, t kann eventuell unstetig sein.
187. Folgeningen fBr das krAftefireie, mhende GML ^Be-
trachten wir ein kräftefreies Seil im Ruhezustande. Dann ist nach
Nr. 185
H Csin(a + £),
S= Cco8(a + «)
und
-B =« jBq + (7(y sin ß — rr cos b),
wenn zu Anfang (y » 0, rr = 0) auch a » 0 war, wobei a von der
y- Achse aus nach links gezählt wurde.
Nun gibt
B ^Cr
B^^Cr
— r — ^^ysinc — a; cos « ^ r — ^ •
Es bedeutet aber diese Ungleichung, daß
die Seilkurve in einem Streifen liegt, der
mit der y-Achse nach rechts den Winkel a
einschließt und die Breite 2r hat. Außer-
dem hat die Mittelachse den Abstand df = -^,
der absolut <r ist, nach rechts, wenn d>0.
Das Seil kann dann irgendwie in dem Streifen hin- und herlaufen.
Nr. 188. § 36. Faden und Seil. 295
Ein gespanntes, sonst Jcräftefreies, rufendes Seil wird nach unseren
Hypothesen in einem Streifen der Breite 2r — wo r der Bculius der
SeUsteifigkeit ist — liegen, sonst aber jede Gestalt haben können, also
auch jede Krümmung.
Das aber widerspricht noch offenbar der Ei-fahrung. Auch wenn
wir annehmen wollen, daß r mit wachsendem C abnimmt, bliebe noch
immer das Paradoxon beliebiger Krümmung eines beliebig stark ge-
spannten Seiles.
Es bedarf deshalb noch einer weiteren Hypothese. Diese wird
sich auf H zu beziehen haben. Denn es ist
'S tg(« + ^)
und a + £ ist der Winkel, welchen das Seil mit der Richtung des
Streifens, d. h. der mittleren Seilrichtung einschließt. Wir werden
verlangen müssen^ daß dieser Winkel eine obere Schranke habe^ die
mit wachsendem C kleiner wird. Geben wir H selber eine feste
obere Schranke^ so wird die Bedingung für a + e erfüllt sein.
Der Leser möge sich nochmals durch Zeichnung das in den Formeln dieser
Nummer enthaltene Resultat klar machen: Wenn der Endpunkt eines Seilstücks
links von der Geraden durch den Anfangspunkt und der Richtung G liegt, so
muß beim kräfbefreien Seil B — B^ > 0, sonst < 0 sein.
188. ElnfUiriing einer ZiisatzhypotheBe. Wir suchen den
Tatsachen dadurch besser gerecht zu werden^ daß wir festsetzen, daß
im Ruhestände
H <H,
sei, wo Hq eine dem Seil eigentümliche Größe sei, die in erster An-
näherung nicht mehr von S (bzw. C) abhängt. Man kann sich die
Berechtigung dieser Hypothese wenigstens für
festgedrehte Seile noch auf folgende Weise klar
machen: Es sei AB CD ein kleines Prisma aus ^\a
dem Seil, BC und AD quer gelegene Ebenen, \
AB, CD längs gerichtet.
Zeichnen wir die spezifischen Schubkräfte R
und T, so muß, wenn dx die Länge, dy die
Breite des Prismas, dz seine Dicke ist, nach dem Momentensatze
Tdxdydz — Rdxdyde =» 0,
also
sein.
Nun wird R eine Reibuugskraft zwischen den Seilfäden sein,
also R KfN, wo f den Reibungskoeffizienten, N den spezifischen
296 VII. Statik der Systeme. Xr. 189.
Normaldruck bedeutet, mit dem die Strähne gegeneinander gepreßt
sind. Also ist auch
T <fN,
und da J7 » / TdF, das Integral über den Querschnitt erstreckt, so
muß H <.f ( NdF sein, welche feste Grenze wir eben H^ nennen.
Wenn nun das Seil fest gedreht ist, so dürfen wir annehmen,
daß ^ Dur wenig mehr — im Mittel wenigstens — durch die De-
formation geändert wird und daß also Hq angenähert eine dem Seil
eigentümliche Größe ist. Da
dt
ist, können wir auch sagen, daß nicht nur B einer oberen Grenze
unterworfen ist, sondern auch ,
dB
ds
£ff,-
Für das kräftefreie Seil folgt jetzt
C sin (a + «) I < -HJ) ,
also
sin (a + a) ; < -^ •
Nehmen wir C groß gegen Hq, so gibt das
als Grenze des Winkels, welchen das Seil gegen seine mittlere Rich-
tung haben kann.
189. Yereixilgimg beider Hypothesen zn einer einsigfen.
Nun können aber unmöglich beide Hypothesen getrennt nebeneinander
bestehen bleiben, sie müssen beide in einer einzigen dritten enthalten
sein. Denn wenn eine der Grenzen, entweder H=±Hq oder B^-^ Cr
erreicht wird, muß eine Verbiegung eintreten; in diesem Augenblick
werden J5, H eingeprägte Momente bzw. Kräfte, müssen also in einem
gesetzmäßigen Zusammenbang zu den anderen physikalischen Größen
stehen. Nun besteht schon zwischen ihnen die eine Relation
äs '
es kann also bei Bewegung nur noch eine weitere geben:
F{B, i7) « 0.
Nr. 190. § 86. Faden und Seil 297
Da aber die Gleichgewichtszustände stetig an die Bewegungszustände
angrenzen müssen, muß im Gleichgewichtsfalle
F{B, H)<0
bestehen und in dieser Hypothese müssen die alten
enthalten sein. D. h. das Gebiet
F(B, H)<0
muß in der Ä J?- Ebene in das Innere des Rechtecks H'^^Hq,
B^±Br faUen.
Nun liegen noch gar keine hinreichenden experimenteüen Daten
vor, F zu bestimmen. Die einfachste und plausibelste Annahme,
nämlich die, daß JP = 0 einfach den Rand des Rechtecks gibt, führt
zu einem bemerkenswerten Resultat: ist eine Strecke lang H ^ H^,
so folgt aus der obigen Differentialgleichung
B^B^-H^s,
das kann aber nur solange gelten, bis JB «— + Cr wird, was sicher
eintreten muß. Bliebe dann -B= + Cr, so müßte wegen der Differential-
gleichung plötzlich U ^ 0 werden, was nicht zulässig ist, da H stetig
sein muß. Es kann also weder H'^Hq, noch B^^Cr bleiben,
mithin müßte jetzt ein Stück Kurve ansetzen, wo -F < 0 ist, d. h. ein
Stück Kurve, das bei der Bewegung seine Krümmung nicht ändert,
also starr bleibt.
190. Sin Fall, In dem die erste Hypothese genflgt. Nun
kann leicht gezeigt werden, daß für ein Seil der Länge s, wo s
groß ist gegen r, das femer kräftefrei und konstanter Krümmung
ist, aus der Bedingung
allein schon die Paradoxie starker Krümmung verschwindet, so daß
wir in diesem Falle eine zweite Annahme nicht nötig haben und
mit den Festsetzungen aus Nr. 186 auskommen.
Denn die Anschauung läßt sofort erkennen, daß man in einen
schmalen Streifen der Breite 2r (siehe Nr. 187) ein Stück Kreisbogen
der Länge 5, wobei 5 > r, nur dann hineinlegen kann, wenn die
Krümmung des Kreisbogens hinreichend klein ist.
Betrachten wir etwas näher den besonderen Fall, daß das Bie-
gungsmoment in den beiden Enden A, B eines Seilstücks die Ex-
tremalwerte habe — Cr in A, + Cr in B. Dann müssen, nach
Nr. 187, A und jB genau auf den Grenzen des Streifens liegen. Sind
298
YIL SUiik der Sviteine.
Kr. 191.
etwa umgekehrt A, B gegeben, so ist damit der Streifen f&r das Seil
Tollstandig bestimmt, denn man kann dnrch A^ B nur in einer Weise
Parallelen Tom Abstände 2r legen,
so daß B auf dem linken, A auf
dem rechten Rande des Streifens
liegt und das Seil Ton A nach B
lauft (siehe die Bemerkung am
Schlüsse Yon Nr. 187). Die mög-
liehen Kreisbogen, welche A und B
verbinden und gleichzeitig in dem
Streifen li^en, verlaufen zwischen
zwei Grenzfällen: dem Kreisbogen,
der eine der Parallelen in A^ und
dem Kreisbogen, der die andere
Parallele in B berührt Die gerade Strecke AB gehört naturlicb
auch zu den mogliehen Formen des Seilstücks.
Wie groß kann die Krümmung t also höchstens sein?
Betrachten wir den einen Extremalüedl, wo der Kreisbc^n in
B berührt. Sei R der Radius des Kreises, a der Zentriwinkel, so ist
2r = BD^ R(l — cos«) « ^ (1 - cos«).
a ist klein. Behalten wir Glieder erster Ordnung bei, so wird aus
der vorstehenden Gleichung
Fi«.16t.
2r
Sa,
also
und
a = —
4r
s
t^^^
a
s
4jr
Das ist unter Vernachlässigung höherer Glieder in — der
9
Maximalicert der Krümmung eines hräflefreien gespannten steifen Seil-
Stückes von konstante Krümmung.
191. Anwendung auf die stationäre Bewegung. Wir be-
ginnen mit einer wichtigen Bemerkung:
Ein kräftefreies Seil kann sich nicht in einem etlichen Stück
im Zustande der Verbiegung befinden, sondern nur an eifigdnen Stellen.
Dieser Satz folgt sowohl aus der ursprüglichen Hypothese in
Nr. 186 als auch aus der Zusatzhypothese.
Nr. 191. § 36. Faden und Seü. 299
Denn ist H ^ H^, so folgt ans
H (7sm(a + fi),
daß auch a konstant ist, das Seil also gerade ist, and aus B =» const
folgt IT =» 0, also dasselbe, speziell ist nur a^ — b.
Nunmehr führe ein steifes Seil eine sogenannte stationäre Be-
wegung aus, d. h. es bewege sich in einer festen Kurve. Dann muß
diese Kurve nach dem vorangehenden Satz jedenfalls aus Kreisbögen
bestehen, denn andernfalls fände ein beständiger Wechsel der Krüm-
mung statt. Wir wollen weiter zeigen:
Wenn an den Enden des kräftefreien Seilstiicks das Biegungsmoment
die Exiremalwerte — Cr u/nd Cr hai, besteht das Stück im FaUe statio-
närer Bewegung aus einem einzigen Kreisbogen (ev. einer Strecke).
Denn bestände das Seilstück aus mehreren Kreisbögen, so müßte
an den Anschlußstellen B ^^ + Cr sein; diese Stellen müßten also auf
den Grenzen des Streifens liegen. Es ist aber nicht möglich, zwei
oder mehrere Kreisbögen mit stetiger Tangentenrichtung aneinander
zu zeichnen, so daß die Stellen des Zusammentreffens auf den Rän-
dern des Streifens und auch noch Anfangs- und Endpunkt auf den
Rändern und zwar auf verschiedenen Rändern liegen. Denn eine
Fortsetzung mit stetiger Tangente ist am Rande des Streifens nur
bei Berührung mit dem Rande möglich; eine solche Berührung kann
aber immer nur an einem Ende des Kreisbogens stattfinden, so daß
überhaupt nur zwei Kreisbögen stetig zusammentreffen können, deren
freie Enden dann beide auf dem anderen Rande liegen müssen.
Betrachten wir jetzt ein Seilstück zwischen zwei RoUen eines
Flaschenzuges, so ist (bei Drehung links herum) an den Ablösungs-
stellen B ==^ — Cr^ an den Auflaufstellen B = Cr\ denn
an diesen Stellen findet sicher ein Krümmungswechsel
in dem entsprechenden Sinne statt. -^'■\^ _^ I^^^
Zwischendurch ist dann die Seilkurve, wenn sie
als kräftefrei gelten kann, ein Stück Kreisbogen (ev.
Gerade); s ist bis auf kleine Größen gegeben, nämlich
gleich dem Abstände der Rollenmitten. Also ist das
Maximum der Krümmung, die nach außen oder innen
erfolgen kann, durch
f= ,
Die wirkliche Berechnung von f erweist sich nun
als unmöglich, solange man die Rollen als starr ansieht.
Denn die Gleichung
^/+ ^S + x, = 0
300 VII. Statik der Systeme. Nr. 192.
enthält, angewendet auf das Seilstück auf der Rolle, den unbe-
kannten Normaldmck x,.. Man weiß von x,, nur, daß es negativ ist.
Da aber U klein ist, jedenfalls auch , , so kann die Gleichung bei
großem 8 nichts über H aussagen.
Insofern aUo die Krümmung der freien Seilstücke innerhalb ge-
wisser Grenzen frei bleibt, ist das Problem „statisch unhestimnU**.
Die Berechnung der kleinen Größe e nach Nr. 182 wird aber
durch diese Unbestimmtheit höchstens in Gliedern zweiter Ordnung
beeinflußt.
Aufgabe 01: Ein Seil ist an einem reibungsfreien Gelenk aufgehängt und
trägt unten eine vertikale Last. Es werde selbst als gewichtslos angesehen.
Welche Mannigfaltigkeiten von Gestalten kann es in der Ruhelage annehmen,
wenn man nur J? < Cr verlangt?
Schluß des zweiten Abschnittes:
§ 37. Übergang zur Kinetik starrer Systeme.
192. Olelohgewloht und Äquivalenz von Kräften an
einem System von n Freiheitsgraden. In seinem „Traite de dy-
namique^' entwickelte D'Alembert 1743 ein einfaches, ganz allgemeines
Prinzip, das gestattet, jedes kinetische Problem aus der Mechanik der
Systeme starrer Körper auf ein statisches zurückzuführen. Um dieses
Prinzip klar zu formulieren, müssen wir noch eine Bemerkung über
die Statik der Systeme starrer Körper vorausschicken.
Besteht das System aus starren Körpern, so werden wir die Be-
dingungen des Gleichgewichts erhalten, indem wir für jeden ein-
zelnen starren Körper die Summe und die Summe der Momente der
für ihn äußeren Kräfte gleich NuU setzen.
In diesen Gleichungen kommen nun noch im allgemeinen Nor-
maldrucke explizit und eventuell auch Haftreibungen zwischen den
Körpern selbst und zwischen ihm und den gegebenen Stützflächen vor.
Denken wir uns diese unbekannten Reaktionskräfte eliminiert (doch
nur soweit sie explizit vorkommen; daß eventuell eingeprägte Kräfte,
wie Gleitreibungen, von ihnen abhängen, geht uns hier nichts an!),
so werden eine gewisse Anzahl, sagen wir, n Gleichimgen zwischen
den eingeprägten Kräften allein übrig bleiben. Wir werden später
(Nr. 325) sehen, daß diese Anzahl n genau gleich der Anzahl un-
abhängiger Bewegungsmoglichkeiten ist, welche das System unter Be-
achtung der vorgeschriebenen Berührungsbedingungen hat. Man nennt
diese Anzahl n den Freiheitsgrad des Systems.
So hat ein starrer Körper in der Ebene drei Freiheitsgrade,
denn ich kann einen seiner Punkte nach jeder Richtung hin ein be-
liebiges Stück verschieben — macht zwei Freiheitsgrade — und den
Nr. 193.
§ 87. Übergang zur Kinetik starrer Systeme.
301
Körper dann noch um eine Achse durch den herausgegriffenea Punkt
durch einen vorgeschriebenen Winkel drehen, macht einen dritten
Freiheitsgrad.
Dem entsprechend gibt es auch drei Gleichgewichtsbedingungen
fär die eingeprägten Kräfte beim freien starren Körper, denn bei ihm
sind alle äußeren Kräfte zugleich eingeprägte Kräfte.
Ebenso überlegt man sich leicht, daB der starre Körper im
Raum sechs Grade der Freiheit hat (genaueres siehe § 46). Das
Schubkurbelgetriebe; das wir in Nr. 155 behandelten^ hat einen Frei-
heitsgrad, denn ich habe nur den Kurbelwinkel frei zum Bewegen;
alles andere bewegt sich dann in bestimmter Weise mit.
Man nennt deshalb ein System von einem Freiheitsgrad auch
„zwangläufig''.
Wir wollen nun sagen, daß eine Gruppe von Kräften
an dem mechanischen System im Gleichgewicht sei oder
sich aufhebe, wenn es jene n Gleichungen
erfüllt, welche zwischen irgendwelchen ein-
geprägten Kräften bestehen müssen^ damit
unter ihrer Wirkung das mechanische Sy-
stem im Gleichgewicht sei. Gleichwertig
werden zwei Kräftesysteme. sein, wenn das
eine und das entgegengesetzte des andern |
sich aufheben. (Beweis wohl klar. Siehe Nr. 116
und 124)
In diesem Sinne sagten wir schon, daß beim
Schubkurbelgetriebe der Dampfdruck P dem Tan-
gentialdampfdrack. T gleichwertig (äquivalent) sei.
Aufgabe 92: Welcher Kraft P ist bei dem gezeichiieten System von einem
Freiheitsgrad das Gewicht G äquivalent? Es greife P in der Höhe h horizontal an.
193. Das D'Alembertsohe Frinsip. Wir gehen von der
Newtonschen Grundgleichung eines Volumelementes aus (siehe Nr. 47
und 48)
dmw = ^dJc
und teilen die Summe der Kräfte S^^ i^ ^^öi Teile: der eine mag
kurz dk heißen, der andere ds, dh sei die Summe der an dem Vo-
lumelement angreifenden eingeprägten Kräfte, ds die Summe der
Reaktionskräfte (siehe Nr. 58, 61, 62, 141).
Für ein Volumelement im Innern eines starren Körpers ist also
ds die Summe der Spannungen; für ein Element am Rande besteht
ds aus der Summe der Spannungen an den inneren Flächen und
dann nur noch aus dem Teile des Druckes an der Oberfläche, der
Normaldruck oder Haftreibung eines angrenzenden Körpers des Systems
oder einer gegebenen Stützfläche ist.
Fig. 164.
302 ^n. Statik der Systeme. Nr. 194.
Schreiben wir also
dm io ^ dk + ds. (I)
Diese Gleichung; die eigentlich keine andere ab die Newtonsche Gh'und-
gleichung ist, heiße in dieser Form der D'Alembertsche Ansatz.
Das Prinzip D'Alemberts lautet:
Bei der Bewegung des Systems hält sich die Gesamt-
heit der Reaktionskräfte ds (in dem in Nr. 192 präzisierten
Sinne) an dem System das Gleichgewicht.
Da nach (I)
— rfs = — dm tö + dk
ist, so kann man das Prinzip auch in der folgenden, sehr brauch-
baren Form aussprechen:
Bei der Bewegung halten sich die eingeprägten Kräfte
und die negativen Massenbeschleunigungen das Gleich-
gewicht oder es sind die Massenbeschleunigungen den ein-
geprägten Kräften äquivalent.
Man f&ge also zu den eingeprägten Kräften dk die negativen
Massenbeschleunigungen — dm tö als Scheinkräfte hinzu und behandle
nun das ganze Problem als ein statisches. So lautet die praktische
Regel des d'Alembertschen Prinzips.
Nehmen wir ein Beispiel vor.
194. Der nm eine feste Aohae rotierende starre Körper
ist offenbar ein System von einem Freiheitsgrad. Die explizite
Gleichgewichtsbedingung für die eingeprägten Kräfte kenneu wir
(Nr. 141): es muß die Summe der Momente in bezug auf die Achse
Null sein-
Also muß bei der Bewegung das Moment der Massenbeschleuni-
gung gleich dem Moment der eingeprägten Kräfte sein. Dann werden
die dk und die dmü> einander äquivalent oder die dk und die — dmW
sich gegenseitig aufheben.
Nun beschreibt aber jeder Punkt einen Kreis mit dem Radius r
seines Abstandes von der Achse. Sei co die Winkelgeschwindigkeit,
G) die Winkelbeschleunigungy so ist die Zentripetalbeschleunigung ra*:
sie hat kein Moment, da sie die Achse sehneidet. Die Tangential-
beschleunigung ist rä und hat das Moment r - rä = r^o).
Mithin ist das Gesamtmoment aller Massenbeschleunigungen
wenn wir die für den Körper in bezug auf die Drehachse konstante
Größe ^dmr^^T, das „Trägheitsmoment des Körpers in bezug
auf die Achse'' nennen.
Nr. 196.
§ 37. Übergang zur Kinetik starrer Systeme.
303
Und die Bewegungsgleichung lautet
wo M das Moment der eingeprägten Kräfte in bezug auf die Dreh-
achse bedeutet.
Diese fundamentale Gleichung läßt sich schon wegen ihrer Ana-
logie zur Newtonschen Grundgleichung leicht behalten:
An Stelle der Kraft tritt als dynamische Größe das Kraftmoment Mj
an Stelle der gewöhnlichen Beschleunigung als kinematische Größe
die Winkelbeschleunigung m,
an Stelle der Masse als Trägheitsfaktor das Trägheitsmoment T
des Körpers.
Ist M ^Oy also das System der eingeprägten Kräfte für sich im
Gleichgewicht, so folgt ö =» 0, o = const. Der Körper dreht sich
mit gleichförmiger Winkelgeschwindigkeit^ bleibt also speziell in Ruhe,
wenn er zu Anfang in Ruhe war.
196. Das physisohe Pendel ist ein Körper, der sich unter
der Einwirkung der Schwerkraft als wesentlich einziger eingeprägter
Kraft um eine horizontale Achse (Schneide) drehen kann
und nun erfahrungsgemäß kleine Schwingungen ausführt,
wenn man ihn ein wenig anstößt.
Habe der Schwerpunkt S die Entfernung s von der
Drehachse, sei G das Gewicht, %^ der Ausschlagwinkel,
d. h. der Winkel, den OS mit der Lotrichtung einschlägt,
so ist das Moment der Schwere
— Gs sin 'S",
im Sinne des wachsenden d' positiv gerechnet.
Da die Winkelbeschleunigung
ist, so wird aus der Hauptgleichung der vorigen Nummer
T^ . sG sind'.
Also
% =
^ sinö*.
(I)
wo
l
T
ms
gesetzt ist.
Gleichung (1) ist aber genau die Gleichung eines Punktpendels
(siehe Nr. 66) von der Länge l.
Es schwingt also das physische Pendel wie ein mathematisches
Pendel von der sogenannten „reduzierten Pendelläng&^
l
T
ms
304
yn. Statik der SyBieme.
Nr. 196.
Ein Punkt If auf 05, der die Entfernung l von 0 hat, heißt
der SchwingnngBmittelpunkt: er schwingt, dem Pendel angehorig,
genau so, wie er schwingen würde, wenn er mit einer kleinen Masse
an einem Faden von der Unge l hängen würde.
T hat die Dimension einer Masse mal dem Quadrat einer Lange,
weil jedes Glied der unendlichen Summe, aus der T besteht, diese
Dimension hat. Setzen wir dem entsprechend
T
mö'.
so ist <y eine Strecke, welche Trägheitsradins, auch Gyrations-
radius genannt wird. Durch ihn drückt sich die reduzierte Pendel-
lange so aus:
8
Die Schwingungsdauer
Nr. 66)
unendlich kleiner Schwingungen ist (siehe
= 2ä]/
/T
9
Kennt man T, m und s, so dient das Pendel zum Messen von g (geo-
dätische Verwendung). Sieht man aber g als bekannt an, so kann
man das Pendel brauchen, um aus beobachtetem r^ das {, d. h. wenn
man m und «, Masse und Schwerpnnktslage eines Körpers kennt, das
Trägheitsmoment experimentell zu bestimmen. (Weiteres darüber
siehe Nr. 259.)
196. Das BeTersionspendeL Wir wollen nun die Frage
stellen: für welche zu der alten Achse 0
parallelen Achsen hat das Pendel dieselbe
Schwingungsdauer?
Wir schicken der Beantwortung der Frage
einen Hilfssatz über Trägheitsmomente
voraus.
Durch den Schwerpunkt S ziehen wir
die Parallele zur Achse 0. r sei der Abstand
eines Massenteilchens von 0, r'der von der Achse
durch S. Der Winkel zwischen r und s sei a.
Dann ist
r*= s* + /*— 2sr cosa = s* + /'— 2s • x,
wenn wir eine j;- Achse von S aus in der Richtung OS zählen.
Daraus folgt, daß
T = ^dmr^ == s^'^dm + ^dmr^ - 2s^dmx.
Nun ist aber gdmr*==T' das Trägheitsmoment des Körpers um
die zu 0 parallele Achse durch S,
^dmx = 0,
Nr. 196«
§ 37« Übergang zur Kinetik starrer Systeme.
305
weil S{x = 0) Schwerpunkt ist (siehe Nr. 52). Somit bleibt
r = T' + WS«
oder nach Division durch m
Unter allen parallelen Achsen ist also für die Achse durch den
Schwerpunkt das Trägheitsmoment (7") am kleinsten, für alle andern
parallelen Achsen bestimmt es sich aus T' und dem Abstand der
Achsen nach der vorstehenden Formel. (Dieser Satz wird oft nach
Steiner benannt.)
Nach dieser Vorbereitung können wir die zu Anfang dieser
Nummer gestellte Frage leicht lösen.
Es soll — einen festen Wert l haben, denn mit r^ ist ja auch
l fest.
Nun ist aber
also soll
(,2_^'2^5«^
f't
8
+ s = l
sein. Dabei ist </ für den Körper fest, l ist gegeben, also berechnet
sich s aus der Gleichung
Daraus ergeben sich, wenn P>4(y'* ist, für
s zwei reeUe, konstante Werte: s^ und s^-
Es ist
Daraus folgt:
Die untereinander parallelen Achsen,
für welche die Schwingungsdauer die- Fig.iei.
selbe ist, stehen auf zwei konzentri-
schen Kreisen um den Schwerpunkt senkrecht. Die Summe
der Radien dieser Kreise ist gleich der reduzierten Pendel-
länge {, die stets größer oder mindestens gleich dem dop-
pelten zum Schwerpunkt zugehörigen Trägheitsradius ist
(i>2(y'). Für den Greuzfall (i =- 2tf') ist Sj-s, «y-i^'. In
allen anderen Fällen hat ein Punkt des einen Kreises zur
Polaren in bezug auf den Kreis mit dem Radius ö' eine
Tangente des andern Kreises.
Da stets s^ + s^ = i, so folgt:
Wandert die Achse 0 auf dem einen der beiden Kreise, so wan-
dert der Schwingungsmittelpunkt M auf dem andern so, daß S zwischen
Hamel: Elementare Meohanik.
20
306 VU. Statik der Systeme. ., Tgr. 197.
ihnen liegt. Daraus, daß also für alle Punkte beider Kreise l, also
auch Tq dasselbe ist, folgt weiter:
Bringen wir im Schwingungsmittelpunkt eine zweite Schneide
an, so schwingt das Pendel um diese genau so wie um die erste Schneide.
Darauf beruht das Reyersionspendel de Katers: Angenommen,
man kennt l nicht genau genug, so daß man g und l als unbekannte
hat Dann bringt man auf der Achse OS sn der ungefähren Stelle
Yon M eine zweite horizontale Schneide an, parallel der ersten, und
stellt sie nun so lange ein, bis die Schwingungsdauer f£Lr sie die
gleiche geworden ist, wie um die erste Schneide. Dann ist l der Ab-
stand beider Schneiden, kann so direkt gemessen werden und g he-
stimmt sich dann aus der Schwingungsdauer Tq nach der Formel
^0
'V] ■
197. Znrüokffihmng des D'Alembertsohen FrinzipB auf
ein einfacheres Priniip.^)
Wirken anf ein System die eingeprägten Kräfte dk und sei dmw die her-
vorgerufene Massenbeschleunigung, so können wir nach dem d' Alembertschen Ansatz
dmw^^dk -^ds
jedenfalls für jeden Punkt die gesamte Reaktionskrafb ds berechnen, wenn w
bekannt ist.
Denken wir uns nun eine neue eingeprägte Kraft hergestellt, gleich groß
und gleich gerichtet mit ds:
dk'^ds
und lassen dasselbe mechanische System ein zweitesmal den eingeprägten Kräften
dk + dk'
unterworfen sein, so ist die nach der Gleichung
dmw = dk -{-dk'
für jeden Punkt bestimmte Beschleunigung jedenfalls eine mögliche Beschleuni-
gung, denn sie ist ja genau dieselbe, die im ersten Falle wirklich eintritt.
Machen wir nun die höchst plausible Annahme, daß bei Vorhandensein
der Kräfte dk -\-dk' die nach
dmw = die -{■ dk'
berechnete Beschleunigung auch jetzt wirklich eintritt, so erzeugen die Kräfte
dk dieselbe Beschleunigung wie die Kräfte dk-\-dk'; es sind also nach nnserer
Terminologie (siehe Nr. 111) die Kräftegruppen dX'-f dk' und dk einander äqui-
yalent, d. h. die Gruppe der dk' ist äquivalent Null. Da aber dk' = d8 war^
so heißt das: die Gesamtheit der Beaktionskräfte hält sich am System das
Gleichgewicht. Das ist aber das D'Alembertsche Prinzip.
Damit ist dieses Prinzip auf die folgende Annahme zurückgeführt:
1) Der Anfänger kann diese Nummer auslassen.
Nr. 198.
§ 37. Übergang zur Kinetik stairer Systeme.
307
Sind die eingeprägten Kräfte dk, welche auf ein System wirken, siifällig
so beschaffen, daß die nach
dmw^^ dk
berechneten Beschleunigongen möglich sind, d. h. mit den kinematischen Be-
dingungen des Systems verträglich, so treten diese Beschleunigungen auch wirk-
lich ein.
Dieser Grundsatz setzt den passiven Charakter der Reaktionskräfte ins
rechte Licht: sie treten nur auf, wenn es unbedingt nötig ist. Dieser Grundsatz
schien d'Alembert so selbstverständlich zu sein, daß er den hypothetischen Cha-
rakter desselben nicht erkannte und er so die vorstehende Überlegung als einen
Beweis a priori seines Prinzips ansah.
Man kann aber leicht zeigen, daß das d'Alembertsche Prinzip logisch nicht
aus unseren früheren Axiomen folgt. Doch würde dieser Nachweis die Ziele
dieses Buches überschreiten.
198. Die sogenannte Zentrifiigalkraft. Nehmen vrir an,
ein System bewege sich so, daß jeder Punkt einen Kreis mit konstanter
Winkelgeschwindigkeit cd beschreibe. Dann ist als Beschleunigung
nur eine Zentripetalbeschleunigung der Große rco^ da, wenn r der Ra-
dius des Kreises ist.
Die negative Massenbeschleunigung eines Yolumelementes ist dann
dmrfo^
und nach außen, d. h. vom Zentrum fortgerichtet. Diese Scheinkraft
nennt man wohl die Zentrifugalkraft.
Es muß dann die Gesamtheit der Zentrifugalkräfte der Gesamt-
heit der eingeprägten Kräfte nach dem D'Alembertschen Prinzip das
Gleichgewicht halten.
Das gilt aber nur f&r die zu Anfang dieser Nummer genannte
einfache Bewegung. In anderen Fällen ist als (^^
Scheinkraft das ganze — dmw zu nehmen.
Betrachten wir als Beispiel einen Massenpunkt,
der mittels eines Idealfadens an einem festen Punkt 0
aufgehängt ist, und fragen wir, ob unser Punkt
einen horizontalen Kreis mit konstanter Winkel-
geschwindigkeit beschreiben kann. Wir kennen die
Antwort schon aus Nr. 67, doch ist es nützlich,
diese spezielle Frage hier noch einmal zu behandeln.
Wir haben nach dem D^Alembertschen Prinzip
die Zentrifugalkraft mrcj^ radial nach außen zum
Gewicht mg hinzuzufügen und nun das Ganze als
eine Aufgabe des Gleichgewichts zu behandeln. Der Hebelsatz in
bezug auf 0 gibt sofort
— mgr + mrca^l cos ^ = 0 ,
d. h.
unser altes Resultat.
20'
Cd'
.9. .
/ cos ^ '
308
Vn. SUtik der Systeme.
Nr. 198.
Wir wollen jetzt folgende wichtige vorbereitende Aufgabe losen:
Ein symmetrischer Körper drehe sich nm eine in seiner
Symmetrieebene gelegene Achse mit konstanter Winkel-
geschwindigkeit o. Wie reduzieren sich auf einen Punkt 0
des Körpers die Zentrifugalkräfte?
0 habe den Abstand a von der Achse.
Wir legen durch 0 ein Koordinatensystem, so daB die y Achse
radial nach außen, die x Achse parallel zur Achse seL r sei der kon-
stante Abstand eines Punktes von der Achse, ip der Winkel zwischen
r und der y- Achse. Die xy -Ebene ist nach Voraussetzung Symmetrie-
ebene des Körpers.
Da alle Zentrifugalkräfte senkrecht zur x- Achse stehen, existiert
in deren Richtung keine Resultierende. Ebensowenig für die ^-Achse,
aus Symmetriegründen. Dagegen ist die Resultierende für die y- Achse
F= ^dmr€3* cosqp — Sdfmo^(a + y)
F— mG)*(a -f y*),
wenn y* die Entfernung des Schwerpunkts von der x- Achse, a + y^
die von der Drehachse bedeutet.
Ein Moment um die y- und
um die x-Achse existiert nicht
aus Symmetriegründen, dag^en
ist das Moment um die «-Achse
so za erhalten (siehe Nr. 127):
Man projiziert die Kraft dmra ^
in die xy-Ebene. Diese Projektion
hat die Größe
rfwriD* cos ff — dmm^(a + y).
Der Hebelarm aber in bezug auf
0 ist X. Mithin ist
= ci*(fimx* + ^dmxy).
Nennen wir ^dmxy das Devia-
tionsmoment in bezug auf die
.ry-AcLsen und schreiben esD, so ist
lf^«o«<ax*m -hD).
Nun sei Ox' durch den Schwerpunkt 5 eine weitere Symmetrieachse
des Körpers, sie bilde mit der x- Achse den Winkel 0". Es sei femer
Dann ist
X* =* * cos d" und V* = « * sin d" .
I
Tig. Kl.
Nr. 198. § 87. Übergang zur Kinetik starrer Systeme. 309
Ferner ist
x^x cos -ö- — y' sin d ,
y »« a;' sin -Ö" + y cos d .
Also
D =- S^iwÄJy = cos -Ö- . sin -Ö- %dm{x'^ — y «) + (cos« ^ — sin* ^)Sdwa:'y .
Nun sollte aber der Körper in bezug auf die or-Achse symmetrisch
sein, also entspricht jedem dmy ein — dm\f mit gleichem x\ in
%dmx'y heben sich also alle Glieder auf, es ist Null. Da wir end-
lich schreiben können
wo yx^-\-z^ den Abstand von der y'- Achse und l/y'^+j»* den Ab-
stand Yon der a;^chse bedeutet^ so wird
D — cos^sin^(B— X),
wo
B^^dmix^^i?)
das Trägheitsmoment um die y'- Achse,
A^^dmijf^ + z^)
das Trägheitsmoment um die o;'- Achse darstellt.
Fassen wir zusammen, so erhalten wir:
1. eine resultierende Kraft in der y- Achse, d. h. radial nach
außen
F« mc)*(a + s sin-Ö*) = wö^r*,
wenn r* die Entfernung des Schwerpunktes von der Drehachse ist,
2. ein resultierendes Moment um die jSr-Achse
Jf, « ö* cos %{ams + (-B — -4) sin ^).
Ist 0 der Schwerpunkt, so ist die Kraft
Y = m(D*a,
das Moment
M^-^ l(B-A)(o^Bm2&,
es verschwindet im allgemeinen nicht.
Man kann also die Zentrifugalkräfte im allgemeinen nicht auf
eine einzelne im Schwerpunkt angreifende Kraft reduzieren.
In den vorstehenden Formeln sind nach Wahl des Punktes 0 die
Größen m, r, -4, B feste Konstanten des Körpers.
SlO
VIL Statik der Systeme.
Nr. 199
a
199. Bewesfong eines Wagens in einer Knrve anf flb«r-
höhter Bahn. Ein Wagen bewege sich auf einer sehnigen Bahn in
einem horizontalen Kreise vom Radius a. Dieser sei vom Mittelpunkt
des Kreises bis zum Schwerpunkt des Wagens gemessen. Die Nei-
gung der nach außen überhöhten Bahn sei a, G das Grewicht des
WagenS; h der Normalabstand des Schwerpunktes über dem Boden,
d der Raderabstand, t; die konstante Geschwindigkeit' des Wagens, so
daß o = ~ die Winkelgeschwindigkeit der Kreisbewegung ist.
Nach dem D'Aleinbertschen Prinzip
muß dann am Wagen Gleichgewicht
zwischen den folgenden Kräften herr-
schen:
dem Gewicht G, der Zentrifugal-
kraft mao^, beide im Schwerpunkt an-
greifend,
der Reibung JR^ nach innen positiT
gerechnet, dem Normaldruck N^ der im
unbekannten Abstände x vom Schwer-
punkt vorbeigehe
und endlich dem Kräftepaare der
Flg. 170.
Zentrifugalkraft^ das nach der vorigen Nummer
M^liB- A)(oWm2a
ist. Die verlangten Symmetrieeigenschaften der vorigen Nummer dürfen
wir wohl als hinreichend genau erfüllt ansehen.
Die Gleichgewichtsbedingungen lauten dem entsprechend
N =^ G cos a 4- wacj* sin a ,
R = maco^ cosa — - 6r sina,
xN ^ (wacö* cos« — G sina)Ä — - (B — -4)w* sin2a.
2
Daraus berechnen sich N, B. und x.
Nun muß noch
und
d
'x\<
*>
sein. Setzt man die Werte von N, Rj x ein, so bekommt man
maco^ cos a -— G B'ma\ £[G cos a -(- niaai* sin a)f (1)
als Bedingung gegen das Ausrutschen,
n^^
Nr. 199. § 37. Obergang zur Kinetik atarrer Systeme. 311
(wiao* COS a— Cr sin a)Ä— (B—Ä)(o^sm2a
^ (6rco8a + »waa)*8ina)
als Bedingung gegen das Umkippen.
Nun wird in den praktisch wichtigen Fallen a meist groß sein
gegen die Dimensionen des Wagens. Da aber ein Trägheitsmoment
A ^ ^dtnr^<i mr*
max
ist^ WO rmax die maximale Entfernung eines Körperpunktes yon der
betrefiPenden Achse bedeutet, so wird das Glied mit (B — Ä) co* klein
sein gegen das Glied mit ma(o^h und also meist yernachlässigt wer-
den dürfen.
Tun wir das, so wird aus der zweiten Ungleichheit die einfachere
mam^ cos a — 6r sin « ^ öt (^ ^^* ^ + wao^ sin a) . (2")
Werde der kleinere der beiden Werte f und -rj mit ri be-
zeichnety so ist notwendig und hinreichend, daß
I ma(o^ cos a — G sin « ^^(ö cos a + mato^ sin «) (3)
sei. Nun sind zwei Fälle zu unterscheiden:
1. ma(o^ cos a — G sin a > 0, d. h.
*g«< g '
Dann nimmt (3) die Form an
ao^ cos « — ^ sin a ^ 1^(5^ cos « + aoj* sin a)
oder
tg a ^ r I - •
2. maco^ cos« — w^ sina < 0, d. h.
tga>
Dann nimmt (3) die Form an
— aoj} cos tc + g s\na ^ri{g cos a + acö* sin «) ,
d. h.
tga<-""'+^?.
Nehmen wir beides zusammen, so folgt als Schlußergebnis:
'""*7/'^<tga<"'"*+-"^
ao*
312
Vn» Statik der Sjsteme.
Nr. 2Mk
SoUte
sein, so fallt die obere Schranke Ar a fort; sollt« hing^^^n
sein, so wird die untere Schranke bedeutungslos. Die Bahn braucht
dann nicht überhöht zn werden.
Aufgabe 93: Ein Radfahrer fahre auf derBelben Bahn; welche Neigung-
wird er gegen die Vertikale haben? Und wie stark darf bzw. muß die Bahn
fiberhöht sein?
aOO. Die statUmftre Bewegung des ZentriftigalregBl»-
tors. Wir betrachten einen Wattschen Schwnngkugelregulator, etwa
▼on der einfachen gezeichneten Art (in der Figur ist nur die Hälfte
gezeichnet), AB sei die Achse, um die das Granze rotiert Der Körper
OCK kann sich noch um den mit umlaufenden Punkt 0 drehen^
welcher den konstanten Abstand a Ton der Achse hat. Der Punkt D
ist dann zwangläufig gefuhrt. Alle Bezeichnungen sind wohl aus der
Figur klar.
Das Ganze ist ein System von zwei Freiheitsgraden: ^ ist Tari-
abel und dann noch der Winkel % welcher
die Stellung der ganzen Figur um die Dreh-
achse angibt.
Der Einfachheit halber nehmen wir die
Stangen EO=^a und DC^l ohne Massen an.
Dann wird in { ein Zug (bzw. Druck) 5 in
Richtung der Stange herrsehen. An der Hülse
D wirke eine Kraft L nach abwärts (d. h. in
Richtung der Drehachse). OCK habe das Ge-
wicht G. L ist die Hälfte des Hübengewichts
Termehrt um die halbe Ruckwirkung des Stell-
zeugeSy das an der Hülse D mit dem Regulator
verbunden ist Was nun die Bewegung an-
gehty so beschränken wir uns auf den Fall
sogenannter stationärer Bewegung: ^ sei kon-
stanty die Winkelgeschwindigkeit
desgleichen, so daß die Voraussetzungen Ton
Xr. 198 zutreffen«
Wir fragen nach der Bedingung dafür, daß das System die be-
schriebene stationäre Bewegung ausfuhren kann.
Nach dem D'Alembertschen Prinzip muß an dem System Gleich-
gewicht herrschen zwischen den Kräften G, i, der Zeutrifugalkraft
Y = fwoj*(a + s sin 0"),
Flg. 171
INr. 200. |§ 87. Übergang zur Kinetik starrer Systeme. 313
in 0 angreifend und dem Moment
JM" =» ö* cos d-iams + {B — A) sin &)
um eine Achse durch 0.
Nun gibt die Qleichgewichtsbedingung im Punkte D:
8 cos rj '^ L
(es ist ja außer L und S nur noch ein Normaldruck senkrecht zur
Achse in D Torhanden); also
cos 72
Dabei bestimmt sich rj aus der sofort als richtig zu erkennenden geo-
metrischen Gleichung:
l BinTj = a + c ' Bind^. (1)
Zweitens gibt der Momentensatz für den Körper OSK in bezug auf 0:
— Gs . sin -^ - S c sin (^ + 1?) + Jf = 0 ,
oder, wenn man die Werte für S und M einsetzt:
0 = Gs sin -Ö- + Lc^^^'^^ - o^ cos »{ams + (B -- Ä) sin ») . (I)
Zu jeder Stellung ^ des Regulators gehört also eine bestimmte
Umlaofsgeschwindigkeit cd der stationären Bewegung. Damit aber
der Regulator funktioniere, wird man verlangen, daß auch, wenigstens
in dem in Frage kommenden Beweguugsbereich, zu jedem co nur ein
d" gehöre, und zwar zu jedem m ein anderes. Denn wenn die Maschine,
also auch der angekuppelte Regulator die Drehgeschwindigkeit o
ändert, so soll sich der Regulator verstellen und dabei das Kraftfeld
der Maschine in dem Sinne beeinflussen, daß jene Änderung rück-
gängig gemacht wird. Es ist aber wohl plausibel, daß das nicht
geschehen würde, wenn bei Änderung von o fortdauernd eine statio-
näre Bewegung ohne Änderung von d- möglich wäre. Denn diese
würde dann zweifellos bestehen bleiben und ein Regulieren der Ma-
schine fände nicht statt.
In solcher Weise kann aus der Diskussion der stationären Be-
wegung schon einiges über die Brauchbarkeit oder Nichtbrauchbarkeit
eines Regulators erschlossen werden. Manche Lehrbücher kommen
über diesen Standpunkt auch nicht hinaus. Aber es ist klar, daß die
wirkliche Erledigung der einschlägigen Fragen nur durch ein Studium
der zu den stationären Bewegungen benachbarten Bewegungen erfolgen
kann, in der Weise, wie wir das beim sphärischen Pendel getan haben
(siehe Nr. 67). Dabei ist es nötig, den Regulator mit der Maschine
als ein System aufzufassen, da sie sich in ihrer Bewegung gegen-
seitig beeinflussen.
314 ^^' Statik der Systeme. Nr. 201.
Alle Ausführungen über stationäre Bewegungen bedeuten also
nur eine Vorbereitung ffir das wirkliche Regulatorproblem. In diesem
Buche ist nicht der Platz, das Problem selbst zu behandeln , es sei
deshalb nur noch die wichtigste Literatur genannt.
Die ersten^ die eine wissenschaftliche Behandlung des Regulator-
problems anstrebten, waren Airy 1839, dann Maxwell 1868. Ihnen
folgten Routh (A Treatise on the stabilitj of a given state of mo*
tion, 1877) und Wischnegradsky (Zivilingenieur 1877). Diese Unter-
suchungen sind teilweise in die Lehrbücher aufgenommen, siehe Routh,
Dynamik, II. Bd., Föppl, Bd. 6 und Lorenz, Technische Physik, Bd. I.
Mit verschiedenen Problemen, zu denen kompliziertere als die
oben skizzierten Reguliereinrichtungen führen, beschäftigen sich zahl-
reiche neuere Arbeiten^ u. a.:
A. Stodola, Das Siemenssche Regulierprinzip und die amerika-
nischen Inertieregulatoren, 1899 (Z. d. V. d. L) W. Hort, Die Ent-
wicklung des Problems der stetigen Eraftmaschinenregelung und über
unstetige Regulierung, in der Ztschr. f. Math. u. Phys. 1904, auch:
Beitrag zur Theorie der Dampfmaschinem'egulierung (Dinglers polyt.
Journal, Bd. 322); Ph. Ehrlich, Der EinEuß des Tachometers
auf den Reguliervorgang (Elektrotechnik und Maschinenbau, 1907):
R. V. Mises, Zur Theorie der Regulatoren (Elektrotechnik und Ma-
schinenbau, 1908). Auch sei auf den Artikel von v. Mises in der
Encyklopädie der math. Wissenschaften, Bd. IV, 10: Dynamische Pro-
bleme der Maschinentechnik; endlich auf das Referat von K. Heun,
Die kinetischen Probleme der wissenschaftlichen Technik (Deutsche
Math.- Vereinigung Bd. IX, Teil 2 (1900)) hingewiesen.
In der ersten (größeren) Arbeit von W. Hort findet sich eine
ziemlich ausführliche historische Darstellung des Problems.
Als ausführliches, technisches Lehrbuch, das auch die elementare
Theorie berücksichtigt, sei Tolle, Regelung der Kraftmaschinen, 2. Aufl.
1910, genannt.
Der in diesem Buche benutzte Begriff der (7-Kurve sei noch
kurz erklärt: Wählt man als Unabhängige den Schwerpunktsabstand
r*«= a + 5 • sin-Ö-, als Abhängige C = r*(ö^ und trägt die durch (I)
vermittelte Beziehung von C zp r* graphisch auf, so erhält man die
fragliche 6-Kurve.
201. Anwendungen des D'Alembertsohen PrinzipB in der
Kinetostatik. Das D*Alembertsche Prinzip gestattet eine sehr ein-
fache Bestimmung der Beanspruchung eines bewegten starren Körpers.
Betrachtet man z. B. die Lenkstange einer Dampfmaschine, und will
man ihre Beanspruchung wissen, so füge man zu den Schwerkräften
noch die negativen Massenbeschleunigungen an jeder Stelle hinzu und
behandle nun die Lenkstange hinsichtlich der Bestimmung von Zug,
^'^. 201.
§ 87. Übergang zur Kinetik starrer Systeme.
315
Druck, Schub und Biegungsmoment wie einen Balken^ der außer
diesen Kräften noch an den Enden den Drucken unterworfen ist,
welche von Kreuzkopf und Kurbelzapfen auf die Lenkstange ausgeübt
werden. Kennt man die Bev^egung der Maschine, so sind alle Kräfte,
die wirklichen und die Scheinkräfte,
bekannt, das Problem ist also voll-
ständig bestimmt.
Wir wollen ein einfaches Bei-
spiel durchführen: Ein homogener
Stab der Länge l und der spezifischen
Masse fi rotiere um das eine Ende
mit der augenblicklichen Winkel-
geschwindigkeit (d; die augenblickliche
Winkelbeschleunigung sei ö). Wie groß
wird in der Entfernung x von der
Achse, Zug, Schub und Biegungsmoment? Von der Beanspruchung
durch äußere Kräfte sehen wir ab.
Die Scheinkräfke sind an einer Stelle z von der Achse dm0(D*
nach außen, dmzG) dem Sinne der Drehung entgegengesetzt
Daher ist der Zug an der Stelle x
dmaxa
Fig. 172.
Der Schub ist
X
I
Das Biegungsmoment
B^ jitS" x)fizadz - y ^ra(2P- 3x1^ + x^)
für X =^0 erhält man die Rückwirkung der rotierenden Stange auf
das Lager:
einen Zug in Richtung der Stange: ^ iCtoH'^y
eine Kraft senkrecht, zu cb entgegengesetzt: ^ /^<^I^>
ein Moment, ebenfalls cb entgegengesetzt: — iuäl^,
Aufgabe 94: Für einen in sich rotierenden Kreisring der Dicke d mit
den Radien R und r sowie der spezifischen Masse {l berechne man für einen Quer-
schnitt die gesamte, von der Drehung yeranlafite Zugspannung.
316
Vn. Statik der Systeme.
Nr. 20-2.
202. Weitere Beispiele und Aufgaben.
Es seien zwei Massenptinkte m^ und m, durch einen Idealfaden mitein-
ander verbanden, der über eine feste Rolle 0 lanfe. Der eine hänge frei herab,
der andere sei reibungsfrei zwischen zwei vertikalen Schienen beweglich.
Wir lösen zunächst das Problem des Gleichgewichts.
Aus dem Gleichgewicht für den Punkt w, folgt sofort
die Fadenspannung
s= "'^ .
cosa
Für ffi| aber muß sein
Mithin lautet die Gleichgewichtsbedingung
m, <7 = «»1 jp cos a .
Wenn wir nun das Bewegungsproblem lösen wollen, ao
sei zunächst bemerkt, daß das D'Alembertsche Prinzip
auch für allgemeine Systeme gilt, wenn z. B. wie hier,
ein Idealfaden mitspielt, dessen Spannung stets Reaktions-
kraft ist.
Habe nun m^ die Beschleunigung ?r, abwärts, m, die Beschleunigung ir,
nach abwärts, so haben wir nach dem D^Alembertschen Prinzip dieselbe Auf-
gabe wie vorhin zu lösen, nur daß wir m^g — ff^^x statt «»1 jP ; m, ^ — ^t ^« statt
m^g zn setzen haben. Also lautet die Bewegungsgleichnng
m^g — »i, «7, = cos a (m^ g — m, ir^).
Nun sind aber w^ und tr, nicht unabhängig voneinander. Ist l die konstante
Fadenlänge, h der Abstand der Bolle von der vertikalen Führung des Punktes m,,
sind x^ und x^ die abwärts gerichteten Koordinaten von m^ bzw. m,, von der
Höhe der Rolle an gezählt, und sehen wir den Durchmesser der Rolle als ver-
schwindend klein gegen die anderen Dimensionen an, so ist
jc, =Äctga,
h
Hg. I7S.
aTj = I —
Bin«
also
i, = — h
a
sin'a
und schließlich
*l = +Ä
IC, = — h
cosa • a
sin*a
a
, ^, cosa
8m*a sm'a
a'
- cos a .. , 1 + cos* a
sin'a
sin'a
Fig. 174.
a'
Setzt man diese Ausdrucke
in die obige Bewegungs-
gleicbung ein, so erhält
man eine Differentialglei-
chung zweiter OrdnuDg,
deren Weiterbehandlung
uns nicht interessiert.
Aufgabe 95: Zwei
Massen mögen sich auf
Nr. 203. § 87. Übergang zur Kinetik starrer Systeme. 317
je einer geneigten Ebene bewegen und darch einen Idealfaden verknüpft sein,
der über eine reibungsfirei drehbare und masselose Rolle geht.
Man stalle zunächst die Gleicbgewichtsbedingungen auf, dann nach dem
D^Alembertschen Prinzip die Bewegungsgleichungen.
203. Die BewegungBgleiohiingen des freien starren Kör-
pers. Wir schließen den Abschnitt damit, daß wir zeigen, wie wir
aus dem D'Alembertschen Prinzip die schon am Schluß des ersten
Abschnittes aus der Punktmechanik gewonnenen Bewegungsgleichnngen
des starren Körpers ableiten können. Mit den besser entwickelten
Hilfsmitteln, namentlich kinematischer Art, die uns der dritte Ab-
schnitt geben soll, kommen wir später noch einmal auf das D'Alem-
bertsche Prinzip zurück (siehe Nr. 316).
Am starren Körper sind zwei Knlftesysteme gleichwertig, wenn
die Summe der äußeren Kräfte und die Summe ihrer Momente gleich sind.
Für den freien starren Körper sind aber die äußeren Kräfte zu-
gleich die eingeprägten Kräfte.
Da nun nach dem D'Alembertschen Prinzip das System der Massen-
beschleunigungen dem System der eingeprägten Kräfte äquivalent sein
soll, so erhalten wir unmittelbar die beiden vektoriellen Gleichungen
Die erste Gleichung sagt aus:
Für den freien starren Körper ist die Summe der Massenbeschleu-
nigungen gleich der Summe der eingeprägten (äußeren) Kräfte,
Das ist aber der Schwerpunktssatz, denn es ist ja
Der zweite Satz heißt der Momentensatz, er sagt aus
daß für irgendeinen Bezugspunlt, fest oder beweglich, die Summe der
Momente der Massenbeschleunigungen gleich ist der Summe der Mo-
mente der eingeprägten (äußeren) Kräfte,
Man kann mit diesen beiden Sätzen allein schon in Verbindung
mit der lex tertia (siehe Nr. 47, 48) die Mechanik der Systeme starrer
Körper aufbauen. Wir werden auch später diese synthetische Me-
thode ausführlich besprechen (siehe § 53).
Vorher aber ist es nützlich, eine ganz allgemeine Methode der
Mechanik kennen zu lernen, ein zweites Grandgesetz der Mechanik,
das zusammen mit dem ersten (Newtonschen) Grundgesetz gestattet,
alles das über die Bewegung beliebiger Systeme auszusagen, was sich
überhaupt allgemein darüber aussagen läßt. Dieses zweite Grund-
gesetz wollen wir zunächst im dritten Abschnitt kennen lernen.
318 YIU. Grondlagen einer allgemeinen Mechanik. Nr. 204.
Dritter Abschnitt
Allgemeine MechanilL
Kapitel VIIL
Gnmdlagen einer aUgemeinen Mechanik«
§ 38. Dm erste (Newtonsche) Gnindgesetz.
An die EigebniBse des
ersten Kapitels (siehe § 10) anknüpfend, legen wir nnnmehr einer all-
gemeinen Mechanik die folgenden Anschauungen zugrunde:
An jedem Yolumelement dV irgendeines Teiles der uns um-
gebenden Natur Ton der Masse dm = udV greife die resultierende,
raumlich verteilte Kraft dk =^ xdV an (also die Resultierende aller
Grayitations-y Molekular-, elektrischen, magnetischen usw. Kraflie).
Außerdem stehe die Oberfläche des Elementes noch unter der Wir-
kung von mechanischen, d. h. durch Deformationen bedingten Druck-
kräften i Spannungen), welche von der unmittelbaren Umgebung des
Elementes auf dasselbe ausgeübt werden. Auf das Flachenelement
dF mit der äußeren Normalen v wirke also noch die Sjraft dF-ö^,
Dann lautet das erste (rrundgesetz der Mechanik, das von New-
ton ausgesprochen wurde,
wobei g die Summation über die Oberfläche des Elementes bedeutet
Aus der Torstehenden Gnmdgleichung ziehen wir nun sofort eine
wichtige Folgerung:
Nach Yoraussetsung sind utc und x bestimmte endliche Vektoren.
Also muß dasselbe für
lim jrS^T^F
gelten, welche Gestalt auch immer d V haben mag.
Betrachten wir nun als Yolumelement ein rechtwinkliges Pandlel-
epiped, das wir gegen eine Ecke konvergieren lassen, und legen die
Koordinatenachsen den Kanten parallel, so daß die Kantenlangen dx^
djf, dz seien.
Die mittleren Spannungen an den drei Flächen, welche den Kon-
Tergenzpunkt enthalten, wollen wir mit S_,, 5_ , 5_, bezeichnen, da
Nr. tJ04.
§ 38. Das erste (Newtonsche) Grandgesetz.
319
die — X'y — y-, — fr-Achsen die äußeren Normalen der Flächen bilden.
Dagegen werden naturgemäß mit 6^y6yj 6^ die spezifischen Spannungen
zu bezeichnen sein, die unser Yolumelement selbst auf seine Nachbar-
schaft mit kleinerem x bzw. y
bzw. ;er ausübt. Die Spannungen,
die es hingegen selbst von Ele-
menten mit größerem x bzw. y
bzw. 0 empfängt, werden 6^,
dy, 5, sein, jedoch mit x + dx,
y, e bzw. Xy y + dy, 0, bzw.
Xy y, z + dz ids Argumenten.
Da wir nun die 6 als stetige
und stetig differentiierbare Funktionen des Ortes voraussetzen, so werden
wir die Kraftwirkungen auf den drei Flächen, welche den Konvergenz-
punkt nicht enthalten, unter Fortlassen von Größen höherer Ordnung,
die beim 6renzprozeB herausfallen, durch
(s,+ -^-' dxjdydz bzw. (5^+ -^^-dy\dxdz bzw. (5, + ^^ dzjdxdy
Vlg. 175.
anzusetzen haben.
Also wird unser Ausdruck
1™ ASm^,
dr=o
dV
indem wir beachten, daß sich die Summe g hier über sechs Flächen
erstreckt und daß dV ^ dxdydz ist
^. iÄ Ü^o 'i-'äy<i' ( ~^-'^^^'' + (^- + -fe- ''*) ^^^^
Sy + /^ dy\ dxdz + 6_^dxdy
+ {^^+M'dz)dxdy\
dz ^•'/
oder gleich
1 /-
8. +iv + -ay+Ü^o^-i(^-+^-)
=oäy^"-^ ' ^y' ' ;;rorf«
Dieser Ausdruck kann aber, weil dXj dy, dz unabhängig voneinander
gegen Null gehen, nur dann gegen eine feste Grenze gehen, wenn
<y-x+<^x. ^-y+^, <f-.+ <f.
für sich Null sind.
djo
320
YIIL Grandlagen einer allgemeinen Mechanik.
Nr. 206.
Nun war aber die rr- Richtung eine ganz willkürliche Bichtong:
wir können sie mit irgendeiner Richtung v identifizieren, und somit
erhalten wir
(I)
d. h. das Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegenwir-
kung.
Daß die beiden an einem Flächendement auftretenden Spann-
kräfte entgegengesetzt gleich sind, ist also eine notwendige Folgerung
des ersten Grundgesetzes der Mechanik,
Außerdem (Aer hohen wir gefunden^ daß
lun'S-^^dF^Z'+:l' +
d^y , d(ft
dV
dx
ist.
'^y.
CS
(II)
Nach derselben Methode folgt die Gleichung (I) für die Statik
aus dem Erstarrungsprinzip (siehe Nr. 151 und 178), denn dieses
sagt ja auS; daß im Gleichgewichtsfalle
i + lim^SM^=0
sein muß.
205. Die Spannungsdyade. Wir wollen die Überlegungen
der vorhergehenden Nummer noch einmal wiederholen, indem wir als
Yolumelement ein Tetraeder nehmen, das wir erhalten,
wenn wir durch einen festen Punkt drei orthogonale
Strahlen ziehen und diese durch eine gegen diese
Strahlen geneigte Ebene schneiden, die wir, sich
selbst parallel, dem festen Punkte unbegrenzt näher
bringen.
Wir können die drei Strahlrichtungen wieder
zur positiven x-, y-, 5- Achse machen. Sei dF die
kleine Dreiecksfläche in der beweglichen Ebene, deren
äußere Normale die Winkel a, /J, y gegen die drei
Achsen bildet, so sind dFcosa, dF coBß, dFcosy die drei anderen
Flächen des Tetraeders und aus
Flg. 176.
^m^S<fyäF
wird
dV
A TP
lim TTr(5y+ S-, COS« + 5_y cos/J + 5_, cosy).
dF
dV
Da aber in der Grenze *^% unendlich wird, so kann der vorstehende
Ausdruck nur dann endlich bleiben, wenn die Klammer Null wird,
Nr. 206. § 38. Das erste (Newtonsche) Grundgesetz. 321
d. h. wenn in der Grenze, wo die Fläche mit den Neigongswinkeln
€c, ßf y in den Punkt X hineinrückt,
5y == 6^ COB a + 5y cos /J + ö, cos y (III)
wird.
Kennen wir also an einer Stelle die Spannungen für drei zu-
einander orthogonale Flächendemente, so berechnet sich die Spannung
für jedes andere Flächenelement nach der Formel (III).
Nimmt man das 6egenwirkungsprinzip hinzu, so kann man leicht
zeigen, daß die Formel (III) auch dann noch gilt, wenn die Winkel
a, ß, y nicht alle spitz sind.
Der Spannungszustand an einer Stelle ist also durch drei Vek-
toren oder neun Skalare, nämlich die dreimal drei Komponenten von
^xj ^y> ^« nsk^ den drei Achsen gegeben.
Bezeichnen wir die Komponenten von 5^ mit X„ Y^^ Z^ und die
von ^y, ^^ entsprechend, so können wir auch sagen, daß der Span-
nungszustand an einer Stelle durch das Schema der neun Größen
^x ^x ^x
^y ^y ^y
X.Y,Z,
gegeben sei. X^, Y^, Z, sind Zugkräfte, wenn sie positiv, Druck-
kräfte im engeren Sinne, wenn sie negativ sind; die sechs anderen
Größen sind Scher(Schub-)kräfte.
Wir wollen den Inbegriff aller Spannungen an einer Stelle auch
Spannungsdyade nennen, indem wir das Wort „Dyade" nach Jau-
mann (Gibbs sagt: Dyadic) für einen Größenkomplex brauchen, der
an einer Stelle jedem Vektor mit den Komponenten a, 6, c in linear-
homogener Weise einen Vektor mit den Komponenten a'h'c zuordnet.
Die allgemeinste Art einer solchen linear-homogenen Zuordnung
ist die folgende:
a'-X^a+X^6+X.c,
c^Z^a^ Z^h^ Z^c,
80 daß jede Dyade durch ein Schema von neun Größen: X^. usw. ge-
geben ist.
Nehmen wir als Vektor (a,6,c) speziell einen Einheitsvektor, so
entsprechen die vorstehenden Formeln vollständig der Formel (III).
Daß sich bei einer Dyade stets X^, Y^, Z^, ebenso die beiden anderen
Tripel als Komponenten eines Vektors auffassen lassen, sieht man so-
fort ein, wenn man als zu transformierenden Vektor den Einheits-
vektor (1, 0, 0) nimmt.
Hamel: Elementare Mechanik. 21
322 VIII. Grundlagen einer allgemeinen Mechanik. Nr. 206.
Die Formel (III) gestattet auch, von einem Koordinatensystem
zu einem anderen überzugehen, denn man erhält sofort
ö^ = 6^ cos (x,x) + 5y cos (y,x') + ö^ cos (ßjX')
usw. Es muß sich mit Benutzung dieser Formel und der bekannten
Koordinatentransformationsformeln
x' = a: cos (Xj x') + y cos (y, x') + e cos (jer, x')
usw. beweisen lassen, daß der Ausdruck
dd^ ?^ cd^
dx '^ dy dz
inyariant ist gegen Wechsel des Koordinatensystems, denn seine Be-
deutung ist vermöge
1 n ^^r d'S,, de,
lim ,V S ^ydF = 5 ' + . ' + -, -'
d pr K^ V ^/p 5y ^Jff
unabhängig von jedem speziellen Koordinatensystem.
Abkürzungsweise schreiben wir ihn
do^ de da
dx ^ dy dz
'+-s;f+"J=V-A.
und nennen ihn die „Ableitung der Spannungsdyade A^', indem
wir mit A die Spannungsdyade selbst bezeichnen.
Aufgabe 96: Man beweise direkt auf die oben angedeutete Weise die Un-
abhängigkeit von V • A vom Koordinatensystem.
206. Der Etohwerpnnktssats. Wir können diesen fundamen-
talen Satz, den wir schon in Nr. 51 mit Benutzung des Gegenwirkungs-
prinzips und in Nr. 203 wenn auch nur für den starren Körper mit
Hilfe des D'Alembertschen Prinzips gewonnen haben, nunmehr direkt
aus dem Newtonschen Grundgesetz ableiten.
Wir schreiben dieses unter Benutzung von (II) Nr. 204 so:
_ _ da^ de de.
Daraus folgt durch Multiplikation mit d V und Integration über einen
beliebigen Teil V der Materie
y r V
Nun läßt sich das letzte Yolumintegral nach dem GauBschen Satze
(siehe Anhang III, 1) in ein Oberflächenintegral, d. h. in ein Integral
über die Oberfläche F des Teiles V der Materie umwandeln.
Kr. 207. § 39. Das zweite (Boltzmannsche) GrundgeBetz. 323
Denn es ist
y F
und, wenn man Gleichung (III) aus Nr. 205 hinzuzieht^
F
Setzen wir das in die ohige Gleichung (1) eiu^ so ergibt sich sofort
mw* = fdmw - ^TcdV + ^ö^dR
l^ V F
Auf der rechten Seite stehen jetzt nur noch die räumlich verteilten
Kräfte und die Spannungen an der Oberfläche; die wir zusammen auch
als äußere Kräfte bezeichnen woUen: wir haben also den Schwer-
punktssatz gewonnen:
Für jedes mechanische System ist die Beschleunigung des Schwer-
punktes (Massenmittelpunktes), mit der ganzen Masse des Systems
multipliziert^ gleich der Summe der äußeren Kräfte.
Da in dem Schwerpunktssatz das Newtonsche Grundgesetz ent-
halten ist, wenn man ihn auf beliebig kleine Teile anwendet, wir aber
den Schwerpunktssatz allein unter Benutzung der Formeln I, 11, III
(Nr. 204 und 205) abgeleitet haben, so folgt daraus zugleich:
Die Formeln (1), (II), (III) enffudten ailes, was man aus dem
Newtonschen Grundgesetz allein für die Spannungen ableiten kann.
Es hätte also keinen Zweck, noch anders geartete Yolumelemente
als Parallelepipede und Tetraeder in analoger Weise zu behandeln,
wie es mit diesen in den Nr. 204 und 205 geschehen ist.
Als Beispiele zu diesem Paragraphen können alle Betrachtungen
des Kapitels II dienen.
§ 39. Das zweite (Boltzmannsche) Grandgesetz.
207. Der Momentensats. Wir haben schon zweimal den Mo-
mentensatz abgeleitet, einmal am Schlüsse des ersten Abschnittes, in
dem wir das mechanische System in lauter diskrete Punkte auflösten,
dann am Schlüsse des zweiten Abschnittes, allerdings nur für den
starren Körper, indem wir das D'Alembertsche Prinzip und die Grund-
sätze der Statik anwandten. Nunmehr wollen wir zusehen, ob und
welche neue Voraussetzungen wir machen müssen, um den Momenten
satz direkt aus dem Newtonschen Grundgesetz zu gewinnen.
21*
324 ^UI. Grundlagen einer allgemeinen Mechanik. Nr. 207.
Wir schreiben dieses wieder in der Form, wie schon in Nr. 204
bilden das äufiere Produkt (siehe Anhang I, 5, auch Nr. 112) mit dem
Ortsvektor r, multiplizieren mit dV und integrieren über einen be-
liebigen Teil der Materie, so daß wir erhalten
SdmF«; = SrlcdF+Sr(3'^ + ^+g»dF. (1)
Auf der linken Seite steht bereits die Summe der Momente der Massen-
beschleunigungen, das zweite Integral ist das Gesamtmoment der raum-
lich verteilten Kräfte; betrachten wir noch das letzte Integral, das
wir durch partielle Integration und Anwendung des Oaufischen Satzes
umformen können.
Allgemein ist
So||dF=.S«?>co8(v,^)rfF-S|%rfF,
WO {vj x) den Winkel bedeutet, den die äußere Normale der Ober-
fläche F mit der a;-Achse einschließt.
Also ist, wenn wir noch (III) aus Nr. 205 hinzuziehen
sK.:- + »;- + ;»^''- S".^f -s(|..+f .,+if ..yr.
Setzen wir noch zur Abkürzung
ex * ^ dy ^ dz * ' ^ ^
so nimmt Gleichung (1) die Form an
Die beiden ersten Summen der rechten Seite stellen das Moment der
äußeren Kräfte dar; bezeichnen wir die äußeren Kräfte kurz mit dk,
so haben wir aus dem Newtonschen Grundgesetz den folgenden all-
gemeinen Momentensatz gewonnen:
SoU also für einen beliebigen Teil der Materie der etgenäidte
Momentensatz gelten: „dcLS Moment der Massenbeschleunigung ist gleich
dem Moment der äußeren Kräfte^% so muß überall
sein.
Nr. 208, 209. § 39. Das zweite (Boltzmannsche) Grandgesetz. 325
208. Axiom EC: Die Symmetrie der Spanniingedyade.
Ist nun wirklich Oberall D = 0?
Es war
dx ^ ^ dy ^ dz *
Nun ist aber, wenn i^, i^, 1^ Einheitsvektoren in Richtung der rc-, y-,
jer- Achse bezeichnen,
also
df - dr - df -
aV"~ ^*^ dy ~ ^y a/""*^
und somit _
in Komponenten geschrieben:
Soll also D » 0 sein, so müssen
z,= r., x.=z„ r,= x, (IV)
sein, oder:
Es muß die Spannungsdyade
^9 ^y ^y y
symmetrisch (zu der Diagonalen: X^, F^, ZJ sein, ?renn der Mo-
tnentensate gelten soll:
Da (IV) eine Aussage ist, die offenbar von den Behauptungen
(I), (II), (III) der vorhergehenden Nummern ganz unabhängig ist,
diese aber die einzigen Folgerungen aus dem Newtonschen Grund-
gesetze darstellen, so kann der eigentliche Momenten satz nicht aus
diesem gewonnen werden.
Um also den Momentensatz behaupten zu können, bedarf es eines
besonderen Axioms:
Die Spannungsdyade ist symmetrisch.
209. Worauf stützt sich die Berechtigimg dieses Axioms?
Wir wissen, daß man den Momentensatz und damit auch dieses Axiom
aufstellen kann, wenn man die Hypothese zuläßt, daß ein jedes
326 ^HL Gniodlagen einer allgemeinen Mechanik. Nr. t09.
System aus einer endlichen Anzahl von Massenpunkien besteht, deren
Zusammenhang durch Kräfte aufrecht erhalten wird^ die dem Gegen-
wirkungsprinzip in seiner weiteren Fassung gehorchen (siehe § 22).
Auf diese Weise wird auch meist unser neues Axiom gei^onuen.
Daß jedoch die benutzte Grundvorstellung recht künstlich ist, wurde
früher schon betont.
Wesentlich befriedigender ist die Ableitung mittels des D'Alem-
bertschen Prinzips, das selbst nebst den benutzten Axiomen der Statik
einen sehr hohen Grad von Plausibilität besitzt. Doch wird dadurch
das Axiom nur für starre Körper gewährleistet, die Übertragung auf
andere Systeme ist ein neues Axiom. Bei dem in diesem Abschnitt
vorgetragenen Aufbau der Mechanik ist der Satz unbeweisbar, was
zuerst Boltzmann deutlich aussprach, weshalb wir das Grundgesetz
der Symmetrie der Spannungsdyade auch nach ihm benennen wollen,
obgleich der Satz an sich viel älter ist.
Das Axiom empfiehlt sich nun zunächst durch seine Einfachheit.
Wir werden sehen, daß wir einen Satz analog dem Momentensatz auf
jeden Fall brauchen. Wäre nun D nicht Null, so müßten wir irgend
eine Annahme über D machen: es müßte D durch irgend welche
Ursachen bestimmt werden.
Für die Statik folgt der Satz aus dem allgemeinen Erstarrungs-
prinzip (Aiiora VIII, Nr. 178). Denn danach muß im Gleichgewichts-
falle für jeden Raumteil die Summe der Momente der äußeren Kräfte
Null sein, also
da aber nach Nr. 207 auch im Gleichgewichtsfalle
Crdk- CDdV^O
sein muß, so folgt
J^DdV=0
für jeden Uaumteil, also auch überall
J9 = 0.
Das Hauptargument aber, die Annahme i) = 0 zu vertreten, liegt
naturgemäß in der Übereinstimmung mit der Erfahrung.
Wir dürfen deshalb das einfache Axiom der Symmetrie
der Spannungsdyade aussprechen, weil sich bis jetzt noch
alle Erfahrungstatsachen in ungezwungener Weise mit dem
Momentensatz haben in Einklang bringen lassen.
Wir sagen absichtlich nicht: die Erfahrung beweist die Sym-
metrie der Spannungsdyade, weil man zeigen kann, daß sich jeder Er-
fahrungsinhalt mit dem Boltzmannschen Axiom in Einklang bringen
Kr. 210. § 39. Das zweite (Boltzmannsche) Grundgesetz. 327
ließe, wenn man geeignete^ noch unbekannte und durch eben jene Ur-
sachen bestimmte Kräfte annähme, durch die auch D verursacht würde
i siehe des Verfassers Arbeit in den Math. Annalen, Bd. 66: Über die
Grundlagen der Mechanik).
Noch eine Bemerkung sei gestattet, welche die räumlich ver-
teilten Kräfte anbetrifft. Auch von ihnen werden sich einige aus den beiden
Fnndamentalsätzen fortheben :
1. diejenigen, welche sich als Kraftwirkungen zwischen je zwei Punkten
des Körpers auffassen lassen und das vollständige Gegenwirkungsprinzip erfüllen,
wie z. B. die Gravitationskräfte (siehe Nr. 95, 107 und 108) oder die elektro-
magnetischen Kräfte in der älteren Auffassung (Coulombsches Gesetz);
2. zum Teil diejenigen, welche neuerdings meist als (nicht-mechanische)
Spannungen aufgefaßt werden (z. B. elektromagnetische Kräfte, siehe die Be-
merkung in Nr. 42), von denen dann auch nur die Oberflächenspannungen in
Schwerpunkts- und Momentensatz stehen bleiben (genau wie bei den mechanischen
Spannungen), vorausgesetzt, daß ihre Spannungsdyade ebenfalls symmetrisch ist.
210. Andere Fassongen des Momentensatzes. Es ist nicht
nötig, daß wir in dem Momentensatz: Moment der Massenbeschlenni-
gang gleich dem Moment der äußeren Kräfte, die Momente auf den-
selben Punkt 0 beziehen, von dem aus wir den Ortsvektor f messen.
Offenbar können wir irgendeinen Bezugspunkt zugrunde legen.
Wir erhalten aber damit keine neuen Sätze. Denn nach Nr. 114
ist für jedes Vektorensystem, also auch für dmw ebensogut wie für
die dk das Moment in bezug auf einen Punkt 0'
M ^M + sK,
wo M das Moment in bezug auf den Punkt 0 ist, .s den Vektor (Y 0
bedeutet und K die Summe der Vektoren.
Ist also in bezug auf den Punkt 0 das Moment der Massen-
beschleunigungen gleich dem Moment der äußeren Kräfte, und nach
dem Schwerpunktssatz die Summe der Massenbeschleunigungen gleich
der Summe der äußeren Kräfte, so ist der Momentensatz für jeden
anderen Punkt 0' von selbst erfüllt, mag dies nun ein fester Punkt
sein oder ein beweglicher Punkt.
Nehmen wir nun als Bezugspunkt einen festen Punkt,
so können wir von ihm aus den Ortsvektor f messen, so daß
t? = f
ist, und
d -
Oft
(siehe Nr. 102). In diesem Falle wird also
d
^dmrw = ^.^dmrv
328 ^ni. Grundlagen einer allgemeinen Mechanik. Kr. 210.
Sowie man also den Schtcerpiinktssatz stets schreiben kann
so kann man den Momentensatz, Itei Bezugnahme cuif einen festen
Punkt, schreiben
j-^^dmrv= Srrf*.
Das Gesamtmoment der Massengeechwindigkeit ^dmfv wollen
wir auch als Impulsvektor J bezeichnen:
Und der Momentensatz lautet dann
dt - ^^'
das Moment M der äußeren Kräfte erzeugt eine Änderung dj des
Impulsrektors, welche nach Größe und Richtung gleich dem Moment
ist, mit dt multipliziert.
Diesdbe Fonn des Momentensatzes gilt nun aud^, wenn man
als Bezugspufdä den Massenmittelpunkt (Schwerpunkt) des Systems
nimmt und zwar genügt es, das Moment von den Geschwindigkeiten
relativ zum Schwerpunkt zu bilden.
Beweis: Es sei
f ^r* -i- s,
also
r = r* + i = t?* -f v',
wo v' die Geschwindigkeit relativ zum Schwerpunkt bedeutet, und
w = w* + w\
Dann ist
i^dmstv = J^dm.s/e^* + ^dm¥tv
oder da man w* aus der ersten Summe rechts herausziehen kann^
Die erste Summe ist aber Null, da .s* = 0 ist, also bleibt
f^dmsfv = ,- j' ^ --- ^dmsv\
dt dt^^
Und der Momentensatz lautet
dJ' -^jr
wo auch das Moment der äußeren Kräfte Jf ' sich auf den Schwer-
punkt bezieht.
Nr. 211, 212. §89. Das zweite (BoltzmamiBche) Grundgesetz. 329
Bezogen auf einen beliebigen Punkt aber lautet^ nach
den Ergebnissen von Nr. 114 und weil ^dmtd « mir* ist, der Mo-
mentensatz ,f>
-^ + msw* = -3f ,
wenn s der Vektor Yom neuen Bezugspunkt nach dem Schwerpunkt ist.
211. Der Momentensatz belogen auf eine Achse. Wir
wissen, was das Moment in bezug auf eine Achse ist (siehe Nr. 127)
und wissen auch, daß es zugleich die Komponente des Momenten-
Yektors, bezogen auf einen Funkt der Achse, nach dieser Achse ist.
Also gUt der Momentensatz auch für Momente um eine Achse.
Legen wir nun durch einen festen Punkt oder durch den Schwer-
punkt eine Achse unveränderlicher Richtung und führen in bezug auf
diese Achse die sogenannten Zylinderkoordinaten Bj r, d' ein, (z parallel
der Achse, r radial nach außen, d" Polarwinkel), so daß k, f, rd" die
Geschwindigkeitskomponenten eines Systempunktes relativ zum ge-
wählten Punkte sind, so haben i und r kein Moment in bezug auf
• • •
die Achse, rd' dagegen das Moment r - rd' ^ r'-Ö*.
Somit hat J nach der gewählten Achse die Komponente
und wir können den Momentensatz so aussprechen:
Für jede der Richtung nach feste Achse durch einen ruhenden
Punkt oder den Schwerpunkt ist
^^(^dmr>»)=M,
d
WO r den Abstand eines Systempunktes von der Achse, d' seine Winkd-
geschwindigkeit um die Achse und M das Moment der äußeren Kräfte
um die Achse bedeutet.
Ist insbesondere Jtf « 0, so folgt
^dmr^d' = const.
Ist die Bewegung dann weiter von der besonderen Art, daß sich alle
Punkte mit derselben Winkelgeschwindigkeit co = -ö* um die Achse
drehen, so folgt ^
' ^ Tq} = const,
wo T= ^dmr^ das Trägheitsmoment des Systems um die betreffende
Achse ist.
•
212. Einfache Anwendungen des Momentensaties. Be-
wegt sich ein System um eine Achse und ist das Moment der äußeren
Kräfte in bezug auf diese Achse Null, so ist nach der vorhergehenden
Nummer
^dmr^(o = const.
330 ^UL GnmdbgeB mmer aUgemaneB Meehauk. Kr. SIS.
1. Haben nmi alle Punkte dtielhe o, wibrend sie jedoeh ütren
Abstand Ton der Drehachse Terandeni köunen, ao folgt ans
o • ii^dmr^ = oonat:
je großer die Abstände r Ton der Achse sind, desto kleiner moB Ton
selbst & sein und umgekehrt. Man kann sieh ron der Richtigkeit
dieser Erscheinong leicht durch ein Experiment uben^ig«i:
Man n^une einen Drehsehemel (nach Prot Prandtl, Gottin-
gen -, d. h. einen SehemeL der sich um eine rertikale Achse möglichst
reibnngsfrei drehen kann. Man stelle sich darauf und lasse sich in
Drehung rersetzen. Annäherungsweise werden dann die äußeren Kräfte
kein Moment um die vertikale Achse haben, da das Gewicht der Achse
I>arallel und die Widerstandskräfte iBeibung, Luftwiderstand) äußerst
gering sind. Streckt man nun die Arme ans, so muß momoitan eine
Verlangsamung der Drehbewegung eintreten, die sofort wieder ruck-
gängig gemacht werden kann, wenn man die Arme wieder in die alte
Lage bringt. Die Erscheinung ist besonders auffallig, wenn man die
Hände noch durch Massen beschwert.
Das hier besprochene Gesetz ist auch für die Drehbewegung der
Erde tou Wichtigkeit: Zieht sie sich infolge Abkühlung zusammen,
so muß ihre Winkelgeschwindigkeit großer werden. Es ist dies einer
der Grande, die f&r eine Veränderung der Drehbewegung der Erde
sprechen Tsiehe § 2;, doch ist diese Veränderung der Messung noch
nicht zugänglich, auch gibt es andere Gründe, welche eine Verlang-
samung erzeugen, nämlich die retardierende Wirkung der Anziehung
des Mondes auf die Flutwelle. Bekanntlich ist der Mond rückläufig:
er läuft im entgegengesetzten Sinne der Erddrehung um unsem Pla-
neten.
Dasselbe Gesetz benutzen Akrobaten, um einen Saltoroortale
zu schlagen: sie setzen ihren Körper in ausgestreckter Lage beim
Abspringen in eine geringe Drehbewegung um eine horizontade Quer-
achse, ziehen dann ihren Körper in der Luft zusammen, wodurch
die Rotation Tergrößert und somit der Saltomortale ermöglicht wird,
und strecken sich dann wieder aus, um mit verringerter Winkel-
geschwindigkeit auf den Boden zu kommen.
2. Will man einen Körper, dessen Punkte alle dasselbe q haben,
in seiner Drehbewegung durch äußere Kräfte beeinflussen, so ge-
schieht dies nach der Formel
Daraus sieht man, daß die Erzeugung einer gleichen Veränderung der
Winkelgeschwindigkeit ein um so größeres Moment erfordert, je größer
T ist, je weiter also die Massen yon der Achse entfernt liegen. (Darum
der Name „Trägheitsmoment''.) Auch davon überzeugt man sich leicht
Nr. 212. § 89. Das zweite (Boltzmanosche) Grundgesetz. 331
mittels des DrehschemeLs: es bedarf einer gröfieren Anstrengang^ eine
Person mit ausgestreckten Armen in Drehung zu versetzen^ als die
gleiche iPerson mit herabhängenden Armen.
3. Ist die Summe der äußeren Kräfte Null, so folgt aus dem
Schwerpunktssatz
V* « const.
Man kann also die Bewegung des Schwerpunktes ohne Zuhilfenahme
äußerer Kräfte nicht ändern. Wegen der Analogie dieses Satzes mit
^dmt^cj — const.,
falls das Moment der äußeren Kräfte Null ist, hat man oft geschlossen,
man könne sich ohne Zuhilfenahme äußerer Knlfte nicht herum-
drehen. Diese Schlußfolgerung ist jedoch falsch.
Nehmen wir z. B. an, das System, etwa ein lebendes Wesen, be-
stehe wesentlich aus zwei Teilen, von denen jeder eine für seine
Massenelemente gemeinsame Winkelgeschwindigkeit besitze (cd^ und cd,),
während die Trägheitsmomente T^ und T^ seien. War dann zu An-
fang Ruhe (co^ = (o^ '^ 0), so yerlangt der Momentensatz bei Fehlen
äußerer Kräfte
wenn wir T^ und 1\ wesentlich konstant halten, d. h. die Abstände
r Ton der Achse, so ergibt eine weitere Integration
wenn wir die Drehwinkel ^j, d-^ so zählen, daß sie zu Anfang Null
waren.
Nim kann ein lebendes Wesen zweifellos durch innere Kräfte
(durch Muskelanstrengung) einen Teil des Körpers gegen den Rest
herumdrehen, man kann z. B. einen Arm über ^^- -..
dem Kopf im Kreise herumführen und ihn /'
gegen den ruhenden Raum einen Winkel d'^ fOi ^•^-t*\
beschreiben lassen. Dann folgt sofort aus der ^-^ST u..^- ->^''
obigen Formel, daß der Rest des Körpers, weun ^^ ,,.^
er sich frei um die Achse drehen kann, nach
der entgegengesetzten Seite einen Winkel be-
schreiben muß: — <9-j, der sich berechnet zu
T
Sollen sich nach der Bewegung Arm und Kör- '*
per wieder in der alten relativen Lage zueinander befinden, so muß nur
sein, woraus sich ergibt
332 Vni. Grundlagen einer allgemeinen Mechanik. Nr. 21:2.
T
der ganze Körper hat sich also um diesen Winkel ^^ herumgedreht.
Man kann das Experiment sehr gut auf dem
Drehschemel ausführen.
Wir haben angenommen, daB sich alle Punkte
in Kreisen um die Achse bewegen, doch ist das nicht
nötig. Denn wir wissen (siehe Nr. 29, 30), daß r-d^
die Fläche dF ist, die der Radius r in der Zeit dt
beschreibt: man kann also den Momentensatz beim
Fehlen eines äußeren Momentes auch so schreiben:
oder nach Integration
Srfmi^=0,
wenn F die Flächen sind, welche die einzelnen Radien von der Anfangs-
Stellung aus beschrieben haben. Daraus folgt: wenn ein Teil des Kör-
pers Flächen jP^ in einem bestimmten Umlaufssinn beschreibt, so muB
sich gleichzeitig der andere Teil des Körpers im entgegengesetzten
Sinne so herumdrehen, daß die Radienyektoren seiner Punkte Flächen
F^ vom entgegengesetzten Umlaufssinn überstreichen und daß
^dm,F,^^dm,F,
ist. (Hier sind die F mit ihren absoluten Werten einzusetzen.)
Diese spezielle Folgerung des Momentensatzes (i'ür Jlf » 0) nennt
man wohl auch den Flächensatz.
In den neunziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts gab einen
neuen Anstoß zur Erörterung der vorstehenden Probleme die Beob-
achtung, daß eine Katze, wenn sie mit dem Rücken nach unten zu
fallen anfängt, es meist so einzurichten weiß, daß sie mit den FQßen auf
den Boden kommt. Beobachtungen lehrten, daß sie sich dabei keine
Anfangsdrehung im Momente des Fallens erteilen konnte; auch ist die
Wirkung der Luft zu gering, um als äußere Kraft die Drehung her-
vorzurufen. Das Tier kann nun nach dem oben auseinander gesetzten
tatsächlich seinen Körper um eine Horizontalachse drehen, wenn es
Extremitäten im entgegengesetzten Sinne herumbewegt. Momentphoto-
graphien lehren, daß die Katze wirklich so verfährt (siehe: Comptes
rendus der Pariser Akademie 1894, 2. Bd.): sie schleudert Hinterbeine
und Schwanz in kräftigem Schwünge um eine horizontale Achse, der
Vorderkörper dreht sich dann von selbst im entgegengesetzten Sinne.
Durch Ausstrecken der Hinterextremitäten und Einziehen der Vorder-
Kr. 213. § 40. Weitere Anwendungen v. Schwerpunkt- n. Momentensatz. 333
beine kann sie die TriLgheitsmomente verändern nnd somit den ge-
samten Drehwinkel regulieren, so daß sie gerade eine halbe Drehung
ausführt und auf die Beine zu stehen kommt.
Ein Schwimmer kann die Folgerungen des Flächensatzes an sich
selbst leicht ausprobieren, indem er, auf dem Rücken liegend, mit
dem linken Beine etwa einen kräftigen Schwung links herum in der
Luft ausführt: er wird sich dann Yon selbst rechts herumdrehen.
Aufgabe 97: Anf einem Drehschemel vom Trägheitsmoment T laufe ein
Insekt (Massenpunkt m) vom Mittelpunkte aus auf einem Radius bis in die
Entfernung r vom Mittelpunkt, dann auf einem Kreise durch den Zentriwinkel qp,
endlich wieder auf einem Radius in die Mitte surflck. Um welchen Winkel wird
sich dabei der Schemel gedreht haben, von dem wir annehmen wollen, daß er
sich reibungsfrei um seine vertikale Achse drehen kann.
§ 40. Weitere Anwendungen von Schwerpunkt- nnd
Homentensatz.
213. Der um eine feste Achse rotierende starre Körper.
In Nr. 211 hatten wir dem Momentensatz, bezogen auf eine der Rich-
tung nach feste Achse durch den Schwerpunkt oder durch einen
festen Punkt die Form gegeben:
Dreht sich nun ein starrer Körper um eine feste Achse, so können
wir diese zur Momentenachse wählen: weil der Körper starr ist, drehen
sich alle Punkte in gleichen Zeiten um gleiche Winkel, also ist o
eine allen Punkten gemeinsame Größe, kann also aus der Summe
^dmr^G) herausgezogen werden. Außerdem sind die Abstände r kon-
stant, also auch das Trägheitsmoment T.
Somit ergibt sich für den um eine feste Achse rotierenden starren
Körper die Bewegungsgleichung
^ dt ^•
Dabei ist M das Moment aller äußeren Kräfte.
Nun kann man aber die Lagerreaktionen bei der Berechnung von
M fortlassen. Denn die Berührungsfläche des rotierenden Körpers
mit dem Luger ist auf jeden Fall das Stück einer Rotationsfläche,
auf dieser stehen aber die Lagerdrucke senkrecht, gehen also durch
die Drehachse hindurch und haben somit kein Moment in bezug auf
dieselbe.
Es bleiben also für die Bildung von M nur diejenigen Kräfte
übrig, die wir früher (Nr. 141) als eingeprägte Kräfte bezeichnet
haben und somit haben wir dieselbe fundamentale Gleichung erhalten
334
VIII. Onmdlagen einer aUgemeinen Mechanik.
Nr. 214.
wie in Nr. 194. Es sei aber ausdrücklich bemerkt, daß die Lager-
reibung bei der Bildung ron M zu berücksichtigen ist, denn sie hat
ein Moment (und ist auch als Gleitreibung eine eingeprilgte Kraft;
siehe Nr. 61).
214. Aualauf eines sentrierten Bades infolge der Lager-
reibnng. Ein Rad möge sich frei um eine horizontale Achse drehen,
außer der Schwerkraft und dem ganzen Li^erdruck möge keine Kraft
auf das Rad wirken. Der Schwerpunkt liege auf der Achse, das Rad,
sei, wie man sagt, zentriert.
Dann ist die Massenbeschleunigung des Schwerpunktes notwen-
digerweise Null und also verschwindet die Summe aller äußeren Kräfte:
der ganze Li^rdruck D ist also nach oben gerichtet und gleich dem
Gewichte. Aber er wird bei Vorhandensein yon Reibung nicht durch
die Wellenachse gehen können. Denn die Reibung ist der Bewegung
entgegengesetzt und ergiebt also ein Moment daß dem Drehungssinn
des Rades entgegen ist. Ist der Abstand des Druckes D von der
Achse Q, so ist das Reibungsmoment — qD ^ — qG, falls wir Mo-
mente im Sinne der Bewegung positiv rechnen.
Die Bewegungsgleichung lautet somit
rpdm
^qG
Dürfen wir die Reibung als von der Geschwindigkeit unabhängig an-
sehen, d. h. p als konstant, so ergibt die Integration
also als Auslaufszeit (für o » 0)
Ist das Lager zylindrisch, ungeschmiert, und die Berührung zwischen
Rad und Li^^r wesentlich auf eine Erzeugende
beschränkt, so ist
p = r sin qr,
wenn r den Zapfenradius (2r den Durchmesser
des Lagers) bedeutet, 9 den Reibungswinkel.
Man sieht dies sofort aus der Figur, welche das
Kräftespiel im Lager für den ins Auge ge&ßten
Fall darstellt. Aus der Figur erkennt man zu-
gleich, daß die Berührungsstelle aus der normalen
Lage im Falle der Ruhe im Sinne der Dreh-
Fig.179. bewegung um den Winkel 9 verschoben ist.
1
Nr. 216. § 40. Weitere Anwendangen v. Schwerpunkt- u. Momentensatz. 335
Wenn nun die Beruhrang nicht einpunktig ist oder Schmierung
Yorhanden, so setzt man
und bestimmt am besten f experimentell.
Neuere Untersuchungen haben bei geschmierter Reibung eine
starke Abhängigkeit des f von N (oder D) und v ergeben (siehe
Nr. 60und 143), was man bei der Integration der Differentialgleichung
zu beachten hat. Es ist jetzt g = rf eine Funktion von o; man
wird demnach haben
da ^^ /J*
7(ä) T '
also
Ol
i
_ T rdca
rGj r(a>y
Me
Ist f\(jo>) graphisch gegeben, so kann man das rechtsstehende Integral
auch graphisch leicht ermitteln und somit die Auslaufszeit' berechnen.
Wir erwähnten schon früher, daß die Theorie der zähen Flüssig-
keiten eine wenigstens teilweise befriedigende theoretische Behand-
lung des Problems der geschmierten Reibung ermöglicht hat und in
Übereinstimmung mit der Erfahrung eine Verschiebung der engsten
Stelle des Spielraums zwischen Zapfen und Lager gerade im anderen
Sinne ergibt als die Hypothese der trockenen Reibung (siehe Som-
merfeld, Z. f Math. u. Physik 1904, Bd. 50).
215. Die Atwoodsohe Fallmasohine (ohne Beibung) besteht
ans einem um eine horizontale Achse drehbaren Rade, einem darum geschlun-
genen Faden und zwei Gewichten, die an die Enden desselben geknüpft sind.
Wir betrachten nur den Fall, daß sich die Gewichte in je einer Vertikalen auf-
und abbewegen. T sei das Trägheitsmoment des Rades, G^ , (r, die Gewichte,
/ die unveränderliche Länge des Fadens, ^t dessen spezifische Masse pro Längen-
einheit, X die variable Entfernung des Gewichtes G^ unter dem Mittelpunkte des
Rades, dessen Radius r sei.
Senkt sich G^ mit der Geach windigkeit r, so haben Gewichte und Faden
df)
die Beschleunigungskomponente -r- in Richtung ihrer Bewegung, das Rad aber
u t
die Winkelgeschwindigkeit co »^ — , wenn wir annehmen dürfen, daß die Reibung
T
zwischen Faden und Rad so stark ist, daß ein Gleiten nicht eintritt.
Daher ist für das ganze bewegte System das Moment der Massenbeschleu-
nignng in bezug auf die Drehachse 0 des Rades
336 Vni. Grimdlagen einer allgemeinen Mechanik. Nr. 216.
oder
r^^'^im. + m. + m' + m-), (1)
wo
m, « — Ö, , wi, = - G», m' — Iti
9 9
die Massen der Gewichte und des Fadens, m" aber die sogenannte, anf den Um-
fang des Rades ,,reduzierte Masse" desselben ist, nämlich
T
m --..
Die einzige äußere fi[raft, die ein Moment hat, ist die Schwerkraft, wenn wir
Ton der Reibung zwischen Rad und Lager absehen; die Schwerkraft hat aber
das Moment
G^t '\- x^gt — {l — TTt — x)iLgr — G^r. (2)
Nach dem Momentensatz, angewendet auf das ganze bewegte System, muß nun
Ausdruck (1) gleich dem Ausdruck (2) sein, also lautet die Bewegungsgleiohung,
wenn wir m^ + w, + "*' + w" = m setzen,
d*x
fn ^y, = gF(Wi — w, — {l — 7cr)fi) + 2xiig,
j . dx . .
da ja t;— -^- ist.
at
Setzen wir noch zur Abkürzung
m, — m, — (l — m) a ,
g.l 1 >^ ^ = ^
w
m
so lautet die Differentialgleichung der Bewegung
d^x
-a*x^g,
dt
deren Integral lautet
x^ — '^g+Ae^'+Be
^ ' ■ ' at t -D-at
mit A und B als Integrationskonstanten.
War etwa für t >= 0 auch x=^0 und o; = 0, so bestimmen sich A und B aus
0^^l,g+A + B,
0 = Aa — aB,
d. h.
1 9
2 a*
80 daß
*=i^'(-^+ 2 ('"'+'"*"))
wird. Für sehr kleine a (Vernachlässigung der Schwere des Fadens) muß sich
in der Grenze eine gleichförmig beschleunigte Bewegung ergeben; tatsächlich ist
lim.r= l gty
Nr. 216, 217. § 40. Weitere Anwendungen v. Schwerpunkt- u. Momentensatz. 337
216. Bernokslohtis^nng der Beibung.
Wollen wir die Reibung im Lager berücksichtigen, so tritt in die Diffe-
rentialgleichung der vorigen Nummer noch das Moment der Reibung ein, das
-wir analog wie in N. 214 mit
bezeichnen, wo / den Zapfenradius bedeutet und f — es wird sich meist um
beschmierte Reibung handeln — als bekannte Fimktion von v anzusehen ist.
Den gesamten Lagerdruck 2>, der wesentlich ^) vertikal sein muß , berechnen
-wir durch Anwendung des Schwerpunktsatzes:
*"i sl "" *"» äl + ^^ " ^^ "" ^ — ^'^^^^dt ^ ^^' +^t + h + »h)9 — ^ *)i
-w^obei 711, die Masse der Rolle ist.
Also ist
D « (w^ + m, -f Z/1 -f mj,)g — [m^ — in, + 2xii — (l — rn)it] ^J ,
infolgedessen der Momentensatz nach Division durch r die Form annimmt:
d*x
tn jTi == 9(^1 — »!, — (? — nr)ii) + 2xiig
d*x
Ist /" eine Funktion von x^ so wird man am besten tun, die vorstehende
Differentialgleichung graphisch zu integrieren. Kann man dagegen /" als kon-
stant ansehen, so hat die vorstehende Differentialgleichung, nach x aufgelöst,
die Form
d*x g" -\- XX
■(77* ~ T^^'x '
wo g", X, X Konstante sind.
Aufgabe 98: Man führe die vorstehende Differentialgleichung nach der in
Nr. 67 augegebenen Methode zur Integration einer jeden Differentialgleichung
der Form
X = f{x)
auf bloße Quadraturen zurück.
In vielen Fällen wird man die Masse des Seiles vernachlässigen können,
d. h. X und x gleich Null setzen dürfen und erhält dann wiederum eine kon-
stante Beschleunigung.
217. Anwendung auf Aufiefige und Xrahne.
Handelt es sich um einen Krahn oder Aufzug, so wird die Frage meist so
gestellt sein: welches Drehmoment muß ich noch auf die Rolle wirken lassen,
damit die Bewegung gleichförmig geschieht?
Es tritt dann in die Momentengleichung noch das gesuchte Drehmoment M
hinzu; dafür aber hat man £«=0 zu setzen. Man bekommt auf diese Weise
die Gleichung
0 =a rgini^ — m^ — (Z — r«)ft) -j- ixtigr — f r {mi + *Wj -f f /i + in^)g + M,
woraus sich nach Einführung der Gewichte ergibt
M = r{G^ ^G^ + il — rn)Y] — 2xyr + f'rG,
1) Von der Beschleunigungs Wirkung des kleinen, die Rolle umspannenden
Seilstückes ist abgesehen.
Hamel: Slemoutare Mechanik. 22
338 VIII. Grundlagen einer allgemeinen Mechanik. Nr. 218*
wo G das Gesamtgewicht von Rolle, Seil und Lasten ist, 7 das spezifische Ge-
wicht des Seiles. Bei kurzen Aufzügen wird auch hier das Glied 2x/r oft un-
bedeutend sein, in anderen Fällen aber, wie z. B. bei Förderanlagen in Berg-
werken, wo l sehr gro6 ist, kann es ganz wesentlich ins Gewicht fallen.
Wegen Berücksichtigung der Seilsteifigkeit im Falle langsamer Bewegung
siehe § 36. .
218. Bereohnung der lAgerreaktionen eines um eine
feste Achse rotierenden starren Körpers. Wir wollen folgende
allgemeine Aufgabe in Behandlung nehmen:
£in starrer Körper rotiere um eine feste Achse; er sei
irgendwelchen eingeprägten Kräften unterworfen, wie be-
wegt er sieh und was läßt sich aus Schwerpunkts- und Mo-
mentensatz über die Lagerreaktionen erschließen?
Folgendes können wir von vornherein erwarten: Schwerpunkts-
und Momentensatz bedeuten zwei vektorielle, also sechs skalare Glei-
chungen. Wir wissen, daß die Lagerreaktionen kein Moment um die
Achse haben (siehe Nr. 141), daraus folgt eine von den Lagerreak-
tionen freie Gleichung, die Momentengleichung für die Achse als Be-
wegungsgleichung. Es bleiben noch fünf Gleichungen, wir werden
also erwarten dürfen, daß wir mit ihrer Hilfe fünf Aussagen über die
Reaktionen machen können, daß es uns nämlich gelingen wird, ihre
geometrische Summe und ihr Moment, das sicher auf der Achse senk-
recht stehtp^u berechnen.
Um die Aufgabe zu behandeln, nehmen wir die Rotationsachse
zur ;?- Achse, legen den Anfangspunkt des Koordinatensystems in den
Fußpunkt 0 des Lotes vom Schwerpunkt S
auf die Achse, wählen OS zur ic- Achse,
,x woraus sich die Richtung der f/-Achse von
selbst versteht.
Die eingeprägten Kräfte mögen nach
diesen Achsen die resultierenden Kompo-
nenten K^y K^y K^ und die Momente jM,,
ilfy, M, haben, die Lagerdrucke entsprechend
die resultierenden Komponenten r^^ r , r^
und die Momente JK^, Ä , 0, und zwar seien damit die Druck-
wirkungen auf das Lager gemeint, so daß die entsprechenden Größen,
welche auf den rotierenden Körper wirken, nach dem Gesetz der Gleich-
heit von Wirkung und Gegenwirkung dieselben sind, nur mit ent-
gegengesetztem Zeichen.
Da der Schwerpunkt eine Kreisbewegung (siehe Nr. 25) machte
so lauten die Komponentengleichungen des Schwerpunktsatzes
msG}^ = K^-
- *z,
msio = iCy -
-V
0 - K, -
- r..
*
Nr. 218. § 40. Weitere Anwendungen v. Schwerpunkt- u. Momentensatz. 339
Daraus ergeben sich sofort die resultierenden Lagerdnick<^
r^ = K^— msta,
r, - K,.
Das Lager hat also insgesamt nicht nu/r die eingeprägten Kräfte
auf'zunelimeny sondern noch zwei Anteile, die von der „Massentvirkung*^
herrühren: die sogenannte Zentrifugalkraft msm* in der Bichtung von
der Achse auf den Schwerpunkt zu und den Anteil msm senkrecht
dazu und detn Sinne der positiv gerechneten Winkelbeschleunigung
entgegen. Der erste Anteil verschwindet nur, tvenn der Körper zetp-
triert ist, der zweite auch bei gleichförmiger Bewegung,
Die Zentrifugalkraft wird namentlich bedeutend f£lr rasch um-
laufende Körper; geringe Exzentrizitäten geben dann bedeutende Bean-
spruchungen (siehe die Bemerkung über Lavalturbinen in Nr. 76).
Um die Momentengleichungen aufzustellen^ beachten wir, daß
fw nach der o:- Achse die Komponente yw^ — zw^ hat usw. und daß
ffir einen Punkt mit der Entfernung r von der Drehachse und der
Amplitude (p gegen die a?- Achse (nach Fig. 180 oder nach Nr. 27)
• •
«^, "■ — r^' cos qp — f (0 sm 9? — — xo* — yco,
Wy — — ro* sin 9? + rra cos 9? = — yco* + xg),
ist. Danach lautet der Momentensatz in Komponenten:
^dm(yiv^ — zw^) = ^dm(yzo^— zxc)) = 3f, - Ä,,
S dm {zw^ — xw^ 7= ^dm{— zx(o^ — zyü) ^ M^— B^,
^dm(xwj, — yw^) = Srfmfa;* + y*)ö = M^.
Man kann aus den Summen links überall o* und d> herausziehen und
erhält sofort aus der letzten Gleichung die schon bekannte Bewegungs-
gleichung
Tco « M .
In den beiden anderen kommen die Ausdrücke vor
Sdmyz - Z>y „
^dmxz ^ D^,,
charakteristische Konstante für den Körper und das gewählte, im
Körper feste Achsensystem, die wir Deviationsmomente nennen
22*
340 YliL Onmdlftgen einer allgemeinen Mechanik. Nr. 218.
wollen. (Siehe Nr. 198 und § 45). Nach Einfuhrung dieser Abkür-
zungen erhalten wir aus den beiden ersten Momentengleichungen:
Daraus sieht man, daß sdbst hei zentriertem Bad und gleidi-
förmigem Laufe desselben die „Massenwirkung^ nicht Xuü ist: es
bleiben im allgemeinen noch Kräftepaare — D^,©* und D^^a^ weiche
nur verschwinden, wenn die Deviaiionsmomente D^ „ und Z>. . NuU sind.
Man erkennt nun sofort, daß dies jedenfalls dann der Fall ist,
wenn entweder die Schwerpunktsebene senkrecht zur Drehachse eine
Symmetrieebene der MassenTerteilung ist; denn dann entspricht jedem
Element dm yz (bzw. dm xz) ein entgegengesetzt gleiches dm y(— z)
(bzw. dm x(— z)) — oder wenn die Schwerpunktsebene durch die
Achse und die dazu senkrechte Ebene durch die Drehachse Symmetrie-
ebenen sind (z. 6. bei einem Körper von voller Rotationssymmetrie).
Der Beweis ist analog dem Torhergehenden.
Wir werden später (§ 45) sehen, daß jeder Körper durch jeden
Punkt mindestens drei zueinander senkrechte Achsen, die sogenannten
Hauptachsen, besitzt, für welche alle drei Deviationsroomente ver-
schwinden.
Rotiert ein Körper, der gar keinen Kräften unterworfen ist, kon-
stant um eine feste Achse durch den Schwerpunkt? Wir können die
Frage so stellen: Ist es nötig, eine Rotationsachse durch den Schwer-
punkt festzuhalten, wenn der Körper gar keinen Kräften unterworfen
ist? Aus unseren Gleichungen folgt zwar wegen s = 0
dagegen trotz c) ^ 0 (wegen 3f, = 0)
Die Frage ist also im allgemeinen zu verneinen, denn wenn 2)^, D,^,
nicht Null sind, so brauchen wir zur Aufrechterhaltung der Dreh-
achse ein Kräftepaar.
Ein Körper, der gar keinen äußeren Kräften unterworfen ist,
rotiert nur dann dauernd um dieselbe Achse, wenn die beiden De-
viationsniomente dieser Achse verschwinden. Man nennt deshcdb eine
Achse von dieser Eigenschaft auch eine „freie Achsef\
Was ein kräftefreier Körper tut, der um eine andere Achse in
Rotation versetzt wird, werden wir später (Nr. 279 und 280) sehen.
Wir sehen des weiteren aus unseren Formeln, daß für langsame
und gleichmäßige Bewegung die statische Behandlung des Problems,
die wir schon früher besprochen haben (Nr. 142) erlaubt ist.
Nr. 218. § 40. Weitere Anwendungen t. Schwerpunkt- n. Momentensatz. 341
DieBedeutung des Problems, das schon von Euler gelöst wurde,
dürfte auf der Hand liegen: nicht nur werden durch die Lagerdrucke
die Lager selbst beansprucht, sondern auch die Fundamente. Sind z.B. die
Momente R^ und R^ oder r^, r^ konstant, was für die Massenwirkung
allein bei gleichförmigem Gang ((b = 0) der Fall ist, so bedeutet dies
Reaktionswirkungen, die mit den Achsen (x, y) umlaufen und also
das Fundament in periodischem Wechsel beanspruchen. Daher rührt
die stampfende Wirkung umlaufender Maschinen auf das Fundament.
Tritt nun Resonanz ein (siehe Nr. 76), d. h. stimmt die ümlaufszeit
der Maschine mit einer Periode der freien Schwingungen des Ge-
bäudes überein, so wird dieses in besonders heftiger Weise in Schwin-
gungen versetzt, welche seine Haltbarkeit ernstlich gefährden können,
ganz abgesehen von der sonstigen Unannehmlichkeit dieser Wirkung.
Umlaufende SchiflPsmaschinen werden in gleicher Weise das ganze
Schiff in Schwingungen versetzen. Diese möglichst herabzudrücken,
soweit die Massenwirkung in Frage kommt, ist das Problem des
Massenausgleichs, das von 0. Schlick zu einem gewissen Ab-
schluß gebracht wurde (siehe 0. Schlick, Deutsches R. P. 1893, auch
Z. d. y. d. I. 1894. Schubert, Theorie des Schlickschen Massenaus-
gleiches. Lorenz, Dynamik des Kurbelgetriebes, auch das Referat
von Heun, Die kinetischen Probleme der wissenschaftlichen Technik
sowie V. Mises, Encyklopädie IV, 10). Wären die Schiffsmaschinen
rein rotierende Körper, so lautete die Bedingung des Massenausgleichs:
es muß die Drehachse durch den Schwerpunkt gehen und eine freie
Achse sein. Der Umstand, daB auch Maschinenteile mit ganz anderer
Bewegung beteiligt sind, bringt eine Komplikation des Problems mit
sich. Siehe die oben angeführte Literatur.
Für Lokomotiven hat bereits Redtenbacher die Massenwirkun-
gen betrachtet (Literatur siehe Nr. 150).
Aufgaben: 99. Eine Achse von der Länge l trage symmetrisch im Ab-
stände h von der Mitte zwei gleiche Schwungräder vom Radius a. Nur das eine
habe noch an der Peripherie eine Zusatzmasse vom Gewicht G, die wir punktförmig
annehmen wollen. Die Welle sei an den beiden Enden gestützt in kurzen Lagern,
deren Längsausdehnung wir vernachlässigen wollen, d. h. wir sehen die Lage-
rung an den Enden als punktförmig an. Eingeprägte Kräfte seinen nicht vor-
handen, das Rad drehe sich mit der Winkelgeschwindigkeit tu. Man berechne
den Lagerdruck an den Enden der Welle.
100. Ein rotierender starrer Körper habe die Exzentrizität «, während eine
Hauptachse durch den Schwerpunkt /S, um die zugleich Rotationssjmmetrie
herrsche, die Drehachse unter dem Winkel a schneide. Gegeben seien m, «, o),
fi) BS 0, und die Hauptträgheitsmomente: C um die Symmetrieachse, Ä==^ B senk-
recht dazu. Man bestimme die Massenwirkung. (Man braucht zur Lösung die
Ergebnisse aus § 46, den man aber jetzt schon studieren kann.)
DL Ebmt Bewegaag des sterai Kftipert. Nr. f 19.
Kapitel EL
Ebene Bew^nag des starren Körpers.
y 41* UigeBiademagen efaiM stanen Korfera im der Ekeme.
310. iL]lg«iiiei»e Tliiminlinngcn Unter einem starren Körper
Terrtehen wir einen Körper, der sich bei der Bewegung selbst kon-
gruent bleibt.
Wir nennen seine Bewegung ebeu^ wenn alle seine Punkte ebene
Bahnen beschreiben , deren Ebenen untereinander parallel sind. (Es
gibt auch eine Bewegungsart, bei der zwar alle Bahnen eben sind,
diese Ebenen aber nicht einander parallel liegen, diese Bewegung ent-
deckte Darboux, siehe Comptes rendus Bd. 92, 1881).
Aus der Definition der ebenen Bewegung folgt:
1. Punkte, die einmal in einer Bewegungsebene liegen, bleiben
in dieser.
2. Kennt man die Bewegung des Schnittes eines Körpers mit einer
Bewegungsebene, so kennt man die ganze Bewegung. Denn betrachtet
man die augenblickliche Projektion P^ eines Punktes P auf die heraus-
gegriffene Schnittebene, so bleibt dieBC Beziehung beider bei der Be-
wegung bestehen, denn einmal bleibt P' in der Parallelebene zu P,
dann al>er auf der Kugel um P mit dem Radius der ursprünglichen
Entfernung PP\ Da dies aber die kürzeste Entfernung der beiden
Ebenen ist, so haben Kugel und Ebene nur einen Punkt gemein,
eben den Projektionspunkt P' Ton P.
Also genügt zum Studium der Geometrie der ebenen Bew^ung
die Betrachtung der kongruenten Bewegrung einer ebenen Figur in
ihrer Ebene.
Kongruenz allein genügt aber noch nicht, um behaupten zu können,
daB man zwei Figuren durch stetige Bewegung ineinander überführen
kann. Auch der Umlaufssüin bleibt bei stetiger ebener Bewegung er-
halten. Umfahren wir nämlich den Umriß einer Figur in bestimmtem
Sinne und betrachten diesen Prozeß von einer bestimmten Seite der
Ebene aus, so sind zwei Möglichkeiten Torhanden: entweder liegt das
Innere der Figur zur Linken oder zur Rechten. Die darin begründete
Unterscheidung bleibt offenbar bei stetiger ebener Bewegung bestehen,
wenn wir nur immer in derselben Weise umfahren, d. h. die Punkte
des Umrisses im selben Sinne anordnen.
Es können also Figuren kongruent und von gleichem Umlaufs-
sinn sein (z. B. die Dreiecke ABC und A'B'C) oder auch kong^ent
und Ton entgegengesetztem Umlaufssinn {ABC und A'B"C), Fig^uren
Nr. 219. § 41. Lftgenänderangen eines starren Körpers in der Ebene. 343
der letzteren Aii kann man also durch ebene Bewegung sicher nicht
ineinander überführen.
Wir können dagegen leicht einsehen^ daß man Figuren der ersten
Äfij die also kongruent und gleichsinnig sind, immer durch ebene
Bewegung ineinander überführen kann.
Fig. 181.
Fig. 182.
Beweis: Betrachten wir eine Strecke AB und eine gleich große
A'B\ so kann man durch Bewegung AB immer nach A'B^ bringen.
Man braucht nur zuerst AB parallel so zu Terschieben, daß etwa B
nach B' kommt^ A nach A" und kann dann durch Drehung um B'
den Punkt A" nach A' schaffen. Ist nun C ein dritter Punkt, so ist
«in Punkt C eindeutig dadurch bestimmt, daß ABC kongruent und
gleichsinnig mit AlB'C sein soll und also muß bei dem angegebenen
Prozeß C nach C kommen.
Damit ist der Beweis geliefert und zugleich gezeigt, daß man
eine ebene Lagenänderung eines starren Körpers stets dadurch er-
Beugen kann, daß man erst eine Translation (Parallelverschiebung)
und dann eine Rotation (Drehung um einen festen Punkt) ausführt.
Aus dem Vorhergehenden geht des Weiteren hervor, daß man die
Lage einer ebenen Figur eindeutig* beschreiben kann, wenn man die
Lage eines herausgegriffenen Punktes und die
Bichtung eines von diesem Punkte ausgehenden,
im Körper festen Strahles angibt. Da man
andererseits diese Angaben auch willkürlich
treffen kann und dazu drei Stücke angeben
muß, etwa die Koordinaten c^, c^ des heraus-
gegriffenen Punktes C und den Winkel ^, den
der gewählte Strahl mit einer festen Richtung
(etwa der x- Achse) einschließt, so sagt man:
Der starre Körper hat bei ebener Be-
wegung drei Freiheitsgrade.
Li der Tat kann man die drei Koordinaten x, y, e eines Punktes P
durch c„ Cy, -Ö* und drei bei der Bewegung unveränderliche Stücke
ky
iCiä
o
••sr
Fig. 183.
344 I^ Ebene Bewegung de« starren Körpers. Nr. 220.
aasdrücken. Zu dem Zwecke wähle man im starren Körper ein. festes
Koordinatensystem {a, b, c\ dessen Anfangspunkt mit C, dessen a Achse
mit der Strahlrichtung zusammenfalle, während die c Achs^e der g Achse
parallel sei. Dann ist bekanntlich
X ^ Cjg + a cos # — 6 sin 0",
y — c^ + a sin 1^ + 6 cos 0",
220. Weiteres ftber endliche LagenAademngen. Wir sahen
in der Yorigen Nummer^ daß man eine endliehe Lagenändemng immer
durch Aufeinanderfolge einer Translation und einer Rotation erzeugen
kann. Dabei konnten wir einen Punkt auswählen, den wir zuerst durch
eine Translation in seine richtige Lage bringen. (Wir nennen ihn hinfort
„Translationspunkt*'.) Wählen wir einen anderen, z. B. A (siehe Fig. 182)
und bringen ihn zuerst in seine Endlage A\ wobei jB nach B" komme^
so ist die erforderliche Translation eine ganz andere, dagegen ist die
noch erforderliche Drehung insofern dieselbe wie vorhin geblieben,
als wie die Figur sofort lehrt, der Drehwinkel nach GröBe und Sinn
derselbe geblieben ist. («^ A'B'A' gleich <^ B"A'B' nach Größe und
Drehsinn.)
Man kann also bei der Lagenänderung eines starren Körpers
sdilechthin von einer bestimmten dazu erforderlidien Dreimng sprechen,
wehrend die notwendige Paralldiersclnebung im allgemeinen ton der
Wahl eines Punktes abhängt.
Wir woUen nun zeigefi, daß man jede ebene Lagenätiderungy icenn
sie keine bloße ParaUdverschiebiing isty durch eine reine Drehung er-
zeugen kann.
Es genügt, als ebene Figur eine Strecke AB zu betrachten: A'B'
sei eine zweite Lage.
Soll es möglich sein, durch Drehung um einen Punkt M die
Strecken ineinander überzuführen, so muß jedenfalls MA » MA' sein,
also M auf der Mittelsenkrechten von AA' liegen,
ebenso natürlich auf der Mittelsenkrechten von BB".
Wenn AA' und BB' einander nicht parallel
sind, was wir zunächst annehmen wollen, so ist
dadurch der Punkt 3/ eindeutig bestimmt.
Man kann nun tatsächlich durch eine Drehung
um M die Strecke AB in die Strecke A'B' über-
führen.
Betrachten wir nämlich die Dreiecke ABM
Fig. im! und A'B'M, so sind dieselben sicher kongruent,
da alle Seiten entsprechend gleich sind. Aber
sie haben auch denselben Umlaufssinn. Wäre das nämlich nicht
der Fall, so lägen sie zu der Mittelsenkrechten auf BB' symmetrisch.
Nr. 221. § 41. Lagenänderungen eines starren Körpers in der Ebene. 345
also fielen beide Mittelsenkrechten zusammen und es wäre AAl \ BB\
was wir zunächst ausgeschlossen haben. Es ist demnach klar, daß man
die Dreiecke ABM und ÄB'M durch Drehung um M ineinander
überftihren kann.
Waren hingegen AA' und BB' einander parallel^ so sind noch
zwei Fälle denkbar: entweder bilden ^^'-BJ?' ein Parallelogramm: die
Mittelsenkrechten schneiden sich dann nicht, die Überführung von AB
nach AB' ist dann aber auch durch eine bloße Translation möglich;
oder aber ABB' Ä bilden ein gleichschenkliges Trapez (Fig. 186).
In diesem Falle wären die beiden Mittelsenkrechten zusammengefallen
und M unbestimmt geblieben; aber man erkennt sofort, daß hier
der gesuchte Punkt M der Schnittpunkt von AB mit A'B' ist.
Damit ist die Betrachtung vollständig durchgeführt.
Fig. 185.
Fig. 186.
Den Punkt Jf, um welchen man drehen muß, um die Lagen-
änderung zu erzeugen, nennen wir den Dreh pol. Er ist der einzige
Punkt, der bei der Lagenänderung festbleibt. Man kann demnach das
Ergebnis auch so aussprechen:
Bei ebener Lagenänderung eines starreyi Körpers gibt es stets
einen und nur einen Punkt, der seine Lage beibehält, den DrehpoL
Liegt dieser im Endlichen, so kann die Lagenänderung durch eine
Kreisbewegung um den BreJipol erzeugt tverden. Der Punkt kann je-
doch auch ins Unendliche fallen, dann kann die Lagenänderung durch
eine reine Translation bewirkt werden,
221. Zasammensetzung ebener Bewegungen. Führen wir
nacheinander zwei Bewegungen in derselben Ebene aus, so ist das
Resultat wieder eine ebene Bewegung und muß sich nach den Ergeb-
nissen der vorigen Nummer wieder auf eine reine Drehung oder auf
eine reine Parallelverschiebung zurückführen lassen. Wie setzt sich
die Gesamtverschiebung aus den gegebeneu Verschiebungen zusammen?
1. Nehmen wir hintereinander zwei reine Translationen
vor, die durch die Strecken A^c und t^^c der Verschiebung gegeben
seien, so ist das Resultat wieder eine Translation, deren Verschiebungs-
strecke durch AjC + AjC gegeben ist. Das bedarf wohl keines aus-
S46 I^ Kbeoe Bewegung dn fUira KSrpe». Nr. «21.
f&hriiehen Beweiseei Auch ist sofort einleaehtend, dftB es far das
Besnhat gleichgOltig ist, welche Translation man xnent Tominunt
fA,^ + A,^»A,c + A,e), msn sagt:
TransiatkmeH sind miteinander zertausckbar.
2. Nehmen wir erst eine Translation (Act und dann eine
Rotation CA^i Tor, so ist das Resnltat, wie wir schon wissen CHr. 22^\
eine Rotation. Der Winkel derselben ist A^. Sei
A der Punkt, nm welchen wir drehen , A der
Punkt, der bei der Translation in A übergeht, so
liegt nach Nr. 220 der Drehpol M der resni-
tierenden Rotation auf der Mittelsenkrechten Ton
AA und zwar so, daß <C AMA nach Sinn und
Grröße gleich A^ ist.
Vertauschen wir Translation und Rotation, so
erhalten wir dasselbe Resultat, wenn wir die Ro-
tation um denselben Körperpunkt, d. h. um den Punkt A Tomehmea,
denn dann kommt A wieder nach A und der Drehwinkel ist nach
Größe und Sinn selbstverständlich derselbe. Drehen wir aber erst um
A^ d. h. denselben Ranmpunkt, um den wir das erstemal gedreht
haben, so erhalten wir ein anderes Resultat: A kommt dann. nach A"^
wobei A A' nach Richtung und Größe mit AA übereinstimmt^ d. h.
gleich A^ ist, und also ist auch der Drehpol um A^ Tershcoben,
während natüilich der Drehwinkel nach Sinn und Größe ungeändert
bleibt.
Botation und Translation sind also dann vertauschbaTf tcenn man
beide Male um densdben Körperpunkt dreht.
3. Es erübrigt sich, die Zu-
sammensetzung zweier Dreh-
ungen zu besprechen.
Drehen wir erst um den Raum-
punkt A durch den Winkel AO-,
dann um den Raumpunkt B durch
den Winkel A9?.
Es sei B' der Eörperpunkt,
1^
^ •-
^ ^-'-''T' ' der bei der ersten Drehung nach
\ ,J'-<'^ ^ - . / B kommt, so daß <^ BAB - A^
j^"' ^ --^ / iat^ während bei der zweiten Dreh-
Pig. IM. ^"^^ / ^°8 ^ nach A komme, so daß
<^ ABA = A9). Dann ist im
Ganzen die Strecke AB' in AB
übergegangen und deshalb findet man nach Nr. 220 den Drehpol, in-
dem man auf B'B und AA die Mittelsenkrechten errichtet, oder
was dasselbe ist^ die Winkelhalbierenden von <^BAB und ABA
Nr. 222. § 42. Der Qeschwindigkeite- und BescbleanigangBzuBtand. 347
zieht. Diese schneiden sich im allgemeinen — falls sie nämlich nicht
parallel laufen — im Drehpol M,
Man findet also den resultierenden Drehpd eweier Drehungen
um gegebene BaumputAte Ä und B, indem man an der Strecke AB
vom ersten Drehpol A aus — _ , dagegen von B aus + ~ anträgt
und den Schnittpunkt M der beiden freien Schenkel sucht. Der Dreli-
pci fällt nur dann ins Unendliche, d. h. das BesuUat ist nur dann
eine Translation^ wenn A^ = — A<p ist, wenn also beide Drehungen
um entgegengesetzt gleiche Winkel stattfinden.
Der resultierende Drehwinkel ist -^B'MB(reBp. <^^JIf^'), dessen
Hälfte FMB als Außenwinkel des Dreiecks AMB gleich
ist.
Ist Aqp + A'ö' + O, so ist Ag? + Aö" der resultierende Drehwinkd.
Ist aber Atp + Ad" = 0, so ist die Strecke B'B, die dann gleich
und gleichgerichtet mit AA' ist, die Translationsstrecke.
Vertauschen wir nun die beiden Drehungen, und ist A" der Punkt,
der bei der Drehung um B nach A kommt, während B bei der zweiten
Drehung um A nach B" rückt, so wird die ganze Figur spiegelbildlich
zu der alten (siehe Fig. 188), und somit liegt der neue Drehpol M"
spiegelbildlich zu dem alten M bezüglich der Strecke AB^ was auch
schon aus der oben angegebenen Regel hervorgeht, da jetzt ^ -
an -B, -f- - an A anzutragen ist.
Drehungen um verschiedene Pole sind also nicht vertauschbar:
verändert man die Beihenfolge, so liegt der Drehpol sjnegeUnldlich eu
dem alten bezüglidi der Verbindungsgeraden der beiden gegebenen Dreh-
pole, während der Drehwinkd nach Sinn und Größe derselbe bleibt.
§ 42. Der Oesehwindigkeits- und Beschleunigungsznstand bei
der ebenen Bewegung eines starren Körpers.
222. Übergaxig zn nnendlloh kleinen ITerBchiebangen. Die
Überlegungen des vorigen Paragraphen bleiben natürlich richtig, wenn
wir uns die Lagenänderungen, d. h. die Verschiebungsstrecke Ac und
den Drehwinkel A-ö" beliebig klein denken.
Nehmen wir also einen starren Körper bei einer ebenen Be-
wegung und betrachten zwei benachbarte Lagen zu den Zeiten t und
t + dt, so können wir die zugehörige unendlich kleine Lagenänderung
erzeugen durch die Verschiebung de eines willkürlich herausgegriffenen
Punktes C des Körpers und eine Drehung um diesen Punkt durch
den unendlich kleinen Winkel d^.
348
D[. Ebene Bew^^ung des starren Körpers.
Nr. 222.
Wie drückt sich durch de and dd^ die unendlich kleine Ver-
schiebung df irgend eines Punktes P des Körpers aus, wenn wir nur
Glieder erster Ordnung {dc^ dd^ erster Ord-
nung unendlich klein) beibehalten?
Es möge zunächst P in derselben Be-
wegungsebene wie C liegen und auch der feste
Bezugspunkt 0 der Vektoren c und r sei in
dieser Ebene enthalten. Nach den Sätzen des
vorigen Paragraphen ist die Verschiebung
df = PP' des Punktes P gleich der Ver-
schiebung PP"=CC=^dc des Punktes C
vermehrt um die Verschiebung P"P\ welcher
eine Drehbewegung um C durch den Winkel dd^
entspricht. Also
dr^dc + P''P\
Um nun P"P' durch dd" auszudrücken, ist es vorteilhaft, einen
Vektor db^ in folgender Weise einzufuhren:
a) es stehe dd' senkrecht auf der Bewegungsebene und sei so
gerichtet, daß von ihm aus gesehen die Bewegung linksherum statt-
findet,
b) es sei die Größe von dd" gleich der von d^. Wir behaupten,
daß dann bis auf Größen höherer Ordnung
Flg. 1S9 »
P'T'^d&z
ist, wo ^ = r~— c den Vektor C P bedeutet.
Beweis: Da ein Vektor durch Richtung, Richtungssinn und Größe
eindeutig bestimmt ist, genügt es, die Übereinstimmung dieser drei
Stücke für P"P' und dd'Z nachzuweisen:
a) beide Vektoren stehen in der Grenze senkrecht auf dem Radius z
des Kreises um C\ sowie senkrecht auf dd; d. h. sie liegen beide in
der Bewegungsebene.
b) Erfolgt die Bewegung von vorne (d. h. von db aus gesehen)
links herum, so ist P" P' nach links bezüglich z gerichtet, dasselbe
gilt für das äußere Produkt d^z,
c) Die Größe von P'P' ist \z - d%^ , das gleiche gilt für dde^
weil d%^ und z senkrecht aufeinander stehen.
Damit ist der Beweis geliefert und wir haben damit die wichtige,
auf Euler zurückgehende Formel gefunden:
dr = de + d%^(r — c) .
Man erkennt nun leicht, daß die Formel auch noch gilt, wenn die
Punkte 0, C und P nicht in einer Bewegungsebene liegen. Zunächst
Nr. 223. § 42. Der Geschwindigkeite* und Beschleunigungsziistand. 349
ist sie von 0 ganz unabhängig, da die einzelnen Größen de, dc^ dd",
r - — ^ dies sind nnd sich natürlich die Verschiebung eines Punktes
durch de und d%^ unabhängig Ton 0 muß ausdrücken lassen.
Sei nun P' die Projektion von P auf die ^^^
Bewegungsebene von C, so haben P und P'
gleichzeitig dieselbe Verschiebung. Sei OP^z\
so ist also sicher
dr = de + d^z ,
Nun kann man aber z in zwei Komponenten
zerlegen
r = ^' + i> ,
wo ^ in der sogenannten Drehachse liegt,
d. h. in der Achse durch C senkrecht zur Bewegungsebene, in der
auch d%^ liegt.
Deshalb ist
d^'p - 0
und
d^^z = d^^z .
Also gilt auch bei beliebiger Lage von P die Eulersche Formel
dz = de + d^ir ~ c).
Ruht der Punkt C, so ist
dz = d^(r — c),
wodurch eine reine Drehung um G (eine Kreisbewegung) dargestellt
wird, so daß die Eulersche Formel direkt die Zerlegung der allgemeinen
Bewegung in eine Translation und eine Rotation darstellt.
223. Eulers Formel für die Oeschwlndigkeit. Dividiert
man die Eulersche Formel der vorstehenden Nummer durch das zu-
gehörige Zeitelement dt und setzt
— man nennt diesen Vektor, der in der Drehachse liegt, die Winkel-
geschwindigkeit — so erhält man eine ebenfalls auf Euler zurück-
gehende Formel, welche exakt ist und ges*tattet, die Geschwin-
digkeit irgend eines Körperpunktes durch die Geschwindig-
keit c eines nach Belieben herausgegriffenen Punktes C und
die Winkelgeschwindigkeit 5 auszudrücken, nämlich
i; = c H- ©(r — c).
350 I^- Ebene Bewegung des starren Körpers. Nr. 224.
Man beachte, daß die Winkelgeschwindigkeit, ebenso wie es der Winkel d^
selbst war, von der Wahl des Punktes C unabhängig ist
In rechtwinkligen Komponenten lautet die Formel, wenn man
wie in Nr. 219 die z Achse senkrecht zur Bewegungsebene nimmt
dx dc- f X
dt dt ^ ^^-^ ^'^'
dt ^'
weil cj die Komponenten 0, 0, oj hat (siehe Anhang II, 1).
Aufgabe 101: Man leite die Torstehende Komponentenform der Enlerschen
Gleichung aus der KoordinatendarstelluDg fflr r als Funktion Ton c^^^ Cy^ 9 am
Schlnsse der Nr. 219 ab.
224. Das Momentanzentnim der ebenen Bewegung. Über-
trägt man die Ergebnisse von Nr. 220 auf unendlich kleine Bewegungen,
so folgt:
Wenn nicht die Winkelgeschwindigkeit lo nidl isty so gibt es zu
jeder Zeit einen und nur einen Punkt, der augenblicUidi in Butie
ist, d. h. keine Geschwindigkeit hat. Wir ntmnen diesen Punkt das
Momentanzentrum der Betvegung. Was die Geschwindigkeit angefit^
so kann die Bewegung augehblicklidi als Kreisbewegung um das 3fo-
mentanzentrum aufgefaßt werden.
Denn nach Nr. 220 läßt sich die Bewegung in der Zeit dt als
reine Drehung um den Drehpol darstellen: die Grenzlage des Dreh-
pols für dt = 0 ist natürlich das Momentanzentrum.
Aus der Definition des Momentanzentrums ergeben sich die fol-
genden Sätze, welche bei seiner Konstruktion vielfache Anwendung
finden:
Kennt mun die Geschwindigkeitsrichtang eines Punktes P, so liegt
das Momentanzentrum auf einer Senkrechten zu dieser
Richtung durdi den Punkt P,
Kennt man außerdem noch Größe und Sinn von v
und die Winkelgeschwindigkeit gj, so liegt bei positivem
CD das Momentanzentrum M links von v und zwar so
weitf daß MP gleich — ist.
In der Vektorsprache heißt dieses Resultat, wenn f^ den Vektor
nach dem Momentanzentrum, c den des Punktes P bedeutet.
Dieses Besnltat kann auch durch Rechnung aus der Eulerschen Formel
gefunden werden, wenn man bedenkt, daß r =» 0 wird für r^^r-Q. Es ist also
C5 statt c gesetzt)
Nx. 825. § 42. Der GeBchwindigkeits- und Beschlennigungszustand. 351
äußere Multiplikation mit m und Beachtung der Entwicklungsformel (siehe An-
hang I) ergibt
O^wü + ^C^Co — c)) = av — ©'r© "c,
da, falls C^^ P und M in einer Ebene liegen,
To ^^ c • öä = 0
Ät. Aus dieser Gleichung folgt dann sofort das obige Resultat.
In rechtwinkligen Koordinaten heißt es:
1 dCy
1 de,
y ' to dt ^
yo=^v+ ' '^'
oder mit Elimination der Zeit
de
y
% == ^. +
dc^
y ' rf^
^
Natürlich ergeben sich diese Formeln auch direkt aus der Koordinaten-
darstellung von Nr. 223. Eigentlich spräche man besser von Mom entan-
achse, da stets eine Achse senkrecht zur Bewegungsebene in Ruhe
bleibt.
225. Beispiele. 1. Rollt ein Körper mit einer Zylinderfläche^
ohne zu gleiten, auf einer anderen, parallelen Zylinderfläche, so ist
natürlich die augenblickliche gemeinsame Erzeugende Momentanachse.
Denn daß die gemeinsame Achse momentan keine Geschwindigkeit
habe, ist Definition des Begrifles: Rollen ohne Gleiten.
2. Betrachten wir die Lenkstange CK (Pleuel- oder Schubstange)
eines sogenannten Schubkurbelgetriebes, wie es in Fig. 191 skizziert
ist: Der Kurbelarm OC di-eht
sich um eine feste Achse durch My
0, Kolben und Kolbenstange .y^
KS sind so geführt, daß sie ,. ' |
eine Trafislation ausführen, der 1
Kreuzkopfzapfen £* bewegt sich />♦ \ , ' 1
dabei auf einer Geraden durch >^C^ '
0, Kurbelzapfen C und Kreuz- y^ V''^^^*''^-^
kopfzapfen K sind Zapfenge- jx^x 1 V'***rr>>w>-
lenke. wr j ^
Während nun 0 das dau- ^^- '^'•
erude Momentanzentrum für
die Kurbel ist, und das des Kolbens im Unendlichen liegt, findet mau
das Momentanzentrum M der Lenkstange auf der Verlängerung von
OC und senkrecht zu OK, wenn man bedenkt, daß die Bewcgungs-
y '/////////////W//"/^
352
IX. Ebene Bewegung des stauen Körpers.
Nr. 226.
richtnngen der Punkte C und K senkrecht zo OCy bzw. parallel zu
OK sind.
Aufgaben: 102. Man konstruiere das Momentanzentrum für die Stange AB
der Enrbelscbwinge, für welche 0, (7 feste Drehachsen der Kurbeln OA und
OB sind.
103. Wo liegt das Momentanzentrum für den Stab A B, dessen Enden auf
zwei zueinander senkrechten (xeraden gleiten können? iFig. 193.)
¥ig. 102.
Fig. 19S.
Fig. 194.
104. Eine Walze vom Radius r rolle, ohne zu gleiten, auf einer ebenen
Fläche mit der Winkelgeschwindigkeit to. Warum hat die Mittelachse die Ge-
schwindigkeit cor parallel zur Ebene? Man zeige, daß allgemein, wenn die
Mittelachse die Geschwindigkeit c besitzt, der Berührungspunkt die Geschwindig-
keit c -f- ro> hat, wenn c nach rechts, a linksherum positiv gezählt wird. (Fig. 194.)
226. Die Polbahnen. Im allgemeinen wird im Laufe der Be-
wegung das Momentanzentrum weder ein fester Punkt im Körper noch
im Räume sein, sondern in beiden je eine Kurve beschreiben, die wir
Polbahnen nennen wollen: speziell mag die Bahn im Räume Spur-
kurve (Poloide, Polhodie), die Bahn im Körper Polkurye (Serpoloide,
Herpolhodie) heißen. Wie verhalten sich beide zueinander?
Zunächst einmal haben sie sicher in jedem Augenblick einen Punkt
gemeinsam, nämlich das augenblickliche Momentanzentrum.
Dann berühren sich beide, weil durch Drehung der Polkurve um
einen unendlich kleinen Winkel ein unendlich benachbarter Punkt mit
einem Punkte der Spurkurve zur Deckung kommt, was nicht mög-
lich wäre, wenn beide Kurven einen von Null verschiedene^ Winkel
miteinander bilden würden. (Eine Ausnahme könnte nur eintreten,
wenn ein Punkt der Polbahnen eine endliche Zeit lang Momentan-
zentrum wäre. Dann könnten auch beide Bahnen Ecken haben).
Endlich hat der Berührungspunkt augenblicklich keine Geschwin-
digkeit.
Also rollt hei der Bewegung die Polkurve auf der Spurhirve ab
ohne zu gUiien,
Jede ebene Bewegung y die keine reine Translation ist und auch
nicht dauernd um eine feste Achse stattfindet, kann als reine Roü-
bewegung aufgefaßt werden.
^r. 827. § 42. Dei QeschwindigkeitB- und Besohlennigungszastand.
353
Flg. 195.
Beispiel: Bei dem Stab, der mit seinen Enden auf zwei zuein-
ander senkrechten Geraden gleitet (ygL Aufgabe 103, Nr. 225), erkennt
man leicht, daß beide Polbahnen Kreise sind:
der bewegliche Kreis hat den halben Radius
wie der Spurkreis und rollt in diesem ab.
Denn einmal hat das Momentanzentrum M
von dem festen Punkte 0 die konstante Ent-
fernung l gleich der Länge des Stabes, dann
aber Ton dem Mittelpunkte C des Stabes die
konstante Entfernung -r-*
LäBt man also einen Kreis in einem dop-
pelt so groBen Kreise abrollen, so beschreibt
jeder Punkt seiner Peripherie einen Durchmesser.
Bildet man beide Kreise als Zahnrader aus, so hat man ein Mittel,
eine rotierende Bewegung in eine hin- und hergehende zu verwandeln.
Man wendet diesen Mechanismus z. B. bei Druckerpressen an.
Aufgabe 106: Man zeichne beim Schubkurbelgetriebe (siehe Nr. 225) die
Spurkurye, durch punktweise Konstruktion des Momentanzentrums fOr gewisse
Werte des Kurbelwinkels ^ [etwa -O-ssO, -— , 2, 8-- usw.j. Man überlege
sich auch, wie man die algebraische Gleichung dieser Kurve in rechtwinkligen
Koordinaten aufstellen kann«
227. Olelohnngen der Polbahnen. Um allgemein die Glei-
chungen der Spurkurve zu finden, nehme man die Gleichungen aus
Nr. 224 für das Momentanzentrum
x^=- c.
dcy
d»
Vo-
^y"^ d»
Kennt man nur die Bewegung so weit, daß man c^, c^, d' als Funk-
tionen irgend eines Parameters (z. B. der Zeit t) angeben kann, so hat
man in den vorstehenden Gleichungen schon die Gleichungen der
Spurkurve in Parameterform. Eliminiert man den Parameter, so erhält
man die Gleichung zwischen den Koordinaten Xq, Pq.
Um auch die Gleichung der Polkurve aufzustellen, muß man erst
noch Koordinaten im bewegten Körper einführen. Wählt man C als
Anfangspunkt, den Strahl durch C, der mit der a;-Achse den Winkel d"
einschließt, als a- Achse, so berechnen sich die Koordinaten a^, b^ des
Momentanzentrums aus Xq, y^ nach den bekannten Koordinatentrans-
formationsformeln
«0 = (^0 -
Hamel: Elementare Mecbaaik.
c,) cos -^ - (yo
Cy)sin^,
Cy) cos d".
23
354 I^- Ebene Bewegung des stanen KOipen. Nr. 827.
Deshalb lautet die Gleichung der Polknrye in Parameterfonn
de de^
6,--8in^^^^'-^co8^.^^'
Beispiel: Für das Schubkurbelgetriebe nehmen wir als Pnnkt C
den Eurbelzapfen, als Strahl den Strahl CK, der mit der x- Achse {OK)
den Winkel — ri einschließt, wobei ri mit dem Knrbelwinkel ^ in der
leicht zu erkennenden Beziehung steht
sin 17 — A sin O^y
wobei I = Wr Kurbelarm OCy l Schubstange CK) das sogenannte
Schubstangenverhältnis ist.
Als Parameter nehmen wir ^.
Dann ist
c^^r cos 0",
Cy == r sin %• .
In den obenstehenden Formeln ist natärlich statt ^ überall — i^ setzen^
so daß wir gemäß
' COS12
erhalten
CO8 T*
Xt.= r cos ^ -\' r cos ^ • -. ~ — r cos 0" + ^ cos in ,
0 1 cos 9 "
V«» =» r sm -ö" + '' Bm ^ • ^ — ' = r sm d* + c sin ^ ^»
Von der Richtigkeit dieser Formeln überzeugt man sich auch leicht
aus der Anschauung.
Die Polkurve dagegen hat die Darstellung
_ CO8T] , . • o. CO8IJ
«o — cos « • r COS 0^ • r- ' + sin 19 - r sm ^ • T'izr^ 1
^ ' X cos ^ ' ' X cos V '
, _ cos fj , . ^ cos 13
60 = — sinw • r cos ^ • r~ ' + cos « • r sm ^ • r;— -a ,
«' ' 1 cos ^ ' A cos 9 ^
oder
- cos IJ
cos^ '
, ,sin(^—»j)
cos^
Auch diese Formeln kann man leicht aus der geometrischen Konstruk-
tion des Momentanzentrums ableiten.
Nr. 228. § 42. Der Geschwindigkcäts- nüd Beschletmignngszustand. ^5^
Aufgaben: 106. 1. In ähnlicher Weise behandele man dae Beispiel von
Nr. 226.
107. 2. Der Schwerpunkt eines Körpers falle nach dem Galüeischea Fall-
gesetz herab. Dabei drehe sich der Körper mit konstanter Winkelgeschwindigf-'
keit nm eine horizontale Achse durch den Schwerpunkt. Man berechtig für diesö'
Bewegung Spurkurre und Polkurve. ' ' . . '
Bei einer solchen einfachen Aufgabe bedarf es nicht des Formeli^[>parate8
dieser Nummer; man kann das Momentanzentrum leicht aus der Anschau^mg
finden. Fflr die Bestimmung der Spurkurve empfehlen sich dann rechtwinklige
Koordinaten, für- die der Polkurve Polarkoordinaten.
228. Belativlt&t der Bewegung. Bie reziproke Bewegung«
Für die reine Kinematik kann es nur Relativbewegang geben, d. h.
68 hat nar»Sinn von Bewegung zu reden, wenn ich angebe, wogegen
sich der Körper bewegt oder welches das ruhende Koordinatensystem
ist. Wenn ich nun die Bewegung einer ebenen Figur in ihrer Ebene
betrachte, so kann ich dieselbe Bewegung auch als Bewegung der
Ebene relativ zur Figur ansehen. Um sich das deutlicher zu machein,
denke man sich mit der Figur noch einmal eine ganze Ebene Ter
bunden, welche die Grundebene deckt, umgekehrt in die , Gfrundebene
irgendeine Figur gezeichnet und betrachte nun bei der Bewegung
diese letztere Ton der mit der ersten Figur fest yerbundenen Ebene
aus. Diese wird jetzt zu ruhen scheinen, die andere in Bewegung
begriffen zu sein.
Man nennt die Bewegung der Grundebene relativ zu der ursprüng-
lich in Bewegung gedachten Figur die „reziproke Bewegung"' der ur-
sprünglichen.
Geht man van der ursprünglichen zur reziproken Bewegung übery
80 bleibt natürlich das Momentanzentrum dasselbe, Spurkwrve undPid-
Tcwrve vertauschen dagegen ihre Bedeutung.
■ ^
Von diesem Umstand kann man Gebrauch machen, um durch
Zeichnen die Polkurve zu finden. >if •
Wir lösen diese Aufgabe für y"'
das Schubkurbelgetriebe, indem wir y'
um sie eine mit der Pleuelstange ^j. - I
fest verbundene Ebene denken, in r'^^^^^^r**-:^^-
die wir zeichnen. \ v^' -^^vT^^ ti^M*
C und K sind jetzt feste \y^ ^^^^^s^^ l(s
{^uukte, 0 bewegt sich im Kreise er' " ' i*"-^,..,^^^^ — jp
um C. der Kolben ES so um K, vigm- ^ ^"""^
daß die Verlängerung von KS stets
durch 0 hindurchgeht. Führt man nun für verschiedene Lagen des
Kürbeisystems die früher besprochene Konstruktion des Momentan-
zentrums aus (siehe Nr. 225), so erhält man ebenso viele Punkte der
Polkurve. ' *
23*
356 IX- Ebene Bewegung de« etanen KOrpen. Nr. 299, 230.
928. Belatlve Bewegimg mohrermr •b«ner Figiumi ffagwn*
•fwandar. Wir haben schon früher einmal Ton der ReLativbewegong
gesprochen (siehe § 6). Relatdy zn einem selbst bewegten starren Körper
bewege sich ein Punkt, der einem zweiten starren Körper angehören
möge, mit der Relatiygesch windigkeit v^. Denkt man sich denselben
Punkt mit dem erstgenannten starren Körper fest yerbnnden, so habe
er die Geschwindigkeit Vy (Fübrongsgeschwindigkeit). Dann ist, wie
frfiher gezeigt wurde, die absolute Geschwindigkeit d. h. die Geschwin-
digkeit gegen den als ruhend gedachten Körper (Grundebene):
v^+v
/'
Wählen wir nun in beiden Körpern denselben Punkt C aus, so ist
nach der Eulerschen Formel (Nr. 223)
und ebenso
Addieren wir beide Formeln so erhalten wir:
«=.(c;.+ c,) + (iD^ + (D,)(r-c),
woraus wir erkennen,
daß man nidU nur die TranslaiiansgeschwindigkeU der AbsduS^ewegung
durch Äddüian der Trandationsgeschwindigkeüen van BdaHv- tmd
Führungsbewegung erhäU, sondern daß man in analoger Weise auch
die Winkelgeschwindigkeiten zu behandeln hat.
Übrigens dürfte dieser Satz wohl auch anschaulich klar sein.
Er gesktUet nun^ die Zusammenseteung der Führungs- und der 12»-
lativbewegung cds das BesuUat zweier hintereinander ausgefUhrten Her-
wegungen aufzufassen, denn verschiebt man erst einen Punkt C nach
C, dreht dann um C den Körper durch einen Winkel ^j^, verschiebt
duin abermals C nach G" und dreht endlich den Körper um C"
durch den Winkel d^^, so ist Resultat offenbar dasselbe, als hätte
man gleich C nach C" verschoben und dann den Körper um C" durch
den Winkel /l^^ -\- J^d^ gedreht.
Wir dürfen also auf die Zusammensetzung von Relativ- und Füh-
rungsgeschwindigkeiten unsere früheren Sätze aus Nr. 221 anwenden,
die wir aber noch für unendlich kleine Bewegungen (Geschwindigkeit)
modifizieren müssen.
330. Zusammensetsiing nnendliohkleiner Bewegungen. Es
ist nur noch ein Wort zu der Zusammensetzung unendlichkleiner Dreh-
bewegungen um verschiedene Punkte zu sagen* Lassen wir in Nr. 221
die Drehwinkel /Id' und Jfp unendlich klein werden, aber so, daß
Nr. 230. § 42. Der GeflchwindigkeitB- nnd Beschleunigung^iustuid. 357
ihr Yerhältnifl einer bestimmten , yon Null yerscliiedeDen Qrenze zu-
strebt:
Jtp dtp'
80 rückt der resultierende Drehpol M mit M' zusammen auf die Ge-
rade AB Bjx eine Stelle M^. Um die Stelle M^ zu finden^ beachten
wir, daß
MÄ : MB = sin — —- : sin
Jd^
ist. Daraus aber wird beim Grenzübergang
Außerdem erkennt man, daß Mq zwischen AB liegt, wenn dd^ und
dip gleichsinnig sind, anderenfalls liegt Mq außerhalb AB,
Sei
und wenden wir unser Resultat auf die in der Torigen Nummer yor-
getragene Auffassung der Relatiybewegung an, so erhalten wir:
Bewegt sich ein Körper um das Mamentamentrum A mit der
Winkelgeschwindigkeit io^ und rdaiiv zu ihm ein eweiter Körper um
das relative Mamentanzentrum B mit der Winkdgeschivindigheit cj^,
so hat der zweite Körper die absolute Winkelgeschwindigkeit (o^ + o^;
das Momentanzentrum seiner Absolutbewegung liegt auf der Ge-
raden AB und teüt die Strecke AB im umgdcehrten Verhältnis der
Winkdgeschwindigkeiten, innerlichy wenn m^ und cd, dasselbe Zeichen
haben, sonst äußerlich.
In diesem Satze erkennen wir einen Teil eines später (Nr. 264)
allgemein zu beweisenden Satzes:
Unendlichkleine Drehungen eines starren Körpers setzen sich so zu-
sammen wie Kräfte, sind also insbesondere vertauscKbar.
Aus unserem Satze folgt sofort der folgende, häufig angewendete Satz:
Die Momentanzentra dreier relativ zueinander in derselben Ebene
bewegter Körper li^en in einer Geraden,
Denn man kann stets den einen Körper als ruhend, den zweiten
als den führenden Körper ansehen; das Momentanzentrum des dritten
gegen den zweiten ist dann das Momentanzentrum der Relatiybewegung,
das des dritten gegen den ersten das der Absolutbewegung, endlich das
des ersten gegen den zweiten das der Führungsbewegung.
Aufgaben: 108. Man beweise, dafi 2> (siehe Fig. 191 S. 361) das Momentan-
zentrum der Bewegung des Kolbens gegen die Kurbel ist, indem man yier KOrper
ins Auge faßt: die Kurbel, die Lenkstange, den Kolben und die Gmndebene und
3oS IX. Eb«Be Bewegung des starren KOrpen. Kr. 2S1.
non den Tontehenden Satz einmal anwendet aaf Kurbel, Kolben nnd Grandebene,
dann auf Kurbel, Kolben und Lenkstange.
109. Man suche nach desselben Methode den relatiTen Diehpol der beiden
Kurbeln der Schwinge (siehe Aufgabe 102 in Nr. 825).
110. Man mache das gezeichnete statisch bestimmte Fachwerk dadurch
bewegUch, daft man den Stab S fottl&fit- O sei fest, O' nur auf horizontaler
Unterlage gestutzt. Man konstiuiere zuerst
das Momentanzentrum von 5, 6, 7 — diese
werden als ein starres System dasselbe
Momentanzentrum haben — inpem man be-
achtet, daß man 2, 6 ftir sich allein als
Kurbelsjstem auffassen kann, dann das
Momentanzentrum von 4, indem man den
vorstehenden Satz einmal auf die Grund-
ebene, sowie die Stäbe 1, 4 ein zweites
^^ ^^ Mal auf die Grundebene und die Stäbe 4, f
anwendet.
j ♦
Diese Aufgabe ist fundamental für die kinematische Theorie der Fachwerke,
nämlich für dii Konstrukion der sogenannten „Yerschiebungspläne*'.
231. Anwendong anf dto Theorie der ZahnrUer. Be-
trachteD wir zwei Rider^ die sich am die Achsen 0 und 0' drehen.
Ihr relativee Momentanzentram liegt dann stets auf 00' und teilt
diese Strecke im umgekehrten Verhältnis der Winkelgeschwindigkeiten.
SpU dieses ^'erhaltnis konstant sein, so hat auch das relative Momentan-
zentrum. im Räume eine feste Lage, beschreibt also in den Körpern
je einen Kreis. Soll die Abhängigkeit der Bewegung bei den Rädern
durch 2ähue aufrecht erhalten werden, so nennt man die eben ge-
nanntep Kreise die Teilkreise der Räder.
, Diese müssen als relative Polbahnen bei der beabsichtigten Be-
wegung aufeinander rollen, ohne zu gleiten. Dementsprechend müssen
die Zähne konstruiert sein.
Betrachten wir also ein Zahnprofil des ersten Rades, so muß das
mit ihm in Eingriff stehende Zahnprofil des zweiten Rades die £igen-
Schaft haben, bei der Bewegung stets das erstere zu berühren. Um
also zu einem Zahnprofil das entsprechende zu konstruieren, kann man
so verfahren:
Man denke sich das eine Rad ruhend, das andere auf ihm rollend,
äodaß sich die Teilkreise berühren ohne zu gleiten. Man zeichnet dabei
die Kurvenschar, die mau durch die Bewegung eines mit dem zweiten
Rade festverbundenen Zahnprofils erhält, welche also die verschiedenen
relativen Lagen dieses Profils zum ersten Rade angibt. Die Einhüllende
dieser Kurvenschar liefert dann das entsprechende Zahnprofil im ersten
Rade.
Diese Methode ist einfach, aber einseitig und darum wenig zweck-
Vorzuziehen ist die sogenannte Methode der Hilfspolbahnen.
Denken wir uns noch ein drittes Rad, das so umläuft, daß die relativen
Nr. 282. § 42. Der (^eschwindigkeitfi- und Beachleunigaagdzustand. 359
Momentanzentra aller drei Rader beständig zasammenfallen, daß also
die drei Teilkreise sich beständig berühren. Nehmen wir dann in dem
dritten Rad ein Zahnprofil willkürlich an, und konstruieren in jedem
der beiden anderen die zugehörigen Profile, so sind auch diese beiden
einander entsprechend.
Zum Beweise dieses Satzes dient ein Hilfssatz: Die gemeinsame
Normale einer beweglichen Kurve und der Einhüllenden der durch
ihre Bewegung erzeugten Eurvenschar, geht durch das Momentan-
zentrum. Und umgekehrt trifft ein Lot aus dem Momentanzentrum
die bewegliche Kurve im allgemeinen wenigstens gerade in ihrem augen-
blicklichen Berührungspunkte mit der Einhüllenden.
Der erste Teil des Satzes ist klar: denn der augenblickliche Be-
rührungspunkt gleitet ja an der Einhüllenden entlang, also li^ das
Momentanzentrum auf der Normalen, denn es ist ja auf der Senk-
rechten zur Bewegungsrichtung eines Punktes zu suchen.
Die Umkehrung ist klar, wenn es nur ein Lot aus dem Momentan-
zentrum auf die Kurve gibt. Daher ist der Satz jedenfalls im allge-
meinen richtig. Bei mehreren Loten muß man eventuell auswählen.
Aus dem Hilfssatze folgt aber der vorstehende Hauptsatz sogleich;
denn föUen wir aas dem gemeinsamen Momentanzentrum ein Lot auf
das dritte Zahnprofil, so trifft es dieses sowohl in dem augenblick-
lichen Berührungspunkt mit dem zweiten als auch in dem Berührungs-
punkte mit dem ersten Zahn und somit stehen auch diese beiden unter-
einander in Berührung.
232. Weitere Bemerkungen Aber Zahnr&der. Das Hilfs-
profil im dritten Rade bleibt ganz willkürlich: man kann statt seiner
auch einen Punkt nehmen. Tut man das, so erhält man die sogenanut-e
Zykloidenverzahnung, denn der Punkt beschreibt in dem einen Rade
eine Epizykloide, in dem anderen eine Hypozyklöide.
Kimmt man hingegen den dritten Teilkreis unendlichgroß, d. h.
läßt man eine Gerade auf beiden Kreisen mit abrollen und betrachtet
einen Punkt dieser Geraden als Hilfsprofil, so beschreibt er in beiden
Rädern eine Evolvente: man kommt so zur Evolventen Verzahnung.
Weitere Details gehören nicht hierher, es muß auf die Vorlesangen
resp. Lehrbücher über Kinematik oder Maschinenelemente Verwiesen
werden.
Besonders sei das Werk von F. Reuleaux: „Theoretische Kine-
matik'' genannt, das die im Anfange des 19. Jahrhunderts von Am-
pere begründete spezielle „Kinematik'' zu einem gewissen Abschluß
brachte. Reuleaux bearbeitete das Gebiet systematisch, stellte klare
Definitionen wie El^entenpaar, kinematische Kette, Mechanismus usw.
an die Spitze und übte lange Zeit einen herrschenden Einfluß auf die
Technik aus. Dieser mußte bedenklich werden, als die rein kinema-
360 I^^« £bene Bewegung des stairen Körpers. Nr. 233, 234.
tische Betrachtang der Mechanismen die kinetische in den Hinter-
grund drängte and das Eräftespiel anßer acht ließ. Daher die neuer-
Uche Abkehr Ton Reuleaux, die vielleicht wiederum zu weit geht.
Grashof hat die Reuleauxschen Lehren ergänzt und im zweiten
Bande seiner Theoret. Maschinenlehre (1883) kurz dargestellt.
Von neueren Arbeiten über Zahnräder seien die von M. Distel!
und F. Schilling in der Zeitschr. f. Math. u. Phys. genannt.
Weitere Literaturangaben in Nr. 235.
233. Ber Besehlennigniigmurtand eines ebenen SyetenuL
Aus der Enlerschen Formel für die Geschwindigkeit
V ^ c + (o{r — e) (1)
erhalten wir durch Differentiation
«; = c + m{r — c) + o(f — c)
oder, indem wir r — c yermittels der Eulerschen Formel selbst eli*
minieren,
W ^c + m(r — c) + »(o(r — c)). (I)
Der neue Vektor cb heißt die Winkelbeschleunigung. Ist C ein
fester Punkt, so bleiben nur die beiden letzten Glieder stehen und
zwar ungeändert Diese müssen also die Beschleunigung bei der
reinen Kreisbewegung ausdrücken. Tatsachlich steht nun auch erstens
G)(r — c) auf dem Radius r^r — e senkrecht und hat die Größe g-m,
zweitens ist, falls C und P in einer Bewegungsebene liegen, d. h.
^ ^ r — c auf (ö senkrecht steht.
a}(ai(r — c)) = — e>*r — c,
also zentripetal gerichtet und yon der Große Z(o\
Die allgemeine Beschleunigung setzt sich also jsus(immen aus der
Beschleunigung der Kreisbewegung um den gewählten Punkt C und
der Beschleunigung c Sben dieses Punktes.
Es gibt anch stets einen Pnnkt mit der Beschlennigang Null, den so-
genannten Beschleunigungspol. Denn bei der Kreisbewegung büden alle
BeschlennignngsTektoren einen festen Winkel mit den Radien, dessen trigono-
metrische Tangente -r- ist, ihre absolute Größe wächst mit der Entfernung vom
Mittelpunkt. Also wird bei der Kreisbewegung die Beschleunigung an einer
Stelle gleich einem beliebig vorgeschriebenen Vektor, also an einer Stelle gleich
~ c, 80 daß der Punkt dieser Stelle die Gesamtbeschleunigung Null besitzt
334.^) WUüen wir speziell ffir C das Momentansentnun,
so interessiert es, für das Momentanzentrum c, das keineswegs im allgemeinen
Null sein wird, zu bestimmen.
1) Diese Nummer kann der Anfänger überschlagen.
Nr. 234. § 42. Der Geschwindigkeit«- und BeBchlennigung^zustand.
361
Ans
» = <ö(r — O,
W
wo r^ den Vektor des Momentanzentnims bedeutet, folgt
oder
ws^A(r — r^)'\- tov — « f^
w
« (♦• — »••) + fo(m{r — r^)) — ar^
Ein Vergleich mit der obigen allgemeinen Formel gibt als Beschleunigung
des Momentanzentruma :
iTo — — «Df^. (II)
wo r^ passend als Fortlaufsgeschwindigkeit des Momentansentrums längs
der Spurkurve bezeichnet wird. Denn J^ ist keineswegs die Geschwindigkeit
des Momentanzentnims — die ist ja Null — sondern eben jene Fortlaufsgeschwin-
digkeit, da wir, weil wir differentiiert haben, die Formel (2) dauernd auf das
Momentanzentrum beziehen messen.
Nun muß sich aber die Fortlaufsgeschwindigkeit f« ausdrücken lassen, wenn
wir die Polbahnen und öä kennen. Die Richtung fällt in die Tangente der Spur-
bahn, die Größe ist -jj , wenn da die Länge des Bogenelementes bis zu den bei-
den Punkten der Spurkurve bzw. Polkurve bedeutet, die nach der Zeit dt zu-
sammenfallen.
Sind dx und d'fff die zugehörigen Kontingenzwinkel der beiden Kurven, beide
bei Drehung der Tangenten linksherum positiv gerechnet, so sind die Erfim-
mnngsradien, wenn wir sie
7:
einmal ausnahmsweise bei
Krümmung links herum po-
sitiv, sonst negativ rechnen,
0 =■ ^ für die Spurkurve,
ds
d'^
für die Polkurve,
also
und
dv»a — ds
9
dij)
1
ds.
(8)
Andererseits ist der Dreh-
winkel des beweglichen Kör-
pers
d»^dx^di>, (4)
denn die Nachbartangente der Polkurve muß sich um dijf zurückdrehen, um in
die Lage der alten gemeinsamen Tangente zu gelangen, dann um dx vorwärts
(links herum) um in ihre neue Lage, nämlich die Nachbartangente der Spurkurve
zu gelangen. Nun ist aber die Polkurve mit dem bewegten Körper fest ver-
bunden, also ist d9 der Drehwinkel des bewegten Körpers.
Aus (8) und (4) zusammen folgt
362 IX. Ebene Bewegang des stariren Körpers. Nr. 236.
also
f,«ö, y . (in)
r — p
Man sieht, daß das Momentenzentmm eine unendliche Fortgangsgeschwin-
digkeit hat, wenn beide Polbahnen gleiche und gleichsinnige Krümmung besitzen.
Der Wert der Beschleunigung, welche das Momentanzentrum besitzt, berechnet
sich nach (U) und (III) zu
r — e , '
der Richtung nach steht sie auf der Spurkurve senkrecht und zwar nach rechts
im Sinne der Fortlaufsgeschwindigkeit des Momentanzentrums, wenn die Drehung
links herum erfolgt (folgt aus (II)). Dieser Sinn aber ergibt sich aus (III):
Setzt man auf der Spurkur?e willkürlich einen Sinn fest, so hat die FortlauCs-
gesch windigkeit f^ denselben Sinn, wenn co - -— positiv ist, wobei die Krüm-
mungsradien positiv zu zählen sind, wenn die Krümmung im festgesetzten, Sinne
der Kurven linksherum erfolgt.
Aufgaben: 111. Man diskutiere nach den Ergebnissen dieser beiden
letzten Nummern die Beschleunigung für den Mittelpunkt einer Walze, welche
auf einer horizontalen Ebene rollt und zeige das allerdings von vornherein zu
erwartende Ergebnis, daß sie der Ebene parallel und gleich rät ist, wenn f den
Radius der Walze bedeutet.
112. Auf einer ruhenden Walze vom Radius g rollt parallel eine Walze
vom Radius r, so daß augenblicklich beide Achsen senkreoht übereinander liegen.
Für welche Punkte der Vertikalen ist die vertikale Beschleunigungskomponente
nach oben, für welche nach unten gerichtet? (ai + 0).
236. SohlnBbemerkung und Literatur. Im yorstelienden
Paragraphen haben wir aus der sogenannten geometrischen Kinematik
der ebenen Bewegung des Körpers nur so viel gebracht, als wir un-
bedingt für die Kinetik brauchen. Es fehlt insbesondere die ganze
Theorie der Gelenkmechanismen, abgesehen von den wenigen Andeu-
tungen über Zahnräder und Kurbelgetriebe. Es ist noch eine ganze
Disziplin für sich: die Konstruktion und Theorie solcher Mechanis-
men, die dazu dienen, gewisse Bewegungen in andere umzusetzen. Es
muß also diesbezüglich auf die Literatur verwiesen werden.
Wir haben schon in Nr. 232 die Werke von Beule aux und
Grashof hervorgehoben.
Weiter seien die beiden französischen Werke geringeren Umfangs
genannt:
G. Königs: Le9ons de cinematique,
H. Poincare: Cinematique et mechaaismes.
Eine gute Darstellung der Kinematik enthalten dann noch die
folgenden Werke und Lehrbücher über Mechanik: vor allem das schon
in der Einleitung genannte:
Thomson und Tait: Treatise on natural philosophy,
dann die ebenfalls schon genannten Lehrbücher von Schell,
Gray, Marcolongo-Timerding, Webster und Heun.
Nr. 236, 287. § 43. Kinetik der ebenen Bewegung des starren Körpers. 363
Weitere Literaifurangaben und eine Übersicht über den ganzen
Gegenstand findet man, in dem Encyklopädieartikel lY^ 3:
Schoenflies und Grübler: Kinematik.
S 43. Kinetik der ebenen Bewegung des starren Korpers.
336. Bie drei Bewegmigsgleiohimgen. Da der starre Körper
bei ebener Bewegung dre^ Orade der Freiheit hat, so werden^ wir auch
drei Bewegungsgleichungen brauchen, und diese liefern uns sofort
Schwerpunkts- und Momentensatz.
Der Schwerpunktssatz
mw* = Uky
wo auf der rechten Seite die äußeren Kräfte stehen, liefert uns für
die Ebene zwei Gleichungen, die im allgemeinen, wenn wir nämlich
die Kräfte Tollständig kennen, die Bewegung des Schwerpunktes be-
stimmen.
Um nun die Bewegung um den Schwerpunkt zu behandeln, machen
wir ihn zum Translationspunkt und wählen gleichzeitig die durch ihn
hindurchgehende Drehachse zur Momenteuachse.
Dann liefert sofort der Momentensatz nach Nr. 211
wo M das Moment der äußeren Kräfte ist.
Da nun alle Punkte dasselbe m haben und für den starren Körper
das Trägheitsmoment
konstant ist, wenn die Achse festbleibt, wie in unserem Falle, so gilt
die Momeutengleichung als dritte Gleichung
Es giU also dieselbe Gleidmng für die Drehung um eine sich
paraUd bleibende Schwerachse tvie um eine feste Dreha>chse.
237. AnfUtren eines Znges. Betrachten wir ein Paar Ton
Triebrädern einer elektrischen Lokomo-
tive. Das Eigengewicht nebst yertikaler Be-
lastung sei L, Z die an der Achse ausgeübte
Zugkraft des Räderpaares auf die Lokomotive, ^
N der Normaldruck an der Schiene, R die
Reibung, die den Charakter der Haftreibung
hat, wenn kein Schleifen eintritt, was wir y^W^^'^w^jgp^tjii^ri^^
annehmen wollen, W sei das Widerstands- Fig.ifl».
moment der Zapfenreihung, M das vom Motor auf das Rad über-
tragene Moment. Wir wollen R nach vorn positiv rechnen, a sei
364 IX- Ebene Bewegung des statren KOipen. Kr. 237.
die Winkelgeschwindigkeit, so daß der Mittelpunkt — das Rader-
paar sei zentriert — die Besclileunignng ria hat^ wenn r den Radius
der Räder bedeutet. Dann gibt der Schwerpunktssatz, angewendet
auf das lUlderpaar
mrG} ^ R — Zy (1)
0 = L-N (2)
und der Momentensatz, bezogen auf den Mittelpunkt,
To^Jf-^ W-Rr, (3)
Ny G), Ry Z sind die Unbekannten.
Um noch eine Gleichung zu erhalten, nehmen wir noch den
Schwerpunktssatz f&r den ganzen Zug ohne die Triebräder hinzu, er
lautet: da der ganze Zug ebenfalls die Beschleunigung rm erhält
m"rm^ ZZ—D
wo m" die Masse des Zuges ohne die Triebräder, D den Widerstand
des Zuges außerhalb der Triebräder bedeutet (Luftwiderstand und an-
dere ReibuDgswiderstände) und sich die Summe 2J auf alle Trieb-
räderpaare bezieht.
Es ist also
. 2;Z«D + w"rrä. (4)
Nehmen wir diese Gleichung noch zu (1), (2), (3) hinzu, lösen
zunächst (1) und (3) unter Elimination yon R nach Z auf:
y^ jir— y— (r+mr«)ä>
r
und setzen das in (4) ein:
so erhalten wir
Nunmehr können wir (1), (2), (3) nach Ny 12, Z auflösen und erhalten
N^Ly
Z = -J: (ilf - TT - (T + wr*) cb) ,
(U)
Bilden wir £R und setzen darin UM — £ W aus (I) ein, so erhal-
ten wir
2:R^D + (m" + Zm)rä,
Nr. 287. § 43. Kinetik der ebenen Bewegung des stairen Körpers. 365
den Schwerpuiiktssatz fQr den ganzen Eisenbahnzag. Man sieht dar-
aus^ daß 2JR jedenfaUs bei der Anfahrt positiv sein mnß^ was wir
schon früher einmal vorwegnahmen. Und wenn wir der Wirklichkeit
entsprechend M für ein Triebiuderpaar wenigstens beim Anfahren so
groß nehmen^ daß Z> 0 wird, daß es also wirklich zieht, so muß
für ein solches
sein, also nach (II)
jB>wr©>0.
Bei einem wirklichen Triebrad ist also beim Anfahren die Reibnng
nach Yom gerichtet.
Die Bedingung
\R £fN,
also
M- W-Tü^fLr
gibt die Bedingung dafür^ daß kein Schlüpfen eintritt.
Betrachten wir noch etwas den Gresamtwiderstand D.
Er setzt sich im wesentlichen anßer aus dem Luftwiderstand V noch
aus der Haftreibung K zwischen den Laufrädem und den Schienen
zusammen :
i)= V+ZB'.
Betrachten wir nun ein Laufrad, so können wir für dieses unsere
Gleichungen (1), (2), (3) anschreiben, nur haben wir R mit — IT zu
vertauschen (wir rechnen R nach rückwärts positiv) und Jif =» 0 zu
setzen. Wir erhalten dann
ü'-7(Tr' + rd)),
also
D = F+ ^yiW + Th). (in)
V ist dabei der Luftwiderstand des Zuges, W das gesamte Wider-
standsmoment, das auf ein Laufrad wirkt (hauptsächlich Zapfenreibung,
dann noch die später zu besprechende Rollreibung, siehe Nr. 242), ü
ist also eigentlich aus (I) und (III) zu berechnen, doch wird man meist
die Glieder T'di als relativ klein fortlassen dürfen, ebenso wie die
Glieder T gegen (w" + ^w)»"*, wo m' + Zm die ganze Masse des
Zuges ist.
Ohne Vernachlässigung ergibt sich als Sdilußfonnei fQr die Be-
schleunigung w aus (I) und (III)
3W>
K, Ebene Bewtgang des
Nr. ±38.
#r ^ ro = r
r
m" -^ Zm T^^ZT^-, ZT
(IV»
IM toibende Momente, IT WidersUndsmomente an doi Tnd>ndeni«
IT' an den Lanfridem, r, / deren Radien, 7*, J' deren Tngfaetta-
momente, m' •*- ^m die GesamtmaaBe des Znges, V der Lnftwideistand).
Man erkennt dbrigens an der Formel (Diu bzw. {TT), daS die
hemmende Wirkung der Widerstandsmomente W nm so kleiner wird,
je größer / ist Darum bieten große Laufräder so erhMiA Kerniger
als Heine.
28& Bin BotettonakSrper roll» eiaa nehiefte
miter Mitwirkimg der Beibuiig.
Ee find drei Fälle denkbar: 1. ee tindet reines Bollen statt ofane Gleiten,
t, der Bernhrongsponkt hat eine Gesehwindigkeit abwfats, 3. er hat eine Ge-
schwindigkeit aufwärts.
Hai der Mittelponkt, der sogleich Sdiwerpnnkt
sei, parallel sur ichiefen Ebene die Gesehwindigkeit r,
während die Winkelgeschwindigkeit « sei, so dnd
die drei HUle dorch r — r« >= 0, e — r« >> 0,
V — rc» << 0 charaktehgierl
Wir werden nun die Aufgabe so behandeln,
daß wir die drei Fälle der Reihe nach behandeln und
zusehen, wann sie mißlich sind; am Schlnsse wird
■ich dann zeigen, daß sich die F&Ue bei Zngnmde>
legnng der Goolombschen Beibongsgesetse gegenseitig so begrenzen, daß immer
ein ganz beetimmter Zustand allein eintritt.
Fl«. MO.
!• Reines Rollen:
V — Ti
Die Reibung ift Haftreibung. Die Bewegnngsgleichnngen lauten
mrcb ^ mg sin a — i?,
0 = mg cos a — X.
Daraus berechnen lich die Unbekannten B, eö, iV aU
a» »= ^ sin a -^r-, s \^^^^ eo ^ rÄ •< j sin « !)
T
R^mgBina
T+mr^
\R <f'N
wenn 6 den TriLgbeitsradius des Körpers um die Schwerachae bedeutet.
Die Bedingung
ergibt
(1/
t
.Nr. 238. 1 48. Kinetik- der ebenen Bewegung des starren KOrpers. 367
Nur wenn die Bedingung (I) erfüllt ist, kann das reine Rollen bestehen
bleiben.
2. r — r<o>0,
dann ist B ^^ fN ^ fing coe a und nach oben gerichtet. Die Bewegungsgleichun-
«ren lauten
dv
fw -TT ^ mg sin a — fmg cos a ,
r^^- s«rJBa= riw^cosfff,
also
dl? -
^^ ==<if8ina — A^cosa,
d(9 rmg cosaf
Um zn untersuchen, ob der Torausgesetzte Zustand andauert, untersuchen wir
die Änderung Ton v — ro, dieselbe ist
was nach obigem gleich ist
— roj)
dv
dt
dta
-' dt^
ist
^sina
— fg cos a —
T
Je nachdem dieser konstante Ausdruck positiv oder negatiy ist, wird der
Zustand erhalten bleiben (denn das positive v — r» wächst noch weiter) oder
nicht, denn eine konstante abnehmende Größe wird endlich einmal Null.
Die in Frage kommende Ungleichheit ist aber die umgekehrte wie (I).
Ist (I) erfüllt, so wird das Abwärtsgleiten aufhören müssen, sonst dagegen
sich verstärkt fortsetzen.
8. tJ — fa)<0.
An der vorhergehenden Betrachtung ändert sich nur das Vorzeichen von R
(bzw. f). Also erhalten wir
dv ' , r
^^ =gBintt + fgcoaa,
dfo rmgcoBctf
_« -^-
und daraus
j^(t7 — r») — ^sma + Z'^cosa — '~- >0.
Also muß dieser Zustand sicher einmal aufhören, v — reo muß Null oder positiv
werden.
Nun ist eine volle Diskussion möglich: Daß der Berührungspunkt auf-
wärts gleitet, ist auf die Dauer unmöglich: das Gleiten vermindert sich, bis
reines Bollen eintritt. Ist dieses eingetreten, oder war dies von Anfang an der
Fall, so kann es bestehen bleiben, wenn (I) erfüllt ist, und es bleibt auch be-
stehen, da gerade in diesem Falle ein Abwärtsgleiten auf die Dauer unmöglich
ist. Ist dagegen das Gegenteil von (I) erfüllt, so wird in allen Fällen schließ-
lich ein Abwärtsgleiten des Berührungspunktes eintreten müssen.
368 IX. Ebene Bewegung de« lUrren KOrpen. Nr. 839, 240.
339. All^B^b«n: lis. Eine Walze auf horisontAlem Boden werde duch
eine horizontale Kraft H im Abstände h Tom Boden ins Bollen gebracht. Wie
groß mofi h sein, damit reines Bollen eintritt, anch wenn keine Beibong wirkt?
In welchem Intervall darf h liegen, wenn Reibung wirkt, aber wiederam reines
Bollen einsetzen soll?
114. Ein Stab, auf einen horizontalen glatten Boden und an eine yeitikale
glatte Wand gestützt, gleite herab. Wie f&Ut der Stab unter Wirkung der
Schwerkraft herab? d. h. man steUe die Differentialgleichnng der Bewegung ffir
den Winkel ^ des Stabes gegen den Boden auf. Wie ändert sich diese Glei-
chung, wenn man Beibung berücksichtigt?
Anleitung: Man stelle Schwerpunkts- und Momentensatz auf, in denen
an Unbekannten die Normaldrucke, ^ und die Koordinaten x, y des Schwer-
punktes Torkommen. Letztere kann man durch 9- und konstante, ab gegeben
zu betrachtende GrOfien ausdrucken. Indem man dann die Normaldrücke elimi-
niert, erhält man die eine gesuchte Gleichung fflr ^.
115. Ein Stab stütze sich mit dem einen Ende' auf einen glatten Boden
und werde dann losgelassen. Wie fällt er herab? Wie ändert sich das Resultat,
wenn Reibung hinzutritt? Kann dann das eine Ende festbleiben?
116. Eine Platte sei um eine horizontale Achse drehbar. Zu Anfang werde
die Platte horizontal gehalten und im Abstände a von der Achse ein Gewicht
G* aufgesetzt. Danu werde das System losgelassen. Es kann nun sein, daß sich
schon gleich zu Anfang der Bewegung das aussetzte Gewicht abhebt. Wann
wird das eintreten? (Trägheitsmoment, Gewicht und Schwezpunktsabstand der
Platte seien gegeben.) Wenn aber das Gewicht auf der Platte bleibt, so wird
es anfangs durch die Reibung am Gleiten gehindert werden. Für welchen Winkel
wird das Gewicht anfangen, herabzugleiten?
Anleitung: Die erste Frage kann man in doppelter Weise lösen: Entweder
geht man davon aus, das Gewicht bleibe auf der Platte und behandelt dann
Platte und Zusatzgewicht getrennt^ jedes für sich, unter Einführung des Normal-
drucks Ny der positiv sein mufi, wenn das Gewicht sich nicht abheben soll (NB.
man kann auch das Zusatzgewicht für sich nehmen und dann filr Platte und
Gewicht zusammen den Momentensatz anwenden), oder man geht davon aus, daß
sich beide trennen und daß dann die freie Beschleunigung g des Zusatzgewichtes
kleiner sein muß als die vertikale Beschleunigung des Punktes der Platte, wo
G' aufsitzt. Beide Annahmen müssen sich natürlich im Resultat ausschließen.
(Man wird in beiden Fällen eine Ungleichung für a erhalten.)
Um die zweite Frage zu beantworten, nimmt man am besten Platte und
Gewicht als einen Körper zusammen, bestimmt nach dem Momentensatze die
gemeinsame Bewegung, berechnet dann nach dem Schwerpunktssatze für den
Zusatzkörper G' allein die erforderlichen N und B und sieht zu, wie lange
It<fN erfallt ist.
Man kann dann auch, nachdem Gleiten eingetreten ist, noch sehr leicht
die weitere Bewegung des Systems verfolgen.
240. Wahl eines anderen Bezugspunktes. Oft kann es
vorteilhafter sein, statt des Schwerpunktes einen anderen Bezugspunkt
zu wählen. Der Momentensatz in der ursprünglichen Form, wonach in
bezug auf jede Achse das Moment der Massenbeschleunigungen gleich
dem Moment der äußeren Kräfte ist, bleibt natürlich bestehen.
Nun war aber ferner nach Nr. 114 das Moment iigend welcher
Vektoren in bezug auf einen Punkt 0' gleich dem Moment in bezog
Nr. 240. § 43. Kinetik der ebenen Bewegung des starren Körpers. 369
auf 0 vermehrt um das Moment eines in 0 angreifenden Vektors^ der
gleich der Summe der betrachteten Vektoren ist. Diesen Satz wen-
den wir auf das Moment der Massenbeschleunigung an. In unserem
Falle sind die betrachteten Vektoren die dmw, ihre Summe ist
^dmw =« mw*.
Bei ebener Bewegung können wir nun 0 und 0' in der Schwer-
punktsebene annehmen und erhalten somit, daß
das Moment der Massenbeschleunigungen in bezug
auf die Drehachse durch (7 gleich ist
T,(b ± mh\w*\,
wo sich T, auf die Achse durch den Schwer-
punkt bezieht, h der Hebelarm des im Schwer-
punkt angreifend zu denkenden Beschleunigungs- ^ *'
yektors tS* des Schwerpunktes ist und das Zeichen
± zu nehmen ist, je nachdem w* links oder rechts herum bezüglich
O' zeigt.
Also lautet die Momentengleichung für die ebene Bewegung he-
aüglich irgendeines Punktes 0'
T/o±mhiü*\^M\ ' (I)
wo M' dc^ Moment der äußeren Kräfte in heeug auf die Achse durch
(y bedeutet.
Habe nun 0' selber die Beschleunigung w, so ist nach Nr. 233
w^ = w + (ö(r* — r') — o'(r* — r).
Statt des Momentes von W^ können wir auch die Momente eines
jeden der drei Bestandteile bilden. Um das Moment des ersteren zu
bilden, hat man w nach S zu bringen und dann das Moment bezüg-
lich 0' zu bilden: 4-wÄ'|i^'|.
(J>(r* — /) hat das Moment s^cb, wenn s die Länge des Vektors
aS^r*--r' ist,
~ a>^(r* — r') dagegen hat kein Moment, da dieser Vektor durch
O' hindurchgeht.
Nun ist aber T, + W5* = 2", wo T' das Trägheitsmoment be-
züglich der Achse durch 0' ist (siehe Nr. 196) und somit nimmt der
Mamentensalz bezüglich 0' auch die Form an:
r6)±mh'\w' ^M\ (H)
Ist 0' ein dauernd fester Punkt, so ist w' «= 0 und wir erhalten die
alte Formel für die Drehung um eine feste Achse
Tu « M\
Hamelt Elementare Mechanik. 24
370
IX. Ebene Bewegung des Btarren KOrpen.
Nr. 241.
Ist aber (/ nur Torfibergehend in Rohe, d. h. Momenianzentnun, bo war
«' = — «>.,
wo f^ die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Momentanzentnuns war und der
Größe nach gleich
« —
war (siehe Nr. 234).
Dtmnadi ist in hezug auf das Momeniamienirum
— r — p
die Momeniengleidkung (siehe Fig* 202).
Ist die SpnrkiuTe beispielshalber eine Gerade, so ist ^ «» ex und die Glei-
chung lautet
-zfi^h
Fig. 90t.
Fig. MS.
241. Das BoUpOndol ist ein Körper, der mit einem zylinderförmigen
Teil auf einer festen horizontalen Unterlage rollt, ohne zu gleiten, aber exzen-
trisch ist und so unter Wirkung der Schwerkraft Schwingungen ausführt, wenn
er aus der Gleichgewichtslage gebracht wird.
Vom Luftwiderstand sehen wir ab, sodaß wir an Kräften das Gewicht mg,
Normaldruck und Reibung haben. Letztere beide sind unbekannte Reaktions-
kr&fte. Damit wir nun gleich eine reine Bewegungsgleichung bekommen, in
welcher die Unbekannten N und B nicht Torkommen, empfiehlt es sich, das
Momentanzentrum B zum Bezugspunkt zu machen.
Ist 8 die Entfernung des Schwerpunktes S vom Mittelpunkte der als Kreis-
zylinder gedachten Walze und 9" der momentane Ausschlagwinkel, so ist (bei
positivem uo = ^) f nach links — mr^ nach oben gerichtet und gleich co'r, wenn
r den Radius des Zylinders bedeutet. Das bleibt auch bei negativem «o. Femer
ist A' B> 9 sin 9,
Und also erhalten wir als Bewegnngsgleichung nach der Schlußgleichung
der vorigen Nummer
TjjW -}-«• sinO"' iMc»*r = — mgs- nin^.
Dabei ist Tj^ veränderlich, nämlich gleich
= r, + (/•* + «* — 2r«co8^)m.
Nr. 242. § 43. Kinetik der ebenen Bewegwag des starren Körpers. 371
Wenn wir nun aber die Schwingungen als sehr klein voraussetzen, und bei Glie-
dern erster Ordnung stehen bleiben, so dtirfen wir 1 statt cosd> setzen und das
Glied mit sin ^ • m' als von dritter Ordnung ganz weglassen. Es bleibt also, da
T, + (r* + «* — 2r8)m = Y', + (r — s^m = Tg^
ist {Bq Berflhrungspunkt in der Itubelage),
Tg^m =« — mgs • ^.
Das ist die gewöhnliche Pendelgleichung, nur daß sich s und T» auf zwei ver>
O
Bchiedene Achsen beziehen. Die Dauer einer vollen Schwingung ist also
T,-8«r
^B.
mgs
(vgl. Nr. 196).
Auch fär das Schneidenpendel hat die Theorie des Rollpendels Bedeutung,
insofern als sich auch ein Schneidenpendel streng genommen nicht am eine feste
Achse dreht, sondern sich mit einer Fläche aufstützt. Für kleine Schwingungen
wird man diese Fläche angenähert durch eine Kreiszylinderfläche ersetzen können.
(B'ür eine feine Theorie der Wage ist dies nicht ohne Belang: siehe W. Felgen-
tiaeger, AbhandL der NormaleiohungskonmiiBsion 4 (1903), p. 167. Das ein-
schlägige Buch desselben Verfassers nannten wir schon in Nr. 142, ebenso den
Encjklopädieartikel IV, 7 von Furtwängler, Mechanik physikalischer Apparate).
Aufgabe 117: [Man behandele das BoUpendel nach der Methode von
Nr. 286 ff.
Umgekehrt behandle man die Aufgaben 118, 114 aus Nr. 289 nach der
Methode von Nr. 240.
342. Über die BoUreibmig. Lassen wir ein kreisförmiges,
zentriertes Bad auf horizontaler Bahn laufen, so würden die bisher
besprochenen Kräfte, welche von der Unterlage auf das Rad aus-
geübt werden, nämlich Normaldruck und Haftreibung, ergeben, daß
das Rad unaufhörlich weiterrollte. Denn in bezug auf den Berüh-
rungspunkt hätte keine Kraft, weder N noch R noch 6r, ein Moment^
auch h' (siehe Nr. 240) wäre Null und es folgte
T(o = 0,
G) = const.
Die Erfahrung aber lehrt, daß das Rad zur Ruhe kommt und der
Luftwiderstand ist zu gering, um die Erscheinung völlig zu erklären.
Es muß also noch ein Widerstandsmoment da sein, das von der
Unterlage ausgeht, und wir wollen versuchen, uns das Auftreten des-
selben aus dem Umstände klarzumachen, daß Rad und Unterlage in
Wahrheit keine starren Körper, sondern deformierbar sind. Auf diese
Ursache leitet uns die Beobachtung, daß der Widerstand bei weichen,
nachgiebigen Körpern wesentlich größer ist als bei festen. (Man ver*
gleiche weichen Boden und harte Stahlschienen).
24*
372
EL Ebene Bewegung des itairen Körpen.
Nr. 242.
'^i^WI^M*J''.'^'
*v7i»^~"'iiiii^^
Beim Rollen wird das Bad eine Abplattung, die Schiene (Unter-
lagej eine Yertiefdng erfahren. Es werden also die Teile der Unter-
lage vor der tie&ten Beruhrongsstelle ausgedehnt und mithin nach
vorne geschoben, umgekehrt die entsprechenden Teile des Radumfimges
komprimiert. Es ist mithin unvermeidlich, daB vorne Rad und Schiene
gegeneinander gleiten, wodurch Gleitreibung entsteht, die auf das Bad
nach vorne wirkt und also ein bremsendes Moment auf den Mittelpunkt
des Rades ausübt.
Osborne Reynolds hat auf diese Weise zuerst die Entstehung
des Rollwiderstandes erklart und die verschiedene Verschiebung von
Rad und Unterlage an elastischem Material (Gummi) sichtbar genuicht
(Papers I, pag. 110 — 133). Es ist aber
noch ein anderer Ghrund zur Entstehung
eines Widerstandsmomentes vorhanden:
Die Berührungsflachenstücke vorne sind
im Sinne der Rotation gedreht^ infolge-
dessen muß der Normaldruck vorne vor
dem Mittelpunkt des Rades vorbeigehen
und somit ebenfalls ein Widerstands-
moment ausüben.
Hinter der tiefsten Berührungsstelle
wird nun allerdings alles ahnlich sein
und wie man leicht einsieht, werden
dort die erzeugten Momente einen be-
schleunigenden' Einfluß haben. Aber wegen der unvollkommenen
Elastiziiat des Materials erfolgt die Wiederherstellung des alten Zu-
standes bei geringeren Druckkräften, also wird die Wirkung hinten
schwacher sein als vorne und ein Widerstandsmoment übrig bleiben.
Dieses Moment, bezogen auf den idealen Berührungspunkt des
nun wieder ab starr angesehenen, rollenden Körpers mit seiner Unter-
lage, wollen wir schreiben
wo X — eine Länge — der Radius oder Hebelarm der Roll-
reibung heiße. Die Theorie der deformierten Körper ist noch weit
entfernt; eine Bestimmung von X zu liefern, man ist auf Versuche an-
gewiesen.
Leider sind auch diese erst sehr spärlich vorhanden, man rechnet
bei Eisenbahnrädem auf Schienen vielfach mit "k « 0,5 mm.
In der Ruhelage ist die Rollreibung selbstverständlich fähig,
das Eintreten der Rollbewegung bis zu einem gewissen Grade zu ver-
hindern. Sie hat also dann den Charakter der Haftreibung, sie ist
ein Reaktionsmoment, also unbekannt, jedoch kleiner als ^^Lq, wo k^
den Radius der Rollreibung in der Ruhe bedeutet.
Fig. 104.
Nr. 243. § 48. Kinetik der ebenen Bewegung des starren Körpers. 373
I. Beispiele. 1. Ein Baderpaar rolle ohne zu gleiten eine
schiefe Ebene herab: Da das Gewicht den Hebelarm r sin a hat^ so
lautet der Momentensatz in bezng anf den Berührungspunkt B
T(ä« Graina-NX,
N ^^ G cos a .
(Das Räderpaar sei zentriert!)
Man sieht^ daß gleichförmiges Rollen möglich ist: (o « 0, wenn
tga = -
ist. Man hat so ein Mittel, X experimentell zu bestimmen.
Auch sieht man wieder, daß große Räder leichter rollen als kleine.
2. Will man die Rollreibung bei dem in Nr. 237 behandelten
Eisenbahnzuge mit berücksichtigen, so hat man ihr Moment XN
ein&ch in die Widerstandsmomente W resp. W mit aufzunehmen.
3. Die Momentengleichung des Rollpendels aus Nr. 241 yerändert
eich (bei kleiner Schwingung) offenbar in
Tß^d) « — mgs • sin -ö* ± NX ,
wobei ±; j® nachdem o negativ oder positiv ist.
Dabei ist nun N aus dem Schwerpunktssatze zu bestimmen:
wy* = mg — JV,
wobei y*, die abwärts gerichtete Beschleunigungskomponente des Schwer-
punktes, nach Nr. 233
— 5 • cos dco*— S(o sin %^
ist. Bei kleinen Schwingungen nun kann man ruhig
iV= mg
setzen, weil y* klein von zweiter Ordnung ist, außerdem bei den ver-
wendeten Materialien (Stahl, harte Steine) X sehr klein gegen die
sonst vorhandenen Längen sein wird.
Somit lautet die Bewegungsgleichung angenähert
Tbo^ = — ings ' %^ ± Xmg,
Das ist aber genau dieselbe Differentialgleichung, auf die wir in der
Aufgabe der Schwingung mit Reibung (siehe Nr. 64) stießen. Die
Integration ist also ebenfalls die gleiche.
374 I^- Ebene Bewegung des starren Körpers. Kr. 844.
§ 44. Energiegleiehung der ebenen Bewegung.
344. SlnetlBolie Bnergie nnd Arbalt bei einem nm eine
feste Aohse rotierenden starren KSrper. Allgemein war die
kinetische Energie eines Systems definiert dnrch
Rotiert nun ein starrer Körper um eine feste Aohse^ so ist
V ^ reo
und also
Die Arbeit eines Kräftepaares an einem um eine Achse senkrecht zu
dessen Ebene rotierenden starren Körper haben wir schon früher ein-
mal berechnet zu (siehe Nr. 149)
dA^Md^, (II)
die Leistung also zu
'L^M(o. (HO
Differentiieren wir (I) nach der Zeit, so erhalten wir mit Berücksich-
tigung der Bewegungsgleichung
oder nach Integration
E^Eq « / *dA ^fjUdd^ . (III)
wo rechts lediglich die Arbeit der eingeprägten Kräfte steht.
Der Energiesatz lautet also für einen starren Körper, der sich
um eine feste Achse dreht:
Die Änderung der kinetischen Energie ist gleich der Arbeit der
eingeprägten Kräfte und diese berechnet sich als das Produkt aus dem
Moment in bezug auf die Drehachse und dem Drehwinkd.
Haben die eingeprägten Kräfte ein Potential U (siehe Nr. 89), so
ist natürlich
/ dA «■ — t7 + const.
und der Energiesatz lautet
^IW+U-^h. (UI')
Nr. 844. § 44. Eneigiegleichong der ebenen Bewegong. 375
Den allgemeinen Energiesatz der ebenen Bewegung werden wir so-
gleich in der nächsten Nummer kennen lernen. Man beachte hier
bereits die Analogie yon
o, T, M, E und L bei der Drehbewegung mit
t;, nty h, E unc^ L bei der Translation.
Aufgabe 118: Welche Arbeit ist erforderlich, um eine Walze von 2 m Lftnge,
1 m Dnrchmeuer und dem Bpezifischen Gewicht 8 in eine solche Rotation zu ver-
setaeo, dafi sie 100 Touren pro Minute macht?
Für eine solche Walze ist T» ftZr^sr (siehe Nr. 266).
Beispiel: Betrachten wir noch einmal das physikalische Pendel (siehe
Nr. 196). Die Schwerkraft hat ein Potential, dasselbe ist gleich Gewicht mal
Höhe oder gleich
CT =s — mgs' cos ^ .
Also lautet der Energiesatz in diesem Falle
oder
r^« — mgs Qon^^h.
Ein Vergleich dieser Formel mit der des mathematischen Pendels (siehe Nr. 90)
zeigt wieder die formale Identität beider, man braucht nur wieder
ms
zn setzen.
24S. Bnergiegleiohang Ar die allgemeine ebene Bewegung.
Man kann auch leicht auf elementarenf Wege die kinetische Energie
eines starren Körpers bei allgemeiner ebener Bewegung ausrechnen.
Sei M das Momentanzentrum^ s die Entfernung des Schwerpunktes
Yon Mj so ist die kinetische Energie^ weil die Bewegung eine bloße
Drehung um M ist
E^ ■-^lrco^
Nun war aber (siehe Nr. 196)
wo sich Ts auf den Schwerpunkt bezieht; und da y* =» 50 die Ge-
schwindigkeit des Schwerpunktes ist, so wird
E^ ! ^5«^+ i
mv
«2
Wä/dt man den Schwerpunkt jsum TranslationspunÜ, so ist die
gesamte kinetische Energie gleich der Summe aus der Energie der
Translationsbewegung und der Energie der Rotatiofisbewegung,
Für einen anderen Translationspunkt ist dieser Satz aber nicht
immer richtig (siehe Nr. 270).
376 ^' Ebene Bewegung des Btairen KOipen. Kr. 245.
Dag^en gilt ein analoger Satz fBr die Arbeit bzw. Leistung
immer.
Es ist die Arbeit der Kräfte
Nnn war aber nach der Enlerschen Formel
r/f — de +rf>(r — c)
also ist
dÄ^dc' Srf* + S^* • dd'ir-c)
oder wegen
Sdi^K und S{r-c)dh = 3
und wegen der Yertauschungsformel (siehe Anhang I 6 )
dA=^K de +M d».
Die gesamte Arbeit ist also immer gleich der Summe aus der
Arbeit der resultierenden Kraft und cuas derjenigen des resultierenden
Kräftepaares, Erstere ist das innere Produkt aus der resultierenden
Kraft und der (unendlich kleinen) Translationsstrecke, letetere das
innere Produkt aus dem Moment und dem (unendlich Meinen) Dreh-
winkd. Als Bezugspunkt für den Momenienvektor ist dabei der
TrandaUonspunkt zu nehmen.
Haben wir ein ebenes Problem der Art, daß auch die Strafte sich
auf solche in der Schwerpunktsebene reduzieren lassen, so steht M
auf der Ebene senkrecht und es ist M - d^ ^ Md^y wobei M und &
im selben Sinne zu zahlen sind. Nehmen wir noch den Schwerpunkt
als Translationspunkt, so ist dann
dA^K'df*+ Md^
und die Leistung _
L^K'V* + Mg}.
Differentiieren wir nun die Formel für E nach der Zeit, so erhalten wir
oder wegen der Bewegungsgleich ung^:
Tsd) »^ M und mW* <^ K ,
''f, = Ma. + K.v* = L = '^.
Integrieren wir, so bekommen wir den Energiesatz f&r die
ebene Bewegung des starren Körpers:
E-E^^A:
Nr. 246. § 44. Energiegleichang der ebenen Bewegung. 377
Die Änderung der kinetischen Energie in einer gewissen Zeit ist
gleich der während dieser Zeit von den äußeren Kräften gdeisteten
Arbeit,
246. Anwendmigen des Bnergiesaties. 1. Auf das Roll-
pendel ohne Widerstände. (Vgl. Nr. 241.) Der Schwerpunkt hat die
Geschwindigkeitskomponenten
— aw + so cos d" horizontal
507 sin '9' vertikal.
Folglich ist die kinetische Energie
E^Y ^[("- a + « cos 0')*+ 5* sin* ^] cd' + ^ Ts(d\
« ^ <o^Tb (B der augenblickliche Berührungspunkt),
da
TB^Ts + m- BS^^ Ts + w(a2 + 5*-2ascos^).
Man hätte das Resultat natürlich auch sofort hinschreiben können^ da
ja B Mou.entanzentrum ist. Von den äußeren Kräften hat die Schwer-
kraft ein Potential: dasselbe ist wie stets
mge* = — mgs • cos §• ,
da xr* =« — 5 cos -ö", die Höhe des Schwerpunktes über der festen Hori-
zontalen durch die RoUenroitte ist.
Haftreibung und Normaldruck leisten keine Arbeit^ da ihr An-
grifEspunkt keine Geschwindigkeit hat. Von Rollreibung und Luftwider-
stand sehen wir ab. Also lautet der Energiesatz
(d'Tb — mgs • cos 0" « Ä, (1)
daraus folgt durch Auflösung nach cd » ^ - und Trennung der Variablen
t^ I 1/ r^- -^d^,
wenn wir t ^0 für d" ^ 0 festsetzen. Dabei ist zu beachten^ daß nach
Obigem Tb eine Funktion von d" ist.
Das Problem läßt sich also auf eine Quadratur zurückführen.
Die frühere Annäherung bei kleinen Schwingungen läßt sich jetzt
auf folgende Weise erreichen: Sind co und ^ klein erster Ordnung, so
ist nach Gleichung (1) h =.— mgs (l — «*], wo a den kleinen maxi-
malen Ausschlagwinkel bedeutet.
378 IX- Ebene Bewegung des starren Körpers. Nr. 246.
Indem wir nun in dem Integral für t im Nenner unendlich kleine
GfröBen erster Ordnung beibehalten — der ganze Nenner wird yon
selbst unendlich klein erster Ordnung — im Zähler dagegen Oroßen
zweiter Ordnung gegen das endlich^ Tb„ yemachlassigen, yereinfiBU^ht
sich das Integral für t zu
-^ • arcsin
mgs a
0
Woraus man erschließt:
»-.,in(V'-^.,),
das frühere Resultat bei Voraussetzung kleiner Schwingungen.
2. Auf die Dampfmaschine. Die ursprüngliche, elementare
Theorie derselben sieht das Gestänge als masselos an, so daß nur dem
Schwungrad eine nennenswerte kinetische Energie zukommt. Da das
Schwungrad .zentriert ist^ können wir auch in erster Linie 7on der
Oewichtswirkung absehen und es bleiben als äußere Kräfte der
Dampfdruck, der als Tangentialdruck
COS 7]
auf den Kurbelkreis übertragen wird (siehe Nr. 155)^) und das Wider-
standsmoment W der Arbeitsmaschine. Von Reibung und Luftwider-
stand wollen wir absehen. Die Lagerdrucke der Welle leisten keine
Arbeit, weil sie senkrecht zur Lagerfläohe, also auch senkrecht auf der
Bewegung ihrer Angriffspunkte stehen und somit lautet der Energiesatz
für das Schwungrad
LToo^ =^frTdd' -fwdd' + Ä.
Kennen wir aus Diagrammen T und W als Funktionen des Kolben-
weges X und damit auch als Funktionen von d", so können wir
U 'frTdd' + fwdd'
0 0
berechnen und erhalten
1) Wir dürfen diese statische Überlegung hier anwenden, weil eben das
Gestänge keine Masse hat. Die Bewegung eines .masselosen Systems zu unter-
suchen, ist immer eine rein statische Aufgabe, da alle mechanischen Gleichungen
für m = 0 in statische übergehen.
Nr. 247. § 46. Massengeometrie des starren KOrpers. 379
woraus sich ergibt
r
0
Damit ist auch diese Aufgabe auf Quadraturen zurückgeführt.
Weiteres über das Problem der Schwungradberechnung und die
Bestimmung von h siehe Nr. 321.
Aufgabe 118: Man führe in ähnlicher Weise, wie es beim Rollpendel ge-
Bchehen ist, die Bestimmung der Fallbewegung eines an eine glatte vertikale
Wand und auf einen glatten horizontalen Boden sich aufstützenden Stabes auf
Quadraturen zurück. Man beachte, daß die Normaldrucke an den beiden Stütz-
stellen keine Arbeit leisten. Warum?
Kapitel X.
Räumliche Bewegung des starren Körpers.
§ 46. Massengeometrie des starren Korpers.
247. TragheitB- und Deviationsmomente. Beide haben wir
bereits früher definiert (siehe Nr. 194 und 198).
Unter dem Trägheitsmoment eines Körpers in bezug auf eine Achse
verstanden wir
wo r die Abstände der Massenelemente dm von der Achse bedeuten.
Setzen wir
wo m die Gesamtmasse bedeutet^ so ist der Dimension wegen ö eine
Strecke, die wir den Trägheitsradius nennen.
Wii" kennen auch bereits den Satz [über [parallele Achsen:
Sind g und g' 'zwei Geraden, von [denen g durch den Schwerpunkt
geht, T und T' die bezüglichen Trägheitsmomente, so ist
wenn a den Abstand beider Achsen bedeutet, oder
cy'« =» tf« + a^
Das Deviationsmoment in bezug auf die beiden rechtwinkligen
Achsen x^ y aber war
380 ^* R¨iche Bewegung des starren Körpers. Nr. 34««.
Es ist zu beachten^ dafi wir durch die drei Trägheitsmomente T^, T^^ 7,
in bezug auf drei orthogonale Achsen x^ y, z und die drei Deviations-
momente Dg^p, ^r,»> -^«,» *^® sogenannten Momente zweiter Ord-
nung in bezug auf diese Achsen ausdrücken können: es sind die«
die sämtlichen linearen Kombinationen von ^dmx^y S^'^y'y S^^^*
^dmxy, ^dmxß, ^dmys. Die letzten drei sind direkt die Deviations-
momente, die drei ersten lassen sich durch die Trägheitsmomente aus-
drücken. Denn da
ist — y^ + z^ ist ja der Abstand eines Punktes von der x-Achse — ,
so ist
USW. Daraus folgt noch T^, + T, > T^ usw.
S48. Das Trftgheitsellipsoid. Wir wollen jetzt zeigen, wie
man Trägheits- und Deyiationsmomente für alle orthogonalen Acbsen-
systeme eines Körpers durch die entsprechenden sechs GFroßen für eis
einziges Achsensystem linear ausdrücken kann.
Betrachten wir ein zweites Achsensystem x'y'z' mit demselben An-
fangspunkte 0, so ist bekanntlich
x' =« a^x + b^y + c^z \
y'^(hx + b^y + c^z |, (1'
z' = a^x + b^y + c^z j
wo a^ . . . die neun Richtungskosinus bedeuten. Folglich ist
+ (V + V) ^dmy' + ic^+ c,') Sdmz'
+ 2{a^b^ + aj^b^)Sdmxy + 2{b^€^ + b^c^)^dmyz
+ 2{c^a^+Cjiaj^)Sdmzx,
oder nach der vorhergehenden Nummer
Tr^- l ^.(V + V + ^r + ^'-V-O
+
+ 2ia^b, + a^b,)lJ^^^ + ' •..
Zieht man nun noch die bekannten Formeln hinzu
und
^* + h^ + 6a* = 1 usw.,
«1* + ^1* + Ci* = 1 usw.,
^-'H
Kr. 248. § 46. Massengeometrie des starren Körpers. 381
SO erhält man
T^» a,«2;+ W+ «1*^/- 2aADr»-2Kc,D^.-'^c,a,D„ (I)
In scicher Weise drückt sich das Träglmtsmoment für die Achse
mit den Richtungskosinus a^, bi, c^ durch die Trägheits- und Deviations-
momente für dcLS ursprüngliche Achsensysteni aus.
Ganz analoge Formeln gelten natürlich für T^, T^j man braucht
nur die Indizes zu vertauschen.
Auch jedes Deviationsmoment in bezug auf die neuen Achsen
läßt sich durch die alten ausdrücken:
B^^ «• ^dmx'y''^ a^a^^dmx^-\- hj>t^dmy^
+ c^c^^dme^ + (a^h^ + a^\) ^dmxy H
- Y ^*(-«i«« + ^*» +^^) + • • •
oder, da W + Cy^c^ =« — a^a^ ist usw.
Die Formeln für D^^ und D,,^ sind natürlich analog.
Man kann sich von den wichtigen Formeln (I) und (II) leicht
eine geometrische Vorstellung machen. Betrachten wir die Fläche
zweiten Grades, die in bezug auf das erste Koordinatensystem durch
die Gleichung
T^^^ + T^y^ + T^z^ - 2D,yrry - 2D^,y^ - 2D,,zx « const (UI)
gegeben ist.
Transformiert man diese Gleichung auf das neue Koordinaten-
system, indem man die Auflösungen von (1)
X ^ a^x + a^y + a^z usw.
einsetzt, so erhält man, wie man sofort einsieht, die Gleichung
T^x^+T^y'^+ T^z^^ 'iB^^x'y- 2B^,.yz-' 2D,,^/a:'« const.
woraus man sieht, daß die betrachtete Fläche zweiten Grades unab-
hängig von der Wahl des Koordinatensystems der Gesamtheit der
Trägheits- und Deviationsmomente an der betreffenden Stelle zugeordnet
ist, d. h.: Stellt man die analoge Gleichung für ein anderes Koordinaten-
system auf, so bekommt man dieselbe Fläche zweiten Grades.
382 ^ R&nmliche Bewegung dea starten Körpers. Kr. 249.
Die Formeln I, II sind auch ans der analytiBchen Geometrie als
die Transformationsformeln der Flachen zweiten Grades bekannt
Jedem Punkte des Kärpers gehart eine hesUmmie Miäelpunkts-
fläche zweiten Grades zu, deren sedis Kanstamte die drei TrägheUs-
momente und die drei (negativen) Deciatiansmomente sind (Glei-
chung (Uly).
Man nennt diese Flache, die, wie wir sehen werden, ein EUipsoid
ist, das Poinsotsche Trägheitsellipsoid.
Indem wir die Konstante der rechten Seite noch frei lassen, be-
halten wir die Möglichkeit, unter allen ähnlichen und ahnlich ge-
legenen EUipsoiden eines auszuwählen.
349. Die Bedentmif des TrftglieitBellipsoidee ist leicht zu
erkennen : Tragen wir auf jedem Strahl durch den betrachteten Punkt
eine Strecke r auf, welche dem Trägheitsradius des Strahls umgekehrt
proportional ist, d. h. setzen wir
wo X irgend eine feste Strecke ist, welche den Maßstab bestimmt, so
hat der so bestimmte Punkt die Koordinaten
^"^ ^ öti; y« ^ 6i; ir--c,, (1)
wenn a^, b^, c^ die Kichtungskosinus der Strahls sind.
Machen wir nun die herausgegriffene Achse zur x'- Achse eines
neuen Koordinatensystems, so besteht Gleichung (I) der vorigen Nummer,
die sich aber mit
und der obigen Substitution (1) so schreiben laßt
x*r, + y*T^+ 5*T,- 2xyD^^-' 2yzD^,- 2zxD^^ - ASw « conat
Das ist aber genau die Gleichung (III) des Trägheitsellipsoides und
wir haben den Satz:
Trägt tnan auf den Achsen durch einen Funkt in einem hdiehigepir
Maßstabe den reziproken Weti des entsprecJienden Trägheitsradius auf,
so erfüllen die so erhaltenen Punkte die Oberfläche des Poinsotscheti
Trägheitsdlipsoids.
Daß die Fläche ein EUipsoid ist, erkennt man daraus, daß 6 nie
null, r also nie oo wird.
Jedes EUipsoid hat bekanntlich drei Hauptachsen, die zuein-
ander orthogonal sind und für welche seine Gleichung lautet
Äx^ + By^ + Cz^ « const.
Nr. 260. § 46. Masseogeometrie des Btarren Körpen. 383
Fwr die Hauptachsen verschwinden also die Deviationsmamente,
jeder Körper hcU durch jeden Funkt drei solche Hauptachsen.
Die Trägheitsmomente Ä, B, C am diese Aohseu heißen die
Hanptträgheitsmomente.
Daß Symmetrieachsen des Körpers Hauptachsen sind; wurde schon
früher gezeigt (siehe Nr. 218, dort anch die Bedeutung der Haupt-
achsen als freie Achsen).
250. Die Trftgheitsdyade. Leiten wir aus der Funktion
2F{¥) = T^x" + T^ + Ty - 2D^^xy - 2D^,y0 - 2D,,zx
den Vektor
ab, d. h. den Vektor mit den Komponenten
(1)
BO steht dieser Vektor bekanntlich auf der Fläche F(f) — const., d. h.
auf dem Tragheitsellipsoid im Punkte x, y, z senkrecht (vgl. Nr. 88,
auch Anhang II und IV).
Durch die Formeln (1) wird also jedem Vektor f ein Vektor J
eindeutig und linear zugeordnet, das Koeffizientenschema wird durch
die Trägheitsmomente in der Diagonalen und die negativen Deviations-
momente gebildet. Das Schema ist symmetrisch.
Nach unserer früheren allgemeinen Definition (siehe Nr. 205) haben
wir also den Inbegriff von Tragheits- und negativen Deviationsmomenten
an einer Stelle als eine Dyade zu bezeichnen: die Trägheitsdyade.
Sie ist symmetrisch.
um die Größe von J geometrisch zu finden, beachte man folgendes.
Multipliziert man die Oleichungen (I) der Reihe nach mit x^ y, z
und addiert sie, so erhält man
Jr.f «2F=«2Ä,
wenn h die willkürliche Konstante bedeutet. Betrachtet man anderer-
seits das Lot i ■« OJ von dem Mittelpunkte 0 der Fläche F ^h auf
die Tangentialebene im Ende von f , so ist
»==|r .cos(f, J)),
also
J r =^ J ' i
384
X. Räumliche Bewegung des starren Körpers. Nr. 261, 252.
Vergleicht man beide Ansdrücke für J -f, so erhält man
j 2Ä
J fällt somit dem reziproken Werte und der Bichtung nach mit
dem Lote zusammen, das man vom Mittelpunkte auf die Tangential-
ebene des EUipsoides im Durchstoßpunkte mit f fäUen kann,
261. Die Bpannniigsflftohe, Man sieht leidit ein, dafi man
jeder symmetrischen Djade eine Mittelpunktsfläche zweiten Grades zu-
ordnen kann (siehe Anhang IV).
So nennt man die durch
2H{f) = X^x' + Y^y" + Z/ + 2X^xy + 2 Y,yz + 2Z^zx = const.
gegebene Fläche die Span uungsf lache (vgl. Nr. 204).
Will man zu einer Bichtung x\y\z die Spannung haben^ so hat
man zu bilden
wo r » l/rc* + y* + ^*j was ja mit den Formeln (III) aus Nr. 205
übereinstimmt.
Man sieht, dafi (5 stets senkrecht auf der Tangentialebene in dem
Punkte P der Spannungsfläche steht^ der durch den Strahl von der
Normalrichtung des Flächenelementes auf der
Fläche getroffen wird.
Die Spannungsfläche braucht aber kein EUip-
soid zu sein. Da beider Analogie von Trägheits-
dyade und Spannungsdyade dem T das X^, d. h.
die Normalkomponente der Spannung entsprach^
so ist bei der Spannungsfläche der Radiusvektor
der Wurzel aus der Normalspannung des betreffen-
den Flächenelementes umgekehrt proportional, Ist
X^ negativ, so ist der betreffende Schnittpunkt P
imaginär.
Wendet man die Formel am Schlüsse von
250 auf die Spannungsfläche an, so erhält man
Fig. 805.
r
2h
ir
262. Übergang lu beliebigen orthogonalen Koordinaten-
systemen. Durch die Formeln von Nr. 248 und den Satz über
parallele Achsen können wir leicht die Trägheitsmomente um beliebige
Achsen algebraisch berechnen, wenn wir nur die Trägheitsmomente
und Deviationsmomente für irgend ein Achsensystem durch irgend einen
Punkt kennen. Wir wollen die Resultate nur noch für die Deviations-
Nr. 253. § 46. Massengeometrie des starren KOrpers. 385
momente ergänzen und zwar erübrigt sich der Übergang zu parallelen
Achsen.
Habe das neue; dem alten parallele System O'x'yS^ einen An-
fangspunkt mit den Koordinaten a, hy c^ so ist
« ^dmxy — a^dmy — h^dmx + ah^dm
== D^^ — ay*m — bxf^m + ahm .
War der alte Anfangspunkt der Schwerpunkt, so sind aj* und y* Null
und man erhält
Daraus folgt noch, daß sich bei Verschiebung des Koordinatensystems
aus dem Schwerpunkte längs einer Achse die Deviationsmomente nicht
ändern ; da von den Koordinaten üf b, c wenigstens zwei Null sind.
263. Speiialisiemng fflr die Bbene. Häufig braucht man
die Trägheitsmomente von geometrischen Figuren, d. h. von Körpern,
für welche die spezifische Masse 1 ist, und zwar besonders von aus-
gearteten, nämlich ebenen Figuren.
Legen wir bei einer ebenen Figur die j^- Achse senkrecht zur Ebene,
den Anfangspunkt in die Ebene, so ist z ^0 und daher
Es bleibt also nur noch ein Deviationsmoment D,„, das wir kurz D
nennen wollen.
Femer ist
Daher
r, = 7', + r,.
T, heißt in diesem Falle auch das polare Trägheitsmoment der
ebenen Figur.
Aus den Formeln (I) und (II) von Nr. 248 wird, da
a^ = cos a , 6j = sin a , q = 0,
o^=^ — sin cf , &2 = cos a , Cj = 0 ,
«8 = 0, &8=*0, C3-I,
— a ist der Winkel der rc'-Achse gegen die a:-Achse —
T^ = cos« «T, + sin» aT^ — 2cos a sin a I), (JT)
D' =. (T^ - Jy) sin « cos a + (cos« a - sin« a)2). (11')
Hamel: Klementare Mechanik. 26
386
X. Bämnlidie Bewegung des
Xr. 264,
Das Tii^eitsellipsoid hat die Besonderiieit, daB eine Haaptachae mit
der r-Achae zasammenfallt; nur sein Schnitt mit der xy-Ebene hat
Intereaae: die Bogenannte Tragheitsellipse, dexea Gleichung lautet
J,jr* -^ Ty — 2Dxy « const ==!*«. ( III>
264. Die Oulmmanseli« Trlyhitlt— lHp«<i Der Badinsrektor
der Tiigheitaellipse ist umgekehrt proportional dem zugehörigen Trig-
heitsradius Csiehe Nr. 249). Non laßt sich aber auch leicht eine Strecke
angeben, die dem Tragheitsradios direkt proportional ist
Ziehen wir nämlich zn der betrachteten Achse die parallelen
Tangenten an die Ellipse und betrachten den normalen Abstand h
der Tangenten von der Achse, so behaupten wir, daß h dem ö direkt
proportional ist.
Zum Beweise betrachten wir das der EUipse umschriebene Par-
allelogramm aus den beiden Tangenten und den zu ihnen konju-
gierten. Der Inhalt dieses Parallelogramms
ist 4rA.
Andererseits ist er gleich 4a&, wenn
Qj h die halben Hauptachsen sind. Denn
alle umschriebenen Parallelogramme aus
konjugierten Tangentenpaaren sind einander
gleich. Faßt man nämlich die Ellipse als
Parallelprojektion eines Kreises auf, so gehen
die in Rede stehenden Parallelogramme aus
den dem Kreise umschriebeneu Quadraten
herTor. Diese sind aber untereinander gleich,
Fi«. 906. also sind es auch jene, da sich bei der
Parallelprojektion der Inhalt einer Figur
mit dem festen Faktor des Kosinus eines Winkels multipliziert
Es ist also
rh = a6,
und da
r =
war.
h
ah
1 ?
d. h. proportional dem Tragheitsradius, wie behauptet wurde.
^a> ^b ^^^ Haupttragheitsradien, so ist
Seien
<y- =
a
«t-j,
Nr. 254.
§ 45. Massengeometrie des starren Körpers.
387
also
und
ab
«6
WaUen wir nun den noch willkürlichen Maßstab A, so daß
isty womit wir freilich von Punkt zu Punkt einen verschiedenen Maß-
stab einftihren, so ist direkt
Die so normierte Trägheitsellipse pflegt man nach Gulmann zu be-
nennen. Man kann sie auch so definieren:
Zieht man durch einen Punkt au jeder Achse im Abstände des
BUjfehörigen Trägheitsradius Parallele . so umhiiUen diese die Cul-
mannsche Trägheitsdlipse,
Da unter parallelen Achsen der Trägheitsradius für die Achse durch
den Schwerpunkt am kleinsten ist (vgl. Nr. 247), so ist auch die Gul-
mannsche Ellipse für den Schwerpunkt am kleinsten^ man nennt diese
die Zentralellipse.
AUe Culmannschen Ellipsen enthalten den Schwerpunkt im Innern,
Beweis: Zunächst einmal erkennt man leicht, daß jede Ellipse mit
der Zentralellipse ein Tangentenpaar gemeinsam hat, nämlich dasjenige^
das der Verbindung der beiden
Mittelpunkte parallel ist. Das folgt
daraus^ daß ja ein Trägheitsradius
einer Achse zugehört, nicht einem
Punkte^ es gehört also zur Achse
durch die beiden Mittelpunkte ein
Trägheitsradius.
Sei 8 der Schwerpunkt, P ein
anderer Punkt. Betrachten wir die
zu SP für die Ellipse um P kon-
jugierte Achse g und die zu ihr
Parallele g' durch S. Dann ist,
wenn p den Abstand von g und g' bedeutet, nach Nr. 247
Fig. 807.
also
Das zu g parallele Tangentenpaar an die Ellipse um P schließt also
g ein, und da andererseits die Berührungspunkte auf PS liegen, so
liegt S im Innern der Ellipse um P.
25'
388
X. Bftumliche Bewegung des gtarren Körpen.
Nr. «5&.
Fig. 808.
2SB. Mm Kohrsohen TrftgheitBkrelBe. Ist die ZentralellipBe
nicht schon selbst ein Kreis, so wird beim Fortgang aus dem Schwer-
punkt in Richtung der kleinen Achse die Ellipse erstens die alten
Achsenrichtungen beibehalten (siehe Nr. 252), zweitens die Länge der
großen Achse beibehalten
(siehe in der vorigen Num-
mer die Bemerkung über
gemeinsame Tangenten),
drittens immer breiter wer-
den (siehe ebenfalls die yor-
hergehende Nummer). Es
muß also Punkte 0 und O'
zu beiden Seiten der Zen-
tralellipse geben, für welche
die Ellipse je ein Kreis wird.
Diese Kreise benennen wir
nach Mohr, der ihre prak-
tische Bedeutung zuerst er-
kannt hat.
Wo liegen ihre Mittelpunkte 0 und 0'?
Ist die Entfernung vom Schwerpunkt S gleich p, so ist einmal
nach dem Satz über parallele Achsen der Tragheitsradius um eine zu
08 senkrechte Achse Vp^ + b^, wenn b den kleinen Halbmesser der
Zentralellipse bedeutet, andererseits gleich a, da ja für S alle Trag-
heitsradien einander gleich sind (die Ellipse ist ja ein ELreis!) und
der Tragheitsradius um 05 gleich a, gleich der halben großen Achse
der Zentralellipse ist. Also ist
Yp^ + ft* = a oder
p « ]/a« - b"^ - e,
d. h. gleich der geometrischen Exzentrizität der Ellipse.
Man erhalt also die Mittelpunkte der Mohrschen Kreise, wenn
man die Brennpunkte der Zentralellipse um 90^ herumdreht. Die
Badien der Mohrschen Kreise sind gleich den halben großen Achsen
der Zentralellipse.
Mit Hilfe der Mohrschen Kreise kann man nun leicht die fol-
genden Aufgaben lösen:
1. Für irgendeinen Punkt P die Hauptachsen der zu-
gehörenden Ellipse zu finden.
Lösung: Man halbiere die beiden Winkel, welche die Geraden PO
und Pff miteinander einschließen (siehe Fig. 208).
Beweis: Zu PO und Pff gehören die gleichen Trägheitsradien,
nämlich a, also liegen PO und Pff für die Ellipse um P symmetrisch
Nr. 256. § 46. Massengeometrie des Btarren Körpers. 389
zu den Hauptachsen^ also halbieren diese die Winkel, welche PO und
P(y einschließen.
Sollten 0; (y und S zusammenfallen, so sind PS und die Ortho-
gonale Hauptachsen, wie man nach Nr. 252 leicht einsieht.
2. Man finde für irgendeine Gerade g den Trägheits-
radius 6.
Analyse: Man ziehe durch 5, 0^ (/ zu g die Parallelen g\ g^, g^''^
die bezüglichen Abstände seien Pj p — hy p + h.
Dann ist nach dem Satz über parallele Achsen erstens
zweitens
denn a ist ja auch der Trägheitsradius für g^ und g^. Also
<y* == a* + i?* — A*.
Danach gibt Mohr folgende Konstruktion:
Man nehme einen Schnittpunkt T Ton
g' mit einem der Mohrschen Kreise, etwa
dem um 0, und verbinde ihn mit dem Fuß-
punkt F des Lotes von 0 auf die gegebene
Gerade g. Dann ist FT = 6 der gesuchte
Trägheitsradius (siehe Fig. 209). Denn es ist
TF^^TH'+HF',
= TO^- 0H^+ HF\ ■— ? f T-
=. a^ - *« + p\ ^"« '^'
3. Man bestimme für irgendein Achsensystem xy durch
irgendeinen Punkt P das Deyiationsmoment D.
Man ziehe durch S das parallele Koordinatensystem Sx'y. In
bezug auf dieses habe P die Koordinaten a, h, 0 die Koordinaten a' V.
Dann ist nach Nr. 252
O^iy+aVm,
denn für 0 sind ja aUe Derivationsmomente Null. Also ist
D^{ah^ a:V)m.
2B6. Die Bereohnnng einiger geometrisoher Trägheits»
momente ist eigentlich eine Aufgabe der Integralrechnung und ge-
hört nicht hierher. Nur beispielsweise sollen einige wenige Aufgaben
dieser Art behandelt werden. Weitere Formeln findet man in der
„Hütte" und ahnlichen Taschenbüchern.
1. Trägheitsmoment eines Rechtecks um eine Symmetrieachse
durch den Schwerpunkt. Man teile das Rechteck in Streifen parallel
390 ^ B&nniliche Bewegung de« staireii Körpen. Nc26^.
der Achse Ton der Flache bdx und dem Abstände x von der Achse.
Dann ist (mit fi == 1)
t
T
T^fdX'bx'^^^bP
i
und wegen w — jF = 67
Das polare Trägheitsmoment ei^bt sich damit sofort zu
1 ,
6 — * a,
wenn d die Diagonale bedeutet.
2. Das polare Trägheitsmoment eines Kreises in bezug auf den
Hittelpunkt ergibt sich sofort, wenn man den ELreis in konzentrische
Ereisringe Yom Radius x und von der Breite dx teil^ zu
r
also
r
' V2
Daraus folgt sofort das Trägheitsmoment um eine Achse in der Eb«ie
durch den Mittelpunkt, da hier T^ » T^ und die Summe beider
gleich T^ ist,
T ^ T == — r*
3. Das Trägheitsmoment einer Ellipse um eine Hauptachse er-
gibt sich sofort aus der des Kreises, wenn man beachtet, dafi man
eine Ellipse aus einem Kreise durch Verkürzung paralleler Sehnen
im Veriiältnisse — erhalten kann. Danach ist das Trägheitsmoment
um die kürzere Achse (a > 6)
das um die längere
T,^}ab\
Nr. 267. § 46. MaBsengeometrie des starren Körpers. 391
4. Das Trägheitsmoment eines Trapezes um die (Grundlinie ist
0
Nun ist aber y sicher eine lineare Funktion von x, weil man y
und X als Koordinaten einer Geraden in
bezug auf ein schiefwinkliges Koordinaten-
system ansehen kann:
b
TT
y = ax + ß. / f
a
Fi«, aio.
Da aber y = a für x = 0 und y = 6 f ür
X = h, 80 ist
/3 = a und cc = —r —
Setzt man diese Werte in das obige Integral für T ein, so er-
hält man
Da m = F = -^h(a + b), so ist
Y 6(a + h)
Um den Trägheitsradius ö' um eine parallele Achse durch den
Schwerpunkt zu erhalten^ erinnere man sich, daß dieser den Abstand
1 ,0 + 26
^ = ¥*« + 6
von der Grundlinie hatte (siehe Nr. 53).
Demnach ist
^ ^ F t' 18(a + 6)»
Das Dreieck ist natürlich in den vorstehenden Formeln mit ent-
halten.
Aufgabe 119: Man be weise, daß das Trägheitsmoment der Kugel um
8 T / 2
einen Durchmesser --nE^^ also 0 = 1/ , R ist. Anleitung: Man zerschneide
16 r 6
die Kugel in Scheiben senkrecht zum gewählten Durchmesser. Für jede solche
Kreisscheibe kennt man bereits das Trägheitsmoment.
267. GTaphisohe Bestimmniig von TrftgheitBmomenteii
ebener Fignren. Wir behandeln zunächst die folgende Hilfs-
aufgabe:
392
X. Bftumliche Bewegung des stazren Körpers.
JJr. 257.
In einer Ebene seien eine Reihe von Punkten mit den Massen
m^ . , ,m^ und den Abständen x^ . . . x^ von einer Achse in der Ebene
gegeben. Man bestimme das Trägheitsmoment
T = ^ m, a;/
auf graphischem Wege.
Zu dem Zwecke fassen wir die m^ als Kräfte auf^ welche der
Achse parallel gerichtet sind, und schreiben, das Moment zweiter Ord-
nung in eine doppelte Moment-
bildung erster Ordnung zerlegend^
T - ^x^ • (a-^m,).
x^m^ ist nun das Moment erster
Ordnung der Kraft m^ in bezng
auf die Achse, es ist nach Nr. 160
gleich Ä'y^, wenn wir zu den
Kräften m^ ein Poleck und ein
Seileck zeichnen, h' die Poldistanz
bedeutet und y^ den Abschnitt
der beiden zu m^. gehörenden
Seilstrahlen auf der Achse. Also
x^m^ = Ä'y,. und
Um nun diese Summatiou
vorzunehmen, kann man in zwei-
facher Weise vorgehen:
Erste Methode: Man fasse
die y^ als neue Kräfte auf, welche
man an den alten Angriffspunkten
der m^ wiederum der Achse parallel
wirken lasse. Dann ist x^y^ deren
Moment und ^x^y^ das Gesamt-
'moment, das man nach Nr. 160
sofort findet, wenn man ein neues
KnLftepoljgon und ein neues Seil-
polygon zeichnet, und zwar ist
Fig. 211. ^^rVr = ^"^6?,
wenn h" die neue Poldistanz, z
den Abschnitt bedeutet, welchen der erste und der letzte Seilstrahl,
die ja der Resultierenden zugehören, auf der Achse begrenzen.
Somit ist
Nr. 268. § 45. Massengeometrie des starren Körpers. 393
Das Zeichnen des neuen Polecks kann man sich ersparen^ da man
ja die y, schon als Abschnitte auf der Achse vor sich hat.
Siehe die Durchführung der Figur^ in der speziell die Schwer-
achse als Momentenachse genommen ist.
Zweite Methode: Es ist y^x^ der doppelte Inhalt des Drei-
ecks ^^f das von den beiden zu m^ gehörenden Seilstrahlen und der
Achse eingeschlossen wird, denn es ist y^ seine Basis, x^ seine Höhe.
Also ist 2x^y^ die doppelte Summe aller dieser Dreiecke, welche
aber alle zusammen gerade das Polygon Y^^S^S^S^S^Y^ ausmachen^
welches von dem Seileck und dem Stück der Achse gebildet wird,
das der erste und der letzte Seilstrahl auf ihr ausschneiden. Sei J
der Inhalt dieser Figur, so ist
Hat man also ein Planimeter zur Hand oder vermag man sonst
genau genug den Inhalt der Figur J zu bestimmen (etwa durch Aus-
zahlung der Quadrate, falls man auf mm-Papier zeichnet), so erspart
man die Zeichnung eines zweiten Seilecks und Polecks. Was den
Maßstab angeht, so ist noch zu bemerken, daß h' im Kräftemaßstab,
J resp. z und h" im Längenniaßstab zu nehmen sind.
268. Fortsetrang. Sei nun eine kontinuierlich ausgedehnte
ebene Figur gegeben, deren Trägheitsmoment um eine Achse bestimmt
werden soll, so teilen wir sie in unendlich schmale Streifen parallel
zur Achse und nehmen den Inhalt dm eines jeden Streifens als
Kraft. Da
T = S dmx"
ist, so entspricht die neue Aufgabe der Hilfsaufgabe der vorigen
Nummer, nur daß wir es jetzt mit unendlich vielen, unendlich kleinen
Kräften zu tun haben. Im Prinzip bleiben die Lösungsmethoden die-
selben, nur erhalten wir stetige Seilkurven statt der Polygone (vgl.
Nr. 137).
um die Aufgabe praktisch zu lösen, wird man die Figur in eine
endliche Anzahl schmaler Streifen teilen und den Inhalt eines jeden
Streifens in einer mittleren Linie dieses Streifens etwa seiner Schwer-
achse angreifen lassen.
Dadurch wird freilich ein Fehler begangen. Denn wenn der
Streifen nicht unendlich schmal ist, sondern sein TiBgheitsradius in
bezug auf seine Schwerachse 6^ ist, so haben wir nicht
2m..x}
V V
zu bilden, sondern
394
X. Rftomliche Bewegung dea Btarren Körpen.
Nr. S59.
wenn tf/ den TnlgheitBradina des v^^ Streifens in bezug auf die aus-
gewählte Achse bedeutet.
Bei feiner TeUong wird 6^ Uein und der Fehler also gering sein.
Will man ihn ohne wesentliche Komplikation yerbessem, so verfahrt
man folgendermaßen: Man setzt
T =^w^(x/+ O = -^'»w»^»^ = ^<(a^,w J =^x/y^,
wo
X =
ist und verfährt nun wie in der vorhergehenden Nummer bei Me-
thode 1, nur daß man das zweitemal die Kräfte y^ in den Abständen x/
statt abermals x^ angreifen läßt
Die x/ aber kann man sich leicht in folgender Weise kon-
struieren:
Man trägt auf der Schwerachse des Streifens 6^ ^ FX vom Fuß-
punkte F des Lotes OF zwischen Achse und Schweracbse des Streifens
auf und zieht zu OX die Senkrechte, welche die Verlängerung von
OF in F' schneide. Dann ist F' der neue Angriffspunkt, d. h.
OF' = x^. Bekannte Sätze über das rechtwinklige Dreieck zeigen,
daß in der Tat
OF'
x =
V+tf/
50
Fig. 212.
lM-5
.«. .
W
^00
Fig. 81 S.
ist. Bei der prak-
tischen Ausfüh-
rung wird man
oft die Streifen
durch Trapeze er-
setzen können und
dann bei der Kor-
rektur die Ergeb-
nisse von Nr. 256
und 53 anwenden^
falls die vorher
angegebene Kor-
rektur wirklich
nötig sein sollte.
Aufgabe 120: Man bestimme auf die vorstehend geschilderte Methode
graphisch das Trägheitsmoment eines U-Eisens (siehe Figur 21.H) um die Schwer-
pnnktsachse, die man ja leicht gleichzeitig mittels des ersten Seilpolygons finden
kann (siehe Nr. 138).
269.BxperimentelleBe8tiinmimg vonTr&ffheitBmomenten.
Die rechnerischen und graphischen Methoden setzen voraus, daß man
Nr. 269. § 46. Massengeometrie dee starren Körpen. 395
die Massenverteilung im Körper genau kenne. Ist dies nicht der Fall
nnd hat man hereits fertige Stücke vor sich, so wendet man zur Be-
stimmung ihrer Trägheitsmomente am besten experimentelle Me-
thoden an.
Kennt man die Schwerpunktslage des Körpers, so lasse man ihn
um eine exzentrische Achse, die man etwa auf Schneiden horizontal
lagert, Schwingungen ausf[Lhren. Aus der Schwingungsdauer Tq be-
rechnet man dann sofort T in bezug auf die Drehachse nach den
Formeln (siehe Nr. 195)
ms '
wo 8 den Schwerpunktsabstand von der Achse bedeutet. . .
Ist jedoch s nicht bekannt, so verfahre man folgendermaßen:
Man konstruiere sich ein Zusatzgewicht m' mit bekanntem s' und T\
das man auf die Achse aufkeilen kann.
Dann macht man zwei Versuche: einmal ohne das Zusatzffewicht,
wodurch man eine Gleichung
\2 3r/ mg
(1)
für die Unbekannten T und s erhält, dann mit dem Zusatzgewicht,
woraus die zweite Gleichung
(Ä)"=
-^iK- : (2)
mga -{-mgs ^ '
folgt.
Man hat dann zwei lineare Gleichungen, aus denen man T und s
berechnen kann, wenn die Determinante nicht verschwindet. Man
sieht sofort, daß dieser Ausnahmefall nur eintritt, wenn r^ = x^ und
infolgedessen
T_ ^ r
mgs mgs'
ist, wenn also der Zusatzkörper allein ebenso schwingen würde wie
der alte Körper allein. Das wird man also durch passende Wahl
das Zusatzkörpers zu vermeiden haben.
Es ist auch möglich, T und s dadurch zu bestimmen, daß man
den Körper um zwei verschiedene parallele Achsen schwingen läßt
(Methode von E. Brauer).
Um feine Exzentrizitäten zu messen, lasse man den Körper
um die Achse rotieren, welche man horizontal auf die eine Schale
einer Wage lagert. Im Gleichgewicht balanziere man die Wage aus.
396 X. Räumliche Bewegung des starten EGzpers. Nr. 260.
Wenn dann der Körper schnell rotiert, so wird er infolge der Ex-
zentrizität eine bemerkenswerte Reaktionskraft msio^ anf die Wag-
schale ausüben, deren Richtung mit umläuft und die also die Wage
in Schwingungen versetzen muß. Um die Wirkung stark zu machen,
wird man Resonanz zu erzeugen suchen, d. b. lu so wählen, daß auf
eine Umdrehung eine natürliche Schwingung kommt, und um dann
noch (D groß wählen zu können, wird man eine W^e mit sehr
schneller Schwingung nehmen müssen.
Um Deviationsmomente zu messen, wird man ganz ähnlich
verfahren, nur daß man den rotierenden Körper nicht auf eine einzelne
Wagschale, sondern auf den Wagebalken mit der Rotationsachse
quer zur Wageachse montiert dementsprechend, daß ein Deviations-
moment ein £[räftepaar D<d^ erzeugt, das dann den Wagebalken in
Schwingungen versetzt.
Die Theorie der Apparate wollen wir später (siehe Nr. 311 und
331) besprechen.
Literatur zu § 45. Als Lehrbuch vor allem Routh, Dynamik.
Bd. I, Kap. I. Dann Übersicht: Enzyklopädie der math. Wissenschaften,
Bd. IV, 4; G. Jung, Geometrie der Massen. Auch in vielen Lehr-
büchern der Elastizitäts- und Festigkeitslehre findet sich eine ausfuhr-
liehe Darstellung der Theorie der Trägheitsmomente ebener Figuren
und der zugehörigen graphischen Konstruktionen.
§ 46. Geometrische Kinematik des starren Körpers.
260. Allgemeines. Der im Räume frei bewegliche starre Kör-
per hat sechs Freiheitsgrade, d. h. man braucht sechs unabhängige
Stücke, um seine allgemeine Lage eindeutig festlegen zu können.
Das erkennt man leicht so: Um einen herausgegriffenen Punkt C
des Körpers zu fixieren, bedarf es dreier Stücke, etwa der drei recht-
winkligen Koordinaten des Punktes: c*^, c^, c^. Dann wähle man
einen im Körper festen Strahl durch C. Um seine Lage anzugeben,
brauchen wir noch zwei Stücke: etwa den Polwinkel ^ des Strahls
mit einer festen Richtung, z. B. der ^ Achse eines ruhenden Koordi-
natensystems {0^d'<^n) und den Azimutwinkel % welchen die
Knotenlinie, d. h. die Senkrechte zum gewählten Strahl und zur
;2?-Ach8e — diese Senkrechte so gerichtet, daß von ihr aus gesehen
der Strahl zur Linken, die xr -Achse zur Rechten liegt — mit einer
festen Richtimg senkrecht zur j?-Achse, etwa der ^r-Achse einschließt
(0^g?<2;r). Dabei werde (p so gezählt, daß wachsendes tp von
der X-Achse zur y-Ache des rechtshändigen Systems führt. Liegen so
C und der Strahl durch C eindeutig fest, so bleibt noch eine Be-
wegungsfreiheit des Körpers übrig: man kann ihn noch um den aus-
Nr. 260. § 46. GeometriBche Kinematik des starren Körpers.
397
Fig. 814.
gewählten Strahl drehen. Also bedarf es noch einer sechsten Koordi-
nate, als solche wählen wir den Winkel ^, welchen eine im Körper
feste, zum ersten Strahl (jef'-Achse) senkrechte Richtung (a;'-Achse) mit
der Knotenlinie ein-
scfiließt, diesen Win-
kel von der /-Achse
aus gesehen links
herum positiv ge-
zählt (0<t< 2x).
Die Beziehung
zwischen Lage und
Koordinatenist offen-
bar im allgemeinen
eineindeutig, nur bei
-d" = 0 verliert die
Knotenlinie ihre Be-
deutung, desgleichen
q) und ^ einzeln ge-
nommen , wogegen
g) -f V seine Bedeu-
tung behält.
Es ist deshalb für manche Zwecke nützlich, statt ^ den Winkel
q) + t, <li© sogenannte „Länge** der a:'- Achse einzuführen.
Die Winkel <p, ^, d werden nach Euler benannt.
Man erkennt nun leicht wieder^ wie in der Ehene^ daß für die
Überführbarkeit einer Figur in eine andere durch starre Bewegung
Kongrtfenz im engeren Sinne, d, h, Gleichheit aller Winkel und Strecken
sowie tjhereinstimmrmg des ümUmfssinnes notwendig und hinreichend ist.
Um das einzusehen, geht man davon aus, daß man jedes Dreieck
0(y 0" in jedes kongruente überführen kann. Um nun einen vierten
Punkt X mit zu führen, genügt es im all-
gemeinen nicht, die Strecken OX, (YX, 0"X
zu geben, denn die drei Kugeln um 0, 0',
0" mit den Radien OX, O'X, 0"X schnei-
den sich in zwei Punkten: X und X', die
nur ausnahmsweise zusammenfallen. Im
allgemeinen liegen X und X' Spiegelbild- ^c
lieh zueinander bezüglich der Ebene 0 0' 0".
Es wird aber das Dreieck 00' O' von dem
einen Punkte aus links umfahren, von dem p^^ ji^g
andern Punkte aus rechts umfahren er-
scheinen (bei Festhaltung der Reihenfolge 00'0"\ so daß von den
Punkten X und X' erst durch Angabe des Umlaufssinnes einer eindeutig
398 ^- Bämnliche Bewegung des starren KOrpers. Nr. 261.
sein wird. Und daß nun dnrch das Dreieck 00' 0" die Lage desfestgelegt
ganzen Körpers eindeutig bestimmt ist^ erkennt man leicht: man braucht
ja nur etwa 0 zum Punkte Cy den Strahl 00' zur o^- Achse zu wählen
und dann die jer'- Achse senkrecht zu OCf O' so zu zeichnen, daß der
ümlaufssinn von 00* 0" von ihr aus gesehen links herum geht Mit
der z'- und o^'-Achse liegt aber auch die ^'-Achse eindeutig fest und
damit der ganze Körper.
261. Darstellnng der Koordinaten dnroh die Bniereohen
Winkel. Bekanntlich drücken sich die Koordinaten eines Punktes
Xy y, g in bezug auf das im Raum feste Koordinatensystem durch
x\ y\ 0j die Koordinaten in bezug auf das im Körper feste System
folgendermaßen aus:
x^c^ + x ^ {x\x) + y' • Cv» + / • (zx),
y - c^+x . {x\y) + y . {y\y) + z- (z\y),
z^c^+x' ' {x', e) + y ' {y, z) + / - {z\z),
wo {x\ x) usw., die Richtungskosinus des einen Koordinatensystems
gegen das andere, eindeutige Funktionen der Eulerschen Winkel
%j q>, ^ sein müssen. Die vorstehenden Gleichungen haben die Form
r « c + 9 (a, #•, 9, ^),
wo c den Vektor OC, ä einen von der Zeit unabhängigen Vektor,
nämlich den Vektor CX, bedeutet, bezogen auf das bewegliche Sy-
stem Cy Xy %fy Z.
ä individualisiert die Punkte des Körpers, verändert sich aber mit
der Zeit nicht, wir nennen ihn den Grundvektor,
Cy d-y 9, ^ sind Systemkoordinaten, sie hängen nicht von der
Wahl des einzelnen Punktes ab, dagegen wohl von der Zeit t
Um nun die Richtungskosinus durch «&, % ^ auszudrücken, kann
man so vorgehen:
Man lege um C, wohin man das feste System Xy y, z parallel
verschoben habe, eine Kugel und wende nun auf das sphärische Drei-
eck Xy Xy K den Kosinussatz an: man erhält sofort
{x'y x) = COS if cos ^ — sin y sin ^ cos #,
da ja %^ der Winkel zwischen der ^y- und der :r'y'-Ebene ist. Ebenso
findet man aus dem Dreieck xKy
(Xy y) =« cos fp cos (^ + y) ■" si^ 9 sin ( ^ + ^ j cos ^
oder
{Xy y) == — cos 9) sin ^ — sin y cos ^ cos «9-,
Nr. 262. § 46. Geometrische Kinematik des starren Körpers. 399
aus dem Dreieck yKy'
(y? y') = ~" siJ^ 9) sin ^ + cos 9 cos ^ cos ^
und aus yKx'
(y, a?') = cofl tlf BUKp + Binrl} cos 9 cos &,
Um (jer^ rr^ zu finden, lege man durch z und x' einen größten Kreis,
welcher die Qrundebene xy in X' treffe. Das Dreieck KxX.' hat
bei X' einen rechten Winkel, während sin {oiy X') = {x\ e) ist. Der
Sinussatz für das Dreieck KxX' gibt sofort
{x\ z) = sin ^ sin ^.
Analag findet man
{y'y z) = sin [i; + y) si'^ ^ = ^^s ^ sin -ö*.
Dasselbe Verfahren mache man mit der z'- und ^-Achse. Man erhält
iV} ^') == ~" c^s 9 sin ^j
ebenso
(ic, /) = sin 9 siu'd'.
Ebenso ist ohne weiteres klar, daß
{Zj z) =» cos d:
Wir stellen die Resultate in einer Tabelle zusammen:
, 1
1 . 1 "^
«'
1
1 ■- ....
1 X coscpcos'^ — sin 9 sin 1^ cos ^
1 y cos ^ sin fp-|- sin 1/7 cos 9 cos ^
s \ sin «^ sin ^
— cos cp sin tf; — sin tp cos t/> cosd
— sin qp smiff -f- cos tp costjj cosd
cos «^ sin ^
• • * 1
1
— coscpsin^i
cos^ 1
Eine sehr hübsche Darstellung der sphärischen Trigonometrie
findet man in dem kleinen Buche von 6. Hessenberg, „Trigono-
metrie'' in der. Sammlung Göschen.
262. Bndliche Lagen&ndenmgen des starren Körpers.
Genau so wie in der Ebene erkennt man leicht, daß man jede end-
liche Lagenänderung eines starren Körpers durch eine Translation,
durch welche der willkürlich herausgegriffene Punkt C in seine rich-
tige neue Lage kommt, und eine Drehung um C erzeugen kann.
Wir wollen uns nun zunächst davon vergewissern, daß hei Drehung
um einen festhleibenden Punkt C zugleich auch immer eine Gerade
in ihrer alten Lage bleibt, daß man also die Drehung um einen
festen Punkt immer ersetzen kann durch Drehung um eine bestimmte
Achse, die Dreha4!hse,
400 ^- Rftamliche Bewegung des starren Körpers, .Nr. 262.
Oder:
Haben zwei kongruente und gleichsinnige Figuren einen Punkt
gemein, so haben sie auch eine Gerade gemein.
Zu dem Zweck schlagen wir am C eine Kugel und betrachten
die Schnittfigur des Körpers mit der Kugel. Diese Figur wird auf
der Kugel kongruent und gleichsinnig transformiert Nun gelten auf
der Kugel genau dieselben Sätze über kongruente und gleichsinnige
Figuren wie in der Ebene: man kann also den Satz der Ebene, daß
es immer einen Punkt gibt, der in der neuen Lage mit seiner Stelle
in der alten Lage zusammenf ällt^ auf die Kugel übertragen. Der ein-
zige Unterschied ist nur der, dafi dieser Punkt stets ins Endliche fällt,
da es reelle unendlich ferne Punkte auf der Kugel nicht gibt.
Also gibt es auf der Kugel einen und nur einen Punkt Mj der
mit seiner alten Lage in Deckung bleibt: dasselbe gilt natürlich für
die Achse CM, w. z. b. w.
Wählen wir nun einen andern als den Punkt C zum Translations-
punkt, so ändert sich die Translation, dagegen wollen wir sehen, daß
die Rotation insofern die alte bleibt, als die Drehachse parallel und
Größe und Sinn des Drehwinkels dieselben bleiben. Zu dem Zwecke
fragen wir nach den Graden, die überhaupt bei der Bewegung sich
selbst parallel und gleichgerichtet^) bleiben. Das sind nun offenbar,
wenn die Drehung keine volle Umwendung war, was wir ausschließen
können, da eine volle Umwendung so gut wie gar keine Drehung ist,
nur die Parallelen zur Drehachse. Denn bliebe noch eine andere Ge-
rade sich selbst parallel und gleichsinnig, so müßte es auch die ge-
meinsame Senkrechte dieser Geraden und der Drehachse tun; es bliebe
also ein im Körper festes Koordinatensystem sich selbst parallel und
damit auch der Körper: er hätte sich gar nicht gedreht. Nun ist jede
mögliche Drehachse eine Gerade, die sich selbst gleichgerichtet bleibt,
also muß es eine Parallele zur ursprünglichen Drehachse sein.
Daß nun auch die Drehwinkel nach Sinn und Größe die alten
bleiben, beweist man ebenso wie den entsprechenden Satz in der Ebene.
Man kann aber nicht, wie in der Ebene, jede Bewegung auf eine
bloße Rotation oder auf eine bloße Rotation zurückführen. Denn
beides sind ebene Bewegungen. Dagegen gelingt die ZurückfÜhrung
auf eine sogenannte Schraubenbewegung:
Jede räumliche Bewegung läßt sich auf eine Sehraxibenhewegung
zurückführen, d, h. auf eine Drehung und auf eine Verschiebung in
Richtung der Drehachse,
Zum Beweise dieses Satzes zerlegen wir die Translation bei Wahl
eines beliebigen Punktes C in eine Verschiebung parallel und eine
1} Wir geben den Gremden auch einen Pfeilsinn«
Nr. 263. § 46. Geometrische Kinematik des starren Körpers. 401
solche senkrecht zar Richtung der Drehachse (diese Richtung steht
a priori fest nach dem vorigen Satze!). Die Verschiebung senkrecht
zur Richtung der Drehachse bildet nun zusammen mit der Drehung
eine ebene Bewegung, die man auf eine bloße Drehung zurückführen
kann: also bleiben nur diese Drehung und die Translation parallel
der Drehachse, w. z. b. w.
Man verdankt diese Sätze den gleichzeitigen und unabhängigen
Untersuchungen von Möbius, Chasles und Giorgini im ersten Drittel
des 19. Jahrhunderts, die analogen Sätze für die Ebene stammen meist
schon von Poinsot.
288. Übergang lu nnendlloh kleinen Bewegungen. Wen-
den wir die Resultate der vorigen Nummer auf die Lagenänderung an,
welche der Körper bei einer Bewegung in der Zeit dt erfährt, so setzt
sich diese Lagenänderung aus der Verschiebung de des gewählten
Punktes C und einer Drehung um den Punkt C um eine bestimmte,
durch ihn gehende Achse durch einen kleinen Winkel dx zusammen.
Letztere Bewegung ist aber eine ebene Bewegung: man kann daher
sofort das Resultat aus Nr. 222 übertragen, wonach der Anteil der
Drehbewegung an der Verschiebung irgendeines Punktes dx{^—^) is^j
wenn wir einen Vektor dx konstruieren, der in der augenblicklichen
Drehachse liegt, so daß von ihm aus gesehen die Drehung links herum
erfolgt, und dessen Größe dx ist.
Also erhalten wir die Eulersche Formel
dr ^ de + dx{r — c)
als auch für den Raum gültig.
Definieren wir den Vektor der Winkelgeschwindigkeit durch
- dx
dt '
so erhalten wir als
Ausdruck der Geschwindigkeit irgendeines Punktes
t; =» c + (o(r — c) .
In Koordinaten
v,^c, + £ö,(r3 - c,) - (o^(r^ - c,),
usw.
Man beachte aber, daß es im Gegensatz zur Ebene keinen Winkel-
vektor X gibt, dessen Differential dx wäre und der dazu dienen könnte,
zusammen mit c die Lage des Systems anzugeben. D. h. man kann
keine Funktion x ^^^ Eulerschen Winkel d-, 9, ^ bestimmen, so daß
dt-""
wäre. Darüber noch einiges später (siehe Nr. 265).
Hftmel: Elementore MeohAnik. 26
402 ^- Räumliche Bewegung des starren Körpers. Nr. 264.
264. Znsaminensetsung unendlich kleiner Drehungen.
Führen wir nacheinander zwei unendlich kleine Drehungen um verschie-
dene Achsen durch einen festen Punkt C aus: die erste fQhre r in
f^^f + dr^j die zweite r^ in f^^^f^^ + df^ über. Welches ist das
Gesamtresultat ?
Es ist
<^ri ^^Xiir-^)*
dr^^dx^ir^-c),
^ <iXi(r-r) + dx.jr^-
Also ist das Gesamtresultat, wenn wir c^;t2^^^i ^^^ Glied zweiter Ord-
nung fortlassen,
df = dr^ + df^ = {dxi + <fXi)i:»' - ^) »
d. h. es ist eine Drehung, deren Achse und Drehwinkel durch
gegeben ist.
1, Es setzen sich also die Drehvektoren dx um Achsen durch einen
Punkt 0u der resultierenden Drehung wie Vektoren zusammen.
Außerdem sind die Drehvektoren dx sogenannte ,,linienflüchtige''
Vektoren, d. h. sie gehören nur einer Achse, nicht aber einem Punkt
der Achse zu. Mit anderen Worten:
2, Man darf die Vektoren dx längs üirer Achse verschieben,
3, Endlich sind unendlich kleine Bewegungen miteinander ver-
"" tauschbar:
Denn ans
dr^^dc^+dxiir-c^)
und
wo Tj = r + dr^, folgt sofort mit Vernachlässigung von Gliedern zwei-
ter Ordnung die resultierende Verschiebung
dr = dr^ + dr^ = dc^ + dc^ — rf^i^i — (^Xt^i + i^Xx + ^Zs)*"
eine Formel, die bei Vertauschung der Indizes (1) und (2) ungeändert
bleibt. (Für endliche Bewegungen gilt diese Vertauschung nicht I)
Aus diesen drei Sätzen folgt aber, daß sich unendlich kleine Be-
wegungen genau so zusammensetzen wie Kräfte, Bei dieser Analogie
entsprechen den Kräften die Drehvektoren d'x, den Kräftepa^ren die
DrehpaarCy d. h. die Translationen.
Denn wir wissen ja schon, daß sich eine Translation stets als
ein Drehpaar auffassen läßt (siehe Nr. 221). Der Eraftschraube
Nr. 865. § 46. Geometrische Kinematik des starren Körpers. 403
entspricht die Bewegungsschraube, repräsentiert jene das allge-
meinste Eraftesystem am starren Körper, so repräsentiert diese die
allgemeinste Bewegungsform desselben. Von dieser Analogie rührt
auch der Name Kraftschraube her.
Wie man ein Kräftesystem auch stets auf zwei Kräfte in konju-
gierten Graden zurückführen konnte (siehe § 27), von denen man eine
willkürlich wählen durfte, nur nicht so, daß es eine Nullgerade war,
so kann man die allgemeinste Bewegung auf zwei reine Drehungen
um im allgemeinen windschiefe Achsen zurückführen.
Die Nullinien des Kraftsystems hatten die Eigenschaft, daß für
sie das Moment der Kräfte yerschwindet, die Nullinien des Bewegungs-
systems haben entsprechend die Eigenschaft, daß die Translation ihrer
Punkte in ihrer eigenen Richtung NuU ist.
Auf die Zusammensetzung endlicher Bewegungen, welche den An-
laß zur Schaffung der Quateniionentheorie, der Mutter der Vektor-
analysis, gegeben hat, können wir hier nicht mehr eingehen. Wir ver-
weisen auf die Literatur (siehe Nr. 134 von § 27, auch auf Nr. 235),
besonders auf Heun, Kinematik, und Klein- Sommerfeld, Theorie
des Kreisels, Bd. 1, ein Werk, das die ganze Theorie der räumlichen
Bewegung des starren Körpers enthält, und das daher der Leser in
erster Linie zur Hand nehmen möge, wenn er den Stoff dieses Kapitels
gründlicher studieren will. Mit der Theorie der Schrauben (theory
of screws) haben sich noch viele Autoren beschäftigt (siehe die Literatur-
ängabe in Nr. 134). ^
266. Ansdmok des Drehvekton dx durch die Diftoren*
tiale der Bnlerschen Winkel. Eine Änderung dd des Winkels ^
bei festgehaltenem ^, tp bedeutet eine Drehung um die Knotenlinie,
eine Änderung von ^ eine Drehung um die jer'- Achse, eine Änderung
von (p eine Drehung um die ;er -Achse. Da durch (p, if, d" die Lage
eindeutig bestimmt ist — bis auf eine Translation — , so muß eine
gleichzeitige Drehung durch J^, d(py d\lf einer aUgefdeinen Drehung
dx äquivalent sein (siehe Fig. 214).
Seien nun x, f, T Einheitsvektoren in der Knotenlinie, in der
ir-Achse und in der /-Achse, so ist nach dem Satz von der vektori-
ellen Zusammensetzung der Drehungen
dl = xdd + idq) + sdil^, (1)
Zerlegen wir die Gleichung einmal nach dem ruhenden System x, y, z^
so erhalten wir mit Berücksichtigung der Tabelle von Nr. 261
dx,^ — cosfpdd^ + sin 9) sin^ • rf^
dx^ = sin tjprfd — cos q> sin d^d^
^Xx = rfy + cos 0^ • d^.
(1')
26
404 ^* Rftomliche Bewegung des starren Körpen. Nr. 266.
Aus diesen Formeln sieht man sofort, daB es keinen Winkel x^ z. B.
gibt Denn dann müßte
sein, Yon denen die beiden letzten Gleichongen sich widersprechen.
Man nennt deshalb o und seine Komponenten nichtholonome 6e-
schwindigkeitsparameter im Gegensatz zu ^, ip, ^ z. B., die wirk-
liche Differentialquotienten von Koordinaten sind und die wir holo-
nome Geschwindigkeitsparameter nennen wollen. Wohl istgemäS
a, = x^ + «9: + ä'^ (2)
cj eine homogene, lineare Kombination holonomer Geschwindigkeits-
parameter.
Zerlegt man nach dem im Körper festen System xyB\ so er-
hält man
d%^ « cos i^fd% + sin ^ sin ^ • dfp
dxy =- — sin ^d^ + cos 4^ sin ^dg) (1")
dx^, =» cos ^ ' dq) + dilf, J *•
266. Ansohaiiliche Darstellung der Bewegung. Betrachten
wir zunächst die Bewegung um einen festen Punkt C^ so wird im all-
gemeinen die Drehachse nicht fest sein, sondern im Räume sowohl
wie im Körper Kegel beschreiben, die wir Spurkegel und Polkegel
nennen wollen. Wie in der Ebene Spurkurve und Polkurve, so wer-
den sich die beiden Kegel stets (längs einer Erzeugenden) berühren
und aufeinander abrollen, ohne zu gleiten.
Sind zufällig beide Kegel Kreiskegel, so nennt man die Bewegung
eine Präzessionsbewegung. Beispielsweise hat sich aus den un-
regelmäßigen Schwankungen, welche die Drehachse der Erde in dieser
und im Weltraum vollführt, eine Präzessionsbewegung herausschälen
und mechanisch erklären lassen, die den Hauptanteil der räumlichen
Bewegung ausmacht (die sogenannte reguläre Präzession der Erde):
der Spurkegel hat eine Öffnung von etwa 23 y^^, wohingegen der Pol-
kegel sehr klein ist: der Radius seines Durchschnittes mit der Erde
beträgt etwa 27 cm. Dementsprechend ist die Umlaufszeit des einen
Kegels auf dem andern sehr groß: sie beträgt rund 26000 Jahre.
Diese reguläre Präzessionsbewegung bewirkt die Änderung des
Polarsterns und das Vorrücken des sogenannten Frühlingspunktes, d, h.
der Schnittlinie der Aquatorebene mit der Erdbahnebene (der soge-
nannten Ekliptik). Nehmen wir die xy- Ebene als Ekliptik, die /-Achse
als Erdachse, so ist in Figur 214 £^ der Frühlingspunkt, er läuft tat-
sächlich um, wenn sich die /-Achse im Kreise um die jer -Achse bewegt.
Nr. 267.
§ 47. Kinematik der Belativbewegaiig.
406
Der Drehpol schwankt auf der Erde in einem Gebiete von ca. 8 m
Dnrchmesser unregelmäßig hin und her. Immerhin hat sich daraus
noch eine zweite periodische Bewegung erkennen lassen: die Chand-
1 ersehe Polbewegung mit der Periode von etwa 427 Tagen. Über
ihre mechanische Erklärung siehe Elein-Sommerfeld^ Bd. III.
Fassen wir nun die allgemeine räumliche Bewegung, d. h. eine
Schraubenbewegung, ins Auge, so wird die Schraubenachse im allgemeinen
auch nicht fest sein, sondern im Räume sowohl als im Körper eine
Begelfläche beschreiben. Beide Begelflächen berühren sich in jedem
Augenblicke längs einer Erzeugenden, der momentanen Schraubenachse;
und da die Bewegung in einer Drehung um diese Erzeugende und
einem Gleiten längs derselben besteht, so werden die beiden Regel-
flächen aufeinander abschroten, wie man sagt, d. h. es wird ein
Bollen um die Erzeugende sein mit einem gleichzeitigen Gleiten längs
derselben.
% 47. Kinematik der Relatiybewegung.
267. Zusammenhang der Gtoechwlndigkeiten. Wir betrach-
ten einen beweglichen Punkt P einmal vom absoluten Raum aus —
sein Ortsvektor sei f — , dann von einem selbst bewegten Körper aus.
C sei ein in diesem Körper fester Punkt, den
Vektor CP bezeichnen wir mit s. Unter der
Relatiygeschwindigkeit des Punktes P
verstehen wir dann die Änderungsgeschwindig-
keit des Vektors Sy so wie sie von einem
mit dem bewegten Körper fest verbundenen
System erscheint Wir schreiben diese Relativ-
geschwindigkeit :
Fig. 216.
Die Komponenten dieses Vektors nach den im
Körper festen Achsen x\ y\ e sind keine
anderen als ,^ , -y-, , • Mit dem deutschen
dt ' dt ' dt
Buchstaben b zeigen wir nur an, daß bei der DiiSerentiation des Vek-
tors auf die Drehung des Koordinatensystems x'yg' keine Rücksicht
genommen wird.
Unter Führungsgeschwindigkeit verstehen wir die Geschwin-
digkeit v^ desjenigen Punktes des führenden Körpers, der sich gerade
an derselben Stelle wie P befindet; sie ist also nach der Eulerschen
Formel
Wir haben nun früher schon (Nr. 29) das auch anschaulich einleuch-
406 X. Räumliche Bewegung des starren Körpers. Nr. 268, 269.
tende Resultat bewiesen, daß die absolute Geschwindigkeit die geo-
metrische Summe aus der relativen und der Führungsgeschwindig-
keit ist:
t? =• v^ + f ^
oder
208. Absolute und relative Änderung eines ▼ektors. Wir
können die Formel {D der vorigen Nummer so schreiben:
ds b« , - ,TT\
d? - bf + "*' w
weil
^ =» r — e
ist. Die Formel (II) sagt aus, in welcher Beziehung die absolute und
die relative Anderungsgesch windigkeit ein und desselben Vektors s zu
einander stehen. Diese Formel gilt für irgendeinen Vektor «f, es ist
immer
d7T b./ , r
dt = ü+ ^''i
denn mau kann ja durch den mit der Zeit veränderlichen Vektor J stets
einen Punkt P definieren, indem man j von C aus abträgt und /
als Ortsvektor für P auffaßt. Man sieht aus der Formel, daß für
einen Vektor die Translation gar nichts ausmacht, natürlich, denn
parallele, gleiche und gleichsinnige Vektoren gelten ja als gleich. Da-
gegen wird sich ein Vektor gegen ein sich selbst drehendes System
ganz anders ändern als gegen ein ruhendes.
269. Die Beeohleunigung. Wir wenden das Resultat der vori-
gen Nummer auf den Vektor der Kelativgeschwindigkeit an und erhalten
dv^ hvr , - b*« , b« X-.
wobei natürlich
^^-b?r
als Relativbeschleunigung zu bezeichnen ist. Andererseits folgt
durch Differentiation der Formel aus Nr. 267
'^ = dt'^'dT+-dJ' (2)
Da
Vy^c + (o(r — c) =- c + rai
Nr. 369.
§ 47. Kinematik der Relativbewegung.
407
j ei^ibt sich
>
dVf
dt
? + ÖS + «0
äs
dt
= C + 0)5 + (0{(D8) + O
ht
Die drei ersten Glieder zusammen stellen die Beschleunigmig des-
jenigen Koi-perpunktes dar (siehe Nr. 2S3^)), der sich gerade an der
Stelle von P befindet^ sind also zusammen als Fühmngsbeschleuni-
gung tr^ zu bezeichnen, so daß
dVf _ , hs
-57-«'/ + '» b*
(3)
wird. Nehmen wir die Formeln (1), (2), (3) zusammen, so bekommen
wir das Resultat:
w « ir^ + i^^ -h w^, (III)
r>8
wo «7p eine Abkürzung für 2ioVr ^2(o^ ist und nach Coriolis be-
nannt wird, der zuerst auf die Bedeutung dieses Gliedes aufmerksam
gemacht hat.
Ausführlich heißt die Formel
d*r b*»
dt* "
bs
^^t +c + co(r — c) + <o{<o{r — c) + 2g}^^,
wobei s «— r c ist.
Beispiel: Bei der Erde liegt ö) in der Erdachse nach Norden,
da sie sich Ton West nach Ost dreht. Infolgedessen liegt w^ stets
senkrecht zu (o, d. h. stets in der Ebene
des Parallelkreises. Die Coriolisbeschleu-
nigung ist bei der Erde nur Null, wenn
die Relativbewegung auf den Polarstern
zu- oder von ihm weggerichtet ist, ab-
gesehen von dem trivialen Falle der
Ruhe. Bewegt sich ein Punkt auf dem
Meridian nach Norden auf der nördlichen
Halbkugel, so liegt w^ nach Westen
und es ist
tv^ — 2cjv^ sin^,
wenn ß die geographische Breite bedeutet.
Fällt ein Körper vertikal herab, so
ist td^ ebenfalls nach Westen gerichtet,
doch ist die Größe firsi-.
1) Die dortige Formel gilt deshalb aach für den Raam, weil die Eulersche
Formel es tut.
408 1. BäwKrfce Bevcgu^ da siMxm Kfirpcn. &.270.
da • -^ der Winkel zwischen « nnd r, ist
Aufgaben: 120. Wie liegt «-, und vie gio6 ist Ow vom ndi ein Punkt
sof der Erde too Weet nftdi Ost bevegt?
121. Mjui leite die Reeoltnte von Kr. 31 sos den allgemeiBes Bcsnttatea
dietee Pangnpben nb.
§ 48« Miuflenkinenatik des sUrreii Korpers.
370. Bie Uaetinhe Bntrgte. Aufgehe dieaag Pmmgraphi
wird es sein, die Beziehung zwischen dem Idnetiech wichtigen Impnls-
▼ektor J «» i^dmrv nnd dem anschaolidi klaren a, dem Vektor der
Winkelgeschwindigkeit herzustellen. Die Yermittlang wird die kine-
tische Energie übernehmen. Wir beschäftigen nns also zunächst mit ihr.
Die allgemeine Definition der kinetischen Energie eines beUebigen
Systems war
Nnn war aber ffir den starren Korper nach der Enlerschen Formel
(siehe Nr. 263)
Setzen wir das in die allgemeine Formel far E ein, so erhalten wir
j& « mc' + K^dmc - as + ^ K^dmms^,
Das erste Glied werden wir als Energie der Translationsbewegun^
bezeichnen dQrfen: E^, denn es berechnet sich so, als wäre nur die
Translation c da; das letzte Glied
E^^ — ^dmG}8^
werden wir ebenso Botationsenergie nennen dQrfen. Das Mittelglied
enthält sowohl c als auch ä und läßt sich yermöge
S^wi5 = ms*
auf die Form bringen
mc • (OS*.
£b verschwindet u. a. in dem besonders wichtigen Falle, daß s*^0
ist, d. h. daß wir den Schwerpunkt S zum Translationspunkt C wählen.
Nr. S70. § 48. MaBsenkinematik des starren Körpers. 409
Machen wir den Sditcerpunkt S zum TranskUionspunH, was
wir stets tun dürfen, so ist die gesamte kinetische Energie die Summe aus
^ 1 ri
der Translationsenergie y wr** und der Rotationsenergie yörfmoi«*.
Anderenfalls kommt noch das Glied mc - cjs* hinzu.
Beschäftigen wir uns nun noch mit der Rotationsenergie
E^^—^dmäs\
Man kann die Drehbew^ping in jedem Angenblick, was die Geschwin-
digkeit angeht, als eine ebene Bewegung um eine bestimmte Achse
aaffassen (siehe Nr. 262); demnach ist nach Nr. 244
£,={r< (1)
wo T das Trägheitsmoment um die augenblickliche Drehachse bedeutet.
Ist also diese nicht fest, so wird auch T variabel sein.
Nehmen wir nun irgendein Achsensjstem C^y,, so war nach
Nr. 248, 249
T — T, cos* a + Ty cos^ ß + T^ cos* y — 22), ^ cos a cos ß
— 2Dy , cos ß cos y — 2D. , cos a cos y,
wenn a, ßy y die Richtungswinkel der Drehachse, also auch die von
{3 sind, und da demnach m die Komponenten o, » o cos a usw. nach
denselben Achsen hat, so ergibt sich aus (1) und (2)
Nimmt man als Achsen speziell die Hauptachsen mit den Haupttrag-
heitsmomenten A^ B, (7, so wird
E,-|Ua,/ + i?«,/+Ca,,»). (I')
Trägt man auf allen möglichen Achsen durch den Punkt ü einen
Vektor - -. ci auf, so erfüUen die Endpunkte dieses Vektors eine
Fläche mit der Gleichung
T^x* + Ty + T^i? - 2D^^^xy - 2D^^^yz - 2D^^,zx ^ const.
und diese ist keine andere als das Trägheitsdlipsoid.
Man erkennt dies sogleich als richtig, wenn man Gleichung (1)
durch E^ dividiert, beachtet, daß der Vektor - cd die Komponenten
410 ^- Räumliche Bewegung des starren Körpers. Nr. 271
^ «--___ oj ugy^. hat und nun die entstehende Gleichuns^ mit der
des Tragheitsellipsoides (Nr. 248) vergleicht.
Aufgabe 122: Man leite die Gleichung (I) durch direkte Ausrechnung aus
£^= -- ^dmm8^ ab, indem man in diesen Ausdruck rechtwinklige Komponenten
einfuhrt.
271. Die Beiiehung zwischen J und TS, Variieren wir in
63 um öfOj so wird
oder nach der Yertauschungsformel (siehe Anhang I, 6)
dE^ = d(ö • ^dms{ios) . (1)
Nun war aber, bezogen auf den Schwerpunkt oder einen festen Punkt
J =^ ^dmsVy
wobei für v allein die Geschwindigkeit relativ zum Schwerpunkt (bzw.
festen Punkt) gesetzt werden durfte, d. h.
V « cos .
Also ist
J *= ^dma{(os) ,
Vergleichen wir das mit (1), so erhalten wir
dE^^diO'J
und da dies für alle dlo gilt, J aber davon unabhängig ist,
J = ^^f = grad£,. (U)
Damit ist die Hauptaufgabe dieses Paragraphen gelöst.
In rechtwinkligen Komponenten heißt diese Formel
,= ^ '^ usw.
oder unter Berücksichtigung von (I) der vorigen Nummer
Für die Hauptachsen:
J^-Äa,,; J,~Bw^', J.-Cm,. (U")
Nr. 272.
§ 48. Massenkinematik des starren Körpers.
411
Man erkennt aus diesen Formeln wiederum, inwiefern das Schema
der Koeffizienten
-B
«ly
-D
y.*
X.»
yi»
-D —2) T
den Namen einer (symmetrischen) Dyade verdient (vgl. Nr. 205).
272. Geometrische Teranscliaiiliohung dieser Bestehnng.
Bezeichnen wir die linke Seite der Gleichung der Trägheitsellipse
wieder mit F{r)y so unterscheidet sich nach (IF)
r dE^ dF
J = ^_ von X-
0(0 dr
nur durch den skalaren Faktor - _ , um den sich auch cd und f
V2E/
unterscheiden (vgl. Nr. 250). Also ist auch
dF
J hat also dieselbe Richtung wie x. .
Nach Nr. 250 steht also J geometrisch mit w in folgender Be-
ziehung:
Betrachtet man den Durchstoßpunkt Sl der Drehachse mit dem
TrägheitseUipsoid um den Drehpunkt C, der ein fester Punkt sei oder
der Schwerpunkt S, so ist der zugekiirige Vektor GH. in einem be-
liebigen Maßstab gleich ^ ; aieht man an das EUipsoid in U die
Tangentialebene, und fällt von C das Lot auf diese, so gibt die Rich-
tung des Lotes die Richtung des Im-
pulsvekio^rs und die Länge des Lotes ist
«' ^-<^--^ -.- \ > '" proportional.
Flg. S18.
Flg. 219.
Man erkennt daraus, daß nur für eine Hauptachse J und ö5 der
Richtung nach zusammenfallen.
412 X- Räumliche Bewegung des starren Körpers. Nr. 278 .
Das folgt auch sofort aus unseren Formeln (ü'), die nicht nur
für im Körper feste Achse gelten. Legen wir die o^-Achse in die
Drehachse, sodaß cd,— ©, cDy=ai,— «0, so wird
woraus mao sieht, daß Tcd nur die Komponente des Impulsvektors
nach der Drehachse ist, im allgemeinen aber, wenn die Drehachse
keine Hauptachse ist, nicht der ganze Impulsvektor.
Für ein Rotationsellipsoid liegen m und J immer in einer
Meridianebene: bei einem gestreckten liegt cj zwischen der Symmetrie-
achse und JT, bei dem abgeplatteten ist es umgekehrt.
273. Weitere Beslehimgen swiachen Mr% J und öT. Aus
folgt vermöge der Vertauschungsformel
oder
K-\^-3. (1)
Diese Hilfsformel kann auch aus der Eulerschen Formel für die homo-
gene Funktion zweiten Grades £^(ö) gewonnen werden. Das mag
der Leser selbst tun.
Durch Differentiation folgt aus (1)
dt ^Y^* e/r+ -^-dl'^' (1)
Andererseits ist die vollständige Änderung von E^ bei gleichzeitiger
Änderung von s und (o
Nun ist aber nach der Eulerschen Formel
(Is =^as ' dt
und also
(OS • (ods = (OS • (o{(os)dt — 0,
denn ä -ba ist immer null.
Nr. 21 H. § 48. MaBsenkinematik des starren Körpers. 413
Somit bleibt
oder
dE^ =
' t^dmcas • das —
dt =««^-
' d(o
J
Vergleichen wir
(V) mit
(2), 80
erhalten
wir
sofort
lind
(0 • J "
dE^
dt '
•
^ J ' (0
dJ
^"^'dt'
(2)
(III)
Die Symmetrie, welche nach (1), (2), (III) zwischen cd und J besteh t,
geht noch weiter.
Man kann die Formeln (II) der Nummer 271 nach J offenbar
auflösen — es erhellt auch aus der geometrischen Yeranschaulichung
in Nr. 272, daß zu jedem J eindeutig ein o existiert — und infolge-
dessen E^ als eine homogene quadratische Funktion von J darstellen.
Es besteht dann die zu (11) symmetrische Gleichung
_ dE {J) n\r\
a> ^. (IV)
Wir beweisen gleich den allgemeinen Satz:
Ist E(c}^ . . . (ö J eine Funktion von co^ . . . co^ der Art, daß man
die Gleichungen
nach den cd auflösen kann und drückt man die Größe
L = ^J,o^,-E (b)
als Funktionen tou J^ aus, so ist
Zum Beweise bilde man von (b) das yoUständige Differential:
2" fi ^'^^ - 2' ^'^^'^^ +2'^*^'"^ -21^, '*"'•
Nach (a) heben sich die beiden letzten Summen fort und es bleibt
woraus, da man die dJ^ als unabhängige Differentiale ansehen muß,
die Gleichungen (c) folgen.
414 ^- Ränmliche Bewegniig des starren Körpers. Nr. 274.
In unserem Falle ist Termoge (1)
und damit der Satz IV mit bewiesen.
Wir werden von dem Satz IV keinen Oebrauch machen, doch
ist er f&r die analytische Weiterbildung der Mechanik doreh die
Mathematiker des 19. Jahrhunderts fundamental geworden. (Literatur
siehe Nr. 105.)
Der Anfanger wolle beachten , daß die Beziehungen, die wir in
diesem Paragraphen entwickelt haben, rein mathematische Folgerungen
aus den Definitionen darstellen und noch keine naturwissenschaftliche
Tatsache enthalten.
Aufgabe 128: Man stelle zu E^, J und a in Analogie: E^=^ — m^*; mv
Tu
und V und zeige, daß alle Gleichungen dieses Paragraphen ((U) aus Nr. 271, (1),
(2), (III), (lY) aus dieser Nummer) auch zwischen Et, mr, v entsprechend gelten.
Als Lehrbuch der Massenkinematik kommt in erster Linie Heun,
Kinematik in Frage; doch findet man das Wichtigste natürlich in
allen Lehrbüchern, welche die Bewegung des starren Korpers im Räume
behandeln.
§ 49. Kinetik des einzelnen starren Korpers.
274. Die Bewegiingsgleiohunffen. Der einzelne freie starre
Körper hat sechs Orade der Freiheit: wir werden also auch sechs
skalare Gleichungen brauchen, welche gestatten, seine Bewegung aus
den äußeren Kräften zu bestimmen. Als solche Gleichungen können
der Schwerpunkts- und der Momentensatz dienen: Beziehen wir letzteren
auf den Schwerpunkt, so lauten die Gleichungen
wu;*«Srf^- (I)
^^^^Vdk^M,. .11)
Das sind die erforderlichen zwei vektoriellen, d. h. sechs skalaren
Gleichungen.
Dürfen wir die äußeren Kräfte als schlechthin gegeben ansehen,
so reguliert die erste Gleichung die Bewegung des Schwerpunktes,
— über sie ist nichts Neues mehr zu sagen — die letztere die Be-
wegung um den Schwerpunkt. Denn J hängt ja nach den Ergeb-
nissen des vorigen Paragraphen direkt mit io zusammen.
Kinematisch erscheinen die Aufgaben: die Bewegung des Schwer-
punktes und die Drehung um den Schwerpunkt zu bestimmen, voll-
ständig getrennt zu sein; dynamisch wird das allerdings nicht immer
der Fall sein: £s kann, wie z. B. beim Luftwiderstand, die Summe
Nr. 275. § 49. Kinetik des einzelnen starren Körpers. 415
der äußeren Kräfte noch von der Stellung und Bewegung um den
Schwerpunkt abhängen (infolgedessen Einfluß der Rotation auf die Be-
wegung eines Geschosses^ eines Tennisballes), ebenso kann aber auch
M, von der Lage und Bewegung des Schwerpunktes abhängen.
Wir beschäftigen uns zunächst mit der kräftefreien Drehbewegung.
276. Die krftftefreie Drehbewegnng. Wir nehmen an, daß
entweder bezogen auf den Schwerpunkt Jf,»0 sei, was z. B. beim
freibeweglichen Körper der Fall sein wird, wenn wir vom Luftwider-
stand absehen und wir nur die Schwere als räumlich verteilte Kraft
wirken lassen, oder daß das Moment in bezug auf einen festen Punkt
verschwindet, daß also der Körper etwa um den Schwerpunkt wider-
standsfrei drehbar unterstützt sei, etwa auf einer freien Nadelspitze
balanciere.
Dann gibt die Momentengleichung (II) sofort
J = C ,
der Impulsvektor ist bei der kräftefreien Drehbewegung Jcanstcmt nach
Größe und Richtung.
Da nach Gleichung (III) des vorigen Paragraphen
ist, so ist auch
dE^ dJ
It^'^' dt
dt ~^'
E,= h
auch die Rotationsenergie bleibt konstant
Nehmen wir nun die anschaulichen Ergebnisse von Nr. 272 zur
Hilfe, so können wir uns danach sofort eine Vorstellung von der
kräftefreien Bewegung machen:
Weil J festbleibt, so bleibt auch die Tangentialebene an das Trag-
heitsellipsoid im Punkte Sl sich selbst parallel; da fei*ner J und E^
konstant sind, so bleibt auch der Abstand vom Schwerpunkt (Mittel-
punkt des Ellipsoids) fest, mit andern Worten: die fragliche Tangential-
ebene bleibt vollkommen in Ruhe. Man nennt sie deshalb die in-
variable Ebene.
Sie wird nach ihrer Bedeutung ständig vom Trägheitsellipsoid be-
rührt und zwar in einem Punkt ü, der zur Drehachse gehört, der
also keine Geschwindigkeit hat. Mit andern Worten:
Die Bewegung erfolgt so, daß das Trägheitsellipsoid auf einer
festen Ebene abrollt, ohne zu gleiten. Die Lotrichtung auf diese feste
Ebene ist die konstante Riclitung des Impulsvektors.
416
X. Bftnmliche Bewegung des starren Körpers.
Nr. 97«,
Versachen wir uns die Bew^ang TorzusteileiL Nehmen wir zu
dem Zwecke znnachBt an, das Ellipsoid sei ein Botationsellipsoid.
Um den Polkegel zu finden, haben wir an das Ellipeoid die Tan-
gentialebenen konstanter Entfernung ( ^ j—\ zu legen. Diese Ebenen
liegen offenbar symmetrisch um die Figurenachse (Symmetrieachse),
der Polkegel ist also ein Ereiskegel um die Symmetrieachse. Des-
halb bleibt weiter die Länge SSt konstant Und da sie
V2^r
pro-
portional ist und E^ konstant ist^ so bleibt auch o der Größe nach
konstant. Den Spurkegel endlich werden wir finden j wenn wir die
Punkte der invariabeln Ebene suchen, welche konstante Entfernung
-7^, von S haben. Sie liegen natürlich in einem Kreise, um den
Fußpunkt Yon J ^ also ist der Spurkegel ebenfalls ein KreiskegeL
Ist das TrägheiiseUipsoid ein BotcUionseUipsoidy so ist die kräffe-
freie Drehbewegung eine Präzessionsbewegung: der Spurhegd hat J
zur Mittelachse, um J laufen die Drehachse mit konstantem <o und die
Kreiselachse {Symmetrieachse) im Kreise herum. Ist das Botations-
ellipsoid verlängert, so läuft der PoQcegd
auf dem Spuriegel ah (Fig. 220 a), beim
rJ ahgqfilatteten RcdationseUipsoid ummantelt
der PoUcegd den Spurhegd (Fig. 220 b).
Fig. »Oa.
Fig. 880 b.
276. Fortsetsimg. Ist das Trftgheitsellipsoid kein Ro-
tationsellipsoid, so kann der Polkegel in folgender Weise gefunden
werden:
fP — const. gibt, wenn wir die Hauptachsen zugrunde legen
^.*+e7-/+e7-/«const.
oder nach Nr. 271
A^(D^^ + B*o/ + C«o,* - const.
Seien x, y, e die Koordinaten des Punktes ü, so ist (o^^ x * y2E^ usw.
und da E^ konstant ist, so haben wir auch
A^x^ + B^ + C^z* - const.
a'
n)
Nr. 276. § 49. Kinetik des einzelnen starren Körpers. 417
Dazu kommt die Gleichung des EUipsoids
Ax^+ By^ + Gz^ - const. « h . (2)
Die Oleichungen (1) und (2) zusammen bestimmen eine Kurve vierter
Ordnung^ die Bahn des Pimktes Sl auf dem Ellipsoid.
Den Polkegel bekommen wir, wenn wir (1) mit A und (2) mit
a^ multiplizieren und beide dann voneinander abziehen:
{hA^^a^A)x'+{hB^-a'B)y^+(hC^-a^C)z'^ 0. (I)
Der Pcikegd ist ein elliptischer Kegel.
Der rr-Achse möge die größte, der y-Achse die mittlere, der
jer-Achse die kleinste Hauptachse entsprechen, dann ist
A<B<C,
weil die Hauptachsen YA usw. umgekehrt proportional sind.
Dann muß — es ist dies eine Beschränkung der Konstanten a^ —
hA'-a^A<0, hC^-aOO
sein, damit der Kegel reell wird, denn es ist sicher
hA^- a^A < hB^- a^B < hC^- a'C
— anderenfalls wäre z. B. hB^— a^B <ihA^— a^A, so wäre
h{B^- A^) - a\B- A)<0
und wegen B> A auch h{B+ A) — a^ < 0, also a^ > h{B -\- A) und
wegen B -{- A^ C (siehe Nr. 247) a*> hC, der Kegel also sicher
nicht reell, weil alle Koeffizienten von (I) negativ würden — und da-
mit (I) nicht lauter positive oder lauter negative Koeffizienten hat,
muß der größte positiv, der kleinste negativ sein.
Nun sind drei Fälle denkbar:
JiB^-a'B^O.
Nehmen wir zunächst den Zwischenfall: A5— a*=« 0, so zerfällt (I)
das jetzt die Form hat:
- A{a^ - h A)x^ + C(h C - a')z' = 0
in zwei Ebenen,
X ^ -i/CihC — a^
z ~ -^V Ä{a^ — hA)
oder wegen a^^hB
z ^ V aCb—'ä)'
die sich in der y-Achse kreuzen.
Hamel: Bl«m«iiUre Mechanik. 27
418
X. Bänmliche Bewegung det etairen Körpen.
Nr. 277.
Dieser Fall trennt die beiden andern nnd sonach werden die mög-
lichen Gestalten der Bahnkurve for Sl anf dem EUipsoid die folgenden sein :
In dem Falle hB*-a*B>0 ist der Polkegel
ein elliptischer E^el nm die j;-Achse, denn die
Koeffizienten von y' und g* haben gleiches Zeichen,
die Bahnkurve von Sl ist eine geschlossene Knrve
um das lange Ende des EUipsoides. In dem Falle
AJ?'— a'£<0 ist der Polkegel ein elliptischer
Kegel um die jp-Achse^ die Bahnkurve von Sl eine
geschlossene Kurve um das kürzeste Ende des
EUipsoides. In dem Falle hB^ -a^B^Q zerfaUt
die Bahn in zwei ebene Kurven durch die mittlere
Achse (Fig. 221).
Die Winkelgeschwindigkeit wird im allgemeinen
Fl«. »1. Falle keineswegs konstant sein. Denn es ist
o»- 2i;. S仫 2£X^ + y« + ^*),
es schwankt aber x^+ y^ + s^ zwischen zwei Extremen hin und her,
die man aus (1) und (2) leicht ausrechnen kann. Das gleiche tut also o.
Um den Spurkegel zu bestimmen, berechnen wir die Entfernung r
des Punktes £1 von dem Durchstoßpunkte H des Impulsvektors mit
der invariablen Ebene. Ist die feste Strecke SH gleich h^ so ist
d. h.
Es schwankt also auch r zwischen einem größten und einem kleinsten
Werte hin und her. Im allgemeinen wird die
Spurbahn von Sl in der invariablen Ebene nicht
geschlossen sein, sich vielmehr zwischen zwei
konzentrischen Kreisen von den Radien r^Ma. und
rmin um H hin- und herschlängeln. Daher der
Name Herpolhodie oder Serpoloide für die Spur-
kurve {£(fjt€iv, serpere kriechen, sich schlängeln).
Doch hat die Kurve, wie Heß bewiesen hat,
keine Wendepunkte. Wegen weiterer Details sei
auf die einschlägige Literatur (siehe Nr. 284) verwiesen.
277. Btabillt&t der Bewegung nm die Hanptaoheen. Setzt
man einen starren Körper um irgend eine Achse durch den Schwer-
punkt in Rotation und wirken weiter keine Kräfte auf ihn, so wird
er sich nach den Ergebnissen der beiden vorigen Nummern im all-
gemeinen nicht um diese Achse Veiterdrehen, vielmehr beschreibt die
Drehachse im Körper einen elliptischen (ev. einen Kreis-)Kegel um eine
Hauptachse, im Räume einen transzendenten (ev. Kreis-)Kegel um die
Fig. M2.
Nr. 277. § 49. Kinetik des einzelnen starren Körpers. 419
feste Richtung des Impulsvektors. Nur wenn einmal die Drehachse
in eine Hauptachse hineinfiel, bleibt diese Achse dauernd Drehachse,
denn dann fallt auch die Impulsachse in die Hauptachse hinein (siehe
Nr. 272). Also laßt sich nur um eine Hauptachse kräftefrei eine Drehung
aufrecht erhalten, was mit den Ergebnissen von Nr. 218 übereinstimmt.
Aber die Bewegung um die drei Hauptachsen wird nicht immer
stabil sein. Denken wir uns die Bewegung ein wenig gestört, sei es
durch eine kurze kleine Eraftwirkung, sei es, daß wir als Anfangs-
zustand nicht genau die Rotation um die Hauptachse getroffen haben.
Dann wird die Drehachse auf einen benachbarten Kegel übergehen.
Nun zeigt aber die Figur von Nr. 276, daß nur für die größte und
kleinste Hauptachse der Nachbarkegel dauernd in der Nähe der Haupt-
achse bleibt, die Bewegung also stabil ist, wie man sagt, während
sich bei der mittleren Hauptachse ein beliebig naher Polkegel endlich
weit von der Hauptachse entfernt, weshalb wir die Bewegung um die
mittlere Hauptachse als instabil (labil) bezeichnen müssen: d. h. die
kleinste Störung ruft eine eudliche Abweichung der Bewegungsform
hervor.
Die Botatum um die größte und kleinste Hauptachse ist stabü,
die um die mittlere Achse labü.
Rotiert der Kreisel (d. i. starre Körper) sehr schnell um eine
extreme Hauptachse, so besitzt die Bewegung noch einen besonderen
Grad yon Stabilität, den man am besten als stoßfest bezeichnen
könnte. Ist nämlich cd groß, so ist es auch J, das jetzt ebenfalls in
der Hauptachse liegt, und gleich äg) ist.
Lassen wir nunmehr die kurze Zeit ^t ein starkes Drehmoment >M
wirken, so wird nach der Formel
t+jt
J eine Änderung z/J « / Mdt erleiden, die, weil dieses Integral
t _
einen mittleren Wert besitzt, bei großem m klein gegen J sein
und daher J nur sehr wenig aus seiner Richtung bringen wird. In
der kurzen Zeit ^t wird der Kreisel seine Lage noch nicht merklich
geändert haben, die Figurenachse also noch wesentlich in ihrer alten
Lage sein, also Figurenachse und Impulsachse noch dicht beieinander.
Dasselbe wird dann nach Figur 220 in Nr. 275 mit der Drehachse der
Fall sein, es wird also auch nach dem Stoß dauernd die Drehachse
einen kleinen Kegel um das neue J beschreiben und dabei die Figuren-
achse in einem kleinen Kegel mitnehmen, so daß alle drei Achsen
dauernd nahe an ihrer alten Stelle bleiben werden.
27*
420 X. Räumliche Bewegung des starren Körpers. Nr. 278.
So wird also sähst ein ziemlidi heßiger j aber kurz dauernder
Stoß einen rasch rotierenden Kreisel nur unmerklich in seiner Be-
wegung stören^ eine Ersdieinung, die als StabUiiät oder besser gesagt
Stoßfestigkeit des Kreisels bekannt ist
278. Tendens zum ParaUellamna bei einem danemd wir-
kenden Kr&ftepaAr. Lassen wir auf einen rasch laufenden Ejreisel
dauernd ein konstantes Kräftepaar M wirken, so wird nach der Formel
dt " ^>
J in jedem Zeitmoment dt eine Änderung
dJ = Mdf
erfahren, d. h. es wird die Impulsachse das Bestreben haben, sich der
Achse des Kraftepaares parallel und gleichsinnig zu stellen.
Nun ist derlmpulsvektor als solcher nicht unmittelbar beobachtbar.
Wenn aber der Kreisel (d. i. starre Korper) rasch rotiert, M aber
nicht ungewöhnlich groß ist, so wird sich J langsam ändern, man
kann die Bewegung eine kurze Zeitlang angenähert noch als eine kräfte-
freie auffassen und es werden demnach die Drehachse uud die Figuren-
achse — nehmen wir beispielshalber einen Kreisel von Rotations-
symmetrie, für den wir die Rotationsachse auch Figurenachse nennen
wollen — immerfort den Impulsvektor rasch im Kreise umlaufen.
Man kann daher für einen sehr rasch laufenden Kreisd die
Impulsachse als die mittlere Lage für Rotationsachse und Figuren-
achse ansehen, wenn Jm groß ist gegen M. Unter dieser Voraussäeung
wird sich also die Rotationsachse und damit auch die Figurenachse
— im Mittd — der Achse des dauernd eintvirkenden Kräftepaares
parallel und gleichsinnig eu stellen suchen.
Übe ich also z. B. auf einen Kreisel ein um eine Achse links-
drehendes Kräftepaar aus, so wird seine Drehachse die Tendenz zeigen,
sich ,im Mittel der betreffenden Achse parallel zu stellen und zwar so,
daß die Drehung des Kreisels linksherum erfolgt.
Diese Tendenz zum gleichsinnigen Parallelismus, wie
Klein und Sommerfeld die genannte Erscheinung nennen, ist die
Ursache für manche auffallende Erscheinung der Kreiselbewegung.
Rotiert z. B. ein Kreisel um eine vertikale Achse, von oben ge-
sehen linksherum, und übe ich einen Druck von vom nach hinten
auf die Achse aus, und zwar oberhalb dea festen Drehpunktes, so be-
deutet das ein Moment, dessen Vektor nach links liegt. Es wird also
der rasch rotierende Kreisel bei einem solchen Druck nicht etwa nach
hinten ausweichen, sondern nach links. (Allerdings nur im Mittel,
aber das fällt ja ins Angel)
Nr. 279.
§ 49. Kinetik des einzelnen Btanen Körpers.
421
Am besten fählt man sich in die Erscheinung mittels
eines Handkreisels ein, d. h. eines Kreisels, dessen verlängerte
Achse einen Oriff tragt^ so daß man ihn anfassen kann (Fig. 223).
Nehme ich den Kreisel in die Hand, halte ihn vertikal und setze
ihn, von oben aus gesehen, linksherum in Drehung. Versuche ich dann
den Kreisel vomüberzukippen, d. h. übe ich mit der Hand ein Krafte-
paar aus, dessen Achse nach links liegt, so schlägt der Kreisel deut-
lich wahrnehmbar nach links aus. umgekehrt, wenn ich ihn zwingen
will, nach vorn zu kippen, so muß ich ein nach vom liegendes Dreh-
moment ausüben, d. h. mit der Hand nach rechts gegendrücken.
Fig. 223.
Fig. 224.
279. Ber sohwere synmietrlaohe Kreisel. Ein symmetrischer
Kreisel rotiere um einen festen Punkt 0, der nicht der Schwerpunkt
sei, vielmehr liege dieser außerhalb auf der Symmetrieachse und zwar
oberhalb des Unterstützungspunktes. Ist dann der Kreisel etwas ge-
neigt, so wird die Schwerkraft ein Moment mit horizontaler Achse
erzeugen, das den nicht rotierenden Kreisel umwerfen würde. Rotiert
aber der Kreisel sehr stark, so wird das stets horizontale M die Folge
haben, daß sich der Impulsvektor horizontal im Sinne von M fort-
bewegt, und dabei im Mittel die Rotations- und Figiirenachse mit-
ninmit. Diese werden sich also horizontal weiterbewegen und so kommt
die Erscheinung zustande, daß ein schwerer rasch umlaufender Kreisel
nicht umfallt, sondern, wenigstens im Groben, eine Prazessionsbewegung
ausfuhrt (Fig. 224).
Eine genauere Untersuchung zeigt, daß nur bei ganz besonderen
Anfangsbedingungen eine wirkliche Präzessionsbewegung auftritt, im
allgemeinen beschreibt die Kreiselspitze eine Art von Zykloidenkurve,
die Spitzen nach oben haben oder verschlungen oder gestreckt sein
kann, die sich aber bei hinreichend starker Rotation in so kleinem
Bereiche abspielt, daß für das Auge eine Präzessionsbewegung da zu
sein scheint.
422 ^- Bäomliche Bewegung des itarren Eöipers. Nr. 280.
Alles Weitere lese man in den empfohlenen Büehem nach (siehe
Nr. 284).
280. Ber Kreisel in der Praxis. Man hat die geschilderten
Eigenschaften des Kreisels praktisch zn verwerten gesucht, um Fahr-
zeuge zu stabilisieren.
0. Schlick hatte die Idee, durch einen eingebauten Kreisel die
unangenehmen Schwankungen der Schiffe um die Längsachse^ das so-
genannte Rollen, abzuschwächen. Zu dem Zwecke baute er einen Kreisel
ein, der sich in der Normallage um eine vertikale Achse drehen kann
in einem Rahmen, der selbst wieder um eine horizontale Querachse
schwingen kann. Da das Schiff dann noch um eine horizontale Längs-
achse schwingt, so hat der Kreisel alle Möglichkeiten sich zu drehen.
Rollt nun das Schiff sagen wir nach rechts, so nimmt es zunächst
den Rahmen mit und übt deshalb auf diesen und damit auch auf den
Kreisel ein Kräftepaar aus, dessen Achse nach vorne liegt. Infolge-
dessen schlägt die Drehachse des Kreisels nach vorne aus. So wird
Energie auf den Kreisel übertragen, dem Schiffe entzogen und dessen
Bewegung zunächst sicherlich abgeschwächt. Beim Rückgang des
Schiffes wird die Bewegung aber umgekehrt sein, und damit nun nicht
die ganze Energie wieder an das Schiff übergeht, muß sie inzwischen
vernichtet werden, was dadurch geschieht, daß man die Pendelung des
Rahmens um die horizontale Achse stark dämpft. Damit sich der
Kreisel stets wieder von selbst in die normale Stellung zurückbegiebt,
nachdem er funktioniert hat, muß er schwer sein, d. h. sein Schwer-
punkt muß unterhalb der Drehachse des Rahmens liegen.
Schlick hat bei einigen Schiffen, die sonst stark rollten und bei
unruhiger See Ausschläge bis zu 18^ zeigten, sehr gute Erfolge er-
zielt, indem die Ausschläge fast bis auf P heruntergingen.
Wir kommen in Nr. 332, 332 a und § 57 noch einmal auf den
Schiffskreisel zurück.
Bekannt ist auch das Patent von 0. Brennan und seine Idee
der Einschienenbahn: Es soll ein Fahrzeug auf einem Geleise laufen
und gegen Umkippen durch einen rasch laufenden Kreisel stabilisiert
werden. Prinzipiell ist die Wirkung dieselbe wie beim Schiffiskreisel;
der Unterschied besteht nur darin, daß das Schiff an sich schon
stabil ist und seine Stabilität gewissermaßen nur verstärkt werden soll,
während die Einschienenbahn an sich labil ist. Die genauere Theorie
zeigt nun, daß dieser Umstand bedingt, daß auch jetzt der Kreisel an
sich instabil sein muß, d. h. daß sein Schwerpunkt oberhalb der Dreh-
achse des Rahmens liegen muß. Es liegt diesbezüglich ein ganz all-
gemeiner Satz William Thomsons vor:
Man kann dwrch Kreisel immer nur eine gerade Amaihl von
Freüieitsgraden stabilisieren, nie eine ungerade.
Nr. 281. § 49. Kinetik des einzelnen starren Körpers. 423
Eine Folge diees Satzes ist es auch, daß ein Kreisel^ der anf einer
Spitze steht, durch Rotieren stabil wird, denn er hat zwei Möglich-
keiten des Umfallens^ ein Kreisel aber, der auf einer Schneide balanciert
(wenn man z. B. den Rahmen des Brennanschen Kreisels feststellt)
und also nur um eine Achse umfallen kann, nicht.
Aus demselben Grunde kann ein Fahrrad bei losem Vorderrad
im Laufe stabil sein, bei festgestelltem dagegen nicht.
Wir begnügen uns hier mit der qualitativen Beschreibung dieser
Apparate, auf die Theorie kommen wir später noch einmal zurück.
Aucli bei Luftfahrzeugen spielt die Kreiselwirkung der Schrauben
eine gewisse Rolle. Habe ein Aeroplan eine horizontale Schraube, die
sich von vorne gesehen, linksherum drehe. Will dann der Fahrer nach
links wenden, so muß er durch die Seitensteuer ein Moment auf das
Fahrzeug ausüben lassen, dessen Vektor nach oben gerichtet ist. In-
folgedessen wird sich die Drehachse und damit das ganze Fahrzeug
nach oben aufkippen, was durch eine gleichzeitige Handhabung des
Höhensteuers zu verhindern oder doch in geringen Schranken zu halten
ist. Hat man, wie die Brüder Wright, zwei entgegengesetzt laufende
Schrauben, so hebt sich die Wirkung natürlich auf.
£s sei noch auf den Aufsatz von Prandtl in den ersten Heften
der „Zeitschrift für Motorluftschiffahrt und Flugtechnik'^ und damit
zugleich auf diese Zeitschrift selbst hingewiesen.
Es besteht auch die Absicht, die Stabilität des Kreisels als rich-
tungsanzeigend zu benutzen, z. B. Kompaßnadeln als Kreisel aus-
zubilden statt der Magnete. Man wäre dann von den magnetischen
Störungen durch Eisenteile usw. befreit, müßte allerdings dabei Sorge
tragen, daß der Kreisel möglichst reibungsfrei eine allgemeine Dreh-
bewegung ausführen kann.
Soll ein Kreisel in dieser Weise dazu dienen, möglichst genau
eine Richtung beizubehalten und also auch anzuzeigen, so nennt man
ihn einen Ojrostaten, auch Gyroskopen. Ihm kommt als solchem
eine Bedeutung für die Erkenntnistheorie der Mechanik zu. Er wäre
ein Mittel, um objektiv die Drehung der Erde festzustellen, oder, all-
gemein gesagt, eine feste Richtung im absoluten Raum anzuzeigen.
Allerdings sind die Fehlerquellen noch recht erheblich. (Siehe einen
Aufsatz von Föppl in den Berichten der bayerischen Akademie.)
Prinzipiell ist aber zu beachten, daß erst durch solche Ergebnisse,
wie die Gesetze des Gyrostaten, der absolut ruhende Raum mechanisch
seine Bedeutung vor jedem andern Räume erhält, auf den man an
sich ebensogut d. h. rein kinematisch die Bewegung beziehen könnte.
281. Die Bnlerschen Olelohungen. Für eine mathematische
Durchrechnung der Probleme ist die Grundgleichung
424
X. Räumliche Bewegung des itarien KOrpera.
Nr. 281
deshalb in der Regel nicht praktisch^ weil die Ableitung ^- durchaus
auf ruhende Achsen zu beziehen ist. Und wenn auch die Formeln (11^
aus Nr. 271 auch für solche Achsen richtig bleiben, so sind doch
dann die T und D variabel.
Es ist deshalb besser, die Momentengleichung so umzuformen,
daß in ihr die zeitliche Änderung bezüglich eines im Körper festen
Koordinatensystems steht^ fiir das dann die D und T konstant sind.
Nun ist aber nach Nr. 268
dJ hJ , -r
dt "^ ht+ ^^'
b/
wo jetzt .- die Anderungsgeschwindigkeit des Impulsvektors im be-
wegten Korper bedeutet und somit erhalten wir als eine (I) gleich-
wertige, aber vielfach bequemere Bewegungsgleichung
b/
bt
+ mJ^ M,
(I')
die man nach Euler zu benennen pflegt.
Nehmen wir die Hauptachsen als Koordinatenachsen, so zerfällt
vermöge
e/]p« Ä(o^ USW., und (g}J)^^ ^^^t^ ^»^^^ m^mJJJ— B)
Gleichung (F) in die folgenden drei
dm
C'i; + c^<o^{B - Ä) ^ M,
(I")
Zu diesen Gleichungen fQr die o treten dann noch die Gleichungen (I")
aus Nr. 265
G}g «= cos ifd^ + sin ^ sin -d" • 9
(0^^ — Biniff^ + co8^ sind'q) (U)
CD^ « cos d' ' q) + p,
welche den Übergang von co zu den Koordinaten 0*, 9, ^ gestatten.
Enthält M die d; 9, ^ nicht, so kann man (I") für sich inte-
grieren und dann <&, 9, ^ als Funktionen von t aus (U) finden; an-
dernfalls sind die Gleichungen (I") und (II) gleichzeitig als sechs DiflFe-
rentialgleichungen erster Ordnung fiir die sechs Yariabeln o^, cd^, ©„
^y <p, ^ zu behandeln.
Nr. 282. § 49. Kinetik des einzelnen starren Körpers. 425
282. AnalsrtUiohe Behandlung der krftftefreien Bewe-
gung des i^mmetrisohen Kreisels. In dieeem Falle sind die
M^y M^, Jf, = 0, die j9-Achse sei die Symmetrieachse, so dafi A^B ist.
Es lauten die Eulerschen Gleichungen für diesen Fall
^ ""dl' + «.«.(^ - ^) - 0,
^ ""dt' + ^.«^«(^ -c}-o,
dt '
Aus der letzteren folgt cd, •« const; man kann stets (o^>0 annehmen
durch geeignete Festsetzung der jer-Achse, ä hat also eine konstante
Komponente nach der Figurenachse. Setzt man zur Abkürzung
' A '
so lauten die. beiden ersten Gleichungen
dt
+ aWy= 0,
deren Integral ist
-^*- «01,-0,
(ö^= a C09(a/ + £)y
(D^= a sin(a^ + e),
mit a und s als Integrationskonstanten (a>0). Man erkennt aus
dem Ergebnis das alte Resultat als richtig:
1. 07 =V(n/+ <o/+ o/==ya*+ CO.* ist konstant.
2. Die Projektion von ä auf die ^t/- Ebene hat die konstante
Größe a und läuft im Kreise gleichförmig herum; die Umlaufszeit ist
2« ^ A l
^ a C — A e>^
3. In derselben Zeit läuft die Drehachse ( o) auf einem Kreiskegel
herum.
Für die Erde gibt das, da cd,« 2^ pro Tag, eine Umlaufszeit von
^-^ /Tagen ; das sind aber, soweit man A^ C genau schätzen kann,
etwa 300 Tage (die Eulersche Periode). Von dieser Periode hat
man aber nichts entdeckt^ dagegen die Chandlersche von etwa 427 Ta-
gen; und es ist gelungen^ diese als eine durch die Elastizität der Erde
bedingte modifizierte Eulersche Periode zu erkennen (siehe Klein-
Sommerfeld Bd. III).
426 ^ R&mnliche Bewegung des starren Körpers. Nr. 288.
Von deu Gleichungen (II) der vorigen Nummer genügt es nun
immer, ein partikuläres Integral ssn suchen, denn das allgemeine Inte-
gral hat drei Integrationskonstanten, über die man aber stets willkür-
lieh verfügen kann, indem man das im Räume feste Achsensystem
geeignet wählt.
Indem wir uns entschließen, die i?-Achse des räumlichen Systems
in die feste Impulsrichtung hineinzulegen, versuchen wir den Ansatz:
d" ^ ^^, d. h. konstant, und erhalten
sin tif sin ^^^ = a cos (at + «),
cos ^ sin d-^g) « a sin («^ + «),
^ + 9 cos d'Q = £D,.
Aus den beiden ersten Gleichungen schließt man
sin ^Q • 9 = a ,
^ =s — — ai — «
IS
3ä
(die andere Möglichkeit sin-Ö-^g^^ — a, ^' = -0 — cct — s kann man
durch geeignete Wahl der im Räume festen y-Achse ausschließen).
Das, in die letzte Gleichung eingesetzt, gibt
d. h.
Damit ist die Integration vollzogen. Auch der Spnrkegel ist bestimmt.
Denn ^g ist der Winkel zwischen der Impulsachse und der Figuren-
achse, der Winkel ß zwischen dieser und der Drehachse ist aber durch
tg^-^ (2)
gegeben.
Ist nun a > 0, d. h. C> A, das EUipsoid also abgeplattet, so
liegt die Impulsachse zwischen Drehachse und Figurenachse, also ist
der Winkel des Spurkegels
und nach (1) und (2)
Ist dagegen a < 0, C < A, das EUipsoid gestreckt, so ist
Y-»o-ß und tgy ^ - a«. cf^i^^Aa*'
Nr. 288. § 49. Kinetik des einzelnen starren Körpers. 427
Also ist auf jeden FaU der Winkd y des Spurkegds gegeben durch
. \C—A\
^'^ « Cio*-\' Äa*
Die analytische Behandlung des unsymmetrischen Kreisels fuhrt auf
elliptische Integrale, desgleichen die Theorie des symmetrischen schweren
Kreisels. Das weitere mag man bei Klein und Sommerfeld oder
in der anderen angeführten Literatur nachlesen (siehe Nr. 284).
abgeplattet gestreckt
Aufgaben: 124. Ein Kreisel bestehe aus einer Zylinderscheibe von 10 cm
Durchmesser und 1 cm Höhe und habe das spezifische Gewicht 8. Er rotiere
um die Symmetrieachse mit einer Geschwindigkeit Ton 1000 Toiuen pro Minute.
Man berechne die Haupttr&gheitsmomente A = B und C sowie die Größe des
Impulsvektors J.
126. Der eben genannte Kreisel erfahre bei der geschilderten Bewegung
einen Stoß am Rande parallel der Achse eine sehr kurze Zeit Jt hindurch mit
einer solchen Kraft Ä:, daß das Zeitintegrai der Achse über Jt gleich 0^1 kg-Sec
sei. Welche Bewegung wird nach dem Stoße eintreten? Jt sei so klein, daß
man in der Zeit Jt eine Verlagerung der Kreiselachse nicht anzunehmen braucht.
(Näheres über Stoßprozesse siehe § 62.)
283. Deviatloii8wlder8tand eines geführten symmetri-
BOhen Kreisels. Wir sahen schon früher (siehe Nr. 278)^ daß ein
Kreisel; der sich schnell um seine Figurenachse dreht, und dessen Achse
man zu neigen versucht, ein Moment dazu erfordert, das in der Be-
wegungsebene der Figurenachse liegt und so gerichtet ist, daß sich
die Figurenachse auf seine Richtung zu bewegt. Dieses Moment^ d. h.
genauer gesagt, sein Gegenteil, das die Führung auszuhalten hat, wollen
wir mit Elein-Sommerfeld Deviationswiderstand nennen und
zu berechnen suchen. Es sei also A== B, o^ groß und fest gegeben,
dagegen
G}^= (Oq coso^/,
(Dy =- — (Oq sinca^^,
a>^, o)y bedeuten also die Komponenten eines Vektors, der im Körper
mit der Winkelgeschwindigkeit — co^ in der o;^- Ebene umläuft. Da
sich aber die :ry-Ebene mit dem Körper, also mit der ßeschwindig-
428 X. Räumliche Bewegung des starren Körpen. Nr. 284.
keit o^ amdrelity bedeuten o^, cj die Eomponeiitexi eines im Räume
festen Vektors der Oröfie (Oq senkrecht zu o,, also eine Drehung um
eine im Räume feste Achse, (o^ mag noch yon der Zeit abhangen.
Dann geben die beiden ersten Eulerschen Gleichungen
äc}q cos (oj — (OqO^C sin aj — Jfcf^,
— Ag)q sinoj — cDqO^C co9(oJ « M^.
Man erkennt daraus:
Erstens tritt ein Moment auf bei nicht konstanten Oq, gleich AcD^f
das dieselbe Richtung hat wie die Drehung cdq.
Zweitens tritt ein Moment auf von der Größe chqCD^C, das senk-
recht zu Oq und senkrecht zu (o^ steht und dessen Gegenteil der ge-
suchte Deviationswiderstand ist. Der Sinn dieses Widerstandes ist klar.
Um einen mit (o^ um die Figurenachse rotierenden Kreisel um eine
Achse senkrecht zur Figurenachse mit der kanstanten Winkdgeschwin-
digkeit o^ eu drelwn, bedarf es eines Momentes CchqG)^^ dessen Achse
senkrecht zur Figurenachse und zur Drehachse cj^ steht und zwar so,
daß sich bei der Drehung co^ die Figurenachse auf die MometUen-
achse zu bewegt. Das Gegenteil dieses Momentes ist der DevicUians-
widersta/nd.
Betrachten wir als Beispiel die Schiffsschraube in einem
stampfenden Schiff. Ihre relative Winkelgeschwindigkeit zum Schiff
sei a^j die Winkelgeschwindigkeit des stampfenden Schiffes (also um
die horizontale Querachse) sei o^. Man kann angenähert setzen
(Oq— na Qosnt,
wo — die Schwingungsdauer des Stampfens ist, a die Amplitude
dieser Schwingung. Dann hat also das Lager zunächst einmal das
Moment Aü^ ^ — An^a sin nt um die Querachse (Drehachse des Stamp-
fens) auszuhalten (auch bei ruhender Schraube); dann aber noch bei
rotierender Schraube den Deviationswiderstand
C(OqG3^^ Cc3^na cosn^
um eine im Schiff feste Achse, die normalerweise vertikal steht.
Außer diesen Kräftepaaren wirkt natürlich noch auf das Lager
der Schraube ein^ resultierende Einzelkraft die aus der Bewegung des
Schwerpunktes der Schraube (inkl. Welle) zu berechnen ist. Dabei
spielt die Rotation keine Rolle.
284. Literatur. Eine erste umfassende Darstellung der räum-
lichen Bewegung des starren Körpers gab Euler in seiner ^^Theoria
motus corporum solidorum seu rigidorum'' vom Jahre 1765. Poinsot
und die schon genannten Möbius, Ghasles, Giorgini taten sehr
Nr. 286. § 60. Energie und Arbeit beim starren Körper. 439
viel zur geometrischen Veranschaulichung und Weiterbildang der von
Ealer zunächst nur rechnerisch entwickelten Sätze. Eine sehr gute,
wenn auch rein rechnerisch - abstrakte Darstellung findet sich in
Eirchhoffs Mechanik. Die konkret-anschauliche Tradition lebte in
England weiter; namentlich Routh und Lord Kelvin (William
Thomson) gaben ausgezeichnete Darstellungen in ihren in der Ein-
leitung genannten Werken. Ihr Interesse wurde namentlich durch die
physikalische Anwendbarkeit der Kreisel theorie erweckt: wer eine gute
populäre Darstellung der Theorie und ihrer hauptsächlichen physika-
lischen Anwendungen lesen will^ sei auf Perrys kleines Buch: ^^Dreh-
kreisel'^y deutsch yon H. Walzel^ hingewiesen. Neuerdings gab die
technische Anwendbarkeit des Kreisels einen neuen AnstoB ihn zu
studieren: das allgemeine Interesse wendet sich ihm zu, und da ist es
erfreulich, berichten zu können, daß soeben 1910 das Werk yon
Klein-Sommerfeld, ^^Theorie des Ejreisels'' in Tier Lieferungen fertig
vorliegt. Die erste Lieferung dieser umfassenden Darstellung enthält
die Kinematik sowie die Elemente und Prinzipien der Kinetik, die
zweite Lieferung die rechnerische Durchführung für den schweren
symmetrischen Kreisel, die dritte den EinfluB von Reibung, Luftwider-
stand usw. sowie astronomische und geophysikalische Anwendungen,
die vierte endlich in ziemlich elementarer Form — die genaue Kenntnis
des schwierigeren zweiten Bandes ist dazu nicht erforderlich — die
technischen Anwendungen (vgl. Nr. 280).
Eine gute Darstellung findet sich auch in dem in der Einleitung
genannten Buche von Webster; aus der Encyklopädie d. math.
Wiss. kommt der Artikel IV, 6 von Stäckel besonders in Frage.
§ 50. Energie und Arbeit beim starren Korper.
285. Die Energiegleichnng Ar den starren Körper. Nach
Nr. 245 ist die Arbeit einer beliebigen Kraftgruppe am starren Körper
in der Zeit dt _ _
dA^K dc + M- dx, (I)
folglich die Leistung:
L^K i+Mco. (I')
Nun gelten weiter fdr den starren Körper die Bewegungsgleichungen
^dmw = K
und bezogen auf einen beliebigen Punkt C
^din{r — c)w =- My
wo K und M die Summe bzw. die Momentensumme der äußeren an
430 ^- Räumliche Bewegung dea starren Körpers. Nr. 286.
ihm angreifenden Kräfte sind. Verbinden wir diese Gleichungen mit
(!'), 80 bekommen wir
^dmiö • c + ^dm{r — c)f€ • io ^ L,
wo L die Leistung der äußeren- Kräfte ist.
Geht man die Überlegung der Nr. 245 einmal von rückwärts
durch; so erkennt man leicht, daß auf der linken Seite obiger Glei-
chung die gesamte Leistung der Massenbeschleunigung st«ht, nämlich
^dmtd • (c + aj(r — c)) = ^dm€d • v.
Ä w
Dieser Ausdruck ist aber identisch gleich , • Damit haben wir den
Energiesatz abgeleitet
ft'L. (II)
Die Änderungsges^JiwindigJceit der kinetischen Energie ist beim
einzelnen starren Körper gleich der Leistung der äußeren Kräfte.
Oder integriert
t
Haben speziell die äußeren Kräfte ein Potential U, so daß
t
JdÄ^-ü+Uo
ist, so nimmt der Energiesatz die Form an
E+ü^ const. (11")
286. Die Arbeit der inneren Kr&fte. Wollte man den
Satz (II) so aussprechen, daß auf der rechten Seite die Leistung aller
Kräfte siande, so hätte man eine triviale Folgerung des Energie-
satzes der Punktmechanik: gilt für jedes Massenelement eines Körpers
der Energiesatz, so folgt er durch einfache Addition für den gesamten
Körper in der Form, daß rechts die Leistung aller Kräfte steht.
Das Neue unseres Satzes besteht also darin, daß die inneren Span-
nungen eines starren Körpers keine Arbeit leisten.
Diesen Satz können wir nun sofort dahin ausdehnen, daß
die inneren Spannungen eines starren Körpers hei keiner wie auch
immer gedockten Bewegung des starren Körpers Arbeit leisten.
Der Beweis ist wesentlich schon in der Torhergehenden Betrach-
tung aus Nr. 285 mitgeliefert: Sei für jedes Yolumelement
dmw = d^ -f dSy (1)
Nr. 287. § 50. Energie und Arbeit beim starren Körper. 431
wo ds die Summe der an einem Element angreifenden inneren Span-
nungen bedeutet^ 80 ist auch bei irgendeiner (eventuell bloß gedachten)
Bewegung
^dmiv • V — ^dk • v + ^ds • v ,
Nun ist aber nach der Torhergehenden Nummer die Summe links
gleich der ersten Summe rechts, denn im Beweise wurde nirgends
davon Gebrauch gemacht^ daß etwa v die wahre Bewegung des Körpers
sei; es mußte nur v ^ c + (o(r — c) sein, wobei aber c irgendeine
Geschwindigkeit des Punktes C, & irgendeine Drehgeschwindigkeit
um C sein kann. Also bleibt
^d$ ' V ^ 0
übrig.
Dieser Satz läßt sich umkehren,
d. h. machen wir die Voraussetzung, daß bei keiner wie immer ge-
dachten Bewegung die inneren Spannungen Arbeit leisten, so folgt
daraus der Schwerpunktssatz und der Momentensatz für den starren
Körper:
Denn aus dem Newtonschen Grundgesetz (I) folgt jetzt
^dmw ' V = ^dk • v
und wegen
V — r + GJ (r — c)
c • ^dmw + ö • ^dm(r — c)w ^ c - K + (o -M.
Diese Gleichung gilt nun für alle denkbaren Bewegungen, d. h.
für alle Vektoren c und ci, unabhängig davon, was das w ist; das
geht aber nur, wenn
^dmW =« K,
ist, womit Schwerpunkts- und Momentensatz zurück gewonnen sind.
Diese Überlegung ist grundlegend für das später zu besprechende
Prinzip der virtuellen Arbeiten.
287. Andere Ableitnng des Bnergiesatses. Bezogen auf
den Schwerpunkt als Translations- und Momentenpunkt war nach
Nr. 270
Nun ist aber
432 X. Rftnmliche Bewegung des otarren Körpen. Nr. 288.
Femer war nach Gleichung (III) aus Nr. 273
dE^ dl - T^
dt dt ^ ^ $'
Addieren wir beide Oleichungen^ so erhalten wir sofort
d. h. den Energiesatz.
288.^) Direkter Naohwels des Ebitses ttber die inneren
Spannungen. Die gesamte an dem Yolumelement d V angreifende
innere Spannung ds ist, wenn dV ganz im Innern liegt, nach Nr. 204:
■
^^ [dx^cy ^ dz)'
gehört aber d V der Oberfläche au, so ist Ton diesem Ausdruck dFö^
als äußere Kraft abzuziehen. Mithin ist die Leistung der inneren
Spannungen
Nun läßt sich aber nach dem GauSschen Satze in Verbindung mit der
Methode der partiellen Integrationen das Volumintegral umformen in
das Oberflächenintegral fdFö^ • v (unter Berücksichtigung der Glei-
chung (III) aus Nr. 205j und in das Volumintegral
Weiter ist nach der Eulerschen Formel
woraus sich mit Benutzung der Einheitsvektoren i^, e^^ i^ vermöge
r ''XB^+yB^ + ZB, ergibt
dv
^— = ö«, usw.
dx *
Somit wird die Leistung der inneren Eräfbe
oder
Dieser Ausdruck verschwindet aber, weil die Klammer unter dem
Integral auf Grund des Axioms der Symmetrie der Spannungsdyade
verschwindet (siehe Nr. 207 und 208).
1) Diese Nummer kaxm der Anf&nger auslassen.
Nr. 289.
§ 51. Kinetik der Relativbewegniig«
433
Damit ist nochmals bewiesen^ daß die inneren Spannungen am
starren Körper bei keiner möglichen Bewegung desselben Arbeit leisten.
Denn auch hier haben wir nicht davon Gebrauch gemacht, daß c und
cö die wirklichen Geschwindigkeiten sind^ es können das irgendwelche
Vektoren sein^ die nicht Tom Orte abhängen.
§ 51. Kinetik der RelatiTbewegnng.
289. Binftthrnnff der Soheinkr&fte. Etwas prinzipiell neues
ist über die Kinetik der Relativbewegung nicht zu sagen: es bleibt
selbstverständlich die Newtonsche Grundgleichung richtig
dmtö =• dkf
wobei iö die absolute Beschleunigung ist.
Nun ist aber, wenn eine Bewegung relativ zu einem selbst be-
wegten Körper stattfindet, nach Nr. 269
Daraufhin können wir die Newtonsche Grundgleichung so schreiben:
dmtd^ — dÄ — dmic^ — dmwy,
d. h. wir können sie so interpretieren, daß wir nur die Relativbeschleu-
nigung als eigentliche, etwa (vom Körper aus) direkt beobachtbare
Beschleunigung auffassen, für sie die Newtonsche Grundgleichung hin-
schreiben, nun aber, um den Fehler wett zu machen, zwei Sehein -
kräfte hinzufügen:
— dmw^'^ — dm2(DV^ die Corioliskraft und
— dmWf die Führungskraft.
Letztere besteht, gemäß der Formel
«c^ = c + (b (r — c) + © (© (r — c))
noch einmal aus drei Teilen, von denen wir
den letzten Teil
Flg. M6.
— dm(o{(o{x — c)) y
der immer auf der Drehachse {S) senkrecht
steht, die Größe (o^Qdm hat {q Entfernung
des Punktes von der Achse) und nach außen
gerichtet ist, allgemein Zentrifugalkraft
nennen (Fig. 226).
Rotiert der führende Körper gleichmäßig um eine feste Achse, so
sind c und (b Null und es bleiben von den Schein kräften nur die Co-
rioliskraft und die Zentrifugalkraft übrig.
Hamel: Elementare MeohAnik. 28
434 ^- RUrumliche Bewegung des starren Körpers. Nr. 290.
Der Anfänger wolle beachten, daß das aber keine wirklichen
Kräfte sind, sondern Zusatzglieder zu den EräfteD, die wir deshalb
hinzufügen müssen, weil wir es für bequem gefunden haben, im Grund-
ansatz zunächst einen Fehler zu machen. Darum nennen wir die Zu-
sätze Scheinkräfte. Ihre Verwechslung mit wirklichen Kräften hat
schon viel Verwirrung angerichtet.
290. Anwendung anf Bewegungen anf der Brde. Da
bei der langsamen Drehung der Erde die Scheinkräfke ohnehin klein
sind, kann man die geringen Schwankungen der Erdachse yernachlässigen,
d. h. c) » 0 setzen. Auch ef, die Beschleunigung der Erde, ist sehr
klein, sie ist ja durch die Anziehungskraft der Sonne, der Planeten
und Monde bestimmt und setzt sich also aus Teilen yektoriell zu-
M
sammen, welche auf die Gestirne zu gerichtet und gleich F ., sind, wo
M die Masse des Gestirns, r dessen augenblickliche Entfernung ist.
Von diesen Größen sind nur zwei Ton einigem Belang f8r Körper auf
der Erde:
1. der Anteil der Sonne wegen der Größe von M\ er beträgt
nach den Angaben aus Nr. 34 etwa 0,006 m/Sec* = 6 mm/8ec*; die
entsprechende Scheinkraft auf ein Gramm macht also noch nicht ein
Dyn aus,
2. der Anteil des Mondes wegen des yerhältnismäßig kleinen r;
er beträgt, da die Mondmasse etwa 39 • 10~ ^ mal der Sonnenmasse, die
Mondentfemung etwa^g= der Sonnenentfemung ist, 39- 10~^« 387* =0,0058
Ton dem Anteil der Sonne. So klein diese Größen sind, so sind sie
doch wichtig für die Theorie von Ebbe und Flut. Betrachten wir
z. B. die Anziehung des Mondes auf das Wasser der Erde, so haben
wir, wenn wir die Bewegung relativ zur Erde betrachten wollen, eine
M
Scheinkraft hinzuzufügen: ämF-^j welche vom Monde weggerichtet
ist (entsrechend — dmc). Diese ist kleiner als die Anziehung des
Mondes auf die ihm naheliegenden Wasserteile, aber größer als die
Anziehung auf die entfernten. Letztere werden also im Resultat schein-
bar abgestoßen, woher es kommt, daß wir immer auf der Erde zwei
Wellenberge und zwei Wellentäler der Flut haben.
Es kommen also für irdische Objekte immer nur die Differenzen
der Beschleunigungen in Frage, welche ihnen Sonne und Mond er-
teilen, gegen die Werte dieser Beschleunigungen im Erdmittelpunkte,
so daß die resultierende Wirkung noch einmal im Verhältnis -
(tt Erdradius) kleiner ist. (Darum, wegen des kleineren r, schließlich
das Überwiegen der Mondflut über die Sonnenflut.)
Nr. 290.
§ 61. Kinetik der KelatiTbewegnng.
435
Flg. SS7.
Wichtiger für irdische Bewegungen sind die Zentrifugalkraft
und die Corioliskraft.
Erstere ist fiir einen Punkt mit dem Breitengrad ß
dmB cos/J • (o\
wobei R den Erdradius bezeichnet. Sie
steht senkrecht zur Erdachse, hat also
die Komponente
dmR coB*ß(o^
yertikal nach oben, deren Beschleunigung
RcoB^ßai^ man schon in der Regel von
der Erdbeschleunigung g, die ja doch
Ton ß abhängt, abzuziehen pflegt. Ihr
Maximum ist (am Äquator)
Bo» = 0,0337 m/Sec«.
Außerdem hat aber die Zentrifugalkraft
noch eine südliche Komponente
dmR cos/J • Binßco^y
deren Maximum ^ ämRcD^ ist und filr /3»45® eintritt. Sie bedingt
eine Südabweichung des Lotes und wird auch meist in die Wirkung
der Schwerkraft mit einbezogen, da sie ja ebenfalls nur eine Tom Ort
abhängige Oröße ist und auch das Lot an sich schon nicht genau
durch die Erdmitte hindurchgeht, teils wegen der Abplattung der
Erde, teils noch wegen lokaler Störungen der Schwerkraft durch un-
regelmäßige Massenverteilungen in der Erde.
Wichtiger und auffälliger ist die Wirkung der Corioliskraft
— dm2mv^, weil sie noch wesentlich von der Bewegung relativ zur
Erde abhängt.
Bewegt sich auf der Nordhälfte ein Körper im Meridian nach
Norden, so ist die Corioliskraft nach Osten gerichtet und gleich
din2(ov^ sin/9. Es bedarf also einer äußeren, nach Westen gerichteten
Kraft, um die nördliche Bewegung zu erzwingen. Darin liegt es, daß
bei Geleisen, die vorwiegend in nördlicher Richtung befahren werden,
die rechte östliche Schiene stärker abgenutzt wird. Ebenso unter-
spülen die zahlreichen Ströme in Europa und Asien mit nördlicher
Laufrichtung alle das rechte Ufer starker als das linke und zeigen
die Tendenz, sich nach rechts zu verlegen.
Fällt ein Körper vertikal herab, so liegt die Corioliskraft eben-
falls nach Osten und hat die Größe
2dm coBßv^a,
Dieser Umstand bedingt die bekannte und experimentell leicht nach-
weisbare Ostabweichung fallender Körper. Macht man zur Be-
28*
436
X. BAomliehe Bewegong det itUTen K0fpen.
Nr. 891
rechnmig der Ostabweichnng, die ja ohnehin eine kleine GröBe isl^
die angenähert f&r nicht zu große Fallstrecken richtige ^Annahme, daß
nng^ndert
bleibt, so ist die ostwärts gerichtete Beschlennigung
2(0 cosßgt,
also die Ostabweichnng
^ o cosßgfi:
sie berechnet sich für ^ » 5 See, d. h. für eine Fallhöhe von y^^i also
etwa 125 m, zn etwa 3 • cos ß cm.
Dnrch Fallversuche in tiefen Schächten hat sich das theoretische
Ergebnis bestätigt gefunden; natürlich kann man wegen des Luft-
widerstandes keine zu große Genauigkeit erwarten (ein zweites objek-
tiyes Merkmal für die Drehbewegung der Erde).
Beide Gründe zu einer Ostabweichung kombinieren sich, wenn
sich die am Äquator aufsteigende Luft nach Norden bewegt und in
unseren Breiten zu Boden sinkt. Diese Luft wird eine östliche Be-
wegnngstendenz haben, weshalb wir bei niedersteigenden Luffcmassen
Westwinde haben, umgekehrt bei aufsteigenden Luftmassen Ost-
winde.
Etwas Analoges gilt für die Meeresströmungen«
291. Das Ponoanltsohe PendeL Das ente Mittel, das mit Erfolg
angewendet wurde, um objektiT auf Grand mechanischer Prinzipien die Erd-
drehnng nachzuweisen, war der bekannte Versuch Foncanlts. Ein Pendel möge
sich unter dem Breitengrad ß und momentan in
einer Ebene von dem Azimut tp gegen die Ostrich-
tung befinden.
Gegen ein auf der Erde festes Koordinaten-
system, dessen x -Achse nach Osten, dessen y-Achse
nach Norden zeige, hat dann das m der Erde die
Bichtungskosinus 0, cos^, sin^. Also ist og^aBO,
fOyi^cocos^, a>, «»fiosin^ und die Gorioliskraft
JVbriffms hat die Komponenten
— 2ni{topB — fOgff) = — 2iiia>(cos^« — tinß^),
— 2iii(fo^i; — co^l) = — Smoisin/S-x,
— 2m(mxy — (Oyx) =■ -|" - •'•® cos ß -y .
Infolgedessen lauten die Bewegungsgleichungen (vergleiche Nr. 67)
m£-» — iS>-sin^C08 9 — 2mo>(cos^i — sin/Jy),
mj^ss — Äßin^siny — 2m<osinß3Sy
m?s Sco89' — mg -{-^moacoBßy.
Sind nun die Schwingungen klein, so daß wir x, y, ^, und ihre Ableitungen als
klein erster Ordnung ansehen, so sind z und i klein zweiter Ordnung.
Nr. $91. § bU Kinetik der BelaÜTbeweinsiig. 437
Vemachläflsigen wir alle Glieder zweiter Ordnung, so ergibt die letzte
Oleichnng
S= mg — 2mtocoaßy.
Setzen wir das in die beiden ersten Gleichungen ein und beachten, daß
sin * • cos 9 s« -- ,
• Ä • y
Bin V • Bin 9 = -y
und daß^xJF und yjr klein zweiter Ordnung sind, so erhalten wir
_ «
y ^ — -^y — 2ö>sinp»&.
Multiplizieren wir die zweite Gleichung mit t »= y — 1 und addieren sie zur
ersten, so bekommen wir eine einzige Differentialgleichung zweiter Ordnung fQr
die komplexe Yariabele
z^x + iy,
nämlich
Dabei ist zur Abkürzung
.-y».
X » CD sin /?
gesetzt.
Die Differentialgleichung für'^r integrieren wir durch den Ansatz
u genügt der algebraischen Gleichung
tt»+2Z*tt + a» = 0,
welche die Wurzeln
tt^ X» — xi + y_ir«~_ «t =^ t(yii» + a« — ;i) = ia^
und
u, = Xf — V^^IT— «« = — »(yi* + «» + X) = — ta,
hat (ai>0, a, >0).
Das allgemeine Integral ist demnach
=- (J5i + *Ci)(cosa, « + iBina^t) + (JB, + iC7,)(cos a, t — » sino^t).
Alle Buchstaben haben jetzt reelle Werte, also ist
a;«:5j cosoj*— C\ sinajt + ^, cosa,e4- C* Bino,«,
f/ = Cj cosai*+ JBj sinoi« — J5, 8ina,*+ 0, coBa,^
Nehmen wir diejenige Anfangsbedingung, welche dem Foucaultschen Ver-
such entspricht: für ^ « 0 sei ib =» y « 0, j: = a, y « 0, d. h. ;e? = a, i = 0. Dar-
aus folgen zur Bestimmung toq A^ und A^ die Gleichungen
A + -^t = a»
438 X. Riomliclie Bewegung des itarreA KOrpen. Nr. Ml.
woraas
^1 == - ~ — a und At = — ^ — a ,
alio
'=0.;«. (-.'■■"'+'».«-'-').
i-« **•"»*■ («'•.' _e-<-.'j
folgen.
Bettiminen wir alle Stellen, wo i » 0, d. h. i; »> 0 und y «» 0 igt, wo also
das Pendel momentan ruht und demnach Spitzen vorhanden sein werden.
Es werden das die Stellen sein, für welche
d.h. cos (a^ -f- «i) ' » 1 ^ber Bin(a^'^ a^)t = 0, d. h.
2«n nn
ist. Für diese Zeitpunkte t„ ist
«- (n — 1,2,...)
und daher
z^xfge*^^^ ^s^Zf^.
Da {e'^^lssl, also {0„| »oe, so erkennt man zun&ohst, daß die Spitzen
alle auf dem Kreis mit dem Radius a liegen, ferner hat sich in der Zeit von -P
^^^ ^fi -!> 1 1 4m Azimut 9„ des Pendels um a^ * (^^ + 1 — ^m)i ^- ^'
a, — oder n( 1 zz — ^^ |
vermehrt.
Man erkennt ferner leicht, daß im übrigen die Kurve innerhalb des Kreises
mit dem Radius a liegt, denn aus
a: -= 1^ - (öl cos a^t-^-a^ cos a, t),
y = V- — (o, sin aj t — aj sin a, ^)
folgt für das Quadrat des Ausschlages
a?*+ !/•-= , _L :;r\«(*i'+ ^*+ *'*i"» ^^*^*i + '*«^*^-
Dieser Ausdruck erhält sein Maximum für die Werte ^^t^, n&mlich a', sein
Minimum für die mitten zwischen den Werten t^ liegenden Werte
«+J «i + ö, '
für welche der Kosinufi gleich — 1 wird. Das Minimum der Entfernung berechnet
sich danach zu
Va:' 4- y'i#i« =■ - - r — ^ = a - —
r TV um oi+a, j/a' + i«
•Nr. 292.
§ 61. Kinetik der Relativbewegtuig.
439
Fig. 229.
Man kann nnn wohl die Beweg^ung von Spitze an Spitze eine halbe Schwin-
^ng nennen und daher sagen, daß sich nach einer vollen Schwingung das Azi*
mut nm 2n( 1 —~ _. _ z=.] vermehrt oder, da es auf
V Va^ + X^J
das additive Glied 2n beim Azimut nicht ankommt:
es ?Mt sieh das Pendel nach einet- vollen Schwin-
l
gtmg um in-, — -.^_ rechtsherum (von Ost nach
Süd usw.) gedreht.
Nach diesen Ergebnissen kann man die Bahn-
kurve leicht zeichnen (Fig. 229). Das große', im
Jahre 1861 von Fouoault in Paris in Bewegung
gesetzte Pendel ergab tatsächlich die berechnete
Bewegung befriedigend genau. Neuere analoge Ver-
suche lassen die Grddrehung mit einem Fehler von
7 — 8 Minuten pro Tag berechnen. Die feinsten Versuche mit Berücksichtigung
&ller Fehlerquellen stammen von Kamerlingh Onnes in Groningen.
292. Nochmals der Deviattonswiderstand eines rotteren-
den, gefthrten BIrelsels. Indem wir die Rotation co, eines sym-
metrischen Kreisels um seine Figurenachse als Relatiybewegung, eine
Drehung g»q um eine Achse senkrecht zu ihr als Führungsbewegung
auffassen, können wir den DeTiationswiderstand, d. h. das Moment,
das der so geführte Kreisel auf seine Führung ausübt, noch auf anderem
Wege berechnen, als dies in Nr. 283 geschehen ist.
Sei (Oq konstant, so kom-
men von der Führungsbewegung
nur Zentrifugalkräfte. Diese
baben nach Nr. 198 nur eine
Resultierende msm^ durch den
Schwerpunkt senkrecht zur Dreh-
achse a?Q, — s ist der Schwer-
punktsabstand von der Achse — ,
welche verschwindet, wenn der
Schwerpunkt auf der Achse liegt.
Nun die Corioliskräfte:
— 2dmGi^\\
« — 2 dm oj, (0007,
Flg. MO.
wenn wir die OQ-Achse zur a:-Achse machen. Diese haben also allö
die Richtung der Figurenachse. Ihre Summe ist — 2w5, • (©^ • f *), ver-
schwindet somit, da r * aus Symmetriegründen die Richtung öf . hat
und daher auf cDq senkrecht steht.
Dagegen haben die Corioliskräfte ein Moment, wie man sofort
aus der Figur sieht. Denn zwei zur y;er-£bene symmetrisch gelegene
440 X. Bäumliche Bewegung des starren Eörpen. Nr. 298, 294.
Punkte haben entgegengesetzt gleiche Gorioliskräfte: der Hebelarm
eines jeden ist x. Es entsteht also nm die y-Achse^ d. h. um eine
Achse senkrecht sowohl zur Figurenachse, als auch zur Drehachse o^,
ein Eraftepaar Tom Moment
weil A'^ B sein sollte.
Das stimmt mit dem früheren Resultat überein. Die Relativ-
beschleunigungen endlich haben aus Symmetriegründen weder eine Re-
sultierende noch ein Moment.
298. Der InerUeregnlator, dessen erster Entwurf von Sie-
mens stammt^ dient dazu, die durch Unregelmäßigkeit des Kraftfeldes
entstehende Winkelbeschleunigung ca einer Maschine durch 6ine Ein-
wirkung auf das Kraftfeld wieder rückgangig zu machen.
Denken wir uns auf einem Rad relativ zu ihm um eine parallele
Achse drehbar einen Hebel befestigt^ der sich bei gleichfonniger Be-
wegung des Rades von selbst unter Wirkung
der Zentrifugalkraft radial nach außen ein-
stellen wird. Außerdem werde er in dieser
NormalsteUung noch durch eine Feder fest-
gehalten. Wenn nun jetzt das Rad eine
Winkelbeschleunigung cd erhält, so wird
jeder Punkt des Hebels einer Scheinkraft
— dmmr unterworfen erscheinen, die senk-
recht zum Radius f steht und bei positivem
Fig. s.«ii. jfy (b der Bewegung entgegengesetzt sein wird.
'Diese Scheinkraft wird den Hebel nach rück-
wärts bewegen und diese Relativbewegung gegen das Rad kann dazu
benutzt werden, ein Stellwerk in Bewegung zu setzen, das den Kraft-
zufluß reguliert, z. B. den Dampfzutritt bei positivem m drosselt und
so eine Kompensation d6r beschleunigenden Ursache herbeiführt.
Es bedarf natürlich noch einer eingehenden Untersuchung des ge-
samten Systems bestehend aus dem soeben in seiner Grundidee skizzierten
Inertieregulator und der ganzen Maschine, um die Frage zu entscheiden,
ob eine hinreichende Stabilität des ganzen Reguliervorganges eintritt,
d. h. ob sich nach hinreichend kurzen Schwingungen ein Beharrungs-
zustand von selbst wieder einstellt.
Wir können hier auf diese Theorie nicht eingehen, der Leser sei
auf die Abhandlung von Stodola: „Das Siemenssche Regulierprinzip
und die amerikanischen Inertieregulatoren^', Z. d. Y. d. I. 1899 und auf
den Enzjklopädieartikel lY 10 v. Mises hingewiesen.
294. Die Arbeit der Scheinkr&fte und zwar ihre Arbeit bei
der relativen Bewegung woUen wir berechnen, da natürlich der Eneigie-
satz in der Form gilt, daß
Nr. 294. § 51. Kinetik der Relativbewegtuig. 441
die Änderung der relativen leinetischen Energie gleich ist der
Arbeit der wirklichen Kräfte und der Scheinhräfte und »war gleich
ihrer Arbeit bei der relativen Bewegung,
Nun leistet die Corioliskraft keine Bdativarbeit, denn sie steht auf
der BelatiTgeschwindigkeit senkrecht.
Weiter wollen wir zeigen^ daß die Zentrifugalkraft — dma){(o{r—c))
ein Potential hat.
In der Tat: ihre negative Arbeit ist bei der Relatiybewegung
— hA =• dm(a((D{r—c)) • b(r— c),
das ist aber nach dem Vertauschungssatze (Anhang I 6)
©(r — c) • b(r — c) • (odm « — dma)(r—c) - (Db(r— c)
= — b dmaj(r — c)*
= - bydmai'p'b
wenn q die Entfernung des Punktes von der Drehachse bedeutet.
Also ist das Potential der Zentrifugalkraft
Dabei ist allerdings im Falle veränderlicher Drehachse eine Be-
merkung zu machen. Wir haben bei der Operation b das cd als kon-
stant angesehen. Ist nun aber (o eine Funktion der Zeit, so kann man
immerhin noch insofern von einem Potential sprechen, als die Zentri-
fugalkraft das Gefälle des Potentials — ^^^^'p^ ^st. Denn
die Bildung des Oradienten läßt ja die Zeit unberührt, es macht also
nichts aus, ob sie explizit im Ausdrucke des Potentials vorkommt oder
nicht. Aber das Potential ist bei variablen a nicht mehr die
negative Arbeit der Zentrifugalkraft.
Diese Arbeit ist vielmehr
+ / dmfo\r — c) - o? ^^ • dt.
Dagegen das negative Potential
1
deren relativer Differentialquotient nach der Zeit
b(r — c) , j / — c b«
c?m(D(r — c) • CO -.. + dm(o{r—c)' KfC*' — ^)
442 ^' Bftnmliohe Bewegung des starren Körpers. Nr. 294.
ist. Der TJuterschied zwischen L, der Leistung der Zentrifagalkraft,
h TT
und — T-, besteht also in dem Gliede
rfwa)(r-(j). Yt(^-c),
oder da nach Nr. 268
ist^ in
bi - "
dm(o(r—c) • A(r— c).
Die Scheinkraft — dmc ^ in demselben Sinne tvie die Zentri-
fugalkraft ein Potential.
Denn es ist bei konstantem c die negative Arbeit
dmc ' b(r — - c) = b{dmC'r—c)
Also ist — dmc stets der negative Oradient von dmc • f^-— ^, aber
dieser Ausdruck ist nur bei konstantem c die negative Arbeit der in
Rede stehenden Scheinkraft.
Endlich liat die Scheinkraft — dm ü{r — c) im allgemeinen kein
Potential.
Denn es ist ihre negative Arbeit
dmm(r — c) • b(r~c)
nach dem Yertauschungssatze gleich
dm CO ' (r — c) b(r — c).
Es ist aber (r — c)b(r — c) die in der Zeit d^ von dem Radius r — c
relativ überstrichene Flache b J^, also die negative Arbeit der Schein-
kraft — dm a}(r — e)
dmm • bjF .
Ist nun z. B. (b konstant nach Größe und Richtung und bewegt sich
der Punkt in irgend einer geschlossenen Bahn senkrecht zu co^ so ist
die gesamte Arbeit der in Rede stehenden Scheinkraft
dm G) • F
also keineswegs null^ wie es sein müßte, wenn ein Potential existierte.
Das Wichtigste zusammenfassend, können wir folgenden Satz aus-
sprechen:
Dreht sich der führende Körper mit konstanter Witikdgeschunndig-
keit um eine der RicJttung nach feste Achse und Iwi er außerdem eine
•Nr. 295. § 68. Impnlsioii und Stoß. 443
Translationsbewegung von konstanter Beschleunigung c, so gut ein
Energiesatz der Form
-dmv*— ^dnifo^Q^ + dmc - r — c ^ 1 dk - v^dt.
•o
v^ bedeutet dabei die Relativgeschwindigkeit; q den Abstand des
Punktes Ton der Drehachse durch C
Dieser Satz findet eine wichtige Anwendung in der Turbinen-
theorie bei derAbleitung der sogenannten Ludewigschen Gleichung.
(Ludewig, Allg. Theorie der Turbinen, Berlin 1890; siehe auch
V. Mises, Z. f. Math. u. Phys. Bd. 57, 1909.)
Aufgaben: 126. Wie lautet die Energiegleichung füi die Belativbewegung
in einem mit der Erdbeschleunigung g herabfallenden Fahrzeug, das sich nicht
dreht?
127. Der Leser möge versuchen, alle in diesem Paragraphen behandelten
Aufgaben und Beispiele vom Standpunkte des absoluten Raumes aus wenigstens
qualitativ zu erklären.
128. Man versuche es, sich mit Hilfe der Kelativtheorie die bekannten Er-
scheinungen in einem Fahrzeug klarzumachen, wenn dieses erst gebremst wird
und dann stillsteht, womit die Führungsbeschleunigung plötzlich aufhört.
§ 62. Impnlsion nnd Stoß.
295. Der gerade, sentrale Stoß. Wir beginnen mit diesem
einfachen Falle: es mögen sich zwei feste Körper auf einer Geraden,
zu der sie symmetrisch sind, mit verschiedenen Geschwindigkeiten be-
wegen. Sie werden dann zusammenstoßen müssen. Was wissen wir
über diesen StoßprozeB und wie berechnen wir die Geschwindigkeiten
nach dem Stoß, wenn dieselben vorher bekannt sind?
Die Massen der Körper seien M und m, die Geschwindigkeiten
allgemein TJ und u, vor dem Stoße V^ und u^^ nach dem Stoße V^
und Uj.
Kräfte, welche für das System beider Körper zusammen äußere
wären, wollen wir der Einfachheit halber ausschließen. Dann können
wir aus dem Schwerpunktssatze für beide Körper zusammen jedenfalls
schließen, daß die Summe ihrer Massengeschwindigkeiten konstant bleibt:
iHf J7 + mu = const. ^ MUi + mu^ . (1)
Während des Stoßes möge nun der Körper M vom zweiten m die
Kraft K — in derselben Richtung gezählt wie die C7, u — der zweite
vom ersten die Kraft k empfangen. Natürlich ist nach dem Prinzip
der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung
K k.
Der eigentliche Stoß möge nun die Zeit dt *^t^— t^ dauern. Wir
teilen ihn in zwei Teile:
444 X. Bänmliche Beweg^g des starren Körpers. Nr. S96^
Erste Periode: Es muß einen Moment geben^ wo sich die Schwer-
punkte beider Körper am nächsten sind. Haben die Schwerpunkte
die Abszissen X und x, so trifft das zu^ wenn ^
d. h.
ist. Dieser Zustand sei zur Zeit t^ erreicht, als erste Periode wählen
wir die Zeit von t^ bis t^: die Periode der Kompression.
Die gemeinsame Geschwindigkeit JJ ^u^ c zur Zeit t^ können
wir nach (1) berechnen, es ergibt sich
c _ ^^t + «». . (2)
iM + m ^ ^
Etwas können wir nun jedenfalls über die Krafb K resp. Tc aussagen^
denn nach dem Schwerpunktssatz ist für den ersten Körper allein
Daraus folgt durch Integration über die erste Periode
»o
Das Integral H^ der rechten Seite: ei4 Zeitintegral über die Kraft Ky
wollen wir ihren Antrieb während dieser Zeit nennen. Ihn können
wir ans der vorstehenden Formel berechnen unter Benutzung von (2)
Natürlich berechnet sich der Antrieb A^ der Kraft k ebenso zu
Zweite Periode: die Periode der Restitution sei die Zeit
von (q bis t^, faUs überhaupt eine Trennung eintritt. Zu ihrer Be-
handlung bedarf es einer Hypothese, denn die Mechanik des starren
Körpers ist nicht imstande^ eine Antwort auf dem ihr an sich wesent-
lich fremden Gebiete des Stoßes zu geben. Auch die Ansätze der Elasti*
zitätstheorie haben noch kein voll befriedigendes Resultat ergeben.
Man unterscheidet nun seit Newton zwei extreme Fälle^ zwischen
denen die Wirklichkeit in der Mitte liegt:
a) den vollkommen unelastischen Stoß: es findet gar keine
Wiederherstellung des alten Zustandes statt^ beide Körper bleiben an-
Nr. 296. § 6S. ImpulBion und Stofl* 445
einander haften und bewegen sicli mit der gemeinsamen öeschwindig-
keit c fort. Also ist in diesem Falle
U, = u, = c^^^-P^.
Natürlich ist dann die Kraft K und ihr Antrieb in der zweiten Periode nuU.
b) Den vollkommen elastischen Stoß: die Wiederherstellung
erfolgt spiegelbildlich der Kompression, was den Kraftverlauf angeht;
also ist ihr Antrieb in der zweiten Periode gleich dem Antrieb in der
ersten Periode. Wir setzen also
natürlich ebenso
Aj « Äi .
Zur Endrechnung nehmen wir gleich
c) den wirklichen Fall, der die beiden anderen in der Grenze
umfaßt. Es wird in Wahrheit H^ weder null noch ganz gleich H^
sein, sondern ein echter Bruch von H{i
wo 0 < £ ^ 1. € heißt der Restitutionskoeffizient.
Nun ergibt der Schwerpunktssatz für jeden einzelnen Körper,
über die zweite Periode integriert, sofort
»»(«, -c) = Ä, = £Äi e j[^-{ui - üi),
woraus sich mit Benutzang von (2) U^ und u, berechnen:
jj (JM — «1») t/i + (1 + *) W»**!
^« — m-fM
(m-tM)t«.+(l + 0 M U,
"» " m-\-M
(I)
Es ist noch interessant, den Verlust an kinetischer Energie zu
berechnen: derselbe ist
Setzt man das Resultat (I) ein, so erhält man
JE^\{\-B*) ^-l^^{U,-u,Y. (II)
446 ^« Räumliche Bewegung des stftrren Körpers. Nr. 296.
Bei dem vollkommen dastischen Stoß (^ =» 1) tritt kein Energieverlust
ein, für deti vollkommen unelastischen Stoß (£ =» 0) ist er ein Mtiximum,
Aufgaben: 129. Man zeige, daß beim vollkommen elastischen Stofi und
gleichen Massen die Körper ihre Geschwindigkeit vertauschen.
130. Man nehme die eine Masse M als vor dem Stoße ruhend und sehr groß
an (feste Erde). Man berechne die Resultate fSr limes 3f »oo, insbesondere
auch den Energieverlust
131. Wie groß ist e, wenn ein Ball nach dem Aufstoßen auf die Erde nur
mehr auf ein Viertel der Fallhöhe emporsteigt? (Von den Energieverlusten durch
Luftwiderstand werde abgesehen.)
Über den Bestitiitionskoeffi.zienten e liegen nur sehr spärliche
Untersuchungen vor. Er wird zumeist als eine Materialkonstante an-
gesehen, doch ist diese Behauptung recht unsicher. Einige Zahlen
findet man in der ^^Hütte'^
296. Bie Oriindgleioliimgen der Impnlslon. StoBprozesse
zwischen festen Körpern haben die Eigentümlichkeit, daß es sich bei
ihnen um sehr große, aber nur sehr kurze Zeit andauernde Kräfte
handelt, welche im ganzen eine endliche, merkliche Geschwindigkeits-
änderung hervorrufen. Wirkt auf einen Körper eine solche Kraft k
die Zeit ^dt, so ist nach dem über dt integrierten Schwerpunktssatze
m/^fv = I kdt.
--J.
Wenn also auch k groß, /it klein ist, so nimmt doch der Antrieb
einen gewöhnlichen Wert mittlerer Größe an.
Es liegt nun eine Vereinfachung nahe, die um so mehr am Platze
sein wird, als man meist über den genaueren Verlauf der Krafk k
nichts weiß und nach unserem Stande der Erkenntnis froh sein muß,
etwas über den gesamten Antrieb aussagen zu können.
Diese Vereinfachung besteht darin, über die Zeit /It hinwegzusehen,
d. h. den Vorgang dahin zu idealisieren, daß mau Jt = 0 werden läßt,
k dafür unendlich, doch so, daß
lim / kdt
einem bestimmten endlichen Werte % zustrebt. Es ist dann natürlich
für einen Punkt
mJv = h. (I)
Der so idealisierte Prozeß heißt eine Impulsion, h die Momentan-
kraft oder Stoßkraft.
Eine Momentankraft erzeugt also plötzlich eine Geschwindigkeits-
änderung, welche durch vorstehende Gleichung gegeben ist. Dabei ist
natürlich Jv, genauer gesagt, die Änderung der Schwerpunktsgeschwindig-
keit, h die Summe aUer äußeren Momehtankräfbe. Neben den Schwer-
Nr. 297. § 52. Impnleion und Stofi. 447
pimktsatz tritt natürlich der Momenteusatz. Während aber der
Schwerpunktsatz ohne Vernachlässigung gilt^ d. h. auch dann, wenn
wir den genannten Grenzübergang nicht yomehmen, und unter h den
Antrieb dier äußeren Eiäffce verstehen, werden wir sehen, daß für die
abzuleitende Form des Momentensatzes der Grenzübergang wesentlich ist.
Aus dem Momentensatze für endliche Kräfte
folgt durch Integration, bei beliebigem Bezugspunkt
/ dmrwdt = / ^rkdt.
Nun ist unter den Integralen r eine Funktion der Zeit. Wenn
aber die Geschwindigkeit endlich bleibt, was wir ja annehmen wollen,
so ändert sich f stetig; machen wir also den Grenzübergang zu z/^»0,
so kann man während der Zeit /1t f als konstant ansehen und vor
das Zeitintegral ziehen. Daher gilt
wo ef » / dmrvdt und v im allgemeinen die ganze Geschwindigkeit ist.
Für den Imptdsionsproeeß ist die plötzlich eintretende Änderung
des Impulsvektors gleich dem Gesamtmoment der äußeren Momentan-
kräfte.
Dieser Satz gilt für jeden Bezugspunkt. Ein Moment D von
Momentankräften wollen wir auch einen Drehstoß nennen.
Aus der Momentengleichung folgt eine dynamische Inter-
pretation des an sich kinematisch definierten Impulsvektors.
Dreht sich ein Körper, so daß er augenblicklich den Impulsvektor J
hat und stellen wir uns die Aufgabe, ihn plötzlich durch einen Dreh-
stoß zur Ruhe zu* bringen, so ist ^J = — Jy also D=^ — J. Wir
brauchen zum Anhalten also einen Drehstoß, dessen Vektor der Größe
nach gleich, der Richtung nach entgegengesetzt dem Impulsvektor ist.
297. Verhalten der Beibung bei StoBproBessen. Wirken
bei Stoßprozessen auch noch gewöhnliche, endliche Kräfte mit, so ver-
schwindet in der Grenze ^t = 0 ihr Zeitintegral, ihre Wirkung fällt
also für den Stoßprozeß foi*t.
Es ist wichtig, sich zu überlegen, wie sich die Reibung dabei
verhält.
Es ist für Gleitreibung R = fN, für Haftreibung R £ f'N.
Es wird also die Reibung dann den Charakter einer Stoßkraft
annehmen, wenn der Normaldruck es tut, sonst aber nicht.
Der Normaldruck aber, als passive Kraft, d. h. als Kraft, die erst
durch das Problem selbst ihre Größe bekommt, wird bald den Cha-
448 ^ B¨iche Bewegung dei Btftrzen KOrpen. Kr. S98.
rakter einer Stoßkraft annehmen können, bald nicht. Er wird es dann
tnn, wenn die Art des Problems ihn dasn zwingt. In manchen I^en,
in den sogenannten statisch unbestimmten Fallen, in denen eine Tolle
Bestimmung aller Reaktionskrafte nicht möglich ist, wird die Frage
mit der Mechanik des starren Körpers gar nicht zu entscheiden sein.
Auf dem eigentümlichen Charakter der Reibung beruhen manche
Kunststücke, z. B. das folgende, das als lehrreich hier aufgefOhrt sei.
Auf eine Reihe von Glasern wird horizontal eine ebene Platte
gelegt, darauf senkrecht über jedes Glas ein nicht zu schmaler, oben
etwas ausgehöhlter Stab gestellt, auf den wiederum je ein Ei gesetzt
wird. Würde man die Platte langsam seitlich bewegen, so würden in-
folge der Reibung Stabe und Eier mitgehen. Die Kunst besteht nun
darin, durch einen scharfen Schlag die Platte seitlich herauszuschleudern,
so dafi die Stabe und Eier nicht mitgehen, sondern in die untergesetzten
Glaser fallen. Die Erklärung dieser Möglichkeit ist einfach. Bei einem
scharfen genau horizontalen Schlag wird der senkrechte Normaldruck
zwischen den verschiedenen Körpern nicht alteriert, er bleibt gleich
den Gewichten der Lasten. Also bleibt auch die Reibung endlich,
kommt mithin für den StoBprozeß nicht in Frage, so daß der Stoß
als reibungsfrei angesehen werden kann, eine horizontale Kraftüber-
tragung auf Stabe und Gläser in merklichem Maße nicht stattfindet,
diese also an Ort und Stelle bleiben.
Behandeln wir jetzt ein Beispiel, in dem die Reibung den Charakter
einer Stoßkraft annimmt.
298. Stoß einer rotierenden Kugel gegen eine rauhe Wand.
Wir beschränken uns auf das ebene Problem: v^ eei die Qeschwindigkeit vor
dem Stoße, a^ die Winkelgeschwindigkeit, a^ der Einfallswinkel, v, , o, , o, seien
die Größen nach dem Stoße, v, od die vaiiabeln Werte während des Stoßes.
Ist dann k der normale Stoß, so ist jedenfalls
m (t?, cos «1 + t?i COB a^) = Ä . • (1)
Die Geschwindigkeit des Berührungspunktes ist vor dem Stoße
v^ sin «1 -f" ''••i
nach dem Stoße
17, sin a, + r»,,
im selben Sinne gerechnet; folglich ist
m(t7, sin a, + r«, — v^ sin a^ — ro^) = V, (%)
wenn h' den Reibungsstoß bedeutet.
Endlich gibt der Momentensatz
JJ:= T{(o^ — Ol) =- rh\ (8)
Fig. SS8.
Es wäre eigentlich noch ein Stoßmoment, das dem Moment der Rollreibung
entspricht, zu berücksichtigen, doch wollen wir der Einfachheit halber davon ab>
sehen, es wird ja auch bei harten Körpern verhältnismäßig gering sein.
Nun sind zwei Fälle denkbar:
Nr. 298. § 62. Impulsion and Stofi. 449
a) entweder geht die Tangentialkomponente der Geschwindigkeit anf Nnll
herunter und bleibt dann null: die Reibung hat dann während dieser Zeit den
Charakter der Haftreibung und folglich ist
\K\%fh \
dafür aber \ (a)
«, sin «, + rw, =— 0 J
b) oder es bleibt die Tangentialkomponente von Null verschieden, dann ist,
die Gültigkeit des Coulombschen Gesetzes yorausgesetzt,
7»'i=A (b)
das Zeichen von K ist dem von v sin a-^-rm entgegengesetzt.
Als Stoßhypothese wollen wir nun einfahren, daß sich für die Normal-
komponente die Gesetze des geraden zentrierten Stoßes Q bertragen, daß also nach
Nr. 296
r, cos er, =» 8 • Vj cos a^ (4)
sei. Es müßte freilich diese Hypothese noch an der Erfahrung geprüft werden.
Jetzt können wir das Problem, v, , a, , cd, zu bestimmen, lösen.
Fall a. Man berechnet aus (4) (a) (2) und (8) xmter Elimination von K
v^ cos ce, =>» BV^ cos a^ ,
ö>f == ®i — f^{^i si» «1 + ^^\)>
r*
v, sin a, :s — r ©, =« — rta^ + -^m {t\ sin «j -(- rto^) .
Ob dieser Fall. nun wirklich eintrifft, hängt davon ab, ob für die aus (1) und
(2) berechneten Werte von h und K 'h'\<fh ist, d. h. ob
17, sin «j 4" ''^i I '^f' (1 +*)^i <^8 a, (A)
ist.
Fall b, . Sei dauernd VBina-\-ra) >> 0, so daß
Ä' = ~A (b,)
ist. Dann berechnen sich aus (1), (2), (3), (4) und (b,) die Unbekannten r, cos a^
v^ sin et, , 09, , Ji und h zu
.,. t?, cos a, = f • r, cos a^ ,
öj « «, — — fm(l + 1) Vi cos «1 ,
t;, sin a, SS — r©, -f t?, sin a, + ro, — /*(! -}-») »i cos a^ ,
=- Vi sin a, + (^ — ij /•(! + e)«^i cos a, ,
■
dabei ist jedenfalls r< wir*, also „, — 1 > 0.
Insbesondere berechnet sich der Ausfallwinkei zu
£
Also wegen s<^l
Hamel: Elementare Meohudk. 29
450
X. Ränmliche Bewegung des starren Körpers.
Nr. «99.
Nur in dem Idealfalle « »« 1 und /'» 0 folgt das bekannte (besetz der Gleichheit
▼om Einfalls- und AuBfallswinkel. Nun bedarf es aber noch einer Kontrolle.
Ist auch wirklich noch
u, sin «2 +r«, >0?
Man berechnet aus den Formeln (2), (bj und (1)
«, sin a, -f rcD, = Vi sin «^ + rm^ — f{t + *) «^ cos a, ,
v, sin «1 + r «1 > /"(l + *) Vi cos ucj
es muß also
(B.)
sein, eine Bedingung, die bei positivem v^ sin 04 +roi>i gerade (A) ausschließt.
DerFall b,, daß dauernd v sin a -|- roo -< 0 sei, mag dem Leser zur Durch-
führung überlassen bleiben. Als Bedingung erhSlt man
— v^ sin «j — r», > f(l -f s) t?j cos «j ,
(B.)
so daß sich zeigt, daß sich — immer die Gültigkeit des Goulombschen Gesetzes
Torausgesetzt — die drei Fälle immer gegenseitig so ausschließen, daß einer und
nur einer eintritt.
299. Ber BtoAmittelpiinkt. Ein freier starrer Körper, der
eine Symmetrieebene besitzt und zunächst noch ruhe, möge in seiner
Symmetrieebene exzentrisch gestoßen werden. Welche
Bewegung beginnt er? Nach dem Schwerpunktssatz
wird der Schwerpunkt eine Geschwindigkeit v* an-
nehmen, die sich aus der Gleichung
mv* = h
nach Richtung und Größe bestimmt. Außerdem aber
wird eine Drehung eintreten, die sich nach dem
k Momentensatz
T^m = hs
zu (D = h-^- berechnet.
Wo liegt das Momeutanzentrum M?
Nach den Ergebnissen von Nr. 224 liegt es jedenfalls senkrecht
Fig. 883.
zu V*.
Sei MS = a, so muß ferner
V
«
aco
sein, woraus sich
a =
<o
m
berechnet.
Bestimmen wir noch die Entfernung des Drehpols M von der
Stoßkraft h, d. h. die Strecke MF = a + s
a + s = = — = 1.
ms ms '
wo l die reduzierte Pendellänge des Körpers für den Punkt F, M also
der zu F gehörende Schwingungsmittel punkt ist (siehe Nr. 195).
Nr. 300. § 52. Impulsion and Stoß. 451
Da man die Bedeutung vom Aufhängepunkt eines Pendels und
Schwingungsmittelpunkt vertauschen kann, so kaim man den Satz so
aussprechen:
Stößt man einen Körper in einem Punkte F, so liegt das Mo-
mentamentrum der eintretenden Bewegung auf der durch den Schwer-
punkt gehenden Senkrechten zur Stoßkraft in demjenigen Punkte M,
für den F Schtvingungsmittelpunkt ist.
Hätte man also M befestigt, um die Bewegung um M zu er-
zwingen, so wäre ein Zwang, d. h. ein Reaktionsstofi in M gar nicht
nötig, wenn man gerade im Schwingungsmittelpunkt F von M senkrecht
zu MF stößt, da dann die Bewegung von selbst um M stattfindet.
Will man einen Körper, der sich um eine feste Achse 0 drehen
kann, so stoßen, daß die Achse keinen Stoß auszuhaUen hat, so muß
man ihn in dem zu 0 gehörenden Sditmngungsmittelpunkt F senkrecht
zu OSF treffen.
Man nennt deshalb den Schwingungsmittelpunkt auch Stoßmittel-
punkt (centrum percussionis nach Descartes, der schon die Theorie
desselben kannte und einige Beispiele berechnete. Die Berechnung
kommt auf die von" Schwerpunkten und Trägheitsmomenten heraus).
Erfahrungsgemäß ist jedem Handwerker die Existenz und Bedeutung
des Stoßmittelpunktes bekannt: er wird ein Schlag Werkzeug (Hammer)
stets so anfassen, daß sein Handgelenk keinen heftigen Stoß erfährt.
Ebenso wird man Maschinen, welche Stößen ausgesetzt sind, mög-
lichst so konstruieren, daß die Drehachse stoßfrei wird, einmal aus
Festigkeitsgründen, dann auch deshalb, damit für den Stoßprozeß das
Lager als reibungsfrei angesehen werden kann. Auch der Elöppel in
einer Glocke wird stoßfrei aufgehängt.
300. Bas ballistisohe Pendel von Bobins (1742) dient dazu,
Geschwindigkeiten von Geschossen zu messen: es besteht aus einem
kastenförmigen Pendel, das mit weichen aber zähen
Materialien angefüllt ist, um das Geschoß aufeufangen [ y
und möglichst schnell zur Ruhe zu bringen. Trifft das
Geschoß im Abstände s von der Drehachse mit der
Geschwindigkeit v ein, so ist in bezug auf die Dreh- ^
achse vor dem Stoß das Moment der Massengeschwin-
digkeiten mso). Durch den Stoß wird das ganze Pendel
mitsamt dem steckengebliebenen Geschoß eine Winkel- m
geschwindigkeit o erhalten haben, das Moment der
Massengeschwindigkeiten nach dem Stoß ist demnach ^ ^^
{T-{-ms^)(o.
Nehmen wir die Achse als reibungsfrei an, was wir um so mehr tun
dürfen, je näher der Treffpunkt dem Stoßmittelpunkt liegt, so wirkt
29 •
V
452
X. Bäumliche Bewegung des starren Körpers.
Nr. 801.
auf das ganze System von Geschoß und Pendel zusammen kein Dreh-
stoßy also ist nach dem Momentensatz, der ;mangels eines Drehstoßes
die Erhaltung des Momentes der Massengeschwindigkeiten aussagt^
abo
msv -= {T + m^)(o,
T + ms*
V = — ■ (O.
ms
m's'A;'
(D kann aber aus dem Ausschlage des Pendels bestimmt werden (siehe
Nr. 92).
301. Bnergteverlnst beim Stoße eines HammerwerkeB.
Ein um eine horizontale Achse drehbarer Hammer werde durch den Daumen
eines rotierenden Rades angestoßen und so in die Höhe gehoben. Welche Be-
wegung tritt ein und wie groß ist der Energieverlust, wenn wir den Stoß als
unelastisch ansehen, d. h. annehmen, daß nach dem Moment des ^uftreffens
Daumen und Hammer so
lange in Berührung bleiben,
bis sie voneinander abgleiten?
Der Einfachheit halber
wollen wir annehmen, daß
die Drehpunkte 0, 0' und
der Treffpunkt F auf einer
Geraden liegen, und daß
diese Gerade auch die Be-
rührungsfläche zwischen Dau-
men und Hammer enthalte.
0^ sei r, O'F^^^r^ alle Größen bezüglich des Hammers mögen gestrichelt,
alle bezüglich der Welle ungestrichelt werden.
Die Welle habe vor dem Stoße die Winkelgeschwindigkeit Og. Dann ist
wegen der Hypothese des unelastischen Stoßes
r(D»ro>'. (1)
Der Momentensatz gibt für die Welle
— h ist die Stoßkraft — , für den Hammer
(8)
(8)
(*)
r<D' = Ar'— TP'.
W lesp. W bedeuten die ReibnngsmomeDte in den Lagern
Seien die StoBdxucke in den Lagern D und 2)', so ist
wenn p, q' die Radien der Beibungskreise bedeuten. Um nun D undD' zu finden,
wenden wir den Schwerpunktssatz auf Welle und Hammer an.
Die Welle sei zentriert, dann ist, weil der Schwerpunkt in Ruhe bleibt,
und D und h die einzigen Stoßkräfte sind, die auf die Welle wirken
D^h. (6)
Der Hammer dagegen wird exzentrisch sein, s sei die Entfernung des Schwer*
punktes 8* von 0' und Hege, der Einfachheit halber sei das angenommen, eben-
falls auf der Geraden 0F0\
Ni. 808. § 62. ImpnlBion und Stoß. 453
Dann gibt der Schwerpnnktssatz ffir den Hammer
mV©'« — Ä + D'
d.h.
D'^h + m's'to'. (6)
Setzen wir nun (6) nnd (6) in (4) ein, dann (4) in (2) und (8), so können wir
aus (1), (2), (3) unter Elimination von k die Werte Ton a> und a berechnen. Wir
erhalten
O SS CO,
0 fT'
09 =a>«
Man kann nun leicht den Energieverlust infolge des Stoßes ausrechnen;
2 - -" 2 2
JE= ^ TcDo»--~Tai« — -^r©'«,
in den man nur die Ergebnisse für © und ©' einzusetzen braucht. Wir geben
die Schlußformel nur für den Fall p «« ^' » 0 , d. h. bei YemachläsBigung der
Zapfenreibung
1 r'r*
2 ^ T'r*-\- Tr*
Das ist natürlich nicht der ganze Energieverlust, den die Maschine decken muß.
Während nach dem Stoße der Hammer abgleitet, geht auch noch Energie infolge
der Reibung verloren und außerdem noch Energie infolge der Zapfenreibung
während des Leerlaufes der Welle.
Eine volle Theorie solcher Hammerwerke auf Grund der vorgetragenen Stoß-
prozesse hat wohl zuerst Poncelet aufgestellt, der geniale Begründer der eigent-
lichen technischen Mechanik zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Siehe auch das
Referat von Heun: „Die kinetischen Probleme der wissenschaftlichen Technik*\
302. Plötsliohe Fixierungen. Die umgekehrte Aufgabe, wie
die, einen Körper durch einen Anstoß in Bewegung zu setzen, ist die
Beantwortung der Frage: Welche Bewegung tritt ein, wenn ich dem
schon bewegten Körper plötzlich gewisse Bewegungsbeschränkungen
auferlege, wenn ich z. B. plötzlich einen Punkt oder eine Achse fixiere?
1. Behandeln wir zunächst das ebene Pro-
blem. Ein Körper befinde sich in ebener Be-
wegung, V sei die Geschwindigkeit des Schwer-
punktes, o die Winkelgeschwindigkeit. Plötzlich
werde ein Punkt A festgehalten in einer Haupt-
ebene parallel der Bewegungsebene. Welche
Drehung um A tritt ein und wie groß ist der
Reaktionsstoß von A? ^ plg. »se.
Wir legen durch A ein Koordinatensystem,
die rr-Achse sei v parallel. In bezug auf dieses Systems habe der
Schwerpunkt S momentan die Koordinaten x, y.
454 X. Räumliche Bewegung des starren Körpers. Nr. 802.
Nach dem Stoße habe der Körper die Winkelgeschwindigkeit to^,
BO daS 8 die Geschwindigkeitskomponenten
— y(Oi und x(o^
bekommt.
Seien h^, h die Stoßkomponenten^ welche das Lager A auszuhalten
hat, so ist nach dem Schwerpunktssatz
mxo)^ =*« — Äy
und nach dem Momentensatz, bezogen auf den Schwerpunkt
Daraus berechnen sich die Unbekannten a^, \, h^ zu
^s my
wo Ta=» T5+ w(a;* + y*) das Trägheitsmoment in bezng auf -4. ist.
A,=- wywi + wv,
Ay« — mxcj^
sind die Komponenten des Reaktionsstoßes ^ den das Festhaltende in
A empfängt.
Aufgabe 132: Ein homogener Stab von 1 m Länge und 1 kg Gewicht be-
wegt sich senkrecht zu seiner Längsrichtung ohne Drehung mit einer Geschwindig-
keit Ton 6 m/Sec. Er stößt mit einem Ende an. Welche Winkelgeschwindigkeit
wird er erhalten und wie groß ist der Stoß?
2. Losen wir die allgemeine Aufgabe: Ein irgendwie bewegter
starrer Körper wird plötzlich in einem Punkte A festgehalten. Wie
bewegt er sich hinterher und wie groß ist die Stoßkraft?
Sei V die Geschwindigkeit des Schwerpunktes vor dem Stoß, Js
der Impulsvektor der Drehung um den Schwerpunkt vor dem Stoß,
Jaj Ja die Impulsvektoren bezüglich A vor und nach dem Stoß; ö
und rä' die entsprechenden Winkelgeschwindigkeiten, Vektor SA^ s,
die Stoßkraft, welche das Hemmnis in A empfängt, gleich Ä.
Dann hat nach dem Stoß 8 die Geschwindigkeit — Jäi'y also ist
nach dem Schwerpunktssatz
W(— 5ö'— V) = — Ä (1)
und nach dem Momentensatz
JI-Ja-^0. (2)
Dabei ist
Nr. 302. § 52. Impulsion und Stoß. 455
WO Ea di6 Rotationsenergie um den Punkt Ä nach dem Stoße ist,
so daß die Gleichung (2) eine Gleichung für a' ist. Dabei ist nach
dem allgemeinen Satze über den Wechsel des Bezugspunktes bei Mo-
menten
Ja =» Js — ♦wst?.
Wenn man die Ergebnisse von Nr. 273 benutzt, kann man die
Gleichung (2) nach m' auflösen. Man drücke Ea durch Ja aus; dann ist
o
Man bilde also formal diesen Differentialquotienten und setze nach
der Differentiation für Ja den Wert Ja^ Js — ^sv ein.
Gleichung (1) gibt dann den Stoß:
h = m{s(ö' + v).
3. Ein Körper, dessen Bewegung vorher ^durch die Geschwindig-
keit V des Schwerpunkts und durch q resp. Js gegeben war, werde
plötzlich gezwimgen, um eine bestimmte Achse ^ reibungsfrei zu rotieren.
Die Achse wird Stoßkräfte ausüben, welche jeine Resultierende h
und für einen Punkt Ä der Achse ein Moment D haben, das jedoch
senkrecht zur Achse steht, da die Reaktionskräfbe kein Moment um
die Achse haben können.
Die Stoßgleichungen lauten
Jl -Ja-D, (1)
w(s^' — v) =- Ä, (2)
wo ö' in der gegebenen Geraden liegt, s_'^ AS ist.
Aus (1) und der Bedingung, daß D senkrecht zur Achse steht,
folgt zur Bestimmung von cd', daß die Komponenten von Ja in Rich-
tung der Achse vor und nach dem Stoße einander gleich sein müssen.
Die Komponente nach dem Stoße ist Tc3', wenn T das Träg-
heitsmoment bezüglich g ist. Dagegen ist
Ja — Js + msv.
Nehmen wir nun als Achsen die Hauptachsen durch S und habe in
bezug auf dieses System ^ die Richtungskosinusse a, &, c; A die Ko-
ordinaten Xf y, Zy so hat Ja nach g die Komponente
A(a^- a -\- B ' Q^'h + Cco^, c — miyv^ — zv^a
— m{zv^—xv^b — m(xVy^yv^)c.
456 ^- Rftomliche Bewegung dei stanen Körpen. Kr. 803.
Nennen wir diesen Ansdraek, den wir als bekannt ansehen dfirfen,
wenn die Bewegung vorher bekannt war, knrz Jj so berechiftot sich o'
ans der Gleichong ^ , ^
Ä und D berechnen sich dann nach den Gleichungen (1) und (2).
308. Oeachlchto und Zdtorator. Schon bei Galilei tauchen
Stoßprozesse auf Eine systematische Behandlung findet der Stoß bei
Marcus Marci und Descartes um 1600. Descartes liebte den Stoß
aus metaphysischen Grönden; nach ihm sollte das ganze Weltgeschehen
in Stößen bestehen. Er behauptete daher auch die Erhaltung Ton
gcimo, was freilich nur bei Stößen in derselben Richtung richtig ist;
wir wissen aus dem Schwerpunktssatze, daß bei einem System, das von
äußeren Stoßen frei ist, nicht gdmt?, sondern ^dmv erhalten bleibt.
Drei Autoren nun brachten die Stoßtheorie gegen Ende des 17. Jahr-
hunderts auf den Stand, den wir hier vorgetragen haben: Wallis,
Huyghens und Wren. Wallis entdeckte 1668 den Stoß unelastischer
Körper, die beiden anderen Autoren unabhängig voneinander die Ge-
setze des elastischen Stoßes. Newton faßte die Ergebnisse zusammen
und erj^uizte sie in der geschilderten Weise.
In der Zeit um 1800 machten dann die französischen Mechaniker
der Ponceletschen Schule noch manche Anwendungen und Versuche
über den Energieverlust bei Stößen, so namentlich L. Carnot.
Eine neuerliche Aufiiahme und Erweiterung der Experimente in
einem den technischen Anwendungen entsprechenden Maßstabe wäre
äußerst wünschenswert.
F. Neumann und St. Venant, dann später Heinrich Hertz und
W. Yoigt haben versucht, von der Elastizitätstheorie her einiges Licht
in das Dunkel der Stoßprozesse zu bringen.
Eine wertvolle Förderung unserer Kenntnisse von den elastischen
Stoßvorgängen bedeutet die Habilitationsschrift von C. Ramsauer:
Experimentelle und theoretische Grundlagen des elastischen und me-
chanischen Stoßes. Ann. d. Phys. (IV), Bd. 30, 1909.
Poisson löste analog unserer Darstellung in Nr. 295 mit Be-
nutzung der Sätze von 296 den allgemeinen einpunktigen Berfihrungs-
stoß zweier starrer Körper.
Wegen weiterer Ausführungen theoretischer Art sei auf die Lehr-
bücher verwiesen, vor allem auf das Werk von Thomson und Tait:
Natural Philosophy, und auf Routh, Dynamik, Bd. I, Kap. H, ni,IY,
VI, vn.
Nr. 804. § 63. Die sjnthetiBche Methode. 457
Kapitel XI.
Kinetik der Systeme, die ans einer endlichen Anzahl
starrer Körper bestehen.
§ 53« Die synthetische Methode.
304. Allgemeine Bemerkungen. Eingeprägte und Beak-
tionBkrftfte. Wir betrachten ein System, bestehend aus einer end-
lichen Anzahl starrer Körper, die sich gegenseitig berühren und von
festen oder selbst wieder bewegten starren Flächen gestützt werden können.
Fast alle Maschinen, sofern sie nicht unmittelbar flüssige oder leicht
biegsame Elemente (Seile, Riemen) enthalten, können dazu gerechnet
werden. Die Berührung kann natürlich sehr verschiedenartig sein,
häufig wird der eine Teil einen Zapfen tragen, der dann von einer
zylinderförmigen Höhlung eines anderen Körpers berührt wird.
Ein solches System kann Kräften unterworfen sein, die als ge-
geben oder doch durch Messung leicht bestimmbar angesehen wer-
den können, z. 6. der Schwere, elektrischen und magnetischen Kräften,
Drucke von anderen Körpern, die aber weder zum System selbst noch
zu den starren Führungsflächen gerechnet werden (z. B. Dampfdrucke,
Ej-aftabgabe der Maschine an Arbeitsmaschinen vermittels Treibriemen
durch Druck und Reibung zwischen Riemen und Triebrad); auch die
gegenseitige Anziehung der Teile vermöge der allgemeinen Gravita-
tion gehörte hierher, wenn wir sie berücksichtigen wollten.
Eine andere Kategorie bilden die Reibungskräfte zwischen den
einzelnen Körpern oder zwischen diesen und den starren Stützflächen.
Auch wenn es sich um Gleitreibung handelt oder Roll- bzw. Bohr-
reibung der Bewegung, hängen sie noch von den unbekannten
Normaldrucken ab, sind also von vornherein nicht vollständig bekannt.
Da aber immerhin die Bewegungsreibung nicht allein durch den
bloßen Umstand, daß die Körper als sich berührend vorausgesetzt wer-
den, bestimmt ist, sondern nach physikalisch (experimentell) zu er-
mittelnden Daten (Glätte, Weichheit des Materials usw.), auch von der
Geschwindigkeit usw. abhängt, kurz noch von andern Ursachen als
der kinematischen Konstitution des Systems, so rechnen wir sie nebst
den zuerst genannten direkt gegebenen Kräften zu den eingeprägten
Kräften.
Ihnen gegenüber stehen die Reaktionskräfte, die durch die
Annahme der Starrheit aus eigentlich durch die Deformationen be-
stimmten Spannungen hervorgehen, wegen Außerachtlassung derselben
458 XL Kinetik starrer Syeteme. Nr. 305.
aber ihre physikalischen Ursachen verlieren und somit a priori als
^uizlich unbekannt anzusehen sind. Zu ihnen gehören die inneren
Spannungen der starren Körper, die Normaldrücke zwischen den starren
Körpern und die Reibungskräfte bzw. -momente, wenn es sich um Haft-
reibungen handelt, d. h. die betreffende Bewegung nicht eintritt.
Die Aufgabe wird darin bestehen, die Bewegung des Systems
und soweit als möglich auch die unbekannten Reaktionskräfte zu be-
rechnen. Soweit die eingeprägten Kräfte unbekannt sind, nämlich
Yon den Reaktionskräften abhängen (z. B. die Bewegungsreibungen),
werden sie dann von selbst mitbestimmt.
Die synthetische Methode besteht nun einfach darin, daß nmn
für jeden einzelnen Körper den Schwerpunktssatz und den Momenten-
satz aufstellt^ wobei natürlich zu den an ihm angreifenden äußeren
Kräften aUe Drucke an seiner Oberfläche mitzuwählen sind, und daß
man aus den so erhaltenen 2v vektoriellen oder 6v skälaren Glei-
chungen (v = Anzahl der starren Körper) die unbekannten Drucke
eliminiert.
Die später vorzutragende analytische Theorie wird zeigen, daß
man auf diese Weise stets genau so viele reine, d. h. von den Re-
aktionskniften explizit freie Bewegungsgleichungen erhält, als man
braucht, um die Bewegung des Systems zu bestimmen. Dagegen wird
die Berechnung der Reaktionskräfte nicht immer möglich sein, das
System kann statisch unbestimmt sein, wie man sagt. Sind Be-
wegungsreibungen zu berücksichtigen, so kann es sich infolge der sta-
tischen Unbestimmtheit ereignen, daß es nicht gelingt, die erforder-
liche Anzahl von auch implizit reinen Bewegungsgleichungen zu er-
halten; daß also die Lösung des Problems mit den Methoden der
Kinetik des starren 'Körpers (der sogenannten Stereokinetik) nicht
möglich ist. Zwar sind die Bewegungsgleichungen auch jetzt von den
Reaktionskräften explizit frei; aber die vorkommenden eingeprägten
Kräfte hängen ihrerseits wieder von den Reaktionskräften ab.
(Vergleiche zu den Ausführungen dieser Nummer auch die Num-
mern 58, 61, 62, 65, 141, 151, 167, 186, 192, 193 und 218, dann vor
allem später Nr. 312, wo wir eine allgemeine Definition der Reak-
tionskräfte geben werden). Eines Beweises der synthetischen Methode
bedarf es weiter nicht, denn Schwerpunktssatz und Momentensatz
gelten ja für jeden von uns aus der uns umgebenden mechanischen
Natur herausgegriffenen Körper.
Gehen wir also zur Behandlung von Beispielen über.
306. Bas Schnbkurbelgetriebe. Bas Problem. Das einfache
Schubkurbelgetriebe besteht wesentlich aus drei festen Körpern: den
rein rotierenden Teilen, die ein Ganzes bilden: Welle, Kurbel und
Schwungrad; den rein hin- und hergehenden Teilen: Kreuzkopf, Kolben-
Nr. 306.
§ 58. Die synthetische Methode.
459
siange und Kolben und drittens der Lenkstange^ welche beide Teile
verbindet und eine allgemeine ebene Bewegung ausführt (vgl. Nr. 155).
Das System hat einen Grad der Freiheit, d. h. es genügt, eine
Yariabele, etwa den Eurbelwinkel ^, zu kennen, um die Lage des
ganzen Systems zu bestimmen. Wir brauchen also auch nur eine
reine Bewegungsgleichung.
Fig. »87.
Handelt es sich um eine Dampfmaschine, die eine Trans-
mission oder irgendeine Arbeitsmaschine antreibt, so haben wir von
eingeprägten Kräften in erster Linie zu berücksichtigen:
a) den Dampfdruck, dessen Resultierende «
ist, wo p^p^ die spezifischen Drucke hinter und vor dem Kolben, F^
und F^ die entsprechenden Kolbenfiächen sind, p^ und p^ werden als
Funktionen des Kolbenweges s — etwa gezählt Ton der äußersten
Lage des Kreuzkopfes aus, so daß 5 = r + Z — Xj^ ist — am besten
empirisch mittels eines Indikators in Form eines Diagramms aufge-
nommen.
b) Die Gegenwirkung der angekuppelten Arbeitsmaschine,
die an der Welle, eventuell an einem besonderen Triebrad auf der-
selben wirkt, und ein^ der Bewegung entgegenstehendes Moment W
sowie einen Druck D^ durch die Wellenachse ausübt. (Bei einem
Treibriemen z. B. wird W von den Reibungskräften zwischen Rad
und Riemen, D von den Normaldrucken und den Reibungen zwischen
beiden gebildet.)
c) Die Gewichte der Maschinenteile. Um nun für diese erste
Einführung in den Gegenstand eine Vereinfachung zu haben, lassen
wir sie fort, obgleich ihre Berücksichtigung gar keine wesentliche
Schwierigkeit bieten würde. Bei liegenden Maschinen (Kolbenstange
horizontal) machen in der Regel die Gewichte nicht viel aus. Anders
ist es bei stehenden Maschinen.
d) Die Reibungskräfte zwischen den bewegten Teilen bilden
eine wesentliche Schwierigkeit. Einmal deshalb, weil sie Ton den
460 XI. Kinetik starrer Systeme. Nr. 806.
Drncken abhängen, dann deshalb, weil man erst neuerdings ange&ngen
hat, die genaueren Gesetze der geschmierten Lagerreibung zu studieren
(Siriebeck u. a., siehe Nr. 60 und 143). Wir wollen uns der noch
meist üblichen Behandlungsmethode anschließen, die darin besteht, daß
man zur Berücksichtigung der Reibung zunächst einmal einen festen,
experimentell bestimmten Teil yon P abzieht, nämlich das für den
Leerlauf nötige mittlere P, und dann noch von dem variabeln Rest
Yon P eine ebenfalls aus der Erfahrung bestimmte Anzahl yon Pro-
zenten. Im folgenden soll P schon stets den so reduzierten Dampf-
druck bedeuten, so daß wir dann von der Reibung absehen können.
Eine sehr exakte Berücksichtigung des Reibungswiderstandes wird so
natürlich nicht erzielt.
An Reaktionskräften haben wir nun:
a) den gesamten Widerdruck D^ des Wellenlagers, er geht
durch die Lagermitte;
b) den Zapfendruck D^ im Kurbelzapfen und zwar D^ aus-
gehend von der Lenkstange auf die Kurbel, — D^ ausgehend von der
Kurbel auf die Lenkstange;
c) den Zapfendruck Dj^ am Kreuzkopf und zwar ausgeübt vom
Kolben auf die Lenkstange;
yd) den Lagerdruck der Führung des Kreuzkopfes und des
Kolbens; er hat eine vertikale Resultierende F^ und ein Moment Mf^
in bezug auf den Kreuzkopfzapfen.
Die Komponenten der einzelnen D mögen V und H heißen, nach
oben bzw. nach links positiv gezählt, r sei der Kurbelarm, l die
Schubstangenlänge, A = y , -ö* der Kurbelwinkel, rj ein Hilfswinkel, der
(s. Fig. 237) mit d" in der Beziehung
r :l = ainrj : sind" oder
siniy =« Jl sin d'
steht. Die drei Teile seien durch die Indizes I, U, 111 gekennzeichnet.
306. FortsetmiLg: Kinematik. 1. Der Schwerpunkt der
Lenkstange liege auf CK im Abstände a von (7. Dann sind die
Koordinaten des Schwerpunktes
x^^ r cos d' + a cos rj,
Vn =" r Bind' — a sin rj.
woraus
vermöge
ii-rico,
— wo
. COS-ö"
COST]
bedeutet
— folgen
(1)
Nr. 807. § 68. Die sjDthetisohe Methode. 461
WO S, i wohlbekannte Funktionen Ton d' sind, z. B.
S =■ — r Bin-Ö"-- a am« • X
' C08 TJ
usw. Aus den Formeln (1) folgt
X* - i(^)(b + rw«»,
Der Strich ' bedeute stets die Ableitung nach ^.
2. Für den Kolben ist die Strecke OK
OD^u^r
sin (^ -|- 7i)
cos
n )
(1')
%ii = r cos ^ + 1 cos ly,
also die Kolbengeschwindigkeit
im - - M(d) • «, (2)
wo
u(%) = r sin d" + i sin ly • iy' = r (sin -Ö" + sin iy • — *— j
oder
^ ^ COB »J
ist (vgl. Nr. 225^ wo man aus der Figur sofort entnimmt
Aus (2) folgt weiter
Xjn-- wW^ - u\d)to\ (2')
3. Endlich brauchen wir außer
ij = ria (3)
noch
ij = i^"a}* + ly'c). (3')
Man beachte aber^ daß die Winkelbeschleunigung ri der Lenkstange
rechtsherum positiv zählt.
AUe GeschunndigkeUen sind o proportional, alle Beschleunigungen
bestehen aus zwei Gliedern: das eine ist ü, das andere o' propor-
tional. Die Faktoren sind wohlbekannte Funktionen von d^,
307. Fortsetzung: Aufttellnng der Bewegnngsglelohnn-
gen. Wir erhalten für jeden der drei starren Körper drei Gleichungen,
insgesamt also neun Gleichungen. Von diesen woUen wir aber nur
diejenigen hinschreiben, die wir brauchen, um die reine Bewegungs-
gleichung zu bekommen:
I) Für die rotierenden Teile den Momentensatz bezüglich 0:
Tjc, W+H^'rsm»+ F.rcos^. (1)
462 ^I- Kinetik starrer Systeme. Nr. 807.
Der Schwerpunktssatz kann dazu dienen. Dg zu berechnen.
II) Für die Lenkstange alle drei Gleichungen:
m,,x* = H,-E„ (2)
»»nyS n+n, (3)
Tji ij « H^a sinrj — V^a cos rj — Vj^{l — a) cosiy + H^{l — a) sini?. (4)
III) Für den Kolben den Schwerpunktssatz in horizontaler Rich-
tung
^Wniä^ni « - P + J^^. (5)
Der Schwerpunktssatz in vertikaler Richtung und der Momentensatz
könnten dazu dienen^ F^ und Jf^ zu berechnen.
Nun enthalten die Torstehenden fünf Gleichungen vier unbekannte
Reaktionen, nämlich H^^ V^, H^, V^. Man kann sie in der Tat eli-
minieren, die Gleichungen sind ja linear, und wird so eine reine
Bewegungsgleichung erhalten.
Rechnet man H^ aus (5), dann JS^ aus (2), endlich F^ und F^
ans (3) und (4) aus und setzt das Ergebnis in (1) ein, so erhält man
eine Gleichung der Form
T^Ü + A-.-W+ Pr ''A°J5L+5), (I)
WO die Abkürzung Ä bedeutet
j tm "COS^ ••46/ « 1 , COS ^ \
Ä^kT^^r, -- ^ - m^x* (rem» + X^^ Bin ,, a)
I ••»1/1 \ Q. sin (^ — n)
+ rnnVaK^ - «) cos » - »»m^n'' cogi, '
Auf der rechten Seite steht außer dem Widerstandsmoment W noch
wo T den Tangentialdampfdruck bedeutet, d. h. den statisch auf
den Eurbelkreis reduzierten Druck (siehe auch Nr. 155).
Links steht außer T^a noch ein Ausdruck Ä, der yon den Massen
des Gesfönges abhängt und der verschwindet, wenn man diese Massen
als sehr klein gegen die Masse des Schwungrades (wesentlich Tj) an-
sieht. Da historisch diese letztere Auffassung die älteste ist und
sich die Notwendigkeit, die Gestängemassen zu berücksichtigen, erst
später einstellte, liebt man es, die Wirkung des Gestänges als ein Zu-
satzmoment — A auf die rechte Seite zu schieben und als ein Tom
Gestänge verursachtes Drehmoment aufzufassen. Man nennt deshalb
auch vielfach — A den Massendruck oder die Massenwirkung
des Gestänges.
Nr. 308. § 53. Die synthetische Methode. 463
308. £k)hliiß: Weitere Diskussion der reinen Bewegnngs-
gleichnng I. Der ältesten Behandlungsweise entspricht mit voller
Yemaclilässigung des Massendruckes A die Gleichung
Th^-W + rT. (Y)
(vgl. Nr. 246). Erst Radinger erkannte in seinem 1870 erschienenen
Werke: ^^Dampfmaschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit'' die Be-
dentang des Massendrucks namentlich für schnellaufende Maschinen.
Beachtet man den Umstand, daß in A jedes Glied eine Beschleu-
nigung als Faktor enthält und dann den Satz am Schlüsse von Nr. 316,
so erkennt man, daß A die Form hat
wo G{%') und H{%^) wohlbekannte, jederzeit berechenbare Funktionen
von (^ sind. Deshalb nimmt die reine Bewegungsgleichung die Form an
\T^ + G(^)](b + ^(^)ci«« - TF + rJ. (I«)
Ausgehend von dem Gedanken^ daß die Massen des Gestänges immer-
hin klein sind gegen die des Schwungrades, daß also G{d') und H^^)
klein sind gegen T, vernachlässigt Radinger noch immer G{%^) gegen
Tj und setzt in dem Korrektionsglied H{%')(o^, das wegen großen cj*s
bedeutend werden kann (cd' > cb angenommen), das an sich variable (o
gleich dem mittlem, aus der Tourenzahl bestimmten csq. Dann nimmt
Gleichung (I) die Form an
r^eb=^-Tr+rT- H{^) • a,^\ (F)
wo jetzt auf der rechten Seite lauter bekannte Funktionen von •d* stehen,
wenn der Widerstand W der Arbeitsmaschine und der Dampfdruck P
als bekannt angesehen werden dürfen.
Bei der Berechnung von Hip) pflegt man nun noch des weiteren
Vernachlässigungen zu machen, die darauf beruhen, daß ^ =^ -f ^i^®
nicht sehr große Zahl ist, nämlich etwa . • Man läßt daher wohl
immer Glieder mit k^ gegen 1 fort, was Fehler von etwa 47o aiis-
macht, oft aber schon selbst Glieder mit A, d. h. man setzt l ^ oo
gegen r und spricht von „unendlich langer" Schubstange.
Hat man so !!{%•) berechnet — das Material dazu ist durch die
vorhergehenden Betrachtungen gegeben — so ist die Aufgabe der Be-
rechnung des erforderlichen Schwungrades und ihre Lösung dieselbe
wie in der elementaren Theorie, welche die Maschine als einen ein-
zigen rotierenden Körper ansieht, auf den die Momente —W, rTy
und nun noch als Ersatz für das weggelassene Gestänge — H • a^
wirken. Wir kommen später noch einmal auf eine verbesserte Theorie
der Schwungradberechnung zurück (Nr. 320 und 321).
464
XL Kinetik aturer Systeme.
Nr. 310.
308. Antraben: ISS. Hut iteUe nuh der lyathetiKhen Methode die
beiden reiuen Bewejrangigleichiuigen tSr du Doppelpendel auf, du mu swat
■turen KOrpero beeteht, die um parallele horiEontale Achsen diehbu* eeien, dei
«ioe um eine feste Achse 0, der andere um eine feste Achse C des ersten
Kfirpers. Der Schwerpunkt des ersten EOrpon Sj liege »uf OC (Fig. S88}.
Ton WideTstftnden sehe man ab, so i
daS allein die Schwerkräfte eingeprägt sind.
Fl«, na.
n«. MO.
ISl. In derselben Weise suche man die beiden reinen Bewegnngtgleichnngen
fdz swei zjlindrische Walien, von denen die eine anf dem horizontalen Boden,
die andere parallel anf der ersten abrolle. Beide seien zentriert Ton BoU-
reibnng tiud Luftwiderstand werde abgesehen. Uan nehme an, daß reines Bollen
ohne Gleiten an beiden Berührungistellen stattfindet nnd sehe von der BoUiei-
buug ab, so daB nur die Gewichte eingeprägte Kräfte sind. Man diskatiere
aber ans der üngleichheitsbedingang ^r die Haftreibung, wie lange reines Bollen
mOgUch ist (Fig. 23»}.
186. Man stelle die eine leine Bewegnngsglaichtmg für die Schwinge auf.
Der Sohwetpnnkt der Lenkstange liege anf CK (Fig. 240).
810. TerbeMenmg der synthetlBoh«! Methode. Uan kann
in manchen Etilen direkt reine BevegangsgleicliiingeQ erhalten,
wenn man den Momeotonaatz nicht f(ir jeden einzelnen Körper allein,
sondern für geeignet zusammengefaßte Grappen und anf geeignet ge-
wählte Punkte bezogen aufstellt. Man wird es sich zum Ziel nehmen,
die Gruppen und Punkte so zu wählen, daß möglichst viele der un-
bekannten Beaktionskräfte entweder innere Kräfte werden oder doch
kein Moment haben.
Dabei hat man die Resultate von Xr. 210 zu benutzen, welche
allgemein aussagen, daS das UaBsenbeschleunigungsmoment in bezug
auf einen Punkt A gleich ist
~dt
+ msü*,
wo s = ÄS ist
Wir zeigen die Wirksamkeit der Methode an den beiden ersten
in Nr. 309 genannten Aufgaben.
Nr. 810. § 58. Die synthetische Methode. 465
1. Das Doppelpendel.
Der Momentensatz für den zweiten Körper bezüglich C gibt so-
fort die erste reine Bewegungsgleichong
Tjj^^ip — nijiX^h sin (p + wfiy*6 cos 9 =« — m^gl sin g?. (1)
Dagegen der Momentensatz fQr das ganze System, bezogen auf 0
T,3^ + ^119 - m^^x* • y* + m^y* • x*j
=- — nijga sin -ö- — fn^g{c sin d* + 6 sin g>). (2)
Dabei ist
x^^ c cos 0" + fc cos (p,
Vu ^ ^^^^ O" + 6 sin (f,
also
• • •
x^*^ — c sin ^ • d" — h sing) • ip — c cos -ö* • -9^ — 6 cos q> • q)\
y * ^ c cos ^ - & + b cosfpip — c • sin O* • O** — 6 sin qp • 9?^
Setzt man dies in die Formeln (1), (2) ein und beachtet
so erhält man
• • •
^ii,c9 + ♦Wjiftc^ COS (9 — -O") + nijihcd'* sin (q) — &) + m^gh sin 9 = 0
und
[Ti + Wii(c* + Ic cos (9 - ^))\% + [r„^,+ Wiiftc cos (9 - ^)\q>
+ ftcmii sin (9 — -9')-9'* — Wuftc sin (g? — -ö") y* + (Wj fl^a+ Wu^'c) sin %'
+ Wugri • sinigp «» 0.
Die zweite Gleichung vereinfacht sich, wenn man die erste von ihr
abzieht, zu
(Ti + m'i^c^)%^ + m^lc cos (9? — O*)^ — m^hc sin (9 — d)q)^
+ {m^ga + Wjj^c) sin -ö- = 0.
Setzen wir kleine Schwingungen voraus und bleiben bei Gliedern erster
Ordnung in -ö*, 9, b^ 9, -Ö", qp stehen, so reduzieren sich die Gleichun-
gen auf
Tu,c^ + mj^lcb + m^^glfp « 0. j
(Ti + miiC»)^ + m^ftc^ + {m^a + m^^gd' = 0. J
In eine weitere Behandlung dieser Gleichungen treten wir später
ein (siehe § 57).
Hamel: Elementare Meohftnik. 30
466 ^' Kinetik stairer Systeme. Nr. 810.
2. Das Beispiel der abrollenden Walzen. Es drehe sich die erste
Walze mit der Winkelgeschwindigkeit o = ^ rechtshemm, dann hat 8i die Ge-
schwindigkeit X'^^ra und die Beschleunigung x^^ra nach rechts.
Sil dagegen hat die Koordinaten
X'{- {r + ä) sin 9 und r + (r -|- a) cos 9 ,
also die Geschwindigkeitskomponenten
r (D + (t* + *) c®* 9 ' V ^^^ — (r + a) sin 9 • 9
endlich die Beschleunignngskomponenten
äcjj a« reo -|- (r -f- a) cos qp • gi — (r + a) sin 9 • 9 '
und
yJi =■ — (r -|- a) sin 9 • 9 — (r + o)cos 9 • 9 *.
Also lautet der Momentensatz für die zweite Walze bezüglich B
•^ILB * ^ + ''*n^*^^^9* — mjjyjfasin9 ^^m^ganntp
und der Momentensatz für das ganze System bezüglich A
^J,A ^ + ^ii,5*»»ii^ii(ö + »•) 0089 — WiiyJi(a + r) sin9 = fn^g{a + r) sin9.
Setzt man die obigen Werte für 5^ und y^j^ ein und zieht vdeder die erste yon
der zweiten ab, so erhält man die Gleichungen
[Tjj g -\- mjja{r -}- a)]^ -\- mjj^ar coB (p • ö ^ntj^^aiin9,
[Tt ^ + %!*■' cos 9] « + fnjj^r(r -f- a) 9 = Wjj^r sin 9 .
Elimination von co gibt eine Gleichung der Form
wo
- .^ %i^»^i,^"°y ^ «8in9
"" ^ii.s • ^i.^ + ^11,5 • ^i»*' «5089 + Tj^^ m^aCr + a) " /? + y cos 9 *
Das Integral
Jffp)dip
kann elementar ausgewertet werden. Setzen wir cos 9 » jsr, so ist
Also
q,*^ lg (P + y cos 9) = const = h ,
2 7
womit 9 als Funktion von 9 bestimmt ist.
In ähnlicher Weise berechnet sich
a sm9
^4^ y CO89 '
Nr. 811.
§ 68. Die synthetiBche Methode.
467
wo
also
a' = »»ij(/rTu^5,
(ö =
CO
^ + y cos qp "" ,/ /? 4- y C08 9 cp
— a' /* "°^ ^^-
(j5+yC08qp)
Setzen wir
lg(/' + yco8 9)) = ir,
— y sinqpd<p
60 wird
P 4" y cos g)
a»(2jer,
09 =
a p dz _
--„y^h-i^B+^,
oder
0}
«0— — l/2Ä—2~lg(|J + yC08qp) •
Aufgaben: 136. Man diskutiere die Aufgabe weiter für den Fall r=»a, wenn
für qp :» 0, 09 =B 0 und ij> ^^ s gegeben sei, wo e sehr klein. Wie groß sind m und
yf
9 für qp =s - , d. h. wenn die zweite Walze auf den Boden aufstößt?
m
Weitere Beispiele und Aufgaben findet man besonders in Love, Theore-
tical Mechanics, einem hübschen Lehrbuch, das namentlich die synthetische Me-
thode weit durchfuhrt.
137. Man stelle nach der Methode dieser Nummer direkt die reinen Be-
wegungsgleichungen für das dreifache Pendel auf.
311. Weiteres Beispiel: Die Wage als Meßapparat für
Ezzeutrisit&ten. Auf einem Wagearme laufe der Körper, dessen Exzentri-
zität b experimentell bestimmt
werden soll, um den Punkt C um.
^ sei der Ausschlagwinkel der
Wage, 9 sei der Winkel, den b
augenblicklich mit der Zeiger-
richtung einschließt. Der Schwer-
punkt Sj der Wage allein — even-
tuell mit einem Gegengewicht —
liege so, daß 9=^0^ g) = 0 eine
mögliche Gleichgewichtslage ist.
Das System ist fast dasselbe,
wie das Doppelpendel, nur daß
der Schwerpunkt des ersten Kör-
pers nicht auf OC liegt. Auch
sind die Winkel anders gezählt.
An den linken Seiten der
Gleichungen des Doppelpendels ändert das prinzipiell nichts, man hat nur qp -|~ ^
statt 9 zu setzen.
Dekgegen ändern sich die Momente.
30 •
Flg. Ml.
468 ^I- Kinetik starrer Systeme. Nr. 311.
In Gleichung (1) kommt auf die rechte Seite zu stehen
in Gleichung (2) dagegen
— mjga 8in(^ — «) — mn^c cos {ß + 9') — fnugb sin (^ + 9) .
Also lautet die erste Beweg^ngsgleichung
'^u^c^ + (^ii,c + *"n^^ co8<p)ä + ffinftc^* sin qp 4- Wj^gb sin 9 «» 0, (1)
die zweite dagegen, nachdem man die erste yon ihr abgezogen hat,
[rj+ mjj{c* -^bcco9tp)]d'-\-mjj^becoBq>ip — m^j&c sin 9» 9*
+ mj^asin(^ — ft) + iMu<7CCOs(^ + ^)=»0. (2)
'^ SS 0, 9 BS 0 soll eine Lösung sein, also muß
• mj a sin a ^=s mjjC cos ß (3)
sein, um die Gleichungen zu behandeln, sehen wir b und •&, ^, ^ als kleine
GrOfien erster Ordnung an. Gleichung (1) zeigt dann sofort, daß auch 9 klein
ist. Wir setzen deshalb
9 =■ «0 + V
und
wo ^, Tp ebenfalls klein sind.
Bleibt maA bei Gliedern erster Ordnung stehen, so erhält man
(Ti + i»n^*)^ — mjjbc 8in(caj t) • co^^" + (»»i« cos « — mjjC 8mß)g • ^ = 0.
Damit die Wage bei co =» 0 kleine Schwingungen macht, d. h. stabil ist, muß noch
nija cos a >• muc sin ß (4)
sein, was wir annehmen wollen.
Setzen wir noch
niTacosa — mTrCsin^ .
Wnfcco>o'
Tj + miic*""^'
so haben wir genau die Gleichung der erzwungenen Schwingung aus § 16:
d" + a'^ =s y sin cog t.
Nur fehlt die D&mpfung, die wir hier vernachlässigt haben. Nimmt man noch
eine solche proportional 9" hinzu, so erhält man eine erzwungene Schwingung,
deren Amplitude gleich
ist, aus der man also y und also auch das gesuchte 6 berechnen kann.
Nr. 312. § 64. Das Prinzip der yirtnellen Arbeiten. 469
Als Funktion von cog betrachtet, tritt das Maximum der Amplitude C ein,
£0
wenn den größten Wert hat, was für
«o^
Va«--2^«
eintritt, also bei kleinem l nahezu für m^ «sa, im Falle der „Resonanz*'. Man
wird also, um bei kleiner Exzentrizität 5 starke Wirkung zu erzielen, diesem
Falle nahe zu kommen suchen. Eine gewisse Dämpfung müßte der Apparat
haben, um den störenden Einfluß der überlagerten freien Schwingung abzu-
schwächen. Siehe die entsprechenden Bemerkungen über das Seismometer und
den Pallographen in Nr. 76.
Man sieht, daß man das Trägheitsmoment des rotierenden Körpers nicht
zu kennen braucht, um aus dem Experiment h zu berechnen. Die erste Gleichung
ist unwesentlich; sie kann dazu dienen, \j>y d. h. die Schwankungen Ton co zu
berechnen.
Einleitung in die analytischen Methoden:
§ 54. Das Prinzip der yirtuellen Arbeiten.
312. Au&telliing des Prinzips. Wir betrachten irgendein
mechanisches System. Es sei ganz bestimmt festgesetzt, welche Körper
wir hinzurechnen, welche nicht. Auch seien die Bewegungsmöglich-
keiten des Systems genau umschrieben, es seien also z. B. die Stütz-
flächen, die selbst nicht zum System gehören, in ihrer Bewegung be-
kannt, es sei verabredet, ob Berührung stattfindet und ob außerdem
noch Einschränkungen der Bewegung vorhanden sind, ob z. B. Gleiten
ausgeschlossen ist, ob Rollen oder Bohren zulässig ist usw.
Kurz gesagt, man kenne zu jeder Zeit die kinematische Kon-
stitution dos Systems, d. h. die Gesamtheit der möglichen unend-
lich kleinen Verschiebungen Sf eines jeden Punktes des Systems.
Eine solche allgemeine, mögliche, aber bloß gedachte Verschie-
bung des Systems Sf nennen wir zum Unterschied von der wirk-
lichen Verschiebung dr virtuell; sie soll stets als zeitlos gedacht
werden, d. h. die Stützflächen sollen bei ihr in ihrer augenblicklichen
Lage gelassen werden.
Sind alle Stützflächen fest, oder etwas allgemeiner gesagt: ent-
halten die gegebenen Bewegungseinschränkungen die Zeit nicht ex-
plizit, so macht die Bedingung der Zeitlosigkeit von Sf nichts aus,
dann gehören die wirklichen Verschiebungen in die Klasse aller mög-
lichen virtuellen Verschiebungen. Wir nennen das System dann sklero-
nom (Ausdruck von Boltzmann). Anderenfalls gehören die wirk-
lichen Verschiebungen df nicht zu den virtuellen, das System heißt
dann rheonom oder nicht skleronom.
Ist z. B. ein System auf die Erde gestützt und sieht man die
Erde in erster Annäherung als ruhend an, so ist das System sklero-
470 XI. Kinetik starrer Systeme. Nr. 812.
nom. Beachtet man aber die Bewegung der Erde und sieht sie als
fest gegeben an — was wohl für alle Probleme praktisch hinreichend
genau ist — , so ist das System rheonom. In Wahrheit freilich wird
jedes auf der Erde bewegte System die Bewegung der Erde — wenn
auch unmerklich wenig — mit beeinflussen. Wollte mau darauf
Rücksicht nehmen, so dürfte man die Erde überhaupt nicht als ge-
gebene Stützfläche ansehen ; man hätte dann für unser System die
Siützdrucke der Erde als äußere eingeprägte Kräfte aufzufassen, dafür
das System als frei anzusehen. Um aber die Stützdrucke wirklich
zu berechnen, müßte man dann noch die Bewegung der Erde be-
trachten. Am besten würde man freilich tun, Erde und aufgesetztes
System als ein einziges System zu nehmen.
Nachdem man sich so über die Begrenzung und die Bewegungs-
bedingungen des Systems entschieden hat, zerfallen alle Kräfte in
zwei Klassen:
1. die Reaktionskräfte ds, die allein durch die kinematische
Konstitution bedingt sind, soweit man etwas a priori über sie aus-
sagen kann, sonst aber unbekannt sind,
2. die eingeprägten Kräfte dk. Das sind alle anderen Kräfte,
die also noch durch andere Daten als die kinematische Konstitution
mitbestimmt sind. Sowie also noch irgendeine physikalische Be-
schaffenheit als Ursache einer Kraft mitspricht (z. B. Masse, Material-
beschaffenheit), ist diese Kraft eine eingeprägte Kraft.
Diese generelle Unterscheidung stimmt mit unserer früheren über-
ein (siehe dazu Nr. 304), wie der Leser selbst an einzelnen Beispielen
nachprüfen möge.
Es hängt also diese Unterscheidung immer bis zu einem gewissen
Grade von der Systemwahl und der Gesamtheit der zulässigen vir-
tuellen Verschiebungen ab.
Nun sagt das Prinzip der virtuellen Arbeiten folgendes
grundlegende statische Gesetz aus:
Eine beliebige Gruppe von eingeprägten Kräften ist an einem me-
chanischen System dann und nur dann im Gleichgewiclvty wenn die
Summe ihrer virtuellen Arbeiten für alle möglicJien virtuellen Verschie-
bungen verschwindet: ^ ^
Einfühlen kann man sich in das Prinzip folgendermaßen: Das
System sei anfangs in Ruhe. Nun wirken Kräfte dk auf dasselbe.
Man probiere alle möglichen Verschiebungen dr. Ist dann stets
Sdjkdf = 0, so zeigen die Kräfte insgesamt keine Tendenz, Arbeit
zu leisten, sie werden also auch das System wirklich nicht in Be-
wegung setzen, da sie dazu Arbeit leisten müßten. (Freilich steckt
hierin die Annahme, daß diese Arbeit nicht etwa von den Reaktions-
kräften aufgebracht wird.)
Ni. 313. § 64. Das Prinzip der virtuellen Arbeiten. 471
Eine erste Andeutung des Prinzips geht auf Aristoteles zurück
und lebt unter dem Namen der goldenen Regel des Aristoteles fort:
,^n dem Verhältnis, als bei einer Hebemaschine die hebende Kraft
kleiner ist als die gehobene Last, ist der Weg der Kraft größer als
der der Last/' Kraft und Last sind eben hier, bei Weglassung der
Reibung die einzigen eingeprägten Kräfte.
Die beginnende Neuzeit entwickelt das Prinzip weiter, bis es
Johann Bernouilli 1717 in einem Briefe an Yarignon allgemein
ausspricht. Dieser Brief ist in Varignons Nouvelle m^canique 1725
veröffentlicht.
Ehe wir uns mit dem Beweis des Prinzips befassen, wollen wir
es an einigen Beispielen erproben.
313. Beispiele.
1. Den Hebelsatz bewies schon Aristoteles nach dem Prinzip.
Wird der Hebel um öd- gedreht, so leistet^ die virtuelle AiheitpaS&y
q dagegen — qbd^. Also muß im Gleich- ---""^
gewichtsfalle A a O^--^^"'^
d. h. j
pa^qb j, Pig.m. q
sein.
2. Das Gesetz der schiefen Ebene fand auf diesem Wege zum
erstenmal ein unbekannter Autor, der am Ausgange des Mittelalters
lebte, vermutlich ein Schüler des Jordanus de Nemore. Duhem,
der Verfasser einer sehr interessanten Geschichte der Statik (Origines
de la statique), nennt ihn den Vorläufer Lionardos. (Vgl. Fig. 175,
Nr. 202).
Verschiebt sich die Last G^ um 8s nach unten parallel zur
schiefen Ebene, so senkt sich G^ um Ss sin a, G^ hebt sich um
8s sin ß. Also gibt das Prinzip der virtuellen Arbeiten, da die Ge-
wichte wegen der Unausdehnbarkeit des Fadens und Vernachlässigung
aller Reibung die einzigen eingeprägten Kräfte sind,
G^ tf 5 sin a — G^8s sin /3 = 0,
d. h.
G^ sin a^ G^ sin ß,
3. Der Flaschenzug (siehe auch Nr. 181). Wird die Last L
um 8s gehoben, so verkürzt sich die Entfernung der beiden Rollen-
träger um 8s j also das Seil um 2n8s, wenn jeder Träger n Rollen
enthält. Infolge dessen senkt sich auch die hebende Kraft h uni
2nSSf und das Prinzip verlangt bei Außerachtlassung der Reibung
2n8slc — 8sL == 0,
also
L^2nTc,
472
XI. Kinetik starrer Systeme.
Nr. 814.
4. Für den freien starren Körper hatten wir das Prinzip
schon in § 50 als richtig erkannt und bewiesen.
Aufgaben: 138. Die Zugbrücke. Man konstruiere die Kurve C für das
Laufgewicht G^ so, d. h. man berechne ihre Gleichung in Polarkoordinaten r, tp
so, dafi die Brflcke bei Yemachlässigung aller Reibungskräfte beständig im
Gleichgewicht sei (Fig. 243).
Man beachte dabei folgendes: Erhält man aus dem Prinzip der virtuellen
Arbeiten eine Beziehung der Art:
8F==dG,
wo G, F von zwei Variablen abhängen, zwischen denen eine noch zu suchende
Beziehung besteht, und soll das Gleichgewicht für alle Lagen, d. h. für alle
Werte der einen Variablen bestehen, so darf man die Gleichung integrieren:
F= G^ + const,
und diese Gleichung ist die gesuchte Be-
ziehung.
7^-^
B
i«
Fig. 844.
139. Die Roberwalsche Wage. Es seien an der gezeichneten Wage (Fig.244)
die Gewichte G^ und G^ im Gleichgewicht. Warum bleiben sie im Gleichgewicht,
wenn man ihre Angriffspunkte beliebig an den Hebeln FG und HJ verschiebt?
AB CD bildet ein bewegliches Parallelogramm; 0^, 0^ sind feste Drehpunkte
xmd liegen vertikal übereinander, HDHJ ein starrer Körper, ebenso CBFG.
Endlich sind IH und FG in einer Anfangslage horizontal und dann, wie man
leicht einsieht, für alle möglichen Lagen horizontal.
140. Man suche die Gleichgewichtslage der beiden Massenpunkte m^ und
rn^f die durch einen Idealfaden l verbunden seien, m^ hänge vertikal herab,
m, kann längs einer vertikalen glatten Stange gleiten (vgl. die synthetische
Lösung in Nr. 202, Fig. 174).
314. Anwendiing auf die Theorie des ebenen Faohwerka.
Wir wollen den Beweis des früher behaupteten Satzes ^ daß ein im
Unendlichkleinen kinematisch bestimmtes Fachwerk auch statisch be-
stimmt ist, hier nachholen (siehe Nr. 167). Ein Fachwerk hieß kine-
matisch bestimmt, wenn es zwar an sich unbeweglich, dagegen bei
Weglassung irgendeines Stabes beweglich wurde. Erleidet der fort-
gelassene Stab die Verlängerung dZ, der vte Knotenpunkt dagegen die
Verschiebung dr^, so hieß das Fachwerk auch im Unendlichkleinen
kinematisch bestimmt, wenn bei dl ^0 auch keine unendlich kleinen
Nr. 316. § 64. Das Prinzip der virtuellen Arbeiten. 473
von Null Terschiedeuen dr^ niöglicn waren, oder was dasselbe ist,
wenn bei irgendeiner virtuellen Verschiebung die Verhältnisse
dl
nicht unendlich werden, sondern einen bestimmten Grenzwert q^ haben.
Denn daß zwei verschiedene p^: ^/ und ^/' existierten, ist unmöglich.
Wäre das wohl so, so ^be es zu demselben Sl zwei Verschiebungen
Q^dl imd Q^'dl] es wäre aber auch, da die Differenz zweier unendlich
kleiner Verschiebungen auch eine solche ist, (ßJ—Q^'')Sl eine mög-
liche Verschiebung der Knoten, die zur Verlängerung Null des Stabes
gehörte, was ja aber ausgeschlossen sein sollte.
Sei nun S die Spannung des Stabes ( > 0 als Druck, < 0 als
Zug gerechnet), k^ die Belastung des v^^ Knoten, so gibt das Prinzip
der virtuellen Arbeiten (vgl. auch Nr. 109)
- Sdl + ^k^ ' Sr^^ 0,
also
Die Spannung bestimmt sich also eindeutig und endlich, das Fach-
werk ist also auch statisch bestimmt, w. z. b. w.
Der Beweis enthält auch eine Methode, die Spannungen zu be-
stimmen: die sogenannte kinematische Methode (nach Mohr, Föppl
Müll er- Breslau). Man braucht sich ja nur die p^ zu konstruieren,
d. h. wesentlich die Verschiebung dr^ aller Knotenpunkte bei beliebiger
Verlängerung dl des Stabes. Zu dem Zweck entwirft man die so-
genannten Verschiebungspläne. Wir können hier darauf nicht
näher eingehen, es sei auf die einschlägige Literatur verwiesen, etwa
Müller-Breslau: Statik der Baukonstruktionen,
sowie auf das Referat von
Henneberg: Graphische Statik, Enzykl. d. math. Wiss. IV, 5.
316. Das Torioellisohe Prinzip. Ist die Schwerkraft die
einzige eingeprägte Kraft, so ist
dk^-^ {dmgz),
wo z die Höhe des Punktes über einer festen Ebene bedeutet. Soll
nun Gleichgewicht herrschen, so muß
sein, d. h.
474 ^I- Kinetik starrer Systeme. Nr. 316.
Da dmgs nur yom Orte abhängt^ so steht unter der Summe das voll-
ständige Differential ö{dmgz)\ man kann also schreiben
oder, da
^dmgz « gms^
ist,
dsf^ ^ 0.
Ein nur der Schwere cds einziger etngejprägter Kraft unter-
worfenes System ist im Gleichgewicht , wenn hei helübiger virtueller
Verrückung der Schwerpunkt keine Höhenverschiämng erleidet, d, h.
wenn der Schwerpunkt eine sogenannte stationäre Lage (z, B. eine
minimale oder maocimale Höhenlage) einnimmt. (Prinzip von Tori-
celli.)
Dieser Satz läßt sich verallgemeinem auf den FaU, daB die ein-
geprägten Kräfte ein Potential haben. Ist
dk => «rr
dr
und ü außer von t nur von den Orten r abhängig, so folgt aus
Sdk'dr^O
wieder
dU^O
(denn öt^O),
In den Gleichgewichtslagen hat das Potential sta/tionäre (extreme)
Werte.
316. Znaammenfassung des Prinzips der virtuellen Ar-
beiten jnit dem Prinzip von d'Alembert dnrch Lagrange. In
seiner „Mecanique analytique" hat Lagrange 1788 die beiden Prin-
zipien in eines zusammengefaßt und damit eine ganz neue Grundlage
der Mechanik geschaffen.
Gehen wir aus von dem Newtonschen Grundgesetz
dmw ^ dk -\- ds,
wo dk die gesamte an dem Volumelement dm angreifende eingeprägte,
ds die gesamte Reaktionskraft bedeutet. Dann sagt das d'Alembert-
sche Prinzip: Die Gesamtheit der ds hält sich bei der Bewegung das
Gleichgewicht (siehe Nr. 193).
Kombinieren wir es mit dem Prinzip der virtuellen Arbeiten, so
erhalten wir
Sds'ör^O.
Die virtuelle Arbeit der Beaktionskräfte ist Null.
Nr. 816. § 54. Das Prinzip der virtuellen Arbeiten. 475
Dieses Lagrangesche Prinzip ist notwendigerweise in der Mechanik
erfQllt, es ist aber auch insofern die hinreichende Grundlage der Me-
chanik, als es gestattet, die Bewegung des Systems vollständig zu
bestimmen, sofern man die eingeprägten Kräfte kennt, und dann mit
Benutzung des Newtonschen Grundgesetzes auch ds, d. h. die Summe
der Reaktionskräfte an einem jeden Punkte zu bestimmen gestattet.
Es ist imstande, die bisher vorgetragenen Grundlagen der Me-
chanik vollständig zu ersetzen, wenn wir beachten, daß wir es in der
Hand haben, auch beliebige Ausschnitte eines Systems als solches zu
betrachten und Bewegungsbeschränkungen aufzuheben, wodurch frühere
Reaktionskräfte zu eingeprägten Kräften werden, die freilich als Un-
bekannte einzufahren sind. Indem wir dann unter den möglichen
Bewegungen nur diejenigen auswählen, welche den zunächst außer
acht gelassenen Bewegungsbeschränkungen genügen, bekommen wir
die Möglichkeit, die unbekannten Reaktionskräfte — jetzt kinetisch
zu eingeprägten umgedeutet — zu berechnen.
Schon bei Lagrange findet sich eine Andeutung dieser Er-
weiterung seiner Methode, prinzipiell hat ihre Wichtigkeit neuerdings
Heun hervorgehoben (siehe Kinematik Nr. 70, sowie Nr. 87 bis 96).
Für Zwecke der Anwendung ist es meist vorteilhafter, dem La-
grangeschen Prinzip unter Einbeziehung des Newtonschen Grund-
gesetzes die Form zu geben
S dmiö ' öf ^ ^dJc - 6f.
Die virtueRe Arbeit der Massenheschleunignngen i^t stets gleich
der virtuellen Arbeit der eingeprägten Kräfte.
Es ist nun wichtig zu bemerken, daß dieses Lagrangesche Prinzip
die beiden anderen enthält. Denn soll Gleichgewicht herrschen, so
muß jedenfalls i«; = 0 sein, also auch
.gdJfc.dr^O.
Und daß umgekehrt diese Bedingung hinreichend ist, das Gleich-
gewicht zu garantieren, folgt daraus, daß bei ^dk - öf = 0 auch
^dmw • df -* 0
ist, woraus man beweisen kann, daß für skleronome Systeme, und
nur bei solchen kann von Gleichgewicht die Rede sein, Ruhe bleibt,
wenn Ruhe war.
Für skleronome Systeme gehört nämlich in das System der vir-
tuellen dr auch das wirkliche df. Also folgt aus
Srfmü; — = 0,
476 ^I- Kinetik starrer Syeteme. Nr. 317.
d. h. da die linke Seite -,- ist,
E = const.
War nun zu Anfang Ruhe, so ist die Eonstante Null, also dauernd
Da aber
E^\Sdmv'
ist, kann E nur Null sein, wenn alle t? =» 0 sind. Daß ferner im
allgemeinen Falle aus dem Lagrangeschen Prinzip eine bestimmte
Bewegung sich eindeutig ergibt, wenn noch Anfangslage und Anfangs-
geschwindigkeit gegeben sind und wenn die eingeprägten Kräfte als
bekannt angesehen werden dürfen, kann hier in diesem elementaren
Buche nicht bewiesen werden; es sei erlaubt, auf des Verfassers Auf-
satz in den mathematischen Annalen: „Über die Grundlagen der Me-
chanik'' hinzuweisen.
Fassen wir zusammen:
Das d'Alembertsche und das Prinzip der virtuellen Arbeiten sind
bewiesen, wenn das Lagrangesche Prinzip: ^ds - Sf ^0 bewiesen ist
Denn kennt man bereits das Prinzip der vii-tuellen Arbeiten, so
ist ja das Lagrangesche Prinzip nichts anderes als eine neue Form
des d'Alembertschen Prinzips.
317. Beweis des Lagrangeschen Prinzips. Wir beschränken
uns auf den Fall, daß das System aus einer endlichen Anzahl von
starren Körpern besteht, die sich gegenseitig berühren, und von festen
oder in bestimmter Weise bewegten starren Stützflächen gehalten wird.
Dann haben wir folgende Reaktionskräfte:
1. Die inneren Spannungen der starren Körper.
2. Die Normaldrucke zwischen den starren Körpern und den
Stützflächen.
3. Die Haftreibungen gegen Gleiten, Rollen und Bohren, wenn
diese Bewegungen als ausgeschlossen gelten.
4. Die Kräfte unter Nr. 2 und 3 zwischen den einzelnen starren
Körpern.
Gehen wir zum Beweis über, daß diese Reaktionskräfte insgesamt
keine Arbeit leisten, bei irgendeiner erlaubten Verschiebung, die zeit-
los erfolgt, d. h. bei der die Stützflächen in ihrer augenblicklichen
Lage gelassen werden.
1. Die inneren Kräfte leisten bei keiner möglichen Verschiebung
eines starren Körpers Arbeit (siehe Nr. 286).
2. Der Normaldruck zwischen einer ruhenden Fläche und einem
darüberhin bewegten Körper leistet keine Arbeit, weil er senkrecht
Kr. 318. § 64. Das Prinzip der virtuellen Arbeiten. 477
zur Berührnngsebene steht^ jede mögliche Verschiebung des Angriffs-
Punktes, d. h. des Berührungspunkte^» aber parallel zur Ebene erfolgt,
dN und das zugehörige dr also senkrecht aufeinander stehen.
3 a). Ist an der ruhenden Führungsfläche noch Haftreibung gegen
Gleiten vorhanden, so erhält der Angriffspunkt derselben überhaupt
keine Verschiebung: dr ist Null und also auch dB • dr.
b) Übt die ruhende Führungsfläche ein Moment M aus, so ist
deren Arbeit M • dd', wo (Jd* eine virtuelle Drehung um den Punkt
bedeutet. Ist nun Rollen ausgeschlossen, so steht öd' senkrecht zur
Fläche, das Moment der Rollreibung liegt aber in der Ebene, also ist
seine Arbeit null; ist Bohren ausgeschlossen, so liegt dd^ in der
Ebene, M aber steht senkrecht darauf: abermals ist -
Weil die Führungsfläche bei der Vornahme der virtuellen Ver-
rückung in Ruhe zu lassen ist, macht es nichts aus, ob sie in Wirk-
lichkeit ruht oder bewegt ist.
4. Berühren sich die Körper 1. und 2. in einem Punkte und hat
dieser als Punkt von 1. die Verschiebung dr^, als Punkt von 2. die
Verschiebung dr,, während d^^ und d&^ die Drehungen sind; sind
femer k und M die Reaktion auf 1. an der betreffenden Stelle, so
ist nach dem Prinzip der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung,
die gesamte Arbeit dieser Kräfte
Je . (6f, - drg) + M ' (d^, - da»,),
d. h. sie berechnet sich so, als ob der zweite Körper ruhte, die Kjaft-
wirkungen h und M auf den ersten ausübte und dieser erste nur die
Relativbewegung
dFj — dr, ^^^ ^^i "^ ^'^2
gegen den zweiten hätte.
Damit ist aber Fall 4. auf die Fälle 2. und 3. zurückgeführt und
der Satz vollständig bewiesen.
Einige allgemeinere Fälle des Satzes (Idealfaden, inkompressible
Flüssigkeiten) werden wir noch später kennen lernen.
318. Plötzliche Änderungen der kinematischen Konsti-
tution. Die vorstehenden Sätze gelten auch nocb, wenn Momentan-
kräfte (Impulsionen) auftreten, denn es macht natürlich nichts aus,
wie groß die Kräfte sind. Doch muß während des Stoßes die kine-
matische Konstitution dieselbe bleiben. Ändert sich diese aber plötz-
lich, werden z. B. Fixierungen vorgenommen, finden Zusammenstöße
statt oder zerreißt eine Bindung plötzlich, so wäre es falsch zu glauben,
daß jetzt die auftretenden Reaktionsstöße keine Arbeit leisteten. So
478 ^^* Kinetik BtAn-er Systeme. Nr. 819.
wissen wir ja schon, daß der unvollkommen elastische Stoß zweier
fester Körper Energie verzehrt. Beschränkt man sich jedoch auf die-
jenigen virtuellen Verschiebungen, welche sowohl vor als auch während
und nach dem Stoß möglich sind, so ist es klar, daß bei diesen die
Reaktionsstöße keine Arbeit leisten. Denn diese Verschiebungsmög-
lichkeiten werden ja eben beim Stoße nicht geändert.
§ 66. Die allgemeine Energiegleichnng der Meelianik
fUr skleronome Systeme.
319. Beweis des Energieaatzes. Ist das System skleronom
(siehe Nr. 312), so kann man die wirklichen Verschiebungen zu den
virtuellen rechnen; das Lagrangesche Prinzip gibt sofort
^dmtp - df = ^dk ' dr.
Nun ist aber
dE r< , _ _ ^dmw • dr
= ^dmw • V =
dt *^ dt
also schließen wir
was wir auch integrieren können:
E-E^^ Cdk'df==A.
Die Änderung der kinetischen Energie eines skleranomen Systems
ist gleich der Arbeit der eingeprägten Kräfte, Haben diese Kräfte
ein Potential U, so ist
E + ü= const.
Daß Stützkräfte, also Reaktionskräfte, bei nicht skleronomen
Systemen, d. h. wenn die Stützflächen in gegebener Weise bewegt
sind, sehr wohl Arbeit übertragen können, z. B. mittels des Normal-
druckes, ist wohl anschaulich klar. Es soll aber noch an einem Bei-
spiel gezeigt werden.
Nehmen wir das Erdbebenpendel von Nr. 73, doch lassen wir
der Einfachheit halber die Dämpfung weg. Der Massenpunkt hat
die Geschwindigkeitskomponenten
• •
c -\-ld' cos ^ und Id' sin d:
Folglich ist seine kinetische Energie
^m[c^+ 2cld' cos d^ + Pd'^] « E.
Nr. 319. § 66. Die allgemeine Energiegleichung. 479
Dagegen ist die Arbeit der einzigen eingeprägten Eraft^ nämlich der
Schwerkraft^ ihr negatives Potential
mgl cos d' + const.
Für kleine d', # ist mit Beibehaltung von Größen zweiter Ordnung
CT — Y mgld"^ + const.
Dagegen folgt aus der Bewegungsgleichung
m(i^ + ?)=» — mg%'
durch Multiplikation mit Id' und Integration
1 •' 1 r '
^ mPd^ + - mlg%^ + ml I c^dt — const.
Es unterscheidet sich also der linksstehende Ausdruck von E+ U um
m
l I c^dt — meld' — mc^,
und das ist nicht konstant, denn der Differentialquotient ist
— mied" — mc - c
oder nach der Differentialgleichung
mgd" ' c.
Dieser Ausdruck stellt die Leistung Lq der im Punkte 0 wirkenden
Reaktionskraft dar.
Denn denken wir uns das Pendel frei und somit die Reaktions-
kraft in 0 künstlich zur eingeprägten Kraft gemacht, so gilt jetzt,
wo das System skleronom ist, natürlich der Energiesatz in der Form,
daß die Anderungsgeschwindigkeit der kinetischen Energie des Pendel-
punktes gleich ist der Leistung der Schwerkraft und derjenigen der
Reaktionskraft in 0, oder
dt ^0-
Und dieses Lq haben wir mit Benutzung der Bewegungsgleichung zu
Lq« mgd-c
berechnet.
480 ^- Kinetik staxrer Systeme. Nr. 320.
Ist die horizontale Komponente der Reaktionskraft in 0 gleich
H, 60 muB natürlich auch
sein, also ist (bis auf Glieder höherer Ordnung)
H^ mgd'.
Aufgabe 141: Man beweise direkt unter Anwendimg des Schwerpunkt-
satzes auf den materiellen Punkt, daß
ist.
320. Anwendung auf die Dampfinasohlne. Hat das System
nur einen Freiheitsgrad, wie z. B. die Dampfmaschine, so gibt der
Energiesatz bereits die reine Bewegungsgleichung in einmal inte-
grierter Form.
Wir nehmen das Problem genau so wie in Nr. 305. Danach ist
die kinetische Energie des ganzen Systems, die sich natürlich aus
denen der drei einzelnen starren Körper zusammensetzt, mit Anwendung
der Resultate von Nr. 245
Nehmen wir die Ergebnisse aus Nr. 306 hinzu, so bekommt E die
Gestalt
£ = 4-(Ti+G(^))a,»,
WO
G{») - T^v" + »»n(5' + 5*) + »»ni«* (1)
eine wohlbekannte Funktion von ^ ist.
Aus dem Widerstandsmoment W der Arbeitsmaschine und der
Dampfkrafb P als einzigen eingeprägten Kraften berechnet sich die
Arbeit zu
Ä = A-TTd^ - PdZjjj)
oder da
war.
4 nW-rT)d».
Eexuien wir W und den Tangentialdampfdmck T als Funktion
von &, so können wir — Ä=' U(9') a priori berechnen, und der
Energiesatz nimmt die Form an
Nr. 821. ;§ 66.. Die allgemeine Energiegleichung. 481
|[T, + ö(»)K+?7(*)-Ä, (I)
dies ist die reine Bewegangsgleichung.
Aus ihr muß durch Differentiation die frühere reine Bewegungs-
gleichung
[Tj. + G(d)]G} + H(»)g>^ W + rT
folgen. Tatsächlich folgt aus (I)
[Tj+ G{&)]ü + I (?'(^)co*- - W+ rT.
Da die rechten Seiten identisch sind, müssen es auch die linken
sein, also folgt nicht nur, daß das neue (t('9') dieses Paragraphen das
alte ist, sondern daß auch noch
ff(*)-i-ö'(») (2)
ist. Damit haben wir eine viel bequemere Methode zur Berechnung
der Funktionen Q und H gefunden.
Nach (I) kann die Lösung der Aufgabe auf Quadraturen zurück-
geführt werden. Hat man XJ aus
U^ nw-rr)dd' (3)
0
durch Integration gefunden, so gibt (I)
o
-i/2Ä-2Cf(^)
woraus wegen o^ =* 37 folgt
&
0
321. Die wichtigsten kinetischen Probleme der Dampf-
maschine und ihre flauptschwierigkeiten beginnen aber jetzt erst.
In der vorstehenden Gleichung darf man wohl U und 0(9") im all-
gemeinen als bekannte Funktionen ansehen, aber wie steht es mit h
und Tj?
h ist nach (I) gleich dem Werte von JE? -f ?7 an einer bestimmten
Stelle, z. B. an der inneren Totpunktlage (-Ö* =- 0). Ist für diese o? =- (Dj
so folgt, wenn man das Integral in Gleichung (3) von -ö* =-= 0 an
erstreckt,
[^ri+G(0)]<Ȁ. (6)
Hamel: Blementore Mechanik. 31
482 XI. Kinetik starrer Systeme. Nr. 381.
Nun kennen wir aber nicht (o^ ; sondern aus Versuchen das
mittlere <o, das aus der Tourenzahl definiert ist, d. h.
wo Tq die XJmlaufszeit; d. h. nach (5) gleich ist
in
/.»|/.5i«<«)
^0- j (i» y ii^iuw)-
0
Wir haben also die (erste) Aufgabe zu lösen, aus
0
hy oder unter Berücksichtigung von (6), co^ bei gegebenem mittlerem
idq auszurechnen.
Das wäre die Aufgabe, wenn wir eine fertige Maschine vor uns
haben. Denn ist o^ resp. h bekannt, so kann man den Gang der
Maschine nach den Formeln (4) oder (5) in allen Einzelheiten yer-
folgen.
Bei projektierten Maschinen aber entsteht noch die Hauptauf-
gabe, Tj, d. h. das Schwungrad so zu berechnen, daß der Ungleich-
förmigkeitsgrad
CO _I_ (0
— — -l- *^1
max -f- min
unterhalb einer vorgeschriebenen Grenze liegt.
Man kann sich nun aus (4) prinzipiell oimax und aimin als Funk-
tionen von Tj und h berechnet denken; es habe sich daraus
* = J{T„ Ä) (b)
ergebeu.
Dann lautet die Aufgabe:
Man soll bei gegebenen G(d'), ü(&) und m^ das Trilgheits-
moment Tj des Schwungrades so bestimmen, daß
1. ^(^I, A)^*max,
wo rfm»x vorgeschrieben ist,
2. h wiederum mit Tj durch die Gleichung (a)
stt
2« A<^i/r, + e(d)
0
Terknüpft ist.
Nr. 321. § 66. Die allgemeine EnergiegleichuDg. 483
Die üblichen Vernachlässigangen, die man zur Yereinfachang
dieser Aufgabe eintreten läßt, besteben nun darin^ dafi man
1. (D|y die Totpunktgeschwindigkeit in erster Annäherung gleich
der mittleren Geschwindigkeit (Oq setzt, womit die Bestimmung von h
nach Gleichung (6) schon erledigt ist,
2. daß man ebenfalls
0^0
®m»x -j- ''''min
2 '
setzt,
3. Daß man die früher genannten Radingerschen Vernachlässi-
gungen mächt:
a) man streicht 0{d') gegen 7j in dem Gliede mit ü, aber nicht
Y ö'('9*)o* gegen -,^ (im Gegensatz zur älteren Theorie).
b) Man setzt jedoch in dem Gliede G'(P')o^ statt o* das
mittlere Oq^.
c) Man berücksichtigt bei der Berechnung von G'iß) nur noch
Glieder erster Ordnung in A (siehe Nr. 308).
Die Vernachlässigungen 1., 2. und 3. sind sicher erlaubt, wenn
man dmax &ls klein ansieht und man Größen zweiter Ordnung weg-
läßt gegen Größen erster Ordnung, oder was dasselbe ist, Größen
erster Ordnung gegen endliche Größen.
Nach diesen, auch von Radinger akzeptierten Vernachlässigungen
nimmt (I) nach Berücksichtigung von (6) die Form an
l Ti(fl,» - 0,0«) - 1 (G(0) - G{»))a>^' - Ui») = Fi»). {!')
Man zeichne sich die bekannte rechte Seite als Funktion von d'
und bestimme Maximum und Minimum:
Durch Subtraktion erhält man
und indem man wieder -- ((Dm« + Omtn) ^nd cdq verwechselt,
^l(Om»x — Omin) =*
F F I
"^ max — mm
<».
F F ,
«.•
31
484 ^I- Kinetik starzer Systeme. Nr. 828.
Daraus folgt^ wegen d < dmxx,
rp ^^^^ ^ max — "^ min 1
als Schlußergebnis der Radingerschen Methode der Schwung-
radbereohnnng. (Die Funktion F ist in (I') definiert.)
Man hat neuerdings versucht, die durch die oben genannten Ver*
nachlässigungen gemachten Fehler abzuschätzen und die Methode zu
yervollkommnen für den Fall, daß die Radingersche nicht exakt genug
sein sollte.
Nachdem schon Wittenbaüer in dieser Richtung ßrf olgreich
gearbeitet hatte, gab v. Mises eine vollständige Diskussion und all-
gemeine Methode zur Behandlung des Problems.
Wittenbaüer hat auch das Verdienst, eine graphische Durch-
führung des Problems angegeben zu haben. Alles das muß dem
Privatstudium überlassen bleiben. Es sei verwiesen auf
Radinger: Dampfmaschinen mit hoher Eolbengeschwindigkeit.
Heun: Die kinetischen Probleme der wissenschaftlichen Technik (Re-
ferat für die deutsche Math.-Ver.).
Wittenbaüer: Graphische Dynamik der Getriebe (Zeitschrift f Math,
u, Phys., Bd. 50, 1904; auch Z. d. V. d. L).
V. Mises: Die Ermittlung der Schwungmassen. Z. d. ost. Ing.- u.
Arch.-Ver., 1906.
Als Lehrbücher seien genannt
Tolle: Regelung der Kraftmaschinen.
Lorenz, Hans: Dynamik des Kurbelgetriebes.
Endlich der Enzyklopädieartikel IV, 10 v. Mises.
332. Aufgabe (Schaukel). Man stelle* die Energiegleichung für
die gezeichnete Schaukel auf. Die parallelen Stangenpaare der Länge { mOgen
je die Masse mj und das Trägheitsmoment Tj, das Schaukelbrett die Masse mn
haben. 8^ S' in den Abständen «, s' von 0 bzw. (X seien die Schwerpunkte der
Stangenpaare.
Wie ändert sich der Ausdruck der kinetischen Energie, wenn sich noch
ein Punkt m' im variabeln Abstände x Ton 0 parallel den Stangen hin und her
bewegt?
Will man jetzt den Energiesatz aufstellen, so muß man noch die Arbeits-
leistung der inneren, zwischen rn und der Schaukel wirkenden Kraft berück-
sichtigen.
Da man aber diese aus der vorausgesetzten Bewegung des Punktes m' be-
rechnen kann, so tue man es und stelle nun den Energiesatz für das ganze Sy-
stem auf Man beachte dabei, daß die Kraft doppelt Arbeit leistet, einmal auf
den Punkt und dann auf die Schaukel. Nach Nr. 317 genügt es deshalb, die
Arbeit der Kraft auf den Punkt bei der Relativbewegung des Punktes zur Schaukel
zu berechnen.
/'
Nr. 323.
§ 66. Die allgemeine Energiegleichung.
485
Man beachte nun, daß bei periodischer Bewegung des x auf und ab das
einzige nicht notwendigerweise periodische Glied das Arbeitsintegral
— m' llxa^dx
auf der rechten Seite ist.
Soll der Punkt m' (der Schaukler) durch seine Bewegung beständig Arbeit
zuführen, so muß er dafär sorgen, daß im Mittel
— l{X(o*)dX'^ — r(xa*)xdt
positiv ist, d. h. daß bei großen o, i; <[ 0 sei, bei kleinem oo dagegen » >> 0 (weil
X periodisch sein soll, lassen sich positive x nicht vermeiden!). Der Schaukler
muß sich also in der Mitte der Schwingung aufrichten (x<^0), an den Enden
(a> klein) dagegen niederducken, um die Energie der Schaukelbewegung zu ver-
mehren.
Vig. 246.
Fig. 246.
Man verallgemeinere die Untersuchung auf den Fall, daß der Punkt tn
eine beliebige periodische Relativbewegung in geschlossener Bahn ausführt, also
auch noch einen variabeln Seitenabstand y von der Stange hat. Will der
Schaukler jetzt beständig Energie zufuhren, so muß
— I (o*(xdx + ydy)-- 1 d}(ydx^xdy)^ — ^ j oi*d(x*+y*) + 2 j mdF
im Mittel positiv sein, d. h. nur an den Umkehrpunkten der Schwingung wird
er seine Entfernung von 0 vergrößern sie sonst verkleinern . und des weiteren
bei positivem c5 eine Fläche rückwärts, d. h. von oben über hinten unten vorne
nach oben zurück, (ßF^O) bei negativem d) eine Fläche vorwärts beschreiben.
Der wirkliche Schaukelvorgang entspricht dieser Behauptung (siehe Fig. 246).
323. Diriohlets Stabilit&tssatz. Dirichlet hat in einer genialen
Arbeit vom Jahre 1846 bewiesen, daß das Gleichgewicht, falls die
eingeprägten Kräfte ein Potential haben^ dann und nur dann stabil
ist, wenn der Potentialwert ein Minimum ist (z. B. der Schwerpunkt
am tiefsten liegt).
Wir legen der Betrachtung folgende Definition der Stabilität
zugrunde: Eine Gleichgewichtslage heißt stabil, wenn bei hinreichend
kleiner Störung, d. h. hinreichend kleiner Anfangsentfernung aus der
Ruhelage und Erteilung einer hinreichend kleinen Geschwindigkeit an
alle Punkte, die Störung dauernd beliebig klein bleibt, d. h. die Be-
486 ^I- Kinetik starrer Systeme. Nr. 323.
wegang in einem beliebig klein yorgescbriebenen Bereiche nnd die
Geschwindigkeiten aller Punkte unterhalb einer beliebig kleinen Grrenze
bleiben.
Das Gegenteil bezeichnen wir als labil oder unstabil, wenn
sich nämlich das System auch bei noch so kleiner Störung endlich
weit entfernt oder endlich große Geschwindigkeiten erreicht, deren
Große mit der Kleinheit der Störung nicht gegen Null geht.
Wir beschranken uns beim Beweise auf ein Svstem Yon n starren
EörperU; deren Lage wir durch Vektoren c und je drei Eulersche
Winkel bestimmen.
Wir können annehmen, daß f&r die Gleichgewichtslage
U^O (1)
sei, denn es kommt bei ü nicht auf eine additive Konstante an.
Dann ist die Gleichgewichtslage nur dann eine Hinimalstelle für üj
wenn in der ganzen Umgebung
U>0 (2)
ist, mit Ausschluß des Gleichheitszeichens.
Wird nun das Gleichgewicht gestört, so ist für das System bei
der eintretenden Bewegung
E+U^h, (3)
Dabei ist h beliebig klein und positiv, wenn die Störung beliebig klein
ist, denn dann ist ja wegen der Stetigkeit von U natürlich U zu An-
fang nur ein wenig größer als Null und dasselbe gilt für E=—^dmv\
Da aber U und E nicht negativ werden können, so kann man
aus (3) schließen
E£h.
Weil femer in der ganzen Umgebung der Gleich gewichtsstelle U>0
ist, für diese selbst aber gleich Null, so wird bei hinreichend kleinem
h die Gleichung
ein Gebiet für die n Vektoren c und die Sn Eulerschen Winkel be-
grenzen, das sich bei kleiner werdendem h auf die eine Gleichgewichts-
lage zusammenzieht In diesem Gebiet muß nun aber wegen
das Svstem bleiben. Und damit ist die erste Häli\e des Satzes bewiesen.
Aus
je:<a
aber folgt wegen
Nr. 323. § 55. Die allgemeine Energiegleichung. 487
n
daß jedenfalls jedes
und jedes
d. h. daß bei kleinem h auch
"2^ 2Ä
aj/< ^
Cy und öiy
und wegen der Eulerschen Formel
auch jedes t; beliebig klein bleibt.
Damit ist der Beweis für Systeme der vorausgesetzten Art durch-
geführt.
Auf Systeme, für welche aUe Punkte frei verschiebbar sind (ela-
stische^ flüssige usw.), ist der Beweis nicht übertragbar. Es kann
zwar geschlossen werden, daß
d. h. beliebig kein bleibt, aber es könnte doch sein, daß ein sehr
kleiner Teil des Systems m' eine große Durchschnittsgeschwindigkeit v
bekommt, und v nur für das Gros des Systems klein bleibt. Ist nux
rn so klein, daß trotz großen v immer noch - w'v'* hinreichend
klein bleibt, so wird nicht gegen
E<h
verstoßen. Diese Schwierigkeit ist sachlich begründet, die Stabilität
läßt sich tatsächlich in dem oben ausgesprochenen Sinne nicht mehr
behaupten: es ist z. B. möglich, daß durch eine geeignete, beliebig
kleine Störung der Oberfläche ruhenden Wassers, ein hinreichend
kleines Tröpfchen endlich weit in die Höhe gespritzt wird.
Ist für die Gleichgewichtslage U kein wirkliches Minimum, son-
dern ein Maximum oder stationär (d ?7 =« 0), so ist für alle praktisch
wichtigen Fälle bewiesen, daß das Gleichgewicht instabil ist. Bereits
Lagrange erledigte in seiner mecanique analytique die meisten Fälle
nach der Methode der kleinen Schwingungen (siehe § 57). ^ Neuere
Arbeiten findet man in der kleinen Note des Verfassers: „Über die
Instabilität der Gleichgewichtslage eines Systems von zwei Freiheits-
graden'' in den Math. Annalen, Bd. 57 zitiert.
Mit der Stabilität der Bewegungen beschäftigte sich zuerst das
kleine grundlegende Buch von Routh, On the stability of motion.
488
XI. Kinetik starrer Systeme.
Nr. 828.
Man yergleiche auch sein Lehrbuch, sowie Bemerkungen in Elein-
Sommerfeld: Theorie des Kreisels.
Beispiel: Ein Zylinder liege horizontal und parallel anfeinem festen Zy-
linder. Wann wird diese Lage stabil sein?
In der Ruhelage liegen die Mittelpunkte und der
Schwerpunkt des beweglichen Zylinders übereinander.
Liege er in der Entfernung x unter dem Mittelpunkte
des beweglichen. Seien r und a die Radien und werde
nun der obere Zylinder aus der Ruhelage gedreht, so
besteht zwischen den beiden Drehwinkeln ^, 9 die Be-
ziehung
weil die Bogen BA und BA' einander gleich sein müssen.
Die Höhe z des Schwerpunktes über 0 ist demnach
(r -j- a) cos tp — X cos (^ + 9)
oder
(r + o) cos 9 — X cos l(p — — ) •
Für [9 «3 0 ist die erste Ableitung Null, weil 9 «= 0 einer Ruhelage entspricht.
Bilden wir die zweite, so wird dieselbe
— (r+a)cos9 + a:(^^ cos(9^-j.
Soll z ein Minimum haben für 9 ^^^ 0, die Gleichgewichtslage also stabil sein, so
muß diese zweite Ableitung für 9 »^ 0 positiv sein, d. h.
fr+a\*
Fig. 247.
d.h.
-(r + a) + x(-"t?),>0,
x>
0 + r
Für r B» 00, d. h. wenn die obere Walze auf einer Ebene ruht, genügt denmach
x>0,
d. h. der Sehwerpunki muß unterhM des Krümmungsmittelpunktes liegen.
Da es nur auf die erste und zweite Ableitung ankommt, l&ßt sich der Sats
in der schon ausgesprochenen Form auf beliebig gestaltete Berührungsflächen
übertragen. Darauf beruht die Konstruktion der bekannten Aufstehmftnnchen.
§ 56. Die Lagrangeschen Gleichungen.
324. Holouome nnd nichtholouome Systeme. Will man
nun mit Hilfe des Lagrangeschen Prinzips die reinen Bewegungsglei*
chungen aufstellen^ so bedarf es noch einer wichtigen Unterscheidung
der Systeme.
Es kann sein, daß es möglich ist, die allgemeinste Lage des Sy-
stems und seine allgemeinste Form der Bewegung dadurch zu be-
schreiben, daß für jeden Punkt
♦'-♦'(ö; ?i, ••.,?„ 0 (1)
Nr. 324. § 66. Die Lagrangeschen Gleichungen. 489
ist, WO a, von der Zeit unabhängig^ den einzelnen Punkt individualisiert
— es mag z. B. für irgendeine mögliche Lage direkt f « 5 sein —
die q dagegen sogenannte Systemkoordinaten sind, d. h. in jedem Zeit-
moment f&r alle Punkte dieselben Werte haben^ aber von der Zeit ab-
hängen. Und zwar sollen die q yoUstandig frei veränderlich sein,
wenn die ganze Bewegungsmöglichkeit des Systems umfaßt werden
soll; es seien aber auch keine q zuviel da^ d. L es soll keine Ver-
änderung dq geben^ f&r die das System nicht seine Lage wechselte,
oder mathematisch gesprochen:
kann nur dann fQr alle ä verschwinden, wenn alle dq^ Null sind.
Sind diese Bedingungen erfQUt, so heiße das System holonom,
weil man das Gesetz seiner Bewegungsmöglichkeiten, seine kinema<
tische Konstitution, durch einen endlichen (ganzen) Ausdruck (1) dar-
stellen kann {6Xog vofiog) und keine Differentiale dazu braucht.
Durch Gleichung (2) sind dann alle möglichen virtuellen Ver-
schiebungen gegeben, wenn man die Verhältnisse der dq^, dq^, . . ., 6q^
zueinander alle Werte annehmen läßt.
Fehlt t in (1), so ist das System skleronom (andernfalls rheo-
nom); denn es besteht dann, wenn man die q festhält, keine von außen
aufgezwxmgene Bewegung ^-, und es gehören die wirklichen, all-
gemein durch
^^-2^ ^9 + ^,- dt (3)
gegebenen Verschiebungen in diesem Falle zu den virtuellen, man
braucht nur die ganz willkürlichen äq gleich den dq zu nehmen.
Ist aber ^ nicht identisch NuU, so unterscheiden sich (3) und (2)
stets durch das Glied ^ dt, Ist n die Anzahl der q, so sagt man, das
System habe n Freiheitsgrade.
Beispiele: 1. Ein holonomes System von einem Freiheitsgrad
ist das Schubkurbelgetriebe, denn die Koordinaten eines jeden Punktes
lassen sich durch den Kurbelwinkel d" und durch Konstante aus-
drücken. Das System ist skleronom.
2. Das Pendel, dessen Stativ in gegebener Weise bewegt wird,
ist ein holonomes System von einem Freiheitsgrad, aber rheonom.
3. Das Doppelpendel mit fester Drehachse 0 ist holonom von
zwei Freiheitsgraden (d, q>) und skleronom.
4. Der freie starre Körper in der Ebene hat drei Freiheitsgrade,
im Raum sechs;^er ist holonom (siehe die Formeln in den Nr. 219
und 261) und skleronom.
490
XI. Kinetik starrer Systeme.
Nr. 324.
Es gibt aber auch nicht-holonome Systeme.
Beispiel: Ein Reifen, der auf horizontalem Boden rollt, ohne
zu gleiten. Seine Lage ist zwar eindeutig gegeben, wenn man die
Koordinaten x, y des Berührungspunktes, den Winkel d der Berüh-
rungstangente mit der rr-Achse, den Nei-
gungswinkel ^ der Reifenebene gegen die
Vertikale und endlich noch den Winkel q)
kennt, den der Radius nach einem be-
stimmten Peripheriepunkte etwa mit der
Horizontalen in der Reifenebene einschließt.
Auch gehören zu verschiedenen x, y, ^,
^, q) verschiedene Ligen des Reifens. Aber
die Sx, Sy, Sd; ö(p, d^ sind vermöge der
Bedingung des reinen RoUens ohne Gleiten
nicht unabhängig voneinander. Rollt viel-
mehr der Reifen um dq> vorwärts, so hat
sich der Bogen r8q> (r der Radius) auf dem Boden in der Rich-
tung % abgewälzt und es ist dem zufolge
^x
Fig. 248.
dx — cos-ö-r^qp,
8y « sin-drdqp.
(a)
Diese Differeutialbedingungen, die also noch bestehen, lassen sich aber
nicht zu zwei ganzen, d. h. von den Differentialen freien Gesetzen um-
wandeln. Denn bestände auch nur ein solches:
so müßte
f{Xy y, ^, (p) = 0,
df
df
df
df
dx dy ^ c9^ dtp ^
vermöge obiger Differentialgleichungen erfüllt sein; man erhielte, wenn
man öx, äy einsetzt und bedenkt, daß dann dq), Sd^ unabhängig sind
dl
dx
df
dy
r cos '9' + V r sin -^ +
K
d<p
0.
Differentiiert man die letzte Gleichung ein- und zweimal nach d" und
beachtet, daß nach der ersten f, also auch seine Ableitungen, von d-
frei sind, so erhält man
-l^sinO'-fl^coS'Ö'
dx dy
0
|^cos^+ -|^8in^ = 0, -
dx dy '
Nr. 325. § 66. Die Lagrangeschen Gleichangeii. 491
woraus
i^ _ a/ _ Q
dx dy
und demnach auch ~ =«0 folgte.
Es bedeuten eben die Gleichungen (a) nur eine Bewegungsbeachrän-
kung im Unendlichkleinen, nicht auch im Endlichen: man kann das
System durch geeignete Bewegung in jede Lage bringen, ohne (a) zu
verletzen.
Wir beschränken uns hier im folgenden auf holonome Systeme,
trotz der augenscheinlichen Wichtigkeit der nichtholonomen Systeme.^)
Gleichungen, welche eine naturgemäße Verallgemeinerung der Lagrange-
schen Gleichungen auf nichtholonome Systeme darstellen, gaben un-
abhängig voneinander V.Volterra in den Atti di Torino, Bd. XXXIII,
1898, P. Woronetz (in russischer Sprache) 1901, und der Verfasser:
„Die Lagrange -Eulerschen Gleichungen der Mechanik". Zeitschrift f.
Math. u. Phys., Bd. 50, 1904.
Beschäftigt hat man sich schon früher mit solchen Systemen.
Der Name holonom stammt von H. Hertz. (Weitere Literaturangaben
in der genannten Arbeit des Verfassers.)
326. Die Bewegnngsgleiohangen. Setzen wir den Aus-
druck (2) für die virtuelle Verschiebung in den Ausdruck des La-
grangeschen Prinzips ein:
^dmw • df = SrZfc ■ dr,
so erhalten wir, da die äq ganz willkürlich sind, gerade n Gleichungen
Srfmü;.f =-Sdfe-^ (I)
k = \ ''^ n
/\t ^^ X,4i..« m mm ft m
Diese n Gleichungen sind bereits die gesuchten n Bewegungsgleichungen,
d. h. die Lagrangeschen Gleichungen in unentwickelter Form.
Man könnte sie danach aufstellen:
Die sogenannte Lagrange-Kraftkomponente
kann man sofort berechnen, wenn man die eingeprägten Kräfte dk
und Gleichung (1), d. h. das System wirklich kennt, um die Lagrange-
sche Beschleunigungskomponente
_ er
Qi = SdniW' .
i) Fast alle Fahrzeuge, die nicht gleiten sollen, gehören dazu.
492 / XL Kinetik Btarrer Systeme. Nr. 326.
als explizite Funktion von q, q, q und t aufzustellen^ braucht man
nur die (3) entsprechende Gleichung
noch einmal zu difPerentiieren und das Resultat in den Ausdruck für
Qj^ einzusetzen.
Lagrange hat aber zur Berechnung von Qj^ eine sehr viel ele-
gantere Methode gegeben, die wir gleich nachher kennen lernen wollen.
Was die K^^ angeht^ so gestaltet sich ihre Berechnung nur dann
einfacher, wenn ein Potential vorhanden ist. Ist
dr '
wo U von allen r, sonst höchstens noch von t abhängt, so ist
dÄ = ^dic . (Jr « - Sfy • Sr du.
Da aber auch
SA « Sdk • *f - S ^dk ' |- dq^ - ^^x^Qu
so ist
Und da vermöge (1) auch U nur eine Funktion von
2i • • • 9n; ^
ist, also
SO folgt:
Für den FaU, daß die eingeprägten Kräfte ein Potential haben, ist
JT ^^
Ehe wir zur Berechnung der Q^ übergehen, lösen wir
326. Das Zmpulsionsproblem. Wirken Stoßkräfte dÄ, so folgt
aus dem Lagrangeschen Prinzip durch Integration über die Stoßzeit
— man kann für diese kurze Zeit die df als konstant ansehen, wenn
durch den Stoßprozeß die kinematische Konstitution nicht geändert
wird, was wir annehmen wollen —
Setzt man darin (2) ein, so bekommt man wegen der Willkür der
dqj^j wie in der vorigen Nummer
^ (^äm. . i^) = 8äk . g, (ü)
Nr. 326. § 66. Die Lagrangeschen Gleichnngen. 493
Dabei wollen wir
die Lagrange-Stoßkraftkomponente
eine Lagrangesche Impulskomponente nennen.
Gleichungen (II) lauten nach diesen Abkürzungen
Man beadite die^ analoge Bildung aller der Größen Q^; ^xj ^ly ^i
aus Wj dh, Vf dh.
Nun kann man aber die Impulskomponente P^ leicht berechnen,
wenn man den Ausdruck der kinetischen Energie kennt.
Aus der Gleichung für die Geschwindigkeit
folgt nämlich durch Differentiation nach ^^ (die q^^, q^ und t alle als
unabhängige Yariabele angesehen)
dv dr ^ .X
Also ist
da ja JS = y S^w«^*-
Nun ist nach dieser Gleichung und nach (3') E eine quadratische
Funktion der q^^, deren Koeffizienten wiederum Funktionen der q^^ und
der Zeit t sind.
Hat man sich so E ät3 Funktion der q^^, q^j t ver schaff ty so ist
die kte Impulskomponente die parUeUe Ableitung von E nach der
Xten Geschwindigkeitskomponente q^, wobei die andern q^^ sowie aüe
qjL und t als Konstante anzusehen sind:
Darum und wegen der Relation
als auch wegen Gleichung (II) heißen die P^ auch Impulskomponenten
(vergleiche die Relation zwischen J und E^ beim starren Körper).
Ehe wir nun zur Berechnung der Q^ übergehen, brauchen wir
eine Hilfsbetrachtung.
494 XI. Kinetik starrer Systeme. Nr. 827.
327. Die Oleichnng dör — ödr ■> 0. Verfolgen wir einen
Punkt auf seiner Bahn, so ist es klar, was df ist^ es ist vdt. Aach
wissen wir, was Sf ist, es ist eine mögliche Verschiebung, die jeder
Zeit hinzugedacht werden kann, mit den Bedingungen des Systems ver-
traglich und zeitlos ist, d. h. es ist
wo ^9.1^ ^ ' ^i{^\ ^ ®i^6 unendliche kleine Konstante, Wj^{t) eine will-
kürliche Funktion der Zeit ist.
Danach ist auch klar, was
ddf
ist, es ist
'*«*= = * Uli (B «'''(')'^' + '2w, "'"'(*) • ^'- w
Dagegen ist ddr noch ganz Undefiniert, oder da natürlich
S^r-2S Q ^«a +^-%^i + I!lT, ^^^^ (b)
sein wird: man weiß noch nicht, was Sdq^ heißen soll.
Man kann nur sagen, daß ödr eine Variation des Bogenelemen-
tes df bedeutet, d. h. es wird dem Bogenelement df das Bogenelement
df + Sdf zugeordnet.
Wir setzen nun willkürlich^) fest: Wird dem Punkte P der
Nachbarpunkt P^, dem Punkte P' der Nachbarpunkt Pj' zugeordnet,
so soll dem Bogenelement df » PP' als Bogenelement
PiPi zugeordnet werden. Dieses ist also definitions-
gemäß mit df + 8df zu bezeichnen.
Nun folgt aber aus der Geschlossenheit der Figur
df + 6f + ddf — (df + 6df) — *f =- 0
oder
ddf - 8df - 0. (5)
Daraus folgt aber auch, daß
dSq - ddq (6)
gesetzt werden muß.
Denn wegen der leicht durch Ausrechnen nachzuweisenden Relation
1) Daß diese Festsetzung wirklich willkürlich und also streng genommen
unnötig ist, hat Verfasser in der Note bewiesen: ,,Über die yirtuellen Yerschie-
bungen in der Mechanik^*. Math. Annalen, Bd. 69. Siehe auch die Darstellung
in He uns Kinematik.
Nr. 328, 329. § 66. Die Lagiangeschen Gleichungen. 495
folgt aus (a) und (b) durch Subtraktion
ddf - 6df - ^ay, (''*«'' - ^^^^-
Ist nun die linke Seite Null; so ist aucb
2li ('^^Si - Sdq,) = 0
für alle ä, und daraus folgt nach einer Bemerkung in Nr. 324 be-
treffend Gleichung (2), daß
däq — ddq^O
sein muß.
Das Umgekehrte ist klar.
Wir nehmen nun eine Umformung des Lagrangeschen Prinzips
Yor, die schon Lagrange selbst vollzogen hat:
328. Die Iiagrangesohe Zentralgleiohnng. Es ist identisch
^dmw • är ^ i (^dmv • dr)— ^dmv • j,^^,
wie man durch Ausdifferentiieren des ersten Gliedes rechts erkennt.
Nach der Festsetzung der vorigen Nummer ist aber
da ddt ^Oy weil der d- Prozeß die Zeit ganz unberührt läßt.
Also wird
und das Lagrangesche Prinzip formt sich in die Lagrangesche Zen-
tralgleichung um:
^^(Sdmt; . df) ^ÖE^ ^dk - 6f,
Nun ist es leicht, die Q^^ zu berechnen. (Der Name „Zentralgleichung**
stammt von Heun.)
329. Bereohnimg der Iiagrangeschen Beeolileimigimgs-
komponenten. Es war nach Nr. 326:
^dmV'df^UPj^äqj^
und da ferner identisch in allen öq^
ist (nach Nr. 325 und 328), außerdem
496 ^I- Kinetik Btarrer Systeme. Nr. 330.
80 folgt
Differentiiert man aus und beachtet Gleichung (6) aus Nr. 327, so
bleibt wegen der Willkür der dq^^
und die Lagrangeschen Gleichungen lauten in der fertigen
Form
wo K^^^^dk ' w— ist.
Um also die linke (kinematische) Seite der Lagrangeschen Glei-
chungen zu erhalten, hat man sich erst die kte Impulskomponente P^
durch partielle Differentiation nach q^^ aus E zu hUden, diese dann
total nach der Zeit zu differentiieren, wobei alle q^, q^ und t als variabd
anzusehen sind, und endlich vom EesuMat die partielle Ableitung von
E nach q^ — wobei aUe q^ und aUe anderen q sowie die Zeit kon-
stant zu halten sind — abzuziehen. Ist ein Potential vorhanden,
O TT
SO steht auf der rechten Seite — ^ —
330. Beispiele. Die Lagrangeschen Gleichungen sind die Be-
wegungsgleichungen für alle holonomen, skleronomen und nichtsklero-
nomen Systeme. Sie sind also von großer Tragweite und Anwendungs-
fähigkeit und das gegebene Hilfsmittel bei schwierigeren Problemen.
Sie beweisen zugleich — für den Fall holonomer Systeme — daß das
Lagrangesche Prinzip gerade die erforderliche Anzahl von Bewegungs-
gleichungen gibt. Man kann nämlich zeigen^ daß diese Gleichungen
stets voneinander unabhängig sind. Doch wollen wir uns hier mit
der Behauptung begnügen. Gehen wir zu Beispielen über.
1. Das Schubkurbelgetriebe. Es war die lebendige Kraft
desselben nach Nr. 320
U^f(W-rT)d».
Nr. 3H0. § 56. Die Lagrangeschen Gleichnogen. 497
Also ist
K |^ = -Tr+rT.
Mithin lautet die Lagrangesche Gleichung
d)[Ti + G{9)-\ + {- <D»Ö'(*) = _ TT + r r
und das ist genau unsere frühere Oleichung.
2. Das Doppelpendel besteht aus zwei starren Körpern, die
eine ebene Bewegung vollführen. Danach ist die gesamte kinetische
Energie
Nun war aber
also
und somit ist
iCn =» c cos -ö" + 6 cos 9?,
m
i^ « — c sin 0" • 'd' — 6 sin 9 • 9 ,
y5 = ^ cos -d" • -d" + 6 cos 9 • 9
E^\ ^\T^ + m^(?] -f. I 9^*[T,, ,, + m,j6«l + m^ch cos (^ - qp)^^
Also
^^= !-f -= ^Lri+ Wne*] + m^cl cos(^ - 9)9,
■P»' - H =• '^t^'ii.s + »»n'''] + »»n<'& cos (* - 9)^ ,
— »»iic6 sin (* — 9')^<p,
Endlich ist das Potential der Schwere
U = — tn^ga, ■ cos # — ni^gic cos ©■ + 6 cos g») ,
Hftmel: Klamuitar« Mechanik. 82
498 XI. Kinetik starrer Systeme. Nr. 381.
also
dU
^^'^ ^ "~ äS °* ~~ ^^^ Biad- — nu^gc sin ^,
Somit lauten die Bewegungsgleichungen:
« «
^[Tj + mjiC*] + WuCft COB (d — 9))9? — WiiCft sin (-ö* — qp)^*
=• -^ (»»li^ra + Wji^c) sin a* ,
• • •
^ [^n 5 + *^u^*] + WjjCfc cos (^ — y) -ö" — m^jCh sin (-d" — 9)^*
= — mjjgb sin 9.
Das sind aber genau die Gleichungen aus Nr. 310.
881. Die Wage alB Mittel mr experimentellen Beetlm-
mnng von DeTlatlonsmomenten. Der Körper wird mit der Achse,
für welche das Deviationsmoment bestimmt werden soll, parallel dem
Wagebalken einer Wage auf diese gelagert. Der Körper sei zentriert
und der Schwerpunkt liege in der Schneide der Wage (so nehmen
wir der Einfachheit halber an, diese Voraussetzung ist aber unwesent-
lich). Pendelt nun die Wage mit der Winkelgeschwindigkeit -9-, während
der Körper relativ zur Wage die Winkelgeschwindigkeit o hat, so hat
letzterer absolut die Winkelgeschwindigkeit o um die Achse des Wage-
balkens, d" quer dazu und horizontal.
Wir nehmen nun im Körper fest ein Achsenkreuz: e in der Dreh-
achse parallel dem Wagebalken, y und x senkrecht dazu. Diese Achsen
können wir so wählen, daß D^^ nuU wird: wir brauchen ja nur die
X' und y- Achse in die Hauptachsen der Schnittellipse des Trägheits-
ellipsoides mit der ory- Ebene zu legen. Bilde nun die a;- Achse den
Winkel (p mit der nach vorne gerichteten Horizontalen, in der ^ liegt,
so daß
0 = 9
ist, so hat (b die Komponenten
©^ = # cos 9) , (öy = — -d" sin y , ö, «= 9)
und es ist nach Nr. 270 die kinetische Energie des aufgesetzten Körpers
l {T,^*cos«9 + Ty^«sin*9? + T.9)«~2D,>9COs^ + 2Z)y,^9sin9>}.
Dazu kommt die lebendige Kraft der Wage:
Nr. 331. § 66. Die Lagraugeschen Gleichungen. 499
Da das Potential der Schwere
ü = mg 8 cos 9'
ist, so lauten die Bewegungsgleichungen
j^ [T, • g? — D,^ , d cos 9 + Dy ,^ sin g?] — [— T^b^ cos 9) sin g?
+ Ty-Ö-* cos 9) sin g> 4- I^x^z^V ^^^ 9 + -^^,»'^9' ^^^^ 9>] =" 0,
und
jl[Ti^+ T^^ cos^ 9> + T^h^ sin« y — D^,^ cos y + D^^.^) sin <p\
«= — m^ssin -d".
Differentiiert man aus, so gibt die erste Gleichung
T^ip — B^Js^ cos y + Dy^.-S^ sin 9 + (T, - T^)^* cos tpBmtp^Q,
Zur Vereinfachung des Problems woUen wir nun annehmen, daß auf
den rotierenden Körper eine Kraft — etwa vermittels elektrischen
Antriebes — so wirke, daß 9? = (Dq konstant bleibt. Dann tritt auf die
rechte Seite der vorstehenden Gleichimg nicht Null, sondern die er-
forderliche Kraftkomponente K , die sicher ein Drehmoment ist, weil
ihre Arbeit K Stp ist. Die zweite Gleichung aber vereinfacht sich
wegen
zu
[T + T^ cos« (f + T^ sin« 9]^ — 2(T, - T^) cos 9? sin (pto^d'
+ (Z)^,,sin ff + Dy,,cos y)©^« + mgsd^ = 0.
Es ist dies nun eine lineare Differentialgleichung für ^, deren
Koeffizienten jedoch variabel sind. In ihrer Theorie hat Poincare
bedeutende Fortschritte erzielt, über die man das Wichtigste in seinen
„Nouvelles methodes de la mecanique Celeste" findet. Wir erstreben
hier nur eine erste Annäherung.
Das nicht von 0* abhängige Glied
(D, , sin (o^t + D^^ cos WoO^^o^
ist periodisch von der Periode — Es steht zu erwarten, daß es eine
periodiaclie Bewegung des8elben\hythmu8 hervorruft, die aUerdings
durch Schwingungen doppelter, dreifacher usw. Schwingungszahl über-
lagert sein wird. Wir berechnen nur die Grundschwingung, indem
wir für die Koeffizienten von -O", 0* die Mittelwerte setzen: nämlich
T + —T -{- T resp. Null, von denen sich die wahren Werte der
82*
500 ^* Kinetik starrer Systeme. Nr. 882.
Koeffizienten um die rein periodisclien Glieder y (T, — T^ cos 2qp resp.
(y,— -Ty) %m2(p - a)Q von der Periode — unterscheiden. Diese Glieder
0
werden also nur Anlaß zu Oberschwingungen (also Schwingungen der
Periode -—) geben.
Also betrachten wir die angenäherte Gleichung zur Berechnung
der Gruudbewegnng
(r + 1 T. + yT^) «f + mgsd' - - (o,\D^, sin a>,t + D^, cos (o^t)
wo
^«vyz);,. + 2)j::
— D — D
sin £ =» !L — : , cos £ —
ist. Diese Gleichung ist aber die typische Gleichung der erzwungenen
Schwingungen (siehe § 16).
Die Beobachtung der Amplitude der erzwungenen Schwingungen
gestattet also, wenigstens bei bekannten T^, T^y einen Rückschlufi auf
yiyi,z+iyy,$ und damit wenigstens eine Messung der gesamten Deviation.
Kennt man auch die Dämpfung so genau ^ daß ein Rückschluß aus
der Phasendifferenz möglich ist, so wären D^ , und D^^^ einzeln der
Beobachtung zugänglich.
332. Der EtohifbkreiBel. Wir betrachten folgendes System.
Ein Schiff, d. h. ein starrer Körper, der sich um seine Längsachse
drehen (rollen) kann, der Winkel sei q) (positiv bei Kippen nach links).
In dem Schiffe kann sich um eine Querachse ein Rahmen bewegen, der
Ausschlagwinkel sei d' gegen die vertikale Querebene. Um eine im
Rahmen gelagerte Achse senkrecht zur Drehachse des Rahmens (also
fiir -d* »- 0, 9 = 0, um eine vertikale Achse) drehe sich im Rahmen
ein symmetrischer Kreisel, der Drehwinkel sei ^. Macht man die
Längsachse des Schiffes zur jer- Achse, die gewöhnliche (d. h. horizon-
tale) Lage der Querachse (Rahmenachse) zur a;-Achse, die nach oben
gerichtete Vertikale zur y-Achse, die Symmetrieachse des Kreisels, die
normalerweise nach oben zeigt, zur jer'-ALchse, so kann man — — d^,
^ — <Pf if mit den Eulerschen Winkeln des starren Körpers identifi-
zieren (siehe Nr. 260). Also ist für den Kreisel nach Nr. 265
03^ = — COS ^-d" — sin ^ cos %ip^
ojy, «- + sin ^0" — cos ^ cos d^q),
(D^ = — sin 0" g? + ^
Nc. 33S. % G6. Die LagnugeBchen Gleichnngen.
und da die x'-, y'-, y-Ächsen HaaptachHen sind, anfierdfim A
Beine kinetische Energie
Den Rahmen können
wir als einen Ej^iael
ansehen, ftlr den ^=0
und ri» — 0 igt, wäh-
rend er die Bewe-
gungen # nnd ip mit-
macht, also ist ^r.ihn
+ ~ Cji(-8in#v)'-
Bndlich ist fflr das ir^
Schiff r:
Nehmenwirniin _.—
an, daß fr, 9, fl", ip —
dsnernd klein Bind, _Z_ —
während ^ durch
einen auf die Kreisel-
501
- B, ist
achse aufgesetzten — - — ~ . ' '
Elektromotor auf der „^ ^^
konstanten Stärke io„
gehalten wird, so nimmt die gesamte kinetische Energie dea SyBteme
die äestalt an
£ = ±74,«+ -i-^fr»+ -i-CK»- 2o)„»^),
(1)
wo T~As-\-At-'rBit wegen der Überwiegeaden Grfiße von As wesent-
lich das Trägheitsmoment des Schiffes um die Läogsachse darstellt,
A-Ai-^Ak,
durch die Massen des Kreisels und des Rahmens bedingt Bind. Ä.n
Kräften wirken nun
502 ^- Kinetik starrer Systeme. Nr. 882.
1. das aufrichteBde Moment von Auftrieb und Schwere auf das
Schiff^ daB in erster Annäherung — q) proportional sein wird, etwa
M^ — ip . mgh,
wo mg das Gewicht des Schiffes, h eine Länge, die sogenannte meta-
zentrische Höhe bedeutet. M ist ein Moment um die Längsachse,
seine Arbeit MS^tp, also M » K .
2. Die Schwerewirkung auf den Ejreisel.
Liegt dessen Schwerpunkt im normalen Zustand die Strecke $
unter der Rahmenachse, so ist für ihn jer*'«=— s, a:*'«0, y*' = 0; also
nach Nr. 261
y* « — cos qp cos d" ' S.
Deshalb ist mit Einschluß von Größen zweiter Ordnung das Potential
U-^ mgy* = — m'gs(l - y^^'^T^) '
Infolgedessen lauten die Lagrangeschen Gleichungen '
Tg) — Coo^ + (mgh + m'gs)(p = 0
Äd^ + Cgq^) + m'gsd' = 0
(I)
Läuft der Kreisel nicht, ist o » 0, so haben wir für die Schiffs-
schwingung qp und die Rahmen Schwingung 9" zwei gewöhnliche Schwin-
gungsgleichungen, die ganz unabhängig voneinander sind. Läuft aber
der Kreisel, so sind beide Gleichungen durch Glieder der Form
— CoD^d' resp. C(Dq9>
miteinander gekoppelt. Man nennt solche Glieder gyroskopische
Terme.
Wir woUen nun die Gleichungen (I) noch dahin yerallgemeineni,
daß wir sowohl für das Schiff als auch für den Kreisel je eine un-
abhängige Dämpfung einfuhren:
— 20qf> für das Schiff,
— 2x9- für den Kreisel,
d. h. je ein der Geschwindigkeit entgegengesetztes und proportionales
Drehmoment; außerdem mag auf das Schiff noch von den Wogen ein
Drehmoment ausgeübt werden, das der Einfachheit halber als eine
Sinusfunktion der Zeit angesetzt sei:
p sin vt.
2 Ä
— ist dann die Schwingungsdauer einer Woge. Die so verbesserten
Gleichungen lauten, wenn wir noch
Nr. 332 a. § 66. Die LagrangeBchen Gleichungen. 503
mgh + m'gs — a
mgs =« c
setzen:
T^ — Co^jO- + afp + 26q> ^p^invt
(I-)
In die Behandlung dieser Gleichungen gehen wir im nächsten Para-
graphen ein.
Über die praktische Bedeutung des Systems haben wir schon in
Nr. 280 gesprochen.
Wir wollen jetzt noch eine elementare Ableitung der vorstehenden
Gleichungen kennen lernen.
882 a. Blementare Ableitung der Olelohnngen des Gtohlflh-
krelselfl. Befindet sich der Kreisel in seiner normalen Lage und rollt
das Schiff mit der Winkelgeschwindigkeit 9 nach links, so wäre nach
Nr. 278 und 283 zum Mitführen des Kreisels ein Moment der Größe
Ca>o9 um die dritte Achse, also die Querachse notig und zwar Yon
solchem Sinne, daß sich die Rotationsachse des Kreisels (die /-Achse)
auf den Momentvektor zu bewegt. Also ist ein Moment, in der Querachse
nach links gelegen, notwendig. Ein solches Moment kann aber nicht das
Schiff (bei reibungsfreien Drehachsen!), sondern nur der Rahmen her-
geben: also erfährt letzterer vom Kreisel ein Drehmoment Coq^, das
in der Querachse nach rechts liegt, also d" zu verkleinern sucht. Passiert
andererseits der Kreisel die Normallage mit der Winkelgeschwindig-
keit '9- (was eine Drehung um die Querachse bedeutet), so ist dazu
nach derselben Regel vom Deviationswiderstand ein nach vorne ge-
legenes Moment der Größe Cco^d' nötig, das jetzt aber nicht der Rahmen,
sondern nur das Schiff hergeben kann. Dieses wird also selber ein
nach hinten gelegenes Moment Coq%' erfahren, das tp zu vergrößern
strebt.
Befindet sich der Kreisel nicht gerade in der Normallage {%• » 0),
so werden statt der soeben betrachteten Momente solche auftreten,
welche für -d* «= 0 in jene übergehen, sich also nur um Größen zweiter
Ordnung — die Momente selbst sind ja schon erster Ordnung klein —
voh jenen unterscheiden, so daß wir bei Beibehaltung von Größen
erster Ordnung allein jene Momente stets als wirksam ansehen dürfen.
Betrachten wir nun Schiff und Kreisel mit Rahmen als je ein
Pendel, das kleine Schwingungen ausführt, auf welche außer der Schwere,
einer Dämpfung und dem Moment der Wogen noch die eben be-
sprochenen Momente infolge des rotierenden Kreisels wirken, so können
wir die Schlußgleichungen der vorigen Nummer sofort hinschreiben.
504 ^L Kinetik stairer Systeme. Nr. 888, 834.
333. Literatur rar analytisohen Mechanik. Der Begründer
der analytischen Methoden ist Lagrange, dessen mecanique analytiqne
zuerst 1788 erschien. Dieses Werk bildet die Basis für die ganze
theoretische Fortentwicklung der Mechanik im 19. Jahrhundert, die
man vor allem Poisson, Hamilton, Jacobi (dessen Vorlesungen
über Dynamik klassisch geworden sind), William Thomson, Routh^
Helmholtz, Appell u. a. verdankt. Es gibt sehr yiele Lehrbücher
dieser Richtung: Außer Lagrange, Jacobi selbst enthalten fast alle
in der Einleitung (Nr. 9) genannten die analytischen Methoden, beson-
ders Appell, Heun, Whittaker. Namentlich die französische und
italienische Literatur ist reich an entsprechenden Lehrbüchern: Außer
Despeyrous und Marcolongo seien die Namen Delaunay, Du-
hamel, Sturm, Maggi genannt. Ein Teil dieser Bücher ist ins
Deutsche übersetzt. Von deutschen Büchern sei vor allem noch ge-
nannt: Boltzmann, Vorlesungen über die Prinzipe der Mechanik.
Aus der Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften kommen die
noch nicht erschienenen Referate von Stäckel (Bd. IV, 11, 12, 13)
in Betracht.
§ 57. Kleine Schwingangen von zwei Freilieitsgraden.
884. Die allgemeinsten Oleichnngen für kleine Schwin-
gungen bei zwei Freiheitsgraden können lauten
B'^ + Äq) + 2r«^ + 2x'<p + /J> + aq> = F\{),
Linear nämlich werden im allgemeinen die Gleichungen sein, da ja die
Variabein nebst ihren Ableitungen klein sein sollen und wir bei Gliedern
erster Ordnung stehen bleiben wollen. Es könnte nur sein, daß in den
exakten Gleichungen alle Glieder erster, zweiter bis i/**' Ordnung fort-
fielen, dann wären die Gleichungen in %•, (p, d', g? usw. v + 1*"^ Ordnung.
Wir wollen aber, der bisherigen Praxis entsprechend, v — 0 annehmen,
d. h. voraussetzen, daß in den exakten Gleichungen nicht alle Glieder
erster Ordnung verschwinden.
Als mechanische Gleichungen werden die Gleichungen gerade noch
Ableitungen zweiter Ordnung enthalten. Die Koeffizienten könnten zu-
nächst noch Funktionen von t sein.
Nun wollen wir aber gewisse Beschränkungen eintreten lassen:
Die Gleichungen mögen einem mechanischen skleronomen System
von eigentlich drei Freiheitsgraden angehören: es sei aber eine Ko-
ordinate if eine sogenannte zyklische, d. h. sie komme selbst weder
in E noch in den Kraftgrößen vor, außerdem werde ^ « o^ konstant
gehalten. (Beispiel: der umlaufende Kreisel im System von Schiff und
Nr. 884. § 67. Kleine Schwingnngen von zwei Freiheitegraden. 505
Rahmen.) Ist o^ » 0, so erhalten wir das allgemeine System Ton zwei
Freiheitsgraden, das also in unserem Ansatz enthalten ist. o^ ist nicht
klein, so daß der allgemeinste Ausdruck der kinetischen Energie, der
bei einem skleronomen System in ^, q), <Oq homogen quadratisch sein
muß, bei Beibehaltung von Gliedern zweiter Ordnung lautet
Man kann ein Glied mit d'coQ oder ^^Oq mal einer Konstanten fort-
lassen, da es bei Bildung der Lagrangeschen Gleichungen keinen Bei*
trag liefern würde, desgleichen ein Glied mit cJq* mal einer Eon-
stanten. Dagegen dürfen Glieder mit a^^ mal einer linearen Funktion
Ton 9; q> nicht vorkommen, da sie in die Lagrangeschen Gleichungen
endliche Konstante additiv hineinbringen würden.
Die eingeprägten Kräfte mögen in zwei Gruppen zerfallen: Erstens
sogenannte konservative Elräfte, d. h. solche, die ein Potential haben,
das natürlich die Form haben muß
CT « i- (a'^* -f 26^9 -h c VX
da auch hier lineare Glieder aus demselben Grunde ausgeschlossen
sind wie oben in E,
Zweitens seien sogenannte dissipative Kräfte vorhanden, d. h.
Kräfte, die Lagrangesche Kraftkomponenten erzeugen, welche von den
Geschwindigkeiten ^^ ip linear abhängen und die Eigenschaft haben,
daß sie stets Energie verzehren. Seien also diese Lagrangeschen Kraft-
komponenten
— 2()^ — 2(y(p,
, -2v^ — 2r<p,
so ist ihre Leistung — 2(>'9'* — 2(<y + 1;)^9? — 2r9?*. Die muß also
stets negativ sein, d. h. p > 0, r > 0, (cJ-f v)'< 4(>r.
Für die Leistung kommt also nur 6 -{■ v m Frage, wir wollen
daher annehmen, daß 6 ^ v sei. Wir dürfen das um so mehr tun,
als man ja jedenfalls z. B. das Glied 2öq) auch schreiben kann
(0 + v)q) + {ö — v)j)j
dann das Glied
2 vö- — (<y + v)d' - (tf — v)d'
und wir sehen werden, daß wir Glieder der Form (<y — v)^ resp.
— (<y — v)!*" ohnehin in die Gleichungen bekommen werden.
506 ^- Kinetik starrer Systeme. Nr. 884.
Ist <y « V, 80 nennt man die Funktion pd'^ + 26d'q) + T<p*, wo
6^ < Qt ist, die Dissipationsfunktion (nach Lord Ray leigh: Theory
of sonnd).
Wir können nunmehr die Lagrangeschen Gleichungen auf-
stellen: Sie lauten:
und
Durch Zusammenziehung entsprechender Glieder nehmen diese Glei-
chungen die Form an:
a)
B^ + Cip-^ Do^d' + 26» + 2tq) + b& + cg>-^0
wo D ^ — fi + l
a — a — cc&Q^,
ist.
Wirken noch Krafte, die lediglich Funktionen der Zeit sind^ so
treten auf die rechte Seite noch gegebene Funktionen der Zeit.
Die Gleichungen (I) sind natürlich in den ganz allgemeinen Glei-
chungen enthalten, die Spezialisierung besteht in folgendem: 1. Alle
Koeffizienten sind konstant. 2. Es ist jB= JB', -4.>0, -4(7— -B*>0 wegen
E>0, 3. Es ist /3^/5' = 6 (rührt daher, daß ein Potential der vom Orte
abhängigen Kräfte als vorhanden angenommen wurde). 4. Es sind x === p
und x'=r positiv, und^ (jl + Jl')*= 4(y*^ 4x(>. 5. Die Glieder mit
2^9? und 2X'%^ sind zerlegt in 26q> -{- Do^^ und 26» — Dca^q)^ wo
2(y = X + A', DcDo = — Jl' -f- A gesetzt ist. Das ist keine Spezialisierung,
sondern eine durch die Natur der Sache bedingte Zerlegung: die Terme
mit 2(^9? resp. 26» rühren von Widerstandskräften her, d. h. von
solchen, die Energie verzehren, während die Glieder -\- Do^ip und
— Dg}q» die sogenannten gjroskopischen Terme, etwa die Wirkung
eines eingebauten symmetrischen Kreisels darstellen (vergleiche das
Beispiel des Schiffskreisels aus Nr. 332, 333). Es ist zu beachten,
daß diese Glieder keine Arbeit leisten. Denn
Nr. 885. § 67. Kleine Schwingungen von zwei Freiheitsgraden. 507
Der Name ^gyroskopische Terme" stammt von Lord Eelyiii
(William Thomson).
33B. Integration der Olelehnngen (I). In bekannter Weise
versuchen wir es mit dem Ansätze
und erhalten för 0, O die beiden homogenen Gleichungen
{Au^ + 2qu + a)& + {Bu^ + Dio^u + 26u + 6) 4> « 0
Ca)
SoUen diese beiden Gleichungen von NuU verschiedene Lösungen
haben, so muß die Determinante verschwinden:
«0,
Au* + 2qu + a Bu* + Dto^u + 26u + b
Bu* — D(DqU + 26U + h Gv? + 2xu + c
es ist dies eine Gleichung vierten Grades för w:
u^AC-B") + 2ii»(^T + pC-2£<y)
+ w*(^c + aC + 4pr-265 + D«a)o*-4<y»)
+ 2u((>c + «T — 26(y) + ac - 6* - 0. (II)
Sei nun eine Wurzel dieser determinierenden Gleichung
so gibt es Lösungen, die
^< = e*'(cosy< + *8iny^)
proportional sind.
Sollen also bei der Bewegung dauernd d", q) Mein bleiben, soU also
insbesondere die Gleichgewichtslage # = 0, ^ =» 0 stabä sein, so muß
X ^0 sein, d. h. alle vier Wurzeln der determinierenden Gleichung
müssen ftegative reelle Bestandteile hohen (die NuU eingeschlossen).
Sind u^u^u^ti^ die vier Wurzeln, so lautet das allgemeine kom-
plexe Integral
4 4
v=l v=l
wo jedes Paar &^ und 0^ miteinander durch eine der Gleichungen (a)
verknüpft ist.
Will man die reellen Lösungen haben, so braucht man nur den
reellen Bestandteil für sich zu nehmen; denn genügt «d* «- '9*^ + id'^
einer linearen Differentialgleichung mit reellen Koeffizienten, so genügt
ihr auch d'^ (ebenso d'^) allein.
508 XL Kinetik starrer Systeme. Nr. 336.
Da die Gleichung (II) reelle Koeffizienten hat, sind immer je zwei
Wurzeln konjugiert (falls nicht zwei von ihnen oder alle vier reell sind)
u, « a?! + iyi , «8 « a^ + ty, ,
infolgedessen lauten die reellen Integrale
» = 1,2
<P ^^^"^{k cos y^t + Xy sin y^t) ,
»«1,8
wo
«,= ?R(®, + ©,+,),
/J,--3(©,-ö,^.,)
und X,; Ay entsprechend aus den $ gebildet sind. (Ist ß^x -\- yij so
heißt a; - ait(if), y - 3W.)
336. Vereinfachung der Olelohnngen. Zum Zwecke der
Diskussion der Wurzeln kann man eine bedeutende Vereinfachung
der Gleichungen yornehmen.
Zunächst ist klar^ daß das Problem in seinem ganzen Charakter
nicht geändert wird, wenn man statt %'j ff irgend zwei homogene
lineare Kombinationen d^'y 9' mit konstanten Koeffizienten und mit
nicht verschwindender Determinante als neue Variable einführt. Denn
die Kleinheit der Variabein wird dadurch nicht berOhrt^ auch behalten
E und U ihre Gestalt. Dabei transformieren sich wegen der Konstanz
der Koeffizienten die by 97 genau so wie die ^, q>.
Man kann nun diese lineare Transformation bekanntlich so wählen,
daß die positiv definite Form
die Gestalt ^'^+9^'^ annimmt. Man braucht ja nur zunächst das
Koordinatensystem so zu drehen , daß B^O wird, dann eine affine
Transformation vorzunehmen, welche die Ellipsen Äd"^ + C(p* = const.
in Kreise überführt. Endlich kann man dann noch in der d*', ^'-Ebene
eine solche Drehung des Koordinatensystems vornehmen, daß die Schar
der Mittelpunktskurven
ad'^ + 2bd'q> + C(p^ « const.
auf die Hauptachsen transformiert wird, daß also 2) -» 0 wird.
Kuris man kann durch Einführung neuer Variablen erreichen, daß
^. = (7=1^ B ^b =^0 wird, ohne daß sich sonst^ der Charakter des
Problems ändert.
Nr. 837. § 57. Kleine Schwingungen von zwei Freibeitegraden. 509
Die determinierende Gleichung lautet dann
li* + 2u\x + q) + u\a + c + 4pr + D'öo' - 4(y«)
+ 2u(QC + at) + ae^0. (IT)
Soll nun die Bewegung Mein bleiben, d. h. sollen aUe Wurzeln
dieser Gleichung negativ reelle Bestandteile haben, so muß jedenfalls
ac^O sein, d. h. a und c müssen gleiches Zeichen haben oder das
Potential
an der NüUsteUe ein Maximum oder Minimum besitzen.
Denn bekanntlich ist ac gleich dem Produkte u^u^u^u^^ aller yier
Wurzeln. Sind diese alle reell^ so müssen alle u negativ sein^ sind
zwei reell, etwa u^<0, ti^ < 0, also u^^ x^ + iy^ , u^^ x^— iy^ , so
ist das Produkt (iCi* + yi*)w8^4 > 0; ^^^^ endlich alle vier zu je zweien
konjugiert komplex, so ist das Produkt {x^^ + y^*) (x^^ + y^*) > 0.
Machen wir also hinfort die Annahme
ac^O.
337. Diskussion der nlohtgedftmpfteu Etohwlngungeu. Sind
6, Q, X null, sehen wir also von der Dämpfung ab, so lautet die deter-
minierende Gleichung
Daraus folgt
«' - - (--±£±^^ ± \ y(a+7+i;»a,.')«-4äc;
= - ^"-^ "i^^«-*^ ± 4 y(a - c)* + i)*< + 2D*a,o«(« + c) .
1. Sind a und c beide positiv, so ist auf jeden Fall, auch
für (Dq » 0, die halbe Quadratwurzel reell, aber absolut kleiner als das
erste Glied, also sind beide ^ reell und negativ, alle vier Wurzeln u
also imaginär. Seien die beiden Werte
u^ =- — y^ und w* =- — y^, .
wo y^, y^ reell, so sind — und — die Schwingungsdauern beider Seh win-
.. yi y«
gungen, aus deren Überlagerung die ganze Bewegung besteht. Sei
^1 ^ y^j ^^ entspricht y^ die langsamere Schwingung.
Ist Oq « 0, so werden selbstverständlich die beiden Werte von y
gleich j/a resp. Yc. Man sieht weiter, dafi ein nicht verschwindendes
cDq das ^1 vergrößert, dagegen y^ verkleinert.
/
510 ^- Kinetik starrer Systeme. Nr. 388.
Die Gleichung zwischen O und 0 nimmt die Gestalt an
(tt» + a)e + D(0quO — 0,
oder wenn u = iy gesetzt wird
(- y.» + a)3i(Ö,) - Dm,y, 3(<I>,) - 0,
sowie
Gelten diese Gleichungen für 0,, 0^, so gelten für ^,.^.27 *y+«> ^®il
ihnen m «- — f y entspricht
(-y/ + «)3(©,+J - 2)a)oy,5R(<I>,^.,) - 0.
Also, wenn man die ersten und die zweiten Gleichungen addiert
(-y,* + «)«,+ i>o'oy,^,=o]
(1)
Ist ajQ=0, so folgt daraus entweder y^^a^ a, f^ beliebig oder
« = j} = 0, d. h.
Ist das Problem durch die Einführung geeigneter Koordinaten
in der in Nr. 336 angegebenen Weise vereinfacht und findet weder
Dämpfung noch Kreiselwirkung statt, so vollführen beide Koordinaten
ganz unabJiängig voneinander je eine Schwingung mit beliebiger Am-
plitude und Phase, wenn die Konstanten a und c beide positiv sind.
Durch eiv^en eingebauten Kreisel werden hingegen beide Koordi-
naten gekoppelt, der Art, daß beide eifie Bewegung machen, die aus
einer Überlagerung beider Schwingungen besteht, die Amplituden und
Phasen der zweiten Koordinate {X, x) stehen jedoch mit denen der
ersten Koordinate (a, ß) in der Beziehung (1).
Der eingebaute Kreisel hai femer die Wirkung, daß er die langsame
Schwingung verlangsamt, die schnelle beschleunigt
338. Fortsetzung: Brennans Binsohieuenbahn. 2. Seien
nun a und c beide negativ oder null. Ist dann Oq«=0, so ist
?ij^ =« — ti ; Wg^ == — c,
also sind von den zwei Wurzeln miDdestens zwei positiv reell oder
Null, die Gleichgewichtslage ist sicher instabil, d; q> wachsen über alle
Grenzen. Das gilt auch , wenn zwei Wurzeln Null sind, z. B. a =» 0
ist. Denn man weist sofort aus den ursprünglichen Gleichungen nach,
daß dann eine beliebige lineare Funktion von t Integral ist, das mit
wachsendem t unendlich wird. Beide Koordinaten sind in diesem Falle
nicht unabhängig voneinander.
Nr. 388. §57. Kleine Schwingungen Ton zwei Freiheitsgraden. 511
Nun sei aber ein Kreisel eingebaut. Kann er die Bewegung
stabilisieren?
SoU das der Fall sein, so muB jedenfalls die Quadratwurzel reell
sein, denn wäre
so hätte sicher die eine dieser beiden Wurzeln einen positiv reellen Be-
standteil. Es kann also nur Stabilität herrschen^ wenn u rein imaginär
ist, also ü^ reell und negativ. Folglich muß
sein. Aber es muß auch a + c + JD^Oq^ > 0 sein, denn sonst wäre das
erste Glied von u^ positiv, und da das zweite Glied absolut kleiner
ist als das erste, so wäre ein u^ positiv. Also muß
a + c + J?^G>o* > 2 yäc
sein,
D^wo* > 2y'^-a - c = (y^+y~c)\
D(o,>y-a + y~c', (2)
wo beide Wurzeln positiv zu nehmen sind.
Ist die Bedingung (2) erfüllt, so werden tatsächlich alle vier u
rein imaginär, es kommen also kleine Schwingungen zustande, die
NuUage (d'=^(p^O) ist stabil.
Das Gleichheitszeichen von (2) genügt nicht; denn dann hat die
determinierende Gleichung Doppelwurzeln, und es darf wohl der Satz
als bekannt angesehen werden, daß falls u » yi eine Doppel wurzel
ist, cos yt, sin yt, aber auch t cos yt und t sin yt Integrale sind, und
die beiden letzteren werden ja unendlich (vgl. Nr. 72, c).
Ein eingebauter Kreisel lann eine Gleichgewichtslage, für die an
sich Instabilität hinsichtlich beider Koordinaten stattfindet {a und c < 0)
stabil machen; er muß nur so rasch rotieren, daß die Ungleichheit (2)
erfüllt ist.
(William Thomson hat allgemein bewiesen, daß man durch ein-
gebaute Kreisel immer nur eine gerade Anzahl von Freiheitsgraden
stabilisieren kann.)
Der GrenzfaU, daß a oder c Null ist^ läßt sich allerdings nicht
stabilisieren, da dann zwei Wurzeln u Null werden, also eine lineare
Funktion von t Integral ist.
Beispiel: die Brennansche Einschienenbahn (vgl. Nr. 280).
Ist hier der Kreisel so montiert, wie auf dem Schiffe, so lassen sich die
Gleichungen (I) aus Nr. 332 für den Schiffskreisel sofort herüber-
nehmen. Nur ist hier a < 0, da das Fahrzeug an sich instabil ist.
512 ^^- Kinetik starrer Systeme. Nr. 3S9.
also muß auch c<0 sein, d. h. der Schwerpunkt des Kreisels muß
in der Normallage oberhalb der Drehachse des Rahmens liegen. Läuft
der Kreisel dann so schnell, daß Bedingung (2) erfüllt ist, so steht
der Wagen stabil aufrecht.
Nun ist allerdings die von Brennan vorgeschlagene Montierung
eine andere. Der Rahmen dreht sich um eine vertikale Achse, der
Kreisel im Rahmen um eine hprizontale Querachse, d. h. es ist das
Vorderrad eines Zweirades noch einmal als besonderes stabilisierendes
Organ auf das Fahrzeug genommen. Der Leser mag nachweisen, daß
die Gleichungen dieselben bleiben, nur daß c » 0 ist; da das aber
nicht sein darf, so denkt sich Brennan (in seinen ersten Entwürfen)
die erforderliche Krafb durch Menschenhand hervorgerufen, wie es ja
beim Vorderrad des Zweirades auch der Fall ist. Ob aber die An-
ordnung wie beim Schiffskreisel als automatisch wirkend nicht vor-
zuziehen wäre? Wir werden sehen, daß gute Ghründe dagegen sprechen
(siehe Nr. 340). Auf die automatische Regulierung, wie sie später von
Brennan und Scherl vorgeschlagen worden ist, können wir hier nicht
weiter eingehen. Siehe etwa Klein-Sommerfeld Bd. IV.
889. Wirkimg der D&mpftmg anf an sloh stabile Systeme.
Sei das System an sich stabil, d. h. a > 0, c > 0. Multiplizieren wir
dann die erste der beiden Bewegungsgleichuugen mit ^, die zweite
mit q> und integrieren, so erhalten wir das Integral der lebendigen Kraft
E+ U+ 2 />. dt «- const.
die Dissipationsfunktion ist.
Da letztere stets positiv ist, so folgt
E+ f7^ const,
und daraus läßt sich bei positiv definitem U, d. h. wenn U an^ der
Stelle # » 9) » 0 ein wahres Minimum hat, genau nach dem Dirichlet-
sehen Verfahren stets auf Stabilität schließen.
Aber noch mehr:
*Fdt wächst beständig, also nimmt E + U dauernd ab, also
/
Ist das System an sich stabil, so haben die Wurzeln der deter-
minierenden Gleichung negativ reelle Bestandteile, die nicht null sind,
Ist keine der Wurzeln reell, was bei hinreichend kleiner Dämpfung
der Fall sein wird — denn für fehlende Dämpfung sind sie ja rein
imaginär — , so besteht die Bewegung einer jeden Koordinate aus
zwei gedämpften Schwingungen.
Nr. 840. §57. Kleine Schwingungen von zwei Freiheitsgraden. 513
340. Wirkimg der D&mpftmg anf an sieh labile, duroh
Kreisel stabilisierte Systeme. Wir wollen beweisen, daß
an sich labile Systeme hei Vorhandensein von Dämpfimg durch ein-
gebatUe Kreisel nicht stabäisiert werden können (Lord EeWin).
Sei das System an sich labil, also a < 0, c < 0 , — sonst ist ja
Stabilisiemng sicher unmöglich — , aber
so daß das System mit Kreisel bei fehlender Dämpfung stabil wäre.
Nun hat aber der Koeffizient von u in der determinierenden Gleichung
ar + CQ
sicher ein negatives Zeichen (r > 0, p > 0!).
Wir zeigen, daß es positiv sein müßte, wenn die determinierende
Gleichung lauter Wurzeln mit negativ reellen Bestandteilen hätte.
Seien die Wurzeln zunächst alle konjugiert komplex:
-^i+»yi; -^i-iVu -^%+iyi, -^i-iVi,
und alle x positiv. Dann ist bekanntlich der in Rede stehende Koeffi-
zient die negative Summe aller Produkte aus je drei verschiedenen
Faktoren der vier Wurzeln. Bildet man diese Summe, so erhält man
m * I *
und das ist tatsächlich positiv.
In analoger Weise beweist man den Satz, wenn nur zwei kon-
jugiert komplexe und zwei reelle oder aber wenn vier reelle Wurzeln
da sind.
Damit ist der zu Anfang dieser Nummer ausgesprochene Satz
bewiesen. Die Bewegung kann also nicht stabil sein. Würde man
daher ein Brennansches Fahrzeug mit einem stehenden Kreisel aus-
rüsten, so würde es sich langsam auf die Seite legen. Denn sind x,
Q klein, so werden natürlich auch die positiv reellen Bestandteile der
Wurzeln klein sein.
Ein schwerer, auf der Spitze laufender Kreisel genügt für die
Bewegung in der Nähe der aufrechten Lage genau denselben Glei-
chimgen wie ein Fahrzeug mit stehendem Kreisel, man braucht ja
nur die Masse des Rahmens und des Fahrzeugs Null zu setzen, um
einen bloßen, stehenden Kreisel zu erhalten.
Ein schwerer auf der Spitze laufender Kreisel wird also jeden-
falls infolge des Luftwiderstandes langsam umsinken.
Allerdings wird die wirkliche Bewegung noch ganz wesentlich
durch Reibungserscheinungen an der Spitze modifiziert.
Ha.mel: Elementare Mechanik. 33
514 ^- Kinetik starrer Systeme. Nr. 841.
Aach ist angenommen, daß die Rotationsbewegung des Kreisels
nm seine Symmetrieachse ungeändert bleibt. Sie wird jedenfalls schwächer
gedämpft als die anderen Bewegungen, weil sich der Ejreisel (er ist
als Rotationskörper gedacht) in sich dreht und dabei natürlich sehr
wenig Widerstand erfährt.
Unter anderen Annahmen und auch mit anderem Resultat
haben Klein und Sommerfeld den Einfluß des Luftwiderstandes
behandelt (siehe Bd. III, Kap. VII, § 7).
Die allgemeine Theorie der kleinen Schwingungen wollen wir
hiermit abschließen. Wegen weiterer Einzelheiten sei auf die Literatur
verwiesen.
Die Methode der kleinen Schwingungen geht auf Lagrange
zurück.
Die besten Ausführungen über kleine Schwingungen findet man
sonst in dem schon oft genannten Werke von Routh, Bd. I, Kap. IX
und Bd. 11, Kap. 11, III, VI, VII. Routh ist auch der erste gewesen,
der kleine Schwingungen um einen Bewegungszustand (siehe unser
elementares Beispiel in Nr. 67) in seiner Preisschrift: „On the stability
of steady motion^^ betrachtet hat.
Allerdings hatte schon vorher Maxwell sich mit Regulator-
Schwingungen beschäftigt (siehe die Literatur zum Regulatorproblem
in Nr. 200).
Hurwitz hat in den Math. Annalen Bd. 46 die vollständigen Be-
dingungen dafür aufgestellt, wann die Wurzeln einer Gleichung negativ
reelle Bestandteile haben.
Neuerdings ist ein kleines Buch von W. Hort erschienen: „Tech-
nische Schwingungslehre", das zu einer ersten Einführung dienen kann.
Wir wenden uns jetzt noch zu einigen Anwendungen.
841. Das Problem von Olooke und Klöppel. Kann es vor-
kommen, daß Glocke und Klöppel so schwingen, daß kein Anschlag
stattfindet? Dieses Problem stellte das Versagen der Kölner Kaiser-
glocke 1876.
Glocke und Klöppel bilden ein Doppelpendel. Die Bewegungs-
gleichungen für ein solches haben wir schon wiederholt aufgestellt
(siehe Nr. 310 und 330); nehmen wir die Schwingungen klein —
treten keine kleinen relativen Schwingungen des Klöppels gegen die
Glocke ein, so treten auch sicherlich keine großen auf — und setzen wir
m^cb = B,
Tn,s+mub^'-C,
a statt nijga + Wu^rc, c statt m^gb, so lauten die Gleichungen
Nr. 841. § 67. Kleine, Schwing^gen von zwei Freibeitsgraden. 515
ÄÖ^ + J5^ + a# — 0,
B^+ Cip + c(p^ 0.
Setzen wir d' — ®c**', 9? — O^^ an, so bekommen wir die charakte-
ristische Gleichung
u\ÄC- B") + u\Ac + aC) + ac - 0.
Es gibt zwei reelle nngedämpfte Schwingpingen, deren Schwin-
gungsdauem
— für die langsame,
— für die schnellere
sind, wo
Setzt man demnach
%^ ^ («1 cosy^e + /?! siny^O + («« cosy,^ + /J, siny,f),
9 =* (xj cosy^^ + l^ Biny^t) + (x, cosy,< + A, siny,0,
so bestehen zwischen «^ und x^, ebenso aber zwischen /J^ und A^ die
Gleichungen, die man durch Einsetzen in die erste Bewegungsgleichung
erhält und die den allgemeinen Gleichungen (1) aus Nr. 337 entsprechen
W
Soll nun bei einer Schwingung keine relative Bewegung zu-
stande kommen, so muß dauernd
^ — 9
sein. Bei der langsamen Schwingung etwa gibt das
«i = «i
und
Beide Gleichungen bedingen nach (a) die eine
(^ + J3)yi«-a-0.
Man kann darin den obigen Wert von y^' einsetzen. Bequemer ver-
fährt man jedoch so, daß man die aus der zweiten Bewegungs-
gleichung resultierenden Gleichungen
88
•
516 XI. Kinetik starrer Systeme. Nr. 348.
-«,By,»+x,(-Cy,«+c)-0
hinzunimmt, die für o^ =» x^ ergeben
(B + C)y,«-c-0.
Eliminiert man aus ihr und aus
y.^, so erhält man
(B + C)a -(A + B)c « 0})
FQhrt man die ursprünglichen Bedeutungen yon A, B, C, a, c ein
und setzt
C ■" Wjj6 • Ijjj
wo {jy {jx die reduzierten Pendellängen beider Körper sind^ so lautet
die Yorstehende Gleichung nach dem Abstände c der beiden Dreh-
punkte aufgelöst
^"~^i
Man wird, weil m^ > mjj, den Nenner gleich 1 setzen dürfen und
erhält somit sicheres Versagen der Glocke, wenn
ist.
Nun war, als man nachmaß, tatsächlich bei der Kaiserglocke
Zjj — ij =-= 65,3 cm, dagegen c« 66,7 cm. Durch zweckentsprechende
Abänderung der Masse konnte die Glocke zum Läuten gebracht wer-
den (siehe Veit mann: „Über die Bewegung einer Glocke'^ in Dinglers
polytechn. Journal, Bd. 220, 1876).
342. Brledignng eines Blnwandes. Man kann gegen die
vorstehende Yeltmannsche Theorie einwenden, daß sich nur bei einer
Schwingung Glocke und Klöppel wie ein starrer Körper bewegen, daß
es aber bei der anderen anders sein könnte. Tatsächlich werden wir
sehen, daß sich gerade beim ErfÜUtsein der Bedingung
(B+C)a-'(Ä + B)c^O
1) Diese Gleichung kann auch direkt aus den Bewegungsgleichungen er-
halten werden; setzt man in diese & = q)^ so geben beide Gleichungen nur dann
nicht ^ =B qp SS 0, wenn die Determinante
\Ä + B ai
' =0
B+C c,
ist
Nr. 342. § 67. Kleine. Schwingaogen von zwei Freiheitagraden. 517
nur bei der laugBamen Schwingung kein Anschlagen, bei
der schnellen Schwingung hingegen eine besonders starke
relative Bewegung ausbildet.
Denn ist obige Bedingung erfüllt^ also
aC — Ac =^ B{c — a),
so folgt
2_ c
Vi ^B+C'
wie es sein muß, wenn für die langsame Schwingung kein Anschlag
stattfinden soll, dagegen
I ac
Dafür aber berechnet sich
il_ « ^ — oj-^y,* -_ _ f_ ^ 0
A «. By,* c ^""^
d. h. die Schtvingung des Klöppels ist gerade um eine halbe Schwingung
gegen die der Glocke zurück. Schlägt die Glocke links aus^ so pendelt
der Klöppel nach rechts und umgekehrt.
Denn ist
d'^ysin{y^t + s),
so ist
9)— ^ y sin (y^t + « — jnr).
Es mußte also möglich sein^ durch eine geeignete Antriebsvor-
richtung die Eaiserglocke zum Läuten zu bringen. (Ob allerdings die
schnelle Schwingung der Absicht entsprochen hätte, ist eine andere
Frage.) Wir wollen uns noch überzeugen, daß eine Antriebsvorrich-
tung, die mit der primitiven Art des Läutens große Ähnlichkeit hat,
die schnelle Schwingung nicht hervorruft.
Wir denken uns die Glocke durch einen ersten Zug am Seil in
einen gewissen Ausschlag 9-^ gebracht, während der Klöppel nur eine
Parallelbewegung gemacht habe, d. h. <p wesentlich Null geblieben
sei. Dann lassen wir das System los. Welche Bewegung wird ein-
treten?
Aus den Anfangsbedingungen d'^d'Qj 9=»0, ^=-=0, 9? — 0 folgen
für die a, ß, x, X die Gleichungen
Cfl + «J =- d'Q,
^1 + ^2 "=" 0,
ßiVi + ß^y.-o,
518 ^ Kinetik staner Sjeteme. Nr. 343.
Daxo kommen die Gleichnngen zwischen a, x, denen anch ß, X ge-
nügen, und die sich in dem angenommenen Sonderfiidl, wo
ist, auf
aC'-Äc^Bic — a)
ßi ■* ^u
X,«--«,,
^.--^Ä
reduzieren.
Man erkennt sofort, daS alle ß, X Null sind, während sich
^1 ^
und infolgedessen
a
ergeben.
Man bekommt also für die Glocke
-^ — «2 (^ cosyi^ + cos y^i^ ,
für den Klöppel
qp =« x,(— cos y^t + cos y^t).
Nun ist a wesentlich größer als c. Denn es war a statt fY^ga
+ ^n9^y dagegen c statt m^x^^ gesetzt und es ist m^ f> m^, während
a, }) von derselben Größenordnung sein werden.
Während also beim Klöppel beide, die schnelle und die langsame
Schwingung gleich stark einsetzen werden, wird an der Glocke nur
die langsame Schwingung deutlich erkennbar sein.
Ist nun die Bewegung mit diesem Vorwiegen der langsamen
Schwingung eingeleitet, so wird der Mann am Strang im langsamen,
für ihn fühlbaren Rhythmus weiterziehen und infolgedessen nach den
bekannten (siehe Nr. 76) Resonanzerscheinungen die langsame Schwin-
gimg das ganz entschiedene Übergewicht erhalten.
Wendet man aber ein Läutewerk an, das von vornherein mit
der schnellen Schwingung in Resonanz gesetzt ist, so unterliegt es
keinem Zweifel, daß die schneUe Schwingung in lebhaftem Maße ein-
treten und also die Glocke erklingen wird.
843. Bin anderer Bpeslalfall des Doppelpendele hat noch
besonderes Interesse: der Fall nämlich, daß der angehängte Körper
klein ist gegen den anderen (''hi*^^)' während die Eigenschwingungen
]S:r. 848. § 57. Kleine Schwingungen Ton zwei Freiheitsgraden. 519
beider Pendel nahezu übereinstimmen. Man kann dann mit Vernach-
lässigung Ton tnjiC* gegen Tj setzen
wo 2j und Ij^y die reduzierten Pendellängen, fast einander gleich sind,
des weiteren für a angenähert m^ga setzen, während c gleich Mjjgb
bleibt.
Dann ist wegen
B = mj^cb
{Äc — Gay + AacB'^ [mjtnjjgabQj'— ?„)]' + ^fnjm\jg^ab^c\
und das ist klein gegen
(Ac + Cay -= [m,m^jgab{lj + kdy,
weil
und weil
Infolgedessen werden sich y^ und y^ nur wenig yoneinander unter-
scheiden: man kann setzen
wo c klein ist gegen y^.
Es wird also d^ ebenso wie q> aus der Überlagerung zweier
Schwingungen von wenig verschiedener Periode bestehen:
-d" = «1 cosy^^ + ßi Bin y^^t + a^ cos (y^t + st) + /J, sixL(y^t + tt).
Indem man cos(y|^+^0 ^ cosy^^ cos«^ — sin y^^sinc^ zerlegt und
analog sin(y|^+ ^0; ^^^^ ™^^ schreiben
^ =B a cos y^ ^ + 6 sin j/i^ = c sin (yi^ + rf),
wo
a = «1 + a, cos et + A sin st,
6 = ^1 — a, sin £^ + ß^ cos «^
oder
-)/«i'+ ft'+ V + A' + 2(ai«, + i8iA) cos£i + 2(ai/3,-fta,) sin 5^.
Jlfan %ann aZso die Bewegung bei wenig verschiedenen Perioden
auffassen als eine einzige Schwingung von derselben Periode^ deren
Amplitude aber langsam, nämlich mit der Periode — zwischen einem
größten und kleinsten Werte hin- und herschwankt.
520 XI. Kinetik staner Systeme. Kr. 844.
Der größte Wert yon c ist gegeben durch
der kleinste durch
<i - («,* + A* + «.* + A*)* - 4K«, +?A AV - 4(«, A - «, A)*j
Richtet man es also so ein (durch passende Wahl der Anfangs-
werte) ^ daß nahezu a/ + ft* ===«,*+ ft* irf, so trird jedes Pendd
bald fast ganz stillzustehen scheinen, bald sich in heftigen Sdacingungen
befinden. Das andere Pendel madU die umgekehrte Bewegung,
denn die gesamte Energie muß ja erhalten bleiben und die potentielle
Energie kann ja nur dann beträchtliche Wertdifferenzen zeigen, wenn
die kinetische Energie erheblich ist. Dieses eigentümliche Altemieren
beider Pendel laßt sich leicht experimentell dartun. In der Akustik
nennt man die entsprechende Erscheinung, die beim Anschlagen zweier
fast gleicher Töne auftritt und ein langsames An- und Abschwellen
des Tones darstellt, Schwebung. Verwandt hiermit ist die Erschei-
nung sogenannter sympathischer Pendel. Die Aufhängepunkte
zweier Pendel von fast gleicher Schwingungsdauer gehören einem
elastischen, aber festen Material von geringer Masse an. Dieses wird
die Schwingungen von dem einen Pendel, das man etwa angestoßen
hat, auf das andere, das zu Anfang ruhte, übertragen bis dieses schwingt
und das erste zu Ruhe kommt. Dann kehrt sich der Vorgang um: es
findet ein bestandiges Hin- und Herwandem der Schwingangsenergie statt.
344. Anwendnng auf den SchiflkkreiseL Wir haben den
Schiffskreisel schon früher besprochen und die Differentialgleichungen
der Bewegung aufgestellt (siehe Nr. 332 und 332 a):
f 0
Tip - Coo^ + ^9^ + ^^''\psmvt
A% + Cci^ip 4- 2r^ + c^ — 0
(g? Schiff, % Kreisel).
Die allgemeine Theorie lehrte, daß von den beiden resultierenden
Schwingungen durch den Schiffskreisel die langsame noch yerlang-
samt, die schnellere dagegen beschleunigt wird, wenn keine Dämpfung
vorhanden ist. Nun hemmt Dämpfung eine jede Bewegung, sie wird
also ihrerseits beide Schwingungen etwas verlangsamen.
Femer ist wohl an sich klar und kann auch ähnlich wie bei
Glocke und Klöppel bewiesen werden, daß bei einem Anstoß das
Schiff hauptsächlich die Schwingung ausführen wird, die bei An-
wachsen des (Dq von Null an stetig aus der Eigenschwingung des
Nr. 844. § 67. Kleine Schwingmigen von zwei Freiheitsgraden. 521
Schiffes (d. i. Schwingung ohne Kreisel und ohne Dämpfong) hervor-
geht, deren Schwingongsdauer also durch
gegeben ist, wo x^^y^-
1 «i
Soll also vor allem einmal der Schiffskreisel die ausnehme Wir-
kung haben, die BoUbewegung des Schiffes zu verlangsamen^ so muß
die Eigenschwingung des Kreisels rascher erfolgen als die des Schiffes,
oder es muß
x^ ^ x^
sein, wo ^»=^1/4-*
Bei einem von Schlick angegebenen Beispiel ist
V-2,3, V-4,7, r, = 1^ = 4,14 Sek.,
während die SchwingungBliauer bei Ereiselwirkung auf 6 Sek. herauf-
ging. Bei einem von Föppl durchgearbeiteten Beispiel sind die
Zahlen 0,16, 3,3, 15 Sek. und 19 bis 22 Sek je nach Dämpfung.
Die determinierende Gleichung (siehe Nr. 335) lautet
u'^TA + 2u\Tx + qA) + u^{Tc + aÄ + 4Qt + -D^ö^o*)
+ 2u(qc + ar) + ac = 0;
bei Yemachlässigung der Reibung, wenn wir noch
"TA = ^ ^1^« r^ T ^ ^V
setzen, bekommen wir für — u* die beiden Werte
für die langsame und
für die schnelle Schwingung. Setzen wir wieder
(p - 2^^ ^^^ y^^ + ^ßr Büi yj,
1,« 1.8
d "- ^x^ COS y,^ + ^A^ sin yj,
1,« 1,«
522 XI. Kinetik starrer Systeme. Nr. 344.
80 erhält man darch Einsetzen in die Bewegongsgleichungen zwischen
den a, x, ßy k die Beziehungen:
Wir wollen nun weiter zeigen, daß jedenfalls der Kreisd die
Wirkung eines eineeinen Wellenschlages abschwächt.
Zu dem Zwecke lösen wir das Impulsproblem: Ein Dreh-
stoß Z) tre£Fe das Schiff, welche Bewegung tritt ein?
Da mit den getroffenen Annahernngen
S = I iTq>' + A»*),
80 ist
P^-Ty und P^-^d,
also
woraus sich die Anfangswerte
ergeben, die zusammen mit
genügen, die Eonstanten a, ß, y, X des Schwingungsproblems zu be-
rechnen.
Aus
9? — 2:{a^ cosyj + ß^ sinyj)
und
d = 2](x^ cos yj + Xy sin y^t)
und den Anfangsbedingungen folgen
Oj + a, = 0,
X, + X, « 0,
ßiVi + ßtVt^ j,
Gleichungen, die zusammen mit den Bedingungen zwischen den a, x
und /), X'.
(- y." + ^1*) «> - ri KVv * 0.
Nr. 344. § 67. Kleine Schwingungen von zwei Preiheitegraden. 523
zeigen, daß alle a und k Null sind, während sich die Amplituden ß^
und ß^ der beiden Schwingungen des Schiffes zu
berechnen.
Wegen
sind ßi und ß^ beide positiv.
Das Schiff bewegt sich nun nach der Gleichung
9«/3i sinyi^ + /J, siny^^
weiter. Der höchste Wert, den der Ausschlag des Schiffes danach er-
reichen kann, ist ß^ + ß^ und im allgemeinen, wenn nämlich y^ und
y^ in keinem rationalen Verhältnis zueinander stehen, kann der Aus-
schlag diesem Maximum auch beliebig nahe kommen. Denn man
braucht nur einen solchen Wert t zu suchen, daß y^t nahe bei
— + 2n3r, dagegen y^t nahe bei --- + 2m% liegt, wo w, m irgend
zwei ganze Zahlen sind« Das geht aber: man setze direkt
dann wird
soU das eine kleine Größe sein, so muß auch
(4w + l)t/s - (4w + l)yi
eine kleine Größe sein. Ist nun y^ :y^ nicht rational, so kann man zwei ganze
Zahlen m und n so bestimmen, daß (4n + 1)^2 "~ (A'^ + l)yi beliebig klein
wird. Man braucht ja nur einen Annäherungswert der Form 7— X~i
für ^* zu suchen. Daß es solche in beliebiger Schärfe gibt, ist klar,
4 m -h 1
denn es gibt unzählige und beliebig scharfe der Form JTi ' Hat
4 fn ~~~ 1
man aber m, n hinreichend groß genommen, und ist z. B. ^ - • ^ ein
Näherungswert, so ist es auch - ^ • Also ist
Max <p « ö 4-3 = ^ ^»'+y«y» =, ^- :r ^» +^*
da ja yiy, =- Xiic, ist.
524 ^I- Kinetik starrer Systeme. Nr. 845.
Läuft der Kreisel nicht, so ist x^^^y^ and x^^y^y also der
maximale Ausschlag — x^ ; mithin verkleinert der Ejreisel den Ausschlag
im Verhältnis x^ + x^ : y^ + y^ und das ist in der Tat ein echter Bruch,
denn es ist
also wegen y^y^^ x^x^
woraus yi + yj > a^i + x^ folgt.
Damit ist die ausgesprochene Behauptung erwiesen: Der Kreisel
schwächt die Wirkung eines einzelnen Wellenschlags im Verhältnis
(a:i + a:,):(yi + y,) ah.
845. Weiteres über den SchifElBkreieel. Wie wirkt nun der
Schiffskreisel bei kontinuierlichem WeUengang, d. h. wie wirkt er auf
die durch Wogen erzwungene Schwingung, wenn wir annehmen,
daß die Wogen ein periodisch schwankendes Drehmoment p sin vt auf
das Schiff ausüben?
Um diese erzwungene Schwingung, d. h. ein Integral der durch
das Glied p sin vi inhomogen gemachten Differentialgleichungen zu
finden, machen wir analog wie in Nr. 75 den Ansatz
9? «= <l> sin (yt-^ €)y
d « 0 sin (vt + ri).
Oehen wir damit in die Differentialgleichungen hinein, so erhalten
wir vier gewöhnliche Gleichungen für <P, 0, 6, rj, aus denen sich diese
vier Größen in der Tat berechnen lassen. Uns interessieren O und 0.
Die angegebene elementare Rechnung ergibt
Dabei ist
a ^ V A |/j^
und
Wir haben hier die Dämpfung als ein wesentliches Moment mit
berücksichtigt. Namentlich die Dämpfung des Kreisels ist gewöhnlich
Nr. 346. § 57. Kleine Schwingungen von zwei Freiheitsgraden.
525
recht groß, gewöhnlich ist sogar X'>x^, also der Kreisel aperiodisch
gedämpft. Diese starke Dämpfung hat den weiteren Effekt, dafi die
freien Schwingungen , die zu der soeben berechneten erzwungenen
hinzukommen, und mit ihr zusammen die allgemeine Lösung der
Differentialgleichungen darstellen, rasch abklingen, so daß wir uns nur
um die erzwungene Schwingung zu kümmern brauchen.
Nun definieren wir einen Wirkungsfaktor q des Kreisels auf
das Schiff, indem wir setzen
^
0_
y = 0
<P^_o ^^^^ dabei die Amplitude der erzwungenen Schwingung bei
festgestelltem Kreisel (/»O).
SoU der Kreisel günstig wirken, so muß (> < 1 sein. Suchen wir
deshalb die Stellen, wo (> ~ 1 ist.
Man sieht, daß das zunächst zutrifft für t/ » 0 und v^oo. Außer
dem aber noch, wenn
d. L
ist.
Diese Gleichung hat nun för v^ zwei reeUe positive Wurzeln: v^
und V,* — es sei v^ die größere — welche das Intervall (C^ bis x^ in
sich schließen: es ist
V>V>^i*>V
und das Intervall v^^ bis v^ ist um so größer, je größer
d. h. je stärker die Kreiselwirkung und die Dämpfung ist.
Fig. 851.
Man sieht endlich leicht ein, daß für
p < 1, sonst aber (> > 1 ist.
526 ^- Kinetik starrer Systeme. Nr. 345.
Niefit für jede Wellenbewegung ist die Kreisdwirkung günstig^
sondern nur für Wellen in einem gewissen Intervall ihrer Schwingungs-
dauer, das die Schwingungszeiten des Schiffes und des Kreisels um-
faßt und zwar um so stärker umfaßt, je größer die Kreiseldrehung
und die Dämpfung ist.
Da die Dämpfung A des Schiffs gewöhnlich klein ist, während A'
groß gehalten wird, und da für v ^ x^
2x,Zy(i;«— «,•)•+ 4a;, «r«
klein wird, so ist in diesem Falle die Kreiselwirkung besonders günstig.
v=^Xi ist aber der Fall der Resonanz, d. h. der Fall, in dem die eigene
Bollperiode des Schiffes mit der Schwingungsdauer der Wellen über-
einstimmt, in dem also an sich ein besonders heftiges Rollen des Schiffes
zu erwarten stehi
Bei Besonanz zwischen der RoUbewegung des Schiffes und der
Wellenbewegung, bei der also an sich das Schiff besonders heftig rollen
unirde, ist die Kreisdwirkung besonders vorteilhaft.
Die ganz frappierende Wirkung des Ejreisels in dem von Schlick
erprobten Beispiel — die Ausschläge gingen von 18® auf fast 1®
zurück — scheint auf einer angenäherten Realisierung dieses Falles
zu beruhen. Denn der auffallend kurzen Periode von 4,14 Sek. ent-
spricht in tiefem Wasser eine Wellenlänge Ton etwa 100 engl. Fuß
also ca. 30 m, eine plausible Zahl für Wellen in der Nähe der Küste.
(Siehe Lamb, Lehrbuch der Hydrodynamik, S. 431.)
«
Literatur zum Schiffskreisel. Schlick selbst hat nur kurze
Mitteilungen über Konstruktion und Erfolge seines Kreisels gemacht^
siehe Zeitschr. d. Y. d. L 1906, sowie Jahrbuch der schiffbautechnischen
Gesellschaft 1909, Föppl (Z. d. Y. d.i. 1904, siehe auch die neueste
Auflage seines Lehrbuches) und Lorenz (Physikalische Zeitschrift
1903) entwickeln die Theorie der freien Schwingungen. Ende 1910,
als das Manuskript dieses Buches fertiggestellt war, erschien die vierte
Lieferung von Klein-Sommerfeld, „Theorie des Kreisels", in der sich
eine ganz ausführliche Diskussion der Theorie und Wirkungsweise des
Schiffskreisels sowie sonstiger technischer Anwendungen des Kreisels
findet. Unsere obigen Resultate sind auch dort zu lesen. Siehe auch
Enzyklopädie lY, 10 (v. Mises).
Nr. 346.
§ 58. Faden und Seil.
527
Kapitel XII.
Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme.
§ 58. Faden und Seil.
846. BewegnngBgleiohiingen des vollkomiiien biegiMunen
SalleB. Wir betrachten einen Faden oder ein Seil, d. L wie schon
früher ausgeführt, einen Körper mit ausgezeichneter Mittellinie, die
jede Gestalt annehmen kann. Auch mögen sich die äußern Kraffce,
die an einem durch Querschnitte bestimmten imendlich kleinen Stücke
des Seiles angreifen, auf Kräfte dk =-> icds an dem Element ds der
Mittellinie reduzieren lassen.
Das Seil heißt dann vollkommen biegsam, wenn die Spannungen
des Querschnitts, auf den Schnittpunkt mit der Mittellinie reduziert,
weder ein Biegungsmoment noch ein Torsionsmoment haben.
Man beweist dann genau wie früher, daß auch keine Schubkraft
da sein kann, sondern nur eine Spannung in Richtung des Seils. Man
sieht sofort ein, daß eine Gestalt des Seiles nur
dann stabil sein kann, wenn die Spannung ein Zug
ist, da sonst bei der geringsten Störung Knickung
eintreten würde. Die Zugspannung heiße S. Be-
trachten wir nun ein Stück ds des Seiles, so gibt
die Newtonsche Grundgleichung für dieses Stück
F^dS
(ids^ '^xds + S + dS -S
oder
dt
dv
dt
i +
dS
ds
(I)
Fig. n».
als Bewegungsgleichung des Seiles.
Ist das Seil unausdehnbar, so ist S eine un-
bekannte Reaktionskraft, andernfalls ist S eine experimentell zu be-
stimmende Funktion physikalischer Größen und insbesondere von der
Ausdehnung des Seiles gegenüber dem Normalzustande (8 » 0) abhängig.
Schwerpunkt' und Momentensatz sind jetet schon von selbst für
jedes endliche Stück erfüllt.
Denn zunächst folgt aus (I) nach Multiplikation mit dem Längen-
element ds und Integration über ein beliebiges Stück 1
(fids ^ dmf)
2 des Seils
mto*
^f/^ds~.fxds-\-S,-S,.
528 ^m. Ffwlritmig in die Kjaedk defonJcHMier »filBM. Nr. S47.
Da jetzt 'rechts bnter ioBere Kiifte itehen, haben wir den Sehwer-
panktaatz gewomieii.
Ebenso «gibt neb
S ZI
1 dmVit — / rx rf^ + I
ds
^un ist aber wegen
::: — =* O ■
WO d der EinbeiUrektor in Richtung der Tangente, und wegen
das letzte Integral
/
r V- as = rS
ds 1
nnd wir haben auch den Momentensatz:
* « 2
/ dmrUr = / rxi/« + rS ^ *
347. Statioiilre Bewegang. Ein Faden bewege sich in sieh
weiter, d. k in einer festen Ranmknrre. Dann kann man s als Bogen-
länge dieser Ranmkunre auffassen nnd r als Funktion Ton s und der
Zeit tfd.lL des Ortes und der Zeit, statt wie bisher dee Massenteil-
chens und der Zeit
Differentiation nach t bei fesigehaUenem Orte werde nnn stets dttrch
z^ bezeichnet.
Nun ist
dt ~ dt^^"^'^ ~ et ' ds
dv d _f .. dv , dv
Wir nennen die Bewegung stationär, wenn ^- » 0 ist, d. k wenn
die Geschwindigkeit an Ort und Stelle dauernd dieselbe ist, welches
Massenteilchen auch immer den Ort passiert
Für die stationäre Bewegung des Fadens in sich lautet
also die Bewegungsgleichung
dv - dS /r—p.
Setzt man noch v ^v -6 und ebenso S ^ S -6^ wo 6 der Einheits-
Tektor in Richtung der Bahn ist, und beachtet, daB
?1 1 -
ds Q
Kr. 347. § 58. Faden und Seil. 529
war, wo V den Einheitsvektor der Hauptnormalen, (} den Krümmungs-
radiua bedeutet (siehe Nr. 26), so zerlegt sich die Bewegungsgleichung
nach dem natürlichen Koordinatensystem, bestehend aus Tangente (ß),
Normale (v) und Binormale (v') der Bahn in
dv
-*a
+lfl
= X,
+ *7
0
-X^
1
(ßl
Ist der Faden unausdehnbar, so mufi noch ö- » 0 sein, da die
Länge eines Fadenstückes bei Bewegung in einer festen Kurve nur
dann erhalten bleiben kann, wenn die Endpunkte dasselbe v haben.
Anwendung auf den Treibriemen (Berücksichtigung der
Zentrifugal Wirkung).
Die Gleichungen (II') unterscheiden sich von den statischen in
Nr. 179 nur durch das Glied /t — • Setzen wir S — fi«*— S', so ist
wegen fii?*« const., j- = j ^^^ för 8' gelten dieselben Gleichungen
wie früher fär S. Es gilt also insbesondere die Eulersche Formel
für einen Treibriemen (siehe Nr. 180a).
Diese Bemerkung gilt allgemein:
Durch die SubstittUion S'=S — fiv* gehen die Differentialr
gleichungen der stationären Bewegung in die des GUichgemchls über.
Da ein kräffcefreies ruhendes Seil jede Gestalt annehmen kann, so
folgt, daß sich ein Seil in jeder geschlossenen Kurve stationär bewegen
J(ann, wenn es keinen äußeren Kräften unterworfen ist, es ist dann die
Spannung 8 ^ fiv^. Beim schweren Seil gilt offenbar dasselbe für eine
widerstandsfreie Bewegung in einer horizontalen Kurve auf glattem
Boden.
Außerdem wird die Gestalt stabil sein gegen Meine Störungen
und um so mehr, je schneller das Seil läuft.
Denn sind kleine x vorhanden, so wird ihre Wirkung um so ge-
ringer sein, je größer die Spannung, je größer also — /x, d. h. je größer
V ist. Darauf beruht die merkwürdige Erscheinung der Knetbarkeit
rasch laufender Riemen oder Ketten: Man kann solchen Riemen irgend-
eine Gestalt geben, diese Gestalt wird dann im Räume stehen bleiben
und der Riemen durch diese feste Kurv^ hindurchlaufen. Erst all-
mählich vermögen die äußeren Kräfte, Schwere, Reibungen usw., die
dem Riemen aufgezwängte Gestalt zu ändern. Schon Radinger hat
Hftmel: Elomentaro Mechanik. 34
530 ^^' Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 348, 349.
bei Triebriemen auf diese Erscheinung hingewiesen (siehe sein Buch
über Dampfmaschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit). K. Skutsch
hat Versuche mit Ketten angestellt, denen man bei raschem Umlauf
in sich tatsächlich irgendeine Gestalt geben konnte, die sie lange
(ruhend im Räume) beibehalten. (Siehe auch die Veröffentlichungen
Yon Skutsch in den Verhandlungen zur Bef. des Qewerbefieißes 1898:
,;Ermittlung der Kräfte in Riemen und Seiltrieben''.) Über den wesent-
lichen Einfluß der Elastizität und anderer Umstände siehe Enzykl. IV, 10,
Nr. 20.
848. Brweitemng des Begrlffli der Btatlonftren Bewegnng.
In einem weiteren Sinne nennen wir die Bewegung stationär, wenn
die Gestalt der Kurre ungeändert bleibt, der Faden mit konstanter Ge-
schwindigkeit v^ in dieser Kurve läuft, sich aber die Kurve als starres
Ganzes irgendwie im Räume bewegen kann.
Denken wir uns mit der unveränderlichen Kurve einen starren
Körper verbunden, dessen Translationsgeschwindigkeit c, dessen Ro-
tationsgeschwindigkeit ä sei, so ist nach den Gesetzen der Relativ-
bewegung
^— ^^'■ + 2©t7.+ c + a)(r — c) + ©(©^r— c)).
Dabei hat -^, die Relativbeschleunigung, nach der vorigen Nummer
nur die Komponente -^ nach der Normalen der Bahn.
Betrachten wir z. B. die Legung eines Kabels in einem Meere
konstanter Tiefe, so wird sich, wenn keine Störung eintritt, die Ge-
stalt dar freien Kabelkur ve nicht ändern, sondern nur mit einer Ge-
schwindigkeit fortschreiten, welche gleich der des Schiffes und auch
gleich v^ ist, da sich natürlich das Kabel tangential an den Boden
anlegen muß und sich immer ein Stück derselben Länge hinlegt,
welche das Schiff durchlaufen hat.
Es ist also CD <" 0, c » const., also
dv hv;.
dt ^ bt '
die Gleichungen bleiben dieselben wie die des hängenden Fadens, nur
daß die Spannung um iiv^ vermehrt ist.
Sehen tvir also von allem Wassertvidersiand afe, so ist die Kabd'
Ji'urve eine Kettenlinie, deren Scheitel den Boden berührt, vom spezi-
fischen Gewicht ist natürlich das spezifische Gewicht des Wassers ab-
zuziehen, die Spannung ist überall um i^v^ vermehrt
849. Blne Vmfonming der BewegongBgleiohimgen ffir
unansdehnbare Fftden. Für tiefergehende Untersuchungen empfiehlt
es sich, die Geschwindigkeit eines jeden Kettenpunktes relativ zu dem
Nr. 349. § 58. Faden und Seil. 531
natürlichen Koordinatensystem der Kurve, bestehend aus Tangente (ß),
Hauptnormale (v) und Binormale (V = 6v) zu betrachten. Bezeichnen
b
wir Änderungen relativ zu diesem System mit -rr, so ist nach den
Sätzen der Relativbewegung
dv bü , — /-x
WO
die Drehgeschwindigkeit des natürlichen Koordinatensystems bedeutet.
Es ist also
de ^ dv — dv" - , .o\
Nun muß natürlich ä noch in einer anderen Beziehung zu v stehen.
Um diese zu finden, beachten wir, daß
""■dt
ist, und dafi man s und t als unabhängige Variable ansehen darf, *
wenn man s immer vom selben materiellen Punkte des Fadens aus
zählt und wenn der Faden unausdehnbar ist, so daß dann s den mate-
riellen Punkt charakterisiert. Also folgt aus (4)
dv da
ds ^ di '
also nach (3)
dv
ds
(5)
Nun gilt aber bezüglich ^ eine analoge Beziehung wie (1). Betrachten
wir Änderungen eines Vektors längs der Kurve in einem festgehaltenen
Zeitmoment, so können wir diese sowohl auf ein festes Koordinaten-
system beziehen, als auch auf das natürliche, das sich längs der Kurve
mitbewegt.
Schreiben wir letztere . , und sei ©'=»/, wo cä'-ds die un-
bs ' ds '
endlich kleine Drehung des natürlichen Koordinatensystems beim Fort-
gang längs der momentan festgehaltenen Kurve bedeutet, so ist
dv hv . ,
ds bs ' '
also wird aus (5)
^«od-cDt;. (6)
34*
532 in. EinleiftDiig in die Kinetik deffxouefiMoer SritaBe. Xr. S49.
Wir haben also die folgerndem Betteymmgiffleidmmffem:
br . -\ d
'«(|7 + »"0 = S':*^» + *
br -,-
b«
• •
(r>
Etwas muß man aber beachten: Weil wir geschrieben haben
daB ea einen Winkelrektor j im allgemeinen nicht gibt.
Am besten betrachtet man in (I) als gesuchte Größen v nnd die
EnlerBchen Winkel ^, 9, #r des natSrlichen Koordinatensystem gegen
ein festes. Dann kann man 0 durch ^, 9?, ^: ö durch ^^ 97, ^r, d*, 9, r
und analog &' durch d; 9, ^, d * 'T^ d~ '^^'^ ^'' ^^ ausdrucken.
Doch kann man auch noch für 3 .^ einen Ausdruck finden.
ds dt
Am einfachsten trifft man ihn so: Sei e ein mit dem natürlichen
System fest yerbundener Vektor, so ist nach der Eulerschen Formel
einerseits
di
andererseits
dz ,
ds
Differentiiert man die erste Formel nach s, die zweite nach t und
subtrahiert, so erhalt man
Nun ist aber
(siehe Anhang ly 6, d), also
Odm dtß , . rZ~
und da das für alle g gilt
d& deä'
r
-z -, =* C3 CD
ds dt
(H)
Nr. 349. § 58. Faden und Seil. 533
Diese Gleichung kommt eu (I) hingUy womit man jetet drei vektorieUe
Gleichungen ewr Bestimmung von v, 6, cö' hat. Man beachte, daß
T-r = 0 und ebenso r = 0
ht ha
ist.
Man kann statt (II) auch
schreiben, weil
döi bÖ9 , —7 —
as b8 ' '
dffl' b w , — 7
d« bt ^"'"'
ist.
Übrigens läßt sich v ganz aus den Gleichungen diminieren.
Differentiieren wir die erste der Oleichungen (I) nach s, nachdem
wir sie durch ^ dividiert haben, die zweite nach t und subtrahieren
wir, benutzen wir dann abermals die Gleichungen (I) um ^ und -r-
zu elimineren, beachten wir ferner Gleichung (II') und
(oc}')t; + {vg))g)' + (g}'v)(o — 0,
so erhalten wir
^ff + «(^) = a,'* + -^*, (III)
WO
fb d«^ ^ fi ^ ft b« ' fi
ist.
Gleichung (III) kann dann zusammen mit (IV) zur Bestimmung
von m, m und 8 benutzt werden; es kommt dann noch die Bedingung
hinzu, dafi die Bogenlänge konstant bleibt. Doch brauchen wir diese
nicht besonders auszudrücken; denn nach Anhang 11, 4 ist ö' nur durch
zwei Stücke, die momentane Krümmung und die momentane
Torsion -7 der Bahn bestimmt
Q
1 _ , 1 -,
SO daß die beiden vektorieUen Gleichungen (JY), (III) die folgenden sechs
Größen als abhängige VariatHe enthalten: cd, q, q und S.
Auch kann man nachweisen, daß die Unveränderlichkeit der Bogen-
länge bereits durch die Gleichung (5) resp. (6) gewahrleistet wird.
534 Xn. Einleüung in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 360.
Beim ebenen Problem speziell stehen ö und g>' beide auf der
Ebene senkrecht; daher ist oö'» 0 und nach (W) kann man setzen:
Ans (ni) wird dann durch Zerlegung nach der Tangenten- und Normal-
richtung:
Diese Gleichungen für die ebene Bewegung finden sich auch bei
Routh, Bd. 2, Kap. XUI.
3B0. Allgomeine Kinetik der Drfthte. Wir betrachten jetzt
ein System — einen Draht — das kinematisch mit einem — dehn-
baren oder nicht dehnbaren — Faden übereinstimmt, d. h. eine aus-
gezeichnete Mittellinie besitzt, die jede Gestalt annehmen kann. Die
in einem Schnitt senkrecht zur Mittelachse vorhandenen Spannungen
mögen die Summe Sy und bezogen auf den Schnittpunkt der Achse
mit der Schnittebene das Moment B haben. Es sei also jetzt B nicht
Null und infolgedessen^braucht auch 8 nicht in die Richtung der
Mittelachse zu fallen. S und S seien die Wirkungen Ton Teilen mit
größerem s auf die vorhergehenden. Reduziert auf die Mittelachse
mögen die äufieren Kräfte zum Längenelement ds die Resultierende xds
und das Moment Mds haben.
Der Schwerpunktsatz für ein Element ds gibt sofort
wie in Nr. 346.
Dagegen lautet der Momentensatz nun anders. Wir beziehen ihn
auf den Anfangspunkt eines Elementes ds. Das Moment der Massen-
beschleunigung des Schwerpunktes ist dann sicher wieder wie in Nr. 346
unendlich klein zweiter Ordnung.
Das Moment der Massenbeschleunigungen um den Schwerpunkt
würde nun die Trägheitsmomente enthalten. Diese setzen sich aus der
unendlich kleinen Masse (ids und aus den Quadraten der TriLgheits-
radien multiplikatiy zusammen. Diese Trägheitsradien sind höchstens
gleich der halben Dicke des Drahtes. Sieht man also diese als klein
gegen die anderen Dimensionen an, so kann man die Momente der
Massenbeschleunigungen überhaupt vernachlässigen.
Nr. 360. § 68. Faden und Seil. 535
Wir wollen das aber nicht tun. Dann wird io der Grrenze ds ^ 0
unser Element eine dünne Scheibe, die Richtung der Mittelachse also
Hauptachse (Trägheitsmoment Fds)] die beiden anderen Hauptachsen
stehen senkrecht dazu und mögen die Haupttragheitsmomente Äds
und Sds besitzen. Dabei ist, wie stets für eine ebene Scheibe,
r^Ä + B
(siehe Nr. 253).
Sei nun Ids der Impulsyektor der Elemente, hat also 7, bezogen
auf die Hauptachsen, die Komponenten
Ä(o^, BGi^y r©,,
so lautet der Momentensatz (yergleiche Nr. 281)
V+^'^-^ + ^ + f. (H)
wo 6 ein Einheitsvektor in Richtimg der Tangente ist.
Für die Ruhe, bei Fehlen eines äußeren Moments Jf , folgt
die Verallgemeinerung der Fonnel -^ =— H aus Nr. 184 für den Raum.
Was nun cd angeht, so ist es die Winkelgeschwindigkeit des von
den Hauptachsen des Querschnitts gebildeten Achsensystems. Das wird
im allgemeinen ein anderes cd sein als das cd der Torigen Nummer, also
als das q des natürlichen Achsensystems aus Tangente, Hauptnormale
und Binormale. Nennen wir dieses m jetzt cö^:
und bilde die ^- Achse mit der Hauptnormalen den yariablen Winkel <&,
positiv gezählt von der Hauptnormalen zur Binormalen, so kommt
die Veränderlichkeit dieses Q^ noch in Betracht, welche noch eine
Drehung um die Mittelachse bedeutet. Also ist das wahre cd
cd = ©1 + <y • -ö" .
Die Gleichungen der vorigen Nummer:
btJ -- ^ 7~
-r— ^^ G}*0 — CD, V
und
dl - -dt = '"^ '°^'
ebenso
(Dl =--r<y + — V
si
536 XII. Einleitung in die Kinetik defonnierbarer Sjateme. Nr. 361.
bleiben beim unausdehnbarcii Draht in Gültigkeit, nur daß sie eben
ftbr äi, ä^' gelten, die Drehgeschwindigkeiten des natürlichen Koordi-
natensystems. Q und q' sind Krümmungsradius und Torsionsradius der
Mittelachse.
Soweit können wir allgemein etwas über die Kinetik der Drahte
aussagen. Die weitere spezielle Betrachtung muß sich jetzt mit den
Eigenschaften Ton B und S in ihrer Abhängigkeit von Gestalt und Ge-
staltsänderung des Drahtes befassen. Ein Beispiel stellen unsere Unter-
suchungen über steife Seile aus § 36 dar.
Die Kinematik der Drähte stammt Ton St. Yenant; siehe auch
Thomson und Tait, Nat. Phil. I, oder Heun, Kinematik, Nr. 159.
Die statischen Gleichungen (7 yemachlässigt) finden sich auch in der
Literatur (siehe die Bemerkungen Yon Heun in der Neuausgabe der
Arbeiten Bernouillis und Eulers in Ostwalds Klassikern Nr. 175).
351. Kleine Schwlngiingen eines fSreihängenden belasteten,
nnansdehnbaren Seilee. Die Richtimg abwärts sei die x- Achse.
Das Seil hänge frei und trage unten die Masse M. Die
— >y Schwingungen seien klein, d. h. y klein erster Ordnung,
desgleichen ^, ^^- Infolgedessen wird ^, ,f klein
zweiter Ordnung sein, d. h. wir können die Höhenverande-
dx
rungen der Punkte ganz vernachlässigen. Ebenso ist ^ « 1,
-^ klein erster Ordnung. Dann lautet die erste Bewegungs-
gleichung (die Komponente in der :r-Bichtung), weil 6 die
Komponenten ^ und , - hat (nach I, Nr. 346)
wo y das spezifische Gewicht des Fadens ist, also ist
S = — y5 + c
oder da s =^ x,
Hängt nun unten das Gewicht Mg, so ist für x ^^l
S^Mg,
also
S ^ — yx + yl + Mg .
Die zweite Bewegungsgleichung dagegen ist (nach I, Nr. 346)
d^y d (^ dy\
(es ist wieder dx statt ds gesetzt!) oder
Nr. 851. § 68. Faden und Seil. 537
Setzen wir zur Abkürzung
so bekonunen wir "
g-,[(Z-.)g.-^|]-,,4[(L-.)a. (10
Isfc nun M sehr grofi gegen [il und also auch gegen (ix, mithin L
groB gegen x, so kann man in erster Annäherung statt (I) setzen
(wir schreiben jetzt auch partielle Ableitungen)
Diese partielle Differentialgleichung kann allgemein integriert werden.
Setzen wir gL ^ c^ und führen neue Variable m, v durch
ein, so ist
rr — c^ « u,
X + et ^ V
dt "" du'^dv^'
d^y ^ ^'y , 2 ^'^- 4- ^ .
Setzt man das in (F) ein, so erhält man
d.h.
^o f, g willkürliche Funktionen sind.
Also ist
y^ fix — et) +g{x + ct)
das allgemeine Integral.
f{x — ct) bleibt ungeändert, wenn sich x um irgend einen Wert a,
a
t um den Wert vermehrt:
c
y^^f{x-ct)
bedeutet demnach eine fortschreitende Welle: ein bestimmter Wert y^
pflanzt sich mit der Geschwindigkeit c fort.
Ebenso bedeutet
y%^9{^+<^^)
eine rückschreitende Welle.
538 SIL Einleitmig in die Kinetik defonniecbwer Syileme. Nr. 362.
Nun soll fBr x "0 daaemd y -° 0 Bein, also
n-ei)+g(et) = 0,
d. h.
9(ct) — n-ct),
giet + x) fi-et-x)
and
y-f(x-et)-f(-et-x).
Sei fBr <• 0 g^^bea
fOt O^x^l, d. h. gibt man Anfangslage and An^ngsgeschwindig-
kett der Kuire, so bat man zar Bestimmang Ton f:
fix)- f(-x)^q,(x), (a)
-cr(x) + eri-x)-i>ix), (b)
f&r l> x>0. Differentiiert man die erste Gleichung, so erhalt man
r(*)+r(-«)-9'».
also in Verbindung mit (b)
2r(a;) = 9'(^)-y*(x),
womit f(x) £Ür alle x definiert ist, für welche
-l£x£L
Wir brauchen aber f für alle x. Wie findet man das?
359. Fortoetnng. ▼ollgtftndige BesUmmimg voii /. Wir
haben noch gar nicht die Bewegung der angehängten Last M betrachtet.
Für sie wird folgende reine Bewegungsgleichung bestehen: es muß
die Massenbeschleunigung senkrecht zur Endrichtung des Fadens gleich
der in diese Richtung fallenden Komponente der Schwerkraft sein.
Da nun die Richtungskosinus des Seiles ^ und ~ sind, aber
dx ^^ dy ^dy
ds ' d8 dx
so lautet die Grleichung
dt* *^cx
für X - /.
Das aber gibt, wenn man y '^ f{x — ct) ^ f(^ — ct — x) einsetzt
C^(f\l ^Ct)-r{^l- et)) ^^gifil-cfi + ri-l- et)).
Nr. 363. § 58. Faden und Seil. 539
Setzen wir
l — et — z,
so wird daraus
r(*-2o - j-^fio-^i) - rw + f.rw.
Nun kennen wir bereits f{g) und f"(js) für — l ^ff ^ + 1; liegt aber
0 in diesem Interrall, so liegt z — 21 zwischen — 3i und — l; ^rir
kennen dann die rechte Seite und haben eine lineare Differential-
gleichung erster Ordnung für f'(j8 — 21) gefunden, die sich auf Qua-
draturen zurückführen läßt, nämlich
Die Integrationskonstante dient dazu, das so berechnete f'(2i) im Inter-
vall Yon — J bis —dl stetig an die Werte im Intervall Z bis — Z an-
zuschließen.
Nach demselben Verfahren kann man jetzt f(js) im Intervall von
— 31 bis —bl berechnen usw.; man besitzt somit f{z) für das Inter-
vall!? ^ ^ ^ — oo imd kennt y für 0 ^ a; ^ Z und 0 ^ ^ ^ oo. Wenn
es Zweck hätte, könnte man auch y für alle vorhergehenden Zeiten
finden, indem man die Hauptgleichung dieser Nummer in umgekehrter
Weise benutzt.
353. SpeilaUUl: Beine Schwingnngen. Sei für ^ » 0 und
0^x£l
f(x) = q>\x) = cos vx,
so ist auch
f'(—x) =« cos vx.
Infolgedessen wird für —l^z^l
f{ß — 2l) = e«*' fe"''{—vsmvs + a(^o^vz}dz-\'Cef",
wo
gesetzt ist.
Man kann das Integral leicht ausrechnen und erhält
nz-2l) - ;;;- ^! cos vz + ^f|"^. sin vz + C^\
540 ^U* Einleitong in die Kinetik deformierbarer Sjgteme. Nr. SöS.
Da aber für z ^l
f'i--l) = cos vi
■ein soll, bekommen wir
(7— zae""' t-i — i
und, wenn wir noch
sin ß = ^ -" - , cos /3 = , ,
(^as möglich ist) also
*',~r **, == cos 2/3 und -A—t =" »in 2/J
setzen
f{z-2T) - cos {vz-2ß) + 2 sin ^ sin (^- vQc«^'-')
gtatig fttr — Z ^ xr ^ Z.
fs fc^ird sid% also die Funktion f im allgemeinen nidU analytiscK
fortsetzen, es wird f{z — 2T) nicht gleich cos 1/(5 — 21) sein, da eine
Exponentialfonktion auftritt, die aber stets kleiner wie 1 ist, weil der
Exponent negativ ist (a>0).
Soll aber wieder
f{z — 2l)^co^v{z-'21)
sein, so daB sich die Funktion f analytisch fortsetzt, so maß
sicher
8in(/8 — W)«0
sein, d. h.
ß^vl + nx, (1)
Dann wird aber auch tatsächlich
f{z-'2l)=^coBv{Z'-'2T).
Wegen
tg/S =
wird ans (1)
^ = tg vi, (2)
a
V
eine transzendente Gleichung zur Bestimmung yon v.
Setzen wir
vi « M,
so lautet sie
la ^ utgu.
Nxxn ist aber
C L M
und das idt klein, weil Mp- (iL
Ni. 853.
§ 68. Faden und Seil.
541
Setzen wir die kleine Größe
al
sodaß die transzendente Gleichung lautet
£ — M tg U . (2')
Man kann die Lösungen graphisch finden^ indem man die Kurven
y «- tg ti und y — — zeichnet und zum Schnitt bringt.
Wir brauchen nur die positiven Wurzeln.
Fig. iSi.
Angenähert kann man sie rechnerisch so finden:
Für die kleinste Uj ist tg u^ ^ u^ , also
Für die anderen ist angenähert m^=« (n—ljÄ etwa u^— (m— 1)« + v^,
wo v^ klein.
Dann ist für n^2, mit Beibehaltung von Gliedern erster Ordnung
also
für n ^ 2.
(n-l)Ä.v, • £,
V.
e
(n— l)7t
542 Xn. Einleitung in die Kinetik defoj^mierbarer Sjateme. Nr. 354.
2. Nehmen wir auch den Fall, daß für -—l^ß ^l
f{js) =- sin vz
sei, so ergibt eine analoge Rechnung
f (^ — 2i) - Bin (yz-2ß) + 2co8 ß sin {ß'-vl)€^^'-^,
80 dafi
wenn wiederum dieselbe transzendente Grleichung (2) wie oben er-
füllt ist.
Alle Funktionen der Art:
/"W ==2 ^'** ^^^ ^'«^ "^ ^« ^"^ *'"^^' ^^^
n
«;o v^ rfie Wunsdn der transzendenten Gleichung (2) sind und wo die
A^y B^ willkürliche Konstante sind — vorausgesetziy daß nu/r die Reihen
konvergieren — , sind für alle z brauchbar , um vermöge
y^f{x — ct)—f{—x — ct)
eine Lösung unseres Schwingungsproblems darzustellen.
Ist es die allgemeine Lösung?
Oder, was auf dasselbe hinauskommt: Läßt sich jede stetige und
stetig differentiierbare Funktion f{z) im Intervall —l^x^l
in der Form (1) darstellen?
Es soll im folgenden ein kurzer Ausblick auf die modernen
LösungsTersuche dieses Beispiels eines großen Problems gegeben werden.
Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf die Losungen cos v^z
imd auf gerade Funktionen f{z), für die also f{z) = f{—z) ist. Oder,
was auf dasselbe hinauskommt, wir fragen nur nach der Darstellbar-
keit von f{z) im Intervall 0 bis l, in der Form
fi^)-2A^osv^z.
n = l
Dazu können wir uns dann ja f{z) für das Intervall -— i bis 0 erganzen,
indem wir f{—z) ^f{z) definieren (wenn dann auch dieses neue f{g)
mit dem alten vielleicht nicht übereinstimmt).
§ 59. Etwas aus der Theorie der linearen Differential- und
Integralgleichungen.
354. Unsere Partikolarlösungen ein System von Ortho«
gonalftinktionen. Unsere Partikularlösungen der letzten Nummern
des vorhergehenden Paragraphen cos v^z haben die Eigentümlichkeit, daß
Ni. 864. § 69. Theorie d. linearen Dififerential- u. Integralgleichungen. 543
/ COS v^e • cos v^e dz^O, ,
0
wenn n 4* ^ •
Integriert man nämlich, so erhält man
nnd das ist Nnll yermöge der transzendenten Gleichung
vtgvl^a. (2)
Dagegen ist
J cos* vzdz ^ j- (sin 2vl + 2i/Z),
was nach (2) auch gleich ist
2 a« + v* .
Man nennt nun eine Reihe Ton Funktionen tp^j (p^, . . ., welche die
Eigenschaft haben, daß
ftp^fpxdz - 0
ist für je zwei verschiedene x, X ein Orthogonalsystem. Man nennt
es femer normiert, wenn noch
fv.'dz - 1
ist. Orthogonal ist also unser System, wir könnten es leicht normieren,
wenn wir noch setzten
y Bin 2 v^ / + 2 »'„ *
Doch ist das nicht nötig.
SoU nun eine Darstellung der Form
A^)--5'A9',W (I)
überhaupt möglich sein imd die Reihe gleichmäßig konvergieren, so
muß das Funktionensystem sicher noch eine Eigenschaft haben, die
wir jetzt nachweisen wollen:
Nehmen wir einmal an, die hypothetische Reihe konvergiere
gleichmäßig, dann dürfen wir gliedweise multiplizieren und integrieren.
544 ^n. Einleitimg in die Kinetik defonnierbarer Systeme. Nr. 36=
Multiplizieren wir mit einem bestimmten g>^ und integrieren über d»^
Interrall 0 bis 2, so folgt wegen der Eigenschaften der 9 t
0
Bei nns wird also speziell der Koeffizient von cos v^e
I
A;^ ^^*''' ^^ ^ >;^^ ff{g) cos v^mde.
Hätte nun etwa f{ss) die Eigenschaft, daß alle / f{z) cos v^edM ver-
0
schwänden, so wären auch alle A^ Null und da die hypoihetisclie
Reihe gelten soll, so wäre auch f selbst NulL
Wir werden also von einem zur Darstellung (I) brauchbaren ortho-
gonalen Funktionensystem verlangen müssen, daß es „yollständig**
oder „abgeschlossen^' sei, wie man sich ausdrückt, d. h. daß es
keine von Null identisch verschiedene Funktion f{ß) gebe, f&r welche
alle / f{8)^>y^{8)dz Null sind.
0
Auch haben wir für alle praktisch brauchbaren FaUe eine Melkode
gefunden, die Koeffizienten zu berechnen, nämlich die Formd (II). Denn
praktisch brauchbar sind nur gleichmäßig konvergente Beihenentunddungen,
weil man doch wül, daß man durch eine genügende aber endliche An-
zahl von Gliedern eine für das ganze Intervall gleichmäßig gute Dar-
stellung erhält, d. h. eine Darstellung, für welche der Fehler überall
einen gleich minimalen Höchstbetrag hat.
Ist nun unser Funktionensjstem vollständig?
Die Antwort werden wir in Nr. 361 geben.
355. Unsere PartUnüarlösiingen als Integrale linearer
Differentlalgleichnngen. Die Funktionen
y^A^ cos v^z
haben die folgenden Eigenschaften:
1. Sie genügen der linearen Differentialgleichung der kleinen
Schwingungen
g + '» - 0,
wo der Parameter X die Werte v^ der Reihe nach annimmt.
Xr. 366. § 69. Theorie d. linearen Dififerential- n. Integralgleichungen. 545
2. Sie genügen den Grenzbedingungen
" ^ dt ,,„,
und
dy
dz
Denn es ist
-0.
und das ist Null fQr jef •-> 2 yermöge der transzendenten Grleichung (2),
der die v^ genügen.
Die zweite Grenzbedingung ist ja klar.
Umgekehrt charakterisieren die obigen beiden Aussagen unsere Far-
tikularlösungen vollständig.
Denn wegen der Differentialgleichung ist
y -^ ÄcoB yj,js + B sin yie .
Setzt man darin die Grenzbedingungen ein, schreibt YJi — v, so erhält
man aus der ersten
Ä{aeo8vl — vsinvl) + B{a Bin vi -\- v con vT) =« 0
und aus ,^ | «0
dz ,=0
vB-^O,
also B = 0 und a cos vi — v sin vJ -=■ 0, d. h. die transzendente Glei-
chung für 1/ = yx :
a — V tgvl =^ 0,
356. Lineare Dlfferentlalglelchimgen und Uire Oreeneohe
Funktion. Betrachten wir eine allgemeinere lineare Differentialgleichung
zweiter Ordnung der Form
5',U(^W + X)y = 5W. (1)
wo Ä{e), B{e) gegebene, reguläre Funktion von e sind, A ein Para-
meter, mit den homogenen Orenzbedingnngen:
(2)
für unser Beispiel ist -4 — 0, JB — 0, Oj = «, A ** 1, «j = 0, ft == 1-
Dann lehrt die allgemeine Theorie (siehe Hubert, Zweite Mitteilung
über lineare Integralgleichungen, Göttinger Nachrichten 1904), dafi
folgende Alternatiye besteht:
Hamel: Elementare Meohanik. 85
546 "^fT Eioleitang in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 356.
Entweder gibt es eine stetige und stetig differentiierbare Lösang
der gekürzten DifiFerentialgleichong
g + ^.y-O, (1-)
welche die Bedingungen (2) erfüllt und nicht identisch Null ist (das
ist der Ausnahmefall; unser Beispiel gehört nicht hierher).
Oder es gibt eine stetige Lösung von (1'), die auch (2) erfüllt,
deren DifferenticUquotient aber an der willkürlichen Stelle e = x einen
Abfall um 1 erfährt.
Man nennt diese Lösung ^(a;,£^) die Greensche Funktion yon (1).
Sie ist stets symmetrisch in x und 0,
Es ist also
(1')
i;r+^wy=-o.
Die
Grrenzbedingungen
Femer ist
(2)
sind für y erfttllt.
y{e, X) - y{x, e)
und
«r,
dY
1
s>\
SssX-0 ^* «sX + O
X
(3)
(4)
(x + O bedeutet, man nähert sich dem Werte z^x von größeren her).
Für unser Beispiel sind die Sätze leicht zu beweisen und
y zu bilden.
(1') lautet
dz* ^•
Die allgemeine Lösung ist y ^ az + b.
Wegen der zweiten Grenzbedingung ist a — 0, also y « 6. Wäre
nun eine stetig und stetig differentiierbare Lösung möglich, so wäre
es y <— b. Die kann aber nicht
-0
erfüllen.
Also suchen wir y{Xy z).
Für z <ix muß y = 6 sein. Für z> x sei y -= cz -\- d.
Die zweite Grenzbedingung ergibt
a{cl + d) + c^Q.
Die Bedingung (4) aber
-c« 1.
Nr. 367. § 59. Theorie d. linearen Differential- u. Integralgleichungen. 547
Also
— 1 und d
a
l aber bestimmt sich daraus, daß y stetig sein soll, daß also für ^ » jff
h-^ez + d^ — x + l^ —
sein muß. Also ist
y(a:, jer) -= — a; + ^H ^r z<Xy
Vixjz)-^ — z + 1 + -- far z>x.
'+5-^
Fig. t66.
(in)
Dafür kann man schreiben
y{x, Z) ^l + ^ - ~[X + Z ^{X-SW,
woraus man die Symmetrie
y(a:,^)-y(^,a:)
sofort erkennt. (Siehe Fig. 255.)
357. Lösnng der nichthomogenen linearen Differential-
gleichung. Mit Hilfe der Greenschen Funktion kann man nun so-
fort die nichthomogene lineare Differentialgleichung
g + A{,) . y = B{z) (1")
mit den Randbedingungen (2) lösen.
Schließen wir den Ausnahmefall aus und nehmen an, es gäbe eine
Greensche Funktion y.
Wir behaupten, daß dann
m~fy{x,z)B{x)dx
0
die Lösung von (1") ist.
Zunächst einmal ist
I s i
r W -J\^Bix)äx~J%Bäx +fll B.i.,
0 0 s
s I
rW= fP,Bdx + p^B -h fp,Bdx-^^B
' ^ ^ J de* cz x=j-o ' J de* dg a»=«+o
/
^''^Bdx + p-Br"
dz
dz
86 •
548 XU. Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 367.
Weil aber
d
und
5y ix=«-o ^
SO ist
/^'(^) « •^fyA{e)B{x)dx + Ä(ir) - - Ä(js)fyBdx + B{d),
0 0
somit tatsaclilich
Femer erftUlt f(jii) die Orenzbedingungen; denn es ist z. B.
as-O.
I
0
weil ;/ die Grenzbedingungen für alle x erfüllt.
Aber unsere Lösung ist auch die einzige: es muß
i
m=fr{x,e)B{x)äx
0
sein. Denn multiplizieren wir (1") mit y(sf,x) und integrieren, so folgt
I / <
Ja? y(^»^)^^ +J yÄY(x,B)dz=^jy{x,0)B(x)dx.
Es ist aber
^ dz^ ^ de ' \(i J dz es
X l
dg ' \o J de de J dz de
0 T
\
de ' ^ dz \o * J ^ de* «^ de «sx+o
0
Das erste Glied yerschwindet, weil sowohl
Nr. 868. § 69. Theorie d. linearen Differential- n. Integralgleichnngen. 549
als auch
alao, dsL cc^y ß^ nicht heide nnll^
Am,
^ dt ^dz
$^i
sein muß (analog schließt man für ^ ^l).
Das zweite Integral ist aber
-JyA(a)ydg,
0
das dritte Glied ist wegen der ünstetigkeitsbedingung von —^ gleich
+ y. Also bleibt tatsächlich
stehen.
Daraus aber folgt weiter, daß, wie Hilbert sich ausdrückt/ die
Greensche Funktion ,,abgeschlossen'^ ist, d. h. ist
fy{x,e)f{e)de^O,
0
so ist
f{z) - 0.
Wäre das nämlich nicht der Fall, so nehme man f(j8) für B. Die
Losung y der Differentialgleichung kann dann unmöglich identisch
Null sein, sie müßte es aber doch sein, weil sie ja gleich
I yBdx ^Jyfdx
0 0
ist, was Null sein sollte.
358. BflckflUiniiig der allgemeinen linearen Dlfferentlal-
gleichnng auf eine Integralgleichnng. Nehmen wir jetzt unsere
allgemeine lineare Differentialgleichung mit .dem Parameter k Yor
^'/.+(^(.) + A)y = £W (1)
und den Randbedingungen
550 ^^- Einleitung in die Kinetik deformieibarer Systeme. Nr. 358.
Setzen wir wieder voraus, daß die verkürzte Oleichong, wie in
unserem Beispiel, eine Greensche Funktion habe.
Multiplizieren wir (1) mit y und integrieren, so gibt dieselbe
Umformung wie in der vorigen Nummer
y(x) + kfy(e)y{x,e)dz ^jB{z)y{x,e)dz.
0 0
4
Sehen wir y als bekannt an, so ist die Bestimmung von y auf
die Auflösung dieser linearen Integralgleichung (zweiter Art)
zurückgeführt:
i
y(x) + xfy{e)Y{x,z)dz - F(x), (IV)
0
wo y(x,e) der symmetrische „Kern" und
F(x)'^fB{z)y{x,z)clz
0
m
bekannte Funktionen sind, y gesucht ist.
Jede Lösung von (1)(2) muß auch (IV) befriedigen; aber um-
gekehrt geigt man ebenso wie in der vorhergehenden Nummer^ daß auch
jede Lösung von (IV) wngekehrt eine solche der Differentialgleichung (1)
ist^ weiche die Bandbedingungen (2) erfüJU.
Der Kern der Integralgleichung ist die Greensche Funktion. Er
ist, wie wir wissen, abgeschlossen (siehe Nr. 357). Außerdem aber
hat der Kern noch die Eigenschaft, die Hilbert als „allgemein"
bezeichnet: Zu jeder Funktion f(g) gibt es eine und wegen der Ab-
geschlossenheit auch nur eine Funktion h{z), so daß
f{e)''fy{z,x)h{x)dx
0
ist Denn man bilde aus f{z)
rW + Ä{z)f{z) - h{e).
m
Dann ist ja, wie wir wissen,
f{z) « / yhdx,
0
Allerdings haben wir die Allgemeinheit nur für den Bereich der
zweimal differentiierbaren Funktionen bewiesen, doch genügt das für
unsere Zwecke.
^r. 369. § 59. Theorie d. linearen Differential- n. Integralgleichungen. 551
358. Besnltate ans der Theorie der Integralgleichnngen.
Auf Integralgleichungen ist man bei Behandlung physikalischer Pro-
bleme schon oft gestoßen. Fast alle Schwingungsprobleme (Lord
Rayleigh) fähren darauf. Poincare zeigte, wie die partielle DifiFe-
rentialgleichung zi Z7 » 0 mit ihnen zusammenhängt und heute hat
man fast alle interessanten gewöhnlichen und partiellen Differential-
gleichungen und noch manches andere mit linearen Integralgleichungen
behandelt.
Eine erste allgemeine Methode zur Lösung linearer Integral-
gleichungen gab Fredholm, weshalb sie häufig nach ihm benannt
werden.
Hilbert faßte in seiner ersten Mitteilung (Mitteilungen 1 — 6,
1904 — 1910, in den Gottinger Nachrichten) die lineare Integral-
gleichung als transzendente Verallgemeinerung eines algebraischen
Problems auf und kam so zu einer neuen fruchtbaren Behandlungs-
weise.
Man wähle im Intervall 0 bis l eine große Zahl n Ton äqui-
distanten Werten x^^^O, x^ . . - x^^l (x^— x^_^ = ^i = "Hl) " ^^®
entsprechenden Werte von F(x) seien F^F^... F^, die von y : y^y, . . . y,.
ztl ' y{x^, Xg) werde kurz mit y^^^ bezeichnet. Wegen der Symmetrie
des Kerns ist
Dann ]£ßt sich die Integralgleichung angenähert in n lineare Glei-
chungen auflösen, indem man sie nur für die Argumentwerte Xi...x^
hinschreibt und das Integral durch die Summe ersetzt,
n
Abgeschlossenheit von y bedeutet, daß die Gleichungen
1»
asl
keine Lösung haben außer der trivialen y — 0 oder, was dasselbe ist,
daß die Determinante ly^^ nicht Null ist.
Nun weiß man:
1. Im allgemeinen haben diese linearen Gleichungen (A) ein be-
stimmtes Losungssystem für die y|...y^.
2. Das ist nur dann nicht immer der Fall, wenn die symmetrische
Determinante
552 Xn. Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 859.
^y„,l ^yn.2 . . . 1 + ^y«,„
verschwindet.
3. Diese Determinante gleich Null gesetzt, gibt eine Gleichung
*»*•" Gh-ades für A mit n reellen Wurzeln Aj, A,, . . . >L^, die weder Null
noch unendlich sind.
4. Ist A gleich einem der Wurzelwerte X^, so haben die homo-
genen Gleichungen
yK+^2y.y.,K-o (Bi
Lösungen, die nicht identisch verschwinden; seien diese Systeme yj*^
für ein bestimmtes X. Ist X eine r-fache Wurzel, so gehören zu X
gerade r Lösungssysteme. Im ganzen gibt es also n Lösungssysteme
der homogenen Gleichungen, wenn man will, zu jedem X eines; man
muß dann nur die X so oft nehmen, als sie als Wurzeln zu zahlen sind.
Damit dann das obige nicht*homogene System (A) für ein solches
X eine Lösung habe, müssen die F Bedingungen erfüllen, nämlich
X
für alle yj*\ die zu dem einen X gehören.
5. Ist aber X von diesen Größen A^ . . . A„ verschieden,
also D^O, so existiert ein bestimmtes Lösungssystem für die ^
der Gleichungen (A). Es ist jedes y der Quotient aus einer ganzen
rationalen Funktion der A, dividiert durch D. Sind alle F ^0, so
sind auch alle y '^ 0.
6. Die Systeme der ausgezeichneten Lösungen yj^^ — d. h. der-
jenigen der homogenen Gleichungen (B) — sind orthogonal oder
lassen sich doch orthogonal machen, d. h. es ist
^y «y W = 0,
wenn v + v.
7. Bekanntlich hängt die Gleichung D ^0 mit dem Haupt-
achsenproblem der Flächen zweiter Ordnung
zusammen: Es sind die A^ . . . A„ die negativen reziproken Koeffizienten
der vorstehenden Gleichung, bezogen auf die Hauptachsen, d. h. es
Nr. 859. § 69. Theorie d. linearen Differential- u. Integralgleichungen. 553
lassen sich neue Variabele oi durch orthogonale Transformationen
(Drehung des Koordinatensystems im Räume der x) so einführen,
daß identisch „
und dabei sind die x^ lineare Funktionen der x^j deren Koeffizienten
eben die Lösungen y^ der homogenen OleichuDgen (B) sind, wenn
man sich letztere noch normiert denkt, d. h. festgesetzt denkt, daß
2y«*-i
X
sei, was stets möglich ist, da nur die Verhältnisse der y aus den
homogenen Oleichungen (B) bestimmbar sind.
Es ist also identisch
Dieser Satz läßt sich noch von der quadratischen Form
auf die bilineare ausdehnen: er ist identisch in den zwei-
mal n Variabein x^, , ,x^^ 0^ . . , g^
r st 1
Der Beweis von 6. und 7. [ist nicht schwer. (Die Sätze
1. bis 5. dürfen wir wohl als bekannt ansehen.)
Aus
folgt
X x,rT
Vertauschung von v mit v' gibt
2 yx^'^y«"^ '-K'2 y^.ovJ'^y^"'''
x,a
also, nach Subtraktion, wenn X^=^ X^'
2 y^aVo^'^yr - 0,
und dann auch
2'y,«y/'' = 0,
die gesuchte Orthogonalitätsbedingung.
554 ^U- Einleitung in die Kinetik deformierbftrer Systeme. Nr. 869.
Ist aber X^ «= A/, so ist auch jedes System der Form ay<*) + «'y^*^
eine Lösung zu demselben Xy weil die Gleichungen linear homogen sind.
Man kann dann aber, falls nicht schon
^^j ifx Vx
X
Null sein sollte, sondern etwa gleich d ist, leicht zwei Paare a, a'j ß^ ß'
finden, so daß
ist. Es muß nur
aß + aß' + {aß + ß'a)d - 0
sein, aber
aßt — a'/J + O,
was natürlich stets möglich ist
Damit ist 6. bewiesen und es ist auch stets
für verschiedene v, v\ aber, was genau so zu beweisen ist,
falls die y normiert sind.
Um nun 7. zu beweisen, bilden wir aus yj^*"^ =» — K^YKaVa'^
-f2»»'"^«=2y«.»y<.'*'*«-
1 .^ll ^* «^x y^,
X x.a
Multiplizieren wir mit ^Vx^^^x ^^^ summieren über die A, so gibt das,
wenn wir in der zweiten Summe rechts den Summationsbuchstaben x
mit /t vertauschen,
r X X XfO v,/i
Nun ist ein System von Größen
das in einer Richtung orthogonal ist, es auch in der anderen. Denn
setzt man in den Unbestimmten t;^ die Gleichungen an
^^ y» r^' x9
(yh
2St, 369. § 59. Theorie d. lineaien Differential- u. Integralgleichnngen. 555
SO folgt durch Multiplikation mit yj^^ und Summation über x
r.x
oder wegen der OrthogonaUtätseigenschaft
X
Daraus aber folgt wieder durch Multiplikation mit y}"^ und Sum-
mation über V
^o^y^y^^r'^^^^yrn^r-
V x,v'
Das muß aber identisch in allen t?^ erfüllt sein^ also
wenn x + <^j ^^id wenn x « <y
w. z. b. w. Infolgedessen aber ist
und aus (1) wird das zu beweisende
»,a
Hilbert gelang es nun durch strengen Übergang die
folgenden Tollkommen entsprechenden Sätze zu beweisen
1. Die lineare Integralgleichung mit symmetrischem Kern y
i
y{x) + xfvix, z)y{e)de - F{x) (A)
0
hat im allgemeinen eine ganz bestimmte Lösung.
2. Das ist nur dann nicht immer der Fall, wenn X Wurzel einer
bestimmten Gleichung
B{X) = 0
ist. Diese X : X^X^ . . . 2^ heißen die Eigenwerte des Kerns y.
556 Xn. Einleitung in die Kinetik deformieibarer Systeme. Nr. 369»
3. Ist der Kern abgeschlossen; so gibt es unendlich viele Eigen-
werte: sie haben keinen Häufangspunkt im Endlichen. D ist dann
eine ganze transzendente Funktion, alle ihre Nullstellen sind reeU.
4. Ist X gleich einem Eigenwert, so hat die homogene
Integralgleichung
y + ^fyydsf = o (B)
Lösungen y^"^ zu jedem Eigenwert k, die sogenannten Eigenfunk-
tionen. Zählt man jeden Eigenwert hinreichend oft, so kann man
jedem eine Eigenfunktion y zugeordnet denken. Damit die nicht-
homogene Gleichung (A) in diesem Falle Lösungen hat, ist not-
wendig und hinreichend; daß
0
sei für alle zu dem Eigenwert X^ gehörenden Eigenfunktionen y^,
5. Ist X nicht gleich einem Eigenwert, so hat die homogene
Gleichung (B) nur die Lösung Null, die nicht-homogene (A) eine ganz
bestimmte Lösung
^ Dil) '
wo H{Xf X) eine ganze transzendente Funktion in X ist, sowie auch D.
6. Die Eigenfunktionen y sind orthogonal oder lassen sich
doch — falls zu einem X mehrere y gehören — durch Auswahl ortho-
gonal machen:
wenn v + v\
Auch wollen wir die Eigenfunktionen normiert voraussetzen,
d. h. die multiplikative Eonstante, die bei Lösung der homogenen
Gleichung selbstverständlich frei bleibt, sei so gewählt, daß
fy^dx = 1
0
ist.
7. Es ist für alle Funktionen x und z von einer Variabein
identisch
ffy{s, t)x{s)z{t)dsdt « - ^i: fyAsMs)ds . Jy^{t)z{i)di,
0 0 "^"^ "^ 0 0
und die Reihe der rechten Seite konvergiert absolut und gleichmäßig
für alle Funktionen x^ <e, für welche
Nr. 360. § 59. Theorie d. linearen Differential- u. Integralgleichungen. 557
/ x^ds und / js^ds
unterhalb einer festen Grenze bleiben.
Die y müssen dabei normiert sein.
Die vorstehenden Sätze sind eine plausible Verallgemeinerung
der algebraischen Sätze; und zur angenäherten praktischen Lösung
einer Integralgleichung dürfte sich der Rückgang auf das algebraische
Problem empfehlen. (Zu heuristischen Zwecken hat schon Rayleigh
den Rückgang auf das algebraische Problem benutzt.)
360. Anwendung auf lineare Dlfferentlalglelehungen.
Was sagen nun diese Sätze für die lineare Differentialgleichung:
g + (A{^) + A) y = B{z) (1)
aus? Da
F{z)^fy{x,z)B{B)dg
nur verschwindet, wenn B verschwindet (denn y ist ein abgeschlossener
Kern), so folgt unmittelbar:
1. Die Differentialgleichung hat bei den gegebenen Grenzbedingungen
im allgemeinen eine ganz bestimmte Lösung für jedes B.
2. Das ist nur dann nicht immer der Fall, wenn der Parameter X
ein Eigenwert des Kerns y ist.
3. Ist aber X ein Eigenwert, so hat die homogene Differential-
gleichung Lösungen — wir wissen a priori, daß es zu jedem X bis
auf einen konstanten Faktor nur eine sein kann — und diese sind
keine andern als die Eigenfunktionen des Kerns.
In unserem Falle, wo
A{z) = 0,
WO also die homogene Diffentialgleichung lautete
und die Randbedingungen hieBen:
'^^ + '»-0
hieBen:
. dy
«y + dz
dy
dt
-0,
kennen wir aber die Lösungen, es sind unsere alten Partikularldsongen
558 ^U« Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 361.
wo die v^ Wurzeln der transzendenten Gleichung
V tgi/l =» a
sind.
Also haben wir das spezielle Resultat:
Unsere Funktionen cos v^z sind die Eigenfunktionen der linearen
Integralgleichung
y + ^J y{x,z)ydg''0,
0
y{x,z) - Z + i. - A (x + ^ + |a; - -g?|);
wo
jede gehört eu einem Eigenwert l^ = v^; die transzendente Gleichung
der k ist also
tt^^yi tgiyi
oder
a cos Z 1/Ä— yT sin Z /;L « 0,
wo jetzt die linke Seite tatsächlich eine ganze transzendente Funktion
von X ist (d. h. eine für alle X konvergente Potenzreihe), nämlich
361. Die Bütwlcklnng nach Eigenfimktlonen. Fourler-
sehe Beihen. Wir kommen jetzt auf das Ziel unserer Untersuchung:
Können wir jede stetige und zweimal difiFerentiierbare Funktion f(z)
im Interrall 0 bis l so darstellen:
00
n = l
oder allgemeiner
00
n = l
wo die y, die Eigenfunktionen einer linearen Integralgleichung sind?
Es ist nun eines der wichtigsten Resultate der Theorie, daß diese
Frage zu bejahen ist. Hilbert beweist:
Jede stetige Funktion f{z), welche sich in der Form
i
0
mit nur stetigem h(x) darstellen läßt, ist nach den Eigenfunktionen
des Kerns enttvickelbar.
Nr. 861. §j59. Theorie d. linearen Differential- u. Integialgleichungen. 559
N^n wissen wir aber, daß sicli jede stetige und zweimal differen-
tiierbare Funktion tatsächlich in obiger Gestalt darstellen läßt, es ist
ja nach Nr. 358
Also ist für unseren Fall die Frage zu bejahen:
Jede stetige und zweimal differentiierhare FunJcHon laß sich im
Intervall 0 bis l durch
OB
f(^) = 2 A' cos v^a
ttsl
darstellen; insofern kann man das allgemeine Integral unseres Schwin-
gungsproblems aus diesen partikulären Integralen zusammensetzen. Die
Darsieilung ist auch eindeutig, die Reihe konvergiert gleichmäßig und
absolut j die Ä^ berechnen sich nach Nr. 354 zu:
-^«' == ö — 1 . ^" o 1 I fiß) <5os v^zdz.
Ebenso läßt sich zeigen, daß im Intervall — { bis + 2 die Ent-
wicklung gilt
00 00
nsrl « = 1
Machen wir die Annahme, daß f viermal stetig differentiierbar
seiy so ist der Beweis aus dem Hilbertschen Satze Nr. 7 in Nr. 359
sehr leicht zu führen.
Dann ist nämlich auch
h^r+A(z)f
noch zweimal differentiierbar, es gibt also eine Funktion g
g^r+AJi,
so daß
i
H^)--fY{s,x)g{s)ds
0
oder
^W -ffy(ß,*)Y{s,t)g{s)dsdt
0 0
ist. Setzen wir nun in den allgemeinen Entwicklungssatz 7
x{s)^g{s\
z{f)^Y{z,t),
so wird die linke Seite gerade f{z).
560 Xn. Einleitung in die Kinetik defoxmierbArer Systeme. Nr. 361.
Auf der rechten Seite stehen aber
das ist nach der Integralgleichung
dann die Konstanten
Mithin resultiert
m
fiß) "^A' yX^)y
w. z. b. w.
Damit ist wiser Problem vom Schlüsse des vorigen Paragraphen
im blähenden Sinne heantwotiet. Eine analoge Antwort gut für aUe
Erdwicklungen nach Funktionen, wdche als Eigenfunktionen eines alh
geschlossenen und allgemeinen Kerns aufgefaßt werden können. Weiß
man das, so sind spezielle Kmivergemheweise nickt mehr nötig, diese
liefert ein für allemal die Theorie der linearen Integralgleichungen.
Alle hier nicht ausgeführten mathematischen Beweise der ge-
nannten Sätze müssen wir dem eigenen Studium des Lesers fiberlassen.
Genannt seien außer den Arbeiten Huberts noch die Arbeiten von
Erhardt Schmidt in den Math. Ann., Bd. 63 u. 64; und in den
Rendiconti del Circolo mat. di Palermo; dann die Arbeiten von Eneser
(in denselben Zeitschriften sowie in den Jahresber. d. schles. Gesellsch.
f. vaterl. Kultur), Poincare (Rendiconti del Circolo mat. di Palermo),
Picard (Comptes Rendus), v. Mises (Monatshefte f. Math. u. Phys.)
u. a.; welche die Theorie der linearen Integralgleichungen weiter aus-
gebildet und angewendet haben. Als Lehrbücher kommen in Betracht:
A. Korn: über freie und erzwungene Schwingungen, Kowalewski:
Determinantentheorie (Leipzig 1909) und Kneser: Die Integralglei-
chungen (Braunschweig 1911).
Noch eine Bemerkung: Lassen wir a » 0 werden, so geht die
transzendente Gleichung in
tgvl^O
über, deren Lösungen
1) Die Gleichheit der beiden Integrale folgt ans dem obigen Aasdmck toxi
f{z) durch g{8) und zweimalige Anwendung der Integralgleichung.
Nr. 361. § 69. Theorie d. linearen Differential- u. Integralgleichungen. 561
nn
sind. Die Partikularintegrale sind
^ nx 2xx
1, cos ~j- , cos -=- , . . .
Der Entwicklnngssatz heißt dann:
Jede stetige und zweimal differentiierbare Funktion f(js) läßt
sich im Intervall 0 bis l in die Fouriersche Reihe
OD
n = 0
entwickeln; die Entwicklung ist absolut und gleichmäßig konvergent;
die Koeffizienten A^ berechnen sich zu
ä^^yJ f(^) ^^^ w zdz, für n =« 1, 2 . . .
dagegen, wie man als Orenzwert für v^^O leicht erkennt^
A^^\ff{z)dz.
Im Intervall — i bis + Z gilt die Entwicklung
f(z) - A + 2 (a^ cob~z + B^ sin ^ä).
Allerdings ist der Grenzübergang deshalb nicht ohne weiteres
erlaubt, weil im Falle a = 0 keine Greensche Funktion existiert,
denn die stetige Lösung z =^l erfüllt jetzt beide Randbedingungen.
Doch zeigt Hilbert,in der zweiten Mitteilung, wie in diesem Falle
ein Ersatz für die Greensche Funktion gebildet werden kann, womit
die Rückführung auf eine lineare Integralgleichung ermöglicht wird.
Man nennt eine solche Reihe gewöhnlich nach Fourier, obwohl
das Problem der Entwicklung einer Funktion nach Sinus- und Kosinus-
gliedern schon von Bernoulli, Euler und d'Alembert im Anschlüsse
an ihre Untersuchungen über das Schwingen elastischer Linien ge-
stellt und auch teilweise beantwortet wurde. Aber Fourier gab zuerst
die obige Methode der Eoeffizientenbestimmung.
Dirichlet hat gezeigt, daß die Reihe schon dann konvergiert
— allerdings nicht immer gleichmäßig und absolut — , wenn f(z)
stetig ist und nur eine endliche Anzahl von Maxima und Minima hat
Hftin«l: Blementare Mechanik. 86
562 ^n. Eioleitong in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 362.
Man findet eine Darstellong in vielen Lehrbüchern, z. B.
Fricke: Analytisch-fnnktionentheoretische Vorlesungen.
Jordan: Cours d* Analyse, t. II.
Riemann-Weber: Partielle Differentialgleichungen, Bd. 1.
Ausführliches Referat und Literaturübersicht bei
Burkhardt: Jahresbericht der deutschen Math.-Ver. 10, 1902, und
Enzyklopädieartikel 11, A 9 a.
§ 60. Statik isotroper homogener Medien.
362. Die Spannnngsdyade eine Fnnktion der Deforma-
ticnsdyade. Wir erinnern an unsere allgemeinen, für jedes Medium
gültigen Grundgleichungen:
d« __ - , dox . d^y , dös
^dt ~^'^ dx "^ dy'^ dz
(siehe §§ 38 und 39), wozu noch das Boltzmannsche Grundgesetz tritt,
daß die Spannnngsdyade, die durch die neun Komponenten der inneren
Spannungen 6^, 6^, ä, gegeben ist, symmetrisch ist.
Wir hatten nun gleich zu Anfang, bei Einführung des Spannungs-
begriffes, den Grundsatz aufgestellt, daß jede Spannung von einer
Gestaltsänderung, Deformation, begleitet, d. h. von ihr verursacht sei
(§ 9)-
Betrachten wir also ein Medium in Ruhe und habe es gegen
einen Normalzustand, in dem die Spannungen Null sein mögen, eine
Gestaltsänderung erlitten: es sei jeder Punkt (r') um ein Stück s
nach r verschoben.
Diese Verschiebung selbst freilich ist noch nicht maßgebend für
die Gestaltsänderung, sondern die relative Verschiebung der Teile
gegeneinander, d. h. die Differenzen ^s benachbarter Punkte.
Da aber ferner die Ursachen der Spannung in unmittelbarer
(differentialer) Nähe der betrachteten Stelle zu suchen sein sollten,
so wird es auf die differentielle Verschiebung ds ankommen, d. h.
die Spannungsdyade wird eine Funktion der Deformationsdyade
/ds ds ds\
\d^' dy' dl) ^^^'
Daß die neun Komponenten von :^ usw. eine Dyade bilden, er-
kennt man daraus, daß sie gemäß der Formel
,_ ds j , ds j , ds j
ds ^ ^ dx + ^~dy + ^-de
dx cy ^ ds
den Vektor df in den Vektor ds linear homogen transformieren (siehe
Definition der Dyade im Anhang, auch in Nr. 205).
Nr. 363. § 60. Statik isotroper, homogener Medien. 563
363. Die Deformation als afBne Tranaformatlon. Werde
der Punkt Ä^ir^) in X^{^^ + h^^o) transformiert, der benachbarte
Punkt A(f' — r^i' + df') in X{r ^r^^ dr\ so kann man dx, dy, dB
als infinitesimale Koordinaten des Punktes X in der Umgebung von
X^ auffassen, ebenso dx', dy\ de als
Koordinaten von Ä in der Umgebung
von Aq bezüglich eines dem ersten
parallelen Systems mit A^ als An-
fangspunkt. Durch die Verschiebung
s ^ Sq+ ^- ' df werden die Koordi-
naten dx\ dy, d/ in dx, dy, de
transformiert. Dies geschieht mittels der Formeln
dr =^ dr — ds = dr — ^- dx — ^ dy — ^- de ^ dr — ^ ' dr
ex dy ^f dz of
oder in Komponenten (u, v, w seien die Komponenten von s)
Diese Transformation ist als linear homogen in den infinitesimalen
Koordinaten affin zu nennen.
Nun läßt sich aber jede Affinität in eine reine Affinität, bei
welcher die drei sich entsprechenden zueinander orthogonalen Achsen
in Deckung bleiben, und in eine Drehung zerlegen, bei welcher keine
Gestaltsänderung eintritt.
Um diese Zerlegung auszuführen, berechnen wir die Längen-
änderung von äff denn für diese wird allein die reine Deformation
maßgebend sein, während eine Drehung die Längen ungeändert läßt.
Schreiben wir
den Vektor mit den Komponenten
1 ^^ ^^ ^^ j 1- ^ /- -\ 1 -
^-dx' -3-x' -a«' '^•^•ä^C'— «) ''^'•«'
den Vektor mit den Komponenten
^ ^u ^ dv ^Bw , jT
dy ' dy^ dy '
den Vektor mit den Komponenten
du dv - dto , _
" dz' "dz' ^ "" a7 ^ ^>
so ist die Transformation gegeben durch
dr = ädx + hdy + cde,
36*
564 Xn. Einleitong in die Kinetik deformierbarer Systeme. Kr. 368.
Also ist die Änderung des Quadrates der Länge (r gibt die neue, r'
die alte Lage)
- (rfr)« + dr» - (1 - a^)dx' + (1 - h^)dy^ + (1 - c^)dg'
— 2ä • hdxdy — 26 • cdyde — 2c • ädedx.
Maßgebend für die Deformation sind also die sechs Größen:
1 «2 9^^ /^«\* /^^\* l^^\^
«.--»•-^j-aj)'-©'-©'.
'.-•-'•-2|?-(i3"-G^)"-(i:-)*.
r - dv .diu du du dv dv
^9» ^'^ '~d7'^ dy^dy' dz " dy-'di '
_ _ dw du' du du dv dv
^•'^^^'^^ dx'^ de ~dz"dx^de'di~
_ r du , dv du du dv dv
— a-b — o +
dto
dw
dy
dB'
du)
dw
di
dx'
dw
dw
dx
- dy-
(1)
^*y dy dx dx dy dx dy
Betrachten wir die infinitesimale quadratische Mittelpnnktfläche
e^dx^+ e^dy^+ e^dz^+ 2g^^dydz + 2g^^dzdx + 2g^^dxdy — const,
so wird sie von reellen Punkten gebildet, die gleiche Änderung des
Quadrates ihres Abstandes von X^ erfahren haben. Diese Fläche hat
bekanntlich drei Hauptachsen, deren Endpunkte maximale, resp. mini-
male, resp. maximinimale Entfernung von X^ besitzen. Die Rich-
tungen dieser Hauptachsen werden also den Richtungen minimaler,
resp. maximaler, resp. maximinimaler relativer Längenänderung — ^^^ —
entsprechen.
Sucht man aber die Extremwerte von df * — dr^ bei g^ebenem
dr', so hat man bekanntlich die Gleichungen zu bilden
e^dx + g^^dy + g^^dz^ödx^
^ydy + 9yxd^ + gy.dz^6dy, (2)
e,dz + g.^dx + g^^dy = 6dz,
woraus sich für den Multiplikator 6 die Gleichung dritten Grades
ergibt:
9xy ^y-^ 9y. ; " 0, (3)
' 9zz 9y. ^,-<^
die bekanntlich stets drei reelle Wurzeln 6^^ ö^, 6^ hat (Hauptachsen-
problem der Flächen zweiten Grades). 6^, 6^, 6^ sind dann die maxi-
Nr. S64. § 60. Statik isotroper, homogener Medien. 565
malen, minimalen resp. maximinimalen Werte von — ,--, — • Man er-
kennt das sofort^ wenn man die Gleichungen (2) mit dXy dy, dz
multipliziert und addiert.
Damit ist die reine Deformation bereits gefunden: sie besteht in
drei einfachen Dehnungen (resp. Schrumpfungen) in Richtung der drei
Hcmptachsen der betrachteten Fläche zweiter Ordnung in den Verhäit-
nissen
i:VT-<^, iiyl^^cf,, iiY'i-^
(positives 6 gibt eine Dehnung, negatives 6 eine Schrumpfung).
um nun die Drehung zu finden, welche in der ganzen Trans-
formation enthalten ist, suchen wir auch die Richtungen der maxi-
malen usw. Dehnungen vor der Transformation, d. h. im System der
X, y\ z , TaM dem Zweck denken wir uns die Transformationsformel
aufgelöst:
df ^a dx + 6' dy' + c dz'
und bilden ganz wie früher
dr»- c;rfa;'«+ 6;dy'«+ e^dz'^ ^2g'^^dx'dy' ^ . • -,
bestimmen die Hauptachsen der infinitesimalen Fläche zweiter. Ordnung
e^dx'^ + e^dxj^ H =- const,
d. h. lösen die homogenen linearen Gleichungen
< dx' + ^Jy dy' + g'^ßz ^ddx' usw.,
wobei aber nicht nötig ist, die Gleichung dritten Grades für ff noch
einmal aufzulösen, da wegen
— i^r--^ «nd —^^-^ff
ist.
Sind so die Richtungen extremaler Dehnung vor und nach der
Transformation bestimmt, so ist die gesuchte Drehung natürlich die,
welche diese beiden Richtungen ineinander überführt.
364. Die Invarianten der Deformation. Die Größen 6^,
^y> ^»} 9xy9 9x») 9y» »Hein siiid maßgebend für die reine Deformation,
doch hängen sie noch von der Wahl des Koordinatensystems ab.
Invariant gegen dessen Wahl sind hingegen 6^, <y„ 6^. Und das sind
auch die einzigen unabhängigen Invarianten. Denn sie bestimmen
vollständig die Gestalt der in der vorigen Nummer betrachteten Flächen
zweiter Ordnung und damit auch die ganze Gestaltsänderung.
566
XII. Einleitang in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. S64.
«.-
9
9>,
9x1
yyx
«»-
6
9f.
9.M
9.,
e.-
Statt <fi,(fiftfi führt man besser drei rationale Inyarianten ein: die
Koeffizienten der Gleichung f&r 6, die ja drei unabhängige Funktionen
Ton (fi,^i,(fi sind. Entwickeln wir die Gleichung
= 0,
80 lauten die Koeffizienten: — 1, dann
- (CvC. + e.c, + c,c^ - gl, - ^, - .tJ,) -
und
-Ji
'xy
9x.
9f>
«, 9,.'-Ji
'BX
9.,
'• I
Ji, Jf, Ji sind die drei gesuchten rationalen Invarianten.
Wir wollen noch die sogenannte kubische Dilatation be-
trachten^ d. h. die relative Yolumsvergrößerung eines Elementes. Be-
trachten .wir das Volumen dxdydZj so hat dasselbe vor der Defor-
mation das Volumen
^(■y^t-io "-■'!"".
wo D die Funktionaldeterminante bedeutet. Diese ist aber
1-
dx
dv
dx
dx
1-
du
dv
dy
dw
dy
1-
du
di
dv
dz
dw
d~B
«^
und stellt also das reziproke Vergroßerungsverhaltnis des Volumens
dar. Nun ist nach der Multiplikationsregel der Determinanten
ä ' h
a ' b
5»
a • c
b ' c
HB
-9xy
1--
9x,
9x.
9,.
ä • c
b • c
c«
9x.
-9y.
1-«.
^.-1
9x,
yxM
= —
ifxy
e-l
9f.
9x.
yy»
e.-l
= i-Ji+j;-Ji.
Nr. 366. § 60. Statik isotroper, homogener Medien. 567
Daraus folgt
1 - z/ - 1 ->/l-Ji + J,-e7i.
Diese Größe ist der Yolumszuwachs pro Volumseinheit des deformierten
Znstandes; sie heißt die kubische Dilatation nnd ist natürlich eine
Invariante.
366. Bperialfall : Übergang su nnendllch kleinen Defor-
mationen. Wir wollen in dieser Nummer u, v, w und auch ihre Ab-
leitungen als sehr kleine Großen ansehen und prinzipiell Größen zweiter
und höherer Ordnung yemachlassigen. Für die geringen Deformationen,
wie sie bei festen Körpern und nicht zu großen Kräften Yorkommen,
werden wir damit eine genügende Annäherung erzielen, außerdem aber
hat die Annahme auch noch für andere Zwecke große Bedeutung
(siehe § 61).
Wir beginnen mit der Bemerkung, daß sich zwei Transformationen
der Art
X =■ (1 + a^)x + a,y + a^g usw.
a;"- (1 + a/)a:'+ a^'y^+a^'/ nsw.
so zusammensetzen, daß
x" — (1 + ai + ai)x + (a, + at')y + {a^ + a^')e usw.
ist, wenn die a klein sind und Größen zweiter Ordnung yemachlässigt
werden. Der einfache Beweis kann wohl dem Leser überlassen bleiben.
Setzen wir also
du dv Bto
ax""**' dy'^^9' Jz^^"
1 (du dv\ _ J_ (dv^ . dw\ 1 /dw cu\
2 \dy "^ dx) ~ ^^y 2 \dz "*" dy) "" ^*»' 2 \dx "^ dz) ^ ^*"
1 (dv du\ 1 (dw dv\ . Jl/^**«.?^\ /-i
"2 \dlc "" dy) ■" ^'' 2~ [dy ~ dz) ^ ®«' 2 \dz dx) "" ^^r'
so können wir die ursprüngliche Substitution
in die folgenden beiden zerlegen:
dx" - (1 - O dx - y,/y - y„d«,
dy" y^^dx + (1 - «,)d» - y„dz,
de" Yx.^x — y^,dy + (1 - (,)de
mit symmetrischer Determinante und
568 ^11* Einleitang in die Kinetik defonnierbarer Syateme. Nr. 365.
dx'^ dx'+ Gi^dy'- ^^dz"^
dy ^ -- m,dx" + dy" + ioJz'\
dz' — + m^dx" — mjf + dz"
mit antisymmetrischer Determinante.
Die zweite aber ist eine infinitesimale Drehnog; denn nennen
wir ö den Vektor mit den Komponenten co^, Oy, o,, so schreibt sich
die letzte Transformation
-df^^dr^dt-^iodr".
Man nennt übrigens den Vektor 2ö mit den Komponenten
rs—u) — ^u USW. anch den Rotor von s. in Zeichen rot 8, also
CD = 2 rot $.
Die erste Transformation mit symmetrischer Determinante ist
aber eine reine Deformation; denn sucht man die Richtongen,
welche fest bleiben, so hat man die Gleichungen zu lösen
dr^ldr
»
oder
(1 — e^)dx — y,ydy — y^.dz ^ kdx usw.
Das sind aber dieselben Gleichungen, welche die Hauptachsen der
ersten in Nr. 362 besprochenen Verzerrungsfläche bestimmen, denn
f&r unendlich kleine Verrückungen wird
c,« 2«, usw., ^y,— 2yy, usw.
Man braucht also nur
zu setzen, um die Identität vollständig zu machen. Also stehen die
festbleibenden Richtungen senkrecht aufeinander: die erste Trans-
formation ist in der Tat eine reine Affinität.
Die obige Zerlegung ist also bei unendlich kleinen Verschiebungen
die in der vorigen Nummer allgemein besprochene Zerlegung in eine
reine Deformation und eine Drefmng.
Die Invarianten sind
1 T ^ T II— ^"i^*^_l_^"'
^- A- Y^i ===««+ «y + *• = a^ + dy ^ Tz'
ein aus s gebildeter Skalar, den man die Divergenz nennt: div s.
Nr. 866. § 60. SUtik isotroper, homogener Medien. 569
2. /,- «,«.+ «.«,+ «,«r- ti.- rix- ^,- T''»-
3. J,
£
txt iyt *f
1 r
8 '^»•
Die kubische DüatcUion wird in Iconsequenter Annäherung erster
Ordnung:
1 - z/ = 1 - >^l-2Ji + 4/,-87, - Ji « dl V 5 ,
da Jg zweiter Ordnung, J, dritter Ordnung ist.
366. Die Arbelt der Inneren BIriite, welche dieselben leisten,
wenn man den Körper aus dem ursprünglichen Zustand in den defor-
mierten bringt, ist
^ - S/fa'- + Iv + '-ii)»-^y- s/s. • ^ä . dF,
denn das erste Integral enthält auch die Arbeit, welche von den Ober-
flächenspannungen geleistet wird, diese ist also abzuziehen in Form
des zweiten Integrals, das über die Oberfläche F zu erstrecken ist.
Das Integral J bezieht sich auf die Zeit, in der die gesammte Deh-
nung s vollzogen wird. Die Koordinaten x, y, z sind die augenblick-
Uchen Ortszeiger.
Nun läßt sich aber das erste Integral nach dem Gaußschen Satze
umformen (siehe Anhang III, 1)
-/S(5.|? + -.4? + i>.'f)^r.
Also ist die Arbeit der inneren Kräfte, wenn man noch Komponenten
einführt und die Symmetrie der Spannungsdyade betrachtet
^-/s(
dx ' y ay ' • de
Dabei wollen wir beachten, daß du, dVj dw die Verschiebungen sind,
welche ein bestimmtes materielles Teilchen in der Zeit dt erleidet.
570 Xn. Einleitung in die Kinetik deform ierbarer Systeme. Nr. 367.
Wir dürfen mm aber nicht -«— mit d^— vertauschen, denn die
dx dx '
Differentiationen ^- nach dem Ort bei festgehaltener Zeit und ^
nach der Zeit bei festgehaltenem materiellem Punkt (nicht etwa fest-
gehaltenem Orte!) sind nicht unabhängig voneinander. Wohl ist
d_ p . du
X dx'
wenn d die Differentiation nach der Zeit bei festgehaltenem Orte be-
zeichnet.
Der unterschied dieser beiden Differentiationen ^^ und ^^ nach
at dt
der Zeit^ das eine Mal bei festgehaltenem materiellem Punkte, das
andere Mal bei festgehaltenem Orte, ist fundamental für die ganze
Mechanik deformierbarer Systeme. Eine Aussage über ^ ist die Ant-
wort auf die Frage: was geschieht an einem bestimmten materiellen
Punkte? eine Aussage über ^ ist die Antwort auf die Frage: was
geschieht an einem bestimmten Orte?
Wir woUen die Beziehung zwischen beiden Differentiationsarten
jetzt sofort feststellen.
367. Die Übergangsglelchnngen von cItp- sn K-du nsw.
erhalten wir durch folgende Überlegung:
Ist ü irgendeine Qröße; die sowohl als Funktion des Ortes (r)
und der Zeit aDein wie auch als Funktion eines bestimmten materiellen
Punktes und der Zeit allein aufgefaßt werden kann, so ist nach den
Regeln der impliziten Differentiation
wenn ^ die Differentiation bei festgehaltenem materiellen Punkte,
-A- die bei festgehaltenem Orte bezeichnet.
Demnach ist in unserem Falle
wobei hier dr die Verschiebung des Teilchens in der Zeit dt be-
deutet, d. h.
df =» ds.
Ebenso ist
du^du + T,^- ds,
dr '
Nr. 368. § 60. Statik isotroper, homogener Medien. 571
also
ex ex ^ dx\drj ^ dr dx ^'^^
Da aber; wie schon in der vorigen Nummer bemerkt,
dx ox
und auch
d fdu\ c_ du
weil es sich um zwei Differentiationen nach dem Orte allein handelt^
so folgt durch Subtraktion von (a) und (ß)
Ebenso natürlich
(A)
■jdu d j du 0 j-
ox ox OT OX
jdu d j du c j-
dy cy df dy '
jdv d j dv ö j-
3aj ^x dr dx
usw.
Dies sind die gesuchten Übergangsgleichungen von -^-du zu «?>,-,
Q C X O X
denn ^-dfs hat ja die Komponenten
O X
^~du, A -dv, ,. dw,
dx ' dx ' dx
Wir werden diese Formeln brauchen, um jetzt die Hauptaufgabe
zu lösen, nämlich
368. Die Beslehiing zwischen Spannung nnd Deformation
herzuleiten.
An die Spitze stellen wir die durch die Erfahrung begründete
Hypothese, daß jedem materiellen Volumteil d V eine bestimmte ,yin n ere
Energie" dO^tp- dF zukomme, wobei die spezifische innere Energie g)
bei bloßer Beachtung mechanischer und thermischer Vorgänge, also
z. B. bei Ausschaltung elektromagnetischer Prozesse, eine eindeutig
bestimmte Funktion der absoluten Temperatur @ und der Defor-
mation und zwar der reinen Deformation des Mediums sei. Nehmen
wir weiter das Medium als homogen und isotrop an, d. h. setzen
wir voraus, daß keine ausgezeichneten Stellen und Richtungen vor-
handen sind (wie das z. B. in Kristallen wohl der Fall ist), so muß
(p eine bloße Funktion von 0 und den Invarianten J^, J^, J^ sein:
ip » g)(©j J]^, J,^ JTj)^
deren Koeffizienten für einen bestimmten Stoff konstant sind
572 ^I- Einleitung in die Kinetik deformierbarei Systeme. Nr. 368.
Die Bolle dieser inneren Energie ist nun folgende: Leisten
äußere Kräfte in der Zeit dt auf das System die Arbeit dA^ und
strömt die Wärmemenge dQ zxx (im mechanischen Maße gemessen),
so wird die gesamte zugeführte Energie verwendet 1. zur Vermehrung
der lebendigen Kraft dE, 2. zur Vermehrung der inneren Energie d^.
Also ist
dA^+dQ-^dE + dO. (I)
Das ist der sogenannte erste Hauptsatz der Thermodynamik.
Andererseits ist nach dem Energiesatz der Mechanik
dE^dA^+dA^, (II)
wo dAi die Arbeit der inneren Spannungen bedeutet.
Vergleichung von (I) und (11) gibt
d0=^dQ-dAt,
d. h.
dSvdV^^dqdV-dA,,
(dq die in der Zeit dt zuströmende Wärmemenge pro Volumseinheit).
Dabei ist nun aber dq kein vollständiges Differential, d. h. es gibt
keine bestimmte Wärmemenge Q, welche dem Körper innewohnt.
Hingegen ist, wie der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
aussagt, für jedes Volumelement in der Ruhe
'^«/^ = dSdm
ein vollständiges Differential: S heißt die (spezifische) Ehtropie; sie
ist eine Funktion derselben Variabein wie % d. h. eine Funktion von
J^, «7,, eT^, &,
Es ist nun vorteilhafter, statt ® eben dieses S als neue unab-
hängige Variabele einzuführen und dementsprechend
dqdV = dS • dm • ®
zu setzen. 0 ebenso g> seien hinfort Funktionen von J^, /„ J, und
der Entropie S.
Also lautet die Grundgleichung
dSv^y ^ ^^dSdm - dA^.
Die Differentiale beziehen sich auf die Zeit; diese Differentiation ist
natürlich bei konstanter Masse vorzunehmen.
Wenn wir nunmehr aus Nr. 366 den Ausdruck für A^ hinzunehmen
und beachten, daß dV^ — dm, wo dann dm hinsichtlich der Zeit-
differentiation konstant ist, so folgt aus der vorstehenden Gleichung
bei Übergang zum Volumelement
Nr. 369. § 60. Statik isotroper, homogener Medien. 573
Dabei ist natürlich die spezifische Masse fi ebenfalls eine Invariante.
Denn sei t) das spezifische Volumen, so ist wegen dV^^'odm
Sei femer D' das spezifische Volumen im Normalzustand: also
dT^dxdyd2^\>'dm,
so ist
dV D'
dV
Also
=-" =^=vi-j,+j,-j,.
**= J=ivi-'^i+«'.-«^,,
wo t)' eine Konstante ist.
369. Fortsetzung. Wir wollen nun bei Gleichgewichtsproblemen
{dE = 0) die Grundgleichung (B) auch auf virtuelle Änderungen dS,
dUf dv, dw ausdehnen. Gleichung (II) gilt ja auch dann noch (Prinzip
der virtuellen Arbeiten in der trivialen Form, daß im Oleichgewichts-
fall die gesamte virtuelle Arbeit aller Kräfte Null ist), und ebenso
woUen wir den ersten und zweiten Hauptsatz auf diesen Fall aus-
gedehnt denken.
Dann zerfällt Gleichung (B) in 10 Gleichungen^ denn wir können
dS, w-du usw. als unabhängige Variabele ansehen ^ da wir die Ver-
teilung von du, dv, du; in der Umgebung eines jeden herausgegriifenen
Punktes frei haben. Nun steht aber auf der linken Seite, wenn wir
noch die spezifische innere Energie pro Masseneinheit:
einführen^
^ dS ' ^ ^ ^cu ox ^
s dx
— die J sind ja Funktionen der . usw., siehe Nr. 363 und 364 — .
^ ex '
Auf der rechten Seite von (B) aber stehen ^ du usw.; wir brauchen
also noch die Obergangsgleichungen (Aj aus Nr. 367.
574
Xn. Einleitung in die Kinetik defonuierbarer Systeme. Nr. 369.
Nehmen wir (A) und (B) zusammen, so folgen die 10 Gleichungen:
1. Ö = tt (C)
eine Grundgleichung der Thermodynamik, welche die Be-
ziehung von Temperatur^ Entropie und Deformation ver-
mittels der spezifischen inneren Energie pro Masseneinheit
darstellt; dann
2.
X.-
**
X,-
M
Y.-
"1
dVf _
d'fp
du _
dif}
dv _
dy
^du
^du
dx
^dv
dx
^dw
dx
dx
dx
^dx
d'it)
(T^
du
dib
dv
dif}
^l-
al"
'dy
^l"
dy
d i''
dx
dx
dx
dx
ditf
d^
du_
dtif
dv
d^
^du
, du
dx
r,CV
dx
.dw
^y
dy
dy
du-
d
']
dvD
dx
(D)
USW. in leicht erkennbarer Bildung.
In solcher Weise heredmen sich also die inneren Spannungen aus
der speeifischen inneren Energie ^ pro Masseneinheit Die DifferenUor
tionen verstehen sich bei konstanter Entropie, Man nennt ^ auch das
dastisclie Potential.
Es ist nun nur die Frage, ob auch die Bedingungen
y
Y^ usw.
erfüllt sind.
Man erkennt dies nun in der Tat leicht, wenn man die vor-
stehenden Ausdrücke unter Benutzung des Umstandes, daß ^ eine
bloße Funktion von J^, J^, J^ ist, und der Ausdrücke dieser In-
varianten aus Nr. 3(34 durch die g und e sowie der Formeln aus
Nr. 363 für diese g und e umrechnet. Eine ganz elementare Rech-
nung ergibt:
x«= 2^ ( IT (1 -o + ^! (-^i-^i-^L- ««+ V.)
i dj^
dJt
USW. in zyklischer Reihenfolge.
(DO
Mit Aufstellung dieser Formeln ist unsere Aufgabe gelöst: Die
SpannungsTcomponenten sind durch die Ableitungen der Verschiebungen
Uy 17, w ausgedrückt
Ni. 869. § 60. Statik isotroper, homogener Medien. 575
Setzt man die erhaltenen Ausdrücke in die statischen Gleichungen
^ - d^x ^^t, ^^z
0 =s= X H - -h ^ 4-
dx ^ dy dz
ein, so hat man drei partielle Differentialgleichungen für die un-
bekannten Verschiebungen u, v, w.
Um sie ganz zu bestimmen, müssen am Rande entweder noch
die äußeren Spannungen 6^ gegeben sein (natürlich so, daß die Summe
und die Summe der Momente aller äußeren Kräfte Null ist), oder
aber die Verschiebungen ti, v, w selbst, d. h. man kann nach der
Gestalt des Körpers fragen, die er annimmt, wenn er bestimmten
äußeren Kräften unterworfen ist, oder wenn er am Rande in be-
stimmter Weise eingespannt ist.
Will man statt ^, der spezifischen inneren Energie pro Massen-
einheit, wieder ^, die spezifische innere Energie pro Volumseinheit
einführen, so kann man das leicht, indem man
setzt und beachtet, daß nach Nr. 368
ist. Man findet so leicht:
USW. in zyklischer Reihenfolge.
Die spezifische innere Energie q>, eine Funktion yonJ^^J^^J^
und der Entropie S, ist noch unbestimmt; sie hängt von den beson-
deren Eigenschaften des Körpers ab.
Das Verhalten eines jeden isotropen, homogenen Körpers kann
also durch die Angäbe der ihm eigentümlichen Funktion (p (resp, t)
statisch und thermodynamisch charakterisiert werden.
Eliminiert man die Entropie S vermittels der Gleichung (C)
so erhält man die inneren Spannungen als Funktionen der sechs De-
formationsgrößen e und g, sowie der absoluten Temperatur 6. Man
nennt die so entstehenden Gleichuugen die Zustandsgieichungen
des Körpers.
(D")
576 ^^- Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme. Kr. 870.
370. Spezielle FftUe: nnendlich kleine Deformatioiien.
Nehmen wir einen festen Körper und nicht sehr große äußere Kräfte^
80 sind erfahrungsgemäß die u, Vy w nebst ihren Differentialquotienten
sehr 'klein. Bleiben wir konsequent bei Gliedern erster Ordnung stehen,
80 werden
6«=^ 2«, « 2 ^~ usw.
(siehe Nr. 365).
Wenn wir ferner voraussetzen, daß im ursprünglichen Zustand
das System spannungsfrei war, so liegt es nahe, die X^, X^ usw. als
lineare homogene Funktionen der e und g anzusehen, nebst einem
Zusatzglied, das nur von der Entropie abhängt und versehwindet,
wenn diese ebenfalls ihren ursprünglichen Wert hat. Denn in einer
Entwicklung nach den e und g dürfen nur solche konstante Glieder
auftreten, welche für den alten Wert der Entropie verschwinden, da
sie sonst eine Anfangsspannung darstellten. Die nächsten Glieder sind
die linearen, und sie werden auch nicht fehlen, da für sehr kleine
Deformationen die Spannungen jedenfalls mit den Deformationen das
Zeichen wechseln. Sind nun die Deformationen wirklich sehr klein,
so wird es im allgemeinen schon aus Eonsequenz . angebracht sein,
die höheren Glieder auch hier zu vernachlässigen, ob zwar sie durch
sehr große Koeffizienten beträchtlich werden könnten. Es muß also
die Erfahrung zeigen, wie weit der lineare Ansatz, der in der Idee
auf Hooke (vgl. Nr. 46) zurückgeht, berechtigt ist.
Machen wir den linearen Ansatz (eine Weiterentwicklung in
den Arbeiten Voigts), so kann tp nur von quadratischen und niederen
Gliedern abhängen, wie man leicht sieht: Glieder höherer Ordnung
gäben auch in den Spannungen solche höherer Ordnung. Da aber
ferner (p nur von «7^, J*,, e/g, S abhängt und J^ schon selbst dritter
Ordnung ist, J^ zweiter und Jj erster Ordnung, so muß (p die Form
haben
g> = ÄJ^*+ BJ^ + CJ^ + 2),
wo Aj JB, G und D nur noch Funktionen der Entropie S sind.
Vernachlässigt man nun konsequent, so werden die Formeln fSr
die Spannungen der vorigen Nummer
X, = 2 { 2AJ, + B{J, - c,) ) + 2C(1 - e,) + CJ, -f D,
Setzen wir noch
8^ + 45 + 2C = Ä",
-4B-4C = /», 2C + i) = r,
^* = -X^ =» -^ Ä ( 2^ + ^ ") usw.
* y 2 \dx ' dy/
Nr. 371. § 60. Statik isotroper, homogener Medien. 577
so erhalten wir
ais angenäherte Ausdrücke der Spannungsdyade durch die Deformations-
dyade hei sehr Ideinen Deformationen, Diesen Ansatz findet man (bis
anf das Glied T in allen Normalspannnngen X^, Y^y Z^) in allen Lehr-
büchern der Elastizitätstheorie.
T verschwiDdet^ wenn die Entropie gegen den Urzustand un-
geändert geblieben ist.
371. Bolle der Bntropie- reep. Temperatarftndening. Der
Fall, daß die Entropie konstant bleibt^ ist sehr wichtig: Wegen
dS — ^- besagt er, daß in diesem FaUe keinem Volumelement
Wärme zu- oder abgeführt wird. Man nennt derartige Prozesse adia-
batisch. Bei ihnen ist T^O, K und k sind konstant, man nennt
sie die beiden Elastizitätskonstanten bei adiabatischen Pro-
zessen.
Tritt aber eine Entropieänderung auf, findet also ein Wärme-
strom statt, so ist T nicht Null, K und k sind keine Konstante.
Entropieänderung verursacht also hei einem isotropen Medium
nicht nur eine Änderung der Elastußtätskonstanten, sondern auch das
Auftreten einer normalen Zusatzspannung T, während eu den Schuh-
kräften kein Zusatzglied hinzutritt.
Will man statt der Entropie die Temperatur einführen, so hat
man erst ^ zu bilden:
^ = ; {AJ,* + BJ, + CJ, + D),
{AJ,*+BJ^+CJ, + D),
^ o'(^Ji* + BJ, + ÜJ, + D+ [CJ,' + IdJ, - l DJ,- -g-DJ,»)
oder nach Einführung neuer Funktionen
^'(a + \c-Id)^a;
r,'(B-lD)^E,
0'(6'+|2))=.C',
»'D - D'
t - A'J,* + BJ, + C'J, + U.
H»mel: ElemenUre Meohanik. 37
578 XII. Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 371.
Die Temperatur ist dann
""M "" dS"^^ "^ dS"^^^ dS"^^ "^ dS '
Nehmen wir speziell kleine Temperaturschwankungen d0 und kleine
Entropieänderungen dS, so wird, weil im Normalzustand
®o=(dsL5„
ist, bei Beibehaltung lediglich kleiner Größen erster Ordnung
und da jetzt natürlich
wird, so ist die Zusatzspannung
dT^^~~dS"^'
-^ '^ dS d^D'
dS*
Daher wird
V vf ßu , dv , dic\ . T du . ,^^
wo
dT
dS
d^D'
und
dS^
dT dC
« . — —
dS*
ist.
Bei isothermen Prozessen (d 0 « 0) sind also hei konsequenter
Vernachlässigung höherer Glieder die Elastizitäiskoeffigienten mederum
konstant, aber der eine, K, der in den Normalspannungen mit der
Divergenz der Verschiebung multipliziert ist, ist ein anderer als der
hei adiabatischen Prozessen.
Prozesse mit langsamen Änderungen der Verschiebung, bei denen
sich also die Temperatur verhältnismäßig schnell ausgleicht, kann man
meist als isotherme behandeln.
Um allgemein isotherme Prozesse bei endlichen Ver-
schiebungen zu behandeln, empfiehlt es sich, die sogenannte freie
Energie ^^
einzufiihren.
Nr. 872. § 60. Statik isotroper, homogener Medien. 579 •
Es ist dann bei konstanter Temperatur
(wegen | J = ©) •
Denkt man sich also f als Funktion von Ji, J^y J^y S dargestellt,
so ist wegen S = const.
dJ^ ?Ji
usw.
Man hat also bei isothermen Prozessen in den allgemeinen
Formeln für die Spannungen in Nr. 369 die Ableitungen o]r wsw;.
durch die Anleitungen der sogenannten freien Energie f^ilf — S*S
(bei konstant gehaltener Temperatur) zu ersetzen.
372. Spezielle F&lle: Flflssigkeiten. Von der Erfahrung
ausgehend^ daß im bloßen Schwerkraftsfelde das, was wir eine Flüssig-
keit nennen^ nur dann im Gleichgewicht sein kann^ wenn die Ober-
fläche horizontal ist^ schließen wir, daß bei einer Flüssigkeit Schub-
Spannungen nicht auftreten können. Wir definieren:
Eine Flüssigkeit ist ein materielles System, bei dem in
der Ruhe keine Schubspannungen auftreten können.
Beschränken wir uns auf isotrope Flüssigkeiten (neuerdings sind
durch Lehmann auch kristallinische entdeckt worden), so folgt aus
den Formeln (2)') in Nr. 369
USW.
«
Aus diesen drei Gleichungen aber folgen die beiden
|;. + ||=.o .„d |* + g-o, (1)
weil jene drei lineare homogene Gleichungen in den vorstehenden
Ausdrücken sind mit nicht verschwindenden Determinanten:
ffiyffxs — ^xyxy9y, - 9lz9x. + ^z9xy9y, i^sw.
Identisch in den e und g verschwinden ja diese Ausdrücke nicht,
im allgemeinen kann man aber auch die e und g als algebraisch un-
abhängige Funktionen ansehen, da ja zu jeder verschiedenen Defor-
mationsfläche verschiedene e und g gehören, aber an einer Stelle
wenigstens eine beliebige Deformationsfläche denkbar ist, so daß eine
algebraische Gleichung zwischen den e und g bei allgemein gelassener
Beweglichkeit der Flüssigkeit nicht existieren kann.
37 •
580 ^^I- Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 372.
Kinematisch aber sei die Flüssigkeit dadurch definiert,
daß jede Bewegung bei ihr möglich ist, welche eine ein-
eindeutige Beziehung zwischen einer bestimmten, als Nor-
mallage angegebenen Stellung und einer beliebigen Stellung
des Systems herstellt.
Aus den Gleichungen (1) folgt aber, daß ^ eine bloße Funktion Ton
e^l — Ji + Jj
ist, oder was dasselbe ist, von t).
Bei isoirc^en Flüssigkeiten ist die innere Energie eine bloße
Funktion des Volumens und der Entropie (oder der Temperatur).
Die Normalspannungen aber werden nach 1/ wegen (1)
^x-2ft.j^^(l- Jj + eT,- Ji) USW.,
also aUe einander gleich, man nennt
den Druck. Da aber nach Nr. 368
war, so ist
Dabei ist die spezifische innere Energie ^ pro Masseneinheit als
Funktion von t) und 8 anzusehen.
Nimmt man die Gleichung
^ - 1? w
hinzu und eliminiert aus beiden S, so erhält man eine Gleichung
zwischen jp, t) und &, die sogenannte Zustandsgieichung, die für
ideale Gase bekanntlich die Form hat
wo R eine feste Konstante ist.
Die Gleichgeunchtsbedingungen aber lauten für Flüssigkeiten (in-
klusive Gase, die auch unsere Definition erfüllen) wegen Xy=* F^— ...0
und X,= r,= Z.^-i)
WO X die spezifische räumliche Kraft bedeutet, im Falle also, daß die
Schwerkraft die einzige derartige Kraft ist
Nr. 373. § 60. Statik isotroper, homogener Medien. 581
woraus folgt^ daß ^_ abwärts gerichtet ist, daß also die Flächen kon-
stallten Drucks horizontal liegen müssen. Da sich infolgedessen ^
nur in der vertikalen Richtung ändern kann, so muß in horizontalen
Ebenen auch ft^ die Dichte^ konstant sein.
Unter Einwirkung der Schwerkraft schichten sich verschiedene Flüssig-
keiten liorizontai übereinander. Endlich muß infolge der Zustandsgleichtmg
auch die Temperatur in horizontalen Ebenen konstant sein, wenn Gleiche
gewicht herrschen soü.
373. Literatur. Die Begründung einer allgemeinen Statik
deformierbarer Körper stammt von Poisson, Cauchy und Saint-
V^nant aus dem Anfange und der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die
mathematische Weiterentwicklung wurde vor allen Dingen von Kirch-
hoff gefordert (siehe dessen Mechanik), dann später von Lord Kelvin
(W.Thomson),Bou88inesq und Heinrich Hertz. Die moderne Ent-
wicklung strebt einerseits nach einer möglichst korrekten mathema-
tischen Vollendung der Theorie (Namen siehe in dem EnzykL-Referat
von Tedone)^ andererseits danach, durch praktischen Ausbau die
Theorie anwendungsfähiger zu machen und so der Technik ein brauch-
bares und doch exaktes Hilfsmittel für ihre Festigkeitsberechnungen
zu geben. Das Buch, das diesem Ziel am nächsten kommt, ist das von
Love, deutsch von Timpe: „Lehrbuch der Elastizität Ein
weniger anspruchsvolles Werk, das der junge Techniker zuerst zu
rate ziehen mag, ist
Föppl, Technische Mechanik, Bd. III und V; es geht noch mehr
auf technische Probleme ein und berücksichtigt auch mehr die älteren,
leistimgsfähigen, aber nicht einwandfreien Methoden, welche sich die
Praxis notgedrungen immer dann schaffen muß, wenn die Theorie
noch nicht ausgebildet genug ist.
Altere ausgezeichnete Werke sind: C leb seh, Theorie der Elasti-
zität, 1862, in deren französischen Ausgabe sich wichtige Zusätze von
St. Venant finden, und F. Neumann, Theorie der Elastizität, 1895,
das die von einer Temperaturänderung herrührende Normalspannung
beachtet. Von neueren wären zu nennen: Voigt, Kompendium und
Elementare Mechanik. Erwähnt sei auch das dreibändige Werk: Tod-
hunter and Pearson, A History of Elasticity, 1886 — 1893.
Nach der experimentellen Seite wurde die Festigkeitslehre be-
sonders in den deutschen Laboratorien, namentlich von Bach (siehe
sein Buch: „Elastizität und Festigkeit") und Tetmajer weiterentwickelt,
indem die Unzulänglichkeit des Hookeschen Gesetzes bei großen De-
formationen dargetan und Ersatz für dasselbe gesucht wurde.
Nach der physikalischen Seite hin erhielt die Elastizitätstheorie
einen neuen Impuls durch die Untersuchungen Voigts über Kristalle,
582 Xn. Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 874.
wobei auch die Einwirkung thermischer und elektrischer Einflüsse
beachtet wurde. Eine ganz neue Auffassung hat Jaumann (Zitat in
Nr. 379); nach ihm ist nicht die Spannungsdjade eine Funktion der
Deformationsdyade, sondern ihre zeitliche Ableitung eine Funktion
der Ableitungen der Geschwindigkeit nach dem Orte.
Alle diese Autoren beschränken sich im wesentlichen auf unendlich
kleine Deformationen, für welche die Theorie allein durchgebildet ist;
unsere Formeln für endliche Deformationen stammen im Kern schon
von Saint-V^nant und Kirchhof f, dann wurden sie YonBoussinesq,
Duhem und Finger vervollständigt.
Man vergleiche auch die Referate in der Enzjkl. d. math. Wiss.
(Bd. IV, II. Teil, 2. Hälfte) von Abraham, C. H. Müller und
H. Timpe, Tedone, Beissner, v. Kärman und Prandtl.
§ 61. Kinetik isotroper homogener Medien.
374. Allgemeine Bemerkungen. Die Bntropie. Bew^
sich ein materielles System, so bleibt der erste Hauptsatz in Gültig-
keit, also
dÄ^ + dQ'^dE + d^, (I)
wo 9 ^ j (pdV ^ j ^dm die innere Energie des Systems ist, dann
der allgemeine Energiesatz der Mechanik
dE^dA^ + dÄ,, (H)
Dagegen bedarf der zweite Hauptsatz der Thermodynamik einer
Modifikation.
Wir denken uns die Spannungsdyade in zwei Teile zerlegt:
A^ A^+ A"^ A^ sei das A der Statik, so daß A' die Veränderung
der Spannungsdyade bei der Bewegung bedeutet. Dementsprechend
zerfällt auch die innere Arbeit in zwei Teile:
dA^^(dA;)^+dA;. (III a)
A^ sei ganz das alte A der Statik, es haben also die entsprechenden
inneren Spannungen ein Potential im Sinne von Nr. 369, so daß
dx dx
dtj) dv
d^ dw
^dv dx
dx
^dtv dx
hx '
(D)
USW.
Dazu nehmen wir nun die durch die Erfahrimg begründete Annahme:
daß die innere Arbeit dA^ der Zusatzkräfte stets negativ
sei und daß dieser so verloren gehenden Arbeit als Aqui-
Nr. 376. § 61. Kinetik isotroper, homogener Medien. 583
valent eine im Körper erzeugte Wärmemenge ^dq'dV ent-
spreche
dA/ ^dq'dV (nib)
and daß nun
(dq + dq')dV -^ 0 - dS - dm (IV)
sei, wo S, die Entropie, eine für jedes Medium bestimmte
Funktion der Temperatur S und der Deformationsdyade sei.
Diese Modifikation des zweiten Hauptsatzes stellen wir an die
Spitze.
Aus (I), (H), (UI), (IV) folgt dann
fedSdm « (d^^)i + d*
oder, da die Beziehung zwischen {dA^^ und df0 die alte bleibt wie
zwischen dem dA^ der Statik und d0, nämlich
— wie man auch die Gleichungen (D) schreiben kann —
woraus folgt
SdS - II dS,
^ ds
Die formalen Beziehungen zwischen der Temperatur, der Entropie, der
Deformationsdyade und der spezifischen inneren Energie, insbesondere
also auch die Zustandsghichungen bleiben dieselben wie in der Statik,
Bemerkung: Man kann auch als Axiom an die Spitze stellen,
daß diese formalen Beziehungen in Geltung bleiben sollen, dann
folgt, daß
{dq + dq')dr^ GdSdm
sein muß.
375. Die Spannnngsdyade. Was weiß man nun über die
Djade der Zusatzspannungen? Es hat sich erfahrungsgemäß gezeigt,
daß es nicht mehr genügt, die gesamten Spannungen (^i » ^^ -f A*)
als bloße Funktionen der Deformationen gegen den Normalzustand
und der Temperatur bzw. der Entropie anzusetzen, sie hängen yiel-
mehr von dem ganzen Deformationsprozeß ab, von der ganzen
Geschichte des Vorgangs. Daß dem so ist, zeigt am deutlichsten der
Vorgang der Hysterese: ein gedehnter Körper kehrt nach Aufhören
der dehnenden Kräfte gar nicht mehr in den Normalzustand zurück,
oder was dasselbe ist, um ihn dahin zuröckzuführen, bedarf es neuer
äußerer Kräfte; tritt nach einem Deformationsprozeß Ruhe ein, so ist
die Spannung gar nicht bloße Funktion der augenblicklichen Defor-
584 ^I* Einleitang in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 375.
mation und der Temperatur; sondern der ganze vorhergehende Prozeß
wirkt nach.
Man wird also die inneren Spannungen anzusetzen haben als ab-
hängig Yon den Werten von e und g zu allen vorhergehenden Zeiten:
wo X alle Werte von 0 bis cx> durchläuft.
Wenn man annehmen darf, daß S, e, g analytische Funktionen
der Zeit sind, so kommt das darauf hinaus, daß die inneren Spannungen
nicht nur Funktionen der augenblicklichen Werte der Deformations-
de d^e
großen sind, sondern auch von ihren Differentialquotienten ^ , ^, usw.
abhängen.
Aber selbst dieser Ansatz wird nicht allgemein genug sein. Das
wird uns ein Beispiel zeigen.
Nehmen wir einmal der Einfachheit halber an, daß der Spannungs*
zustand außer von den e und g noch von deren unmittelbar vorher-
gehenden Werten abhänge, d. h. noch von den sechs Größen e und g.
Nun findet man aber durch eine ganz elementare Rechnung aus
den Definitionsformeln für e und g aus Nr. 363 und aus den Über-
gangsgleichungen der Nr. 367 die folgenden Ausdrücke der e und g
durch die e, g und durch o ; ^ usw., wo ti, v, w die Ableitungen
von Uf V, w sind, d. h. die Geschwindigkeitskomponenten:
«-= 2 la^d - Cx) - si9., -0^9..] U8W,
a» '^* 's» o« <s * ^ *
u du , cv /^ \ i ow f^ V dv dw
usw.
Die rechten Seiten dieser Gleichungen hängen nun ersichtlich nicht
nur von den sechs Größen
du dv dtb
dx' dy ' dz
und
^ (du dv\ ^ (dv_ awX 1 (dw dü\
2 \dy "^ dx): ^\dz "^ dy)^ 2 \dx "*" dz)
ab, so daß es also nicht möglich ist, diese letzten sechs Größen als
bloße Funktionen der ß, g und der e und g darzustellen.
Wir werden aber sehen, daß der herkömmliche Ansatz für Flüssig-
keiten (und Gase) dies verlangen würde, wenn es zugleich möglich
sein soll, die Spannungen durch die e, g, e, g darzustellen.
Kr. 376. § 61. Kinetik isotroper, homogener Medien. 585
376. Ideale nnd z&he Flflssigkelten. Soweit die bisher
ausgebildete Theorie den Vergleich mit der Erfahrung zuläßt^ zeigt
es sich^ daß es zur Erklärung vieler Phänomene namentlich bei leicht-
flüssigen Medien, ausreicht, auch bei der Bewegung von Schub-
spannungen abzusehen. Sind aber solche nicht vorhanden, so muß
die Spannungsfläche eine Kugel sein (siehe Nr. 251) — denn sonst
wären Schubspannungen vorhanden — , so daß auf Grund dieser An-
nahme alle Normalspannungen einander gleich werden:
wo wieder p der Druck heiße. Dieses p wird mit dem statischen
Druck identifiziert, d. h. es wird als dieselbe Funktion von t) und &
angesehen, welche durch die Zustandsgleichung gegeben ist. Es ist
also Ä^O,
Solche' Flüssigkeiten, die es in Wahrheit nicht gibt, heißen ideale
Flüssigkeiten-, bei ihnen findet eine beständige Umwandlung von
Arbeit in Wärme nicht statt {dq^Q). In allen Fällen genügt die
Annahme einer idealen Flüssigkeit nicht, um so weniger, je zäher,
dickflüssiger dieselbe ist.
Eine ideale Flüssigkeit würde z. B. in einem horizQptalen Bohr
ohne Druckgefälle gleichförmig fließen können, Flüsse könnten kein
Gefälle haben, wenn das Wasser gleichförmig fließen soll.
Man ist also gezwungen, in manchen Fällen bei der Bewegung
das Auftreten von Schubspannungen zuzulassen, will man der Natur-
erscheinung einigermaßen gerecht werden-, man spricht dann von
zähen Flüssigkeiten.
Für solche setzt man nun
X.-
-P + XJ,
^'
-p + y;,
z-
-p+z:,
X-
X^ U8W.
und sieht die Spannungsdyade X^.', . . . als lediglich dadurch be-
dingt an, daß vermöge der Geschwindigkeitsunterschiede benachbarter
Wasserteilchen in jedem Augenblick neue Deformationen eintreten.
Diese Deformationen sind unendlich klein, denn es handelt sich um
die infinitesimalen Verschiebungen
du^üdt, dv^vdt, dw^wdt.
Es kommen also für die Deformationsfläche als sechs Koeffizienten
nach Nr. 365 die sechs Größen in Frage:
586 Xn. Einleitoog in die Kinetik defonnieibarer Systeme. Nr. 877
du dv dtc
und
^' dx^ ^ dy' *• dz
2 \äy "*" dx) ~ ^*y' Y\a7 "^ dyl "" ^»" 2 Ua; "^ äW "" ^*' •
Die Zäkigkeitsdyade wird also Funktion dieser sed^ Größen
sein müssen,
377. Isotrope Flfissigkeiten. um nun X^ usw. als Funktionen
von «jp . . . y,y usw. wirklich zu finden, verfahren wir folgendermaßen.
Wir machen zunächst die Hypothese, daß die Spannungs-
komponenten lineare homogene Funktionen der 6 und 7^ seien.
Ist dann die Flüssigkeit isotrop, so muß die Deformationsfläche
dieselben Richtungen der Hauptachsen haben wie die Spannungsfläche.
Denn es müßte sonst eine ausgezeichnete Richtung im Medium geben,
um welche man die Hauptachsen der einen Fläche in die der anderen
zu drehen hätte. Legt man also vorübergehend das Achsenkreuz an
einer Stelle so, daß die y Null sind, so müssen es auch die X^,
Y^ usw. sein. (Alle Orößen in bezug auf dieses Achsensystem mögen
durch zwei Striche ausgezeichnet werden.)
Aus Sj«nmetriegründen muß dann femer sein
Denn bei Yertauschung der y- und £f-Achse muß z. B. XJ' un-
geändert bleiben, d. h. XJ' kann außer von sj' nur von 6^" + £," ab-
hängen.
Führen wir nun die Funktion
ein, die, durch die Invarianten
C+ V'+ c^ ^.+ ^+ «•= ^1
und
<-«+ V'*+ C'= eJ+ ^/+ s;+ 2(yJ.+ yj.+ yj,) = J,»- 2J,
ausgedrückt, lautet
80 ist ersichtlich
Nr. 877. § 61. Kinetik isotroper, homogener Medien. 587
Wir wollen nun zeigen^ daß auch
y. dW Y^_dW yf_dW
■y f -yf 1 0fr -y r yr 1 OW y, -y- / 1 oW
«^ ^ ' "^ "2 ä^/ ^' - ^y - 2 ay,/ ^x - ^. - "2 jy-
ist
Beweis: Die Leistung der inneren Spannungen ist, soweit die
Zähigkeit in Frage kommt, nach Nr. 366 pro Yolumseinheit
L — x;e, - r/f, - z;b, - 2 x/y,^ - 2 r/y,. - 2Z.>.,.
Diese Größe ist aber ihrer Bedeutung nach invariant gegen Eoordi-
natentransformation, es ist also auch
i = - x/f," - r;' v - z:'^:' =-2w.
Es transformiert sich also
^."C + y;'s;' + z:e,"
in
^;*x+ Y;^,+ Z:a,+ 2X;y.,+ 2Y>,.+ 2Z;y„,
gleicl^ltig, wovon die X^ usw. abhängen.
Wie die e, y transformieren sich aber natürlich auch irgend-
welche virtuelle dsy dy, weil es sich um lineare Transformationen
handelt. Also ist auch
xj'ds:'+Y;'da;'+z,"ds:'
Nun ist aber die linke Seite, wie wir sahen.
0 ff ^ ff , c yy ». ff , d ff ^ et * jjr
also ist dasselbe die rechte Seite, d. h., wie behauptet,
-^fdW
A ^ = ^ usw.
Da aber
W=\vJ*-^\k{J*-2J,)
- I V (£.+ ., + «.)* + I A (*/ + ./ + f/ + 2yJ. + 2y,». + 2/,,)
war, so ergeben sich als endgültige Ausdrücke der Zähigkeits-
dyade:
588 Xn. Einleitang in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 878.
u , cv
Aus den allgemeinen Bewegungsgleichungen
aber wird
(I)
{v die Geschwindigkeit mit den Komponenten ü, v, u^).
Dies sind die Bewegungsgleichungen zäher Flüssigkeiten. Dabei
können jetzt u, v, w als Ortskoordinaten eines Flüssigkeitsteilchens
aufgefaßt werden.
Sind V, X konstant, wie es bei gleichmäßig verteilter Temperatur
sein wird (siehe Nr. 378), so lauten die Gleichungen:
^id = x-^+{v+ ^ a) ^ div V + l X^v QT)
wo z/ == diva_ = ^ , + ^-i + . ,)•
378. Über die Z&higkeitskoef&zlenten v, X. Die Zähigkeit
hat die Eigenschaft, Energie zu verzehren. Es muß also die Leistung
h stets negativ, W, die sogenannte Dissipationsfunktion, eine
positive Funktion sein (Lord Rayleigh).
Da nun Bewegungen möglich sind, für welche divv^-O ist (siehe
die folgende Nummer), so muß sicher A > 0 sein.
Nr. 879. § 61. Kinetik isotroper, homogener Medien. 589
Ferner erkennt man leicht, dafi^ wenn W stets positiv sein soll,
also auch
(V + A)(£.» + £/ + O + 2 V(£,«, + *,£. + 6.0 > 0
sein soll^
3i; + A>0,
also *
sein muß. Denn bei gegebenem «:»*+«/+ f,* erreicht *:B^y+«y*,+ «A
seinen größten Wert für «;r '^ ^y "™ *» •
X ist nun für viele Flüssigkeiten und Gase bekannt, es ist sehr
von der Temperatur abhängig. Z.B. ist für Wasser nach 0. E. Meyer
für eine Temperatur von 10,P 15,5<> 17,9» 21,6« Celsius
A-IO*- 157,1 136,1 129,1 118,1 im C. G. S.-System.
Eine empirische Formel für Wasser (Temperatur 0* in Celsius-
graden) ist
X_ 0,0178
"i* ^ 1 + 0,083679 ^ + 0,Ö0022099> '
Man nennt A den Zähigkeitskoeffizienten. Von v dagegen, das
nur bei Gasen eine Rolle spielt, weiß man noch nichts.
Noch einige Daten mögen zur Illustration gegeben werden: bei
mittlerer Temperatur (ca. 20«) ist A
für Gase 0,0001 bis 0,0002,
für Wasser 0,013,
für Rüböl 1,7,
für Glyzerin etwa 8.
379. Did Kontiniiltfttsgleiohimg. In den Bewegungsglei-
chungen (I) aus Nr. 377 sind w, t;, w^ p, (i als abhängige Variabele
aufzufassen. Als vierte Gleichung kommt die Zustandsgieichung
hinzu
FQp, (i, e) = 0. (II)
Als fünfte und letzte — außer den rein thermodynamischen, die den
Verlauf von S regeln — die sogenannte Eontinuitätsgleichung, welche
die Geschwindigkeit v und fi resp. t) in Beziehung zueinander setzt.
Es muß ja durch die Geschwindigkeitsverteilung die Änderung des
Volumens gegeben sein^
Betrachten wir ein bestimmtes Volumen und sei v^^ v ' v die
nach außen positiv gezählte Normalkomponente der Geschwindigkeit,
so kommt in der Zeit df^ durch Verschiebung des Oberflächenelementes ^jP
590 ^n. Einleitung in die Kinetik deformierbarer Systeme. Nr. 379.
ein Prisma der Basis dF und der Höhe v^dt^'V^idt hinzu. Also
ist die Voliuns Veränderung einer bestimmten Materienmenge:
dV^^V'vdEdL
Das letzte Integral ist aber nach dem Gaufischen Satze (siehe An-
hang III; 2) gleich dem Yolumsintegral
rf^gdivvrfF.
V
Also ist die spegißsche Volumsvergrößerung (pro Yolumseinheit
und pro Zeiteinheit) an jeder Stelle diy Vy oder
^,-;i- = div«-. (ni)
Das ist die gesuchte Kontinuitätsgleichung.
(Sie würde auch gelten, wenn das Gesetz der Erhaltung der
Masse nicht richtig wäre, was als möglich zuzulassen bei Diffusion»-
Prozessen vielleicht angebracht ist.^))
Bleibt die Masse konstant, so ist die spezifische Masse
ft =
k)
y
also
d Igji d lg_b 1^ du
dt~ ~ dt t) de '
und deshalb nimmt die Kontinuitätsgleichung die Form an
^ + div«- = 0.
Eigentliche Flüssigkeiten haben nun im Gegensatz zu den Gasen
die Eigentümlichkeit, wenig zusammendrückbar zu sein, t) oder ft
ändern sich also bei normalen Kräften nur wenig: man kann diese
Veränderung oft ignorieren, d. h. ft = const. setzen.
Flüssigkeiten, für die man /i als konstant ansehen darf,
heifien „inkompressibel" oder „volumbeständig"
Für inkompressihle Flüssigkeiten ist gemäß (III)
divt;-0 (fflO
und die dllgemeinen Bewegungsgleichungen nehmen hei gleichförmig
verteilter Temperatur die Form an
fiiö =« X — ^ _ + Xzfv. (I)
1) Siehe Jaumann: GeBchlossenes System physikalischer nnd chemischer
Differentialgesetze (Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss» 1911).
Nr. 380. § 61. Kinetik isotroper, homogener Medien. 591
p, der Druck, wird eine BeakHonskraft, d. h, eine Unbekannte^ denn
die ZustandsgleicJmng wird hei Igrwrierung der Veränderlichkeit von
fi hinfällig.
Denn sie eben gibt die Berech tigung, ft als konstant anzusehen^
sie sagt, daß auch bei betrachtlich veranderlichem p und 0 das (a
nur unmerklich schwankt.
Der Druck leistet bei inkompressiblen Flüssigkeiten keine virtuelle
Arbeit, denn die Arbeit des Druckes ist bei einer Verschiebung
df{8u, dv, dw) nach Nr. 366
Das ist aber Null^ weil natürlich auch
div dr^O
sein muß bei einer inkompressiblen Flüssigkeit.
Im allgemeinen Falle — besonders also bei Grasen — ist die
Leistung des inneren Druckes
Lp^p div t?rfF,
also nach (III)
L^^p^^^dm,
380. VoUst&ndiger meohauisoh-thermodynamisoher An-
satz fOr homogene isotrope Oase bei Ausschlnß von W&rme-
strahlong. Für ein homogenes^ isotropes Gas hatten wir bis jetzt
die folgenden Gleichungen:
die Bewegungsgleichungen (siehe Nr. 377)
die Eontinuitätsgleichung
dann nach Nr. 374 und 372 die Zustandsgieichungen
e^H- (IV)
Das sind im ganzen sechs Differentialgleichungen für die sieben
abhängigen Variabelen r, p, t>, 8, @. Denn ^ ist bei gegebenem
Medium als bekannte Funktion von t) und S anzusehen, sowie v und
l als bekannte Funktionen von &. Wir brauchen also, um den An-
592 XII. Einleitung in die Kinetik deformierburer Systeme. Nr. 880.
Satz vollständig zu machen, noch eine skalare Feldgleichung. Diese
gibt uns die Frage nach dem Wärmeaustausch. Ein solcher findet
in doppelter Weise statt: durch Leitung und durch Strahlung.
Schließen wir die Strahlung aus^ einmal weil sie bei nicht sehr
großen Temperaturdifferenzen tatsächlich gering ist, dann aber, weil
sie eher elektromagnetischen Erscheinimgen verwandt ist, die wir ja
auch ausgeschlossen haben, so bleibt die Wärmeleitung.
Durch sie wird der Zufluß dq zu einem Yolumelement von außen
bedingt.
Wir wollen uns einen Wärme ström vorstellen, der überall eine
bestimmte Größe und Richtung hat; er sei also ein Vektor lö.
Er wird lediglich bedingt sein durch die Temperaturverteilung S
und die Eigenschaften des Mediums. Ist dieses isotrop und homogen,
so muß tö auf den Flächen konstanter Temperatur senkrecht stehen.
Denn bei Gasen wenigstens wird die Isotropie nicht durch die Defor-
mation verändert. Also ist
d0
lü =- — tf
df
6 — eine Funktion von S und den Eigenschaften des Körpers, mög-
licherweise auch von der Deformationsdjade abhängig — heißt der
Wärmeleitungskoeffizient. Da Wärme stets von Stellen höherer
zu solchen niederer Temperatur strömt, ist <y > 0.
XO bedingt den Zufluß der Wärme von außen. Es ist also für
ein jedes Volumen
gd^ . dF= - dt^xö ' vdF^dt^ö^.^ • vdl,
V F f (*^
WO V wie stets die äußere Normale bedeutet; oder nach dem Gauß-
sehen Satze (siehe Anhang lU, 2)
dS
I aiv i ^
V V
oder
dey
Sd«rfF = d^Sdiv(<y^^)dF
d5 = div((yj^y^ (1)
Nun war aber weiter nach Nr. 374
dq + dq'-^ i^rfS
und
dq'^2Wdt,
wo W die Dissipationsfunktion bedeutete:
Nr. 381. § 61. Kinetik iaotroper, homogener Medien. 593
Also ist
was mit (1) kombiniert die siebente gesuchte Gleichung ergibt:
l«|f = 2W + div(4^. (V)
Zu diesen sieben Feldgleichangen (Gleichungen, die für jede Stelle
des Gases gelten) treten nun noch Bandbedingungen hinzu: Ist
das Medium 7on anderen begrenzt, so müssen Geschwindigkeit, Druck,
Temperatur und auch die zur Grundfläche normale Komponente des
Wärmestromes stetig von dem einen Medium zu dem andern über-
gehen.
Damit schließen wir unsere Betrachtungen. Es war nicht unsere
Absich ty auf irgendwelche Einzelheiten oder Anwendungen einzugehen;
der Leser sei auf die nachgenannte Literatur verwiesen.
381. Literatur. Die wissenschaftliche Hydromechanik wurde
von Daniel Bernoulli, Euler und Lagrange im 18. Jahrhundert
begründet. Die Bewegungsgleichungen für zähe Flüssigkeiten stammen
Ton Stokes und Nävi er. Einen besonderen Aufschwung nahm die
Theorie der idealen Flüssigkeiten, als Helmholtz (in den Arbeiten:
Über „Wirbelbewegungen" 1858 und „Über diskontinuierliche Flüssig-
keitsbewegungen" 1868) und Kirchhoff (siehe seine Mechanik) die
Hilfsmittel der modernen Analysis, namentlich die Funktionentheorie,
der Hydromechanik dienstbar machten. Lord Kelvin und andere
bauten die Theorie weiter aus und gaben neue Impulse, namentlich
zu physikalisch - praktischer Anwendung (Wellen, Schiffswideratand,
Ebbe und Flut usw.).
Das Lehrbuch, das dem heutigen theoretischen Standpunkte der
Hydromechanik, namentlich für den, der Resultate wünscht, am besten
entspricht, ist das von Lamb, deutsch von Friedel, „Lehrbuch der
Hydrodynamik". Ein anderes knapperes Lehrbuch ist das deutsche
Ton Wien: Hydrodynamik. Speziell für Reibungsfragen (auch bei
Gasen) ist Brillouin: Le^ons sur la viscosit^, Paris 1907, vortrefflich.
Als Lehrbuch für Techniker kann Lorenz: Technische Hydromechanik
empfohlen werden.
Die neueren Arbeiten, so namentlich die der Engländer (0. Rey-
nolds u. a.)^), die von Boussinesq, H. A. Lorentz, Sommerfeld
und Oseen^, dann die Prandtls in Göttingen und seiner Schüler,
1) Siehe auch die in Nr. 60 angefahrte Literatur zur Theorie der ge-
schmierten Reibung.
2) Vielleicht darf der YerfasBer auch seine in den Göttinger Nachrichten
1911 erschienene Note: Zum Turbulenzproblem, nennen.
Hamel: Elementare Mechanik. ^-i8
594 Xn. Einleitimg in die Eanetik defonnierbarer Systeme. Nr. 381.
gehen auf eine teils experimentelle, teils theoretische Behandlung der
schwierigen turbulenten Bewegungen und der durch sie YeranlaBten
Eraftwirkungen aus. Die Bedeutung der hier in Frage kommenden
Erscheinungen fOr die Luftschiffahrt liegt auf der Hand. Es sei dies-
bezüglich auf die neue Zeitschrift: ^^Flugtechnik und Motorluftschiff-
fahrt'' und das Buch von Lanch^ster, deutsch von Runge: Aero-
dynamik, ein Werk über das Fliegen, hingewiesen.
Von Seiten wissenschaftlich arbeitender Techniker (Prasil, Sto-
dola, Lorenz, t. Mises u. a.) werden neuerdings erfolgreiche Vor-
stöfie gemacht, die Theorie der Wasserturbinen usw. mechanisch-
wissenschaftlich zu begründen. Es darf hier vielleicht darauf hin-
gewiesen werden, dafi demnächst (bei Teubner) ein Buch von y. Mises:
Technische Hydromechanik erscheinen wird.
Die turbulente Bewegung der Gase mit Beachtung der Thermo-
dynamik ist noch wenig untersucht. Der Entropiebegriff stammt von
Glausius (1867/69). Eine aziomatische Begründung der Thermo-
dynamik enthält der Aufsatz von G. Caratheodory: Untersuchungen
über die Grundlagen der Thermodynamik, MaÜi. Ann , Bd. 67, 1909.
Als Lehrbücher der Theormodynamik seien in erster Linie genannt:
Kirchhoff: Theorie der Wärme, Planck: Vorlesungen über Thermo-
dynamik, Voigt: Kompendium der theoretischen Physik, und: Thermo-
dynamik (Sammlung Schubert), Lorenz: Technische Physik, Bd. IT,
Zeuner: Technische Thermodynamik, Weyrauch: Grundriss der
Wärmetheorie.
Endlich ist wieder auf die Enzyklopädie der math. Wissen-
schaften hinzuweisen: in Bd. IV, Teil 11, 1. Hälfte (Hydromechanik)
sind es die Artikel von Abraham, Love, Finsterwalder, Granz,
Zemplen, Forchheimer, Grübler, Kriloff und Müller, die in
Betracht kommen, in Bd. V (Physik), Teil I, B (Thermodynamik) die
Artikel von Bryan, Hobson und Diesselhorst, Schröter und
Prandtl.
Skizze einer Yektoranalysifl. 595
Anhang.
Skizze einer Vektoranalysis.
!• Yektorreehiinng.
1. Ein Vektor ist eine Strecke von bestimmter Größe und Rich-
tung: Wir schreiben r und sprechen: r-Vektor. Zwei Vektoren sind
dann und nur dann einander gleich^ wenn sie parallel und gleicher
Grofie und Richtung sind.
Dazu genügt^ daß ihre orthogonalen oder parallelen Komponenten
(d. i. Projektionen) nach drei nicht in einer Ebene gelegenen Rich-
tungen einander gleich sind unter Berücksichtigung des Vorzeichens.
2. — f ist der zu f entgegengesetzt gerichtete parallele Vektor
gleicher absoluter Größe.
Ist X eine positive Zahl, so sei Xf der Vektor, der mit r gleiche
Richtung hat, dessen Länge aber A mal so groß sei. Ist A negativ,
so drehe sich noch der Sinn um. Man erkennt sofort, daß
il(jLtf) « jtt(AF) = /iXr
ist, mögen nim A, fi positive oder negative Zahlen sein.
3. Man addiert zwei Vektoren a, &: c = a + 6, indem man sie
ungeändert nach Größe und Richtung aneinander
setzt: c ist dann der Vektor vom Anfangspunkt
des ersten zum Endpunkt des zweiten Vektors.
Ebenso sei
Ö ~ 6 — ä + (— 6). Pig. 867.
Man sieht nun leicht die Richtigkeit folgender Sätze ein:
a) a + 6«5 + ä (kommutatives Gesetz),
b) a + (6 + c) = (ä + &) + c (assoziatives Gesetz),
c) A(a + 6) «= Aö + a5 (distributives Gesetz).
4. Das innere Produkt zweier Vektoren a und 6: a • 5 (sprich
o- Vektor „in" fe- Vektor) ist ein Skalar, d. h. eine gemeine Zahl, gleich
dem Produkt aus den Längen beider Vektoren und dem Kosinus des
eingeschlossenen Winkels: a • & «» ab cos (ä{ &). Aus der Definition
folgen sofort die Sätze
a) a • & « fc • ä (kommutatives Gesetz),
b) ä • (5 + ^) = ä • 6 + a • c (distributives Gesetz).
38*
Fig. S68.
596 Anhang.
Dieses Gesetz ist sofort einzusehen, wenn man bedenkt^ daß auch ä-b
gleich ist der mit der Länge von ä multiplizierten Projektion von b
auf die Richtung von ä und daß die Projektion einer Summe zweier
Strecken gleich der Summe der Projektion der beiden Strecken ist.
c) (Xa) • 5 = Aä • 6.
d) ä'b ist NuU (außer wenn ä^O oder 6 — 0), nur dann noch,
wenn ä und b senkrecht aufeinander stehen.
5. Das äußere Produkt zweier Vektoren ä und b: ab (sprich:
a- über 6-Vektor) ist ein Vektor (daher die Schreibweise). Er steht
senkrecht auf der Ebene der Vektoren ä und b (daher
der Name) und ist so gerichtet, daß Ton ihm aus ge-
foB sehen ä zur Rechten, b zur Linken liegt. Seine Gh'öße ist
:a6' ^ ab 8in(a|6).
Man kann den Vektor ab auch so entstehen lassen:
man bilde die Projizierende Ton b auf ä] es sei dies p,
multipliziere p mit der Länge von a und drehe dann
um ä rechts herum durch einen rechten Winkel. Aus
der ersten Definition erkennt man sofort
a) ab^' — ba (Ersatz des kommutativen Gesetzes).
Aus der zweiten gleichwertigen Definition erkennt man
b) a(fe + c) = ab + ac,
denn die einzelnen Operationen, aus denen die Bildung des äußeren
Produkts mit ä zusammengesetzt werden kann, sind augenscheinlich
distributiv.
c) (ka)b «= kab,
wenn X ein Skalar ist.
d) ab gleich Null i^außer für ä =^0 oder b — 0), nur dann noch,
wenn ä imd b gleiche oder entgegengesetzte Richtung haben.
6. Statt der für die Multiplikation fehlenden assoziativen Ge-
setze (es ist augenscheinlich (ä • fe)c nicht gleich ä(jb - c) und ebenso-
wenig a(bc) gleich lab)c) bestehen zwei weitere Gesetze, die jene in
gewissem Grade ersetzen können, nämlich
a) der Vertauschungssatz:
ä ' bc = b ' cci == c • ab.
Man sieht diesen Satz sofort als richtig an, wenn man sich überlegt,
daß diese drei Ausdrücke nichts anderes bedeuten als den sechsfachen
Inhalt des aus den vom Punkte 0 ausgeheuden Vektoren a, b, c ge-
bildeten Tetraeders, dessen Inhalt positiv gerechnet, wenn bei Um-
kreisung des Tetraeders in der Reihenfolge ä, b, c das Tetraeder zur
Linken liegt.
Skizse einer VeKtoianalysis.
597
"^ b) Der Entwicklungssatz:
a(hc) = biß • c) — c(ß • 5).
Man sieht sofort ein, daß der Vektor der linken Seite in der Ebene
durch b und c liegt, daß also
a(ftc) ^ /S5 + yc.
wo ß, y irgend zwei Skalare sind. Da er femer auf 3 senkrecht
steht^ folgt durch Bildung des inneren Produktes mit a
0 ^ ßä 'b + yä ' c
oder
oder
ß ^m q ' a ' c
— if ' a 'b
a(bc) = p(6(a-g) — da-b)).
Daß nun jetzt p gleich 1 ist, bedarf noch eines etwas längeren
Beweises, den wir kurz skizzieren: 1. Für den Fall ä ^bc ist der
Satz trivial. 2. Für a -^ 6 ist 16 • 6c •_— 6V 8in*(5]c), aber auch
|6(6.c)-c6»|»-6V-6*(6.c)«=-6Vsin>(61c). Mithin ist hier p-± 1.
Daß p I» 1 ist, folgt für den Fall 6 • c « 0 aus der Anschauung, fÖr
die andern Falle aus Stetigkeitsgründen. 3. Ebenso beweist man den
Satz für ä =^ c. 4. Im allgemeinen Falle kann man, wenn nicht
6c — 0 ist — was trivial ist — a in der Form x6 + yc + ^bc dar-
stellen. Wegen der distributiven Multiplikationsgesetze gilt aber der
Satz auch für ä^ xu + yv + zw^ wenn er für ö, 0, W gilt.
Wir bemerken noch, daß der
Satz p =» 1 ein Satz der sphärischen
Trigonometrie ist; seien nämlich
ä, 6, ? drei Einheitsvektoren, d. h.
Vektoren der Länge 1, ABC das
von ihren Endpunkten gebildete
sphärische Dreieck, so sagt p »■ 1
dasselbe aus wie
sin a cos h^ «
Fig. »59.
7ig.t6a
ycos* 6 + cos*c — 2 cos a cos 6 cos c.
Aus Vertauschungs- und Entwicklungssatz folgen noch zwei nütz-
liche Sätze:
c) ab ' cd'^ (ä- c)(5 • J) — (a • d)(6 • c)
(nach dem Yertauschungssatze ist
ab - cd ^c 'll{ab)
und auf das letzte dreifache Produkt wende man den Entwicklimgs-
satz an).
598 Anhang.
Dieser Satz ist übrigens identisch mit einem Satz von Ga^ß
über das sphärische Viereck (Fig. 260), nämlich
sin a - sin c • cos x » cos h - cos d — cos e • cosf.
d) a{bc) + b{ca) + c{ab) « 0.
Um ihn zu beweisen, braucht man nur jedes der drei dreifachen Pro-
dukte zu entwickeln.
n. Yektorgeometrie.
1. Seien s^, s^, i^ drei zueinander orthogonale Einheitsvektoren,
also «1*=« *!*■=* h^'^ 1; ii • «8=» 0 usw. (ä* sei stets ä • a » |öl"), so
kann man jeden Vektor ä darstellen
wo a^, Ol, o^ die orthogonalen Komponenten von ä nach dem durch
Si, l^f fg bestimmten Achsenkreuz sind.
Durch AusmultipUkation Ton
mit
b = b^s^ + 6,6,+ fejij,
und zwar Bildung des inneren Produktes, findet man
sofort
ö • 6 «— «ifc, + öj^ji + aj6, . (a)
Fig. sei.
Durch Bildung des äußeren Produktes und Beachtung
des Umstandes, daß
fij£j «= «3 usw.
wenn die Achsen e^, 1^, e^ ein rechtshändiges System bilden (etwa
ij nach rechts, i, nach hinten, 1^ nach oben)
ab «• Si{a^b^— a^b^) + ^iia^b^ — a^b^) + ««(«lÄ» — a,6i). (b)
Daraus folgt dann weiter leicht, daß
1 a^ a, a,
a • 6 c = ' &i 6| ftj 7
wodurch die Vertauschungsformel in Evidenz gesetzt ist.
2. Gleichung der Geraden. Eine Gerade kann gegeben wer-
den durch den festen Vektor ä von einem Punkte 0 aus zu einem
Skizse einer Yektoranalysis. 599
festen ihrer Punkte und durch einen Vektor i, der ihre Richtung an-
gibt. Der Vektor x nach einem beliebigen ihrer Punkte X ist dann
^ =» a -h fi • 5, (a)
wo 8 einen yariabelen Parameter darstellt.
(a) heißt die Parametergleichung der Geraden. Man kann s
aus (a) eliminieren durch Bildung des äußeren Pro-
duktes
BX = eä. (b)
Diese Gleichung ist mit (a) vollkommen identisch, denn
aus ihr folgt
6(x — a) — 0, • 0
d. h. vermöge I, 5, d)
^ — a = i • s.
Setzt man £a » S; so steht h auf i senkrecht, ist sonst aber be-
liebig, also lautet die Gleichung der Geraden auch
EX^b, (c)
wo aber
i'b^O (d)
sein muß.
Gleichung (c) heißt die Plöckersche Gleichung der Geraden,
i, b die Plückerschen Vektoren. Je zwei Vektoren i, 6, welche
aufeinander senkrecht stehen, d. h. (d) erfüllen, bestimmen eine Gerade
eindeutig.
3. Sei r eine stetig differentiierbare Funktion eines Skalars t,
d. h. seien es die Komponenten x, y, z von r, so kann man
f = f (0
als Parametergleichung einer Kurve auffassen: tt mit den Kom-
ponenten -jTf ,^, , ist dann tangential an die Kurve gerichtet im
Sinne wachsender ty seine Größe ist ^ , wo ds das Bogenelement
bedeutet (siehe Nr. 18).
4. Etwas über Differentialgeometrie der Raumkurven
Es seien ^, v, v' drei Einheitsvektoren, deren Richtungen in die
Tangente, Normale und Binormale der Kurve fallen, welche also das
sogenannte natürliche Koordinatensystem der Kurve geben, so daß
6v = v\ vv — 5, V 6 = V. (a)
600 Anhang.
Wir wissen schon, daß
de 1 - ., .
ist, wo Q den Erümmungsradins bedeutet (siehe Nr. 26). Nun folgt
aus V ^6v und (b)
dv* dv ^
ds ds '
also steht -^- auf tf senkrecht.
ds
Wegen
ist aber
also steht ^— auch auf v' senkrecht. Deswegen muB sein
dv' l - . ,
q' heißt der Torsionsradius. Für eine ebene Kurve (i/'«const)
ist er Null.
Um drittens ^- zu finden, differentiieren wir
Das gibt in Verbindung mit (a), (b), (c)
dv 1 -., 1 - . .
d7 = - 7'' ->-«»• (d)
Man nennt die Formeln (b), (c), (d) die Frenetschen oder Serret-
schen Formeln.
Beim Fortgang längs einer gekrümmten Kurve wird das natür-
liche Koordinatensystem eine Drehung dx erleiden. Setzen wir
dr -/
ds
Dann ist nach der Eulerschen Formel (siehe Nr. 263)
d<f -7— dv -f- dv' — 7- > f ^
Vergleichen wir (e) mit (b), (c), (d), so bekommen wir
"^ 1 -
Ol tf « — V,
-r- 1 -/ 1 -.
- — 1 -
0} 1/ =-= — v.
Skizze einer Vektoranalysis. 601
Setzen wir an:
CD — » Ad + /*v + "^v ,
so bekommen wir aus den vorstehenden Formeln in Yerbindong mit
(a) leicht
oder
da Q Q ^ '
Es besteht also die Drehung des natürlichen Koordinatensystems
aus einer Drehung um die Tangente (die Torsion) und aus einer
solchen um die Binormale (die Biegung oder Krümmung); die ent-
sprechenden Winkel sind r und — = da, der sogenannte Kontin-
genzwinkeL
5. Sei U eine stetig differentiierbare Funktion des Ortsvektors f,
d. h. Ton Xy y, z, seinen drei Komponenten, so ist U{r) « const. eine
Flachenschar. ^— , ^ ^ r. - sind dann die Komponenten eines Vek-
tors, den wir Gradienten nennen und
grad U oder j= ü
schreiben, denn es ist
d 27 »» ^^— dx 4- -Ti — dv 4- -tn— ds! ^ -v— • dr,
dx ^ dy ^ ^ dz df
Man sieht leicht, daß -^ auf den Flächen TJ^ const. senkrecht steht
und daß seine Größe -^r- ist, wo dn in der Normalrichtung ge-
nommen ist.
- ^ heißt das „Gefälle^ Ton ü (siehe Nr. 88).
6. Sei t; eine Funktion von r, so sind zwei Ableitungen von be-
sonderem Interesse,
a) eine skalare, die Divergenz
dx dy dz
i^xj ^yj ^M <^iö rechtwinkligen Komponenten von !;),
b) eine vektorieUe, der Rotor
rot» - e,[^ - dz) + 'AdJ - dx) + ^'Kdi dy)
Daß die Divergenz tatsächlich ein Skalar ist, dessen Wert von der
Wahl des Koordinatensystems unabhängig ist und ebenso rot v ein
Vektor, erkennt man am besten in folgender Weise:
602 Anhang.
Man kann v als Geschwindigkeit eines augenblicklich an der
Stelle r befindlichen Punktes auffassen , vdt als seine infinitesimale
Verschiebung: dx = t?^d^, dy « v^dt, dg « v^dt Dann ist die relatiTe
Verschiebung zweier um dr verschiedener Punkte
USW.
Die hierdurch ausgedrückte linear homogene, infinitesimale Trans-
formation oder Affinitat läßt sich aber nach Nr. 365 in zwei zer-
legen, in eine reine mit dem Eoeffizientenschema
USW.
mit symmetrischer Deteiminante und eine Drehung, deren unendlich
kleiner Vektor eben
-^ Totvdt
ist
Damit ist der yektorielle Charakter des rot v dargetan und zu-
gleich sein Name erklärt.
Die Divergenz ist aber, mit dt multipliziert, nichts anderes als
die erste Invariante der reinen Affinität (siehe Nr. 365).
7. Man hat einen symbolischen Vektor V (sprich: „Nabla*^
eingeführt mit den Komponenten k- , x— , ^ • Noch besser bezeichnet
man ihn mit j= • Dann schreibt sich naturgemäß
divt; =- V • v =- j. • v,
dr '
rotv = Vv ^ -j^vi
dr '
denn die Bildungen sind die ganz analogen wie bei den verschiedenen
Produkten.
nL Tektorintegrale.
1. Der Öaußsche Satz. Es liege ein bestimmtes Volumen V
vor, dann ist das Integral über dieses Volumen
pi^^-f^
cos(i/, x)dF,
Skizze einer Vektorftnalysis. 603
WO das Integral der rechten Seite über die Oberfläche F des Volumens
zu erstrecken ist und v die äußere Normale angibt. TT mufi eine
stetig differentiierbare, eindeutige Funktion des Ortes sein.
Beweis: Es ist
wenn bei festem y, 9 die Grade y =^ const.^ e » const. das Volumen
z. B. viermal trifft (siehe Fig. 263).
An den Austrittsstellen ist aber
dy de = dF cos (v, x), an den Ein-
trittstellen dyda^^dF cos (v, x).
^Llso ist tatsächlich
P^dr = fucos(y,x)dF,
WO jetzt alle Flächenelemente dF Fig.s6s.
rechts Torkommen. 18:^
2. Anwendung des Gaußschen Satzes gibt
) I diYV ' dV ^ I (v^ cos (v, X) + Vy cos (v, y) + v^ cos (v, z)) dF
a^
V
-U,
dF.
wenn v^ die Komponente von t; nach der äußeren Normalen bedeutet.
b) Der Gaubsche Satz kombiniert mit partieller Integration ergibt
r^ al d V =fwUcoa (v, x)dF -J^ Ud V.
9>
V
Eine Anwendung davon ist der folgende Satz von Green:
V V V
wobei
ist.
3. Endlich sei noch ohne Beweis der Stokessche Satz mitgeteilt,
den wir im Buche nicht gebraucht haben: F sei ein zweiseitiges
Flächenstück mit dem Rand s. Eine seiner Normalen sei durch v
604
Anhang.
auBgezeiclinety ds sei ein gerichtetes Bogenelement des Randes und
j^ zwar so gerichtet, daß v zur Linken liegt.
Dann ist der sogenannte Umlauf des
^ Vektors v
fv . d-s ~J.
rot^ -vdF,
Fig. 264.
also gleich dem Durchfluß des Rotors durch
die Fläche.
IT. Elemente der Dyadenrechnnng.
1. Unter einer Dyade verstehen wir das Schema von neun Größen:
«1 ^1 ^1
a.
h ^
welche einen Vektor f{x,yj0) homogen linear in einen Vektor uix^yX^^x^)
transformieren:
x^ = a^x + \y + c^ßy
x^=^a^x + h^y + c^gy
Ist 6i-=aj, ^ = 0^3» ^=^8; 8^ heiße die Dyade symmetrisch.
Nennen wir die Dyade A^ so schreiben wir die Transformation
ü ^ A -f.
Die Dyade
«1 «2 ^8
\ h h
^1 ^2 ^8
heißt die zur ersteren konjugierte.
Zu jeder nichtsymmetrischen Dyade gehört ein Vektor mit den
Komponenten
1
CO
2 C*8 - Ci),
2= y(^-»8)|
Ö8=y(ö2-^i)-
Daß dies tatsächlich drei Vektorkomponenten sind; erkennt man daran,
daß sie die Komponenten der Drehgeschwindigkeit sind, wenn man
die Formeln
Skizze einer Vektoranalysis. 605
x^dt = a^dtx + \dty + c^dtg usw.
als infiniteBimale lineare Transformationen auffaßt (siehe Nr. 365).
Aus demselben Grrunde folgt, daß jeder symmetrischen Dyade
a h g
h b f
9 f c
eine Mittelpunktsfläche zweiter Ordnung zugeordnet ist, die Deforma-
tionsfläche
ax* + fey* + cz^ + 2hxy + 2gxz + 2fxy « const.
Nach den bekannten Sätzen über Flächen zweiter Ordnung hat
eine symmetrische Dyade drei Inyarianten, d. h. drei Größen, die bei
Eoordinatentransformation ungeändert bleiben. Das sind entweder die
Längen der drei Hauptachsen der Deformationsfläche oder, wenn man
sie rational will, die drei Koeffizienten der die Hauptachsen bestim-
menden Gleichung dritten Grades, also nach Nr. 364
Ji — a + 6 + c, der erste Skalar,
eTJi = a6 + &c + CÄ — {p + g^+ A'), der zweite Skalar,
a h g
J^'^ \h b f j der dritte Skalar.
\9 f c\
2. Man kann ein vollständiges Produkt zweier Vektoren ä, b
bilden, nämlich die Dyade
^iK ^ih ^ih
a,fe, a^b^ a^b^
«8*1 «8^2 ^8^3-
Daß dies wirklich eine Dyade ist, erkennt man daraus, daß
a^b^x^ + a^b^x^ + dib^x^ usw.
die Komponenten eines Vektors sind, den man in der Vektorsprache als
ä(Jb • x)
zu bezeichnen hat.
Nennen wir die obige Dyade
so ist
(ä; b) ' X ^ ä(b'X),
womit ein neues assoziatives Gesetz aufgestellt ist. (6; ä) ist die kon-
jugierte Dyade zu (ä; 6).
Man sieht ferner, daß der Vektor des dyadi sehen Produktes das
halbe äußere Produkt, der erste Skalar das innere Produkt beider
Vektoren ist.
606
[Anhang.
3. Man kann noch (nach Jaumann) ein zweites dyadisches Pro-
dokt zweier Vektoren ä, b bilden, das freilich nicht unabhängig Tom
ersten ist^ nämlich
+ Ol 6g — a^fei — 0,63 + 0^6,
Man sieht, daß
(a>:6) = -(ä.6)/+^;a),
wo ly der Idemfaktor, die Identitätsdyade
10 0
0 10
0 0 1
bedeutet.
Der Wert dieser Neueinführung beruht auf einem neu zu ge-
winnenden assoziativen Gesetz der äußeren Multiplikation; es ist
(ax 6) • rc = a(hx),
wie man leicht erkennt.
4. Auch die vollständige Ableitung eines Vektors nach einem
Vektor ist jetzt definierbar:
^- ist die Dyade, welche dr in du transformiert, also die Dyade
dz
du.
A^
-
so daß
?*^
du^
dx
dy
?»i
dx
dy
d^i
cu^
ex
dy
du^
A ' dr.
dz
du,
dz .
Der erste Skalar dieser Dyade ist divu, der Vektor ist der halbe
Rotor. Man schreibt übrigens besser ^ «= (m; v=) , denn es ist wohl
- d
(«; ^_).dr = rfw,
aber es ist z. B. \u\ ^-)-« nicht etwa gleich y^-(w*). Letzterer
Vektor ist vielmehr gleich (,_; wj-tt, wo (,_;«) die konjugierte
Dyade von (ü; ,-j ist.
Wegen alles Weiteren ziehe man Gibbs, Vektoranalysis und
Jaumann, Grundlagen der Bewegungslehre zu Rate.
Verzeichnis nnd Auflösung der Aufgaben.
(Die eingeklammerten Nummern hinter dem Stichwort geben die Nummern des
Baches an.)
1. Graphischer Fahrplan (Nr. 14).
2. Mittlere Geschwindigkeit eines Zuges (Nr. 17): v ^
19^4 m/sec.
3. Rotierendes Rad (Nr. 17): C7— 10,47 (sec-^); v^ 12,57 m/sec.
4. Laternenaufgabe (Nr. 17): v — 3 m/sec.
5. Winkelgeschwindigkeit der Erde (Nr. 17):
29r
o =
= 7,29. 10 -^
86164
V = 6370 . 10» . cos
6
(D = 401,2 m/sec.
6. Lissajouseche Figur (Nr. 20): i«0 und y — 0 für t
— , — usw.^) Periode das kleinste gemeinsame
2 '
2
2n
YielfiAche Ton n und -, d. h. 2;r. In den Ecken
Ä, B kehrt die Bewegung auf derselben Kurve um.
7. Schraubenbewegung (Nr. 20):
_ . h /
r: rc « a coB-ö", y ^ a Bind; jbt = . &: (« = „
' ^ ' 2« ' \ 2;
v: i « — a sin -ö" • (D, y ^^ a cos -d* • cd, ir » £a - co,
— )
t;
also v =yi + fi^ao, (ö = . " - =0,07proSek.
ay 1 + «•
8. Maximale Wurfweite (Nr. 22): für a =- 45«.
9. Zielwinkel (Nr. 22): Zwei Lösungen:
Fig. 266.
tga= "' ±l/?\-'""'^-l.
10. Einhüllende der Wurfparabeln (Nr. 22): tga der vorigen
Aufgabe bleibt reeU, solange -^—^ — % ■ — 1 ^ 0. Also Gh-enzkurve
1) Dies tritt abwechselnd an den Stellen x^= — 1 und y = ± 1 ein.
608 Veneichnis xmd Auflösnng der Aufgaben.
des Treffgebietes und zugleich Einhüllende die Parabel v^—iv^e^g
— ^^9* = 0. Diese Gleichung kann auch in bekannter Weise aus der
Gleichung der Bahnkurve:
und aus ^ ^ v = 0 durch Elimination Ton tg a gefunden werden.
11. Förderkorb (Nr. 25): s^^ 13,3 m, Sg= 366,7 m, 5,« 20 m,
t^^ 6,6", ^,« 91,6", ^,-10".
12. Beschleunigung der Schraubenbewegung (Nr. 26):
ä =» — a cos -d" • CD*, y = — a sin -ö" • CD*, 2 = 0.
im;; = acD*, Q - y^~. « a(l + ««).
Da «7 horizontal und auf die Achse zugerichtet, enthält die Schmie-
gungsebene das Lot auf die Achse.
13. Zentripetalbeschleunigung bei der Erddrehung (Nr.26):
n
6"
rcD»=. 6370 . 10». cos-^ • cd«« 0,292 [m/sec-«].
14. j- « v— (Frenetsche Formel): Man kann 6 als Geschwin-
digkeit einer Bewegung auffassen, die mit der konstanten Bahn-
geschwindigkeit 1, und also mit der Bahnbeschleunigung 0 und der
Zentripetalbeschleunigung — vor sich geht.
15. Dimensionsbetrachtung (Nr.26):
9
[-;3=[S]=p-^-^i[7>t'^^-*-^-^-["-'3-
16. Dimensionsbetrachtuug (Nr. 27):
17. Beschleunigung in Polarkoordinaten (Nr. 27):
i = (r — rcD«) cos-d" — (2fcD + rcb) sin-d",
1/ = (r — rcD*) sin d' + (2f cd + rcb) cos-ö",
d. h. die Beschleunigung besteht aus dem Bestandteil r — reo* von
der Richtung %^ gegen die :r-Achse und aus dem Bestandteil 2f cd 4- fi}
Ton der Richtung -ö" + y gegeii die rr- Achse, f cos ('^ + y) = — sin ö-,
sin (o* + --) = cos 0". )
Yerzeichms and Auflösung der Aufgaben. 609
18. Logarithmische Spirale (Nr. 27):
r='Jcr(o, c =- t? = )/r*+ (reo)'« rcoy^i + i';
_ 1 c . kc
also o = — V- . ", .f *" ^
das Verhältnis beider Beschleunigungskomponenten — i, also konstant.
19. Fallbeschleunigung (Nr.27): ^«9,81 • ^-^^^ - 127500 km/3i
20. Hodograph (Nr. 28): Bei der FaUbewegung: r — ^^ + ?,
d. h. eine vertikale Gerade; bei der Schraubenbewegnng ein horizon-
taler Kreis vom Radius ao um die Mittelachse^ der von C aus unter
dem Winkel a gegen den Horizont erscheint.
21. 22. Wrensche Konstante (Nr. 34):
, , , 148000000« ., . _-, 10Q 1A9
^ - ^^ (86H-24.60--60)« [tm^se^-«] - 128 . 10^
Es müßte 1,52» gleich ^^^^ sein. Erstere Zahl ist 3,51, letztere 3,54.
23. Hodograph der Planetenbahnen (Nr. 34): r «= VjT^ — a?
*" "=• ;f I Q.NJ oder weiren o = , , r = sin^. Also
(1 + e cos 9)^ o r' ' p
C
v, = f cos-Ö" — reo sin 0" = — sin 0",
c c
!;„ =' f sin -^ + reo cosO" = — cos ^ A — f ,
y p p '
v^ j -{-vj^ ,, d. i. die Gleichung eines exzentrischen
Kreises.
24. Wrensche Konstante für die Mondbahn (Nr. 34):
., . , (60 • 6370)' o^- .^5
>l « 4» • [-27 . 24 . 60 . 60 + 7 . 60 . 60 + 48 . 60]* ^ ^'^^ ' ^^ *
X«
25. Zentralbewegung für w >= — q , (Nr. 34): Setzt man
1 d^8 X*
r =» — , so erhält man ^^, + a-s«0, woa«^,— 1.
1. a = v* > 0, s =- -4 sin (vd' + «), r = . . / - -r - .
Die Kurven haben Asymptoten, welche den Winkel miteinander
Hamel: £lement«re Mechanik. 89
610 VeneichniB und Auflösimg der Aufgaben.
einschließen. Der Abstand derselben von der Parallelen durch das
Zentrum ist lim r sin-Ö* — .
2. a-=0, 5 — a^ + 6, r= »Älhf hyperbolische Spiralen.
3. a v«<0, s^Ae'^^+Be-^^, r ^ -—^ -^;
entweder (-4 > 0, jB > 0) die Kurve berührt einen Kreis von innen
und nähert sich in doppelten Spiralen dem Nullpunkt, oder (Ä, B
verschiedenes Zeichen) sie hat eine Asymptote und nähert sich in
einfacher Spirale dem Nullpunkt (links gewunden, wenn ^>0, jB<0,
rechts gewunden, wenn -4<0, jB>0).
26. Störungsglied (Nr. 34): Mit r-~, 1 - -^ « n« und
7^ — — erhält man
--— + n*s « - , also 8 =- — (1 + a cos (n-Ö- +19)) oder r — 7-; ^, ^ , : •
Nachdem sich %^ um — , d. h. um etwas mehr als 2^ vermehrt hat,
erhält r seinen alten Wert wieder.
27. Zentralbewegung an der Feder (Nr. 38): Der Flächen-
satz gilt, weil es sich um eine Zentralbewegung handelt Differential-
gleichung ^^, + 7 = Sic»*"*^'* ~ *"«)• ^^^s r -= const, folgt
woraus sich ein bestimmtes r > r^ als Lösung ergibt. Aus m£» — Xx
und my ^ — ky folgt mit «= x*
X ^ a cos xt •\'h9im xt,
y ■= c cos x^ + rf sin xt,
also cos nt »= Ax + JBy, sin xt ^ Cx + Dy
oder (^a: + By^ + (Ca? + Dy)« = 1,
die Gleichung einer Ellipse.
28. Guldinsche Regel (Nr. 53): dFr=.2nxds. Abo
F^J 2nxds « 2%a^s.
Verzeichnis und Auflösung der Aufgaben. 611
29. Gleichgewicht auf der schiefen Ebene (Nr. 67): Man
berechnet JB und N aus — O sina + K cos « — JJ = 0, — ö cos a
+ N + JcBme = 0;\B\^ fN ergibt G'^^"^, ^ ^^^«m(« + y)
' • ? i I =2 # © COS (« + y) COS (» — q))
30. EeiWerbindung (Nr. 57): Seien die Drucke D^ und D,,
so ist S ^ Dl cos (flCi ± 9i) =» Z), cos(a2 ± 9^2)» J® nachdem der Keil
hinein- oder heransgetrieben wird. Dazu ist eine (nach unten positiv
gerechnete) Kraft P nötig, wo P = D^ sin (c^ ± (p^) + D, sin (o, ± 9i)
= '^[^^(^i db 9^1) + ^g{^i ± 9i)] is^- Damit der Keil von selbst halt,
d. h. beim Herausziehen eine nach oben gerichtete Kraft nötig ist,
muß also tg («1 — 9i) + tg (a, — q)^) ^ 0 sein, d. h. «i — 9>i ^ 9?» — «1
oder «1 + «j ^ 9^1 + 9» , w. z. b. w.
31. Bewegung auf der schiefen Ebene (Nr. 64): a) t;>0;
m-^- = — Ä; cos £ + mg sin a — JB, 0 — fc sin « — mg cos a + N] 1? —
/•■ät ^/ 7 • \ AI ^^ ,008(9 + «) , 8in(a— -9)
fN^ f(mg cos a — k sm a). Also w -vv ^ — * ^^-i— ^ + wa — ^ - •
f ' \ if > at COSqp ^ COBqp
b) t7 < 0. Man braucht nur 9 mit — 9 zu vertauschen.
32. Kritische Geschwindigkeit bei Ritters Aufgabe (Nr. 64):
t wird für endliche v unendlich, wenn sin a "j/v* + c* — cos a/"» = 0
i
werden kann, woraus mit tga ^ If folgt: v = c Dieser Wert
ist nur dann reell, wenn A < 1 .
33. Schleudern aus einer rotierenden Röhre (Nr. 64):
Die einzigen Kräfte sind Reibung und Normaldruck, also (f > 0 an-
genommen) w(r — rcD*)«= — /"JV, 2r(om^N, also r + Zfo/"— rcD*=-0.
Integral: r = Ae"'^^^^' '^'^ + ße-'^^^'^-'K
34. Kurve konstanter Fallgeschwindigkeit (Nr. 64): y ver-
tikal, X horizontal, ^^ « const. = — c ; also Bewegungsgleichungen:
u ff/
0 = JVcos^ — m^, mx '^ — N sind" ^^ — mg tgd" ^ — mg .^ ' Aber
ox
d*x q •»»•ii- 9d*x dx 1 (dx\^ g, >.
x^-.. .c, x~j-,e». Mithin c»^-, ■ j- g, ^ (5--) f,(y-yo),
a: = a:o - ~]/2 ^, |/yo — »' oder {x — o^o)' « const. {y^ — y)*. (Neill-
sche Parabel)
34a. Horizontale Bewegung auf der schiefen Ebene (Nr.64):
Da die Reibung der Bewegung entgegengesetzt wirkt, wQrde die ab-
wärts gerichtete Komponente der Schwerkraft nicht aufgehoben werden.
Ist der erforderliche Winkel ß, so muß K cos ß ^ R ^ f- N sein,
£sin/3 » m^ sina, N ^ mg cosa, also K « mgYsin^ €c + f* cos' a
und tg /3 = ^ " •
39*
^
612 Verzeichnis und AaflOsung der Aufgaben.
35. Sekundenpendel (Nr. 66): Z = |, = 0,994 m.
36. Doppelte Fallmaschine (Nr. 67): m^to^m^g — S] m^w
«* — m^g + S — 2iS"; m^(w?' ~ w) = m^g — S"; m^(w' + m;) = — m^g + S\
Daraus kann man w, w\ S, S' berechnen. Insbesondere folgt:
für fWi « m^ + Wj + w^ ergibt sich
w?
also für fWj + m^ nicht Null, vielmehr > 0. Von dem gesamten Ge-
wicht der linken Seite wird eben ein Teil zu der unvermeidlichen
Schwerpunktssenkung verbraucht.
37. Durch ein Gewicht gezogener Schlitten (Nr. 67):
a) G' ^fG. b) Fadenspannung sei S: mw = G' — S, mw ^ S — fN^
N-^G. Also w^^Z^^'
38. Durch Faden verknüpfte Punkte in gekreuzten
Röhren (Nr. 67): Fadenspannung 5: dann mx ^ — S co9q>] wy«-
— S • sin 9 eventuell plus — mg. Dabei x ^l cos (f, y ^l sin 9, also
i == — l sin <p ' q>, y ^l cos q> - q>] i = — l sin 9} • 9 — ü cos 9-9*, y =»
Z cos 9^ • 9 — lB\n<p ' g)^. Elimination von S gibt x sing) — y cos 9>
= I oder — Zcp = I -Im ersten Falle q? « const., im
\^cos9? ^ \^cos9? ^ '
zweiten Falle ist für eine Gleichgewichtslage cos 9 = 0, d. h. 9' « ± ^ "
Sei 9 = ± "s" + ^, so wird -— i ^ = T ^ sin '^, bei kleinem %• gibt das
i^ZFaSO- — 0, wo a*=-y" Im ersten Unterfall a* = a • c«' + fe«-**',
also keine Schwingung, # bleibt nicht klein, im zweiten ünterfaU
^ = a sina^ + 6 cosa^, also eine Schwingung, 0* bleibt klein.
39. Kritische Geschwindigkeit eines Geschosses (Nr. 70):
^k'^y-QQiA.Q^QAt- — 1*^6 m/Sek. (weil < 240 m/Sek., so Anwendung
der Newtonschen Formel berechtigt).
40. Ballistische Kurve (Nr. 71): Man nehme etwa — zfd"«
(5® entsprechend) und verfahre nach den Angaben von Seite 116.
41. Anfahrt eines Motorwagens (Nr. 71): 1 cm bedeutet
500 • 2,5 = 1250 techn. Masseneinheiten. Da die Masse «4000
Verzeichnis and Auflösung der Aufgaben. 613
techn. MasseDeinheiten, so hat man als Strecke m — r;: « 3,2 cm auf-
zutragen. Das Weitere ist alles im Text angegeben.
42. Relaxationszeit (Nr. 72): ^'^c^'o^t-, 0=^^ le-^*(o^t
+ (OqB'^*, d. h. ^ ^ Y> w. z. b. w.
43. Stetiger Übergang der gedämpften Schwingungen
(Nr. 72): Mit wachsendem X wird die Schwingungsdauer immer größer
und geht für k ^ a ins Unendliche. Folglich ruckt auch der zweite
Schnittpunkt mit der a:- Achse für l^ a ins Unendliche, die o;- Achse
wird Asymptote.
44. Dimension von A und a (Nr. 76): Da a*=y, [«J^^L^"^];
ebenso [l] = [t"^],
45. Die Kurve gleicher Geschwindigkeiten bei verschie-
den geneigten schiefen Ebenen (Nr. tS4) ist, weil h = y und
scoBa^x rechtwinklige Koordinaten bedeuten, die Gerade: y —
xtgfp=^ const., die also gegen den Horizont um den Winkel (p ge-
neigt ist.
46. Arbeit und Leistung einer Lokomotive (Nr. 84): Ä =
10 . 20 . 1000 . (jj^ + ^^^-) . 5000 mkg - 25 . 10« mkg ^ 93 Pferde-
kraftstunden. i = 10 • 20 • 1000 • (^ + -^ • ^^^ .^-^ ^ - 556 P.S.
47. Integration von x + a^x^O (Nr. 84): x^+ -^^^^^ ^
const. =» „ cc^xJ, daraus t ^ — 1 -, ^^ =» — aresin- + L, Also
x^ Xq sina(^— -^q).
48. Leistung des Luftwiderstandes (Nr. 84): L^Wvcosa
=- (i'Fv^ cos^a.
49. Potential einer Zentralkraft (Nr. 86): * = — r/"(r»); also
^Ä /* . dr --ff{r^) f . df ^ff{r*)rdr = -^ß^^^^ ^(*'') ^ '^W-
50. Potential der Federkraft (Nr. 86): U ^fkxdx ^ y^^^'
51. Existenz eines Potentials (Nr. 87): 1. k^-=0, iy*=0,
Jc,=^ — mg, also alle Differentialquotienten Null, sicherlich auch rot t.
2. ij. =« — , , Äy =» — 3 , Jfe, = g-, weil - usw. die Komponenten
von ö sind. Mithin «-"S— /f c,-^ ^^X^^-xxsw.y woraus rot i = 0
oy r^ ' ox r* ^
folgt.
gl4 Verzeichnis und AuflOsang der Aufgaben.
52. Energiegleichung des Pendels (Nr. 90): y^^ — v^cos^
« const.
53. üngleichförmigkeitsgrad (Nr. 91): * = 2~-^^, wo
-_ . 2 -f- «
CO, «ycDi*— 4i/*, d<6 gibt (Oi>v ^- '
54. Fehlerschätzung beim mathematischen Pendel (Nr.92):
f(x^ - (1 - X« sin«*)"'^% /•'(«*) - i sin« * • (1 - x« sin«*)~'^%
/•"(x«) - ~-sinV(l ~ X* sinV)""'^*.
Also der Rest ü = «*4- f--^^-%=^ » , wo 0 < -^ < 1. Demnach
tn
iJ I < g 'L:rr ^6 / sin* ifäif = 2%^ — - — r 5 , dcr yerhältnismäßige
I hß^'^'f'^^ - R^J^''ff*^^9
9 x^
Fehler GFetren 1 also kleiner als ^ ^^ _ 6 •
55. Förderarbeit der Kohle (Nr. 96): Tiefe sei x. Da 1 kg
die Masse ^ hat, so ^-(U. - CTJ < 7000 x 420 m - 2940 km. Nun
ist wegen a = JB — a:
R R-x
-Ä RR
R-x 0 Ä-x
Ä
+ 4» I^QdQY
R-x
R
4;r|L(()*({9 = Jf (Erdmasse), p,- « ^ und der Hypothese, daß
in der Schicht von 12 bis ü -— :r die Dichte [i konstant sei und zwar
8
(Jrades 2940 - /— ~ ^ ^l?5^ f , wobei U - 6370 km. Daraus
berechnet sich angenähert x ^^ 2440 km. Allerdings dürfte nach
gleich 3, gibt das wegen g- 5,5 FR ^ g für x die Gleichung dritten
Veneichnis und Auflösnng der Aufgaben. 615
Wiechert so tief die Annahme fi >- 3 nicht statthaft sein, aber das
Resultat gibt jedenfalls die Größenordnung richtig an.
56. Laplace-Poissonsche Gleichung (Nr. 97): Außerhalb der
Kugel ist ^ » Man beweist aber leicht durch Ausrechnen
fdü , X d^ü const. . « _x ^* \ j o • j
K— ^ — const. -j , Y~i =* — s — \- ^ ' const. -g- usw. j , daß in der
Tat Jü==0 ist. Innerhalb der Kugel ist bis auf den Faktor —AxFäm
r R
17»-- I Q*(idQ + I (igdg und nur von r abhängig. Nun ist aber,
0 r
wenn U nur Yon r abhängt,
dx dr r ' dx^ "" dr« r« '^ dr \r rV ^^^'^
also jdÜ ^ j— •- H j • Durch Ausdifferentiieren von U berechnet
dr* ' r dr
man nun leicht JU^ — y^. (Das Zeichen ist im Text falsch anr
gegeben.)
57. Dimension von T (Nr. 98): [V] « [kg • Vm-^ - {m-HH^^
im c. g. s.- und [I^ = [kg~^i*^"*] im technischen Maßsystem. Also
r= 6,675 . 10-«[>-» cm» sec"«] - 6,675 • lO"» [Dyn-^, cm* sec"*]
« 6,675 . 10« . ^^^^^^ « 6,54 • 10- ^«[kg-^ m*, sec"*].
57 a. Erd- und Mondbeschleunigung (Nr. 98): Mondbeschleu-
nigung raj*«60JB-^— j . 5^ ^ ^o«= ^, : -^ , d. h. ^ - "/««X'
60 • J2 • I — I
= 9,76 m/Sek.« - (r - 27 • 24 • 60 • 60 + 7 • 60 • 60 + 43 • 60).
58. Zusammensetzung der Kräfte in der Ebene (Nr. 117):
Z,= 7,ll, JKy= 33,21, Jf« 162,54, Gleichung der Zentrallinie:
33,21ir- 7,11 y« 162,54.
59. Graphische Lösung der Aufgabe 58 (Nr. 118): Man
zeichne und kontrolliere das Resultat aus der Rechnung durch Be-
stimmen zweier Punkte der Zentrallinie.
60. Kraftsystem im Räume (Nr. 126): K^^IO, Ä^ - 15,
K,^ 21; 3f « 150, M^^ 105, JK^« 0; jp - 4,01 m. Gleichung der
Zentralachse etwa nach xK^M — pK in Koordinaten: 21 y— 15ir
- 109,9, 10;? - 21a; « 44,85, lOy - 15a? =« 84,21. Von diesen Glei-
chungen sind natürlich nur zwei unabhängig.
61. Tischaufgabe (Nr. 128): N^^Qy usw. Negative r ver-
langten einen Zug, der nicht möglich ist {N > 0).
616 Yeizeichnis und Auflösung der Aufgaben.
62. Tetraeder konjugierter Kräfte (Nr. 132): Der Inhalt ist
y (a — 6) 'pq. Aus ^ + g =- Ä und äp -\-hq^ M folgt aber * • M
^ p 'bq + q - dp =^ {a~-b) ' pq, so daß der fragliche Inhalt -^k • S ist.
63. Graphische Schwerpunktskonstruktion bei einem
U-Eisen (Nr. 138): In der Nummer 138 ist alles Nötige angegeben.
Abstand vom linken Rande 16 mm.
64. Angeseilter Stab (Nr. 140): Im Text ist das Erforderliche
angegeben.
65. Gestützter Stab (Nr. 140): N-G + D cos a^O, JB —
D sin a = 0, D(a + b) — Ga cos a == 0, B<ZfN. Daraus a cos a sin a ^
f[{a + b) — a cos* a] oder a tg a ^ f[(a + b) tg* a + 6]. Es gibt also
zwei Grenzlagen des Gleichgewichts^ wenn die Diskriminante der
Gleichung a tg a = f(a + b) tg^a + fb negativ ist, d. h. /" ^ - ,
sonst ist immer, fOr alle a, Gleichgewicht vorhanden.
66. Neigung eines aufgehängten Bildes (Nr. 140): G =
S cos /}, N — S sin ß, 6r (a sin a + c cos a) = Sh sin (a + /J), dazu
sin cc : sin ß ^l :h. a = /3 « 0 ist eine Lösung, wenn c = 0 ist. Seien
c und a klein, cos « = 1, cos /J =^ 1, S = G, a sin a + c =5^ Ä (sin a + sinß)
oder sina=^ r 7-^ •
h-j-l — a
67. Drei b alanzierte Gewichte (Nr. 140): Momentensatz be-
züglich OP z. B. gibt ö sin y = JB sin ß oder Q:R => sin ßisiny usw.
Also P : Q : R^' sincc: sinßiBmy, woraus wegen a + ß -\- y ^ Ax
das Behauptete folgt.
68. Kugelpyramide (Nr. 140): Der Winkel a, den die Ver-
bindungslinien der Mittelpunkte der drei unteren Kugeln mit dem der
oberen gegen die Horizontalebene bildet, berechnet sich bekanntlich
aus cosa — — i^, sina =« 1/ y* Da bei den unteren Kugeln Gewicht
und Gegendruck der Unterlage durch den Berührungspunkt mit dieser
gehen, muß das auch der Druck der oberen Kugel tun. Dieser geht
aber andererseits durch den Berührungspunkt der oberen Kugel mit
der jeweiligen unteren hindurch. Folglich weicht der Druck der
oberen Kugel auf die unteren von der Zentralen um ß ^ -j i" *^
und der Reibungswinkel der Kugeln gegeneinander muß also größer
als dieser Winkel sein. Der Druck der oberen Kugeln gegen die
unteren ist - ^, also ist an den unteren Stützpunkten N '^ G
o cos p
Verzeichnis nnd Anflösung dei Aufgaben. 617
+ Y — ß' COS/3 =» - G, R^ ^ G tg/J. Mithin muß der dortige Rei-
bungskoeffizient größer als — tg j8 sein. <p<iß ergibt /*> 0,32 zwischen
den Kugeln, unten genügt /"> 0,08.
69. Balken zwischen zwei horizontalen Stützen (Nr. 140):
Man zeichne an den Berührungsstellen die Reibungskegel. L muß
dann das gemeinsame Gebiet beider Kegel schneiden.
70. Körper in horizontaler Rinne (Nr. 140): G muß wieder
das gemeinsame Gebiet beider Reibungskegel treffen.
71. Gleichgewicht eines Stabes (Nr. 140): tg <&• «« w , , , > -
72. Stab in einer Halbkugel (Nr. 140): N^, JVj, G müssen
sich in einem Punkte treffen. Daraus cos d" «= g— ( 1 + 1/ 1 + 128 ^j*
Damit also eine reelle Lösung existiert, muß das kleiner wie 1 sein,
d. h. ! < 4a. Damit außerdem die Drucke positiv werden, muß
^ — 2d > 0, d. h. 0^ < ^ , cos ^ > -^, was stets erfüllt ist. Damit
aber der Stützpunkt am Rande materiell ist, muß 2acos'd'<Z, d.h.
73. Gleichgewicht gegen Fortschieben und Umkippen
(Nr. 140): Der Normaldruck N greife in dem zunächst unbekannten
Abstände x vor G an. Dann ergeben die drei Gleichgewichtsbedingungen
R^k, N = G und ^ = -q' -ß < f^ ergibt h ^ fG und x <Za er-
gibt kh <iaG,
74. Brief wage (Nr. 142): Ga sina = Lb cos«, also tga = Zr— g«
75. Doppelwägung (Nr. 142): Ga = pb und Gb^qa, also
G^y^q.
76. Falltüre (Nr. 142):
ka cos a *= Ga ., cos d", also k ^ - G
-A;(l + Biiia)+G^C08«'— 2
^= 2 ' ^=3^ßsin^,
:B,= |(-fc(l-Bin«) + /^ffcos^), B^^-g'^Gsin^.
(x- Achse senkrecht zur Platte, y- Achse in der Platte gelegen.)
618 VerzeichniB und AuflOrang der Aufgaben.
77. Lagerreaktionen eines Balkens (Nr. 142): Man fange
die Seilkonstruktion in 0 an. Dann ergibt sich alles Yon selbst.
Die Aufgabe ist ja keine andere als die, ein Eräftesystem in zwei
Kräfte zu zerlegen: yon der einen kennt man die Angriffsgerade, yon
der anderen einen Angriffspunkt 0.
78. Hebelpresse (Nr. 144): Man hat yon dem Schnittpunkte
yon N mit P eine Tangente an den Beibungskreis um 0 zu zeichnen:
das gibt die Richtung des Lagerdruckes. Aus den Richtungen der
drei Kräfte und aus der Größe yon N ist dann das Kraftedreieck zu
zeichnen, was P ergibt. Von den beiden möglichen Tangenten an
den R^ibungskreis ist diejenige zu wählen, welche für den Hebel ein
der Bewegung entgegengerichtetes Moment ergibt; ihr gehört auch
das größere P zu.
79. Winde mit Zapfenreibung (Nr. 144):
P' - 6,67, Dl « |/i44 + 0,04 P» - 4,8 P sin a ,
D, ^ ]/64 + 1,41 P^+ 19,2 P sina,
P"= 6,67 + ^^^]/145,8~=^24 sin « + ^^^128(1 + sin ^
Für a = 0, 2 , ;r, gibt das die Korrekturen 0,39 bzw. 0,45 bzw.
0,39 und 0,22. 6 berechnet sich zu 0,023, so daß die nächste Kor-
rektur nur ca. 2\ der ersten ausmacht und die ganze Korrektur
höchstens pj^, d. h. ca. denselben prozentualen AnteiL
80. Reibungsarbeit (Nr. 144):
y 15000. 0,015. 0,16. 2«. 100 3« vi f7i t> a
^ 60^75 --2-«4,71F.Ö.
81. Schraube mit Stirnreibung (Nr. 148):
^-P\fir„+rte(a + <p)l
82. Wirkungsgrad einer Schraube (Nr. 149): V^ öq*
83. Bockleiter (Nr. 152): Man braucht in dem yorangehenden
Beispiel nur «j =« o, =* 0 zu setzen, i Ä^ < fV^ und ' -ff | < /*F, geben
die gesuchten Ungleichheiten.
84. Stabpolygon (Nr. 154):
85. Kniepresse (Nr. 155):
Z) = P , -r—, — v-^äTx» wobei sin« « , siu^.
0 8in {?] + ^) ♦
Verzeichnis und AuflOsniig der Aufgaben. 619
80 a. Beanspruchung eines Balkens (Nr. 161): JRj =» 12^
l?,«llkg; jB-26mkg, F=0.
86. Beanspruchung eines eingemauerten Balkens (Nr. 161):
jBo=86mkg, B-26kg, F«25kg, jB=60mkg.
87. Beanspruchung eines verlängerten Balkens (Nr. 161):
R^ «- 23, iZg — 10 kg. Für y ist links von A der Abstand der beiden
zur Zusatzlast gehörenden Seilstrahlen zu nehmen. Um die NuUstelle
Ton B resp. y rechnerisch zu finden, versuchen wir, ob sie für den
Abstand a;<l eintritt Dann muß (1 + a;)10 » o; • 23 sein, was
flj == jg ergibt, das wirklich kleiner wie 1 ist. (Wäre das nicht ein-
getroffen, so müßte man der Reihe nach die Abschnitte zwischen den
Einzellasten probieren.)
88. Momentenlinie (Nr. 166): B^ — x— , F«-g — o^^*>
Maximum von i5 bei a? = -7= , Ä = -5- , iL = - •
1/3' 1 6 ' ^ 3
89. Polonceauträger (Nr. 169): Man bestimme erst die Reaktion
in A und B graphisch oder nach der Momentenmethode. Dann nach
dem Ritterschen Verfahren die gesuchten Spannungen.
90. Drahtseil (Nr. 180): H^ - ^ J^- • 20 - 0,03» • ä • 8000 kg =
11304 kg.
91. Hängendes steifes Seil (Nr. 191): Der Endpunkt des Seiles
(genauer: der Schwerpunkt des angehängten Körpers) muß vertikal
imter dem Aufhängepunkte liegen. Im übrigen kann das Seil jede
Gestalt haben, die in den Streifen paßt, der von der Vertikalen nach
jeder Seite um r absteht.
92. Äquivalente Kraft (Nr. 192): P« C^'^^^^^—f^' (Das
Gegenteil von P muß G das Gleichgewicht halten).
aoo' v'
93. Radfahrer (Nr. 199): tg/3 == - - ^ '^ ; itg(a-/})l^/"; also
y y
ß + (p^CL^ß — (f.
94. Zugspannung in einem rotierenden Ring (Nr. 201):
^ym^dm^ -y*(D*mj wo y* der Schwerpunktsabstand des halben
2
Ringes von der Mitte. Also nach Nr. 53: ^ ftd(JB*— r')^«}*.
95. Doppelte schiefe Ebene (Nr. 202): ^i^ sina » m,^ sin/};
also Bewegungsgleichung m^g ein a — m^w =^ m^g sin, ß + m^Wy wenn
w die Beschleunigung von m^ abwärts. Mithin tv ^ g ^ — ^"T * — - •
620 Verzeichnis und Auflösung der Aufgaben.
96. Inyarianz von V • Ä (Nr. 205):
— y- COB* {Xj flj') + -ö- COS (a:, a;') cos (y, a:') + ^ - cos {Xy x) cos (jet, a;')
dd.
+ aJ cos(y,a;') cos(a;, x") + - --
Bildet man analog ^-, und ^ >- und addiert, so ergeben die Koeffi-
zienten von ö— zusammen 1 wegen co8*(a;,a?')+cos*(a;,y')4-co8*(a:,/)«"l,
de da^
dasselbe die von -^ und -^- : die anderen Koeffizienten werden Null
dy dz '
wegen cos {x^ x') cos (y, x) + cos {x, y') cos (y, y') + cos (ar, j?') cos (y, /) = 0.
97. Insekt auf dem Drehschemel (Nr. 212): ^ = — ^ - — j^.
98. Integration von x^^'^l'' (Nr. 216): .
-~^'-i;^"ig(i-^^)-i^+A,
da;
/» dx
Igd-la;)
99. Lagerreaktion einer Welle mit exzentrischem Zusatz-
c* c c*
gewicht (Nr. 218): r,- ^ aa\ r, ^ orö, D,,. = 0, D,,---a6.
Also ü^= afto, i?y« -a&cD^ Daraus berechnen sich die Lager-
drucke Xj, Y^, X^, T^ an den Enden nach dem Momenteasatz zu:
1 2^ 'lg > ^ 2 g lg '
100. Massenwirkung eines Rades (Nr. 218): r^=»m5(D', r^-^O,
jR «= — D CD* jB„— D.^o)'. Seien D'I)'^ die Deviationsmomente
ZU parallelen Achsen durch den Schwerpunkt. Dann ist nach Nr. 252
D^.= iy. und D^.^D' femer nach Nr. 248 iX -0, IT «
- 2 (C - ^) sin 2a. Also JB,« 0, 2?,, ^ 1 (C - ^) sin 2a©«.
101. Eulersche Formel (Nr. 223): a: « <?,+ a cos^ — 6 sin^-,
also i = c^ — (a sin ^ + 6 cos d)(o ^ c^—{y — c^)© usw.
Verzeichnis and Auflösung der Aufgaben« 621
102. Momentanzentram der Schwinge (Nr. 225) liegt im
Schnitt von OÄ mit O'JB.
103. Momentanzentrum der Stange (Nr. 225) liegt auf der
Horizontalen durch A und auf der Vertikalen durch B.
104. Rollende Walze (Nr. 225): a) t7 = rcö, weil der Berührungs-
punkt Momentanzentrum; b) weil die Bewegung aus der Translation c
und der Kreisbewegung um den Mittelpunkt besteht.
105. Spurkurve beim Schubkurbelgetriebe (Nr. 226):
0K=» X ^ r cos^ + l cosi^, KM ^ y = xigd-^r sixi%^ + l cosiy tg^.
Dazu r : Z — sin 1^ : sin O". Daraus wären y und ^ zu eliminieren. Man
erhält {x^ + y^){x^ + r' - Vf - 4rV. Setzt man C Jlf = p', i? + -9- = ^',
so lautet die Gleichung der Polkurve in Polarkoordinaten: q =
l —^ , , \ in rechtwinkligen Koordinaten: P(i — xy{x^ + y^) =
# '"T' ' • Ol/D V^
r*(a:*+ y*— ia:)*, wenn a? längs CK von (7 aus gezählt wird.
106. Für die geführte Stange (Fig. 195) (Nr. 227) ist c^^OB
d c
««IcosO", Cy = 0, also , '«= — Z sin ^, mithin a;o = Zcos^, y^== — i sind.
(Das Zeichen darf nicht Wunder nehmen, denn wenn OB als rtr-Rich-
tung genommen ist, so muß OÄ die negative ^-Richtung sein.) Mit-
hin Xq^ + y^ « V Gleichung der Spurkurve. Dagegen
a© = sin^ ^^ ^ 2 '^^ "~ ^^^ ^'^)' h^-^ --Imi^ Qos%' ==^ ^ — l sin 2'ö'.
Mithin ia^ "~ o V "^ ^o* "^ 4 ^* Gleichung der Polkurve. (Kreis durch
den Anfangspunkt.)
107. Polbahnen des fallenden Körpers (Nr. 227): M liegt
auf der Horizontalen durch den Schwerpunkt im Abstand x, so daß
xm ^ gtf also a = • Da die Höhe von M gleich y = « gt^, so ist
CO M
1 CO*
y « ^^ x^ die Spurkurve (Parabel). Für die Polkurve nehme man
die Polarkoordinaten bezogen auf den Schwerpunkt und eine feste
Richtung im Körper: x= , O* = co^. Mithin Spurkurve: a; = -,^,
(ö ' * <0'
eine archimedische Spirale.
108. Relatives Momentanzentrum (Nr. 230): Das der Kurbel*
gegen den absoluten Raum liegt in 0^ das des Kolbens gegen den
absoluten Raum im Unendlichen senkrecht zu OKj also liegt das
gesuchte Momentanzentrum erstens auf einer Senkrechten durch 0 zu
OK Das Momentanzentrum der Kurbel gegen die Lenkstange ist (7,
das der Lenkstange gegen den Kolben ist K, also liegt das gesuchte
Momentanzentrum zweitens auf CK Deshalb fällt es mit 2> zusammen.
622 Verzeichnis und AafiÖBiing der Aufgaben.
lOQ.RelativesMomentanzentrumbei derScbwinge(Nr.230):
Es liegt im Schnittpunkt Ton AB mit OCy» Beweis wie bei 108.
110. Verschiebungsplan (Nr. 230): Momentanzentrum M Yon
5, 6, 7 auf einer Senkrechten zu 0(7 in (X und auf 2. Momentan-
zentrum von 1 und 2 ist 0, Das von 4 liegt einmal auf 1, dann
auf der Linie durch M und den Knoten, in dem 4, 7 zusammenstoßen.
111. Beschleunigung der Walzenmitte (Nr. 234): G)(r — rQ)
ist der Ebene parallel und gleich rcb; (0(0)^ — ^0)) ist gleich reo' und
auf den Berührungspunkt (Momentanzentrum) zugerichtet, g = 00,
also f^« — reo und — (or^ gleich reo' und vom Berührungspunkt
fortgerichtet. Die beiden letzten Bestandteile heben sich also auf und
es bleibt rü parallel zur Ebene.
112. Walzen übereinander (Nr. 234): Betrachten wir den
Punkt auf der Vertikalen in der Entfernung x unter dem Mittelpunkt
der oberen Walze. rQ^o -_^-, also Mittelpunktgescfa windigkeit der
9* I rt
oberen Walze v = r^ - - = or (an sich klar). Deshalb vertikale Be-
schleunigung (nach unten positiv gerechnet) -^ xo^^ a)*( - , xL
also Null für X = , •
113. Gleitfreier Antrieb einer Walze (Nr. 239): N^G,
mrü ^H+ R, Tu ^ HQi - r) - Rr. Daraus R = ^(-,x^ - 1),
wenn 6 Trägheitsradius bezogen auf den Mittelpunkt. R \ ^ fN er-
gibt -^--/•J^Ä^^-- + r|- Für fr^O muß also Ä =
- =« Z, d. h. gleich der reduzierten Pendellange für den Berührungs-
punkt sein.
114. Herabgleitender Stab (Nr.239): 1. my^-my + N + K',
2. mx = -R + N' (N, R am Boden, iV', R' an der Wand); 3. Tm
= Na cos &-- Ra sin ^ — N'b sin d' — Rb cos &. Dabei R = fN,
R = fN\ X ^b cos -Ö-, y = a sin 0". m ^ — d:
115. Fallender Stab (Nr.239): a) ohne Reibung: 1. wy =
— mg + iV; 2. mx = 0; 3. T^w ^ — Na cos d; Dabei y == a sin ^,
öj — ^. Der Schwerpunkt fällt also vertikal herab. Durch Elimination
von y und N erhält man eine Bewegungsgleichung für d; b) mit
Reibung: .1. der untere Punkt haftet: mx ^ R, m'y ^ — mg + N,
(Tg + mn^) cb «* — mga cos d: y = a sin ^, a? « a cos d-. Daraus sind
d; Ny R zu berechnen. Die Voraussetzung ist solange erfüllbar, als
yeizeichnis und Aufldsang der Aufgaben. g23
JBj </'iV bleibt; 2. der untere Punkt gleitet der J^-Richtung entgegen:
mx = JJ, my ^ — mg + N, T,(b = — Na eos^ + Ra sin^. Dabei
R « fN, y = a sin ^. Elimination von -N, JB, y gibt zwei Differential-
gleichnngen f&r rr, ^.
116. Abheben eines Gewichtes (Nr. 239): 1. Das Gewicht
bleibe auf der Platte: m'w « m'g — Nj Tg) = mgs + Na^ w = aö.
Daraus folgt cb = -^'^^^ und JV^ « m> (l - "^^f^^"^ . Wegen
J?'> 0 muß T + w'a* > mas + ma^,. d. h. a < — = Z sein. Das Ge-
wicht hebe sich ab: w ^ g^ Tunings, w<iaa) gib^ a> — = Z.
Beide Möglichkeiten schließen sich tatsächlich aus. 2. (7 + m'd^)ai
= {mgs -|- w'^a) cos -Ö-. m'ao) = w'^ cos d' — N,— m'aa^ = m'g sin-Ö* — R. .
Daraus berechnen sich N==' m' (|^ cos-Ö* — acb) «= m'^ cosd ( 1 — ^yV"^? )•
i? = t»'^ sin 0" + w'ao', was nach dem Energiesatz (§ 44) (jr+ w'a*)©*
— (w^5 + w'5fa)sind ergibt JJ = m'5fsindf 1 + 2 -|ft^ j- R<ifN
liefert die Grenze: tir 0" < ^ , , ^ . ^ • Wird dieser Winkel über-
schritten^ so gleitet der Körper und es gelten die Gleichungen jTcb
= mgs cos ^ + Nx, m'(x — xool^) == m'g sin ^ — i?, w'(a:(b + 2xm)
« wflf cos %• — Ny ü = /*i\r. (a: die variabele Entfernung. Unbekannte:
d-y X, N.) Das gilt solange, als N> 0 bleibt. Dann fliegt die Last
frei davon.
117. Rollpendel und anderes (Nr. 241): T.ü ^ - Ns sind-
— iJ(scosd — r), mx=-R, my = — If + mg. Dabei a: = s sin -ö' — r-ö',
y = 5 cos 0". Durch Elimination von N^ R folgt die alte Gleichung.
Zu 113: {T^-\- mr^)i) ^=^ Hh usw. Zu 114: Bezogen auf den unteren
Punkt: T^ü — mxa sin -Ö* — mya cos ^ =» mga cos 0" — jy'(a + 6) sin 0*
— jB'(6 + 6) cos ^ usw.
118. Arbeit zur Bewegung einer Walze (Nr. 244): J. « -E
11,., 1 8000 ,. 1 /«100\> . „c.c\ri 1,
118a. Energiegleichung des fallenden Stabes (Nr. 246):
-^{T^iQ^ + mx}+ my^) + wjfy =« Ä. Die Normaldrucke stehen senk-
recht auf ihrer Bewegungsrichtung. Von der Reibungswirkung ist
abgesehen. ^
119. Trägheitsmoment der Kugel (Nr. 256): T- C~Q^%dz,
Dabei Q^ = R^-z\ also T^ \ %{r^z- Ji^V-f \ ^')r^=^^^'-
624 YerzeichniB and Auflösung der Aufgaben«
120. Trägheitsmoment des U-Eigens (Nr.258): jP= 1475mm».
T « 33 cm*.
120a. Goriolisbeschleunigung bei Ostbewegung (Nr. 269)
liegt in der Ebene des Parallelkreises auf die Erdachse zugerichtet
und ist gleich 2(ov^.
121. Radiale Bewegung als Relativbewegung (Nr. 269):
f Relativbeschleunigung, — ro' und rü Komponenten der Führungs-
beschleunigung; w^ liegt senkrecht zu cö und v^ also in der Ebene
senkrecht zum Radius und hat die Größe 2f(D.
122. Rotationsenergie (Nr. 270):
-Er -* 2 S äm[{a}^0 ■ - ffl,y)> + {c3,x - ö,^)« + (o,y - Oyi?)«]
Am elegantesten folgt das Resultat mittels der Dyadenrechnung (siehe
Anhang IV). «T = S ^^ s{(08) = — S ^^ s(s(o) == — S äm{s f s) • 5
=« >i • ©, wo
die Trägheitsdjade ist. Damit ist U resp. IF aus Nr. 271 gewonnen,
woraus die Formel für E sofort aus £ = y S ^^ ^^' "■ y ö • S dins{a}8)
■« -g- (ö • / folgt.
123. Analogie zwischen Rotation und Translation (Nr.273):
Sofort zu sehen. Wegen dieser Analogie wird in englischen Büchern
auch mv vielfach Impuls genannt.
124. Kreisel (Nr. 282): C= y • 8 • 5*3t = 7850 gcm^ ^-5
= n\ f^jtn + x^r^stii)dx^ \r^7tfil(r^+ J Z«)-3990gcm«. 7-Cö
30 sec
125. Gestoßener Kreisel (Nr.282): JJ== 98100 • 5 Dyncmsec
== 490500 ^^^ • Also springt der Impuls um den Winkel d'^ zur
sec
Verzeichnis und AnflOsang der Aufgaben. 625
Seite, für den tg ^^ = , d-^ — 30^ 49'. Nachher wird um diese
neue Richtung von J die Figurenachse auf einem Kreiskegel vom
Winkel ^^ rotieren.
126. Energiegleichung in einem fallenden Fahrzeug
(Nr. 294): —dmv^'-dmgz\ = / dk^v^dt^ wo z die Relativhohe.
127. Direkte Erklärung der Scheinkräfte (Nr. 294): 1. Fällt
ein Punkt auf der Erde, so bringt er aus der Höhe eine größere
Geschwindigkeit mit, als sie die Erdoberfläche besitzt. Daher wird
er der Erde voreilen, d. h. nach Osten abweichen. Dasselbe gilt f&r
einen im Meridian nach Norden fahrenden Zug: er bringt aus den
niederen Breiten eine größere Absolutgeschwindigkeit nach Osten mit,
die durch die Schienen zwangsweise reduziert wird, daher der Druck
nach Osten. 2. Das q der Erde kann mau in o sin/3 um die Verti-
kale und CO cos /3 um die Horizontale zerlegen {ß geographische Breite).
Letztere hat keinen Einfluß auf das Pendel, erstere dreht die Um-
gehung des Pendels gegen dieses, scheinbar also letzteres gegen die
Umgebung, was wegen A = co sin /3 und der Kleinheit von X gegen a
mit Nr. 291 übereinstimmt.
128. Gebremstes Fahrzeug (Nr. 294): Beim Bremsen besteht
eine nach vorn gerichtete Scheinkraft, gegen die man sich unwillkür-
lich zurückneigt. Hört das Bremsen plötzlich auf, so fällt auch die
Scheinkraft fort und es entsteht eine Störung des Gleichgewichts, die
die Gefahr des RückwärtsfaUens mit sich bringt.
129. Elastischer Stoß gleicher Massen (Nr. 295): 6 « 1,
M =^ m gibt aus I sofort U^^u^, m, =« Uy.
130. Stoß gegen die ruhende Erde (Nr. 295): Jlf=oo gibt:
11^=" Ulf Mg= — aWi+ £?7i, also bei ?7"j=0, Wg» — «Wj, JE^
f(i-OV-
131. Restitutionskoeffizient des Balls (Nr. 295): Verlust
an potentieller Energie % des alten Betrages, also derselbe an kine-
tischer Energie, da während der stoßfreien Epoche keine Energie ver-
loren geht. Mithin 1 — a* = - ^ £ =» — .
132. Plötzliches Anhalten eines Stabes (Nr. 302): rr = 0,
0 = 0, also coi— — t?^- «« — t;-^- =- — t?g¥ = — 5,625. Ä,==wy(r'i
+ ♦"''-978-1 (-rl + «')-r6 •^'9,81 = 2,238eckg. Ä,-0.
Hamel: Elementare Mechanik. 40
626 Veraeiclmis und Auflösmig der Au%abe&.
133. Doppelpendel (Nr. 309): Tj^^^ -^ — mjgaQm» + Hcgos&
— Vc sin d', Tjjs ip =» Hb sin tp — Vh cos 9, mn^ = »hi5' — Vf ^nV^
=«« — Ä Dabei a^ «= c cos d + 6 cos g?, y* — c sin d + 6 sin 9. Elimi-
nation von H und V gibt die gesuchten Gleichungen.
134. Doppelwalze (Nr. 309): 1. muij = .W' sinqp — U' cos^,
^iii/n =^ ■" ^'hiä' + ^' ^^^ 9> + -R' sin 9, Tj^gip = iTa. 2. miij* =
— -W^ sin 9 + 2J' cos qp + JB, 0 =* — m^g — A'^' cos 9 — JB' sin q> + N^
y^ ^ ^ = jR V — ür. Dabei ist: a^i* =» a; = r^ + const., a;£ = ar +
(r + a) sin 9; ^5 = r + (r + <») cos 9. Elimination von iJ', N\ R, N
gibt zwei Bewegungsgleichungen. B^\<^fN, \R <CfN gibt die
Schranken, innerhalb deren die Torausgesetzte Bewegungsart mög-
lich ist.
135. Schwinge (Nr. 309): Tjd^ = Mj^ - Hr sin» - Vr cos *;
tWjji^ = -X — JET, Wui/n =" i^ ~ ^7 ^n,*? =* -^n ~ -^^ ^^^ qp — Fa cos qp
— Ä'ft sin q> - F'6 cos g?; Tni^ = ^ra + J^'^' sini? -f FV cos iy. (Da-
bei sind die M, X, Y die wirkenden eingeprägten Momente resp. Kräfte.)
Elimination von Hj V, H', V ergibt eine reine Bewegong^leichung.
Zwischen ^, (p, ij bestehen die Gleichungen: r cos-ö* + (a + b) cosq>
— r cos ri = 00\ r sin -ö* « (a + 6) sin qp + / sin rj. Endlich ist x
= r cos #• + a cos g?, y^'^ r sind' — a sin (f.
136. Weiteres über die Doppelwalze (Nr. 310): 2A = £* +
2 ;; lg(^ + J'), « » - iYf + 2 ; lg(p+^-+i3 ,)• ^ür ^- ^ wer.
den ^===l/.^+2-;ig(-^-+i:) uud 0,»^ -«:]/.«+ 2^1g^ + ^
137. Dreifaches Pendel (Nr. 310): 1. Für den dritten Körper
in bezug auf das dritte Gelenk C: Tjjj gii^ — ff^n^Xi^Sjj^suitl; +
mjji yjjj «ni cos ^ « — ^ii^^^ni süi ^- 2. Für die beiden letzten Körper
in bezug auf das zweite Gelenk B^ nach Abzug der ersten Gleichung:
^n^s^F - »»n*n% ^^ 9 + ^^Vn^ c<)sg? — n^'d^hi ^^^ V + ^mVinJu
cos (jp « — nijiS^g sin qp — ^^^hn9hi ^^^ 9- 3. Endlich für das ganze
System in bezug auf den ersten Drehpunkt Ä nach Abzug der ersten
und zweiten Gleichung: Tj gd — miSjäj sin d" + %$!% cos d — (wuüu
+ %n^ni)^ sin d' + (m^jy^ + mj^Vm) ^i cos -fr = — mjgSj^ sin 6» — (t»n
-f nijjj)gli sinO". Dabei 0-, qp, ^ die drei Drehwinkel, l die Langen
von ^ zu £ zu C, 8 die Schwerpunktsabstande. Xj « 5j sin d, y^ ==
Sj cos -O^, Xjj =* ij sin 0" + «n sin qp, ^n "^ ^ cos -ö" + «n cos % Xj^ = Zj sin ^
+ Zji sin qp -f Sjjj sin ^, ^uj = Zj cos d + l^ cos qp + Sj^ cos V'. Zur Theorie
der Gelenksjsteme siehe außer Heuns Kinematik noch seine Arbeiten:
Die Bedeutung des D'Alembertschen Prinzips für starre Systeme und
Gelenkmechanismen (Archiv für Math.) und Zeitschr. für Math. u. Phys.,
Bd. 56 (1908), sowie das Buch von Otto Fischer: Theoretische Grund-
lagen für eine Mechanik der lebenden Körper.
Verzeichnis und Auf lösnng der Aufgaben. 627
138. Zugbrücke (Nr.313): G^dz^ — Q^Sz^^O, also G^z^-G^e^
= const. Nun ist: z^^r cos g?, z^ = 8 cos %• = 8^ "", "" - • So-
mit ggrcosy- Gi^ ^ ^^^ ^ - G^8 \„^— , weil r«0
möglich sein soll. Mit ^* =h wird daraus r ^ 21 — b cos 97^ die
Oleichung einer Herzkurve.
139. Robervalsche Wage (Nr. 313): Weil sich die virtuellen
Wege nicht ändern. Denn FG und JH sind parallel geführt.
140. Oleichgewicht zweier Massenpunkte (Nr. 313): m^gdz^
+ Wii^rdXji^ 0. x^+ li?^ {l ^ a^i)* (Z Länge des Fadens, h Abstand
der Bolle von der Führung). Also oc^dx^^ — dxy^i} — x^. Somit
mj > n»ii ist nötig.
141. Lagerreaktion des Erdbebenpendels (Nr. 819): — if=«
.. . ..
m{c + Id" cos & — Id'^ sin -ö*) = w(6* + Z^) =» — wi^f-ö*, w. z. b. w.
142. Schaukel (Nr. 312): ^ (2ri + mnZ*eos«d)©«-[m,K« + /)
H- ^^^Z] • cos ^ » %. Denn 2(d cos 'O' ist die Geschwindigkeit des Brettes.
Durch den beweglichen Punkt rn kommt zur kinetischen Energie hinzu
-m'(i*+ x^iD^)y zur potentiellen der Schwere: — m'gx cos-ö*. Für den
Punkt gelten die Bewegongsgleichongen: fn(x — xo^) == X + mg cos d',
m\xG) ■{- 2x(o) ==> Y — mg Bind', X, Y sind die Kraftkomponenten,
welche die Stange auf den Punkt ausübt. Die relative Arbeit dieser
Kräfte ist also I Xdx^-^m\x^ — x^) — mf (o^x dx — m'g j cos d'dx.
Nicht periodische Glieder geben — wt' / cj^xxdt und — m'g j cosO'i;ä^.
Letzteres nämlich + m'g f sin* irfncos O*« 1 — ö ^^^*y)' ^*®^®^
Glied stört die Schlußfolgerungen des Textes nicht. Damit positive
Arbeit geleistet werde, muß i > 0, wenn a> klein, d' groß, i < 0,
wenn o groß^ d klein. IQeine d aber fallen tatsächlich mit großen cd
zusammen und umgekehrt.
40
Namenverzeichnis.
(Die angegebenen Ziffern beziehen aicli auf die Nnmmern.)
Abraham 373
Airy 200
d'Alembert 9. 44. 71. 77.
192. 193. 816. 361
Allan 69
Amonton 183
Ampäre 282
Appell 9. 106. 184. 388
Aichimedes 63. 141. 142
Ariatoteles 141. 312. 318
Atwood 215
Babo 60
Bach 373
Bacon of Vemlam 8. 21
BaU 134
Benedetti 21. 112
Bernonilli, D., 44. 150. 381
Bernouilli, Jac., 150. 350.
361
Bernouilli Joh., 150, 312
Betti 97
Boltzmann 9. 106. 207. 209.
812. 333
BoBCOwich 106
Boussiaesq 378. 381
Brauer 259
Brennan 280. 838
Brillouin 381
Bruns 105
Burkhardt 361
Caratb^odory 381
Camot 303
Cauchy 373
Ohandler 266. 282
Charlier 106
Ghasles 262. 284
Clairaut 31
Clausius 381
Clebsch 373
Coriolis 31, 150
Coulomb 59. 150. 183
Cremona 171. 173. 174
Ouimann 118. 119. 254
Darbouz 9. 44. 45. 218
Delaunay 333
Descartes 77. 299. 303
Despeyrous 9. 333
Dettmar 60
Dinchlet 323. 861
Disteli 232
Douglas Galton 60
Duhamel 388
Duhem 44. 818. 873
Ehrlich 200
Engesser 174
Enzyklopädie der mathem.
Wissenschaften, Band. II
Burekhardt und W. F.
Meyer 97
Bd IV, I.Teil, I.Hälfte:
Art. 1. A. Voß 9. 11. 12.
18
2. E. Timerding 134
3. Schoenflies, Grüb-
ler 286
4. Jung 259
6. Henneberg 118.
174, 314
„ 6. Stäokel 9. 284
I. Teil, 2. Hälfte:
Art. 7. :^urtwängler 142.
241
10. y. Mises 60. 183.
200. 218. 293.
321. 347
11.12.13. Stäckel333
U. Teil, 1. Hälfte:
Art. 14. Abraham 373.381
„ 16. 16. Love 381
„ 17. Finsterwalder69.
381
18. Cranz 69. 3B1
19. Zemplen 381
20. Forchheimer 881
21. Grübler 881
22. Kriloff- Müller
11
«1
»1
11
11
11
Art. 28. Beißner 878
„ 30. Prandtl 878
Band V, I. Teil:
Art. 2. Zenneck 98
8. Bryan 881
4. Hobson 381
11
11
11
4. Dießelhorst 881
11
11
11
11
11
381
II. Teil, 2. Hälfte:
Art. 23. C. H. Müller -
Timpe 373. 381
24. Tedone 373
25. Tedone - Timpe
373
„ 26. Lamb 373
„ 27. V. K4rm&n 373
11
11
„ 5. Prandtl -Schröter
381
Band VI 105
Euler 9. 26. 71. 150. 180.
218. 223. 260. 281 284.
850. 861. 381
Eytelwein 183
Felgenträger 142. 241
Finger 373
Finsterwalder 69
Fischer, K., 28
Fischer, 0., 13, Aufgaben-
Verzeichnis Nr. 187
Föppl 9. 134. 150. 174. 176.
200. 280. 814. 845. 373
Foucault 291
Fourier 361
Frahm 76
Fredholm 359
Fricke 361
Friedel 381
Galilei 9. 21. 22. 24. 32.
70. 77. 84. 112. 303
Galton 60
Gassendi 106
Gauß 72. 97. 98, Anhang
Gibbs 205, Anhang
Giorgini 262. 284
Grashof 150. 232. 285
Gray 9. 285
Green 97
Grübler 235
Guldin 53
Hachette 150
Hamel 5. 209. 328. 824.
327. 381
Hamilton 28. 105. 838
Heimann 60
Helmholtz 83. 833. 381
NamenverzeichniB.
629
Henneberg 174
Hertz, H., 9, 146. 303. 324.
878
Heß 276
Hessenberg 261
Hetin 8. 9. 184. 200. 218.
286. 264. 878. 801. 816.
821. 827. 828. 888. 860,
Anfgabenverzeichnis 187
Hubert 6. 866. 867. 368.
369. 861
Hirn 60
Hooke 87. 46. 370. 378
Hort 76. 200. 840
Hnrwitz 840
Huyghens 26. 77. 808
Jacobi 106. 883
Jatho 164
Janmann 9. 206. 379, An-
hang
Jellett 60
Jordan 361
JordanuB de Nemore 77.
112. 818
Kamerlingh Onnes 291
Kant 8. 9. 14
Kater de 196
Kepler 32. 98
Kirchhoff 9. 41. 97. 284. 378.
381
Kirchweger 60
Klein 184
Klein-Sommerfeld 264. 266.
278. 282. 284. 323. 388.
340. 846
fijieser 861
König 9
Königs 286
Kopemikns 82
Korn 97. 861
Kowalewski 861
Lagrange 9. 106. 316. 323.
328. 833. 840. 881
Lamb 846. 881
Lanchester 69. 381
Laplace 97. 106
Lasche 60
Leibniz 77
Legendre 92
Lie 106
Lionardo da Vinci 77. 313.
Lößl 69
Lorentz, H. A., 881
Lorenz 76. 200. 218. 821.
846. 881
Love 810. 378
Ladewig 294
Mach 9. 69
Maggi 333
Manderla 174
MarcolonffO 9. 134. 236. 883
Marcus Marci 803
Mayer, R., 83
Maxwell 173. 174. 200. 340
Meyer, 0. E., 878
Minding 134
V. Mises 60. 64. 76. 166. 200.
218. 298. 294. 321. 361. 381
Möbius 28. 133. 134.262.284
Mohr 173. 174. 266. 814
Morin 69. 160
Müller -Breslau 166. 173.
174. 814
Natorp 9
Neumann, F., 373
Newton 6. 7. 9. 26. 32. 88.
89. 47. 68. 77. 96. 98.
106. 204. 808
Oseen 381
Painley^ 60
Perry 150. 284
Petroff 60
Picard 97, 861
Planck 381
Plücker 126. 184, Anhang
Poincar^ 8. 9. 106. 236.
881#869. 361
Poinsot 150. 262. 284
Poirde 60
Poisson 97. 106. 106. 303.
833. 878
Poncelet 160. 301. 303
Prandtl 69. 212. 280. 881
Prasil 881
Prony 144
Badinger 308. 321. 847
Ramsauer 808
Rayleigh 69. 369. 878
Redtenbacher 160. 183. 218
Reißner 76
Reuleaux 282. 286
Reynolds, 0., 60. 242. 381
Riemann 97. 361
Ritter, A., 128. 160. 169.
174
Robins 300
Routh 9. 67. 97. 134. 200.
269. 284. 308. 323. 883.
340. 849
Runge 381.
Saint V^nant 803. 860. 878
Schell 1. 9. 97. 134. 286
Schilling 282
Schlick 218. 280. 846
Schlink 174
Schmidt, Erb., 861
Schubert 218
Schur, F., 173. 174
Seliger 98
Siacci 44. 46
Siemens 200. 293
Skutsch 347
Sommerfeld 60. 84. 214. 881
Steiner 196
Stevin 44. 67. 77
Stodola 200. 298. 881
Stribeck 60. 805
Study 134
Sturm 883
Tait (siehe auch Thomson)
9. 286. 308
y. Tetmajer 878
Thomson (Lord Kelvin) 9.
97. 236. 280. 284. 308.
838. 834. 840. 360. 878. 881
Thurston 60
Timerding 134
Timpe 378
Tisserand 105
Todhunter-Pearson 378
Tolle 200. 321
Toricelli 316
Tower 60
Tycho de Brahe 82
Varignon 9. 112. 118. 160.
164. 312
Veitmann 841
Voigt, W., 308. 870. 378.
881
Volterra 824
Wallis 803
Warburg 60
Weber 361
Webster 9. 97. 184. 236. 284
Weisbach 146. 183
Weyrauch 381
Whittaker 9. 106. 338
Wiehert 60
Wiechert 78. 76. 98, Auf-
gabenverzeichnis Nr. 66
Wieghardt 174
Wien 881
Wischnegradsky 200
Wittenbauer 821
Woronetz 824
Wren 34. 308
Wright 280
Zeuner 881
Sachregister.
(Die beig«f>en Ziffern beziehen sich »af die Nummern.)
Abflolate und relative Änderung eines
Vektors 268
Adiabatisch S71
Äquivalenz von Kräften 111. 192
Ausschnitt einer Natuiersoheinung 21.
28. 41. 46
Äußere Kräfte 48. 107. 111. 206
Äußeres Produkt 100, Anhang
Affinit&t 866
Allansches Gesetz 69
d'Alembertsches Prinzip 194. 197. 201
Amplitude einer Schwingung 86
Anfahren eines Zuges 287
Anziehung von Kugeln 96
Arbeit 77 ff.
Arbeit der inneren Kräfte 109. 286. 866
Atwoodsche Fallmaschine 67. 216. 216
Auftrieb 68
Auslauf eines Rades 214
Automobil in einer Kurve 68 a
Axiom 6
Axiome der Mechanik 48. 62. 118. 178.
Azimut 260 [208
BaUistik 69
Ballistische Kurve 71
Ballistisches Pendel 800
Ballistisches Problem 71
Beanspruchung durch Biegfung, durch
Schub usw. 168. 166. 201
Belastung, kontinuierliche 162
Belastungslinie 187
Beschleunigung 26. 27
Beschleunigungspol 288
Beschleunigungsvektor 26
Beschleunigungszustand bei der ebenen
Bewegung 238
Bewegung, absolute 16 ff.
— , Beobaohtungsmethoden 18
— , relative 29. 267 ff. 289 ff.
— , gleichförmige 16. 18
— , stationäre 67. 191. 847
Bewegungsbegriff 11
Bewegungsgleichungen allgemeiner Sy-
steme 107. 108. 204. 206. 207
— biegsamer Seile 846
— von Drähten 860
— elastischer Körper 362 ff.
— von Flüssigkeiten 877 ff. 880
— des Schwerpunktes 61. 206
Bewegungsgleichungen starrer Körper 20S
— starrer Körper in der Ebene 236
— starrer Körper im Baume 274
Bewegungsschraube 264
Bewegung der Erde 10. 290
Biegung 167. 166
Biegungsmoment 167 ff.
Bilineare Form 869
Bockleiter 162
Bohrreibung 146
Boltzmannsches Grundgesetz 207
Briefwage 142
Bröckenwage 168
Chandlersche Periode 266
Coriolisbeschleunigung 81. 289. 290
Coulombsches Beibungsgesetz 69
Culmannsche Gerade 119
— Trägheitsellipse 264
Dampfmaschine 166. 226. 228. 246. 804.
Dämpfung 72. 884 ff. [320. 821 ff.
Definition 6. 10. 87
Deformation, endliche 862 ff.
•—, unendlich kleine 861. 870. 871
Dekrement 72
Deviationsmoment 198. 247. 381
Deviationswiderstand 288. 292
Differentialgleichung, lineare 866 ff.
Dimensionen 17. 49. 81
DirichleU Stabilitätssatz 323
Dissipative Kräfte 834
Dissipatlonsfunktion 884. 880
Divergenz 866, Anhang
Doppelpendel 276. 810. 880. 848
Draht, Kinetik desselben 860
Drehpol 280
Drehschemel 212
Drehstoß 296
Dreiecksfachwerk 168
Druck 4. 89. 168. 167
Dmckkurve 176
Druckmittelpunkt 136. 176
Drucksinn 4. 39
Dyade 206, Anhang
Dyn 49
Dyname 126
Dynamometer 46
Ebbe und Flut 290
Ebene Bewegung 20. 219
Sachregister.
631
Eigenfrinktion 861
Sigenschwingnng 76
SiBOibahiizug 68 a. 84. 110. 887. 843
Elastisches Potential 869
Elektromotorische Kraft 48
Eingeprägte Kräfte 58. 193. 308. 312
Einschienenbahn 280. 888
Elliptische Integrale 91
Energie 77fir.
— , innere 868
Energiegleichung 90. 244 ff. 285. 819. 371
Energie, potentielle 86
Energiesatz 77. 109. 287. 819
Entropie 868. 371. 374
Erg 81
Erstarmngsprinzip 151. 178. 809
Enlersche Formel für Treibriemen 180 a
— Geschwindigkeitsformel 222. 223
— Gleichungen f&r den Kreisel 281
— Periode 282
— Winkel 261
Fachwerk 167 ff. 814
Faden 66. 178 ff. 846 ff.
Fadenpendel 72
Fahrplan, graphischer 18
Fallbewegang 21. 70
Fallgesetze 28
Federkraft 37
Feder schwingende 36 ff.
Flächengeschwindigkeit 82. 108. 212
Flächenkräfte 42
Flächensatz 103. 212
Fiaschenzng 181. 818
Flogmaschinen 69. 280
Flüssigkeit, ideale and zähe 872. 876. 877
Förderkorb 25
Foucanlteches Pendel 291
Fooriersche Reihen 35. 861.
Freie Achsen 218
Freie Energie 871
Freiheitsgrade 62. 192
Fühnmgsbeschlennigang 80. 269
Fühningsgeschwindigkeit 29. 267
Ganßsche Konstante 98
Ganßscher Satz, Anhang
Gegenwirkungsgesetz 89. 48. 106. 804
Gelenkträger 152
Geschwindigkeit 15. 19. 20. 29
Geschwindigkeitsparameter 265
Geschwindigkeitsvektor 18
Gewölbetheorie 176 ff.
Glatt, vollkommen 65
Gleichgewicht 111. 128
Gleichwertigkeit von Kräften 111. 192
Gleitreibung 69 ff.
Glocke und Klöppel 841. 842
Gradient 85. 88, Anhang
Gravitationsgesetz 96
Gravitationskonstante 96. 98
Greensche Funktion 356 ff.
Grundgesetz (erstes) der Mechanik 47. 819
— (zweites) der Mechanik 328
Grandgleichungen der Thermodynamik
369
— für das Massenelement 47. 48. 204
Guldinsche Regel 58
Gyroskop 880
Gyroskopischer Term 388. 334
Gyrostat 280
Haftreibung 54. 58. 110
Hammerwerk 301
Handkreisel 278
Harmonische Schwingungen 66
Hauptsatz d. mech. Wärmetheorie (erster)
868, (zweiter) 368
Haupträgheitsachsen 218. 249
Hebel 14.1 ff.
Hebelsatz 818
Herpoloide 226. 276
Hilftspolbahnen 231
Himmelsmechanik 95 ff.
Hodograph 28
Holonome Systeme 324
Homogen 3. 368
Hookesches Gesetz 46. 370
Hypothese 6
Hysteresis 376
Impulsion 295. 896. 818. 826. 349
Impulsvektor 102. 210. 272. 296
Inertieregulator 293
Innere Energie 868
Inneres Produkt 78, Anhang
Innere Spannungen (Kräfte) 107. 156.
Integralgleichungen 364 [286. 366
Invariable Ebene 102. 275
Invarianten 112. 364, Anhang
Isotherme 371
Isotropie 863. 868
Kabellegung 348
Katze, beim Fallen 212
Keil 67. 64
Keilsystem 175
Keilverbindung 57
Keplers Gesetze 82. 88. 84. 99
632
Sachregister.
Eettenlinie 180
Kinematik 8. 222 ff. 260 ff.
Kinetik 8. 192. 286. 270. 274
— der isotropen Medien 874 ff.
— der Relatiybewegang 289
Kinetostatik 8. 201. 202
Knetbarkeit 847
Kniepresse 165
Knotenlinie 260
Komet 84
Kompaßnadel 280
Komplex (linearer) 182
Kontaktmethode 18
Kontinnitätsgleichung 879
Körper, fester und starrer 64
Krabn 217
Kraft, Begriff der 1. 6. 89 ff. 48
Kraftgesetz 41
Kraftkreaz 181
Kraftschraube 125. 181
Kräfte, äußere 48. 107. 111. 206
— , dissipative 834
— , eingeprägte 58. 166. 198. 304. 812
— , flächenhaft verteilte 42
— , innere 48. 107. 156. 286. 366
— , konservative 334
— , parallele 185
— , Beaktions- 58. 62. 198. 804. 312
— , Volums- 42
Kräftepaar 114. 115
Kräfteparallelogramm 44. 45. 48
Krilfteplan 170
Kräfteplan von Cremona 171
Kräftepolygon 44. 118
kreiseltheorie 274. 832. 838 ff.
Kreuzkopf 155
Kritische Geschwindigkeit 70
Lager, konisches 145
— , zylindrisches 143
Lagerreaktionen 142. 218
Lagrangesche Gleichungen 324. 326. 329
— , Kraftkomponenten 825
Lagrangesches Prinzip 317
Lagrrangesche Stoßkomponenten 326
— Zentralgleichung 328
Laplacesche Gleichung 97
Latemenaufgabe 17
Lauf wage 142
Lebende Wesen: Mensch und Tier in
der Mechanik 39. 40. 58 a. 189. 199.
212. 294. 297. 322
Lebendige Kraft 78
Lex tertia 39
Lissajous Figuren 20
Y. L5ßls Gesetz für den Luftwider-
Logik, reine 6 [stand 69
Luftfahrzeug 280
Luftwiderstand 68 ff.
Masse 36. 43
Massenadditionsgesetz 86
Massenausgleich 218
Massenbeschleunigung 87
Massengeometrie 8. 247 ff.
Massenkinematik 8. 270 ff.
Massenmittelpunkt 61. 62. 68
Maßsysteme 49
Materielle Bewegung 48
Mechanik, Definition der 1
— , Einteilung der 8
— , Erkenntnisquellen der 8
— , Grundanschauung der 4
Meeresströmungen 290
Mohni(^trilger 168. 169
Mohrsche Trägheitskreise 266
Moment, statisches 108. 112. 114. 127
Moment, graphische Bestimmung 160
Momentanachse 262
Momentankraft 296
Momentanzentrum 224 ff.
Momentenlinie 165
Momentensatz 102. 108. 207 ff.
Nebenspannungen 167
Newtons Gesetz für den Luftwiderstand 68
— Planetengesetz 88. 34. 88
— Grundgesetz der Mechanik 47. 48. 204
Niveauflächen 88, Anhang
Normaldrucke 54 ff.
Nullsystem 129 ff.
Orthogonalftmktionen 868
Ostabweichung der Geschosse, der Winde
290
Pallograph 78
Parallelogramm der Krilfte 44. 45. 47. 48
Pendel, ballistisches 800
— , ebenes Punkt- 66. 72. 90
— , physisches 195. 244
— , reduzierte Länge 196
— , Reversions- 196
— , sphärisches 67
— , umlaufendes 91
Periode 36
Pferdekraft 81
Phase einer Schwingung 35
Phasenunterschied 85
SachiegiBter.
633
PhiloBophia naturalis 88
Phoronomie 8
Photogrammetrie 18
Planetenbewegang 32
Pleuelstange 225
Plötzliche Fizierang 800
Plfickersche Vektoren 126. 132, Anhang
— Gleichungen, Anhang
Poissonsche Gleichung 97
Polbahnen 226. 227
Polhodie 226. 276
Polkegel 266
Polkurve 226
Poloide 226
Polonceauträger 168. 169. 170
Polwinkel 260
Potential 86. 87. 816. 826
Potential, elastisches 869
Präzessionsbewegung 266
Prinzip von d^Alembert 194
— der Gleichwertigkeit der Ursachen 8
— der Homogenität 8. 63. 368
— der Isotropie 3. 68. 368
— der Kausalität 1. 3. 43
— der Klassifikation 1. 3. 24. 34. 37. 41
— der Kontinuität 8
— von Lagrange 317
— der virtuellen Arbeit 312 ff.
— von Toricelli 816
— vom zureichenden Grunde 63
— von der Zerlegung der Kräfte 8. 46
— von der Zusammensetzung der Kräfte
Problem der zwei Körper 99 [3. 44
Problem der n Körper 100 ff.
Pronjscher Zaum 144
Punkt, materieller 60. 106
Rauh, vollkommen 65
Raum 8. 6. 14
Reaktionskraft 58. 62. 193. 304. 312
Reziproke Bewegung 228
— Figuren 178
Reduzierte Pendellänge 196
Regulatortheorie 67. 200
Reibung 66 ff. 148. 146. 242. 297
Reibungskegel 66
Reibungskoeffizient 66
Reibungskreis 143
Reibungswinkel 66
Rheonom 812. 324
Relativbewegung 29. 226. 289 ff.
Relativbeschleunigung 29. 269
Relativgeschwindigkeit 29. 267
Relaxationszeit 72
Resonanz 76. 811. 846
Restitutionskoeffizient 295
Reversionspende^ 196
Rittersche Methode 128. 169
Robervalsche Wage 313
Rollpendel 241. 246
Rollreibung 242
Rollbewegung Yon Schiffen 283
Rotation um eine Achse 213
Rotor 866, Anhang
Schaukel 822
Scheinkraft 201. 289. 294
Scherkraft 39. 166. 167. 206
Schiefe Ebene 66. 57. 64
Schiefer Wurf 22
Schiffskreisel 280. 332. 382 a. 844. 346
Schiffsschraube 288
Schiß sschrauben welle 76
Schmiegungsebene 26
Schmierreibung 60. 148. 144
Schnittmethode 169
Schraube 147 ff.
Schraubenbewegung 262
Schraubenlinie 26. 28
Schubkraft 89. 166. 157. 206
Schubkurbelgetriebe 165. 226. 228. 246.
Schwerachse 138 [804 ff. 820. 321
Schwerkraft 38. 42
Schwerpunkt 186
Schwerpunktsatz 51. 101. 206
Schwinge 225
Schwingung, erzwungene 74. 811
— , freie 35
— , gedämpfte 72. 339. 340
— , ungedämpfte 35
— , kleine 35. 60. 74 ff. 834. 351
— mit Reibung 04
— , reine 85. 353
— um einen Beweg^ngszu^tand 67
Schwingungsmittelpunkt 196
Schwungrad 12. 821
Seil 66. 170 ff. 346 ff.
— , vollkommen biegsames 66. 179
— , stationäre Bewegung des 191. 848
Seilschwingungen 861
Seileck 118. 128
Seilkurve 187
Seilpolygon 118
Seilsteifigkeit 182 ff.
Seismometer 78
Seitenablenkung von Geschossen 290
Selbstsperrung 139
Serpoloide 226
634
Sachregister.
SinuBBchwingung 36
Skleronom 812
Spannung 4. 89. 42. 48
Spannungsdjade 805. 808. 868. 375, An-
Spannnngsfläche 251 [hang
Spurkegel 266
Spurkurve 826. 276
StabUität 328
— der Bewegung 877
Stabpoljgon 118. 154
Stabvertauflchung 174
Statik 8. lllif.
— isotroper Medien 868 ff.
Stationär 67. 191. 847
Statisch bestimmt resp. unbestimmt 189.
SteigYorrichtung 139 [167. 304
Stereomechanik 54
Stemtag 10
Stimmgabelmethode 18
Störung 67. 105
Stokesscher Satz, Anhang.
Stoß 895 ff.
Stoßmittelpunkt 899
Stützfläche 55
Stützlinie 176
Synthetische Methode 151
System 48
Tangentialer Dampfdruck 165
Teilkreise 831
Temperatur, Einfluß auf die Spannungen
— , Einfluß auf die Zähigkeit 878 [871
Thermodynamik 381
Torricellisches Prinzip 815
Torsionsmoment 157
Träger, horizontaler 158 ff.
Trägheitsdyade 850
Trägheitsellipse 253
Trägheitsellipsoid 848. 849. 875. 876
Trägheitegesetz 47
Trägheitshauptachse 849
Trägheitsmoment 194. 212. 247
— , Berechnung 256
— , graphische Bestimmung 257
— , experimentelle Bestimmung 269
Trägheitsradius 195
Tranalationsbewegung 80
Trapez, Schwerpunktsbestimmung 53
Treibriemen 180 a. 347
Trennungsfläche, natürliche 56
Trockene Reibimg 60
Turbinentheorie 294
Obergangsgleichungen 827. 849. 867
Umdrehung der Erde 10. 16
Undurchdringlichkeit 48
Ungleichförmigkeitsgrad 91. 881
Unveränderliche Ebene 102. 275
Ursache 43. 48
Urteil, analytisches und synthetisches 6
Varignons Problem 164
Vektor, Anhang [301
Verlust an lebendiger Kraft beim Stoß
Verschiebung, unendlich klein 282
Verschiebungsplan 830. 314
Virtuelle Arbeit 818. 869
— Verschiebung 318
Wärmeleitung 880
Wage 148. 311. 831. 851
Wagen auf überhöhter Bahn 199
Watt 81
Wegzeitkurve 15
Welle, fortschreitende 351
Welle einer Lavalturbine 76
Westwind 890
Wiegmannbinder 168
Winde 148. 149
Winkelbeschleunigung 86
Winkelgeschwindigkeit 16
Wirkungsgrad einer Maschine 149
Wrensche Eonstante 84
Wurfparabel 88
Zähigkeit 60. 376 ff.
Zahnrad 831. 282
Zapfenreibnng 143
Zeit 6. 10
Zeitmessung 10
Zentralachse 125
Zentralbewegung 32
Zentralkraft 86
Zentrallinie 116. 117
Zentrifugalkraft 66. 198 ff. 889 ff.
Zentrifugalregulator 800
Zerlegung der Krikfte 46
Zug 89. 157. 806
Zugbrücke 818
Zusammensetzung von Bewegungen ttl,
— von Drehungen 264 [WO
— von Geschwindigkeiten 29. 267
— von Kräften 43. 44. 48. 118 ff.
Zustandsgieichung 869. 380
Zweikörperproblem 99
Zykloidenverzahnung 882
Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin.
Meehaniki unter lütwirkung von M. Abraham, C. Granz, P. u. T. Ehrenfest, 8. Finster-
walder, 0. Fischer, Ph. Forcbheimer, Ph. Fnrtw&ngler, M. Grübler, L. Hennebers,
K. Heon, 6. Jnng, A. Eriloff^ H. Lamb, A. E. H. Loye, B. y. Mises, L. Prandti,
H. Beißner, A. Schoenflies, P. Stäckel, 0. Tedone, H. E. Timerding, A. Timpe, A. Yoß,
G. T. Walker, G. Zemplän, redigiert von F. Klein und C. H. Müller. A. u. d. T.:
Encyklop&die der mathematiBchen Wissenschaften. Band lY, in 4 Teilb&nden.
Bisher erschienen :
r TeUlMuid. [XYI n. 691 8.] 1001—1908. Oeli. JL tO.40, in OrlgiiialbMid g«b. JL 84.~
n. — 1. Heit. 1904. JH 4.40.
m. — [XI n. 598 8.] 1901-1908. 6«li. JL 17.M, in OrlginAlbuid g»b. Ji SO.SO.
lY. — 1. Heft. 1907. JL S.60. S. Heft. 1907. JL 5.90. 8. Heft. 1910. JL 8.40.
Bbert« Dr. H.^ Professor an der Technischen Hochschule zu München, Lehrbuch der
Physik. Nach Vorlesungen an der Technischen Hochschule zu München. In
2 Bänden. I. Band: Mechanik und Wärmelehre. Mit 168 Abbildungen. [XX
u. 661 S.] gr. 8. 1912. In Leinwand geb. JC 14.~ [Band II in Vorbereitung.]
Ebner^ Dr. F.^ Oberlehrer an der Kgl. Maschinenbauschule zu Einbeck, Leitfadeu
der technisch wichtigen Kuryen. Mit 93 Figuren. [VUI u. 197 S.] gr. 8.
1906. In Leinwand JL k. —
Föppl, Dr. A.| Professor an der Kgl. Technischen Hochschule zu München, Vor-
lesungen über technische Mechanik. 6 Bände, gr. 8. In Leinwand geb.
LBuid. Binftthrnng in die Mechanik. 4. Anflage. Mit 104 Teztflgnren. [XY u. 424 S.]
1911. v^lO.—
IL — Oraphitohe Statik. 9. Auflage. Mit 176 Teactflgozmi. [Xna.4718.] 1908. UT la—
m. — Fettigkeittlehre. 4. Auflage. Mit 86 Textflgnren. pCYI n. 496 8.] 1909. ^^10.—
rv. — Dynamik. 8., stark Terinderte Aufl. Mit 71 Textflgnren. [Till n. 429 8.] 1909. .^^10.—
V. — Die wichtigsten Lehren der höheren BlattiiitAtttheorie. Mit 44 Figuren,
pm u. 891 S.] 1907. JL 10.—
VI. — - Die wichtigsten Lehren der höheren Dynamik. Mit 80 Figuren. [XII u.
490 8.) 1910. JL1%.—
Fuhrmann, Geheimer Hofrat Dr. Arwed, weiland Professor zu Dresden, Aufgaben
aus der analytischen Mechanik. Übungsbuch und Literaturnachweis für
Studierende der Mathematik, Physik, Technik usw. In 2 Teilen, gr. 8. Geb.
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I. Teil Aufgaben aus der analytischen Statik fester KOrper. 8., Tcrbesserte und Ter-
mehrte Auflage. Mit 84 Teztfignren. [XH u. 906 S.] 1904. Geb. JL. 3.60.
II* — Aufgaben aus der analytischen Dynamik fester Körper. 2., rerbesserte und
Termehrte Auflage. Mit Textflguren. [VI u. 222 8.) 1882. Geb. •Ä4.20.
Orimsehl. B., Direktor der Oberrealschule auf der Uhlenhorst zu Hamburg, Lehr-
buch der Physik. Zum Gebrauch beim Unterricht, bei akademischen Vor-
lesungen und zum Selbststudium. 2. Aufl. Mit 1091 Figuren, 2 fark Tafeln und
Tabellen physikalischer Konstanten und Zahlentabellen, [ca. 1100 S.] gr. 8. 1912.
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Hennebergy Geh. Hofrat Dr. Ij.. Professor an der Technischen Hochschule zu Darm-
stadt, die graphische Statik der starren Systeme. Mit 894 Figuren.
[XV u. 732 S.J gr. 8. 1911. In Leinwand geb. JL 24.—
Heuziy Dr. K., Professor an der Technischen Hochschule zu Karlsruhe, die kine-
tischen Probleme der wissenschaftlichen Technik. Mit 18 Figuren.
[VI u. 123 S.] gr. 8. 1900. Geh. JL 4.—
v.Ihering, Geh. Regierungsrat A., die Mechanik der festen, flüssigen und gas-
förmigen Körper.
LTeil: Die Mechanik der festen Körper. Mit 61 AbbUdungen. [lY u. 114 8.1 8. 1910.
Geh. JL 1^, geb. JL I.2B.
IL ~ [Erscheint Ende 1911.]
m. — [In Vorbereitung.]
Klrohhoft Dr. Quatav, weiland Professor der Physik an der Universität Berlin,
Vorlesungen über Mechanik. Mit Figuren. 4. Auflage, von Dr. W. Wien,
Professor an der üniversitÄt Würzburg. [X u. 464 S] 1897. Geh. JL 13.—
in Leinwand geb. JL 16. —
Verlag von B« 6. Teubner in Leipzig und Berlin.
T^ftiTi^ Dr. F.| Geh. Regieningsrat, Professor an der üniTezsitftt Göttingen, and A«
Somxnerfeldy über die Theorie des Kreisels. Mit zahlreichen Figroren.
4 Hefte, gr. 8.
L Heft Dl» klnem»tltohen und klnetiioben Ornndlagen der Theorie. [TV o. 196 S.]
1897. Geh. M b.W, geb. M 6.60.
n. — Darchführang der Theorie im Falle dee tohweren ejmsietritoheB
Kreiselt. [lY n. 816 S.] 1896. Geh. JC 10.—, geb. M 11.-
TTT- — Die itOrenden Einflütse. Astronomische nnd geophysikalische Anwendungen.
[lY o. 947 S.] 1903. Geh. Md.—, geb. M 10.—
lY. — Die technischen Anwendungen der Kreiseltheorie. Fftr den Drook bear-
beitet u. ergftnit Ton Frits Koether. [lY u. 906 S.] 1910. Geh. JU: 8.—, geb. ^ 9.—
Koenigsberger^ Geh. Rat Dr. L., Professor an der Universität Heidelberg, Hermann
von Helmholtzs' Untersnchungen über die Grundlagen der Mathe-
matik und Mechanik. Mit einem Bildnis H. y. Helmholtzs' nach einer Oiskizze
von F. V. Lenbach. [V u. 68 S.] gr. 8. 1896. Geh. JC 2.40.
— — -«— die Prinzipien der Mechanik. Mathematische Untersuchungen. [XII
u. 228 S.] gr. 8. 1901. Geb. .« 9.—
Lamby H.^ Professor der Mathematik an der yiktoria-Uniyersitftt Manchester, Lehr-
buch der Hydrodynamik. Deutsche autorisierte Ausgabe (nach der 3. eng-
lischen Auflage) besorgt von f Dr. J o h. F r i e d el in Charlottenburg. Mit 79 Figuren.
[XIV u. 788 S.] gr. 8. 1907. In Leinwand geb. UK 20.—
Lanohester, F. W., Aerodynamik. Ein Gesamtwerk über das Fliegen. 2 Bände.
Aus dem Englischen übersetzt von C. und A. Runge.
L Band: Mit Anhängen ttber die Geschwindigkeit und den Impuls ron SchaUwellen, Ober die
Theorie des Segelflnges nsw. Mit 162 Figuren und 1 TafeL [XIY u. 860 S.] gr. 8.
1909. In Leinwand geb. Ji 19.—
II. — Aerodonetik. Mit Anh&ngen Aber die Theorie und Anwendung des Gyroskops ftber
den Flug der Geschosse usw. Mit 90ti Figuren und 1 Titelbild. [XIY u. 897 8.] gr. 8.
1911. In Leinwand geb. M 19. —
IjOYOi A. S. H., Professor an der Universität Oxford, Lehrbuch der Elastizität.
Autorisierte deutsche Ausgabe unter Mitwirkung des Verfassers besorgt von Dr.
Aloys Timpe, Assistent an der Technischen Hochschule zu Danzig. Mit 76 Ab-
bildungen. [XYI u. 664 S.] gr. 8. 1907. In Leinwand geb. «4^ 16.~
Marcolongo, Dr. B., Professor an der Universität Rom, Lehrbuch der theo-
retischen Mechanik. Deutsch von H. E. Timerding, Professor an der
Technischen Hochschule zu Braunschweig. 2 Bände. *
LBand« Kinematik und Statik. Mit 110 Figuren. [YIUu. 846 8.] gr. 8. 1911. Geh. .« 10.— ,
in Leinwand geb. JC 11. — .
II. — [Erscheint Ende 1911.]
Ostenfeld. Dr. A.^ Professor an der Technischen Hochschule zu Kopenhagen, tech-
niscne Statik. Vorlesungen über die Theorie der Tragkonstruktionen. Deutsche
Ausgabe von D. Skouge. Mit 336 Figuren auf 33 Tafeln. [YHI u. 466 S.J
gr. 8. 1904. In Leinwand geb. JC 12. —
Perry. Dr. John, Professor am Royal College of Science zu London, höhere Analysis
für Ingenieure. Autorisierte deutsche Bearbeitung von K. Fricke und Fr.
Süchtin g. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Mit 106 Figuren. [XII u.
464 S.] gr. 8. 1910. In Leinwand geb. JC 13.—
— ^— angewandte Mechanik. Ein Lehrbuch für Studenten, welche Versuche
anstellen und numerische und graphische Beispiele durcharbeiten wollen. Be-
rechtigte deutsche Ausgabe von Ingenieur Rudolf Schick in Berlin. Mit
871 Figuren. [VIII u. 666 S.] gr. 8. 1908. In Leinwand geb. JC 18.—
Poinoaröy Henri, Membre de TAcadämie de France, die neue Mechanik. [22 S]
gr. 8. 1911. Geh. JC —.60.
Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin.
Hoathy Edw^ard John^ weil. Professor an der Universität Cambridge, die Dynamik
der Systeme starrer Körper. In 2 Bänden mit zahlreichen Beispielen.
Autorisierte dentsche Ausgabe Yon Adolf Schepp, weil. Oberleutnant a. D. in
Wiesbaden. Mit einem Vorwort von F. Klein, gr. 8. 1898. In Leinwand geb.
JL 24.—
L Band. Die Elem«ute. Mit 67 Figuren. [XII n. 478 8.] JL 10.—
IL — Die höhere Dynamik. Mit S8 Figuren. [XU n. 544 8.] Ji 14.~
Sohlink^ Dr. W.^ Dipl.-Ing., Professor an der Technischen Hochschule zu Braunschweig,
Statik der Raumfachwerke. Mit 214 Abbildungen und 2 Tafeln. [XIV u.
890 S.J gr. 8. 1907. In Leinwand geb. JC 9.—
Starke, Dr. H., Professor an der Universität Greifswald, experimentelle Elektri*
zitätslehre, verbunden mit einer Einführung in die Mazwellsche
und die Elektronentheorie der Elektrizität und des Lichts. 2., um-
gearbeitete und erweiterte Auflage. Mit 334 Abbildungen. [XVI u. 662 S.]
gr. 8. 1910. In Leinwand geb. «/^ 12.—
Stephan, Regierungsbaumeister F., Oberlehrer an der Egl. Maschinenbauschule zu
Dortmund, die technische Mechanik. Elementares Lehrbuch für mittlere
maschinen technische Fachschulen und Hilfsbuch für Studierende höherer tech*
nischer Lehranstalten. 2 Teile, gr. 8.
I. Teil. Meobanik starrer Körper. Mit 256 Figuren. [YJII u. Sil S.] 1904. In Leinwand
geb. JC 7. —
n. — Festigkeitslehre and Mechanik der flüssigen and gasförmigen KOrper.
Mit 200 Figuren. [YUI u. 382 S.] 1906. In Leinwand geb. JC 1.—
Study. E., Professor an der Universität Bonn, Geometrie der Dynamen. Die
Zusammensetzung von Kräften und verwandte Gegenstände der Geometrie. Mit
46 Figuren und 1 Tafel. [XIII u. 603 S.] gr. 8. 1908. Geh. JC 21.—, in
Halbfranz geb. JC 23.—
Tesar. L.^ Professor an der Staatsrealschule zu Wien, die Mechanik. Eine Ein-
führung mit einem metaphysischen Nachwort. Mit 111 Figuren. [XIV u. 220 S.]
gr. 8. 1909. Geh. JC 3.20, geb. JC 4.—
Tixnerding, Dr. H. S.^ Professor an der Technischen Hochschule zu Braunschweig^
Geometrie der Kräfte. Mit 27 Figuren. [XII u. 381 S.] gr. 8. 1908.
In Leinwand geb. JC 16. —
Volkmaim. Dr. P.^ Professor an der Universität Königsberg i. P., Einführung in
das Studium der theoretischen Physik, insbesondere in das der ana->
lytinchen Mechanik. Mit einer Einleitung in die Theorie der physikalischen Er-
kenntnis. [XVIu. 870 8.] gr. 8. 1900. Geh. UK 9.— , in Leinwand geb. J6 10.20,
Weber^ Dr. H., und Dr. J. Wellstein, Professoren an der Universität Straßburg i. E.,
Encyklopädie der Elementar-Mathematik. Ein Handbuch für Lehrer
und Studierende. In 3 Bänden, gr. 8. In Leinwand geb.
L Band. Elementare Algebra and Analytli. Bearbeitet ron H. Weber. 8- Aoilage,
Mit 40 Figuren. [XYin a. 632 S.] 1910. Ji 10. ~
n. — Elemente der -Oeometrie. Bearbeitet von H. Weber, J. Wellitein und
W. JaoobBthal. S. Auf läge. Mit S51 Figuren. [XH u. 596 S.] 1907. JClf.—
HL -— Angewandte Elementar-Mathematik. S.Auflage. I. Teil: Mathematltohe
Physik. Mit einem Buch über Maxima und Minima von H. Weber nnd J. Wel Utein
Bearbeitet von R. H Weber, Proferaor in Rostock Mit 25i Figuren. [XII u. 5S6 8.]
1910 JC IS.— II. Teil: Graphik, Prinsipien der Wahricheinlichkeitt-
reohnung, Versicherungsmathematik, Astronomie. [Unter der Presse.]
588 S.] gr. 8. 1904. In Leinwand geb. JC 14
Verlag von B. G. Teubner In Leipzig und Berlin
Mathematisch - physikalische Schriften
für Ingenieure und Studierende
Herausgegeben von E. Jahnke.
In BAnden zu 6—8 Bogen. 8. Steif geheftet nnd gebunden.
Die Entwicklung der modernen Technik drflngt auf slArkere Heranziehung der mathematischen
Methoden. Der Ingenieur indessen, welcher bereit ist, sich mit dem nötigen Kfistzeug zu versehen,
sieht sich vergeblich nach kurzen Darstellungen um, die ereignet wlren| ihn schnell in das
besondere Gebiet, das ihn gerade interessiert, einzufahren. — Diese Lflcke will vorliegende Samm-
lung ausfflllen. Sie setzt sich zum 2iel, dem Ingenieur Schriften zu bieten, welche auf etwa
100 Seiten ffir ein eng begrenztes Gebiet die mathematischen Methoden einfach und leichtfaSUch
ableiten und deren Verwendbarkeit in den einzelnen Teilen von Physik und Technik aufdecken.
Dabei kann Vollständigkeit der Beweisffihrung. die vom Standpunkte wissenschaftlicher Strenge
erstrebenswert wäre, hier nicht erwartet werden. Vielmehr wird besonderer Wert darauf gelegt,
Dinge, die fQr die Anwendungen von Wichtigkeit sind, nicht zugunsten wissen-
schaftlicher Strenge zurQcktreten zu lassen. Die Darstellung der einzelnen Gebiete wird
80 gehalten sein, dafi jede ein abgeschlossenes Ganzes für sich bildet.
Bisher erschienene Bande:
I. Einführung in die Theorie des Magnetismus. Von Dr. R.Qans, Professor
an der Universität Tflbingen. Mit 40 Figuren. [VI u. 110 S.| 1906. Steif geh.
M. 2.40, in Leinwand geb. M. 2.80.
II. Elektromagnetische Ausgleichs vorgftnge in Freileitungen und Kabeln.
Von K. W. Wagner, Ingenieur in Charlotten bürg. Mit 23 Figuren. ßV a. 109 S.j
1908. Steif geh. M. 2.40, in Uinwand geb. M. 2.80.
III. Einführung in die Maxwellsche Theorie der Elektrizität und des Ma-
gnetismus. Von Dr. CLSchaefer, Privatdozent an der Universität Breslau. Mit
ildnis J. C. Maxwells und 32 Figuren. [VIII u. 174 S.l 1906. Steif geh. M. 3.40,
in Leinwand geb. M. 3.80.
IV. Die Theorie der Besselschen Funktionen. Von Dr. P. ScbafheitUn.
Professor am Sophien -Realgymnasium zu Berlin. Mit 1 Figurenlafel. [V u. 129 S.)
1906. Steif geh. M. 2.80, in Leinwand geb. M. 3.20.
V. Funktionentafeln mit Formeln und Kurven. Von Dr. B. Jahnke, Professor
an der Kgl. Bergakademie zu Berlin, und F. Emde, Ingenieurin Berlin. Mit ö3 Figuren.
[XII u. 176 S.) gr. 8. 1909. In Leinwand geb. M. 6.—
VL 1 U.2. Die Vektoranalysis und ihre Anwendung in der theoretischen
Physik. Von Dr. W. v. Ignatowski in Berlin. In 2 Teilen.
I. Teil. Die Vektoranalysis. Mit 27 Figuren. (VlII u. 112 S.| 1909. Steif geh.
M. 2.60, in Leinwand geb. M. 3.—
U. — Anwendung der Vektoranalysis in der theoretischen Physik. Mit 14 Figuren.
[IV u. 123 S.) 1910. Steif geh. M. 2.60, in Leinwand geb. M. 3.-
VII. Theorie der KräftepUne. Von Dr. H. E. Timerding, Professor an der Tech-
nischen Hochschule zu Braunschweig. Mit 46 Figuren. [VI n. 99 S.| 1910. Steif
geh. M. 2.60, in Leinwand geb. M. 3.—
Vin. Mathematische Theorie der astronomischen Finsternisse. Von Dr. P.
Schwahn, Direktor der Gesellschaft und Sternwarte „Urania" in Berlin. Mit 20 Fig.
[VI u. 128 S.] 8. 1910. Steif geh. M. 3.20, in Leinwand geb. M. 3.60.
IX. Die Determinanten. Von Geh. Hofrat Dr. E. Netto, Professor an der Universittt
Gießen. [VI u. 130 S.j 8. 1910. Steif geh. M. 3.20, in Leinwand geb. M. 3.60.
X. 1. Einführung in die kinetische Theorie der Gase. Von Dr. A. Byk,
Privatdozent an der Universität und der Technischen Hochschule zu Berlin. 2 Teile.
l, Teil: Die idealen Gase. Mit 14 Figuren. [V u. 102 S.l 1910. Steif geh.
M. 2.80, in Leinwand geb. M. 3.20.
XI. 1. Grundzüge der mathematisch-physikalischen Akustik. Von Dr. A.
Kalähne, Professor an der Technischen Hochschule zu Danzig. 2 Teile.
I. Teil: [VII u. 144 S.j 1910. Steif geh. M. 3.20, in Leinwand geb. M. 3.60.
XII. Die Theorie der Wechselströme. Von Professor Dr. B. Orlich, Mitglied der
physikalisch-technischen Reichsanstalt zu Berlin. Mit 37 Figuren. [IV u. 94 S.] 1912.
Steif geh. M. 2.40, in Leinwand geb. M. 2.80.
XIII. Theorie der elliptischen Punktionen. Von Dr. Martin Krause unter Mit-
wirkung von Dr. Emil Naetsch, Professoren an der Technischen Hochschule n
Dresden. Mit 25 Figuren. (VI u. 186 S.) 1912.
Die Sammlung wird fortgesetzt.
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